Rechtliche Maßgaben für geschlechtergerechte Sprache: Eine Analyse unter besonderer Berücksichtigung des Landes Niedersachsen [1 ed.] 9783428581184, 9783428181186

In der Arbeit geht es um die normative Regulierung einer bestimmten Sprachpraxis. Es wird der rechtliche Rahmen für die

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German Pages 414 [415] Year 2020

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Rechtliche Maßgaben für geschlechtergerechte Sprache: Eine Analyse unter besonderer Berücksichtigung des Landes Niedersachsen [1 ed.]
 9783428581184, 9783428181186

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Schriften zum Öffentlichen Recht Band 1440

Rechtliche Maßgaben für geschlechtergerechte Sprache Eine Analyse unter besonderer Berücksichtigung des Landes Niedersachsen

Von

Annelie Bauer

Duncker & Humblot · Berlin

ANNELIE BAUER

Rechtliche Maßgaben für geschlechtergerechte Sprache

Schriften zum Öffentlichen Recht Band 1440

Rechtliche Maßgaben für geschlechtergerechte Sprache Eine Analyse unter besonderer Berücksichtigung des Landes Niedersachsen

Von

Annelie Bauer

Duncker & Humblot · Berlin

Die Juristische Fakultät der Gottfried Wilhelm Leibniz Universität Hannover hat diese Arbeit im Jahr 2020 als Dissertation angenommen.

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

Alle Rechte vorbehalten

© 2020 Duncker & Humblot GmbH, Berlin Satz: 3w+p GmbH, Rimpar Druck: CPI buchbücher.de gmbh, Birkach Printed in Germany ISSN 0582-0200 ISBN 978-3-428-18118-6 (Print) ISBN 978-3-428-58118-4 (E-Book) Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier entsprechend ISO 9706

Internet: http://www.duncker-humblot.de

Vorwort Die vorliegende Arbeit ist als Dissertation aus dem interdisziplinären Drittmittelprojekt „Geschlechtergerechte Sprache in Theorie und Praxis. Studie zur aktuellen Situation aus linguistischer, phoniatrisch-psycholinguistischer und juristischer Perspektive“ hervorgegangen, an welchem die Verfasserin wie auch die Erstgutachterin Frau Prof. Dr. Brosius-Gersdorf, LL.M. mitgewirkt haben. Die vorliegende Druckfassung beruht auf der im Oktober 2019 zur Begutachtung eingereichten Fassung, die Gegenstand des Promotionsverfahrens war. Im Interesse der Aktualität konnten Literatur und Rechtsprechung sowie der Gesetzesstand überwiegend noch bis Ende Mai 2020 berücksichtigt werden. Großer Dank gebührt Frau Prof. Dr. Brosius-Gersdorf, LL.M. für ihre stete Unterstützung und Ermutigung. Herrn Prof. Dr. Stephan Meder danke ich für die zügige Erstellung des Zweitgutachtens und sein ebenfalls sehr positives Votum. Ferner bedanke ich mich beim Niedersächsischen Ministerium für Wissenschaft und Kultur, welches in der Förderlinie „Geschlecht – Macht – Wissen“ aus Mitteln des VWVorab das o g. Projekt im Zeitraum 2017 bis 2020 und den Druckkostenzuschuss ermöglicht hat. Dem Team des Projektes „Geschlechtergerechte Sprache in Theorie und Praxis“ danke ich für viele Impulse und regen interdisziplinären Austausch. Aber auch vielen weiteren Menschen habe ich für ihre Unterstützung zu danken, insbesondere meiner Familie, die während der Promotionszeit oft zurückstecken musste. Hannover, Anfang Juli 2020

Annelie Bauer

Inhaltsverzeichnis Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13

Erster Teil Einführung in die Problematik geschlechtergerechter Sprache

16

A. Hintergrund der Forderung nach geschlechtergerechter Sprache . . . . . . . . . . . . . . . . . 16 B. Geschlechtergerechte Sprache: Kritische Begriffsbeleuchtung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21 I. Verständnis der deutschen Rechtsordnung von „Geschlecht“ . . . . . . . . . . . . . . . . . 21 II. „Geschlechtergerechte“ Sprache: Diskussion alternativer Begriffsvorschläge . . . . 32 C. Das Spektrum möglicher Formen geschlechtergerechter Sprache . . . . . . . . . . . . . . . . 38 D. Status quo geschlechtergerechter (Rechts-)Sprache in Deutschland . . . . . . . . . . . . . . . 45 E. Geschlechtergerechte Sprache als Wissenschaftsobjekt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 49

Zweiter Teil Überblick über die historische Entwicklung in Deutschland in Bezug auf geschlechtergerechte Sprache und Recht

56

Dritter Teil Rechtlicher Rahmen für die Verwendung einer geschlechtergerechten Sprache durch die öffentliche Hand sowie Private

80

A. Unions- und völkerrechtliche Maßgaben für geschlechtergerechte Sprache in Deutschland . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 80 I. Beinhaltet die Grundrechtecharta Maßgaben für geschlechtergerechte Sprache in Deutschland? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 81 1. Charta-Grundrechte mit Bezug zur Geschlechtergerechtigkeit . . . . . . . . . . . . . 86 2. Art. 21 Abs. 1 GRC: Nicht geschlechtergerechte Sprache als Verstoß gegen das Diskriminierungsverbot wegen des Geschlechts? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 87

8

Inhaltsverzeichnis 3. Geschlechtergerechte Sprache als Gegenstand des Sicherstellungsauftrags aus Art. 23 GRC? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 88 a) Auftrag der Union zur Sicherstellung geschlechtergerechter Sprache in den Mitgliedstaaten? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 89 aa) Auftrag der Union zur Sicherstellung geschlechtergerechter Rechtssprache in den Mitgliedstaaten? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 89 bb) Auftrag der Union zur Sicherstellung geschlechtergerechter Sprache im Privatrechtsbereich? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 93 b) Sicherstellungsauftrag der Mitgliedstaaten bezüglich geschlechtergerechter Sprache aus Art. 23 GRC? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 94 II. Maßgaben (sonstigen) EU-Primärrechts für geschlechtergerechte Sprache in Deutschland? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 95 1. Maßgaben im EUV für geschlechtergerechte Sprache? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 95 a) Art. 2 EUV: Gleichheit als grundlegender Unionswert . . . . . . . . . . . . . . . . . 95 b) Art. 3 EUV: Gleichstellung von Frauen und Männern als Unionsziel . . . . . 97 c) Art. 9 EUV: Gleichheit der Bürgerinnen und Bürger der Union . . . . . . . . . . 98 2. Maßgaben im AEUV für geschlechtergerechte Sprache? . . . . . . . . . . . . . . . . . 98 a) Art. 8 AEUV: Gender Mainstreaming-Ansatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 98 b) Art. 10 AEUV: Bekämpfung von Diskriminierungen aus Gründen des Geschlechts als Querschnittsaufgabe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 100 c) Reichweite der Unionskompetenzen aus Art. 19 AEUV? . . . . . . . . . . . . . . . 101 d) Art. 157 Abs. 3 AEUV: Chancengleichheit und Gleichbehandlung von Männern und Frauen in Arbeits- und Beschäftigungsfragen als entscheidende Kompetenz der Union . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 102 e) Geschlechtergerechte Sprache als „Sprachenfrage“ i. S. d. Art. 342 AEUV? 102 III. Regelungen im EU-Sekundärrecht zu geschlechtergerechter Sprache? . . . . . . . . . 103 1. RL 2006/54/EG zur Verwirklichung des Grundsatzes der Chancengleichheit und Gleichbehandlung von Männern und Frauen in Arbeits- und Beschäftigungsfragen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 103 2. RL 2004/113/EG zur Verwirklichung des Grundsatzes der Gleichbehandlung von Männern und Frauen beim Zugang zu und bei der Versorgung mit Gütern und Dienstleistungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 106 3. RL 79/7/EWG zur schrittweisen Verwirklichung des Grundsatzes der Gleichbehandlung von Männern und Frauen im Bereich der sozialen Sicherheit . . . . 107 4. RL 2010/41/EU zur Gleichbehandlung von Männern und Frauen, die eine selbständige Erwerbstätigkeit ausüben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 107 IV. Sonstige Positionierungen der EU zu geschlechtergerechter Sprache . . . . . . . . . . 109 1. Der Leitfaden „Geschlechterneutraler Sprachgebrauch im Europäischen Parlament“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 109 2. Der Leitfaden „Inklusive Kommunikation im Generalsekretariat des Rates“ 111 3. „Gemeinsamer Leitfaden des Europa¨ ischen Parlaments, des Rates und der Kommission fu¨ r Personen, die an der Abfassung von Rechtstexten der Europäischen Union mitwirken“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 112

Inhaltsverzeichnis

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4. Entschließung des Europäischen Parlaments zu der Informations- und Kommunikationsstrategie der Europäischen Union vom 10. April 2003 . . . . . . . . . . 112 5. Antworten der Kommission auf Parlamentarische Anfragen (E-2188/07, E-2611/09, E-013710/13, E-000248/19) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 113 V. Europarat: Maßgaben für geschlechtergerechte Sprache? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 114 1. Art. 14 EMRK: Akzessorisches Verbot der Diskriminierung wegen des Geschlechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 115 2. Das 12. Zusatzprotokoll zur EMRK . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 117 3. Empfehlung R (90) 4 des Europarates (Ministerkomitee) vom 21. Februar 1990: Recommendation No. R (90) 4 on the Elimination of Sexism from Language . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 118 4. Instruction No. 33 of 1 June 1994 concerning the use of non-sexist language at the Council of Europe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 121 VI. Maßgaben der Vereinten Nationen (UN) für geschlechtergerechte Sprache? . . . . 121 1. Übereinkommen der Vereinten Nationen vom 18. Dezember 1979 zur Beseitigung jeder Form von Diskriminierung der Frau (CEDAW) . . . . . . . . . . . . . . . . 123 2. UNESCO, Convention Against Discrimination in Education (1960) . . . . . . . . . 140 3. UNESCO, 24 C/Resolution 14.1 (1987) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 147 4. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 149 B. Bundesverfassungsrechtliche Maßgaben für geschlechtergerechte Sprache . . . . . . . . . 150 I. Art. 3 GG als Direktive für geschlechtergerechte Sprache? . . . . . . . . . . . . . . . . . . 152 1. Gewährleistungsgehalte und Verhältnis der einzelnen Regelungen des Art. 3 GG zueinander . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 152 2. Verstoß der herkömmlichen Gesetzessprache gegen das Diskriminierungsverbot von Art. 3 Abs. 2 Satz 1, Abs. 3 Satz 1 GG? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 157 a) Diskriminierung durch den sachlichen Regelungsgehalt der einzelnen unter Verwendung generischer Maskulina formulierten Vorschriften? . . . . . . . . . . 158 aa) Herkömmlicher allgemeiner Sprachgebrauch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 159 bb) Zwischenzeitlicher Wandel im allgemeinen Sprachgebrauch? . . . . . . . . 160 cc) Besonderheiten der Rechtsauslegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 161 b) Diskriminierung durch die Sprachformwahl des generischen Maskulinums als solche? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 165 aa) Sprachformwahl als Regelungsgegenstand des Art. 3 GG? . . . . . . . . . . 165 (1) Von Art. 3 GG erfasstes staatliches Handeln . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 166 (2) Grundrechtsbindung des Staates in seiner Ausdrucksweise? . . . . . . 168 bb) Benachteiligung von Frauen durch das generische Maskulinum? . . . . . 169 (1) Art der Benachteiligung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 170 (2) Individuelle oder allgemeine Betrachtungsweise? . . . . . . . . . . . . . . 173 (3) Einheit der Verfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 176 (4) Verfassungswandel? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 177 c) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 179

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Inhaltsverzeichnis 3. Verstoß nicht geschlechtergerechter Amtssprache gegen das Diskriminierungsverbot von Art. 3 Abs. 2 Satz 1, Abs. 3 Satz 1 GG? . . . . . . . . . . . . . . . . . 180 4. Geschlechtergerechte Sprache als Auftrag des Staates aus Art. 3 Abs. 2 Satz 2 GG? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 188 a) Inhalt und Umfang der Regelung des Art. 3 Abs. 2 Satz 2 GG . . . . . . . . . . . 188 aa) Generelle dogmatische Einordnung von Art. 3 Abs. 2 Satz 2 GG . . . . . 188 bb) Bezug des Art. 3 Abs. 2 Satz 2 GG auf geschlechtergerechte Sprache 197 (1) Behandlung durch die Gemeinsame Verfassungskommission . . . . . 197 (2) Bestehende Nachteile? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 198 (3) Nötiger Gewissheitsgrad? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 199 (4) Grundsatz: Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers . . . . . . . . . . . . . . . 201 (5) Wirkung geschlechtergerechter Sprache . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 202 (6) Darf der Staat eine bestimmte Sprachweise „verordnen“? . . . . . . . . 204 (7) Gesetzgebungskompetenzen für geschlechtergerechte Sprache im föderalistischen Staat . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 205 (8) Reduktion der Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers? . . . . . . . . . . . . 206 (9) Möglichkeit differenzierter gesetzgeberischer Vorgehensweise (vorrangig bestimmte Rechtsgebiete)? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 209 b) Verfassungsrechtliche Grenzen eines Förderauftrags zugunsten geschlechtergerechter Sprache aus Art. 3 Abs. 2 Satz 2 GG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 209 aa) Gebot der Normenklarheit und -verständlichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . 211 bb) Grenzen aus dem Bundesstaatsprinzip? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 219 cc) (Kulturstaatliche) Grenzen aufgrund der Eigenart von Sprache? . . . . . . 220 dd) Begrenzung durch Grundrechte insbesondere derer, die zu geschlechtergerechter Sprache angehalten werden? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 222 (1) Speziell in der Verwaltung: Meinungsfreiheit und Allgemeines Persönlichkeitsrecht? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 227 (2) Speziell im universitären Bereich: Wissenschaftsfreiheit aus Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG und Meinungsfreiheit der Studierenden . . . . . . . . 229 (3) Speziell im schulischen Bereich: Elterliches Erziehungsrecht aus Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG und Rechte der Schüler_innen aus Art. 2 Abs. 1 i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG bzw. aus Art. 2 Abs. 1 GG . . . . . . . 237 (4) „Umgekehrte Diskriminierung“ durch eine geschlechtergerechte Vorschriftensprache? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 245 5. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 246 II. Art. 1 Abs. 1 GG: Menschenwürde, Frauenwürde und geschlechtergerechte Sprache . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 248 III. Art. 2 Abs. 1 i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG: Die Bedeutung des Allgemeinen Persönlichkeitsgrundrechts für geschlechtergerechte Sprache . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 252 1. Allgemeines Persönlichkeitsgrundrecht und Vorschriftensprache . . . . . . . . . . . 253 2. Amtssprache und Allgemeines Persönlichkeitsgrundrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . 253

Inhaltsverzeichnis

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IV. Art. 12 Abs. 1 GG: Berufsfreiheit und geschlechtergerechte Sprache . . . . . . . . . . 255 1. Schutzpflicht des Staates aus Art. 12 Abs. 1 GG bei struktureller Disparität?

256

2. Speziell im Hochschulbereich: Ausbildungsauftrag der Hochschulen . . . . . . . . 257 V. Art. 7 Abs. 1 GG (i. V. m. Art. 3 Abs. 2 Satz 2 GG): Geschlechtergerechte Sprache an Schulen? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 259 VI. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 261 C. Landesverfassungsrechtlicher Rahmen in Niedersachsen für geschlechtergerechte Sprache . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 264 I. Regelungsgehalt des Art. 3 NV im Vergleich zu dem des Art. 3 GG . . . . . . . . . . . 267 II. Recht auf Bildung aus Art. 4 Abs. 1 NV und seine Bedeutung für geschlechtergerechte Sprache . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 269 III. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 274 D. Einfach- und untergesetzliche nationale Maßgaben für geschlechtergerechte Sprache 275 I. Regelungen zu geschlechtergerechter Sprache auf der Bundesebene . . . . . . . . . . . 275 1. Gesetz für die Gleichstellung von Frauen und Männern in der Bundesverwaltung und in den Unternehmen und Gerichten des Bundes (BGleiG) . . . . . . . . . 275 a) § 4 Abs. 3 BGleiG: Rechts- und Verwaltungsvorschriften des Bundes und dienstlicher Schriftverkehr . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 276 b) § 6 Abs. 1 BGleiG: Arbeitsplatzausschreibung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 282 2. Soldatinnen- und Soldatengleichstellungsgesetz (SGleiG) . . . . . . . . . . . . . . . . . 288 a) § 1 Abs. 2 SGleiG: Rechts- und Verwaltungsvorschriften für Soldatinnen und Soldaten und dienstlicher Schriftverkehr . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 289 b) § 1 Abs. 3 SGleiG: Dienstgradbezeichnungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 292 c) § 6 Abs. 1 SGleiG: Personalwerbung und Dienstpostenbekanntgabe . . . . . . 294 3. Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz (AGG) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 295 a) § 11 i. V. m. § 7 Abs. 1 AGG: Verbot benachteiligender Stellenausschreibung 298 b) § 19 Abs. 1 AGG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 313 4. Gemeinsame Geschäftsordnung der Bundesministerien (GGO) . . . . . . . . . . . . 319 a) § 2 GGO: Gender-Mainstreaming . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 320 b) § 42 Abs. 5 Satz 2 (i. V. m. § 62 Abs. 2 Satz 1) GGO: Entwürfe von Gesetzen und Rechtsverordnungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 320 5. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 321 II. Niedersachsen: Rechtliche Maßgaben für geschlechtergerechte Sprache auf der Landesebene . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 323 1. Niedersächsisches Gleichberechtigungsgesetz (NGG) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 323 2. Hochschulregelung des § 3 Abs. 3 Satz 1 NHG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 324 3. Nds. Gesetz zur Förderung der Gleichstellung der Frau in der Rechts- und Verwaltungssprache vom 27. Februar 1989 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 325 a) § 1 Nds. Gesetz zur Förderung der Gleichstellung der Frau in der Rechtsund Verwaltungssprache: Rechts- und Verwaltungsvorschriften . . . . . . . . . . 327

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Inhaltsverzeichnis b) § 2 Nds. Gesetz zur Förderung der Gleichstellung der Frau in der Rechtsund Verwaltungssprache: Amtlicher Sprachgebrauch . . . . . . . . . . . . . . . . . . 331 c) § 3 Nds. Gesetz zur Förderung der Gleichstellung der Frau in der Rechtsund Verwaltungssprache: Vordrucke . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 333 d) Bestrebungen zur Reformierung des Nds. Gesetzes zur Förderung der Gleichstellung der Frau in der Rechts- und Verwaltungssprache . . . . . . . . . 334 4. Grundsätze für die Gleichbehandlung von Frauen und Männern in der Rechtssprache, Beschluss des Landesministeriums vom 9. Juli 1991 . . . . . . . . . . . . . . 337 5. § 2 Gemeinsame Geschäftsordnung der Landesregierung und der Ministerien in Niedersachsen (GGO): Gender-Mainstreaming . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 345 6. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 345

Schlussbetrachtung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 347 Thesen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 352 I. Geschlechtergerechte Sprache als Rechtsthema: Bestandsaufnahme . . . . . . . . . . . 352 II. Unions- und völkerrechtliche Maßgaben für geschlechtergerechte Sprache in Deutschland . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 353 III. Bundesverfassungsrechtliche Maßgaben für geschlechtergerechte Sprache . . . . . 354 IV. Landesverfassungsrechtlicher Rahmen in Niedersachsen für geschlechtergerechte Sprache . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 357 V. Regelungen zu geschlechtergerechter Sprache des Bundes unterhalb der Verfassungsebene . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 358 VI. Einfach- und untergesetzliche Maßgaben für geschlechtergerechte Sprache auf der Landesebene in Niedersachsen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 359 Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 361 Sachwortverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 411

Einleitung Geschlechtergerechte Sprache und Recht – worum geht es dabei eigentlich? Es geht (auch) um Sätze wie: „Der Bundeskanzler wird auf Vorschlag des Bundespräsidenten vom Bundestage ohne Aussprache gewählt“ (Art. 63 Abs. 1 GG).

Ein anderes Beispiel lautet: „Der Käufer ist verpflichtet, dem Verkäufer den vereinbarten Kaufpreis zu zahlen und die gekaufte Sache abzunehmen“ (§ 433 Abs. 2 BGB).

Kennt das Recht nur Männer? Natürlich ist dem nicht so, das zeigt schon Art. 3 Abs. 2 Satz 1 GG: „Männer und Frauen sind gleichberechtigt.“

Aber gerade weil Männer und Frauen gleichberechtigt sind, stellt sich die Frage, warum dann nicht auch eine Bundeskanzlerin, Bundespräsidentin, Käuferin usw. erwähnt wird. Ist eine geschlechtergerechte Sprache nicht geradezu ein Gebot des Art. 3 GG?1 Oder geht es hier bloß um semantische Spitzfindigkeiten2, allenfalls um „political correctness“3? Was darf der Staat, was muss er eventuell sogar tun in Bezug auf geschlechtergerechte Sprache?4 Was müssen bzw. dürfen Private? – Das sind im Wesentlichen die Fragen, die hier im Fokus des Interesses stehen. Der Erste Teil der Arbeit beinhaltet zunächst eine Einführung in die Problematik geschlechtergerechter Sprache in ihrer Verknüpfung mit dem Recht. Dabei geht es vor allem um terminologische Klärungen, um eine Darstellung des Status quo geschlechtergerechter (Rechts-)Sprache in Deutschland sowie um die Beleuchtung von geschlechtergerechter Sprache als Wissenschaftsobjekt. 1 In diese Richtung zielt auch die Fragestellung bei Grabrucker, in: Battis/Schultz (Hrsg.), Frauen im Recht, 1990, S. 281 (292); Pflug, Diskussion Deutsch 21 (1990), 98 (99). 2 Vgl. Reinecke, in: FS Düwell, 2011, S. 399 (408), die dies jedoch verneint. 3 So die Einordnung von Starck, NdsVBl. 1994, 2 (7); Kunkel-Razum, in: Eichhoff-Cyrus (Hrsg.), Adam, Eva und die Sprache, 2004, S. 308 (315); Kahl, VVDStRL 65 (2006), 386 (390 Fn. 15); G. Bachmann, NVwZ 2008, 754 (754); L. Bülow/Herz, Linguistische Berichte 240 (2014), 471 (497); Harnisch, in: Bittner/C. Spieß (Hrsg.), Formen und Funktionen, 2016, S. 159 (169 f.); v. Münch, Meinungsfreiheit gegen Political Correctness, 2017, S. 5; Stefanowitsch, Eine Frage der Moral, 2018, passim; ablehnend Europäisches Parlament, Geschlechterneutraler Sprachgebrauch im Europäischen Parlament, 2018, S. 3; Dittmann, in: GS Schoenthal, 2002, S. 63 (64). 4 Vgl. Grabrucker, in: Battis/Schultz (Hrsg.), Frauen im Recht, 1990, S. 281 (292); Pflug, Diskussion Deutsch 21 (1990), 98 (99); Reinecke, in: FS Düwell, 2011, S. 399 (399).

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Einleitung

In dem der Einführung folgenden Zweiten Teil der Arbeit wird die historische Entwicklung in der Bundesrepublik Deutschland in Bezug auf geschlechtergerechte Sprache und Recht überblicksartig dargestellt. Sodann folgt mit dem Dritten Teil der Kern der Arbeit, der auf eine Analyse des rechtlichen Rahmens für die Verwendung einer geschlechtergerechten Sprache durch die öffentliche Hand sowie Private in Deutschland abzielt. Dabei wird zunächst der Frage nach unions- und völkerrechtlichen Maßgaben nachgegangen (A.). Danach werden die verfassungsrechtlichen Maßgaben für geschlechtergerechte Sprache beleuchtet; zunächst auf der Bundesebene (B.) und dann – beschränkt auf Niedersachsen – auch auf der Landesebene (C.).5 Dem folgt die Betrachtung einfach- und untergesetzlicher Maßgaben für geschlechtergerechte Sprache (D.), auch hier wieder zunächst auf der Bundesebene (D. I.) und sodann für Niedersachsen auch auf der Landesebene (D. II.). Dabei werden Fragen nach einem Reformbedarf jeweils mit einbezogen. Die Arbeit endet mit einer Schlussbetrachtung und zusammenfassenden Thesen. Die auf der Bundesebene einst eingesetzte interministerielle Arbeitsgruppe Rechtssprache differenziert in ihrem grundlegenden Bericht „Maskuline und feminine Personenbezeichnungen in der Rechtssprache“ vom 17. Januar 1990 zwischen (1.) der sog. Amtssprache, in der amtliche und gerichtliche Entscheidungen, Mitteilungen, Aufforderungen und Vordrucke verfasst seien, (2.) der sog. normgebundenen Verwaltungssprache als dem Teil der Amtssprache, der durch Rechtsvorschriften festgelegt sei, sowie (3.) der sog. Vorschriftensprache, d. h. der sprachlichen Fassung von Gesetzen und Rechtsverordnungen.6 Dieser Differenzierung soll hier soweit angebracht gefolgt werden, wobei allerdings die normgebundene Verwaltungssprache nicht als eigenständige dritte Kategorie, sondern als Unterkategorie der Amtssprache behandelt wird.7 Der wesentliche Unterschied liegt in dem konkretindividuellen Charakter der Amtssprache einerseits und dem abstrakt-generellen Charakter der Vorschriftensprache andererseits.8 Weitestgehend ausgeklammert bleiben muss im Rahmen dieser Arbeit ein Vergleich der rechtlichen Maßgaben für geschlechtergerechte Sprache in Niedersachsen mit denen in anderen Bundesländern. Obgleich eine solche rechtsvergleichende Betrachtung sehr interessant wäre, muss insofern auf bereits vorliegende Untersu5 Des unmittelbaren Vergleichs zwischen bundes- und landesrechtlicher Verfassungsebene wegen soll das niedersächsische Landesverfassungsrecht trotz Art. 31 GG und der sich daraus ergebenden Normenhierarchie bereits im Anschluss an das Grundgesetz und vor den einfachgesetzlichen Regelungen thematisiert werden. 6 BT-Drs. 12/1041, S. 4; s. näher zu der Arbeitsgruppe Rechtssprache und ihrem Bericht unter Zweiter Teil. 7 Für eine Differenzierung zwischen Vorschriften- und Amtssprache auch Stickel, ZGL 16 (1988), 330 (335); Steiger-Loerbroks/v. Stockhausen, Linguistische Berichte 237 (2014), 57 (60); zur Diskussion um eine Differenzierung Oksaar, ZG 4 (1989), 210 (226) m. w. N. 8 Vgl. Isensee, in: FS Carl Heymanns Verlag KG, 1995, S. 571 (580 f.).

Einleitung

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chungen aus früherer Zeit verwiesen werden9 bzw. können derartige aktuelle Betrachtungen nur angeregt werden.10 Nicht näher beleuchtet werden kann hier außerdem die Frage nach „Kontrollinstanzen“ für die Verwendung einer geschlechtergerechten Sprache11, obgleich diese Frage für deren Durchsetzung von großer Bedeutung ist12 und bisher nur ansatzweise bearbeitet erscheint13. Die Frage nach der Verwendung geschlechtergerechter Sprache hat sich in dieser Arbeit natürlich in ganz besonderer Weise gestellt. Um die Einbeziehung aller Menschen ungeachtet ihres Geschlechts angemessen zu verdeutlichen, wird in dieser Arbeit mit ihrer speziellen Textsorte nach reiflicher Abwägung aller dafür und dagegen sprechenden Argumente14 in Wahrnehmung der Forschungsfreiheit aus Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG der Gender-Gap genutzt. Besonders beim Referieren von Gesetzestexten und Gesetzesbegründungen wird jedoch der Authentizität wegen weitgehend der Sprachgebrauch dieser Quellen beibehalten. Soweit in dieser Arbeit der Begriff „binärgeschlechtlich“ verwendet wird, ist damit die Begrenzung auf nur zwei Geschlechter gemeint.

9 S. etwa Eichhoff-Cyrus, in: Eichhoff-Cyrus/Antos (Hrsg.), Verständlichkeit als Bürgerrecht?, 2008, S. 344 (347 ff.); vergleichende Ansätze auch bei Grabrucker, Muttersprache 104 (1994), 63 ff.; Böhmer, Gesetze zur Gleichberechtigung von Männern und Frauen in Bund und Ländern, 3. Aufl. 1995, passim. 10 Zu den Maßgaben in den einzelnen Bundesländern ansatzweise Spangenberg, KJ 51 (2018), 345 (348 f.). 11 Zu nennen sind hier auf der Bundesebene insb. der Redaktionsstab Rechtssprache beim Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz (s. dazu § 42 Abs. 5 GGO) sowie der Redaktionsstab beim Deutschen Bundestag (s. dazu § 80a GO BT). Diese können allerdings nur Empfehlungen abgeben, s. § 42 Abs. 5 Satz 5 GGO, § 80a Abs. 1 Satz 1 GO BT. 12 Vgl. insofern kritisch S. Thieme, in: F. Vogel (Hrsg.), Zugänge zur Rechtssemantik, 2015, S. 235 (240); Valentiner, (Geschlechter)Rollenstereotype in juristischen Ausbildungsfällen, 2017, S. 15 f.; Spangenberg, KJ 51 (2018), 345 (349 f.); erste Empfehlungen für Verfahrensabsicherungen der Umsetzung geschlechtergerechter Sprache enthielten bereits die Empfehlungen der Arbeitsgruppe Rechtssprache (s. dazu unter Zweiter Teil), BT-Drs. 12/1041, S. 38 f.; s. auch Schulze-Fielitz, KritV 72 (1989), 273 (289 ff.) und darauf bezogen Grabrucker, KritV 72 (1989), 292 (299). 13 Zur Sprachberatung im Gesetzgebungsverfahren durch den Redaktionsstab Rechtssprache einerseits sowie den Redaktionsstab beim Deutschen Bundestag andererseits Tacke/ S. Thieme, in: Niebuhr (Hrsg.), Formen des Nicht-Verstehens, 2014, S. 93 ff.; S. Thieme, in: F. Vogel (Hrsg.), Zugänge zur Rechtssemantik, 2015, S. 235 ff.; eine gemeinsame Initiative der Bundesländer zur Durchsetzung geschlechtergerechter Sparkassenvordrucke anregend Spangenberg, KJ 51 (2018), 345 (349 f.). 14 Insbesondere vermögen die vom Rat für deutsche Rechtschreibung gesehenen Nachteile des Gender-Gap (Unterstrich) gegenüber dem Gender-Star (Asterisk) nicht zu überzeugen, s. dazu Rat für deutsche Rechtschreibung, Bericht und Vorschläge der AG „Geschlechtergerechte Schreibung“, Revidierte Fassung vom 28. 11. 2018, S. 10 f., abrufbar unter http://www.recht schreibrat.com (abgerufen am 2. 6. 2020). Zur Rolle des Rats für deutsche Rechtschreibung s. unter Fn. 30.

Erster Teil

Einführung in die Problematik geschlechtergerechter Sprache Das Thema „geschlechtergerechte Sprache“ ist ein Reizthema, das polarisiert15, auch unter Jurist_innen.

A. Hintergrund der Forderung nach geschlechtergerechter Sprache „Geschlechtergerechte Sprache“ meint (jedenfalls nach „klassischem“ Verständnis) eine Sprache – allgemein, aber auch speziell im Recht –, von der sich Männer und Frauen gleichermaßen „angesprochen“, d. h. erfasst fühlen, sodass die Sprache beiden dieser Geschlechter gerecht wird.16 Daher wird eine symmetrische, also gleichmäßige Benennung von Männern und Frauen gefordert.17 Außerdem wird gefordert, dass Frauen als solche in der Sprache „sichtbar“ bzw. „hörbar“ gemacht werden sollen.18 Teilweise werden diese Anforderungen auch als „Prinzip der

15 Brinkmann to Broxten, Der Sprachdienst 34 (1990), 151 (151); Diewald, Der Sprachdienst 62 (2018), 195 (195); vgl. bezogen auf die Schweiz Solís, Germanistik in der Schweiz 8 (2011), 163 (207 f.); bezogen auf Österreich Pöschko/Prieler, Zeitschrift für Bildungsforschung 8 (2018), 5 (6). 16 Vgl. Ziff. 2.5.4.1 Satz 1 der Organisationsrichtlinien (OR) der Bayerischen Staatsregierung: „Rechts- und Verwaltungsvorschriften sollen so formuliert werden, dass sie Frauen und Männer in gleicher Weise ansprechen“; Bundesverwaltungsamt (Hrsg.), Merkblatt M 19 „Sprachliche Gleichbehandlung von Frauen und Männern“, 2. Aufl. 2002, S. 9; Neu-Altenheimer, in: Hellinger/Bierbach, Eine Sprache für beide Geschlechter, hrsg. von der Deutschen UNESCO-Kommission, 1993, S. 4: „ein egalitärer, beiden Geschlechtern gerecht werdender Sprachgebrauch“. 17 Dittmann, in: GS Schoenthal, 2002, S. 63 (64 f.); Hellinger, in: Eichhoff-Cyrus (Hrsg.), Adam, Eva und die Sprache, 2004, S. 275 (279). 18 Bundesministerium der Justiz (Hrsg.), Handbuch der Rechtsförmlichkeit, 3. Aufl. 2008, Rn. 111; Trömel-Plötz/Guentherodt/Hellinger/Pusch, Linguistische Berichte 71 (1981), 1 (7); U. Müller, ZGL 16 (1988), 323 (325); Grabrucker, Vater Staat hat keine Muttersprache, 1993, S. 21, 33; Gorny, in: Stötzel/Wengeler, Kontroverse Begriffe, 1995, S. 517 (517); Hellinger, in: Eichhoff-Cyrus/Hoberg (Hrsg.), Die deutsche Sprache zur Jahrtausendwende, 2000, S. 177 (177); Hellinger, in: Eichhoff-Cyrus (Hrsg.), Adam, Eva und die Sprache, 2004, S. 275 (278). Baumann, in: Bartoszewicz/Szcze˛ k/Tworek (Hrsg.), Germanistische Linguistik im interdis-

A. Hintergrund der Forderung nach geschlechtergerechter Sprache

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sprachlichen Sichtbarmachung“ und als „Prinzip der sprachlichen Symmetrie“ bezeichnet.19 Auch wenn es Überschneidungen geben kann, sind beide Prinzipien zunächst voneinander zu trennen.20 Ihnen wird je nach Autor_in ein unterschiedlich hoher Stellenwert beigemessen, sodass letztlich auch die Auffassungen darüber divergieren, wann eine Sprache „geschlechtergerecht“ ist und wann nicht.21 Eine bestimmte Sprachform kann eine der beiden Anforderungen erfüllen, die andere jedoch nicht oder nicht so gut22 ; manchmal trägt die gewählte Ausdrucksweise beiden Prinzipien Rechnung. Nach neuerem, nicht mehr rein binären Geschlechterverständnis, welches maßgeblich durch einen Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 10. Oktober 201723 befördert wird, ist der Fokus der Geschlechtergerechtigkeit hingegen auf alle Geschlechter zu legen (also z. B. auch auf Intersexuelle), nicht mehr nur auf Frauen (im Vergleich zu Männern).24 Auch hier geht es aber weiterhin um sprachliche Sichtbarmachung und sprachliche Symmetrie: Zum einen bekommt damit die

ziplinären Gefüge II, 2011, S. 189 (194) wirft allerdings kritisch die Frage auf, was es genau heiße, Frauen in der Sprache „sichtbar zu machen“. 19 Hellinger/Bierbach, Eine Sprache für beide Geschlechter, hrsg. von der Deutschen UNESCO-Kommission, 1993, S. 9; s. auch Wodak/Feistritzer/Moosmüller/Doleschal, Sprachliche Gleichbehandlung von Frau und Mann, 1987, S. 35; S. Müller/C. Fuchs, Handbuch zur nichtsexistischen Sprachverwendung in öffentlichen Texten, 1993, S. 11; Kargl/Wetschanow/Wodak/Perle, Kreatives Formulieren, 1997, S. 45; Schlichting, Sprachreport 13 (1997), Heft 2, 6 (6); Dittmann, in: GS Schoenthal, 2002, S. 63 (64); V. Steiger/Irmen, Der Sprachdienst 52 (2008), 161 (165 f.); Wetschanow, OBST 90 (2017), 33 (33, 45). 20 Nicht ganz deutlich bei Klann-Delius, Sprache und Geschlecht, 2005, S. 187: „Ziel der Richtlinien ist, … die Geschlechtersymmetrie zu Gunsten des Sichtbarmachens und der Anerkennung von Frauen sprachlich zu markieren“. 21 Grabrucker, Muttersprache 104 (1994), 63 (65); eng mit diesen unterschiedlich gewichteten Prinzipien ist eine der Grundfragen feministischer Rechtswissenschaft verbunden, ob nämlich ein „geschlechtsneutrales, also mit verbundenen Augen agierendes Recht oder aber ein geschlechtssensibles, also mit offenen Augen die Geschlechterdifferenzen wahrnehmendes Recht das bessere, also das gerechtere Recht sei“, dazu Baer, in: Koreuber/Mager (Hrsg.), Recht und Geschlecht, 2004, S. 19 (20); vgl. A. Schmidt, in: Foljanty/Lembke (Hrsg.), Feministische Rechtswissenschaft, 2. Aufl. 2012, § 3 Rn. 22. 22 Vgl. U. Müller, in: Ermert (Hrsg.), Sprachliche Bildung und kultureller Wandel, 1990, S. 49 (51 f.); Kargl/Wetschanow/Wodak/Perle, Kreatives Formulieren, 1997, S. 85; Schoenthal, in: Besch/Betten/Reichmann/Sonderegger (Hrsg.), Sprachgeschichte, 2. Teilbd., 2000, S. 2064 (2066); Dittmann, in: GS Schoenthal, 2002, S. 63 (65); Lutjeharms, in: Eichhoff-Cyrus (Hrsg.), Adam, Eva und die Sprache, 2004, S. 191 (191). 23 BVerfGE 147, 1 ff.; dazu näher unter Erster Teil, B. I. 24 Vgl. Hentsch, Universität Leipzig. Heftige Reaktionen auf die weibliche Form, Deutschlandfunk vom 8. 8. 2014, http://www.deutschlandfunk.de/universitaet-leipzig-heftige-re aktionen-auf-die-weibliche.680.de.html?dram:article_id=294077 (abgerufen am 2. 6. 2020); Hennig (Hrsg.), Duden Bd. 9: Das Wörterbuch der sprachlichen Zweifelsfälle, 8. Aufl. 2016, S. 387; Reisigl/C. Spieß, OBST 90 (2017), 7 (18 f.); Wetschanow, OBST 90 (2017), 33 (51); näher zum rechtlichen Verständnis von Geschlecht unter Erster Teil, B. I.

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1. Teil: Einführung in die Problematik geschlechtergerechter Sprache

Strategie der Neutralisierung25 (noch mehr) Auftrieb, die sich als ein Mittel einordnen lässt, um dem Prinzip der sprachlichen Symmetrie gerecht zu werden26, und zum anderen geht es um den Aspekt der Sichtbarmachung von Geschlechtervielfalt27. Der „Stein des Anstoßes“ in der Diskussion um geschlechtergerechte Sprache ist insbesondere die Verwendung grammatisch maskuliner Personenbezeichnungen (zu denen ein feminines Pendant existiert) auch dann, wenn nicht ausschließlich männliche, sondern auch weibliche (bzw. nach neuerem Verständnis: nicht-männliche)28 Personen umfasst sein sollen.29 Hintergrund dieser Formulierungspraxis30 ist, 25 Dazu etwa Diewald, Der Sprachdienst 62 (2018), 195 (197 f.), die eine leicht abweichende methodisch-strukturelle Einteilung in die Strategien der Sichtbarmachung, der Neutralisierung und der Abstraktion sowie in „neuere Vorschläge“ vornimmt. Insofern dürften allerdings Überschneidungen vorliegen. Zur Verwendung geschlechtsneutraler Formen s. unter Erster Teil, C. 26 Vgl. Hellinger, in: Eichhoff-Cyrus (Hrsg.), Adam, Eva und die Sprache, 2004, S. 275 (279). 27 Wetschanow, OBST 90 (2017), 33 (51): Erweiterung der Strategie der Sichtbarmachung der Frauen um das Postulat der Sichtbarkeit der Gendervielfalt. 28 Kotthoff, OBST 90 (2017), 91 (109 f.). 29 Dauses, EuZW 2014, 801 (801); s. auch F. Braun, Der Deutschunterricht 48 (1996), Heft 1, 54 (54); Diederichsen, in: FS Gaul, 1997, S. 121 (125); Hellinger, in: Eichhoff-Cyrus (Hrsg.), Adam, Eva und die Sprache, 2004, S. 275 (278); Stahlberg/F. Braun/Irmen/Sczesny, in: Fiedler (Hrsg.), Social Communication, 2007, S. 163 (170); V. Steiger/Irmen, Der Sprachdienst 52 (2008), 161 (161); Diewald/Steinhauer, Richtig gendern, hrsg. von der Dudenredaktion, 2017, S. 26. 30 Der 2004 eingerichtete Rat für deutsche Rechtschreibung, ein zwischenstaatliches Gremium, dessen Vorschläge durch Beschluss der zuständigen staatlichen Stellen Bindung im Bereich Schule und Verwaltung erhalten (s. Statut des Rats fu¨ r deutsche Rechtschreibung vom 17. 6. 2005 i. d. F. vom 30. 3. 2015, Ziff. 1; Beschluss der Kultusministerkonferenz vom 3. 3. 2006 „Neuregelung der deutschen Rechtschreibung“, Sammlung der Beschlüsse der Ständigen Konferenz der Kultusminister der Länder in der Bundesrepublik Deutschland, Stand: 196. Lfg. März 2020, Beschluss Nr. 661; Bekanntmachung des Gemeinsamen Rundschreibens des Bundesministeriums des Innern und des Bundesministeriums der Justiz vom 13. 9. 2006: Neuregelung der deutschen Rechtschreibung. Umsetzung für die Gesetzes- und Verwaltungssprache, BAnz. Nr. 206a vom 3. 11. 2006), hat hierzu im amtlichen Regelwerk (Deutsche Rechtschreibung. Regeln und Wörterverzeichnis. Aktualisierte Fassung des amtlichen Regelwerks entsprechend den Empfehlungen des Rats für deutsche Rechtschreibung 2016, 2018, http://www.rechtschreibrat.com/DOX/rfdr_Regeln_2016_redigiert_2018.pdf [abgerufen am 2. 6. 2020]) keine Aussagen getroffen. Der „Duden“ hingegen hat seine herausgehobene Stellung unter den Wörterbüchern (s. KMK-Beschluss vom 19. 11. 1955 „Regeln für die deutsche Rechtschreibung“, GMBl. 1955, S. 492 [Datum abweichend], nach welchem bis zu einer Neuregelung der deutschen Rechtschreibung für den Schulunterricht in Zweifelsfällen die im Duden gebrauchten Schreibweisen und Regeln verbindlich waren) eingebüßt; im Zuge der Rechtschreibreform ist er zu einem privaten Verlag unter anderen geworden, auch wenn seiner Auffassung weiterhin hohe Bedeutung zugemessen wird, s. Kissel, NJW 1997, 1097 (1097 ff.); Adamzik/Alghisi, Bulletin suisse de linguistique appliquée 2015, spécial, S. 119 (120 f.); Gesellschaft für deutsche Sprache e. V., Verbindlichkeit des Dudens, https://gfds.de/duden-verbind lichkeit/ (abgerufen am 2. 6. 2020). Der „Duden“ kennt das generische Maskulinum, erwähnt allerdings seit einiger Zeit, dass dieses zunehmend kritisch beurteilt wird, s. zuletzt Wöllstein/

A. Hintergrund der Forderung nach geschlechtergerechter Sprache

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dass davon ausgegangen wird, dass diese Maskulina zwei Verwendungsarten haben, nämlich zum einen zur Bezeichnung männlicher Personen, zum anderen aber auch „zur sexusindifferenten Bezeichnung von Personen, deren Geschlecht nicht bekannt ist oder für den jeweiligen Zusammenhang unwichtig ist“31 sowie zur Bezeichnung „gemischtgeschlechtlicher“ Gruppen32 und für verallgemeinernde Aussagen33. Das hängt wiederum damit zusammen, dass die deutsche Sprache nur wenige „echt“ geschlechtsneutrale Personenbezeichnungen aufweist (z. B. „das Mitglied“, „der Mensch“).34 Daher könne etwa der Begriff „Student“ sowohl geschlechtsspezifisch für männliche Studierende als auch geschlechtsindifferent zur Bezeichnung Studierender jeglichen Geschlechts verwendet werden.35 Bei der geschlechtsindifferenten Verwendung solcher maskulinen Personenbezeichnungen wird auch von generischen Maskulina gesprochen.36 Deren Verwendung sieht sich zunächst unter dem Aspekt Kritik ausgesetzt, dass beim Lesen und Hören diese Personenbezeichnungen häufig nicht geschlechtsindifferent verstanden würden, was auf eine verbreitete Gleichsetzung von Genus und Dudenredaktion (Hrsg.), Duden Bd. 4: Die Grammatik, 9. Aufl. 2016, Rn. 237; Hennig (Hrsg.), Duden Bd. 9: Das Wörterbuch der sprachlichen Zweifelsfälle, 8. Aufl. 2016, S. 361, 387 f.; abgelehnt wird das generische Maskulinum in Diewald/Steinhauer, Richtig gendern, hrsg. von der Dudenredaktion, 2017, S. 29; zur Haltung des „Duden“ s. auch Kunkel-Razum, in: EichhoffCyrus (Hrsg.), Adam, Eva und die Sprache, 2004, S. 308 (314 f.); Eickhoff, in: Günthner/ Hüpper/C. Spieß (Hrsg.), Genderlinguistik, 2012, S. 195 ff; Kunkel-Razum, in: Günthner/ Hüpper/C. Spieß (Hrsg.), Genderlinguistik, 2012, S. 213 ff. Zur Tradition der „männlichen“ Rechtssprache Sachs, DÖV 1988, 598 (598); nach Doleschal, Linguistik online 11 (2002), 39 (66); Diewald, ZGL 46 (2018), 283 (296) hingegen könne das generische Maskulinum gerade nicht auf eine lange Tradition zurückblicken. Zur Geschichte des generischen Maskulinums auch Grabrucker, Vater Staat hat keine Muttersprache, 1993, S. 81 ff.; Irmen/V. Steiger, ZGL 33 (2005), 212 ff.; V. Steiger/Irmen, Der Sprachdienst 52 (2008), 161 (162 ff.). 31 BT-Drs. 12/1041, S. 9; ähnlich Berschin, Der Sprachdienst 25 (1981), 105 (110); Stickel, ZGL 16 (1988), 330 (340); Lange-Klein, Terminologie et Traduction 2/1989, 23 (25); F. Braun, Der Deutschunterricht 48 (1996), Heft 1, 54 (54); Klann-Delius, Sprache und Geschlecht, 2005, S. 26; von Pusch plakativ so beschrieben: „Eine Gruppe von Personen ist eine männliche Gruppe, wenn sie mindestens einen Mann enthält oder enthalten könnte“, s. Pusch, Sprachliche Diskriminierung hat viele Gesichter – welches ist das schlimmste?, Teil 2, „Laut & Luise“ vom 4. 5. 2014, http://www.fembio.org/biographie.php/frau/comments/sprachliche-diskriminierunghat-viele-gesichter-welches-ist-das-schlim/ (abgerufen am 2. 6. 2020). 32 Wöllstein/Dudenredaktion (Hrsg.), Duden Bd. 4: Die Grammatik, 9. Aufl. 2016, Rn. 1582; s. auch Berschin, Der Sprachdienst 25 (1981), 105 (110); Stickel, ZGL 16 (1988), 330 (340); F. Braun, Der Deutschunterricht 48 (1996), Heft 1, 54 (54); J. Klein, in: Eichhoff-Cyrus (Hrsg.), Adam, Eva und die Sprache, 2004, S. 292 (293); Klann-Delius, Sprache und Geschlecht, 2005, S. 26. 33 F. Braun, Der Deutschunterricht 48 (1996), Heft 1, 54 (54); Klann-Delius, Sprache und Geschlecht, 2005, S. 26. 34 Kastendieck, ZevKR 35 (1990), 43 (45); Hellinger/Bierbach, Eine Sprache für beide Geschlechter, hrsg. von der Deutschen UNESCO-Kommission, 1993, S. 8. 35 BT-Drs. 12/1041, S. 9; a. A. Pusch, Das Deutsche als Männersprache, 1984, S. 43 (45). 36 S. nur BT-Drs. 12/1041, S. 9; Lange-Klein, Terminologie et Traduction 2/1989, 23 (25); J. Klein, in: Eichhoff-Cyrus (Hrsg.), Adam, Eva und die Sprache, 2004, S. 292 (292).

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1. Teil: Einführung in die Problematik geschlechtergerechter Sprache

Sexus zurückzuführen sei.37 Genus bezeichnet das sog. grammatische Geschlecht, dessen Hauptfunktion in der Kennzeichnung syntaktischer Zusammenhänge gesehen wird38 ; beim Sexus geht es hingegen um eine außersprachliche Kategorisierung nach dem „natürlichen“ Geschlecht von Lebewesen39. Das Deutsche kennt drei Genera: Maskulinum, Femininum und Neutrum. Insbesondere geht die Kritik aber auch dahin, dass unabhängig von dem tatsächlichen Verständnis dieser Begriffe im konkreten Einzelfall die Verwendung generischer Maskulina generell Frauen benachteilige, weil sie „nur mitgemeint“ seien (wobei das typische Verständnis generisch maskuliner Personenbezeichnungen bzw. die damit einhergehende stereotype gedankliche Repräsentation wiederum eine Rolle spielt40, worauf noch näher einzugehen sein wird).41 Generische Maskulina finden sich auch und gerade zahlreich in Rechtsnormen.42 Feminine Personenbezeichnungen waren hingegen in Rechtsnormen bis zu Veränderungen im Sinne geschlechtergerechter Sprache lange die große Ausnahme und wiesen dann (wenn es sich nicht um echt geschlechtsneutrale Begriffe wie „die

37 BT-Drs. 12/1041, S. 9; die Möglichkeit von Missverständnissen sehen auch Guentherodt, Muttersprache 94 (1983/84), 271 (273, 283); Schoenthal, Deutsche Sprache 13 (1985), 143 (156); Sachs, DÖV 1988, 598 (598); Studer, Terminologie et Traduction 2/1989, 47 (49); Rummler, OBST 51 (1995), 173 (186); Irmen/Köhncke, Sprache & Kognition 15 (1996), 152 (153); Heise, Zeitschrift für Sprache & Kognition 19 (2000), 3 (11); Stahlberg/F. Braun/Irmen/ Sczesny, in: Fiedler (Hrsg.), Social Communication, 2007, S. 163 (171); Kusterle, Die Macht von Sprachformen, 2011, S. 47. 38 BT-Drs. 12/1041, S. 8; Berschin, Der Sprachdienst 25 (1981), 105 (109); Diederichsen, in: FS Gaul, 1997, S. 121 (123, 131); Kotthoff, OBST 90 (2017), 91 (93). 39 Vgl. BT-Drs. 12/1041, S. 8; Lange-Klein, Terminologie et Traduction 2/1989, 23 (24); Diederichsen, in: FS Gaul, 1997, S. 121 (123); Diewald, ZGL 46 (2018), 283 (288), die auch klarstellt, dass der Umstand, dass „Genus … nicht gleich Sexus“ ist, aber nicht das generische Maskulinum legitimiert. Neben Sexus und Genus spielt vor allem das semantische Geschlecht, also der Bedeutungsgehalt eines Substantivs, eine Rolle, wobei speziell bei Personenbezeichnungen ein engerer Zusammenhang zwischen grammatischem und semantischem Geschlecht besteht als sonst, s. dazu eingehender Diewald/Steinhauer, Richtig gendern, hrsg. von der Dudenredaktion, 2017, S. 14 ff. 40 Daher wird oft auch nicht deutlich zwischen den beiden Argumenten unterschieden, s. etwa Klann-Delius, Sprache und Geschlecht, 2005, S. 27: „Das zentrale Argument, das gegen das generische Maskulinum genannt wird, ist, dass die Rezipienten diese Form nicht generisch, sondern konkret verstehen.“ 41 S. nur Bundesverwaltungsamt (Hrsg.), Merkblatt M 19 „Sprachliche Gleichbehandlung von Frauen und Männern“, 2. Aufl. 2002, S. 4, 7; Studer, Terminologie et Traduction 2/1989, 47 (50); vgl. Sachs, DÖV 1988, 598 (598); Wöhrmann, ZRP 1988, 360. 42 Biere, Deutsche Sprache 16 (1988), 376 (383), der von „bewährter Gesetzgebungstechnik“ spricht; Lange-Klein, Terminologie et Traduction 2/1989, 23 (25); Diederichsen, in: FS Gaul, 1997, S. 121 (126); Steiger-Loerbroks/v. Stockhausen, Linguistische Berichte 237 (2014), 57 (59); Baumann, in: Baumann/Meinunger (Hrsg.), Die Teufelin steckt im Detail, 2017, S. 196 (200 f.).

B. Geschlechtergerechte Sprache: Kritische Begriffsbeleuchtung

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Person“ handelte) einen spezifischen Bezug auf weibliche Personen auf.43 Sie sind dort regelmäßig als nur weibliche Personen umfassend gemeint und werden auch so interpretiert.44

B. Geschlechtergerechte Sprache: Kritische Begriffsbeleuchtung Der Begriff „geschlechtergerechte Sprache“ ist für sich schon ein Politikum. Er ist in der deutschen Rechtsordnung nicht legaldefiniert. Da ihm als Grundlage der nachfolgenden Ausführungen zentrale Bedeutung zukommt, soll zum einen sein Begriffsbestandteil „Geschlecht“ noch näher beleuchtet und zum anderen sollen alternative Begriffsvorschläge einer kritischen Betrachtung unterzogen werden.

I. Verständnis der deutschen Rechtsordnung von „Geschlecht“ Der Begriff des Geschlechts findet sich an vielen Stellen in der deutschen Rechtsordnung (z. B. im AGG45) und selbst im Grundgesetz (Art. 3 Abs. 3 Satz 1 GG). Er ist jedoch, obwohl als Zuordnungskategorie (auch) des Rechts – immer noch – von grundlegender Bedeutung46, weder im Grundgesetz noch sonst in der deutschen Rechtsordnung definiert.47 Insofern ist das Grundgesetz auch weder auf

43 Vgl. Sachs, DÖV 1988, 598 (598), der dies so beschreibt: „Die Frau erscheint im Gesetz als Sonderfall, der Mann ist der Mensch an sich.“ 44 Sachs, DÖV 1988, 598 (598); vgl. Lange-Klein, Terminologie et Traduction 2/1989, 23 (25); vereinzelt gab es allerdings auch Vorschläge und Bestrebungen, feminine Bezeichnungen als Oberbegriffe zur Bezeichnung von Männern wie Frauen zu verwenden (generisches Femininum), s. dazu unter Erster Teil, C. 45 S. dazu unter Dritter Teil, D. I. 3. 46 BVerfGE 128, 109 (129); Wissenschaftliche Dienste des Deutschen Bundestages, Sachstand WD 7 – 3000 – 148/17, S. 8; Lembke, in Lembke (Hrsg.), Menschenrechte und Geschlecht, 2014, S. 18 (19); Althoff/Schabram/Follmar-Otto, Geschlechtervielfalt im Recht, hrsg. vom Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, 2017, S. 30; Gössl, NJW 2017, 3648; Bettinghausen, BB 2018, 372 (374); von schwindender Bedeutung als Rechtsbegriff ausgehend Adamietz, APuZ 20 – 21/2012, 15 (15); Völzmann, JZ 2019, 381 (385); von schwindender gesellschaftlicher Bedeutung ausgehend Muckel, JA 2018, 154 (157). 47 Adamietz, APuZ 20 – 21/2012, 15 (15); Brachthäuser/Richarz, FoR 2014, 41 (41, 43); Althoff/Schabram/Follmar-Otto, Geschlechtervielfalt im Recht, hrsg. vom Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, 2017, S. 30; Gössl, StAZ 2018, 40 (44); zum GG auch Platt, STREIT 1990, 147 (147); zum PStG Gössl, StAZ 2015, 171 (172); Gössl, NZFam 2016, 1122 (1126); Völzmann, JZ 2019, 381 (383).

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1. Teil: Einführung in die Problematik geschlechtergerechter Sprache

ein rein biologisches Geschlechtsverständnis festgelegt noch zwingend einem ausschließlich binären Geschlechterschema verhaftet.48 Die deutsche Rechtsordnung ging bis vor kurzem allerdings grundsätzlich von einer Binarität der Geschlechter, nämlich von einer Einteilung der Menschen in entweder „weiblich“ oder „männlich“ aus49, wobei für die Einordnung vor allem auf medizinisch-biologische Aspekte abgestellt wurde.50 Gemäß § 21 Abs. 1 Nr. 3 PStG wird im Geburtenregister (auch) das Geschlecht eines Kindes beurkundet. Kann das 48 Vgl. BVerfGE 147, 1 (24 Rn. 50); zustimmend Elsuni, VerfBlog vom 17. 11. 2017; Frie, NZFam 2017, 1149 (1150); Sanders, NZFam 2018, 241 (242); bereits früher so Sieberichs, FamRZ 2013, 1180 (1181); Froese, AöR 140 (2015), 598 (610, 624); a. A. Märker, NZFam 2018, 1 (3 f.), wonach das „Geschlecht“ i.S.d. GG ausschließlich biologisch und binär ausgeprägt zu verstehen sei und ein anderes Verständnis nur im Wege einer Verfassungsänderung greifen könne; auch A. Schmidt, in: Foljanty/Lembke (Hrsg.), Feministische Rechtswissenschaft, 2. Aufl. 2012, § 3 Rn. 20 sieht das GG auf ein binäres Geschlechterverständnis beschränkt an; nach Ansicht von Diewald, in: Berghahn/Schultz (Hrsg.), Rechtshandbuch für Frauen- und Gleichstellungsbeauftragte (Stand: Mai 2020), Kap. 1.3, S. 7 bringt das GG dagegen nur das „Konzept von zwei prototypischen Geschlechtern“ zum Ausdruck. Einen Verfassungswandel hinsichtlich des Merkmals Geschlecht nimmt Wiggerich, StAZ 2018, 21 (21 f.) an; kritisch in diese Richtung zur Änderung der Rspr. des BVerfG auch Rixen, JZ 2018, 317 (324 ff.), nach dessen Ansicht einiges dafürspricht, „dass die Geschlechterbinarität weiterhin zum Ordnungsmodell des Grundgesetzes gehört“; positiv zur Entscheidung des BVerfG zur Dritten Option unter dem Aspekt eines Verfassungswandels Voßkuhle, JuS 2019, 417 (419). 49 S. früher BGHZ 57, 63 (67) und dem folgend BVerfGE 49, 286 (298), wo allerdings schon Kritik erkennbar ist; nun relativiert in BVerfGE 147, 1 (24 Rn. 50); s. auch BR-Drs. 225/18, S. 3; Wissenschaftliche Dienste des Deutschen Bundestages, Sachstand WD 7 – 3000 – 148/17, S. 8; Gössl, StAZ 2013, 301 (305); Lettrari, Aktuelle Aspekte der Rechtslage zur Intersexualität, 2015, S. 8 f.; Berghahn, in: Berghahn/Schultz (Hrsg.), Rechtshandbuch für Frauenund Gleichstellungsbeauftragte (Stand: Mai 2018), Kap. 2.4.5, S. 5 f.; Reuß, StAZ 2019, 42 (44); v. Roetteken, GiP 3/2019, 23 (24 f.); Baumgärtner, in: Looschelders (Hrsg.), BeckOGK AGG, § 1 Rn. 101.1 (Stand: März 2020); zur Rechtslage vor der Änderung des PStG Sacksofsky, in: Bußmann/Hof (Hrsg.), GENUS, 2005, S. 403 (428 ff.); Kolbe, Intersexualität, Zweigeschlechtlichkeit und Verfassungsrecht, 2010, S. 87, 92, 207; A. Schmidt, in: Foljanty/Lembke (Hrsg.), Feministische Rechtswissenschaft, 2. Aufl. 2012, § 10 Rn. 4. Theilen, StAZ 2016, 295 (298) sprach nach der Änderung des PStG 2013 vom „zumindest in Ansätzen nicht binäre[n] Personenstandsrecht“; Gössl, StAZ 2015, 171 (172) von einem „de facto ,dritte[n] Geschlecht‘“; ähnlich Gössl, StAZ 2018, 40 (44), wonach der Gesetzgeber „einen absoluten Grundsatz der Binarität … 2013 aufgegeben“ habe; ähnlich auch Sieberichs, FamRZ 2019, 329 (329). 50 Althoff/Schabram/Follmar-Otto, Geschlechtervielfalt im Recht, hrsg. vom Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, 2017, S. 30; ähnlich Froese, DÖV 2017, 228 (230 f.); Mangold, VerfBlog vom 12. 11. 2017; s. auch Baer, in: Koreuber/Mager (Hrsg.), Recht und Geschlecht, 2004, S. 19 (26); Hohmann-Dennhardt, in: Kritische Justiz (Hrsg.), Verfassungsrecht und gesellschaftliche Realität, 2009, S. 125 (127 f.); Coester-Waltjen, JZ 2010, 852 (854); bezogen auf die personenstandsrechtliche Eintragung kurz nach der Geburt auch Liebscher/Naguib/Plümecke/Remus, KJ 45 (2012), 204 (206); Bockstette, StAZ 2013, 169 (172); Brachthäuser/Richarz, FoR 2014, 41 (41); Theilen, StAZ 2014, 1 (2 f.); Froese, AöR 140 (2015), 598 (601 f.); Gössl, StAZ 2018, 40 (41). Das BVerfG hat in der 8. Transsexuellenentscheidung (BVerfGE 128, 109 ff.) die Bedeutung körperlicher Merkmale für die Geschlechtszuordnung abgeschwächt, s. dazu Adamietz, APuZ 20 – 21/2012, 15 (18 f., 21).

B. Geschlechtergerechte Sprache: Kritische Begriffsbeleuchtung

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Kind weder dem weiblichen noch dem männlichen Geschlecht zugeordnet werden, so war nach dem Wortlaut des § 22 Abs. 3 PStG in der bis zum 21. Dezember 2018 geltenden Fassung der Personenstandsfall ohne eine solche Angabe in das Geburtenregister einzutragen. Das deutsche Recht erkannte also zwar an, dass eine Zuordnung zu einem der beiden Geschlechter weiblich und männlich nicht immer möglich ist51, was insbesondere intersexuelle (intergeschlechtliche52) Personen betrifft53. Für diese Fälle sah das PStG die Möglichkeit vor, die Angabe des Geschlechts offen zu lassen, denn trotz der Formulierung „ist … ohne eine solche Angabe … einzutragen“ wurde § 22 Abs. 3 PStG a. F. vielfach nicht als „Muss“-, sondern als „Kann“-Vorschrift interpretiert.54 Eine dritte Möglichkeit, ein Geschlecht positiv einzutragen (z. B. mit „inter/divers“), war hingegen nach ganz h.M. nicht vorgesehen.55 Hier waren aufgrund des Beschlusses des Bundesverfassungsgerichts vom 10. Oktober 2017 zur Verfassungsmäßigkeit dieser Regelungen des Personenstandsrechts56 jedoch grundlegende Änderungen erforderlich. Das Bundesverfassungsgericht hat entschieden, dass Personen, die sich dauerhaft weder dem männlichen noch dem weiblichen Geschlecht zuordnen lassen, sowohl in ihrem Allgemeinen Persönlichkeitsrecht aus Art. 2 Abs. 1 i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG als auch in 51

Sieberichs, FamRZ 2013, 1180 (1184); Froese, AöR 140 (2015), 598 (603). Armbruster, FoR 2014, 116 (116) zieht den Begriff „intergeschlechtlich“ vor, um zu verdeutlichen, dass es um das Geschlecht und nicht um die sexuelle Orientierung geht. 53 Nach Ansicht von Lembke, in: Lembke (Hrsg.), Menschenrechte und Geschlecht, 2014, S. 18 (19) war die Regelung „offensichtlich als sehr eng begrenzte Ausnahmeregelung für sehr wenige Fälle konzipiert“; zu der Problematik, dass auch andere Menschen als intergeschlechtliche sich als „nicht-binär“ betrachten, Ambrosi, VerfBlog vom 29. 11. 2017; zu Recht weisen Brachthäuser/Richarz, FoR 2014, 41 (42) auf die Unklarheit der Voraussetzungen des § 22 Abs. 3 PStG (a. F.) hin. 54 Sieberichs, FamRZ 2013, 1180 (1184); Helms, in: FS Brudermüller, 2014, S. 301 (304 f.); Froese, AöR 140 (2015), 598 (613); Helms, Brauchen wir ein drittes Geschlecht?, 2015, S. 11; Gössl, NZFam 2016, 1122 (1126) m. w. N., die aber dennoch eine Änderung des Wortlauts befürwortete, s. Gössl, NJW 2017, 3648; Gössl, StAZ 2018, 40 (46); a. A. Armbruster, FoR 2014, 116 (116 f.); Theilen, StAZ 2014, 1 (5); Lettrari, Aktuelle Aspekte der Rechtslage zur Intersexualität, 2015, S. 14 f.; zur Handhabung der Norm in der Verwaltungspraxis Althoff/Schabram/Follmar-Otto, Geschlechtervielfalt im Recht, hrsg. vom Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, 2017, S. 20; Plett, Stellungnahme vom 23. 11. 2018, BT-Ausschussdrucks. 19(4)169 D neu, S. 2, die ebenfalls für eine Änderung des Wortlauts plädierte; für eine Änderung auch Follmar-Otto, Stellungnahme Deutsches Institut für Menschenrechte, Nov. 2018, BT-Ausschussdrucks. 19(4)169 C, S. 7. 55 BVerfGE 147, 1 (20 f. Rn. 42); BGH, NJW 2016, 2885 (2885 f. Rn. 10 ff.); OLG Celle, StAZ 2015, 107; Sieberichs, FamRZ 2013, 1180 (1181); Theilen, StAZ 2016, 295 (296); Valentiner, (Geschlechter)Rollenstereotype in juristischen Ausbildungsfällen, 2017, S. 21 Fn. 62 unter Verweis auf Ziff. 21.4.3 PStG-VwV; Wiggerich, StAZ 2018, 21 (21); a. A. im Wege verfassungskonformer Auslegung Gössl, StAZ 2015, 171 (174); Gössl, StAZ 2018, 40 (44 f.); Sieberichs, FamRZ 2019, 329 (329 f.); zur Anerkennung eines „dritten Geschlechts“ in anderen Staaten Mittag/Sauer, APuZ 20 – 21/2012, 55 (57); Gössl, StAZ 2018, 40 (41 f.). 56 BVerfG, 1 BvR 2019/16 vom 10.10. 2017, BVerfGE 147, 1 ff. 52

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1. Teil: Einführung in die Problematik geschlechtergerechter Sprache

Art. 3 Abs. 3 Satz 1 GG verletzt werden, wenn das Personenstandsrecht dazu zwingt, das Geschlecht zu registrieren, aber keinen anderen positiven Geschlechtseintrag als weiblich oder männlich zulässt.57 Die entsprechenden Normen hat das Bundesverfassungsgericht für mit den genannten Grundrechten unvereinbar erklärt, „soweit sie eine Pflicht zur Angabe des Geschlechts begründen und dabei Personen, deren Geschlechtsentwicklung gegenüber einer weiblichen oder männlichen Geschlechtsentwicklung Varianten aufweist und die sich selbst dauerhaft weder dem männlichen noch dem weiblichen Geschlecht zuordnen, keinen positiven Geschlechtseintrag ermöglichen, der nicht ,weiblich‘ oder ,männlich‘ lautet“.58 Es gab dem Gesetzgeber auf, bis zum 31. Dezember 2018 eine verfassungsgemäße Neuregelung zu treffen. Dabei standen dem Gesetzgeber aus Sicht des Bundesverfassungsgerichts mehrere Optionen offen: Er könne, so heißt es in der Entscheidung, zusätzlich zu der für die Betroffenen bestehenden Möglichkeit, dass der Geschlechtseintrag unterbleibt, die Möglichkeit schaffen, eine einheitliche59 positive, vom Gesetzgeber festzulegende Bezeichnung eines Geschlechts zu wählen, das nicht weiblich oder männlich ist. Alternativ könne der Gesetzgeber aber auch auf einen personenstandsrechtlichen Geschlechtseintrag generell verzichten.60 Die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts ist zu Recht als „bahnbrechend“ bezeichnet worden61, ob man sie nun befürwortet oder ablehnt. Sie stärkt die 57 BVerfGE 147, 1 (Ls. 1 – 3); vgl. zuvor im Ergebnis ebenso Kolbe, Intersexualität, Zweigeschlechtlichkeit und Verfassungsrecht, 2010, S. 98 ff.; ähnlich bzgl. des Allgemeinen Persönlichkeitsrechts zuvor auch Röthel, JZ 2017, 116 (120 ff.). 58 So der Tenor der Entscheidung, BVerfGE 147, 1 (1 f.), der sich somit im Unterschied zu den Leitsätzen auf „Personen, deren Geschlechtsentwicklung gegenüber einer weiblichen oder männlichen Geschlechtsentwicklung Varianten aufweist und die sich selbst dauerhaft weder dem männlichen noch dem weiblichen Geschlecht zuordnen“ bezieht, was schwierige Fragen hinsichtlich der Reichweite der Bindungswirkung der Entscheidung (§ 31 BVerfGG) aufwirft, s. dazu Abg. Henrichmann, BT-PlPr. 19/55, S. 5988 C/D; kritisch zur Formulierung der Leitsätze Plett, RuP 54 (2018), 452 (455). Die Vorinstanzen gingen von der Verfassungsmäßigkeit der §§ 21 Abs. 1 Nr. 3, 22 Abs. 3 PStG aus, s. BGH, NJW 2016, 2885 (2886 f. Rn. 21 ff.); OLG Celle, StAZ 2015, 107; AG Hannover, 85 III 105/14 vom 13. 10. 2014, BeckRS 2016, 13848; wie diese auch Helms, Brauchen wir ein drittes Geschlecht?, 2015, S. 25 ff.; Dutta/Helms, StAZ 2017, 98 ff. Zur Rechtslage in Österreich s. die wenige Monate nach der des BVerfG ergangene Entscheidung des Österr. VfGH, G 77/2018-9 vom 15. 6. 2018, FamRZ 2018, 1437 ff.; dazu Greif, VerfBlog vom 6. 7. 2018; Kieck, StAZ 2018, 302 ff.; Holzleithner, JöR N.F. 67 (2019), 457 (472 ff.). 59 Die Beschränkung des BVerfG auf nur eine ggf. neu zu schaffende Kategorie sowie auf eine einheitliche Bezeichnung hält Frie, NZFam 2017, 1149 (1150 f.) für gerechtfertigt, um eine „vollständige Fragmentierung der Geschlechtskategorien im Personenstandsrecht zu vermeiden“; zustimmend auch Helms, FamRZ 2017, 2054 (2055); a. A. Theilen, StAZ 2016, 295 (300), der sich für einen jeweils selbstgewählten Eintrag ausspricht. 60 BVerfGE 147, 1 (30 Rn. 65); zu dieser Möglichkeit bereits zuvor Coester-Waltjen, JZ 2010, 852 (856); Kolbe, Intersexualität, Zweigeschlechtlichkeit und Verfassungsrecht, 2010, S. 179 ff.; Adamietz, APuZ 20 – 21/2012, 15 (21); zu den verschiedenen Optionen des Gesetzgebers Elsuni, VerfBlog vom 17. 11. 2017. 61 So Mangold, VerfBlog vom 12. 11. 2017; vgl. auch Frie, NZFam 2017, 1149 (1149); Wiggerich, StAZ 2018, 21 (21); etwas zurückhaltender Sanders, NZFam 2018, 241 (243):

B. Geschlechtergerechte Sprache: Kritische Begriffsbeleuchtung

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Bedeutung des eigenen Empfindens und der eigenen Zuordnung als Kriterium der Geschlechtszugehörigkeit.62 Ob dem allerdings auch die Umsetzung des Gesetzgebers gerecht wird, erscheint fraglich.63 Wie vielfach erwartet64, hat sich der Gesetzgeber mit dem „Gesetz zur Änderung der in das Geburtenregister einzutragenden Angaben” vom 18. Dezember 201865 für die Alternative entschieden, eine neue Kategorie für den Geschlechtseintrag im Geburtenregister zu schaffen. § 22 Abs. 3 PStG lautet nunmehr wie folgt: „Kann das Kind weder dem weiblichen noch dem männlichen Geschlecht zugeordnet werden, so kann der Personenstandsfall auch ohne eine solche Angabe oder mit der Angabe ,divers‘ in das Geburtenregister eingetragen werden.“

Mit der erst zum Ende des Gesetzgebungsverfahrens erfolgten Formulierung der Norm als Kann-Vorschrift besteht nun Klarheit darüber, dass das Gesetz kein „Zwangsouting“ von Intersexuellen vorsieht.66 Auch bei ihnen ist nach der insoweit eindeutigen Gesetzesbegründung eine Eintragung als „weiblich“ oder „männlich“ möglich.67 Problematisch ist allerdings aufgrund der passivischen Formulierung der „keine umstürzenden Neuerungen“; kritisch zu der Entscheidung Märker, NZFam 2018, 1 ff.; Kischel, in: Epping/Hillgruber (Hrsg.), BeckOK GG, Stand: Dez. 2019, Art. 3 Rn. 183, 219 ff.; Sieberichs, FamRZ 2019, 329 (329 f.); kritisch zur Begründung auch Helms, FamRZ 2017, 2054 ff. 62 S. BVerfGE 147, 1 (20 f., 27 f. Rn. 42 f., 56 f.); dazu Froese, DÖV 2018, 315 (317, 320), die in der Entscheidung aber dennoch eine „Rückkehr der Biologie“ sieht (320); Körlings, NZA 2018, 282 (282); Lindenberg, NZFam 2018, 1062 (1063); Mangold, Stellungnahme vom 22. 11. 2018, BT-Ausschussdrucks. 19(4)169 A, S. 3 f.; Plett, RuP 54 (2018), 452 (455); Rixen, JZ 2018, 317 (320); Sachs, JuS 2018, 399 (401); Wapler, jM 2018, 115 (116); Wiggerich, StAZ 2018, 21 (22); Berndt-Benecke, StAZ 2019, 65 (66); Kischel, in: Epping/Hillgruber (Hrsg.), BeckOK GG, Stand: Dez. 2019, Art. 3 Rn. 219 ff.; Sieberichs, FamRZ 2019, 329 (331). Das BVerfG hat auch schon in früheren Entscheidungen dem eigenen Geschlechtsempfinden Bedeutung zugemessen, s. BVerfGE 115, 1 (15); 116, 243 (263); 128, 109 (124); zur „fortschreitende[n] Tendenz zur Subjektivierung des Geschlechts“ vor dem Beschluss des BVerfG auch Froese, AöR 140 (2015), 598 (615); ähnlich wie diese Kolbe, Intersexualität, Zweigeschlechtlichkeit und Verfassungsrecht, 2010, S. 90. 63 Lindenberg, NZFam 2018, 1062 (1063); Plett, RuP 54 (2018), 452 (454 ff.); Sieberichs, FamRZ 2019, 329 (331 ff.); v. Roetteken, GiP 3/2019, 23 (25 f.). 64 S. etwa Frie, NZFam 2017, 1149 (1150), die aus der unterschiedlichen Wortwahl des BVerfG („könnte“ bzw. „kann“) auf dessen Favorisierung der Option schloss, eine weitere positive Eintragsmöglichkeit zu schaffen; Bettinghausen, BB 2018, 372 (374). 65 BGBl. I S. 2635, in Kraft getreten am 22. 12. 2018; zum Gesetzgebungsverfahren s. insb. BT-Drs.19/4669; 19/6467; BT-PlPr. 19/55, S. 5987 C ff.; 19/71, S. 8830 A ff.; BR-Drs. 429/18; 429/18 (B). Im Rahmen des Gesetzgebungsverfahrens erfolgte am 26. 11. 2018 eine Sachverständigenanhörung des Ausschusses für Inneres und Heimat des Deutschen Bundestages. 66 Zu dieser Problematik zuvor Follmar-Otto, Stellungnahme Deutsches Institut für Menschenrechte, Nov. 2018, BT-Ausschussdrucks. 19(4)169 C, S. 7; Plett, RuP 54 (2018), 452 (454); Plett, Stellungnahme vom 23. 11. 2018, BT-Ausschussdrucks. 19(4)169 D neu, S. 2; für die Ausgestaltung der Norm als Kann-Vorschrift auch Mangold, Stellungnahme vom 22. 11. 2018, BT-Ausschussdrucks. 19(4)169 A, S. 4 f. 67 BT-Drs. 19/6467, S. 13.

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1. Teil: Einführung in die Problematik geschlechtergerechter Sprache

Norm, wer über die Art der Eintragung bzw. das Offenlassen entscheidet.68 Aufgrund der Persönlichkeitsrechtsrelevanz der Entscheidung ergibt zwar die teleologische Auslegung der Norm, dass letztlich nur die das Kind gesetzlich vertretenden Eltern (§§ 1626 Abs. 1, 1629 Abs. 1 BGB) die Entscheidung treffen können69, es bleiben aber dennoch Fragen offen.70 Ferner ist ein neuer § 45b „Erklärung zur Geschlechtsangabe und Vornamensführung bei Personen mit Varianten der Geschlechtsentwicklung“ in das PStG eingefügt worden, welcher spätere Änderungen des kurz nach der Geburt erfolgten Geschlechtseintrags regelt. Dadurch soll es ermöglicht werden, die sich erst später entwickelnde Geschlechtsidentität mit dem Geschlechtseintrag kurz nach der Geburt zu „harmonisieren“71, indem die Angaben „weiblich“, „männlich“ oder „divers“ oder ein Offenlassen bzw. Streichen des Geschlechtseintrags gewählt werden können72. Hierfür ist gem. § 45b Abs. 3 PStG grundsätzlich mittels Vorlage einer ärztlichen Bescheinigung nachzuweisen, dass eine Variante der Geschlechtsentwicklung vorliegt; eine begrenzte Ausnahmeregelung wurde ebenfalls erst spät im Gesetzgebungsverfahren noch in § 45b Abs. 3 Satz 2 PStG eingefügt.73 Eine Begutachtung ist hingegen nicht vorgesehen.74

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So auch Reuß, StAZ 2019, 42 (45); Sieberichs, FamRZ 2019, 329 (330). So auch Reuß, StAZ 2019, 42 (45); Sieberichs, FamRZ 2019, 329 (330). 70 So wirft Sieberichs, FamRZ 2019, 329 (330) die Frage auf, wie zu verfahren ist, falls die Eltern sich weigern eine Wahl über die Art der Eintragung bzw. das Offenlassen zu treffen und plädiert in diesem Fall für die Befugnis des Standesamtes, den Eintrag offen zu lassen. Unklar war bereits unter der Geltung von § 22 Abs. 3 PStG a. F., wer im Zweifel darüber entscheiden sollte, ob ein Kind „weder dem weiblichen noch dem männlichen Geschlecht zugeordnet werden [kann]“; dazu Brachthäuser/Richarz, FoR 2014, 41 (43); Helms, Brauchen wir ein drittes Geschlecht?, 2015, S. 10 ff. unter Verweis auf die Geburtsanzeige als „Dreh- und Angelpunkt“ (S. 12); von einem Vorrang der ärztlichen Einschätzung ausgehend Bockstette, StAZ 2013, 169 (172); diesem folgend Lettrari, Aktuelle Aspekte der Rechtslage zur Intersexualität, 2015, S. 15 f., 25, die damals bereits „eine klare Regelung zur Verteilung der Kompetenzen“ forderte (S. 26); s. zu § 22 Abs. 3 PStG a. F. auch Althoff/Schabram/Follmar-Otto, Geschlechtervielfalt im Recht, hrsg. vom Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, 2017, S. 20 ff.; zur fortbestehenden Unklarheit unter Geltung von § 22 Abs. 3 PStG n.F. s. einen Änderungsantrag der Fraktion DIE LINKE, BT-Drs. 19/6476, S. 3, wo von einem Eintrag bzw. Offenlassen „anhand medizinischer oder elterlicher Einschätzung“ die Rede ist; s. auch Sieberichs, FamRZ 2019, 329 (330), wonach in der Praxis die Bescheinigung eines Arztes oder einer Hebamme erforderlich sei. Gesetzessystematisch ist unklar, ob die Nachweisanforderungen des § 45b Abs. 3 PStG auch im Rahmen des § 22 Abs. 3 PStG gelten sollen, so auch v. Roetteken, GiP 3/2019, 23 (25 ff.). 71 BR-Drs. 429/18, S. 8; BT-Drs. 19/4669, S. 10. Für den Eintrag kurz nach der Geburt gem. § 22 Abs. 3 PStG hat der Gesetzgeber dagegen „das Konzept der Fremdzuordnung des Geschlechts … aufgrund körperlicher Merkmale“ beibehalten, so Follmar-Otto, Stellungnahme Deutsches Institut für Menschenrechte, Nov. 2018, BT-Ausschussdrucks. 19(4)169 C, S. 7 ff. 72 BR-Drs. 429/18, S. 4 f.; BT-Drs. 19/4669, S. 7. 73 S. dazu BR-Drs. 429/18, S. 9; BT-Drs. 19/4669, S. 11; 19/6467, S. 13; Berndt-Benecke, NVwZ 2019, 286 (289); Sieberichs, FamRZ 2019, 329 (330). 69

B. Geschlechtergerechte Sprache: Kritische Begriffsbeleuchtung

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Die Bezeichnung der neuen positiven Kategorie für den Geschlechtseintrag ist im Verlauf des Gesetzgebungsverfahrens intensiv und kontrovers debattiert worden.75 Die gewählte Angabe „divers“ soll nach der Gesetzesbegründung jeder betroffenen Person die Möglichkeit der geschlechtlichen Identifikation geben.76 Sie entspreche dem in der Länder- und Verbändebeteiligung zum Ausdruck gekommenen Willen der betroffenen Menschen.77 Die Gesetzesänderung beschränkt sich nach der Gesetzesbegründung auf „Personen mit Varianten der Geschlechtsentwicklung“.78 Dies hängt damit zusammen, dass es in dem der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zugrunde liegenden Fall um eine solche Person ging.79 Der beschränkte Anwendungsbereich der Regelung wird im Hinblick auf die Gleichbehandlung insbesondere Transsexueller zu

74 Vgl. BT-Drs. 19/6467, S. 13; Sieberichs, FamRZ 2019, 329 (330); zuvor zur Frage einer Begutachtung Berghahn, in: Berghahn/Schultz (Hrsg.), Rechtshandbuch für Frauen- und Gleichstellungsbeauftragte (Stand: Mai 2018), Kap. 2.4.5, S. 11; Froese, DÖV 2018, 315 (320); für verfassungswidrig hätte dies Wapler, jM 2018, 115 (116) gehalten; kritisch auch Theilen, StAZ 2014, 1 (2, 5); für ein Begutachtungserfordernis dagegen Märker, NZFam 2018, 1 (2); differenzierend Froese, AöR 140 (2015), 598 (623 f.). Das BVerfG hat bei Transsexuellen das Erfordernis zweier Gutachten für verfassungsgemäß erachtet, s. BVerfGE 128, 109 (129 f.); jüngst bestätigt durch BVerfG, NJW 2018, 222 f. 75 So war im Referentenentwurf des Bundesministeriums des Innern, für Bau und Heimat noch die Bezeichnung „weiteres“ statt „divers“ vorgesehen, nachdem der ursprüngliche Vorschlag „anderes“ auf Widerstand innerhalb der Ministerien gestoßen war, dazu Warnecke, Gesetzentwurf des Innenministeriums. Das dritte Geschlecht soll „weiteres“ heißen, Tagesspiegel Online vom 11. 6. 2018, https://www.tagesspiegel.de/gesellschaft/queerspiegel/gesetzent wurf-des-innenministeriums-das-dritte-geschlecht-soll-weiteres-heissen/22670408.html (abgerufen am 2. 6. 2020); Berndt-Benecke, NVwZ 2019, 286 (288); Berndt-Benecke, StAZ 2019, 65 (69); s. zur Terminologie auch Theilen, StAZ 2014, 1 (3). 76 BR-Drs. 429/18, S. 8; BT-Drs. 19/4669, S. 10; etwas zurückhaltender BR-Drs. 429/18, S. 4; BT-Drs. 19/4669, S. 7: „potentiell vielen Betroffenen“; Sieberichs, FamRZ 2019, 329 (330) hält dies für die „am wenigsten schlechte Lösung“. 77 BR-Drs. 429/18, S. 4; BT-Drs. 19/4669, S. 7. 78 BR-Drs. 429/18, S. 4, 8; BT-Drs. 19/4669, S. 7, 10; s. dazu BVerfGE 147, 1 (25 Rn. 51 und Tenor). Zu der Frage, auf welche Personen der Gesetzgeber bei Einführung einer dritten positiven Option im Personenstandsrecht diese erstrecken müsste, zuvor Ambrosi, VerfBlog vom 29. 11. 2017; Froese, DÖV 2018, 315 (320); Wiggerich, StAZ 2018, 21 (22). Nach Ansicht des OLG Celle, StAZ 2018, 121 (123) zu § 22 Abs. 3 PStG a. F. sollte dagegen auch eine allein auf subjektivem Empfinden beruhende Geschlechtsnichtzugehörigkeit für eine Streichung des Geschlechtseintrags ausreichen; für eine Fortgeltung dieser Rspr. Sieberichs, FamRZ 2019, 329 (331 ff.). 79 Zur Frage der Reichweite der Bindungswirkung der Entscheidung des BVerfG gem. § 31 Abs. 1 BVerfGG s. Abg. Henrichmann, BT-PlPr. 19/55, S. 5988 C/D; Plett, Stellungnahme vom 23. 11. 2018, BT-Ausschussdrucks. 19(4)169 D neu, S. 2 f.; allg. zur Reichweite der Bindungswirkung BVerfGE 1, 14 (36 f.); 19, 377 (391 f.); 20, 56 (87); 24, 289 (297); 40, 88 (93 f.); 104, 151 (197); 112, 268 (277); 115, 97 (109 f.); Bethge, in: Maunz/Schmidt-Bleibtreu/Klein/ Bethge, BVerfGG, § 31 Rn. 96 ff. (Stand: Febr. 2019); v. Ungern-Sternberg, in: C. Walter/ B. Grünewald (Hrsg.), BeckOK BVerfGG, Stand: Jan. 2020, § 31 Rn. 25 ff.

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1. Teil: Einführung in die Problematik geschlechtergerechter Sprache

Recht teilweise kritisch gesehen.80 Der Gesetzgeber hat zwar eine Reform auch des Transsexuellengesetzes81 in Aussicht gestellt82, diese bleibt indes zunächst abzuwarten.83 Die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts ist auch für die Problematik der geschlechtergerechten Sprache von hoher Relevanz.84 Mag das grundsätzlich binäre Geschlechterverständnis der deutschen Rechtsordnung es bis dahin zu rechtfertigen vermocht haben, aus juristischer Sicht auch bei der Definition bzw. Auslegung des Begriffs „geschlechtergerechte Sprache“ dieses Verständnis zugrunde zu legen, ist jedenfalls seit der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts insofern ein Umdenken geboten. Zu fragen ist, welche Sprache allen Geschlechtern gerecht wird.85 Der Begriff „geschlechtergerechte Sprache“ muss so verstanden werden, dass er es ermöglicht, auch die Personen anzusprechen bzw. zu erfassen, die sich weder dem

80 S. etwa Follmar-Otto, Stellungnahme Deutsches Institut für Menschenrechte, Nov. 2018, BT-Ausschussdrucks. 19(4)169 C, S. 6; Plett, Stellungnahme vom 23. 11. 2018, BT-Ausschussdrucksache 19(4)169 D neu, S. 2 f.; A. Schmidt, VerfBlog vom 10. 9. 2018; Sieberichs, FamRZ 2019, 329 (331, 334); s. dazu auch die Begründung der Empfehlungen des Ausschusses für Frauen und Jugend des Bundesrates, BR-Drs. 429/1/18, S. 3, sowie verschiedener Änderungsanträge, BR-Drs. 429/2/18, S. 2 f.; BT-Drs. 19/6476, S. 4; 19/6478, S. 2. 81 Gesetz über die Änderung der Vornamen und die Feststellung der Geschlechtszugehörigkeit in besonderen Fällen (Transsexuellengesetz – TSG) vom 10. 9. 1980, BGBl. I S. 1654, zuletzt geändert durch Gesetz vom 20. 7. 2017 (BGBl. I S. 2787). 82 S. dazu BT-Drs. 19/4128, S. 3; 19/6467, S. 13 f.; Abg. Wiesmann, BT-PlPr. 19/71, S. 8339 C; s. auch BR-Drs. 362/17 (Beschluss). 83 S. dazu BT-PlPr. 19/136, S. 17032 B; BT-Drs. 19/17050, S. 2, 4. Der Entschließungsantrag der Fraktion DIE LINKE u. a. „Selbstbestimmung, Gleichbehandlung, körperliche Unversehrtheit – Die Grund- und Menschenrechte zur geschlechtlichen Vielfalt gewährleisten“, BT-Drs. 19/4828, wurde abgelehnt, s. BT-PlPr. 19/71, S. 8340 B. Zur an einem binären Geschlechterschema orientierten Formulierung des TSG Follmar-Otto, Stellungnahme Deutsches Institut für Menschenrechte, Nov. 2018, BT-Ausschussdrucks. 19(4)169 C, S. 8; v. Roetteken, GiP 3/2019, 23 (25). 84 Vgl. Omlor, JuS 2018, 575 (577); Ramani, Will a New Law Forever Change the German Language?, Smithsonian Magazine Online vom 28. 2. 2018, https://www.smithsonianmag.com/ arts-culture/will-new-law-forever-change-german-language-180968289/ (abgerufen am 2. 6. 2020); Wiggerich, StAZ 2018, 21 (23); Spangenberg, KJ 51 (2018), 345 (353 f.); auch die Begründung des Gesetzes zur Änderung der in das Geburtenregister einzutragenden Angaben erkennt die Verknüpfung der Thematik, hält aber sprachliche Anpassungen für überwiegend nicht erforderlich, s. BR-Drs. 429/18, S. 5; BT-Drs. 19/4669, S. 8; ebenfalls Handlungsbedarf bzgl. Gesetzestexten verneinend Berndt-Benecke, NVwZ 2019, 286 (290). 85 Vgl. Müller-Spitzer, VerfBlog vom 21. 5. 2018; Miemietz, Gender Gap und Glottal Stop, 2019, S. 3 f.; in diese Richtung bereits zuvor Döring, aviso 33 (2003), 28; Hentsch, Universität Leipzig. Heftige Reaktionen auf die weibliche Form, Deutschlandfunk vom 8. 8. 2014, http:// www.deutschlandfunk.de/universitaet-leipzig-heftige-reaktionen-auf-die-weibliche.680.de. html?dram:article_id=294077 (abgerufen am 2. 6. 2020); Fónyad, in: Baumann/Meinunger (Hrsg.), Die Teufelin steckt im Detail, 2017, S. 249 (258); Werner, in: Baumann/Meinunger (Hrsg.), Die Teufelin steckt im Detail, 2017, S. 260 (270 ff.).

B. Geschlechtergerechte Sprache: Kritische Begriffsbeleuchtung

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männlichen noch dem weiblichen Geschlecht zuordnen (lassen).86 Dabei ist zu überlegen, ob dies über ein Verständnis von Beidnennungen wie „Bürgerinnen und Bürger“ als „umfassend generische Gesamtbegriffe“ möglich ist.87 So interpretiert könnte auch eine Beidnennungsform Intersexuelle einschließen.88 Die betroffene Person müsste so nicht entscheiden, ob sie sich (eher) unter die feminine Form („Bürgerin“) oder unter die maskuline Form („Bürger“) subsumieren lassen möchte, sondern könnte dies – ebenso wie die Angabe des Geschlechts im Geburtenregister – offenlassen, da sie jedenfalls vom Gesamtbegriff erfasst wäre. Ist aber darüber hinaus mit Blick auf den Beschluss des Bundesverfassungsgerichts der explizite sprachliche Einschluss auch trans- und intersexueller Menschen etwa durch spezielle grafische Mittel wie das Gender-Sternchen oder den Gender-Gap im Sinne eines Anspruchs auf ein eigenes positives Ausdruckszeichen geboten?89 Hier steht die Diskussion noch ganz am Anfang.90 86 Vgl. Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (Hrsg.), „Situation von Trans- und intersexuellen Menschen im Fokus“, 2016, S. 29. 87 Vgl. F. Braun, Der Deutschunterricht 48 (1996), Heft 1, 54 (58 f.), die insofern den Begriff der Beidnennung gegenüber dem ebenfalls gebräuchlichen des „Splitting“ präferiert, da es nicht darum gehe, ein umfassendes Ganzes in Teile aufzuspalten – a. A. diesbezüglich Dauses, in: FS Müller-Graff, 2015, S. 217 (221); ähnlich wie hier erwogen bezogen auf Beidnennungen in der Binnen-I-Form Kotthoff, OBST 90 (2017), 91 (106 f.); Diewald, in: Berghahn/Schultz (Hrsg.), Rechtshandbuch für Frauen- und Gleichstellungsbeauftragte (Stand: Mai 2020), Kap.1.3, S. 6; von einem engeren Verständnis von Binnen-I-Formen und Beidnennungen ausgehend dagegen W. Fuchs/Kempe-Schälicke/E. Richter/J. Franzen, Geschlechtliche Vielfalt im öffentlichen Dienst, hrsg. vom Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, 2017, S. 44. 88 So auch die Begründung des Gesetzes zur Änderung der in das Geburtenregister einzutragenden Angaben, wonach die Nennung beider Geschlechter „nicht exklusiv wirken soll“, sondern vielmehr „ohne weiteres ersichtlich [sei], dass auch Menschen ohne Zuordnung zu einem der beiden Geschlechter gemeint sind“, BR-Drs. 429/18, S. 5; BT-Drs. 19/4669, S. 8; gleichsinnig Rat für deutsche Rechtschreibung, Bericht und Vorschläge der AG „Geschlechtergerechte Schreibung“, Revidierte Fassung vom 28. 11. 2018, S. 10, abrufbar unter http:// www.rechtschreibrat.com (abgerufen am 2. 6. 2020); ebenso Althoff/Schabram/Follmar/Otto, Geschlechtervielfalt im Recht, hrsg. vom Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, 2017, S. 31 im Wege grund- und menschenrechtskonformer Auslegung; Kischel, in: Epping/Hillgruber (Hrsg.), BeckOK GG, Stand: Dez. 2019, Art. 3 Rn. 219a.2; bezogen auf die Binnen-I-Form auch Kotthoff, OBST 90 (2017), 91 (106 f.); Miemietz, Gender Gap und Glottal Stop, 2019, S. 9, die jedoch den Gender-Gap empfiehlt; Diewald, in: Berghahn/Schultz (Hrsg.), Rechtshandbuch für Frauen- und Gleichstellungsbeauftragte (Stand: Mai 2020), Kap. 1.3, S. 6; zu Recht kritisch bzgl. Beidnennungen Plett, Stellungnahme vom 23. 11. 2018, BT-Ausschussdrucks. 19(4)169 D neu, S. 6. 89 Die Begründung des Gesetzes zur Änderung der in das Geburtenregister einzutragenden Angaben erörtert diese Frage bei der Prüfung des Erfordernisses sprachlicher Anpassungen nicht, s. BR-Drs. 429/18, S. 5; BT-Drs. 19/4669, S. 8. Althoff/Schabram/Follmar-Otto, Geschlechtervielfalt im Recht, hrsg. vom Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, 2017, S. 31, 43 haben sich bereits vor dem Beschluss des BVerfG im Interesse intersexueller Personen langfristig für eine Veränderung der Rechtssprache hin zu einer „geschlechterinklusiven“ ausgesprochen, ohne näher zu definieren, was sie darunter verstehen; selbst haben sie den Gender-Gap verwendet; für die Verwendung des Gender-Gap oder des

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1. Teil: Einführung in die Problematik geschlechtergerechter Sprache

Außerdem hilft die umfassend generische Interpretation von Beidnennungen dort nicht weiter, wo geschlechtsspezifisch differenziert wird, wie z. B. in manchen Formularen91 oder wenn es um die konkrete individuelle Ansprache92, auch in der Amtssprache, geht.93 Bei der Stellenausschreibung ist die bis dahin übliche Praxis, insbesondere die Verwendung des generischen Maskulinums mit dem Zusatz „(m/w)“, zu überdenken.94 Gender-Star W. Fuchs/Kempe-Schälicke/E. Richter/J. Franzen, Geschlechtliche Vielfalt im öffentlichen Dienst, hrsg. vom Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, 2017, S. 44 f.; für den Gender-Star auch Spangenberg, KJ 51 (2018), 345 (354). Die Problematik wird erkannt von Froese, Gendergerechtigkeit. Exklusion durch Inklusion, FAZ Online vom 7. 12. 2016, http://www.faz.net/aktuell/politik/staat-und-recht/gendergerechtigkeit-exklusi on-durch-inklusion-14563961.html (abgerufen am 2. 6. 2020), die darauf verweist, dass für Gesetzestexte Gender-Star und Gender-Gap nach den Vorgaben des Handbuchs der Rechtsförmlichkeit (s. dazu unter Fn. 1754) ausscheiden. 90 Vgl. Ramani, Will a New Law Forever Change the German Language?, Smithsonian Magazine Online vom 28. 2. 2018, https://www.smithsonianmag.com/arts-culture/will-new-lawforever-change-german-language-180968289/ (abgerufen am 2. 6. 2020) unter Verweis auf einen fehlenden Konsens in der Frage, wie zwischengeschlechtliche Menschen sprachlich einbezogen werden, sowie Darstellung einzelner Lösungsansätze; Sieberichs, FamRZ 2013, 1180 (1184) plädiert dafür, die Wünsche der Betroffenen zu berücksichtigen, ohne dass dies in allen Bereichen einheitlich erfolgen müsse; für die Berücksichtigung der Wünsche der Betroffenen auch W. Fuchs/Kempe-Schälicke/E. Richter/J. Franzen, Geschlechtliche Vielfalt im öffentlichen Dienst, hrsg. vom Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, 2017, S. 44; zu Konsequenzen der Entscheidung des BVerfG für das Recht der Vornamensgebung Frie, NZFam 2017, 1149 (1152); Plett, Stellungnahme vom 23. 11. 2018, BT-Ausschussdrucks. 19(4)169 D neu, S. 4; Kienemund, in: Wellenhofer u. a. (Hrsg.), BeckOGK BGB, § 1616 Rn. 85 (Stand: Mai 2020); s. dazu BVerfGK 14, 479 (484). 91 Althoff/Schabram/Follmar-Otto, Geschlechtervielfalt im Recht, hrsg. vom Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, 2017, S. 43; zu Personenbezeichnungen in Formularen jüngst BGHZ 218, 96 ff.; s. dazu näher unter Erster Teil, D. 92 Die Problematik der individuellen Anrede wird aufgegriffen von W. Fuchs/KempeSchälicke/E. Richter/J. Franzen, Geschlechtliche Vielfalt im öffentlichen Dienst, hrsg. vom Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, 2017, S. 20, 44 f.; Helms, FamRZ 2017, 2054 (2054); Sadigh, Endlich sagen dürfen: Ich bin, ZEIT Online vom 8. 11. 2017, http://www.zeit.de/gesellschaft/zeitgeschehen/2017-11/intersexualitaet-bundesverfas sungsgericht-urteil-geburtenregister-geschlecht (abgerufen am 2. 6. 2020); Berghahn, in: Berghahn/Schultz (Hrsg.), Rechtshandbuch für Frauen- und Gleichstellungsbeauftragte (Stand: Mai 2018), Kap. 2.4.5, S. 8; s. auch Block, Wie das dritte Geschlecht die Arbeitswelt verändert, FOCUS Online vom 17. 11. 2017, https://www.focus.de/finanzen/experten/drittes-geschlechtdie-folgen-des-urteils-fuer-die-arbeitswelt_id_7862448.html (abgerufen am 2. 6. 2020); Ramani, Will a New Law Forever Change the German Language?, Smithsonian Magazine Online vom 28. 2. 2018, https://www.smithsonianmag.com/arts-culture/will-new-law-forever-changegerman-language-180968289/ (abgerufen am 2. 6. 2020); zur Bedeutung der Geschlechtsidentität für die individuelle Anrede BVerfG, NJW 1997, 1632 (1633); BVerfG, NJW 2012, 600 (601 Rn. 12 f.); Sieberichs, FamRZ 2013, 1180 (1184); Theilen, StAZ 2016, 295 (296). 93 Die Begründung des Gesetzes zur Änderung der in das Geburtenregister einzutragenden Angaben übersieht (oder übergeht) dies, s. BR-Drs. 429/18, S. 5; BT-Drs. 19/4669, S. 8; s. dazu auch BT-Drs. 19/7797, S. 25. 94 S. dazu näher unter Dritter Teil, D. I. 1. b) und 3. a).

B. Geschlechtergerechte Sprache: Kritische Begriffsbeleuchtung

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Der Beschluss des Bundesverfassungsgerichts könnte ein Argument für die Präferenz echt geschlechtsneutraler Formen sein95, die in der deutschen Sprache allerdings nicht unbegrenzt zur Verfügung stehen96 (wenn auch die Bildung von Partizipialformen im Plural hierzu eine Möglichkeit bietet97). Dies ist allerdings aus juristischer Perspektive noch genauer zu untersuchen. Von der Frage des Geschlechts zu trennen ist die der sexuellen Orientierung.98 Daneben gibt es auch noch die Begriffe der Geschlechtsidentität und der sexuellen Identität. Während sich die Geschlechtsidentität als das selbst empfundene eigene Geschlecht definieren lässt, also z. B. „weiblich“ zu sein, dürfte es bei der sexuellen Orientierung und auch bei der „sexuellen Identität“ eher um die Ausrichtung auf bestimmte Sexualkontaktpersonen gehen.99 Die Abgrenzungen sind aber streitig.100 Eine Diskriminierung darf zwar weder wegen des Geschlechts noch wegen der sexuellen Orientierung erfolgen (s. insb. § 1 AGG, der sowohl die Benachteiligung wegen des Geschlechts als auch wegen der sexuellen Identität verbietet; auch Art. 3 95 So auch Mangold, VerfBlog vom 13. 3. 2018; Plett, Stellungnahme vom 23. 11. 2018, BTAusschussdrucks. 19(4)169 D neu, S. 6; bezogen auf die Stellenausschreibung auch Bettinghausen, BB 2018, 372 (375); v. Roetteken, GiP 3/2019, 23 (28 f.); ebenso für die Verwaltungssprache Landeshauptstadt Hannover (Hrsg.), Empfehlungen für eine geschlechtergerechte Verwaltungssprache, Stand: Jan. 2019. 96 Hellinger/Bierbach, Eine Sprache für beide Geschlechter, hrsg. von der Deutschen UNESCO-Kommission, 1993, S. 8; Frank-Cyrus/Dietrich, Germanistische Linguistik 139 – 140 (1998), 49 (78 f.); Okamura, in: Günthner/Hüpper/C. Spieß (Hrsg.), Genderlinguistik, 2012, 413 (414 f., 431); Diewald, in: Berghahn/Schultz (Hrsg.), Rechtshandbuch für Frauenund Gleichstellungsbeauftragte (Stand: Mai 2020), Kap. 1.3, S. 7. 97 S. nur BT-Drs. 12/1041, S. 35, 37; Guentherodt, Muttersprache 94 (1983/84), 271 (286); Schoenthal, ZGL 17 (1998), 296 (310); L. Bülow/Herz, Linguistische Berichte 240 (2014), 471 (499). 98 So auch die Stellungnahme des Deutschen Ethikrates Intersexualität, BT-Drs. 17/9088, S. 44 f.; Hohmann-Dennhardt, in: Kritische Justiz (Hrsg.), Verfassungsrecht und gesellschaftliche Realität, 2009, S. 125 (126 f., 129); v. Roetteken, GiP 3/2019, 23 (32); vgl. Mittag/ Sauer, APuZ 20 – 21/2012, 55 (55); Märker, NZFam 2018, 1 (3); Baumgärtner, in: Looschelders (Hrsg.), BeckOGK AGG, § 1 Rn. 107.1 (Stand: März 2020). 99 So auch die Stellungnahme des Deutschen Ethikrates Intersexualität, BT-Drs. 17/9088, S. 44 f.; Adamietz, Geschlecht als Erwartung, 2011, S. 26, 29, 31, die allerdings ein extensiveres Verständnis des Begriffes „sexuelle Identität“ zu präferieren scheint (S. 29 ff.); B. Franke, in: Berghahn/Schultz (Hrsg.), Rechtshandbuch für Frauen- und Gleichstellungsbeauftragte (Stand: Mai 2018), Kap. 4.3.3, S. 4; zum Unterschied zwischen Geschlecht und sexueller Identität s. auch Baumgärtner, in: Looschelders (Hrsg.), BeckOGK AGG, § 1 Rn. 100.1 (Stand: März 2020); auch das BVerfG sieht Bedeutungsunterschiede zwischen „Geschlechtsidentität“ und „sexueller Identität“, s. BVerfGE 147, 1 (29 Rn. 62); die sexuelle Orientierung ordnet das BVerfG als Unterkategorie der sexuellen Identität ein, s. BVerfGE 131, 239 (257). 100 S. nur Stellungnahme des Deutschen Ethikrates Intersexualität, BT-Drs. 17/9088, S. 44 f.; Krüger, StAZ 2006, 260 ff.; Kocher, KJ 42 (2009), 386 (399 f.); Adamietz, Geschlecht als Erwartung, 2011, S. 25 ff.; Adamietz, APuZ 20 – 21/2012, 15 (15 f.); Mittag/Sauer, APuZ 20 – 21/2012, 55 (55 f.); Rixen, JZ 2018, 317 (318 f.); Kischel, in: Epping/Hillgruber (Hrsg.), BeckOK GG, Stand: Dez. 2019, Art. 3 Rn. 130.1; bei Märker, NZFam 2018, 1 (3) etwa Zuordnung der sexuellen Orientierung zur geschlechtlichen Identität.

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1. Teil: Einführung in die Problematik geschlechtergerechter Sprache

GG untersagt nicht nur eine Diskriminierung wegen des Geschlechts, sondern auch eine solche wegen der sexuellen Orientierung101); die Rechtsordnung differenziert aber zwischen beidem, was insbesondere an der Diskussion um die (nicht erfolgte) Aufnahme des Merkmals „sexuelle Identität“ in Art. 3 Abs. 3 GG102 deutlich wird. Obschon sich der Begriff der geschlechtergerechten Sprache dem Wortlaut nach (nur) auf das Geschlecht und nicht auf die sexuelle Orientierung bezieht, würde es allerdings wenig helfen, wenn die Sprache zwar „Geschlechter-gerecht“ wäre, aber eine Diskriminierung wegen der sexuellen Orientierung darstellte. Es ist indes nicht ersichtlich, inwieweit eine geschlechtergerechte Sprache, die alle Geschlechter einbezieht, eine Diskriminierung wegen der sexuellen Orientierung darstellen sollte. Insofern scheint auch eine abschließende Klärung des Verhältnisses von Geschlecht und sexueller Identität bzw. sexueller Orientierung an dieser Stelle entbehrlich.

II. „Geschlechtergerechte“ Sprache: Diskussion alternativer Begriffsvorschläge Teilweise wird statt des Begriffs „geschlechtergerechte“ Sprache auch eine andere Terminologie verwendet.103 So finden sich auch die Begriffe „geschlechtsneutrale“104 bzw. „gendergerechte“105 Sprache. Insofern stellt sich die Frage, ob es sich dabei um Synonyme zu dem Begriff der geschlechtergerechten Sprache handelt. Mitunter werden die Begriffe „geschlechtsneutrale“ und „geschlechtergerechte“ (Rechts-)Sprache parallel und damit synonym aufgeführt.106 Geschlechtsneutrale Sprache ist aber nur eine Möglichkeit, geschlechtergerecht zu formulieren.107

101 S. BVerfGE 124, 199 (220); 126, 400 (419); 131, 239 (256 f.), wonach die Prüfung i.R.d. Art. 3 Abs. 1 GG erfolgt, allerdings mit gesteigerten Rechtfertigungsanforderungen; dazu auch BT-Drs. 17/4775, S. 5. 102 Dazu BT-Drs. 12/6000, S. 54; BR-Drs. 741/09; BR-PlPr. 864, S. 423 D ff.; BT-Drs. 17/ 88; 17/254; 17/472; 17/4775; BT-PlPr. 17/117, S. 13514 D ff.; Limbach/Eckertz-Höfer (Hrsg.), Frauenrechte im Grundgesetz des geeinten Deutschland, 1993, passim; Hohmann-Dennhardt, in: Kritische Justiz (Hrsg.), Verfassungsrecht und gesellschaftliche Realität, 2009, S. 125 (126, 130); der Bundesrat hat die Beratung über einen Antrag auf Aufnahme der „sexuellen und geschlechtlichen Identität“ in Art. 3 Abs. 3 Satz 1 GG (BR-Drs. 225/18) kürzlich vertagt, s. BRPlPr. 969, S. 214 C; der Bundestag berät über einen Antrag zur Einfügung des Merkmals „sexuelle Identität“, s. BT-Drs. 19/13123; BT-PlPr. 19/124, S. 15468 D ff. 103 Dazu Diewald, Der Sprachdienst 62 (2018), 195 (196 f.); Ivanov/M. B. Lange/Tiemeyer/ Ptok, Gender(ed) Thoughts 2/2019, 1 (2 Fn. 1); zur historischen Entwicklung eingehend Wetschanow, OBST 90 (2017), 33 (37 ff.). 104 So etwa Desprez-Bouanchaud/Doolaege/Ruprecht, UNESCO Guidelines on GenderNeutral Language, 1999. 105 Vgl. Kusterle, Die Macht von Sprachformen, 2011, S. 7; L. Bülow/Herz, Linguistische Berichte 240 (2014), 471 (507). 106 So etwa Foth, JR 2007, 410 (410).

B. Geschlechtergerechte Sprache: Kritische Begriffsbeleuchtung

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Auch die Begriffe „gendergerechte“ und „geschlechtergerechte Sprache“ werden teilweise synonym verwendet.108 „Gendergerechte“ Sprache legt eine Assoziation zum Begriff gender mainstreaming nahe, für den sich eine ähnlich kurze und prägnante Bezeichnung im Deutschen bislang nicht gefunden hat109. Gender Mainstreaming bedeutet, bei allen gesellschaftlichen und politischen Vorhaben die unterschiedlichen Lebenssituationen und Bedürfnisse von Frauen und Männern110 von vornherein und regelmäßig zu berücksichtigen und die Aufmerksamkeit auf Systeme und Strukturen zu richten, die Benachteiligungen erzeugen.111 Das betrifft auch den Erlass (und die Anwendung) von Normen.112 Insofern dürften sich die Begriffe gendergerechte und geschlechtergerechte Sprache (gendergerecht verstanden als „dem Gender Mainstreaming-Ansatz entsprechend“) inhaltlich oftmals decken. Allerdings ist der englische Begriff gender nicht gleichbedeutend mit dem deutschen Begriff „Geschlecht“.113 Das liegt daran, dass im Englischen zwischen dem biologischen Geschlecht sex und dem sozio-kulturellen (sozialen) Geschlecht gender

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Vgl. BT-Drs. 12/1041, S. 9; Bundesverwaltungsamt (Hrsg.), Merkblatt M 19 „Sprachliche Gleichbehandlung von Frauen und Männern“, 2. Aufl. 2002, S. 7; zur Neutralisierung als Strategie geschlechtergerechter Sprache (durch die Verwendung geschlechtsneutraler Formen) s. näher unter Erster Teil, C. 108 So etwa Kusterle, Die Macht von Sprachformen, 2011, S. 7; vgl. auch Baumann, in: F. Vogel (Hrsg.), Zugänge zur Rechtssemantik, 2015, S. 254 (267): „Gender bzw. geschlechtergerechtes Formulieren“; L. Bülow/Herz, in: Baumann/Meinunger (Hrsg.), Die Teufelin steckt im Detail, 2017, S. 148 (149). 109 S. Braun, RiA 2003, 53 (53); Jungblut, in: Eichhoff-Cyrus (Hrsg.), Adam, Eva und die Sprache, 2004, S. 91 (94); das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend plädiert für „Leitbild der Geschlechtergerechtigkeit“, s. Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, Strategie „Gender Mainstreaming“, 19. 2. 2016, https://www. bmfsfj.de/bmfsfj/themen/gleichstellung/gleichstellung-und-teilhabe/strategie-gender-mainstrea ming (abgerufen am 2. 6. 2020). 110 Auch hier ist die Beschränkung der Perspektive auf Frauen und Männer allerdings kritisch zu hinterfragen. 111 S. nur S. Braun, RiA 2003, 53 (53); vgl. v. Schwanenflug, KommJur 2009, 121 (123); Eichenhofer, in: Streinz (Hrsg.), EUV/AEUV, 3. Aufl. 2018, Art. 8 AEUV Rn. 7; eingehend kritisch zum Gender Mainstreaming Jungblut, in: Eichhoff-Cyrus (Hrsg.), Adam, Eva und die Sprache, 2004, S. 91 (94 ff.). 112 Vgl. Prümm, JA 2005, 310 (314); Valentiner, (Geschlechter)Rollenstereotype in juristischen Ausbildungsfällen, 2017, S. 15. Schewe-Gerigk, in: Eichhoff-Cyrus (Hrsg.), Adam, Eva und die Sprache, 2004, S. 322 (327) spricht bzgl. geschlechtergerechter Sprache vom „Prinzip des ,sprachlichen Gender Mainstreamings‘“; auch BT-Drs. 16/3776, S. 75; G. Bachmann, NVwZ 2008, 754 (754 f.); V. Steiger/Irmen, Der Sprachdienst 52 (2008), 161 (165); M. Klein, Die Neubekanntmachung von Gesetzen vor dem Hintergrund der staatlichen Konsolidierungspflicht, 2010, S. 207; D. Richter, in: Blaha/Wilhelm (Hrsg.), Verständliche Sprache in Recht und Verwaltung, 2011, S. 25 (27); Roos, NJW 2012, 652 (653); Dauses, EuZW 2014, 801 (801); Dauses, in: FS Müller-Graff, 2015, S. 217 (219) sehen geschlechtergerechte Sprache als Ausfluss von Gender Mainstreaming an. 113 S. Braun, RiA 2003, 53 (53); Bußmann, in: Bußmann/Hof (Hrsg.), GENUS, 2005, S. 482 (486).

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1. Teil: Einführung in die Problematik geschlechtergerechter Sprache

unterschieden wird114, während die deutsche Sprache an sich nur die Bezeichnung „Geschlecht“ kennt.115 Allerdings wird der Begriff Gender inzwischen häufig auch schon im Deutschen gebraucht.116 Unter „Gender“ werden u. a. die gesellschaftlich bestimmten Rollen, Rechte und Pflichten von Frauen und Männern verstanden117, sodass auch vom „sozial konstruierten“118 Geschlecht gesprochen wird. Teilweise wird bewusst der Begriff gendergerecht anstelle von geschlechtergerecht gewählt, um zu verdeutlichen, dass nicht von einem rein biologischen Geschlechtsverständnis ausgegangen wird.119 Die deutsche Rechtsordnung weist den Begriff Gender fast ausschließlich im Kontext des Gender Mainstreaming an mehreren Stellen120 auf.121 Sie hat Gender Mainstreaming zu einem Leitprinzip des Handelns erklärt122, ohne jedoch klärend auf das Problem einzugehen, dass gender das soziale Geschlecht meint, die deutsche Rechtsordnung aber stark auf einem medizinisch-biologischen Geschlechtsverständnis basiert, auch wenn hier Lockerungen zu erkennen sind, so insbesondere auch durch den Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 10. Oktober 2017123.124 Wenn die Normen zum Gender Mainstreaming von der Gleichstellung 114 Allerdings wird diese Unterscheidung insbesondere aus dekonstruktivistischer Sicht kritisiert, dazu Selders, in: Koppert/Selders (Hrsg.), Hand aufs dekonstruierte Herz, 2003, S. 62 (64); Hof, in: Bußmann/Hof (Hrsg.), GENUS, 2005, S. 2 (17); Walgenbach/Dietze/Hornscheidt/Palm, Gender als interdependente Kategorie, 2. Aufl. 2012, S. 15 f. 115 S. Braun, RiA 2003, 53 (53); Baer/Lewalter, DÖV 2007, 195 (198); Walgenbach/Dietze/ Hornscheidt/Palm, Gender als interdependente Kategorie. 2. Aufl. 2012, S. 15; Sanders, NZFam 2018, 241 (242). 116 S. etwa Kusterle, Die Macht von Sprachformen, 2011, S. 40; Walgenbach/Dietze/ Hornscheidt/Palm, Gender als interdependente Kategorie, 2. Aufl. 2012, S. 15. 117 S. Braun, RiA 2003, 53 (53); auf sehr unterschiedliche, sich auch wandelnde Begriffsinterpretationen verweisen Jungblut, in: Eichhoff-Cyrus (Hrsg.), Adam, Eva und die Sprache, 2004, S. 91 (96); Baumann, in: Bartoszewicz/Szcze˛ k/Tworek (Hrsg.), Germanistische Linguistik im interdisziplinären Gefüge II, 2011, S. 189 (194 Fn. 17); Baumann, in: Baumann/ Meinunger (Hrsg.), Die Teufelin steckt im Detail, 2017, S. 196 (217). 118 Kusterle, Die Macht von Sprachformen, 2011, S. 38; vgl. A. Schmidt, in: Foljanty/ Lembke (Hrsg.), Feministische Rechtswissenschaft, 2. Aufl. 2012, § 3 Rn. 21. 119 Vgl. Kusterle, Die Macht von Sprachformen, 2011, S. 40; s. dazu auch Wetschanow, OBST 90 (2017), 33 (39). 120 Dazu Stiegler, in: R. Becker/Kortendiek (Hrsg.), Handbuch Frauen- und Geschlechterforschung, 3. Aufl. 2010, S. 933 (935). 121 Zu den wenigen Ausnahmen auf gesetzlicher Ebene zählen § 25 Landesjugendhilfeorganisationsgesetz Mecklenburg-Vorpommern („Gender Sprachgebrauch“) und § 1 Abs. 3 Lehrkräftebildungsgesetz Berlin, wo u. a. auch „Gender“ als Kompetenzbereich genannt ist. 122 S. nur § 2 Gemeinsame Geschäftsordnung der Bundesministerien (GGO) sowie § 2 Gemeinsame Geschäftsordnung der Landesregierung und der Ministerien in Niedersachsen (GGO); s. dazu unter Dritter Teil, D. I. 4. a) bzw. D. II. 5. 123 BVerfGE 147, 1 (28 Rn. 58) stellt auf die Selbstzuordnung der Betroffenen zu einem Geschlecht ab; zur Betonung sozialer Dimensionen von Geschlecht in der Entscheidung Markard, VerfBlog vom 14. 11. 2017; Sachs, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts der Bundesrepublik Deutschland, Bd. VIII, 3. Aufl. 2010, § 182 Rn. 42 erwägt in

B. Geschlechtergerechte Sprache: Kritische Begriffsbeleuchtung

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von Frauen und Männern sprechen, ist letztlich unklar, ob hier eine Zuordnung im personenstandsrechtlichen oder in einem anderen („Gender“-)Sinn gemeint ist.125 Der Begriff „geschlechtergerechte Sprache“ ist demgegenüber besser mit der Rechtssprache kompatibel und bietet den Vorteil, dass er sowohl das biologische als auch das soziale Geschlecht erfassen kann126. Insofern erscheint der Begriff der „geschlechtergerechten“ Sprache bezogen auf Deutschland und aus juristischer Perspektive betrachtet vorzugswürdig. Auch bei den umgangssprachlich entstandenen, häufiger genutzten Begrifflichkeiten „gegenderte Sprache“ bzw. „gendern“127 ist ein Bezug zum Begriff gender gegeben, sodass die gleichen Bedenken bestehen wie in Bezug auf den Begriff „gendergerechte Sprache“ als Synonym für geschlechtergerechte Sprache. Entsprechendes gilt für „genderfaire“128 bzw. „gendersensible“129 Sprache.130 Insbesondere zu Beginn der Diskussion wurde auch der Begriff „sexistische Sprache“ gewählt.131 Sexistische Sprache ist danach als Gegenteil geschlechtergerechter Sprache zu verstehen.132 Da „sexistisch“ aber ein nur vereinzelt im deutschen Bezug auf Art. 3 Abs. 3 Satz 1 GG, „auch das (nur) psychische Geschlecht einer Person einzubeziehen“. 124 S. dazu unter Erster Teil, B. I. 125 Vgl. Jungblut, in: Eichhoff-Cyrus (Hrsg.), Adam, Eva und die Sprache, 2004, S. 96 f. Teilweise wird eine zwischenzeitliche Annäherung des Begriffsverständnisses von sex an das von gender angenommen, s. Desprez-Bouanchaud/Doolaege/Ruprecht, UNESCO Guidelines on Gender-Neutral Language, 1999, S. 5; Klann-Delius, Sprache und Geschlecht, 2005, S. 9. 126 In diese Richtung auch Adamietz, Geschlecht als Erwartung, 2011, S. 25; eher einen Nachteil sehen in der Mehrdeutigkeit des Begriffs Geschlecht hingegen Kusterle, Die Macht von Sprachformen, 2011, S. 40; Walgenbach/Dietze/Hornscheidt/Palm, Gender als interdependente Kategorie, 2. Aufl. 2012, S. 15. 127 S. bspw. Diewald/Steinhauer, Richtig gendern, hrsg. von der Dudenredaktion, 2017, S. 5: „Gendern bedeutet … die Anwendung geschlechtergerechter Sprache“; zu den Begriffen Wetschanow, OBST 90 (2017), 33 (41). 128 V. Steiger/Irmen, Linguistische Berichte 227 (2011), 297 (315): „gender-faire Sprache“; vgl. Stahlberg/F. Braun/Irmen/Sczesny, in: Fiedler (Hrsg.), Social Communication, 2007, S. 163 (172): „gender-fair forms“. 129 S. etwa die synonyme Verwendung zu geschlechtergerechter Sprache bei Burr-Haase, in: Stern/Sachs (Hrsg.), GRCh, 2016, B. I. Rn. 64 f. 130 Zu diesen Begriffen Wetschanow, OBST 90 (2017), 33 (39). 131 Trömel-Plötz/Guentherodt/Hellinger/Pusch, Linguistische Berichte 71 (1981), 1 (1 ff.); vgl. auch Europarat (Ministerkomitee), Empfehlung R (90) 4 vom 21. 2. 1990: Recommendation No. R (90) 4 on the Elimination of Sexism from Language (s. dazu unter Dritter Teil, A. V. 3.); Hellinger/Schräpel, Jahrbuch für Internationale Germanistik 15 (1983), 40 (40); Studer, Terminologie et Traduction 2/1989, 47 (47); Hellinger/Bierbach, Eine Sprache für beide Geschlechter, hrsg. von der Deutschen UNESCO-Kommission, 1993, S. 7 f.; Dittmann, in: GS Schoenthal, 2002, S. 63 (64); Kusterle, Die Macht von Sprachformen, 2011, S. 36. 132 Vgl. Neu-Altenheimer, in: Hellinger/Bierbach, Eine Sprache für beide Geschlechter, hrsg. von der Deutschen UNESCO-Kommission, 1993, S. 5; Wetschanow, OBST 90 (2017), 33 (37 f.); Diewald, Der Sprachdienst 62 (2018), 195 (196). Schlichting, Sprachreport 13 (1997), Heft 2, 6 (6) spricht sich für den Begriff „nicht-sexistisch[e]“ anstelle von geschlechtergerechter

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1. Teil: Einführung in die Problematik geschlechtergerechter Sprache

Recht gebrauchter Begriff ist133 und wohl als stark abwertend zu verstehen ist134, erscheint es vorzugswürdig, hier neutraler von nicht geschlechtergerechter Sprache zu sprechen, soweit es um den Gebrauch des generischen Maskulinums geht. Auch der Begriff „frauengerechte Sprache“ wurde in die Diskussion eingebracht.135 „Frauengerechte Sprache“ schließt aber Personen als Zielgruppe aus, die sich geschlechtlich nicht als Frau einordnen (lassen), wohingegen „geschlechtergerechte Sprache“ insofern offener formuliert ist und eine Einbeziehung aller Menschen zumindest ermöglicht. Außerdem besteht ein Unterschied hinsichtlich der Zulässigkeit der Diskriminierung von Männern. Während die Bezeichnung „geschlechtergerechte Sprache“ eher dafür spricht136, dass die Sichtbarmachung von Frauen nicht dazu führen sollte (und darf?), dass nun umgekehrt Männer diskriminiert werden137 (str.)138, stellt der Begriff „frauengerechte Sprache“ bewusst ausschließlich die Frauen in den Fokus des Interesses.139 Es sind aber aus rechtlicher Sicht alle Geschlechter als gleichwertig anzusehen. Der ebenfalls auftauchende Begriff „sprachliche Gleichbehandlung“140 lässt dagegen den Aspekt der sprachlichen Sichtbarmachung von Frauen zu kurz kommen.141

Sprache aus; ähnlich Hellinger, in: Eichhoff-Cyrus (Hrsg.), Adam, Eva und die Sprache, 2004, S. 275 (276); den Begriff „nichtsexistische Sprache“ verwendend Schräpel, in: Hellinger (Hrsg.), Sprachwandel und feministische Sprachpolitik, 1985, S. 212 ff. 133 S. § 1 Abs. 2 Nr. 8 Gesetz über die Förderung des Sports im Land Sachsen-Anhalt; daneben findet sich der Begriff „sexistisch“ vereinzelt in Verwaltungsvorschriften zur Internetnutzung. 134 Vgl. Wetschanow, OBST 90 (2017), 33 (37 f.): „in der Zweiten Frauenbewegung beliebte[r] Kampfbegriff und Stigmawort“, welches dann aber bezogen auf den angestrebten Sprachgebrauch als „zu sehr in der Negation verhaftet“ kritisiert worden sei. 135 Trömel-Plötz, Frauensprache, (Neuauflage) 2007, S. 24; Trömel-Plötz, in: R. Becker/ Kortendiek (Hrsg.), Handbuch Frauen- und Geschlechterforschung, 3. Aufl. 2010, S. 756 (757). 136 Hingegen ist nach Ansicht von Kargl/Wetschanow/Wodak/Perle, Kreatives Formulieren, 1997, S. 16 der Begriff „geschlechtergerecht“ gerade im Gegensatz zu dem Begriff der sprachlichen Gleichbehandlung so zu interpretieren, dass er „durchaus auch eine zeitweise Bevorzugung des weiblichen Geschlechts bedeuten“ könne; auf unterschiedliche Interpretationen des Begriffs „geschlechtergerechter Sprachgebrauch“ verweist auch Wetschanow, OBST 90 (2017), 33 (38). 137 Vgl. Erfurt, Zeitschrift für Germanistik 9 (1988), 706 (714); Dauses, EuZW 2014, 801 (802); Dauses, in: FS Müller-Graff, 2015, S. 217 (222 f.). 138 S. dazu unter Dritter Teil, B. I. 4. b) dd) (4). 139 Vgl. Trömel-Plötz, Frauensprache, (Neuauflage) 2007, S. 24. 140 Statt vieler Bundesministerium der Justiz (Hrsg.), Handbuch der Rechtsförmlichkeit, 3. Aufl. 2008, Rn. 111; Dietrich, in: Eichhoff-Cyrus/Hoberg (Hrsg.), Die deutsche Sprache zur Jahrtausendwende, 2000, S. 192 (192); in der Schweiz soll dies sogar die gebräuchlichste Benennung der Thematik sein, so Solís, Germanistik in der Schweiz 8 (2011), 163 (182). 141 So auch Schlichting, Sprachreport 13 (1997), Heft 2, 6 (10).

B. Geschlechtergerechte Sprache: Kritische Begriffsbeleuchtung

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Gegen den (weiteren) Begriff „nicht-diskriminierende Sprache“142 bestehen insofern Bedenken, als eine Diskriminierung nicht nur wegen des Geschlechts, sondern auch wegen zahlreicher anderer Merkmale und Motive erfolgen kann (vgl. Art. 3 Abs. 3 GG: Rasse, Glauben, politische Anschauung, Behinderung usw.).143 Insofern ist diese Bezeichnung einerseits zu pauschal. Sie ist andererseits wiederum insofern nicht offen genug, als der Begriff „diskriminierend“ nahelegt, es liege nach juristischer Wertung ein Verstoß gegen ein Diskriminierungsverbot vor.144 Hinsichtlich des hier präferierten Begriffs „geschlechtergerechte Sprache“ ist allerdings im Laufe der Zeit jedenfalls in einigen Kreisen ein Verständniswandel erfolgt.145 Dies hängt mit dem sich vollziehenden Wandel des Verständnisses von „Geschlecht“146 zusammen. Erst später aufgetaucht sind Bezeichnungen wie „geschlechterfaire“147 oder „geschlechtersensible“148 Sprache149, die jedoch mit der Rechtssprache weniger kompatibel erscheinen. Inhaltlich bzw. von der Intention her dürften keine großen Differenzen bestehen, außer dass „geschlechtersensibel“ die weichste aller Formulierungen darstellen und daher auch für entsprechend „weiche“ Forderungen stehen dürfte.150 Neuer ist auch der Begriff „geschlechtsinklusiver Sprachgebrauch“151 bzw. „geschlechterinklusive Sprache“152. Inklusion ist ein Begriff, der im juristischen Bereich 142

Vgl. Hellinger, in: Eichhoff-Cyrus (Hrsg.), Adam, Eva und die Sprache, 2004, S. 275 (278): „nicht diskriminierende Alternativen“; Motschenbacher, Language Policy 13 (2014), 243 (248): „non-discriminatory language guidelines“; AG Feministisch Sprachhandeln der Humboldt-Universität zu Berlin, Leitfaden „Was tun? Sprachhandeln – aber wie? W_Ortungen statt Tatenlosigkeit!“, 2. Aufl. 2014/2015: „Anregungen zum … antidiskriminierenden Sprachhandeln“. 143 Nach Ansicht von Wetschanow, OBST 90 (2017), 33 (40 f.) ist dieser breitere Fokus allerdings bewusst gewählt. 144 Vgl. BR-Drs. 329/06, S. 31; BT-Drs. 16/1780, S. 30; Vollmer, Das Ehegattensplitting, 1998, S. 119. 145 Dazu Diewald, Der Sprachdienst 62 (2018), 195 (207); s. dazu auch unter Erster Teil, A. 146 S. zum Wandel des rechtlichen Verständnisses von Geschlecht unter Erster Teil, B. I. 147 Vgl. V. Steiger/Irmen, Der Sprachdienst 52 (2008), 161 (172): „Geschlechterfairness“; V. Steiger/Irmen, Linguistische Berichte 227 (2011), 297 (301): „geschlechter-faire Formulierungen“; Wirtschaftsuniversität Wien (Hrsg.), Fair und inklusiv in Sprache und Bild. Ein Leitfaden für die WU, 2. Aufl. 2017. 148 S. etwa Fónyad, in: Baumann/Meinunger (Hrsg.), Die Teufelin steckt im Detail, 2017, S. 249 (249): „geschlechtergerechte beziehungsweise -sensible Sprache“; vgl. V. Steiger/ Irmen, Der Sprachdienst 52 (2008), 161 (169): „geschlechtersensibel … formulieren“. 149 Zu diesen Begriffen Reisigl/C. Spieß, OBST 90 (2017), 7 (21). 150 Vgl. Wetschanow, OBST 90 (2017), 33 (39 f.), die eine mögliche Motivation für die Ersetzung von gerecht durch fair darin vermutet, „Konnotationen von ,Rechtsprechung‘ und eines rechtlichen Anspruchs zu vermeiden“ und stattdessen den „Ruf nach einer individuellen Aushandlung im jeweiligen Kontext“ als zentrales Anliegen sieht (52). 151 S. etwa Hellinger, in: Eichhoff-Cyrus/Hoberg (Hrsg.), Die deutsche Sprache zur Jahrtausendwende, 2000, S. 177 ff.; Hellinger, in: Eichhoff-Cyrus (Hrsg.), Adam, Eva und die

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1. Teil: Einführung in die Problematik geschlechtergerechter Sprache

im SGB IX, also bei der Rehabilitation und Teilhabe behinderter Menschen153, sowie im Zusammenhang damit insbesondere auch im Schulrecht154 eine große Rolle spielt. Insofern könnte dieser Begriff leicht missverstanden oder in Bezug auf Frauen sogar subjektiv als diskriminierend gewertet werden.155 Damit bleibt der Begriff „geschlechtergerechte Sprache“ vorzugswürdig. Er hat sich über die Zeit hinweg durchgesetzt156 und hält sich auch weiterhin – auch wenn immer wieder andere Begriffe zwischenzeitlich Hochkonjunktur haben –, was sicherlich vor allem auch an seinem Oberbegriffs-Potential liegt.157

C. Das Spektrum möglicher Formen geschlechtergerechter Sprache Zur Verwirklichung der Forderung nach geschlechtergerechter Sprache kommen mehrere Formulierungsstrategien in Betracht. Selbst unter denen, die sich über das „Ob“ geschlechtergerechter Sprache einig sind, herrscht keineswegs auch Einigkeit über das „Wie“, also das konkrete Mittel.158 Eine übergreifende verbindliche Definition oder Festlegung gibt es dazu für Deutschland nicht159, es existieren lediglich Sprache, 2004, S. 275 (276); ähnlich V. Steiger/Irmen, Der Sprachdienst 52 (2008), 161 (165); Baer, Blätter für deutsche und internationale Politik 1/2013, 107 (114); vgl. auch Froese, Gendergerechtigkeit. Exklusion durch Inklusion, FAZ Online vom 7. 12. 2016, http://www.faz. net/aktuell/politik/staat-und-recht/gendergerechtigkeit-exklusion-durch-inklusion-14563961. html (abgerufen am 2. 6. 2020); Plett, Stellungnahme vom 23. 11. 2018, BT-Ausschussdrucks. 19(4)169 D neu, S. 6: „inklusive Rechtssprache“. 152 Althoff/Schabram/Follmar-Otto, Geschlechtervielfalt im Recht, hrsg. vom Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, 2017, S. 31, 43. 153 S. etwa § 166 SGB IX: Inklusionsvereinbarung. 154 S. die Diskussion um inklusiven Schulunterricht als Verpflichtung aus Art. 24 UN-BRK, dazu statt vieler Winkler, NWVBl. 2011, 409 ff.; Kingreen, NdsVBl. 2014, 265 ff.; Tolmein, ZRP 2014, 177 ff. 155 Bereits bei den Formulierungsfragen zu Art. 3 Abs. 2 Satz 2 GG wurde argumentiert, dass „Frau-sein … doch keine Behinderung“ sei, s. Berghofer-Weichner, 10. Sitzung der GVK vom 24. 9. 1992, zit. nach: Limbach/Eckertz-Höfer (Hrsg.), Frauenrechte im Grundgesetz des geeinten Deutschland, 1993, S. 45; beipflichtend Limbach, in: Limbach/Eckertz-Höfer (Hrsg.), Frauenrechte im Grundgesetz des geeinten Deutschland, 1993, S. 11 (13). 156 Trömel-Plötz, in: R. Becker/Kortendiek (Hrsg.), Handbuch Frauen- und Geschlechterforschung, 3. Aufl. 2010, S. 756 (757). 157 Vgl. Wetschanow, OBST 90 (2017), 33 (38 f.). 158 Ivanov/M. B. Lange/Tiemeyer/Ptok, Gender(ed) Thoughts 2/2019, 1 (3 ff., 14); ebenso bezogen auf die Schweiz Elmiger/Tunger/Schaeffer-Lacroix, Geschlechtergerechte Behördentexte, 2017, S. 154; vgl. Grabrucker, Muttersprache 104 (1994), 63 (63). 159 Vgl. S. Müller/C. Fuchs, Handbuch zur nichtsexistischen Sprachverwendung in öffentlichen Texten, 1993, S. 20; Diewald/Steinhauer, Richtig gendern, hrsg. von der Dudenredaktion, 2017, S. 11. Der Rat für deutsche Rechtschreibung (s. dazu unter Fn. 30) hat vorerst von eindeutigen, abschließenden Empfehlungen hierzu abgesehen, s. Rat für deutsche Recht-

C. Das Spektrum möglicher Formen geschlechtergerechter Sprache

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einige (unterschiedlich verbindliche) Vorgaben für bestimmte Bereiche, z. B. in Form von Verwaltungsvorschriften oder Leitfäden. Was als geschlechtergerechte Sprache betrachtet wird, ist insbesondere abhängig davon, ob das Prinzip der sprachlichen Sichtbarmachung oder das Prinzip der sprachlichen Symmetrie160 in den Vordergrund gestellt wird.161 Im Folgenden sollen die diskutierten unterschiedlichen Möglichkeiten kurz skizziert werden. Dabei soll es vor allem um einen Überblick über die Bandbreite der Vorschläge gehen, auch wenn einige Varianten speziell für die Rechtssprache (oder zumindest für die Vorschriftensprache) ausgeschlossen werden.162 Wohl wegen ihrer Kürze und Einfachheit163 wird gerade in wissenschaftlichen Texten164, zuweilen aber auch in Gesetzen165, die „Lösung“ über die Verwendung schreibung, Empfehlungen zur „geschlechtergerechten Schreibung“ vom 16. 11. 2018, S. 2; s. auch Rat für deutsche Rechtschreibung, Geschlechtergerechte Sprache: Herausforderung noch ohne Lösung, Pressemitteilung vom 8. 6. 2018; Rat für deutsche Rechtschreibung, Bericht und Vorschläge der AG „Geschlechtergerechte Schreibung“, Revidierte Fassung vom 28. 11. 2018 (alle abrufbar unter http://www.rechtschreibrat.com, abgerufen am 2. 6. 2020). Im „Duden“ sind erste Alternativformen zum generischen Maskulinum in der Aufl. von 1984 genannt (feminine und maskuline Formen wie „Kolleginnen und Kollegen!“; „Mensch“), s. Drosdowski (Hrsg.), Duden Bd. 4: Grammatik der deutschen Gegenwartssprache, 4. Aufl. 1984, Rn. 332; später werden weitere Formen genannt mit dem pauschalen Hinweis, es seien „nicht alle … empfehlenswert“, s. Wöllstein/Dudenredaktion (Hrsg.), Duden Bd. 4: Die Grammatik, 9. Aufl. 2016, Rn. 237; differenzierter Hennig (Hrsg.), Duden Bd. 9: Das Wörterbuch der sprachlichen Zweifelsfälle, 8. Aufl. 2016, S. 388 ff., wo die Doppelnennung femininer und maskuliner Formen als „die höflichste und eindeutigste Variante der sprachlichen Gleichstellung“ bezeichnet wird. Zur Rolle und Verbindlichkeit des „Duden“ s. unter Fn. 30. 160 S. dazu unter Erster Teil, A. 161 Vgl. Grabrucker, Muttersprache 104 (1994), 63 (63); für die sprachliche Sichtbarmachung von Frauen als vorrangiges Ziel etwa U. Müller, ZGL 16 (1988), 323 (325); (für die Schweiz) Albrecht, Gesetzgebung heute 1990, 49 (56); den Schwerpunkt auf die Symmetrie i. S. v. Gleichbehandlung legend hingegen Bundesministerium der Justiz (Hrsg.), Handbuch der Rechtsförmlichkeit, 3. Aufl. 2008, Rn. 116. 162 S. etwa BT-Drs. 12/1041, S. 31 ff.; Bundesministerium der Justiz (Hrsg.), Handbuch der Rechtsförmlichkeit, 3. Aufl. 2008, Rn. 115; Baumann, in: Bartoszewicz/Szcze˛ k/Tworek (Hrsg.), Germanistische Linguistik im interdisziplinären Gefüge II, 2011, S. 189 (189 f.); ähnlich Baumann, in: Baumann/Meinunger (Hrsg.), Die Teufelin steckt im Detail, 2017, S. 196 (208). 163 F. Braun, Der Deutschunterricht 48 (1996), Heft 1, 54 (57). 164 Dazu Kusterle, Die Macht von Sprachformen, 2011, S. 59, 197. 165 S. etwa § 5 Abs. 1 Satz 1 BetrVG, wo „Arbeitnehmer“ legaldefiniert sind als „Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer“; für ein Gesetz nach dem Vorbild des englischen Interpretation Act auf Bundes- sowie jeweils auf der Landesebene Haas, DÖV 1988, 341. Im Interpretation Act Großbritanniens von 1978 heißt es unter 6.: „In any Act, unless the contrary intention appears, a) words importing the masculine gender include the feminine; b) words importing the feminine gender include the masculine; c) words in the singular include the plural and words in the plural include the singular.“, zit. nach BT-Drs. 12/1041, S. 20. Demnach sieht der Interpretation Act allerdings auch das Femininum, nicht nur das Maskulinum als geschlechtsübergreifend an.

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1. Teil: Einführung in die Problematik geschlechtergerechter Sprache

einer meist einführenden allgemeinen Klausel oder eines entsprechenden Hinweises gesucht, wonach im Folgenden mit der Verwendung der männlichen (maskulinen) Bezeichnungen Frauen (bzw. nicht-männliche Personen) ebenso gemeint seien.166 Hier besteht allerdings ein relativ breiter Konsens, dass damit tatsächlich kaum etwas zu deren Gunsten bewirkt wirkt, weil ein solcher Hinweis leicht wieder in Vergessenheit gerät, sodass es sich mehr um eine Alibi-Lösung handelt.167 Eine der allgemein bekanntesten Strategien geschlechtergerechten Formulierens stellt die Verwendung von Paarformen dar, die auch als Beidnennung168 oder Splitting169 und mitunter auch als „Tandem-Formel“170 bezeichnet wird. Dabei gibt es verschiedene Unterformen dieser Strategie, neben der Verwendung voll ausgeschriebener Paarformen (Schüler und Schülerinnen; Schülerinnen und Schüler) insbesondere die Verwendung sog. „Sparschreibung“171 in Form der Klammer- oder Schrägstrich-Lösung (Schüler[innen]; Schüler/-innen; Schüler/innen) oder – nach teilweisem Verständnis172 – des sog. Binnen-I (SchülerInnen).173 Bei den voll aus-

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Dies meint wohl auch Kahl, VVDStRL 65 (2006), 386 (390 Fn. 15) mit „Vorspruchlösungen“; ähnlich Rüfner, in: Kahl/Waldhoff/Walter (Hrsg.), Bonner Kommentar zum Grundgesetz, Art. 3 Abs. 2 und 3 Rn. 826 (Stand: Mai 1996). 167 F. Braun, Der Deutschunterricht 48 (1996), Heft 1, 54 (57); Reinecke, in: FS Düwell, 2011, S. 399 (405); ähnlich Kusterle, Die Macht von Sprachformen, 2011, S. 59; Diewald/ Steinhauer, Richtig gendern, hrsg. von der Dudenredaktion, 2017, S. 106 f.; s. auch Rothmund/ Scheele, Zeitschrift für Psychologie 212 (2004), 40 (47, 50), deren Studie ergab, dass das Fußnoten-Modell sogar noch stärker zur mentalen Unterrepräsentation von Frauen führt als das generische Maskulinum. 168 F. Braun, Der Deutschunterricht 48 (1996), Heft 1, 54 (61); Heise, Zeitschrift für Sprache & Kognition 19 (2000), 3 (5); Reinecke, in: FS Düwell, 2011, S. 399 (401); ähnlich Diewald/Steinhauer, Richtig gendern, hrsg. von der Dudenredaktion, 2017, S. 34 ff.: Doppelnennung. 169 Hellinger/Bierbach, Eine Sprache für beide Geschlechter, hrsg. von der Deutschen UNESCO-Kommission, 1993, S. 13; Homberger, Muttersprache 103 (1993), 89 (96); Heise, Zeitschrift für Sprache & Kognition 19 (2000), 3 (5); ablehnend F. Braun, Der Deutschunterricht 48 (1996), Heft 1, 54 (58 f. Fn. 7). S. Müller/C. Fuchs, Handbuch zur nichtsexistischen Sprachverwendung in öffentlichen Texten, 1993, S. 16 unterscheiden zwischen Paarform und Splitting. 170 Haas, DÖV 1988, 341; ähnlich Böhm, DRiZ 1990, 507. 171 Bundesverwaltungsamt (Hrsg.), Merkblatt M 19 „Sprachliche Gleichbehandlung von Frauen und Ma¨ nnern“, 2. Aufl. 2002, S. 13. 172 Über die Einordnung und Handhabung der Binnen-I-Form besteht kein Konsens. Es gibt zwei mögliche Verwendungsarten: entweder als Form der Sparschreibung, welche beim Sprechen in durch eine Konjunktion verbundene vollständige Paarformen aufzulösen ist, oder als eine Art „abgeschwächtes generisches Femininum“, sodass keine Auflösung erfolgt und sich Pronomina etc. nur nach der femininen Endung richten, s. dazu Kargl/Wetschanow/Wodak/ Perle, Kreatives Formulieren, 1997, S. 61 ff.; Schoenthal, in: Besch/Betten/Reichmann/Sonderegger (Hrsg.), Sprachgeschichte, 2. Teilbd., 2000, S. 2064 (2072). 173 S. nur Hellinger/Bierbach, Eine Sprache für beide Geschlechter, hrsg. von der Deutschen UNESCO-Kommission, 1993, S. 13.

C. Das Spektrum möglicher Formen geschlechtergerechter Sprache

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geschriebenen Paarformen stellt sich die umstrittene174 Frage nach der „richtigen“ Reihenfolge der Benennung175: Darf die Höflichkeitsregel „Ladies first“ hier Anwendung finden oder aus Gründen der Gleichbehandlung gerade nicht?176 Eine ebenfalls recht bekannte Strategie geschlechtergerechten Formulierens stellt die Verwendung (echt) geschlechtsneutraler Bezeichnungen dar (Bsp.: Person, die Studierenden), also solcher geschlechtsindifferenter bzw. geschlechtsübergreifender Ausdrücke, die ihrer Form nach nicht nur einer geschlechtsspezifischen Bezeichnung entsprechen.177 Hier werden Frauen zwar weniger „sichtbar“ als bei der Verwendung von Paarformen178, aber auch diese Strategie bewirkt eine symmetrische

174 Für die Nachstellung der femininen Form Dietrich, Der Sprachdienst 40 (1996), 163 (164); Frank-Cyrus/Dietrich, Germanistische Linguistik 139 – 140 (1998), 49 (72); Scholten, in: Baumann/Meinunger (Hrsg.), Die Teufelin steckt im Detail, 2017, S. 112 (112) unter Berufung auf sprachliche Gründe; im Ergebnis so auch R. Schneider, ZRP 1988, 125 (125 Fn. 2) unter Verweis auf die alphabetische Reihenfolge; für die Erstnennung der femininen Form Nds. Landesministerium, Grundsätze für die Gleichbehandlung von Frauen und Männern in der Rechtssprache, Beschluss vom 9. 7. 1991, Ziff. 1 (s. dazu unter Dritter Teil, D. II. 4.); Nds. LTDrs. 12/5840, S. 1; S. Müller/C. Fuchs, Handbuch zur nichtsexistischen Sprachverwendung in öffentlichen Texten, 1993, S. 14; zumindest zeitlich begrenzt befürworten dies auch TrömelPlötz/Guentherodt/Hellinger/Pusch, Linguistische Berichte 71 (1981), 1 (7); für die Voranstellung der femininen Form abhängig von der Thematik und der Unterrepräsentation von Frauen auf dem betroffenen Gebiet Leuer/Fessel, Frauen in der Sprache des Hochschulrechts, 1992, S. 27 Fn. 68; für bewusste Variationen in der Benennungsfolge Hellinger/Bierbach, Eine Sprache für beide Geschlechter, hrsg. von der Deutschen UNESCO-Kommission, 1993, S. 12 f.; Bundesverwaltungsamt (Hrsg.), Merkblatt M 19 „Sprachliche Gleichbehandlung von Frauen und Ma¨ nnern“, 2. Aufl. 2002, S. 13; für freie Variabilität Diewald/Steinhauer, Richtig gendern, hrsg. von der Dudenredaktion, 2017, S. 39; vgl. dazu die Diskussion in der Gemeinsamen Verfassungskommission um die (letztlich nicht erfolgte) Umkehrung der Reihenfolge der Worte „Männer“ und „Frauen“ in Art. 3 Abs. 2 Satz 1 GG, dazu BR-Drs. 360/92, Rn. 101 f.; BT-Drs. 12/6000, S. 49, 143; Limbach/Eckertz-Höfer (Hrsg.), Frauenrechte im Grundgesetz des geeinten Deutschland, 1993, passim. 175 Lorenz, Muttersprache 101 (1991), 272 (275); Reinecke, in: FS Düwell, 2011, S. 399 (400); Baumann, in: Bartoszewicz/Szcze˛ k/Tworek (Hrsg.), Germanistische Linguistik im interdisziplinären Gefüge II, 2011, S. 189 (192 f.); Baumann, in: Baumann/Meinunger (Hrsg.), Die Teufelin steckt im Detail, 2017, S. 196 (210 f.). 176 Explizit ablehnend R. Schneider, ZRP 1988, 125 (125 Fn. 2); mitunter wird auch das „Titanic“-Prinzip angeführt: Frauen (und Kinder) zuerst, s. S. Müller/C. Fuchs, Handbuch zur nichtsexistischen Sprachverwendung in öffentlichen Texten, 1993, S. 14; Reinecke, in: FS Düwell, 2011, S. 399 (400); Baumann, in: Bartoszewicz/Szcze˛ k/Tworek (Hrsg.), Germanistische Linguistik im interdisziplinären Gefüge II, 2011, S. 189 (192 f.); Baumann, in: Baumann/ Meinunger (Hrsg.), Die Teufelin steckt im Detail, 2017, S. 196 (210 f.). 177 Definition angelehnt an Frank-Cyrus/Dietrich, Germanistische Linguistik 139 – 140 (1998), 49 (52). 178 U. Müller, ZGL 16 (1988), 323 (324); Grabrucker, Vater Staat hat keine Muttersprache, 1993, S. 239; Kargl/Wetschanow/Wodak/Perle, Kreatives Formulieren, 1997, S. 85; F. Braun, Der Deutschunterricht 48 (1996), Heft 1, 54 (61).

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1. Teil: Einführung in die Problematik geschlechtergerechter Sprache

Benennung.179 Zum Teil wird auch darauf verwiesen, Frauen (bzw. nicht-männliche Personen) würden so „zumindest … nicht … ausgeschlossen“.180 Vielfach wird allerdings wegen ihrer jeweiligen Schwächen nicht die durchgehende Verwendung nur einer Strategie angeraten, sondern vielmehr eine „kreative Lösung“ unter Verwendung und Kombination verschiedener Lösungsansätze.181 Dabei wird der Begriff der „kreativen Lösung“ jedoch nicht immer gleichsinnig gebraucht.182 Die „kreative Lösung“ meint hingegen nicht oder zumindest nicht unbedingt auch den erst später aufgekommenen183 Gender-Star (Asterisk) und den Gender-Gap (Unterstrich) – obgleich es sich hierbei durchaus um kreative Schöpfungen handelt184. Gender-Star (Schüler*innen) und Gender-Gap (Schüler_innen) werden ähnlich wie Schrägstrich- und Klammerformen eingesetzt, sollen aber gerade zum Ausdruck bringen, dass nicht nur eine „Beid“nennung von Frauen und Männern erfolgt, sondern „dazwischen“ bzw. jenseits davon auch Platz für weitere Geschlechtsidentitäten ist und diese Personen ebenfalls angesprochen werden sollen.185 179

Hellinger/Bierbach, Eine Sprache für beide Geschlechter, hrsg. von der Deutschen UNESCO-Kommission, 1993, S. 9; Hellinger, in: Henn/Hufeisen (Hrsg.), Frauen: MitSprechen. MitSchreiben, 1997, S. 24 (32, 34); vgl. Schweizerische Bundeskanzlei (Hrsg.), Sprachliche Gleichbehandlung von Frau und Mann in der Gesetzes- und Verwaltungssprache. Bericht einer interdepartementalen Arbeitsgruppe der Bundesverwaltung, 1991, S. 19, 48. 180 Wodak/Feistritzer/Moosmüller/Doleschal, Sprachliche Gleichbehandlung von Frau und Mann, 1987, S. 35. 181 Hellinger, in: Eichhoff-Cyrus (Hrsg.), Adam, Eva und die Sprache, 2004, S. 275 (280); Reisigl/C. Spieß, OBST 90 (2017), 7 (22); s. etwa Grabrucker, Gesetzgebung heute 1990, 103 (104); Grabrucker, Vater Staat hat keine Muttersprache, 1993, S. 239 f.; Dietrich, Der Sprachdienst 40 (1996), 163 (167); für Österreich Kargl/Wetschanow/Wodak/Perle, Kreatives Formulieren, 1997, S. 85 f.; für die Schweiz Schweizerische Bundeskanzlei (Hrsg.), Sprachliche Gleichbehandlung von Frau und Mann in der Gesetzes- und Verwaltungssprache. Bericht einer interdepartementalen Arbeitsgruppe der Bundesverwaltung, 1991, S. 73; Schweizerische Bundeskanzlei, Geschlechtergerechte Sprache. Leitfaden zum geschlechtergerechten Formulieren im Deutschen, 2. Aufl. 2009, S. 41. 182 So versteht bspw. Baumann, in: Baumann/Meinunger (Hrsg.), Die Teufelin steckt im Detail, 2017, S. 196 (209) unter der „kreativen Lösung“ enger (nur) die Vermeidung einer generisch gebrauchten Wortform durch deren Umschreibung; ähnlich Bundesministerium der Justiz (Hrsg.), Handbuch der Rechtsförmlichkeit, 3. Aufl. 2008, Rn. 117. 183 Günthner, in: FS Pusch, 2014, S. 44 (47) (zum Gender-Gap); Sacksofsky, Merkur 795 (2015), 39 (46); Kotthoff, OBST 90 (2017), 91 (99); Diewald, Der Sprachdienst 62 (2018), 195 (198). 184 Hennig (Hrsg.), Duden Bd. 9: Das Wörterbuch der sprachlichen Zweifelsfälle, 8. Aufl. 2016, S. 390 f., 393; Diewald/Steinhauer, Richtig gendern, hrsg. von der Dudenredaktion, 2017, S. 43, 47. 185 Vgl. statt vieler Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (Hrsg.), Zusammenfassung Forschungsergebnisse aus der Begleitarbeit zu der Interministeriellen Arbeitsgruppe „Inter- und Transsexualität“ (IMAG), 2017, S. 25; Diewald/Steinhauer, Richtig gendern, hrsg. von der Dudenredaktion, 2017, S. 46 f.; Reisigl/C. Spieß, OBST 90 (2017), 7 (23); kritisch v. Bönninghausen, in: FS Pusch, 2014, S. 37 (40); Pusch, Sprachliche Diskriminierung hat viele Gesichter – welches ist das schlimmste? Teil 2, „Laut & Luise“ vom 4. 5.

C. Das Spektrum möglicher Formen geschlechtergerechter Sprache

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Noch weiter geht der Vorschlag, die sog. x-Form (Bsp.: Studierx) zu nutzen, um alle Geschlechter gleichermaßen zu erfassen und anzusprechen. Dies ist eine relativ neue Variante, die auf Lann Hornscheidt zurückgeht.186 Aber auch schon zu Beginn der Diskussion um geschlechtergerechte Sprache hat es „radikale“ Vorschläge gegeben. Zu diesen zählt sicherlich die Verwendung des „generischen Femininums“, also die ausschließliche Verwendung der femininen Personenbezeichnungen auch dann, wenn Männer „mitgemeint“ sind, in geschlechtsübergreifender Intention (Bsp.: Schülerinnen für Schülerinnen und Schüler). Propagiert hat diese Strategie insbesondere Pusch mit der Begründung, dass es von den eigentlich erstrebenswerten geschlechtsübergreifenden Personenbezeichnungen im Deutschen nicht genügend gebe und dass es unter dem Aspekt „kompensatorischer Gerechtigkeit“ gerechtfertigt sei, wenn auch einmal die Männer so benachteiligt würden wie bislang die Frauen.187 Aber auch einzelne Gesetzentwürfe zielten für Rechtsvorschriften auf die Einführung eines „generischen“ Femininums ab.188 Da die deutsche Sprache ein generisches Femininum jedoch eigentlich nicht kennt, bedarf eine solche Strategie stets einer „Erläuterung“.189 Auf diese Weise hat etwa die Universität Leipzig 2013 in ihrer Grundordnung das generische Femininum eingeführt190, was hitzige Diskussionen ausgelöst hat.191 Weniger bekannt dürfte sein, 2014, http://www.fembio.org/biographie.php/frau/comments/sprachliche-diskriminierung-hatviele-gesichter-welches-ist-das-schlim/ (abgerufen am 2. 6. 2020); Kotthoff, OBST 90 (2017), 91 (99 ff.). 186 Hornscheidt, feministische w_orte, 2012, S. 293 ff.; s. auch Hornscheidt im Interview mit Trenkamp, Gerechte Sprache an der Uni. Professix im Geschlechterkampf, Spiegel Online vom 24. 4. 2017, http://www.spiegel.de/lebenundlernen/uni/gendertheorie-studierx-lann-horn scheidt-ueber-gerechte-sprache-a-965843.html (abgerufen am 2. 6. 2020). 187 Eingehend Pusch, Women in German Yearbook 4 (1988), 1 (7 ff.); Pusch, Alle Männer werden Schwestern, 1990, S. 85 (93 ff.); s. auch Pusch, Das Deutsche als Männersprache, 1984, S. 76 ff.; vgl. die Vorschläge von Sachs, DÖV 1988, 598 (599); Grabrucker, in: Battis/Schultz (Hrsg.), Frauen im Recht, 1990, S. 281 (313); Grabrucker, Gesetzgebung heute 1990, 103 (105); s. dazu auch v. Münch, NJW 2002, 1995 (1997); kritisch zu vergangenheitsbezogenen Kompensationsaspekten aus verfassungsrechtlicher Sicht Sacksofsky, in: Löther (Hrsg.), Erfolg und Wirksamkeit von Gleichstellungsmaßnahmen an Hochschulen, 2004, S. 38 (47); Huster, AöR 118 (1993), 109 (125). 188 So Hess. LT-Drs. 11/3302; Nds. LT-Drs. 11/1112; beide Anträge konnten sich so nicht durchsetzen; s. dazu Brinkmann to Broxten, in: Brunner/Frank-Cyrus (Hrsg.), Die Frau in der Sprache, 1998, S. 81 (82 ff.). 189 Vgl. Krause, ZRP 1988, 144; Stickel, ZGL 16 (1988), 330 (347); bezogen auf die Schweiz Schweizerische Bundeskanzlei (Hrsg.), Sprachliche Gleichbehandlung von Frau und Mann in der Gesetzes- und Verwaltungssprache. Bericht einer interdepartementalen Arbeitsgruppe der Bundesverwaltung, 1991, S. 40. 190 In einer Fußnote heißt es: „In dieser Ordnung gelten grammatisch feminine Personenbezeichnungen gleichermaßen für Personen männlichen und weiblichen Geschlechts. Männer können die Amts- und Funktionsbezeichnungen dieser Ordnung in grammatisch maskuliner Form führen.“; ähnlich bereits die Vorbemerkung der Promotionsordnung für den Fachbereich Informatik der Universität Hamburg vom 15. 6. 1988, BArch, B 141/418836. Auch die Universität Potsdam hat 2013 die Geschäftsordnung des Senats unter Verwendung gene-

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1. Teil: Einführung in die Problematik geschlechtergerechter Sprache

dass der Landtag von Sachsen-Anhalt bereits 1993 ein Gesetz unter Verwendung eines generischen Femininums beschlossen hat192, das inzwischen zwar durch ein neues Gesetz abgelöst wurde193, welches aber weiterhin unter Verwendung eines generischen Femininums formuliert ist194. Auch die Verwendung sowohl von generischen Maskulina als auch von generischen Feminina innerhalb eines Textes ist schon in die Diskussion gebracht worden.195 Ein weiterer „extremer“ Vorschlag sieht die Verwendung des Neutrums (anstelle des Maskulinums) zur Geschlechtsabstraktion vor. Diese Variante ist ebenfalls von Pusch vorgeschlagen worden196 und als „der verrückte Pusch-Vorschlag“ bekannt geworden197. Teilweise sind auch Doppelfassungen von Gesetzen vorgeschlagen worden: eine in (sprachlich) „weiblicher“ und eine in „männlicher“ Form198 oder alternierend nach dem Jahr des Vorschriftenerlasses o. ä. weibliche bzw. männliche Formulierungen199. rischer Feminina verfasst (s. Neufassung der Geschäftsordnung des Senats der Universität Potsdam vom 19. 6. 2013, Amtliche Bekanntmachungen Nr. 14/2013, S. 926 ff.). 191 Ablehnend etwa Dauses, EuZW 2014, 801 (802); Dauses, in: FS Müller-Graff, 2015, S. 217 (222 f.); zu den Reaktionen Student_innenRat der Universität Leipzig, Debatte um generisches Femininum in der Grundordnung der Universität Leipzig beweist strukturelle Diskriminierung von Frauen, Pressemitteilung vom 18. 11. 2013, https://stura.uni-leipzig.de/ pressemitteilung/7088/pdf (abgerufen am 2. 6. 2020); Hentsch, Universität Leipzig. Heftige Reaktionen auf die weibliche Form, Deutschlandfunk vom 8. 8. 2014, http://www.deutschland funk.de/universitaet-leipzig-heftige-reaktionen-auf-die-weibliche.680.de.html?dram:article_ id=294077 (abgerufen am 2. 6. 2020); v. Bönninghausen, in: FS Pusch, 2014, S. 37 (39); Günthner, in: FS Pusch, 2014, S. 44 (49); Hellinger, in: FS Pusch, 2014, S. 56 (59). 192 Ausführungsgesetz zum Gesetz über die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes der ehemaligen Deutschen Demokratischen Republik (AG StUG LSA) vom 18. 8. 1993, GVBl. LSA S. 433 (aufgehoben zum 1. 1. 2017), s. dort § 9 („Sprachliche Gleichstellung“): „Personen- und Funktionsbezeichnungen in diesem Gesetz gelten jeweils in weiblicher und männlicher Form“; so hieß es z. B. in § 2 „die Landesbeauftragte“; zur parlamentarischen Diskussion s. LT-Drs. 1/2733; LT-PlPr. 1/49, S. 5753 ff.; kritisch zu § 9 AG StUG LSA Alfers/ Kürschner/Pelka, in: v. Laer/Schmitt-v. Mühlenfels (Hrsg.), Frauenfragen – Frauensachen, 1994, S. 245 (246 Fn. 1): „sprachlich und logisch schief“. 193 Gesetz über die Beauftragte des Landes Sachsen-Anhalt zur Aufarbeitung der SEDDiktatur (AufarbBG LSA) vom 10. 12. 2015, GVBl. LSA S. 627, zuletzt geändert durch Gesetz vom 20. 3. 2020 (GVBl. LSA S. 64). 194 So heißt es z. B. in § 4 Abs. 2 Satz 3 AufarbBG LSA: „Die Beschäftigten werden auf Vorschlag der Landesbeauftragten von der Präsidentin des Landtages ernannt oder eingestellt.“, s. dazu § 10 AufarbBG LSA. 195 Frank, Sprachgewalt, 1992, S. 137; Kotthoff, OBST 90 (2017), 91 (97 f.); dazu Bär, in: Eichhoff-Cyrus (Hrsg.), Adam, Eva und die Sprache, 2004, S. 148 (157); Baumann, in: Baumann/Meinunger (Hrsg.), Die Teufelin steckt im Detail, 2017, S. 196 (209). 196 Pusch, Linguistische Berichte 69 (1980), 59 (70 f.). 197 Pusch, Alle Männer werden Schwestern, 1990, S. 92. 198 Grunsky, ZIP 1987, 887; s. auch (kritisch) R. Schneider, ZRP 1988, 125 (126); Schweizerische Bundeskanzlei (Hrsg.), Sprachliche Gleichbehandlung von Frau und Mann in

D. Status quo geschlechtergerechter (Rechts-)Sprache in Deutschland

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Schließlich wird sogar die Schaffung eines neuen Genus und neuer Pronomina erwogen.200

D. Status quo geschlechtergerechter (Rechts-)Sprache in Deutschland Während sich im Bereich der Amtssprache eine geschlechtergerechte Sprache weitgehend durchgesetzt hat201, ist die Lage bei der Vorschriftensprache eher als ambivalent zu bezeichnen.202 Einerseits hat es inzwischen viel gesetzgeberische Aktivität gegeben und es wurden zahlreiche Vorgaben für eine geschlechtergerechte Fassung von Vorschriften normiert, andererseits herrscht über die Notwendigkeit und Sinnhaftigkeit geschlechtergerechter Sprache unter den Jurist_innen weiterhin kein Konsens.203 Auch in der tatsächlichen Umsetzung sind zwar zunehmend Schritte erkennbar204, allerdings nicht in allen Bereichen des Rechts gleichermaßen205 und nicht stets stringent und nachvollziehbar206. der Gesetzes- und Verwaltungssprache. Bericht einer interdepartementalen Arbeitsgruppe der Bundesverwaltung, 1991, S. 38 f. 199 S. Rüfner, in: Kahl/Waldhoff/Walter (Hrsg.), Bonner Kommentar zum Grundgesetz, Art. 3 Abs. 2 und 3 Rn. 826 (Stand: Mai 1996). 200 Dazu Stefanowitsch, in: FS Pusch, 2014, S. 111 (116) m. w. N. 201 S. nur Leuer/Fessel, Frauen in der Sprache des Hochschulrechts, 1992, S. 14; Spillmann, in: Hufeisen (Hrsg.), „Das Weib soll schweigen…“ (1. Kor. 14, 34), 1993, S. 11 (11); KlannDelius, Sprache und Geschlecht, 2005, S. 187, 190; s. aber zu Formularen und Vordrucken am Ende dieses Abschnittes; recht positiv die Einschätzung diesbezüglich bei Schoenthal, in: Besch/Betten/Reichmann/Sonderegger (Hrsg.), Sprachgeschichte, 2. Teilbd., 2000, S. 2064 (2074). 202 Vgl. Schoenthal, in: Stickel (Hrsg.), Sprache – Sprachwissenschaft – Öffentlichkeit, 1999, S. 225 (227), die bezüglich der Umgestaltung der Gesetzessprache im Gegensatz zur Verwaltungssprache auf „beträchtliche Schwierigkeiten“ verweist; Proia, in: Cavagnoli/Mori (Hrsg.), Gender in legislative languages, 2019, S. 213 (229 ff.). 203 Vgl. Baer, Blätter für deutsche und internationale Politik 1/2013, 107 (114); deutlich ablehnend etwa Bertram, NJW 1997, 1684 (1685): „linguistische[r] Karneval“; Roos, NJW 2012, 652 (653); Ruffert, in: Calliess/Ruffert (Hrsg.), EUV/AEUV, 5. Aufl. 2016, Art. 9 EUV Rn. 22. 204 Grabrucker, Muttersprache 104 (1994), 63 (63); Dietrich, in: Eichhoff-Cyrus/Hoberg (Hrsg.), Die deutsche Sprache zur Jahrtausendwende, 2000, S. 192 (192); Spangenberg, KJ 51 (2018), 345 (349 f.); allerdings gehen Leuer/Fessel, Frauen in der Sprache des Hochschulrechts, 1992, S. 14 weiterhin von einem Überwiegen maskuliner Bezeichnungen in den Gesetzen aus. 205 Schewe-Gerigk, in: Eichhoff-Cyrus (Hrsg.), Adam, Eva und die Sprache, 2004, S. 322 (322, 328 ff.); R. Schmidt, in: Eichhoff-Cyrus (Hrsg.), Adam, Eva und die Sprache, 2004, S. 316 (319); G. Bachmann, NVwZ 2008, 754 (755); Reinecke, in: FS Düwell, 2011, S. 399 (405 ff.), insb. auch mit Blick auf das BGB. 206 S. etwa zum BVerfGG Zuck, NJW 1994, 2808 (2808); zur StPO Foth, JR 2007, 410 (411); zum JVEG Reinecke, in: FS Düwell, 2011, S. 399 (407); zum UWG Schewe-Gerigk, in: Eichhoff-Cyrus (Hrsg.), Adam, Eva und die Sprache, 2004, S. 322 (329 f.); zur StVO L. Bülow/

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1. Teil: Einführung in die Problematik geschlechtergerechter Sprache

In dem in der Diskussion zuweilen als „Gegenangriff“ angeführten § 211 StGB207 heißt es noch immer „Mörder ist, wer …“ [Hervorhebung AB] und nicht auch „Mörderin“. Für das StGB insgesamt hat der Bundestag auf Hinwirken des Bundesrates208 ein aus seiner Sicht „in sich geschlossene[s] Gesamtkonzept“ entwickelt, wonach „geschlechtsneutrale Formulierungen von Strafvorschriften … grundsätzlich nur auf der Opferseite vorgenommen werden sollten, und zwar … vorrangig im Hinblick auf Straftaten, die typischerweise gegen Frauen begangen werden“, während auf der Täterseite geschlechtsneutrale Formulierungen „schon im Ansatz nicht durchführbar“ erschienen.209 Auch im Grundgesetz finden sich weiterhin vermeintlich (fast) ausschließlich Männer210, z. B. heißt es in Art. 2 Abs. 1 GG „Jeder hat das Recht auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit, soweit er nicht …“ oder in Art. 63 Abs. 1 GG „Der Bundeskanzler wird auf Vorschlag des Bundespräsidenten vom Bundestage ohne Aussprache gewählt“211 [Hervorhebungen AB], obgleich es inzwischen ja tatsächlich eine Bundeskanzlerin, wenn auch noch keine Bundespräsidentin gibt. Als Positivbeispiel wird hingegen gerne auf die Niedersächsische Verfassung verwiesen212, bei der zumindest deutlich das Bemühen erkennbar ist, durchgehend geschlechtergerechte Formulierungen zu verwenden213. Herz, Linguistische Berichte 240 (2014), 471 (500 ff.); Harnisch, in: Bittner/C. Spieß (Hrsg.), Formen und Funktionen, 2016, S. 159 (172); zum SGB II und SGB III Stascheit, info also 2011, 213 f.; allgemein Baumann, in: Bartoszewicz/Szcze˛ k/Tworek (Hrsg.), Germanistische Linguistik im interdisziplinären Gefüge II, 2011, S. 189 (193); Baumann, in: Baumann/Meinunger (Hrsg.), Die Teufelin steckt im Detail, 2017, S. 196 (206, 211). 207 So R. Schneider, ZRP 1988, 125 f.; s. auch Otto, zit. nach: Bickes/Brunner (Hrsg.), Muttersprache frauenlos? Männersprache Frauenlos? PolitikerInnen ratlos?, 1992, S. 49 (51); Thüsing, NJW 1996, 2634 (2634); Siller, DZWir 1997, 526 (527); Foth, JR 2007, 410 (411); Gerhardt, ZRP 2013, 127; zu diesem Argument Chebout/Gather/Valentiner, RuP 54 (2018), 79 (81). 208 BT-Drs. 13/8587, S. 33, 56. 209 BT-Drs. 13/9064, S. 12; dazu Schewe-Gerigk, in: Eichhoff-Cyrus (Hrsg.), Adam, Eva und die Sprache, 2004, S. 322 (330); s. auch Stellungnahme der Bundesregierung, BT-Drs. 12/ 2046, S. 7; Bertram, NJW 1997, 1684 (1684 f.); kritisch zur Beschränkung geschlechtergerechter Formulierungen auf die „Sympathiepersonen des Rechts“ T. Walter, JR 2007, 61 (63 f.). 210 Vgl. BGHZ 218, 96 (107 Rn. 38); Platt, STREIT 1990, 147 (147). Zu den gescheiterten Versuchen, das GG im Wege der Verfassungsänderung geschlechtergerecht umzuformulieren, Samel, Der Sprachdienst 37 (1993), 192; Schewe-Gerigk, in: Eichhoff-Cyrus (Hrsg.), Adam, Eva und die Sprache, 2004, S. 322 (330); Reinecke, in: FS Düwell, 2011, S. 399 (403); insofern erklärt sich auch das Ergebnis von Lamb/Nereo, German Life and Letters 65 (2012), 109 (120), die das Grundgesetz und die Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft von 1999 auf die Verwendung geschlechtergerechter Sprache hin untersucht und die Verfassung der Schweiz als sprachlich weniger sexistisch („less sexist“) als das Grundgesetz eingeordnet haben. 211 Dazu BT-Drs. 12/6000, S. 52. 212 S. Dietrich, in: Eichhoff-Cyrus/Hoberg (Hrsg.), Die deutsche Sprache zur Jahrtausendwende, 2000, S. 192 (222); Hellinger, in: Eichhoff-Cyrus (Hrsg.), Adam, Eva und die

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Der Regelfall aber ist – leider – ein inkonsistentes Bild214, und zwar nicht nur bezogen auf die Formulierung der Normen in ihrer Gesamtheit, sondern oft auch innerhalb eines einzelnen Regelwerkes.215 Und dies ist kein Zufall, sondern es steckt sozusagen Prinzip dahinter, weil Ausnahmefallgruppen angenommen werden, in denen die bisherigen Begriffe beibehalten werden.216 Eine Art „Zwischenstellung“ nehmen Formulare und Vordrucke ein. Die auf der Bundesebene Ende der 1980er Jahre eingesetzte interministerielle Arbeitsgruppe Rechtssprache217 hat amtliche bzw. gerichtliche Mitteilungen und Vordrucke grundsätzlich der Amtssprache zugeordnet, soweit deren Text jedoch durch Rechtsvorschrift vorgegeben ist, der von ihr neben Amtssprache und Vorschriftensprache zusätzlich aufgestellten Kategorie der „normgebundenen Verwaltungssprache“.218 Obgleich es in den Empfehlungen der Arbeitsgruppe Rechtssprache heißt, in solchen Vordrucken, in denen konkrete Eintragungen für Einzelpersonen vorgesehen seien und die von ihnen unterschrieben werden, könnten „maskuline Personenbezeichnungen … nicht mit dem Hinweis auf die generische Verwendung gerechtfertigt werden, denn die Texte werden, sobald sie ausgefüllt und unterschrieben sind, Texte, die sich auf einzelne Personen beziehen“219, hat der Bundesgerichtshof jüngst geurteilt, dass eine Sparkassen-Kundin keinen Anspruch darauf habe, in Formularen und Vordrucken der beklagten Sparkasse ausschließlich Sprache, 2004, S. 275 (290); Reinecke, in: FS Düwell, 2011, S. 399 (408); a. A. insb. bezogen auf Art. 18 NV Starck, NdsVBl. 1994, 2 (7); Diederichsen, in: FS Gaul, 1997, S. 121 (134). 213 Starck, NdsVBl. 1994, 2 (7); Dietrich, in: Eichhoff-Cyrus/Hoberg (Hrsg.), Die deutsche Sprache zur Jahrtausendwende, 2000, S. 192 (203). Berlit, NVwZ 1994, 11 (13) geht sogar von „durchgängig“ geschlechtergerechten Formulierungen aus; ebenso U. Bachmann, RuP 29 (1993), 128 (129); zur Intention einer geschlechtergerechten Formulierung Nds. LT-Drs. 12/ 5840, S. 1. 214 Ganz ähnlich allgemein bezogen auf „geschlossene Sprache“ U. Müller, ZGL 16 (1988), 323 (325); bezogen auf schriftsprachliche Texte allgemein Gorny, in: Stötzel/Wengeler, Kontroverse Begriffe, 1995, S. 517 (558). 215 Baumann, in: Bartoszewicz/Szcze˛ k/Tworek (Hrsg.), Germanistische Linguistik im interdisziplinären Gefüge II, 2011, S. 189 (193). 216 S. Baumann, in: Bartoszewicz/Szcze˛ k/Tworek (Hrsg.), Germanistische Linguistik im interdisziplinären Gefüge II, 2011, S. 189 (190 f., 193); Baumann, in: Baumann/Meinunger (Hrsg.), Die Teufelin steckt im Detail, 2017, S. 196 (207 f., 211), wonach bei der Gesetzesredaktion und Sprachberatung im BMJV Ausnahmen gälten, (1.) wenn die bezeichnete Person eine juristische Person sein könne, sowie (2.), wenn die Personenbezeichnung ein „feststehender Rechtsbegriff“ sei; s. auch Bundesministerium der Justiz (Hrsg.), Handbuch der Rechtsförmlichkeit, 3. Aufl. 2008, Rn. 110, 113 sowie die in den nds. „Grundsätzen für die Gleichbehandlung von Frauen und Männern in der Rechtssprache“ in Ziff. 2.1 bis Ziff. 2.3 geregelten Ausnahmen, dazu unter Dritter Teil, D. II. 4.; vgl. Schewe-Gerigk, in: EichhoffCyrus (Hrsg.), Adam, Eva und die Sprache, 2004, S. 322 (329). 217 S. dazu näher unter Zweiter Teil. 218 BT-Drs. 12/1041, S. 4, 13 f.; zu den Kategorien s. unter Einleitung und unter Zweiter Teil. 219 BT-Drs. 12/1041, S. 14; ähnlich Leuer/Fessel, Frauen in der Sprache des Hochschulrechts, 1992, S. 27.

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oder zusätzlich mit „grammatisch weiblichen“ Personenbezeichnungen erfasst zu werden, und ist damit der Auffassung der Vorinstanzen220 gefolgt.221 Der BGH hat zur Begründung insbesondere darauf verwiesen, dass auch der Gesetzgeber weiterhin in zahlreichen Gesetzen Personenbezeichnungen im Sinne des generischen Maskulinums verwende.222 Schon das Landgericht Saarbrücken war als Vorinstanz der Ansicht, grundsätzlich könne „von der Beklagten nicht verlangt werden, genauer zu sein als das Gesetz“.223 Dagegen lässt sich allerdings einwenden, dass Sparkassen ebenso grundrechtsgebunden sind wie der Gesetzgeber (Art. 1 Abs. 3 GG)224 und die Grundrechtsverpflichtung der Sparkassen nicht davon abhängt, wozu der Gesetzgeber möglicherweise verpflichtet ist.225 Überdies unterscheiden sich abstrakt-generelle Rechtsvorschriften maßgeblich von Formularen und Vordrucken, die dazu bestimmt sind, von einer Person konkret-individuell ausgefüllt zu werden, auch im Hinblick auf die maßgeblichen Grundrechte (insbesondere spielt das Allgemeine Persönlichkeitsrecht aus Art. 2 Abs. 1 i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG hier eine deutlich größere Rolle226), sodass der Vergleich „hinkt“. Auch aus anderen Gründen ist das Urteil auf ein sehr geteiltes Echo gestoßen.227 Die von der Klägerin erhobene Verfassungsbeschwerde hat das Bundesverfassungsgericht allerdings aus formalen Gründen – da die Verfassungsbeschwerde den Begründungsanforderungen nicht genügt habe – nicht zur Entscheidung angenommen.228 Daher hat es in der Sache (inhaltlich) nicht entschieden, was im Interesse der Klärung der verfassungsrecht220 AG Saarbrücken, 36 C 300/15 (12) vom 12. 2. 2016 (juris); LG Saarbrücken, 1 S 4/16 vom 10. 3. 2017 (juris). 221 BGH, VI ZR 143/17 vom 13. 3. 2018, BGHZ 218, 96 ff. 222 BGHZ 2018, 96 (106 f. Rn. 38); dazu Omlor, JuS 2018, 575 (576); Berghahn, in: Berghahn/Schultz (Hrsg.), Rechtshandbuch für Frauen- und Gleichstellungsbeauftragte (Stand: Mai 2018), Kap. 2.4.1, S. 5; Spangenberg, KJ 51 (2018), 345 (350 f.). 223 LG Saarbrücken, 1 S 4/16 vom 10. 3. 2017, Rn. 38 (juris). 224 Vgl. BGHZ 154, 146 (149 f.); Mangold, VerfBlog vom 13. 3. 2018. 225 Ähnlich Wersig, zit. nach Lorenz, Keine weibliche Anrede in Bankformularen: Die objektive Sicht des verständigen Senats, Legal Tribune Online vom 13. 3. 2018, https://www.lto. de/persistent/a_id/27481/ (abgerufen am 2. 6. 2020); vgl. auch Grünberger, JZ 2018, 719 (723). 226 S. dazu unter Dritter Teil, B. III. 2. 227 S. nur Böger/Haug, Pro und contra zum BGH-Urteil. Muss „Kundin“ sein – oder reicht „Kunde“?, Spiegel Online vom 13. 3. 2018, http://www.spiegel.de/karriere/kundin-urteil-desbgh-pro-und-contra-a-1197894.html (abgerufen am 2. 6. 2020); kritisch G. Bachmann, NJW 2018, 1648 ff.; Berghahn, in: Berghahn/Schultz (Hrsg.), Rechtshandbuch für Frauen- und Gleichstellungsbeauftragte (Stand: Mai 2018), Kap. 2.4.1, S. 1 ff.; Grünberger, JZ 2018, 719 ff.; A. Maier, VuR 2018, 342 (343 f.); Spangenberg, KJ 51 (2018), 345 (350 ff.); v. Roetteken, GiP 3/2019, 23 (29 Fn. 40); zurückhaltender Jacobs, RdA 2018, 263 (269); Omlor, JuS 2018, 575 (576); dem Urteil zustimmend Scholl/Fischer, EWiR 2018, 365 (366); Schulteis, GWR 2018, 199; mit Einschränkungen auch Buck-Heeb, WuB 2018, 325 (325); Thiel, JR 2019, 456 (457 f.); zum medialen Echo s. auch Berghahn, in: Berghahn/Schultz (Hrsg.), Rechtshandbuch für Frauen- und Gleichstellungsbeauftragte (Stand: Mai 2018), Kap. 2.4.1, S. 6 ff.; Spangenberg, KJ 51 (2018), 345 (346); kritisch von linguistischer Seite Diewald, ZGL 46 (2018), 283 (285). 228 BVerfG, 1 BvR 1074/18 vom 26. 5. 2020.

