Recht – Wissen – Kultur: Die fragmentierte Ordnung [1 ed.] 9783428550548, 9783428150540

Das Buch zeigt an einer Vielzahl ganz unterschiedlicher Beispiele, wie sehr das Recht von gesellschaftlichen Wissenssyst

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German Pages 245 Year 2016

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Recht – Wissen – Kultur: Die fragmentierte Ordnung [1 ed.]
 9783428550548, 9783428150540

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Schriften zur Rechtstheorie Band 282

Recht – Wissen – Kultur Die fragmentierte Ordnung

Von Karl-Heinz Ladeur

Duncker & Humblot · Berlin

KARL-HEINZ LADEUR

Recht – Wissen – Kultur

Schriften zur Rechtstheorie Band 282

Recht – Wissen – Kultur Die fragmentierte Ordnung

Von Karl-Heinz Ladeur

Duncker & Humblot · Berlin

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

Alle Rechte vorbehalten

© 2016 Duncker & Humblot GmbH, Berlin Satz: Konrad Triltsch GmbH, Ochsenfurt Druck: buchbücher.de gmbH, Birkach Printed in Germany

ISSN 0582-0472 ISBN 978-3-428-15054-0 (Print) ISBN 978-3-428-55054-8 (E-Book) ISBN 978-3-428-85054-9 (Print & E-Book) Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier entsprechend ISO 9706 Internet: http://www.duncker-humblot.de

Vorwort Das Buch ist ein Nebenprodukt des Bremer SFB 597 (Wandel der Staatlichkeit). Es ist aus einem Arbeitspapier hervorgegangen, das der interdisziplinären Kooperation von Rechts- und Sozialwissenschaftlern dienen sollte. Ich habe es stark erweitert und überarbeitet und vor allem das Verhältnis von gesellschaftlicher Wissensordnung und der Evolution des Rechts in den Vordergrund gerückt. Dabei habe ich auf Themen zurückgegriffen, die mich auch früher schon beschäftigt haben, insbesondere die Entwicklung von Technologien, aber auch die Probleme der multireligiösen Gesellschaft. Die „fragmentierte Ordnung“ ist heute auch eine transnationale Ordnung. Es lässt sich zeigen, dass das, was Montesquieu neben dem formalen Recht für bedeutsam gehalten hat, „les moeurs“, auch in der „fragmentierten Ordnung“ der Postmoderne vielleicht wichtiger ist als das geschriebene Recht selbst. Besonders hervorzuheben ist deshalb auch das dritte Stichwort des Buchtitels: „Recht als Kultur“. Das Recht hat vor allem – deshalb ist der Zusammenhang mit der Wissensordnung und den Konventionen so wichtig – eine strukturbildende Funktion, die mit der Figur der „Fiktion“ operiert, wie der französische Rechtshistoriker Y. Thomas immer wieder betont hat. Damit sind nicht primär die bekannten, explizit so eingesetzten „Legalfiktionen“ gemeint, sondern die Ordnung der „Welt“ (und ihres Subjekts) durch eine Art Kartierung, die die Orientierung in einer Welt jenseits der Tradition, des Gegebenen, aber auch die Orientierung und Reflexion des Selbst in einer Welt erlaubt, in der Differenz vor Identität steht. Die „Kartierung“ enthält immer auch ein kollektives Moment der Koordination mit anderen, die die gleiche „Karte“ benutzen und dadurch erst eine Welt erzeugen. Das mag man als „Gewalt“ bezeichnen, als einen fundamental falschen „Anfang“, aber dann würde man die eine Seite des Rechts von vornherein zugunsten der jeweils „anderen Seite“, des durch die Fiktion Ausgeschlossenen, als von einer Verfallslogik bestimmt sehen. Gerade dann begibt man sich in einen Zirkel, der sich immer wieder selbst bestätigt und die Sicht auf den Reichtum der Leistungen des „Rechts als Kultur“ verstellt. Hamburg, im Juli 2016

Karl-Heinz Ladeur

Inhaltsverzeichnis I.

Vorbemerkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13

II.

Die Verschleifung von Rechtspraxis und Rechtswissenschaft – und deren Beobachtung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17 1. Was ist Recht? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17 a) Die Grenzen von H. L. A. Harts Rechtsbegriff . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17 aa) Das Recht und sein begrenzter Kontrollverlust durch Selbstorganisation 19 bb) Die Vagheit der Sprache – diesseits der Souveränität . . . . . . . . . . . . . . . 21 b) Der Aufstieg des „Spezialwissens“ und dessen Einfluss auf die Fassung des Rechtsbegriffs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23 2. Von der Rechtsanwendung zur Selbstbeobachtung der „Rechtsfortbildung“ im Rechtssystem und zum Aufstieg der „operativen“ Seite des Rechts . . . . . . . . . 25 3. Die Abschwächung der Bedeutung der Gesetzesbindung . . . . . . . . . . . . . . . . . 29 a) Vorüberlegung: Wandel der Funktion des Rechts? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 29 b) Insbesondere: Dynamische „grundrechtliche Ausgleichspflichten“ und die Veränderung der Gewaltenteilung (zwischen Justiz und Legislative) . . . . . . 31 c) Die rechtschöpferische Kraft der Verwaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 33 4. Verantwortung im „Gewährleistungsstaat“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 35 5. Die Dynamisierung der Technik und der Wandel der kognitiven Infrastruktur des Rechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 37 a) Der Aufstieg der technischen Standards . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 37 b) Das Recht und seine kognitive Infrastruktur – zur Verknüpfung von Normativität und Normalität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 39 6. Rechtsbindung ist nicht gleich Rechtszwang! . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 43 7. Privatisierung des Rechts und der Rechtsdurchsetzung (Schiedsgerichte) . . . . 46

III.

„Law as Culture“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 48 1. Das Recht und seine „soziale Epistemologie“ – die Konstruktion von Wirklichkeit durch Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 48 a) Die „soziale Epistemologie“ der Subjektivität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 48

8

Inhaltsverzeichnis b) Kausalitätskonstruktionen als objektive, auf Veränderung angelegte „soziale Epistemologie“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 49 2. Die Neukonstruktion des Subjekts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 50 3. Die Auseinandersetzung um „das Subjekt“ und die Verrechtlichung des Schulverhältnisses . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 53 4. Der Wandel der Realitätskonstruktion des Rechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 55 a) „Recht als Kultur“ – Die Ordnung der „Realität“ durch Recht . . . . . . . . . . . 55 b) Die Konstruktion der „Realität“ des Sozialstaats . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 57 c) Braucht das Recht die „Rechtskraft“ der Gefühle? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 59 d) „Rechtsästhetik“ (Fischer-Lescano) als Denken des Rechts vom „Ereignis“ her? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 61 5. Der Zerfall der „Einheit der Rechtsordnung“ als Problem der gesellschaftlichen Selbstorientierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 64 6. Die „Historisierung“ der Grundrechte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 65 7. „Zerfaserung“ des Staates? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 66 Exkurs: Die „Kritik der Rechte“ (C. Menke) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 68

IV.

Die Evolution des Rechts seit dem Ende des 19. Jahrhunderts . . . . . . . . . . . . . 75 1. Die Transformation des Rechtssystems und seiner kognitiven Infrastruktur von der „Gesellschaft der Individuen“ bis zur „Netzwerkgesellschaft“ . . . . . . . . . . 75 2. Das Rechtssystem der „Gesellschaft der Organisationen“ . . . . . . . . . . . . . . . . . 76 a) Der Wandel der kognitiven Infrastruktur: Die Dynamisierung des Expertenwissens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 76 b) Der Aufstieg der „Steuerungsgesetze“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 78 c) Die gruppenbasierte Reflexion der Konstruktion gesellschaftlicher Wirklichkeit durch Recht – die Beispiele des Rundfunks, des Sozialrechts und des Planungsrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 80 d) Umstellung des Rechts von der „Rechtsschutz- auf die Steuerungsperspektive“? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 82 e) Das Bundesverfassungsgericht als Gruppengericht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 84 3. Das Rechtssystem der „Gesellschaft der Netzwerke“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 88 a) Die neue Transformation der Wissensordnung und die Bedeutung der Netzwerke . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 88 b) Nichtwissen: Paradigmen der Beziehung Wissen/Nichtwissen im Prozess der Selbsttransformation der Gesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 90 c) Reflexivität der Beobachtung des Wissens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 91

Inhaltsverzeichnis

9

4. Die Regeln der Netzwerkgesellschaft im Einzelnen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 92 a) Vorbemerkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 92 b) Wissen im Netzwerk . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 92 c) Die Verflüssigung der Wirklichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 95 d) Exempel: Finanzmarktkrise . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 96 aa) Kaskadeneffekte des Wissens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 96 bb) Der Aufstieg der epistemischen Gemeinschaften und „high knowledge“ 97 e) Exempel: Die Veränderung des Wissenssystems durch die Nanotechnologie 97 f) Die Ethisierung der Wissenschaft und des Technikrechts . . . . . . . . . . . . . . . 98 5. Insbesondere: Die Verschleifung von Wissenschaft und Technologie – nochmals das Exempel der Nanotechnologie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 102 6. Veränderung des Kausalitätsmodells . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 103 a) Riskante Nebeneffekte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 103 b) Zur Notwendigkeit eines „Wissensmanagements zweiter Ordnung“ . . . . . . 104 c) Gesundheitsrecht – Wissenstypen – grundrechtliche Implikationen . . . . . . . 105 7. Technikrecht und die staatliche/gerichtliche Bewertung von Technologien . . . 107 a) Die BVerfG-Entscheidung zum GenTG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 107 b) Die Rolle des Einschätzungsspielraums des Staates im Angesicht von Ungewissheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 109 8. Datenschutz neuer Art und technologische Risiken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 110 a) Datenschutz – öffentlich-rechtlich: Beobachtung von „Avataren“ . . . . . . . . 110 b) Datenschutz – privatrechtlich: die Daten-GEMA . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 111 9. Social media . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 112 a) Netzvertrag als weiterführende Konstruktion? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 112 b) Normsetzung in Netzverträgen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 114 c) Cyber Court für social media? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 115 10. Die Religion als Lebensform und ihr Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 116 11. Zwischenüberlegung: Recht und Management von Regeln . . . . . . . . . . . . . . . . 119 V.

Wirtschaftsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 121 1. Paradigmenwechsel im Vertragsrecht: Der Aufstieg der „Netzverträge“ im High Tech-Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 121 2. Neue Institutionen für die „Gesellschaft der Netzwerke“ . . . . . . . . . . . . . . . . . 123 3. Zwischenresümee: Die Verflüssigung der Grenzbegriffe . . . . . . . . . . . . . . . . . . 125

10 VI.

Inhaltsverzeichnis Neukonstruktion der Theorie der Grundrechte unter Bedingungen von Komplexität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 127 1. „Impersonale Grundrechte“? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 127 2. Der Vorrang des Verfahrens vor dem substantiellen Recht – das Beispiel des griechischen Rechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 130 3. Zur Notwendigkeit eines Kollisionsrechts für die Abstimmung von gesellschaftlichen und rechtlichen Normen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 134 a) Verweisungszusammenhang von Recht und sozialen Normen und Praktiken 134 b) Entstehung und Funktion von methodischen Regeln . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 135 4. „Historisierung“ der Grundrechte: Das Beispiel der Medienfreiheiten . . . . . . . 136

VII. Die Frage nach der Stellung des Staates in der globalisierten Rechtsordnung 138 1. Die EG als „Staatenverbund“ und das Erfordernis eines „Kollisionsrechts“ neuer Art . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 138 2. Grenzen der Europäisierung – Warum die EU kein Superstaat sein kann . . . . . 139 a) Die Illusion der Einheit des transformierten Europarechts . . . . . . . . . . . . . . 139 b) „Recht als Kultur“ – die Grenze der Europäisierung des Rechts . . . . . . . . . 143 c) „Prinzipien“ als lockere Form der Erhaltung der Einheit des Europarechts? 144 3. Kollisionsrechtliches Denken gegen den europäischen Superstaat . . . . . . . . . . 145 4. Europäisches Kollisionsrecht – nicht territorial sondern funktional! . . . . . . . . . 148 5. Exempel: Nationale und europäische Grundrechte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 151 a) Das ungeeignete staatsfixierte Prinzip des Schutzes des „margin of appreciation“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 151 b) Differenzierter Grundrechtsschutz nach staatlicher Leistungsfähigkeit in der Rechtsprechung des EGMR . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 152 c) Ein neues Netzwerk des Fallrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 155 d) Von der Rechtsvergleichung zum „Netzvergleich“? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 156 6. Grenzen der Konstitutionalisierung des „Mehrebenensystems“ . . . . . . . . . . . . . 157 VIII. Globalisierung des Rechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 158 1. Völkerrecht in einer globalen Rechtsordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 158 2. Schiedsgerichtsbarkeit und transnationale Expansion des nationalen Rechts

159

a) Schiedsgerichtsbarkeit als Institut der Hybridisierung des Rechts jenseits des Staates . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 159

Inhaltsverzeichnis

11

b) Exterritoriale (Schutz-)Wirkung nationaler Grundrechte? . . . . . . . . . . . . . . . 160 c) Konstitutionalisierung als Gegenstand rechts- und politikwissenschaftlicher Beobachtung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 161 3. Kritik der Figur der „Selbstkonstitutionalisierung“ fragmentierter Regime des „Weltrechts“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 163 a) Neugründung eines nichtstaatlichen Rechts? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 163 b) Die „Selbstkonstitutionalisierungsthese“ und das Problem der Beteiligung des Staates an der globalen Normbildung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 164 4. Globales Verwaltungsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 165 a) Ein eigenständiges Verwaltungsrecht? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 165 b) … oder doch „internationales Verwaltungsrecht“? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 167 c) Vergleich zwischen dem globalen und dem europäischen Recht . . . . . . . . . 168 5. Die Verknüpfung von transnationalem und nationalem Recht . . . . . . . . . . . . . . 169 6. Globales Recht als „fuzzy set“ von Normen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 170 IX.

Über die Systemtheorie hinaus? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 174 1. Die Leistung einer Medientheorie des Rechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 174 2. Was ist ein „Medium“? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 175 3. Prozeduralisierung jenseits der „Legitimation durch Verfahren“ (N. Luhmann) 179 4. Die bewegliche Infrastruktur des Rechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 181 5. Die Schwächung der Textualität des Rechts durch den unmittelbaren Durchgriff auf die „Situation“ und ihre Wiedergewinnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 182 6. Ein vergleichender Blick auf das islamische Recht: Die Verschließung gegen die Fragmentierung der Gesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 185 a) Offenheit und Geschlossenheit des Rechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 185 b) Recht ohne Eigenrationalität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 187 c) Das Subjekt „im Westen“ und im Islam . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 190 d) Zwei Alternativen der künftigen Entwicklung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 193 e) Resümee . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 195

Ausblick: Lernen vom jüdischen Gesetzesbegriff? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 196 Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 202 Sachverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 242

I. Vorbemerkung Eine interdisziplinär informierte Rechtswissenschaft (Leibfried/Möllers/Schmid/ Zumbansen 2006) und die das Recht beobachtende Politikwissenschaft scheinen sich so nahe zu sein – und sind einander doch so fern. Der Bremer SFB „Wandel der Staatlichkeit“ hat eine Reihe von Gegenständen des Rechts verknüpft, die teilweise – innerhalb einer durch die Politikwissenschaft bestimmten übergreifenden Fragestellung nach dem Wandel der Staatlichkeit – aus der Perspektive des Rechts und teilweise aus der Perspektive der Politikwissenschaft beschrieben werden. Dies betrifft die Bildung des Rechts in der „supranationalen“ Rechtsordnung der EG, die Transnationalisierung des Privatrechts („lex mercatoria“ neuer Art, Teubner 1998: 565; Calliess/Zumbansen 2010; Zumbansen 2012: 899), das Wirtschaftsvölkerrecht der WTO, die Herausbildung transnationaler (insbesondere) (nichtstaatlicher) umweltrechtlicher Normen (Dilling/Herberg/Winter 2008: 1), den Wandel der Sozialstaatlichkeit – um nur die wichtigsten Gegenstände zu nennen. Dennoch scheinen die beiden disziplinär bestimmten Herangehensweisen die aufgeworfenen Fragestellungen bei aller Übereinstimmung im Grundsätzlichen, der Frage nach der Rolle der Privatisierung früher staatlicher Aufgaben (Wahl 2006: 76), den Phänomenen und Folgen der Globalisierung und der „Zerfaserung“ des Staates (Genschel/Zangl 2007) nicht nur unterschiedlich zu bearbeiten – dies entspricht der disziplinären Unterscheidung der beiden Wissenschaften –, jedoch die Unterschiede zugleich nicht klar zu artikulieren. In manchen Gegenstandsbereichen scheint das Recht sich in der Perspektive der Politikwissenschaft auf die „Durchsetzung“ des staatlichen Willens zu reduzieren (allg. Benz 2001: 105, 205) und als eigenständige Form nur eine Nebenrolle zu spielen. Kaum ein Gebiet ist so stark vom Recht geprägt wie der Sozialstaat (vgl. die Beiträge in Leibfried/Wagschal 2000; aus rechtswissenschaftlicher Sicht Stolleis 2003), obwohl es dort nur sekundär um Probleme der „Durchsetzung“ eines Willens geht. Bei dieser Referenz spielt sicher noch die Vorstellung eine Rolle, dass der Staat des liberalen Zeitalters anscheinend vor allem die Grenzen der spontanen Selbstorganisation der Gesellschaft garantieren und dabei seinen Willen durchsetzen sollte. Doch bedeutet die Entstehung des Sozialrechts einen grundlegenden Bruch mit dem liberalen Rechtsparadigma, der nicht auf die „Erweiterung“ von subjektiven Rechten reduziert werden kann, weil die Erwartungen, die normativ stabilisiert werden, ganz auf den Staat als Garanten der Kontinuität gesellschaftlicher Normalität umgepolt werden. In anderen Bereichen, in denen das Recht explizit thematisiert wird durch Politikwissenschaftler, die sich mit der Internationalisierung des Rechtsstaats – eines der privilegierten Merkmale des „golden age“-Staates (programmatisch Hurrelmann/ Leibfried/Martens/Mayer 2008; Zangl 2007) – wird die Frage, was Recht ist, un-

14

I. Vorbemerkung

beantwortet gelassen und stattdessen dem Recht eine eher instrumentelle Funktion der „Bindung“ zugeschrieben, die unter Bedingungen der Globalisierung, die eben nicht zu einer vollständigen staatsähnlichen Ordnung führt, die weitere Frage nach der „Folgebereitschaft“ (compliance)compliance gegenüber normativen Bindungen aufwirft (Zürn/Neyer 2005: 183; vgl. auch aus rechtswissenschaftlicher Perspektive Haltern 2007: Rnr. 298), ohne dass das darin unterstellte Verständnis der „Normativität“ näher ausgeführt würde. Diese Fixierung ist eine Erscheinungsform der in der Wissenschaft stark verbreiteten Vorstellung, dass es letztlich den einen steuernden Staat gibt (Skinner 1989: 90), der allgemeine Regeln setzt, deren allgemeine Wirkungsweise es in der Wissenschaft herauszuarbeiten gilt. Damit verband sich früher die Vorstellung, dass das Recht formal und rational zu sein habe (vgl. insbesondere M. Weber 2002: 394, 396 f.). Dies war eine einseitige, aber durchaus konsistente Annahme, die später – unter den Bedingungen des Aufstiegs der Sozialdemokratie und der Ausweitung der Staatstätigkeit – häufig auf die materielle, zweckbezogene staatliche Setzung reduziert wird. Die Rationalisierung des Rechts ist allerdings viel komplexer zu fassen [vgl. unter III.]. Es geht eher darum, dass das Recht eine Eigengesetzlichkeit herausbildet, an der es sich orientiert – und z. B. nicht an religiösen Unterstellungen oder politischen Befehlen. Darin leistet das Recht einen Beitrag zu einer rationalen Selbstorganisation der Gesellschaft, der weit über die Stabilisierung von Normen i. e.S. hinausweist (Schäfer/Alexander 2014). Die Herausbildung des modernen Rechts ist Teil einer umfassenden Veränderung des Weltverhältnisses der Menschen, die sich als Individuen sehen. Die Formalität der Normen spielt demgegenüber eine untergeordnete Rolle. Es geht eher um die Fortsetzung der mit dem klassischen Griechenland einsetzenden Freisetzung des Wissens von gesellschaftlichen Traditionen, der Entwicklung eines experimentellen Verhältnisses zur Natur und zur Gesellschaft. Dann ist „Recht als Kultur“ weiter zu fassen, als es die Webersche Konstruktion der formalen Rationalität des Rechts zulässt [vgl. unten IX. 6.]. Robert Cover war einer der ersten, der darauf bestanden hat, dass das Ganze des „normative universe“ in den Blick genommen wird, wenn einzelne Rechtsfragen – auch grundsätzlicher Natur – beschrieben werden (Cover 1983: 4 f.; Zellentin 2013: 18 f.; Rosen 2006; 2000; Gephart 2006). „Recht als Kultur“ betrachtet, bedeutet jedenfalls, dass das Recht in einer sehr viel weiteren Perspektive beobachtet wird, als es die Fixierung auf den staatlichen Willen zur Setzung des Rechts zulässt. Recht ist dann gerade unter den Bedingungen der unterschiedlichen Varianten der Fragmentierung der Ordnung (sozial, national, global) im Kontext einer Vielzahl nicht rechtlicher Normen zu lokalisieren. Zum anderen verändert sich auch das Rechtssubjekt als Referenz des objektiven Rechts. Die Rechtssubjektivität reduziert sich nur scheinbar auf eine blosse „Adresse“ innerhalb des Rechtssystems, auf die Rechte und Pflichten zugerechnet werden. Die „Stellen“, die das Rechtssubjekt innerhalb der Rechtsordnung einnimmt, haben sich derart vervielfältigt, dass sich auch die Rechtssubjektivität selbst fragmentiert und pluralisiert hat. Auch bei der Bestimmung des Stellenwerts der Rechtssubjektivität

I. Vorbemerkung

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spielt der Zusammenhang von Rechts- und sozialen Normen eine große Rolle: Die Rechtssubjektivität ist kein „reiner“ Rechtsbegriff, sie wird ebenso wie das objektive Recht durch den Verweisungszusammenhang mit den ihrerseits einer starken Dynamik unterliegenden sozialen Normen und dem gesellschaftlichen Wissen einschließlich der Literatur bestimmt. „Rechtssubjektivität“ ist deshalb die subjektive Seite des Rechts als Lebensform (vgl. Vesting 2009: 39). Vor allem die Bedeutung des Wandels der gesellschaftlichen Wissenssysteme (die hier unter dem Gesichtspunkt ihrer Verbindung mit gesellschaftlichen Praktiken gesehen werden), ist in verschiedenen Anläufen zu untersuchen: Das Rechtssubjekt der liberalen Gesellschaft war von der Referenz des objektiven Rechts auf die über eine Vielzahl von Beteiligten distribuierte (und zu beobachtende) Erfahrung und die Kultivierung des Subjekts der Bildung geprägt. Der Aufstieg der Organisationen als gesellschaftliche Akteure verändert auch die Rechtssubjektivität grundlegend – und zwar insbesondere deshalb, weil die Organisation (juristische Person) längere Handlungsketten und –zusammenhänge beeinflussen kann. Dieses Problem wiederholt sich im Zusammenhang mit der Entstehung von Netzwerken als neuen „Quasi-Subjekten“, die sich der verflüssigten Wirklichkeiten schneller anpassen können (zur Selbststilisierung der Netzsubjekte vgl. Cardon 2008). Hier stellt sich auch ein Problem der Interdisziplinarität deshalb, weil das Recht, rechtswissenschaftlich betrachtet, sicher (mindestens auch) andere Merkmale aufweist – insbesondere aufgrund der „zirkulären“ Unterstellung, dass alle Argumente selbstreferentiell auf die Fortsetzung des Rechts angelegt sind (und sein müssen) – als die, die aus der Perspektive der Politikwissenschaft beobachtet werden. Aber wie weit kann die Vernachlässigung der internen normativen Bindung (die Anerkennung des Zwangs zur Selbstkontinuierung des Rechtssystems in der Perspektive der Rechtswissenschaft) in einer sozialwissenschaftlichen Beobachtung gehen (zum „Weltrecht“ Albert/Schmalz-Bruns 2009: 57; Amstutz/Karavas 2009: 645), ohne dass das Recht sich ganz in Macht1, Ideologie oder kulturellen Symbolen verflüchtigt? Die Frage kann und soll nicht in einer abstrakten Form beantwortet werden. Stattdessen soll an den entscheidenden Problemstellungen aus der Sicht der Rechtswissenschaft versucht werden, die Funktionsweise der Normativität des Rechtssystems in Vorüberlegungen so zu erläutern, dass mehr Anschlussfähigkeit für eine politikwissenschaftliche Beobachtung der Faktizität des Normativen ermöglicht wird – das sich eben von der rechtsphilosophischen Normativität (der Bewertung von Normen an letztlich außerrechtlichen Gerechtigkeitsvorstellungen) unterscheidet. Im Folgenden soll zunächst unter II. abstrakt die Frage nach der Eigenrationalität des Normativen in einer rechtsinternen rechtstheoretischen Überlegung aufgeworfen werden. Im Anschluss daran wird unter III. in einer Perspektive, die versucht, sich für 1 Bei Benz (2006: 143, 161) wird das Recht in politikwissenschaftlicher Perspektive auf „Machtbegrenzung“ reduziert; dies ist charakteristisch für eine verbreitete Sichtweise, die das Recht und seine Funktionsweise von vornherein sehr eindimensional und nicht in seiner „internen“ Funktionsweise beobachtet.

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I. Vorbemerkung

interdisziplinäre Beschreibungen der Leistung des Rechts zu öffnen, Recht als „Kultur“ beschrieben, als Medium der Konstitution von „Wirklichkeit“, die innerhalb der Normativität verwendet werden kann. Unter IV. wird die Evolution des Rechts seit dem 19. Jahrhundert mit dem Ziel skizziert, deren Selbst- und Fremdbeobachtung in der Gegenwart durch die Rechts- und die Politikwissenschaft abzustützen – dies wird an Beispielen konkretisiert. Es folgt dann [V.] eine Überlegung zum Wandel des Wirtschaftsrechts und [VI.] zur Neukonstruktion der Theorie der Grundrechte unter Komplexitätsbedingungen. Sodann wird unter VII. und VIII. nach der Stellung des Staates und des globalen Rechts innerhalb der pluralisierten Rechtsund Institutionenordnung gefragt, die sich jenseits des nationalen und diesseits des klassischen internationalen Rechts herausgebildet hat. Den Abschluss bilden nach einer vergleichenden Beobachtung des islamischen Rechts eine Überlegung zur Entwicklung der Rechtstheorie über die Grenzen der Systemtheorie hinaus und ein „Ausblick“ auf den jüdischen Gesetzesbegriff.

II. Die Verschleifung von Rechtspraxis und Rechtswissenschaft – und deren Beobachtung 1. Was ist Recht? a) Die Grenzen von H. L. A. Harts Rechtsbegriff Für die Rechts- wie die Politikwissenschaft ist „Recht“ ein privilegiertes Objekt der Beobachtung. Für die Rechtswissenschaft versteht sich dies nur scheinbar von selbst, weil sie sich in erster Linie als „praktische Wissenschaft“ versteht, d. h. sich weitgehend an den Anschlusszwängen und -möglichkeiten orientiert, die die Rechtspraxis selbstreferentiell durch ihre rechtsimmanenten Operationen prozessiert und sich auf die Stelle der Beobachtung erster Ordnung festlegt.2 „Was ist Recht?“ ist dann eine Frage, die weitgehend vom „Rechtsfall“ (Christensen/Fischer-Lescano 2008: 131 ff.), d. h. von der Anonymität der Konventionen einer Rechtspraxis der Gerichte, der Kommentare, Interpretationen, Dogmatiken beherrscht wird (dazu Descombes 2004: 464). Darüber wird ein Netzwerk von Möglichkeiten innerhalb eines Optionenraums generiert, dessen Voraussetzungen und Grenzen selbst nicht beobachtet werden, wenn es um den nächsten „Fall“ oder – in der Dogmatik – um die Formulierung einer Entscheidungsregel geht (Augsberg 2009: 134). Die Rechtspraxis setzt stets schon voraus, dass Urteile über Recht innerhalb des Rechtssystems getroffen werden (Reinhardt 2009: 42 f.; Augsberg 2015a). Der „Fall“ wird selbst immer schon durch das Recht konstituiert, nicht aber ereignet sich zunächst ein „Fall“, der dann unter eine allgemeine Rechtsregel subsumiert wird (Lefebvre 2008: 76). Insofern ist die Beobachtung des Rechts durch die Rechtswissenschaft selbst zunächst „positivistisch“, weil das Recht selbst sich als positiv geltend definiert. „Positivistisch“ bedeutet aber nicht notwendig eine Fixierung auf gesetztes Recht. Dies wäre im Angesicht der Fragmentierung des Rechts und der Normen im All2

Deshalb wäre durchaus auch eine „Beobachtung zweiter Ordnung“ interessant, die politikwissenschaftlich die Beobachtung des Rechts durch die Rechtswissenschaft beobachtet; es wäre jedoch kaum plausibel zu machen, dass die Rechtswissenschaft ihrerseits an politischer Macht gewinnt durch die zunehmende Entformalisierung des Rechts, wie Maus (2006: 117) annimmt. Dabei wird jedoch ebenso problematisch unterstellt, dass die Rechtswissenschaft durch den Prozess der Kodifikation „enteignet“ worden wäre. Angesichts der Geschichte der neueren Dogmatik (vgl. den Überblick bei Möllers 2008) ist dies jedoch kaum zu belegen – die Entgegensetzung von Kodifizierung (= Demokratisierung) und Justizialisierung als Entparlamentarisierung und Stärkung der nichtparlamentarischen Apparate ist viel zu einfach konstruiert.

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II. Die Verschleifung von Rechtspraxis und Rechtswissenschaft

gemeinen eine Verengung. Die beschleunigte Selbsttransformation der Gesellschaft und das Zurückbleiben der Gesetzgebung hinter den Erfordernissen der Stabilisierung von Rechtsoperationen jenseits des gesetzten Rechts macht seit langem eine Öffnung des Rechts für neue Rechtsquellen erforderlich. Dabei geht es nicht einmal primär um Konfliktlösungen, sondern um die Bereitstellung von Formen für die Beobachtung und Selbstreflexion der Rechtspraxis außerhalb gerichtlicher Konflikte. Dies gilt auch für das öffentliche Recht. Insbesondere Zwecke können aber unter Bedingungen gesellschaftlicher Komplexität nur in sehr beschränktem Maße Gegenstand des Rechts sein. Andererseits kann das Recht sich auch nicht auf die Bereitstellung relativ allgemeiner Formen beschränken. Was dann noch vom Recht „bleibt“, lässt sich in dieser Einleitung selbst nicht sinnvoll verallgemeinern, sondern nur an einzelnen Fallkonstellationen exemplifizieren. Auch unter den veränderten Bedingungen des beschleunigten gesellschaftlichen Wandels muss (und kann) das Recht aber die Bindung von Ungewissheit ermöglichen (Luhmann 1993: 207 ff.; I. Augsberg 2014: 280). An dieser Funktion muss es sich auch in Zukunft orientieren, es muss sie als Eigenrationalität weiter spezifizieren. Es wird noch zu zeigen sein, dass sich aus dieser – systemtheoretisch gesprochen – autopoietischen Geschlossenheit des Rechtssystems (Luhmann 1993: 39) ein Zwang (und eine Schwierigkeit) auch für die politikwissenschaftliche Beobachtung von außen ergibt: das Rechtssystem und die Rechtswissenschaft interessieren sich nicht primär für die „Wirkungen“ oder „Folgen“ des Entscheidens. Diese bestehen immer in Rechtswirkungen und Rechtsfolgen, denen keine außerrechtliche Realität entsprechen muss. Ob eine Entscheidung „wirksam“, rational, effizient, gerecht ist, ist selbst keine Rechtsfrage, sondern nur die Frage, ob sie sich in das „Gewebe“ der vorangegangenen Entscheidungen einfügt (Luhmann 1993: 367). Recht und Rechtsanwendung sind zirkulär verschleift: Dass jede „Anwendung“ des Rechts zugleich eine Rechtsänderung ist und die Unterstellung des Normverstehens unterläuft, es sei Rechtserkenntnis, nicht Rechtsetzung, ist so richtig wie irrelevant für das Rechtssystem, solange die Verschleifung invisibilisiert werden kann. Dies geschieht durch die Abstützung der Ebene der „Begründung“ von Rechtsentscheidungen durch die Selbstfestlegung von Rechtsdiskursen auf die Form der „Ableitung“: das Geltungssymbol setzt immer schon voraus, dass es eine Norm gab, bevor sie angewendet wurde. „Die Rechtspraxis operiert stets in einer Situation mit historisch gegebenem Recht, denn anders könnte sie gar nicht auf die Idee kommen, sich selbst als Praxis zu unterscheiden. Entsprechend gibt es, historisch gesehen, keinen Anfang des Rechts, sondern nur Situationen, in denen es plausibel war, davon auszugehen, dass auch schon früher nach Rechtsnormen verfahren worden ist“ (Luhmann 1993: 57).

1. Was ist Recht?

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aa) Das Recht und sein begrenzter Kontrollverlust durch Selbstorganisation Die „Anwendung“ des Rechts hat in der Moderne immer auch die Züge eines Experiments, in dem die Anschlussfähigkeit einer Entscheidung, einer neuen, durch die Praxis der Rechtsoperationen entwickelten Rechtsfigur nie vollständig ex ante festgelegt werden kann. Dies lässt sich erst ex post beobachten – das Recht operiert sozusagen im Futur II, es verweist darauf, dass das Recht in Zukunft gegolten haben wird. Das Recht der (Post-)Moderne ist azentrisch in „evolutiven Netzwerken“ (vgl. Atlan 2003: 216) organisiert, die sich durch ihre Funktionsweise (durch Entscheidungen, Operationen) ständig verändern. Dies ist ex post leichter zu beobachten als ex ante. Deshalb besteht immer ein Hiatus zwischen den „Herstellungsbedingungen“ des Rechts, die sich einer immer nur partiell verstandenen Konstellation verdanken, und den „Darstellungsbedingungen“, vereinfacht gesagt: den „Gründen“, die die in den Herstellungsbedingungen enthaltene Unruhe, das Oszillieren der Möglichkeiten, auf andere „Darstellungsbedingungen“ abzustimmen und zu begrenzen suchen (vgl. dazu I. Augsberg 2015). Mit Ideologie hat das nichts zu tun, es geht um die Bewältigung von Erfordernissen der Praktiken, die nicht in „Gründe“ zu zerlegen sind. Über Praktiken kann man sich leichter verständigen als über „Gründe“ (Atlan 2003: 216), deshalb ist die Praxis des Rechts in modernen offenen Gesellschaften den „Gründen“ meistens voraus: Soziale Systeme, die aus einer großen Zahl von Kommunikationen „zusammengesetzt“ sind, die über viel Akteure prozessiert werden, sind zwangsläufig so komplex, dass sie nur teilweise zu beobachten sind (allg. Atlan 2003: 270). Es ist ein wichtiges Merkmal (nicht nur) moderner Gesellschaften, dass sie diesen Kontrollverlust akzeptieren. Zu dessen Kompensation dienen vor allem die Meinungs-, die Kunst- und die Wissenschaftsfreiheit, deren Gebrauch sich mit der notwendigen „obscurité“ der Praktiken (Descola 2011: 74; vgl. auch 2013: 113) nicht abfindet. Das ändert aber nichts daran, dass das Recht „kognitive Schemata“ prozessieren muss, die die Sprache „ausstreichen“ („effacement“, Descola 2013: 113), damit sie praktisch funktionieren und sich ständig an verändernde Situationen anpassen können.3 Der paradoxe begrenzte Kontrollverlust, der der nicht-hierarchischen Ordnung „des Westens“ eigen ist, ist nur möglich, wenn nicht die Krise des Rechts sogleich als Aufruf an die Religion gelesen wird, „die Ordnung“ wieder in die richtigen Bahnen zu lenken. Genau dies ist eines der Probleme des Islam: „die Religion“ steht immer bereit, die Probleme der unvermeidlich sich ausbreitenden säkularen Institutionen durch die Wiederherstellung einer „guten“ Ordnung zu bekämpfen [vgl. unten IX. 6.]. Die bekannte Unterscheidung H. L. A. Harts zwischen Regeln der ersten Stufe (insbesondere Verhaltensregeln) und den Regeln der zweiten Stufe geht davon aus, 3 Man könnte auch sagen, dies sei der „zwanglose Zwang“ der opaken Praxis, die gute Gründe hat, dem sich als „besser“ behauptenden Argument zu misstrauen; der zitierte Autor, Ph. Descola, ist Ethnologe, der hier anthropologische Konstanten der menschlichen Kultur beobachtet.

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II. Die Verschleifung von Rechtspraxis und Rechtswissenschaft

dass erst auf dieser zweiten Stufe eine Unterscheidung zwischen Recht und NichtRecht (insbesondere Moral) durch Institutionen vorgenommen wird (Hart 1961: 229 ff.). Mit einem gewissen Vorbehalt, dass nämlich die Regeln der zweiten Stufe über die Anerkennung von Regeln als „Recht“ ihrerseits eher auf das Prozessieren des Geltungssymbols durch Institutionen und nicht auf außerhalb dieser Praxis existierende Regeln zurückzuführen sind, kann diese Annahme auch unter den Bedingungen der Postmoderne als produktiv akzeptiert werden. Dies gilt umso mehr, als Hart den Blick auf die konstitutive Seite der Regeln eher als die limitative richtet: Recht ist auf die regelhafte Integration des Verhaltens der Individuen angelegt, nicht die (eher dem Staat vorzubehaltende) Setzung von Freiheitsgrenzen (Lefebvre 2008: 10). Es wird sich jedoch zeigen, dass die Integration der Ordnung der Gesellschaft nicht mehr nur durch staatliches (oder internationales) Recht erfolgen kann, weil die Dynamik der Selbständerung der Gesellschaft zu groß geworden ist: Recht muss immer stärker „in Echtzeit“ entstehen und auch auf gesellschaftliche Selbstorganisation und „Rechtsfortbildung“ in Permanenz (nicht nur als Ausnahme) zurückgeführt werden. Dies zwingt nach der hier vertretenen Auffassung auch dazu, sowohl die Möglichkeit staatlicher Erzeugung von Recht außerhalb der bisher anerkannten Verfahren der Rechtsetzung (dazu auch Meder 2009: 147, 23; allg. Calliess 2006; zur Normentheorie Vesting 2007: Rn. 37 ff.)4 und vor allem der Delegationshierarchie zuzulassen als auch die Bedeutung gesellschaftlicher Normen, die spontan oder in organisierten Verfahren (Standards) entstehen, in Rechnung zu stellen. Viele Normen, an deren Erzeugung der Staat durch die Verwaltung in globalen Netzwerken beteiligt ist, lassen sich eher ex post am Maßstab des staatlichen Rechts (etwa bei der Anwendung durch Gerichte) kontrollieren, nicht aber ex ante, weil sie von Verfahren abhängig sind, an denen eine Vielzahl von Akteuren beteiligt ist. Die rechtliche Kontrolle privater Normen findet ebenfalls eher dann statt, wenn Dritte betroffen sind, die nicht am Verfahren der Normgenerierung beteiligt waren. Private Normen und Schlichtungsverfahren sind aber ihrerseits durchaus offen für die Orientierung an „zwingendem transnationalem Recht“, das Teil einer globalen „überstaatlichen Wirtschaftsverfassung“ wird (Renner 2010). Ob man angesichts der Lockerung der Formen der Ordnungsbildung und der Pluralisierung der Prozesse der Normbildung – zu Lasten des Gesetzes – vom Übergang zu einer „fragmentierten Verfassung“ – oder von „Verfassungsfragmenten“ (Teubner 2012) – in dem Sinne sprechen kann, dass einzelne gesellschaftliche Teilbereiche und Regime (z. B. große Unternehmen) etwa durch Formen der „corporate governance“ (interne reflexive Bildung von Normen und Beobachtung ihrer „Anwendung“) gesellschaftliche „Teilverfassungen“ in einem nicht nur metaphorischen Sinne entwickeln können, die gleichrangig neben der „politischen Verfassung“ stehen (dazu Teubner 2010, 2012), erscheint zweifelhaft. Vor allem die prozedurale der Bildung von (Verfahrens-)Normen über Normen, die für H. L. A. Harts Rechtsbegriff eine große Rolle spielen, kann diese Autonomie der gesellschaftlichen Teilverfassungen allein nicht stützen [vgl. aber auch unter VIII. 3.]. 4

Für ein Festhalten an den traditionellen Unterscheidungen Bachmann (2006: 21).

1. Was ist Recht?

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bb) Die Vagheit der Sprache – diesseits der Souveränität In der „Gegenrichtung“, gegen die Annahme der zunehmenden Vergesellschaftung des Rechts, entwickelt sich seit einigen Jahren eine philosophische Kritik, die die Pluralisierung des Rechts und der Rechtsquellen einerseits durch die starke Akzentuierung einer „Souveränität“ konterkariert, die von Rechtstheoretikern eher als in Auflösung begriffen beschrieben wird (vgl. dazu Ladeur 2016). Daneben wird andererseits im Anschluss an (den späten) M. Foucault ein unklar bestimmter Bereich der „Biopolitik“ unterschieden, innerhalb dessen (primär) der Staat als „Biomacht“ unmittelbar – an den klassischen Formen der Rechtssubjektivität und ihrer rechtlichen Kontrolle vorbei – in das „Leben“ der Menschen eingreift, um es zu gestalten, ja, zu produzieren (Foucault 1999: 280 ff.) – und dadurch das Eigen-Interesse des Einzelnen an der (Selbst-)Disziplin als Selbstsorge hervorruft. Freiheit des Einzelnen ist dann nicht als eine Art Webersches „Gehäuse der Hörigkeit“– wenn auch kein „stahlhartes“, wie es bei Max Weber heißt. Freiheit ist dann ein paradoxes Medium der Unfreiheit der verinnerlichten Regelhaftigkeit (B. Robinson 2015: 501). Die Emergenz des Neuen, der multifaktorielle Wandel des Wissens, die Herausbildung der transsubjektiven „culture of fact“ (B. J. Shapiro) wird auf deren Erleben im Subjekt reduziert. (Auf die Biomacht und die Biopolitik soll hier nicht näher eingegangen werden: der Ansatz unterscheidet sich aber m. E. nur durch einige begriffliche Nuancierungen von der konservativen Sozialstaatskritik.) Die starke Akzentuierung der Souveränität etwa bei Agamben (2002) oder des Gesetzes bei Derrida (1991) könnte als das letzte Aufflammen eines tradierten Ordnungsmodells vor seinem Verschwinden gedeutet werden. Besonders überzeugend wirkt dies jedenfalls ebensowenig wie die darauf basierende Überschätzung der Willkür der Polizei – die auf W. Benjamin – zurückgeht (Derrida 1991: 90 ff.): „… sie (die Polizei) greift jedesmal ein, wenn die gesetzliche Lage nicht eindeutig ist …“, also: „beinahe ununterbrochen“. Das Recht hat es hier zwangsläufig mit dem „sich ,entziehenden Objekt‘“ (Neuser 2013: 134) der sich wandelnden „Wirklichkeiten“ zu tun. Nur durch die „Vagheit“ seiner Begriffe, aber eben der Begriffe, nicht unbegrifflicher und unbegreiflicher Mythen, der unmöglichen Unterscheidungen ist die Produktivität des Wissens möglich – die sich mehr und mehr dem Subjekt entzieht, aber eben nicht unbegreiflich wird. Wenn die konstitutive Seite des Rechts auf die Gewalt des Bruchs mit der Kontinuität des Nicht-Unterschiedenen (Steinhauer 2015) einerseits und die Gleich-setzung des Subjekts andererseits reduziert wird (Menke 2004; 2008), so geht dabei die operationale Seite des Rechts (Thomas 2011a; auch Steinhauer 2015), aber auch die Rechtssubjektivität als Lebensform verloren; das Recht „übersetzt“ die informale, durch eine unbeobachtbare Gemeinschaft und ihre Konventionen zusammengehaltene Ordnung mithilfe der Unterbrechung/Unterscheidung in eine Beobachtung, Lernen und Intervention, Veränderung zulassende fiktive Form.5 Dies ist eine Form der Gewalt (durch Einschnitte in das Gewebe der 5 Diese Perspektive auf die Konstruktionspraktiken kommt in der Beschreibung der „Möglichkeit der Normen“ bei C. Möllers (2015) als Distanzierung von der Welt zu kurz.

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II. Die Verschleifung von Rechtspraxis und Rechtswissenschaft

Situationen), aber es ist zugleich eine kulturelle Leistung, die mit Entfremdung vom „Gegebenen“ einhergeht. Hier ist auch auf N. Luhmann (1995) hinzuweisen, der mit Recht annimmt, dass „Kausalität“ jedenfalls im Bereich der Sozialwissenschaften nicht als Form der Beschreibung einer selbst beschreibungsunabhängigen Wirklichkeit eingesetzt werden kann. Vor allem für die Rechtswissenschaft ist die Annahme plausibel, dass „Kausalität“ eine Form der Zurechnung, eine soziale Konstruktion ist. Der Zurechnung von Handlungen auf Personen (Luhmann 2005: 128; Vertrag, unerlaubte Handlung etc.) entspricht zugleich eine Folgenentlastung: der Arbeitgeber kann nicht verantwortlich sein für die Folgen der Arbeitslosigkeit entlassener Arbeiter, die auch vom Verhalten (oder Unterlassen) anderer abhängt. Man würde sonst überdies einen antizipierenden Anreiz schaffen, möglichst wenig Personal zu beschäftigen. Die Zurechnung von Schäden setzt nach den liberalen Rechtskonstruktionen das Handeln einer Person und eine davon bestimmte Selektivität der kognitiven Konstruktion von Kausalitäten voraus, die so wenig von rechtlichen Anschlusszwängen entkoppelt ist wie umgekehrt der Rechtsbegriff der Sorgfaltspflichtverletzung nicht von der Beobachtung der sozialen Praktiken (die die Erfahrungen begründen) unabhängig sein kann. Demgegenüber ist „Kausalität im Süden“ nach Luhmann eher eine Art rekursiver Schleife, die die immer weiter auf das informale Netz der lokalen Beziehungen verweist, innerhalb dessen es keine konstruierten und unterscheidbaren Verknüpfungen gibt. Das Netz be- und verstärkt sich immer wieder zirkelhaft aufs Neue. Die Schleife lässt keine Unterbrechungen zu, die auch andere Verkettungen als Alternativen, denkbar machen und damit Lernen ermöglichen würden. Die Schattenseiten der Informalität und der produktive Unterscheidungen durch Intransparenz blockierenden Gewalt lassen sich auch heute noch in vielen Ländern der dritten Welt beobachten (Robinson 2012); vgl. dazu auch III. 1. Die Sozialpolitik in den westlichen Ländern arbeitet mit hybriden Figuren, die Formalität und Informalität verknüpfen: Vor allem die Sozialarbeit und die Familienhilfe arbeiten mit Fiktionen, die nicht (wie das liberale Recht) mit einem Lernen ermöglichenden Kausalitätsmodell verbunden sind, sondern ebenfalls ein Gewebe von persönlichen Bindungen zwischen Klienten und Betreuern entstehen lassen, dessen Wirkungen unbeobachtbar gehalten werden (Ladeur 2014a: 103; vgl. auch F. X. Kaufmann 2015)6.

6 Dies ist keine pauschale „Sozialstaatskritik“: Es geht vielmehr darum, die Grenzen des Lernens in den Klientenbeziehungen des Sozialstaats zu zeigen.

1. Was ist Recht?

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b) Der Aufstieg des „Spezialwissens“ und dessen Einfluss auf die Fassung des Rechtsbegriffs Wenn die Emergenz sozialer Regeln stärker von der Orientierung an „Spezialwissen“ bestimmt wird (Guéhenno 1999: 16), verändert sich auch das Verständnis des Rechts, das mit diesen sozialen Regeln verschleift ist – und dies hat notwendigerweise auch Folgen für die Figur des Rechtssubjekts. Damit wird auch die Rechtssemantik dynamisiert: An die Stelle der „Anwendung“ allgemeiner „Begriffe“ auf einzelne „Fälle“ treten dynamischere Semantiken, die stärker auf die horizontale Verknüpfung von Konstellationen eingestellt sind und die auf ihre Anschlussmöglichkeiten für die Zukunft zu beobachten sind (Scott/Sturm 2007: 565; Ladeur 2014). Diese Veränderung entspricht einem generellen Wandel in der Hermeneutik (auch jenseits des Rechts) und der Literaturwissenschaften, in denen – von Bender/Wellbery (1990: 25, 27) auf die technologische Dynamik zurückgeführt – eine Ablösung der Semantik von Regeln und stabilen Zwecken beobachtet wird. An deren Stelle tritt eine „formale Disponibilität für verschiedene und möglicherweise auch konfligierende Zwecke …“ (H. Krämer 2007: 150). Die Semantik wird in Folge einer Wahrnehmung der „rootlessness“ der Kultur „beweglich“ („mobile“) und emanzipiert sich von den Formen und Figuren des liberalen Ordnungsmodells, über die feste Verbindungen zwischen Regeln und ihren „Anwendungen“ erhalten worden sind. Es tritt deutlicher zutage, dass der einzelne Rechtstext nur als „part of a much larger, more elusive pattern of remembrance and forgetting“ gesehen werden kann (Wilf 2011: 565). Rechtstexte sind immer auch Texte, die die Lektüre steuern und begrenzen sollen (Wilf 2011: 551) – durch Festlegung von Semantiken, die Lesarten kanonisieren, durch Vermutungs- und Vorrangregeln, durch Orientierung an bestimmten Zwecken. Vor allem aber lässt die Perspektive auf die Semantik des Rechts die notwendige Konflikthaftigkeit und Offenheit der Rechtspraxis besser zutage treten: Die Rechtsbegriffe stehen nie einem Autor „zur Verfügung“, ihre Bedeutung ist immer das Produkt einer Vielzahl von Begriffsproduzenten und Begriffsverwendern (Spitz 2014: 72). Dies wird nur umso sichtbarer, je schneller die Rechtsoperationen und ihre Muster sich verändern. Zu Zeiten des klassischen Rechtsstaats konnten Unterscheidungen an einfachen Grenzbegriffen vorgenommen werden und ist nur staatliches Recht als Recht anerkannt worden, während das Mitlaufen von gesellschaftlichen Normen zwar die Interpretation des staatlichen Rechts beeinflusst hat, diese selbst aber nicht explizit als Recht anerkannt waren. Allerdings haben im Handelsrecht „Handelsbräuche“ auch in der liberalen Ordnung eine weiterreichende Bedeutung als gehabt als die sozialen Normen im Zivilrecht (§ 346 HGB). Die Auflösung der Hierarchie als privilegiertes Ordnungsmodell der Staatlichkeit in der Postmoderne hat zu einer heterarchischen Vervielfältigung der Rechtsquellen geführt und dementsprechend auch das Geltungssymbol unscharf werden lassen.7 Ob 7 Vgl. auch zur Umstellung der Gesetzesbindung von der „Subsumtion“ auf die argumentative Konstruktion Christensen/Fischer-Lescano (2008: 46).

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II. Die Verschleifung von Rechtspraxis und Rechtswissenschaft

man aber insbesondere das transnationale Recht ganz von der Legitimation durch die staatlichen Anerkennungsregeln ablösen und eine Selbstkonstitutionalisierung der Zivilgesellschaft jenseits des Staates postulieren kann (Teubner 2003: 1; 2012), erscheint, wie schon oben angemerkt worden ist, zweifelhaft (vgl. auch Vesting 2011b: 71; Korioth/ders. 2011: 1). Das Prozessieren des Geltungssymbols selbst kann m. E. nicht ganz „vergesellschaftet“ und vom Staat abgelöst werden. Jedenfalls wird die Anerkennungsregel durch unterschiedliche prozedurale Anforderungen je nach Transparenz, Beteiligung privater und öffentlicher Akteure (explizite Setzung von Standards, Beobachtung impliziter selbstorganisierter Regeln in einzelnen Handlungsfeldern: z. B. mediengerechte Konkretisierung der Grenzen von Öffentlichem und Privatem) ausdifferenziert und ihrerseits pluralisiert (Kingsbury 2009: 20; Dyzenhaus 2008; Möllers/ Voßkuhle/Walter 2007). Das Geltungssymbol ist aber so sehr auf die Verschleifung von Recht und Rechtsanwendung angelegt, dass die offene Prozedur der Herstellung der Rechtsentscheidung keine Temporalisierung der Abfolge von Normsetzung und Anwendung benötigt (dies ist eher die Form der Darstellung, die im Futur II unterstellen muss, dass die Rechtsentscheidung das immer schon geltende Recht in Anschlag bringt). Die „Subsumtion“ kann auch durch experimentelle „replication“ (in naturwissenschaftlicher Perspektive Daston 2005: 19) Mustern von Fall zu Fall ersetzt werden. Dies ist der konstitutiven (impliziten8) Diskursordnung des Rechts geschuldet: Man kann eine sich als bindend festlegende Entscheidung nicht mit Aussicht auf Erfolg als Nicht-Recht, als nicht geltend, mit dem Argument qualifizieren, dass es sich nicht um Rechtsanwendung handle, weil die Entscheidung nicht aus einem Rechtssatz abgeleitet sei, sondern selbst Recht zu setzen beanspruche (allg. I. Augsberg 2015a). Dies ist auch dann nicht mit Aussicht auf Erfolg möglich, wenn ein Gericht selbst eine einschlägige Norm für nicht anwendbar erklärt (vgl. BGH, Juristenzeitung 2009: 961 – spickmich.de), solange die Richter an der konstitutiven Fiktion festhalten, dass die Entscheidung aus dem vorher bestehenden Recht „abgeleitet“ ist (dies kann auch durch „Argumentation“ geschehen, wenn explizit an der Unterscheidung von Rechtsetzung und Rechtsanwendung festgehalten wird9 ; vgl. 8 Vgl. dazu allg. M. Polanyi (1964), Gill (2000: 51); auch hier ergeben sich interdisziplinäre Perspektiven, wenn man die sozialwissenschaftliche Diskussion über die Bedeutung von impliziten „social practices“, die „open textured“ und zukunftsorientiert sind (Rouse 2007: 48 ff.; Pritzlaff 2009; dies./Nullmeier 2009), in Betracht zieht. Demgegenüber ist vorherrschend der eher retrospektive „begründende“ Rekurs auf Regeln und Prinzipien (vgl. auch Brandom 1994: 19 f.). 9 Dies gilt auch für den Fall der Kontroverse über die Reichweite der Kompetenz zur Rechtsfortbildung im Hinblick auf die Frage nach dem Anspruch auf Sozialhilfe für Unionsbürger: Die Kritik des SG Berlin (v. 11. 12. 2015, Az: S 149 AS 7191/13) an einer Entscheidung des BSG (v. 3. 12. 2015, B 4 AS 44/15 R und B 4 AS 59/13 R, dem vorgeworfen wird, die Grenzen der Rechtsfortbildung überschritten zu haben, erklärt solches Urteil nicht für NichtRecht.

2. Von der Rechtsanwendung zur Selbstbeobachtung der „Rechtsfortbildung“

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Christensen/Kudlich 2001). Diese Fiktion wird nicht einmal dadurch erschüttert, dass ein Gericht wie das Bundesverfassungsgericht mehr oder weniger explizit ein „neues Grundrecht“ entwickelt, also die Verfassung als oberste Norm selbst ergänzt (BVerfGE 120, 274; Lepsius 2008). Den normativen Anforderungen an die Prozessierung des Geltungssymbols durch Anwendungsentscheidungen wird vor allem im Common Law schon dadurch Genüge getan, dass ein neuer Fall zum Anlass genommen wird – eben im Futur II –, eine neue Entscheidungsregel aufzustellen, die in künftigen Entscheidungen als „entschiedener Fall“ in Bezug genommen kann (Vermeule 2006: 54, 123 ff.). Dass solche Phänomene einer erheblich gelockerten Bindung nicht nur durch das Recht, das durch „Interpretation“ als praktisches Normverstehen verändert wird (vgl. Walsh 2008: 66), sondern auch durch das Geltungssymbol selbst auch im kontinentalen Recht sehr verbreitet sind, könnte sowohl für die als Rechtstheorie operierende Rechtswissenschaft als auch für eine politikwissenschaftliche Beobachtung des Rechts „von außen“ von erheblicher Bedeutung sein. Allerdings muss man davon ausgehen, dass im anglo-amerikanischen Recht ebenso wenig wie im kontinentaleuropäischen noch die klassische Kultur der Präjudizienbindung praktiziert wird. Die Verknüpfungen folgen nicht mehr einer hierarchischen Logik, sondern proliferieren innerhalb eines heterarchischen Netzwerks, aus dem immer neue Anschlussmöglichkeiten generiert werden.

2. Von der Rechtsanwendung zur Selbstbeobachtung der „Rechtsfortbildung“ im Rechtssystem und zum Aufstieg der „operativen“ Seite des Rechts Die Rechtsfortbildung, die sich selbst als Rechtsänderung ausweist, ist heute eine so ubiquitäre Leistung der Gerichte (BVerfGE 34, 269 – Soraya; jetzt Möllers 2009a: 668; BGH, JZ 2009, 961 – „spickmich.de“ m. Anm. Ladeur), dass sie vielfach nicht einmal deutlich von der Rechtsauslegung unterschieden wird.10 Dies ist nicht zuletzt der Doktrin der „verfassungskonformen Auslegung“ geschuldet (BVerfGE 59, 360), die es erlaubt, aus sehr allgemeinen Rechtsgrundsätzen, insbesondere den Grundrechten, weitreichende Änderungen des Gesetzesrechts als Rechtsanwendung „abzuleiten“ (zum Pendant der „richtlinienkonformen Auslegung“ EuGH, Rs. 14/83 Slg. 1984, 1891 – Colson und Kamann). Damit geht eine grundlegende Verschiebung der Gewichte zwischen Gesetzgeber und Justiz einher: Der Verfassungsgeber hat einerseits die unmittelbare Anwendung der Grundrechte (und damit auch der Geltung ihres Vorrangs vor dem Gesetzesrecht) statuiert (Art. 1 Abs. 3 GG), andererseits 10 Zu der durch ihre „Gründe“ vermittelten Bindungswirkung durch „Rechtsfortbildung“, BVerfGE 84, 212, 227; dazu auch Meder (2009: 206).

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II. Die Verschleifung von Rechtspraxis und Rechtswissenschaft

aber die Verwerfung eines Gesetzes als verfassungswidrig beim Bundesverfassungsgericht konzentriert (Art. 100 Abs. 1 GG: Prüfungskompetenz für alle Richter – Verwerfungskompetenz nur für die Verfassungsgerichte). Diese Norm hat zwar nach wie vor erhebliche Bedeutung, dennoch kann man davon ausgehen, dass auch andere Formen der Argumentation (Rechtsfortbildung, verfassungskonforme Auslegung etc.) die Stellung der Gerichte gegenüber dem Gesetzgeber gestärkt haben. Dies ist insbesondere darauf zurückzuführen, dass die systematische und begriffliche Kopplung zwischen Rechtsnormen durch die Gesetzgebungstechnik, Rechtsdogmatik und den schnellen Wandel der tatsächlichen Wissensinfrastruktur des Rechts sich auflöst. Nach Fischer-Lescano/Teubner (2006: 57) treten auch symbolisch an die Stelle der symbolischen „Vereinheitlichung“ (des Rechts) „punktuelle Vernetzungen der Regimes“, also das Operieren mit Unterscheidungen. Das Recht war bis in die 20er Jahre des letzten Jahrhunderts für die Bewältigung der Dynamisierung des Rechts11 noch weitgehend auf die Analogie und die teleologische (sich vom Willen des Gesetzgebers emanzipierende)12 Auslegung beschränkt (gegenüber den klassischen, an System und Wortlaut orientierten Auslegungsmethoden vgl. Larenz 1991: 313: „Gesetzestext als ,Träger‘ des in ihm niedergelegten Sinn“; teleologisch: „das Ganze des Rechts“ muss der Richter erst „gewinnen“; kritisch dazu Christensen/Fischer-Lescano 2008). Demgegenüber ist das Geltungssymbol heute so konturlos geworden, dass nicht zuletzt durch die Konstruktion von „Grundrechtskollisionen“ (Fischer-Lescano 2008) und die sich daran anschließende Notwendigkeit des „Ausgleichs“ durch Abwägung (Dreier 1993; Lepsius 2006: 119; kritisch Jaume 2000: 343, 353; Böckenförde 2003; Ladeur 2004; Augsberg 2009: 95, 115: zur Kritik der diskursethischen Überhöhung der nicht-hintergehbaren Pluralität des Rechts) das geltende Recht einem kontinuierlichen Variationsprozess unterworfen ist, ohne dass dadurch das Geltungssymbol als solches seiner integrativen Wirkung entkleidet worden wäre. Während die Methoden des liberalen Rechts vom Blick auf das Gesetz und vom Willen zur Interpretation dieses Gesetzes bestimmt waren, entwickelt sich in der „Gesellschaft der Organisationen“ die Methode der „Konkretisierung“ des Rechts an Interessentenkonstellationen und variablen Gerechtigkeitsüberlegungen (Esser 1972; Müller 1966; Hesse 1995: 25 f.). Es wird durch die Abwägung von Fall zu Fall bestimmt (vgl. etwa BVerfGE 101, 361, 392; Alexy 1996: 83, 516; kritisch Jaume 2000: 343, 353 f.). Das Gesetz tritt in den Hintergrund, das Verlangen nach Anerkennung (Honneth 2010) nicht nur der Geltungsansprüche von Gruppen sondern auch von variablen Identitätsansprüchen der Individuen und das gesteigerte Bedürfnis nach „Gerechtigkeit“ (vgl. die Beiträge in Teubner 2008) führen zum Auf11 Das auf Selbstorganisation angelegte Privatrecht wird mehr und mehr von „Zwecken“ überlagert, die durch die Orientierung an strategische handelnden privaten oder öffentlichen Organisationen in das Recht einwandern, vgl. Nörr (1988: 4). 12 Vgl. auch zur Interpretation als Bestimmung eines „Rahmens“, der mehrere Möglichkeiten bietet, Kelsen (2008: 105 ff.).

2. Von der Rechtsanwendung zur Selbstbeobachtung der „Rechtsfortbildung“

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stieg des „Verhältnismäßigkeitsprinzips“, das sich an der Abstimmung offener Rechte und Interessen in unterschiedlichen Fallkonstellationen orientiert.13 Diesen Vorgang der Öffnung der Grundrechte für die Beobachtung des Wandels der „Faktizität“ hat M. Gauchet (1979: 451) die „Historisierung“ der Grundrechte genannt. Die Problematik des Einsatzes des Verhältnismäßigkeitsprinzips für deren Bewältigung besteht darin, dass es die Verknüpfung der Grundrechte mit ihrer, aus sozialen Normen bestehenden gesellschaftlichen Infrastruktur lockert und im Angesicht der nicht hintergehbaren Ungewissheit eine staatliche (gerichtliche) Entscheidungsprärogative an die Stelle der Vermutungs- und Beweisregeln setzt, die in das System der Grundrechte eingetragen sind. Stattdessen käme es darauf an, die kreative Dimension des Rechts in der Zeit und die nicht hintergehbare Emergenz neuer Spannungen und Kollisionen in Anschlag zu bringen (Lefebvre 2008: 113; Fischer-Lescano 2008) und den Wechsel zwischen Öffnung und Schließung des Rechtssystems im Angesicht des Wandels – politikwissenschaftlich wie rechtstheoretisch – zu beobachten. „With every new judgment the law grows and expands, and over time it locally constructs a plane of immanence with ever more parts able to be actualized in ever more judgments. … The judge, therefore is at the border between two kinds of movements, simultaneously enacting a closed, spatial displacement of parts and expressing a creative, open whole“ (Lefebvre 2008: 254). Daran geht ein Konzept der „argumentativen Rationalität“ vorbei, das die intersubjektive Koordination auf die Verständigung über gemeinsame (geteilte) Werte zurückführt (Habermas, 1992: 138 ff, 349 ff., 492 ff.; für „Anwendungsdiskurse“ Günther 1988) und die Emergenz von transsubjektiven Werten und Regeln aus der Interaktion – und damit die Untrennbarkeit von argumentativer und strategischer, vor allem experimenteller Rationalität – vernachlässigt (Reynaud/Richebé 2007, 12). Das Recht benötigt Vermutungen, die Argumentationslasten zugunsten praktisch bewährter Regeln und Muster verteilen (R. B. Miller 1996: 25), nicht weil es konservativ wäre, sondern gerade weil es mit „evolutiven“ Konstellationen zu tun hat, die nur schwer angemessen zu beschreiben sind, und mit Vermutungen diese Schwierigkeiten praktisch abzuspannen sucht. Die Demokratie ist ihrerseits eine Form des Operierens mit und in Krisen, mit einer „Opakheit“, die sich dem Operieren mit Fiktionen verdankt (Thomas 1998; 2005). Das Reale der Welt drängt sich dem Menschen zugleich auf und bleibt gerade deshalb fremd (Kremer-Marietti 2009: 81), weil Entscheidungen und Unterscheidungen getroffen werden müssen, für die es immer nur einen provisorischen, eben fiktiven Referenzrahmen gibt, der Orientierung durch Koordination mit anderen erlaubt, aber nicht der Wirklichkeit entspricht: Die Welt im Werden ist „nicht formulierbar“( „informulable“): Deshalb ist die Fiktion erforderlich (Kremer-Marietti 2009: 27) und es ist wohlfeil, deren „Gewalt“ anzuklagen 13 Vielfach wird die Ausbreitung des Verhältnismäßigkeitsprinzips – als deutscher „legal transplant“ auch in das Europarecht – nur als Abweichung von einem älteren Modell der politischen Entscheidung und der demokratischen Gesetzgebung gesehen (Böckenförde 2003: 187, 190 – mehr unter Betonung der politischen Entscheidung; Maus (2006: 117) – eher unter dem Aspekt des Verlusts an demokratischer Selbstbestimmung) -, aber die interne Rationalität der Selbstveränderung des postmodernen relationalen Rechts nicht in den Blick genommen.

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II. Die Verschleifung von Rechtspraxis und Rechtswissenschaft

Auch die Fiktion ist eher ein metaphorisches Verfahren (Kremer-Marietti 2009: 216 f.), das auf etwas Neues verweist. Ohne dieses Verfahren wäre kein Handeln unter Ungewissheitsbedingungen möglich.14 Letztlich geht dies zurück auf die Mobilität der Kultur in westlichen Gesellschaften, die mit der operativen Freiheit der Subjekte und ihres „Eigenwillens“ (vgl. dazu den Exkurs zu Menkes „Kritik der Rechte“) eine paradoxe experimentelle Ordnung erzeugen, die nie mit ihren expliziten Regeln übereinstimmen kann, weil ständig etwas Neues erzeugt wird, das die Ordnung erschüttert – und damit auch die Sprache nie mit „ihrer“ Wirklichkeit übereinstimmen lässt. Die Sprache bleibt immer zurück. Und das praktische Handeln muss diese Lücke mit „kognitiven Schablonen“ (Descola) überbrücken, die die reflektierende explizite Sprache zum Verschwinden bringen müssen. Daraus entsteht ebenfalls eine gewisse „Opakheit“ (Runciman: 6, 283), eine Intransparenz, die der notwendigen Spannung zwischen „konstituierter“ expliziter Regelbildung und der impliziten distribuierten Praxis des „instituierten“ azentrischen Wissens entspringt. Deren Verhältnis muss genauer beobachtet und mit mehr Varietät beantwortet werden (nicht mit „Transparenz“), es ist aber wenig sinnvoll, dieses nicht-hintergehbare Dilemma mit immer neuen normativen Modellen überbieten zu wollen. Dieses reale Spannungsverhältnis wird auch und gerade von Theorien verfehlt, die sich der materialistischen Tradition verpflichtet fühlen, aber das Funktionieren des Rechts letztlich mithilfe der ideologischen „Hegemonie“ in der Gestalt der „Besetzung“ von Begriffen durch insbesondere „neoliberales“ Denken und den diesem entsprechende „Natürlichkeitsannahmen“ zu erklären versuchen (Möller 2015: 84). Deren Bekämpfung verlangt ein neues „kulturelles Projekt“ und eine darauf basierende „aktive politische Konstruktionsleistung“, die zu einer „postmarxistischen Umschrift“ (der „Natürlichkeitsannahmen“) führen soll (Möller 2015: 34). Dies ist nur der Ausdruck einer auf der Überpolitisierung basierenden Lebensform von Intellektuellen, die „alles“ für politisch erklärt. (Post-)Moderne Gesellschaftsordnungen erzeugen notwendig sowohl objektiv als auch subjektiv (als Anforderung an die unmögliche „Identitätsbildung“) inkonsistente Werte, Normen, Realitätsmodelle (Greenfeld 2009: 9), die unterschiedlich, aber jedenfalls nicht stabil ausbalanciert werden können. Sinnvoller erscheint es dann im „Selfmanagement“ wie in der Politik, Bedingungen des „experimentalist governance“ (Sabel/Zeitlin 2012: 9) zu beobachten: Die Demokratie und ihr Recht müssen sich in der Postmoderne mehr und mehr auf „strategic uncertainty“ einstellen, d. h. sie müssen in „Echtzeit“ lernen, „what their goals should be, and while learning determine how to achieve them“. „Lernen“ heißt, dass die Ziele mit den Möglichkeiten verschleift sein müssen und ihr Scheitern immer als ernsthafte beobachtungsbedürftige Alternative mitlaufen muss. Dies gilt umso mehr, als es im Sozialstaat so gut wie kein „Programm“ gibt, dessen Scheitern nicht trotzdem für die 14 Vgl. zu dieser Stellung der Fiktion , die uns „eine Welt zurecht machen“ kann, die „unsre Existenz“ erst ermöglicht, weil sie die Welt verständlich macht, F. Nietzsche in „Der Wille zur Macht“ (1922: Nr. 521).

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professionellen Organisatoren „erfolgreich“ ist (Seibel 1994) – und „Bedarfe“ für die nächste „Maßnahme“ hervorbringt.15 Hier ließe sich weiter die These formulieren, die ebenfalls Anschlüsse an die politikwissenschaftliche Beobachtung des Rechts eröffnet, dass die Normen nicht nur mehr oder weniger unvollständig sind, bevor sie angewendet werden, sondern sie grundsätzlich keinen unmittelbaren Zugang zur Praxis ermöglichen, diese vielmehr selbst ihr eigenes „Recht“ aus der Kontingenz der Fälle erzeugt (Walsh 1997: 66).16 Dies schlägt sich heute darin nieder, dass neue Gesetze vielfach nur Versuche einer Systematisierung der gerichtlichen Fallpraktiken und der faktischen Muster der Koordination der Akteure sind. Die flexibel werdende, aus sozialen Regeln bestehende Infrastruktur des Rechts müsste sehr viel genauer beobachtet und offengelegt werden. Dazu würden auch Formen der Umstellung des „Kontrollprojekts“ des Rechts von einer ex ante- auf eine ex post-Perspektive gehören. Wertungsprärogativen müssten jedenfalls mit Beobachtungs(nachbesserungs)pflichten verknüpft werden (BVerfGE 50, 290, 332 ff. – Mitbestimmung auf Unternehmensebene).

3. Die Abschwächung der Bedeutung der Gesetzesbindung a) Vorüberlegung: Wandel der Funktion des Rechts? Das Postulat der Gesetzesbindung verliert, wie gezeigt, immer mehr an Bedeutung im Verhältnis zur Rechtsprechung (anders nach der „Wesentlichkeitstheorie“ gegenüber der Verwaltung; BVerfGE 47, 46, 83 – Sexualkunde; 49, 89; 98, 218, 251 f.; 101, 1, 34; v. Bogdandy 2000: 190 ff.)17, wenn gesetzgeberische Konzeptionen mit konkurrierenden eigenen Überlegungen oder maßstabslosen Rechtsfort15 Dabei spielen „kritische Theorien“ eine wichtige Rolle, deren Ziel darin besteht, Probleme auf eine prinzipielle Ebene zu heben, auf der sie mangels Konsens nicht lösbar sind, aber zugleich das reale Scheitern des Programms invisibilisieren oder moralisch entschuldigen – was nichts daran ändert, dass ggf. das Problem bald in eine neue Umdrehung der Reformschleife geschickt wird (vgl. zur politischen Rhetorik der Reform Corsi 1997; Jung 2008). 16 In rechts- und politiktheoretischer Perspektive ließe sich wiederum die These anschließen, dass auch die Reduktion des Rechts auf rationale Begründung im intersubjektiven Diskurs die Nichthintergehbarkeit der Konstitution der Subjekte durch die notwendigerweise plurale, differentielle, auf Selbsttransformation durch „transsubjektive“ Effekte jenseits der Kommunikation und des Konsenses unterschätzt und damit das Verhältnis des Selbst zu sich als einem anderen jenseits einer stabilen Identität ausblendet; vgl. dazu Haysom (2009: 649, 656 f.). 17 Dies dürfte aber nur für wenige Bereiche von Bedeutung sein – vor allem für solche, in denen der Rechtsschutz bisher unterentwickelt war und durch Gesetze erst die Konfliktfähigkeit von Rechten in von den Verwaltung selbst umfassend gestalteten Bereichen wie der Schule hergestellt werden muss; vgl. für die Verrechtlichung der Schule in den USA Yergin (2015); tatsächlich existiert kein wirksamer Gesetzesvorbehalt für „wesentliche“ Fragen.

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II. Die Verschleifung von Rechtspraxis und Rechtswissenschaft

bildungen überspielt werden (Möllers 2009: 668, 671 – strafprozessuales Beweisrecht; Ladeur 2009). Zum Teil wird aus der Konkretisierungsbedürftigkeit der Grundrechte geradezu eine Pflicht des Gesetzgebers abgeleitet, Normen für die „Rechtsfortbildung“ am Einzelfall offenzuhalten (Röthel 2004: 55 ff.). Ob und wieweit dadurch eine Leistung des Rechtssystems für andere Teilsysteme sowie für Individuen und Organisationen erbracht wird, die noch von Luhmann stark gemachte Erwartungssicherheit (1993: 129 ff.), ist eine Frage, die zum Gegenstand der Beobachtung des Rechts durch die Rechtswissenschaft und die Politikwissenschaft werden kann. Dabei ist aber einmal zu beachten, dass ein großer Teil des Rechts heute öffentliches Recht ist. Die durch den Staat selbst gestiftete Erwartungssicherheit im Allgemeinen und der Verwaltung im Besonderen erscheint (wegen der „Einschätzungsprärogative“ des Staates) offenbar weniger schutzbedürftig als die privater Akteure untereinander. Es ist zweifelhaft, ob die Luhmannsche Begriffs- und Gedankenschärfe hier weiterhilft: „Jede auf den Sinn und die Operationsweise (Unterscheidungsweise) von Operationen achtende Systemtheorie muss deshalb hinnehmen, dass politisches System und Rechtssystem getrennt operieren, dass sie verschiedene Systeme sind – und dies selbst dann, wenn die Selbstbeschreibung der Systeme dem widerspricht“ (Luhmann 2005b: 390 – H. i. O.). Das bedeutet sicher nicht, dass beide Systeme nichts miteinander zu tun hätten: Für Luhmann stellt sich hier die Frage nach der strukturellen Kopplung, über die einzelne sich Systeme einander wechselseitig und begrenzt vorgeordnete Ordnungselemente einander zur Verfügung stellen. Der Staat wird als eine Form der „strukturellen Kopplung“ angesehen, die über Zurechnung auf eine „fiktionale Einheit“ von beiden Systemen benutzt wird, dem Recht selbst wie der Politik (391). Nach Luhmann besteht hier aber die Gefahr, dass der mit dem Wechsel der Systemreferenz einhergehende „Perspektivenwechsel“ übersehen wird, „wenn der Staat als politisch-rechtliche Einheit“ beobachtet wird (391). Das was den modernen Staat ausgemacht hat, ist der „caractère indéfini de la forme concrète, et la nécessité de formuler une règle de vie commune en l’absence de cette forme“ (Manent 2010: 182). Damit entspricht er exakt der Form des individuellen Subjekts, das ständig im „entre-deux“ lebt, das sich selbst im anderen findet und in sich selbst den anderen (Manent 2010: 102). Dazu bedarf es der Stadt als Lebensform, „de proche en proche“ (Macé), als Medium, sie macht den Rahmen des gemeinsamen Handelns aus.18 Diese Form lässt sich jenseits des Staates als Assoziation der Städte weder in Europa noch gar in der Welt wiederholen – das schließt die Emergenz neuer globaler politischer Formen nicht aus. Aber die hier vorgetragene Interpretation erklärt zugleich, warum insbesondere die gegenwärtigen europäischen Staaten in ihrer realen Verfassung exakt der „Selbstverfassung“ der Bürger/Subjekte entsprechen, auch wenn diese das nicht wahrhaben wollen und sich selbst in der Postmo-

18 Dies geht auf die griechischen und römischen Ursprünge der Stadt zurück (Scheid 2013: 21; Brown 1992: 37).

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derne immer als besser ansehen als ihren Staat – und in ihrer narzisstischen Politikverdrossenheit darin von vielen Politikwissenschaftlern bestärkt werden.

b) Insbesondere: Dynamische „grundrechtliche Ausgleichspflichten“ und die Veränderung der Gewaltenteilung (zwischen Justiz und Legislative) Der Staat wird mit immer mehr (vor allem) grundrechtlichen Ausgleichspflichten konfrontiert (Hoffmann-Riem 2006: 492), die den Rechtsbildungsprozess in die Gerichte verlagern und die Stabilität des Rechts zu Lasten staatlich-gesetzlicher Eigennormierung jenseits der gesellschaftlichen Normbildung erschüttern. Dies ist aber nicht als Ausdruck eines institutionellen Konflikts zwischen Parlament und Justiz zu beschreiben, wie er etwa als Kollision (sozial-)demokratischer Gesetzgebung und konservativer Justiz (Korioth 2003: 705) in der Weimarer Republik entstanden ist. Der zunehmenden Verrechtlichung der Politik, die oft als Verlust parlamentarischer Entscheidungskompetenz interpretiert wird (Bornemann 2007: 75; vgl. auch Kneip 2006; Maus 2006: 111), entspricht paradoxerweise eine Erweiterung der staatlichen Entscheidungsmöglichkeiten insgesamt zu Lasten insbesondere der wirtschaftlichen Grundrechte: die Erweiterung der abwehrrechtlichen Dimension der Grundrechte um objektiv-rechtliche Schutzpflichten zugunsten Dritter macht aus den klassischen Grundrechtskonflikten (the man versus the state) in zunehmendem Maße „mehrpolige Grundrechtsverhältnisse“, in die z. B. bei einem Konflikt zwischen dem Staat und einem Unternehmer, der sich gegenüber dem Staat auf seine Berufsfreiheit im privaten Arbeitsverhältnis beruft, die Arbeitnehmer rechtlich einbezogen werden (Ladeur 2009b: 543). Damit geht paradoxerweise eine Erweiterung der Entscheidungsmöglichkeiten sowohl der der Legislative als auch der Exekutive einher (BVerfGE 108, 282, 302 – Gestaltung des Zugangs von muslimischen Lehrerinnen zum Schuldienst; wieder eingeschränkt im zweiten Kopftuchurteil, JZ 2015, 566, dazu Ladeur 2015a; BVerfGE 49, 89, 131 ff. – technische Unsicherheit), weil der Grundrechtseingriff sich zum staatlichen Ausgleich zwischen mehreren Grundrechten und ihren Trägern wandelt. Dieser Ausgleich wird eher kooperativ zwischen Legislative und Exekutive auf der einen Seite und der Justiz auf der anderen Seite vorgenommen. Dies kann also sicher nicht einfach als Machtverschiebung zugunsten der Judikative beschrieben werden. Vielmehr muss die Rechtsetzung sich stärker auf den Aufstieg der Bedeutung des „Spezialwissens“ einstellen, das nicht mehr allgemein zugänglich ist (Guéhenno 1999: 82). Es zeigt sich auch hier, dass die Grundrechtsverhältnisse einer „Historisierung“ (M. Gauchet) unterliegen, die die Abstützung durch die traditionellen sozialen Normen der liberalen Vergangenheit und die implizite Verweisung auf die geteilte gemeinsame Erfahrung ablöst. Die Grundrechte werden jetzt immer stärker an den Aufstieg des nicht nur technologischen „Spezialwissens“ eingestellt (Schulverhältnisse, Technologien, Finanzmärkte etc.) und in ihrer Anwendung von dessen Berücksichtigung

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abhängig. Insbesondere das Urteil des BVerfG zur Gentechnik [BVerfGE 128, 1; vgl. unten IV. 7. a)] zeigt aber, dass dies zugleich den politischen Gestaltungsspielraum des Staates erweitert, der sich auch die Technikkritik eines Teils der Öffentlichkeit zu eigen macht, auch wenn dies zu Lasten der Freiheit von Technologie (Art. 12 Abs. 1 GG und Wissenschaft (Art. 5 Abs. 1 S. 1 GG) geht. Eine Alternative könnte darin bestehen, das immer schon vorhandene implizite kollektive transsubjektive Element der Grundrechte, ihre Funktion der Gewährleistung der Erzeugung neuer Möglichkeiten für Dritte, für Nichtrechtsträger, selbst explizit zum Gegenstand eines „impersonalen“ Grundrechts des Wissens zu machen [Ladeur 2016b; s. dazu unter VI. 1.]. Das ändert nichts an der Notwendigkeit der Bewältigung von Konflikten, aber es würde in der Tradition der gesellschaftlichen Grundrechte stärker offengelegt, dass es als Konsequenz der Konflikte nicht einfach zu einer Machtsteigerung des Staates kommen darf. Stattdessen wäre über Kollisionsregeln nachzudenken, die zunächst die „Kollisionen“ strukturieren müssten [s. dazu VI. 3.]. Auch die daraus entstehende Ausbalancierung der Machtverhältnisse zwischen den „politischen“ und den justitiellen Entscheidern könnte ein Gegenstand der kooperativen Beobachtung des Rechts durch Rechtswissenschaft und Politikwissenschaft sein.19 Jedenfalls wäre aber die Vorstellung einer einseitigen Gewichtsverlagerung zugunsten Gerichte und zu Lasten der Politik verfehlt, zumal gerade das Bundesverfassungsgericht nicht nur eine Einschätzungsprärogative der Politik bei vielen „mehrpoligen Grundrechtsverhältnissen“ anerkannt hat, sondern in der faktischen Unsicherheit der einem Gesetz zugrunde zu legenden tatsächlichen Annahmen (I. Augsberg/S. Augsberg 2007: 290), insbesondere schneller gesellschaftlicher Wandel oder technologische Komplexität (Scherzberg 2002: 113; differenziert Wollenschläger 2009: 58), eine weitere Legitimation für politische „Einschätzungsspielräume“ (verbunden mit vagen Nachbesserungspflichten) gesehen hat (BVerfGE 50, 290, 334). Verrechtlichung bedeutet deshalb vielfach die Unterordnung des Privatrechts unter das öffentliche Recht, nicht aber eine Begrenzung der politischen Entscheidungsmöglichkeiten des Staates. Im Gegenteil! Sie läuft zum erheblichen Teil auf eine rechtliche Kontrolle und Begrenzung privater, bisher durch die abwehrrechtliche Dimension der Grundrechte geschützter Entscheidungsfreiheit hinaus (BVerfGE 89, 214 – Bürgschaft; 81, 242 – Handelsvertreter). In dem erstgenannten Fall wird die privatrechtliche Schranke der Vertragsfreiheit (insbesondere die Beachtung der „guten Sitten“) durch die Verfassungskontrolle am Maßstab einer materiell verstandenen realen Handlungsfreiheit unter Berücksichtigung der Machtverhältnisse und der übernommenen Lasten abgelöst – wohlgemerkt: dies ist eine zusätzliche Kontrollebene hinter der Kontrolle an den Maßstäben des Zivilrechts. In dem anderen Fall werden Wettbewerbsverbote, die zwischen Selbständigen vereinbart worden sind, auf ihre Angemessenheit an vagen verfassungsrechtlichen Maßstäben kontrolliert. Hier ging es um die Frage, ob eine 19 v. Komorowski/Bechtel (2006: 291) beobachten die Verrechtlichung der Politik durch die Verfassungsgerichtsbarkeit zwar differenzierter, aber eine neue Fragestellung für die interdisziplinäre Beobachtung des Phänomens wird letztlich nicht eröffnet.