E. Geschlechtergerechte Sprache als Wissenschaftsobjekt

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lichen Fragen bedauerlich ist. Das Anliegen der Klägerin hätte vor dem Bundesverfassungsgericht durchaus erfolgreicher sein können als im Instanzenzug.229 Zwar soll die Klägerin nach dem BGH-Urteil angekündigt haben, ggf. auch vor den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte ziehen zu wollen230, allerdings dürfte nach der vom Bundesverfassungsgericht getroffenen Entscheidung auch dieser Weg wenig erfolgversprechend sein.231

E. Geschlechtergerechte Sprache als Wissenschaftsobjekt Das Thema geschlechtergerechte Sprache ist notwendig interdisziplinär angelegt. Es berührt neben der Rechtswissenschaft insbesondere Fragen der Linguistik, der Soziologie und der Psychologie, aber es bestehen auch medizinische, biologische, geschichtliche, philosophische, erziehungs- und politikwissenschaftliche Bezüge.232 Das macht den besonderen Reiz der Thematik, aber auch einen Teil ihrer Komplexität aus.233 Insbesondere gibt es inzwischen zahlreiche vor allem psycholinguistische bzw. kognitionspsychologische Studien zur Rezeption und Wirkung des generischen Maskulinums einerseits und verschiedenen Formen geschlechtergerechter Sprache andererseits.234 Breite Übereinstimmung weisen die Studienergebnisse insofern auf, 229 So auch die Einschätzung von Hipp, Urteil zu Bankformularen. Wie die Sparkassenrebellin Krämer doch zur Kundin werden könnte, Spiegel Online vom 13. 3. 2018, http://www. spiegel.de/wirtschaft/soziales/bgh-urteil-zu-bankformularen-warum-frau-kraemer-am-endedoch-noch-zur-kundin-werden-koenn-a-1197920.html (abgerufen am 2. 6. 2020). 230 Dazu A. Maier, VuR 2018, 342 (342). 231 S. zur Zulässigkeit einer Beschwerde nach Art. 35 EMRK EGMR, Nr. 29340/95 vom 28. 9. 1999, Slg. 1999-VI, 161, Rn. 41 f. – Civet/Frankreich; Meyer-Ladewig/Peters, in: MeyerLadewig/Nettesheim/v. Raumer (Hrsg.), EMRK, 4. Aufl. 2017, Art. 35 EMRK Rn. 19. 232 Vgl. Guentherodt, Muttersprache 94 (1983/84), 271 (273); Koreuber/Mager, in: Koreuber/Mager (Hrsg.), Recht und Geschlecht, 2004, S. 9 (11 f.); L. Bülow/Herz, Linguistische Berichte 240 (2014), 471 (476); Baumann/Meinunger, in: Baumann/Meinunger (Hrsg.), Die Teufelin steckt im Detail, 2017, S. 7 (8 f.). 233 Vgl. Frank-Cyrus/Dietrich, Der Sprachdienst 41 (1997), 55 (60), die auf das interdisziplinär bedingte Konfliktpotential verweisen. 234 Aus dem (auch) deutschsprachigen Raum s. J. Klein, in: Oellers (Hrsg.), Das Selbstverständnis der Germanistik, 1988, S. 310 ff. (dazu auch J. Klein, in: Eichhoff-Cyrus [Hrsg.], Adam, Eva und die Sprache, 2004, S. 292 ff.); Scheele/Gauler, Sprache und Kognition 12 (1993), 59 ff.; Rummler, OBST 51 (1995), 173 ff.; Irmen/Köhncke, Sprache und Kognition 15 (1996), 152 ff.; F. Braun/Gottburgsen/Sczesny/Stahlberg, ZGL 26 (1998), 265 ff.; Rothermund, Sprache & Kognition 17 (1998), 183 ff.; Heise, Zeitschrift für Sprache und Kognition 19 (2000), 3 ff.; Stahlberg/Sczesny, Psychologische Rundschau 52 (2001), 131 ff.; Stahlberg/Sczesny/ F. Braun, Journal of Language and Social Psychology 20 (2001), 464 ff.; F. Braun/Sczesny/ Stahlberg, Germanistische Linguistik 167 – 168 (2002), 77 ff.; Heise, Verhaltenstherapie & Psychosoziale Praxis 35 (2003), 285 ff.; Stahlberg, in: H. Richter/Schmitz (Hrsg.), Kommunikation – ein Schlüsselbegriff der Humanwissenschaften?, 2003, S. 93 ff.; Gabriel/Mellen-

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1. Teil: Einführung in die Problematik geschlechtergerechter Sprache

als sie zeigen, dass das generische Maskulinum zu einer gedanklichen Unterrepräsentation von Frauen führt.235 Zwar spielen andere Faktoren wie der Kontext236 und (möglicherweise) die eigene Einstellung237 ebenfalls eine Rolle dabei, wie Personenbezeichnungen verstanden werden, doch haben einzelne Studien ergeben, dass berger, Swiss Journal of Psychology 63 (2004), 273 ff.; Irmen/Roßberg, Journal of Language and Social Psychology 23 (2004), 272 ff.; Rothmund/Scheele, Zeitschrift für Psychologie 212 (2004), 40 ff.; F. Braun/Sczesny/Stahlberg, Communications 30 (2005), 1 ff.; Klimmt/Pompetzki/Blake, Medien & Kommunikationswissenschaft 56 (2008), 3 ff.; Gygax/Gabriel/Sarrasin/ Oakhill/Garnham, Language and Cognitive Processes 23 (2008), 464 ff.; Gygax/Gabriel/ Sarrasin/Oakhill/Garnham, European Journal of Psychology of Education 24 (2009), 235 ff.; Vervecken/Hannover/Wolter, Journal of Vocational Behavior 82 (2013), 208 ff.; Vervecken/ Hannover, Social Psychology 46 (2015), 76 ff.; Hansen/Littwitz/Sczesny, Frontiers in Psychology 7 (2016), Art. 369; Horvath/Merkel/Maass/Sczesny, Frontiers in Psychology 6 (2016), Art. 2018; Horvath/Sczesny, European Journal of Work and Organizational Psychology 25 (2016), 316 ff.; Überblick bei Irmen/Linner, Zeitschrift für Psychologie 213 (2005), 167 ff. 235 F. Braun, Der Deutschunterricht 48 (1996), Heft 1, 54 (56); Dittmann, in: GS Schoenthal, 2002, S. 63 (64); C. Schmidt, in: GS Schoenthal, 2002, S. 233 (235 ff.); J. Klein, in: Eichhoff-Cyrus (Hrsg.), Adam, Eva und die Sprache, 2004, S. 292 (305); Bußmann, in: Bußmann/Hof (Hrsg.), GENUS, 2005, S. 482 (504); Irmen/Linner, Zeitschrift für Psychologie 213 (2005), 167 (172); Irmen/V. Steiger, ZGL 33 (2005), 212 (213); F. Braun/Oelkers/Rogalski/ Bosak/Sczesny, Psychologische Rundschau 58 (2007), 183 (184); V. Steiger/Irmen, Psychologische Rundschau 58 (2007), 190 (190); V. Steiger, in: Eichhoff-Cyrus/Antos (Hrsg.), Verständlichkeit als Bürgerrecht?, 2008, S. 361 (363); V. Steiger/Irmen, Der Sprachdienst 52 (2008), 161 (161 f., 169 f.); Athenstaedt/Alfermann, Geschlechterrollen und ihre Folgen, 2011, S. 55; Kusterle, Die Macht von Sprachformen, 2011, S. 137, 182 f.; Merkel, Journal Netzwerk Frauen- und Geschlechterforschung NRW 28 (2011), 36 (37); V. Steiger/Irmen, Linguistische Berichte 227 (2011), 297 (300); Wetschanow/Doleschal, in: de Cillia/Vetter (Hrsg.), Sprachenpolitik in Österreich, 2013, S. 306 (313); Steiger-Loerbroks/v. Stockhausen, Linguistische Berichte 237 (2014), 57 (59); Sczesny/Formanowicz/Moser, Fontiers in Psychology 7 (2016), Art. 25, S. 2, 6; Pöschko/Prieler, Zeitschrift für Bildungsforschung 8 (2018), 5 (6 f.); im Einzelnen s. die Ergebnisse der in Fn. 234 aufgezählten Studien, wobei Rothermund, Sprache & Kognition 17 (1998), 183 (195) diesen Effekt nur bei Formen im Singular feststellte; von juristischer Seite s. zu den Studienerkenntnissen Baer, Blätter für deutsche und internationale Politik 1/2013, 107 (114); Sacksofsky, Merkur 795 (2015), 39 (46); G. Bachmann, NJW 2018, 1648 (1649); Grünberger, JZ 2018, 719 (722 f.); Mangold, VerfBlog vom 13. 3. 2018; Spangenberg, KJ 51 (2018), 345 (347 f., 352 f.). 236 Dazu F. Braun/Gottburgsen/Sczesny/Stahlberg, ZGL 26 (1998), 265 (281); C. Schmidt, in: GS Schoenthal, 2002, S. 233 (239 ff.); J. Klein, in: Eichhoff-Cyrus (Hrsg.), Adam, Eva und die Sprache, 2004, S. 292 (304 f.); Rothmund/Scheele, Zeitschrift für Psychologie 212 (2004), 40 (50); Bußmann, in: Bußmann/Hof (Hrsg.), GENUS, 2005, S. 482 (505); Irmen/Linner, Zeitschrift für Psychologie 213 (2005), 167 (172); Irmen/Kurovskaja, Experimental Psychology 57 (2010), 367 (373 f.); Kusterle, Die Macht von Sprachformen, 2011, S. 141 ff., 183, 187; Steiger-Loerbroks/v. Stockhausen, Linguistische Berichte 237 (2014), 57 (59); L. Bülow/ Harnisch, in: Pfenninger/Navracsics (Hrsg.), Future Research Directions for Applied Linguistics, 2017, S. 149 (164 f.); L. Bülow/Jakob, OBST 90 (2017), 137 (156 ff.). 237 Dazu etwa Stahlberg/Sczesny, Psychologische Rundschau 52 (2001), 131 (138); C. Schmidt, in: GS Schoenthal, 2002, S. 233 (240); Stahlberg/F. Braun/Irmen/Sczesny, in: Fiedler (Hrsg.), Social Communication, 2007, S. 163 (173); offengelassen von F. Braun/ Gottburgsen/Sczesny/Stahlberg, ZGL 26 (1998), 265 (281); dagegen konnte nach Kusterle, Die Macht von Sprachformen, 2011, S. 177 ff., 186 ein Einfluss der Einstellung zum Feminismus nicht bestätigt werden, was ihrer Ansicht nach auf eine automatisierte Rezeption schließen lässt.

E. Geschlechtergerechte Sprache als Wissenschaftsobjekt

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unabhängig von diesen anderen Faktoren (auch) die Sprachform hier mentale Auswirkungen zeitigt238. Wichtig ist insofern auch die Annahme, dass in die Sprache eingebettete bzw. durch sie beförderte Stereotype239 selbst dann wirken können, wenn ein evidenter Widerspruch zur gesellschaftlichen Realität und/oder der Wille besteht, gerade nicht stereotyp zu denken und zu handeln.240 Weitgehende Übereinstimmung besteht ferner innerhalb der Studienergebnisse dahingehend, dass geschlechtergerechte Sprache zu einer höheren mentalen Repräsentation von Frauen führen kann.241 Differenzen zeigen sich hier eher bzgl. des Grades der Repräsentationssteigerung242 bzw. bei der Beurteilung einzelner Formen geschlechtergerechter Sprache243. Auch die Validität der Studienergebnisse wird kontrovers beurteilt.244 Obwohl allgemein schon vieles zum Thema geschlechtergerechte Sprache publiziert wurde, erscheint das Thema aus juristischer Perspektive jedenfalls bis vor kurzem245 unzureichend behandelt.246 Vor allem fehlt es an eingehenderen rechtli238 C. Schmidt, in: GS Schoenthal, 2002, S. 233 (240); J. Klein, in: Eichhoff-Cyrus (Hrsg.), Adam, Eva und die Sprache, 2004, S. 292 (305); Rothmund/Scheele, Zeitschrift für Psychologie 212 (2004), 40 (50); Gygax/Gabriel/Sarrasin/Oakhill/Garnham, Language and Cognitive Processes 23 (2008), 464 (479 ff.); Irmen/Kurovskaja, Experimental Psychology 57 (2010), 367 (373 f.); Kusterle, Die Macht von Sprachformen, 2011, S. 182 f., 187. 239 Zum Zusammenhang zwischen Sprache und Stereotypen Baer/Smykalla, in: Baer/ Smykalla/Hildebrandt (Hrsg.), Schubladen, Schablonen, Schema F, 2009, S. 7 (9); Athenstaedt/ Alfermann, Geschlechterrollen und ihre Folgen, 2011, S. 15. 240 Rodi, in: Lembke (Hrsg.), Menschenrechte und Geschlecht, 2014, S. 51 (52); vgl. zur automatischen Wirkung von Stereotypen Förster, in: Baer/Smykalla/Hildebrandt (Hrsg.), Schubladen, Schablonen, Schema F, 2009, S. 23 (25 ff.); Athenstaedt/Alfermann, Geschlechterrollen und ihre Folgen, 2011, S. 40 f.; Ferstl/Kaiser, GENDER 5 (2013), Heft 3, 9 (15). 241 Bußmann, in: Bußmann/Hof (Hrsg.), GENUS, 2005, S. 482 (504 f.); F. Braun/Oelkers/ Rogalski/Bosak/Sczesny, Psychologische Rundschau 58 (2007), 183 (184); Stahlberg/F. Braun/ Irmen/Sczesny, in: Fiedler (Hrsg.), Social Communication, 2007, S. 163 (172); V. Steiger/ Irmen, Psychologische Rundschau 58 (2007), 190 (190); Gygax/Gabriel/Sarrasin/Oakhill/ Garnham, Language and Cognitive Processes 23 (2008), 464 (466 f.); V. Steiger, in: EichhoffCyrus/Antos (Hrsg.), Verständlichkeit als Bürgerrecht?, 2008, S. 361 (363); V. Steiger/Irmen, Der Sprachdienst 52 (2008), 161 (169); Blake/Klimmt, Publizistik 55 (2010), 289 (296 f., 300); Athenstaedt/Alfermann, Geschlechterrollen und ihre Folgen, 2011, S. 55; Kusterle, Die Macht von Sprachformen, 2011, S. 182; V. Steiger/Irmen, Linguistische Berichte 227 (2011), 297 (300); Steiger-Loerbroks/v. Stockhausen, Linguistische Berichte 237 (2014), 57 (59); Hansen/ Littwitz/Sczesny, Frontiers in Psychology 7 (2016), Art. 369, S. 2, 4 f.; Kotthoff, OBST 90 (2017), 91 (92 f.); Pöschko/Prieler, Zeitschrift für Bildungsforschung 8 (2018), 5 (16). 242 Stahlberg/F. Braun/Irmen/Sczesny, in: Fiedler (Hrsg.), Social Communication, 2007, S. 163 (172). 243 Dazu näher bei und in Fn. 1198. 244 Dazu näher unter Dritter Teil, B. I. 4. a) bb) (3) und (5) mit Nachweisen in Fn. 1182 und Fn. 1199. 245 Deutlich mehr Auftrieb hat die juristische Diskussion allerdings durch die Entscheidungen des BVerfG zum „dritten Geschlecht“ (BVerfGE 147, 1 ff.) und des BGH zu geschlechtergerechter Sprache in Sparkassen-Formularen (BGHZ 218, 96 ff.) bekommen, zu diesen Entscheidungen unter Erster Teil, B. I. bzw. D.

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1. Teil: Einführung in die Problematik geschlechtergerechter Sprache

chen Analysen unter Berücksichtigung der aktuellen Verfassungsrechtslage, insbesondere der Änderung des Art. 3 GG im Jahr 1994. Das „Thema scheint für den Juristen unter Niveau zu liegen“, mutmaßte Schulze-Fielitz schon 1989.247 Vielleicht liegt es aber auch daran, dass das Thema so vielschichtig ist und Lösungen nicht leicht zu finden sind248, ein „heisses Eisen“, das „niemand anfassen mag“249. Gerade zu Beginn erfolgte die Diskussion des Themas geschlechtergerechte Sprache sehr emotional250, aber auch heute noch verläuft die Auseinandersetzung oftmals nicht sachlich251. Die Debatte hat sich zwar in den vergangenen Jahrzehnten über lange Strecken etwas beruhigt, weil das Thema nicht mehr „neu“ ist.252 Es ist damit allerdings keineswegs erledigt, sondern stellt den Gesetzgeber ein ums andere Mal wieder vor ungelöste Herausforderungen: kein „Modethema“253 also, sondern eher ein „Dauerthema“254, denn „kein anderes linguistisches Problem in der bundesre-

246 Ähnlich bereits Schulze-Fielitz, KritV 72 (1989), 273 (275 f.); Grabrucker, Vater Staat hat keine Muttersprache, 1993, S. 33; nach Lembke, in: Lembke (Hrsg.), Menschenrechte und Geschlecht, 2014, S. 18 (19) „zeigt der deutschsprachige rechtswissenschaftliche Diskurs traditionell eine erhebliche Zurückhaltung gegenüber Geschlechterthemen“; dagegen ist nach Ansicht von Reuß, StAZ 2019, 42 (42) das „Geschlecht … ungemindert ein Thema für das Recht“. 247 Schulze-Fielitz, KritV 72 (1989), 273 (276), der einen Verzicht auf die (ernsthafte) Behandlung dieses Themas jedoch ebenfalls für unangemessen erachtet; ähnlich Maaß, ZRP 1988, 203 (204). 248 So auch Leuer/Fessel, Frauen in der Sprache des Hochschulrechts, 1992, S. 3. 249 So für die Linguistik Elmiger/Tunger/Schaeffer-Lacroix, Geschlechtergerechte Behördentexte, 2017, S. 153; vgl. von juristischer Seite Schultz, in: Berghahn/Schultz (Hrsg.), Rechtshandbuch für Frauen- und Gleichstellungsbeauftragte (Stand: Mai 2019), Kap. 8.6.5, S. 1: „lästig und unbeliebt“. 250 BT-Drs. 12/1041, S. 10; Spillmann, in: Hufeisen (Hrsg.), „Das Weib soll schweigen…“ (1. Kor. 14, 34), 1993, S. 11 (11); Klann-Delius, Sprache und Geschlecht, 2005, S. 12; Schräpel, in: FS Pusch, 2014, S. 102 (102); s. nur die linguistische Auseinandersetzung zwischen Trömel-Plötz, Kalverkämper und Pusch: Trömel-Plötz, Linguistische Berichte 57 (1978), 49 ff.; Kalverkämper, Linguistische Berichte 62 (1979), 55 ff.; Pusch, Linguistische Berichte 63 (1979), 84 ff.; Kalverkämper, Linguistische Berichte 63 (1979), 103 ff. m. Anm. der Redaktion (107). 251 Klimmt/Pompetzki/Blake, Medien & Kommunikationswissenschaft 56 (2008), 3 (18 f.); L. Bülow/Herz, Linguistische Berichte 240 (2014), 471 (509); Sacksofsky, Merkur 795 (2015), 39 (46); vgl. auch Grünberger, JZ 2018, 719 (726). 252 Spillmann, in: Hufeisen (Hrsg.), „Das Weib soll schweigen…“ (1. Kor. 14, 34), 1993, S. 11 (11); Grabrucker, Muttersprache 104 (1994), 63 (63); gleichsinnig (für die Schweiz) Elmiger/Tunger/Schaeffer-Lacroix, Geschlechtergerechte Behördentexte, 2017, S. 153: „kein aktuelles Thema“; ähnlich Günthner, in: FS Pusch, 2014, S. 44 (49); vgl. auch Spangenberg, KJ 51 (2018), 345 (346). 253 So aber Sachs, NJW 1989, 553 (553); dazu Grabrucker, Muttersprache 104 (1994), 63 (63); ähnlich Siller, DZWir 1997, 526 (527): „Modetorheit“. 254 Baumann, in: Baumann/Meinunger (Hrsg.), Die Teufelin steckt im Detail, 2017, S. 196 (196); vgl. V. Steiger/Irmen, Der Sprachdienst 52 (2008), 161 (171): „unveränderte Aktualität der Debatte“.

E. Geschlechtergerechte Sprache als Wissenschaftsobjekt

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publikanischen Geschichte hat Ministerien und Parlamente derart beschäftigt wie die femininen und maskulinen Personenbezeichnungen“.255 Wesentliche neue Impulse hat die Diskussion um geschlechtergerechte Sprache und Recht zudem durch zwei aktuelle Entscheidungen erhalten: zum einen durch den bereits erwähnten Beschluss des Bundesverfassungsgerichts zum „dritten Geschlecht“256 bzw. zur „Dritten Option“ und zum anderen durch das bereits angesprochene Urteil des Bundesgerichtshofs zu geschlechtergerechter Sprache in Sparkassenformularen und -vordrucken257. Gerade die Frage nach der verfassungsrechtlichen Notwendigkeit geschlechtergerechter Sprache258 ist nach wie vor juristisch nicht abschließend geklärt; insofern stellen die einfachgesetzlichen Vorgaben zunächst vor allem ein Faktum dar, was jedoch nicht das Ende der Diskussion sein kann.259 Dabei ist es gerade bei diesem Thema schwierig, nicht von einem subjektiven Standpunkt aus zu argumentieren260; dies aber läge nicht im Wissenschaftsinteresse261. Auch gibt es beim Thema geschlechtergerechte Sprache (über die Geschlechter hinweg) eine regelrechte „Lagerbildung“; hier kann man sich eigentlich, so erscheint es, „nur Feind_innen machen“, entweder in dem einen oder dem anderen „Lager“.262 In den Beiträgen anderer Disziplinen zum Thema geschlechtergerechte Sprache finden sich teilweise zwar durchaus lobenswerte Ansätze, auch die rechtlichen Implikationen näher darzustellen.263 Allerdings bleiben diese Ausführungen – verständlicherweise – juristisch oft an der Oberfläche264 – was sicherlich umgekehrt 255

Gorny, in: Stötzel/Wengeler, Kontroverse Begriffe, 1995, S. 517 (517 f.). BVerfGE 147, 1 ff.; s. dazu unter Erster Teil, B. I.; kritisch zum Schlagwort „drittes Geschlecht“ Rixen, JZ 2018, 317 (317). 257 BGHZ 218, 96 ff.; s. dazu BVerfG, 1 BvR 1074/18 vom 26. 5. 2020 und näher unter Erster Teil, D. 258 In diese Richtung auch Ansätze bei Grabrucker, in: Battis/Schultz (Hrsg.), Frauen im Recht, 1990, S. 281 (292); Pflug, Diskussion Deutsch 21 (1990), 98 (99); vgl. auch Baer, Blätter für deutsche und internationale Politik 1/2013, 107 (115). 259 A.A. bezogen auf die Schweiz Schiedt/Kamber, in: Eichhoff-Cyrus (Hrsg.), Adam, Eva und die Sprache, 2004, S. 332 (332), die mit der politischen Entscheidung zugunsten geschlechtergerechter Sprache die Diskussion deren Notwendigkeit für abgeschlossen erachten. 260 Schulze-Fielitz, KritV 72 (1989), 273 (276). 261 Sacksofsky, Merkur 795 (2015), 39 (39); einschränkend dagegen Hellinger, Kontrastive Feministische Linguistik, 1990, S. 47, nach deren Ansicht es bei der Wissensproduktion keine absolute Objektivität geben könne. 262 Vgl. Albrecht, Gesetzgebung heute 1990, 49 (59); Solís, Germanistik in der Schweiz 8 (2011), 163 (193); Posch, in: Antenhofer/Oberprantacher/Schnegg (Hrsg.), Methoden und Wahrheiten, 2011, S. 207 (214); L. Bülow/Herz, Linguistische Berichte 240 (2014), 471 (495). 263 S. etwa Guentherodt, Muttersprache 94 (1983/84), 271 ff.; Hellinger, in: Eichhoff-Cyrus (Hrsg.), Adam, Eva und die Sprache, 2004, S. 275 (276 f.); V. Steiger/Irmen, Der Sprachdienst 52 (2008), 161 ff. 264 So heißt es beispielsweise bei V. Steiger/Irmen, Der Sprachdienst 52 (2008), 161 (168): „Die Verwendung des generischen Maskulinums wurde deshalb als eine Art Objektformel 256

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1. Teil: Einführung in die Problematik geschlechtergerechter Sprache

ebenso wenig auszuschließen ist265. Teilweise scheinen Jurist_innen einerseits und etwa Linguist_innen andererseits in der Diskussion auch aneinander vorbeizureden, weil die Ansätze und Perspektiven in den Disziplinen unterschiedlich sein können.266 Hier erscheint es wichtig, die juristischen Spezifika herauszuarbeiten und den Ansätzen anderer Disziplinen gegenüberzustellen mit dem Ziel, die Gesamtperspektivität der Thematik zu bereichern und interdisziplinäres Verständnis zu fördern, denn eine sinnvolle Lösung der Problematik kann sich kaum auf einen einzeldisziplinären „Tunnelblick“ beschränken.267 In geografischer Hinsicht ist die Thematik hingegen eher eng im Sinne von national begrenzt zu behandeln. Zwar wird das Thema geschlechtergerechte Sprache auch in vielen anderen Ländern diskutiert268 ; jedoch hat jede Sprache ihre Eigenheiten, die die pauschale Übertragung von Erkenntnissen zu anderen Sprachen verbietet.269 Dies gilt wegen der strukturellen Unterschiede der englischen und der deutschen Sprache insbesondere auch für Erkenntnisse aus dem englischsprachigen Sprachraum.270 Sprachlich käme zwar eine gemeinsame Betrachtung für Deutschland, Österreich und die (deutschsprachige) Schweiz in Betracht271; doch sind hier bezeichnet, die Frauen als von Männern vertretbare Größen betrachte“, was sich wohl auf die Debatte zu Art. 1 GG und die zur Bestimmung einer Verletzung der Menschenwürde herangezogene Objektformel bezieht (s. dazu unter Dritter Teil, B. II.); (nicht nur) bei Hellinger, in: Eichhoff-Cyrus (Hrsg.), Adam, Eva und die Sprache, 2004, S. 275 (277) kommt es zu „Vermischungen“ zwischen der EU und dem Europarat. 265 S. etwa die linguistischen Ausführungen des BGH in BGHZ 218, 96 (106 Rn. 36); Körlings, NZA 2018, 282 (283) zur Problematik des generischen Maskulinums. 266 So auch L. Bülow/Herz, Muttersprache 125 (2015), 133 (141); auf Unterschiede der juristischen, kognitionspsychologischen und sprachwissenschaftlichen Perspektive verweisen auch V. Steiger/Irmen, Der Sprachdienst 52 (2008), 161 (168). 267 Ähnlich Baumann, in: Bartoszewicz/Szcze˛ k/Tworek (Hrsg.), Germanistische Linguistik im interdisziplinären Gefüge II, 2011, S. 189 (197); Baumann, in: Baumann/Meinunger (Hrsg.), Die Teufelin steckt im Detail, 2017, S. 196 (224). 268 Hellinger, Kontrastive Feministische Linguistik, 1990, S. 115; Kremnitz, Quo vadis Romania 5 (1995), 13 (14); Sczesny/Formanowicz/Moser, Fontiers in Psychology 7 (2016), Art. 25, S. 2, 4 f.; bezogen auf die Schweiz und Österreich auch Reinecke, in: FS Düwell, 2011, S. 399 (404 f.); zur Diskussion in Frankreich und anderen romanisch-sprachigen Staaten s. Burr, in FS Baum, 1997, S. 51 (57 ff.); zu Frankreich auch Hergenhan, Sprache Macht Geschlecht, 2012, S. 61 ff., 155 ff.; Heine, Frankreichs Premier verbietet Gender-Schreibweisen, WELT Online vom 22. 11. 2017, https://www.welt.de/kultur/article170857223/Frankreichs-Pre mier-verbietet-Gender-Schreibweisen.html (abgerufen am 2. 6. 2020); zur Diskussion in der Schweiz und in Österreich s. die Nachweise in Fn. 272. Aktuelle Beiträge verschiedener Autor_innen zu einzelnen Ländern finden sich auch in Der Sprachdienst 64 (2020), Heft 1 – 2. 269 Vgl. Elmiger/Tunger/Schaeffer-Lacroix, Geschlechtergerechte Behördentexte, 2017, S. 157 f. 270 So auch Hellinger, in: Eichhoff-Cyrus (Hrsg.), Adam, Eva und die Sprache, 2004, S. 275 (277); Stahlberg/F. Braun/Irmen/Sczesny, in: Fiedler (Hrsg.), Social Communication, 2007, S. 163 (176); Kusterle, Die Macht von Sprachformen, 2011, S. 83. 271 Vgl. die Ansätze bei Guentherodt, Muttersprache 94 (1983/84), 271 (274 ff.); Wittemöller, Weibliche Berufsbezeichnungen im gegenwärtigen Deutsch, 1988, passim; ein Vergleich zwischen dem bundesdeutschen Bericht der interministeriellen Arbeitsgruppe Rechts-

E. Geschlechtergerechte Sprache als Wissenschaftsobjekt

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die Rechtsgrundlagen zu vielfältig, sodass eine Gesamtdarstellung den Rahmen sprengen würde.272 Dies schließt aber nicht aus, dass mitunter auch Ansichten und Beiträge von dort Erwähnung finden können, sofern es um vergleichbare Fragestellungen geht.

sprache (BT-Drs. 12/1041) und seinem „Pendant“ aus der Schweiz (Schweizerische Bundeskanzlei [Hrsg.], Sprachliche Gleichbehandlung von Frau und Mann in der Gesetzes- und Verwaltungssprache. Bericht einer interdepartementalen Arbeitsgruppe der Bundesverwaltung, 1991) findet sich bei Hellinger, in: Henn/Hufeisen (Hrsg.), Frauen: MitSprechen. MitSchreiben, 1997, S. 24 (32 ff.). 272 Zur Schweiz s. Schweizerische Bundeskanzlei (Hrsg.), Sprachliche Gleichbehandlung von Frau und Mann in der Gesetzes- und Verwaltungssprache. Bericht einer interdepartementalen Arbeitsgruppe der Bundesverwaltung, 1991; Hauck, Terminologie et Traduction 2/1989, S. 43 ff.; Albrecht, Gesetzgebung heute 1990, 49 ff.; Peyer/Wyss, Germanistische Linguistik 139 – 140 (1998), 117 ff.; Schiedt/Kamber, in: Eichhoff-Cyrus (Hrsg.), Adam, Eva und die Sprache, 2004, S. 332 ff.; Solís, Germanistik in der Schweiz 8 (2011), 163 ff.; Hergenhan, Sprache Macht Geschlecht, 2012, S. 181 ff.; Adamzik/Alghisi, Bulletin suisse de linguistique appliquée 2015, spécial, S. 119 ff.; Elmiger/Schaeffer-Lacroix/Tunger, OBST 90 (2017), 61 ff.; Elmiger/Tunger/Schaeffer-Lacroix, Geschlechtergerechte Behördentexte, 2017, passim; zu Österreich Wodak, Terminologie et Traduction 2/1989, S. 57 ff.; Doleschal, Germanistische Linguistik 139 – 140 (1998), 87 ff.; Wetschanow/Doleschal, in: de Cillia/Vetter (Hrsg.), Sprachenpolitik in Österreich, 2013, S. 306 ff.; Guggenberger, Der lange Weg, 2017, S. 158 ff., 302 ff., 519 ff.

Zweiter Teil

Überblick über die historische Entwicklung in Deutschland in Bezug auf geschlechtergerechte Sprache und Recht In der Bundesrepublik Deutschland273 begann die Diskussion um eine sprachliche Ungleichbehandlung von Frauen in den Siebzigerjahren des vergangenen Jahrhunderts.274 1980 veröffentlichten Trömel-Plötz, Guentherodt, Hellinger und Pusch wohl als Erste in Deutschland „Richtlinien zur Vermeidung sexistischen Sprachgebrauchs“.275 Kritik bezüglich der Formulierung von Rechtstexten wurde schon 1975 an das damalige Bundesministerium der Justiz herangetragen.276 Um 1979 wurde damit begonnen, die Ausbildungsverordnungen auch mit femininen Berufsbezeichnungen zu versehen.277 Entsprechend wurde auch im Verzeichnis der anerkannten Ausbil-

273 Zur Entwicklung in der DDR und der dortigen Einstellung zu geschlechtergerechter Sprache Diehl, Deutschland Archiv 25 (1992), 384 ff.; Trempelmann, Germanistische Linguistik 139 – 140 (1998), 33 ff.; Sobotta, ZGL 30 (2002), 147 ff. 274 BT-Drs. 12/1041, S. 5; vgl. auch Sträßer, ZRP 1988, 302; Grabrucker, Vater Staat hat keine Muttersprache, 1993, S. 13; Schewe-Gerigk, in: Eichhoff-Cyrus (Hrsg.), Adam, Eva und die Sprache, 2004, S. 322 (322); Janssen-Jurreit befasste sich bereits in ihrem 1976 veröffentlichten Buch „Sexismus. Über die Abtreibung der Frauenfrage“ u. a. mit den psychologischen Wirkungen weiblicher und männlicher Amtsbezeichnungen. 275 Guentherodt/Hellinger/Pusch/Trömel-Plötz, Linguistische Berichte 69 (1980), 15 ff.; s. auch Trömel-Plötz/Guentherodt/Hellinger/Pusch, Linguistische Berichte 71 (1981), 1 ff. (leicht veränderte Version); dazu Hellinger, in: FS Pusch, 2014, S. 56 (57). 276 S. Der Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung, Schreiben an das Bundesministerium der Justiz vom 27. 3. 1975, IIIa 8 – 3127 – 4057/75, Betr.: Diskriminierung weiblicher Arbeitnehmer durch die Gesetzessprache, BArch, B 141/418824. 277 Dazu Der Bundesminister für Bildung und Wissenschaft, Pressemitteilung 96/1979 vom 27. 7. 1979, BArch, B 141/418827; BT-PlPr. 8/146, S. 1712 B ff.; BT-Drs. 12/1041, S. 15 f.; Behn, Zeitschrift für Sozialreform 26 (1980), 375 (378 ff.); Guentherodt, Linguistische Berichte 69 (1980), 22 (34 f.); E. Bülow, ZG 3 (1988), 160 (161); Schulze-Fielitz, KritV 72 (1989), 273 (284); Bundesverwaltungsamt (Hrsg.), Merkblatt M 19 „Sprachliche Gleichbehandlung von Frauen und Männern“, 2. Aufl. 2002, S. 11; s. etwa die Verordnung über die Berufsausbildung zum Reiseverkehrskaufmann/zur Reiseverkehrskauffrau vom 12. 9. 1979, BGBl. I S. 1581; anders noch Der Bundesminister für Bildung und Wissenschaft (Hrsg.), Ausbildungsordnungen nach § 25 Berufsbildungsgesetz (bzw. § 25 Handwerksordnung), 1976, S. 22, wonach weibliche Berufsbezeichnungen nicht verwendet werden sollten.

2. Teil: Überblick über die historische Entwicklung in Deutschland

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dungsberufe verfahren.278 Hier wurde also schon früh von staatlicher Seite ein Handlungsbedarf erkannt.279 1980 wurden europarechtlich motiviert280 das arbeitsrechtliche geschlechtsbezogene Benachteiligungsverbot (§ 611a BGB a. F.), das Gebot der geschlechtsneutralen Arbeitsplatzausschreibung (§ 611b BGB a. F.) sowie das Entgeltgleichheitsgebot (§ 612 Abs. 3 BGB a. F.) in die arbeitsrechtlichen Regelungen des Bürgerlichen Gesetzbuches aufgenommen.281 Der inzwischen wegen Inkrafttretens des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes (AGG) aufgehobene282 § 611b BGB hielt „Arbeitgeber“283 privatrechtlich zur geschlechtsneutralen Stellenausschreibung an.284 Er lautete: „Der Arbeitgeber soll einen Arbeitsplatz weder öffentlich noch innerhalb des Betriebs nur für Männer oder nur für Frauen ausschreiben, es sei denn, daß ein Fall des § 611 a Abs. 1 Satz 2 vorliegt.“

§ 611a Abs. 1 Satz 2 BGB lautete: „Eine unterschiedliche Behandlung wegen des Geschlechts ist jedoch zulässig, soweit eine Vereinbarung oder eine Maßnahme die Art der vom Arbeitnehmer auszuübenden Tätigkeit 278 Dazu Der Bundesminister für Bildung und Wissenschaft, Pressemitteilungen 8/1980 vom 23. 1. 1980; 147/1980 vom 16. 10. 1980, BArch, B 141/418827; BT-Drs. 12/1041, S. 16; Guentherodt, Linguistische Berichte 69 (1980), 22 (34 f.); Bundesverwaltungsamt (Hrsg.), Merkblatt M 19 „Sprachliche Gleichbehandlung von Frauen und Ma¨ nnern“, 2. Aufl. 2002, S. 11. 279 BT-Drs. 12/1041, S. 15 f.; E. Bülow, ZG 3 (1988), 160 (161); vgl. Guentherodt, Muttersprache 94 (1983/84), 271 (284). 280 S. insb. die frühere RL 76/207/EWG (s. dazu unter Dritter Teil, A. III. 1.); BT-Drs. 8/3317, S. 6; 8/4259, S. 8; s. auch Berghahn, in: Berghahn/Schultz (Hrsg.), Rechtshandbuch für Frauen- und Gleichstellungsbeauftragte (Stand: Aug. 2019), Kap. 2.2.2, S. 3; bzgl. § 611b BGB s. auch Leuer/Fessel, Frauen in der Sprache des Hochschulrechts, 1992, S. 5 Fn. 9; zu der (streitigen) Frage, ob bzgl. § 611b BGB eine Verpflichtung aus der RL 76/207/EWG bestand, EuGH, Rs. 248/83 vom 21. 5. 1985, Slg. 1985, 1459, Rn. 41 ff. – Kommission/Deutschland; BT-Drs. 10/14, S. 20 f. 281 Durch das am 21. 8. 1980 in Kraft getretene Gesetz über die Gleichbehandlung von Männern und Frauen am Arbeitsplatz und über die Erhaltung von Ansprüchen bei Betriebsübergang (Arbeitsrechtliches EG-Anpassungsgesetz) vom 13. 8. 1980, BGBl. I S. 1308; s. dazu BT-Drs. 8/4259. 282 S. Art. 3 Abs. 14 Gesetz zur Umsetzung europäischer Richtlinien zur Verwirklichung des Grundsatzes der Gleichbehandlung vom 14. 8. 2006, BGBl. I S. 1897 (1909). 283 Zu dem Widerspruch zwischen der Intention der Norm und ihrer selbst nicht geschlechtergerechten Formulierung Grabrucker, ZRP 1988, 12 (12); Grabrucker, in: Battis/ Schultz (Hrsg.), Frauen im Recht, 1990, S. 281 (309); umgekehrt zieht Berschin, Der Sprachdienst 25 (1981), 105 (112) aus der Formulierung der Norm Rückschlüsse auf ihre Intention; in § 11 AGG wurde 2006 stattdessen eine Passivformulierung gewählt, s. dazu unter Dritter Teil, D. I. 3. a). 284 BT-Drs. 8/4259, S. 8. Die Formulierung der Norm ließ freilich offen, wie sprachlich ein Arbeitsplatz nicht nur für Männer oder nur für Frauen ausgeschrieben werden sollte, dazu Stickel, ZGL 16 (1988), 330 (332); Pflug, Diskussion Deutsch 21 (1990), 98 (101).

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2. Teil: Überblick über die historische Entwicklung in Deutschland zum Gegenstand hat und ein bestimmtes Geschlecht unverzichtbare Voraussetzung für diese Tätigkeit ist.“285

In der Gesetzesbegründung ist ausgeführt, mit der Regelung des § 611b BGB solle erreicht werden, dass das Benachteiligungsverbot wegen des Geschlechts bereits bei der Stellenausschreibung wirksam werde. Geschlechtsbezogene Differenzierungen sollten damit – außer im Falle des § 611a Abs. 1 Satz 2 BGB – auch im Vorfeld der Begründung von Arbeitsverhältnissen ausgeschlossen sein. Als geschlechtsneutrale Ausschreibungen gälten solche Stellenangebote, die sich in ihrer gesamten Ausdrucksweise sowohl an Frauen als auch an Männer richteten. Die Nichtbeachtung des Gebotes der geschlechtsneutralen Stellenausschreibung könne die Vermutung einer Benachteiligung wegen des Geschlechts nach § 611a Abs. 1 BGB bei der Begründung von Arbeitsverhältnissen begründen.286 Die Norm des § 611b BGB entfaltete jedoch nur „zögerlich Bedeutung“.287 Dass die ersten sprachlichen Änderungen gerade in diesen rechtlichen Bereichen erfolgten und nicht etwa bei der Gestaltung der Vorschriftensprache, wird als „nicht zufällig“ gewertet.288 Dies dürfte auch daran liegen, dass in Bezug auf Stellenausschreibungen ein deutlich größerer Konsens dahingehend auszumachen ist, dass geschlechtergerechte Formulierungen dort nötig sind289, während in Bezug auf die Vorschriftensprache von einem Konsens wohl keine Rede sein kann290. 285

Zum Erfordernis der restriktiven Auslegung dieses Ausnahmetatbestandes Pabst/Slupik, ZRP 1984, 178 (179 f.) m. w. N.; a. A. offenbar trotz missverständlicher Formulierung Adomeit, DB 1980, 2388 (2388). 286 BT-Drs. 8/4259, S. 9; kritisch dazu D. Franke, BB 1981, 1221 (1223). 287 Horstkötter, Der Personalrat 2009, 242 (242); ähnlich Berschin, Der Sprachdienst 25 (1981), 105 (105); Hellinger/Schräpel, Jahrbuch für Internationale Germanistik 15 (1983), 40 (42); Guentherodt, Muttersprache 94 (1983/84), 271 (271, 284); Pabst/Slupik, ZRP 1984, 178 (180 ff.); Wittemöller, Weibliche Berufsbezeichnungen im gegenwärtigen Deutsch, 1988, S. 134; Hellinger, Kontrastive Feministische Linguistik, 1990, S. 114; Gorny, in: Stötzel/ Wengeler, Kontroverse Begriffe, 1995, S. 517 (549 ff.); s. auch BT-Drs. 10/14, S. 12 f.; 12/5468, S. 18; die Auswirkungen deutlich positiver beurteilend Pusch, Das Deutsche als Männersprache, 1984, S. 76 (95 f.). 288 So Schulze-Fielitz, KritV 72 (1989), 273 (277 f. Fn. 29); kritisch Grabrucker, in: Battis/ Schultz (Hrsg.), Frauen im Recht, 1990, S. 281 (309). 289 S. nur Nds. LT-Drs. 10/5758, S. 2; Trömel-Plötz, Frauensprache, 1982, S. 74; Grabrucker, STREIT 1986, 59 (59 f.); Schmitter, Diskussion Deutsch 17 (1986), 206 (209); Hellinger, Kontrastive Feministische Linguistik, 1990, S. 111; F. Braun, Der Deutschunterricht 48 (1996), Heft 1, 54 (54); Rüfner, in: Kahl/Waldhoff/Walter (Hrsg.), Bonner Kommentar zum Grundgesetz, Art. 3 Abs. 2 und 3 Rn. 824 (Stand: Mai 1996); Diederichsen, in: FS Gaul, 1997, S. 121 (127); Stahlberg/F. Braun/Irmen/Sczesny, in: Fiedler (Hrsg.), Social Communication, 2007, S. 163 (178, 180); Wegener, in: Baumann/Meinunger (Hrsg.), Die Teufelin steckt im Detail, 2017, S. 279 (281); s. dazu auch unter Dritter Teil, D. I. 3. a); a. A. aber Berschin, Der Sprachdienst 25 (1981), 105 (110 ff.). 290 Ablehnend etwa Diederichsen, in: FS Gaul, 1997, S. 121 ff.; Roos, NJW 2012, 652 (653); Ruffert, in: Calliess/Ruffert (Hrsg.), EUV/AEUV, 5. Aufl. 2016, Art. 9 EUV Rn. 22; vgl. dazu Bußmann, in: Bußmann/Hof (Hrsg.), Genus, 1995, S. 114 (145).

2. Teil: Überblick über die historische Entwicklung in Deutschland

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In den Achtzigerjahren des vergangenen Jahrhunderts hat der Deutsche Frauenrat die Thematik aufgegriffen und den Fokus auf die Rechtssprache gelegt.291 In einer 1982 verabschiedeten Resolution gegen die „Diskriminierung von Frauen in der Gesetzessprache“ forderte der Deutsche Frauenrat den Gesetzgeber auf, „in allen Gesetzen und sonstigen Rechtsnormen die bisher üblichen einseitig ,männlich‘ ausgerichteten Definitionen zu beseitigen, sie durch die entsprechenden weiblichen Definitionen oder durch Formulierungen zu ersetzen, die geschlechtsneutral sind“.292

Auch der Deutsche Juristinnenbund hat die Thematik in die Öffentlichkeit gerückt.293 Erste Bundesländer wurden aktiv bei der Entwicklung von Vorgaben für die künftige Gesetzgebungspraxis und für Organ- und Behördenbezeichnungen sowie durch die Änderung von Formulierungen einzelner Gesetze und Vorschriften294, andere folgten295. Der Niedersächsische Landtag verabschiedete am 27. Februar 1989 das auf einem Gesetzentwurf des Landesministeriums296 beruhende297 – seither unveränderte – Gesetz zur Förderung der Gleichstellung der Frau in der Rechts- und Verwaltungssprache298, dessen § 1 vorgibt: „In Rechts- und Verwaltungsvorschriften des Landes sowie der seiner Aufsicht unterstehenden Körperschaften, Anstalten und Stiftungen des öffentlichen Rechts sind Bezeichnungen so zu wählen, daß sie Frauen nicht diskriminieren, sondern dem Grundsatz der Gleichberechtigung (Artikel 3 Abs. 2 des Grundgesetzes) entsprechen.“

§ 2 bestimmt:

291 Dazu BT-Drs. 12/1041, S. 5; Grabrucker, in: Battis/Schultz (Hrsg.), Frauen im Recht, 1990, S. 281 (291); Grabrucker, Vater Staat hat keine Muttersprache, 1993, S. 16. 292 Deutscher Frauenrat, Informationen für die Frau 11 – 12/1982, 26. 293 Dazu Grabrucker, in: Battis/Schultz (Hrsg.), Frauen im Recht, 1990, S. 281 (291); Grabrucker, Vater Staat hat keine Muttersprache, 1993, S. 18. 294 Näher BT-Drs. 12/1041, S. 5 f.; E. Bülow, ZG 3 (1988), 160 (162 ff.); Lange-Klein, Terminologie et Traduction 2/1989, 23 (26); Schulze-Fielitz, KritV 72 (1989), 273 (274); „Vorreiter“ war hier das Land Hessen, s. Entschließung des Hessischen Landtages vom 17. 12. 1986 gem. LT-Drs. 11/6910, LT-PlPr. 11/99, S. 5806 f. 295 Vgl. Böhm, DRiZ 1990, 507; Grabrucker, in: Battis/Schultz (Hrsg.), Frauen im Recht, 1990, S. 281 (284). 296 So die frühere Bezeichnung der Landesregierung in Niedersachsen, s. Dietrich, in: Eichhoff-Cyrus/Hoberg (Hrsg.), Die deutsche Sprache zur Jahrtausendwende, 2000, S. 192 (207). 297 LT-Drs. 11/2576; angenommen unter Berücksichtigung der vom Ausschuss für Gleichberechtigung und Frauenfragen empfohlenen Änderungen, s. LT-Drs. 11/3470; LT-PlPr. 11/76, S. 6994. 298 Nds. GVBl. S. 50; s. dazu näher unter Dritter Teil, D. II. 3.

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2. Teil: Überblick über die historische Entwicklung in Deutschland „Sind in Rechts- und Verwaltungsvorschriften Bezeichnungen, die für Frauen und Männer gelten, nur in männlicher Sprachform enthalten, so ist im amtlichen Sprachgebrauch im Einzelfall die jeweils zutreffende weibliche oder männliche Sprachform zu verwenden.“

§ 3 ergänzt: „In Vordrucken des Landes und der seiner Aufsicht unterstehenden Körperschaften, Anstalten und Stiftungen des öffentlichen Rechts sind die für einzelne Personen geltenden Bezeichnungen nebeneinander in weiblicher und männlicher Sprachform aufzunehmen. Es kann auch eine nicht geschlechtsbezogene Sprachform gewählt werden.“

Nicht erfolgreich299 war hingegen folgender Antrag300 der Fraktion der Grünen im Niedersächsischen Landtag vom 26. Mai 1987: „Die Landesregierung wird aufgefordert, 1. in der Gesetzes- und Amtssprache des Landes Niedersachsen das verfassungsrechtliche Gebot, die Gleichberechtigung der Geschlechter herzustellen, zu befolgen; 2. die Gesetzes- und Amtssprache so zu ändern, daß Funktionen und Ämter und sonstige Personenbezeichnungen im Regelfalle beide Geschlechter benennen, im Ausnahmefall geschlechtsneutral oder in der weiblichen Sprachform aufgeführt werden; 3. für Organ- und Behördenbezeichnungen die neutrale oder weibliche Sprachform einzuführen; 4. verwaltungs- und gesetzgeberische Maßnahmen zur sprachlichen Änderung aller bestehenden Gesetzestexte, Verordnungen, Erlasse, Richtlinien, Laufbahn- sowie Ausbildungs- und Prüfungsordnungen einzuleiten; 5. die sprachlichen Änderungen an bestehenden Gesetzestexten und bestehender Amtssprache innerhalb eines Zeitraumes von bis zu zwei Jahren zu vollziehen; 6. auf allen Ebenen der Landesregierung und öffentlichen Verwaltung sowie der kommunalen Organe (soweit rechtlich zulässig) dafür Sorge zu tragen, daß die unter 1. bis 3. genannten Regelungen sofort Einlaß in die künftige Gesetzes- und Amtssprache finden; 7. Stellen für fachlich qualifizierte Sprachwissenschaftlerinnen einzurichten zur Bearbeitung bestehender und künftiger Gesetzes- und Amtssprache.“

Der Antrag führte aber dazu, dass am 9. Mai 1988 in Niedersachsen eine Sachverständigenanhörung zu diesem Thema stattfand.301 Später, 1991, hat das Niedersächsische Landesministerium darüber hinaus detaillierte „Grundsätze für die Gleichbehandlung von Frauen und Männern in der Rechtssprache“ beschlossen.302 299 Zum Beratungsverlauf s. LT-PlPr. 11/30, S. 2819 ff.; LT-Drs. 11/3399; LT-PlPr. 11/76, S. 6995; auch ein moderaterer Änderungsantrag der Fraktion der SPD hierzu (LT-Drs. 11/3556) konnte sich nicht durchsetzen. 300 LT-Drs. 11/1112; kritisch hierzu Stickel, ZGL 16 (1988), 330 (334). 301 S. dazu zusammenfassend LT-PlPr. 11/76, S. 6986. 302 Beschluss des Nds. Landesministeriums vom 9. 7. 1991, Nds. MBl. S. 911; s. dazu näher unter Dritter Teil, D. II. 4.

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Auf der Bundesebene wurden in ersten einzelnen Gesetzen von der herkömmlichen Formulierungspraxis abweichende Begriffe verwendet.303 Im Herbst 1987 wurde eine interministerielle304 Arbeitsgruppe Rechtssprache eingesetzt, die den Auftrag hatte, die Rechtssprache, insbesondere die Vorschriftensprache, zu untersuchen im Hinblick auf die vor allem von Sprachwissenschaftlerinnen und Juristinnen erhobenen Forderungen nach Gleichstellung von Frauen und Männern, die aber auch in unterschiedlichen Anträgen von Fraktionen des Deutschen Bundestages (sowie einzelnen Abgeordneten) zum Ausdruck kamen.305 So beantragte die Fraktion der SPD 1987, der Bundestag möge beschließen: „Die Bundesregierung wird aufgefordert, alle Gesetze auf ihre geschlechtsspezifischen Formulierungen hin zu überprüfen und dem Parlament bis zum 1. September 1987 einen Bericht vorzulegen, welche Gesetze geändert werden müssen und in welcher zeitlichen Folge dies geschehen wird.“306

Zur Begründung wurde angeführt, dass die Entsendung von Mitgliedern des Deutschen Bundestages in verschiedene Gremien auf Gesetzen beruhe, die offensichtlich die Frage der Gleichbehandlung nicht berücksichtigt hätten (z. B. „Wahlmännerausschuß”). Das Problem stelle sich aber auch in anderen Bereichen (z. B. § 5 Bundeswahlgesetz: „… wird ein Abgeordneter gewählt”). Auch in der Gesetzessprache müsse „deutlich werden, daß Artikel 3 GG ernst genommen wird“.307 Die Fraktion DIE GRÜNEN beantragte ebenfalls 1987, der Bundestag möge beschließen: „Die Bundesregierung wird aufgefordert, alle Gesetzestexte auf ihre geschlechtsspezifischen Formulierungen hin zu überprüfen. Alle personenbezogenen Bezeichnungen sind, wenn sie nicht notwendig ausschließlich auf ein Geschlecht bezogen sind, geschlechtsneutral oder gleichzeitig weiblich und männlich abzufassen. Die Bundesregierung wird weiterhin aufgefordert, dem Deutschen Bundestag bis zum 8. März 1988 einen Gesetzentwurf mit entsprechenden Änderungen für alle Gesetzestexte vorzulegen.“308

Zur Begründung wurde ausgeführt, dass zwar behauptet werde, dass Frauen in Wörtern wie „Wähler, Steuerzahler, Verkehrsteilnehmer, Arbeitgeber, Arbeiter, Politiker“ immer mitangesprochen seien; in Wahrheit aber seien diese angeblich 303

BT-Drs. 12/1041, S. 5 f.; dazu E. Bülow, ZG 3 (1988), 160 (165). In der Arbeitsgruppe Rechtssprache waren die Bundesminister des Innern, für Jugend, Familie, Frauen und Gesundheit, für Arbeit und Sozialordnung und (federführend) der Justiz vertreten, s. BT-Drs. 12/1041, S. 4. 305 BT-Drs. 12/1041, S. 4; s. auch BT-PlPr. 11/37, S. 2508 A; Grabrucker, in: Battis/ Schultz (Hrsg.), Frauen im Recht, 1990, S. 281 (291); Schewe-Gerigk, in: Eichhoff-Cyrus (Hrsg.), Adam, Eva und die Sprache, 2004, S. 322 (322 ff.). 306 BT-Drs. 11/118. 307 BT-Drs. 11/118. 308 BT-Drs. 11/860; s. auch bereits zuvor den Gesetzentwurf einzelner Abgeordneter und ¨ NEN eines Gesetzes zur Aufhebung der Benachteiligung von Frauen in der Fraktion DIE GRU allen gesellschaftlichen Bereichen (Antidiskriminierungsgesetz — ADG), BT-Drs. 10/6137, der in den §§ 6 und 7 ebenfalls Regelungen für die Gesetzessprache beinhaltete. 304

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objektiven Wörter Ausdruck des „männlichen Herrschaftsanspruch[es]“. Die beantragte Verpflichtung zur Bereinigung der Gesetzestexte solle in einem wichtigen gesellschaftlichen Bereich Sexismus in der Sprache abbauen; dies könne dann Anstoß und Signal sein, sexistische Sprachregelungen in der Amts-, Gerichts-, Umgangs- und Wissenschaftssprache etc. ebenfalls zu beseitigen.309 Ein dritter Antrag verschiedener Abgeordneter und der Fraktion der CDU/CSU sowie der Fraktion der FDP, ebenfalls aus dem Jahr 1987, ging dahin, der Bundestag möge beschließen: „Die Bundesregierung wird aufgefordert, ab sofort in allen Gesetzentwürfen, Rechtsverordnungen und Verwaltungsvorschriften geschlechtsspezifische Benennungen/Bezeichnungen zu vermeiden und entweder geschlechtsneutrale Formulierungen zu wählen oder solche zu verwenden, die beide Geschlechter benennen, soweit dies sachlich gerechtfertigt ist und Lesbarkeit und Verständlichkeit des Gesetzestextes nicht beeinträchtigt werden. Darüber hinaus wird die Bundesregierung aufgefordert, bei grundlegenden Änderungen von Gesetzen, Rechtsverordnungen und Verwaltungsvorschriften diese auf ihre geschlechtsspezifischen Formulierungen hin zu überprüfen und entsprechend den in Absatz 1 genannten Grundsätzen in angemessener Zeit zu ändern.“310

Eine nähere Begründung enthielt dieser Antrag nicht.311 Die drei Anträge verband, dass sie die Verwendung „geschlechtsspezifischer“ Formulierungen in Gesetzestexten fokussierten (womit insbesondere die Formulierungspraxis des generischen Maskulinums mit ihren gleichlautenden geschlechtsspezifischen Bezeichnungen gemeint gewesen sein dürfte)312; sie wiesen jedoch eine unterschiedliche Akzentuierung sowohl beim Umfang des Überprüfungsauftrags und des gesehenen Änderungsbedarfs als auch in ihrer Begründung auf.313 Während der Antrag der Fraktionen der CDU/CSU sowie der FDP grundsätzlich lediglich auf zukünftige Formulierungen in Gesetzentwürfen, Rechtsverordnungen und Verwaltungsvorschriften abzielte und eine Einbeziehung des bereits existierenden Normenbestandes nur bei „grundlegenden Änderungen“ anstrebte, umfassten der Antrag der Fraktion der SPD und der Antrag der Fraktion DIE GRÜNEN die Überprüfung aller Gesetzestexte.314 Ein weiteres Spezifikum des Antrages der Fraktionen der CDU/CSU sowie der FDP war die Einschränkung dahingehend, dass Änderungen nur erfolgen sollten, „soweit dies sachlich gerecht-

309

BT-Drs. 11/860. BT-Drs. 11/1043. 311 Vgl. BT-Drs. 11/1043. 312 Kritisch zur Terminologie Stickel, ZGL 16 (1988), 330 (335). 313 Vgl. BT-Drs. 11/2152, S. 4; Stickel, ZGL 16 (1988), 330 (333 ff.); zur Debatte im Bundestag zu diesen Anträgen s. BT-PlPr. 11/37, S. 2502 C ff.; Schewe-Gerigk, in: EichhoffCyrus (Hrsg.), Adam, Eva und die Sprache, 2004, S. 322 (323 ff.). 314 Schewe-Gerigk, in: Eichhoff-Cyrus (Hrsg.), Adam, Eva und die Sprache, 2004, S. 322 (323). 310

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fertigt ist und Lesbarkeit und Verständlichkeit des Gesetzestextes nicht beeinträchtigt werden“.315 Die eingesetzte Arbeitsgruppe Rechtssprache sollte prüfen, welcher Regelungsbedarf bestehe und in welcher Weise die damals gegenwärtige Rechtssprache veränderbar sei; sie sollte sprachliche Alternativen darstellen und konkrete Verbesserungen vorschlagen.316 Sie führte im Herbst 1988 eine Sachverständigenanhörung durch317 und legte ihren Bericht „Maskuline und feminine Personenbezeichnungen in der Rechtssprache“ unter dem 17. Januar 1990 vor.318 In dem Bericht differenziert die Arbeitsgruppe Rechtssprache zwischen (1.) der sog. Amtssprache, in der amtliche und gerichtliche Entscheidungen, Mitteilungen, Aufforderungen und Vordrucke verfasst seien, (2.) der sog. normgebundenen Verwaltungssprache als dem Teil der Amtssprache, der durch Rechtsvorschriften festgelegt sei, sowie (3.) der sog. Vorschriftensprache, d. h. der sprachlichen Fassung der Gesetze und Rechtsverordnungen.319 Bezüglich der Vorschriftensprache kommt der Bericht der Arbeitsgruppe Rechtssprache zu dem Ergebnis, dass „zur Zeit“ kein gesicherter und ausreichender Ausgangspunkt für grundsätzliche Veränderungen der Vorschriftensprache als einer Fachsprache bestünde, d. h., abgesehen von einzelnen punktuellen Änderungen, müsse die Vorschriftensprache nicht geändert werden, sie könne es lediglich.320 Diese Rechtsauffassung beruht auf folgender Argumentation: Die Vorschriften enthielten generell-abstrakte Beschreibungen von Sachverhalten. In ihnen würden Personen in verallgemeinernder Weise bezeichnet. Dafür stünden im Deutschen generische Maskulina zur Verfügung. Diese Maskulina könnten in anderen Zusammenhängen auch geschlechtsspezifisch, nur auf männliche Personen bezogen gebraucht werden. Daraus abgeleitete feminine Bezeichnungen würden nicht geschlechtsindifferent, sondern nur auf Frauen bezogen verwendet. Diese sprachlichen Unterschiede führten nicht zu einer rechtlichen Ungleichbehandlung oder Diskriminierung, denn die Vorschriften fänden gleichermaßen auf Männer und Frauen Anwendung. (Nur) dies sei durch Art. 3 Abs. 2 GG klargestellt und garantiert.321 Da die Rechtsanwendung 315 Nach Ansicht von Schewe-Gerigk, in: Eichhoff-Cyrus (Hrsg.), Adam, Eva und die Sprache, 2004, S. 322 (323) spiegelt dies die Gespaltenheit in der innerfraktionären Diskussion wider; kritisch zu der Einschränkung Stickel, ZGL 16 (1988), 330 (348); Schewe-Gerigk, in: Eichhoff-Cyrus (Hrsg.), Adam, Eva und die Sprache, 2004, S. 322 (324): „äußerst schwammige Formulierung“. 316 BT-Drs. 12/1041, S. 4. 317 S. dazu Protokoll der Sachverständigenanhörung zum Thema „Gleichbehandlung von Mann und Frau in der Rechtssprache?“ am 15. September 1988 im Bundesministerium der Justiz, BArch, B 141/418838. 318 BT-Drs. 12/1041, S. 1 ff. 319 BT-Drs. 12/1041, S. 4; dazu Schewe-Gerigk, in: Eichhoff-Cyrus (Hrsg.), Adam, Eva und die Sprache, 2004, S. 322 (326). 320 BT-Drs. 12/1041, S. 30. 321 BT-Drs. 12/1041, S. 13.

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nicht berührt sei, solle in diesem Zusammenhang nicht von Gleichbehandlung oder Ungleichbehandlung, sondern von sprachlicher Asymmetrie gesprochen werden. Eine sprachliche Asymmetrie sei aber als solche verfassungsrechtlich ohne Bedeutung.322 Eine rechtliche Benachteiligung könne, so der Bericht, dann angenommen werden, wenn als Folge der sprachlichen Asymmetrie ungleiche Chancen von Frauen bei der Wahrnehmung von Rechten, insbesondere auch beim Zugang zu Ämtern und Funktionen festgestellt werden könnten. Ob eine solche ungleiche Wirkung der an sich geschlechtsindifferent verwendeten Vorschriftensprache als indirekte Diskriminierung und als Verstoß gegen Art. 3 Abs. 2 und 3 GG zu werten wäre, könne dahingestellt bleiben, weil ein ursächlicher Zusammenhang zwischen der Verwendung maskuliner Personenbezeichnungen und schlechteren Chancen von Frauen nicht hinreichend nachgewiesen sei. Rechtssoziologische Befunde schienen zwar darauf hinzudeuten, dass eine gewisse „Rechtsdistanziertheit“ von Frauen bestehe und diese auch damit erklärt werden könnte, dass die Frauen in den Vorschriften nicht ausdrücklich angesprochen werden. Solche Zusammenhänge seien jedoch unzureichend erforscht, „eher spekulativ als gesichert“.323 Auch die weitere Frage, ob der Gesetzgeber zu einer Änderung der Vorschriftensprache verpflichtet sein könnte, weil sie in Verbindung mit überkommenen gesellschaftlichen Anschauungen das Erreichen tatsächlicher Chancengleichheit erschweren könnte, könne dahingestellt bleiben. In der Verfassungsrechtslehre gebe es keine eindeutige Meinung dazu, ob es einen verfassungsrechtlichen Auftrag des Gesetzgebers gebe, sei es unmittelbar aus Art. 3 Abs. 2 GG oder aus dem Gleichberechtigungsgrundsatz in Verbindung mit dem Sozialstaatsprinzip. Das Bundesverfassungsgericht habe die Frage, ob dem Gleichberechtigungsgebot ebenso wie anderen Grundrechten neben dem Charakter als Abwehrrecht auch positive Verpflichtungen des Gesetzgebers zur Förderung und Unterstützung der Grundrechtsverwirklichung zu entnehmen seien, bis dahin offengelassen.324 Selbst wenn man denjenigen in der Verfassungsrechtslehre zustimme, die einen Handlungsauftrag zur Förderung der Gleichberechtigung bejahen, würde dem Gesetzgeber jedenfalls ein breiter Beurteilungs- und Handlungsspielraum hinsichtlich der Maßnahmen offenstehen, die zur Förderung der Chancengleichheit ergriffen werden können. Konkrete Lösungen könnten daher auch im Hinblick auf die Vorschriftensprache aus einem Verfassungsauftrag nicht hergeleitet werden. Außerdem müsste der Gesetzgeber bei der Erfüllung eines solchen Verfassungsauftrages andere verfassungsrechtliche Grundsätze, wie etwa die Gebote der Rechtsklarheit und der Rechtssicherheit, beachten, die bei der Vorschriftensprache besondere Bedeutung hätten. Dem Gesetz- und Verordnungsgeber bleibe es aber unbenommen, die Diskussion über die Vorschriftensprache unabhängig vom Bestehen eines verfassungsrechtlichen Auftrages zum Anlass zu nehmen, um ihm geeignet erscheinende Lösungen zu verfolgen. Dabei könnten auch Veränderungen in der sprachlichen Fassung von Vorschriften in Betracht kommen, 322 323 324

BT-Drs. 12/1041, S. 12. BT-Drs. 12/1041, S. 12, 30. BT-Drs. 12/1041, S. 12 verweist hier auf BVerfGE 74, 163 (179).

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um etwa die Rechtsdistanziertheit von Frauen abzubauen und den Zugang zum Recht zu verbessern. Der insofern bestehende politische Gestaltungsspielraum könne jederzeit genutzt werden.325 Die Arbeitsgruppe Rechtssprache befürwortet in ihrem Bericht „eine pragmatische Überprüfung“ der Vorschriftensprache, bei der „je nach Sachverhalt, Regelungszusammenhang und Adressatenkreis bessere Formulierungen unter Vermeidung generischer Maskulina gesucht und verwendet werden“.326 Dabei hat sie sich, unter Berufung auf Gründe „überwiegend rechtssystematischer …, zum Teil auch praktischer und ästhetischer Art“ gegen die durchgängige Verwendung von Paarformeln ausgesprochen327, obwohl darin in der allgemeinen Diskussion häufig die beste Lösung gesehen werde. Die Verwendung von Paarformeln habe insbesondere zur Folge, dass die weitere Verwendung generischer Maskulina ausgeschlossen sei bzw. zu Unklarheiten führe.328 Auch und vor allem hat die Arbeitsgruppe Rechtssprache Schrägstrich- und Klammerlösungen sowie Schreibweisen mit dem großen (Binnen-)I abgelehnt.329 Vorzugswürdig sei z. B. die Verwendung von Partizipien und Adjektiven in der geschlechtsindifferenten Pluralform („die Berechtigten“, „die Antragstellenden“). In Betracht kämen auch Umschreibungen mit „Person“ oder Substantive auf „-ung“ (z. B. „die Leitung“) sowie andere Satzkonstruktionen (passive Ausdrucksweise; Sätze mit „wer“, z. B. „wer …, wird bestraft“). Welche Formulierung nach fachlichen und sprachlichen Gesichtspunkten zu wählen sei, lasse sich jeweils nur für die einzelnen Vorschriften beurteilen. Zunächst sei stets zu prüfen, ob es Personenbezeichnungen gebe, die geschlechtsindifferent verwendet werden können. Erst wenn gebräuchliche und verständliche Formulierungen nicht gefunden werden könnten oder die inhaltliche Aussage der Vorschrift unpräzise und unverständlich würde, könnten Personenbezeichnungen in maskuliner Form mit verallgemeinernder Bedeutung auch weiterhin verwendet werden.330 Für die Personenbezeichnungen in der Amtssprache kommt der Bericht der Arbeitsgruppe Rechtssprache hingegen zu einer anderen verfassungsrechtlichen Beurteilung: Während in Rechtsvorschriften abstrakt und generell Sachverhalte beschrieben würden, aus denen Rechte und Pflichten für Personen folgten, deren Geschlecht in diesem Zusammenhang unwichtig sei, beziehe sich die Amtssprache auf einzelne Männer und Frauen oder Personengruppen. Hier, in Urteilen oder Bescheiden, Ausschreibungen oder Verträgen, würden die Vorschriften auf konkrete Sachverhalte angewendet und auf einzelne Menschen bezogen. Würden Frauen in 325

BT-Drs. 12/1041, S. 12. BT-Drs. 12/1041, S. 31. 327 Darauf weist zu Recht Foth, JR 2007, 410 (410 f.) hin. 328 BT-Drs. 12/1041, S. 31. 329 BT-Drs. 12/1041, S. 33 f. 330 BT-Drs. 12/1041, S. 37; kritisch dazu Gesellschaft für deutsche Sprache Wiesbaden, Gutachten: Möglichkeiten und Grenzen geschlechtsneutralen Formulierens in Rechtstexten, dargestellt anhand von Empfehlungsschriften und Erlassen zur sprachlichen Gleichbehandlung von Frau und Mann, 1994, Stand: 31. 3. 1995, S. 194, BArch, B 141/438024. 326

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der Amtssprache bei der individuellen Anrede oder Bezeichnung nicht geschlechtsspezifisch, sondern mit Ausdrücken in maskuliner Form benannt (z. B. nur „Sehr geehrte Herren!“, „Ministerialrat Sigrid Müller“), so könne darin eine Benachteiligung von Frauen zu sehen sein, deren Vereinbarkeit mit Art. 3 Abs. 2 und 3 GG fraglich erscheine. Jedenfalls würde eine solche Praxis das Persönlichkeitsrecht aus Art. 2 GG i. V. m. Art. 1 GG verletzen. Insofern müssten neben den maskulinen Berufs-, Amts- und Funktionsbezeichnungen auch die entsprechenden femininen Bezeichnungen vorgesehen werden, um Männer und Frauen individuell, auf das Geschlecht Rücksicht nehmend, bezeichnen zu können.331 Für den Bereich der sog. normgebundenen Verwaltungssprache schließlich empfiehlt der Bericht darauf zu achten, dass durch Gesetze oder Verordnungen nicht rechtliche Festlegungen getroffen würden, durch die geschlechtsindifferente oder auch geschlechtsspezifische Bezeichnungen im Einzelfall gehindert oder erschwert würden. So müssten etwa die rechtlichen Vorgaben für die Muster von persönlichen Dokumenten, Formularen etc. geändert und auch die femininen Formen für Berufs-, Amts- und Funktionsbezeichnungen festgelegt werden. Änderungen wurden u. a. auch für die Bezeichnungen auf -mann (z. B. „Wahlmann“) empfohlen sowie bei den personalisierten Behördenbezeichnungen in maskuliner Form (z. B. „Der Bundesminister für Jugend, Familie, Frauen und Gesundheit“).332 Zur Umsetzung ihrer Empfehlungen hielt es die Arbeitsgruppe Rechtssprache insbesondere für erforderlich, eine Stelle zu schaffen oder eine vorhandene Stelle mit der Aufgabe zu betrauen, „daß auf geschlechtsindifferente Formulierungen bei der Vorbereitung von Gesetz- und Verordnungsentwürfen geachtet wird und die Empfehlungen der Arbeitsgruppe umgesetzt werden“.333 Mit Beschluss vom 11. Mai 1990 forderte der Bundestag die Bundesregierung dem Antrag der Fraktionen der CDU/CSU und FDP folgend auf, „ab sofort in allen Gesetzentwürfen, Rechtsverordnungen und Verwaltungsvorschriften geschlechtsspezifische Benennungen/Bezeichnungen zu vermeiden und entweder geschlechtsneutrale Formulierungen zu wählen oder solche zu verwenden, die beide Geschlechter benennen, soweit dies sachlich gerechtfertigt ist und Lesbarkeit und Verständlichkeit des Gesetzestextes nicht beeinträchtigt werden“334, sowie darüber hinaus „bei grundlegenden Änderungen von Gesetzen, Rechtsverordnungen und Verwaltungsvorschriften diese auf ihre geschlechtsspezifischen Formulierungen hin

331

BT-Drs. 12/1041, S. 11 f. Zu den Empfehlungen im Einzelnen BT- Drs. 12/1041, S. 27 ff. 333 BT-Drs. 12/1041, S. 39. 334 Kritisch zu dieser Einschränkung Stickel, ZGL 16 (1988), 330 (348); Schewe-Gerigk, in: Eichhoff-Cyrus (Hrsg.), Adam, Eva und die Sprache, 2004, S. 322 (324): „äußerst schwammige Formulierung“. 332

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zu überprüfen und entsprechend den in Absatz 1 genannten Grundsätzen in angemessener Zeit335 zu ändern“.336 Das Bundeskabinett billigte mit Beschluss vom 24. Juli 1991337 die Empfehlungen der Arbeitsgruppe Rechtssprache als Richtschnur für die künftige Rechtssetzung, jedoch mit der Einschränkung, dass die Bundesregierung sich, obwohl der Bericht wichtige Anregungen enthalte, nicht alle Aussagen der Arbeitsgruppe zu eigen mache.338 Für Unterstützung bei der Formulierung im Einzelfall wurde auf das damalige Bundesministerium der Justiz, „ggf. mit sprachwissenschaftlicher Unterstützung“, verwiesen. Außerdem wurde der Bericht dem Bundestag sowie dem Bundesrat zur Unterrichtung zugeleitet.339 Der Bundesrat nahm am 29. November 1991 Stellung zu dem Bericht der Arbeitsgruppe Rechtssprache340. Er führte aus, dass der rechtlichen Gleichstellung beider Geschlechter auch eine Rechtssprache entsprechen müsse, die überholte Grundvorstellungen und unbewusste Diskriminierungen vermeide. Das Erfordernis einer angemessenen, Diskriminierungen der Geschlechter vermeidenden Gesetzessprache stehe dem rechtsstaatlichen Anliegen, wonach Gesetze sprachlich einwandfrei, klar und verständlich sowie fachlich präzise sein müssten, gleichberechtigt zur Seite. Die Empfehlungen der Arbeitsgruppe Rechtssprache stellten eine geeignete Grundlage für die Fortentwicklung der Rechtssprache dar, um sprachlich die Gleichberechtigung von Frauen und Männern zum Ausdruck zu bringen. Übereinstimmung äußerte der Bundesrat insbesondere dahingehend, dass Kurzformen wie Schrägstrich- oder Klammerverbindungen und das große Binnen-I nicht verwendet werden sollten. Bemerkenswert ist allerdings die Aussage des Bundesrates, es könnten auch Paarformeln in Betracht kommen; die Ansätze einzelner Länder zur verstärkten Verwendung von Paarformeln sollten zu gegebener Zeit auf ihre Übertragbarkeit in das Bundesrecht hin geprüft werden.341 Diese Abweichung von den 335

Kritisch zu der Formulierung „in angemessener Zeit“ Schewe-Gerigk, in: EichhoffCyrus (Hrsg.), Adam, Eva und die Sprache, 2004, S. 322 (327). 336 BT-PlPr. 11/211, S. 16630 B; BT-Drs. 12/1041, S. 3; entsprechend der Empfehlung des Rechtsausschusses, BT-Drs. 11/2152; zur Debatte im Bundestag s. BT-PlPr. 11/211, S. 16618 D ff. 337 BT-Drs. 12/1041, S. 3; s. auch BR-Drs. 469/91. 338 Kritisch dazu, dass die Bundesregierung offengelassen habe, welche der Empfehlungen sie aufgreift und welche nicht, BR-Drs. 469/1/91, S. 5; Schoppe, BR-PlPr. 637, S. 569 D/Anl. 10; vgl. auch Bertram, NJW 1997, 1684 (1684), der von einer „sibyllinischen Klausel“ spricht; die einschränkende Formulierung soll sich aber auf die sprachwissenschaftlichen Erläuterungen bezogen haben und nicht auf die Empfehlungen, s. Auszug aus der Niederschrift über die 637. Sitzung des Ausschusses für Innere Angelegenheiten des Bundesrates vom 14. 11. 1991, S. 66, BArch, B 141/418843. 339 BT-Drs. 12/1041, S. 3; s. auch BR-Drs. 469/91. 340 BR-Drs. 469/91 (Beschluß); s. dazu auch BR-Drs. 469/1/91; 469/2/91. 341 S. BR-Drs. 469/91 (Beschluß), S. 2; noch weiter gingen die Empfehlungen der Ausschüsse, BR-Drs. 469/1/91, Ziff. 1, sowie ein Antrag des Landes Hessen, BR-Drs. 469/2/91,

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Empfehlungen der Arbeitsgruppe Rechtssprache dürfte der Rücksichtnahme auf diejenigen Länder geschuldet sein, die ihrerseits Paarformeln befürworteten. Der Bundestag beriet den Bericht der Arbeitsgruppe Rechtssprache nach vorheriger Behandlung im Ausschuss für Frauen und Jugend342 am 15. Januar 1993343. Im Bundestag wurde ein Änderungsantrag der Fraktion der SPD344, der insbesondere darauf abzielte, auf die Verwendung des generischen Maskulinums in der gesamten Rechtssprache grundsätzlich zu verzichten, abgelehnt.345 Was allerdings genau „grundsätzlich“ meint, war bereits unter den Abgeordneten streitig.346 Angenommen347 wurde stattdessen die folgende Beschlussempfehlung des Ausschusses für Frauen und Jugend348 : „Der Bundestag wolle beschließen: A Der Deutsche Bundestag begrüßt die Unterrichtung durch die Bundesregierung Maskuline und feminine Personenbezeichnungen in der Rechtssprache Bericht der Arbeitsgruppe Rechtssprache vom 17. Januar 1990 – Drucksache 12/1041 –. B Der Deutsche Bundestag nimmt folgende Entschließung an: 1. Auf Grund der bereits vergangenen Zeit ist eine zügige Reaktion auf die Empfehlungen des Berichts erforderlich. 2. Der Beschluß des Bundeskabinetts vom 24. Juni 1991349 in Folge des Berichts der Arbeitsgruppe wird für nicht ausreichend gehalten, soweit er lediglich die Ressorts bittet, sich an den Empfehlungen der Arbeitsgruppe Rechtssprache zu orientieren. 3. Die Bundesregierung wird daher ersucht, durch geeignete Maßnahmen sicherzustellen, daß diesen Empfehlungen gefolgt wird. 4. Die Bundesregierung wird aufgefordert, dem Ausschuß fu¨ r Frauen und Jugend über ihre Vorgehensweise zur Umsetzung der Empfehlungen der Arbeitsgruppe Rechtssprache zu berichten. 5. Der Deutsche Bundestag empfiehlt, – in bezug auf konkrete Personen in der Amtssprache die voll ausgeschriebene Parallelformulierung als die sinnvollste Lösung anzusehen;

S. 2, die jedoch keine Mehrheit fanden, s. BR-PlPr. 637, S. 555 C f.; weitreichender auch Schoppe, BR-PlPr. 637, S. 569 C/Anl. 10. 342 BT-Drs. 12/2775. 343 BT-PlPr. 12/132, S. 11519 B ff. 344 BT-Drs. 12/4095. 345 BT-PlPr. 12/132, S. 11525 C. 346 BT-PlPr. 12/132, S. 11521 A ff. 347 BT-PlPr. 12/132, S. 11525 C. 348 BT-Drs. 12/2775. 349 Gemeint war hier wohl der o. g. Beschluss des Bundeskabinetts vom 24. 7. 1991.

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– auf die Verwendung des generischen Maskulins in der Amtssprache ganz, in der Vorschriftensprache so weit wie möglich zu verzichten, wenn Gründe der Lesbarkeit und Verständlichkeit dem nicht entgegenstehen350 ; – statt dessen so weitgehend wie möglich Pluralformen substantivierter Partizipien und Adjektive, andere Satzgestaltungen und geschlechtsindifferente Substantive zu verwenden (im Bericht unter 10.4.1 – 3), und – Kurzformen wie Schrägstrich- oder Klammerausdrücke und das große Binnen-I nicht zu verwenden.“

Der Bericht der Arbeitsgruppe Rechtssprache beendete, anders als mitunter gedacht oder auch erhofft351, die Diskussion jedoch keineswegs.352 Aufgrund eines Beschlusses des Bundeskabinetts vom 20. Januar 1993353 wurden neutrale sächliche Bezeichnungsformen für die Bundesministerien eingeführt („Bundesministerium für/des/der …“). Außerdem war auf Beschluss des Bundestages vom 28. November 1991354 und diesem zustimmendem Beschluss des Bundesrates vom 29. November 1991355 die Gemeinsame Verfassungskommission eingesetzt worden, die aus Mitgliedern des Bundestages und des Bundesrates bestand.356 Ihre Einsetzung erfolgte nach den ersten gesamtdeutschen Bundestagswahlen vor dem Hintergrund des Einigungsvertrages und mit dem Ziel, die Notwendigkeit einer Reform des Grundgesetzes zu prüfen.357 Die letzte Sitzung der Gemeinsamen Verfassungskommission fand am 1. Juli 1993 statt; am 28. Oktober 1993 beschloss sie ihren Bericht.358 Unter dem 350 Diese Formulierung war umstritten s. BT-Drs. 12/2775, S. 4. Die Fraktion der SPD meinte, ein Eingehen auf Lesbarkeit und Verständlichkeit werde bedeuten, dass „alles wieder beim alten bleibe“. Die Fraktion der CDU/CSU hingegen argumentierte, dass die wenigen Ausnahmen, in denen das generische Maskulinum verwendet werden solle, sich lediglich auf nicht umformulierbare und nicht mehr lesbare Einzelfälle in der Vorschriftensprache beziehe. Durch die Formulierung wurde die Kompatibilität des BT-Beschlusses mit den Empfehlungen der Arbeitsgruppe Rechtssprache gewahrt. 351 R. Schneider, ZRP 1993, 482 (484). 352 Bertram, NJW 1997, 1684 (1685), der den Bericht als „Kompromißprodukt, zu fast jeder Auslegung einladend“ bezeichnet; deutlich positiver hingegen etwa die Bewertung von R. Schneider, ZRP 1993, 482 (483); V. Steiger/Irmen, Linguistische Berichte 227 (2011), 297 (299); zu weitgehend Leuer/Fessel, Frauen in der Sprache des Hochschulrechts, 1992, S. 11, wonach „alle Akteure des politisch-parlamentarischen Systems darin übereingekommen [seien], daß maskuline und feminine Personenbezeichnungen in der Rechtssprache prinzipiell nur geschlechtsspezifisch verwendet werden dürfen“. 353 GMBl. S. 46; s. auch Bundesverwaltungsamt (Hrsg.), Merkblatt M 19 „Sprachliche Gleichbehandlung von Frauen und Ma¨ nnern“, 2. Aufl. 2002, S. 5. 354 BT-PlPr. 12/61, S. 5260 C; s. dazu BT-Drs. 12/1590 sowie 12/1670. 355 BR-Drs. 741/91 (Beschluß). 356 BT-Drs. 12/6000, S. 5; zur Arbeit und den Ergebnissen der Gemeinsamen Verfassungskommission Isensee, NJW 1993, 2583 (2583 ff.). 357 Isensee, NJW 1993, 2583 (2583). 358 BT-Drs. 12/6000, S. 11.

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Komplex „Gleichstellung und Gleichberechtigung von Frauen und Männern“ wurde in der Gemeinsamen Verfassungskommission nicht nur über eine Ergänzung von Art. 3 Abs. 2 GG diskutiert, sondern auch über eine Änderung der Sprachregelung der Verfassung, d. h. des Grundgesetzes.359 Im Vorfeld hatte sich bereits die Kommission Verfassungsreform des Bundesrates mit dieser Frage befasst und einen Beschluss360 verabschiedet, der als folgender Antrag der SPD-Mitglieder der Gemeinsamen Verfassungskommission zur „Geschlechtergerechten Sprache des Grundgesetzes“361 Gegenstand der Beratungen der Gemeinsamen Verfassungskommission war: „Die Bundesregierung wird gebeten, dem Bundestag unter Berücksichtigung der anliegenden Synopse bis zum 31. Dezember 1993 einen Vorschlag zur Umformulierung des Grundgesetzes vorzulegen, in dem – die Verwendung maskuliner Bezeichnungen für Frauen grundsätzlich vermieden wird, – so weit wie möglich geschlechtsneutrale Personen- und Funktionsbezeichnungen verwendet und – im übrigen feminine und maskuline Bezeichnungen in voll ausgeschriebener Form benutzt werden.“

Dieser Antrag erhielt mit 28 Ja-Stimmen und 22 Nein-Stimmen bei zwei Enthaltungen zwar die relative Stimmenmehrheit362, dies genügte jedoch nicht.363 Erforderlich war für Entscheidungen der Gemeinsamen Verfassungskommission nach den Einsetzungsbeschlüssen in Anlehnung an Art. 79 Abs. 2 GG364 eine Zweidrittelmehrheit365, da das Erreichen dieses Quorums ein Indiz dafür dargestellt hätte, dass im anschließenden Gesetzgebungsverfahren der Verfassungsänderung die zu359

BT-Drs. 12/6000, S. 49 ff., insb. S. 51; für eine Änderung der Sprache des GG damals aus der Literatur etwa Grabrucker, Vater Staat hat keine Muttersprache, 1993, S. 224; Samel, Der Sprachdienst 37 (1993), 192; zu entsprechenden Forderungen aus Politik und Gesellschaft, z. B. von Frauenverbänden, s. BT-PlPr. 12/132, S. 11525 B; Resolution der Bundesfrauenkonferenz der GEW von 1992, zit. nach: Färber/Reiß-Jung/Vollmer-Schubert/Wender (Hrsg.), Handbuch für aktive Frauenarbeit an Hochschulen, 1993, S. 21 f.; Platt, STREIT 1990, 147 (147, 151); Samel, Der Sprachdienst 37 (1993), 192; Grabrucker, Muttersprache 104 (1994), 63 (63 f.). 360 BR-Drs. 360/92, Rn. 112; zur Entstehung des Beschlusses Limbach/Eckertz-Höfer (Hrsg.), Frauenrechte im Grundgesetz des geeinten Deutschland, 1993, S. 251, 285 ff.; kritisch zur Formulierung Bull, 4. Sitzung der Kommission Verfassungsreform des Bundesrates am 14. Mai 1992, zit. nach: Limbach/Eckertz-Höfer (Hrsg.), Frauenrechte im Grundgesetz des geeinten Deutschland, 1993, S. 291. 361 GVK, Kommissionsdrucksache Nr. 71, s. BT-Drs. 12/6000, S. 51 f., 155. 362 Samel, Der Sprachdienst 37 (1993), 192; Reinecke, in: FS Düwell, 2011, S. 399 (403). 363 BT-Drs. 12/6000, S. 52. 364 Art. 79 Abs. 2 GG: „Ein solches [scil.: verfassungsänderndes] Gesetz bedarf der Zustimmung von zwei Dritteln der Mitglieder des Bundestages und zwei Dritteln der Stimmen des Bundesrates“. 365 BT-Drs. 12/6000, S. 119.

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ständigen Gesetzgebungsorgane die Empfehlungen der Gemeinsamen Verfassungskommission aufgegriffen und umgesetzt hätten.366 Hilfsweise wurde von den SPD-Mitgliedern der Gemeinsamen Verfassungskommission folgender Antrag gestellt: „Die Bundesregierung wird gebeten, im Rahmen der parlamentarischen Behandlung der Vorlagen gemäß Artikel 5 des Einigungsvertrages gegenüber dem Bundestag zu einer Umformulierung des Grundgesetzes Stellung zu nehmen, bei der – die Verwendung maskuliner Bezeichnungen für Frauen grundsätzlich vermieden wird, – so weit wie möglich geschlechtsneutrale Personen- und Funktionsbezeichnungen verwendet und – im übrigen feminine und maskuline Bezeichnungen in voll ausgeschriebener Form benutzt werden.“367

Auch dieser Antrag erhielt mit 31 Ja-Stimmen und 20 Nein-Stimmen bei einer Enthaltung indes nicht die erforderliche Zweidrittelmehrheit.368 Gegen eine sprachliche Änderung des Grundgesetzes wurden Argumente mangelnder Praktikabilität angeführt. Das Erfordernis einer angemessenen und geschlechtergerechten Gesetzessprache stehe mit dem rechtsstaatlichen Anliegen einer klaren und verständlichen Sprache in einem Spannungsverhältnis. Bei der sprachlichen Umformulierung könnten sich Inhaltsänderungen ergeben, die eigentlich nicht gewollt seien. Darüber hinaus bestehe die Gefahr, dass eine Verfassung mit geschlechtergerecht formulierten Normen sehr unleserlich werden könnte. Insbesondere sei dabei an die Normen der Art. 63, 64, 67 ff. GG zu denken. Schließlich sei die sprachliche Erwähnung in einer Verfassungsnorm nicht das Wesentliche im Hinblick darauf die Gleichberechtigung von Frauen in der Gesellschaft tatsächlich durchzusetzen.369 1994 erfolgten durch das im September in Kraft getretene Gesetz zur Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern (Zweites Gleichberechtigungsgesetz – 2. GleiBG) vom 24. Juni 1994 einige Rechtsänderungen.370 Insbesondere beinhaltete es ein neues Gesetz zur Förderung von Frauen und der Vereinbarkeit von Familie und Beruf in der Bundesverwaltung und den Gerichten des Bundes (Frauenfördergesetz – FFG), welches nach seinem § 1 für die Beschäftigten in den Verwaltungen des Bundes und der bundesunmittelbaren Körperschaften, Anstalten und Stiftungen des öffentlichen Rechts sowie in den Gerichten des Bundes galt. § 6 Abs. 1 FFG bestimmte:

366

BT-Drs. 12/6000, S. 9. BT-Drs. 12/6000, S. 52. 368 BT-Drs. 12/6000, S. 52; Reinecke, in: FS Düwell, 2011, S. 399 (403). 369 BT-Drs. 12/6000, S. 52; zur Diskussion in der Gemeinsamen Verfassungskommission eingehend Limbach/Eckertz-Höfer (Hrsg.), Frauenrechte im Grundgesetz des geeinten Deutschland, 1993, passim. 370 BGBl. I S. 1406. 367

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2. Teil: Überblick über die historische Entwicklung in Deutschland „Ein Arbeitsplatz darf nicht nur für Frauen oder nur für Männer ausgeschrieben werden, es sei denn, ein bestimmtes Geschlecht ist unverzichtbare Voraussetzung für die ausgeschriebene Tätigkeit. Stellenausschreibungen sind so abzufassen, daß sie auch Frauen zu einer Bewerbung auffordern. Das gilt insbesondere für Stellen in Bereichen, in denen Frauen in geringerer Zahl beschäftigt sind als Männer.“

Ähnlich war diese Vorgabe zwar bereits zuvor in Ziff. 1 der 1990 neugefassten Richtlinie zur beruflichen Förderung von Frauen in der Bundesverwaltung (Frauenförderungs-Richtlinie)371 enthalten gewesen.372 Mit dem Frauenfördergesetz sollte die Frauenförderung in der Bundesverwaltung jedoch auf eine gesetzliche Grundlage gestellt werden.373 Zudem wurde eine ganz ähnliche Regelung wie in § 6 Abs. 1 FFG auch als Abs. 3 in § 8 des Bundesbeamtengesetzes (BBG) aufgenommen.374 In der Gesetzesbegründung ist ausgeführt: Durch das Gesetz werde die Vorschrift des § 8 BBG um das Gebot der geschlechtsneutralen Ausschreibung erweitert. Die Stellenausschreibung für Arbeitnehmer in der Bundesverwaltung orientiere sich daran. Da § 611b BGB bereits ein Verbot der Diskriminierung wegen des Geschlechts enthalte, habe § 6 Abs. 1 FFG nur ergänzende Bedeutung.375 Dessen Satz 1 verbiete grundsätzlich eine geschlechtsspezifische Stellenausschreibung innerhalb oder außerhalb der Dienststelle.376 Sie sei analog § 611a Abs. 1 Satz 2 BGB377 ausnahmsweise zulässig, wenn ein bestimmtes Geschlecht unverzichtbare Voraussetzung für die auszuübende Tätigkeit sei, was aber innerhalb der Bundesverwaltung sehr selten der Fall sein dürfe. Die Stellenausschreibungen dürften sich gem. Satz 2 371

GMBl. 1990, S. 830; s. auch BT-Drs. 12/6226, S. 66 f.; zur Ursprungsfassung der Frauenförderungs-Richtlinie s. GMBl. 1986, S. 148; s. dazu auch BT-Drs. 11/8129, S. 51. 372 Ziff. 1 der Frauenförderungs-Richtlinie i. d. F. von 1990 lautete: „Freie Stellen dürfen weder öffentlich noch innerhalb der Behörde nur für Männer oder nur für Frauen ausgeschrieben werden, soweit nicht sachliche Gründe dieses gebieten. Stellenausschreibungen sollen so formuliert werden, daß sich auch Frauen zu einer Bewerbung aufgefordert fühlen; dies gilt insbesondere für Bereiche, in denen sie gegenwärtig gering vertreten sind.“ Zur Umsetzung in der Praxis s. Zweiter Bericht der Bundesregierung zur Umsetzung der „Richtlinie zur beruflichen Förderung von Frauen in der Bundesverwaltung“ – Berichtszeitraum 1989 bis 1991 –, BT-Drs. 12/6226, S. 21 f.; s. auch Bericht der Bundesregierung zur Umsetzung der „Richtlinie zur beruflichen Förderung von Frauen in der Bundesverwaltung“ – Berichtszeitraum 1986 bis 1988 –, BT-Drs. 11/8129, S. 15. 373 BT-Drs. 12/5468, S. 17. 374 S. dazu BT-Drs. 12/5468, S. 9, 40. 375 BT-Drs. 12/5468, S. 27. 376 Zum daraus abzuleitenden Verbot unter Verwendung des generischen Maskulinums formulierter Stellenausschreibungen vgl. Presse- und Informationsamt der Bundesregierung (Hrsg.), Informationen für Frauen, 1995, S. 13. 377 § 611a BGB lautete: „Eine unterschiedliche Behandlung wegen des Geschlechts ist jedoch zulässig, soweit eine Vereinbarung oder eine Maßnahme die Art der vom Arbeitnehmer auszuübenden Tätigkeit zum Gegenstand hat und ein bestimmtes Geschlecht unverzichtbare Voraussetzung für diese Tätigkeit ist.“

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von § 6 Abs. 1 FFG nicht mit neutralen Formulierungen begnügen; sie müssten vielmehr auch Frauen zu einer Bewerbung ermutigen.378 Zugleich wurde § 611b BGB verschärft. Hierzu erläutert die Gesetzesbegründung, das Gebot der geschlechtsneutralen Stellenausschreibung in § 611b BGB werde von einer Soll- in eine Muss-Vorschrift umgewandelt, um auf diese Weise zu einer verstärkten Beachtung dieser Vorschrift zu gelangen.379 Außerdem hatte die Europäische Kommission ein Vertragsverletzungsverfahren gegen die Bundesrepublik Deutschland eingeleitet, weil sie die Richtlinie 76/207/EWG u. a. durch § 611b BGB nur unzureichend umgesetzt sah.380 Der Europäische Gerichtshof teilte die Auffassung der Kommission allerdings nicht.381 In den Jahren 1993 bis 1995 hat das damalige Bundesjustizministerium im Haushalt speziell für derartige Reformvorhaben bereitgestellte Mittel genutzt, um durch die Gesellschaft für deutsche Sprache e. V. mehrere Gutachten zur sprachlichen Gleichbehandlung in Gesetzestexten fertigen und Grundsätze dafür erstellen zu lassen.382 Vom 1. September 2000 an hat die Bundesregierung durch die neue Gemeinsame Geschäftsordnung (GGO) vom 26. Juli 2000383 die Ressorts verpflichtet, Gesetzentwürfe nicht nur sprachlich richtig und möglichst für jedermann verständlich zu fassen, sondern diese sollen auch „die Gleichstellung von Frauen und Männern

378

BT-Drs. 12/5468, S. 28. BT-Drs. 12/5468, S. 18, 21, 44; s. hierzu auch bereits BR-Drs. 128/90; kritisch zu der früheren Fassung als Soll-Vorschrift etwa Guentherodt, Muttersprache 94 (1983/84), 271 (284); Pabst/Slupik, ZRP 1984, 178 (178 f., 184); Schmitter, Diskussion Deutsch 17 (1986), 206 (209); Hellinger, Kontrastive Feministische Linguistik, 1990, S. 112; Weber, BB 1992, 1345 (1347). D. Franke, BB 1981, 1221 (1222 f.) ging trotz des Wortlautes bereits früher im Ergebnis von einer verpflichtenden Norm aus. 380 S. BT-Drs. 10/14, S. 20 f. 381 EuGH, Rs. 248/83 vom 21. 5. 1985, Slg. 1985, 1459, Rn. 41 ff. – Kommission/ Deutschland. 382 „Gutachten zur geschlechtsneutralen Umgestaltung von Rechtsvorschriften“ (1993, überarbeitete Fassung: 31. 3. 1995), BArch, B 141/438023; Gutachten „Möglichkeiten und Grenzen geschlechtsneutralen Formulierens in Rechtstexten, dargestellt anhand von Empfehlungsschriften und Erlassen zur sprachlichen Gleichbehandlung von Frau und Mann“ (1994, überarbeitete Fassung: 31. 3. 1995), BArch, B 141/438024; Gutachten „Meinungsumfrage zur sprachlichen Gleichbehandlung von Frauen und Männern in Gesetzestexten“ (1995, überarbeitete Fassung: 26. 4. 1996), BArch, B 141/438025; dazu Dietrich, Der Sprachdienst 40 (1996), 163 ff.; R. Schmidt, in: Eichhoff-Cyrus (Hrsg.), Adam, Eva und die Sprache, 2004, S. 316 (318); zum Inhalt der beiden erstgenannten Gutachten Frank-Cyrus/Dietrich, Germanistische Linguistik 139 – 140 (1998), 49 ff.; zum drittgenannten Gutachten s. Frank-Cyrus/Dietrich, Der Sprachdienst 41 (1997), 55 ff. Zur Nichtumsetzung der Gutachtenergebnisse im Bereich des Handelsrechts (Kaufmannsbegriff) s. BT-Drs. 13/8444, S. 33. 383 GMBl. S. 526; zuletzt geändert durch Beschluss vom 11. 12. 2019 (GMBl. 2020, S. 68). 379

74

2. Teil: Überblick über die historische Entwicklung in Deutschland

sprachlich zum Ausdruck bringen“ (§ 42 Abs. 5 Satz 2 GGO). Für Rechtsverordnungen gilt dies entsprechend (§ 62 Abs. 2 Satz 1 GGO).384 Im März 2001 legte die Bundesregierung den Entwurf eines Gesetzes zur Durchsetzung der Gleichstellung von Frauen und Männern (Durchsetzungsgleichstellungsgesetz – DGleiG)385 vor, welches am 30. November 2001 verabschiedet wurde386 und als Art. 1 das am 5. Dezember 2001 in Kraft getretene387 Gesetz zur Gleichstellung von Frauen und Männern in der Bundesverwaltung und in den Gerichten des Bundes (Bundesgleichstellungsgesetz – BGleiG)388 beinhaltete, welches das bis dahin geltende Frauenfördergesetz ablöste. Begrifflich unterschied sich das BGleiG insofern vom FFG, als es statt des Begriffes der „Frauenförderung“ und unter Bezugnahme auf Art. 3 Abs. 2 Satz 2 GG389 den der „Gleichstellung“ verwendete.390 Diese terminologische Änderung war Ausdruck eines Paradigmenwechsels in der Gleichstellungspolitik: weg von der Frauenförderung und hin zur Geschlechtergleichstellung.391 § 1 Abs. 2 BGleiG a. F. lautete: „Rechts- und Verwaltungsvorschriften des Bundes sollen die Gleichstellung von Frauen und Männern auch sprachlich zum Ausdruck bringen. Dies gilt auch für den dienstlichen Schriftverkehr.“392

384

Zu diesen neuen Regelungen R. Schmidt, in: Eichhoff-Cyrus (Hrsg.), Adam, Eva und die Sprache, 2004, S. 316 (319); s. dazu näher unter Dritter Teil, D. I. 4. b). Wie die Gleichstellung von Frauen und Männern sprachlich zum Ausdruck gebracht werden soll, ist in der GGO nicht bestimmt, s. Baumann, in: Baumann/Meinunger (Hrsg.), Die Teufelin steckt im Detail, 2017, S. 196 (197 f., 224). 385 BT-Drs. 14/5679; BR-Drs. 7/01; zum DGleiG s. B. Franke, NVwZ 2002, 779 ff.; Hirsch, DRiZ 2002, 126; E. Steinbach, DRiZ 2002, 127. 386 BGBl. I S. 3234. 387 S. Art. 3 DGleiG. 388 Zum BGleiG a. F. Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (Hrsg.), Das neue Gesetz zur Gleichstellung von Frauen und Männern in der Bundesverwaltung und in den Gerichten des Bundes (Bundesgleichstellungsgesetz – BGleiG), 2. Aufl. 2003; S. Braun, DÖD 2002, 59 ff.; Scheuring, ZTR 2002, 314 ff. 389 BT-Drs. 14/5679, S. 18; BR-Drs. 7/01, S. 32. 390 Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (Hrsg.), Das neue Gesetz zur Gleichstellung von Frauen und Männern in der Bundesverwaltung und in den Gerichten des Bundes (Bundesgleichstellungsgesetz – BGleiG), 2. Aufl. 2003, S. 6; kritisch zum früheren Begriff der „Frauenförderung“ BT-Drs. 14/6898, S. 21; Hirsch, DRiZ 2002, 126: „klingt … fatal nach Fürsorge, Nachhilfe und Ausgleich von Behinderung“; Kreuzer, in: Geis (Hrsg.), Hochschulrecht in Bund und Ländern, § 3 HRG Rn. 1 (Stand: Dez. 2003); dazu auch Horstkötter, Der Personalrat 2009, 242 (243). 391 Horstkötter, Der Personalrat 2009, 242 (243); Horstkötter, in: Deutsche Gesetzliche Unfallversicherung (DGUV) (Hrsg.), 10 Jahre GBK UV, 2010, S. 27 (27); Rudek, in: Berghahn/ Schultz (Hrsg.), Rechtshandbuch für Frauen- und Gleichstellungsbeauftragte (Stand: Aug. 2019), Kap. 3.1.3, S. 1. 392 Kritisch zur Erforderlichkeit dieser neuen Regelung S. Braun, DÖD 2002, 59 (65); noch deutlicher ablehnend E. Steinbach, DRiZ 2002, 127.

2. Teil: Überblick über die historische Entwicklung in Deutschland

75

In der Gesetzesbegründung393 ist ausgeführt: Die Regelung beziehe sich auf die Amts- und Rechtssprache, die immer noch durch maskuline Personenbezeichnungen geprägt sei und in der Frauen „nur mitgemeint“ seien. Die Gleichstellung von Frauen und Männern müsse auch auf eine geschlechtergerechte Sprache abzielen, d. h. dort, „wo Männer und Frauen Trägerinnen oder Träger von Rechten und Pflichten sind und angesprochen werden, sollen sie auch ausdrücklich benannt werden und dort, wo das Geschlecht der Adressatinnen oder Adressaten unerheblich ist oder neben natürlichen Personen auch juristische Personen betroffen sind, sollen neutrale Sprachformen verwendet werden“. Das Bewusstsein für geschlechtergerechte Ausdrucksformen sei bei der gesprochenen Sprache und bei der Amtssprache stärker ausgeprägt, wohingegen dieses Ziel bei der Vorschriftensprache noch nicht genügend berücksichtigt werde, obwohl es schon seit langem hierzu Festlegungen und Empfehlungen gebe. Durch die Regelung in § 1 Abs. 2 BGleiG solle übergreifend das gleiche Ziel für alle Verwaltungs- und Rechtsvorschriften des Bundes verankert werden; es sollten insbesondere die Gesetzesinitiativen aus der Mitte des Bundestages erfasst werden. Dabei werde davon abgesehen, konkrete Zeitvorgaben zu machen. Insbesondere vollständig neu formulierte Gesetze müssten aber „dem heutigen Standard der geschlechtergerechten Sprache“ entsprechen. Für die Anpassung des geltenden Rechts sollten anstehende Änderungen genutzt werden, um veraltete Ausdrucksweisen und die herkömmliche Verwendung generischer Maskulina abzulösen. Ferner werde auch davon abgesehen, eine konkrete positive Vorgabe für geschlechtergerechte Formulierungen zu machen. Obwohl in der Regel vollständig ausgeschriebene maskuline und feminine Personenbezeichnungen die Anforderungen einer geschlechtergerechten Sprache am besten erfüllten – nach den Empfehlungen der Arbeitsgruppe Rechtssprache vom 17. Januar 1990 eine eher überraschende Aussage –, gebe es eine Reihe weiterer Formulierungsmöglichkeiten und Sprachgestaltungen, die sich im Hinblick auf Verständlichkeit und Lesbarkeit der Rechtsvorschriften gleichermaßen oder sogar noch besser anböten.394 Satz 2 von § 1 Abs. 2 BGleiG solle ausdrücken, dass die Bundesverwaltung gesetzlich zu einer geschlechtergerechten Sprache auch im dienstlichen Schriftverkehr verpflichtet werde.395 In § 6 Abs. 1 BGleiG a. F. hieß es in den ersten beiden Sätzen: „Die Dienststelle darf einen Arbeitsplatz weder öffentlich noch innerhalb der Dienststelle nur für Männer oder nur für Frauen ausschreiben. Der gesamte Ausschreibungstext muss so ausgestaltet sein, dass er nicht nur auf Personen eines Geschlechts zugeschnitten ist.“

Hierzu ist in der Gesetzesbegründung u. a. ausgeführt: Abs. 1 Satz 1 schreibe wie § 611b BGB und wie schon bis dahin § 6 FFG die geschlechtsneutrale Ausschrei393

BT-Drs. 14/5679; BR-Drs. 7/01. BT-Drs. 14/5679, S. 18; BR-Drs. 7/01, S. 33. 395 Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (Hrsg.), Das neue Gesetz zur Gleichstellung von Frauen und Männern in der Bundesverwaltung und in den Gerichten des Bundes (Bundesgleichstellungsgesetz – BGleiG), 2. Aufl. 2003, S. 15. 394

76

2. Teil: Überblick über die historische Entwicklung in Deutschland

bung von Arbeits- und Ausbildungsplätzen im Bundesdienst vor, wobei der Begriff Arbeitsplatzausschreibung weiter sei als der der Stellenausschreibung. Satz 2 stelle wie schon die Vorläuferregelung in § 6 Abs. 1 Satz 2 FFG klar, dass die Ausschreibung nicht nur die richtige sprachliche Form zu wahren habe, sondern dass sie nach ihrem gesamten Inhalt so zu formulieren sei, dass sich nicht nur Männer oder nur Frauen angesprochen sähen.396 Das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend bekundete rund ein Jahr nach Inkrafttreten des BGleiG, dieses werde ernster genommen als die Vorgängerregelung des Frauenfördergesetzes.397 Mit Wirkung vom 1. Januar 2005 ist als Art. 1 des Gesetzes zur Durchsetzung der Gleichstellung von Soldatinnen und Soldaten der Bundeswehr vom 27. Dezember 2004 (Soldatinnen- und Soldatengleichstellungsdurchsetzungsgesetz – SDGleiG) das Gesetz zur Gleichstellung von Soldatinnen und Soldaten der Bundeswehr (Soldatinnen- und Soldatengleichstellungsgesetz – SGleiG) in Kraft getreten.398 In der Gesetzesbegründung heißt es, die Einführung gleichstellungsrechtlicher Regelungen für Soldatinnen und Soldaten bedürfe eines eigenen Gesetzes, da die Besonderheiten der militärischen Organisationsstruktur, der militärischen Personalführung und des militärischen Dienstes in vielen Fällen ein umfangreiches Abweichen von den im BGleiG enthaltenen Detailregelungen erforderten. Für Soldatinnen und Soldaten habe weder das Frauenfördergesetz gegolten noch finde das BGleiG Anwendung. Mit dem SGleiG erhielten die Soldatinnen und Soldaten nun den gleichen Schutz gegen Diskriminierungen wie die Beschäftigten im sonstigen öffentlichen Dienst des Bundes und in den Bundesgerichten nach dem Bundesgleichstellungsgesetz.399 § 1 Abs. 2 SGleiG beinhaltet eine ähnliche Regelung wie der damalige § 1 Abs. 2 BGleiG, § 6 Abs. 1 SGleiG eine ähnliche Regelung wie der damalige § 6 Abs. 1 BGleiG.400 Eine besondere Regelung findet sich in § 1 Abs. 3 SGleiG: „Für Soldatinnen können Dienstgradbezeichnungen in weiblicher Form festgesetzt werden.“

Damit soll nach der Gesetzesbegründung als besondere Ausprägung des Gebotes der geschlechtergerechten Formulierung die Möglichkeit eröffnet werden, weibliche Dienstgradbezeichnungen festzusetzen. Die Befugnis dazu stehe gem. § 4 Abs. 3 des 396

BT-Drs. 14/5679, S. 20; BR-Drs. 7/01, S. 38. Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (Hrsg.), Das neue Gesetz zur Gleichstellung von Frauen und Männern in der Bundesverwaltung und in den Gerichten des Bundes (Bundesgleichstellungsgesetz – BGleiG), 2. Aufl. 2003, S. 4; positiv zu den Regelungen des BGleiG von 2001 auch R. Schmidt, in: Eichhoff-Cyrus (Hrsg.), Adam, Eva und die Sprache, 2004, S. 316 (319). 398 BGBl. 2004 I S. 3822. 399 BR-Drs. 589/04, S. 20; BT-Drs. 15/3918, S. 15. 400 BR-Drs. 589/04, S. 22, 26; BT-Drs. 15/3918, S. 16, 18. 397

2. Teil: Überblick über die historische Entwicklung in Deutschland

77

Soldatengesetzes der Bundespräsidentin oder dem Bundespräsidenten zu.401 Bisher wurde allerdings „keine Notwendigkeit der Einführung von Dienstgradbezeichnungen in weiblicher Form gesehen“.402 2006 trat das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) in Kraft und löste § 611b BGB ab.403 § 11 AGG bestimmt: „Ein Arbeitsplatz darf nicht unter Verstoß gegen § 7 Abs. 1 ausgeschrieben werden“,

wobei § 7 Abs. 1 AGG die Benachteiligung Beschäftigter wegen eines in § 1 AGG genannten Grundes, u. a. wegen des Geschlechts, verbietet.404 In der Gesetzesbegründung heißt es, die Regelung sei gegenüber § 611b BGB sprachlich gestrafft worden, ohne dass damit jedoch eine inhaltliche Änderung verbunden sei.405 Eine echte Neuerung brachte das AGG mit dem zivilrechtlichen Benachteiligungsverbot gem. § 19 Abs. 1 AGG, welches über das Arbeitsrecht hinausreichend eine Benachteiligung u. a. wegen des Geschlechts bei der Begründung, Durchführung und Beendigung zivilrechtlicher Massengeschäfte und privater Versicherungsverträge untersagt.406 Im Jahr 2015 wurde das Bundesgleichstellungsgesetz novelliert. Als Art. 2 des Gesetzes für die gleichberechtigte Teilhabe von Frauen und Männern an Führungspositionen in der Privatwirtschaft und im öffentlichen Dienst vom 24. April 2015 trat es am 1. Mai 2015 unter dem Titel „Gesetz für die Gleichstellung von Frauen und Männern in der Bundesverwaltung und in den Unternehmen und Gerichten des Bundes (Bundesgleichstellungsgesetz – BGleiG)“ in Kraft; zugleich trat gem. Art. 24 das alte BGleiG außer Kraft.407 Die früher in § 1 Abs. 2 BGleiG enthaltenen Regelungen finden sich inhaltlich unverändert nunmehr in § 4 Abs. 3 BGleiG, der lautet:

401

BR-Drs. 589/04, S. 22; BT-Drs. 15/3918, S. 16. Erster Erfahrungsbericht der Bundesregierung gemäß § 24 Soldatinnen- und Soldatengleichstellungsgesetz (Berichtszeitraum 1. Januar 2005 bis 31. Dezember 2006), BTDrs. 16/7920, S. 16; s. auch Zweiter Erfahrungsbericht der Bundesregierung gemäß § 24 Soldatinnen- und Soldatengleichstellungsgesetz. Berichtszeitraum 1. Januar 2007 bis 31. Dezember 2008, BT-Drs. 16/13352, S. 14; Dritter Erfahrungsbericht der Bundesregierung zum Soldatinnen- und Soldatengleichstellungsgesetz. Berichtszeitraum 1. Januar 2009 bis 31. Dezember 2010, BT-Drs. 17/8073, S. 18; s. dazu näher unter Dritter Teil, D. I. 2. b). 403 S. das Gesetz zur Umsetzung europäischer Richtlinien zur Verwirklichung des Grundsatzes der Gleichbehandlung vom 14. 8. 2006, BGBl. I S. 1897. 404 S. dazu näher unter Dritter Teil, D. I. 3. a). 405 BT-Drs. 16/1780, S. 36. 406 Berghahn, in: Berghahn/Schultz (Hrsg.), Rechtshandbuch für Frauen- und Gleichstellungsbeauftragte (Stand: Aug. 2019), Kap. 2.2.2, S. 7; s. dazu näher unter Dritter Teil, D. I. 3. b). 407 BGBl. I S. 642 ff. 402

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2. Teil: Überblick über die historische Entwicklung in Deutschland „Rechts- und Verwaltungsvorschriften des Bundes sollen die Gleichstellung von Frauen und Männern auch sprachlich zum Ausdruck bringen. Dies gilt auch für den dienstlichen Schriftverkehr.“

In der Gesetzesbegründung ist dazu ausgeführt, dass nach Satz 1 Rechts- und Verwaltungsvorschriften des Bundes die Gleichstellung von Frauen und Männern (weiterhin) auch sprachlich zum Ausdruck bringen sollten. Das Gleiche gelte gemäß Satz 2 für den dienstlichen Schriftverkehr. Die Vorschrift ergänze für den Bereich des Bundes die in § 42 Abs. 5 und § 62 Abs. 2 GGO geregelte sprachliche Gleichstellung der Geschlechter.408 § 6 Abs. 1 BGleiG lautet nunmehr in Satz 1 – 3: „Ausschreibungen von Arbeitsplätzen müssen geschlechtsneutral erfolgen. Es ist insbesondere unzulässig, Arbeitsplätze nur für Männer oder nur für Frauen auszuschreiben. Der Ausschreibungstext muss so formuliert sein, dass er Angehörige beider Geschlechter in gleicher Weise anspricht und Angehörige des in dem jeweiligen Bereich unterrepräsentierten Geschlechts verstärkt zur Bewerbung auffordert.“

Nach der Gesetzesbegründung entspricht der neue § 6 BGleiG inhaltlich im Wesentlichen dem früheren § 6 BGleiG. Abs. 1 erfasse im Gegensatz zur vorherigen Rechtslage aufgrund der neuen Zielsetzung nach § 1 BGleiG nunmehr auch männliche Beschäftigte. § 6 Abs. 1 Satz 1 BGleiG regele erstmals, dass Ausschreibungen von Arbeitsplätzen geschlechtsneutral erfolgen müssen. Konkretisiert werde diese Pflicht durch Satz 2, der dem früheren Satz 1 entspreche. Satz 3 stelle – wie nach früherer Rechtslage – klar, dass der gesamte Ausschreibungstext so formuliert sein müsse, dass er Angehörige beider Geschlechter in gleicher Weise anspreche und Angehörige des in dem betreffenden Bereich unterrepräsentierten Geschlechts verstärkt zur Bewerbung auffordere.409 Tatsächlich handelt es sich bei den angesprochenen Änderungen allerdings nicht um inhaltliche Neuerungen. Auch § 6 Abs. 1 BGleiG a. F. erfasste nach Wortlaut und Auslegung bereits männliche Beschäftigte. Zur geänderten Zielsetzung des § 1 BGleiG heißt es in der Gesetzesbegründung: „Im Unterschied zur früheren Rechtslage richten sich die Gesetzesziele nicht mehr überwiegend an Frauen, sondern an Frauen und Männer gleichermaßen. Das frühere Bundesgleichstellungsgesetz schrieb zwar nicht in allen Bereichen das Frauenfördergesetz von 1994 fort, war insgesamt jedoch noch immer stark frauenspezifisch ausgerichtet. Das neue Bundesgleichstellungsgesetz betrifft nunmehr … beide Geschlechter.“410 Das mag für das frühere BGleiG insgesamt zutreffen, § 6 Abs. 1 BGleiG a. F. war allerdings schon damals geschlechtsneutral formuliert und anwendbar411. Aber auch die Aussage, § 6 Abs. 1 Satz 1 BGleiG regele „erstmals“, dass Ausschreibungen von Arbeitsplätzen 408 409 410 411

BR-Drs. 636/14, S. 96; BT-Drs. 18/3784, S. 83. BR-Drs. 636/14, S. 97; BT-Drs. 18/3784, S. 83. BR-Drs. 636/14, S. 86; BT-Drs. 18/3784, S. 74. So auch v. Roetteken, BGleiG, § 6 BGleiG 2015 Rn. 3 (Stand: Juni 2018).

2. Teil: Überblick über die historische Entwicklung in Deutschland

79

geschlechtsneutral erfolgen müssen, bedarf insofern zumindest einer Einschränkung, als es bereits in der Begründung zu § 6 Abs. 1 Satz 1 BGleiG a. F. hieß, dieser schreibe die geschlechtsneutrale Ausschreibung von Arbeits- und Ausbildungsplätzen im Bundesdienst vor. Dies ging früher lediglich nicht so eindeutig aus dem Gesetzestext selbst hervor. Insofern ist die neue Fassung eher als Klarstellung denn als tatsächliche Neuerung zu bewerten.412 In Niedersachsen gab es erst kürzlich in der 17. Wahlperiode Initiativen für eine Novellierung des Niedersächsischen Gleichberechtigungsgesetzes (NGG) und in diesem Zuge für eine Aufhebung des Gesetzes zur Förderung der Gleichstellung der Frau in der Rechts- und Verwaltungssprache.413 Dessen bisherige Regelungen sollten stattdessen ohne wesentliche inhaltliche Änderungen in das NGG eingegliedert werden, wobei manche der bisherigen Regelungen für verzichtbar erachtet wurden.414 Diese Initiativen fielen jedoch dem Grundsatz der Diskontinuität anheim.415 Sie werden aber unter der neuen Regierungskoalition grundsätzlich weiterverfolgt und sollten noch 2019 in einem Referentinnenentwurf konkretisiert werden.416 Insofern bleibt in Niedersachsen die weitere Entwicklung zunächst abzuwarten.

412

Vgl. v. Roetteken, BGleiG, § 6 BGleiG 2015 Rn. 4 (Stand: Juni 2018). LT-Drs. 17/7346 und 17/8707. 414 S. LT-Drs. 17/7346, S. 10, 47 f.; LT-Drs. 17/8707, S. 10, 16, 21; im Einzelnen s. näher unter Dritter Teil, D. II. 3. d). 415 S. LT-Drs. 17/8858. 416 So aus dem Nds. Ministerium für Soziales, Gesundheit und Gleichstellung Staatssekretär Scholz beim NGG-Werkstattgespräch „Kluge Köpfe – Kluge Ideen“ am 25. 9. 2018. Ein Referentinnenentwurf NGG E 2019 soll(te) sich nach Angaben vom 29. 8. 2019 in der Ressortmitzeichnung befinden, s. LT-Drs. 18/4419, S. 3. 413

Dritter Teil

Rechtlicher Rahmen für die Verwendung einer geschlechtergerechten Sprache durch die öffentliche Hand sowie Private Nachdem im vorangehenden Teil der Arbeit die historische Entwicklung in der Bundesrepublik Deutschland in Bezug auf geschlechtergerechte Sprache und Recht dargestellt wurde, soll nun der rechtliche Rahmen für die Verwendung einer geschlechtergerechten Sprache für Deutschland und speziell für Niedersachsen in seiner ganzen Breite417 näher beleuchtet werden.

A. Unions- und völkerrechtliche Maßgaben für geschlechtergerechte Sprache in Deutschland Rechtliche Maßgaben für geschlechtergerechte Sprache können für Deutschland und speziell für Niedersachsen nicht nur aus dem deutschen Recht folgen. Die Bundesrepublik Deutschland ist nicht allein an das nationale Recht, sondern insbesondere als Mitgliedstaat der Europäischen Union auch an das Europäische Unionsrecht gebunden. Die Gemeinschaftsgrundrechte gelten für die Mitgliedstaaten nach ständiger Rechtsprechung des EuGH allerdings lediglich „im Anwendungsbereich des Gemeinschaftsrechts“.418 Seit Inkrafttreten der Charta der Grundrechte der Europäischen Union419 im Dezember 2009420 und damit eines kodifizierten, rechtsverbindlichen Grundrechtskataloges auch auf der Unionsebene

417

Zur Bandbreite der Rechtsgrundlagen vgl. Omlor, JuS 2018, 575 (575). EuGH, Rs. C-260/89 vom 18. 6. 1991, Slg. 1991, I-2925, Rn. 42 – ERT; Rs. C-159/90 vom 4. 10. 1991, Slg. 1991, I-4685, Rn. 31 – Society for the Protection of Unborn Children Ireland; Rs. C-299/95 vom 29. 5. 1997, Slg. 1997, I-2629, Rn. 15 – Kremzow; Rs. C-309/96 vom 18. 12. 1997, Slg. 1997, I-7493, Rn. 13 – Annibaldi; Rs. C-406/15 vom 9. 3. 2017, Slg., Rn. 51 – Milkova; Rs. C-198/13 vom 10. 7. 2014, Slg., Rn. 33 – Julian Hernández u. a. – std. Rspr.; dazu Brosius-Gersdorf, Bindung der Mitgliedstaaten an die Gemeinschaftsgrundrechte, 2005, S. 15 ff. 419 BGBl. 2008 II S. 1165; s. auch ABl. C 202 vom 7. 6. 2016, S. 389; im Folgenden „Grundrechtecharta“ genannt. 420 BGBl. II S. 1223. 418

A. Unions- und völkerrechtliche Maßgaben für geschlechtergerechte Sprache

81

(s. Art. 6 Abs. 1 EUV)421 regelt Art. 51 Abs. 1 Satz 1 GRC, dass die Charta für die Mitgliedstaaten ausschließlich bei der „Durchführung des Rechts der Union“ gilt. Soweit die Mitgliedstaaten an primäres oder sekundäres (vgl. Art. 288 AEUV) Unionsrecht gebunden sind, kommt dem Unionsrecht im Kollisionsfall (Anwendungs-)Vorrang gegenüber dem nationalen Recht zu, und zwar auch gegenüber dem nationalen Verfassungsrecht.422 Stehen nationales und Unionsrecht nicht miteinander im Einklang, muss Deutschland als Mitgliedstaat der EU daher den europäischen Rechtsakten Folge leisten.423

I. Beinhaltet die Grundrechtecharta Maßgaben für geschlechtergerechte Sprache in Deutschland? Fraglich ist, ob die Grundrechtecharta Maßgaben für geschlechtergerechte Sprache in Deutschland beinhaltet. Insofern ist zunächst noch näher zu beleuchten, inwieweit die Grundrechtecharta in Deutschland Anwendung findet. Gemäß Art. 51 Abs. 1 Satz 1 GRC gilt die Charta zum einen für die Organe, Einrichtungen und sonstigen Stellen der Union unter Wahrung des Subsidiaritätsprinzips und zum anderen für die Mitgliedstaaten, jedoch ausschließlich bei der „Durchführung des Rechts der Union“. Was darunter zu verstehen ist, ist umstritten. Im Wesentlichen kommen drei Fallgruppen in Betracht424 : Erstens kann eine Durchführung von Unionsrecht in Form der Umsetzung unionsrechtlicher Vorgaben (insb. Richtlinien425) in nationales Recht vorliegen (normative Durchführung426), und

421 Rogalla, Der Schutz von Ehe und Familie in der Europäischen Grundrechtecharta, 2017, S. 17, 84. 422 Grundlegend EuGH, Rs. 6/64 vom 15. 7. 1964, Slg. 1964, 1253 (1269 f.) – Costa/ E.N.E.L.; s. auch BVerfGE 73, 339 (375); 126, 286 (301 f.); 129, 78 (100); 140, 317 (335 Rn. 37 f.); aus dem Schrifttum s. nur Jarass/Beljin, NVwZ 2004, 1 (1 f.); Brosius-Gersdorf, Demografischer Wandel und Familienförderung, 2011, S. 610; Schmidt-Aßmann/Schenk, in: Schoch/J.-P. Schneider/Bier (Hrsg.), VwGO, Einl. (vor § 1) Rn. 110 (Stand: Jan. 2012); Steinherr, in: Bayerl/Gutsche/Klüsener (Hrsg.), Gender – Recht – Gerechtigkeit, 2012, S. 31 (32); Ruffert, in: Calliess/Ruffert (Hrsg.), EUV/AEUV, 5. Aufl. 2016, Art. 1 AEUV Rn. 19 ff. 423 Brosius-Gersdorf, Demografischer Wandel und Familienförderung, 2011, S. 610. 424 Brosius-Gersdorf, Bindung der Mitgliedstaaten an die Gemeinschaftsgrundrechte, 2005, S. 17 ff.; Brosius-Gersdorf, Demografischer Wandel und Familienförderung, 2011, S. 608; F. Lange, NVwZ 2014, 169 (169); etwas abweichend die Fallgruppen bei v. Bogdandy/Kottmann/Antpöhler/Dickschen/Hentrei/Smrkolj, ZaöRV 72 (2012), 45 (55 f.); Jarass, NVwZ 2012, 457 (459 f.); Moench/Rutloff, in: Rengeling/Middeke/Gellermann (Hrsg.), Handbuch des Rechtsschutzes in der Europäischen Union, 3. Aufl. 2014, § 36 Rn. 91; Thym, DÖV 2014, 941 (944). 425 Näher Jarass/Beljin, NVwZ 2004, 1 (6 f.). 426 So die Bezeichnung bei Jarass/Beljin, NVwZ 2004, 1 (6); Jarass, NVwZ 2012, 457 (459).

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3. Teil: Rechtlicher Rahmen für die Verwendung geschlechtergerechter Sprache

zwar nach vorzugswürdiger Auffassung des EuGH427 und teilweiser Ansicht in der Literatur428 – nach geänderter Rechtsprechung aber inzwischen selbst nach der Auffassung des Bundesverfassungsgerichts429 – auch dann, wenn das Unionsrecht den Mitgliedstaaten bei der Umsetzung einen Spielraum einräumt. Eine mitgliedstaatliche Durchführung von Unionsrechts ist zweitens anzunehmen bei der administrativen Durchführung von EU-Recht430, d. h. beim administrativen Vollzug insbesondere von Verordnungen, aber auch von Beschlüssen und (ausnahmsweise) unmittelbar anwendbaren Richtlinien. Dabei wird ein mittelbarer Vollzug angenommen bei der Durchführung nationalen Rechts, das in Umsetzung von EURichtlinien ergangen ist (str.)431. Die dritte diskutierte Fallgruppe der Bindung der Mitgliedstaaten an die Chartagrundrechte ist die der Einschränkung von Grundfreiheiten432 ; auch dies lässt sich als Durchführung von Unionsrecht einordnen.433

427

Rat.

S. nur EuGH, Rs. C-540/03 vom 27. 6. 2006, Slg. 2006, I-5769, Rn. 104 f. – Parlament/

428 v. Bogdandy/Kottmann/Antpöhler/Dickschen/Hentrei/Smrkolj, ZaöRV 72 (2012), 45 (55); Jarass, NVwZ 2012, 457 (459); Dreier, in: Dreier (Hrsg.), GG, Bd. I, 3. Aufl. 2013, Art. 1 Abs. 3 Rn. 13; Ohler, NVwZ 2013, 1433 (1434); Moench/Rutloff, in: Rengeling/Middeke/ Gellermann (Hrsg.), Handbuch des Rechtsschutzes in der Europäischen Union, 3. Aufl. 2014, § 36 Rn. 91; Thym, DÖV 2014, 941 (948); Zoppel, Europäische Diskriminierungsverbote und Privatrecht, 2015, S. 118 f.; Schubert, in: M. Franzen/Gallner/Oetker (Hrsg.), Kommentar zum europäischen Arbeitsrecht, 3. Aufl. 2020, Art. 51 GRC Rn. 22 f.; a. A. etwa Calliess, JZ 2009, 113 (120 f.); Papier, DVBl. 2009, 473 (480); Augsberg, DÖV 2010, 153 (156 ff.); Ziegenhorn, NVwZ 2010, 803 (806 ff.); Cremer, EuGRZ 2011, 545 (550); Kingreen, in: Calliess/Ruffert (Hrsg.), EUV/AEUV, 5. Aufl. 2016, Art. 51 GRC Rn. 14. 429 BVerfG, NJW 2020, 300 (301 Rn. 44). 430 Grundlegend EuGH, Rs. 5/88 vom 13. 07. 1989, Slg. 1989, 2609, Rn. 19 – Wachauf, wonach die Mitgliedstaaten die Gemeinschaftsgrundrechte bei der Durchführung der gemeinschaftsrechtlichen Regelungen zu beachten haben, was sowohl legislatives als auch administratives Tätigwerden erfasst, s. Zoppel, Europäische Diskriminierungsverbote und Privatrecht, 2015, S. 98. 431 Ruffert, EuGRZ 1995, 518 (527); Jarass/Beljin, NVwZ 2004, 1 (9); Brosius-Gersdorf, Bindung der Mitgliedstaaten an die Gemeinschaftsgrundrechte, 2005, S. 17 f.; Jarass, NVwZ 2012, 457 (459); s. dazu EuGH, verb. Rs. C-74/95 und C-129/95 vom 12. 12. 1996, Slg. 1996, I-6609, Rn. 25 – X; zum Meinungsstand Bergmann, in: Bergmann/Dienelt (Hrsg.), Ausländerrecht, 13. Aufl. 2020, Art. 51 GRC Rn. 2. 432 Grundlegend EuGH, Rs. C-260/89 vom 18. 6. 1991, Slg. 1991, I-2925, Rn. 43 – ERT; s. nachfolgend auch EuGH, Rs. C-368/95 vom 26. 6. 1997, Slg. 1997, I-3689, Rn. 24 – Familiapress; Rs. C-60/00 vom 11. 7. 2002, Slg. 2002, I-6279, Rn. 40 – Carpenter; Rs. C-230/18 vom 8. 5. 2019, Slg. Rn. 63 f. – PI. 433 EuGH, Rs. C-390/12 vom 30. 4. 2014, Slg., Rn. 35 f. – Pfleger u. a.; Rs. C-201/15 vom 21. 12. 2016, Slg., Rn. 64 – AGET Iraklis; Jarass, NVwZ 2012, 457 (460); Zoppel, Europäische Diskriminierungsverbote und Privatrecht, 2015, S. 106 ff.; Rogalla, Der Schutz von Ehe und Familie in der Europäischen Grundrechtecharta, 2017, S. 285 f.; im Ergebnis auch Thym, DÖV 2014, 941 (944); Schubert, in: M. Franzen/Gallner/Oetker (Hrsg.), Kommentar zum europäischen Arbeitsrecht, 3. Aufl. 2020, Art. 51 GRC Rn. 13, 32 f.; a. A. Cremer, NVwZ 2003, 1452 (1455 ff.); Cremer, EuGRZ 2011, 545 (551); Kingreen, in: Calliess/Ruffert (Hrsg.), EUV/ AEUV, 5. Aufl. 2016, Art. 51 GRC Rn. 19 f.

A. Unions- und völkerrechtliche Maßgaben für geschlechtergerechte Sprache

83

Der EuGH sieht den Begriff der „Durchführung“ in Art. 51 Abs. 1 Satz 1 GRC als Bestätigung seiner vor dem Inkrafttreten der Charta entwickelten Rechtsprechung zur Anwendbarkeit der Gemeinschaftsgrundrechte als allgemeiner Rechtsgrundsätze des Unionsrechts an434 und legt Art. 51 Abs. 1 Satz 1 GRC sehr weit aus; in der lebhaft diskutierten Entscheidung Åkerberg Fransson hat er im Ergebnis ein Handeln im „Geltungsbereich des Unionsrechts“ – Fallgestaltungen, „die vom Unionsrecht erfasst“ werden – mit der Durchführung des Unionsrechts gleichgesetzt.435 Die Anwendbarkeit des Unionsrechts bedeutet („umfasst“) nach Ansicht des EuGH zugleich die Anwendbarkeit der Charta-Grundrechte.436 Andererseits hat der EuGH ausgeführt, die Charta finde „in allen unionsrechtlich geregelten Fallgestaltungen, aber nicht außerhalb derselben Anwendung“.437 Präzisiert hat der EuGH dies, wohl auch in Reaktion auf Kritik des Bundesverfassungsgerichts438, dahingehend, dass erforderlich ein „hinreichende[r] Zusammenhang von einem gewissen Grad [sei], der darüber hinausgeht, dass die fraglichen Sachbereiche benachbart sind oder der eine von ihnen mittelbare Auswirkungen auf den anderen haben kann“.439 Um festzustellen, ob eine nationale Regelung die Durchführung des Rechts der Union im Sinne von Art. 51 GRC betreffe, sei u. a. zu prüfen, „ob mit ihr eine Durchführung einer Bestimmung des Unionsrechts bezweckt wird, welchen Charakter diese Regelung hat und ob mit ihr nicht andere als die unter das Unionsrecht fallenden Ziele verfolgt werden, selbst wenn sie das Unionsrecht mittelbar beeinflussen kann, sowie ferner, ob es eine Regelung des Unionsrechts gibt, die für diesen Bereich spezifisch ist oder ihn beeinflussen kann“.440 Die Chartagrundrechte seien im Verhältnis zu 434

S. nur EuGH, Rs. C-198/13 vom 10. 7. 2014, Slg., Rn. 33 – Julian Hernández u. a. S. EuGH, Rs. C-617/10 vom 26. 2. 2013, Slg., Rn. 17 ff., insb. Rn. 21 – Åkerberg Fransson; gleichsinnig auch EuGH, Rs. C-390/12 vom 30. 4. 2014, Slg., Rn. 34 – Pfleger u. a.; dazu aus dem Schrifttum Moench/Rutloff, in: Rengeling/Middeke/Gellermann (Hrsg.), Handbuch des Rechtsschutzes in der Europäischen Union, 3. Aufl. 2014, § 36 Rn. 91; ähnlich Ohler, NVwZ 2013, 1433 (1435); F. Lange, NVwZ 2014, 169 (171 f.). 436 EuGH, Rs. C-617/10 vom 26. 2. 2013, Slg., Rn. 21 – Åkerberg Fransson; Rs. C-418/11 vom 26. 9. 2013, Slg., Rn. 73 – Texdata Software; Rs. C-390/12 vom 30. 4. 2014, Slg., Rn. 34 – Pfleger u. a.; Rs. C-358/16 vom 13. 9. 2018, Slg., Rn. 51 – UBS Europe u. a.; Rs. C-396/17 vom 8. 5. 2019, Slg., Rn. 57 – Leitner. 437 EuGH, Rs. C-617/10 vom 26. 2. 2013, Slg., Rn. 19 – Åkerberg Fransson; Rs. C-418/11 vom 26. 9. 2013, Slg., Rn. 72 – Texdata Software; Rs. C-258/13 vom 28. 11. 2013, Slg., Rn. 19 – Sociedade Agrícola e Imobiliária da Quinta de S. Paio; Rs. C-390/12 vom 30. 4. 2014, Slg., Rn. 33 – Pfleger u. a.; Rs. C-685/15 vom 14. 6. 2017, Slg., Rn. 55 – Online Games u. a.; verb. Rs. C-177/17 und C-178/17 vom 7. 9. 2017, Rn. 18 – Demarchi Gino; ähnlich auch Rs. C-117/14 vom 5. 2. 2015, Slg., Rn. 29 – Nisttahuz Poclava. 438 Vgl. Thym, DÖV 2014, 941 (942); Bergmann, in: Bergmann/Dienelt (Hrsg.), Ausländerrecht, 13. Aufl. 2020, Art. 51 GRC Rn. 7; offengelassen von Kingreen, in: Calliess/Ruffert (Hrsg.), EUV/AEUV, 5. Aufl. 2016, Art. 51 GRC Rn. 10. 439 EuGH, Rs. C-206/13 vom 6. 3. 2014, Slg., Rn. 24 – Siragusa; verb. Rs. C-177/17 und C178/17 vom 7. 9. 2017, Rn. 19 – Demarchi Gino; vgl. Rs. C-198/13 vom 10. 7. 2014, Slg., Rn. 34 – Julian Hernández u. a.; Rs. C-218/15 vom 6. 10. 2016, Slg., Rn. 14 – Paoletti u. a. 440 EuGH, Rs. C-206/13 vom 6. 3. 2014, Slg., Rn. 25 – Siragusa; verb. Rs. C-177/17 und C178/17 vom 7. 9. 2017, Rn. 20 – Demarchi Gino; vgl. Rs. C-87/12 vom 8. 5. 2013, Slg., Rn. 41 – 435

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3. Teil: Rechtlicher Rahmen für die Verwendung geschlechtergerechter Sprache

einer nationalen Regelung unanwendbar, wenn die unionsrechtlichen Verpflichtungen in dem betreffenden Sachbereich keine bestimmten Verpflichtungen der Mitgliedstaaten schüfen.441 Auch könne „allein der Umstand, dass eine nationale Maßnahme in einen Bereich fällt, in dem die Union über Zuständigkeiten verfügt, diese Maßnahme nicht in den Anwendungsbereich des Unionsrechts bringen und somit zur Anwendbarkeit der Charta führen“.442 Das Bundesverfassungsgericht unterschied lange Zeit anders als der Europäische Gerichtshof danach, ob eine nationale Rechtsvorschrift „durch Unionsrecht determiniert“ ist; sei dies nicht der Fall, liege auch keine Durchführung des Rechts der Union i. S. d. Art. 51 Abs. 1 Satz 1 GRC vor.443 Im Falle von Umsetzungsspielräumen der Mitgliedstaaten kommen daher nach der herkömmlichen Ansicht des Bundesverfassungsgerichts (nur) die deutschen Grundrechte zum Zuge.444 Es hat betont, dass jedenfalls die Bestimmungen der Charta allein nicht tauglich seien, als „Recht der Union“ mitgliedstaatliches Handeln der Charta zu unterwerfen, da dies ein unzulässiger Zirkelschluss wäre.445 Außerdem sind nach seiner Auffassung der „sachliche Bezug einer Regelung zum bloß abstrakten Anwendungsbereich des Unionsrechts oder rein tatsächliche Auswirkungen auf dieses“ nicht ausreichend.446 Hier ist es mit dem Beschluss des Ersten Senates des Bundesverfassungsgerichts zum „Recht auf Vergessen I“ vom 6. November 2019 (Az. 1 BvR 16/13) jedoch zu einer grundlegenden Änderung der Rechtsprechung gekommen: Danach können innerstaatliche Regelungen nunmehr auch dann als Durchführung des Unionsrechts i. S. d. Art. 51 Abs. 1 Satz 1 GRC anzusehen sein, „wenn für deren Gestaltung den Mitgliedstaaten Spielräume verbleiben, das Unionsrecht dieser Gestaltung aber einen hinreichend gehaltvollen Rahmen setzt, der erkennbar auch unter Beachtung der Unionsgrundrechte konkretisiert werden soll“; die Unionsgrundrechte träten dann zu denen des Grundgesetzes hinzu.447 Unter der noch zu überprüfenden Prämisse, dass die sprachliche Geschlechtergleichbehandlung durch das für die Mitgliedstaaten verbindliche Unionsrecht auYmeraga und Ymeraga-Tafarshiku; Rs. C-198/13 vom 10. 7. 2014, Slg., Rn. 37 – Julian Hernández u. a.; dazu Thym, DÖV 2014, 941 (944 f., 951); Folz, in: Vedder/Heintschel v. Heinegg (Hrsg.), Europäisches Unionsrecht, 2. Aufl. 2018, Art. 51 GRC Rn. 14. 441 EuGH, Rs. C-198/13 vom 10. 7. 2014, Slg., Rn. 35 (m. w. N.) – Julian Hernández u. a.; Rs. C-152/17 vom 19. 4. 2018, Slg., Rn. 34 – Consorzio Italian Management und Catania Multiservizi. 442 EuGH, Rs. C-198/13 vom 10. 7. 2014, Slg., Rn. 36 – Julian Hernández u. a. 443 BVerfGE 133, 277 (313 f. Rn. 88); vgl. BVerfGE 147, 364 (382 Rn. 46); kritisch zur Rspr. des BVerfG Ohler, NVwZ 2013, 1433 (1436 f.). 444 S. nur BVerfGE 129, 78 (90 f.); 130, 151 (178); zur Rspr. des BVerfG s. Kingreen, in: Calliess/Ruffert (Hrsg.), EUV/AEUV, 5. Aufl. 2016, Art. 51 GRC Rn. 10. 445 BVerfGK 19, 265 (276); s. zu dieser Frage auch Jarass, NVwZ 2012, 457 (458); Ohler, NVwZ 2013, 1433 (1433). 446 BVerfGE 133, 277 (316 Rn. 91). 447 BVerfG, NJW 2020, 300 (301 Rn. 44); s. dazu etwa Michl, VerfBlog vom 27. 11. 2019; Schramm, VerfBlog vom 5. 12. 2019.

A. Unions- und völkerrechtliche Maßgaben für geschlechtergerechte Sprache

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ßerhalb der Charta nicht explizit geregelt ist448, wären entsprechende Maßgaben aus der Charta somit nur dann für Deutschland maßgeblich, wenn es nach den oben genannten Kriterien Unionsrecht durchführt. Gleichstellung fällt nicht generell in den Kompetenzbereich der EU.449 Insofern ist der historische Hintergrund der Entwicklung der EU zu berücksichtigen. Ursprünglich waren es vor allem wirtschaftliche Motive, die zum Zusammenschluss europäischer Staaten führten, und ebendiese Motivation war auch der maßgebliche Grund dafür, dass es mit Art. 119 EWG-Vertrag zur Entgeltgleichheit für Männer und Frauen (heute: Art. 157 Abs. 1, 2 AEUV) eine erste Regelung zur Geschlechtergleichbehandlung gab: Frankreich, das über eine entsprechende nationale Regelung verfügte, befürchtete Wettbewerbsnachteile gegenüber anderen Mitgliedstaaten.450 Erst nach und nach änderte sich das Verständnis vom Wesen und Zweck der europäischen Integration und wurde auch der Geschlechtergleichbehandlung per se ein höherer Stellenwert beigemessen.451 Die Konsequenz ist eine fortwährende Ausdehnung der Kompetenzen der EU im Bereich der Geschlechtergleichbehandlung.452 Eine umfassende Kompetenz der EU in diesem Bereich besteht aber weiterhin nicht.453 Es wäre daher je nach Materie zu differenzieren, ob es sich dabei um die Durchführung von Unionsrecht handelt. Da es aber eindeutig Materien gibt, bei denen Deutschland i. S. d. Art. 51 Abs. 1 Satz 1 GRC Unionsrecht durchführt454, können die Charta-Grundrechte auf jeden Fall zur Anwendung kommen; eine genaue Ausdifferenzierung soll daher an dieser Stelle dahinstehen. 448

So zum Unionsrecht insgesamt Dauses, in: FS Müller-Graff, 2015, S. 217 (218); vgl. Kersten-Pejanic´, in: Bazhutkina/Sonnenhauser (Hrsg.), Linguistische Beiträge zur Slavistik, 2016, S. 66. 449 Schadendorf, ZaöRV 2014, 245 (249 f.); vgl. Lobinger, in: FS Müller-Graff, 2015, S. 209 (209); Zoppel, Europäische Diskriminierungsverbote und Privatrecht, 2015, S. 58: keine allumfassende Antidiskriminierungskompetenz der Union; Rowe, in: Pechstein/Nowak/Häde (Hrsg.), Frankfurter Kommentar EUV/GRC/AEUV, Bd. I, 2017, Art. 23 GRC Rn. 19. 450 Pirstner, in: Neuhold/Pirstner/S. Ulrich, Menschenrechte – Frauenrechte, 2003, S. 167; Liebscher, in: Foljanty/Lembke (Hrsg.), Feministische Rechtswissenschaft, 2. Aufl. 2012, § 5 Rn. 8; Prettenthaler-Ziegerhofer, Europäische Integrationsrechtsgeschichte, 3. Aufl. 2012, S. 188; Westendorp/Waltermann, in: Westendorp (Hrsg.), The Women’s Convention turned 30, 2012, S. 33 (33 f., 49); Zoppel, Europäische Diskriminierungsverbote und Privatrecht, 2015, S. 4. 451 Vgl. Westendorp/Waltermann, in: Westendorp (Hrsg.), The Women’s Convention turned 30, 2012, S. 33 (49 f.); U. Klein, Geschlechterverhältnisse, Geschlechterpolitik und Gleichstellungspolitik in der Europäischen Union, 2. Aufl. 2013, S. 26, 69 ff.; in diese Richtung auch Nußberger, in: Tettinger/Stern (Hrsg.), Kölner Gemeinschaftskommentar zur Europäischen Grundrechte-Charta, 2006, Art. 23 Rn. 57 f.; a. A. Boysen, in: v. Münch/Kunig, GG, Bd. I, 6. Aufl. 2012, Art. 3 Rn. 123 f. 452 Vgl. Westendorp/Waltermann, in: Westendorp (Hrsg.), The Women’s Convention turned 30, 2012, S. 33 (34, 62); U. Klein, Geschlechterverhältnisse, Geschlechterpolitik und Gleichstellungspolitik in der Europäischen Union, 2. Aufl. 2013, S. 243 f. 453 Westendorp/Waltermann, in: Westendorp (Hrsg.), The Women’s Convention turned 30, 2012, S. 33 (60, 62). 454 S. nur die Gleichbehandlungsrichtlinien der EU, dazu näher unter Dritter Teil, A. III.

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3. Teil: Rechtlicher Rahmen für die Verwendung geschlechtergerechter Sprache

1. Charta-Grundrechte mit Bezug zur Geschlechtergerechtigkeit Die Grundrechtecharta bestimmt in Art. 20 GRC, dass alle Personen vor dem Gesetz gleich sind. Nach Art. 21 Abs. 1 GRC sind insbesondere (u. a.) Diskriminierungen wegen des Geschlechts verboten. Art. 23 GRC gibt (in Abs. 1) vor, dass die Gleichheit von Frauen und Männern in allen Bereichen (einschließlich der Beschäftigung, der Arbeit und des Arbeitsentgelts) sicherzustellen ist. Für das Verhältnis dieser Normen zueinander gilt, dass Art. 20 GRC hinter Art. 21 GRC und Art. 23 GRC zurücktritt.455 Art. 21 GRC ist spezieller bzgl. des Verbots der Diskriminierung wegen des Geschlechts, Art. 23 GRC ist spezieller bzgl. einer Verpflichtung zu positivem Tun in Bezug auf Geschlechtergleichbehandlung. Das Verhältnis von Art. 21 Abs. 1 GRC und Art. 23 Abs. 1 GRC ist nicht ganz eindeutig.456 Art. 21 Abs. 1 GRC hat unzweifelhaft Abwehrcharakter.457 Art. 23 Abs. 1 GRC enthält jedenfalls auch eine Verpflichtung positiver Art.458 Liest man auch in Art. 23 Abs. 1 GRC ein Diskriminierungsverbot, was der Wortlaut zulässt459, könnte man ihn wegen seiner ausschließlich geschlechtsbezogenen Ausrichtung (insoweit) als lex specialis gegenüber dem auch andere Merkmale erfassenden Art. 21 Abs. 1 GRC ansehen.460 Da aber das Verbot der Diskriminierung wegen des Geschlechts schon in Art. 21 Abs. 1 GRC geregelt ist, macht es Sinn, Art. 21 Abs. 1

455

Frenz, Handbuch Europarecht, Bd. 4, 2009, Rn. 3251, 3383; Lemke, in: v. der Groeben/ Schwarze/Hatje (Hrsg.), Europäisches Unionsrecht, 7. Aufl. 2015, Art. 20 GRC Rn. 6; Rossi, in: Calliess/Ruffert (Hrsg.), EUV/AEUV, 5. Aufl. 2016, Art. 20 GRC Rn. 17; Hölscheidt, in: Meyer/Hölscheidt (Hrsg.), Charta der Grundrechte der Europäischen Union, 5. Aufl. 2019, Art. 20 Rn. 11. 456 Mohr, in: M. Franzen/Gallner/Oetker (Hrsg.), Kommentar zum europäischen Arbeitsrecht, 3. Aufl. 2020, Art. 23 GRC Rn. 2 f. mit Darstellung des Streitstandes. 457 Sachs, in: Tettinger/Stern (Hrsg.), Kölner Gemeinschaftskommentar zur Europäischen Grundrechte-Charta, 2006, Art. 21 Rn. 19; Hölscheidt, in: Meyer/Hölscheidt (Hrsg.), Charta der Grundrechte der Europäischen Union, 5. Aufl. 2019, Art. 21 Rn. 30. 458 Frenz, Handbuch Europarecht, Bd. 4, 2009, Rn. 3387, 3406; Frenz, NZS 2011, 81 (82); Rowe, in: Pechstein/Nowak/Häde (Hrsg.), Frankfurter Kommentar EUV/GRC/AEUV, Bd. I, 2017, Art. 23 GRC Rn. 35; v. Roetteken, GiP 3/2019, 23 (27). 459 Vgl. Frenz, Handbuch Europarecht, Bd. 4, 2009, Rn. 3176, 3406; Frenz, NZS 2011, 81 (82); Rowe, in: Pechstein/Nowak/Häde (Hrsg.), Frankfurter Kommentar EUV/GRC/AEUV, Bd. I, 2017, Art. 23 GRC Rn. 33; Hölscheidt, in: Meyer/Hölscheidt (Hrsg.), Charta der Grundrechte der Europäischen Union, 5. Aufl. 2019, Art. 23 Rn. 24. 460 So im Ergebnis Rengeling/Szczekalla, Grundrechte in der Europäischen Union, 2004, Rn. 902; Sachs, in: Tettinger/Stern (Hrsg.), Kölner Gemeinschaftskommentar zur Europäischen Grundrechte-Charta, 2006, Art. 21 Rn. 20; Frenz, Handbuch Europarecht, Bd. 4, 2009, Rn. 3253, 3383; Jarass, Charta der Grundrechte der Europäischen Union, 3. Aufl. 2016, Art. 23 Rn. 7; so auch Lemke, in: v. der Groeben/Schwarze/Hatje (Hrsg.), Europäisches Unionsrecht, 7. Aufl. 2015, Art. 23 GRC Rn. 3, die aber zugleich darauf verweist, dass in Art. 21 GRC das Merkmal Geschlecht nicht auf Frauen und Männer begrenzt sei und Art. 21 GRC insoweit über Art. 23 GRC hinausgehe; auf Letzteres verweist auch Rossi, in: Calliess/Ruffert (Hrsg.), EUV/ AEUV, 5. Aufl. 2016, Art. 21 GRC Rn. 8a.

A. Unions- und völkerrechtliche Maßgaben für geschlechtergerechte Sprache

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GRC und Art. 23 GRC unterschiedliche Regelungsgehalte zuzuordnen.461 Dann stehen Art. 21 Abs. 1 GRC und Art. 23 Abs. 1 GRC nebeneinander.462 2. Art. 21 Abs. 1 GRC: Nicht geschlechtergerechte Sprache als Verstoß gegen das Diskriminierungsverbot wegen des Geschlechts? Gegen die Einordnung jedenfalls nicht geschlechtergerechter Vorschriftensprache als Diskriminierung wegen des Geschlechts i. S. v. Art. 21 Abs. 1 GRC spricht, dass die Grundrechtecharta in vielen Sprachen selbst nicht (jedenfalls nicht nach den hier zugrunde gelegten Maßstäben) geschlechtergerecht formuliert ist.463 Die deutsche Fassung der Grundrechtecharta ist hingegen überwiegend unter Verwendung geschlechtergerechter Sprache formuliert (z. B. Art. 15 Abs. 2 GRC: „Alle Unionsbürgerinnen und Unionsbürger“)464, selbst wenn auch sie vereinzelt generische Maskulina beinhaltet (Art. 3 Abs. 2 lit. a GRC: „des Betroffenen“; Art. 27 GRC: „Für die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer oder ihre Vertreter“; Art. 48 Abs. 2 GRC: „Jedem Angeklagten“). Hier könnte es sich auch um Versehen oder (vermeintliche) „Ausnahmen“465 handeln. Das (Auslegungs-)Argument der Einheit der Rechtsordnung, welches in Bezug auf das deutsche Grundgesetz angeführt wird466, muss auch unionsrechtlich ent461 Vgl. Mohr, in: M. Franzen/Gallner/Oetker (Hrsg.), Kommentar zum europäischen Arbeitsrecht, 3. Aufl. 2020, Art. 23 GRC Rn. 2, 11; generell zu einer derartigen Form der Auslegung Martens, Methodenlehre des Unionsrechts, 2013, S. 431; Pieper, in: Dauses/Ludwigs, Handbuch des EU-Wirtschaftsrechts, B. I. Rn. 30 (Stand: Febr. 2016). 462 So im Ergebnis auch v. Roetteken, GiP 3/2019, 23 (27); wohl ebenso Kugelmann, in: D. Merten/Papier (Hrsg.), Handbuch der Grundrechte in Deutschland und Europa, Bd. VI/1, 2010, § 160 Rn. 67; parallele Aufführung von Art. 21 GRC und Art. 23 GRC auch in EuGH, Rs. C-236/09 vom 1. 3. 2011, Slg. 2011, I-773, Rn. 32 – Association Belge des Consommateurs Test-Achats u. a. 463 Burr-Haase, in: Stern/Sachs (Hrsg.), GRCh, 2016, B. I. Rn. 66 ff mit Einzelbeispielen; Hüpers/Reese, in: Meyer/Hölscheidt (Hrsg.), Charta der Grundrechte der Europäischen Union, 5. Aufl. 2019, Vor Titel IV Rn. 48 f.; zur französischen Fassung Deloche-Gaudez, La convention pour l’élaboration de la charte des droits fondamentaux: une méthode d’avenir?, hrsg. von Notre Europe, Etudes et Recherches 15 (2001), S. 23 Fn. 75; a. A. Meyer/Engels, in: Deutscher Bundestag (Hrsg.), Die Charta der Grundrechte der Europäischen Union, 2001, S. 7 (18); die Charta positiv hervorhebend auch Council of Europe, Recommendation Rec (2003) 3 of the Committee of Ministers and explanatory memorandum, 2003, S. 24, abrufbar unter https://rm.coe.int/090000168092874f (abgerufen am 2. 6. 2020); Hochreuter, STREIT 2003, 103 (106). 464 S. die Einzelbeispiele bei Burr-Haase, in: Stern/Sachs (Hrsg.), GRCh, 2016, B. I. Rn. 66 ff.; zu Bemühungen um geschlechtergerechte Sprache bei der Formulierung der Grundrechtecharta auch Borowsky, in: Meyer/Hölscheidt (Hrsg.), Charta der Grundrechte der Europäischen Union, 5. Aufl. 2019, Art. 2 Rn. 28 f. 465 S. zu dieser Problematik näher unter Erster Teil, D. 466 Schulze-Fielitz, KritV 72 (1989), 273 (278); vgl. auch E. Bülow, ZG 3 (1988), 160 (167); Maier-Reimer, AnwBl 1989, 146 (147); s. näher zu dieser Argumentation unter Dritter Teil, B. I. 2. b) bb) (3).

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3. Teil: Rechtlicher Rahmen für die Verwendung geschlechtergerechter Sprache

sprechend gelten.467 Ein Normtext ist danach so auszulegen, dass er nicht zu anderen Bestimmungen desselben Normtextes im Widerspruch steht.468 Dabei gilt es bei der Auslegung von Rechtstexten der Europäischen Union die Besonderheit zu berücksichtigen, dass hier alle Sprachfassungen vergleichend in die Betrachtung einbezogen werden müssen.469 Einzelne Mitgliedstaaten können unterschiedliche sprachliche Strategien verfolgen.470 Die Gesamtschau der Sprachfassungen ergibt, dass unter dem Aspekt der Einheit der Rechtsordnung nicht geschlechtergerechte Vorschriftensprache nicht als Diskriminierung i. S. d. Grundrechtecharta anzusehen ist, denn eine solche Interpretation ist nicht mit allen – als gleichwertig zu erachtenden471 – Sprachfassungen vereinbar. Dafür spricht auch, dass der „Gemeinsame Leitfaden des Europäischen Parlaments, des Rates und der Kommission für Personen, die an der Abfassung von Rechtstexten der Europäischen Union mitwirken“ aus dem Jahr 2015472 die Thematik geschlechtergerechte Rechtssprache nicht behandelt. 3. Geschlechtergerechte Sprache als Gegenstand des Sicherstellungsauftrags aus Art. 23 GRC? Bei dem Sicherstellungsauftrag aus Art. 23 Abs. 1 GRC ist nach den Verpflichtungsadressaten zu unterscheiden. Art. 23 Abs. 1 GRC verpflichtet einerseits die Union und andererseits – im Rahmen des Art. 51 Abs. 1 Satz 1 GRC, also ausschließlich bei der Durchführung von Unionsrecht – die einzelnen Mitgliedstaaten.473 467

Vgl. Martens, Methodenlehre des Unionsrechts, 2013, S. 431; Pieper, in: Dauses/ Ludwigs, Handbuch des EU-Wirtschaftsrechts, B. I. Rn. 7 ff., 25 (Stand: Febr. 2016). 468 Vgl. Wienbracke, Juristische Methodenlehre, 2013, Rn. 173 f.; Pieper, in: Dauses/ Ludwigs, Handbuch des EU-Wirtschaftsrechts, B. I. Rn. 25 (Stand: Febr. 2016). 469 S. aus der Rspr. des EuGH speziell zu Personenbezeichnungen EuGH, Rs. 9/79 vom 12. 7. 1979, Slg. 1979, 2717, Rn. 5 ff. – Koschniske; aus dem Schrifttum Mayer, Der Staat 44 (2005), 367 (372, 391); Kahl, VVDStRL 65 (2006), 386 (453 ff.); Dörr, in: Grabitz/Hilf/ Nettesheim, Das Recht der Europäischen Union, Art. 55 EUV Rn. 5 ff. (Stand: Aug. 2011); Pieper, in: Dauses/Ludwigs, Handbuch des EU-Wirtschaftsrechts, B. I. Rn. 13 (Stand: Febr. 2016). 470 Allgemein und speziell bezogen auf geschlechtergerechte Sprache Burr-Haase, in: Stern/Sachs (Hrsg.), GRCh, 2016, B. I. Rn. 63 ff.; s. auch Europäisches Parlament, Geschlechterneutraler Sprachgebrauch im Europäischen Parlament, 2018, S. 5 f.; L. Bülow/Jakob, OBST 90 (2017), 137 (148). 471 EuGH, Rs. 80/76 vom 3. 3. 1977, Slg. 1977, 425, Rn. 11/12 – North Kerry Milk Products; Kürten, Die Bedeutung der deutschen Sprache im Recht der Europäischen Union, 2004, S. 52 ff.; Mayer, Der Staat 44 (2005), 367 (394); Kahl, VVDStRL 65 (2006), 386 (448); Dörr, in: Grabitz/Hilf/Nettesheim, Das Recht der Europäischen Union, Art. 55 EUV Rn. 5 ff. (Stand: Aug. 2011), der für die Grundrechtecharta Art. 55 EUV analog heranzieht; Pieper, in: Dauses/ Ludwigs, Handbuch des EU-Wirtschaftsrechts, B. I. Rn. 13 (Stand: Febr. 2016). 472 S. dazu näher unter Dritter Teil, A. IV. 3. 473 Lemke, in: v. der Groeben/Schwarze/Hatje (Hrsg.), Europäisches Unionsrecht, 7. Aufl. 2015, Art. 23 GRC Rn. 7; Jarass, Charta der Grundrechte der Europäischen Union, 3. Aufl. 2016, Art. 23 Rn. 5; Rowe, in: Pechstein/Nowak/Häde (Hrsg.), Frankfurter Kommentar EUV/ GRC/AEUV, Bd. I, 2017, Art. 23 GRC Rn. 25.

A. Unions- und völkerrechtliche Maßgaben für geschlechtergerechte Sprache

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a) Auftrag der Union zur Sicherstellung geschlechtergerechter Sprache in den Mitgliedstaaten? Zunächst stellt sich die Frage nach Verpflichtungen der Union aus Art. 23 Abs. 1 GRC in Bezug auf geschlechtergerechte Sprache. aa) Auftrag der Union zur Sicherstellung geschlechtergerechter Rechtssprache in den Mitgliedstaaten? Zunächst könnte die Union danach verpflichtet sein, eine geschlechtergerechte Rechtssprache in den Mitgliedstaaten sicherzustellen. Dass eine nicht geschlechtergerechte Vorschriftensprache nicht als Verstoß gegen das Diskriminierungsverbot des Art. 21 Abs. 1 GRC eingeordnet wurde, steht einem solchen Verständnis nicht zwingend entgegen. Entscheidend ist zunächst, wie der Begriff der (sicherzustellenden) „Gleichheit“ in Art. 23 Abs. 1 GRC zu interpretieren ist.474 Der Begriff der „Gleichheit“ in Art. 23 Abs. 1 GRC kann auch die sprachliche Gleichbehandlung umfassen.475 Insbesondere kann Gleichheit mehr meinen als nur Gleichberechtigung.476 Für ein weites Verständnis spricht überdies, dass die Gleichheit „in allen Bereichen“ sicherzustellen ist. Dies ist allerdings wegen Art. 51

474

Zur Diskussion des Begriffs im Grundrechtekonvent Nußberger, in: Tettinger/Stern (Hrsg.), Kölner Gemeinschaftskommentar zur Europäischen Grundrechte-Charta, 2006, Art. 23 Rn. 1 ff., 65; Hölscheidt, in: Meyer/Hölscheidt (Hrsg.), Charta der Grundrechte der Europäischen Union, 5. Aufl. 2019, Art. 23 Rn. 9, 20. 475 Vgl. Antwort der Kommission vom 17. 4. 2019 auf die schriftliche Anfrage von Mara Bizzotto (ENF) vom 18. 1. 2019, E-000248/19, s. Europäisches Parlament, P8_RE(2019) 000248 („… the Commission …strives for the strict application of the principles of equality between men and women and of non-discrimination, including as regards the use of language“); vgl. auch bezogen auf den Begriff „Gleichstellung“ Europäisches Parlament, Stellungnahme des Ausschusses für die Rechte der Frau und Chancengleichheit vom 28. 1. 2003 fu¨ r den Ausschuss fu¨ r Kultur, Jugend, Bildung, Medien und Sport zur Mitteilung der Kommission an den Rat, das Europa¨ ische Parlament, den Wirtschafts- und Sozialausschuss und den Ausschuss der Regionen u¨ ber eine Informations- und Kommunikationsstrategie fu¨ r die Europa¨ ische Union (KOM(2002) 350 – C5 – 0506/2002 – 2002/2205(INI)), Plenarsitzungsdokument A5 – 0053/ 2003 endgültig vom 21. 2. 2003, S. 32 (33); Europäisches Parlament, Geschlechterneutraler Sprachgebrauch im Europäischen Parlament, 2018, S. 4. 476 Hölscheidt, in: Meyer/Hölscheidt (Hrsg.), Charta der Grundrechte der Europäischen Union, 5. Aufl. 2019, Art. 23 Rn. 20; Weber, in: Stern/Sachs (Hrsg.), GRCh, 2016, Art. 23 Rn. 12 hält den Begriff Gleichheit für „vieldeutig“; ebenso Nußberger, in: Tettinger/Stern (Hrsg.), Kölner Gemeinschaftskommentar zur Europäischen Grundrechte-Charta, 2006, Art. 23 Rn. 65, die vom Begriff der Gleichheit in Art. 23 Abs. 1 GRC auch „den Ausgleich … in der sozialen Wirklichkeit bestehende[r] faktische[r] Ungleichheiten“ erfasst sieht (Rn. 66, 70); für ein Verständnis als „Schirm- oder Sammelbegriff“, der „situationsbedingt“ auszulegen sei, Rowe, in: Pechstein/Nowak/Häde (Hrsg.), Frankfurter Kommentar EUV/GRC/AEUV, Bd. I, 2017, Art. 23 GRC Rn. 23 f.

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3. Teil: Rechtlicher Rahmen für die Verwendung geschlechtergerechter Sprache

Abs. 2 GRC gedanklich einzuschränkend zu lesen als „in allen Bereichen unter Berücksichtigung von Art. 51 GRC“.477 Ein Sicherstellungsauftrag ist strenger als ein Förderauftrag.478 Bezüglich des Gegenstands des Sicherstellungsauftrags kommt es darauf an, was die Gleichheit – ggf. auch im Sinne der tatsächlichen Durchsetzung der Gleichberechtigung – (faktisch) beeinträchtigt und wie dem – im Rahmen eines zu berücksichtigenden Gestaltungsspielraumes479 – abgeholfen werden kann. Darunter könnte angesichts der Studienerkenntnisse zur negativen Wirkung generischer Maskulina auf die gedankliche Repräsentation von Frauen480 auch die Rechtssprache fallen. Problematisch ist insofern allerdings, dass sich hier die Lage in den einzelnen Mitgliedstaaten unterschiedlich darstellen kann; für die Union als (eine) Verpflichtungsadressatin des Art. 23 Abs. 1 GRC wird aber auf ein unionsübergreifendes Verständnis abzustellen sein.481 Die Untersuchungen aus Deutschland können nicht einfach auf die anderen Mitgliedstaaten übertragen werden.482 Bestimmte sprachliche Ausdrucksweisen wie das generische Maskulinum werden nicht in allen Mitgliedstaaten gleichermaßen als Frauen benachteiligend empfunden.483 Zudem können sich „Schranken“ eines Sicherstellungsauftrags bezogen auf eine geschlechtergerechte Rechtssprache in den Mitgliedstaaten insbesondere aus Art. 22 GRC, Art. 4 Abs. 2 Satz 1 EUV und Art. 165 Abs. 1 AEUV ergeben, die entsprechend Art. 52 Abs. 1 GRC zum Zuge kommen könnten484. Jedenfalls finden ungeachtet der genauen dogmatischen Anknüpfung die Mittel der Union im Rahmen des 477 Vgl. Folz, in: Vedder/Heintschel v. Heinegg (Hrsg.), Europäisches Unionsrecht, 2. Aufl. 2018, Art. 23 GRC Rn. 1; Rowe, in: Pechstein/Nowak/Häde (Hrsg.), Frankfurter Kommentar EUV/GRC/AEUV, Bd. I, 2017, Art. 23 GRC Rn. 19; s. dazu auch unter Dritter Teil, A. I. 3. b). 478 Vgl. dazu die Diskussion in Deutschland in der Gemeinsamen Verfassungskommission um die Ergänzung des Art. 3 Abs. 2 GG und dabei um die Formulierung „fördert“ statt „gewährleistet“, BT-Drs. 12/6000, S. 49 ff. 479 Sporrer, in: Schläppi/Ulrich/Wyttenbach (Hrsg.), CEDAW, 2015, Art. 1 Umsetzung Österreich Rn. 32; Hölscheidt, in: Meyer/Hölscheidt (Hrsg.), Charta der Grundrechte der Europäischen Union, 5. Aufl. 2019, Art. 23 Rn. 23. 480 S. dazu näher unter Erster Teil, E. und unter Dritter Teil, B. I. 4. a) bb) (2). 481 Vgl. bezogen auf Art. 21 GRC Kugelmann, in D. Merten/Papier (Hrsg.), Handbuch der Grundrechte in Deutschland und Europa, Bd. VI/1, 2010, § 160 Rn. 58. 482 Vgl. Kremnitz, Quo vadis Romania? 5 (1995), 13 (17). 483 Dazu Burr, in: FS Baum, 1997, S. 51 (61 f.); L. Bülow/Jakob, OBST 90 (2017), 137 (148); vgl. auch Europäisches Parlament, Geschlechterneutraler Sprachgebrauch im Europäischen Parlament, 2018, S. 6, 9; Elmiger/Tunger/Schaeffer-Lacroix, Geschlechtergerechte Behördentexte, 2017, S. 146; allgemein „Sensibilität für die rechtlichen und kulturellen Unterschiede zwischen den Mitgliedstaaten, die sich aus der Vielfalt der Sprachen ergeben“ fordert Mayer, Der Staat 44 (2005), 367 (400). 484 Vgl. Jarass, Charta der Grundrechte der Europäischen Union, 3. Aufl. 2016, Art. 23 Rn. 15; Folz, in: Vedder/Heintschel v. Heinegg (Hrsg.), Europäisches Unionsrecht, 2. Aufl. 2018, Art. 23 GRC Rn. 6. Freilich geht es bei den Grenzen des Sicherstellungsauftrages aus Art. 23 Abs. 1 GRC nicht um Eingriffsschranken; vgl. dazu die Parallelproblematik bei Art. 3 Abs. 2 Satz 2 GG unter Dritter Teil, B. I. 4. b).

A. Unions- und völkerrechtliche Maßgaben für geschlechtergerechte Sprache

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Art. 23 Abs. 1 GRC in den „in den Verträgen verankerten Unionskompetenzen ihre Grenze“.485 Gemäß Art. 22 GRC achtet die Union die Vielfalt der Kulturen, Religionen und Sprachen; Art. 22 GRC setzt damit „einen Kontrapunkt zu allen Unitarisierungstendenzen der Europäischen Integration“.486 Der Begriff „Sprachen“ muss hier nicht unbedingt nur im Sinne unterschiedlicher Nationalsprachen verstanden werden, sondern kann auch etwa den Umgang mit generischen Maskulina umfassen.487 Darüber hinaus lässt sich die Sprache auch als ein Teilaspekt unter den Kulturbegriff des Art. 22 GRC subsumieren, ohne dass hier eine genaue Abgrenzung beider Begriffe möglich und nötig wäre.488 Gemäß Art. 4 Abs. 2 Satz 1 EUV achtet die Union die „nationale Identität“ der einzelnen Mitgliedstaaten, was sich ebenfalls auf die Sprache erstrecken kann.489 Zudem ist in Art. 3 Abs. 3 UAbs. 4 EUV die Wahrung der kulturellen und sprachlichen Vielfalt als Unionsziel genannt. Auch Art. 165 Abs. 1 AEUV betont, dass die Union die Vielfalt der Kulturen und Sprachen der Mitgliedstaaten zu achten hat. Achtung von Vielfalt bedeutet, dass die Union bei der Auswahl zwischen mehreren in Betracht kommenden Mitteln dasjenige wählen muss, welches die Vielfalt am wenigsten beeinträchtigt; es kann sogar die Verpflichtung begründen, von einer Kompetenz keinen Gebrauch zu machen, wenn sonst die Vielfalt erheblich beeinträchtigt würde.490 485 Rowe, in: Pechstein/Nowak/Häde (Hrsg.), Frankfurter Kommentar EUV/GRC/AEUV, Bd. I, 2017, Art. 23 GRC Rn. 44. 486 Ennuschat/Tille, RdJB 59 (2011), 74 (77). 487 (Generell) für ein weites Verständnis Ennuschat, in: Tettinger/Stern (Hrsg.), Kölner Gemeinschaftskommentar zur Europäischen Grundrechte-Charta, 2006, Art. 22 Rn. 22 unter Verweis auf die englische Fassung („linguistic diversity“); Kugelmann, in: D. Merten/Papier (Hrsg.), Handbuch der Grundrechte in Deutschland und Europa, Bd. VI/1, 2010, § 160 Rn. 82; Lemke, in: v. der Groeben/Schwarze/Hatje (Hrsg.), Europäisches Unionsrecht, 7. Aufl. 2015, Art. 22 GRC Rn. 6; geschlechtergerechte Personenbezeichnungen in Rechtstexten als „einzelsprachliche pragmatische Konventionen“ einordnend Burr-Haase, in: Stern/Sachs (Hrsg.), GRCh, 2016, B. I. Rn. 63 ff. 488 Ennuschat/Tille, RdJB 59 (2011), 74 (75); Einordnung von Sprache als Kulturbestandteil und/oder Kulturgut auch bei Kirchhof, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts der Bundesrepublik Deutschland, Bd. II, 3. Aufl. 2004, § 20 Rn. 99; Kürten, Die Bedeutung der deutschen Sprache im Recht der Europäischen Union, 2004, S. 38; Biaggini, DVBl. 2005, 1090 (1090 f.); Kahl, VVDStRL 65 (2006), 386 (393 f. Fn. 31 m. w. N.); R. J. Schweizer, VVDStRL 65 (2006), 346 (352 ff.); Dauses, EuZW 2014, 801 (802); Dauses, in: FS Müller-Graff, 2015, S. 217 (223); vgl. von linguistischer Seite Oksaar, ARSP 53 (1967), 91 (102). 489 So EuGH, Rs. C-391/09 vom 12. 5. 2011, Slg. 2011, I-3787, Rn. 86 – Runevicˇ -Vardyn und Wardyn; zum früheren Art. 6 Abs. 3 EUV Kürten, Die Bedeutung der deutschen Sprache im Recht der Europäischen Union, 2004, S. 54; Mayer, Der Staat 44 (2005), 367 (392); Vedder, in: Vedder/Heintschel v. Heinegg (Hrsg.), Europäisches Unionsrecht, 2. Aufl. 2018, Art. 4 EUV Rn. 6; vgl. Häberle, in: FS Pedrazzini, 1990, S. 105 (105); Isensee, in: FS Carl Heymanns Verlag KG, 1995, S. 571 (573 f.); Bleckmann, JZ 1997, 265 (265 f.); Biaggini, DVBl. 2005, 1090 (1091); Kahl, VVDStRL 65 (2006), 386 (439 f. m. w. N. in Fn. 217); Ennuschat/Tille, RdJB 59 (2011), 74 (75). 490 Ennuschat/Tille, RdJB 59 (2011), 74 (76).

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3. Teil: Rechtlicher Rahmen für die Verwendung geschlechtergerechter Sprache

Ausgeschlossen erscheinen mit Blick auf die vorgenannten Normen Vorgaben der Union an die Mitgliedstaaten bzgl. des „Wie“ geschlechtergerechter Rechtssprache491, also in der Form ganz konkreter Formulierungsvorgaben oder der Vorgabe zumindest bestimmter Formen geschlechtergerechter Sprache (z. B. Binnen-I)492, wohingegen Vorgaben bzgl. des „Ob“ geschlechtergerechter Rechtssprache nicht von vornherein ausscheiden dürften, da die Umsetzung hier je nach Sprache individuell erfolgen kann und insofern den Mitgliedstaaten ein großer Spielraum verbliebe. Dem steht auch nicht zwingend die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts in seinem Lissabon-Urteil493 entgegen, die dem integrationsfesten Kernbereich der deutschen demokratischen Selbstbestimmung494 auch die Sprache zugeordnet hat: „Demokratische Selbstbestimmung ist schließlich auf die Möglichkeit, sich im eigenen Kulturraum verwirklichen zu können, besonders angewiesen bei Entscheidungen, wie sie insbesondere im Schul- und Bildungssystem, … bei der Sprache … getroffen werden. … Die Gestaltung von Lehrplänen und Bildungsinhalten … sind politische Grundentscheidungen, die einen starken Bezug zu den kulturellen Wurzeln und Wertvorstellungen eines jeden Staates haben. Die Gestaltung von Schule und Bildung berührt, wie … Entscheidungen über Fragen der Sprache …, in besonderem Maße gewachsene Überzeugungen und Wertvorstellungen, die in spezifischen historischen Traditionen und Erfahrungen verwurzelt sind. Demokratische Selbstbestimmung erfordert hier, dass die jeweilige durch solche Traditionen und Überzeugungen verbundene politische Gemeinschaft das Subjekt demokratischer Legitimation bleibt.“495

Eine integrationsfreundliche enge Auslegung dieses geschützten Kernbereichs führt im Hinblick auf die Sprache in den Mitgliedstaaten zu keiner Abweichung von der im Primärrecht der Union geschützten kulturellen Identität.496 Damit kann es bei den obigen Ausführungen bleiben. Die EU-Kommission indes sah jedenfalls 2007 (bezogen auf eine Anfrage zu Rechtstexten und Amtsdokumenten) „keinerlei Zuständigkeit in der Frage …, wie der nationale Sprachgebrauch ausgerichtet werden sollte“ und beabsichtigte nicht, Initiativen mit dem Ziel einer geschlechtergerechten Sprache zu ergreifen.497 Ihre Rolle sieht sie beschränkt auf „die Förderung der Sprachen und die Achtung des 491

Vgl. Kahl, VVDStRL 65 (2006), 386 (441), wonach die EU „weder die Aufgabe noch Kompetenz [hat], eine Eurosprache zu schaffen oder Sprachenunterschiede zu harmonisieren“. 492 Zu den möglichen Formen geschlechtergerechter Sprache s. unter Erster Teil, C. 493 BVerfGE 123, 267 ff. 494 Germelmann, Kultur und staatliches Handeln, 2013, S. 753. 495 BVerfGE 123, 267 (363). 496 Germelmann, Kultur und staatliches Handeln, 2013, S. 753 f. 497 Antwort der Kommission vom 21. 6. 2007 auf eine Parlamentarische Anfrage vom 24. 4. 2007, E-2188/07, s. Europäisches Parlament, P6_QE(2007)2188; P6_RE(2007)2188; dazu näher unter Dritter Teil, A. IV. 5.

A. Unions- und völkerrechtliche Maßgaben für geschlechtergerechte Sprache

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Grundsatzes der Sprachengleichheit“.498 Dies dürfte so zu verstehen sein, dass die Kommission jedenfalls damals Vorgaben sowohl bzgl. des „Wie“ als auch bzgl. des „Ob“ geschlechtergerechter Rechtssprache an die Mitgliedstaaten für ausgeschlossen hielt (wobei der genaue dogmatische Anknüpfungspunkt offenbleibt). Bereits zuvor in anderem Zusammenhang hatte die Kommission deutlich herausgestellt, dass nach ihrer Auffassung „jede Sprachenregelung wesensgemäß und insbesondere in Anwendung des Subsidiaritätsprinzips in die Zuständigkeit der Mitgliedstaaten fällt“ [Hervorhebung AB].499 Letztlich ist die Frage nach der Befugnis der Union zu verbindlichen Vorgaben an die Mitgliedstaaten bzgl. des „Ob“ geschlechtergerechter Rechtssprache wohl eine Frage der Abwägung von Art. 23 Abs. 1 GRC mit Art. 22 GRC500 sowie Art. 4 Abs. 2 Satz 1 EUV (und ggf. Art. 165 Abs. 1 AEUV). (Verbindliche) Vorgaben der Union an die Mitgliedstaaten, die ausschließlich das „Ob“ geschlechtergerechter Rechtssprache betreffen, erscheinen danach – im Zuständigkeitsbereich der Union – grundsätzlich denkbar, allerdings gibt es solche bislang nicht501 (bzw. sie sind nach h.M. nicht aus dem bestehenden Unionsrecht abzuleiten, dazu nachfolgend), und de lege ferenda erscheinen sie angesichts der derzeitigen politischen Lage auch nicht sehr wahrscheinlich502. Überdies wäre die Kontrolle der Einhaltung derartiger Vorgaben schwierig, da definiert werden müsste, wann eine Sprache geschlechtergerecht ist und wann nicht und dabei die Vielfalt der Sprachen innerhalb der Europäischen Union und deren jeweilige Eigenart Beachtung finden müssten. Nur wenn ein Mitgliedstaat eine geschlechtergerechte Rechtssprache – in jeglicher Form – offen ablehnte, erscheint eine Sanktionierung überhaupt prinzipiell vorstellbar. bb) Auftrag der Union zur Sicherstellung geschlechtergerechter Sprache im Privatrechtsbereich? Daneben stellt sich mit Blick auf Art. 23 Abs. 1 GRC aber auch die Frage nach einer Befugnis und ggf. sogar einer Verpflichtung der Union, geschlechtergerechte Sprache im Privatrechtsbereich sicherzustellen (über die Form der Rechtssprache hinaus). Die Formulierung des Art. 23 Abs. 1 GRC „in allen Bereichen, ein498 Antwort der Kommission vom 21. 6. 2007 auf eine Parlamentarische Anfrage vom 24. 4. 2007, E-2188/07, s. Europäisches Parlament, P6_QE(2007)2188; P6_RE(2007)2188. 499 Mitteilung der Kommission an den Rat und das Parlament betreffend den Sprachengebrauch für die Information der Verbraucher in der Gemeinschaft, KOM(93)456 endg.; ebenso auf fehlende Kompetenzen der EU im Bereich der Sprachenpolitik verweisend Manz, in: Burr/ Gréciano (Hrsg.), Europa: Sprache und Recht, 2003, S. 189 (189, 197). 500 Zum Erfordernis einer Abwägung Jarass, Charta der Grundrechte der Europäischen Union, 3. Aufl. 2016, Art. 22 Rn. 9; Bergmann, in: Bergmann/Dienelt (Hrsg.), Ausländerrecht, 13. Aufl. 2020, Art. 22 GRC Rn. 1. 501 Vgl. Kersten-Pejanic´, in: Bazhutkina/Sonnenhauser (Hrsg.), Linguistische Beiträge zur Slavistik, 2016, S. 66, 71. 502 Vgl. dazu die Einschätzung von Kahl, VVDStRL 65 (2006), 386 (461 f.) zur Reduzierung der Anzahl der Arbeitssprachen der EU als ebenfalls „,heiße[s] Eisen‘“.

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3. Teil: Rechtlicher Rahmen für die Verwendung geschlechtergerechter Sprache

schließlich der Beschäftigung, der Arbeit und des Arbeitsentgelts“ spricht dafür, dass sich der Sicherstellungsauftrag des Art. 23 Abs. 1 GRC auch auf den Privatrechtsbereich erstreckt.503 Das kann allerdings nur für den Zuständigkeitsbereich der Union gelten, der gem. Art. 51 Abs. 2 GRC durch Art. 23 Abs. 1 GRC nicht ausgedehnt wird.504 Für die Verpflichtung der Mitgliedstaaten zum Einfordern geschlechtsneutraler Stellenausschreibungen ist daher eine Befugnis der Union wegen des Zusammenhangs mit Arbeits- und Beschäftigungsfragen (s. Art. 157 Abs. 3 AEUV505) zu bejahen506, im Übrigen dagegen dürften kaum Kompetenzen der Union zur Regelung der Sprache im Privatrechtsbereich bestehen.507 Hinzu kommt, dass im privaten Bereich die Individualität des einzelnen Menschen auch in seiner Sprache grundsätzlich zu achten ist.508 b) Sicherstellungsauftrag der Mitgliedstaaten bezüglich geschlechtergerechter Sprache aus Art. 23 GRC? Verpflichtungsadressat des Art. 23 Abs. 1 GRC ist aber nicht nur die Union, sondern sind gem. Art. 51 Abs. 1 Satz 1 GRC auch die einzelnen Mitgliedstaaten. Insoweit kann die Beurteilung durchaus unterschiedlich ausfallen.509 Auch hier ist aber zu beachten, dass es (verpflichtend) nur um ein Tätigwerden im Zuständigkeitsbereich der Union, nämlich bei der Durchführung von Unionsrecht i. S. v. Art. 51 Abs. 1 Satz 1 GRC gehen kann, also insbesondere im Bereich von Arbeit und Beschäftigung510, aber auch in anderen Kompetenzbereichen der

503

Frenz, Handbuch Europarecht, Bd. 4, 2009, Rn. 3405; Krebber, in: Calliess/Ruffert (Hrsg.), EUV/AEUV, 5. Aufl. 2016, Art. 23 GRC Rn. 3; Hölscheidt, in: Meyer/Hölscheidt (Hrsg.), Charta der Grundrechte der Europäischen Union, 5. Aufl. 2019, Art. 23 Rn. 22; im Ergebnis ebenso Rowe, in: Pechstein/Nowak/Häde (Hrsg.), Frankfurter Kommentar EUV/ GRC/AEUV, Bd. I, 2017, Art. 23 GRC Rn. 15. 504 Jarass, Charta der Grundrechte der Europäischen Union, 3. Aufl. 2016, Art. 23 Rn. 14a; Rowe, in: Pechstein/Nowak/Häde (Hrsg.), Frankfurter Kommentar EUV/GRC/AEUV, Bd. I, 2017, Art. 23 GRC Rn. 15 ff.; Hölscheidt, in: Meyer/Hölscheidt (Hrsg.), Charta der Grundrechte der Europäischen Union, 5. Aufl. 2019, Art. 23 Rn. 23. 505 S. dazu unter Dritter Teil, A. II. 2. d). 506 S. dazu auch unter Dritter Teil, A. III. 1. und D. I. 3. a). 507 Eine nähere Beleuchtung der von Art. 23 Abs. 1 GRC erfassten Kompetenzbereiche findet sich bei Rowe, in: Pechstein/Nowak/Häde (Hrsg.), Frankfurter Kommentar EUV/GRC/ AEUV, Bd. I, 2017, Art. 23 GRC Rn. 19. 508 Vgl. Lemke, in: v. der Groeben/Schwarze/Hatje (Hrsg.), Europäisches Unionsrecht, 7. Aufl. 2015, Art. 22 GRC Rn. 2; Kingreen, in: Calliess/Ruffert (Hrsg.), EUV/AEUV, 5. Aufl. 2016, Art. 22 GRC Rn. 4. 509 Vgl. Kugelmann, in D. Merten/Papier (Hrsg.), Handbuch der Grundrechte in Deutschland und Europa, Bd. VI/1, 2010, § 160 Rn. 58. 510 Vgl. U. Klein, Geschlechterverhältnisse, Geschlechterpolitik und Gleichstellungspolitik in der Europäischen Union, 2. Aufl. 2013, S. 27.

A. Unions- und völkerrechtliche Maßgaben für geschlechtergerechte Sprache

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Union.511 Insofern können sich allerdings aus Art. 23 Abs. 1 GRC sogar strengere Maßgaben als aus dem nationalen deutschen Recht ableiten lassen, da ein Sicherstellungsauftrag wie in Art. 23 Abs. 1 GRC mehr Tätigwerden erfordert und weniger Spielraum belässt als ein bloßer Förderauftrag wie in Art. 3 Abs. 2 Satz 2 GG512. Es bleibt aber auch hier ein Gestaltungsspielraum.513 Dabei können entgegenstehende EU-primärrechtlich verankerte Belange ebenso zu berücksichtigen sein wie sich aus der nationalen Verfassung ergebende Grenzen Berücksichtigung finden können.514 Auch deckt sich eine Auslegung des Art. 23 Abs. 1 GRC als eine Verpflichtung der Mitgliedstaaten bezüglich geschlechtergerechter Rechtssprache beinhaltend nicht mit der bisherigen Haltung der Europäischen Kommission.515 Der EuGH hat sich, soweit ersichtlich, zu dieser Frage bislang nicht geäußert.

II. Maßgaben (sonstigen) EU-Primärrechts für geschlechtergerechte Sprache in Deutschland? Maßgaben für geschlechtergerechte Sprache könnten sich auch aus anderen Quellen des Unionsrechts außerhalb der Grundrechtecharta ergeben. 1. Maßgaben im EUV für geschlechtergerechte Sprache? Aus dem Primärrecht kommt zunächst der Vertrag über die Europäische Union (EUV)516 in Betracht. a) Art. 2 EUV: Gleichheit als grundlegender Unionswert Nach Satz 1 von Art. 2 EUV zählt die „Gleichheit“ zu den Werten, auf die sich die Union gründet. Und in Satz 2 heißt es weiter: „Diese Werte sind allen Mitgliedstaaten in einer Gesellschaft gemeinsam, die sich durch Pluralismus, Nichtdiskriminierung, Toleranz, Gerechtigkeit, Solidarität und die Gleichheit von Frauen und Männern auszeichnet.“ 511

Rowe, in: Pechstein/Nowak/Häde (Hrsg.), Frankfurter Kommentar EUV/GRC/AEUV, Bd. I, 2017, Art. 23 GRC Rn. 16, 19, 44. 512 S. dazu unter Dritter Teil, B. I. 4. a) bb) (4) und (8). 513 Sporrer, in: Schläppi/Ulrich/Wyttenbach (Hrsg.), CEDAW, 2015, Art. 1 Umsetzung Österreich Rn. 32; Porsche, Bedeutung, Auslegung und Realisierung des Konzepts der positiven Maßnahmen, 2016, S. 251; Hölscheidt, in: Meyer/Hölscheidt (Hrsg.), Charta der Grundrechte der Europäischen Union, 5. Aufl. 2019, Art. 23 Rn. 23. 514 Vgl. Rowe, in: Pechstein/Nowak/Häde (Hrsg.), Frankfurter Kommentar EUV/GRC/ AEUV, Bd. I, 2017, Art. 23 GRC Rn. 44; s. dazu unter Dritter Teil, B. I. 4. b). 515 S. dazu unter Dritter Teil, A. IV. 5. 516 Konsolidierte Fassung s. ABl. C 202 vom 7. 6. 2016, S. 13.

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3. Teil: Rechtlicher Rahmen für die Verwendung geschlechtergerechter Sprache

Daraus folgt, dass nicht nur die Union als Verbund auf diese Werte verpflichtet ist, sondern es ergibt sich daraus auch eine Verpflichtung der einzelnen Mitgliedstaaten auf diese Werte, denn deren Einhaltung wird zur Voraussetzung für eine Zugehörigkeit zur Union gemacht.517 Allerdings dürfte bei Nichteinhaltung eine Sanktionierung nur in extremen Fällen tatsächlich in Betracht kommen (s. dazu Art. 7 EUV).518 Ob sich aus Art. 2 EUV in Bezug auf geschlechtergerechte Sprache etwas ableiten lässt, hängt von der Definition und dem Verständnis des Begriffs „Gleichheit“ in Art. 2 EUV ab. Gleichheit i. S. v. Art. 2 EUV wird eher als Rechtsgleichheit i. S. v. inhaltlich gleichen Rechten verstanden, sodass eine sprachliche Geschlechtergleichstellung nicht darunter zu subsumieren wäre.519 Überdies spricht gegen die Einordnung nicht geschlechtergerechter Vorschriftensprache als Verstoß gegen die Gleichheit (von Frauen und Männern) i. S. v. Art. 2 EUV, dass der EUV in vielen Sprachen selbst nicht (jedenfalls nicht nach den hier zugrunde gelegten Maßstäben) geschlechtergerecht formuliert sein soll.520 Die deutsche Fassung ist zwar teilweise unter Verwendung geschlechtergerechter Sprache formuliert, sodass ein entsprechendes Bestreben erkennbar ist (z. B. „Bürgerinnen und Bürger“ in Art. 9 Satz 1 EUV), jedoch keineswegs durchgehend, sondern beinhaltet auch zahlreiche generische Maskulina, z. B. „Präsident“ in Art. 15 EUV (und Art. 14 EUV), „Unionsbürger“ in Art. 9 Satz 2 EUV. Das (Auslegungs-)Argument der Einheit der Rechtsordnung, welches in Bezug auf das deutsche Grundgesetz angeführt wird521, muss, wie bereits ausgeführt, auch unionsrechtlich entsprechend gelten.522 Ein Normtext ist danach so auszulegen, dass er nicht zu anderen Bestimmungen desselben Normtextes im Widerspruch steht.523 Dabei müssen bei der Auslegung von Rechtstexten der Europäischen Union alle 517 Hilf/Schorkopf, in: Grabitz/Hilf/Nettesheim, Das Recht der Europäischen Union, Art. 2 EUV Rn. 18 (Stand: Sept. 2013); vgl. Koukoulis-Spiliotopoulos, Europäische Zeitschrift für Geschlechtergleichstellungsrecht 1/2008, 19 (27); Heintschel v. Heinegg, in: Vedder/Heintschel v. Heinegg (Hrsg.), Europäisches Unionsrecht, 2. Aufl. 2018, Art. 2 EUV Rn. 3. 518 Vgl. Jacqué, in: v. der Groeben/Schwarze/Hatje (Hrsg.), Europäisches Unionsrecht, 7. Aufl. 2015, Art. 2 EUV Rn. 18; Schorkopf, in: Grabitz/Hilf/Nettesheim, Das Recht der Europäischen Union, Art. 7 EUV Rn. 32 (Stand: April 2017). 519 So Hilf/Schorkopf, in: Grabitz/Hilf/Nettesheim, Das Recht der Europäischen Union, Art. 2 EUV Rn. 31 (Stand: Sept. 2013), nach deren Ansicht „das Recht als abstrakt-generelle Regelung mit den Begriffen ,Bürger‘ oder ,Person‘ das Geschlecht des Einzelnen nicht anspricht“. 520 So Ruffert, in: Calliess/Ruffert (Hrsg.), EUV/AEUV, 5. Aufl. 2016, Art. 9 EUV Rn. 22: geschlechtsneutrale Formulierung nur in der deutschen Vertragsfassung. 521 Schulze-Fielitz, KritV 72 (1989), 273 (278); vgl. auch E. Bülow, ZG 3 (1988), 160 (167); Maier-Reimer, AnwBl 1989, 146 (147); s. näher zu dieser Argumentation unter Dritter Teil, B. I. 2. b) bb) (3). 522 Vgl. dazu unter Dritter Teil, A. I. 2. mit Nachweisen in Fn. 467. 523 Vgl. Wienbracke, Juristische Methodenlehre, 2013, Rn. 173 f.; Pieper, in: Dauses/ Ludwigs, Handbuch des EU-Wirtschaftsrechts, B. I. Rn. 25 (Stand: Febr. 2016).

A. Unions- und völkerrechtliche Maßgaben für geschlechtergerechte Sprache

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Sprachfassungen vergleichend in die Betrachtung einbezogen werden, da gemäß Art. 55 Abs. 1 EUV alle Sprachfassungen gleichermaßen verbindlich sind.524 Schon allein die Formulierung der deutschen Vertragsfassung führt dazu, dass unter dem Aspekt der Einheit der Rechtsordnung nicht geschlechtergerechte Vorschriftensprache nicht als Verletzung des Art. 2 EUV anzusehen ist. b) Art. 3 EUV: Gleichstellung von Frauen und Männern als Unionsziel Nach Art. 3 Abs. 3 UAbs. 2 EUV bekämpft die Union u. a. soziale Ausgrenzung und Diskriminierung und fördert die Gleichstellung von Frauen und Männern. Gemäß Art. 3 Abs. 6 EUV verfolgt sie ihre Ziele mit geeigneten Mitteln entsprechend den ihr in den Verträgen übertragenen Zuständigkeiten. Die Norm macht deutlich, dass die Gleichstellung von Frauen und Männern der Europäischen Union ein wichtiges Anliegen ist. Im Unterschied zu Art. 2 EUV findet sich in Art. 3 Abs. 3 UAbs. 2 EUV nicht der Begriff „Gleichheit“, sondern der der „Gleichstellung“, was die Subsumtion der sprachlichen Geschlechtergleichbehandlung leichter macht. Da die Gleichstellung „[ge]fördert“ werden soll, was eine Zukunftsperspektive beinhaltet525, steht die Formulierung des EUV selbst hier nicht unbedingt einer Einordnung geschlechtergerechter Sprache als Ziel der Union entgegen. Allerdings ist die Union bei der Zielverfolgung an die ihr übertragenen Zuständigkeiten gebunden, Art. 3 Abs. 6 EUV. Nach vorzugswürdiger Auffassung kann allein die Verfolgung eines Unionsziels die Zuständigkeit der Union (und den Anwendungsbereich des Unionsrechts526) grundsätzlich nicht begründen.527 Außerdem ist höchst zweifelhaft, ob Art. 3 EUV als Zielbestimmungsnorm auch eine Rechtsetzungskompetenz zum Erlass von Maßnahmen beinhaltet.528 Wie sich aus der Stellungnahme der EU-Kommission aus 2007 ergibt, sieht diese generell keine rechtliche Handhabe für ein Hinwirken auf eine geschlechtergerechte Rechtssprache in den Mitgliedstaaten.529 524 Dörr, in: Grabitz/Hilf/Nettesheim, Das Recht der Europäischen Union, Art. 55 EUV Rn. 7 (Stand: Aug. 2011); s. auch die Nachweise in Fn. 469. 525 Vgl. F. Reimer, EuR 2003, 992 (995) zum Zielbegriff. 526 A.A. Ruffert, in: Calliess/Ruffert (Hrsg.), EUV/AEUV, 5. Aufl. 2016, Art. 3 EUV Rn. 12. 527 Terhechte, in: Grabitz/Hilf/Nettesheim, Das Recht der Europäischen Union, Art. 3 EUV Rn. 8 (Stand: Mai 2014). 528 Ablehnend Steinherr, in: Bayerl/Gutsche/Klüsener (Hrsg.), Gender – Recht – Gerechtigkeit, 2012, S. 31 (33); Frenz, Handbuch Europarecht, Bd. 4, 2009, Rn. 3363; Heintschel v. Heinegg, in: Vedder/Heintschel v. Heinegg (Hrsg.), Europäisches Unionsrecht, 2. Aufl. 2018, Art. 3 EUV Rn. 3; a. A. Jacqué, in: v. der Groeben/Schwarze/Hatje (Hrsg.), Europäisches Unionsrecht, 7. Aufl. 2015, Art. 3 EUV Rn. 4. 529 Antwort der Kommission vom 21. 6. 2007 auf eine Parlamentarische Anfrage vom 24. 4. 2007, E-2188/07, s. Europäisches Parlament, P6_RE(2007)2188; dazu näher unter Dritter Teil, A. IV. 5.

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3. Teil: Rechtlicher Rahmen für die Verwendung geschlechtergerechter Sprache

c) Art. 9 EUV: Gleichheit der Bürgerinnen und Bürger der Union Gemäß Art. 9 Satz 1 EUV achtet die Union „in ihrem gesamten Handeln den Grundsatz der Gleichheit ihrer Bürgerinnen und Bürger, denen ein gleiches Maß an Aufmerksamkeit seitens der Organe, Einrichtungen und sonstigen Stellen der Union zuteil wird.“ Trotz des in eine andere Richtung deutenden Wortlautes530 wird Art. 9 EUV aufgrund seiner systematischen Stellung im Titel II. „Bestimmungen über die demokratischen Grundsätze“ so verstanden, dass er sich nur auf die „bürgerschaftlichdemokratische Gleichheit“ und nicht allgemein auf Gleichheit bezieht.531 Bedeutung kommt ihm insbesondere für das Wahlrecht zum Europäischen Parlament zu.532 Maßgaben für geschlechtergerechte Sprache können Art. 9 EUV daher nicht entnommen werden. 2. Maßgaben im AEUV für geschlechtergerechte Sprache? Maßgaben für geschlechtergerechte Sprache könnten sich ferner aus dem Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV)533 ergeben. a) Art. 8 AEUV: Gender Mainstreaming-Ansatz Nach Art. 8 AEUV wirkt die EU bei allen ihren Tätigkeiten darauf hin, Ungleichheiten zu beseitigen und die Gleichstellung von Männern und Frauen zu fördern. Dies wird als Verankerung des Gender Mainstreaming-Ansatzes auf der unionsrechtlichen Ebene angesehen.534 Dabei stellt Art. 8 AEUV eine Quer530

Haag, in: v. der Groeben/Schwarze/Hatje (Hrsg.), Europäisches Unionsrecht, 7. Aufl. 2015, Art. 9 EUV Rn. 3 bezeichnet die Vorschrift insofern als „redaktionell wenig gelungen“; ähnlich kritisch Ruffert, in: Calliess/Ruffert (Hrsg.), EUV/AEUV, 5. Aufl. 2016, Art. 9 EUV Rn. 26. 531 Schönberger, in: Grabitz/Hilf/Nettesheim, Das Recht der Europäischen Union, Bd. I, Art. 9 EUV Rn. 5, 31 (Stand: Mai 2011); vgl. Ruffert, in: Calliess/Ruffert (Hrsg.), EUV/AEUV, 5. Aufl. 2016, Art. 9 EUV Rn. 26. 532 Schönberger, in: Grabitz/Hilf/Nettesheim, Das Recht der Europäischen Union, Bd. I, Art. 9 EUV Rn. 35 (Stand: Mai 2011). 533 Konsolidierte Fassung s. ABl. C 202 vom 7. 6. 2016, S. 47, ber. Abl. C 400 vom 28. 10. 2016, S. 1. 534 U. Klein, Geschlechterverhältnisse, Geschlechterpolitik und Gleichstellungspolitik in der Europäischen Union, 2. Aufl. 2013, S. 105; Schläppi/Wyttenbach/Ulrich, in: Schläppi/ Ulrich/Wyttenbach (Hrsg.), CEDAW, 2015, Teil 1 Rn. 20; Eichenhofer, in: Streinz (Hrsg.), EUV/AEUV, 3. Aufl. 2018, Art. 8 AEUV Rn. 7; Mohr, in: M. Franzen/Gallner/Oetker (Hrsg.), Kommentar zum europäischen Arbeitsrecht, 3. Aufl. 2020, Art. 8 AEUV Rn. 3; vgl. zum früheren Art. 3 Abs. 2 EGV Pirstner, in: Neuhold/Pirstner/S. Ulrich, Menschenrechte – Frauenrechte, 2003, S. 171, 221; Baer, in: Koreuber/Mager (Hrsg.), Recht und Geschlecht, 2004, S. 19 (21); Pirstner-Ebner, EuZW 2004, 205 (205); Schewe-Gerigk, in: Eichhoff-Cyrus (Hrsg.), Adam, Eva und die Sprache, 2004, S. 322 (327); Prettenthaler-Ziegerhofer, Euro-

A. Unions- und völkerrechtliche Maßgaben für geschlechtergerechte Sprache

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schnittsklausel dar.535 Ihr wird teilweise auch ein Verschlechterungsverbot entnommen.536 Gerade wegen der Verwendung des Begriffes „Gleichstellung“ in dieser Norm und der von der EU „bei allen ihren Tätigkeiten“ anzustrebenden Förderung dieser Gleichstellung erscheint die Erfassung der auch sprachlichen Gleichstellung naheliegend.537 Art. 8 AEUV zielt nicht (nur) auf rechtliche Ungleichbehandlungen, sondern auch auf faktische Ungleichheiten.538 Es geht nicht nur um Gleichheit vor dem Gesetz, sondern auch bereits bei der Gesetzgebung.539 Dazu passt, dass geschlechtergerechte Sprache teilweise als „Prinzip des ,sprachlichen Gender Mainstreamings‘“ eingeordnet wird.540

päische Integrationsrechtsgeschichte, 3. Aufl. 2012, S. 190; zum Gender Mainstreaming s. näher unter Erster Teil, B. II. 535 Frenz, NZS 2011, 81 (84); Sporrer, in: Schläppi/Ulrich/Wyttenbach (Hrsg.), CEDAW, 2015, Art. 1 Umsetzung Österreich Rn. 21; Schorkopf, in: Grabitz/Hilf/Nettesheim, Das Recht der Europäischen Union, Art. 8 AEUV Rn. 11, 20 (Stand: Okt. 2019); Mohr, in: M. Franzen/ Gallner/Oetker (Hrsg.), Kommentar zum europäischen Arbeitsrecht, 3. Aufl. 2020, Art. 8 AEUV Rn. 1. 536 Schläppi/Wyttenbach/Ulrich, in: Schläppi/Ulrich/Wyttenbach (Hrsg.), CEDAW, 2015, Teil 1 Rn. 20; Eichenhofer, in: Streinz (Hrsg.), EUV/AEUV, 3. Aufl. 2018, Art. 8 AEUV Rn. 4; Lorenzmeier, in: Vedder/Heintschel v. Heinegg (Hrsg.), Europäisches Unionsrecht, 2. Aufl. 2018, Art. 8 AEUV Rn. 3; a. A. Mohr, in: M. Franzen/Gallner/Oetker (Hrsg.), Kommentar zum europäischen Arbeitsrecht, 3. Aufl. 2020, Art. 8 AEUV Rn. 16. 537 Vgl. dem Ergebnis nach Schewe-Gerigk, in: Eichhoff-Cyrus (Hrsg.), Adam, Eva und die Sprache, 2004, S. 322 (327); der Begriff „equality“ der englischen Fassung lässt dagegen mehr Fragen offen, s. Westendorp/Waltermann, in: Westendorp (Hrsg.), The Women’s Convention turned 30, 2012, S. 33 (50); zur unklaren Reichweite der Verpflichtung bezogen auf den früheren Art. 3 Abs. 2 EGV auch Pirstner, in: Neuhold/Pirstner/S. Ulrich, Menschenrechte – Frauenrechte, 2003, S. 223 f. 538 Schorkopf, in: Grabitz/Hilf/Nettesheim, Das Recht der Europäischen Union, Art. 8 AEUV Rn. 24 (Stand: Okt. 2019); ähnlich Koukoulis-Spiliotopoulos, Europäische Zeitschrift für Geschlechtergleichstellungsrecht 1/2008, 19 (26 f.). 539 Frenz, NZS 2011, 81 (84); Rossi, in: Calliess/Ruffert (Hrsg.), EUV/AEUV, 5. Aufl. 2016, Art. 8 AEUV Rn. 5. 540 Schewe-Gerigk, in: Eichhoff-Cyrus (Hrsg.), Adam, Eva und die Sprache, 2004, S. 322 (327); vgl. BT-Drs. 16/3776, S. 75; G. Bachmann, NVwZ 2008, 754 (754 f.); V. Steiger/Irmen, Der Sprachdienst 52 (2008), 161 (165); M. Klein, Die Neubekanntmachung von Gesetzen vor dem Hintergrund der staatlichen Konsolidierungspflicht, 2010, S. 207; D. Richter, in: Blaha/ Wilhelm (Hrsg.), Verständliche Sprache in Recht und Verwaltung, 2011, S. 25 (27); Roos, NJW 2012, 652 (653); Valentiner, (Geschlechter)Rollenstereotype in juristischen Ausbildungsfällen, 2017, S. 15; auch Dauses, EuZW 2014, 801 (801) sieht die sprachliche Geschlechtergleichbehandlung als Bestandteil des Gender Mainstreaming an, meint aber, dass dieses damit „ratione materiae sogar weiter als der Schutz des Unionsrechts“ reiche; ganz ähnlich Dauses, in: FS Müller-Graff, 2015, S. 217 (219).

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3. Teil: Rechtlicher Rahmen für die Verwendung geschlechtergerechter Sprache

Dennoch sieht die Europäische Kommission (bislang) keine Kompetenz, auf die sprachliche Gleichstellung in den Rechtstexten der Mitgliedstaaten hinzuwirken.541 Zuzustimmen ist dem jedenfalls insoweit, als Art. 8 AEUV auch mit der Formulierung „bei allen ihren Tätigkeiten“ immer ein Tätigwerden der Union innerhalb ihres bereits sonst begründeten Zuständigkeitsbereiches voraussetzt.542 Aus der umgekehrten Perspektive betrachtet (d. h. nicht mit Blick auf das Dürfen, sondern auf ein Müssen der Union) ist problematisch, ob und inwieweit Art. 8 AEUV auch eine bestimmte Form des Tätigwerdens vorgeben kann oder ob das Gebot nur beinhaltet, überhaupt (irgendwie) die Gleichstellung von Männern und Frauen zu fördern.543 Der Union kommt bei der Erfüllung der Vorgaben aus Art. 8 AEUV ein weiter Handlungsspielraum zu.544 Jedenfalls aber lassen sich aus Art. 8 AEUV keine subjektiven Rechte ableiten.545 b) Art. 10 AEUV: Bekämpfung von Diskriminierungen aus Gründen des Geschlechts als Querschnittsaufgabe Gemäß Art. 10 AEUV zielt die EU u. a. darauf ab, Diskriminierungen aus Gründen des Geschlechts zu bekämpfen. Auch mit dieser Bestimmung wird die Bekämpfung von Diskriminierungen (u. a.) aufgrund des Geschlechts als „Mainstreaming-Aufgabe“ betont.546 Sie begründet aber ebenfalls keine neuen Kompe-

541 Antwort der Kommission vom 21. 6. 2007 auf eine Parlamentarische Anfrage vom 24. 4. 2007, E-2188/07, s. Europäisches Parlament, P6_RE(2007)2188.; dazu näher unter Dritter Teil, A. IV. 5. 542 Frenz, NZS 2011, 81 (84); Sporrer, in: Schläppi/Ulrich/Wyttenbach (Hrsg.), CEDAW, 2015, Art. 1 Umsetzung Österreich Rn. 23; Rossi, in: Calliess/Ruffert (Hrsg.), EUV/AEUV, 5. Aufl. 2016, Art. 8 AEUV Rn. 4; vgl. Mohr, in: M. Franzen/Gallner/Oetker (Hrsg.), Kommentar zum europäischen Arbeitsrecht, 3. Aufl. 2020, Art. 8 AEUV Rn. 1. 543 Im letztgenannten Sinne Rossi, in: Calliess/Ruffert (Hrsg.), EUV/AEUV, 5. Aufl. 2016, Art. 8 AEUV Rn. 5; vgl. U. Klein, Geschlechterverhältnisse, Geschlechterpolitik und Gleichstellungspolitik in der Europäischen Union, 2. Aufl. 2013, S. 98, nach deren Ansicht es nicht „die“ Methode Gender Mainstreaming gibt. 544 Frenz, NZS 2011, 81 (84); Rossi, in: Calliess/Ruffert (Hrsg.), EUV/AEUV, 5. Aufl. 2016, Art. 8 AEUV Rn. 5; Lorenzmeier, in: Vedder/Heintschel v. Heinegg (Hrsg.), Europäisches Unionsrecht, 2. Aufl. 2018, Art. 8 AEUV Rn. 2; Mohr, in: M. Franzen/Gallner/Oetker (Hrsg.), Kommentar zum europäischen Arbeitsrecht, 3. Aufl. 2020, Art. 8 AEUV Rn. 12 f., 15. 545 So auch Frenz, NZS 2011, 81 (84); Rossi, in: Calliess/Ruffert (Hrsg.), EUV/AEUV, 5. Aufl. 2016, Art. 8 AEUV Rn. 6; Mohr, in: M. Franzen/Gallner/Oetker (Hrsg.), Kommentar zum europäischen Arbeitsrecht, 3. Aufl. 2020, Art. 8 AEUV Rn. 9. 546 Sporrer, in: Schläppi/Ulrich/Wyttenbach (Hrsg.), CEDAW, 2015, Art. 1 Umsetzung Österreich Rn. 23; ähnlich U. Klein, Geschlechterverhältnisse, Geschlechterpolitik und Gleichstellungspolitik in der Europäischen Union, 2. Aufl. 2013, S. 105 f., die Art. 10 AEUV in Abgrenzung zu Art. 8 AEUV als „,Diversity-Mainstreaming‘-Artikel“ bezeichnet.

A. Unions- und völkerrechtliche Maßgaben für geschlechtergerechte Sprache

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tenzfelder für die EU, sondern verpflichtet nur zu einer umfassenden Antidiskriminierungspolitik im Rahmen der bestehenden Kompetenzbereiche.547 Gegen die Einordnung nicht geschlechtergerechter Vorschriftensprache als Diskriminierung aus Gründen des Geschlechts spricht es unter dem (Auslegungs-)Aspekt der Einheit der Rechtsordnung, der auch unionsrechtlich entsprechend gelten muss548, dass der AEUV selbst schon in der deutschen Fassung nicht durchgehend geschlechtergerecht formuliert ist. So sind z. B. in Art. 45 Abs. 1 AEUV und Art. 153 AEUV nur die „Arbeitnehmer“ genannt. c) Reichweite der Unionskompetenzen aus Art. 19 AEUV? Gemäß Art. 19 Abs. 1 AEUV kann der Rat der EU im Rahmen der auf die Union übertragenen Zuständigkeiten unter Beachtung eines besonderen Verfahrens und mit Zustimmung des Europäischen Parlaments geeignete Vorkehrungen treffen, um u. a. Diskriminierungen aus Gründen des Geschlechts zu bekämpfen. Gemäß Art. 19 Abs. 2 AEUV können das Europäische Parlament und der Rat die Grundprinzipien für Fördermaßnahmen der Union zur Unterstützung der Maßnahmen festlegen, die die Mitgliedstaaten treffen, um zur Verwirklichung der in Art. 19 Abs. 1 AEUV genannten Ziele beizutragen. Angesichts des Wortlautes des Art. 19 Abs. 1 AEUV „im Rahmen der auf die Union übertragenen Zuständigkeiten“ wird man auch aus dieser Norm nicht die Eröffnung ganz neuer Kompetenzbereiche für die EU ableiten können.549 Das Gebiet, auf dem Diskriminierungen bekämpft werden sollen, muss vielmehr bereits in den Kompetenzbereich der Union fallen, ohne dass eine Ermächtigungsgrundlage speziell für Antidiskriminierungsmaßnahmen bestehen muss.550 Letzteres macht die besondere Bedeutung von Art. 19 AEUV aus.551 547 Sporrer, in: Schläppi/Ulrich/Wyttenbach (Hrsg.), CEDAW, 2015, Art. 1 Umsetzung Österreich Rn. 23; vgl. Mohr, in: M. Franzen/Gallner/Oetker (Hrsg.), Kommentar zum europäischen Arbeitsrecht, 3. Aufl. 2020, Art. 10 AEUV Rn. 1, der allerdings „Maßnahmen vergleichbar einem Gender-Mainstreaming“ für nicht erfasst hält (Rn. 2). 548 Vgl. dazu unter Dritter Teil, A. I. 2. mit Nachweisen in Fn. 467. 549 Vgl. Zoppel, Europäische Diskriminierungsverbote und Privatrecht, 2015, S. 57 f., 61; unklar insofern Dauses, in: FS Müller-Graff, 2015, S. 217 (218), der Art. 19 AEUV bezogen auf die „allgemeine politische und gesellschaftliche Gleichstellung der Geschlechter“ nennt. 550 Grabenwarter, in: Grabitz/Hilf/Nettesheim, Das Recht der Europäischen Union, Art. 19 AEUV Rn. 12 (Stand: Sept. 2014); Rust, in: v. der Groeben/Schwarze/Hatje (Hrsg.), Europäisches Unionsrecht, 7. Aufl. 2015, Art. 19 AEUV Rn. 99; Zoppel, Europäische Diskriminierungsverbote und Privatrecht, 2015, S. 57 f.; Epiney, in: Calliess/Ruffert (Hrsg.), EUV/ AEUV, 5. Aufl. 2016, Art. 19 AEUV Rn. 6. Streinz, in: Streinz (Hrsg.), EUV/AEUV, 3. Aufl. 2018, Art. 19 AEUV Rn. 7 sieht einen Anwendungsbereich z. B. beim Zugang zu und der Versorgung mit Gütern und Dienstleistungen. 551 Vgl. Zoppel, Europäische Diskriminierungsverbote und Privatrecht, 2015, S. 58; Epiney, in: Calliess/Ruffert (Hrsg.), EUV/AEUV, 5. Aufl. 2016, Art. 19 AEUV Rn. 6; Streinz, in: Streinz (Hrsg.), EUV/AEUV, 3. Aufl. 2018, Art. 19 AEUV Rn. 14.

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3. Teil: Rechtlicher Rahmen für die Verwendung geschlechtergerechter Sprache

Art. 19 AEUV zielt auch auf die Bekämpfung faktischer Diskriminierungen.552 Gegen die Einordnung nicht geschlechtergerechter Vorschriftensprache als Diskriminierung aus Gründen des Geschlechts i. S. d. Art. 19 AEUV spricht es allerdings hier ebenfalls unter dem (Auslegungs-)Aspekt der Einheit der Rechtsordnung, dass der AEUV selbst nicht durchgehend geschlechtergerecht formuliert ist.553 d) Art. 157 Abs. 3 AEUV: Chancengleichheit und Gleichbehandlung von Männern und Frauen in Arbeits- und Beschäftigungsfragen als entscheidende Kompetenz der Union Nach Art. 157 Abs. 3 AEUV beschließen das Europäische Parlament und der Rat (gemäß dem ordentlichen Gesetzgebungsverfahren und nach Anhörung des Wirtschafts- und Sozialausschusses) Maßnahmen zur Gewährleistung der Anwendung des Grundsatzes der Chancengleichheit und der Gleichbehandlung von Männern und Frauen in Arbeits- und Beschäftigungsfragen. Art. 157 Abs. 3 AEUV ist somit als eine zentrale Kompetenznorm der EU554, und zwar für den Bereich Arbeits- und Beschäftigungsfragen, anzusehen. Die „Gleichbehandlung von Männern und Frauen“ in diesem Bereich kann auch Maßgaben zu geschlechtergerechter Sprache beinhalten. Was die sprachliche Gleichstellung in den (auch arbeitsrechtlichen) Rechtstexten der Mitgliedstaaten betrifft, sieht die Europäische Kommission allerdings (bislang) keine Kompetenz, darauf hinzuwirken.555 e) Geschlechtergerechte Sprache als „Sprachenfrage“ i. S. d. Art. 342 AEUV? Gemäß Art. 342 AEUV wird „die Regelung der Sprachenfrage“ für die Organe der Union vom Rat einstimmig durch Verordnung getroffen. Hierzu ist bereits sehr früh die Verordnung Nr. 1 des Rates vom 15. April 1958 zur Regelung der Sprachenfrage für die Europäische Wirtschaftsgemeinschaft556 ergangen, die jedoch keine Bestimmungen zu geschlechtergerechter Sprache beinhaltet. Unabhängig von der Frage, wie der Begriff „Sprachenfrage“ auszulegen ist, bezieht sich Art. 342 AEUV aber nur auf Regelungen für die Organe der Union, nicht auch für die Mitgliedstaaten. 552 Sporrer, in: Schläppi/Ulrich/Wyttenbach (Hrsg.), CEDAW, 2015, Art. 1 Umsetzung Österreich Rn. 25; Streinz, in: Streinz (Hrsg.), EUV/AEUV, 3. Aufl. 2018, Art. 19 AEUV Rn. 16. 553 Vgl. dazu unter Dritter Teil, A. I. 2. und A. II. 2. b). 554 Vgl. Steinherr, in: Bayerl/Gutsche/Klüsener (Hrsg.), Gender – Recht – Gerechtigkeit, 2012, S. 31 (34). 555 Antwort der Kommission vom 21. 6. 2007 auf eine Parlamentarische Anfrage vom 24. 4. 2007, E-2188/07, s. Europäisches Parlament, P6_RE(2007)2188; dazu näher unter Dritter Teil, A. IV. 5. 556 ABl. P 17 vom 6. 10. 1958, S. 385; zuletzt geändert durch VO (EU) Nr. 517/2013 vom 13. 5. 2013 (ABl. L 158, S. 1).

A. Unions- und völkerrechtliche Maßgaben für geschlechtergerechte Sprache

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III. Regelungen im EU-Sekundärrecht zu geschlechtergerechter Sprache? Maßgaben für geschlechtergerechte Sprache könnten sich dem Sekundärrecht der EU entnehmen lassen. In Betracht kommen hier insbesondere die sukzessive ausgebauten557 Gleichbehandlungsrichtlinien der Union, von denen einige sich (auch) auf die Geschlechtergleichheit beziehen.

1. RL 2006/54/EG zur Verwirklichung des Grundsatzes der Chancengleichheit und Gleichbehandlung von Männern und Frauen in Arbeits- und Beschäftigungsfragen Im Jahre 2006 wurden zahlreiche bisherige Richtlinien zur Geschlechtergleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf in der RL 2006/54/EG558 zusammengefasst: RL 76/207/EWG zur Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf (geändert durch RL 2002/73/EG), RL 97/80/EG über die Beweislast bei Diskriminierungen wegen des Geschlechts (geändert durch RL 98/52/EG), RL 75/117/EWG über Entgeltgleichheit sowie RL 86/378/EWG zur Gleichbehandlung in Betriebsrentensystemen/ betrieblichen Systemen der sozialen Sicherheit (geändert durch RL 96/97/EG). Die RL 2006/54/EG beinhaltet verschiedene Diskriminierungsverbote aufgrund des Geschlechts559. Insbesondere darf es gem. Art. 14 Abs. 1 der Richtlinie im öffentlichen und privaten Sektor einschließlich öffentlicher Stellen keinerlei unmittelbare oder mittelbare Diskriminierung aufgrund des Geschlechts geben u. a. in Bezug auf die Bedingungen – einschließlich Auswahlkriterien und Einstellungsbedingungen – für den Zugang zur Beschäftigung oder zu abhängiger oder selbständiger Erwerbstätigkeit, unabhängig von Tätigkeitsfeld und beruflicher Position einschließlich des beruflichen Aufstiegs (lit. a) sowie in Bezug auf den Zugang zu allen Formen und allen Ebenen der Berufsberatung, der Berufsausbildung, der beruflichen Weiterbildung und der Umschulung einschließlich der praktischen Berufserfahrung (lit. b). Dabei ist gem. Art. 2 der Richtlinie eine unmittelbare Diskriminierung „eine Situation, in der eine Person aufgrund ihres Geschlechts eine 557 Sporrer, in: Schläppi/Ulrich/Wyttenbach (Hrsg.), CEDAW, 2015, Art. 1 Umsetzung Österreich Rn. 34. 558 ABl. L 204 vom 26. 7. 2006, S. 23. 559 Von einem binären Geschlechterverständnis der RL 2006/54/EG ausgehend Körlings, NZA 2018, 282 (282) unter Verweis auf den Titel der Richtlinie und ErwGr 3; Becker/Wagner, PersF 5/2019, 72 (74); Schleusener, in: Schleusener/Suckow/Plum, AGG, 5. Aufl. 2019, § 1 Rn. 52; von einer Erfassung von Intersexualität seitens des EuGH ausgehend Mohr, in: M. Franzen/Gallner/Oetker (Hrsg.), Kommentar zum europäischen Arbeitsrecht, 3. Aufl. 2020, Art. 1 RL 2006/54/EG Rn. 15, der allerdings nur auf Urteile des EuGH zu Transsexualität verweist; ebenfalls von der Erfassung Intersexueller durch das Merkmal Geschlecht i.S.d. RL 2006/54/EG ausgehend v. Roetteken, AGG, § 1 Rn. 404 (Stand: Juni 2018), der aber andererseits auf die binärgeschlechtliche Ausrichtung von Art. 1 RL 2006/54/EG verweist, s. v. Roetteken, GiP 3/2019, 23 (23).

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3. Teil: Rechtlicher Rahmen für die Verwendung geschlechtergerechter Sprache

weniger günstige Behandlung erfährt, als eine andere Person in einer vergleichbaren Situation erfährt, erfahren hat oder erfahren würde“ (lit. a); eine mittelbare Diskriminierung ist „eine Situation, in der dem Anschein nach neutrale Vorschriften, Kriterien oder Verfahren Personen des einen Geschlechts in besonderer Weise gegenüber Personen des anderen Geschlechts benachteiligen können, es sei denn, die betreffenden Vorschriften, Kriterien oder Verfahren sind durch ein rechtmäßiges Ziel sachlich gerechtfertigt und die Mittel sind zur Erreichung dieses Ziels angemessen und erforderlich“ (lit. b). Gem. Art. 14 Abs. 2 der Richtlinie können die Mitgliedstaaten im Hinblick auf den Zugang zur Beschäftigung einschließlich der zu diesem Zweck erfolgenden Berufsbildung jedoch vorsehen, dass eine Ungleichbehandlung wegen eines geschlechtsbezogenen Merkmals keine Diskriminierung darstellt, wenn das betreffende Merkmal aufgrund der Art einer bestimmten beruflichen Tätigkeit oder der Bedingungen ihrer Ausübung eine wesentliche und entscheidende berufliche Anforderung darstellt, sofern es sich um einen rechtmäßigen Zweck und eine angemessene Anforderung handelt.560 Nach nicht unumstrittener Auffassung legitimiert und fordert Art. 14 Abs. 1 RL 2006/54/EG sogar ein Gebot geschlechtsneutraler Stellenausschreibungen im öffentlichen wie auch im privaten Bereich.561 Dafür spricht die Nennung von Auswahlkriterien und Einstellungsbedingungen in Art. 14 Abs. 1 lit. a RL 2006/54/EG, welche typischerweise auch in Stellenausschreibungen enthalten sind.562 Auch der EuGH hat in einem Fall, in dem es um eine Bewerbung auf eine ausgeschriebene Stelle ging, ausgeführt, die RL 2006/54/EG gelte (auch) für eine Person, die eine

560 Beispiele bei Mohr, in: M. Franzen/Gallner/Oetker (Hrsg.), Kommentar zum europäischen Arbeitsrecht, 3. Aufl. 2020, Art. 14 RL 2006/54/EG Rn. 8. 561 In diese Richtung auch Buschmann, in: Däubler/Bertzbach (Hrsg.), AGG, 4. Aufl. 2018, § 11 Rn. 4; v. Roetteken, BGleiG, § 6 BGleiG 2015 Rn. 31 f. (Stand: Juni 2018); v. Roetteken, AGG, § 11 Rn. 10 ff. (Stand: Sept. 2019); vgl. zur früheren RL 2002/73/EG Falke, in: Rust/ Falke (Hrsg.), AGG, 2007, § 11 Rn. 4; A. Stein, in: Wendeling-Schröder/A. Stein, AGG, 2008, § 11 Rn. 1; Meinel/Heyn/Herms, AGG, 2. Aufl. 2010, § 11 Rn. 3; a. A. Mohr, in: Adomeit/ Mohr, AGG, 2. Aufl. 2011, § 11 Rn. 3; Suckow, in: Schleusener/Suckow/Plum, AGG, 5. Aufl. 2019, § 11 Rn. 2; Roloff, in: Rolfs/Giesen/Kreikebohm/Udsching (Hrsg.), BeckOK Arbeitsrecht, Stand: März 2020, § 11 AGG Einl.; unklar Belling/Riesenhuber, in: Erman, BGB, Bd. I, 15. Aufl. 2017, § 11 AGG Rn. 1: „von den europäischen RL nicht explizit gefordert“; zu der (streitigen und vom EuGH verneinten) Frage, ob aus der RL 76/207/EWG eine Verpflichtung bestand, Rechtsvorschriften mit allgemeiner Geltung für die Ausschreibung von Arbeitsplätzen einzuführen, EuGH, Rs. 248/83 vom 21. 5. 1985, Slg. 1985, 1459, Rn. 41 ff. – Kommission/ Deutschland; BT-Drs. 10/14, S. 20 f.; M. Schmidt, in: Schiek (Hrsg.), AGG, 2007, § 11 Rn. 1; v. Roetteken, BGleiG, § 6 BGleiG 2015 Rn. 31 (Stand: Juni 2018). 562 Vgl. v. Roetteken, AGG, § 11 Rn. 10 ff. (Stand: Sept. 2019); zur RL 2002/73/EG vgl. Meinel/Heyn/Herms, AGG, 2. Aufl. 2010, § 11 Rn. 3; nach Ansicht von Mohr, in: Adomeit/ Mohr, AGG, 2. Aufl. 2011, § 11 Rn. 3 ist die Ausschreibung hingegen unionsrechtlich von diesen Zugangsbedingungen zu unterscheiden; wie dieser zum AGG Voggenreiter, in: Rudolf/ Mahlmann (Hrsg.), Gleichbehandlungsrecht, 2007, § 8 Rn. 87 ff.

A. Unions- und völkerrechtliche Maßgaben für geschlechtergerechte Sprache

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Beschäftigung sucht, und zwar auch in Bezug auf die Auswahlkriterien und Einstellungsbedingungen für diese Beschäftigung.563 Im Hinblick auf die geschlechtergerechte Abfassung von Normen erscheint, wenn überhaupt, eher Art. 29 als Art. 14 Abs. 1 der Richtlinie einschlägig.564 Art. 29 RL 2006/54/EG lautet: „Die Mitgliedstaaten berücksichtigen aktiv das Ziel der Gleichstellung von Männern und Frauen bei der Formulierung und Durchführung von Rechts- und Verwaltungsvorschriften, Politiken und Tätigkeiten in den in dieser Richtlinie genannten Bereichen.“

Die Regelung des Art. 29 RL 2006/54/EG fand sich ähnlich bereits in der „Vorgängerrichtlinie“ 76/207/EWG565, in Art. 1 Abs. 1a. Sie wurde mit Wirkung vom 5. Oktober 2002 eingefügt durch die RL 2002/73/EG.566 Art. 29 RL 2006/54/EG wird als eine weitere Verankerung des Gender Mainstreaming-Ansatzes im Unionsrecht angesehen, beschränkt auf den Anwendungsbereich der Richtlinie.567 Die „aktive Berücksichtigung der Gleichstellung von Männern und Frauen bei der Formulierung von Rechts- und Verwaltungsvorschriften“ könnte nach dem Wortlaut auch die Verwendung einer geschlechtergerechten Sprache beim Abfassen von Normen umfassen. Dafür spricht, dass geschlechtergerechte Sprache teilweise auch als „Prinzip des ,sprachlichen Gender Mainstreamings‘“ eingeordnet wird.568 Art. 29 RL 2006/54/EG nennt sogar, anders als Art. 8 AEUV, ausdrücklich die „Formulierung von Rechts- und Verwaltungsvorschriften“. Dennoch wird auch diese Norm offenbar nicht so verstanden, dass sie eine geschlechtergerechte Rechtssprache in den Mitgliedstaaten vorschreibe.569 Insbesondere sieht die EU-Kommission hier 563

EuGH, Rs. C-423/15 vom 28. 7. 2016, Slg., Rn. 34 – Kratzer; s. auch EuGH, Rs. C-415/ 10 vom 19. 4. 2012, Slg., Rn. 33 – Meister. 564 Guentherodt, Linguistische Berichte 69 (1980), 22 (22, 35) entnahm hingegen bereits der früheren RL 76/207/EWG ein Gebot sprachlicher Gleichbehandlung in der Gesetzessprache; in diese Richtung auch Guentherodt, Muttersprache 94 (1983/84), 271 (274); Bußmann, in: Bußmann/Hof (Hrsg.), GENUS, 2005, S. 482 (506); von einem engen Verständnis der RL 76/ 207/EWG ging demgegenüber Flanz, in: FS Ermacora, 1988, S. 439 (440 f., 452 f.) aus. 565 ABl. L 39 vom 14. 12. 1976, S. 40; zuletzt geändert (aufgehoben) durch RL 2006/54/EG vom 5. 7. 2006, ABl. L 204 vom 26. 7. 2006, S. 23. 566 ABl. L 269 vom 5. 10. 2002, S. 15; aufgehoben durch RL 2006/54/EG vom 5. 7. 2006, ABl. L 204 vom 26. 7. 2006, S. 23. 567 BR-Drs. 366/04, S. 33; Kocher, in: Schlachter/Heinig (Hrsg.), Europäisches Arbeitsund Sozialrecht (EnzEuR Bd. 7), 2016, § 5 Rn. 54; v. Roetteken, AGG, § 1 Rn. 244 ff. (Stand: Juni 2018); vgl. zur Vorgängerregelung in Art. 1 Abs. 1a RL 76/207/EWG Rust, NZA 2003, 72 (75); Pirstner-Ebner, EuZW 2004, 205 (206). 568 S. die Nachweise in Fn. 540. 569 Vgl. Dauses, EuZW 2014, 801 (801), der die sprachliche Geschlechtergleichbehandlung zwar als Bestandteil des Gender Mainstreaming ansieht, aber meint, dieses reiche damit „ratione materiae sogar weiter als der Schutz des Unionsrechts“; ganz ähnlich Dauses, in: FS Müller-Graff, 2015, S. 217 (219), der zudem ausführt, das Unionsrecht „kenn[e] … keine spezifische Vorschrift zur sprachlich-formalen, d. h. grammatischen und lexikalischen Gleichstellung von Männern und Frauen“ (218); gleichsinnig Hüpers/Reese, in: Meyer/Höl-

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3. Teil: Rechtlicher Rahmen für die Verwendung geschlechtergerechter Sprache

nach ihrer Stellungnahme aus dem Jahr 2007 „keinerlei Zuständigkeit in der Frage …, wie der nationale Sprachgebrauch ausgerichtet werden sollte“.570 2. RL 2004/113/EG zur Verwirklichung des Grundsatzes der Gleichbehandlung von Männern und Frauen beim Zugang zu und bei der Versorgung mit Gütern und Dienstleistungen Die Richtlinie 2004/113/EG571 betrifft den Zugang zu und die Versorgung mit Gütern und Dienstleistungen. Sie ist der erste gegen eine Diskriminierung aufgrund des Geschlechts gerichtete Rechtsakt der EU, der über die Gleichbehandlung am Arbeitsmarkt hinausgeht.572 Die EU hat die Richtlinie auf Art. 13 Abs. 1 EGV (jetzt: Art. 19 AEUV) gestützt, was indes problematisch ist.573 Nach dem Grundsatz der Gleichbehandlung von Männern und Frauen i. S. v. Art. 4 Abs. 1 der Richtlinie darf weder eine unmittelbare noch eine mittelbare Diskriminierung aufgrund des Geschlechts erfolgen. Diese Begriffe sind in Art. 2 der Richtlinie definiert; danach liegt eine unmittelbare Diskriminierung vor, wenn eine Person aufgrund ihres Geschlechts in einer vergleichbaren Situation eine weniger günstige Behandlung erfährt, als eine andere Person erfährt, erfahren hat oder erfahren würde (lit. a); eine mittelbare Diskriminierung liegt vor, wenn dem Anschein nach neutrale Vorschriften, Kriterien oder Verfahren Personen, die einem Geschlecht angehören, in besonderer Weise gegenüber Personen des anderen Geschlechts benachteiligen können, es sei denn, die betreffenden Vorschriften, Kriterien oder Verfahren sind durch ein rechtmäßiges Ziel sachlich gerechtfertigt und die Mittel sind zur Erreichung dieses Ziels angemessen und erforderlich (lit. b). Gemäß Art. 13 der Richtlinie treffen die Mitgliedstaaten die erforderlichen Maßnahmen, um sicherzustellen, dass der Grundsatz der Gleichbehandlung in Bezug auf den Zugang zu und die Versorgung mit Gütern und Dienstleistungen im Rahmen des Geltungsbescheidt (Hrsg.), Charta der Grundrechte der Europäischen Union, 5. Aufl. 2019, Vor Titel IV Rn. 48 f.; vgl. auch Schadendorf, ZaöRV 2014, 245 (259), der zufolge weder „die EU-Vertra¨ ge ¨ berwindung von Geschlechterstenoch das Sekunda¨ rrecht … eine geschriebene Pflicht zur U reotypen [kennen]“; Kersten-Pejanic´, in: Bazhutkina/Sonnenhauser (Hrsg.), Linguistische Beiträge zur Slavistik, 2016, S. 71. 570 Antwort der Kommission vom 21. 6. 2007 auf eine Parlamentarische Anfrage vom 24. 4. 2007, E-2188/07, s. Europäisches Parlament, P6_RE(2007)2188; dazu näher unter Dritter Teil, A. IV. 5. 571 ABl. L 373 vom 21. 12. 2004, S. 37. 572 Grabenwarter, in: Grabitz/Hilf/Nettesheim, Das Recht der Europäischen Union, Art. 19 AEUV Rn. 68 (Stand: Sept. 2014); s. auch Liebscher, in: Foljanty/Lembke (Hrsg.), Feministische Rechtswissenschaft, 2. Aufl. 2012, § 5 Rn. 11; Westendorp/Waltermann, in: Westendorp (Hrsg.), The Women’s Convention turned 30, 2012, S. 33 (51 ff.); U. Klein, Geschlechterverhältnisse, Geschlechterpolitik und Gleichstellungspolitik in der Europäischen Union, 2. Aufl. 2013, S. 95; s. dazu auch § 19 AGG, dazu unter Dritter Teil, D. I. 3. b). 573 Dazu eingehend Zoppel, Europäische Diskriminierungsverbote und Privatrecht, 2015, S. 54 ff., insb. S. 61; zu Art. 19 AEUV s. unter Dritter Teil, A. II. 2. c).

A. Unions- und völkerrechtliche Maßgaben für geschlechtergerechte Sprache

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reichs der Richtlinie beachtet wird; dazu sind insbesondere Rechts- und Verwaltungsvorschriften, die dem Grundsatz der Gleichbehandlung zuwiderlaufen, aufzuheben (lit. a). Gegen eine Subsumtion nicht geschlechtergerechter Normtexte unter diese Vorschriften spricht die Stellungnahme der EU-Kommission aus 2007.574 3. RL 79/7/EWG zur schrittweisen Verwirklichung des Grundsatzes der Gleichbehandlung von Männern und Frauen im Bereich der sozialen Sicherheit Die bislang unveränderte RL 79/7/EWG575 bezieht sich speziell auf den Bereich der sozialen Sicherheit.576 Gem. Art. 5 treffen die Mitgliedstaaten die notwendigen Maßnahmen, um sicherzustellen, dass die mit dem Grundsatz der Gleichbehandlung unvereinbaren Rechts- und Verwaltungsvorschriften beseitigt werden. Gemäß Art. 4 Abs. 1 beinhaltet der Grundsatz der Gleichbehandlung den Fortfall jeglicher unmittelbaren oder mittelbaren Diskriminierung aufgrund des Geschlechts. Es stellt sich daher die Frage, ob eine nicht geschlechtergerechte Vorschriftensprache in dem Anwendungsbereich der Richtlinie eine unmittelbare oder mittelbare Diskriminierung aufgrund des Geschlechts i. S. d. Richtlinie darstellt. Dagegen spricht zum einen, dass die deutsche Fassung der Richtlinie selbst generische Maskulina beinhaltet (z. B. „Arbeitnehmer“ in Art. 2; „jeder“ in Art. 6), zum anderen die Stellungnahme der EU-Kommission aus 2007577. 4. RL 2010/41/EU zur Gleichbehandlung von Männern und Frauen, die eine selbständige Erwerbstätigkeit ausüben Die Richtlinie 2010/41/EU578 ergänzt für Selbstständige die Richtlinien 2006/54/ EG und 79/7/EWG.579 Art. 4 Abs. 1 bestimmt, dass gemäß dem Grundsatz der Gleichbehandlung jegliche unmittelbare oder mittelbare Diskriminierung aufgrund des Geschlechts im öffentlichen oder privaten Sektor, etwa in Verbindung mit der Gründung, Einrichtung 574 Antwort der Kommission vom 21. 6. 2007 auf eine Parlamentarische Anfrage vom 24. 4. 2007, E-2188/07, s. Europäisches Parlament, P6_RE(2007)2188; dazu näher unter Dritter Teil, A. IV. 5. 575 ABl. L 6 vom 10. 1. 1979, S. 24. 576 Näher dazu Bieback/Kahil-Wolff, in: M. Fuchs (Hrsg.), Europäisches Sozialrecht, 7. Aufl. 2018, Teil 5. 577 S. dazu unter Dritter Teil, A. IV. 5. 578 ABl. L 180 vom 15. 7. 2010, S. 1. 579 S. ErwGr 7 RL 2010/41/EU.

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3. Teil: Rechtlicher Rahmen für die Verwendung geschlechtergerechter Sprache

oder Erweiterung eines Unternehmens bzw. der Aufnahme oder mit der Ausweitung jeglicher anderen Art von selbständiger Tätigkeit zu unterbleiben hat. Der Begriff der unmittelbaren Diskriminierung ist in Art. 3 lit. a definiert als „eine Situation, in der eine Person aufgrund ihres Geschlechts eine weniger günstige Behandlung erfährt, als eine andere Person in einer vergleichbaren Situation erfährt, erfahren hat oder erfahren würde“; der Begriff der mittelbaren Diskriminierung in Art. 3 lit. b als „eine Situation, in der dem Anschein nach neutrale Vorschriften, Kriterien oder Verfahren Personen des einen Geschlechts in besonderer Weise gegenüber Personen des anderen Geschlechts benachteiligen können, es sei denn, die betreffenden Vorschriften, Kriterien oder Verfahren sind durch ein rechtmäßiges Ziel sachlich gerechtfertigt und die Mittel sind zur Erreichung dieses Ziels angemessen und erforderlich“. Insofern könnte auch eine nicht geschlechtergerechte Vorschriftensprache in dem von der Richtlinie erfassten Bereich unter eine der beiden Definitionen fallen. Dagegen spricht indes das Auslegungsargument der Einheit der Rechtsordnung, da in der deutschen Fassung der Richtlinie (und wohl erst recht in anderen Sprachen) selbst vereinzelt generische Maskulina verwendet werden (s. Art. 2: Ehepartner, Lebenspartner; anders Art. 8 Abs. 1: Ehepartnerinnen und Lebenspartnerinnen).580 Gem. Art. 12 RL 2010/41/EU berücksichtigen allerdings die Mitgliedstaaten aktiv das Ziel der Gleichstellung von Frauen und Männern, wenn sie Rechts- und Verwaltungsvorschriften sowie politische Maßnahmen und Tätigkeiten in den unter die Richtlinie fallenden Bereichen ausarbeiten und umsetzen. Die Vorschrift weicht sprachlich leicht von Art. 29 RL 2006/54/EG ab, dürfte aber inhaltlich genauso zu verstehen sein.581 Auch hier stellt sich die Frage, ob damit auch die geschlechtergerechte sprachliche Fassung von Normen gemeint ist. Die Richtlinie ist zwar erst nach der Stellungnahme der EU-Kommission aus 2007582 erlassen worden, allerdings sprechen die deutliche Parallele von Art. 12 RL 2010/41/EU zu Art. 29 RL 2006/54/ EG und das Fehlen entsprechender Ausführungen in den Erwägungsgründen der RL 2010/41/EU gegen eine andere Interpretation als bisher; d. h., auch Art. 12 RL 2010/ 41/EU wird wohl überwiegend nicht so interpretiert, dass er eine geschlechtergerechte Rechtssprache seitens der Mitgliedstaaten gebiete, auch wenn der deutsche Wortlaut der Richtlinienbestimmung dies unproblematisch deckte.

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Vgl. dazu die Ausführungen unter Dritter Teil, A. I. 2. Vgl. Mohr, in: M. Franzen/Gallner/Oetker (Hrsg.), Kommentar zum europäischen Arbeitsrecht, 3. Aufl. 2020, Art. 12 RL 2010/41/EU Rn. 1; zu Art. 29 RL 2006/54/EG s. unter Dritter Teil, A. III. 1. 582 S. dazu unter Dritter Teil, A. IV. 5. 581

A. Unions- und völkerrechtliche Maßgaben für geschlechtergerechte Sprache

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IV. Sonstige Positionierungen der EU zu geschlechtergerechter Sprache In der Literatur ist die Auffassung geäußert worden, die EU halte sich zwar „mit gesetzlichen Vorgaben auf Grund fehlender rechtlicher Kompetenzen zurück“, es könne „jedoch aus unterschiedlichen genderpolitischen Forderungen und aus internen Sprachleitfäden der EU-Institutionen auf ein Interesse an einer aktiven Vermeidung sexistischen Sprachgebrauchs insgesamt geschlossen werden“.583 Daher sollen nachfolgend auch einige sonstige Positionierungen der EU zu geschlechtergerechter Sprache beleuchtet werden. 1. Der Leitfaden „Geschlechterneutraler Sprachgebrauch im Europäischen Parlament“ 2009 wurde ein Leitfaden „Geschlechtergerechter Sprachgebrauch beim Europäischen Parlament“584 veröffentlicht, welcher auf 2008 beschlossenen Leitlinien beruht und sich als Richtschnur verstand, „damit ein geschlechtergerechter Sprachgebrauch in den Texten des Parlaments in möglichst großem Umfang zur Norm wird und nicht Ausnahme bleibt“.585 Wie schon aus dem Titel deutlich wird, handelt es sich um rein parlamentsinterne Maßgaben.586 Das Europäische Parlament, so heißt es in dem Leitfaden, trete ohne Einschränkungen für den Grundsatz der Gleichstellung von Frauen und Männern ein; dem solle auch die beim Parlament verwendete Sprache Rechnung tragen.587 In dem mehrsprachigen Umfeld des Europäischen Parlamentes lasse sich jedoch der Grundsatz der geschlechtergerechten Ausdrucksweise nicht in allen Sprachen auf gleiche Weise anwenden.588 Mitunter bestünden in den verschiedenen Sprachen gegenläufige Tendenzen, sodass eine durchgehende Vereinheitlichung des Sprachgebrauchs beim Europäischen Parla583 Kersten-Pejanic´, in: Bazhutkina/Sonnenhauser (Hrsg.), Linguistische Beiträge zur Slavistik, 2016, S. 66, 71. 584 Abrufbar unter http://www.europarl.europa.eu/RegData/publications/2009/0001/P6_ PUB(2009)0001_DE.pdf (abgerufen am 2. 6. 2020). 585 Europäisches Parlament, Geschlechtergerechter Sprachgebrauch beim Europäischen Parlament, 2009, S. 3. 586 Zur nicht gegebenen innerstaatlichen Bindung der Mitgliedstaaten s. auch Sczesny/ Formanowicz/Moser, Fontiers in Psychology 7 (2016), Art. 25, S. 5; dazu auch KerstenPejanic´, in: Bazhutkina/Sonnenhauser (Hrsg.), Linguistische Beiträge zur Slavistik, 2016, S. 71 f., die zudem klarstellt, dass es auch keinen an die Mitgliedstaaten gerichteten Leitfaden der EU zu geschlechtergerechter Sprache gibt. 587 Europäisches Parlament, Geschlechtergerechter Sprachgebrauch beim Europäischen Parlament, 2009, S. 3; vgl. Europäisches Parlament, Geschlechterneutraler Sprachgebrauch im Europäischen Parlament, 2018, S. 4. 588 Europäisches Parlament, Geschlechtergerechter Sprachgebrauch beim Europäischen Parlament, 2009, S. 3; vgl. Europäisches Parlament, Geschlechterneutraler Sprachgebrauch im Europäischen Parlament, 2018, S. 5 f., 9.

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3. Teil: Rechtlicher Rahmen für die Verwendung geschlechtergerechter Sprache

ment unmöglich sei.589 In jeder Amtssprache solle daher eine geeignete Terminologie für nicht-sexistischen Sprachgebrauch angestrebt werden, die sich mit dem vertrage, was in den jeweiligen Ländern üblich sei, und die dem einschlägigen einzelstaatlichen Recht, den in den Ländern aufgestellten Richtlinien oder sonstigen Regelungsquellen Rechnung trage.590 2018 veröffentlichte das Europäische Parlament unter dem Titel „Geschlechterneutraler Sprachgebrauch im Europäischen Parlament“ eine überarbeitete Jubiläumsfassung591 seines Leitfadens, welche gegenüber der Ursprungsfassung einige Änderungen und neue Akzente aufweist. So hieß es zum generischen Maskulinum in der Ursprungsfassung in dem für alle Sprachen geltenden Teil des Leitfadens zwar, dass dieses zunehmend als diskriminierend gegenüber dem weiblichen Geschlecht empfunden werde, „in schwierigen Fällen“ wurde seine gelegentliche Verwendung aber dennoch als akzeptabel erachtet.592 In der neuen Fassung heißt es demgegenüber im allgemeinen Teil, das generische Maskulinum sei „in keinem Bereich mehr unumgänglich“ und es solle „in Rechtsakten so weit wie möglich vermieden werden“.593 Unterschiede in den einzelnen Sprachen werden nun in Form von drei Gruppen dargestellt und als Konsequenz gefordert, „je nach Kommunikationskontext und unter Berücksichtigung der Faktoren Sprache und Kultur … geeignete Lösungen“ zu finden.594 Die spezifischen Leitlinien für das Verfassen deutscher Texte wurden nur marginal überarbeitet; hier fällt insbesondere auf, dass generische Maskulina im Plural von Seiten des Europäischen Parlaments als weniger problematisch beurteilt werden als solche im Singular, und dass die Verwendung von Paarformen (jeglicher Art) danach grundsätzlich vermieden werden soll.595

589 Europäisches Parlament, Geschlechtergerechter Sprachgebrauch beim Europäischen Parlament, 2009, S. 6, 8. 590 Europäisches Parlament, Geschlechtergerechter Sprachgebrauch beim Europäischen Parlament, 2009, S. 8. 591 Europäisches Parlament, Geschlechterneutraler Sprachgebrauch im Europäischen Parlament, 2018, abrufbar unter http://www.europarl.europa.eu/cmsdata/187092/GNL_Guide lines_DE-original.pdf (abgerufen am 2. 6. 2020); s. auch die englische Fassung: Gender-neutral language in the European Parliament, abrufbar unter http://www.europarl.europa.eu/cmsdata/1 51780/GNL_Guidelines_EN.pdf (abgerufen am 2. 6. 2020). 592 Europäisches Parlament, Geschlechtergerechter Sprachgebrauch beim Europäischen Parlament, 2009, S. 4 f.; kritisch zu dem Leitfaden Kersten-Pejanic´, in: Bazhutkina/Sonnenhauser (Hrsg.), Linguistische Beiträge zur Slavistik, 2016, S. 73. 593 Europäisches Parlament, Geschlechterneutraler Sprachgebrauch im Europäischen Parlament, 2018, S. 6. 594 Europäisches Parlament, Geschlechterneutraler Sprachgebrauch im Europäischen Parlament, 2018, S. 5 f., 9. 595 Europäisches Parlament, Geschlechterneutraler Sprachgebrauch im Europäischen Parlament, 2018, S. 10 ff.; vgl. zuvor Europäisches Parlament, Geschlechtergerechter Sprachgebrauch beim Europäischen Parlament, 2009, S. 9, 11.

A. Unions- und völkerrechtliche Maßgaben für geschlechtergerechte Sprache

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Insgesamt sind die Vorgaben des Leitfadens als zurückhaltend zu bewerten.596 Auch wenn das Europäische Parlament im Vergleich zu zahlreichen Maßgaben auf der bundesdeutschen Ebene erst relativ spät einen Leitfaden publiziert hat597, ist es unter den Organen der Europäischen Union in Sachen geschlechtergerechter Sprache als „Vorreiter“ anzusehen.598 Allerdings scheinen die Meinungen hierzu auch innerhalb des Parlaments geteilt zu sein.599 2. Der Leitfaden „Inklusive Kommunikation im Generalsekretariat des Rates“ Das Generalsekretariat des Rates der Europäischen Union hat 2018 den Leitfaden „Inklusive Kommunikation im Generalsekretariat des Rates“600 veröffentlicht, der auch auf die Verwendung einer geschlechtergerechten Sprache abzielt. Er betrifft den internen Schriftverkehr ebenso wie den alltäglichen Sprachgebrauch im Generalsekretariat, ferner Stellenausschreibungen und Veröffentlichungen des Generalsekretariates, wohingegen Rechtstexte ausdrücklich ausgeschlossen sind.601 Für die Mitgliedstaaten gilt der Leitfaden nicht. Erwähnenswert ist die Ablehnung von Binnen-I, Gender-Star, Gender-Gap und Klammerlösung in dem Leitfaden.602

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Vgl. zur Ursprungsfassung Kersten-Pejanic´, in: Bazhutkina/Sonnenhauser (Hrsg.), Linguistische Beiträge zur Slavistik, 2016, S. 73: „wenig weitreichend und fast schon kontraproduktiv“. 597 Burr-Haase, in: Stern/Sachs (Hrsg.), GRCh, 2016, B. I. Rn. 66. 598 Vgl. Kersten-Pejanic´, in: Bazhutkina/Sonnenhauser (Hrsg.), Linguistische Beiträge zur Slavistik, 2016, S. 72; Proia, in: Cavagnoli/Mori (Hrsg.), Gender in legislative languages, 2019, ¨ bereinkommen des S. 213 (223); s. dazu auch Europäisches Parlament, Beitritt der EU zum U Europarates zur Verhu¨ tung und Beka¨ mpfung von Gewalt gegen Frauen und ha¨ uslicher Gewalt. Entschließung des Europa¨ ischen Parlaments vom 12. September 2017 zu dem Vorschlag fu¨ r ¨ bereinkommens des Europarats zur Vereinen Beschluss des Rates u¨ ber den Abschluss des U hu¨ tung und Beka¨ mpfung von Gewalt gegen Frauen und ha¨ uslicher Gewalt durch die Europa¨ ische Union (COM[2016]0109 – 2016/0062[NLE]), P8_TA(2017)0329, Ziff. 9 lit. m, wonach das Europäische Parlament den Rat, die Kommission und die Mitgliedstaaten ersucht, gegen Sexismus und stereotype Geschlechterrollen auch durch die Förderung einer geschlechtsneutralen Sprache vorzugehen, wobei gemeinsame Anstrengungen zu unternehmen seien. 599 So konnte sich ein in einem Entwurf des Ausschusses für die Rechte der Frau und die Gleichstellung der Geschlechter für eine Entschließung des Europäischen Parlaments enthaltener Punkt, in welchem die Wichtigkeit geschlechtsneutraler Sprache des Parlaments betont werden sollte (Ziff. 21), nicht durchsetzen, s. Europäisches Parlament, A8 – 0034/2016; P8_TA(2016)0072. 600 Abrufbar unter https://www.consilium.europa.eu/media/35444/de_brochure-inclusivecommunication-in-the-gsc.pdf (abgerufen am 2. 6. 2020). 601 Rat der Europäischen Union, Generalsekretariat, Inklusive Kommunikation im Generalsekretariat des Rates, 2018, S. 5. 602 Rat der Europäischen Union, Generalsekretariat, Inklusive Kommunikation im Generalsekretariat des Rates, 2018, S. 7 Fn. 2; zu den genannten Formen s. unter Erster Teil, C.

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3. Teil: Rechtlicher Rahmen für die Verwendung geschlechtergerechter Sprache

3. „Gemeinsamer Leitfaden des Europa¨ ischen Parlaments, des Rates und der Kommission fu¨ r Personen, die an der Abfassung von Rechtstexten der Europäischen Union mitwirken“ Der „Gemeinsame Leitfaden des Europäischen Parlaments, des Rates und der Kommission fu¨ r Personen, die an der Abfassung von Rechtstexten der Europäischen Union mitwirken“ in seiner aktuellen Auflage aus dem Jahr 2015603 beinhaltet zwar zahlreiche Vorgaben für die Formulierung von Rechtsnormen, jedoch keine zu geschlechtergerechter Sprache. 4. Entschließung des Europäischen Parlaments zu der Informations- und Kommunikationsstrategie der Europäischen Union vom 10. April 2003 Das Europäische Parlament hat in einer Entschließung aus dem Jahr 2003 zur Informations- und Kommunikationsstrategie der Europäischen Union die Einbeziehung einer „geschlechtsneutralen nicht-diskriminierenden Sprache“ in die Informations- und Kommunikationskampagnen gefordert, „die die Präsenz, die Situation und die Rolle der Frau in der Gesellschaft genauso wie die der Männer berücksichtigt, wie dies auch für die Rechtstexte und die Sprache der öffentlichen Verwaltung gefordert [werde]“.604 Unklar ist dabei, ob hier (nur) die Rechtstexte und Verwaltung der Union oder (auch) der Mitgliedstaaten gemeint sind. Die Forderung des Europäischen Parlaments hat sich aber bei den anderen EU-Organen insbesondere für Rechtstexte nicht in Form von verbindlichen Vorgaben oder auch nur eindeutigen Empfehlungen durchsetzen können605 ; die Kommission hat 2009 bezüglich ihrer eigenen Veröffentlichungen noch auf den „gesunden Menschenverstand und [die] Sensibilität der einzelnen Dienststelle“ verwiesen.606

603

Europäische Union, Gemeinsamer Leitfaden des Europa¨ ischen Parlaments, des Rates und der Kommission fu¨ r Personen, die an der Abfassung von Rechtstexten der Europäischen Union mitwirken, 2. Aufl. 2015, abrufbar unter https://publications.europa.eu/en/publication-de tail/-/publication/3879747d-7a3c-411b-a3a0-55c14e2ba732/language-de (abgerufen am 2. 6. 2020). 604 Europäisches Parlament, Entschließung des Europa¨ ischen Parlaments zu der Informations- und Kommunikationsstrategie der Europa¨ ischen Union (2002/2205(INI)), P5_TA(2003)0187 vom 10. 4. 2003, Ziff. 55, ABl. C 64 E vom 12. 3. 2004, S. 591 ff.; s. auch Europäisches Parlament, Plenarsitzungsdokument A5 – 0053/2003 endgültig vom 21. 2. 2003. 605 Zum Ausschluss von Rechtstexten im Leitfaden des Generalsekretariats des Rates der Europäischen Union s. unter Dritter Teil, A. IV. 2.; dazu, dass auch der „Gemeinsame Leitfaden des Europa¨ ischen Parlaments, des Rates und der Kommission fu¨ r Personen, die an der Abfassung von Rechtstexten der Europäischen Union mitwirken“ keine Vorgaben zu geschlechtergerechter Sprache beinhaltet, s. unter Dritter Teil, A. IV. 3. 606 Antwort der Kommission vom 18. 6. 2009 auf die Anfrage E-2611/09, s. Europäisches Parlament, P6_RE(2009)2611.

A. Unions- und völkerrechtliche Maßgaben für geschlechtergerechte Sprache

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5. Antworten der Kommission auf Parlamentarische Anfragen (E-2188/07, E-2611/09, E-013710/13, E-000248/19) Die Europäische Kommission hat sich auf einzelne Parlamentarische Anfragen hin zum Thema geschlechtergerechte Sprache positioniert. So heißt es in der Antwort vom Juni 2007 auf eine Anfrage vom April 2007607, ob die Kommission Leitlinien für alle Amtssprachen erstellen lassen werde, welche eine geschlechtergerechte Sprache in allen Rechtstexten und Amtsdokumenten der Europäischen Union zum Ziel haben: Die Kommission beabsichtige nicht, „Initiativen zu ergreifen, die die … angesprochenen terminologischen Gegebenheiten verändern könnten“. Sie habe keine Zuständigkeit in der Frage der Ausrichtung des nationalen Sprachgebrauchs, ihre Rolle beschränke sich vielmehr auf die Förderung der Sprachen und auf die Achtung des Grundsatzes der Sprachengleichheit. Dennoch werde die Kommission „im Rahmen ihrer Zuständigkeiten alle ihr zur Verfügung stehenden Instrumente nutzen, um den Grundsatz der Gleichstellung der Geschlechter zu fördern“.608 Eine spätere Anfrage aus dem Jahr 2009 bezog sich darauf, ob die Kommission Bestimmungen über die Verwendung einer geschlechtsneutralen Sprache in ihren Dokumenten sowie in ihrer Kommunikations- und Informationspolitik verabschiedet habe.609 In der Antwort auf diese Anfrage heißt es, die Kommission teile die Auffassung, dass in EU-Veröffentlichungen eine geschlechtsneutrale Sprache wünschenswert sei, und sie unterstütze diesbezügliche Anstrengungen des Europäischen Parlamentes. Allerdings sei zu berücksichtigen, dass nicht in allen EU-Sprachen in gleichem Maße eine sprachlich befriedigende geschlechtsneutrale Fassung existiere. Deshalb habe sie ihren Dienststellen keine zwingenden internen Vorgaben oder Leitlinien für den Gebrauch geschlechtsneutraler Formen in den von ihnen veröffentlichten Dokumenten oder für ihre Kommunikationspolitik vorgegeben.610 2013 ging eine Parlamentarische Anfrage dahin, ob nach Ansicht der Kommission die Gleichstellung der Geschlechter durch geschlechtergerechte Sprache zum Ausdruck gebracht werden sollte und ob die Kommission in Erwägung ziehe, eine Änderung der deutschen Fassung einer Verordnung vorzuschlagen in der Form, dass dort der Begriff „EU-Bürger“ durch „EU-BürgerInnen“ ersetzt werde.611 Die Kommission antwortete: Sie stimme zu, dass die geschlechtergerechte Sprache wichtig sei. Was die in der Anfrage angesprochene Verordnung aus dem Jahr 2006 607

Schriftliche Anfrage von Lissy Gröner (PSE) vom 24. 4. 2007, E-2188/07, ABl. C 45 vom 16. 2. 2008, S. 83; Europäisches Parlament, P6_QE(2007)2188. 608 Antwort der Kommission auf die Anfrage E-2188/07, s. Europäisches Parlament, P6_RE(2007)2188. 609 Schriftliche Anfrage von Hiltrud Breyer (Verts/ALE) vom 8. 4. 2009, E-2611/09, ABl. C 189 vom 13. 7. 2010, S. 292; Europäisches Parlament, P6_QE(2009)2611. 610 Antwort der Kommission vom 18. 6. 2009 auf die Anfrage E-2611/09, s. Europäisches Parlament, P6_RE(2009)2611. 611 Anfrage von Evelyn Regner (S&D) vom 3. 12. 2013, E-013710/13, ABl. C 263 vom 12. 8. 2014, S. 135.

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3. Teil: Rechtlicher Rahmen für die Verwendung geschlechtergerechter Sprache

betreffe, könne die Korrektur einer Sprachversion nur von den beiden Legislativorganen durchgeführt werden.612 2019 hat sich die Kommission noch eindeutiger positiv zu geschlechtergerechter Sprache geäußert, allerdings wiederum auf Unterschiede in den verschiedenen Sprachen der EU verwiesen. Sie hat erklärt, auf diesen Aspekt in ihren Dokumenten weiterhin achten zu wollen.613

V. Europarat: Maßgaben für geschlechtergerechte Sprache? Deutschland ist 1950 dem 1949 gegründeten Europarat zunächst als assoziiertes Mitglied beigetreten und besitzt seit 1951 auch den vollen Mitgliedsstatus. Im Rahmen des Europarates ist 1950 insbesondere die Europäische Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten614 abgeschlossen worden, zu der es seitdem mehrere Zusatzprotokolle gegeben hat, die jedoch nicht von allen Konventionsstaaten ratifiziert wurden.615 Die Europäische Menschenrechtskonvention (EMRK) gilt als völkerrechtlicher Vertrag in der Bundesrepublik Deutschland zwar nur im Rang eines einfachen Bundesgesetzes (vgl. Art. 59 Abs. 2 Satz 1 GG).616 Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts sind jedoch aufgrund der Völkerrechtsfreundlichkeit des Grundgesetzes die EMRK sowie die auf ihrer Grundlage ergangene Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) darüber hinaus als Auslegungshilfe für das nationale Recht, insbesondere für die Bestimmung des

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Antwort der Kommission vom 18. 2. 2014 auf die Anfrage E-013710/13, ABl. C 263 vom 12. 8. 2014, S. 135. 613 Antwort der Kommission vom 17. 4. 2019 auf die schriftliche Anfrage von Mara Bizzotto (ENF) vom 18. 1. 2019, E-000248/19, s. Europäisches Parlament, P8_RE(2019)000248 („… the Commission …strives for the strict application of the principles of equality between men and women and of non-discrimination, including as regards the use of language“) unter Verweis auf Empfehlungen insb. im Interinstitutional style guide. 614 BGBl. 1952 II S. 685, ber. S. 953; Neubekanntmachung BGBl. 2010 II S. 1198; zuletzt geändert durch das 15. EMRK-Protokoll vom 24. 6. 2013, BGBl. II S. 1034; die EMRK ist für die BRD am 3. 9. 1953 in Kraft getreten, s. Bekanntmachung vom 15. 12. 1953, BGBl. 1954 II S. 14. 615 Dazu Grabenwarter/Pabel, Europäische Menschenrechtskonvention, 6. Aufl. 2016, § 2 Rn. 4. Nicht näher beleuchtet werden soll hier die Europäische Sozialcharta, da die BRD nur die ursprüngliche Fassung von 1961 ratifiziert hat (s. BGBl. 1964 II S. 1261 ff., zum Inkrafttreten BGBl. 1965 II S. 1122), nicht jedoch die revidierte Fassung von 1996, und der geschlechtliche Diskriminierungsschutz erst in der revidierten Fassung deutlich ausgebaut wurde. 616 BVerfGE 74, 358 (370); 111, 307 (317); 128, 326 (367) – std. Rspr.; aus der Literatur s. nur Porsche, Bedeutung, Auslegung und Realisierung des Konzepts der positiven Maßnahmen, 2016, S. 235; zur Geltung der lex posterior-Regel für völkerrechtliche Verträge im Rang eines einfachen Bundesgesetzes jüngst BVerfGE 141, 1 (21 Rn. 51 ff.).

A. Unions- und völkerrechtliche Maßgaben für geschlechtergerechte Sprache

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Inhalts und der Reichweite von Grundrechten, zu berücksichtigen, sofern dies nicht zu einer Einschränkung oder Minderung des Grundrechtsschutzes führt.617 Bedeutung hat die EMRK zudem für das Recht der Europäischen Union, welches seinerseits die Mitgliedstaaten der Union bindet.618 Zwar ist der in Art. 6 Abs. 2 EUV vorgesehene Beitritt der EU zur EMRK bislang nicht erfolgt. Gemäß Art. 6 Abs. 3 EUV sind aber die Grundrechte, wie sie in der EMRK gewährleistet sind und wie sie sich aus den gemeinsamen Verfassungsüberlieferungen der Mitgliedstaaten ergeben, als allgemeine Grundsätze Teil des Unionsrechts. Außerdem haben die in der Grundrechtecharta der Europäischen Union gewährleisteten Rechte, die den durch die EMRK gewährleisteten Rechten entsprechen, die gleiche Bedeutung und Tragweite wie in der EMRK (Art. 52 Abs. 3 Satz 1 GRC), wobei dies einem weiter gehenden Schutz durch das Recht der Union nicht entgegensteht (Art. 52 Abs. 3 Satz 2 GRC). Insofern wird ein grundrechtlicher Mindeststandard garantiert.619 1. Art. 14 EMRK: Akzessorisches Verbot der Diskriminierung wegen des Geschlechts Nach Art. 14 EMRK ist der Genuss der in der EMRK anerkannten Rechte und Freiheiten ohne Diskriminierung (u. a.) wegen des Geschlechts zu gewährleisten. Es handelt sich mithin um ein akzessorisches Diskriminierungsverbot.620 Einen allgemeinen Gleichheitssatz weist die EMRK in ihrer Stammfassung dagegen nicht auf.621 Damit das Diskriminierungsverbot des Art. 14 EMRK greifen kann, muss der Sachverhalt, um den es geht, zunächst in den Anwendungsbereich der Konvention oder der Protokolle dazu fallen, d. h. einem dort gewährleisteten Recht zugeordnet werden können.622 Aus der Beschränkung der in der EMRK genannten Rechte ergibt

617

BVerfGE 74, 358 (370); 111, 307 (315 ff.); 120, 180 (200 f.); 128, 326 (367 f.); 141, 1 (29 Rn. 71). 618 S. dazu einleitend unter Dritter Teil, A. 619 Brosius-Gersdorf, Demografischer Wandel und Familienförderung, 2011, S. 612. 620 EGMR (Große Kammer), Nr. 62649/10 vom 26. 4. 2016, BeckRS 2016, 18151, Rn. 155 – I˙zzettin Dog˘ an u. a./Türkei; aus der Literatur s. nur Huster/Kießling, in: Schlachter/ Heinig (Hrsg.), Europäisches Arbeits- und Sozialrecht (EnzEuR Bd. 7), 2016, § 6 Rn. 10; Meyer-Ladewig/Harrendorf/König, in: Meyer-Ladewig/Nettesheim/v. Raumer (Hrsg.), EMRK, 4. Aufl. 2017, Art. 1 Protokoll Nr. 12 Rn. 2. 621 Grabenwarter/Pabel, Europäische Menschenrechtskonvention, 6. Aufl. 2016, § 26 Rn. 1; vgl. Wittinger, EuGRZ 2001, 272 (278). 622 Meyer-Ladewig/Lehner, in: Meyer-Ladewig/Nettesheim/v. Raumer (Hrsg.), EMRK, 4. Aufl. 2017, Art. 14 EMRK Rn. 5; Mohr, in: M. Franzen/Gallner/Oetker (Hrsg.), Kommentar zum europäischen Arbeitsrecht, 3. Aufl. 2020, Art. 21 GRC Rn. 36; vgl. allg. zu akzessorischen Diskriminierungsverboten Lembke, in: Foljanty/Lembke (Hrsg.), Feministische Rechtswissenschaft, 2. Aufl. 2012, § 6 Rn. 2.

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3. Teil: Rechtlicher Rahmen für die Verwendung geschlechtergerechter Sprache

sich zugleich eine Beschränkung der Reichweite des Diskriminierungsverbotes aus Art. 14 EMRK.623 Entscheidend für die Frage, ob Art. 14 EMRK Maßgaben für geschlechtergerechte Sprache beinhaltet, ist aber letztlich die Auslegung des Diskriminierungsbegriffs dort. Eine Diskriminierung i. S. v. Art. 14 EMRK wird verstanden als unterschiedliche Behandlung von Personen in vergleichbarer Lage ohne sachliche und vernünftige Rechtfertigung.624 Fraglich ist, ob darunter auch die unterschiedliche sprachliche Behandlung der Geschlechter fällt. Nach einer Ansicht besteht eine Vermutung für die Anwendbarkeit des Art. 14 EMRK (bzw. des Diskriminierungsverbots des 12. Zusatzprotokolls625), wenn ein Sachverhalt eng mit schädlichen stereotypen Annahmen bezüglich bestimmter verletzlicher Gruppen zusammenhänge.626 Dies ist bei der sprachlichen Berücksichtigung der Geschlechter der Fall. Gegen diese Ansicht spricht jedoch, dass der Wortlaut des Art. 14 EMRK für eine Vermutungswirkung nichts hergibt. Dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) wird zwar ein zunehmend materielles Verständnis des Diskriminierungsverbots des Art. 14 EMRK attestiert.627 Insbesondere sieht der EGMR neben intendierten auch faktische Diskriminierungen als erfasst an.628 Dennoch wird das Gleichheitskonzept des Art. 14 EMRK als nicht wesentlich weiter reichend als das des EU-Rechts bewertet.629 Entscheidend gegen eine Einordnung nicht geschlechtergerechter Sprache als Verstoß gegen das Diskriminierungsverbot des Art. 14 EMRK spricht, dass es der Empfehlung R (90) 4 des Europarates630 zur Verwendung einer nicht-sexistischen Sprache kaum bedurft hätte, wenn sich aus Art. 14 EMRK die Verpflichtung zur Verwendung geschlechtergerechter Sprache ableiten ließe. Die 623 Lembke, in: Foljanty/Lembke (Hrsg.), Feministische Rechtswissenschaft, 2. Aufl. 2012, § 6 Rn. 16. 624 EGMR, Nr. 27996/06, 34836/06 vom 22. 12. 2009, Slg. 2009-VI, 273, Rn. 55 („treating differently, without an objective and reasonable justification, persons in similar situations“) – Sejdic´ und Finci/Bosnien und Herzegowina; Nr. 6268/08 vom 17. 2. 2011, Rn. 47 f. – Andrle/ Tschechische Republik; std. Rspr.; Poscher/Langer, in: Poscher/Rux/Langer, Das Recht auf Bildung, 2009, S. 68; Porsche, Bedeutung, Auslegung und Realisierung des Konzepts der positiven Maßnahmen, 2016, S. 224; Meyer-Ladewig/Lehner, in: Meyer-Ladewig/Nettesheim/ v. Raumer (Hrsg.), EMRK, 4. Aufl. 2017, Art. 14 EMRK Rn. 9. 625 S. dazu unter Dritter Teil, A. V. 2. 626 Timmer, Human Rights Law Review 11 (2011), 707 (722). 627 Schadendorf, ZaöRV 2014, 245 (273) m. w. N.; vgl. Timmer, Human Rights Law Review 11 (2011), 707 (710 ff.) m. Nachweisen aus der Rspr. des EGMR; Porsche, Bedeutung, Auslegung und Realisierung des Konzepts der positiven Maßnahmen, 2016, S. 230, die Art. 14 EMRK jedoch „in erster Linie der Durchsetzung formaler Rechtsgleichheit verpflichtet“ sieht (S. 234). 628 EGMR, Nr. 57325/00 vom 13. 11. 2007, Slg. 2009-IV, 241, Rn. 175 – D.H. u. a./ Tschechische Republik; dazu Poscher/Langer, in: Poscher/Rux/Langer, Das Recht auf Bildung, 2009, S. 69. 629 So Schadendorf, ZaöRV 2014, 245 (274); vgl. Schöpp-Schilling, ZESAR 2004, 234 (234 f.); zum Unionsrecht s. unter Dritter Teil, A. I. bis IV. 630 S. dazu unter Dritter Teil, A. V. 3.

A. Unions- und völkerrechtliche Maßgaben für geschlechtergerechte Sprache

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Empfehlung R (90) 4 verweist auch nicht explizit auf Art. 14 EMRK. Überdies ist zu berücksichtigen, dass der EGMR bei Ungleichbehandlungen wegen des Geschlechts zwar besonders streng ist und höhere Anforderungen an eine mögliche Rechtfertigung stellt631, aber ebenfalls danach schaut, ob es unter den einzelnen Konventionsstaaten eine einheitliche Auffassung gibt.632 Fehlt ein gemeinsamer Standard, spricht dies für einen weiten Beurteilungsspielraum eines Staates in Bezug auf die Beurteilung, ob eine unterschiedliche Behandlung gerechtfertigt ist.633 Auch unter den Konventionsstaaten lässt sich ein gemeinsamer Standard im Hinblick auf die Beurteilung und Behandlung der Thematik (nicht) geschlechtergerechte Sprache nicht feststellen.634 Insofern kann auf die Ausführungen zu den EU-Mitgliedstaaten verwiesen werden635, obgleich sich der Kreis der Konventionsstaaten zwar teilweise, aber nicht gänzlich mit dem der EU-Mitgliedstaaten deckt. 2. Das 12. Zusatzprotokoll zur EMRK Nach Art. 1 Abs. 1 des 12. Zusatzprotokolls zur EMRK vom 4. November 2000636 ist der Genuss eines jeden gesetzlich niedergelegten Rechtes ohne Diskriminierung insbesondere (u. a.) wegen des Geschlechts zu gewährleisten. Abs. 2 bestimmt, dass niemand von einer Behörde diskriminiert werden darf, insbesondere nicht aus einem der in Abs. 1 genannten Gründe. Die Regelungen des Art. 1 des 12. Zusatzprotokolls reichen mithin über Art. 14 EMRK hinaus, indem sie sich auch auf die Rechtsordnungen der Mitgliedstaaten beziehen.637 Nach den erläuternden Ausführungen des Europarates ist Art. 1 des 631

S. EGMR, Nr. 9214/80, 9473/81, 9474/81 vom 28. 5. 1985, NJW 1986, 3007 (Übersetzung), Rn. 78 („very weighty reasons“) – Abdulaziz, Cabales und Balkandali/Vereinigtes Königreich; Nr. 6268/08 vom 17. 2. 2011, Rn. 49 – Andrle/Tschechische Republik; aus der Lit. s. Wittinger, EuGRZ 2001, 272 (275, 279); Boysen, in: v. Münch/Kunig, GG, Bd. I, 6. Aufl. 2012, Art. 3 Rn. 160. 632 S. EGMR, Nr. 20458/92 vom 27. 3. 1998, Rn. 37 f. – Petrovic/Österreich; Wittinger, EuGRZ 2001, 272 (277); Grabenwarter/Pabel, Europäische Menschenrechtskonvention, 6. Aufl. 2016, § 26 Rn. 17 f.; für generell höhere Anforderungen bei Ungleichbehandlungen wegen des Geschlechts und kritisch zur Judikatur des EGMR Timmer, Human Rights Law Review 11 (2011), 707 (723, 736). 633 Timmer, Human Rights Law Review 11 (2011), 707 (723 Fn. 85); Grabenwarter/Pabel, Europäische Menschenrechtskonvention, 6. Aufl. 2016, § 26 Rn. 18. 634 Vgl. Council of Europe, The elimination of sexism from language. Recommendation No. R (90) 4 adopted by the Committee of Ministers of the Council of Europe on 21 February 1990 and explanatory memorandum, 1991, S. 9 f. 635 S. dazu unter Dritter Teil, A. I. 3. a) aa). 636 Europarat, SEV Nr. 177. 637 Council of Europe, Explanatory Report to the Protocol No. 12 to the Convention for the Protection of Human Rights and Fundamental Freedoms [im Folgenden: „Explanatory Report (12. ZP)“], Rn. 21 f.; abrufbar unter https://rm.coe.int/CoERMPublicCommonSearchServices/ DisplayDCTMContent?documentId=09000016800cce48 (abgerufen am 2. 6. 2020); Wittinger, EuGRZ 2001, 272 (278); Grabenwarter/Pabel, Europäische Menschenrechtskonvention,

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12. Zusatzprotokolls als eine Gesamtregelung zu betrachten, ohne dass eine genaue Abgrenzung des Regelungsgehaltes der beiden Absätze zueinander nötig sei.638 Deutschland hat das 12. Zusatzprotokoll zur EMRK allerdings bislang nicht ratifiziert. Im Übrigen gelten die Ausführungen zu Art. 14 EMRK entsprechend. Der Diskriminierungsbegriff in Art. 1 des 12. Zusatzprotokolls deckt sich mit dem in Art. 14 EMRK.639 3. Empfehlung R (90) 4 des Europarates (Ministerkomitee) vom 21. Februar 1990: Recommendation No. R (90) 4 on the Elimination of Sexism from Language Spezifischen Bezug auf das Thema geschlechtergerechte Sprache hin weist die Empfehlung R (90) 4 des Europarates (Ministerkomitee) vom 21. Februar 1990 (Recommendation No. R [90] 4 of the Committee of Ministers to Member States on the Elimination of Sexism from Language)640 auf.641 Dort heißt es insbesondere: „The Committee of Ministers … Recommends that the governments of member states promote the use of language reflecting the principle of equality of women and men, and take any measures they consider appropriate with a view to: 1. encouraging the use, as far as possible, of non-sexist language to take account of the presence, status and role of women in society, as current linguistic practice does for men; 2. bringing the terminology used in legal drafting, public administration and education into line with the principle of sex equality; 3. encouraging the use of non-sexist language in the media.“

Mit dieser Empfehlung werden die Mitgliedstaaten also aufgefordert, den Gebrauch einer den Grundsatz der Gleichstellung von Frau und Mann widerspiegelnden Sprache zu fördern642 und alle Maßnahmen zu ergreifen, die sie für zweckmäßig erachten um (1.) so weit wie möglich den Gebrauch einer Sprache zu fördern, die 6. Aufl. 2016, § 26 Rn. 40; Meyer-Ladewig/Harrendorf/König, in: Meyer-Ladewig/Nettesheim/v. Raumer (Hrsg.), EMRK, 4. Aufl. 2017, Art. 1 Protokoll Nr. 12 Rn. 2. 638 Council of Europe, Explanatory Report (12. ZP), Rn. 22 f. 639 Council of Europe, Explanatory Report (12. ZP), Rn. 18; EGMR, Nr. 27996/06, 34836/ 06 vom 22. 12. 2009, Slg. 2009-VI, 273, Rn. 55 f. – Sejdic´ und Finci/Bosnien und Herzegowina; Grabenwarter/Pabel, Europäische Menschenrechtskonvention, 6. Aufl. 2016, § 26 Rn. 41; Porsche, Bedeutung, Auslegung und Realisierung des Konzepts der positiven Maßnahmen, 2016, S. 224; Meyer-Ladewig/Harrendorf/König, in: Meyer-Ladewig/Nettesheim/v. Raumer (Hrsg.), EMRK, 4. Aufl. 2017, Art. 1 Protokoll Nr. 12 Rn. 2. 640 Abrufbar unter https://rm.coe.int/1680505480 (abgerufen am 2. 6. 2020). 641 Grabrucker, Vater Staat hat keine Muttersprache, 1993, S. 224. 642 Ranftl-Guggenberger, Medienimpulse 3 (1995), Heft 12, 33 (34); Guggenberger, Der lange Weg, 2017, S. 302.

A. Unions- und völkerrechtliche Maßgaben für geschlechtergerechte Sprache

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nicht sexistisch ist und die Rolle der Frauen in der Gesellschaft berücksichtigt; (2.) die in Gesetzentwürfen, in der öffentlichen Verwaltung und im Bildungswesen verwendete Terminologie mit dem Grundsatz der Gleichberechtigung der Geschlechter in Einklang zu bringen643 ; (3.) die Verwendung einer nicht-sexistischen Sprache in den Medien zu fördern. In der einleitenden Begründung der Empfehlung ist ausgeführt, dass der Europarat durch die Verwendung des generischen Maskulinums die Verwirklichung der Gleichstellung der Geschlechter („establishment of equality between women and men“) behindert sehe. Zudem lasse seine Verwendung Zweifel hinsichtlich der gemeinten Personen aufkommen. In dem erklärenden Memorandum zur Empfehlung R (90) 4 heißt es darüber hinaus, dass alle in den Mitgliedstaaten des Europarates verwendeten Sprachen, in unterschiedlichem Maße, sexistische Spuren aufwiesen.644 In den meisten Mitgliedstaaten mache die Sprache Frauen unsichtbar („obscures women“), indem die maskulinen Formen bevorzugt würden.645 Eine Anpassung der Sprache wird als logische Konsequenz des Ansatzes zur Gleichstellung von Frauen und Männern gesehen.646 Ergänzend wird auch auf die Empfehlung R (85) 2 des Europarates (Recommendation No. R [85] 2 of the Committee of Ministers to Member States on Legal Protection against Sex Discrimination) vom 5. Februar 1985647 verwiesen, mit welcher die Mitgliedstaaten u. a. aufgefordert wurden, angemessene Maßnahmen zu ergreifen, um die besten Bedingungen auch kultureller Art zur Erreichung der (rechtlichen und faktischen) Gleichheit von Männern und Frauen zu schaffen.648 Die Empfehlung R (90) 4 erstrecke sich bewusst nicht auf die Art und Weise, in der die Mitgliedstaaten sicherstellen, dass sprachlich die Existenz von Frauen und Männern zum Ausdruck kommt.649 Jeder Mitgliedstaat solle vielmehr nach eigenem Ermessen die für seine Sprache am besten geeignete Lösung zur Erreichung des angestrebten Zieles suchen („The non-sexist linguistic principles which member states are re643 Ranftl-Guggenberger, Medienimpulse 3 (1995), Heft 12, 33 (34); Guggenberger, Der lange Weg, 2017, S. 302. 644 Council of Europe, The elimination of sexism from language. Recommendation No. R (90) 4 adopted by the Committee of Ministers of the Council of Europe on 21 February 1990 and explanatory memorandum, 1991, S. 9. 645 Council of Europe, The elimination of sexism from language. Recommendation No. R (90) 4 adopted by the Committee of Ministers of the Council of Europe on 21 February 1990 and explanatory memorandum, 1991, S. 10. 646 Council of Europe, The elimination of sexism from language. Recommendation No. R (90) 4 adopted by the Committee of Ministers of the Council of Europe on 21 February 1990 and explanatory memorandum, 1991, S. 11. 647 Abrufbar unter https://rm.coe.int/168058ff43 (abgerufen am 2. 6. 2020). 648 Council of Europe, The elimination of sexism from language. Recommendation No. R (90) 4 adopted by the Committee of Ministers of the Council of Europe on 21 February 1990 and explanatory memorandum, 1991, S. 11. 649 Council of Europe, The elimination of sexism from language. Recommendation No. R (90) 4 adopted by the Committee of Ministers of the Council of Europe on 21 February 1990 and explanatory memorandum, 1991, S. 10.

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3. Teil: Rechtlicher Rahmen für die Verwendung geschlechtergerechter Sprache

quested to establish and disseminate are left entirely to their discretion.“).650 Die Verwendung des generischen Maskulinums wird aber abgelehnt und stattdessen werden neutrale Bezeichnungen, soweit vorhanden, oder maskuline und feminine Doppelformen als Alternativen genannt.651 Explizit wird auch die Gestaltung von Formularen erwähnt.652 Gerade die öffentliche Hand müsse die neue Sprache verwenden. Ausdrücklich wird die Bedeutung der Sprache der Lehrkräfte, in Schulbüchern sowie in den Medien hervorgehoben.653 Spätere Empfehlungen des Europarates (Ministerkomitee) knüpfen an die Empfehlung R (90) 4 an.654 Dabei spricht eine aktuelle Empfehlung aus 2019 zur Bekämpfung von Sexismus, die als einen ganz wesentlichen Aspekt hierbei auch die Sprache betrachtet, dafür, dass sie auch inter- und transsexuelle Personen mit einbezieht.655 Als Empfehlung sind die Maßgaben nicht rechtsverbindlich.656 Sie können aber im Rahmen nationaler Handlungsspielräume als „argumentative Stütze“ herangezogen werden.657

650 Council of Europe, The elimination of sexism from language. Recommendation No. R (90) 4 adopted by the Committee of Ministers of the Council of Europe on 21 February 1990 and explanatory memorandum, 1991, S. 10, 12. 651 Vgl. Council of Europe, The elimination of sexism from language. Recommendation No. R (90) 4 adopted by the Committee of Ministers of the Council of Europe on 21 February 1990 and explanatory memorandum, 1991, S.12. 652 Council of Europe, The elimination of sexism from language. Recommendation No. R (90) 4 adopted by the Committee of Ministers of the Council of Europe on 21 February 1990 and explanatory memorandum, 1991, S. 12. 653 Council of Europe, The elimination of sexism from language. Recommendation No. R (90) 4 adopted by the Committee of Ministers of the Council of Europe on 21 February 1990 and explanatory memorandum, 1991, S. 13. 654 S. Council of Europe, Balanced participation of women and men in political and public decision-making. Recommendation Rec (2003) 3 of the Committee of Ministers and explanatory memorandum, 2003, S. 8, 24, abrufbar unter https://rm.coe.int/090000168092874f; Recommendation CM/Rec(2007)17 of the Committee of Ministers to member states on gender equality standards and mechanisms, A. Ziff. 16 – 18, abrufbar unter https://search.coe.int/cm/ Pages/result_details.aspx?ObjectID=09000016805d4aa3#globalcontainer; Preventing and combating sexism. Recommendation CM/Rec(2019)1, 2019, S. 16 f., abrufbar unter https://rm. coe.int/prems-055519-gbr-2573-cmrec-2019-1-web-a5/168093e08c (alle abgerufen am 2. 6. 2020). 655 S. Council of Europe, Preventing and combating sexism. Recommendation CM/ Rec(2019)1, 2019, S. 5 Fn. 1, abrufbar unter https://rm.coe.int/prems-055519-gbr-2573cmrec-2019-1-web-a5/168093e08c (abgerufen am 2. 6. 2020), wonach Russland diese Auffassung ablehnt, woraus zu schließen ist, dass dies eine Mindermeinung ist. 656 Kersten-Pejanic´, in: Bazhutkina/Sonnenhauser (Hrsg.), Linguistische Beiträge zur Slavistik, 2016, S. 68, die aber von einem „hohen symbolischen Wert“ spricht. 657 Vgl. Grabrucker, Vater Staat hat keine Muttersprache, 1993, S. 223 f.; zur Stützung österreichischer Maßnahmen zugunsten geschlechtergerechter Sprache auf die Empfehlung R (90) 4 des Europarates Guggenberger, Der lange Weg, 2017, S. 307 f., 310 f.

A. Unions- und völkerrechtliche Maßgaben für geschlechtergerechte Sprache

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4. Instruction No. 33 of 1 June 1994 concerning the use of non-sexist language at the Council of Europe Die „Instruction No. 33 of 1 June 1994 concerning the use of non-sexist language at the Council of Europe“658 betrifft als verwaltungsinterne Anweisung ausschließlich den Gebrauch nicht-sexistischer Sprache in allen Texten, Veröffentlichungen und audiovisuellen Materialien des Europarates selbst und beinhaltet mithin keine Maßgaben für dessen Mitglieder. Sie zielt als Folge der Empfehlung R (90) 4 an die Mitgliedstaaten darauf ab, dass auch die Sprache des Europarates selbst dem Anliegen nicht-sexistischer Sprache gerecht wird.659 Im Anhang der Anweisung finden sich Richtlinien mit konkreten Maßgaben für das Englische bzw. Französische als auf der Ebene des Europarates verbindliche Sprachen. Dabei werden die strukturellen Unterschiede beider Sprachen betont. Eine Übertragung auf andere Sprachen soll erfolgen, soweit dies angemessen ist („where appropriate“).

VI. Maßgaben der Vereinten Nationen (UN) für geschlechtergerechte Sprache? Die Bundesrepublik Deutschland ist seit dem 18. September 1973 auch (Voll-) Mitglied der Vereinten Nationen. Die Charta der Vereinten Nationen660 (UN-Charta), die für die Bundesrepublik Deutschland nach zuvor erfolgter Ratifizierung661 ebenfalls seit diesem Datum in Kraft ist662, erwähnt schon in ihrer Präambel die Gleichberechtigung von Mann und Frau und formt dieses Recht in verschiedenen Artikeln der Charta noch näher aus.663 Nach Art. 1 Ziff. 3 UN-Charta zählt zu den Zielen der Vereinten Nationen, eine internationale Zusammenarbeit herbeizuführen, um internationale Probleme wirtschaftlicher, sozialer, kultureller und humanitärer Art zu lösen und die Achtung vor den Menschenrechten und Grundfreiheiten für alle ohne Unterschied (u. a.) des Geschlechts zu fördern und zu festigen. Demnach geht es auch darum, Geschlechtsdiskriminierung zu verhindern, was nicht nur Männer und

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Abrufbar unter https://rm.coe.int/1680781cf4 (abgerufen am 2. 6. 2020). Vgl. Council of Europe, Gender Equality Commission, GEC-DC Sexism, Compilation of instruments related to the notion of sexism, GEC-DC Sexism (2017)2 Revised 3 vom 3. 9. 2018, S. 21, https://rm.coe.int/gec-dc-sexism-2017-2-revised3-council-of-europe-eu-un-instru ments-on-s/16808d2517 (abgerufen am 2. 6. 2020). 660 BGBl. 1973 II S. 431 (ber. BGBl. 1980 II S. 1252); zuletzt geändert durch Bekanntmachung vom 22. 4. 1974, BGBl. II S. 769. 661 S. Gesetz zum Beitritt der Bundesrepublik Deutschland zur Charta der Vereinten Nationen vom 6. 6. 1973, BGBl. II S. 430. 662 Bekanntmachung vom 27. 11. 1974, BGBl. II S. 1397. 663 Körner, ZRP 2005, 223 (223); vgl. Neuhold, in: Neuhold/Pirstner/S. Ulrich, Menschenrechte – Frauenrechte, 2003, S. 47; Conrady, in: v. Schorlemer (Hrsg.), Die Vereinten Nationen und neuere Entwicklungen der Frauenrechte, 2007, S. 1 (19 ff.). 659

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3. Teil: Rechtlicher Rahmen für die Verwendung geschlechtergerechter Sprache

Frauen meinen muss.664 Auch in der Universal Declaration of Human Rights (Allgemeine Erklärung der Menschenrechte – AEMR) von 1948665 ist bereits in der Präambel die Gleichberechtigung von Mann und Frau erwähnt; außerdem findet sich in Art. 2 AEMR ein (akzessorisches) Diskriminierungsverbot und in Art. 7 AEMR eine Regelung zur Gleichheit vor dem Gesetz (sowie in Art. 26 AEMR das Recht auf Bildung). Allerdings ist die AEMR nicht völkerrechtlich bindend (str.).666 Zudem ist sie selbst nicht in allen Sprachen geschlechtergerecht formuliert667, was dagegen spricht, aus ihr Maßgaben für eine geschlechtergerechte Sprache abzuleiten.668 Auch der Internationale Pakt über bürgerliche und politische Rechte (IPbpR)669 und der Internationale Pakt über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte (IPwskR)670 von 1966 enthalten Gleichbehandlungsgebote und Diskriminierungsverbote.671 Zu denken ist außerdem an Übereinkommen der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO) wie insbesondere das für die Bundesrepublik Deutschland am 15. Juni 1962 in Kraft getretene672 Übereinkommen Nr. 111 über die Diskriminierung in Beschäftigung und Beruf673, das in Art. 2 die Verpflichtung zur Förderung der „Gleichheit der Gelegenheiten und der Behandlung in bezug auf Beschäftigung und Beruf“ enthält, „um jegliche Diskriminierung auf diesem Gebiet auszuschalten“.674

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Lembke, in: Lembke (Hrsg.), Menschenrechte und Geschlecht, 2014, S. 18 (21). Resolution der UN-Generalversammlung 217 A (III) vom 10. 12. 1948. 666 Dazu Poscher/Langer, in: Poscher/Rux/Langer, Das Recht auf Bildung, 2009, S. 17 f. m. w. N. und Darstellung des Streitstandes; s. auch Heintschel v. Heinegg, in: D. Merten/Papier (Hrsg.), Handbuch der Grundrechte in Deutschland und Europa, Bd. VI/2, 2009, § 175 Rn. 4; Lembke, in: Foljanty/Lembke (Hrsg.), Feministische Rechtswissenschaft, 2. Aufl. 2012, § 6 Rn. 11; Rudolf, in: Lembke (Hrsg.), Menschenrechte und Geschlecht, 2014, S. 24 (28); KägiDiener, in: Berghahn/Schultz (Hrsg.), Rechtshandbuch für Frauen- und Gleichstellungsbeauftragte (Stand: Mai 2020), Kap. 1.4, S. 6. 667 Flanz, in: FS Ermacora, 1997, S. 439 (448); allerdings konnte in der englischen Fassung von Art. 1 AEMR die Formulierung „All human beings …“ anstelle von „All men …“ durchgesetzt werden, s. Lembke, in: Foljanty/Lembke (Hrsg.), Feministische Rechtswissenschaft, 2. Aufl. 2012, § 6 Rn. 11; Rudolf, in: Lembke (Hrsg.), Menschenrechte und Geschlecht, 2014, S. 24 (28 f.); kritisch zur deutschen Fassung Rudolf/Chen, in: Schöpp-Schilling/Rudolf/ Gothe (Hrsg.), Mit Recht zur Gleichheit, 2014, S. 25 (58). 668 Vgl. dazu unter Dritter Teil, A. I. 2. 669 BGBl. 1973 II S. 1534; für die BRD in Kraft getreten am 23. 3. 1976, BGBl. II S. 1068. 670 BGBl. 1973 II S. 1570; für die BRD in Kraft getreten am 3. 1. 1976, BGBl. II S. 428. 671 Neuhold, in: Neuhold/Pirstner/S. Ulrich, Menschenrechte – Frauenrechte, 2003, S. 48 f.; König, ZESAR 2004, 214 (214); Schöpp-Schilling, ZESAR 2004, 234 (235); Körner, ZRP 2005, 223 (223); Schläppi/Wyttenbach/Ulrich, in: Schläppi/Ulrich/Wyttenbach (Hrsg.), CEDAW, 2015, Teil 1 Rn. 16; s. insb. Art. 3 und Art. 26 IPbpR sowie Art. 3 IPwskR. 672 BGBl. II S. 819. 673 Vom 25. 6. 1958, BGBl. 1961 II S. 98; s. dazu Gesetz vom 8. 3. 1961, BGBl. II S. 97. 674 Dazu Heintschel v. Heinegg, in: D. Merten/Papier (Hrsg.), Handbuch der Grundrechte in Deutschland und Europa, Bd. VI/2, 2009, § 175 Rn. 39 f. 665

A. Unions- und völkerrechtliche Maßgaben für geschlechtergerechte Sprache

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Ferner ist die Verbreitung des Konzepts des Gender Mainstreaming675 maßgeblich von den Vereinten Nationen ausgegangen.676 Als „Schlüsselereignis“ gilt insofern die Vierte Weltfrauenkonferenz in Beijing 1995.677 Am speziellsten und relevantesten für die Problematik geschlechtergerechte Sprache erscheinen jedoch das Übereinkommen der Vereinten Nationen zur Beseitigung jeder Form von Diskriminierung der Frau (CEDAW) sowie seitens der UNESCO das Übereinkommen gegen Diskriminierung im Unterrichtswesen und eine Resolution, auf die im Folgenden näher eingegangen werden soll. 1. Übereinkommen der Vereinten Nationen vom 18. Dezember 1979 zur Beseitigung jeder Form von Diskriminierung der Frau (CEDAW) Die Bundesrepublik Deutschland hat als einer von zahlreichen Staaten das Übereinkommen der Vereinten Nationen vom 18. Dezember 1979 zur Beseitigung jeder Form von Diskriminierung der Frau (Convention on the Elimination of All Forms of Discrimination against Women – CEDAW)678 ratifiziert, auch UN-Frauenrechtskonvention genannt. Nachdem der Bundestag das Zustimmungsgesetz zu diesem Übereinkommen im April 1985 beschlossen hatte679, ist das Übereinkommen für die Bundesrepublik Deutschland am 9. August 1985 in Kraft getreten.680 Die CEDAW gilt als „Magna Charta“ der Menschenrechte von Frauen.681 Ihr ging eine bereits 1967 von der Generalversammlung der Vereinten Nationen verab675 S. dazu unter Erster Teil, B. II.; zur Einordnung geschlechtergerechter Sprache als Aspekt von Gender Mainstreaming s. unter Dritter Teil, A. II. 2. a). 676 Dazu eingehend Conrady, in: v. Schorlemer (Hrsg.), Die Vereinten Nationen und neuere Entwicklungen der Frauenrechte, 2007, S. 1 ff.; s. auch Jungblut, in: Eichhoff-Cyrus (Hrsg.), Adam, Eva und die Sprache, 2004, S. 91 (94); U. Klein, Geschlechterverhältnisse, Geschlechterpolitik und Gleichstellungspolitik in der Europäischen Union, 2. Aufl. 2013, S. 85. 677 Conrady, in: v. Schorlemer (Hrsg.), Die Vereinten Nationen und neuere Entwicklungen der Frauenrechte, 2007, S. 1 (5, 11); s. United Nations, Report of the Fourth World Conference on Women. Beijing, 4 – 15 September 1995, 1996 (UN-Dok. A/CONF.177/20/Rev.1), insb. Anhang II, Rn. 57, 79, 105, 204, auszugsweise Übersetzung abrufbar unter http://www.un.org/ depts/german/conf/beijing/beij_bericht.html (abgerufen am 2. 6. 2020); s. dazu auch UN-Dok. A/RES/50/203 vom 22. 12. 1995, Ziff. 2. 678 BGBl. 1985 II S. 648. 679 Gesetz zu dem Übereinkommen vom 18. Dezember 1979 zur Beseitigung jeder Form von Diskriminierung der Frau vom 25. 4. 1985, BGBl. II S. 647. 680 Bekanntmachung vom 13. 11. 1985, BGBl. II S. 1234. 681 Neuhold, in: Neuhold/Pirstner/S. Ulrich, Menschenrechte – Frauenrechte, 2003, S. 49; König, ZESAR 2004, 214 (214); Suelmann, Bildung in der Frauenrechtskonvention, 2013, S. 20; Lembke, in: Lembke (Hrsg.), Menschenrechte und Geschlecht, 2014, S. 18 (23); Baumgärtner, in: Looschelders (Hrsg.), BeckOGK AGG, § 1 Rn. 48 (Stand: März 2020); der CEDAW-Ausschuss bezeichnet sie als „international bill of rights for women“, s. Committee on the Elimination of Discrimination against Women, General recommendation No. 36 (2017) on the rights of girls and women to education, UN-Dok. CEDAW/C/GC/36 vom 27. 11. 2017, Rn. 20.

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3. Teil: Rechtlicher Rahmen für die Verwendung geschlechtergerechter Sprache

schiedete, für die Bundesrepublik Deutschland jedoch keine verbindlichen Verpflichtungen begründende Erklärung über die Beseitigung der Diskriminierung von Frauen voraus (Declaration on the Elimination of Discrimination against Women682).683 Das Besondere an der CEDAW ist ihr asymmetrischer Ansatz, nämlich ihr Fokus auf die Diskriminierung von Frauen.684 Aus einer historischen Betrachtung heraus ist das verständlich; gerade mit Blick auf Personen, die sich weder dem männlichen noch dem weiblichen Geschlecht zuordnen (lassen), aber durchaus fragwürdig.685 Allerdings bezieht der aus unabhängigen sachverständigen Personen bestehende CEDAW-Ausschuss, der Ausschuss für die Beseitigung der Diskriminierung der Frau (Art. 17 CEDAW)686, seit einiger Zeit trans- und intersexuelle Menschen in den Schutzbereich der Konvention mit ein687, was zumindest insofern 682

UN-Dok. A/RES/22/2263 bzw. A/RES/2263(XXII) vom 7. 11. 1967. I. Maier, Vereinte Nationen 28 (1980), 73 (74); Delbrück, in: FS Schlochauer, 1981, S. 247 (252 f.); Neuhold, in: Neuhold/Pirstner/S. Ulrich, Menschenrechte – Frauenrechte, 2003, S. 50; Heintschel v. Heinegg, in: D. Merten/Papier (Hrsg.), Handbuch der Grundrechte in Deutschland und Europa, Bd. VI/2, 2009, § 175 Rn. 5 f.; Suelmann, Bildung in der Frauenrechtskonvention, 2013, S. 21. 684 Committee on the Elimination of Discrimination against Women, General recommendation No. 25: Article 4, paragraph 1, of the Convention (temporary special measures), 2004, Rn. 5, abrufbar unter https://tbinternet.ohchr.org/Treaties/CEDAW/Shared%20Documents/1_ Global/INT_CEDAW_GEC_3733_E.pdf (abgerufen am 2. 6. 2020); Holtmaat, Towards Different Law and Public Policy, 2004, S. 7; Rudolf, AnwBl 2012, 599 (599); Westendorp/Waltermann, in: Westendorp (Hrsg.), The Women’s Convention turned 30, 2012, S. 33 (36 f., 60); Holtmaat, in: Hellum/Sinding-Assen (Hrsg.), Women’s Human Rights, 2013, S. 95; Rudolf, in: Lembke (Hrsg.), Menschenrechte und Geschlecht, 2014, S. 24 (35); König/Schadendorf, DÖV 2014, 853 (854); Rudolf/Chen, in: Schöpp-Schilling/Rudolf/Gothe (Hrsg.), Mit Recht zur Gleichheit, 2014, S. 25 (54); Schadendorf, ZaöRV 2014, 245 (250 f.); Porsche, Bedeutung, Auslegung und Realisierung des Konzepts der positiven Maßnahmen, 2016, S. 236; Rodi, RuP 53 (2017), 361 (362); Baumgärtner, in: Looschelders (Hrsg.), BeckOGK AGG, § 1 Rn. 48 (Stand: März 2020). 685 Zu dieser Problematik Hernández-Truyol, Columbia Journal of Gender and Law 20 (2011), 195 ff.; Rosenblum, Columbia Journal of Gender and Law 20 (2011), 98 ff.; Holtmaat, in: Hellum/Sinding-Assen (Hrsg.), Women’s Human Rights, 2013, S. 95 (100 f., 115 f.); zum binärgeschlechtlichen Konzept der CEDAW Byrnes, in: Freeman/Chinkin/Rudolf (Hrsg.), The UN Convention on the Elimination of All Forms of Discrimination against Women, 2013, S. 59. 686 Dazu eingehend Schöpp-Schilling, ZESAR 2004, 234 ff. 687 Rodi, RuP 53 (2017), 361 (363); s. Committee on the Elimination of Discrimination against Women, Concluding observations of the Committee on the Elimination of Discrimination against Women (Germany), UN-Dok. CEDAW/C/DEU/CO/6 vom 12. 2. 2009, Empfehlungen 61 f.; General recommendation No. 36 (2017) on the rights of girls and women to education, UN-Dok. CEDAW/C/GC/36 vom 27. 11. 2017, Rn. 45 f.; zu „transgender women“ s. auch Committee on the Elimination of Discrimination against Women, Concluding observations on the combined seventh and eighth periodic reports of Germany, UN-Dok. CEDAW/C/ DEU/CO/7 – 8 vom 9. 3. 2017, Empfehlungen 45 f.; wohl übersehen von Suelmann, Bildung in der Frauenrechtskonvention, 2013, S. 25; zurückhaltender noch die Einordnung der Äußerungen des CEDAW-Ausschusses bei Byrnes, in: Freeman/Chinkin/Rudolf (Hrsg.), The UN Convention on the Elimination of All Forms of Discrimination against Women, 2013, S. 60; Rudolf/Chen, in: Schöpp-Schilling/Rudolf/Gothe (Hrsg.), Mit Recht zur Gleichheit, 2014, S. 25 (54 Fn. 111): noch unklar. Für eine weite, inter- und transsexuelle Menschen einbeziehende 683

A. Unions- und völkerrechtliche Maßgaben für geschlechtergerechte Sprache

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nicht ausgeschlossen erscheint, als die CEDAW den Begriff „Frau“ nicht definiert688. Anders als andere Menschenrechtsverträge wie der Internationale Pakt über bürgerliche und politische Rechte (IPbpR) einerseits und der Internationale Pakt über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte (IPwskR) andererseits vereint die CEDAW außerdem bürgerliche und politische mit wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Rechten.689 Ihr Diskriminierungsschutz ist nicht lediglich akzessorischer Natur.690 Inhaltlich geht die CEDAW weiter als die unionsrechtlichen Instrumente.691 Gemäß Art. 2 CEDAW verurteilen die Vertragsstaaten jede Form von Diskriminierung der Frau und kommen überein, mit allen geeigneten Mitteln unverzüglich eine Politik zur Beseitigung der Diskriminierung der Frau zu verfolgen. Zu diesem Zweck haben sich die Vertragsstaaten u. a. verpflichtet, durch gesetzgeberische und sonstige Maßnahmen für die tatsächliche Verwirklichung des Grundsatzes der Gleichberechtigung zu sorgen (lit. a); durch geeignete gesetzgeberische und sonstige Maßnahmen, ggf. auch Sanktionen, jede Diskriminierung der Frau zu verbieten (lit. b); die Frau durch die zuständigen nationalen Gerichte und sonstigen öffentlichen Einrichtungen wirksam vor jeder diskriminierenden Handlung zu schützen (lit. c); Handlungen oder Praktiken zu unterlassen, welche die Frau diskriminieren, und dafür zu sorgen, dass alle staatlichen Behörden und öffentlichen Einrichtungen im Einklang mit dieser Verpflichtung handeln (lit. d); alle geeigneten Maßnahmen zur Beseitigung der Diskriminierung der Frau durch Personen, Organisationen oder Unternehmen zu ergreifen (lit. e); alle geeigneten Maßnahmen einschließlich gesetzgeberischer Maßnahmen zur Änderung oder Aufhebung aller bestehenden Ge-

Auslegung von Art. 5 CEDAW Holtmaat, in: Hellum/Sinding-Assen (Hrsg.), Women’s Human Rights, 2013, S. 95 (115 f.); allgemein bezogen auf „Transfrauen“ auch Schläppi/Wyttenbach/ Ulrich, in: Schläppi/Ulrich/Wyttenbach (Hrsg.), CEDAW, 2015, Teil 1 Rn. 31 f.; Darstellung der Argumentationsansätze für eine Einbeziehung intersexueller Menschen bei Rudolf, in: Lembke (Hrsg.), Menschenrechte und Geschlecht, 2014, S. 24 (48 f.). 688 Chinkin/Freeman, in: Freeman/Chinkin/Rudolf (Hrsg.), The UN Convention on the Elimination of All Forms of Discrimination against Women, 2013, S. 14; Suelmann, Bildung in der Frauenrechtskonvention, 2013, S. 25. 689 Körner, ZRP 2005, 223 (223); Hübner, in: v. Schorlemer (Hrsg.), Die Vereinten Nationen und neuere Entwicklungen der Frauenrechte, 2007, S. 163 (165); Westendorp/Waltermann, in: Westendorp (Hrsg.), The Women’s Convention turned 30, 2012, S. 33 (37); Suelmann, Bildung in der Frauenrechtskonvention, 2013, S. 25 f.; König/Schadendorf, DÖV 2014, 853 (853); Rodi, in: Lembke (Hrsg.), Menschenrechte und Geschlecht, 2014, S. 51 (53). 690 Lembke, in: Foljanty/Lembke (Hrsg.), Feministische Rechtswissenschaft, 2. Aufl. 2012, § 6 Rn. 14. 691 König, ZESAR 2004, 214 (217); Schöpp-Schilling, ZESAR 2004, 234 (234 f., 243 f.); Körner, ZRP 2005, 223 (223); Holtmaat, in: Hellum/Sinding-Assen (Hrsg.), Women’s Human Rights, 2013, S. 95 (104); Schadendorf, ZaöRV 2014, 245 (249 ff.); Schadendorf, EuR 2015, 28 (29); eingehender Vergleich bei Westendorp/Waltermann, in: Westendorp (Hrsg.), The Women’s Convention turned 30, 2012, S. 33 ff.

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3. Teil: Rechtlicher Rahmen für die Verwendung geschlechtergerechter Sprache

setze, Verordnungen, Gepflogenheiten und Praktiken zu treffen, die eine Diskriminierung der Frau darstellen (lit. f).692 Damit zielt die CEDAW auch auf die Ergreifung von Maßnahmen mit Wirkung für den Privatrechtsverkehr.693 Der Begriff „Diskriminierung der Frau“ i. S. d. CEDAW ist in Art. 1 des Übereinkommens legaldefiniert und wird in der Übersetzung für die Bundesrepublik Deutschland übersetzt als „jede mit dem Geschlecht begründete Unterscheidung, Ausschließung oder Beschränkung, die zur Folge oder zum Ziel hat, dass die auf die Gleichberechtigung von Mann und Frau gegründete Anerkennung, Inanspruchnahme oder Ausübung der Menschenrechte und Grundfreiheiten durch die Frau – ungeachtet ihres Familienstands – im politischen, wirtschaftlichen, sozialen, kulturellen, staatbürgerlichen oder jedem sonstigen Bereich beeinträchtigt oder vereitelt wird“.694 Der CEDAW liegt somit ein weites Diskriminierungsverständnis zugrunde.695 Dem Wortlaut der deutschen Übersetzung696 „mit dem Geschlecht begründete 692 Heintschel v. Heinegg, in: D. Merten/Papier (Hrsg.), Handbuch der Grundrechte in Deutschland und Europa, Bd. VI/2, 2009, § 175 Rn. 13 spricht von einem „Implementierungsauftrag“ aus Art. 2 CEDAW. 693 Committee on the Elimination of Discrimination against Women, General Recommendation No. 19: Violence against Women, 1992, Rn. 9; General recommendation No. 25: Article 4, paragraph 1, of the Convention (temporary special measures), 2004, Rn. 7 (beide vorgenannten Dokumente abrufbar unter https://www.ohchr.org/EN/HRBodies/CEDAW/Pages/ Recommendations.aspx [abgerufen am 2. 6. 2020]); General recommendation No. 28 on the core obligations of States parties under article 2 of the Convention on the Elimination of All Forms of Discrimination against Women, UN-Dok. CEDAW/C/GC/28 vom 16. 12. 2010, Rn. 17; Schöpp-Schilling, in: E. Klein (Hrsg.), 20 Jahre Übereinkommen zur Beseitigung jeder Form von Diskriminierung der Frau (CEDAW), 2000, S. 13 (16); Neuhold, in: Neuhold/ Pirstner/S. Ulrich, Menschenrechte – Frauenrechte, 2003, S. 52 f.; König, ZESAR 2004, 214 (217); Körner, ZRP 2005, 223 (223); Westendorp/Waltermann, in: Westendorp (Hrsg.), The Women’s Convention turned 30, 2012, S. 33 (37, 44); Suelmann, Bildung in der Frauenrechtskonvention, 2013, S. 28; Rudolf/Chen, in: Schöpp-Schilling/Rudolf/Gothe (Hrsg.), Mit Recht zur Gleichheit, 2014, S. 25 (44); Langenfeld, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 3 Abs. 2 Rn. 4 (Stand: Mai 2015); Rodi, RuP 53 (2017), 361 (362); Baumgärtner, in: Looschelders (Hrsg.), BeckOGK AGG, § 1 Rn. 49.1 (Stand: März 2020); zu Beschränkungen im privaten Bereich und entgegenstehenden Rechten Holtmaat, Towards Different Law and Public Policy, 2004, S. 75 f.; Wyttenbach, in: Schläppi/Ulrich/Wyttenbach (Hrsg.), CEDAW, 2015, Art. 5 Allgemein Rn. 58 ff. 694 BGBl. 1985 II S. 648 (650); völkerrechtlich verbindlich ist der Konventionstext (nur) in den in Art. 30 CEDAW genannten Sprachen. 695 BVerfGE 109, 64 (89); Schöpp-Schilling, in: E. Klein (Hrsg.), 20 Jahre Übereinkommen zur Beseitigung jeder Form von Diskriminierung der Frau (CEDAW), 2000, S. 13 (15); König, in: Rudolf (Hrsg.), Frauen und Völkerrecht, 2006, S. 81 (88); Rudolf, AnwBl 2012, 599 (599); König/Schadendorf, DÖV 2014, 853 (854); Rodi, RuP 53 (2017), 361 (362); Baumgärtner, in: Looschelders (Hrsg.), BeckOGK AGG, § 1 Rn. 49 (Stand: März 2020). 696 Kritisch hierzu allgemein Schöpp-Schilling, in: E. Klein (Hrsg.), 20 Jahre Übereinkommen zur Beseitigung jeder Form von Diskriminierung der Frau (CEDAW), 2000, S. 13 (29); König, in: Rudolf (Hrsg.), Frauen und Völkerrecht, 2006, S. 81 (88 Fn. 22); Wyttenbach, in: Schläppi/Ulrich/Wyttenbach (Hrsg.), CEDAW, 2015, Art. 5 Allgemein Rn. 14.

A. Unions- und völkerrechtliche Maßgaben für geschlechtergerechte Sprache

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Unterscheidung, …“ [Hervorhebung AB] wird man insofern kein allzu großes Gewicht beimessen dürfen; wie schon aus der (u. a.) verbindlichen englischen Fassung „distinction, … on the basis of sex“ [Hervorhebung AB] deutlich wird, muss eine Unterscheidung usw. nicht unbedingt mit dem Geschlecht begründet worden sein, sondern es reicht ein Zusammenhang mit dem Geschlecht aus.697 Als umfasst werden sowohl unmittelbare als auch mittelbare Diskriminierungen angesehen.698 Darüber hinausgehend richtet sich die CEDAW auch gegen strukturelle Diskriminierung699, was insbesondere aus Art. 5 CEDAW deutlich wird.700 Gem. Art. 5 lit. a CEDAW treffen die Vertragsstaaten alle geeigneten Maßnahmen, um einen Wandel in den sozialen und kulturellen Verhaltensmustern von Mann und Frau zu bewirken, um so zur Beseitigung von Vorurteilen sowie von herkömmlichen und allen sonstigen auf der Vorstellung von der Unterlegenheit oder Überlegenheit des einen oder anderen Geschlechts oder der stereotypen Rollenverteilung von Mann und Frau beruhenden Praktiken zu gelangen. Dies ist eine 697

Offengelassen von Heintschel v. Heinegg, in: D. Merten/Papier (Hrsg.), Handbuch der Grundrechte in Deutschland und Europa, Bd. VI/2, 2009, § 175 Rn. 10; wie hier Rudolf/Chen, in: Schöpp-Schilling/Rudolf/Gothe (Hrsg.), Mit Recht zur Gleichheit, 2014, S. 25 (48, 53 Fn. 107); Schläppi/Locher, in: Schläppi/Ulrich/Wyttenbach (Hrsg.), CEDAW, 2015, Art. 1 Allgemein Rn. 45, die auf die zutreffendere österreichische Übersetzung „jede auf Grund des Geschlechts vorgenommene Unterscheidung“ verweisen; in der Tendenz wie hier auch Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (Hrsg.), Übereinkommen der Vereinten Nationen zur Beseitigung jeder Form von Diskriminierung der Frau (CEDAW) vom 18. Dezember 1979, 3. Aufl. 2013, S. 11: auch ungewollte Ungleichbehandlungen. 698 Committee on the Elimination of Discrimination against Women, General recommendation No. 25: Article 4, paragraph 1, of the Convention (temporary special measures), 2004, Rn. 7, abrufbar unter https://tbinternet.ohchr.org/Treaties/CEDAW/Shared%20Documents/1_ Global/INT_CEDAW_GEC_3733_E.pdf (abgerufen am 2. 6. 2020); General recommendation No. 28 on the core obligations of States parties under article 2 of the Convention on the Elimination of All Forms of Discrimination against Women, UN-Dok. CEDAW/C/GC/28 vom 16. 12. 2010, Rn. 16; König, ZESAR 2004, 214 (217); Körner, ZRP 2005, 223 (223); Lembke, in: Foljanty/Lembke (Hrsg.), Feministische Rechtswissenschaft, 2. Aufl. 2012, § 6 Rn. 15; Westendorp/Waltermann, in: Westendorp (Hrsg.), The Women’s Convention turned 30, 2012, S. 33 (40, 44); Porsche, Bedeutung, Auslegung und Realisierung des Konzepts der positiven Maßnahmen, 2016, S. 236; vgl. Suelmann, Bildung in der Frauenrechtskonvention, 2013, S. 27. 699 König/Schadendorf, DÖV 2014, 853 (854); Rudolf/Chen, in: Schöpp-Schilling/Rudolf/ Gothe (Hrsg.), Mit Recht zur Gleichheit, 2014, S. 25 (55); Schadendorf, ZaöRV 2014, 245 (251); vgl. Committee on the Elimination of Discrimination against Women, General recommendation No. 28 on the core obligations of States parties under article 2 of the Convention on the Elimination of All Forms of Discrimination against Women, UN-Dok. CEDAW/C/GC/28 vom 16. 12. 2010, Rn. 16. 700 Vgl. Holtmaat, Towards Different Law and Public Policy, 2004, S. 7, 64, 90; König, ZESAR 2004, 214 (217); Körner, ZRP 2005, 223 (223); zum nicht ganz eindeutigen Verhältnis von Art. 1 und Art. 5 CEDAW Holtmaat, in: Hellum/Sinding-Assen (Hrsg.), Women’s Human Rights, 2013, S. 95 (108 f.); Neuhold, in: Neuhold/Pirstner/S. Ulrich, Menschenrechte – Frauenrechte, 2003, S. 54 ordnet Art. 5 lit. a CEDAW als Konkretisierung von Art. 2 lit. f ein; ähnlich Wyttenbach, in: Schläppi/Ulrich/Wyttenbach (Hrsg.), CEDAW, 2015, Art. 5 Allgemein Rn. 11, die Art. 5 lit. a CEDAW aber auch dann Verpflichtungen entnimmt, wenn eine Diskriminierung i. S. v. Art. 2 CEDAW nicht gegeben sei.

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3. Teil: Rechtlicher Rahmen für die Verwendung geschlechtergerechter Sprache

Formulierung, die sich so bzw. vergleichbar weder im EU-Recht noch im deutschen Recht findet.701 Während Art. 5 lit. a CEDAW zunächst sehr restriktiv interpretiert wurde in dem Sinne, dass er die Vertragsstaaten nur zu Informations- und Bildungskampagnen verpflichte702, scheint sich mit der Zeit ein extensiveres Verständnis durchzusetzen, das ein breites Spektrum von Maßnahmen umfasst.703 Der CEDAW-Ausschuss hat in einer seiner Allgemeinen Empfehlungen (General Recommendations) aus einer Zusammenschau von Art. 1, Art. 2 lit. f und Art. 5 lit. a CEDAW einen Schutz durch die CEDAW auch vor genderbezogener Diskriminierung abgeleitet.704 Die Allgemeinen Empfehlungen werden vom CEDAW-Ausschuss auf der Grundlage aller Staatenberichte u. a. zur Auslegung bestimmter Artikel des Übereinkommens erarbeitet; sie sind zwar nicht rechtsverbindlich, stellen aber eine wichtige Auslegungshilfe dar.705 Für den Bildungsbereich enthält Art. 10 CEDAWeine Spezialregelung gegenüber Art. 5 lit. a CEDAW.706 Danach treffen die Vertragsstaaten alle geeigneten Maß701 Rodi, in: Lembke (Hrsg.), Menschenrechte und Geschlecht, 2014, S. 51 (55); zum EURecht auch Schadendorf, ZaöRV 2014, 245 (259 f.); vgl. Westendorp/Waltermann, in: Westendorp (Hrsg.), The Women’s Convention turned 30, 2012, S. 33 (61). 702 Wohl beruhend auf Committee on the Elimination of Discrimination against Women, General recommendation No. 3: Education and public information campaigns, 1987, abrufbar unter https://tbinternet.ohchr.org/Treaties/CEDAW/Shared%20Documents/1_Global/INT_CED AW_GEC_5825_E.pdf (abgerufen am 2. 6. 2020), mit dahingehend eingeschränkter Stoßrichtung. 703 Rodi, in: Lembke (Hrsg.), Menschenrechte und Geschlecht, 2014, S. 51 (56 f.); vgl. Holtmaat, Towards Different Law and Public Policy, 2004, S. 45, 71, die auch auf die generell dynamische Auslegung der CEDAW verweist. 704 Committee on the Elimination of Discrimination against Women, General recommendation No. 28 on the core obligations of States parties under article 2 of the Convention on the Elimination of All Forms of Discrimination against Women, UN-Dok. CEDAW/C/GC/28 vom 16. 12. 2010, Rn. 5; dazu Westendorp/Waltermann, in: Westendorp (Hrsg.), The Women’s Convention turned 30, 2012, S. 33 (44); König/Schadendorf, DÖV 2014, 853 (855 f.). 705 Vgl. Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (Hrsg.), Übereinkommen der Vereinten Nationen zur Beseitigung jeder Form von Diskriminierung der Frau (CEDAW) vom 18. Dezember 1979, 3. Aufl. 2013, S. 13; Schöpp-Schilling, in: E. Klein (Hrsg.), 20 Jahre Übereinkommen zur Beseitigung jeder Form von Diskriminierung der Frau (CEDAW), 2000, S. 13 (18); König, ZESAR 2004, 214 (217); Schöpp-Schilling, ZESAR 2004, 234 (241); Heintschel v. Heinegg, in: D. Merten/Papier (Hrsg.), Handbuch der Grundrechte in Deutschland und Europa, Bd. VI/2, 2009, § 175 Rn. 16; Westendorp/Waltermann, in: Westendorp (Hrsg.), The Women’s Convention turned 30, 2012, S. 33 (41); Suelmann, Bildung in der Frauenrechtskonvention, 2013, S. 136; Rudolf/Chen, in: Schöpp-Schilling/Rudolf/Gothe (Hrsg.), Mit Recht zur Gleichheit, 2014, S. 25 (48 f.); Schläppi/Wyttenbach/Ulrich, in: Schläppi/Ulrich/Wyttenbach (Hrsg.), CEDAW, 2015, Teil 1 Rn. 104. 706 Holtmaat, Towards Different Law and Public Policy, 2004, S. 9; vgl. Leitlinien zur Sicherung der Chancengleichheit durch geschlechtersensible schulische Bildung und Erziehung (Beschluss der Kultusministerkonferenz vom 6. 10. 2016/Beschluss der Konferenz der Gleichstellungs- und Frauenministerinnen und -minister, -senatorinnen und -senatoren der Länder vom 16. 06. 2016), Sammlung der Beschlüsse der Ständigen Konferenz der Kultus-

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nahmen zur Beseitigung der Diskriminierung der Frau, um ihr im Bildungsbereich die gleichen Rechte wie dem Mann zu gewährleisten und auf der Grundlage der Gleichberechtigung von Mann und Frau insbesondere (u. a.) die Beseitigung jeder stereotypen Auffassung in Bezug auf die Rolle von Mann und Frau auf allen Bildungsebenen und in allen Unterrichtsformen durch Förderung der Koedukation und sonstiger Erziehungsformen, die zur Erreichung dieses Ziels beitragen, sicherzustellen, insbesondere auch durch Überarbeitung von Lehrbüchern und Lehrplänen und durch Anpassung der Lehrmethoden (lit. c). Insofern überschneidet sich der Anwendungsbereich der CEDAW im Bildungsbereich mit dem des UNESCOÜbereinkommens gegen Diskriminierung im Unterrichtswesen707.708 Die geschlechtergerechte Fassung von Rechtsvorschriften wird als eine geeignete Maßnahme zur Erfüllung der sich aus Art. 2 und Art. 5 CEDAW für die Vertragsstaaten ergebenden Verpflichtungen angesehen.709 Die Verwendung des generischen Maskulinums bei Personenbezeichnungen in Rechtsvorschriften bezieht Frauen nicht gleichermaßen sicher ein wie Männer, da erst im Wege der Auslegung ermittelt werden muss, ob Frauen mitgemeint sind oder nicht710, und führt nach den Erkenntnissen aus zahlreichen Untersuchungen dazu, dass Frauen bei der Rezeption eines (Norm-)Textes gedanklich unterrepräsentiert sind711. Sie lässt sich daher als eine Beschränkung (oder auch Ausschließung)712 i. S. d. Art. 1 CEDAW ansehen, welche zur Folge hat, dass Frauen in der Wahrnehmung ihrer Rechte (faktisch) beeinträchtigt werden. Damit lässt sich das Vorliegen einer Diskriminierung i. S. v. minister der Länder in der Bundesrepublik Deutschland, Stand: 196. Lfg. März 2020, Beschluss Nr. 673, S. 2; Suelmann, Bildung in der Frauenrechtskonvention, 2013, S. 55; Rodi, in: Lembke (Hrsg.), Menschenrechte und Geschlecht, 2014, S. 51 (55). 707 S. dazu und speziell auch zum Verhältnis der Übereinkommen zueinander unter Dritter Teil, A. VI. 2. 708 Vgl. I. Maier, Vereinte Nationen 28 (1980), 73 (74). 709 S. Committee on the Elimination of Discrimination against Women, Concluding comments: Ireland, UN-Dok. CEDAW/C/IRL/CO/4 – 5 vom 22. 7. 2005, Rn. 25 (ohne Bezeichnung der genauen Rechtsgrundlage); Grabrucker, in: Battis/Schultz (Hrsg.), Frauen im Recht, 1990, S. 281 (293 f.); Grabrucker, Vater Staat hat keine Muttersprache, 1993, S. 223 f.; RanftlGuggenberger, Medienimpulse 3 (1995), Heft 12, 33 (33 f.); Wyttenbach, in: Schläppi/Ulrich/ Wyttenbach (Hrsg.), CEDAW, 2015, Art. 5 Allgemein Rn. 48; noch weiter gehend Grabrucker, STREIT 1986, 59 (60 f.); Rodi, in: Lembke (Hrsg.), Menschenrechte und Geschlecht, 2014, S. 51 (52) verweist zumindest darauf, dass Geschlechterstereotype fest in die Sprache eingebettet seien. 710 S. dazu unter Dritter Teil, B. I. 2. a) aa) bis cc). 711 S. dazu näher unter Erster Teil, E. und unter Dritter Teil, B. I. 4. a) bb) (2). 712 Zur weiten Auslegung beider Begriffe und ihrer mangelnden Abgrenzbarkeit Schläppi/ Locher, in: Schläppi/Ulrich/Wyttenbach (Hrsg.), CEDAW, 2015, Art. 1 Allgemein Rn. 52, die eine Ausschließung annehmen, wenn Frauen Möglichkeiten bzw. Rechte verwehrt werden, und eine Beschränkung, wenn Frauen die ihnen zustehenden Rechte nicht in demselben Ausmaß wie Männer wahrnehmen können; vgl. zur weiten Auslegung der englischen Fassung Byrnes, in: Freeman/Chinkin/Rudolf (Hrsg.), The UN Convention on the Elimination of All Forms of Discrimination against Women, 2013, S. 59; Holtmaat, in: Hellum/Sinding-Assen (Hrsg.), Women’s Human Rights, 2013, S. 95 (99).

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Art. 1 CEDAW beargumentieren713, als deren Rechtsfolge die Vertragsstaaten gem. Art. 2 lit. f CEDAW insbesondere verpflichtet sind, alle entsprechenden Rechtsvorschriften zu ändern.714 Die geschlechtergerechte Fassung von Rechtsvorschriften lässt sich zudem auch mit Art. 3 CEDAW begründen, wonach die Vertragsstaaten auf allen Gebieten, insbesondere auf politischem, sozialem, wirtschaftlichem und kulturellem Gebiet, alle geeigneten Maßnahmen einschließlich gesetzgeberischer Maßnahmen zur Sicherung der vollen Entfaltung und Förderung der Frau treffen, damit gewährleistet wird, dass sie die Menschenrechte und Grundfreiheiten gleichberechtigt mit dem Mann ausüben und genießen kann.715 Diese Bestimmung lässt sich darüber hinaus zusammen mit Art. 2 lit. e CEDAW für die Förderung einer geschlechtergerechten Sprache auch im privaten Bereich heranziehen. Für eine geschlechtergerechte (Amts-)Sprache der Träger öffentlicher Gewalt lässt sich insbesondere Art. 2 lit. d CEDAW anführen. Nach den Erkenntnissen zahlreicher Untersuchungen716 ist geschlechtergerechte Sprache auch als i. S. d. Art. 5 lit. a CEDAW geeignete Maßnahme anzusehen, um einen Wandel in den sozialen und kulturellen Verhaltensmustern von Mann und Frau zu bewirken und so zur Beseitigung von herkömmlichen auf der Vorstellung von der Überlegenheit eines Geschlechts beruhenden Praktiken717 zu gelangen. Zur Erfüllung der Verpflichtungen für den Bildungsbereich aus Art. 10 lit. c CEDAW kann die Verwendung geschlechtergerechter Sprache seitens der Lehrkräfte an öffentlichen (und privaten)718 Schulen sowie von geschlechtergerecht formu713 Ob und inwieweit eine Rechtfertigungsmöglichkeit i.R.d. Art. 1 CEDAW besteht, ist streitig und unklar, s. dazu Körner, ZRP 2005, 223 (223); König/Schadendorf, DÖV 2014, 853 (854); Schadendorf, ZaöRV 2014, 245 (252); Porsche, Bedeutung, Auslegung und Realisierung des Konzepts der positiven Maßnahmen, 2016, S. 236; Baumgärtner, in: Looschelders (Hrsg.), BeckOGK AGG, § 1 Rn. 49 (Stand: März 2020). Eine Rechtfertigung dürfte aber allenfalls in sehr engen Grenzen in Betracht kommen, so auch König/Schadendorf, DÖV 2014, 853 (854); Schadendorf, ZaöRV 2014, 245 (252). 714 A.A. I. Maier, Vereinte Nationen 28 (1980), 73 (76): Gesetzesänderungen zur Beseitigung von Frauen diskriminierenden Vorschriften in der BRD nicht erforderlich. 715 Zur Überschneidung des Anwendungsbereichs von Art. 2 und Art. 3 CEDAW Byrnes, in: Freeman/Chinkin/Rudolf (Hrsg.), The UN Convention on the Elimination of All Forms of Discrimination against Women, 2013, S. 72; Sturm/Schläppi/Künzli, in: Schläppi/Ulrich/ Wyttenbach (Hrsg.), CEDAW, 2015, Art. 3 Allgemein Rn. 7; s. dort auch Rn. 18, wonach Art. 3 CEDAW auch die Beseitigung struktureller Hindernisse umfasst. 716 S. dazu unter Erster Teil, E. und unter Dritter Teil, B. I. 4. a) bb) (5). 717 Die „Überlegenheit“ des männlichen Geschlechts ist beim generischen Maskulinum jedenfalls in strukturgrammatischer Form gegeben und hängt historisch wohl auch mit der Vorstellung von Männern als dem „überlegenen Geschlecht“ zusammen. Zum entsprechenden Definitionsproblem in der englischen Fassung Holtmaat, Towards Different Law and Public Policy, 2004, S. 62. 718 Vgl. Banda, in: Freeman/Chinkin/Rudolf (Hrsg.), The UN Convention on the Elimination of All Forms of Discrimination against Women, 2013, S. 276; Kiener/Medici, in: Schläppi/Ulrich/Wyttenbach (Hrsg.), CEDAW, 2015, Art. 10 Allgemein Rn. 32, die eine Schutzpflicht der Vertragsstaaten auch im Hinblick auf private Bildungseinrichtungen an-

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lierten Schulbüchern eine geeignete Maßnahme darstellen.719 Letzteres kann über die Berücksichtigung bei den Schulbuch-Zulassungskriterien erreicht werden.720 Da Art. 10 lit. c CEDAW von „allen Bildungsebenen“ spricht und sich somit auch auf Hochschulen erstreckt721, kann auch die Verwendung geschlechtergerechter Sprache an Hochschulen722 eine geeignete Maßnahme zur Erfüllung der Verpflichtungen für den Bildungsbereich darstellen. Nach Auffassung der deutschen Kultusministerkonferenz sollen „prinzipiell reflektierte Lernsituationen geschaffen werden, die geeignet sind, in Anerkennung der Gleichwertigkeit in der Verschiedenheit die bestehenden Rollenmuster aufzubrechen und zu erweitern“. Als eine geeignete Maßnahme zur Erfüllung der Verpflichtungen aus Art. 5 und Art. 10 lit. c CEDAW und Art. 4 des Übereinkommens gegen Diskriminierung im Unterrichtswesen723 hat die Kultusministerkonferenz explizit „geschlechtersensible Formulierungen“ in der mündlichen und schriftlichen Kommunikation innerhalb des Unterrichts wie auch in außerunterrichtlichen Kontexten als „Beispiele guter Praxis“ angeführt.724 Aus dem Formulierungszusammenhang (Schaffung reflektierter Lernsituationen, Beispiele guter Praxis) wird hier deutlich, dass es jedenfalls um eine geschlechtergerechte Sprache seitens der Lehrkräfte geht. Ob auch eine geschlechtergerechte Sprache der Schüler_innen gemeint ist, ist offen. Es ließe sich allerdings argumentieren, dass auch geschlechtergerechte Formulienehmen in der Form, dass auch dort die vermittelte Bildung den Vorgaben von Art. 10 lit. c CEDAW entsprechen müsse. 719 Zu Schulbüchern Deutsches Institut für Menschenrechte, Parallel Report by the German Institute for Human Rights to the Committee on the Elimination of Discrimination against Women (CEDAW), 2017, S. 10 f., https://tbinternet.ohchr.org/Treaties/CEDAW/Shared%2 0Documents/DEU/INT_CEDAW_IFN_DEU_26215_E.pdf (abgerufen am 2. 6. 2020); vgl. dazu Committee on the Elimination of Discrimination against Women, General recommendation No. 36 (2017) on the rights of girls and women to education, UN-Dok. CEDAW/C/GC/36 vom 27. 11. 2017, Rn. 27; Bittner, Geschlechterkonstruktionen und die Darstellung von Lesben, Schwulen, Bisexuellen, Trans* und Inter* (LSBTI) in Schulbüchern, 2011, S. 20, 74: Kiener/ Medici, in: Schläppi/Ulrich/Wyttenbach (Hrsg.), CEDAW, 2015, Art. 10 Allgemein Rn. 23; zu geschlechtergerechter Sprache der Lehrkräfte vgl. Committee on the Elimination of Discrimination against Women, General recommendation No. 36 (2017) on the rights of girls and women to education, UN-Dok. CEDAW/C/GC/36 vom 27. 11. 2017, Rn. 24 („institutional, administrative … practices that directly or indirectly discriminate against girls or women within the education sector“). 720 Bittner, Geschlechterkonstruktionen und die Darstellung von Lesben, Schwulen, Bisexuellen, Trans* und Inter* (LSBTI) in Schulbüchern, 2011, S. 74. 721 Vgl. Suelmann, Bildung in der Frauenrechtskonvention, 2013, S. 53, 55. 722 S. dazu unter Dritter Teil, B. I. 4. b) dd) (2) und B. IV. 2. 723 S. dazu unter Dritter Teil, A. VI. 2. 724 S. Leitlinien zur Sicherung der Chancengleichheit durch geschlechtersensible schulische Bildung und Erziehung (Beschluss der Kultusministerkonferenz vom 6. 10. 2016/Beschluss der Konferenz der Gleichstellungs- und Frauenministerinnen und -minister, -senatorinnen und -senatoren der Länder vom 16. 06. 2016), Sammlung der Beschlüsse der Ständigen Konferenz der Kultusminister der Länder in der Bundesrepublik Deutschland, Stand: 196. Lfg. März 2020, Beschluss Nr. 673, S. 2, 6.

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rungen seitens der Schüler_innen die Lernsituation für alle Geschlechter verbessern können und einzelne Schüler_innen hier als Vorbild dienen können.725 Für die Auswahl der Schulbücher, d. h. für deren behördliche Zulassung bzw. für die Entscheidung innerhalb der Schulen über deren Beschaffung, hat die Kultusministerkonferenz aus den Verpflichtungen aus Art. 5 und Art. 10 lit. c CEDAW und Art. 4 des Übereinkommens gegen Diskriminierung im Unterrichtswesen abgeleitet, „besonderes Augenmerk darauf [zu legen], dass die Inhalte eine Vielfalt an Lebensrealitäten und Lebensentwürfen unabhängig von einengenden Geschlechterrollen abbilden“.726 Dazu kann auch eine geschlechtergerechte Sprache in Schulbüchern beitragen. Aufgrund der Ratifizierung der CEDAW bestehen zunächst völkerrechtliche Verpflichtungen der Bundesrepublik Deutschland.727 Dabei kommt den Vertragsstaaten bei der Auswahl der Maßnahmen zur Erfüllung des Übereinkommens jedoch ein weiter Spielraum zu.728 Welche Mittel „geeignet“ sind, hängt auch von den tatsächlichen und verfassungsrechtlichen Verhältnissen in dem jeweiligen Vertragsstaat ab.729 Der einzelne Vertragsstaat ist jedoch nicht frei in der Auswahl der Maßnahmen, sondern muss sich diesbezüglich rechtfertigen; der CEDAW-Ausschuss behält sich das Letztentscheidungsrecht darüber vor, ob ein Vertragsstaat alle notwendigen Maßnahmen getroffen hat, um der Konvention gerecht zu werden.730 725

Zur Frage der staatlichen Regelungsmacht insb. unter grundrechtlichen Aspekten s. unter Dritter Teil, B. I. 4. b) dd) (3). 726 Leitlinien zur Sicherung der Chancengleichheit durch geschlechtersensible schulische Bildung und Erziehung (Beschluss der Kultusministerkonferenz vom 6. 10. 2016/Beschluss der Konferenz der Gleichstellungs- und Frauenministerinnen und -minister, -senatorinnen und -senatoren der Länder vom 16. 06. 2016), Sammlung der Beschlüsse der Ständigen Konferenz der Kultusminister der Länder in der Bundesrepublik Deutschland, Stand: 196. Lfg. März 2020, Beschluss Nr. 673, S. 3. 727 Neuhold, in: Neuhold/Pirstner/S. Ulrich, Menschenrechte – Frauenrechte, 2003, S. 51; Rodi, in: Lembke (Hrsg.), Menschenrechte und Geschlecht, 2014, S. 51 (61). 728 I. Maier, Vereinte Nationen 28 (1980), 73 (75); König, ZESAR 2004, 214 (218); Rudolf/ Chen, in: Schöpp-Schilling/Rudolf/Gothe (Hrsg.), Mit Recht zur Gleichheit, 2014, S. 25 (46); Schadendorf, ZaöRV 2014, 245 (252 f., 261); Schläppi/Wyttenbach/Ulrich, in: Schläppi/Ulrich/ Wyttenbach (Hrsg.), CEDAW, 2015, Teil 1 Rn. 49; Byrnes/Connors, Brooklyn Journal of International Law 21 (2017), 679 (708), die allerdings betonen, dass nicht bzgl. aller Verpflichtungen aus der CEDAW ein Spielraum bestehe; vgl. Committee on the Elimination of Discrimination against Women, General recommendation No. 28 on the core obligations of States parties under article 2 of the Convention on the Elimination of All Forms of Discrimination against Women, UN-Dok. CEDAW/C/GC/28 vom 16. 12. 2010, Rn. 23. 729 I. Maier, Vereinte Nationen 28 (1980), 73 (75); vgl. Committee on the Elimination of All Forms of Discrimination against Women, General recommendation No. 28 on the core obligations of States parties under article 2 of the Convention on the Elimination of All Forms of Discrimination against Women, UN-Dok. CEDAW/C/GC/28 vom 16. 12. 2010, Rn. 23. 730 Schläppi/Künzli/Sturm, in: Schläppi/Ulrich/Wyttenbach (Hrsg.), CEDAW, 2015, Art. 2 Allgemein Rn. 34; s. Committee on the Elimination of All Forms of Discrimination against Women, General recommendation No. 28 on the core obligations of States parties under article 2

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Nach Art. 24 CEDAW sind die Vertragsstaaten verpflichtet, alle Maßnahmen zu treffen, die auf nationaler Ebene zur vollen Verwirklichung der in dem Übereinkommen anerkannten Rechte erforderlich sind. In zeitlicher Hinsicht verlangt die CEDAW in Art. 2 ein unverzügliches Tätigwerden der Vertragsstaaten. Obwohl die Verpflichtung Frauen nicht zu diskriminieren an sich sofort in vollem Umfang besteht731, kann deren angestrebte materielle Gleichberechtigung bzw. Gleichstellung letztlich nur schrittweise erreicht werden.732 Staatliche Untätigkeit kann aber eine Verletzung der CEDAW darstellen.733 Verzögerungen können insbesondere durch die Vertragsstaaten nicht mit ihren finanziellen Ressourcen gerechtfertigt werden; sie sind gehalten, insofern ggf. internationale Unterstützung zu ersuchen.734 Außerdem umfasst die Verpflichtung ein Regressionsverbot.735 Von den völkerrechtlichen Bindungen zu unterscheiden ist die innerstaatliche Wirkung der CEDAW in Deutschland. Fraglich ist insbesondere, inwieweit sich auch entsprechende Ansprüche aus der CEDAW ableiten lassen. Bei der CEDAW handelt es sich um einen völkerrechtlichen Vertrag, sodass der CEDAW in Deutschland nach h.M. – anders als den „allgemeinen Regeln des Völkerrechts“, welche gem. Art. 25 GG den Gesetzen vorgehen736 – der Rang eines einfachen Bundesgesetzes zukommt (vgl. Art. 59 Abs. 2 Satz 1 GG).737 Über das Zustimmungsgesetz wird Völkervertragsrecht bzw. sein Inhalt Bestandteil der of the Convention on the Elimination of All Forms of Discrimination against Women, UN-Dok. CEDAW/C/GC/28 vom 16. 12. 2010, Rn. 23. 731 S. Committee on the Elimination of All Forms of Discrimination against Women, General recommendation No. 28 on the core obligations of States parties under article 2 of the Convention on the Elimination of All Forms of Discrimination against Women, UN-Dok. CEDAW/ C/GC/28 vom 16. 12. 2010, Rn. 24, 29. 732 Delbrück, in: FS Schlochauer, 1981, S. 247 (261); Schöpp-Schilling, ZESAR 2004, 234 (240); Suelmann, Bildung in der Frauenrechtskonvention, 2013, S. 64 f. 733 Rodi, in: Lembke (Hrsg.), Menschenrechte und Geschlecht, 2014, S. 51 (68). 734 S. Committee on the Elimination of All Forms of Discrimination against Women, General recommendation No. 28 on the core obligations of States parties under article 2 of the Convention on the Elimination of All Forms of Discrimination against Women, UN-Dok. CEDAW/ C/GC/28 vom 16. 12. 2010, Rn. 29; a. A. zuvor I. Maier, Vereinte Nationen 28 (1980), 73 (75). 735 Vgl. Committee on the Elimination of All Forms of Discrimination against Women, General recommendation No. 28 on the core obligations of States parties under article 2 of the Convention on the Elimination of All Forms of Discrimination against Women, UN-Dok. CEDAW/C/GC/28 vom 16. 12. 2010, Rn. 24: „the emphasis is on movement forward“. 736 Dazu, dass der Grundsatz der Nichtdiskriminierung trotz weiter Verbreitung im internationalen Recht nicht als Völkergewohnheitsrecht anerkannt ist, Lembke, in: Foljanty/Lembke (Hrsg.), Feministische Rechtswissenschaft, 2. Aufl. 2012, § 6 Rn. 9. 737 Grabrucker, in: Battis/Schultz (Hrsg.), Frauen im Recht, 1990, S. 281 (293); König, ZESAR 2004, 214 (219); Schöpp-Schilling, ZESAR 2004, 234 (235); Rudolf, AnwBl 2012, 599 (600); König/Schadendorf, DÖV 2014, 853 (856); Rodi, in: Lembke (Hrsg.), Menschenrechte und Geschlecht, 2014, S. 51 (62); Rudolf/Chen, in: Schöpp-Schilling/Rudolf/Gothe (Hrsg.), Mit Recht zur Gleichheit, 2014, S. 25 (42); Baumgärtner, in: Looschelders (Hrsg.), BeckOGK AGG, § 1 Rn. 50 (Stand: März 2020).

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3. Teil: Rechtlicher Rahmen für die Verwendung geschlechtergerechter Sprache

deutschen nationalen Rechtsordnung, erlangt also innerstaatliche Geltung.738 Aus der Geltung der CEDAW-Bestimmungen folgt die Pflicht der deutschen Staatsorgane, diesen Wirksamkeit zu verschaffen.739 Insbesondere meint das Gesetzgebungsaufträge an den Gesetzgeber auf der Bundes- wie auch auf der Landesebene740.741 Von der Geltung der Bestimmungen zu trennen ist die Frage ihrer unmittelbaren Anwendbarkeit.742 Bei der unmittelbaren Anwendbarkeit geht es darum, ob eine Norm ohne weiteren Zwischenakt von staatlicher Seite Rechtswirkungen zeitigt und die staatlichen Organe (Verwaltung, Gerichte) sie ihren Entscheidungen als Entscheidungsgrundlage im Einzelfall zugrunde legen müssen.743 Die Bestimmungen eines völkerrechtlichen Übereinkommens sind unmittelbar anwendbar, soweit die Vertragspflichten hinreichend bestimmt sind und keiner weiteren gesetzlichen Ausgestaltung mehr bedürfen.744 Die Vorschriften müssen unbedingt, also „self-executing“ sein.745 Sie müssen „so hinreichend konkretisiert sein, dass sie Grundlage einer 738 Rudolf/Chen, in: Schöpp-Schilling/Rudolf/Gothe (Hrsg.), Mit Recht zur Gleichheit, 2014, S. 25 (36, 40); Heintschel v. Heinegg/Frau, in: Epping/Hillgruber (Hrsg.), BeckOK GG, Stand: Dez. 2019, Art. 25 Rn. 17; bezogen auf die CEDAW Schöpp-Schilling, ZESAR 2004, 234 (243). 739 BT-Drs. 18/5100, S. 9; Heintschel v. Heinegg/Frau, in: Epping/Hillgruber (Hrsg.), BeckOK GG, Stand: Dez. 2019, Art. 25 Rn. 17. 740 Zur Verpflichtung der Länder im Wege der vorherigen Zustimmung zur Ratifizierung auf der Basis des sog. Lindauer Abkommens Rudolf/Chen, in: Schöpp-Schilling/Rudolf/Gothe (Hrsg.), Mit Recht zur Gleichheit, 2014, S. 25 (43 f.), vgl. dazu unter Dritter Teil, A. VI. 2. 741 Rudolf/Chen, in: Schöpp-Schilling/Rudolf/Gothe (Hrsg.), Mit Recht zur Gleichheit, 2014, S. 25 (43), die es allerdings terminologisch für genauer erachten, hierfür nicht an die Geltung, sondern an die (bloße, nicht unmittelbare) Anwendbarkeit anzuknüpfen (37). 742 Schöpp-Schilling, ZESAR 2004, 234 (243); Hübner, in: v. Schorlemer (Hrsg.), Die Vereinten Nationen und neuere Entwicklungen der Frauenrechte, 2007, S. 163 (196 f.); D. Steiger, in: Binder u. a. (Hrsg.), Völkerrecht im innerstaatlichen Bereich, 2010, S. 129 (131 f.); Rudolf/Chen, in: Schöpp-Schilling/Rudolf/Gothe (Hrsg.), Mit Recht zur Gleichheit, 2014, S. 25 (27, 36 ff.), die zusätzlich zwischen „bloße[r]“ und unmittelbarer Anwendbarkeit differenzieren; Heintschel v. Heinegg/Frau, in: Epping/Hillgruber (Hrsg.), BeckOK GG, Stand: Dez. 2019, Art. 25 Rn. 17; Pieper, in: Epping/Hillgruber (Hrsg.), BeckOK GG, Stand: Dez. 2019, Art. 59 Rn. 42; vgl. BVerfGE 29, 348 (360); a. A. Lembke, in: Foljanty/Lembke (Hrsg.), Feministische Rechtswissenschaft, 2. Aufl. 2012, § 6 Rn. 7. 743 Rudolf/Chen, in: Schöpp-Schilling/Rudolf/Gothe (Hrsg.), Mit Recht zur Gleichheit, 2014, S. 25 (38); Heintschel v. Heinegg/Frau, in: Epping/Hillgruber (Hrsg.), BeckOK GG, Stand: Dez. 2019, Art. 25 Rn. 17; vgl. BVerfGE 29, 348 (360). 744 BVerwGE 87, 11 (13); 88, 254 (257); König, ZESAR 2004, 214 (219); Poscher/Langer, in: Poscher/Rux/Langer, Das Recht auf Bildung, 2009, S. 32 (bezogen auf das Übereinkommen gegen Diskriminierung im Unterrichtswesen); D. Steiger, in: Binder u. a. (Hrsg.), Völkerrecht im innerstaatlichen Bereich, 2010, S. 129 (133); Rudolf/Chen, in: Schöpp-Schilling/Rudolf/ Gothe (Hrsg.), Mit Recht zur Gleichheit, 2014, S. 25 (38); Pieper, in: Epping/Hillgruber (Hrsg.), BeckOK GG, Stand: Dez. 2019, Art. 59 Rn. 42; s. auch Hübner, in: v. Schorlemer (Hrsg.), Die Vereinten Nationen und neuere Entwicklungen der Frauenrechte, 2007, S. 163 (197), der als zusätzliche Voraussetzung die Verfassungsmäßigkeit der Norm nennt. 745 Heintschel v. Heinegg/Frau, in: Epping/Hillgruber (Hrsg.), BeckOK GG, Stand: Dez. 2019, Art. 25 Rn. 17.

A. Unions- und völkerrechtliche Maßgaben für geschlechtergerechte Sprache

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Entscheidung im Einzelfall mit entsprechender Rechtsfolge sein können“.746 Das ist für jede einzelne Bestimmung eines Übereinkommens separat im Wege der Auslegung zu beurteilen.747 Eine dritte Frage ist die, ob eine (unmittelbar anwendbare) Norm auch individuelle subjektive Rechte vermittelt, die von einzelnen Personen – nötigenfalls auch vor Gericht – eingefordert werden können.748 Nicht alle Verpflichtungen aus völkerrechtlichen Verträgen, die innerstaatlich gelten und unmittelbar anwendbar sind, begründen zugleich auch subjektive Rechte.749 Dies ist vielmehr nur der Fall, wenn im Wege der Auslegung ein Drittschutz der Norm ermittelt werden kann (oder ein Drittschutz innerstaatlich ausdrücklich angeordnet wurde).750 Hierzu kann die Schutznormtheorie entsprechend herangezogen werden.751 Nach der Schutznormtheorie ist im Hinblick auf das Bestehen eines subjektiven öffentlichen Rechts danach zu fragen, ob die betreffende Norm zumindest auch den Interessen einzelner Personen zu dienen bestimmt ist752, und zwar derart, dass diese die Einhaltung des Rechtssatzes sollen verlangen können753. Dafür muss die Norm die Einräumung einer besonderen Rechtsposition zugunsten eines hinreichend bestimmten, von der Allgemeinheit abgrenzbaren Personenkreises erkennen lassen.754 Als Besonderheit des Völkerrechts ist zu beachten, dass menschenrechtliche Verträge traditionell als Staatenpflichten formuliert sind, auch wenn sie

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BT-Drs. 18/5100, S. 9 bezogen auf die CEDAW. König, ZESAR 2004, 214 (219); Poscher/Langer, in: Poscher/Rux/Langer, Das Recht auf Bildung, 2009, S. 32; Schläppi/Wyttenbach/Ulrich, in: Schläppi/Ulrich/Wyttenbach (Hrsg.), CEDAW, 2015, Teil 1 Rn. 54. 748 Vgl. D. Steiger, in: Binder u. a. (Hrsg.), Völkerrecht im innerstaatlichen Bereich, 2010, S. 129 (131 ff.); Rudolf/Chen, in: Schöpp-Schilling/Rudolf/Gothe (Hrsg.), Mit Recht zur Gleichheit, 2014, S. 25 (36 ff.); Heintschel v. Heinegg/Frau, in: Epping/Hillgruber (Hrsg.), BeckOK GG, Stand: Dez. 2019, Art. 25 Rn. 17; nicht ganz deutlich differenzierend BT-Drs. 18/ 5100, S. 9; König, ZESAR 2004, 214 (219) sowie Rodi, in: Lembke (Hrsg.), Menschenrechte und Geschlecht, 2014, S. 51 (63). 749 Rudolf/Chen, in: Schöpp-Schilling/Rudolf/Gothe (Hrsg.), Mit Recht zur Gleichheit, 2014, S. 25 (36 ff., insb. 39); Heintschel v. Heinegg/Frau, in: Epping/Hillgruber (Hrsg.), BeckOK GG, Stand: Dez. 2019, Art. 25 Rn. 17. 750 Heintschel v. Heinegg/Frau, in: Epping/Hillgruber (Hrsg.), BeckOK GG, Stand: Dez. 2019, Art. 25 Rn. 17. 751 D. Steiger, in: Binder u. a. (Hrsg.), Völkerrecht im innerstaatlichen Bereich, 2010, S. 129 (133); Rodi, in: Lembke (Hrsg.), Menschenrechte und Geschlecht, 2014, S. 51 (63); ebenso wohl auch Rudolf/Chen, in: Schöpp-Schilling/Rudolf/Gothe (Hrsg.), Mit Recht zur Gleichheit, 2014, S. 25 (39), wonach „die Norm dem Schutz eines bestimmten, auch nach abstrakten Kriterien zu bestimmenden, Personenkreises“ dienen müsse und der aus ihr erwachsende Vorteil sich nicht lediglich als Rechtsreflex erweisen dürfe. 752 BVerwGE 1, 83 (83); 52, 122 (128); 72, 226 (229 f.); 82, 343 (344); 92, 313 (317); 98, 118 (120 f.); 111, 276 (280); Wahl/Schütz, in: Schoch/J.-P. Schneider/Bier (Hrsg.), VwGO, § 42 Abs. 2 Rn. 45 (Stand: Grundwerk). 753 BVerwGE 72, 226 (229 f.); 92, 313 (317); 98, 118 (120 f.); 111, 276 (280). 754 BVerwGE 81, 329 (334); Sächs. OVG, 3 B 62/11 vom 17. 3. 2011, Rn. 39 (juris); LG Saarbrücken, 1 S 4/16 vom 10. 3. 2017, Rn. 29 (juris). 747

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subjektive Rechte beinhalten sollen.755 Das Bestehen unmittelbar anwendbarer subjektiver Rechte wird eher angenommen in Form von Abwehrrechten, wenn in völkerrechtlichen Verträgen ausdrückliche Verbote oder „Achtungspflichten“ für staatliche Organe formuliert sind, als wenn es um staatliche Pflichten zum Ergreifen von Maßnahmen in Form von Schutz- oder Gewährleistungspflichten geht.756 Weil den Staaten hinsichtlich der Art und Weise der Erfüllung solcher Verpflichtungen (also hinsichtlich des „Wie“) regelmäßig ein Spielraum zustehe, komme ein subjektives Recht auf das Ergreifen einer ganz bestimmten Maßnahme nur dann in Betracht, wenn nur mit dieser die Schutz- bzw. Gewährleistungsverpflichtung erfüllt werden könne.757 Hinsichtlich des „Ob“ des Tätigwerdens bestehe hingegen regelmäßig kein Spielraum, sodass sich insofern auch leichter ein subjektives Recht beargumentieren lasse.758 Die CEDAW-Bestimmungen werden zwar nicht insgesamt für unmittelbar anwendbar erachtet759, jedoch wird eine unmittelbare Anwendbarkeit einzelner Bestimmungen bejaht760. Nach nicht unumstrittener Auffassung beinhaltet die CEDAW auch nicht nur objektiv-rechtliche Verpflichtungen der Vertragsstaaten, sondern auch subjektive Rechte.761 Dafür spricht schon das in Art. 2 Fakultativprotokoll zur 755 Lembke, in: Foljanty/Lembke (Hrsg.), Feministische Rechtswissenschaft, 2. Aufl. 2012, § 6 Rn. 7 Fn. 16; vgl. Rudolf, AnwBl 2012, 599 (599); Rudolf/Chen, in: Schöpp-Schilling/ Rudolf/Gothe (Hrsg.), Mit Recht zur Gleichheit, 2014, S. 25 (39). 756 Rodi, in: Lembke (Hrsg.), Menschenrechte und Geschlecht, 2014, S. 51 (64); vgl. D. Steiger, in: Binder u. a. (Hrsg.), Völkerrecht im innerstaatlichen Bereich, 2010, S. 129 (134). 757 Rodi, in: Lembke (Hrsg.), Menschenrechte und Geschlecht, 2014, S. 51 (64); generell einen Anspruch auf ein bestimmtes gesetzgeberisches Handeln ablehnend Rudolf/Chen, in: Schöpp-Schilling/Rudolf/Gothe (Hrsg.), Mit Recht zur Gleichheit, 2014, S. 25 (46). 758 Lembke, in: Foljanty/Lembke (Hrsg.), Feministische Rechtswissenschaft, 2. Aufl. 2012, § 6 Rn. 7 und ihr folgend Rodi, in: Lembke (Hrsg.), Menschenrechte und Geschlecht, 2014, S. 51 (64). 759 BT-Drs. 18/5100, S. 9; Holtmaat, Towards Different Law and Public Policy, 2004, S. 74; König, ZESAR 2004, 214 (219); Hübner, in: v. Schorlemer (Hrsg.), Die Vereinten Nationen und neuere Entwicklungen der Frauenrechte, 2007, S. 163 (198), der insb. die unmittelbare Anwendbarkeit von Art. 4 CEDAW verneint; zur früheren Anzweiflung des Verpflichtungscharakters der CEDAW insg. König, ZESAR 2004, 214 (218) m. w. N. 760 So Hübner, in: v. Schorlemer (Hrsg.), Die Vereinten Nationen und neuere Entwicklungen der Frauenrechte, 2007, S. 163 (198) für Art. 2 lit. a, 1. Hs. und lit. d CEDAW; Rudolf/ Chen, in: Schöpp-Schilling/Rudolf/Gothe (Hrsg.), Mit Recht zur Gleichheit, 2014, S. 25 (45), die die CEDAW-Bestimmungen für „weitgehend unmittelbar anwendbar“ erachten; die unmittelbare Anwendbarkeit dagegen insgesamt verneinend Delbrück, in: FS Schlochauer, 1981, S. 247 (261); keine Festlegung in BT-Drs. 18/5100, S. 9: „schwieriger“; offengelassen auch von Schöpp-Schilling, ZESAR 2004, 234 (243 f.). 761 Holtmaat, Towards Different Law and Public Policy, 2004, S. 74; Schöpp-Schilling, ZESAR 2004, 234 (236); Rudolf, AnwBl 2012, 599 (599); Chinkin/Freeman, in: Freeman/ Chinkin/Rudolf (Hrsg.), The UN Convention on the Elimination of All Forms of Discrimination against Women, 2013, S. 28; Suelmann, Bildung in der Frauenrechtskonvention, 2013, S. 27; Schöpp-Schilling, ZESAR 2004, 234 (236); Rudolf/Chen, in: Schöpp-Schilling/Rudolf/Gothe (Hrsg.), Mit Recht zur Gleichheit, 2014, S. 25 (40, 45); Rodi, in: Lembke (Hrsg.), Men-

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CEDAW762 vorgesehene Individualbeschwerdeverfahren, das es „Einzelpersonen oder Personengruppen …, die behaupten, Opfer einer Verletzung eines im Übereinkommen niedergelegten Rechts durch (einen) Vertragsstaat zu sein“, ermöglicht, sog. Mitteilungen an den CEDAW-Ausschuss zu richten.763 Die Bundesrepublik Deutschland hat dieses Zusatzprotokoll 2002 ratifiziert. Durch das Zustimmungsgesetz vom 3. Dezember 2001764 ist es unmittelbar geltendes innerstaatliches Recht (im Rang eines einfachen Bundesgesetzes) geworden.765 Es ist für die Bundesrepublik Deutschland am 15. April 2002 in Kraft getreten.766 Das im Fakultativprotokoll vorgesehene Individualbeschwerdeverfahren spricht auch gegen das Argument, der Kreis „der Frauen“ sei zu groß und damit zu unbestimmt für die Annahme eines Drittschutzes. Bzgl. des Bestehens unmittelbar anwendbarer subjektiver Rechte aus Art. 5 lit. a CEDAW wird differenziert: Während sich hieraus konkrete Abwehrrechte Betroffener ableiten ließen, seien subjektive Rechte auf ein positives Tätigwerden des Staates in Form bestimmter Maßnahmen nur ausnahmsweise anzunehmen, wenn sich der Spielraum des Staates hinsichtlich der Maßnahmen, die er ergreift, so verdichtet habe, dass nur durch diese eine Maßnahme eine Verletzung der CEDAW vermieden werden könne.767 Ähnlich differenziert ist auch Art. 2 CEDAW zu beurteilen.768 Bzgl. Art. 3 und Art. 10 lit. c CEDAW wird grundsätzlich ein Spielraum schenrechte und Geschlecht, 2014, S. 51 (63 f.); Rodi, RuP 53 (2017), 361 (361); a. A. OVG Hamburg, NVwZ-RR 2005, 258 (258); I. Maier, Vereinte Nationen 28 (1980), 73 (74 f.); Delbrück, in: FS Schlochauer, 1981, S. 247 (260 f., 269); Schweisfurth, Völkerrecht, 2006, Kap. 17 Rn. 33; keine Festlegung in BT-Drs. 18/5100, S. 9 („schwieriger“) sowie bei König, ZESAR 2004, 214 (219). 762 Optional Protocol to the Convention on the Elimination of All Forms of Discrimination against Women, BGBl. 2001 II S. 1238. 763 So zutreffend Suelmann, Bildung in der Frauenrechtskonvention, 2013, S. 27; Rodi, in: Lembke (Hrsg.), Menschenrechte und Geschlecht, 2014, S. 51 (63 f.); vgl. auch Heintschel v. Heinegg, in: D. Merten/Papier (Hrsg.), Handbuch der Grundrechte in Deutschland und Europa, Bd. VI/2, 2009, § 175 Rn. 18; Rudolf/Chen, in: Schöpp-Schilling/Rudolf/Gothe (Hrsg.), Mit Recht zur Gleichheit, 2014, S. 25 (39); allgemein zum Zusammenhang zwischen der Eröffnung einer Beschwerdemöglichkeit und dem Bestehen eines subjektiven Rechts D. Steiger, in: Binder u. a. (Hrsg.), Völkerrecht im innerstaatlichen Bereich, 2010, S. 129 (130 f., 135). 764 Gesetz zu dem Fakultativprotokoll vom 6. Oktober 1999 zum Übereinkommen vom 18. Dezember 1979 zur Beseitigung jeder Form von Diskriminierung der Frau, BGBl. II S. 1237. 765 Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (Hrsg.), Übereinkommen der Vereinten Nationen zur Beseitigung jeder Form von Diskriminierung der Frau (CEDAW) vom 18. Dezember 1979, 3. Aufl. 2013, S. 7. 766 Bekanntmachung vom 4. 3. 2002, BGBl. II S. 1197. 767 Rodi, in: Lembke (Hrsg.), Menschenrechte und Geschlecht, 2014, S. 51 (67); unmittelbar anwendbare subjektive Rechte aus Art. 5 lit. a CEDAW insgesamt ablehnend Holtmaat, Towards Different Law and Public Policy, 2004, S. 74. 768 Vgl. Schläppi/Wyttenbach/Ulrich, in: Schläppi/Ulrich/Wyttenbach (Hrsg.), CEDAW, 2015, Teil 1 Rn. 56.

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des Staates anzunehmen sein, was die konkreten Maßnahmen betrifft.769 Das Problem liegt letztlich weniger in der Subjektgerichtetheit der CEDAW-Bestimmungen770 als in ihrer Offenheit und damit ihrer unmittelbaren Anwendbarkeit. Gegen die Einordnung von geschlechtergerechter Sprache als zwingendes Mittel zur Erfüllung der Verpflichtungen aus der CEDAW und damit auch gegen das Bestehen eines subjektiven Anspruches hierauf spricht (ungeachtet der generellen Problematik gesetzgeberischen Unterlassens771), dass der CEDAW-Ausschuss in seinen sog. Abschließenden Bemerkungen (Concluding Observations)772 zu dem letzten gem. Art. 18 CEDAW (auch) von Deutschland zu fertigenden Staatenbericht773 geschlechtergerechte Sprache als weiterbestehendes Handlungsfeld jedenfalls nicht explizit genannt hat.774 Auch die explizite Erwähnung des Themas in den Abschließenden Bemerkungen zum Staatenbericht Irlands 2005 ist (wie allerdings typisch für Abschließende Bemerkungen) zurückhaltend formuliert und lässt Handlungsoptionen offen: „The Committee is concerned at the persistence of traditional stereotypical views of the social roles and responsibilities of women and men … which are reflected in article 41.2 of the Constitution and its male-oriented language …. … The Committee … suggests that the State party consider replacing male-oriented language with gender-sensitive language in the Constitution to convey the concept of gender-equality more clearly.“775

Allerdings wird hier ganz deutlich, dass auch die Sprache der CEDAW unterfällt. In den letzten Abschließenden Bemerkungen zu Deutschland aus 2017 heißt es u. a.: 769

Ebenso bzgl. Art. 3 CEDAW Sturm/Schläppi/Künzli, in: Schläppi/Ulrich/Wyttenbach (Hrsg.), CEDAW, 2015, Art. 3 Allgemein Rn. 13; bzgl. Art. 10 lit. c CEDAW Suelmann, Bildung in der Frauenrechtskonvention, 2013, S. 57, nach deren Ansicht allerdings, um „Art. 10 lit. c CEDAW vollständig Rechnung zu tragen“, die Maßnahme zu wählen ist, die am stärksten der Beseitigung stereotyper Rollenvorstellungen dient. 770 So auch Rudolf/Chen, in: Schöpp-Schilling/Rudolf/Gothe (Hrsg.), Mit Recht zur Gleichheit, 2014, S. 25 (40), die Art. 1 bis 16 CEDAW insgesamt einen subjektiv-rechtlichen Charakter zuschreiben. 771 Dazu Grzeszick, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 20 (VI.) Rn. 55 f. (Stand: Dez. 2007); Rudolf/Chen, in: Schöpp-Schilling/Rudolf/Gothe (Hrsg.), Mit Recht zur Gleichheit, 2014, S. 25 (46). 772 Zu Rechtscharakter und Wirkungsweise Hübner, in: v. Schorlemer (Hrsg.), Die Vereinten Nationen und neuere Entwicklungen der Frauenrechte, 2007, S. 163 (176); s. auch Schöpp-Schilling, ZESAR 2004, 234 (240). 773 Kombinierter siebter und achter Bericht der Bundesrepublik Deutschland zum Übereinkommen der Vereinten Nationen zur Beseitigung jeder Form von Diskriminierung der Frau (CEDAW), BT-Drs. 18/5100. 774 S. Committee on the Elimination of Discrimination against Women, Concluding observations on the combined seventh and eighth periodic reports of Germany, UN-Dok. CEDAW/ C/DEU/CO/7 – 8 vom 9. 3. 2017. 775 Committee on the Elimination of Discrimination against Women, Concluding comments: Ireland, UN-Dok. CEDAW/C/IRL/CO/4 – 5 vom 22. 7. 2005, Rn. 24 f.

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„… the Committee remains concerned about: (a) The lack of an overall integrated strategy for gender mainstreaming, … (b) The absence of a comprehensive national gender equality strategy, policy or plan to address the structural factors perpetuating gender inequalities“.776

Zum Bildungsbereich ist ausgeführt: „The committee welcomes the measures taken by the State party to address discriminatory stereotypes in education. Nevertheless, it remains concerned that … only some federal states have adopted gender-sensitive teaching materials …“.777

Entsprechend hat der Ausschuss Deutschland u. a. folgende Empfehlungen gegeben: „Develop a comprehensive national gender strategy, policy and action plan addressing the structural factors causing persistent inequalities“778; „Strengthen (the) efforts to eliminate discriminatory stereotypes regarding the roles and responsibilities of women and men in the family and in society, including through awareness-raising campaigns“779; „ensure that gender-sensitive teaching materials … are available across all federal states“780.

Auch diese Empfehlungen weisen Anknüpfungspunkte für die Förderung geschlechtergerechter Sprache auf. Die UNESCO hat in einer Resolution aus dem Jahr 1995 unter expliziter Bezugnahme (u. a.) auf die CEDAW erklärt, dass sie mit Sorge das Beibehalten von Praktiken im Unterrichtswesen und in Schulbüchern beobachte, welche sexistische Einstellungen und Sprache verfestigten.781 Überdies kann die CEDAW auch im Wege völkerrechtskonformer Auslegung des nationalen Rechts zu berücksichtigen sein.782 Spielräume können insbesondere bei 776 Committee on the Elimination of Discrimination against Women, Concluding observations on the combined seventh and eighth periodic reports of Germany, UN-Dok. CEDAW/C/ DEU/CO/7 – 8 vom 9. 3. 2017, Empfehlung 17. 777 Committee on the Elimination of Discrimination against Women, Concluding observations on the combined seventh and eighth periodic reports of Germany, UN-Dok. CEDAW/C/ DEU/CO/7 – 8 vom 9. 3. 2017, Empfehlung 33. 778 Committee on the Elimination of Discrimination against Women, Concluding observations on the combined seventh and eighth periodic reports of Germany, UN-Dok. CEDAW/C/ DEU/CO/7 – 8 vom 9. 3. 2017, Empfehlung 18. 779 Committee on the Elimination of Discrimination against Women, Concluding observations on the combined seventh and eighth periodic reports of Germany, UN-Dok. CEDAW/C/ DEU/CO/7 – 8 vom 9. 3. 2017, Empfehlung 22. 780 Committee on the Elimination of Discrimination against Women, Concluding observations on the combined seventh and eighth periodic reports of Germany, UN-Dok. CEDAW/C/ DEU/CO/7 – 8 vom 9. 3. 2017, Empfehlung 34. 781 UNESCO, 28 C/Resolution 1.13, in: Records of the General Conference, Twenty-eighth Session. Paris, 25 October to 16 November 1995, Bd. 1, 1996, S. 26 f. 782 BT-Drs. 18/5100, S. 9; König, ZESAR 2004, 214 (219); Rudolf, AnwBl 2012, 599 (599 f.) unter Verweis auf die Rspr. des BVerfG zur UN-Behindertenrechtskonvention, s.

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der Auslegung der im Grundgesetz wie auch in den Landesverfassungen garantierten Grundrechte sowie bei der Ausfüllung unbestimmter Rechtsbegriffe und im Rahmen der Ermessensausübung eröffnet sein.783 2. UNESCO, Convention Against Discrimination in Education (1960) Für den Bildungsbereich von Bedeutung ist zudem die Convention against Discrimination in Education (CADE) der Organisation der Vereinten Nationen für Erziehung, Wissenschaft und Kultur (United Nations Educational, Scientific and Cultural Organization – UNESCO) aus dem Jahr 1960, das „Übereinkommen gegen Diskriminierung im Unterrichtswesen“784, das für die Bundesrepublik Deutschland nach erfolgter Ratifizierung785 am 17. Oktober 1968 in Kraft getreten ist.786 Für das Verhältnis der CEDAW787 zu dem bereits länger bestehenden Übereinkommen gegen Diskriminierung im Unterrichtswesen, deren Anwendungsbereiche sich teilweise überschneiden, stellt Art. 23 CEDAW klar, dass zur Herbeiführung der Gleichberechtigung von Mann und Frau besser geeignete Bestimmungen aus anderen internationalen Übereinkommen unberührt bleiben.788 Art. 1 definiert den Begriff der Diskriminierung i. S. d. Übereinkommens näher. Dort heißt es: „For the purpose of this Convention, the term ,discrimination‘ includes any distinction, exclusion, limitation or preference which, being based on … sex … has the purpose or effect of nullifying or impairing equality of treatment in education and in particular …“.

Damit ist vom Diskriminierungsbegriff – abgesehen von den in Art. 2 abschließend aufgezählten Ausnahmefällen789 – auch jegliche auf dem Geschlecht beruhende Unterscheidung, Ausschließung, Beschränkung oder Bevorzugung erfasst, die geeignet ist, die Gleichbehandlung im Unterrichtswesen aufzuheben oder zu beein-

BVerfGE 128, 282 (306); König/Schadendorf, DÖV 2014, 853 (857, 860); Rudolf/Chen, in: Schöpp-Schilling/Rudolf/Gothe (Hrsg.), Mit Recht zur Gleichheit, 2014, S. 25 (42 f.); Rodi, RuP 53 (2017), 361 (362); Baumgärtner, in: Looschelders (Hrsg.), BeckOGK AGG, § 1 Rn. 50 (Stand: März 2020). Das BVerfG hat in BVerfGE 109, 64 (89) i.R.v. Art. 3 Abs. 2 GG auf die CEDAW rekurriert. 783 Rudolf/Chen, in: Schöpp-Schilling/Rudolf/Gothe (Hrsg.), Mit Recht zur Gleichheit, 2014, S. 25 (44). 784 BGBl. 1968 II S. 386; s. auch BT-Drs. V/1583, S. 3 ff. 785 S. Gesetz zu dem Übereinkommen vom 15. Dezember 1960 gegen Diskriminierung im Unterrichtswesen und zu dem Protokoll vom 18. Dezember 1962 über die Errichtung einer Schlichtungs- und Vermittlungskommission vom 9. 5. 1968, BGBl. II S. 385. 786 Bekanntmachung vom 18. 4. 1969, BGBl. II S. 956. 787 S. dazu unter Dritter Teil, A. VI. 1. 788 I. Maier, Vereinte Nationen 28 (1980), 73 (74, 76). 789 BT-Drs. V/1583, S. 40.

A. Unions- und völkerrechtliche Maßgaben für geschlechtergerechte Sprache

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trächtigen.790 Bei den danach in Art. 1 genannten Anwendungsfällen („and in particular …“) handelt es sich lediglich um einen nicht abschließenden Beispielkatalog, der weitere Anwendungsfälle nicht ausschließt.791 Entsprechend der Argumentation zu Art. 1 CEDAW lässt sich nicht-geschlechtergerechte Sprache auch hier im Sinne einer Beschränkung unter den Diskriminierungsbegriff subsumieren.792 Art. 1 des Übereinkommens gegen Diskriminierung im Unterrichtswesen erfasst auch faktische Diskriminierungen trotz bestehender formaler Rechtsgleichheit, die auf strukturelle Ursachen zurückzuführen sind.793 Über Art. 3 sind die Vertragsstaaten verpflichtet, alle notwendigen Maßnahmen zu treffen, um ggf. in ihrem Hoheitsgebiet bestehende Diskriminierungen im Unterrichtswesen zu beseitigen und Diskriminierung zu verhindern.794 Diese Verpflichtung erstreckt sich auf alle Formen von Diskriminierung i. S. v. Art. 1 des Übereinkommens795 und insbesondere nach Art. 3 lit. a auch darauf, „To abrogate any statutory provisions and any administrative instructions and to discontinue any administrative practices which involve discrimination in education“.

Übersetzt wird diese Verpflichtung dahingehend, alle Rechts- und Verwaltungsvorschriften aufzuheben und alle Verwaltungsgepflogenheiten einzustellen, die eine Diskriminierung im Unterrichtswesen bewirken.796 Darunter könnte sich auch nicht geschlechtergerechte Sprache im Unterrichtswesen subsumieren lassen. Dafür spricht insbesondere, dass die UNESCO ausgeführt hat, dass es auch um das individuelle Verhalten öffentlicher Handlungsträger – unter die sich wegen des staatlichen Bildungsauftrags aus Art. 7 Abs. 1 GG in Deutschland auch Lehrkräfte subsumieren lassen – geht:

790

BT-Drs. V/1583, S. 5, 7. Daudet/Eisemann, in: UNESCO (Hrsg.), Convention against Discrimination in Education, 2005, Art. 1, S. 10; vgl. Coomans, in: Henrard/Dunbar (Hrsg.), Synergies in Minority Protection, 2008, S. 297 (301). 792 S. dazu unter Dritter Teil, A. VI. 1.; allerdings hat das Legal Committee der UNESCO zur Durchsicht der Basic Texts der Organisation auf geschlechtsneutrale Sprache hin die Auffassung geäußert, dass es nicht um eine Diskriminierung im Rechtssinne gehe („Observing that … from a strictly legal point of view, the Basic Texts did not lead to discrimination against women, the Committee expressed the opinion that the question was essentially one of policy and language.“), s. UNESCO-Dok. 27 C/146 Rev. (LEG/7) vom 6. 11. 1993, wobei aber unklar ist, auf welchen Diskriminierungsbegriff hier Bezug genommen wird. 793 Poscher/Langer, in: Poscher/Rux/Langer, Das Recht auf Bildung, 2009, S. 21. 794 BT-Drs. V/1583, S. 40. 795 Nicht überzeugend die Differenzierung bei Poscher/Langer, in: Poscher/Rux/Langer, Das Recht auf Bildung, 2009, S. 22 ff., die zwischen intendierten und faktischen Diskriminierungen unterscheiden und als Rechtsfolge faktischer Diskriminierungen nur Art. 4 nennen. 796 BT-Drs. V/1583, S. 9. 791

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3. Teil: Rechtlicher Rahmen für die Verwendung geschlechtergerechter Sprache

„… it is important to note that the principle of non-discrimination covers not only laws, but also the administrative practices and individual acts of the public authorities.“797

In Art. 4 heißt es: „The States Parties to this Convention undertake furthermore to formulate, develop and apply a national policy which, by methods appropriate to the circumstances and to national usage, will tend to promote equality of opportunity and of treatment in the matter of education and in particular…“.