3. Die Abschwächung der Bedeutung der Gesetzesbindung

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Karenzentschädigung auch dann zu zahlen ist, wenn das Handelsvertreterverhältnis aus wichtigem Grund (!) aufgrund schuldhaften Verhaltens des Handelsvertreters durch den Vertretenen gekündigt wird. Dies hatte der Gesetzgeber in der damals geltenden Fassung des § 80a Abs. 2 S. 2 HGB so geregelt. Die Verfassungskontrolle erstreckt sich hier also auch auf den Privatrechtsgesetzgeber, dem aufgegeben wird, den Handelsvertreter vor der Vereinbarung bestimmter Abreden zu schützen – dabei war die Wirkung der Vorschrift durchaus abdingbar.

c) Die rechtschöpferische Kraft der Verwaltung Die Abschwächung des Paradigmas der „Rechtsanwendung“ in der gerichtlichen Praxis hat auch die Sicht auf die Verwaltung und „ihr“ Recht verändert. Zwar sind „Ermessen“ und „Beurteilungsspielräume“ (Schmidt-Aßmann 2004, 217 ff.) allgemein bekannte Phänomene, doch geht die schöpferische Seite der Verwaltung in den Spielräumen, die das Recht selbst lässt, nicht auf. Die Entstehung der deutschen Institutionen und Formen des allgemeinen Verwaltungsrechts selbst, aber auch in anderen Ländern (USA) lässt sich historisch auch verstehen als begründet in einer eigenen Kompetenz zur Rechtsschöpfung der Verwaltung (im Rahmen des Gesetzes) (Mashaw 2007: 1636). Das allgemeine Verwaltungsrecht in Deutschland ist erst 1976, und auch nur teilweise kodifiziert worden. Es bestand vorher auch nicht nur aus „Richterrecht“, sondern es ist im Zusammenspiel von Verwaltung, Verwaltungsgerichten und Gesetzgeber in einem langen Prozess entwickelt worden, in dem die Verwaltung vor allem am Beginn des liberalen Verwaltungsrechts und an den Übergängen zur sozialstaatlichen, zur Regulierungs- und zur kooperativen Verwaltung eine eigene kreative Rolle gespielt hat (Ladeur 2011). Ähnliches gilt für die USA, wo zum Teil in der Literatur von einem „internal law“ gesprochen wird, das die Verwaltung selbst erzeugt hat und das auf das „externe“ Gesetzes- und Richterrecht abgestimmt werden musste (Mashaw 2007). Vor allem viele Formen und Instrumente des Verwaltungshandelns sind primär von der Verwaltung selbst entwickelt worden. Mit Jerry L. Mashaw könnte man die Evolution des Verwaltungsrechts beschreiben als bestimmt durch ein „zyklisches Oszillieren zwischen kategorialen und kontextuellen Normen“ (Mashaw 2006: 154). Die Entwicklung des Verwaltungsrechts unterliegt einem permanenten Prozess der Dauervariation, aus dem sich immer wieder paradigmatische Transformationen herausbilden, denen ein disruptiver Charakter zukommt, d. h. die mit den älteren Beschreibungsmodellen nicht mehr zu erfassen sind. Es ist aber zunächst festzuhalten, dass diese experimentelle Ordnung von der Verwaltungspraxis bestimmt wird, die die „change agents“ hervorbringt. Jedenfalls kann das hier skizzierte Modell der nicht hintergehbaren normgenerierenden Rolle der Verwaltung vor allem an den „Phasenübergängen“ zu der jeweils neuen Remodellierung besser gerecht werden als eine Beschreibung, die davon ausgeht, dass das allgemeine Verwaltungsrecht ein Produkt der „Rechtsfortbildung“ durch die Verwaltungsgerichte gewesen ist. Mir erscheint es sinnvoller, von einem

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II. Die Verschleifung von Rechtspraxis und Rechtswissenschaft

„internal law der Verwaltung“ zu sprechen, das aus der Praxis der Verwaltung als Emergenzphänomen hervorgeht und über das Prozessieren von „Beispielsfällen“ und Entscheidungen einen überschießenden normativen Effekt des erzeugt. Es benutzt dazu eher die lockere Kopplung der einzelnen Rechtsoperationen, die das Zivilrecht entwickelt hat und deren Effekt erst später, also ex post als allgemeines Verwaltungsrecht stabilisiert werden kann. Man könnte auch die These wagen, dass die „Herstellungsbedingungen“ des Rechts in diesen „Phasenübergängen“ deutlicher hervortreten und die Dominanz der „Darstellung“ unterlaufen, die zu „normalen Zeiten“ als „Stellvertreterin“ (I. Augsberg 2015: 136 f.; vgl. auch 2015a: 80 f.) das Vertretene, die Werkstatt der Rechtsoperationen, invisibilisieren. Damit ließe sich die Entstehung des allgemeinen Verwaltungsrechts der liberalen Gesellschaft des 19. Jahrhunderts ebenso erklären wie der Wandel des Verwaltungsrechts in der „Gesellschaft der Organisationen“ (Aufstieg des Planungsrechts, Übergang zur Abwägung komplexer „Belange“ statt Rechtsanwendung) und ebenso wie das entstehende Recht der „Netzwerkgesellschaft“ im Rekurs auf eine Art „Prozeduralisierung zweiter Ordnung“20 beschreiben, innerhalb deren das Recht einen „Kontrollverlust“ in Kauf nimmt, um durch Lockerung der Anschlusszwänge Raum für das Experimentieren mit neuen Figuren zu lassen, die später wieder konsolidiert werden. Auf diesem Hintergrund sollte verständlich werden, dass und warum die Verwaltung(spraxis) eher von internen Regeln gesteuert wird (Mashaw 2007; 2010: 1377) und gesteuert werden muss, als deduktiv durch die „Anwendung“ von Parlamentsgesetzen, die primär dann eine strukturierende Wirkung entfalten können, wenn die Verwaltung „ihre Arbeit“ schon getan hat, d. h. die Voraussetzungen für rechtliche Steuerung von außen geschaffen hat. Wenn man den heterarchischen azentrischen Charakter der Praktiken und ihrer Muster in Rechnung stellt, innerhalb dessen immer wieder neu gehandelt werden muss und deren implizit bleibender Charakter – mangels eines idealen Beobachtungspunktes – sowohl eine Beobachtung als auch und erst recht eine Veränderung erschwert, ist es nicht erstaunlich, dass und warum solche Muster auch destruktiv sein können und dennoch immer wieder reproduziert werden. Dies ist ein Grund dafür, die Kontrolle der Verwaltung von der immer noch dominierenden ex ante-Perspektive (Ermächtigungsgrundlage, Delegation) auf eine ex post-Perspektive umzustellen, die beobachtet, wie die Selbstorganisation der Regeln des Verwaltungshandelns funktioniert, welches neue Wissen dabei erzeugt wird und wie „nachgebessert“ werden kann.

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Diese ist von der unten beschriebenen „Prozeduralisierung“, die man auch als „Prozeduralisierung erster Ordnung“ beschreiben könnte, zu unterscheiden: Diese dient der „kontrollierten“ Öffnung des Verwaltungsrechts für die Beobachtung der sich wandelnden Wirklichkeit, nicht aber der Einführung eines neuen Paradigma des Rechts, um das es bei der „Prozeduralisierung zweiter Ordnung“ geht.

4. Verantwortung im „Gewährleistungsstaat“

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4. Verantwortung im „Gewährleistungsstaat“ Der Aufstieg der Privatisierung hat die Handlungsmöglichkeiten der Verwaltung nicht wesentlich vermindert, sondern vielmehr verändert: Es bilden sich eher neue Formen der Verknüpfung von Öffentlichem und Privatem heraus, von einem Bedeutungsverlust des Staates kann aber nicht die Rede sein. Dies gilt auch und gerade im Angesicht der Privatisierung bisheriger Verwaltungsagenden: In der Rechtswissenschaft ist die diese, ihrerseits ambivalente Tendenz ebenfalls zur Grundlage einer weitreichenden staatlichen Verantwortung für „Privatisierungsfolgen“ geworden, die z. B. in „Strukturschaffungspflichten“ (Burgi 1999: 378 ff.) ihre Konkretisierung gefunden hat. Staatliche Verantwortung im „Gewährleistungsstaat“ (Hoffmann-Riem 2005: 197; Franzius 2009: 81: der Gewährleistungsstaat ist der Staat der „Zivilgesellschaft“; Schuppert 2005) hat als (verfassungs-)rechtliche z. T. weit über den tatsächlichen Verlust staatlicher Kompetenzen hinaus gewirkt und Grundrechtsvorbehalte, wie gezeigt, (zugunsten Dritter) kompensatorisch bis weit in das traditionelle Privatrecht erstreckt (BVerfGE 81, 242- Handelsvertreter; 89, 214 – Bürgschaft; Teubner 2000: 388; Fischer-Lescano 2008: 166; Ladeur 2009: 543). D. h. die Verlagerung von Verwaltungsagenden in die private Organisation ist keineswegs bloß als Verlust staatlicher Kompetenzen zu verbuchen. Auch dies ließe sich in der Terminologie des Bremer Sonderforschungsbereichs „Wandel der Staatlichkeit“ als eine Erscheinungsform der „Ausfransung“ des Rechts des Staates beschreiben: Zwar wird der Kreis der staatlichen Aufgaben zur Selbstwahrnehmung eingeschränkt, zugleich wird aber mithilfe eines expansiven Verständnisses „mehrpoliger Grundrechtsverhältnisse“ der „ausgleichende“ Zugriff des Staates auf privatrechtliche Beziehungen so stark erweitert, dass im Bereich der wirtschaftlichen Grundrechte die (als solche nicht mehr bezeichneten) „Eingriffsbefugnisse“ erheblich erweitert werden. Dies ist eine Form der Veränderung des Geltungssymbols des Rechts: Veränderung, Anpassung, Konkretisierung des Rechts (statt „Normverstehen“; vgl. nur Christensen/Kudlich 2001) wird immer mehr zur Aufgabe der Gerichte, die ganz offen ausgewiesen wird, während umgekehrt die parlamentarische Gesetzgebung oder die administrative Gestaltung Züge eines Grundrechtsausgleichs annimmt und damit das klassische liberale Rechtsdenken in Grenzbegriffen (privat/öffentlich, staatlich/gesellschaftlich etc.) grundlegend verändert. Das Geltungssymbol bleibt zwar erhalten, doch verändert sich das Verhältnis zwischen den klassischen Staatsgewalten ganz erheblich: vor allem methodisch und systematisch wird Rechtsänderung und Rechtskonkretisierung immer mehr zur Aufgabe der Justiz und der Verwaltung, während in umgekehrter Richtung Gesetzgebung die Form eines vorstrukturierenden Ausgleich zwischen Rechten annimmt (Jaume 2000). Möglicherweise ließe sich hier von einer internen „Zerfaserung“ des Staates sprechen, die einem externen Pendant entspricht: Der Staat zieht sich entgegen dem durch den Trend zur Privatisierung gesetzten Anschein nicht

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II. Die Verschleifung von Rechtspraxis und Rechtswissenschaft

linear zurück, sondern das Denken in Grenzbegriffen wird durch eine heterogene Entwicklung verdrängt, die Rückzug in der Wahrnehmung von Aufgaben durch Expansion von Gewährleistungspflichten im Allgemeinen und den Ausgleich in „mehrpoligen Grundrechtsverhältnissen“ (Hoffmann-Riem 2006: 492) im Besonderen nebeneinander stellt. Die Referenz auf Schutzpflichten mag zunächst plausibel erscheinen, sie erweist sich jedoch dann als ambivalent, wenn der Staat dafür einen Gestaltungsspielraum kraft höheren Wissens (oder gar paradoxerweise „kraft Nichtwissens“, vgl. unten Holzer/May 2005) in Anspruch nimmt. So könnte man die Ausweitung der „Einschätzungsprärogative“ begreifen: In einer komplexer und damit intransparenter werdenden Umgebung kann der Staat mehr Handlungsfreiheit in Anspruch nehmen als in der tradierten rechtsstaatlichen Ordnung. Damit werden auch die in die Grundrechte (Berufsfreiheit, Wissenschaftsfreiheit) eingetragenen Wissens- und Vermutungsregeln verdrängt (vgl. Ladeur 2015b) – paradoxerweise nehmen die Eingriffsmöglichkeiten gerade zu, wenn unter Ungewissheitsbedingungen gehandelt wird und der Staat eine „Einschätzungsprärogative“ in Anspruch nehmen kann. Gerade dies ist wenig plausibel, da die Grundrechte auch eine objektivrechtliche Dimension darin haben, dass sie eine Vermutung zugunsten der Beherrschbarkeit negativer Konsequenzen der Freiheitsausübung mit sich führen: Die Gesellschaft wird auch darauf durch Selbstorganisation eine Antwort finden. Die Vermutung kann widerlegt werden, aber sie muss auch widerlegt werden! Eine weitere neue Variante der Grundrechtsverhältnisse, die schlecht mit dem bisherigen von den klassischen Grenzbegriffen bestimmten Rechtsmodell (Kritik daran bei Schuppert 2008: 325; dazu Genschel/Leibfried 2008: 359) in Übereinstimmung zu bringen sind, ist das öffentlich-rechtliche Versicherungsverhältnis, das sich jenseits der (mit dem klassischen grundrechtlichen Abwehrmodell beschreibbaren) Inklusion in den Status des gesetzlich Versicherten bei der Ausgestaltung der Leistungen und ihren Beschränkungen entfaltet (BVerfG, NJW 2006, 891 – Finanzierung nicht-konventioneller Therapie): Da das Verhältnis grundsätzlich nicht vom Modell einer dualen Leistungsbeziehung bestimmt sein kann, bestehen erhebliche Schwierigkeiten bei der grundrechtlichen Einordnung der Ausgestaltung, die das BVerfG aber grundsätzlich für erforderlich hält (vgl. zur verfassungsrechtlichen Gewährleistung Hase 2000: 217). Das Grundproblem des Sozialstaats besteht nicht in seiner quantitativen Expansion, sondern vor allem darin, dass er eine neue Intransparenz der sozialen Ordnung erzeugt, die eher traditionalen informalen Ordnungen [s. o.] entspricht und mit dem Denken in Unterscheidungen des Rechts nur schwer kompatibel zu halten ist (F.X. Kaufmann 2015). Die Rationalität des Rechts droht durch das Zusammentreffen von offiziellem liberalem Recht und einem informalen, nach intransparenten Gesichtspunkten organisierten Recht auf Hilfe unterlaufen zu werden. Es wird gleichzeitig das formale Modell der Selbstbeschreibung des verantwortlichen Individuums reproduziert, auf das Rechte, Erwartungen und Pflichten zurechenbar sein müssen, und zugleich ein informales „schwaches Subjekt“ als eine konkurrierende Möglichkeit zugelassen, das den Anspruch erhebt, von Verantwortung entlastet zu werden und an den Staat den pa-

5. Dynamisierung der Technik und Wandel der Infrastruktur des Rechts

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radoxen widersprüchlichen Anspruch stellt, beides zugleich zuzulassen (vgl. FAZ v. 15. 9. 2015, S. 16). Das Problem der „sozialen Rechte“ (Fischer-Lescano/Möller 2012) besteht darin, dass ihnen die produktive, transsubjektive Dimension der „negativen“ Freiheitsrechte fehlt: Diese sind verknüpft mit einer „impersonalen“ institutionellen Komponente (Ridder 1975: 85 ff.), der Resonanz mit der gesellschaftlichen Wissensordnung: Sie öffnen sich für den Austausch mit anderen Subjekten und dem Anderen des azentrisch strukturierten und sich erneuernden Wissen. Daran geht auch A. Honneths „Recht der Freiheit“ (2011: 10 f.) vorbei, wenn dort die Auffassung vertreten wird, die Konturierung „sozialer Gerechtigkeit“ ließen sich direkt im Wege eines „sozialen Einklagens“ solcher „institutionalisierter Freiheitsansprüche“ zur Geltung bringen, die in der liberal-demokratischen Gesellschaft zwar „versprochen“, aber „noch nicht abgegolten“ seien. Die Wirkungen der Freiheit sind immer indirekt, da sie eine experimentelle Ordnung institutionalisieren, nicht aber „Freiheitsansprüche“ oder gar „freie“ Zustände. Das spricht nicht grundsätzlich gegen „soziale Rechte“, aber deren unsichtbare impersonale Dimension muss jedenfalls mit beobachtet werden: Welches ist die überschießende Wirkung des Gebrauchs „sozialer Rechte“ auf die Dynamik des Wissens? Besteht nicht umgekehrt die Gefahr einer Lähmung der explorativen experimentellen Dimension der negativen Freiheitsrechte? Wie entwickelt sich das Zusammentreffen des handlungsbezogenen Subjekts mit dem Leistungen empfangenden Subjekt? Dies bedürfte einer systematischen Beobachtung ex post: Auch dies wäre eine der Erscheinungsformen der notwendig werdenden Umstellung der rechtlichen Kontrollprojekte auf eine ex post-Perspektive. Man muss sich auch hier darauf einstellen, dass das Verhältnis von formalen und informalen Regeln zum erheblichen Teil aufgrund der Komplexität des Nebeneinander „opak“ bleibt, aber das kann kein Grund sein, dies einfach hinzunehmen und nicht nach neuen Formen des Monitoring durch Auswertung von „Big Data“ zu suchen, die die Kontroversen jedenfalls teilweise auf eine rationale Grundlage stellen können. Jedenfalls ist es nicht so fernliegend nach den „Risiken des Sozialstaats“ zu fragen (Vesting 2016).

5. Die Dynamisierung der Technik und der Wandel der kognitiven Infrastruktur des Rechts a) Der Aufstieg der technischen Standards Auch das Technik- und Umweltrecht, das nur in einem formalen Sinne und nur auf einer der mehreren Entscheidungsebenen dem klassischen Eingriffsverwaltungsrecht zuzuordnen ist (vgl. zu dessen Entwicklung nur Wahl 2006: 12 ff.; Stoll 2003), hält für komplexe Technologien eine ganze Infrastruktur aus Standards (unterschiedlicher Rechtswirkung) bereit, die einen technologischen Entwicklungspfad abstützen und zugleich die mittelbaren Auswirkungen auf Dritte (Nachbarn) in die Entscheidung mit einbeziehen, während diese Ebene früher grundsätzlich dem

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II. Die Verschleifung von Rechtspraxis und Rechtswissenschaft

Privatrecht (Nachbarrecht) und seinem Rekurs auf die Ortsüblichkeit überlassen war (Stoll 2003: 326; Th. M. J. Möllers 1996: 21, 51, 73; Quaas 2003: 37). Diese konnte aber schon durch einen einzigen Großbetrieb verändert werden. Der „Stand der Technik“ (Wolf 1986; Jaeckel 2010: 163), der sich in privaten wie öffentlichen Standards artikuliert, differenziert sich als avanciertere Form des praktischen Wissens der (größeren) Unternehmen gegenüber den „allgemein anerkannten Regeln der Technik“ (aller Unternehmen) aus. Diese Entwicklung wird gesteigert durch die auch rechtlich vorgeschriebene Berücksichtigung „wissenschaftlicher Erkenntnisse“ z. B. bei der Entwicklung von Produkten oder Anlagen. Das praktische Wissen wird stärker reflexiv, es wird strategisch weiterentwickelt, und zwar nicht mehr in einer allgemeinen distribuierten Form sondern von bestimmten Unternehmen. Durch Organisation werden verschiedene „praktische Gemeinschaften“ miteinander verknüpft (Wenger 1999: 8); so wird durch Organisation Lernen strategisch ermöglicht und andererseits die Gelegenheit für die Entwicklung neuer kognitiver „Intermediäre“ geschaffen, die als „Wissensmakler“ agieren und damit die frühere Form der spontanen Selbstkoordination ergänzen (Wenger 1999: 115). Das Recht muss auf die Kollision unterschiedlicher Rechtsregime eingestellt werden, für die erst von Fall zu Fall Metaregeln der Kompatibilisierung entwickelt werden können, die keine substanzielle Einheit des Rechts mehr entstehen lassen – dies gilt z. B. für Fälle der Drittwirkung der Grundrechte wie etwa zwischen Wirtschaftsrecht und Kommunikationsfreiheit (Ladeur 2002: 76). Innerhalb des Rechts selbst entstehen neue hybride Formen, die jenseits des Austauschvertrages und diesseits des Gesellschaftsrechts als Organisationsrecht z. B. „Vertragsnetzwerke“ als Zwischenfiguren zulassen (Teubner 2004). Auch das Verhältnis von Rechtsnorm und gerichtlichem Urteil wandelt sich – wie gezeigt: Rechtsbildungen werden vielfach unter Bedingungen gesteigerter Komplexität zunächst durch die Rechtsprechung entwickelt, variiert und stabilisiert, bevor sie in Gesetzesform reformuliert werden, ohne dadurch ihre systematische Verschleifung mit einem evoluierenden Praxisfeld einzubüßen. Dies spiegelt sich darin wider, dass die Anwendung der Rechtsnorm diese nicht nur unmerklich variiert, sondern dass die Urteile stärker horizontal aufeinander bezogen werden: d. h. Urteile sind von vornherein ex ante auf die Fortschreibung durch nachfolgende Urteile und ex post auf die Beobachtung der dadurch gesetzten Anschlusszwänge und -möglichkeiten angelegt (Hardin 2005: 101; Vesting 2007: 93 f.). Gesetz und Urteile stehen eher in einer heterarchischen Beziehung zu einander; sie werden über ein distribuiertes Netzwerk von Entscheidungen prozessiert, das einer relational-prozeduralen Rationalität folgt. Das deduktive Verhältnis der Ableitung wird durch ein heterarchisches Verhältnis der Verweisungen zwischen Entscheidungen und anderen Rechtsoperationen in einem „Netzwerk“ abgelöst (Scott/Sturm 2007). Dies gilt insbesondere für die Standards, die Wissen z. B. als „Stand der Technik“ oder als „Stand von Wissenschaft und Technik“ o. ä. definieren, während die Erfahrungen überwiegend spontan aggregiert worden und im Einzelfall durch Gutachter zugänglich gemacht worden sind.

5. Dynamisierung der Technik und Wandel der Infrastruktur des Rechts

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Daraus entsteht für den Staat ein Problem der Zugänglichkeit von und der Beteiligung an der Produktion von Wissen, das auch für staatliche Entscheidungen benötigt wird. Dies ist im Technikrecht die Grundlage für die Entstehung der staatlichen „Steuerung“ – andererseits aber auch der Prozeduralisierung der Erzeugung von Wissen – als orientierungsbildendes Ordnungsmodell für administratives Entscheiden. Ob dies angemessen ist, erscheint angesichts der Vorüberlegungen zweifelhaft. Darauf ist noch zurückzukommen. Damit geht keineswegs nur eine Steigerung der Rationalität des Handelns unter Ungewissheitsbedingungen einher. Auch auf der Seite des Staates und seiner Organisationen muss mehr und mehr die Fähigkeit zur Reflexivität des Handelns beachtet werden, ein Problem, das auf Kollusion oder Korruption durch externen Einfluss nicht reduziert werden kann. Nicht nur erzeugt mehr Wissen auch mehr Unwissen, weil wieder neue Grenzen des Wissens sichtbar werden. Mit der aktiven Produktion, Reflexion und Erprobung neuen Wissens geht im Übrigen auch die Neigung einher, die Kehrseite des Wissens, das Nichtwissen, strategisch einzusetzen, um Lernen zu vermeiden, weil z. B. eine Behörde in der Öffentlichkeit nicht als „inkonsistent“ erscheinen möchte (McGoey 2012 :12; Ansell/Gash 2008: 543). Die Fähigkeit zum Vermeiden des Lernens wird mit jeder Erweiterung des Wissens ihrerseits erhöht. Dies hängt auch damit zusammen, dass die Zunahme von „Spezialwissen“ (jenseits der Erfahrung) für Dritte höhere Intransparenz erzeugt, während die früher dominierende Wissensart, die Erfahrung, in der Öffentlichkeit (einschließlich der staatlichen „Entscheidungsöffentlichkeit“) ebenso wie in der Sphäre des Privaten gleichermaßen verbreitet war. Auch die neuen hybriden Konstellationen innerhalb des Rechts, die die scharfe Unterscheidung von Recht und Nichtrecht erschüttern, indem sie sie in Prozeduralisierungen überführen, müssten für eine politikwissenschaftliche Beobachtung des Rechts von großer Bedeutung sein. Sie werden vor allem von der Diskursanalyse vernachlässigt, die den klassischen Universalitätsanspruch des Gesetzes in die Universalität von Begründungsprozeduren überführen will. Aber erweist sich hier nicht die folgende Beobachtung Georg Simmels (1968: 202) als treffend, die jenseits des allgemeinen Gesetzes die Entstehung von Verbindlichkeit „auf die gleitenden, fluktuierenden, schwebenden Lebensinhalte oder – Situationen, für die es gar keinen Begriff gibt“, zurückführt? Dieser situative Bezug ist für das postmoderne Recht charakteristisch geworden. Das Situative kann mit Waldenfels (1985: 129 ff.) als ein Wirkungs- und Anforderungszusammenhang bezeichnet werden, der nie ganz von einem privaten oder öffentlichen Subjekt beherrscht werden kann.

b) Das Recht und seine kognitive Infrastruktur – zur Verknüpfung von Normativität und Normalität Die Funktion der Gewährleistung der „orderliness“ (Rosen 2006: 22), der „Wiederholbarkeit“ des Rechts (Bohannan 1965: 33) und damit der Eröffnung von Anschlüssen an die Zukunft wird nur partiell durch das Recht i. e.S. gewährleistet. Es

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bedarf vielmehr einer ausdifferenzierten Infrastruktur des Rechts in der Gestalt der „anonymen Souveränität der Konventionen“, ohne die Rechtsbeziehungen nicht stabilisiert werden können (Descombes 2004: 429 ff.). Darin zeigt sich, dass das Recht auch der westlichen Welt letztlich eine Lebensform begründet, die nicht mehr die einer Gemeinschaft sondern die der Gesellschaft ist. (Auf diese Ebene der mehr und mehr in nicht-staatlichen Normen explizierten Koordination zwischen den Akteuren diesseits des Rechts i. e.S. soll weiter unten in der Beschreibung der Standardsetzung noch näher eingegangen werden.) Dadurch ist auch das Wissen der Gesellschaft bestimmt: Es ist unausweichlich an eine Lebensform gebunden, die ein „unerklärliches“ und unaufhebbares Auseinanderfallen von Denken und Wirklichkeit als normal/„gewöhnlich“ prozessiert (Zumhagen-Yekplé 2015: 1117; Laugier 2015: 1047). Neben der Funktion der Schaffung einer Infrastruktur aus „faktischen Normen“, die über rechtliche Rezeptionsformeln in das Recht einbezogen werden und ohne die Rechtsbeziehungen und die Stabilisierung von Verhaltenserwartungen nicht möglich wären, ist auch die Bedeutung des Rechts im Prozess der Generierung von Regeln für die Kanonisierung von Wissen, seine Anerkennung im Einzelfall, die Bereithaltung von Vermutungs- und Beweisregeln von erheblicher Bedeutung (Scheffer/HannkenIlljes/Kozin 2009: 183; Gaskins 1995). Auch in die Grundrechte sind solche Vermutungsregeln eingetragen (Ladeur 2015b), z. B. in die Wissenschaftsfreiheit. Dies wird relevant, wenn es um die Bestimmung der Risiken der postmodernen Technologien geht. Gerade im Angesicht von Ungewissheit bedarf es, wie oben gezeigt, vielfach solcher Regeln, die die Chancen der Erzeugung „glaubhaften“ Wissens verteilen. Regeln z. B. über die Beweislast bei der Auseinandersetzung um neue Risiken haben unter Bedingungen von Ungewissheit vielfach das gleiche Gewicht wie eine materiellrechtliche Regel über die Haftung für technische Unfälle. Beweisregeln können vielfach sogar an die Stelle von Regeln in der Sache treten, insbesondere dann, wenn es nur sehr schwer möglich ist, der Beweislast gerecht zu werden (Brüggemeier 2006: 612 ff., 618 ff.). Die Verknüpfung von Wissen und Norm wäre ebenfalls ein Gegenstand polykontexturaler Selbst- und Fremdbeobachtung durch die Politik- und die Rechtswissenschaft: die kognitive Dimension der Erwartungsbildung kann von der rechtlichen nicht getrennt werden. Erwartungsbildung setzt ein gemeinsames Wissen voraus, also ein Wissen, das von anderen geteilt wird. Diese Erwartung (der Teilung mit anderen) wird selbst ein reflexiver Teil des gemeinsamen Wissens, an das normativ angeknüpft werden kann (vgl. allg. Schimank 2005: 431; Suk-Young Chwe 2001: 4, 13 ff.). Rechtliche Entscheidungen erhalten dann auch ein ritualisiertes Moment der Erzeugung von „knowledge from an asserted authority“ an (Hardin 2009: 160) – dies zeigt, dass die normative und die kognitive Dimension im Prozess der Rechtsbildung und des rechtlichen Entscheidens nicht getrennt werden können. Dies ist zugleich ein Indiz dafür, dass die Umstellung der Gesellschaft auf Zukunftsorientierung statt Traditionsbindung nicht ohne Ambivalenzen bleibt und keine lineare kontinuierliche Zeitlichkeit hervorbringt (Honig 2009: 48).

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Aber auch von den Vermutungs- und Beweisregeln abgesehen, bedarf es eines Bestandes von Regeln und Verfahren, die im Streitfall dazu beitragen, Entscheidungswissen zu erzeugen, auf die das Gericht (Schiedsgericht) seine Entscheidung stützen kann und muss. In dieser Hinsicht ist ebenfalls Anschlussfähigkeit für künftige Fälle erforderlich, dies ist ein Aspekt der Gewährleistung von Erwartungssicherheit. Die kognitive Offenheit des Rechts (Luhmann 1993: 77) wird ihrerseits im Wege des re-entry durch normative Such- und Selektionsregeln, die aus dem Rechtssystem stammen, überdeterminiert. Das bedeutet, dass das Recht selbst Fakten erzeugt (Rosen 2006: 129), aber eben nicht isoliert von normativen Anschlussmöglichkeiten und Verfahren. Hier liegt die Bedeutung der Standards, die in verschiedenen Versionen von rein privaten DIN-Normen, an deren Setzung der Staat durch einen Vertrag mit dem DIN allerdings heute auch mittelbar beteiligt ist, bis zu Standards, die explizit als staatliche Rechtsnormen gesetzt werden (vgl. am Beispiel der Regulierung der Kapitalmärkte zu einer Typologie S. Augsberg 2003: 124 ff.). Das Lehrbuchbeispiel für eine Standardsetzung durch Gesetz ist das – eine Ausnahme gebliebene – Benzinbleigesetz, das in § 2 den Bleigehalt von Benzin festlegt. Dazwischen liegt die ganze Variationsbreite von technischen Normen (i.w.S.), die in Rechtsverordnungen (z. B. verschiedene Rechtsverordnungen zum BImSchG – Elektrosmog etc.) unter Beteiligung von privatem und öffentlichem Sachverstand festgelegt werden, oder Verwaltungsvorschriften (ohne unmittelbare Wirkung nach außen). Für die letzteren bedarf es der typischen Brückenbegriffe (Schutz der Umwelt, Vorsorge21 etc.), die es erlauben, z. B. Grenzwerten in Verwaltungsvorschriften als Varianten der „Konkretisierung“ von Rechtsnormen auf der Tatbestandsseite rechtliche Relevanz zuzuerkennen. D. h. der Gesetzgeber setzt ein materielles Schutzgebot (Schutz der Gesundheit: § 5 BimSchG) und ermöglicht (z. B. in § 48 S. 1 BImSchG) die Festlegung von Grenzwerten, die als eine Art „antizipiertes Sachverständigengutachten“ (BVerwGE 55, 250, 256; Breuer 1978: 28, 34; Stoll 2003: 95 ff.) den Richter von der faktischen Seite (nicht unmittelbar durch Rechtsgebot: Einhaltung eines bestimmten Grenzwerts) binden. Auch private Standards können eine, wenngleich abgeschwächte Bindung (möglicherweise nur negative als untere Grenze des Schutzes Dritter) auf dem gleichen Wege der Rezeption in das Recht von der Tatbestandsseite her (nicht als unmittelbare Rechtsfolgenanordnung) entfalten, wenn bestimmte prozedurale Vorkehrungen getroffen werden (Öffnung des Verfahrens für die Berücksichtigung der Interessen Dritter, allg. Stoll 2003: 87). Die Austauschbarkeit dieser Formen (unmittelbare Rechtsbindung vs. mittelbare tatsächliche Bindung; Guéhenno 1999: 82) zeigt, warum die transnational gesetzten Standards so wichtig geworden sind und warum die Frage, ob es sich dabei um Rechtsnormen handelt, (fast) obsolet ist. Nur die rechtliche Konstruktion der Rechtsbindung ist unterschiedlich, in der Sache besteht kein Unterschied. Der 21 Vgl. zur Entwicklung der „Vorsorge“ als Rechtsbegriff Wahl (2006: 73 f.; Scherzberg 2004: 214, 221 ff.).

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II. Die Verschleifung von Rechtspraxis und Rechtswissenschaft

Aufstieg der Standards hat letztlich nur ein Phänomen sichtbar gemacht, das immer schon existiert hat, nämlich die Abhängigkeit der Funktion der Stabilisierung von Verhaltenserwartungen durch das Recht von der Möglichkeit der Bildung faktischer Normalitätserwartungen (Baecker 2006: 41)22 und der Zurechnung von Risiken auf individuelles Entscheiden (Luhmann 2003: 13, 128 f.). Dies ist nicht zuletzt davon abhängig, dass z. B. der vertraglich (in seinem Verhalten) gebundene Partner seinerseits die Erwartung haben kann, dass er verlässliche Partner findet, die ihm die Vertragserfüllung ermöglichen. Damit ist wieder auf ein Netzwerk von Personen und – von der Seite der Dinge her – die Möglichkeit der Bildung von Kausalitätserwartungen verwiesen, d. h. die Erwartung, dass die Umwelt sich nicht grundsätzlich und unerwartet verändert und eine Kontinuität der tatsächlichen Verknüpfungen unterstellt werden kann. Dabei geht es nicht nur um eindimensionale Kausalverläufe, sondern auch um die weitere Frage, ob und wieweit die Gesellschaft selbst (ohne staatliche Unterbrechung von Kausalverläufen) genügend „Resilienz“ bereithalten kann, die überraschende Entwicklungen auffangen kann: z. B. ist in fast alle Grundrechte auch die Unterstellung eingetragen, dass die mit ihrer Ausübung (z. B. in der Wirtschaft, aber auch in der Medienöffentlichkeit) verbundene Zumutung des Wandels der gemeinsamen Rahmenbedingungen primär durch gesellschaftliche Selbstorganisation bewältigt werden kann, dass also „Varietät durch Varietät“ kompensiert werden kann. Das gilt auch für die Meinungsfreiheit: selbstverständlich gibt es „gefährliche“ Meinungen, die Eröffnung der Meinungsfreiheit geht jedoch davon aus, dass der in einer offenen Gesellschaft bestehende Zwang, sich ständig – ob man will oder nicht – dem Einfluss ganz unterschiedlicher moralischer, politischer, konventioneller Wissens- und Regelbestände auszusetzen, zu Hemmungen führt, problematische Meinungen sogleich in gefährliche Handlungen zu transformieren. Dieses System von Unterstellungen ist äußerst voraussetzungsvoll. Es verweist auch auf Individuen (Personen), die die Rechtsbindung jenseits der Tradition akzeptieren und sich ihr gegenüber nicht taktisch oder strategisch verhalten. Dies impliziert auch die Ausbildung eines (Rechts-)Gewissens, das Verantwortung ohne Interessenkalkül akzeptiert (vgl. Moran 2001: 142 f.). Demgegenüber kann es im Internet in verschiedenen Foren zu „Spiegeleffekten“ kommen, die Selbstverstärkung „desselben“, weil die Verfremdung des Eigenen durch das Andere ausgeschaltet wird (Saint Victor 2015: 80). In einer sich fragmentierenden Gesellschaft, die damit rechnen muss, dass Individuen sich in immer „spezielleren“ Foren aus der allgemeinen Öffentlichkeit auskoppeln (z. B. islamistische Foren) mag die genannte „epistemologische“ Unterstellung, die in die Grundrechte eingetragen ist, ihrerseits problematisch geworden sein.

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Die Verknüpfung von Recht und der Faktizität der Durchsetzung von „Normalität“ liegt auch Foucaults Konzeption der „Disziplin“ zugrunde, die allerdings ganz auf die Unmittelbarkeit der Unterwerfung der Subjekte im Gegensatz zur eher mittelbaren Anrufung der Individuen als Rechtssubjekte, deren forum internum dem Zugriff des Rechts entzogen bleibt; vgl. dazu S. Legrand (2007: 2, 154).

6. Rechtsbindung ist nicht gleich Rechtszwang!

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Mit S. Cavell lässt sich die Paradoxie formulieren, dass die hier als das Paradigma der „Gesellschaft der Individuen“ apostrophierte „Erfahrung“ – dies gilt nicht minder für die folgenden Paradigmen – die „Konstitution einer Wirklichkeit“ ist (Cavell 1990: 96), die eine „unclosable distance“ zu unserem Begehren einer Welt für uns begründet. Die „Konventionalität“ des menschlichen Wissens (Laugier 2006: 66) jenseits der reflektierten „Vereinbarung“ (vgl. Descombes 2004: 442) ist eine nicht hintergehbare Realität: Die Regel ist selbst auch ein kollektives „kognitives Dispositiv“ (Reynaud/Richebé 2007: 10). L. Quéré (1994: 18) hat in Bezug auf das Operieren mit gesellschaftlichen Regeln (in distribuierten Praktiken – nicht nur des Rechts) von einer „réflexion sans concept“ gesprochen – also ohne theoretischen Begriff; ähnlich ist auch Blumenbergs (2007) Konzeption der „Unbegrifflichkeit“zu verstehen. Die Kenntnis der Regel ist eher ein Effekt denn eine Ursache guter Praxis (Cometti 2013) – es besteht kein Ableitungsverhältnis zwischen Regel und Praxis.

6. Rechtsbindung ist nicht gleich Rechtszwang! Historisch ist der Aufstieg des Positivismus zu erklären mit der Notwendigkeit des Bruchs mit dem tradierten Recht und seiner informalen Infrastruktur: Durch den Bruch wird auch und gerade die Verknüpfung des Rechts mit sozialen Normen verändert, nicht aber aufgehoben. Der Positivismus bahnt den Weg zu neuen rationaleren Handlungsmustern, Konventionen und Modellen, nicht aber kann das Recht in dem Sinne autonom werden, dass es auf diese kognitive Infrastruktur verzichten könnte. Das Moment der „positiven“ Setzung des Rechts durch einen Willen – eben den des Staates – sollte nicht überbewertet werden. Auf diesem Hintergrund erweist sich auch die positivistische Vorstellung vom Recht und von der Entstehung von Verbindlichkeit aus einer Willensordnung, die durch Sanktionen abgestützt werden muss, als problematisch (Vesting 2007: Rnr. 132 ff.; Lefebvre 2008: 10). Gerade diese einfache Beschreibung von Verbindlichkeit als Fähigkeit zur Mobilisierung scheint in der politikwissenschaftlichen Beobachtung eine große Rolle zu spielen. Sie wird in der politikwissenschaftlichen Beobachtung des internationalen oder des supranationalen europäischen Rechts vor allem in den Untersuchungen über „compliance“ internationaler Akteure unter Bedingungen begrenzter Sanktionierbarkeit des Rechts aufgenommen (Zürn/Neyer 2005). Vor allem amerikanische Theoretiker der „international relations“ haben versucht, das Vokabular des Rechts im Rekurs auf politikwissenschaftliche Konzepte (neben „compliance“ auch Legitimität23 und Governance) zu erneuern (Raustiala/ Slaughter 2002; 2007: 1). Hier bietet sich eine Zusammenarbeit von Rechts- und Politikwissenschaft an, die genauer das Recht nicht als äußeren Zwang zur Ent23 Vgl. zu dem Verhältnis von Legalität und Legitimität nur Wiesner u. a. (2006); ob die Wiederanknüpfung an diesen Gegensatz in der postmodernen Gesellschaft zu einem fruchtbaren Gegenstand interdisziplinärer Kooperation werden kann, erscheint zweifelhaft.

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II. Die Verschleifung von Rechtspraxis und Rechtswissenschaft

scheidung für bestimmte Handlungsoptionen beobachtet sondern als konstitutiv für ein regelhaftes Verhalten, das in eine Praxis eingeschrieben wird und von Fall zu Fall Anschlussmöglichkeiten und -zwänge prozessiert (Lefebvre 2008: 10 f.). Das Recht nimmt, wie oben erwähnt, Einschnitte in das Gewebe der gesellschaftlichen Konventionen vor, es verknüpft sie neu, nicht aber will es diese ersetzen. Auch im Bereich des internationalen und des Europarechts vollzieht sich ein Wandel; das Recht wird unvollständig, andererseits lockert sich die interne Konsistenz und die Verknüpfung mit der kognitiven Infrastruktur: Diese entwickelt sich in den Mitgliedstaaten der EU unterschiedlich, während zugleich das außerstaatliche Recht mit der fragmentierten sozialen Infrastruktur schwächer gekoppelt ist. Vor allem das Europarecht wird tatsächlich in den einzelnen Mitgliedstaaten sehr unterschiedlich angewendet, weil die Regelorientierung unterschiedlich ausgeprägt ist. Eines von vielen Beispielen dafür bietet das italienische Stahlwerk „ILVA“ in Taranto, bei dessen Betrieb jahrzehntelang europäisches Umweltrecht auf eine eklatante, lebensgefährliche Weise verletzt worden ist.24 Ähnliches gilt für die Anwendung des europäischen Abfallrechts insbesondere in der Region Neapel (Roberto Saviano, „Wir ersticken im Müll“ Zeit-Online Nr. 10/2014, 9. 3. 2014)25. Insbesondere das Umweltrecht, aber nicht nur dieses, wird entsprechend der nationalen „Rechtskultur“ angewendet. Die positivistische Konstruktion der Rechtsbindung als Verhaltens- und Willensbindung ist verbunden mit der Entkopplung des Geltungssymbols von der Einbettung in lokale und regionale Traditionen und der Selbstmobilisierung des Rechts in der Moderne. Hier lässt sich eine Brücke zu sozialwissenschaftlichen (hier: soziologischen) Konzeptionen der Entscheidung und der „Entscheidungszumutung“ als Alternative zur Bindung durch Tradition (Schimank 2005: 115) bauen. Der Rechtszwang kann selbstverständlich nicht geleugnet werden, aber dies ist eher der Notwendigkeit geschuldet, gegen Regelverletzer vorzugehen, die parasitär die Wechselseitigkeit der Rechtsbindung in Frage stellen. Im wesentlich muss das Recht sich aber „von selbst“ reproduzieren, nicht durch Drohung mit Sanktionen. Dies ist eine wichtige Annahme, die für die Beobachtung neuer Formen der lex mercatoria erkenntnisleitend sein kann: Die Annahme, dass selbstgeneriertes privates Recht auch in der Lage ist, Interessen Dritter aufzunehmen und zu berücksichtigen (Renner 2010) – und auch mit dem staatlichen Recht zu kooperieren (Maurer 2012), ist nicht so fernliegend, dass dieses Phänomen primär auf die antizipierende Vermeidung staatlicher Sanktionen zurückgeführt werden müsste. Auch die Änderbarkeit des Rechts und die Trennung von Rechtszwang und Befolgungsmotiv (Gephart 2006: 294 f.) hat nichts mit der Souveränität des (staatlich gesetzten) Rechts gegenüber dem Willen des Einzelnen zu tun. Sie ist vielmehr Ausdruck der 24

Vgl. nur einen der vielen Berichte aus neuerer Zeit: http://www.stuttgarter-zeitung.de/in halt.das-italienische-stahlwerk-ilva-zwischen-pest-und-cholera.a85f7cb5-de39 - 4b61 - 96a2 38bff837e3f9.html. 25 http://www.zeit.de/2014/10/kampanien-muell-mafia.

6. Rechtsbindung ist nicht gleich Rechtszwang!

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Dynamik der Selbsttransformation der Gesellschaft, die keine durch Tradition bestimmten Rechte und Rechtsnormen anerkennen kann und damit einer Steigerung der Autonomie des Rechts gegenüber stabilen Traditionen bedarf, nicht aber sich von den – ihrerseits dynamisch werdenden – sozialen Normen abkoppeln kann. Eine charakteristische Schwäche des transnationalen Rechts (vgl. Viellechner 2013) – wenn es als solches und nicht nur als Bestand sozialer Normen anzusehen ist – in der mangelnden Fähigkeit, die eigene Einheit durch Entwicklung von internen Interpretations- und Anwendungsregeln zu stabilisieren (Peters/de Kuyper/de Candolle 1995: 152 ff.). Deshalb ist auch zu fragen, ob solche Normen nicht eher für die Stabilisierung begrenzter Beziehungsnetzwerke (ICANN, Medien, Sportverbände und lex sportiva, Transaktionen zwischen großen Unternehmen) geeignet sind. Spricht nicht gerade die von G. Teubner (2002; 2012) apostrophierte Selbsterzeugung des transnationalen Rechts über (insbesondere) vertragliche Transaktionen dafür? Die unterschiedlichen Erscheinungsformen der Lockerung der Kopplung zwischen Recht und sozialen Normen sowie der kognitiven, Lernen ermöglichenden Infrastruktur wäre ebenfalls ein Thema für politik- und rechtswissenschaftliche Beobachtung des Rechts. Recht ist jedenfalls nicht primär durch staatliche Sanktionen und die zentralisierte „Setzung“ zu charakterisieren (Rosen 2006: 22). Angesichts der zunehmenden Durchlässigkeit der Grenze zwischen Gesetzgebung und Justiz stellt sich vor allem in den USA die Frage nach der Bestimmung des Verhältnisses zwischen den beiden Gewalten in einer neuen institutionellen/prozeduralen Form: d. h. die Frage wird von der Orientierung an Entscheidungsarten („output“) umgestellt auf die zur Verfügung stehenden Ressourcen (insbesondere Zugang zu Wissen, Antragsabhängigkeit, „Entscheidungstechniken“, Verfahren etc.) (Vermeule 2006: 63, 152; 2008 – zum Parlament als Wissensgenerator; Scalia 1998). Dieser „institutional turn“ (für Deutschland: Lorz 2001: 433) führt zur Akzentuierung vor allem der administrativen Zugänglichkeit von komplexerem Wissen, das über den einzelnen Fall hinausweist. Dementsprechend folgt daraus eine Begrenzung des „judicial activism“ (Schuppert 1988: 1191). Diese Annahme ist insofern ambivalent, als in die Grundrechte selbst eine „soziale Epistemologie“ eingeschrieben ist, die, wie erwähnt, auf die Selbstorganisationsfähigkeit der bürgerlichen Gesellschaft, also ein transsubjektives Moment der Normbildung zwischen Staat und Individuum setzt (Ladeur 2000b). Subjektive Rechte basieren immer auf gesellschaftlichen Verhaltensmustern (Golder 2015: 105), sind von deren Reproduktion abhängig und wirken auf diese Muster des gesellschaftlichen praktischen Wissens ein. Das Wissen des Staates kann demgegenüber nicht den Vorrang gegenüber der distribuierten, durch die Grundrechte selbst abgesicherten Wissensordnung der Gesellschaft beanspruchen (vgl. historisch Bohlender 2001: 247; aktuell Collin/Horstmann 2004; Engel/Halfmann/Schulte 2002). Diese Entwicklung ist nur zu verstehen auf dem Hintergrund der – trotz Privatisierung – fortschreitenden Expansion des Verwaltungsstaats, der die Prozesse der Selbstorganisation praktischen Wissens in der Gesellschaft mehr und mehr in Planungsverfahren, in Technik ermöglichendem Recht (Kloepfer 1997: 417; Winter

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II. Die Verschleifung von Rechtspraxis und Rechtswissenschaft

1988: 659), durch „Förderung“ der Individuen wie der wirtschaftlichen Akteure beeinflusst und überlagert (und dafür mehr „Gestaltungs-“ und vor allem „Einschätzungsspielräume“ in Anspruch nehmen kann, BVerfGE 50, 60 – „Leistungsverwaltung“; 80, 137 – Planung; 57, 295, 321 f. – Rundfunk; 49, 89, 110 – Prognosespielraum bei technischen Entwicklungen; 88, 203, 254 – „Schutzpflichten“; 99, 165, 178 – Abgrenzung des Kreises der begünstigten Personen). Diese Entwicklung ist ambivalent: Je mehr die Verwaltung ihre Agenden erweitert, desto stärker wird auf eine paradoxale Weise die Ungewissheit in der Gesellschaft gesteigert, weil immer mehr Fragen zum Gegenstand der Entscheidung werden. Kausalitäten und die Regeln der Zurechnung von Verantwortung in der „Gesellschaft der Individuen“ werden in Frage gestellt. Die Orientierung an „Werten“ statt an Handlungsregeln invisibilisiert Ursache-Wirkungs-Beziehungen, wie sie in einer nach Regeln operierenden Gesellschaft konstruiert werden. Sie steigern die Erwartung an den Staat, wenn die Gesellschaft so „plastisch“ zu werden scheint. Vor allem die Fähigkeit, intellektuelle Leistungen durch „Bildungsreform“ zu steigern, scheinen fast unbegrenzt zu sein (vgl. zum administrativen Paradigma der „Reform“ Corsi 1997; Jung 2008). Auf die Notwendigkeit des Rechts, „Ordnung fern vom Gleichgewicht“ (Prigogine/Stengers) und damit Lernen durch die Vornahme von Unterscheidungen im Fluss der Zeit zu ermöglichen (Steinhauer 2015), ist mehrfach hingewiesen worden. Jedes System muss sich Grenzen setzen – für das liberale System war dies die Schadensgrenze, in der die individuellen Rechte ihre Schranke finden. Jeder Misserfolg des Sozialstaats scheint aber nur zu belegen, dass die (vor allem) finanziellen Grenzen zu eng waren. Noch mehr „Betreuer“, noch mehr Versorgung, noch weniger Selbstverantwortung sind die stets gleichen Antworten des Sozialstaats auf „Defizite“.

7. Privatisierung des Rechts und der Rechtsdurchsetzung (Schiedsgerichte) Unter institutionellen Gesichtspunkten ist auch die umgekehrte Bewegung innerhalb des Rechtssystems (die sich gegen die Tendenz zur Ausweitung des Verwaltungsstaats vollzieht) von großer Bedeutung: nämlich die zunehmende Verlagerung der rechtlichen/gerichtlichen Beobachtung des vor allem transnationalen Rechtsverkehrs von den staatlichen Gerichten zu den – substantiell – transnationalen Regeln der lex mercatoria und anderer autonomer Rechtsordnungen sowie – prozedural – der selbstorganisierten Schiedsgerichtsbarkeit (Calliess 2006: 255 ff.; 2014). Auch hier geht es weniger um das kollusive Zusammenwirken bei der Interessendurchsetzung großer transnationaler Akteure unter Vermeidung der demokratischen staatlich-rechtlichen „neutralen“ Entscheidung, sondern um Reaktion auf die auch auf der Seite des transnationalen Rechts zunehmende Komplexität des Rechts und die Sorge, dass ein von der staatlichen Beobachtungslogik geprägtes

7. Privatisierung des Rechts und der Rechtsdurchsetzung (Schiedsgerichte)

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Gericht (allg. J. C. Scott 1999) viel zu wenig Flexibilität und Offenheit für die Entscheidung in komplexen transnationalen Konflikten bereithalten kann (vgl. die Beiträge in: Teubner 1996). Man muss berücksichtigen, dass privatrechtliche Vertragskonflikte zwischen wirtschaftlichen Akteuren, die längerfristig und regelmäßig an rechtlichen Transaktionen beteiligt sind, auch schon in der Vergangenheit nur in den seltensten Fällen vor den staatlichen Gerichten ausgetragen worden sind. Dies hängt insbesondere damit zusammen, dass solche Akteure eher an der Erhaltung langfristig stabiler Beziehungen zu ihren Vertragspartnern gelegen ist als an der einseitigen Durchsetzung der eigenen Rechte. Dies findet seine Erklärung auch darin, dass sie daran gewöhnt sind, in wechselnden Rollen (z. B. als Käufer wie als Verkäufer von Produkten, als Hersteller wie als Abnehmer von Werken und Dienstleistungen) aufzutreten und wegen der großen Zahl von Transaktionen, die z. B. von multinationalen Unternehmen vorgenommen werden, die übergreifenden Interessen an der Erhaltung eines produktiven Ausgleichsverfahrens stärker wahrnehmen als Akteure, die stets in der gleichen Rolle auftreten. Der Aufstieg der Schiedsgerichtsbarkeit ist keine Bedrohung der Demokratie, er ist die Konsequenz der Fragmentierung des Rechts und der Pluralisierung seiner kognitiven Basis. Diese Auslagerung von Rechtskonflikten aus dem Bereich der staatlichen Gerichte auf die transnationalen Schiedsgerichte – ein Prozess, der ebenfalls eine Erscheinungsform der Privatisierung ist – hat aber innerhalb der staatlichen Gerichtsbarkeit einem nicht unproblematischen Nebeneffekt, die den Charakter des staatlichen Rechts und der Formen seiner Durchsetzung weiter dadurch verändert, dass die staatlichen Gerichte einen großen Teil der das postmoderne Recht charakterisierenden Rechtskonflikte um Wirtschaftsleistungen nicht mehr verfolgen und aus ihnen auch nicht mehr lernen könnten. Die Beobachtung der Praxis der Schiedsgerichtsbarkeit ist aber infolge des fehlenden Zugangs der Öffentlichkeit erschwert. Dadurch könnte sich der Trend verstärken, das Recht um seine Komponente der Selbstorganisation einer das Recht abstützenden Infrastruktur aus Konventionen, Verhaltensmustern und Praxisregeln zu verkürzen. Vor den staatlichen Gerichten würden dann primär Streitigkeiten aus dem Recht der unerlaubten Handlungen (z. B. Schadensersatzforderungen von Personen, die nicht zu den Vertragspartnern der großen Unternehmen gehören) oder eher ein Typus vertragsrechtlicher Konflikte zwischen kleineren und mittleren Unternehmen ausgetragen (daneben bleiben die verwaltungsrechtlichen Streitigkeiten). Durch dieses Ungleichgewicht könnte sich auch die Tendenz verstärken, das Privatrecht stärker dem von staatlichen Schutzpflichten bestimmten öffentlichen, d. h. staatlichen Recht i. e.S. anzunähern. Dies könnte insofern bedenklich sein, als damit auch der Bereich der privaten Normsetzung i.w.S. (Standards, Konventionen etc.) weniger in seiner produktiven, Anschlusszwänge und Koordinationsmöglichkeiten schaffenden Funktion als primär in seinem (nicht zu leugnenden) Dritte gefährdenden Potential beobachtet werden könnte.

III. „Law as Culture“ 1. Das Recht und seine „soziale Epistemologie“ – die Konstruktion von Wirklichkeit durch Recht a) Die „soziale Epistemologie“ der Subjektivität Die Vorstellung einer „Rechtsperson“, auf die Rechte und Pflichten zugerechnet werden können, kann nicht nur als Rechtsfiktion fungieren, sie muss auch in einer Selbstabstraktion des Individuums ihre Befestigung finden (Wilson 2001: 152). D. h. es besteht ein Korrespondenzverhältnis zwischen der Freisetzung einer operativen Form (z. B einem Vertrag) durch „Unterscheidung“ aus der informellen Gemengelage der situativen Bindungen der Gewohnheiten und der Freisetzung eines Subjekts aus dem Gewebe der unmittelbaren Bindungen an die lokale Ordnung. Diese Selbstabstraktion kann aber nicht auf den leeren „Eigenwillen“ reduziert werden (vgl. aber Menke 2015: 200)26 – dann wäre das Subjekt handlungsunfähig. Das Subjekt existiert notwendig im „entre-deux“ (Manent 2010: 102).27 Das Subjekt ist festgelegt auf das „devenir-autre“ (B. Stiegler) – nicht auf „holistic presence“ (Goh 2015: 1). Der Einzelne muss sich selbst und andere allgemein als Adressat von Rechten und Pflichten wahrnehmen (und nicht nur als Mitglied einer Familie, einer Gemeinschaft, einer Nation), sonst kann die rechtliche Bindungsfähigkeit auch innerhalb des Rechtssystems nicht operationalisierbar werden. Dem entspricht als Pendant in der Umwelt der Individuen die Möglichkeit und die Notwendigkeit, ein strukturiertes Kausalitätskontinuum beobachten zu können – und zwar sowohl im Hinblick auf Personen, die sich rational, nach Regeln und Mustern handelnd, beobachten lassen, als auch im Hinblick auf die Natur und deren Selbstreproduktion nach beobachtbaren Kausalitätsmustern (Baecker 2006: 41). Nichts davon ist selbstverständlich. Diese sich historisch verändernden Bestandteile der kognitiven Infrastruktur der Gesellschaft werden auch durch den Rechtsdiskurs prozessiert, der eine Vielzahl von Anschlüssen innerhalb der Selbstwahrnehmung der Individuen als (verantwortliche) Personen (Ladeur 2007: 61) und der „sozialen Epistemologie“ der Beschreibung ihrer Umwelt stabilisieren muss, damit überhaupt die normative Stabilisierung von Erwartungen ihre Abstützung in der Infrastruktur des Rechts finden kann. Dazu gehören insgesamt die o. a. Wissens-, Vermutungs- und Beweisregeln. Diese legen – wie oben erwähnt – fest, wie man innerhalb von Rechtsdiskursen, insbesondere Rechtsverfahren, Argumente mit Anschluss an die 26 27

Vgl. dazu auch den Exkurs hinter III. 7. Dort bezogen auf den Bürger.

1. Das Recht und seine „soziale Epistemologie“

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„Wirklichkeit“ konstruieren, verknüpfen und für weitere Anschlusszwänge und -möglichkeiten offen halten kann. Nicht zuletzt deshalb ist schon der Beginn des westlichen Rechts im Römischen Reich von der Herausbildung einer eigenen Gruppe von Menschen bestimmt, die als „Juristen“ (Schiavone 2009) gerade die Autonomie des Rechts zu ihrer Profession machen. Die Evolution der „culture of fact“ in England hat B. J. Shapiro (2000: 189 ff.; Gaskins 1995) untersucht und die „Kultur“ der Faktizität mit allen Beweis- und Vermutungsregeln akzentuiert. Daraus entsteht gerade eine stärker „materialistisch“, durch die Dinge geprägte Alltagskultur (Rheinberger 2006: 30) diesseits der immateriellen Welt der Religion, der englischen Kultur und der Repräsentation politischer Einheit (Ezrahi 2012: 84). Die Herausbildung der Beobachtung faktische Regelhaftigkeit war auch die Bedingung für Konstruktion eines sich an Regelmäßigkeiten orientierenden Systems des Handels (Poovey 1998: 66). Diese „Culture of Fact“ impliziert zugleich, dass zwischen den Individuen Gleichheit herrscht und „Tatsachen“ jedenfalls von traditionellen Wahrheitsunterstellungen insbesondere der Religion zu unterscheiden waren (Poovey 1998: XX, 95). Dies ist auch die Grundlage für die Herausbildung eines „Subjekts“, das eigene Spielzüge innerhalb eines abstrakteren „Spiels“ formuliert (Wilson 2001: 152), während in traditionellen lokalen Gemeinschaften eher „objektive“ Rituale vorherrschen, die das Lernen des „anderen“ und die Operationalisierung von Handlungsstrategien erschweren (J. Robinson 2012; The Economist v. 19. 9. 2015). Ähnliches gilt für einen weiten Bereich des Rechts in Ländern wie Brasilien, die nicht nur in einem Sinne „Schwellenländer“ sind: Auch das „moderne“ Rechtsverhältnis zwischen Staat und Gesellschaft ist sehr stark von der Entwicklung persönlicher Beziehungen zwischen dem Staat als „Patron“ und seinen Klienten bestimmt; es kommt nicht zur Herausbildung einer „impersonalen“ (Rechts-)Ordnung, die die Entwicklung einer dynamischen, auf Wandel angelegten Wissensordnung mit dem subjektiven Recht (und seiner „transsubjektiven“ Dimension verknüpft; vgl. allg. Carvalho 2001: 221).

b) Kausalitätskonstruktionen als objektive, auf Veränderung angelegte „soziale Epistemologie“ Kausalität im Recht ist immer eine soziale Konstruktion gewesen. Dies ist in der Vergangenheit der „Gesellschaft der Individuen“ nur deshalb nicht deutlich sichtbar gewesen, weil die Zurechnungsregeln auf einem stabilen sozialen Konsens basiert haben. Dies ist mit der Vervielfältigung der Bestände des „Spezialwissens“ anders geworden. Damit haben sich auch die Zurechnungsmöglichkeiten vervielfältigt, während zugleich deren Wertungsabhängigkeit erkennbar geworden ist. So sind z. B. bestimmte kausale Verknüpfungsmöglichkeiten, die wissenschaftlich nicht von der Hand zu weisen sind, als nicht anschlussfähig für rechtliche Argumente und persönliche Zurechnungen ausgewiesen („Restrisiko“ im Technik-

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III. „Law as Culture“

recht, BVerfGE 49, 89, 137 – Kalkar; Stoll 2003: 152 ff.; Wahl 2006: 75), andere können nicht dazu herangezogen werden, eine Technologie als „gefährlich“ zu qualifizieren. Sie können aber auf einer sekundären Ebene zur Begründung von Maßnahmen der „Vorsorge“ herangezogen werden (Stoll 2003: 324), die ihrerseits eine eigene Struktur benötigt, die nicht in der Verknüpfung von Kausalitätsmustern bestehen kann. Lineare, rational beschreibbare Kausalverläufe sind für das Gefahrenabwehrrecht charakteristisch, Vorsorge aber kann theoretisch unendlich weit reichen, deshalb ist sie in dieser Form für das Rechtssystem (ohne Selbstbegrenzung) nicht brauchbar (Gollier 2001: 303; ders./Treich 2000: 229). Aus diesem Grund hat die Rechtsprechung die Notwendigkeit der Konstruktion eines eigenständigen nichtlinearen Verknüpfungsmodells für die Zurechnung von Vorsorgepflichten postuliert. Dieses Konstruktion setzt auf die Formulierung eines „Konzepts“, das nach Grundsätzen der Verhältnismäßigkeit die Regeln einer „relationalen Rationalität“ beachtet (BVerwGE 69, 37, 45): das bedeutet, dass vor allem nicht primär das der einzelnen Quelle eines Risikos zuzurechnende Schadenspotential (Ausnahme: AKW) von Bedeutung ist, sondern z. B. die Summierung von Emissionen (jenseits des Risikos für Einzelne) einerseits und der mögliche Gesamteffekt einer Belastung andererseits (z. B. Schadstoffbelastung durch alle Kohlekraftwerke) heranzuziehen und eine Bestimmung der Relation von (Vorsorge-)Aufwand und möglichem Ertrag vorzunehmen ist. Dazu gehört auch der immanente Vergleich mehrerer Risiken (Breuer 1990: 211) – der allerdings in offener Form kaum vorgenommen wird (vgl. Fehling 2004: 443 zur Kosten-Nutzen-Analyse): Welcher Aufwand wird für die Erhaltung von Menschenleben auf verschiedenen technologischen Pfaden betrieben? Lassen sich große Unterschiede (die tatsächlich zu beobachten sind) rechtfertigen? Hier kommt es nicht darauf an, die Dogmatik des neueren Umweltrechts nachzuzeichnen, sondern es geht eher um die Folgen der zunehmenden Steigerung der Komplexität der Umwelt des Rechts, die die Anforderungen auch an die kognitive Infrastruktur des Rechts erheblich erhöht, zunächst aber eine Abhängigkeit erst sichtbar macht, die mit der Beschreibung des Rechts als kognitiv offen (Luhmann 1993: 77) nur unzulänglich beschrieben wird: Das Rechtssystem benötigt seine eigene „soziale Epistemologie“ (vgl. Rheinberger 2005; 2007: 117; 2007a:), deren Selektivität ein Pendant bildet zu den rechtlichen Abstraktionen der Person, der Handlung, des Vertrages etc.

2. Die Neukonstruktion des Subjekts Die Überlegungen zur Herausbildung des Rechtssubjekts als Subjekt von Zurechnungen zeigen, dass es um die Beobachtung einer dem historischen Wandel unterliegende Institutionalisierung von Formen der Herausbildung und des Schutzes der Paradoxie des „Individuums der Gesellschaft“ (Markus Schroer) geht, die vor allem die Hervorbringung von Individualität nach bestimmten gesellschaftlichen Normen zum Gegenstand hat. Die Gleichheit der Subjekte ist keine Gleichsetzung

2. Die Neukonstruktion des Subjekts

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durch Ausschließung des „Anderen“ (Menke 2004; auch 2012), sondern durch Ausschließung der informalen „objektiven“ Tradition. So haben auch in der Vergangenheit die komplexen Regeln der Begründung und der Verletzung von „Privatheit“ zugleich die Durchsetzung sozialer Normen und der „sozialen Kontrolle“ der Individuen zum Gegenstand gehabt. Beobachtung und Bewertung „privaten“ Verhaltens in räumlich überschaubaren Gemeinschaften dienten der Bewährung und Bestätigung sozialer Normen (Strahilevitz 2004). Sie dienen dem Aufbau der komplexeren, nach innen orientierten Infrastruktur der Subjektivität. Entsprechendes gilt auch für die Öffentlichkeit, die ebenfalls ein dem Wandel unterliegendes soziales Konstrukt ist und in ihren unterschiedlichen Formen und Foren der Erzeugung und Reflexion kollektiver kultureller Erinnerung, des Prozessierens von gemeinsamen Themen im Hinblick auf ein bestimmtes (staatliches) Entscheidungsforum, der öffentlichen Bildung von Individuen jenseits der Familie durch die Schule, der Teilnahme an Vereinen, der gemeinsamen Lektüre kanonisierter Schriften etc. ständigem Wandel unterlag (vgl. dazu Brewer 1997).28 Der Wandel wird auch durch den Übergang zu einem neuen Paradigma der personalen „Identitätsbildung“ (Descombes 2013) in der sich entfaltenden „Gesellschaft der Netzwerke“ indiziert. Das Individuum der „Gesellschaft der Netzwerke“ muss sozusagen aktiv „Selbstmanagement“ betreiben (Ehrenberg 1999; Groys 2008: 7 ff.), es muss sich selbst nach wechselnden Voraussetzungen und mit unterschiedlichen Versatzstücken „sampeln“ und „ausprobieren“ (Bonz 2007: 243, 250), statt Regeln zu verinnerlichen und sich zu disziplinieren. Das „Selbstmanagement“ zielt wie die alten Formen der Subjektivität nicht auf eine unmittelbare Unterwerfung des Subjekts unter bestimmte Techniken der Subjektivierung, sondern aktiviert einen komplexen Zusammenhang zwischen dem Wandel des transobjektiven gesellschaftlichen Wissens und der Form des Subjekts. Bei M. Foucault wird zwar insbesondere im späteren Werk das in die „Selbstsorge“ eingetragenen Moment der Herrschaft beschrieben. Es bleibt aber bei der Hypostasierung von Techniken der Herrschaft über die Subjektivität, während der transsubjektive Prozess des Wandels des gesellschaftlichen Wissens vernachlässigt wird (vgl. Foucault 1985). Die „Selbstsorge“ ist immer auch eine Funktion der Sozialität, die eine andere soziale Form der Individualität verlangt, nicht aber ein asoziales Individuum (Vesperini 2016: 42 f.). Es wird weiter unten noch zu zeigen sein, dass im klassischen Griechenland die neue Form eines Proto-Subjekts entsteht, die auf die Beweglichkeit der sozialen Normen und auf die Beobachtung des Wissens der anderen angelegt ist. Von einem Subjekt im neuzeitlichen oder modernen Sinn zu sprechen, wäre aber ahistorisch (de Libera 2007: 23, 59).29 Die „Selbstsorge“ ist immer auch ein Verhältnis 28 Vgl. zu der Staatszentrierung des Öffentlichkeitsverständnisses des BVerfG nur E 7, 198, 208; 5, 85, 205. 29 J. P. Vernant (2006: 11) ist der Auffassung, dass den Griechen die Vorstellung eines „Willens“ im modernen Sinne fremd war: Der Handelnde handelt immer innerhalb eines Gewebes von Beziehungen, das von den Göttern bestimmt wird.

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III. „Law as Culture“

der Sorge, den „Anschluss“ an die Regeln der kollektiven Ordnung zu verpassen (vgl. Casini 2006: 77 f.). Während die „Gesellschaft der Individuen“ relativ dauerhafte Formen der Individualität hervorgebracht hat, ist die „Gesellschaft der Organisationen“ von standardisierten massenhaften Gruppenidentitäten geprägt. Demgegenüber ist das Individuum der heterarchischen „Gesellschaft der Netzwerke“ ein volatiles, von schnell wechselnden Konstellationen bestimmtes „hybrides Projekt“ ist, das sich von den „Möglichkeiten der Assoziation und Kombination“ leiten lässt (Reckwitz 2008: 173; Melman 2002: 115; zu dem sich daraus ergebenden Wandel des Rechtstextes, der selbst damit zum „Textlabyrinth“ mit einer offenen relationalen, und nicht mehr auf Einheit und Systematik angelegten Rationalität wird Augsberg 2009: 134 ff., 183). Lionel Trilling (1972: 14, 30 f.) hat schon 1972 mit Recht darauf aufmerksam gemacht, dass der die Emanzipation der Wissenschaft begleitende Verlust ihres Verständnisses durch Unbeteiligte, auch intellektuell erlebt wird „as a wound given to our intellectual self-esteem“. „About this humiliation we all agree to be silent …“ Diese Dezentrierung des erkennenden Subjekts schlägt sich in einer Tendenz zur Abwertung der wissenschaftlichen Vernunft im Allgemeinen und des Prozessierens ihrer Eigenrationalität nieder. An deren Stelle tritt die „Authentizität“ (Trilling 1972: 35), die sich vor allem durch ihre antithetische Fixierung auf die komplexe Konstruktion der Technologien als ganzheitliches Sehen und Erleben der Realität und vor allem der Natur ohne das Dazwischentreten der zersplitternden Rationalität versteht (Trilling 1972: 35; Grunberger/Chasseguet 2004). Man braucht nur daran zu erinnern, dass das Modell der Rationalität, das auch das Selbstbild des Nationalstaates bestimmt hatte (Greenfeld 2009) und darüber hinaus die „culture of improvement“ (Friedel 2007), deren azentrischer offener Charakter durch eine Vielzahl von distribuierten Such- und Erprobungsprozessen bestimmt war, die die westliche Kultur ausgemacht haben (Bender/Wellbery 1990: 23). Man könnte dies auch mit M. Polanyi „the society of explorers“ nennen. Damit ist vor allem (wenn auch nicht nur) die horizontale Dimension der wechselseitigen Beobachtung, der Suche nach Mustern, das Ausprobieren des Neuen gemeint (Gill 2000: 63 m. w. N.). Wie Blais/Gauchet/Ottavi (2008: 85) in einer neueren Arbeit über „conditions de l’éducation“ geschrieben haben, verändert sich das Verhältnis des Individuums zum Wissen in der „Wissensgesellschaft“ auf eine dramatische Weise: Das Wissen ist nicht mehr das, was das Verhältnis des Individuums zu sich selbst in der Gesellschaft ausmacht, es bleibt dem Individuum vielmehr äußerlich. Das Individuum wird zunehmend selbst zum Gegenstand seines „eigenen“ Wissens, nicht aber rückt es in den Besitz der kollektiven Wissensbestände ein. Diese „Fremdbestimmung“ ist mit dem neuen Selbstverständnis des Individuums durch sein selbstbezügliches Wissen nicht mehr vereinbar. Dafür steht die scheinbar perfekte Formel vom „Lernen des Lernens“, die ihre Karriere auch in den schulpolitischen Programmen macht: Es geht um die Selbstbestimmung des Individuums gegenüber

3. „Das Subjekt“ und die Verrechtlichung des Schulverhältnisses

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dem ihm äußerlich bleibenden Wissen. Das neue Ideal orientiert sich geradezu an der Fähigkeit, eine Suchmaschine bedienen zu können, die „Zugang“ vermittelt zu dem Wissen, das das Individuum zur Bewältigung seiner Probleme benötigt. Es ist kein Wunder, dass das Internet der privilegierte Ort dieser neuen nomadischen Individualität ist, die eher einer „Logik des Fließens“ folgt (Kaufmann 2008: 177; auch Keen 2015: 106 f.). Mit der Entwicklung der „Netzwerkgesellschaft“ geht der Aufstieg neuer, ihrerseits „hybrider“ Rechte auf „Anerkennung“ von Identitätsbedürfnissen einher (Recht auf Datenschutz, Persönlichkeitsrechte etc.; vgl. allg. Honneth 2010), die gerade wegen ihres reflexiven Charakters als Rechte auf Selbstbestimmung schwer einzugrenzen sind. Sie haben anders als die früheren Rechte ihren Gegenstand nicht mehr in einem auf das Handlungspotential des Individuums eindeutig beziehbaren Gegenstand, sondern sind darauf angelegt, dem Individuum konturlose Ansprüche auf Abstimmung von Interessen und Rechten nach dem Verhältnismäßigkeitsprinzip zuzuweisen. Die Individuen werden ihrerseits selbst zu „Texten“ umgepolt, die sich (Münker 2009: 162 ff.; I. Augsberg 2009: 135 f.) eher als Prozess variabler Verknüpfungen innerhalb eines „Textlabyrinths“ (re-)kombinieren und fortschreiben (vgl. auch Christensen/Lerch 2005: 55; I. Augsberg 2009: 135) und dadurch die „Medialität des Rechts“ (Vesting 2011, 2011a) zur Geltung bringen, die die Vorstellung der Einheit der Person unterläuft (Krämer 2002: 323, 332; I. Augsberg 2009: 139). Der Wandel lässt sich auch in der Rechtsprechung des BVerfG beobachten: Während das Gericht in der Epoche der „Gesellschaft der Organisationen“ eine um die organisierten Medien (Presse, Rundfunk) zentrierte Kommunikationsordnung durch seine Rechtsprechung (mit)gestaltet hat (vgl. nur BVerfGE 12, 205; 57, 295; 73, 118 jeweils Rundfunk; 20, 162 – Spiegel) stellt es in seiner jüngsten Entscheidungspraxis (BVerfG, ZUM 2013, 796; ZUM 2014, 966, jeweils mit Anmerkung Ladeur) ein von allen transsubjektiven Bindungen befreites Individuum als Adresse der Meinungsfreiheit in den Vordergrund. Mit dem beschriebenen Aufstieg eines unstrukturierten Rechts auf „Anerkennung“ geht auch ein Verfall der einheitsbildenden Formen der „Öffentlichkeit“ einher. Es entstehen neue „Rechte“ auf Aneignung von Versatzstücken aus dem Leben „Prominenter“ und umgekehrt auf Schutz von Prominenz als „Eigentum“ (Ladeur 2007b).

3. Die Auseinandersetzung um „das Subjekt“ und die Verrechtlichung des Schulverhältnisses Ein weniger beachtetes Beispiel für die Bedeutung sozialer Konventionen zur Bindung von faktischer Ungewissheit ist das Schulverhältnis: Während hier die Beurteilung der Angemessenheit von Entscheidungen über Versetzungen, diszipli-

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III. „Law as Culture“

narische Maßnahmen (einschließlich der faktischen Richtigkeit der zugrunde liegenden Annahmen) trotz formal ähnlicher rechtlicher Bindung des Staates z. B. in den sechziger Jahren so gut wie nie Gegenstand verwaltungsgerichtlicher Kontrolle geworden sind, weil dem Schulsystem von Eltern wie Gerichten ein hohes Vertrauen entgegengebracht wurde, lässt sich in den letzten Jahren eine inflationäre Zunahme von Klagen vor Verwaltungsgerichten feststellen (Rux 2002: 423; allg. Niehues/Rux 2006). Selbst in Fällen, in denen die Angemessenheit z. B. einer Sanktion (Verweisung von der Schule) angesichts sich der Schwere des Verstoßes sich aufdrängt30, wird von Eltern immer häufiger unter Berufung auf das Persönlichkeitsrecht des Schülers eine individualisierte „pädagogische“, d. h. nicht rechtlich formalisierte „Behandlung“ unter Berufung auf das Verhältnismäßigkeitsprinzip verlangt oder die Feststellung des Sachverhalts bestritten, weil der Wert der Zeugenaussage eines Lehrers in Frage gestellt wird. (Auch hier zeigt sich die Ambivalenz der Verrechtlichung: Es geht eher um einen paradoxen Prozess, innerhalb dessen das Recht des Einzelnen auf Durchsetzung seines Verständnisses der Persönlichkeitsentfaltung gegen das Recht der Institution in Stellung gebracht wird.) Die Schule ist auch ein Konfliktfeld, an dem sich zeigen lässt, wie durch eine neue Kommunikationstechnologie die Trennung von Teilöffentlichkeiten und die Unterschiede ihrer Kommunikationsregeln einer disruptiven Veränderung ausgesetzt wird: In der Vergangenheit waren Lehrer (fast) grenzen- und schutzlos dem Klatsch ihrer Schüler ausgesetzt. Neuerdings berufen sich Schüler, die sich in den „sozialen Netzwerken“ des Internet – teilweise in äußerst brutaler Form – mit ihren Lehrern auseinandersetzen auf ihr Recht auf „Datenschutz“, auch wenn die Inhalte (relativ) frei zugänglich sind (vgl. Ladeur 2009): Hier wird ein Problem, das früher durch den Unterschied von mündlicher und medialer Kommunikation entrechtlicht worden ist, zu einem Rechtsproblem, während zugleich ein „common knowledge“ für die hybride Form der Kommunikation im Internet weder vorausgesetzt noch (wahrscheinlich) durch Recht als „knowledge from asserted authority“ (Hardin 2009: 160) stabilisiert werden kann. Recht kann hier nur ein „Management“ unterschiedlicher Regeln betreiben, ohne dass Erwartungssicherheit eintritt. Dies gilt auch für viele andere Konflikte im Bereich der Schule, in denen „Verrechtlichung“ eher auf den Versuch der Abspannung von unlösbaren Konflikten zwischen individueller 30 Vgl. etwa den Fall der Verweisung eines 17-jährigen Schülers von der Schule (Gymnasium), der das Haus eines (wegen dieser Eigenschaft!) schon öfter – auch von ihm – „gehänselten“ jüdischen Mitschülers mit einer Horde betrunkener „Kameraden“ heimgesucht und dort randaliert hatte: dass die Eltern des Schülers diese Maßnahme vor dem Verwaltungsgericht unter Berufung auf die Unverhältnismäßigkeit angegriffen haben, da – trotz der Vorgeschichte! – nicht sicher gewesen sei, dass es sich um einen antisemitischen Vorfall gehandelt habe, ist kein Einzelfall, sondern eher charakteristisch für ein neues Denken der Eltern, das die Rechte der Institution Schule und die Rechte anderer im Angesicht des Rechts auf Entwicklung der eigenen Kinder negiert (der VGH Mannheim hat allerdings die Klage in zweiter Instanz! abgewiesen, Beschl. v. 4. 8. 2009 Az. 9 S 1077/09 und 1078/09). Der Fall ist auch ein Beispiel für das Zusammenwirken der faktischen (Beweis?) und der rechtlichen Komponenten („Verhältnismäßigkeit“) rechtlichen Entscheidens.

4. Der Wandel der Realitätskonstruktion des Rechts

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Selbstdarstellung und einer unsicheren institutionellen Rationalität der Regeln hinausläuft. Vor allem in den USA besteht ein starker Druck auf die Schulen, selbst in extremen Fällen des Cybermobbing „pädagogisch“ zu reagieren und keine rechtlichen Sanktionen zu verhängen. Dies war in den letzten Jahren in der deutschen Rechtsprechung anders (Ladeur 2010b: 3).

4. Der Wandel der Realitätskonstruktion des Rechts a) „Recht als Kultur“ – Die Ordnung der „Realität“ durch Recht Durch Recht als Kultur wird auch ein bestimmtes Verhältnis der Individuen zur Welt begründet: „The legal creation of facts thus summarizes and stimulates our sense of reality“ (Rosen 2006: 93). Dies führt noch einmal auf den Gegenstand der normativen Sicherung von Verhaltenserwartungen zurück, der sich bei näherem Hinsehen nicht als so stabil erweist, wie dies durch die Formulierung nahegelegt werden könnte: denn „the ,certainty‘ of the law depends on the ,uncertainty‘ of its basic concepts“ (Gluckman 2004: 206; Rosen 2006: 92). Die offene Textur des Rechts erlaubt erst die Anpassungsfähigkeit unter den Bedingungen der permanenten Selbsttransformation der Gesellschaft. Das Recht ist deshalb eher ein Set von Institutionen, durch die die Gesellschaft die Anschlussfähigkeit ihrer sozialen Formen der Koordination beobachtet. Wie Clifford Geertz formuliert hat, fungiert das Recht „not so much as a device or mechanism to put things back on track, when they have run into trouble, but as itself a constructive element ,within culture‘, a style of thought, which in conjunction with a lot of other things equally within culture … lays down the track in the first place“ (1996: 35). Das Recht organisiert einen wichtigen Teil des Gedächtnisses der Gesellschaft, es organisiert „the experience of meaning, a way of being in the world for the individual and the community“, nicht die Ableitung von konkretem aus abstraktem (Regel-)Sinn, sondern „the imaginative construction of a complete worldview“ (Kahn 1999: 92, 2). Deshalb erscheint es so bedenklich, dass im Internet zum erheblichen Teil ein rechtsfreier Raum entstanden ist, auch wenn die Rechtsprechung in den letzten Jahren die Störerhaftung der Provider ausgeweitet hat (BGHZ 191, 219; NJW 2015, 3443). Es fehlt an einem neuen ordnungsbildenden Paradigma für die Bewältigung von Konflikten im Internet [vgl. dazu unten IV 8. c)]. Eine der Möglichkeitsbedingungen der Moderne ist „a new vocabulary of probability …, one that spanned multiple domains and, like any really powerful cultural concept, knit those domains together in a distinctly ,modern‘ form of common sense“ (Rosen 2006: 90; vgl. auch Shapiro 1983: 272). Das Recht ist stets von der Ambivalenz der „Ordnungsorientierung“ der bürgerlichen Lebensformen bestimmt, eine –

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III. „Law as Culture“

letztlich unmögliche – Balance zwischen „Grenzstabilisierung“ (z. B. die Referenz auf die Normalität der Erfahrung und ihre Verknüpfung mit der Stabilisierung der Erwartungen an das zukünftige Verhalten der anderen) mit der permanenten Bereitschaft zur „Grenzüberschreitung“ zu halten, die sich unter Bedingungen der Ungewissheit (Heidbrink 2007) als unumgänglich erweist (Reckwitz 2008: 208) und das scheinbar mit sich selbst identische Individuum dazu anruft, im differentiellen Prozess seiner Selbst- und Fremderzeugung zu navigieren (Kaufmann 2008: 51). Zusammenfassend könnte man mit L. Rosen (2006) unterstellen, dass das Recht jenseits der Konstruktion von Rechten und Pflichten einen „sense of orderliness“ (22) erzeugt und damit die Möglichkeit der Zurechnung von Verantwortung jenseits der engeren dogmatischen Konturierung von Rechten und Pflichten durch Rechtsdogmatik über eine Infrastruktur aus rechtlich kanonisierten Kausalitäten, Wahrscheinlichkeitsannahmen, Vermutungs- und Wissensregeln, Standards und Mustern abstützt. Gerade weil die westliche Gesellschaft sich seit dem Beginn im klassischen Griechenland darauf eingestellt hat, dass die Zukunft sich zwangsläufig von der Vergangenheit unterscheidet, benötigt sie weitaus mehr als die Eröffnung neuer Möglichkeitsräume durch das Recht, sie benötigt gemeinsame, aber variable Wirklichkeitsbeschreibungen, die Ermöglichung der Erwartungsbildung unter Bedingungen des Wandels: Die sich wandelnde Gesellschaft braucht „principal categories in terms of which social life is made to seem largely natural, normal, cohesive, and coherent“ (Sarat 2000: 134 – Herv. nicht im Orig.; Mezey 2001: 46; allg. auch Zellentin 2013: 19 f.).31 Das Recht erzeugt dadurch eben nicht primär „bindende Regeln“ sondern die Voraussetzungen dafür, dass etwas Neues praktisch erzeugt werden kann: „webs of signification“, „a distinctive manner of imagining the real“ (Geertz 1983: 232, 184), die vor der Möglichkeit der Regeln erzeugt werden und schon so in die Wirklichkeit selbst integriert sind, dass wir „in ihnen“ leben und sie nur schwer „von außen“ beschreiben können, weil unter den beschriebenen Bedingungen von der Unterbestimmung der Theorie durch die Fakten auszugehen ist. Dieses Problem verschärft sich unter den genannten Bedingungen der Postmoderne, aber auch unter diesen Bedingungen trägt das Recht zur Bildung und Erhaltung des Gedächtnisses der Gesellschaft bei. „The rule of law shapes our experience of meaning everywhere and at all times. It is not alone in shaping meaning but it is never absent“ (Kahn 1999: 124). Die Infrastruktur des Rechts verändert sich nicht nur mit der Entstehung und Verbreitung neuer Technologien (einschließlich der Informationstechnologien) sondern auch mit der – davon nicht unabhängigen – Globalisierung. Die transnationalen Normen sind ein Ausdruck der Notwendigkeit, die „soziale Epistemologie“ des Rechts an die Ubiquität der globalen Rechtsbeziehungen anzupassen. Auch dieser Entwicklung wird eine Fixierung der Politikwissenschaft auf „compliance“ 31 Die Hervorhebung soll den Gesichtspunkt des „Machens“ der Kultur (und der Kultur des „Machens“) als die Konstruktion der insbesondere rechtlichen „Fiktionen“ charakterisieren, die gerade anders sind als die „Wirklichkeit“ und paradoxerweise dadurch erst die Koordination zwischen Unbekannten mit unterschiedlichen Zielen und Wissensbeständen erlauben.