Dadurch ist nach Auffassung der deutschen Kultusministerkonferenz „die Festlegung und Entwicklung von Maßnahmen zur Förderung der – auch geschlechterbezogenen – Gleichbehandlung im Unterrichtswesen“ zu einer „bildungspolitisch grundlegenden Aufgabe geworden“.798 Hierzu kann auch eine geschlechtergerechte Sprache der Lehrkräfte an Schulen799 sowie in den Schulbüchern beitragen800, auch wenn das Übereinkommen gegen Diskriminierung im Unterrichtswesen anders als Art. 10 lit. c CEDAW Lehrbücher und Lehrmethoden nicht explizit nennt801. Die in Art. 4 CADE speziell aufgelisteten Maßnahmen sind lediglich solche, denen insbesondere eine effektive Wirkung zur Erreichung des angestrebten Ziels beigemessen wird, sie sind jedoch nicht abschließend.802 Auch für eine geschlechtergerechte Sprache an Hochschulen können sich Argumente aus dem Übereinkommen gegen Diskriminierung im Unterrichtswesen 797

UNESCO (Hrsg.), Ensuring the right to equitable and inclusive quality education. Results of the Ninth Consultation of Member States on the implementation of the UNESCO Convention and Recommendation against Discrimination in Education, 2018, S. 11; vgl. bereits UNESCO (Hrsg.), Implementation of the Convention and Recommendation against Discrimination in Education. Results of the Eighth Consultation of Member States (2011 – 2013), 2013, S. 10. 798 S. Leitlinien zur Sicherung der Chancengleichheit durch geschlechtersensible schulische Bildung und Erziehung (Beschluss der Kultusministerkonferenz vom 6. 10. 2016/Beschluss der Konferenz der Gleichstellungs- und Frauenministerinnen und -minister, -senatorinnen und -senatoren der Länder vom 16. 06. 2016), Sammlung der Beschlüsse der Ständigen Konferenz der Kultusminister der Länder in der Bundesrepublik Deutschland, Stand: 196. Lfg. März 2020, Beschluss Nr. 673, S. 2. 799 Zur grundsätzlichen Geltung des Übereinkommens gegen Diskriminierung im Unterrichtswesen auch für Privatschulen UNESCO (Hrsg.), Implementation of the Convention and Recommendation against Discrimination in Education. Results of the Eighth Consultation of Member States (2011 – 2013), 2013, S. 10 f.; UNESCO (Hrsg.), Ensuring the right to equitable and inclusive quality education. Results of the Ninth Consultation of Member States on the implementation of the UNESCO Convention and Recommendation against Discrimination in Education, 2018, S. 11; Daudet/Eisemann, in: UNESCO (Hrsg.), Convention against Discrimination in Education, 2005, Art. 3, S. 20; Poscher/Langer, in: Poscher/Rux/Langer, Das Recht auf Bildung, 2009, S. 20. Die Reichweite der Regelungs- und Aufsichtsbefugnisse des Staates gegenüber Privatschulen kann hier nicht näher beleuchtet werden. 800 Vgl. dazu die Ausführungen zu Art. 10 lit. c CEDAW unter Dritter Teil, A. VI. 1. 801 Bittner, Geschlechterkonstruktionen und die Darstellung von Lesben, Schwulen, Bisexuellen, Trans* und Inter* (LSBTI) in Schulbüchern, 2011, S. 19 f. 802 Poscher/Langer, in: Poscher/Rux/Langer, Das Recht auf Bildung, 2009, S. 29.

A. Unions- und völkerrechtliche Maßgaben für geschlechtergerechte Sprache

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ableiten lassen, da der Begriff „Unterrichtswesen“ i. S. d. Übereinkommens auch das Hochschulwesen erfasst803. Die UNESCO selbst hat in ihren letzten Auswertungen der von den Vertragsstaaten gem. Art. 7 des Übereinkommens regelmäßig einzureichenden Berichte geschlechtergerechte Sprache im Unterrichtswesen allerdings jedenfalls nicht ausdrücklich thematisiert, insbesondere nicht unter den verbleibenden Herausforderungen.804 In einer Resolution aus dem Jahr 1995 hat sie jedoch – wenn auch ohne explizite Bezugnahme auf die Convention against Discrimination in Education, sondern unter Bezugnahme u. a. auf die CEDAW – zum Ausdruck gebracht, dass sie mit Sorge das Beibehalten von Praktiken im Unterrichtswesen und in Schulbüchern beobachte, welche sexistische Einstellungen und Sprache verfestigten.805 Auch ist in dem von der UNESCO herausgegebenen „Global Education Monitoring Report“ erst jüngst die Bedeutung von Schulbüchern und Lehrmethoden für die Verfestigung schädlicher Geschlechterrollenstereotype hervorgehoben und gemahnt worden, diese regelmäßig auf den Prüfstand zu stellen.806 Dabei wurde auch der Vorbildcharakter von Lehrkräften betont.807 In eine gleiche Richtung zielen die von der deutschen Kultusministerkonferenz beschlossenen „Leitlinien zur Sicherung der Chancengleichheit durch geschlechtersensible schulische Bildung und Erziehung“, die sich sogar explizit auch auf geschlechtersensible Formulierungen im Unterricht und in außerunterrichtlichen Kontexten erstrecken.808 Die Verpflichtung der Vertragsstaaten aus Art. 4 des Übereinkommens gegen Diskriminierung im Unterrichtswesen wird allerdings (nur) im Sinne einer Bemühungspflicht verstanden, die schrittweise unter Einsatz der verfügbaren Ressourcen 803 BT-Drs. V/1583, S. 40; Poscher/Langer, in: Poscher/Rux/Langer, Das Recht auf Bildung, 2009, S. 20. 804 S. UNESCO (Hrsg.), Implementation of the Convention and Recommendation against Discrimination in Education. Results of the Eighth Consultation of Member States (2011 – 2013), 2013; UNESCO (Hrsg.), Ensuring the right to equitable and inclusive quality education. Results of the Ninth Consultation of Member States on the implementation of the UNESCO Convention and Recommendation against Discrimination in Education, 2018; UNESCODok. 39 C/24 vom 23. 10. 2017; allerdings sind diese Auswertungsberichte der Staatenkonsultationen ohnehin nur begrenzt aussagekräftig, vgl. Coomans, in: Henrard/Dunbar (Hrsg.), Synergies in Minority Protection, 2008, S. 297 (306 ff.). 805 UNESCO, 28 C/Resolution 1.13, in: Records of the General Conference, Twenty-eighth Session. Paris, 25 October to 16 November 1995, Bd. 1, 1996, S. 26 f. 806 UNESCO (Hrsg.), Global Education Monitoring Report 2018. Gender Review. Meeting our Commitments to Gender Equality in Education, 2018, S. 52 ff., insb. S. 56. 807 UNESCO (Hrsg.), Global Education Monitoring Report 2018. Gender Review. Meeting our Commitments to Gender Equality in Education, 2018, S. 54. 808 Leitlinien zur Sicherung der Chancengleichheit durch geschlechtersensible schulische Bildung und Erziehung (Beschluss der Kultusministerkonferenz vom 6. 10. 2016/Beschluss der Konferenz der Gleichstellungs- und Frauenministerinnen und -minister, -senatorinnen und -senatoren der Länder vom 16. 06. 2016), Sammlung der Beschlüsse der Ständigen Konferenz der Kultusminister der Länder in der Bundesrepublik Deutschland, Stand: 196. Lfg. März 2020, Beschluss Nr. 673, S. 3, 6.

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3. Teil: Rechtlicher Rahmen für die Verwendung geschlechtergerechter Sprache

zu verwirklichen sei.809 Bestandteil der Bemühungspflicht sei jedoch als deren Konkretisierung ein implizites Regressionsverbot, welches es den Vertragsstaaten verbiete, das einmal erreichte Niveau wieder zu unterschreiten.810 Auch insofern bestehe aber ein politischer Gestaltungsspielraum, sodass es nicht in jedem Fall als konventionswidrig zu erachten sei, wenn sich z. B. ein Vertragsstaat entschließe, eine Maßnahme durch eine andere zu ersetzen oder sie einzuschränken, weil sich etwa die wirtschaftlichen Grundlagen, auf denen die Maßnahme aufbaute, erheblich verschlechtert haben.811 Regressionen können danach ein Indiz für die Verletzung der Bemühungspflicht darstellen und sind vom Vertragsstaat besonders zu rechtfertigen.812 Von den völkerrechtlichen Verpflichtungen der Bundesrepublik Deutschland aus dem Übereinkommen zu unterscheiden sind dessen innerstaatliche Wirkungen. In Deutschland gelten die Verpflichtungen aus dem Übereinkommen gegen Diskriminierung im Unterrichtswesen aufgrund des Zustimmungsgesetzes (i. V. m. dem Einverständnis der Länder gem. Ziff. 3 des Lindauer Abkommens813, in welchem sich die Bundesregierung und die Landesregierungen über die Beteiligung der Länder beim Abschluss völkerrechtlicher Verträge des Bundes verständigt haben)814, und zwar nach nicht unumstrittener Ansicht im Rang eines Bundesgesetzes ungeachtet der Verteilung der Gesetzgebungskompetenzen zwischen Bund und Ländern bzgl. der im Übereinkommen geregelten Materie.815 Davon zu trennen ist die Frage der unmittelbaren Anwendbarkeit.816 Als völkerrechtliches Übereinkommen sind dessen Bestimmungen unmittelbar anwendbar, soweit die Vertragspflichten hinreichend bestimmt sind und keiner weiteren gesetzlichen Ausgestaltung mehr bedürfen.817 Das ist für jede einzelne Bestimmung des Übereinkommens separat im Wege der Auslegung zu beurteilen.818 Der Unterschied besteht darin, dass ein Verstoß gegen nicht unmittelbar anwendbare Bestimmungen völkerrechtlicher Verträge zwar 809

So Poscher/Langer, in: Poscher/Rux/Langer, Das Recht auf Bildung, 2009, S. 24; vgl. Daudet/Eisemann, in: UNESCO (Hrsg.), Convention against Discrimination in Education, 2005, Art. 4, S. 24: „States have obligations that may be immediate (Article 3) or progressive (Article 4)“. 810 Poscher/Langer, in: Poscher/Rux/Langer, Das Recht auf Bildung, 2009, S. 29. 811 Poscher/Langer, in: Poscher/Rux/Langer, Das Recht auf Bildung, 2009, S. 29, 33. 812 Poscher/Langer, in: Poscher/Rux/Langer, Das Recht auf Bildung, 2009, S. 29 f., 33. 813 Verständigung zwischen der Bundesregierung und den Staatskanzleien der Länder über das Vertragsschließungsrecht des Bundes (1957), s. dazu Nettesheim, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 32 Rn. 72 ff. (Stand: März 2007). 814 Zum Kompetenzstreit zwischen Bundestag und Bundesrat bzgl. des Übereinkommens gegen Diskriminierung im Unterrichtswesen mit Blick auf Art. 59 Abs. 2 Satz 1 GG s. BTDrs. V/1583, S. 1 f., 43. 815 Vgl. Nettesheim, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 59 Rn. 185 (Stand: Jan. 2009). 816 Poscher/Langer, in: Poscher/Rux/Langer, Das Recht auf Bildung, 2009, S. 32 Fn. 60; vgl. dazu auch unter Dritter Teil, A. VI. 1. m. w. N. in Fn. 742. 817 Vgl. unter Dritter Teil, A. VI. 1. m. Nachweisen in Fn. 744. 818 Vgl. unter Dritter Teil, A. VI. 1. m. Nachweisen in Fn. 747.

A. Unions- und völkerrechtliche Maßgaben für geschlechtergerechte Sprache

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einen völkerrechtlichen Verstoß darstellte, aber nicht von deutschen Gerichten festgestellt werden könnte.819 Bei der weiteren (dritten) Frage nach subjektiven Rechten geht es darum, ob sich aus den Bestimmungen des Übereinkommens auch individuelle Rechte, nicht nur staatliche Verpflichtungen ableiten lassen.820 Dafür kann die Schutznormtheorie entsprechend herangezogen werden.821 Während die sich aus dem Übereinkommen ebenfalls ergebenden Diskriminierungsverbote822 für unmittelbar anwendbar erachtet werden, wird bzgl. der Bemühungspflichten von einer Ansicht in der Literatur die unmittelbare Anwendbarkeit verneint, weil diese Verpflichtungen besonders auf eine Ausgestaltung durch den Gesetzgeber angewiesen und ressourcenabhängig seien.823 Die UNESCO scheint ihrerseits von der unmittelbaren Anwendbarkeit der CADE-Bestimmungen sowie von ihrem individualschützenden Charakter auszugehen. So hat sie ausgeführt: „Moreover, the duties that the Member States have accepted in ratifying the 1960 Convention are sufficiently well defined to be claimed by individuals and civil society.“824

Gegen die Annahme eines individualschützenden Charakters der Konventionsbestimmungen im Sinne der Schutznormtheorie bestehen allerdings insofern Bedenken, als der Kreis der dort geschützten Personen angesichts der Vielzahl an verbotenen Diskriminierungskriterien, aber auch schon allein mit Blick auf das Differenzierungskriterium Geschlecht als nicht hinreichend abgrenzbar erscheint, da hier anders als in der CEDAW nicht nur ein bestimmtes Geschlecht geschützt werden soll.825 Nach der Schutznormtheorie müssen Rechtsvorschriften, um einen Drittschutz vermitteln zu können, einen geschützten Personenkreis erkennen lassen, der 819

Vgl. Poscher/Langer, in: Poscher/Rux/Langer, Das Recht auf Bildung, 2009, S. 32 ff. unter Verweis auf den Grundsatz der Gewaltenteilung. 820 Vgl. unter Dritter Teil, A. VI. 1. m. Nachweisen in Fn. 748. 821 Vgl. unter Dritter Teil, A. VI. 1. m. Nachweisen in Fn. 751. 822 Dabei ist die genaue Ansiedlung des geschlechtsbezogenen Diskriminierungsverbots im Übereinkommen gegen Diskriminierung im Unterrichtswesen nicht ganz klar. Poscher/Langer, in: Poscher/Rux/Langer, Das Recht auf Bildung, 2009, S. 20, 22 und wohl auch Coomans, in: Henrard/Dunbar (Hrsg.), Synergies in Minority Protection, 2008, S. 297 (301 f.) siedeln es in Art. 1 Abs. 1 an, der jedoch eher als reine Definitionsnorm zu deuten ist, während sich auf konkrete Rechtsfolgen zielende rechtliche Maßgaben erst in den Art. 3 ff. finden, vgl. UNESCO (Hrsg.), Implementation of the Convention and Recommendation against Discrimination in Education. Results of the Eighth Consultation of Member States (2011 – 2013), 2013, S. 10; Daudet/Eisemann, in: UNESCO (Hrsg.), Convention against Discrimination in Education, 2005, Art. 1, S. 9. Das Diskriminierungsverbot lässt sich aber jedenfalls aus Art. 3 des Übereinkommens ableiten, auch soweit es auf ein reines Unterlassen gerichtet ist. 823 Poscher/Langer, in: Poscher/Rux/Langer, Das Recht auf Bildung, 2009, S. 32 f., die hier allerdings wiederum das Diskriminierungsverbot auf ein Verbot intendierter Diskriminierung beschränken, s. dazu in Fn. 795. 824 UNESCO (Hrsg.), Implementation of the Convention and Recommendation against Discrimination in Education. Results of the Eighth Consultation of Member States (2011 – 2013), 2013, S. 8. 825 Vgl. LG Saarbrücken, 1 S 4/16 vom 10. 3. 2017, Rn. 29 f. (juris).

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3. Teil: Rechtlicher Rahmen für die Verwendung geschlechtergerechter Sprache

sich aus individualisierenden Merkmalen von der Allgemeinheit unterscheidet.826 Da aber alle Menschen ein Geschlecht haben, deckt sich der geschützte Personenkreis mit der Allgemeinheit, wenn alle Geschlechter von der betreffenden Vorschrift gleichermaßen geschützt werden sollen.827 Andererseits ist das Kriterium des individualisierbaren, von der Allgemeinheit zu unterscheidenden Personenkreises für die Ermittlung eines Nachbar- bzw. Konkurrentenschutzes entwickelt worden.828 Beim Übereinkommen gegen Diskriminierung im Unterrichtswesen geht es aber nicht um eine für eine weitere Person günstige Regelung und eine Begrenzung der Möglichkeiten Drittbetroffener, hiergegen vorzugehen. Insofern könnte es angemessener sein, auf die Kriterien zurückzugreifen, die das Bundesverfassungsgericht für das Vorliegen einer eigenen Rechtsverletzung i. S. d. Art. 19 Abs. 4 GG entwickelt hat („Wird jemand … in seinen Rechten verletzt, …“).829 Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts muss es sich bei der als verletzt gerügten Norm um eine im Interesse des Einzelnen gewährte Rechtsposition handeln.830 Die Verletzung von Rechtssätzen, in denen der Einzelne nur aus Gründen des Interesses der Allgemeinheit begünstigt wird, die also reine Reflexwirkungen haben, genüge demgegenüber nicht.831 Ob eine Norm diesen Anforderungen genügt, ist im Wege der Auslegung zu ermitteln.832 Dafür dass es sich bei den im Übereinkommen gegen Diskriminierung im Unterrichtswesen enthaltenen Bestimmungen um solche im Interesse einzelner Personen gewährte Rechtspositionen handelt, spricht, dass in der Präambel mit der Bezugnahme auf die AEMR der menschenrechtliche Bezug betont wird. Andererseits sieht das Übereinkommen gegen Diskriminierung im Unterrichtswesen selbst kein Individualbeschwerdeverfahren vor.833 Individualbeschwerden kommen aber im gesamten Kompetenzbereich der UNESCO bei einer

826 BVerwGE 78, 40 (43); 81, 329 (334); Sächs. OVG, 3 B 62/11 vom 17. 3. 2011, Rn. 39 (juris); LG Saarbrücken, 1 S 4/16 vom 10. 3. 2017, Rn. 29 (juris). 827 Vgl. LG Saarbrücken, 1 S 4/16 vom 10. 3. 2017, Rn. 30 (juris). 828 S. etwa BVerwGE 78, 40 (41 ff.); 81, 329 (330 ff.); Sächs. OVG, 3 B 62/11 vom 17. 3. 2011, Rn. 39 (juris). 829 In diesem Sinne wohl im Ergebnis auch das Verständnis der Schutznormtheorie bei D. Steiger, in: Binder u. a. (Hrsg.), Völkerrecht im innerstaatlichen Bereich, 2010, S. 129 (133); nicht ganz eindeutig die Anknüpfung bei Rudolf/Chen, in: Schöpp-Schilling/Rudolf/Gothe (Hrsg.), Mit Recht zur Gleichheit, 2014, S. 25 (39), wonach „die Norm dem Schutz eines bestimmten, auch nach abstrakten Kriterien zu bestimmenden, Personenkreises“ dienen müsse und der aus ihr erwachsende Vorteil sich nicht lediglich als Rechtsreflex erweisen dürfe. 830 BVerfGE 27, 297 (305); 83, 182 (194). 831 BVerfGE 31, 33 (39 f.); 83, 182 (194); BVerfG, NJW 1990, 2249 (2249); in diesem Sinne auch Schmidt-Aßmann, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 19 Abs. 4 Rn. 136 (Stand: Juli 2014). 832 BVerfGE 31, 33 (39 ff.); Schmidt-Aßmann, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 19 Abs. 4 Rn. 136 ff. (Stand: Juli 2014). 833 Coomans, in: Henrard/Dunbar (Hrsg.), Synergies in Minority Protection, 2008, S. 297 (305).

A. Unions- und völkerrechtliche Maßgaben für geschlechtergerechte Sprache

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behaupteten Verletzung von Menschenrechten in Betracht; zuständig ist hierfür innerhalb der UNESCO das Committee on Conventions and Recommendations.834 3. UNESCO, 24 C/Resolution 14.1 (1987) Die UNESCO hat sich überdies in einer Resolution aus dem Jahr 1987835 explizit mit der Thematik geschlechtergerechte Sprache befasst, jedoch allein bezogen auf Arbeitsdokumente der UNESCO. Danach sollen in allen Arbeitsdokumenten der Organisation, also z. B. in Formularen, Protokollen, Artikeln und Reden, sprachliche Formen vermieden werden, die sich nur auf ein Geschlecht beziehen, aber Frauen wie Männer ansprechen sollen.836 Die maßgebliche Passage lautet in der englischen Fassung:837 „The General Conference … 2. Invites the Director-General: … (l) to adopt a policy related to the drafting of all the Organization’s working documents aimed at avoiding, to the extent possible, the use of language which refers explicitly or implicitly to only one sex except where positive action measures are being considered; …“

1989 heißt es in einer Resolution:838 „The General Conference … 3. Further invites the Director-General:… (b) to pursue the establishment of guidelines on the use of vocabulary that refers explicitly to women, and to promote its use among the Member States; (c) to ensure that these guidelines are respected in all Organization’s communications, publications and documents; …“

834 S. dazu UNESCO-Dok. 104 EX/Decisions Ziff. 3.3 sowie 2nd aspect of the terms of reference of CR: examination of the communications relating to cases and questions concerning the exercise of human rights in UNESCO’s field of competence, http://portal.unesco.org/en/ev.php-URL_ID=15243&URL_DO=DO_TOPIC&URL_SEC TION=201.html (abgerufen am 2. 6. 2020); dieses Verfahren ist wohl auch gemeint in UNESCO (Hrsg.), Global Education Monitoring Report 2018. Gender Review. Meeting our Commitments to Gender Equality in Education, 2018, S. 43. 835 UNESCO, 24 C/Resolution 14.1, in: Records of the General Conference. Twenty-fourth Session. Paris, 20 October to 20 November 1987, Bd. 1, 1988, S. 119 ff. 836 Neu-Altenheimer, in: Hellinger/Bierbach, Eine Sprache für beide Geschlechter, hrsg. von der Deutschen UNESCO-Kommission, 1993, S. 3. 837 UNESCO, 24 C/Resolution 14.1, in: Records of the General Conference. Twenty-fourth Session. Paris, 20 October to 20 November 1987, Bd. 1, 1988, S. 119 ff. 838 UNESCO, 25 C/Resolution 109, in: Records of the General Conference. Twenty-fifth Session. Paris 17 October to 16 November 1989, Bd. 1, 1990, S. 47 ff.; s. auch UNESCO, 26 C/ Resolution 11.1, Records of the General Conference. Twenty-sixth Session. Paris, 15 October to 7 November 1991, Bd. 1, 1992, S. 87 ff.

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Es sollten also sprachliche Leitlinien erstellt und befolgt werden. Solche erschienen zunächst als UNESCO-Empfehlungen für das Englische (Guidelines on Non-Sexist Language) und das Französische (Pour un Langage Non Sexiste)839; Empfehlungen für das Deutsche folgten 1993840. Diese Empfehlungen für das Deutsche sind über den innerinstitutionellen Bereich der UNESCO hinaus u. a. auch für die Verwendung an Schulen und Universitäten, im Parlament, in Behörden sowie für das Verfassen von Lern- und Lehrmaterialien gedacht.841 1994 befasste sich der Exekutivrat der UNESCO mit der Umsetzung bei der Formulierung der UNESCO-Texte.842 Ihm lag ein Bericht über die Durchsicht von UNESCO-Texten in den Arbeitssprachen der Organisation (Englisch, Französisch, Spanisch, Russisch, Arabisch, Chinesisch) im Hinblick auf problematische Formulierungen vor.843 Die vorgeschlagenen Änderungen werden allerdings als geringfügig erachtet, insbesondere weil in dem Bericht Funktionsbezeichnungen unter generischer Verwendung des Maskulinums für akzeptabel gehalten werden.844 Für zukünftige „basic texts“ beschloss der Exekutivrat, dass folgende Klausel am Ende der letzten Seite eingesetzt werden solle: „None of the terms used in the basic texts to designate the person discharging duties or functions is to be interpreted as implying that men and women are not equally eligible to fill any post or seat associated with the discharge of these duties or functions“.845

1999 wurden von der UNESCO neue sprachliche Leitlinien für das Englische, das Französische und das Spanische herausgegeben.846 Auf diese verweist die UNESCO auch in ihren „Priority Gender Equality Guidelines“ aus dem Jahr 2011, welche u. a. vorgeben, dass alle Veröffentlichungen der UNESCO sprachlich „gender-neutral“ 839

Fassung von 1989 abrufbar unter https://unesdoc.unesco.org/ark:/48223/pf0000084241 (abgerufen am 2. 6. 2020); die 1. Aufl. soll bereits 1987 als „Guide to Non-Sexist Language“ erschienen sein. 840 Hellinger/Bierbach, Eine Sprache für beide Geschlechter. Richtlinien für einen nichtsexistischen Sprachgebrauch, hrsg. von der Deutschen UNESCO-Kommission, 1993. 841 Hellinger/Bierbach, Eine Sprache für beide Geschlechter, hrsg. von der Deutschen UNESCO-Kommission, 1993, S. 8. 842 UNESCO-Dok. 145 EX/Decisions vom 29. 11. 1994, Item 5.71, S. 45; wie auch andere UNESCO-Dokumente abrufbar unter https://unesdoc.unesco.org/ulis/ (abgerufen am 2. 6. 2020). 843 UNESCO-Dok. 145 EX/24 vom 25. 8. 1994: Report on the revision of UNESCO’s Basic Texts to ensure the use of neutral terminology and wording. 844 Hellinger, in: Eichhoff-Cyrus (Hrsg.), Adam, Eva und die Sprache, 2004, S. 275 (277); s. dazu UNESCO-Dok. 145 EX/24 vom 25. 8. 1994, S. 3 f. zum Spanischen und Französischen. 845 UNESCO-Dok. 145 EX/Decisions vom 29. 11. 1994, Item 5.71, S. 45; s. auch UNESCO-Dok. 145 EX/24 vom 25. 8. 1994, S. 8 und Annex I S. 2; zu derartigen allgemeinen Klauseln s. unter Erster Teil, C. 846 UNESCO (Hrsg.), Guidelines on Gender-Neutral Language/Pour l’égalité des sexes dans le langage/Recomendaciones para un uso no sexista del lenguaje, 1999, abrufbar unter https:// unesdoc.unesco.org/ark:/48223/pf0000114950 (abgerufen am 2. 6. 2020); zu deren weltweiter Bedeutung Sczesny/Formanowicz/Moser, Fontiers in Psychology 7 (2016), Art. 25, S. 5.

A. Unions- und völkerrechtliche Maßgaben für geschlechtergerechte Sprache

149

und „gender-inclusive“ sein sollten.847 Bindende Vorgaben für die Staaten ergeben sich auch hieraus nicht.848 4. Zwischenergebnis Unter dem Aspekt der Einheit der Rechtsordnung und unter Berücksichtigung aller Sprachfassungen ist eine nicht geschlechtergerechte Vorschriftensprache nicht als Diskriminierung wegen des Geschlechts i. S. d. Unionsrechts anzusehen. Dennoch kommen auf der Ebene der Europäischen Union verschiedene Normen des Primär- und Sekundärrechts als Anknüpfungspunkt für Maßgaben bzgl. geschlechtergerechter (Rechts-)Sprache in Betracht, insbesondere solche, die dem Gender Mainstreaming-Ansatz zuzurechnen sind. So wirkt gem. Art. 8 AEUV die EU bei allen ihren Tätigkeiten darauf hin, Ungleichheiten zu beseitigen und die Gleichstellung von Männern und Frauen zu fördern. Gem. Art. 29 RL 2006/54/EG berücksichtigen die Mitgliedstaaten aktiv das Ziel der Gleichstellung von Männern und Frauen bei der Formulierung und Durchführung von Rechts- und Verwaltungsvorschriften, Politiken und Tätigkeiten in den in dieser Richtlinie genannten Bereichen. Ähnlich ist auch Art. 12 RL 2010/41/EU formuliert. Auch der Auftrag zur Sicherstellung der Gleichheit von Frauen und Männern aus Art. 23 Abs. 1 GRC stellt einen Anknüpfungspunkt dar. Der Begriff der „Gleichheit“ kann hier auch die sprachliche Gleichbehandlung umfassen. Bei einem solchen Verständnis kommen Vorgaben der Union an die Mitgliedstaaten zumindest bzgl. des „Ob“ geschlechtergerechter Sprache (im Zuständigkeitsbereich der Union) in Betracht, während Vorgaben bzgl. des „Wie“ geschlechtergerechter Sprache wegen der zu achtenden Sprachenhoheit der Mitgliedstaaten ausgeschlossen erscheinen. Art. 23 Abs. 1 GRC lässt sich darüber hinaus so interpretieren, dass die Mitgliedstaaten bei der Durchführung von Unionsrecht unmittelbar aus dieser Norm Verpflichtungen bzgl. geschlechtergerechter Sprache unterliegen. Die vorgenannten Normen werden allerdings bislang weit überwiegend nicht in Richtung von Maßgaben für geschlechtergerechte Rechtssprache in den Mitgliedstaaten interpretiert. Namentlich die EU-Kommission sieht hier keine Zuständigkeit in der Frage, „wie der nationale Sprachgebrauch ausgerichtet werden sollte“ und beabsichtigte jedenfalls 2007 nicht, Initiativen mit dem Ziel einer geschlechtergerechten Sprache zu ergreifen. Das scheint sich bisher auch nicht geändert zu haben. Mehr Zustimmung, wenn auch bei weitem keine Einigkeit, besteht dazu, dass Art. 14 Abs. 1 RL 2006/54/EG ein Gebot geschlechtsneutraler Stellenausschreibungen im öffentlichen wie auch im privaten Bereich legitimiert bzw. sogar fordert.

847

UNESCO Publications Board (Hrsg.), Priority Gender Equality Guidelines, 2011, S. 3 f., abrufbar unter http://www.unesco.org/new/fileadmin/MULTIMEDIA/HQ/BSP/GEN DER/GE%20Guidelines%20December%202_FINAL.pdf (abgerufen am 2. 6. 2020). 848 Sczesny/Formanowicz/Moser, Fontiers in Psychology 7 (2016), Art. 25, S. 5.

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3. Teil: Rechtlicher Rahmen für die Verwendung geschlechtergerechter Sprache

Auf der Ebene des Europarates weist die Empfehlung R (90) 4 vom 21. Februar 1990 (Recommendation No. R [90] 4 of the Committee of Ministers to Member States on the Elimination of Sexism from Language) spezifischen Bezug zum Thema geschlechtergerechte Sprache auf. Als Empfehlung sind die Maßgaben zwar nicht rechtsverbindlich, sie können aber im Rahmen nationaler Handlungsspielräume als „argumentative Stütze“ herangezogen werden. Auf der UN-Ebene sind für die Problematik geschlechtergerechte Sprache das Übereinkommen der Vereinten Nationen zur Beseitigung jeder Form von Diskriminierung der Frau (Convention on the Elimination of All Forms of Discrimination against Women – CEDAW) sowie das UNESCO-Übereinkommen gegen Diskriminierung im Unterrichtswesen (Convention against Discrimination in Education – CADE) am speziellsten und relevantesten. Die geschlechtergerechte Fassung von Rechtsvorschriften wird als eine geeignete Maßnahme zur Erfüllung der sich insbesondere aus Art. 2 und Art. 5 lit. a CEDAW für die Vertragsstaaten ergebenden Verpflichtungen angesehen. Sowohl aus Art. 10 lit. c CEDAW als auch aus Art. 4 CADE lassen sich Argumente für eine geschlechtergerechte Sprache der Lehrkräfte an Schulen sowie in den Schulbüchern ableiten. Entsprechendes gilt für Hochschulen. Allerdings scheinen selbst der CEDAW-Ausschuss und die UNESCO nicht von einer eindeutigen Verpflichtung der Vertragsstaaten zur Förderung geschlechtergerechter Sprache aus den Übereinkommen auszugehen. Zu dieser Zwischenbilanz passt es, dass der Bundesgerichtshof in seinem Urteil zu geschlechtergerechter Sprache in Sparkassenformularen und -vordrucken apodiktisch festgestellt hat, der von der Klägerin geltend gemachte Anspruch (auf die Verwendung geschlechtergerecht formulierter Vordrucke) ergebe sich auch „nicht aus Art. 20 f., 23 EU-GRCharta, Art. 14 EMRK oder anderem zwischenstaatlichem und supranationalem Recht“.849

B. Bundesverfassungsrechtliche Maßgaben für geschlechtergerechte Sprache Aufgrund des (Anwendungs-)Vorrangs des Unionsrechts850 stellt sich die Frage, ob die (bundesdeutschen) Grundrechte überhaupt noch als Prüfungsmaßstab zum Zuge kommen.

849

BGHZ 218, 96 (111 Rn. 51); s. dazu näher unter Erster Teil, D. S. dazu einleitend unter Dritter Teil, A. Für eine Differenzierung zwischen dem (unmittelbare Anwendbarkeit des Unionsrechts voraussetzenden) Anwendungsvorrang als Vorrang im engeren Sinne und einem Vorrang (des Unionsrechts) im weiteren Sinne Jarass/Beljin, NVwZ 2004, 1 (2 ff.); s. dazu auch EuGH, Rs. C-399/11 vom 26. 2. 2013, Slg., Rn. 59 – Melloni. 850

B. Bundesverfassungsrechtliche Maßgaben für geschlechtergerechte Sprache

151

Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts scheiden die Grundrechte des Grundgesetzes grundsätzlich851 als Prüfungsmaßstab für Hoheitsakte der Europäischen Union ebenso aus wie für innerstaatliche Hoheitsakte, soweit das europäische Unionsrecht zwingende Vorgaben enthält, also den Mitgliedstaaten bei der Anwendung von Unionsrecht keine Gestaltungsspielräume belässt. Dies hat das Bundesverfassungsgericht für nationale Rechtsakte entschieden, die europäische Richtlinien umsetzen852 oder europäische Beschlüsse vollziehen853. Im Falle von Umsetzungsspielräumen der Mitgliedstaaten konnten dagegen nach herkömmlicher Ansicht des Bundesverfassungsgerichts (nur) die deutschen Grundrechte zum Zuge kommen854, während der EuGH hier eine parallele Prüfung von Charta-Grundrechten und nationalen Grundrechten für möglich hält855. Entscheidendes Kriterium war lange Zeit nach Ansicht des Bundesverfassungsgerichts, ob eine nationale Rechtsvorschrift „durch Unionsrecht determiniert“ ist; sei dies nicht der Fall, liege auch keine Durchführung des Rechts der Union i. S. d. Art. 51 Abs. 1 Satz 1 GRC856 vor.857 Hier ist es mit dem Beschluss des Ersten Senates des Bundesverfassungsgerichts zum „Recht auf Vergessen I“ vom 6. November 2019 (Az. 1 BvR 16/13) jedoch zu einer grundlegenden Änderung der Rechtsprechung gekommen: Danach können innerstaatliche Regelungen nunmehr auch dann als Durchführung des Unionsrechts i. S. d. Art. 51 Abs. 1 Satz 1 GRC anzusehen sein, „wenn für deren Gestaltung den Mitgliedstaaten Spielräume verbleiben, das Unionsrecht dieser Gestaltung aber einen hinreichend gehaltvollen Rahmen setzt, der erkennbar auch unter Beachtung der Unionsgrundrechte konkretisiert werden soll“.858 Die Unionsgrundrechte treten in diesen Fällen nach der neuen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zu denen des Grundgesetzes hinzu; primärer Prüfungsmaßstab der bundesverfassungsgerichtlichen Prüfung bleiben aber die grundgesetzlichen Grundrechtsverbürgungen.859 851 Zu den Grenzen s. BVerfGE 37, 271 (277 ff.) – „Solange I“; 73, 339 (374 ff.) – „Solange II“; 89, 155 (174 f.) – „Maastricht“; 102, 147 (162 ff.) – „Bananenmarkt-Verordnung“; 123, 267 (344 ff.) – „Lissabon“; 126, 286 (302 ff.) – „Honeywell“; 140, 317 (334 ff. Rn. 36 ff.) – „Identitätskontrolle“; 142, 123 (186 ff.) – „OMT“; BVerfG, NJW 2020, 1647 ff. (1649 ff. Rn. 98 ff.); s. auch BVerfGE 118, 79 (95); 129, 186 (199). 852 BVerfGE 118, 79 (95); 121, 1 (15); 125, 260 (306); 129, 186 (199); 142, 74 (112 Rn. 115); jüngst bestätigt durch BVerfG, NJW 2020, 314 (316 f. Rn. 33 ff.). 853 S. nur BVerfGE 129, 186 (199). 854 S. nur BVerfGE 125, 260 (306 f.); 129, 78 (90 f.); 130, 151 (178); zur Rspr. des BVerfG F. Lange, NVwZ 2014, 169 (169 f.); Kingreen, in: Calliess/Ruffert (Hrsg.), EUV/AEUV, 5. Aufl. 2016, Art. 51 GRC Rn. 10. 855 EuGH, Rs. C-617/10 vom 26. 2. 2013, Slg., Rn. 29 – Åkerberg Fransson; s. dazu Kingreen, in: Calliess/Ruffert (Hrsg.), EUV/AEUV, 5. Aufl. 2016, Art. 51 GRC Rn. 10. 856 S. dazu einleitend unter Dritter Teil, A. I. 857 BVerfGE 133, 277 (313 f. Rn. 88); vgl. BVerfGE 125, 260 (306 f.); 129, 78 (90); kritisch dazu Ohler, NVwZ 2013, 1433 (1436 f.). 858 BVerfG, NJW 2020, 300 (301 Rn. 44); s. dazu etwa Michl, VerfBlog vom 27. 11. 2019; Schramm, VerfBlog vom 5. 12. 2019. 859 BVerfG, NJW 2020, 300 (301 ff. Rn. 44 ff.).

152

3. Teil: Rechtlicher Rahmen für die Verwendung geschlechtergerechter Sprache

Wie bereits ausgeführt, fällt Gleichstellung nicht generell in den Kompetenzbereich der EU.860 Zwar sind die Kompetenzen der EU im Bereich der Geschlechtergleichbehandlung fortwährend ausgedehnt worden861, eine umfassende Kompetenz der EU in diesem Bereich besteht aber weiterhin nicht862. Auch wurde bereits dargelegt, dass die sprachliche Geschlechtergleichbehandlung in Rechtsnormen nach bislang h.M. durch das für die Mitgliedstaaten verbindliche Unionsrecht weder explizit863 noch implizit geregelt ist.864 Folglich können die bundesdeutschen Grundrechte zum Zuge kommen.

I. Art. 3 GG als Direktive für geschlechtergerechte Sprache? Als Direktive für geschlechtergerechte Sprache kommt zunächst und vor allem Art. 3 GG in Betracht.865 1. Gewährleistungsgehalte und Verhältnis der einzelnen Regelungen des Art. 3 GG zueinander Art. 3 GG beinhaltet in jedem seiner drei Absätze Regelungen mit Bezug zur Geschlechtergleichheit. Nach Abs. 1 sind alle Menschen vor dem Gesetz gleich. Abs. 2 bestimmt in Satz 1, dass Männer und Frauen gleichberechtigt sind. Nach Satz 2 des Abs. 2 fördert der Staat die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern und wirkt auf die Beseitigung bestehender Nachteile hin. Gem. Art. 3 Abs. 3 Satz 1 GG darf schließlich niemand (u. a.) wegen seines Geschlechts benachteiligt werden. 860

S. dazu einleitend unter Dritter Teil, A. I. m. Nachweisen in Fn. 449. S. dazu einleitend unter Dritter Teil, A. I. m. Nachweisen in Fn. 452. 862 Westendorp/Waltermann, in: Westendorp (Hrsg.), The Women’s Convention turned 30, 2012, S. 33 (60, 62). 863 Dauses, in: FS Müller-Graff, 2015, S. 217 (218). 864 S. dazu unter Dritter Teil, A. mit Zwischenergebnis unter A. VII. 865 Dieser Ansatz wurde zunächst von anderen Disziplinen in die Diskussion eingebracht, s. Guentherodt, Linguistische Berichte 69 (1980), 22 (22, 35); Guentherodt, Muttersprache 94 (1983/84), 271 (272); Pflug, Diskussion Deutsch 21 (1990), 98 (99); Pusch, Die Frau ist nicht der Rede wert, 1999, S. 9 (10); Samel, Einführung in die feministische Sprachwissenschaft, 2. Aufl. 2000, S. 111; er wurde aber auch von juristischer Seite aufgegriffen, s. BT-Drs. 12/ 1041, S. 11 ff.; E. Bülow, ZG 3 (1988), 160 (167 f.); Schulze-Fielitz, KritV 72 (1989), 273 (277 ff.); Grabrucker, in: Battis/Schultz (Hrsg.), Frauen im Recht, 1990, S. 281 (292); Grabrucker, Vater Staat hat keine Muttersprache, 1993, S. 211 ff.; zur verfassungsrechtlichen Anbindung des Diskurses s. § 1 Nds. Gesetz zur Förderung der Gleichstellung der Frau in der Rechts- und Verwaltungssprache (s. dazu unter Dritter Teil, D. II. 3. a]); Diederichsen, in: FS Gaul, 1997, S. 121 (134 f.); Hellinger, in: Eichhoff-Cyrus (Hrsg.), Adam, Eva und die Sprache, 2004, S. 275 (276); V. Steiger/Irmen, Der Sprachdienst 52 (2008), 161 (168); kritisch insofern U. Müller, ZGL 16 (1988), 323 (325). 861

B. Bundesverfassungsrechtliche Maßgaben für geschlechtergerechte Sprache

153

Die genauen Gewährleistungsgehalte der einzelnen Regelungen des Art. 3 GG und insbesondere ihr Verhältnis zueinander waren und sind streitig866, auch wenn die nachträgliche Einfügung des Satzes 2 in Art. 3 Abs. 2 GG im Jahr 1994867 den Streit ein wenig entschärft hat868. Zudem hat das Bundesverfassungsgericht erst kürzlich durch seine Entscheidung zum „dritten Geschlecht“ seine Auffassung zum Verhältnis zwischen Art. 3 Abs. 2 GG und Art. 3 Abs. 3 Satz 1 GG präzisiert869 und so zur Klärung der Streitfrage beigetragen. Breite Einigkeit dürfte zumindest dahingehend bestehen, dass Abs. 2 und Abs. 3 von Art. 3 GG gegenüber dessen Abs. 1 in Bezug auf das Merkmal Geschlecht spezieller sind.870 Abs. 2 Satz 1 (der früher allein den Abs. 2 darstellte) und Abs. 3 Satz 1 des Art. 3 GG werden bezogen auf das Merkmal Geschlecht teilweise als übereinstimmendes Diskriminierungsverbot interpretiert.871 Dies war lange Zeit auch die Linie der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts.872 Später hat es dem (jetzigen Satz 1 des) Abs. 2 von Art. 3 GG jedoch einen über Abs. 3 Satz 1 hinausgehenden Regelungsgehalt zugemessen, der darin bestehe, dass er ein Gleichberechtigungsgebot aufstelle und dieses auch auf die gesellschaftliche Wirklichkeit erstrecke.873 866 Kischel, in: Epping/Hillgruber (Hrsg.), BeckOK GG, Stand: Dez. 2019, Art. 3 Rn. 179 ff.; ausführliche Darstellung des Meinungsspektrums bei Brosius-Gersdorf, Demografischer Wandel und Familienförderung, 2011, S. 366 ff. 867 S. Gesetz zur Änderung des Grundgesetzes vom 27. 10. 1994, BGBl. I S. 3146; in Kraft getreten am 15. 11. 1994. 868 Grabrucker, Vater Staat hat keine Muttersprache, 1993, S. 221; Rüfner, in: Kahl/ Waldhoff/Walter (Hrsg.), Bonner Kommentar zum Grundgesetz, Art. 3 Abs. 2 und 3 Rn. 689 (Stand: Mai 1996); Boysen, in: v. Münch/Kunig, GG, Bd. I, 6. Aufl. 2012, Art. 3 Rn. 168; a. A. Di Fabio, AöR 122 (1997), 404 (408), der die Probleme durch die Ergänzung sogar verschärft sieht. 869 S. BVerfGE 147, 1 (28 f. Rn. 58 ff.). 870 Sachs, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts der Bundesrepublik Deutschland, Bd. VIII, 3. Aufl. 2010, § 182 Rn. 19; Adamietz, Geschlecht als Erwartung, 2011, S. 115, 117; Heun, in: Dreier (Hrsg.), GG, Bd. I, 3. Aufl. 2013, Art. 3 Rn. 142; Langenfeld, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 3 Abs. 2 Rn. 14, Art. 3 Abs. 3 Rn. 101 (Stand: Mai 2015); Jarass, in: Jarass/Pieroth, GG, 15. Aufl. 2018, Art. 3 Rn. 105. 871 So FG Berlin-Brandenburg, EFG 2009, 766 (767); Hofmann, FamRZ 1995, 257 (260); Scheinert, Quotennormen im Arbeitsrecht, 2009, S. 236; Brosius-Gersdorf, Demografischer Wandel und Familienförderung, 2011, S. 371 f.; Boysen, in: v. Münch/Kunig, GG, Bd. I, 6. Aufl. 2012, Art. 3 Rn. 162; Steinherr, in: Bayerl/Gutsche/Klüsener (Hrsg.), Gender – Recht – Gerechtigkeit, 2012, S. 31 (32); Krieger, in: Schmidt-Bleibtreu/Hofmann/Henneke, GG, 14. Aufl. 2018, Art. 3 Rn. 66; Kischel, in: Epping/Hillgruber (Hrsg.), BeckOK GG, Stand: Dez. 2019, Art. 3 Rn. 183; Gröpl, in: Gröpl/Windthorst/v. Coelln, GG, 4. Aufl. 2020, Art. 3 Rn. 72; offengelassen von Vollmer, Das Ehegattensplitting, 1998, S. 122. 872 S. BVerfGE 6, 389 (420); 43, 213 (225); 74, 163 (179). 873 BVerfGE 85, 191 (206 f.); 92, 91 (109); 109, 64 (89); 147, 1 (29 Rn. 60); so auch Schmitt Glaeser, Anhörung zu Art. 3 GG – Gleichberechtigung der Frau – Kurzthesen –, zit. nach: Limbach/Eckertz-Höfer (Hrsg.), Frauenrechte im Grundgesetz des geeinten Deutschland,

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3. Teil: Rechtlicher Rahmen für die Verwendung geschlechtergerechter Sprache

Die Aufnahme des Satzes 2 in Art. 3 Abs. 2 GG ist unter Zugrundelegung dieser Lesart (auch) als Bestätigung und Bekräftigung der früheren Interpretation anzusehen.874 Ob mit Aufnahme des Art. 3 Abs. 2 Satz 2 GG die positive Verpflichtung des Staates aus Art. 3 GG ausschließlich in Abs. 2 Satz 2 anzusiedeln ist875 oder auch in Abs. 2 Satz 1876, der als sowohl ein Diskriminierungsverbot als auch einen positiven Auftrag beinhaltend angesehen werden kann877, ist eine rein akademische Frage.878 Einen (weiteren) Unterschied zwischen Abs. 2 Satz 1 und Abs. 3 Satz 1 von Art. 3 GG hat das Bundesverfassungsgericht erst kürzlich herausgestellt: Während Art. 3 Abs. 2 Satz 1 GG nur von der Gleichberechtigung von Männern und Frauen spricht, darf nach Art. 3 Abs. 3 Satz 1 GG niemand (u. a.) wegen seines Geschlechts benachteiligt werden. Geschlecht in diesem Sinne kann auch ein Geschlecht jenseits von männlich oder weiblich meinen.879 Insofern geht bei einer engen wortlautori1993, S. 222 (223); Ebsen, in: Benda/Maihofer/H.-J. Vogel (Hrsg.), Handbuch des Verfassungsrechts der Bundesrepublik Deutschland, 2. Aufl. 1994, § 8 Rn. 17. 874 Vgl. BT-Drs. 12/6000, S. 50; BVerfGE 92, 91 (109); 104, 373 (393); 109, 64 (89); 113, 1 (15); 126, 29 (53); 147, 1 (29 Rn. 60); BVerfG, NJW 2014, 843 (844 Rn. 24); Rüfner, in: FS Friauf, 1996, S. 331 (338); Rüfner, in: FS Stern, 1997, S. 1011 (1011); Ruffert, Vorrang der Verfassung und Eigenständigkeit des Privatrechts, 2001, S. 180; Rademacher, Diskriminierungsverbot und „Gleichstellungsauftrag“, 2004, S. 142; Adamietz, Geschlecht als Erwartung, 2011, S. 117; Sacksofsky, JöR N.F. 67 (2019), 377 (389); I. Schmidt, in: Müller-Glöge/Preis/ I. Schmidt (Hrsg.), Erfurter Kommentar zum Arbeitsrecht, 20. Aufl. 2020, Art. 3 GG Rn. 83. 875 In diese Richtung Jestaedt, VVDStRL 64 (2005), 298 (345 Fn. 188); Sachs, in: Isensee/ Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts der Bundesrepublik Deutschland, Bd. VIII, 3. Aufl. 2010, § 182 Rn. 82; Brosius-Gersdorf, Demografischer Wandel und Familienförderung, 2011, S. 371; Boysen, in: v. Münch/Kunig, GG, Bd. I, 6. Aufl. 2012, Art. 3 Rn. 162. 876 So Eckertz-Höfer, in: Denninger u. a. (Hrsg.), AK-GG, 3. Aufl. 2001, Art. 3 Abs. 2, 3 Rn. 38; ebenso wohl Ruffert, Vorrang der Verfassung und Eigenständigkeit des Privatrechts, 2001, S. 181. 877 S. BVerfGE 85, 191 (206 f.); 89, 276 (285); Ebsen, in: Benda/Maihofer/H.-J. Vogel (Hrsg.), Handbuch des Verfassungsrechts der Bundesrepublik Deutschland, 2. Aufl. 1994, § 8 Rn. 17, 30; Nußberger, in: Sachs (Hrsg.), GG, 8. Aufl. 2018, Art. 3 Rn. 264, 266 unter Bezugnahme auf die Rspr. des BVerfG. 878 Vgl. Ossenbühl, NJW 2012, 417 (418); Langenfeld, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 3 Abs. 2 Rn. 20 (Stand: Mai 2015); Nußberger, in: Sachs (Hrsg.), GG, 8. Aufl. 2018, Art. 3 Rn. 263. 879 BVerfGE 147, 1 (28 ff. Rn. 58 ff.); in diesem Sinne auch Kolbe, Intersexualität, Zweigeschlechtlichkeit und Verfassungsrecht, 2010, S. 120 ff.; Sachs, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts der Bundesrepublik Deutschland, Bd. VIII, 3. Aufl. 2010, § 182 Rn. 42; Adamietz, Geschlecht als Erwartung, 2011, S. 246 ff.; Froese, AöR 140 (2015), 598 (611); Langenfeld, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 3 Abs. 2 Rn. 24, Art. 3 Abs. 3 Rn. 42 (Stand: Mai 2015); Lettrari, Aktuelle Aspekte der Rechtslage zur Intersexualität, 2015, S. 9, 13; Baer/ Markard, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, Bd. I, 7. Aufl. 2018, Art. 3 Rn. 447, 453 f.; B. Franke, in: Berghahn/Schultz (Hrsg.), Rechtshandbuch für Frauen- und Gleichstellungsbeauftragte (Stand: Mai 2018), Kap. 4.3.3, S. 3; Jarass, in: Jarass/Pieroth, GG, 15. Aufl. 2018, Art. 3 Rn. 138; Krieger, in: Schmidt-Bleibtreu/Hofmann/Henneke, GG, 14. Aufl. 2018, Art. 3 Rn. 77; Sanders, NZFam 2018, 241 (242); Völzmann, JZ 2019, 381 (386, 389); a. A. Heun, in: Dreier (Hrsg.), GG, Bd. I, 3. Aufl. 2013, Art. 3 Rn. 127; Wolff, in: Wolff (Hrsg.), GG, 12. Aufl. 2018, Art. 3 Rn. 12; Kischel, in: Epping/Hillgruber (Hrsg.), BeckOK GG, Stand: Dez. 2019,

B. Bundesverfassungsrechtliche Maßgaben für geschlechtergerechte Sprache

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entierten Auslegung des Art. 3 Abs. 2 Satz 1 GG, aber einer extensiveren Auslegung des Art. 3 Abs. 3 Satz 1 GG das Diskriminierungsverbot aus Art. 3 Abs. 3 Satz 1 GG über das aus Art. 3 Abs. 2 Satz 1 GG ebenfalls abzuleitende Diskriminierungsverbot hinaus.880 Unstreitig erfasst das geschlechtsbezogene Diskriminierungsverbot, soweit es in Art. 3 Abs. 2 Satz 1, Abs. 3 Satz 1 GG angesiedelt wird, unmittelbare Diskriminierungen.881 Diese zeichnen sich dadurch aus, dass eine Regelung unmittelbar an das Merkmal Geschlecht anknüpft und für die Geschlechter unterschiedliche Rechtsfolgen vorsieht.882 Aus umgekehrter Perspektive betrachtet bedeutet dies, dass staatliche Maßnahmen geschlechtsneutral formuliert sein müssen („geschlechtsneutral“ nicht zwingend im Sinne geschlechtsneutraler Sprache, sondern in dem Sinne, dass sie für alle Geschlechter Gleiches anordnen).883 Geschlechtsneutral formulierte staatliche Maßnahmen können aber (dennoch) eine mittelbare Diskriminierung darstellen, wenn sie faktisch überwiegend ein Geschlecht betreffen und dies auf natürliche oder gesellschaftliche Unterschiede zwischen den Geschlechtern zurückzuführen ist.884 Die Rechtsfigur der mittelbaren Diskriminierung ist vor allem auf das Unionsrecht zurückzuführen.885 Inwieweit auch mittelbare geschlechtsbezogene Diskriminierungen von Art. 3 GG erfasst sind und falls ja, von welcher Norm

Art. 3 Rn. 183, 219 f. Einen Verfassungswandel hinsichtlich des Merkmals Geschlecht nimmt Wiggerich, StAZ 2018, 21 (22) an; kritisch in diese Richtung zur Änderung der Rspr. des BVerfG Rixen, JZ 2018, 317 (324 ff.); Kischel, in: Epping/Hillgruber (Hrsg.), BeckOK GG, Stand: Dez. 2019, Art. 3 Rn. 219. 880 S. BVerfGE 147, 1 (28 ff. Rn. 58 ff.); dazu Markard, VerfBlog vom 14. 11. 2017. 881 S. nur Vollmer, Das Ehegattensplitting, 1998, S. 122; Eckertz-Höfer, in: Denninger u. a. (Hrsg.), AK-GG, 3. Aufl. 2001, Art. 3 Abs. 2, 3 Rn. 36, 45; Brosius-Gersdorf, Demografischer Wandel und Familienförderung, 2011, S. 371 f.; Wrase/Klose, in: Foljanty/Lembke (Hrsg.), Feministische Rechtswissenschaft, 2. Aufl. 2012, § 4 Rn. 8; Langenfeld, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 3 Abs. 2 Rn. 21 (Stand: Mai 2015). 882 Vgl. Slupik, Die Entscheidung des Grundgesetzes für Parität im Geschlechterverhältnis, 1988, S. 99 f. unter der Bezeichnung als „direkte Diskriminierung“; Sacksofsky, in: Bußmann/ Hof (Hrsg.), GENUS, 2005, S. 402 (419). 883 Vgl. Brosius-Gersdorf, Demografischer Wandel und Familienförderung, 2011, S. 372: „geschlechtsneutral im Wort“. 884 S. BVerfGE 97, 35 (43); 104, 373 (393); 113, 1 (15); 121, 241 (254 f.); 126, 29 (53); Slupik, Die Entscheidung des Grundgesetzes für Parität im Geschlechterverhältnis, 1988, S. 99 ff. unter der Bezeichnung als „indirekte Diskriminierung“; ähnlich Brosius-Gersdorf, Demografischer Wandel und Familienförderung, 2011, S. 372, die darauf abstellt, ob „typischerweise“ ein Geschlecht benachteiligt wird. 885 S. EuGH, Rs. 96/80 vom 31. 3. 1981, Slg. 1981, 911, Rn. 15 – Jenkins; Rs. 170/84 vom 13. 5. 1986, Slg. 1986, 1607, Rn. 31 – Bilka; Rs. C-33/89 vom 27. 6. 1990, Slg. 1990, I-2591, Rn. 13, 16 – Kowalska; Rs. C-127/92 vom 27. 10. 1993, Slg. 1993, I-5535, Rn. 16, 19 – Enderby; zur Entwicklung auf der Unionsebene und Rezeption in der Rspr. des BVerfG Sacksofsky, in: FS Zuleeg, 2005, S. 323 (334 ff.); Sacksofsky, in: Kempny/P. Reimer (Hrsg.), Gleichheitssatzdogmatik heute, 2017, S. 63 (82).

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genau, nämlich nur von Abs. 2 (Satz 1)886, nur von Abs. 3 Satz 1887, von beiden Normen888, von Abs. 2 Satz 2889 oder gar nur von Abs. 1890, ist in der Literatur umstritten. Auch das Bundesverfassungsgericht ist hier nicht stringent in der normativen Verortung.891 Es gibt allerdings auch andere Interpretationsansätze, etwa den, Art. 3 Abs. 2 Satz 1 GG als (asymmetrisches) gruppenbezogenes „Dominierungsverbot“ zu deuten, welches über die Wirkungen eines Differenzierungsverbotes hinausreiche.892 Auch ein Verständnis von Art. 3 Abs. 2 GG als asymmetrisches „Hierarchisierungsverbot“ wurde in die Diskussion gebracht, wonach eine Unterscheidung nur 886 So pauschal Art. 3 Abs. 2 GG nennend Vollmer, Das Ehegattensplitting, 1998, S. 199; Karuth, Kindererziehungszeiten in der gesetzlichen Rentenversicherung, 2000, S. 239 ff.; Eckertz-Höfer, in: Denninger u. a. (Hrsg.), AK-GG, 3. Aufl. 2001, Art. 3 Abs. 2, 3 Rn. 37, 59; Heun, in: Dreier (Hrsg.), GG, Bd. I, 3. Aufl. 2013, Art. 3 Rn. 104; Langenfeld, in: Maunz/ Dürig, GG, Art. 3 Abs. 2 Rn. 21, 28 ff. (Stand: Mai 2015); eindeutig an Art. 3 Abs. 2 Satz 1 GG anknüpfend Ebsen, in: Benda/Maihofer/H.-J. Vogel (Hrsg.), Handbuch des Verfassungsrechts der Bundesrepublik Deutschland, 2. Aufl. 1994, § 8 Rn. 20, 35; Sacksofsky, Das Grundrecht auf Gleichberechtigung, 2. Aufl. 1996, S. 374, 403 ff.; Kalisch, Die Entwicklung des Verbots der mittelbaren Diskriminierung wegen des Geschlechts im Sozialrecht, 1999, S. 134, 137; Sacksofsky, in: Umbach/Clemens (Hrsg.), GG, Bd. I, 2002, Art. 3 Rn. 363; Tünnemann, Der verfassungsrechtliche Schutz der Familie, 2002, S. 195; Maurer, Verfassungsrechtliche Anforderungen an die Besteuerung von Ehegatten und Familien, 2004, S. 44 f. 887 So Slupik, Die Entscheidung des Grundgesetzes für Parität im Geschlechterverhältnis, 1988, S. 79, 99 ff. 888 So Brosius-Gersdorf, Demografischer Wandel und Familienförderung, 2011, S. 371; Baer/Markard, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, Bd. I, 7. Aufl. 2018, Art. 3 Rn. 430; Jarass, in: Jarass/Pieroth, GG, 15. Aufl. 2018, Art. 3 Rn. 100, 109; Nußberger, in: Sachs (Hrsg.), GG, 8. Aufl. 2018, Art. 3 Rn. 255, 260; wohl ebenso Fuchsloch, Das Verbot der mittelbaren Geschlechtsdiskriminierung, 1995, S. 157; Krieger, in: Schmidt-Bleibtreu/Hofmann/Henneke, GG, 14. Aufl. 2018, Art. 3 Rn. 60, 66, 70. 889 So Rüfner, in: Kahl/Waldhoff/Walter (Hrsg.), Bonner Kommentar zum Grundgesetz, Art. 3 Abs. 2 und 3 Rn. 741 f. (Stand: Mai 1996); Rüfner, in: FS Friauf, 1996, S. 331 (338); Ruffert, Vorrang der Verfassung und Eigenständigkeit des Privatrechts, 2001, S. 182; Grabrucker, Verfassungsrecht und geschlechtergerechte Sprache! – Umsetzung im Recht und in der Realität, 2017. 890 So Sachs, Grenzen des Diskriminierungsverbots, 1987, S. 483 f.; Sachs, in: Isensee/ Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts der Bundesrepublik Deutschland, Bd. VIII, 3. Aufl. 2010, § 182 Rn. 95 f.; Sachs, in: Stern, Das Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland, Bd. IV/2, 2011, § 122, S. 1758 f.; Boysen, in: v. Münch/Kunig, GG, Bd. I, 6. Aufl. 2012, Art. 3 Rn. 145, 163. 891 Zur Anknüpfung an Art. 3 Abs. 2 GG s. BVerfGE 113, 1 (15 f.); 126, 29 (53); zur Anknüpfung an Art. 3 Abs. 3 Satz 1 GG s. BVerfGE 97, 35 (43); 104, 373 (393); 121, 241 (254 f.); 138, 296 (353 f. Rn. 141 ff.); offengelassen in BVerfGE 132, 72 (97 Rn. 57). 892 Grundlegend Sacksofsky, Das Grundrecht auf Gleichberechtigung, 2. Aufl. 1996, S. 312 ff., 403 ff.; s. auch Grabrucker, Vater Staat hat keine Muttersprache, 1993, S. 219 f., 227; Eckertz-Höfer, in: Denninger u. a. (Hrsg.), AK-GG, 3. Aufl. 2001, Art. 3 Abs. 2, 3 Rn. 42, 45; Sacksofsky, in: Umbach/Clemens (Hrsg.), GG, Bd. I, 2002, Art. 3 Rn. 332 ff.; Sacksofsky, ZESAR 2004, 208 (211 f.); Kolbe, Intersexualität, Zweigeschlechtlichkeit und Verfassungsrecht, 2010, S. 117 f.; Heun, in: Dreier (Hrsg.), GG, Bd. I, 3. Aufl. 2013, Art. 3 Rn. 103.

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dann als relevant angesehen wird, wenn sie eine Hierarchie begründe.893 Eine andere Auffassung sah den alleinigen Inhalt von Art. 3 Abs. 2 GG a. F. (dem heutigen Art. 3 Abs. 2 Satz 1 GG) in einem kollektivrechtlichen Verfassungsauftrag zur Gleichstellung des weiblichen Geschlechts, während das individualrechtliche Diskriminierungsverbot nach dieser Ansicht nur in Art. 3 Abs. 3 GG verortet wurde.894 Gegen diese Ansätze ist allerdings einzuwenden, dass der Wortlaut des Art. 3 Abs. 2 Satz 1 GG insbesondere mit Blick auf die sonst individualbezogene Konzeption der Grundrechte nicht deutlich genug für eine solche Auslegung streitet.895 2. Verstoß der herkömmlichen Gesetzessprache gegen das Diskriminierungsverbot von Art. 3 Abs. 2 Satz 1, Abs. 3 Satz 1 GG? Die herkömmliche Vorschriftensprache könnte gegen das Diskriminierungsverbot aus Art. 3 Abs. 2 Satz 1, Abs. 3 Satz 1 GG verstoßen. Die unter Verwendung des generischen Maskulinums formulierten Normen könnten eine ungerechtfertigte Ungleichbehandlung von Frauen (bzw. nicht-männlichen Personen) darstellen, welche diese gegenüber Männern benachteiligt. Man könnte allerdings auch argumentieren, dass es sich nicht um eine Ungleichbehandlung, sondern allenfalls um eine ungerechtfertigte Gleichbehandlung handeln könne, weil in den Rechtsnormen einheitlich für alle Personen die maskulinen Personenbezeichnungen verwendet werden.896 Dann stellt sich die Frage, ob Art. 3 GG auch ein Differenzierungsgebot enthält.897 In diese Richtung deuten Formulierungen des Bundesverfassungsgerichts zu Art. 3 Abs. 1 GG898, obwohl der Wortlaut dagegen spricht.899 Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts kann der Gesetzgeber im Falle einer Gleichbehandlung zu einer Differenzierung dann verpflichtet sein, wenn tatsächliche Ungleichheiten bei einer am Gerechtigkeitsgedanken orientierten Betrachtungsweise nicht unberücksichtigt bleiben 893

S. Baer, Würde oder Gleichheit, 1995, S. 221 ff., insb. S. 237, 241. Slupik, Die Entscheidung des Grundgesetzes für Parität im Geschlechterverhältnis, 1988, S. 136; zustimmend Raasch, Frauenquoten und Männerrechte, 1991, S. 148 ff. 895 Vgl. Huster, KJ 28 (1995), 107 (114); Langenfeld, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 3 Abs. 2 Rn. 18 (Stand: Mai 2015); Einordnung als Individualgrundrecht auch bei Englisch, in: Stern/ F. Becker (Hrsg.), Grundrechte-Kommentar, 3. Aufl. 2019, Art. 3 Rn. 93. 896 Vgl. R. Schneider, ZRP 1988, 125 (126); Stickel, ZGL 16 (1988), 330 (351); Kischel, in: Epping/Hillgruber (Hrsg.), BeckOK GG, Stand: Dez. 2019, Art. 3 Rn. 184.1; vgl. in diese Richtung auch bezogen auf die Formulierung von Vordrucken BGHZ 218, 96 (110 Rn. 48); dazu kritisch G. Bachmann, NJW 2018, 1648 (1650). 897 So in der Literatur zu Art. 3 Abs. 1 GG etwa Grzeszick, in: FS Isensee, 2007, S. 93 (109); Kischel, in: Epping/Hillgruber (Hrsg.), BeckOK GG, Stand: Dez. 2019, Art. 3 Rn. 16. 898 S. BVerfGE 98, 365 (385); 110, 141 (167). 899 Näher Epping, Grundrechte, 8. Aufl. 2019, Rn. 787 ff.; s. auch Sachs, Grenzen des Diskriminierungsverbots, 1987, S. 47, wonach sich Abs. 2 und Abs. 3 von Art. 3 GG eindeutig nur gegen Unterscheidungen richteten. 894

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dürfen.900 Der Schwerpunkt der Kritik liegt allerdings wohl in der Ungleichbehandlung von Frauen: Der Gesetzgeber behandele Frauen (bzw. nicht-männliche Personen) durch seine Vorschriftensprache anders als Männer. Während Männer durch Personenbezeichnungen im generischen Maskulinum wegen der gleichlautenden geschlechtsspezifischen Bezeichnungen für Männer unzweifelhaft als erfasst erkennbar sind, ergibt sich dies bei Frauen erst durch die Kontextbetrachtung. Außerdem sind Frauen beim Lesen und Hören von Personenbezeichnungen im generischen Maskulinum gedanklich weniger repräsentiert als Männer.901 Man könnte auch von einer „Ungleichbehandlung durch Gleichbehandlung“ sprechen. Letztlich dürfte die Einordnung als (möglicherweise ungerechtfertigte) Ungleichbehandlung oder als (zu rechtfertigende) Gleichbehandlung hier aber eine Frage des genauen dogmatischen Anknüpfungspunktes ohne Auswirkungen in der Sache sein. a) Diskriminierung durch den sachlichen Regelungsgehalt der einzelnen unter Verwendung generischer Maskulina formulierten Vorschriften? Zunächst ist zu prüfen, ob eine Diskriminierung durch den sachlichen Regelungsgehalt der einzelnen unter Verwendung des generischen Maskulinums formulierten Normen gegeben ist, ob also nach dem Inhalt der jeweiligen Normen eine Ungleichbehandlung und Benachteiligung von Frauen (bzw. nicht-männlichen Personen) im Vergleich zu Männern vorliegt.902 Zur Beurteilung, ob die einzelnen Vorschriften gegen das Diskriminierungsverbot aus Art. 3 Abs. 2 Satz 1, Abs. 3 Satz 1 GG verstoßen, muss zunächst deren sachlicher Regelungsgehalt im Wege der Auslegung ermittelt werden.903 Würde die Auslegung der einzelnen Vorschriften ergeben, dass sie nur Männern bestimmte Rechte einräumen, Frauen (bzw. nichtmännlichen Personen) jedoch nicht, weil die Personenbezeichnungen geschlechtsspezifisch zu verstehen sind, könnte dies eine verbotene unmittelbare Diskriminierung wegen des Geschlechts i. S. v. Art. 3 Abs. 2 Satz 1, Abs. 3 Satz 1 GG darstellen; unmittelbar deshalb, weil im Normtext unmittelbar an das Merkmal Geschlecht angeknüpft würde.904 900

BVerfGE 71, 255 (271); 98, 365 (385); 103, 242 (258); 110, 141 (167). S. dazu unter Erster Teil, E. 902 Vgl. BT-Drs. 12/1041, S. 11 f.; Schulze-Fielitz, KritV 72 (1989), 273 (277). 903 Vgl. BAGE 50, 137 (140 f.); 53, 309 (314 f.); Slupik, in: Brehmer/Enders-Dragässer (Bearb.), Die Schule lebt, 1984, S. 32 (33); Slupik, in: Enders-Dragässer/C. Fuchs (Hrsg.), Frauensache Schule, 1990, S. 36 (37). 904 Vgl. Slupik, in: Brehmer/Enders-Dragässer (Bearb.), Die Schule lebt, 1984, S. 32 (33); Slupik, in: Enders-Dragässer/C. Fuchs (Hrsg.), Frauensache Schule, 1990, S. 36 (37); s. auch Brosius-Gersdorf, Demografischer Wandel und Familienförderung, 2011, S. 371 f., wonach staatliche Maßnahmen „geschlechtsneutral im Wort“ sein müssen, um keine unmittelbar geschlechtsbezogene Diskriminierung darstellen zu können (allerdings dort ohne explizite Erwähnung der Auslegung); als Bsp. für eine unmittelbare Diskriminierung durch den geschlechtsspezifischen Wortlaut einer Tarifvertragsnorm s. BAGE 50, 137 (140 f.). 901

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aa) Herkömmlicher allgemeiner Sprachgebrauch Bei der Auslegung von Rechtsnormen ist zunächst von deren Wortlaut auszugehen.905 Hierbei kann der allgemeine Sprachgebrauch eine erste Orientierung geben, auch wenn letztlich entscheidend das spezifisch juristische Begriffsverständnis906 ist.907 Der allgemeine Sprachgebrauch steckt den „Rahmen“ ab, aus dem das spezifisch juristische Begriffsverständnis zu ermitteln ist.908 Bei (grammatisch) maskulinen Personenbezeichnungen lässt der Wortlaut nach dem herkömmlichen allgemeinen Sprachgebrauch (außerhalb von Rechtsnormen) grundsätzlich zwei Deutungsvarianten und damit Auslegungen zu: Die maskulinen Personenbezeichnungen können entweder geschlechtsspezifisch nur Männer meinen oder aber als generische Maskulina über Männer hinaus auch gemischt-geschlechtliche Gruppen bzw. pauschal Personen gleich welchen Geschlechts, wenn es auf das Geschlecht nicht ankommt.909 Welche der beiden Verwendungsarten im Einzelfall gegeben ist, ergibt sich regelmäßig durch den Kontext.910 Ergibt sich aus dem Kontext, dass das Geschlecht der bezeichneten Personen keine Rolle spielt, sind die Personenbezeichnungen regelmäßig in einem generischen Sinne zu verstehen.911 Die Formulierungspraxis des „generischen Maskulinums“ hat sich in der zweiten Hälfte des vergangenen Jahrhunderts durchgesetzt und im Bevölkerungsbewusstsein verankert.912 Im „Duden“ ist sie allerdings erst seit 1984 mit dem Begriff „generisch“ 905 S. die abw. Meinung von Voßkuhle/Osterloh/Di Fabio in BVerfGE 122, 248 (283); Wienbracke, Juristische Methodenlehre, 2013, Rn. 140; vgl. Zippelius, Juristische Methodenlehre, 11. Aufl. 2012, S. 39. 906 S. dazu unter Dritter Teil, B. I. 2. a) cc). 907 Wienbracke, Juristische Methodenlehre, 2013, Rn. 143; vgl. Möllers, Juristische Methodenlehre, 2. Aufl. 2019, § 6 Rn. 10; zur Bedeutung des allgemeinen Sprachgebrauchs für die juristische Auslegung auch Oksaar, ARSP 53 (1967), 91 (95). 908 Larenz/Canaris, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, 3. Aufl. 1995, S. 143; vgl. Wienbracke, Juristische Methodenlehre, 2013, Rn. 150. 909 BT-Drs. 12/1041, S. 9; vgl. Krause, ZRP 1988, 144; s. dazu unter Erster Teil, A. 910 Grabrucker, Vater Staat hat keine Muttersprache, 1993, S. 135; vgl. Stickel, ZGL 16 (1988), 330 (336); Oksaar, ZG 4 (1989), 210 (234 f.); Pettersson, Geschlechtsübergreifende Personenbezeichnungen, 2011, S. 59; Grünberger, JZ 2018, 719 (724); zur Gefahr von Missverständnissen s. die in Fn. 37 angeführten Nachweise. 911 Vgl. BAGE 53, 309 (315); Dittmann, in: GS Schoenthal, 2002, S. 63 (76); Lorenz, in: Baumann/Meinunger (Hrsg.), Die Teufelin steckt im Detail, 2017, S. 230 (232); noch weitgehender Lieb/H. Richter, Deutsche Sprache 18 (1990), 148 (151), wonach im Zweifel, wenn aus dem Kontext nichts anderes hervorgehe, eine Personenbezeichnung sexusneutral zu verstehen sei. 912 Vgl. Diewald, ZGL 46 (2018), 283 (286); s. dazu BAGE 53, 309 (315) aus dem Jahr 1986; nach Grabrucker, Vater Staat hat keine Muttersprache, 1993, S. 138; Irmen/V. Steiger, ZGL 33 (2005), 212 (230) sind die genauen zeitlichen Abläufe in der Entwicklung des generischen Maskulinums ungeklärt; zur Historie und Bedeutungsentwicklung s. Grabrucker, Vater Staat hat keine Muttersprache, 1993, S. 78 ff.; Doleschal, Linguistik online 11 (2002), 39 ff.; Schewe-Gerigk, in: Eichhoff-Cyrus (Hrsg.), Adam, Eva und die Sprache, 2004, S. 322

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aufgeführt und für Berufsbezeichnungen sowie Nomina agentis beschrieben.913 Nach Auffassung des BGH ist die Einordnung des generischen Maskulinums als dem üblichen deutschen Sprachgebrauch entsprechend als allgemeinkundig zu behandeln, bedarf also keines Beweises.914 Demnach führt die Auslegung nach dem herkömmlichen allgemeinen Sprachgebrauch zwar nicht zwingend, aber unter Berücksichtigung des Kontextes wohl doch regelmäßig zu dem Ergebnis, dass unter Verwendung des generischen Maskulinums formulierte Normen sich nicht nur auf Männer beziehen915 und ihnen daher auch nicht mehr Rechte einräumen. Folglich diskriminieren sie so ausgelegt ihrem sachlichen Regelungsgehalt nach Frauen (bzw. nicht-männliche Personen) nicht.916 bb) Zwischenzeitlicher Wandel im allgemeinen Sprachgebrauch? Fraglich ist, ob inzwischen auch eine andere, nämlich eine geschlechtsspezifische Auslegung von Personenbezeichnungen statt eines generischen Verständnisses in Betracht kommt, nachdem nun häufig schon geschlechtergerechte Personenbezeichnungen verwendet werden.917 Eine solche Auslegung könnte bei Rechtsnormen (322); Irmen/V. Steiger, ZGL 33 (2005), 212 ff.; V. Steiger/Irmen, Der Sprachdienst 52 (2008), 161 (162 ff.). 913 S. Drosdowski (Hrsg.), Duden Bd. 4: Grammatik der deutschen Gegenwartssprache, 4. Aufl. 1984, Rn. 332; von Doleschal, Linguistik online 11 (2002), 39 (62) hingegen erst der 5. Aufl. 1995 zugeordnet; bereits zuvor wurde jedoch (unter ausschließlicher Nennung von Pronomina als Beispielen) ausgeführt: „In der Hochsprache verwendet man auch das Maskulinum, wenn das natürliche Geschlecht unwichtig ist. Es generalisiert gleichzeitig“, s. Drosdowski u. a. (Hrsg.), Der Große Duden Bd. 4: Grammatik der deutschen Gegenwartssprache, 3. Aufl. 1973, Rn. 323; s. zu Pronomina auch bereits Grebe u. a. (Hrsg.), Der Große Duden Bd. 4: Grammatik der deutschen Gegenwartssprache, 1959, Rn. 1206; erste deutliche Hinweise auf Kritik am generischen Maskulinum in Drosdowski (Hrsg.), Duden Bd. 4: Grammatik der deutschen Gegenwartssprache, 5. Aufl. 1995, Rn. 345; dazu Schoenthal, in: Besch/Betten/Reichmann/Sonderegger (Hrsg.), Sprachgeschichte, 2. Teilbd., 2000, S. 2064 (2076); zur Rolle und Verbindlichkeit des „Duden“ s. unter Fn. 30. 914 BGHZ 218, 96 (105 ff. Rn. 34 ff.). 915 Krause, ZRP 1988, 144; Thüsing, NJW 1996, 2634 (2634); Berndt-Benecke, NVwZ 2019, 286 (290); so im Ergebnis auch bereits ein Urteil des Preußischen Oberverwaltungsgerichts von 1920, s. Preuß. OVGE 75, 381 (389). 916 Vgl. BT-Drs. 12/1041, S. 11 f.; BGHZ 218, 96 (105 ff. Rn. 35 ff.); E. Bülow, ZG 3 (1988), 166 (166 f.); Lange-Klein, Terminologie et Traduction 2/1989, 23 (24 f.); SchulzeFielitz, KritV 72 (1989), 273 (277); Berndt-Benecke, NVwZ 2019, 286 (290). 917 In diese Richtung Grabrucker, ZRP 1988, 12 (13); Grabrucker, in: Battis/Schultz (Hrsg.), Frauen im Recht, 1990, S. 281 (297); Rummler, OBST 51 (1995), 173 (185); Heise, Zeitschrift für Sprache & Kognition 19 (2000), 3 (5); Stahlberg/Sczesny, Psychologische Rundschau 52 (2001), 131 (138); Heise, Verhaltenstherapie & Psychosoziale Praxis 35 (2003), 285 (286); Kusterle, Die Macht von Sprachformen, 2011, S. 194; Reinecke, in: FS Düwell, 2011, S. 399 (408); Buck-Heeb, WuB 2018, 325 (326); im Ergebnis ablehnend Scholl/Fischer, EWiR 2018, 365 (366); zum Wandel im Verständnis von Personenbezeichnungen auch MaierReimer, AnwBl 1989, 146 (147); Oksaar, in: FS Steger, 1994, S. 277 (283); Frank-Cyrus/ Dietrich, Der Sprachdienst 41 (1997), 55 (62 f.), die allerdings auf der Basis unterschiedlich zu

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insbesondere in Betracht kommen und wird aus systematischen Erwägungen heraus befördert, wenn in demselben Gesetz an einigen Stellen Paarformen stehen, an anderen jedoch (weiterhin) die Personenbezeichnungen in rein maskuliner Form verwendet sind.918 Je mehr sich eine geschlechtergerechte Sprache insbesondere in Form der Verwendung von Paarformen, bei denen die maskuline Form aufgrund der Opposition zur femininen Form zwingend geschlechtsspezifisch zu verstehen ist919, durchsetzt, umso mehr ist im allgemeinen Sprachgebrauch auch ein geschlechtsspezifisches Verständnis maskuliner Personenbezeichnungen naheliegend.920 Allerdings gilt es bei der Auslegung von Rechtsnormen die Besonderheiten der Rechtsauslegung zu berücksichtigen.921 cc) Besonderheiten der Rechtsauslegung Bei der Auslegung von Rechtsnormen sind die disziplinspezifischen Besonderheiten der Rechtsauslegung zu beachten.922 Insofern unterscheidet sich die Auslegung von Rechtstexten von der Interpretation anderer Textsorten923, was häufig zu interdisziplinärer Verwirrung und gegenseitigem Unverständnis führt.924 interpretierender Fragen (67) zu diesem Ergebnis gekommen sind; Hellinger, in: EichhoffCyrus/Hoberg (Hrsg.), Die deutsche Sprache zur Jahrtausendwende, 2000, S. 177 (184); Bundesverwaltungsamt (Hrsg.), Merkblatt M 19 „Sprachliche Gleichbehandlung von Frauen und Männern“, 2. Aufl. 2002, S. 7. Pöschko/Prieler, Zeitschrift für Bildungsforschung 8 (2018), 5 (15) gehen dennoch (aus österreichischer Perspektive) davon aus, dass das generische Maskulinum „immer noch weitaus häufiger verwendet wird“; auch Wegener, in: Baumann/ Meinunger (Hrsg.), Die Teufelin steckt im Detail, 2017, S. 279 (283 f.) sieht das generische Maskulinum „nicht vom Aussterben bedroht“ und glaubt vielmehr, dass „die Grenzen gegenderter Sprache … schon erreicht …, der Zenit eventuell bereits überschritten ist“ . 918 BT-Drs. 12/1041, S. 31; Siller, DZWir 1997, 526 (527); Stillner, WRP 2011, III (IV); Roos, NJW 2012, 652 (653); vgl. E. Bülow, ZG 3 (1988), 160 (166); U. Müller, ZGL 16 (1988), 323 (326); Schiedt/Kamber, in: Eichhoff-Cyrus (Hrsg.), Adam, Eva und die Sprache, 2004, S. 332 (347); Schultz/Rudek, BGleiG, 2012, § 1 Rn. 8; nur von „grotesk“ spricht Rüfner, in: Kahl/Waldhoff/Walter (Hrsg.), Bonner Kommentar zum Grundgesetz, Art. 3 Abs. 2 und 3 Rn. 826 (Stand: Mai 1996). 919 BT-Drs. 12/1041, S. 9 f. 920 Heise, Zeitschrift für Sprache & Kognition 19 (2000), 3 (5); Stahlberg/Sczesny, Psychologische Rundschau 52 (2001), 131 (138); Heise, Verhaltenstherapie & Psychosoziale Praxis 35 (2003), 285 (286); Brühlmeier, in: Baumann/Meinunger (Hrsg.), Die Teufelin steckt im Detail, 2017, S. 240 (242); Wegener, in: Baumann/Meinunger (Hrsg.), Die Teufelin steckt im Detail, 2017, S. 279 (279). 921 Grabrucker, Vater Staat hat keine Muttersprache, 1993, S. 235. 922 Grundlegend zur Gesetzesauslegung und den allgemein konsentierten Auslegungsmethoden Larenz/Canaris, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, 3. Aufl. 1995, S. 133 ff., 141 ff.; aus der Rspr. des BVerfG s. nur BVerfGE 105, 135 (157) m. w. N.; zum Diskurscharakter der Auslegung BVerfGE 82, 30 (38 f.). 923 Vgl. R. J. Schweizer, VVDStRL 65 (2006), 346 (356); zum Unterschied zwischen literarischen Werken und Rechtssprache Isensee, in: FS Carl Heymanns Verlag KG, 1995, S. 571 (578 f.); Leutheusser-Schnarrenberger, ZRP 2012, 93 (93).

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3. Teil: Rechtlicher Rahmen für die Verwendung geschlechtergerechter Sprache

Eine erste Besonderheit ist die, dass die Auslegung von Rechtsnormen nicht auf der Basis individueller Interpretation zu erfolgen hat.925 Im Rahmen der Gesetzesauslegung ist nicht auf das individuelle Verständnis und individuelle Verständnismöglichkeiten abzustellen, sondern die Gesetzesauslegung hat aus einer einheitlichen Sicht heraus zu erfolgen.926 Insofern ist auch zu berücksichtigen, dass es bei Rechtsnormen anders als bei Verträgen, bei denen auf den Empfängerhorizont (aus der Sicht einer objektiven dritten Person in der Situation der Empfängerperson) abzustellen ist, nicht um das Verhältnis zweier beteiligter Personen zueinander geht; im Vordergrund steht hier vielmehr der Gesetzgeber und seine Intention.927 Bei der Auslegung von Rechtsnormen kann auf unterschiedliche Empfängerhorizonte keine Rücksicht genommen werden, weil es sonst zu einer unterschiedlichen Rechtsinterpretation und -geltung innerhalb von Bevölkerungskreisen kommen könnte, was mit den Erfordernissen der Rechtssicherheit und Rechtsgleichheit nicht zu vereinbaren wäre.928 Deshalb spielt es auch beispielsweise keine Rolle, dass Migrant_innen aufgrund kultureller Verschiedenheit ein abweichendes Sprachverständnis haben können.929 Eine weitere Besonderheit der Rechtsauslegung liegt darin, dass bei der Auslegung von Rechtsnormen ihrem Wortlaut nach als einer der anerkannten juristischen Auslegungsmethoden der allgemeine Sprachgebrauch und damit korrespondierend das allgemeine Sprachverständnis zwar eine Rolle spielen, entscheidend sind jedoch der spezifisch juristische Sprachgebrauch und das spezifisch juristische Verständnis eines Begriffes.930 Vorrangig kommt es (erstens) auf die Bedeutung an, welche das jeweilige Gesetz einem Begriff, etwa mittels einer Legaldefinition, beimisst, also auf den gesetzesspezifischen Sprachgebrauch; existiert ein solcher nicht, ist (zweitens) 924

S. beispielhaft Bußmann, in: Bußmann/Hof (Hrsg.), Genus, 1995, S. 114 (144); F. Braun, Der Deutschunterricht 48 (1996), Heft 1, 54 (55) unter Bezugnahme auf Stickel, ZGL 16 (1988), 330 (342 ff.); vgl. zur interdisziplinären Problematik V. Steiger/Irmen, Der Sprachdienst 52 (2008), 161 (168); L. Bülow/Herz, Muttersprache 125 (2015), 133 (141). 925 Isensee, in: FS Carl Heymanns Verlag KG, 1995, S. 571 (578 f.); Larenz/Canaris, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, 3. Aufl. 1995, S. 167 f.; Sieckmann, Recht als normatives System, 2009, S. 157. 926 Vgl. Isensee, in: FS Carl Heymanns Verlag KG, 1995, S. 571 (578); Larenz/Canaris, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, 3. Aufl. 1995, S. 167 f. 927 Larenz/Canaris, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, 3. Aufl. 1995, S. 167 f. 928 Vgl. Isensee, in: FS Carl Heymanns Verlag KG, 1995, S. 571 (578 f.); Säcker, in: Säcker/ Rixecker/Oetker/Limperg (Hrsg.), Münchener Kommentar zum BGB, Bd. 1, 8. Aufl. 2018, Einl. Rn. 133 f. 929 Vgl. dazu v. Münch, NJW 2002, 1995 (1998); zum Problem Migration und Zugang zum Recht vgl. aus der Schweiz Nussbaumer, in: Eichhoff-Cyrus/Antos (Hrsg.), Verständlichkeit als Bürgerrecht?, 2008, S. 301 (311). 930 Wienbracke, Juristische Methodenlehre, 2013, Rn. 143; vgl. Kirchhof, in: GS F. Klein, 1977, S. 227 (230 f.); Larenz/Canaris, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, 3. Aufl. 1995, S. 142 f.; Zippelius, Juristische Methodenlehre, 11. Aufl. 2012, S. 38 ff.; Möllers, Juristische Methodenlehre, 2. Aufl. 2019, § 6 Rn. 10.

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auf den allgemeinen spezifisch juristischen Sprachgebrauch abzustellen931; nur dann, wenn auch ein solcher nicht existiert, ist subsidiär (drittens) der allgemeine Sprachgebrauch maßgeblich.932 Die „semantische Bedeutung einer Norm bestimmt … nicht ohne weiteres auch die juristische“, denn juristische Auslegung „bleibt nicht bei der Ermittlung des Sprachgebrauchs stehen“.933 Eine dritte und besonders wichtige Besonderheit der Rechtsauslegung ist die verfassungskonforme Auslegung934, die sich als Unterfall der systematischen Auslegung ansehen lässt935. Danach ist bei verschiedenen in Betracht kommenden Normbedeutungen diejenige vorzuziehen, die mit dem Grundgesetz im Einklang steht.936 Als Konsequenz ist eine Norm nur dann verfassungswidrig, wenn keine nach anerkannten Auslegungsgrundsätzen zulässige und mit der Verfassung zu vereinbarende Auslegung möglich ist.937 Der mögliche Wortsinn einer Norm bildet (ebenso wie der erkennbare Wille des Gesetzgebers) allerdings auch hier eine zu beachtende Grenze.938 (Jedenfalls) unter Berücksichtigung des Gebots verfassungskonformer Auslegung ergibt sich, dass eine Benachteiligung von Frauen bezogen auf den sachlichen Regelungsgehalt der einzelnen unter Verwendung des generischen Maskulinums formulierten Rechtsvorschriften nicht gegeben ist939 ; zumindest nicht seit der Geltung des Grundgesetzes.940 Dies gilt selbst mit Blick auf die zunehmende Verbreitung 931 S. dazu Schultz, in: Berghahn/Schultz (Hrsg.), Rechtshandbuch für Frauen- und Gleichstellungsbeauftragte (Stand: Mai 2020), Kap. 1.5.3, die darauf hinweist, dass einzelne Ausdrücke im juristischen Fachkontext eine eingeschränkte oder vom Alltagssprachgebrauch abweichende Bedeutung haben können. 932 Wienbracke, Juristische Methodenlehre, 2013, Rn. 143; Möllers, Juristische Methodenlehre, 2. Aufl. 2019, § 4 Rn. 48. 933 Sieckmann, Recht als normatives System, 2009, S. 156 f. 934 S. dazu etwa BVerfGE 2, 266 (282); 19, 1 (5); 32, 373 (383 f.); 49, 148 (157); 69, 1 (55); 86, 288 (320); 88, 203 (331); Larenz/Canaris, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, 3. Aufl. 1995, S. 159 ff.; Wienbracke, Juristische Methodenlehre, 2013, Rn. 166 ff. 935 Wienbracke, Juristische Methodenlehre, 2013, Rn. 166 Fn. 248. 936 BVerfGE 8, 38 (41); 19, 1 (5); 30, 129 (148); 32, 373 (383 f.); 49, 148 (157); 69, 1 (55); Larenz/Canaris, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, 3. Aufl. 1995, S. 159 ff., 165. 937 BVerfGE 2, 266 (282); 49, 148 (157); 69, 1 (55); 86, 288 (320); 88, 203 (331) – std. Rspr. 938 BVerfGE 8, 28 (34); 18, 97 (111); 71, 81 (105); 86, 288 (320); 90, 263 (275); 110, 226 (267); Larenz/Canaris, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, 3. Aufl. 1995, S. 161; Wienbracke, Juristische Methodenlehre, 2013, Rn. 169. 939 Vgl. BT-Drs. 12/1041, S. 11 ff.; Bundesministerium der Justiz (Hrsg.), Handbuch der Rechtsförmlichkeit, 3. Aufl. 2008, Rn. 111; Stickel, ZGL 16 (1988), 330 (343 f.); Lange-Klein, Terminologie et Traduction 2/1989, 23 (24, 27); s. auch Schewe-Gerigk, in: Eichhoff-Cyrus (Hrsg.), Adam, Eva und die Sprache, 2004, S. 322 (322). 940 Insofern kommt auch den oftmals angeführten historischen Beispielsfällen aus der Rechtssprache, in denen Normen zum Nachteil von Frauen geschlechtsspezifisch interpretiert wurden, eben nur eine „historische“ Bedeutung zu; vgl. L. Bülow/Herz, Muttersprache 125 (2015), 133 (140); dies scheint dagegen etwa Bußmann, in: Bußmann/Hof (Hrsg.), Genus, 1995,

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3. Teil: Rechtlicher Rahmen für die Verwendung geschlechtergerechter Sprache

geschlechtergerechter Sprache und daraus eher als früher resultierendem geschlechtsspezifischen Verständnis maskuliner Personenbezeichnungen im Allgemeinen.941 Zum einen kommt es für die Auslegung von Rechtsnormen auf das individuelle Empfängerverständnis nicht an; zum anderen lässt der Wortlaut zwar weiterhin zwei Auslegungsmöglichkeiten zu (geschlechtsspezifisches oder geschlechtsübergreifendes generisches Verständnis), wobei gerade bei einer uneinheitlichen Verwendung geschlechtsspezifisch und generisch intendierter Personenbezeichnungen systematische Gesichtspunkte gegen ein generisches Verständnis sprechen könnten, jedoch hätte dies kein verfassungskonformes Ergebnis zur Folge. Denn aus Art. 3 Abs. 2 Satz 1 GG ergibt sich, dass (deutsche) Normen im Zweifel so auszulegen sind, dass Männer und Frauen durch die Norm gleichermaßen berechtigt sind.942 Entsprechendes ergibt sich aus Art. 3 Abs. 3 Satz 1 GG im Hinblick auf alle Geschlechter. Das bedeutet, dass trotz eines fortschreitenden generellen Wandels im Verständnis von Personenbezeichnungen sich jedenfalls in Rechtsnormen im Ergebnis dennoch die verfassungskonforme Auslegung und damit grundsätzlich ein generisches Verständnis der Personenbezeichnungen durchsetzt.943 Die verfassungskonforme Auslegung kann insofern als eine besondere Form der Kontextbetrachtung angesehen werden (Verfassungsbezug als maßgeblicher Kontext). Juristisch ist die Frage nach der geschlechtsspezifischen oder generischen Bedeutung von Personenbezeichnungen relativ leicht und eindeutig zu beantworten:944 Sind Personenbezeichnungen im Recht nicht erkennbar ausnahmsweise einmal nur geschlechtsspezifisch gemeint945, etwa wenn es um Fragen im Zusammenhang mit einer Schwangerschaft geht, sind sie im Zweifel mit Blick auf Art. 3 Abs. 2 Satz 1 und Abs. 3 Satz 1 GG als geschlechtsübergreifend alle Personen gleich welchen Geschlechts erfassend zu interpretieren.946 Wenn und soweit das aber so ist, sind

S. 114 (144) zu übersehen; kritisch zur Anführung historischer Beispiele auch Diederichsen, in: FS Gaul, 1997, S. 121 (131 f.). 941 S. dazu unter Dritter Teil, B. I. 2. a) bb). 942 Vgl. Bundesministerium der Justiz (Hrsg.), Handbuch der Rechtsförmlichkeit, 3. Aufl. 2008, Rn. 111; Sachs, DÖV 1988, 598 (598); Rüfner, in: Kahl/Waldhoff/Walter (Hrsg.), Bonner Kommentar zum Grundgesetz, Art. 3 Abs. 2 und 3 Rn. 822 (Stand: Mai 1996). Dazu, dass das Grundgesetz an keiner Stelle ausdrücklich von der Sprache des Rechts spricht, v. Bonin, in: Wassermann/Petersen (Hrsg.), Recht und Sprache, 1983, S. 64 (64). 943 Vgl. Der Bundesminister der Justiz, Rundschreiben vom 24. 7. 1986, Az. 1030 – 40 589/ 86, S. 3, BArch, B 141/418824; Grabrucker, Vater Staat hat keine Muttersprache, 1993, S. 235. 944 Vgl. Stickel, ZGL 16 (1988), 330 (331, 344). 945 Dazu E. Bülow, ZG 3 (1988), 160 (160); Baer, Blätter für deutsche und internationale Politik 1/2013, 107 (113). 946 Vgl. Grabrucker, Vater Staat hat keine Muttersprache, 1993, S. 125; Rüfner, in: Kahl/ Waldhoff/Walter (Hrsg.), Bonner Kommentar zum Grundgesetz, Art. 3 Abs. 2 und 3 Rn. 822 (Stand: Mai 1996); im Ergebnis ebenso Haas, DÖV 1988, 341; a. A. offenbar, allerdings keineswegs überzeugend, Grunsky, ZIP 1987, 887, der nur ein geschlechtsspezifisches Verständnis für möglich hält und eine Analogie ablehnt.

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Frauen (bzw. nicht-männliche Personen) durch den sachlichen Regelungsgehalt der einzelnen Vorschriften nicht benachteiligt.947 b) Diskriminierung durch die Sprachformwahl des generischen Maskulinums als solche? Damit ist allerdings ein Verstoß gegen das Diskriminierungsverbot noch nicht ausgeschlossen. Allein in der Sprachformwahl des generischen Maskulinums könnte, unabhängig vom sachlichen Regelungsgehalt der einzelnen Norm, ein Verstoß des Staates gegen das Diskriminierungsverbot aus Art. 3 Abs. 2 Satz 1, Abs. 3 Satz 1 GG liegen.948 aa) Sprachformwahl als Regelungsgegenstand des Art. 3 GG? Fraglich ist indes, ob die Sprachformwahl als solche Regelungsgegenstand des Art. 3 GG ist, also überhaupt an ihm zu messen ist.949 Dies ist insofern nicht selbstverständlich, als es jedenfalls keine übergreifende Regelung für die gesamte deutsche Gesetzes- und Normsprache gibt, die ausdrücklich bestimmt, dass der Normtext bei Verwendung von Personenbezeichnungen im Maskulinum immer auch Frauen (bzw. nicht-männliche Personen) mitumfasst, während dies umgekehrt bei femininen Personenbezeichnungen nicht gilt.950 Teilweise ist versucht worden, die Formulierung von Rechtsnormen unter Verwendung des generischen Maskulinums als eine Art allgemeines Rechtsprinzip zu klassifizieren und deshalb an Art. 3 GG zu messen.951 Jedes Gesetz bringe dieses 947

So auch Schulze-Fielitz, KritV 72 (1989), 273 (277); im Ergebnis ebenso Rüfner, in: Kahl/Waldhoff/Walter (Hrsg.), Bonner Kommentar zum Grundgesetz, Art. 3 Abs. 2 und 3 Rn. 822 (Stand: Mai 1996); Grünberger, JZ 2018, 719 (724). 948 So auch Schulze-Fielitz, KritV 72 (1989), 273 (278); s. auch BT-Drs. 12/1041, S. 12. 949 Ablehnend Berschin, Der Sprachdienst 25 (1981), 105 (110), wonach aus dem Grundrecht „Männer und Frauen sind gleichberechtigt“ nicht folge „Maskulinum und Femininum sind grammatisch gleichwertig“; Krause, ZRP 1988, 144; U. Müller, ZGL 16 (1988), 323 (323, 325), die ausführt, dass Art. 3 Abs. 2 GG jahrzehntelang nicht auf die Sprache bezogen worden sei, und das Grundgesetz daher eher als „moralische Stütze“ ansieht. 950 Dazu Grabrucker, ZRP 1988, 12 (13); s. auch BT-Drs. 12/1041, S. 20 f.; es gibt allerdings vereinzelt Bestimmungen in dieser Richtung für einzelne Gesetze, s. etwa § 4 Abs. 5 WTG NRW in der bis 15. 10. 2014 geltenden Fassung (GV. NRW. 2008, S. 738; aufgehoben durch Gesetz vom 2. 10. 2014, GV. NRW. S. 625): „Soweit personenbezogene Bezeichnungen im Interesse einer klaren und verständlichen Rechtssprache in der männlichen Form stehen, wird diese Form verallgemeinernd verwendet und bezieht sich auf beide Geschlechter“; vgl. auch § 5 Abs. 1 BetrVG: „Arbeitnehmer (Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer) im Sinne dieses Gesetzes sind Arbeiter und Angestellte …“. 951 S. Grabrucker, Vater Staat hat keine Muttersprache, 1993, S. 211 f.; Grabrucker, Verfassungsrecht und geschlechtergerechte Sprache! – Umsetzung im Recht und in der Realität, 2017; ansatzweise auch bereits Grabrucker, STREIT 1986, 59 (60); Grabrucker, ZRP 1988, 12

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Prinzip erneut zum Ausdruck, das so wiederum selbst Teil des Gesetzes werde.952 Dem liegt zugrunde, dass Rechtsnormen (inhaltlich) unstreitig an Art. 3 GG zu messen sind. Insofern ließe sich allerdings einwenden, dass das generische Maskulinum keine Besonderheit der Rechtssprache ist, sondern ebenso in der Alltagssprache verwendet wird.953 Der „Konstruktion“ einer sprachbezogenen Regelung bedürfte es aber gar nicht, wenn der Anwendungsbereich von Art. 3 GG weiter zu sehen und als auch die Sprache des Staates erfassend zu deuten wäre.954 Dann wäre nicht nur der Inhalt, sondern auch die „Form“955 von Gesetzen an Art. 3 GG zu messen.956 (1) Von Art. 3 GG erfasstes staatliches Handeln Nach Ansicht von Sachs kennt der Anwendungsbereich des Verbots aus Art. 3 Abs. 2, 3 GG grundsätzlich keine gegenständlichen Beschränkungen, sondern erfasse vielmehr jegliches grundrechtsgebundene Verhalten, das Unterscheidungen beinhalten kann.957 Dem ist zuzustimmen. Der Wortlaut auch des Art. 3 Abs. 2 Satz 1 GG steht einer solch weiten Auslegung nicht entgegen und sie entspricht dem Sinn und Zweck einer möglichst umfassenden Geschlechtergleichbehandlung.958 Aus der Bindung aller drei Staatsgewalten auch an Art. 3 Abs. 2 Satz 1 GG (Art. 1 Abs. 3 GG) folgt, dass es trotz des Wortlautes „gleichberechtigt“ ebenso um die Rechtsetzungsgleichheit wie auch um die Rechtsanwendungsgleichheit geht959, sodass (13); Grabrucker, AnwBl 1988, 613 (615); Grabrucker, in: Battis/Schultz (Hrsg.), Frauen im Recht, 1990, S. 281 (297). 952 Grabrucker, Vater Staat hat keine Muttersprache, 1993, S. 211 f.; Grabrucker, Verfassungsrecht und geschlechtergerechte Sprache! – Umsetzung im Recht und in der Realität, 2017. 953 Dies betonend E. Bülow, ZG 3 (1988), 160 (160); Krause, ZRP 1988, 144; s. auch LangeKlein, Terminologie et Traduction 2/1989, 23 (25). 954 Die Einbeziehung auch sprachlicher Diskriminierungen erwägt Huster, AöR 118 (1993), 109 (116). 955 Zur Sprache als Form des Rechts Kirchhof, in: GS F. Klein, 1977, S. 227 (235). 956 So Grabrucker, in: Battis/Schultz (Hrsg.), Frauen im Recht, 1990, S. 281 (298); ebenfalls auch die „Art der Vorschriftensprache“ Art. 3 Abs. 2 (Satz 1) GG unterstellend Schulze-Fielitz, Protokoll der Sachverständigenanhörung zum Thema „Gleichbehandlung von Mann und Frau in der Rechtssprache?“ am 15. September 1988 im Bundesministerium der Justiz, S. 47, BArch, B 141/418838; s. dort auch Friauf, S. 57: „Ohne Zweifel verpflichtet uns Artikel 3 Absatz 2 GG die Gesetze daraufhin zu überprüfen, ob sie nicht nur inhaltlich, sondern auch durch ihre Sprachgebung dem einen oder dem anderen Geschlecht Vorteile oder unzulässige Nachteile verschaffen bzw. zufügen.“ 957 Sachs, Grenzen des Diskriminierungsverbots, 1987, S. 70 f. 958 So auch Sachs, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts der Bundesrepublik Deutschland, Bd. VIII, 3. Aufl. 2010, § 182 Rn. 86, nach dessen Ansicht Art. 3 Abs. 2 Satz 1 GG nicht nur auf „gleiche Berechtigungen“ zielt, sondern „auch die Verpflichtungen sowie die sonstige Behandlung durch die öffentliche Gewalt“ erfasse. 959 Vgl. Jarass, in: Jarass/Pieroth, GG, 15. Aufl. 2018, Art. 3 Rn. 104; s. auch Kischel, in: Epping/Hillgruber (Hrsg.), BeckOK GG, Stand: Dez. 2019, Art. 3 Rn. 9 zu Art. 3 Abs. 1 GG; da Art. 3 Abs. 2, 3 GG als Konkretisierung bzw. Verstärkung von Art. 3 Abs. 1 GG angesehen

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nicht nur Normen, sondern auch einzelfallbezogene staatliche Maßnahmen dem Diskriminierungsverbot aus Art. 3 Abs. 2 Satz 1, Abs. 3 Satz 1 GG unterfallen.960 Soweit es um die Rechtsetzungsgleichheit geht, hat das Bundesverfassungsgericht allerdings in einer frühen Entscheidung ausgeführt, das Verbot aus Art. 3 Abs. 2 (Satz 1), Abs. 3 (Satz 1) GG bedeute nur, dass „die aufgeführten faktischen Verschiedenheiten keine rechtliche, nicht aber auch daß sie keine gesellschaftliche, soziologische, psychologische oder sonstige Wirkung haben dürfen“.961 Später hat das Bundesverfassungsgericht dann zwar dem heutigen Art. 3 Abs. 2 Satz 1 GG noch vor der Einfügung von Art. 3 Abs. 2 Satz 2 GG im Jahr 1994 einen Sinngehalt beigemessen, der über rechtliche Ungleichbehandlungen hinausgeht, indem es ausgeführt hat, der über Art. 3 Abs. 3 GG hinausreichende Regelungsgehalt von Art. 3 Abs. 2 (Satz 1) GG bestehe darin, dass er „ein Gleichberechtigungsgebot aufstellt und dieses auch auf die gesellschaftliche Wirklichkeit erstreckt“.962 Der Satz „Männer und Frauen sind gleichberechtigt“ will danach „nicht nur Rechtsnormen beseitigen, die Vor- oder Nachteile an Geschlechtsmerkmale anknüpfen, sondern für die Zukunft die Gleichberechtigung der Geschlechter durchsetzen“; er „zielt auf die Angleichung der Lebensverhältnisse“.963 Allerdings hat das Bundesverfassungsgericht dennoch den (gemeinsamen) Anwendungsbereich des Diskriminierungsverbots aus Art. 3 Abs. 2, 3 GG auf „rechtliche Ungleichbehandlung[en]“ beschränkt gesehen.964 Dies könnte dagegen sprechen, neben dem Inhalt von Gesetzen auch deren sprachliche Gestaltung an Art. 3 Abs. 2 Satz 1, Abs. 3 Satz 1 GG zu messen. Insbesondere die Formulierung des Art. 3 Abs. 3 Satz 1 GG spricht aber dafür, das Diskriminierungsverbot weiter zu verstehen in dem Sinne, dass es jegliches generell grundrechtsgebundene staatliche Verhalten erfasst.

werden (s. nur BVerfGE 85, 191 [206]; I. Schmidt, in: Müller-Glöge/Preis/I. Schmidt (Hrsg.), Erfurter Kommentar zum Arbeitsrecht, 20. Aufl. 2020, Art. 3 GG Rn. 5), muss dies aber ebenso für Art. 3 Abs. 2 Satz 1 GG gelten. 960 So im Ergebnis auch Brosius-Gersdorf, Demografischer Wandel und Familienförderung, 2011, S. 371; Baer/Markard, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, Bd. I, 7. Aufl. 2018, Art. 3 Rn. 364; in diese Richtung auch I. Schmidt, in: Müller-Glöge/Preis/I. Schmidt (Hrsg.), Erfurter Kommentar zum Arbeitsrecht, 20. Aufl. 2020, Art. 3 GG Rn. 87; a. A. wohl Ossenbühl, NJW 2012, 417 (417), wonach Gleichberechtigung dem Wortlaut nach „Gleichheit im Recht“ bedeute und sich daher lediglich auf die Rechtslage beziehe. 961 BVerfGE 3, 225 (241); ähnlich auch BVerfGE 64, 135 (156). 962 BVerfGE 85, 191 (206 f.); vgl. BVerfGE 89, 276 (285). 963 BVerfGE 85, 191 (207); vgl. BVerfGE 89, 276 (285). 964 S. BVerfGE 85, 191 (206 f.); dazu Langenfeld, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 3 Abs. 2 Rn. 16 (Stand: Mai 2015); für eine Beschränkung des Diskriminierungsverbots aus Art. 3 Abs. 2 Satz 1, Abs. 3 Satz 1 GG auf rechtliche Diskriminierungen auch Brosius-Gersdorf, Demografischer Wandel und Familienförderung, 2011, S. 371, 375; Nußberger, in: Sachs (Hrsg.), GG, 8. Aufl. 2018, Art. 3 Rn. 259; dem Sinne nach wohl auch Englisch, in: Stern/ F. Becker (Hrsg.), Grundrechte-Kommentar, 3. Aufl. 2019, Art. 3 Rn. 92, der allerdings den unterschiedlich interpretierbaren Terminus „Gleichstellung im Recht“ [im Orig. hervorgehoben] verwendet.

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(2) Grundrechtsbindung des Staates in seiner Ausdrucksweise? Teilweise wird damit argumentiert, dass die Rechtssprache die Fachsprache des Rechts sei und daher besonderen Bindungen unterliege.965 Andererseits greift die Rechtssprache auf den allgemeinen Sprachgebrauch zurück und deckt sich teilweise auch mit ihm. Daher wird die Rechtssprache auch als „fachlich geprägter Teil einer an die Allgemeinheit gewendeten oder in ihren Inhalten zumindest der Allgemeinheit vermittelbaren Sprache“ bezeichnet.966 Entscheidend dürfte für die Anwendbarkeit von Art. 3 GG letztlich aber nicht sein, ob die Rechtssprache Fachsprache ist oder sich mit dem allgemeinen Sprachgebrauch deckt, sondern dass sie das Kommunikationsmittel des Staates ist. Zwar ist Sprache „vor-staatlich“967 und der Staat hat nicht das „Recht an der Sprache“, sondern die Sprache ist vielmehr ein Allgemeingut968. Der Staat ist aber, wenn er sich der Sprache als Kommunikationsmittel bedient, nicht von seiner Grundrechtsbindung befreit.969 Die Wahlmöglichkeit des Staates zwischen verschiedenen sprachlichen Ausdrucksformen970 kann dazu führen, dass der Staat eine grundrechtskonforme Ausdrucksweise wählen muss.971 Allerdings gibt die Verfassung selbst nicht konkret 965 So Grabrucker, Vater Staat hat keine Muttersprache, 1993, S. 34, 126; zur Einordnung der Rechtssprache als Fachsprache s. auch BT-Drs. 12/1041, S. 30; Bundesministerium der Justiz (Hrsg.), Handbuch der Rechtsförmlichkeit, 3. Aufl. 2008, Rn. 56; Stickel, ZGL 16 (1988), 330 (344 f.); Lange-Klein, Terminologie et Traduction 2/1989, 23 (27); Oksaar, ZG 4 (1989), 210 (223); Isensee, in: FS Carl Heymanns Verlag KG, 1995, S. 571 (582); R. J. Schweizer, VVDStRL 65 (2006), 346 (356); Baumann, in: Baumann/Meinunger (Hrsg.), Die Teufelin steckt im Detail, 2017, S. 196 (200). 966 Kirchhof, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts der Bundesrepublik Deutschland, Bd. II, 3. Aufl. 2004, § 20 Rn. 29; Kahl, VVDStRL 65 (2006), 386 (389) spricht insofern von einer „Fachsprache sui generis“. 967 Lo¨ wer, RdJB 45 (1997), 226 (226); vgl. OVG Nds., NJW 1997, 3456 (3459); VG Hannover, NJW 1998, 1250 (1250); VG Hannover, NJOZ 2004, 4516 (4517); Kissel, NJW 1997, 1097 (1100): „vorgesetzlich“; Isensee, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts der Bundesrepublik Deutschland, Bd. IX, 3. Aufl. 2011, § 190 Rn. 189: „Verfassungsvoraussetzung“. 968 Vgl. BT-Drs. 13/10183, S. 3, 5; BVerfGE 98, 218 (246); VG Hannover, NJW 1998, 1250 (1251); Lo¨ wer, RdJB 45 (1997), 226 (226); Roth, BayVBl. 1999, 257 (261); Kirchhof, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts der Bundesrepublik Deutschland, Bd. II, 3. Aufl. 2004, § 20 Rn. 19; Biaggini, DVBl. 2005, 1090 (1095). 969 Kirchhof, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts der Bundesrepublik Deutschland, Bd. II, 3. Aufl. 2004, § 20 Rn. 20; zur Reichweite des an den Staat gerichteten „Postulat[s] rechtsdisziplinierten Sprechens“ Kirchhof, in: GS F. Klein, 1977, S. 227 (240). 970 Dazu Guentherodt, Muttersprache 94 (1983/84), 271 (282); Rank, Diskussion Deutsch 17 (1986), 210 (213 f.); Homberger, Muttersprache 103 (1993), 89 (99); linguistisch ließe sich hier wohl von „Variabilität“ sprechen, s. Hellinger, Kontrastive Feministische Linguistik, 1990, S. 108. 971 Allerdings meint Diederichsen, in: FS Gaul, 1997, S. 121 (135), dass der Gesetzgeber nicht zu sprachlichen Alternativen verpflichtet sei, sofern keine Grundgesetzwidrigkeit vor-

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einen bestimmten Sprachgebrauch im Sinne einer verbindlichen positiven Sprachregelung vor972 ; sie setzt vielmehr die deutsche Sprache als bestehende Grundlage voraus und beinhaltet Vorgaben vor allem in negativer Form, indem sie dem Sprachgebrauch des Staates insbesondere durch die Grundrechte Grenzen setzt.973 bb) Benachteiligung von Frauen durch das generische Maskulinum? Die Sprachformwahl könnte eine mittelbare oder sogar eine unmittelbare Diskriminierung darstellen, weil nur Frauen sich mit unter die maskulinen Personenbezeichnungen subsumieren lassen müssen, während Männer umgekehrt (von dem Ausnahmefall eines generischen Femininums abgesehen974) nie unter feminine Personenbezeichnungen zu subsumieren sind, zu denen es ein maskulines Pendant gibt.975 Es gibt allerdings auch (provokative) Argumentationsansätze in umgekehrter Richtung: Männer könnten insofern benachteiligt sein, als die deutsche Sprache für sie keine ausschließlich geschlechtsspezifische Form bereithalte, sodass sie nie genau wüssten, ob gerade die geschlechtsspezifische oder die generische Bedeutung gemeint sei, während Frauen immer sicher sein könnten, wann ausschließlich sie gemeint sind.976 Hierzu lässt sich allerdings genau das Argument anführen, mit welchem die interministerielle Arbeitsgruppe Rechtssprache977 seinerzeit und nach dem damaligen Forschungsstand einen Verstoß gegen Art. 3 Abs. 2 und 3 GG mit Blick auf die Frauen abgelehnt hat: dass es sich „um eine sprachliche Asymmetrie [handelt], die als solche verfassungsrechtlich ohne Bedeutung ist“.978

liege; zur fehlenden Auseinandersetzung dieser Auffassung mit Art. 3 Abs. 2 Satz 2 GG s. unter Dritter Teil, B. I. 4. a) bb) (8) in Fn. 1237. 972 Vgl. Kahl, VVDStRL 65 (2006), 386 (392) zur „regulativen Enthaltsamkeit des Grundgesetzes“. 973 Vgl. BVerfGE 40, 287 (292 f.); Kirchhof, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts der Bundesrepublik Deutschland, Bd. II, 3. Aufl. 2004, § 20 Rn. 20. 974 S. dazu unter Erster Teil, C. 975 Vgl. Grabrucker, STREIT 1986, 59 (60); Grabrucker, ZRP 1988, 12 (13); Grabrucker, AnwBl 1988, 613 (616); Grabrucker, in: Battis/Schultz (Hrsg.), Frauen im Recht, 1990, S. 281 (298). 976 S. dazu Doerfer, Sprachwissenschaft 10 (1985), 132 (139); Brühlmeier, in: Baumann/ Meinunger (Hrsg.), Die Teufelin steckt im Detail, 2017, S. 240 (242); Fónyad, in: Baumann/ Meinunger (Hrsg.), Die Teufelin steckt im Detail, 2017, S. 249 (251); vgl. auch Kalverkämper, Linguistische Berichte 62 (1979), 55 (62), der damit argumentiert, die feminine Form sei gegenüber der maskulinen „die merkmalhaltigere, also inhaltlich reichere Form“, was aus Sicht der Männer ebenso beanstandet werden könne; ähnlich auch M. Ulrich, Sprachwissenschaft 13 (1988), 383 (398). 977 S. dazu unter Zweiter Teil. 978 BT-Drs. 12/1041, S. 12.

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(1) Art der Benachteiligung Eine nach Art. 3 Abs. 2 Satz 1, Abs. 3 Satz 1 GG verbotene Diskriminierung setzt voraus, dass eine geschlechtsbezogene Ungleichbehandlung sich für ein Geschlecht nachteilig auswirkt.979 Die Benachteiligung kann sowohl materieller als auch immaterieller Art sein.980 Auch geringfügige Beeinträchtigungen kommen in Betracht.981 Teilweise wird sogar die Beeinträchtigung bloßer Interessen bereits für ausreichend erachtet.982 Gerade zu Beginn der Diskussion ist damit argumentiert worden, dass die Verwendung generischer Maskulina zu Unsicherheiten in der Referenz bzw. des Gemeintseins führe und daher Frauen benachteilige.983 Frauen hätten nicht „gleiche Chancen des Gemeintseins“ wie Männer.984 Dies gelte, so insbesondere die Argumentation Grabruckers, auch für Rechtsnormen, weil jede Personenbezeichnung dort, als fachsprachliches Wort auf Frauen bezogen, erst einem „normativ wertungsorientierte[n] juristische[n] Denkvorgang“ unterworfen werden müsse, der zu Unsicherheiten in der Referenz führe; auf Männer bezogen bestehe hingegen Übereinstimmung mit der Allgemeinvorstellung von der Bedeutung des Wortes.985 Ob angesichts des Erfordernisses verfassungskonformer Auslegung von Rechtsnormen unter der Geltung des Grundgesetzes986 hier aber wirklich eine Unsicherheit 979 Jarass, in Jarass/Pieroth, GG, 15. Aufl. 2018, Art. 3 Rn. 110; vgl. Schulze-Fielitz, KritV 72 (1989), 273 (279); Grabrucker, KritV 72 (1989), 292 (294); Grabrucker, in: Battis/Schultz (Hrsg.), Frauen im Recht, 1990, S. 281 (298). 980 Schulze-Fielitz, KritV 72 (1989), 273 (279); Grabrucker, in: Battis/Schultz (Hrsg.), Frauen im Recht, 1990, S. 281 (298). 981 So Jarass, in Jarass/Pieroth, GG, 15. Aufl. 2018, Art. 3 Rn. 110; im Ansatz ebenso Schulze-Fielitz, KritV 72 (1989), 273 (279); vgl. auch Sachs, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts der Bundesrepublik Deutschland, Bd. VIII, 3. Aufl. 2010, § 182 Rn. 60; Langenfeld, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 3 Abs. 2 Rn. 44 (Stand: Mai 2015); a. A. BVerfGE 19, 177 (183). 982 So Jarass, in Jarass/Pieroth, GG, 15. Aufl. 2018, Art. 3 Rn. 110; vgl. auch Sachs, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts der Bundesrepublik Deutschland, Bd. VIII, 3. Aufl. 2010, § 182 Rn. 56; Langenfeld, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 3 Abs. 2 Rn. 44 (Stand: Mai 2015). 983 Vgl. Pusch, Linguistische Berichte 63 (1979), 84 (88 f.); Studer, Terminologie et Traduction 2/1989, 47 (49 f.), die kritisiert, dass Frauen „ständig Mehrarbeit zu leisten“ hätten, um „herauszufinden, ob … Frauen nun dazu gehören oder nicht oder vielleicht doch oder nur ein bisschen“ (50); Pusch, Alle Menschen werden Schwestern, 1990, S. 85 (88); F. Braun, Der Deutschunterricht 48 (1996), Heft 1, 54 (54). 984 Pusch, Linguistische Berichte 69 (1980), 59 (60); vgl. Pusch, Linguistische Berichte 63 (1979), 84 (88); Hellinger/Bierbach, Eine Sprache für beide Geschlechter, hrsg. von der Deutschen UNESCO-Kommission, 1993, S. 23. 985 S. Grabrucker, Vater Staat hat keine Muttersprache, 1993, S. 226 f.; s. dort auch S. 218; noch weitgehender Stahlberg/F. Braun/Irmen/Sczesny, in: Fiedler (Hrsg.), Social Communication, 2007, S. 163 (171), wonach Frauen sich nicht darauf verlassen könnten, dass im generischen Maskulinum formulierte Gesetze auch auf sie Anwendung finden. 986 S. dazu unter Dritter Teil, B. I. 2. a) cc).

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besteht, ist zu bezweifeln.987 Allenfalls lässt sich hier von einer „Restunsicherheit“ insofern sprechen, als die Rechtsauslegung „auch bei methodisch einwandfreier Arbeit nicht absolut richtige, unter Fachkundigen nicht bezweifelbare Aussagen“ erbringt.988 Überzeugender erscheint ein anderer Argumentationsansatz.989 Die Arbeitsgruppe Rechtssprache hat in ihrem Bericht990 ausgeführt, eine rechtliche Benachteiligung durch die herkömmliche Vorschriftensprache „könnte angenommen werden, wenn als Folge der sprachlichen Asymmetrie ungleiche Chancen von Frauen bei der Wahrnehmung von Rechten, insbesondere auch beim Zugang zu Ämtern und Funktionen festgestellt werden könnten“.991 Ein ursächlicher Zusammenhang zwischen der Verwendung maskuliner Personenbezeichnungen und schlechteren Chancen von Frauen sei jedoch nicht nachgewiesen. Zwar schienen rechtssoziologische Befunde darauf hinzudeuten, „daß eine gewisse Rechtsdistanziertheit von Frauen besteht und diese auch damit erklärt werden könnte, daß die Frauen in den Vorschriften nicht ausdrücklich angesprochen werden“. Derartige Zusammenhänge seien jedoch (noch) unzureichend erforscht.992 Seitdem ist die Forschung zu den (psychologischen) Wirkungen nicht geschlechtergerechter Sprache jedoch deutlich intensiviert worden. Es liegen inzwischen zahlreiche psycholinguistische bzw. kognitionspsychologische Studien zur Rezeption und Wirkung des generischen Maskulinums einerseits und verschiedenen Formen geschlechtergerechter Sprache andererseits vor993, sodass heute aufgrund der inzwischen gewonnenen Forschungserkenntnisse eine andere Beurteilung gerechtfertigt erscheint. Eine Rolle spielt insbesondere, „inwieweit … die bei … Rechtslaien generierte mentale Repräsentation der lexikalischen Bedeutung den vom Gesetzgeber inten-

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Ähnlich Frank, Sprachgewalt, 1992, S. 134. BVerfGE 82, 30 (38 f.). 989 Vgl. Sacksofsky, Merkur 795 (2015), 39 (46); Grünberger, JZ 2018, 719 (722 f.); MüllerSpitzer, VerfBlog vom 21. 5. 2018. 990 S. dazu unter Zweiter Teil. 991 BT-Drs. 12/1041, S. 12. 992 BT-Drs. 12/1041, S. 12, 30; zur früheren unzureichenden Forschungslage auch Grabrucker, in: Battis/Schultz (Hrsg.), Frauen im Recht, 1990, S. 281 (308); Grabrucker, Vater Staat hat keine Muttersprache, 1993, S. 210; F. Braun, Der Deutschunterricht 48 (1996), Heft 1, 54 (56). Allerdings wurde im Rahmen der Sachverständigenanhörung durch die interministerielle Arbeitsgruppe Rechtssprache bereits u. a. auf die Studie von J. Klein (s. J. Klein, in: Oellers [Hrsg.], Das Selbstverständnis der Germanistik, 1988, S. 310 ff.; dazu auch J. Klein, in: Eichhoff-Cyrus [Hrsg.], Adam, Eva und die Sprache, 2004, S. 292 ff.) hingewiesen, s. Stickel, Protokoll der Sachverständigenanhörung zum Thema „Gleichbehandlung von Mann und Frau in der Rechtssprache?“ am 15. September 1988 im Bundesministerium der Justiz, S. 36, BArch, B 141/418838. 993 S. die umfangreichen Nachweise in Fn. 234. 988

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3. Teil: Rechtlicher Rahmen für die Verwendung geschlechtergerechter Sprache

dierten Konnotationen entspricht“.994 Wie bereits dargestellt995 zeigen die Ergebnisse der durchgeführten Studien breite Übereinstimmung dahingehend, dass das generische Maskulinum zu einer gedanklichen Unterrepräsentation von Frauen996 führt. Dies kann zunächst bedeuten, dass Frauen selbst nicht erkennen, dass auch sie vom Regelungsgehalt einer Vorschrift erfasst sind und in der Folge dazu, dass sie z. B. einen Rechtsanspruch nicht geltend machen.997 Allerdings sind Rechtsirrtümer grundsätzlich unbeachtlich: Wer das Recht nicht versteht oder falsch auslegt, kann sich auf fehlende Rechtskenntnis regelmäßig nicht berufen.998 Es muss aber gar nicht zu einer Fehlinterpretation des Rechts kommen; es stellt bereits einen Nachteil dar, wenn durch die Verwendung des generischen Maskulinums aufgrund stereotyper gedanklicher Repräsentation primär an Männer gedacht wird999, was dazu führen kann, dass Frauen z. B. bei der Besetzung eines Gremiums nicht benannt werden.1000 994 So in etwas anderem Zusammenhang Luttermann, in: F. Vogel (Hrsg.), Zugänge zur Rechtssemantik, 2015, S. 276 (279); vgl. Guentherodt, Muttersprache 94 (1983/84), 271 (272 f., 283 f.), die vom „Konflikt zwischen Bedeutung und Benennung“ spricht (273); Tacke/ S. Thieme, in: Niebuhr (Hrsg.), Formen des Nicht-Verstehens, 2014, S. 93 (95). Zur Problematik der Einbindung der sprachwissenschaftlichen Kontroverse um das generische Maskulinum in die juristische Dogmatik Grünberger, JZ 2018, 719 (720, 722 f.). 995 S. dazu unter Erster Teil, E. mit Nachweisen in Fn. 235. 996 Dagegen stellen Studien zur mentalen Repräsentation anderer nicht-männlicher Personen noch ein Desiderat dar, weshalb deren Benachteiligung durch das generische Maskulinum nur vermutet werden kann. 997 Vgl. BT-Drs. 12/6000, S. 52; Grabrucker, in: Battis/Schultz (Hrsg.), Frauen im Recht, 1990, S. 281 (300); den Aspekt der Eigenidentifikation neben dem der Fremdrepräsentation aufführend Klärs, Die BKK 2011, 188 (191). Die interministerielle Arbeitsgruppe Rechtssprache (s. dazu unter Zweiter Teil) hielt allerdings 1987 fest, es „sei kein Fall bekannt, in dem die bisherige Vorschriftensprache in diesem Zusammenhang zu Mißverständnissen oder Auslegungsschwierigkeiten geführt habe“, s. Arbeitsgruppe Rechtssprache, Ergebnisprotokoll der Sitzung vom 23. November 1987 im BMJ, S. 1 f., BArch, B 141/418826; zu Recht darauf verweisend, dass es bei Verkennen eines Rechtsanspruches in der Regel gar nicht zu einer gerichtlichen Klärung kommen wird, Kaufmann, Protokoll der Sachverständigenanhörung zum Thema „Gleichbehandlung von Mann und Frau in der Rechtssprache?“ am 15. September 1988 im Bundesministerium der Justiz, S. 45 f., BArch, B 141/418838. 998 Vgl. Joisten, Der Deutschunterricht 37 (1985), Heft 1, 47 (47); S. Thieme, in: EichhoffCyrus/Antos (Hrsg.), Verständlichkeit als Bürgerrecht?, 2008, S. 230 (231); auf Besonderheiten etwa im Sozialrecht soll hier nicht eingegangen werden. 999 Dazu Hellinger, in: Eichhoff-Cyrus (Hrsg.), Adam, Eva und die Sprache, 2004, S. 275 (278): Generieren eines männlichen Bias; Klärs, Die BKK 2011, 188 (191) betont, dass dieser Effekt auftreten kann trotz des theoretischen Wissens darüber, wer gemeint ist. 1000 R. Schmidt, in: Eichhoff-Cyrus (Hrsg.), Adam, Eva und die Sprache, 2004, S. 316 (316); vgl. die Beantwortung des Fragenkatalogs für die Sachverständigenanhörung der interministeriellen Arbeitsgruppe zum Thema „Gleichbehandlung von Mann und Frau in der Rechtssprache?“ durch die Deutsche Angestellten-Gewerkschaft 1988, S. 2, BArch, B 141/418831: „Besetzung von Ämtern und Mandaten“; s. dazu eine Studie, bei der es um die Benennung von Personen für eine Wahlkandidatur ging, von Stahlberg/Sczesny, Psychologische Rundschau 52 (2001), 131 (135); vgl. auch Hausherr-Mälzer, Die Sprache des Patriarchats, 1990, S. 105; F. Braun/Sczesny/Stahlberg, Germanistische Linguistik 167 – 168 (2002), 77 (85); Stahlberg/ F. Braun/Irmen/Sczesny, in: Fiedler (Hrsg.), Social Communication, 2007, S. 163 (179).

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Ob auch bereits eine (psychologische) Benachteiligung von Frauen darin gesehen werden kann, dass für sie selbst die Hemmschwelle höher sein dürfte, sich etwa um im generischen Maskulinum formulierte Ämter zu bewerben1001, kann dann dahinstehen. (2) Individuelle oder allgemeine Betrachtungsweise? Fraglich ist allerdings, ob bezüglich des Nachteils i. S. v. Art. 3 Abs. 2 Satz 1, Abs. 3 Satz 1 GG eine individuelle oder eine allgemeine Betrachtungsweise zugrunde zu legen ist. Insofern herrscht in der Diskussion einige „Verwirrung“ vor. Man wird wohl zwischen verschiedenen Fragen differenzieren müssen: Zunächst ist (erstens) zu klären, wer sich auf Art. 3 Abs. 2 Satz 1, Abs. 3 Satz 1 GG berufen kann. Insofern ist mit der ganz h.M.1002 von einem Individualgrundrecht auszugehen, d. h., nur eine einzelne Frau kann sich darauf berufen, nicht die „Gruppe der Frauen“. Sodann ist (zweitens) zu klären, ob die einzelne Frau eine individuelle Benachteiligung geltend machen können muss1003 oder ob es ausreicht, eine Benachteiligung der Frauen allgemein darlegen zu können1004. Hier spricht die individualbezogene Ausrichtung der Grundrechte1005 dafür, auch eine individuelle Benachteiligung zu

1001 In diese Richtung die Überlegungen von Kusterle, Die Macht von Sprachformen, 2011, S. 195 f.; vgl. Abg. Oesterle-Schwerin, BT-Drs. 11/1043, S. 2505 f.; F. Braun/Gottburgsen/ Sczesny/Stahlberg, ZGL 26 (1998), 265 (266); Stahlberg/F. Braun/Irmen/Sczesny, in: Fiedler (Hrsg.), Social Communication, 2007, S. 163 (170). 1002 S. nur Benda, 5. Öffentliche Anhörung der GVK vom 5. 11. 1992, zit. nach: Limbach/ Eckertz-Höfer (Hrsg.), Frauenrechte im Grundgesetz des geeinten Deutschland, 1993, S. 167; s. dort auch Schmidt-Jortzig, S. 172; Ebsen, in: Benda/Maihofer/H.-J. Vogel (Hrsg.), Handbuch des Verfassungsrechts der Bundesrepublik Deutschland, 2. Aufl. 1994, § 8 Rn. 33; Sacksofsky, Das Grundrecht auf Gleichberechtigung, 2. Aufl. 1996, S. 334 f., 362; Rademacher, Diskriminierungsverbot und „Gleichstellungsauftrag“, 2004, S. 158 f.; im Ergebnis auch Langenfeld, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 3 Abs. 2 Rn. 18 (Stand: Mai 2015); Verständnis des Art. 3 Abs. 2 GG a. F. als Gruppenrecht dagegen bei Pfarr, Quoten und Grundgesetz, 1988, S. 34; Slupik, Die Entscheidung des Grundgesetzes für Parität im Geschlechterverhältnis, 1988, S. 79, 136; Raasch, Frauenquoten und Männerrechte, 1991, S. 150. 1003 In diese Richtung Schmitt Glaeser, 5. Öffentliche Anhörung der GVK vom 5. 11. 1992, zit. nach: Limbach/Eckertz-Höfer (Hrsg.), Frauenrechte im Grundgesetz des geeinten Deutschland, 1993, S. 129; s. dort auch Benda, S. 167, sowie Schmidt-Jortzig, S. 172; BrosiusGersdorf, Demografischer Wandel und Familienförderung, 2011, S. 373. 1004 So bezogen auf Art. 3 Abs. 2 GG Grabrucker, in: Battis/Schultz (Hrsg.), Frauen im Recht, 1990, S. 281 (298 f.); in diese Richtung auch Pfarr, Quoten und Grundgesetz, 1988, S. 34; Limbach, 5. Öffentliche Anhörung der GVK vom 5. 11. 1992, zit. nach: Limbach/Eckertz-Höfer (Hrsg.), Frauenrechte im Grundgesetz des geeinten Deutschland, 1993, S. 163. Schulze-Fielitz, KritV 72 (1989), 273 (279) will die „Durchschnittsfrau“ als Maßstab heranziehen; dazu (zu Recht) kritisch Grabrucker, KritV 72 (1989), 292 (297). 1005 Dazu Huster, KJ 28 (1995), 107 (114); Rademacher, Diskriminierungsverbot und „Gleichstellungsauftrag“, 2004, S. 158: Langenfeld, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 3 Abs. 2 Rn. 18 (Stand: Mai 2015).

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fordern.1006 Das Problem liegt allerdings darin, dass die Benachteiligung einer einzelnen konkreten Frau durch die Verwendung des generischen Maskulinums in der Vorschriftensprache zwar theoretisch denkbar ist, aber im Einzelfall regelmäßig schwierig zu identifizieren und nachzuweisen sein dürfte.1007 Gegen die Auffassung, solange die ungleiche Gewichtigkeit der Geschlechter in unserer Gesellschaft an Statistiken relevant nachweisbar sei, gelte „die Fiktion eines rechtlich erheblichen Nachteiles durch Diskriminierung“1008, ist einzuwenden, dass der Gesetzestext von Art. 3 Abs. 2 Satz 1, Abs. 3 Satz 1 GG nichts dafür hergibt, dass hier bereits die Fiktion eines Nachteils ausreichen sollte. Jedoch könnten (drittens) aus einer gruppenbezogenen Perspektive Rückschlüsse auf eine individuelle Benachteiligung zu ziehen sein1009 – auch wenn das so deutlich oftmals nicht formuliert wird –, insbesondere über die Rechtsfigur der mittelbaren Diskriminierung1010.1011 Nach Ansicht insbesondere auch des Bundesverfassungsgerichts können geschlechtsneutral formulierte staatliche Maßnahmen eine mittelbare Diskriminierung darstellen, wenn sie faktisch überwiegend ein Geschlecht betreffen und dies auf natürliche oder gesellschaftliche Unterschiede zwischen den Geschlechtern zurückzuführen ist.1012 Dies impliziert notwendigerweise eine gruppenbezogene Betrachtung.1013 Das Problem der individuellen Benachteiligung könnte so über die Rechtsfigur der mittelbaren Benachteiligung zumindest „entschärft“ sein. 1006 Vgl. Rademacher, Diskriminierungsverbot und „Gleichstellungsauftrag“, 2004, S. 158 f. 1007 Vgl. Grabrucker, in: Battis/Schultz (Hrsg.), Frauen im Recht, 1990, S. 281 (303); Sacksofsky, 5. Öffentliche Anhörung der GVK vom 5. 11. 1992, zit. nach: Limbach/EckertzHöfer (Hrsg.), Frauenrechte im Grundgesetz des geeinten Deutschland, 1993, S. 97 (zur strukturellen Diskriminierung); zum Erfordernis einer Gruppenbetrachtung s. auch Kusterle, Die Macht von Sprachformen, 2011, S. 16 f.; auf bisher fehlende Nachweise einer Benachteiligung im individuellen Fall verweist Diederichsen, in: FS Gaul, 1997, S. 121 (136). 1008 So Grabrucker, KritV 72 (1989), 292 (297). 1009 Gleichsinnig Sacksofsky, 5. Öffentliche Anhörung der GVK vom 5. 11. 1992, zit. nach: Limbach/Eckertz-Höfer (Hrsg.), Frauenrechte im Grundgesetz des geeinten Deutschland, 1993, S. 137. 1010 S. dazu unter Dritter Teil, B. I. 1. 1011 In diese Richtung auch Grabrucker, in: Battis/Schultz (Hrsg.), Frauen im Recht, 1990, S. 281 (299); Schiek, Differenzierte Gerechtigkeit, 2000, S. 68 ff.; Rademacher, Diskriminierungsverbot und „Gleichstellungsauftrag“, 2004, S. 163; Langenfeld, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 3 Abs. 2 Rn. 19 (Stand: Mai 2015); vgl. Sacksofsky, in: Bender/Schmidbaur/Wolde (Hrsg.), Diversity ent-decken, 2013, S. 97 (106); Schadendorf, ZaöRV 2014, 245 (253). 1012 S. BVerfGE 97, 35 (43); 104, 373 (393); 113, 1 (15); 121, 241 (254 f.); 126, 29 (53); Slupik, Die Entscheidung des Grundgesetzes für Parität im Geschlechterverhältnis, 1988, S. 99 ff. unter der Bezeichnung als „indirekte Diskriminierung“; Horstkötter, Der Personalrat 2009, 242 (243 Fn. 11); ähnlich Brosius-Gersdorf, Demografischer Wandel und Familienförderung, 2011, S. 372, die darauf abstellt, ob „typischerweise“ ein Geschlecht benachteiligt wird. 1013 So auch Langenfeld, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 3 Abs. 2 Rn. 19 (Stand: Mai 2015); vgl. Grabrucker, in: Battis/Schultz (Hrsg.), Frauen im Recht, 1990, S. 281 (299); Ebsen, in: Benda/ Maihofer/H.-J. Vogel (Hrsg.), Handbuch des Verfassungsrechts der Bundesrepublik Deutsch-

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Allerdings ist hier bereits fraglich, ob es sich überhaupt um einen Anwendungsfall mittelbarer Diskriminierung handelt, obwohl die Definition zunächst gut zu passen scheint.1014 In den „klassischen“ Fällen mittelbarer (Geschlechts-)Diskriminierung erfolgt eine (rechtliche) Differenzierung in Anknüpfung an ein scheinbar neutrales Kriterium, die sich mittelbar nachteilig auf ein Geschlecht auswirkt.1015 Bei der Vorschriftensprache wird aber nicht in Anknüpfung an ein anderes Kriterium als das Geschlecht differenziert, sondern die (nach Auslegung) geschlechtsneutralen Vorschriften1016 sehen grundsätzlich für alle Menschen die gleiche Rechtsfolge vor; unterschiedlich sind nur die tatsächlichen Auswirkungen der Normen aufgrund der Normsprache.1017 Es stellt sich die Frage, ob alle geschlechtsneutral formulierten Regelungen, die überwiegend Angehörige eines Geschlechts benachteiligen, von der Rechtsfigur der mittelbaren Diskriminierung umfasst sein sollen, oder nur geschlechtsneutral formulierte Ungleichbehandlungen, ob also auch solche Fälle erfasst sind, bei denen nur ungleiche Auswirkungen einer Norm zu überprüfen sind, welche an alle Geschlechter die gleichen Anforderungen stellt.1018 Letztlich könnte die Frage der Einordnung als mittelbare Diskriminierung aber offenbleiben, wenn jedenfalls das Auslegungsargument der Einheit der Verfassung der Einordnung nicht geschlechtergerechter Vorschriftensprache als Verstoß gegen das Diskriminierungsverbot entgegenstehen sollte.

land, 2. Aufl. 1994, § 8 Rn. 32, 35; Vollmer, Das Ehegattensplitting, 1998, S. 120 Fn. 100; Rademacher, Diskriminierungsverbot und „Gleichstellungsauftrag“, 2004, S. 163; Schadendorf, ZaöRV 2014, 245 (253); aus AGG-rechtlicher Perspektive auch Grünberger, JZ 2018, 719 (725). 1014 Für die Einordnung als Fall mittelbarer Diskriminierung Grabrucker, Vater Staat hat keine Muttersprache, 1993, S. 215 ff.; Grabrucker, Verfassungsrecht und geschlechtergerechte Sprache! – Umsetzung im Recht und in der Realität, 2017; im Rahmen des AGG auch Grünberger, JZ 2018, 719 (724 f.); gegen die Einordnung als mittelbare Diskriminierung Schulze-Fielitz, KritV 72 (1989), 273 (280 Fn. 39); offengelassen in BT-Drs. 12/1041, S. 12. 1015 Vgl. Langenfeld, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 3 Abs. 2 Rn. 34 f. (Stand: Mai 2015); ähnlich Vollmer, Das Ehegattensplitting, 1998, S. 126. 1016 S. dazu unter Dritter Teil, B. I. 2. a). 1017 Vgl. BT-Drs. 12/1041, S. 12, wo das Vorliegen einer mittelbaren Diskriminierung insofern dahingestellt blieb; eine mittelbare Diskriminierung ablehnend Schulze-Fielitz, Protokoll der Sachverständigenanhörung zum Thema „Gleichbehandlung von Mann und Frau in der Rechtssprache?“ am 15. September 1988 im Bundesministerium der Justiz, S. 107, BArch, B 141/418838. 1018 Langenfeld, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 3 Abs. 2 Rn. 35 (Stand: Mai 2015), die zu Recht darauf verweist, dass die Formulierung in BVerfGE 121, 241 (254 f.) dafür spricht, dass ein „durch Art. 3 Abs. 3 GG nicht verbotene[r] sachliche[r] Anknüpfungspunkt“ vorliegen muss; nach Boysen, in: v. Münch/Kunig, GG, Bd. I, 6. Aufl. 2012, Art. 3 Rn. 136 sind unterschiedslos für alle Rechtsunterworfenen geltende Regelungen nicht von Art. 3 Abs. 3 Satz 1 GG erfasst, allerdings siedelt sie das Verbot der mittelbaren Diskriminierung ohnehin nicht dort an (Rn. 145).

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3. Teil: Rechtlicher Rahmen für die Verwendung geschlechtergerechter Sprache

(3) Einheit der Verfassung Ein Verstoß der herkömmlichen Vorschriftensprache unter Verwendung des generischen Maskulinums gegen das Diskriminierungsverbot aus Art. 3 Abs. 2 Satz 1, Abs. 3 Satz 1 GG könnte unter dem Auslegungsaspekt der Einheit der Verfassung ausscheiden, weil das Grundgesetz selbst nach diesem Formulierungsprinzip gefasst wurde.1019 An den wenigen Stellen im Grundgesetz, an denen sich feminine Personenbezeichnungen finden, sind diese dagegen geschlechtsspezifisch zu verstehen (sofern es sich nicht um „echt“ geschlechtsneutrale Personenbezeichnungen wie „die Person“ handelt). Das Auslegungsprinzip der Einheit der Verfassung, vom Bundesverfassungsgericht als „vornehmstes Interpretationsprinzip“ bezeichnet1020, gebietet, eine Verfassungsvorschrift nicht isoliert, sondern vielmehr aus dem Gesamtgefüge der Verfassung heraus zu betrachten.1021 Die einzelnen Artikel des Grundgesetzes müssen so ausgelegt werden, dass sie „mit den elementaren Grundsätzen des Grundgesetzes, insbesondere den Grundrechten, und seiner Werteordnung vereinbar sind“.1022 Hintergrund ist das Verständnis der Verfassung „als eines logisch-teleologischen Sinngebildes“.1023 Damit lässt sich das Argument der Einheit der Verfassung innerhalb der anerkannten Auslegungstopoi der systematischen Auslegung zuordnen.1024 Würde man die herkömmliche Vorschriftensprache als Verstoß gegen das Diskriminierungsverbot aus Art. 3 Abs. 2 Satz 1, Abs. 3 Satz 1 GG einordnen, würde dies zugleich bedeuten, dass das Grundgesetz eine Fülle verfassungswidrigen Verfassungsrechts beinhaltete.1025 Das wird zwar nicht per se für ausgeschlossen er-

1019 Zu generischen Maskulina im GG s. BGHZ 218, 96 (107 Rn. 38); Maier-Reimer, AnwBl 1989, 146 (147); Grabrucker, in: Battis/Schultz (Hrsg.), Frauen im Recht, 1990, S. 281 (298); Grabrucker, Vater Staat hat keine Muttersprache, 1993, S. 241 f.; Baer, Blätter für deutsche und internationale Politik 1/2013, 107 (113); s. dazu auch unter Erster Teil, D. 1020 BVerfGE 19, 206 (220). 1021 BVerfGE 55, 274 (300); vgl. BVerfGE 30, 1 (19); 39, 334 (368); Hesse, Grundzüge des Verfassungsrechts der Bundesrepublik Deutschland, 20. Aufl. 1995 (Neudruck 1999), Rn. 71. 1022 BVerfGE 19, 206 (220); vgl. BVerfGE 1, 14 (32). 1023 BVerfGE 19, 206 (220); vgl. BVerfGE 33, 23 (29); 142, 25 (66 Rn. 111); Hesse, Grundzüge des Verfassungsrechts der Bundesrepublik Deutschland, 20. Aufl. 1995 (Neudruck 1999), Rn. 20 m. w. N.; kritisch zur „Einheit der Verfassung“ F. Reimer, Juristische Methodenlehre, 2. Aufl. 2020, Rn. 330. 1024 Wienbracke, Juristische Methodenlehre, 2013, Rn. 173 f. 1025 E. Bülow, ZG 3 (1988), 160 (167 f.); Maier-Reimer, AnwBl 1989, 146 (147); SchulzeFielitz, KritV 72 (1989), 273 (278); so auch Friauf, Protokoll der Sachverständigenanhörung zum Thema „Gleichbehandlung von Mann und Frau in der Rechtssprache?“ am 15. September 1988 im Bundesministerium der Justiz, S. 58, BArch, B 141/418838; für „überspitzt“ hält dies Grabrucker, Vater Staat hat keine Muttersprache, 1993, S. 224 f.

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achtet1026, wird aber nur in eng begrenzten Ausnahmefällen, bei offenkundigen Verstößen gegen fundamentales überpositives Recht, diskutiert.1027 Somit ist unter Berücksichtigung der Einheit der Verfassung die herkömmliche Vorschriftensprache nicht als Verstoß gegen das Diskriminierungsverbot aus Art. 3 Abs. 2 Satz 1, Abs. 3 Satz 1 GG anzusehen.1028 (4) Verfassungswandel? Teilweise ist mit einem zwischenzeitlichen (stillen) Verfassungswandel argumentiert worden1029 bzw. einer „Verfassungsfortentwicklung, eine[r] Grauzone zwischen Verfassungsinterpretation und stiller Verfassungsfortbildung“, die zur Verfassungskonkretisierung gehöre1030. Auch wenn der Verfassungsgeber bei der Abfassung des Grundgesetzes noch nicht an die Erstreckung des Art. 3 GG auf die Rechtssprache gedacht habe, seien die Grundrechte angesichts veränderter Erkenntnisse fortzuschreiben.1031 Die (umstrittene)1032 Rechtsfigur des stillen Verfassungswandels kann aber wohl allenfalls unter engen Voraussetzungen zum Zuge kommen.1033 Insofern ist insbesondere zu berücksichtigen, dass nach Art. 79 Abs. 1 Satz 1 GG das Grundgesetz nur durch ein Gesetz geändert werden kann, das den Wortlaut des Grundgesetzes ausdrücklich ändert oder ergänzt, also durch eine Textänderung1034, wobei ein solches Gesetz gem. Art. 79 Abs. 2 GG der Zustimmung von zwei Dritteln der Mitglieder des Bundestages sowie von zwei Dritteln der 1026 Sachs, Grenzen des Diskriminierungsverbots, 1987, S. 53; kritisch zur Rechtsfigur verfassungswidrigen Verfassungsrechts unter dem Aspekt der Einheit der Verfassung BVerfGE 142, 25 (66 Rn. 111). 1027 Schulze-Fielitz, KritV 72 (1989), 273 (278); demgegenüber erklärte Limbach, Protokoll der Sachverständigenanhörung zum Thema „Gleichbehandlung von Mann und Frau in der Rechtssprache?“ am 15. September 1988 im Bundesministerium der Justiz, S. 60, BArch, B 141/418838, sie habe „keine Scheu, den Sprachgebrauch des Grundgesetzes als verfassungswidrig zu betrachten“. 1028 So auch Schulze-Fielitz, KritV 72 (1989), 273 (278); Schulze-Fielitz, Protokoll der Sachverständigenanhörung zum Thema „Gleichbehandlung von Mann und Frau in der Rechtssprache?“ am 15. September 1988 im Bundesministerium der Justiz, S. 65, BArch, B 141/418838; s. dort im Ergebnis ebenso Friauf, S. 57 f. 1029 Grabrucker, KritV 72 (1989), 292 (293 f.). 1030 Grabrucker, Vater Staat hat keine Muttersprache, 1993, S. 225 f. 1031 Grabrucker, Vater Staat hat keine Muttersprache, 1993, S. 225 f.; vgl. Grabrucker, ZRP 1988, 12 (13); Grabrucker, in: Battis/Schultz (Hrsg.), Frauen im Recht, 1990, S. 281 (298). 1032 Näher zum Meinungsstand Wahl, in: Wahl (Hrsg.), Verfassungsänderung, Verfassungswandel, Verfassungsinterpretation, 2008, S. 29 (43 ff.); s. dazu auch Voßkuhle, in: Wahl (Hrsg.), Verfassungsänderung, Verfassungswandel, Verfassungsinterpretation, 2008, S. 201 (201 f.); Voßkuhle, JuS 2019, 417 (418). 1033 Vgl. BVerfGE 142, 25 (65 f. Rn. 110); daher in Bezug auf geschlechtergerechte Vorschriftensprache einen stillen Verfassungswandel ablehnend Schulze-Fielitz, KritV 72 (1989), 273 (278 f.). 1034 Wahl, in: Wahl (Hrsg.), Verfassungsänderung, Verfassungswandel, Verfassungsinterpretation, 2008, S. 29 (36).

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3. Teil: Rechtlicher Rahmen für die Verwendung geschlechtergerechter Sprache

Stimmen des Bundesrates bedarf.1035 Dementsprechend wird unter einem Verfassungswandel in Abgrenzung zur Verfassungsänderung überwiegend die Änderung des ursprünglichen Sinns einer Verfassungsnorm ohne Verfassungstextänderung verstanden.1036 Einigkeit besteht darüber, dass Art. 79 GG nicht jede Änderung der Verfassungsinterpretation ausschließt.1037 Das Besondere des Verfassungswandels lässt sich darin sehen, dass es hier um eine bewusste Abweichung von einer früheren Verfassungsinterpretation geht.1038 Mit Blick auf Art. 79 GG wird die Übereinstimmung mit dem „normative[n] Gehalt“ einer Verfassungsnorm als Grenze eines Verfassungswandels ohne Textänderung angesehen.1039 Schulze-Fielitz hat in Bezug auf die Einordnung der herkömmlichen Vorschriftensprache als Verstoß gegen das Diskriminierungsverbot aus Art. 3 Abs. 2, 3 GG einen stillen Verfassungswandel dann in Betracht gezogen, „wenn nach Jahrzehnten ein breiter Konsens von Gesetzgebung, Lehre und Rechtsprechung mit Selbstverständlichkeit in ständiger Praxis davon ausgeht, daß Art. 3 Abs. 2, 3 GG eine geschlechtsneutrale deutsche Gesetzessprache gebiete“ (womit dann nicht das generische Maskulinum gemeint gewesen sein kann1040), was er im Jahr 1989 jedoch verneinte.1041 Aber auch heute kann von einem „breiten Konsens“ von Gesetzgebung, Lehre und Rechtsprechung diesbezüglich wohl keine Rede sein, das zeigt schon das kürzlich ergangene Urteil des Bundesgerichtshofs zu geschlechtergerechter Sprache 1035

Vgl. dazu Lerche, in: FS Maunz, 1971, S. 285 (292); Schulze-Fielitz, in: Wahl (Hrsg.), Verfassungsänderung, Verfassungswandel, Verfassungsinterpretation, 2008, S. 219 (229). 1036 v. der Heydte, ARSP 39 (1950/51), 461 (466); Voßkuhle, in: Wahl (Hrsg.), Verfassungsänderung, Verfassungswandel, Verfassungsinterpretation, 2008, S. 201 (203); Wahl, in: Wahl (Hrsg.), Verfassungsänderung, Verfassungswandel, Verfassungsinterpretation, 2008, S. 29 (43); Dreier, in: Dreier (Hrsg.), GG, Bd. II, 3. Aufl. 2015, Art. 79 Abs. 1 Rn. 38; Hain, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, Bd. II, 7. Aufl. 2018, Art. 79 Rn. 13; Voßkuhle, JuS 2019, 417 (418). 1037 S. nur Voßkuhle, in: Wahl (Hrsg.), Verfassungsänderung, Verfassungswandel, Verfassungsinterpretation, 2008, S. 201 (209) m. w. N.; Dreier, in: Dreier (Hrsg.), GG, Bd. II, 3. Aufl. 2015, Art. 79 Abs. 1 Rn. 38 f.; dazu, dass nicht allein auf eine historische Betrachtung aus der Perspektive bei der Abfassung des Grundgesetzes abgestellt werden kann, Würtenberger, in: Wahl (Hrsg.), Verfassungsänderung, Verfassungswandel, Verfassungsinterpretation, 2008, S. 49 (54). 1038 Voßkuhle, in: Wahl (Hrsg.), Verfassungsänderung, Verfassungswandel, Verfassungsinterpretation, 2008, S. 201 (207); vgl. Würtenberger, in: Wahl (Hrsg.), Verfassungsänderung, Verfassungswandel, Verfassungsinterpretation, 2008, S. 49 (55); die Begriffsinhalte und Abgrenzungen sind allerdings im Einzelnen streitig. 1039 Hain, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, Bd. II, 7. Aufl. 2018, Art. 79 Rn. 13; Voßkuhle, in: Wahl (Hrsg.), Verfassungsänderung, Verfassungswandel, Verfassungsinterpretation, 2008, S. 201 (209). 1040 S. aber Kischel, in: Epping/Hillgruber (Hrsg.), BeckOK GG, Stand: Dez. 2019, Art. 3 Rn. 219a.2, der vom generischen Maskulinum als der „umfassendsten und inklusivsten Lösung“ spricht. 1041 Schulze-Fielitz, KritV 72 (1989), 273 (278 f.); auch nach Lerche, in: FS Maunz, 1971, S. 285 (294) können Neuinterpretationen nur „im Sinne eines kontinuierlichen Prozesses“ in Betracht kommen.

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in Formularen und Vordrucken.1042 Und auch in der Literatur besteht insofern keineswegs Einigkeit.1043 Vor allem aber ist die enge Wechselwirkung zwischen der Sprache der Verfassung und dem Verständnis des Diskriminierungsverbotes zu berücksichtigen. Eine Interpretation von Art. 3 Abs. 2 Satz 1, Abs. 3 Satz 1 GG als die herkömmliche Vorschriftensprache verbietend müsste in logischer Konsequenz eine Umformulierung auch des Grundgesetzes nach sich ziehen, die nur im formellen Verfahren der Verfassungsänderung erfolgen kann. Insofern darf der Umstand, dass der Vorstoß bzgl. einer Änderung der Sprache des Grundgesetzes im Wege der formellen Verfassungsänderung in der Gemeinsamen Verfassungskommission in den 90er Jahren des vergangenen Jahrhunderts gescheitert ist1044, nicht über die Annahme eines stillen Verfassungswandels umgangen werden.1045 Seitdem haben sich die Meinungen wohl auch nicht grundlegend geändert; in der Frage, ob das Grundgesetz geschlechtergerecht umformuliert werden sollte, besteht weiterhin keine Einigkeit.1046 c) Zwischenergebnis Damit lässt sich als Zwischenergebnis festhalten, dass die unter Verwendung des generischen Maskulinums formulierten Rechtsnormen nicht gegen das Diskrimi1042

BGHZ 218, 96 (106 f. Rn. 38); zum Urteil des BGH s. näher unter Erster Teil, D. Ablehnend etwa Rüfner, in: Kahl/Waldhoff/Walter (Hrsg.), Bonner Kommentar zum Grundgesetz, Art. 3 Abs. 2 und 3 Rn. 822, 824 (Stand: Mai 1996); Kahl, VVDStRL 65 (2006), 386 (390 Fn. 15); Scholl/Fischer, EWiR 2018, 365 (366); Wolff, in: Wolff (Hrsg.), GG, 12. Aufl. 2018, Art. 3 Rn. 12; Kischel, in: Epping/Hillgruber (Hrsg.), BeckOK GG, Stand: Dez. 2019, Art. 3 Rn. 219a.2. 1044 Dazu BT-Drs. 12/6000, S. 51 f.; Samel, Der Sprachdienst 37 (1993), 192; ScheweGerigk, in: Eichhoff-Cyrus (Hrsg.), Adam, Eva und die Sprache, 2004, S. 322 (330); Reinecke, in: FS Düwell, 2011, S. 399 (403 f.); s. dazu auch unter Zweiter Teil. 1045 Vgl. Schulze-Fielitz, KritV 72 (1989), 273 (278), der bereits zuvor darauf verwies, dass der vom Grundgesetz vorgesehene „Regelweg“ einer Verfassungsänderung gem. Art. 79 GG nicht beschritten wurde; allgemein dazu, dass über den Weg des Verfassungswandels die strengen Voraussetzungen der Verfassungsänderung nicht umgangen werden dürfen, Badura, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 6 Rn. 37 (Stand: Jan. 2019); vgl. Wahl, in: Wahl (Hrsg.), Verfassungsänderung, Verfassungswandel, Verfassungsinterpretation, 2008, S. 29 (44). 1046 Dafür die Kommission Verfassungsreform des Bundesrates, s. BR-Drs. 360/92, Rn. 113; auch in der Gemeinsamen Verfassungskommission wurde zwar nicht die erforderliche 2/3-Mehrheit für die Anträge erreicht, die auf eine Änderung der Sprache des Grundgesetzes abzielten, aber immerhin sprach sich jeweils die einfache Mehrheit dafür aus, s. BT-Drs. 12/ 6000, S. 51 f.; s. zur Diskussion in der GVK auch Limbach/Eckertz-Höfer (Hrsg.), Frauenrechte im Grundgesetz des geeinten Deutschland, 1993, S. 29, 49, 90, 193, 200 f., 214; ebenfalls für eine Änderung der Sprache des Grundgesetzes Grabrucker, Vater Staat hat keine Muttersprache, 1993, S. 224, 244; Samel, Der Sprachdienst 37 (1993), 192; Grabrucker, Muttersprache 104 (1994), 63 (63 f.); Schewe-Gerigk, in: Eichhoff-Cyrus (Hrsg.), Adam, Eva und die Sprache, 2004, S. 322 (330); zu den Gegenargumenten s. BT-Drs. 12/6000, S. 52; tendenziell dagegen auch Kahl, VVDStRL 65 (2006), 386 (390 Fn. 15), wonach die „Dignität“ der Verfassung im Einzelfall vorrangig sei. 1043

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nierungsverbot aus Art. 3 Abs. 2 Satz 1, Abs. 3 Satz 1 GG verstoßen. Wegen des Erfordernisses verfassungskonformer Gesetzesauslegung verstößt weder der sachliche Regelungsgehalt der einzelnen Normen gegen das Diskriminierungsverbot, noch stellt – jedenfalls unter dem Aspekt der Einheit der Verfassung – die Sprachformwahl in all den Normen als solche einen Verstoß gegen Art. 3 Abs. 2 Satz 1, Abs. 3 Satz 1 GG dar. Damit kann auch die umstrittene Frage dahinstehen, nach welchen Maßstäben generell eine Diskriminierung als eine solche wegen des Geschlechts anzusehen ist1047 und wie dies speziell für die Verwendung generisch maskuliner Personenbezeichnungen zu beurteilen ist1048. 3. Verstoß nicht geschlechtergerechter Amtssprache gegen das Diskriminierungsverbot von Art. 3 Abs. 2 Satz 1, Abs. 3 Satz 1 GG? Eine andere Beurteilung könnte sich in Bezug auf die Amtssprache ergeben. Die interministerielle Arbeitsgruppe Rechtssprache hat ausgeführt, in der konkreten Anrede oder Bezeichnung von Frauen in der Amtssprache mit nicht geschlechtsspezifischen (femininen), sondern maskulinen Formen (z. B. nur „Sehr geehrte Herren!“; „Ministerialrat Sigrid Müller“) „könnte … eine Benachteiligung von Frauen gesehen werden, deren Vereinbarkeit mit Artikel 3 Abs. 2 und 3 GG fraglich erscheint“.1049 Sie hat die Frage jedoch letztlich offengelassen und stattdessen auf eine Verletzung des Allgemeinen Persönlichkeitsgrundrechts1050 abgestellt.1051 In der Tat dürfte bei einer solchen Anrede oder konkreten Bezeichnung – und anders als bei den abstrakten Bezeichnungen in Vorschriften – die Frage der Missachtung des individuellen Menschen in seiner Persönlichkeit1052 und damit die freiheitsrechtliche Dimension im Vordergrund stehen, unabhängig davon, wie andere Menschen (Männer) angeredet und bezeichnet werden (gleichheitsrechtliche Dimension). Der Aspekt der Ungleichbehandlung spielt bei der Amtssprache nur eine

1047 S. dazu nur Langenfeld, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 3 Abs. 3 Rn. 20 ff. (Stand: Mai 2015) mit Darstellung des Streitstandes; Sacksofsky, in: Kempny/P. Reimer (Hrsg.), Gleichheitssatzdogmatik heute, 2017, S. 63 ff. 1048 S. dazu Schulze-Fielitz, KritV 72 (1989), 273 (280 Fn. 39). 1049 BT-Drs. 12/1041, S. 12; zur Arbeitsgruppe Rechtssprache s. unter Zweiter Teil. 1050 S. dazu unter Dritter Teil, B. III. 2. 1051 BT-Drs. 12/1041, S. 12 f.; so auch Leuer/Fessel, Frauen in der Sprache des Hochschulrechts, 1992, S. 15 Fn. 42; nicht eindeutig in der Zuordnung Schulze-Fielitz, KritV 72 (1989), 273 (277). 1052 Zur Bedeutung der Geschlechtsidentität für die individuelle Anrede BVerfGE 147, 1 (19 f. Rn. 39); BVerfG, NJW 1997, 1632 (1633); BVerfG, NJW 2012, 600 (601 Rn. 12 f.); BGHZ 218, 96 (109 Rn. 45); Sieberichs, FamRZ 2013, 1180 (1184); Theilen, StAZ 2016, 295 (296).

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untergeordnete Rolle.1053 Art. 2 Abs. 1 i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG erscheint insofern als der passendere Prüfungsmaßstab.1054 Prüft man die Amtssprache aber auch am Maßstab von Art. 3 Abs. 2 Satz 1, Abs. 3 Satz 1 GG, ist bei der Verwendung generischer Maskulina zur Anrede bzw. konkreten Bezeichnung von Frauen ein Verstoß zu bejahen.1055 Die deutsche Sprache hält (neben einigen „echt“ geschlechtsneutralen) geschlechtsspezifische Anredeformen und Bezeichnungen (wie Berufs-, Amts-, Dienst- und Funktionsbezeichnungen) sowohl für Männer als auch für Frauen bereit, sodass die Verwendung maskuliner als „generischer“ Formen hier als Ungleichbehandlung und Benachteiligung von Frauen anzusehen ist, für die auch keine verfassungsrechtliche Rechtfertigung ersichtlich ist. Da für Männer beim generischen Maskulinum die geschlechtsspezifische und die „generische“ Form übereinstimmen (z. B. bei „Bürger“), können sie ihr Geschlecht und damit ihre Individualität als Person bei dessen Verwendung immer berücksichtigt sehen, während Frauen durch die Verwendung derselben Formen zur Anrede oder konkreten Bezeichnung in ihrer Persönlichkeit „übersehen“, also missachtet werden, weil auch geschlechtsspezifische feminine Formen („Bürgerin“) als Pendant zur maskulinen Form in der geschlechtsspezifischen Bedeutung („Bürger“) existieren.1056 Allerdings hat sich, wie ausgeführt, bei der direkten Personenansprache geschlechtergerechte Sprache weitgehend durch-

1053 Für Mangold, VerfBlog vom 13. 3. 2018, steht dagegen (bezogen auf Formulare) das „relationale Recht, die eigene Persönlichkeit in gleicher Weise wie andere Personen entfalten zu können“ im Vordergrund; erst der Vergleich zeige, „dass Frauen in ihrem Sosein weniger anerkannt werden als Männer“, wenn ausschließlich die maskulinen Sprachformen verwendet würden. 1054 Das komplexe Verhältnis von Freiheits- und Gleichheitsrechten kann hier nur am Rande gestreift werden; s. dazu etwa Kriele, in: Benda/Maihofer/H.-J. Vogel (Hrsg.), Handbuch des Verfassungsrechts der Bundesrepublik Deutschland, 1983, S. 129 ff.; Heun, in: D. Merten/ Papier (Hrsg.), Handbuch der Grundrechte in Deutschland und Europa, Bd. II, 2006, § 34; Sachs, in: E. Klein/Menke (Hrsg.), Universalität – Schutzmechanismen – Diskriminierungsverbote, 2008, S. 325 ff.; Brosius-Gersdorf, in: FS Dreier, 2018, S. 93 ff. Für eine Schwerpunktbetrachtung im Einzelfall, obgleich Freiheits- und Gleichheitsrechte grundsätzlich nebeneinanderstehen, auch BVerfGE 64, 229 (238 f.); Kischel, in: Epping/Hillgruber (Hrsg.), BeckOK GG, Stand: Dez. 2019, Art. 3 Rn. 4 ff.; I. Schmidt, in: Müller-Glöge/Preis/I. Schmidt (Hrsg.), Erfurter Kommentar zum Arbeitsrecht, 20. Aufl. 2020, Art. 3 GG Rn. 8; für die Kombination von Freiheits- und Gleichheitsrechten plädierend, um „die Perspektive des ,Normalbürgers‘ zu verlassen, ungleich verteilte Freiheitsrechte sichtbar werden zu lassen und so Paternalismus und Hierarchien zu vermeiden“ Völzmann, VerfBlog vom 17. 11. 2017. 1055 A.A. Stickel, ZGL 16 (1988), 330 (352), der zwar empfiehlt, auch feminine Bezeichnungen zu verwenden, aber eine gesetzliche Verpflichtung ablehnt; offengelassen von Kastendieck, ZevKR 35 (1990), 43 (48 ff.), der allerdings jedenfalls im Plural feminine Personenbezeichnungen für entbehrlich hält und beim Singular danach differenziert, ob eine bestimmte Einzelperson bezeichnet werden soll oder nur eine beliebige Person aus einer bestimmten Personengruppe oder Kategorie. 1056 Vgl. Mangold, VerfBlog vom 13. 3. 2018.

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3. Teil: Rechtlicher Rahmen für die Verwendung geschlechtergerechter Sprache

gesetzt1057, sodass hier – wie auch sonst in der Amtssprache1058 – in der Praxis wenig Probleme bestehen. Dies gilt jedenfalls in Bezug auf Frauen. Noch ungeklärt ist hingegen, wie Personen, die sich weder dem männlichen noch dem weiblichen Geschlecht zuordnen (lassen), angemessen individuell anzureden und insofern auch mit Männern und Frauen, für die es geschlechtsspezifische Anredeformen („Sehr geehrte Frau …“ bzw. „Sehr geehrter Herr …“) gibt, gleichzubehandeln sind.1059 Diese Problematik ist insbesondere durch den Beschluss des Bundesverfassungsgerichts zum „dritten Geschlecht“1060 virulent geworden. Sie soll sogar der unmittelbare Anlass dafür gewesen sein, dass sich nun erstmals der Rat für deutsche Rechtschreibung1061 mit der Thematik geschlechtergerechte Sprache befasst hat1062, ohne allerdings eine eindeutige, abschließende Empfehlung abzugeben, weil die Entwicklung zunächst abgewartet und vorerst nicht durch Empfehlungen und Festlegungen beeinflusst werden solle.1063 Während es hier im nicht-öffentlichen 1057 S. nur Spillmann, in: Hufeisen (Hrsg.), „Das Weib soll schweigen…“ (1. Kor. 14, 34), 1993, S. 11 (11); Klann-Delius, Sprache und Geschlecht, 2005, S. 187. 1058 Vgl. BT-Drs. 12/1041, S. 13; Lange-Klein, Terminologie et Traduction 2/1989, 23 (30); Klann-Delius, Sprache und Geschlecht, 2005, S. 188, 190; zu Amts- und Berufsbezeichnungen auch Hellinger, in: Eichhoff-Cyrus (Hrsg.), Adam, Eva und die Sprache, 2004, S. 275 (286); allgemein zu konkreter Personenreferenz auch Kotthoff, OBST 90 (2017), 91 (95). 1059 Vgl. Ramani, Will a New Law Forever Change the German Language?, Smithsonian Magazine Online vom 28. 2. 2018, https://www.smithsonianmag.com/arts-culture/will-new-lawforever-change-german-language-180968289/ (abgerufen am 2. 6. 2020). Die Begründung des Gesetzes zur Änderung der in das Geburtenregister einzutragenden Angaben erörtert diese Frage bei der Prüfung des Erfordernisses sprachlicher Anpassungen nicht, s. BR-Drs. 429/18, S. 5; BTDrs. 19/4669, S. 8. Die Problematik der individuellen Anrede wird aufgegriffen von Lettrari, Aktuelle Aspekte der Rechtslage zur Intersexualität, 2015, S. 24 f.; W. Fuchs/Kempe-Schälicke/ E. Richter/J. Franzen, Geschlechtliche Vielfalt im öffentlichen Dienst, hrsg. vom Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, 2017, S. 20, 44 f.; Helms, FamRZ 2017, 2054 (2054); Sadigh, Endlich sagen dürfen: Ich bin, ZEIT Online vom 8. 11. 2017, http://www.zeit.de/ gesellschaft/zeitgeschehen/2017-11/intersexualitaet-bundesverfassungsgericht-urteil-geburtenre gister-geschlecht (abgerufen am 2. 6. 2020); Berghahn, in: Berghahn/Schultz (Hrsg.), Rechtshandbuch für Frauen- und Gleichstellungsbeauftragte (Stand: Mai 2018), Kap. 2.4.5, S. 8; s. auch Block, Wie das dritte Geschlecht die Arbeitswelt verändert, FOCUS Online vom 17. 11. 2017, https://www.focus.de/finanzen/experten/drittes-geschlecht-die-folgen-des-urteils-fuer-die-ar beitswelt_id_7862448.html (abgerufen am 2. 6. 2020). 1060 BVerfGE 147, 1 ff.; s. dazu unter Erster Teil, B. I. 1061 S. dazu unter Fn. 30. 1062 So Düker, DIE ZEIT Nr. 23 vom 30. 5. 2018, S. 41, wonach von der Gleichbehandlungsstelle der Berliner Senatsverwaltung für Justiz, Verbraucherschutz und Antidiskriminierung eine Frage dieser Art an den Rat herangetragen worden sei; s. auch Krome, Der Sprachdienst 64 (2020), 31 (33). 1063 S. Rat für deutsche Rechtschreibung, Empfehlungen zur „geschlechtergerechten Schreibung“ vom 16. 11. 2018, S. 2; s. auch Rat für deutsche Rechtschreibung, Geschlechtergerechte Sprache: Herausforderung noch ohne Lösung, Pressemitteilung vom 8. 6. 2018; Rat für deutsche Rechtschreibung, Bericht und Vorschläge der AG „Geschlechtergerechte Schreibung“, Revidierte Fassung vom 28. 11. 2018 (alle abrufbar unter http://www.rechtschreibrat. com, abgerufen am 2. 6. 2020).

B. Bundesverfassungsrechtliche Maßgaben für geschlechtergerechte Sprache

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Kontext oftmals die Möglichkeit geben dürfte, die Person selbst vorab zu fragen, wie sie angesprochen werden möchte1064, ist das für die Amtssprache nicht immer passend, etwa wenn ein belastender Verwaltungsakt an die Person gerichtet werden soll. Eine Entsprechung zur üblichen förmlichen Anrede mit „Herr“ bzw. „Frau“1065 sieht die deutsche Sprache bisher nicht vor.1066 Eine „Notlösung“ stellt das Ausweichen auf „Guten Tag“ in Kombination mit dem Vor- und dem Nachnamen der Person dar1067, wenn bekannt ist, dass die Person weder männlichen noch weiblichen Geschlechts ist.1068 Bei den Berufs-, Amts-, Funktions- und sonstigen Personenbezeichnungen ist zur gleichberechtigten Bezeichnung auch von Menschen, die sich weder dem männlichen noch dem weiblichen Geschlecht zuordnen (lassen), über die Verwendung des Gender-Gap (Unterstrich) oder des Gender-Star (Sternchen) nachzudenken1069, evtl. 1064

Dafür plädierend Sieberichs, FamRZ 2013, 1180 (1184); Lettrari, Aktuelle Aspekte der Rechtslage zur Intersexualität, 2015, S. 24; Block, Wie das dritte Geschlecht die Arbeitswelt verändert, FOCUS Online vom 17. 11. 2017, https://www.focus.de/finanzen/experten/drittes-ge schlecht-die-folgen-des-urteils-fuer-die-arbeitswelt_id_7862448.html (abgerufen am 2. 6. 2020); W. Fuchs/Kempe-Schälicke/E. Richter/J. Franzen, Geschlechtliche Vielfalt im öffentlichen Dienst, hrsg. vom Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, 2017, S. 44; Sadigh, Endlich sagen dürfen: Ich bin, ZEIT Online vom 8. 11. 2017, http://www.zeit.de/ gesellschaft/zeitgeschehen/2017-11/intersexualitaet-bundesverfassungsgericht-urteil-geburtenre gister-geschlecht (abgerufen am 2. 6. 2020); Berghahn, in: Berghahn/Schultz (Hrsg.), Rechtshandbuch für Frauen- und Gleichstellungsbeauftragte (Stand: Mai 2018), Kap. 2.4.5, S. 8.; Grünberger, JZ 2018, 719 (726). 1065 Dazu BVerfG, NJW 1981, 2178; BVerwG, 7 B 39/95 vom 15. 2. 1995, Rn. 2 (juris). 1066 Helms, Brauchen wir ein drittes Geschlecht?, 2015, S. 1. 1067 S. dazu auch Block, Wie das dritte Geschlecht die Arbeitswelt verändert, FOCUS Online vom 17. 11. 2017, https://www.focus.de/finanzen/experten/drittes-geschlecht-die-folgendes-urteils-fuer-die-arbeitswelt_id_7862448.html (abgerufen am 2. 6. 2020), der alternativ auch „Sehr geehrte*r Frau*Herr“ vorschlägt; W. Fuchs/Kempe-Schälicke/E. Richter/J. Franzen, Geschlechtliche Vielfalt im öffentlichen Dienst, hrsg. vom Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, 2017, S. 44. 1068 Prinzipiell für die Vermeidung der Anrede mit „Herr“ bzw. „Frau“ Landeshauptstadt Hannover (Hrsg.), Empfehlungen für eine geschlechtergerechte Verwaltungssprache, Stand: Jan. 2019, mit der Einschränkung, es sei in „manchen Kontexten … (zurzeit noch) unangemessen, eine andere Anrede als ,Sehr geehrte Damen und Herren‘ zu verwenden“; für die Vermeidung dieser klassischen Anredeformen bei Ungewissheit über das Geschlecht der Angesprochenen Ministerium für Familie, Frauen, Integration und Verbraucherschutz RheinlandPfalz, Referat Gleichgeschlechtliche Lebensweisen und Geschlechtsidentität, Handreichung „Geschlechtergerechte Sprache“, undatiert, S. 8, abrufbar unter https://mffjiv.rlp.de/fileadmin/ MFFJIV/Vielfalt/RLP_unterm_Regenbogen/Handreichung_geschlechtergerechte_Sprache.pdf (abgerufen am 2. 6. 2020). 1069 In diese Richtung W. Fuchs/Kempe-Schälicke/E. Richter/J. Franzen, Geschlechtliche Vielfalt im öffentlichen Dienst, hrsg. vom Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, 2017, S. 44; für den Gender-Gap plädierend Miemietz, Gender Gap und Glottal Stop, 2019, S. 7 f.; für den Gender-Star Spangenberg, KJ 51 (2018), 345 (354). Althoff/Schabram/Follmar-Otto, Geschlechtervielfalt im Recht, hrsg. vom Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, 2017, S. 31, 43 haben sich bereits vor dem Beschluss des BVerfG im Interesse intersexueller Personen langfristig für eine Veränderung der Rechtssprache hin zu

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3. Teil: Rechtlicher Rahmen für die Verwendung geschlechtergerechter Sprache

auch des Binnen-I1070, sofern man diese Formen als alle Geschlechter einbeziehend interpretiert.1071 Allerdings hat sich der Rat für deutsche Rechtschreibung zu diesen Formen bislang nicht abschließend positioniert1072, wenn er auch – argumentativ wenig überzeugend – gerade gegenüber dem Gender-Gap deutlich Vorbehalte zum Ausdruck gebracht hat1073, sodass diese Formen (auch) für die Amtssprache ausscheiden könnten.1074 Zudem und vor allem sind diese Formen problematisch mit Blick auf das Erfordernis der Rechtssicherheit.1075 Dessen ungeachtet gibt die Stadt einer „geschlechterinklusiven“ ausgesprochen, ohne zu definieren, was sie darunter verstehen; selbst haben sie den Gender-Gap verwendet. 1070 In diese Richtung Kotthoff, OBST 90 (2017), 91 (106 f.); Miemietz, Gender Gap und Glottal Stop, 2019, S. 9, die jedoch den Gender-Gap empfiehlt; Diewald, in: Berghahn/Schultz (Hrsg.), Rechtshandbuch für Frauen- und Gleichstellungsbeauftragte (Stand: Mai 2020), Kap.1.3, S. 6; für ein engeres Verständnis von Binnen-I-Formen dagegen W. Fuchs/KempeSchälicke/E. Richter/J. Franzen, Geschlechtliche Vielfalt im öffentlichen Dienst, hrsg. vom Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, 2017, S. 44. 1071 S. dazu unter Erster Teil, B. I. 1072 S. Rat für deutsche Rechtschreibung, Empfehlungen zur „geschlechtergerechten Schreibung“ vom 16. 11. 2018, S. 2, abrufbar unter http://www.rechtschreibrat.com (abgerufen am 2. 6. 2020); Rat für deutsche Rechtschreibung, Deutsche Rechtschreibung. Regeln und Wo¨ rterverzeichnis. Aktualisierte Fassung des amtlichen Regelwerks entsprechend den Empfehlungen des Rats fu¨ r deutsche Rechtschreibung 2016, 2018, http://www.rechtschreibrat.com/ DOX/rfdr_Regeln_2016_redigiert_2018.pdf (abgerufen am 2. 6. 2020); dazu Hennig (Hrsg.), Duden Bd. 9: Das Wörterbuch der sprachlichen Zweifelsfälle, 8. Aufl. 2016, S. 390 f.; Diewald/Steinhauer, Richtig gendern, hrsg. von der Dudenredaktion, 2017, S. 44; Ivanov/M. B. Lange/Tiemeyer/Ptok, Gender(ed) Thoughts 2/2019, 1 (5 f.); zum Binnen-I Samel, Einführung in die feministische Sprachwissenschaft, 2. Aufl. 2000, S. 81 f.; C. Spieß, Der Deutschunterricht 65 (2013), Heft 5, 70 (71). 1073 S. Rat für deutsche Rechtschreibung, Bericht und Vorschläge der AG „Geschlechtergerechte Schreibung“, Revidierte Fassung vom 28. 11. 2018, S. 10 f., abrufbar unter http://www. rechtschreibrat.com (abgerufen am 2. 6. 2020). 1074 Vgl. Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (Hrsg.), „Situation von Trans- und intersexuellen Menschen im Fokus“, 2016, S. 29; Krome, Der Sprachdienst 64 (2020), 31 (45). Zur Maßgeblichkeit des Rates für deutsche Rechtschreibung für die Verwaltungssprache s. Bekanntmachung des Gemeinsamen Rundschreibens des Bundesministeriums des Innern und des Bundesministeriums der Justiz vom 13. 9. 2006: Neuregelung der deutschen Rechtschreibung. Umsetzung für die Gesetzes- und Verwaltungssprache, BAnz. Nr. 206a vom 3. 11. 2006; s. dazu auch die Antwort der Bundesregierung auf eine Parlamentarische Anfrage vom 14. 2. 2019, BT-Drs. 19/7797, S. 26; zur Frage des Ausschlusses bestimmter Formen Diewald/Steinhauer, Richtig gendern, hrsg. von der Dudenredaktion, 2017, S. 44 ff.; vgl. Froese, Gendergerechtigkeit. Exklusion durch Inklusion, FAZ Online vom 7. 12. 2016, http:// www.faz.net/aktuell/politik/staat-und-recht/gendergerechtigkeit-exklusion-durch-inklusion-14 563961.html (abgerufen am 2. 6. 2020), die darauf verweist, dass für Gesetzestexte Gender-Star und Gender-Gap nach den Vorgaben des Handbuchs der Rechtsförmlichkeit (dazu unter Fn. 1754) ausscheiden; ähnlich Baumann, in: Bartoszewicz/Szcze˛ k/Tworek (Hrsg.), Germanistische Linguistik im interdisziplinären Gefüge II, 2011, S. 189 (189 f.); Baumann, in: Baumann/Meinunger (Hrsg.), Die Teufelin steckt im Detail, 2017, S. 196 (208). Zum bisherigen Einsatz des Binnen-I in der Amtssprache s. Gorny, in: Stötzel/Wengeler, Kontroverse Begriffe, 1995, S. 517 (536 f.). 1075 S. dazu unter Dritter Teil, B. I. 4. b) aa).

B. Bundesverfassungsrechtliche Maßgaben für geschlechtergerechte Sprache

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Hannover seit kurzem für die (geschriebene) Verwaltungssprache die Verwendung des Gender-Star für die Fälle vor, in denen eine geschlechtsumfassende Formulierung (durch die Nutzung geschlechtsindifferenter Begriffe wie z. B. „Sachgebietsleitung“) nicht möglich sei.1076 Dies hat große mediale Resonanz verursacht (obwohl Berichten zufolge z. B. die Verwaltung in Burgwedel bereits seit längerem den Gender-Star nutzt1077) und auch auf politischer Ebene unterschiedliche Reaktionen hervorgerufen.1078 Wie in den Medien berichtet wird, soll es aber auch in anderen Städten bzw. Bundesländern Überlegungen zur Erarbeitung neuer Empfehlungen für die Verwaltungssprache geben.1079 Die Herausforderung besteht dabei vor allem darin, dass die deutsche Sprache nur begrenzt „echt“ geschlechtsneutrale Begriffe vorsieht1080 und keine spezifischen Sprachformen (insbesondere auch kein Pronomen) aufweist für Personen, die sich weder dem männlichen noch dem weiblichen Geschlecht zuordnen (lassen)1081, dass der Staat aber dennoch gehalten ist, auch diese Personen unter gleicher respektvoller Berücksichtigung ihres Allgemeinen Persönlichkeitsrechts1082 anzusprechen und zu bezeichnen. Insofern hat der Rat für 1076

Landeshauptstadt Hannover (Hrsg.), Empfehlungen für eine geschlechtergerechte Verwaltungssprache, Stand: Jan. 2019. 1077 S. Lokalredaktion, Die meisten Städte in der Region wollen den Genderstern nicht, HAZ Online vom 3. 2. 2019, http://www.haz.de/Hannover/Aus-der-Stadt/Gender-Sprache-In-ei nigen-Umlandstaedten-Hannovers-gibt-es-das-Sternchen-schon (abgerufen am 2. 6. 2020). 1078 S. etwa Exner, Hannover schafft den Lehrer und den Wähler ab, WELT Online vom 22. 1. 2019, https://www.welt.de/politik/deutschland/article187461840/GeschlechtergerechteSprache-Hannover-schafft-den-Lehrer-ab.html (abgerufen am 2. 6. 2020); Exner, „Nicht zu sehr von der Alltagssprache der Menschen entfernen“, WELT Online vom 27. 1. 2019, https://www. welt.de/politik/article187755028/Gender-Verwaltung-in-Hannover-kommuniziert-geschlechter gerecht.html (abgerufen am 2. 6. 2020); N.N., Gendergerechte Sprache: Ministerpräsident Weil kritisiert Stadt Hannover, Neue Presse Online vom 27. 1. 2019, http://www.neuepresse.de/Han nover/Meine-Stadt/Gendergerechte-Sprache-Ministerpraesident-Weil-ruegt-Hannover (abgerufen am 2. 6. 2020). 1079 S. Exner, Mutter und Vater werden zu „Elternteilen“, WELT Online vom 27. 1. 2019, https://www.welt.de/politik/deutschland/article187788064/Geschlechtergerechte-Sprache-El ternteil-soll-Mutter-und-Vater-ersetzen.html (abgerufen am 2. 6. 2020); Exner, „Nicht zu sehr von der Alltagssprache der Menschen entfernen“, WELT Online vom 27. 1. 2019, https://www. welt.de/politik/article187755028/Gender-Verwaltung-in-Hannover-kommuniziert-geschlechter gerecht.html (abgerufen am 2. 6. 2020); Lokalredaktion, Die meisten Städte in der Region wollen den Genderstern nicht, HAZ Online vom 3. 2. 2019, http://www.haz.de/Hannover/Ausder-Stadt/Gender-Sprache-In-einigen-Umlandstaedten-Hannovers-gibt-es-das-Sternchen-schon (abgerufen am 2. 6. 2020). 1080 Vgl. Hellinger/Bierbach, Eine Sprache für beide Geschlechter, hrsg. von der Deutschen UNESCO-Kommission, 1993, S. 8; Okamura, in: Günthner/Hüpper/C. Spieß (Hrsg.), Genderlinguistik, 2012, 413 (414 f., 431); Diewald, in: Berghahn/Schultz (Hrsg.), Rechtshandbuch für Frauen- und Gleichstellungsbeauftragte (Stand: Mai 2020), Kap. 1.3, S. 7. 1081 Miemietz, Gender Gap und Glottal Stop, 2019, S. 5 f.; Spielberger/Eber, AuA 2019, 404 (406); Gesellschaft für deutsche Sprache, Der Sprachdienst 64 (2020), 51 (62); vgl. Wacke, in: FS Rebmann, 1989, S. 861 (892); C. Spieß/Günthner/Hüpper, in: Günthner/Hüpper/C. Spieß (Hrsg.), Genderlinguistik, 2012, 1 (2); Diewald, Der Sprachdienst 64 (2020), 1 (7). 1082 S. dazu unter Dritter Teil, B. III. 2.