4. Der Wandel der Realitätskonstruktion des Rechts

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[s. o.] in globalen Rechtsverhältnissen (jenseits der Sanktionsmöglichkeiten) nicht gerecht: Jenseits der Möglichkeit, Qualitäts- und Leistungsmerkmale vergleichen zu können, geht es auch um die globale Durchsetzung einer rechtlichen Weltsicht, einer Infrastruktur aus Erwartungen, Standards, Verhaltensmustern, die erst ein Weltrecht ermöglichen kann. Die einseitige Fixierung auf die Durchsetzung westlicher Interessen (insbesondere) gegenüber Entwicklungsländern würde diesen grundsätzlichen Aspekt der Durchsetzung allgemeiner Verantwortungs-, Zurechnungs- und Wissensregeln verfehlen.

b) Die Konstruktion der „Realität“ des Sozialstaats Die genauere Beobachtung des Verhältnisses des Rechts zu seiner ausdifferenzierten kognitiven Infrastruktur eröffnet auch eine neue Perspektive auf die Evolution des Rechts auf dem Weg von der Moderne zur Postmoderne (dazu unten) sowie die Entwicklung des Sozial- und Interventionsstaats insbesondere. Wenn jenseits des klassischen liberalen „Ordnungsstaates“, der vor allem an der Stabilisierung von Regeln, Verhaltensmustern und einer stabilen „Wissensordnung“ orientiert war, „Zufälle“ durch die Entwicklung von Statistiken, von Versicherungen, von Finanzmärkten und ihren neuen Instrumenten und Institutionen berechenbar erscheinen, muss diese Entwicklung auf der Seite des Staates ihre Entsprechung darin finden, dass der einzelne sich selbst und sein Leben im Hinblick auf die Folgen der Selbsttransformation der Gesellschaft als „Versicherungsfall“ (F. Ewald) wahrnimmt und mit Ansprüchen auf Versicherungsleistungen dem Staat gegenübertritt. Damit verändert sich auch die Selbstwahrnehmung des Einzelnen (Ladeur 2007: 61), der vom Staat den Ausgleich der Kosten verlangt, die mit den Zwängen zur Selbstveränderung verbunden sind. Dies ist nicht von vornherein ausgeschlossen, es verändert aber das Gedächtnis der Gesellschaft. (Die damit verbundenen Probleme lassen sich in Ländern wie Griechenland beobachten, wo der Staat daran gewöhnt ist – und infolgedessen die Individuen –, dass Zwänge zur Anpassung an den Wandel der Wirtschaft durch staatliche „Kompensationen“ aufgefangen werden; vgl. nur FAZ v. 10. 2. 201232.) Während das Privatrecht vom Einzelnen die Herausbildung einer abstrakten Person verlangt, die auf das Prozessieren ihrer selbst in den Netzwerken der Rechtsbeziehungen eingestellt ist, ermöglicht die Entwicklung des Sozialstaats dem einzelnen die Einnahme einer konträren Haltung, nämlich die Bereitschaft, sich selbst als Opfer der Gesellschaft und ihrer Zwänge zu definieren (Gauchet 2009: 133; F.X. Kaufmann 2015; Giglioli 2016). Dadurch entsteht eine widersprüchliche Form der Individualität, die die Freiheit der Selbstbestimmung als Selbstermächtigung zum Anspruch auf Hilfe ummünzt. Dies wäre auch gegen A. Fischer-Lescanos 32 http://www.faz.net/aktuell/wirtschaft/hohe-bruesseler-subventionen-suesses-gift-fuerathen-11643700.html.

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III. „Law as Culture“

(2015: 31, 33) Konzeption der „Rechtsästhetik“ als der Form einer Wiedereinführung des vom Recht Ausgeschlossenen einzuwenden. Die Thematisierung der Voraussetzungen der Freiheit selbst fällt einem liberalen Rechtssystem schwer, weil damit auf die eine oder andere Weise potentiell eine rechtlich unterschiedliche Bewertung des Selbstverhältnisses von (erwachsenen) Personen einhergeht – und nicht nur die Beobachtung äußeren Verhaltens (gegenüber anderen). Dennoch ist damit nicht grundsätzlich die Wiedereinführung des „Feldes der Gefühle“ (FischerLescano 2013: 89, 100), der „Körperlichkeit“, in das mit der „Fiktion“ der Rechtssubjektivität (Thomas 2011: 208) operierende, sich einen Weg durch das Dickicht der Gesellschaft bahnende Rechtssystem ausgeschlossen.33 Allerdings impliziert das ästhetische Urteil bei Kant – auf den Fischer-Lescano (2013: 90 ff.) sich bezieht – trotz oder wegen seiner Begriffslosigkeit (Rancière 2014: 263, 278)34 – oder besser: der Erschütterung des Begriffs35 – und der damit gegebenen „Sprengkraft“ des Verweises insbesondere auf ein Anderes des Rechts (Schestag 2006: 198, 199) dennoch die Anrufung eines „Gemeinsinns“ (Schestag 2006: 204; Friedlander 2015: 17; auch I. Augsberg 2015a: 533). Dieses Einverständnisses kann nach H. Arendt (2002 I: 570) wiederum nur durch „Aufschub“ auf ein öffentliches Forum zustande gebracht werden oder die Öffnung des Horizonts für ein Möglichkeitsdenken jenseits der Wirklichkeit (Makreel 1990: 158), das zugleich „post facto“ (Gasché 2003: 188, 193) eine hermeneutische Rückkopplung braucht. Dies ist nicht unplausibel, gerade weil das ästhetische Urteil nur praktisch gefällt, nicht abgeleitet werden kann (Friedlander 2015: 2). Man könnte sogar versucht sein, dieses Einverständnis nicht auf einem öffentlichen Forum zu suchen, sondern gerade in den sozialen Normen, die nicht auf ein rationales Gesetz zurückgeführt werden können und sich einer stummen Praxis der Verständigung verdanken (vgl. nur Descombes 2004: 429 ff.). Einen Schritt weiter führt eine Überlegung im Anschluss an den französischen Phänomenologen Michel Henry, der die Vermutung geäußert hat, dass das, was wir „machen“ in der Welt, sich in der „Nacht“ eines „ursprünglichen Wissens“ vollzieht, das der Vorstellungskraft nicht zugänglich ist (Henry 2011: 140 f.). „Im Leben … ist kein Licht“ und deshalb gibt es nichts, was man sehen kann. „Weil es … keine Differenz gibt, aus der das Licht entstehen könnte“ (Henry 2011: 141), ist auch das Beobachten nicht möglich, das eben durch (Unter-)Scheidungen möglich sind. Das ändert nichts daran, dass einerseits das „Leben“ seine eigenen sozialen Normen generiert, die sie eben nicht der Deliberation verdanken, die sich erproben und sich stumm „instituieren“ (V. Descombes). Das „Leben“ lässt sich nicht auf die Gefühle des Ausgeschlossenseins des Einzelnen reduzieren. Diese Phäno33 Der Glaube an die „Rechtsästhetik“ im Sinne Fischer-Lescanos (2015) ist eine Erscheinungsform der sich selbst blockierenden Einführung immer neuer „Werte“ in das auf Regeln basierende Rechtssystem. 34 Rancière spricht von einer „Ästhetik des Wissens“, die gerade nicht von Gefühlen bestimmt wird, sondern von der Möglichkeit einer Praxis, die sich als „indisciplinary“ versteht, die das topologische Verhältnis von Wissen und Nichtwissen neu als strategisch bestimmt. 35 Vgl. R. Gasché (2003: 186): das Unbekannte und Unbestimmte indiziert die Möglichkeiten einer neuen Regel „in statu nascendi“.

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menologie des Lebens und die unsichtbaren (unbewussten Affekte), die es bestimmen, wirkt sich auch auf die „Vorstellungen“ aus, die letztlich ebenfalls stark von unbewusst bleibenden, durch „Deliberation“ nicht, jedenfalls nicht restlos aufzuklärenden Affekten bestimmt sind. Deshalb wird die Erzeugung der „Vorstellung“ von der Wirklichkeit auf eine nur zunächst paradox erscheinende Weise nicht selbst reflexiv durch ihre eigenen Regeln der Ordnung der „Vorstellung“ gesteuert (Henry 2001: 145). Die Regeln der Verknüpfung der „Vorstellungen“ mit dem „Leben“ sind nur unvollständig den Vorstellungen selbst zugänglich (Atlan 2003: 230). Das Gegenteil wird von der „aufgeklärten“ Seite des politischen Spektrums behauptet, während dessen „nicht aufgeklärte“ Seite die Priorität des „Lebens“ gegenüber der „Vorstellung“ ihrerseits als die richtige „Vorstellung“ behauptet – und damit aus dem Dilemma nicht herauskommt. Die „Wahrheit“ ist dann nichts als ein permanentes Oszillieren innerhalb der Verschleifungen eines „Diskontinuums“ des „Lebens“ und der „Vorstellungen“.

c) Braucht das Recht die „Rechtskraft“ der Gefühle? Dies lädt zu einer weiteren Überlegung darüber ein, ob nicht die Systemtheorie die Prothese bietet, die für die Bewegung in einer so gekennzeichneten „akephalen Welt“ hilfreich ist. Und schließlich erlaubt doch das Recht selbst die (begrenzte) Wiedereinführung des Anderen, des durch das Recht Ausgeschlossenen, z. B. durch die Grundrechte der Meinungsfreiheit oder der Versammlungsfreiheit, die nicht auf eine ergänzende Funktion im Verhältnis zur staatlichen Öffentlichkeit reduziert werden dürfen (Ladeur 2015). Diese Ambivalenz bleibt in Fischer-Lescanos „Rechtsästhetik“, der Suche nach einer „Rechtskraft“ stillgestellt36, die gegen das institutionalisierte Recht in Stellung gebracht werden könnte. Dazu müssen die „Gefühle“ wieder in das Recht eingeführt werden. Schon der auf das Erleben der Entfremdung des Einzelnen reduzierte Begriff des „Gefühls“, den in der Philosophiegeschichte eine lange Kette von Kontroversen begleitet, bleibt gänzlich ungeklärt. „Gefühle“ – in der amerikanischen Diskussion werden „emotions“ und „feelings“ unterschieden – sind sowohl „object of our most immediate awareness and most powerful source of our capacity for self-deception“ (de Sousa 2013). Sie haben selbst eine kognitive Dimension, sie können auch nicht, auch nicht primär, auf Körperlichkeit reduziert werden, wie es bei Fischer-Lescano den Anschein hat. (Dort sind sie im Übrigen besonders diffus und ambivalent.) Gefühle sind selbst „gesellschaftlich konstruiert“, sie „bestimmen und untergraben rationales Handeln und Denken“ (de Sousa 2013); das Verhältnis gegenwärtiger und zukünftiger Gefühle ist unklar. Die Freund-Feind36 Gerade die von ihm genannten Beispiele, an denen sich die Produktivität einer „Rechtsästhetik“ zeigen lassen soll (Verhältnis von Recht und Religion, die Definition des öffentlichen Interesses im Recht der freien Meinungsäußerung, Kunst und Recht, Irrationalität der Finanzmärkte etc.) lassen sich m. E. viel plausibler mit einer Beobachtung des Wandels des gesellschaftlichen Wissens und der Anerkennung der rechtlichen Bedeutung sozialer Normen für die rechtliche Regulierung und die Interpretation der Grundrechte erklären.

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III. „Law as Culture“

Unterscheidung beruht auf der stärksten Zuspitzung des Gefühls – es hebt alle Gefühle begrenzenden ausdifferenzierten Unterscheidungen auf, die das Recht prozessiert. Dem „Grundrecht auf Kraft“ fehlt jede Unterscheidungskraft. Die „ästhetische“ Selbstirritation des Rechts und die dadurch entstehende Offenheit muss aber wieder in die operative Logik des Rechts zurückübersetzt werden, d. h. insbesondere, dass „Ausnahmen“ oder die sekundäre Remodellierung des subjektiven Rechts als subjektives Recht auf Hilfe wieder eine Rechtsförmigkeit annehmen und ihre Nebenwirkungen auf das primäre Modell der liberalen subjektiven Rechte beobachtet werden müssen. Das Recht produziert permanent Irritationen durch das Oszillieren von Möglichkeiten, die auch in neuen Optionsräumen auf ihre Anschlussfähigkeit erprobt werden können. Wie sich aber eine unbewusste Rebellion in eine produktive gesellschaftliche „Kraft“ verwandeln können soll, bleibt bei FischerLescano ganz unklar (vgl. auch Garcia Cadore 2013: 541, 562; Risse 2013: 54, 59). Hier besteht auch ein erheblicher Unterschied zur „Kraft der Kunst“ (Menke)37, auf die sich Fischer-Lescano beruft. Der Widerspruch ist für die Kunst produktiv, im Übrigen führt er immer wieder nur zu Umbesetzungen innerhalb der Grammatik der Formen der Kunst. Innerhalb des Rechts lassen sich widersprüchliche „Kräfte“ nur in Grenzen neben- und gegeneinander institutionalisieren, und seine Formen erzeugen mehr Anschlusszwänge („Anschlusskraft“) als die Kunst.38 So besteht die Gefahr, dass der Rekurs auf die Kraft der „Gefühle“39 im Recht letztlich doch nur zu einer Erscheinungsform des antiinstitutionellen Denkens wird. In einer neuen Form wird hier m. E. der Vorrang der Affekte, der in einer philosophischen Form von Schopenhauer (Henry 2011: 139, 179), später von Freud als das Unbewusste in der 37 Der Begriff der „Kraft“, der durchaus im Blick auf die produktiv-desorganisierenden Möglichkeiten der Ästhetik in einer „durchorganisierten“ Welt eine wichtige Funktion in der Irritation der „Verhältnisse“ erfüllen kann, erhält bei C. Menke seine Konturen aber nur durch die extreme Simplifizierung der „anderen Seite“ der Ordnung, die als bloß „biologisch“ und damit als „unfrei“ apostrophiert wird (Menke 2015a). Es erscheint äußerst problematisch, sich dafür auf Foucault zu berufen, die die gesamte Entwicklung der modernen Biologie und der Kognitionswissenschaften oder der Computerwissenschaft nicht mehr erlebt hat. Wie komplex heute in „der Biologie“ gedacht wird, lässt sich z. B. bei H. Atlan (der auch selbst sowohl Biologe als Philosoph ist) beobachten, der im Anschluss an Spinoza eine neue Einheit von „Körper und Geist“ zu denken versucht (2003: 264 und passim) – ähnliches gilt für C. Malabou (2016: 20, 33). 38 Vielleicht wird dieses Dilemma in der Lebensform F. Kafkas auf eine symptomatische Weise zum Ausdruck gebracht: dessen „Nachtseite“ im doppelten Sinne des Wortes in der Literatur die „permanente Zerrissenheit“ des Ich, die „Desintegration der Persönlichkeit“ zum Ausdruck gebracht hat (Sokel 1976: 333, 338) – was ihn nicht daran gehindert hat, auf seiner „Tagesseite“ als angesehener Jurist einer Sozialversicherungsanstalt (!) praktisch und jedenfalls konzeptionell Außerordentliches zu leisten, vgl. Kafka (2004). Das widerspricht übrigens der verbreiteten Vermutung, dass es sich um einen ungeliebten Brotberuf gehandelt hat – dies wiederum schließt sicher nicht aus, dass er lieber auch die „Tagesseite“ seines Lebens dem literarischen Schreiben gewidmet hätte; zu Kafka und der von ihm erlebten „Krise der Tradition“ auch Mosès (2006: 300 ff.) – im Anschluss an Gershom Scholem. 39 Erstaunlicherweise wird die Bezeichnung des „Unbewussten“ als „Kraft“ bei Freud (Henry 2011: 180) nicht gesehen.

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Psychoanalyse in Anschlag gebracht worden ist, um seine bedrohliche destruktive Dimension verkürzt. Vor allem die neuen „populistischen“ Bewegungen wenden sich „gegen alle Vermittlung durch Institutionen“ und tragen damit letztlich zu einem „Kult des Privaten“ bei, der den Einzelnen in „seiner“ Meinung bestätigt – gegen die Entfremdung durch Institutionen (Saint-Victor 2015: 22, 28).

d) „Rechtsästhetik“ (Fischer-Lescano) als Denken des Rechts vom „Ereignis“ her? Auch die neuere Version der „Rechtsästhetik“ (Fischer-Lescano 2015) situiert sich in einer gegenwärtigen Tendenz der Philosophie, an die Stelle des Bezugs auf die Handlung oder Regeln die Beschwörung eines unpersönlichen emergenten „Ereignisses“ zu setzen, das alles „umstürzen“ kann (Guéguen 2015: 79, 85; auch Deleuze 1969: 34) – das ist m. E. auch das Wesen der „Kraft“ bei C. Menke.40 Das „Andere“ ist durch die Kunst- und Versammlungsfreiheit wieder in das Recht einzuführen, allerdings auch mit den sich aus diesen Grundrechten ergebenden Beschränkungen. Diese Grundrechte ermöglichen nicht nur die Findung von „Themen“, die in den um den Staat zentrierten Entscheidungsprozess eingebracht werden können (vgl. Ladeur 2015: 97), sie erlauben es auch nicht nur, die Veränderung der Variationsbreite der Möglichkeiten zu vergrößern, sondern auch einen Effekt der „Verfremdung“ der Ordnungsmuster („defamiliarization“, Boym 2012: 225) in Gang zu setzen. Unmittelbar im Prozess des Rechts lässt sich das unkalkulierbare „Ereignis“ nicht in Anschlag bringen, aber als Irritation durch das Neue, das Unverstandene. Wie noch zu zeigen sein wird, ist das Verstehen des Rechts, das durch einen von der stabilen Norm bestimmten Horizont orientiert worden ist, mehr und mehr von einer Bewegung zur „Konkretisierung“ des Rechts abgelöst worden. Das Recht hat notwendigerweise ein praktisches Weltverhältnis. Wenn die praktische Welt sich verändert, verändert sich auch der Horizont, innerhalb dessen (Rechts-) Sinn erzeugt wird (vgl. allg. Shuster 2015: 1074). Dies ist m. E. selbst eine juristische Variante des Denkens vom Ereignis her, das „einzig“ ist (B. Robinson 2015: 502; allg. Derrida 2003) vom Ereignis, das eine Situation, eine „Fallkonstellation“ so „rekonfiguriert“, dass die geschehenen Fälle nicht mehr dazu geeignet sind (jedenfalls nicht mehr in vollem Umfang), das Reservoir der Interpretationsmöglichkeiten darzustellen, die eine Kontinuität des Verstehens der neuen Fallkonstellation gewährleistet (ohne Bezug auf das Recht: Romano 1999: 296). Das „Differenzierungsgeschehen“ (K. Meyer-Drawe), das die Systemtheorie (hier im Einklang mit der Psychoanalyse; vgl. Lacan 2015: 27) beobachtet, ersetzt oder „vernichtet“ (Finkelde 2015: 132) notwendigerweise „die Wirklichkeit in ihrer 40 Hier böten sich Anschlüsse an Spinozas Begriff des „conatus“, der „Anstrengung“, an (vgl. Atlan 2003: 230 f.), der die irritierende „Verschleifung“ von Körper und Geist zur Geltung bringt.

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III. „Law as Culture“

begriffslosen Absolutheit“, um darüber den Weg zu einer „symbolabhängigen Erkennbarkeit“ zu bahnen, dabei aber niemals das „Ganze“ erfassen kann. Dies bleibt immer „opak“. Deshalb ist es wohlfeil auf das abgeblendete „Feld der Gefühle“ zu verweisen –zumal wenn dieser Verweis in nichts als einem Raunen von einer „Rechtskraft“ besteht, die gegen die „symbolabhängige Erkennbarkeit“ der Welt des Rechts zur Geltung gebracht wird. Dies ist symptomatisch für eine Kritik, die sich auf kein Allgemeines mehr beziehen kann und dabei auch den Staat als eine der Instanzen des Aufrufs zur Anerkennung eines Anderen, das das Subjekt erst konstituiert (Lacan 2015: 27; Finkelde 2015: 89 f.), unter der Hand als Sozialstaat zum Subjekt der Anerkennung einer Vielzahl von einzelnen anderen (mit ihren eigenen Gefühlen) transformiert hat. Der Aufstieg des Gefühls als „Sozialisationsinstanz“ führt zu einer problematischen Projektion von Erwartungen auf den Staat: Die oben beschriebene Außerkraftsetzung der Regelorientierung durch den Sozialstaat findet ihren Niederschlag in der Projektion widersprüchlicher und schon deshalb unrealistischer Erwartungen auf den Staat. Das Spannungsverhältnis innerhalb der Grundrechte spricht auch nicht gegen „soziale Rechte“, aber vor allem gegen den Mechanismus der umfassenden Reflexivität des Sozialrechts, das überall eine Verantwortung des Staates für einen „Versicherungsfall“ sehen kann (vom Lohnrisiko zur Kompensation für „schlechte Leistungen“ in der Entwicklung der eigenen Person bis hin zum traumatisierten „Widerstand“ gegen Hilfe als Gerechtigkeitsproblem). Die wohlmeinende Verwandlung des Subjekts der Gesellschaft in dessen Opfer lässt die „Kraft“ der Helfer im Dunkel. Damit werden neue komplexe Kausalitäten aufgenommen, auf die das Recht schlecht vorbereitet ist – wenn dies überhaupt mit dem Recht kompatibel ist, das immer mit einer Fähigkeit zur Selbstabstraktion von Traditionen oder neuen faktischen Abhängigkeiten rechnen muss – und deshalb keine (gerechten) Zustände gewährleisten kann. Die schematische Entgegensetzung der Freiheit des Individuums und der Vorstellung des (Rechts-)Gesetzes als Grenze dieser Freiheit hat die Bedeutung der nicht-rechtlichen Regeln als Träger des sozialen Gedächtnisses (Kaufmann 2008: 80 f., 88 f.; Revault d’Allonnes 2006: 250 ff; Ladeur 2007a: 391) und damit die kollektive Dimension der Grundrechte zurücktreten lassen – und in der postmodernen Gegenwart in der ahistorischen individualisierenden Form der sozialen Rechte auf Anerkennung und Hilfe zur Identitätsbildung der Individuen in Anschlag gebracht (Rey 2006). Der amerikanische New Deal hat sich auch in seiner experimentellen Veränderung des liberalen Modells gerade dort als produktiv erwiesen, wo er durch neue Institutionen (basale Sozialversicherung, Finanzmarktkontrolle etc.) mehr Optionen für Arbeitnehmer wie Arbeitgeber geschaffen und nicht unmittelbar „Armut“ bekämpft hat (Kennedy 2009: 251, 254). Das Personal des (post-)modernen Sozialstaats lebt ideologisch immer noch von der Kultivierung des Bildes vom Samariter, der sich selbstlos den Armen zuwendet. Dass die Betreuer im Sozialstaat längst ein politisches und ökonomisches Eigen-

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interesse verfolgen, das nicht mit dem Interesse der Betreuten identisch sein muss, wird kaum thematisiert. Der Sozialstaat hat es verstanden, alle an ihn adressierten Fragen nach seinen Wirkungen als Infragestellung abzuweisen (am besten als „neoliberal“). Er lässt keine Frage zu, er kennt nur eine Antwort, und die heißt „Mehr!“ Die Untersuchung der Wirkungen und Nebenwirkungen des Sozialstaats ist schon mehrfach gefordert worden (vgl. zuletzt F. X. Kaufmann 2015: 6), erfolgversprechend ist dies nicht. Dabei kann es gar nicht darum gehen, den Sozialstaat herauszufordern, sondern es müsste danach gefragt werden, wie ein stark ausgeweitetes System, das „ohne Blaupause“ entstanden ist, ein „angemessenes Bild seiner selbst“ gewinnen kann (F. X. Kaufmann 2015: 6). Nicht zuletzt geht es um die Interessen der „Armen“ selbst. Hier wäre zu berücksichtigen, dass auch im Zivilrecht die Steigerung der Ungewissheit der pluralen Welt der Möglichkeiten zu einer Praxis des kontraktuellen „Designs“ in „Echtzeit“ geführt hat (vgl. unten Gilson/Sabel/ Scott 2009; 2014), d. h. der offene Rahmen des Vertragstexts wird „kontextuell“ beobachtet und ständig an wechselnde Bedingungen angepasst. Man kann eher davon sprechen, dass Verträge die wechselseitige Beobachtung der Operationen „kanalisieren“, die unter dem Vertragsdach koordiniert werden müssen (vgl. dazu auch Wielsch 2013a: 194). Dies könnte auch ein Referenzmodell für die soziale Hilfe sein. Auch in der Verwaltung muss dieses Problem des Handelns unter sich wandelnden Bedingungen viel komplexer als mit der Frage nach dem Handeln unter Ungewissheit beantwortet werden: Und auch hier könnte das Verwaltungsrecht vom Zivilrecht lernen. Es wäre daran zu denken, jenseits der Bindungen der Territorialität der Zuständigkeiten komplexe Verwaltungsaufgaben sehr viel stärker zu koordinieren und in einer Art „joint administration“ zu führen, die erheblich mehr strategisches Potential entwickeln könnte, indem sie Sachverstand bündelt und gemeinsam nutzt. Die sich herausbildende „kontextuelle Rationalität“ (Sabel u. a. 2012) des Vertragsrechts [s. u.] wäre auch im Verwaltungsrecht zu berücksichtigen und durch eine zwischen Verwaltungen koordinierte Durchführung und das gemeinsame Monitoring komplexer Verwaltungsaufgaben (insbesondere des Sozialstaats) zu realisieren. Für diese Zwecke könnten gemeinsame Datenbanken aufgebaut werden, die Nutzung für das Monitoring ex post oder in „Echtzeit“ erlauben. Die Nutzung von Big Data scheint die Möglichkeit der engen Verknüpfung von Handlungs- und Kontrollwissen zu eröffnen. Vor allem ist aber davon auszugehen, dass die Theoriebildung immer hinter der Variabilität der Praktiken her hinkt. Deshalb muss vor allem die Beobachtungsleistung der Verwaltung ex post verbessert werden. Vor allem wäre in interdisziplinäre Perspektive nach der Bedeutung von Wissen und Nichtwissen einschließlich der strategischen Verhüllung von Nichtwissen zu fragen (Ladeur 2014: 103) – auch dies müsste eine interdisziplinäre Aufgabe für die Rechts- und Sozialwissenschaften sein. In der Rechtswissenschaft dominiert in dieser Hinsicht ein faktenblinder Normativismus, der sich am liebsten auf Art. 1 Abs. 1 GG (Menschenwürde) stützt (BVerfGE 125: 175 – Hartz IV). In den USA und Frankreich hat sich eine theoretische Diskussion um „care“ (Paperman/Laugier

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III. „Law as Culture“

2011) als Widerlager der liberalen Freiheitsrechte entwickelt, die in Deutschland in der Rechts- und Politikwissenschaft kaum Resonanz findet. Stattdessen entwickeln sich problematische Überlegungen zum „Gefühl im Recht“ (Hensel 2013: 69), die die Eigenrationalität des Rechts vollends unterlaufen würden, wenn sie Aussicht auf Verbreitung hätten.

5. Der Zerfall der „Einheit der Rechtsordnung“ als Problem der gesellschaftlichen Selbstorientierung Auch die verschiedenen Erscheinungsformen der Überkomplexität des Rechts und seiner Bewältigung durch Aufgabe des Anspruchs auf Erhaltung der „Einheit der Rechtsordnung“ (Felix 1998), ein Topos, der ebenfalls auch der kognitiven Selbstorientierung des Rechts durch Erhaltung multipler Anschlussmöglicheiten für neue Rechtskonstruktionen dient, wären ein Gegenstand der rechts- wie der politikwissenschaftlichen Beobachtung. Dieses Phänomen ließe sich in der Terminologie des Bremer SFB auch als „Ausfransung“ des staatlichen Rechtssystems beschreiben. Das Recht leistet seinen Beitrag zur Erhaltung der kulturellen Selbstorientierung der gesellschaftlichen Akteure, indem es Sinn auch jenseits der einzelnen Rechtsakte und Zurechnungen erzeugt und das Erleben gesellschaftlicher Erfahrungen als rational geordnet und konsistent erlaubt (Rosen 2006: 170 f.). Das Recht stabilisiert nicht unmittelbar Erwartungen von Individuen, sondern primär die Möglichkeit der Bildung von Erwartungen als Voraussetzung des strukturierten Lernens und der Bildung von Erfahrung (Lefebvre 2008: 15). Entscheidungen von Individuen und Organisationen folgen nicht primär einem rationalen Kalkül von Interessen und Ressourcen, sondern bilden sich auf der Grundlage von „collective digests of acquired experience – i. e. rules – and by ,devices‘ which refer to cases where such rules are temporarily or lastingly inscribed in particular objects and, more generally, to all objectifications of conventions“ (Reynaud/Richebé 2009: 3, 8 f.). Eine staatliche Erscheinungsform der Pluralisierung des Rechts ist von der Evolution des Rechts bestimmt: Der „Rechtsstaat“, der den Staat des klassischen Liberalismus geprägt hat, hat sich in den letzten Jahrzehnten grundlegend verändert. Dieser Wandel hat dem Staat einen großen Teil seiner Stabilität genommen41, zugleich aber seine Handlungsformen und -möglichkeiten erheblich vermehrt. Vor allem der Übergang vom Interventionsstaat, der die Selbstorganisation der Gesellschaft, ihre spontane Normbildung, ihre „soziale Epistemologie“ als Normalitätsrahmen vorausgesetzt und darauf die Konturierung des Verwaltungsakts als (primär) Störungen als Abweichungen von der sozialen Norm bezogen hatte, zum modernen Leistungs- und Steuerungsstaat (Franzius 2006: 335; zur Kritik Lepsius 1999; 41 Die „Stabilität“ des Rechtsstaats ist allerdings ihrerseits zunächst Gegenstand politischer Kontroversen gewesen – die Konfliktualität ist in den Begriff des Normalitätsrahmens von vornherein impliziert, vgl. historisch Ogorek (2008: 210).

6. Die „Historisierung“ der Grundrechte

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I. Augsberg 2009: 11) und schließlich zum postmodernen „Gewährleistungsstaat“ (Schuppert 2008: 325; Wahl 2006: 83) hat auch die Rechtsstaatlichkeit so grundlegend verändert, dass man den Begriff des „Rechtsstaats“ kaum mehr als übergreifenden Begriff für die Beschreibung einer Vielzahl heterogener Rechtsphänomene benutzen kann. Auch hier stellen sich neue Probleme in einer Rechtsstruktur, die nicht mehr den Eindruck von Einheit und Homogenität sondern der Hybridisierung der Konstruktionen (die bisher Unvereinbares miteinander verknüpfen) und der Pluralität der Rechtsordnung erzeugen (nicht nur auf der Ebene der Globalisierung sondern auch innerhalb des staatlichen Rechts). Dieser grundlegende Wandel ist durch die „Konstitutionalisierung“, d. h. durch die scheinbare Kontinuität der Grundrechtsbindung („Ergänzung“ der abwehrrechtlichen Funktion der Grundrechte um weitere „Dimensionen“ (objektiv-rechtliche, Leistungsdimension, Schutzpflichten, vgl. Wahl 2006: 35 f.) in der Rechtswissenschaft überspielt worden, dies gilt vor allem für den Wandel der „sozialen Epistemologie“: das Wissen des Staates nimmt in einer neuen Form den Vorrang vor dem in der Gesellschaft durch Selbstorganisation aggregierten Wissen an. Der Staat wird damit letztlich selbst zum „Grundrechtsträger“ und nimmt damit eine Stellung ein, von der er nach den klassischen rechtsstaatlichen Vorstellungen grundsätzlich ausgeschlossen war.

6. Die „Historisierung“ der Grundrechte Die Entformalisierung des Staatlichen spiegelt sich auch in der von M. Gauchet (1979: 451) sog. Historisierung der Grundrechte wider: Die Verfassung der Gesellschaft der Organisationen löst sich von den Vorstellungen einer weitestgehend nicht verrechtlichten, aber stabilen Verfassung der „Gesellschaft der Individuen“, die eher die Rolle einer politischen Verfassung hat, und wird zum Bezugsrahmen für staatlich-öffentliche Metastrategien der Erhaltung einer „Kollisionsordnung“, die mithilfe des Rekurses auf variable, kompatibel zu haltende Werte (Prinzipien) im Einzelfall praktische Strategien von Organisationen und Gruppen aufeinander abzustimmen sucht und deshalb keine klare Trennung von Normativität und Faktizität zulässt.42 Sie überschreitet auch die Grenze zwischen öffentlichem und Privatrecht und postuliert die Privatrechtsgeltung der Grundrechte. Es verdient hervorgehoben zu werden, dass die erste, auf C. Schmitt (1931/1973: 148) zurückgehende Variante der Konstitutionalisierung der Rechtsordnung in der Weimarer Republik primär auf die Absicherung eines Bestandes älterer zentraler gesetzlicher Normen als Gegenstände von „Institutsgarantien“ (Eigentum) bzw. „institutionelle Garantien“ (öf42 M. de Certeau (1990: 218) hat mit Recht die Auffassung vertreten, dass der „normative Diskurs“ nur funktioniert („marche“), wenn ihm eine „Geschichte“ („récit“) vorausgeht, die sich „auf etwas Reales bezieht und in seinem Namen spricht“ („articulé sur du réel et parlant en son nom“).

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III. „Law as Culture“

fentlich-rechtlich) gegen ihre Veränderung durch den späteren (Weimarer) Gesetzgeber zielte. Diese Variante der Verfassungskontrolle von Gesetzen lässt erkennen, dass es keinen festen Bestand von höherrangigen Normen geben kann, an den die „einfachen Normen“ auf konsistente Weise (deduktiv) auf ihre Konformität geprüft werden könnten (dazu allg. Descombes 1996: 289). Es geht eher um die Einführung eines Moments der praktischen Rationalität (Descombes 1996: 289) in das Verfassungsdenken, das hier auf die (praktisch) „bewährte Eigentumsordnung“ verweist. Durch die zweite Variante der Konstitutionalisierung (vgl. auch Schuppert/ Bumke 2000), die sich nach dem 2. Weltkrieg entwickelt, wird der symbolische Primat der expliziten dauerhaften Ordnung des Rechts und der politischen Repräsentation (der durch die Stabilität der impliziten Erfahrungsordnung abgestützt wird) sowie das Denken in stabilen Grenzbegriffen (insbesondere die Unterscheidung von Öffentlichem und Privatem) in Frage gestellt durch die dynamische Selbsttransformation der implizit-instituierten Ordnung der Faktizität im Medium der Organisation, deren Entscheidungen weder ex ante als bloße Dauervariation stabiler Muster beobachtet werden können noch ex post die Erwartung einer „Generalkompensation“ (C. C. v. Weizsäcker) der Folgen der liberalen Ordnung durch spontane Anpassung der Gesellschaft begründen. W. Benjamin hat diesen Formwandel schon in den 20er Jahren des 20. Jahrhunderts als Übergang zur transsubjektiven „Gruppierung“ von Individuen und Interessen durch Gesellschaft und Staat bezeichnet. Man könnte dies als prospektive Historisierung bezeichnen, ein „plastisches“ Denken (Malabou 2005), das die faktische Veränderung der Bedingungen der Grundrechtsausübung beobachtet und anhand der Gesichtspunkte der Verhältnismäßigkeit und materialisierter Grundrechte bewertet.

7. „Zerfaserung“ des Staates? Die beschriebenen Phänomene lassen sich mit dem Terminus „Zerfaserung“ durchaus angemessen beschreiben (Leibfried/Zürn 2006: 11, 12 f.). Privatisierung und Globalisierung haben nicht die Zahl der staatlichen Aufgaben verringert, sondern sie im Gegenteil einerseits vermehrt, andererseits aber die „soziale Epistemologie“ des staatlichen Handelns, die kognitiven Voraussetzungen und Erwartungen der staatlichen Gesetzgebung erheblich komplexer werden lassen. Dies lässt sich am Beispiel der Veränderung des allgemeinen Gesetzes zeigen: die Allgemeinheit des Gesetzes zeigt sich nicht primär an der Allgemeinheit des Adressatenkreises, sondern vielmehr daran, dass diese Gesetzesform die Allgemeinheit der Regeln der Selbstorganisation der Gesellschaft voraussetzt: es zieht die Schranken, die dem allgemeinen Nutzen der bürgerlichen Freiheiten und der Selbstkoordination der Bürger durch die selbstorganisierten Verkehrsregeln zur Durchsetzung verhelfen (Jaume 2000). Die modernen und postmodernen Formen der Gesetzgebung zeichnen sich demgegenüber nicht zuletzt dadurch aus, dass sie mehr und mehr die Verwaltung als ihren Adressaten haben (Jaume 2000: 343, 353 f.). D. h. das von der Verwaltung

7. „Zerfaserung“ des Staates?

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verfolgte Interesse stützt nicht mehr die soziale Selbstorganisation und die spontane Koordination durch gesellschaftliche Regeln ab sondern zielt darauf, diese Regeln zu verändern oder die Verfolgung selbstgesetzter Ziele des Staates zu ermöglichen. Dies ist das Element der Staatsbeschreibung, das im Bremer SFB „Staatlichkeit im Wandel“ als „Interventionsstaat“ beschrieben wird. Es wird noch zu zeigen sein, dass diese Veränderung des Staates auch die Veränderung der kognitiven Infrastruktur des Staates voraussetzt. Die Eingriffstiefe steigt und wird zugleich von den neuen Ressourcen privater Akteure abhängig, die durch den Aufstieg der Organisationen erzeugt und verfügbar werden – die mehr und mehr die Adressaten staatlichen Handelns werden. Die Stabilität der Organisationen (große Unternehmen), die ihre Umwelt strategisch überdeterminieren (anders als ein kleines Unternehmen). Dies gilt etwa für die Sozialgesetzgebung, aber auch für die Gesetzgebung zur Regulierung von Technologien und die Generierung der dazu erforderlichen Wissensinfrastruktur (zu den Grenzen der Ökonomisierung rechtlicher Regulierung der Umweltnutzung Perez 2008). Während die normalisierende Infrastruktur des Rechts, die aus Konventionen und spontan erzeugten Regeln bestand, zunächst in privaten Normierungen (allgemein anerkannten Regeln der Technik oder des Bauens) existierte, ein Phänomen, das auch als „club government“ bezeichnet worden ist (Moran 2003: 33 f.), hat sich später als Form der privat-öffentlichen „Regulierung“– wiederum in mehreren Abstufungen (Selbstregulierung, regulierte Selbstregulierung, staatliche Regulierung) – entwickelt, die von vornherein auf einer Kooperation zwischen dem Staat und großen Organisationen basierte (Ogus 2009, 337). Diese Kooperation ist ganz unvermeidlich in einer liberalen Gesellschaft, wenn die Selbstorganisation der Teilsysteme der Gesellschaft in Grundrechten gewährleistet wird (vgl. schon Luhmann 2009; Willke 1975) und das in den Teilbereichen erzeugte Wissen zunehmend fragmentiert und deshalb dem Staat nur beschränkt zugänglich ist. Daraus ergibt sich ebenfalls ein Einwand gegen die gängige Konzeption der Abwägung, die Kreativität und Selbstorganisation der Teilbereiche der Gesellschaft vernachlässigt. In die Grundrechte ist zur Abstützung ihrer Freiheitsgewährleistung ein System von Vermutungsund Beweisregeln eingebaut, das die Fähigkeit der Gesellschaft zur Bewältigung sozialer Risiken zur Geltung bringt. Das Modell der Abwägung überspielt dieses subtile Regelsystem, indem es dem Staat (als Gericht) weitgehend die Bewältigung von Ungewissheit als Kompetenz zuweist, eine Kompetenz, die sich zugleich als in der Notwendigkeit der Abwägung basiert auszuweisen versucht (kritisch Kommers/ Miller 2012: 67). Das Abwägungsdenken ordnet sich ein in einen – in der Philosophie vielfach diskutierten – Übergang von der Orientierung an der „Handlung“ des Subjekts zum „Ereignis“, das „uns erwartet“, das das Subjekt selbst verändert, dezentriert, „as cognitive surprise“ (Goh 2015: 163). Wo Ich war, soll es sein: „… open to what arrives“ (Goh 2015: 7, auch 85). Das unpersönliche „Ereignis“ steht im Gegensatz zur regelhaften „Interiorisierung der Welt“ durch das Subjekt, die auch eine Voraussetzung für die Normativität des Rechts war (Guéguen 2015: 85). Voraussetzung

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III. „Law as Culture“

dafür war die Unterscheidung einer Welt aus Tatsachen und Kausalitäten – deren Konstruiertheit jedenfalls aus der Sicht des Rechts keiner Entlarvung bedarf. Das Recht operiert mit praktikablen Fiktionen, deren Praktikabilität sich verändert und sich nur in Grenzen beherrschen lässt, weil sie jeweils das Andere der Fiktion ausblendet, ohne dass es deshalb verschwände. Das „Ereignis“ konstituiert dagegen selbst das Subjekt, das infolgedessen seine Einheit einbüßt. In der Philosophie des Poststrukturalismus erhält das Ereignis selbst einen fast mystischen Charakter, weil es auch (wegen seiner Offenheit, jenseits der Regeln) einen umstürzenden emergenten, kreativen Charakter haben kann (Guéguen 2015: 85, 89), der sich gegen die brüchig werdende Ordnung selbst wendet. In umgekehrter, „systemstabilisierender“ Richtung führt die Abwertung der Handlung und der zu befolgenden Regel zu einer situativen „Verstrickung“, zur Emergenz einer (nicht mehr hierarchisch geordneten, sondern heterarchisch verknüpften „Reihe“ („série“) von Ereignissen, die insbesondere durch den Staat moderiert werden, zu einer Art regeladäquater Ordnung (vgl. auch Benza/Fassin 2002: 5 ff.).43 Die „Reihe“ ist eine lockere Form der Verknüpfung von Fällen, Operationen, Mustern, die die Ordnungsbildung sehr viel stärker durch das Experiment, das Ausprobieren von Relationen zwischen singulären Ereignissen bestimmt. Dies ist eine Herausforderung, weil die Relationen ohne festen Bezugsrahmen gedacht werden müssen (Martin 2016: 43) – ohne eine stabile, doch Orientierung versprechende Fiktion. Es ist dies das „singulier pluriel“ (G. Deleuze), das ohne Referenz auf eine Idee der Universalität eine Art Ordnung ermöglichen muss. ***

Exkurs: Die „Kritik der Rechte“ (C. Menke) Die praktische Operationsweise des Rechts, insbesondere des subjektiven Rechts, kommt etwa in der Kritik bei C. Menke (2015: insbes. 176, 200) zu kurz. Insbesondere die Vorstellung, dass das „bürgerliche Recht“ das „Gegebene als das Eigene des Subjekts“ verstehe (176, H. i. O.), verfehlt die „Tradition der Artifizialisierung“ des Rechts (Thomas 1998: 104). Die Setzungen des Rechts setzen keine „Logik“ in Gang, die sich das „Gegebene“ unterwirft, sondern sie nehmen (Unter-)„Scheidungen“ (Steinhauer 2015) vor, mit denen auch das Subjekt als „premier par rapport au tout“ (Thomas 1993: 22) fingiert wird, weil nur so das Neue, der Wandel, gedacht und provisorisch mit Blick auf das Handeln „geordnet“ werden kann – nicht weil das Subjekt tatsächlich dem sozialen Zusammenhang vorgeordnet wäre. Deshalb betreibt das neuzeitliche Recht auch keine „Legalisierung des Natürlichen“ (Menke 2015: 33)44, sondern ist (historisch) vor allem auf das Funktionieren des „Mediums“ 43

Dieses Motiv glaubt J. Greisch (2001: 89) auch bei Heidegger zu finden. Vgl. zur „Naturalisierung der Welt“ aber näher S. 140 f.: dort wird ein Problem des „natürlichen Wollens“ darin gesehen, dass es „ein unbestimmtes oder maßloses Wollen“ ist. 44

Exkurs: Die „Kritik der Rechte“ (C. Menke)

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der Stadt bezogen, die alles andere als einen „natürlichen“ Charakter besitzt. Das Subjekt, und zwar auch das Rechtssubjekt, ist ein historisch voraussetzungsvolles Konstrukt, das sich aus unterschiedlichen Quellen speist und eher ein „réseau de termes“ bildet, das sich nur auf die Gefahr der ahistorischen Verkürzung auf eine „Wesen“ festlegen lässt (de Libera 2007: 59). Die Abstraktion des Subjekts, die sich erst allmählich historisch herausbildet, hat ihren „Grund“ gerade in der Vielzahl und Unterschiedlichkeit der Identifikationsobjekte, mit denen es sich auseinandersetzen muss (Benslama 2009: 61). Darin ist zugleich die Notwendigkeit eingeschrieben, „Widerstand“ gegen „vorgegebene Normen“ zu leisten, weil sonst keine Individualität aufgebaut werden könnte (Malabou 2016: 31). Freiheit bedeutet notwendigerweise Entfremdung („defamiliarization“, Boym 2012: 225) – von der Tradition, die das „Eigene“ fest fügen kann. Das hat auch notwendige Auswirkungen auf die „Sittlichkeit und Autonomie des Wollens“ (Menke 2015: 201): Alle Ordnungssysteme, die die Zentralität des Sittlichen unterstellen, müssen den Wandel des Faktischen begrenzen, weil es keine Stabilität der Sittlichkeit ohne Stabilität des Faktischen geben kann.45 Als Beispiel dafür ist oben das islamische Recht genannt worden, das keine Vertragsfreiheit im Sinne des römischen Rechts anerkennt. Wenn Menke annimmt, „… das sittliche Wollen vollzieht sich nicht im Individuum, sondern zwischen ihm und dem Sozialen“, so ist dem zuzustimmen. Nur konnte „das Sittliche“ weder in der Vergangenheit, noch kann es in der Gegenwart von den etablierten Praktiken absehen (vgl. Atlan 2003: 39 f.), zu denen die Philosophie nur begrenzten Zugang hat. Und: „Zu wollen heißt, etwas Gutes zu wollen – darin ist das Wollen ein Urteil –, und etwas Gutes zu wollen heißt, sich an Gründen zu orientieren; darin ist das Wollen mit dem Überlegen verbunden“ (Menke 2015: 201 – H.i.O.). „Dem individuellen Eigenwillen“ liegt ein „Akt der Abstraktion“ zugrunde: „der Eigenwille“ des Rechtssubjekts „will, ohne sich um das Gut- oder Schlechtsein des Gewollten … zu sorgen“ (201). Das trifft durchaus (zum Teil) den Kern des subjektiven Rechts – aber eben nur zum Teil: Die Abstraktion des Subjekts bezieht sich auf die Stabilität der Tradition und infolgedessen auch auf die Bindung an eine tradierte Sittlichkeit, aber eben auf die Tradition als das faktisch Gegebene, das, was man getan hat und wie man es getan hat. Ohne die Unterstellung einer natürlichen, letztlich gottgewollten Ordnung der Welt gibt es keine substanzielle Sittlichkeit. Das sollte aber eine Kritik nicht einfach übergehen. In der städtischen Lebenswelt sind die Zwecke immer nur unvollständig formulierbar (und ebenso die sittlichen Regeln). Das liegt daran, dass man auf das Unbestimmte der Wenn man dies auf das subjektive Recht bezieht, ist wieder daran zu erinnern, dass die Grenzenlosigkeit des Wissens der Stadt die Lebensformen der Neuzeit prägt, andererseits aber immer wieder „Ordnung aus dem Chaos“ (I. Prigogine/I. Stengers) generiert wird, indem die Veränderungen nach der Möglichkeit der Stabilisierung von sich selbst organisierenden „protonormativen“ kognitiven Mustern abgesucht werden, aus denen neue „maßhaltende“ Normen gewonnen werden können. Dies mag im Einzelnen schlecht funktionieren – aber was wäre die Alternative dazu? 45 Vielleicht wäre es auch sinnvoll, zu spezifizieren, was eigentlich eine „Sittlichkeit“ wäre, die unter Bedingungen der Komplexität des Wissens denkbar wäre.

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permanenten Unruhe in der Gesellschaft nur dadurch reagieren kann, dass man sich auf den Wandel der Regeln und der Regelmäßigkeit einstellt. Hier lässt sich in Anlehnung an eine Formulierung W. Röslers (1980: 317) von einer „konstitutiven Leere“ der Subjektivität sprechen, die ständig durch variable „Projektionen“, das Ausprobieren des Neuen, der Möglichkeit jenseits des Wirklichen besetzt werden muss.46 Das ist die Abstraktionsleistung des Rechtssubjekts: Wenn man sich beim Handeln, bei der Formulierung von Zwecken vollständig an „Gründen“ orientieren würde, wäre man nicht mehr handlungsfähig. Deshalb folgt die Formulierung von Normen nach „Gründen“ im Habermasschen Sinne (ebenso nach R. Forst) einer Rationalität, die vom „Gewimmel“ der praktischen Handlungen der (Rechts-)Subjekte getrennt ist. Praktisches Wollen und Handeln der Rechtssubjekte erfordert gerade die Intuition für die Veränderungen, die nicht in „Gründen“ auszudrücken sind, die zunächst unbewusst bleiben und erst im nachhinein Muster erkennen lassen. Andererseits bedeutet die Freiheit des Wollens des Rechtssubjekts, dass es von der Beobachtung bestimmter Konsequenzen freigestellt ist – das bedeutet allerdings nicht, dass dies nicht zu kompensatorischen Interventionen oder Interpretationen in Zukunft führen könnte (und sollte). Das Rechtssubjekt ist ein Produkt der Stadt, nicht des Staates. Deshalb ist auch das Subjekt – wie die Stadt – ein „foyer de convergence de champs de forces et de processus intriqués“ (vgl. für das Subjekt allg. Atlan 1999: 218). Die kritische Philosophie des (Rechts-)Subjekts hält ihr Wissen von der Realität für die Realität selbst und begeht damit erst den Fehler, den sie dem Subjekt vorhält, das glaubt, seine Wirklichkeit als „Objekt“ vor-stellen zu können (vgl. Descombes 1988: 123; Henry 1988). Erst die Kritik hat diesen Zugang zur „Wirklichkeit“. Der „Eigenwille“ des Rechtssubjekts ist auf dem Papier des Gesetzes eine leere Hülle: Das reale Rechtssubjekt muss sich auf die „ek-stasis of the world“ (vgl. Henry 1988 – dort zum Subjekt im Allgemeinen) einlassen, sonst ist kein „Eigenwille“ möglich. Der reale „Eigenwille“ wird durch die Aneignung der Erfahrung der anderen möglich – und nur durch sie. Und die Erfahrung ist ein Produkt der aktiven Veränderung der Welt, die dem (Rechts-)Subjekt als erfahrbare, und d. h. als wiederum veränderbare entgegentritt. Dazu bedarf es des Aufbaus von „kognitiven Schablonen“ (Ph. Descola), die die reflektierende Sprache verschwinden lassen, weil sonst kein experimenteller operativer Zugang zur Welt möglich ist – die ihrerseits durch die Kultur beweglich geworden ist. Genau in diese Lücke zwischen der Unvollständigkeit der Erfahrung, den „losen Enden“ des Wissens, und des „ek-static opening“ (Henry 1988) der Welt, das nur unvollständig erfahrbar ist, operiert der „Eigenwille“ des Subjekts, der fiktiv, ja, unmöglich ist, aber dennoch einen überschießenden Effekt der Veränderung, des Neuen, hervorruft – wenn die Kultur be46 Bei Rösler selbst wird dies auf die „Text-Leser-Konstellation“ im Unterschied zur kulturellen Situation einer „illiteraten Gesellschaft“ bezogen, in der das Spektrum der Möglichkeiten durch das bestimmt wird, was „Bedeutung behält“, nicht das, was Bedeutung konstruiert. Dies lässt sich aber durchaus mit der Offenheit des (Rechts)Subjekts vergleichen. Die „Entdeckung der Fiktionalität in der Antike“ (so der Titel des zitierten Aufsatzes) steht in einem engen Entsprechungsverhältnis zur „Fiktionalität“ des Rechtssubjekts, die die tradierten „Bedeutungen“ durch die Ermöglichung von Experimenten erweitert.

Exkurs: Die „Kritik der Rechte“ (C. Menke)

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weglich geworden ist und durch die Vielzahl und Vielfalt der Betätigung der „Eigenwillen“ eine produktive Unruhe erzeugt wird. Dass die Zuerkennung von „Quasi-Rechten“ (Ober 2007: 25; 2015: 16) an die athenischen Bürger eine ungeheure Bedeutung als Beginn der kollektive Entwicklung von wirtschaftlicher und kultureller Diversität und Individualität hatte (Juranville 2010: 240), spielt offenbar keine große Rolle. Ohne diese Diversität durch (Proto-)Recht hätte es überhaupt keine Ausdifferenzierung des „Einzelnen“ gegeben. Andererseits ist es voreilig, für das griechische Recht anzunehmen, dass sich dort schon ein Subjekt herausgebildet habe, dass in seinem Willen durch „ein Sich-durchsich-Affizieren“ konstituiert sei (Deleuze 1987: 141; auch Balke 2009: 201 f). Das „griechische Subjekt“ war noch stark von der Familie und der Gemeinschaft bestimmt47; und allgemein lässt sich annehmen, dass das Subjekt nie ganz „auf sich selbst bezogen“ ist. Es ist immer eine Figur, die in der Abstraktion vom Gegebenen auf etwas anderes, allerdings ein weniger fest konturiertes Anderes als die Tradition verweist. Diese Differenzierung ist wichtig deshalb, weil das griechische „Protosubjekt“ sich nicht nur noch nicht von dem Anderen der Familie emanzipiert hat, sondern weil jedes Subjekt auf ein historisch wandelbares, aber nicht hintergehbares „Anderes“ verwiesen ist. Das Subjekt ist immer eine gesellschaftliche Figur. Die gegenteilige Annahme beruht auf einem Begriffsrealismus, der bestimmte Formen jenseits des „Gewimmels“ (L. Wittgenstein) der historischen Ereignisse und Verknüpfungen sich nach ihrer eigenen begrifflich bestimmten Logik entfalten sieht. Was C. Menke (2015: 200) den „Eigenwillen“ des Subjekts nennt, ist nichts anderes als das immer wieder neue Experimentieren mit den „losen Enden“ der nur unvollständig zu bestimmenden Zwecke und Mittel des Handelns. Man könnte hier die Primärebene der Entstehung des subjektiven Rechts unterscheiden, auf der sich die transsubjektive Leistung des subjektiven Rechts aggregiert, die im Interesse auch der „anderen“ erbracht wird, weil sich daran wieder neue Möglichkeiten anschließen lassen und die dadurch ermöglichte und ins Werk gesetzte Kreativität in Gang gehalten wird (Juranville 2010: 240). Dies ist die Grundlage der Freiheit zur Gestaltung einer rechtlichen Operation (z. B. eines Vertrages). Insbesondere hier besteht auch eine begrenzte Kontrolle der Einlösung dieser transsubjektiven Funktion, z. B. am Maßstab der „guten Sitten“, der Anforderungen an die Formulierung von Allgemeinen Geschäftsbedingungen, „Treu und Glauben“ etc. – der auch zum Institutionenschutz ausgebaut werden kann und etwa an der Funktion der Banken bei der Gewährleistung eines adäquaten Systems der Information über Risiken der Finanzmärkte dimensioniert wird. Erst auf der Sekundärebene stellt sich die Frage nach der Durchsetzung der „Ansprüche“, die auf der ersten Ebene entstanden sind. Auch hier kann die Kontrolle am Maßstab des Institutionenschutzes noch einmal einsetzen, insbesondere nach der Generalklausel des Schutzes von „Treu und Glauben“. 47 Ähnliches git auch für das römische Subjekt, das an die Gemeinschaft und ihre Institutionen gebunden war (Linder/Scheid 1993: 51; Ando 2009: 174), während die Christianisierung Roms dazu beitrug, dass die Religion zu einem Moment der individuellen Identitätsbildung wurde (Athanassiadi 2010:14).

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III. „Law as Culture“

Der „Eigenwille“ muss sich auf der Primärebene immer wieder seinen Gegenstand suchen, den er schon gefunden hat, wenn er einen „Anspruch“ erworben hat: Er muss aus dem Reservoir der Möglichkeiten des vor allem im Medium der Stadt „oszillierenden“ Wissens, für das er sich zunächst öffnen muss, ein Experiment konstruieren, das zu einer rechtlichen Operation führt. (Das schließt nicht aus, dass sich Routinen bilden, deren Fortsetzung nicht viel Kreativität verlangt.) Das Wissen in dem hier gemeinten Sinn ist aber nicht der theoretischen Beobachtung von einem festen Beobachtungspunkt aus geschuldet: es ist in ein praktisches Weltverhältnis eingetragen (Shuster 2015: 1078 im Anschluss an Cavell). Die Freiheit, die Unbestimmtheit der Möglichkeiten, die in der gesellschaftlichen Wissensbasis enthalten sind, experimentell für die Schaffung neuer Möglichkeiten zu nutzen, ist jedoch die eigentliche Leistung des subjektiven Rechts und der beschriebenen Infrastruktur. Die „Kraft der Unruhe und der Negativität – das Andere des Begrifflichen im Begrifflichen“ – die nach C. Menke (2015: 380) nur „politisch hervorzubringen ist“, ist schon da … es sei denn man würde das – dagegen stehende „bloß Gegebene“ (380) sehr weit fassen. Dies bedürfte aber einer genaueren Erklärung, als sie bei Menke zu finden ist. Die Vorstellung eines liberalen Rechts kann sich auf die „Befriedigung gegenwärtiger Wünsche“ (Siedentop 2015: 363) und Bedürfnisse reduzieren – immerhin ist auch dies auch dies ein Bezugsrahmen, der sich zwischen den Individuen bildet. Diese Beschränkung ist aber angesichts der Vielfalt der Wurzeln eines solchen Rechts nicht notwendig. Die Gegenseitigkeit der Rechte und die Wiedereinführung des ausgeschlossenen Anderen der Freiheit (die „andere“ mögliche Trajektorie der Entwicklung, die nicht gewählt worden ist), das „seeing ourselves in others and others in ourselves“ (Siedentop 2015: 363), ist stets Bestandteil eines liberalen Rechts gewesen. Das Problem besteht nur darin, sich darüber zu verständigen, an welchen Stellen die vielen anderen und die vielen Erscheinungsformen des Anderen, die Reflexion der Wünsche, wieder in das Recht eingeführt werden. Eine Kritik der Orientierung des liberalen Rechts an der Fixierung auf die eigene „Befriedigung gegenwärtiger Wünsche“ kann jedenfalls konsequenterweise nicht darin bestehen, primär die Befriedigung dieser Wünsche bei den ausgeschlossenen „anderen“ zu postulieren. Auf der Primärebene bildet sich zugleich das, was C. Menke offenbar vermisst, die „Prozesse“ (wenn auch vielleicht keine „dialektischen“, wie sie dort postuliert werden; Menke 2015: 201), „in denen sich Individuen zugleich subjektivieren und sozialisieren“. Was das „Dialektische“ des Prozesses ausmacht, bleibt vage, das Recht setzt jedenfalls implizit die Dynamik einer sich immer wieder neu „instituierenden“ (V. Descombes) Welt aus implizit bleibenden Mustern, Konventionen und sozialen Normen voraus, die die nicht hintergehbare Bedingung für die die Hervorbringung des „man within“ (A. Smith) aus der Beobachtung der anderen bilden. Das Rechtssubjekt ist jedenfalls nicht „asozial“. Es bildet sich an der Erfahrung der anderen und verändert sich mit den Formen und der Organisation des gesellschaftlichen Wissens. Die Entwicklung des Rechts zwischen Organisationen (und nicht mehr nur zwischen Individuen) verlangt die Herausbildung „impersonaler

Exkurs: Die „Kritik der Rechte“ (C. Menke)

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Rechte“ (H. Ridder), die sich unter den durch das Auftreten der Organisationen veränderten Bedingungen reflexiv auf die in der Gesellschaft der Individuen implizit bleibende transsubjektive Dimension des Rechts beziehen [s. o. unter VI. 1.] – dies wäre eine Alternative zu der unbestimmt bleibenden Abwägung, die aber ihrerseits jedenfalls auf die Öffnung des subjektiven Rechts für die reflexive Beobachtung des anderen zielt. Ein weiterer Veränderungsschritt vollzieht sich unter den Bedingungen der „Netzwerkgesellschaft“ [IV. 3.]. Das „Dialektische“ des Prozesses der Subjektbildung ist bei Menke wohl teilweise in den „Gegenrechten“ als Rechten auf „Unterbrechung der sozialen Teilnahme“, als „Recht des Passiven auf Berücksichtigung“ begründet (384 ff.). Auch dies ist einerseits schon innerhalb des Bestandes der subjektiven Rechte vorhanden, wenn man z. B. das Recht auf Versammlung (vgl. Ladeur 2015: 97) als ein Gegenrecht (auch) auf die Möglichkeit der Infragestellung der herrschenden Sozialisationsformen durch künstlerische Performance (und nicht nur als an den Staat adressierte „Meinungsäußerung“) versteht. Ähnliches gilt für die Meinungs- und die Vereinigungsfreiheit. Allerdings kann dieses Recht als „Gegenrecht“ nicht die Ausübung der anderen Rechte verhindern, sondern nur eine Irritation auslösen, deren „Berücksichtigung“ nicht Gegenstand einer Entscheidung sein kann. Bei C. Menke gehen die Gegenrechte aber weit darüber hinaus. Der letzte Satz des Buches lautet denn auch: „Die Gewalt des neuen Rechts ist die Gewalt der Befreiung.“ Allerdings ist dies auch der letzte Satz, der eine Erklärung darüber schuldig bleibt, warum man darauf vertrauen sollte, dass die „Gewalt des neuen Rechts“ nicht wieder nur die „Befreiung der Gewalt“ hervorbringen sollte … und die Gleichheit sich als die Gleichheit der Unterwerfung unter die vom Recht „befreite Gewalt“ bedeutet. Dagegen kann das Rechtssubjekt gerade wegen seiner Abstraktionsleistung unter den Bedingungen der Postmoderne und der Netzwerkgesellschaft die partielle Ablösung des Rechts von der substanzhaften, stabilen Ordnung, und damit der Umstellung auf den Wandel der Ereignisse [s. o.] nachvollziehen, indem es selbst von der Bewegung des „devenir-autre“ (B. Stiegler) zum „devenir multiple“ übergeht (Manchev 2010: 32, 41). Das Subjekt, und zwar auch das Rechtssubjekt, ist „Transformationsoperator“ (Manchev 2010: 41), der in der „Gesellschaft der Organisationen“ wie in der sich herausbildenden „Netzwerkgesellschaft“ jeweils eine neue distribuierte Gestalt annehmen kann. Letztlich besteht in Menkes Arbeiten ein tiefes Einvernehmen mit Carl Schmitts Vorauss-setzung einer „ursprünglichen Entscheidung“ vor dem Recht, einer Entscheidung, die der „Lage“ (vgl. Schmitt 1950: 102) eine Ordnung aufherrscht, zu der die multiplen Formen der Beobachtung und des Handelns in der Gesellschaft nicht die Kraft haben. Die Möglichkeit der Selbstorganisation eines impersonalen Prozesses, der das Partikulare, auch das Zufällige der einzelnen Rechte überschreitet und es zugleich realisiert (de Mijolla-Mellor 2014: 72, 190)48, wird nicht in Betracht 48 Die Autorin macht mit Recht darauf aufmerksam, dass das impersonale Moment der Ordnungsbildung eine wichtige Figur in Spinozas Denken ist.

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gezogen. Die Vielfalt der Formen ist letztlich bloßer Schein. Bei Carl Schmitt bedarf es für die Entdeckung der Ordnungsmöglichkeit, die Ausdruck einer „wissensmäßigen Kraft“ (Schmitt 1950: 102) ist, nicht einer bloßen Faktizität, sondern der einen Person (des Führers). In der linken Kritik entspricht diesem Motiv die Ent-deckung der Möglichkeit der Ordnung durch die sich zur Einheit zusammenfassenden Vielzahl der Personen, die erst eine (substanzhaft gute) Ordnung herstellen können. Die einzelne Person wiederholt immer nur ihren Eigenwillen. Die Möglichkeit der Setzung einer substanzhaften guten Ordnung bedarf keines Beweises, nicht einmal der Behauptung: Wenn es letztlich nur um die Aufhebung stummer Machtverhältnise geht, wird der „Beweis“, dass dies das Problem ist, die „Probe“, auch nur zu einer „Kraftprobe“ („preuve de force“; Bouveresse 2016: 130 zur ähnlichen Problematik bei Foucault).49

49 Dies ist ähnlich „dezisionistisch“ wie bei Carl Schmitt gedacht: Wenn die Revolution siegt, hat sie Recht, weil sie Recht geschaffen hat.

IV. Die Evolution des Rechts seit dem Ende des 19. Jahrhunderts 1. Die Transformation des Rechtssystems und seiner kognitiven Infrastruktur von der „Gesellschaft der Individuen“ bis zur „Netzwerkgesellschaft“ Nach der „Gesellschaft der Individuen“ (Elias 2007) die „Gesellschaft der Organisationen“ (Ladeur 2006: 111 f.), nach der „Gesellschaft der Organisationen“ die „Gesellschaft der Netzwerke“ (Castells 2001)! So ließe sich zunächst schlagwortartig die Selbsttransformation der Gesellschaft in den westlichen Ländern der letzten 150 Jahre beschreiben. Daran ließe sich auch eine Historisierung der Evolution des Rechts anschließen, die diesem Strukturwandel entspräche. So wenig diese Beschreibung die Verdrängung des einen Modells durch das folgende nahe legt, so wenig gilt diese Annahme auch für die Rechtsentwicklung: Es entsteht vielmehr ein komplexes „Mehrebenensystem“, doch nicht nur das! Es geht in einer normativen Perspektive um die sekundäre bzw. tertiäre Remodellierung des Rechts der „Gesellschaft der Individuen“, die nach komplexen „Kollisionsregeln“ (Fischer-Lescano/Teubner 2006: 7 ff., 57 ff., 127 ff.; Joerges 2007: 719; Vesting 2004a: 66) verlangt, die die unterschiedlichen Rechtsstrukturen und –schichten aufeinander abstimmen und zugleich den Wiedereintritt (re-entry) von Regeln der ersten Stufe in eines der Regimes der folgenden Stufe erlauben. So gehört im Bereich des Staatsrechts das Parteienrecht nach Art. 21 GG dem Recht der „Gesellschaft der Organisationen“ zu, während das freie Mandat des Abgeordneten eines der Regimes der „Gesellschaft der Individuen“ ist, allerdings tritt es in der Remodellierung des Parteienrechts der „Gesellschaft der Organisationen“ als Variante des Minderheitenschutzes in das Rechtsregime des Parteienstaates wieder ein. (BVerfGE 20, 56; Grimm 1994: 429). Das Paradigma des allgemeinen Gesetzes, das den Handlungsmöglichkeiten des Bürgers Schranken setzt, bilden im 19. Jahrhundert paradoxerweise vor allem die Generalklausel des Polizeirechts und die davon abgeleiteten ordnungsrechtlichen Normen (auch in den USA: Powell 1911).50 Auch dies sind Normen, die alles andere als bestimmte Verhaltenserwartungen formulieren. Im Gegenteil! Die beinahe wortgleich gebliebenen Normen, die unter dem Absolutismus die Präponderanz der „Polizey50 In den USA werden sie zu Beginn des 20. Jahrhunderts noch als die eigentlichen gesellschaftlichen demokratischen Normen angesehen – im Gegensatz zu den „bloß“ staatlich gesetzten.

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wissenschaft“, des besonderen privilegierten staatlichen Wissens, die Ermächtigungsgrundlage für Eingriffe in die Gesellschaft waren (Bohlender 2001: 247), werden durch die Evolution der Rechtsprechung (auf der Grundlage des politischen und gesellschaftlichen Wandels in der liberalen Ordnung) umkodiert und dadurch grundlegend verändert: Nach dem berühmten Kreuzberg-Urteil des preußischen Oberverwaltungsgerichts (Preußisches OVG AS 9, 353) konnte als „polizeiliche Gefahr“ nur noch die (schädliche) Abweichung von einem „normalen (!) Bestand“ von Rechtsgütern angesehen werden. Jedes dieser Worte ist beziehungsreich: Wichtig ist aber vor allem die Vorstellung einer Normalität, die weitgehend von den Erfahrungen und Erwartungen der Bürger, d. h. des „Verkehrs“ in dem oben genannten Sinne bestimmt wird und sich vom absolutistischen, staatsfixierten Wohlfahrtsdenken deutlich unterschied. Die „Schadensgrenze“ (Urbinati 2002: 134, 168 f.), die allgemein das Verhältnis von bürgerlicher Freiheit und Staat determiniert und erst dadurch der Freiheit Konturen verleihen konnte, wird ebenfalls auf ein Normalitätsverständnis bezogen, das vor allem von der Gesellschaft selbst und ihren Erfahrungen beherrscht wird. Das Recht als Bestand von expliziten Normen benutzt einzelne Streitfälle nur dazu, die impliziten Normen der bürgerlichen Gesellschaft zu beobachten und von Fall zu Fall auf ihre Haltbarkeit, d. h. vor allem im Hinblick auf die Erfahrungen und die Notwendigkeit des Lernens zu prüfen, ggf. zu variieren und zu stabilisieren. Diese Selbstorganisation des Erfahrungsaustauschs in verschiedenen technischen und kommerziellen Feldern hat der Staat als Verwaltung seinerseits ausdrücklich gefördert, insbesondere im Interesse der Erweiterung des Lern- und Beobachtungsraumes über die regionalen Selbstbegrenzungen hinaus durch Anregung zur Bildung von „Vereinen“ (TÜV, VDI etc.), in denen ein überregionaler Erfahrungsaustausch praktiziert worden ist (Strecke 2002; Wolf 1986). Dies gilt insbesondere für Probleme der technischen Sicherheit (welche Druckgefäße waren als „gefährlich“ anzusehen? Welche Bauweisen, welche Baumaterialien waren akzeptabel?).

2. Das Rechtssystem der „Gesellschaft der Organisationen“ a) Der Wandel der kognitiven Infrastruktur: Die Dynamisierung des Expertenwissens Das Ordnungsmodell der „Gesellschaft der Individuen“, das auch Organisationen als Sonderfall des Individuums behandelt hat (z. B. Gesellschaftsrecht als Recht der „juristischen Person“), ist durch das Recht der „Gesellschaft der Organisationen“ einem Remodellierungsprozess unterworfen worden. Dieser Prozess vollzieht sich über einen längeren Zeitraum mit der Herausbildung von großen Unternehmen der Massenproduktion, von Verbänden, die gemeinsame Interessen an den Staat adressieren und systematisch gesellschaftliche Konventionen reformulieren (Standards, AGB). Sie entwickeln neue Institutionen der Risikobewältigung (private und

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öffentliche Versicherungen), staatliches Regulierungsrecht, das auf die Fragmentierung der gesellschaftlichen Wissensgenerierung reagiert, die großen technischen Systeme (Elektrizität, Verkehr, Telefon etc. (dazu Hughes 1983) und schließlich eine besonderen „Sphäre des Öffentlichen“ (Rinken 1971; Preuß 1969), die den Wandel des Staates zum Sozialstaat als „gesellschaftlichem Staat“ zur Geltung bringt (Ridder 1960; kritisch Forsthoff 1971). Darauf soll hier nur in knapper Form eingegangen werden, weil auch dies nur die Folie sein kann, auf der der Übergang zum Recht der „Gesellschaft der Netzwerke“ Konturen gewinnen kann (vgl. dazu auch Gärditz 2015; Kersten 2012). Charakteristisch für diese neue Rechtsschicht erscheint innerhalb des hier unterstellten Evolutionsmodells, dass das Wissen expliziert und seine Reproduktion stärker reflektiert sowie institutionalisiert und organisiert wird (Vec 2006). Damit verändert sich auch die kognitive Infrastruktur des Rechts. Das heißt, neue Strategien des Staates, die Herausbildung privater Organisationen und Verbände sowie korporatistische privat-öffentliche Formen der Kooperation steigern die Möglichkeiten innerhalb des Variationspools der Gesellschaft. Die spontane distribuierte gesellschaftliche Erfahrung, an der eine Vielzahl von Akteuren beteiligt ist, wird mehr und mehr infolge einer Dynamisierung der Wissensproduktion durch das Expertenwissen überlagert, das systematisch in Organisationen (nicht mehr spontan in der Gesellschaft) erzeugt wird. Dabei geht es insbesondere um ein technologisches Wissen, aber auch um das systematische Operieren mit statistischen „Gruppenwahrscheinlichkeiten“ (Versicherungsmodelle; dazu Ewald 1993), die systematisch reflektiert werden, und die Verwissenschaftlichung der Arbeitsteilung. Die Veränderung der „sozialen Epistemologie“, die mit dem Aufstieg der Organisation (zu Lasten der Individuen und der klassischen modernen „culture of fact“ (B. J. Shapiro) einhergeht, führt auch zu einem „reframing of technology“ (Mandel 2005: 117, 176): Die Organisation und die gesellschaftliche Gruppe als Träger des technologischen Wissens bringen neue Verfahren, neue Identitätsbildungen, neue Formen der Abgrenzung und der sekundären Kompromissformen hervor. Das wahrscheinliche Wissen operiert mit Korrelationen und Knoten, über die sich eine variable Kombinatorik herausbildet, die von Organisationen verwaltet wird (zu den Anfängen im 19. Jahrhundert Bender/Marrinan 2014: 73, 197). Dies geht verloren in der Fixierung auf den technologischen Charakter des Sachverstands einerseits und andererseits die darauf antithetisch bezogene Forderung nach rationaler Deliberation, die die Eigenrationalität des organisierten Wissens ignoriert. Weder die Technologie noch die rationale Deliberation sind von den Bedingungen der organisierten Wissensproduktion unabhängig. Dies war auch in der Gesellschaft der Individuen nicht anders. Die Abhängigkeit wird nur sichtbarer, weil die Wissensordnung der Gesellschaft – anders als das distribuierte Erfahrungswissen der Gesellschaft der Individuen – nicht als stabil unterstellt werden und deshalb in den Hintergrund des normativen Denkens treten kann.

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b) Der Aufstieg der „Steuerungsgesetze“ In der Rechtsform schlägt sich diese Transformation des Rechts in einer Vielzahl von „Schutzgesetzen“ des Arbeitsrechts, des Wettbewerbsrechts, des Verbraucherschutzes (Zumbansen 2000) sowie in einer Vielzahl von „Steuerungsgesetzen“ nieder, die früher in Unterscheidung vom allgemeinen Gesetz „Maßnahmegesetze“ (Hofmann 1995: 260; Menger/Wehrhahn 1957) genannt wurden. Aber wie oben am Beispiel des allgemeinen Gesetzes gezeigt worden ist, lässt sich das Recht von seiner Infrastruktur aus kognitiven Regeln, Praktiken, Handlungsmustern, Erwartungen etc. nicht trennen. Das allgemeine Gesetz ist weitgehend ein Mythos gewesen: Seine Allgemeinheit wird nicht primär auf der Ebene der expliziten Normativität bestimmt, sondern vielmehr über den Verweisungszusammenhang mit der „anonymen Souveränität der Konventionen“ (Descombes 2004: 429 ff.), die in den gesellschaftlichen Selbstorganisationsprozessen hervorgebracht werden. Mit der Auflösung der Stabilität des Verhältnisses von Gesetz und Erfahrung vollzieht sich der Aufstieg von Zweckgesetzen51, der deshalb auch genauer durch den Zusammenhang mit dem Aufstieg des organisierten und reflektierten Expertenwissens (Vec 2006; Théry 2001) charakterisiert werden kann. Insbesondere der Aufstieg des technologischen Wissens und der organisierten Massenproduktion verändert den Charakter des Rechts, dadurch entwickelt sich ein prägnanter Bezug des Rechts auf strategische Handlungszusammenhänge und Handlungsketten organisierter Akteure, die längerfristig tragfähige Handlungsmuster und Koordinationsformen entwickeln. Im Zivilrecht lässt sich das am Beispiel der Haftung der Produzenten belegen: Komplexe technische Produktionsprozesse (selbst bei relativ einfachen Produkten) sind an einem einfachen Maßstab der Fahrlässigkeit nicht mehr sinnvoll auf die Zurechenbarkeit von z. B. gesundheitlichen Risiken zu beobachten und zu bewerten. Nach den üblichen Wissens- und Beweisregeln müsste beinahe jeder Anspruch wegen Verletzung der Gesundheit durch den Gebrauch eines Produkts an Beweisproblemen scheitern. Dies war früher anders, weil einfache Produktionsprozesse von außen, ggf. unter Zuhilfenahme von Sachverständigen, relativ leicht beobachtbar waren; übrig blieben „Zufälle“ (vgl. zu diesem Grenzbegriff Meder 1993), die keine Haftung auslösen. Unter den veränderten Produktionsbedingungen hat sich eine Ausdifferenzierung der Haftung entwickelt, zunächst durch die Rechtsprechung, dann durch Gesetz (Produkthaftungsgesetz), das die Intransparenz der organisierten und spezialisierten Produktion für die allgemeine Erfahrung insbesondere durch Beweislastumkehr berücksichtigt (Brüggemeier 1999: 231 ff.). Daneben hatte die Rechtsprechung die komplexeren Informationsverarbeitungsprozesse in modernen Produktionsverfahren z. B. durch Warnpflichten erweitert (BGHZ 116, 60 – Milupa), denen die Annahme zugrunde liegt, dass Unternehmen systematisch strukturierte Strategien der Wissensgenerierung entwickeln müssen, um dem Fahrlässigkeits51 In Niklas Luhmanns Terminologie handelt es sich um eine Variante der „Zweckprogrammierung“ statt der „konditionalen Programmierung“ (1993: 195 ff., 198 f.), obwohl beides nicht identisch sein muss: das „Maßnahmegesetz“ kann seinem Wortlaut nach auch das wenn/dann-Muster reproduzieren.

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maßstab zu genügen. Das heißt: hier lässt sich beobachten, dass die normative Komponente der Bewertung ihres „Verkehrs“ eine reflexive Dimension enthält und Pflichten zur Erzeugung von Informationen formuliert werden, weil angesichts der Fragmentierung der Produktionsprozesse und des Produktionswissens nicht mehr davon ausgegangen werden kann, dass eine geteilte gemeinsame Erfahrung der Bewältigung von Risiken entstehen kann. Es entwickelt sich eine Spaltung des praktischen Wissens in einen dynamischen organisierten Teil und einen Teil, der nach wie vor von der Spontaneität der distribuierten Erfahrung bestimmt wird. (Es liegt auf der Hand, dass ein Kleinbetrieb keine systematische Beobachtung des Marktes im Hinblick auf Risiken des Gebrauchs der erzeugten Produkte oder Vorsorge in gleichem Maße wie Großunternehmen betreiben kann.) Im öffentlichen Recht kann vor allem das Sozialrecht genannt werden, das für typische „soziale Lagen“ finanzielle Leistungen u. a. „Hilfen“ gewährt und damit stillschweigend das Konzept der Subjektivität selbst verändert (Kingreen 2003; Glazer 1990; Ladeur 2007). Ein weiteres Haftungsproblem wird in Zukunft dann und soweit entstehen, wie Roboter selbst neues Wissen erzeugen oder systematisieren und in Entscheidungsstrategien implementieren – also personenähnlich entscheiden (Calo 2011). Hier wird sich auch die Frage stellen, wie weit die Selbstorganisation von Autonomie zur Haftung des Programmierers führt, der nur in einem weiteren Sinne so genannt werden kann. Die Haftung der „Geschäftsherrn“ dürfte aber nicht zu stark erweitert werden, da es auch um den Schutz von Innovationen gehen muss. Eine exemplarische Variante des technologisch bestimmten Rechtswandels der „Gesellschaft der Organisationen“ bildet das Umweltrecht, soweit es insbesondere technologische Standards zur Spezifizierung eines „Vorsorgekonzepts“ setzt (Stoll 2003: 71 ff.; Godard 1997). Hier hat sich ebenfalls eine strategische Komponente durchgesetzt, die das Recht auf die systematische Generierung neuen Wissens einstellt, da das spontan entstehende Erfahrungswissen für die Bewältigung neuer Umweltrisiken nicht ausreicht. Dieses organisationsbezogene reflexive Recht muss strategisch insofern mit der Möglichkeit der Selbstrevision rechnen, als innerhalb und zwischen Organisationen ebenfalls auf die Entstehung von Informationen eingewirkt werden kann. Die Verknüpfung von Recht und kognitiver Infrastruktur wird aufgespalten: Auf der einen Seite wird über die Formel des „Standes der Technik“ (der Wissenschaft) das „fortschrittliche“ Wissen rezipiert (Vieweg 1982; Knopp/ Heinze 2004: 212), während daneben im Hinblick auf die Schadensgrenze nach wie vor das distribuierte Erfahrungswissen von ausschlaggebender Bedeutung ist. Vor allem das Erfordernis des Rekurses auf ein „Konzept“ (BVerwGE 69, 37, 45, 67) für die Formulierung von Vorsorgestrategien demonstriert, dass das Recht mehr und mehr von einer substantiellen („ergebnisrichtigen“) Rationalität auf eine prozedurale Rationalität umgestellt wird, die explizit mit Rückkopplungsschleifen zu privatem Sachverstand operiert und offen auf „countering variety with variety“ setzt (Black 2002: 1, 9).