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3. Teil: Rechtlicher Rahmen für die Verwendung geschlechtergerechter Sprache

deutsche Rechtschreibung die Verwaltung mit ihrem Dilemma ein wenig „alleingelassen“.1083 Er hat sich darauf zurückgezogen, dass er für „die generelle Frage der Art und Weise der Verschriftlichung eines ,dritten Geschlechts‘ … keine normgebende Kompetenz“ habe und der Gesetzentwurf zur Änderung des PStG ausdrücklich auf weitergehende sprachliche Anpassungen verzichtet habe1084.1085 Die derzeitige „Erprobungsphase“ solle „nicht durch vorzeitige Empfehlungen und Festlegungen … beeinflusst werden“.1086 Andererseits sieht der Rat für deutsche Rechtschreibung es aber schon als seine Aufgabe an, „Empfehlungen nicht nur in Bezug auf Formen der Kennzeichnung von Maskulin und Feminin zu erarbeiten, sondern ggf. auch weitere Geschlechter einzubeziehen“, um „Hinweise zu geben, die auch mittel- und langfristig Bestand haben“.1087 Während der Rat für deutsche Rechtschreibung den Gender-Gap vor allem mit Blick auf die Verständlichkeit, Lesbarkeit und Vorlesbarkeit von Texten kritisch sieht, erachtet er den Gender-Star für weniger problematisch, ohne ihn jedoch zu empfehlen. Stattdessen findet sich die Empfehlung, (vorerst) „die etablierten Formen geschlechtergerechter Schreibung nach stilistischen und grammatisch-syntaktischen Strategien weiterhin differenziert zu praktizieren“, da mit ihnen „nicht nur die Geschlechter männlich und weiblich, sondern zum größten Teil1088 auch andere Geschlechter/Geschlechtsformen angemessen in der geschriebenen Sprache dargestellt“ würden; auch die Verwendung des generischen Maskulinums könne, z. B. in nachrichtlichen Texten mit dem Ziel von Kürze und Einheitlichkeit – „weiterhin gut begründet“ sein.1089 Die Antidiskriminierungsstelle des Bundes benutzt hingegen bereits seit einigen Jahren in ihren

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Vgl. Sessler, „Lehrer*in“: Gibt es bald das Gender-Sternchen für alle?, Onlineportal Merkur.de vom 15. 11. 2018, https://www.merkur.de/bayern/lehrer-in-gibt-es-bald-gender-stern chen-fuer-alle-10593597.html (abgerufen am 2. 6. 2020), wonach der Rat für deutsche Rechtschreibung nach der Entscheidung des BVerfG „über 200 teils verzweifelte Anfragen aus der öffentlichen Verwaltung“ erhalten haben soll zur Frage des künftigen Formulargebrauchs. 1084 S. dazu BR-Drs. 429/18, S. 5; BT-Drs. 19/4669, S. 8. 1085 Rat für deutsche Rechtschreibung, Bericht und Vorschläge der AG „Geschlechtergerechte Schreibung“, Revidierte Fassung vom 28. 11. 2018, S. 1, abrufbar unter http://www.recht schreibrat.com (abgerufen am 2. 6. 2020); s. auch Krome, Der Sprachdienst 64 (2020), 31 (33 f., 45). 1086 Rat für deutsche Rechtschreibung, Empfehlungen zur „geschlechtergerechten Schreibung“ vom 16. 11. 2018, S. 2, abrufbar unter http://www.rechtschreibrat.com (abgerufen am 2. 6. 2020). 1087 Rat für deutsche Rechtschreibung, Bericht und Vorschläge der AG „Geschlechtergerechte Schreibung“, Revidierte Fassung vom 28. 11. 2018, S. 1, 9, abrufbar unter http://www. rechtschreibrat.com (abgerufen am 2. 6. 2020). 1088 Gerade diese Formulierung ist angesichts ihrer Vagheit unbefriedigend und lässt Fragen offen. 1089 Rat für deutsche Rechtschreibung, Bericht und Vorschläge der AG „Geschlechtergerechte Schreibung“, Revidierte Fassung vom 28. 11. 2018, S. 10 f., abrufbar unter http://www. rechtschreibrat.com (abgerufen am 2. 6. 2020). Nicht ganz eindeutig ist, ob dies nur die Position der AG innerhalb des Rates ist.

B. Bundesverfassungsrechtliche Maßgaben für geschlechtergerechte Sprache

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Veröffentlichungen selbst den Gender-Gap.1090 In einer von ihr herausgegebenen Broschüre wurden schon 2015 sowohl der Gender-Gap als auch der Gender-Star für die Verwaltungskommunikation als Möglichkeiten angeführt.1091 Erhebliche Diskussionen gibt es zudem noch bzgl. Formularen und Vordrucken, die eine Art „Zwischenstellung“ zwischen Vorschriften- und Amtssprache einnehmen1092, insbesondere nach der dazu jüngst ergangenen Entscheidung des Bundesgerichtshofs.1093 Indem der BGH einen Anspruch auf geschlechtergerechte Formulierungen in den von der beklagten Sparkasse verwendeten Formularen und Vordrucken auch mit Blick auf Art. 3 Abs. 1, Abs. 2 Satz 1, Abs. 3 Satz 1 GG verneint hat1094, hat er diese Frage für die Praxis freilich vorerst entschieden1095, auch wenn dies nichts am Bestehen entsprechender objektivrechtlicher landesrechtlicher Verpflichtungen1096 ändert.1097 Allerdings vermag das Urteil des BGH gerade auch in Bezug auf Art. 3 Abs. 2 Satz 1, Abs. 3 Satz 1 GG nicht zu überzeugen. Dies gilt zunächst insoweit, als der BGH bereits eine Ungleichbehandlung i. S. v. Art. 3 Abs. 2 Satz 1 GG verneint hat.1098 Insbesondere aber greift die Argumentation des BGH, angesichts des „üblichen Sprachgebrauchs und Sprachverständnisses“ liege eine Benachteiligung i. S. v. Art. 3 Abs. 3 Satz 1 GG nicht vor, zu kurz. Der BGH hat ausschließlich darauf abgestellt, wie Personenbezeichnungen zu verstehen sind, d. h. auf die Frage der Auslegung, und eine Benachteiligung unter dem Aspekt der mentalen Repräsentation von Frauen1099 überhaupt nicht in Betracht gezogen.1100 1090 S. beispielsweise Antidiskriminierungsstelle des Bundes (Hrsg.), Diversity Mainstreaming für Verwaltungen, 2015, S. 3; auch das BMFSFJ hat den Gender-Gap bereits in einer Veröffentlichung verwendet, s. Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (Hrsg.), „Situation von Trans- und intersexuellen Menschen im Fokus“, 2016, S. 29. 1091 Antidiskriminierungsstelle des Bundes (Hrsg.), Diversity Mainstreaming für Verwaltungen, 2015, S. 50. 1092 S. dazu unter Erster Teil, D. 1093 BGHZ 218, 96 ff.; s. dazu näher unter Erster Teil, D. 1094 BGHZ 2018, 96 (110 Rn. 47 f.). 1095 Vgl. Schulteis, GWR 2018, 199. Dies gilt umso mehr, nachdem das BVerfG die Verfassungsbeschwerde gegen die Urteile des BGH und der Vorinstanzen nicht zur Entscheidung angenommen hat, s. BVerfG, 1 BvR 1074/18 vom 26. 5. 2020. 1096 S. dazu für Niedersachsen unter Dritter Teil, D. II. 3. c). 1097 Dies zu Recht betonend Berghahn, in: Berghahn/Schultz (Hrsg.), Rechtshandbuch für Frauen- und Gleichstellungsbeauftragte (Stand: Mai 2018), Kap. 2.4.1, S. 2, 8; Grünberger, JZ 2018, 719 (721 f., 725); A. Maier, VuR 2018, 342 (342 f.); Spangenberg, KJ 51 (2018), 345 (345, 349 f.). 1098 G. Bachmann, NJW 2018, 1648 (1650); kritisch auch Grünberger, JZ 2018, 719 (720 f.); vgl. dazu unter Dritter Teil, B. I. 2. 1099 S. dazu unter Dritter Teil, B. I. 2. b) bb) (1). 1100 Ebenfalls kritisch in diese Richtung Mangold, VerfBlog vom 13. 3. 2018 (bezogen auf Art. 3 Abs. 2 Satz 2 GG); vgl. auch Grünberger, JZ 2018, 719 (722 f.); Jacobs, RdA 2018, 263 (269); Spangenberg, KJ 51 (2018), 345 (350 ff.) zum AGG; kritisch zur Verkürzung der Diskussion um geschlechtergerechte Sprache bereits vor dem Urteil des BGH Sacksofsky, Merkur 795 (2015), 39 (46).

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3. Teil: Rechtlicher Rahmen für die Verwendung geschlechtergerechter Sprache

Damit hat er die dazu vorliegenden psycholinguistischen und kognitionspsychologischen Erkenntnisse1101 völlig unzureichend gewürdigt.1102 4. Geschlechtergerechte Sprache als Auftrag des Staates aus Art. 3 Abs. 2 Satz 2 GG? Nach Art. 3 Abs. 2 Satz 2 GG fördert der Staat die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern und wirkt auf die Beseitigung bestehender Nachteile hin. Dies könnte auch die Förderung geschlechtergerechter Sprache umfassen.1103 Dass die herkömmliche Vorschriftensprache unter Verwendung des generischen Maskulinums jedenfalls unter dem Aspekt der Einheit der Verfassung als nicht gegen das Diskriminierungsverbot des Art. 3 Abs. 2 Satz 1, Abs. 3 Satz 1 GG verstoßend eingeordnet wurde1104, steht dem nicht entgegen.1105 a) Inhalt und Umfang der Regelung des Art. 3 Abs. 2 Satz 2 GG Fraglich ist, welche Maßgaben sich aus Art. 3 Abs. 2 Satz 2 GG generell und speziell bezogen auf geschlechtergerechte Sprache ableiten lassen. aa) Generelle dogmatische Einordnung von Art. 3 Abs. 2 Satz 2 GG Die dogmatische Einordnung von Art. 3 Abs. 2 Satz 2 GG ist umstritten. Die Formulierung der Norm war bereits in der Gemeinsamen Verfassungskommission (GVK)1106 Gegenstand breiter Diskussionen.1107 Letztendlich einigte man sich dort,

1101

S. dazu unter Erster Teil, E. Vgl. Berghahn, in: Berghahn/Schultz (Hrsg.), Rechtshandbuch für Frauen- und Gleichstellungsbeauftragte (Stand: Mai 2018), Kap. 2.4.1, S. 3, 6; Grünberger, JZ 2018, 719 (722 f.); Müller-Spitzer, VerfBlog vom 21. 5. 2018; Spangenberg, KJ 51 (2018), 345 (347 f., 352 f.); nur ganz ansatzweise ist der BGH darauf eingegangen, dass grammatisch maskuline Personenbezeichnungen „als benachteiligend kritisiert und teilweise nicht mehr so selbstverständlich als verallgemeinernd empfunden werden“, s. BGHZ 218, 96 (106 Rn. 37). 1103 In diese Richtung R. Schmidt, in: Eichhoff-Cyrus (Hrsg.), Adam, Eva und die Sprache, 2004, S. 316 (321); G. Bachmann, NVwZ 2008, 754 (755); Grabrucker, Verfassungsrecht und geschlechtergerechte Sprache! – Umsetzung im Recht und in der Realität, 2017; Baer/Markard, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, Bd. I, 7. Aufl. 2018, Art. 3 Rn. 385, die von einem „beständigen Verstoß gegen die gesetzliche Vorgabe, zumindest Normtexte sprachlich geschlechtergerecht zu fassen“ sprechen und darin einen „Indikator für die fehlende Durchsetzung des Gleichberechtigungsgebotes“ sehen; Grünberger, JZ 2018, 719 (723); Mangold, VerfBlog vom 13. 3. 2018; Spangenberg, KJ 51 (2018), 345 (349); Baumgärtner, in: Looschelders (Hrsg.), BeckOGK AGG, § 3 Rn. 49.2 (Stand: März 2020). 1104 S. dazu unter Dritter Teil, B. I. 2. b) bb) (3). 1105 Vgl. zur früheren Verfassungsrechtslage Schulze-Fielitz, KritV 72 (1989), 273 (281). 1106 S. dazu unter Zweiter Teil. 1102

B. Bundesverfassungsrechtliche Maßgaben für geschlechtergerechte Sprache

189

die Ergänzung des Art. 3 Abs. 2 GG um den Satz 2 mit seinem heutigen Wortlaut zu empfehlen1108, während zuvor die Kommission Verfassungsreform des Bundesrates zwar über eine Ergänzung des Art. 3 Abs. 2 GG beraten hatte, sich jedoch über die Empfehlung zur Umkehrung der Worte „Männer und Frauen“ im jetzigen Satz 1 von Art. 3 Abs. 2 GG hinaus nicht auf eine Änderungsempfehlung hatte einigen können1109. Die Formulierung des Art. 3 Abs. 2 Satz 2 GG, bei der es dann auch im Gesetzgebungsverfahren blieb1110, wird weithin als Kompromisslösung angesehen, bei der spätere Auslegungsprobleme bereits abzusehen waren.1111 Dazu ist auch die bewusste Vermeidung des Wortes „Gleichstellung“ in Art. 3 Abs. 2 Satz 2 GG zu zählen.1112 So erklärt sich auch, dass der Inhalt und die Reichweite von Art. 3 Abs. 2 Satz 2 GG bis heute weiterhin streitig sind.1113 Insbesondere gehen auch die Meinungen darüber auseinander, ob es bei Art. 3 Abs. 2 Satz 2 GG um die Förderung der individuellen tatsächlichen Gleichberechtigung Einzelner1114 oder um die Förderung der Geschlechtergruppe1115 geht. Der 1107 BT-Drs. 12/6000, S. 49; Dokumentation der Beratungen der GVK in Limbach/EckertzHöfer (Hrsg.), Frauenrechte im Grundgesetz des geeinten Deutschland, 1993, S. 21 ff.; s. auch Hofmann, FamRZ 1995, 257 (258 f.); H.-J. Vogel, in: FS Benda, 1995, S. 395 (404 ff.); K. Schweizer, Der Gleichberechtigungssatz – neue Form, alter Inhalt?, 1998, S. 74 ff. 1108 BT-Drs. 12/6000, S. 49. 1109 S. dazu BR-Drs. 360/92, Rn. 101 ff.; Abg. Mascher, zit. nach: Limbach/Eckertz-Höfer (Hrsg.), Frauenrechte im Grundgesetz des geeinten Deutschland, 1993, S. 28 f.; H.-J. Vogel, in: FS Benda, 1995, S. 395 (403); Sacksofsky, Das Grundrecht auf Gleichberechtigung, 2. Aufl. 1996, S. 393 f.; K. Schweizer, Der Gleichberechtigungssatz – neue Form, alter Inhalt?, 1998, S. 74. 1110 Zum Gesetzgebungsverfahren s. BT-Drs. 12/6633; 12/8165; 12/8423; BT-PlPr. 12/238, S. 21029 A f.; 12/241, S. 21283 D; BR-PlPr. 674, S. 508 B f.; H.-J. Vogel, in: FS Benda, 1995, S. 395 (410). 1111 Limbach, in: Limbach/Eckertz-Höfer (Hrsg.), Frauenrechte im Grundgesetz des geeinten Deutschland, 1993, S. 299 f.; Hofmann, FamRZ 1995, 257 (263); H.-J. Vogel, in: FS Benda, 1995, 395 (409); Isensee, Vom Stil der Verfassung, 1999, S. 34; Boysen, in: v. Münch/ Kunig, GG, Bd. I, 6. Aufl. 2012, Art. 3 Rn. 167; Baer/Markard, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, 7. Aufl. 2018, Art. 3 Rn. 341; vgl. Nußberger, in: Sachs (Hrsg.), GG, 8. Aufl. 2018, Art. 3 Rn. 231; sehr kritisch Isensee, NJW 1993, 2583 (2585); Isensee, in: FS Carl Heymanns Verlag KG, 1995, S. 571 (579 f.). 1112 S. BT-Drs. 12/6000, S. 50; dazu auch Hofmann, FamRZ 1995, 257 (261); nicht zu Unrecht bezeichnet H.-J. Vogel, in: FS Benda, 1995, S. 395 (417 ff.) diesen begrifflichen Streit als „Scheinkontroverse“. 1113 Brosius-Gersdorf, Demografischer Wandel und Familienförderung, 2011, S. 368 f.; Ossenbühl, NJW 2012, 417 (417); Morlok/Hobusch, DÖV 2019, 14 (18). 1114 So Hofmann, FamRZ 1995, 257 (262 f.); Rüfner, in: Kahl/Waldhoff/Walter (Hrsg.), Bonner Kommentar zum Grundgesetz, Art. 3 Abs. 2 und 3 Rn. 694 ff. (Stand: Mai 1996); Rüfner, in: FS Stern, 1997, S. 1011 (1012 f.); in diese Richtung auch Sachs, in: E. Klein/Menke (Hrsg.), Universalität – Schutzmechanismen – Diskriminierungsverbote, 2008, S. 325 (352); vgl. zur früheren Verfassungsrechtslage Huster, AöR 118 (1993), 109 (119, 123 ff.).

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3. Teil: Rechtlicher Rahmen für die Verwendung geschlechtergerechter Sprache

Wortlaut des Art. 3 Abs. 2 Satz 2 GG lässt beide Deutungen zu.1116 Für eine gruppenbezogene Ausrichtung des Art. 3 Abs. 2 Satz 2 GG spricht indes, dass Art. 3 Abs. 2 Satz 2 GG auf die Beseitigung struktureller Diskriminierung gerichtet ist und sich strukturelle Diskriminierung häufig nicht am konkreten Einzelfall festmachen lässt.1117 Aus der Gesetzesbegründung ergibt sich, dass mit Art. 3 Abs. 2 Satz 2 GG ein „Staatsziel“ normiert werden sollte im Sinne eines verbindlichen Förderauftrages, der darauf abziele, „eine faktische Gleichberechtigung zwischen Frauen und Männern zu erreichen“.1118 Hingegen sollte durch Art. 3 Abs. 2 Satz 2 GG „kein Individualanspruch auf ein bestimmtes staatliches Handeln eingeräumt werden“.1119 Ob Art. 3 Abs. 2 Satz 2 GG als Staatszielbestimmung oder als Grundrecht einzuordnen ist, ist im Wege der Auslegung zu ermitteln. Der Wortlaut schließt eine Interpretation als Grundrecht zwar nicht zwingend aus, weil auch andere Grundrechtsbestimmungen nicht explizit als „Recht auf …“ oder „Anspruch“ formuliert sind.1120 Das Bundesverfassungsgericht hat sogar den als Gesetzgebungsauftrag formulierten Art. 6 Abs. 5 GG als Grundrecht eingestuft.1121 Allerdings spricht die den Staat als Handlungssubjekt benennende Formulierung des Art. 3 Abs. 2 Satz 2 GG deutlich mehr für eine Einordnung als Staatszielbestimmung denn als Grundrecht.1122 In systematischer Hinsicht deutet die Einbettung des Art. 3 Abs. 2 Satz 2 GG in den Abschnitt I. des Grundgesetzes („Die Grundrechte“) auf eine Charakterisierung als Grundrecht hin; allerdings finden sich auch sonst nicht ausschließlich Grundrechte in diesem Abschnitt (z. B. Art. 15 GG).1123 Die Entstehungsgeschichte, insbesondere die Beratung des Art. 3 Abs. 2 Satz 2 GG in der Gemeinsamen Verfassungskommission1124, spricht eindeutig für eine Einordnung als Staatszielbestimmung. Aus der Entstehungsgeschichte ergibt sich auch ein Hinweis 1115

So H.-J. Vogel, in: FS Benda, 1995, S. 395 (414 ff.); Eckertz-Höfer, in: Denninger u. a. (Hrsg.), AK-GG, 3. Aufl. 2001, Art. 3 Abs. 2, 3 Rn. 78; Brosius-Gersdorf, Demografischer Wandel und Familienförderung, 2011, S. 374 ff.; vgl. Sacksofsky, Das Grundrecht auf Gleichberechtigung, 2. Aufl. 1996, S. 399 ff., insb. S. 416 f.; Tünnemann, Der verfassungsrechtliche Schutz der Familie, 2002, S. 195. 1116 Vgl. Rüfner, in: FS Stern, 1997, S. 1011 (1012). 1117 Vgl. H.-J. Vogel, in: FS Benda, 1995, S. 395 (415); Sacksofsky, Das Grundrecht auf Gleichberechtigung, 2. Aufl. 1996, S. 412 f.; Eckertz-Höfer, in: Denninger u. a. (Hrsg.), AKGG, 3. Aufl. 2001, Art. 3 Abs. 2, 3 Rn. 79 ff. 1118 BT-Drs. 12/6633, S. 6; s. auch BT-Drs. 12/6000, S. 50. 1119 BT-Drs. 12/6633, S. 6; s. auch BT-Drs. 12/6000, S. 50. 1120 Im Ergebnis ebenso Schumann, Faktische Gleichberechtigung, 1997, S. 64; Rademacher, Diskriminierungsverbot und „Gleichstellungsauftrag“, 2004, S. 102. 1121 BVerfGE 25, 167 (173). 1122 Vgl. Sacksofsky, Das Grundrecht auf Gleichberechtigung, 2. Aufl. 1996, S. 401 f. 1123 So auch Sacksofsky, Das Grundrecht auf Gleichberechtigung, 2. Aufl. 1996, S. 402; Rademacher, Diskriminierungsverbot und „Gleichstellungsauftrag“, 2004, S. 103. 1124 BT-Drs. 12/6000, S. 50.

B. Bundesverfassungsrechtliche Maßgaben für geschlechtergerechte Sprache

191

auf den Sinn und Zweck der Norm: Es ging auch darum, den bis dahin bestehenden Streit um die Frage nach einem objektiv-rechtlichen Gehalt des Art. 3 GG im Wege der Verfassungsänderung einer Klärung zuzuführen.1125 Somit überwiegen die Argumente für eine Einordnung des Art. 3 Abs. 2 Satz 2 GG als Staatszielbestimmung deutlich.1126 Damit ist allerdings noch nicht zwingend zugleich über die (umstrittene1127) Frage entschieden, ob Art. 3 Abs. 2 Satz 2 GG subjektive Rechte, d. h. einklagbare Ansprüche, zu begründen vermag. Der Staatszielbestimmung könnte ein subjektives Recht korrespondieren, staatliche Maßnahmen auf ihre Vereinbarkeit mit Art. 3 Abs. 2 Satz 2 GG hin gerichtlich überprüfen zu lassen.1128 Dagegen spricht indes, dass dies einen Bruch im System der Möglichkeiten verfassungsgerichtlichen Rechtsschutzes und verfassungsgerichtlicher Kontrolle 1125 Vgl. BT-Drs. 12/6000, S. 49 f.; dazu Eckertz-Höfer, in: Denninger u. a. (Hrsg.), AKGG, 3. Aufl. 2001, Art. 3 Abs. 2, 3 Rn. 77. 1126 Einordnung als Staatszielbestimmung auch bei Rüfner, in: Kahl/Waldhoff/Walter (Hrsg.), Bonner Kommentar zum Grundgesetz, Art. 3 Abs. 2 und 3 Rn. 687 (Stand: Mai 1996); Schumann, Faktische Gleichberechtigung, 1997, S. 70; K. Schweizer, Der Gleichberechtigungssatz – neue Form, alter Inhalt?, 1998, S. 86; Ruffert, Vorrang der Verfassung und Eigenständigkeit des Privatrechts, 2001, S. 180; Tünnemann, Der verfassungsrechtliche Schutz der Familie, 2002, S. 195; Rademacher, Diskriminierungsverbot und „Gleichstellungsauftrag“, 2004, S. 107; Jestaedt, VVDStRL 64 (2005), 298 (345); Brosius-Gersdorf, Demografischer Wandel und Familienförderung, 2011, S. 391; Boysen, in: v. Münch/Kunig, GG, Bd. I, 6. Aufl. 2012, Art. 3 Rn. 162; Ossenbühl, NJW 2012, 417 (418); Butzer, NdsVBl. 2019, 10 (18); Gröpl, in: Gröpl/Windthorst/v. Coelln, GG, 4. Aufl. 2020, Art. 3 Rn. 81; a. A. Reich, Magdeburger Kommentar zum Grundgesetz, 1998, Art. 3 Rn. 3, wonach Art. 3 Abs. 2 Satz 2 GG keine bloße Staatszielbestimmung sei, sondern unmittelbar verpflichte. 1127 Dafür Sachs, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts der Bundesrepublik Deutschland, Bd. VIII, 3. Aufl. 2010, § 182 Rn. 137; Jarass, in: Jarass/Pieroth, GG, 15. Aufl. 2018, Art. 3 Rn. 102, 113; Krieger, in: Schmidt-Bleibtreu/Hofmann/Henneke, GG, 14. Aufl. 2018, Art. 3 Rn. 75; dagegen BSG, NZA-RR 1999, 594 (597); H.-J. Vogel, in: FS Benda, 1995, S. 395 (412); Sacksofsky, Das Grundrecht auf Gleichberechtigung, 2. Aufl. 1996, S. 401 f.; Eckertz-Höfer, in: Denninger u. a. (Hrsg.), AK-GG, 3. Aufl. 2001, Art. 3 Abs. 2, 3 Rn. 75; Sacksofsky, in: Umbach/Clemens (Hrsg.), GG, Bd. I, 2002, Art. 3 Rn. 358; Tünnemann, Der verfassungsrechtliche Schutz der Familie, 2002, S. 195; Maurer, Verfassungsrechtliche Anforderungen an die Besteuerung von Ehegatten und Familien, 2004, S. 47; Ossenbühl, NJW 2012, 417 (418); Thiel, JR 2019, 456 (457); Gröpl, in: Gröpl/Windthorst/v. Coelln, GG, 4. Aufl. 2020, Art. 3 Rn. 70, 81; jedenfalls Ansprüche auf konkrete Maßnahmen ausschließend BGHZ 218, 96 (110 Rn. 49); LSG Niedersachsen, L 7 AL 22/00 vom 23. 1. 2001, Rn. 35 (juris); Heun, in: Dreier (Hrsg.), GG, Bd. I, 3. Aufl. 2013, Art. 3 Rn. 105. Rüfner, in: Kahl/Waldhoff/Walter (Hrsg.), Bonner Kommentar zum Grundgesetz, Art. 3 Abs. 2 und 3 Rn. 687 f. (Stand: Mai 1996) meint, dass sich „unter Umständen mittelbar subjektive Rechte“ aus Art. 3 Abs. 2 Satz 2 GG ergeben könnten; Rademacher, Diskriminierungsverbot und „Gleichstellungsauftrag“, 2004, S. 142 ff. hält Individualansprüche im „Extremfall“ gänzlicher Inaktivität des Staates zur Förderung der faktischen Gleichberechtigung zwar theoretisch für möglich, jedoch für praktisch nicht denkbar. 1128 Brosius-Gersdorf, Demografischer Wandel und Familienförderung, 2011, S. 391, die dies offengelassen hat.

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3. Teil: Rechtlicher Rahmen für die Verwendung geschlechtergerechter Sprache

darstellen würde.1129 Die einzelne Person kann gem. Art. 93 Abs. 1 Nr. 4a GG, § 90 Abs. 1 BVerfGG nur im Falle der möglichen Verletzung eines Grundrechts oder eines dort aufgelisteten grundrechtsgleichen Rechts Verfassungsbeschwerde zum Bundesverfassungsgericht erheben und so ggf. auch eine Überprüfung auf die Einhaltung objektiven Verfassungsrechts hin erlangen. Über die sog. Elfes-Konstruktion1130 sind hier bei einer möglichen Verletzung der allgemeinen Handlungsfreiheit aus Art. 2 Abs. 1 GG weitgehende Überprüfungsmöglichkeiten gegeben.1131 Besteht dagegen die Möglichkeit einer Grundrechtsverletzung nicht, ist die Überprüfung durch das Bundesverfassungsgericht auf Verstöße gegen objektives Verfassungsrecht nur in anderen Verfahrensarten wie z. B. im Wege der abstrakten oder konkreten Normenkontrolle (Art. 93 Abs. 1 Nr. 2 GG i. V. m. §§ 13 Nr. 6, 76 ff. BVerfGG; Art. 100 Abs. 1 GG i. V. m. §§ 13 Nr. 11, 80 ff. BVerfGG) vorgesehen, in denen die einzelne Person nicht antragsberechtigt ist.1132 Dies würde umgangen, wenn man Art. 3 Abs. 2 Satz 2 GG trotz Einordnung als Staatszielbestimmung ein subjektives Recht entnähme, staatliche Maßnahmen auf ihre Vereinbarkeit mit Art. 3 Abs. 2 Satz 2 GG hin gerichtlich überprüfen zu lassen.1133 Gegenüber dem Argument der Gefahr eines nicht hinnehmbaren Kontrolldefizits staatlichen Handelns lässt sich einwenden, dass z. B. über den „Umweg“ einer konkreten Normenkontrolle eine Überprüfung eines Gesetzes durch das Bundesverfassungsgericht möglich ist und nach Art. 100 Abs. 1 GG eine Vorlagepflicht besteht, wenn ein Gericht ein entscheidungserhebliches Gesetz für verfassungswidrig hält. Allerdings findet sich in der Literatur eine Auffassung, wonach Art. 3 Abs. 2 Satz 2 GG trotz Einordnung als Staatszielbestimmung unter die Grundrechte i. S. d. Art. 93 Abs. 1 Nr. 4a GG zu subsumieren sei und demzufolge die Möglichkeit der Verfassungsbeschwerde eröffne.1134 Dies erscheint indes inkonsequent und überzeugt nicht.1135

1129

Ähnlich Schumann, Faktische Gleichberechtigung, 1997, S. 79 ff., insb. S. 84. S. BVerfGE 6, 32 (42). 1131 Schumann, Faktische Gleichberechtigung, 1997, S. 84 f. 1132 Dazu auch Sacksofsky, Das Grundrecht auf Gleichberechtigung, 2. Aufl. 1996, S. 402; Schumann, Faktische Gleichberechtigung, 1997, S. 79 f. 1133 Ähnlich argumentierend Sacksofsky, Das Grundrecht auf Gleichberechtigung, 2. Aufl. 1996, S. 402. 1134 So Rüfner, in: Kahl/Waldhoff/Walter (Hrsg.), Bonner Kommentar zum Grundgesetz, Art. 3 Abs. 2 und 3 Rn. 688 (Stand: Mai 1996). 1135 Im Ergebnis ebenso Schumann, Faktische Gleichberechtigung, 1997, S. 84; dazu, dass nicht alle im Abschnitt I. des Grundgesetzes enthaltenen Bestimmungen im Wege der Verfassungsbeschwerde rügefähig sind, sondern nur diejenigen, die subjektive Rechte beinhalten, Walter, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 93 Rn. 362 ff. (Stand: Aug. 2018); C. Grünewald, in: C. Walter/B. Grünewald (Hrsg.), BeckOK BVerfGG, Stand: Jan. 2020, § 90 Abs. 1 Rn. 84 f., die allerdings Art. 3 Abs. 2 Satz 2 GG nicht als ausgeschlossen auflisten. 1130

B. Bundesverfassungsrechtliche Maßgaben für geschlechtergerechte Sprache

193

Mit dem „Staat“ ist durch Art. 3 Abs. 2 Satz 2 GG nicht nur der Bund als Verpflichtungsadressat angesprochen, sondern verpflichtet ist letztlich alle grundgesetzgebundene öffentliche Gewalt.1136 Inhalt des staatsgerichteten Förderauftrags ist es, die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern zu fördern und auf die Beseitigung bestehender Nachteile hinzuwirken. Die Wortwahl „tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung“ ließe sich auch so interpretieren, dass es nur um gleiche rechtliche Regelungen für Frauen und Männer und deren Durchsetzung ginge1137; allerdings war der Intention nach mit der Aufnahme des Art. 3 Abs. 2 Satz 2 GG eindeutig eine Veränderung der Lebenswirklichkeit beabsichtigt im Sinne einer faktischen Gleichberechtigung1138, sodass die Formulierung des Art. 3 Abs. 2 Satz 2 GG zu Recht kritisiert wird.1139 Der zweite Satzteil des Art. 3 Abs. 2 Satz 2 GG ermächtigt den Staat zur Beseitigung bestehender Nachteile und fordert ihn hierzu zugleich auf.1140 Wie bereits ausgeführt, zielt Art. 3 Abs. 2 Satz 2 GG nach vorzugswürdiger Auffassung nicht auf die Förderung des einzelnen Individuums, sondern auf die Geschlechtergruppe.1141 Entsprechend geht es auch bei den Nachteilen i. S. d. Art. 3 Abs. 2 Satz 2 GG nicht um konkrete Nachteile für eine einzelne Person, sondern um gruppenbezogene, bei typisierender Betrachtung generell bestehende Nachteile.1142 Die Verwendung der Konjunktion „und“ in Art. 3 Abs. 2 Satz 2 GG („Der Staat fördert die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern und wirkt auf die Beseitigung bestehender Nachteile hin“ [Hervorhebung AB]) ist nicht in dem Sinne zu verstehen, dass hier zwei parallele, kumulativ zu erfüllende Handlungsaufträge an den Staat gerichtet werden, sondern die Beseitigung von Nachteilen soll den Weg zur Erreichung des Ziels der Angleichung der

1136

H.-J. Vogel, in: FS Benda, 1995, S. 395 (413); K. Schweizer, Der Gleichberechtigungssatz – neue Form, alter Inhalt?, 1998, S. 106; s. auch BT-Drs. 12/6000, S. 50: „auf Bundes-, Landes- und kommunaler Ebene“. 1137 In diese Richtung etwa Morlok/Hobusch, DÖV 2019, 14 (18). 1138 S. BT-Drs. 12/6000, S. 50, wonach es bei Art. 3 Abs. 2 Satz 2 GG nicht nur darum gehe, „Rechtsnormen zu beseitigen, die Vor- oder Nachteile an die Geschlechtszugehörigkeit knüpfen, sondern darum, die Lebensverhältnisse von Männern und Frauen auch real anzugleichen“; s. auch BT-Drs. 12/6633, S. 5 f. 1139 Statt vieler Sacksofsky, Das Grundrecht auf Gleichberechtigung, 2. Aufl. 1996, S. 399; Eckertz-Höfer, in: Denninger u. a. (Hrsg.), AK-GG, 3. Aufl. 2001, Art. 3 Abs. 2, 3 Rn. 77; Rademacher, Diskriminierungsverbot und „Gleichstellungsauftrag“, 2004, S. 111 ff. 1140 Vgl. zu dieser „Doppelwirkung“ des Art. 3 Abs. 2 Satz 2 GG Butzer, NdsVBl. 2019, 10 (18, 20). 1141 S. die Nachweise in Fn. 1115. 1142 H.-J. Vogel, in: FS Benda, 1995, S. 395 (415); Brosius-Gersdorf, Demografischer Wandel und Familienförderung, 2011, S. 375 f., 381, 394 ff. Zu den Anforderungen an Nachteile i.S.d. Art. 3 Abs. 2 Satz 2 GG s. näher unter Dritter Teil, B. I. 4. a) bb) (2).

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3. Teil: Rechtlicher Rahmen für die Verwendung geschlechtergerechter Sprache

Lebensverhältnisse von Frauen und Männern beschreiben1143, d. h., der zweite Satzteil formuliert das Mittel zur Erreichung des im ersten Satzteil formulierten Zieles1144. Den größten Streitpunkt im Zusammenhang mit Art. 3 Abs. 2 Satz 2 GG stellt – insbesondere in der Diskussion um Frauenförderquoten – sein Verhältnis zum Diskriminierungsverbot aus Art. 3 GG dar1145. In Bezug auf Männer könnte dies im vorliegenden Zusammenhang bei der Ersetzung von Personenbezeichnungen im generischen Maskulinum durch bestimmte Formen geschlechtergerechter Personenbezeichnungen in Rechtsvorschriften von Bedeutung sein.1146 In der Gemeinsamen Verfassungskommission bestand lediglich Einigkeit darüber, dass Art. 3 Abs. 2 Satz 2 GG eine Frauenförderung in Gestalt starrer Quoten nicht gestatte; im Übrigen herrschte dort im Abschlussbericht offen zum Ausdruck gebrachte Uneinigkeit.1147 Dazu gehört auch die streitige Frage, ob Art. 3 Abs. 2 Satz 2 GG auf eine Ergebnisgleichheit1148 im Sinne paritätischer Verteilung von Positionen abziele oder lediglich auf eine Chancengleichheit1149. Den Staat auf die Herstellung einer Ergebnisgleichheit hin zu verpflichten wäre allerdings weder mit den Freiheitsgrundrechten noch mit dem Gleichberechtigungsgrundsatz vereinbar.1150 Es kann nach Sinn und Zweck der Norm vor dem Hintergrund des Verfassungsgesamtgefüges nur darum gehen, dass der Staat auf gleiche Ausgangsbedingungen hinwirkt1151; diese allerdings verstanden als „reale Möglichkeit zur Ergeb-

1143

BT-Drs. 12/6000, S. 51, wonach die Beseitigung von Nachteilen aber auch zugleich das Ziel selbst beschreibe, Nachteile nicht nur abzubauen, sondern zu beseitigen. In BT-Drs. 12/ 6633, S. 6 heißt es dagegen nur noch, mit dem Auftrag zur Nachteilsbeseitigung werde der Auftrag aus dem ersten Halbsatz „weiter verstärkt“; für eine Wechselbezüglichkeit beider Halbsätze H.-J. Vogel, in: FS Benda, 1995, S. 395 (419). 1144 Brosius-Gersdorf, Demografischer Wandel und Familienförderung, 2011, S. 376 f.; in diese Richtung auch K. Schweizer, Der Gleichberechtigungssatz – neue Form, alter Inhalt?, 1998, S. 150 f.; Rademacher, Diskriminierungsverbot und „Gleichstellungsauftrag“, 2004, S. 138 f. 1145 Langenfeld, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 3 Abs. 2 Rn. 3 (Stand: Mai 2015); vgl. Nußberger, in: Sachs (Hrsg.), GG, 8. Aufl. 2018, Art. 3 Rn. 264. 1146 S. dazu unter Dritter Teil, B. I. 4. b) dd) (4). 1147 BT-Drs. 12/6000, S. 50. 1148 In diese Richtung H.-J. Vogel, in: FS Benda, 1995, 395 (417 ff.). 1149 Dafür statt vieler Hofmann, FamRZ 1995, 257 (261); Rüfner, in: FS Stern, 1997, S. 1011 (1013); Eckertz-Höfer, in: Denninger u. a. (Hrsg.), AK-GG, 3. Aufl. 2001, Art. 3 Abs. 2, 3 Rn. 78; Ossenbühl, NJW 2012, 417 (419); Brosius-Gersdorf, VerfBlog vom 25. 2. 2019; Butzer, NdsVBl. 2019, 10 (18). 1150 Vgl. Eckertz-Höfer, in: Denninger u. a. (Hrsg.), AK-GG, 3. Aufl. 2001, Art. 3 Abs. 2, 3 Rn. 78; Rademacher, Diskriminierungsverbot und „Gleichstellungsauftrag“, 2004, S. 118 ff., insb. S. 121. 1151 Vgl. Sacksofsky, Das Grundrecht auf Gleichberechtigung, 2. Aufl. 1996, S. 399 f.

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nisgleichheit“1152, sodass sich von „ergebnisorientierte[r] Chancengleichheit“1153 sprechen lässt. Ein ganz neuer Aspekt des Verhältnisses von Art. 3 Abs. 2 Satz 2 GG zum Diskriminierungsverbot des Art. 3 GG ist durch den Beschluss des Bundesverfassungsgerichts zum „dritten Geschlecht“1154 erst virulent geworden: Nachdem das Bundesverfassungsgericht entschieden hat, dass Art. 3 Abs. 3 Satz 1 GG auch Menschen, die sich weder dem männlichen noch dem weiblichen Geschlecht zuordnen (lassen), vor Diskriminierungen wegen ihres Geschlechts schützt1155, zugleich aber Art. 3 Abs. 2 GG mit seiner nur von Männern und Frauen sprechenden Formulierung als enger angesehen hat1156, stellt sich die Frage, ob und wie die in Konsequenz dieser Auffassung ebenfalls entsprechend begrenzte Ausrichtung des Förderauftrages aus Art. 3 Abs. 2 Satz 2 GG1157 mit dem Diskriminierungsverbot wegen des Geschlechts aus Art. 3 Abs. 3 Satz 1 GG in Einklang steht bzw. zu bringen ist; mit anderen Worten, ob hierdurch nicht Frauen (und u. U. auch Männer1158) 1152 K. Schweizer, Der Gleichberechtigungssatz – neue Form, alter Inhalt?, 1998, S. 147 f.; ihr folgend Eckertz-Höfer, in: Denninger u. a. (Hrsg.), AK-GG, 3. Aufl. 2001, Art. 3 Abs. 2, 3 Rn. 78; Rademacher, Diskriminierungsverbot und „Gleichstellungsauftrag“, 2004, S. 120 ff. 1153 K. Schweizer, Der Gleichberechtigungssatz – neue Form, alter Inhalt?, 1998, S. 141 ff.; Rademacher, Diskriminierungsverbot und „Gleichstellungsauftrag“, 2004, S. 120 ff., insb. S. 122 f.; der Terminus „ergebnisorientierte Chancengleichheit“ wurde bereits in der Sachverständigenanhörung der GVK verwendet, s. Schmitt Glaeser, 5. Öffentliche Anhörung der GVK vom 5. 11. 1992, zit. nach: Limbach/Eckertz-Höfer (Hrsg.), Frauenrechte im Grundgesetz des geeinten Deutschland, 1993, S. 128. 1154 BVerfGE 147, 1 ff.; s. dazu näher unter Erster Teil, B. I. 1155 BVerfGE 147, 1 (27 ff. Rn. 56 ff.). 1156 BVerfGE 147, 1 (28 f. Rn. 60); vgl. Sacksofsky, in: Kritische Justiz (Hrsg.), Verfassungsrecht und gesellschaftliche Realität, 2009, S. 147 (155 f.), die die Formulierung für „veraltet“ hält, andererseits aber meint, das Recht müsse „an typischen gesellschaftlichen Konstellationen anknüpfen“; Kolbe, Intersexualität, Zweigeschlechtlichkeit und Verfassungsrecht, 2010, S. 122 f.; offengelassen von Kocher, KJ 42 (2009), 386 (388); kritisch zur Auslegung des BVerfG Rixen, JZ 2018, 317 (324): „interpretatorische[r] Kniff“. 1157 So im Ergebnis auch Froese, DÖV 2018, 315 (320 f. Fn. 48); Rixen, JZ 2018, 317 (324); Kischel, in: Epping/Hillgruber (Hrsg.), BeckOK GG, Stand: Dez. 2019, Art. 3 Rn. 183, 219b; bereits vor der Entscheidung des BVerfG ebenso Althoff/Schabram/Follmar-Otto, Geschlechtervielfalt im Recht, hrsg. vom Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, 2017, S. 60; tendenziell eine weitere Auslegung befürwortend Kingreen, in: Kahl/Waldhoff/ Walter (Hrsg.), Bonner Kommentar zum Grundgesetz, Stand: 203. Lfg. April 2020, Art. 3 Rn. 454 f. 1158 Ob Art. 3 Abs. 2 Satz 2 GG prinzipiell auch zugunsten von Männern Anwendung finden kann, ist streitig; dafür Hofmann, FamRZ 1995, 257 (263); Rüfner, in: Kahl/Waldhoff/Walter (Hrsg.), Bonner Kommentar zum Grundgesetz, Art. 3 Abs. 2 und 3 Rn. 693 (Stand: Mai 1996); Maurer, Verfassungsrechtliche Anforderungen an die Besteuerung von Ehegatten und Familien, 2004, S. 46 Fn. 300; Rademacher, Diskriminierungsverbot und „Gleichstellungsauftrag“, 2004, S. 125 ff.; Brosius-Gersdorf, Demografischer Wandel und Familienförderung, 2011, S. 377; Jarass, in: Jarass/Pieroth, GG, 15. Aufl. 2018, Art. 3 Rn. 118; Nußberger, in: Sachs (Hrsg.), GG, 8. Aufl. 2018, Art. 3 Rn. 265; dagegen Ebsen, in: Benda/Maihofer/H.-J. Vogel (Hrsg.), Handbuch des Verfassungsrechts der Bundesrepublik Deutschland, 2. Aufl. 1994, § 8

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3. Teil: Rechtlicher Rahmen für die Verwendung geschlechtergerechter Sprache

gegenüber Menschen, die sich weder dem männlichen noch dem weiblichen Geschlecht zuordnen (lassen), zu Unrecht privilegiert werden.1159 Das Bundesverfassungsgericht hat keinen systematischen Widerspruch zwischen seiner Auslegung von Art. 3 Abs. 3 Satz 1 GG einerseits und von Art. 3 Abs. 2 GG andererseits gesehen.1160 So unproblematisch ist das Verhältnis beider Vorschriften zueinander aber nicht.1161 Auch gegenüber Menschen, die sich weder dem männlichen noch dem weiblichen Geschlecht zuordnen (lassen), stellt sich etwa bei Anwendung einer flexiblen Frauenförderquote die Frage, ob Frauen hier bei gleicher Eignung den Vorzug erhalten sollen.1162 Hier besteht noch erheblicher Diskussions- und Klärungsbedarf.1163 Rn. 17; Reich, Magdeburger Kommentar zum Grundgesetz, 1998, Art. 3 Rn. 3; offenbar ebenfalls dagegen Sacksofsky, Das Grundrecht auf Gleichberechtigung, 2. Aufl. 1996, S. 403; Sacksofsky, in: Kempny/P. Reimer (Hrsg.), Gleichheitssatzdogmatik heute, 2017, S. 63 (77); I. Schmidt, in: Müller-Glöge/Preis/I. Schmidt (Hrsg.), Erfurter Kommentar zum Arbeitsrecht, 20. Aufl. 2020, Art. 3 GG Rn. 81 ff. 1159 Rixen, JZ 2018, 317 (324) meint, es könne „[nicht] zwingend aus Art. 3 Abs. 2 Satz 2 GG hergeleitet werden, dass die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von NichtFrauen und Nicht-Männern oder die in ihrem Interesse wirkende Beseitigung bestehender Nachteile verfassungsrechtlich ausgeschlossen ist“ und plädiert dafür, „Binarität und Diversität zusammen[zu]denken“, wobei für ihn im Vordergrund steht, auch die Interessen „binär orientierter Grundrechtsträger“ zu berücksichtigen (326); auch Froese, DÖV 2018, 315 (320) sieht eher das Problem einer Benachteiligung von Frauen und Männern gegenüber intersexuellen Personen und mahnt zu „Vorsicht … bei der Anerkennung weiterer gruppenbezogener Rechte (z. B. Quoten)“ (322); vgl. zur Diskussion um eine „Hierarchie“ der Diskriminierungsmerkmale Jestaedt, VVDStRL 64 (2005), 298 (347 Fn. 196); Baer, in: E. Klein/Menke (Hrsg.), Universalität – Schutzmechanismen – Diskriminierungsverbote, 2008, S. 421 ff.; Nickel, in: Kritische Justiz (Hrsg.), Verfassungsrecht und gesellschaftliche Realität, 2009, S. 159 (160, 173 f.); Sacksofsky, in: Kritische Justiz (Hrsg.), Verfassungsrecht und gesellschaftliche Realität, 2009, S. 147 (155 f.). 1160 BVerfGE 147, 1 (28 f. Rn. 60); zustimmend Grünberger, JZ 2018, 719 (721); Sachs, JuS 2018, 399 (401); vgl. auch bereits zuvor Kolbe, Intersexualität, Zweigeschlechtlichkeit und Verfassungsrecht, 2010, S. 118, 122 f.; Brachthäuser/Richarz, FoR 2014, 41 (43); Althoff/ Schabram/Follmar-Otto, Geschlechtervielfalt im Recht, hrsg. vom Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, 2017, S. 60; für nicht ausgeschlossen hält die Auslegung des BVerfG trotz Ablehnung Rixen, JZ 2018, 317 (324 f., 327); ähnlich wie dieser Kischel, in: Epping/Hillgruber (Hrsg.), BeckOK GG, Stand: Dez. 2019, Art. 3 Rn. 183, 219b. 1161 A.A. Markard, VerfBlog vom 14. 11. 2017, die das Verhältnis von Art. 3 Abs. 2 GG und Art. 3 Abs. 3 Satz 1 GG nun für „klar sortiert“ hält; für geklärt hält das Verhältnis auch Mangold, VerfBlog vom 13. 3. 2018; kritisch zum Verhältnis von Art. 3 Abs. 3 Satz 1 GG und Art. 3 Abs. 2 Satz 2 GG (unter anderem Blickwinkel) dagegen Nickel, in: Kritische Justiz (Hrsg.), Verfassungsrecht und gesellschaftliche Realität, 2009, S. 159 (160, 173 f.), der eine dynamische Interpretation von Art. 3 Abs. 3 Satz 1 GG als Optimierungsgebot für möglich hält, jedoch eine Verfassungsänderung bevorzugte. 1162 Vgl. Wacke, in: FS Rebmann, 1989, S. 861 (865); Krüger, StAZ 2006, 260 (262); Block, Wie das dritte Geschlecht die Arbeitswelt verändert, FOCUS Online vom 17. 11. 2017, https:// www.focus.de/finanzen/experten/drittes-geschlecht-die-folgen-des-urteils-fuer-die-arbeitswelt_ id_7862448.html (abgerufen am 2. 6. 2020); Block, Das Dritte Geschlecht und seine Herausforderungen für Arbeitgeber, CMS Deutschland Blog vom 5. 12. 2017, https://www.cmshs-blo ggt.de/arbeitsrecht/geschlechtsidentitaet-das-dritte-geschlecht-und-seine-herausforderungen-

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bb) Bezug des Art. 3 Abs. 2 Satz 2 GG auf geschlechtergerechte Sprache Fraglich ist, ob sich speziell bezogen auf geschlechtergerechte Sprache aus dem Auftrag des Art. 3 Abs. 2 Satz 2 GG Verpflichtungen oder zumindest Handlungsoptionen des Staates ableiten lassen. Dabei soll hier die Vorschriftensprache im Vordergrund stehen.1164 (1) Behandlung durch die Gemeinsame Verfassungskommission Gegen die Subsumtion geschlechtergerechter Vorschriftensprache unter den Auftrag des Art. 3 Abs. 2 Satz 2 GG ließe sich anführen, dass dieses Problem bezogen auf den Sprachgebrauch des Grundgesetzes im Bericht der Gemeinsamen Verfassungskommission (GVK)1165 als eigenständiger Punkt neben Art. 3 Abs. 2 GG behandelt wurde.1166 Andererseits heißt es dort, „im Zuge der Diskussionen zur Ergänzung von Artikel 3 Abs. 2 GG [sei] auch erörtert worden, ob und inwieweit es fuer-arbeitgeberinnen/ (abgerufen am 2. 6. 2020); Spielberger/Eber, AuA 2019, 404 (406). Sacksofsky, in: Löther (Hrsg.), Erfolg und Wirksamkeit von Gleichstellungsmaßnahmen an Hochschulen, 2004, S. 38 (46) geht bei Frauenfördermaßnahmen kritisch von einer Unterteilung in „Frauen und Nicht-Frauen“ aus, ohne dabei näher die hier aufgeworfene verfassungsrechtliche Frage zu beleuchten; von einer „Mann/Frau-Dichotomie“ spricht hingegen Kocher, KJ 42 (2009), 386 (386 f.); zur Anknüpfung von Frauenquoten an die Kategorie „Frau“ auch Brachthäuser/Richarz, FoR 2014, 41 (44); für Änderungsbedarf bei Quotenregelungen Follmar-Otto, zit. nach Klaus, Drittes Geschlecht. Was sich durch „divers“ ändert, ZEIT Online vom 7. 2. 2019, https://www.zeit.de/gesellschaft/2019-01/drittes-geschlecht-identitaet-zuord nung-auswirkungen-gesetz-faq (abgerufen am 2. 6. 2020); zur Unterteilung der Gesellschaft in Frauen und Männer im Rahmen besonderer Gleichheitssätze Sacksofsky, in: Bußmann/Hof (Hrsg.), GENUS, 2005, S. 403 (424). 1163 Vgl. dazu die Diskussion um Parité-Gesetze zur Erhöhung des Anteils von Frauen in den Parlamenten, wo sich ebenfalls die Frage der Einordnung von Personen des „dritten Geschlechts“ stellt, dazu Nds. LT-Drs. 18/3244; Berghahn, in: Berghahn/Schultz (Hrsg.), Rechtshandbuch für Frauen- und Gleichstellungsbeauftragte (Stand: Nov. 2019), Kap. 2.1.1, S. 19 Fn. 1; Morlok/Hobusch, DÖV 2019, 14 (20). Keine Lösung ist jedenfalls die beschlossene Änderung des § 25 Abs. 3 Brandenburgisches Landeswahlgesetz, wonach Personen, die weder dem männlichen noch dem weiblichen Geschlecht zugeordnet werden können, frei entscheiden können, für welche der Listen (für Frauen oder für Männer) sie sich um einen Listenplatz bewerben wollen (s. Bbg. LT-Drs. 6/10466, S. 44), schon weil (unabhängig von der Frage der Vereinbarkeit mit Art. 3 GG) ihnen dies mit Blick auf ihr Allgemeines Persönlichkeitsrecht nicht zumutbar ist. Vgl. auch die Frage der zukünftigen Handhabung von § 15 Abs. 2 BetrVG, dazu Schiefer, PuR 2018, 11 (12); Verhoek/Weuthen, ArbRAktuell 2018, 65 (68); Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände, Positionspapier vom 12. 2. 2019, S. 3 ff. Althoff/Schabram/Follmar-Otto, Geschlechtervielfalt im Recht, hrsg. vom Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, 2017, S. 60 schlagen vor, inter- und transgeschlechtliche Menschen de lege ferenda den Frauen und weiblichen Beschäftigten im Sinne des Gleichstellungsrechts zum Schutz vor Benachteiligung im Arbeitsleben gleichzustellen. 1164 Zu Stellenausschreibungen s. unter Dritter Teil, D. I. 3. a). 1165 S. dazu unter Zweiter Teil. 1166 S. BT-Drs. 12/6000, S. 49, 51; zur vorhergehenden Befassung der Kommission Verfassungsreform des Bundesrates mit der Frage der Sprache des Grundgesetzes s. unter Zweiter Teil.

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3. Teil: Rechtlicher Rahmen für die Verwendung geschlechtergerechter Sprache

sich anbietet, die Sprachregelung der Verfassung zu ändern“.1167 Auch wenn letztlich keine Empfehlung zur Änderung der Sprache der Verfassung seitens der GVK abgegeben wurde1168, während die Einfügung des Art. 3 Abs. 2 Satz 2 GG befürwortet wurde1169, schließt dies eine Subsumtion unter Art. 3 Abs. 2 Satz 2 GG nicht zwingend aus, insbesondere soweit es um geschlechtergerechte Sprache außerhalb des Grundgesetzes geht.1170 (2) Bestehende Nachteile? Als Nachteil kommt grundsätzlich jede faktische Benachteiligung in Betracht.1171 Anforderungen an die Schwere des Nachteils etwa in dem Sinne, dass es sich um einen „erheblichen“ Nachteil handeln muss, sieht Art. 3 Abs. 2 Satz 2 GG nicht vor.1172 Ursache der tatsächlichen Nachteile können vor allem Traditionen und überkommene Anschauungen sein, die zu sozialtypischen Rollenzuweisungen und Aufgabenverteilungen zwischen Frauen und Männern führen.1173 So wird durch Art. 3 Abs. 2 Satz 2 GG auch strukturelle Diskriminierung erfasst.1174 Erforderlich ist dabei, dass es sich um eine in gesellschaftlichen (oder staatlichen) Strukturen an-

1167 BT-Drs. 12/6000, S. 51; s. dazu auch die Dokumentation der Beratungen der GVK in Limbach/Eckertz-Höfer (Hrsg.), Frauenrechte im Grundgesetz des geeinten Deutschland, 1993, S. 29, 33, 90. 1168 BT-Drs. 12/6000, S. 51. 1169 BT-Drs. 12/6000, S. 49. 1170 Vgl. Reinecke, in: FS Düwell, 2011, S. 399 (403 f.); zur Differenzierung zwischen der Vorschriftensprache im GG selbst und außerhalb des GG vgl. Grabrucker, Vater Staat hat keine Muttersprache, 1993, S. 225. 1171 Brosius-Gersdorf, Demografischer Wandel und Familienförderung, 2011, S. 392; vgl. BVerfGE 92, 91 (109); Sacksofsky, Das Grundrecht auf Gleichberechtigung, 2. Aufl. 1996, S. 399; K. Schweizer, Der Gleichberechtigungssatz – neue Form, alter Inhalt?, 1998, S. 154; Reichold, JZ 2004, 384 (387). 1172 Brosius-Gersdorf, Demografischer Wandel und Familienförderung, 2011, S. 392; in Richtung der Ausklammerung geringfügiger Auswirkungen allerdings BVerfGE 104, 373 (394 f.); vgl. auch (zur mittelbaren Diskriminierung) Kischel, in: Epping/Hillgruber (Hrsg.), BeckOK GG, Stand: Dez. 2019, Art. 3 Rn. 186 f.: „erhebliche Nachteile“; Heun, in: Dreier (Hrsg.), GG, Bd. I, 3. Aufl. 2013, Art. 3 Rn. 109, wonach eine Benachteiligung „erhebliches Gewicht“ haben müsse; für ein restriktives Verständnis des Nachteilsbegriffs auch Hofmann, FamRZ 1995, 257 (262 f.). 1173 Brosius-Gersdorf, Demografischer Wandel und Familienförderung, 2011, S. 392; vgl. Baer/Markard, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, Bd. I, 7. Aufl. 2018, Art. 3 Rn. 368 ff. 1174 Baer/Markard, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, Bd. I, 7. Aufl. 2018, Art. 3 Rn. 368; Brosius-Gersdorf, in: FS Dreier, 2018, S. 93 (111); vom Ansatz her auch Englisch, in: Stern/F. Becker (Hrsg.), Grundrechte-Kommentar, 3. Aufl. 2019, Art. 3 Rn. 96, der Art. 3 Abs. 2 Satz 2 GG allerdings in seiner Legitimationsreichweite auf die Modifizierung benachteiligender Strukturen begrenzt sieht; zur strukturellen Diskriminierung bereits Benda, Notwendigkeit und Möglichkeit positiver Aktionen zugunsten von Frauen im öffentlichen Dienst, 1986, S. 7 f.

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gelegte Benachteiligung gerade wegen der Eigenschaft als Frau (oder Mann) handelt.1175 Wie bereits oben dargelegt1176 weisen zahlreiche Studien darauf hin, dass die herkömmliche Vorschriftensprache unter Verwendung des generischen Maskulinums Frauen benachteiligt, weil aufgrund stereotyper gedanklicher Repräsentation primär an Männer gedacht wird und Frauen daher gedanklich unterrepräsentiert sind.1177 (3) Nötiger Gewissheitsgrad? Fraglich ist, welcher Gewissheitsgrad für das Bestehen von Nachteilen i. S. v. Art. 3 Abs. 2 Satz 2 GG erforderlich ist. Die Anwendung des Art. 3 Abs. 2 Satz 2 GG setzt nach dem Wortlaut („Beseitigung bestehender Nachteile“) voraus, dass eine Geschlechtergruppe1178 durch den Staat oder die Gesellschaft tatsächlich benachteiligt ist. Die Gesetzesbegründung sieht bereits in dem Wortlaut der Norm einen Hinweis dafür, dass Benachteiligungen vorhanden sind.1179 Für die Anwendung von Art. 3 Abs. 2 Satz 2 GG im konkreten Fall wird der Staat das Bestehen von Nachteilen, um deren Beseitigung es geht, aber anhand von Statistiken oder auf andere geeignete Weise darzulegen haben.1180 Soweit es um Sachverhalte geht, die sich nur mittels empirischer Studien nachweisen lassen, wird man allerdings eine völlige, d. h. 100 %-ige Gewissheit nicht fordern können, da solche Studien regelmäßig Interpretationsspielräume offenlassen.1181 Auch ist die Validität der Studienergebnisse nicht unumstritten.1182 Hinzu kommt, dass die meisten der durchgeführten Studien 1175 Brosius-Gersdorf, Demografischer Wandel und Familienförderung, 2011, S. 392; vgl. Langenfeld, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 3 Abs. 2 Rn. 101 (Stand: Mai 2015). 1176 S. dazu unter Erster Teil, E. (mit Nachweisen in Fn. 235) und unter Dritter Teil, B. I. 2. b) bb) (1). 1177 Dazu Hellinger, in: Eichhoff-Cyrus (Hrsg.), Adam, Eva und die Sprache, 2004, S. 275 (278): Generieren eines männlichen Bias; Klärs, Die BKK 2011, 188 (191) betont, dass dieser Effekt auftreten kann trotz des theoretischen Wissens darüber, wer gemeint ist. 1178 S. dazu unter Dritter Teil, B. I. 4. a) aa). 1179 BT-Drs. 12/6633, S. 6; s. auch BT-Drs. 12/6000, S. 50. 1180 Brosius-Gersdorf, Demografischer Wandel und Familienförderung, 2011, S. 393; vgl. Eckertz-Höfer, in: Denninger u. a. (Hrsg.), AK-GG, Art. 3 Abs. 2, 3 Rn. 81, die aber nur davon spricht, dass das Bestehen von Nachteilen mit statistischen Mitteln festgestellt werden könne. 1181 Vgl. zum Nachweis einer mittelbaren Diskriminierung Kischel, in: Epping/Hillgruber (Hrsg.), BeckOK GG, Stand: Dez. 2019, Art. 3 Rn. 189, der dafür „statistische Daten zusammen mit einer dem gesunden Menschenverstand und der Lebenserfahrung entsprechenden Schlussfolgerung“ für ausreichend erachtet; dieser Formulierung zustimmend Langenfeld, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 3 Abs. 2 Rn. 42 (Stand: Mai 2015), die allerdings betont, dass ein statistisch fundierter Nachweis bei der mittelbaren Diskriminierung nicht mehr zwingend erforderlich sei. 1182 So geht etwa F. Braun, Der Deutschunterricht 48 (1996), Heft 1, 54 (56) von einem „gesichert[en]“ Effekt des generischen Maskulinums aus; auch Hellinger, in: Eichhoff-Cyrus (Hrsg.), Adam, Eva und die Sprache, 2004, S. 275 (277) sieht „die These von der Generizität maskuliner Personenbezeichnungen“ als „widerlegt“ an; für V. Steiger/Irmen, Der Sprachdienst

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sich nicht speziell auf die Rechtssprache bezogen, obwohl gleichwohl die Ansicht vertreten wird, „aufgrund der experimentellen Nachweisbarkeit dieser Befunde über verschiedene thematische Kontexte und Textsorten hinweg [gelte] diese Schlussfolgerung mit hoher Wahrscheinlichkeit auch für den Bereich der amtlichen Texte“.1183 Eine hohe Wahrscheinlichkeit bedeutet allerdings immer noch keine völlige Gewissheit. Hier könnten sich aber die Grundsätze übertragen lassen, die für die Beurteilung von Gefahren durch den Gesetzgeber entwickelt wurden. Danach gilt: Dem Gesetzgeber kommt bei der Prognose und Einschätzung von Gefahren ein Spielraum zu, der abhängig von den Besonderheiten der jeweiligen Thematik, den Möglichkeiten, sich ein hinreichend sicheres Urteil zu bilden, sowie den auf dem Spiel stehenden Rechtsgütern nur der begrenzten (verfassungs-)gerichtlichen Überprüfung unterliegt; der Spielraum ist erst dann überschritten, wenn die Erwägungen des Gesetzgebers so offensichtlich fehlgehen, dass sie sinnvollerweise keine Grundlage für die angegriffenen gesetzgeberischen Maßnahmen darstellen können.1184 Sind die Bedingungen einer vom Gesetzgeber ins Auge gefassten Problematik komplex und ist die Beurteilung der maßgeblichen empirischen Zusammenhänge schwierig, führt der dem Gesetzgeber zustehende Prognosespielraum dazu, dass Zweifel zu Gunsten des Gesetzgebers gehen.1185 Entsprechend wird es angesichts der komplexen Zusammenhänge zwischen der Sprache und ihren Wirkungen ausreichen müssen, wenn das Bestehen eines Nachteils anhand vorliegender wissenschaftlicher Erkenntnisse plausibel ist.1186 52 (2008), 161 (169 f.) ist vom sprach- bzw. kognitionspsychologischen Standpunkt aus wegen der breiten empirischen Befundlage „klar … Handlungsbedarf“ gegeben; ebenso überzeugt von der benachteiligenden Wirkung des generischen Maskulinums von juristischer Seite Grünberger, JZ 2018, 719 (722 f.): „empirisch belegte These“; dagegen sind nach Ansicht von Baumann, in: Bartoszewicz/Szcze˛ k/Tworek (Hrsg.), Germanistische Linguistik im interdisziplinären Gefüge II, 2011, S. 189 (194) „Ergebnisse … weder unumstritten noch eindeutig oder belastbar“; kritisch insb. zum Studiendesign etwa Aries, Men and Women in interaction, 1996, S. 9 ff.; Rothermund, Sprache & Kognition 17 (1998), 183 (184 f.); Heise, Zeitschrift für Sprache & Kognition 19 (2000), 3 (6 f.); Klann-Delius, Sprache und Geschlecht, 2005, S. 131 ff.; Kusterle, Die Macht von Sprachformen, 2011, S. 7, 10 ff., 112 f., 182 f.; Zifonun, Sprachreport 34 (2018), Heft 4, 44 (51). 1183 V. Steiger/Irmen, Der Sprachdienst 52 (2008), 161 (170), die die Forderung, amtliche Texte geschlechtergerecht zu formulieren, daher für mit empirischen Befunden begründbar halten. 1184 BVerfGE 117, 163 (189); 121, 317 (350) m. w. N.; BVerfG, NVwZ 2011, 355 (356 Rn. 18); BVerfG, NJW 2012, 1062 (1063 Rn. 29). 1185 Kingreen/Poscher, Grundrechte, 35. Aufl. 2019, Rn. 338; ebenfalls für die Berücksichtigung „empirische[r] … Beurteilungsspielräume“ Störring, Das Untermaßverbot in der Diskussion, 2009, S. 218 f. 1186 Vgl. Friauf, Protokoll der Sachverständigenanhörung zum Thema „Gleichbehandlung von Mann und Frau in der Rechtssprache?“ am 15. September 1988 im Bundesministerium der Justiz, S. 70 f., BArch, B 141/418838, nach dessen Ansicht das „Grundgesetz … Anlaß zu Änderungen nur dort [gibt], wo aus einer Gesetzesformulierung tatsächlich ein faßbarer Nachteil erwartet werden kann oder jedenfalls die Erwartung nicht völlig fern liegt, daß Rechte aus den betreffenden Gesetzen nicht wirksam wahrgenommen werden können“.

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(4) Grundsatz: Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers In welcher Weise der Staat seinem Auftrag zur Nachteilsbeseitigung nachkommt, unterliegt grundsätzlich seiner Gestaltungsfreiheit.1187 Dem Staat kommt bei der Verwirklichung des durch Art. 3 Abs. 2 Satz 2 GG vorgegebenen Staatsziels ein weiter Spielraum zu.1188 Das lässt sich schon aus dem Wortlaut des Art. 3 Abs. 2 Satz 2 GG ableiten, der nur ein Fördern und Hinwirken seitens des Staates fordert.1189 Der Spielraum des Staates erstreckt sich prinzipiell sowohl auf die Auswahl des Bereiches, in dem die Nachteile abgebaut werden sollen, als auch auf die Auswahl der Mittel, mit denen innerhalb des gewählten Bereiches für faktische Gleichberechtigung gesorgt werden soll.1190 Eingeschränkt ist der Staat grundsätzlich nach der Gesetzesbegründung nur insofern, als er Nachteile in einem Bereich nicht durch Kompensationen ausgleichen darf, die mit dem Nachteil nicht „in unmittelbarem Zusammenhang“ stehen, sondern es muss zwischen dem Nachteil und einem zugelassenen Vorteil eine sachliche Verbindung bestehen.1191 Der Staat ist daher durch Art. 3 Abs. 2 Satz 2 GG regelmäßig nicht zu einer bestimmten Maßnahme verpflichtet.1192 Eine Verpflichtung auf eine bestimmte Maßnahme kommt aber dann in Betracht, wenn der Staat seinen Handlungsauftrag bei jedem anderen Handeln evident verletzen würde.1193 Im Hinblick auf das Problem der durch generische Maskulina „männlich“ geprägten Rechtssprache ist zu fragen, ob und wie eine geschlechtergerechte Rechtssprache für Frauen bestehende Nachteile beseitigen 1187 BVerfGE 109, 64 (90); Böhmer, Gesetze zur Gleichberechtigung von Männern und Frauen in Bund und Ländern, 3. Aufl. 1995, S. 32; Schumann, Faktische Gleichberechtigung, 1997, S. 61; Brosius-Gersdorf, Demografischer Wandel und Familienförderung, 2011, S. 401; vgl. Hofmann, FamRZ 1995, 257 (261); Sacksofsky, Das Grundrecht auf Gleichberechtigung, 2. Aufl. 1996, S. 417; Langenfeld, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 3 Abs. 2 Rn. 55 (Stand: Mai 2015); zur früheren Verfassungsrechtslage vgl. Friauf, Gleichberechtigung der Frau als Verfassungsauftrag, 1981, S. 33; Grabrucker, Vater Staat hat keine Muttersprache, 1993, S. 221 f. 1188 BVerfGE 109, 64 (90); Brosius-Gersdorf, Demografischer Wandel und Familienförderung, 2011, S. 401 f.; Heun, in: Dreier (Hrsg.), GG, Bd. I, 3. Aufl. 2013, Art. 3 Rn. 105; Jarass, in: Jarass/Pieroth, GG, 15. Aufl. 2018, Art. 3 Rn. 113; Krieger, in: Schmidt-Bleibtreu/ Hofmann/Henneke, GG, 14. Aufl. 2018, Art. 3 Rn. 75; vgl. BVerfG, NJW 2012, 216 (217 Rn. 6 f.); BGHZ 218, 96 (110 Rn. 49); Rüfner, in: Kahl/Waldhoff/Walter (Hrsg.), Bonner Kommentar zum Grundgesetz, Art. 3 Abs. 2 und 3 Rn. 740 (Stand: Mai 1996); vgl. auch zur früheren Verfassungsrechtslage BT-Drs. 12/1041, S. 12; Schulze-Fielitz, KritV 72 (1989), 273 (283). 1189 Jarass, in: Jarass/Pieroth, GG, 15. Aufl. 2018, Art. 3 Rn. 113; Krieger, in: SchmidtBleibtreu/Hofmann/Henneke, GG, 14. Aufl. 2018, Art. 3 Rn. 75; Butzer, NdsVBl. 2019, 10 (19). 1190 Brosius-Gersdorf, Demografischer Wandel und Familienförderung, 2011, S. 401 f. 1191 S. BT-Drs. 12/6633, S. 6; s. auch BT-Drs. 12/6000, S. 50. 1192 Vgl. BGHZ 218, 96 (110 Rn. 49); Heun, in: Dreier (Hrsg.), GG, Bd. I, 3. Aufl. 2013, Art. 3 Rn. 105; Butzer, NdsVBl. 2019, 10 (19). 1193 K. Schweizer, Der Gleichberechtigungssatz – neue Form, alter Inhalt?, 1998, S. 98; vgl. zur früheren Verfassungsrechtslage Friauf, Gleichberechtigung der Frau als Verfassungsauftrag, 1981, S. 33; Schulze-Fielitz, KritV 72 (1989), 273 (283); s. zu Kindergartenplätzen für Kinder einkommensschwächerer Eltern BVerfGE 97, 332 (348).

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3. Teil: Rechtlicher Rahmen für die Verwendung geschlechtergerechter Sprache

(helfen) kann und so die Geschlechtergleichstellung zu fördern imstande ist; danach bemisst sich die rechtliche Gebotenheit staatlichen Handelns.1194 (5) Wirkung geschlechtergerechter Sprache Wie bereits oben ausgeführt1195, besteht breite Übereinstimmung innerhalb der Studienergebnisse dahingehend, dass geschlechtergerechte Sprache zu einer höheren mentalen Repräsentation von Frauen führen kann.1196 Differenzen zeigen sich hier eher bzgl. des Grades der Repräsentationssteigerung1197 bzw. bei der Beurteilung einzelner Formen geschlechtergerechter Sprache1198. Auch die Validität der Studienergebnisse wird kontrovers beurteilt.1199 Insofern wird man dem Staat angesichts 1194 Ganz ähnlich bereits zur früheren Verfassungsrechtslage Schulze-Fielitz, KritV 72 (1989), 273 (283). 1195 S. dazu unter Erster Teil, E. mit Nachweisen in Fn. 241. 1196 Von juristischer Seite s. zu den Studienerkenntnissen Sacksofsky, Merkur 795 (2015), 39 (46); G. Bachmann, NJW 2018, 1648 (1649); Mangold, VerfBlog vom 13. 3. 2018; Spangenberg, KJ 51 (2018), 345 (347 f., 352 f.). 1197 Stahlberg/F. Braun/Irmen/Sczesny, in: Fiedler (Hrsg.), Social Communication, 2007, S. 163 (172). 1198 So sehen F. Braun/Gottburgsen/Sczesny/Stahlberg, ZGL 26 (1998), 265 (281) in Neutralformen „keine Alternative“ zum generischen Maskulinum, weil sie kaum eine Steigerung der Assoziation „weiblich“ bewirkten; s. dazu auch Scheele/Gauler, Sprache & Kognition 12 (1993), 59 (71); Heise, Zeitschrift für Sprache & Kognition 19 (2000), 3 (10 f.); Hellinger, in: Eichhoff-Cyrus (Hrsg.), Adam, Eva und die Sprache, 2004, S. 275 (289); Irmen/ Linner, Zeitschrift für Psychologie 213 (2005), 167 (172); Kusterle, Die Macht von Sprachformen, 2011, S. 138, 182 f.; L. Bülow/Harnisch, in: Pfenninger/Navracsics (Hrsg.), Future Research Directions for Applied Linguistics, 2017, S. 149 (164); zu einzelnen abweichenden Untersuchungsergebnissen s. Stahlberg/Sczesny, Psychologische Rundschau 52 (2001), 131 (134 f.); Stahlberg/F. Braun/Irmen/Sczesny, in: Fiedler (Hrsg.), Social Communication, 2007, S. 163 (176 f.); nach V. Steiger/Irmen, Der Sprachdienst 52 (2008), 161 (169); Steiger-Loerbroks/v. Stockhausen, Linguistische Berichte 237 (2014), 57 (73) steigern dagegen auch geschlechtsneutrale Formen die mentale Verfügbarkeit der Kategorie Frau im Vergleich zum generischen Maskulinum; auch werden geschlechtsneutrale Begriffe auf der Basis wissenschaftlicher Untersuchungen zur Akzeptanz verschiedener Formen geschlechtergerechter Sprache von mehreren Stimmen gerade für juristische Texte als besonders geeignet angesehen, s. Frank-Cyrus/Dietrich, Der Sprachdienst 41 (1997), 55 (58 ff., 66); V. Steiger/Irmen, Psychologische Rundschau 58 (2007), 190 (196); V. Steiger, in: Eichhoff-Cyrus/Antos (Hrsg.), Verständlichkeit als Bürgerrecht?, 2008, S. 361 (368); V. Steiger/Irmen, Linguistische Berichte 227 (2011), 297 (317, 319); zur Akzeptanz geschlechtsneutraler Gesetzesfassungen auch Steiger-Loerbroks/v. Stockhausen, Linguistische Berichte 237 (2014), 57 (73 f.). 1199 So führen etwa F. Braun/Oelkers/Rogalski/Bosak/Sczesny, Psychologische Rundschau 58 (2007), 183 (184) aus, dass „die empirische Forschung übereinstimmend den Einfluss geschlechtergerechter Formulierung auf die mental repräsentierte und verfügbare Personeninformation bestätigt“ habe, sodass sich bzgl. sprachlicher Gleichstellung der „Fokus verschieb[e] … vom ob beziehungsweise vom warum zum wie“, wohingegen nach Ansicht von Baumann, in: Bartoszewicz/Szcze˛ k/Tworek (Hrsg.), Germanistische Linguistik im interdisziplinären Gefüge II, 2011, S. 189 (194) „Ergebnisse … weder unumstritten noch eindeutig oder belastbar“ sind; Ferstl/Kaiser, GENDER 5 (2013), Heft 3, 9 (20) wiederum sprechen von einer „Fülle von eindeutigen Daten“; ähnlich V. Steiger/Irmen, Der Sprachdienst 52 (2008), 161

B. Bundesverfassungsrechtliche Maßgaben für geschlechtergerechte Sprache

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der Komplexität der Problematik allerdings einen gewissen Prognosespielraum bei der Frage zubilligen müssen, ob ein Mittel zur Förderung der Gleichstellung geeignet ist.1200 Trotz der vorliegenden Erkenntnisse wird teilweise vertreten, dass sprachliche Änderungen nichts zur Förderung der Gleichstellung von Frauen und Männern beitragen könnten.1201 Teilweise wird auch damit argumentiert, dass es insofern Wichtigeres gebe.1202 Dem wird indes zu Recht entgegengehalten, dass sprachliche Änderungen andere Fördermaßnahmen nicht ausschließen.1203 Eher geht es darum, „Entfaltung von Chancengleichheit und -gerechtigkeit nicht schon durch die Ablehnung geeigneter sprachlicher Mittel zu behindern“.1204 Die Förderung geschlechtergerechter Sprache zielt darauf, „mit Hilfe von bewußt verändertem Sprachgebrauch Veränderungen in bezug auf die stereotypen Vorstellungen zu bewirken, um so indirekt auf die außersprachliche Realität einzuwirken“.1205 Es reicht im Rahmen von Art. 3 Abs. 2 Satz 2 GG grundsätzlich, wenn eine Maßnahme überhaupt die Durchsetzung der tatsächlichen Gleichberechtigung (mit-)fördert.1206 Es muss sich dabei weder um die einzig in Betracht kommende Maßnahme handeln noch muss eine gewählte Maßnahme „maximal fördern“.1207 Insofern ist auch der Grad der Repräsentationssteigerung nicht so entscheidend. Als Teilstrategie im Rahmen eines schlüssigen Gesamtkonzeptes, etwa zur Entlastung von der Häufung von Paarformen, könnten (echt) geschlechtsneutrale Bezeichnungen selbst dann gefördert werden, wenn sie tatsächlich für sich genommen überhaupt keine Repräsentationssteigerung bewirken sollten, was aber ohnehin streitig ist.

(169 f.), die „die Forderung, amtliche Texte geschlechtergerecht zu gestalten, … daher [für] mit empirischen Befunden begründbar“ halten. 1200 Vgl. dazu unter Dritter Teil, B. I. 4. a) bb) (3). 1201 So etwa Saß-Viehweger, ZRP 1989, 301 (302); Coulmas, Merkur 497 (1990), 606 (608 f.); s. auch Baumann, in: Baumann/Meinunger (Hrsg.), Die Teufelin steckt im Detail, 2017, S. 196 (223), die meint, es gebe „keinen Hinweis darauf, dass gegenderte Gesetze die tatsächliche Gleichstellung von Frauen und Männern fördern“; Wegener, in: Baumann/Meinunger (Hrsg.), Die Teufelin steckt im Detail, 2017, S. 279 (291 f.), die die geschlechtergerechte Formulierung von „sensiblen Texten“ aber für gerechtfertigt hält (281). 1202 S. BT-Drs. 12/1041, S. 11; BT-Drs. 12/6000, S. 52. 1203 Vgl. Pusch, Das Deutsche als Männersprache, 1984, S. 76 (83); R. Schmidt, in: Eichhoff-Cyrus (Hrsg.), Adam, Eva und die Sprache, 2004, S. 316 (316). 1204 Lobin/Nübling, Tief in der Sprache lebt die alte Geschlechterordnung fort, Süddeutsche Zeitung vom 7. 6. 2018, https://www.sueddeutsche.de/kultur/genderdebatte-tief-in-der-sprachelebt-die-alte-geschlechterordnung-fort-1.4003975 (abgerufen am 2. 6. 2020). 1205 Leiss, Linguistische Berichte 152 (1994), 281 (297). 1206 Vgl. zur früheren Verfassungsrechtslage Schulze-Fielitz, KritV 72 (1989), 273 (283). 1207 Vgl. LSG Niedersachsen, L 7 AL 22/00 vom 23. 1. 2001, Rn. 35 (juris); Langenfeld, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 3 Abs. 2 Rn. 61 (Stand: Mai 2015): „Maxime der stufenweisen Angleichung“; zur früheren Verfassungsrechtslage vgl. Friauf, Gleichberechtigung der Frau als Verfassungsauftrag, 1981, S. 34.

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3. Teil: Rechtlicher Rahmen für die Verwendung geschlechtergerechter Sprache

Staatliches Hinwirken auf eine geschlechtergerechte Sprache lässt sich somit als eine i. S. v. Art. 3 Abs. 2 Satz 2 GG geeignete Maßnahme zur Beseitigung bestehender Nachteile und damit zur Förderung der tatsächlichen Durchsetzung der Gleichberechtigung ansehen. Dabei ist auch zu berücksichtigen, dass in die Sprache eingebettete bzw. durch sie beförderte Stereotype1208 selbst dann wirken können, wenn ein evidenter Widerspruch zur gesellschaftlichen Realität und/oder der Wille besteht, gerade nicht stereotyp zu denken und zu handeln.1209 (6) Darf der Staat eine bestimmte Sprachweise „verordnen“? Die Förderung geschlechtergerechter Sprache als Mittel zur Erfüllung des staatlichen Handlungsauftrags aus Art. 3 Abs. 2 Satz 2 GG setzt allerdings voraus, dass der Staat überhaupt legitimiert ist, auf die Sprache regulierend einzuwirken.1210 Dem könnte entgegenstehen, dass Sprache etwas ist, dass der Staat bereits vorfindet1211, also etwas, das „vor-staatlich“1212 ist. Sprache entwickelt sich im gesellschaftlichen Gebrauch.1213 Dies bedeutet aber nicht, dass Sprache einer staatlichen Regelung generell nicht zugänglich wäre.1214 Es setzt lediglich der Art und dem Ausmaß von Regelungen insofern Grenzen, als die Eigenart der Sprache zu berücksichtigen ist.1215 Teilweise wird auch gefordert, dass jede staatliche Einwirkung

1208 Zum Zusammenhang zwischen Sprache und Stereotypen Baer/Smykalla, in: Baer/ Smykalla/Hildebrandt (Hrsg.), Schubladen, Schablonen, Schema F, 2009, S. 7 (9); Athenstaedt/ Alfermann, Geschlechterrollen und ihre Folgen, 2011, S. 15. 1209 Rodi, in: Lembke (Hrsg.), Menschenrechte und Geschlecht, 2014, S. 51 (52); vgl. zur automatischen Wirkung von Stereotypen Förster, in: Baer/Smykalla/Hildebrandt (Hrsg.), Schubladen, Schablonen, Schema F, 2009, S. 23 (25 ff.); Athenstaedt/Alfermann, Geschlechterrollen und ihre Folgen, 2011, S. 40 f.; Ferstl/Kaiser, GENDER 5 (2013), Heft 3, 9 (15). 1210 Vgl. Pflug, Diskussion Deutsch 21 (1990), 98 (99, 101). 1211 VG Hannover, NJOZ 2004, 4516 (4517). 1212 S. dazu unter Dritter Teil, B. I. 2. b) aa) (2) mit Nachweisen in Fn. 967. 1213 BGHZ 218, 96 (103 Rn. 24). 1214 BGHZ 218, 96 (103 Rn. 24); vgl. zur Rechtschreibung BVerfGE 98, 218 (246 ff.); BVerwGE 108, 355 (363); VG Hannover, NJW 1998, 1250 (1251); zu Recht auf die prinzipielle Allzuständigkeit des Staates verweisend Kahl, VVDStRL 65 (2006), 386 (404 Fn. 66); a. A. OVG Hamburg, VR 1998, 31 (31); tendenziell a. A. auch OVG Nds., NJW 1997, 3456 (3459 f.); Sächs. OVG, DÖV 1998, 118 (119); Löwer, RdJB 45 (1997), 226 (226); Roth, BayVBl. 1999, 257 (261 ff.); zwischen positiven und negativen Regelungen differenzierend OVG Schleswig, NJW 1997, 2536 (2537); zwischen (für zulässig erachteter) Sprachpflege und (für unzulässig erachteter) Sprachbeeinflussung und Sprachlenkung differenzierend Kirchhof, in: Isensee/ Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts der Bundesrepublik Deutschland, Bd. II, 3. Aufl. 2004, § 20 Rn. 109 ff.; für eine Differenzierung unter Verweis auf die Schwierigkeit einer Grenzziehung auch Menzel, RdJB 46 (1998), 36 (49 f.); Menzel, NJW 1998, 1177 (1183 f.); offengelassen wurde die Frage von VG Berlin, NJW 1998, 1243 (1246); bezogen auf die richtige Schreibung ebenfalls offengelassen von Kissel, NJW 1997, 1097 (1101). 1215 BGHZ 218, 96 (103 Rn. 24); vgl. BVerfGE 98, 218 (246) zur Rechtschreibung.

B. Bundesverfassungsrechtliche Maßgaben für geschlechtergerechte Sprache

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auf die Sprache einer Legitimation bedürfe.1216 Das ist sicherlich jedenfalls insoweit zutreffend, als es um Eingriffe in Grundrechte geht.1217 Die Frage muss hier aber nicht entschieden werden, da der Gleichstellungsauftrag des Art. 3 Abs. 2 Satz 2 GG jedenfalls vom Grundsatz her eine ausreichende Legitimationsgrundlage darstellt. Prinzipiell darf der Staat also auch eine bestimmte Sprache verordnen. (7) Gesetzgebungskompetenzen für geschlechtergerechte Sprache im föderalistischen Staat Das Grundgesetz enthält keinen Kompetenztitel speziell für die Regelung der Sprache.1218 Insbesondere ist die Sprache nicht im Katalog der ausschließlichen Gesetzgebungskompetenzen des Bundes des Art. 73 Abs. 1 GG unter Ziff. 4 aufgeführt, wo sie thematisch-systematisch neben dem Währungs-, Geld- und Münzwesen, Maßen und Gewichten sowie Zeitbestimmungen am sinnvollsten zu verorten gewesen wäre.1219 Dies wird teilweise als Argument dafür angeführt, dass das Grundgesetz die Sprache grundsätzlich überhaupt nicht als staatliche Regelungsmaterie ansehe.1220 Allerdings benötigt der Staat für die Befugnis zur Regelung einer Materie nicht zwingend einen positiv verankerten Kompetenztitel, sondern er kann sich grundsätzlich jeder Materie annehmen, unterliegt dabei aber ggf. negativen Begrenzungen seiner Regelungsbefugnis u. a. durch die Grundrechte.1221 Aus dem Fehlen eines speziellen Kompetenztitels für die Regelung der Sprache folgt vielmehr die Geltung des Grundsatzes der Länderzuständigkeit (Art. 30, 70 GG)1222, soweit es nicht um bestimmte Sachzusammenhänge geht, in denen die Sprache geregelt werden soll und aus denen sich zumindest eine Annexkompetenz der für die jeweilige Sachmaterie zuständigen Verbandsebene (Bund bzw. Länder) ableiten lässt. Eine solche Annexkompetenz ist für Vorgaben für die Amtssprache anzunehmen zur Gesetzgebungskompetenz des Bundes für das Gerichtsverfahren (Art. 74 Abs. 1 Nr. 1 GG) sowie für das Verwaltungsverfahren, soweit der Bund hier nach Art. 83 ff. GG regelungsbefugt ist.1223 Für sprachliche Vorgaben im Schulbereich als klassischer 1216

VG Hannover, NJOZ 2004, 4516 (4517); vgl. VG Hannover, NJW 1998, 1250 (1251 f.); Biaggini, DVBl. 2005, 1090 (1095); Kahl, VVDStRL 65 (2006), 386 (403 f.); s. dazu BVerfGE 98, 218 (246 ff.). 1217 S. dazu unter Dritter Teil, B. I. 4. b) dd). 1218 Menzel, RdJB 46 (1998), 36 (49); Menzel, NJW 1998, 1177 (1183); vgl. zur Rechtschreibung OVG Schleswig, NJW 1997, 2536 (2537). 1219 Löwer, RdJB 45 (1997), 226 (226). 1220 S. Löwer, RdJB 45 (1997), 226 (226), der allerdings eine Regelungsbefugnis im Schulbereich und für die Verwaltung annimmt (226, 228); ähnlich wie dieser Menzel, NJW 1998, 1177 (1183). 1221 Vgl. BVerfGE 98, 218 (246); Kahl, VVDStRL 65 (2006), 386 (404 Fn. 66); a. A. Roth, BayVBl. 1999, 257 (261). 1222 OVG Schleswig, NJW 1997, 2536 (2537). 1223 Vgl. Löwer, RdJB 45 (1997), 226 (228); wie hier nach der Vollzugskompetenz nach Art. 83 ff. GG differenzierend auch Kahl, VVDStRL 65 (2006), 386 (405 Fn. 68, 70), der überdies auf die ausschließliche Gesetzgebungskompetenz des Bundes für das Dienstrecht des

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3. Teil: Rechtlicher Rahmen für die Verwendung geschlechtergerechter Sprache

Länderdomäne1224 sind hingegen die Länder zuständig.1225 Dies gilt nach aktueller Verteilung der Gesetzgebungskompetenzen ebenso überwiegend im Hochschulbereich, wo dem Bund insbesondere noch Kompetenztitel in Art. 74 Abs. 1 Nr. 13 GG (Regelung der Ausbildungsbeihilfen und Förderung der wissenschaftlichen Forschung) und Art. 74 Abs. 1 Nr. 33 GG (Hochschulzulassung und Hochschulabschlüsse) verblieben sind.1226 Eine generelle Gesetzgebungskompetenz des Bundes für die Sprache lässt sich insbesondere auch nicht „aus der Natur der Sache“ begründen, weil Sprachfragen nicht zwingend bundeseinheitlich geregelt werden müssen1227, auch wenn eine gewisse Homogenität bzw. zumindest Kompatibilität sicherlich hilfreich ist.1228 Diese kann aber auch im Wege einer koordinierenden Verständigung der Länder untereinander erreicht werden, für den Schulbereich über die Kultusministerkonferenz.1229 (8) Reduktion der Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers? Im Schrifttum ist die Auffassung geäußert worden, dass dann, wenn die herkömmliche Vorschriftensprache unter Verwendung des generischen Maskulinums das Gleichstellungsziel des Grundgesetzes tatsächlich zu unterlaufen helfe, der Gesetzgeber auch gehalten sei, durch „Sprachpolitik“ die Vorschriftensprache geschlechtergerecht zu gestalten, „um die gleiche Wahrnehmung der gleichen Rechte Bundes gem. Art. 73 Abs. 1 Nr. 8 GG verweist; in diese Richtung auch Roellecke, NJW 1997, 2500 (2501); zwischen Bundesverwaltung und Landesverwaltung differenzierend bezogen auf die Rechtschreibung auch Kopke, Rechtschreibreform und Verfassungsrecht, 1995, S. 413. 1224 Vgl. BVerfGE 53, 185 (195 f.); 59, 360 (377); 98, 218 (248); Sächs. OVG, DÖV 1998, 118 (119); Kopke, Rechtschreibreform und Verfassungsrecht, 1995, S. 79; Löwer, RdJB 45 (1997), 226 (228); Roellecke, NJW 1997, 2500 (2501). 1225 Kahl, VVDStRL 65 (2006), 386 (405 Fn. 70); vgl. zur Rechtschreibung BVerfGE 98, 218 (248 ff.); BVerwGE 108, 355 (363); Kopke, Rechtschreibreform und Verfassungsrecht, 1995, S. 413; Löwer, RdJB 45 (1997), 226 (226 ff.); Hufen, RdJB 46 (1998), 472 (475 f.); Kirchhof, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts der Bundesrepublik Deutschland, Bd. II, 3. Aufl. 2004, § 20 Rn. 96. 1226 Vgl. Baer, Chancengleichheit in der Wissenschaft, 2009 (hrsg. vom Bundesministerium für Bildung und Forschung 2010), S. 28 ff.; Wapler, in: Berghahn/Schultz (Hrsg.), Rechtshandbuch für Frauen- und Gleichstellungsbeauftragte (Stand: Mai 2020), Kap. 8.1.1, S. 2. 1227 Vgl. zur Rechtschreibung BVerfG, NJW 1999, 3477 (3477); Hufen, RdJB 46 (1998), 472 (475); a. A. OVG Nds., NJW 1997, 3456 (3458); Roth, BayVBl. 1999, 257 (263); wohl ebenfalls a. A. Menzel, NJW 1998, 1177 (1183); für Einheitlichkeit auch BT-Drs. 13/10183, S. 3; Kissel, NJW 1997, 1097 (1101). 1228 Vgl. Kahl, VVDStRL 65 (2006), 386 (405 Fn. 69); zur Rechtschreibung BVerfGE 98, 218 (249); OVG Schleswig, NJW 1997, 2536 (2537); Kopke, Rechtschreibreform und Verfassungsrecht, 1995, S. 79, 413; Roellecke, NJW 1997, 2500 (2501); a. A. bezogen auf eine allgemeinverbindliche Rechtschreibreform Löwer, RdJB 45 (1997), 226 (227 f.). 1229 Ebenso Kahl, VVDStRL 65 (2006), 386 (405), der aus dem Grundsatz der Bundestreue sogar eine entsprechende Verpflichtung ableitet; zum Schulbereich bezogen auf die Rechtschreibung so auch BVerfGE 98, 218 (249); Löwer, RdJB 45 (1997), 226 (228); Kirchhof, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts der Bundesrepublik Deutschland, Bd. II, 3. Aufl. 2004, § 20 Rn. 96.

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durch Frauen zu ermöglichen“.1230 Dass diese Voraussetzung als erfüllt angesehen werden kann, ergibt sich aus den obigen Ausführungen.1231 Fraglich ist allerdings, wie sich diese Auffassung mit der prinzipiellen Gestaltungsfreiheit des Staates im Rahmen des Art. 3 Abs. 2 Satz 2 GG1232 verträgt. Insofern stellt sich insbesondere die Frage, ob der Staat nicht ganz andere Maßnahmen als solche mit Bezug zur Sprache ergreifen kann, um seinem Auftrag aus Art. 3 Abs. 2 Satz 2 GG gerecht zu werden. Das ist vom Grundsatz her zu bejahen. Eine Reduktion der prinzipiellen Gestaltungsfreiheit des Staates könnte sich aus entsprechenden unions- oder völkerrechtlichen Verpflichtungen der Bundesrepublik Deutschland ergeben, insbesondere aus den Verpflichtungen aus dem Übereinkommen der Vereinten Nationen vom 18. Dezember 1979 zur Beseitigung jeder Form von Diskriminierung der Frau (Convention on the Elimination of All Forms of Discrimination against Women – CEDAW).1233 Wie oben dargelegt1234, wird geschlechtergerechte Sprache zwar als ein geeignetes Mittel zur Erfüllung der sich aus der CEDAW für die Vertragsstaaten ergebenden Verpflichtungen angesehen, eine eindeutige Verpflichtung wird daraus aber nach h.M. nicht abgeleitet. Eine Verengung des Gestaltungsspielraumes des Staates kann sich aber auch daraus ergeben, dass sich bestimmte tatsächliche Nachteile nur durch ganz bestimmte Fördermaßnahmen beseitigen lassen.1235 Genau das ist hier der Fall: Die Nachteile, die sich aus nicht geschlechtergerechter (Vorschriften-)Sprache für Frauen ergeben, lassen sich nur durch die Förderung geschlechtergerechter Sprache seitens des Staates beseitigen. Andere Alternativmittel als eine geschlechtergerechte Gestaltung neuer Rechtsnormen sowie eine geschlechtergerechte Umformulierung bestehender Normen sind im Hinblick auf das Problem der Vorschriftensprache nicht ersichtlich. Die Ergreifung ganz anderer als sprachbezogener Maßnahmen mit dem Ziel, eine Benachteiligung durch die Sprachform dadurch zu beseitigen, ist nach der Gesetzesbegründung mangels Sachzusammenhang ausgeschlossen.1236 Insofern ist 1230 So Schulze-Fielitz, KritV 72 (1989), 273 (284 f.), allerdings noch zur früheren Verfassungsrechtslage vor Einfügung des Art. 3 Abs. 2 Satz 2 GG; in diese Richtung auch Grabrucker, in: Battis/Schultz (Hrsg.), Frauen im Recht, 1990, S. 281 (296); Grabrucker, Vater Staat hat keine Muttersprache, 1993, S. 222, 227. 1231 S. dazu unter Dritter Teil, B. I. 4. a) bb) (2) und (3). 1232 S. dazu unter Dritter Teil, B. I. 4. a) bb) (4). 1233 Vgl. zur früheren Verfassungsrechtslage Grabrucker, Vater Staat hat keine Muttersprache, 1993, S. 223 f. 1234 S. dazu unter Dritter Teil, A. VI. 1. 1235 Brosius-Gersdorf, Demografischer Wandel und Familienförderung, 2011, S. 403; vgl. Friauf, Gleichberechtigung der Frau als Verfassungsauftrag, 1981, S. 33 (zur früheren Verfassungsrechtslage); Eckertz-Höfer, in: Denninger u. a. (Hrsg.), AK-GG, 3. Aufl. 2001, Art. 3 Abs. 2, 3 Rn. 75; Butzer, NdsVBl. 2019, 10 (19); vgl. auch Jarass, in: Jarass/Pieroth, GG, 15. Aufl. 2018, Art. 3 Rn. 113, der einen Anspruch auf eine bestimmte Maßnahme in seltenen Fällen für möglich hält, ohne die Voraussetzungen näher zu präzisieren. 1236 Vgl. BT-Drs. 12/6633, S. 6; vgl. auch BT-Drs. 12/6000, S. 50.

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3. Teil: Rechtlicher Rahmen für die Verwendung geschlechtergerechter Sprache

hier eine Verengung des prinzipiellen Gestaltungsspielraumes des Staates anzunehmen.1237 Der Staat kann sich zwar im Rahmen seines Spielraumes und einer (gesetzgeberischen) Einschätzungsprärogative1238 (für gewisse Zeit) zunächst um die Beseitigung anderer Nachteile kümmern, die der tatsächlichen Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern ebenfalls entgegenstehen1239 ; dauerhaft darf er aber im Hinblick auf einen von ihm erkannten Nachteil i. S. d. Art. 3 Abs. 2 Satz 2 GG nicht untätig bleiben.1240 Wenn dann zur Beseitigung dieses Nachteils nur ein Mittel in Betracht kommt, muss der Staat dieses auch ergreifen.1241 Gestaltungsfreiheit verbleibt dem Staat bei der genauen Art und Weise der Förderung geschlechtergerechter Sprache, etwa bei der Prioritätensetzung in zeitlich-sachlicher Hinsicht, indem er z. B. geschlechtergerechte Sprache vorrangig in bestimmten besonders gleichstellungsrelevanten Rechtsbereichen fördert.1242 Teilweise wird aus Art. 3 Abs. 2 Satz 2 GG allerdings ein Regressionsverbot bzgl. des einmal erreichten Gleichstellungsniveaus entnommen.1243 Insofern besteht indes die Schwierigkeit zu 1237 So im Ergebnis zur früheren Verfassungsrechtslage auch Schulze-Fielitz, KritV 72 (1989), 273 (289), der resümierte, „langfristig“ werde sich „der Vorschriftengeber … seiner Aufgabe einer behutsamen Reformulierung der Rechtstexte verfassungsrechtlich und politisch nicht entziehen dürfen“; dies verkennend Diederichsen, in: FS Gaul, 1997, S. 121 (135), der gar nicht näher auf Art. 3 Abs. 2 Satz 2 GG eingeht. 1238 Vgl. zur früheren Verfassungsrechtslage BVerfGE 74, 163 (180). 1239 In diese Richtung auch Rademacher, Diskriminierungsverbot und „Gleichstellungsauftrag“, 2004, S. 143 f.; ähnlich Eckertz-Höfer, in: Denninger u. a. (Hrsg.), AK-GG, 3. Aufl. 2001, Art. 3 Abs. 2, 3 Rn. 82, nach deren Ansicht „staatliche Maßnahmen durch Art. 3 Abs. 2 Satz 2 in Bereichen geboten sein [können], in denen Nachteile für eine Gruppe von Frauen im Verhältnis zu einer Gruppe von Männern in vergleichbarer Lage bereits längere Zeit andauern und staatliches Handeln mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit die Nachteile zu beseitigen oder zu vermindern vermag“ [im Original mit Hervorhebungen]; vgl. zum Gesetzgebungsauftrag aus Art. 6 Abs. 5 GG BVerfGE 25, 167 (184 ff.); zu Staatszielbestimmungen allgemein BT-Drs. 12/ 6000, S. 77; a. A. wohl H.-J. Vogel, in: FS Benda, 1995, S. 395 (412), wonach Art. 3 Abs. 2 Satz 2 GG dem Staat abverlange, das ihm Mögliche zur Förderung und zum Nachteilsausgleich auch zu unternehmen. 1240 Vgl. H.-J. Vogel, in: FS Benda, 1995, 395 (412 f.); Eckertz-Höfer, in: Denninger u. a. (Hrsg.), AK-GG, 3. Aufl. 2001, Art. 3 Abs. 2, 3 Rn. 75 ff., 82; vgl. zur Verpflichtung des Staates bzgl. des „Ob“ des Handelns Böhmer, Gesetze zur Gleichberechtigung von Männern und Frauen in Bund und Ländern, 3. Aufl. 1995, S. 32; Sacksofsky, Das Grundrecht auf Gleichberechtigung, 2. Aufl. 1996, S. 401; K. Schweizer, Der Gleichberechtigungssatz – neue Form, alter Inhalt?, 1998, S. 93 f., 156; (zur früheren Verfassungsrechtslage) Grabrucker, in: Battis/ Schultz (Hrsg.), Frauen im Recht, 1990, S. 281 (296). 1241 Vgl. H.-J. Vogel, in: FS Benda, 1995, S. 395 (412), wonach Art. 3 Abs. 2 Satz 2 GG dem Staat abverlange, das ihm Mögliche zur Förderung und zum Nachteilsausgleich auch zu unternehmen; auch Eckertz-Höfer, in: Denninger u. a. (Hrsg.), AK-GG, 3. Aufl. 2001, Art. 3 Abs. 2, 3 Rn. 75 f. meint nur, dass Art. 3 Abs. 2 Satz 2 GG konkrete Folgerungen „in der Regel nicht“ zu entnehmen seien; wie hier auch Butzer, NdsVBl. 2019, 10 (19). 1242 S. dazu nachfolgend unter Dritter Teil, B. I. 4. a) bb) (9). 1243 So Eckertz-Höfer, in: Denninger u. a. (Hrsg.), AK-GG, 3. Aufl. 2001, Art. 3 Abs. 2, 3 Rn. 76; v. Schwanenflug, djb-Stellungnahme zur bevorstehenden Novelle des Hessischen Gleichberechtigungsgesetzes (HGlG) vom 26. 1. 2006, S. 1; vgl. K. Schweizer, Der Gleichberechtigungssatz – neue Form, alter Inhalt?, 1998, S. 98, wonach Art. 3 Abs. 2 Satz 2 GG „einen

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bestimmen, was im konkreten Fall als Regression anzusehen ist, weil sich Konzepte aufgrund neuer Erkenntnisse ändern können. Dies kann insbesondere die Förderung bestimmter Formen geschlechtergerechter Sprache seitens des Staates betreffen. Eine andere Frage ist die, ob eine ausnahmsweise objektive Verpflichtung des Staates zur Ergreifung bestimmter Fördermaßnahmen i. S. v. Art. 3 Abs. 2 Satz 2 GG auch mit einem entsprechenden subjektiven Anspruch Einzelner hierauf korrespondiert. Ob Art. 3 Abs. 2 Satz 2 GG individualrechtliche Ansprüche zu begründen vermag, ist umstritten, im Ergebnis jedoch abzulehnen.1244 Insbesondere spricht auch die Gesetzesbegründung eindeutig gegen einen Individualanspruch auf ein bestimmtes staatliches Handeln.1245 (9) Möglichkeit differenzierter gesetzgeberischer Vorgehensweise (vorrangig bestimmte Rechtsgebiete)? Art. 3 Abs. 2 Satz 2 GG erlaubt dem Staat auch, in stufenweiser Form tätig zu werden.1246 Es besteht auch insofern ein Gestaltungsspielraum und eine (gesetzgeberische) Einschätzungsprärogative. Das bedeutet, dass der Staat Änderungen der Vorschriftensprache auch vorrangig in bestimmten, ihm für die Förderung der faktischen Gleichberechtigung als besonders relevant erscheinenden Rechtsbereichen vornehmen darf.1247 Dies ist angesichts der Vielzahl von Normen auch eine Praxisnotwendigkeit.1248 b) Verfassungsrechtliche Grenzen eines Förderauftrags zugunsten geschlechtergerechter Sprache aus Art. 3 Abs. 2 Satz 2 GG Auch der Förderauftrag aus Art. 3 Abs. 2 Satz 2 GG unterliegt, obgleich nicht ausdrücklich in Art. 3 Abs. 2 Satz 2 GG geregelt, „Schranken“ im Sinne von Grenzen, die sich bei dem gebotenen Verständnis der Verfassung als Einheit1249 aus gewissen Schutz vor einer ersatzlosen Aufhebung bislang ergriffener Maßnahmen und Regelungen auf das Ziel hin bzw. gegen eine Minderung, welche die Grenze zur groben Vernachlässigung überschreitet“ biete. 1244 S. dazu unter Dritter Teil, B. I. 4. a) aa). 1245 S. BT-Drs. 12/6633, S. 6; s. auch BT-Drs. 12/6000, S. 50. 1246 Für ein stufenweises Vorgehen des Staates auch Lange-Klein, Terminologie et Traduction 2/1989, 23 (30) (zur früheren Verfassungsrechtslage); Butzer, NdsVBl. 2019, 10 (19). 1247 Vgl. zur früheren Verfassungsrechtslage Schulze-Fielitz, KritV 72 (1989), 273 (287 f.); Grabrucker, Vater Staat hat keine Muttersprache, 1993, S. 233 f.; kritisch zu einer unterschiedlichen Vorgehensweise je nach Rechtsgebiet Thüsing, NJW 1996, 2634 (2635); Diederichsen, in: FS Gaul, 1997, S. 121 (133). 1248 Vgl. Grabrucker, Gesetzgebung heute 1990, 103 (105); Grabrucker, Vater Staat hat keine Muttersprache, 1993, S. 228 f. 1249 S. nur BVerfGE 1, 14 (32); 19, 206 (220); 33, 23 (29); 49, 24 (56); 142, 25 (66 Rn. 111); Hesse, Grundzüge des Verfassungsrechts der Bundesrepublik Deutschland, 20. Aufl. 1995

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der Verfassung im Übrigen ableiten lassen.1250 Insoweit spricht zwar gegen die Übertragung der zu den Freiheitsrechten entwickelten Dogmatik zu den verfassungsimmanenten Schranken, dass der Förderauftrag sich an den Staat richtet, während die Freiheitsgrundrechte individualgerichtet sind. Allerdings erscheint eine Parallele zu den sog. „Schranken-Schranken“1251 bei den Freiheitsgrundrechten sachgerecht, bei denen es darum geht, die Eingriffsmöglichkeiten des Staates zu begrenzen. Dabei spielen nach nicht unumstrittener Ansicht neben den Verfassungsprinzipien auch Grundrechte Dritter eine Rolle.1252 Beide Aspekte müssen ungeachtet der Frage der genauen dogmatischen Einordnung jedenfalls bei der Reichweite des Förderauftrags aus Art. 3 Abs. 2 Satz 2 GG berücksichtigt werden, weil der Staat nicht nur an den Förderauftrag, sondern ebenso an die Verfassungsprinzipien1253 und Grundrechte Dritter1254 gebunden ist (Art. 1 Abs. 3, Art. 20 Abs. 3 GG).1255 Soweit der Förderauftrag aus Art. 3 Abs. 2 Satz 2 GG in ein Spannungsverhältnis zu Verfassungsprinzipien oder Grundrechten insbesondere derjenigen, die zu geschlechtergerechter Sprache angehalten werden, gerät, ist fraglich, wie dieses Spannungsverhältnis aufzulösen ist. Für die Auflösung kann auf das Prinzip praktischer Konkordanz zurückgegriffen werden.1256 Danach sind kollidierende Verfas(Neudruck 1999), Rn. 20 m. w. N.; kritisch zur „Einheit der Verfassung“ F. Reimer, Juristische Methodenlehre, 2. Aufl. 2020, Rn. 330. 1250 Vgl. Brosius-Gersdorf, Demografischer Wandel und Familienförderung, 2011, S. 469; zur früheren Verfassungsrechtslage vgl. BT-Drs. 12/1041, S. 12; Schulze-Fielitz, KritV 72 (1989), 273 (285 ff.); vgl. auch Sacksofsky, Schriftliche Stellungnahme zum Themenbereich „Änderung des Art. 3 GG“ anläßlich der Öffentlichen Anhörung der Gemeinsamen Verfassungskommission (Bonn, 5. November 1992), zit. nach: Limbach/Eckertz-Höfer (Hrsg.), Frauenrechte im Grundgesetz des geeinten Deutschland, 1993, S. 203 (212). 1251 Zur Begrifflichkeit s. statt vieler Epping, Grundrechte, 8. Aufl. 2019, Rn. 46. 1252 S. Bleckmann, Staatsrecht II, 4. Aufl. 1997, S. 428; vgl. BVerfGE 85, 191 (205 f.) unter Aufgabe der Rspr. in BVerfGE 77, 84 (101); zustimmend jedenfalls für Konstellationen normativer Dreiecksverhältnisse Gersdorf, Verfassungsprozessrecht und Verfassungsmäßigkeitsprüfung, 5. Aufl. 2019, Rn. 276. 1253 Vgl. hierzu BT-Drs. 12/1041, S. 12; Schulze-Fielitz, KritV 72 (1989), 273 (285 ff.); Brosius-Gersdorf, Demografischer Wandel und Familienförderung, 2011, S. 469. 1254 Vgl. hierzu Sacksofsky, Schriftliche Stellungnahme zum Themenbereich „Änderung des Art. 3 GG“ anläßlich der Öffentlichen Anhörung der Gemeinsamen Verfassungskommission (Bonn, 5. November 1992), zit. nach: Limbach/Eckertz-Höfer (Hrsg.), Frauenrechte im Grundgesetz des geeinten Deutschland, 1993, S. 203 (212); dem Prinzip nach auch Grabrucker, Vater Staat hat keine Muttersprache, 1993, S. 223, 226, die allerdings durch das Fördern geschlechtergerechter Sprache Grundrechte nicht tangiert sieht. 1255 Vgl. zu Art. 118 Abs. 2 Satz 2 Verf. Bayern BayVerfGH, NVwZ-RR 2018, 457 (467 Rn. 129). 1256 Jestaedt, VVDStRL 64 (2005), 298 (345 f. Fn. 192); vgl. zur Kollision der Wissenschaftsfreiheit mit anderen Verfassungsrechtsgütern Epping, in: Geis (Hrsg.), Hochschulrecht in Bund und Ländern, § 2 HRG Rn. 3 (Stand: Nov. 1999); vgl. auch Gesellschaft für deutsche Sprache (Hrsg.), Fingerzeige für die Gesetzes- und Amtssprache, 11. Aufl. 1998, S. 114 f., wonach ein vernünftiger Ausgleich zwischen allen Zielen anzustreben ist; zum Prinzip der

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sungsrechtsgüter im Wege verhältnismäßiger Zuordnung so miteinander in Einklang zu bringen, dass sie beide zu optimaler Wirksamkeit gelangen.1257 Teilweise wird auch statt des Begriffes der praktischen Konkordanz bevorzugt, von der „verhältnismäßigen Zuordnung [von] Verfassungsbestimmungen“ zu sprechen, soweit es nicht um die Kollision der abwehrrechtlichen Dimension von Grundrechten gehe.1258 Dabei handelt es sich aber wohl um eine rein terminologische Frage, keine Differenz in der Sache. In der „umgekehrten Perspektive“ ist anerkannt, dass der Förderauftrag als kollidierendes Verfassungsrecht zur Rechtfertigung von Eingriffen in Grundrechte dienen kann.1259 aa) Gebot der Normenklarheit und -verständlichkeit Aus dem Rechtsstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 3, Art. 28 Abs. 1 Satz 1 GG)1260, teilweise auch explizit aus dem Grundsatz der Gewaltenteilung1261 oder ergänzend zum Rechtsstaatsprinzip aus dem Demokratieprinzip (Art. 20 Abs. 1, 2, Art. 28 Abs. 1 GG)1262, wird der Grundsatz bzw. das Gebot der Normenklarheit (und -verständlichkeit) abgeleitet. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts muss danach nicht nur bei Eingriffen in die Freiheitsgrundrechte Einzelner, sondern praktischen Konkordanz grundlegend Hesse, Grundzüge des Verfassungsrechts der Bundesrepublik Deutschland, 20. Aufl. 1995 (Neudruck 1999), Rn. 72. 1257 Grundlegend Hesse, Grundzüge des Verfassungsrechts der Bundesrepublik Deutschland, 20. Aufl. 1995 (Neudruck 1999), Rn. 72; vgl. Epping, in: Geis (Hrsg.), Hochschulrecht in Bund und Ländern, § 2 HRG Rn. 3 (Stand: Nov. 1999). 1258 So H.-J. Vogel, in: FS Benda, 1995, S. 395 (416). 1259 Vgl. BVerfGE 92, 91 (109, 112); 114, 357 (364, 370); BVerwG, NVwZ 2003, 92 (93); BAGE 104, 264 (269); (bez. auf Art. 118 Abs. 2 Satz 2 Verf. Bayern) BayVerfGH, NVwZ-RR 2018, 457 (468 Rn. 129, 133); K. Schweizer, Der Gleichberechtigungssatz – neue Form, alter Inhalt?, 1998, S. 99 ff., die Art. 3 Abs. 2 Satz 2 GG sogar „eine erhöhte Bedeutung im Sinne eines relativen Vorrangs vor anderen Verfassungsgütern“ zuschreibt (S. 104); Kolbe, Intersexualität, Zweigeschlechtlichkeit und Verfassungsrecht, 2010, S. 124; Sacksofsky, JöR N.F. 67 (2019), 377 (389); vgl. zur Beschränkung von Wahlrechtsgrundsätzen Brosius-Gersdorf, VerfBlog vom 25. 2. 2019; vgl. auch zur früheren Verfassungsrechtslage Ebsen, in: Benda/ Maihofer/H.-J. Vogel (Hrsg.), Handbuch des Verfassungsrechts der Bundesrepublik Deutschland, 2. Aufl. 1994, § 8 Rn. 39; a. A. Laubinger, VerwArch 87 (1996), 473 (528). 1260 S. BVerfGE 21, 73 (79); 45, 400 (420); 52, 1 (41); 65, 1 (44); 108, 1 (20); 108, 52 (75); Schulze-Fielitz, KritV 72 (1989), 273 (285); Schulze-Fielitz, in: Dreier (Hrsg.), GG, Bd. II, 3. Aufl. 2015, Art. 20 (Rechtsstaat) Rn. 141. 1261 So Towfigh, JA 2015, 81 (82, 86). 1262 So Limbach, in: Eichhoff-Cyrus/Antos (Hrsg.), Verständlichkeit als Bürgerrecht?, 2008, S. 371 (373); s. auch Nussbaumer, in: Eichhoff-Cyrus/Antos (Hrsg.), Verständlichkeit als Bürgerrecht?, 2008, S. 301 (305); S. Thieme, in: Eichhoff-Cyrus/Antos (Hrsg.), Verständlichkeit als Bürgerrecht?, 2008, S. 230 (230); vgl. v. Bonin, in: Wassermann/Petersen (Hrsg.), Recht und Sprache, 1983, S. 64 (65 ff.); Anklänge in Richtung des Demokratieprinzips auch bei Joisten, Der Deutschunterricht 37 (1985), Heft 1, 47 (47); Luttermann, in: F. Vogel (Hrsg.), Zugänge zur Rechtssemantik, 2015, S. 276 (276); ablehnend Towfigh, JA 2015, 81 (83).

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auch bei der Gewährung staatlicher Leistungen der Inhalt von Rechtsnormen, auch in ihrem Zusammenwirken mit anderen Rechtsnormen, „für die Betroffenen klar und nachvollziehbar sowie in ihrer Ausgestaltung widerspruchsfrei sein“.1263 Es geht um die Verständlichkeit, aber auch um die Bestimmtheit von Rechtsnormen.1264 Geschlechtergerechte Sprache kann insbesondere bei der Verwendung von Paarformen dazu führen, dass Texte länger und komplexer werden; das gilt wegen der gerade in Rechtsnormen zahlreich auftretenden Personenbezeichnungen besonders auch für diese.1265 Ein häufig erhobener Einwand gegen die geschlechtergerechte Fassung von Rechtsnormen geht dahin, dass die ohnehin oft nur schwer verständlichen Vorschriften dann noch weniger verständlich würden.1266 Fraglich ist insofern allerdings, wessen Verständnis(-möglichkeit) hier maßgeblich ist.1267 Dies führt auf die umstrittene Frage zurück, an wen sich Gesetze richten.1268 Während die einen auf die von einer Rechtsnorm direkt Betroffenen abstellen1269, richten sich nach anderer Auffassung Rechtsnormen zumindest vordringlich an die juristische Fachwelt und nur durch diese vermittelt auch an die Betroffenen selbst1270. Vermittelnde Auffassungen halten beide Gruppen für von Gesetzen adressiert.1271 Soweit auf die von einer Norm Betroffenen abgestellt wird, wird hinsichtlich der Anforderungen an die Verständlichkeit oft abhängig von der jeweiligen Rechtsmaterie nochmal danach differenziert, ob der Adressatenkreis 1263

BVerfGE 108, 52 (75). Zur Unterscheidung Waldhoff/Grefrath, IStR 2013, 477 (478). 1265 Vgl. BT-Drs. 12/1041, S. 32; Bundesministerium der Justiz (Hrsg.), Handbuch der Rechtsförmlichkeit, 3. Aufl. 2008, Rn. 118; Kastendieck, ZevKR 35 (1990), 43 (51); Starck, NdsVBl. 1994, 2 (7); Frank-Cyrus/Dietrich, Germanistische Linguistik 139 – 140 (1998), 49 (73); F. Braun/Oelkers/Rogalski/Bosak/Sczesny, Psychologische Rundschau 58 (2007), 183 (184, 188); D. Richter, in: Blaha/Wilhelm (Hrsg.), Verständliche Sprache in Recht und Verwaltung, 2011, S. 25 (35); Sacksofsky, Merkur 795 (2015), 39 (46); Baumann, in: Baumann/ Meinunger (Hrsg.), Die Teufelin steckt im Detail, 2017, S. 196 (209 f.). 1266 Vgl. Lange-Klein, Terminologie et Traduction 2/1989, 23 (27); Sieg/Siebels, NZA 2002, 697 (702); G. Bachmann, NVwZ 2008, 754 (754); sehr kritisch Diederichsen, in: FS Gaul, 1997, S. 121 (134), der von „unentwirrbarem sprachlichen Gestrüpp“ spricht; Roos, NJW 2012, 652 (653); zur Kritik Grabrucker, in: Battis/Schultz (Hrsg.), Frauen im Recht, 1990, S. 281 (308 f.). 1267 Dazu kritisch Towfigh, JA 2015, 81 (85 f.) 1268 D. Richter, NWVBl. 2009, 173 (176). 1269 So Joisten, Der Deutschunterricht 37 (1985), Heft 1, 47 (47 f., 54); Ebert, in: Blaha/ Wilhelm (Hrsg.), Verständliche Sprache in Recht und Verwaltung, 2011, S. 13 (16 f.); s. zu dieser Ansicht auch Oksaar, ZG 4 (1989), 210 (230). 1270 So Kirchhof, in: GS F. Klein, 1977, S. 227 (236); Lerch, in: Eichhoff-Cyrus/Antos (Hrsg.), Verständlichkeit als Bürgerrecht?, 2008, S. 54 (75); vgl. Tacke/S. Thieme, in: Niebuhr (Hrsg.), Formen des Nicht-Verstehens, 2014, S. 93 (101). 1271 So Guentherodt, Muttersprache 94 (1983/84), 271 (273); D. Richter, NWVBl. 2009, 173 (176); D. Richter, in: Blaha/Wilhelm (Hrsg.), Verständliche Sprache in Recht und Verwaltung, 2011, S. 25 (28); Leutheusser-Schnarrenberger, ZRP 2012, 93 (93); Baumann, in: Baumann/Meinunger (Hrsg.), Die Teufelin steckt im Detail, 2017, S. 196 (198 Fn. 4). 1264

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unbegrenzt ist oder eingeschränkt.1272 Weisen Gesetze keinen eingeschränkten Adressatenkreis auf, indem sie etwa nur spezielle Berufsgruppen betreffen, sondern betreffen sie tatsächlich die Allgemeinheit, also alle Menschen, wird vertreten, dass sie von einer „durchschnittlich verständigen Person“ erfasst werden können sollten.1273 Mit Blick auf das Demokratieprinzip erscheint es zwar wünschenswert, dass Rechtsnormen für das gesamte Volk verständlich sein sollten1274, allerdings wird das wohl schon angesichts der Komplexität vieler zu regelnder Lebenssachverhalte einerseits und der notwendigen juristischen Abstraktion andererseits tatsächlich kaum möglich sein.1275 Als Minimum ist aber zu fordern, dass Rechtsnormen unter Zuhilfenahme der anerkannten Auslegungsmethoden für Jurist_innen verständlich sein müssen.1276 Dies kann bei der geschlechtergerechten Formulierung von Normen etwa dann nicht mehr der Fall sein, wenn eine Norm mehrere Personenbezeichnungen auch in Form von rückbezüglichen Pronomina beinhaltet und bei der Umformulierung mit Paarformen, insbesondere in Form der Schrägstrich-Lösung1277, gearbeitet wird.1278 Solche in der Realität durchaus zu findenden „Negativbeispiele“ geschlechtergerechter Sprache in Gesetzestexten haben die Furcht vor unverständlichen, weil geschlechtergerechten Gesetzestexten und eine darauf basierende Abwehrhaltung sicher noch verstärkt.1279

1272 So Bundesministerium der Justiz (Hrsg.), Handbuch der Rechtsförmlichkeit, 3. Aufl. 2008, Rn. 55; ähnlich Hallik, in: Bartoszewicz/Szcze˛ k/Tworek (Hrsg.), Germanistische Linguistik im interdisziplinären Gefüge II, 2011, S. 181 (185); Schade/S. Thieme, in: Moraldo (Hrsg.), Sprachenpolitik und Rechtssprache, 2012, S. 81 (86); tendenziell auch T. Walter, JR 2007, 61 (63). 1273 So Bundesministerium der Justiz (Hrsg.), Handbuch der Rechtsförmlichkeit, 3. Aufl. 2008, Rn. 55; s. dazu auch Nussbaumer, in: Eichhoff-Cyrus/Antos (Hrsg.), Verständlichkeit als Bürgerrecht?, 2008, S. 301 (309). Mit Blick auf Menschen mit Behinderungen (Art. 3 Abs. 3 Satz 2 GG) Gesetzestexte in Leichter Sprache erwägend Froese, Gendergerechtigkeit. Exklusion durch Inklusion, FAZ Online vom 7. 12. 2016, http://www.faz.net/aktuell/politik/staatund-recht/gendergerechtigkeit-exklusion-durch-inklusion-14563961.html (abgerufen am 2. 6. 2020). 1274 Vgl. v. Bonin, in: Wassermann/Petersen (Hrsg.), Recht und Sprache, 1983, S. 64 (66): „für den Bürger“. 1275 Vgl. Lerch, in: Eichhoff-Cyrus/Antos (Hrsg.), Verständlichkeit als Bürgerrecht?, 2008, S. 54 (75). 1276 In diese Richtung auch Towfigh, JA 2015, 81 (86); vgl. BVerfGE 31, 255 (264); 45, 400 (420); 83, 130 (145, 151). 1277 S. dazu unter Erster Teil, C. 1278 S. BT-Drs. 12/1041, S. 32 f.; D. Richter, in: Blaha/Wilhelm (Hrsg.), Verständliche Sprache in Recht und Verwaltung, 2011, S. 25 (35 f.); zur Erhöhung der benötigten Lesezeit bei der Verwendung von Schrägstrich-Paarformen Klimmt/Pompetzki/Blake, Medien & Kommunikationswissenschaft 56 (2008), 3 (15 f.) 1279 Vgl. V. Steiger/Irmen, Der Sprachdienst 52 (2008), 161 (172).

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Allerdings sind mehrere Studien zur Verständlichkeit von geschlechtergerechter Sprache1280 zu dem Ergebnis gekommen, dass geschlechtergerechte Sprache nicht generell zu einer Minderung der Textverständlichkeit führt1281, und zwar auch eine Studie speziell bezogen auf geschlechtergerechte Sprache in Rechtsnormen1282. Insofern schließt das Gebot der Verständlichkeit von Rechtsnormen eine geschlechtergerechte Formulierung von Rechtsnormen nicht pauschal aus, sondern es setzt dieser vielmehr im Einzelfall Grenzen.1283 Daraus ergibt sich, dass auch Vorgaben für die geschlechtergerechte Fassung von Rechtsvorschriften die Berücksichtigung des

1280

Solche Studien wurden in Deutschland offenbar erst ab der Jahrtausendwende und damit deutlich später als solche zur Wirkung des generischen Maskulinums durchgeführt, was damit erklärt wird, dass sich der „Fokus verschiebt … vom ob [sprachlicher Gleichstellung] beziehungsweise vom warum zum wie“, s. F. Braun/Oelkers/Rogalski/Bosak/Sczesny, Psychologische Rundschau 58 (2007), 183 (183 f.). 1281 S. Rothmund/Christmann, Muttersprache 112 (2002), 115 (128 f.), die lediglich eine Beeinträchtigung der „sprachlichen Ästhetik“ feststellten; F. Braun/Oelkers/Rogalski/Bosak/ Sczesny, Psychologische Rundschau 58 (2007), 183 (188 f.); Blake/Klimmt, Publizistik 55 (2010), 289 (301 f.), die auch bei der „sprachlichen Ästhetik“ keine Einbußen feststellten; zu den Ergebnissen auch Ferstl/Kaiser, GENDER 5 (2013), Heft 3, 9 (20): „Fülle von eindeutigen Daten“; Sczesny/Formanowicz/Moser, Fontiers in Psychology 7 (2016), Art. 25, S. 7; eine Erhöhung der benötigten Lesezeit konnte allerdings für die Verwendung von SchrägstrichPaarformen festgestellt werden, s. Klimmt/Pompetzki/Blake, Medien & Kommunikationswissenschaft 56 (2008), 3 (15 f.); eine schlechtere Lesbarkeit (bei gleicher Verständlichkeit) wurde diesen Formen auch attestiert bei Pöschko/Prieler, Zeitschrift für Bildungsforschung 8 (2018), 5 (16); weiteren Forschungsbedarf aufgrund einer von ihnen durchgeführten kleinen Beispielstudie sehen Beller/Kazazi, Journal of Unsolved Questions 3 (2013), Open Questions, 5 (7). Nach Rothmund/Christmann, Muttersprache 112 (2002), 115 (129) „scheint die negative Einstellung gegenüber den feministisch-linguistischen Vorschlägen irrationale Züge aufzuweisen: Auf einer abstrakten Ebene hält man ,Heilungsvarianten‘ für umständlich, unästhetisch und abstoßend; deren konkrete Realisation in einem Text erlebt man aber nicht unbedingt negativ“; auch F. Braun/Oelkers/Rogalski/Bosak/Sczesny, Psychologische Rundschau 58 (2007), 183 (188 f.) verweisen auf eine „Diskrepanz zwischen subjektiv empfundener Verständlichkeit und der korrekten Erinnerung von Textinhalten“. 1282 S. Steiger-Loerbroks/v. Stockhausen, Linguistische Berichte 237 (2014), 57 (72 ff.), deren Studie sogar eine bessere Verständlichkeit von Gesetzestexten mit geschlechtsneutralen Personenbezeichnungen als von solchen mit generischen Maskulina ergab; eine Meinungsumfrage (u. a.) zur Verständlichkeit unterschiedlicher Gesetzesfassungen ergab zwar etwas schlechtere Werte für die Fassung mit geschlechtsneutralen Begriffen sowie die mit Paarformen gegenüber der Originalfassung mit generischen Maskulina, allerdings wurden unter Berücksichtigung aller Kriterien beide geschlechtergerechten Fassungen häufiger favorisiert als die Originalfassung, s. Frank-Cyrus/Dietrich, Der Sprachdienst 41 (1997), 55 (58 ff.); zur Verständlichkeit und Akzeptanz geschlechtergerechter Sprache in juristischen Texten mit Instruktionsfunktion (für Wahlen) s. V. Steiger/Irmen, Psychologische Rundschau 58 (2007), 190 (196); V. Steiger, in: Eichhoff-Cyrus/Antos (Hrsg.), Verständlichkeit als Bürgerrecht?, 2008, S. 361 (368 f.); V. Steiger/Irmen, Der Sprachdienst 52 (2008), 161 (171 f.), wonach Paarformen allerdings die Textverständlichkeit beeinträchtigten; V. Steiger/Irmen, Linguistische Berichte 227 (2011), 297 (317 ff.). 1283 Vgl. dazu Grabrucker, Vater Staat hat keine Muttersprache, 1993, S. 237.

B. Bundesverfassungsrechtliche Maßgaben für geschlechtergerechte Sprache

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Einzelfalles ermöglichen sollten.1284 Zugleich bedingt dies allerdings auch eine gewisse „Vagheit“ von Vorgaben für geschlechtergerechtes Formulieren.1285 Ein besonders wichtiger Aspekt der Normenklarheit ist der der Widerspruchsfreiheit.1286 Die Gefahr der Widersprüchlichkeit des Rechts wird insbesondere dann gesehen, wenn nur manche Personenbezeichnungen geschlechtergerecht (um-)formuliert werden, andere hingegen wie bisher beibehalten werden.1287 Das Problem stellt sich zum einen dadurch, dass heutzutage ein Großteil der Gesetzgebung in Form von Änderungsgesetzgebung erfolgt und dass zudem das Recht in sich stark miteinander verzweigt ist dergestalt, dass z. B. Verordnungen auf Formulierungen aus zugrunde liegenden Gesetzen Bezug nehmen.1288 Zum anderen werden Probleme in dieser Richtung aber auch durch Konzepte geschaffen, die Ausnahmen zur Beibehaltung bestimmter generischer Maskulina in Rechtsnormen (z. B. bei „feststehenden Rechtsbegriffen“ oder der Betroffenheit auch von juristischen Personen)1289 trotz grundsätzlicher geschlechtergerechter Umformulierung vorsehen.1290 Die interministerielle Arbeitsgruppe Rechtssprache auf der Bundesebene hat die Verwendung von Paarformen in der Vorschriftensprache auch wegen der von ihr gesehenen Gefahr der Widersprüchlichkeit des Rechts und einer daraus resultierenden Rechtsunsicherheit bei dem Fortbestehen von generisch maskulinen Personenbe-

1284

Vgl. Bundesministerium der Justiz (Hrsg.), Handbuch der Rechtsförmlichkeit, 3. Aufl. 2008, Rn. 123. 1285 Dazu kritisch Schlichting, Sprachreport 13 (1997), Heft 2, 6 (9 f.), der von einem „durch Widersprüche geprägten Handlungsfeld“ spricht. 1286 S. etwa BVerfGE 108, 52 (75). Teilweise wird der Grundsatz der Widerspruchsfreiheit auch neben dem Grundsatz der Normenklarheit als ebenfalls aus dem Rechtsstaatsprinzip abzuleitendes Gebot genannt, s. BVerfGE 108, 169 (181 f.); 119, 331 (378); s. auch Grzeszick, in: FS Isensee, 2007, S. 93 (106). Zur Bedeutung für die Rechtsauslegung s. unter Dritter Teil, B. I. 2. a) bb) und cc). 1287 BT-Drs. 12/1041, S. 31; Leuer/Fessel, Frauen in der Sprache des Hochschulrechts, 1992, S. 23 Fn. 61; Siller, DZWir 1997, 526 (527); Stillner, WRP 2011, III (IV); Roos, NJW 2012, 652 (653); vgl. E. Bülow, ZG 3 (1988), 160 (166); U. Müller, ZGL 16 (1988), 323 (326); Schiedt/Kamber, in: Eichhoff-Cyrus (Hrsg.), Adam, Eva und die Sprache, 2004, S. 332 (347); Schultz/Rudek, BGleiG, 2012, § 1 Rn. 8; nur von „grotesk“ spricht Rüfner, in: Kahl/Waldhoff/ Walter (Hrsg.), Bonner Kommentar zum Grundgesetz, Art. 3 Abs. 2 und 3 Rn. 826 (Stand: Mai 1996); dagegen hält Grabrucker, Vater Staat hat keine Muttersprache, 1993, S. 236 die Argumentation mit der Einheitlichkeit der Begriffsverwendung für „scheinheilig“; kritisch auch Grabrucker, in: Battis/Schultz (Hrsg.), Frauen im Recht, 1990, S. 281 (308 f.). 1288 Vgl. BT-Drs. 12/1041, S. 31; Schulze-Fielitz, KritV 72 (1989), 273 (285 f.); Leuer/ Fessel, Frauen in der Sprache des Hochschulrechts, 1992, S. 23 f. Fn. 61; Otto, zit. nach: Bickes/ Brunner (Hrsg.), Muttersprache frauenlos? Männersprache Frauenlos? PolitikerInnen ratlos?, 1992, S. 49 (52 ff.); Baumann, in: Baumann/Meinunger (Hrsg.), Die Teufelin steckt im Detail, 2017, S. 196 (216 Fn. 33). 1289 S. dazu unter Erster Teil, D. 1290 Dazu Baumann, in: Bartoszewicz/Szcze˛ k/Tworek (Hrsg.), Germanistische Linguistik im interdisziplinären Gefüge II, 2011, S. 189 (190 f., 193); Baumann, in: Baumann/Meinunger (Hrsg.), Die Teufelin steckt im Detail, 2017, S. 196 (207 f., 215 f.).

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3. Teil: Rechtlicher Rahmen für die Verwendung geschlechtergerechter Sprache

zeichnungen abgelehnt.1291 Es ist aber in der Literatur auch umgekehrt die Forderung erhoben worden, möglichst schnell eine umfassende „Remaskulisierung“ von Personenbezeichnungen durchzuführen und maskuline Personenbezeichnungen nur noch dann zu verwenden, wenn ausschließlich Männer gemeint sind.1292 Von anderer Seite ist etwa dafür plädiert worden, sprachliche Änderungen auf neue Gesetze zu beschränken.1293 Allerdings dürfte es kaum noch wirklich „neue“ Gesetze geben, jedenfalls wenn man darunter „autarke“, keine Bezüge zu anderen Rechtsnormen aufweisende Gesetze verstehen will.1294 Dies könnte ein Argument für die von manchen propagierte „Rückkehr zum generischen Maskulinum“ in Gesetzen sein.1295 Allerdings berücksichtigen diese Ansichten in zu geringem Maße die Möglichkeiten der Rechtsauslegung, speziell der verfassungskonformen Auslegung1296, auch bei divergierenden Personenbezeichnungen.1297 Um aber Auslegungsfragen nach Möglichkeit gar nicht erst aufkommen zu lassen, erscheint es sinnvoll, geschlechtergerechte Umformulierungen bestehender Gesetze jedenfalls dann, wenn Paarformen gewählt werden, nicht nur punktuell an einzelnen Vorschriften, sondern dann konsistent im gesamten Gesetz vorzunehmen.1298 Zudem kann die geschlechtergerechte Umformulierung von Gesetzen nach vorzugswürdiger

1291

BT-Drs. 12/1041, S. 31. So U. Müller, ZGL 16 (1988), 323 (326); U. Müller, in: Ermert (Hrsg.), Sprachliche Bildung und kultureller Wandel, 1990, S. 49 (52); für eine Änderung aller Gesetze (wenn überhaupt) auch Starck, NdsVBl. 1994, 2 (7). 1293 S. Schulze-Fielitz, KritV 72 (1989), 273 (286), der dafür plädiert, Sprachänderungen „primär“ auf neue Gesetze zu beschränken; als Alternativlösung statt der von ihr primär vorgeschlagenen Rückkehr zum generischen Maskulinum in Normtexten auch Baumann, in: Baumann/Meinunger (Hrsg.), Die Teufelin steckt im Detail, 2017, S. 196 (222); dagegen BTDrs. 12/1041, S. 31. 1294 In diese Richtung auch Baumann, in: Baumann/Meinunger (Hrsg.), Die Teufelin steckt im Detail, 2017, S. 196 (216 Fn. 33). 1295 Dafür Baumann, in: Bartoszewicz/Szcze˛ k/Tworek (Hrsg.), Germanistische Linguistik im interdisziplinären Gefüge II, 2011, S. 189 (195); Baumann, in: Baumann/Meinunger (Hrsg.), Die Teufelin steckt im Detail, 2017, S. 196 (218 ff.). 1296 S. dazu unter Dritter Teil, B. I. 2. a) cc). 1297 Vgl. „Gleichbehandlung von Frauen und Männern in der Rechtssprache. Bericht einer interministeriellen Arbeitsgruppe“ (Niedersachsen), S. 27, BArch, B 141/418841; Grabrucker, Vater Staat hat keine Muttersprache, 1993, S. 235; Reinecke, in: FS Düwell, 2011, S. 399 (400, 406). Dazu, dass die Notwendigkeit der Auslegung einer Norm ihr nicht die Bestimmtheit nimmt und damit dem Gebot der Normenklarheit nicht entgegensteht, s. BVerfGE 31, 255 (264); 45, 400 (420); vgl. BVerfGE 83, 130 (145, 151). 1298 Dafür auch Bundesministerium der Justiz (Hrsg.), Handbuch der Rechtsförmlichkeit, 3. Aufl. 2008, Rn. 119; Schultz/Rudek, BGleiG, 2012, § 1 Rn. 8; entsprechende verbindliche Vorgaben beinhaltet auch Ziff. 4 der niedersächsischen „Grundsätze für die Gleichbehandlung von Frauen und Männern in der Rechtssprache“ von 1991 (Nds. MBl. S. 911; s. dazu näher unter Dritter Teil, D. II. 4.); s. dazu auch „Gleichbehandlung von Frauen und Männern in der Rechtssprache. Bericht einer interministeriellen Arbeitsgruppe“ (Niedersachsen), S. 26 ff., BArch, B 141/418841. 1292

B. Bundesverfassungsrechtliche Maßgaben für geschlechtergerechte Sprache

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Auffassung nicht der Exekutive überlassen werden, sondern muss durch das Parlament selbst erfolgen.1299 Ein weiterer Aspekt des Gebots der Normenverständlichkeit kann darin gesehen werden, dass Gesetze nicht nur in der Schriftform verständlich sein müssen, sondern auch verständlich vorlesbar.1300 Nicht alle Menschen können selbst lesen und das Rechtsstaatsprinzip gebietet auch für diese Menschen einen Zugang zum Recht.1301 Probleme werfen insofern vor allem bestimmte Formen geschlechtergerechter Sprache wie Paarformen in der Schrägstrich- oder Klammer-Variante, das Binnen-I, Gender-Star und Gender-Gap1302 auf1303, die entweder sprachlich in durch eine Konjunktion miteinander verbundene Einzelbegriffe „aufgelöst“1304 oder, etwa durch den sog. „glottal stop“ beim Binnen-I1305, besonders betont werden müssen, um sie zum Ausdruck zu bringen. Da die „Bedeutung“ etwa eines Schrägstriches in einer Sparschreibungs-Form aber nicht eindeutig geregelt ist1306 und die Frage der richtigen Konjunktion („und“, „oder“, „beziehungsweise“) nicht immer leicht zu beantworten ist1307, ist hier auch die Rechtssicherheit gefährdet.1308 1299

So auch „Gleichbehandlung von Frauen und Männern in der Rechtssprache. Bericht einer interministeriellen Arbeitsgruppe“ (Niedersachsen), S. 28, BArch, B 141/418841; dagegen hält M. Klein, Die Neubekanntmachung von Gesetzen vor dem Hintergrund der staatlichen Konsolidierungspflicht, 2010, S. 208 f. es für zulässig, wenn das Parlament nur die Umformulierung an sich beschließt und die „technische Umsetzung“ im Wege einer Neubekanntmachungserlaubnis der Exekutive überantwortet. 1300 Vgl. BT-Drs. 12/1041, S. 33; Bundesministerium der Justiz (Hrsg.), Handbuch der Rechtsförmlichkeit, 3. Aufl. 2008, Rn. 112; Schulze-Fielitz, KritV 72 (1989), 273 (287), der dies allerdings unter dem Aspekt kulturstaatlicher Grenzen (286 ff.) thematisiert. 1301 Vgl. Schulz, NJOZ 2018, 601 (603 f.); ähnliche Argumentationsrichtung bei Guentherodt, in: Grabrucker, Vater Staat hat keine Muttersprache, 1993, S. 246 (249 f.). 1302 Zu diesen Formen s. unter Erster Teil, C. 1303 Vgl. BT-Drs. 12/1041, S. 33 f.; Bundesministerium der Justiz (Hrsg.), Handbuch der Rechtsförmlichkeit, 3. Aufl. 2008, Rn. 115, wonach die Sparschreibung von Paarformen für Vorschriftentexte nicht erlaubt ist; Schulze-Fielitz, KritV 72 (1989), 273 (287); auf die Problematik der Barrierefreiheit von Texten im Internet hinweisend, die mittels eines Vorleseprogramms vorgelesen werden können sollen, Universität Passau, Richtlinien fu¨ r die sprachliche Gleichbehandlung von Frauen und Ma¨ nnern in der externen und internen Kommunikation an der Universita¨ t Passau gem. Beschluss vom 9. 4. 2013, S. 2, abrufbar unter http:// www.uni-passau.de/fileadmin/dokumente/frauenbuero/Aktuelles/richtlinien_gendergerechte_ sprache_2013-04-09_1.pdf (abgerufen am 2. 6. 2020). 1304 S. Bundesverwaltungsamt (Hrsg.), Merkblatt M 19 „Sprachliche Gleichbehandlung von Frauen und Ma¨ nnern“, 2. Aufl. 2002, S. 13. 1305 Dazu Kusterle, Die Macht von Sprachformen, 2011, S. 55, 197; Diewald/Steinhauer, Richtig gendern, hrsg. von der Dudenredaktion, 2017, S. 45. 1306 Ludwig, Der Deutschunterricht 41 (1989), Heft 6, 80 (83). 1307 So auch BT-Drs. 12/1041, S. 32; vgl. Bundesministerium der Justiz (Hrsg.), Handbuch der Rechtsförmlichkeit, 3. Aufl. 2008, Rn. 112; zur Frage der richtigen Konjunktion s. auch „Gleichbehandlung von Frauen und Männern in der Rechtssprache. Bericht einer interministeriellen Arbeitsgruppe“ (Niedersachsen), S. 11 f., BArch, B 141/418841; Kastendieck, ZevKR 35 (1990), 43 (53); Dietrich, in: Eichhoff-Cyrus/Hoberg (Hrsg.), Die deutsche Sprache zur Jahrtausendwende, 2000, S. 192 (213); s. dazu auch unter Dritter Teil, D. II. 4.

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3. Teil: Rechtlicher Rahmen für die Verwendung geschlechtergerechter Sprache

Sucht man im Sinne des Prinzips praktischer Konkordanz1309 nach einem bestmöglichen Ausgleich zwischen dem für geschlechtergerechte Sprache sprechenden Förderauftrag aus Art. 3 Abs. 2 Satz 2 GG einerseits und dem mit ihm insofern kollidierenden Gebot der Normenklarheit andererseits, kann es nicht darauf ankommen, welcher dieser Werte subjektiv „wichtiger“ erscheint.1310 Ziel muss vielmehr sein, beiden Verfassungsanliegen unter Berücksichtigung ihrer von der Verfassung zum Ausdruck gebrachten Wertigkeit so weit wie möglich gerecht zu werden – was umgekehrt allerdings regelmäßig auch Abstriche auf beiden Seiten impliziert.1311 Dies könnte durch die vorrangige Verwendung geschlechtsindifferenter und damit echt geschlechtsneutraler Begriffe in Rechtsvorschriften erfolgen1312, da diese im Hinblick auf das Gebot der Normenklarheit unter allen vorgenannten Teilaspekten den geringsten Bedenken unterliegen: Sie „blähen“ den Text nicht auf1313 und machen ihn so nicht schwerer verständlich, rufen keine Widersprüche wie Paarformen neben generischen Maskulina hervor, sind unproblematisch vorlesbar und bedürfen keiner „Auflösung“ mittels ungeklärter Konjunktionen. Zwar können geschlechtsneutrale Personenbezeichnungen nach vorliegenden Studienergebnissen die mentale Repräsentation von Frauen im Vergleich zu Männern nicht ebenso erhöhen wie Paarformen.1314 Es gibt jedoch Studien, wonach geschlechtsneutrale Begriffe zumindest eine gewisse Steigerung der mentalen Repräsentation von Frauen bewirken.1315 Auch dass manche neutralen Personenbezeichnungen 1308

79 f.). 1309

Vgl. E. Bülow, ZG 3 (1988), 160 (169); Dittmann, in: GS Schoenthal, 2002, S. 63 (71,

S. dazu einleitend unter Dritter Teil, B. I. 4. b). Vgl. Benda, 5. Öffentliche Anhörung der GVK vom 5. 11. 1992, zit. nach: Limbach/ Eckertz-Höfer (Hrsg.), Frauenrechte im Grundgesetz des geeinten Deutschland, 1993, S. 149. 1311 Vgl. Hesse, Grundzüge des Verfassungsrechts der Bundesrepublik Deutschland, 20. Aufl. 1995 (Neudruck 1999), Rn. 72; Gesellschaft für deutsche Sprache (Hrsg.), Fingerzeige für die Gesetzes- und Amtssprache, 11. Aufl. 1998, S. 115. 1312 Diese bevorzugend auch BT-Drs. 12/1041, S. 37; Bundesministerium der Justiz (Hrsg.), Handbuch der Rechtsförmlichkeit, 3. Aufl. 2008, Rn. 116; Mangold, VerfBlog vom 13. 3. 2018; Plett, Stellungnahme vom 23. 11. 2018, BT-Ausschussdrucks. 19(4)169 D neu, S. 6; für geschlechtsindifferente Formulierungen als Ausweglösung auch Leuer/Fessel, Frauen in der Sprache des Hochschulrechts, 1992, S. 24, 27, die speziell für das Hochschulrecht allerdings Paarformen präferieren (S. 23). 1313 A.A. Bertram, ZRP 2019, 59. 1314 Dazu Scheele/Gauler, Sprache & Kognition 12 (1993), 59 (71); F. Braun/Gottburgsen/ Sczesny/Stahlberg, ZGL 26 (1998), 265 (281); Heise, Zeitschrift für Sprache & Kognition 19 (2000), 3 (10 f.); Hellinger, in: Eichhoff-Cyrus (Hrsg.), Adam, Eva und die Sprache, 2004, S. 275 (289); Irmen/Linner, Zeitschrift für Psychologie 213 (2005), 167 (172); Kusterle, Die Macht von Sprachformen, 2011, S. 138, 182 f.; L. Bülow/Harnisch, in: Pfenninger/Navracsics (Hrsg.), Future Research Directions for Applied Linguistics, 2017, S. 149 (164); zu einzelnen abweichenden Untersuchungsergebnissen s. Stahlberg/Sczesny, Psychologische Rundschau 52 (2001), 131 (134 f.); Stahlberg/F. Braun/Irmen/Sczesny, in: Fiedler (Hrsg.), Social Communication, 2007, S. 163 (176 f.). 1315 S. V. Steiger/Irmen, Der Sprachdienst 52 (2008), 161 (169); Steiger-Loerbroks/ v. Stockhausen, Linguistische Berichte 237 (2014), 57 (73). 1310

B. Bundesverfassungsrechtliche Maßgaben für geschlechtergerechte Sprache

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ungewohnt oder sogar weniger „schön“ klingen mögen (wie z. B. „darlehensnehmende Person“ statt „Darlehensnehmer“), erscheint dann als hinnehmbar1316, solange es nicht um die Kreierung gänzlich neuer, im Deutschen nicht vorgesehener Begrifflichkeiten geht. Freilich stehen diese echt geschlechtsneutralen Begriffe in der deutschen Sprache nicht unbegrenzt zur Verfügung.1317 Insofern müssen im Sinne einer sog. „kreativen Lösung“1318 auch andere Formen mit ihren jeweiligen Vor- und Nachteilen in Betracht gezogen werden. bb) Grenzen aus dem Bundesstaatsprinzip? Die (Bundes-)Länder haben nicht nur in bestimmten Bereichen eigene Gesetzgebungskompetenzen (s. Art. 70, 72, 74 GG), sondern sie führen gem. Art. 83 GG auch die Bundesgesetze als eigene Angelegenheit aus, soweit das Grundgesetz nichts anderes bestimmt oder zulässt. Die Länder sind daher auch zuständig für den Erlass von Ausführungsgesetzen und Durchführungsverordnungen zum Bundesrecht. Da der Gesetzesvollzug grundsätzlich Ländersache ist, gestalten die Länder auch die Sprache, in der das Verwaltungshandeln erfolgt. Grenzen geschlechtergerechter Vorschriftensprache aus dem Bundesstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 1 GG) werden für den Fall für möglich gehalten, dass „aufeinander bezogenes Bundes- und Landesrecht oder (horizontal) verschiedene Ländergesetze sich so sprachlich auseinanderzuentwickeln drohen, daß es zu Schwierigkeiten bei der föderalistischen Zusammenarbeit kommen könnte“.1319 Bundes- und Landesgesetzgeber müssten aufgrund des verfassungsrechtlichen Gebots der Bundestreue „ein Mindestmaß an auch sprachlicher Homogenität anstreben“.1320 Insofern lässt sich auch von einem besonderen Aspekt des Gebots der Widerspruchsfreiheit des Rechts sprechen. Tatsächlich differieren die Vorgaben zu geschlechtergerechter Normsetzung und dementsprechend auch die Praxis im Bund und in den einzelnen Bundesländern deutlich. Daraus lässt sich aber wohl kaum ableiten, dass das Recht dieser Bundesländer untereinander und im Verhältnis zum Bundesrecht nicht mehr kompatibel wäre und insofern das Bundesstaatsprinzip beeinträchtigt wäre. Insbesondere lässt sich aus dem Gebot der Bundestreue auch keine Pflicht der Länder zur

1316 Vgl. Stefanowitsch, in: Baumann/Meinunger (Hrsg.), Die Teufelin steckt im Detail, 2017, S. 121 (128). 1317 Hellinger/Bierbach, Eine Sprache für beide Geschlechter, hrsg. von der Deutschen UNESCO-Kommission, 1993, S. 8; Diewald, in: Berghahn/Schultz (Hrsg.), Rechtshandbuch für Frauen- und Gleichstellungsbeauftragte (Stand: Mai 2020), Kap. 1.3, S. 7. 1318 S. dazu unter Erster Teil, C. 1319 So Schulze-Fielitz, KritV 72 (1989), 273 (286); zur Verzahnung von Bundes- und Landesrecht auch Lange-Klein, Terminologie et Traduction 2/1989, 23 (29). 1320 Schulze-Fielitz, KritV 72 (1989), 273 (286).

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3. Teil: Rechtlicher Rahmen für die Verwendung geschlechtergerechter Sprache

Anpassung ihrer Gesetzgebung an Regelungen des Bundes ableiten, soweit die Länder im Rahmen ihrer Gesetzgebungskompetenz handeln.1321 cc) (Kulturstaatliche) Grenzen aufgrund der Eigenart von Sprache? Wie bereits oben ausgeführt1322, können sich aus der Eigenart von Sprache Grenzen für die Art und das Ausmaß ihrer Regelung durch den Staat ergeben.1323 Dogmatisch lässt sich hier an einen verfassungsrechtlichen Kulturauftrag des Staates anknüpfen, dem auch die Bewahrung der Sprache zugeordnet werden kann.1324 Obwohl das Grundgesetz keine ausdrückliche Kulturstaatsklausel (etwa in Art. 20 GG) enthält, besteht breite Einigkeit, dass sich aus der Verfassung ein staatlicher Kulturauftrag herleiten lässt.1325 Die Ableitung erfolgt vor allem aus den Grundrechten1326, teilweise aber auch aus den (sonstigen) Aufgaben des Staates, für deren Erfüllung er notwendig auf kulturelle Voraussetzungen angewiesen sei1327. Das Bundesverfassungsgericht hat die Bundesrepublik Deutschland ausdrücklich als „Kulturstaat“ bezeichnet.1328 Bezogen auf geschlechtergerechte Sprache wird in der Literatur vertreten, dass der Gesetzgeber bei entsprechenden Bemühungen „möglichst nah bei dem heutigen Sprachempfinden bleiben [müsse]“.1329 Die Rechtssprache dürfe sich nicht weiter als sachlich zwingend erforderlich von der Umgangssprache entfernen.1330 Bei sprachlichen Neugestaltungen müsse der Übergang 1321 BVerfGE 26, 116 (137); Grzeszick, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 20 (IV.) Rn. 132 (Stand: März 2006). 1322 S. dazu unter Dritter Teil, B. I. 4. a) bb) (6). 1323 BGHZ 218, 96 (103 Rn. 24); vgl. zur Rechtschreibung BVerfGE 98, 218 (246); Häberle, JZ 1996, 719 (719 f.). 1324 So Schulze-Fielitz, KritV 72 (1989), 273 (287). 1325 S. BVerfGE 35, 79 (113 f.); 36, 321 (331); Roellecke, DÖV 1983, 653 ff.; Grimm, VVDStRL 42 (1984), 46 (63 ff.); Steiner, VVDStRL 42 (1984), 7 (12 ff., 38 ff.), der allerdings keine Notwendigkeit für eine verfassungsrechtliche Verankerung sieht (16 f.); R. J. Schweizer, VVDStRL 65 (2006), 346 (355), der ausdrücklich auch die Sprache erfasst sieht; Germelmann, Kultur und staatliches Handeln, 2013, S. 130 f.; zur Diskussion um die Aufnahme einer (ausdrücklichen) Staatszielbestimmung zur Kultur in das Grundgesetz s. auch BT-Drs. 12/ 6000, S. 75 ff.; Oppermann, Diskussionsbemerkung, VVDStRL 42 (1984), 101 (102 ff.). 1326 S. BVerfGE 35, 79 (113 f.); 36, 321 (331); Grimm, VVDStRL 42 (1984), 46 (67); kritisch Steiner, VVDStRL 42 (1984), 7 (13 ff.). 1327 So Grimm, VVDStRL 42 (1984), 46 (64); zustimmend Badura, Diskussionsbemerkung, VVDStRL 42 (1984), 104 (105). 1328 BVerfGE 35, 79 (113 f.); 36, 321 (331); ebenso VGH Bad.-Württ., VBlBW 2006, 464 (465); s. dazu BT-Drs. 12/6000, S. 82; kritisch zur Bezeichnung von Bund und Ländern als „Kulturstaaten“ Steiner, VVDStRL 42 (1984), 7 (13). 1329 Pflug, Diskussion Deutsch 21 (1990), 98 (102); vgl. auch (ohne Bezugnahme auf geschlechtergerechte Sprache) Menzel, NJW 1998, 1177 (1184), wonach der Staat keine „avantgardistischen“ Reformen wie die Einführung einer neuen Schriftsprache vornehmen dürfe. 1330 Pflug, Diskussion Deutsch 21 (1990), 98 (102).

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so schonend gestaltet werden, „daß die Rechtsadressaten den Wechsel in ihrem Denken und damit in ihrer Sprache mitvollziehen können“.1331 Von anderer Seite wird hingegen betont, dass Sprache stets einem Wandel unterliege und dies ein inhärentes Merkmal von Sprache sei.1332 In der Allgemeinsprache haben sich schon deutliche Veränderungen hin zur stärkeren Verwendung geschlechtergerechter Sprache ergeben, wenn auch über „das Mittel der Wahl“, also die konkrete Form geschlechtergerechter Sprache, keine Einigkeit besteht.1333 Richtig erscheint aber, dass etwa die Verwendung eines generischen Femininums1334 in der Rechtssprache zu sehr von den bisherigen breit konsentierten Sprachprinzipien abweichen würde und damit auch die Funktion von Sprache als zuverlässiges „Transportmedium“ des Rechts1335 gefährden würde.1336 Gleiches gilt für Erwägungen wie die Einführung eines neuen Genus oder Pronomens1337, wie dies etwa in Schweden mit der Einführung des geschlechtsneutralen Pronomens „hen“1338 geschehen ist.1339 Dagegen sind Formen wie das Binnen-I, der Gender-Star und der Gender-Gap1340 schon so weit in der Allgemeinsprache verbreitet, dass „kulturstaatliche Grenzen“1341 geschlechtergerechter Sprache hier nicht zum Zuge kommen können. Die Problematik ist insofern primär im Bereich der Rechtssicherheit bei der Verwendung dieser Formen anzusiedeln.1342

1331 Schulze-Fielitz, KritV 72 (1989), 273 (287) unter Bezugnahme auf Kirchhof; s. dazu Kirchhof, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts der Bundesrepublik Deutschland, Bd. II, 3. Aufl. 2004, § 20 Rn. 33. 1332 Diewald, in: Berghahn/Schultz (Hrsg.), Rechtshandbuch für Frauen- und Gleichstellungsbeauftragte (Stand: Mai 2020), Kap. 1.3, S. 24; vgl. A. Kienpointner/M. Kienpointner, in: FS Wellmann, 1996, S. 139 (155); Lo¨ wer, RdJB 45 (1997), 226 (226); Biaggini, DVBl. 2005, 1090 (1091). 1333 Nach Ansicht von Diewald, Der Sprachdienst 62 (2018), 195 (200) kann geschlechtergerechter Sprachgebrauch „heute als Bestandteil dessen angesehen werden, was gemeinhin als ,Sprachkultur‘ bezeichnet wird“. 1334 S. dazu unter Erster Teil, C. 1335 Vgl. dazu Kirchhof, in: GS F. Klein, 1977, S. 227 (227); Schulze-Fielitz, KritV 72 (1989), 273 (287); Kahl, VVDStRL 65 (2006), 386 (387). 1336 Vgl. Schulze-Fielitz, KritV 72 (1989), 273 (287); kritisch zu sehen ist daher das Gesetz über die Beauftragte des Landes Sachsen-Anhalt zur Aufarbeitung der SED-Diktatur (AufarbBG LSA), s. dazu unter Erster Teil, C. 1337 S. dazu unter Erster Teil, C. 1338 Dazu Hornscheidt, in: Scherr/El-Mafaalani/Yüksel (Hrsg.), Handbuch Diskriminierung, 2017, S. 793 (802). 1339 Vgl. Schoenthal, in: Besch/Betten/Reichmann/Sonderegger (Hrsg.), Sprachgeschichte, 2. Teilbd., 2000, S. 2064 (2071) zur Aufnahme des Pronomens „frau“ in Gesetzestexte. 1340 S. zu diesen Formen unter Erster Teil, C. 1341 So die Bezeichnung bei Schulze-Fielitz, KritV 72 (1989), 273 (286). 1342 S. dazu unter Dritter Teil, B. I. 4. b) aa).

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3. Teil: Rechtlicher Rahmen für die Verwendung geschlechtergerechter Sprache

dd) Begrenzung durch Grundrechte insbesondere derer, die zu geschlechtergerechter Sprache angehalten werden? Grenzen des Förderauftrags des Staates aus Art. 3 Abs. 2 Satz 2 GG können sich auch aus den Grundrechten ergeben. In Betracht kommen vor allem Grundrechte derjenigen, die zu geschlechtergerechter Sprache angehalten werden. Dies setzt allerdings voraus, dass die betroffenen Personen sich überhaupt auf die Grundrechte berufen können. Das trifft unproblematisch nur für Vorgaben zu geschlechtergerechter Sprache im privaten Bereich zu, während die öffentliche Hand vom Prinzip her grundrechtsverpflichtet, nicht aber grundrechtsberechtigt ist.1343 Dass Art. 3 Abs. 2 Satz 2 GG grundsätzlich auch Einwirkungen auf den privaten Bereich gestattet, wird zwar teilweise kritisiert1344, ist aber vom Wortlaut her und nach dem Sinn und Zweck der Norm die naheliegende Interpretation.1345 Als Vorgaben zu geschlechtergerechter Sprache entgegenstehendes Recht wird immer wieder die „Freiheit des Sprechens“ angeführt.1346 Soweit hier Parallelen zu diktatorischen Staatssystemen und totalitären Regimen gezogen werden1347, sogar vor Orwell’schen Schreckensszenarien im Sinne einer „Sprachpolizei“ gewarnt wird1348, ist dies sicherlich als überzogen zu bewerten. Andererseits steckt hinter diesen Argumenten aber ein rationaler Kern. Die persönliche Ausdrucksweise ist 1343

Vgl. BVerfGE 15, 256 (262). S. etwa Hofmann, FamRZ 1995, 257 (261 f.). 1345 Im Ergebnis ebenso die Begründung zum Entwurf eines Gleichstellungsgesetzes der Expertinnengruppe, in: Pfarr (Hrsg.), Ein Gesetz zur Gleichstellung der Geschlechter in der Privatwirtschaft, 2001, S. 37 (41); H.-J. Vogel, in: FS Benda, 1995, S. 395 (413 f.); Ruffert, Vorrang der Verfassung und Eigenständigkeit des Privatrechts, 2001, S. 181; Sacksofsky, in: Umbach/Clemens (Hrsg.), GG, Bd. I, 2002, Art. 3 Rn. 356; Brosius-Gersdorf, VerfBlog vom 25. 2. 2019; Butzer, NdsVBl. 2019, 10 (18); wohl auch – obgleich pauschal Art. 3 Abs. 2 GG nennend – Britz, VVDStRL 64 (2005), 355 (364 Fn. 30). 1346 S. etwa Grünberger, JZ 2018, 719 (725); Kirchhof, FAZ Nr. 118 vom 24. 5. 2018, S. 7; s. dazu auch Hellinger, Kontrastive Feministische Linguistik, 1990, S. 136; Hellinger, in: Eichhoff-Cyrus (Hrsg.), Adam, Eva und die Sprache, 2004, S. 275 (283); Diewald, Der Sprachdienst 62 (2018), 195 (199); allerdings spielt nach Ansicht von Hellinger, in: EichhoffCyrus/Hoberg (Hrsg.), Die deutsche Sprache zur Jahrtausendwende, 2000, S. 177 (188) das Argument der freien Meinungsäußerung in der Debatte um geschlechtergerechten Sprachgebrauch nur eine „marginale Rolle“. 1347 S. etwa Kirchhof, FAZ Nr. 118 vom 24. 5. 2018, S. 7; s. dazu auch Hellinger, in: Eichhoff-Cyrus/Hoberg (Hrsg.), Die deutsche Sprache zur Jahrtausendwende, 2000, S. 177 (184 f.). 1348 Vgl. Lorenz, Muttersprache 101 (1991), 272 (276); Lorenz, in: Baumann/Meinunger (Hrsg.), Die Teufelin steckt im Detail, 2017, S. 230 (238 f.); Schuppelius, FDP kippt um und schreibt jetzt auch mit dem Gender-Sternchen, B.Z. Online vom 9. 5. 2017, http://www.bz-ber lin.de/berlin/kolumne/fdp-kippt-um-und-schreibt-jetzt-auch-mit-dem-gender-sternchen (abgerufen am 2. 6. 2020); v. Becker, Sprache und Geschlechter. Beim Gendern droht eine autoritäre Gedankenpolizei, Tagesspiegel Online vom 12. 4. 2018, https://www.tagesspiegel.de/kultur/spra che-und-geschlechter-beim-gendern-droht-eine-autoritaere-gedankenpolizei/21165094.html (abgerufen am 2. 6. 2020). 1344

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etwas sehr Individuelles.1349 Sie ist oft durch die Herkunft geprägt, und zwar sowohl durch die regionale als auch durch die soziale Herkunft.1350 Manchmal ist sie auch Ausdruck einer bestimmten Gruppenzugehörigkeit oder Selbstdefinition.1351 Die persönliche Ausdrucksweise bestimmt zudem maßgeblich die Kommunikation mit anderen Menschen, indem sie es einerseits ermöglicht, Botschaften der eigenen Intention entsprechend zu übermitteln, andererseits aber auch die Fremdwahrnehmung der eigenen Person prägt.1352 Insofern ist zunächst zu klären, durch welche Grundrechte die „Freiheit des Sprechens“ geschützt wird, die sich auch als Freiheit der Ausdrucksweise bezeichnen lässt und die gesprochene ebenso wie die geschriebene Sprache erfasst.1353 Soweit nicht speziell geschützte Aspekte zum Zuge kommen wie die Wissenschaftsfreiheit (Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG)1354, die Kunstfreiheit (Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG)1355 oder das elterliche Erziehungsrecht als Recht auch der sprachlichen Erziehung (Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG)1356, kommt insbesondere die Meinungsfreiheit (Art. 5 Abs. 1 Satz 1, 1. Hs. GG) als sedes materiae in Betracht.1357 Da die Meinungsfreiheit allerdings grundsätzlich nur Werturteile im Unterschied zu Tatsachenmitteilungen schützt, während Tatsachen dem Schutz der Meinungsfreiheit nur unterfallen, weil und soweit sie Voraussetzung für das Bilden einer Meinung sind (str.)1358, stellt sich 1349

Vgl. nur Oksaar, ARSP 53 (1967), 91 (93); Mayer, Der Staat 44 (2005), 367 (393). Oksaar, ARSP 53 (1967), 91 (91). 1351 Dazu Oksaar, ARSP 53 (1967), 91 (92); R. J. Schweizer, VVDStRL 65 (2006), 346 (352); Kotthoff, OBST 90 (2017), 91 (100). 1352 Vgl. Oksaar, ARSP 53 (1967), 91 (92); Isensee, in: FS Carl Heymanns Verlag KG, 1995, S. 571 (574); Kirchhof, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts der Bundesrepublik Deutschland, Bd. II, 3. Aufl. 2004, § 20 Rn. 6. 1353 Zum Verhältnis von gesprochener und geschriebener Sprache eingehend Kopke, Rechtschreibreform und Verfassungsrecht, 1995, S. 251 ff. 1354 Kirchhof, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts der Bundesrepublik Deutschland, Bd. II, 3. Aufl. 2004, § 20 Rn. 18; Kahl, VVDStRL 65 (2006), 386 (396 Fn. 40); s. dazu unter Dritter Teil, B. I. 4. b) dd) (2). 1355 Etwa wenn es um Forderungen geht, auch Gedichte oder Liedtexte geschlechtergerecht umzuformulieren wie z. B. die Nationalhymne; dazu Janker, Weibliche Anrede. Es geht um Gerechtigkeit, nicht um Befindlichkeiten, Süddeutsche Zeitung vom 13. 3. 2018, https://www. sueddeutsche.de/leben/weibliche-anrede-es-geht-um-gerechtigkeit-nicht-um-befindlichkei ten-1.3902377 (abgerufen am 2. 6. 2020); vgl. auch Lorenz, in: Baumann/Meinunger (Hrsg.), Die Teufelin steckt im Detail, 2017, S. 230 (238). 1356 Kirchhof, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts der Bundesrepublik Deutschland, Bd. II, 3. Aufl. 2004, § 20 Rn. 18, 111; Kahl, VVDStRL 65 (2006), 386 (396 Fn. 40); s. dazu unter Dritter Teil, B. I. 4. b) dd) (3). 1357 Vgl. Kopke, Rechtschreibreform und Verfassungsrecht, 1995, S. 215 ff., 287 Fn. 378; Kirchhof, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts der Bundesrepublik Deutschland, Bd. II, 3. Aufl. 2004, § 20 Rn. 18, 111; Kahl, VVDStRL 65 (2006), 386 (396 Fn. 40). 1358 BVerfGE 61, 1 (8); 85, 1 (15); vgl. BVerfGE 90, 241 (247), wonach Tatsachen „jedenfalls insoweit“ geschützt seien; für einen Schutz auch von Tatsachen Schulze-Fielitz, in: Dreier (Hrsg.), GG, Bd. I, 3. Aufl. 2013, Art. 5 Abs. 1, 2 Rn. 64 ff. 1350

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3. Teil: Rechtlicher Rahmen für die Verwendung geschlechtergerechter Sprache

die Frage, ob es sich bei der Verwendung (nicht) geschlechtergerechter Sprache um eine Meinungskundgabe i. S. d. Art. 5 Abs. 1 Satz 1, 1. Hs. GG handelt. Eine Meinung ist eine wertende Stellungnahme, die geprägt ist durch Elemente des Dafürhaltens im Rahmen einer geistigen Auseinandersetzung.1359 Unabhängig davon, dass mit geschlechtergerechter Sprache inhaltlich nichts Abweichendes zum Ausdruck gebracht werden soll1360, der Inhalt von Begriffen nur verdeutlicht werden soll, ist die Verwendung geschlechtergerechter Sprache oft auch als Positionierung dahingehend zu verstehen, dass die sprachliche Sichtbarmachung von Frauen (bzw. nichtmännlichen Personen) für wichtig erachtet wird und somit als Werturteil.1361 Umgekehrt kann auch die Verwendung des generischen Maskulinums Ausdruck einer persönlichen Einstellung (etwa gegen „Gender-Wahn“1362) sein. Dies spricht dafür, dass die Wahl (nicht) geschlechtergerechter Sprache dem Schutz der Meinungsfreiheit unterfällt.1363 Diese schützt auch die Form einer Aussage.1364 Dass nach Art. 5 Abs. 1 Satz 1, 1. Hs. GG ausdrücklich das Recht der Meinungsäußerung in „Wort, Schrift und Bild“ geschützt ist, macht deutlich, dass jedenfalls1365 das Sprechen hier ebenso wie das Schreiben geschützt ist. Hält man die Meinungsfreiheit demnach für einschlägig, kommt die allgemeine Handlungsfreiheit aus Art. 2 Abs. 1 GG1366 wegen dessen Subsidiarität nicht zum Zuge.1367

1359

Vgl. BVerfGE 7, 198 (210); 61, 1 (8 f.); 85, 1 (14); 90, 241 (247). M. Klein, Die Neubekanntmachung von Gesetzen vor dem Hintergrund der staatlichen Konsolidierungspflicht, 2010, S. 208 f. 1361 Vgl. Kopke, Rechtschreibreform und Verfassungsrecht, 1995, S. 216 f., der in geschlechtergerechter Sprache einen Ausdruck der Meinung sieht, dass „die gängigen Formen … diskriminiere[n]“, allerdings zugleich einen Verstoß gegen eine grammatische Regel (generisches Maskulinum) annimmt. 1362 S. dazu etwa Rohleder, Bestseller-Autorin Birgit Kelle: So irre ist der Gender-Wahn, Onlineportal Merkur.de vom 6. 3. 2015, https://www.merkur.de/politik/bestseller-autorin-birgitkelle-irre-gender-wahn-gender-gaga-4790683.html (abgerufen am 2. 6. 2020); Kissler, „Herr Professorin“. Genderwahn auf dem Vormarsch, Cicero Online vom 11. 6. 2013, https://www.ci cero.de/kultur/herr-professorin-genderwahn-auf-dem-vormarsch/54699 (abgerufen am 2. 6. 2020); vgl. auch Honsell, in: Staudinger, BGB, Buch 1 – Einl zum BGB; §§ 1 – 14; Verschollenheitsgesetz, Neubearb. 2018, Einl zum BGB Rn. 113b, der von „übertriebenem Gendereifer“ spricht. 1363 So auch Kopke, Rechtschreibreform und Verfassungsrecht, 1995, S. 216 f., 287 Fn. 378, der allerdings von einem „Grenzfall“ spricht (S. 216). 1364 BVerfGE 90, 241 (247); 93, 266 (289); dies verkennt Stefanowitsch, Eine Frage der Moral, 2018, S. 19 f. 1365 Die Nennung von „Wort, Schrift und Bild“ in Art. 5 Abs. 1 Satz 1, 1. Hs. GG wird darüber hinaus nicht als abschließend erachtet, s. nur Grabenwarter, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 5 Abs. 1, 2 Rn. 91 m. w. N. (Stand: Jan. 2013). 1366 Für einen Schutz der Freiheit der Ausdrucksweise durch die allgemeine Handlungsfreiheit wohl Kirchhof, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts der Bundesrepublik Deutschland, Bd. II, 3. Aufl. 2004, § 20 Rn. 18, 111. 1367 Zur Subsidiarität der allgemeinen Handlungsfreiheit gegenüber den spezielleren Freiheitsrechten s. nur BVerfGE 6, 32 (37); 89, 1 (13). 1360

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Es sprechen allerdings auch gute Gründe für eine Ansiedlung der Freiheit der Ausdrucksweise im Allgemeinen Persönlichkeitsrecht1368, das die Rechtsprechung aus Art. 2 Abs. 1 i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG entwickelt hat1369. Hier wird der Persönlichkeitsbezug von Sprache als identitätsprägender Faktor1370 noch deutlicher. Bezogen auf die Verwendung bzw. Ablehnung geschlechtergerechter Sprache könnte die Meinungsfreiheit aber auch gegenüber dem Allgemeinen Persönlichkeitsrecht als lex specialis anzusehen sein.1371 Andererseits muss die Verwendung geschlechtergerechter Sprache nicht immer Ausdruck einer dahinterstehenden „Gesinnung“ sein, sie kann auch als bloße Befolgung gesellschaftlicher Übereinkünfte („political correctness“1372) oder institutioneller Vorgaben erfolgen.1373 Umgekehrt kann die Verwendung des generischen Maskulinums auch allein durch die Einhaltung (zwischenzeitlich allerdings in Frage gestellter) Grammatikregeln (i. S. v. Gebrauchskonventionen) motiviert sein. Dann stellen sich Vorgaben zu geschlechtergerechter Sprache nicht als Beschränkung einer Meinungskundgabe dar, sondern eher Rechtschreibregeln oder Vorgaben zur Zitierweise vergleichbar als Formalvorga-

1368

So unter der Bezeichnung als Recht auf „sprachliche Integrität“ VG Dresden, SächsVBl. 1997, 241 (242); VG Hannover, NJW 1998, 1250 (1251); Kopke, Rechtschreibreform und Verfassungsrecht, 1995, S. 241; Kopke, NJW 1996, 1081 (1082 f.); Häberle, JZ 1996, 719 (719); Gröschner, in: Eroms/Munske (Hrsg.), Die Rechtschreibreform, 1997, S. 69 (76); Di Fabio, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 2 Abs. 1 Rn. 219 f. (Stand: Juli 2001); unter der Bezeichnung als Sprechfreiheit Kirchhof, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts der Bundesrepublik Deutschland, Bd. II, 3. Aufl. 2004, § 20 Rn. 18, der allerdings nur Art. 2 Abs. 1 GG nennt; unter der Bezeichnung als „Grundrecht auf Sprachenfreiheit“ Kahl, VVDStRL 65 (2006), 386 (395 f.); bezogen auf die Schreibfreiheit auch Gröschner/Kopke, JuS 1997, 298 (299); vgl. auch Hufen, JuS 1997, 170 (171). Das BVerfG hat in seinem Urteil zur Rechtschreibreform ausdrücklich offengelassen, ob die Beibehaltung der alten Rechtschreibung durch die allgemeine Handlungsfreiheit des Art. 2 Abs. 1 GG oder das Allgemeine Persönlichkeitsrecht aus Art. 2 Abs. 1 i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG geschützt ist, weil es jedenfalls einen Eingriff in diese Grundrechte abgelehnt hat, s. BVerfGE 98, 218 (261 f.); offengelassen auch bei Hufeld, JuS 1996, 1072 (1073). 1369 S. nur BVerfGE 54, 148 (153 f.); 79, 256 (268). 1370 Biaggini, DVBl. 2005, 1090 (1090, 1096); Mayer, Der Staat 44 (2005), 367 (393); Kahl, VVDStRL 65 (2006), 386 (395); vgl. Häberle, in: FS Pedrazzini, 1990, S. 105 (120); R. J. Schweizer, VVDStRL 65 (2006), 346 (352). 1371 In diese Richtung Kopke, Rechtschreibreform und Verfassungsrecht, 1995, S. 287 Fn. 378. 1372 So die Einordnung von Starck, NdsVBl. 1994, 2 (7); Kunkel-Razum, in: Eichhoff-Cyrus (Hrsg.), Adam, Eva und die Sprache, 2004, S. 308 (315); Kahl, VVDStRL 65 (2006), 386 (390 Fn. 15); G. Bachmann, NVwZ 2008, 754 (754); L. Bülow/Herz, Linguistische Berichte 240 (2014), 471 (497); Harnisch, in: Bittner/C. Spieß (Hrsg.), Formen und Funktionen, 2016, S. 159 (169 f.); v. Münch, Meinungsfreiheit gegen Political Correctness, 2017, S. 5; Stefanowitsch, Eine Frage der Moral, 2018, passim; ablehnend Europäisches Parlament, Geschlechterneutraler Sprachgebrauch im Europäischen Parlament, 2018, S. 3; Dittmann, in: GS Schoenthal, 2002, S. 63 (64); s. dazu auch Kusterle, Die Macht von Sprachformen, 2011, S. 198. 1373 Vgl. Braun, Mitteilungen des Deutschen Germanistenverbandes 39 (1992), Heft 3, 53 (56); dazu auch Ivanov/M. B. Lange/Tiemeyer/Ptok, Gender(ed) Thoughts 2/2019, 1 (10 f., 14).

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3. Teil: Rechtlicher Rahmen für die Verwendung geschlechtergerechter Sprache

ben1374, und zwar auch für reine Tatsachenäußerungen. Doch auch wer geschlechtergerechter Sprache gegenüber neutral eingestellt ist und nur über Tatsachen berichtet, kann ein Interesse daran haben, so wie gewohnt zu sprechen und zu schreiben.1375 Dies spricht dafür, dass (nur) in diesen Fällen der Schutz durch das Allgemeine Persönlichkeitsrecht weiter reicht als durch die Meinungsfreiheit. Die allgemeine Handlungsfreiheit tritt dann auch gegenüber dem Schutz durch das Allgemeine Persönlichkeitsrecht aus Art. 2 Abs. 1 i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG zurück.1376 Die Einführung allgemeinverbindlicher, für jedermann in jedem Bereich geltender staatlicher Vorgaben zur Verwendung geschlechtergerechter Sprache wird soweit ersichtlich nicht ernsthaft erwogen.1377 Sie wäre mit Blick auf die vorgenannten Grundrechte in dieser umfassenden Form auch nicht als verfassungsgemäß zu erachten.1378 Zwar ist der Staat an Art. 3 Abs. 2 Satz 2 GG gebunden und daher gehalten, die faktische Gleichberechtigung zu fördern, wozu das Hinwirken auf geschlechtergerechte Sprache beitragen kann.1379 Allerdings sind, wie das Bundesverfassungsgericht ausgeführt hat, die „Bürger … rechtlich … nicht gehalten, die der Verfassung zugrunde liegenden Wertsetzungen persönlich zu teilen“; das Grundgesetz „baut zwar auf der Erwartung auf, dass die Bürger die allgemeinen Werte der Verfassung akzeptieren und verwirklichen, erzwingt die Werteloyalität aber nicht“.1380

1374 S. dazu Löwenstein, Gender Mainstreaming. Nun soll die Sprache die Geschlechtergerechtigkeit erzwingen, FAZ Online vom 2. 12. 2014, http://www.faz.net/aktuell/politik/aus land/europa/oesterreich-gender-mainstreaming-an-hochschulen-13294091.html#void (abgerufen am 2. 6. 2020). 1375 Zur Bedeutung von Gewohnheit für die Wahl bestimmter Sprachformen Ivanov/ M. B. Lange/Tiemeyer/Ptok, Gender(ed) Thoughts 2/2019, 1 (14). 1376 Kopke, Rechtschreibreform und Verfassungsrecht, 1995, S. 228 f.; Epping, Grundrechte, 8. Aufl. 2019, Rn. 658. 1377 Vgl. Hellinger, in: Eichhoff-Cyrus (Hrsg.), Adam, Eva und die Sprache, 2004, S. 275 (275). 1378 So wohl auch G. Bachmann, NVwZ 2008, 754 (755); G. Bachmann, NJW 2018, 1648 (1651); verfassungsrechtliche Bedenken äußernd auch Kopke, Rechtschreibreform und Verfassungsrecht, 1995, S. 217 Fn. 10; vgl. der Tendenz nach Kirchhof, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts der Bundesrepublik Deutschland, Bd. II, 3. Aufl. 2004, § 20 Rn. 17 f., 96, 111; im Ergebnis ebenso zu einer umfassend Geltung beanspruchenden Rechtschreibreform VG Hannover, NJW 1998, 1250 (1252); Menzel, RdJB 46 (1998), 36 (39); Menzel, NJW 1998, 1177 (1184). Dagegen meint Hellinger, Kontrastive Feministische Linguistik, 1990, S. 136, „sexistischer Sprachgebrauch [könne] ebensowenig mit dem Hinweis auf ,Redefreiheit‘ verteidigt werden wie rassistische oder anti-semitische Formulierungen“. 1379 S. dazu unter Dritter Teil, B. I. 4. a) bb) (5). 1380 BVerfGE 124, 300 (320); ähnlich BVerfG, NJW 2001, 2069 (2070); BVerfG, NJW 2009, 908 (909 Rn. 11); vgl. dazu Ebsen, in: Benda/Maihofer/H.-J. Vogel (Hrsg.), Handbuch des Verfassungsrechts der Bundesrepublik Deutschland, 2. Aufl. 1994, § 8 Rn. 12. Zu Ausnahmen im Anwendungsbereich des AGG s. unter Dritter Teil, D. I. 3.

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(1) Speziell in der Verwaltung: Meinungsfreiheit und Allgemeines Persönlichkeitsrecht? Fraglich ist, ob sich die in der Verwaltung tätigen (verbeamteten oder angestellten) Personen gegenüber Vorgaben zu geschlechtergerechter Sprache auf Grundrechte, insbesondere die Meinungsfreiheit und das Allgemeine Persönlichkeitsrecht, berufen können. Insofern ist zu berücksichtigen, dass verbeamtete Personen sowie Angestellte des öffentlichen Dienstes in einem besonderen Rechtsverhältnis zum Staat stehen, welches früher als „besonderes Gewaltverhältnis“ bezeichnet wurde.1381 Heute wird stattdessen eher von Sonderstatusverhältnissen1382 oder Sonderrechtsverhältnissen gesprochen.1383 Sonderstatusverhältnisse zeichnen sich trotz Unterschieden zwischen den einzelnen Sonderstatusverhältnissen untereinander durch eine besondere Nähe der Betroffenen zum Staat aus, die mit gesteigerten Bindungen, aber auch Verpflichtungen einhergeht.1384 Dass die Grundrechte im Sonderstatusverhältnis überhaupt nicht zur Anwendung kommen, wurde zwar früher vertreten1385, entspricht heute aber weder der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts1386 noch der allgemeinen Meinung in der Literatur1387. Vielmehr sind bzgl. der Grundrechte im Sonderstatusverhältnis dessen 1381 Stern, Das Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland, Bd. III/1, 1988, § 74, S. 1381; Kopke, Rechtschreibreform und Verfassungsrecht, 1995, S. 277, 292; Peine, in: D. Merten/ Papier (Hrsg.), Handbuch der Grundrechte in Deutschland und Europa, Bd. III, 2009, § 65 Rn. 1 f., 11; Grabenwarter, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 5 Abs. 1, 2 Rn. 149 (Stand: Jan. 2013). 1382 S. etwa Peine, in: D. Merten/Papier (Hrsg.), Handbuch der Grundrechte in Deutschland und Europa, Bd. III, 2009, § 65 Rn. 1 ff.; Grabenwarter, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 5 Abs. 1, 2 Rn. 149 ff. (Stand: Jan. 2013); Schwarz, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 17a Rn. 9 ff. (Stand: Juli 2014). 1383 Epping, Grundrechte, 8. Aufl. 2019, Rn. 698; kritisch zur Ablehnung der früheren Terminologie Stern, Das Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland, Bd. III/1, 1988, § 74, S. 1381; Peine, in: D. Merten/Papier (Hrsg.), Handbuch der Grundrechte in Deutschland und Europa, Bd. III, 2009, § 65 Rn. 11 ff.; Schwarz, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 17a Rn. 10 (Stand: Juli 2014). 1384 Vgl. Stern, Das Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland, Bd. III/1, 1988, § 74, S. 1381, 1383; Peine, in: D. Merten/Papier (Hrsg.), Handbuch der Grundrechte in Deutschland und Europa, Bd. III, 2009, § 65 Rn. 1 f., 5; Grabenwarter, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 5 Abs. 1, 2 Rn. 149 (Stand: Jan. 2013). 1385 S. dazu etwa Thoma, in: Festgabe zur Feier des 50jährigen Bestehens des preußischen Oberverwaltungsgerichts, 1925, S. 183 (206 f.); Jellinek, Verwaltungsrecht, 3. Aufl. 1931 (Neudruck 1948), S. 122; zur Historie Stern, Das Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland, Bd. III/1, 1988, § 74, S. 1376 ff.; Peine, in: D. Merten/Papier (Hrsg.), Handbuch der Grundrechte in Deutschland und Europa, Bd. III, 2009, § 65 Rn. 14 ff. 1386 Grundlegend BVerfGE 33, 1 (9 ff.). 1387 S. nur Stern, Das Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland, Bd. III/1, 1988, § 74, S. 1376 f.; Kopke, Rechtschreibreform und Verfassungsrecht, 1995, S. 277; W. Thieme, Deutsches Hochschulrecht, 3. Aufl. 2004, Rn. 838; Peine, in: D. Merten/Papier (Hrsg.), Handbuch der Grundrechte in Deutschland und Europa, Bd. III, 2009, § 65 Rn. 33, 40 ff.; Grabenwarter, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 5 Abs. 1, 2 Rn. 150 (Stand: Jan. 2013); Schwarz, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 17a Rn. 11 ff. (Stand: Juli 2014).

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3. Teil: Rechtlicher Rahmen für die Verwendung geschlechtergerechter Sprache

Besonderheiten zu berücksichtigen.1388 Insbesondere ist eine weitgehendere Beschränkung von Grundrechten möglich, die allerdings in dem Zweck des Sonderstatusverhältnisses und der Sicherung seiner Funktionsfähigkeit begründet sein muss.1389 Dass die Verfassung diese Sonderstatusverhältnisse zumindest implizit anerkennt, bildet die Grundlage dafür, aus ihnen auch (weiter gehende) Möglichkeiten der Beschränkung von Grundrechten abzuleiten, weil es hier denknotwendig zu Spannungen kommt.1390 Dabei ist aber auch in Sonderstatusverhältnissen der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu beachten.1391 Allerdings unterfallen Äußerungen in Ausübung eines öffentlichen Amtes bereits nicht dem Schutz der Meinungsfreiheit.1392 Verbeamtete Personen äußern amtlich keine eigene Meinung und ihnen werden dienstliche Äußerungen auch nicht als eigene zugerechnet.1393 Bei Vorgaben für die dienstliche Kommunikation ist außerdem nur das sog. „Betriebsverhältnis“1394 betroffen, sodass nur eine geringe Grundrechtsbeeinträchtigung vorliegt.1395 Vorgaben zu geschlechtergerechter Spra1388 Vgl. W. Thieme, Deutsches Hochschulrecht, 3. Aufl. 2004, Rn. 838; Peine, in: D. Merten/Papier (Hrsg.), Handbuch der Grundrechte in Deutschland und Europa, Bd. III, 2009, § 65 Rn. 44; Bethge, in: Sachs (Hrsg.), GG, 8. Aufl. 2018, Art. 5 Rn. 179. 1389 Vgl. Stern, Das Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland, Bd. III/1, 1988, § 74, S. 1386, 1390 f., 1393; Kopke, Rechtschreibreform und Verfassungsrecht, 1995, S. 284, 290; Peine, in: D. Merten/Papier (Hrsg.), Handbuch der Grundrechte in Deutschland und Europa, Bd. III, 2009, § 65 Rn. 5, 44, 47 ff., 62 ff.; Grabenwarter, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 5 Abs. 1, 2 Rn. 150 f. (Stand: Jan. 2013); Schulze-Fielitz, in: Dreier (Hrsg.), GG, Bd. I, 3. Aufl. 2013, Art. 5 Abs. 1, 2 Rn. 154, 185; Schwarz, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 17a Rn. 11, 14 (Stand: Juli 2014); a. A. (zu Studierenden) W. Thieme, Deutsches Hochschulrecht, 3. Aufl. 2004, Rn. 838, wonach es nicht um eine Einschränkung von Grundrechten, sondern um von vornherein durch den Anstaltszweck beschränkte Rechte gehe. 1390 Vgl. Peine, in: D. Merten/Papier (Hrsg.), Handbuch der Grundrechte in Deutschland und Europa, Bd. III, 2009, § 65 Rn. 44; vgl. auch Loschelder, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts der Bundesrepublik Deutschland, Bd. IX, 3. Aufl. 2011, § 202 Rn. 31 ff., der allerdings meint, es gehe nicht um verstärkte Eingriffsmöglichkeiten, sondern abweichende Freiheitsbedingungen. 1391 Stern, Das Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland, Bd. III/1, 1988, § 74, S. 1386; Kopke, Rechtschreibreform und Verfassungsrecht, 1995, S. 284, 290; Peine, in: D. Merten/ Papier (Hrsg.), Handbuch der Grundrechte in Deutschland und Europa, Bd. III, 2009, § 65 Rn. 66 ff.; Grabenwarter, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 5 Abs. 1, 2 Rn. 150 f. (Stand: Jan. 2013); Schwarz, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 17a Rn. 11, 20 (Stand: Juli 2014). 1392 Wendt, in: v. Münch/Kunig, GG, Bd. I, 6. Aufl. 2012, Art. 5 Rn. 7; Grabenwarter, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 5 Abs. 1, 2 Rn. 153 (Stand: Jan. 2013); Schulze-Fielitz, in: Dreier (Hrsg.), GG, Bd. I, 3. Aufl. 2013, Art. 5 Abs. 1, 2 Rn. 188; Bethge, in: Sachs (Hrsg.), GG, 8. Aufl. 2018, Art. 5 Rn. 39; Schemmer, in: Epping/Hillgruber (Hrsg.), BeckOK GG, Stand: Dez. 2019, Art. 5 Rn. 137. 1393 Kopke, Rechtschreibreform und Verfassungsrecht, 1995, S. 217 Fn. 10. 1394 Grundlegend zur Unterscheidung zwischen Grundverhältnis und (rein verwaltungsinternem) Betriebsverhältnis Ule, VVDStRL 15 (1957), 133 (152 ff.). 1395 Vgl. zur Rechtschreibreform BVerwG, NVwZ 2002, 610 (611); Kahl, VVDStRL 65 (2006), 386 (403 f. Fn. 74), wo bereits ein Eingriff in das Persönlichkeitsrecht Verbeamteter abgelehnt wird; a. A. Kopke, Rechtschreibreform und Verfassungsrecht, 1995, S. 277 ff.

B. Bundesverfassungsrechtliche Maßgaben für geschlechtergerechte Sprache

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che sind insoweit gerechtfertigt durch die Bindung der Verwaltung an Art. 3 Abs. 2 Satz 2 GG. Dagegen wären Vorgaben zur Verwendung geschlechtergerechter Sprache auch außerhalb des Dienstes als zu weitgehend zu erachten.1396 (2) Speziell im universitären Bereich: Wissenschaftsfreiheit aus Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG und Meinungsfreiheit der Studierenden Speziell im universitären Bereich (bzw. allgemein im Hochschulbereich1397) könnte insbesondere Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG bindenden Vorgaben zu geschlechtergerechter Sprache entgegenstehen. Danach sind Kunst und Wissenschaft, Forschung und Lehre frei. Als Abwehrrecht schützt Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG die wissenschaftliche Betätigung gegen staatliche Eingriffe und steht allen zu, die wissenschaftlich tätig sind oder tätig werden wollen.1398 Dabei wird der Begriff „Wissenschaft“ als gemeinsamer Oberbegriff für Forschung und Lehre angesehen.1399 Die Freiheit der Forschung umfasst insbesondere „die Fragestellung und die Grundsätze der Methodik sowie die Bewertung des Forschungsergebnisses und seine Verbreitung“; die Freiheit der Lehre insbesondere „deren Inhalt, den methodischen Ansatz und das Recht auf Äußerung von wissenschaftlichen Lehrmeinungen“.1400 Darunter lässt sich auch die sprachliche Form der Verbreitung von Forschungserkenntnissen durch deren Veröffentlichung und die in Lehrveranstaltungen und Lehrmaterialien benutzte Sprache subsumieren.1401 Andererseits nehmen an Hochschulen wissenschaftlich Tätige aber auch Aufgaben wahr, die nicht dem Schutz der Wissenschaftsfreiheit unterfallen, wie etwa die dienstliche Korrespondenz, die Ausführung von Verwaltungsaufgaben und die Abnahme staatlicher Prüfungen.1402 Obwohl Universitäten (jedenfalls in Niedersachsen die in staatlicher Verantwortung, s. § 15 Satz 1 NHG) Körperschaften des öffentlichen Rechts sind und sie (auch) staatliche Aufgaben wahrnehmen, können sich ihre wissenschaftlich tätigen

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Vgl. zu Vorgaben für die Rechtschreibung Roellecke, NJW 1997, 2500 (2500). Zu Fachhochschulen s. BVerfGE 126, 1 (19 f.); BayVGH, DÖV 1985, 496 (497); Kempen, in: Hartmer/Detmer (Hrsg.), Hochschulrecht, 3. Aufl. 2017, Kap. 1 Rn. 17, 90. 1398 BVerfGE 15, 256 (263 f.); 35, 79 (111); VGH Bad.-Württ., VBlBW 2006, 464 (464). Das sind vor allem Professor_innen, können aber auch etwa wissenschaftliche Mitarbeiter_innen sein, soweit sie selbstständig wissenschaftlich tätig werden, s. Kempen, in: Hartmer/ Detmer (Hrsg.), Hochschulrecht, 3. Aufl. 2017, Kap. 1 Rn. 18, 89; Gärditz, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 5 Abs. 3 Rn. 129 (Stand: Aug. 2019). 1399 BVerfGE 35, 79 (112); VGH Bad.-Württ., VBlBW 2006, 464 (465); Kempen, in: Hartmer/Detmer (Hrsg.), Hochschulrecht, 3. Aufl. 2017, Kap. 1 Rn. 7. 1400 BVerfGE 35, 79 (112 f.); VGH Bad.-Württ., VBlBW 2006, 464 (465). 1401 Gärditz, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 5 Abs. 3 Rn. 144 (Stand: Aug. 2019); vgl. zu Vorgaben zur Rechtschreibung Kopke, JZ 1995, 874 (877). 1402 Kahl, VVDStRL 65 (2006), 386 (403); zur Abnahme staatlicher Prüfungen s. auch BVerfG, NJW 1996, 2221 (2222). 1397

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3. Teil: Rechtlicher Rahmen für die Verwendung geschlechtergerechter Sprache

Mitglieder auf den Schutz des Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG berufen1403, und zwar auch der Universität als solcher gegenüber1404.1405 Aufgrund des Selbstverwaltungsrechts hat die Universität allerdings das Recht, ihre eigenen Angelegenheiten insbesondere durch die Grundordnung und andere Ordnungen zu regeln.1406 Dieses erstreckt sich auch auf die Organisation von Forschung und Lehre.1407 Da die Universität bei der Wahrnehmung ihrer Aufgaben zudem dem Förderauftrag aus Art. 3 Abs. 2 Satz 2 GG unterliegt1408, ist es grundsätzlich legitim und sogar geboten1409, dass Universitäten auf geschlechtergerechte Sprache hinwirken, auch durch verbindliche Vorgaben.1410 Es besteht dann aber ein Spannungsverhältnis (u. a.) zu Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG. Wie dieses Spannungsverhältnis sachgerecht aufzulösen ist, darüber divergieren die Ansichten. So unterscheiden sich etwa die Gleichstellungspläne der Bucerius Law School (Hamburg) und der Fakultät für Rechtswissenschaft der Universität Hamburg bei den Vorgaben zu geschlechtergerechter Sprache deutlich, insbesondere 1403 Vgl. BVerfGE 15, 256 (262); Gräf, Die wirtschaftliche Betätigung von Universitäten, 2013, S. 92, 119. 1404 Kempen, in: Hartmer/Detmer (Hrsg.), Hochschulrecht, 3. Aufl. 2017, Kap. 1 Rn. 28; vgl. auch Gärditz, Hochschulorganisation und verwaltungsrechtliche Systembildung, 2009, S. 298; Gärditz, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 5 Abs. 3 Rn. 133 (Stand: Aug. 2019). 1405 Zu Universitäten im Spannungsfeld zwischen staatlicher Kompetenzwahrnehmung und grundrechtlicher Freiheitsausübung Gärditz, Hochschulorganisation und verwaltungsrechtliche Systembildung, 2009, S. 296 ff.; Gräf, Die wirtschaftliche Betätigung von Universitäten, 2013, S. 119; Kempen, in: Hartmer/Detmer (Hrsg.), Hochschulrecht, 3. Aufl. 2017, Kap. 1 Rn. 22 ff. 1406 S. § 15 NHG; Kempen, in: Hartmer/Detmer (Hrsg.), Hochschulrecht, 3. Aufl. 2017, Kap. 1 Rn. 129; Wapler, in: Berghahn/Schultz (Hrsg.), Rechtshandbuch für Frauen- und Gleichstellungsbeauftragte (Stand: Mai 2020), Kap. 8.1.1, S. 2. 1407 Gärditz, Hochschulorganisation und verwaltungsrechtliche Systembildung, 2009, S. 393 f. 1408 Nds. LT-Drs. 14/2541, S. 66; Gebhardt-Benischke, in: Koreuber/Mager (Hrsg.), Recht und Geschlecht, 2004, S. 137 (149); Patzke, in: Epping (Hrsg.), Niedersächsisches Hochschulgesetz, 2016, § 3 Rn. 79; vgl. Wapler, in: Berghahn/Schultz (Hrsg.), Rechtshandbuch für Frauen- und Gleichstellungsbeauftragte (Stand: Mai 2020), Kap. 8.1.1, S. 3. 1409 S. dazu unter Dritter Teil, B. I. 4. a) bb). 1410 Vgl. im Ergebnis ebenso Leuer/Fessel, Frauen in der Sprache des Hochschulrechts, 1992, S. 16, 27 f.; für geschlechtergerechte Sprache an Hochschulen auch G. Spieß, ZFHE 3 (2008), Heft 2, 48 (54), die sich für geschlechtergerechte Sprache in der Lehre ausspricht; bezogen auf Öffentlichkeitsmaterialien von Hochschulen Merkel, Journal Netzwerk Frauenund Geschlechterforschung NRW 28 (2011), 36 (37, 40); für geschlechtergerechte Sprache „aller Hochschulangehörigen und Studierenden“, insb. auch der Lehrenden, Hochschule für angewandte Wissenschaft und Kunst – Fachhochschule Hildesheim/Holzminden/Göttingen, „Geschlechtergerechte Sprache an der HAWK“, http://wikis.hawk-hhg.de/wikis/fields/gender sprache/ (abgerufen am 2. 6. 2020); vgl. zu Österreich Posch, in: Antenhofer/Oberprantacher/ Schnegg (Hrsg.), Methoden und Wahrheiten, 2011, S. 207 (221 f.). Der Frage, in welcher Form (ob z. B. in der Grundordnung oder einer anderen Ordnung) und durch welche Organe des Hochschulrechts (z. B. Senat oder Präsidium) Vorgaben zu geschlechtergerechter Sprache erfolgen könnten bzw. müssten, kann hier nicht näher nachgegangen werden.

B. Bundesverfassungsrechtliche Maßgaben für geschlechtergerechte Sprache

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in Bezug auf Lehrmaterialien. Während bei der Bucerius Law School der Grundsatz gilt, dass alle Mitglieder der Hochschule auf eine geschlechtergerechte Sprache achten, „die sprachliche Gestaltung wissenschaftlicher Texte, Publikationen, Skripten und dergleichen sowie der individuellen Emailkommunikation“ aber „im alleinigen Ermessen der Verfasserinnen und Verfasser [bleibt]“1411, soll an der Fakultät für Rechtswissenschaft der Universität Hamburg geschlechtergerechte Sprache nicht nur im allgemeinen Schriftverkehr sowie in den Rechts- und Verwaltungsvorschriften, sondern „auch bezüglich Lehrmaterialien für Vorlesungen, Seminare und Arbeitsgemeinschaften“ verwendet werden, die selbst erstellt werden1412. Auch ist die Rechtslage hier nicht so eindeutig. Die Wissenschaftsfreiheit ist zwar vorbehaltlos1413, nicht jedoch schrankenlos gewährleistet.1414 Sie unterliegt vielmehr wie andere vorbehaltlos gewährleistete Grundrechte verfassungsimmanenten Schranken, also der Einschränkung durch kollidierendes Verfassungsrecht.1415 Im Bereich der Lehre lässt sich insbesondere der neben dem Förderauftrag des Art. 3 Abs. 2 Satz 2 GG bestehende, ihn aber aufgreifende Ausbildungsauftrag der Hochschulen1416 dafür anführen, dass die Freiheit der Lehre zumindest hinsichtlich des „Ob“ der Verwendung geschlechtergerechter Sprache zurückzutreten hat, diese also (in Form jedenfalls einer Bemühenspflicht) vorgegeben werden darf.1417 Im 1411 Gleichstellungsplan der Bucerius Law School Hochschule für Rechtswissenschaft gGmbH für die Jahre 2017 – 2021, S. 12, https://www.law-school.de/fileadmin/content/lawschool.de/de/units/abt_personal/pdf/Gleichstellungsplan-Bucerius-Law-School_081216.pdf (abgerufen am 2. 6. 2020). 1412 Gleichstellungsplan der Fakultät für Rechtswissenschaft der Universität Hamburg für die Jahre 2016 – 2020, S. 6, https://www.uni-hamburg.de/gleichstellung/download/recht-gleich stellungsplan2016-2020.pdf (abgerufen am 2. 6. 2020); hervorgehoben auch von Chebout/Gather/Valentiner, djbZ 19 (2016), 190 (191 Fn. 10). 1413 BVerfGE 126, 1 (24); VGH Bad.-Württ., VBlBW 2006, 464 (464); Kempen, in: Hartmer/Detmer (Hrsg.), Hochschulrecht, 3. Aufl. 2017, Kap. 1 Rn. 95, der zu Recht den in seiner Auslegung umstrittenen Art. 5 Abs. 3 Satz 2 GG bereits als Schutzbereichsbegrenzung, nicht als Schrankenregelung ansieht; so auch Britz, in: Dreier (Hrsg.), GG, Bd. I, 3. Aufl. 2013, Art. 5 Abs. 3 (Wissenschaft) Rn 50. 1414 BVerfGE 57, 70 (99); BayVGH, DÖV 1985, 496 (497); Epping, in: Geis (Hrsg.), Hochschulrecht in Bund und Ländern, § 2 HRG Rn. 3 (Stand: Nov. 1999). 1415 BVerfGE 47, 327 (369); 57, 70 (99); 126, 1 (24); VGH Bad.-Württ., VBlBW 2006, 464 (465); Epping, in: Geis (Hrsg.), Hochschulrecht in Bund und Ländern, § 2 HRG Rn. 3 (Stand: Nov. 1999); Gärditz, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 5 Abs. 3 Rn. 151 (Stand: Aug. 2019); vgl. Fehling, in: Kahl/Waldhoff/Walter (Hrsg.), Bonner Kommentar zum Grundgesetz, Art. 5 Abs. 3 (Wissenschaftsfreiheit) Rn. 159 (Stand: März 2004). 1416 Zum Ausbildungsauftrag BVerfGE 35, 79 (120 f.); 47, 327 (370); 55, 37 (68); VGH Bad.-Württ., VBlBW 2006, 464 (465); Epping, in: Geis (Hrsg.), Hochschulrecht in Bund und Ländern, § 2 HRG Rn. 4 (Stand: Nov. 1999); Gärditz, Hochschulorganisation und verwaltungsrechtliche Systembildung, 2009, S. 296; Kempen, in: Hartmer/Detmer (Hrsg.), Hochschulrecht, 3. Aufl. 2017, Kap. 1 Rn. 96; s. dazu näher sogleich und unter Dritter Teil, B. IV. 2. 1417 A.A. Gärditz, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 5 Abs. 3 Rn. 169 (Stand: Aug. 2019); generell zur Einschränkbarkeit der Lehrfreiheit durch den Ausbildungszweck der Universität Kempen, in: Epping/Hillgruber (Hrsg.), BeckOK GG, Stand: Dez. 2019, Art. 5 Rn. 183; vgl. speziell mit Bezug auf bestimmte Kommunikationsformen Kahl, VVDStRL 65 (2006), 386 (402 f.); für

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Bereich der Forschung dagegen stellt sich die Lage insofern anders dar, als der Ausbildungsauftrag der Hochschulen hier nicht zum Zuge kommt1418 und nicht zwingend eine Einwirkung auf die Studierenden vorliegt. Hier sprechen die vorbehaltlose Gewährleistung des Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG und die besondere Bedeutung der Wissenschaftsfreiheit1419 dafür, dass geschlechtergerechte Sprache nicht eingefordert werden darf.1420 Zu berücksichtigen ist insofern auch, dass die sprachliche Form von Veröffentlichungen von Verlagsvorgaben abhängig sein kann, die geschlechtergerechte Sprache ausschließen1421 oder aber nur die Verwendung ganz bestimmter Formen geschlechtergerechter Sprache vorsehen können1422. Ob auch die Studierenden unter den Schutz der Wissenschaftsfreiheit fallen können, ist streitig.1423 Insbesondere ist streitig, ob als Gegenstück zur Lehrfreiheit

weitgehende methodische Freiheit dagegen ohne Erörterung der spezifischen Problematik W. Thieme, Deutsches Hochschulrecht, 3. Aufl. 2004, Rn. 308, 363; auch Berghahn, in: LückSchneider/Kraatz (Hrsg.), Kompetenzen für ein zeitgemäßes Public Management, 2014, S. 69 (85) hält es bezogen auf die Rechtslehre für „ratsam, darauf hinzuarbeiten, dass die Beschäftigung mit Gender nicht als Oktroi oder lästige Pflichtübung … empfunden wird“; hingegen meint Schultz, in: Berghahn/Schultz (Hrsg.), Rechtshandbuch für Frauen- und Gleichstellungsbeauftragte (Stand: Mai 2019), Kap. 8.6.5, S. 1, das Thema geschlechtergerechte Sprache in der juristischen Ausbildung gehöre „auf die Agenda“. 1418 Vgl. Epping, in: Geis (Hrsg.), Hochschulrecht in Bund und Ländern, § 2 HRG Rn. 4 (Stand: Nov. 1999), nach dessen Ansicht die Berufsausbildung „in erster Linie“ Bestandteil der Lehre ist; Gärditz, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 5 Abs. 3 Rn. 123, 125 (Stand: Aug. 2019). 1419 Dazu Losch, Wissenschaftsfreiheit, Wissenschaftsschranken, Wissenschaftsverantwortung, 1993, S. 198. 1420 Dazu, dass unterschiedliche Bewertungen im Hinblick auf Forschung einerseits und Lehre andererseits grundrechtsdogmatisch nicht ausgeschlossen sind, Kempen, in: Hartmer/ Detmer (Hrsg.), Hochschulrecht, 3. Aufl. 2017, Kap. 1 Rn. 7; vgl. zur Zurückhaltung universitärer Leitfäden zu Empfehlungen bzgl. geschlechtergerechter Sprache in Wissenschaftstexten Ivanov/M. B. Lange/Tiemeyer/Ptok, Gender(ed) Thoughts 2/2019, 1 (6 f., 13); für geschlechtergerechte Sprache in der Forschung Trömel-Plötz, Linguistische Berichte 69 (1980), 1 (7). 1421 Dazu Chebout/Gather/Valentiner, djbZ 19 (2016), 190 (191), wonach rechtswissenschaftliche Fachzeitschriften Manuskripte in geschlechtergerechter Fassung teilweise ablehnen bzw. die Verwendung des generischen Maskulinums vorgeben würden; zum Grad der Verbreitung geschlechtergerechter Sprache in Wissenschaftstexten Dittmann, in: GS Schoenthal, 2002, S. 63 (63 f.); Klimmt/Pompetzki/Blake, Medien & Kommunikationswissenschaft 56 (2008), 3 (7); Posch, in: Antenhofer/Oberprantacher/Schnegg (Hrsg.), Methoden und Wahrheiten, 2011, S. 207 (220) (aus österreichischer Sicht); Valentiner, (Geschlechter)Rollenstereotype in juristischen Ausbildungsfällen, 2017, S. 14. 1422 S. etwa die „Hinweise für Autorinnen und Autoren – Wissenschaftliche Beiträge“ der Zeitschrift für Didaktik der Rechtswissenschaft (Stand Januar 2014), S. 3, https://www.zdrw. nomos.de/fileadmin/independent/doc/Autorenhinweise_ZDRW_Wissenschaftliche_Beitraege_. pdf (abgerufen am 2. 6. 2020), wonach grundsätzlich ausformulierte Paarformen zu verwenden sind. 1423 Dafür BVerfGE 55, 37 (67 f.); W. Thieme, Deutsches Hochschulrecht, 3. Aufl. 2004, Rn. 840; Kempen, in: Hartmer/Detmer (Hrsg.), Hochschulrecht, 3. Aufl. 2017, Kap. 1 Rn. 19, 97.

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auch eine Lern- oder Studienfreiheit durch Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG geschützt ist.1424 Soweit es darum geht, dass Studierende selbst Texte verfassen, genügen diese wohl angesichts der noch andauernden universitären Ausbildung noch nicht dem Wissenschaftsanspruch des Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG (mit Ausnahme von Promotionsstudierenden).1425 Es könnte aber für die Studierenden insoweit die Meinungsfreiheit zum Zuge kommen, die dann nicht durch die Wissenschaftsfreiheit als lex specialis1426 verdrängt ist. Allerdings wird auch bei Studierenden das Bestehen eines besonderen Rechtsverhältnisses zum Staat angenommen, wobei heute terminologisch meist nicht mehr von einem „besonderen Gewaltverhältnis“, sondern von einem Sonderstatusverhältnis die Rede ist.1427 Wie dargestellt1428, gelten nach heutiger Auffassung die Grundrechte auch im Sonderstatusverhältnis; es sind jedoch dessen Besonderheiten zu berücksichtigen. Insbesondere ist eine weitgehendere Beschränkung von Grundrechten möglich, die allerdings in dem Zweck des Sonderstatusverhältnisses und der Sicherung seiner Funktionsfähigkeit begründet sein muss. Außerdem ist auch in Sonderstatusverhältnissen der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu beachten. Somit können sich die Studierenden grundsätzlich auf die Meinungsfreiheit berufen. Deren Beschränkung könnte aber durch den Ausbildungsauftrag der Hochschulen als kennzeichnende Ausprägung dieses Sonderstatusverhältnisses gerechtfertigt sein.1429 Das hängt davon ab, ob der Ausbildungsauftrag sich auf die Ver1424 Dafür etwa E. Stein, JA 2002, 253 (256); Kempen, in: Hartmer/Detmer (Hrsg.), Hochschulrecht, 3. Aufl. 2017, Kap. 1 Rn. 19, 97; dagegen etwa W. Thieme, Deutsches Hochschulrecht, 3. Aufl. 2004, Rn. 840; Mager, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts der Bundesrepublik Deutschland, Bd. VII, 3. Aufl. 2009, § 166 Rn. 15; Britz, in: Dreier (Hrsg.), GG, Bd. I, 3. Aufl. 2013, Art. 5 Abs. 3 (Wissenschaft) Rn. 31 m. w. N. zum Meinungsstand in Fn. 123; offengelassen in BVerfGE 55, 37 (67 f.). 1425 Vgl. Geck, VVDStRL 27 (1969, Nachdruck 2013), 143 (157); a. A. W. Thieme, Deutsches Hochschulrecht, 3. Aufl. 2004, Rn. 840; Kempen, in: Hartmer/Detmer (Hrsg.), Hochschulrecht, 3. Aufl. 2017, Kap. 1 Rn. 19; a. A. wohl auch Britz, in: Dreier (Hrsg.), GG, Bd. I, 3. Aufl. 2013, Art. 5 Abs. 3 (Wissenschaft) Rn. 31. 1426 Kempen, in: Hartmer/Detmer (Hrsg.), Hochschulrecht, 3. Aufl. 2017, Kap. 1 Rn. 4; Gärditz, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 5 Abs. 3 Rn. 32 (Stand: Aug. 2019). 1427 Stern, Das Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland, Bd. III/1, 1988, § 74, S. 1381; Kopke, Rechtschreibreform und Verfassungsrecht, 1995, S. 277, 292; Peine, in: D. Merten/ Papier (Hrsg.), Handbuch der Grundrechte in Deutschland und Europa, Bd. III, 2009, § 65 Rn. 1 f., 11; Loschelder, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts der Bundesrepublik Deutschland, Bd. IX, 3. Aufl. 2011, § 202 Rn. 1 f.; Grabenwarter, in: Maunz/ Dürig, GG, Art. 5 Abs. 1, 2 Rn. 149 (Stand: Jan. 2013); Bull/Mehde, Allgemeines Verwaltungsrecht mit Verwaltungslehre, 9. Aufl. 2015, Rn. 186 ff. 1428 S. dazu unter Dritter Teil, B. I. 4. b) dd) (1). 1429 Vgl. Degenhart, in: Kahl/Waldhoff/Walter (Hrsg.), Bonner Kommentar zum Grundgesetz, Art. 5 Abs. 1 und 2 Rn. 530 (Stand: Juli 2017), der allerdings von „tatbestandliche[n] Restriktionen“ ausgeht; spezifische hochschulrechtliche Beschränkungen der Meinungsfreiheit ablehnend dagegen W. Thieme, Deutsches Hochschulrecht, 3. Aufl. 2004, Rn. 841.

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3. Teil: Rechtlicher Rahmen für die Verwendung geschlechtergerechter Sprache

mittlung von Fachwissen beschränkt oder eine „gleichstellungserzieherische“ Komponente beinhaltet.1430 Rückschlüsse auf (nicht jedoch Maßgaben für) die Interpretation des verfassungsrechtlichen Ausbildungsauftrags der Hochschulen1431 lassen sich aus der einfachrechtlichen Ausgestaltung im Hochschulrahmengesetz ziehen.1432 Neben § 2 Abs. 1 HRG ist hier insbesondere § 7 HRG anzuführen, wonach Lehre und Studium die Studierenden auf ein berufliches Tätigkeitsfeld vorbereiten und ihnen die dafür erforderlichen fachlichen Kenntnisse, Fähigkeiten und Methoden dem jeweiligen Studiengang entsprechend so vermitteln sollen, dass sie zu wissenschaftlicher oder künstlerischer Arbeit und zu verantwortlichem Handeln in einem freiheitlichen, demokratischen und sozialen Rechtsstaat befähigt werden.1433 Dass die Hochschulen auch die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern zu fördern und auf die Beseitigung bestehender Nachteile hinzuwirken haben, ist zwar separat in § 3 Satz 1 HRG geregelt. Aber bereits die Ausrichtung von Lehre und Studium insbesondere auch auf sozial- und rechtsstaatliche Prinzipien hin zeigt, dass es nicht nur um staatsausrichtungsneutrale Fachwissensvermittlung geht.1434 Dies spricht dafür, dass der Ausbildungsauftrag der Hochschulen das Hinwirken auf faktische Gleichberechtigung umfasst. Noch deutlicher wird dies in der systematischen Gestaltung von § 3 NHG1435 („Aufgaben der Hochschulen“), in dessen Abs. 3 Satz 1 es heißt: „Die Hochschulen fördern bei der Wahrnehmung ihrer Aufgaben die tatsächliche Durchsetzung der Chancengleichheit von Frauen und Männern und wirken auf die Beseitigung bestehender Nachteile hin (Gleichstellungsauftrag)“. Vorgaben zu geschlechtergerechter Sprache dienen dann der Sicherung der Funktionsfähigkeit des Ausbildungsverhältnisses, da der Begriff der „Funktionsfähigkeit“ nicht zu eng verstanden werden darf1436. Beschränkungen der Meinungsfreiheit durch den gleichstellungsorientierten Ausbildungsauftrag der Hochschulen müssten allerdings den Anforderungen des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes genügen. Vorgaben der Universität zu geschlech1430

Nach Ansicht von W. Thieme, Deutsches Hochschulrecht, 3. Aufl. 2004, Rn. 308 „wird immer streitig bleiben, wie weit der Erziehungsauftrag von Hochschulen geht“. 1431 S. dazu unter Dritter Teil, B. IV. 2. 1432 Dazu, dass der Gesetzgeber das Sonderstatusverhältnis einfachrechtlich besonders prägen darf und dass die Ausgestaltung zulässigerweise einem zeitlichen Wandel unterliegt, Peine, in: D. Merten/Papier (Hrsg.), Handbuch der Grundrechte in Deutschland und Europa, Bd. III, 2009, § 65 Rn. 49. 1433 Epping, in: Geis (Hrsg.), Hochschulrecht in Bund und Ländern, § 2 HRG Rn. 2 (Stand: Nov. 1999). 1434 Vgl. zu Schulen Schemmer, in: Epping/Hillgruber (Hrsg.), BeckOK GG, Stand: Dez. 2019, Art. 5 Rn. 152; kritisch bzgl. einer Verpflichtung von Hochschulen und Hochschullehrenden, „derartige allgemeine politische Erziehungsaufgaben wahrzunehmen“, W. Thieme, Deutsches Hochschulrecht, 3. Aufl. 2004, Rn. 308. 1435 S. dazu unter Dritter Teil, D. II. 2. 1436 Vgl. Peine, in: D. Merten/Papier (Hrsg.), Handbuch der Grundrechte in Deutschland und Europa, Bd. III, 2009, § 65 Rn. 64; Schwarz, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 17a Rn. 19 (Stand: Juli 2014).

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tergerechter Sprache werden sich daher stets auf die Verwendung geschlechtergerechter Sprache im Rahmen des Studienverhältnisses beschränken (müssen), also z. B. in Klausuren, Hausarbeiten und Vorträgen, sodass die Studierenden privat und außerhalb der Universität weiterhin so sprechen und schreiben dürfen, wie sie möchten.1437 Aber auch darüber hinaus scheint Zurückhaltung in Bezug auf verbindliche Vorgaben zu geschlechtergerechter Sprache gegenüber Studierenden geboten, weil die durchgängige geschlechtergerechte Formulierung von Texten oftmals nicht so einfach ist, diverse unterschiedliche Formen geschlechtergerechter Sprache in Betracht kommen1438, über die derzeit noch kein Konsens besteht, und das vorrangige Ziel die inhaltlichen Anforderungen des jeweiligen Fachgebietes bleiben sollten, die die Studierenden schon für sich genommen herausfordern. Außerdem müssten etwaige verbindliche Vorgaben einschließlich möglicher Sanktionen eindeutig definiert und vorab festgelegt werden.1439 Vor dem Hintergrund der „normalen“ Schrankenregelung des Art. 5 Abs. 2 GG, wonach die Meinungsfreiheit beschränkbar ist durch allgemeine Gesetze i. S. d. Art. 5 Abs. 2 GG, gesetzliche Bestimmungen zum Schutz der Jugend und das Recht der persönlichen Ehre, erscheinen Vorgaben zu geschlechtergerechter Sprache hingegen problematisch. Denn unter allgemeinen Gesetzen i. S. d. Art. 5 Abs. 2 GG werden nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts nur solche verstanden, die sich weder gegen die Meinungsfreiheit an sich noch gegen bestimmte 1437 Vgl. zu (Recht-)Schreibregeln „nur im Betriebsverhältnis“ Roellecke, NJW 1997, 2500 (2500). Dazu, dass gerade auch viele Studentinnen das generische Maskulinum befürworten, Frank-Cyrus/Dietrich, Der Sprachdienst 41 (1997), 55 (60); Klann-Delius, Sprache und Geschlecht, 2005, S. 191; Schröter/Linke/Bubenhofer, in: Günthner/Hüpper/C. Spieß (Hrsg.), Genderlinguistik, 2012, S. 359 (360); L. Bülow/Herz, Muttersprache 125 (2015), 133 (142 ff.); Wegener, in: Baumann/Meinunger (Hrsg.), Die Teufelin steckt im Detail, 2017, S. 279 (284). 1438 S. dazu unter Erster Teil, C. 1439 Vgl. die Diskussion um Vorgaben zu geschlechtergerechter Sprache gegenüber Studierenden an Hochschulen in Österreich, dazu Sommerbauer, Genderproblem: Gerechte Sprache nach Leitfaden?, Die Presse vom 22. 2. 2009, https://amp.diepresse.com/454786 (abgerufen am 2. 6. 2020); N.N., Gendern in wissenschaftlichen Arbeiten ein Muss?, Kurier vom 31. 10. 2014, https://kurier.at/chronik/wien/universitaeten-fachhochschulen-hochschulen-gen dern-in-wissenschaftlichen-arbeiten-ein-muss/94.387.559 (abgerufen am 2. 6. 2020); Löwenstein, Gender Mainstreaming. Nun soll die Sprache die Geschlechtergerechtigkeit erzwingen, FAZ Online vom 2. 12. 2014, http://www.faz.net/aktuell/politik/ausland/europa/oesterreich-gen der-mainstreaming-an-hochschulen-13294091.html#void (abgerufen am 2. 6. 2020); Guggenberger, Der lange Weg, 2017, S. 524 f.; zur Schweiz s. Brühlmeier, in: Baumann/Meinunger (Hrsg.), Die Teufelin steckt im Detail, 2017, S. 240 (246 f.); aber auch in Deutschland ist über diese Frage schon Streit entbrannt, s. gegen Vorgaben zu geschlechtergerechter Sprache Mühlbauer, Lehrkraft darf Studenten nicht zum Gendern zwingen, Telepolis/Heise Zeitschriften Verlag Online vom 29. 6. 2015, https://www.heise.de/tp/features/Lehrkraft-darf-Studen ten-nicht-zum-Gendern-zwingen-3373930.html (abgerufen am 2. 6. 2020); dafür Chebout/Gather/Valentiner, Sexismus in der juristischen Ausbildung – (K)ein Thema für die JuMiKo?!, JuWissBlog vom 2. 2. 2017, https://www.juwiss.de/15-2017/ (abgerufen am 2. 6. 2020). Andererseits werden umgekehrt Befürchtungen geäußert, geschlechtergerechte Sprache in Klausuren oder Hausarbeiten könne zu negativen Korrekturanmerkungen und sogar Punktabzug führen, s. Chebout/Gather/Valentiner, djbZ 19 (2016), 190 (191).

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Meinungen richten, sondern dem Schutz eines schlechthin, ohne Rücksicht auf eine bestimmte Meinung, zu schützenden Rechtsguts dienen.1440 Es ließe sich aber argumentieren, dass Vorgaben zu geschlechtergerechter Sprache sich mit ihrer Ausrichtung gegen nicht geschlechtergerechte Sprache zugleich gegen die damit (oftmals) verbundene Einstellung und damit gegen eine bestimmte Meinung richten.1441 Insofern stellt sich die Frage, ob hier über die Argumentationsfigur des Sonderstatusverhältnisses nicht die Intention unterlaufen wird, Sonderrecht als „Verbot der Standpunktdiskriminierung“1442 grundsätzlich zu verbieten.1443 Teilweise wird vertreten, dass das Sonderstatusverhältnis keine über Art. 5 Abs. 2 GG hinausreichenden Schranken begründen könne.1444 Wenn es aber bei den „normalen“ Grundrechtsschranken bleiben sollte, käme der Figur des Sonderstatusverhältnisses (jedenfalls bei den Grundrechten unter Gesetzesvorbehalt) bei der Frage nach der Beschränkung von Grundrechten kaum eine Bedeutung zu. Dadurch würde den Besonderheiten des Sonderstatusverhältnisses nicht ausreichend Rechnung getragen. Dies spricht dafür, dass im Sonderstatusverhältnis Beschränkungen der Meinungsfreiheit auch dann in Betracht kommen, wenn Art. 5 Abs. 2 GG als Grundlage nicht greift.1445 Insbesondere sind unter Gesetzesvorbehalt stehende Grundrechte wie Art. 5 Abs. 1 Satz 1, 1. Hs. GG nach vorzugswürdiger Auffassung auch nicht dahingehend als abschließend zu verstehen, dass sie einer Beschränkung durch kollidierendes Verfassungsrecht nicht zugänglich wären.1446

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BVerfGE 97, 125 (146); vgl. BVerfGE 7, 198 (209 f.); 124, 300 (321 f.). S. dazu einleitend unter Dritter Teil, B. I. 4. b) dd). 1442 So die Formulierung bei Grabenwarter, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 5 Abs. 1, 2 Rn. 137 (Stand: Jan. 2013). 1443 Vgl. dazu BVerfGE 124, 300 (326 f.); Grabenwarter, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 5 Abs. 1, 2 Rn. 137 f. (Stand: Jan. 2013). 1444 Grabenwarter, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 5 Abs. 1, 2 Rn. 138 (Stand: Jan. 2013); in diese Richtung auch Stern, Das Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland, Bd. III/1, 1988, § 74, S. 1393; Jarass, in: Jarass/Pieroth, GG, 15. Aufl. 2018, Art. 5 Rn. 81 meint, eine Beschränkung sei „nur unter den gleichen Voraussetzungen wie sonst“ möglich, wozu er allerdings auch eine Beschränkung aufgrund kollidierenden Verfassungsrechts zählt (Rn. 79). 1445 So auch Peine, in: D. Merten/Papier (Hrsg.), Handbuch der Grundrechte in Deutschland und Europa, Bd. III, 2009, § 65 Rn. 6; Bethge, in: Sachs (Hrsg.), GG, 8. Aufl. 2018, Art. 5 Rn. 179; wohl auch Schulze-Fielitz, in: Dreier (Hrsg.), GG, Bd. I, 3. Aufl. 2013, Art. 5 Abs. 1, 2 Rn. 154. 1446 Wie hier BVerfGE 66, 116 (136); 111, 147 (157); Schulze-Fielitz, in: Dreier (Hrsg.), GG, Bd. I, 3. Aufl. 2013, Art. 5 Abs. 1, 2 Rn. 152 ff.; Jarass, in: Jarass/Pieroth, GG, 15. Aufl. 2018, Art. 5 Rn. 79; Sodan, in: Sodan (Hrsg.), GG, 4. Aufl. 2018, Art. 5 Rn. 32; tendenziell auch Grabenwarter, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 5 Abs. 1, 2 Rn. 136 f. (Stand: Jan. 2013); a. A. Leppek, Die Zulassung und Einführung von Schulbüchern, 2002, S. 53 f.; Hillgruber, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts der Bundesrepublik Deutschland, Bd. IX, 3. Aufl. 2011, § 201 Rn. 26 speziell bezogen auf Art. 5 Abs. 2 GG; Bethge, in: Sachs (Hrsg.), GG, 8. Aufl. 2018, Art. 5 Rn. 176 f., der allerdings in Sonderstatusverhältnissen zusätzliche Einschränkungen für möglich hält (Rn. 179); Kingreen/Poscher, Grundrechte, 35. Aufl. 2019, Rn. 384. 1441

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(3) Speziell im schulischen Bereich: Elterliches Erziehungsrecht aus Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG und Rechte der Schüler_innen aus Art. 2 Abs. 1 i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG bzw. aus Art. 2 Abs. 1 GG Soweit es um die Förderung geschlechtergerechter Sprache an Schulen geht, kommen als entgegenstehende Grundrechte vor allem solche der Schüler_innen selbst, aber auch solche ihrer erziehungsberechtigten Eltern in Betracht. Die Schüler_innen könnten durch Vorgaben zur Verwendung geschlechtergerechter Sprache in ihrem Allgemeinen Persönlichkeitsrecht aus Art. 2 Abs. 1 i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG oder zumindest in ihrer allgemeinen Handlungsfreiheit aus Art. 2 Abs. 1 GG verletzt werden. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts haben Schüler_innen ein Recht auf eine möglichst ungehinderte Entfaltung ihrer individuellen Anlagen und Fähigkeiten im Rahmen schulischer Ausbildung und Erziehung aus Art. 2 Abs. 1 GG.1447 Außerdem können sie verlangen, dass der Staat bei der Festlegung der Unterrichtsinhalte auf ihr Allgemeines Persönlichkeitsrecht aus Art. 2 Abs. 1 i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG Rücksicht nimmt.1448 Dies impliziert allerdings bereits, dass sich die Schüler_innen im Rahmen des Schulverhältnisses als eines weiteren besonderen Gewaltverhältnisses bzw. nach inzwischen bevorzugter Terminologie Sonderstatusverhältnisses überhaupt auf die Grundrechte berufen können. Wie dargestellt1449, gelten nach heutiger Auffassung die Grundrechte auch im Sonderstatusverhältnis; es sind jedoch dessen Besonderheiten zu berücksichtigen. Insbesondere ist eine weitgehendere Beschränkung von Grundrechten möglich, die allerdings in dem Zweck des Sonderstatusverhältnisses und der Sicherung seiner Funktionsfähigkeit begründet sein muss.1450 Außerdem ist auch in Sonderstatusverhältnissen der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu beachten. Aufseiten der Schüler_innen ist durch Vorgaben zu geschlechtergerechter Sprache deren Freiheit der Ausdrucksweise betroffen.1451 Die Beschränkung kann aber durch den auch an Art. 3 Abs. 2 Satz 2 GG gekoppelten staatlichen Schulauftrag (Art. 7 Abs. 1 GG)1452 und den Erziehungs- und Bildungszweck des Schulverhält1447

BVerfGE 98, 218 (257); vgl. BVerfGE 45, 400 (417); 96, 288 (304). BVerfGE 98, 218 (257); vgl. BVerfGE 47, 46 (73 f.); Kopke, Rechtschreibreform und Verfassungsrecht, 1995, S. 178. 1449 S. dazu unter Dritter Teil, B. I. 4. b) dd) (1). 1450 Vgl. speziell zum Schulverhältnis Jestaedt, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts der Bundesrepublik Deutschland, Bd. VII, 3. Aufl. 2009, § 156 Rn. 77; Boysen, in: v. Münch/Kunig, GG, Bd. I, 6. Aufl. 2012, Art. 7 Rn. 26; Schulze-Fielitz, in: Dreier (Hrsg.), GG, Bd. I, 3. Aufl. 2013, Art. 5 Abs. 1, 2 Rn. 192; allgemein zum Sonderstatusverhältnis s. die Nachweise in Fn. 1389 1451 Vgl. Kopke, Rechtschreibreform und Verfassungsrecht, 1995, S. 217 Fn. 10, der allerdings davon ausgeht, dass die herkömmlichen Formulierungen im generischen Maskulinum nicht für falsch erklärt und als Fehler gewertet würden (S. 287 Fn. 378); zur grundrechtlichen Ansiedlung s. einleitend unter Dritter Teil, B. I. 4. b) dd). 1452 S. Leitlinien zur Sicherung der Chancengleichheit durch geschlechtersensible schulische Bildung und Erziehung (Beschluss der Kultusministerkonferenz vom 6. 10. 2016/Be1448

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nisses gerechtfertigt sein.1453 So impliziert nach Ansicht der Niedersächsischen Landesregierung der Bildungsauftrag auch die Verwendung „gendergerechte[r]“ Sprache1454, wobei sich diese Aussage ausdrücklich nur auf Schulbücher bezog, aber auch umfassender gemeint sein könnte. Vorgaben zur Verwendung geschlechtergerechter Sprache gegenüber Schüler_innen müssten allerdings auch verhältnismäßig erscheinen. Insofern sei sinngemäß auf die Ausführungen zu Studierenden verwiesen.1455 Vorgaben zu geschlechtergerechter Sprache werden sich daher stets auf die Verwendung geschlechtergerechter Sprache im Rahmen des Schulverhältnisses beschränken (müssen), also z. B. bei den Hausaufgaben, in Klausuren und Referaten, sodass die Schüler_innen privat und außerhalb der Schule weiterhin so sprechen und schreiben dürfen, wie sie möchten.1456 Aber auch darüber hinaus scheint Zurückhaltung in Bezug auf verbindliche Vorgaben zu geschlechtergerechter Sprache gegenüber Schüler_innen geboten, weil die durchgängige geschlechtergerechte Formulierung von Texten oftmals nicht so einfach ist, diverse unterschiedliche Formen geschlechtergerechter Sprache in Betracht kommen1457, über die derzeit noch kein Konsens besteht, und das vorrangige Ziel die inhaltlichen Anforderungen des jeweiligen Schulfaches bleiben sollten, die die Schüler_innen schon für sich genommen herausfordern.1458 Gerade in den unteren Klassenstufen erlernen die schluss der Konferenz der Gleichstellungs- und Frauenministerinnen und -minister, -senatorinnen und -senatoren der Länder vom 16. 06. 2016), Sammlung der Beschlüsse der Ständigen Konferenz der Kultusminister der Länder in der Bundesrepublik Deutschland, Stand: 196. Lfg. März 2020, Beschluss Nr. 673, S. 2; s. dazu auch unter Dritter Teil, B. V. 1453 Vgl. zur Befugnis des Staates zur Regelung der Sprache in der Schule BVerfGE 98, 218 (247 ff.); Kirchhof, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts der Bundesrepublik Deutschland, Bd. II, 3. Aufl. 2004, § 20 Rn. 95 f., 120. 1454 S. Nds. Landesregierung, LT August-Plenum TOP 16: Schriftliche Antwort auf die mündliche Anfrage Nummer 25 vom 17. 8. 2017, http://www.mk.niedersachsen.de/startseite/ak tuelles/presseinformationen/lt-august-plenum-top-16-schriftliche-antwort-auf-die-muendlicheanfrage-nummer-25-156783.html (abgerufen am 2. 6. 2020); vgl. auch Leitlinien zur Sicherung der Chancengleichheit durch geschlechtersensible schulische Bildung und Erziehung (Beschluss der Kultusministerkonferenz vom 6. 10. 2016/Beschluss der Konferenz der Gleichstellungs- und Frauenministerinnen und -minister, -senatorinnen und -senatoren der Länder vom 16. 06. 2016), Sammlung der Beschlüsse der Ständigen Konferenz der Kultusminister der Länder in der Bundesrepublik Deutschland, Stand: 196. Lfg. März 2020, Beschluss Nr. 673, S. 6; BVerfG, NVwZ 1990, 54 (55), wonach „bereits der Statuierung von Erziehungszielen, wie sie in Landesverfassungen und Schulgesetzen zulässigerweise geregelt sind, Wertentscheidungen zugrunde liegen, die zwangsläufig bestimmte Verhaltensanforderungen stellen“; s. dazu auch unter Dritter Teil, B. V. 1455 S. dazu unter Dritter Teil. B. I. 4. b) dd) (2). 1456 Vgl. zu (Recht-)Schreibregeln Roellecke, NJW 1997, 2500 (2500); Menzel, RdJB 46 (1998), 36 (51). 1457 S. dazu unter Erster Teil, C. 1458 Gegen eine Verpflichtung von Schüler_innen zu geschlechtergerechter Sprache Schuppelius, FDP kippt um und schreibt jetzt auch mit dem Gender-Sternchen, B.Z. Online vom 9. 5. 2017, http://www.bz-berlin.de/berlin/kolumne/fdp-kippt-um-und-schreibt-jetzt-auch-mit-

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Schüler_innen die Sprache zudem gerade erst.1459 Außerdem müssten etwaige verbindliche Vorgaben einschließlich möglicher Sanktionen eindeutig definiert und vorab festgelegt werden. Aufseiten der Eltern ist deren Erziehungsrecht aus Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG zu wahren. Gemäß Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG sind Pflege und Erziehung der Kinder das natürliche Recht der Eltern und „die zuvörderst ihnen obliegende Pflicht“. Das Erziehungsrecht bezieht sich auch auf die sprachliche Ausdrucksweise.1460 Dem elterlichen Erziehungsrecht steht allerdings nach der h.M. ein gleichgeordneter Bildungs- und Erziehungsauftrag des Staates in der Schule aus Art. 7 Abs. 1 GG gegenüber1461, der auch an Art. 3 Abs. 2 Satz 2 GG gekoppelt ist1462. Da somit sowohl die Eltern als auch der Staat auf die Persönlichkeitsentwicklung der Schüler_innen dem-gender-sternchen (abgerufen am 2. 6. 2020); s. dazu auch Stoldt, Die Grenzen der geschlechtergerechten Sprache, WELT Online vom 19. 7. 2015, https://www.welt.de/regionales/ nrw/article144149558/Die-Grenzen-der-geschlechtergerechten-Sprache.html (abgerufen am 2. 6. 2020), wo berichtet wird, dass in Nordrhein-Westfalen weder Studierende noch Schüler_innen zu geschlechtergerechter Schreibweise verpflichtet werden sollen; eher zurückhaltend auch C. Spieß, Der Deutschunterricht 65 (2013), Heft 5, 70 (70, 73 f.), die sich zwar dafür ausspricht, geschlechtergerechte Sprache und die Diskussion hierzu im Unterricht zu thematisieren, allerdings (nur) mit dem Ziel der „Förderung von Sprachkritikkompetenz, die letztlich und idealtypisch zu einem eigenverantwortlichen Sprachgebrauch und zur begründeten Beurteilung von Sprachgebräuchen“ führen solle; die Frage aufwerfend, ob Lehrkräfte das Binnen-I als Fehler anstreichen dürften, Weinrich, Der Spiegel 28/1994, 163 (166); dies bejahend Heller, Sprachreport 12 (1996), Heft 3, 3 (4); vgl. zur Diskussion in Österreich Guggenberger, Der lange Weg, 2017, S. 525 ff.; Pöschko/Prieler, Zeitschrift für Bildungsforschung 8 (2018), 5 (7); zur Schweiz s. Brühlmeier, in: Baumann/Meinunger (Hrsg.), Die Teufelin steckt im Detail, 2017, S. 240 (246 f.). 1459 Krome, Der Sprachdienst 64 (2020), 31 (42, 44). Vor diesem Hintergrund sind wohl auch die zwischen der Sekundarstufe I und der Sekundarstufe II differenzierenden Empfehlungen des österreichischen Ministeriums zu sehen, wonach bis zum Ende der Sekundarstufe I die vollständige Paarform gelehrt werden soll und erst in der Sekundarstufe II Sparschreibungen und weitere Formen geschlechtergerechter Sprache thematisiert werden sollen, s. Bundesministerium für Bildung (Hrsg.), Geschlechtergerechtes Formulieren, 4. Aufl. 2016, S. 6. 1460 BVerfGE 98, 218 (252); Kirchhof, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts der Bundesrepublik Deutschland, Bd. II, 3. Aufl. 2004, § 20 Rn. 18, 111; Kahl, VVDStRL 65 (2006), 386 (405); vgl. zur Rechtschreibung Kopke, Rechtschreibreform und Verfassungsrecht, 1995, S. 191 ff., 209 ff. 1461 BVerfGE 47, 46 (71 f.); vgl. BVerfGE 52, 223 (236); 98, 218 (244); BVerfG, NVwZ 1990, 54 (54); Kopke, Rechtschreibreform und Verfassungsrecht, 1995, S. 191; a. A. BrosiusGersdorf, in: Dreier (Hrsg.), GG, Bd. I, 3. Aufl. 2013, Art. 7 Rn. 21, 25 ff., die nur einen bildungsakzessorischen Erziehungsauftrag des Staates annimmt. Das BVerfG differenziert nicht immer klar zwischen Bildung und Erziehung, wie es selbst einräumt, sondern verwendet die Begriffe teilweise synonym, s. BVerfG, NVwZ 1990, 54 (54 f.); für eine synonyme Verwendung auch Avenarius/Hanschmann, Schulrecht, 9. Aufl. 2019, S. 118 Fn. 4. 1462 S. Leitlinien zur Sicherung der Chancengleichheit durch geschlechtersensible schulische Bildung und Erziehung (Beschluss der Kultusministerkonferenz vom 6. 10. 2016/Beschluss der Konferenz der Gleichstellungs- und Frauenministerinnen und -minister, -senatorinnen und -senatoren der Länder vom 16. 06. 2016), Sammlung der Beschlüsse der Ständigen Konferenz der Kultusminister der Länder in der Bundesrepublik Deutschland, Stand: 196. Lfg. März 2020, Beschluss Nr. 673, S. 2.

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einwirken dürfen, deren Persönlichkeit aber unteilbar ist, haben Eltern und Staat ihren jeweiligen Erziehungsauftrag in einem sinnvoll aufeinander bezogenen Zusammenwirken zu erfüllen.1463 Der Staat darf zwar grundsätzlich die Unterrichtsinhalte festlegen.1464 Er muss aber Rücksicht auf den Gesamtplan der Erziehung seitens der Eltern nehmen und für die Vielfalt der Anschauungen in Erziehungsfragen so weit offen sein, wie es sich mit einem geordneten staatlichen Schulsystem verträgt.1465 Die Eltern wiederum sind zu Toleranz gegenüber andersdenkenden Eltern verpflichtet, deren Belange der Staat bei der schulischen Erziehung ebenfalls berücksichtigen muss; außerdem müssen die Eltern hinnehmen, dass der Staat seinen verfassungsrechtlichen Erziehungsauftrag nach seinen eigenen bildungspolitischen Vorstellungen zu verwirklichen sucht.1466 In Bezug auf Vorgaben zu geschlechtergerechter Sprache in der Schule erscheint das Erziehungsrecht der Eltern insofern nur marginal tangiert, als es den Eltern unbenommen bleibt, außerhalb des Schulverhältnisses auf eine nicht geschlechtergerechte Sprache ihrer Kinder hinzuwirken, wenn sie dies für besser halten. Die Kinder werden wohl auch nicht durch einen ggf. unterschiedlichen Sprachgebrauch in der Schule und zu Hause „verwirrt“, weil es der derzeitigen Lebensrealität entspricht, dass unterschiedliche Sprachformen in der Gesellschaft verwendet werden. Die Eltern müssen sich unter diesem Aspekt daher auch selbst nicht sprachlich anpassen, um ihre Kinder nicht zu irritieren oder um zu vermeiden, von ihnen „belehrt“ zu werden.1467 Insofern ist die Lage eine andere als bei der Rechtschreibreform, obwohl zu dieser grundsätzlich einige Parallelen zu ziehen sind.1468 Durch Vorgaben zu geschlechtergerechter Sprache an Schulen können aber nicht nur die Grundrechte der Schüler_innen sowie ihrer Eltern, sondern auch die Grundrechte von Schulbuchverleger_innen berührt sein. Das gilt insbesondere dann, wenn die Zulassung von Schulbüchern auch an die Verwendung geschlechtergerechter Sprache in den Schulbüchern geknüpft wird. In Niedersachsen ist das in der Praxis der Fall, da nach den Genehmigungsrichtlinien1469 ein Schulbuch u. a. nur dann 1463 Vgl. BVerfGE 34, 165 (183); 47, 46 (74); 98, 218 (244 f.); BVerfG, NVwZ 1990, 54 (54); Jestaedt, JZ 1989, 140 (142). 1464 BVerfGE 98, 218 (247); vgl. BVerfGE 34, 165 (182); 45, 400 (415); 47, 46 (71 f., 80 f.); 52, 223 (236); 59, 360 (377); BVerwGE 79, 289 (300); VG Berlin, NJW 1998, 1243 (1243). 1465 BVerfGE 34, 165 (183); 47, 46 (75); 98, 218 (245); vgl. BVerfG, NVwZ 1990, 54 (54). 1466 BVerfG, NVwZ 1990, 54 (54). 1467 Vgl. zu entsprechenden Argumentationen zur Rechtschreibreform Menzel, NJW 1998, 1177 (1182), der demgegenüber darauf verweist, dass Art. 6 GG nicht vor „besserwissenden Kindern“ schütze. 1468 Vgl. Kopke, Rechtschreibreform und Verfassungsrecht, 1995, S. 287 Fn. 378, der bzgl. geschlechtergerechter Sprache (in der Binnen-I-Form) von einem „ähnlichen Fall“ spricht, allerdings unter der Prämisse argumentiert, dass die bisherigen Begriffe in der Schule nicht für falsch erklärt und als Fehler bewertet würden; Menzel, RdJB 46 (1998), 36 (49). 1469 S. RdErl. d. MK vom 1. 8. 2014, Az. 26.2 – 82221: Genehmigung, Einführung und Benutzung von Schulbüchern an allgemein bildenden und berufsbildenden Schulen in Niedersachsen, SVBl. 2014 S. 402.

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genehmigt wird, wenn es mit dem Bildungsauftrag der Schule gem. § 2 NSchG übereinstimmt und der Bildungsauftrag so interpretiert wird, dass er auch die Verwendung „gendergerechte[r]“ Sprache impliziert.1470 Das Schulbuchgenehmigungsverfahren ist grundsätzlich mit den Grundrechten der Schulbuchverleger_innen vereinbar.1471 Es ist gerechtfertigt durch die aus der staatlichen Schulaufsicht nach Art. 7 Abs. 1 GG abzuleitende Befugnis der Länder, die Schulbücher für den Unterrichtsgebrauch in den Schulen auszuwählen.1472 Uneinigkeit herrscht insofern lediglich über den zutreffenden verfassungsrechtlichen Prüfungsmaßstab. In Betracht kommt als Prüfungsmaßstab die Pressefreiheit aus Art. 5 Abs. 1 Satz 2, 1. Hs. GG und/oder die Berufsfreiheit aus Art. 12 Abs. 1 GG.1473 Die Pressefreiheit schützt (jedenfalls) alle zur Verbreitung an einen unbestimmten Personenkreis geeigneten und bestimmten, auch einmalig und nicht periodisch erscheinenden Druckerzeugnisse.1474 Problematisch ist bei Schulbüchern, ob sie für einen unbestimmten Nutzerkreis bestimmt sind. Dagegen ließe sich anführen, dass Schulbücher ihrem Verwendungszweck nach nicht für eine allgemeine Verbreitung 1470 S. Nds. Landesregierung, LT August-Plenum TOP 16: Schriftliche Antwort auf die mündliche Anfrage Nummer 25 vom 17. 8. 2017, http://www.mk.niedersachsen.de/startseite/ak tuelles/presseinformationen/lt-august-plenum-top-16-schriftliche-antwort-auf-die-muendlicheanfrage-nummer-25-156783.html (abgerufen am 2. 6. 2020); anders hingegen noch die Einschätzung zur früheren Verwaltungspraxis der Länder bei Homberger, Muttersprache 103 (1993), 89 (105), wonach geschlechtergerechte Sprache bei der Schulbuchzulassung nur gelegentlich als Kriterium einbezogen und dann oft nur am Rande berücksichtigt worden sei; für die Bindung der Schulbuchzulassung an die Verwendung geschlechtergerechter Sprache Bittner, Geschlechterkonstruktionen und die Darstellung von Lesben, Schwulen, Bisexuellen, Trans* und Inter* (LSBTI) in Schulbüchern, 2011, S. 74, die moniert, dass in keinem der von ihr analysierten Schulbu¨ cher durchga¨ ngig geschlechtergerechte Sprache verwendet worden sei; zu Österreich s. Pöschko/Prieler, Zeitschrift für Bildungsforschung 8 (2018), 5 (7, 17). 1471 BVerwG, VerwRspr 1974, 400 (401 ff.); Kopke, Rechtschreibreform und Verfassungsrecht, 1995, S. 211 f.; Leppek, Die Zulassung und Einführung von Schulbüchern, 2002, S. 39 ff., 153 f.; de lege ferenda auch Bryde, Anforderungen an ein rechtsstaatliches Schulbuchgenehmigungsverfahren, 1984, S. 33 ff.; a. A. E. Stein/Roell, Handbuch des Schulrechts, 2. Aufl. 1992, S. 307 ff. 1472 BVerwG, VerwRspr 1974, 400 (401 ff.); Kopke, Rechtschreibreform und Verfassungsrecht, 1995, S. 211 f.; vgl. auch BVerfGE 31, 229 (245); BVerfG, NVwZ 1990, 54 (54); BVerwGE 79, 298 (300); Rehborn, Rechtsfragen der Schulbuchprüfung, 1986, S. 64. 1473 Für die Pressefreiheit als Maßstab Bryde, Anforderungen an ein rechtsstaatliches Schulbuchgenehmigungsverfahren, 1984, S. 24 ff., 41; Rehborn, Rechtsfragen der Schulbuchprüfung, 1986, S. 34 f., 46 f.; E. Stein/Roell, Handbuch des Schulrechts, 2. Aufl. 1992, S. 307 ff.; Leppek, Die Zulassung und Einführung von Schulbüchern, 2002, S. 41 ff., 63 f.; für die Berufsfreiheit als Maßstab Birk, in: FS Oppermann, 1981, S. 47 (51), der Art. 5 Abs. 1 allerdings ebenfalls erwähnt (54); für eine parallele Heranziehung beider Grundrechte Ernst, Jura 2012, 145 (147, 150); die Betroffenheit des Schutzbereichs der Pressefreiheit offenlassend BVerwG, VerwRspr 1974, 400 (402 f.); Kopke, Rechtschreibreform und Verfassungsrecht, 1995, S. 211. 1474 Bryde, Anforderungen an ein rechtsstaatliches Schulbuchgenehmigungsverfahren, 1984, S. 24; Leppek, Die Zulassung und Einführung von Schulbüchern, 2002, S. 42 ff.; Grabenwarter, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 5 Abs. 1, 2 Rn. 239, 242 (Stand: Jan. 2018).

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3. Teil: Rechtlicher Rahmen für die Verwendung geschlechtergerechter Sprache

bestimmt sind, sondern allein für die Nutzung in der Schule.1475 Allerdings können auch Schulbücher ebenso wie andere Bücher durch jedermann im Buchhandel bestellt werden.1476 Außerdem ist fraglich, ob es sich bei den Lehrkräften und Schüler_innen wegen deren Vielzahl nicht ohnehin um einen unbestimmten Personenkreis handelt. Davon abgesehen ist ein unbegrenzter „Empfängerkreis“ aber auch nicht als maßgeblich für den Schutz durch die Pressefreiheit zu erachten.1477 Somit ist nach vorzugswürdiger Auffassung bei Schulbüchern der Schutz durch die Pressefreiheit gegeben.1478 Insbesondere ist durch die Pressefreiheit auch das Recht geschützt, den Inhalt eines Presseerzeugnisses frei zu bestimmen, in welches durch das Schulbuchgenehmigungsverfahren eingegriffen wird. Die Pressefreiheit unterliegt allerdings gem. Art. 5 Abs. 2 GG den Schranken der „allgemeinen Gesetze“, der gesetzlichen Bestimmungen zum Schutz der Jugend und des Rechts der persönlichen Ehre. Nach der Ansicht des Bundesverwaltungsgerichts lassen sich Vorgaben zur Schulbuchzulassung als „allgemeine Gesetze“ i. S. d. Art. 5 Abs. 2 GG einordnen.1479 Bei der erforderlichen Abwägung (unter Berücksichtigung der Wechselwirkungslehre) setzt sich das Recht des Staates aus Art. 7 Abs. 1 GG durch.1480 Dies gilt im Ergebnis ebenso gegenüber der Berufsfreiheit1481, die grundsätzlich neben der Pressefreiheit zum Zuge kommen kann1482, allerdings anderen Schranken unterliegt. 1475 So BVerwG, VerwRspr 1974, 400 (402), wo allerdings offengelassen wurde, ob die Pressefreiheit auch Schulbücher erfasst. 1476 Rehborn, Rechtsfragen der Schulbuchprüfung, 1986, S. 35; Ernst, Jura 2012, 145 (147). 1477 BVerfGE 95, 28 (35), wonach auch rein gruppeninterne Veröffentlichungen dem Schutz der Pressefreiheit unterfallen können; vgl. Bryde, Anforderungen an ein rechtsstaatliches Schulbuchgenehmigungsverfahren, 1984, S. 25; Leppek, Die Zulassung und Einführung von Schulbüchern, 2002, S. 45 f. 1478 So auch Bryde, Anforderungen an ein rechtsstaatliches Schulbuchgenehmigungsverfahren, 1984, S. 24 f.; Rehborn, Rechtsfragen der Schulbuchprüfung, 1986, S. 34 f.; E. Stein/ Roell, Handbuch des Schulrechts, 2. Aufl. 1992, S. 307; Leppek, Die Zulassung und Einführung von Schulbüchern, 2002, S. 42 ff.; Ernst, Jura 2012, 145 (148). 1479 S. BVerwG, VerwRspr 1974, 400 (403); ebenso Leppek, Die Zulassung und Einführung von Schulbüchern, 2002, S. 54 ff.; Ernst, Jura 2012, 145 (148); a. A. E. Stein/Roell, Handbuch des Schulrechts, 2. Aufl. 1992, S. 308; zu Recht kritisch Bryde, Anforderungen an ein rechtsstaatliches Schulbuchgenehmigungsverfahren, 1984, S. 29 f., der Art. 7 GG jedoch als verfassungsimmanente Schranke heranzieht. 1480 BVerwG, VerwRspr 1974, 400 (403); vgl. Kopke, Rechtschreibreform und Verfassungsrecht, 1995, S. 211 f., der allerdings Art. 5 Abs. 2 GG nicht erwähnt, sondern allein auf Art. 7 Abs. 1 GG als kollidierendes Verfassungsrecht abstellt; de lege ferenda auch Bryde, Anforderungen an ein rechtsstaatliches Schulbuchgenehmigungsverfahren, 1984, S. 33 ff. 1481 So auch Bryde, Anforderungen an ein rechtsstaatliches Schulbuchgenehmigungsverfahren, 1984, S. 41 f. 1482 Heß, Grundrechtskonkurrenzen, 2000, S. 236 f.; Ernst, Jura 2012, 145 (147); Jarass, in: Jarass/Pieroth, GG, 15. Aufl. 2018, Art. 5 Rn. 33 m. w. N.; Mann, in: Sachs (Hrsg.), GG, 8. Aufl. 2018, Art. 12 Rn. 199; für die Einordnung der Pressefreiheit als lex specialis gegenüber Art. 12 Abs. 1 GG für presseberufsspezifische Eingriffe dagegen Rehborn, Rechtsfragen der Schulbuchprüfung, 1986, S. 46 f.; Leppek, Die Zulassung und Einführung von Schulbüchern, 2002, S. 63 f.; Manssen, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, Bd. I, 7. Aufl. 2018, Art. 12 Rn. 280; Starck/Paulus, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, Bd. I, 7. Aufl. 2018, Art. 5 Rn. 408.

B. Bundesverfassungsrechtliche Maßgaben für geschlechtergerechte Sprache

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Die Berufsfreiheit schützt die wirtschaftlichen Interessen der Grundrechtsträger, die Pressefreiheit die funktionale Sicherung bestimmter Verbreitungsinstrumente.1483 Durch das Erfordernis der Schulbuchgenehmigung wird zwar (auch) in die Berufsausübungsfreiheit der Schulbuchverleger_innen eingegriffen.1484 Der Eingriff ist aber gerechtfertigt durch die staatliche Schulaufsicht als Gemeinwohlinteresse. Auch die Bindung der Schulbuchzulassung an die Übereinstimmung mit dem – auch an Art. 3 Abs. 2 Satz 2 GG gekoppelten – Bildungsauftrag der Schule erscheint verfassungsrechtlich unbedenklich.1485 Die Befugnisse des Staates aus Art. 7 Abs. 1 GG erfassen auch die Aufsicht darüber, dass nur solche Schulbücher im Unterricht zum Einsatz kommen, die den durch die Lern- und Erziehungsziele gestellten Anforderungen genügen.1486 Allerdings dürfen die Vorschriften nicht so ausgelegt werden, dass sie eine verfassungsrechtlich unzulässige Indoktrinierung1487 der Schüler_innen erlauben würden. Schulbücher dürfen nicht als Mittel politischer, ideologischer oder weltanschaulicher Indoktrination verwendet werden.1488 Das schließt allerdings nicht die Verwendung auch von Schulbüchern aus, die auf kontroversen und von den Betroffenen (teilweise) bekämpften bildungspolitischen Interventionen beruhen, auch wenn die Grenzziehung hier nicht immer leicht ist.1489 Das Verbot der Indoktrination erfasst nicht schon jede Erziehung oder Beeinflussung zu einem bestimmten Verhalten, da es gerade „Aufgabe der Schule [ist], bestimmte verfassungsrechtlich und gesetzlich vorgegebene Werte und damit Haltungen zu vermitteln“.1490 Verboten ist nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts „nur eine darüber hinausgehende gezielte Beeinflussung oder gar Agitation im Dienste einer bestimmten politischen, ideologischen oder weltanschaulichen Richtung“.1491 Mit Blick auf die Staatszielbestimmung des Art. 3 Abs. 2 Satz 2 GG sowie 1483

Ernst, Jura 2012, 145 (147). Vgl. Bryde, Anforderungen an ein rechtsstaatliches Schulbuchgenehmigungsverfahren, 1984, S. 41 f. Demgegenüber hat das BVerfG zur Rechtschreibreform argumentiert (allerdings ohne auf das Schulbuchgenehmigungsverfahren einzugehen), dass die Vorgaben keine berufsregelnde Tendenz aufwiesen, und speziell bezogen auf Schulbuchverlage ausgeführt, dass die durch Art. 2 Abs. 1 GG geschützte wirtschaftliche Betätigungsfreiheit keinen Anspruch darauf gebe, für das Ergebnis wirtschaftlicher Betätigung auch einen Abnehmer zu finden, s. BVerfGE 98, 218 (258 f.); ebenso eine berufsregelnde Tendenz der Vorgaben bei der Rechtschreibreform verneinend Kahl, VVDStRL 65 (2006), 386 (405 Fn. 74). 1485 Vgl. Rehborn, Rechtsfragen der Schulbuchprüfung, 1986, S. 63. 1486 BVerwG, VerwRspr 1974, 400 (401); vgl. Bryde, Anforderungen an ein rechtsstaatliches Schulbuchgenehmigungsverfahren, 1984, S. 31, 33 f., 37 ff. 1487 Vgl. BVerfGE 47, 66 (77); BVerfG, NVwZ 1990, 54 (55); BVerwGE 79, 298 (301, 303); Leppek, Die Zulassung und Einführung von Schulbüchern, 2002, S. 82 ff. 1488 BVerwGE 79, 298 (301); vgl. Birk, in: FS Oppermann, 1981, S. 47 (53). 1489 BVerwGE 79, 298 (303). 1490 BVerfG, NVwZ 1990, 54 (55); vgl. Jestaedt, JZ 1989, 140 (141 ff.); Uhle, in: Epping/ Hillgruber (Hrsg.), BeckOK GG, Stand: Dez. 2019, Art. 7 Rn. 22 f., der staatliche Erziehungsziele in der Schule grundsätzlich für zulässig hält, soweit sie dem „ethischen Standard des Grundgesetzes“ entsprächen. 1491 BVerfG, NVwZ 1990, 54 (55); in diese Richtung auch Jestaedt, JZ 1989, 140 (141 ff.). 1484

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3. Teil: Rechtlicher Rahmen für die Verwendung geschlechtergerechter Sprache

die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zum „dritten Geschlecht“1492 wird man daher in der Knüpfung der Schulbuchzulassung an die Verwendung geschlechtergerechter Sprache keine verfassungswidrige Indoktrination sehen können, auch wenn der Vorwurf der Indoktrination im Zusammenhang mit geschlechtergerechter Sprache zuweilen erhoben wird1493. Der Staat muss einem wissenschaftlichen Erkenntniswandel durch eine Änderung des Lehrstoffes Rechnung tragen können, der sich auch in den Schulbüchern widerspiegeln muss.1494 Das gilt besonders dann, wenn dadurch Art. 3 Abs. 2 Satz 2 GG Rechnung getragen werden soll.1495 Schließlich könnten Vorgaben bzgl. geschlechtergerechter Sprache die Grundrechte der Lehrer_innen entgegenstehen. Ihr besonderes Rechtsverhältnis zum Staat schließt eine Geltung der Grundrechte nach inzwischen übereinstimmender Meinung nicht aus, sondern ist lediglich speziell zu berücksichtigen.1496 Allerdings können sich die Lehrkräfte an Schulen anders als an Hochschulen lehrende Professor_innen nicht auf die Wissenschaftsfreiheit des Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG berufen.1497 Auch eine „pädagogische Freiheit“ der Lehrkräfte an Schulen lässt sich im Sinne eines Grundrechts nicht aus der Verfassung ableiten.1498 Mit dem Unterrichten üben die Lehrer_innen vielmehr staatliche Gewalt aus, sodass sie prinzipiell grundrechtsverpflichtet, nicht grundrechtsberechtigt sind.1499 Ihre Grundrechte können aber zum Tragen kommen, wenn sie bei der Ausübung staatlicher Gewalt persönlich

1492

BVerfGE 147, 1 ff.; s. dazu näher unter Erster Teil, B. I. Vgl. in diese Richtung Schuppelius, FDP kippt um und schreibt jetzt auch mit dem Gender-Sternchen, B.Z. Online vom 9. 5. 2017, http://www.bz-berlin.de/berlin/kolumne/fdpkippt-um-und-schreibt-jetzt-auch-mit-dem-gender-sternchen (abgerufen am 2. 6. 2020); explizit Beck, Diskussion Deutsch 22 (1991), 94 (95) in Bezug auf Brünner, Diskussion Deutsch 21 (1990), 46 ff. 1494 Vgl. Kopke, Rechtschreibreform und Verfassungsrecht, 1995, S. 212 Fn. 465, S. 291 Fn. 393. 1495 Für die Verfassungsmäßigkeit der Knüpfung der Schulbuchzulassung daran, dass ein Schulbuch die Gleichstellung von Männern und Frauen fördert, Leppek, Die Zulassung und Einführung von Schulbüchern, 2002, S. 58; vgl. aus österreichischer Sicht Pöschko/Prieler, Zeitschrift für Bildungsforschung 8 (2018), 5 (17), die sich insb. auch mit dem Argument der Verständlichkeit von Schulbüchern auseinandersetzen. 1496 Vgl. BVerwGE 84, 292 (293 ff.); BAGE 38, 85 (92 ff.); OVG Nds., NVwZ-RR 2002, 658 ff.; vgl. dazu auch unter Dritter Teil, B. I. 4. b) dd) (1). 1497 BVerwG, BayVBl. 1956, 247 (248); Jestaedt, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts der Bundesrepublik Deutschland, Bd. VII, 3. Aufl. 2009, § 156 Rn. 95; vgl. Epping, Grundrechte, 8. Aufl. 2019, Rn. 286; teilweise a. A. Leppek, Die Zulassung und Einführung von Schulbüchern, 2002, S. 71 ff. 1498 OVG Nds., NVwZ-RR 2002, 658 (660); Jestaedt, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts der Bundesrepublik Deutschland, Bd. VII, 3. Aufl. 2009, § 156 Rn. 95 ff. 1499 Jestaedt, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts der Bundesrepublik Deutschland, Bd. VII, 3. Aufl. 2009, § 156 Rn. 97. 1493

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in ihrer Rechtsstellung beeinträchtigt werden1500 oder wenn sich Vorgaben auch auf außerunterrichtliche Kontexte erstrecken1501. Soweit es nur um Vorgaben an die Lehrkräfte bzgl. geschlechtergerechter Sprache im Unterricht geht, bestehen mit Blick auf deren Grundrechte angesichts des staatlichen Förderauftrags aus Art. 3 Abs. 2 Satz 2 GG auch im Schulwesen und des besonderen Rechtsverhältnisses der Lehrkräfte zum Staat jedenfalls im Ergebnis keine Bedenken.1502 (4) „Umgekehrte Diskriminierung“ durch eine geschlechtergerechte Vorschriftensprache? Fraglich ist, ob auch allein durch die Ersetzung von Personenbezeichnungen im generischen Maskulinum durch geschlechtergerecht formulierte Personenbezeichnungen in Rechtsvorschriften Grundrechte verletzt sein können.1503 Soweit man die Sprache in Rechtsnormen überhaupt als Regelungsgegenstand des Art. 3 GG ansieht1504, könnten Männer unter Umständen geltend machen, dass zumindest bestimmte Formen geschlechtergerechter Sprache nicht nur einer mentalen Unterrepräsentation von Frauen entgegenwirken, sondern quasi „überschießend“ sogar eine mentale Überrepräsentation von Frauen erzeugen können. Ein solcher Effekt ist teilweise in Studien für die Verwendung des Binnen-I festgestellt worden1505 und für das „generische Femininum“ erst recht zu vermuten. Auch bei der Verwendung von Gender-Star und Gender-Gap erscheint (jedenfalls beim Vorlesen der entsprechenden Personenbezeichnungen) ein derartiger Effekt naheliegend. Dadurch könnten Männer ihrerseits i. S. v. Art. 3 Abs. 2 Satz 1, Abs. 3 Satz 1 GG benachteiligt sein.1506

1500

Vgl. zum Tragen eines Kopftuchs im Unterricht BVerfGE 108, 282 (297 ff.); 138, 296 (328 ff. Rn. 83 ff.); LAG Berlin-Brandenburg, NZA-RR 2019, 280 (282 Rn. 43 f.). 1501 Vgl. BAGE 38, 85 (95 f.). 1502 Vgl. aber a. A. bzgl. einer auf Lehrkräfte begrenzten Rechtschreibreform Kopke, Rechtschreibreform und Verfassungsrecht, 1995, S. 291 Fn. 393. 1503 Dies verneinend Grabrucker, Vater Staat hat keine Muttersprache, 1993, S. 223, 226; Ebsen, in: Benda/Maihofer/H.-J. Vogel (Hrsg.), Handbuch des Verfassungsrechts der Bundesrepublik Deutschland, 2. Aufl. 1994, § 8 Rn. 40. 1504 S. dazu unter Dritter Teil, B. I. 2. b) aa). 1505 S. Heise, Zeitschrift für Sprache und Kognition 19 (2000), 3 (9 f.); Stahlberg/Sczesny, Psychologische Rundschau 52 (2001), 131 (137); Rothmund/Scheele, Zeitschrift für Psychologie 212 (2004), 40 (48, 50); vgl. zur Wirkung des Binnen-I auch Stahlberg/Sczesny/F. Braun, Journal of Language and Social Psychology 20 (2001), 464 (467 f.); zu den Studienergebnissen Ivanov/M. B. Lange/Tiemeyer/Ptok, Gender(ed) Thoughts 2/2019, 1 (4). 1506 Vgl. Scheele/Gauler, Sprache und Kognition 12 (1993), 59 (72); zum Binnen-I vgl. auch Zuck, NJW 1994, 2808 (2809); zum generischen Femininum Gauger, in Baumann/Meinunger (Hrsg.), Die Teufelin steckt im Detail, 2017, S. 71 (73); dafür, dass die bisherige sprachliche Benachteiligung der Frauen nicht „auf dem Rücken“ der Männer ausgetragen werden sollte, Dauses, EuZW 2014, 801 (802); Dauses, in: FS Müller-Graff, 2015, S. 217 (222 f.); zur Gegenansicht s. Pusch, Alle Männer werden Schwestern, 1990, S. 95, 100. Zu der (streitigen) Frage, ob prinzipiell sogar der Förderauftrag des Art. 3 Abs. 2 Satz 2 GG zugunsten der Männer zum Tragen kommen kann, s. unter Dritter Teil, B. I. 4. a) aa) mit Nachweisen in Fn. 1158.

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Allerdings scheint hier die Forschungslage noch recht dürftig zu sein.1507 Tendenziell spricht dieser Aspekt isoliert betrachtet aber dafür, eher auf geschlechtsneutrale Begriffe oder voll ausgeschriebene Paarformen umzustellen. 5. Zwischenergebnis Die unter Verwendung des generischen Maskulinums formulierten Rechtsnormen verstoßen nicht gegen das Diskriminierungsverbot aus Art. 3 Abs. 2 Satz 1, Abs. 3 Satz 1 GG. Wegen des Erfordernisses verfassungskonformer Gesetzesauslegung verstößt weder der sachliche Regelungsgehalt der einzelnen Normen gegen das Diskriminierungsverbot, noch stellt – jedenfalls unter dem Aspekt der Einheit der (selbst im generischen Maskulinum formulierten) Verfassung – die Sprachformwahl in all den Normen als solche einen Verstoß gegen Art. 3 Abs. 2 Satz 1, Abs. 3 Satz 1 GG dar. Staatliches Hinwirken auf eine geschlechtergerechte Sprache lässt sich als eine i. S. v. Art. 3 Abs. 2 Satz 2 GG geeignete Maßnahme zur Beseitigung bestehender Nachteile und damit zur Förderung der tatsächlichen Durchsetzung der Gleichberechtigung ansehen. Es liegen zahlreiche psycholinguistische bzw. kognitionspsychologische Studien vor, deren Ergebnisse breite Übereinstimmung dahingehend aufweisen, dass das generische Maskulinum zu einer gedanklichen Unterrepräsentation von Frauen führt. Dies stellt einen strukturellen Nachteil im Sinne des Art. 3 Abs. 2 Satz 2 GG jedenfalls insofern dar, als dadurch primär an Männer gedacht wird und dies dazu führen kann, dass Frauen z. B. bei der Besetzung eines Gremiums nicht benannt werden. Geschlechtergerechte Sprache kann hingegen nach einer Vielzahl von Studienergebnissen zu einer höheren mentalen Repräsentation von Frauen führen. Der Staat ist trotz grundsätzlich bestehender Gestaltungsfreiheit i.R.v. Art. 3 Abs. 2 Satz 2 GG sogar verpflichtet, auf geschlechtergerechte Sprache hinzuwirken, weil sich die Nachteile, die sich aus nicht geschlechtergerechter (Vorschriften-) Sprache für Frauen ergeben, nur durch die Förderung geschlechtergerechter Sprache seitens des Staates beseitigen lassen. Der Staat kann sich zwar im Rahmen seines Gestaltungsspielraumes und einer (gesetzgeberischen) Einschätzungsprärogative (für gewisse Zeit) zunächst um die Beseitigung anderer Nachteile kümmern, die der tatsächlichen Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern ebenfalls entgegenstehen; dauerhaft darf er aber im Hinblick auf einen erkannten Nachteil i. S. d. Art. 3 Abs. 2 Satz 2 GG nicht untätig bleiben. Gestaltungsfreiheit verbleibt dem Staat bei der genauen Art und Weise der Förderung geschlechtergerechter Sprache, etwa bei der Prioritätensetzung in zeitlich-sachlicher Hinsicht,

1507 So auch Ivanov/M. B. Lange/Tiemeyer/Ptok, Gender(ed) Thoughts 2/2019, 1 (4); vgl. auch Reisigl/C. Spieß, OBST 90 (2017), 7 (11), wonach die Binarität der Geschlechter in vielen Studien fraglos vorausgesetzt wurde.

B. Bundesverfassungsrechtliche Maßgaben für geschlechtergerechte Sprache

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indem er z. B. geschlechtergerechte Sprache vorrangig in bestimmten besonders gleichstellungsrelevanten Rechtsbereichen fördert. Das beim Hinwirken auf geschlechtergerechte Sprache zutage tretende Spannungsverhältnis zwischen dem Förderauftrag aus Art. 3 Abs. 2 Satz 2 GG und Verfassungsprinzipien wie dem Prinzip der Normenklarheit und -verständlichkeit sowie zu Grundrechten insbesondere derjenigen, die zu geschlechtergerechter Sprache angehalten werden, ist nach Maßgabe des Prinzips praktischer Konkordanz aufzulösen. Bei der Amtssprache spielt der Aspekt der Gleich- bzw. Ungleichbehandlung nur eine untergeordnete Rolle, sodass Art. 2 Abs. 1 i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG den passenderen Prüfungsmaßstab darstellt. Prüft man die Amtssprache aber auch am Maßstab von Art. 3 Abs. 2 Satz 1, Abs. 3 Satz 1 GG, ist bei der Verwendung generischer Maskulina zur Anrede bzw. konkreten Bezeichnung von Frauen ein Verstoß zu bejahen. Die deutsche Sprache hält (neben einigen „echt“ geschlechtsneutralen) geschlechtsspezifische Anredeformen und Bezeichnungen (wie Berufs-, Amts-, Dienst- und Funktionsbezeichnungen) sowohl für Männer als auch für Frauen bereit, sodass die Verwendung maskuliner als „generischer“ Formen hier als verfassungsrechtlich nicht gerechtfertigte Ungleichbehandlung und Benachteiligung von Frauen anzusehen ist. Da für Männer die geschlechtsspezifische und die „generische“ Form übereinstimmen (z. B. bei „Bürger“), können sie ihr Geschlecht und damit ihre Individualität als Person immer berücksichtigt sehen, während Frauen durch die Verwendung derselben Formen in ihrer Persönlichkeit „übersehen“, also missachtet werden, weil auch geschlechtsspezifische feminine Formen („Bürgerin“) als Pendant zur maskulinen Form in der geschlechtsspezifischen Bedeutung („Bürger“) existieren. Noch ungeklärt ist, wie Personen, die sich weder dem männlichen noch dem weiblichen Geschlecht zuordnen (lassen), angemessen individuell anzureden und insofern auch mit Männern und Frauen, für die es geschlechtsspezifische Anredeformen („Sehr geehrte Frau …“ bzw. „Sehr geehrter Herr …“) gibt, gleichzubehandeln sind. Eine „Notlösung“ stellt das Ausweichen auf „Guten Tag“ in Kombination mit dem Vor- und dem Nachnamen der Person dar. Bzgl. Formularen und Vordrucken, die eine Art „Zwischenstellung“ zwischen Vorschriften- und Amtssprache einnehmen, hat der Bundesgerichtshof mit Urteil vom 13. März 2018 (VI ZR 143/17) einen Anspruch auf geschlechtergerechte Formulierungen in Sparkassenformularen und -vordrucken auch mit Blick auf Art. 3 Abs. 1, Abs. 2 Satz 1, Abs. 3 Satz 1 GG verneint. Das Urteil überzeugt jedoch nicht, weil es den Aspekt der mentalen Repräsentation von Frauen und die dazu vorliegenden psycholinguistischen und kognitionspsychologischen Erkenntnisse völlig unzureichend berücksichtigt hat.

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3. Teil: Rechtlicher Rahmen für die Verwendung geschlechtergerechter Sprache

II. Art. 1 Abs. 1 GG: Menschenwürde, Frauenwürde und geschlechtergerechte Sprache Zum Teil ist in der Literatur eine Verletzung der Menschenwürde des Art. 1 Abs. 1 GG durch die Verwendung des generischen Maskulinums in der Rechtssprache angenommen worden.1508 Art. 1 Abs. 1 GG erklärt die Würde des Menschen für unantastbar und verpflichtet alle staatliche Gewalt, sie zu achten und zu schützen. Ob Art. 1 Abs. 1 GG ein Grundrecht ist1509 oder nur einen objektiven verfassungsrechtlichen Grundsatz beinhaltet1510, ist umstritten.1511 Gegen die Einordnung als Grundrecht lässt sich Art. 1 Abs. 3 GG anführen, der von den „nachfolgenden Grundrechte[n]“ spricht und insofern Art. 1 Abs. 1 GG nicht mit einschließt.1512 Zudem wird argumentiert, die Bedeutung des Art. 1 Abs. 1 GG als oberster Wert1513 und tragendes Konstitutionsprinzip1514 würde entwertet, wenn die Menschenwürde als Grundrecht qualifiziert würde.1515 Für die Einordnung als Grundrecht spricht dagegen die systematische Stellung des Art. 1 GG im Abschnitt der Grundrechte des Grundgesetzes.1516 Zudem hätte Art. 1 Abs. 1 GG keine ausreichende Schutzfunktion, wenn sich der einzelne

1508 S. Grabrucker, in: Battis/Schultz (Hrsg.), Frauen im Recht, 1990, S. 281 (303 ff.): Grabrucker, Vater Staat hat keine Muttersprache, 1993, S. 189 ff., insb. S. 196 ff.; s. auch Grabrucker, KritV 72 (1989), 292 (297 f.); zustimmend Diehl, Muttersprache 105 (1995), 276 (277); für die Amtssprache auf die Menschenwürde verweisend auch Friauf, Protokoll der Sachverständigenanhörung zum Thema „Gleichbehandlung von Mann und Frau in der Rechtssprache?“ am 15. September 1988 im Bundesministerium der Justiz, S. 56, BArch, B 141/418838; eine Verletzung von Art. 1 Abs. 1 GG durch die Vorschriftensprache ablehnend dagegen Schulze-Fielitz, KritV 72 (1989), 273 (280 f.); Diederichsen, in: FS Gaul, 1997, S. 121 (135); bezogen auf die Sprache in Formularen und Vordrucken ebenfalls ablehnend G. Bachmann, NJW 2018, 1648 (1650). 1509 So etwa Herdegen, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 1 Abs. 1 Rn. 29 (Stand: Mai 2009); Kingreen/Poscher, Grundrechte, 35. Aufl. 2019, Rn. 408; a. A. Enders, Die Menschenwürde in der Verfassungsordnung, 1997, S. 110, 117 f.; Isensee, AöR 131 (2006), 173 (209, 217). 1510 So Dürig, AöR 81 (1956), 117 (118 ff.); Dreier, in: Dreier (Hrsg.), GG, Bd. I, 3. Aufl. 2013, Art. 1 Abs. 1 Rn. 125; von einer rein objektiv-rechtlichen Funktion geht auch Enders, Die Menschenwürde in der Verfassungsordnung, 1997, S. 117 f. aus. 1511 Zum Meinungsstand s. die Auflistung bei Dreier, in: Dreier (Hrsg.), GG, Bd. I, 3. Aufl. 2013, Art. 1 Abs. 1 Rn. 121 Fn. 512 f. 1512 Herdegen, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 1 Abs. 1 Rn. 29 (Stand: Mai 2009); Epping, Grundrechte, 8. Aufl. 2019, Rn. 594. 1513 BVerfGE 5, 85 (204); 6, 32 (41); 27, 1 (6); 30, 173 (193); 32, 98 (108); 33, 23 (29); 52, 223 (247); 96, 375 (398 f.); 102, 370 (389); 115, 118 (152); 144, 20 (206 Rn. 538). 1514 BVerfGE 6, 32 (36); 50, 166 (175); 72, 105 (115); 87, 209 (228); 96, 375 (398 f.); 102, 370 (389); 115, 118 (152); vgl. Dürig, AöR 81 (1956), 117 (119, 122 f.). 1515 Vgl. Isensee, AöR 131 (2006), 173 (209); Dreier, in: Dreier (Hrsg.), GG, Bd. I, 3. Aufl. 2013, Art. 1 Abs. 1 Rn. 124. 1516 Herdegen, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 1 Abs. 1 Rn. 29 (Stand: Mai 2009); Kingreen/ Poscher, Grundrechte, 35. Aufl. 2019, Rn. 408; Epping, Grundrechte, 8. Aufl. 2019, Rn. 595.

B. Bundesverfassungsrechtliche Maßgaben für geschlechtergerechte Sprache

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Mensch nicht darauf berufen könnte.1517 Durch die Anerkennung des Art. 1 Abs. 1 GG als subjektives Grundrecht wird seine Stellung und Bedeutung als oberster Wert und tragendes Konstitutionsprinzip nicht entwertet, sondern beide Funktionen verstärken einander vielmehr. Auch das Bundesverfassungsgericht sieht in der Menschenwürdegarantie aus Art. 1 Abs. 1 GG ein Grundrecht.1518 Als solches stelle die Norm nicht nur ein Abwehrrecht gegen Eingriffe des Staates dar, sondern verpflichte den Staat auch positiv die Menschenwürde zu schützen. 1519 Eine positive Definition des Begriffs der Menschenwürde ist schwierig, daher erfolgt der Versuch einer Definition meist vom Verletzungsvorgang her und mit Beispielcharakter (kasuistisch).1520 Das Bundesverfassungsgericht wendet für die Frage, ob die Menschwürde verletzt ist, die sog. Objektformel an. Danach liegen ein Eingriff und zugleich eine Verletzung1521 des Art. 1 Abs. 1 GG vor, wenn der Mensch zum Objekt staatlichen Handelns herabgewürdigt wird, indem er einer Behandlung ausgesetzt wird, die seine Subjektqualität prinzipiell in Frage stellt.1522 Die Objektformel wird auf Dürig zurückgeführt1523, nach dessen Ansicht die „Menschenwürde als solche … getroffen [ist], wenn der konkrete Mensch zum Objekt, zu einem bloßen Mittel, zur vertretbaren Größe herabgewürdigt wird“1524. Argumentiert wird, dass die Verwendung des generischen Maskulinums, indem Frauen nur „mitgemeint“ seien, eine Behandlung von Frauen als Objekte darstelle, weil sie als „durch Männer vertretbare Größen“ angesehen und als Rechtssubjekte nicht direkt angesprochen würden.1525 Darauf, dass sich nicht alle Frauen durch das generische Maskulinum diskriminiert fühlen, komme es nicht an, weil die Men1517 Vgl. Herdegen, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 1 Abs. 1 Rn. 29 (Stand: Mai 2009); in diese Richtung auch Hörnle, ZRph 2008, 41 (59). 1518 S. BVerfGE 61, 126 (137); 109, 133 (151); 125, 175 (222 f.). 1519 BVerfGE 125, 175 (222); zur Schutzpflicht s. auch BVerfGE 115, 118 (152). 1520 Vgl. Grabrucker, in: Battis/Schultz (Hrsg.), Frauen im Recht, 1990, S. 281 (303 f.); Enders, Die Menschenwürde in der Verfassungsordnung, 1997, S. 20 ff.; zur Problematik einer positiven Definition auch Hörnle, ZRph 2008, 41 (58). 1521 S. dazu Enders, Die Menschenwürde in der Verfassungsordnung, 1997, S. 102 f., 104, 107. 1522 BVerfGE 30, 1 (25 f.); vgl. BVerfGE 50, 166 (175); 87, 209 (228); 96, 375 (399); 115, 118 (153); 144, 20 (207 Rn. 539 f.); vgl. zum Schutz der Geschlechtsidentität als „Teil des Status ,Mensch‘“ durch die Menschenwürde F. Schmidt, DRiZ 1985, 98 (99). 1523 Enders, Die Menschenwürde in der Verfassungsordnung, 1997, S. 20 m. w. N. verweist allerdings darauf, dass entsprechende Ansätze bereits zuvor von anderen Stimmen in der Literatur geäußert worden seien. 1524 Dürig, AöR 81 (1956), 117 (127); zustimmend Häberle, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts der Bundesrepublik Deutschland, Bd. II, 3. Aufl. 2004, § 22 Rn. 38, 43, der die „Sicherung personaler Identität“ als Kern der Menschenwürde ansieht (Rn. 47); zum Schutz der personalen Identität durch die Menschenwürde auch Epping, Grundrechte, 8. Aufl. 2019, Rn. 611. 1525 S. Grabrucker, in: Battis/Schultz (Hrsg.), Frauen im Recht, 1990, S. 281 (304); Grabrucker, Vater Staat hat keine Muttersprache, 1993, S. 201 f.; vgl. zu einer Behandlung als Objekt durch Sprache Großfeld, NJW 1985, 1577 (1583).

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3. Teil: Rechtlicher Rahmen für die Verwendung geschlechtergerechter Sprache

schenwürde als abstrakter Wert schützenswert sei.1526 Auch unterliege das Verständnis des Menschenwürdegehalts einem zeitlichen Wandel.1527 Gegen diese Einordnung wurde vorgebracht, dass die „sprachliche Vertretbarkeit“ Frauen nicht in der Sache zum bloßen Objekt mache.1528 Die Sprachebene dürfe nicht mit der Sachebene verwechselt werden.1529 Abstraktion sei ein typisches Kennzeichen von Rechtsnormen.1530 Infolgedessen liege linguistisch gesprochen bei Personenbezeichnungen in Rechtsnormen auch keine Referenz vor.1531 Dem wird wiederum entgegengehalten, dass zwar auch bei Männern in Rechtsnormen vom Individuum abstrahiert werde, sich bei diesen aber die generischen mit den geschlechtsspezifischen Personenbezeichnungen deckten, sodass sie sich leichter damit identifizieren könnten.1532 Sprach- und Sachebene seien ineinander verwoben und die Sprachebene zumindest „Indikator“ für die Sachebene.1533 Die Sprachebene müsse bereits den Anschein von Objektdegradierung vermeiden.1534 Die herausgehobene Stellung und Bedeutung der Menschenwürde im Grundgesetz gebieten es, diese eng zu interpretieren.1535 Die Auslegung muss auch unter Berücksichtigung solch anerkannter gravierender Beispiele einer Verletzung der Menschenwürde wie etwa Folter1536 erfolgen. Zwar sind „Frauenprobleme“ nicht etwa als solche nachrangig1537 und kann eine Missachtung der Menschenwürde auch sprachlich zum Ausdruck kommen1538, jedoch macht es einen Unterschied, ob 1526 Grabrucker, Vater Staat hat keine Muttersprache, 1993, S. 198; zum Schutz der Menschenwürde als abstrakter Wert Dürig, AöR 81 (1956), 117 (125 ff.). 1527 Grabrucker, in: Battis/Schultz (Hrsg.), Frauen im Recht, 1990, S. 281 (306); Grabrucker, Vater Staat hat keine Muttersprache, 1993, S. 198 f.; diesem Aspekt zustimmend Schulze-Fielitz, KritV 72 (1989), 273 (280). 1528 Schulze-Fielitz, KritV 72 (1989), 273 (281); ähnlich G. Bachmann, NJW 2018, 1648 (1650); vgl. dazu auch Ebke, ZRP 1988, 360 (360); R. Schneider, ZRP 1988, 125 (126). 1529 Schulze-Fielitz, KritV 72 (1989), 273 (281). 1530 Vgl. Ebke, ZRP 1988, 360 (360); Maaß, ZRP 1988, 203 (204); Stickel, ZGL 16 (1988), 330 (345); Otto, zit. nach: Bickes/Brunner (Hrsg.), Muttersprache frauenlos? Männersprache Frauenlos? PolitikerInnen ratlos?, 1992, S. 49 (51). 1531 Stickel, ZGL 16 (1988), 330 (345); ähnlich Kargl/Wetschanow/Wodak/Perle, Kreatives Formulieren, 1997, S. 105 f.; s. zu dieser Problematik näher unter Dritter Teil, B. III. 1. 1532 Vgl. Grabrucker, Vater Staat hat keine Muttersprache, 1993, S. 203. 1533 Grabrucker, in: Battis/Schultz (Hrsg.), Frauen im Recht, 1990, S. 281 (307). 1534 Grabrucker, in: Battis/Schultz (Hrsg.), Frauen im Recht, 1990, S. 281 (307). 1535 Vgl. BVerfGE 107, 275 (284); Dürig, AöR 81 (1956), 117 (124 f.); Isensee, AöR 131 (2006), 173 (187 ff.); Hörnle, ZRph 2008, 41 (53); Epping, Grundrechte, 8. Aufl. 2019, Rn. 613. 1536 BVerfGK 4, 283 (285); Häberle, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts der Bundesrepublik Deutschland, Bd. II, 3. Aufl. 2004, § 22 Rn. 56; Herdegen, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 1 Abs. 1 Rn. 95 (Stand: Mai 2009). 1537 In diese Richtung kritisch Grabrucker, KritV 72 (1989), 292 (297 f.) unter Bezugnahme auf Schulze-Fielitz, KritV 72 (1989), 273 (280 f.). 1538 BVerfGE 144, 20 (246 ff. Rn. 635 ff.).

B. Bundesverfassungsrechtliche Maßgaben für geschlechtergerechte Sprache

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Personen real oder nur sprachlich „Gewalt“1539 angetan wird – soweit davon bei der Verwendung des generischen Maskulinums überhaupt die Rede sein kann, gerade wenn doch bei dessen „bestimmungsgemäßer“ Verwendung nicht einmal beabsichtigt ist, Frauen auszuschließen. Insofern ist insbesondere auch zu berücksichtigen, dass Art. 1 Abs. 1 GG eine Abwägung mit anderen Belangen nicht zulässt.1540 Dies spricht jedenfalls gegen eine Einordnung nicht geschlechtergerechter Sprache als Verstoß gegen die Menschenwürde und eher – wenn überhaupt – für eine Verortung der Thematik beim Allgemeinen Persönlichkeitsrecht1541. Außerdem ist fraglich, ob es bei Art. 1 Abs. 1 GG und der Objektformel um die Subjektqualität als Mensch allgemein oder auch speziell als Frau geht1542, ob also eine Differenzierung vorzunehmen ist zwischen dem Menschen als vertretbare Größe und Frauen als durch Männer sprachlich vertretbare Gruppe. Das Bundesverfassungsgericht hat ausgeführt, Menschenwürde i. S. d. Art. 1 Abs. 1 GG sei „nicht nur die individuelle Würde der jeweiligen Person, sondern die Würde des Menschen als Gattungswesen“.1543 Die Bezugnahme auf das „Gattungswesen Mensch“ spricht dafür, dass es um den Menschen als solchen geht. Das wird noch deutlicher in folgenden späteren Ausführungen des Bundesverfassungsgerichts: „Menschenwürde ist egalitär; sie gründet ausschließlich in der Zugehörigkeit zur menschlichen Gattung, unabhängig von Merkmalen wie Herkunft, Rasse, Lebensalter oder Geschlecht“.1544 Teilweise ist jedoch argumentiert worden, dass die Würde der Frau spezifischen Schutz erfordere.1545 Die Definition der Verletzung der Menschenwürde von Frauen dürfe nicht durch Männer erfolgen.1546 Sie sei auch nicht identisch mit einer Verletzung der Menschenwürde von Männern.1547 Sogar eine 1539

So zum generischen Maskulinum Wöhrmann, ZRP 1988, 360; Frank, Sprachgewalt, 1992, S. 135; Trömel-Plötz, in: Trömel-Plötz (Hrsg.), Gewalt durch Sprache, (Neuauflage) 2004, S. 64 (69); Hornscheidt, in: Scherr/El-Mafaalani/Yüksel (Hrsg.), Handbuch Diskriminierung, 2017, S. 793 (802); Pusch, in: Baumann/Meinunger (Hrsg.), Die Teufelin steckt im Detail, 2017, S. 77 (78). 1540 S. nur BVerfGE 107, 275 (284); Häberle, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts der Bundesrepublik Deutschland, Bd. II, 3. Aufl. 2004, § 22 Rn. 56; Isensee, AöR 131 (2006), 173 (212); G. Bachmann, NJW 2018, 1648 (1650). 1541 S. dazu unter Dritter Teil, B. III. 1542 Gegen Letzteres offenbar Isensee, AöR 131 (2006), 173 (216), der meint, „Frauenrechte“ dürften nicht „Front machen gegen Menschenrechte“. 1543 BVerfGE 87, 209 (228); ähnlich Isensee, AöR 131 (2006), 173 (215). 1544 BVerfGE 144, 20 (207 f. Rn. 541). 1545 So Maihofer, Stellungnahme für die Anhörung zu Art. 3 GG (Gleichstellung und Gleichberechtigung von Frauen und Männern) der Gemeinsamen Verfassungskommission am 5. Nov. 1992, zit. nach: Limbach/Eckertz-Höfer (Hrsg.), Frauenrechte im Grundgesetz des geeinten Deutschland, 1993, S. 194 (201). 1546 Grabrucker, in: Battis/Schultz (Hrsg.), Frauen im Recht, 1990, S. 281 (305); vgl. dazu auch Platt, STREIT 1990, 147 (154); Baer, in: Koreuber/Mager (Hrsg.), Recht und Geschlecht, 2004, S. 19 (21). 1547 Vgl. Grabrucker, in: Battis/Schultz (Hrsg.), Frauen im Recht, 1990, S. 281 (306), die darauf verweist, dass der allgemeine Sprachgebrauch zusätzlich zum Begriff der Menschen-

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3. Teil: Rechtlicher Rahmen für die Verwendung geschlechtergerechter Sprache

Änderung des Art. 1 GG wurde angedacht, konnte aber nicht durchgesetzt werden.1548 Eine Änderung erscheint auch nicht nötig, da die Formulierung in Art. 1 Abs. 1 GG „Würde des Menschen“ geschlechtsneutral ist und dies gerade positiv zu bewerten ist.1549 Es sollte nicht im Sinne unterschiedlicher Schutzbereiche zwischen der Würde von Männern und der von Frauen (und der von Personen, die sich weder dem männlichen noch dem weiblichen Geschlecht zuordnen [lassen]) differenziert werden, weil es immer um die (gleichwertige) Würde als Mensch geht, auch wenn sich eine Verletzung der Menschenwürde bei Frauen in anderer Weise manifestieren kann als bei Männern.1550

III. Art. 2 Abs. 1 i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG: Die Bedeutung des Allgemeinen Persönlichkeitsgrundrechts für geschlechtergerechte Sprache Nicht geschlechtergerechte Rechtssprache könnte eine Verletzung des Allgemeinen Persönlichkeitsrechts aus Art. 2 Abs. 1 i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG1551 darstellen.

würde den der „Würde der Frau“ kenne; Maihofer, 5. Öffentliche Anhörung der GVK vom 5. 11. 1992, zit. nach: Limbach/Eckertz-Höfer (Hrsg.), Frauenrechte im Grundgesetz des geeinten Deutschland, 1993, S. 91, 169; s. dort auch Senatorin Peschel-Gutzeit, S. 159; Baer, Blätter für deutsche und internationale Politik 1/2013, 107 (116), die die Menschenwürde als „geschlechtsspezifisches Konzept“ sieht. 1548 S. dazu Limbach/Eckertz-Höfer (Hrsg.), Frauenrechte im Grundgesetz des geeinten Deutschland, 1993, passim und insb. dort auch Maihofer, 5. Öffentliche Anhörung der GVK vom 5. 11. 1992, S. 169; ebenfalls dort Maihofer, Stellungnahme für die Anhörung zu Art. 3 GG (Gleichstellung und Gleichberechtigung von Frauen und Männern) der Gemeinsamen Verfassungskommission am 5. Nov. 1992, S. 194 (201). 1549 Vgl. Sacksofsky, Schriftliche Stellungnahme zum Themenbereich „Änderung des Art. 3 GG“ anläßlich der Öffentlichen Anhörung der Gemeinsamen Verfassungskommission (Bonn, 5. November 1992), zit. nach: Limbach/Eckertz-Höfer (Hrsg.), Frauenrechte im Grundgesetz des geeinten Deutschland, 1993, S. 203 (214); s. dort ebenfalls gegen eine Änderung Abg. Mascher, 10. Sitzung der GVK vom 24. 9. 1992, S. 29. 1550 Vgl. Schmitt Glaeser, Anhörung zu Art. 3 GG – Gleichberechtigung der Frau – Kurzthesen –, zit. nach: Limbach/Eckertz-Höfer (Hrsg.), Frauenrechte im Grundgesetz des geeinten Deutschland, 1993, S. 222 (229); vgl. dort auch Schmitt Glaeser, 5. Öffentliche Anhörung der GVK vom 5. 11. 1992, S. 174; im Ergebnis wohl ebenso Grabrucker, in: Battis/ Schultz (Hrsg.), Frauen im Recht, 1990, S. 281 (306). 1551 Zur Entwicklung des Allgemeinen Persönlichkeitsrechts durch die Rechtsprechung s. unter Dritter Teil, B. I. 4. b) dd).

B. Bundesverfassungsrechtliche Maßgaben für geschlechtergerechte Sprache

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1. Allgemeines Persönlichkeitsgrundrecht und Vorschriftensprache Ein Teil der Mitglieder der Gemeinsamen Verfassungskommission1552 sprach sich für eine Umformulierung des Grundgesetzes aus, da die auch dort verwendeten Personenbezeichnungen im generischen Maskulinum1553 für viele Frauen „ein Übersehenwerden, ein Verschweigen ihrer Existenz und Ausgrenzung ihrer Personen“ bedeuteten.1554 Männliche Berufs- und Funktionsbezeichnungen dürften Frauen nicht länger zugemutet werden, da sie sich durch einzelne Bezeichnungen nicht nur diskriminiert, sondern auch in ihrem Persönlichkeitsrecht beeinträchtigt fühlten.1555 Allerdings ist zu berücksichtigen, dass linguistisch gesprochen bei Personenbezeichnungen in Rechtsnormen gar keine Referenz vorliegt, sondern nur ein „Referenzpotential“1556, weil die Bezeichnungen nicht auf konkrete reale Personen referieren, sondern Abstraktion gerade ein wesentliches Kennzeichen von Rechtsnormen ist1557. Allenfalls lässt sich hier von einer „klassenbezogenen Referenz“ auf abstrakte Begriffsklassen sprechen.1558 Ohne konkrete Referenz wird eine Person aber nicht in ihrer Persönlichkeit verletzt.1559 2. Amtssprache und Allgemeines Persönlichkeitsgrundrecht Wenn Frauen in der Amtssprache, also in der individuellen Anrede oder Bezeichnung nicht geschlechtsspezifisch, sondern mit „Ausdrücken in maskuliner Form“ benannt werden, liegt darin nach der Ansicht der interministeriellen Arbeitsgruppe Rechtssprache auf der Bundesebene1560 eine Verletzung des Persön1552

S. dazu unter Zweiter Teil. S. dazu unter Erster Teil, D. 1554 BT-Drs. 12/6000, S. 52; s. dazu Abg. Deppe, Nds. LT-PlPr. 11/30, S. 2820, wonach „Männer nicht nachvollziehen können, was es heißt, als Frau sprachlich nicht zu existieren, d. h. unsichtbar zu sein, und zwar unsichtbar mit unserer Kraft und unsichtbar mit unseren Leistungen, auf die diese Gesellschaft aufbaut“; ähnlich Trömel-Plötz, in: Brehmer (Hrsg.), Sexismus in der Schule, 1982, S. 189 (193); s. auch Brinkmann to Broxten, Der Sprachdienst 34 (1990), 141 (145). 1555 BT-Drs. 12/6000, S. 52. 1556 Stickel, ZGL 16 (1988), 330 (345); vgl. Kargl/Wetschanow/Wodak/Perle, Kreatives Formulieren, 1997, S. 105 f.; linguistisch sind die begrifflichen Zuordnungen allerdings streitig, s. dazu Pettersson, Geschlechtsübergreifende Personenbezeichnungen, 2011, S. 55 ff. 1557 Vgl. Ebke, ZRP 1988, 360 (360); Maaß, ZRP 1988, 203 (204); Stickel, ZGL 16 (1988), 330 (345); Otto, zit. nach: Bickes/Brunner (Hrsg.), Muttersprache frauenlos? Männersprache Frauenlos? PolitikerInnen ratlos?, 1992, S. 49 (51). 1558 S. dazu Diewald/Steinhauer, Richtig gendern, hrsg. von der Dudenredaktion, 2017, S. 72 ff.; vgl. trotz abweichender Terminologie Zifonun, Sprachreport 34 (2018), Heft 4, 44 (50 f.). 1559 Vgl. zur fehlenden Ehrverletzung Einzelner bei abstrakten herabwürdigenden Aussagen über unüberschaubar große Personenkollektive BVerfGE 93, 266 (299 ff.). 1560 S. dazu unter Zweiter Teil. 1553

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3. Teil: Rechtlicher Rahmen für die Verwendung geschlechtergerechter Sprache

lichkeitsrechts.1561 Das Persönlichkeitsrecht gebiete, neben den maskulinen Berufs-, Amts- und Funktionsbezeichnungen auch die entsprechenden femininen Bezeichnungen vorzusehen, damit Männer und Frauen individuell, auf das Geschlecht Rücksicht nehmend, bezeichnet werden könnten.1562 In der Tat dürfte bei einer nicht geschlechtsspezifischen (und daher oftmals geschlechtsinadäquaten) Anrede oder konkreten Bezeichnung – und anders als bei den abstrakten Bezeichnungen in Vorschriften – die Missachtung des individuellen Menschen in seiner Persönlichkeit und damit die freiheitsrechtliche Dimension im Vordergrund stehen.1563 Die deutsche Sprache hält (neben einigen „echt“ geschlechtsneutralen) geschlechtsspezifische Anredeformen und Bezeichnungen (wie Berufs-, Amts-, Dienst- und Funktionsbezeichnungen) sowohl für Männer als auch für Frauen bereit, sodass in der „generischen“ Verwendung maskuliner Formen gegenüber Frauen zur Ansprache oder konkreten Benennung ein Eingriff in deren Persönlichkeitsrecht zu sehen ist, weil das Persönlichkeitsrecht auch die geschlechtliche Identität schützt1564 und diese eng mit der (geschlechtsadäquaten) Form der Bezeichnung zusammenhängt1565. Es ist auch keine verfassungsrechtliche Rechtfertigung ersichtlich. Allerdings hat sich, wie bereits ausgeführt, bei der direkten Personenansprache geschlechtergerechte Sprache weitgehend durchgesetzt1566, sodass hier – wie auch sonst in der Amtssprache1567 – in der Praxis wenig Probleme bestehen. Dies gilt jedenfalls in Bezug auf Frauen. Ungeklärt ist bislang noch, wie Personen, die sich weder dem männlichen noch dem weiblichen Geschlecht zuordnen (lassen), angemessen individuell anzureden sind.1568 Diese Problematik ist insbesondere durch den Beschluss des Bundesverfassungsgerichts zum „dritten Geschlecht“1569 virulent geworden. 1561 BT-Drs. 12/1041, S. 12; dem folgend Leuer/Fessel, Frauen in der Sprache des Hochschulrechts, 1992, S. 15 Fn. 42; so auch Schulze-Fielitz, Protokoll der Sachverständigenanhörung zum Thema „Gleichbehandlung von Mann und Frau in der Rechtssprache?“ am 15. September 1988 im Bundesministerium der Justiz, S. 46, BArch, B 141/418838. 1562 BT-Drs. 12/1041, S. 12 f. 1563 S. dazu auch unter Dritter Teil, B. I. 3. 1564 S. nur BVerfGE 115, 1 (14); 116, 243 (260 f.); 121, 175 (190 f.); 128, 109 (124); 147, 1 (18 ff. Rn. 37 ff.). 1565 Zur Bedeutung der Geschlechtsidentität für die individuelle Anrede BVerfGE 147, 1 (19 f. Rn. 39); BVerfG, NJW 1997, 1632 (1633); NJW 2012, 600 (601 Rn. 12 f.); BGHZ 218, 96 (109 Rn. 45); Sieberichs, FamRZ 2013, 1180 (1184); Theilen, StAZ 2016, 295 (296); vgl. die Ausführungen unter Dritter Teil, B. I. 3. 1566 S. nur Spillmann, in: Hufeisen (Hrsg.), „Das Weib soll schweigen…“ (1. Kor. 14, 34), 1993, S. 11 (11); Klann-Delius, Sprache und Geschlecht, 2005, S. 187. 1567 Vgl. BT-Drs. 12/1041, S. 13; Lange-Klein, Terminologie et Traduction 2/1989, 23 (30); Klann-Delius, Sprache und Geschlecht, 2005, S. 188, 190; zu Amts- und Berufsbezeichnungen auch Hellinger, in: Eichhoff-Cyrus (Hrsg.), Adam, Eva und die Sprache, 2004, S. 275 (286); allgemein zu konkreter Personenreferenz auch Kotthoff, OBST 90 (2017), 91 (95). 1568 S. dazu unter Dritter Teil, B. I. 3.

B. Bundesverfassungsrechtliche Maßgaben für geschlechtergerechte Sprache

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Bezüglich Personenbezeichnungen in Formularen und Vordrucken hat der Bundesgerichtshof kürzlich geurteilt, dass eine Sparkassen-Kundin keinen Anspruch darauf habe, in Formularen und Vordrucken der beklagten Sparkasse ausschließlich oder zusätzlich mit grammatisch weiblichen Personenbezeichnungen erfasst zu werden.1570 Zum Allgemeinen Persönlichkeitsrecht heißt es dort zwar, dass dieses die geschlechtliche Identität schütze, die regelmäßig ein konstituierender Aspekt der eigenen Persönlichkeit sei.1571 Da die Geschlechtszugehörigkeit weithin bestimme, wie Menschen angesprochen werden, könne eine Person auch von den staatlichen Organen verlangen, nicht entgegen ihrem Rollenverständnis angeredet und angeschrieben zu werden. Allerdings sei insoweit der „allgemeine deutsche Sprachgebrauch“ maßgeblich. Nach diesem Maßstab vermochte der BGH keine Verletzung des Allgemeinen Persönlichkeitsrechts in der Ausprägung als Schutz der geschlechtlichen Identität durch die Verwendung von Personenbezeichnungen im generischen Maskulinum in Sparkassenformularen und -vordrucken zu erkennen. Da die Beklagte gegenüber der Klägerin in persönlichen Gesprächen und individuellen Schreiben die Anrede „Frau […]“ verwende, liege kein Eingriff in den Schutzbereich des Allgemeinen Persönlichkeitsrechts vor.1572 Das Urteil des BGH vermag allerdings gerade auch in Bezug auf das Allgemeine Persönlichkeitsrecht nicht zu überzeugen. Wie bereits ausgeführt1573, sind Formulare und Vordrucke anders als Vorschriften dazu bestimmt, von einer Person konkretindividuell ausgefüllt zu werden, sodass hier ein Persönlichkeitsbezug gegeben ist.

IV. Art. 12 Abs. 1 GG: Berufsfreiheit und geschlechtergerechte Sprache Gem. Art. 12 Abs. 1 Satz 1 GG haben alle Deutschen das Recht, Beruf, Arbeitsplatz und Ausbildungsstätte frei zu wählen. Dies könnte im Zusammenhang mit geschlechtergerechter Sprache in unterschiedlicher Weise eine Rolle spielen.

1569

BVerfGE 147, 1 ff.; s. dazu näher unter Erster Teil, B. I. BGHZ 218, 96 ff.; s. dazu BVerfG, 1 BvR 1074/18 vom 26. 5. 2020 und näher unter Erster Teil, D. 1571 BGHZ 218, 96 (109 Rn. 45). 1572 BGHZ 218, 96 (110 Rn. 46); zustimmend Scholl/Fischer, EWiR 2018, 365 (366); insoweit ebenfalls zustimmend G. Bachmann, NJW 2018, 1648 (1650), wonach die Formularansprache das Allgemeine Persönlichkeitsrecht „allenfalls minimal tangiert“; ähnlich BuckHeeb, WuB 2018, 323 (326), wonach die Sprache in Vordrucken und Formularen „kaum unter die bislang herausgebildeten Fallgruppen [passe]“. 1573 S. unter Erster Teil, D. 1570

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3. Teil: Rechtlicher Rahmen für die Verwendung geschlechtergerechter Sprache

1. Schutzpflicht des Staates aus Art. 12 Abs. 1 GG bei struktureller Disparität? Aus Art. 12 Abs. 1 GG lässt sich neben dem unstreitig bestehenden negativen Abwehrrecht gegen Eingriffe des Staates in die Berufsfreiheit auch eine positive Schutzpflicht des Staates vor nicht vom Staat ausgehenden Gefahren bei „struktureller Disparität“ ableiten, die den Staat verpflichtet, strukturelle Barrieren abzubauen, die den Gebrauch der Berufsfreiheit behindern und die die einzelne Person nicht selbst beseitigen kann.1574 Solche strukturellen Barrieren beim Zugang zum Beruf und zu Arbeits- und Ausbildungsplätzen können unter dem Aspekt geschlechtergerechter Sprache darin gesehen werden, dass Berufsbezeichnungen und Bezeichnungen für Ausbildungsberufe unter Verwendung des generischen Maskulinums Assoziationen zu Männern eher und stärker bewirken als zu Frauen1575 und dies dazu führen kann, dass sich weniger Frauen für diese Berufe bzw. Ausbildungen entscheiden und bewerben, weil sie sich nicht ausreichend damit identifizieren können oder sogar unsicher sind, ob sie auch gemeint sind.1576 Deshalb ist schon frühzeitig von Seiten des Staates darauf hingewirkt worden, dass Ausbildungsverordnungen und das Verzeichnis der anerkannten Ausbildungsberufe diese in Form von Doppelbezeichnungen oder geschlechtsindifferenten Begriffen benennen und hat es auch schon früh gesetzliche Vorgaben zur geschlechtsneutralen Stellen- bzw. Arbeitsplatzausschreibung gegeben.1577 Berufliche Chancengleichheit ist insofern nicht nur ein Aspekt der Gleichheit, sondern auch der Freiheit.1578 1574 S. dazu näher Brosius-Gersdorf, in: FS Dreier, 2018, S. 93 (105 ff.); zur Ableitung einer Schutzpflicht aus Art. 12 Abs. 1 GG s. auch BVerfGE 92, 26 (46). 1575 S. die Studien von Rummler, OBST 51 (1995), 173 ff.; Vervecken/Hannover/Wolter, Journal of Vocational Behavior 82 (2013), 208 ff.; Vervecken/Hannover, Social Psychology 46 (2015), 76 ff.; Horvath/Merkel/Maass/Sczesny, Frontiers in Psychology 6 (2016), Art. 2018. Für andere nicht-männliche Personen kann das bislang nur vermutet werden, s. dazu auch in Fn. 996. 1576 In diese Richtung auch R. Schmidt, in: Eichhoff-Cyrus (Hrsg.), Adam, Eva und die Sprache, 2004, S. 316 (320); bezogen auf Stellenausschreibungen auch Trömel-Plötz, Frauensprache, 1982, S. 74; Ranftl-Guggenberger, Medienimpulse 3 (1995), Heft 12, 33 (33); F. Braun, Der Deutschunterricht 48 (1996), Heft 1, 54 (54 f.); Stahlberg/F. Braun/Irmen/ Sczesny, in: Fiedler (Hrsg.), Social Communication, 2007, S. 163 (178, 180); Horvath/Sczesny, European Journal of Work and Organizational Psychology 25 (2016), 316 (317 f.); Wegener, in: Baumann/Meinunger (Hrsg.), Die Teufelin steckt im Detail, 2017, S. 279 (281); vgl. Benecke, in: Looschelders (Hrsg.), BeckOGK AGG, § 11 Rn. 1 (Stand: Febr. 2020). Eine Studie hat überdies ergeben, dass Bewerberinnen für weniger passend für eine hohe Position als männliche Bewerber gehalten wurden, wenn die Position in der Ausschreibung im (generischen) Maskulinum formuliert war, s. Horvath/Sczesny, European Journal of Work and Organizational Psychology 25 (2016), 316 ff. 1577 Vgl. Der Bundesminister für Bildung und Wissenschaft, Pressemitteilung 96/1979 vom 27. 7. 1979, BArch, B 141/418827, wonach die Aufnahme weiblicher Berufsbezeichnungen in die Ausbildungsordnungen als „Beitrag zur Verbesserung der Berufswahlchancen für Frauen“

B. Bundesverfassungsrechtliche Maßgaben für geschlechtergerechte Sprache

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Allerdings wird der Staat unter dem Aspekt von Schutzpflichten nach weit verbreiteter Ansicht nur nach Maßgabe des Untermaßverbotes als zum Handeln verpflichtet angesehen.1579 Eine Verletzung von Schutzpflichten kommt danach grundsätzlich erst in Betracht, wenn der Staat Schutzvorkehrungen entweder überhaupt nicht getroffen hat oder die getroffenen Vorkehrungen gänzlich ungeeignet oder unzulänglich sind.1580 Nur ausnahmsweise kann der Staat demnach verpflichtet sein, eine ganz bestimmte Schutzmaßnahme zu ergreifen.1581 Prinzipiell bestehen bei der Erfüllung von grundrechtlichen Schutzpflichten eine Einschätzungsprärogative und ein Gestaltungsspielraum.1582 Ähnlich ist dies allerdings auch im Rahmen von Art. 3 Abs. 2 Satz 2 GG.1583 Insbesondere darf (und muss) der Staat auch mögliche Nachteile durch die Verwendung von paarigen Berufsbezeichnungen berücksichtigen. So ergaben Studien, dass deren Verwendung zugleich dazu führte, dass der Verdienst in Berufen geringer eingeschätzt wurde.1584 2. Speziell im Hochschulbereich: Ausbildungsauftrag der Hochschulen Die Hochschulen unterliegen bei der Wahrnehmung ihrer Aufgaben verfassungsrechtlich nicht nur dem Förderauftrag aus Art. 3 Abs. 2 Satz 2 GG, der es erfolgte; BT-Drs. 12/1041, S. 15 f.; E. Bülow, ZG 3 (1988), 160 (161); s. dazu unter Zweiter Teil. 1578 Ebenso ohne Bezug zu geschlechtergerechter Sprache Ossenbühl, NJW 2012, 417 (418); Brosius-Gersdorf, in: FS Dreier, 2018, S. 93 (105 ff.). 1579 So etwa BVerfGE 88, 203 (254); Isensee, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts der Bundesrepublik Deutschland, Bd. IX, 3. Aufl. 2011, § 191 Rn. 219, 303 ff.; Epping, Grundrechte, 8. Aufl. 2019, Rn. 126 ff.; Sacksofsky, JöR N.F. 67 (2019), 377 (396); a. A. etwa Cremer, DÖV 2008, 102 ff. 1580 BVerfGE 77, 170 (215); 92, 26 (46); BVerfGK 10, 208 (211); BVerfG, NJW 2002, 1638 (1639). 1581 BVerfGE 77, 170 (215). 1582 BVerfGE 77, 170 (214 f.); BVerfGK 10, 208 (211); BVerfG, NJW 2002, 1638 (1639). 1583 S. dazu unter Dritter Teil, B. I. 4. a) bb) (3) bis (5); zum Verhältnis einer Schutzpflicht aus Art. 12 Abs. 1 GG und Art. 3 Abs. 2 Satz 2 GG näher Brosius-Gersdorf, in: FS Dreier, 2018, S. 93 (108 f.), die eine Schutzpflicht aus dem Grundrecht der Berufsfreiheit bei „struktureller Disparität“ auch als Konkretisierung des Auftrags des Staates aus Art. 3 Abs. 2 Satz 2 GG ansieht; für die Geltung des Untermaßverbotes auch i.R.v. Art. 3 Abs. 2 Satz 2 GG v. Schwanenflug, djb-Stellungnahme zur bevorstehenden Novelle des Hessischen Gleichberechtigungsgesetzes (HGlG) vom 26. 1. 2006, S. 1; unklar insofern Störring, Das Untermaßverbot in der Diskussion, 2009, S. 45, 111. 1584 S. Horvath/Merkel/Maass/Sczesny, Frontiers in Psychology 6 (2016), Art. 2018, S. 11, wonach sich die Verwendung von Paarbezeichnungen negativ auf die Höhe des geschätzten Einkommens (nicht jedoch auf die Einschätzung von Status und Kompetenz) in typischerweise Frauen zugeordneten Berufen auswirkte; s. auch Vervecken/Hannover, Social Psychology 46 (2015), 76 (81), wonach bei der Verwendung von Paarbezeichnungen Jungen das Einkommen in typischerweise Männern zugeordneten Berufen geringer einschätzten.

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3. Teil: Rechtlicher Rahmen für die Verwendung geschlechtergerechter Sprache

grundsätzlich legitimiert und sogar gebietet, auf geschlechtergerechte Sprache hinzuwirken1585, auch durch verbindliche Vorgaben.1586 Ihnen kommt vielmehr auch ein aus der Verfassung herzuleitender Ausbildungsauftrag zu1587, der gerade in der Zusammenschau mit dem Förderauftrag aus Art. 3 Abs. 2 Satz 2 GG ein Hinwirken auf geschlechtergerechte Sprache erfassen könnte. Als verfassungsrechtlicher Anknüpfungspunkt des Ausbildungsauftrages lässt sich dabei die Berufsfreiheit der Studierenden aus Art. 12 Abs. 1 GG ansehen1588, sodass hier unter diesem weiteren Aspekt Art. 12 Abs. 1 GG im Zusammenhang mit geschlechtergerechter Sprache ebenfalls zum Tragen kommen kann. Für die Einordnung geschlechtergerechter Sprache als Bestandteil des Ausbildungsauftrages der Hochschulen lässt sich neben seiner Gleichstellungsorientierung1589 zusätzlich anführen, dass geschlechtergerechte Sprache teilweise auch als ein Gebot wissenschaftlichen Arbeitens angesehen wird.1590 Insofern wird argumentiert, dass sich mittels geschlechtergerechter Sprache präziser die gemeinten Personen benennen ließen.1591 Darüber hinaus wird auch argumentiert, dass die 1585

S. dazu näher unter Dritter Teil, B. I. 4., auch zu bestehenden Spannungsverhältnissen. Vgl. im Ergebnis ebenso Leuer/Fessel, Frauen in der Sprache des Hochschulrechts, 1992, S. 16, 27 f.; für geschlechtergerechte Sprache an Hochschulen auch G. Spieß, ZFHE 3 (2008), Heft 2, 48 (54), die sich für geschlechtergerechte Sprache in der Lehre ausspricht; bezogen auf Öffentlichkeitsmaterialien von Hochschulen Merkel, Journal Netzwerk Frauenund Geschlechterforschung NRW 28 (2011), 36 (37, 40); vgl. zu Österreich Posch, in: Antenhofer/Oberprantacher/Schnegg (Hrsg.), Methoden und Wahrheiten, 2011, S. 207 (221 f.). Der Frage, in welcher Form (ob z. B. in der Grundordnung oder einer anderen Ordnung) und durch welche Organe des Hochschulrechts (z. B. Senat oder Präsidium) Vorgaben zu geschlechtergerechter Sprache erfolgen könnten bzw. müssten, kann hier nicht näher nachgegangen werden. 1587 Vgl. BVerfGE 35, 79 (120 f.); 47, 327 (370); 55, 37 (68); VGH Bad.-Württ., VBlBW 2006, 464 (465); Epping, in: Geis (Hrsg.), Hochschulrecht in Bund und Ländern, § 2 HRG Rn. 4 (Stand: Nov. 1999); Gärditz, Hochschulorganisation und verwaltungsrechtliche Systembildung, 2009, S. 296; Britz, in Dreier (Hrsg.), GG, Bd. I, 3. Aufl. 2013, Art. 5 Abs. 3 (Wissenschaft) Rn. 41; Kempen, in: Hartmer/Detmer (Hrsg.), Hochschulrecht, 3. Aufl. 2017, Kap. 1 Rn. 96. 1588 Epping, in: Geis (Hrsg.), Hochschulrecht in Bund und Ländern, § 2 HRG Rn. 4 (Stand: Nov. 1999) m. w. N. 1589 S. dazu unter Dritter Teil, B. I. 4. b) dd) (2). 1590 So Dittmann, in: GS Schoenthal, 2002, S. 63 (64); Theuerkauf/Steinmetz, in: J. Steinbach/Jansen-Schulz (Hrsg.), Gender im Experiment – Gender in Experiences, 2009, S. 143 (149); Hochschule für angewandte Wissenschaft und Kunst – Fachhochschule Hildesheim/Holzminden/Göttingen, „Geschlechtergerechte Sprache an der HAWK“, http://wikis. hawk-hhg.de/wikis/fields/gendersprache/ (abgerufen am 2. 6. 2020); als Frage formuliert bei Posch, in: Antenhofer/Oberprantacher/Schnegg (Hrsg.), Methoden und Wahrheiten, 2011, S. 207 (221); s. dazu auch Ivanov/M. B. Lange/Tiemeyer/Ptok, Gender(ed) Thoughts 2/2019, 1 (7). 1591 Vgl. Dittmann, in: GS Schoenthal, 2002, S. 63 (64); G. Spieß, ZFHE 3 (2008), Heft 2, 48 (54); Theuerkauf/Steinmetz, in: J. Steinbach/Jansen-Schulz (Hrsg.), Gender im Experiment – Gender in Experiences, 2009, S. 143 (149); dies erwägend auch Ivanov/M. B. Lange/Tiemeyer/ Ptok, Gender(ed) Thoughts 2/2019, 1 (14). 1586

B. Bundesverfassungsrechtliche Maßgaben für geschlechtergerechte Sprache

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Studierenden später im Berufsleben oft die Fähigkeit benötigen werden, geschlechtergerecht formulieren zu können, etwa in der Verwaltung, und dass sie dies daher vorher erlernen müssten, z. B. in der universitären juristischen Ausbildung.1592 Schranken findet der Ausbildungsauftrag der Hochschulen insbesondere in den Grundrechten der Lehrenden und der Studierenden.1593

V. Art. 7 Abs. 1 GG (i. V. m. Art. 3 Abs. 2 Satz 2 GG): Geschlechtergerechte Sprache an Schulen? Nach Art. 7 Abs. 1 GG steht das gesamte Schulwesen unter der Aufsicht des Staates. Daraus leitet die h.M. einen dem Elternrecht aus Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG gleichgeordneten Bildungs- und Erziehungsauftrag des Staates in der Schule ab.1594 Dieser Bildungs- und Erziehungsauftrag ist nach Ansicht des Bundesverfassungsgerichts „nicht darauf beschränkt, nur Wissensstoff zu vermitteln“.1595 Nach § 2 NSchG, dem sich Rückschlüsse auf (nicht jedoch Maßgaben für) die Interpretation des Art. 7 Abs. 1 GG entnehmen lassen, ist der „Bildungsauftrag der Schule“ so formuliert, dass die Schule im Anschluss an die vorschulische Erziehung die Persönlichkeit der Schülerinnen und Schüler auf der Grundlage des Christentums, des europäischen Humanismus und der Ideen der liberalen, demokratischen und sozialen Freiheitsbewegungen weiterentwickeln soll (Abs. 1 Satz 1). Erziehung und Unterricht müssen danach dem Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland und der Niedersächsischen Verfassung entsprechen; die Schule hat die Wertvorstellungen zu vermitteln, die diesen Verfassungen zugrunde liegen (Abs. 1 Satz 2). Die Schülerinnen und Schüler sollen u. a. auch fähig werden, ihre Beziehungen zu anderen Menschen nach den Grundsätzen der Gerechtigkeit, der Solidarität und der Toleranz sowie der Gleichberechtigung der Geschlechter zu gestalten (Abs. 1 Satz 3). Die Schule hat den Schülerinnen und Schülern die dafür erforderlichen Kenntnisse und 1592

Vgl. Valentiner, (Geschlechter)Rollenstereotype in juristischen Ausbildungsfällen, 2017, S. 19; zur bisherigen geringen praktischen Bedeutung von geschlechtergerechter Sprache in der juristischen Ausbildung Schweigler, DRiZ 2014, 52 (52); Chebout/Gather/Valentiner, djbZ 19 (2016), 190 (191); Valentiner, (Geschlechter)Rollenstereotype in juristischen Ausbildungsfällen, 2017, S. 14. 1593 S. dazu unter Dritter Teil, B. I. 4. b) dd) (2). 1594 BVerfGE 47, 46 (71 f.); vgl. BVerfGE 52, 223 (236); 98, 218 (244); BVerfG, NVwZ 1990, 54 (54); Kopke, Rechtschreibreform und Verfassungsrecht, 1995, S. 191; a. A. BrosiusGersdorf, in: Dreier (Hrsg.), GG, Bd. I, 3. Aufl. 2013, Art. 7 Rn. 21, 25 ff., die nur einen bildungsakzessorischen Erziehungsauftrag des Staates annimmt. Das BVerfG differenziert nicht immer klar zwischen Bildung und Erziehung, wie es selbst einräumt, sondern verwendet die Begriffe teilweise synonym, s. BVerfG, NVwZ 1990, 54 (54 f.); für eine synonyme Verwendung auch Avenarius/Hanschmann, Schulrecht, 9. Aufl. 2019, S. 118 Fn. 4. 1595 BVerfGE 47, 46 (72); vgl. BVerfGE 93, 1 (20); BVerfGK 8, 151 (155); s. auch AG Bonn, NJW 1989, 1047; Avenarius/Hanschmann, Schulrecht, 9. Aufl. 2019, S. 118 ff., 623; Schemmer, in: Epping/Hillgruber (Hrsg.), BeckOK GG, Stand: Dez. 2019, Art. 5 Rn. 152.

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3. Teil: Rechtlicher Rahmen für die Verwendung geschlechtergerechter Sprache

Fertigkeiten zu vermitteln (Abs. 1 Satz 4). Nach Ansicht der Niedersächsischen Landesregierung impliziert der Bildungsauftrag auch die Verwendung „gendergerechte[r]“ Sprache.1596 Dabei ging es explizit um die Sprache in Schulbüchern.1597 Gleiches muss dann aber auch für die Verwendung geschlechtergerechter Sprache seitens der Lehrkräfte gelten.1598 Schließlich könnte der (Erziehungs- und) Bil-

1596 S. Nds. Landesregierung, LT August-Plenum TOP 16: Schriftliche Antwort auf die mündliche Anfrage Nummer 25 vom 17. 8. 2017, http://www.mk.niedersachsen.de/startseite/ak tuelles/presseinformationen/lt-august-plenum-top-16-schriftliche-antwort-auf-die-muendlicheanfrage-nummer-25-156783.html (abgerufen am 2. 6. 2020); vgl. Leitlinien zur Sicherung der Chancengleichheit durch geschlechtersensible schulische Bildung und Erziehung (Beschluss der Kultusministerkonferenz vom 6. 10. 2016/Beschluss der Konferenz der Gleichstellungsund Frauenministerinnen und -minister, -senatorinnen und -senatoren der Länder vom 16. 06. 2016), Sammlung der Beschlüsse der Ständigen Konferenz der Kultusminister der Länder in der Bundesrepublik Deutschland, Stand: 196. Lfg. März 2020, Beschluss Nr. 673, S. 6; BVerfG, NVwZ 1990, 54 (55), wonach „bereits der Statuierung von Erziehungszielen, wie sie in Landesverfassungen und Schulgesetzen zulässigerweise geregelt sind, Wertentscheidungen zugrunde liegen, die zwangsläufig bestimmte Verhaltensanforderungen stellen“; zur Befugnis des Staates zur Regelung der Sprache in der Schule BVerfGE 98, 218 (247 ff.); Kirchhof, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts der Bundesrepublik Deutschland, Bd. II, 3. Aufl. 2004, § 20 Rn. 95 f., 120. 1597 Für geschlechtergerechte Sprache in Schulbüchern auch Trömel-Plötz/Guentherodt/ Hellinger/Pusch, Linguistische Berichte 71 (1981), 1 (1 f.); Fichera, in: Enders-Dragässer/ C. Fuchs (Hrsg.), Frauensache Schule, 1990, S. 257 (275 ff.); Homberger, Muttersprache 103 (1993), 89 (106); Rummler, OBST 51 (1995), 173 (187); Trömel-Plötz, Frauensprache, (Neuauflage) 2007, S. 41 f.; Bittner, Geschlechterkonstruktionen und die Darstellung von Lesben, Schwulen, Bisexuellen, Trans* und Inter* (LSBTI) in Schulbüchern, 2011, S. 74; Moser/Hannover/J. Becker, GENDER 5 (2013), Heft 3, 77 (87 f.); Pöschko/Prieler, Zeitschrift für Bildungsforschung 8 (2018), 5 (7, 17); in diese Richtung ohne explizite Erwähnung auch die Leitlinien zur Sicherung der Chancengleichheit durch geschlechtersensible schulische Bildung und Erziehung (Beschluss der Kultusministerkonferenz vom 6. 10. 2016/Beschluss der Konferenz der Gleichstellungs- und Frauenministerinnen und -minister, -senatorinnen und -senatoren der Länder vom 16. 06. 2016), Sammlung der Beschlüsse der Ständigen Konferenz der Kultusminister der Länder in der Bundesrepublik Deutschland, Stand: 196. Lfg. März 2020, Beschluss Nr. 673, S. 3; s. dazu auch unter Dritter Teil, A. VI. 1., 2. und 4. b) dd) (3). 1598 Für geschlechtergerechte Sprache seitens der Lehrkräfte die Leitlinien zur Sicherung der Chancengleichheit durch geschlechtersensible schulische Bildung und Erziehung (Beschluss der Kultusministerkonferenz vom 6. 10. 2016/Beschluss der Konferenz der Gleichstellungs- und Frauenministerinnen und -minister, -senatorinnen und -senatoren der Länder vom 16. 06. 2016), Sammlung der Beschlüsse der Ständigen Konferenz der Kultusminister der Länder in der Bundesrepublik Deutschland, Stand: 196. Lfg. März 2020, Beschluss Nr. 673, S. 6; dafür auch Trömel-Plötz/Guentherodt/Hellinger/Pusch, Linguistische Berichte 71 (1981), 1 (1 f.); Fichera, in: Enders-Dragässer/C. Fuchs (Hrsg.), Frauensache Schule, 1990, S. 257 (274); Homberger, Muttersprache 103 (1993), 89 (97, 109); Frank-Cyrus/Dietrich, Der Sprachdienst 41 (1997), 55 (58); s. dazu auch Schräpel, in: Hellinger (Hrsg.), Sprachwandel und feministische Sprachpolitik, 1985, S. 212 (224); S. Müller/C. Fuchs, Handbuch zur nichtsexistischen Sprachverwendung in öffentlichen Texten, 1993, S. 14 f. sowie unter Dritter Teil, A. VI. 1., 2. und 4. b) dd) (3).

B. Bundesverfassungsrechtliche Maßgaben für geschlechtergerechte Sprache

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dungsauftrag der Schule auch eine geschlechtergerechte Sprache seitens der Schüler_innen umfassen.1599 Fraglich ist aber, ob dies auch mit den verfassungsrechtlichen Schranken des staatlichen Schulauftrags vereinbar ist. Art. 7 Abs. 1 GG steht in einem Spannungsverhältnis mit anderen Verfassungsbestimmungen; Schranken können sich insbesondere aus entgegenstehenden Grundrechten der Lehrer_innen sowie der Schüler_innen und ihrer Eltern ergeben.1600 Eine Auflösung des Spannungsverhältnisses hat nach Maßgabe des Prinzips praktischer Konkordanz zu erfolgen.1601

VI. Zwischenergebnis Die unter Verwendung des generischen Maskulinums formulierten Rechtsnormen verstoßen nicht gegen das Diskriminierungsverbot aus Art. 3 Abs. 2 Satz 1, Abs. 3 Satz 1 GG. Wegen des Erfordernisses verfassungskonformer Gesetzesauslegung verstößt weder der sachliche Regelungsgehalt der einzelnen Normen gegen das Diskriminierungsverbot, noch stellt – jedenfalls unter dem Aspekt der Einheit der (selbst im generischen Maskulinum formulierten) Verfassung – die Sprachformwahl in all den Normen als solche einen Verstoß gegen Art. 3 Abs. 2 Satz 1, Abs. 3 Satz 1 GG dar. Die herkömmliche Vorschriftensprache unter Verwendung des generischen Maskulinums stellt auch keine Verletzung der Menschenwürde i. S. d. Art. 1 Abs. 1 GG dar. Zwar wird argumentiert, dass die Verwendung des generischen Maskulinums, indem Frauen hier nur „mitgemeint“ seien, eine Behandlung von Frauen als Objekte darstelle, weil sie als „durch Männer vertretbare Größen“ angesehen und als Rechtssubjekte nicht direkt angesprochen würden. Die herausgehobene Stellung und Bedeutung der Menschenwürde im Grundgesetz gebieten es jedoch, diese eng auszulegen. Die „sprachliche Vertretbarkeit“ von Frauen ist nicht mit anderen Fällen einer Objektbehandlung gleichzusetzen. Die Verwendung des generischen Maskulinums in Rechtsnormen verletzt nicht das Allgemeine Persönlichkeitsrecht aus Art. 2 Abs. 1 i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG, weil die Personenbezeichnungen in Rechtsnormen nicht auf konkrete reale Personen referieren, sondern Abstraktion gerade ein wesentliches Kennzeichen von Rechts1599 S. dazu unter Dritter Teil, B. I. 4. b) dd) (3); das Lehren „nichtsexistische[r]“ Sprache in der Schule erwägend Schräpel, in: Hellinger (Hrsg.), Sprachwandel und feministische Sprachpolitik, 1985, S. 212 (224). 1600 Brosius-Gersdorf, in: Dreier (Hrsg.), GG, Bd. I, 3. Aufl. 2013, Art. 7 Rn. 55. 1601 Jestaedt, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts der Bundesrepublik Deutschland, Bd. VII, 3. Aufl. 2009, § 156 Rn. 83 ff.; Brosius-Gersdorf, in: Dreier (Hrsg.), GG, Bd. I, 3. Aufl. 2013, Art. 7 Rn. 58; s. dazu im Einzelnen die Ausführungen unter Dritter Teil, B. I. 4. b) dd) (3); zum Prinzip praktischer Konkordanz im Allgemeinen s. einleitend unter Dritter Teil, B. I. 4. b).

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3. Teil: Rechtlicher Rahmen für die Verwendung geschlechtergerechter Sprache

normen ist. Ohne konkrete Referenz wird eine Person nicht in ihrer Persönlichkeit verletzt. Staatliches Hinwirken auf eine geschlechtergerechte Sprache lässt sich als eine i. S. v. Art. 3 Abs. 2 Satz 2 GG geeignete Maßnahme zur Beseitigung bestehender Nachteile und damit zur Förderung der tatsächlichen Durchsetzung der Gleichberechtigung ansehen. Es liegen zahlreiche psycholinguistische bzw. kognitionspsychologische Studien vor, deren Ergebnisse breite Übereinstimmung dahingehend aufweisen, dass das generische Maskulinum zu einer gedanklichen Unterrepräsentation von Frauen führt. Dies stellt einen strukturellen Nachteil im Sinne des Art. 3 Abs. 2 Satz 2 GG jedenfalls insofern dar, als dadurch primär an Männer gedacht wird und dies dazu führen kann, dass Frauen z. B. bei der Besetzung eines Gremiums nicht benannt werden. Geschlechtergerechte Sprache kann hingegen nach einer Vielzahl von Studienergebnissen zu einer höheren mentalen Repräsentation von Frauen führen. Der Staat ist trotz grundsätzlich bestehender Gestaltungsfreiheit i.R.v. Art. 3 Abs. 2 Satz 2 GG sogar verpflichtet, auf geschlechtergerechte Sprache hinzuwirken, weil sich die (seit längerem bekannten) Nachteile, die sich aus nicht geschlechtergerechter (Vorschriften-)Sprache für Frauen ergeben, nur durch die Förderung geschlechtergerechter Sprache seitens des Staates beseitigen lassen. Gestaltungsfreiheit verbleibt dem Staat bei der genauen Art und Weise der Förderung geschlechtergerechter Sprache, etwa bei der Prioritätensetzung in zeitlich-sachlicher Hinsicht, indem er z. B. geschlechtergerechte Sprache vorrangig in bestimmten besonders gleichstellungsrelevanten Rechtsbereichen fördert. Das beim Hinwirken auf geschlechtergerechte Sprache zutage tretende Spannungsverhältnis zwischen dem Förderauftrag aus Art. 3 Abs. 2 Satz 2 GG und Verfassungsprinzipien wie dem Prinzip der Normenklarheit sowie zu Grundrechten insbesondere derjenigen, die zu geschlechtergerechter Sprache angehalten werden, ist nach Maßgabe des Prinzips praktischer Konkordanz aufzulösen. Wenn Frauen (anders als Männer) in der Amtssprache nicht geschlechtsadäquat angesprochen bzw. konkret benannt werden, verletzt dies das Allgemeine Persönlichkeitsrecht aus Art. 2 Abs. 1 i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG (und verstößt gegen das Diskriminierungsverbot aus Art. 3 Abs. 2 Satz 1, Abs. 3 Satz 1 GG). Das Persönlichkeitsrecht schützt auch die geschlechtliche Identität und diese hängt eng mit der Form der Bezeichnung zusammen. Die deutsche Sprache hält (neben einigen „echt“ geschlechtsneutralen) geschlechtsspezifische Anredeformen und Bezeichnungen (wie Berufs-, Amts-, Dienst- und Funktionsbezeichnungen) sowohl für Männer als auch für Frauen bereit. Da für Männer beim generischen Maskulinum die geschlechtsspezifische und die „generische“ Form übereinstimmen (z. B. bei „Bürger“), können sie ihr Geschlecht und damit ihre Individualität als Person bei dessen Verwendung immer berücksichtigt sehen, während Frauen durch die Verwendung derselben Formen zur Anrede oder konkreten Bezeichnung in ihrer Persönlichkeit „übersehen“, also missachtet werden, weil auch geschlechtsspezifische feminine

B. Bundesverfassungsrechtliche Maßgaben für geschlechtergerechte Sprache

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Formen („Bürgerin“) als Pendant zur maskulinen Form in der geschlechtsspezifischen Bedeutung („Bürger“) existieren. Ungeklärt ist bislang noch, wie Personen, die sich weder dem männlichen noch dem weiblichen Geschlecht zuordnen (lassen), angemessen individuell anzureden und insofern auch mit Männern und Frauen, für die geschlechtsspezifische Anredeformen existieren, gleichzubehandeln sind. Eine „Notlösung“ stellt das Ausweichen auf „Guten Tag“ in Kombination mit dem Vor- und dem Nachnamen der Person dar. Bzgl. Formularen und Vordrucken, die eine Art „Zwischenstellung“ zwischen Vorschriften- und Amtssprache einnehmen, hat der Bundesgerichtshof mit Urteil vom 13. März 2018 (VI ZR 143/17) einen Anspruch auf geschlechtergerechte Formulierungen in Sparkassenformularen und -vordrucken auch mit Blick auf das Allgemeine Persönlichkeitsrecht aus Art. 2 Abs. 1 i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG sowie mit Blick auf Art. 3 Abs. 1, Abs. 2 Satz 1, Abs. 3 Satz 1 GG verneint. Das Urteil überzeugt jedoch nicht, weil es verkennt, dass Formulare und Vordrucke anders als Vorschriften dazu bestimmt sind, von einer Person konkret-individuell ausgefüllt zu werden, sodass hier ein Persönlichkeitsbezug gegeben ist. Zudem hat es den Aspekt der mentalen Repräsentation von Frauen und die dazu vorliegenden psycholinguistischen und kognitionspsychologischen Erkenntnisse völlig unzureichend berücksichtigt. Aus Art. 12 Abs. 1 GG lässt sich eine Schutzpflicht des Staates vor nicht vom Staat ausgehenden Gefahren bei „struktureller Disparität“ ableiten, welche den Staat verpflichtet, strukturelle Barrieren abzubauen, die den Gebrauch der Berufsfreiheit behindern und die die einzelne Person nicht selbst beseitigen kann. Solche strukturellen Barrieren beim Zugang zum Beruf und zu Arbeits- und Ausbildungsplätzen können unter dem Aspekt (nicht) geschlechtergerechter Sprache darin gesehen werden, dass Berufsbezeichnungen und Bezeichnungen für Ausbildungsberufe unter Verwendung des generischen Maskulinums Assoziationen zu Männern eher und stärker bewirken als zu Frauen und dies dazu führen kann, dass sich weniger Frauen für diese Berufe bzw. Ausbildungen entscheiden und bewerben, weil sie sich nicht ausreichend damit identifizieren können oder sogar unsicher sind, ob sie auch gemeint sind. Die Berufsfreiheit aus Art. 12 Abs. 1 GG stellt zudem den Anknüpfungspunkt für den (verfassungsrechtlichen) Ausbildungsauftrag der Hochschulen dar, welcher speziell im Hochschulbereich zusätzliche Argumente für geschlechtergerechte Sprache bietet. Im Schulbereich gilt, dass nach Art. 7 Abs. 1 GG das gesamte Schulwesen unter der Aufsicht des Staates steht. Daraus leitet die h.M. einen dem Elternrecht aus Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG gleichgeordneten Bildungs- und Erziehungsauftrag des Staates in der Schule ab. Dieser lässt sich so interpretieren, dass er auch geschlechtergerechte Sprache umfasst, und zwar sowohl in Schulbüchern als auch seitens der Lehrkräfte als auch seitens der Schüler_innen. Dabei zutage tretende Spannungsverhältnisse mit

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3. Teil: Rechtlicher Rahmen für die Verwendung geschlechtergerechter Sprache

entgegenstehenden Grundrechten sind nach Maßgabe des Prinzips praktischer Konkordanz aufzulösen.

C. Landesverfassungsrechtlicher Rahmen in Niedersachsen für geschlechtergerechte Sprache Im Folgenden soll beleuchtet werden, ob und ggf. inwieweit die Niedersächsische Verfassung Besonderheiten gegenüber den Maßgaben des Grundgesetzes aufweist.1602 Nachdem es in Niedersachsen zunächst nur eine ausdrücklich als solche bezeichnete Vorläufige Niedersächsische Verfassung1603 gab, die als reines Organisationsstatut anzusehen war, bot sich nach der Wiedervereinigung Deutschlands die Gelegenheit zu einer umfassenden Verfassungsreform.1604 In Art. 3 Abs. 2 der Niedersächsischen Verfassung vom 19. Mai 19931605 heißt es in den ersten beiden Sätzen: „Die im Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland festgelegten Grundrechte und staatsbürgerlichen Rechte sind Bestandteil dieser Verfassung. Sie binden Gesetzgebung, vollziehende Gewalt und Rechtsprechung als unmittelbar geltendes Landesrecht.“

Niedersachsen hat sich somit mit Satz 1 dafür entschieden, die Grundrechte des Grundgesetzes in die Niedersächsische Verfassung zu inkorporieren.1606 Dadurch sind die Grundrechte des Grundgesetzes zugleich Landesgrundrechte geworden, an die Gesetzgebung, vollziehende Gewalt und Rechtsprechung im Land Niedersachsen als unmittelbar geltendes Landesrecht gebunden sind, wie es Art. 3 Abs. 2 Satz 2 NV noch einmal betont.1607 Unabhängig davon besteht aber auch bereits eine Bindung der Landesgewalten an die Grundrechte des Grundgesetzes über Art. 1 Abs. 3 GG1608,

1602 Trotz Art. 31 GG und der sich daraus ergebenden Normenhierarchie erfolgt die Prüfung des unmittelbaren Vergleichs wegen bereits an dieser Stelle. 1603 Vorläufige Niedersächsische Verfassung vom 13. 4. 1951 (Nds. GVBl. S. 103). 1604 Berlit, NVwZ 1994, 11 (11 f.); s. auch U. Bachmann, RuP 29 (1993), 128 (128); Starck, NdsVBl. 1994, 2 (2). 1605 Nds. GVBl. S. 107; in Kraft getreten am 1. 6. 1993; zuletzt geändert durch Gesetz vom 23. 10. 2019 (Nds. GVBl. S. 288). Im Folgenden wird die Abkürzung NV verwendet. 1606 Burmeister, ZG 10 (1995), 289 (294); Ipsen, Niedersächsische Verfassung, 2011, Art. 3 Rn. 11; Epping, in: Epping/Butzer u. a. (Hrsg.), Hannoverscher Kommentar zur Niedersächsischen Verfassung, 2012, Art. 3 Rn. 16. 1607 Vgl. Epping, in: Epping/Butzer u. a. (Hrsg.), Hannoverscher Kommentar zur Niedersächsischen Verfassung, 2012, Art. 3 Rn. 16. 1608 BVerfGE 97, 298 (343 f.); 103, 332 (347 f.).

C. Landesverfassungsrechtlicher Rahmen in Niedersachsen

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sodass von einer „doppelten Bindung“ an die Grundrechte des Grundgesetzes gesprochen wird.1609 Fraglich ist, ob es sich bei Art. 3 Abs. 2 Satz 1 NV um eine statische oder um eine dynamische Verweisung handelt, ob also nur die Grundrechte des Grundgesetzes, wie sie zum Zeitpunkt der Verabschiedung der Niedersächsischen Verfassung im Jahr 1993 bestanden, inkorporiert wurden, oder ob sich die Inkorporation auch zukunftsgerichtet auf den jeweiligen Grundrechtskatalog des Grundgesetzes bezieht.1610 Der Wortlaut der Norm lässt beide Auslegungen zu.1611 Auch die Gesetzesbegründung gibt insoweit keinen eindeutigen Aufschluss.1612 Die teleologische Auslegung der Norm spricht mehr dafür, dass es sich um eine dynamische Verweisung handelt.1613 Da nach Art. 1 Abs. 3 GG ohnehin eine Bindung an die Grundrechte des Grundgesetzes besteht, dürfte es eher darum gehen, die Grundrechte des Grundgesetzes auch als Landesrecht sichtbar zu machen, als darum, inhaltliche Abweichungen zu normieren.1614 Naheliegend ist auch die Vermutung, dass durch die 1609 Ipsen, Niedersächsische Verfassung, 2011, Art. 3 Rn. 13; vgl. Hagebölling, Niedersächsische Verfassung, 2. Aufl. 2011, Art. 3 Anm. 3; Epping, in: Epping/Butzer u. a. (Hrsg.), Hannoverscher Kommentar zur Niedersächsischen Verfassung, 2012, Art. 3 Rn. 16. 1610 Vgl. Ipsen, Niedersächsische Verfassung, 2011, Art. 3 Rn. 14 ff., der es allerdings bereits für verfehlt hält, in Bezug auf die Inkorporation der Grundrechte des Grundgesetzes überhaupt von einer „Verweisung“ zu sprechen, und der zudem bei einer statischen Verweisung den Zeitpunkt des Inkrafttretens des verweisenden Gesetzes für maßgeblich hält. Die NV ist gem. Art. 78 Abs. 1 NVam 1. 6. 1993 in Kraft getreten; zugleich ist gem. Art. 78 Abs. 2 NV die Vorläufige Niedersächsische Verfassung vom 13. 4. 1951 (Nds. GVBl. S. 103) außer Kraft getreten. Für die Verabschiedung des verweisenden Gesetzes als maßgeblichen Zeitpunkt dagegen wie hier BVerfGE 47, 285 (312); Clemens, AöR 111 (1986), 63 (80). 1611 A.A. K. Lange, in: D. Merten/Papier (Hrsg.), Handbuch der Grundrechte in Deutschland und Europa, Bd. III, 2009, § 83 Rn. 5, der aus dem Wortlaut auf eine dynamische Inkorporation schließt; bei offenem Wortlaut von einer Vermutung für eine dynamische Verweisung ausgehend Ossenbühl, DVBl. 1967, 401 (403). 1612 S. LT-Drs. 12/5840, S. 4; vgl. Ipsen, Niedersächsische Verfassung, 2011, Art. 3 Rn. 15. 1613 Im Ergebnis ebenfalls für eine dynamische Verweisung Starck, NdsVBl. 1994, 2 (8); Dietlein, AöR 120 (1995), 1 (18, 20); Burmeister, NdsVBl. 1998, 53 (54 f.); Neumann, Die Niedersächsische Verfassung, 3. Aufl. 2000, Art. 3 Rn. 4; Hagebölling, Niedersächsische Verfassung, 2. Aufl. 2011, Art. 3 Anm. 3; Epping, in: Epping/Butzer u. a. (Hrsg.), Hannoverscher Kommentar zur Niedersächsischen Verfassung, 2012, Art. 3 Rn. 21; unter Verwerfung des Begriffs „Verweisung“ von einer dynamischen Inkorporation ausgehend auch Ipsen, Niedersächsische Verfassung, 2011, Art. 3 Rn. 14 ff.; von dynamischer Inkorporation sprechend auch K. Lange, in: D. Merten/Papier (Hrsg.), Handbuch der Grundrechte in Deutschland und Europa, Bd. III, 2009, § 83 Rn. 5; dagegen wegen demokratietheoretischer Bedenken für die Auslegung als statische Verweisung Dreier, in: Dreier (Hrsg.), GG, Bd. III, 3. Aufl. 2018, Art. 142 Rn. 41. 1614 S. LT-Drs. 12/5840, S. 4, wonach Art. 3 Abs. 1, 2 NV „die durch das Grundgesetz gewährleisteten Grundrechte ausdrücklich auch zum Bestandteil der Niedersächsischen Verfassung und zu unmittelbar geltendem Landesrecht erklärt“; vgl. Starck, NdsVBl. 1994, 2 (8); K. Lange, in: D. Merten/Papier (Hrsg.), Handbuch der Grundrechte in Deutschland und Europa, Bd. III, 2009, § 83 Rn. 4 f.; ebenfalls ähnlich unter Verweis darauf, dass im Sonderausschuss „Niedersächsische Verfassung“ eine Diskrepanz zwischen den Grundrechten des Grundge-

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3. Teil: Rechtlicher Rahmen für die Verwendung geschlechtergerechter Sprache

Inbezugnahme der Grundrechte des Grundgesetzes diese für Niedersachsen als stetiger Mindeststandard gesichert werden sollten.1615 Insofern besteht auch nicht die Gefahr, eine Bindung der Landesgewalten an „Unvorhersehbares“ zu erzeugen1616, weil die Bindung ohnehin aus Art. 1 Abs. 3 GG folgen würde.1617 Auch Bedenken in Richtung einer mangelnden Bestimmtheit der Verweisung des Art. 3 Abs. 2 Satz 1 NV wegen des Umstandes, dass nicht alle Grundrechte des Grundgesetzes gemeint sein können, weil dem Land nicht die Gesetzgebungskompetenz für alle erfassten Materien zusteht1618, bestehen insofern nicht, als die erforderliche Bestimmtheit im Wege der Auslegung unter Berücksichtigung des Kompetenzgefüges gegeben ist1619. Das Bundesverfassungsgericht hält dynamische Verweisungen in dem Rahmen für zulässig, „den die Prinzipien der Rechtsstaatlichkeit, der Demokratie und der Bundesstaatlichkeit ziehen“.1620 Dabei sieht es vor allem bei fehlender Identität des verweisenden Gesetzgebers mit dem, auf dessen Recht verwiesen wird, die Gefahr, dass der verweisende Gesetzgeber „den Inhalt seiner Vorschriften nicht mehr in eigener Verantwortung bestimmt und damit der Entscheidung Dritter überläßt“.1621 Allerdings stellt das Bundesverfassungsgericht bei der Beurteilung der Zulässigkeit einer dynamischen Verweisung auch auf die Besonderheiten des jeweiligen Einzelfalles ab.1622 In einer Entscheidung, in der es sich mit der Geltung von Landesgrundrechten neben inhaltsgleichen Grundrechten des Grundgesetzes befasst hat, hat es die Verweisungsnorm der Niedersächsischen Verfassung zwar erwähnt1623, sich setzes und den in die Landesverfassung inkorporierten nicht diskutiert wurde, Ipsen, Niedersächsische Verfassung, 2011, Art. 3 Rn. 15. 1615 Vgl. Hagebölling, Niedersächsische Verfassung, 2. Aufl. 2011, Art. 3 Anm. 3; in diese Richtung auch Starck, NdsVBl. 1994, 2 (8). 1616 Vgl. zu diesem Aspekt insb. unter Anknüpfung an das Demokratieprinzip Ossenbühl, DVBl. 1967, 401 (403 ff.); Brugger, VerwArch 78 (1987), 1 (24 ff., 35); Dreier, in: Dreier (Hrsg.), GG, Bd. II, 3. Aufl. 2015, Art. 20 (Demokratie) Rn. 118; Bd. III, 3. Aufl. 2018, Art. 142 Rn. 41. 1617 In diese Richtung wohl auch K. Lange, in: D. Merten/Papier (Hrsg.), Handbuch der Grundrechte in Deutschland und Europa, Bd. III, 2009, § 83 Rn. 5. 1618 So Neumann, Die Niedersächsische Verfassung, 3. Aufl. 2000, Art. 3 Rn. 4; zum Bestimmtheitserfordernis bei Gesetzesverweisungen vgl. BVerfGE 47, 285 (311); 78, 32 (35). 1619 Vgl. die Differenzierung zwischen inkorporierten und (mangels Gesetzgebungskompetenz) nicht inkorporierten Grundrechten des Grundgesetzes bei Ipsen, Niedersächsische Verfassung, 2011, Art. 3 Rn. 17 ff.; Epping, in: Epping/Butzer u. a. (Hrsg.), Hannoverscher Kommentar zur Niedersächsischen Verfassung, 2012, Art. 3 Rn. 24 f. 1620 BVerfGE 78, 32 (36) mit der Ergänzung, dass grundrechtliche Gesetzesvorbehalte den Rahmen zusätzlich einengen könnten; vgl. BVerfGE 141, 143 (176 f. Rn. 75); für die Zulässigkeit dynamischer Verweisungen in Grenzen auch Clemens, AöR 111 (1986), 63 (101 ff.); Brugger, VerwArch 78 (1987), 1 (21 ff.). 1621 BVerfGE 78, 32 (36); noch offengelassen in BVerfGE 47, 285 (312 f.); dieselben Bedenken äußernd Ipsen, Niedersächsische Verfassung, 2011, Art. 3 Rn. 14; vgl. Ossenbühl, DVBl. 1967, 401 (403 f.); Burmeister, NdsVBl. 1998, 53 (55); Dreier, in: Dreier (Hrsg.), GG, Bd. II, 3. Aufl. 2015, Art. 20 (Demokratie) Rn. 118. 1622 S. BVerfGE 47, 285 (312 ff.). 1623 BVerfGE 96, 345 (351).

C. Landesverfassungsrechtlicher Rahmen in Niedersachsen

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aber nicht explizit zu der Frage des Vorliegens einer dynamischen Verweisung und deren Vereinbarkeit mit der Verfassung geäußert. Niedersachsen hat aber nicht nur die Grundrechte des Grundgesetzes in seine Verfassung inkorporiert, sodass für diese inkorporierten Grundrechte als Landesgrundrechte die Ausführungen zu den Grundrechten des Grundgesetzes entsprechend gelten, sondern darüber hinaus auch einige „eigene“ Grundrechte formuliert.1624 Die in ihrem Gewährleistungsgehalt über das Grundgesetz hinausgehenden Landesgrundrechte können zwar nicht über eine Verfassungsbeschwerde eingefordert werden, weil Niedersachsen (bislang) kein Individualverfassungsbeschwerdeverfahren vorsieht und das Bundesverfassungsgericht bei der Prüfung von Verfassungsbeschwerden nur das Grundgesetz als Prüfungsmaßstab heranzieht.1625 Allerdings können die Landesgrundrechte (die aus dem Grundgesetz inkorporierten ebenso wie die landesspezifischen) in anderen Verfahren vor dem Niedersächsischen Staatsgerichtshof, etwa im Rahmen abstrakter oder konkreter Normenkontrollen (Art. 54 Nr. 3, 4 NV, § 8 Nr. 8, 9 NStGHG), zu prüfen sein.1626

I. Regelungsgehalt des Art. 3 NV im Vergleich zu dem des Art. 3 GG Abgesehen von der Klausel zur Inkorporation der Grundrechte des Grundgesetzes in Abs. 2 Satz 1 enthält Art. 3 NV noch zwei weitere Regelungen, die inhaltlich einen Bezug zu Art. 3 GG aufweisen. Zum einen gibt der 1997 hinzugefügte1627 Art. 3 Abs. 3 NV noch einmal wortwörtlich Art. 3 Abs. 3 GG in seiner Fassung seit der Grundgesetzänderung 1994 wieder, womit dessen Bedeutung, insbesondere für die Integration behinderter Menschen, nochmals betont wird.1628 Zum anderen heißt es in Art. 3 Abs. 2 Satz 3 NV:

1624 Hagebölling, Niedersächsische Verfassung, 2. Aufl. 2011, Art. 3 Anm. 1; Epping, in Epping/Butzer u. a. (Hrsg.), Hannoverscher Kommentar zur Niedersächsischen Verfassung, 2012, Art. 3 Rn. 8; vgl. Ipsen, Niedersächsische Verfassung, 2011, Art. 4 Rn. 6; a. A. offenbar Berlit, NVwZ 1994, 11 (14). 1625 Epping, in: Epping/Butzer u. a. (Hrsg.), Hannoverscher Kommentar zur Niedersächsischen Verfassung, 2012, Art. 3 Rn. 8. 1626 Neumann, Die Niedersächsische Verfassung, 3. Aufl. 2000, Art. 3 Rn. 5; Hagebölling, Niedersächsische Verfassung, 2. Aufl. 2011, Art. 3 Anm. 3; Ipsen, Niedersächsische Verfassung, 2011, Art. 3 Rn. 32; Epping, in: Epping/Butzer u. a. (Hrsg.), Hannoverscher Kommentar zur Niedersächsischen Verfassung, 2012, Art. 3 Rn. 18. 1627 Durch das Zweite Gesetz zur Änderung der Niedersächsischen Verfassung vom 21. 11. 1997, Nds. GVBl. S. 480. 1628 Vgl. LT-PlPr. 13/96, S. 9404; Neumann, Die Niedersächsische Verfassung, 3. Aufl. 2000, Art. 3 Rn. 11; Hagebölling, Niedersächsische Verfassung, 2. Aufl. 2011, Art. 3 Anm. 5; Epping, in: Epping/Butzer u. a. (Hrsg.), Hannoverscher Kommentar zur Niedersächsischen Verfassung, 2012, Art. 3 Rn. 36 f.

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3. Teil: Rechtlicher Rahmen für die Verwendung geschlechtergerechter Sprache

„Die Achtung der Grundrechte, insbesondere die Verwirklichung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern, ist eine ständige Aufgabe des Landes, der Gemeinden und Landkreise.“

Diese Formulierung ist das Ergebnis kontroverser Debatten im Vorfeld.1629 Ein noch weiter gehender Entwurf von SPD und GRÜNEN konnte sich nicht gegen den Widerstand der CDU durchsetzen.1630 Es konnte aber eine Übereinstimmung dahingehend erzielt werden, ein aktives Handeln zum Zwecke der Gleichberechtigung in der Landesverfassung verankern zu wollen.1631 Dazu wurde zunächst die Formulierung ins Auge gefasst: „Die Umsetzung der Grundrechte, insbesondere der Gleichberechtigung von Männern und Frauen, ist eine ständige Aufgabe des Landes“.1632 In der aktuellen, „leicht veränderten“ Fassung fand die Bestimmung dann die nötige Zustimmung.1633 Insbesondere wurde entschieden, den Begriff „Umsetzung“ durch „Achtung“ zu ersetzen, vermutlich um nicht für alle Grundrechte eine Verpflichtung zu aktivem Handeln zu schaffen.1634 Nach einer Literaturansicht ist dadurch ein Widerspruch zu dem mit „insbesondere“ beginnenden Einschub entstanden, weil die Verwirklichung der Gleichberechtigung über die Achtung der Grundrechte hinausgehe.1635 Dieser ist aber spätestens 1994 mit der Grundgesetzänderung über die dynamische1636 Verweisungsklausel des Art. 3 Abs. 2 Satz 1 NV aufgelöst worden, da die Achtung von Art. 3 GG auch dessen Abs. 2 Satz 2 erfasst.1637 Dabei ist zu berücksichtigen, dass bei der Formulierung der Niedersächsischen Verfassung Art. 3 Abs. 2 GG noch auf seinen Satz 1 beschränkt war, während die Ergänzung des Art. 3 Abs. 2 Satz 2 GG erst am 15. November 1994 in Kraft trat1638. Insofern schritt Niedersachsen dem Bund hier ein Stück voraus.1639 Auffällig ist insbesondere auch die abweichende Reihenfolge bei der Benennung der Geschlechter in Art. 3 Abs. 2 Satz 3 NV („Gleichberechtigung von Frauen und Männern“) gegenüber Art. 3 Abs. 2 Satz 1 GG („Männer und Frauen sind gleichbe1629 S. LT-Drs. 12/5840, S. 4: dazu auch Berlit, NVwZ 1994, 11 (12 f., 14); Ipsen, Niedersächsische Verfassung, 2011, Art. 3 Rn. 8, 24. 1630 S. LT-Drs. 12/5840, S. 4. 1631 So Ipsen, Niedersächsische Verfassung, 2011, Art. 3 Rn. 25. 1632 LT-Drs. 12/5840, S. 4. 1633 S. LT-Drs. 12/5840, S. 4. 1634 Ipsen, Niedersächsische Verfassung, 2011, Art. 3 Rn. 25. 1635 S. Ipsen, Niedersächsische Verfassung, 2011, Art. 3 Rn. 25; in diese Richtung auch Starck, NdsVBl. 1994, 2 (9); auch Hagebölling, Niedersächsische Verfassung, 2. Aufl. 2011, Art. 3 Anm. 4 hält Art. 3 Abs. 2 Satz 3 NV für „nicht ganz eindeutig und klar“; Berlit, NVwZ 1994, 11 (14) sieht wegen der Anknüpfung an die „Achtung“ den „verpflichtende[n] Staatszielgehalt der Regelung relativiert“. 1636 S. dazu einleitend unter Dritter Teil, C. 1637 Vgl. Hagebölling, Niedersächsische Verfassung, 2. Aufl. 2011, Art. 3 Anm. 4; Ipsen, Niedersächsische Verfassung, 2011, Art. 3 Rn. 26 ff. 1638 Art. 2 Gesetz zur Änderung des Grundgesetzes vom 27. 10. 1994, BGBl. I S. 3146. 1639 Vgl. Epping, in: Epping/Butzer u. a. (Hrsg.), Hannoverscher Kommentar zur Niedersächsischen Verfassung, 2012, Art. 3 Rn. 30.

C. Landesverfassungsrechtlicher Rahmen in Niedersachsen

269

rechtigt“). Seit der Grundgesetzänderung 1994 decken sich Art. 3 Abs. 2 Satz 2 GG und Art. 3 Abs. 2 Satz 3 NV inhaltlich weitgehend für die Landesebene.1640 Zwar ist in Art. 3 Abs. 2 Satz 3 NV von der „Verwirklichung der Gleichberechtigung“ und nicht wie in Art. 3 Abs. 2 Satz 2 GG von der „tatsächliche[n] Durchsetzung der Gleichberechtigung“ die Rede. Es wird aber angenommen, dass die „Verwirklichung der Gleichberechtigung“ synonym zu der Formulierung in Art. 3 Abs. 2 Satz 2 GG zu verstehen ist.1641 Auch die Bezeichnung als „ständige Aufgabe“ in Art. 3 Abs. 2 Satz 3 NV weicht zwar sprachlich von Art. 3 Abs. 2 Satz 2 GG ab, wird aber ebenfalls als Staatszielbestimmung interpretiert1642 und deckt sich insoweit mit Art. 3 Abs. 2 Satz 2 GG.1643 Insofern kann grundsätzlich auf die Ausführungen zu Art. 3 Abs. 2 Satz 2 GG verwiesen werden. Indem Niedersachsen mit der Konjunktion „insbesondere“ die „Verwirklichung der Gleichberechtigung“ besonders hervorgehoben hat, misst es diesem Staatsziel jedoch zusätzliches Gewicht bei.1644 Durch die Formulierung „ständige Aufgabe“ wird außerdem der Verpflichtungscharakter jedenfalls bezogen auf das „Ob“ des Tätigwerdens noch deutlicher als in Art. 3 Abs. 2 Satz 2 GG.1645

II. Recht auf Bildung aus Art. 4 Abs. 1 NV und seine Bedeutung für geschlechtergerechte Sprache Nach Art. 4 Abs. 1 NV hat jeder Mensch das Recht auf Bildung. Ein solches „Recht auf Bildung“, wie dies insbesondere auch in Art. 24 der UN-Behindertenrechtskonvention1646 für Menschen mit Behinderungen und in Art. 14 GRC allge1640

Vgl. Neumann, Die Niedersächsische Verfassung, 3. Aufl. 2000, Art. 3 Rn. 9; Ipsen, Niedersächsische Verfassung, 2011, Art. 3 Rn. 28; Epping, in: Epping/Butzer u. a. (Hrsg.), Hannoverscher Kommentar zur Niedersächsischen Verfassung, 2012, Art. 3 Rn. 30. 1641 So Ipsen, Niedersächsische Verfassung, 2011, Art. 3 Rn. 28: „nur ein terminologischer Unterschied“; in diese Richtung auch Starck, NdsVBl. 1994, 2 (9). 1642 So auch Berlit, NVwZ 1994, 11 (12); Hagebölling, Niedersächsische Verfassung, 2. Aufl. 2011, Art. 3 Anm. 4; tendenziell auch Starck, NdsVBl. 1994, 2 (9). 1643 S. Neumann, Die Niedersächsische Verfassung, 3. Aufl. 2000, Art. 3 Rn. 9. 1644 Vgl. Epping, in: Epping/Butzer u. a. (Hrsg.), Hannoverscher Kommentar zur Niedersächsischen Verfassung, 2012, Art. 3 Rn. 30, wonach durch den „insbesondere“-Teil die „eigentliche Bedeutung dieser Bestimmung“ zum Ausdruck komme. 1645 Vgl. dazu Hagebölling, Niedersächsische Verfassung, 2. Aufl. 2011, Art. 3 Anm. 4. 1646 ¨ Ubereinkommen der Vereinten Nationen vom 13. Dezember 2006 u¨ ber die Rechte von Menschen mit Behinderungen, dem der Bundestag mit Gesetz vom 21. 12. 2008 zugestimmt hat, BGBl. II S. 1419; für die Bundesrepublik Deutschland in Kraft getreten am 26. 3. 2009 (BGBl. II S. 812). Da auch die Europäische Union der UN-Behindertenrechtskonvention beigetreten ist (s. Beschluss des Rates vom 26. 11. 2009 über den Abschluss des Übereinkommens der Vereinten Nationen über die Rechte von Menschen mit Behinderungen durch die Europäische Gemeinschaft, 2010/48/EG, ABl. L 23 vom 27. 1. 2010, S. 35), hat die UN-BRK für die BRD nicht nur völkerrechtliche Bedeutung und gilt innerstaatlich im Rang eines

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3. Teil: Rechtlicher Rahmen für die Verwendung geschlechtergerechter Sprache

mein für jede Person proklamiert ist, ist jedenfalls nicht ausdrücklich im Grundgesetz erwähnt.1647 Teilweise wird es dennoch aus verschiedenen Bestimmungen des Grundgesetzes abgeleitet.1648 Das Bundesverfassungsgericht hat ein „Recht auf Bildung“ bisher nicht ausdrücklich anerkannt.1649 Insofern stellt Art. 4 Abs. 1 NV eine landesverfassungsrechtliche Besonderheit (nicht nur Niedersachsens1650) dar.1651 Der genaue Inhalt und die dogmatische Einordnung des Art. 4 Abs. 1 NV sind allerdings streitig. Teilweise wird Art. 4 Abs. 1 NV nur als „soziales Grundrecht“ eingeordnet.1652 Trotz insofern uneinheitlicher Terminologie und rechtsdogmatischer Einordnung1653 lassen sich derartige „soziale Grundrechte“ dadurch kennzeichnen, Bundesgesetzes (vgl. Art. 59 Abs. 2 Satz 1 GG), sondern sie ist dadurch auch unionsrechtlich bedeutsam geworden, s. nur BAGE 147, 60 (76 Rn. 53); Roller, NZS 2019, 368 (368). 1647 Rux, in: Poscher/Rux/Langer, Das Recht auf Bildung, 2009, S. 86; Bräth/Nolte, in: Epping/Butzer u. a. (Hrsg.), Hannoverscher Kommentar zur Niedersächsischen Verfassung, 2012, Art. 4 Rn. 7; s. auch Ipsen, Niedersächsische Verfassung, 2011, Art. 4 Rn. 6; Germelmann, Kultur und staatliches Handeln, 2013, S. 144, 189; Rux, Schulrecht, 6. Aufl. 2018, Rn. 187; zur Nichtaufnahme eines (sozialen) Staatsziels Bildung in das Grundgesetz BTDrs. 12/6000, S. 75 ff. 1648 BVerwGE 47, 201 (206); 56, 155 (158): Ableitung aus Art. 2 Abs. 1 GG; zustimmend Sendler, DÖV 1978, 581 (588); Pieroth, DVBl. 1994, 949 (957); Kahl, VVDStRL 65 (2006), 386 (435 Fn. 198 m. w. N.); Ableitung aus Art. 2 Abs. 1 i. V. m. Art. 7 Abs. 1 GG bei Jarass, DÖV 1995, 674 (677 f.); unter Nennung von Art. 1 Abs. 1 GG und Art. 3 Abs. 3 GG Bräth/ Nolte, in: Epping/Butzer u. a. (Hrsg.), Hannoverscher Kommentar zur Niedersächsischen Verfassung, 2012, Art. 4 Rn. 7; Ableitung aus Art. 2 Abs. 1 i. V. m. Art. 3 GG und dem Sozialstaatsprinzip bei Hobe, DÖV 1996, 190 (196); Britz, Kulturelle Rechte und Verfassung, 2000, S. 160; Avenarius/Hanschmann, Schulrecht, 9. Aufl. 2019, S. 34, die statt Art. 2 Abs. 1 GG teilweise auch Art. 12 Abs. 1 GG heranziehen; Ableitung aus Art. 12 GG bei Britz, in Dreier (Hrsg.), GG, Bd. I, 3. Aufl. 2013, Art. 5 Abs. 3 (Wissenschaft) Rn. 27; für eine rein objektivrechtliche Ableitung aus dem Sozialstaatsprinzip Germelmann, Kultur und staatliches Handeln, 2013, S. 144 ff.; gegen ein Recht auf Bildung aus dem Grundgesetz Di Fabio, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 2 Abs. 1 Rn. 211 (Stand: Juli 2001); Hölbling, Wie viel Staat vertragen Eltern?, 2010, S. 138. 1649 S. BVerfGE 45, 400 (417); 58, 257 (272); Ansätze in BVerfGE 96, 288 (306): „Recht des Schülers auf eine seine Anlagen und Befähigungen möglichst weitgehend berücksichtigende Ausbildung (Art. 2 Abs. 1 GG)“. 1650 Ein Recht auf Bildung findet sich etwa auch in Art. 20 Abs. 1 Verf. Berlin; Art. 29 Verf. Brandenburg; Art. 27 Verf. Bremen; Art. 20 Verf. Thüringen; dazu näher auch unter vergleichenden Aspekten Germelmann, Kultur und staatliches Handeln, 2013, S. 95 ff. 1651 Vgl. Ipsen, Niedersächsische Verfassung, 2011, Art. 4 Rn. 6. 1652 So Neumann, Die Niedersächsische Verfassung, 3. Aufl. 2000, Art. 4 Rn. 1, 4; Rux, in: Poscher/Rux/Langer, Das Recht auf Bildung, 2009, S. 168; Boysen, in: v. Münch/Kunig, GG, Bd. I, 6. Aufl. 2012, Art. 7 Rn. 30; Germelmann, Kultur und staatliches Handeln, 2013, S. 157 f.; in diese Richtung wohl auch Burmeister, NdsVBl. 1998, 53 (54), der von einem „eher erratisch anmutenden ,Recht‘ auf Bildung“ spricht; kritisch zur Terminologie „soziale Grundrechte“ Rademacher, Diskriminierungsverbot und „Gleichstellungsauftrag“, 2004, S. 99 ff., die es zur Abgrenzung für vorzugswürdig hält, nur von „soziale[n] Rechte[n]“ zu sprechen. 1653 Rademacher, Diskriminierungsverbot und „Gleichstellungsauftrag“, 2004, S. 99; Murswiek, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts der Bundesrepublik Deutschland, Bd. IX, 3. Aufl. 2011, § 192 Rn. 5, 15.

C. Landesverfassungsrechtlicher Rahmen in Niedersachsen

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dass sie einen Anknüpfungspunkt im Sozialen aufweisen und wie klassische Grundrechte formuliert sind, aber anders als diese grundsätzlich nicht als subjektive öffentliche Rechte im Sinne individueller Ansprüche gerichtlich durchgesetzt werden können1654, sodass sie auch als „Normen objektiv-rechtlicher Qualität in subjektiv-rechtlichem Gewand“1655 beschrieben werden. Dagegen gehen andere Stimmen bezüglich Art. 4 Abs. 1 NV zu Recht von einem („echten“) Individualgrundrecht auf Bildung aus.1656 Dieses kann insbesondere Teilhabeansprüche bezüglich bestehender Bildungsangebote begründen.1657 Voraussetzung hierfür ist allerdings oftmals eine bestimmte Vorbildung bzw. intellektuelle Eignung, sodass teilweise eine entsprechende immanente Schranke des Rechts auf Bildung angenommen wird.1658 Konkrete originäre Leistungsansprüche im Sinne bestimmter Bildungsangebote lassen sich dagegen regelmäßig nicht aus Art. 4 Abs. 1 NV ableiten, da die Entscheidung hierüber Sache des einfachen Gesetzgebers ist, der gem. Art. 4 Abs. 4 NV das Nähere durch Gesetz regelt.1659 Dies mindert zwar die individuelle Effektivität des Rechts auf Bildung, nimmt ihm aber nicht gänzlich den Grundrechts-

1654 Vgl. K. Schweizer, Der Gleichberechtigungssatz – neue Form, alter Inhalt?, 1998, S. 90 f.; Rademacher, Diskriminierungsverbot und „Gleichstellungsauftrag“, 2004, S. 99 ff.; Murswiek, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts der Bundesrepublik Deutschland, Bd. IX, 3. Aufl. 2011, § 192 Rn. 59 f. 1655 K. Schweizer, Der Gleichberechtigungssatz – neue Form, alter Inhalt?, 1998, S. 91; zustimmend Rademacher, Diskriminierungsverbot und „Gleichstellungsauftrag“, 2004, S. 101 Fn. 332. 1656 S. LT-Drs. 12/5840, S. 5: „Grundrecht auf Bildung“; NdsStGH, NVwZ 1997, 267 (270): „Individualrecht gegen den Staat auf Bildung“; U. Bachmann, RuP 29 (1993), 128 (130); Starck, NdsVBl. 1994, 2 (8); Hagebölling, Niedersächsische Verfassung, 2. Aufl. 2011, Art. 4 Anm. 1; Ipsen, Niedersächsische Verfassung, 2011, Art. 4 Rn. 6, der allerdings andererseits von einer „Staatszielbestimmung im Gewand eines subjektiven (Leistungs-)Rechts“ [im Original mit Hervorhebungen] spricht (Rn. 9); Bräth/Nolte, in: Epping/Butzer u. a. (Hrsg.), Hannoverscher Kommentar zur Niedersächsischen Verfassung, 2012, Art. 4 Rn. 1, 8; Rux, Schulrecht, 6. Aufl. 2018, Rn. 187; tendenziell auch Burmeister, ZG 10 (1995), 289 (308 f.); für individuelle Ansprüche nur auf einfachgesetzlicher Grundlage Avenarius/Hanschmann, Schulrecht, 9. Aufl. 2019, S. 35. 1657 Hagebölling, Niedersächsische Verfassung, 2. Aufl. 2011, Art. 4 Anm. 1; Bräth/Nolte, in: Epping/Butzer u. a. (Hrsg.), Hannoverscher Kommentar zur Niedersächsischen Verfassung, 2012, Art. 4 Rn. 1, 11 f.; ebenfalls zu Teilhaberechten mit unmittelbar subjektiv-rechtlicher Wirkung kommt trotz Einordnung als soziales Grundrecht über Art. 3 Abs. 1 GG bzw. das entsprechende Landesgrundrecht Germelmann, Kultur und staatliches Handeln, 2013, S. 157 ff. 1658 So Ipsen, Niedersächsische Verfassung, 2011, Art. 4 Rn. 7; in diese Richtung auch NdsStGH, NVwZ 1997, 267 (270); Starck, NdsVBl. 1994, 2 (8); Germelmann, Kultur und staatliches Handeln, 2013, S. 196; von „verfassungsimmanente[n] Schranken“ sprechend Bräth/Nolte, in: Epping/Butzer u. a. (Hrsg.), Hannoverscher Kommentar zur Niedersächsischen Verfassung, 2012, Art. 4 Rn. 10. Insbesondere dürfte auch an das Recht auf Bildung anderer die Bildungseinrichtung aufsuchender Personen zu denken sein. 1659 Vgl. Bräth/Nolte, in: Epping/Butzer u. a. (Hrsg.), Hannoverscher Kommentar zur Niedersächsischen Verfassung, 2012, Art. 4 Rn. 12, 14.