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Die gesellschaftliche Selbstorganisation von Normen wird durch eine offene, „Gestaltungsspielräume“ für den Staat in Anspruch nehmende öffentliche Regulierung abgelöst (vgl. nur BVerfGE 49, 89, 131). Es entsteht eine neue Wissensordnung, die von Gruppeninteressen geprägt wird; dabei werden die in die Grundrechte eingetragenen Wissens- und Vermutungsregeln (Gaskins 1995) außer Funktion gesetzt.

c) Die gruppenbasierte Reflexion der Konstruktion gesellschaftlicher Wirklichkeit durch Recht – die Beispiele des Rundfunks, des Sozialrechts und des Planungsrechts Eine weitere, auf die Reproduktion der politischen Öffentlichkeit bezogene Variante dieses Rechtstyps bildet das Rundfunkrecht, das nach dem deutschen Modell darauf abzielt, mit den Mitteln des öffentlichen Rechts Rundfunk in einer vom Staat bereitgestellten Form (öffentlich-rechtliche Anstalt) zu ermöglichen, die einen von den Gruppen geprägten Raum des Öffentlichen (wieder) herstellen soll (HoffmannRiem 2000: 273 ff.; Ladeur 2000a: 442). Das Rundfunkrecht muss eine „positive Ordnung“ gewährleisten, die Vielfalt der Meinungen durch ein strukturiertes Verfahren ermöglicht und nicht auf die Emergenz eines „Marktplatzes der Meinungen“ vertrauen darf (BVerfGE 12, 205, 262 f.) – ob und wieweit dieses Modell auch heute noch funktioniert52, ist eine berechtigte Frage, die sich aber eben erst zu einer Zeit stellt, in der das Paradigma der „Gesellschaft der Organisationen“ seine Leistungsfähigkeit mindestens partiell eingebüßt hat. Sicher ist aber, dass das Modell eine Zeitlang durchaus der Eigenrationalität des Öffentlichen zwischen der „Privatrechtsgesellschaft“ und dem Staat einen strukturierten Raum gegeben hat. In Bezug auf die Rechte des Einzelnen lässt sich ebenfalls eine wichtige Veränderung beobachten: Das Individuum wird im Recht der „Gesellschaft der Organisationen“ (und Gruppen) in weitaus höherem Maße als in der Vergangenheit durch eine bestimmte Gruppenzugehörigkeit oder einen funktional zugeschriebenen Status (Verbraucher, Arbeitnehmer, Sozialstaatsklient) bestimmt. Dies gilt für die Stellung als Arbeitsnehmer, als Mieter, Verbraucher, als Träger sozialer Ansprüche gegenüber öffentlichen Versicherungen oder den Trägern der Sozialhilfe etc. Diese Statusverhältnisse sind weitgehend durch das Arbeitsverhältnis vermittelt oder stehen in einem akzessorischen Verhältnis zu diesem Status (Verbraucher, Mieter). Daneben entwickelt sich ein Recht, das in der Vergangenheit als „Fürsorgerecht“ eher dem Polizeirecht zuzuordnen war, weil es nicht von den subjektiven Rechten des Einzelnen beherrscht war, sondern von der Aufrechterhaltung der „öffentlichen Ordnung“ (KG Berlin, ZBlJugR 1929: 336), das Sozial- und Jugendhilferecht (Ladeur 52 Vgl. zur Auflösung der Öffentlichkeit und ihrer Aufmerksamkeitsbindung nur Münker (2009: 191 f.; Franck 1998); weiterführend Vesting (1997; 2001: 287).

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2009b, S. 159). Diese Rechtsmaterien gehen nicht mehr vom Universalismus des liberalen Ordnungsmodells aus, insbesondere der self-fulfilling prophecy der Selbsteinweisung der Individuen in die Stelle der abstrakten, sich selbst im „Spiegel der anderen“ (A. Smith) beobachtenden und korrigierenden Person. Stattdessen werden Individuen in Abhängigkeit von insbesondere durch Gruppenzugehörigkeit bestimmten Situationen wahrgenommen und zum Subjekt einer, idealtypischen Gruppenstandards entsprechenden Hilfe angesehen, ein Evolutionsschritt, der unmerklich von den an funktionalen Erfordernissen orientierten gesellschaftlichen Erwartungen entlastet. Solange aber die Integrationsleistung des Normalarbeitsvertrages einerseits und des klassischen liberalen Rechts andererseits auch in der sekundären Modellierung durch das Recht der „Gesellschaft der Organisationen“ erhalten bleibt, kann dieses sozial reflexive, auf die Stellung der Personen innerhalb bestimmter Gruppenzugehörigkeiten bezogene Recht seine Leistung erbringen. Es wird aber noch zu zeigen sein, dass das „strategische Recht“, das nicht mehr mit bestimmten normativen Modellannahmen („die Person“), sondern mit faktischen Bedingungen der Erfüllung dieser funktionalen Anforderungen der Gesellschaften durch die Individuen rechnet, in einen destruktiven Zirkel geraten kann, weil damit zugleich die Voraussetzungen des Funktionierens des Rechtssystems zum Gegenstand einer Art von „relationalem Vertrag“ zwischen Individuum und Staat erhoben werden. Damit wird dem Individuum nicht mehr die abstrakte Identifikation mit „den anderen“, sondern ein strategisches Verhalten gegenüber den Regeln der kollektiven Ordnung ermöglicht oder sogar nahe gelegt, das den Zwang zur Selbst- und Fremdbeobachtung im Spiegel der Gesellschaft unterläuft (O. Rey 2006; Melman 2002). Zugleich wird aber auch hier ein neuer Wissenstypus Bestandteil der kognitiven Infrastruktur der Gesellschaft der Organisationen: Das psychologische und sozialarbeiterische Expertenwissen, das das allgemeine Ordnungs- und Regelwissen ergänzt, das in abgewandelter Form über die Gruppenzugehörigkeit (als Arbeitnehmer, als Angestellter, als Mieter etc.) internalisiert wird (Théry 2001). Eine andere Variante des Rechts der „Gesellschaft der Organisationen“ ist das raum- und fachbezogene Planungsrecht, das seit den 70er Jahren eine differenzierte eigenständige Dogmatik der Prozeduralisierung und gestaltenden Abwägung entwickelt hat (Wahl 2006: 45 ff.; Hoppe/Bönker/Grotefels 2010: § 5): Es ist bezogen auf die großen „Fachprojekte“, den Flughafenbau, die Verkehrswegeplanung oder die Gestaltung größerer differenzierter Räume, die vor allem für die räumliche Infrastrukturentwicklung von Bedeutung sind und darauf basieren, dass gemeinsame Interessen von Wirtschaftsunternehmen räumlich mit anderen Interessen, Verkehr, Wohnen, Natur koordiniert werden müssen.53 Vor allem das ältere Bauplanungsrecht hatte sich demgegenüber sehr viel stärker an baulichen Konventionen (Fluchtlinien,

53 Vgl. zur Evolution des Planungsrechts und seiner eigenen Rationalität Wahl (2006: 45 ff.).

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Abstandsregeln etc.) orientiert (vgl. zur Koordination öffentlichen und privaten Wissens im Baurecht Strecke 2002; im Technikrecht Wolf 1986).

d) Umstellung des Rechts von der „Rechtsschutz- auf die Steuerungsperspektive“? Diese Entwicklung mag als Umstellung des Rechts von der Rechtsschutz- auf die Steuerungsperspektive (Schuppert 1993: 65; Möllers 2008: 98; I. Augsberg 2009: 11) und insbesondere das Verwaltungsrecht als Komplex von „Verhaltensprogrammen“ (Franzius 2006; Schuppert 1993: 65) beschrieben werden (kritisch Lepsius 1999). Allerdings ändert dies nichts daran, dass das alte wie das „neue Verwaltungsrecht“ (vgl. Voßkuhle 2007: S. 1; kritisch Wahl 2006: 87; insbesondere zur „Abwendung von der Text- als Hinwendung zur Entscheidungswissenschaft“ Augsberg 2009: 19 f.) an die in der Gesellschaft generierten Wissens- und Handlungsregeln anknüpfen müssen. Dieser Verweisungszusammenhang ist nur von einer sehr viel komplexeren Architektur der gesellschaftlichen Wissensordnung abhängig. Was als „Steuerung“ (Voßkuhle 2007: § 1 Rnr. 22 ff., 4) bezeichnet wird, ist Ausdruck einer gesteigerten Reflexivität der Rechtserzeugung, die ihre eigenen Voraussetzungen sehr viel stärker durch Kooperation und Verfahren herstellen muss (Meder 2009: 23; Hoffmann-Riem 2001: 227 ff.) und in dem Anspruch auf „Steuerung“ eine Einheit der Regel unterstellt, die durch die Pluralität der Beteiligten und ihrer Perspektiven zu einer Projektion auf die Anwendungsprozesse wird. In diesen wird die Regel des „Verhaltensprogramms“ erst konkretisiert, und zwar erstens in der Rechtsprechung nach fall- und situationsbezogenen Meta-Regeln der Abwägung und der Prüfung der Verhältnismäßigkeit, die aus der hierarchischen Regel der erfahrungsbasierten stabilen Norm ein relationales heterarchisches Netz der Anschlusszwänge und -möglichkeiten macht, und zweitens durch die Verwaltung selbst, die unter dem Schutz von „Beurteilungs- und Normkonkretisierungsspielräumen“ vor der gerichtlichen Kontrolle ihrer „Steuerungsaufgabe“ geschützt wird (Wahl 2006: 65 f.). Mehr und mehr administrative und „Gestaltungsspielräume“ werden auch von der Rechtsprechung anerkannt (vgl. nur BVerfGE 49, 89, 132 ff.). Diese Praxis muss schließlich die Frage provozieren, ob hier nicht statt von kognitiver Steuerung (anstelle der normativen, auf stabilen Erwartungen ruhenden Verhaltensregelung) mindestens gleichermaßen von der „Herrschaft kraft Nichtwissen“ die Rede sein sollte (Holzer/May 2005: 317), weil die Erweiterung der „Einschätzungsprärogative“ des Staates der Zunahme der Ungewissheit folgt. Diese Verknüpfung von Normativität und proaktiver Bindung von Ungewissheit durch Entscheiden als Konstruktion neuer Möglichkeiten könnte ein mögliches Feld der produktiven Kooperation von Rechts- und Sozialwissenschaften sein. Hier geht es um Lernen, das auf zukünftige Effekte verweist: „steuernde“ Rechtsnormen legitimieren sich im Rekurs auf die Zukunft, die nicht nach dem gegenwärtig verfügbaren Wissen und den darauf basierenden Kontinuitätserwartungen bewertet

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werden können. Wenn Lernen möglich erscheint, kann sich eine rechtliche Regulierung dadurch legitimieren, dass sie mehr Möglichkeiten eröffnet, die einstweilen nicht abschätzbar sind und erst in der Zukunft aufgrund neuen Wissens operationalisierbar erscheinen (Listokin 2009: 480, 492, 499). Deshalb ist die vielfach mit dem Vorsorgeprinzip verknüpfte „Fehlerfreundlichkeit“ des Entscheidens (Schimank 2005: 298 f. m. w. N.) entgegen dem ersten Anschein durchaus ambivalent: Sie kann auch gegen das „Neue“ gewendet werden, das eben mehr Möglichkeiten eröffnet, die keineswegs alle offengehalten werden können. Erst in der jüngsten Zeit wird dieser Prozess in einer weiteren Drehung der Selbstreferenz auch explizit im Rekurs auf das Konzept der „Governance“ als Prozess konzipiert, in dem Regelproduktion und Regelanwendung so miteinander verschleift sind, dass Subjekt und Objekt der Steuerung nicht mehr klar unterschieden werden (Mayntz 2008: 43; Trute/Kühlers/Pilniok 2007: 240, 245; 2008: 173; Zumbansen 2007: 191; für die Rechtsetzung allg. Schuppert 2011). Vor allem angesichts der multiplen Verknüpfungen unterschiedlicher faktischer und normativer Regeln, Wahrscheinlichkeitsannahmen und Wissensbestände lässt sich der Prozess der Rechtsbildung eher als komplexer Prozess eines „management of rules“ beschreiben (Ladeur/Augsberg 2005: 143; vgl. auch zur Verteidigung der eigenen Rationalität gegen „Übergriffe“ anderer Systeme, Fischer-Lescano/Christensen 2005: 213), in dem es darum geht, funktionale Äquivalente zu tradierten Funktionen des Rechts zu suchen und zu erproben, und das Paradigma der „Einheit der Rechtsordnung“ (Felix 1998; zur prekären Einheit des Weltrechts Fischer-Lescano/ Teubner 2006: 34 f.) auf eine differentielle Relationierung von Experimenten und deren Beobachtung nach prozeduralen Meta-Regeln umzustellen (Fischer-Lescano/ Christensen,2007; I. Augsberg 2009: 183).54 Dann wäre das fragmentierte Recht auf eine heterarchische Kollisionsordnung angelegt: unterschiedliche Formen und Typen von Regeln würden eher in ihrer Eigenrationalität rekonstruiert und beobachtet, und erst in zweiter Linie mithilfe von Kollisionsregeln miteinander kompatibel gehalten. Die „objektivrechtliche Dimension“ der Grundrechte wäre als Ausdruck einer Transformation impliziter Voraussetzungen der Grundrechtsausübung als „impersonale Rechte“ konstruiert (Ridder 1975: 85 ff.; Ladeur 1999; 2015a; Augsberg 2013). Dies bedeutet eine entscheidende Akzentverschiebung, weil der Staat selbst auf die Beobachtung und Rekonstruktion dieser Regeln festgelegt wäre und die Rolle eines „Moderators“ übernähme (Moreau 2004: 847); vgl. unten VI. 1.

54 Ob diese Entwicklung allerdings als Instrumentalisierung des Rechts durch andere Systemrationalitäten charakterisiert werden kann, erscheint zweifelhaft (vgl. aber Teubner 2008; auch schon 2003).

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e) Das Bundesverfassungsgericht als Gruppengericht Das BVerfG hat seine Hochzeit in der hier beschriebenen Epoche des Rechts der „Gesellschaft der Organisationen“ gehabt (vgl. Hase/Ladeur 1980).55 Es braucht die Organisation, die Gruppe, als Referenzrahmen für ein Recht der „Abwägungen“ und der „Verhältnismäßigkeit“ (Klatt/Meister 2012: 159; Alexy 1996; kritisch Ph. Reimer 2013: 27)56, deren Konkretisierung auf die Herausarbeitung von Alternativen, faktischen Maßstäben und Wissensmuster durch große stabile private oder öffentliche Organisationen verweist.57 Es ist oben darauf hingewiesen worden, dass die Ablösung der „Anwendung“ des Rechts durch die „Abwägung“ mehrerer kollidierender Rechte im Rechtssystem dem Übergang von einer universalistischen Philosophie der Ideen zu einer Philosophie des „Ereignisses“ jenseits der stabilen Regel korrespondiert [III. 4. d.]. Der Aufstieg der „Abwägung“ im Verfassungsrecht belegt nur, dass das (Verfassungs-)Recht es mit „evolutiven“ Konstellationen zu tun hat, die sich unter den Bedingungen der Praxis notwendigerweise verändern (in theoretischer Perspektive Atlan 2003: 266; zur Kasuistik in Moral und Recht R. B. Miller 1996: 24, 38). M. Hailbronner (2014: 626) reduziert dies in einem sehr lesenswerten Aufsatz auf die Erscheinungsformen des „activist state“ und dessen „hierarchical legal culture“, die in einer wissenschaftlichen Konzeption des Rechts und des Expertenwissens basiert sei. Dabei wird insbesondere die „Wertorientierung“ und die rechtliche Bedeutung des „Verhältnismäßigkeitsprinzips“ überbewertet: Die „Stärke“ des BVerfG ist nicht selbsterzeugt, sie wird ermöglicht durch die Funktion der „Moderierung“ zwischen konsensorientierten Organisationen und Gruppen. Deren Konsensbedürfnis mag auch den Schein einer objektiven „Wertorientierung“ hervorbringen, aber ohne diese faktische Grundlage des Verfassungssystems wäre das BVerfG nicht denkbar. Der italienische Verfassungsgerichtshof ist nicht weniger „qualifiziert“ als das BVerfG, doch aufgrund der allgemeinen Schwäche der Institutionen, der Fragmentierung der Gruppen und Organisationen kann sich eine vergleichbare Vorstellung von der „Konkretisierung“ des Verfassungsrechts durch das Verfassungsgericht nicht dauerhaft entwickeln.58 55 Davon findet sich in Jestaedt u. a. (2011) so gut wie nichts; vgl. aber auch Häberle (1975: 297; 2006: 35). 56 Vgl. aus einer englischen Perspektive Harlow/Rawlings (2009: 711). 57 R. Poscher (2010) hat überzeugend herausgearbeitet, dass die von der Alexy-Schule postulierte „Abwägung“ und „Optimierung“ kollidierender Grundrechte eine faktische Konstruktion ist, keine rechtliche Abstimmung. 58 Vgl. den guten Überblick in Romboli (2007), der allerdings die Entwicklung nach der Finanzkrise nicht berücksichtigen konnte. In jüngster Zeit scheint das Gericht dazu zu neigen, die „erworbenen Rechte“ des öffentlichen Dienstes gegen die Zwänge ebendieser Finanzkrise zu verteidigen: so hat er die Begrenzung der Anpassung der Pensionen an die Inflation bei höheren Pensionen für verfassungswidrig erklärt (Entscheidung 70/2015 v. 10. 3. 2015 – http:// www.cortecostituzionale.it/actionSchedaPronuncia.do?anno=2015&numero=70). Die finanzielle Notlage des italienischen Staates konnte nicht genügend plausibel gemacht werden … eine Entscheidung, die den Staat 5 Mrd. E kosten wird. Dies scheint ein neues Handlungsfeld für Verfassungsgerichte südeuropäischer Staaten zu werden (ähnliche Tendenzen gibt es auch bei

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Dass das Verhältnismäßigkeitsprinzip sich in der Rechtsprechung des amerikanischen Supreme Court nicht durchgesetzt hat (vgl. auch Kommers/Miller 2012: 67; durchaus wohlwollend Breyer 2010: 159 ff.) und das Gericht an der „strict scrutiny“ und dem „tiered review“ (einem Regime der Abschichtung der Kontrollintensität) festhält59, hat m. E. auch und gerade damit zu tun, dass die rechtliche Institutionalisierung des Pluralismus in den USA schwächer ausgeprägt ist als in Deutschland (und Europa).60 Andererseits erscheint auch die Annahme zweifelhaft, dass gerade ein politisch zersplittertes Umfeld eine günstige Gelegenheit für die Entfaltung einer Verfassungsgerichtsbarkeit bildet (für Serbien: Besirevic 2014: 954) – unter solchen Umständen kann nicht die Vorstrukturierung des Bezugsrahmen verfassungsgerichtlichen Entscheidens entstehen. Die Frage nach dem Verhältnis von Politik und Recht in der Verfassungsgerichtsbarkeit lässt sich m. E. nicht sinnvoll darauf zurückführen, dass Verfassungsgerichte „positive lawmakers“ seien (Stone Sweet 2007: 69, 72 f.), dies ist nur bei oberflächlicher Betrachtung der Fall ist (vgl. allg. Landfried 1996). Solange es den Gerichten gelingt, eine rechtliche Eigenrationalität ihrer Urteilspraxis zu gewährleisten, geht es (jedenfalls) auch um eine Art Anwendung des Rechts. Das BVerfG ist das Gericht der institutionalisierten „Gesellschaft der Organisationen“ par excellence. Dies wird besonders deutlich am Beispiel des Wandels der Presse und des Rundfunks zu Trägern „öffentlicher Aufgaben“ (die nicht mit staatlichen zu identifizieren sind, Ridder 1962) zu belegen: Die Herausbildung der „Drittwirkung der Meinungsfreiheit“ im Privatrecht, der „institutionellen Dimension“ der Presse (die auch den Schutz der organisatorischen Infrastruktur umfasst, Archiv etc. (BVerfGE 20, 162 – SPIEGEL, Ridder 1975: 85), der „Grundversorgung“ durch den öffentlich-rechtlichen Rundfunk, der durch den Rundfunk verfassten Öffentlichkeit, der Schutz der Meinungsbildung gegen die gerichtliche Richtigkeitskontrolle (BVerfGE 12, 113; 61, 1 85, 1; 57, 295; 73, 118; 74, 297; 83, 238) verdankt sich wichtigen Urteilen des BVerfG, deren Bedeutung in der Entwicklung der Online-Medien keine Entsprechung findet. Der organisierte Medienpluralismus, der über Jahrzehnte grundrechtlich durch das BVerfG verfasst worden ist, ist im rapiden Zerfall begriffen (Hachmeister/Vesting 2013: 15). Zur neuen fragmentierten Medienordnung existiert kein einziges wichtiges Urteil des BVerfG. Dies wird auch so bleiben. portugiesischen und griechischen (Verfassungs-)Gerichten. Der italienische Verfassungsgerichtshof ist allerdings sicher selbst das teuerste Verfassungsgericht der Welt; http://www.la voce.info/archives/14387/la-corte-costituzionale-costi-sprechi-scandalo/. Der Präsident bezieht ein Gehalt von ca. 540.000 E (der Präsident des BVerfG verdient etwa ein Drittel dieser Summe). – Auch hier stellen sich Fragen an eine vergleichende rechts- und politikwissenschaftliche Beobachtung; vgl. die vergleichenden Überlegungen in Sweet Stone (2000). 59 Dies kritisieren Matthews/Stone Sweet (2011), die sich stark an der europäischen Entwicklung orientieren und diese Praxis für eine Schwächung der Grundrechte halten; vgl. allg. Rosenfeld (2005: 217). 60 Vgl. auch VIII. 6. Zur charakteristischen Suche nach sozialen „Minimalregeln“ in den USA.

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Auch die Entwicklung des Rechts der ihrerseits fragmentierten, sich ständig verändernden Hochtechnologien ist anders als die atomare Großtechnologie allenfalls marginal durch die Rechtsprechung rechtlich verfasst worden. Das Urteil zur Gentechnologie (BVerfGE 128, 1) zeichnet sich durch seine Reverenz gegenüber der sich in Deutschland verbreitenden diffusen Technologiefeindlichkeit des „Einzelnen“, die sich auf die Analyse der Technologie selbst kaum noch einlassen kann (Ladeur 2015b). Die Rechtsprechung zum Datenschutz (vgl. etwa BVerfGE 65, 1, 46; 115, 320; 120, 274; kritisch insbesondere zur Beurteilung der „Rasterfahndung“ Bull 2011: 77, 93) dürfte nicht einmal im Bereich der staatlichen Informationsverwaltung wesentliche prägende Wirkung entfalten. Zur privaten Digitalisierung existiert kein einziges nennenswertes Urteil des BVerfG. Dies ist kein Zufall: Die neuen Konflikte sind so heterogen und unscharf konturiert, dass sie sich kaum für die Gestaltung durch „Grundsatzurteile“ eignen, deren Konturen sich zunächst an den unterschiedlichen Parteilinien entwickelt haben. Das Erfordernis der Zweckbindung von erhobenen Daten hat nur dazu geführt, dass eine Vielzahl von zwangsläufig sehr vage gefassten Gesetzen geschaffen worden sind, denen kein „Konzept“ zu entnehmen ist, wie es das BVerwG (BVerwGE 69, 37, 45) im Umweltrecht für die „Vorsorge“ verlangt hat – um die es auch hier geht. Das Gericht versucht, mit den rechtsstaatlichen Mitteln der „Gesellschaft der Individuen“ ein Risiko zu bekämpfen, das von den fluiden Formen der „Gesellschaft der Netzwerke“ geprägt wird [vgl. unten IV. 7.]. Es bleibt der isolierte Einzelne als bevorzugtes Referenzobjekt des BVerfG. Darüber lassen sich die Entwicklungslinien des künftigen Rechts nicht bestimmen. Die hier ebenfalls zu untersuchende Veränderung der Wirtschaft und der Technik durch Netzwerkbildung, die dieser Entwicklung folgende „Transnationalisierung“ [s. o.] von Wirtschaft und Verwaltung, der Wandel und die nicht nur quantitative Expansion des Sozialstaats einschließlich der zentralen Bedeutung öffentlicher Versicherungen, die Transformation des Bildungssystems – nichts davon wird in nennenswertem Umfang durch Rechtsprechung des BVerfG bestimmt. Dies kann sich dem Blick der Rechtswissenschaft entziehen, weil sie immer noch fixiert ist auf das Verfassungsrecht der Vergangenheit (vgl. etwa Hoffmann/Luch/Schulz/Borchers 2015; vgl. dagegen Karavas 2007). Diese Horizontverengung vollzieht sich anscheinend unmerklich, weil das Gericht nach wie vor in den (in ihrer Bedeutung schrumpfenden) Handlungsfeldern, die durch das Paradigma des Rechts der „Gesellschaft der Organisationen“ strukturiert werden, wichtige Entscheidungen trifft. Doch „dahinter“ erweitern sich die neuen politischen und sozialen Felder, für deren Gestaltung die Rechtsprechung (nicht nur) des BVerfG weitgehend bedeutungslos geworden ist. Hier entwickeln sich gesellschaftliche Ordnungsmodelle, ja, selbstorganisierte gesellschaftliche „Teilverfassungen“ (Teubner 2013), die staatlichem Entscheiden nur noch teilweise zugänglich sind. Dies ist nicht einfach als Gefährdung der Demokratie zu qualifizieren, vielmehr folgt die Fragmentierung und Privatisierung des Rechts weitgehend der Fragmentierung der neuen Wirklichkeiten. Die daran vielfach geübte Kritik verkennt, dass auch die Verfassungsgerichtsbarkeit

2. Das Rechtssystem der „Gesellschaft der Organisationen“

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unter dem Gesichtspunkt der demokratischen Legitimation nicht über Zweifel erhaben wäre, wenn das Recht noch von dem allgemeinen Gesetz geprägt wäre wie das Recht der liberalen Gesellschaft. Die Legitimität der Verfassungsgerichtsbarkeit verdankt sich dem Funktionsverlust des allgemeinen Gesetzes im Prozess des Aufstiegs des „Spezialwissens“ (J. M. Guéhenno), das primär von Gruppen produziert und aggregiert wird, mit denen der Staat kooperieren muss, wenn er nicht den Kontakt zur Wirklichkeit oder zu den Wirklichkeiten der Postmoderne verlieren will. Deshalb konnte P. Häberle (1975: 297) auch von der „offenen Gesellschaft der Verfassungsinterpreten“ und vom BVerfG als einem „gesellschaftlichen Gericht“ sprechen. I. Ebsen (1985: 221, 232) betrachtet es als einen „Regulator“, der gesellschaftlichen Konsens und Pluralismus ermögliche und im „Schnittfeld verschiedener Handlungszusammenhänge“ stehe (vgl. dazu auch Lembcke 2007: 40 f.).61 Der Blick auf das BVerfG durch die Rechts- wie die Politikwissenschaft (Landfried 1996: 15 ff., 85 ff.) ist zu stark durch die – grundsätzlich legitime Frage – nach dem Verhältnis von „Politik und Recht“ bestimmt – und dadurch verengt, weil die gesellschaftlichen Veränderungen jenseits der Politik i. e. S., insbesondere die hier immer wieder aufgeworfenen Frage nach dem Verhältnis von Recht und gesellschaftlichem Wissen und dem darauf basierende Wandel der gesellschaftlichen Selbstorganisation zu kurz kommt. Dies gilt auch für die Arbeit eines jüngeren amerikanischen Beobachters, Justin Collings (2015), dessen Geschichte des BVerfG auch an einer Engführung auf die – nicht zu leugnende – politische Rolle des BVerfG im Verfassungssystem leidet.62 Dass das BVerfG ein „entgrenztes Gericht“ ist (Jestaedt/Lepsius/Möllers/ Schönberger 2011), mag schon jetzt zweifelhaft erscheinen. Diese Beschreibung ist selbst Ausdruck der methodischen und theoretischen Fixierung der deutschen Staatsrechtswissenschaft auf das BVerfG, die viele grundlegende Veränderungen des Rechts vernachlässigt, solange sie noch nicht das BVerfG beschäftigt haben oder als potentieller „Fall“ spezifiziert werden können. Für die Zukunft lässt sich aber schon prognostizieren, dass das Gericht – nicht einmal primär wegen der Europäisierung von Kompetenzen – eher ein „ausgegrenztes Gericht“ sein wird. Die Figur der „Entscheidung“ selbst und ihre Voraussetzungen – und damit auch die Entscheidung des BVerfG – werden an Bedeutung verlieren, stattdessen werden immer mehr privatöffentliche Kooperationen und hybride Handlungskonstellationen entstehen, die nicht leicht in der bisherigen Form rechtlich kontrollierbar sein werden. Immer mehr Handlungsbereiche werden so stark fragmentiert werden und immer stärker auf der 61 Die genannten Arbeiten verfolgen einen relevanten „institutionentheoretischen“ Ansatz, der sich jedoch stark auf die expliziten Diskurse der beteiligten Gruppen und Organisationen konzentriert und damit die politische Seite des Aufstiegs und der Funktionsweise der Verfassungsgerichtsbarkeit überbetonen, während die Dynamik des Wandels des gesellschaftlichen Wissens, der Praktiken der Produktion und Reproduktion der gesellschaftlichen Verhältnisse vernachlässigt wird. 62 Das Buch von Kommers und Miller (2012) über das BVerfG hat eher den Charakter eines Handbuchs und entwickelt keine eigene Theorie der Verfassungsgerichtsbarkeit.

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Aggregierung und dem Management von Wissenssystemen basieren, dass auch die neue Bildung von Rechtsprechungsnetzwerken [vgl. unter II. 5. a)] nur noch schwer vorstellbar ist. Dies gilt etwa für komplexe Aufgaben der Abstützung von Personwerdung (Familien- und Jugendhilfe) oder „Eingliederungshilfen“ (Qualifizierungsmaßnahmen) und große Teile des Sozialrechts, ja, des Sozialstaats insgesamt, ebenso wie die Digitalisierung der Kommunikationsordnung (Suchmaschinen, social media, Big Data) und der Wirtschaft einschließlich des Aufstiegs technischer digitaler Assistenzsysteme („Roboter“) in allen Bereichen der Gesellschaft (von der Nanotechnologie, dem Internet der Dinge über industry 4.0 bis zur robotisierten Pflege).

3. Das Rechtssystem der „Gesellschaft der Netzwerke“ a) Die neue Transformation der Wissensordnung und die Bedeutung der Netzwerke Der Begriff des „Netzwerks“ wird auch von Niklas Luhmann mehrfach in Bezug genommen. Ausdrücklich werden „Netzwerke“ genannt, die man als dysfunktional bezeichnen könnte, die also die Zwänge der Ausdifferenzierung durch Phänomene der Korruption i.w.S. unterlaufen (Luhmann 1997: 806, 810 f.). An anderer Stelle werden sie als Äquivalente für organisationale Erzeugung von Vertrauen oder als Formen der Verknüpfung zwischen Organisationen genannt (Behörden/politische Parteien, 2000: 408). In der „Sachdimension“ (jenseits des Vertrauens) wird für rechtliches Entscheiden auch von einem „Gewebe“ von Entscheidungsgesichtspunkten gesprochen (Luhmann 1993: 367; Augsberg 2007: 479). Auch dies ließe sich als „Netzwerk“ lesen, das eine Vielzahl von Anknüpfungsgesichtspunkten mitführt.63 Hier soll ein anderer Akzent gesetzt werden, ohne dass damit diese Variante der Vernetzung als dauerhafte Begleiterscheinung der Ausdifferenzierung von Systemen verworfen würde: Vielmehr soll eine postmoderne Variante der Bildung hybrider Netzwerke akzentuiert werden, die man als tertiäre Remodellierung der Wissenserzeugung und ihrer rechtlichen Beobachtung bezeichnen könnte. Sie ist durch die Tendenz zur Überschreitung von Grenzen durch heterarchische Verknüpfungen charakterisiert (zwischen Markt und Organisation), die Beseitigung hierarchischer Ordnung (Telekommunikation, Noam 2001; Shapiro/Varian 1998) oder die Auf63 Vgl. dazu auch Stichweh (2008: 329, 340), wo der Netzwerkbegriff ebenfalls sehr weit gefasst wird, andererseits aber die „Heterogenität der Netzwerkknoten“ akzentuiert wird, die über verschiedene „Relationierungsmuster“ lose oder fest verknüpft sind und als eine Art Residualgröße zur Generierung von Innovationen fungieren. Auch dieser Netzwerkbegriff bleibt aber letztlich sehr allgemein, wenngleich die auch an anderer Stelle betonte „Diversität“ der Optionsräume als Widerlager gegen das Einrasten in bestimmte sich selbst verstärkende Entwicklungstrajektorien sich auch in Netzwerken lokalisiert wird.

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hebung vertraglich fixierter Rollen („Netzverträge“; vgl. Teubner 2004; Ladeur 2012). Dies sind nur einige Beispiele für eine „disruptive“, das gesamte Wissenssystem der Gesellschaft erfassende Veränderung, die erst am Anfang steht. Der Evolutionsschritt zum Recht der „Gesellschaft der Netzwerke“ in dem hier verstandenen Sinn lässt sich dadurch charakterisieren, dass die traditionellen Grenzbegriffe des Rechts und ihre Remodellierung durch das Recht der „Gesellschaft der Organisationen“ an Unterscheidungskraft einbüßen. Vor allem der Aufstieg von Information und Wissen zur zentralen wirtschaftlichen Ressource verändert auch z. B. das orientierungs- und ordnungsbildende Modell des Eigentums. Das Sacheigentum wird zum Grenzfall des Eigentums, während das „geistige Eigentum“ mit seiner großen Flexibilität für die Bestimmung von Ausschluss- und Zuordnungseffekten des Eigentums das Paradigma des Eigentums insgesamt wird (Ladeur/ Vesting 2008). Dieses ist von vornherein auf den Zugang durch andere angelegt (Rifkin 2000; Wielsch 2013). Der Ausschlusseffekt des Eigentums (Verfügungsrecht des Eigentümers) ist eher Bedingung der Möglichkeit der Erfüllung und Dimensionierung des Zugangs für andere geworden. Auch das „geistige Eigentum“ selbst wird durch den mit dem Aufstieg des Wissens einhergehenden Funktionswandel des Eigentums umgestaltet, da die Vielzahl der Verknüpfungsmöglichkeiten selbst nach neuen Formen des Managements von Wissen verlangen. Das „geistige Eigentum“ hat seine Substanz immer weniger in abgrenzbaren und an „Eigentümer“ zurechenbaren Verfahren und „Objekten“, es wird vielmehr immer stärker fragmentiert in einzelne Verfahrenselemente, die durch eine Kombinatorik in einem Produktionsprozess erst Sinn erhalten: Für einen bestimmten Fertigungsprozess benötigt man nicht mehr ein Patent für einen bestimmten Gegenstand (ein in ein Auto eingebautes Teil), sondern eine Vielzahl von Patenten, die an multifunktionalen Komponenten bestehen und die unterschiedliche Anschlussmöglichkeiten in Produktionsprozessen definieren (Heller/Eisenberg 1998: 698). Besonders deutlich ist dies in der Bio- und Computertechnologie, wo die Grenze zur (ausgeschlossener) Patentierbarkeit von technologischen „Ideen“ und „Sprachformen“ fließend wird: Im Bereich der Hochtechnologie wird es immer schwieriger abzuschätzen, ob und wie weit ein Patent legitimerweise Innovation schützt und wie weit es Innovationen durch Dritte blockieren kann. Das heißt die Grenze zwischen allgemeinem, nicht privat aneignungsfähigem Wissen, das allenfalls gegen bestimmte Formen der Nachahmung („sklavische Nachahmung“) durch Wettbewerbsrecht geschützt ist (Ensthaler 2009: 278), und besonderem für Einzelne in Gestalt von Patenten, Urheberrechten aneignungsfähigem Wissen verliert ihre Konturen. Diese Trennung von allgemeinem und besonderem Wissen, die für die Evolution des Rechts und seiner kognitiven Infrastruktur von besonderer Bedeutung gewesen ist, führt auch zur Herausbildung neuer Formen der hybriden Kombination von Wissenskomponenten in der Entwicklung hochtechnologischer Produkte: Während in der Vergangenheit das allgemeine Wissen frei verfügbar war und in der Form der Erfahrungsbildung oder des allgemeinen technischen Wissens ohne Verstoß gegen das „geistige Eigentum“ nutzbar war und patentiertes „besonderes“ Wissen davon getrennt blieb, lässt sich die hierarchische

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Stufung von Wissenstypen in den neuen Technologien nicht mehr ohne weiteres beobachten (Ladeur/Vesting 2008). Anwendungsorientierte Wissenschaft und Technologien werden immer schneller in der Produktentwicklung miteinander kombiniert. Dies führt zur Entwicklung neuer projektartiger Verknüpfungen zwischen Produktionsprozessen, die wiederum auf die Formen der Wissensentwicklung zurückwirken. Außerdem wird die Verknüpfbarkeit von Wissen durch Computerisierung erleichtert, auch dadurch werden bisherige rechtlich abgestützte Grenzen (des Zugriffs auf Wissen) durch neue hybride Verknüpfungsmodelle überwunden (Wielsch 2013; 2008). Es bilden sich neue „Kontroll-Regimes“ heraus (White 2008: 220 ff.), die Wissen anders strukturieren und nutzen als dies mit herkömmlichen Patenten denkbar war. Auch für den Bereich des öffentlichen Entscheidens hat dies weitreichende Konsequenzen: „La multiplication des autorités accompagne la fragmentation des savoirs particuliers“ (Guéhenno 1999: 112).

b) Nichtwissen: Paradigmen der Beziehung Wissen/Nichtwissen im Prozess der Selbsttransformation der Gesellschaft Die im Folgenden zu beschreibenden Paradigmen der Wissensordnung führen immer auch eine konstitutive Referenz auf das Nichtwissen mit sich. In der „Gesellschaft der Individuen“ und dem von deren Selbstbeschreibung bestimmten Modell der über das Handeln des Einzelnen distribuierte Wissen war Nichtwissen als „Noch-Nichtwissen“ insoweit handlungsorientierend, als es sich innerhalb einer Schwankungsbreite neuer Möglichkeiten situieren ließ, die auf technologischen Pfaden als erwartbar qualifiziert werden konnten: die Dampfkessel des 19. Jahrhunderts waren noch nicht sicher, aber sie würden es sein, wenn alle erwartbaren Unfälle sich ereignet hätten (Ladeur 1995: 209). Dieses Wissen und sein Verhältnis zum „Noch-Nichtwissen“ wird durch eine „Lebenswelt“ abgestützt, die, mit H. Blumenberg (2010: 240 f.; auch Descombes 2013: 247) und gegen Habermas gesprochen (1992: 51), bestimmte Kriterien des Handelns und Erlebens institutionalisiert und „fraglos“ stellt. Was jenseits des (Lebens-)Weltwissens liegt, wird nicht ignoriert. Im Gegenteil: Dass die Technik sich keineswegs kontinuierlich und harmonisch entwickeln würde, hat auch im 19. Jahrhundert zu Ängsten geführt. Die Entwicklung der Technik (und der Wissenschaft) ist paradoxerweise selbst Quelle neuer Beobachtungsmöglichkeiten auch des Menschen und seiner Fragmentierung – bis hin zur Entdeckung des Unbewussten. Wissen und Nichtwissen als Irritation der Selbstgestaltung des „Bildungsbürgers“ (Moretti 2013: 66, 89, 189) und als Infragestellung der Stabilität der Figuren und Formen der klassischen (Selbst-)Bildung sind ein Motiv, das in der fiktionalen Literatur des 19. Jahrhunderts eine große Rolle spielt (Thorel-Cailleteau 2011: 48), aber eben dort oder in der Philosophie bis hin zur Wende der Philosophie des Seins in der Welt als einer Welt, die sich uns zugleich entzieht und die Frage nach der Verfügbarkeit und Zugänglichkeit der Welt im

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Medium der Sprache aufwirft (Cavell 2002: 52; Laugier 2009: 100; Korsmeier 2006). Dieses Nebeneinander ist zugleich die Erscheinungsform eines Zerfalls der durch die Religion gestifteten Einheit der Beschreibung und des Erlebens der Welt: Für den Menschen des Mittelalters waren die Katastrophen Teil der Weltordnung und ihres nicht hintergehbaren Mangels an Vollkommenheit, die nur Gott selbst eigen ist. Die Ordnung der Ideen war nur ein Abglanz der einen Idee Gottes, nicht aber einer Ordnung der Welt, die ohne Gott hätte gedacht werden können. Kurz gesagt: das Verhältnis von Wissen und Nichtwissen ist stets Gegenstand einer komplexen Ordnung gewesen, es ist nicht einfach ein weißer Fleck. Es erscheint zweifelhaft, dass die Beschreibung des Nichtwissens als eines „unmarked space“ (Luhmann 1997: 1092), als eines paradoxen „Hintergrundwissens, dass es auch andere Möglichkeiten gibt“, der differenzierten Verarbeitung dieses Verhältnisses durch verschiedene Wissen(schaft)sformen gerecht wird, die selbst bestimmten Regeln, Mustern und Institutionen unterworfen ist (Luhmann 1997: 312). Allerdings ist dieses Nichtwissen der praktisch orientierten Technologie und dem entscheidenden Staat nicht unmittelbar zugänglich: das Wissen ist an die Geschichte seiner „Anwendung“ gebunden (Besnier 2006: 763; Coste 2003: 1). Deshalb bedarf es der Supplementierung des Handlungswissens durch das von Handlungszwängen entlastete Wissen der Literatur oder der Philosophie, das eine Öffnung des praktischen Wissens bewirkt.

c) Reflexivität der Beobachtung des Wissens Der Wandel des Wissens selbst erfordert reflexive Praktiken der „Wissensbeobachtung“ („Marktbeobachtung“), des Lernens durch Vorgabe von Verfahren für die Beobachtung der Techniken („gute Laborpraxis“) – in der Rechtsprechung des BVerfG ist für den Gesetzgeber eine „Nachbesserungspflicht“ (BVerfGE 50, 290, 335, 377) bei Entscheidungen unter Ungewissheitsbedingungen entwickelt worden. Allerdings muss man hier genauer die Bedingungen der Herausbildung eines neuen „Kontrollprojekts“ (White 2008: 220 ff.) oder gar einer „Kontrollrevolution“ (Esposito 2002: 332) beachten, die die nicht mehr auf einem Vergleich der Systemoperation mit einem „äußeren Ziel“, sondern „mit dem vergangener Operationen“ beruhen – auch dies ist ein Symptom der steigenden Performativität des Wissen, das seine eigenen Kontrollmaßstäbe mehr und mehr selbst erzeugt und eine Rückkopplung an die mit dem bloßen Auge zu beobachtende und von Individuen zu erfahrende Realität unterbricht. Dadurch entstehen Probleme in der Bindung von Ungewissheit durch Recht. Deshalb kann auch nicht mehr von stabilen Ordnungsvorstellungen ausgehen, an denen sich die Wissensentwicklung orientieren und die auch für rechtliches Entscheiden genutzt werden könnte, sondern das Recht muss eher nach strategischen „Einsätzen“ bei der Verfolgung mobiler Ziele suchen. Die Beschleunigung der Transformation des Rechts macht nicht nur sichtbar, dass „Weltwissen“ und „Regelwissen“ (Kneer 2009: 300) miteinander verschleift sind,

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sondern dass unterschiedliche technologische Paradigmen auch auf die Konstruktion des Wissens und auf die Selbstbeobachtung der Individuen einwirken. Dies hängt wiederum damit zusammen, dass Wissen in dem hier gemeinten Sinn einen praktischen, auf die Aneignung und Veränderung der Welt bezogenen Charakter hat (Domenach 2006: 63) – und damit auch die Selbstveränderung der das Wissen anwendenden Akteure zur Folge hat. Die Sozialität selbst wird durch den Wandel des Wissens ebenfalls affiziert, weil diese sich aus der „Vielzahl von eigensinnig strukturierten Prozesslogiken“ bildet (Kneer 2008: 299) – und nicht jeweils Wirklichkeit passiv abbildet. Die verbreitete Fixierung auf die demokratische Regelsetzung hat die möglicherweise viel bedeutsamere Frage nach der von den Mustern „persisting distribution of knowledge“ bestimmten Gesellschaft (Barnes 1988: 45) in den Hintergrund treten lassen (Ober 2010). Die gesellschaftliche Wissensordnung unterliegt einem ständigen Wandel, der auch das Recht herausfordert, das diese Wissensordnung abstützen und neue Institutionen für das „Wissensmanagement“ hervorbringen muss.

4. Die Regeln der Netzwerkgesellschaft im Einzelnen a) Vorbemerkung Die im Folgenden im Vordergrund stehende „Gesellschaft der Netzwerke“ ist dadurch gekennzeichnet (Ladeur 2010: 143), dass die Reflexivität des Wissens (der Wissensregeln) ein weiteres Mal gesteigert wird. Die Erfahrung innerhalb relativ stabiler Pfade – in der Wirtschaft und in der Technik – oder ein einheitliches, auf politisches Entscheiden bezogenes Forum der Öffentlichkeit büßt immer stärker ihre Zentralität ein, stattdessen wird allgemein das experimentelle Entwerfen neuer Optionsräume jenseits bekannter Entwicklungspfade und ihrer Schwankungsbreite, das „Ausnutzen von Nichtwissen wichtige Quelle ökonomischer Produktivität“ im Angesicht der „Erosion des Wahrscheinlichkeitskalküls“ (Strulik 2004: 102, 62). Die ständige Selbsttransformation der Technologien jenseits eines integrativen Modells stellt eine Herausforderung auch für die Reproduktion von Individualität dar (de Gaulejac 2006: 129), die durch die Beobachtung von Regeln erfolgt. Varietät und Konflikt könnten ein funktionales Äquivalent, eine Metaregel, für die Abstimmung zwischen den Paradigmen und ihren unterschiedlichen Ordnungsleistungen sein.

b) Wissen im Netzwerk Die Mobilisierung und Hybridisierung des Verhältnisses von kognitiven und normativen Komponenten des Rechts kann weltweit als das hervorstechende Merkmal des Rechts der „Gesellschaft der Netzwerke“ bezeichnet werden. Dies gilt auch im Hinblick auf die transnationale Entgrenzung des global werdenden Rechts

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(Fischer-Lescano/Teubner 2006). Während das Verhältnis von normativer Struktur und kognitiver Infrastruktur auf der Basis der distribuierten Erfahrung in der „Gesellschaft der Individuen“ relativ stabil gewesen ist, ist es in der „Gesellschaft der Organisationen“ durch das Hinzutreten des organisierten Expertenwissens und die Reflexivität der Normsetzung (insbesondere durch Standardsetzung) dynamisiert worden. Dieses Verhältnis ist in der „Gesellschaft der Netzwerke“ noch weitaus komplexer und multiformer geworden, wie die genannten Beispiele plausibel gemacht haben sollten. Schon der Aufstieg des Expertenwissens war nicht unproblematisch, da dessen Rolle nur schwer kontrollierbar ist. Dazu bedarf es neuer „Kontrollregimes“ (White 2008: 220), die Metaregeln für die Beobachtung des Expertenwissens ex ante in prozeduralen Formen und ex post durch Evaluation und Nachbesserungspflichten transparenter machen könnten. Das neue Wissen der Netzwerkgesellschaft bildet sich auf der Grundlage einer verflüssigten „Wirklichkeit“, es kann dementsprechend auch nicht über Organisationen mit stabilen Grenzen prozessiert werden. Stattdessen entwickeln sich grenzüberschreitende hybride Wissensformen, die ihre Abhängigkeit von epistemischen, grenzüberschreitenden Gemeinschaften nicht verleugnen können. Dies hat auch Rückwirkungen auf die Bedingungen der Reproduktion der Formen der „Subjektivität“. Problematisch ist deshalb auch die zunehmende Verknüpfung von neuen Rechten auf „Identität“ der Individuen mit einem neuen sozialen Expertenwissen, das von allgemeinen Wissensbeständen und Erwartungen mehr oder weniger abgekoppelt ist (soziale Hilfe, Jugendhilfe etc. – vgl. dazu allg. Théry 2001; 2010) und neue Intransparenz erzeugt. Die jenseits der „praktischen Gemeinschaften“, die Wissen kontinuierlich beobachten und weiterentwickeln (z. B. auf Fachtagungen), entstehenden „epistemische Gemeinschaften“ (Créplet et al. 2001: 1517; Gensollen 2004: 141; 2003: 8) erzeugen projektartig hybrides Wissen, das nicht mehr spontan über verschiedene Unternehmen distribuiert generiert wird64, sondern jenseits der traditionellen Formen der Systematisierung auf der Grundlage stabilen allgemeinen wissenschaftlichen Wissens Wissenschaft und Technologie miteinander verschleifen – bis hin zur strategischen Veränderung der Natur als Gegenstand der Wissenschaft in der Nanotechnologie (Ladeur 2010a: 131). Der hybride Charakter besteht darin, dass zwar das Ziel der Förderung neuer Produkte verfolgt wird, aber diese Produkte nicht mehr wie bisher in relativ überschaubaren Trajektorien entwickelt werden können, sondern umfassender der Möglichkeitsraum, in dem etwas Neues entstehen kann (z. B. in der Gentechnologie, Informationstechnologien, Nanotechnologie, aber auch „Finanzprodukte“ etc.) selbst modelliert werden muss. Das bedeutet, dass sehr viel mehr Wissen erzeugt werden muss und kann, das zunächst den Charakter eines öffentlichen Gutes hat und keine private Aneignung durch Produktentwicklung erlaubt. Dies ist erst in einem zweiten Schritt möglich, dessen Konzeption wiederum eigenen Überlegungen folgt. 64 Diese Entwicklung könnte zum Ende der Professionen und ihrer – sowohl in der „Gesellschaft der Individuen“ als auch in der „Gesellschaft der Organisationen“ wichtigen – Wissen strukturierenden und verwaltenden Ordnungsleistung führen, vgl. Suskind/Suskind (2015).

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Auch die Entstehung von „joint ventures“ zwischen konkurrierenden Unternehmen, die zunächst gemeinsam „anwendungsnahes“, aber nicht anwendbares Wissen erzeugen, wird dadurch ermöglicht, dass Wissen sich schneller verändert und immer stärker in Gestalt insbesondere von „Big Data“ zunächst ohne Projekt entsteht oder über den Projektzusammenhang hinaus wirkt. Und erst nachdem sie sich aus dem Varietätspool der Möglichkeiten (nach nicht leicht berechenbaren Kostenstrukturen) „bedienen“, um in der Produktentwicklung wieder mit ihren Projekten/ Produkten in Konkurrenz zueinander treten. Dies ist auch die Basis für die Entstehung „epistemischer Gemeinschaften“, die an gemeinsamen „Projekten“ arbeiten, ohne auf dieser Stufe Geheimnisse voreinander zu haben und vielmehr am Austausch interessiert sind. M. Gensollen (2003; 2004) spricht davon, dass reflexiv paradoxe „Routinen der Invention“ auf einem „Metamarkt“ entwickelt werden, der von Angebot und Nachfrage bestimmt wird und zugleich ganz neue Formen des Wissens hervorbringt, für deren produktive Nutzbarkeit es noch gar keine Nachfrage geben kann. Dies ist die Grundlage für eine Tendenz zur Fragmentierung des Unternehmens in interorganisationale und intraorganisationale Netzwerke, die die traditionellen Grenzen zwischen Innen und Außen und die hierarchische Einheit der Organisation wie die Abschichtung von Wissenschaft und Technologien in Frage stellen (Cohendet 2006: 93). Dies ist auch eine Erklärung dafür, warum gerade in Zeiten des Internet die Herausbildung von „Innovationsclustern“ von großer Bedeutung ist. Die räumliche Nähe erlaubt den schnellen Informationsaustausch, das Experimentieren mit Kooperationsformen, bei denen die Unterscheidung zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer oder zwischen Organisation und Netzwerk verwischt wird (Jennejohn 2008; Felstiner 2011). Das gegenwärtige Regulierungsrecht wird der neuen Eigenrationalität von High Technology und High Risk nicht gerecht (Ladeur 2015b). Data-Mining ist die Erscheinungsform eines neuen Wissensmodells, für das Technologierecht ebenso wie das Gesundheitsrecht geöffnet werden müssen. Eines der charakteristischen Merkmale von Big Data ist nicht so sehr die quantitative Menge der Daten, die verarbeitet werden können. Das ist nur die Voraussetzung für die weitaus wichtigere Eigenschaft des so aggregierten Wissens, genauer gesagt: es handelt sich um ein nicht fest mit einem bestimmten Zweck oder Projekt verknüpften Wissens (wie z. B. die Daten über die Verbreitung einer bestimmten Krankheit in der bisherigen Erhebungsform), sondern um ein Wissen, das immer wieder neu über Systeme des Wissensmanagements (z. B. Computerprogramme) rekombiniert und reprozessiert werden kann. Dies ist besonders deutlich bei genetischen Informationen, und Verknüpfungen, die immer wieder neu „gelesen“ und zusammengesetzt werden können (vgl. etwa zur Medizin Revermann/Sauter 2007: 9 f.; zum Datenschutz Arning u. a. 2011: 108).65 Auch die Entwicklung von wissensbasierten Apps oder das Monitoring von Arzneimitteln muss auf die Flexibilisierung und Dynamik 65 Vgl. auch die Kritik am GenDG der Bundesärztekammer sowie medizinischer Fachgesellschaften in einer „Gemeinsamen Erklärung“: http://www.dgti.de/docs/doclink/10836/ doc20130215122250.pdf, die vor allem darauf zielt, dass die starke Reglementierung der heutigen Verbreitung gentechnischer Untersuchungen nicht gerecht werde.

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der Veränderung durch Anwendung eingestellt werden; dies verlangt nach neuen Konzeptionen für die Regulierung (Elenko/Speier/Zohar 2015: 697).

c) Die Verflüssigung der Wirklichkeit Diese Überlegung gilt nicht nur für die Hochtechnologie, sondern auch darüber hinaus in den Bereichen, in denen informationelle Güter einen hohe Bedeutung haben, so z. B. in der Filmindustrie oder auch in Wirtschaftszweigen, in denen das „Branding“ eine größere Rolle als das reale technologische Wissen spielt, das z. B. früher als Geschäftsgeheimnis geschützt worden wäre, heute aber z. B. in Franchising-Netzwerken verbreitet wird. Wenn ein zentrales Ordnungsmodell in der Wirtschaft oder in der Technologie sich verändert, hat dies immer auch Auswirkungen auf die „Wissensordnung“ der Gesellschaft insgesamt, die Teil der Alltagskultur und der Sozialisationsformen ist (allg. Herrenschmidt 2007: 464). Bahrami/Evans (2011: 21) formulieren plastisch: das „old game“ bestand im Versuch, eine Entwicklung zu planen oder vorauszusehen – und für den Staat, zu „steuern“ –, das neue „Spiel“ heißt: „surfing fluid reality … and adjust to morphing conditions“. Rechtlich ist eine Begrenzung des Handelns durch formelle Normen kaum mehr möglich, stattdessen werden informelle Normen generiert (Jennejohn 2008: 14), die dazu dienen, variable Muster einer „pragmatic governance“ (Jennejohn 2008: 23; 2010) zu erzeugen und eine gemeinsame Projektbeobachtung zu prozessieren. Formale Regeln, die potentiell durch einen Richter aus einer Position der Hierarchie (des „common knowledge“) bewertet werden können, können schon der Erfassung des „Sachverhalts“ kaum noch gerecht werden, da es immer um „work in progress“ geht (vgl. Jennejohn 2008; 2010), das nicht „objektiv“ beobachtet werden kann, sondern in dem sich Projekt und Daten miteinander verknüpfen. Eine rechtliche Variante der Ablösung der klassischen Gesellschaftsform mit ihrer starren Unterscheidung von Innen und Außen besteht in weniger dynamischen Handlungsbereichen darin, dass statt der üblichen Erzeugung einer formalen organisationalen Infrastruktur für Gesellschaften und ihres vertraglichen Pendants für die „Außenbeziehungen“ eine vertragliches Netzwerk geschaffen wird, das die Aufgaben von Inverstoren, Managern, oft auch Mitarbeitern, Beratern, abstimmt, statt nach innen nur „Anteile“ zu unterscheiden (The Economist 24. 10. 2015: 21 f.). Für den Staat kann dies nur bedeuten, die neue „verflüssigte“ Realität, die zu einem offenen „Möglichkeitsraum“ geworden ist, in „Echtzeit“, in „teilnehmender Beobachtung“ und ex post durch Monitoring, durch eine „recycling culture“, die Experimente verfolgt, prozedurales Wissen zu generieren und seinerseits für seine Projekte eine „nodale“ und multipolare Architektur mit unterschiedlichen „Gravitationszentren“ bereitzuhalten (Bahrami/Evans 2011:34, 36).

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d) Exempel: Finanzmarktkrise aa) Kaskadeneffekte des Wissens Die Beschleunigung der Wissensproduktion und ihre Einschließung in – von außen unbeobachtbare – „epistemische Gemeinschaften“ kann zu einem riskanten „Kaskadeneffekt“ führen, der die Varietät eines ganzen Systems gefährdet. So ließe sich die Ausbreitung der Finanzmarktkrise erklären. Der dann eintretende „Kaskadeneffekt“ (Bikhchandani/Hirshleifer/Welsh 1992: 992) scheint ein zusätzliches neues Moment der Krise zu sein: das dynamische „Spiel der Ideen“, das als ein Merkmal des Liberalismus betrachtet worden ist und eine gewisse „Resilienz“ verlangt, setzt voraus, dass eine reflexive Beobachtung von Risiken nicht nur als normative Möglichkeit besteht, sondern sich auch tatsächlich eine Praxis der Beobachtung und Variation auf der Grundlage distribuierten Wissens bildet.66 Dieses Muster wird durch den Ansteckungseffekt blockiert, der die wechselseitige Beobachtung und Kontrolle ausschließt. Die Dynamik der Ansteckung entspricht dem Mangel an Kontrolle des Investmentbanking durch das Top-Management, das die Modellierung weitgehend selbst nicht versteht (Wray 2009: 820). Die informationale Kaskade ist durch das Bonus-System (Ladeur 2009c) verstärkt worden, das nicht allein auf „Gier“ zurückgeführt werden kann: Die Boni schienen durch die intellektuelle Leistung der mathematischen Modellierung und aufgrund des Wettbewerbs der Banken um die Modellierungskompetenz der brillantesten Investment-Banker „verdient“ worden zu sein.67 Das Risiko ist nicht einmal im nachhinein im Rekurs auf den Wegfall der Geschäftsgrundlage mit dem Vertrag verknüpft worden. Dies hängt sicher auch damit zusammen, dass die Banken nach außen ex post die systemischen Risiken nicht mittelbar auf diese Weise offenlegen wollten. Die Investment-Banker sind trotz ihrer herausgehobenen Stellung innerhalb des Netzwerks wie „Arbeitnehmer“ behandelt worden, die eben nicht mit ihren Lohnansprüchen für die Verluste des Arbeitgebers haften. Dies ist ein Indiz für die Auflösung der starren Gegensätze zwischen Innen und Außen, aber auch zwischen „oben“ und „unten“ in Organisationen, das sich auch in vielen anderen Konstellationen der „Gesellschaft der Netzwerke“ beobachten lässt, in denen eine klare Unterscheidung zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer nicht mehr getroffen werden kann (Felstiner 2011: 209).

66 Zu deren praktischer Realisierung auf der Grundlage der Beobachtung von „Big Data“ A. Pentland, (2014: 18); zu den Schattenseiten von Big Data, der Herausbildung potentieller Monopolisten, die einen privilegierten Zugang zu Big Data haben, vgl. Richards/King (2013: 41) – auch dies zeigt, wie wichtig die Frage des Zugangs zum Wissen geworden ist. 67 Die „Genialität“ der Investmentbanker ist stark überschätzt worden, das zeigen Untersuchungen zur Leistung von „Star-Bankern“ nach ihrem Wechsel zu anderen Banken (Groysberg 2010) – tatsächlich handelte es sicher eher um die „Leistung“ epistemischer Gemeinschaften.

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bb) Der Aufstieg der epistemischen Gemeinschaften und „high knowledge“ Der neue Typus des Risikowissens und die Abschließung der „epistemic communities“, die komplexes „high knowledge“ erzeugen und auf dieser Grundlage operieren, erzeugen eine Tendenz dazu, die kreative Unruhe des Experimentierens (Dorf/Sabel 1998: 267) zu beschränken, von dem der fortgeschrittenen Kapitalismus abhängig ist. Je mehr diese neue kognitive Dimension nur noch „by date“ (Bougen/ Young 2000: 405) operiert – durch das Design einer „Welt des virtuellen Investments“ (Appleby 2010: 406), desto mehr scheint sie dazu zu neigen, eine Homogenität des Konstruierens und des Denkens zu erzeugen, die paradoxerweise zum „lock in“ in problematische Trajektorien führt. Diese sollen „ganz sicher“ sein, die Möglichkeit von „Sinnzusammenbrüchen“ (Stäheli 2000) ausschließen und das Versuch-Irrtums-Verfahren außer Kraft setzen, das nicht nur Variation innerhalb einer festgelegten Schwankungsbreite der Möglichkeiten (Appleby 2010: 363), sondern auch die Entstehung heterodoxen Wissens anregt (Rajan/Zingales 2003: 265). Demgegenüber führt die Selbstbegrenzung der neuen Algorithmen, die an die Stelle der distribuierten Marktbeobachtung treten, zur Möglichkeit des Auftretens epistemischer Risiken, die aus einer perversen Kombination von Nichtwissen (durch den Schutz von „Geschäftsgeheimnissen“) und entgrenztem Prozessieren einer alle Selbstunterbrechungen von Märkten aufhebenden „Wissenstechnologie“ entstehen. Diese erzeugt zugleich eine „toxische Transparenz“ (Beunza et al. 2012: 20) der Geschwindigkeit der Transaktionen, während zugleich das systemische Risiko der „Klumpenbildung“ für die „menschlichen Intermediäre“ invisibilisiert wird. Hier müsste mit neuen Regulierungstechnologien operiert werden, die die Unterbrecher (z. B. Trennung von Investment- und Kreditbanken) wieder einführen, die das experimentelle distribuierte Denken immer mit sich geführt hat.

e) Exempel: Die Veränderung des Wissenssystems durch die Nanotechnologie Im Folgenden soll nicht primär auf die unleugbaren Risiken des Einsatzes der Nanotechnologie in einzelnen Anwendungsbereichen eingegangen werden (vgl. die Beiträge in: Wendorf/Scherzberg 2008; Schmid/Brune et al. 2006: 329, 339 ff., 343 ff.). Vielmehr soll im Anschluss an die Unterscheidung der verschiedenen Paradigmen der Wissenserzeugung und der normativen Regelung von Gefahren bzw. Risiken die These aufgestellt werden, dass die Nanotechnologie einen neuen Wissenstyp hervorbringt und dass damit auch die Notwendigkeit der Entwicklung eines neuen Regelungstyps einhergeht. Es ist oben gezeigt worden, dass dem klassischen polizeilichen Gefahrenbegriff ein bestimmtes, implizit bleibendes Modell der Technikentwicklung und der Bewertung ihrer Grenze zu Grunde liegt. Dieser Wissenstyp ist die Erfahrung, er ist verknüpft mit einer nur teilweise begrifflich explizierten Infrastruktur aus konventionalisierten Erwartungen („technischer

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Fortschritt“), Kausalitätsannahmen und Vermutungsregeln (vgl. Scherzberg 2008: 221). Dieses Paradigma verändert sich unter den Bedingungen der komplexer werdenden Technologien, die in erheblichem Maße auf eine reflexive Verknüpfung von Wissenschaft und Technik hinauslaufen. Der Wandel der Bedingungen der Wissenserzeugung durch Steigerung des Komplexitätsniveaus, durch systematische und reflektierte Kooperation von Wissenserzeugung und rechtlicher Normierung und damit den Aufstieg eines Expertenwissens (Fischer 2009; vgl. auch Voßkuhle 2009), das seinerseits auf einer praktischen Beteiligung an technologischen Prozessen basiert, führen zu einer Transformation der Prozesse und Methoden der Generierung von Wissen für Zwecke der „Kontrollprojekte“ (White 2008: 220 ff.; vgl. dazu auch Baecker 2006a: 128), denen technische Entscheidungen unterworfen werden. Die Verknüpfungen zwischen kognitiver und normativer Ebene des Entscheidens werden stärker reflektiert und damit transparenter, während das normative, faktische und prospektive Elemente integrierende „Kontrollprojekt“, das auf den Wissenschaftstyp der „Erfahrungen“ zurückgreifen konnte, eher dem distribuierten Prozess der Wissenserzeugung und -nutzung implizit bleiben konnte (vgl. zur Regulierung in der EU Van Calster 2006: 359; Justo-Hanani/Dayan 2015: 1527). Deshalb ist charakteristisch für das zukunftsorientierte Vorsorgemodell (Gollier 2001; Gollier/Jullien et al. 2000; Ashford/Caldart 2008: 174 ff.; Stoll 2003: 319 ff.) seine Referenz auf ein Denken in Managementkategorien: Dem Risikomanagement liegt eine Reflexionsund Beobachtungsform voraus, die die Konstruktion von Möglichkeitsräumen beschreibt, die mit Modellen operiert, die keine klare Unterscheidung zwischen normativer Entscheidung, der Bewertung und der Beschreibung von Risiken zulassen. Es bildet sich eine neue Konvergenz von Biotechnologie, Informationstechnologie und Kognitionswissenschaften heraus (Dupuy/Grinbaum 2006), die die Verknüpfung von Wissenschaft und Technologie verändert und einen Transformationsdruck erzeugen, der auch das „Kontrollprojekt“ der Risikoentscheidung grundlegend verändert. Ziel und Mittel (Instrumente) sind permanent mit einander verschleift, sie lassen sich nicht mehr voneinander trennen. Die Beschreibung der Risiken kann nicht mehr ex ante erfolgen, sondern muss in „Echtzeit“ in den technologischen Ablauf integriert werden. Das Technikrecht muss selbst dem Stand von Wissenschaft und Technik entsprechen (Ladeur 2015b: 186).

f) Die Ethisierung der Wissenschaft und des Technikrechts Insbesondere die Ethisierung der Wissenschaft führt dazu, dass Rechtsprobleme überspielt werden und Entscheidungen offen oder versteckt auf Begründungen gestützt werden, deren Status innerhalb eines rechtlichen Verfahrens selbst ebenso unklar bleibt wie die eigentliche Regelung.68 S. Vöneky (2013: 129) spricht mit Recht davon, dass die „Ethisierung“ von Entscheidungen über die Grenzen der 68 In manchen Gesetzen, z. B. § 7a Abs. 2 Nr. 3 TierSchG, wird die ethische Vertretbarkeit selbst zur rechtlichen Voraussetzung einer Entscheidung.

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Wissenschaft und der Technologieentwicklung eine „Ergänzung rechtlicher Normen“ bedeute. Dieselbe Autorin ist aber trotz ihrer durchaus kritischen Beurteilung der Einwirkung ethischer Standards auf die Ausübung der Wissenschaftsfreiheit (Vöneky 2010: 338 f.) offenbar davon überzeugt, dass es zwar kaum begründbare materielle Prinzipien gebe, aber dennoch erwartet werden kann, dass „der“ Ethiker unterscheiden kann, was als „Lösung“ eines Wertungsproblems „rational kohärent rechtfertigbar“ ist (Vöneky 2009: 93). Damit verlagert sich das Interesse von der Entscheidung zur Begründung (Luhmann 2008: 281), ohne dass die sich stellenden Probleme der Vielfalt der Werte abgespannt würden. Die Ethik spiegelt im Grunde nichts anderes wider als die Unsicherheit des Staates und der Gesellschaft gegenüber dem sich herausbildenden „High Knowledge“ und dem Wandel der Erscheinungsformen des gesellschaftlichen Wissens und paradoxerweise der Erweiterung des mit dem Wissen mitwachsenden Nichtwissen (Luhmann 1990: 68). In dieser Situation kann man mit N. Luhmann (2008: 93, 296) konstatieren, dass die Ethik „das Lob der modestas, der mediocritas, der justitia, des Vermeidens der Extreme (sei)“, auf die „anstelle einer genauen Programmatik“ rekurriert werde. Zum Teil wird Ethik als möglicher Gegenstand eines „Sachverstandes“ gesehen, der wie bei wissenschaftlichen Untersuchungen i. e.S. auch Thema eines „antizipierten Sachverständigengutachtens“ sein könne (Wölk 2002: 252). Mit dem hier geäußerten Zweifel soll nicht die Legitimität von Ethikkommissionen und ihrer spezifischen Aufgabe rundheraus bestritten werden. Man muss allerdings genauer zwischen solchen Kommissionen unterscheiden, die aufgrund ihrer Zusammensetzung letztlich eher auf einer Berufsethik basiert sind, die sich insbesondere für die Wissenschaft, aber auch die Technologie oder die Medizin als Form der Selbstreflexion ihrer eigenen Grenzen nahelegt69, und solchen, die unterschiedliche moralische Standpunkte jenseits einer Bindung an professionelles wissenschaftliches oder technologisches Wissen zum Ausdruck bringen.70 Ethik, im letzteren Sinne verstanden, zielt auf die Notwendigkeit der Abstimmung von Wissenschaft und Technologien auf andere Beobachterperspektiven in der Gesellschaft jenseits des professionellen Wissens und der Verfahren seiner Selbstreflexion. Es ginge in der ersteren Variante primär um einen „nur informativen, nicht persuasiven, nur irritierenden, nicht dirigierenden Kommunikationsstil“, der letztlich nichts anderes als Ausdruck einer Berufsethik ist (Wölk 2002). Es ginge dann nicht um die „Erzeugung von Sicherheit“, sondern vielmehr um eine paradoxe „Erzeugung von Unsicherheit“ (Luhmann 2008: 359), die innerhalb des Wissenschaftssystems produktiv werden könnte. Moral hat in der Vergangenheit immer eine feste Verknüpfung mit dem sozialen Gedächtnis von Praktiken gehabt. Eine Ethik, die nicht mehr auf ein solches Repertoire von Praktiken zurückgreifen kann, weil diese sich noch nicht entwickelt haben, steht vor dem Problem, dass Entscheidungen ohne die Möglichkeit des Rückgriffs auf praktische 69

Vgl. z. B. § 2 Abs. 3 Satzung der Ärztekammer NRW über die Ethikkommission (Zusammensetzung): die Mehrheit stammt aus dem ärztlichen oder pharmazeutischen Bereich. 70 So sind nach § 2 TierschutzkommissionsVO von 12 Mitgliedern allenfalls drei oder vier aus dem Bereich der einschlägigen Forschung zu berufen.

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Anschlussmöglichkeiten mit dem Problem der Unterbestimmung von Begründungen zu kämpfen haben. Insbesondere eine Bioethik oder eine Technikethik kann auf Berufsethiken zurückgreifen, weil gerade professionelle Praktiker am ehesten in der Lage sind, mit „incompletely theorized agreements“ (C. S. Sunstein) zu operieren und die implizite normerzeugende Bedeutung der Praktiken zu nutzen (vgl. auch Arras 2010). Sich über „Gründe“ zu verständigen ist weitaus schwieriger als über praktische Maßnahmen selbst (Atlan 2003: 57).71 Hier stellt sich ein nicht hintergehbares Problem der Unvollständigkeit, ja, der Grenzen des Wissens im Allgemeinen und der Beschreibbarkeit von auf Veränderung angelegten Prozessen eines Wandels, der sich immer zunächst mehr oder weniger unbewusst vollzieht (Atlan 2003: 264). Deshalb wäre es in solchen Konstellationen, in der Konfrontation mit „evolutiven“, auf Veränderung durch „Anwendung“ angelegten „Netzwerken“ (Atlan 2003: 216) besser, sich über pragmatische, auf Revidierbarkeit angelegte Lösungen zu verständigen, Risikovergleiche vorzunehmen, mehr Wissen durch Evaluation und Monitoring zu erzeugen, statt sich der Illusion der Verfügbarkeit „ethische Prinzipien“ des Entscheidens unter Ungewissheitsbedingungen hinzugeben. Soweit dies nicht ausreicht, müssen rechtliche Grenzen gesetzt werden, die sich an der Wissenschaftsfreiheit (Trute 1994: 166 ff.), Art. 5 Abs. 3 GG, und der als Technologiefreiheit fungierenden Berufsfreiheit, Art. 12 Abs. 1 GG, zu orientieren hätten. Das würde bedeuten, dass Wissenschaft und Technologie unter den veränderten Bedingungen der Netzwerkgesellschaft ihrerseits als Gegenstände „impersonaler Grundrechte“ zu betrachten wären, die einen Prozess der Wissensbildung einschließlich der Herausbildung einer reflexiven Berufsethik zu schützen hätten.72 Die Anerkennung der zunehmenden Reflexivität der Selbstorganisation (durch Interaktion mit dem Subjekt, nicht durch Steuerung) wäre die Grundlage für eine solche Überlegung zu „impersonalen Grundrechten“ – die selbstverständlich ebenso wenig schrankenlos wären, wie personale. Dies impliziert vor allem ein anderes begriffliches Operieren mit der „Prozessordnung“ der Wissensgenerierung und -verarbeitung (Neuser 2013: 46). Das Subjekt steht nicht am Anfang! Einen Anknüpfungspunkt dafür bietet die institutionelle, aber zu sehr auf die Hochschulen als „Institutionen“ bezogene objektivrechtliche Verständnis der Wissenschaftsfreiheit. Eine gesetzgeberische Konzeption, die die Funktion unterschiedlicher Ethikkommissionen tragen könnte, ist nicht zu erkennen. Für die Protagonisten der Ethisierung wissenschaftlicher und rechtlicher Entscheidungen müsste die vielfach anzutreffende vorrangige Besetzung der dieser Kommissionen mit Vertretern der einschlägigen Wissenschaftlern inkonsequent erscheinen. Wenn es „Experten“ für Ethik gibt, die über einen besonderen Sachverstand verfügen, der sie befähigt, die ethische 71 Das spricht auch gegen den Versuch, eine allgemeine Grundlage für internationale Menschenrechte zu postulieren, sondern stattdessen praktische Verbindlichkeiten für die Bewältigung bestimmter Konstellationen zu entwickeln, vgl. J. L. Cohen (2012: 181). 72 Vgl. zu der sich dem Subjekt immer mehr entziehenden Selbstorganisation des Wissens weiterführend Neuser (2013: 87, 132).

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Rechtfertigung von „Lösungen“ auf ihre Rationalität und Kohärenz zu prüfen (Vöneky 2009: 93), wäre die große Beteiligung von Fachwissenschaftlern an der vielen Ethikkommissionen eher als Grund zur Besorgnis der Befangenheit zu betrachten, da die Fachwissenschaftler zu wenig Abstand von politischen realen Konflikten um bestimmte Hochtechnologien halten können. Tatsächlich ist aber gerade die Inanspruchnahme ethischen Sachverstandes für die Bewertung von wissenschaftlichen und technologischen Projekten durch nicht berufsethisch institutionalisierte Ethikkommissionen73 – außer für einen engen Bereich von grundlegenden Konflikten um die Menschenwürde – zu bestreiten. Der Grund für dieses „Privileg“ ist gerade in der Notwendigkeit der Verknüpfung von Praktiken, die nicht in vollem Umfang theoretisch expliziert werden können, mit eher pragmatischen Wertungen von Professionellen, die mit eben mit der durch die Praxis prozessierten Ungewissheit und Unvollständigkeit besser, eben praktisch experimentell umgehen können. Diese These ist nur einzuschränken für die Fälle, in denen es um Grundfragen etwa der Definition des menschlichen Lebens geht (PID, Abtreibung, Embryonenschutz). Hier ist aber nicht recht einzusehen, welche Eigenständigkeit eine ethische Diskussion gegenüber der Entscheidung über die Setzung rechtlicher Grenzen etwa unter dem Gesichtspunkt der Menschenwürde für insbesondere wissenschaftliches Handeln haben sollte. I. Augsberg und der Verf. (2008) haben an andere Stelle die Auffassung begründet, dass der Schutz der Menschenwürde in Art. 1 Abs. 1 GG den Wiedereintritt der „Gemeinschaft“ in eine durch die Freiheit der Selbstdefinition von funktional ausdifferenzierten Teilsystemen (hier insbesondere: Wissenschaft und Technologie) und ohne übergreifende Einheit bestimmte Rechtsordnung bedeutet. Innerhalb der Diskussion über die Menschenwürde haben ethische Argument ihren Platz, da nun einmal in der Gesellschaft über Moral gestritten wird (Luhmann 2008: 346). Aber auch die rechtliche Festlegung der Grenze der Wissenschaft in fundamentalen Fragen der Definition des menschlichen Lebens auf ethischer Grundlage kann nicht so verstanden werden, dass darin bestimmt werde, „wer wir … sein wollen “(Vöneky 2009: 96) – das ist etwas, was „wir“ gar nicht wissen (können). Selbst das Verbot bestimmter wissenschaftlicher Experimente ließe sich eher als Ausdruck einer nicht hintergehbaren Unsicherheit verstehen, die wegen der „Unterschiedlichkeit der Weltkonstruktionen“ (Luhmann 2008: 360) in einer Gesellschaft bestimmte Frage unentscheidbar halten muss und deshalb paradoxerweise bestimmte, auch gesellschaftliche Entscheidungen verbietet. Diese Überlegungen sollen jedenfalls zeigen, dass eine allgemeine Ethik nur eine sehr begrenzte Leistung bei der Lösung der Frage nach den Grenzen von Wissenschaft und Technologien erbringen kann, soweit sie über die Grenzen einer Berufsethik hinausgeht. Sie kann aber eine produktive Irritation der Berufsethik selbst auslösen und auf der anderen Seite Ungewissheit so strukturieren, dass rechtliches

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Vgl. zur Zusammensetzung des Deutschen Ethikrats http://www.ethikrat.org/ueber-uns.

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Entscheiden über die Grenzen der Wissenschaft und der Technologie erleichtert wird. Nur in sehr begrenztem Umfang kann aber die nicht durch berufliche Erfahrung in Wissenschaft und Technologie orientierte Ethik unmittelbar eine „Ergänzung“ für rechtliche Festlegung von deren Grenzen vornehmen, weil es keine gemeinsame Verständigung über „unverzichtbare Werte“ in einer pluralistischen offenen Gesellschaft geben kann (Luhmann 2008: 228).

5. Insbesondere: Die Verschleifung von Wissenschaft und Technologie – nochmals das Exempel der Nanotechnologie Die Nanotechnologie setzt bekanntlich in einer Vielzahl praktischer Anwendungsfelder (Roco/Bainbridge 2002; Moret 2006) darauf, auf der Ebene der Moleküle oder der Atome Prozesse der Selbstorganisation der belebten wie der unbelebten Natur zu beeinflussen oder zu modellieren, die sich der Beschreibung in herkömmlichen Kausalitätslinien und Gesetzmäßigkeiten entziehen. Wissenschaftstheoretisch bedeutet dies, dass das Verhältnis von Wissenschaft i. e.S. und Technologie ein weiteres Mal grundlegend verändert wird (Loeve 2008: 10): In der Nanotechnologie lassen sich allgemeine „Gesetzmäßigkeiten“, die durch die konstruktive Vernunft aus der Beobachtung von Naturphänomenen herauspräpariert werden, und Prozesse in der Natur, die sich unabhängig von menschlichen Einwirkungen vollziehen sowie der konkrete insbesondere experimentelle Eingriff nicht mehr stabil trennen (Loeve 2008: 10). Die funktionale Modellierung von technologischen Konstruktionen auf der molekularen oder der atomaren Ebene ist keine „Anwendung“ einer Gesetzmäßigkeit oder eines stabilen Reaktionsmusters, die sich durch allgemeine Beschreibung stabilisieren ließe; Abstraktes und Konkretes, Natürliches und Künstliches sind untrennbar miteinander verbunden (Bensaude-Vincent 2009: 34). Auch die Darstellung nanotechnologischer Prozesse bildet nicht mehr einen verallgemeinerungsfähigen, vor der Darstellung selbst existierenden Zusammenhang ab, sondern ist verschleift mit dem Prozess der Produktion einer bestimmten Wirkung selbst: Auch „Sehen ist Machen“, das Bild erzeugt einen Zusammenhang, der durch die Darstellung zugleich erst überarbeitbar wird. Das nanotechnologische Design ist „Teil eines Gegenstands-im-Entstehen“ (Daston/Galison 2007: 407). Die Darstellung ist Teil eines Herstellungsprozesses. Die Nanotechnologie und die Computerwissenschaften bringen eine neue „Prozessordnung“ des Wissens zur Geltung, die das Subjekt dezentriert (Neuser 2013: 46, 87). Dazu bedarf es nicht der sich als philosophische Intervention verstehenden „Dekonstruktion“. Die reale Dekonstruktion und die Dekonstruktion des Realen sind längst da. Such is life! Mit H. J. Rheinberger (2007b: 121) kann man formulieren, dass der hybride Charakter

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der Nanotechnologie es erlaube, dass ein „Raum möglicher Spuren erzeugt“ wird, „in dem sich das Spiel der molekularen epistemischen Objekte“ ereignet, aber eben ohne den hierarchischen Vorrang der Theorie oder des Gesetzes gegenüber der Praxis der „Anwendungen“ (Loeve 2008: 10). Diese Prozesse unterliegen einer „TechnoLogik“ (Loeve 2008: 10), die Wissenschaft und Technologie gleichrangig aufeinander verweist (Nordmann 2008: 93 f.; allg. Nordmann 2004; zu den Möglichkeiten und Grenzen der „Anhörung“ in Fragen der Regulierung der Nanotechnologie vgl. Ehnert 2015: 39, 126 ff.).

6. Veränderung des Kausalitätsmodells a) Riskante Nebeneffekte Auf der Nano-Ebene lässt sich wegen der Individualisierung der einzelnen Moleküle oder Atome und ihrer Bestimmung durch die Funktionalisierung (Loeve 2008: 9) eines Prozesses der Selbstorganisation keine Vorstellung einer linearen, allgemeinen Regeln unterliegenden Kausalität formulieren (Guchet 2008: 22 f.), der die technologische Intervention unterworfen wäre. Nanotechnologische Effekte lassen sich nicht mehr nach einem Muster beobachten. Der Nutzen dieser Technologie ist offenbar vielfältig, so vielfältig, dass auch die diffusen Nebeneffekte einer solchen nicht beobachtbaren Kausalität kaum bestimmbar erscheinen.74 Es ist aber nicht auszuschließen, dass der Einsatz nanotechnologischer Artikel etwa in der Medizin, in der Materialtechnik, in der Chemie, um nur einige zu nennen, auf Grund der kaum abschätzbaren Prozesse der Selbstreplikation auf der molekularen Ebene komplexe Verkettungen auslösen, die zu erheblichen Gesundheits- oder Umweltproblemen beitragen könnten (Schmid/Brune et al. 2006: 329, 339 ff., 343 ff.; Scherzberg 2008). Die Steigerung der Unsicherheit ist darauf zurückzuführen, dass eben Kausalitätsmuster schon ex ante nicht genau zu bestimmen sind und dementsprechend auch komplexe Nebeneffekte nicht abzuschätzen sind. Ob und wie weit tatsächlich weitreichende Selbstorganisationsprozesse derart denkbar sind, das sogar grundlegende Veränderungen der Natur denkbar werden, z. B. dass neue Organismen durch Selbstorganisationsprozesse generiert werden, ist Gegenstand von Spekulationen (Drexler 1987; Drexler/Hall 2005; Roco/Bainbridge 2002; distanzierter Nordmann 2004; 2008; Bensaude-Vincent; 2009). In der Perspektive auf ein neues „Kontrollprojekt“ für komplexe nanotechnologische Interventionen erscheint auch das Modell des „Risikomanagements“ (Ashford/Caldart 2008: 1020) der zweiten Stufe der Risikobeobachtung nicht mehr als Referenzrahmen für die neuen Risiken ausreichend. Das bisherige Paradigma des 74 Dabei soll der Eingriff in das menschliche Gehirn mit nanotechnologischen Mitteln zum Zwecke des „enhancement“ außer Betracht bleiben. Vgl. Merkel/Boer et al. (2007; Roco/ Bainbridge 2002).