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3. Teil: Rechtlicher Rahmen für die Verwendung geschlechtergerechter Sprache

charakter.1660 Die Formulierung „das Nähere“ in Art. 4 Abs. 4 NV ist bei diesem Verständnis auf die Art und Weise, also das „Wie“ der Bildung beschränkt, welches einfachgesetzlich zu konkretisieren ist, während das „Ob“ eines Bildungsangebotes überhaupt unmittelbar aus Art. 4 Abs. 1 NV folgt.1661 Aus Art. 4 Abs. 1 NV lässt sich ein Anspruch gegen die Landesstaatsgewalt herleiten, für ein leistungsfähiges Bildungswesen mit geeigneten Bildungsangeboten (ohne nähere Spezifizierung) Sorge zu tragen.1662 Dies erhellt, warum aus Art. 4 Abs. 1 NV mitunter auch eine Einrichtungsgarantie abgeleitet wird.1663 Soweit in Art. 4 Abs. 1 NV vielfach auch eine Staatszielbestimmung gesehen wird1664, ist dem mit Blick auf die fortdauernde staatliche Verpflichtung zur Gewährleistung eines leistungsfähigen Bildungswesens mit geeigneten Bildungsangeboten zuzustimmen; der Rechtscharakter des Art. 4 Abs. 1 NV ist aber nicht auf die Einordnung als Staatszielbestimmung beschränkt. Uneinigkeit besteht darüber, ob Art. 4 Abs. 1 NV auch als klassisches Abwehrrecht zu verstehen ist, das die einzelne Person vor Beeinträchtigungen ihrer Freiheitssphäre schützt.1665 Der Wortlaut der Norm lässt dies unproblematisch zu; allerdings dürfte die vorrangige Zielrichtung des Art. 4 Abs. 1 NV auf einen positiven Inhalt gerichtet sein, da sich ein Abwehranspruch bereits aus Art. 2 Abs. 1 GG herleiten lässt.1666 Aus diesem Grund ist die Frage nach dem Charakter des Art. 4 Abs. 1 NVals Abwehrrecht letztlich auch nur rechtstheoretischer Natur.1667 Art. 4 Abs. 1 NV erfasst alle Menschen ungeachtet ihrer Staatsangehörigkeit und ihres Geschlechts.1668 Gebunden wird durch ihn alle öffentliche Gewalt, die der 1660 Im Ergebnis ebenfalls zu einem Verständnis als „Grundrecht mit originärer Leistungskomponente“ tendierend Burmeister, ZG 10 (1995), 289 (308 f.). 1661 Ohne diese Differenzierung von einer einfachgesetzlichen Konkretisierung ausgehend dagegen Ipsen, Niedersächsische Verfassung, 2011, Art. 4 Rn. 30. 1662 Vgl. Bräth/Nolte, in: Epping/Butzer u. a. (Hrsg.), Hannoverscher Kommentar zur Niedersächsischen Verfassung, 2012, Art. 4 Rn. 14. 1663 So Hagebölling, Niedersächsische Verfassung, 2. Aufl. 2011, Art. 4 Anm. 1; nicht ganz eindeutig Starck, NdsVBl. 1994, 2 (8). 1664 Neumann, Die Niedersächsische Verfassung, 3. Aufl. 2000, Art. 4 Rn. 1; Rux, in: Poscher/Rux/Langer, Das Recht auf Bildung, 2009, S. 168; Hagebölling, Niedersächsische Verfassung, 2. Aufl. 2011, Art. 4 Anm. 1; Ipsen, Niedersächsische Verfassung, 2011, Art. 4 Rn. 8 f.; Bräth/Nolte, in: Epping/Butzer u. a. (Hrsg.), Hannoverscher Kommentar zur Niedersächsischen Verfassung, 2012, Art. 4 Rn. 1; ausschließlich von einem Staatsziel ausgehend Berlit, NVwZ 1994, 11 (15); Germelmann, Kultur und staatliches Handeln, 2013, S. 101, 144 Fn. 61. 1665 Dafür OVG Lüneburg, NVwZ-RR 2002, 191 (193); Hagebölling, Niedersächsische Verfassung, 2. Aufl. 2011, Art. 4 Anm. 1; dagegen Ipsen, Niedersächsische Verfassung, 2011, Art. 4 Rn. 10. 1666 Vgl. Ipsen, Niedersächsische Verfassung, 2011, Art. 4 Rn. 10; Germelmann, Kultur und staatliches Handeln, 2013, S. 146. 1667 Bräth/Nolte, in: Epping/Butzer u. a. (Hrsg.), Hannoverscher Kommentar zur Niedersächsischen Verfassung, 2012, Art. 4 Rn. 1. 1668 Vgl. Hagebölling, Niedersächsische Verfassung, 2. Aufl. 2011, Art. 4 Anm. 1; Ipsen, Niedersächsische Verfassung, 2011, Art. 4 Rn. 6.

C. Landesverfassungsrechtlicher Rahmen in Niedersachsen

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Verfassungsgebung des Landes unterfällt.1669 Problematisch ist der Inhalt des Begriffs „Bildung“ i. S. d. Art. 4 Abs. 1 NV.1670 Eine feste Definition hat sich hierzu bislang nicht herausgebildet.1671 Es besteht aber breite Einigkeit, dass Art. 4 Abs. 1 NV nicht nur Schulbildung meint1672, sondern in einem weiteren Sinne zu verstehen ist.1673 Als Argument wird teilweise auf die Systematik des Art. 4 NV mit der Differenzierung zwischen dem Recht auf Bildung und dem Schulwesen in der Überschrift sowie mit der Voranstellung des Rechts auf Bildung in Abs. 1 vor den schulbezogenen Regelungen in Abs. 2, 3 verwiesen.1674 Ein Anspruch auf geschlechtergerechte Sprache lässt sich aus Art. 4 Abs. 1 NV in der Dimension als Anspruch auf gleiche Teilhabe an Bildung ableiten. Wenn Mädchen bzw. Frauen und auch Personen, die sich weder dem männlichen noch dem weiblichen Geschlecht zuordnen (lassen), sich durch nicht geschlechtergerechte Sprache im Bildungswesen, insbesondere in der Schule oder Hochschule, nicht gleichermaßen angesprochen fühlen wie Jungen bzw. Männer1675, können sie nicht in gleicher Weise am Bildungsangebot partizipieren, weil über die Sprache als Kommunikationsmedium die Bildungsinhalte vermittelt werden.1676 Dem muss nach Art. 4 Abs. 1 NVentgegengewirkt werden durch geschlechtergerechte Sprache in der Unterrichtskommunikation jedenfalls seitens der Unterrichtenden.1677 Dies ist auch ein Argument für ein Hinwirken auf geschlechtergerechte Sprache in Schulbüchern.1678 Für die Anwendung von Art. 4 Abs. 1 NV können sich dabei im Wege völkerrechtskonformer Auslegung1679 auch Impulse aus Art. 10 lit. c CEDAW sowie 1669

Ipsen, Niedersächsische Verfassung, 2011, Art. 4 Rn. 6. Ipsen, Niedersächsische Verfassung, 2011, Art. 4 Rn. 7. 1671 Vgl. Neumann, Die Niedersächsische Verfassung, 3. Aufl. 2000, Art. 4 Rn. 5. 1672 So auch LT-Drs. 12/5840, S. 5. 1673 Berlit, NVwZ 1994, 11 (15); Hagebölling, Niedersächsische Verfassung, 2. Aufl. 2011, Art. 4 Anm. 1; Ipsen, Niedersächsische Verfassung, 2011, Art. 4 Rn. 7, 30; Bräth/Nolte, in: Epping/Butzer u. a. (Hrsg.), Hannoverscher Kommentar zur Niedersächsischen Verfassung, 2012, Art. 4 Rn. 8 f.; Germelmann, Kultur und staatliches Handeln, 2013, S. 95 Fn. 387. 1674 LT-Drs. 12/5840, S. 5; Hagebölling, Niedersächsische Verfassung, 2. Aufl. 2011, Art. 4 Anm. 1. 1675 S. dazu allgemein unter Dritter Teil, B. I. 3. 1676 Vgl. Grabrucker, Vater Staat hat keine Muttersprache, 1993, S. 210; in ähnliche Richtung auch Enders-Dragässer/C. Fuchs, Interaktionen der Geschlechter, 2. Aufl. 1993, S. 150 f. 1677 Vgl. dazu die Empfehlung zu „geschlechtersensible[n] Formulierungen“ in den Leitlinien zur Sicherung der Chancengleichheit durch geschlechtersensible schulische Bildung und Erziehung (Beschluss der Kultusministerkonferenz vom 6. 10. 2016/Beschluss der Konferenz der Gleichstellungs- und Frauenministerinnen und -minister, -senatorinnen und -senatoren der Länder vom 16. 06. 2016), Sammlung der Beschlüsse der Ständigen Konferenz der Kultusminister der Länder in der Bundesrepublik Deutschland, Stand: 196. Lfg. März 2020, Beschluss Nr. 673, S. 6. 1678 Zu den Rechten von Schulbuchverleger_innen s. unter Dritter Teil, B. I. 4. b) dd) (3). 1679 Vgl. zur CEDAW BT-Drs. 18/5100, S. 9; König, ZESAR 2004, 214 (219); Rudolf, AnwBl 2012, 599 (599 f.) unter Verweis auf die Rspr. des BVerfG zur UN-Behinderten1670

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3. Teil: Rechtlicher Rahmen für die Verwendung geschlechtergerechter Sprache

aus Art. 4 CADE ergeben, woraus sich ebenfalls Argumente für eine geschlechtergerechte Sprache der Lehrkräfte an Schulen sowie in den Schulbüchern (und entsprechend an Hochschulen) ableiten lassen.1680 Das landesverfassungsrechtliche Recht auf Bildung verstärkt insofern das Recht auf eine geschlechtsadäquate Ansprache aus dem Allgemeinen Persönlichkeitsgrundrecht1681 unter dem spezifischen Aspekt der Bildung.

III. Zwischenergebnis Niedersachsen hat mit dem als dynamische Verweisung zu interpretierenden Art. 3 Abs. 2 Satz 1 NV die Grundrechte des Grundgesetzes in seine Landesverfassung inkorporiert, sodass für diese inkorporierten Grundrechte als Landesgrundrechte die Ausführungen zu den Grundrechten des Grundgesetzes entsprechend gelten. Eine Besonderheit weist die Niedersächsische Verfassung zum einen mit Art. 3 Abs. 2 Satz 3 NV auf, wonach „insbesondere die Verwirklichung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern … eine ständige Aufgabe des Landes, der Gemeinden und Landkreise“ ist. Indem Niedersachsen mit der Konjunktion „insbesondere“ die „Verwirklichung der Gleichberechtigung“ besonders hervorgehoben hat, misst es diesem Staatsziel besonderes Gewicht bei. Durch die Formulierung „ständige Aufgabe“ wird der Verpflichtungscharakter jedenfalls bezogen auf das „Ob“ des Tätigwerdens noch deutlicher als in Art. 3 Abs. 2 Satz 2 GG. Eine weitere Besonderheit stellt das in Art. 4 Abs. 1 NV verankerte Recht auf Bildung dar, aus dem sich ein Anspruch auf geschlechtergerechte Sprache in der Dimension als Anspruch auf gleiche Teilhabe an Bildung ableiten lässt. Wenn Mädchen bzw. Frauen und auch Personen, die sich weder dem männlichen noch dem weiblichen Geschlecht zuordnen (lassen), sich durch nicht geschlechtergerechte Sprache im Bildungswesen, insbesondere in der Schule oder Hochschule, nicht gleichermaßen angesprochen fühlen wie Jungen bzw. Männer, können sie nicht in gleicher Weise am Bildungsangebot partizipieren. Insofern verstärkt das landesverfassungsrechtliche Recht auf Bildung das Recht auf eine geschlechtsadäquate Ansprache aus dem Allgemeinen Persönlichkeitsgrundrecht unter dem spezifischen Aspekt der Bildung.

rechtskonvention, s. BVerfGE 128, 282 (306); König/Schadendorf, DÖV 2014, 853 (857, 860); Rudolf/Chen, in: Schöpp-Schilling/Rudolf/Gothe (Hrsg.), Mit Recht zur Gleichheit, 2014, S. 25 (42 f.); Rodi, RuP 53 (2017), 361 (362); Baumgärtner, in: Looschelders (Hrsg.), BeckOGK AGG, § 1 Rn. 50 (Stand: März 2020). Das BVerfG hat in BVerfGE 109, 64 (89) i.R.v. Art. 3 Abs. 2 GG auf die CEDAW rekurriert. 1680 S. dazu unter Dritter Teil, A. VI. 1. und 2. 1681 S. dazu unter Dritter Teil, B. III. 2.

D. Einfach- und untergesetzliche nationale Maßgaben

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D. Einfach- und untergesetzliche nationale Maßgaben für geschlechtergerechte Sprache Auch unterhalb der Verfassungsebene finden sich in Deutschland zahlreiche Regelungen, die Maßgaben für geschlechtergerechte Sprache beinhalten könnten.

I. Regelungen zu geschlechtergerechter Sprache auf der Bundesebene Zunächst soll der Normenbestand auf der Bundesebene näher beleuchtet werden. 1. Gesetz für die Gleichstellung von Frauen und Männern in der Bundesverwaltung und in den Unternehmen und Gerichten des Bundes (BGleiG) Im Jahr 2015 wurde das Bundesgleichstellungsgesetz novelliert. Als Art. 2 des Gesetzes für die gleichberechtigte Teilhabe von Frauen und Männern an Führungspositionen in der Privatwirtschaft und im öffentlichen Dienst vom 24. April 2015 trat es am 1. Mai 2015 unter dem Titel „Gesetz für die Gleichstellung von Frauen und Männern in der Bundesverwaltung und in den Unternehmen und Gerichten des Bundes (Bundesgleichstellungsgesetz – BGleiG)“ in Kraft; zugleich trat gem. Art. 24 das alte BGleiG außer Kraft.1682 Das BGleiG gilt nur für den Bundesbereich; für den jeweiligen Landesbereich ist es Sache der Länder, ggf. ein entsprechendes Gesetz zu schaffen.1683 Für Soldat_innen gilt statt des BGleiG das Soldatinnen- und Soldatengleichstellungsgesetz (SGleiG)1684.1685 Das BGleiG findet grundsätzlich neben dem AGG1686 Anwendung.1687

1682

BGBl. I S. 642; BGleiG zuletzt geändert durch Gesetz vom 23. 12. 2016 (BGBl. I S. 3191). 1683 v. Roetteken, ZTR 2017, 63 (63 f.); s. auch v. Tiling, öAT 2015, 177 (177); für Niedersachsen s. zum NGG unter Dritter Teil, D. II. 1. 1684 S. dazu unter Dritter Teil, D. I. 2. 1685 BR-Drs. 636/14, S. 87 ff.; BT-Drs. 18/3784, S. 76 ff.; v. Tiling, öAT 2015, 177 (177). Zwar gilt das BGleiG gem. § 2 Satz 1 i. V. m. § 3 Nr. 5 lit. b BGleiG für Behörden und Verwaltungsstellen der unmittelbaren Bundesverwaltung auch im Bereich der Streitkräfte, dies soll aber nur die zivilen Beschäftigten dort erfassen, s. BR-Drs. 636/14, S. 90; BT-Drs. 18/3784, S. 78; zur Abgrenzung auch v. Roetteken, BGleiG, § 3 BGleiG 2015 Rn. 335 (Stand: Okt. 2015); zu früheren Vorgaben für die Bundeswehrverwaltung s. Bundesminister der Verteidigung, Hinweise zur Richtlinie der Bundesregierung vom 19. Februar 1986 zur beruflichen Förderung von Frauen in der Bundesverwaltung – Erstfassung –, vom 30. 8. 1988, BT-Drs. 11/ 8129, S. 86. 1686 S. dazu unter Dritter Teil, D. I. 3.

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3. Teil: Rechtlicher Rahmen für die Verwendung geschlechtergerechter Sprache

a) § 4 Abs. 3 BGleiG: Rechts- und Verwaltungsvorschriften des Bundes und dienstlicher Schriftverkehr § 4 Abs. 3 BGleiG lautet inhaltlich unverändert gegenüber § 1 Abs. 2 BGleiG a. F.1688 : „Rechts- und Verwaltungsvorschriften des Bundes sollen die Gleichstellung von Frauen und Männern auch sprachlich zum Ausdruck bringen. Dies gilt auch für den dienstlichen Schriftverkehr.“

Während Satz 1 Maßgaben für die Vorschriftensprache beinhaltet, bezieht sich Satz 2 auf die Amtssprache.1689 Satz 1 ist dabei als bundesgesetzliche Vorgabe auf die Rechts- und Verwaltungsvorschriften des Bundes beschränkt. Entsprechend ist auch Satz 2 als auf den bundesdienstlichen Schriftverkehr beschränkt zu verstehen.1690 Die offene Fassung des § 4 Abs. 3 Satz 1 BGleiG birgt Auslegungsprobleme bereits in sich.1691 Der Gesetzgeber hat bewusst offengelassen, wie die Rechts- und Verwaltungsvorschriften „die Gleichstellung von Frauen und Männern … sprachlich zum Ausdruck bringen“ sollen und so auf eine konkrete positive Vorgabe für geschlechtergerechte Formulierungen verzichtet.1692 Dies eröffnet einerseits Spielräume für die Umsetzung1693 und ermöglicht ein Mitgehen mit der Entwicklung der Vorstellungen dazu, was als geschlechtergerechte Sprache anzusehen ist1694, führt andererseits aber auch zu Unsicherheit bei den für die Umsetzung verantwortlichen und den für ihre Kontrolle zuständigen Personen. Dass jedenfalls das Festhalten am „generischen Maskulinum“ nicht der mit § 4 Abs. 3 BGleiG verfolgten Intention des Gesetzgebers entspricht, wird aus der Gesetzesbegründung zu § 1 Abs. 2 BGleiG

1687 S. § 2 Abs. 3 AGG, wonach die Geltung sonstiger Benachteiligungsverbote oder Gebote der Gleichbehandlung durch das AGG nicht berührt wird; v. Roetteken, GiP 4/2017, 13 (13, 19); zum BGleiG a. F. auch Baer, Chancengleichheit in der Wissenschaft, 2009 (hrsg. vom Bundesministerium für Bildung und Forschung 2010), S. 16; Rudek, in: Berghahn/Schultz (Hrsg.), Rechtshandbuch für Frauen- und Gleichstellungsbeauftragte (Stand: Aug. 2019), Kap. 3.1.9, S. 1; speziell zum Verhältnis von § 7 Abs. 1 AGG und § 4 Abs. 3 Satz 2 BGleiG auch v. Roetteken, BGleiG, § 4 BGleiG 2015 Rn. 157 (Stand: Dez. 2015). 1688 BR-Drs. 636/14, S. 96; BT-Drs. 18/3784, S. 83. 1689 Vgl. zum gleich formulierten § 1 Abs. 2 BGleiG a. F. BT-Drs. 14/5679, S. 18; BRDrs. 7/01, S. 33; zu den Kategorien s. unter Einleitung. 1690 BT-Drs. 16/3776, S. 6. 1691 Vgl. Baumann, in: Baumann/Meinunger (Hrsg.), Die Teufelin steckt im Detail, 2017, S. 196 (218, 224); zum gleich formulierten § 1 Abs. 2 BGleiG a. F. auch Foth, JR 2007, 410 (410). 1692 BT-Drs. 14/5679, S. 18; BR-Drs. 7/01, S. 33 zum gleich formulierten § 1 Abs. 2 BGleiG a. F.; s. dazu unter Zweiter Teil. 1693 v. Roetteken, BGleiG, § 4 BGleiG 2015 Rn. 151 (Stand: Dez. 2015). 1694 Vgl. BT-Drs. 14/5679, S. 18; BR-Drs. 7/01, S. 33 zum gleich formulierten § 1 Abs. 2 BGleiG a. F., wonach jedenfalls vollständig neu formulierte Gesetze „dem aktuellen Standard der geschlechtergerechten Sprache“ entsprechen müssen.

D. Einfach- und untergesetzliche nationale Maßgaben

277

a. F., dem heutigen § 4 Abs. 3 BGleiG, deutlich.1695 Auch eine Generalklausel in Rechtsnormen, wonach die „männliche“ Form von Personenbezeichnungen stets auch die „weibliche“ umfasse1696, genügt § 4 Abs. 3 Satz 1 BGleiG nicht.1697 Die Norm zielt darauf ab, dass „dort, wo Männer und Frauen Trägerinnen oder Träger von Rechten sind und angesprochen werden, … sie auch ausdrücklich benannt werden“, während „dort, wo das Geschlecht der Adressatinnen oder Adressaten unerheblich ist oder neben natürlichen Personen auch juristische Personen betroffen sind, … neutrale Sprachformen verwendet werden“ sollen.1698 Eine solche Differenzierung erscheint allerdings kaum praktikabel. Sie bekräftigt aber, dass § 4 Abs. 3 BGleiG offen gegenüber einer sog. „kreativen Lösung“ ist, bei der unterschiedliche Formen geschlechtergerechter Sprache miteinander kombiniert werden.1699 Der Gesetzgeber hat im Jahr 2001 allerdings eine Tendenz zur Favorisierung von voll ausgeschriebenen1700 Paarformen zum Ausdruck gebracht, indem er in der damaligen Gesetzesbegründung ausgeführt hat, nach seiner Ansicht würden „in der Regel vollständig ausgeschriebene maskuline und feminine Personenbezeichnungen die Anforderungen einer geschlechtergerechten Sprache am besten erfüllen“.1701 Ob das aktuell insbesondere mit Blick auf den Beschluss des Bundesverfassungsgerichts zum „dritten Geschlecht“1702 und das daraus resultierende Erfordernis einer Sprache, die allen Geschlechtern gerecht wird1703, immer noch so gelten kann, erscheint zweifelhaft.1704 Insofern ist auch die Beschränkung des § 4 Abs. 3 BGleiG auf die 1695

BT-Drs. 14/5679, S. 18; BR-Drs. 7/01, S. 33; s. dazu unter Zweiter Teil. S. dazu unter Erster Teil, C. 1697 Schultz/Rudek, BGleiG, 2012, § 1 Rn. 9 (zu § 1 Abs. 2 BGleiG a. F.); v. Roetteken, BGleiG, § 4 BGleiG 2015 Rn. 152 (Stand: Dez. 2015). 1698 BT-Drs. 14/5679, S. 18; BR-Drs. 7/01, S. 33. 1699 S. BT-Drs. 14/5679, S. 18 f.; BR-Drs. 7/01, S. 33 f.; zur „kreativen Lösung“ s. unter Erster Teil, C. 1700 Zum Ausschluss von Sparschreibung s. Bundesministerium der Justiz (Hrsg.), Handbuch der Rechtsförmlichkeit, 3. Aufl. 2008, Rn. 115; zur Maßgeblichkeit des Handbuchs für die Bundesministerien s. § 42 Abs. 4 (i. V. m. § 62 Abs. 2 Satz 1) GGO; zutreffend meint Froese, Gendergerechtigkeit. Exklusion durch Inklusion, FAZ Online vom 7. 12. 2016, http://www.faz. net/aktuell/politik/staat-und-recht/gendergerechtigkeit-exklusion-durch-inklusion-14563961. html (abgerufen am 2. 6. 2020), dass für Gesetzestexte danach auch Gender-Star und GenderGap ausscheiden müssen. 1701 BT-Drs. 14/5679, S. 18; s. auch BR-Drs. 7/01, S. 33; in diese Richtung auch v. Roetteken, BGleiG, § 4 BGleiG 2015 Rn. 152 (Stand: Dez. 2015); s. dazu unter Zweiter Teil. 1702 BVerfGE 147, 1 ff.; s. dazu näher unter Erster Teil, B. I. 1703 S. dazu unter Erster Teil, B. I. 1704 Vgl. dazu Rat für deutsche Rechtschreibung, Empfehlungen zur „geschlechtergerechten Schreibung“ vom 16. 11. 2018, abrufbar unter http://www.rechtschreibrat.com (abgerufen am 2. 6. 2020), wo auf Entwicklungen der Ausdrucksmittel zur „geschlechtergerechten Schreibung“ verwiesen wird, die der Rat für deutsche Rechtschreibung jedoch zunächst abwarten und vorerst nicht durch Empfehlungen und Festlegungen beeinflussen wolle. Allerdings findet sich in einem späteren Dokument die Empfehlung, „die etablierten Formen geschlechtergerechter Schreibung nach stilistischen und grammatisch-syntaktischen Strategien weiterhin differenziert zu praktizieren“, da mit ihnen „nicht nur die Geschlechter männlich und weiblich, sondern 1696

278

3. Teil: Rechtlicher Rahmen für die Verwendung geschlechtergerechter Sprache

„Gleichstellung von Frauen und Männern“ kritisch zu sehen.1705 Dem kann ohne den Weg einer Gesetzesänderung entweder mit einer verfassungskonformen Auslegung der Norm dahingehend begegnet werden, dass die „Gleichstellung von Frauen und Männern“ als „Gleichstellung aller Geschlechter“ gelesen wird, oder, sofern man darin eine Überschreitung der Wortlautgrenze sehen wollte, durch eine analoge Anwendung der Norm bzgl. der sprachlichen Gleichstellung von Personen, die sich weder dem männlichen noch dem weiblichen Geschlecht zuordnen (lassen).1706 Die Vorschrift ergänzt für den Bereich des Bundes die in § 42 Abs. 5 Satz 2 GGO1707 für Gesetzentwürfe und über § 62 Abs. 2 Satz 1 GGO auch für Entwürfe von Rechtsverordnungen nahezu identisch geregelte sprachliche Geschlechtergleichstellung.1708 Soweit es allerdings um Gesetzesinitiativen aus der Mitte des Bundestages geht, auf die § 4 Abs. 3 Satz 1 BGleiG nach dem Willen des Gesetzgebers

zum größten Teil auch andere Geschlechter/Geschlechtsformen angemessen in der geschriebenen Sprache dargestellt [würden]“, s. Rat für deutsche Rechtschreibung, Bericht und Vorschläge der AG „Geschlechtergerechte Schreibung“, Revidierte Fassung vom 28. 11. 2018, S. 10, abrufbar unter http://www.rechtschreibrat.com (abgerufen am 2. 6. 2020); was hier „zum größten Teil … angemessen“ bedeuten soll, bleibt unklar und lässt Fragen offen; s. dazu auch in Fn. 1089. 1705 Ebenso Baumann, in: Baumann/Meinunger (Hrsg.), Die Teufelin steckt im Detail, 2017, S. 196 (207); kritisch bereits zur binärgeschlechtlichen Ausrichtung des BGleiG a. F. Rudek, in: Berghahn/Schultz (Hrsg.), Rechtshandbuch für Frauen- und Gleichstellungsbeauftragte (Stand: Aug. 2019), Kap. 3.1.9, S. 5; vgl. auch allg. zu derzeitigen Sprachregelungen W. Fuchs/Kempe-Schälicke/E. Richter/J. Franzen, Geschlechtliche Vielfalt im öffentlichen Dienst, hrsg. vom Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, 2017, S. 20; speziell zum BGleiG Althoff/Schabram/Follmar-Otto, Geschlechtervielfalt im Recht, hrsg. vom Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, 2017, S. 34 f.; vgl. auch die Erwägungen des BGH in BGHZ 218, 96 (103 Rn. 25) zur möglichen Verfassungswidrigkeit des § 28 Satz 1 LGG Saarland wegen Verstoßes gegen Art. 3 Abs. 3 Satz 1 GG; keine Zweifel an der „Verfassungskonformität einer auf Zweigeschlechtlichkeit angelegten geschlechtergerechten Sprache“ und dementsprechend an der Verfassungsmäßigkeit einer binärgeschlechtlich ausgerichteten Norm zu geschlechtergerechter Sprache hegt hingegen Grünberger, JZ 2018, 719 (721). Zur Frage des Verhältnisses von Art. 3 Abs. 2 Satz 2 GG und Art. 3 Abs. 3 Satz 1 GG s. unter Dritter Teil, B. I. 4. a) aa); dass das BGleiG der Erfüllung des Auftrages aus Art. 3 Abs. 2 Satz 2 GG dienen soll, geht aus § 1 Abs. 2 BGleiG hervor. 1706 Vgl. nicht speziell bezogen auf § 4 Abs. 3 BGleiG Wissenschaftliche Dienste des Deutschen Bundestages, Sachstand WD 7 – 3000 – 148/17, S. 8 f.; Althoff/Schabram/FollmarOtto, Geschlechtervielfalt im Recht, hrsg. vom Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, 2017, S. 30 ff., die sich aber für eine „geschlechterinklusive Weiterentwicklung des Gleichstellungsrechts“ aussprechen (S. 60); für eine Anpassung derzeitiger Sprachregelungen auch W. Fuchs/Kempe-Schälicke/E. Richter/J. Franzen, Geschlechtliche Vielfalt im öffentlichen Dienst, hrsg. vom Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, 2017, S. 20; eine verfassungskonforme Auslegung einer binärgeschlechtlich konstruierten Norm erwägend der BGH in BGHZ 218, 96 (103 Rn. 25); kritisch zu einem „Leben in Analogien“ der Betroffenen Theilen, StAZ 2014, 1 (7) und diesem folgend Lettrari, Aktuelle Aspekte der Rechtslage zur Intersexualität, 2015, S. 43. 1707 S. dazu unter Dritter Teil, D. I. 4. b). 1708 BR-Drs. 636/14, S. 96; BT-Drs. 18/3784, S. 83.

D. Einfach- und untergesetzliche nationale Maßgaben

279

„insbesondere“ abzielt1709, kann § 4 Abs. 3 Satz 1 BGleiG nur als Absichtserklärung im Sinne einer Selbstverpflichtung angesehen werden.1710 Tatsächlich wirksam selbst binden kann sich der Gesetzgeber nicht.1711 § 4 Abs. 3 Satz 1 BGleiG gilt aber nicht nur für Gesetze und Rechtsverordnungen sowie (mittelbar) für die entsprechenden Entwürfe, sondern für alle Rechtsvorschriften des Bundes und der seiner Aufsicht unterstehenden Körperschaften, Anstalten und Stiftungen des öffentlichen Rechts1712 und ausdrücklich auch für Verwaltungsvorschriften. Augenfällig und einer der größten Kritikpunkte ist die Formulierung des § 4 Abs. 3 Satz 1 BGleiG, die dann entsprechend auch für Satz 2 gilt, als Soll-Vorschrift. Die Formulierung einer Norm als Soll-Vorschrift kann unterschiedliche Bedeutungen haben: Zum einen kann damit zum Ausdruck gebracht werden, dass zwar im Regelfall eine Verpflichtung besteht, in Ausnahmefällen aber ein Abweichen von der vorgesehenen Rechtsfolge möglich ist.1713 Eine Soll-Vorschrift kann aber auch ausdrücken, dass die Rechtsfolge eines Verstoßes weniger schwerwiegend ist.1714 Soll-Vorschriften sind insofern „weicher“ als Muss-Vorschriften.1715 Was genau mit der Verwendung des Wortes „sollen“ in § 4 Abs. 3 Satz 1 BGleiG gemeint ist, geht aus der Gesetzesbegründung nicht eindeutig hervor. Einerseits spricht die Gesetzesbegründung dafür, dass es vor allem um eine Bewusstseinsstärkung für Gleichstellung geht1716, andererseits ist dort auch mehrfach das Wort „müssen“ im Zusammenhang mit der Regelung des § 4 Abs. 3 BGleiG erwähnt1717. Dementsprechend herrscht Uneinigkeit über die Rechtsfolgen eines Verstoßes gegen § 4 Abs. 3 BGleiG. Teilweise wird im Sinne der ersten Auslegungsmöglichkeit angenommen, dass das „sollen“ in § 4 Abs. 3 Satz 1 BGleiG für den Regelfall als „müssen“ zu lesen ist.1718 Als atypischer Fall, der ein Abweichen von den Vorgaben des § 4 Abs. 3 Satz 1 1709

So BT-Drs. 14/5679, S. 18; BR-Drs. 7/01, S. 33 (zu § 1 Abs. 2 BGleiG a. F.). v. Roetteken, BGleiG, § 4 BGleiG 2015 Rn. 141 (Stand: Dez. 2015). 1711 Schiek/Horstkötter, Der Personalrat 2002, 139 (139); vgl. Schiek, in: Schiek u. a. (Hrsg.), Frauengleichstellungsgesetze des Bundes und der Länder, 2. Aufl. 2002, Rn. 843. 1712 v. Roetteken, BGleiG, § 4 BGleiG 2015 Rn. 141 ff. (Stand: Dez. 2015). 1713 Bundesministerium der Justiz (Hrsg.), Handbuch der Rechtsförmlichkeit, 3. Aufl. 2008, Rn. 84; BVerwGE 136, 263 (270 Rn. 25); v. Roetteken, ZTR 2017, 63 (67); speziell zu SollVorgaben im BGleiG Battis, in: Battis (Hrsg.), Bundesbeamtengesetz, 5. Aufl. 2017, § 8 Rn. 5. 1714 Bundesministerium der Justiz (Hrsg.), Handbuch der Rechtsförmlichkeit, 3. Aufl. 2008, Rn. 84. 1715 Baumann, in: Bartoszewicz/Szcze˛ k/Tworek (Hrsg.), Germanistische Linguistik im interdisziplinären Gefüge II, 2011, S. 189 (195 f. Fn. 18). 1716 S. (zum gleich formulierten § 1 Abs. 2 BGleiG a. F.) BT-Drs. 14/5679, S. 2; BR-Drs. 7/01, S. 2 f.; s. auch BT-Drs. 14/6898, S. 21. 1717 S. (zum gleich formulierten § 1 Abs. 2 BGleiG a. F.) BT-Drs. 14/4679, S. 2, 18; BRDrs. 7/01, S. 2, 33; s. auch BT-Drs. 14/6898, S. 21. 1718 So v. Roetteken, BGleiG, § 4 BGleiG 2015 Rn. 140 (Stand: Dez. 2015); vgl. zur Verbindlichkeit des § 1 Abs. 2 BGleiG a. F. auch R. Schmidt, in: Eichhoff-Cyrus (Hrsg.), Adam, Eva und die Sprache, 2004, S. 316 (319). 1710

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3. Teil: Rechtlicher Rahmen für die Verwendung geschlechtergerechter Sprache

BGleiG rechtfertige, werden insbesondere solche Vorschriften angeführt, in denen ausnahmsweise nur Personen eines Geschlechts gemeint sind.1719 Teilweise heißt es aber auch, dass ein Nichtbefolgen der Vorgaben keine negativen Konsequenzen habe1720, was eher auf eine Interpretation im Sinne der zweitgenannten Auslegungsmöglichkeit deutet. Das Fehlen einer klar definierten Rechtsfolge im Falle der Nichtbefolgung der Vorgaben begünstigt und erklärt jedenfalls, dass § 4 Abs. 3 BGleiG in der Praxis nicht immer die nötige Beachtung findet.1721 Bei Nichtbeachtung der Vorgaben des § 4 Abs. 3 Satz 1 BGleiG wird zwar nicht von der Nichtigkeit der entsprechenden Norm auszugehen sein.1722 Allerdings findet sich in der Literatur eine Ansicht, wonach § 4 Abs. 3 Satz 1 BGleiG eine Rechtmäßigkeitsvoraussetzung und nicht bloße Ordnungsvorschrift sei.1723 Auch wird zu Recht angenommen, dass die Nichtbeachtung von § 4 Abs. 3 BGleiG dienst- bzw. arbeitsrechtliche Konsequenzen haben könne, da die Einhaltung der Vorgaben nicht nur der jeweiligen Dienststelle obliege, sondern auch Aufgabe im individuellen Dienst- bzw. Arbeitsverhältnis sei.1724 Unzweifelhaft gilt § 4 Abs. 3 Satz 1 BGleiG für die Neuschaffung von Vorschriften, lässt nach seinem Wortlaut aber auch eine Anwendung auf den bisherigen Normenbestand zu.1725 Dass § 4 Abs. 3 Satz 1 BGleiG auch auf die sprachliche Überarbeitung bestehender Normen abzielt, wird aus der Gesetzesbegründung zu § 1 Abs. 2 BGleiG a. F. deutlich, wonach „davon abgesehen [werde], konkrete Zeitvorgaben zu machen“, was sich sinnvoll nur auf die Überarbeitung bestehenden Rechts beziehen kann. Noch deutlicher heißt es kurz darauf, dass für „die Anpassung des geltenden Rechts … anstehende Änderungen genutzt werden [sollten], um

1719

v. Roetteken, BGleiG, § 4 BGleiG 2015 Rn. 140 (Stand: Dez. 2015). So (zu § 1 Abs. 2 BGleiG a. F.) Schewe-Gerigk, in: Eichhoff-Cyrus (Hrsg.), Adam, Eva und die Sprache, 2004, S. 322 (327); Baumann, in: Bartoszewicz/Szcze˛ k/Tworek (Hrsg.), Germanistische Linguistik im interdisziplinären Gefüge II, 2011, S. 189 (195 f. Fn. 18). 1721 Dazu R. Schmidt, in: Eichhoff-Cyrus (Hrsg.), Adam, Eva und die Sprache, 2004, S. 316 (319); vgl. auch Raff/Schiedt, LeGes 23 (2012), 61 (71); zu § 4 Abs. 3 Satz 2 BGleiG s. ergänzend die Nw. in Fn. 1729 und Fn. 1730. 1722 Vgl. v. Roetteken, BGleiG, § 4 BGleiG 2015 Rn. 143 f. (Stand: Dez. 2015), der eine Nichtigkeit aber dann annimmt, wenn „sich der Verstoß nicht nur auf die Sprache allein beschränkt, ihre konkrete Verwendung zumindest auch als Indiz für einen mit Art. 3 Abs. 2, 3 unvereinbaren Inhalt angesehen werden kann“; wie dieser auch zu § 1 Abs. 2 BGleiG a. F. Schultz/Rudek, BGleiG, 2012, § 1 Rn. 10. Nach Auslegung einer Norm wird allerdings regelmäßig kein Verstoß gegen Art. 3 Abs. 2, 3 GG anzunehmen sein, s. dazu unter Dritter Teil, B. I. 2. a). 1723 v. Roetteken, BGleiG, § 4 BGleiG 2015 Rn. 147 (Stand: Dez. 2015). 1724 v. Roetteken, BGleiG, § 4 BGleiG 2015 Rn. 144, 148, 153 (Stand: Dez. 2015); zu § 1 Abs. 2 Satz 2 BGleiG a. F. auch Schultz/Rudek, BGleiG, 2012, § 1 Rn. 11; Rudek, in: Berghahn/ Schultz (Hrsg.), Rechtshandbuch für Frauen- und Gleichstellungsbeauftragte (Stand: Aug. 2019), Kap. 3.1.3, S. 2. 1725 Vgl. v. Roetteken, BGleiG, § 4 BGleiG 2015 Rn. 139 (Stand: Dez. 2015). 1720

D. Einfach- und untergesetzliche nationale Maßgaben

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veraltete Ausdrucksweisen und die herkömmliche Verwendung generischer Maskulina abzulösen“.1726 Satz 2 ist insofern unklar und daher unglücklich formuliert, als nicht eindeutig ist, an welche Textpassage des Satzes 1 genau die Einleitung „Dies gilt auch …“ anknüpft. Nach Sinn und Zweck der Norm kann nur gemeint sein, dass auch im dienstlichen Schriftverkehr die Gleichstellung von Frauen und Männern sprachlich zum Ausdruck gebracht werden soll. Das bedeutet, dass die Bundesverwaltung gesetzlich zu einer geschlechtergerechten Sprache auch im dienstlichen Schriftverkehr (grds.) verpflichtet ist.1727 Auch insofern lässt die Vorschrift offen, wie dies konkret geschehen soll. Der dienstliche Schriftverkehr umfasst sowohl die behördeninterne als auch die externe Kommunikation ungeachtet des konkreten SchriftKommunikationsmediums, sodass auch E-Mails und Faxe ebenso wie Veröffentlichungen im Internet den Anforderungen des § 4 Abs. 3 Satz 2 BGleiG unterfallen.1728 Gerade auch im dienstlichen Schriftverkehr werden in der Praxis die Vorgaben des § 4 Abs. 3 BGleiG nicht immer berücksichtigt.1729 Das gilt insbesondere für die Verwendung geschlechtergerechter Formulierungen in Gerichtsentscheidungen.1730 Auch Vordrucke und Formulare sind dem dienstlichen Schriftverkehr zuzuordnen, und zwar behördeninterne ebenso wie an Außenstehende gerichtete.1731 Für Arbeitsplatzausschreibungen ist § 6 Abs. 1 BGleiG als lex specialis zu § 4 Abs. 3 Satz 2 BGleiG anzusehen.1732 Unklar ist, ob § 4 Abs. 3 BGleiG auch individualschützenden Charakter hat und somit auch subjektive Rechte, d. h. individuelle Ansprüche begründet, oder ob die 1726

BT-Drs. 14/5679, S. 18; BR-Drs. 7/01, S. 33; s. dazu unter Zweiter Teil. Vgl. zu § 1 Abs. 2 Satz 2 BGleiG a. F. Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (Hrsg.), Das neue Gesetz zur Gleichstellung von Frauen und Männern in der Bundesverwaltung und in den Gerichten des Bundes (Bundesgleichstellungsgesetz – BGleiG), 2. Aufl. 2003, S. 15. 1728 v. Roetteken, BGleiG, § 4 BGleiG 2015 Rn. 155 (Stand: Dez. 2015); zu § 1 Abs. 2 BGleiG a. F. auch Schultz/Rudek, BGleiG, 2012, § 1 Rn. 11; Rudek, in: Berghahn/Schultz (Hrsg.), Rechtshandbuch für Frauen- und Gleichstellungsbeauftragte (Stand: Aug. 2019), Kap. 3.1.3, S. 2. 1729 S. Erster Erfahrungsbericht der Bundesregierung zum Bundesgleichstellungsgesetz (Berichtszeitraum 1. Juli 2001 bis 30. Juni 2004), BT-Drs. 16/3776, S. 27, 75. 1730 v. Roetteken, BGleiG, § 4 BGleiG 2015 Rn. 158 (Stand: Dez. 2015), der bemängelt, dass die derzeitige Praxis der Gerichte „fast durchweg“ den Anforderungen nicht genüge und insofern von einer „besonders krasse[n] Form der mangelnden Beachtung von § 4 Abs. 3 S. 2 [BGleiG]“ spricht; anders aber insbesondere neuere Entscheidungen des BAG, z. B. BAG, NJW 2018, 1497 ff.; dazu v. Roetteken, jurisPR-ArbR 37/2011 Anm. 5. 1731 v. Roetteken, BGleiG, § 4 BGleiG 2015 Rn. 156 (Stand: Dez. 2015). Zu der Frage, ob mit Blick auf das Allgemeine Persönlichkeitsgrundrecht die Norm als konstitutiv anzusehen ist, vgl. zu § 3 Nds. Gesetz zur Förderung der Gleichstellung der Frau in der Rechts- und Verwaltungssprache unter Dritter Teil, D. II. 3. c). 1732 v. Roetteken, BGleiG, § 4 BGleiG 2015 Rn. 157 (Stand: Dez. 2015) spricht hingegen nur von „ergänzende[n] Anforderungen“. 1727

282

3. Teil: Rechtlicher Rahmen für die Verwendung geschlechtergerechter Sprache

Norm nur objektive Verpflichtungen beinhaltet. Unter Berücksichtigung der Rechtsauffassung des BGH zu dem insoweit ähnlich formulierten § 28 Satz 1 LGG Saarland1733 wäre auch § 4 Abs. 3 BGleiG als nicht individualschützend i. S. d. Schutznormtheorie1734 einzuordnen, weil danach das Kriterium des abgrenzbaren Personenkreises nicht erfüllt ist. Gegen einen individualschützenden Charakter spricht jedenfalls, dass sich aus den Grundrechten kein subjektiver Anspruch auf geschlechtergerechte Sprache in Rechtsvorschriften herleiten lässt.1735 b) § 6 Abs. 1 BGleiG: Arbeitsplatzausschreibung § 6 Abs. 1 BGleiG lautet in den ersten drei Sätzen: „Ausschreibungen von Arbeitsplätzen müssen geschlechtsneutral erfolgen. Es ist insbesondere unzulässig, Arbeitsplätze nur für Männer oder nur für Frauen auszuschreiben. Der Ausschreibungstext muss so formuliert sein, dass er Angehörige beider Geschlechter in gleicher Weise anspricht und Angehörige des in dem jeweiligen Bereich unterrepräsentierten Geschlechts verstärkt zur Bewerbung auffordert.“

§ 6 Abs. 1 BGleiG beinhaltet damit gleich drei Regelungen mit Bezug zu geschlechtergerechter Sprache, deren Inhalt auch im Verhältnis zueinander näher zu klären ist. Nach § 6 Abs. 1 Satz 1 BGleiG müssen Ausschreibungen von Arbeitsplätzen geschlechtsneutral erfolgen. Dies ist nun eindeutig im Gesetz selbst formuliert, obwohl die Verpflichtung zur geschlechtsneutralen Ausschreibung von Arbeitsplätzen auch schon vorher aus § 6 Abs. 1 Satz 1 BGleiG a. F. abzuleiten war.1736 Die Formulierung „geschlechtsneutral“ in § 6 Abs. 1 Satz 1 BGleiG ist nach Sinn und Zweck der Norm nicht dahingehend eng auszulegen, dass von vornherein nur die Nutzung echt geschlechtsneutraler Begriffe (wie z. B. „Leitung“)1737 zulässig wäre. Vielmehr dürfen nach Sinn und Zweck der Vorschrift Ausschreibungen (grundsätzlich) nicht geschlechtsspezifisch oder ein Geschlecht präferierend erfolgen. Eine Ausschreibung ist nur dann geschlechtsneutral i. S. v. § 6 Abs. 1 Satz 1 BGleiG, „wenn sie weder offen noch verdeckt zu erkennen gibt, dass nur eine Person eines bestimmten Geschlechts für den Arbeitsplatz in Betracht kommt oder vorzugswürdig

1733

BGHZ 218, 96 (101 ff. Rn. 14 ff.); zustimmend G. Bachmann, NJW 2018, 1648 (1648); Buck-Heeb, WuB 2018, 325 (325); Scholl/Fischer, EWiR 2018, 365 (366); kritisch dagegen Grünberger, JZ 2018, 719 (721 f.); Mangold, VerfBlog vom 13. 3. 2018; Spangenberg, KJ 51 (2018), 345 (349); zum Wortlaut des § 28 Satz 1 LGG Saarland s. Fn. 1979. 1734 S. dazu unter Dritter Teil, A. VI. 1. und kritisch unter A. VI. 2. 1735 S. dazu unter Dritter Teil, B. I. 4. a) bb) (8); zur Bedeutung der Grundrechte für die Frage des Bestehens eines subjektiven Rechts Grünberger, JZ 2018, 719 (721). 1736 So auch v. Roetteken, BGleiG, § 6 BGleiG 2015 Rn. 4 (Stand: Juni 2018); s. dazu BRDrs. 7/01, S. 38; BT-Drs. 14/5679, S. 20; s. dazu auch unter Zweiter Teil. 1737 S. zu geschlechtsneutralen Formen unter Erster Teil, C.

D. Einfach- und untergesetzliche nationale Maßgaben

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ist“ [im Original mit Hervorhebungen].1738 Dabei kommt es nur auf den Ausschreibungstext an, nicht auf das Bestehen einer Diskriminierungsabsicht.1739 Die Pflicht zur geschlechtsneutralen Ausschreibung beinhaltet nach § 6 Abs. 1 Satz 2 BGleiG „insbesondere“, dass Arbeitsplätze nicht nur für Männer oder nur für Frauen ausgeschrieben werden dürfen, dass also offen nur nach Männern oder nur nach Frauen gesucht wird.1740 In der Formulierung einer Stellenanzeige kann das etwa dadurch zum Ausdruck kommen, dass ausschließlich eine feminine Berufsbezeichnung verwendet wird (z. B. „Sekretärin gesucht“1741).1742 § 6 Abs. 1 Satz 2 BGleiG ist somit als Konkretisierung von § 6 Abs. 1 Satz 1 BGleiG anzusehen.1743 Nach § 6 Abs. 1 Satz 3, 1. Alt. BGleiG muss der Ausschreibungstext so formuliert sein, „dass er Angehörige beider Geschlechter in gleicher Weise anspricht“. Da bereits § 6 Abs. 1 Satz 2 BGleiG auf nur ein Geschlecht beschränkte Ausschreibungen verbietet, muss nach systematisch-teleologischer Auslegung § 6 Abs. 1 Satz 3, 1. Alt. BGleiG einen weiter reichenden Regelungsgehalt haben. Daraus ergibt sich, dass es bei § 6 Abs. 1 Satz 3, 1. Alt. BGleiG um die gleichgewichtige Ansprache der Geschlechter geht.1744 Problematisch ist an § 6 Abs. 1 Satz 3, 1. Alt. BGleiG mit Blick auf den Beschluss des Bundesverfassungsgerichts zum „dritten Geschlecht“1745 insbesondere die ausschließlich „binärgeschlechtliche“ Ausrichtung der Norm.1746 Dies könnte eine Diskriminierung von Personen, die sich weder dem männlichen noch dem weiblichen Geschlecht zuordnen (lassen), wegen ihres Geschlechts i. S. v. Art. 3 Abs. 3

1738 v. Roetteken, BGleiG, § 6 BGleiG 2015 Rn. 52 (Stand: Juni 2018); ganz ähnlich Kugele, BGleiG, § 6 Rn. 2 (Stand: März 2020). 1739 Vgl. v. Roetteken, BGleiG, § 6 BGleiG 2015 Rn. 59 (Stand: Juni 2018); zu § 6 Abs. 1 BGleiG a. F. auch Schultz/Rudek, BGleiG, 2012, § 6 Rn. 3. 1740 Vgl. v. Roetteken, BGleiG, § 6 BGleiG 2015 Rn. 53 (Stand: Juni 2018). 1741 Als weiteres Beispiel s. VG Münster, 11 K 1383/07 vom 23. 1. 2009, BeckRS 2009, 31244: Dienstposten „einer hauptamtlich Lehrenden“. 1742 Vgl. v. Roetteken, BGleiG, § 6 BGleiG 2015 Rn. 56 (Stand: Juni 2018); Kugele, BGleiG, § 6 Rn. 2 (Stand: März 2020). 1743 Kugele, BGleiG, § 6 Rn. 3 (Stand: März 2020). 1744 v. Roetteken, BGleiG, § 6 BGleiG 2015 Rn. 66 (Stand: Juni 2018). 1745 BVerfGE 147, 1 ff.; s. dazu näher unter Erster Teil, B. I. 1746 So auch v. Roetteken, GiP 3/2019, 23 (29); vgl. zum BGleiG allg. Althoff/Schabram/ Follmar-Otto, Geschlechtervielfalt im Recht, hrsg. vom Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, 2017, S. 34 f.; kritisch bereits zur binärgeschlechtlichen Ausrichtung des BGleiG a. F. Rudek, in: Berghahn/Schultz (Hrsg.), Rechtshandbuch für Frauen- und Gleichstellungsbeauftragte (Stand: Aug. 2019), Kap. 3.1.9, S. 5; vgl. allg. zum Problem der binärgeschlechtlichen Ausrichtung derzeitiger Sprachregelungen W. Fuchs/Kempe-Schälicke/ E. Richter/J. Franzen, Geschlechtliche Vielfalt im öffentlichen Dienst, hrsg. vom Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, 2017, S. 20, die sich für eine Anpassung solcher Normen aussprechen.

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3. Teil: Rechtlicher Rahmen für die Verwendung geschlechtergerechter Sprache

Satz 1 GG darstellen.1747 Infolgedessen könnte die Vorschrift verfassungskonform dahingehend auszulegen sein, dass das Wort „beider“ hier im Sinne von „aller“ (Geschlechter) zu verstehen ist.1748 Dies dürfte gerade noch mit dem Wortlaut der Norm zu vereinbaren sein.1749 Dass ein Ausschreibungstext so formuliert sein muss, dass er beide/alle Geschlechter in gleicher Weise anspricht, bedeutet insbesondere die Verpflichtung zu einer geschlechtergerechten Sprache, indem entweder (echt) geschlechtsneutrale Begriffe oder solche Bezeichnungen genutzt werden müssen, in denen Frauen (bzw. nicht-männliche Personen) ebenso explizit „vorkommen“ wie Männer.1750 Auch eine Kombination ist möglich (sog. kreative Lösung1751). Nach dem Beschluss des Bundesverfassungsgerichts zum „dritten Geschlecht“ ist allerdings klärungsbedürftig, welche Formen neben den echt geschlechtsneutralen Personenbezeichnungen konkret in Betracht kommen. Die bis dahin oft genannten Paarformen aus femininen und maskulinen Berufsbezeichnungen1752 sind zu überdenken. Diskutiert wird etwa die Verwendung des Gender-Star oder des Gender-Gap1753, aber auch die 1747

Vgl. die Erwägungen des BGH in BGHZ 218, 96 (103 Rn. 25) zur möglichen Verfassungswidrigkeit des § 28 Satz 1 LGG Saarland wegen Verstoßes gegen Art. 3 Abs. 3 Satz 1 GG; keine Zweifel an der „Verfassungskonformität einer auf Zweigeschlechtlichkeit angelegten geschlechtergerechten Sprache“ und dementsprechend an der Verfassungsmäßigkeit einer binärgeschlechtlich ausgerichteten Norm zu geschlechtergerechter Sprache hegt hingegen Grünberger, JZ 2018, 719 (721). Zur Frage des Verhältnisses von Art. 3 Abs. 2 Satz 2 GG und Art. 3 Abs. 3 Satz 1 GG s. unter Dritter Teil, B. I. 4. a) aa); dass das BGleiG der Erfüllung des Auftrages aus Art. 3 Abs. 2 Satz 2 GG dienen soll, geht aus § 1 Abs. 2 BGleiG hervor. 1748 Gleichsinnig v. Roetteken, GiP 3/2019, 23 (29); vgl. Wissenschaftliche Dienste des Deutschen Bundestages, Sachstand WD 7 – 3000 – 148/17, S. 8 f.; vgl. auch Althoff/Schabram/ Follmar-Otto, Geschlechtervielfalt im Recht, hrsg. vom Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, 2017, S. 31, die allerdings bei den Normen des BGleiG von Regelungen mit geschlechterdifferenzierender Rechtsfolge ausgehen und daher wohl nur eine analoge Anwendung für möglich halten (S. 32 ff.) sowie sich für eine „geschlechterinklusive Weiterentwicklung des Gleichstellungsrechts“ aussprechen (S. 60); eine verfassungskonforme Auslegung einer binärgeschlechtlich konstruierten Norm erwägend der BGH in BGHZ 218, 96 (103 Rn. 25). 1749 Vgl. v. Roetteken, BGleiG, § 6 BGleiG 2015 Rn. 68 (Stand: Juni 2018), wonach § 6 Abs. 1 BGleiG auch auf ein höheres Maß wirklicher Chancengleichheit intersexueller Menschen abziele. 1750 Vgl. v. Roetteken, BGleiG, § 6 BGleiG 2015 Rn. 58 (Stand: Juni 2018), der Ähnliches allerdings nicht nur aus § 6 Abs. 1 Satz 3, 1. Alt. BGleiG, sondern auch aus § 6 Abs. 1 Satz 2 BGleiG ableitet; Rudek, in: Berghahn/Schultz (Hrsg.), Rechtshandbuch für Frauen- und Gleichstellungsbeauftragte (Stand: Aug. 2019), Kap. 3.1.5, S. 1; vgl. auch zu § 6 Abs. 1 Satz 2 BGleiG a. F. Zängl, in: I. Franke/Weiß (Hrsg.), FÜRST GKÖD, Bd. I, § 8 BBG Rn. 24 (Stand: Juli 2009); Schultz/Rudek, BGleiG, 2012, § 6 Rn. 3. 1751 S. dazu unter Erster Teil, C. 1752 S. etwa Rudek, in: Berghahn/Schultz (Hrsg.), Rechtshandbuch für Frauen- und Gleichstellungsbeauftragte (Stand: Aug. 2019), Kap. 3.1.5, S. 1; zu § 6 Abs. 1 Satz 2 BGleiG a. F. auch Schultz/Rudek, BGleiG, 2012, § 6 Rn. 3; weiterhin Paarformen nennend v. Roetteken, BGleiG, § 6 BGleiG 2015 Rn. 58 (Stand: Juni 2018). 1753 S. dazu unter Erster Teil, C.

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Verwendung von Personenbezeichnungen im generischen Maskulinum mit dem Klammerzusatz „m/w/d“. Dabei ist die Lage bei der Stellenausschreibung einfacher als bei der Vorschriftensprache, da hier nicht die strikten Rechtsförmlichkeitsvorgaben für die Normsetzung1754 zu beachten sind. Gegen die Verwendung von Personenbezeichnungen im generischen Maskulinum mit einem Klammerzusatz wird allerdings eingewandt, dass sie die Geschlechter nicht in gleicher Weise positiv ansprächen.1755 In diese Richtung deuten bzgl. des Zusatzes „(m/w)“ auch erste Studien.1756 Gleiches könnte für den Zusatz „(m/w/d)“ gelten; hier besteht aber noch Forschungsbedarf. Erst recht genügen den Anforderungen des § 6 Abs. 1 Satz 3, 1. Alt. BGleiG solche Ausschreibungen nicht, in denen die Berufsbezeichnung ausschließlich im generischen Maskulinum aufgeführt ist.1757 Selbst wenn hier eine Ansprache aller Geschlechter intendiert ist und nach Auslegung des Ausschreibungstextes die Ausschreibung an alle Geschlechter gerichtet sein sollte1758, werden hierdurch nicht alle Geschlechter „in gleicher Weise“ i. S. d. § 6 Abs. 1 Satz 3, 1. Alt. BGleiG angesprochen.1759 Nicht ausreichend ist auch der Hinweis in einer Fußnote, wonach trotz Nennung nur der männlichen Berufsbezeichnung auch andere Geschlechter gemeint seien.1760 Aus § 6 Abs. 1 Satz 3, 1. Alt. BGleiG könnte darüber hinaus sogar abzuleiten sein, dass der Ausschreibungstext insgesamt so formuliert sein muss, dass er inhaltlich kein Geschlecht mehr anspricht als ein anderes.1761 Dagegen spricht allerdings, dass 1754 S. Bundesministerium der Justiz (Hrsg.), Handbuch der Rechtsförmlichkeit, 3. Aufl. 2008, passim; die 4. Aufl. des Handbuchs der Rechtsförmlichkeit befindet sich in Vorbereitung, s. https://www.bmjv.de/DE/Themen/RechtssetzungBuerokratieabbau/HDR/HDR_node.html (abgerufen am 2. 6. 2020); zur Maßgeblichkeit des Handbuchs für Gesetzentwürfe s. § 42 Abs. 4 GGO. 1755 Zur Kombination des generischen Maskulinums mit dem Zusatz „(m/w)“ v. Roetteken, BGleiG, § 6 BGleiG 2015 Rn. 58, 60 (Stand: Juni 2018); v. Roetteken, AGG, § 22 Rn. 262 (Stand: April 2019); ihm folgend B. Franke, in: Berghahn/Schultz (Hrsg.), Rechtshandbuch für Frauen- und Gleichstellungsbeauftragte (Stand: Mai 2020), Kap. 4.3.1, S. 12; s. auch Janker, Weibliche Anrede. Es geht um Gerechtigkeit, nicht um Befindlichkeiten, Süddeutsche Zeitung vom 13. 3. 2018, https://www.sueddeutsche.de/leben/weibliche-anrede-es-geht-um-gerechtig keit-nicht-um-befindlichkeiten-1.3902377 (abgerufen am 2. 6. 2020); auch den Zusatz „(m/w/d)“ aus diesem Grund ablehnend v. Roetteken, AGG, § 11 Rn. 60 (Stand: Sept. 2019); zur Frage der Vereinbarkeit dieser Praxis mit § 11 AGG s. unter Dritter Teil, D. I. 3. a). 1756 S. Horvath/Sczesny, European Journal of Work and Organizational Psychology 25 (2016), 316 ff.; s. auch Antidiskriminierungsstelle des Bundes (Hrsg.), Diskriminierung in Stellenanzeigen, 2018, S. 8. 1757 v. Roetteken, BGleiG, § 6 BGleiG 2015 Rn. 59 (Stand: Juni 2018). 1758 Vgl. dazu unter Dritter Teil, D. I. 3. a). 1759 So auch v. Roetteken, BGleiG, § 6 BGleiG 2015 Rn. 59 (Stand: Juni 2018). 1760 v. Roetteken, BGleiG, § 6 BGleiG 2015 Rn. 58 f. (Stand: Juni 2018). 1761 In diese Richtung deuten v. Tiling, öAT 2015, 177 (178); v. Roetteken, BGleiG, § 6 BGleiG 2015 Rn. 66 ff. (Stand: Juni 2018); vgl. zu § 6 Abs. 1 Satz 2 BGleiG a. F. BT-Drs. 14/ 5679, S. 20; BR-Drs. 7/01, S. 38; Schiek/Horstkötter, Der Personalrat 2002, 139 (141); Vieten,

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3. Teil: Rechtlicher Rahmen für die Verwendung geschlechtergerechter Sprache

es unabhängig von den sprachlichen Formulierungen nun einmal Berufe gibt, die etwa Männer in ihrer Gesamtheit eher interessieren als Frauen. Eine gleichmäßige „Ansprache“ im Sinne des Erweckens gleichen Interesses (als Erfolg) kann daher vernünftigerweise nicht verlangt werden. Der Gesetzgeber darf auch nicht die Verwendung bestimmter Adjektive verbieten, nur weil ein Geschlecht die entsprechenden Eigenschaften typischerweise eher aufweist als andere Geschlechter bzw. weil sie eher einem bestimmten Geschlecht zugeschrieben werden1762, jedenfalls wenn die Eigenschaften für den jeweils ausgeschriebenen Arbeitsplatz relevant i. S. v. objektiv unverzichtbar sind.1763 § 6 Abs. 1 Satz 3, 1. Alt. BGleiG lässt sich somit ebenfalls als Konkretisierung von § 6 Abs. 1 Satz 1 BGleiG einordnen.1764 Insofern macht es Sinn, § 6 Abs. 1 Satz 1 – 3 BGleiG als „Paket“ zu behandeln.1765 Eine Ausnahme von diesen Normen kommt nur nach Maßgabe von § 5 Abs. 1 BGleiG in Betracht, wenn nämlich die Zugehörigkeit zu einem bestimmten Geschlecht unverzichtbare Voraussetzung für die auszuübende Tätigkeit ist.1766 Diese Norm ist als Ausnahmevorschrift eng auszulegen.1767 Eine Stellenausschreibung darf sich danach etwa dann ausschließlich an Frauen richten, wenn es um die Vermittlung von Techniken zur Durchsuchung von Personen geht und aufgrund gesetzlicher Vorgaben Durchsuchungen grundsätzlich nur von Personen gleichen Geschlechts vorgenommen werden dürfen.1768 Ansonsten dürfte § 5 Abs. 1 BGleiG im Zusammenspiel mit § 6 Abs. 1 Satz 1 – 3 BGleiG keine große praktische Relevanz haben, weil im Anwendungsbereich des BGleiG kaum Tätigkeiten vorstellbar sind, die nur von einem bestimmten Geschlecht verrichtet

in: Schiek u. a. (Hrsg.), Frauengleichstellungsgesetze des Bundes und der Länder, 2. Aufl. 2002, Rn. 913; Rudek, in: Berghahn/Schultz (Hrsg.), Rechtshandbuch für Frauen- und Gleichstellungsbeauftragte (Stand: Aug. 2019), Kap. 3.1.5, S. 1. § 6 Abs. 1 Satz 2 BGleiG a. F. lautete: „Der gesamte Ausschreibungstext muss so ausgestaltet sein, dass er nicht nur auf Personen eines Geschlechts zugeschnitten ist.“ 1762 Bsp. für stereotyp männliche bzw. weibliche Eigenschaften bei Heise, Verhaltenstherapie & Psychosoziale Praxis 35 (2003), 285 (288, 291); Antidiskriminierungsstelle des Bundes (Hrsg.), Diskriminierung in Stellenanzeigen, 2018, S. 8 f. 1763 So wohl auch v. Roetteken, BGleiG, § 6 BGleiG 2015 Rn. 71 f. (Stand: Juni 2018), der allerdings zuvor ausführt, dass „Merkmale, die eher Männer oder eher Frauen ansprechen, entweder vermieden werden, oder in ein Mischungsverhältnis gebracht werden“ müssten (Rn. 70 [im Orig. mit Hervorhebungen]); vgl. v. Roetteken, AGG, § 22 Rn. 262 (Stand: April 2019); unklar bzgl. Ausnahmen v. Tiling, öAT 2015, 177 (178). 1764 B. Franke, in: Berghahn/Schultz (Hrsg.), Rechtshandbuch für Frauen- und Gleichstellungsbeauftragte (Stand: Mai 2020), Kap. 4.3.1, S. 12. 1765 Vgl. v. Roetteken, BGleiG, § 6 BGleiG 2015 Rn. 50 (Stand: Juni 2018). 1766 v. Tiling, öAT 2015, 177 (178); v. Roetteken, BGleiG, § 6 BGleiG 2015 Rn. 47, 50, 54 (Stand: Juni 2018); B. Franke, in: Berghahn/Schultz (Hrsg.), Rechtshandbuch für Frauen- und Gleichstellungsbeauftragte (Stand: Mai 2020), Kap. 4.3.1, S. 12. 1767 Vgl. zum BGleiG a. F. Zängl, in: I. Franke/Weiß (Hrsg.), FÜRST GKÖD, Bd. I, § 8 BBG Rn. 23 (Stand: Juli 2009). 1768 VG Münster, 11 K 1383/07 vom 23. 1. 2009, BeckRS 2009, 31244.

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werden können.1769 Dass eine bestimmte Tätigkeit typischerweise von einem bestimmten Geschlecht ausgeübt wird, rechtfertigt keine geschlechtsspezifische Ausschreibung; dieser Umstand lässt § 6 Abs. 1 Satz 1 – 3 BGleiG vielmehr erst recht sinnfällig werden.1770 Die Vorgaben in § 6 Abs. 1 Satz 1 – 3 BGleiG sind neben § 11 AGG anzuwenden, gehen jedoch weiter, indem sie anders als § 11 AGG explizit positive Anforderungen stellen.1771 Sie gelten für jede Arbeitsplatzausschreibung im Anwendungsbereich des BGleiG unabhängig davon, ob eine Verpflichtung zur Ausschreibung besteht oder nicht.1772 Teilweise werden die Vorgaben des BGleiG zur geschlechtsneutralen Arbeitsplatzausschreibung auch als Konkretisierung von § 11 AGG für das Merkmal Geschlecht im Anwendungsbereich des BGleiG angesehen.1773 Im Gegensatz zu § 4 Abs. 3 BGleiG sind die Vorgaben in § 6 Abs. 1 Satz 1 – 3 BGleiG nicht als Soll-, sondern als Muss-Vorschriften formuliert, also unzweifelhaft zwingender Natur.1774 In der Praxis sollen die Vorgaben der geschlechtsneutralen Arbeitsplatzausschreibung weitgehend eingehalten worden sein.1775 Fraglich ist, ob § 6 Abs. 1 Satz 1 – 3 BGleiG als individualschützende Normen einzuordnen sind.1776 Aufgrund der geschlechtsneutralen Formulierung des § 6 Abs. 1 Satz 1 BGleiG1777 und der wohl im Wege verfassungskonformer Auslegung ebenfalls als geschlechtsneutral zu interpretierenden Formulierung des § 6 Abs. 1 Satz 3, 1. Alt. BGleiG (s. o.) wird kein abgrenzbarer Personenkreis geschützt, was 1769 B. Franke, in: Berghahn/Schultz (Hrsg.), Rechtshandbuch für Frauen- und Gleichstellungsbeauftragte (Stand: Mai 2020), Kap. 4.3.1, S. 12. 1770 Vgl. Battis, in: Battis (Hrsg.), Bundesbeamtengesetz, 5. Aufl. 2017, § 8 Rn. 4. 1771 v. Roetteken, BGleiG, § 6 BGleiG 2015 Rn. 16, 50 (Stand: Juni 2018); von einer parallelen Anwendbarkeit ausgehend auch Suckow, in: Schleusener/Suckow/Plum, AGG, 5. Aufl. 2019, § 11 Rn. 28; wohl auch v. Roetteken, AGG, § 11 Rn. 60 (Stand: Sept. 2019). 1772 v. Roetteken, BGleiG, § 6 BGleiG 2015 Rn. 17, 45 (Stand: Juni 2018). 1773 So B. Franke, in: Berghahn/Schultz (Hrsg.), Rechtshandbuch für Frauen- und Gleichstellungsbeauftragte (Stand: Mai 2020), Kap. 4.3.1, S. 12; vgl. in diese Richtung auch zu § 6 Abs. 1 BGleiG a. F. Schultz/Rudek, BGleiG, 2012, § 6 Rn. 2; daher wohl auch bei Mohr, in: Adomeit/Mohr, AGG, 2. Aufl. 2011, § 11 Rn. 16; Belling/Riesenhuber, in: Erman, BGB, Bd. I, 15. Aufl. 2017, § 11 AGG Rn. 1 Einordnung von § 6 Abs. 1 BGleiG als lex specialis zu § 11 AGG. 1774 v. Roetteken, BGleiG, § 6 BGleiG 2015 Rn. 47, 50 (Stand: Juni 2018); Zängl, in: I. Franke/Weiß (Hrsg.), FÜRST GKÖD, Bd. I, § 8 BBG Rn. 28 (Stand: Juli 2009) ging allerdings zu § 6 Abs. 1 BGleiG a. F. davon aus, dass es sich bei den Formulierungsanforderungen um bloße Ordnungsvorschriften handele. 1775 S. Bericht der Bundesregierung über den Frauen- und Männeranteil an Führungsebenen und in Gremien der Privatwirtschaft und des öffentlichen Dienstes, BT-Drs. 18/13333, S. 76; vgl. auch zu § 6 Abs. 1 BGleiG a. F. Erster Erfahrungsbericht der Bundesregierung zum Bundesgleichstellungsgesetz (Berichtszeitraum 1. Juli 2001 bis 30. Juni 2004), BT-Drs. 16/ 3776, S. 31. 1776 Dafür v. Roetteken, BGleiG, § 6 BGleiG 2015 Rn. 24 ff., 43 (Stand: Juni 2018). 1777 Vgl. BT-Drs. 18/13333, S. 54.

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i. S. d. Schutznormtheorie gegen eine individualschützende, also subjektive Rechte vermittelnde Norm sprechen könnte.1778 Für die Annahme eines individualschützenden Charakters spricht jedoch der Einfluss der Grundrechte.1779 2. Soldatinnen- und Soldatengleichstellungsgesetz (SGleiG) Mit Wirkung vom 1. Januar 2005 ist das Gesetz zur Gleichstellung von Soldatinnen und Soldaten der Bundeswehr (Soldatinnen- und Soldatengleichstellungsgesetz – SGleiG) in Kraft getreten.1780 Dem war eine Entschließung des Bundestags 2001 im Zuge der Beratung des BGleiG vorausgegangen, in welcher die Bundesregierung aufgefordert worden war, unverzüglich einen Gesetzentwurf für die Durchsetzung der Gleichstellung von Frauen und Männern in der Bundeswehr zu erarbeiten.1781 Hintergrund war, dass die Soldat_innen der Bundeswehr nicht mit in den Geltungsbereich des BGleiG einbezogen worden waren, weil der Gesetzgeber der Ansicht war, die Einführung gleichstellungsrechtlicher Regelungen für Soldatinnen und Soldaten bedürfe wegen der Besonderheiten der militärischen Organisationsstruktur, der militärischen Personalführung und des militärischen Dienstes eines eigenen Gesetzes.1782 Gerade seit der Öffnung der Streitkräfte auch für Frauen mit Beginn des Jahres 2001, während Frauen zuvor nur der Sanitäts- und Militärmusikdienst offenstand, wurden aber Regelungen dort für dringend geboten erachtet.1783 Mit dem SGleiG sollten nach der Gesetzesbegründung die Soldatinnen und Soldaten den gleichen Schutz gegen Diskriminierungen erhalten wie die Beschäftigten im sonstigen öffentlichen Dienst des Bundes und in den Bundesgerichten nach dem (damaligen) BGleiG.1784 Dementsprechend ist das SGleiG eng an die Regelungen des (damaligen) BGleiG angelehnt.1785

1778 Vgl. dazu unter Dritter Teil, D. I. 1. a); kritisch zur Anwendung der Schutznormtheorie s. unter Dritter Teil, A. VI. 2. 1779 Zur Bedeutung der Grundrechte für die Frage des Bestehens eines subjektiven Rechts Grünberger, JZ 2018, 719 (721). 1780 BGBl. 2004 I S. 3822; zuletzt geändert durch Gesetz vom 20. 11. 2019 (BGBl. I S. 1626). 1781 BT-Drs. 14/7074; zur Annahme des Entschließungsantrags s. BT-PlPr. 14/192, S. 18814 A/B; zum Hintergrund auch BT-PlPr. 15/132, S. 12091 C. 1782 BR-Drs. 598/04, S. 20; BT-Drs. 15/3918, S. 15; vgl. BT-Drs. 14/7074, S. 1; Abg. Schewe-Gerigk, BT-PlPr. 15/141, S. 13103 D. 1783 BT-Drs. 14/7074, S. 2. 1784 BR-Drs. 589/04, S. 20; BT-Drs. 15/3918, S. 15; zur Annahme des Gesetzes s. BT-PlPr. 15/141, S. 13114 C. 1785 BR-Drs. 589/04, S. 21; BT-Drs. 15/3918, S. 15 f.; s. auch Abg. Mogg, BT-PlPr. 15/132, S. 12096 A; v. Roetteken, BGleiG, § 1 SGleiG Rn. 1 (Stand: Febr. 2015).

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Das SGleiG findet – wie das BGleiG neben dem AGG – neben dem SoldGG1786 Anwendung, s. § 2 Abs. 2 SoldGG.1787 a) § 1 Abs. 2 SGleiG: Rechts- und Verwaltungsvorschriften für Soldatinnen und Soldaten und dienstlicher Schriftverkehr § 1 Abs. 2 SGleiG lautet: „Rechts- und Verwaltungsvorschriften für Soldatinnen und Soldaten sollen die Gleichstellung von Frauen und Männern auch sprachlich zum Ausdruck bringen. Dies gilt auch für den dienstlichen Schriftverkehr.“

Damit weist § 1 Abs. 2 SGleiG eine deutliche Parallele zu § 4 Abs. 3 BGleiG1788 auf.1789 In der Gesetzesbegründung heißt es, dass die Gleichstellung der Soldatinnen mit den Soldaten auch in einer geschlechtergerechten Sprache erkennbar sein müsse. Daher sollten in „den Fällen, in denen Soldatinnen und Soldaten Rechte und Pflichten tragen und angesprochen werden, … sie auch ausdrücklich geschlechtergerecht benannt werden“. Durch die Formulierung der Norm als Soll-Vorschrift komme aber auch eine neutrale Sprachform wie „die Abteilungsleitung“ in Betracht, „wenn das Geschlecht der Adressatinnen und Adressaten unerheblich ist“.1790 Diese Differenzierung erscheint allerdings problematisch und wenig praktikabel, da Rechtsnormen nur im Ausnahmefall Rechtsfolgen speziell nur an ein bestimmtes Geschlecht knüpfen und somit regelmäßig das Geschlecht hier nicht von Bedeutung ist. Zu überdenken ist außerdem insbesondere mit Blick auf den Beschluss des Bundesverfassungsgerichts zum „dritten Geschlecht“1791 auch hier die bisherige Praxis und auch Empfehlung in der Literatur1792, Paarformen aus weiblichen und männlichen Personenbezeichnungen zu verwenden. Auch die Formulierung des Normtextes selbst ist insofern kritisch zu sehen.1793 Dem kann ohne den Weg einer 1786

Gesetz über die Gleichbehandlung der Soldatinnen und Soldaten vom 14. 8. 2006 (BGBl. I S. 1904), zuletzt geändert durch Gesetz vom 31. 7. 2008 (BGBl. I S. 1629); dazu v. Roetteken, GiP 4/2017, 13 (13). 1787 v. Roetteken, GiP 4/2017, 13 (14, 19); s. auch v. Roetteken, BGleiG, § 1 SGleiG Rn. 2 (Stand: Febr. 2015). 1788 S. dazu unter Dritter Teil, D. I. 1. a). 1789 Vgl. zu § 1 Abs. 2 BGleiG a. F. BR-Drs. 589/04, S. 22; BT-Drs. 15/3918, S. 16; v. Roetteken, BGleiG, § 1 SGleiG Rn. 20 (Stand: Febr. 2015). 1790 BR-Drs. 589/04, S. 22; BT-Drs. 15/3918, S. 16. 1791 BVerfGE 147, 1 ff.; s. dazu näher unter Erster Teil, B. I. 1792 v. Roetteken, BGleiG, § 1 SGleiG Rn. 20 (Stand: Febr. 2015). 1793 Vgl. allg. zum Problem der binärgeschlechtlichen Ausrichtung derzeitiger Sprachregelungen W. Fuchs/Kempe-Schälicke/E. Richter/J. Franzen, Geschlechtliche Vielfalt im öffentlichen Dienst, hrsg. vom Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, 2017, S. 20, die sich für eine Anpassung solcher Normen aussprechen; vgl. auch Wissenschaftliche Dienste des Deutschen Bundestages, Sachstand WD 7 – 3000 – 148/17, S. 8 f.;

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3. Teil: Rechtlicher Rahmen für die Verwendung geschlechtergerechter Sprache

Gesetzesänderung entweder mit einer verfassungskonformen Auslegung der Norm dahingehend begegnet werden, dass die „Gleichstellung von Frauen und Männern“ als „Gleichstellung aller Geschlechter“ gelesen wird, oder, sofern man darin eine Überschreitung der Wortlautgrenze sehen wollte, durch eine analoge Anwendung der Norm bzgl. der sprachlichen Gleichstellung von Personen, die sich weder dem männlichen noch dem weiblichen Geschlecht zuordnen (lassen).1794 Den Terminus „Soldatinnen und Soldaten“ in § 1 Abs. 2 Satz 1 SGleiG müsste man entsprechend (verfassungskonform) dahingehend auslegen, dass er als eine Art umfassend generischer Gesamtbegriff1795 auch Personen eines Geschlechts jenseits von männlich oder weiblich erfasst. Hier erscheint es besonders schwierig, einen geschlechtsübergreifenden angemessenen Oberbegriff zu finden, der sich auch in der Vorschriftensprache verwenden lässt. Bei § 1 Abs. 2 SGleiG stellt sich ebenso wie bei § 4 Abs. 3 BGleiG die Frage, was die Formulierung als Soll-Vorschrift zum Ausdruck bringen soll.1796 Es wird vertreten, dass aufgrund dieser Formulierung die Vorgaben in § 1 Abs. 2 SGleiG zwingend seien und nur in besonderen Ausnahmefällen davon abgewichen werden könne.1797 Eine Soll-Vorschrift kann aber alternativ auch ausdrücken, dass die Rechtsfolge eines Verstoßes weniger schwerwiegend ist.1798 Die Gesetzesbegründung zum SGleiG, wonach die Gleichstellung der Soldatinnen mit den Soldaten auch Althoff/Schabram/Follmar-Otto, Geschlechtervielfalt im Recht, hrsg. vom Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, 2017, S. 30 ff.; vgl. auch die Erwägungen des BGH in BGHZ 218, 96 (103 Rn. 25) zur möglichen Verfassungswidrigkeit des § 28 Satz 1 LGG Saarland wegen Verstoßes gegen Art. 3 Abs. 3 Satz 1 GG; keine Zweifel an der „Verfassungskonformität einer auf Zweigeschlechtlichkeit angelegten geschlechtergerechten Sprache“ und dementsprechend an der Verfassungsmäßigkeit einer binärgeschlechtlich ausgerichteten Norm zu geschlechtergerechter Sprache hegt hingegen Grünberger, JZ 2018, 719 (721). Zur Frage des Verhältnisses von Art. 3 Abs. 2 Satz 2 GG und Art. 3 Abs. 3 Satz 1 GG s. unter Dritter Teil, B. I. 4. a) aa); dass mit dem SGleiG Art. 3 Abs. 2 Satz 2 GG Rechnung getragen werden soll, ergibt sich aus § 1 Abs. 1 SGleiG und der Gesetzesbegründung (s. BR-Drs. 589/04, S. 20; BT-Drs. 15/3918, S. 15). 1794 Vgl. nicht speziell bezogen auf § 1 Abs. 2 SGleiG Wissenschaftliche Dienste des Deutschen Bundestages, Sachstand WD 7 – 3000 – 148/17, S. 8 f.; Althoff/Schabram/FollmarOtto, Geschlechtervielfalt im Recht, hrsg. vom Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, 2017, S. 30 ff., die sich aber für eine „geschlechterinklusive Weiterentwicklung des Gleichstellungsrechts“ aussprechen (S. 60); für eine Anpassung derzeitiger Sprachregelungen auch W. Fuchs/Kempe-Schälicke/E. Richter/J. Franzen, Geschlechtliche Vielfalt im öffentlichen Dienst, hrsg. vom Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, 2017, S. 20; eine verfassungskonforme Auslegung einer binärgeschlechtlich konstruierten Norm erwägend der BGH in BGHZ 218, 96 (103 Rn. 25); kritisch zu einem „Leben in Analogien“ der Betroffenen Theilen, StAZ 2014, 1 (7) und diesem folgend Lettrari, Aktuelle Aspekte der Rechtslage zur Intersexualität, 2015, S. 43. 1795 S. dazu unter Erster Teil, B. I. 1796 Vgl. dazu unter Dritter Teil, D. I. 1. a). 1797 So v. Roetteken, BGleiG, § 1 SGleiG Rn. 21 (Stand: Febr. 2015). 1798 Bundesministerium der Justiz (Hrsg.), Handbuch der Rechtsförmlichkeit, 3. Aufl. 2008, Rn. 84.

D. Einfach- und untergesetzliche nationale Maßgaben

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in einer geschlechtergerechten Sprache zu erkennen sein „muss“1799, spricht allerdings eher für die erstgenannte Auslegung. Die Geltung der Vorgaben auch für den dienstlichen Schriftverkehr gem. § 1 Abs. 2 Satz 2 SGleiG umfasst nicht nur die Kommunikation innerhalb einer Dienststelle oder zwischen verschiedenen Dienststellen, sondern auch nach außen hin.1800 In den Erfahrungsberichten der Bundesregierung zum SGleiG heißt es, die sprachliche Gleichbehandlung sei in den Streitkräften „berücksichtigt“ worden bzw. habe „weitestgehend“ Berücksichtigung gefunden. Bestehende Erlasse und Richtlinien seien anlassbezogen angepasst worden. Auch im dienstlichen Schriftverkehr sei die sprachliche Gleichbehandlung „weitestgehend eingehalten“ bzw. „angewendet“ worden.1801 Den Erfahrungsberichten zufolge bedingt die Umsetzung der sprachlichen Gleichbehandlung allerdings „teilweise, insbesondere in langen Textpassagen oder Vorschriften, eine subjektive Verschlechterung des Lese- bzw. Sprachflusses“.1802 Als Hilfestellung soll ein „Leitfaden zur sprachlichen Gleichbehandlung von Soldatinnen und Soldaten“ vom Januar 2009 dienen, der mehr als die üblichen Leitfäden speziell die militärischen Belange zu berücksichtigen sucht.1803 Auffällig ist, dass es in dem Leitfaden heißt, „Paarformen sollten nur gezielt und insgesamt sparsam Verwendung finden“, und dass als „Ausnahme das generische Maskulinum im Einzelfall angewandt werden [könne], wenn das natürliche Geschlecht unwichtig ist und männliche und weibliche Personen gleichermaßen gemeint sind (z. B. der Nutzer, der Fahrgast) oder die Lesbarkeit und Verständlichkeit des Textes sonst beeinträchtigt würde“; das generische Maskulinum dürfe aber nicht neben Paarformen Anwendung finden.1804 Insofern dürfte der Leitfaden eher Fragen offenlassen als sie zu beantworten und ist kritisch zu bewerten.1805 Er soll allerdings derzeit auch überarbeitet werden.1806

1799

BR-Drs. 589/04, S. 22; BT-Drs. 15/3918, S. 16. v. Roetteken, BGleiG, § 1 SGleiG Rn. 21 (Stand: Febr. 2015). 1801 BT-Drs. 17/8073, S. 17 f.; s. auch BT-Drs. 16/7920, S. 15 f.; 16/13352, S. 14. 1802 BT-Drs. 17/8073, S. 18; vgl. BT-Drs. 16/13352, S. 14. 1803 Bundesministerium der Verteidigung (Hrsg.), G1-/A1-Information „Leitfaden zur sprachlichen Gleichbehandlung von Soldatinnen und Soldaten“ vom 16. 1. 2009; s. dazu BTDrs. 16/13352, S. 14; 17/8073, S. 18. 1804 Bundesministerium der Verteidigung (Hrsg.), G1-/A1-Information „Leitfaden zur sprachlichen Gleichbehandlung von Soldatinnen und Soldaten“ vom 16. 1. 2009, S. 3 f. 1805 S. auch BVerwG, 1 WB 16/18 vom 28. 2. 2019 (juris) zur Frage der Berücksichtigung von Personen weder weiblichen noch männlichen Geschlechts in dem Leitfaden. 1806 Auskunft der Bundeswehr, Team Bürgerdialog, vom 11. 12. 2018; Auskunft des Bundesministeriums der Verteidigung, Referat FüSK III 3, vom 12. 9. 2019. 1800

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3. Teil: Rechtlicher Rahmen für die Verwendung geschlechtergerechter Sprache

b) § 1 Abs. 3 SGleiG: Dienstgradbezeichnungen Eine besondere Regelung ohne direkte Entsprechung im BGleiG1807 findet sich in § 1 Abs. 3 SGleiG, wonach für Soldatinnen Dienstgradbezeichnungen in weiblicher Form festgesetzt werden können.1808 Damit soll nach der Gesetzesbegründung „als besondere Form des Gebotes der geschlechtergerechten Formulierung“ die Möglichkeit eröffnet werden, weibliche Dienstgradbezeichnungen festzusetzen. Die Befugnis dazu stehe gem. § 4 Abs. 3 des Soldatengesetzes der Bundespräsidentin oder dem Bundespräsidenten zu.1809 Deshalb soll auch ein Vorstoß gescheitert sein, im SGleiG vorzugeben, dass auch die Dienstgradbezeichnungen die Gleichstellung zum Ausdruck bringen müssen.1810 Dies überzeugt allerdings insofern nicht, als nach § 4 Abs. 3 Satz 1 Soldatengesetz der Bundespräsident die Dienstgradbezeichnungen der „Soldaten“ nur festlegt, „soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist“. Bisher wurde aber ohnehin „keine Notwendigkeit der Einführung von Dienstgradbezeichnungen in weiblicher Form gesehen“.1811 Die Soldatinnen würden dies selbst nicht wünschen.1812 Eine „Verweiblichung“ der Dienstgrade werde weitestgehend sogar als unpassend, zweideutig oder gar diskriminierend angesehen.1813 Auch sollen bei der Einführung weiblicher Dienstgradbezeichnungen „Komplikationen im Schriftverkehr“ befürchtet worden sein.1814 Die traditionellen Dienstgradbezeichnungen würden als „geschlechtsneutral“ angesehen; durch den Zusatz „Frau“ bzw. „Herr“ zum Dienstgrad könne das Geschlecht angemessen sprachlich berücksichtigt werden.1815 Es wird allerdings vertreten, dass das grundsätzlich nach § 1 Abs. 3 SGleiG bestehende Ermessen bezüglich der Festsetzung weiblicher Dienstgradbezeichnungen („können … festgesetzt werden“) durch die Wertung des § 1 Abs. 2 1807

v. Roetteken, BGleiG, § 1 SGleiG Rn. 22 (Stand: Febr. 2015). Wohl übersehen von Dauses, in: FS Müller-Graff, 2015, S. 217 (221). 1809 BR-Drs. 589/04, S. 22; BT-Drs. 15/3918, S. 16. 1810 S. Abg. Schewe-Gerigk, BT-PlPr. 15/141, S. 13104 B/C. 1811 Erster Erfahrungsbericht der Bundesregierung gemäß § 24 Soldatinnen- und Soldatengleichstellungsgesetz (Berichtszeitraum 1. Januar 2005 bis 31. Dezember 2006), BTDrs. 16/7920, S. 16; s. auch Zweiter Erfahrungsbericht der Bundesregierung gemäß § 24 Soldatinnen- und Soldatengleichstellungsgesetz. Berichtszeitraum 1. Januar 2007 bis 31. Dezember 2008, BT-Drs. 16/13352, S. 14; Dritter Erfahrungsbericht der Bundesregierung zum Soldatinnen- und Soldatengleichstellungsgesetz. Berichtszeitraum 1. Januar 2009 bis 31. Dezember 2010, BT-Drs. 17/8073, S. 18. 1812 So Abg. Lietz, BT-PlPr. 15/141, S. 13105 A; ebenfalls in diese Richtung die Berichte über telefonische Erkundigungen von Grabrucker in einem Vortrag, s. Grabrucker, Verfassungsrecht und geschlechtergerechte Sprache! – Umsetzung im Recht und in der Realität, 2017. 1813 BT-Drs. 17/8073, S. 18. Beispielsweise könnte ein Dienstgrad „Hauptfrau“ als Pendant zum „Hauptmann“ Scherze über Haupt- und Nebenfrauen provozieren, s. dazu Schewe-Gerigk, in: Eichhoff-Cyrus (Hrsg.), Adam, Eva und die Sprache, 2004, S. 322 (329). 1814 S. „Frau Hauptmann“. Frauen beginnen erstmals mit der Offiziersausbildung, Spiegel Online vom 2. 7. 2001, http://www.spiegel.de/politik/deutschland/frau-hauptmann-frauen-begin nen-erstmals-mit-der-offiziersausbildung-a-142990.html (abgerufen am 2. 6. 2020). 1815 BT-Drs. 17/8073, S. 18; s. auch BT-Drs. 16/13352, S. 14. 1808

D. Einfach- und untergesetzliche nationale Maßgaben

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SGleiG und wegen der Grundsatznorm des § 1 Abs. 1 Satz 1 SGleiG dahingehend eingeschränkt sei, dass nur „unter besonderen Umständen“ von der Festsetzung abgesehen werden könne; umgekehrt ergebe sich daraus ein Anspruch der Soldatinnen, eine geschlechtsspezifische Dienstgradbezeichnung führen zu können.1816 Diese Argumentation vermag allerdings in ihrer dogmatischen Anknüpfung nicht zu überzeugen. Zwar ist ihr dahingehend zuzustimmen, dass aus dem SGleiG hervorgeht, dass die Gleichstellung von Soldatinnen und Soldaten der Bundeswehr auch die sprachliche Gleichbehandlung erfasst. Allerdings ist § 1 Abs. 3 SGleiG bewusst als Sonderregelung konzipiert worden und muss daher auch als solche interpretiert werden. Eine Ermessensreduktion könnte sich aber aus grundrechtlichen Überlegungen ergeben, insbesondere mit Blick auf das Allgemeine Persönlichkeitsrecht der Soldatinnen sowie das Diskriminierungsverbot wegen des Geschlechts aus Art. 3 Abs. 2 Satz 1, Abs. 3 Satz 1 GG. Auch aus Art. 3 Abs. 2 Satz 2 GG könnte sich eine Ermessensreduktion ableiten lassen. Um dem Einwand Rechnung zu tragen, dass viele Soldatinnen weibliche Dienstgradbezeichnungen gar nicht wünschen, könnte das Führen der weiblichen Dienstgradbezeichnung anstelle der männlichen den Soldatinnen freigestellt werden. Allerdings ist andererseits zu bedenken, dass im Falle der Festsetzung weiblicher Dienstgradbezeichnungen aus grundrechtlicher Perspektive zugleich Dienstgradbezeichnungen für Personen festgesetzt werden müssten, die sich weder dem männlichen noch dem weiblichen Geschlecht zuordnen (lassen). Insofern dürfte § 1 Abs. 3 SGleiG wohl mit Blick auf den Beschluss des Bundesverfassungsgerichts zum „dritten Geschlecht“1817 verfassungskonform weit dahingehend zu interpretieren sein, dass er mit „Soldatinnen“ „nicht-männliche Soldaten“ und mit „Dienstgradbezeichnungen in weiblicher Form“ solche in „nichtmännlicher“ Form meint.1818 Gegen eine Ermessensreduktion lässt sich anführen, dass gerade durch die nun nötige Erfassung aller Geschlechter die Kommunikation und insbesondere auch die Erteilung von Befehlen deutlich erschwert sein könnte. 1816

So v. Roetteken, BGleiG, § 1 SGleiG Rn. 23 (Stand: Febr. 2015). BVerfGE 147, 1 ff.; s. dazu näher unter Erster Teil, B. I. 1818 Vgl. nicht speziell bezogen auf § 1 Abs. 3 SGleiG Wissenschaftliche Dienste des Deutschen Bundestages, Sachstand WD 7 – 3000 – 148/17, S. 9; eine verfassungskonforme Auslegung einer binärgeschlechtlich konstruierten Norm erwägend auch der BGH in BGHZ 218, 96 (103 Rn. 25); allg. zum Problem der binärgeschlechtlichen Ausrichtung derzeitiger Sprachregelungen W. Fuchs/Kempe-Schälicke/E. Richter/J. Franzen, Geschlechtliche Vielfalt im öffentlichen Dienst, hrsg. vom Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, 2017, S. 20, die sich für eine Anpassung solcher Normen aussprechen; bei Regelungen mit geschlechterdifferenzierender Rechtsfolge offenbar nur eine analoge Anwendung auf Personen eines Geschlechts jenseits von männlich und weiblich erwägend Althoff/Schabram/ Follmar-Otto, Geschlechtervielfalt im Recht, hrsg. vom Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, 2017, S. 30 ff., die sich für eine „geschlechterinklusive Weiterentwicklung des Gleichstellungsrechts“ aussprechen (S. 60). Das Bundesministerium der Verteidigung soll allerdings ausgeführt haben, die „vom Bundesverfassungsgericht aufgestellten Grundsätze zum Schutz der geschlechtlichen Identität als Teil des allgemeinen Persönlichkeitsrechts seien auf die militärische Anrede nicht übertragbar“, s. BVerwG, 1 WB 16/18 vom 28. 2. 2019, Rn. 8 (juris). 1817

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3. Teil: Rechtlicher Rahmen für die Verwendung geschlechtergerechter Sprache

Militärischer Sprachgebrauch zeichnet sich mehr noch als die „normale Amtssprache“ durch die Erfordernisse von Zweckmäßigkeit, Kürze und Klarheit aus1819 und gerade hier kann es erforderlich sein, rasch zu handeln und Befehle zu formulieren. Vor diesem Hintergrund wird auch § 3 Abs. 4 SGleiG verständlicher, wonach das SGleiG im Spannungs- und Verteidigungsfall nicht anwendbar ist. c) § 6 Abs. 1 SGleiG: Personalwerbung und Dienstpostenbekanntgabe § 6 Abs. 1 SGleiG lautet in den ersten beiden Sätzen: „Anzeigen zur Personalwerbung sowie Dienstpostenbekanntgaben für die Streitkräfte müssen sowohl Frauen als auch Männer ansprechen. Der gesamte Anzeigentext darf nicht nur auf Personen eines Geschlechts zugeschnitten sein.“

Die Regelungen ähneln § 6 Abs. 1 Satz 1, 2 BGleiG in der Ursprungsfassung.1820 § 6 Abs. 1 Satz 1 SGleiG spricht anders als § 6 Abs. 1 BGleiG nicht von Ausschreibungen von Arbeitsplätzen, sondern von Anzeigen zur Personalwerbung sowie Dienstpostenbekanntgaben, weil freie Dienstposten für Soldat_innen regelmäßig nicht über öffentliche Ausschreibungen, sondern im Rahmen von Verwendungsplanungsverfahren besetzt werden.1821 § 6 Abs. 1 SGleiG wird ebenso wie § 6 Abs. 1 BGleiG ein Gebot geschlechtsneutraler Formulierungen entnommen.1822 Darüber hinaus müsse aber auch der gesamte Inhalt so formuliert sein, dass sich nicht nur Personen eines Geschlechts angesprochen sehen.1823 Hier muss allerdings parallel zu § 6 Abs. 1 Satz 3, 1. Alt. BGleiG1824 gelten, dass eine gleichmäßige „Ansprache“ im Sinne einer Verpflichtung zum Erwecken gleichen Interesses vernünftigerweise nicht verlangt werden kann. Insbesondere darf der Gesetzgeber nicht die Verwendung bestimmter Adjektive verbieten, nur weil ein Geschlecht die entsprechenden Eigenschaften typischerweise eher aufweist als andere Geschlechter bzw. weil sie eher einem bestimmten Geschlecht zugeschrieben werden1825, jedenfalls wenn die Eigenschaften für den je-

1819

Vgl. Bundesministerium der Verteidigung (Hrsg.), G1-/A1-Information „Leitfaden zur sprachlichen Gleichbehandlung von Soldatinnen und Soldaten“ vom 16. 1. 2009, S. 2. 1820 Vgl. BR-Drs. 589/04, S. 26; BT-Drs. 15/3918, S. 18; v. Roetteken, BGleiG, § 6 SGleiG Rn. 1 (Stand: Febr. 2015). 1821 BR-Drs. 589/04, S. 25; BT-Drs. 15/3918, S. 18. 1822 S. BR-Drs. 589/04, S. 26; BT-Drs. 15/3918, S. 18; v. Roetteken, BGleiG, § 6 SGleiG Rn. 3 (Stand: Febr. 2015). 1823 BR-Drs. 589/04, S. 26; BT-Drs. 15/3918, S. 18. 1824 S. unter Dritter Teil, D. I. 1. b). 1825 Bsp. für stereotyp männliche bzw. weibliche Eigenschaften bei Heise, Verhaltenstherapie & Psychosoziale Praxis 35 (2003), 285 (288, 291); Antidiskriminierungsstelle des Bundes (Hrsg.), Diskriminierung in Stellenanzeigen, 2018, S. 8 f.

D. Einfach- und untergesetzliche nationale Maßgaben

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weiligen Dienstposten relevant i. S. v. objektiv unverzichtbar (s. § 5 Abs. 1 SGleiG) sind.1826 Auch bei § 6 Abs. 1 SGleiG stellt sich das Problem der „binärgeschlechtlichen“ Ausrichtung der Norm. Dem kann ohne Gesetzesänderung entweder mit einer verfassungskonformen Auslegung der Norm dahingehend begegnet werden, dass die Passage „sowohl Frauen als auch Männer“ als „alle Geschlechter“ gelesen wird1827, oder, sofern man darin eine Überschreitung der Wortlautgrenze sehen wollte, durch eine analoge Anwendung der Norm bzgl. Personen, die sich weder dem männlichen noch weiblichen Geschlecht zuordnen (lassen).1828 Auch hier ist die bisherige Praxis zu überdenken, in Anzeigen zur Personalwerbung (ausschließlich) weibliche und männliche Berufsbezeichnungen nebeneinander zu verwenden (Bsp.: „Pilotin/ Pilot“).1829 3. Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz (AGG) 2006 trat das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) in Kraft.1830 Es sollte der Umsetzung verschiedener unionsrechtlicher Richtlinien dienen1831 und war schon 1826 So wohl auch zu § 6 Abs. 1 BGleiG v. Roetteken, BGleiG, § 6 BGleiG 2015 Rn. 71 f. (Stand: Juni 2018), der allerdings zuvor ausführt, dass „Merkmale, die eher Männer oder eher Frauen ansprechen, entweder vermieden werden, oder in ein Mischungsverhältnis gebracht werden“ müssten (Rn. 70 [im Orig. mit Hervorhebungen]); v. Roetteken, AGG, § 22 Rn. 262 (Stand: April 2019); unklar zu § 6 Abs. 1 BGleiG bzgl. Ausnahmen v. Tiling, öAT 2015, 177 (178). 1827 Vgl. zu § 6 Abs. 1 Satz 3, 1. Alt. BGleiG v. Roetteken, GiP 3/2019, 23 (29, 32). 1828 Vgl. nicht speziell bezogen auf § 6 Abs. 1 Satz 1 SGleiG Wissenschaftliche Dienste des Deutschen Bundestages, Sachstand WD 7 – 3000 – 148/17, S. 8 f.; Althoff/Schabram/FollmarOtto, Geschlechtervielfalt im Recht, hrsg. vom Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, 2017, S. 30 ff., die sich aber für eine „geschlechterinklusive Weiterentwicklung des Gleichstellungsrechts“ aussprechen (S. 60); für eine Anpassung derzeitiger Sprachregelungen auch W. Fuchs/Kempe-Schälicke/E. Richter/J. Franzen, Geschlechtliche Vielfalt im öffentlichen Dienst, hrsg. vom Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, 2017, S. 20; eine verfassungskonforme Auslegung einer binärgeschlechtlich konstruierten Norm erwägend der BGH in BGHZ 218, 96 (103 Rn. 25); kritisch zu einem „Leben in Analogien“ der Betroffenen Theilen, StAZ 2014, 1 (7) und diesem folgend Lettrari, Aktuelle Aspekte der Rechtslage zur Intersexualität, 2015, S. 43. 1829 S. dazu BT-Drs. 16/7920, S. 17; 16/13352, S. 15; 17/8073, S. 19; vgl. auch zum BGleiG unter Dritter Teil, D. I. 1. b). 1830 S. das Gesetz zur Umsetzung europäischer Richtlinien zur Verwirklichung des Grundsatzes der Gleichbehandlung vom 14. 8. 2006, BGBl. I S. 1897; AGG zuletzt geändert durch Gesetz vom 3. 4. 2013 (BGBl. I S. 610). 1831 Richtlinie 2000/43/EG des Rates vom 29. Juni 2000 zur Anwendung des Gleichbehandlungsgrundsatzes ohne Unterschied der Rasse oder der ethnischen Herkunft; Richtlinie 2000/78/EG des Rates vom 27. November 2000 zur Festlegung eines allgemeinen Rahmens fu¨ r die Verwirklichung der Gleichbehandlung in Bescha¨ ftigung und Beruf; Richtlinie 2002/73/EG ¨ nderung der des Europa¨ ischen Parlaments und des Rates vom 23. September 2002 zur A Richtlinie 76/207/EWG des Rates zur Verwirklichung des Grundsatzes der Gleichbehandlung

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3. Teil: Rechtlicher Rahmen für die Verwendung geschlechtergerechter Sprache

im Vorfeld heftig umstritten, vor allem deshalb, weil der deutsche Gesetzgeber mit dem AGG teilweise über die zwingend umzusetzenden unionsrechtlichen Vorgaben bewusst hinausging.1832 Uneinigkeit bestand insbesondere über die Reichweite der Regelungsbefugnis des Staates im Privatrecht.1833 In der Gesetzesbegründung zum AGG argumentiert der Gesetzgeber mit einer mittelbaren Drittwirkung des Art. 3 Abs. 3 GG für den Privatrechtsverkehr. Zwar sei das Privatrecht grundsätzlich durch die Vertragsfreiheit gekennzeichnet; soweit es sich allerdings um „sozial verwerfliche Diskriminierungen“ handele, bestehe ein „Grundkonsens der Bundesrepublik Deutschland …, dass bestimmte Unterscheidungen auch im Bereich des Privatrechts, für den Artikel 3 GG nicht unmittelbar gilt, als unerwünscht gelten können“.1834 Diese Argumentation ist allerdings nicht unproblematisch, weil das Verhältnis zwischen dem Staat auf der einen Seite und den Bürger_innen auf der anderen Seite sich grundlegend von dem von einer prinzipiellen Gleichordnung ausgehenden und insoweit durch Vertragsfreiheit geprägten Verhältnis zwischen Bürger_innen untereinander unterscheidet.1835 Die Verpflichtungen des Staates zur Gleichbehandlung lassen sich daher nicht einfach, auch nicht über eine „Ausstrahlungswirkung“ im Wege mittelbarer Drittwirkung, auf das Privatrecht übertragen.1836 Insofern erscheint, jedenfalls soweit es um das Merkmal „Geschlecht“ geht, die Argumentation mit dem Auftrag des Staates aus Art. 3 Abs. 2 Satz 2 GG, welcher auch Regelungen für den Privatrechtsverkehr legitimieren kann1837, rechtsdogmatisch zielführender.1838 Ferner kommen hier auch grundrechtliche Schutzpflichten des Staates, etwa von Ma¨ nnern und Frauen hinsichtlich des Zugangs zur Bescha¨ ftigung, zur Berufsbildung und zum beruflichen Aufstieg sowie in Bezug auf die Arbeitsbedingungen; Richtlinie 2004/113/EG des Rates vom 13. Dezember 2004 zur Verwirklichung des Grundsatzes der Gleichbehandlung von Ma¨ nnern und Frauen beim Zugang zu und bei der Versorgung mit Gu¨ tern und Dienstleistungen; s. BR-Drs. 329/06, S. 18; BT-Drs. 16/1780, S. 20. 1832 S. dazu BR-Drs. 329/06, S. 1 ff., 18 ff.; BT-Drs. 16/1780, S. 1 f., 20 ff. 1833 Dazu Britz, VVDStRL 64 (2005), 355 ff.; Jestaedt, VVDStRL 64 (2005), 298 ff.; Schreier, KJ 40 (2007), 278 ff.; Badura, ZaöRV 68 (2008), 347 ff.; Liebscher, in: Berghahn/ Schultz (Hrsg.), Rechtshandbuch für Frauen- und Gleichstellungsbeauftragte (Stand: Mai 2020), Kap. 4.3.2, S. 2. 1834 BR-Drs. 329/06, S. 20 f.; BT-Drs. 16/1780, S. 22; vgl. aus der Lit. ebenfalls mit einer mittelbaren Drittwirkung argumentierend Wrase/Baer, NJW 2004, 1623 (1624). 1835 Vgl. Jestaedt, VVDStRL 64 (2005), 298 (330 ff.); Sachs, in: E. Klein/Menke (Hrsg.), Universalität – Schutzmechanismen – Diskriminierungsverbote, 2008, S. 325 (347 ff.); Isensee, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts der Bundesrepublik Deutschland, Bd. VII, 3. Aufl. 2009, § 150 Rn. 143. 1836 Vgl. sehr kritisch Jestaedt, VVDStRL 64 (2005), 298 (330 ff., insb. 332 Fn. 134); Isensee, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts der Bundesrepublik Deutschland, Bd. VII, 3. Aufl. 2009, § 150 Rn. 142; Kischel, in: Epping/Hillgruber (Hrsg.), BeckOK GG, Stand: Dez. 2019, Art. 3 Rn. 92 ff., 210; vgl. auch bezogen auf Art. 3 Abs. 1 GG BVerfGE 148, 267 (283 Rn. 40). 1837 S. dazu einleitend unter Dritter Teil, B. I. 4. b) dd). 1838 In diese Richtung auch für den arbeitsrechtlichen Bereich Langenfeld, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 3 Abs. 2 Rn. 125 (Stand: Mai 2015); wohl auch – obgleich pauschal Art. 3 Abs. 2 GG nennend – Britz, VVDStRL 64 (2005), 355 (364 Fn. 30); vgl. auch Jestaedt, VVDStRL 64

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zum Schutz des Allgemeinen Persönlichkeitsrechts und der Vertragsfreiheit, zum Zuge.1839 Bereits vor Inkrafttreten des AGG waren Beschränkungen der Vertragsfreiheit im Privatrechtsverkehr anerkannt, soweit es etwa um den Schutz strukturell unterlegener Vertragsparteien ging oder bei Vertragsschlüssen im Bereich der Daseinsvorsorge.1840 Der privatrechtliche Bereich ist nicht per se Beschränkungen durch den Gesetzgeber entzogen, sondern der Gesetzgeber zieht die Grenze zwischen dem, was als „privat“ und dem, was als öffentlich relevant anzusehen ist, auf der Basis vor allem auch politischer Entscheidungen immer wieder neu, wobei er allerdings den Grundrechten der Betroffenen insbesondere unter Wahrung des Verhältnismäßigkeitsprinzips gerecht werden muss.1841 Das AGG gilt gem. § 24 entsprechend für Beamtinnen und Beamte (Nr. 1), Richterinnen und Richter (Nr. 2) sowie Zivildienstleistende (Nr. 3), allerdings nur „unter Berücksichtigung ihrer besonderen Rechtsstellung“.1842 Die Regelung ist unionsrechtlich begründet.1843 Das BGleiG bzw. die entsprechenden landesrechtlichen Gesetze, in Niedersachsen das NGG1844, gelten neben dem AGG.1845 Daran ändert auch § 24 AGG nichts.1846 Dem AGG kommt insbesondere auch im Fall der

(2005), 298 (343 ff.); Isensee, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts der Bundesrepublik Deutschland, Bd. VII, 3. Aufl. 2009, § 150 Rn. 144. 1839 Langenfeld, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 3 Abs. 2 Rn. 124 Fn. 543 (Stand: Mai 2015); bezogen auf die Vertragsfreiheit auch Schreier, KJ 40 (2007), 278 (283 ff.); Liebscher, in: Berghahn/Schultz (Hrsg.), Rechtshandbuch für Frauen- und Gleichstellungsbeauftragte (Stand: Mai 2020), Kap. 4.3.2, S. 2; s. auch Jestaedt, VVDStRL 64 (2005), 298 (341 Fn. 170). 1840 BR-Drs. 329/06, S. 21; BT-Drs. 16/1780, S. 22; s. dazu näher Britz, VVDStRL 64 (2005), 355 (384 ff.); Jestaedt, VVDStRL 64 (2005), 298 (337 ff.), die allerdings wesentliche Unterschiede zwischen diesen früheren Fallgruppen und den neuen privatrechtlichen Diskriminierungsverboten sehen. 1841 Britz, VVDStRL 64 (2005), 355 (367, 372 f., 384, 392 f.); im Ergebnis ähnlich Jestaedt, VVDStRL 64 (2005), 298 (346 ff.). 1842 Zum Erfordernis einer restriktiven Auslegung dieser Einschränkung Forst, in: Hey/ Forst (Hrsg.), AGG, 2. Aufl. 2015, § 24 Rn. 5; zur (entsprechenden) Geltung von § 11 AGG im Beamtenverhältnis VG Kassel, 1 E 723/07 vom 6. 9. 2007, Rn. 29 (juris); Meinel/Heyn/Herms, AGG, 2. Aufl. 2010, § 24 Rn. 41; Mohr, in: Adomeit/Mohr, AGG, 2. Aufl. 2011, § 11 Rn. 5; v. Roetteken, AGG, § 11 Rn. 8 (Stand: Sept. 2019). 1843 Dazu BR-Drs. 329/06, S. 53; BT-Drs. 16/1780, S. 49. 1844 S. dazu unter Dritter Teil, D. II. 1. 1845 Lindemann, in: Hey/Forst (Hrsg.), AGG, 2. Aufl. 2015, § 11 Rn. 3; v. Roetteken, GiP 4/ 2017, 13 (13, 19); zum BGleiG a. F. auch Rudek, in: Berghahn/Schultz (Hrsg.), Rechtshandbuch für Frauen- und Gleichstellungsbeauftragte (Stand: Aug. 2019), Kap. 3.1.9, S. 1; ebenso wohl Horstkötter, in: Deutsche Gesetzliche Unfallversicherung (Hrsg.), 10 Jahre GBK UV, 2010, S. 27 (28); speziell zum Verhältnis von § 7 Abs. 1 AGG und § 4 Abs. 3 Satz 2 BGleiG v. Roetteken, BGleiG, § 4 BGleiG 2015 Rn. 157 (Stand: Dez. 2015); s. auch § 2 Abs. 3 AGG, wonach die Geltung sonstiger Benachteiligungsverbote oder Gebote der Gleichbehandlung durch das AGG nicht berührt wird. 1846 Rudek, in: Berghahn/Schultz (Hrsg.), Rechtshandbuch für Frauen- und Gleichstellungsbeauftragte (Stand: Aug. 2019), Kap. 3.1.4, S. 1.

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3. Teil: Rechtlicher Rahmen für die Verwendung geschlechtergerechter Sprache

Privatisierung öffentlicher Aufgaben Bedeutung zu.1847 Insofern ist zu berücksichtigen, dass nach § 2 Satz 2 BGleiG Unternehmen i. S. d. § 3 Nr. 9 BGleiG nur auf die entsprechende Anwendung des BGleiG hinwirken sollen. Für Soldat_innen gilt nicht das AGG, sondern das SoldGG und das SGleiG1848.1849 Zu prüfen ist, ob das AGG Maßgaben bzgl. geschlechtergerechter Sprache beinhaltet. Ausdrücklich verhält sich das AGG insbesondere zur Verwendung des generischen Maskulinums nicht.1850 Daraus aber abzuleiten, dass das AGG eine „sprachliche Diskriminierung“ (durch das generische Maskulinum) nicht erfasse1851, scheint zu kurz gegriffen. a) § 11 i. V. m. § 7 Abs. 1 AGG: Verbot benachteiligender Stellenausschreibung Seit Inkrafttreten des AGG bestimmt dessen § 11, dass ein Arbeitsplatz „nicht unter Verstoß gegen § 7 Abs. 1“ ausgeschrieben werden darf, wobei § 7 Abs. 1 AGG die Benachteiligung Beschäftigter wegen eines in § 1 AGG genannten Grundes, u. a. wegen des Geschlechts, verbietet. Nach der Gesetzesbegründung sollte damit die Regelung gegenüber dem abgelösten § 611b BGB1852 lediglich sprachlich gestrafft worden, ohne dass damit eine inhaltliche Änderung bezweckt wurde.1853 § 11 AGG beschränkt sich allerdings anders als der frühere § 611b BGB nicht auf das Merkmal Geschlecht, sondern bezieht sich über den Verweis auf § 7 Abs. 1 AGG auf alle in § 1 AGG aufgelisteten Merkmale (Rasse, ethnische Herkunft, Geschlecht, Religion, Weltanschauung, Behinderung, Alter, sexuelle Identität).1854 Der Verweis des § 11

1847

Liebscher, in: Berghahn/Schultz (Hrsg.), Rechtshandbuch für Frauen- und Gleichstellungsbeauftragte (Stand: Mai 2020), Kap. 4.3.2, S. 3 f. 1848 S. dazu unter Dritter Teil, D. I. 2. 1849 S. dazu BR-Drs. 329/06, S. 27, 59; BT-Drs. 16/1780, S. 27, 54; BVerwG, 1 WB 67/06 vom 18. 10. 2007, Rn. 31 (juris); BVerwG, 1 WB 8/08 vom 11. 3. 2008, Rn. 29 (juris); v. Roetteken, GiP 4/2007, 13 (13 f.); Forst, in: Hey/Forst (Hrsg.), AGG, 2. Aufl. 2015, § 24 Rn. 38; Rupp, in: Henssler/Willemsen/Kalb (Hrsg.), Arbeitsrecht, 8. Aufl. 2018, § 24 AGG Rn. 1. 1850 L. Bülow/Jakob, OBST 90 (2017), 139 (141 Fn. 7). 1851 So wohl L. Bülow/Jakob, OBST 90 (2017), 139 (141 Fn. 7); ähnlich auch Scholten, in: Baumann/Meinunger (Hrsg.), Die Teufelin steckt im Detail, 2017, S. 101 (102), wonach das AGG keine Formulierungsvorgaben beinhalte; von einer „Sprachfreiheit“ nach dem AGG mit Ausnahme der Vorgaben des § 11 AGG ausgehend auch noch G. Bachmann, NVwZ 2008, 754 (755); s. nun aber G. Bachmann, NJW 2018, 1648 ff. mit Erwägungen zu einer sprachlichen Benachteiligung i.R.v. § 19 AGG. 1852 S. dazu unter Zweiter Teil. 1853 BT-Drs. 16/1780, S. 36. 1854 Belling/Riesenhuber, in: Erman, BGB, Bd. I, 15. Aufl. 2017, § 11 AGG Rn. 1; Buschmann, in: Däubler/Bertzbach (Hrsg.), AGG, 4. Aufl. 2018, § 11 Rn. 2; Suckow, in: Schleusener/Suckow/Plum, AGG, 5. Aufl. 2019, § 11 Rn. 4, 25; Benecke, in: Looschelders (Hrsg.), BeckOGK AGG, § 11 Rn. 3 (Stand: Febr. 2020).

D. Einfach- und untergesetzliche nationale Maßgaben

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AGG auf § 7 Abs. 1 AGG ist so zu verstehen, dass in der Ausschreibung nicht an die dort genannten Merkmale angeknüpft werden darf.1855 Ob § 11 AGG unionsrechtlich determiniert ist, ist streitig. Wenig hilfreich erscheint hierzu die häufiger zu findende Aussage, § 11 AGG sei „unionsrechtlich ohne unmittelbares Vorbild“.1856 Nach vorzugswürdiger Auffassung legitimiert und fordert Art. 14 Abs. 1 RL 2006/54/EG1857 sogar ein Gebot geschlechtsneutraler Stellenausschreibungen im öffentlichen wie auch im privaten Bereich.1858 Auf der nationalen Ebene hat das Bundesverfassungsgericht die Vorgängernorm des § 611b BGB1859 der von Art. 3 Abs. 2 GG angestrebten Durchsetzung der Gleichberechtigung der Geschlechter zugeordnet.1860 § 11 AGG verpflichtet nicht zur Ausschreibung eines Arbeitsplatzes, sondern setzt eine Arbeitsplatzausschreibung voraus.1861 Die Norm enthält selbst keine Rechtsfolgenregelung1862, ist also lex imperfecta1863. § 11 AGG hat dennoch große

1855 Vgl. A. Stein, in: Wendeling-Schröder/A. Stein, AGG, 2008, § 11 Rn. 14; Meinel/Heyn/ Herms, AGG, 2. Aufl. 2010, § 11 Rn. 16; J.-H. Bauer/Krieger/Günther, Gleichbehandlungsgesetz und Entgelttransparenzgesetz, 5. Aufl. 2018, § 11 AGG Rn. 6; Serr, in: Staudinger, AGG, Neubearb. 2018, § 11 Rn. 11; Suckow, in: Schleusener/Suckow/Plum, AGG, 5. Aufl. 2019, § 11 Rn. 21. 1856 Mohr, in: Adomeit/Mohr, AGG, 2. Aufl. 2011, § 11 Rn. 3; ähnlich A. Stein, in: Wendeling-Schröder/A. Stein, AGG, 2008, § 11 Rn. 1; Meinel/Heyn/Herms, AGG, 2. Aufl. 2010, § 11 Rn. 3; J.-H. Bauer/Krieger/Günther, Gleichbehandlungsgesetz und Entgelttransparenzgesetz, 5. Aufl. 2018, § 11 AGG Rn. 2; Benecke, in: Looschelders (Hrsg.), BeckOGK AGG, § 11 Rn. 1 (Stand: Febr. 2020); Horcher, in: Bamberger/Roth/Hau/Poseck (Hrsg.), BeckOK BGB, Stand: Febr. 2020, § 11 AGG Rn. 1; ebenfalls unklar Belling/Riesenhuber, in: Erman, BGB, Bd. I, 15. Aufl. 2017, § 11 AGG Rn. 1: „von den europäischen RL nicht explizit gefordert“. 1857 S. dazu unter Dritter Teil, A. III. 1. 1858 In diese Richtung auch Buschmann, in: Däubler/Bertzbach (Hrsg.), AGG, 4. Aufl. 2018, § 11 Rn. 4; v. Roetteken, BGleiG, § 6 BGleiG 2015 Rn. 31 f. (Stand: Juni 2018); v. Roetteken, AGG, § 11 Rn. 10 ff. (Stand: Sept. 2019); vgl. zur früheren RL 2002/73/EG Falke, in: Rust/ Falke (Hrsg.), AGG, 2007, § 11 Rn. 4; A. Stein, in: Wendeling-Schröder/A. Stein, AGG, 2008, § 11 Rn. 1; Meinel/Heyn/Herms, AGG, 2. Aufl. 2010, § 11 Rn. 3; a. A. Mohr, in: Adomeit/ Mohr, AGG, 2. Aufl. 2011, § 11 Rn. 3; Suckow, in: Schleusener/Suckow/Plum, AGG, 5. Aufl. 2019, § 11 Rn. 2; Roloff, in: Rolfs/Giesen/Kreikebohm/Udsching (Hrsg.), BeckOK Arbeitsrecht, Stand: März 2020, § 11 AGG Einl. 1859 S. dazu unter Zweiter Teil. 1860 BVerfGK 9, 218 (221 ff.). 1861 S. nur Lindemann, in: Hey/Forst (Hrsg.), AGG, 2. Aufl. 2015, § 11 Rn. 4; J.-H. Bauer/ Krieger/Günther, Gleichbehandlungsgesetz und Entgelttransparenzgesetz, 5. Aufl. 2018, § 11 AGG Rn. 5; Serr, in: Staudinger, AGG, Neubearb. 2018, § 11 Rn. 1; v. Roetteken, AGG, § 11 Rn. 32 f. (Stand: Sept. 2019). 1862 BayVGHE N.F. 62, 52 (62 Rn. 34); Diller, NZA 2007, 649 (650); Falke, in: Rust/Falke (Hrsg.), AGG, 2007, § 11 Rn. 23; Lindemann, in: Hey/Forst (Hrsg.), AGG, 2. Aufl. 2015, § 11 Rn. 21; Rupp, in: Henssler/Willemsen/Kalb (Hrsg.), Arbeitsrecht, 8. Aufl. 2018, § 11 AGG Rn. 2; Suckow, in: Schleusener/Suckow/Plum, AGG, 5. Aufl. 2019, § 11 Rn. 51.

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3. Teil: Rechtlicher Rahmen für die Verwendung geschlechtergerechter Sprache

praktische Bedeutung.1864 Insbesondere wird ein Verstoß gegen § 11 AGG wegen nicht geschlechtsneutraler Stellenausschreibung1865 als Indiz für eine Benachteiligung wegen des Geschlechts im Falle einer erfolglosen Bewerbung angesehen, welches die Beweislastumkehr gem. § 22 AGG auslöst.1866 Dies kann gem. § 15 AGG zu Schadensersatz- und/oder Entschädigungsansprüchen führen.1867 Obwohl es in § 11 AGG nur heißt, dass ein Arbeitsplatz nicht „unter Verstoß gegen § 7 Abs. 1 [AGG]“ ausgeschrieben werden darf, besteht Einigkeit darüber, dass hier (für unmittelbare Benachteiligungen) auch die §§ 5, 8 – 10 AGG mit hineingelesen werden müssen, sodass in Fällen, in denen eine Benachteiligung i. S. v. § 7 Abs. 1 AGG ausnahmsweise zulässig bzw. gerechtfertigt wäre, auch die entsprechende Stellenausschreibung schon keinen Verstoß gegen das AGG darstellt.1868

1863

BayVGHE N.F. 62, 52 (62 Rn. 34); A. Stein, in: Wendeling-Schröder/A. Stein, AGG, 2008, § 11 Rn. 25; Meinel/Heyn/Herms, AGG, 2. Aufl. 2010, § 11 Rn. 24; Thüsing, Arbeitsrechtlicher Diskriminierungsschutz, 2. Aufl. 2013, Rn. 684; Thüsing, in: Säcker/Rixecker/ Oetker/Limperg (Hrsg.), Münchener Kommentar zum BGB, Bd. 1, 8. Aufl. 2018, § 11 AGG Rn. 8; Suckow, in: Schleusener/Suckow/Plum, AGG, 5. Aufl. 2019, § 11 Rn. 51. 1864 Lindemann, in: Hey/Forst (Hrsg.), AGG, 2. Aufl. 2015, § 11 Rn. 22; J.-H. Bauer/ Krieger/Günther, Gleichbehandlungsgesetz und Entgelttransparenzgesetz, 5. Aufl. 2018, § 11 AGG Rn. 8; ähnlich Meinel/Heyn/Herms, AGG, 2. Aufl. 2010, § 11 Rn. 24. Benecke, in: Looschelders (Hrsg.), BeckOGK AGG, § 11 Rn. 1 (Stand: Febr. 2020) hält die Regelung angesichts der sonstigen Regelungen des AGG rechtlich für nicht zwingend notwendig, sieht darin aber eine sinnvolle gesetzgeberische Klarstellung; a. A. Kania/S. Merten, ZIP 2007, 8 (9), wonach Stellenausschreibungen an sich keine ungünstigere Behandlung i.S.d. AGG darstellen. 1865 Obwohl der Begriff der Arbeitsplatzausschreibung weiter ist als der der Stellenausschreibung (s. BT-Drs. 14/5679, S. 20), werden beide Begriffe hier grds. synonym gebraucht; vgl. dazu BT-Drs. 16/1780, S. 36. 1866 BAG, NZA-RR 2018, 287 (289 Rn. 23); BAG, NJW 2018, 1497 (1499 Rn. 24); BayVGHE N.F. 62, 52 (62 Rn. 34); OLG Karlsruhe, NZA-RR 2011, 632 (634 Rn. 35); VG Mainz, NVwZ-RR 2009, 570 (571); Diller, NZA 2007, 649 (650); M. Schmidt, in: Schiek (Hrsg.), AGG, 2007, § 11 Rn. 6; Voggenreiter, in: Rudolf/Mahlmann (Hrsg.), Gleichbehandlungsrecht, 2007, § 8 Rn. 90 ff.; Mohr, in: Adomeit/Mohr, AGG, 2. Aufl. 2011, § 11 Rn. 10; Lindemann, in: Hey/Forst (Hrsg.), AGG, 2. Aufl. 2015, § 11 Rn. 22; Wiencke/Andelewski, ZMV 2018, 226 (226, 228); Horcher, in: Bamberger/Roth/Hau/Poseck (Hrsg.), BeckOK BGB, Stand: Febr. 2020, § 11 AGG Rn. 6, 8. 1867 Dazu Diller, NZA 2007, 649 (650); Wiencke/Andelewski, ZMV 2018, 226 (228); weitgehender v. Roetteken, AGG, § 11 Rn. 9, 22 f., 117 ff., 207 ff., 218 (Stand: Sept. 2019), wonach § 11 AGG eine eigenständige Organisationspflicht der Arbeitgeber_innen gegenüber den Beschäftigten (bzw. eine beamtenrechtliche Dienstpflicht) und im Verhältnis zu externen Bewerber_innen eine vorvertragliche Pflicht begründe, deren Verletzung im Wege unionsrechtskonformer Auslegung unmittelbar zu Schadensersatz- oder Entschädigungsansprüchen führen könne; unklar Benecke, in: Looschelders (Hrsg.), BeckOGK AGG, § 11 Rn. 4, 27 f. (Stand: Febr. 2020). 1868 Vgl. nur BAGE 155, 149 (167 Rn. 55); BAG, NZA-RR 2018, 287 (289 Rn. 23); BAG, NJW 2018, 1497 (1499 Rn. 24); LAG Düsseldorf, ZTR 2009, 271 (273); VG Mainz, NVwZ-RR 2009, 570 (571); Buschmann, in: Däubler/Bertzbach (Hrsg.), AGG, 4. Aufl. 2018, § 11 Rn. 14; v. Roetteken, AGG, § 11 Rn. 188 f. (Stand: Sept. 2019); Suckow, in: Schleusener/Suckow/Plum, AGG, 5. Aufl. 2019, § 11 Rn. 47 ff.

D. Einfach- und untergesetzliche nationale Maßgaben

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Dafür sprechen insbesondere teleologische Erwägungen.1869 Eine geschlechtsbezogene Ungleichbehandlung von Beschäftigten, zu denen gem. § 6 Abs. 1 Satz 2 AGG auch Bewerberinnen und Bewerber zählen, ist gem. § 8 Abs. 1 AGG zulässig, wenn das Geschlecht „wegen der Art der auszuübenden Tätigkeit oder der Bedingungen ihrer Ausübung eine wesentliche und entscheidende berufliche Anforderung darstellt, sofern der Zweck rechtmäßig und die Anforderung angemessen ist“.1870 Demzufolge wurde eine geschlechtsspezifische Stellenausschreibung etwa in Fällen für zulässig erachtet, in denen eine „Erzieherin/Sportlehrerin/Sozialpädagogin“ für ein Mädcheninternat gesucht wurde1871 oder als es um den Dienstposten einer Sachbearbeiterin Sexualstraftaten bei der Polizei ging1872. Darüber hinaus ist gem. § 5 AGG eine geschlechtsbezogene Benachteiligung auch im Falle sog. positiver Maßnahmen zulässig, wenn nämlich durch geeignete und angemessene Maßnahmen bestehende Nachteile wegen eines in § 1 AGG genannten Grundes verhindert oder ausgeglichen werden sollen.1873 Durch den Verweis des § 11 AGG auf § 7 Abs. 1 AGG kommen aber nicht nur unmittelbare Benachteiligungen i. S. v. § 3 Abs. 1 AGG in Betracht, also Stellenanzeigen, die sich (eindeutig) nur an ein Geschlecht richten1874, sondern auch mittelbare Benachteiligungen i. S. v. § 3 Abs. 2 AGG.1875 Eine mittelbare Benachteili1869 Vgl. A. Stein, in: Wendeling-Schröder/A. Stein, AGG, 2008, § 11 Rn. 13; Suckow, in: Schleusener/Suckow/Plum, AGG, 5. Aufl. 2019, § 11 Rn. 47 f.; Overkamp, in: Junker/Beckmann/Rüßmann (Hrsg.), jurisPK-BGB, Bd. 2, 9. Aufl. 2020, § 11 AGG Rn. 10. 1870 Dazu, dass mit dieser Formulierung keine Absenkung des Schutzstandards gegenüber der früheren Rechtslage (s. dazu unter Zweiter Teil) beabsichtigt ist, BR-Drs. 329/06, S. 36; BTDrs. 16/1780, S. 35; dementsprechend für eine restriktive Auslegung BAGE 131, 86 (93 ff. Rn. 33 ff.); BAG, NZA 2010, 872 (875 Rn. 26); Buschmann, in: Däubler/Bertzbach (Hrsg.), AGG, 4. Aufl. 2018, § 11 Rn. 18; zur Bedeutung der Entscheidung des BVerfG zum „dritten Geschlecht“ (BVerfGE 147, 1 ff.) für § 8 Abs. 1 AGG Bettinghausen, BB 2018, 372 (375). 1871 BAGE 131, 86 (93 ff. Rn. 32 ff.); vgl. BAG, NZA 2010, 872 ff.: kommunale Gleichstellungsbeauftragte, zu deren Tätigkeiten die Integrationsarbeit mit zugewanderten muslimischen Frauen gehört; vgl. auch aus der Gesetzesbegründung zum früheren § 611a BGB: Aufsichtspersonal für weibliche Gefangene (BT-Drs. 8/3317, S. 9). 1872 VG Kassel, 1 E 723/07 vom 6. 9. 2007, Rn. 29 ff. (juris). 1873 LAG Düsseldorf, ZTR 2009, 271 (273); zur Anwendbarkeit der Norm auch auf private Arbeitgeber_innen Lindemann, in: Hey/Forst (Hrsg.), AGG, 2. Aufl. 2015, § 11 Rn. 12. 1874 Beispielsweise eine Stellenausschreibung, wonach eine „Sekretärin“ gesucht wird, s. ArbG Hamburg, 21 Ca 511/07 vom 18. 3. 2008, BeckRS 2009, 74703; dagegen soll nach Ansicht des LAG Rheinland-Pfalz, 3 Sa 487/16 vom 27. 3. 2017, Rn. 49 f., 53 (juris) der Begriff „Bürofee“ nicht unbedingt geschlechtsspezifisch zu verstehen sein; kritisch dazu B. Franke, in: Berghahn/Schultz (Hrsg.), Rechtshandbuch für Frauen- und Gleichstellungsbeauftragte (Stand: Mai 2018), Kap. 4.3.3, S. 10 f. 1875 BAGE 131, 342 (347 Rn. 25, 27); Steinkühler, Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz (AGG), 2007, Rn. 170; Mohr, in: Adomeit/Mohr, AGG, 2. Aufl. 2011, § 11 Rn. 11; Buschmann, in: Däubler/Bertzbach (Hrsg.), AGG, 4. Aufl. 2018, § 11 Rn. 17; Serr, in: Staudinger, AGG, Neubearb. 2018, § 11 Rn. 11; Thüsing, in: Säcker/Rixecker/Oetker/Limperg (Hrsg.), Münchener Kommentar zum BGB, Bd. 1, 8. Aufl. 2018, § 11 AGG Rn. 4; v. Roetteken, AGG, § 11 Rn. 135 (Stand: Sept. 2019).

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3. Teil: Rechtlicher Rahmen für die Verwendung geschlechtergerechter Sprache

gung liegt danach vor, „wenn dem Anschein nach neutrale Vorschriften, Kriterien oder Verfahren Personen wegen eines in § 1 [AGG] genannten Grundes gegenüber anderen Personen in besonderer Weise benachteiligen können, es sei denn, die betreffenden Vorschriften, Kriterien oder Verfahren sind durch ein rechtmäßiges Ziel sachlich gerechtfertigt und die Mittel sind zur Erreichung dieses Ziels angemessen und erforderlich“. Damit ist die Prüfung einer möglichen Rechtfertigung § 3 Abs. 2 AGG bereits immanent.1876 Bei der Verwendung des generischen Maskulinums in Stellenausschreibungen scheint das Anknüpfen an eine mittelbare Benachteiligung der Definition nach naheliegend1877, allerdings ist zu prüfen, ob es sich nicht sogar um eine unmittelbare Benachteiligung handelt. Nach § 3 Abs. 1 Satz 1 AGG liegt eine unmittelbare Benachteiligung vor, wenn eine Person wegen eines in § 1 AGG genannten Grundes eine weniger günstige Behandlung erfährt, als eine andere Person in einer vergleichbaren Situation erfährt, erfahren hat oder erfahren würde. Das wäre bei der Verwendung des generischen Maskulinums jedenfalls dann der Fall, wenn (nach Auslegung) die Berufs- und Personenbezeichnungen in einer Stellenanzeige als nur ein Geschlecht erfassend zu verstehen wären. Da maskuline Personenbezeichnungen prinzipiell zwei „Lesarten“1878 und damit Auslegungsmöglichkeiten zulassen, nämlich eine geschlechtsspezifische, nur Männer erfassende, und eine geschlechtsübergreifende, muss regelmäßig über den Kontext ermittelt werden, welche Bedeutung im konkreten Fall gemeint ist.1879 Bei Stellenanzeigen kann anders als bei Rechtsvorschriften1880 nicht einfach auf das „Hilfsmittel“ einer verfassungskonformen Auslegung zurückgegriffen werden, weil jedenfalls die einen Arbeitsplatz ausschreibenden privaten Arbeitgeber_innen nicht (unmittelbar) an Art. 3 GG ge-

1876 BR-Drs. 329/06, S. 36, 46; BT-Drs. 16/1780, S. 35, 43; s. auch G. Bachmann, NJW 2018, 1648 (1649 Fn. 15); Groß, in: Looschelders (Hrsg.), BeckOGK AGG, § 20 Rn. 5 (Stand: Sept. 2019); v. Roetteken, AGG, § 11 Rn. 182 (Stand: Sept. 2019). 1877 Vgl. bei Formularen (nach Ablehnung einer unmittelbaren Benachteiligung) eine mittelbare Benachteiligung i. S. v. § 3 Abs. 2 AGG durch die Verwendung des generischen Maskulinums zumindest für eine dem Landesgleichstellungsgesetz unterliegende Sparkasse bejahend Grünberger, JZ 2018, 719 (724 f.); dort eine unmittelbare Benachteiligung annehmend G. Bachmann, NJW 2018, 1648 (1649), der gegen eine mittelbare Benachteiligung anführt, es müsse eine individuelle Benachteiligung „in besonderer Weise“ gegeben sein, die er verneint; bei Formularen sowohl eine unmittelbare als auch eine mittelbare Benachteiligung als auch eine Belästigung i. S. v. § 3 Abs. 3 AGG erwägend Berghahn, in: Berghahn/Schultz (Hrsg.), Rechtshandbuch für Frauen- und Gleichstellungsbeauftragte (Stand: Mai 2018), Kap. 2.4.1, S. 10 f. 1878 Pettersson, Geschlechtsübergreifende Personenbezeichnungen, 2011, S. 59; C. Spieß, Der Deutschunterricht 65 (2013), Heft 5, 70 (70). 1879 S. dazu unter Dritter Teil, B. I. 2. a) aa); so auch Grünberger, JZ 2018, 719 (724), der deswegen allerdings eine unmittelbare Benachteiligung i. S. v. § 3 Abs. 1 AGG ablehnt, weil nicht kontextunabhängig immer eine Benachteiligung wegen des Geschlechts gegeben sei. 1880 S. dazu unter Dritter Teil. B. I. 2. a) cc).

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bunden sind1881. Es wird zwar mitunter argumentiert, dass Arbeitgeber_innen sich in der Regel rechtstreu verhalten wollen und insofern auch § 11 AGG gerecht werden wollen, was darauf schließen lassen könnte, dass Personenbezeichnungen in Stellenanzeigen im Zweifel generisch und damit geschlechtsneutral gemeint sind.1882 Das würde aber den „bewusstseinsfördernden Effekt“ des § 11 AGG1883 verringern und vor allem dem Interesse nicht-männlicher Stellensuchender an Klarheit darüber, ob ein Stellenangebot auch an sie gerichtet ist, nicht genügen. Gerade in dem auch grundrechtlich sensiblen Bereich der Bewerbung um eine Stelle kann ein Zweifel darüber, für die Stelle aus der Arbeitgebersicht „geeignet“ zu sein, leicht dazu führen, eine Person von einer Bewerbung abzuhalten.1884 Insofern ist die Verwendung des generischen Maskulinums in Stellenanzeigen, die nicht auf andere Weise eindeutig zum Ausdruck bringen, dass Personen gleich welchen Geschlechts für die Stelle in Betracht kommen, als unmittelbar benachteiligend zu sehen, weil hier nur Männer sicher sein können, gemeint zu sein.1885 § 11 AGG gibt nicht zwingend vor, wie die merkmalsneutrale, d. h. bezogen auf das Merkmal Geschlecht die geschlechtsneutrale Arbeitsplatzausschreibung1886 sprachlich zu realisieren ist.1887 Die Norm gibt nur zwingend1888 vor, dass Arbeits-

1881 S. nur Wissenschaftliche Dienste des Deutschen Bundestages, Ausarbeitung WD 3 – 3000 – 080/18, S. 6; Reichold, JZ 2004, 384 (386); Badura, ZaöRV 68 (2008), 347 (348 f.). 1882 Vgl. Ulrici, jurisPR-ArbR 8/2018 Anm. 1. 1883 Vgl. zum früheren § 611b BGB die Antwort der Nds. Landesregierung vom 18. 3. 1986 auf eine Kleine Anfrage der Abg. Lemmermann vom 4. 11. 1985 (LT-Drs. 10/5078), LT-Drs. 10/ 5758, S. 2: „Die Notwendigkeit, schon bei der Ausschreibung der Stelle beide Geschlechter anzusprechen, trägt zur Bewußtseinsbildung bei Arbeitgebern und Arbeitgeberinnen bei und kann Frauen dazu ermutigen, sich auch dort zu bewerben, wo die Beschäftigung einer Frau auf einem bestimmten Arbeitsplatz bisher unüblich war.“ 1884 Vgl. Benecke, in: Looschelders (Hrsg.), BeckOGK AGG, § 11 Rn. 1 (Stand: Febr. 2020); in diese Richtung auch Wegener, in: Wegener/Köhler/Kopsch (Hrsg.), Frauen fordern eine gerechte Sprache, 1990, S. 9 (19); Gorny, in: Stötzel/Wengeler, Kontroverse Begriffe, 1995, S. 517 (552); Wegener, in: Baumann/Meinunger (Hrsg.), Die Teufelin steckt im Detail, 2017, S. 279 (281); Antidiskriminierungsstelle des Bundes (Hrsg.), Diskriminierung in Stellenanzeigen, 2018, S. 3; v. Roetteken, AGG, § 11 Rn. 130 ff., 143 (Stand: Sept. 2019). 1885 A.A. bezogen auf die Verwendung des generischen Maskulinums in Formularen Grünberger, JZ 2018, 719 (724), der zwar ausführt, dass das generische Maskulinum in der Regel geschlechtsspezifisch interpretiert werde, sofern der Kontext dem nicht entgegenwirke, aber aus der Kontextabhängigkeit nicht auf einen Nachteil, sondern auf das Fehlen des Zurechnungszusammenhangs für eine unmittelbare Benachteiligung schließt. 1886 Körlings, NZA 2018, 282 (283); B. Franke, in: Berghahn/Schultz (Hrsg.), Rechtshandbuch für Frauen- und Gleichstellungsbeauftragte (Stand: Mai 2020), Kap. 4.3.1, S. 7. 1887 Vgl. zum früheren § 611b BGB Demey, Deutsche Sprache 30 (2002), 28 (30); dazu, dass die Neutralität sprachlich zum Ausdruck kommen muss, Buschmann, in: Däubler/ Bertzbach (Hrsg.), AGG, 4. Aufl. 2018, § 11 Rn. 19. 1888 Falke, in: Rust/Falke (Hrsg.), AGG, 2007, § 11 Rn. 3; Meinel/Heyn/Herms, AGG, 2. Aufl. 2010, § 11 Rn. 2; Buschmann, in: Däubler/Bertzbach (Hrsg.), AGG, 4. Aufl. 2018, § 11 Rn. 1; v. Roetteken, AGG, § 11 Rn. 34 (Stand: Sept. 2019); Suckow, in: Schleusener/Suckow/

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platzausschreibungen nicht gegen § 7 Abs. 1 AGG verstoßen dürfen, somit insbesondere auch nicht wegen des Geschlechts benachteiligen dürfen, ist also anders als § 6 Abs. 1 BGleiG ausschließlich negativ formuliert.1889 Daraus können sich sprachlich unterschiedliche Anforderungen ergeben.1890 Auf die Absicht einer Diskriminierung kommt es dabei i.R.v. § 11 AGG nicht an.1891 Nahezu unstreitig genügen § 11 AGG Berufs- und Personenbezeichnungen1892 in Form echt geschlechtsneutraler Begriffe wie z. B. Teammitglied, Führungspersönlichkeit oder Reinigungskraft.1893 Daneben wurden lange Zeit auch Paarformen aus weiblicher und männlicher Berufsbezeichnung (z. B. Ingenieur/Ingenieurin) oder Bezeichnungen im generischen Maskulinum mit dem Klammerzusatz „m/w“ oder „w/m“ dahinter (z. B. Geschäftsführer [m/w]) in Literatur1894 und Rechtsprechung1895 Plum, AGG, 5. Aufl. 2019, § 11 Rn. 4; vgl. Mohr, in: Adomeit/Mohr, AGG, 2. Aufl. 2011, § 11 Rn. 1. 1889 Vgl. Belling/Riesenhuber, in: Erman, BGB, Bd. I, 15. Aufl. 2017, § 11 AGG Rn. 3; v. Roetteken, AGG, § 11 Rn. 112 (Stand: Sept. 2019). 1890 v. Roetteken, BGleiG, § 6 BGleiG 2015 Rn. 58 ff. (Stand: Juni 2018), der allerdings auch aus § 11 AGG ableitet, dass Frauen und Männer sich in gleicher Weise angesprochen fühlen müssten, s. v. Roetteken, AGG, § 11 Rn. 147 (Stand: Sept. 2019), und so letztlich zu einem Gleichklang mit § 6 Abs. 1 Satz 3, 1. Alt BGleiG gelangt. 1891 Steinkühler, Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz (AGG), 2007, Rn. 170; vgl. Meinel/Heyn/Herms, AGG, 2. Aufl. 2010, § 11 Rn. 16; Suckow, in: Schleusener/Suckow/Plum, AGG, 5. Aufl. 2019, § 11 Rn. 27; verfehlt daher LAG Schleswig-Holstein, 6 Sa 419/15 vom 4. 5. 2016, Rn. 75 (juris); verfehlt auch Benecke, in: Looschelders (Hrsg.), BeckOGK AGG, § 22 Rn. 33.1 (Stand: Febr. 2020); Horcher, in: Bamberger/Roth/Hau/Poseck (Hrsg.), BeckOK BGB, Stand: Febr. 2020, § 11 AGG Rn. 11 zum versehentlichen Unerwähntlassen des „dritten Geschlechts“; a. A. Adomeit/Mohr, NZA 2007, 179 (180 ff.). 1892 Dazu, dass Stellenausschreibungen nicht immer eine Berufsbezeichnung enthalten, Demey, Deutsche Sprache 30 (2002), 28 (33). 1893 OLG Karlsruhe, NZA-RR 2011, 632 (633 Rn. 31); Boemke/Danko, AGG im Arbeitsrecht, 2007, § 8 Rn. 8; Falke, in: Rust/Falke (Hrsg.), AGG, 2007, § 11 Rn. 17; Kania/ S. Merten, ZIP 2007, 8 (9); Steinkühler, Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz (AGG), 2007, Rn. 177; Wörl, Die Beweislast nach dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz, 2009, S. 161; Meinel/Heyn/Herms, AGG, 2. Aufl. 2010, § 11 Rn. 19; Thüsing, Arbeitsrechtlicher Diskriminierungsschutz, 2. Aufl. 2013, Rn. 681; Lindemann, in: Hey/Forst (Hrsg.), AGG, 2. Aufl. 2015, § 11 Rn. 15; B. Franke, in: Berghahn/Schultz (Hrsg.), Rechtshandbuch für Frauen- und Gleichstellungsbeauftragte (Stand: Mai 2018), Kap. 4.3.3, S. 6; Schiefer, PuR 2018, 223 (223); Serr, in: Staudinger, AGG, Neubearb. 2018, § 11 Rn. 13; Wiencke/Andelewski, ZMV 2018, 226 (227); v. Roetteken, AGG, § 11 Rn. 154 (Stand: Sept. 2019); v. Roetteken, GiP 3/2019, 23 (28); Suckow, in: Schleusener/Suckow/Plum, AGG, 5. Aufl. 2019, § 11 Rn. 32; Overkamp, in: Junker/Beckmann/Rüßmann (Hrsg.), jurisPK-BGB, Bd. 2, 9. Aufl. 2020, § 11 AGG Rn. 14; Schlachter, in: Müller-Glöge/Preis/I. Schmidt (Hrsg.), Erfurter Kommentar zum Arbeitsrecht, 20. Aufl. 2020, § 11 AGG Rn. 2; zweifelnd und daher von der Verwendung solcher Begriffe in Stellenausschreibungen abratend Körlings, NZA 2018, 282 (283). 1894 Statt vieler Falke, in: Rust/Falke (Hrsg.), AGG, 2007, § 11 Rn. 17; Steinkühler, Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz (AGG), 2007, Rn. 177; Wörl, Die Beweislast nach dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz, 2009, S. 161, 163; Mohr, in: Adomeit/Mohr, AGG, 2. Aufl. 2011, § 11 Rn. 16; Lindemann, in: Hey/Forst (Hrsg.), AGG, 2. Aufl. 2015, § 11 Rn. 15;

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für zulässig erachtet, wobei bei Stellenausschreibungen Schrägstrich-Formen recht gebräuchlich sind1896. Nach dem Beschluss des Bundesverfassungsgerichts zum „dritten Geschlecht“1897 ist allerdings auch bei der Ausschreibung von Arbeitsplätzen ein Umdenken geboten.1898 Anders als bei anderen Normen1899 ist dies auch ohne Weiteres mit dem nicht eindeutig bzgl. der weiteren Verwendung von Paarformen v. Roetteken, AGG, § 11 Rn. 146, 154 (Stand: Sept. 2019). 1895 Zum generischen Maskulinum mit dem Klammerzusatz „m/w“ BAG, NJW 2018, 1497 (1499 f. Rn. 29); zum generischen Maskulinum mit dem Klammerzusatz in umgekehrter Reihenfolge (w/m) BAG, 8 AZR 418/15 vom 15. 12. 2016, Rn. 30 (juris); LAG Hamburg, NZARR 2014, 343 (346); zur Beidnennung von männlicher und weiblicher Berufsbezeichnung OLG Karlsruhe, NZA-RR 2011, 632 (633 Rn. 31). 1896 Dazu Demey, Deutsche Sprache 30 (2002), 28 (35); Greve/Iding/Schmusch, Linguistik online 11 (2002), 105 (156). 1897 BVerfGE 147, 1 ff.; s. dazu näher unter Erster Teil, B. I. 1898 Vgl. Block, Wie das dritte Geschlecht die Arbeitswelt verändert, FOCUS Online vom 17. 11. 2017, https://www.focus.de/finanzen/experten/drittes-geschlecht-die-folgen-des-urteilsfuer-die-arbeitswelt_id_7862448.html (abgerufen am 2. 6. 2020); Antidiskriminierungsstelle des Bundes (Hrsg.), Diskriminierung in Stellenanzeigen, 2018, S. 5 f.; Bettinghausen, BB 2018, 372 (374 f.); Jacobs, RdA 2018, 263 (269); Körlings, NZA 2018, 282 (283 ff.); Thüsing, in: Säcker/Rixecker/Oetker/Limperg (Hrsg.), Münchener Kommentar zum BGB, Bd. 1, 8. Aufl. 2018, § 11 AGG Rn. 5; Wiencke/Andelewski, ZMV 2018, 226 (226 f.), die zwar Beidnennungsformen wegen ihrer Ansicht nach fehlender Lösungsmittel in der deutschen Sprache weiterhin für zulässig halten, dies jedoch als „Risiko“ bezeichnen; Wiggerich, StAZ 2018, 21 (23); Becker/Wagner, PersF 5/2019, 72 (73); B. Franke, in: Berghahn/Schultz (Hrsg.), Rechtshandbuch für Frauen- und Gleichstellungsbeauftragte (Stand: Nov. 2019), Kap. 4.3.3, S. 17; Nollert-Borasio/Dickerhof-Borello/Wenckebach, AGG, 5. Aufl. 2019, § 11 Rn. 3a; v. Roetteken, GiP 3/2019, 23 (28 f.); Spielberger/Eber, AuA 2019, 404 (404 f.); Suckow, in: Schleusener/Suckow/Plum, AGG, 5. Aufl. 2019, § 11 Rn. 33, der aber den Zusatz „m/w“ für weiterhin verwendbar hält, da dieser nach Auslegung auch „alle dazwischen liegenden Geschlechteridentitäten“ erfasse; Horcher, in: Bamberger/Roth/Hau/Poseck (Hrsg.), BeckOK BGB, Stand: Febr. 2020, § 11 AGG Rn. 11; Schlachter, in: Müller-Glöge/Preis/I. Schmidt (Hrsg.), Erfurter Kommentar zum Arbeitsrecht, 20. Aufl. 2020, § 11 AGG Rn. 2; a. A. J.-H. Bauer/Krieger/Günther, Gleichbehandlungsgesetz und Entgelttransparenzgesetz, 5. Aufl. 2018, § 11 AGG Rn. 9, die eine Änderung der bisherigen Ausschreibungspraxis nicht für erforderlich halten; „einstweilen“ wie diese Rupp, in: Henssler/Willemsen/Kalb (Hrsg.), Arbeitsrecht, 8. Aufl. 2018, § 11 AGG Rn. 2 Fn. 6; rechtlich ebenfalls keinen Änderungsbedarf sehend Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände, Positionspapier vom 12. 2. 2019, S. 1 f.; noch zweifelnd bzgl. Auswirkungen Schiefer, PuR 2018, 223 (223 f.); Benecke, in: Looschelders (Hrsg.), BeckOGK AGG, § 11 Rn. 18 (Stand: Febr. 2020). Das BAG hat in einem Urteil vom 23. 11. 2017 eine Stellenanzeige unter Verwendung des generischen Maskulinums mit dem Klammerzusatz „m/w“ nicht beanstandet, s. BAG, NJW 2018, 1497 (1500 Rn. 28); ebenso wenig hat es in einem Urteil vom gleichen Tag die Tätigkeitsbeschreibung „Softwareentwickler/in“ beanstandet, s. BAG, NZA-RR 2018, 287 (292 Rn. 53); allerdings erfolgte die Stellenausschreibung jeweils bereits vor der BVerfG-Entscheidung; dies übersehend Joussen, ZMV 2018, 221, der von einem „Patzer“ des BAG spricht; zurückhaltender Fuhlrott, NZARR 2018, 287 (294 f.), der sich vom BAG „mehr Hilfestellungen … gewünscht“ hätte. Für die Gewährung von Vertrauensschutz für Stellenanzeigen vor dem 8. 11. 2017, an dem das BVerfG eine Pressemitteilung zu der Entscheidung zum „dritten Geschlecht“ veröffentlichte, Körlings,

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3. Teil: Rechtlicher Rahmen für die Verwendung geschlechtergerechter Sprache

geschlechtsneutralen Wortlaut des § 11 (i. V. m. § 7 Abs. 1) AGG zu vereinbaren.1900 Nun gilt es auf der Seite der Arbeitgeber_innen in Stellenausschreibungen Offenheit für Bewerbungen von Personen gleich welchen Geschlechts (auch eines solchen jenseits der Kategorien „männlich“ und „weiblich“) zum Ausdruck zu bringen.1901 Obwohl die Diskussion hier noch „jung“ und im Fluss ist, kann die bisherige Praxis nicht einfach beibehalten werden; insbesondere konnte die Beibehaltung auch nicht mit einem Abwarten auf die Entscheidung des Gesetzgebers bzgl. der Einführung einer dritten positiven Geschlechtskategorie im Geburtenregister gerechtfertigt werden1902, weil der vom Bundesverfassungsgericht anerkannte Schutz des Geschlechts auch von Personen, die sich weder dem männlichen noch dem weiblichen Geschlecht zuordnen (lassen), unabhängig von der – inzwischen freilich vorliegenden – Entscheidung des Gesetzgebers bzgl. der Änderung der Regelungen des PStG ist.1903 Bereits früh vorgeschlagen wurde die Kombination des generischen Maskulinums mit dem Klammerzusatz „m/w/d“.1904 Nachdem der Gesetzgeber mit der Änderung NZA 2018, 282 (284 f.); auf die Bekanntmachung der BVerfG-Entscheidung abstellend Spielberger/Eber, AuA 2019, 404 (405). 1899 S. dazu etwa unter Dritter Teil, D. I. 1. a). 1900 Vgl. Althoff/Schabram/Follmar-Otto, Geschlechtervielfalt im Recht, hrsg. vom Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, 2017, S. 35; v. Roetteken, GiP 3/ 2019, 23 (27 f.); dennoch von einem Verständnis des AGG als „Zweigeschlechtermodell“ ausgehend Brachthäuser/Richarz, FoR 2014, 41 (44); zur Möglichkeit der weiten Auslegung des Begriffs „Geschlecht“ i.S.d. AGG trotz eines möglicherweise engeren Begriffsverständnisses in der RL 2006/54/EG (s. dazu unter Dritter Teil, A. III. 1.) Körlings, NZA 2018, 282 (282); Schleusener, in: Schleusener/Suckow/Plum, AGG, 5. Aufl. 2019, § 1 Rn. 52. 1901 Vgl. Körlings, NZA 2018, 282 (283). Allerdings wird hier die Gefahr einer Inanspruchnahme von Arbeitgeber_innen als gering eingestuft, weil nur Personen, die dem „dritten Geschlecht“ zugehören und dies nötigenfalls beweisen, sich auf eine fehlende Berücksichtigung in einer binärgeschlechtlich formulierten Stellenanzeige berufen könnten, vgl. Fuhlrott, NZA-RR 2018, 293 (295); Körlings, NZA 2018, 282 (284 f.); Wiencke/Andelewski, ZMV 2018, 226 (228); a. A. v. Roetteken, GiP 3/2019, 23 (28). 1902 Vgl. Körlings, NZA 2018, 282 (284); nicht ganz eindeutig Bettinghausen, BB 2018, 372 (374 f.); zu ersten Veränderungen in der Praxis s. Kaiser, „(m/w/d) gesucht“ – wo kommt das d in den Stellenanzeigen her?, WELT Online vom 7. 8. 2018, https://www.welt.de/wirtschaft/kar riere/article180767606/Arbeitsmarkt-Wofuer-stehen-D-X-und-I-in-Stellenanzeigen.html (abgerufen am 2. 6. 2020); Kühne, Männlich, weiblich, divers. Wie das dritte Geschlecht die Berufswelt ändert, Tagesspiegel Online vom 22. 11. 2018, https://www.tagesspiegel.de/gesell schaft/queerspiegel/maennlich-weiblich-divers-wie-das-dritte-geschlecht-die-berufswelt-aen dert/23660088.html (abgerufen am 2. 6. 2020). 1903 Vgl. Block, Wie das dritte Geschlecht die Arbeitswelt verändert, FOCUS Online vom 17. 11. 2017, https://www.focus.de/finanzen/experten/drittes-geschlecht-die-folgen-des-urteilsfuer-die-arbeitswelt_id_7862448.html (abgerufen am 2. 6. 2020); B. Franke, in: Berghahn/ Schultz (Hrsg.), Rechtshandbuch für Frauen- und Gleichstellungsbeauftragte (Stand: Mai 2018), Kap. 4.3.3, S. 5. 1904 Block, Wie das dritte Geschlecht die Arbeitswelt verändert, FOCUS Online vom 17. 11. 2017, https://www.focus.de/finanzen/experten/drittes-geschlecht-die-folgen-des-urteils-fuerdie-arbeitswelt_id_7862448.html (abgerufen am 2. 6. 2020); Bettinghausen, BB 2018, 372

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des PStG zum 22. Dezember 20181905 für das Geburtenregister eine neue dritte Kategorie eines positiven Geschlechtseintrags mit der Bezeichnung „divers“ geschaffen hat1906, dürfte dieser Vorschlag noch mehr Aufwind bekommen.1907 Dies zeigt auch die aktuelle Ausschreibungspraxis. In Betracht kommt aber auch, den Gender-Star oder den Gender-Gap1908 zu verwenden.1909 Unzureichend ist hingegen mit Blick auf § 11 AGG entgegen vereinzelt vertretener Gegenauffassung1910 schon seit Inkrafttreten des AGG die Verwendung von Berufsbezeichnungen im generischen Maskulinum ohne Klammerzusatz.1911 Das gilt (375); Jacobs, RdA 2018, 263 (269); Körlings, NZA 2018, 282 (284 f.); vgl. auch Antidiskriminierungsstelle des Bundes (Hrsg.), Diskriminierung in Stellenanzeigen, 2018, S. 49: „(m, w, div.)“; B. Franke, in: Berghahn/Schultz (Hrsg.), Rechtshandbuch für Frauen- und Gleichstellungsbeauftragte (Stand: Mai 2018), Kap. 4.3.3, S. 6: Klammerzusatz „(m/w/divers)“; Wiencke/Andelewski, ZMV 2018, 226 (227): Zusatz „(d/w/m)“ oder „(m/w/d)“; Benecke, in: Looschelders (Hrsg.), BeckOGK AGG, § 11 Rn. 19 (Stand: Febr. 2020): Erweiterung des Anhängsels um die Kategorie „divers“; Schlachter, in: Müller-Glöge/Preis/I. Schmidt (Hrsg.), Erfurter Kommentar zum Arbeitsrecht, 20. Aufl. 2020, § 11 AGG Rn. 2, die ohne nähere Konkretisierung lediglich von einem „Zusatz“ spricht; die Frage der Buchstabenreihenfolge aufwerfend Schiefer, PuR 2018, 223 (223). 1905 Gesetz zur Änderung der in das Geburtenregister einzutragenden Angaben vom 18. 12. 2018, BGBl. I S. 2635. 1906 S. dazu unter Erster Teil, B. I. 1907 Vgl. Bettinghausen, BB 2018, 372 (375); Becker/Wagner, PersF 5/2019, 72 (73). Andere zunächst erwogene Zusätze wie „m/w/i“ (Bettinghausen, BB 2018, 372 [375]), „m/w/ i/t“ (Körlings, NZA 2018, 282 [284 f.]), „m/w/x“ (Jacobs, RdA 2018, 263 [269]), „gn“/„geschlechtsneutral“ (Wiencke/Andelewski, ZMV 2018, 226 [227]), „männliche/weibliche/andere“ (Wiggerich, StAZ 2018, 21 [23]) dürften sich dagegen nach der Entscheidung des Gesetzgebers eher nicht durchsetzen; für einen Zusatz „m/w/d/t“ auch nach der Änderung des PStG Spielberger/Eber, AuA 2019, 404 (404 f.). Ablehnend gegenüber Berufsbezeichnungen im generischen Maskulinum mit dem Klammerzusatz „m/w/d“ v. Roetteken, AGG, § 11 Rn. 153 (Stand: Sept. 2019); v. Roetteken, GiP 3/2019, 23 (28) mit dem Argument, dass das PStG auch das vollständige Offenlassen des Geschlechts ermögliche; dies ist allerdings bereits seit 2013 so und stand nach der Rechtsprechung dem Zusatz „m/w“ nicht entgegen, s. BAG, NJW 2018, 1497 (1499 f. Rn. 26, 29). 1908 S. dazu unter Erster Teil, C. 1909 Dafür insbesondere Antidiskriminierungsstelle des Bundes (Hrsg.), Diskriminierung in Stellenanzeigen, 2018, S. 47, 49; s. auch Block, Wie das dritte Geschlecht die Arbeitswelt verändert, FOCUS Online vom 17. 11. 2017, https://www.focus.de/finanzen/experten/drittes-ge schlecht-die-folgen-des-urteils-fuer-die-arbeitswelt_id_7862448.html (abgerufen am 2. 6. 2020); B. Franke, in: Berghahn/Schultz (Hrsg.), Rechtshandbuch für Frauen- und Gleichstellungsbeauftragte (Stand: Mai 2018), Kap. 4.3.3, S. 6; Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände, Positionspapier vom 12. 2. 2019, S. 2; Spielberger/Eber, AuA 2019, 404 (404); für den Gender-Star wohl auch Nollert-Borasio/Dickerhof-Borello/Wenckebach, AGG, 5. Aufl. 2019, § 11 Rn. 3a; ablehnend Körlings, NZA 2018, 282 (283). 1910 Berschin, Der Sprachdienst 25 (1981), 105 (106 f., 112 f.); Mohr, in: Adomeit/Mohr, AGG, 2. Aufl. 2011, § 11 Rn. 17. 1911 v. Roetteken, AGG, § 11 Rn. 151 (Stand: Sept. 2019); Benecke, in: Looschelders (Hrsg.), BeckOGK AGG, § 11 Rn. 17 (Stand: Febr. 2020); Schlachter, in: Müller-Glöge/Preis/ I. Schmidt (Hrsg.), Erfurter Kommentar zum Arbeitsrecht, 20. Aufl. 2020, § 11 AGG Rn. 2;

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jedenfalls dann, wenn auch der weitere Text der Arbeitsplatzausschreibung nicht eindeutig zu erkennen gibt, dass nicht nur männliche Bewerber in Betracht kommen.1912 Hier kann auch weder auf den allgemeinen Sprachgebrauch noch auf den (teilweisen) des Gesetzgebers1913 verwiesen werden.1914 Zwar ist auch nach § 11 AGG darauf abzustellen, wie ein Begriff auszulegen ist, wobei nach der Rechtsprechung Stellenanzeigen „nach ihrem objektiven Inhalt und typischen Sinn einheitlich so auszulegen [sind], wie sie von verständigen und redlichen potenziellen Bewerbern unter Abwägung der Interessen der normalerweise beteiligten Verkehrskreise verstanden werden, wobei die Verständnismöglichkeiten des durchschnittlichen Bewerbers zugrunde zu legen sind“.1915 Insofern ist bei Stellenausschreibungen jedoch zu berücksichtigen, dass sie eine gedankliche Verbindung zwischen einer konkreten Person und einer ausgeschriebenen Position bzw. Tätigkeit herstellen sollen, sodass hier in besonderer Weise Zweifel aufkommen können, ob auch andere Personen als Männer gemeint sind oder nicht.1916 Daher genügt jevon der Verwendung abratend auch Lindemann, in: Hey/Forst (Hrsg.), AGG, 2. Aufl. 2015, § 11 Rn. 15; Wiencke/Andelewski, ZMV 2018, 226 (228); vgl. zum früheren § 611b BGB die Antwort der Nds. Landesregierung vom 18. 3. 1986 auf eine Kleine Anfrage der Abg. Lemmermann vom 4. 11. 1985 (LT-Drs. 10/5078), LT-Drs. 10/5758, S. 2 f.; Abg. Männle, BT-PlPr. 8/225, S. 1848 f.; kritisch Honsell, in: Staudinger, BGB, Buch 1 – Einl zum BGB; §§ 1 – 14; Verschollenheitsgesetz, Neubearb. 2018, Einl zum BGB Rn. 113b: „albern“. 1912 OLG Karlsruhe, NZA-RR 2011, 632 (633 f. Rn. 32 f.); Buschmann, in: Däubler/ Bertzbach (Hrsg.), AGG, 4. Aufl. 2018, § 11 Rn. 19; Serr, in: Staudinger, AGG, Neubearb. 2018, § 11 Rn. 13; vgl. M. Schmidt, in: Schiek (Hrsg.), AGG, 2007, § 11 Rn. 5; a. A. Thüsing, Arbeitsrechtlicher Diskriminierungsschutz, 2. Aufl. 2013, Rn. 681. 1913 So aber LAG Schleswig-Holstein, 6 Sa 419/15 vom 4. 5. 2016, Rn. 75 (juris); Thüsing, Arbeitsrechtlicher Diskriminierungsschutz, 2. Aufl. 2013, Rn. 681; Thüsing, in: Säcker/Rixecker/Oetker/Limperg (Hrsg.), Münchener Kommentar zum BGB, Bd. 1, 8. Aufl. 2018, § 11 AGG Rn. 5; Suckow, in: Schleusener/Suckow/Plum, AGG, 5. Aufl. 2019, § 11 Rn. 34. 1914 OLG Karlsruhe, NZA-RR 2011, 632 (633 f. Rn. 32); v. Roetteken, GiP 3/2019, 23 (28 f.); zum allgemeinen Sprachgebrauch auch Benecke, in: Looschelders (Hrsg.), BeckOGK AGG, § 11 Rn. 17 (Stand: Febr. 2020); Schlachter, in: Müller-Glöge/Preis/I. Schmidt (Hrsg.), Erfurter Kommentar zum Arbeitsrecht, 20. Aufl. 2020, § 11 AGG Rn. 2. 1915 BAG, NZA-RR 2018, 287 (289 Rn. 26); s. auch BAG, AP AGG § 15 Nr. 22 Rn. 33; BAG, NJW 2018, 1497 (1499 Rn. 27); BAG, 8 AZR 418/15 vom 15. 12. 2016, Rn. 29 (juris); vgl. LAG Düsseldorf, ZTR 2009, 271 (273); ähnlich aus dem Schrifttum Suckow, in: Schleusener/Suckow/Plum, AGG, 5. Aufl. 2019, § 11 Rn. 22; Schlachter, in: Müller-Glöge/ Preis/I. Schmidt (Hrsg.), Erfurter Kommentar zum Arbeitsrecht, 20. Aufl. 2020, § 11 AGG Rn. 2. 1916 Vgl. OLG Karlsruhe, NZA-RR 2011, 632 (634 Rn. 32), wonach bei der Stellenausschreibung andere Anforderungen als sonst gelten; gegen die Übertragbarkeit der Rspr. des BGH zu (amtlichen) Vordrucken (s. BGHZ 218, 96 ff.) Wiencke/Andelewski, ZMV 2018, 226 (228); vgl. auch Berschin, Der Sprachdienst 25 (1981), 105 (110 f.), der darauf verweist, dass „Stellenanzeigen kommunikativ als Anredesituationen aufgefaßt“ werden könnten und manche Frauen Identifikationsschwierigkeiten mit einer maskulinen Berufsbezeichnung empfänden; ähnlich Demey, Deutsche Sprache 30 (2002), 28 (32, 38), die allerdings andererseits meint, dass die Personenbezeichnungen in Stellenanzeigen „im Prinzip generisch“ verwendet würden; auf den konkreten Bezug verweisend auch Diederichsen, in: FS Gaul, 1997, S. 121 (127); Einordnung von Stellenausschreibungen als „Mischformen der generellen, aber konkreten Dinge“

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denfalls eine ausschließlich unter Verwendung des generischen Maskulinums formulierte Stellenausschreibung nicht den Anforderungen an eine geschlechtsneutrale Ausschreibung. Insofern beinhaltet § 11 AGG (zumindest mittelbar) auch sprachliche Vorgaben.1917 Er erstreckt sich dabei auf alle Teile einer Stellenausschreibung, nicht nur auf den Blickfang mit der Berufs- oder Tätigkeitsbezeichnung.1918 Schon nach der Gesetzesbegründung zur „Vorläufernorm“ § 611b BGB wurden als geschlechtsneutral nur solche Stellenangebote angesehen, die sich „in ihrer gesamten Ausdrucksweise sowohl an Frauen als auch an Männer richten“.1919 Inhaltlich war mit § 11 AGG insoweit keine Änderung bezweckt.1920 Nach Ansicht der damaligen Niedersächsischen Landesregierung richten sich nur solche Stellenangebote „in ihrer gesamten Ausdrucksweise sowohl an Frauen als auch an Männer“, die „sowohl in der Bezeichnung der zu besetzenden Position wie auch im gesamten Text keinen Zweifel daran [lassen], daß sowohl Männer als auch Frauen für die Stelle in Frage kommen“.1921 Teilweise wird zwar vertreten, dass die Verwendung des generischen Maskulinums für die Berufsbezeichnung bzw. Tätigkeitsbeschreibung in Stellenanzeigen dann unschädlich sei, wenn sich aus dem restlichen Text der Stellenanzeige mit Bezug zur Persönlichkeit bei Otto, zit. nach: Bickes/Brunner (Hrsg.), Muttersprache frauenlos? Männersprache Frauenlos? PolitikerInnen ratlos?, 1992, S. 49 (58); zur Zurückhaltung von Frauen, sich auf im generischen Maskulinum formulierte Stellenanzeigen zu bewerben, Stahlberg/F. Braun/Irmen/Sczesny, in: Fiedler (Hrsg.), Social Communication, 2007, S. 163 (178, 180); zu dieser Überlegung als Rechtfertigung des § 11 AGG G. Bachmann, NVwZ 2008, 754 (755); zu möglichen Identifikationsschwierigkeiten s. auch bereits Guentherodt, OBST 1979, Beih. 3, 120 (129). Dagegen hielt Wacke, in: FS Rebmann, 1989, S. 861 (892 f.) durch den früheren § 611b BGB Arbeitsplatzsuchende „gewissermaßen ,für dumm verkauft‘“; kritisch auch Scholl/Fischer, EWiR 2018, 365 (366), wonach die h.M. bei Stellenausschreibungen auf das individuelle subjektive Empfinden, nicht auf das objektive Sprachverständnis der Mehrheit abstelle. 1917 Vgl. G. Bachmann, NVwZ 2008, 754 (755); Wörl, Die Beweislast nach dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz, 2009, S. 162 f.; Buschmann, in: Däubler/Bertzbach (Hrsg.), AGG, 4. Aufl. 2018, § 11 Rn. 19; v. Roetteken, AGG, § 11 Rn. 145 ff. (Stand: Sept. 2019); ebenso zum früheren § 611b BGB Oldenburg, Muttersprache 108 (1998), 67 (68); s. auch aus dem Gesetzgebungsverfahren zum früheren § 611b BGB Abg. Männle, BT-PlPr. 8/225, S. 1848 f., wo auf das generische Maskulinum Bezug genommen wird; a. A. Suckow, in: Schleusener/Suckow/Plum, AGG, 5. Aufl. 2019, § 11 Rn. 34, wonach § 11 AGG „eine sachliche, nicht eine sprachliche Geschlechtsneutralität“ verlange; wie dieser auch Mohr, in: Adomeit/Mohr, AGG, 2. Aufl. 2011, § 11 Rn. 18; auch A. Stein, in: Wendeling-Schröder/ A. Stein, AGG, 2008, § 11 Rn. 14 sieht in § 11 AGG keine Grundlage, in Arbeitsplatzausschreibungen „insgesamt sprachliche Neutralität … im Hinblick auf das Geschlecht zu fordern“. 1918 Falke, in: Rust/Falke (Hrsg.), AGG, 2007, § 11 Rn. 14; Lindemann, in: Hey/Forst (Hrsg.), AGG, 2. Aufl. 2015, § 11 Rn. 13; Suckow, in: Schleusener/Suckow/Plum, AGG, 5. Aufl. 2019, § 11 Rn. 22 f.; Overkamp, in: Junker/Beckmann/Rüßmann (Hrsg.), jurisPKBGB, Bd. 2, 9. Aufl. 2020, § 11 AGG Rn. 11; vgl. v. Roetteken, AGG, § 11 Rn. 134 (Stand: Sept. 2019). 1919 BT-Drs. 8/4259, S. 9. 1920 BT-Drs. 16/1780, S. 36. 1921 Antwort der Nds. Landesregierung vom 18. 3. 1986 auf eine Kleine Anfrage der Abg. Lemmermann vom 4. 11. 1985 (LT-Drs. 10/5078), LT-Drs. 10/5758, S. 2.

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ergebe, dass alle Geschlechter für die ausgeschriebene Stelle in Betracht kommen.1922 Dafür könnte sprechen, dass die Wendung „in ihrer gesamten Ausdrucksweise“ nicht unbedingt meinen muss „in jedem ihrer Ausdrücke“, sondern auch zu verstehen sein kann als „in der Gesamtschau ihrer Ausdrucksweise“. Insofern ist aber zu berücksichtigen, dass die Berufsbezeichnung bzw. Tätigkeitsbeschreibung die zentrale Rolle in einer Stellenausschreibung spielt und oft auch optisch besonders hervorgehoben ist.1923 Daher kann trotz eindeutig geschlechtsneutraler Formulierungen im sonstigen Text der Stellenanzeige leicht der Eindruck entstehen, dass dennoch eigentlich ein Mann für die Stelle gesucht wird. Umgekehrt kann trotz eindeutig geschlechtsneutraler Berufsbezeichnung die Verwendung des generischen Maskulinums im sonstigen Text der Stellenanzeige zu einer Relativierung bei der Auslegung führen.1924 Das muss allerdings nicht bedeuten, dass nur durchgehend geschlechtergerecht formulierte Stellenanzeigen § 11 AGG genügen.1925 Eine eindeutige

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Vgl. Thüsing, Arbeitsrechtlicher Diskriminierungsschutz, 2. Aufl. 2013, Rn. 681; Thüsing, in: Säcker/Rixecker/Oetker/Limperg (Hrsg.), Münchener Kommentar zum BGB, Bd. 1, 8. Aufl. 2018, § 11 AGG Rn. 5; Suckow, in: Schleusener/Suckow/Plum, AGG, 5. Aufl. 2019, § 11 Rn. 34; noch weitgehender Overkamp, in: Junker/Beckmann/Rüßmann (Hrsg.), jurisPK-BGB, Bd. 2, 9. Aufl. 2020, § 11 AGG Rn. 14: wenn sich aus der restlichen Ausschreibung keine Hinweise auf eine unzulässige Geschlechterdifferenzierung ergäben oder es sich eindeutig um die Nutzung des Plurals handele. 1923 S. dazu Berschin, Der Sprachdienst 25 (1981), 105 (105 f.); Demey, Deutsche Sprache 30 (2002), 28 (30). 1924 Vgl. Oldenburg, Muttersprache 108 (1998), 67 (70 f.); Demey, Deutsche Sprache 30 (2002), 28 (34); Boemke/Danko, AGG im Arbeitsrecht, 2007, § 8 Rn. 9; Ohlendorf/Schreier, BB 2008, 2458 (2458); Wörl, Die Beweislast nach dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz, 2009, S. 162; B. Franke, in: Berghahn/Schultz (Hrsg.), Rechtshandbuch für Frauen- und Gleichstellungsbeauftragte (Stand: Mai 2020), Kap. 4.3.1, S. 7 f.; a. A. BAG, NJW 2018, 1497 (1500 Rn. 29); BAG, 8 AZR 418/15 vom 15. 12. 2016, Rn. 30 (juris); LAG Hamm, NZA-RR 2014, 412 (415); LAG Schleswig-Holstein, 2 Sa 217/12 vom 13. 11. 2012, Rn. 56 (juris); tendenziell auch LAG Schleswig-Holstein, 6 Sa 419/15 vom 4. 5. 2016, Rn. 75 (juris); Einstufung als „Diskriminierungsrisiko“ und damit als eine Art Grenzfall in Antidiskriminierungsstelle des Bundes (Hrsg.), Diskriminierung in Stellenanzeigen, 2018, S. 10, 16, 27. 1925 So aber Boemke/Danko, AGG im Arbeitsrecht, 2007, § 8 Rn. 9; Wörl, Die Beweislast nach dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz, 2009, S. 162, der „konsequent … geschlechtsneutrale Formulierungen“ verlangt; wohl auch Steinkühler, Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz (AGG), 2007, Rn. 178; vgl. zum früheren § 611b BGB Oldenburg, Muttersprache 108 (1998), 67 (68), wonach „durchgängig geschlechtsneutrale und/oder sowohl feminine wie maskuline Personenbezeichnungen“ erforderlich seien. Dazu, dass auch linguistisch problematische Formulierungen wie „Hotelfachfrau (Hotelfachmann/-frau)“ § 11 AGG genügen können, LAG Hamm, 11 Sa 95/08 vom 24. 4. 2008, Rn. 70 (juris); zustimmend Meinel/ Heyn/Herms, AGG, 2. Aufl. 2010, § 11 Rn. 19; s. dazu auch Greve/Iding/Schmusch, Linguistik online 11 (2002), 105 (118, 129); die Suche nach einer „Putzfrau (m/w)“ für zulässig haltend J.-H. Bauer/Krieger/Günther, Gleichbehandlungsgesetz und Entgelttransparenzgesetz, 5. Aufl. 2018, § 11 AGG Rn. 9, allerdings wegen der Gefahr der gerichtlichen Einstufung als „Feigenblatt“ dennoch hiervon abratend; dagegen indiziert nach Wörl, Die Beweislast nach dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz, 2009, S. 163 der Zusatz „(m/w)“ hinter femininen Berufsbezeichnungen eine Benachteiligung wegen des Geschlechts.

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Grenzziehung erscheint hier kaum möglich.1926 Problematisch sind insbesondere auch die Fälle, in denen innerhalb ein und derselben Stellenanzeige mehrere Stellen ausgeschrieben bzw. mehrere Berufsbezeichnungen angeführt werden, wobei jedoch sprachlich unterschiedlich verfahren wird, etwa indem möglicherweise generisch gemeinte maskuline Berufsbezeichnungen neben Beidnennungen verwendet werden.1927 Hier ist einerseits schon die Auffassung vertreten worden, aus der Kombination „exam. Altenpfleger/innen oder Krankenschwestern“ ergebe sich, dass keine geschlechtsspezifische Stellenausschreibung vorliege1928, was dann für die Kombination mit maskulinen Berufsbezeichnungen erst recht greifen könnte. Andererseits lässt sich im Wege systematischer Auslegung auch sehr gut argumentieren, dass gerade durch die Verwendung einer Splittingform an einer Stelle eine weitere Berufsbezeichnung in derselben Stellenanzeige in maskuliner Form im Umkehrschluss geschlechtsspezifisch zu verstehen ist.1929 Aus der Sicht von Arbeitgeber_innen „am sichersten“ – und aus der Bewerbungsperspektive heraus am deutlichsten – ist jedenfalls die gänzliche Vermeidung des generischen Maskulinums in Stellenanzeigen.1930 Sehr weitgehend erscheint allerdings die Forderung, auch englische Berufsbezeichnungen wie Account Manager müssten dann, wenn sie nicht in einer durchgehend englisch formulierten, sondern im Rahmen einer deutschen Stellenanzeige verwendet werden, mit einem Zusatz versehen werden, aus dem hervorgeht, dass auch Bewerbungen von Frauen erwünscht sind.1931 Für das Erfordernis der ausdrücklichen Einbeziehung auch nicht-männlicher Personen sprechen könnte die „Eindeutschung“ englischer Begriffe durch ihre Großschreibung.1932 Ob § 11 AGG die Verwendung einer Fußnote oder eines sonstigen einmaligen Hinweises in einer Stellenanzeige genügt, wonach mit der Ausschreibung alle Geschlechter (nach früherer Praxis: beide Geschlechter) angesprochen seien, wird

1926 So auch Mohr, in: Adomeit/Mohr, AGG, 2. Aufl. 2011, § 11 Rn. 18; Suckow, in: Schleusener/Suckow/Plum, AGG, 5. Aufl. 2019, § 11 Rn. 34. 1927 Demey, Deutsche Sprache 30 (2002), 28 (33) spricht hier von „schwankenden Formen“. 1928 LAG Berlin, PflegeRecht 2001, 439 (441) m. zustimmender Anm. Roßbruch (442). 1929 In diese Richtung v. Roetteken, AGG, § 11 Rn. 149 (Stand: Sept. 2019); vgl. Oldenburg, Muttersprache 108 (1998), 67 (71), wonach die selektive Verwendung des Splittings dem früheren § 611b BGB nicht genügte. 1930 So erklärt sich wohl auch, dass nach Eichhoff-Cyrus, Muttersprache 112 (2002), 324 (333) im Gegensatz zu früher die „maskuline Berufsbezeichnung in der Stellenanzeige … jetzt die Ausnahme“ darstellt. 1931 So Wörl, Die Beweislast nach dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz, 2009, S. 162 f.; a. A. offenbar Engelken, Elegant gendern in der Ansprache: Nur mitmeinen reicht nicht, Legal Tribune Online vom 20. 10. 2016, https://www.lto.de/recht/job-karriere/j/sprache-an sprache-elegant-gendern-kanzleien-employer-branding/ (abgerufen am 2. 6. 2020); Antidiskriminierungsstelle des Bundes (Hrsg.), Diskriminierung in Stellenanzeigen, 2018, S. 24. 1932 Vgl. bzgl. der Anhängung des Suffixes -in nach der Aufführung eines Begriffes im „Duden“ differenzierend Die Gleichstellungsbeauftragte der Universität zu Köln (Hrsg.), ÜberzeuGENDERe Sprache, 6. Aufl. 2020, S. 26; zur Rolle des „Duden“ s. unter Fn. 30.