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„Risikomanagements“ folgte einer planerischen Rationalität und operiert mit einer offenen Relationierung von möglichen Trajektorien innerhalb eines Optionenraumes nach einem „Konzept“ (BVerwGE 69, 37, 45). Das Modell der Beobachtung und Begrenzung von Risiken, das der Nanotechnologie entsprechen könnte, lässt sich demgegenüber eher heuristisch mit dem Begriff des „Wissensmanagements“ (Bensaude-Vincent 2009: 73, 190) benennen. Das heißt, das neue Modell der Risikovorsorge kann nicht mehr bei der Modellierung möglicher Kausalverkettung ansetzen, die immerhin nach vorstellbaren Szenarien operieren, z. B. dass eben auch geringe Mengen eines Stoffes in einem Verarbeitungsprozess durch Kumulation mit anderen Faktoren zu erheblichen Schäden führen können (Davies 2009: 30). Das Vorsorgeprinzip in seiner „strikten Form“ verlangt „inaction when action might pose a risk“ (Center for Responsible Nanotechnology, in: Sutton 2011: 4575) – dies würde aber bei einer komplexen Technologie dazu führen, dass ein emergenter Prozess der Entstehung neuen Wissens blockiert würde – dies ist in einer liberalen Gesellschaft grundsätzlich unvereinbar mit deren experimentellem Weltverhältnis: das neue Wissen hat grundsätzlich das stärkste Argument auf seiner Seite, nämlich dass man es noch nicht kennt. Die „aktive Form“ des Vorsorgeprinzips verlangt „choosing less risky alternatives when they are available, and for taking responsibility for potential risks“ (CRN, in: Sutton 2011: 45). „Lack of understanding of the technology will leave the world ill-equipped to deal with irresponsible use“ (ebd., 47).

b) Zur Notwendigkeit eines „Wissensmanagements zweiter Ordnung“ Ein Element eines „Wissensmanagements zweiter Ordnung“ könnte darin bestehen, die Erzeugung von Risikowissen selbst nicht getrennt vom eigentlichen „Ziel“ des Einsatzes der Technologie zu beobachten, sondern reflexiv in den gesamten Prozess der Wissensgenerierung und seiner technologischen Realisierung einzubauen. Eine Variante könnte darin bestehen, dass nanotechnologische Partikel, soweit sie z. B. in bestimmte Materialien eingehen, deren Nutzung vielfach auch ex ante nicht feststeht, soweit wie möglich biologisch abbaubar zu konstruieren, damit Risiken begrenzt bleiben. Ein weiteres eher an der Beobachtung von Risiken orientiertes prophylaktisches Moment könnte darauf zielen, in die Prozesse der Verkettung von Molekülen ihrerseits nanotechnologisch konstruierte reflexive Momente der Beobachtung einzubauen. Die zunehmende Verknüpfung von Nanotechnologie, Informationstechnologie, Chemie und Genetik führt dazu, dass auf der Nano- und Mikroebene ex ante die „Markierung“ von Partikeln möglich erscheint, die dann zu 75 Das „Center for Responsible Nanotechnology“ ist ein Think Tank, eine Non-ProfitOrganisation, die sich für den „verantwortlichen Gebrauch der Nanotechnologie“ einsetzt, http://crnano.org.

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einer systematischen Beobachtung jedenfalls bestimmter Anwendungsräume oder bestimmter Transportkanäle führen kann. Darauf ließe sich ein Beobachtungsprogramm stützen, dass die Erzeugung von Risikowissen und die Beobachtung von Wirkungszusammenhängen ex post erlauben würde. Auf dieser Grundlage ließen sich neue Modelle denken, die stärker für strategische Ziele offen sind und reflexive, auf die experimentelle Logik abgestimmte „Konzepte“ zweiter Ordnung denkbar erscheinen lassen, die die Funktionalisierung der Natur mithilfe der Nanotechnologie über das Erfordernis des Mitlaufenlassens von „Biomarkern“76 und eines „Konzepts“ der nach dem Modell der Datenverarbeitung („Datamining“) konzipierten offenen Kombinatorik der Beobachtung von Kumulations- und Vernetzungseffekten abbilden und variieren könnte.77

c) Gesundheitsrecht – Wissenstypen – grundrechtliche Implikationen Im Gesundheitsrecht ließe sich mit der hier vorgenommenen Unterscheidung gesellschaftlich instituierter und veränderter Wissenstypen (von der individuellen distribuierten Erfahrung – zur organisierten und kontrollierten organisationalen Wissenserzeugung bis zur Computerisierung des Wissens) auch eine entsprechende Verknüpfung mit (grund-)rechtlichen Differenzierungen vornehmen. Das Modell des Arztes, der über ein gewisses Erfahrungswissen verfügt, das durch intuitive Praxis weiterentwickelt wird, bestimmt noch weitgehend die Beobachtung dieses Rechtsgebiets. Daraus ergibt sich eine starke grundrechtliche Stellung (Art. 12 Abs. 1 GG), die bei Veränderung der Gewichte zwischen Ärzten, Krankenhäusern und anderen Institutionen immer wieder angerufen wird. Die Komplexität des Gesundheitssektors erschwert die Aufrechterhaltung der traditionellen Zentralität des Gesetzes und der untergesetzlichen Normen. Dies zeigt sich an den Schwierigkeiten der rechtlichen Einordnung der Entscheidungen des Gemeinsamen Bundesausschusses insbesondere über die von der medizinischen Profession (Ärzte oder Krankenhäuser) zu erbringenden und von den Krankenkassen zu finanzierenden Leistungen (vgl. zu den Aufgaben Hess 2005: 385; zur verfassungsrechtlichen Legitimation Axer 2013:3; Hase 2014: 423). Der Fortschritt der medizinischen Forschung bringt immer stärker Innovationen jenseits der klassischen wissenschaftlichen Forschung und der ärztlichen Praxis hervor. Dies gilt für neue Methoden der Heilbehandlung, aber auch die Ablösung der individuellen ärztlichen Behandlung durch organisiertes und ver-

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Vgl. zu einer Konzeption für das Aufspüren von Risiken in der Natur mithilfe von Nanopartikeln Simonet/Valcárcel (2009: 17, 19); in der Medizin Shapiro/Benenson (2007: 66); Markermoleküle können auch zur genaueren Lokalisierung von Wirkstoffen eingesetzt werden; vgl. zu Biomarkern und deren reflexiver Entwicklung auch Sistare (2010: 446). 77 Mit Black (2002: 1, 9) könnte man formulieren, dass „Varietät mit Varietät“ beantwortet werden muss.

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netztes Wissen, das in Krankenhäusern aggregiert wird, oder jetzt durch computerisiertes Wissen (einschließlich Big Data, Ladeur 2016a). Es wäre zu erwägen, diesen Konflikt auch institutionell besser zu strukturieren und von einer Kollision zwischen mehreren Wissenstypen auszugehen, die mindestens partiell aber grundrechtlich abgesichert sind. Für Ärzte und Krankenhäuser ist hier Art. 12 GG (Berufsfreiheit) von Bedeutung. Wie oben erwähnt, erscheint es angesichts der Komplexität und Vernetzung zwischen Wissenskomponenten sinnvoll, den Prozess der Erzeugung wissenschaftlichen Wissens selbst durch ein „impersonales Grundrecht“ des Wissens und der Technologie zu schützen, das in Art. 5 Abs. 3 und Art. 12 GG zu lokalisieren wäre. Die Verzweigungen und Verschleifungen des Wissens lassen sich weder allgemein subjektivrechtlich noch nach einem traditionellen objektivrechtlichen Gebot des Schutzes der Wissenschaftsfreiheit (das wiederum zu stark auf den Staat fixiert wäre) sinnvoll verfassungsrechtlich einordnen. Die Aufgabe der Leistungssteuerung durch den G-BA ließe sich auf der allgemeinen Ebene der verfassungsrechtlichen Reflexion und Legitimation dann genauer (auch) als eine der Abstimmung, Koordination und Subordination unterschiedlicher Wissenstypen verstehen. Der „Wissensraum“ der Erfahrung, der durch das individuell verstandene Grundrecht aus Art. 12 Abs. 1 GG (Berufsfreiheit) instituiert würde, das daneben auch implizit die Kreativität, die Selbstorganisation des Wissens voraussetzt, wäre dann auf das in Krankenhäusern gewonnene und verfügbare organisierte Wissen abzustimmen. Die Einführung der „evidenzbasierten Medizin“ (I. Augsberg 2016; Ladeur 2011b: 455 m.w.N.), die insbesondere die Leistungen der öffentlichen Krankenversicherungen anhand der klinischer Tests standardisiert und evaluiert, ist eine Erscheinungsform des Reflexivwerdens des Wissens, das infolge der Dynamisierung des Wissens erforderlich geworden ist, weil die tradierte Fortschreibung des Wissens durch spontanen „Erfahrungsaustausch“ und universitäre Forschung nicht mehr ausreicht. Das „organisierte“ Wissen, sucht methodisch kontrolliert nach „Gruppenwahrscheinlichkeiten“ und nach der Möglichkeit der systematischen Influenzierung der Wissensspeicherung und der Wissensanwendung. Die Organisation dieses Prozesses (nicht mehr nur die spontane Selbstorganisation der Erfahrung) kann selbst zum Gegenstand des Schutzes eines „impersonalen Grundrechts“ (H. Ridder) insbesondere der Berufsfreiheit werden, wenn der Individualschutz des Berufes nicht mehr ausreichend erscheint. In der etablierten Terminologie wäre dies als ein Teil der „objektiv-rechtlichen Dimension“ der Grundrechte einzuordnen (vgl. nur BVerfGE 81, 241, 254 – Handelsvertreter; Cremer 1999: 80). Entsprechendes gälte für die Einführung von „High Knowledge“ in die Medizin, die ebenfalls nicht den Anschluss an die anderen „Wissensarten“ der Medizin verlieren darf. Das neue Wissen, das vor allem über Big Data digital aggregiert und prozessiert wird, zeichnet sich insbesondere dadurch aus, dass es immer mehr „Daten“ benötigt, die ohne einen bestimmten Zweck „gewonnen“ und immer wieder neu nach formalen Algorithmen reorganisiert und prozessiert und ggf. personalisiert werden (vgl. näher Ladeur 2016a). Dies kann leicht mit der bisherigen

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Struktur des Datenschutzes kollidieren, der grundsätzlich die Zweckbindung der Daten verlangt. Dies wird sich aber nicht mehr aufrechterhalten lassen, wenn die medizinische Forschung und ihre Anwendung einem neuen Paradigma folgt – auch dies wäre dann ein Fall für den „impersonalen“ Grundrechtsschutz (Art. 12 Abs. 1 – Berufsfreiheit, Art. 5 Abs. 3, S. 1 GG – Wissenschaftsfreiheit). So ließe sich auch die Stellung des G-BA (Gemeinsamer Bundesausschuss der Organisation der Ärzte, Krankenhäuser und gesetzlichen Krankenversicherungen) erklären, der eine besondere Stellung als „Wissensmanager“ innehat, die nicht in die traditionelle Normenhierarchie einzuordnen ist. Das BVerfG hat jüngst in einer Entscheidung zur Legitimation der Bestimmung des Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenkassen Bedenken gegen die verfassungsrechtliche (demokratische) Legitimation des G-BA zur Erfüllung dieser Aufgabe geäußert: es komme insbesondere darauf an, ob und wieweit der G-BA für die Wahrnehmung seiner Aufgabe „gesetzlich angeleitet und beaufsichtigt“ sei (BVerfG v. 10. 11. 2015,1 BvR 2056/12; vgl. auch den Bericht in FAZ v. 20. 11. 201578). Eine solche „Anleitung“ durch Gesetz erscheint unter Bedingungen hoher Komplexität kaum mehr möglich. Deshalb erscheint es eher vorstellbar, dass das Verfahren der Wissenserzeugung und -nutzung geregelt wird und im Übrigen eine systematische Kontrolle ex post unter dem Gesichtspunkt der Angemessenheit der konkreten Verfahrensweise, der Offenheit für Innovationen und Experimente beobachtet wird. Eine an materiellen Zielen orientierte Steuerung ex ante erscheint kaum realisierbar. Im Rahmen dieser Arbeit ist nicht mehr als ein kurze Überlegung zur rechtlichen Bedeutung der Aufgaben der G-BA möglich. Für die Varianten des „Wissensmanagements“ müssten neue institutionelle Formen gefunden werden. Ansätze dazu gibt es auch schon im Planungsrecht, das sich durch die Anerkennung eigenständiger Formen einer kognitiven Rationalität auszeichnet, die auch für das Gesundheitsrecht konturiert werden müsste. So wäre, wie erwähnt, daran zu denken, das hier im Anschluss an H. Ridder entwickelte Konzept des „impersonalen Rechts“ auch auf die genannten unterschiedlichen Wissenstypen zu beziehen und ein „Eigenrecht des Wissens“ zu konzipieren (Ladeur 2016c).

7. Technikrecht und die staatliche/gerichtliche Bewertung von Technologien a) Die BVerfG-Entscheidung zum GenTG Das BVerfG geht in seiner Entscheidung zur Verfassungsmäßigkeit des GenTG seinerseits von der oben kritisierten Annahme aus, im Angesicht einer wissenschaftlich nicht im Einzelnen zu klärenden Risikolage sei der Gesetzgeber auch ohne 78 http://www.faz.net/aktuell/wirtschaft/wirtschaftspolitik/wahl-der-therapie-aerzte-undkrankenkassen-entscheiden-selbst-13922445.html.

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empirischen Gefährdungsnachweis zur Beschränkung der (auch experimentellen) Verwendung gentechnisch veränderter Stoffe berechtigt. Soweit der Schutzbereich der Wissenschaftsfreiheit eröffnet ist, müsse der Staat auch einen Prognose- und Beurteilungsspielraum bei der Einschätzung von Risiken in Anspruch nehmen können. Dies ist eine viel zu pauschale, sich nicht auf die Besonderheiten wissenschaftlichen Arbeitens einlassende Annahme, da Ungewissheit geradezu die nicht hintergehbare Bedingung der Wissenschaft ist, ja, ihren Regelfall bildet. In der Entscheidung des BVerfG79 wird die Gentechnik als basierend auf dem „Eingriff in die elementaren Strukturen des Lebens“ gekennzeichnet – dies ist eine von vornherein, vor aller Risikobeschreibung negativ konnotierte Charakterisierung, die einem Gericht nicht zusteht und eine Missachtung der Wissenschaft bedeutet. Der fast unvermeidliche Hinweis auf die mögliche „Irreversibilität“ der Folgen der Nutzung der Technologie darf nicht fehlen. Damit wird der unter Ungewissheitsbedingungen operierenden Wissenschaft schon eine Beweislast aufgebürdet, die sie nicht tragen kann. Die als ganzheitlich unterstellten „elementaren Strukturen des Lebens“ scheinen sich von vornherein gegen eine Konzeption als eine Art „Schrift“, eine „Informatisierung“ zu sperren, die die Entzifferung und das Um-schreiben des Lebens über eine Art Computer zuließe (de Rosnay 1991). Im Übrigen ist so gut wie jede technologische Entwicklung irreversibel. Zwar werden auch Chancen der Erforschung und Nutzung der Gentechnologie erwähnt, aber deren Darstellung entspricht der oben am Beispiel der EGE beschriebenen Tendenz, die Wissenschaft auf Leistungen an die Gesellschaft festzulegen, die nicht von der Wissenschaft selbst bestimmt werden. Die Autonomie der Wissenschaft und die Schwierigkeit der systematisch schwer abschätzbaren Wirkungen der Forschung werden nicht berücksichtigt. Das Gericht erkennt zwar, dass durch mehrere Regelungen des GenTG, insbesondere § 3 Nr. 3, 6 GenTG auf die „Methodik von Forschungsprojekten Einfluss genommen“ wird, doch ergibt sich offenbar aus dem Wesen der Grundrechte, dass sie „verhältnismäßig“ und soweit beschränkt werden dürfen, „als es zum Schutz öffentlicher Interessen unerlässlich ist“. Diese starke Wertung ist wohlfeil, da sie praktisch keinerlei Konturierung erfährt. Es ist dann auch nicht verwunderlich, dass die Bewertung auch ganz anders ausfallen kann, wenn etwa Dederer im Gegensatz zum BVerwG die Beschränkung als dem „Übermaßverbot“ widersprechend bezeichnet. Die Argumentation gerät schon dadurch in falsche Bahnen, dass dem Gesetzgeber ein Beurteilungs- und Einschätzungsspielraum eröffnet wird, der geradezu voraussetzt, dass nicht rational bestimmbar ist, was „unerlässlich“ ist.80 Es ist auch nicht weiter verwunderlich, dass der Datenschutz, den das Gericht sonst hochhält (auch für wissenschaftliche Experimente) beschränkt werden muss, obwohl offensichtlich ist, dass die „Transpa79

218).

BVerfGE 128, 1 (GenTG); dazu mit Recht kritisch Bickenbach (2011: 1); Dederer (2012:

80 Vgl. zur Einschätzungsprärogative des Staates Bickenbach (2011: 106); zur Prognosekontrolle auch I. Augsberg/S. Augsberg (2007: 290).

7. Technikrecht und die staatliche/gerichtliche Bewertung von Technologien

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renz“ nicht zuletzt von Gruppen genutzt wird, die die Versuchsfelder für Freisetzungsexperimente der Gentechnologie verwüsten.

b) Die Rolle des Einschätzungsspielraums des Staates im Angesicht von Ungewissheit Die Alternative, dass die Wissenschaft selbst zunächst die Selbstbegrenzung der Forschung definieren können müsste und der Staat erst in zweiter Linie bei Vernachlässigung von Risiken intervenieren dürfte, wird nicht erwogen. Der „Einschätzungsspielraum“ des Staates führt dazu, dass auch ohne jeden Nachweis konkreter Gefährdungsmöglichkeiten die Bedingungen vor allem der Grünen Gentechnologie so ausgestaltet werden, dass sie inzwischen praktisch völlig blockiert worden ist – ohne dass man konkret weiß, welche Möglichkeiten dadurch abgeschnitten worden sind. Tatsächlich haben sich Risiken bisher weltweit in keinem Fall in nennenswertem Umfang realisiert. Angst vor der Gentechnik wird in Streitverfahren vor der WTO von der EU-Kommission inzwischen fast als eine Art kulturelle Eigenart Europas verteidigt81, da empirische, auch für andere Regierungen plausible Belege nicht vorgelegt werden können. Letztlich wird damit die Vermutung für die Freiheit, die als Wissensregel in die Grundrechte eingetragen ist, unter dem Deckmantel des Verhältnismäßigkeitsprinzips außer Kraft gesetzt. Dies ist eine Form der „Herrschaft kraft Nichtwissens“82, die mit der Wissenschaftsfreiheit unvereinbar ist. Die Problematik des GenTG hat auf eine für „High Knowledge“ charakteristische Weise einen neuen Akzent dadurch erhalten, dass – wie oben erwähnt – neue Methoden der Gentechnik entwickelt worden sind, die sich in ihrem Vorgehen und in ihrer Wirkung nicht von den etablierten Verfahren der Pflanzenzüchtung unterscheiden lassen.83 Auch dies zeigt, dass das BVerfG den grundlegenden Wandel der neuen Formen von „High Knowledge“, ihre ständige Selbstveränderung, verkannt hat. Die charakteristischen Leerformeln des „Verhältnismäßigkeitsprinzips“ und des Einschätzungsspielraums im Angesicht empirischer Wissensgrenzen verstellen dem Gericht systematisch den Zugang zum Verständnis der modernen Wissenschaften.

81 Vgl. zur WTO-Entscheidung über die Gentechnik FAZ v. 8. 2. 2006 – http://www.faz.net/ aktuell/wirtschaft/konjunktur/welthandel-eu-unterliegt-im-gentechnik-streit-1303040.html 82 Holzer/May (2005: 317): das Konzept wird dort allerdings komplexer gefasst und als Notwendigkeit des intelligenten Umgangs mit Nichtwissen verstanden, nicht der Inanspruchnahme von „Einschätzungsprärogative“ kraft Nichtwissens. 83 Müller-Jung, FAZ v. 13. 4. 2015 http://www.faz.net/aktuell/wissen/gesetzesfrust-um-em bryonen-und-gene-13524565.html.

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8. Datenschutz neuer Art und technologische Risiken a) Datenschutz – öffentlich-rechtlich: Beobachtung von „Avataren“ Die Diskussion über den Datenschutz von Individuen gegenüber dem Staat wird von der Vorstellung geprägt, dass das klassische, auf den Schutz des Individuums bezogene liberale Sicherheitsrecht und seine Orientierung an der durch Tatsachen bestimmten „Verdachtsgrenze“ auch auf das Internet zu erstrecken sei (zur Kritik Ladeur 2009d). Die neuen „Subjekte“ des Internet sind aber – wie erwähnt – Netzwerke, und nicht mehr allein Individuen. Dazu gehören auch „riskante Netze“ (Ladeur 2008a: 8), in denen sich Kommunikationsforen aus der allgemeinen Öffentlichkeit auskoppeln und eine Selbstradikalisierung der Beteiligten prozessieren, die zugleich ein erhebliches Risikopotential durch Ausdifferenzierung funktionaler „Knoten“ entwickeln, z. B. propagandistische, logistische oder finanzielle Subnetzwerke, die je für sich genommen keine Gefahr bedeuten und deshalb nach dem an der „Gefahrengrenze“ orientierten liberalen Sicherheitsrecht kaum unter Beobachtung gestellt werden dürften. Ein neues „Kontroll-Regime“ muss und kann in vielen Bereichen sich selbst den neuen Formen der Selbstorganisation der Kommunikation und ihren Handlungsmustern sowie der Herausbildung fragmentierter Identitäten anpassen. Ebenso wie die Individuen sich im Netz mit einer Art von „Avatar“ in verschiedenen Teilnetzen bewegen („User Name“), ließe sich z. B. für Zwecke der Beschränkung von Risiken der Datenverarbeitung für die öffentliche Sicherheit durch staatliche Stellen ein Pendant vorstellen: als eine Zwischenform der Beobachtung unterhalb der klassischen Ermittlungsverfahren ließe sich z. B. die Sammlung von IP-Nummern, verknüpft mit anonym bleibenden Verkehrsdaten, derart denken, dass auf einer Vorstufe (für Zwecke der weiterer Beobachtung) nur sozusagen ein „Avatar“ des Rechtsverletzers oder -gefährders oder ein Profil des „riskanten Netzes“ gebildet wird, dessen reale Identität nur bei Hinzutreten weiterer Gefahrenmomente und nur an eine besondere Instanz weitergegeben wird, die von anderen Instanzen der Strafverfolgung getrennt bliebe (Taipale 2003; 2005). Damit würde ein großer Teil der Risiken der Datenverarbeitung durch Institutionalisierung von netzgerechten Regeln bewältigt (Zarsky 2004: 1301), die außerdem den Vorteil haben, dass sie der Beobachtung und Kontrolle durch öffentliche „Information Broker“, die über die Aufrechterhaltung der „Firewall“ entscheiden würden, zugänglich wären. Zu berücksichtigen ist aber vor allem, dass das – falsch konstruierte – „Recht auf informationelle Selbstbestimmung“ dem Bereich des „Risikorechts“ zuzuordnen ist, innerhalb dessen „Vorsorge“ betrieben wird – „Vorsorge“ kann nicht sinnvoll bei einzelnen „Daten“ oder – im Umweltrecht – bei einzelnen Emissionen (unterhalb der Gefahrenschwelle) ansetzen, sondern verlangt ein „Konzept“ (für das Umweltrecht BVerwGE 69,37 45), das Kombinationswirkungen beobachtet und ggf. durch Maßnahmen zu begrenzen sucht. Das ist auch auf den Datenschutz zu übertragen.

8. Datenschutz neuer Art und technologische Risiken

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Dann müsste viel spezifischer bei einzelnen Verknüpfungen angesetzt werden, nicht aber bei den einzelnen Daten (vgl. zur Kritik der Konstruktion des BVerfG auch Bull 2011: 29 ff.). Weder der Staat noch Private (z. B. Intermediäre wie Google oder Facebook) haben ein primäres Interesse daran, „Persönlichkeitsprofile“ derart zu erfassen, dass eine Person möglichst umfassend „ausgeleuchtet“ und dadurch transparent wird. Vielmehr geht es ihnen zunächst darum, insbesondere auf privater Seite unterschiedliche, einander teilweise überlagernde „Verbrauchsprofile“ zu entwerfen, während der Staat unter dem Aspekt der öffentlichen Sicherheit seinerseits zunächst an der Erfassung „riskanter Kommunikationsnetze“ interessiert ist. Dabei ist zu berücksichtigen, dass schon immer davon ausgegangen worden ist, dass es auch „gefährliche Meinungen“ geben kann. Allerdings geht das liberale Recht aufgrund einer in Art. 5 Abs. 1, 2 GG eingetragenen ungeschriebenen Vermutung davon aus, dass solche Gefahren sich durch die Konflikthaftigkeit des individuelle Gewissens (forum internum) und die potentielle Konfrontation mit anderen Personen und anderen Meinungen neutralisiert werden können und müssen. Angesichts der Fragmentierung der Öffentlichkeiten kann davon aber immer weniger ausgegangen werden. Es entwickeln sich gerade in einer multikulturellen Gesellschaft auch immer mehr Netze und Foren, die sich aus der Vielfalt der sich überlagernden Einflusssphären auskoppeln und nur noch mit „Gleichgesinnten“ Kontakte halten und alle Differenzen als Störungen ausfiltern: „… we are not so very far from complete personalization of the system of communication“ (Sunstein 2009: 4). Auch dies muss man berücksichtigen; damit verändern sich die Voraussetzungen der Meinungsfreiheit, die in der Demokratie die Unterschiedlichkeit formaler und informaler Kommunikationen vorausgesetzt hat, wenngleich niemand gezwungen ist, sich seine Meinungen durch vielfältige Information zu bilden.

b) Datenschutz – privatrechtlich: die Daten-GEMA Ein neues „Kontroll-Regime“, das auf die Funktionsweise von Netzwerken und insbesondere auf die Dynamik des Prozessierens von Operationen und Mustern abgestimmt wäre, könnte z. B. in der Förderung von selbstorganisierten GEMAähnlichen Datenschutzorganisationen bestehen, die als private „Information Broker“ die Interessen ihrer Mitglieder vertreten. Sie könnten kollektiv Bedingungen der Datennutzung vereinbaren (ggf. auch gegen Bezahlung) und durch „Qualitätssicherungsverträge“ die Kontrolle der Einhaltung der Normen und Vereinbarungen übernehmen, die für den Einzelnen viel zu aufwendig wäre, für die aber auch die bürokratische Institutionalisierung der „Datenschutzbeauftragten“ wenig angemessen ist. Die Funktionsbedingungen eines solchen Modells84 brauchen hier nicht 84 Googles neue Datenschutzregeln sind ein Schritt auf dem Weg zur Anerkennung der Rechte der Nutzer an „ihren“ Daten, vgl. https://www.google.de/intl/de/policies/privacy/.

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im Einzelnen beschrieben zu werden. Es kommt darauf an, ein Sensorium dafür zu schaffen, dass der Dynamik der Netzwerke, dem ständigen Wandel der Art der Daten sowie der Strategien ihrer Kombination und Rekombination, der Risiken wie der Chancen, ein relativ starres auf der Verhaltenskontrolle nach ex ante formulierten Normen basierendes Rechtsregime nicht gerecht werden kann.

9. Social media a) Netzvertrag als weiterführende Konstruktion? Die Beziehung zwischen Facebook, Google und anderen social media einerseits und ihren Nutzern andererseits ist als eine vertragliche zu konstruieren (Splittgerber/ Rockstroh 2014, Kap. 2, Rnr. 105) – Dumbleton (2011) spricht von einem „social contract“.85 Die Vertragskonstellation86 in der Beziehung z. B. von Facebook und seinen Nutzern, zeichnet sich zunächst dadurch aus, dass hier nicht einfach wie sonst bei standardisierten Verträgen, für die einseitig Allgemeine Geschäftsbedingungen vorgegeben werden, eine Vielzahl von Einzelverträgen nach dem gleichen Muster vereinbart wird, sondern ein Zusammenhang im Dreiecksverhältnis des Unternehmens, des jeweiligen Nutzers und der anderen Nutzer besteht. Dies wirft eine Vielzahl von Problemen bei der Interpretation der Willenserklärung des Nutzers und der Bestimmung der Reichweite von AGB-Klauseln (dazu nach amerikanischem Recht zum „browsewrap“ oder „clickwrap“ Vertrag Hartzog 2013: 57). Darauf soll hier nicht näher eingegangen werden.87 Die Zustimmung zur Nutzung der Daten des jeweiligen Nutzers ist nur sinnvoll, wenn auch andere die Nutzung ihrer Daten zulassen. Dies eröffnet den Anschluss an Überlegungen zu „Netzverträgen“ oder „Vertragsnetzen“ (Teubner 2004). Der Sinn einer daran anschließenden Konstruktion könnte darin bestehen, das hybride Moment dieser Dreieckskonstruktion zwischen Provider, dem einzelnen Nutzer und den jeweiligen dritten Nutzern nicht nur faktisch 85 Es handelt sich allerdings um eine nicht-juristische Arbeit http://www.academia.edu/1 099021/Facebook_Users_and_Privacy_The_development_of_a_social_contract_theory_in_ user_experience_of_substantive_and_informational_privacy_when_using_online_social_net working_websites; Grimmelmann (2010: 795) will den durch die social media zu gewährleistende Datenschutz nach den Regeln der Produkthaftung behandeln. 86 Das bedeutet zugleich, dass der Minderjährige der Einwilligung der Eltern bedürfen, da der Vertrag nicht nur rechtlich vorteilhaft ist. Eine stillschweigende Zustimmung oder die analoge Anwendung von § 110 BGB dürften nicht in Betracht kommen: Daten werden nicht „überlassen“, sondern generiert. Nach der neuen geplanten EU-Datenschutzgrundverordnung soll die Zustimmungsfähigkeit des Nutzers erst ab dem Alter von 16 Jahren vorsehen https:// www.datenschutzbeauftragter-info.de/eu-datenschutzgrundverordnung-das-sind-die-neuerun gen/. 87 Die geplante EU-Datenschutzgrundverordnung soll die Information des Nutzers verbessern – ob dies ausreicht erscheint zweifelhaft.

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zu registrieren, sondern die Verknüpfung zwischen den Verträgen auch als rechtlich relevant anzusehen und dem „social media“-Vertrag eine eigenständige institutionelle Komponente hinzuzufügen. Die AGB-Kontrolle allein erscheint nicht ausreichend (zum Datenschutz Terenzi 2010). Hybrid ist die Beziehung – wie viele andere als „Netzverträge“ bezeichneten Rechtsverhältnisse – insofern, als es weder um einen bilateralen Austauschvertrag im klassischen Sinne noch um eine gesellschaftsrechtliche Vergemeinschaftung von Interessen (oder den Beitritt zu einem Verein mit einer seinerseits kollektiven Struktur) geht, sondern etwas Drittes, das durch die Abhängigkeit zwischen den Nutzern und die darauf bezogene Strukturierungsleistung des Unternehmens bestimmt wird. Eine transsubjektive Komponente hat die Vertragskonstellation vor allem darin, dass der Zweck nicht eindeutig bestimmt ist, statt dessen zielt sie auf die Ermöglichung von Kommunikationsprozessen, deren Muster zunächst von den Bedürfnissen der Nutzer bestimmt werden und die dann in einer „Beobachtung zweiter Ordnung“ strategisch experimentierende Rekodierungen durch das Unternehmen für Zwecke der Werbung zulassen. Das Besondere der Werbung in den „social media“ besteht eben darin, dass sie nicht den traditionellen Formen folgt, sondern sich die spezifischen Kommunikationsmuster der Nutzer „aneignet“ (Zarsky 2008: 741) und dabei personalisierte Differenzierungen für bestimmte Netzwerke von Nutzern und Kommunikationen entwickelt. Vor allem deshalb kann die Befugnis des Unternehmens zur Nutzung von Daten in den Einzelheiten nicht ex ante festgelegt werden. Genau darauf könnte auch die Rekonstruktion der Vertragskonstellation als „Vertragsverbund“ passen, für den eigene Regeln entwickelt werden müssen, die gerade das hybride „Netzinteresse“ (Teubner 2004; vgl. auch Grundmann 2007: 757) erfassen könnten. Dieser Netzwerkeffekt ist emergent und heterarchisch, letztlich ist er nur dann durch Rekodierung für Werbezwecke zu realisieren, wenn die Nutzer dies akzeptieren. Der Unternehmer darf aber nicht nur sein eigenes Interesse verfolgen, sondern muss auch das Prozessieren des Netzwerks der Kommunikationen institutionell abstützen oder darf es jedenfalls nicht beschädigen. Die Relevanz der Beziehungen zwischen den Nutzern und die Offenheit der experimentellen Entwicklung der Kommunikationsmuster sowie deren Beobachtung könnten eine Ausgangsposition für die Konkretisierung rechtlichen Möglichkeiten und Grenzen der Bestimmung der Anforderungen an die Zustimmung der Nutzer zum Gebrauch der Daten bilden. Die Kontrolle (allein) am Maßstab der §§ 315 ff. BGB zur Aufnahme von Allgemeinen Geschäftsbedingungen in den Vertrag88 erscheint vor allem deshalb nicht angemessen, weil sie (vor allem) an materielle Kriterien oder an das formale Kriterium der Enttäuschung von Vorerwartungen („Überraschung“) anknüpft – der Rekurs auf diese Kriterien scheint der hier zu beurteilenden Netzwerkkonstruktion deshalb nicht gerecht werden zu können, weil das prozesshafte Moment des Ex88 Vgl. jetzt Landgericht Berlin, Urteil vom 6.3. 2012 -Az. 16 O 551/10, Wettbewerb in Recht und Praxis 2012, 613, das Gericht hat insbesondere die Regelung der Facebook-AGB zur Nutzung der urheberrechtlich geschützten Daten z. T. für rechtswidrig erklärt.

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perimentierens mit dem neuen Medium und der emergente Charakter der sozialen Normen, die sich erst herausbilden müssen, die Stabilisierung von materiellen Kontrollkriterien nur in Grenzen zulässt. Man könnte statt dessen eher an eine prozedurale Variante der wechselseitigen Beobachtung der Kommunikationsmuster und der Emergenz sozialer Normen sowie der Mitteilung der Strategien des Unternehmens in einem „notice and comment“-Verfahren denken (Terenzi 2010: 1056). Die verbreitete Fixierung auf die Anlegung von „Persönlichkeitsprofilen“ geht an der Besonderheit der transsubjektiven Netzkommunikation vorbei. Viel problematischer erscheint die zunehmende Möglichkeit, Informationen im Netz nach inhaltlichen Kriterien zu „sortieren“ und durch Verknüpfungen zu bearbeiten. Dadurch können noch mehr als z. Zt. „Prioritäten“ gesetzt werden, wenn etwa zunächst die Information angeboten wird, die z. B. von professionellen Nutzern aufgerufen worden ist. Dafür mögen gute Gründe sprechen, aber die Entwicklung der „web intelligence“ ist eine Form der Veränderung der gesellschaftlichen transsubjektiven „Wissensordnung“, die jedenfalls partiell offengelegt werden muss, weil mit Verknüpfungsregeln operiert wird, die weitreichende Folgen für das verfügbare Wissen haben (Shroff 2014). Damit, durch die notwendige Verknüpfung von technischen und sozialen Dimensionen innerhalb der „Prozessordnung“ des sich selbst organisierenden Wissens wird ein weiterer Schritt zur Reflexivität der kollektiven Intelligenz jenseits des Subjekts getan (Neuser 2013: 46, 87; Scholtes u. a. 2014: 45, 46).

b) Normsetzung in Netzverträgen Infolge der zunehmenden Möglichkeiten zur Verarbeitung von Daten werden neue prozedurale Formen der Normsetzung in Regulierungs- oder Standardsetzungsverfahren denkbar, die über die bloße Anhörung der Interessenten hinausgehen und darauf angelegt sind, das unter den Beteiligten distribuierte Wissen, ihre Erwartungen und ihre Bewertungen zu aggregieren und in die Normbildung eingehen zu lassen. Dieses Verfahren ist besonders auf das konstruktive Moment des Entwurfs von Normen unter Bedingungen von Ungewissheit eingestellt. Es sollte einen Gedanken wert sein, die Übertragbarkeit dieser Form der „Normbildung“ auf private Vertragsnetze zu prüfen (Ladeur 2012: 711). Dieser Gedanke ließe sich auch durch die Differenzierung der unterschiedlichen sozialen Normen spezifizieren, die innerhalb des „Vertragsnetzwerks“ denkbar sind (und z. T. von den Nutzern selbst erzeugt werden). Für die Begrenzung der Möglichkeit zur partiellen Rekodierung dieser Normen z. B. durch Facebook könnte auf einen Prozess der Formulierung von „Netzpflichten“ im Zusammenwirken der Beteiligten und der Rechtsprechung gesetzt werden (Buchner 2006: 246 ff.). Weiter unten wird auf neue Phänomene der Herausbildung komplexer Verträge eingegangen, die z. B. über technologische Verfahren und Projekte abgeschlossen werden, ohne dass der Gegenstand anders als selbst prozesshaft beschrieben werden könnt. Hier entsteht eine neue Variante einer „kontextuellen Rationalität“ (Sabel u. a. 2012), die rechtliche

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Gestaltung mit dem offenen Horizont einer Technologie verschleift. Hier ließe sich an eine Verknüpfung mit der rechtlichen Gestaltung der hier beschriebenen neuen Netzverträge denken. „Selbstregulierung“ ist bisher primär als Alternative zu staatlich-öffentlichrechtlicher Regulierung verstanden worden. Doch hat sich inzwischen auch ein „regulierendes Privatrecht“ in der Gestalt von Privatrechtsgesetzen entwickelt, die – anders als das klassische Kartellrecht – nicht die Marktverhältnisse beobachten und ggf. durch Interventionen verändern sollen, sondern eine Verhaltenssteuerung in Bezug auf Vertragsgestaltung mit dem Ziel der Schaffung von mehr Varietät jenseits der tradierten Formen der (begrenzten) Inhaltskontrolle von Verträgen anstreben. Das Hauptbeispiel dafür wäre der Verbraucherschutz. Auch die Gestaltung der beschriebenen neuen Variante der Netzverträge über die „social media“ könnte ein Fall für den Einsatz von „regulierendem Privatrecht“ sein, wenn man bedenkt, dass das öffentliche Interesse an der Entwicklung der neuen Kommunikationsmedien erheblich ist, andererseits aber weder die AGB-Normen von vornherein als ausreichend angesehen werden können (Kocher 2007: 477)89 noch das Wissen verfügbar ist, das eine angemessene Regulierung verlangen würde. Angesichts dieser Konstellation ist hier eine Variante der Selbstregulierung durch ein einzelnes Unternehmen zu erwägen, die darauf zielt, in einem experimentellen Verfahren die möglichen Konfliktlinien sichtbar zu machen und prozedurale Formen der Normbildung für die Strukturierung eines auf Normbildung unter Ungewissheitsbedingungen angelegten Prozesses einzusetzen. Dazu könnte ein „notice and comment“-Verfahren für die Setzung eigener Regeln für den Datengebrauch für Werbe- und andere Zwecke gehören. Darüber hinaus könnte auch eine Pflicht postuliert werden, die Selbstorganisation von „Information Brokers“ in dem oben gemeinten Sinne für die Vermittlung zwischen Nutzern und Veranstalter finanziell und institutionell zu unterstützen. Darunter wären Vermittler zu verstehen, deren sich die Nutzer bedienen könnten, um qualifizierter an dem „notice and comment“-Verfahren teilzunehmen.

c) Cyber Court für social media? Es wäre weiter daran zu denken, auch für Konflikte um den Datenschutz in den „social media“ ein Forum für die Online-Mediation als eine Art „Cyber-Court“ vorzusehen, der mit einer gewissen Unabhängigkeit von den Unternehmensorganen auszustatten wäre (vgl. auch zu Konflikten um die Grenzen von Äußerungen in Blogs Ladeur/Gostomzyk 2012: 710). Vor diesem „Cyber-Court“ sollten auf eine kostengünstige Weise Konflikte um die Rechte der „user“ an ihren Daten ausgetragen werden können. Hier ist zu berücksichtigen, dass – wie erwähnt – das Gewicht des einzelnen Datengebrauchs für Werbezwecke gering sein mag und deshalb die Neigung eines Nutzers, den Klageweg zu staatlichen Gerichten zu beschreiten, nicht 89

Vgl. LG Berlin, a.a.O. (Fn. 88).

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groß sein wird. Andererseits geht es aber darum, über die einzelne Rechtsbeziehung zwischen Nutzer und Unternehmen hinaus einen angemessenen Rahmen für die Beobachtung der über das Netzwerk und zwischen den Beteiligten in einem Prozess des Experimentierens erzeugten sozialen Normen zu schaffen. Dafür könnte ein solches Online-Mediationsverfahren wichtig werden. Jedenfalls muss der Schutz der Meinungsfreiheit auch unter den gewandelten technologischen Bedingungen eine Idee der Institutionalisierung eines Verweisungszusammenhangs zwischen Meinung i. e.S. und der technologischen Einbettung des Prozesses der Meinungsbildung (Balkin 2004) entwickeln. Schließlich könnte man die Stellung der Nutzer gesetzlich dadurch verbessern, dass man die Rechte an ihren Daten in den „social media“ – ob dies verallgemeinert werden kann, erscheint zweifelhaft – nach dem Modell des Urheberrechtsschutzes quasi-eigentumsrechtlich schützt und damit die Verfügungsmöglichkeiten verstärkt, z. B. die Vereinbarung einer finanziellen Gegenleistung erleichtert. Die Geltendmachung solcher Quasi-Eigentumsrechte könnte – ebenfalls dem Modell des urheberrechtlichen Schutzes folgend – auf eine datenschutzrechtliche „Verwertungsgesellschaft“ beschränkt werden. Diese Aufgabe könnten die oben erwähnten „Information Broker“ übernehmen. Deren Funktion wäre nicht auf einen monopolisierten Anbieter zu beschränken; vielmehr könnten unterschiedliche selbstorganisierte „Verwertungsgesellschaften“ auch unterschiedliche Vereinbarungen treffen, soweit diese miteinander kompatibel sind, und die Selbstbeobachtung des Vertragsnetzwerkes pluralisieren. Eine solche Lösung würde auch dazu beitragen, die Informationsrechte der Nutzer sowohl bei der Begründung von Nutzungsrechten als auch bei der Beobachtung ihres Gebrauchs zu stärken. Dies würde die Transparenz des Netzwerkes und seiner möglichen Entwicklungspfade steigern.

10. Die Religion als Lebensform und ihr Recht Die Entwicklung zur multireligiösen Gesellschaft ist eine der Erscheinungsformen der neuen Pluralisierung, die sich jenseits des alten stabilen Gruppenpluralismus der 60er Jahre des 20. Jahrhunderts entwickelt hat. Die in der Rechtsprechung sich durchsetzende Praxis scheint darauf zu zielen, diese Entwicklung durch eine paradoxe Steigerung der Individualisierung (nicht nur) der Bekenntnisfreiheit zu bewältigen. Insbesondere die Muslime werden ebenfalls darauf verwiesen, ihre Religion zum Gegenstand eines rein individuellen Rechts zu erheben und dies insbesondere in der Schule durchzusetzen. Nach der hier vertretenen Auffassung ist dies der falsche Weg: er ignoriert einerseits die kollektive transsubjektive Dimension (auch) der klassischen Freiheitsrechte und andererseits den grundlegenden Wandel der Gesellschaft, der sich mit der Fragmentierung der Lebensverhältnisse und der Pluralisierung der Lebensformen vollzieht. Diese Entwicklung ist vielmehr als eine Erscheinungsform des Übergangs zur neuen „Gesellschaft der Netzwerke“ zu interpretieren, die die Institutionen der „Ge-

10. Die Religion als Lebensform und ihr Recht

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sellschaft der Organisationen“ in Frage stellt und die Herausbildung neuer Institutionen fordert. Es handelt sich dann eher um ein Phänomen der – wie man formulieren könnte – „Globalisierung nach innen“. Rechtskonflikte um Religion in der Öffentlichkeit haben auch in der jüngeren Vergangenheit damit zu tun gehabt, dass Religion trotz aller Säkularisierung nicht nur ein forum internum bildet, das zufällig von mehreren geteilt wird. Vielmehr bringt sie eine Lebensform zur Geltung, die häufig in einen Konflikt zur Individualisierung des Staatsbürgerverhältnisses tritt (Ladeur 2015a). Dies hat sich in den 50er Jahren am Konflikt um das Schulgebet gezeigt (BVerfGE 52, 223). Die Sphären von Staat und Kirche sind in Deutschland im Schulverhältnis nicht scharf voneinander getrennt. Auch dies ist darauf zurückzuführen, dass viele Gläubige sich die Entwicklung ihres Kindes nicht ohne Bezug auf Gott vorstellen wollen und deshalb ein Schulgebet für notwendig halten. Der Kompromiss, der hier gefunden worden ist – das Gebet darf nicht im formellen Sinn eine Schulveranstaltung sein, kann aber in der Schule stattfinden, erscheint durchaus brauchbar. Insgesamt ist aber Religion immer stärker in einem protestantischen Sinne auf ein individuelles (verinnerlichtes) Bekenntnis zu Gott reduziert worden. Diese „Konstruktion“ der Religion ist die Konsequenz eines jahrhundertelangen Konflikts zwischen Staat und Kirche (vgl. nur an Hobbes’ Beispiel Nirenberg 2015: 316 ff.), nicht aber das „natürliche“ Verständnis der Religion (vgl. auch Augsberg 2013). Nur vor diesem Hintergrund wird verständlich, dass noch Kant den Charakter des Judentums als Religion in Frage gestellt hat: Das Judentum orientiere sich an einem von einem „Fremden“ gegebenen Gesetz, während das christliche Verständnis eine „innere“ autonome Gesetzgebung verlange (Nirenberg 2015: 361). Der (auch) gegen die katholische Kirche gerichtete „Kulturkampf“ war von der Vorstellung bestimmt, katholische Christen seien einer fremden Macht unterworfen, die mit dem Staat konkurriere. Die weiter voranschreitende Individualisierung hat konsequenterweise dazu geführt, dass in den Schulen immer stärker das Verständnis der Religionsfreiheit als negative Bekenntnisfreiheit die positive Religionsfreiheit zurückgedrängt hat. Religionsfreiheit wird heute vor allem als Freiheit von der Religion verstanden. Dazu gehört auch das Recht, nicht mit den Symbolen der Religion (Kruzifix) konfrontiert zu werden (BVerfGE 93, 1). So wird auch der Streit um das muslimische Kopftuch geführt (vgl. BVerfGE 108, 282, Juristenzeitung 2015: 666; Ladeur 2015a): Es geht nur noch darum, ob eine muslimische Frau durch das Tragen des Kopftuchs die „Neutralität“ des Staates gefährde. Was immer das Kopftuch bedeutet – sicher ist, dass es vieles bedeuten kann – jedenfalls ist es nicht nur das Symbol einer Religion, sondern es ist eine Form des keuschen Lebens der Frau; es bedeutet eine Verfügung über ihren Körper (Benslama 1998: 98, 100), die die „Vielzahl der Zeichen“, die von ihrem Körper ausgehen (können), in ein „einziges Zeichen“ verwandelt (Benslama 1998: 99). Das bisherige Kopftuchverbot ist in der Literatur dahin interpretiert worden, dass es vor allem für Frauen diskriminierend sei, das „muslimische Bärte“ nicht betroffen seien (Nordmann/Vidal 2004: 10; auch Bowen 2012: 67). Dies ist eine neue Version der Dominanz des protestantischen Religionsverständnisses. Religion als Lebensform wird

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nicht mehr als „falsche“ Religion betrachtet, sondern das Spezifische einer bestimmten religiösen Lebensform wird einfach ignoriert. Dies gilt auch für einen anderen Konflikt, die Auseinandersetzung um die Teilnahme muslimischer Mädchen am Schwimmunterricht koedukativer Schulen (BVerwG, NVwZ 2014: 81). Insbesondere der Anblick fremder leichtbekleideter Knaben sei keine Beeinträchtigung der eigenen Religionsfreiheit muslimischer Mädchen. Die Argumentation ist problematisch, während die Entscheidung des BVerwG (Baden im Ganzkörper-Badeanzug ist verpflichtend) im Ergebnis vernünftig erscheint, da es hier eher um die Findung von Kollisionsregeln für unterschiedliche religiöse und soziale Normen geht. Die Regeln einer Lebensform ändern sich, und auch ein westlicher Staat kann von Muslimen verlangen, dass die Regeln der religiösen Lebensform sich ändern. Dies ist vor allem (aber auch nur) dann der Fall, wenn die muslimischen Mädchen selbst diesen Kompromiss für sich – im Gegensatz zu ihren Eltern – akzeptieren. Dies scheint sehr häufig der Fall zu sein. Dass die Mädchen sonst ohne Verletzung der Religionsfreiheit zur Teilnahme am Schwimmunterricht gezwungen werden könnten, erscheint sehr zweifelhaft. Ähnliches gilt für die Pflicht zur Teilnahme am Sexualkundeunterricht in öffentlichen Schulen (BVerfG, NJW 2009, 3159 – Baptisten; VG Hamburg, NordÖR 2004, 412 m. Anm. Laskowski – Muslimisches Mädchen). Auch hier wird leichthin die religiöse Tabuisierung des „Undarstellbaren“ „übersetzt“ in die Weigerung, sich mit „Auffassungen“ konfrontieren zu lassen, die von Muslimen abgelehnt werden. Damit werden die Regeln der muslimischen Lebensform ignoriert, während die nichtreligiöse Form der „Kommunikation“ über Sexualität, ja, sogar Pornographie, weil sie selbst nicht religiös codiert ist (wie das Kruzifix in der Schule) auch nicht die religiöse Bekenntnisfreiheit tangieren kann. Welche Bedeutung die religiös bestimmte Lebensform im Bereich der Sexualität für Muslime haben kann, lässt sich daran erkennen, dass viele muslimische Eltern (vor allem) Mädchen an katholischen Schulen anmelden, um der an öffentlichen Schulen vielfach verbreiteten Version der Sexualkunde zu entgehen.90 Dafür wird auch die Konfrontation mit einem anderen „Bekenntnis“ in Kauf genommen. Angemessener wäre es, in den genannten Fällen die Kollision unterschiedlicher sozialer Regeln zu konstatieren und nach der Möglichkeit ihrer Abspannung durch die Formulierung von „Kollisionsnormen“ zu fragen, die nach dem Muster des IPR zu konstruieren wären. Der französische Politikwissenschaftler Pierre Manent (2015) hat in einem kürzlich erschienenen Buch „Situation de la France“ eine der hier vertretenen ähnliche Position entwickelt und verlangt, dass man von der Illusion der „Neutralität“ des Staates, die gerade in Frankreich nicht der Realität in den Schulen entspricht, zur realistischen Strategie der „Organisation der Koexistenz“ der Religionen in der Öffentlichkeit übergehen müsse. Auch er sieht ein Problem darin, dass ein subjektives Individualrecht auf Bekenntnisfreiheit von den Muslimen in der Schule für die Verteidigung einer objektiven Regel der Lebensform in Anspruch 90

Vgl. etwa VG Minden, Beschluss vom 30. August 2013 – 8 L 538/13 –, juris.

11. Zwischenüberlegung: Recht und Management von Regeln

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genommen werden müsse. Stattdessen komme es darauf an, der Koexistenz der Religionen die Form einer Regel zu geben. D. h. es sei von den Muslimen zu verlangen, dass sie bestimmte Regeln der öffentlichen Auseinandersetzung auch so weit akzeptieren, wie etwa durch die bildliche Darstellung (Kritik, auch Karikatur des Islam) Verbote des Islam verletzt werden. Zugleich soll den Muslimen aber die Anerkennung religiöser Lebensformen garantiert werden. Es besteht aber die Notwendigkeit, eine Art „Religionspolitik“ zu betreiben: Der Islam ist nicht einfach ein Glaube wie andere auch. Er ist eine Lebensform, die das Verhalten des einzelnen Muslims in einer ganzheitlichen, alle Lebensbereiche durchdringenden Weise bestimmt (vgl. unten auch zum islamischen Recht). Eine solche Lebensform ist mit dem Leben in der Diaspora schwer zu vereinbaren, wenn nicht unmöglich, weil damit auch das Ignorieren der westlichen Kultur verbunden ist, in der die Muslime heute in der Diaspora leben. Die Spannungen, die sich daraus ergeben, können westlichen Gesellschaften den Muslimen nicht ersparen. Ob man so weit gehen muss, den Muslimen eine Art protestantische Form der verinnerlichten Religion (vgl. Diner 2005: 257) normativ nahezulegen, ist eine Frage, die nicht von der Hand zu weisen ist. Dass man eine religiöse Lebensform aber „im Westen“ fiktiv wie eine protestantische Glaubensvorstellung behandelt, ist sicher keine Lösung. Der größere Teil der Muslime dürfte eine solche Form für sich schon gefunden haben, wenn er nicht überhaupt als nichtreligiös gelten kann. Er hat sein Arrangement mit der Säkularisierung gefunden (Kadri 2012: 257). Gerade dies dürfte einer der Gründe für den Aufstieg des Islamismus sein (Kadri 2012: 263)! Deshalb steht die Angst vor der „Islamisierung“ des Westens in einem Entsprechungsverhältnis zur Ignoranz des vorherrschenden Toleranzdiskurses. Dass die Kultur des Islam sich auch im Westen in einer permanenten Krise befindet, ist kaum zu übersehen. Ohne eine reflektierte Anpassung an die Bedingungen der Diaspora wird es auch für den Islam im Westen keine Zukunft geben.91 Deshalb muss man das (Mehrheits-)Urteil des BVerfG ebenfalls als ignorant bezeichnen.

11. Zwischenüberlegung: Recht und Management von Regeln Man muss die Frage stellen, ob auf dem hier exemplarisch ausgeleuchteten Hintergrund noch Recht als kontrafaktische Stabilisierung von Verhaltenserwartungen fungieren kann oder auch hier – wie N. Luhmann für die transnationalen Formen der Koordination von Erwartungen über hybride private oder privat-öf91 Bei aller Kritik an dem schweizerischen „Minarett-Verbot“, Art. 73 Abs. 3 BV, muss man doch auch eine sakrale Bauweise, die sich nicht nur als symbolisch versteht, wenn sie Türme zum Ausrufen des Gebets ohne Ausrufer baut, als bedenkliches Zeichen, nicht des Willens zur Expansion, sondern einer selbstgefährdenden Nostalgie ansehen, die nur zeigt, dass man nicht wirklich dort lebt, wo man nun einmal wohnt. Das ist für die Integration ein Problem, vor allem für die Vermittlung westlicher Bildung.

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IV. Die Evolution des Rechts seit dem Ende des 19. Jahrhunderts

fentliche Normbildung angenommen hat (1971: 55) – die kognitive Orientierung die Stelle der normativen Ordnungsleistung übernimmt. Dies erscheint jedoch zweifelhaft. Die Nanotechnologie ist selbst eine eher in Netzwerken von Organisationen und ihren Teilen prozessierte Technologie, die ihrerseits ebenso auf Selbstveränderung angelegt sind wie die Organisationsformen, in denen mit ihnen operiert wird. Die normative Stabilisierung von Verhaltenserwartungen, die sich in der Konditionalprogrammierung niedergeschlagen haben, war an die Bedingungen der „Gesellschaft der Individuen“ angepasst, die „Gesellschaft der Organisationen“ wie die postmoderne „Gesellschaft der Netzwerke“ sind stärker auf flexible Managementformen angelegt (Ladeur 2009) und können deshalb mehr Ungewissheit auch auf der Seite der Normen verarbeiten. Hier ist zu berücksichtigen, dass auch der Staat nicht durch Rechtsetzung von außen in die Handlungsmöglichkeiten Privater interveniert, sondern in einem kooperativen Verhältnis an der Beobachtung, Begrenzung und Entwicklung der Nanotechnologie beteiligt ist und sich daraus prozedurale statt inhaltlicher Selbstbegrenzungen der Regelbildung ergeben. Andererseits kann auch nicht vom Übergang zu einer rein kognitiven Steuerung die Rede sein, weil das Monitoring einer auch Private verpflichtenden prozeduralen Infrastruktur bedarf und auch im nachhinein auf Verbote nicht verzichtet werden kann. Das Recht kann (und braucht nur) Erwartungskorridore zu gewährleisten, innerhalb deren sich flexible Netzwerke, die eine hohe kognitive Offenheit (Beobachtung) und operative Flexibilität der Selbsttransformation aufweisen, variabel entfalten können. Das heißt, Erwartungen können ihrerseits auch normativ unter Vorbehalt stehen, solange der Vorbehalt nicht überkomplex ist und auf die Selbstveränderungspotentiale der Technologie verweist. Auf diese Weise ist es denkbar, mit der Paradoxie des Zwangs zur Selbstrevision normativer Erwartungen zu arbeiten und zugleich das Risiko zu vermeiden, dass das Recht den Kontakt zu einer „Wirklichkeit“ verliert, die nur noch als eine Pluralität von Möglichkeiten gedacht werden kann und für die die spontan mitgedachten Kausalitätsmuster nicht mehr gelten können.

V. Wirtschaftsrecht 1. Paradigmenwechsel im Vertragsrecht: Der Aufstieg der „Netzverträge“ im High Tech-Recht Eine Grenzen aufhebende Funktionsvermischung ist auch für die Vertragsgestaltung in High Tech-Unternehmen charakteristisch: eine eindeutige Trennung zwischen den „Stellen“ des Arbeitgebers und des Arbeitnehmers ist kaum mehr möglich (Jennejohn 2008; 2010; Felstiner 2011; vgl. auch schon zur Vertragsgestaltung in der Filmindustrie Caves 2003; DeFillipi/Arthur 1998: 186). Das einzelne Projekt aggregiert bestimmte Leistungen auf der Grundlage von vagen Vereinbarungen, die erst prozesshaft konkretisiert und vor allem am Ergebnis orientiert sind. Für die rechtliche Zuordnung des Produkts, das am Ende der Kooperation steht (vgl. Kenney/Patton 2006: 38), gilt Ähnliches: auch hier gibt es vielfach keine klare Vereinbarung von Regeln darüber, wer zum Beispiel Inhaber eines Patents wird oder wie die in einem gemeinsamen Wissenspool generierten Informationen genutzt werden dürfen. Die offene und flexible Orientierung an der Herstellung eines „Produkts“ strukturiert die Kooperation und kompensiert die Unsicherheit des rechtlichen Ordnungsrahmens und insbesondere die Unberechenbarkeit der Relationierungen in heterarchischen Netzwerken (vgl. Baecker 2006: 128).92 Es entstehen – wie schon oben gezeigt – immer mehr „epistemic communities“, die eigene Zwecke jenseits der tradierten Austauschverhältnisse formulieren und verfolgen (Cohendet/Llerena 2003). Daran lässt sich möglicherweise eine Vermutung zur Entwicklung der destruktiven Dynamik der Unsicherheit der Relationierung von Eigentümern, Managern und „Arbeitnehmern“ in Investmentbanken anschließen: Bei manchen Unternehmen lagen die „BonusZahlungen“ an die „Arbeitnehmer“ in den Jahren vor dem Ausbruch der Krise höher als der Gesamtwert des Unternehmens im Jahre 2008. D. h. es ließe sich die Hypothese wagen, dass die Investmentbanker sich als „Lohn“ für ihre „Arbeit“ (Bonus) einen großen Teil des „Gewinns“ ausgezahlt haben, der – wenn überhaupt – erst sehr viel später realisiert werden konnte. Das Risiko lag deshalb ganz bei den Eigentümern. Dies ließe sich als ein Fall des „Netzversagens“ beschreiben: die Volatilität des Wertes von „Finanzprodukten“, die Diskrepanz der Zeiten der „Investition“ und des Ertrages und deren Verknüpfung mit einer Vielzahl von sich 92 Die dynamische, unberechenbare Seite des „Netzwerks“ wird mit Recht von Dirk Baecker betont (2006a: 128) – dies kann aber nur für die neuen „postmodernen“ Netzwerke gelten; vgl. auch zur internen Veränderung von Unternehmen durch den Einsatz von Informationstechnologien Foray 2004: 113.

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V. Wirtschaftsrecht

überlagernden Kausalitäten, sind in den nicht „netzwerkgerechten“ Verträgen nicht angemessen verarbeitet worden (The Economist v. 7. 2. 2009). Umgekehrt wird man davon ausgehen müssen, dass das Versagen eines solchen Netzwerks nur in sehr engen Grenzen zur Haftung (wegen unterlassener Information über Risiken) für einzelne Beteiligte führen wird, weil das Recht ein solches distribuiertes Risiko nicht bewältigen kann.93 Die zunehmende „Verflüssigung“ der Wirklichkeit und damit ihre Überführung in eine Pluralität offener Möglichkeitsräume führt dazu, dass Recht – wie schon oben am Beispiel der Nanotechnologie skizziert – eher experimentell am Fall „kontextuell“ erzeugt wird (Gilson/Sabel/Scott 2009; Sabel/Simon 2012) und nicht z. B. im Privatrecht einem vorfindlichen Vertragstypus folgt. Anwendung und Setzung des Rechts verschleifen sich. Unter großer Ungewissheit handelnde Unternehmen benutzen herkömmliche Vertragsformen nur noch als einen lockeren „textuellen“ Rahmen, innerhalb dessen gemeinsam, sozusagen in „Echtzeit“, eine sich mit dem gemeinsam erarbeiteten, aber nicht linear beherrschbaren „Kontext“ wandelnde experimentelle Interpretation des gemeinsamen Interesses entwickelt (Gilson/Sabel/ Scott 2014). Während auf der einen Seite das klassische allgemeine Recht durch die Globalisierung in Frage gestellt wird, kommt es von der anderen Seite, sozusagen von unten unter Druck: die Bildung von regionalen „Clustern“, die sich etwa in der High –Technology Industrie vollzieht, erscheint nur auf den ersten Blick paradox: Warum kommt es in der zunehmend sich verflüssigenden Grenzen unterlaufenden Produktionsweise zugleich zur Regionalisierung von Kooperationen und damit auch zur situativen Bildung von Institutionen? Dies ist m. E. darauf zurückzuführen, dass auch in der High Technology Industrie die Bedeutung des impliziten Wissens nicht zurückgeht. Das experimentelle innovative Denken vollzieht sich zunächst weitgehend intuitiv, unbewusst, bevor es in Begriffen oder Algorithmen expliziert werden kann. Das „Machen“ (Lallement 2015) ist in den innovativen Bereichen der Industrie orientiert an der experimentellen Provokation von Beziehungen zwischen materiellen „epistemischen Objekten“ (H. J. Rheinberger)94, die nicht ohne weiteres vorab erkennbar sind, ja, die erst durch das Experiment erzeugt werden. Und dafür benötigt man doch wieder die wechselseitige Beobachtung in regionalen „Clustern“ (Kenney/ Patton 2006). Daraus entstehen auch neue Institutionen, Regeln, Verfahren, intuitive offene vertragliche Arrangements, die mit den praktischen Erfordernissen generiert werden. Patton und Kenney (2003) rekurrieren hier auf den sehr allgemeinen Begriff des „sozialen Kapitals“, das Vertrauen für die Kooperation unter Bedingungen von Komplexität erzeugt, auf die das klassische Recht der Stabilisierung von „Verhal93 Vgl. zum amerikanischen Recht Grundfest (2007) und (restriktiv) US Supreme Court zur „Mittäterhaftung“ („scheme liability“) bei komplexen Bankgeschäften, 552 US ___ (2008) – vom 15. 1. 2008, http://www.supremecourt.gov/opinions/07pdf/06 - 43.pdf. 94 „Epistemische Gegenstände“ müssen keine Sachen sein, es kann sich auch um Algorithmen, Formeln oder im Recht dogmatische Figuren handeln. Die Bezeichnung soll nur ausdrücken, dass die „Gegenstände“ nicht nur als Produkte des menschlichen Geistes ohne „Eigenleben“ handelt.

2. Neue Institutionen für die „Gesellschaft der Netzwerke“

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tenserwartungen“ nicht eingestellt ist. Mir erscheint es – ergänzend dazu – sinnvoll, auf die veränderten Bedingungen der Wissenserzeugung abzustellen, die stärker von vorbegrifflichen Assoziationen eben zwischen unvollständig rationalisierten Oszillationen von „epistemischen Objekten“ und unbewusstem Prozessen des innovativen Experimentierens bestimmt werden. Auch dies zeigt, dass das Modell der das allgemeine Interesse sichernden Gerichte hier – und nicht nur hier – an seine Grenzen stößt: Schiedsgerichte können sich darauf sehr viel besser einstellen – und es ist zu fragen, welches öffentliche Interesse hier auf dem Spiel steht. Solche Fälle, in denen auch das öffentliche Interesse z. B. an der Erhaltung einer prozeduralen Rationalität des „contract design“ und ihrer Diskussion besteht, sind durchaus denkbar. Jedoch verändert sich dieses Interesse, es verlagert sich eher auf die Beobachtung der Prozess der Kontextgestaltung und bezieht sich nicht mehr auf die Erhaltung eines gemeinsamen „Texts“ des Rechts und seiner von allen zu nutzenden Sprache. Die Berücksichtigung der Interessen Drittbetroffener könnte in der Verpflichtung zur Beteiligung neutraler Schiedsrichter zum Ausdruck kommen [vgl. oben zu den Cyber-Courts IV. 9. c)]. Andererseits sind die neuen Netzsubjekte flexibel auf die Notwendigkeit des Ausprobierens und der offenen Maßstäbe der Verteilung (Jennejohn 2008) eingestellt. Die Rechtsfunktion selbst transformiert sich teilweise. Es geht weniger um die Sicherung von „Verhaltenserwartungen“, sondern z. B. um die Möglichkeit mithilfe des Rechts einen konsentierten und strukturierten Sachverhalt zu erzeugen, dessen partizipative Erstellung (unter Mitwirkung der Beteiligten) bestimmte Konsequenzen nahelegt, wenn das Netzwerk in Gang gehalten werden soll. Den Beteiligten ist dabei klar, dass die Praxis der Begriffsbildung und der Stabilisierung von Rechtsformen voraus ist. Die (Rechts-)Praxis ist nie ganz „subsumiert“ unter allgemeine Regeln, aber in der Gesellschaft der Netzwerke wird diese Diskrepanz manifest: das Recht bildet sich zum Teil bei innovativen Projekten „in Echtzeit“ mit den praktischen Herausforderungen.

2. Neue Institutionen für die „Gesellschaft der Netzwerke“ Die Entwicklung des Internet signalisiert einen Umbruch der Regeln und der Regelmäßigkeiten, die die soziale Kommunikation an den Grenzen zwischen Privatem und Öffentlichem verändert. Dazu bedarf es möglicherweise auch (ergänzender) neuer Institutionen der (alternativen) Konfliktbewältigung, die stärker auf die Veränderung und weniger auf die Erhaltung angelegt sind (Ladeur/Gostomzyk, NJW 2012), die „learning by monitoring“ (Jennejohn 2010: 28) erlauben. Eine solche Praxis lässt sich in den „relationalen (unvollständigen) Verträgen“ von High Technology Unternehmen beobachten (vgl. auch Sabel/Zeitlin 2004: 388), bei denen

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V. Wirtschaftsrecht

Konflikte nicht mehr durch externe Richter bewältigt werden können, sondern eher durch prozedurale modulare Formen der Ermöglichung der Problembeschreibung und -bewältigung im verflüssigten Kontext jenseits der traditionellen Grenzbegriffe gefunden werden müssen (Jennejohn 2008; 2010). Das schließt externe Unterstützung auch durch staatliche Gerichte nicht aus. Deren Rolle verändert sich aber im dynamischen, auf Selbständerung angelegten Kontext des Internet im Sinne einer primären Aufgabe, die Selbstorganisationsfähigkeit der Internetkommunikation abzustützen (vgl. Zittrain 2006: 1974, der für die weniger dynamischen und kreativen Dienste des Internet mehr „direct liability“ verlangt, die durch bessere technisch abgestützte Identifikation zu sichern wäre). Eine ähnliche Problematik zeigt sich auch bei der Frage nach dem Gegenstand des Schutzes des „geistigen Eigentums“, das die objektive Seite der Netzkommunikation bildet: Im Vordergrund des Interesses der „Netzgemeinde“, die antiinstitutionell denkt, steht das Interesse am Schutz der Jugendlichen, die Zehntausende von Musikstücken (oder Filmen) „frei“ aus dem Internet herunterladen wollen (Spindler 2014). Dahinter tritt die Aufmerksamkeit für die Notwendigkeit der Erhaltung der Zugänglichkeit des Wissens (Wielsch 2013; 2008) zurück: Das geistige Eigentum ist vor allem im Urheberrecht paradoxerweise immer auch für die Nichteigentümer von Nutzen gewesen, weil man z. B. einen Roman nicht abschreiben darf, aber doch die „Plots“, die Figuren, die Stilmittel etc. in hohem Maße übernehmen und variieren darf. So prägen einzelne Roman ganze Genres. Das „Plagiat“ kann aber selbst eine künstlerische Form sein, wenn der „plagiierte“ Autor sich über das geistige Eigentum kritisch geäußert hat (vgl. zum „Fall Heiner Müller/Brecht“ BVerfG, NJW 2001, 598=Schulze, RzU BVfG Nr. 39 m. Anm. Ladeur; allgemein Sievers 2010). Das neue Mittel des Remix von einzelnen Komponenten aus Filmen, Romanen, Musikstücken etc. ist jedoch eine neue hybride Form der Grenzüberschreitung, die im Interesse der Kunstfreiheit, deren Gegenstand sich selbst verändert, nicht blockiert werden darf (Ladeur 2009e: 181). Dies ist ein für die „Gesellschaft der Netzwerke“ charakteristisches Muster der Relationierung, das den Umweg über die Generalisierung einer neuen Form, eines neuen Stils vermeidet. Das BVerfG (v. 31. 5. 2016 – 1 BvR 1585/13) hat den Remix nunmehr grundsätzlich als durch die Kunstfreiheit geschützt angesehen. Hier bedürfte es aber ebenfalls einer prozeduralen Abstützung durch eine Art Cyber-Court, der die schnelle Streitschlichtung erlaubt, sonst geht diese Entscheidung an der Praxis vorbei. Das gleiche Phänomen lässt sich im Patentrecht beobachten: Es werden immer mehr einzelne Komponenten oder Elemente des Wissens zum Patent angemeldet, die nur in einer Kombinatorik mit anderen Komponenten oder Gegenständen zu brauchbaren Gegenstände oder Verfahren führen. Dann können aber – anders als unter dem alten Patentregime – ganze Trajektorien einer technischen Entwicklung blockiert werden. Auf Einzelheiten kann hier nicht eingegangen werden. Für unseren Zusammenhang ist aber festzuhalten, dass das geschützte Element nicht mehr im

3. Zwischenresümee: Die Verflüssigung der Grenzbegriffe

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Verhältnis von Besonderem zum Allgemeinen (Wissen) steht (das nicht patentierbar ist), sondern diese Grenze selbst aufhebt.95

3. Zwischenresümee: Die Verflüssigung der Grenzbegriffe In einem Zwischenschritt lässt sich festhalten, dass ein neues Zivilrecht der Netzwerke entsteht, das vor allem durch die Aufhebung der Grenzen zwischen außen und innen, Austausch- und Gesellschaftsvertrag, Arbeits- und Werkvertrag, Selbständigkeit und Unselbständigkeit bestimmt wird. Grundlage ist der Aufstieg der „Information“, des Wissens, als Produktionsressource. (vgl. zur Auswirkung auf die Konstruktion des Eigentums Ladeur/Vesting 2008: 123). Er ermöglicht sehr viel flexiblere und komplexere Rechtsformen, die früher nicht denkbar gewesen sind. Die Verfügung über Sacheigentum und die scharfe Trennung von Weisungs- und Ausführungsfunktionen sind im Angesicht der flexiblen projektartigen Kombinatorik von Wissen und Information dysfunktional für projektartige Produktionsprozesse geworden. Den neuen flexiblen Produktionsformen entsprechen flexible und komplexe Rechtsformen, die durch den computerisierten Austausch von Informationen erleichtert werden, mehr und mehr auch die Produktion von „Information“ (i.w.S.) selbst zum Gegenstand haben (Filmvertrag). Sie können als paradigmatisch für Netzverträge auch über diesen Bereich hinaus gelten. Hier tritt die Abstimmung der Erwartungen zwischen als getrennt unterstellten Personen und ihren Rechten (Eigentümer, Leistungsverpflichteter, Leistungsberechtigter etc.) zurück hinter eine – wie man mit N. Luhmann (1975: 51; 1993: 91 ff.) sagen könnte – kognitive Form der Koordination, während die, normative Erwartungen ermöglichende Funktion sich eher in der Vereinbarung allgemeiner Ziele und Vereinbarungen über die Verteilung von Erträgen manifestiert. Hier besteht eine Ähnlichkeit zum Gesellschaftsvertrag, der sich aber ausdrücklich durch einen „gemeinsamen Zweck“ der Beteiligten von den Netzverträgen und ihren hybriden einzelnen Bestandteilen unterscheidet. Es zeigt sich auch hier, dass die Funktion der Gewährleistung von Erwartungssicherheit durch Recht auch schon für die liberale Gesellschaft nicht überschätzt werden darf. Es ist oben angemerkt worden, dass der Austauschvertrag nur dann seine Funktion erfüllen kann, wenn er in einer verlässlichen Infrastruktur der kognitiven und praktischen Regeln (die die Qualität von Produkten oder die Berechenbarkeit des Verhaltens von Personen betreffen) eine Abstützung findet. Die Abhängigkeit des Rechts von dieser kognitiven und praktischen Infrastruktur wird unter den veränderten Bedingungen der Gesellschaft der Netzwerke nur umso deutlicher. In der Gesellschaft der Individuen ist die Infrastruktur in der Verlässlichkeit allgemeiner Erfahrungsregeln (in der Sachdimension) und der Bereitschaft 95 Vgl. allg. zur wachsenden Problematik der Ermöglichung des Zugangs zum Wissen durch Urheberrecht Wielsch (2008; 2013).

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V. Wirtschaftsrecht

zur Selbstbeobachtung im (allgemeinen) „Spiegel der anderen“ (A. Smith – in der personalen Dimension) verankert. In der „Gesellschaft der Netzwerke“ stellt sich diese Verknüpfung der allgemeinen Möglichkeiten der Erwartungsbildung und eines besonderen Vertrages in einer projektartigen komplexeren Version her: das Netzwerk der Beteiligungen schafft seinerseits eine allgemeine Bindungsbereitschaft, die zugleich eng mit dem jeweiligen „Projekt“ verknüpft ist. Allgemeine Voraussetzung und besonderer „Vertragsgegenstand“ können jedoch, anders als bei einem klassischen Austauschvertrag, nicht stabil voneinander getrennt werden. Dies ist die für das Recht der Netzwerke charakteristische hybride Verschleifung von Allgemeinem und Besonderem im Vertrag selbst. Vertragsrecht funktioniert nach dem alten wie nach dem neuen Recht nicht ohne Vertrauen. Das Maß an rechtlich institutionalisierten Bindungen und Berechenbarkeit, das für die Wirtschaft erforderlich ist, darf aber nicht überschätzt werden. Solange damit gerechnet werden kann, dass die Mehrzahl der Projektpartner „kooperativ“ ist, kann man mit der Unberechenbarkeit einer richterlichen Entscheidung im Konfliktfall bei den hier skizzierten atypischen Verträgen oder Vertragsgegenständen gut leben. Allerdings entwickeln sich in der Rechtspraxis der Netzwerkgesellschaft auch immer mehr Schiedsgerichte und Mediationsformen, die genauer auf die Bedingungen der neuen Rechtsformation abgestimmt sind [vgl. zum Aufstieg der Schiedsgerichtsbarkeit im transnationalen Rechtsverkehr unten VIII. 2.]. Dies ist das prozessuale Pendant zur „Kontextualisierung“ des Rechts durch die Erzeugung von Recht in „Echtzeit“, durch Verschleifung mit der Vertragspraxis.

VI. Neukonstruktion der Theorie der Grundrechte unter Bedingungen von Komplexität 1. „Impersonale Grundrechte“? Ich möchte in einem weiteren Schritt eine Vorüberlegung zur Grundrechtstheorie anstellen: Helmut Ridder (1975: 85 ff.) hat von dem „impersonalen“96 Charakter der Medienfreiheiten gesprochen (vgl. Was ist damit gemeint? Der impersonale Charakter öffentlicher Kommunikationsfreiheiten besteht vor allem darin, dass nicht von vornherein bestimmte individuelle Rechtspositionen in Bezug genommen werden, sondern dynamische Erfordernisse der öffentlichen Meinungsbildung, die nicht mit dem quasi-räumlichen Bild eines geschützten Freiheitsbereichs des Individuums übereinstimmen (I. Augsberg 2013: 493, 527 ff.; Ladeur 1999: 281). Diese Konstruktion ist durchaus ambivalent, deshalb sind die Einwände gegen eine „Freiheit nach Maßgabe des Gesetzes“ (Kull 1991: 716; jetzt Ruffert 2014: 109) nicht von vornherein von der Hand zu weisen. Auf der anderen Seite ist aber zu berücksichtigen, dass (nicht nur) die Presse in der modernen Gesellschaft als Prozess durch Selbstorganisation (z. B. professioneller Normen über die Abstimmung von Öffentlichem und Privatem, über journalistische Standards etc.) zwangsläufig einen distribuierten, an die Koordination unterschiedlicher Positionen gebundenen Charakter annimmt. Daran knüpft die Ausgestaltungsgesetzgebung an.97 Sie hat damit zugleich einen kooperativen Charakter, der sich aus dem Zwang zur Beobachtung und Evaluation der professionellen und ökonomischen Selbstorganisation der Presse ergibt, die sich durch Evolution herausgebildet hat (Ladeur/Gostomzyk 2012: 710). Dass die subjektiv-rechtlichen Positionen eher als „Reflexrechte“ qualifiziert werden, bedeutet nicht, dass der Staat sie nach seiner eigenen Rationalität modellieren dürfte. Nur soweit sich die Presseentwicklung ihrerseits gegen Vielfaltstandards wendet, also ihren offenen prozesshaften Charakter selbst zu zerstören beginnt, ist eine Ausgestaltung notwendig. Die Konstruktion der „impersonalen Grundrechte“ sollte auch nicht auf die Medien begrenzt werden. Auch die neue Dominanz der Wissensprozesse in der „Netzwerkgesellschaft“ legt es nahe, dem Wissen selbst partiell grundrechtlichen Schutz zu eröffnen, da dessen fluides relationales Moment in den personal verfassten Grundrechten allein nicht angemessen bewältigt werden kann. (Damit ist ja auch keineswegs eine Abwertung der personalen Dimension der 96

Die Bezeichnung als „inpersonal“ ist wohl als Idiosynkrasie anzusehen. Vgl. aus der Rechtsprechung insbesondere zur Rundfunkfreiheit nur BVerfGE 57, 295 (321); 73, 118 (153); 74, 297 (324); 83, 238 (296); 87, 181 (198); Hesse 2003: 2.53; Cornils 2005: 57 ff. 97

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VI. Neukonstruktion der Theorie der Grundrechte

Grundrechte verbunden.) Die Konstruktion „impersonaler Grundrechte“ sollte deshalb in Betracht gezogen werden, weil die auch früher schon vorhandene transsubjektive Dimension der Grundrechte unter den Bedingungen der Netzwerkgesellschaft reflexiv wird und die gesellschaftliche Wissensordnung sowie die darin eingetragenen Verknüpfungen zwischen den „epistemischen Objekten“ sich immer mehr der Vorstellung einer Verfügung und Ordnung durch ein Subjekt entziehen. Die Wiederbelebung und Erweiterung der Konzeption der impersonalen Grundrechte sollte nicht so systemwidrig erscheinen, wenn man bedenkt, welche Ausdehnung die „objektivrechtliche Dimension“ der Grundrechte in der Rechtsprechung des BVerfG (BVerfGE 49, 89, 141; 50, 290, 337; 53, 30, 57) inzwischen erfahren hat, die die staatliche Ausgestaltung eines Grundrechtsbereichs ermöglichen und den Staat dabei nur an die Einhaltung eines vagen Gebots der „Angemessenheit“ binden (vgl. Cornils 2005: 498). „Impersonale Grundrechte“ sind dazu eine Alternative, die einer Akzentverschiebung zur gesellschaftlichen „Ausgestaltung“ des Grundrechtsbereichs durch soziale Normen und zur Beobachtung der objektiven „Prozessordnung“ (W. Neuser) des Wissens bedeutet. Impersonale Grundrechte verweisen gerade auf die transsubjektive kollektive Infrastruktur der Grundrechte, ihre Dimension der Selbstorganisation, die die Gerichte in eine andere Position bringt als die Rolle der Disposition über die „verhältnismäßige“ Abstimmung der kollidierenden Grundrechte. Dadurch wird nichts vereinfacht, aber erst eine strukturbildende Dogmatik ermöglicht, während die „Ungewissheit“ der „objektivrechtlich“, vor allem als „Schutzpflichten“ gefassten Grundrechtsverhältnisse zu immer mehr staatlicher Zuteilungsfreiheit führt (vgl. zur institutionellen Dimension der Koalitionsfreiheit Kersten 2012: 49 ff.). Das „impersonale Grundrecht“ des Wissens verpflichtet vor allem dazu, die sich spontan herausbildenden Verknüpfungsregeln zu beobachten, nach denen Wissen in der Netzwerkgesellschaft prozessiert wird (Ladeur 2016b; 2016c). Die Grundrechte haben eine versteckte experimentelle Dimension in der Ermöglichung der Generierung sozialer Normen „von unten“, durch Selbstorganisation (Vesting 2007: Rnr. 188). Die liberale Gesellschaft hat immer einen Prozess der Selbsterzeugung gesellschaftlicher Normalität und der Muster möglichen Handelns vorausgesetzt; durch geschriebenes Recht können diese nur sehr rudimentär gesetzt werden. Die Emergenz gesellschaftlicher Ordnung und eines „gemeinsamen Wissens“, das Koordination ermöglicht, hat ihre eigenen Infrastruktur. Diese impliziert den konstruktiven (nicht „natürlichen“) Charakter des Rechtssubjekts selbst und der Remodellierung dieser Figur im historischen Prozess. Die Formel für den selbstreflexiven emergenten Charakter der Individualität findet sich bei Adam Smith, der davon spricht, dass das „innere Selbst“ des Menschen nichts Vorgegebenes ist. Der „man within“ (A. Smith) muss vielmehr durch die Beobachtung der anderen, des „man without“, „im Spiegel der anderen“ aufgebaut werden. Er entwickelt sich nicht auf natürliche Weise. Das Individuum benötigt „Vorstellungskraft“ und Offenheit gegenüber anderen. Das zeigt, dass „negative Freiheitsrechte“ nicht primär dazu bestimmt sind, Individuen einen Bereich der Willkür zu sichern und seine subjek-

1. „Impersonale Grundrechte“?