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uneinheitlich beurteilt.1933 Dafür spricht, dass ein solcher Hinweis keine Auslegungszweifel lässt; dagegen indes die naheliegende Möglichkeit der Interpretation als „Alibizusatz“. Fraglich ist, ob sich § 11 AGG nur an Arbeitgeber_innen oder auch an Dritte1934 richtet, die Arbeitsplatzausschreibungen formulieren. Durch seine passivische Formulierung benennt § 11 AGG selbst keinen Adressatenkreis der Norm und ist insofern offen.1935 Aus der systematischen Einordnung in den Unterabschnitt 2 des Abschnitts 2 des AGG „Organisationspflichten des Arbeitgebers“ ergibt sich jedoch, dass es um eine Organisationspflicht1936 des „Arbeitgebers“ geht.1937 Schalten Arbeitgeber_innen Dritte1938 bei der Ausschreibung von Arbeitsplätzen ein, haben sie nach der Rechtsprechung darauf zu achten, dass die Arbeitsplatzausschreibung dennoch § 11 AGG entspricht; selbst bei der Ausschreibung von Arbeitsplätzen über die Agentur für Arbeit.1939 1933 Dafür Biester, jurisPR-ArbR 37/2006 Anm. 6; Mohr, in: Adomeit/Mohr, AGG, 2. Aufl. 2011, § 11 Rn. 16; Overkamp, in: Junker/Beckmann/Rüßmann (Hrsg.), jurisPK-BGB, Bd. 2, 9. Aufl. 2020, § 11 AGG Rn. 14; ebenso Suckow, in: Schleusener/Suckow/Plum, AGG, 5. Aufl. 2019, § 11 Rn. 31 mit dem Zusatz, dieser Hinweis wirke „sprachlich zuweilen linkisch“; dafür wohl auch Fuhlrott, NZA-RR 2018, 287 (295); dagegen v. Roetteken, AGG, § 11 Rn. 148 (Stand: Sept. 2019). 1934 Von einem breiten Adressatenkreis des § 11 AGG ausgehend Thüsing, Arbeitsrechtlicher Diskriminierungsschutz, 2. Aufl. 2013, Rn. 685; v. Roetteken, AGG, § 11 Rn. 36 ff. (Stand: Sept. 2019); Schlachter, in: Müller-Glöge/Preis/I. Schmidt (Hrsg.), Erfurter Kommentar zum Arbeitsrecht, 20. Aufl. 2020, § 11 AGG Rn. 1; tendenziell auch Diller, NZA 2007, 649 (649); unklar M. Schmidt, in: Schiek (Hrsg.), AGG, 2007, § 11 Rn. 4, wonach „primärer Adressat … der Arbeitgeber“ sei [im Orig. mit Hervorhebung]; diese Formulierung verwendend bezogen auf den früheren § 611b BGB allerdings auch BAGE 109, 265 (275). 1935 Vgl. Diller, NZA 2007, 649 (649); v. Roetteken, AGG, § 11 Rn. 36 (Stand: Sept. 2019); Horcher, in: Bamberger/Roth/Hau/Poseck (Hrsg.), BeckOK BGB, Stand: Febr. 2020, § 11 AGG Rn. 4: Schlachter, in: Müller-Glöge/Preis/I. Schmidt (Hrsg.), Erfurter Kommentar zum Arbeitsrecht, 20. Aufl. 2020, § 11 AGG Rn. 1. 1936 Lediglich von einer Obliegenheit sprechend Wiencke/Andelewski, ZMV 2018, 226 (226); dagegen spricht indes die Möglichkeit der Inpflichtnahme (auf Unterlassung) durch einen Betriebsrat gem. § 17 Abs. 2 AGG, s. dazu BAGE 131, 342 ff.; BAG, NZA 2014, 489 (492 Rn. 42). 1937 A. Stein, in: Wendeling-Schröder/A. Stein, AGG, 2008, § 11 Rn. 5; Lindemann, in: Hey/ Forst (Hrsg.), AGG, 2. Aufl. 2015, § 11 Rn. 7; J.-H. Bauer/Krieger/Günther, Gleichbehandlungsgesetz und Entgelttransparenzgesetz, 5. Aufl. 2018, § 11 AGG Rn. 7; Buschmann, in: Däubler/Bertzbach (Hrsg.), AGG, 4. Aufl. 2018, § 11 Rn. 3; Serr, in: Staudinger, AGG, Neubearb. 2018, § 11 Rn. 8; Suckow, in: Schleusener/Suckow/Plum, AGG, 5. Aufl. 2019, § 11 Rn. 8; Benecke, in: Looschelders (Hrsg.), BeckOGK AGG, § 11 Rn. 11 (Stand: Febr. 2020); Overkamp, in: Junker/Beckmann/Rüßmann (Hrsg.), jurisPK-BGB, Bd. 2, 9. Aufl. 2020, § 11 AGG Rn. 2; a. A. v. Roetteken, AGG, § 11 Rn. 37 (Stand: Sept. 2019). 1938 Bsp. bei Diller, NZA 2007, 649 (649): Werbeagentur, Unternehmensberatung, Personalberatung (Headhunter), Anwaltskanzlei, Zeitungsverlag mit Chiffre-Anzeigen. 1939 Vgl. zum früheren § 611b BGB BVerfGK 9, 218 (222 ff.); BAGE 109, 265 (274 ff.); zustimmend bezogen auf § 11 AGG LAG Hamm, 11 Sa 95/08 vom 24. 4. 2008, Rn. 70 (juris); OLG Karlsruhe, NZA-RR 2011, 632 (634 Rn. 34); Zustimmung im Schrifttum etwa bei Falke,

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Nach überwiegender Auffassung ist § 11 AGG nicht als individualschützend anzusehen und stellt kein Schutzgesetz i. S. v. § 823 Abs. 2 BGB dar.1940 § 11 AGG ist neben § 6 Abs. 1 Satz 1 – 3 BGleiG anwendbar1941, wobei die Vorgaben des BGleiG jedoch weiter gehen, indem sie anders als § 11 AGG explizit positive Anforderungen stellen.1942 b) § 19 Abs. 1 AGG Nach § 19 Abs. 1 AGG ist bei der Begründung, Durchführung und Beendigung zivilrechtlicher Schuldverhältnisse, die „typischerweise ohne Ansehen der Person zu vergleichbaren Bedingungen in einer Vielzahl von Fällen zustande kommen (Massengeschäfte) oder bei denen das Ansehen der Person nach der Art des Schuldverhältnisses eine nachrangige Bedeutung hat und die zu vergleichbaren Bedingungen in einer Vielzahl von Fällen zustande kommen“ (Nr. 1) wie auch bei solchen, die eine privatrechtliche Versicherung zum Gegenstand haben (Nr. 2), eine Benachteiligung (u. a.) wegen des Geschlechts unzulässig. Eine unmittelbare Benachteiligung liegt dabei gem. § 3 Abs. 1 Satz 1 AGG vor, wenn eine Person wegen eines in § 1 AGG in: Rust/Falke (Hrsg.), AGG, 2007, § 11 Rn. 24; Steinkühler, Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz (AGG), 2007, Rn. 171; J.-H. Bauer/Krieger/Günther, Gleichbehandlungsgesetz und Entgelttransparenzgesetz, 5. Aufl. 2018, § 11 AGG Rn. 7; Bertzbach, jurisPR-ArbR 38/ 2008 Anm. 3; Benecke, in: Looschelders (Hrsg.), BeckOGK AGG, § 11 Rn. 12 f. (Stand: Febr. 2020); Horcher, in: Bamberger/Roth/Hau/Poseck (Hrsg.), BeckOK BGB, Stand: Febr. 2020, § 11 AGG Rn. 4; dogmatisch abweichend A. Stein, in: Wendeling-Schröder/A. Stein, AGG, 2008, § 11 Rn. 6 f.; Meinel/Heyn/Herms, AGG, 2. Aufl. 2010, § 11 Rn. 11; kritisch Adomeit/ Mohr, NJW 2007, 2522 ff.; Mohr, in: Adomeit/Mohr, AGG, 2. Aufl. 2011, § 11 Rn. 33 f.; Thüsing, Arbeitsrechtlicher Diskriminierungsschutz, 2. Aufl. 2013, Rn. 685; Thüsing, in: Säcker/Rixecker/Oetker/Limperg (Hrsg.), Münchener Kommentar zum BGB, Bd. 1, 8. Aufl. 2018, § 11 AGG Rn. 9. 1940 Diller, NZA 2007, 649 (650); A. Stein, in: Wendeling-Schröder/A. Stein, AGG, 2008, § 11 Rn. 27; Meinel/Heyn/Herms, AGG, 2. Aufl. 2010, § 11 Rn. 10; Suckow, in: Schleusener/ Suckow/Plum, AGG, 5. Aufl. 2019, § 11 Rn. 56; Overkamp, in: Junker/Beckmann/Rüßmann (Hrsg.), jurisPK-BGB, Bd. 2, 9. Aufl. 2020, § 11 AGG Rn. 24; Ablehnung des Schutzgesetzcharakters auch bei M. Schmidt, in: Schiek (Hrsg.), AGG, 2007, § 11 Rn. 8; Serr, in: Staudinger, AGG, Neubearb. 2018, § 11 AGG Rn. 15; Benecke, in: Looschelders (Hrsg.), BeckOGK AGG, § 11 Rn. 31 (Stand: Febr. 2020); Schlachter, in: Müller-Glöge/Preis/I. Schmidt (Hrsg.), Erfurter Kommentar zum Arbeitsrecht, 20. Aufl. 2020, § 11 AGG Rn. 3; a. A. wohl v. Roetteken, BGleiG, § 6 BGleiG 2015 Rn. 24 ff., 44 (Stand: Juni 2018); s. auch v. Roetteken, AGG, § 11 Rn. 120 f. (Stand: Sept. 2019); offengelassen von BAGE 142, 143 (155 Rn. 48). 1941 So auch Suckow, in: Schleusener/Suckow/Plum, AGG, 5. Aufl. 2019, § 11 Rn. 28; wohl auch v. Roetteken, AGG, § 11 Rn. 58, 60 (Stand: Sept. 2019); für § 6 Abs. 1 BGleiG als lex specialis gegenüber § 11 AGG Mohr, in: Adomeit/Mohr, AGG, 2. Aufl. 2011, § 11 Rn. 16; Belling/Riesenhuber, in: Erman, BGB, Bd. I, 15. Aufl. 2017, § 11 AGG Rn. 1; vgl. ebenfalls in Richtung lex specialis zu § 6 Abs. 1 BGleiG a. F. Schultz/Rudek, BGleiG, 2012, § 6 Rn. 2; ähnlich wie diese auch B. Franke, in: Berghahn/Schultz (Hrsg.), Rechtshandbuch für Frauenund Gleichstellungsbeauftragte (Stand: Mai 2020), Kap. 4.3.1, S. 12, der § 6 Abs. 1 Satz 1 BGleiG als Konkretisierung von § 11 AGG für das Merkmal Geschlecht im Anwendungsbereich des BGleiG ansieht; vgl. dazu unter Dritter Teil, D. I. 1. b). 1942 v. Roetteken, BGleiG, § 6 BGleiG 2015 Rn. 16, 50 (Stand: Juni 2018).

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3. Teil: Rechtlicher Rahmen für die Verwendung geschlechtergerechter Sprache

genannten Grundes eine weniger günstige Behandlung erfährt, als sie eine andere Person in einer vergleichbaren Situation erfährt, erfahren hat oder erfahren würde; eine mittelbare Benachteiligung liegt gem. § 3 Abs. 2 AGG vor, wenn dem Anschein nach neutrale Vorschriften, Kriterien oder Verfahren Personen wegen eines in § 1 AGG genannten Grundes gegenüber anderen Personen in besonderer Weise benachteiligen können, es sei denn, die betreffenden Vorschriften, Kriterien oder Verfahren sind durch ein rechtmäßiges Ziel sachlich gerechtfertigt und die Mittel sind zur Erreichung dieses Ziels angemessen und erforderlich. Die Rechtsfolgen im Falle eines Verstoßes gegen § 19 Abs. 1 AGG regelt § 21 AGG.1943 Danach können sich Ansprüche auf Beseitigung, Unterlassung, Schadensersatz und Entschädigung ergeben. Der Bundesgerichtshof hat in seinem Urteil zur Verwendung des generischen Maskulinums in Sparkassenformularen und -vordrucken1944 insbesondere auch eine unzulässige Benachteiligung der Klägerin i. S. v. § 19 Abs. 1 AGG verneint.1945 Dabei hat der BGH offengelassen, ob und ggf. welche Bankgeschäfte in den Anwendungsbereich des § 19 Abs. 1 AGG fallen1946, weil er bereits das Vorliegen einer weniger günstigen Behandlung i. S. d. § 3 Abs. 1 Satz 1 AGG verneint und auch keine mittelbare Benachteiligung i. S. d. § 3 Abs. 2 AGG angenommen hat.1947 Der Kernpunkt der Argumentation des BGH ist der, dass grammatisch männliche Personenbezeichnungen nach dem allgemeinen Sprachgebrauch und Sprachverständnis auch Personen erfassen könnten, „deren natürliches Geschlecht nicht männlich ist“.1948 Dafür sei gerade auch der Sprachgebrauch des Gesetzgebers „prägend wie kennzeichnend“.1949 Daher stelle die Verwendung von Personenbezeichnungen im Sinne des generischen Maskulinums keine Benachteiligung dar. Insbesondere bringe dies auch keine Geringschätzung gegenüber nicht-männlichen Personen zum Ausdruck.1950

1943 S. nur J.-H. Bauer/Krieger/Günther, Gleichbehandlungsgesetz und Entgelttransparenzgesetz, 5. Aufl. 2018, § 19 AGG Rn. 1; B. Franke/Schlichtmann, in: Däubler/Bertzbach (Hrsg.), AGG, 4. Aufl. 2018, § 19 Rn. 3; Groß, in: Looschelders (Hrsg.), BeckOGK AGG, § 19 Rn. 17 (Stand: Sept. 2019). 1944 S. dazu BVerfG, 1 BvR 1074/18 vom 26. 5. 2020 und näher unter Erster Teil, D. 1945 BGHZ 218, 96 (104 ff. Rn. 29 ff.). 1946 Dazu Grünberger, JZ 2018, 719 (726) m. w. N.; A. Maier, VuR 2018, 342 (344); offengelassen für Giroverträge auch in BGH, NJW 2013, 1519 (1520 Rn. 23); für Giroverträge die Anwendbarkeit von § 19 AGG verneinend J.-H. Bauer/Krieger/Günther, Gleichbehandlungsgesetz und Entgelttransparenzgesetz, 5. Aufl. 2018, § 19 AGG Rn. 9. 1947 BGHZ 218, 96 (104 ff. Rn. 30 ff., 40 f.). 1948 BGHZ 218, 96 (105 Rn. 35). 1949 BGHZ 218, 96 (106 f. Rn. 38); kritisch gerade hierzu Berghahn, in: Berghahn/Schultz (Hrsg.), Rechtshandbuch für Frauen- und Gleichstellungsbeauftragte (Stand: Mai 2018), Kap. 2.4.1, S. 4 f.; Spangenberg, KJ 51 (2018), 345 (350 ff.), die in dem Abstellen auf die Gesetzessprache „einen in sich (mittelbar) diskriminierenden Maßstab“ sieht. 1950 BGHZ 218, 96 (108 Rn. 40).

D. Einfach- und untergesetzliche nationale Maßgaben

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Das Urteil das BGH ist teilweise auf Zustimmung gestoßen, teilweise aber auch gerade unter AGG-rechtlichen Aspekten kritisiert worden.1951 Gegen die Argumentation des BGH ist einzuwenden, dass sie zu kurz greift. Der BGH hat ausschließlich darauf abgestellt, wie Personenbezeichnungen zu verstehen sind, d. h. auf die Frage der Auslegung, und eine Benachteiligung unter dem Aspekt der mentalen Repräsentation von Frauen1952 überhaupt nicht in Betracht gezogen.1953 Damit hat er die dazu vorliegenden psycholinguistischen und kognitionspsychologischen Erkenntnisse1954 völlig unzureichend gewürdigt.1955 Die Verwendung des generischen Maskulinums in Vordrucken und Formularen im Rahmen eines § 19 Abs. 1 AGG unterfallenden Vertragsverhältnisses könnte eine unmittelbare Benachteiligung i. S. v. § 3 Abs. 1 Satz 1 AGG oder aber eine mittelbare Benachteiligung i. S. v. § 3 Abs. 2 AGG darstellen.1956 Eine Belästigung i. S. d. § 3 Abs. 3 AGG ist dagegen nach vorzugswürdiger Ansicht insofern nicht gegeben, weil 1951 Kritisch G. Bachmann, NJW 2018, 1648 ff.; Berghahn, in: Berghahn/Schultz (Hrsg.), Rechtshandbuch für Frauen- und Gleichstellungsbeauftragte (Stand: Mai 2018), Kap. 2.4.1, S. 1 ff.; Grünberger, JZ 2018, 719 ff.; A. Maier, VuR 2018, 342 (343 f.); Spangenberg, KJ 51 (2018), 345 (350 ff.); v. Roetteken, GiP 3/2019, 23 (29 Fn. 40); zurückhaltender Jacobs, RdA 2018, 263 (269); Omlor, JuS 2018, 575 (576); dem Urteil zustimmend Scholl/Fischer, EWiR 2018, 365 (366); Schulteis, GWR 2018, 199; mit Einschränkungen auch Buck-Heeb, WuB 2018, 325 (325), die das Urteil zwar für „formal korrekt“ hält, es bleibe aber ein „Nachgeschmack“; dem BGH in Bezug auf § 19 AGG folgend Wendtland, in: Bamberger/Roth/Hau/ Poseck (Hrsg.), BeckOK BGB, Stand: Febr. 2020, § 19 AGG Rn. 38. 1952 S. dazu unter Dritter Teil, B. I. 2. b) bb) (1). 1953 Ebenfalls kritisch in diese Richtung G. Bachmann, NJW 2018, 1648 (1648 f.), der allerdings auf die individualbezogene Konstruktion des AGG verweist; Berghahn, in: Berghahn/Schultz (Hrsg.), Rechtshandbuch für Frauen- und Gleichstellungsbeauftragte (Stand: Mai 2018), Kap. 2.4.1, S. 3 f., 10 f.; Grünberger, JZ 2018, 719 (722 f.); Jacobs, RdA 2018, 263 (269); A. Maier, VuR 2018, 342 (343); Spangenberg, KJ 51 (2018), 345 (350 ff.); vgl. bezogen auf Art. 3 Abs. 2 Satz 2 GG Mangold, VerfBlog vom 13. 3. 2018; kritisch zur Verkürzung der Diskussion um geschlechtergerechte Sprache bereits vor dem Urteil des BGH Sacksofsky, Merkur 795 (2015), 39 (46). 1954 S. dazu unter Erster Teil, E. 1955 Vgl. Berghahn, in: Berghahn/Schultz (Hrsg.), Rechtshandbuch für Frauen- und Gleichstellungsbeauftragte (Stand: Mai 2018), Kap. 2.4.1, S. 3, 6; Grünberger, JZ 2018, 719 (722 f.); Müller-Spitzer, VerfBlog vom 21. 5. 2018; Spangenberg, KJ 51 (2018), 345 (347 f., 352 f.); nur ansatzweise ist der BGH darauf eingegangen, dass grammatisch maskuline Personenbezeichnungen „als benachteiligend kritisiert und teilweise nicht mehr so selbstverständlich als verallgemeinernd empfunden werden“, s. BGHZ 218, 96 (106 Rn. 37). 1956 Eine mittelbare Benachteiligung durch die Verwendung des generischen Maskulinums (nach Ablehnung einer unmittelbaren Benachteiligung) zumindest für eine dem Landesgleichstellungsgesetz unterliegende Sparkasse bejahend Grünberger, JZ 2018, 719 (724 f.); in diese Richtung auch Spangenberg, KJ 51 (2018), 345 (352 f.); eine unmittelbare Benachteiligung annehmend G. Bachmann, NJW 2018, 1648 (1649), der gegen eine mittelbare Benachteiligung anführt, es müsse eine individuelle Benachteiligung „in besonderer Weise“ gegeben sein, die er verneint; sowohl eine unmittelbare als auch eine mittelbare Benachteiligung als auch eine Belästigung i. S. v. § 3 Abs. 3 AGG erwägend Berghahn, in: Berghahn/Schultz (Hrsg.), Rechtshandbuch für Frauen- und Gleichstellungsbeauftragte (Stand: Mai 2018), Kap. 2.4.1, S. 10 f.

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3. Teil: Rechtlicher Rahmen für die Verwendung geschlechtergerechter Sprache

die Verwendung des generischen Maskulinums nicht als Verletzung der Menschenwürde i. S. d. Art. 1 Abs. 1 GG anzusehen ist.1957 Die Einstufung einer Belästigung als Benachteiligung i. S. d. § 19 Abs. 1 AGG1958 setzt aber gem. § 3 Abs. 3 AGG voraus, dass „unerwünschte Verhaltensweisen, die mit einem in § 1 [AGG] genannten Grund in Zusammenhang stehen, bezwecken oder bewirken, dass die Würde der betreffenden Person verletzt und ein von Einschüchterungen, Anfeindungen, Erniedrigungen, Entwürdigungen oder Beleidigungen gekennzeichnetes Umfeld geschaffen wird“. Fraglich ist daher, ob durch die Verwendung des generischen Maskulinums Frauen bzw. nicht-männliche Personen i. S. d. § 3 Abs. 1 Satz 1 AGG wegen des Geschlechts als in § 1 AGG genannter Grund eine weniger günstige Behandlung erfahren, als sie männliche Personen in einer vergleichbaren Situation erfahren. Das Kriterium der „weniger günstigen Behandlung“ ist im AGG nicht näher definiert und lässt es daher zu, auch den Umstand als weniger günstige Behandlung einzustufen, dass Frauen beim generischen Maskulinum lediglich „mitgemeint“ sind und bei der Rezeption von entsprechend formulierten Texten gedanklich unterrepräsentiert sind1959.1960 Dadurch können sich Frauen durch die Texte auch weniger angesprochen fühlen als Männer. Gegen eine Subsumtion unter § 3 Abs. 1 Satz 1 AGG wird allerdings vorgebracht, dass es an dem erforderlichen Zurechnungszusammenhang fehle, weil eine Fehlinterpretation einer generisch gemeinten und so auch auslegbaren Personenbezeichnung der verwendenden Person nicht zugerechnet werden könne.1961 Dem lässt sich entgegenhalten, dass § 3 Abs. 1 Satz 1 AGG keine diskriminierende Absicht verlangt, sondern dass allein auf die benachteiligende Wirkung abzustellen ist.1962 1957

S. dazu unter Dritter Teil, B. II.; so wohl tendenziell auch Berghahn, in: Berghahn/ Schultz (Hrsg.), Rechtshandbuch für Frauen- und Gleichstellungsbeauftragte (Stand: Mai 2018), Kap. 2.4.1, S. 11, wonach hier „die Schwelle der Erheblichkeit als unterschritten angesehen“ werden könne. 1958 Dazu, dass § 19 Abs. 1 AGG mit dem Begriff der Benachteiligung auf § 3 AGG Bezug nimmt, Groß, in: Looschelders (Hrsg.), BeckOGK AGG, § 19 Rn. 20 (Stand: Sept. 2019). 1959 S. dazu unter Dritter Teil, B. I. 2. b) bb) (1). 1960 Vgl. G. Bachmann, NJW 2018, 1648 (1648 f.), der allerdings eine (ungeschriebene) Bagatellgrenze erwägt; Berghahn, in: Berghahn/Schultz (Hrsg.), Rechtshandbuch für Frauenund Gleichstellungsbeauftragte (Stand: Mai 2018), Kap. 2.4.1, S. 3 f., 10; Janisch, Urteil zu Gender-Sprache. Der BGH verpasst eine Chance auf Fortschritt, Süddeutsche Zeitung Online vom 13. 3. 2018, https://www.sueddeutsche.de/panorama/bgh-gender-urteil-meinung-1.3904097 (abgerufen am 2. 6. 2020); in ähnliche Richtung auch A. Maier, VuR 2018, 342 (343). 1961 So Grünberger, JZ 2018, 719 (724), der argumentiert, das generische Maskulinum könne auch generisch verwendet werden und behandle dann nicht wegen des Geschlechts ungleich. Dabei werden jedoch Fragen der Auslegung und der (kontextabhängig unterschiedlich intensiven) Auswirkungen von Formulierungen im generischen Maskulinum vermischt. Diese werden ihrer Intention nach regelmäßig generisch verwendet. 1962 Vgl. LAG Rheinland-Pfalz, 3 Sa 487/16 vom 27. 3. 2017, Rn. 44, 53 (juris); Grünberger, JZ 2018, 719 (725); Spangenberg, KJ 51 (2018), 345 (352); Baumgärtner, in: Looschelders (Hrsg.), BeckOGK AGG, § 3 Rn. 47 ff. (Stand: März 2020).

D. Einfach- und untergesetzliche nationale Maßgaben

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Sofern man eine unmittelbare Benachteiligung ablehnt, stellt sich die Frage nach dem Vorliegen einer mittelbaren Benachteiligung. Dies setzt nach § 3 Abs. 2 AGG voraus, dass „dem Anschein nach neutrale Vorschriften, Kriterien oder Verfahren Personen wegen eines in § 1 [AGG] genannten Grundes gegenüber anderen Personen in besonderer Weise benachteiligen können“; ist jedoch ausgeschlossen, wenn „die betreffenden Vorschriften, Kriterien oder Verfahren … durch ein rechtmäßiges Ziel sachlich gerechtfertigt und die Mittel … zur Erreichung dieses Ziels angemessen und erforderlich“ sind (s. o.). Das generische Maskulinum lässt sich als ein solches dem Anschein nach neutrales Verfahren einordnen.1963 Es kann auch nicht-männliche Personen in besonderer Weise gegenüber männlichen Personen benachteiligen, weil nur Letztere stets sicher sein können, gemeint zu sein, und auch nur sie sich unproblematisch mit dieser Bezeichnung identifizieren können.1964 Damit kommt es, sofern man entgegen hier vertretener Ansicht eine unmittelbare Benachteiligung verneint, entscheidend auf die § 3 Abs. 2 AGG bereits immanente1965 Prüfung möglicher Rechtfertigungsgründe an.1966 Bei Annahme einer unmittelbaren Benachteiligung wegen des Geschlechts erfolgt die Prüfung einer möglichen Rechtfertigung dagegen erst auf der nächsten Stufe und richtet sich nach § 20 Abs. 1 AGG.1967 Gem. § 20 Abs. 1 Satz 1 AGG ist eine Verletzung des Benachteiligungsverbots nicht gegeben, wenn für eine unterschiedliche Behandlung wegen des Geschlechts ein sachlicher Grund vorliegt. Das kann gem. § 20 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 AGG insbesondere der Fall sein, wenn die unterschiedliche Behandlung der Vermeidung von Gefahren, der Verhütung von Schäden oder anderen Zwecken vergleichbarer Art dient. Hier könnte insbesondere das Ziel der Textverständlichkeit zugunsten der Verwendung des generischen Maskulinums angeführt werden.1968 Als spezialgesetzliche Ausprägung ist insofern das Transparenzgebot des § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB zu sehen, wonach Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen, die nicht klar und verständlich formuliert sind, eine unangemessene Benachteiligung darstellen und aus diesem 1963

So auch Berghahn, in: Berghahn/Schultz (Hrsg.), Rechtshandbuch für Frauen- und Gleichstellungsbeauftragte (Stand: Mai 2018), Kap. 2.4.1, S. 11; Grünberger, JZ 2018, 719 (725); in diese Richtung auch G. Bachmann, NJW 2018, 1648 (1649). 1964 A.A. G. Bachmann, NJW 2018, 1648 (1649) unter der Annahme, es müsse eine individuelle Benachteiligung in besonderer Weise gegeben sein; dem widersprechend Grünberger, JZ 2018, 719 (725); offengelassen von Berghahn, in: Berghahn/Schultz (Hrsg.), Rechtshandbuch für Frauen- und Gleichstellungsbeauftragte (Stand: Mai 2018), Kap. 2.4.1, S. 11. 1965 BR-Drs. 329/06, S. 36, 46; BT-Drs. 16/1780, S. 35, 43; s. auch G. Bachmann, NJW 2018, 1648 (1649 Fn. 15); Groß, in: Looschelders (Hrsg.), BeckOGK AGG, § 20 Rn. 5 (Stand: Sept. 2019); v. Roetteken, AGG, § 11 Rn. 182 (Stand: Sept. 2019). 1966 So auch Grünberger, JZ 2018, 719 (725 f.). 1967 G. Bachmann, NJW 2018, 1648 (1649 Fn. 15); vgl. Groß, in: Looschelders (Hrsg.), BeckOGK AGG, § 19 Rn. 16 (Stand: Sept. 2019). 1968 LG Saarbrücken, 1 S 4/16 vom 10. 3. 2017, Rn. 42 (juris); G. Bachmann, NJW 2018, 1648 (1651); Grünberger, JZ 2018, 719 (725 f.); A. Maier, VuR 2018, 342 (343); Scholl/Fischer, EWiR 2018, 365 (366).

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3. Teil: Rechtlicher Rahmen für die Verwendung geschlechtergerechter Sprache

Grund unwirksam sein können.1969 Daneben werden auch die Ästhetik von Texten1970, der mit einer Textüberarbeitung verbundene Arbeits- und Kostenaufwand1971, Haftungsrisiken im Falle der Änderung von Formularen, die von Dritten bezogen wurden1972, sowie die „Freiheit des Sprechens“1973 als Rechtfertigungsargumente in Betracht gezogen. Teilweise wird mit Blick auf die Verständlichkeit eine Differenzierung zwischen einfachen und komplexeren Texten erwogen.1974 Verwendet allerdings eine Vertragspartei gegenüber einer anderen mehrere Formulare oder Vordrucke und weisen davon einzelne z. B. Personenbezeichnungen in Paarform, andere dagegen solche im generischen Maskulinum auf, wirft dies leicht die Frage auf, ob hier Unterschiedliches gemeint ist.1975 Insofern erscheint dies nicht als geeignete Kompromisslösung. Letztendlich ist es hier so schwierig, eine sachgerechte Abwägungsentscheidung1976 zu treffen, dass es im Interesse der Rechtssicherheit vorzugswürdig wäre, wenn der Gesetzgeber diese Frage eindeutig regeln würde.1977 Zu beachten ist, dass es in dem vom BGH entschiedenen Fall um eine Sparkasse und mithin um eine Anstalt des öffentlichen Rechts ging, die als solche grundrechtsgebunden ist (Art. 1 Abs. 3 GG)1978 und zudem § 28 Satz 1 LGG Saarland1979

1969 Vgl. G. Bachmann, NVwZ 2008, 754 (755); G. Bachmann, NJW 2018, 1648 (1651); Grünberger, JZ 2018, 719 (726); in diese Richtung auch AG Saarbrücken, 36 C 300/15 (12) vom 12. 2. 2016, Rn. 32 (juris). 1970 G. Bachmann, NJW 2018, 1648 (1651); Grünberger, JZ 2018, 719 (725): „vielleicht“. 1971 LG Saarbrücken, 1 S 4/16 vom 10. 3. 2017, Rn. 42 (juris); AG Saarbrücken, 36 C 300/15 (12) vom 12. 2. 2016, Rn. 32 (juris); A. Maier, VuR 2018, 342 (343); im Ergebnis ablehnend G. Bachmann, NJW 2018, 1648 (1650); Grünberger, JZ 2018, 719 (725 f.). 1972 AG Saarbrücken, 36 C 300/15 (12) vom 12. 2. 2016, Rn. 32 (juris); offengelassen von LG Saarbrücken, 1 S 4/16 vom 10. 3. 2017, Rn. 42 (juris). 1973 Grünberger, JZ 2018, 719 (725 f.); s. dazu einleitend unter Dritter Teil, B. I. 4. b) dd). 1974 G. Bachmann, NJW 2018, 1648 (1651); zweifelnd Grünberger, JZ 2018, 719 (726). 1975 Vgl. G. Bachmann, NVwZ 2008, 754 (755), der für Allgemeine Geschäftsbedingungen auf die Unklarheitenregel des § 305c Abs. 2 BGB verweist, wonach Zweifel bei der Auslegung zu Lasten des Verwenders gehen. 1976 Dazu, dass das Bestehen eines sachlichen Grundes i. S. v. § 20 Abs. 1 AGG im Wege einer wertenden Betrachtung und unter Berücksichtigung von Verhältnismäßigkeitserwägungen festzustellen ist, G. Bachmann, NJW 2018, 1648 (1651); Groß, in: Looschelders (Hrsg.), BeckOGK AGG, § 20 Rn. 20, 23 (Stand: Sept. 2019); s. auch BT-Drs. 16/1780, S. 43. 1977 So auch G. Bachmann, NJW 2018, 1648 (1651). 1978 Vgl. BGHZ 154, 146 (149 f.); Mangold, VerfBlog vom 13. 3. 2018. 1979 § 28 Satz 1 LGG Saarland lautet: „Die Dienststellen haben beim Erlaß von Rechtsvorschriften, bei der Gestaltung von Vordrucken, in amtlichen Schreiben, in der Öffentlichkeitsarbeit, im Marketing und bei der Stellenausschreibung dem Grundsatz der Gleichberechtigung von Frauen und Männern dadurch Rechnung zu tragen, daß geschlechtsneutrale Bezeichnungen gewählt werden, hilfsweise die weibliche und die männliche Form verwendet wird.“

D. Einfach- und untergesetzliche nationale Maßgaben

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unterlag1980. Dies kann bei der Prüfung der Rechtfertigung einer Benachteiligung i. S. d. § 19 Abs. 1 AGG – hier durch die Verwendung des generischen Maskulinums – eine Rolle spielen. Während rein private Vertragsparteien zur Rechtfertigung insbesondere die Verständlichkeit von Texten anführen können, kann dies bei den landesrechtlichen Gleichstellungsgesetzen unterliegenden Vertragsparteien nach der gesetzlichen Wertung ausgeschlossen sein.1981 Für § 19 Abs. 1 AGG ist aber auch die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zum „dritten Geschlecht“1982 von Relevanz. Auch hier ist nunmehr darauf abzustellen, dass niemand – gleich welchen Geschlechts, also auch nicht Personen, die sich weder dem männlichen noch dem weiblichen Geschlecht zuordnen (lassen) – wegen seines Geschlechts bei der Begründung, Durchführung und Beendigung der von § 19 Abs. 1 AGG erfassten zivilrechtlichen Schuldverhältnisse benachteiligt werden darf.1983 Der geschlechtsneutrale Wortlaut des § 19 Abs. 1 AGG gibt dies unproblematisch her.1984 Daraus kann sich ein sprachlicher Anpassungsbedarf etwa für Formulare und automatisierte Anschreiben ergeben, weil diese so gestaltet sein müssen, dass sie auch Personen mit einem Geschlecht jenseits der Kategorien männlich und weiblich erfassen.1985 4. Gemeinsame Geschäftsordnung der Bundesministerien (GGO) In die Gemeinsame Geschäftsordnung der Bundesministerien (GGO) wurden bereits mit Wirkung vom 1. September 2000 an Regelungen zu geschlechterge-

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Dies zu Recht betonend Berghahn, in: Berghahn/Schultz (Hrsg.), Rechtshandbuch für Frauen- und Gleichstellungsbeauftragte (Stand: Mai 2018), Kap. 2.4.1, S. 2, 8; Grünberger, JZ 2018, 719 (721 f., 725); A. Maier, VuR 2018, 342 (342 f.). 1981 So überzeugend G. Bachmann, NJW 2018, 1648 (1649 ff.); Grünberger, JZ 2018, 719 (725). 1982 BVerfGE 147, 1 ff.; s. dazu näher unter Erster Teil, B. I. 1983 Vgl. Berghahn, in: Berghahn/Schultz (Hrsg.), Rechtshandbuch für Frauen- und Gleichstellungsbeauftragte (Stand: Mai 2018), Kap. 2.4.1, S. 3; Scholl/Fischer, EWiR 2018, 365 (366); Wendtland, in: Bamberger/Roth/Hau/Poseck (Hrsg.), BeckOK BGB, Stand: Febr. 2020, § 19 AGG Rn. 38; vgl. auch den Verweis des BGH auf den Beschluss des BVerfG zum „dritten Geschlecht“, BGHZ 218, 96 (103 Rn. 25). Für die im AGG speziell geregelten Arbeitsverhältnisse ist ebenfalls – auch über die Frage der Stellenausschreibung (dazu unter Dritter Teil, D. I. 3. a]) hinaus – von Auswirkungen auszugehen, z. B. bei der Frage nach der Ansprache der Belegschaft, dazu Schiefer, PuR 2018, 223 (223). 1984 Vgl. Althoff/Schabram/Follmar-Otto, Geschlechtervielfalt im Recht, hrsg. vom Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, 2017, S. 35; v. Roetteken, GiP 3/ 2019, 23 (27 f.); dennoch von einem Verständnis des AGG als „Zweigeschlechtermodell“ ausgehend Brachthäuser/Richarz, FoR 2014, 41 (44). 1985 Wiggerich, StAZ 2018, 21 (23); vgl. bereits vor dem Beschluss des BVerfG Althoff/ Schabram/Follmar-Otto, Geschlechtervielfalt im Recht, hrsg. vom Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, 2017, S. 43.

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3. Teil: Rechtlicher Rahmen für die Verwendung geschlechtergerechter Sprache

rechter Sprache aufgenommen.1986 Die GGO stellt allerdings mit ihren Vorgaben für die Bundesministerien (s. § 1 Abs. 1 GGO) als Verwaltungsvorschrift1987 nur Innenrecht dar. a) § 2 GGO: Gender-Mainstreaming Nach § 2 GGO ist die Gleichstellung von Frauen und Männern durchgängiges Leitprinzip und soll bei allen politischen, normgebenden und verwaltenden Maßnahmen der Bundesministerien in ihren Bereichen gefördert werden (GenderMainstreaming). Geschlechtergerechte Sprache ist als (ein) Ausfluss von Gender Mainstreaming1988 zu sehen.1989 Problematisch ist die Formulierung als Soll-Vorschrift im zweiten Satzteil sowie die „binärgeschlechtliche“ Ausrichtung.1990 b) § 42 Abs. 5 Satz 2 (i. V. m. § 62 Abs. 2 Satz 1) GGO: Entwürfe von Gesetzen und Rechtsverordnungen Nach § 42 Abs. 5 GGO sind die Ressorts verpflichtet, Gesetzentwürfe nicht nur sprachlich richtig und möglichst für jedermann verständlich zu fassen (Satz 1), sondern diese sollen auch „die Gleichstellung von Frauen und Männern sprachlich zum Ausdruck“ bringen (Satz 2). Für Rechtsverordnungen gilt dies entsprechend (§ 62 Abs. 2 Satz 1 GGO).1991 Da sich die GGO an die Bundesministerien richtet (s. § 1 Abs. 1 GGO), zeitigt § 42 Abs. 5 Satz 2 (i. V. m. § 62 Abs. 2 Satz 1) GGO Wirkungen nur für Gesetze und Rechtsverordnungen auf der Bundesebene.1992 Wie die Gleichstellung von Frauen und Männern sprachlich zum Ausdruck gebracht werden soll, ist in § 42 Abs. 5 Satz 2 GGO nicht bestimmt.1993 § 42 Abs. 4 GGO gibt allerdings vor, dass für die 1986 S. Gemeinsame Geschäftsordnung der Bundesministerien (GGO) vom 26. Juli 2000, GMBl. S. 526, zuletzt geändert durch Beschluss vom 11. 12. 2019 (GMBl. 2020, S. 68). 1987 Stern, Das Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland, Bd. II, 1980, § 31, S. 307; Detterbeck, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts der Bundesrepublik Deutschland, Bd. III, 3. Aufl. 2005, § 66 Rn. 59; Epping, in: Epping/Hillgruber (Hrsg.), BeckOK GG, Stand: Dez. 2019, Art. 65 Rn. 19.3. 1988 S. dazu unter Erster Teil, B. II. 1989 S. die Nachweise in Fn. 540. 1990 Vgl. dazu die Ausführungen zu § 4 Abs. 3 BGleiG unter Dritter Teil, D. I. 1. a). 1991 Zu diesen Regelungen R. Schmidt, in: Eichhoff-Cyrus (Hrsg.), Adam, Eva und die Sprache, 2004, S. 316 (319). 1992 Vgl. Baumann, in: Baumann/Meinunger (Hrsg.), Die Teufelin steckt im Detail, 2017, S. 196 (198). 1993 Baumann, in: Baumann/Meinunger (Hrsg.), Die Teufelin steckt im Detail, 2017, S. 196 (197 f., 224).

D. Einfach- und untergesetzliche nationale Maßgaben

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rechtsförmliche Gestaltung von Gesetzentwürfen das vom (früheren) Bundesministerium der Justiz herausgegebene Handbuch der Rechtsförmlichkeit, welches auch einen Abschnitt zur sprachlichen Gleichbehandlung beinhaltet1994, und die vom Bundesministerium der Justiz im Einzelfall gegebenen Empfehlungen gelten.1995 Kritisiert wird die Fassung des § 42 Abs. 5 Satz 2 GGO als Soll-Vorschrift. Daraus wird abgeleitet, dass Verstöße gegen die Vorgaben aus § 42 Abs. 5 Satz 2 (ggf. i. V. m. § 62 Abs. 2 Satz 1) GGO keine negativen Konsequenzen hätten.1996 Außerdem ergebe sich im Wege systematischer Auslegung des § 42 Abs. 5 GGO, dass die Verständlichkeit von Gesetzen bedeutsamer sei als die Beachtung der sprachlichen Gleichbehandlung, da Gesetzentwürfe nach § 42 Abs. 5 Satz 1 GGO sprachlich richtig und für jedermann verständlich gefasst sein müssen, während die Gleichstellung von Frauen und Männern nach § 42 Abs. 5 Satz 2 GGO nur zum Ausdruck gebracht werden solle.1997 Problematisch ist außerdem die „binärgeschlechtliche“ Ausrichtung der Vorschrift.1998

5. Zwischenergebnis Auf der Bundesebene sollen Rechts- und Verwaltungsvorschriften des Bundes (§ 4 Abs. 3 Satz 1 BGleiG), auch solche für „Soldatinnen und Soldaten“ (§ 1 Abs. 2 Satz 1 SGleiG), ebenso wie bereits Gesetzentwürfe und Entwürfe von Rechtsverordnungen der Bundesministerien (§ 42 Abs. 5 Satz 2 [i. V. m. § 62 Abs. 2 Satz 1] GGO) „die Gleichstellung von Frauen und Männern [auch] sprachlich zum Ausdruck bringen“. Gemäß § 4 Abs. 3 Satz 2 BGleiG und § 1 Abs. 2 Satz 2 SGleiG „gilt [dies] auch für den dienstlichen Schriftverkehr“, womit gemeint ist, dass die Gleichstellung von Frauen und Männern auch im dienstlichen Schriftverkehr zum Ausdruck ge1994 S. Bundesministerium der Justiz (Hrsg.), Handbuch der Rechtsförmlichkeit, 3. Aufl. 2008, Rn. 110 ff.; die 4. Auflage des Handbuchs der Rechtsförmlichkeit befindet sich in Vorbereitung, s. https://www.bmjv.de/DE/Themen/RechtssetzungBuerokratieabbau/HDR/HDR_ node.html (abgerufen am 2. 6. 2020). 1995 Zum Ausschluss von Sparschreibung im Handbuch der Rechtsförmlichkeit s. Bundesministerium der Justiz (Hrsg.), Handbuch der Rechtsförmlichkeit, 3. Aufl. 2008, Rn. 115; zutreffend meint Froese, Gendergerechtigkeit. Exklusion durch Inklusion, FAZ Online vom 7. 12. 2016, http://www.faz.net/aktuell/politik/staat-und-recht/gendergerechtigkeit-exklusiondurch-inklusion-14563961.html (abgerufen am 2. 6. 2020), dass danach auch Gender-Star und Gender-Gap ausscheiden. 1996 So Schewe-Gerigk, in: Eichhoff-Cyrus (Hrsg.), Adam, Eva und die Sprache, 2004, S. 322 (327); Baumann, in: Bartoszewicz/Szcze˛ k/Tworek (Hrsg.), Germanistische Linguistik im interdisziplinären Gefüge II, 2011, S. 189 (195 f. Fn. 18). 1997 G. Bachmann, NVwZ 2008, 754 (755); Baumann, in: Baumann/Meinunger (Hrsg.), Die Teufelin steckt im Detail, 2017, S. 196 (197). 1998 Vgl. Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (Hrsg.), „Situation von Trans- und intersexuellen Menschen im Fokus“, 2016, S. 27, 29; vgl. auch die Ausführungen zu § 4 Abs. 3 BGleiG unter Dritter Teil, D. I. 1. a).

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3. Teil: Rechtlicher Rahmen für die Verwendung geschlechtergerechter Sprache

bracht werden soll. Wie die Gleichstellung von Frauen und Männern sprachlich zum Ausdruck gebracht werden soll, ist dort nicht unmittelbar bestimmt. Die Regelungen zielen aber eindeutig auf eine geschlechtergerechte Sprache und gegen die Verwendung des generischen Maskulinums. Aufgrund der Fassung als Soll-Vorschriften herrscht Unklarheit und Uneinigkeit über die Rechtsfolgen eines Verstoßes gegen sie. Zum einen kann mit einer Soll-Vorschrift zum Ausdruck gebracht werden, dass zwar im Regelfall eine Verpflichtung besteht, in Ausnahmefällen aber ein Abweichen von der vorgesehenen Rechtsfolge möglich ist. Eine Soll-Vorschrift kann aber auch ausdrücken, dass die Rechtsfolge eines Verstoßes weniger schwerwiegend ist. Das Fehlen einer klar definierten Rechtsfolge im Falle der Nichtbefolgung der Vorgaben zur sprachlichen Gleichstellung begünstigt und erklärt jedenfalls, dass diese Vorgaben in der Praxis nicht immer die nötige Beachtung finden. In § 6 Abs. 1 Satz 1 – 3 BGleiG, § 6 Abs. 1 SGleiG sowie § 11 AGG finden sich Vorgaben zur geschlechtsneutralen Ausschreibung von Arbeitsplätzen (bzw. für Dienstpostenbekanntgaben). Diese Normen sind eindeutig als zwingende Vorschriften formuliert und beinhalten (zumindest mittelbar) auch sprachliche Vorgaben im Sinne einer Verpflichtung zu geschlechtergerechter Sprache. § 11 AGG und § 6 Abs. 1 Satz 1 – 3 BGleiG sind nebeneinander anwendbar, wobei die Vorgaben des BGleiG jedoch weiter gehen, indem sie anders als § 11 AGG positive Anforderungen stellen. Problematisch ist insbesondere mit Blick auf die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zum „dritten Geschlecht“ (1 BvR 2019/16 vom 10. Oktober 2017) die „binärgeschlechtliche“ Ausrichtung der Vorschriften des BGleiG, des SGleiG und der GGO. Diese Entscheidung hat auch maßgeblich Änderungen in der Ausschreibungspraxis von Arbeitsplätzen bewirkt. Nach § 19 Abs. 1 AGG ist bei der Begründung, Durchführung und Beendigung zivilrechtlicher Schuldverhältnisse, die „typischerweise ohne Ansehen der Person zu vergleichbaren Bedingungen in einer Vielzahl von Fällen zustande kommen (Massengeschäfte) oder bei denen das Ansehen der Person nach der Art des Schuldverhältnisses eine nachrangige Bedeutung hat und die zu vergleichbaren Bedingungen in einer Vielzahl von Fällen zustande kommen“ (Nr. 1) wie auch bei solchen, die eine privatrechtliche Versicherung zum Gegenstand haben (Nr. 2), eine Benachteiligung (u. a.) wegen des Geschlechts unzulässig. Der Bundesgerichtshof hat mit Urteil vom 13. 3. 2018 (VI ZR 143/17) einen Anspruch auf geschlechtergerechte Formulierungen in Sparkassenformularen und -vordrucken auch mit Blick auf § 19 Abs. 1 AGG verneint und dabei im Kern damit argumentiert, dass grammatisch männliche Personenbezeichnungen nach dem allgemeinen Sprachgebrauch und Sprachverständnis auch Personen erfassen könnten, „deren natürliches Geschlecht nicht männlich ist“. Die Argumentation des BGH greift jedoch zu kurz, weil der BGH ausschließlich darauf abgestellt hat, wie Personenbezeichnungen zu verstehen sind, d. h. auf die Frage der Auslegung, und eine Benachteiligung unter dem Aspekt der mentalen Repräsentation von Frauen überhaupt nicht in Betracht gezogen hat. Damit hat er die

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dazu vorliegenden psycholinguistischen und kognitionspsychologischen Erkenntnisse völlig unzureichend gewürdigt. Der vom BGH entschiedene Fall wies insofern eine Besonderheit auf, als es um eine an das Landesgleichstellungsgesetz gebundene Sparkasse ging und in dem betreffenden Landesgleichstellungsgesetz geschlechtergerechte Sprache eindeutig vorgegeben war. Diese Bindung muss dazu führen, dass etwa die Textverständlichkeit nicht als sachlicher Grund i. S. d. AGG gegen die Annahme einer Benachteiligung i. S. v. § 19 Abs. 1 AGG angeführt werden kann. Bei rein privaten Vertragsparteien hingegen ist eine Abwägungsentscheidung zu treffen, die so schwierig erscheint, dass es im Interesse der Rechtssicherheit vorzugswürdig wäre, wenn der Gesetzgeber diese Frage eindeutig regelte. § 42 Abs. 5 Satz 2 GGO lässt sich dagegen im Wege systematischer Auslegung entnehmen, dass die Verständlichkeit von Gesetzen höher gewichtet wird als die Beachtung der sprachlichen Gleichbehandlung, da Gesetzentwürfe nach § 42 Abs. 5 Satz 1 GGO sprachlich richtig und für jedermann verständlich gefasst sein müssen, während die Gleichstellung von Frauen und Männern nach § 42 Abs. 5 Satz 2 GGO nur zum Ausdruck gebracht werden soll.

II. Niedersachsen: Rechtliche Maßgaben für geschlechtergerechte Sprache auf der Landesebene Die rechtlichen Maßgaben der einzelnen Bundesländer zu geschlechtergerechter Sprache weisen teilweise zwar gewisse Parallelen auf, divergieren im Ganzen aber stark.1999 Im Folgenden sollen speziell die niedersächsischen Maßgaben beleuchtet werden. 1. Niedersächsisches Gleichberechtigungsgesetz (NGG) Das am 1. Januar 2011 in Kraft getretene Niedersächsische Gleichberechtigungsgesetz (NGG) vom 9. Dezember 20102000, welches das Niedersächsische Gleichberechtigungsgesetz vom 15. Juni 19942001 novelliert hat, verfolgt gem. seinem § 1 das Ziel, zum einen für Frauen und Männer in der öffentlichen Verwaltung 1999 Auf die unterschiedlichen Maßgaben in den einzelnen Bundesländern ansatzweise eingehend Spangenberg, KJ 51 (2018), 345 (348 f.); für einen Vergleich der früheren Rechtslage s. Eichhoff-Cyrus, in: Eichhoff-Cyrus/Antos (Hrsg.), Verständlichkeit als Bürgerrecht?, 2008, S. 344 (347 ff.); vergleichende Ansätze auch bei Grabrucker, Muttersprache 104 (1994), 63 ff.; Böhmer, Gesetze zur Gleichberechtigung von Männern und Frauen in Bund und Ländern, 3. Aufl. 1995, passim. 2000 Nds. GVBl. S. 558; zuletzt geändert durch Gesetz vom 17. 11. 2011 (Nds. GVBl. S. 422). 2001 Nds. GVBl. S. 246.

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die Vereinbarkeit von Familien- und Erwerbsarbeit zu fördern und zu erleichtern sowie zum anderen Frauen und Männern eine gleiche Stellung in der öffentlichen Verwaltung zu verschaffen (Abbau von Unterrepräsentanz). Es wendet sich ab vom Konzept der reinen Frauenförderung und verfolgt das Ziel der Gleichstellung „beider Geschlechter“ im Beruf und bei der Vereinbarkeit mit Familienaufgaben.2002 § 9 NGG enthält ein Verbot (unmittelbarer und mittelbarer) Benachteiligung wegen des Geschlechts. Das NGG enthält (bislang) allerdings keine Regelungen, die sich speziell auf die Gleichbehandlung bzw. Gleichstellung in der Rechtssprache beziehen; es gilt vielmehr neben den dazu bestehenden Regelungen.2003 Für Stellenausschreibungen gibt § 11 Abs. 1 Satz 2 NGG vor, dass in der Stellenausschreibung das unterrepräsentierte Geschlecht ausdrücklich anzusprechen ist. Auch dies ist aber eine Regelung, die speziell auf die Unterrepräsentanz eines Geschlechts in einem bestimmten Bereich abstellt2004 und geschlechtergerechte Stellenausschreibungen nicht generell fordert.2005 Allerdings gab es in letzter Zeit Bestrebungen zur Novellierung des NGG unter Eingliederung der Regelungen des Gesetzes zur Förderung der Gleichstellung der Frau in der Rechts- und Verwaltungssprache2006 in das NGG.2007 Mit einer solchen Eingliederung sollen im Interesse der Praxis die einschlägigen Vorschriften „in einem Gesetz vereint“ und es soll den Regelungen des Gesetzes zur Förderung der Gleichstellung der Frau in der Rechts- und Verwaltungssprache „mehr Geltung“ verschafft werden.2008 Hier bleibt die weitere Entwicklung abzuwarten. 2. Hochschulregelung des § 3 Abs. 3 Satz 1 NHG Nach § 3 Abs. 3 Satz 1 des Niedersächsischen Hochschulgesetzes (NHG) vom 26. Februar 20072009 fördern die Hochschulen bei der Wahrnehmung ihrer Aufgaben die tatsächliche Durchsetzung der Chancengleichheit von Frauen und Männern und wirken auf die Beseitigung bestehender Nachteile hin (Gleichstellungsauftrag). Dieser Gleichstellungsauftrag gilt trotz der sehr unterschiedlichen rechtlichen 2002

LT-Drs. 16/281, S. 15; s. auch Wapler, in: Berghahn/Schultz (Hrsg.), Rechtshandbuch für Frauen- und Gleichstellungsbeauftragte (Stand: Mai 2020), Kap. 3.10, S. 1. Die binärgeschlechtliche Ausrichtung auch des NGG ist problematisch; vgl. dazu unter Dritter Teil, D. II. 3. d). 2003 Vgl. LT-Drs. 16/281, S. 16. 2004 Vgl. LT-Drs. 16/281, S. 21: ggf. auch Männer. 2005 Vgl. dazu, dass die ausdrückliche Ansprache des unterrepräsentierten Geschlechts geschlechtergerechte Personenbezeichnungen umfasst, Vieten, in: Schiek u. a. (Hrsg.), Frauengleichstellungsgesetze des Bundes und der Länder, 2. Aufl. 2002, Rn. 2345. 2006 S. dazu unter Dritter Teil, D. II. 3. 2007 S. dazu LT-Drs. 17/7346 und 17/8707. 2008 LT-Drs. 17/7346, S. 47 f.; s. dazu näher unter Dritter Teil, D. II. 3. d). 2009 Nds. GVBl. S. 69; zuletzt geändert durch Gesetz vom 11. 9. 2019 (Nds. GVBl. S. 261).

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Konkretisierungsbestimmungen an den einzelnen Hochschulen für alle niedersächsischen Hochschulen (in staatlicher Verantwortung).2010 Da § 3 Abs. 3 Satz 1 NHG sprachlich nur leicht von dem ebenfalls auf eine Chancengleichheit abzielenden2011 Art. 3 Abs. 2 Satz 2 GG abweicht2012 und letzterer ohnehin für Hochschulen gilt2013, ist die Norm als rein deklaratorisch zu bewerten.2014 3. Nds. Gesetz zur Förderung der Gleichstellung der Frau in der Rechts- und Verwaltungssprache vom 27. Februar 1989 Im März 19892015 ist in Niedersachsen das Gesetz zur Förderung der Gleichstellung der Frau in der Rechts- und Verwaltungssprache vom 27. Februar 19892016 in Kraft getreten. Damit nahm Niedersachsen in diesem Bereich insbesondere auch gegenüber dem Bund eine Vorreiterrolle ein.2017 Das Gesetz basiert auf einem Referentenentwurf2018, der in etwas veränderter Form vom damaligen Landesministerium2019 beschlossen und als Gesetzentwurf in den Landtag eingebracht wurde2020. Unmittelbarer Anlass für das Gesetz war die Novellierung des Niedersächsischen Hochschulgesetzes, bei der zunächst der generelle Ansatz verfolgt werden sollte, in allen Rechtsnormen geschlechtergerechte Sprache in Form der Schrägstrich-Lösung zu verwenden, was aber aus Praktikabi-

2010 Vgl. Wapler, in: Berghahn/Schultz (Hrsg.), Rechtshandbuch für Frauen- und Gleichstellungsbeauftragte (Stand: Mai 2020), Kap. 8.1.1, S. 3. 2011 S. dazu unter Dritter Teil, B. I. 4. a) aa). 2012 Noch deutlicher ist die Parallele zu Art. 3 Abs. 2 Satz 2 GG bei § 3 Abs. 3 Satz 1 HRG erkennbar („Die Hochschulen fördern die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern und wirken auf die Beseitigung bestehender Nachteile hin.“); dazu Kreuzer, in: Geis (Hrsg.), Hochschulrecht in Bund und Ländern, § 3 HRG Rn. 5 (Stand: Dez. 2003). 2013 S. dazu unter Dritter Teil, B. I. 4. b) dd) (2). 2014 Vgl. Pautsch, in: v. Coelln/Pautsch (Hrsg.), BeckOK Hochschulrecht Niedersachsen, Stand: März 2020, § 3 NHG Rn. 42, der vom „Gleichstellungsauftrag in seiner hochschulgesetzlichen Ausprägung“ spricht. Zu Hochschulen s. die Ausführungen unter Dritter Teil, B. I. 4. b) dd) (2) und IV. 2. 2015 S. § 4 Gesetz zur Förderung der Gleichstellung der Frau in der Rechts- und Verwaltungssprache: 14 Tage nach Verkündung (Verkündung am 3. 3. 1989). 2016 Nds. GVBl. S. 50 2017 Hervorgehoben in LT-PlPr. 11/76, S. 6993. 2018 Referentenentwurf Gesetz zur Gleichstellung der Frau in der Rechts- und Verwaltungssprache, BArch, B 141/418824. 2019 So die frühere Bezeichnung der Landesregierung in Niedersachsen, s. Dietrich, in: Eichhoff-Cyrus/Hoberg (Hrsg.), Die deutsche Sprache zur Jahrtausendwende, 2000, S. 192 (207). 2020 LT-Drs. 11/2576.

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litätserwägungen wieder verworfen wurde.2021 Ebenso wurden „Reihungen“ und das Binnen-I verworfen.2022 Stattdessen sollte eine zentrale, alle Bereiche der Landesgesetzgebung erfassende und alle Stellen der gesetzesausführenden Verwaltung bindende übergeordnete Querschnittsnorm geschaffen werden.2023 Insbesondere sollte auch die mittelbare Landesverwaltung erfasst werden, weshalb die Gesetzesform für wichtig erachtet wurde.2024 Aber auch eine Bindung der Gerichte wurde angestrebt.2025 Das Gesetz zur Förderung der Gleichstellung der Frau in der Rechts- und Verwaltungssprache trifft in § 1 eine Regelung für Rechts- und Verwaltungsvorschriften und in § 2 für den amtlichen Sprachgebrauch im Einzelfall. § 3 betrifft Vordrucke des Landes und der seiner Aufsicht unterstehenden Körperschaften, Anstalten und Stiftungen des öffentlichen Rechts. Damit differenziert das Gesetz zwischen der abstrakt-generellen Vorschriftensprache und der konkret-individuellen Amtssprache.2026 Diese Unterscheidung wurde später auch von der interministeriellen Arbeitsgruppe Rechtssprache auf der Bundesebene2027 in ihrem Bericht aufgegriffen.2028 Dabei war die nun in § 3 des Gesetzes enthaltene Regelung im Referentenentwurf noch als Absatz 2 dem § 2 zugeordnet, was für die Zuordnung der Vordrucke zu dem Bereich der Amtssprache spricht2029, während später einerseits von „drei Stufen“ die Rede war („einmal Vorschriften …, zweitens Anwendung von Vorschriften im Einzelfall, drittens Formulare“2030), andererseits § 3 aber weiterhin als der „Realisierung des in § 2 enthaltenen Grundsatzes“ dienend bezeichnet wurde2031. 2021

Schreiben des Leiters der Nds. Staatskanzlei Meyer an Dr. Waffenschmidt, BMI, vom 25. 9. 1987, BArch, B 141/418824. 2022 Ergebnisprotokoll der Sitzung der Arbeitsgruppe Rechtssprache mit den Vertretern der Bundesländer am 5. und 6. Mai 1988 im BMJ, S. 4 f., BArch, B 141/418830; s. auch LT-PlPr. 11/56, S. 5266: „gegen Doppelformulierungen und Schrägstrichgesetzgebung“. 2023 Schreiben des Leiters der Nds. Staatskanzlei Meyer an Dr. Waffenschmidt, BMI, vom 25. 9. 1987, BArch, B 141/418824; s. auch LT-Drs. 11/2576, S. 3. 2024 LT-PlPr. 11/56, S. 5267; s. auch Ergebnisprotokoll der Sitzung der Arbeitsgruppe Rechtssprache mit den Vertretern der Bundesländer am 5. und 6. Mai 1988 im BMJ, S. 4, BArch, B 141/418830; Haas, Protokoll der Sachverständigenanhörung zum Thema „Gleichbehandlung von Mann und Frau in der Rechtssprache?“ am 15. September 1988 im Bundesministerium der Justiz, S. 135, BArch, B 141/418838. 2025 LT-Drs. 11/2576, S. 3. 2026 Zustimmend Stickel, ZGL 16 (1988), 330 (335). 2027 S. dazu unter Zweiter Teil. 2028 BT-Drs. 12/1041, S. 4; s. dazu auch unter Einleitung. 2029 Zu dieser Problematik und dem dazu erst kürzlich ergangenen Urteil des BGH s. unter Erster Teil, D. 2030 Haas, Protokoll der Sachverständigenanhörung zum Thema „Gleichbehandlung von Mann und Frau in der Rechtssprache?“ am 15. September 1988 im Bundesministerium der Justiz, S. 135, BArch, B 141/418838. 2031 LT-Drs. 11/2576, S. 6.

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Anders als § 4 Abs. 3 BGleiG2032, § 1 Abs. 2 SGleiG2033 und § 42 Abs. 5 Satz 2 GGO2034 sind die Regelungen im niedersächsischen Gesetz zur Förderung der Gleichstellung der Frau in der Rechts- und Verwaltungssprache nicht als Soll-Vorschriften, sondern als Muss-Vorschriften formuliert, sodass sie strikt zu beachten sind.2035 a) § 1 Nds. Gesetz zur Förderung der Gleichstellung der Frau in der Rechts- und Verwaltungssprache: Rechts- und Verwaltungsvorschriften § 1 bestimmt, dass in Rechts- und Verwaltungsvorschriften des Landes sowie der seiner Aufsicht unterstehenden Körperschaften, Anstalten und Stiftungen des öffentlichen Rechts Bezeichnungen so zu wählen sind, „daß sie Frauen nicht diskriminieren, sondern dem Grundsatz der Gleichberechtigung (Artikel 3 Abs. 2 des Grundgesetzes) entsprechen“. Diese Regelung war ursprünglich im Referentenentwurf des Gesetzes lediglich als Absatz 2 von § 1 vorgesehen. Der ursprünglich vorgesehene Absatz 1 von § 1 lautete: „In Rechts- und Verwaltungsvorschriften des Landes sowie der seiner Aufsicht unterstehenden Körperschaften, Anstalten und Stiftungen des öffentlichen Rechts gelten personenbezogene Bezeichnungen, soweit nicht etwas anderes bestimmt ist, für Frauen und Männer, auch wenn die männliche Sprachform verwandt wird.“

Diese Regelung, deren Inhalt sich auch ohne ausdrückliche Normierung jedenfalls im Wege verfassungskonformer Auslegung ergibt2036, wurde vermutlich im weiteren Verlauf des Gesetzgebungsverfahrens für überflüssig gehalten und daher gestrichen.2037 Es hätte sich um eine rein deklaratorische Regelung gehandelt, die jedoch erst recht das generische Maskulinum gesetzlich verfestigt und legitimiert und sich so sogar negativ für Frauen ausgewirkt hätte.2038 Allerdings findet sich der

2032

S. dazu unter Dritter Teil, D. I. 1. a). S. dazu unter Dritter Teil, D. I. 2. a). 2034 S. dazu unter Dritter Teil, D. I. 4. b). 2035 Zum Vergleich mit den Vorgaben anderer Bundesländer s. Valentiner, (Geschlechter)Rollenstereotype in juristischen Ausbildungsfällen, 2017, S. 15 f. 2036 Vgl. LT-Drs. 11/2576, S. 5; s. dazu unter Dritter Teil, B. I. 2. a) cc). 2037 So auch Stickel, ZGL 16 (1988), 330 (344 Fn. 23); s. dazu Haas, Protokoll der Sachverständigenanhörung zum Thema „Gleichbehandlung von Mann und Frau in der Rechtssprache?“ am 15. September 1988 im Bundesministerium der Justiz, S. 89, BArch, B 141/ 418838, der als Teilnehmer aus Niedersachsen eine derartige Klausel für rechtlich nicht notwendig hielt. 2038 Vgl. zu dieser Argumentation Abg. Deppe, LT-PlPr. 11/56, S. 5270; vgl. auch die Diskussion in der Sachverständigenanhörung der interministeriellen Arbeitsgruppe Rechtssprache mit Argumenten in diese Richtung, Protokoll der Sachverständigenanhörung zum 2033

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gedankliche Inhalt der Regelung letztlich weiterhin in § 2 des Gesetzes (im einleitenden Nebensatz) wieder – er ist nur nicht mehr so explizit herausgestellt. Die nun (allein) in § 1 enthaltene Regelung ist insofern problematisch, als sie unbestimmt und auslegungsbedürftig ist. Es stellt sich die Frage, welche Bezeichnungen Frauen „diskriminieren“, und zwar in der Form, dass sie nicht dem Grundsatz der Gleichberechtigung des Art. 3 Abs. 2 GG entsprechen. Insbesondere ist bereits streitig, ob Art. 3 Abs. 2 GG auf die Sprachform überhaupt Anwendung findet.2039 Mit § 1 sollte wohl die dahingehende Rechtsauffassung mit Gesetzeskraft ausgestattet werden2040, was allerdings die Verfassungsauslegung nicht bindet und daher auch „ins Leere“ laufen könnte. Der letzte Satzteil des § 1 („sondern dem Grundsatz der Gleichberechtigung [Artikel 3 Abs. 2 des Grundgesetzes] entsprechen“) wurde erst auf einen Vorschlag der Vertreterin der SPD im Rechtsausschuss und eine entsprechende Empfehlung des Ausschusses für Gleichberechtigung und Frauenfragen in den Normtext eingefügt, um die Forderung, Frauen in der Rechtssprache nicht zu diskriminieren, zusätzlich zu verstärken.2041 Die Bezugnahme auf Art. 3 Abs. 2 GG schafft aber wegen des angesprochenen Streits eher Probleme, als dass sie Frauen zusätzlich nützen würde. Vielleicht ist das der „wahre“ Grund, warum sie bei den letzten Reformbestrebungen in Niedersachsen zur Überführung des Gesetzes zur Förderung der Gleichstellung der Frau in der Rechts- und Verwaltungssprache in das NGG2042 wieder aus den Gesetzentwürfen gestrichen wurde.2043 Die offizielle Begründung, das gesamte NGG verwirkliche das Gleichstellungsgebot2044, wirkt dagegen eher etwas „lahm“. Doch auch bereits bei der Auslegung der Formulierung, dass Bezeichnungen so zu wählen sind, „daß sie Frauen nicht diskriminieren“, sind Streitigkeiten vorprogrammiert.2045 In der Gesetzesbegründung aus dem Jahr 1988 heißt es hierzu, der unbestimmte Rechtsbegriff „diskriminieren“ könne im Gesetz selbst nicht weiter konkretisiert werden; „jede denkbare gesetzliche Eingrenzung würde zusätzliche Probleme und Zweifelsfragen aufwerfen“.2046 Es sei bewusst davon abgesehen worden, nähere Bestimmungen über die zu wählenden und die zu vermeidenden Bezeichnungen zu treffen, da das Spektrum der in Betracht kommenden Bezeichnungen für eine allgemeingültige Festlegung zu breit sei. Bezeichnungen in männlicher Sprachform könnten für Frauen je nach dem sachlichen Bereich unterschiedlich belastend sein. Aber auch das Ziel, Klarheit, Verständlichkeit und Übersichtlichkeit von Vorschriften zu erhalten, könne im jeweils konThema „Gleichbehandlung von Mann und Frau in der Rechtssprache?“ am 15. September 1988 im Bundesministerium der Justiz, S. 88 f., BArch, B 141/418838. 2039 S. dazu unter Dritter Teil, B. I. 2. b) aa). 2040 S. LT-PlPr. 11/56, S. 5268; 11/76, S. 6986. 2041 LT-Drs. 11/3470, S. 2; LT-PlPr. 11/76, S. 6986. 2042 S. dazu unter Dritter Teil, D. II. 3. d). 2043 Vgl. LT-Drs. 17/7346, S. 10, 48; LT-Drs. 17/8707, S. 10. 2044 LT-Drs. 17/7346, S. 48. 2045 Vgl. LT-PlPr. 11/56, S. 5272; Stickel, ZGL 16 (1988), 330 (335). 2046 LT-Drs. 11/2576, S. 4.

D. Einfach- und untergesetzliche nationale Maßgaben

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kreten Fall zu unterschiedlichen Folgerungen führen. Stets oder auch nur regelmäßig die Verwendung geschlechtsneutraler Bezeichnungen zu fordern, würde in nicht wenigen Fällen zu Verformungen der Sprache führen, die mit dem verfolgten Zweck nicht zu rechtfertigen wären. Ferner wären solche Konkretisierungen nicht offen für spätere Entwicklungen des Sprachgebrauchs.2047 Bezeichnungen seien vor allem dann als diskriminierend anzusehen, wenn sie ihrer Wortbedeutung nach allein auf Männer bezogen seien, wie Bezeichnungen mit dem Wortbestandteil „Mann“ (z. B. „Schiedsmann“). Nicht als diskriminierend könnten hingegen zum (damaligen) IstZeitpunkt solche Bezeichnungen angesehen werden, die lediglich ihrer sprachlichen und grammatikalischen Form nach männlich seien wie „Gläubiger“ oder „Schuldner“. Das Diskriminierungsverbot fordere nicht, von der einheitlichen Verwendung solcher Bezeichnungen abzusehen. Generell stattdessen etwa Umschreibungen in Form von Relativsätzen oder die sog. Schrägstrich-Lösung zu wählen, sei „nicht vertretbar“.2048 Aus denselben Gründen habe der Gesetzentwurf auch Vorschläge des Landesfrauenrates Niedersachsen nicht aufgegriffen, die darauf gerichtet waren vorzuschreiben, dass für personenbezogene Bezeichnungen nicht geschlechtsbezogene Sprachformen oder männliche und weibliche Begriffe zu verwenden seien, bzw. Bezeichnungen so zu wählen, dass sie keinen Zweifel daran lassen, dass sowohl Männer als auch Frauen gemeint sind.2049 Somit konnte auch der folgende Antrag2050 der Fraktion der Grünen im Niedersächsischen Landtag vom 26. Mai 1987 keinen Erfolg2051 haben: „Die Landesregierung wird aufgefordert, 1. in der Gesetzes- und Amtssprache des Landes Niedersachsen das verfassungsrechtliche Gebot, die Gleichberechtigung der Geschlechter herzustellen, zu befolgen; 2. die Gesetzes- und Amtssprache so zu ändern, daß Funktionen und Ämter und sonstige Personenbezeichnungen im Regelfalle beide Geschlechter benennen, im Ausnahmefall geschlechtsneutral oder in der weiblichen Sprachform aufgeführt werden; 3. für Organ- und Behördenbezeichnungen die neutrale oder weibliche Sprachform einzuführen; 4. verwaltungs- und gesetzgeberische Maßnahmen zur sprachlichen Änderung aller bestehenden Gesetzestexte, Verordnungen, Erlasse, Richtlinien, Laufbahn- sowie Ausbildungs- und Prüfungsordnungen einzuleiten;

2047 LT-Drs. 11/2576, S. 4; vgl. dazu Haas, Protokoll der Sachverständigenanhörung zum Thema „Gleichbehandlung von Mann und Frau in der Rechtssprache?“ am 15. September 1988 im Bundesministerium der Justiz, S. 136, BArch, B 141/418838. 2048 LT-Drs. 11/2576, S. 4. 2049 LT-Drs. 11/2576, S. 4. 2050 LT-Drs. 11/1112; dazu Stickel, ZGL 16 (1988), 330 (334). 2051 Zum Beratungsverlauf s. LT-PlPr. 11/30, S. 2819 ff.; LT-Drs. 11/3399; LT-PlPr. 11/76, S. 6995; auch ein moderaterer Änderungsantrag der Fraktion der SPD hierzu (LT-Drs. 11/3556) konnte sich nicht durchsetzen.

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3. Teil: Rechtlicher Rahmen für die Verwendung geschlechtergerechter Sprache

5. die sprachlichen Änderungen an bestehenden Gesetzestexten und bestehender Amtssprache innerhalb eines Zeitraumes von bis zu zwei Jahren zu vollziehen; 6. auf allen Ebenen der Landesregierung und öffentlichen Verwaltung sowie der kommunalen Organe (soweit rechtlich zulässig) dafür Sorge zu tragen, daß die unter 1. bis 3. genannten Regelungen sofort Einlaß in die künftige Gesetzes- und Amtssprache finden; 7. Stellen für fachlich qualifizierte Sprachwissenschaftlerinnen einzurichten zur Bearbeitung bestehender und künftiger Gesetzes- und Amtssprache.“

Die Gesetzesbegründung zeigt deutlich, dass mit § 1 des Gesetzes zur Förderung der Gleichstellung der Frau in der Rechts- und Verwaltungssprache das generische Maskulinum nicht aus den niedersächsischen Rechtsnormen „verbannt“ werden sollte.2052 Dies scheint allerdings mitunter bei der Interpretation der Norm übersehen zu werden.2053 Aber selbst unter den Abgeordneten im Landtag soll sich diese Erkenntnis erst spät gezeigt haben.2054 Zu dieser Auslegung passt es, dass § 1 von niedersächsischer Seite als deklaratorisch eingestuft wurde.2055 Deutlicher kam das Verständnis des Normgebers, dass das Verbot Frauen diskriminierender Bezeichnungen in Rechts- und Verwaltungsvorschriften nicht die Verwendung des generischen Maskulinums ausschließt, noch im Referentenentwurf bei einer systematischen Auslegung der Absätze 1 und 2 in ihrem Verhältnis zueinander zum Ausdruck. Dieses Verständnis deckt sich mit der bislang wohl h.M., dass unter Verwendung des generischen Maskulinums formulierte Normen nicht gegen den heutigen Art. 3 Abs. 2 Satz 1 GG (der früher Art. 3 Abs. 2 GG insgesamt darstellte) verstoßen.2056 Änderungen im Normtext des § 1 gab es insofern, als es im ursprünglichen Gesetzentwurf nicht nur „Bezeichnungen“, sondern „personenbezogene Bezeichnungen“ hieß. Durch die Streichung des Begriffes „personenbezogene“, die auf eine Empfehlung des Ausschusses für Gleichberechtigung und Frauenfragen zurückzuführen ist2057, sollte noch stärker betont werden, dass in Rechts- und Verwaltungsvorschriften zukünftig jedwede Frauen diskriminierende Bezeichnung zu vermeiden sei.2058 2052

S. LT-Drs. 11/2576, S. 4; vgl. dazu Ergebnisprotokoll der Sitzung der Arbeitsgruppe Rechtssprache mit den Vertretern der Bundesländer am 5. und 6. Mai 1988 im BMJ, S. 4 f., BArch, B 141/418830; Haas, Protokoll der Sachverständigenanhörung zum Thema „Gleichbehandlung von Mann und Frau in der Rechtssprache?“ am 15. September 1988 im Bundesministerium der Justiz, S. 136, BArch, B 141/418838; LT-PlPr. 11/76, S. 6990 f. 2053 Im Ergebnis zutreffend dagegen Kastendieck, ZevKR 35 (1990), 43 (55 Fn. 10). 2054 Vgl. Abg. Deppe, LT-PlPr. 11/76, S. 6990 f. 2055 S. Ergebnisprotokoll der Sitzung der Arbeitsgruppe Rechtssprache mit den Vertretern der Bundesländer am 5. und 6. Mai 1988 im BMJ, S. 7 f., BArch, B 141/418830; s. auch Haas, Protokoll der Sachverständigenanhörung zum Thema „Gleichbehandlung von Mann und Frau in der Rechtssprache?“ am 15. September 1988 im Bundesministerium der Justiz, S. 136, BArch, B 141/418838. 2056 S. dazu unter Dritter Teil, B. I. 2. 2057 S. LT-Drs. 11/3470. 2058 LT-PlPr. 11/76, S. 6986.

D. Einfach- und untergesetzliche nationale Maßgaben

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Zum Adressatenkreis des § 1 wurde ausgeführt, die Vorschrift enthalte einen Handlungsauftrag an Exekutive und Legislative bzgl. gesetzlicher und untergesetzlicher Vorschriften. Dieser Auftrag sei bindend, soweit die untergesetzliche Normsetzung betroffen sei. Der Gesetzgeber selbst könne zwar formal durch das Gesetz nicht gebunden werden; man vertraue aber letztlich auch insofern auf die „bewußtseinsbildende Kraft“ des Gesetzes.2059 § 1 sei „Generalklausel, Programmsatz für die Gesetzgebung des Landes, also für den Gesetzgeber selbst, Verpflichtung für alle Rechtsetzer auf den nachgeordneten Stufen, mittelbare Landesverwaltung und Verordnungsgeber“.2060 Im Übrigen ergibt sich die Beschränkung des Normadressatenkreises aus der (beschränkten) Reichweite der Gesetzgebungskompetenz des Landes. In zeitlicher Hinsicht soll § 1 nach der Gesetzesbegründung nur ex nunc Wirkung beanspruchen, und zwar für vollständige Neuregelungen und mit Einschränkungen auch für Änderungsvorschriften, bei denen ein einheitlicher Sprachgebrauch in der Gesamtregelung zu wahren sei. Nicht jede geringfügige Änderung könne dazu verpflichten, ein umfangreiches Regelungswerk im Hinblick auf das Ziel des § 1 grundlegend zu überarbeiten. Noch weniger solle durch die Norm eine Verpflichtung geschaffen werden, den Gesamtbestand an Rechts- und Verwaltungsvorschriften alsbald zu überarbeiten. Deren Formulierung schließe es andererseits aber auch nicht aus, in bestehenden Vorschriften personenbezogene Bezeichnungen, die Frauen diskriminierten, zu ändern und allein aus diesem Anlass tätig zu werden.2061 b) § 2 Nds. Gesetz zur Förderung der Gleichstellung der Frau in der Rechts- und Verwaltungssprache: Amtlicher Sprachgebrauch § 2 lautet: „Sind in Rechts- und Verwaltungsvorschriften Bezeichnungen, die für Frauen und Männer gelten, nur in männlicher Sprachform enthalten, so ist im amtlichen Sprachgebrauch im Einzelfall die jeweils zutreffende weibliche oder männliche Sprachform zu verwenden.“

Änderungen der Norm im Gesetzgebungsverfahren gab es insofern, als es (auch hier) statt nur „Bezeichnungen“ im Gesetzentwurf ursprünglich „personenbezogene Bezeichnungen“ hieß. Auch hier sollte jedwede Frauen diskriminierende Bezeichnung erfasst werden.2062 Außerdem enthielt der in den Landtag eingebrachte Gesetzentwurf neben der nun vorgesehenen (sprachlich leicht veränderten) Rechtsfolge und zwar dieser vorangestellt eine weitere: „… kann im Einzelfall jeder die jeweils 2059

LT-PlPr. 11/76, S. 6986. Haas, Protokoll der Sachverständigenanhörung zum Thema „Gleichbehandlung von Mann und Frau in der Rechtssprache?“ am 15. September 1988 im Bundesministerium der Justiz, S. 135, BArch, B 141/418838; ähnlich LT-PlPr. 11/76, S. 6993. 2061 LT-Drs. 11/2576, S. 5. 2062 LT-PlPr. 11/76, S. 6986. 2060

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3. Teil: Rechtlicher Rahmen für die Verwendung geschlechtergerechter Sprache

zutreffende weibliche oder männliche Sprachform verwenden“. Hierzu war in der Begründung ausgeführt: „… wenn eine Bezeichnung mit Bezug auf eine konkrete Person benutzt wird …. kann die Sprachform gewählt werden, die mit dem Geschlecht der betroffenen Person übereinstimmt. Für die Verwirklichung der Gleichstellung der Frau erscheint es wichtig, bei der Verwendung personenbezogener Bezeichnungen im Einzelfall – also etwa in einem Verwaltungsakt, in einem Urteil, in einem Einzelschreiben, beim Führen einer Berufsbezeichnung oder eines Titels – diese Möglichkeit zu nutzen. § 2 stellt deshalb klar, daß für eine personenbezogene Bezeichnung, auch wenn eine Vorschrift sie in männlicher Sprachform enthält, bei der Verwendung im Einzelfall die jeweils zutreffende weibliche oder männliche Sprachform gebraucht werden kann. … Die Auffassung des Landesfrauenrates Niedersachsen, der erste Halbsatz habe keinen eigenständigen Regelungsgehalt, erscheint demgegenüber nicht zutreffend.“2063 Mit der Änderung der Norm im Gesetzgebungsverfahren sollte eine Beschränkung auf den amtlichen Sprachgebrauch erfolgen, da der Gesetzgeber nur für den amtlichen Sprachgebrauch, nicht auch für den privaten, bindend bestimmte Sprachregelungen festschreiben dürfe.2064 Allerdings wurde eine Signalwirkung des Gesetzes auch für den privaten Sprachgebrauch angenommen.2065 Ob es der Regelung des § 2 überhaupt bedürfte, darf bezweifelt werden. Sie ist nach hier vertretener Auffassung lediglich deklaratorischer Natur2066, in ihrer Klarstellungsfunktion aber durchaus hilfreich.2067 Zu bemängeln sind allerdings die linguistisch angreifbaren Bezeichnungen „weibliche oder männliche Sprachform“2068, auch wenn sie juristisch auslegbar sind. Die Gesetzesbegründung verweist darauf, dass für einzelne Fachgesetze, in denen gehäuft Bezeichnungen, Funktionen oder Titel enthalten sind, bereichsspezifische, den Grundsatz des § 2 ergänzende Regelungen in Betracht kommen könnten, z. B. im

2063

LT-Drs. 11/2576, S. 5. LT-PlPr. 11/76, S. 6986. 2065 Abg. Knoblich, LT-PlPr. 11/76, S. 6990. 2066 So auch Haas, Protokoll der Sachverständigenanhörung zum Thema „Gleichbehandlung von Mann und Frau in der Rechtssprache?“ am 15. September 1988 im Bundesministerium der Justiz, S. 136, BArch, B 141/418838; vgl. BT-Drs. 12/1041, S. 20; Leuer/Fessel, Frauen in der Sprache des Hochschulrechts, 1992, S. 19: „weitgehende Selbstverständlichkeit“; Einordnung als konstitutiv hingegen laut Ergebnisprotokoll der Sitzung der Arbeitsgruppe Rechtssprache mit den Vertretern der Bundesländer am 5. und 6. Mai 1988 im BMJ, S. 7 f., BArch, B 141/418830; s. dazu auch unter Dritter Teil, B. I. 3. 2067 Ähnlich E. Bülow, ZG 3 (1988), 160 (171); eher ablehnend dagegen BT-Drs. 12/1041, S. 20; im Rahmen der Sachverständigenanhörung der Arbeitsgruppe Rechtssprache war die Vorschrift intensiv diskutiert worden, s. Protokoll der Sachverständigenanhörung zum Thema „Gleichbehandlung von Mann und Frau in der Rechtssprache?“ am 15. September 1988 im Bundesministerium der Justiz, S. 132 ff., BArch, B 141/418838. 2068 Vgl. Stickel, ZGL 16 (1988), 330 (335). 2064

D. Einfach- und untergesetzliche nationale Maßgaben

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Hochschulrecht für die Hochschulgrade.2069 Die Festlegung der im Einzelnen zu verwendenden weiblichen Sprachform könne und müsse ggf. in Ausführungserlassen erfolgen.2070 c) § 3 Nds. Gesetz zur Förderung der Gleichstellung der Frau in der Rechts- und Verwaltungssprache: Vordrucke § 3 bestimmt, dass in Vordrucken des Landes und der seiner Aufsicht unterstehenden Körperschaften, Anstalten und Stiftungen des öffentlichen Rechts die für einzelne Personen geltenden Bezeichnungen nebeneinander in weiblicher und männlicher Sprachform aufzunehmen sind (Satz 1). Es kann auch eine nicht geschlechtsbezogene Sprachform gewählt werden (Satz 2). Diese Norm soll der „Realisierung des in § 2 enthaltenen Grundsatzes“ dienen.2071 Während die Regierungsseite seinerzeit § 3 als konstitutiv einstufte2072, wurde die Regelung aus Reihen der Opposition als nur deklaratorisch angesehen2073. Richtig ist wohl, dass zumindest die Vorgabe ganz bestimmter zu wählender Sprachformen konstitutiv ist (wobei insbesondere neuerdings fraglich ist, welche Formen geschlechtergerechter Sprache genau unter eine „nicht geschlechtsbezogene Sprachform“ subsumiert werden können). Folgte man allerdings der kürzlich geäußerten Rechtsauffassung des Bundesgerichtshofs zu geschlechtergerechter Sprache in Vordrucken2074, wäre die Vorschrift wohl insgesamt als konstitutiv zu bewerten. (Auch dies könnte ein Motiv darstellen, sie im Zuge der NGG-Novellierung zu streichen.2075) Der Landesrechnungshof regte bei Schaffung des § 3 an, aus Kostengründen vorhandene Vordrucke nur dann zu überarbeiten, wenn sie aus anderen Gründen ohnehin geändert werden müssten. Dies wurde jedoch in der Gesetzesbegründung abgelehnt, da eine solche Beschränkung mit dem verfolgten Ziel nicht zu vereinbaren sei. Allerdings könnten wegen des erforderlichen Arbeitsaufwandes nicht alle Vordrucke kurzfristig neugefasst werden.2076 Unklar ist, ob § 3 nur objektive Verpflichtungen beinhaltet oder auch subjektive Rechte, d. h. individuelle Ansprüche begründet (dieselbe Frage stellt sich darüber hinaus auch in Bezug auf die anderen Regelungen des Gesetzes). Unter Berück2069

(4517). 2070

LT-Drs. 11/2576, S. 5 f.; s. § 22 V NHG a. F. und dazu VG Hannover, NJOZ 2004, 4516

LT-Drs. 11/2576, S. 6. LT-Drs. 11/2576, S. 6. 2072 Ergebnisprotokoll der Sitzung der Arbeitsgruppe Rechtssprache mit den Vertretern der Bundesländer am 5. und 6. Mai 1988 im BMJ, S. 7 f., BArch, B 141/418830. 2073 Vgl. Abg. Deppe, LT-PlPr. 11/56, S. 5270. 2074 BGHZ 218, 96 ff.; s. dazu näher unter Erster Teil, D. 2075 S. dazu unter Dritter Teil, D. II. 3. d). 2076 LT-Drs. 11/2576, S. 6. 2071

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3. Teil: Rechtlicher Rahmen für die Verwendung geschlechtergerechter Sprache

sichtigung der Rechtsauffassung des BGH zu dem insoweit ähnlich formulierten2077 § 28 Satz 1 LGG Saarland2078 könnte auch § 3 Nds. Gesetz zur Förderung der Gleichstellung der Frau in der Rechts- und Verwaltungssprache als nicht individualschützend i. S. d. Schutznormtheorie2079 und damit als keine subjektiven Rechte begründend einzuordnen sein, weil sich argumentieren lässt, dass die Norm keinen abgrenzbaren Personenkreis begünstige. Allerdings ergibt sich aus § 1 und damit der Gesamtsystematik des Gesetzes zur Förderung der Gleichstellung der Frau in der Rechts- und Verwaltungssprache, dass dieses „frauenorientiert“ ist. d) Bestrebungen zur Reformierung des Nds. Gesetzes zur Förderung der Gleichstellung der Frau in der Rechts- und Verwaltungssprache Das Gesetz ist unterschiedlich bewertet worden. Teilweise werden seine Regelungen als selbstverständlich2080 oder sogar überflüssig angesehen.2081 Teilweise wird das Gesetz zwar prinzipiell als Schritt in die richtige Richtung betrachtet, jedoch als längst nicht weitgehend genug.2082 So finden sich Bezeichnungen als „niedersächsische Posse“2083 und „Alibifahne im frauenpolitischen Wind“2084. Das Gesetz habe „höchstens … über § 1 einen moralischen Aufforderungscharakter, wobei die Aufgeforderten dann selbst entscheiden können, was Frauen diskriminiert“.2085 In einer vermittelnden Einschätzung heißt es, mit „dieser pragmatischen Lösung [habe] der Gesetzgeber es einerseits vermieden, eine kosten- und arbeitsaufwendige Überarbeitung sämtlicher Rechts- und Verwaltungsvorschriften sowie von Vordrucken zu veranlassen“; andererseits habe er damit nicht „den wesentlich weiterge2077 § 28 Satz 1 LGG Saarland lautet: „Die Dienststellen haben beim Erlaß von Rechtsvorschriften, bei der Gestaltung von Vordrucken, in amtlichen Schreiben, in der Öffentlichkeitsarbeit, im Marketing und bei der Stellenausschreibung dem Grundsatz der Gleichberechtigung von Frauen und Männern dadurch Rechnung zu tragen, daß geschlechtsneutrale Bezeichnungen gewählt werden, hilfsweise die weibliche und die männliche Form verwendet wird.“ 2078 BGHZ 218, 96 (101 ff. Rn. 14 ff.); zustimmend G. Bachmann, NJW 2018, 1648 (1648); Buck-Heeb, WuB 2018, 325 (325); Scholl/Fischer, EWiR 2018, 365 (366); kritisch dagegen Grünberger, JZ 2018, 719 (721 f.). 2079 S. dazu unter Dritter Teil, A. VI. 1. 2080 So zu § 2 BT-Drs. 12/1041, S. 20; E. Bülow, ZG 3 (1988), 160 (171). 2081 S. dazu LT-PlPr. 11/56, S. 5266; bei den letzten Reformbestrebungen wurden offenbar die §§ 2 f. für entbehrlich erachtet, s. LT-Drs. 17/8707, S. 10, 16 im Vergleich zu LT-Drs. 17/ 7346, S. 10, 47 f. 2082 Vgl. Abg. Hammelstein, LT-PlPr. 11/56, S. 5271; Limbach, Protokoll der Sachverständigenanhörung zum Thema „Gleichbehandlung von Mann und Frau in der Rechtssprache?“ am 15. September 1988 im Bundesministerium der Justiz, S. 137, BArch, B 141/418838: „nicht mehr als ein kleiner Anfang“. 2083 Abg. Deppe, LT-PlPr. 11/76, S. 6991. 2084 Abg. Deppe, LT-PlPr. 11/76, S. 6990. 2085 Abg. Deppe, LT-PlPr. 11/76, S. 6990 f.

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henden Forderungen der Frauenverbände entsprochen, so daß dieses neue Kind der Landesgesetzgebung wohl von niemandem so recht geliebt“ würde.2086 Im Rahmen der Sachverständigenanhörung durch die interministerielle Arbeitsgruppe Rechtssprache auf der Bundesebene2087 wurde streitig diskutiert, ob es sich um ein „Gesetz zur Verhinderung weiterer Aktivitäten“ handele.2088 Um deutlich zu machen, dass es sich bei dem Gesetz „nicht um eine abschließende Regelung, sondern sozusagen um einen ersten Schritt zur Gleichstellung der Frau in der Rechts- und Verwaltungssprache“ handeln sollte, war im Gesetzgebungsverfahren der Titel des Gesetzes von „Gesetz zur Gleichstellung der Frau in der Rechts- und Verwaltungssprache“ noch in „Gesetz zur Förderung der Gleichstellung …“ geändert worden.2089 Abzuwarten bleibt die weitere Entwicklung von Initiativen für eine Novellierung des Niedersächsischen Gleichberechtigungsgesetzes (NGG) und in diesem Zuge für eine Eingliederung der Regelungen des Gesetzes zur Förderung der Gleichstellung der Frau in der Rechts- und Verwaltungssprache in das NGG.2090 Mit einer solchen Eingliederung sollen einerseits im Interesse der Praxis die einschlägigen Vorschriften in einem Gesetz vereint werden, zum anderen soll sie aber auch „den Regelungen [des Gesetzes zur Förderung der Gleichstellung der Frau in der Rechtsund Verwaltungssprache] mehr Geltung verschaffen als sie bisher vorweisen konnten“2091, wobei „mehr Geltung“ wohl eher „mehr Beachtung“ meint. Zu überdenken sein wird dabei mit Blick auf den Beschluss des Bundesverfassungsgerichts zum „dritten Geschlecht“2092 auch, die Normen von ihrem bisherigen binären Geschlechterverständnis zu befreien.2093 Die Verhinderung der sprachlichen 2086

Rebe/Piepenbrink, JöR N.F. 40 (1991/92), 609 (625). S. dazu unter Zweiter Teil. 2088 Protokoll der Sachverständigenanhörung zum Thema „Gleichbehandlung von Mann und Frau in der Rechtssprache?“ am 15. September 1988 im Bundesministerium der Justiz, S. 134 ff., BArch, B 141/418838. 2089 LT-PlPr. 11/76, S. 6986. 2090 S. dazu LT-Drs. 17/7346 und 17/8707 und unter Zweiter Teil. Ein Referentinnenentwurf NGG E 2019 soll(te) sich nach Angaben vom 29. 8. 2019 in der Ressortmitzeichnung befinden, s. LT-Drs. 18/4419, S. 3. 2091 LT-Drs. 17/7346, S. 47 f. 2092 BVerfGE 147, 1 ff.; s. dazu näher unter Erster Teil, B. I. 2093 Vgl. W. Fuchs/Kempe-Schälicke/E. Richter/J. Franzen, Geschlechtliche Vielfalt im öffentlichen Dienst, hrsg. vom Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, 2017, S. 20; allg. zur binärgeschlechtlichen Formulierung bestehender Normen Wissenschaftliche Dienste des Deutschen Bundestages, Sachstand WD 7 – 3000 – 148/17, S. 8 f.; Althoff/Schabram/Follmar-Otto, Geschlechtervielfalt im Recht, hrsg. vom Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, 2017, S. 30 ff., die sich für eine „geschlechterinklusive Weiterentwicklung des Gleichstellungsrechts“ aussprechen (S. 60); vgl. auch die Erwägungen des BGH in BGHZ 218, 96 (103 Rn. 25) zur möglichen Verfassungswidrigkeit des § 28 Satz 1 LGG Saarland wegen Verstoßes gegen Art. 3 Abs. 3 Satz 1 GG; keine Zweifel an der „Verfassungskonformität einer auf Zweigeschlechtlichkeit angelegten geschlechtergerechten Sprache“ und dementsprechend an der Verfassungsmäßigkeit einer binärgeschlechtlich 2087

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Diskriminierung von weder dem weiblichen noch dem männlichen Geschlecht zuzuordnenden Personen erscheint jedenfalls mit Blick auf das lange die Normsprache dominierende generische Maskulinum vordringlicher als die Verhinderung der sprachlichen Diskriminierung von Männern. Die Männer aber sind es, die in die letzten (dem Grundsatz der Diskontinuität anheimgefallenen) Gesetzentwürfe zur Eingliederung des Gesetzes zur Förderung der Gleichstellung der Frau in der Rechtsund Verwaltungssprache in das NGG im Zuge dessen Novellierung „Eingang gefunden“ haben, indem es statt wie bisher in § 1 „… sind Bezeichnungen so zu wählen, daß sie Frauen nicht diskriminieren …“ heißen sollte „…, dass sie Frauen und Männer [Hervorhebung AB] nicht diskriminieren“.2094 Zu denken wäre etwa an „…, dass sie Personen gleich welchen Geschlechts [Hervorhebung AB] nicht diskriminieren“. In den §§ 2 und 3, deren Wegfall allerdings erwogen wird2095, müsste entsprechend eine neutrale Sprachform neben der weiblichen bzw. männlichen Sprachform genannt werden, und zwar in § 3 nicht nur als Alternative zur weiblichen und männlichen Sprachform.2096 Darüber hinaus war nach den letzten Gesetzentwürfen vorgesehen, § 1 insgesamt wie folgt umzuformulieren: „In Verordnungen, Satzungen, Geschäftsordnungen und Verwaltungsvorschriften des Landes sowie der seiner Aufsicht unterstehenden Körperschaften, Anstalten und Stiftungen des öffentlichen Rechts sowie in Gesetzentwürfen der Landesregierung sind Bezeichnungen so zu wählen, dass sie Frauen und Männer nicht diskriminieren. Gleiches gilt für Presseverlautbarungen und Veröffentlichungen des Landes.“2097

Die vorgeschlagenen Änderungen in Satz 1 wären wohl (abgesehen von der Aufnahme der Männer) nur als Präzisierung des bisherigen Regelungsinhalts anzusehen, während Satz 2 den Anwendungsbereich der Regelung mit der Erstreckung auf Presseverlautbarungen und Veröffentlichungen des Landes erweitern würde. Hierzu wurde ausgeführt, dies sei „wegen der verfassungsrechtlichen Verpflichtung zur Verwirklichung der Gleichstellung und dem Vorbildcharakter von Verlautbarungen des Landes für eine geschlechtergerechte Darstellung unverzichtbar“; verbindliche Sprachregelungen für Öffentlichkeitsarbeit, wie teilweise gefordert, seien

ausgerichteten Norm zu geschlechtergerechter Sprache hegt hingegen Grünberger, JZ 2018, 719 (721). 2094 S. LT-Drs. 17/7346, S. 10 (§ 16 Abs. 1); 17/8707, S. 10 (§ 18). 2095 S. LT-Drs. 17/8707, S. 10, 47 f. im Vergleich zu LT-Drs. 17/7346, S. 10, 16. 2096 Für die bevorzugte Verwendung geschlechtsneutraler („geschlechtsumfassende[r]“) Formen bereits jetzt (unter ausdrücklichem Einschluss von Formularen) Landeshauptstadt Hannover (Hrsg.), Empfehlungen für eine geschlechtergerechte Verwaltungssprache, Stand: Jan. 2019. Zur Problematik der konkret-individuellen Bezeichnung und Ansprache weder dem weiblichen noch dem männlichen Geschlecht zuzuordnender Personen s. unter Dritter Teil, B. I. 3. und III. 2. 2097 LT-Drs. 17/7346, S. 10 (§ 16 Abs. 1); LT-Drs. 17/8707, S. 10 (§ 18).

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hingegen zu weitgehend.2098 Wie Presseverlautbarungen und Veröffentlichungen von Öffentlichkeitsarbeit abzugrenzen sind, erschließt sich allerdings nicht. 4. Grundsätze für die Gleichbehandlung von Frauen und Männern in der Rechtssprache, Beschluss des Landesministeriums vom 9. Juli 1991 Das Niedersächsische Landesministerium2099 hat am 9. Juli 1991 einen Beschluss über „Grundsätze für die Gleichbehandlung von Frauen und Männern in der Rechtssprache“ gefasst.2100 Grundlage hierfür waren die Vorschläge einer interministeriellen Arbeitsgruppe, welche im Herbst 1990 eingesetzt wurde und unter Federführung des Justizministeriums bis zum Mai 1991 zwölfmal tagte.2101 Schon der Arbeitsauftrag der Arbeitsgruppe zielte aufgrund entsprechender Äußerungen in einer Regierungserklärung vom 27. Juni 1990 („Die Gesetzes- und Amtssprache ist so zu ändern, daß im Regelfall beide Geschlechter benannt werden.“) vor allem auf die Verwendung von Paarformen.2102 Die niedersächsischen Grundsätze für die Gleichbehandlung von Frauen und Männern in der Rechtssprache sind gemäß deren Ziff. 6.1 für Gesetzentwürfe des damaligen Landesministeriums, d. h. heute für Gesetzentwürfe der Landesregierung2103, sowie für Verordnungen und Verwaltungsvorschriften des Landes zu beachten. Ihre Berücksichtigung wird in Ziff. 6.2 aber auch den Gemeinden, den Landkreisen und den der Aufsicht des Landes unterstehenden anderen Körperschaften, Anstalten und Stiftungen des öffentlichen Rechts anempfohlen. Dies betrifft z. B. Berufskammern und Hochschulen.2104 Die Grundsätze haben zudem an-

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LT-Drs. 17/7346, S. 48. So die frühere Bezeichnung der Landesregierung in Niedersachsen, s. Dietrich, in: Eichhoff-Cyrus/Hoberg (Hrsg.), Die deutsche Sprache zur Jahrtausendwende, 2000, S. 192 (207). 2100 Nds. MBl. S. 911. 2101 S. „Gleichbehandlung von Frauen und Männern in der Rechtssprache. Bericht einer interministeriellen Arbeitsgruppe“ (Niedersachsen), S. 4, 35 und passim, BArch, B 141/ 418841; dazu Gesellschaft für deutsche Sprache Wiesbaden, Gutachten: Möglichkeiten und Grenzen geschlechtsneutralen Formulierens in Rechtstexten, dargestellt anhand von Empfehlungsschriften und Erlassen zur sprachlichen Gleichbehandlung von Frau und Mann, 1994, Stand: 31. 3. 1995, S. 99 ff., 197 ff., BArch, B 141/438024. 2102 S. „Gleichbehandlung von Frauen und Männern in der Rechtssprache. Bericht einer interministeriellen Arbeitsgruppe“ (Niedersachsen), S. 4, BArch, B 141/418841. 2103 S. dazu Dietrich, in: Eichhoff-Cyrus/Hoberg (Hrsg.), Die deutsche Sprache zur Jahrtausendwende, 2000, S. 192 (207). 2104 Eichhoff-Cyrus, in: Eichhoff-Cyrus/Antos (Hrsg.), Verständlichkeit als Bürgerrecht?, 2008, S. 344 (347). 2099

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deren Bundesländern als Vorbild gedient, auch wenn diese zum Teil abweichende Festlegungen getroffen haben.2105 Die niedersächsischen Grundsätze geben vor, dass in der Rechtssprache „im Regelfall beide Geschlechter“ benannt werden sollen (Ziff. 1).2106 Das gelte für Rechtsvorschriften ebenso wie für Verwaltungsvorschriften. Es folgen konkrete Vorgaben zur Form der Benennung beider Geschlechter. So heißt es zunächst: „Zur Benennung beider Geschlechter werden nur voll ausgeschriebene Parallelformulierungen verwendet.“ Die interministerielle Arbeitsgruppe hatte als Alternativen auch die Schrägstrich-Lösung und das Binnen-I2107 geprüft, jedoch verworfen.2108 Sodann postulieren die Grundsätze weiter: „Die Bezeichnungen für Frauen und Männer werden durch ,und‘ oder ,oder‘ verbunden. Das Wort ,beziehungsweise‘ und die Zusammenstellung ,und/oder‘ sollen nicht benutzt werden.“ Als Grund hierfür wurde vermutet, dass die Konjunktion „beziehungsweise“ in der Alltagssprache oft doppeldeutig sowohl für und als auch für oder gebraucht werde und nicht ihrem Wortsinn gemäß mit Bezug auf zwei zuvor genannte unterschiedliche Sachverhalte.2109 Der Bericht der niedersächsischen interministeriellen Arbeitsgruppe gibt als Begründung an, dass das Wort „beziehungsweise“ in der Bedeutung „besser gesagt“ in der Rechtssprache keinen Anwendungsbereich haben könne; in der Bedeutung „und im anderen Falle“ verbiete es sich für die Rechtssprache mangels präziser Bezeichnung des Gemeinten ebenfalls.2110 Die Vorgaben zu den Konjunktionen zielen also auf geschlechtergerechte, aber zugleich auch eindeutige Formulierungen.2111 Weiter geben die niedersächsischen Grundsätze vor, dass die weibliche Bezeichnung der männlichen vorangestellt wird (Ziff. 1).2112 2105 Gesellschaft für deutsche Sprache Wiesbaden, Gutachten: Möglichkeiten und Grenzen geschlechtsneutralen Formulierens in Rechtstexten, dargestellt anhand von Empfehlungsschriften und Erlassen zur sprachlichen Gleichbehandlung von Frau und Mann, 1994, Stand: 31. 3. 1995, S. 197 f., BArch, B 141/438024; Dietrich, in: Eichhoff-Cyrus/Hoberg (Hrsg.), Die deutsche Sprache zur Jahrtausendwende, 2000, S. 192 (192); Eichhoff-Cyrus, in: EichhoffCyrus/Antos (Hrsg.), Verständlichkeit als Bürgerrecht?, 2008, S. 344 (348). 2106 Zu der Formulierung als „Soll“-Vorgabe vgl. die Ausführungen unter Dritter Teil, D. I. 1. a). 2107 S. zu diesen Formen unter Erster Teil, C. 2108 S. „Gleichbehandlung von Frauen und Männern in der Rechtssprache. Bericht einer interministeriellen Arbeitsgruppe“ (Niedersachsen), S. 5 ff., BArch, B 141/418841. 2109 Dietrich, in: Eichhoff-Cyrus/Hoberg (Hrsg.), Die deutsche Sprache zur Jahrtausendwende, 2000, S. 192 (213); kritisch zur Konjunktion „beziehungsweise“ auch Brühlmeier, in: Baumann/Meinunger (Hrsg.), Die Teufelin steckt im Detail, 2017, S. 240 (243). 2110 „Gleichbehandlung von Frauen und Männern in der Rechtssprache. Bericht einer interministeriellen Arbeitsgruppe“ (Niedersachsen), S. 11 f., BArch, B 141/418841. 2111 Dietrich, in: Eichhoff-Cyrus/Hoberg (Hrsg.), Die deutsche Sprache zur Jahrtausendwende, 2000, S. 192 (193). 2112 Als „gewisser kompensatorischer Effekt“, s. „Gleichbehandlung von Frauen und Männern in der Rechtssprache. Bericht einer interministeriellen Arbeitsgruppe“ (Niedersachsen), S. 12, BArch, B 141/418841; Eichhoff-Cyrus, in: Eichhoff-Cyrus/Antos (Hrsg.), Verständlichkeit als Bürgerrecht?, 2008, S. 344 (347 f.) sieht darin eine erhebliche Abweichung

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Nachfolgend erfährt der Grundsatz der Verwendung von Personenbezeichnungen in Form voll ausgeschriebener Parallelformulierungen allerdings deutliche Einschränkungen.2113 Umgestellt werden sollen nur „Personenbezeichnungen, d. h. Bezeichnungen für natürliche Personen“, nicht hingegen Bezeichnungen, „die sich ausschließlich auf juristische Personen, Gremien oder sonstige Institutionen beziehen“ (z. B. Gewährträger, Dienstherr) (Ziff. 2.1).2114 In der Literatur wird zur Begründung dieser Ausnahme vorgebracht, dass die Verwendung von Paarformen hier unangebracht2115 bzw. sinnlos2116 sei, da juristische Personen, Gremien und Institutionen kein biologisches Geschlecht haben. Hiergegen lässt sich allerdings einwenden, dass auch die juristischen Personen ein grammatisches Geschlecht haben (z. B. die Universität, die Gemeinde) und dass sie sich ohne Weiteres meist unter die feminine Personenbezeichnung subsumieren ließen (Ausnahme z. B. der Landkreis).2117 Zudem besteht die Gefahr, dass eine Bezeichnung doch einmal auch natürliche Personen erfasst und eine vereinzelt unterbleibende Umstellung auf Paarformulierungen dann zu einer anderen Auslegung führen könnte2118, obwohl sich im Ergebnis auch hier eine verfassungskonforme Auslegung durchsetzen müsste.2119

von den traditionellen Sprachnormen für die Vorschriftensprache. Der Beschluss gehe insofern auch weiter als andere Länderbestimmungen. Zum Streit über die Frage der Reihenfolge s. unter Erster Teil, C. 2113 Vgl. Gesellschaft für deutsche Sprache Wiesbaden, Gutachten: Möglichkeiten und Grenzen geschlechtsneutralen Formulierens in Rechtstexten, dargestellt anhand von Empfehlungsschriften und Erlassen zur sprachlichen Gleichbehandlung von Frau und Mann, 1994, Stand: 31. 3. 1995, S. 101, BArch, B 141/438024; Frank-Cyrus/Dietrich, Germanistische Linguistik 139 – 140 (1998), 49 (70). 2114 Vgl. insofern zustimmend R. Schmidt, in: Eichhoff-Cyrus (Hrsg.), Adam, Eva und die Sprache, 2004, S. 316 (321). 2115 Eichhoff-Cyrus, in: Eichhoff-Cyrus/Antos (Hrsg.), Verständlichkeit als Bürgerrecht?, 2008, S. 344 (348). 2116 Gesellschaft für deutsche Sprache Wiesbaden, Gutachten: Möglichkeiten und Grenzen geschlechtsneutralen Formulierens in Rechtstexten, dargestellt anhand von Empfehlungsschriften und Erlassen zur sprachlichen Gleichbehandlung von Frau und Mann, 1994, Stand: 31. 3. 1995, S. 198, BArch, B 141/438024; Dietrich, Der Sprachdienst 40 (1996), 163 (166); Frank-Cyrus/Dietrich, Germanistische Linguistik 139 – 140 (1998), 49 (75); Dietrich, in: Eichhoff-Cyrus/Hoberg (Hrsg.), Die deutsche Sprache zur Jahrtausendwende, 2000, S. 192 (193, 213). 2117 Vgl. Grabrucker, Vater Staat hat keine Muttersprache, 1993, S. 229 f.; für grammatische Kongruenz bei juristischen Personen auch U. Müller, ZGL 16 (1988), 323 (328); S. Müller/ C. Fuchs, Handbuch zur nichtsexistischen Sprachverwendung in öffentlichen Texten, 1993, S. 172; Landeshauptstadt Hannover (Hrsg.), Empfehlungen für eine geschlechtergerechte Verwaltungssprache, Stand: Jan. 2019; auf grammatische Kongruenz verweisend auch Baumann, in: Bartoszewicz/Szcze˛ k/Tworek (Hrsg.), Germanistische Linguistik im interdisziplinären Gefüge II, 2011, S. 189 (192 Fn. 9), die aber in Rechtsnormen für das generische Maskulinum plädiert. 2118 Vgl. T. Walter, JR 2007, 61 (63).

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Gilt eine Personenbezeichnung sowohl für natürliche als auch für juristische Personen (z. B. Veranstalter, Arbeitgeber), so ist nach den niedersächsischen Grundsätzen über eine Umstellung auf Parallelformulierungen im Einzelfall zu entscheiden. Je größer der Anteil juristischer Personen sei, die in der Praxis unter eine solche Bezeichnung fielen, umso mehr spreche dafür, nicht auf Parallelformulierungen umzustellen (Ziff. 2.2).2120 Dies vermag allerdings aus den o. g. Gründen auch hier nicht zu überzeugen.2121 Auch bei „besonders abstrakten und personenfernen Bezeichnungen“2122 (z. B. Hersteller, Gewahrsamsinhaber, Gläubiger) ist nach den niedersächsischen Grundsätzen im Einzelfall zu entscheiden, ob eine Umstellung auf Parallelformulierungen „angemessen“ sei. Ein besonders hoher Grad an Abstraktheit und Personenferne kann danach gegen eine Umstellung sprechen (Ziff. 2.3). Insofern bestehen allerdings erst recht die o. g. Bedenken bezüglich der Widerspruchsfreiheit der Handhabung von Personenbezeichnungen.2123 Auch wenn im Ergebnis eine verfassungskonforme Auslegung solche Widersprüche inhaltlich zu beseitigen vermag, sollten sie doch möglichst vermieden werden oder zumindest leicht nachvollziehbar sein. Die in den Grundsätzen vorgesehenen vorgenannten Ausnahmen sind insbesondere deshalb problematisch, weil sie als sehr weitreichend zu erachten sind.2124 Unter die wohl meisten Personenbezeichnungen in Rechts-

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In diese Richtung auch die Argumentation der nds. interministeriellen Arbeitsgruppe, s. „Gleichbehandlung von Frauen und Männern in der Rechtssprache. Bericht einer interministeriellen Arbeitsgruppe“ (Niedersachsen), S. 27, BArch, B 141/418841; vgl. dazu unter Dritter Teil, B. I. 2. a) cc). 2120 Vgl. dazu Bundesministerium der Justiz (Hrsg.), Handbuch der Rechtsförmlichkeit, 3. Aufl. 2008, Rn. 113; im Ergebnis zustimmend Dietrich, Der Sprachdienst 40 (1996), 163 (166 f.); Eichhoff-Cyrus, in: Eichhoff-Cyrus/Antos (Hrsg.), Verständlichkeit als Bürgerrecht?, 2008, S. 344 (348); tendenziell zustimmend auch Berghahn, in: Berghahn/Schultz (Hrsg.), Rechtshandbuch für Frauen- und Gleichstellungsbeauftragte (Stand: Mai 2018), Kap. 2.4.1, S. 9. 2121 Nach Ansicht von Eichhoff-Cyrus, in: Eichhoff-Cyrus/Antos (Hrsg.), Verständlichkeit als Bürgerrecht?, 2008, S. 344 (348) müsste zur vollkommenen sprachlichen Darstellung in diesen Fällen hingegen eine „körperschaftliche“ Bezeichnung mit der betreffenden Paarform kombiniert werden (z. B. „die abfallerzeugenden Betriebe sowie die Abfallerzeuger und -erzeugerinnen“); ähnlich wie diese Dietrich, Der Sprachdienst 40 (1996), 163 (166 f.); Grabrucker, Vater Staat hat keine Muttersprache, 1993, S. 229 ff. plädiert für diese Fälle „auf der ersten Stufe“ für neutrale Bezeichnungen als Lösung. 2122 Dazu Frank-Cyrus/Dietrich, Germanistische Linguistik 139 – 140 (1998), 49 (75). 2123 A.A. Gesellschaft für deutsche Sprache Wiesbaden, Gutachten: Möglichkeiten und Grenzen geschlechtsneutralen Formulierens in Rechtstexten, dargestellt anhand von Empfehlungsschriften und Erlassen zur sprachlichen Gleichbehandlung von Frau und Mann, 1994, Stand: 31. 3. 1995, S. 198, BArch, B 141/438024; Dietrich, Der Sprachdienst 40 (1996), 163 (167); Frank-Cyrus/Dietrich, Germanistische Linguistik 139 – 140 (1998), 49 (75). 2124 A.A. Dietrich, in: Eichhoff-Cyrus/Hoberg (Hrsg.), Die deutsche Sprache zur Jahrtausendwende, 2000, S. 192 ff., die zwar auch erwägt, ob „Paarformen dadurch umgangen werden“ könnten (193), deren Anwendungsbereich aber nicht stark eingeschränkt sieht (213).

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normen können sowohl natürliche als auch juristische Personen fallen.2125 Das Kriterium eines „besonders hohe[n] Grad[es] an Abstraktheit und Personenferne“ ist unbestimmt und kaum praktikabel zu handhaben.2126 Viele Personenbezeichnungen in Rechtsnormen lassen sich als abstrakt und personenfern bezeichnen; inwiefern hier „besonders“ abstrakte und personenferne Bezeichnungen bestimmt und abgegrenzt werden sollen, erschließt sich nicht.2127 Weiterhin benutzt werden sollen außerdem nach den niedersächsischen Grundsätzen solche Personenbezeichnungen, „für die eine entsprechende weibliche Bezeichnung fehlt und nicht gebildet werden kann“ (Ziff. 2.4). Da es sich bei den dort genannten Beispielen (Vormund, Mündel, Gast, Fahrgast, Flüchtling, Prüfling) um geschlechtsneutrale Personenbezeichnungen handelt2128, bestehen insofern keine Einwände. Auch zusammengesetzte Wörter, bei denen das vorangestellte Bestimmungswort eine maskuline Personenbezeichnung ist (z. B. Schülervertretung), sollen danach wie bisher weiterverwendet werden, „soweit ihre Benutzung nicht vermieden werden kann“, ebenso aus einer maskulinen Personenbezeichnung mit Hilfe einer Nachsilbe abgeleitete Wörter (z. B. kaufmännisch, ärztlich, Studentenschaft) (Ziff. 2.5).2129 Darüber hinaus halten die niedersächsischen Grundsätze dazu an (Ziff. 3), „alle Möglichkeiten auszuschöpfen, um die Regelungen durch Umformulierung so knapp, klar, verständlich und sprachlich einwandfrei wie möglich zu halten“, da durch Parallelformulierungen „Vorschriften nicht unerheblich länger, komplizierter und schwerer verständlich“ würden. Hierfür werden konkrete Mittel genannt, z. B. die Verwendung von Passivkonstruktionen und geschlechtsneutralen Personenbezeichnungen. Die Vor- und Nachteile einer Parallelverwendung und einer Umformulierung seien jeweils im Einzelfall gegeneinander abzuwägen. Letztlich wird das Gebot, „im Regelfall beide Geschlechter“ zu benennen, so im Ergebnis deutlich „aufgeweicht“, obwohl es zunächst sehr rigoros erscheint. 2125 Vgl. zum Problem der Abgrenzbarkeit Baumann, in: Bartoszewicz/Szcze˛ k/Tworek (Hrsg.), Germanistische Linguistik im interdisziplinären Gefüge II, 2011, S. 189 (190); Baumann, in: Baumann/Meinunger (Hrsg.), Die Teufelin steckt im Detail, 2017, S. 196 (207). 2126 In diese Richtung auch Gesellschaft für deutsche Sprache Wiesbaden, Gutachten: Möglichkeiten und Grenzen geschlechtsneutralen Formulierens in Rechtstexten, dargestellt anhand von Empfehlungsschriften und Erlassen zur sprachlichen Gleichbehandlung von Frau und Mann, 1994, Stand: 31. 3. 1995, S. 100, BArch, B 141/438024. 2127 Vgl. zu der ebenso problematischen, jedoch nicht in den nds. Grundsätzen aufgeführten Ausnahmefallgruppe „feststehender Rechtsbegriff“ Baumann, in: Bartoszewicz/Szcze˛ k/Tworek (Hrsg.), Germanistische Linguistik im interdisziplinären Gefüge II, 2011, S. 189 (190); Baumann, in: Baumann/Meinunger (Hrsg.), Die Teufelin steckt im Detail, 2017, S. 196 (207 f.). 2128 Vgl. Eichhoff-Cyrus, in: Eichhoff-Cyrus/Antos (Hrsg.), Verständlichkeit als Bürgerrecht?, 2008, S. 344 (347). 2129 Zur Begründung s. „Gleichbehandlung von Frauen und Männern in der Rechtssprache. Bericht einer interministeriellen Arbeitsgruppe“ (Niedersachsen), S. 23, BArch, B 141/418841; zustimmend Dietrich, in: Eichhoff-Cyrus/Hoberg (Hrsg.), Die deutsche Sprache zur Jahrtausendwende, 2000, S. 192 (193).

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Für den Änderungsumfang innerhalb ein und desselben Regelungswerkes sowie in Bezug auf andere ggf. mitbetroffene Regelungswerke enthalten die niedersächsischen Grundsätze folgende Vorgaben: Während mit Ausnahme bundeseinheitlich zu erlassender Vorschriften, bei denen eine Umstellung ausgeschlossen sei (Ziff. 5.2), Zusammenhänge mit anderen Regelungswerken die Umstellung von Personenbezeichnungen nur innerhalb eines Regelungswerkes grundsätzlich nicht ausschlössen (Ziff. 5.1), darf danach innerhalb desselben Regelungswerkes eine Personenbezeichnung nur in ein und derselben Form verwendet werden (Ziff. 4.1).2130 Enthalte ein Regelungswerk Personenbezeichnungen nicht nur in den inhaltlich zur Änderung vorgesehenen Vorschriften, könne entweder (1.) das Regelungswerk insgesamt neu gefasst werden oder es könnten (2.) durch eine Novelle alle Personenbezeichnungen in dem Regelungswerk umgestellt werden oder aber (3.) die Personenbezeichnungen „(übergangsweise)“ noch in der bisher üblichen Form verwendet werden (Ziff. 4.3). Welche dieser Alternativen im konkreten Einzelfall sachgerecht sei, hänge von den Umständen des Einzelfalles ab (Ziff. 4.4). Für welche Zeitspanne genau die genannte „Übergangslösung“ als noch zulässig zu erachten ist, bleibt nach den beschlossenen Grundsätzen (und auch im Bericht der interministeriellen Arbeitsgruppe) offen. Es spricht allerdings viel dafür, dass inzwischen, nach mehr als 25 Jahren, diese Übergangsfrist jedenfalls abgelaufen sein dürfte. Im Ergebnis laufen die niedersächsischen Grundsätze für die Gleichbehandlung von Frauen und Männern in der Rechtssprache auf eine Kombination von Paarformen, geschlechtsneutralen Formen und – in bestimmten Fällen – von generischen Maskulina hinaus.2131 Als Hilfestellung für die Umsetzung soll der 2013 von der Niedersächsischen Staatskanzlei herausgegebene, von der Arbeitsgemeinschaft der Gleichstellungsbeauftragten entwickelte Flyer „Tipps für eine geschlechtergerechte Sprache“ dienen.2132 Ein prominenter „Anwendungsfall“ der niedersächsischen Grundsätze von 1991 ist die Niedersächsische Verfassung vom 19. Mai 1993.2133 Diese wird gerne als

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Kritisch zu dem daraus abgeleiteten grundsätzlichen Verbot von Synonymen Dietrich, in: Eichhoff-Cyrus/Hoberg (Hrsg.), Die deutsche Sprache zur Jahrtausendwende, 2000, S. 192 (217). 2131 S. dazu und dieses Modell befürwortend Gesellschaft für deutsche Sprache Wiesbaden, Gutachten: Möglichkeiten und Grenzen geschlechtsneutralen Formulierens in Rechtstexten, dargestellt anhand von Empfehlungsschriften und Erlassen zur sprachlichen Gleichbehandlung von Frau und Mann, 1994, Stand: 31. 3. 1995, S. 197 ff., BArch, B 141/438024; Frank-Cyrus/ Dietrich, Germanistische Linguistik 139 – 140 (1998), 49 (75 f.). 2132 So die Arbeitsgemeinschaft der Gleichstellungsbeauftragten der obersten Landesbehörden unter https://niedersachsen.de/startseite/politik_staat/gleichberechtigung/gleichstellungs beauftragte_der_obersten_landesbehorden/zusammenarbeit-20083.html (abgerufen am 2. 6. 2020); dort ist auch der Flyer abrufbar. 2133 Dazu ausführlich mit Verbesserungsvorschlägen Dietrich, in: Eichhoff-Cyrus/Hoberg (Hrsg.), Die deutsche Sprache zur Jahrtausendwende, 2000, S. 192 ff.

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Positivbeispiel für geschlechtergerechte Sprache in Rechtsnormen angeführt.2134 Zumindest ist dort deutlich das Bemühen erkennbar, durchgehend geschlechtergerechte Formulierungen zu verwenden.2135 Klärungsbedürftig ist das Verhältnis der niedersächsischen Grundsätze für die Gleichbehandlung von Frauen und Männern in der Rechtssprache von 1991 zum Gesetz zur Förderung der Gleichstellung der Frau in der Rechts- und Verwaltungssprache aus dem Jahr 1989. Bei der Schaffung des Gesetzes zur Förderung der Gleichstellung der Frau in der Rechts- und Verwaltungssprache ging der niedersächsische Gesetzgeber davon aus, dass die Verwendung generischer Maskulina nicht unter dessen § 1 falle; die generischen Maskulina sollten nicht aus den niedersächsischen Rechtsnormen „verbannt“ werden.2136 Die Grundsätze für die Gleichbehandlung von Frauen und Männern in der Rechtssprache, wie sie vom Niedersächsischen Landesministerium 1991 beschlossen wurden, haben dagegen eine ganz andere Tendenz: Danach sollen „im Regelfall beide Geschlechter“ benannt werden, und zwar in Form voll ausgeschriebener Parallelformulierungen (obgleich dies dann noch deutlich relativiert wird). Insofern stellt sich die Frage, wie sich dies miteinander vereinbaren lässt. Entweder haben die damaligen Regierungsverantwortlichen in Niedersachsen (1.) die Diskrepanz bewusst in Kauf genommen oder (2.) die Diskrepanz gar nicht gesehen oder (3.) dem Gesetz zur Förderung der Gleichstellung der Frau in der Rechts- und Verwaltungssprache mit den Grundsätzen von 1991 eine neue Auslegung beigeben wollen2137 oder (4.) in den Grundsätzen eine über das Gesetz hinausgehende, dieses nicht konkretisierende, sondern ergänzende Regelung gesehen. Für Letzteres lässt sich anführen, dass das Gesetz zur Förderung der Gleichstellung der Frau in der Rechts- und Verwaltungssprache nicht als „abschließende Regelung“ gesehen wurde, sondern es sollte nur einen „ersten Schritt“ darstellen.2138 Mit dem Regierungswechsel im Juni 1990 erfolgte in Niedersachsen bezüglich des Themas geschlechtergerechte Sprache offenbar auch ein Kurswechsel. Bereits die Regierungserklärung vom 27. Juni 1990 brachte die Absicht zum Ausdruck, die „Gesetzesund Amtssprache … so zu ändern, daß im Regelfall beide Geschlechter benannt 2134 S. Dietrich, in: Eichhoff-Cyrus/Hoberg (Hrsg.), Die deutsche Sprache zur Jahrtausendwende, 2000, S. 192 (222); Hellinger, in: Eichhoff-Cyrus (Hrsg.), Adam, Eva und die Sprache, 2004, S. 275 (290); Reinecke, in: FS Düwell, 2011, S. 399 (408); a. A. insb. bezogen auf Art. 18 NV Starck, NdsVBl. 1994, 2 (7); Diederichsen, in: FS Gaul, 1997, S. 121 (134). 2135 Starck, NdsVBl. 1994, 2 (7); Dietrich, in: Eichhoff-Cyrus/Hoberg (Hrsg.), Die deutsche Sprache zur Jahrtausendwende, 2000, S. 192 (203); Berlit, NVwZ 1994, 11 (13) geht sogar von „durchgängig“ geschlechtergerechten Formulierungen aus; ebenso U. Bachmann, RuP 29 (1993), 128 (129); zur Intention einer geschlechtergerechten Formulierung LT-Drs. 12/5840, S. 1. 2136 S. dazu unter Dritter Teil, D. II. 3. a). 2137 Vgl. allgemein zur Frage eines gewandelten Verständnisses gegenüber der historischen Auslegung Kirchhof, in: GS F. Klein, 1977, S. 227 (241). 2138 LT-PlPr. 11/76, S. 6986.

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werden“.2139 Niedersachsen hat sich in der Folgezeit auch im Bundesrat für die Verwendung von Paarformen stark gemacht, konnte seine Vorschläge aber nicht wie beantragt durchsetzen.2140 Die Grundsätze von 1991 und das Gesetz von 1989 sind dann nicht als konfligierende, sondern als einander ergänzende Vorgaben zu betrachten, wobei das Gesetz die erste Regelungsstufe darstellt und die Grundsätze die zweite Regelungsstufe bilden (freilich nicht in Gesetzesform). Mit Spannung abzuwarten bleibt allerdings, ob im Falle einer NGG-Novellierung unter Eingliederung des Gesetzes zur Förderung der Gleichstellung der Frau in der Rechts- und Verwaltungssprache bei weitgehender Beibehaltung des derzeitigen Normtextes zumindest des § 12141 dem Gesetzesinhalt in der Gesetzesbegründung ein weiter reichender Regelungsgehalt beigemessen werden wird als bislang. Ein Anknüpfungspunkt für eine Neujustierung des Regelungsgehaltes könnte die ursprüngliche Gesetzesbegründung sein, wonach der Wortlaut der Norm „offen für … noch nicht absehbare Entwicklungen des Sprachgebrauchs“ sein sollte.2142 Das weitere Schicksal der „Grundsätze für die Gleichbehandlung von Frauen und Männern in der Rechtssprache“ bleibt vor diesem Hintergrund ebenso abzuwarten. Aufgrund ihrer rein „binärgeschlechtlichen“ Ausrichtung sind auch diese Grundsätze mit Blick auf den Beschluss des Bundesverfassungsgerichts zum „dritten Geschlecht“2143 kritisch zu sehen.2144

2139 „Gleichbehandlung von Frauen und Männern in der Rechtssprache. Bericht einer interministeriellen Arbeitsgruppe“ (Niedersachsen), S. 4, BArch, B 141/418841. 2140 S. Auszug aus der Niederschrift über die 637. Sitzung des Ausschusses für Innere Angelegenheiten des Bundesrates vom 14. 11. 1991, S. 57 ff., BArch, B 141/418843. 2141 S. dazu LT-Drs. 17/7346, S. 10, 47 f.; LT-Drs. 17/8707, S. 10, 16 und näher unter Dritter Teil, D. II. 3. d). 2142 LT-Drs. 11/2576, S. 4; s. dazu auch LT-PlPr. 11/76, S. 6993. 2143 BVerfGE 147, 1 ff.; s. dazu näher unter Erster Teil, B. I. 2144 Vgl. allg. zum Problem der binärgeschlechtlichen Ausrichtung derzeitiger Sprachregelungen W. Fuchs/Kempe-Schälicke/E. Richter/J. Franzen, Geschlechtliche Vielfalt im öffentlichen Dienst, hrsg. vom Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, 2017, S. 20, die sich für eine Anpassung solcher Vorschriften aussprechen; vgl. auch Wissenschaftliche Dienste des Deutschen Bundestages, Sachstand WD 7 – 3000 – 148/17, S. 8 f.; Althoff/Schabram/Follmar-Otto, Geschlechtervielfalt im Recht, hrsg. vom Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, 2017, S. 30 ff.; vgl. auch die Erwägungen des BGH in BGHZ 218, 96 (103 Rn. 25) zur möglichen Verfassungswidrigkeit des § 28 Satz 1 LGG Saarland wegen Verstoßes gegen Art. 3 Abs. 3 Satz 1 GG; keine Zweifel an der „Verfassungskonformität einer auf Zweigeschlechtlichkeit angelegten geschlechtergerechten Sprache“ hegt hingegen Grünberger, JZ 2018, 719 (721).

D. Einfach- und untergesetzliche nationale Maßgaben

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5. § 2 Gemeinsame Geschäftsordnung der Landesregierung und der Ministerien in Niedersachsen (GGO): Gender-Mainstreaming § 2 der Gemeinsamen Geschäftsordnung der Landesregierung und der Ministerien in Niedersachsen vom 30. März 20042145 gibt vor, dass die Gleichstellung von Frauen und Männern als durchgängiges Leitprinzip bei allen politischen, normgebenden und verwaltenden Maßnahmen zu beachten ist („Gender-Mainstreaming“). Geschlechtergerechte Sprache ist als (ein) Ausfluss von Gender Mainstreaming2146 zu sehen.2147 Bei der GGO handelt es sich allerdings nur um Binnenrecht2148, außerdem ist der Beschluss von 1991 über die „Grundsätze für die Gleichbehandlung von Frauen und Männern in der Rechtssprache“ thematisch spezieller. Andererseits fällt auf, dass § 2 GGO Niedersachsen – verglichen mit § 2 GGO auf der Bundesebene2149 – klarer als Muss-Vorgabe (wenn auch nur zur „Beachtung“) formuliert ist. Problematisch ist die „binärgeschlechtliche“ Ausrichtung der Regelung.2150 6. Zwischenergebnis In Niedersachsen finden sich rechtliche Maßgaben für geschlechtergerechte Sprache vor allem im seit 1989 unveränderten Gesetz zur Förderung der Gleichstellung der Frau in der Rechts- und Verwaltungssprache sowie in den vom damaligen Landesministerium 1991 beschlossenen „Grundsätzen für die Gleichbehandlung von Frauen und Männern in der Rechtssprache“. Das Gesetz zur Förderung der Gleichstellung der Frau in der Rechts- und Verwaltungssprache gibt in § 2 – nur als deklaratorisch zu erachtend – für den amtlichen Sprachgebrauch zwingend vor, „die jeweils zutreffende weibliche oder männliche Sprachform zu verwenden“. In § 3 beinhaltet es eine Regelung speziell für Vordrucke, wonach Personenbezeichnungen entweder „nebeneinander in weiblicher und männlicher Sprachform“ aufzuführen sind oder auch eine „nicht geschlechtsbezogene Sprachform“ gewählt werden kann. In § 1 bestimmt das Gesetz, dass in Rechts- und Verwaltungsvorschriften des Landes sowie der seiner Aufsicht unterstehenden Körperschaften, Anstalten und Stiftungen des öffentlichen Rechts Bezeichnungen so zu wählen sind, „daß sie Frauen nicht diskriminieren, sondern dem 2145 Nds. GVBl. S. 107, zuletzt geändert durch Beschluss vom 17. 3. 2020 (Nds. GVBl. S. 39). 2146 S. dazu unter Erster Teil, B. II. 2147 S. die Nachweise in Fn. 540. 2148 Vgl. zu § 2 Abs. 2 GGO Berlin Spangenberg, KJ 51 (2018), 345 (349 f.). 2149 S. dazu unter Dritter Teil, D. I. 4. a). 2150 Vgl. dazu die Ausführungen zu § 4 Abs. 3 BGleiG unter Dritter Teil, D. I. 1. a).

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3. Teil: Rechtlicher Rahmen für die Verwendung geschlechtergerechter Sprache

Grundsatz der Gleichberechtigung (Artikel 3 Abs. 2 des Grundgesetzes) entsprechen“. Diese Regelung ist insofern problematisch, als sie unbestimmt und auslegungsbedürftig ist. Insbesondere ist bereits streitig, ob Art. 3 Abs. 2 GG auf die Sprachform überhaupt Anwendung findet. Die Bezugnahme auf Art. 3 Abs. 2 GG schafft daher eher Probleme, als dass sie Frauen nützen würde. Aber auch die Formulierung, dass Bezeichnungen so zu wählen sind, „daß sie Frauen nicht diskriminieren“, öffnet Streitigkeiten Tür und Tor. Die Gesetzesbegründung zeigt deutlich, dass mit § 1 des Gesetzes zur Förderung der Gleichstellung der Frau in der Rechts- und Verwaltungssprache das generische Maskulinum nicht aus den niedersächsischen Rechtsnormen „verbannt“ werden sollte. Der Beschluss des Landesministeriums von 1991 über Grundsätze für die Gleichbehandlung von Frauen und Männern in der Rechtssprache hat dagegen eine ganz andere Tendenz: Danach sollen im Regelfall „beide Geschlechter“ benannt werden, und zwar in Form voll ausgeschriebener Parallelformulierungen (obgleich dies dann noch deutlich relativiert wird, sodass die niedersächsischen Grundsätze letztlich auf eine Kombination von Paarformen, geschlechtsneutralen Formen und – in bestimmten Fällen – von generischen Maskulina hinauslaufen). Dies wirft Fragen zum Verhältnis beider Vorgabenkomplexe auf. Mit dem Regierungswechsel im Juni 1990 erfolgte in Niedersachsen bezüglich des Themas geschlechtergerechte Sprache offenbar ein Kurswechsel. Die Grundsätze von 1991 und das Gesetz von 1989 sind vor diesem Hintergrund nicht als konfligierende, sondern als einander ergänzende Vorgaben zu betrachten, wobei das Gesetz die erste Regelungsstufe darstellt und die Grundsätze die zweite Regelungsstufe bilden (freilich nicht in Gesetzesform). Abzuwarten bleibt die weitere Entwicklung von Initiativen für eine Novellierung des Niedersächsischen Gleichberechtigungsgesetzes (NGG) und in diesem Zuge für eine Eingliederung der Regelungen des Gesetzes zur Förderung der Gleichstellung der Frau in der Rechts- und Verwaltungssprache in das NGG. Zu überdenken sein wird dabei mit Blick auf den Beschluss des Bundesverfassungsgerichts zum „dritten Geschlecht“ (1 BvR 2019/16 vom 10. Oktober 2017) auch, die Normen von ihrem bisherigen binären Geschlechterverständnis zu befreien. Insofern ist auch das Schicksal der „Grundsätze für die Gleichbehandlung von Frauen und Männern in der Rechtssprache“ ungewiss.

Schlussbetrachtung Geschlechtergerechte Sprache bleibt ein Reizthema, auch unter Jurist_innen. Die „sprachwissenschaftliche Kontroverse irritiert die Dogmatik“ der Rechtswissenschaft, die vor die Herausforderung gestellt ist, „den sprachwissenschaftlichen Streit um das generische Maskulinum und die psycholinguistischen Erkenntnisse darüber … zu ,übersetzen‘“ in ihre eigenen Kategorien.2151 Aus juristischer Sicht steht im Vordergrund die Frage, was der Staat tun darf und was er eventuell sogar tun muss in Bezug auf geschlechtergerechte Sprache; ebenso stellt sich die Frage nach Verpflichtungen Privater zu geschlechtergerechter Sprache. Anknüpfungspunkte für rechtliche Maßgaben zu geschlechtergerechter Sprache in Deutschland bietet die Rechtsordnung an zahlreichen Stellen; sie erstrecken sich vom Unions- und Völkerrecht über das Grundgesetz bis hin zu einfach- und untergesetzlichen Maßgaben auf der Bundes- wie auch auf der Landesebene. Oft ist geschlechtergerechte Sprache dabei nicht explizit im Normtext erwähnt, sodass erst im Wege der Auslegung zu ermitteln ist, ob die jeweilige Norm tatsächlich dahingehende Maßgaben beinhaltet. Dies gilt in besonderer Weise für das Unionsrecht, das in Bezug auf geschlechtergerechte Sprache noch wenig dogmatisch durchdrungen ist. Dies könnte sich ändern, falls die Europäische Kommission ihre bisherige (Zurück-)Haltung in dieser Frage gegenüber den Mitgliedstaaten ändern und diese in die Pflicht nehmen sollte, auf geschlechtergerechte Rechtssprache hinzuwirken. Nach den Ergebnissen dieser Arbeit kommen zwar verbindliche Vorgaben der Europäischen Union an die Mitgliedstaaten bezüglich des „Wie“ geschlechtergerechter Sprache, also in Form ganz konkreter Formulierungsvorgaben oder der Vorgabe zumindest bestimmter Formen geschlechtergerechter Sprache (z. B. Gender-Star oder Binnen-I2152), wegen der zu achtenden Sprachenhoheit der Mitgliedstaaten nicht in Betracht, solche bezüglich des „Ob“ geschlechtergerechter Sprache – im Zuständigkeitsbereich der Union – aber durchaus. Ob die Europäische Union zu verbindlichen Vorgaben an die Mitgliedstaaten bzgl. des „Ob“ geschlechtergerechter Rechtssprache befugt ist, ist demnach letztlich eine Frage der Abwägung insbesondere von Art. 23 Abs. 1 GRC mit Art. 22 GRC sowie Art. 4 Abs. 2 Satz 1 EUV, die auf die Achtung der nationalen Identität und sprachlichen und kulturellen Vielfalt abzielen.2153

2151 2152 2153

Grünberger, JZ 2018, 719 (720, 722 f.). Zu den unterschiedlichen Formen geschlechtergerechter Sprache s. unter Erster Teil, C. S. dazu näher unter Dritter Teil, A. I. 3. a) aa).

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Schlussbetrachtung

Was die Beleuchtung des Grundgesetzes als Direktive für geschlechtergerechte Sprache betrifft, sind dagegen bereits Ende der Achtzigerjahre bzw. zu Beginn der Neunzigerjahre des vergangenen Jahrhunderts juristisch wichtige Grundsteine gelegt worden. Eine maßgebende Rolle hat dabei der Abschlussbericht der interministeriellen Arbeitsgruppe Rechtssprache vom 17. Januar 1990 „Maskuline und feminine Personenbezeichnungen in der Rechtssprache“ gespielt.2154 Bereits seitdem darf es als herrschende Meinung gelten, dass wegen des Erfordernisses verfassungskonformer Gesetzesauslegung der Regelungsgehalt der (zahlreichen) unter Verwendung des generischen Maskulinums formulierten Rechtsnormen nicht gegen das Diskriminierungsverbot aus Art. 3 Abs. 2 Satz 1, Abs. 3 Satz 1 GG verstößt. Auch ist bereits früh herausgearbeitet worden, dass jedenfalls unter dem Aspekt der Einheit der (selbst im generischen Maskulinum formulierten) Verfassung die Sprachformwahl in all den Normen als solche keinen Verstoß gegen Art. 3 Abs. 2 Satz 1, Abs. 3 Satz 1 GG darstellt.2155 Hingegen konnte der erst 1994 in das Grundgesetz eingefügte Art. 3 Abs. 2 Satz 2 GG damals noch gar nicht berücksichtigt werden. Aber auch lange Zeit danach ist Art. 3 Abs. 2 Satz 2 GG als sedes materiae in Bezug auf geschlechtergerechte Sprache nur unzureichend juristisch gewürdigt worden. Hier ist als Ergebnis der vorliegenden Arbeit festzuhalten: Staatliches Hinwirken auf geschlechtergerechte Sprache stellt eine im Sinne des Art. 3 Abs. 2 Satz 2 GG geeignete Maßnahme zur Beseitigung bestehender Nachteile und damit zur Förderung der tatsächlichen Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern dar. Es liegen zahlreiche psycholinguistische bzw. kognitionspsychologische Studien vor, deren Ergebnisse breite Übereinstimmung darin aufweisen, dass das generische Maskulinum zu einer gedanklichen Unterrepräsentation von Frauen führt. Dies stellt einen strukturellen Nachteil im Sinne des Art. 3 Abs. 2 Satz 2 GG dar. Geschlechtergerechte Sprache kann hingegen nach einer Vielzahl von Studienergebnissen zu einer höheren mentalen Repräsentation von Frauen führen. Trotz grundsätzlicher Gestaltungsfreiheit im Rahmen von Art. 3 Abs. 2 Satz 2 GG ist der Staat nach hier vertretener Ansicht sogar verpflichtet, auf geschlechtergerechte Sprache hinzuwirken, weil sich die (seit längerem bekannten) Nachteile, die sich aus nicht geschlechtergerechter Sprache für Frauen ergeben, nur durch die Förderung geschlechtergerechter Sprache seitens des Staates beseitigen lassen. Gestaltungsfreiheit verbleibt dem Staat bei der genauen Art und Weise der Förderung geschlechtergerechter Sprache. Das beim Hinwirken auf geschlechtergerechte Sprache zutage tretende Spannungsverhältnis zwischen dem Förderauftrag aus Art. 3 Abs. 2 Satz 2 GG und Verfassungsprinzipien wie dem Prinzip der Normenklarheit und -verständlichkeit sowie zu Grundrechten insbesondere derjenigen, die zu geschlechtergerechter Sprache angehalten werden, ist nach Maßgabe des Prinzips praktischer

2154 2155

BT-Drs. 12/1041. S. dazu unter Dritter Teil, B. I. 2. b) bb) (3).

Schlussbetrachtung

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Konkordanz aufzulösen.2156 Dies ist im Einzelfall freilich keine einfache Aufgabe und führt weiterhin zu Diskussionsbedarf. Insbesondere die Verfassungsmäßigkeit verbindlicher Vorgaben zu geschlechtergerechter Sprache im Schul- und Hochschulbereich wurde bislang juristisch kaum in den Blick genommen.2157 Hier erscheinen differenzierende Lösungen angezeigt: Während sich etwa im Bereich der durch Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG geschützten Lehre der neben dem Förderauftrag des Art. 3 Abs. 2 Satz 2 GG bestehende, ihn aber aufgreifende verfassungsrechtliche Ausbildungsauftrag der Hochschulen dafür anführen lässt, dass die Freiheit der Lehre zumindest hinsichtlich des „Ob“ der Verwendung geschlechtergerechter Sprache zurückzutreten hat, diese also (in Form jedenfalls einer Bemühenspflicht) vorgegeben werden darf, sprechen im Bereich der ebenfalls durch Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG geschützten Forschung die vorbehaltlose Gewährleistung und die besondere Bedeutung der Wissenschaftsfreiheit stärker dafür, dass geschlechtergerechte Sprache nicht eingefordert werden darf. Seit der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zum „dritten Geschlecht“ (1 BvR 2019/16 vom 10. Oktober 2017)2158 stellen sich beim Thema geschlechtergerechte Sprache noch einmal ganz neue Herausforderungen. Zu fragen ist spätestens seither, welche Sprache allen Geschlechtern gerecht wird. Plett hat es nicht zu Unrecht als eine „Ironie der Rechtsgeschichte“ bezeichnet, „dass das Bemühen um eine geschlechtergerechte Sprache durch Verweis auf männliche und weibliche Menschen sich nun als zu kurz greifend erweist“.2159 Bevor trotz jahrzehntelanger Diskussion überhaupt ein Konsens über die sprachliche Gleichstellung von Frauen und Männern erreicht war, ist durch das Abrücken der Rechtsordnung von einem rein binären Geschlechterverständnis die Debatte auf ganz neue Füße gestellt worden.2160 Nicht nur die konkreten Formen geschlechtergerechter Sprache sind zu überdenken, und zwar bei Stellenausschreibungen ebenso wie bei der Vorschriften- und Amtssprache, sondern auch die Formulierung vieler bestehender rechtlicher Vorgaben zu geschlechtergerechter Sprache ist wegen ihrer „binärgeschlechtlichen“ Ausrichtung auf den Prüfstand zu stellen; dies gilt gleichfalls für Niedersachsen2161. Selbst wenn mit Blick auf Art. 3 Abs. 3 Satz 1 GG, der neutral von einer Benachteiligung wegen des „Geschlechtes“ spricht, eine verfassungskonforme Auslegung solcher Normen oftmals möglich erscheint2162, birgt dies stets eine Rechtsunsicherheit in sich; hinzu kommt, dass verfassungsrechtlich das Verhältnis zwischen 2156

S. zum Ganzen näher unter Dritter Teil, B. I. 4. S. dazu insb. unter Dritter Teil, B. I. 4. b) dd) (2) und (3). 2158 BVerfGE 147, 1 ff.; s. dazu näher unter Erster Teil, B. I. 2159 Plett, Stellungnahme vom 23. 11. 2018, BT-Ausschussdrucks. 19(4)169 D neu, S. 6. 2160 Vgl. Wetschanow, OBST 90 (2017), 33 (34 f.), die von einem „Spannungsverhältnis zwischen unbekannt und überholt“ spricht. 2161 S. dazu unter Dritter Teil, D. II. 3. d). 2162 So auch v. Roetteken, GiP 3/2019, 23 (29, 32); s. dazu etwa unter Dritter Teil, D. I. 1. a) m. w. N. 2157

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Schlussbetrachtung

dem nur Frauen und Männer erwähnenden Förderauftrag aus Art. 3 Abs. 2 Satz 2 GG und dem Diskriminierungsverbot des Art. 3 Abs. 3 Satz 1 GG mit Blick auf die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts ganz neu zu diskutieren ist und nicht als geklärt gelten kann2163. Dass der Rat für deutsche Rechtschreibung von eindeutigen und abschließenden Empfehlungen für geschlechtergerechte Schreibung unter Berücksichtigung auch von Menschen, die sich weder dem männlichen noch dem weiblichen Geschlecht zuordnen (lassen), vorerst abgesehen hat2164, ist zwar einerseits angesichts der Schwierigkeit, eine angemessene Lösung speziell auch für die Verwaltungssprache zu finden, nachvollziehbar, andererseits hat der Rat für deutsche Rechtschreibung die unter grundrechtlichem „Zugzwang“ stehende Verwaltung so aber auch mit dieser Herausforderung und ihrem Dilemma ein wenig „alleingelassen“. Unproblematisch lässt sich aus juristischer Sicht für die Vorschriften- und die Amtssprache mit ihren Eigenheiten, durch die sich diese von anderen Textsorten unterscheiden2165, derzeit eigentlich nur die Verwendung „echt“ geschlechtsneutraler Personenbezeichnungen (ohne gleichlautende Form für nur ein Geschlecht) empfehlen2166 (und auch für Stellenausschreibungen ist das ein „sicherer Weg“2167) – obwohl die Neutralisierung von feministischer Seite oft nur als Lösung „zweiter Klasse“ angesehen wurde2168, weil sie Frauen in der Sprache weniger sichtbar macht als etwa Paarformen. Solche geschlechtsindifferenten Personenbezeichnungen stehen jedoch in der deutschen Sprache nicht unbegrenzt zur Verfügung. Eine darüber hinausreichende „Patentlösung“ kann auch hier nicht geboten werden: Ultra posse nemo obligatur. Das heißt aber nicht, dass der Staat sich nicht (weiterhin) um eine sachgerechte und angemessene Lösung der Problematik be-

2163

S. dazu näher unter Dritter Teil, B. I. 4. a) aa). S. Rat für deutsche Rechtschreibung, Empfehlungen zur „geschlechtergerechten Schreibung“ vom 16. 11. 2018; s. auch Rat für deutsche Rechtschreibung, Geschlechtergerechte Sprache: Herausforderung noch ohne Lösung, Pressemitteilung vom 8. 6. 2018; Rat für deutsche Rechtschreibung, Bericht und Vorschläge der AG „Geschlechtergerechte Schreibung“, Revidierte Fassung vom 28. 11. 2018 (alle abrufbar unter http://www.rechtschreibrat.com, abgerufen am 2. 6. 2020); s. dazu näher unter Dritter Teil, B. I. 3.; zur Frage der rechtlichen Verbindlichkeit der Empfehlungen des Rates für deutsche Rechtschreibung s. Fn. 30. 2165 Dazu näher Baumann, in: F. Vogel (Hrsg.), Zugänge zur Rechtssemantik, 2015, S. 254 (254 ff.); Baumann, in: Baumann/Meinunger (Hrsg.), Die Teufelin steckt im Detail, 2017, S. 196 (198). 2166 Dabei geht diese Empfehlung von den bundesrechtlichen Vorgaben und der Rechtslage speziell in Niedersachsen aus. 2167 S. dazu unter Dritter Teil, D. I. 1. b) und 3. a). 2168 Vgl. U. Müller, ZGL 16 (1988), 323 (325); Grabrucker, Vater Staat hat keine Muttersprache, 1993, S. 244; F. Braun, Der Deutschunterricht 48 (1996), Heft 1, 54 (61). 2164

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mühen muss.2169 Die hierfür relevanten rechtlichen Maßgaben in ihrer Bandbreite zusammenzustellen und ihren Gehalt sowie ihr Zusammenspiel näher zu beleuchten, war Anliegen dieser Arbeit.

2169 Zu kurz gegriffen erscheint es insofern, wenn das Bundesverwaltungsgericht ausführt, dass „nicht dargelegt oder ersichtlich [sei], dass das Bemühen um geschlechtergerechte Sprache in Persönlichkeitsrechte von Menschen ,dritten Geschlechts‘ eingreift“, seien „die bestehenden sprachlichen Möglichkeiten, biologischen Ausnahmefällen Rechnung zu tragen, doch faktisch begrenzt“, s. BVerwG, 1 WB 16/18 vom 28. 2. 2019, Rn. 15 (juris); vgl. aber dazu, dass die staatlichen Verpflichtungen unter einem „Vorbehalt des Möglichen“ stehen, BVerfGE 33, 303 (333); Mehde, Grundrechte unter dem Vorbehalt des Möglichen, 2000, passim.

Thesen I. Geschlechtergerechte Sprache als Rechtsthema: Bestandsaufnahme 1. Das Thema geschlechtergerechte Sprache ist notwendig interdisziplinär angelegt. Obwohl allgemein bereits vieles zu diesem Thema publiziert wurde, ist es aus juristischer Perspektive bislang unzureichend behandelt; insbesondere die Frage nach der verfassungsrechtlichen Notwendigkeit geschlechtergerechter Sprache ist juristisch nicht abschließend geklärt. 2. Wesentliche neue Impulse hat das Thema durch zwei aktuelle Entscheidungen erhalten: zum einen durch den Beschluss des Bundesverfassungsgerichts zum „dritten Geschlecht“ bzw. zur „Dritten Option“ (1 BvR 2019/16 vom 10. 10. 2017)2170 und zum anderen durch das Urteil des Bundesgerichtshofs zu geschlechtergerechter Sprache in Sparkassenformularen und -vordrucken (VI ZR 143/17 vom 13. 3. 2018)2171. 3. Spätestens seit der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zum „dritten Geschlecht“ (1 BvR 2019/16 vom 10. 10. 2017) ist aus juristischer Sicht nicht mehr von einem rein binären Geschlechterverständnis auszugehen. Daher ist auch bei der Definition bzw. Auslegung des Begriffs „geschlechtergerechte Sprache“ ein Umdenken geboten. Zu fragen ist, welche Sprache allen Geschlechtern gerecht wird. 4. Während sich im Bereich der Amtssprache geschlechtergerechte Sprache weitgehend durchgesetzt hat, ist die Lage bei der Vorschriftensprache eher als ambivalent zu bezeichnen. Einerseits hat es hier inzwischen viel gesetzgeberische Aktivität gegeben und es wurden zahlreiche Vorgaben für eine geschlechtergerechte Fassung von Vorschriften normiert, andererseits herrscht über die Notwendigkeit und Sinnhaftigkeit geschlechtergerechter Sprache in der Rechtswissenschaft weiterhin kein Konsens. Auch in der tatsächlichen Umsetzung sind zwar zunehmend Schritte erkennbar, allerdings nicht in allen Bereichen des Rechts gleichermaßen und nicht stets stringent und nachvollziehbar. Eine Art Zwischenstellung nehmen Formulare und Vordrucke ein. Hier ist maßgeblich, dass diese dazu bestimmt sind, von einer Person konkret-individuell ausgefüllt zu werden. Insbesondere spielt das Allgemeine Persönlichkeitsrecht 2170

BVerfGE 147, 1 ff.; s. dazu unter Erster Teil, B. I. BGHZ 218, 96 ff.; s. dazu BVerfG, 1 BvR 1074/18 vom 26. 5. 2020 und näher unter Erster Teil, D. 2171

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aus Art. 2 Abs. 1 i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG bei Formularen und Vordrucken eine gewichtigere Rolle als bei der Vorschriftensprache.

II. Unions- und völkerrechtliche Maßgaben für geschlechtergerechte Sprache in Deutschland 5. Das Unionsrecht ist selbst nicht in allen Sprachfassungen geschlechtergerecht formuliert. Unter dem Aspekt der Einheit der Rechtsordnung und unter Berücksichtigung aller als gleichwertig zu erachtenden Sprachfassungen ist nicht geschlechtergerechte Vorschriftensprache daher nicht als Diskriminierung wegen des Geschlechts im Sinne des Unionsrechts (insbesondere im Sinne von Art. 21 Abs. 1 GRC, Art. 10 AEUV) anzusehen. 6. Dennoch kommen auf der Ebene der Europäischen Union verschiedene Normen des Primär- und Sekundärrechts als Anknüpfungspunkt für Maßgaben bzgl. geschlechtergerechter (Rechts-)Sprache in Betracht, insbesondere solche, die dem Gender Mainstreaming-Ansatz zuzurechnen sind. So wirkt gem. Art. 8 AEUV die EU bei allen ihren Tätigkeiten darauf hin, Ungleichheiten zu beseitigen und die Gleichstellung von Männern und Frauen zu fördern. Gem. Art. 29 RL 2006/54/EG berücksichtigen die Mitgliedstaaten aktiv das Ziel der Gleichstellung von Männern und Frauen bei der Formulierung und Durchführung von Rechts- und Verwaltungsvorschriften, Politiken und Tätigkeiten in den in dieser Richtlinie genannten Bereichen. Ähnlich ist auch Art. 12 RL 2010/41/EU formuliert. 7. Auch der Auftrag zur Sicherstellung der Gleichheit von Frauen und Männern aus Art. 23 Abs. 1 GRC bietet einen Anknüpfungspunkt für Maßgaben bzgl. geschlechtergerechter Sprache. Der Begriff der „Gleichheit“ kann die sprachliche Gleichbehandlung umfassen. Bei einem solchen Verständnis kommen Vorgaben der Union an die Mitgliedstaaten zumindest bzgl. des „Ob“ geschlechtergerechter Sprache (im Zuständigkeitsbereich der Union) in Betracht, während Vorgaben bzgl. des „Wie“ geschlechtergerechter Sprache wegen der zu achtenden Sprachenhoheit der Mitgliedstaaten ausgeschlossen erscheinen. Letztlich ist dies eine Frage der Abwägung insbesondere von Art. 23 Abs. 1 GRC mit Art. 22 GRC sowie Art. 4 Abs. 2 Satz 1 EUV, die auf die Achtung der nationalen Identität und sprachlichen und kulturellen Vielfalt abzielen. Art. 23 Abs. 1 GRC lässt sich darüber hinaus so interpretieren, dass die Mitgliedstaaten bei der Durchführung von Unionsrecht unmittelbar aus dieser Norm Verpflichtungen bzgl. geschlechtergerechter Sprache unterliegen. 8. Die Normen des Unionsrechts werden allerdings bislang weit überwiegend nicht in Richtung von Maßgaben für geschlechtergerechte Rechtssprache in den Mitgliedstaaten interpretiert. Namentlich die EU-Kommission sieht hier keine Zuständigkeit in der Frage, „wie der nationale Sprachgebrauch ausgerichtet werden sollte“ und beabsichtigte jedenfalls 2007 nicht, Initiativen mit dem Ziel

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einer geschlechtergerechten Sprache zu ergreifen. Das scheint sich bisher auch nicht geändert zu haben, obgleich die EU-Kommission geschlechtergerechte Sprache für wichtig erachtet. 9. Nach vorzugswürdiger Auffassung legitimiert und fordert Art. 14 Abs. 1 RL 2006/54/EG sogar ein Gebot geschlechtsneutraler Stellenausschreibungen im öffentlichen wie auch im privaten Bereich. 10. Auf der Ebene des Europarates weist die Empfehlung R (90) 4 vom 21. 2. 1990 (Recommendation No. R [90] 4 of the Committee of Ministers to Member States on the Elimination of Sexism from Language) spezifischen Bezug zum Thema geschlechtergerechte Sprache auf. Als Empfehlung sind die Maßgaben zwar nicht rechtsverbindlich, sie können aber im Rahmen nationaler Handlungsspielräume als „argumentative Stütze“ herangezogen werden. 11. Auf der UN-Ebene sind für die Problematik geschlechtergerechte Sprache das Übereinkommen der Vereinten Nationen zur Beseitigung jeder Form von Diskriminierung der Frau (Convention on the Elimination of All Forms of Discrimination against Women – CEDAW) sowie das UNESCO-Übereinkommen gegen Diskriminierung im Unterrichtswesen (Convention against Discrimination in Education – CADE) am speziellsten und relevantesten.2172 Die geschlechtergerechte Fassung von Rechtsvorschriften wird als eine geeignete Maßnahme zur Erfüllung der sich insbesondere aus Art. 2 und Art. 5 lit. a CEDAW für die Vertragsstaaten ergebenden Verpflichtungen angesehen. Sowohl aus Art. 10 lit. c CEDAW als auch aus Art. 4 CADE lassen sich Argumente für eine geschlechtergerechte Sprache der Lehrkräfte an Schulen sowie in den Schulbüchern ableiten. Entsprechendes gilt für Hochschulen. Allerdings scheinen selbst der CEDAW-Ausschuss und die UNESCO nicht von einer eindeutigen Verpflichtung der Vertragsstaaten zur Förderung geschlechtergerechter Sprache aus den Übereinkommen auszugehen.

III. Bundesverfassungsrechtliche Maßgaben für geschlechtergerechte Sprache 12. Trotz des grundsätzlichen (Anwendungs-)Vorrangs des Unionsrechts können die bundesdeutschen Grundrechte zum Zuge kommen.2173 Gleichstellung fällt nicht generell in den Kompetenzbereich der EU. Zwar sind die Kompetenzen der EU im Bereich der Geschlechtergleichbehandlung fortwährend ausgedehnt worden, eine umfassende Kompetenz der EU in diesem Bereich besteht aber weiterhin nicht. Die sprachliche Geschlechtergleichbehandlung in Rechtsnormen ist nach bislang h.M. durch das für die Mitgliedstaaten verbindliche Unionsrecht weder explizit noch implizit geregelt (s. II.). 2172 2173

Zu deren Geltung und Anwendbarkeit s. unter Dritter Teil, A. VI. 1. und 2. S. dazu unter Dritter Teil, B.

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13. Die unter Verwendung des generischen Maskulinums formulierten Rechtsnormen verstoßen nicht gegen das Diskriminierungsverbot aus Art. 3 Abs. 2 Satz 1, Abs. 3 Satz 1 GG. Wegen des Erfordernisses verfassungskonformer Gesetzesauslegung verstößt weder der sachliche Regelungsgehalt der einzelnen Normen gegen das Diskriminierungsverbot, noch stellt – jedenfalls unter dem Aspekt der Einheit der (selbst im generischen Maskulinum formulierten) Verfassung – die Sprachformwahl in all den Normen als solche einen Verstoß gegen Art. 3 Abs. 2 Satz 1, Abs. 3 Satz 1 GG dar. 14. Die herkömmliche Vorschriftensprache unter Verwendung des generischen Maskulinums stellt auch keine Verletzung der Menschenwürde i. S. d. Art. 1 Abs. 1 GG dar. Zwar wird argumentiert, dass die Verwendung des generischen Maskulinums, indem Frauen hier nur „mitgemeint“ seien, eine Behandlung von Frauen als Objekte darstelle, weil sie als „durch Männer vertretbare Größen“ angesehen und als Rechtssubjekte nicht direkt angesprochen würden. Die herausgehobene Stellung und Bedeutung der Menschenwürde im Grundgesetz gebieten es jedoch, diese eng auszulegen. Die „sprachliche Vertretbarkeit“ von Frauen ist nicht mit anderen Fällen einer Objektbehandlung gleichzusetzen. 15. Die Verwendung des generischen Maskulinums in Rechtsnormen verletzt nicht das Allgemeine Persönlichkeitsrecht aus Art. 2 Abs. 1 i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG, weil die Personenbezeichnungen in Rechtsnormen nicht auf konkrete reale Personen referieren, sondern Abstraktion gerade ein wesentliches Kennzeichen von Rechtsnormen ist. Ohne konkrete Referenz wird eine Person nicht in ihrer Persönlichkeit verletzt. 16. Staatliches Hinwirken auf eine geschlechtergerechte Sprache lässt sich als eine im Sinne des Art. 3 Abs. 2 Satz 2 GG geeignete Maßnahme zur Beseitigung bestehender Nachteile und damit zur Förderung der tatsächlichen Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern ansehen. Es liegen zahlreiche psycholinguistische bzw. kognitionspsychologische Studien vor, deren Ergebnisse breite Übereinstimmung darin aufweisen, dass das generische Maskulinum zu einer gedanklichen Unterrepräsentation von Frauen führt. Dies stellt einen strukturellen Nachteil im Sinne des Art. 3 Abs. 2 Satz 2 GG jedenfalls insofern dar, als dadurch primär an Männer gedacht wird und dies dazu führen kann, dass Frauen z. B. bei der Besetzung eines Gremiums nicht benannt werden. Geschlechtergerechte Sprache kann hingegen nach einer Vielzahl von Studienergebnissen zu einer höheren mentalen Repräsentation von Frauen führen. 17. Der Staat ist trotz grundsätzlicher Gestaltungsfreiheit im Rahmen von Art. 3 Abs. 2 Satz 2 GG sogar verpflichtet, auf geschlechtergerechte Sprache hinzuwirken, weil sich die (seit längerem bekannten) Nachteile, die sich aus nicht geschlechtergerechter Sprache für Frauen ergeben, nur durch die Förderung geschlechtergerechter Sprache seitens des Staates beseitigen lassen. Gestaltungsfreiheit verbleibt dem Staat bei der genauen Art und Weise der Förderung geschlechtergerechter Sprache, etwa bei der Prioritätensetzung in zeitlich-

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sachlicher Hinsicht, indem er z. B. geschlechtergerechte Sprache vorrangig in bestimmten besonders gleichstellungsrelevanten Rechtsbereichen fördert. 18. Das beim Hinwirken auf geschlechtergerechte Sprache zutage tretende Spannungsverhältnis zwischen dem Förderauftrag aus Art. 3 Abs. 2 Satz 2 GG und Verfassungsprinzipien wie dem Prinzip der Normenklarheit und -verständlichkeit sowie zu Grundrechten insbesondere derjenigen, die zu geschlechtergerechter Sprache angehalten werden, ist nach Maßgabe des Prinzips praktischer Konkordanz aufzulösen. 19. Wenn Frauen in der Amtssprache im Gegensatz zu Männern nicht geschlechtsadäquat angesprochen bzw. konkret benannt werden, verletzt dies das Allgemeine Persönlichkeitsrecht aus Art. 2 Abs. 1 i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG (und verstößt gegen das Diskriminierungsverbot aus Art. 3 Abs. 2 Satz 1, Abs. 3 Satz 1 GG). Das Persönlichkeitsrecht schützt auch die geschlechtliche Identität und diese hängt eng mit der Form der Bezeichnung zusammen. Da für Männer beim generischen Maskulinum die geschlechtsspezifische und die „generische“ Form übereinstimmen, können sie ihr Geschlecht und damit ihre Individualität als Person bei dessen Verwendung immer berücksichtigt sehen, während Frauen durch die Verwendung derselben Formen zur Anrede oder konkreten Bezeichnung in ihrer Persönlichkeit „übersehen“, also missachtet werden, weil es auch eine geschlechtsspezifische feminine Form als Pendant zur maskulinen Form in der geschlechtsspezifischen Bedeutung gibt. 20. Wie Personen, die sich weder dem männlichen noch dem weiblichen Geschlecht zuordnen (lassen), angemessen individuell anzureden und insofern auch mit Männern und Frauen, für die geschlechtsspezifische Anredeformen existieren, gleichzubehandeln sind, ist noch ungeklärt. Eine „Notlösung“ stellt das Ausweichen auf „Guten Tag“ in Kombination mit dem Vor- und dem Nachnamen der Person dar. Bei den Berufs-, Amts-, Funktions- und sonstigen Personenbezeichnungen ist zur gleichberechtigten angemessenen Bezeichnung aller Menschen in der Amtssprache über die Verwendung des Gender-Gap (Unterstrich) oder des Gender-Star (Sternchen) nachzudenken, die der Rat für deutsche Rechtschreibung allerdings bislang nicht empfiehlt.2174 Hier hat der Rat für deutsche Rechtschreibung die unter grundrechtlichem „Zugzwang“ stehende Verwaltung durch seine abwartende Haltung ein Stück weit „alleingelassen“. 21. Aus Art. 12 Abs. 1 GG lässt sich eine Schutzpflicht des Staates vor nicht vom Staat ausgehenden Gefahren bei „struktureller Disparität“ ableiten, welche den 2174 S. Rat für deutsche Rechtschreibung, Empfehlungen zur „geschlechtergerechten Schreibung“ vom 16. 11. 2018; s. auch Rat für deutsche Rechtschreibung, Geschlechtergerechte Sprache: Herausforderung noch ohne Lösung, Pressemitteilung vom 8. 6. 2018; Rat für deutsche Rechtschreibung, Bericht und Vorschläge der AG „Geschlechtergerechte Schreibung“, Revidierte Fassung vom 28. 11. 2018 (alle abrufbar unter http://www.rechtschreibrat.com, abgerufen am 2. 6. 2020); zur Frage der rechtlichen Verbindlichkeit der Empfehlungen des Rates für deutsche Rechtschreibung s. Fn. 30.

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Staat verpflichtet, strukturelle Barrieren abzubauen, die den Gebrauch der Berufsfreiheit behindern und die die einzelne Person nicht selbst beseitigen kann. Solche strukturellen Barrieren beim Zugang zum Beruf und zu Arbeits- und Ausbildungsplätzen können unter dem Aspekt (nicht) geschlechtergerechter Sprache darin gesehen werden, dass Berufsbezeichnungen und Bezeichnungen für Ausbildungsberufe unter Verwendung des generischen Maskulinums Assoziationen zu Männern eher und stärker bewirken als zu Frauen und dies dazu führen kann, dass sich weniger Frauen für diese Berufe bzw. Ausbildungen entscheiden und bewerben, weil sie sich nicht ausreichend damit identifizieren können oder sogar unsicher sind, ob sie auch gemeint sind. 22. Die Berufsfreiheit aus Art. 12 Abs. 1 GG stellt zudem den Anknüpfungspunkt für den (verfassungsrechtlichen) Ausbildungsauftrag der Hochschulen dar, welcher speziell im Hochschulbereich zusätzliche Argumente für geschlechtergerechte Sprache bietet. 23. Der aus Art. 7 Abs. 1 GG abzuleitende Bildungs- und Erziehungsauftrag des Staates in der Schule lässt sich so interpretieren, dass er auch geschlechtergerechte Sprache umfasst, und zwar sowohl in Schulbüchern als auch seitens der Lehrkräfte und auch seitens der Schüler_innen. Dabei zutage tretende Spannungsverhältnisse mit entgegenstehenden Grundrechten sind nach Maßgabe des Prinzips praktischer Konkordanz aufzulösen.

IV. Landesverfassungsrechtlicher Rahmen in Niedersachsen für geschlechtergerechte Sprache 24. Niedersachsen hat mit dem als dynamische Verweisung zu interpretierenden Art. 3 Abs. 2 Satz 1 NV die Grundrechte des Grundgesetzes in seine Landesverfassung inkorporiert, sodass für diese inkorporierten Grundrechte als Landesgrundrechte die Ausführungen zu den Grundrechten des Grundgesetzes entsprechend gelten. 25. Eine Besonderheit weist die Niedersächsische Verfassung mit Art. 3 Abs. 2 Satz 3 NV auf, wonach „insbesondere die Verwirklichung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern … eine ständige Aufgabe des Landes, der Gemeinden und Landkreise“ ist. Indem Niedersachsen mit der Konjunktion „insbesondere“ die „Verwirklichung der Gleichberechtigung“ besonders hervorgehoben hat, misst es diesem Staatsziel besonderes Gewicht bei. Durch die Formulierung „ständige Aufgabe“ wird der Verpflichtungscharakter jedenfalls bezogen auf das „Ob“ des Tätigwerdens noch deutlicher als in Art. 3 Abs. 2 Satz 2 GG. 26. Eine weitere Besonderheit stellt das in Art. 4 Abs. 1 NV verankerte Recht auf Bildung dar, aus dem sich ein Anspruch auf geschlechtergerechte Sprache in der Dimension als Anspruch auf gleiche Teilhabe an Bildung ableiten lässt. Wenn

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Mädchen bzw. Frauen und auch Personen, die sich weder dem männlichen noch dem weiblichen Geschlecht zuordnen (lassen), sich durch nicht geschlechtergerechte Sprache im Bildungswesen, insbesondere in der Schule oder Hochschule, nicht gleichermaßen angesprochen fühlen wie Jungen bzw. Männer, können sie nicht in gleicher Weise am Bildungsangebot partizipieren. Insofern verstärkt das landesverfassungsrechtliche Recht auf Bildung das Recht auf eine geschlechtsadäquate Ansprache aus dem Allgemeinen Persönlichkeitsgrundrecht unter dem spezifischen Aspekt der Bildung.

V. Regelungen zu geschlechtergerechter Sprache des Bundes unterhalb der Verfassungsebene 27. Auf der Bundesebene sollen Rechts- und Verwaltungsvorschriften des Bundes (§ 4 Abs. 3 Satz 1 BGleiG), auch solche für „Soldatinnen und Soldaten“ (§ 1 Abs. 2 Satz 1 SGleiG), ebenso wie bereits Gesetzentwürfe und Entwürfe von Rechtsverordnungen der Bundesministerien (§ 42 Abs. 5 Satz 2 [i. V. m. § 62 Abs. 2 Satz 1] GGO) „die Gleichstellung von Frauen und Männern [auch] sprachlich zum Ausdruck bringen“. Wie die Gleichstellung von Frauen und Männern sprachlich zum Ausdruck gebracht werden soll, ist dort nicht unmittelbar bestimmt. Die Regelungen zielen aber eindeutig auf eine geschlechtergerechte Sprache und gegen die Verwendung des generischen Maskulinums. Aufgrund der Fassung als Soll-Vorschriften herrscht Uneinigkeit über die Rechtsfolgen eines Verstoßes gegen sie. Zum einen kann mit einer Soll-Vorschrift zum Ausdruck gebracht werden, dass zwar im Regelfall eine Verpflichtung besteht, in Ausnahmefällen aber ein Abweichen von der vorgesehenen Rechtsfolge möglich ist. Eine Soll-Vorschrift kann aber auch ausdrücken, dass die Rechtsfolge eines Verstoßes weniger schwerwiegend ist. Das Fehlen einer klar definierten Rechtsfolge im Falle der Nichtbefolgung der Vorgaben zur sprachlichen Gleichstellung begünstigt und erklärt jedenfalls, dass diese Vorgaben in der Praxis nicht immer die nötige Beachtung finden. 28. In § 6 Abs. 1 Satz 1 – 3 BGleiG, § 6 Abs. 1 SGleiG sowie § 11 AGG finden sich Vorgaben zur geschlechtsneutralen Ausschreibung von Arbeitsplätzen (bzw. für Dienstpostenbekanntgaben). Diese zwingenden Vorschriften beinhalten (zumindest mittelbar) auch sprachliche Vorgaben im Sinne einer Verpflichtung zu geschlechtergerechter Sprache. Seit der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zum „dritten Geschlecht“ (1 BvR 2019/16 vom 10. 10. 2017) ist in der Ausschreibungspraxis ein grundlegendes Umdenken geboten; seither gilt es Offenheit für Bewerbungen von Personen gleich welchen Geschlechts (auch eines solchen jenseits der Kategorien „männlich“ und „weiblich“) zum Ausdruck zu bringen.

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29. § 11 AGG und § 6 Abs. 1 Satz 1 – 3 BGleiG sind nebeneinander anwendbar, wobei die Vorgaben des BGleiG jedoch weiter gehen, indem sie anders als § 11 AGG positive Anforderungen stellen. 30. Problematisch ist insbesondere mit Blick auf die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zum „dritten Geschlecht“ (1 BvR 2019/16 vom 10. 10. 2017) die „binärgeschlechtliche“ Ausrichtung der für geschlechtergerechte Sprache relevanten Vorschriften des BGleiG, des SGleiG und der GGO, die auf Art. 3 Abs. 2 Satz 2 GG beruhen. Nachdem das Bundesverfassungsgericht entschieden hat, dass Art. 3 Abs. 3 Satz 1 GG auch Menschen, die sich weder dem männlichen noch dem weiblichen Geschlecht zuordnen (lassen), vor Diskriminierungen wegen ihres Geschlechts schützt, zugleich aber Art. 3 Abs. 2 GG mit seiner nur von Männern und Frauen sprechenden Formulierung als enger angesehen hat, stellt sich die Frage, ob und wie die in Konsequenz dieser Auffassung ebenfalls nur entsprechend begrenzte Ausrichtung des Förderauftrages aus Art. 3 Abs. 2 Satz 2 GG mit dem Diskriminierungsverbot wegen des Geschlechts aus Art. 3 Abs. 3 Satz 1 GG in Einklang steht.

VI. Einfach- und untergesetzliche Maßgaben für geschlechtergerechte Sprache auf der Landesebene in Niedersachsen 31. In Niedersachsen finden sich rechtliche Maßgaben für geschlechtergerechte Sprache vor allem im seit 1989 unveränderten Gesetz zur Förderung der Gleichstellung der Frau in der Rechts- und Verwaltungssprache sowie in den vom damaligen Landesministerium 1991 beschlossenen „Grundsätzen für die Gleichbehandlung von Frauen und Männern in der Rechtssprache“. 32. § 1 des Gesetzes zur Förderung der Gleichstellung der Frau in der Rechts- und Verwaltungssprache ist unbestimmt und auslegungsbedürftig. Die Bezugnahme auf Art. 3 Abs. 2 GG schafft eher Probleme, als dass sie Frauen nützen würde. Die Gesetzesbegründung zeigt deutlich, dass mit § 1 des Gesetzes zur Förderung der Gleichstellung der Frau in der Rechts- und Verwaltungssprache das generische Maskulinum nicht aus den niedersächsischen Rechtsnormen „verbannt“ werden sollte. 33. Nach den Grundsätzen für die Gleichbehandlung von Frauen und Männern in der Rechtssprache sollen „im Regelfall beide Geschlechter“ in Form voll ausgeschriebener Parallelformulierungen benannt werden. Dieser Grundsatz wird jedoch nachfolgend deutlich relativiert. Im Ergebnis führen die niedersächsischen Grundsätze zu einem Nebeneinander von Paarformen, geschlechtsneutralen Formen und generischen Maskulina. 34. Die Grundsätze für die Gleichbehandlung von Frauen und Männern in der Rechtssprache von 1991 und das Gesetz zur Förderung der Gleichstellung der

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Frau in der Rechts- und Verwaltungssprache von 1989 sind nicht als konfligierende, sondern als einander ergänzende Vorgaben zu betrachten, wobei das Gesetz die erste Regelungsstufe darstellt und die Grundsätze die zweite Regelungsstufe bilden. 35. Das Gesetz zur Förderung der Gleichstellung der Frau in der Rechts- und Verwaltungssprache bringt (wie auch die Grundsätze für die Gleichbehandlung von Frauen und Männern in der Rechtssprache) ein binäres Geschlechterverständnis zum Ausdruck und ist daher mit Blick auf den Beschluss des Bundesverfassungsgerichts zum „dritten Geschlecht“ (1 BvR 2019/16) zu überdenken.

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Sachwortverzeichnis Abstraktion 44, 250, 253 Adjektive 286, 294 f. Allgemeine Geschäftsbedingungen 317 f. Allgemeine Klausel 39 f., 148 Allgemeines Persönlichkeitsrecht 48, 225 f., 252 ff., 293 Amtssprache 14, 45, 65 f., 180 ff., 253 ff. Anrede 180 ff., 253 ff. Arbeitsplatzausschreibungen 282 ff., 294 f., 298 ff. Ästhetik 318 Ausbildungsauftrag der Hochschulen 229 ff., 257 ff., 349 Ausbildungsverordnungen 56 f., 256 Auslegung 161 ff. Auslegung, verfassungskonforme 163 ff., 278, 284, 289 f., 293, 295, 340 Auslegung, völkerrechtskonforme 139 f., 273 f. Beamt_innen 227 ff., 297 Beidnennung 28 ff., 40 f. Belästigung 315 f. Bemühenspflicht 143 f., 231, 349 Berufsbezeichnungen 56 ff., 256 f., 282 ff., 294 f., 298 ff. Berufsbezeichnungen, englische 311 f. Berufsfreiheit 241 ff., 255 ff. Bildung 128 ff., 140 ff., 243 f., 257 ff., 269 ff. Binarität 21 ff. Binnen-I 40, 183 f., 217, 221, 245 f., 338 Bundesgerichtshof 47 ff., 187 f., 255, 314 ff. Bundespräsident 292 ff. Bundesstaatsprinzip 219 f. Bundeswehr 275, 288 ff. CADE 140 ff. CEDAW 123 ff. Chancengleichheit 194 f.

Dienstgradbezeichnungen 292 ff. Dienstlicher Schriftverkehr 276 ff., 289 ff., 333 f. Dienstpostenbekanntgabe 294 f. Differenzierungsgebot 157 f. Diskriminierung, mittelbare 155 f., 174 f. Diskriminierung, strukturelle 127, 141, 189 f., 198 f. Diskriminierung, umgekehrte 245 f. Diskriminierung, unmittelbare 155, 158 Diskriminierungsverbot 87 f., 103 ff., 115 ff., 123 ff., 145, 152 ff. Disparität, strukturelle 256 f. Doppelfassungen (Gesetze) 44 Dritte Option 21 ff. Drittes Geschlecht 21 ff. Duden 18 f., 159 f., 311 Einheit der Rechtsordnung 87 f., 96 f., 101, 108 Einheit der Verfassung 176 f. Einschätzungsprärogative 199 f., 208, 257 Eltern 237 ff., 259 ff. Elternrecht 237 ff., 259 ff. Empfängerhorizont 162, 308 ff. EMRK 114 ff. Ergebnisgleichheit 194 f. Erziehungsauftrag 237 ff., 259 ff. Europäische Union 80 ff. Europäische Union, AEUV 98 ff. Europäische Union, Europäisches Parlament 109 ff., 112 Europäische Union, EUV 95 ff. Europäische Union, Grundrechtecharta 80 ff. Europäische Union, Kommission 92 f., 113 f., 347 Europäische Union, Rat 111 Europäische Union, Richtlinien 103 ff. Europäische Union, Vorrang des Unionsrechts 81, 150 ff. Europarat 114 ff.

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Sachwortverzeichnis

Femininum, generisches 43 f., 221, 245 f. Fördergebot 188 ff. Formulare 30, 47 ff., 120, 314 ff., 333 f. Forschungsfreiheit 229 ff. Freiheit des Sprechens 222 ff. Fußnote 39 f., 285, 311 f. Gebot der Normenklarheit und -verständlichkeit 211 ff. Geburtenregister 22 ff. Gedichte 223 Geltung, innerstaatliche 133 f., 144 Gemeinsame Verfassungskommission 69 ff., 179, 188 ff., 197 f., 253 Gender 33 ff. Gender Mainstreaming 33 ff., 98 f., 105 f., 123, 320, 345 Gender-Gap 42, 183 ff., 217, 220 f., 245 f., 307 Gender-Star 42, 183 ff., 217, 220 f., 245 f., 307 Generisches Femininum 43 f., 221, 245 f. Generisches Maskulinum 18 ff. Genus 19 f., 45, 220 f. Geschäftsordnung 319 ff., 336, 345 Geschlecht, Begriffsverständnis 21 ff. Geschlecht, biologisches 21 ff., 33 ff. Geschlecht, divers 21 ff., 305 ff. Geschlecht, grammatisches 20 Geschlecht, semantisches 20 Geschlecht, soziales 33 ff. Geschlechtsidentität 23 ff., 31, 253 ff. Geschlechtsneutrale Begriffe 41 f., 218 f., 304, 350 Gesetzgebungskompetenzen 205 f. Gestaltungsfreiheit, Grundsatz 201 Gestaltungsfreiheit, Reduktion 206 ff. Gestaltungsspielraum 95, 143 f., 201 f., 206 ff., 257 Gewissheitsgrad 199 f. Gleichbehandlung, sprachliche 16 f., 36 Gleichstellung 189 Grundgesetz, Änderung 46, 69 ff., 177 ff., 253 Grundrechte 81 ff., 150 ff., 264 ff. Grundrechtecharta 80 ff.

Haftungsrisiken 318 Handbuch der Rechtsförmlichkeit 320 f. Hochschulen 131, 142 f., 229 ff., 257 ff., 324 f. Identität, geschlechtliche 23 ff., 31, 253 ff. Identität, nationale 90 ff. Indoktrinierung 243 f. Inklusion 37 f. Interministerielle Arbeitsgruppe Rechtssprache, auf Bundesebene 14, 61 ff. Interministerielle Arbeitsgruppe, in Niedersachsen 337 ff. Intersexuelle 21 ff. Klammerzusätze 284 f., 304 ff. Kommission Verfassungsreform des Bundesrates 70 f., 188 ff. Konjunktionen 217, 338 Kontext 49 ff., 159 f., 163 f., 302 f. Kostenaufwand 318, 333 Kreative Lösung 42 Kulturauftrag des Staates 220 f. Kulturstaat 220 f. Kultusministerkonferenz 131 f., 142, 206 Kunstfreiheit 223 Landesverfassung 264 ff. Lehre 229 ff. Lehrfreiheit 229 ff. Lehrkräfte 130 f., 141 f., 244 f., 259 ff. Leichte Sprache 213 Liedtexte 223 Maskulinum, generisches 18 ff. Meinungsfreiheit 223 f., 227 ff., 233 ff. Menschenwürde 248 ff., 315 f. Militär 288 ff. Neutralisierung 17 f., 41 f., 350 Neutrum 44 Niedersachsen 59 f., 79, 264 ff. Normenklarheit und -verständlichkeit 211 ff. Normgebundene Verwaltungssprache 14, 63, 66 Öffentlichkeitsarbeit 336 f. Österreich 54 f.

Sachwortverzeichnis Paarformen, ausgeschriebene 40 f., 277 Paarformen, mit Klammern 40, 217 Paarformen, mit Schrägstrich 40, 217, 304 f., 325 f., 338 Parität 194 ff. Personenbezeichnungen, geschlechtsadäquate 253 ff. Personenbezeichnungen, geschlechtsindifferente 41 f., 218 f., 304, 350 Personenbezeichnungen, geschlechtsneutrale 41 f., 218 f., 304, 350 Personenbezeichnungen, geschlechtsspezifische 18 ff., 160 f., 163 f., 181, 253 ff. Personenstandsgesetz 21 ff. Political Correctness 13, 225 Praktische Konkordanz 210 f., 218 f., 261 Pressefreiheit 241 ff. Presseverlautbarungen 336 f. Privatrechtsbereich 93 f., 222 ff., 295 ff. Professor_innen 229 ff. Prognosespielraum 202 f. Pronomina 45, 185, 220 f. Quotenregelungen 194 ff. Rat für deutsche Rechtschreibung 18, 182 ff., 350 Recht auf Bildung 269 ff. Rechtschreibreform 240 Rechtschreibung 183 ff. Rechtssicherheit 217, 221 Rechtsstaatsprinzip 211 ff. Rechtsverordnungen 276 ff., 289 ff., 320 f., 327 ff. Referenz 250, 253 Regressionsverbot 133, 143 f., 208 f. Reihenfolge der Benennung 40 f., 188 f., 338 Repräsentation, Steigerung 51, 202 f. Repräsentation, Unterrepräsentation 49 ff. Schulbücher 130 ff., 142 f., 240 ff., 259 ff. Schulbuchverleger_innen 240 ff. Schulen 128 ff., 140 ff., 237 ff., 259 ff. Schutznormtheorie 135 f., 145 ff., 333 f. Schutzpflicht 256 f., 296 f. Schweden 221 Schweiz 54 f.

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Sexuelle Identität 31 f. Sexuelle Orientierung 31 f. Sexus 19 f. Sicherstellungsauftrag 88 ff. Sichtbarmachung 16 ff. Soldat_innen 275, 288 ff. Soll-Vorschrift 279 f., 290 f., 321 Sonderstatusverhältnisse 227 ff., 233 ff., 237 ff. Sparkasse 47 ff., 314 ff. Sparschreibung 40 Splitting 40 Sprache, frauengerechte 36 Sprache, gegenderte 33 ff. Sprache, genderfaire 33 ff. Sprache, gendergerechte 32 ff. Sprache, gendersensible 33 ff. Sprache, geschlechterfaire 37 Sprache, geschlechtergerechte 16 ff., 32 ff. Sprache, geschlechtersensible 37 Sprache, geschlechtsinklusive 37 f. Sprache, geschlechtsneutrale 32 Sprache, nicht-diskriminierende 37 Sprache, sexistische 35 f. Sprachenvielfalt 90 ff. Sprachgebrauch, allgemeiner 159 ff., 308, 314 Sprachgebrauch, des Gesetzgebers 45 ff., 161 ff., 308, 314 Sprachgebrauch, juristischer 159, 161 ff. Sprachwandel 160 f., 163 f., 220 f. Stellenausschreibungen 282 ff., 294 f., 298 ff. Stereotype 49 ff., 204 Strafrecht 46 Studienergebnisse 49 ff., 257, 285 Studierende 229 ff., 257 ff. Subjektives Recht 135 ff., 145 ff. Symmetrie 16 f. Transparenzgebot 317 f. Transsexuelle 27 f. Umgekehrte Diskriminierung 245 f. UNESCO 140 ff. Universitäten 131, 142 f., 229 ff., 257 ff., 324 f. Unmittelbare Anwendbarkeit 134 ff., 144 f.

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Sachwortverzeichnis

Variabilität 40 f., 168 Varianten der Geschlechtsentwicklung 21 ff. Verbeamtete Personen 227 ff., 297 Verfassungskonforme Auslegung 163 ff., 278, 284, 289 f., 293, 295, 340 Verfassungswandel 177 ff. Verfassungswidriges Verfassungsrecht 176 f. Verlagsvorgaben 232 Veröffentlichungen 232, 336 f. Verständlichkeit 211 ff., 317 ff.

Verwaltungsvorschriften 276 ff., 289 ff., 327 ff. Vordrucke 47 ff., 314 ff., 333 f. Vorlesbarkeit 217 Vorschriftensprache 14, 45 ff., 63 ff. Widerspruchsfreiheit 215 f. Wissenschaftsfreiheit 229 ff. x-Form 43