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tiven Interessen zu befriedigen, wie J. Habermas (1982: 481) meint98 – sie haben die Funktion, die Verknüpfung von unvollständig definierten Zielen mit den Handlungen zu ermöglichen, die unter Bedingungen unvollständigen Wissens entworfen werden können. Das Verständnis der Grundrechte wird immer auch durch eine komplexe „Architektur“ (de Bolla 2013: 14, 63) aus Interferenzen anderer Konstrukte und dem Verweis auf Institutionen (de Bolla 2013: 283; Beitz 2009: 115) bestimmt (die sich historisch verändern). Dies ist etwas anderes als die der liberalen Konzeption zugeschriebene Fähigkeit zu rationalem Entscheiden. Freiheitsrechte sind eher Institutionen, die die „unpersönliche“ Emergenz der Rechtsoperationen von Individuen unter Bedingungen des Experimentierens ermöglichen. (Dies ließe sich, wie oben gezeigt, mit der Prominenz des „Ereignisses“ in der Philosophie – im Unterschied zur regelhaften Vernunft – verbinden.) Der Fortgang der Handlungsketten und die Erhaltung des daran gebundenen „common knowledge“99 liegt im Interesse aller (Kahn 1997: 121). Das Recht unterwirft – so P. W. Kahn (1997: 110) – das „Aktuelle“ dem „Möglichen“, d. h. es wird immer die Verbindung zwischen der Vergangenheit der Rechtspraxis, dem gegenwärtigen Fall und der Möglichkeit der Verweisung auf neue Möglichkeiten gesucht: eine „determinate openness“. Und genau dieses prozesshafte Moment der Kreativität „zwischen“ den Individuen könnte mit der Konzeption der „impersonalen Grundrechte“ besser zur Geltung gebracht werden als mit der vom Staat bestimmten „Verhältnismäßigkeit“ der Abstimmung pluraler Rechte. Die Anfänge dieser Entwicklung zur Generierung eines distribuierten „common knowledge“, eines Wissens, das jenseits der stummen Tradition zwischen den Individuen entsteht und damit reflexiv auch das Individuum selbst hervorbringt, gehen auf die klassische griechische Kultur zurück – sie sind vielleicht wichtiger als die „Erfindung“ der Demokratie (Ober 2010; 2015: 11; Macé 2014: 688). Die distribuierte Wissenserzeugung, die sich auch in den Künsten, im Militär, im Schiffbau und im Handwerk niedergeschlagen hat, hat die Überlegenheit der griechischen Kultur begründet (Narbonne 2016: 35, 210). So entstand eine bewegliche „kulturelle Matrix“ neben den formalen demokratischen Entscheidungsverfahren, die eine höhere Bedeutung für die Entwicklung des Neuen hatte. Diese „kulturelle Matrix“ ist die der Stadt, die die „gemeinsame Sache“ („chose commune“) jenseits des Gegebenen entstehen lässt (Manent 2010: 11). Die Griechen haben zwei Versionen des öffentlichen Gutes entwickelt. Das distribuierte Wissen entwickelt sich „de proche en proche“ (Arnaud Macé) – von Nachbar zu Nachbar in einer heterarchischen Weise.100 98 Dort werden private Rechte auf ihre Rolle der Ermöglichung ethischer Selbstbestimmung reduziert. 99 Vgl. zu dessen Bedeutung für eine lebendige Kultur (Friedel 2010). 100 Allein die Konstruktion des Pathenon-Tempels, die seit Jahrzehnten in einem großen Wiederaufbauprojekt zu immer neuen überraschenden Beobachtungen führt (wie war es überhaupt möglich, ein derartiges Bauwerk in der relativ kurzen Bauzeit von neun Jahren zu errichten?), belegt nicht nur den Entwicklungsstand der Kunst und Architektur des klassischen Griechenlands, sondern auch ein kaum fassbares technisches und handwerkliches Wissen und

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VI. Neukonstruktion der Theorie der Grundrechte

2. Der Vorrang des Verfahrens vor dem substantiellen Recht – das Beispiel des griechischen Rechts Im Prozess der Herausbildung des griechischen Rechts spielt das Verfahren eine wichtige Rolle, während das materielle Recht noch unterentwickelt ist (Gagarin 1989: 14, 46; Gödde 2015: 31). Deshalb ist zunächst festzuhalten, dass hier von einer dienenden Funktion des materiellen Rechts keine Rede sein kann. Es kann jedenfalls aufgrund des Forschungsstandes davon ausgegangen werden, dass das Verfahren für die griechischen Städte des 5./4. Jahrhunderts vor Christi Geburt eine weitaus größere Bedeutung hatte als das materielle Recht. Z. T. wird sogar die Gerechtigkeit selbst mit der Angemessenheit des Verfahrens identifiziert. Das ist nur zu verstehen, wenn man berücksichtigt, dass das Rechtssystem eben noch nicht im systemtheoretischen Sinne ausdifferenziert, von anderen Teilsystemen getrennt war. Dementsprechend kann sich auch noch nicht die Vorstellung herausbilden, dass das Verfahrensrecht gegenüber dem materiellen Recht eine „dienende Funktion“ habe (zum modernen Recht Quabeck 2010: 8 ff.), also seiner Durchsetzung bezwecke. Im Gegenteil – man kann davon ausgehen, dass das Verfahren selbst die Formen und Figuren des materiellen Rechts hervorgebracht hat. Wie soll man sich das vorstellen? Es gab zunächst nur wenige sehr allgemein formulierte materielle Normen, die ohne ein Verfahren der „Diskussion“, genauer: des Wettbewerbs zwischen Parteien, nicht praktisch anwendbar waren (Foxhall/Lewis 1996: 1, 3 ff.). Andererseits gab es auch keine juristische „Methode“ der Interpretation dieser Rechtsnormen. Diese Stelle hat die Rhetorik eingenommen, die selbst ein Bestand von Regeln und Figuren ist, die auf die Strukturierung eines Streits angelegt sind (Foxhall/Lewis 1996: 5 f.). Die Rhetorik hatte ihrerseits die produktive Funktion, eine Verknüpfung von Fällen zu Präzedenzfällen zu gewährleisten. Die damit gestiftete relationale Logik, die ohne substanzielle Regeln auskommt, folgt einer „Prozessualität des Exemplarischen“ (Willer/Ruchatz/Pethes 2007: 20), einer situativen „Reihenbildung“ (Jolles 1956), die für die Individuen, ja, für die Herausbildung einer Art Individualität überhaupt, die Muster bereithielt, denen zu folgen sei – und nicht einem abstrakten Gesetz. Der protojuristische rhetorische Streit nach „Gemeinplätzen“, Topoi, hatte eine wichtige Stellung im Prozess der Herausbildung der Polis, einer Gemeinschaft jenseits der tradierten Kompetenz zur Streitentscheidung durch die Landeigentümer. Die Rhetorik nimmt die Leerstelle ein, die noch nicht von einer juristischen Methode besetzt werden kann; sie setzt die rhetorischen Figuren für die Entwicklung von „Beispielsfällen“ ein (Erskine 2010: 299). Die Rhetorik erlaubt die Inszenierung eines Können; vgl. nur die Übersicht über das XXI International CIPA Symposium, 1.–6. Oktober 2007- www.cipa.icomos.org. – A. Koestler (1990: 53) weist zu Recht auf den Zusammenhang zwischen dem Niedergang der Technik und der Naturwissenschaften nach den mazedonischen Kriegen im 3. und 2. Jahrhundert v. Chr. und dem Niedergang der griechischen Kultur hin. Möglicherweise besteht hier eine Parallele zu dem Niedergang von Wissenschaft und Philosophie im Islam und dessen kulturellem Abstieg nach der Vertreibung aus Spanien.

2. Der Vorrang des Verfahrens vor dem substantiellen Recht

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Wettbewerbs, der eine Frühform des juristischen Streits bildet. Sie hat auch schon eine „inklusive“ Funktion darin, dass nur derjenige den Streit erfolgreich bestehen kann, der die Regeln der Rhetorik beherrscht. Das Protorecht war seinerseits eher auf Überzeugung statt auf die Reproduktion einer vorfindlichen Bindung angelegt (Todd 1995: 58 ff.; Cohen 1995: 194), da die Vorstellung eines bindenden Rechts sich erst langsam entwickelt hat: Das Recht hat die Konflikte eher „abgekühlt“ und strukturiert. Die Bedeutung der „exempla“, der durch die Väter geschaffenen „Präzedenzfälle“ (Willer/Ruchatz/Pethes 2007: 36), spielt auch im römischen Staatsrecht, das anders als das Zivilrecht nur rudimentär institutionalisiert ist, eine wichtige Rolle. So ruft Cicero in seinen Reden gegen das Formalrecht des öffentlichen Amtes die „exempla“ der Väter als eine höhere Rechtsquelle an. Die „exempla“, die rhetorisch in Stellung gebracht werden müssen, können den Sturz der Amtsträger rechtfertigen (Möller 2015: 81). Das römische Rechtsdenken ist – im Amtsrecht mehr noch als im Zivilrecht – ein Recht, dass sich an „Beispielen“ orientiert, an den gelebten und erlebten Handlungsweisen „vorbildlicher“ Personen in bestimmten wiederholbaren Situationen (Siedentop 2015: 241). Die Konstellation, um die es hier geht, unterscheidet sich dadurch, dass das Recht dort „seine Kontrolle verliert“ oder (noch) gar nicht besitzt: Im griechischen „Recht“, das sich – wie erwähnt – noch nicht vollständig ausdifferenziert hat, geht es darum, das prozesshafte, nur halb verstandene Moment der „Emergenz“ des Neuen im Recht oder als Recht zu institutionalisieren, d. h. das Recht selbst herauszubilden. Dabei vollzieht sich etwas, was erst im 20. Jahrhundert in der Literaturtheorie formuliert worden ist, vielleicht auch erst formuliert werden konnte: eine „subjektlose Produktivität“ (Homscheid 2007: 261 im Anschluss an J. Kristeva).101 Solche Entwicklungen, die erst im Nachhinein die das Unbestimmte strukturierenden Formen und Figuren unterscheiden lassen, setzen sich zunächst als „Beispiele“ durch, die im gerichtlichen Verfahren in Griechenland generiert werden und eine kaum begrifflich zu fassende evokative Anschlusswirkung erzeugen, der man nur mit einer paradoxen „Theorie der Unbegrifflichkeit“ (D. Blumenberg), einem vorbegrifflichen „proto-knowledge“ (D. Dwyer), nicht der Unbegreiflichkeit zu Leibe rücken kann. Es wird eine offene Entwicklung in Gang gesetzt, die nicht nach einem Programm verläuft, sondern in einem experimentellen Verfahren Beispiele paradigmatisch werden lässt und dadurch eine Selbsttranszendierung der Subjektivität, des Bürgers, der Gemeinschaft in Anschlag bringen und dadurch die Ausdifferenzierung des Rechts als einer autonomen operationalen Ordnung vorantreiben kann. Ohne genauere Steuerung durch Normen bringt das Verfahren eine unbe101 Allerdings führt dies in der Literaturtheorie – auch bei J. Derrida – zu einer problematischen Erweiterung des Textbegriffs, der schließlich den gesamten, auch materiellen Kontext absorbiert. Gerade in der Rechtstheorie kommt es aber auch darauf an, die sich zunächst der Textualität verweigernden Materialitätsströme, die „Unbegrifflichkeit“ (H. Blumenberg 2007) der Praktiken, das durch das operative Moment des Rechts in Anschlag bringen, das (Unter)Scheiden (Steinhauer 2014), das etwas Neues, auch als Text noch nicht Vorhandenes, hervorbringt.

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VI. Neukonstruktion der Theorie der Grundrechte

stimmte nicht hierarchisch geordnete Kette von „exempla“ hervor, die die Subjekte zur Erprobung und Variation herausfordern – dies hat schon Aristoteles beschäftigt. Diese Entwicklung einer „subjektlosen Produktivität“ unterscheidet sich von den zunächst genannten Versionen der Prozeduralisierung, die man als mindestens partiell kontrollierte Prozeduralisierung bezeichnen könnte. Während diese eine in einem anderen System (Technologie) zu lokalisierende Unbestimmtheit durch Recht zu binden sucht, indem sie sich zugleich auf die Offenheit der Trajektorien z. B. der Technologieentwicklung einlässt und ihre eigenen Epistemologie, die Beschreibung einer Wirklichkeit innerhalb des Rechts, anschließt, vollzieht sich die unkontrollierte Prozeduralisierung in einem offenen Möglichkeitsraum, in dem sich eine emergente Selbsttranszendierung der Normativität (Griechenland) ohne Programm erst im Nachhinein ordnen lässt. Ein Chaos entsteht daraus nicht, weil sich ein Suchprozess entfaltet, der sich auf die Selbstorganisation der gesellschaftlichen Wissensordnung einstellt. Insbesondere für das griechische Recht lässt sich annehmen, dass der spätere Einsatz der Schrift für die Fixierung der Beispiele zur Erzeugung von „Aufschreibesystemen“ (F. Kittler) beigetragen hat (Willer/Ruchatz/Pethes 2007: 38), innerhalb deren sich die Selbsttranszendierung der durch die kultische Tradition bestimmten Identitätsvorstellung zu einer offenen, auf Veränderung in Austauschprozessen angelegten Proto-Subjektivität entfaltet. Mit diesem Begriff soll ein wichtiger Vorbehalt zur Geltung gebracht werden: Von einer „Subjektivität“ im neuzeitlichen oder gar im modernen Sinne kann für das griechische Recht keine Rede sein. Dazu war auch das Leben in der Stadt noch zu stark von den Familien bestimmt, die auch die Träger der Religion und der religiösen Bräuche waren. Das „Protorecht“ war deshalb auch nicht von der Herausbildung allgemeiner Formen der Individualität beherrscht. Das im Verfahren entwickelte Protorecht war von „Beispielen“ bestimmt, die locker miteinander verknüpft und variiert wurden, nicht aber in Generalisierungen und Abstraktionen (wie dem „Rechtssubjekt“) ihren Niederschlag fanden (Siedentop 2015: 21, 116). Im klassischen Griechenland setzt eine Entwicklung ein, die sich später im römischen Recht fortsetzen sollte, die Öffnung für das Andere und die anderen jenseits der Tradition in einer sich verändernden Gemeinschaft. Der Einzelne rückt in eine „Kette von exemplarischen Verfahren“ ein (Willer/Ruchatz/Pethes 2007: 46), die ihn zu einer Art „Rechtssubjekt“ werden lässt, das in der Stadt, die das privilegierte Medium des frühen Rechts ist und eine Entfremdung („defamiliarization“ Boym 2012: 225) in Gang setzt, ein operatives, mit Fiktionen und Unterscheidungen, Trennungen „denkendes“ Rechtssystem entstehen lässt (Steinhauer 2015: 175). Es verlangt die Beobachtung der unbestimmt vielen anderen, nicht der Helden, die die Vergangenheit einer „Gründung“ (Siedentop 2015: 352) zur Geltung bringen, und trägt damit einen nicht aufhebbaren Spalt in das Subjekt ein. Allerdings ist dieses Denken eher vom Verweis auf seine künftigen Entwicklungsmöglichkeiten bestimmt: Das römische Zivilrecht stand der Verallgemeinerung des Rechts über die „Fälle“ hinaus in abstrakten Regeln eher ablehnend gegenüber (Siedentop 2015: 241). Es suchte eher nach Lösungen „von Fall zu Fall“ durch horizontale Ver-

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knüpfungen zwischen „Beispielen“. Doch darin ist eine Methode der praktischen Verallgemeinerung eingetragen, die vor allem seit der Rezeption des römischen Rechts im Spätmittelalter eine zentrale Rolle in der Entwicklung der operativen Seite des Rechts gehabt hat (Schäfer/Wulf 2014: 52). Es ist nicht so sehr das römische Recht als vielmehr das römische Rechtsdenken, das zur rasanten wirtschaftlichen Entwicklung beigetragen hat. Die juristische „Fiktion“ (in diesem weiteren Sinne, nicht der explizit eingesetzten legalen Fiktion) hat ein Moment der Bindung des Unbestimmten/Unbestimmbaren, der Beschwörung des Neuen, Unbekannten, in den Formen des Alten, das auch dem Ritual eigen ist (Seligman/Weller 20012) und der Religion. Vor allem A. B. Seligman hat immer wieder darauf hingewiesen, dass der Verzicht auf Rituale rational erscheinen mag, aber die Kraft des Unbestimmten deshalb nicht verschwindet, sondern umso stärker ihre ungebundene zerstörerische Gewalt entfaltet. Das Protosubjekt bleibt „mehrstimmig“ und heterogen – es wird eher durchzogen von einem „continuous flow of personality“ (Winthrop-Young/Wutz 1999: XX, im Anschluss an F. A. Kittler). Die Stadt wird aber das neue „Medium“ des Prozessierens von mehr Möglichkeiten – auch jenseits der institutionalisierten Seite des „Öffentlichen“. Das klassische Griechenland ist nicht nur der Ursprung der institutionalisierten demokratischen Öffentlichkeit, sondern auch der Ursprung der nicht institutionalisierten wechselseitigen Beobachtung des Wissens der anderen und seiner Übernahme in das eigene Handlungsrepertoire, die positive Bewertung des neuen Wissens – in der Stadt. Dies ist der Ursprung der transsubjektiven prozesshaften Seite des Privaten, das sich in der individuellen privaten Handlungsfreiheit nicht erschöpft. „La cité est cette mise en ordre du monde humain qui rend possible et significative l’action“ (Manent 2010: 10) – und nicht der Staat oder eine universalistisch zu verstehende Demokratie! Die Wiederbelebung dieser Erinnerung an die Stadt als die Grundlage des westlichen Rechts (und nicht den Staat) könnte mit der Idee der Erweiterung der Konzeption der „impersonalen Grundrechte“ verbunden werden: Die Prozesse zwischen den Individuen, die zum erheblichen Teil nicht „intersubjektiv rational“ (J. Habermas) verlaufen, sondern prozesshaft unbewusst, kreativ, emergent, müssen unter postmodernen Bedingungen selbst grundrechtlich abgestützt werden und können nicht mehr als selbstverständlich unterstellt werden.

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3. Zur Notwendigkeit eines Kollisionsrechts für die Abstimmung von gesellschaftlichen und rechtlichen Normen a) Verweisungszusammenhang von Recht und sozialen Normen und Praktiken Wenn man den Zwang zur Anknüpfung an die Selbstorganisation des „common knowledge“ und die kooperative Verschränkung von Perspektiven akzentuiert, erweist sich diese wechselseitige Beziehung zwischen Selbstorganisation und Selbstregulierung z. B. der Presse sowie ausgestaltender Fremdregulierung als ein durchaus produktiver Gedanke (Ladeur 1999: 281). Es geht dann verfassungsrechtlich um die Formulierung von einer Art Kollisionsrecht, das Fremdregulierung eben – wie erwähnt – nur so weit zulässt, wie Selbstorganisationsprozesse in der Presse sich selbst zu blockieren drohen, wesentliche Interessen Dritter missachtet werden oder – etwa im Rundfunk, jedenfalls in der Vergangenheit – Freiheit nur durch eine staatliche Vorgabe für die Organisation von Vielfalt möglich erschien.102 Jedenfalls erweist sich die Formel von der „impersonalen Freiheit“ insofern als produktiv, als sie im Gegensatz zur pauschalen, staatszentrierten Unterstellung einer objektiv-rechtlichen Dimension der Grundrechte die gesellschaftliche Selbstorganisation von Regeln innerhalb eines geschützten Handlungsbereichs stärker akzentuiert und damit „Ausgestaltung“ von vornherein auf die Kooperation von Selbstund Fremdregulierung festlegt. Hier lassen sich Anleihen beim modernen IPR denken, das zwar traditionell eher „jurisdiction seeking“ war, d. h. in einander ausschließenden Alternativen staatlicher Rechtsordnungen gedacht hat, während für den globalen Rechtspluralismus, der sich auch auf nicht-staatliche (Rechts-?)Normen einstellen muss, auch ein prozesshaftes „rule seeking“ für möglich gehalten wird, das im transnationalen Rechtsverkehr auf die Herausbildung einer variablen „common policy“ unterschiedlicher (Rechts-) Ordnungen zielt (Michaels 2009: 883 f.).103 In Anlehnung an ein solches prozesshaftes Rechtsdenken könnte auch die Konkretisierung der (Kommunikations-) Grundrechte als ein Prozess der Suche nach einer „common policy“ zwischen staatlicher Wahrnehmung von Drittinteressen und gesellschaftlicher Selbstdefinition 102

Vgl. nur die Rechtsprechung des BVerfG zur Rundfunkfreiheit, BVerfGE 12, 205; 57, 295; 73, 118; 83, 238. 103 Vgl. auch die – allerdings (fast) ganz, bis auf die politische Verfassung i. e. S. von der staatlichen Verfassung abgekoppelten Überlegungen zu „konstitutionellen Sachnormen“ für den Ausgleich zwischen „Funktionsregimeverfassungen“ jenseits des Staates Teubner (2012: 235 f.) – auf diese Position kann hier im Einzelnen nicht eingegangen werden. Sie stößt jedenfalls an Grenzen, wenn es nicht um selbstorganisierte „geschlossene“ Funktionsregimes geht, sondern wie in der Kunst oder bei Protestbewegungen zwar eine Normbildung beobachtet werden kann, aber keine reflexive Schließung zu einem Regime, die eigene Verfahrensregeln über die Bildung sozialer Normen voraussetzen würde; aus öffentlich-rechtlicher Sicht Viellechner (2012: 559).

3. Kollisionsrecht für die Abstimmung gesellschaftlicher und rechtlicher Normen 135

grundrechtlicher Gegenstandsbereiche sowie ihrer Selbstorganisation durch spontane soziale Normen verstanden werden (z. B. darüber, was Kunst ist, oder wie sich Öffentlichkeit und Privatheit verändern; Ladeur 2015: 97).

b) Entstehung und Funktion von methodischen Regeln Schon für die Gerichte in Zivilsachen muss man annehmen, wie C. Humfress in historischer Perspektive überzeugend schreibt, dass die Richter eher einen „Hintergrund von Normen und Verfahren“ bereitstellen, auf dessen Hintergrund private Verhandlungen und öffentliche Regelsetzung erfolgen. Das Recht ist seit seiner Gründung in Rom nie einheitlich gewesen. Es wird seit der Antike primär durch horizontale Bindungen zwischen Akteuren erzeugt, die „repeatedly“ innerhalb bestimmter Institutionen handeln und dadurch ein Gewebe von Beziehungen erzeugen (Humfress 2014: 16).104 „With every new judgment the law grows and expands, and over time it locally constructs a plane of immanence with ever more parts able to be actualized in ever more judgments … The judge, therefore is at the border between two kinds of movements, simultaneously enacting a closed, spatial displacement of parts and expressing a creative, open whole“ (Lefebvre 2008: 254). Dies wirft auch ein neues Licht auf die konstruktive Bedeutung der „Methode“ der Rechtsanwendung, die alles andere als ein neutrales Instrument zur Erschließung es „Willens des Gesetzgebers“ ist. Auf den Wandel der „Rechtssemantik“ – ein Begriff, der zunächst nur den vom Willen der Handelnden unabhängigen emergenten Charakter der Evolution des Rechts aufmerksam machen soll – kann hier nicht im Einzelnen eingegangen werden. Doch muss in Rechnung gestellt werden, dass das Recht seine eigene Anwendung nicht steuern kann und deshalb auch der Methodenwandel eher einen emergenten Charakter hat. Er vollzieht sich als „Umbesetzung“ (H. Blumenberg) innerhalb eines „Differenzierungsgeschehens“ (B. Waldenfels), das durch die gesellschaftliche Dynamik außerhalb des Rechts angetrieben wird. Dabei zeigt sich, dass das Recht zwar zwischen normativer Geschlossenheit (Selbstreferenz auf seine eigene Normativität) und kognitiver Offenheit für „Sachverhalte“ unterscheiden muss und kann, dass aber der Übergang zur strategisch „organisierten Wirklichkeit“ und schließlich zu „fluiden Möglichkeiten“ der Netzwerkgesellschaft, die immer wieder neu in Handlungskonstellationen aggregiert werden müssen, die methodische Reflexivität des Rechtssystems verändert. So entsteht im Recht der „Gesellschaft der Organisationen“ das Paradigma der „Rechtskonkretisierung“ (Christensen 2013: 294 ff, 322 ff.), das mit „Abwägungen“ (Klatt/Meister 2012) und der Prüfung der „Verhältnismäßigkeit“ jeweils eine „Gruppierung“ (W. Benjamin) von Fallkonstellationen vornimmt. Dieser scheinbar radikale Übergang konnte nur deshalb relativ bruchlos vollzogen werden, weil das 104 Das ändert nichts daran, dass es auch die autoritäre Gewalt des Rechts gibt; es ist aber historisch verfehlt, davon ausgehend „das“ Recht konstruieren zu wollen; vgl. aus anthropologischer Sicht Bohannan (1965: 34 f.).

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VI. Neukonstruktion der Theorie der Grundrechte

Denken der Subsumtion des Besonderen (des „Sachverhalts“) unter die allgemeinen Gesetzesbegriffe eher die rechtliche Erscheinungsform eines „Willens zur Verallgemeinerung“ war (vgl. dazu allg. Daston 2005: 19 – Herv. nicht i. Orig.), der nicht primär an der begrifflichen Deduktion, sondern an der praktischen „Replikation“ eines Musters orientiert war.105 Der so verstandene „Wille zur Verallgemeinerung“, der im 19. Jahrhundert entsteht, ist dann auch mit einer Umstellung auf die horizontale „Replikation“ verbunden. In der „Netzwerkgesellschaft“ entwickeln sich Ansätze zu einem „Denken in Netzwerken“ von Entscheidungen und Operationen, die Ordnung erst ex post aus der Beobachtung von Mustern generieren kann, die über eine Vielzahl von Entscheidungen/Operationen distribuiert sind. Produktiv erscheint im Anschluss an M. Amstutz die Suche nach „Submodellen“ innerhalb des Rechtssystems, mit deren Hilfe das Recht globale Veränderungen in seinen Systemumwelten jenseits der durch seine Rechtsprogramme („Tatbestand“) begrenzten kognitiven Offenheit für „Sachverhalte“ beobachten und durch Selbstmodellierungen verarbeiten kann. Dazu gehören nach der Terminologie von M. Amstutz – die sich wiederum an R. Wiethölter anlehnt – ein „,theoretisches‘ Modell“, das eher außerhalb der Rechtspraxis formuliert wird und das „Selbstverständnis (des Rechtssystems – KHL) in seinem soziohistorischen Umfeld“ variiert (Amstutz 2002: 70; Teubner 1984: 116 ff.) Dazu treten ein „,operatives‘ Modell, das die gleiche Funktion im Hinblick auf die Gewährleistung der (strategischen) Orientierungsfähigkeit des Rechts wahrnimmt“, und ein „,prospektives‘ Modell, das den methodologischen Umgang mit den Fragen, die an das Recht herangetragen werden, bestimmt“ (Amstutz 2002: 70). Die Reflexion dieser Methodenprobleme ist zunächst eine Aufgabe der Rechtswissenschaft selbst, doch die Beobachtung des Wandels der „Rechtssemantik“ (Ladeur 2014: 467) als nicht intentionaler und nicht selbst methodisch kontrollierbarer Prozess ist auch der Beobachtung durch die Sozialwissenschaften zugänglich.

4. „Historisierung“ der Grundrechte: Das Beispiel der Medienfreiheiten Das Bild der Öffentlichkeit als ein hierarchisch geordnetes System „konzentrischer Kreise“ (Ladeur 2000: 442; 2015: 97) ist eine der Modellannahmen, die das Recht benötigt (hat?), um das Verhältnis von Staat und Gesellschaft jenseits der einfachen Polarisierung „the man versus the state“ historisch bestimmen und seine Eigenrationalität jenseits der älteren rein individualistischen Konstruktion der Pressefreiheit ausdifferenzieren zu können: Um den inneren Kern der „Entscheidungsöffentlichkeit“ legt sich der mittlere Ring der Parteien und Verbände, die Entscheidungsalternativen vorstrukturieren; im äußeren Ring aggregieren die Me105 Die „Replikation“ im Recht ist dann die „Anwendung“ durch Subsumtion eines Sachverhalts unter Gesetzesbegriffe.

4. „Historisierung“ der Grundrechte: Das Beispiel der Medienfreiheiten

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dien „themenfähige“ Ereignisse. Dies entspricht der Tendenz zur „Historisierung“ (M. Gauchet), die auf die Beobachtung der Ausübungsbedingungen der Grundrechte eingestellt ist und darauf mit „Konkretisierungen“ diesseits der allgemeinen Unterscheidung zwischen gesellschaftlicher Freiheit und staatlicher Entscheidung reagiert. Damit wird zugleich die einfache Dichotomie von Privatem und Öffentlichem in Frage gestellt und temporalisiert, sie wird als dem Wandel unterliegend relativiert (exemplarisch BVerfGE 30, 173, 195; Klatt/Meister 2012: 159; kritisch Reimer 2013: 27). Diese Relativierung wird in der Rechtsprechung auf eine paradigmatische Weise durch den Aufstieg des Passepartouts der „Abwägung“ zum Ausdruck gebracht und zugleich wieder invisibilisiert. Auf deren Kritik kann hier nicht im Einzelnen eingegangen werden. Sie ist eine wenig reflektierte Erscheinungsform des Übergangs von der Beschreibung der Gesellschaft durch einen „grand récit“ (J. F. Lyotard) – die „große Erzählung“ –, die in einem stabilen Bestand geteilten Wissens verankert ist und mit stabilen Unterscheidungen und hierarchischen Abschichtungen operiert, zur Beobachtung eines organisierten gesellschaftlichen Pluralismus und schließlich einer Zerstreuung der über Netzwerke von Beziehungen verteilten spezialisierten Regel- und Wissensbestände. Der Wechsel der gesellschaftlichen „Kontrollprojekte“ von der Hierarchie zur heterarchischen Relationierung findet sich z. B. in der Form des Unternehmens bzw. der Unternehmen, die in intra- und interorganisationalen Netzwerken Wissen ohne hierarchische Steuerung durch allgemeine Entscheidungen generieren und über Netzwerke prozessieren, aber auch in neuen Medien, die die Strukturbildung im gesellschaftlichen Wissenssystem über die Organisation klassischer Medienunternehmen mehr und mehr durch hybride prozesshafte Aggregierungen von Wissen ersetzen (Internet – Herrenschmidt 2007). Damit wird tendenziell insbesondere die Unterscheidung von Öffentlichem und Privatem unterlaufen. Deshalb kann es weder einen feststehenden Begriff des Öffentlichen geben noch eine stabile Methode der Abstimmung von Öffentlichem und Privatem, die sich unabhängig von den sozialen Normen bestimmen ließe, die durch das jeweilige „soziale Feld“ definiert werden.

VII. Die Frage nach der Stellung des Staates in der globalisierten Rechtsordnung 1. Die EG als „Staatenverbund“ und das Erfordernis eines „Kollisionsrechts“ neuer Art Die Besonderheit der Konstruktion eines „Staatenverbundes“ der EG (BVerfGE 89, 155 – Maastricht) ist davon geprägt, dass es ganz unterschiedliche Arten der Kollision von nationalem und supranationalem Recht gibt und dafür auch keine allgemeine Ausgleichsformel wie der Rekurs auf die Einheit der Rechtsordnung oder die Integrationsleistung einer Verfassung wie im Bundesstaat zur Verfügung steht. Diese Konstellation tritt etwa dann zutage, wenn europäisches Wettbewerbsrecht mit nationalem Rundfunkverfassungsrecht zusammentrifft (Ladeur 2000: 965). Dieser Konflikt kann zwar auch auf der nationalen Ebene im Bundesstaat auftreten, aber die Kompetenzverteilung der nationalen Ebene etwa in Deutschland geht von der Abgrenzung von Gegenständen des kompetenziellen Handelns aus, während in der EG weithin die Kompetenzen von den Zielen des Binnenmarktes bestimmt werden und dann sich die Frage stellt, ob Organisation und Handeln z. B. von Rundfunkveranstaltern als/wie wirtschaftliches Handeln bewertet und reguliert werden kann. C. Joerges (1997: 378) und C. Schmid (2000: 155) haben für solche Kollisionen die Bezeichnung „diagonal“ vorgeschlagen. Die Formel bringt eine Besonderheit von Rechtskollisionen in der Europäischen Union treffend zum Ausdruck. Hier kann weder das klassische internationale Privatrecht oder die Kollisionsordnung des Verwaltungsrechts bei territorial bestimmten „horizontalen“ Kollisionen und damit eine Logik der Verweisungen zum Zuge kommen, noch passen die Vorrangregeln der für das Bundesrecht (im Bundesstaat nach Art. 31 GG) und der EU selbst bei „vertikalen“ Kollisionen. Es bedarf hier vielmehr neuer, allerdings ebenfalls kollisionsrechtlich zu konzipierender Regeln der wechselseitigen Abstimmung und Kooperation, die von einzelnen Problemen und nicht von stabilen Abgrenzungen bestimmt sein müssen.106 Diese Einordnung des beschriebenen Konflikttypus als „diagonale“ Kollision erweist sich auch bei der dogmatischen Konturierung der Grenzen der Bestandskraft von Verwaltungsakten im europäisierten Verwaltungsrecht als anschlussfähig: auch hier kommt es zu einer begrenzten Überlappung von allgemeinem nationalen Verwaltungsrecht und besonderem europäischen Verwal106 Daran ist allerdings das traditionelle Kollisionsrecht sowohl des öffentlichen als auch des Privatrechts orientiert, vgl. Ohler 2005; zum Privatrecht Michaels (2006: 5, 211; Wai 2005: 471, 472; Joerges 2007: 719).

2. Grenzen der Europäisierung – Warum die EU kein Superstaat sein kann

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tungsrecht, ohne dass dieses Problem mit einer einfachen Vorrangregelung zu lösen wäre. Die Pflicht zur Gewährleistung des „effet utile“ wird – zu Recht – aus dem Kooperationsprinzip (Art. 10 EGV) abgeleitet (vgl. Streinz 1995). Es hat seinen Gegenstand nicht in einer rein instrumentellen Pflicht zur effektiven Durchsetzung der Gebote des besonderen europäischen Verwaltungsrechts mithilfe des nationalen allgemeinen Verwaltungsrechts und seiner Formen und Verfahren, sondern es zielt – richtig verstanden – darauf, die allgemeinen Rechtsformen des Zivilrechts und des Verwaltungsrechts (möglicherweise auch des Strafrechts in Zukunft) durchlässig zu machen für die Wahrnehmung der Besonderheiten einer multipolaren Rechtsordnung, die bei der Anwendung und Weiterentwicklung von Instituten des allgemeinen Verwaltungsrechts die Wahrnehmung der Interessen der EU und anderer Mitgliedstaaten oder von Bürgern dieser Staaten bei der Interpretation des „öffentlichen Interesses“ nicht ignorieren darf. Eine Kooperationserwartung besteht allerdings auch in umgekehrter Richtung, dies ist dem „diagonalen“ Charakter der Kollision geschuldet, die keinen Vorrang zugunsten der einen oder der anderen Rechtsordnung vorsieht (vgl. Ladeur 2000). Die Kooperationserwartung ist daher nicht einseitig zu verstehen; deshalb kann der „effet utile“ auch nicht auf die gänzliche Außerkraftsetzung z. B. von Regeln über die Bestandskraft von Verwaltungsakten zielen. Über das Prinzip des „effet utile“ darf nicht das höherrangige Prinzip der begrenzten Einzelermächtigung unterlaufen werden.

2. Grenzen der Europäisierung – Warum die EU kein Superstaat sein kann a) Die Illusion der Einheit des transformierten Europarechts Europarecht wird nicht nur punktuell unzulänglich implementiert oder im Einzelfall unterschiedlich angewendet in den Mitgliedstaaten, sondern es bestehen unterschiedliche Regeln der „Instituierung“ (nicht nur) des Europarechts (zum Begriff Descombes 2013: 245 ff.). D. h. in den nördlichen EU-Ländern besteht eine Kultur der Regelorientierung, in der auch einzelne Regeln möglicherweise nicht in nationales Recht transformiert oder im Einzelfall verletzt werden, nicht aber Regeln systematisch durch lokale, regionale oder Gruppeninteressen korrumpiert werden. Genau dies ist in den „Südländern“ der Fall. Dies schadet vielfach den anderen Ländern nur in begrenztem Maße (z. B. bei Nichtbeachtung von Umweltstandards entstehen Wettbewerbsvorteile, die aber vielfach durch andere Wettbewerbsschwächen mehr als ausgeglichen werden). Die Beobachtung unterschiedlicher „compliance“ in den einzelnen Mitgliedstaaten könnte eine interessante Aufgabe der Politikwissenschaft sein. Dies erscheint umso wichtiger, als sowohl die Mitglied-

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VII. Die Frage nach der Stellung des Staates in der Rechtsordnung

staaten (in wiederum unterschiedlicher Form) als auch die EU-Kommission kein ausgeprägtes Interesse an der Beobachtung dieser Divergenzen haben. Für die Mitgliedstaaten liegen die Gründe auf der Hand, aber auch die Kommission hat kein Interesse daran, diese Divergenzen anders als in der vereinzelten Regelverletzung offenzulegen, weil damit die Illusion der „Rechtsgemeinschaft“ in Frage gestellt würde. Jede falsch konzipierte „Vertiefung“ der Gemeinschaft kann eher im Gegenteil die Gegensätze verschärfen. Dies wäre insbesondere der Fall, wenn „gemeinsame“ Regelsysteme geschaffen werden, die mit erheblichen Transferleistungen verbunden sind (dafür Habermas 2014). Dies wäre etwa bei der Schaffung einer gemeinsame Arbeitslosenversicherung der Fall: Die Wahrscheinlichkeit ist sehr hoch, dass in den „Südländern“ ein solches System durch Gewährung unberechtigter Leistungen korrumpiert würde und eher die Spaltung vertiefen würde, weil hier auf den anderen Ländern zugefügten Schaden politisch reagiert werden würde. Für Habermas ist die Gesellschaft eher eine plastische Masse, die in den „zivilgesellschaftlichen Selbstverständigungsprozessen“ erst ihre rationale Form findet – die Alternative dazu ist die ungezügelte Herrschaft des Finanzkapitals – über diese formlos bleibende Masse (Habermas 2015).107 Das Problem der „Zurechnung“ von Krisenphänomenen an die EU ist ebenfalls zum großen Teil nicht durch „bessere“ Kompetenzabgrenzung bewältigen. Der moderne Staat hat – immer im Zusammenhang mit dem rational denkenden Staatsund Gesellschaftsbürger – eine rationalisierende Wirkung dadurch, dass er Grenzen und damit Zurechnungen ermöglicht – wenn man die Alternative des Krieges außer Betracht lässt, der den „Feind“ für eigene Probleme (Wirtschaftskrisen etc.) verantwortlich macht. In einem äußerst komplexen Gebilde wie der EU werden auch die Zurechnungsprobleme komplex – und das heißt vor allem: opak. Die Unterschiede zwischen den Mitgliedstaaten verändern sich ja nicht dadurch, dass nun – in Zukunft – die europäischen Institutionen für die Krisenbewältigung verantwortlich sind. Die Zurechnung ist eher ein politisch-kulturelles Problem: Wie auf der nationalen Ebene – in den Mitgliedstaaten in unterschiedlichem Maße – „der Staat“ mehr und mehr Adressat der Zurechnung von Aufgaben ist, so kann selbst in einem europäischen Bundesstaat die Frage der Zurechnung nicht entpolitisiert werden: Es wird zwangsläufig immer Konflikte um die „Zurechnung“ geben, weil die Wirtschaftskraft so unterschiedlich verteilt ist. Das Problem kann man institutionell immer 107 Die Beiträge von Scharpf (2015) und Höpner (2015) zu der von Habermas ausgelösten Debatte über die Zukunft der europäischen Institutionen betonen zu Recht die wirtschaftlichen Unterschiede zwischen den Mitgliedstaaten als Grenze der Integration, vor allem Scharpf akzentuiert aber zu stark die politische Dimension des Konflikts zu Lasten der kulturellen. Der Beitrag von Möllers (2015a) weicht der Problematik eher aus, wenn er die monetäre Krisenpolitik den Mitgliedstaaten zurechnet – dies ist nur formal richtig, der Sache nach ist ein autoritäres Notstandsregime entstanden, das auch den einzelnen Mitgliedstaaten kaum Gestaltungsspielräume lässt und auf die durch die Europäisierung der Währung gesetzten Zwänge reagiert. Dass die Kommission – glücklicherweise – nur als „Moderator“ fungieren kann, ändert nichts daran, dass es sich um einen europäischen Krisenmechanismus handelt, der eine Form der Konkursverschleppung bedeutet.

2. Grenzen der Europäisierung – Warum die EU kein Superstaat sein kann

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weiter verschieben (Problemverschiebung ist der wichtigste Handlungsmodus der EU), es muss aber zwangsläufig immer wiederkehren, weil die Kausalitätsmuster der Problembeschreibung politisch sind und politisch bleiben: Die Südländer werden gerade bei einer weiteren Integration mehr Transferleistungen verlangen, die in den Nordländern auf Widerstand stoßen werden. Alle Mitgliedstaaten sind in der einen oder anderen Form Sozialstaaten, d. h. gesellschaftliche Staaten, die kein festes Regelsystem für die Zurechnung von Problemen auf den Staat haben. Diese Unsicherheit, die in den Mitgliedstaaten unterschiedlich durch selbst instabile soziale Konventionen abgespannt wird, wird sich auf der europäischen Ebene eher – unabhängig von allen Kompetenzregelungen – verstärken, weil die Konsequenzen z. B. der Überschuldung nicht mehr auf den Nationalstaat allein zugerechnet werden und durch Umverteilung „unsichtbar“ werden können. Man muss davon ausgehen, dass ganz neue intransparent werdender Kausalitätsmuster entstehen. Auch hier geht es um eine Art praktischer Wissensregel, da in politicis (fast) nichts objektiv festliegt. Jedes politische System erzeugt seine eigenen Zurechnungsregeln. In dem widersprüchlich institutionalisierten Euro-Raum müssen auch die Zurechnungsregeln widersprüchlich sein. Dies gilt umso mehr, als schon jetzt die Selbstwahrnehmung von Bürgern als Klienten des Staates (oder dann der EU) und nicht als Subjekte von Eigenverantwortung so weit verbreitet ist, dass die Habermassche Unterstellung der Fähigkeit zu grenzüberschreitenden, ja, grenzenlosen „zivilgesellschaftlichen Selbstverständigungsprozessen“ (Habermas 2015) sich als Illusion erweisen wird. Die allzu deutliche Betonung der Unterschiede zwischen den Rechtskulturen der Mitgliedstaaten könnte auch dazu führen, dass die stärkere Regelorientierung, die in den nordeuropäischen Ländern zu beobachten ist, der „Ansteckung“ durch die in den südeuropäischen Ländern vielfach zu beobachtenden unterschiedlichen Praktiken der „De/in/stituierung“ der Regeln ausgesetzt werden könnte. Dieses Problem hat sich eklatant in den Haushaltskrisen einiger südeuropäischer Mitgliedstaaten und Irlands gezeigt, es besteht aber in vielen Bereichen des Europarechts (z. B. im Umweltrecht); es ist dort nur weniger auffällig, weil dies vielfach Begleiterscheinung anderer Symptome von Wettbewerbsschwäche ist, die kaum nennenswerte Schäden in anderen Mitgliedstaaten verursachen (Missachtung des Abfallrechts in Süditalien, Stahlwerk Taranto).108 Die unterschiedlichen „Anwendungskulturen“ bedürfen dringend der Untersuchung und des Vergleichs. 108 Die Immissionen Stahlwerk ILVA gelten seit Jahren als in hohem Maße gesundheitsschädlich. Dennoch wird das Stahlwerk nach Zeitungsberichten noch heute subventioniert, weil es der bedeutendste Arbeitgeber der Region ist; http://www.stuttgarter-zeitung.de/inhalt.das-ita lienische-stahlwerk-ilva-zwischen-pest-und-cholera.a85f7cb5-de39 - 4b61 - 96a2 - 38bff837e3 f9.html; inzwischen gibt es einen neuen Streit um die wiederholte staatliche Subventionierung – charakteristisch für die italienische Politik ist, dass jahrzehntelang gar nichts gegen schwere Verstöße gegen das Umweltrecht unternommen worden ist, dann aber plötzlich mit radikalen Maßnahmen (Betriebsschließung) reagiert wird, die den Weiterbetrieb des Werks ganz verhindern, dann wieder mit einem Maßnahmegesetz (!) die Fortsetzung der Produktion ermöglicht und ein neuer Investor gesucht wird; dieses Suche wird wiederum durch die Unberechenbarkeit der Politik erschwert vgl. FAZ Nr. 20 v. 25. 1. 2016, S. 19 – charakteristisch ist, dass

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VII. Die Frage nach der Stellung des Staates in der Rechtsordnung

Vorab bedarf aber die Beschreibung des hier genannten Phänomens einer Konkretisierung: Wenn man nach einer verallgemeinernden Formel suchen will, mit der die Verschleifung von (auch nicht-rechtlicher) Normativität und Faktizität sich abbilden lässt, so bietet sich für die Beschreibung der hier akzentuierten Phänomen Ch. Taylors (2004: 55) Begriff des „Repertoires“ von Praktiken und Handlungsmustern an, die in einem sozialen Operationsfeld zur Verfügung stehen. Dieses vorauszusetzende „Repertoire“, das über das Ausprobieren von Variationen generiert und prozessiert wird, nicht aber aus Gesetzen durch „Ableitung“ gewonnen wird, bildet die Infrastruktur jenes „social imaginary“ (Taylor 2004: 55), das die „likemindedness“ der Akteure konstituiert und die Koordination von Handlungen erlaubt. Der Begriff ist insofern erläuterungsbedürftig, als es nicht um eine Art Instrumentenkasten der Möglichkeiten geht, eher geht es um die Bestimmung der informalen Handlungsebene, auf der Optionen generiert und erprobt werden, die sich nicht als ein Bestand zur Geltung bringen lassen. Diese Effekte der Verschleifung zwischen Norm und der erst Bedeutung stiftenden Anwendung entscheidet auch über das Gelingen einer Verfassung. So lässt sich z. B. die These formulieren, dass die amerikanische Verfassung deshalb erfolgreich war, weil sie von vornherein mit einem Subtext unterlegt war, der die explizit postulierte Einheit eines kollektiven Recht stiftenden Willen nach innen durch die Verschleifung mit einer über Individuen distribuierten gemeinsamen „Erfahrung“ jenseits der Tradition der britischen Gesellschaft konturiert hat (Egan 1999). Zur Herausbildung der systemnotwendigen „likemindedness“ der praktisch Handelnden ist es demgegenüber z. B. in Frankreich nicht gekommen; deshalb hat sich dort eine kompromisshafte Fixierung auf den Staat, nicht die Gesellschaft der Bürger, als bedeutungs- und d. h. einheitstiftend für die Verfassungen entwickeln können. Auf diesem Hintergrund lässt sich weiter annehmen, dass die „öffentliche“ Demokratie und ihre Realisierung durch die Verständigung über die Setzung expliziter kollektiver Regeln (Habermas 1992: 153) nicht einfach in einem Spannungsverhältnis zu den fraglos gestellten privaten Lebensverhältnissen in der Gesellschaft steht. Vielmehr muss dieses Verhältnis seinerseits dadurch abgespannt werden, dass es abstrakter, nämlich als ein Verhältnis von zwei Polen einer Ordnung des Experimentierens mit Institutionen verstanden wird, die Ziel und das verfügbare Repertoire von Operationen heterarchisch prozesshaft aufeinander bezieht und dabei nach „haltbaren“, viablen Mustern sucht, die immer wieder neue Anschlüsse generieren oder auch im Falle eines lock-ins in unproduktiven Trajektorien sich selbst zerstören – ohne dass dies wegen der heterarchischen Struktur der Netzwerke leicht zu erkennen wäre. Die Habermassche Trias von individueller Privatheit, Diskursöffentlichkeit und staatlicher Verwaltung Italien sich trotz jahrzehntelanger Rechtsverstöße jetzt durch Interventionen der EU diskriminiert sieht; auch das Abfallrecht wird in gravierendem Umfang verletzt: Italien ist zur Zahlung einer Summe von 40 Mio. E verurteilt worden – ein winziger Bruchteil der „ersparten“ Kosten der Umsetzung – http://www.kommunalwirtschaft.eu/recht/detail/i6149/c173 – beide Fälle sind auch symptomatisch für den „südlichen“ Politikstil, Probleme jahrzehntelang aufzuschieben, bis sie beinahe unlösbar sind, dann aber die EU verantwortlich zu machen, weil sie die weitere Verschiebung der Lösung zu unterbinden sucht.

2. Grenzen der Europäisierung – Warum die EU kein Superstaat sein kann

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vernachlässigt die privat-öffentlichen sozialen Normen, in denen sich das notwendig intransparente „Leben“ selbst organisiert, das „Leben“, das „nichts sieht und sich nichts vorstellt“ (Henry 2011: 143). Die scheinbare Natürlichkeit des diesseits der expliziten Beschreibung bleibenden praktischen „impliziten Wissens“ (M. Polanyi) lässt die von Staat und Privaten genutzte Erfahrung als selbstverständlich, fraglos und objektiv erscheinen. Das Wissen der „praktischen Gemeinschaften“, in denen Erfahrungen ausgetauscht werden bildet eine komplexe „Textur“ aus Öffnungen und Schließungen, Anschlusszwängen und -möglichkeiten (Wenger 1990:131).

b) „Recht als Kultur“ – die Grenze der Europäisierung des Rechts Um den Bogen wieder nach Europa zu schlagen, möchte ich die These aufstellen, dass es Länder mit „guten Institutionen“ gibt, die in Politik, Wirtschaft und in der Gesellschaft eine produktive Koordination von öffentlichem und privatem Handeln erzeugen, die die Demokratie als eine Ordnung des Experimentierens mit Institutionen und der Generierung eines produktiven „Varietätspools“ der Möglichkeiten des Wissens und Handelns in Gang halten, während es umgekehrt Länder mit „schlechten Institutionen“ gibt, die immer wieder unerwünschte (Neben-)Effekte hervorbringen – ohne dass produktive Änderungen denkbar werden, weil es keine „schlechte Institution“ gibt, an deren Erhaltung nicht eine nennenswerte Zahl von Personen interessiert wäre: Wenn die Mafia zerschlagen würde, würden Tausende von Menschen arbeitslos. Weniger dramatisch: Ein ineffizienter überbesetzter Staatsapparat schafft viele sichere Arbeitsplätze.109 So wird auch verständlich, warum in Italien einerseits das Vertrauen in die öffentlichen Institutionen gering ist, aber sich trotzdem nichts ändert und die Reformbereitschaft in Frankreich gering ist. Das Verhältnis von Regel und Regelanwendung bedarf weiterer Differenzierung nach unterschiedlichen Konstellationen. Ich will nur auf einige Varianten des rechtlich nur teilweise sanktionierter Unterlaufens normativer Vorgaben durch kompensatorische Folgenbewältigung hinweisen. Der europäische Binnenmarkt im Besonderen und die Globalisierung im Allgemeinen stellen Monopole, Kartelle, Privilegierungen und das Einrasten von Märkten in bestimmte Trajektorien in Frage und verlangen mehr Wettbewerbsfähigkeit. Letzteres ist aber nur dann zu erwarten, wenn nicht die Ziele der Anpassung an die so gesetzten Zwänge durch Ausweichstrategien abgeschwächt werden. Dazu gehört die Ausweitung des öffentlichen Dienstes in mehreren EU-Mitgliedstaaten, insbesondere in Frankreich, und Griechenland (wo jeweils mehr als 24 % bzw. 20 % der Arbeitskräfte im öffentlichen Dienst beschäftigt sind). Auch dies ist übrigens durch die infolge des Euro erleichterte Verschuldung ermöglicht worden. Eine Nebenfolge dieses hohen Be109 Vgl. Mancur Olson (2004) zur Spannung zwischen gut organisierten Teilinteressen und einem abstrakten Allgemeininteresse, dessen Unterstützung gering bleibt.

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VII. Die Frage nach der Stellung des Staates in der Rechtsordnung

schäftigungsanteils dürfte auch darin bestehen, dass 75 % der französischen Schüler Beamte werden möchten.110 Selbst in den USA sind heute im öffentlichen Dienst mehr als doppelt so viele Menschen beschäftigt (22,5 Mill.) wie in der Güterproduktion. Das hat nicht nur Auswirkungen auf die Wirtschaft, sondern verändert auch den Staat und sein Aufgabenverständnis. Dies ist auch das größte Problem Griechenlands, das den größten Verwaltungsaufwand aller EU-Mitglieder aufweist: Die Zahl der in öffentlichen Diensten beschäftigen Mitarbeiter ist in den Jahren 2004 – 2009 um 25 % erhöht worden (http://www.faz.net/aktuell/wirtschaft/wirtschaftspoli tik/ein-land-sucht-seinen-kurs-griechenlands-abschied-vom-schlaraffenland-194 0412.html), während sich in Deutschland infolge von Privatisierungen, vor allem aber infolge der Computerisierung und der damit einhergehenden Produktivitätssteigerungen die Zahl der Beschäftigten im letzten Jahrzehnt deutlich verringert hat.111 Es ist zu fragen, ob aus dieser Verschiebung innerhalb der Beschäftigungsstruktur nicht andere soziale Kausalitätsmuster und Verantwortungszuschreibungen entsteht: Das Phänomen, das J. C. Scott (1999) als „Seeing like a State“ bezeichnet hat, sich nicht immer stärker in der Gesellschaft und innerhalb des Staates selbst ausbreitet: D. h. Zurechnungen von Problemen erfolgen immer stärker auf den Staat, nicht mehr auf Individuen oder private Organisationen. So erscheint auch das „Fördern“ schwacher Staaten und Wirtschaften wie etwa das Beispiel Griechenlands zeigt, immer mehr als grundsätzlich positiv – ohne Rücksicht auf die institutionellen Bedingungen und die davon bestimmten Kausalitäten.

c) „Prinzipien“ als lockere Form der Erhaltung der Einheit des Europarechts? A. v. Bogdandy (2012) beobachtet in seinen neueren Arbeiten die wechselseitige Über- und Einwirkung der Rechtsordnung der Mitgliedstaaten, er registriert auch, dass es Staaten mit „starken und schwachen gesellschaftlichen Institutionen“ gibt, was schon bemerkenswert ist. Aber was ist die Antwort darauf? Aus den „Prinzipien“ des europäischen Verfassungsrechts, die eine Art funktionales Äquivalent zur Materialisierung des Verfassungsrechts z. B. in Deutschland bilden, sollen „problemadäquate unionsrechtliche Vorgaben“ entwickelt werden, die zu einer Art Ausgleich beitragen können. Es ist natürlich genau umgekehrt: Die implizite „instituierte Ordnung“ macht die Vorgaben an den Schnittstellen, an denen sie auf das unionale Recht trifft. A. v. Bogdandy setzt mit seiner anderen Auffassung voraus, dass erstens – wie an anderer Stelle auch gesagt wird –, die „rechtliche Fassung politischer und 110

www.LADEPECHE.fr/22. 5. 2009. Erst in den letzten Jahren ist wieder eine leichte Steigerung zu beobachten, allerdings vor allem im Bereich von Erziehung und Wissenschaft, FAZ v. 18. 7. 2013 – http://www.faz.net/aktu ell/wirtschaft/kontrastprogramm-zu-griechenland-der-oeffentliche-dienst-in-deutschland-wae chst-12286735.html. 111

3. Kollisionsrechtliches Denken gegen den europäischen Superstaat

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sozialer Konflikte als Prinzipienkonflikte … eine stärkende Rolle für demokratische Diskurse“ (2012: 23) haben kann, und zweitens – und noch wichtiger – dass die unterschiedlichen „Rechtsregime und Institutionen … in aller Regel stabile rechtliche Beziehungen“ aufbauen (2012: 35), die, so möchte man hinzufügen, die rechtliche Selbst- und Fremdbeobachtung erlauben und ihnen Konfliktfähigkeit, auch eine strukturierte, den Ausgleich ermöglichende Kollisionsordnung eröffnen. Gerade dies ist jedoch bei den Konflikten zwischen der „longue durée“ (F. Braudel) der verzweigten Netzwerke der „instituierten Ordnungen“ unmöglich, weil die „anonymen Souveränität der Konventionen“ (Descombes 2004: 429 ff.) sich eben der Formen des expliziten rechtlichen Diskurses nur in opportunistischer Weise bedient und sich selbst fraglos stellt. Jede Zumutung wird dann zum „Diktat“ aus Brüssel – oder besser noch: aus Berlin! Nur ein Beispiel: Der italienische Klientelismus und die französische Staatsfixierung repräsentieren sich nicht politisch, sie stellen sich nie zur Diskussion und sind doch überall präsent, in allen ihren Erscheinungsformen. Sie bestimmen die Diskursregeln – sie verteilen die Argumentations- und Beweislasten innerhalb der „Diskursformationen“ (M. Foucault) – das ist der zwanglose Zwang, nicht des besseren Arguments, sondern der unausgesprochenen Regeln, die darüber bestimmen, was relevant ist. Der Schaden, den diese Systeme hervorbringen, wird einmal geleugnet, er wird nur von marginalisierten „neoliberalen“ Wissenschaftlern analysiert112, deren Ergebnisse nicht einmal kritisiert werden – was nicht ausschließt, dass es z. B. seit Jahren die Literatur des „déclinisme“ gibt.

3. Kollisionsrechtliches Denken gegen den europäischen Superstaat Vertrauensschutz ist ein legitimer Grundsatz des allgemeinen Verwaltungsrechts, das in die Regelungskompetenz der Mitgliedstaaten fällt. Darauf müssen die Anschlusserwartungen des europäischen besonderen Verwaltungsrechts abgestimmt werden. In diesem Bereich der kooperativen Abstimmung von legitimen Durchsetzungserwartungen des europäischen Rechts und ebenso legitimen konservierenden Überlegungen zur Erhaltung der „Ordnungsidee“ des jeweiligen nationalen allgemeinen Verwaltungsrechts (Schmidt-Aßmann 2004) bedarf es der Entwicklung von fallbezogenen Entscheidungs-, Beweis- und Abwägungsregeln, zu denen der EuGH in den hier diskutierten Bereichen wenig Hilfreiches formuliert hat.113 Dies findet seinen Niederschlag auch vielfach in der europarechtlichen Literatur, in der schematisch drei Kategorien des allgemeinen Verwaltungsrechts in dem – nur un112

Vgl. aus der Fülle der Literatur nur Billot (2007). Vgl. zur Bedeutung des Lernens des allgemeinen Verwaltungsrechts am Fallmaterial Harlow (1994); zum Lernen durch Entwicklung von „Ordnungsideen“ im Austausch zwischen allgemeinem und besonderem Verwaltungsrecht Schmidt-Aßmann/Dagron (2007). 113

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VII. Die Frage nach der Stellung des Staates in der Rechtsordnung

zulänglich so zu bezeichnenden – Europäischen Mehrebenensystem114 unterschieden werden: das allgemeine Verwaltungsrecht der Eigenverwaltung der EG, das nationale allgemeine Verwaltungsrecht der Mitgliedstaaten und das europäisierte nationale Verwaltungsrecht, das der Durchsetzung des europäischen besonderen Verwaltungsrechts dient (Kadelbach 2002). Diese Neigung zu einer schematischen Unterscheidung hängt möglicherweise zusammen mit einer in den Anfangszeiten durchaus produktiven, in der jüngsten Zeit aber in zunehmendem Maße disruptiv wirkenden blinden Option für die Durchsetzung der Suprematie des europäischen Rechts mithilfe eines systematischen Durchgriffs in das nationale Recht (Ladeur 1996: 77). Allerdings löst die zunehmende Eingriffstiefe des europäisierten besonderen Verwaltungsrechts (ähnliches gilt für das Zivilrecht) in die allgemeinen Rechtsstrukturen der Mitgliedstaaten immer mehr schwer zu bewältigende Kollateralschäden aus. Ein Beispiel aus dem Zivilrecht bietet die erweiternde Interpretation der Produkthaftungsrichtlinie als umfassende Regelung aller Ansprüche wegen Schädigung durch Produkte im Sinne der Richtlinie (EuGH, Slg. 2002, I-3901 – González-Sanchez; Schmid 2006: 22 ff.); damit werden alle möglichen nationalen Regelungen haftungsausfüllender oder haftungserweiternder Natur von der Anwendung auf europäisierte Fallkonstellationen ausgeschlossen (Joerges 2007: 736), während sie zugleich für Sachverhalte, die ausschließlich vom nationalen Recht zu bewerten sind, weiter Bestand haben. Dies wird angenommen, obwohl diese Möglichkeit eines expansiven Verständnisses der Richtlinie bei deren Verabschiedung gar nicht bedacht worden ist (Joerges 2007: 719). Der EuGH müsste im Zivil- wie im Öffentlichen Recht sehr viel stärker die produktive Seite der multipolaren europäischen Rechtsordnung beobachten (vgl. Möllers 2006) und weiterentwickeln und dabei seinerseits auf materiell- und verfahrensrechtliche Kooperation der Rechtsordnungen und der Gerichte der Mitgliedstaaten setzen. Dabei ist v. a. zu berücksichtigen, dass die Europäisierung des 114 Die „Ebenen“ sind in der EU nicht klar getrennt: Die wichtigsten Fragen unterliegen der „intergouvernementalen Entscheidung durch die Regierungschefs der Mitgliedstaaten; die Offenheit der Koordination von supranationaler und nationaler Ebene führt u. a. dazu, dass die Mitgliedstaaten einerseits mehr und mehr ihre Souveränität betonen (vor allem Frankreich), andererseits aber die die negativen Konsequenzen souveränen Handelns „europäisieren“ wollen (Eurobonds; europäische Arbeitslosenversicherung mit enormen Transferelementen zugunsten der Länder mit hoher Arbeitslosigkeit). Besonders deutlich zeigt dies der „Fall Griechenland“: Für die katastrophale Lage des Landes sind die Griechen selbst offenbar am wenigsten verantwortlich. Für die vergleichende Beobachtung durch die Sozialwissenschaften, insbesondere die Politikwissenschaft, bietet sich die Entstehung neuer Kausalitätsmodelle im „Mehrebenensystem“ an: Im Sozialstaat nehmen die Erwartungen an die Verantwortlichkeit des Staates ständig zu: Wie entsteht im Mehrebenensystem eine „Verantwortungsteilung“ in den fragmentierten Öffentlichkeiten? Die Offenheit der Abstimmung der „Ebenen“ ermöglicht die Entstehung von neuen hybriden Verknüpfungen zwischen supranationalen und national(istisch) en Ideologien, die zugleich die „Renationalisierung“ Europas zulässt: So etwa wenn die EU zum Handlanger Deutschlands oder des „Nordens“ erhoben wird. Auf der Linken entsteht ein kruder „Mehrebenen-Keynesianismus“: Wer mehr Geld hat, muss in die Länder „investieren“, die weniger Geld haben. Komplexe Kausalitäten werden nicht analysiert sondern perpetuiert; daran geht auch Möllers’ (2015a) Beobachtung der Zurechnungsproblematik in der EU vorbei.

3. Kollisionsrechtliches Denken gegen den europäischen Superstaat

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Rechts gerade durch ihre Intervention in nationale Rechtsordnungen deren Einbettung in eine reichhaltige Praxis, insbesondere aus Entscheidungen über eine Vielzahl von Fällen und die daraus gewonnenen Erfahrungen und dogmatischen Selbstbindungen unterbricht, ohne ihrerseits über eine entsprechende Infrastruktur aus der Kenntnis von Fällen, Verhaltens- und Erwartungsmustern, normativen Vorrang und kognitiven Wissens-, Beweis- und Vermutungsregeln je verfügen zu können. Doch der EuGH ist eher Teil eines „projet irréel“ (Gauchet 2016: 195), er ist ein Gericht „hors sol“ (Gauchet 2016: 195), das als Institution nicht an die fragmentierten europäischen Gesellschaften zurückgebunden sein kann (und soll).115 Die EU kann schon aufgrund ihrer Größe und der Vielfalt ihrer politischen, kulturellen und rechtlichen Traditionen und Erfahrungen niemals sinnvollerweise anstreben, zu einem europäischen „Superstaat“ zu werden (Rosa: 2000). Der EuGH scheint dies allerdings in seiner Überschätzung der Bedeutung der Einheit des Rechts als Interpretationsprinzip (Schmid 2007), das die Grenzen der Kompetenzverteilung zu unterminieren droht, auch im Detail vielfach zu ignorieren. Tatsächlich ist die Einheit des Rechtsraums ein Mythos, der nur deshalb Bestand hat, weil niemand ein Interesse daran zu haben scheint, die unterschiedlichen Anwendungs-, Unterlaufensund Nichtbeachtungsmuster zu untersuchen. Es genügt, dass der Schein nicht allzu deutlich in Frage gestellt wird. Auch der Brexit ist letztlich darauf zurückzuführe, dass insbesondere die Heterogenität der Wirkungen der Einwanderung ignoriert wird: Der Zustrom qualifizierter Einwanderer verdrängt britische Arbeitskräfte. Als Zwischenthese wäre festzuhalten, dass ein europäisches allgemeines Verwaltungsrecht nicht nach dem einheitsbildenden Muster der Systematisierungs- und Reflexionsleistungen des traditionalen staatlichen allgemeinen Verwaltungsrechts konzipiert werden kann. Es muss als Kollisionsrecht im Sinne der Öffnung des nationalen allgemeinen Verwaltungsrechts für die heterarchischen Rechtsverhältnisse in einem europäischen multipolaren Rechtssystem entwickelt werden (Ladeur 2004a: 91). In diesem Sinne muss ein europäisiertes allgemeines Verwaltungsrecht kollisionsrechtlichen Prinzipien folgen und kooperativ auf die Durchlässigkeit des nationalen Rechts für die Wahrnehmung des Rechts oder der Interessen der supranationalen Ebene wie des Rechts der anderen Mitgliedstaaten angelegt sein. Ein solches Kollisionsrecht folgt nicht mehr den klassischen, aber nicht alternativlosen Regeln der Verweisung, sondern ist auf Durchlässigkeit für die jeweils andere Rechtsordnung und auf Kooperation mit ihr zu orientieren (insbesondere Michaels 2006: 212, 232; kritisch Legrand: 1996, 45, 92; 2002, 133; Schwarze 1998, 191).

115 Die Kritik schließt nicht aus, dass der EuGH viele sinnvolle Entscheidungen gefällt hat, als Institution ist er aber eine Fehlkonstruktion, die nur die Widersprüchlichkeit des europäischen Projekts widerspiegelt.

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VII. Die Frage nach der Stellung des Staates in der Rechtsordnung

4. Europäisches Kollisionsrecht – nicht territorial sondern funktional! Im Hinblick auf die weiter unten noch einmal aufgeworfene Problematik der „Kollisionsregeln“ neuer Art ist ein Hinweis auf eine mögliche Ambivalenz des Konzepts des „Kollisionsrechts“ erforderlich: Im Bereich des europäischen „Mehrebenensystems“ – oder besser: des europäischen Netzwerks überlappender Rechtsordnungen (Slaughter/Burke-White 2006) – haben wir es auf der staatlichen Ebene mit stark ausdifferenzierten Regelwerken zu tun, denen das europäische Recht mit seinen Harmonisierungs- bzw. Vorrangansprüchen gegenübertritt. Der hier evozierte Typus eines „Kollisionsrechts“ neuer Art (das dem Denken in Hierarchieebenen entgegengesetzt ist) ist anders zu konstruieren als die „Kollisionsregeln“, die einmal für die Abstimmung unterschiedlicher, aber nur partiell konkretisierter und ausdifferenzierter völkerrechtlicher oder transnationaler „Regimes“ (z. B. WTO und umweltrechtliche Regimes) und die sich zum anderen – nach den Überlegungen von Fischer-Lescano und Teubner (2006) – funktionsspezifisch (nicht, oder jedenfalls nicht primär in einer territorialen Logik auf den Staat oder klassische völkerrechtliche Regimes bezogen) spontan „zivilgesellschaftlich“ entwickelt haben. Wie sich ein Kollisionsrecht verstehen lässt, das darauf abgestimmt ist, bedürfte weiterer Überlegungen, die ebenfalls interdisziplinäre Beobachtungen erforderlich machen. Ein Kollisionsrecht, das auf diese Typen von Regimes eingestellt wäre, müsste sich unterscheiden von dem Typus, der für das europäisierte Recht denkbar wäre. Wie lassen sich unvollständige trans- und internationale Regimes und ihre Regeln in einem kollisionsrechtlichen Denken beobachten? Handelt es sich bei dem emergenten Recht der Regimes im Sinne von Fischer-Lescano und Teubner überhaupt um Recht? Wie lassen sich die Regimes abgrenzen?116 Wieweit lässt sich die „autopoietische Schließung des Rechts“ im Völkerrecht beobachten (aus politikwissenschaftlicher Sicht bejahend für das „Weltrecht“ Albert/Schmalz-Bruns 2009: 57; differenzierter Fischer-Lescano/Liste, 2005, 209)? Nur anzumerken sei, dass das Urteil des BVerfG zum Vertrag von Lissabon (BVerfG, NJW 2009, 2267; vgl. dazu die Kommentare in GLJ 2009/Heft 8) in seiner Begrifflichkeit antiquiert erscheinen mag, wenn es eine Art Substanz der Staatlichkeit gegen den Zugriffs des „Staatenverbundes“ der Europäischen Gemeinschaft zu verteidigen scheint, doch entspricht dies spiegelbildlich der Tendenz der supranationalen Organe der EG (Kommission, EuGH), den europäischen Superstaat aufzubauen, ohne ein Verständnis dafür zu zeigen, dass das Zeitalter der Staatlichkeit vielleicht nicht zu Ende ist, aber deren traditionelle, auf Hierarchie, Einheit und Homogenität angelegten territoriale Ordnungsmuster auch nicht dadurch wieder116

Das für den territorial-staatlichen Bereich gegebene Beispiel der Begrenzung der expansiven Logik der Wissenschaft (Gentechnologie: Christensen/Fischer-Lescano 1998: 317 f.) durch staatliches Verfassungsrecht (Gesetzesvorbehalt für neue Technologien) ist nicht recht plausibel, da hier nach h. M. einen Vorrang der Vermutung für die Freiheit der Grundrechtsbetätigung (also: die expansive Logik der Wissenschaft) gibt (Wahl/Masing 1990: 553).

4. Europäisches Kollisionsrecht – nicht territorial sondern funktional!

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belebt oder wiederholt werden können, dass die Dimensionen der Territorialität (Sassen 2008) erweitert werden. Die EG kann nur nach dem neuen Paradigma eines heterarchischen Netzwerks gedacht werden – anderenfalls wird sich die Krise der traditionellen Staatlichkeit nur in einem größeren Maßstab reproduzieren. Daran geht auch die Vorstellung vorbei, dass das „Demokratiedefizit“ der EG beseitigt werden müsse (und könne) (Ladeur 2008: 147). Die EG hat eher ein „Netzwerkdefizit“, ihr mangelt es an einer produktiven „kollisionsrechtlichen“ Konzeption des Prozessierens von Vielfalt, Heterogenität und Heterarchie. Dass die Krise des Staates nichts mit seiner Größe zu tun hat (Rosa 1998), zeigt auch die Tatsache, dass gerade die kleineren (nord-)europäischen Staaten sich auf die Globalisierung offenbar besser einstellen können als die großen. Die griechische Dauerkrise könnte ein Exempel dafür sein, wie vor allem die südeuropäischen Mitgliedstaaten (und der Süden fängt schon in Frankreich an) den Zwang zur Anpassung an die Regeln eines größeren Marktes systematisch unterlaufen und durch Subventionierung der Nichtanpassung die Krise verschärft haben. Das gilt z. B. für die „Kompensationen“, die griechische Bauern dafür erhalten haben, dass sie es unterlassen haben, marktfähige Produkte wie Olivenöl effizient zu vermarkten (http://www.nzz.ch/wirtschaft/wirtschaftspolitik/das-schlummernde-potenzial-der-ka lamata-olive-1.18595028; vgl. zu den bürokratischen Hindernissen auch http://www. nzz.ch/eine-odyssee-durch-die-griechische-buerokratie-1.15309076). Dies ist leider auch typisch für das heute weit verbreitete krude Verständnis eines Neo-Keynesianismus, das Keynes selbst nicht zugeschrieben werden kann: Es wird staatliches Geld ausgegeben („investiert“), das unmittelbar einer Vielzahl von Menschen zugute kommt (durch Konsumsteigerung oder die Ausweitung des öffentlichen Dienstes) und am Ende die Rate der Verschuldung steigert, weil das Geld nur verbraucht wird, aber keine „Nachhaltigkeit“ entsteht. Dies wäre auch von „massiven“ Investitionen in Griechenland zu erwarten, wie sie der EU-Kommission offenbar vorschweben: die Strukturprobleme machen Griechenland zu einem Fass ohne Boden, in das man so viel hineinschütten kann, wie man will. Am Ende klingt es aus dem Fass wieder heraus: „Mehr!“ Ohne die Steigerung der Ausgaben allein für den öffentlichen Dienst, gäbe es keine schwere Krise in Griechenland. Die Aufgabe des Staates und des Rechts besteht darin, primär mittelbar wirkende Institutionen zu schaffen (vgl. Moreau 2004: 847), die wirtschaftliches Handeln erleichtern, nicht aber Prämien für die Nichtanpassung an ökonomische Regeln zu bezahlen. Die griechische Krise hat auch gezeigt, dass die unreflektierte „Vergemeinschaftung“ von Problemen (vor allem durch „Hilfen“) ein perverses Kausalitätsmodell hervorbringen kann: Die Zurechnung von Verantwortung wird mehr und mehr überlagert durch die Zurechnung von Problemen auf den, der über die größeren Ressourcen verfügt („Brüssel“, „Berlin“).117 Dies ist ein ähnliches Phänomen wie die 117 Die Komplexität dieses Problems wird von Möllers (2015a) unterschätzt, wenn solche Kausalitätsprobleme auf verfehlte Selbstwahrnehmung der mitgliedstaatlichen Politik zurückgeführt werden.

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VII. Die Frage nach der Stellung des Staates in der Rechtsordnung

Auflösung von Zurechnungen im Sozialstaat [s. o.], das kaum beobachtet werden kann – deshalb bleibt auch die Alternative „Fördern oder Fordern“ wohlfeil. Nach welchem Kriterium sollte darüber entschieden werden, zumal das „Fördern“ (anders als das „Fordern“ doch mit dem Erfolg schon begrifflich verknüpft ist. Im Übrigen muss der Staatsanteil an der Wirtschaft nicht notwendigerweise niedrig gehalten werden. So ist z. B. der Anteil des öffentlichen Dienstes an der Beschäftigung nirgendwo in Europa so hoch wie in Dänemark (31,5 %)118, aber dies ist eine sehr voraussetzungsvolle Konstellation, die nur mit einem hohen Standard der sozialen Moral gehalten werden kann, der z. B in den südeuropäischen Ländern nicht existiert.119 Das europäische Problem besteht darin, dass die Divergenzen zwischen den Mitgliedstaaten systematisch heruntergespielt werden müssen, weil sonst in den nordeuropäischen Staaten schnell das „belgische Syndrom“ sichtbar würde: die Weigerung des prosperierenden Teils eines Staates (Flandern), den immer stärker zurückbleibenden anderen Teil (Wallonien) dauerhaft zu alimentieren. Tatsächlich existieren längst zwei Regime der „Rechtsanwendung“ in Europa: Ein Nord- und ein Südmodell: Das Südmodell ist von einer Diskrepanz zwischen Norm und Anwendung bestimmt, die auch im nationalen Recht zu beobachten ist. Der perverse Aspekt dieser Konstellation besteht darin, dass – wiederum ähnlich wie im Sozialstaat – die Hauptakteure kein Interesse daran haben, die Probleme offenzulegen, weil sonst die Steigerung des Widerstandes „gegen Europa“ befürchtet wird. Dies ist eine besondere Variante der auch im Völkerrecht verbreiteten Praxis, zwar Rechte und Pflichten zu erzeugen, aber das Monitoring oder die Durchsetzung zu vernachlässigen (Abiad 2008: 67). In der rechts- und sozialwissenschaftlichen Beschreibung Europas hat sich auch in der Wissenschaft immer stärker ein fataler „Normativismus“ ausgebreitet, der diese bürokratische Tendenz zur Ausblendung der europäischen Wirklichkeiten unterstützt. „Euroskeptische“ Analysen werden schnell als entweder „neoliberal“ oder nationalistisch abgestempelt, weil sie den „Willen“ zu Europa schwächen könnten. Hier tut sich ein weites Feld für vergleichende rechts- und politikwissenschaftliche Untersuchungen auf.

118

(http://de.statista.com/statistik/daten/studie/218347/umfrage/anteil-der-staatsbedienste ten-in-ausgewaehlten-laendern/. 119 In den skandinavischen Staaten (Dänemark 90 %) ist auch die kulturell bedingte Weigerung, Sozialleistungen „unter Umständen“ auch ohne Berechtigung in Anspruch zu nehmen, besonders ausgeprägt, in Deutschland (60 %), Frankreich (40 %), von Griechenland und Italien ganz zu schweigen …, (Algan/Cahuc 2005: 4). Dass die hohe Sozialmoral in Dänemark auch ein Grund für die „Fremdenfeindlichkeit“ in diesem Lande ist, wird kaum ernsthaft in Betracht gezogen: Die Bürger haben ein Gespür dafür, dass das hohe Niveau des Sozialstaats in Gefahr ist, wenn immer mehr Einwanderer ins Land kommen, die diese Moral nicht teilen.

5. Exempel: Nationale und europäische Grundrechte

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5. Exempel: Nationale und europäische Grundrechte a) Das ungeeignete staatsfixierte Prinzip des Schutzes des „margin of appreciation“ Probleme der Koordination pluraler Rechtsordnungen zeigen sich in der Abstimmung von völkerrechtlichem, europäischem und nationalem Grundrechtsschutz. Auch hier wird deutlich, dass das hierarchische Denken im Angesicht der Globalisierung des Rechts nicht mehr problemangemessen ist (Krisch 2006: 247; Schiff Berman 2005). Kollidierender und überlappender Grundrechtsschutz ist die Normalität, nicht die Ausnahme (Krisch 2008: 183). Dies hängt nicht zuletzt damit zusammen, dass Einheit des Rechts nicht mehr das primäre erkenntnisleitende Konstruktionsprinzip sein kann – weder im nationalen Rechtsraum noch im transnationalen (Fischer-Lescano/Teubner 2007: 37; 2006). Das Recht übernimmt so vielfältige Formen, dass Einheit nicht mehr paradigmatisch werden kann. Das schießt selbstverständlich nicht aus, dass es Bereiche gibt, in denen Einheit ordnungsbildend werden kann (für bestimmte marktbezogene Regeln, die einen einheitlichen Markt ermöglichen sollen). Die europäische Menschenrechtskonvention erkennt diesen Unterschied ausdrücklich an, aber in einer verfehlten staatsfixierten Form, wenn sie den Mitgliedstaaten einen „margin of appreciation“ für Grundrechtsbeschränkungen einräumt (vgl. kritisch L. Favoreu 2004; Neves 2013: 90). Dies ist ein verfehlter Konstruktionsansatz, denn in den zentralen Fragen geht es nicht um das Verhältnis von Staat und Gesellschaft, sondern die gesellschaftliche Bildung von Konventionen, die etwa die Bedeutung von Kommunikationsrechten und ihres Verhältnis zu konkurrierenden Rechten (Persönlichkeitsrechte) betreffen (Ladeur 2008b: § 7 Rnr. 126). Warum sollte es in Europa, wenn die medialen Öffentlichkeiten weitgehend getrennt sind, nicht auch unterschiedliche Regimes für die Abstimmung der kollidierenden Grundrechte geben? Der Zugang über den staatlichen „margin of appreciation“ führt in die falsche Richtung (Neves 2013: 90, 105). Es geht um unterschiedliche gesellschaftliche Wissens-, Regel- und Wertbestände, die auf unterschiedliche Entwicklungspfade gesellschaftlicher Normbildung zurückgehen. Die Vorstellung einer Einheit der Rechtsordnung geht hier fehl. Dabei geht es nicht um die Anerkennung der Eigenständigkeit der nationalen Rechtsordnungen per se, sondern um gesellschaftliche Trajektorien – dies gilt umso mehr, als die Unterschiede vielfach gerade nicht von primär nationalen Traditionen bestimmt werden, sondern von unterschiedlichen transnationalen Rechtskreisen, die auch früher schon Lernen zwischen Gesellschaften ermöglicht und strukturiert haben. Deshalb käme es darauf an, einen „societal margin of appreciation“ zu verlangen.

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VII. Die Frage nach der Stellung des Staates in der Rechtsordnung

b) Differenzierter Grundrechtsschutz nach staatlicher Leistungsfähigkeit in der Rechtsprechung des EGMR Es haben sich sowohl im Hinblick auf den Sozialstaat als auch z. B. im Hinblick auf die Kommunikationsfreiheit mehrere europäische Modelle herausgebildet, die miteinander konkurrieren, sich wechselseitig beobachten, aber nicht vereinheitlicht werden müssen. Interessanterweise erkennt der EGMR Unterschiede des Grundrechtsschutzes gerade dort an, wo es um unterschiedliche finanzielle Leistungsfähigkeit der Mitgliedstaaten geht, also bei der Ausstattung von Gefängnissen (zur Kritik Favoreu 2004: 789; vgl. zur Rechtsprechung Schilling 2004: Rnr. 109 ff.; zur Kooperation der Gerichte Oeter 2007). Dies erscheint als Einzelfall durchaus plausibel, die Akzentuierung der Leistungsunterschiede zeigt aber, dass Pluralität eher als Notlösung unter (hier) finanziellem Zwang akzeptiert wird, während umgekehrt die Einsicht, dass Pluralität des Grundrechtsschutzes kein Problem, sondern die Lösung für die Bewältigung der Vielfalt der Gesellschaften, Werte, Regimes und Entwicklungspfade sein kann (Rosenfeld 2008), verworfen wird. Die europäische Grundrechtskontrolle könnte dann eher als ein prozeduraler Mechanismus der Reflexion unterschiedlicher Standards und ggf. zur Ermöglichung von Interventionen zum Zwecke des Aufbrechens von Lock-in-Effekten sein, die entweder für die Entwicklung der jeweiligen Gesellschaft schädlich sein können oder zur Externalisierung von negativen Effekten auf andere Länder führen. Ein Beispiel für die unterschiedlichen Standards zur Bestimmung des Verhältnisses von Medienfreiheit und Persönlichkeitsschutz bildet das Caroline-Urteil des EGMR (NJW 2004, 2647): Warum sollte dieses Verhältnis in verschiedenen Ländern nicht unterschiedlich sein können (vgl. auch Helfer/Slaughter 1997 zu einer Differenzierung der Kriterien einer supranationalen Homogenisierung des Rechts)? Der Sache nach hat der EGMR die französische Variante (vgl. nur Cour d’Appel de Versailles v. 24. 11. 2005, Az. 05/ 05739 – Albert II v. Monaco) im Gegensatz zur englischen (im Zweifel für die Pressefreiheit) und zum deutschen Modell einer mittleren Linie für allgemein verbindlich erklärt. Dies mag man unterschiedlich bewerten, aber warum sollte der Unterschied als solcher nicht produktiv sein können? Inzwischen hat der EGMR weitere einschlägige Urteile gefällt und durch deren Widersprüchlichkeit die hier geäußerten Bedenken bestätigt. Dies gilt etwa für eine spätere Entscheidung zu Caroline von Monaco, die wieder den staatlichen Spielraum akzentuiert (EGMR, NJW 2012, 1058) und eine Entscheidung zur Berichterstattung der „Bild“-Zeitung, die das Verhältnis von Pressefreiheit und Persönlichkeitsschutz entgegen der neueren deutschen Rechtsprechung, die sich teilweise den Kurs des EGMR zu eigen gemacht hatte, wieder nach den früheren Grundlagen der deutschen Rechtsprechung bestimmt hat. Am Ende hinterlässt die Rechtsprechung des EGMR nur ein Chaos! Damit wird nur bestätigt, dass der EGMR kein Verfassungsgericht sein kann – er ist wie der EuGH ein Gericht „hors sol“ (Gauchet), das institutionell blind für die Beobachtung der europäischen fragmentierten Ordnung ist.

5. Exempel: Nationale und europäische Grundrechte

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Jedenfalls muss die Koordination des Grundrechtsschutzes in „Mehrebenensystemen“ zunächst bei den einzelnen Grundrechten und der je spezifischen Frage der erforderlichen Reichweite der Integration der Interpretation ansetzen und nicht bei einer prozedural für die Urteilsbindung zwischen Gerichten – anders zwischen Behörden (Ladeur/Möllers 2005; Slaughter/Zaring 2006) – dogmatisch nur schwer zu konstruierenden „Kooperationspflicht“120 (Pflicht zur „Berücksichtigung“, keine Ergebnisbindung) ansetzen (so aber BVerfGE 111, 307 – Görgülü; dazu S. Graf Kielmannsegg 2008: 273, 300 f.; kritisch Cremer 2012 493).121 Dies ist verfahrensrechtlich ein für das deutsche System der richterlichen Unabhängigkeit schwer zu akzeptierendes und zu realisierendes Prinzip: eine Bindung von Gerichten über den Einzelfall hinaus (so im Revisionsverfahren bei Zurückverweisung an das Gericht der unteren Instanz) gibt es sonst nur kraft ausdrücklicher gesetzlicher Anordnung (§ 31 Abs. 1 BVerfGG) bei Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts (Viellechner 2011: 203; allg. Sauer 2008). Einen Ansatz zu dieser neuen transnationalen Koordination von Gerichten durch eine Pflicht zur fallübergreifenden Berücksichtigung der Rechtsprechung anderer Staaten im Interesse einer einheitlichen Praxis enthält Art. 7 Abs. 1 der UN Convention for Contracts on International Sale of Goods (CISG). In der Vergangenheit hat diese Bindung zuletzt wegen unterschiedlicher methodischer Standards in den Mitgliedstaaten offenbar wenig gefruchtet (Kilian 2001: 226). Für die supranationale Gerichtsbarkeit mag dies partiell anders zu bewerten sein – aber eben auch nur partiell. Die europäischen Gerichte beachten hier zu wenig, dass einzelne Grundrechtsregimes vielfach in jahrzehntelanger Koordination von gesellschaftlicher Praxis, Gerichten und Rechtswissenschaft herausgebildet worden sind, während sie selbst nur punktuell in dieses Netzwerk der Rechtsbildung intervenieren können – und deshalb am Ende eher Konfusion in den jeweiligen nationalen Rechtsregimes erzeugen. Ähnliches gilt auch für die Entscheidungen des EuGH zur Drittwirkung der Marktfreiheiten im Privatrecht (EuGH Rs. C-438/05, Slg. 2007, I-1077 Viking; Rs. C-341/05, Slg. 2007, I-11767 Laval). Hier geht es eher um die Kollision unterschiedlicher sozialstaatlicher Rechtsregimes – wobei Sozialstaat in diesem Fall wörtlich zu nehmen ist als „gesellschaftlicher Staat“ (Ridder 1960; dazu Hase 1999), die aus einer Fülle von sozialen Konventionen, Entscheidungen, staatlichen Regeln bestehen, in die das Gericht interveniert (ähnliches gilt für den „Mangold-Fall“, EuGH, NJW 2005: 3695). Dies mag durchaus im Interesse der Herausbildung eines europäischen Rechtsraumes geschehen, aber es ist erforderlich (Joerges/Rödl 120 Die von Sauer (2008: 374 ff., 504) konstruierte „Loyalitätspflicht“ zwischen Organen innerhalb eines Mehrebenensystems trennt aber die unterschiedlichen Ebenen der Bindung (materielles Recht/prozedurale Bindung) ebenfalls nicht genau. Die prozedurale Dimension könnte in einer (begrenzten) Analogie zu § 31 BVerfGG entfaltet werden. 121 Eine andere Variante der Kooperation und der Netzwerkbildung in der globalisierten Entscheidungspraxis der Gerichte besteht in der allerdings in den einzelnen Ländern sehr unterschiedlich ausgeprägten Bereitschaft, sich in der Begründung auf Gerichte anderer Länder zu beziehen, vgl. für die USA Slaughter/Zaring (2006a).

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VII. Die Frage nach der Stellung des Staates in der Rechtsordnung

2009a: 1), das Problem komplexer zu fassen und nicht als eine Frage der Durchsetzung einheitlicher europäischer Grundsätze und Regeln – noch dazu gegenüber dem auf Selbstorganisation angelegten Privatrecht – zu verstehen. Das gilt insbesondere für die Rechtsprechung des EGMR (NZA 2010: 1425; NZA 2010: 1423) zum Streikrecht der Beamten: Welche Legitimation kann eine europäische Rechtsprechung zur Infragestellung eines Verfassungsgrundsatzes („hergebrachte Grundsätze des Berufsbeamtentums“, Art. 33 Abs. 5 GG) beanspruchen, der in Deutschland eine besondere Tradition hat? Diese Tradition kann man in Frage stellen, aber warum sollte dies dem EGMR gestattet sein, der viel weniger mit der sozialen und wirtschaftlichen Situation in Deutschland vertraut ist als deutsche Gerichte, die sich nun teilweise veranlasst sehen, das Streikverbot im Anschluss an diese Rechtsprechung ihrerseits einschränkend zu interpretieren (Kersten 2012: 14; VG Kassel, ZBR 2011: 386; VG Osnabrück, ZBR 2011: 389; VG Düsseldorf, AuR 2011: 74). Warum sollte ein Mitgliedstaat nicht das Recht haben, für einen Teil der Arbeitnehmer des öffentlichen Dienstes, der durch grundsätzlich lebenslange Anstellung und Privilegierungen bei der Alterssicherung besonders begünstigt ist, das Streikrecht auszuschließen? Hier zeigt sich, dass die Europäisierung des Grundrechtsschutzes die ohnehin auch auf nationaler Ebene bestehende Tendenz zur Individualisierung des Grundrechtsschutzes unter Missachtung kollektiver oder institutioneller Komponenten verstärkt122, die sich in vielen Ländern unterschiedlich darstellen (Kersten 2012: 14 ff.). Sollte europäischer Grundrechtsschutz immer der bessere sein? Mit der beschränkten Wirkung der Rechtsprechung des EGMR im Inland (BVerfGE 111, 307, 315 f.: wie einfaches Bundesgesetz) wäre diese Annahme ohnehin nicht vereinbar. Ist aber die der Grundrechtsschutz der größeren Einheit immer gegenüber dem der nationalen Ebene vorzugswürdig? Dies lässt sich kaum behaupten. Dies ist nichts als ein Dogma, das rational nicht begründbar ist. Ähnliches gilt für internationale Gerichte, deren Legitimation und Funktionsbestimmung weitgehend aus der Stellung des Staates im Völkerrecht abgeleitet wird. Demgegenüber wollen v. Bogdandy/Venzke (2014: 11 ff.) deren Stellung aus einer öffentlichen Gewalt jenseits des Staates gewinnen und dafür ein neues Demokratieverständnis entwickeln. Die Kritik an der Staatsfixierung ist plausibel, die Alternative erscheint jedoch problematisch, weil sie selbst wieder auf eine „höhere“ Einheit rekurriert (Blacher 2012: 83). Im Übrigen wird die Bedeutung internationaler Gerichte für die Entwicklung des globalen Rechts überschätzt (Blacher 2012: 78). Das gilt auch für den EGMR. Selbst der europäische „Superstaat“ ist eine Schimäre: Eine Stärkung der supranationalen Komponente der EU-Verfassung würde nur dazu führen, dass die Konflikte zwischen den unterschiedlichen politischen Paradigmen, 122

Dies gilt vor allem für die Entinstitutionalisierung der Meinungsfreiheit, deren Interpretation kaum noch auf den Schutz der Bildung einer öffentlichen Meinung bezogen wird, sondern jede individuelle Äußerung mithilfe der Regeln schützt, die vom BVerfG vor allem in den 80er Jahren des letzten Jahrhunderts im Hinblick auf den Schutz der Öffentlichkeit als Prozess (mit guten Gründen) entwickelt worden ist, vgl. oben III. 2.

5. Exempel: Nationale und europäische Grundrechte

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die in den Mitgliedstaaten instituiert sind123, innerhalb der Kommission und im Parlament reproduziert würden. Nach dem hier vertretenen Netzwerkkonzept erschiene es sinnvoller, internationale Gerichte wiederum als Institutionen der Netzwerkbildung und -erhaltung zu verstehen. Die Globalisierung geht zwangsläufig mit einer (partiellen) Privatisierung der Macht einher, weil Öffentliches und Privates nicht mehr getrennt sind (Rouban 2012: 21). Dann wird auch die Frage nach der Legitimation ebenso wie die allgemeine Einordnung als öffentliche Gewalt problematisch: Das hybride globale (materielle) Recht verlangt hybride gerichtliche Institutionen – die auch als private oder privat-öffentliche Schiedsgerichte durch die globalen Netzwerke des Rechts legitimiert werden. Die Reproduktion einer hierarchischen Ordnung auf globaler Ebene wird kaum möglich sein.

c) Ein neues Netzwerk des Fallrechts Es entwickelt sich in der heterarchischen Gesellschaft mehr und mehr ein Fallrecht neuen Typs, das – anders als das „case law“ des common law – nicht mehr mit der Unterscheidung stabiler „Leitentscheidungen“ und der um diese herum gruppierten Konkretisierungen operiert, sondern ein lockeres „Gewebe“ von Entscheidungen hervorbringt (Scott/Sturm 2007: 565; zum Bild des Netzwerks I. Augsberg 2007: 479), das zwar auch noch die Unterscheidung von strukturbildenden Knoten zulässt, aber doch auf die Verarbeitung von mehr Differenz angelegt ist. Orientierung erlaubt ein solches Netz durchaus, aber eher durch die Beobachtung der Emergenz von Ordnungsbildung, die sehr viel stärker einen distribuierten ungeplanten Charakter annimmt und immer neue Variationsmöglichkeiten hervorbringt und zugleich die Variationsbreite der Schwankungen in Grenzen hält. Praktisch bedeutet dies, dass man sich fast immer auf eine Vielzahl von Entscheidungen beziehen muss und der Streit um die Anschlussmöglichkeiten und –zwänge innerhalb der jeweiligen Fassung des Entscheidungsnetzwerks geführt wird. Die Fälle zielen nur noch dem Schein nach auf die „Institutionalisierung und Generierung von Normen“ (Willer/ Ruchatz/Pethes 2007: 7, 36). Das Netzwerk erbringt aber als Zusammenhang von Beispielen nicht nur eine sachliche Orientierungsleistung, es verändert auch das die Stellung des Subjekts, das sich „im Netz“ selbst finden muss. Ein solches Modell setzt voraus, dass das Gericht die einschlägigen sozialen Normen kennt und beobachten kann – sowie eine kritische Masse von Fällen aggregieren kann, über die das neue Netzwerk aus Entscheidungen prozessiert werden kann. (Vielleicht kann diese Überlegung auch ein neues Licht auf den Übergang von der staatlichen Gerichtsbarkeit zur privaten Schiedsgerichtsbarkeit werfen). Sie 123

Die europäische Modellkonvergenz ist ebenfalls nur eine Illusion (Rouban 2012: 14). Tatsächlich ist die Divergenz zwischen den Mitgliedstaaten in den letzten 10 Jahren stark gewachsen. Das hängt damit zusammen, dass die „Südstaaten“ (Frankreich, Italien, Griechenland) insbesondere den Staat in unterschiedlicher Weise und Intensität zur Blockierung der marktinduzierten Konvergenz eingesetzt haben.

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VII. Die Frage nach der Stellung des Staates in der Rechtsordnung

bietet sicher keine alleinige Erklärung, aber sie kann doch ein Verständnis dafür wecken, dass gerade in einer globalisierten Welt die Aggregierung eines Netzwerks aus Fällen bei bestimmten Schiedsgerichten sich als funktional erweist (Renner 2010).

d) Von der Rechtsvergleichung zum „Netzvergleich“? Für das Presserecht ist aber vor allem zu beachten, dass die sozialen Normen einerseits und das Netzwerk der Entscheidungen, wie es beschrieben worden ist, sich primär auf der nationalen Ebene entwickelt. Der „negotiated order“ zwischen Öffentlichem und Privatem kommt auf der nationalen Ebene und zwangsläufig in unterschiedlichen Formen zustande. In Frankreich124 hat sich eine Rechtsprechung entwickelt, die den Persönlichkeitsschutz noch am stärksten akzentuiert: Umgekehrt muss sich in den USA, wer als „public figure“ auftritt, (fast) alles gefallen lassen. Dem entspricht eine Medienentwicklung, die von einer relativ aggressiven Form der Berichterstattung bestimmt wird (Fernsehübertragung von Strafprozessen, Aufdeckungsjournalismus, moralische Kampagnen gegen Politiker etc.). Ähnlich ist es in England – allerdings nicht in Bezug auf Tatsachenbehauptungen (Rozenberg 2004). Deutschland liegt etwa zwischen den anglo-amerikanischen Modellen und dem französischen. In allen Ländern ist eine Abnahme der Bedeutung des allgemeinen Gesetzes für die Entscheidung von Konflikten in diesem sozialen Feld zu beobachten. Weder in den USA (vgl. allg. Solove/Schwartz 2008), noch in UK, in Frankreich oder in Deutschland gibt es ein Gesetz, wie es sich die Entschließung der Parlamentarischen Versammlung des Europarats vorstellt. Ein solches Gesetz kann auch nur in der bürokratischen „Abgeschiedenheit“ europäischer Institutionen konzipiert werden. In der realen Politik gibt es dafür auch aus politischen Gründen nicht die geringste Chance. Auch die Rechtsvergleichung muss angesichts des dargestellten Wandels zum „Netzwerkvergleich“ werden. Ein europäisches Gericht kann sich einem solchen Vergleich nicht entziehen und den emergenten Charakter der „Entscheidungsnetzwerke“ unbeachtet lassen. Es ist symptomatisch, dass wie erwähnt – der EGMR bei der Entwicklung einer eigenständigen Konzeption zur Bewältigung von Grundrechtskollisionen im Konflikt mit der nationalen Rechtsprechung keine konsistente Position formulieren und durchhalten kann [s. o. zum Konflikt zwischen Meinungsfreiheit und Persönlichkeitsschutz].

124 Cour de Cassation, v. 27. 2. 2007 (Fürst Albert II. von Monaco), http://www.oboulo.com/ droit-public-et-international/libertes-publiques/commentaire-d-arret/cour-cassation-27-fevrier-2 007-droit-respect-vie-privee-image-64444.html.

6. Grenzen der Konstitutionalisierung des „Mehrebenensystems“

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6. Grenzen der Konstitutionalisierung des „Mehrebenensystems“ Der EGMR kann die Rolle eines „Katalysators“ (Scott/Sturm 2007: 565), so könnte man die neue Rolle der Gerichte auf diesem Gebiet vielleicht nennen, nicht erfolgreich spielen. Dazu fehlt ihm die kontinuierliche Beobachtungs- und Reaktionsmöglichkeit im Hinblick auf die Emergenz sozialer Verhaltensmuster und Normen. Er kann auch nicht die notwendige kritische Masse an Fällen hervorbringen, die die Unterscheidung von „Mustern“ erlauben, die trotz ihrer distribuierten Form durchaus eine Orientierungsleistung erbringen. Dies müsste der EGMR in seiner Rechtsprechungsstrategie antizipieren. Er müsste sich z. B. im Bereich der Pressefreiheit eher auf die Formulierung von Metaregeln festlegen, die die Konsistenz der Selbstorganisation der jeweiligen Netzwerke nach deren eigenen Rationalität prüfen würde. Das setzt eine spezifische Verfassungstheorie für Mehrebenensysteme voraus – von der nicht viel zu sehen ist. Stattdessen wird mit unzulänglichen Formeln wie der „Kooperation der Gerichte“ operiert. Es müsste vielmehr zunächst eine materielle und prozedurale Theorie des Rechts entwickelt werden. Letztlich werden die Mehrebenensysteme doch wie Superstaaten „à contrecoeur“ konzipiert – und dies führt nicht nur im Bereich der Presse zu dem beschriebenen Chaos (vgl. allg. zur Konstitutionalisierungsdebatte Viellechner 2015: 233).

VIII. Globalisierung des Rechts 1. Völkerrecht in einer globalen Rechtsordnung Für das Völkerrecht hat vor allem M. Koskenniemi die Dominanz des Expertenwissens in fragmentierten „Regimes“, die nicht durch ein hierarchisches System des Rechts integriert werden könnten, als eine Variante des Zerfalls des Rechts kritisiert. Zwar lässt sich in der Tat eine Parallele zwischen staatlich interner und internationaler externer Auflösung der traditionellen Staatlichkeit und ihrer Ablösung durch nicht-territoriale Regimes beobachten, jedoch (Koskenniemi 2007) greift eine Kritik zu kurz, die hier nur noch die Dominanz des Expertenwissens diagnostizieren zu können meint, aber die Veränderung der insbesondere kognitiven Infrastruktur des Rechts im Übergang von der „Gesellschaft der Individuen“ zur „Gesellschaft der Organisationen“ und zur „Gesellschaft der Netzwerke“ aus dem Blick verliert. Es ist auch weder auf der staatlichen noch auf der völkerrechtlichen Ebene ausgeschlossen, dass die Pluralität der Regimes durch neue prozedurale Regeln der (Wollenschläger 2009) der Reflexion und Evaluation des generierten Expertenwissens nicht ein funktionales Äquivalent zu den klassischen Formen der Integration des Rechts durch interne Systembildung zweiter Ordnung (durch Regeln der Konsistenzprüfung) in der Gestalt von Metaregeln eines neuen „Kollisionsrechts“ herausbilden kann. Das Plädoyer für einen neuen Formalismus der Inklusion der Ausgeschlossenen (Koskenniemi 2007) bedürfte demgegenüber zunächst der Abstützung durch die Beobachtung der fundamentalen Selbsttransformation des nationalen wie des internationalen Rechts insbesondere durch den Aufstieg der Organisationen als Akteure und die Dezentrierung des Rechts im Kontext der gesellschaftlichen Wissens- und Regelbestände. Deshalb erscheint auch die Annahme problematisch, dass die Pluralisierung der „Regime“ im Rekurs auf einen neuen Formalismus kompensiert werden kann (Koskenniemi 2007; Beckett 2006: 1045), der eher den Charakter eines quasi-religiösen Bekenntnisses („faith“, Inklusion der Ausgeschlossenen) annimmt, das die „de facto“ praktizierten Regeln in Frage stellt. Das Völkerrecht sieht sich hier mit einer neuen Erscheinungsform der Ungleichzeitigkeit konfrontiert, die vor allem dadurch bestimmt wird, dass die Permeabilität des nationalen und des internationalen Rechts die Folgen des Scheiterns der internen Kompatibilisierung der Pluralität der Regeln und Regelsysteme in den Ländern der Dritten Welt nach Außen leitet und die Formulierung neuer Kollisionsregeln (Joerges 2007:719; ders./Rödl 2009: 765; Vesting 2004a: 66) für unterschiedliche Rechtsordnungen vor fast unlösbare Probleme stellt – die jedenfalls nicht mit Umverteilungsforderungen oder allgemeinen Forderungen nach Inklusion, die sich im An-

2. Schiedsgerichtsbarkeit und transnationale Expansion des nationalen Rechts

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gesicht steigender Pluralisierung der „Governance“-Prozessse weder auf Individuen noch auf Staaten beziehen könnten, zu bewältigen sind. Die Schwäche der internen Governance-Struktur der Entwicklungsländer überträgt sich zwangsläufig auf die Beteiligung an und in transnationalen Rechtsregimes; abstrakte Appelle an die Aufladung eines völkerrechtlichen Formalismus mit substantiellen, ausgleichenden Rechten auf Beteiligung und die Reflexion der westlichen „self-centredness“ (Koskenniemi 2006) könnte daran nichts ändern. Die genauere Beobachtung der partiellen Rechtsregime würde jedoch eine Suche nach je spezifischen Kollisionsnormen erlauben, die etwa die unverhältnismäßige innerstaatliche Abstützung der Rechtsstellung transnationaler Unternehmen in Entwicklungsländern durch einen schwachen, seine Schutzpflichten für die Interessen der einheimischen Bevölkerung vernachlässigenden Staat durch die transnationale Expansion nationaler Grundrechte mit Schutzwirkung zugunsten (einheimischer) Dritter partiell kompensieren könnte (Ladeur/Viellechner 2008: 42). Vor allem das Grundrecht der Menschenwürde aus Art. 1 GG (in Deutschland und funktionale Äquivalente in anderen westlichen Ländern) verpflichtet auch private Unternehmen, elementare Rechte anderer Privater (Arbeitnehmer, Nachbarn etc.) nicht zu verletzen. Diese Verpflichtung wird primär durch das Privatrecht implementiert; daneben steht der Schutz der Grundrechte gegen Interventionen des Staates selbst sowie die das rechtliche Dreiecksverhältnis Unternehmen – Staat – Dritte komplementierende Schutzpflicht des Staates gegenüber den Bürgern im Hinblick auf neue oder sonst durch das Privatrecht nicht zu bewältigende Risiken, die von privaten Unternehmen ausgehen (Teubner 2006: 161).

2. Schiedsgerichtsbarkeit und transnationale Expansion des nationalen Rechts a) Schiedsgerichtsbarkeit als Institut der Hybridisierung des Rechts jenseits des Staates Auch die Diskussion über die Schiedsgerichtsbarkeit im Rahmen des geplanten TTIP-Systems zeigt, dass neue hybride Rechtsverhältnisse – hier zwischen Staat und privatem Investor – entstehen, die weder nach klassischem nationalem Zivil- oder Staatsrecht noch nach klassischen zwischen Völkerrecht entschieden werden können. Es entsteht hier eine neue Rechtsschicht, die z. T. vom Privatrecht bestimmt wird und die durchaus nicht inkonsequent zu einem neuen Typus privat-öffentlicher (Schieds-)Gerichtsbarkeit führt. Diese Form entspricht dem „transnationalen“ Charakter der Rechtsbeziehungen, die auf der Verknüpfung heterogener Komponenten des Rechts basiert (vgl. allg. Viellechner 2013). Im Einzelnen kann in dem hier im Vordergrund stehenden Zusammenhang nicht auf diese Problematik eingegangen werden. Nur hingewiesen sei darauf, dass die notwendige Umsetzung eines Schiedsspruchs in die nationale Rechtsordnung unter dem Vorbehalt des „ordre

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VIII. Globalisierung des Rechts

public“, d. h. der Beachtung grundlegender Anforderungen des nationalen (Verfassungs-)Rechts steht. (Tietje 2015; Hirte 2014, Schill 2014; v. Bernstorff 2014).

b) Exterritoriale (Schutz-)Wirkung nationaler Grundrechte? Ein heterarchisches plurales Rechtsverständnis kann die Koordination unterschiedlicher Rechtsregeln, die ein produktives Beziehungsnetzwerk z. B. um private Unternehmen erhalten, nicht als feste Größe ohne Rücksicht auf veränderte Funktionsbedingungen auf andere Länder mit der Folge übertragen, dass private ausländische Unternehmen zwar ihre privatrechtlichen Pflichten (ggf. bei Funktionsausfällen des fremden nationalen Rechts nach dem „mitgebrachten“ eigenen nationalen Recht) erfüllen müssen, aber rechtsstaatswidriges Handeln oder Unterlassen des Staates ignorieren könnten (Nigeria: Shell/Ken Saro Wiwa, FAZ.net v. 9. 6. 2009; vgl. dazu Teubner 2006; Ladeur/Viellechner 2008). Das kann umgekehrt nicht dazu führen, dass die Funktionstrennung von Staat und Wirtschaft ignoriert werden dürfte. Vielmehr muss das Dreiecksverhältnis so justiert werden, dass dem privaten Unternehmen aus dem Grundrecht der Menschenwürde die kompensatorische Pflicht erwächst, im Rahmen des Möglichen wenigstens auf den Staat mit dem Ziel einzuwirken, Verletzungen der Menschenwürde innerhalb des privat-öffentlichen Netzwerks, an dem das Unternehmen beteiligt ist, zu unterlassen. Dies wäre ein Exempel dafür, dass die Eigenrationalität der emergenten heterarchischen pluralen Rechtsordnung neue kollisionsrechtlich zu konstruierende, auf Kooperationspflichten jenseits des klassischen auf der Trennung von nationalen Rechtsordnungen basierenden Metaregeln (Ohler 2005) gewährleisten kann. Diese Kooperationspflichten sind nicht auf die rechtsetzenden Institutionen im klassischen Sinne (Staat, internationale Organisationen) zu beschränken, sondern sind auch auf „subjektlose“ spontane oder privat aggregierte transnationale Normen zu erstrecken (Teubner/ Korth 2009). Solche Konstruktionen lassen sich jedenfalls an die Eigenrationalität des Rechts besser anschließen als der abstrakte neue Formalismus, den M. Koskenniemi (2007) in einer durchaus ambivalenten Form auf eine quasi-religiöse Grundlage stellt. Es stellt sich aber die Frage, ob und wann Normen als Rechtsnormen zu qualifizieren sind und welche Konsequenzen daraus zu ziehen sind: Manche Autoren gehen von der Möglichkeit der Emergenz eines autonomen transnationalen Rechts aus; das Kriterium der Rechtsnormbildung wird in der Existenz sekundärer Normen über das Verfahren und die Kontrolle der Entstehung von Normen gesehen (so im Anschluss an H. L. A. Hart Teubner/Korth 2009; Kingsbury 2009a); dies verlangt eine Prüfung am Maßstab allgemeiner Prinzipien der „publicness“ der Normbildung. Es wäre jedoch gerade in einer grundrechtsbasierten Sichtweise die Möglichkeit der Anerkennung bzw. Berücksichtigung auch von solchen Regeln zu erwägen, die eher Ausdruck der Selbstorganisation eines Handlungsfeldes (insbesondere der Wirtschaft, der Medien, der Kunst etc.) sind, ohne dass ihnen der Status von Rechtsnormen zukäme.

2. Schiedsgerichtsbarkeit und transnationale Expansion des nationalen Rechts

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Andere Konzeptionen des postmodernen Völkerrechts, die wiederum zu einer produktiven Kooperation von Rechts- und Sozialwissenschaften führen könnten, knüpfen an die Beobachtung (wiederum) unterschiedlicher Lesarten von „Konstitutionalisierungsprozessen“ an (zum Begriff Wahl 2006: 97 f.; Viellechner 2015). Die eine Lesart betrachtet die zunehmende Dichte der internationalen Rechtsakte als Ausdruck einer emergenten „Weltstaatlichkeit“, die der „Weltgesellschaft“ (Neves 2013: 21) eine neue organisatorische Rechtsform jenseits des aus dem Willen des Staates abgeleiteten internationalen Rechts zuschreibt (Faßbender 1998: 529; Frowein 2000: 427; Möllers 2008: 92; skeptischer die sozialwissenschaftliche Beobachtung durch Leibfried/Zürn 2006: 19, 32 ff.; sehr kritisch auch Posner/Vermeule 2010: 159 f.).125 Nach einem anderen Verständnisentwickelt sich eine neue „Logik der Gemeinschaft“ der Bürger (Albert/Schmalz-Bruns 2009: 57, 64 f.; Preuß 2006: 175, 188; Habermas 2004: 113) daraus, dass ein „Verrechtlichungsprozess“ einsetzt, der Staaten dazu zwingt – wie man formulieren könnte –, das staatlich zentrierte öffentliche Interesse von vornherein auf eine als Öffentlichkeit von Weltbürgern zu verstehende offene Gemeinschaft im Werden zu beziehen. Mit einer anderen Nuancierung wird von Ch. Chwasczca (2007) die Staatlichkeit aus ihrer Bindung an vorrechtliche Gemeinschaften gelöst und zu einer offenen Form der Institutionalisierung von demokratischer Willensbildung, die unterschiedliche Referenzen zulässt. Auch die – ebenfalls – auf Menschenrechten gründende Konzeption einer „Globalverfassung“ (Fischer-Lescano 2005) sucht ihre Referenz nicht in einem (sich herausbildenden) „Weltsouverän“, sondern in einer Reihe von funktionsspezifischen „Regimes“, die sich über Kollisionsregeln aufeinander abstimmen und koordinieren lassen (vgl. auch ders./Teubner 2006; Teubner 2003: 1; skeptisch mangels basaler geteilter Werte Koskenniemi 2006). Über den mithilfe von Metaregeln der Transparenz offengelegten Wettbewerb unterschiedlicher Institutionen könnte auch eine neue Art der Verantwortung von heterarchischen Netzwerken durch Kopplung an die staatsbasierten Rechtssysteme erfolgen (vgl. dazu auch Guéhenno 1999: 112 f.).

c) Konstitutionalisierung als Gegenstand rechts- und politikwissenschaftlicher Beobachtung Auch der Begriff der „Konstitutionalisierung“ (Ladeur 2011a; Ladeur/Viellechner 2008: 42; Viellechner 2015) selbst bedürfte einer interdisziplinären Beobachtung durch die Rechtswissenschaft und sie Sozialwissenschaften. Manche Lesarten des Konzepts gehen von einer einfachen Vorstellung der Hierarchie internationaler Normen aus (vgl. zu einem komplexen Modell der „transkonstitutionellen“ Verschleifung der unterschiedlicher Rechtsordnungen und Rechtsebenen Neves 2013: 72, 85, 148). Konstitutionalisierung im rechtswissenschaftlichen Sinne kann nicht 125 Die Skepsis gegenüber der Annahme, dass die Charta der Vereinten Nationen als „Weltverfassung“ zu betrachten sei, schließt nicht aus, dass sie diese Rolle in bestimmten Konstellationen spielen kann, J. L. Cohen (2012: 289, 313).

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VIII. Globalisierung des Rechts

auf die Hierarchie von Rechtsnormen (und die Übertragung dieses staatsbasierten Prinzips auf das inter- und transnationale Recht) reduziert werden. Selbst wenn eine Normenhierarchie unterstellt werden könnte, folgt daraus noch nicht, dass es zu einem Konstitutionalisierungsprozess kommen muss, der dem entspricht, der sich – jedenfalls in Deutschland – auf der staatlichen Ebene beobachten lässt. Konstitutionalisierung bedeutet schon im staatlichen Rechtsraum nicht immer das gleiche. Konstitutionalisierung verweist immer auf ein Institutionengefüge, das zu einer mehr oder weniger weitreichenden „Verdichtung des Rechtsstoffs“ führt (Möllers 2009: 227, 265) und damit politische (Entscheidungs-)Prozesse entsprechend der Akzeptanz von Verrechtlichungsprozessen durch ein Verfassungsgericht und eine rechtszentrierte Öffentlichkeit der politischen Kontroverse entzieht (vgl. auch zur Abhängigkeit der Verfassungsinterpretation vom Selbst- und Fremdverständnis der politischen Institutionen Vermeule 2006; 2008). Ein kollisionsrechtliches Verständnis des Verhältnisses zwischen den Rechtsmaterien in einem heterarchischen trans- und internationalen Netzwerk kann und muss die durch die unterschiedlichen Institutionen und Relationierungen bestimmten Selbstbegrenzungen der Konstitutionalisierungsprozesse reflektieren.126 In dieses Verständnis muss die Abhängigkeit der Implementation des Rechts von kulturellen Traditionen und Selbstbegrenzungen einbezogen werden. Dazu gehört auch eine sehr viel stärkere Berücksichtigung der Neigung von Staaten, Rechte und Pflichten zu schaffen, deren Verletzung aber nicht durch Monitoring zu verfolgen (Abiad 2008: 67). Im Übrigen ist Verrechtlichung nicht notwendig mit „Konstitutionalisierung“ gleichzusetzen (Möllers 2008: 92 f.). Eine andere Variante der Stärkung der internen Verknüpfungen innerhalb eines fragmentierten Netzwerks internationaler und transnationaler Normen ist die Setzung von Vorgaben für das Verwaltungsverfahren auf der Grundlage völkerrechtlicher Verträge. Dies führt zur Herausbildung eines „internationalen Verwaltungsrechts“ (Möllers 2008: 94), das sich wegen seiner Orientierung an der klassischen Staatlichkeit von der sich davon stärker ablösenden Variante des globalen Verwaltungsrechts unterscheidet. Daneben besteht eine weitere Variante der „Hybridisierung“ in der Verknüpfung von materiellen Bindungen mit (schwer implementierbaren) Verpflichtungen zur finanziellen und technischen Hilfe (Heyvaert 2009). Auch hier bietet sich ein Feld für die Selbst- und Fremdbeobachtung von Rechtsbildungsprozessen durch die Rechts- und die Sozialwissenschaften an. Ein Gegenstand der wechselseitigen Beobachtung könnte auch das Phänomen des sog. Soft law bilden (Abbott/Snidal 2009); dies ist eine unbefriedigende Begriffsbildung, die sich an einem problematischen Ideal („hard law“) orientiert und die Verschleifung von normativen und faktischen Regeln, der Verweisung auf künftige 126

In diesem Sinne ist auch das Konzept des „Transkonstitutionalismus“ bei M. Neves (2013: 14) zu verstehen. Neves macht mit Recht darauf aufmerksam, dass das Modell der „Abwägung“ bei der Konkretisierung der „transkonstitutionellen“ Verschleifung unterschiedlicher Rechtsordnungen an seine Grenzen stoßen muss, da der Maßstab der „Optimierung“ nicht für die Klärung der Interferenzen zwischen Rechtsordnungen gelten kann.

3. „Selbstkonstitutionalisierung“ fragmentierter Regime des „Weltrechts“

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Konkretisierungen durch Praxis und andere Erscheinungsformen des postmodernen globalen Rechts nicht genauer in einer eigenständigen Begrifflichkeit, sondern eher als Abweichung von der früheren Regel beobachtet.

3. Kritik der Figur der „Selbstkonstitutionalisierung“ fragmentierter Regime des „Weltrechts“ a) Neugründung eines nichtstaatlichen Rechts? Zur Konturierung der hier vertretenen Konzeption mag eine kurze Auseinandersetzung mit Gunther Teubner (2010: 1449; auch 2013) beitragen. Er ist der Auffassung – dies lässt sich mit einer gewissen Vereinfachung zusammenfassen, dass die gesellschaftlichen Teilsysteme durch ihre Expansion über die Grenzen des Nationalstaats hinaus die gesellschaftliche Grundlage für ein „Weltrecht“ schaffen, das jenseits der einzelnen Ausdifferenzierungen z. B. im transnationalen Handelsrecht, „corporate governance“ Regimes, in privaten wie öffentlich-rechtlichen (und hybriden) Standards, in einem globalen Verwaltungsrecht – um nur einige Beispiel zu nennen – eine autonome „zivilgesellschaftliche“ Selbstkonstitutionalisierung jenseits des staatlichen und diesseits einer „Weltverfassung“ i. e.S. hervorbringt – nach Teubner allerdings nur „Verfassungsfragmente“. Die Konstitutionalisierung (und nicht nur Verrechtlichung) wird in der auch hier beobachteten Zunahme von reflexiven Prozessen gesehen, über die spontan erzeugte oder in Verfahren jenseits des staatlichen Rechts durch „gesetzte“ Normen über „sekundären Normen“ zum Verfahren oder zu grundlegenden Anforderungen an die „eigene“ Rechtspraxis beobachtet und vorstrukturiert werden. Betont werden dabei neuartige Verknüpfungen zwischen der Eigenrationalität wirtschaftlicher Organisationen und deren selbstorganisierter Fremdbeobachtung durch die Verknüpfung mit nicht-ökonomischen Rationalitäten, die z. B. über Monitoring-Verfahren unter Beteiligung von NGOs institutionalisiert werden. Dies wird explizit als eine Variante der „gesellschaftlichen Konstitutionalisierung“ angesehen und als funktionales Äquivalent und damit auch als Alternative zur klassischen staatlichen Verfassung verstanden (Teubner 2010: 1449). Das staatliche Verfassungsrecht kann diesen Prozessen gegenüber keine Hierarchie beanspruchen, sondern beide stehen eher in einem heterarchischen Verhältnis der Verknüpfung zwischen qualitativ unterschiedlichen Netzwerken konstitutioneller Normen (Teubner 2010: 1449). Dem liegt die Annahme zugrunde, „… dass sich im Prozess der Globalisierung die Positivierung von konstitutionellen Normen vom politischen System auf unterschiedliche gesellschaftliche Sektoren verlagert, die parallel zu politischen Verfassungsnormen zivilgesellschaftliche Verfassungsnormen erzeugen“(Teubner 2010: 1449). Auf theoretische Probleme der Beschreibung zivilrechtlicher Rechtsbildung jenseits des Staates kann im Rahmen dieser Überlegungen nicht im Einzelnen eingegangen werden, problematisch erscheint jedoch in der hier eingenommenen

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VIII. Globalisierung des Rechts

Perspektive, dass die Komplexität des klassischen liberalen Rechts und der ihm zugrundeliegenden Umbesetzung des Verhältnisses von Recht und (gesellschaftlichem) Wissen und der darauf basierenden Normen verkürzt wird, wenn die hierarchische Ordnung des staatlichen Recht beim Wort genommen, die es stets begleitende „Unordnung“ ausgeblendet und eine Engführung mit einer ebenso hierarchischen Ordnung des globalen Rechts jenseits des Staates (innerhalb einzelner Rechtsregime) vorgenommen wird (Teubner 2010: 1449). Dessen Normen (hier z. B. der „Unternehmensverfassung“) „… beziehen ihre Geltung aus einer eigenständigen Verbindung primärer und sekundärer Normen in der Welt des private ordering. Sie bilden ein nicht-staatliches geschlossenes System normativer Geltung, das selbst hierarchisch aufgebaut ist“ (Teubner 2010: 1449; 2013: 129 f.).

b) Die „Selbstkonstitutionalisierungsthese“ und das Problem der Beteiligung des Staates an der globalen Normbildung Die Problematik dieser „Selbstkonstitutionalisierungsthese“ lässt sich jenseits des Zivilrechts an Phänomenen des globalen Verwaltungsrechts oder der Konstitutionalisierungsprozesse zeigen, die die Grenze der Souveränität der Staaten durchlässig machen und Verpflichtungen für Staatsorgane erzeugen. Die Besonderheit insbesondere des globalen Verwaltungsrechts, das Verfahren und Prinzipien vor allem für die transnationalen öffentlichen und privat-öffentlichen Standardisierungsprozesse erzeugt, besteht darin, dass jedenfalls administrative staatliche Akteure an seiner Formulierung beteiligt sind, die sich nicht von den Bindungen des staatlichen Rechts emanzipieren können.127 Andererseits kann – nicht zuletzt deshalb – auch keine Rede davon sein, dass auf der globalen Ebene die normative Steuerung durch das Recht von einer kognitiven Steuerung abgelöst worden wäre. So aber Niklas Luhmann (1975: 51, 63) der davon ausgeht, „dass auf der Ebene der sich konsolidierenden Weltgesellschaft nicht mehr Normen (in Gestalt von Werten, Vorschriften, Zwecken) die Vorauswahl des Erkennenden steuern, sondern dass umgekehrt das Problem lernender Anpassung den strukturellen Primat gewinnt und die strukturellen Bedingungen der Lernfähigkeit aller Teilsysteme abgestützt werden müssen.“ Es erscheint gewagt, davon auszugehen, dass das Weltrecht „sich seine Fundamente selbst geschaffen hat“ und auch zivilgesellschaftliche Gruppen dann das „Geltungssymbol transferieren können, wenn sie den Grad der colère publique mondiale erreichen“ (Fischer-Lescano 2005: 271). Dies erscheint m. E. nicht kompatibel auch mit einem postmodernen Verständnis eine globalen Rechtspluralismus, der gerade in gravierenden Konflikten keinen Konsens voraussetzen kann – 127 Deshalb erscheint es auch kaum angemessen, auch für das globale Verwaltungsrecht (!) von einer „Binnenverfassung der Regulierungsinstanzen“ auszugehen (Teubner 2013: 85 Fn. 55). Auch hier wird jenseits des problematischen Gebrauchs des Verfassungsbegriffs überhaupt der „fluide“ Charakter des globalen Verwaltungsrechts „in being“ vernachlässigt.

4. Globales Verwaltungsrecht

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geschweige denn eine weltweite „colère publique“.128 Dies gilt umso mehr, als die Fragmentierung des Weltrechts auch ihren Niederschlag in den kognitiven Schwierigkeiten findet, die z. B. durch schwierige Missionen des „fact finding“ partiell bewältigt werden. Sinnvoller erschiene es demgegenüber, verschiedene Grade, Formen und Prozesse der Generierung von rechtsspezifischer Bindung in den globalen „Netzwerken des Rechts“ zu unterscheiden. Andererseits ist aber gerade die grundsätzliche Annahme, dass nicht nur die Fragmentierung der sich selbst konstitutionalisierenden Teilsysteme der globalen „Zivilgesellschaft“ nicht hintergehbar, sondern Ausdruck einer Wendung gegen eine schon im Nationalstaat angelegte Unterdrückung der gesellschaftlichen Selbstkonstitutionalisierung sei, in beiden Richtungen – sowohl für das globale als auch für das staatliche Recht – viel zu allgemein gefasst: Dass man auf der globalen Ebene überhaupt von einer Verfassung im klassischen Rechtssinne oder innerhalb des staatlichen Rechtssystems von der Unterdrückung der Selbstkonstitutionalisierung gesellschaftlicher Teilsysteme sprechen kann129, ist zweifelhaft. Warum sollte im Übrigen die Selbstkonstitutionalisierung in der globalen „Zivilgesellschaft“ eher gelingen als im Bereich der staatlich verfassten Gesellschaften, wo sie eigentlich den Kern einer kollektiven transsubjektiven Dimension der Grundrechte bilden soll? Der berechtigten Kritik an der Schwäche der Rechtsbindung globaler Akteure (große Unternehmen) im Bereich der Entwicklungsländer ließe sich mindestens ergänzend mit einer transnationalen Erweiterung der Grundrechtsbindung im Privatrecht dadurch Rechnung tragen, dass diese Unternehmen jedenfalls eine prozedurale Pflicht träfe, bekannte innerstaatliche Defizite z. B. im Arbeitsschutz (oder auch gegenüber willkürlicher staatlicher Strafverfolgung) jedenfalls zu beobachten und ggf. auf die einzuwirken (vgl. Ladeur/Viellechner 2008).

4. Globales Verwaltungsrecht a) Ein eigenständiges Verwaltungsrecht? Auf diesem Hintergrund lässt sich eine Brücke schlagen zu der Beschleunigung und Vervielfältigung der Öffnungsprozesse, die sich in infolge der Globalisierung vollziehen – sie erlauben auch im Rückblick die Bestätigung der Beobachtung, dass die Pluralisierung des Rechts sich auch innerhalb des scheinbar geschlossenen Rechtssystems des Nationalstaats zur Geltung gebracht hat. 128 Der Begriff erhält durch die Politisierung eine Bedeutungsverschiebung gegenüber E. Durkheims Verständnis (1893/1970: 88), von dem der Begriff ursprünglich stammt: Die Problematik der „colère publique“ wird dort durch seine enge Fassung abgespannt: Die „colère publique“ ist eine „colère unique“, ein Gefühl, das alle teilen. 129 Vgl. zu einer Konzeption der Kooperation von staatlich-gerichtlicher Definition der Schranken der Meinungsfreiheit und der gesellschaftlichen Selbstdefinition ihres Gegenstandes Ladeur (1999: 281).

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VIII. Globalisierung des Rechts

Jenseits des klassischen Nationalstaats und diesseits der Formen des klassischen Völkerrechts (und des „Eigenverwaltungsrechts“ der internationalen Organisationen) hat sich inzwischen auch ein auf die öffentliche Verwaltung bezogenes transnationales globales Recht herausgebildet (Kingsbury/Krisch/Stewart 2005; Harlow 2006: 187; Auby 2010; Ladeur 2014a: 369), das nicht mehr im klassischen Sinne als „Öffentliches Recht“ bezeichnet werden kann (vgl. Möllers 2004: 329) aber in einem Entsprechungsverhältnis zum transnationalen Privatrecht („lex mercatoria“ neuer Art und andere Formen „neospontanen“ Rechts, Teubner 2000a: 437) steht. Es ist nicht verwunderlich, dass auch dieses Recht ähnlich wie das postmoderne innerstaatliche Recht deutliche Erscheinungsformen der neuen Pluralität und Heterogenität der Rechtsbildungsprozesse aufweist (Zumbansen 2002: 400; Calliess/Renner 2007; 2009). Das transnationale Verwaltungsrecht hat keine leicht identifizierbaren „Rechtsquellen“, seine Institutionen und Prozeduren sind unterentwickelt, das Verhältnis von Öffentlichem und Privatem ist vielfach intransparent. Es zeigt sich, dass auch private transnationale Umweltstandards öffentliche (Umwelt-)Interessen schützen können (Winter 2006; Herberg 2007; Dilling/Herberg/Winter 2008; Fischer-Lescano 2008a: 373). Die Vorstellung einer „Rechtsquelle“, eines Anfangs des Rechts, ist mit dem diffusen, distribuierten Charakter des globalen Rechts kaum kompatibel. Ja, ob es überhaupt „Recht“ ist, ist streitig (Kingsbury 2009; Dyzenhaus 2008). Die Abgrenzung von öffentlichem und privatem Recht verliert im Übrigen auch hier ihre Bedeutung. Umgekehrt stellt sich die Frage, ob und wie weit und in welcher Form „sekundäre Normen“ (H. L. A. Hart) erforderlich sind, damit überhaupt Recht von anderen Normen unterscheidbar wird. Dass es sich um formelle Normen über die Setzung und Veränderung von (primären) Normen handeln muss, erscheint in einem von Pluralität geprägten „Weltrecht“ nicht zwingend. Mit der Transformation des Staates und des staatlichen Rechts vollzieht sich zugleich ein Wandel des Rechts. Die Verschleifung von Recht und Rechtsanwendung, der Übergang von der Anwendung des Rechts zu seiner „Konkretisierung“ , die Entstehung privater und öffentlicher Standards, die sich praktisch nur geringfügig von „gesetzten“ Normen unterscheiden, hat auch in der jüngeren Vergangenheit schon gezeigt, dass das Recht sich in einem rapide voranschreitenden Wandlungsprozess befindet, der nicht nur durch die Globalisierung, sondern vor allem durch den Aufstieg der Netzwerkgesellschaft beschleunigt wird. Ein Problem der Beschreibung des neuen globalen Rechtspluralismus (Schiff Berman 2014; Krisch 2010) besteht darin, dass die historische Form der Verknüpfung des Rechts mit seiner insbesondere kognitiven Infrastruktur und den erfahrungsbasierten sozialen Normen, die aus der „Erfahrung“ erzeugt worden sind, wegen ihrer hohen Stabilität über Jahrzehnte (die durch die politischen und rechtlichen Umbrüche der jüngsten Zeit nicht wesentlich in Frage gestellt worden ist) mit dem Recht identifiziert worden ist und sich durch die Phänomene der Fragmentierung vor allem im Prozess der Globalisierung herausgefordert sieht. Dies wäre aber eine einseitige Sichtweise, die die Ursachen der Transformation des Rechts nur nach außen projiziert und die internen Prozesse der Selbsttransformation auch des

4. Globales Verwaltungsrecht

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„staatlichen“ Rechts vernachlässigt, die sich als Folge weiterer Umbesetzungen innerhalb des „Differenzierungsgeschehens“ beschreiben und die Einheit als ein komplexer zu fassendes Produkt von „Ordnung aus Unordnung“ denken lassen (Atlan 1979). Dies erschwert eine angemessene Fortentwicklung des Rechtsbegriffs für die hier nur knapp zu beschreibende postmoderne Gesellschaft der „Gesellschaft der Netzwerke“, die durch die Dynamisierung des Wissens jenseits der Erfahrung, die zunehmende „Disaggregierung“ des Staates (Slaughter 2004: 14 ff.) durch fragmentierte Handlungslogiken, die Produktion von Wissen in intra- und interorganisationalen projektbezogenen Netzwerken („joint ventures“) charakterisiert wird.

b) … oder doch „internationales Verwaltungsrecht“? Eine in Deutschland verbreitete begriffliche Akzentuierung als internationales (im Gegensatz zum „globalen“) Verwaltungsrecht verdankt sich schon einer Engführung mit dem nationalen Verwaltungsrecht und damit der Orientierung am Staat, von dem aus bestimmte Materien des Verwaltungsrechts – ob national oder international – unterschieden werden, während die Frage nach dem „globalen Verwaltungsrecht“ diese Anknüpfung eher vernachlässigt und damit auch den Aufstieg der privaten Akteure in den globalen Arenen stärker in den Blick nimmt. Der Staat ist danach im Zeitalter der Globalisierung von vornherein „fragmentiert“ in eine Vielzahl von Behörden und Agenturen, die ihre Orientierung ihre Beteiligung an transnationalen „Netzwerken“ erhalten (Möllers 2005: 351; zur Verantwortung globaler transgouvernementaler Netzwerke Slaughter 2004; Slaughter/Burke-White 2006), die sie zusammen mit anderen öffentlichen und privaten Akteuren in bestimmten Handlungsarenen bilden. Das „globale Verwaltungsrecht“ lässt sich auf diesem Hintergrund mit der Vorstellung des „disaggregated state“ (Slaughter 2004: 283; 2004a; Slaughter/Zaring 2006; allgemein Kettl 2002) verknüpfen, der sich nicht auflöst, sich aber doch in ein Arrangement von unterschiedlichen, vor allem durch Regulierungsaufgaben zusammengehaltene „Netzwerke“ transformiert (Ladeur/ Möllers 2005: 525), in denen es auch weniger um ein selektives Entscheiden als um die Erreichung von relativ weit gefassten Zielen geht (zur informationellen Seite des Verwaltungshandelns Vesting 2004). Damit ist sicher ein wesentliches Merkmal des „internationalen Verwaltungsrechts“ erfasst, dennoch wird sich zeigen, dass auch ein Zusammenhang des „disaggregated state“ auf einer abstrakten Ebene erhalten und wieder hergestellt werden muss, und wenn nur deshalb, weil die staatliche Verwaltung im Übrigen noch immer bestimmten Organisationsprinzipien und Legitimationsanforderungen unterworfen ist, die stärker auf die Zentralität des Staates bezogen sind. Dies gilt vor allem für die Legitimation und Verantwortung für staatliches Handeln (Held 1999, S. 84; Cohen/Sabel 2006: 763). Die „globalen Netzwerke“ können sich den damit aufgeworfenen Fragen nicht entziehen. Dieses Problem wird auch in der Diskussion um das „global administrative law“ gesehen

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VIII. Globalisierung des Rechts

und mit der Frage nach der „accountability“ des globalisierten öffentlichen und privaten Handelns diskutiert (Raustiala/Slaughter 2002). Das „internationale Verwaltungsrecht“ setzt den Akzent aber stärker bei dem, was von der Einheit des Staates geblieben ist, und den Prinzipien, die sich daran orientieren. Auf den einzelnen Feldern eines „internationalen Verwaltungsrechts“ muss jeweils gefragt werden, welche Gesichtspunkte die untersuchte Materie als ein „Referenzgebiet“ für ein allgemeines „internationales Verwaltungsrecht“ bieten kann. Hier stellt sich ein methodisches Problem, das auch innerhalb der europäischen Gemeinschaft immer noch nicht befriedigend geklärt ist.

c) Vergleich zwischen dem globalen und dem europäischen Recht Im europäisierten Verwaltungsrecht werden relativ starr und vereinfacht drei Teile eines allgemeinen Verwaltungsrechts unterschieden (Kadelbach 2002: 167): Das Recht der europäischen Eigenverwaltung, das der nationalen Eigenverwaltung und das allgemeine nationale Verwaltungsrecht, das der Verwirklichung des besonderen europäischen Verwaltungsrechts dient. Auch auf der internationalen Ebene ließe sich ein funktionales Äquivalent zu dieser Problemstellung finden: „global administrative law“ ist dann eher das Recht der „Eigenverwaltung“ der als relativ selbstständig zu betrachtenden Regulierungsnetzwerke, während das „internationale Verwaltungsrecht“ dies zwar nicht vernachlässigt, aber stärker die kooperative Verknüpfung mit den Ordnungsideen des nationalen, und damit staatlichen allgemeinen Verwaltungsrecht betont, soweit es um die Beteiligung des Staates an den transnationalen Interaktionen und Netzwerken geht.130 Das WTO-Recht ist als eigenständiger Forschungsgegenstand etabliert131 und nimmt mehr und mehr die Züge eines durch völkerrechtliche Delegation ermöglichten „Eigenverwaltungsrechts“ an, das sich von den Rechtsmaterien unterscheidet, in denen die institutionelle Ausdifferenzierung der internationalen Kooperation keine vergleichbare institutionelle Verdichtung erfahren hat (vgl. auch Zangl 2006). Diese Fragmentierung des globalen Verwaltungsrechts und die daraus folgende wechselseitige Durchlässigkeit der verbleibenden territorialen Komponenten der neuen pluralen Rechtsordnung schlägt sich auch prozessual in der Notwendigkeit nieder, durch Gerichtsentscheidungen entgegen dem früheren Rechtsgrundsatz „par in parem non habet iurisdictionem“, der aus der Souveränität der Staaten folgt, eben doch aus rechtsstaatlichen Gründen die administrative Kooperation der Staaten nicht auf der Rechtsschutzebene wieder in die einzelnen Entscheidungsschritte nationaler 130

Vgl. zur Globalisierung als einer Form der Erweiterung der Möglichkeiten staatlichen Handelns Drezner (2007: insbes. 32 ff). 131 Vgl. zur Herausbildung neuer kontext- und effektivitätsbezogener Auslegungsregeln im WTO-Recht Van Damme (2009: insbes. 213 ff., 287 ff.).

5. Die Verknüpfung von transnationalem und nationalem Recht

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Behörden zu zerlegen – mit der Folge, dass ein betroffener Bürger bei Verfahren im Verwaltungsverbund (Visaerteilung gegenüber Angehörigen dritter Staaten, die sich in der EG aufhalten und von einem in einen anderen EG-Mitgliedstaat reisen wollen) z. B. sowohl gegen eine nach außen adressierte Verwaltungsentscheidung des einen Staates als auch gegen interne Zustimmungen, Warnungen etc. des anderen Staates gerichtlichen Rechtsschutz in Anspruch nehmen müssten (anders mit Recht Conseil d’Etat, 9 June 1999, No. 198344, Mme Hamssaoui; vgl. auch für das Verhältnis europäische Gerichte/UN-Entscheidungen Behrami and Behrami v France, ECHR, Grand Chamber, Application Number 71412/01, (2007) 45 EHRR SE 10; zust. Kingsbury 2009: 25 f.).

5. Die Verknüpfung von transnationalem und nationalem Recht Insbesondere transnationale Standards werfen die Frage nach der Wahrung der Verantwortung des Staates für die Normsetzung auf. Dies gilt zwar nicht generell für private Normen, doch ist der Staat seinerseits in unterschiedlichen Formen an der Setzung von Standards in privat-öffentlichen Konstellationen beteiligt. Dann stellt sich die Frage nach der öffentlichen Kontrolle jedenfalls im Hinblick auf die staatliche Beteiligung an der (Um-)Setzung solcher Normen. Auch dies ist potentiell Gegenstand der interdisziplinären Beobachtung des Werdens von Normen. Dazu sollten auch Vorgaben für eine angemessene, Informationen für Dritte (aber auch den Gesetzgeber) erzeugende Dokumentation des Verfahrens gemacht werden. Einwirkungspflichten wären auch denkbar zur Gewährleistung der Offenheit und Pluralität der Beteiligung Privater und ggf. zur Begründung für die Nichtberücksichtigung von Gesichtspunkten – allerdings ist hier an die Grenzen des Verfahrens der Herstellung eines „rough consensus“ zu denken). Es wäre auch zu überlegen, ob das Verfahren der Herstellung eines „rough consensus“ (dazu Calliess/Zumbansen 2010) und ein Kommentierungsverfahren einerseits zum Zulässigkeitskriterium für die Mitwirkung zu machen, andererseits aber zu dokumentieren, welche Interessen dabei berücksichtigt bzw. vernachlässigt worden sind. Im Übrigen sollte aber der internationale Standard auch genauer in das deutsche „internationale Verwaltungsrecht“ eingebaut werden. Hier haben wir es mit der „dritten Dimension“ eines Kollisionsrechts zu tun, dem es nicht mehr um die territoriale Abgrenzung von Verwaltungsräumen geht, sondern um die wechselseitige Durchlässigkeit des nationalen und des transnationalen Verwaltungsrechts (vgl. Ohler 2005: 81 ff.; Joerges 2007: 719). Globale Standards wären als eine Art internationale „Verwaltungsvorschriften“ einzuordnen (soweit der Einfluss der Verwaltung dies rechtfertigt und es sich nicht nur um private Standards handelt), deren rechtliche Kontrolle zum Teil nach den Rechtsgrenzen für den Erlass normkonkretisierender Verwaltungsvorschriften modelliert werden könnten: Die Anforderungen an die Neubestimmung des Handelns in globalen Verwaltungsnetzwerken ließen sich entsprechend einem umformulierten

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VIII. Globalisierung des Rechts

Beurteilungsspielraum konkretisieren: Die innerstaatliche Verwaltung kann ihren – auf der nationalen Ebene im nationalen Verfassungsrecht begründeten – Beurteilungsspielraum in Kooperation mit Behörden anderer Staaten und privaten Akteuren ausüben (Trute 2004: 565; Ladeur/Möllers 2005), soweit sie dabei bestimmte rechtliche Bedingungen nach dem Muster der hier skizzierten Vorschläge beachtet.

6. Globales Recht als „fuzzy set“ von Normen Diehl/Ku (2010: 67) haben mit Recht darauf aufmerksam gemacht, dass der Anschluss von Theorien über die Rechtsbildung in der postmodernen globalen Gesellschaft an Harts Unterscheidung von Normen erster und zweiter Ordnung problematisch ist, weil sie von der auch bei H. L. A. Hart zu beobachtenden Vorstellung eines stabilen Verhältnisses der beiden Normtypen bestimmt ist: „sekundäre Normen“ haben bei Hart auch in der zeitlichen Dimension den Charakter der nachfolgenden bestätigenden, kontrollierenden, variierenden Norm gegenüber den primären Normen und ordnen sich damit in eine Hierarchie ein, die etwa bei Gunther Teubner (2012) den Verfassungscharakter der reflektierenden sekundären Normen ausmacht. Mit der Selbsttransformation des Staates durch die Globalisierungsprozesse nach außen und die damit im Zusammenhang stehende Fragmentierung nach innen, und das heißt auch: mit der Veränderung des Verhältnisses von Öffentlichem und Privatem sowie mit der damit einhergehenden Veränderung (Pluralisierung) des Subjekts, kann auch nicht mehr daran festgehalten werden, dass das Recht nur staatlich gesetzt sein kann. Es muss zwangsläufig auch private oder privat-öffentliche Normen geben, die jedenfalls die Funktion und Bedeutung staatlichen Rechts haben (müssen), selbst wenn man dies nicht als Recht i. e.S. ansehen wollte. Auch wenn es staatlicher „Transformatoren“ bedürfte, der Rechtsbegriff im normativen wie im praktischen Sinne muss sich verändern und für neue Normen geöffnet werden. Recht lässt sich nur noch in einem breiten Spektrum unterschiedlicher Möglichkeiten abbilden, es ist kein Grenzbegriff mehr, der die klare Unterscheidung von Recht/ Nichtrecht erlaubt. Man kann davon ausgehen, dass es in Zukunft eine Remodellierung des Rechts für die Netzwerkgesellschaft derart geben wird, dass neue „Netzsubjekte“ nach einer neuen Netzlogik operieren werden, die mehr Dynamik erlaubt, dafür aber auch nur mit der Stabilisierung relativ vager Erwartungen rechnen kann. Unter den Bedingungen der Kooperationsbereitschaft, in der „Netzwerkgesellschaft“ vor allem aus Einsicht in die Notwendigkeit der Erhaltung der Dynamik der Wissensproduktion, kann die Vagheit des Rechts eine produktive Herausforderung zum Lernen unter Ungewissheitsbedingungen sein. Dafür wird auch nicht mehr das Gesetz als einheitliches Geltungssymbol benötigt, sondern man kann sich mit einer offenen Kombinatorik von Anschlussmöglichkeiten begnügen, weil die Netzwerke hohe Kooperationsbereitschaft voraussetzen. Dies gilt allerdings nicht bei Gefährdung von Rechten Dritter, die nicht an der aktiven Relationierungspraxis beteiligt sind. Es

6. Globales Recht als „fuzzy set“ von Normen

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ist im Übrigen aber, wie erwähnt, mit der Möglichkeit einer offenen Skala von Bindungsmöglichkeiten zu rechnen: Dann bestünde die Option, eben auch eine klassische Rechtsbindung mit stabileren Erwartungen zu wählen. Vor diesem Hintergrund erscheint es im Anschluss an Diehl/Ku (2010: 52) sinnvoller, das globale Recht eher als einen „fuzzy set“ von Normen mit in jeder Richtung unscharfen Grenzen zu verstehen. Deshalb ist z. B. davon auszugehen, dass die Unterscheidung und Verknüpfung von sozialen und Rechtsnormen im globalen Recht weniger wohlgeordnet ist als im nationalen Recht (vgl. zum „globalen Recht“ auch Calliess 2006: 189 ff.). Das hängt nicht zuletzt damit zusammen, dass es nicht einfach um die stabile, letztlich durch materielles Recht geordnete Verknüpfung von kognitiven und Rechtsnormen geht. Vielmehr muss man anerkennen, dass die „communities of practice“, in denen Lernen operationalisiert wird, nicht nur „Wissen“ erzeugen, sondern Bindungen, Beglaubigungen, Vertrauen, ohne die Wissen nicht anschlussfähig ist (Brunnée/Toope 2000). Die Funktion des Verfassungsrechts (ähnliches lässt sich auch für den Teil des Völkerrechts annehmen, der stärker auf die Durchlässigkeit des „Mantels der Souveränität“ für postulierte gemeinsame Politiken, etwa der Menschenrechte) zielt, besteht einmal eher darin, eine „gemeinsame Sprache“ zu schaffen, in denen sich ein disziplinierender Bezugsrahmen für den produktiven Streit und Rechte bilden kann. Ein solcher Bezugsrahmen muss sich dadurch auszeichnen, dass auch die Position „der anderen“ sich innerhalb der eigenen Positionen abbilden lässt (vgl. Graber 2013: 45, 246).132 Das Recht benötigt für die Rezeption komplexerer Formen des Wissens, die nicht über gesetzliche „Tatbestände“ gefiltert werden können, seinerseits prozedurale Metaregeln des „management of rules“: Kollisionsregeln für die Unterscheidung von rechtlichen und sozialen Normen, hybride rechtliche Verfahren der Erzeugung sozialer Normen, Brückenbegriffe für die Anschlüsse an das Recht, Kompetenzen für die Entscheidung auf der Grundlage von Teilwissen, Argumentations- und Vermutungsregeln ex ante, Evaluationsregeln für die Anwendungsfolgen ex post, um nur einige zu nennen. Eine neue Variante der Prozeduralisierung besteht darin, nicht das vorhandene Wissen zu sammeln (auch durch Ermöglichung von Partizipation), sondern in der Verschleifung mit öffentlichen Entscheidungsstrategien oder privaten Rechtsoperationen neues Wissen zu erzeugen. Dies erschwert die rechtliche Bewertung ex ante. Die Einführung neuer Handlungsspielräume allein kann aber nicht die Lösung sein. Jedenfalls bei den öffentlichen Entscheidungsketten wäre es wichtig, die in der Rechtsprechung des BVerfG entwickelten „Nachbesserungspflichten“ (BVerfGE 50, 290, 334) genauer zu konturieren und z. B. in der Schulpolitik eine Rechtspflicht zur Evaluation solcher „experimenteller“ Maßnahmen 132 Deren Kehrseite besteht sicher darin, dass bestimmte „scripts“, in denen Rechte formuliert werden können, die Darstellung anderer „Lebensformen“, z. B. bestimmte „ganzheitliche“ emotional bestimmte unmittelbare Ausdrucksformen, ausschließt oder erschwert, so Golder (2015: 105) im Anschluss an Foucault.

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VIII. Globalisierung des Rechts

vorzusehen, die für die Bildung von Kindern und Jugendlichen von Bedeutung sind (Yergin 2015: 1565). In der Politikwissenschaft ist die Frage nach der Anwendungsebene der Normen in neuerer Zeit mit der Frage nach „contested normativity“ aufgeworfen worden (Wiener 2004: 189). Dies erscheint nur teilweise fruchtbar, weil damit das hier zu Recht gesehene Problem auf eine Konfliktlogik bezogen wird: Es gibt die Norm und ihre „Bestreitung“. Fruchtbarer erscheint es, die nicht hintergehbare Infrastruktur des Rechts, die ganz unterschiedlichen Praktiken der (ihrerseits wandelbaren) Anwendung, des Unterlaufens, der Korruption, des offenen Bestreitens von Normen in den Blick zu nehmen. „Contested normativity“ (Gallie 1956: 169; Dilhac 2014: 53; auch Spitz 2014: 72) bedeutet zunächst nichts anderes als die Anerkennung der Tatsache, dass der Sinn einer Norm letztlich jedenfalls nicht vollständig durch eine semantische Analyse ausgeschöpft werden kann, die die politische Seite des Rechts ignorieren würde (vgl. jetzt auch Rübben 2015: 121, 140 f.; zu stark die sprachliche, semantische Seite akzentuierend Venzke 2002: „semantic authority“, Ladeur/ Augsberg 2005: 143). Andererseits kann der „Interpretationskampf“133 auch nicht verabsolutiert werden, weil das Recht innerhalb einer konkret verfassten Gesellschaft praktiziert und angewendet werden muss, ohne dass alles offen bleiben könnte (Dilhac 2014: 53). Die Stabilisierung ist früher durch unumstrittene soziale Konventionen erfolgt, die heute ihrerseits Gegenstand der Kontroverse werden. Allerdings wird es ohne praktische Stabilisatoren nicht gehen. Die vor allem in den USA im „Age of Fracture“ (D. T. Rodgers) zu beobachtende Tendenz, immer neue „Minimalregeln“ zu postulieren, die den Mangel des sozialen Konsenses und seiner (verfassungs-)rechtlichen Institutionalisierung kompensieren könnten (vgl. Rodgers 2011), z. B. die ökonomische Analyse des Rechts, Rawls’ Theorie der Gerechtigkeit, die dem Streit enthoben sein müsste, sind im Grunde Erscheinungsformen der Wiederholung eines Gründungsmythos der „Gesellschaft der Individuen“, die sich jenseits der vorhandenen Institutionen und Traditionen vollziehen können soll. Doch die institutionelle Seite der Selbststabilisierung des Rechts ist nicht hintergehbar, deshalb hält die Neugründung meist nur einige Jahre – wenn überhaupt. Sinnvoller erschiene es demgegenüber, den Zusammenhang der Evolution des Rechts mit der Evolution des Wissens sowie der Herausbildung und dem Wandel gesellschaftlicher Konventionen zu beobachten. Begrifflich lässt sich dies im Anschluss an V. Descombes (2004; 2013) mit der Unterscheidung der offiziellen „Konstituierung“ (der Verabschiedung des Texts, der Bildung von kompetenten Organen etc.) von der „Instituierung“ der Normen durch Praktiken und Muster des (Nicht-)Entscheidens, des Anschlusses an andere Normen und Praktiken erfassen. Erst die Unterscheidungen des Rechts sorgen paradoxerweise im Zusammenspiel mit den stummen Praktiken für die „Plastizität“, die für die Operationen der Rechtssubjekte benötigt wird (Steinhauer 2015: 175).

133

Saar fordert insoweit das „Recht auf Bestreitung des Geltenden“ (Herv. von mir – KHL).

6. Globales Recht als „fuzzy set“ von Normen

173

Diese Regelarchitektur kann auch in transnationalen Prozessen nicht vorausgesetzt werden, aber das Recht kann die Kopplung zwischen den Regeln unterschiedlicher Provenienz lockern und einzelne seiner Formen der Binnendifferenzierung mit Priorität ausstatten. So kann es seine Verfahrensregeln als Teil seines „operativen Systems“ von Erwartungen an die Reproduktion der materielle Einheit des Rechts entkoppeln und – wie gezeigt – strategisch für die Anschlussfähigkeit von Diskursen bereithalten. Diese bleibt unsicher, weil zugleich die materiellen Rechtsnormen, die auf z. B. in Standards aggregiertes Wissen verweisen, auf der transnationalen Ebene (noch) nicht zustande kommen, während die Standards selbst an die staatliche Ebene weiter gereicht werden. Das Recht fungiert dann als „operatives System“ (Diehl/Ku 2010: 137, 152), das nicht auf eine klare Rollentrennung (primäre/sekundäre Normen) zielt, sondern eher strategisch innerhalb des Netzwerks der unterschiedlichen Komponenten von faktischen und rechtlichen Normen mit einem begrenzten variablen Ziel der Relationierung in Mustern und der Verdichtung von „Knoten“ eingesetzt wird, an denen soziale Normen partiell mithilfe rechtlicher Prozeduren einen emergenten Effekt der Rechtsbindung erzeugen sollen. Diese Aufgabe können auch prozedurale Normen übernehmen, die neue Prinzipien entwickeln, z. B. das des „rough consensus“ (Calliess/Zumbansen 2010), der eine größere Mehrheit als die einfache Mehrheit der Stimmen verlangt, aber zugleich auch keine Übereinstimmung in allen Einzelheiten und eine aktive Beteiligung an Diskussionsprozessen von Opponenten voraussetzt, die sonst ihre Rechte auf Berücksichtigung „verschweigen“. Für die offene Konstruktion von Normen in einer fragmentierten globalen Gesellschaft ließe sich eine besondere Leistung des Rechts einsetzen, die darin besteht, nicht „patternless“ zu sein und einen bestimmten unpersönlichen „fallübergreifenden“ Verknüpfungsmodus für das Prozessieren von Operationen, ein „management of rules“ und ein Netzwerk von Anschlusszwängen und –möglichkeiten zur Bindung von Ungewissheit auch über die Grenzen des territorial radizierten Rechts hinaus zu etablieren (Dilling 2012: 409, 417; auch die Beiträge in ders./Herberg/Winter 2008).134

134 Vgl. auch Schiff Berman (2012: 10) zur Bedeutung von Verfahren für die Abstimmung zwischen überlappenden Regeln.

IX. Über die Systemtheorie hinaus? 1. Die Leistung einer Medientheorie des Rechts Es wäre zu überlegen, ob die Systemtheorie, die sehr stark auf das Prozessieren einzelner Entscheidungen fixiert ist, nicht einer Erweiterung bedarf, die jenseits des Denkens in evolutionären Prozessen, die sich über die Formation der „Wolken“ von Entscheidungen langsam ausbreiten, auf die akute Dynamik der ständigen „Rekonfiguration“ von Mustern und Praktiken des Entscheidens einstellt. Diese Leistung könnte möglicherweise von einer „Medientheorie“ des Rechts erwartet werden (Vesting 2011 – 2015). Scott Lash (1999: 265) geht von der Annahme aus, dass die Medien der Kultur, die Kultur der Medien, spätmoderne Formen des Bruchs mit der Repräsentation sind, der scharfen Trennung/Unterscheidung von Regel und Anwendung, Norm und Faktizität, Allgemeinem und Partikularem, Innen und Außen. Medien strukturieren mehr und mehr die heterarchischen Prozesse der Selbstorganisation des Rechts. Die Beobachtung der Medien des Rechts (Vesting 2011 – 2015) bringt eine Kontingenzerfahrung zur Geltung, die den Kontrollverlust mit dem Experiment verknüpft (Shuster 2015: 1085; Cavell 2002: 219). Dies bedarf einer Erläuterung. Zunächst ist damit eine Perspektive auf J. L. Nancys (1996) theoretische Überlegungen zum Einzigen/ Einzelnen eröffnet, der oder das sich nicht mehr wie das Partikulare unter das Allgemeine subsumieren lässt – aber auch nicht mehr durch die auf der Unterscheidung von Allgemeinem und Besonderem aufbauenden politischen repräsentativen Institutionen „vertreten“ werden kann. Ob das über eine bloße Aporie, den bloßen Widerstand in den neuen Formen des künstlerischen Protests ohne politische Forderung hinausführt (Ladeur 2015: 97), soll hier offen gelassen werden. Jedenfalls ist das nur eine der Erscheinungsformen der Aufmerksamkeit für das Einzelne/den Einzige, von dem aus auch nicht induktiv eine Verallgemeinerung gefunden, ja, auch nicht gesucht wird. Nach Scott Lash (1999: 267) ist die Verknüpfung der „singuliers“ genau das, was die Medien ausmacht. E. Domenach (2006: 90) formuliert im Anschluss an St. Cavell etwas Ähnliches weniger radikal, wenn sie meint, dass das Medium uns z. B. in der Literatur oder im Film an die Notwendigkeit erinnert, einzelne Werke zu beschreiben, um darüber neue Möglichkeiten zu entdecken und auszuprobieren, etwas, was wir ohne den Blick auf das Einzelne als Partikulares, dessen Verstehen schon auf eine Allgemeinheit gerichtet ist, nicht sehen würden. Es geht sozusagen um die „poietischen Möglichkeiten“, das, was D. Hofstadter/E. Sander (2013) den unaufhörlichen „Strom der

2. Was ist ein „Medium“?

175

Analogien“ des Denkens, der aber dennoch immer wieder nach neuen Verknüpfungen sucht, um innezuhalten. Sonst könnte es gar keine „Ordnung aus dem Chaos“ geben (vgl. Atlan 1979). St. Cavell (1989: 77) hat dafür eine Wendung gefunden, die bereits mehrfach zitiert worden ist: „finding as founding“. Man findet eine Gründung, einen Grund – eine Paradoxie, die eben nicht die Subsumierbarkeit des Einzelnen, Gefundenen, unter ein Allgemeines, das Wiederfinden einer schon vorhandenen Wirklichkeit indiziert, sondern die heterarchische Verschleifung von Singulären, Personen und Dingen, zu einem Netz von Möglichkeiten, die in einer experimentellen Form auf ihre Haltbarkeit als anschlussfähiges Muster für weitere Möglichkeiten getestet, durchgespielt werden, ohne dass wieder die Herausbildung einer verallgemeinerungsfähigen Regel, einer dauerhaften Form erwartet werden könnte (S. Krämer 2002: 323). Das würde auch – ebenso wie das liberale Subjekt in einem Korrespondenzverhältnis zum Staat steht – einen Wandel des Subjekts zu einem Subjekt der „Gesellschaft der Netzwerke“ bedeuten. Dies ist kein grundsätzliches Problem, da das Konzept des (Rechts)Subjekts selbst eher ein „réseau de termes“ (de Libera 2007: 9) ist, das sich in einer komplexen Geschichte entwickelt und verändert hat. Das „neue“ Subjekt müsste offener für experimentelles Denken sein, jedenfalls kann es kein Subjekt sein, das sich auf partikulare „Identitäten“ zurückzieht und deren ubiquitäre „Anerkennung“ verlangt – ohne Rücksicht auf Verluste. Das Subjekt hat immer eine Offenheit für neue Entwicklungen internalisiert – daran müsste auch in Zukunft anzuknüpfen sein.

2. Was ist ein „Medium“? Ein „Medium“ für das Recht in dem hier verstandenen Sinn ist nicht primär der „Medienträger“, „the physicality of a specific medium“, das Buch (Vesting 2013), das Computernetzwerk (Hansen 2004: 23;Vesting 2015; Krauss 2008: 7, 35), sondern die davon zu unterscheidende Seite der durch das (technische) Medium erlaubten und ermöglichten (aber nicht damit identischen) (Re-)Konfiguration von Kommunikationen, die neuen „Konventionen“ für die möglichen Verknüpfungen und Arrangements zwischen Bedeutungskomponenten. Für Computernetzwerke kommt es etwa auf die extreme „Plastizität“ der Figuren und Formen der Digitalisierung, z. B. „the processural realization of information in time … as a traditional image … only for contingent reasons“ (Hansen 2004: 9) – die digitale Basis erlaubt den ständigen Wandel auf der Grundlage einer unendlichen Kombinatorik von Fragmenten – sie benötigt dafür aber zugleich eine lernende „algorithmische“ Ordnung, die in „Echtzeit“ auf die Möglichkeit der Stabilisierung von Mustern aus dem praktischen Handeln setzt und ihre Haltbarkeit im Prozess ihrer Anwendung überprüft. Dies findet innerhalb des Rechts seinen Niederschlag in der Erzeugung neuer „kontextualer“ Vertragsmodelle, die die Stabilität der Erwartungen nicht mehr zulassen – ohne dass damit die Leistungsfähigkeit des Rechts in Frage gestellt würde (Sabel/Zeitlin 2004; Sabel/Simon 2012; Jennejohn 2008; 2010). Stattdessen stellen

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IX. Über die Systemtheorie hinaus?

sich die Netzsubjekte auf die Notwendigkeit ein, Recht und die sozialen Praktiken reflexiv zu verschleifen. Das Internet verändert die Prozessregeln des Wissens und des Nichtwissens grundlegend: Die Kommunikationen scheinen sich nur noch horizontal „ohne Anfang“ und ohne Ende auszubreiten – ohne Standards hervorzubringen, nach denen die Themenfähigkeit von Wissen für die Zukunft bewertet werden könnte (Herrenschmidt 2000). Auch die rechtliche Kontrolle und Beobachtung solcher Standards wird dann – nicht nur faktisch – erschwert. Der prinzipielle Kampf der American Civil Liberties Union (ACLU) gegen „chilling effects“135 der Rechtsprechung bei allen Sanktionen (auch gegen menschenverachtende Botschaften, die einzelne herabsetzen oder bedrohen) ist symptomatisch für die Abwesenheit der Vorstellung eines „Kontrollprojekts“ für das Internet oder einer übergreifenden Perspektive. Das Wissen bleibt an ein distribuiertes heterarchisches Netzwerk gebunden, das aber die Entstehung und Zentralisierung von stabilen Zurechnungs-, Trennungs- oder Verantwortungsregeln nicht zuzulassen scheint. Aufmerksamkeit für Wissen wird „viral“ oder durch „Ansteckung“ nach Mustern erzeugt, für die es vorab keine Regelmäßigkeiten gibt und die keine Regeln für die gesellschaftliche Reflexion der Grenzen von Wissen und Nichtwissen (Geheimnis) entstehen lassen. Dies ist insofern konsequent, als – wie B. Groys formuliert – in vielen neuen Kommunikationsformen des Internet (hier auf „Google“ bezogen) „der Mensch nicht mehr im traditionellen Sinne“ spricht. Er wird zum „user“, der „verschiedene linguistische Kontexte, Topoi oder Terrains verwendet oder neue schafft“ (Groys 2012: 27). Er lässt „Wörter in verschiedenen Kontexten erscheinen oder verschwinden – in einer völlig lautlosen und rein operativen außer- oder metalinguistischen Form von Praxis“ (Groys 2012: 27). Das Fließen des Prozesses selbst wird zum Bezugsrahmen des „neuronalen Selbst“ (vgl. LeDoux 2003; allg. Malabou 2004; 2005; dazu James 2014: 5 f.), das durch „Zensur“, die Unterbrechung der Relationierungsprozesse von außen, gestört wird. Die Neuartigkeit der damit einhergehenden Risiken wirft grundsätzliche Fragen auf, für die das herkömmliche Kartellrecht kaum adäquate Lösungen bereithält: Wieweit Google eine schwer angreifbare Marktmacht hat oder diese Macht einer neuen komplexeren Informationsökonomie des Internet entspricht, lässt sich einstweilen nur schwer sagen. Jedenfalls können die IrrtumsKosten bei verfehlten Interventionen unter Ungewissheitsbedingungen erheblich sein (Manne/Wright 2011). Es ist oben darauf hingewiesen worden, dass die reflexiv, d. h. vor allem nicht spontan entstehenden Regeln über die Distribution von Wissen durch soziale Netzwerke offengelegt werden und auf ihre Offenheit hin beobachtet werden müssen. Niemand muss sich aus vielfältigen Quellen informieren, aber die gesellschaftliche Wissensordnung muss Offenheit und Vielfalt ermöglichen. Deshalb ist die Erhaltung der Vielfalt der Informationen und der Zugänge zu Informationen selbst potentieller Anwendungsbereich des impersonalen Grundrechts des 135

Recht und Bildung 2010, Heft 1, 3.

2. Was ist ein „Medium“?

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Wissens [s. o.]. Für diese Zwecke kann auch das Wettbewerbsrecht eingesetzt werden, aber es erscheint dafür nur begrenzt geeignet. Allenfalls wäre daran zu denken, ähnlich wie für die Pressefusionskontrolle auch für das Internet besondere Vorschriften zur Konkretisierung insbesondere des Missbrauchs einer marktbeherrschenden Stellung zu schaffen. Man könnte vermuten, dass etwa die Programmlosigkeit der „Piratenpartei“ und insbesondere das neue Interesse an „direkter“ Demokratie eine Erscheinungsform des „viralen“ Charakters des Internet selbst und damit der heterarchischen „Gesellschaft der Netzwerke“ ist. Dem entspricht die Emergenz einer flüchtigen oszillierenden Subjektivität, die auf das unmittelbare Erleben fluktuierender Aufmerksamkeit angelegt ist und alle Formen der Mediatisierung, der Institutionalisierung und der Repräsentation der Aggregierung verallgemeinerungsfähiger Interessen ablehnt.136 Man könnte davon sprechen, dass nicht nur das Recht weiter fragmentiert wird durch den Zwang zur Einstellung auf die neuen heterarchischen Netzwerke, sondern dass die Rechtsfunktion selbst fragmentiert wird: Das Recht nimmt stärker einen experimentellen Charakter an, indem es einzelne Teilfunktionen zur Verfügung stellt, die z. B. private und privat-öffentliche Normbildungsprozesse strukturieren, daran aber auch scheitern können. Dies gilt z. B. im Völkerrecht für die Herausbildung emergenter Rechtsformen jenseits des Staates und diesseits des klassischen internationalen Rechts (R2P, GAL) oder für die Bereitstellung der Fähigkeit zur Konstruktion von „Sachverhalten“ in komplexen Handlungsnetzwerken ohne klare Zweckbestimmung. Dazu gehören neue Formen der Mediation und der Streitschlichtung, die auch zur Herausbildung neuen Rechts führen. Diese Formen verbinden sich, wenn z. B. die neue Bewertungsnetzwerke (Ebay etc.) durch die Rechtsprechung beobachtet und ihre Produktivität irritiert werden muss. Dazu bedarf es neuer Formen des Monitoring und der Evaluation, die Recht für Lernen systematisch öffnen. Faktizität und Normativität werden so auf eine neue Weise verschleift. Die Rechtsprechung wird explizit als Instanz der „Regulierung“ privater und privat-öffentlicher Netzwerke eingesetzt. Produktiv kann dies aber nur werden, wenn es eine selbstorganisierte Infrastruktur des Wissens im Internet gibt, die beobachtbar und auf ihre „Haltbarkeit“ hin bewertet werden kann. Weiterreichende materielle oder formale Anforderungen an das Recht der Netzwerke aus dem Demokratieprinzip abzuleiten, erscheint wenig sinnvoll, wenn Staat und Verwaltung keinen eigenen Sachverstand in Anschlag bringen können. Stattdessen wäre es hier sinnvoll, in Ergänzung zu den ex ante formulierten Anforderungen an die Rechtsetzung eher das Instrument der „Nachbesserung“ zu

136 Die Privilegierung der „Singularität“ in der poststrukturalistischen Philosophie ignoriert auf eine irritierende Weise die Korrespondenz zwischen ihrer Beobachtung der Singularität und dem neuen Kult der Unmittelbarkeit in der Gesellschaft der Netzwerke, vgl. näher James (2014: 6, 9).

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IX. Über die Systemtheorie hinaus?

mobilisieren, mit dessen Hilfe ex post die Angemessenheit von Verfahren des Entscheidens zu bewerten wären. Was die Computerisierung mit sich bringt (Vesting 2015: 49 ff.), sollte auch nicht nur auf die Auflösung einer „Substanz“ der Repräsentation in einen Fluss von Zeichen und Differenzen reduziert werden. Jedenfalls aus der Perspektive des Rechts sollten eher die indirekten Wirkungen einer „Prozeduralisierung zweiter Ordnung“ beobachtet werden. Was soll das heißen? Für das Recht ist m. E. vor allem eine Wirkung der Computerisierung wichtig, die Erschütterung des Denkens in Grenzbegriffen, das die Infrastruktur des Rechts ordnend überlagert hat: insbesondere die Unterscheidung von Allgemeinem und Partikularem, von Regel und Regelanwendung, Öffentlichem und Privatem, Innen und Außen (z. B. von Organisation/Gesellschaft und Markt/Austauschvertrag) durch eine projektartige, situative hybride Aggregierung von Operationen, die sich einer Systematisierung entziehen und in Permanenz Prozessen der Umgruppierungen unterworfen sind. Für das Recht sind deshalb weniger die unmittelbaren konkreten Eigenschaften der Medienträger bedeutsam (vgl. einerseits Vesting 2015: 14 ff., 35, 38; Krauss 2008: 7, 35; Siegert 2003: 415) als deren mittelbare Auswirkungen auf das rechtliche Denken. Jede Veränderung der medialen Techniken hat Auswirkungen auf das (rechtliche) Denken. Computernetzwerke (Vesting 2015) verändern insbesondere die an der Einheit des Buches orientierte Vorstellung der Einheit des Rechts und erlauben den Übergang zum „Denken in Netzwerken“ – jenseits des einen Texts. Deshalb muss auch die Medienfreiheit „netzwerkadäquat“ gedacht werden, da das Wissen nicht mehr primär über die Selbstbeobachtung des Subjekts oder die Aggregation in Gruppen und Organisationen gedacht werden kann, sondern es müssen die „Architekturen des neuen Netzwerks der Medien“ (Vesting 2015: 203) reflektiert werden. Damit ist keine Abwertung des Subjekts verbunden, vielmehr sollen die Möglichkeiten der Bildung des Subjekts selbst vermehrt werden. Doch die „Wirklichkeit und Wirksamkeit“ der Technik – insbesondere auf das Recht – kann nicht daran gemessen werden, ob ein neues „Diagramm oder Dispositiv“ (Siegert 2003: 415) eingesetzt wird. Es muss nach den eigenständigen sozialen Formen der Kommunikation gefragt werden, die die „Prozessordnung“ (W. Neuser) des Wissens generiert und in Gang hält. Die Rechtsbegriffe sind zunächst – in der „Gesellschaft der Individuen“ – durch einen relativ stabilen „Überlieferungszusammenhang“ (H. G. Gadamer), durch Anwendungspraktiken und -muster bestimmt (vgl. auch Spitz 2014: 72). In der „Gesellschaft der Organisationen“ wird die davon geprägte Hierarchie von Allgemeinem (Begriff/Tatbestand) und Besonderem (Fallkonstellation) gelockert, die Wissensbestände und Fallkonstellationen werden heterogener und „pluralistischer“: dies erfordert eine stärker reflexive moderierende richterliche Konkretisierung des Rechts, die sich nicht primär an Gesetzesbegriffen orientiert. In der „Gesellschaft der Netzwerke“ wird das Recht weiter derart „kontextualisiert“, dass die Reflexivität selbst über eine Praxis von Operationen distribuiert wird, d. h. Rechtskonstruktionen werden mehr und mehr in „Echtzeit“ im Netz der Relationen generiert – eher „ge-

3. Prozeduralisierung jenseits der „Legitimation durch Verfahren“

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streut“ als „gesteuert“ – und moduliert. Das bedeutet, dass die Rechtsbindung ex ante nur unvollständig konstituiert wird, während die Netze als Quasi-Subjekte ihre eigene relationale Logik für das Operieren mit unvollständiger Normativität entwickeln und für die experimentelle Verknüpfung von Rechtsfiguren ex post offen sind. Insofern ist N. Luhmanns Auffassung, dass die nicht-staatliche globale Ordnung eher durch „kognitive Erwartungen“ (1971: 55) strukturiert werde, selbst unvollständig: Das kognitive Moment wird stärker ausgeprägt, weil das Wissen sich schnell verändert. Das ändert aber nichts daran, dass auf dieser Grundlage in der globalen wie der postmodernen nationalen Ordnung retrospektiv am Konfliktfall über die Haltbarkeit von Erwartungen gestritten werden muss. Die Steigerung der Kontextualität des Rechts führt auch zum Aufstieg der Schiedsgerichtsbarkeit. Die Abschwächung der Hierarchie der Normen gegenüber dem Fall hat ihre prozessuale Seite in der praktischen Einsicht, dass für das kontextuelle, heterarchisch distribuierte Recht auch die Staatlichkeit der Kontrolle, für die keine stabile Begrifflichkeit zur Verfügung steht, nicht mehr zwingend erscheint. Die Unterscheidung dieser drei Paradigmen oder Epochen des Rechts ist nicht so zu verstehen, dass das eine die andere ablösen könnte. Vielmehr muss davon ausgegangen werden, dass sie auch nebeneinander fortbestehen werden. Doch manche Bereiche (High Tech insbesondere) werden nicht mehr sinnvoll mit den alten Kategorien erfasst werden können.

3. Prozeduralisierung jenseits der „Legitimation durch Verfahren“ (N. Luhmann) Eine neue Form der Strukturbildung im Recht könnte in der Prozeduralisierung (Verzeitlichung) von Risikoentscheidungen bestehen (vgl. Dequech 2006: 109, 113): Strukturierte Lernprozesse können mit den Entscheidungen selbst verknüpft werden, wenn Teilentscheidungen für die Selbstbeobachtung des zeitlich gestreckten Entscheidungsprozesses genutzt werden und damit mehr kognitive Möglichkeiten eröffnet werden. Das heißt, die Offenheit eines wissenschaftlichen Prozesses der Suche nach „best practices“ (Zaring 2006: 294) wird abgestimmt auf den nicht mehr in einer punktuellen Entscheidung zum Abschluss kommenden Entscheidungsprozess selbst. Eine weitere Variante der Prozeduralisierung könnte in der Konkretisierung und Entfaltung eines Begriffs bestehen, den das Bundesverfassungsgericht zwar mehrfach für die Kontrolle komplexer Gesetzes- und Verwaltungsentscheidungen beschworen hat, dem aber jede Kontur fehlt, nämlich der Pflicht zur Beobachtung (Nachbesserung) von Entscheidungen (BVerfGE 49, 89, 139 ff.; 50, 290, 332 ff.). Dies könnte durchaus ein praktisches Äquivalent zur klassischen Variante des Prozessierens der Entscheidungen von Fall zu Fall sein: Dies ist das Ausprobieren ex ante, während das Monitoring (kritisch zur Überschätzung der „Evaluation“ von Entscheidungen Power 1999), die Beobachtung der Haltbarkeit von Entscheidungen

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IX. Über die Systemtheorie hinaus?

unter Ungewissheitsbedingungen ex post bedeutet (Voßkuhle 2005: Rnr. 67, 73). Entscheidungen unter Ungewissheitsbedingungen bedürfen häufig einer strukturierten Beobachtung, die nicht mehr über die allgemeine Öffentlichkeit erfolgen kann, weil der Zugang zu neuen Erfahrungen vielfach auf bestimmte Organisationen begrenzt ist (zur Finanzmarktkrise Shiller 2004; 2008). Hier bietet sich ein wichtiges Kooperationsfeld für interdisziplinäre und rechtswissenschaftliche Forschung, die auch auf die Ambivalenzen der Legalisierung und Bürokratisierung von Risikomanagement sowie der internen Prozesse von Unternehmen und Unternehmensnetzwerken eingestellt sein muss (Power 2007). Prozeduralisierung könnte nicht nur auf das Experimentieren mit einzelnen Normen bezogen bleiben (Listokin 2009; Krohn 2008: 343), sondern auch die Abstimmung von Rechtsnormen und sozialen Standards sowie die Kompatibilisierung von rechtlichen Regimes nach einem neuen Paradigma der heterarchischen relationalen Rationalität umfassen. Sie kann auch eine der Formen der Verknüpfung unterschiedlicher Regime innerhalb des globalen Rechts sein, die etwa staatliche Entscheidungen mit transnationalen Effekten nur dann zulassen, wenn dem betroffenen Staat zuvor ein Beteiligungsrecht eingeräumt worden ist (WTO App. Body 12. 10. 1998 (1999), 38 ILM, S. 121 – dazu Kingsbury 2009: 18 – Shrimps-Fall). Meine weitere wiederum verkürzende, pointierte These wäre, wie erwähnt, dass es seit dem römischen oder dem jüdischen Recht diesseits des konstituierten expliziten Recht eine Infrastruktur des Rechts gibt, die aus faktischen Normen, Praktiken, der mündlichen Torah, gibt, die man im Anschluss an V. Descombes (2013) – der das nicht primär auf das Recht bezieht – als „instituiert“ bezeichnen könnte. Darauf ließe sich eine Medientheorie des Rechts beziehen, die die Systemtheorie der „konstituierten“ Formen des Rechts ergänzen würde.137 Damit könnte auch die Herausforderung durch Brüche innerhalb des kulturellen und sozialen „Differenzierungsgeschehens“ verarbeitet werden, die die im Fluss der Signifikanten sich bildenden und verändernden Muster einem plötzlichen „Umbesetzungsprozess“ aussetzen (allg. Stäheli 2000). Bei G. Agamben, J. Derrida, in gewisser Weise auch schon M. Foucault, lässt sich eine starke Überschätzung der „konstituierten“, hierarchisch gestifteten Seite des Rechts und seiner „diskursiven Netzwerke“ (Goh 2015: 2), insbesondere der Setzung des Gesetzes durch einen Souverän beobachten (vgl. dazu im einzelnen Ladeur 2016)138, während die hier so genannte (praktische) Infrastruktur des Rechts entweder gar nicht oder als bloße ständige Wiederholung des gleichen, durch die Souveränität gestifteten Verhängnisses der Gewalt, jedenfalls als rein politisch be137

Darauf zielt Thomas Vestings vierbändiges Werk die „Medien des Rechts“, 2011 – 2015, vgl. etwa: Die Medien des Rechts 4: Computernetzwerke (2015: 3). 138 Vor allem die Bindung der Gewalt durch die Souveränität wird vernachlässigt: die kulturelle Leistung der Souveränität (und ihrer abstrakteren Herrschaftsformen lässt sich vergleichen beziehen auf das islamische Kalifat, eine Herrschaftsform ohne Souveränität, in der die „rechtschaffende“ Gewalt ständig präsent war (vgl. dazu näher Mouline (2016).

4. Die bewegliche Infrastruktur des Rechts

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stimmt eingeordnet wird. Diese Überschätzung ließe sich mit W. Benjamin lesen als ein Symptom des letzten Aufscheinens der Zentralität des Gesetzes im Prozess seines Niedergangs, der es seiner Funktion entkleidet und ein „letztes Aufglühen eines sterbenden Sterns“ und zugleich „das leere Versprechen jenes Gesetzes“ sichtbar werden lässt (Krauss 2008: 52)139. Die „Wahrheit des Gesetzes“, wenn sie beansprucht, als allgemeines Prinzip alle einzelnen Verhaltensweisen zu regeln, erweist sich als „unangemessene Anmaßung“, die sich an der grenzenlosen Vielfalt des Realen bricht und als „totalité signifiée“ sich als „fundamental unpraktikabel“ erweist, aber dennoch das Bewusstsein bestimmt (Mosès 2006: 326). Demgegenüber wird hier angenommen, dass wir es mit zwei „Registern“ des Rechts zu tun haben, die in einem Wechselverhältnis zueinander stehen. Aber es ist nicht so, dass das Recht/Gesetz primär eine einseitig durch Entscheidungen bestimmte hierarchische Struktur hätte, die ihm insbesondere durch die poststrukturalistischen Autoren nachgesagt wird. Es hat daneben eine – m. E. viel wichtigere heterarchische Struktur innerhalb deren es um die Selbständerung der Subjekte und die Selbstorganisation sozialer Normen über die Praxis der Operationen des Rechts diesseits des staatlichen oder sonst expliziten Entscheidungssystems geht. Zwischen beiden muss eine „Übersetzungsordnung“ oder eine „Kollisionsordnung“ prozessiert werden, die ebenfalls historischem Wandel unterliegt.

4. Die bewegliche Infrastruktur des Rechts Dann eröffnet sich auch ein anderer Blick auf das Subjekt, das sich nicht mehr einem fest gefügten Gegen-stand als Gegenüber konfrontiert sieht, sondern sich selbst zum Problem wird, das dezentriert wird. Man kann sogar fragen, ob das wirklich so spätmodern ist. D. Shulman/G. G. Stroumsa (2002: 4 ff), zwei Historiker der Spätantike, haben darauf aufmerksam gemacht, dass schon in den spätantiken religiösen Gemeinschaften, den jüdischen wie den christlichen, die Notwendigkeit der ständigen Selbständerung der Personen als Problem gesehen worden und dessen Abspannung in spezifisch religiösen Ritualen institutionalisiert worden ist. Damit ist die Kultur statt der Natur in der Person als „inner self“ verankert und verinnerlicht worden und eine aktive, bewegliche „kulturelle Matrix“ in Gang gesetzt worden. Auch für das jüdische Gesetz, das – wie gezeigt – kein Gesetzesbefehl ist, lässt sich eine interessante Parallele ziehen: Das, was das Gesetz verlangt, ist nicht die Unterwerfung, sondern das Studium – d. h. letztlich die Teilhabe an Prozessen der Selbständerung von Personen in einer Gemeinschaft, die nicht staatlich konstituiert wird – diese Strömung einer nicht-staatlich oder sonst ahistorisch durch „das“ Gesetz oder „die“ Souveränität begründeten Kultur wird im Anschluss an W. Benjamin, der den „Primat der Politik“ statuiert hat, bei den Poststrukturalisten unterbewertet. 139

Unter Hinweis auf Buck-Morss (1989: 241 ff.).

182

IX. Über die Systemtheorie hinaus?

5. Die Schwächung der Textualität des Rechts durch den unmittelbaren Durchgriff auf die „Situation“ und ihre Wiedergewinnung Vor allem in dem dynamischeren Teil des Rechts, dem öffentlichen Recht, wird die Textbindung des Rechts mehr und mehr unterlaufen durch die Suche nach dem unmittelbaren steuernden Zugriff auf „die Realität“.140 Interdisziplinarität bedeutet dann, z. B. „Wirklichkeitskonstruktionen“ aus den Sozialwissenschaften, aus der Kommunikationswissenschaft und – etwa im Umweltrecht – aus den Naturwissenschaften zu übernehmen. Auch dies kann nicht ohne eine Selektions- und Übersetzungsleistung des Rechts erfolgen, das sich durch die Normativität seiner Konstruktionen dazu ermächtigt glaubt, die Metaregeln für „strukturelle Kopplungen“ vorzuformulieren (Luhmann 1997: 92 ff., 100 ff., 779). Diese eher verwaltungszentrierte Sicht wird durch eine gerichtszentrierte Perspektive ergänzt, die die textbasierte Dogmatik des Verfassungsrechts durch methodisch kaum reflektierte „Abwägungen“ ersetzt, die vor allem den Geltungsbereich der Grundrechte stark erweitern und zugleich im Bezug auf „Fälle“ situativ spezifizieren, ohne stabilisierende Muster zu entwickeln. Die enge Verknüpfung des Rechts mit der „Geltung der Faktizität“ und den darin eingetragenen sozialen Normalitäts- und Kontinuitätserwartungen wird verkannt, wenn man die Orientierung an einer vorfindlichen faktischen „konkreten Wertordnung“ (kritisch) mit regelhaft konzipierten „Prinzipien“ konfrontiert.141 Dies sind nur graduelle Unterschiede. Normative und kognitive Regeln sind notwedigerweise miteinander verschleift. Vielmehr wird die Textualität des Rechtsverständnisses auf diese Weise gelockert und durch das Operieren mit sehr allgemeinen Prinzipien, vor allem dem treffend so genannten „Verhältnismäßigkeitsprinzip“, ersetzt. Das Recht operiert hier nicht mehr mit relativ festen Regeln, die durch Dogmatik aufeinander abgestimmt und variiert werden, sondern – wie sich mit Walter Benjamin (vgl. S. Weber 2004: 118) formulieren ließe – mithilfe der „Gruppierung“ von historisch wechselnden „Situationen“, deren Einsatz sich an einer variablen Kombinatorik von Interessen orientiert. Ihr Optionsraum wird aber dennoch durch Normalitätsannahmen eng begrenzt. Das Konzept versucht eine Entwicklung zu erfassen, die in zunehmendem Maße – besonders in der Postmoderne – jenseits der Unterscheidung von allgemeiner Regel und dem „Einzelfall“, der sich nach der Regel „richtet“, von strategischen Relationierungen zwischen Einzelfällen zur variablen zweckbestimmten Ordnungsbildung bestimmt wird. Im europäischen Kontext wäre noch in interdisziplinärer Perspektive hinzuzufügen, dass die Situativität der Anwendung und ihrer 140 Vgl. aus der Sicht der Rechtswissenschaft als einer „pragmatischen Handlungswissenschaft“ Hoffmann-Riem (2006a: 263); kritisch I. Augsberg (2009: 9, 165; 2009a: 71). 141 Dazu tendiert J. Habermas (1992: 310); kritisch dazu Ladeur (2000c: 67); zur „Wertentscheidung“ in der Rechtsprechung vgl. nur: BVerfGE 5, 85, 204 – KPD-Verbot; 50, 290, 337 – Mitbestimmung.

5. Die Schwächung der Textualität des Rechts

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Regeln dazu beiträgt, die Kontinuität und Gleichförmigkeit der Verknüpfung zwischen Fällen zu unterbrechen und die Kontexte in einer „nationalen“ Perspektive zu respezifizieren: Die Anwendung führt eben in den EU-Mitgliedstaaten zu unterschiedlichen Kosten, die dann eben in der Praxis wieder durch Differenzierung berücksichtigt werden können. Eine offene Form der differenzerten Anwendung von Europarecht wäre durchaus zu überlegen, soweit eben dadurch der geringere Aufwand z. B. für die Einhaltung von Umweltstandards tatsächlich nicht zu einer erheblichen Wettbewerbsverzerrung führt. Auch dies wäre ein kollisionsrechtlicher Ansatz: Die Verletzung von Umweltstandards in ohnehin nicht wettbewerbsfähigen Industriebetrieben bedeutet praktisch vielfach keinen erheblichen Vorteil der Unternehmen in „schwachen“ Mitgliedstaaten. Diese Entwicklung kann und soll hier nicht im Angesicht der älteren Unterscheidung von Interpretation der Norm und der fallbezogenen „Anwendung“ beklagt werden (Larenz/Canaris 1995: 92). Vielmehr soll gefragt werden, welche epistemologischen Voraussetzungen einem Rechtsdenken zugrunde liegen, das sich vom Rechtstext weitgehend verabschiedet zu haben scheint und „unmittelbar“ auf die rechtliche Gestaltung oder Steuerung der „Wirklichkeit“ durchgreifen zu können glaubt (Bryde 2003: Rnr. 54), indem es sich von den engen „Grenzen“ des Normtexts und seiner dogmatischen Struktur emanzipiert. Der Abschied von der begrifflichen Geschlossenheit des textgebundenen normativen Denkens (vgl. Margolis 2009: 154) ändert zunächst nichts daran, dass alle sprachlichen Äußerungen – auch die normativen innerhalb des Rechtssystems – „sich nicht auf die Realität, sondern auf kollektives Wissen“ beziehen (Schmidt 1998: 55, 62 f.). „Im Zeitalter der Buchstäblichkeit tritt an die Stelle von Weltbezug mehr und mehr Selbstbezug…“ der Schrift (Metzger 2004: 54) als Substitut der Präsenz des Gesetzes (Le Rider 2002: 252).142 Die Überschreitung der Grenzen des Texts, der Schrift des Gesetzes, scheint dem Wort, der Begründung durch die mündliche Stimme die unmittelbare Verfügung über die Wirklichkeit zu eröffnen. Der geschriebene Text setzt keine Grenze mehr, die die „Steuerung“ kontrollieren könnte. Die antithetische Fixierung auf ein Denken in „Grenzbegriffen“ des Rechts143 findet ihre Kehrseite in einer gesamthaften Perspektive auf die „grundlegenden“ Interessen, deren wirklichkeitsnahe Erfassung sowie einen verhältnismäßigen Ausgleich zwischen kollidierenden Rechten. Diese Interessen werden nicht mehr am Maßstab des stabil gehaltenen Gesetzes oder einem vorfindlichen überlegenen Erfahrungswissens aufgeklärt und im Einzelfall spezifiziert, sondern strategisch von Fall zu Fall entschieden.144 Dies ist auch zu unterscheiden von einer neueren Variante der Entscheidung über einen „Widerstreit“ von Regeln (Lyotard 1989; Gallie 1956), die 142

Vgl. zum jüdischen Verständnis der Textualität Peter Ochs (1993: 4; 1998: 7); dazu auch Döbert (2009: 199 ff.); jetzt grundlegend Vesting (2011). 143 Schuppert (2008: 325). 144 Vgl. etwa BVerfGE 7, 198, 212 – Lüth; 7, 377, 397 ff. – Apotheken; Bryde (2003: Rn. 35 ff.); kritisch Fischer-Lescano (2008: 166); Ladeur (2004).

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IX. Über die Systemtheorie hinaus?

unterschiedlichen Teilrationalitäten folgen [s. u.]. Die Frage nach der Heterogenität der „Vielstimmigkeit und Unstimmigkeit der Erfahrungswelt“ – und damit die Erfahrung als „Textur“ und als Prozess der Übersetzung und Transformation „zwischen verschiedenen Sprachen“ (Waldenfels 1985: 48, 52) – wird unterlaufen. Die neue Ordnung der „Abwägungen“ bleibt dennoch verwiesen auf Prozesse der Umbesetzung innerhalb eines „Differenzierungsgeschehens“, das als ein Prozess der Selbstorganisation des des Wissens „diskontinuierlich, katastrophisch“ verläuft (Lyotard 1994: 173) und „nicht durch vorgängige Prinzipien gesteuert wird“ (Waldenfels 1985: 56). Auch in der neueren staats- und verwaltungsrechtlichen Literatur ist das Konzept der „Steuerung“ jenseits der rechtlichen Grenzbegriffe einer immanenten Erosion durch den Aufstieg des „Governance“-Konzepts ausgesetzt (Mayntz 2008: 43), das die Einheit eines Steuerungssubjekts unterläuft und die Einheitserwartungen auf einen Prozess der Steuerung überträgt, innerhalb dessen der Staat mehrere Rollen übernimmt, die der Intervention, der Kooperation, der Influenzierung, der Vorstrukturierung von „regulierter Selbstregulierung“145, der Förderung, ohne dass dadurch der „Ordnungskonflikt“ in den Blick geriete (Waldenfels 1999: 176), der aus dem Zusammentreffen heterogener pluraler Ordnungen entsteht und auch den Referenzrahmen der Beschreibung erschüttert, weil er eine Grundordnung nicht mehr zulässt. So ließe sich in Weiterführung der paradoxen Idee des „finding as founding“ (St. Cavell) für das Recht das Modell einer sich erst ex post einstellenden Textualität denken: „finding our text“ (C. Geertz) als eine beständige Rekonfiguration der durch Lernen mit den Praktiken und Mustern der Entscheidungen und Operationen des Rechts reflexiv verschleiften Textualität des Rechts, die Regeln und Anwendungsregeln nicht mehr spontan nebeneinander laufen lässt, sondern sie immer wieder aufeinander abstimmen muss. „Finding as founding“ bedeutet aber auch, dass nicht nur die Gesellschaft insgesamt, sondern auch das Recht nicht hierarchisch aufgebaut sind ist und nicht von einem sicheren Beobachtungspunkt aus beschrieben werden können. Hier muss man – über N. Luhmann hinausgehend – anerkennen, dass die Verknüpfung der Dynamik des Wissens mit der Beweglichkeit des subjektiven Rechts immer wieder dann zu einem „Kontrollverlust“ des Rechts führt, wenn die Wissensordnung, das paradigmatische Verhältnis zwischen einzelnen Wissensarten (z. B. Erfahrung, organisierter Wissenserzeugung, vernetztes Wissen) sich verändert. Das Recht lockert dann die Kopplung zwischen den einzelnen Ordnungselementen und erlaubt mehr und andere Formen des Experimentierens, aus deren Praxis sich erst im Nachhinein neue Muster herausbilden, z. B. das allgemeine Verwaltungsrecht im 19. Jahrhundert (vgl. dazu Schmidt-Aßmann 2004, für das Planungsrecht Hoppe 1977: 136; für das „Informationsverwaltungsrecht, I. Augsberg 2014: insbesondere 18, 168). Dieser durch die Erprobung des Neuen bei der Beobachtung des Wandels der Wissensordnung begrenzte „Kontrollverlust“ lässt mehrere Möglichkeiten nebeneinander herlaufen, die alten Ordnungsmuster und Schematisierungen der 145

Vgl. nur die Beiträge in: Die Verwaltung, Sonderheft, 2001.

6. Ein vergleichender Blick auf das islamische Recht

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Dogmatik durchzusetzen und setzt darauf, dass erst ex post neue haltbare Muster der Ordnungsbildung unterscheidbar werden. Nur wenn der gemeinsame Experimentierprozess sich daran, d. h. letztlich an der Verschleifung von Mittel und Zweck orientiert (und nicht primär am Konflikt, dazu neigt aber Saar 2013), kann die relationale Rationalität ihre Leistungsfähigkeit entfalten.

6. Ein vergleichender Blick auf das islamische Recht: Die Verschließung gegen die Fragmentierung der Gesellschaft a) Offenheit und Geschlossenheit des Rechts Die beschriebene Offenheit ist eine der Stärken des westlichen Rechts. Dem islamischen Recht, aber auch russischen Recht und der russischen Kultur, der das Vertrauen in „impersonale“ Institutionen fehlt (Boym 2002; 1995, die paradoxerweise durch das Prozessieren individueller Rechte erst stabilisiert werden, ist eine solche Wandlungsfähigkeit jedenfalls in dem in westlichen Rechtssystemen beobachteten Maße fremd. Die Herausbildung des bürgerlichen Subjekts hat ihre Innenseite darin, dass das Individuum jenseits der Tradition, des Gegebenen, als offenes Subjekt instituiert wird (Greenfeld 2006: 216 ff.), das bis zur Überforderung auf die Verarbeitung einer Fülle von unterschiedlichen, ständig wechselnden Anforderungen der sich selbst organisierenden Gesellschaft einstellen muss. Die Form des Subjekts hat ihr Eigenes gerade nicht (anders Menke 2015) in sich selbst, sondern im Prozessieren des ständigen Wandels, das selbst verschiedene Ordnungsmuster hervorgebracht hat (Gesellschaft der Individuen, der Organisationen etc.). Diese „außerrechtlichen“ Komponenten des Rechts prägen die normative Infrastruktur des Rechts und müssen nach einer Konzeption des „Rechts als Kultur“ – wie oben gezeigt – in seine Beschreibung einbezogen werden. Das islamische Recht ist sehr viel weniger auf die Öffnung für die Beobachtung des gesellschaftlichen Wandels eingestellt, weil das Recht weitgehend der Religion untergeordnet bleibt (vgl. allg. Kuran 2010: 25 ff., 279 ff.; Ofek 2011: 3). Es hat durchaus auch im Islam eine „Vielstimmigkeit“ gegeben (al-Azmeh 2009: 14; Abiad 2008: XVIII f.; Krämer 2004: 132), die die Annahme unwahrscheinlich macht, dass „dem“ Islam ein bestimmtes kaum wandelbares „Wesen“ eigen ist, aus dem sich auch seine Entwicklung in der Zukunft ableiten ließe. Auch heute wird in vielen Schriften die Möglichkeit sehr unterschiedlicher Interpretationen des Koran und anderer Quellen je nach den unterschiedlichen historischen Erfahrungen islamischer Kulturen betont, zugleich wird aber häufig die „Solidarität“ der Muslime nach außen als eine Art Kompensation stilisiert (Enayat 2005: 1, 2). Einer der wesentlichen Unterschiede zwischen Sunniten und Schiiten, der für das Recht relevant ist146, besteht 146

Darauf lässt sich der Unterschied nicht insgesamt reduzieren.

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IX. Über die Systemtheorie hinaus?

darin, dass die Sunniten stärker am Konsens einer Mehrheit orientiert sind, während die Schiiten auch die Festigkeit einer kämpferischen Minderheit bewundern und die Mehrheit nur dann als Legitimität stiftend betrachten, wenn auch die Imame zustimmen (Enayat 2005: 20 f.). Die Imame haben eine besondere Rolle darin, dass der heilige „Buchstabe“ stumm bleibt147 und erst durch den berufenen Mund des Imams zum Sprechen gebracht werden kann (Van Reeth 2013: 401).148 Der Sunnismus betont stärker die Rolle der institutionalisierten Traditionen, die die Interpretation des Koran anleiten können – während die Schia die Gefahr der Anmaßung eines Wissens sieht, das nur Gott gehört (Laghmani 2003/4: 21). Die Imame unterscheiden sich von den Propheten darin, dass sie zwar – anders als die Propheten – keine heiligen Texte offenbaren, aber mit ihrer Weisheit Orientierung im Leben vermitteln (Gleave 2000: 1, 28). Das Vertrauen in die Imame ist zugleich Ausdruck der Ungewissheit über die Bedeutung der heiligen Texte, die zur Vorsicht mahnt und die Anerkennung höheren Wissens nahelegt (Gleave 2007: 268). Die Fixierung auf die wörtliche Interpretation (dazu Quraishi 2007: 83) ist Ausdruck der Suche nach Stabilität (Gleave 2012: 8) – deren Kehrseite die Ungewissheit über die Voraussetzungen und Bedingungen der Interpretation (Gleave 2000: 28, – für die Schiiten), doch wird auch dafür paradoxerweise eine Theorie der wörtlichen Interpretation benötigt (Gleave 2012: 1; zur Theorie der Interpretation auch Lowry 2002: 23 ff.). Problematisch erscheinen dagegen kontextuelle Argumente (vgl. aber auch Weiss 2006: 108) zur Interpretation, soweit sie nicht auf den historischen Kon-text der Offenbarung der heiligen Texte Bezug nehmen (Gleave 2012: 50; vgl. auch Hallaq 2009: 502).149 Die Konzeption der heiligen Rechtstexte ist „voluntaristisch“, auf den Willen Gottes bezogen und lässt sich so im amerikanischen Sinne geradezu als „intentionalist“ bezeichnen (Weiss 2006: 56), allerdings zeigt dies ein Dilemma, da der Wille Gottes eigentlich den Menschen nicht zugänglich sein kann – jenseits des Texts. Zugleich entsteht hier ein Dilemma: Der heilige Text bedarf zugleich der Interpretation im Kontext der Fragen, die an ihn gerichtet werden (Bozarslan 2004: 16). In der sunnitischen Tradition wird diese Herausforderung dadurch abgespannt, dass ein Konsens (auch durch Institutionen) gesucht wird, der es erlaubt, das Problem in der Ambivalenz zu halten. Dies ist vielleicht auch der Grund für den Vorrang der Mündlichkeit in der arabisch-muslimischen Tradition: Die Schönheit des göttlichen Texts kommt in der Rezitation der Suren und in der mündlichen Interpretation besser zur Geltung,. Sie ist zugleich eine Appräsentation des „Anfangs“ im göttlichen Text 147

Das erschwert auch die Unterscheidung zwischen „wesentlichen“ und weniger wesentlichen Teilen des Textes (Krämer 2004: 135). 148 Darin ist auch die Konstruktion des islamischen Staates im Iran begründet. 149 Deshalb ist auch die arabische Sprache mit ihrer Grammatik und Syntax eine wichtige Referenz für die wörtliche Interpretation (Hallaq 2009: 502); in Indonesien soll dies wegen der besonderen historischen Umstände anders sein (519). Dort wird der „Kontext“ weiter gefasst. Indonesien (Steenbrück 2011; Iribarne 2015: 53) ist auch ein Beispiel für die Voraussetzungen einer prekär bleibenden Toleranz gegenüber dem „Fremden“: Die Toleranz gegenüber selbst abgrenzbaren Gruppen ist eher möglich als die Toleranz gegenüber dem „Fremden im Eigenen“ der islamischen Gemeinschaft; vgl. auch Dakhlia (2001).

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(vgl. Chebel 2002: 248 ff.). Daraus ergibt sich das schiitische Gebot der „Vorsicht“ bei der Interpretation. Andererseits gibt es eine nennenswerte Zahl von Theoretikern des Islam, die eine offene, auch analogische Interpretation der heiligen Texte vorschlagen – mit der programmatischen Forderung: „negotiating the future of Sharia“ (An-Na’im 2009: 267).

b) Recht ohne Eigenrationalität Der Staat ist durch praktische Erfordernisse einerseits und durch seine Rolle als Verteidiger des Islam andererseits begründet worden (Crone 2004: 396; al-Azmeh 2001: 113 f.; 1993: 14; für das Recht El Shamsy 2013: 4). Daraus konnte das historische Kalifat auch die religiöse Legitimation zur Gesetzgebung ableiten, die aber nicht als von Menschen gemacht dargestellt werden konnte. Die politische Herrschaft (der Herrscher) erhält eine absolute Autorität, die sich aus seiner Funktion, seiner Rolle als Vermittler zwischen Gott und den Individuen, ableitet (Weiss 2006: 1, 181). Daraus ergibt sich eine problematische Ambivalenz: Der Staat wird legitimiert durch seine Rolle als Verteidiger des Islam – auch wenn der Prophet Mohammed selbst einer tribalen Gesellschaft angehörte und der Islam nicht nur keine Staatstheorie, sondern auch keine Staatspraxis hatte. Demgegenüber ist die Form der „Souveränität“ in Europa ein Ordnungsrahmen, der die Unterscheidung des Staates und der Person des Herrschers ermöglicht hat. Dadurch ist der Staat selbst zu einem „symbolischen Ort“ (Loick 2012: 36) geworden, von dem aus Unterscheidungen vorgenommen wurden, die schließlich sogar gegen die Person des Herrschers in Stellung gebracht werden konnten. Jedoch bietet die Stellung als „Verteidiger“ des Islam die Gelegenheit, ihre Herrschaft selbst nicht nur religiös zu begründen, sondern auch für sich in Anspruch zu nehmen, dass Gott ihnen auch den Zugang zur „Wahrheit“ eröffnet hat. Dies ist – wie M. Safouan (2008: 134) schreibt – eigentlich sogar „blasphemisch“, da die „endgültige Interpretation“ der Welt allein Gott vorbehalten ist. Die unterstellte Ignoranz des Menschen und seine daraus resultierende Schwäche verleiht dem „stark“ (für den Islam) auftretenden Staat eine Legitimation dadurch (Ennayat 2005: 67), dass sie die Grenzen des Wissens der Einzelnen durch politische Stärke kompensieren zu können scheint. Die Bedeutung der Stärke der Herrschaft für ihre Legitimation geht auf die Gewaltverhältnisse zwischen den Wüstenstämmen zurück (Diner 2005: 203). Die Schwäche der Gesellschaft und der Rechte des Individuums erlaubt eine öffentliche Auseinandersetzung über diese Frage nicht. Daraus entsteht ein Dilemma: Die dominante Religion kann den Aufstieg „extraktiver“ politischer Systeme nicht verhindern150, zugleich wird die Gesellschaft passiv; auch dies ist eine Kehr150 Dies ist der Begriff, den Acemoglu/J. Robinson (2013) zur Bezeichnung der Staaten verwenden, die – im Gegensatz zu „inklusiven“ Systemen nur an der kurzfristigen und kurz-

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IX. Über die Systemtheorie hinaus?

seite der Dominanz der Religion. In keinem arabischen Land existiert eine Öffentlichkeit, in der über die „gemeinsame Sache“ gestritten werden kann, die jenseits der Interessen der Individuen und jenseits des immer noch verbreiteten Stammesdenkens (das mit einfachen Inklusionen und Exklusionen verbunden ist) zu verorten wäre. Dies wäre eben letztlich die Orientierung am Paradigma der Stadt, das diesseits der öffentlichen Foren auf der Lebendigkeit des „gemeinsamen Wissens“ basiert, das zwischen den Individuen durch Lernen, durch die Konstruktion des „man within“ aus der Beobachtung des „man without“ (A. Smith), aus der Erfahrung der anderen. Deshalb ist auch heute noch in den islamischen Staaten die Möglichkeit eines friedlichen Übergangs zu einem demokratischen politischen System schwer vorstellbar: Die Alternative zur Geschlossenheit des Staates, der keine Opposition und keine Auseinandersetzung unterschiedlicher „Identitäten“ zulässt, ist dann … der ebenso zerstörerische Terrorismus (Safouan 2008: 138). Der entscheidende Unterschied zu den westlichen Gesellschaften besteht darin, dass eben die Gesellschaft keine Eigenrationalität der Selbstorganisation des Rechts entwickelt hat (al-Azmeh 2014: 519). D. h. nicht, dass es keine autonomen gesellschaftlichen Entwicklungen gegeben hätte, aber es fehlt eine eigene Legitimation und Theorie der Gesellschaft, die für die Selbstbeobachtung und vor allem die Wahrnehmung von Krisen von Bedeutung ist. Insbesondere wird das Recht nicht als Ausdruck gesellschaftlicher Selbstorganisationsprozesse begriffen, sondern – jenseits des traditionellen Gewohnheitsrechts – eher dem Staat zugerechnet, der der Hüter des Islam ist. Daraus – und aus der starken moralischen Fixierung des Rechtsverständnisses – entwickelt sich auch ein Mangel an Berechenbarkeit des Rechts, soweit es nicht um lokale Rechtspraktiken geht (Rosen 1989), da es unter diesen Bedingungen nicht zur Herausbildung eines stabilen Korrespondenzverhältnisses zwischen Recht und gesellschaftlichen Rechtspraktiken kommen kann. So hat auch das religiöse Zinsverbot tatsächlich den Aufstieg einer Banken- und Kreditwirtschaft nicht verhindert (Diner 2005: 211). Der Ruch der religiös basierten Illegalität hat jedoch die Entwicklung einer durchgearbeiteten Rechtslehre blockiert; die in der Lage gewesen wäre, die Reflexivität zu entwickeln, die ein Recht benötigt, das auf die Selbstbeobachtung durch Dogmatik und auch Theorie eingestellt ist, das Formen und Figuren, also Unterscheidungen in professionellen Diskursen stabilisiert, aber auch Neues gedanklich vorauseilend erprobt. Auch praktisch entwickelte sich im Mittelalter eine Produktionsform heraus, in der „Kapital“ und Arbeit nicht

sichtigen Ausbeutung von Ländern orientiert sind: dies passt auf so gut wie alle arabischen Staaten. Ein neues Beispiel dafür ist Saudi-Arabiens Weizenproduktion: Für die Gewinnung einer Tonne Weizen werden 100 Tonnen Wasser benötigt, die aus einem in 10.000en von Jahren entstandenen natürlichen Wasserreservoir gewonnen werden, vgl. den Bericht des Economist aus dem Jahre 2003: http://www.economist.com/node/1906914. Bei einer solchen Verschwendung von Wasser in einem Dürregebiet ist das Versiegen der Quellen absehbar … die Weizenproduktion ist aufgegeben worden. Von den Wasservorräten ist nicht viel übriggeblieben, http://www.bloomberg.com/news/articles/2015 - 11 - 04/saudi-wells-running-dry-of-wa ter-spell-end-of-desert-wheat.

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deutlich (auch nicht rechtlich) getrennt waren und die Rationalisierung in späteren Epochen behinderten (Diner 2005: 214 f.). Dan Diner (2005: 194) fragt mit Recht: „Warum ist das Sakrale allerorts anzutreffen: in der Sphäre von Politik, von Ökonomie, im Sozialen, im Privaten, in den Beziehungen der Geschlechter zueinander?“ Das politische Denken des Islam war immer religiös bestimmt (Crone 2004: 15). Zugleich wirkte sich dies auf das Krisenbewusstsein nach der Niederlage in Spanien aus (Crone 2006): Dem Islam war die Vorstellung eigen, dass Gott dem Starken helfe und dass dies der Islam war. Auch diese Vorstellung geht auf die unmittelbaren Gewaltverhältnisse zwischen den starken und schwachen Wüstenstämmen zurück (vgl. dazu Diner 2005: 196 ff.). Obwohl der Islam unterschiedliche Quellen des Wissens anerkennt (Heck 2013: 299), gibt es vor allem seit dem Aufstieg der „world of facts“ immer mehr Konflikte zwischen dem religiösen und dem weltlichen Wissen. Während in westlichen Gesellschaften die wachsende Bedeutung von Wissenschaft und Technik nach jahrhundertelangen Kämpfen zur Herausbildung eines „dualistischen“ Weltbildes führte (Rhonheimer 2012; Maier 2015: 6; Depenheuer 1999: 19, 21 f.), das säkulares und religiöses Wissen in einem relativ stabilen Entsprechungsverhältnis konstruiert, das Eigengesetzlichkeiten der Naturwissenschaften, aber auch des Rechts anerkennt, fällt dem Islam diese Entwicklung einer Art „Kollisionsordnung“ schwer, da dem weltlichen Wissen eine eigene Legitimationsbasis fehlt (wie etwa in westlichen Kulturen für die Philosophie und das Recht). Der Philosophie begegnet der Islam schon deshalb mit Misstrauen, weil sie auf die eine oder andere Art immer wieder den Menschen als Quelle der Erkenntnis und als Eigenwert (auch jenseits der Religion) anerkennt (Benslama 2009: 116). Max Weber ist grundsätzlich zuzustimmen, wenn er das islamische Recht als Hindernis für die Entwicklung eines „profanen Rechts“ der Gesellschaft angesehen hat (M. Weber 2002: 424, 476). Zwar geht er stillschweigend davon aus, dass die rationale Form des westlichen Rechts im Einklang mit der funktionalen Differenzierung und der Evolution der Gesellschaft stehe, ein Ansatz, gegen den heute der Vorwurf des „Orientalismus“ (E. Said) erhoben wird, einer Sichtweise des Islam, der diesen von vornherein als „Abweichung“, als das andere des westlichen Rechts charakterisiert und die Eigenständigkeit seiner Kultur verfehlt (Shalakany 2008: 8).151 Dies erscheint gerade auf dem Hintergrund einer Konzeption, wie sie auch hier vertreten wird, nämlich der Beobachtung von „Recht als Kultur“ problematisch: Dies erweist sich sowohl im Blick auf das westliche als auch das islamische Recht als produktiv: Es lässt sich dann annehmen, dass die von M. Weber (2002: 397) so ins Zentrum seiner Beobachtungen gestellte formale Rationalität des Rechts, seine Regelhaftigkeit, keineswegs eine so große Bedeutung für das Recht gehabt hat und 151 Shalakany (2008: 8) kritisiert insbesondere die Darstellung des islamischen Rechts als – wegen seiner religiösen Wurzeln – „immutable“ durch Zweigert/Kötz (1987: 373); ähnlich auch Hassan (2002: 297).

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IX. Über die Systemtheorie hinaus?

noch hat – wie vor allem das Common Law zeigt. Viel bedeutsamer ist die Öffnung des Rechts für die Beobachtung von „Eigengesetzlichkeiten“ der Faktizität der Gesellschaft, die nicht von vornherein einem Bestand von vorgegebenen religiösen Regeln unterworfen werden (vgl. Gephart/Hermes 2010: 100). Dies schließt z. B. auch für den Islam und sein Recht nicht grundsätzlich den Wandel in der Zeit aus – im Gegenteil. Allerdings ist die Gesellschaft auch nicht so flexibel, wie Patricia Crone (1999: 253, 258) in ihrer Polemik gegen M. Webers Hypostasierung der formalen Rationalität des Rechts meint. Sie räumt selbst ein, dass der Islam nicht die Vertragsfreiheit kennt und viel stärker auf den Schutz der Gleichheit der Vertragspartner und der Äquivalenz des Austauschs bedacht ist (auch Hamoudi 2008: 105). Dies zeigt, dass das islamische Recht eine starke moralische Komponente besitzt, die in der Fixierung auf die Kontrolle des Verhaltens privater Individuen (Weiss 2006: 24; Diner 2005: 241) zum Ausdruck kommt.

c) Das Subjekt „im Westen“ und im Islam Das liberale Subjekt der westlichen Zivilisation steht in einem engen Korrespondenz- und Trennungsverhältnis zum modernen Staat und der dynamischen, sich selbst verändernden Gesellschaft. Dieses Verhältnis ist ein Spannungsverhältnis, das viele Varianten zulässt und immer eine Unruhe, ein Oszillieren zwischen verschiedenen Figuren der Subjektivität erzeugt. Das Subjekt steht mit der sich einer juristischen Variante der „Kulturarbeit“ (S. Freud) verdankenden Abstraktionsleistung, die in einem Entsprechungsverhältnis zum universalistischen Staat entsteht, in der Lage – wenn auch nicht ohne Widerstände – sich auf die Identifikation mit unterschiedlichen Objekten einzustellen, die ihm die moderne Gesellschaft jenseits der Tradition abverlangt (Benslama 2009: 61). Dies ist eine der Erscheinungsformen der Trennungen und (Unter-)Scheidungen (Steinhauer 2015), mit den das Recht operiert und operieren muss, während ein – oder das? – Problem des islamischen Rechts darin besteht, dass es von Anfang an, und nicht erst im Nachhinein (wie im postmodernen Rechtsdenken – Stichwort: „Abwägung“ – in Trennungen und Unterscheidungen152 denkt und nicht mit unscharfen Übergängen und Ambivalenzen, die die Selbstbeobachtung erschweren. Im Islam sorgt die tradierte starke Dominanz des Vaterbildes für eine Verschließung der Subjektivität gegen die Gefahren der Identifikation mit den vielfältigen Fragmenten der Subjektivität. Allerdings lehnt der Islam die christliche und jüdische Vorstellung Gottes als „Vater“ ab – und zwar zugunsten einer unmittelbaren, 152 Das ist einer der zentralen Gedanken N. Luhmanns (1993: 26 ff.): „… jede Beobachtung und Beschreibung (muß) eine Unterscheidung zugrunde legen …“ „Um etwas bezeichnen (intendieren, thematisieren) zu können, muß sie erst einmal unterscheiden können.“ Dies ist eine grundlegende These, die im Poststrukturalismus bekämpft wird, der erst einmal auf die Seite des damit verlorenen „Anderen“ schaut (zur Kritik Ladeur 2016), aber nicht das Dilemma des Verlustes der „einen“ Seite sieht.

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nicht durch die Figur des Vaters vermittelte Öffnung für den Anruf Gottes (Benslama 2003/4: 139), der damit als fremder Gott strafend und überwachend allgegenwärtig ist. Zugleich führt die unmittelbare Zuschreibung des koranischen Texts an Gott dazu, dass die kollektive wie die individuelle Imagination die Präsenz des Buchstabens, des Signifikanten des Absoluten, als die Schönheit des Texts (Kermani 2015) in der Welt erleben kann (Meddeb 2013: 7). Demgegenüber erwartet der jüdische und der christliche Gott, dass die Menschen nach ihrem eigenen Willen handeln (und verantwortlich sind; Ludin 1994: 405 f.; vgl. auch Zimra 2003: 117). Die islamische Gottesvorstellung räumt dem Individuum nicht die positiv bewertete Willensfreiheit ein und erschwert andererseits die symbolische Überwindung des allmächtigen irdischen Vaters durch das eigene Verhältnis des Sohnes (und später auch der Tochter) zu der selbst geschaffenen Realität des Denkens und des Handelns (Ludin 1994: 408 f.). Die „Krise des Vaters“ (und des Gesetzes) ist „im Westen“ schon früher in der Psychoanalyse, literarisch nicht zuletzt in Kafkas Werken verarbeitet worden (Mosès 2006: 303 ff.). Das Individuum tritt im Islam nicht aus dem „Kollektiv“ der Familie wie der muslimischen Gemeinschaft heraus und hat deshalb auch ein anderes Verhältnis zur „Wirklichkeit“ der Objekte, die nicht auf ihn zuzurechnen ist. Dies ist eine Erscheinungsform der Vermeidung von Unterscheidungen, die die politischen und wirtschaftlichen Ordnungsmodelle der Staatlichkeit charakterisieren. Dem entspricht die Orientierung an einem holistischen Wissensmodell, das die analytische Dimension des Zergliederns, der Herausbildung von Zurechnungen auf Personen und Sachen, eher vermeidet. In den islamischen Ländern hat nicht zuletzt die wirtschaftliche Unterentwicklung zu einem Niedergang der Ordnungsleistung der Figur des Vaters beigetragen (vgl. Bennani 2009: 59). Das islamische Recht bemüht sich, wie L. Rosen (2000) beschreibt, eher um sorgfältige Bewertung von Personen als um die Konstruktion von Tatsachen und Kausalitäten. Dies ist aber eines der hervorstechenden Merkmale des westlichen Rechts. Dass dieses Denken in der Postmoderne in eine Krise gerät, ist oben beschrieben worden. Der postmoderne islamistische Mythos des unmittelbaren Zugangs zum heiligen Text ist eine Form, die Pluralisierung des Subjekts zu verweigern und stattdessen die unmittelbare Anerkennung durch die Religion zum Gegenstand einer von anderen Identitäten unterschiedenen „Identität“ zu machen. Die traditionelle Unschärfe der Unterscheidung von Wirklichkeit und Wahrnehmung im „arabischen Denken“ („Arab reason“, Abed al-Jabri 2011: 28, 40), die Neigung zu holistischen, bewertenden, nicht objektiven Beobachtungen der „Einheit“ von Wirklichkeit und Denken. Im postmodernen Islamismus wendet sich die aus der Konsensorientierung herausgelöste Subjektivität des Gefühls gegen die Vorstellung einer objektiv geordneten Welt, deren Vernunft nur die „des Westens“ sein kann (Kadri 2012: 508). Dies ist letztlich eine postmoderne Form des antiinstitutionellen Denkens, das durchaus wieder in einer „entangled history“ gesehen werden kann: Es ist eine spezifisch islamische Form der Regression in die kollektive Vorstellung des Rechts

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eines Kalifats, die den antiinstitutionellen Affekt, die Reaktion gegen die Komplexität der Postmoderne und ihrer opak gewordenen Institutionen in der offenen Brutalität der im wahrsten Sinne des Wortes rücksichtslosen „Anwendung“ des Rechts zum Ausdruck bringt.153 Das antiinstitutionelle Denken hat stark destruktive Züge, weil es die notwendige Fragmentierung des Subjekts und die Notwendigkeit des „Selbstmanagements“ durch die Behauptung einer islamischen Identität der Individuen überspielt, die sich gegen die objektive wie die subjektive Pluralisierung in Stellung bringt (Benslama 2009: 92). Nach F. Benslama (2009: 27) ist der aggressive Rekurs auf die Körperlichkeit, die grausame Tötung der „Feinde des Islam“ einerseits sowie die Bereitschaft zur Selbstaufopferung und der Kult der Gemeinschaft mit den „Märtyrern“ andererseits symptomatisch für die islamistische Suche nach dem „Ursprung“, dem reinen Anfang, der im Tod vor allem den als oberflächlich angesehenen westlichen Kult des „Lebens“ um jeden Preis angreift. Die westliche Form des regressiven antiinstitutionellen Denkens, die – dies sei zugegeben – sicher die harmlosere Variante ist, kommt in der Überforderung des Staates wie der Gesellschaft der „anderen“ durch die Forderung nach unvermittelter Anerkennung der eigenen „Identität“ (vgl. kritisch Giglioli 2016: 45 zu Honneth), des eigenen und des fremden Selbstgefühls, zum Ausdruck. „Identität“ ist nicht eine Abwandlung der Figur des Subjekts, sondern der Einzelne, der unmittelbar „sein“ Recht verlangt – ohne sich durch die Abhängigkeit des Rechts von Institutionen irritieren zu lassen. Die Selbst- und Fremdanerkennung erfolgt nicht mehr vermittelt durch allgemeine Formen und Figuren, sondern bezieht sich auf unmittelbare formlose identitäre Befindlichkeiten, die sexuelle Identität, das Engagement für bestimmte minoritäre Gruppen, ökologisches Leben, informationelle Selbstbestimmung (vgl. Benslama 2014: 155). Dies ist eine der Erscheinungsformen der Tatsache, dass es in der „Gesellschaft der Netzwerke“ schwierig geworden ist, das Konzept des (Rechts-)Subjekts weiterzuentwickeln. Eine der möglichen Varianten der künftigen Entwicklung besteht in der Anerkennung der islamischen Identität, wie sie durch das Tragen des Kopftuchs durch Lehrerinnen zur Geltung gebracht wird. Es ist dies eine unmittelbare „Anerkennung“, die letztlich eine strukturierte Auseinandersetzung um den Islam in den Institutionen westlicher Gesellschaften verhindert. Die Reflexion der Geschichte und des Rechts des Islam liegt auch im Interesse eines Islam in westlichen Gesellschaften. Auch im Interesse der Internationalisierung des Schutzes der Menschenrechte ist eine sachliche, aber nicht von Tabuisierung der beschriebenen Spannungen innerhalb der islamischen Rechtskultur bestimmte Diskussion erforderlich. Die Propaganda gegen die Gefahr der „Islamisierung des Abendlandes“ und damit des Terrors findet ihr Entsprechungsverhältnis auf der anderen Seite des politischen Spektrums in „political correctness“, die jede kritische Beobachtung des Islam unter Verdacht stellt 153 Die Schiiten haben auch in früheren Zeiten schon die Abschaffung des islamischen Rechts gefordert (Benslama 2009: 116). Die Vorschriften des Koran, die Verhaltensregeln enthalten, wären dann nur noch als moralische Normen behandelt worden.

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und dazu beiträgt, dass sich Muslime primär als Opfer des Westens sehen und den eigenen Anteil an der Misere der islamischen Welt verdrängen. Andererseits besteht auch und gerade in der Auseinandersetzung mit dem Islam Anlass, darüber zu diskutieren, welches denn „unsere Werte“ sind (vgl. auch Di Fabio 2015), wie „unser Recht“ funktioniert und welches seine unvermeidlichen Grenzen in einer Gesellschaft sind, die nicht durch den Staat oder sonst durch eine hierarchische Stufung integriert wird – vor allem gilt es auch, ein realistisches Verhältnis zur damit einhergehenden „Opakheit“ der Gesellschaft zu gewinnen. Zu diesen „Werten“ gehört eine Verständigung über die christlichen Grundlagen auch der säkularisierten Moderne und des Individualismus (Siedentop 2015). Dies dürfte die produktive Auseinandersetzung mit dem Islam in westlichen Ländern eher fördern als eine blinde „Toleranz“ auch für problematische regressive Formen seiner Entwicklung. Dies ist eine der ihrerseits regressiven Formen der postmodernen „Identitätspolitik“, die institutionelle und kollektive Zwänge und Bindungen nur unter dem Aspekt ihrer Gefährdung eines sich durch seinen Opferstatus selbstbestimmenden Individualismus beobachten. Der Islam muss in der Globalisierung zu einem neuen pluralistischen Rechtsverständnis (zurück-)finden – in seinen eigenen Formen, dies erscheint durchaus möglich (vgl. allg. Abed al-Jabri 2014). Die Zukunft des „Dialogs der Kulturen“ dürfte deshalb auch eher eine multireligiöse sein als die einer Areligiosität, die die fremde Religion als eine Moment der Selbstbestimmung über „Identitäten“ betrachtet: Die einen tragen islamische Kopftücher, die anderen sind homosexuell!

d) Zwei Alternativen der künftigen Entwicklung Gegenwärtig lassen sich zwei extreme Alternativentwicklungen des politischen Islam unterscheiden, die ihren Widerhall auch in der muslimischen Diaspora in Europa finden: Für die eine Version des politischen Islam steht die Mobilisierung des Mythos des Kalifats, dessen historisch-realer Entwicklung sich nach langen blutigen Kämpfen die (weitgehende) Realisierung der Einheit der „Ummah“ und der politischen Organisation verdankt. Doch die „Ummah“ hat anders als die durch Regeln und Institutionen gebrochene westliche Souveränität (des Staates) den Charakter eines symbolisch unvermittelten und zwingenden Körpers (Chebel 2002a), wie die bildliche Darstellung des Leviathan auf dem Frontispiz des Hobbesschen Buches, die allerdings durch die sprachliche Ausdifferenzierung sich in eine vermittelte Symbolik verwandelt. Nach seinem Zerfall im 13. Jahrhundert (Mouline 2016) hat das Kalifat als Mythos bis heute weitergelebt. Es ist bezeichnend für die Ambivalenzen der islamischen Formen der Selbstdarstellung, dass das „Kalifat“ des sog. Islamischen Staats (IS) zwar keinerlei historische Legitimität in Anspruch nehmen kann, statt dessen aber sich auf die Darstellungen des Kalifats in Fernsehsendungen arabischer Stationen berufen kann (Mouline 2016: 261 f.) , die in den arabischen Ländern sehr beliebt sind. Das Dilemma des „Kalifats“ in der Moderne wird aber daran deutlich, dass das „Kalifat“ sich auf eine parasitäre Weise finanzieller Res-

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IX. Über die Systemtheorie hinaus?

sourcen und Transaktionen bedient, die für die westliche Wirtschaft charakteristisch sind (Verkauf von Öl, Ausschlachten öffentlicher Banken etc.). Dass daraus ein politisch tragfähiges politisches Modell entstehen könnte, erscheint wenig wahrscheinlich. Der „Islamische Staat“ ist aber nicht nur auf Terrorismus zu reduzieren, er hat eine politische Theologie entwickelt (vor allem durch Schriften von Abû Bakr Nâjî; Mouline 2016: 253 ff.), die eine Vertrautheit mit europäischen und südamerikanischen Theorien der Gewalt erkennen lässt. Die Gewalt des „Islamischen Staats“ wird geradezu als eine „begründende Gewalt“ (W. Benjamin) apostrophiert (vgl. Derrida 1991: 60, 83), deren reinigende Kraft die Herrschaft des islamischen Gesetzes, der Scharia als Lebensform, ermöglichen wird154 und die Zersplitterung des Wirklichen, mit der sich z. B. literarisch Kafka auseinandergesetzt hat (Mosès 2006: 303 ff.), wieder aufhebt. Die Herrschaft des Gesetzes muss sich zunächst durch die absolute Gesetzlosigkeit durchsetzen – auch dies ist ein „im Westen“ nicht unbekanntes Motiv. Anlass zu Optimismus bieten nicht nur die meisten der hier zitierten Arbeiten muslimischer Autoren, sondern auch „protodemokratische“ Entwicklungen zur Autonomie der Gesellschaft etwa im Iran. Dort scheint sich ein „neues Denken“ eines Islam zu verbreiten, das gegen den Islamismus eine stärkere Unterscheidung von Politik und Religion, Staat und Gesellschaft, vor allem einer Autonomie des Individuums gegenüber der Gemeinschaft akzentuiert (Khosrokhavar 2001: 317) – nicht zuletzt aufgrund der Erfahrungen mit einem politischen System, das diese Unterschiede jahrzehntelang unterdrückt hat, ohne dabei ein konsistentes Verständnis der Zentralstellung des Religiösen hervorbringen zu können. Gerade ein rechtlich basiertes Religionsverständnis versucht, die notwendigen Trennungen und Unterscheidungen, mit denen das Recht operiert, für die Entwicklung eines religiösen Pluralismus und eines „Dialogs der Zivilisationen“ zu akzentuieren (Khosrokhavar 2001: 314), ohne sich durch die alten Freund-Feind-Polarisierungen irritieren zu lassen. Eine der Schwächen des Islam im Osten wie im Westen ist darin begründet, dass die die Kultur prägenden Mittelschichten eher schwach sind. Dies trägt dazu bei, dass die Heilserwartungen kulturell und wirtschaftlich depravierter Unterschichten und randständiger Intellektueller, die darauf mit einer messianisch grundierten negativen Theologie der Destruktion antworten155, das Bild des Islam prägen können.156 Dass die neue Demokratie eine islamische sein kann, ist nicht von vornherein ausgeschlossen, gerade wenn man die christlichen Grundlagen der „westlichen“ Demokratie betont. Daraus kann sich im Islam ein Spannungsverhältnis zwischen dem Verfassungsdenken und der Notwendigkeit eines islamischen Rechts in einem islamischen Staat ergeben (Feldman 2008: 13, 112). Gerade die beschriebene 154

Vgl. allg. zur Ideologie des „IS“ auch Guidère (2015: 44). Dieses Phänomen ist „im Westen“ auch gut bekannt, seine Brisanz wird aber durch den kulturellen Pluralismus in westlichen Ländern begrenzt. 156 Man darf nicht vergessen, dass eine der Stärken der islamistischen Bewegungen in den arabischen Ländern in der Organisation von Hilfe für Arme besteht, die der Staat und die herrschenden Schichten nicht leisten (Daadaoui 2008: 186). 155

6. Ein vergleichender Blick auf das islamische Recht

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„Opakheit“ der Demokratie und des Rechts ist aber von der Neigung des Islams zum Operieren mit und zur Duldung von Ambivalenzen nicht grundsätzlich verschieden; sowohl „Islam“ als auch „Demokratie“ sind „bewegliche Ideen“ (Feldman 2003: 30 f.). Jedenfalls lässt sich nach den notwendig kursorisch bleibenden Überlegungen zum Recht im Islam mit N. Feldman (2003: 78) festhalten: „The impediment to democracy is not Islam …“

e) Resümee Das, was D. Diner (2005) etwas plakativ, aber letztlich doch treffend als die „versiegelte Zeit“ des Islam genannt hat, lässt sich in einer weniger bildhaften Sprache auch als die Vermeidung von Unterscheidungen bezeichnen. Es ist eine Lebensform der Unentscheidbarkeit, einer wichtigen Referenz des Poststrukturalismus (Ladeur 2016), die das Andere, Gott und die heiligen Texte nicht ausschließen oder in Konkurrenz zu anderen säkularen kulturellen Symbolen treten lassen will, die zwangsläufig zu einem Niedergang des Religiösen führen würde (Greenfeld 2006: 93). Der Ordnung bildende Glaube würde abgelöst durch eine „multidimensional fabric of symbolic systems“, die dem Einzelnen ein fast anomisch zu nennendes Vermögen abverlangt, Inkonsistenzen zwischen verschiedenen Werten, Normen, Realitätskonstruktionen nicht nur auszuhalten, sondern aktiv zu Entscheidungen ohne feste Grundlage und ohne sichere Erwartung zu verarbeiten (Greenfeld 2006: 9). Allerdings zeigt sich, dass die Unentscheidbarkeit nicht erhalten werden kann: Die Versuche, die radikale islamistische Bewegungen mit dem Ziel unternehmen, den Islam „wiederherzustellen“, bedienen sich selbst (post-)moderner Formen, die die Absicht unterlaufen und das Anomische der (Post-)Moderne noch verstärken. Es bleibt dem Islam nichts anderes übrig, als seinerseits „creative imagination“ (Greenfeld 2006: 220) zu entwickeln, die es erlaubt, mit den Entscheidungen und Unterscheidungen der Postmoderne zu leben (vgl. Meddeb 2013: 128) – der allerdings realistisch annimmt: am Ende einer solchen Bewegung werde ein „postislamisches Subjekt“ stehen.

Ausblick: Lernen vom jüdischen Gesetzesbegriff? Die Textualität in der jüdischen Tradition157 steht in einem Gegensatz zur Identifikation mit dem Leib/Körper Christi in mehrfacher Hinsicht. Die Textualität impliziert von vornherein die Bindung an eine Gemeinschaft – und das heißt nicht die Universalität der Menschen – anders als im Christentum. Diese Überlegung geht auf die berühmte Paulus-Stelle zurück: „Der Buchstaben tödtet, aber der Geist machet lebendig“ (Ladeur/Augsberg 2009: 431). Der Text stellt einen Anspruch an uns – heißt es in Untersuchungen zur jüdischen Textualität (Ochs 2003: 120). Der Anspruch zielt – und das ist ein zentrales Element – auf das Studium des Textes in einer Gemeinschaft. Das ist ein sehr beziehungsreicher Anspruch. Er bedeutet zunächst, dass die Beziehung zum Text eine Lebensform ist, die eine ihrer Konsequenzen darin hat, dass die Juden „auserwählt“ sind. Dieser Anspruch hat viele Missverständnisse ausgelöst. Letztlich ist dies aber keine Anmaßung, sondern der Textualität geschuldet. Der Text158 verlangt eben ein Studium und ein Leben nach dem Gesetz, das sich nicht von selbst versteht. Für einen Text kann nicht missioniert werden. Wie sollte das gehen? Der Aufruf zur Identifikation mit dem Leib Christi und der göttlichen Liebe bietet einen ganz anderen, zunächst einfach erscheinenden Zugang zur Religion. Christus zu „folgen“ bedeutet den Bruch mit dem alten Legalismus ohne ein neues „Programm“. Damit wird ein Zeichen „gesetzt“ und zugleich das Subjekt der Setzung dieses Zeichens anerkannt: „Und dann komm und folge mir nach!“ (Markus 10, 24). Doch nun zu dem berühmten Streit zwischen Rabbi Eliezer und Rabbi Jehoschua (Reichman 2016) über den Ofen von Akhnai.159 Wie muss ein dem göttlichen Gesetz entsprechender Ofen gebaut sein? Kann sich eine Gemeinde gegen die göttlichen Zeichen, genauer gesagt, gegen die „Himmelsstimme“ auflehnen, die doch so eindeutig ist? Man findet in der neueren judaistischen Literatur die Auffassung, dass das Gesetz kein Befehl sei, sondern der Befehl Gottes nur die Gründung von Gemeinschaften/Städten zum Gegenstand habe (Gibbs 2012: 371), die sich dem Studium des Gesetzes zu widmen hätten. Dies ist in einer rechtshistorischen Perspektive ein faszinierender Gedanke, wenn man von hier aus eine Brücke zum griechischen und römischen Recht schlägt. Auch dazu vertreten Rechtshistoriker die Auffassung, dass 157 Das Schlusskapitel entspricht weitgehend dem Text eines Kommentars zu einem Vortrag von R. Reichman (2016). 158 Damit soll die Bedeutung der mündlichen Torah nicht negiert oder geschmälert werden (dazu Handelman 2011: 4 f.), die jüdische Textualität erscheint aber für die Rechtstheorie besonders anschlussfähig. 159 http://www.jhom.com/topics/voice/bat_kol_bab.htm.

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der Anfang des griechischen und des römischen Rechts, die den Ursprung des modernen Rechts gebildet haben, die Stadt sei, die Stadt mit ihrer beginnenden Dynamik (Thomas 2011a) , deren Ordnung nicht mit einem stationären Sakralrecht vereinbar war. In einem Entsprechungsverhältnis dazu befindet sich in der jüdischen Tradition die Figur des „Nachbarn“160, die stärker durch einen lokalen, zufälligen Bezug zum jeweils anderen bestimmt wird, stärker als der „Nächste“ im Christentum, der einfach jedermann ist.161. Auch wenn es nicht den Anschein hat, nähere ich mich doch dem Streit zwischen Eliezer und Jehoschua: Für Eliezer ist der Text Befehl, der vom Befehlsgeber Gott durch seine Stimme frei abgewandelt oder erläutert werden kann. Die Aufgabe der Erläuterung kann einem privilegierten Menschen übertragen werden. Aber der Text ist einmal der Gemeinschaft der Juden übergeben worden – und ist jetzt „nicht mehr im Himmel“. Umgekehrt, wenn der Text nicht dem Volk gegeben worden wäre, wäre er eben immer noch im Himmel. Jetzt aber kann die „Autorität“ des Studiums der Rabiner oder der Gemeinde, und zwar der ganzen Gemeinde (und nicht nur der Mehrheit oder einer institutionalisierten privilegierten Autorität) auch gegen die Stimme des Himmels gewendet werden (Gibbs 2000: 220 f.). Der wirkliche Urheber des Textes gehört sozusagen nun nur noch zur Umwelt der Kommunikationen, die das „System“ ausmachen, das durch das Studium der Gemeinde generiert wird. Diese institutionelle Besonderheit kommt vielleicht in der Verknüpfung mit der Habermasschen Diskurstheorie zu kurz. Die Gemeinschaft ist begrenzt in doppelter Hinsicht – nicht angelegt auf universale Teilhabe, sondern konstituiert durch den Bezug auf das Gesetz, der keinen rationalen Diskurs ohne Vorgaben und Bedingungen (außer der Gleichheit der Beteiligten) zulässt. Dies hat seine Konsequenz wiederum darin, dass Rituale beachtet werden, die die Traditionen der Gemeinschaft präsent halten, nicht konservieren, aber eben immer wieder zum Gegenstand des Studiums machen. Dadurch wird auch die Bedeutung des Textes bestimmt. Er bleibt auf das Studium in der Gemeinschaft bezogen, ihre Interpretation wird durch die Probleme, mit denen die Gemeinschaft konfrontiert wird, immer wieder neu irritiert. Eine besondere Produktivität hat das jüdische Gesetzesverständnis – sicher verstärkt, nicht begründet durch das tatsächliche Auseinanderfallen von Gesetzesgeltung und politischer Ordnung – dadurch entwickelt, das es das Gesetz der Herrschaft über ein Gebiet von der Herrschaft des (sakralen) Gesetzes unterscheidet und dies als Gegenstand des Studiums der Vereinbarkeiten, des Verhaltens unter einem anderen, politischen Gesetz immer wieder

160 Vgl. zu einer stärkeren Betonung der materiellen Bedeutung des jüdischen Gesetzes S. A. Handelman (1991: 295). 161 Dies ist aber nicht unbestritten: zu einer stärkeren Annäherung an das Recht und seine Öffnung für den „Fremden“ vgl. D. Hollander (2005); zur Figur des Nachbarn Reinhard/ Santner/Zˇ izˇ ek (2013).

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in das religiöse Denken einbezogen hat (vgl. Diner 2005: 243). Es besteht keine Einheit von politischer und sakraler Ordnung. Der Text selbst enthält einen Befehl nur auf der Meta-Ebene: die göttliche Offenbarung gibt den Text und verlangt, dass das Gesetz zitiert und interpretiert wird und so eine Verantwortung stiftet, die in der Gemeinschaft besteht – nicht durch die Erhörung eines himmlischen Anrufes derogiert wird. Da das Gesetz weder die Stimme Gottes noch die einer allein erleuchteten irdischen Autorität (wie die Rabbi Eliezers) ist, hat die Gemeinschaft/Gemeinde die Verantwortung, sich selbst im Text zu appräsentieren, d. h. ihm immer wieder neue Bedeutung abzugewinnen, und zwar im Konflikt der Meinungen, „im Studium“, zugleich den Horizont auf die Zukunft zu eröffnen. Jeden Tag wird damit auf die messianische Gerechtigkeit verwiesen, die immer „im Kommen“ ist. Auch J. Derrida spielt mit der nicht hörbaren Differenz zwischen dem „à venir“ („im Kommen“) und dem „avenir“ (Zukunft). Was für die Rechtstheorie von Bedeutung ist, ist vor allem die – wie St. Kepnes (2009: 9) formuliert hat – „relationale Logik“ („logics of relation“), – im Gegensatz zu einer dialektischen oder dichotomischen Logik. Dies verbietet sicher auch eine allzu pauschale Entgegensetzung des Rechts zum Christentum. Auch dieses hat viele Facetten. Im Zusammenhang mit der hier aufgeworfenen Frage nach der Stellung der Gemeinschaft zum Recht, nicht nur zum Gesetz im jüdischen Sinne, ließe sich die These aufstellen, dass die notwendige Verstetigung des – angesichts der ausbleibenden Wiederkehr des Messias – prekärer werdenden unmittelbaren Verhältnisses der Gläubigen zum Leib/Körper Christi in der katholischen Kirche durch die Verbindung mit dem römischen säkularen Recht erfolgt, die den Hiatus zwischen der Menschwerdung Gottes in Christo und der Wiederkehr des Messias („à venir“) in der auf Dauer angelegten juristischen Körperschaft haltbar macht – oder später im protestantischen Glauben des Individuums. Beide Formen der Beziehung zu Gott unterscheiden sich von der, wie es George Lindbeck formuliert hat, „Israel-like community“ (2002: 1 ff.), die das Werden der Gemeinschaft in ihrem historischen Bezug auf sich selbst (die historische Entwicklung des Judentums selbst) und auf Gott wach hält. Um noch einmal auf Eliezer und Jehoschua zurückzukommen: Was der Erstere hier für sich in Anschlag bringen kann, ist theologisch gesprochen, ein Wunder – ein Ereignis, das mit den Naturgesetzen bricht, aus ihnen ausbricht und darin Gott erleben lässt. Carl Schmitt hat bekanntlich den Ausnahmezustand mit dem Wunder in der Theologie verglichen. Er entzieht sich dem Gesetz und macht zugleich dessen Abhängigkeit von einem konstitutiven Ereignis (der Gegenwart Gottes/des Souveräns) sichtbar, das sich selbst den Regeln entzieht. Auch in dieser Hinsicht lässt sich die Kontroverse zwischen den beiden Rabbinern entschlüsseln. Die jüdische Theologie steht dem Wunder eher ablehnend gegenüber. Wenn aber auch ein Judaist wie der bereits zitierte R. Gibbs (2000: 215 f.) eine systemtheoretische Lektüre des jüdischen Gesetzes für möglich hält, so lässt sich dies als Ermutigung lesen, diesen Gedanken weiterzuführen.

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Hier ist auch eine allzu enge Beschreibung der Funktion des Rechts als kontrafaktische Stabilisierung von Verhaltenserwartungen wenig hilfreich. Dann würde man zu sehr an der Perspektive des Einzelnen ansetzen. Wenn man aber eher eine transsubjektive Perspektive wählt – und jedenfalls in dieser Hinsicht eine Engführung mit dem Verhältnis von jüdischem Gesetz und der Gemeinschaft vornimmt –, lässt sich im Anschluss an N. Luhmann die Funktion der Bindung von Ungewissheit und die Ermöglichung sowie die Erhaltung von Konflikten durch Recht akzentuieren. Durch Entscheidungen wie Rechtsoperationen werden immer mehr Möglichkeiten eröffnet. Das Recht übernimmt hier eine paradoxe disruptive Funktion: Jede Entscheidung kann in Frage gestellt werden. Ihre Beobachtung innerhalb eines sich selbst transformierenden Netzwerks von Anschlussmöglichkeiten eröffnet neue Gesichtspunkte, die es ohne das praktische experimentelle Operieren unter Bedingungen unvollständiger Information und unter Entlastung von dem Zwang zur Beobachtung aller Folgen der Operation oder der Entscheidung nicht gäbe. Das Recht erlaubt gerade Dissens – auch nachdem eine Entscheidung gefällt worden ist, weil das Recht den Einzelfall benutzt, um Orientierung für künftige Fälle zu geben und um ein komplexeres Niveau für die Kommunikation in Zukunft zu erreichen. Insofern ist auch das Recht in der Beobachtung der Systemtheorie kein Verhaltenscode, sondern ein Gegenstand des Studiums wie das jüdische Gesetz. Die vorangegangenen Spielzüge lagern innerhalb des Netzwerks ihre Spuren in den Anschlusszwängen und Anschlussmöglichkeiten ab, die die Vergangenheit festhalten, aber zugleich neue, den gegenwärtigen Zustand transzendierende Konflikte erlauben. Auch dies lässt sich aus dem jüdischen Gesetzesverständnis lernen: Interessanterweise wird Rabbi Eliezer einerseits gebannt und seine Lehre „ausgeschlossen“. Dennoch wir der aber bei seinem Begräbnis als großer Lehrer wieder anerkannt und seine Lehre wieder „eingeschlossen“ in die Gemeinde (Handelman 2011: 93). Dies wird damit erklärt, dass er mit seiner Lehre die Gemeinde und ihre Anpassungszwänge überfordert habe, andererseits aber besonders tugendhafte Lehrer wie er als „Extremisten“ Wege für die Zukunft eröffnen könnten: „Man muss ihnen folgen, darf sie aber nicht nachahmen“ – weil dies eine Überforderung wäre (Askénazi/Goldmann 2005: 273). Sie bilden ein Gegengewicht zu der Welt der (Selbst-)Begrenzungen (Handelman 2011: 93). Das wäre meines Erachtens der Kern der Textualität im postmodernen Sinne, die eher als ein Gewebe von Intertextualitäten zu verstehen ist, deren Modell man im jüdischen Gesetz sehen könnte. In der einen wieder anderen Textkonstellation besteht kein Zwang, die Vergangenheit ungebrochen fortzusetzen, aber doch, die Herausforderungen des Textes, der Textualität selbst nicht zu ignorieren, also die Vergangenheit nicht einfach beiseite zu schieben. Das Gesetz ist eine „Erbe“, aber es ist ein Erbe der menschlichen Gemeinde, die dadurch das Recht erhält, Bestimmtheit aus der Unbestimmtheit des Gesetzes zu erzeugen (Greenwood 1997: 309, 317). Sie kann und darf das Gesetz nach den Erfordernissen der endlichen Zeit anpassen – erst nach der Erlösung gilt eine strengere Auffassung des Gesetzes und der Gerechtigkeit

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(Handelman 2011: 96). (Dies wäre auch ein Gesichtspunkt, den man gegen allzu starke Positionen der Gerechtigkeit in der endlichen Welt einwenden könnte.) Wenn man noch einmal den Blick zurückwendet auf das personelle Substrat der Gemeinde, so ließe sich eine Verknüpfung herstellen zur Stellung des Nachbarn, der in keiner Verbindung zu einer übergreifenden Einheit steht (Volk), sondern eher von einer „Differenz-im-Selbst“ (Kenneth Reinhard) auf die Differenz des anderen (Nachbarn) verwiesen wird. Das Nachbarschaftsverhältnis ist eher durch die Alltagsaktivitäten und Interaktionen bestimmt. Darin spiegelt sich ein praktisches, vorbegriffliches Weltverhältnis wider, das unterhalb der reflektierteren Kommunikation in der Gemeinde bleibt und – wie man modern sagen könnte – den Materialitätsfluss des Alltags einer stillschweigend (implizit) instituierten und sich instituierenden Praxis diesseits der konstitutiven Institutionen der Reflexion in Anschlag bringt (Descombes 2013, S. 247; ein ähnlicher Ansatz findet sich auch bei H. Blumenberg 2010: 240 f.). Darin lässt sich zugleich – wieder modern gesprochen – eine azentrisch distribuierte Kommunikationsform beobachten, die unterstellt, dass Verhaltensmuster, praktische Kenntnisse durch – eben – eine „relationale Rationalität“ der Wissenserzeugung, des praktischen Nachahmens, aber auch der Zurückweisung von Alternativen, des Ausprobieren generiert werden. Hier ließe sich weder Anschluss gewinnen an neuere phänomenologische Überlegungen zu einem vorbegrifflichen „proto-knowledge“ (D. Dwyer), das die spontane Generierung des Neuen zulässt. In einem Entsprechungsverhältnis dazu steht auf einer reflektierten „konstitutiven“ Ebene das gemeinsame Lesen, Studieren der Texte, eine Form, aus der wiederum Muster, Normen, Entwürfe hervorgehen, die auf Anerkennung oder Zurückweisung angelegt sind und auf die eine oder andere Weise mehr Möglichkeiten und eine neue höhere Komplexität der Gedanken-, Wertungs- und Handlungsvarianten erzeugen. Bei R. Gibbs findet sich die glückliche Formulierung, dass das Studium ein „Oszillieren“ der Möglichkeiten erzeuge. Damit wird eine Kreativität des Streits in Anschlag gebracht, die in J. Habermas’ Diskursethik eher unterbestimmt ist: Die Rolle der Diskussion bleibt dort unklar. Sie scheint eher alle Aspekte zusammenzutragen, aber nicht Innovationen jenseits des bisher Gedachten hervorzubringen. Vielleicht ließe sich her Anschluss finden an die „dritte“ Form der Wissensgenerierung jenseits von Deduktion und Induktion bei C. S. Peirce, die Abduktion, mit deren Bedeutung für das jüdische Rechtsdenken sich R. Reichman auseinandergesetzt hat (2006: 28 ff.); jetzt allgemein auch zur Erzeugung des Neuen aus dem Unbestimmten Catellin (2004: 73 ff.). Wenn man das Recht so prozesshaft remodelliert, kann auch das ausgeschlossene Andere des Rechts, das Nichtrechtliche, wieder in den Unterscheidungsbereich des Recht eintreten (re-entry).Das geschieht auch ständig, z. B. in der Form der „Historisierung der Grundrechte“ (M. Gauchet), die die Reduktion der Grundrechte nur auf ein formale Rechte eines stets gleich bleibenden Rechtssubjekts transzendiert und nach den Möglichkeitsbedingungen zum Beispiel einer sozialstaatlichen Re-

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kodierung der Grundrechte fragt – fragt, die experimentelle Herangehensweise ist das Entscheidende. Damit ist die Notwendigkeit des Operierens mit prozeduralen Formen der Evaluation und des Monitoring des Neuen aufgeworfen. Dabei geht es nicht darum, so das Richtige, die Wahrheit zu finden, sondern die nicht hintergehbaren transsubjektiven Effekte einer rechtlichen Ordnung, insbesondere des Einsatzes des subjektiven Rechts zu beobachten und zu berücksichtigen. Dies wäre vielleicht ein Schritt zu einem Verständnis des Rechts als „Text“, der sich selbst schreibt und umschreibt (darin seine Kontinuität hält) und sein „Studium“ verlangt, weil er nicht um das Subjekt zentriert ist. Der Text des Rechts stellt so einen Anspruch an uns – und darin könnte er eine „Israel-like community“ (Lindbeck 2002: 1 ff.) hervorbringen, die die Erinnerung an das Werden des Rechts und seine Fortschreibung wachhält. Das Recht kann nur eine prozesshafte „bewegliche Ordnung“ (de Mijolla-Mellor 2014: 170) in Gang setzen und zu erhalten versuchen.162 Die Textualität des Rechts schließt die Mündlichkeit im Prozess der „Anwendung“ nicht aus, aber die Anwendung verweist immer auf ein nicht, oder nur begrenzt kontrollierbares Weiterschreiben des Textes des Rechts.

162 Sophie de Mijolla-Mellor (2014: 176) weist darauf hin, dass diese Figur der „beweglichen Ordnung“ auch schon in Goethes Gedicht „Die Metamorphose der Tiere“ als „schöner Begriff“ bezeichnet wird (hier bezogen auf die Ordnung des Hexameters).

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Sachverzeichnis Abwägung 67 allgemeines Verwaltungsrecht Alltagskultur 49 Anerkennung 26 „Aufschreibesysteme“ 132 Authentizität 52 Bauplanungsrecht 81 Beispiel 133 Berufsethik 101 Berufsfreiheit 106 Beweisregeln 27 Big Data 37 Bioethik 100 Biomarker 105 Biopolitik 21 Biotechnologie 98 Bundesverfassungsgericht

147

Erwartungsbildung 56 Ethikkommission 99 EuGH 147 Europäische Union 138 Europarecht 44 Evolution des Rechts 64 exempla 132 Expertenwissen 98 Fiktion 133 Freiheitsrechte 63 – negative 128

84

common knowledge 54 communities of practice 171 compliance 14 Computerisierung 178 contested normativity 172 Cyber-Court 115 Datenschutz 54, 107 Deliberation 59 Demokratie – Opakheit 195 disaggregated state 167 Diskursethik 26 effet utile 139 EGMR – Caroline-Urteil 152 Einheit der Rechtsordnung 64 Einheit des Rechts 147 Einschätzungsprärogative 36 Emergenz 131 epistemic communities 121 epistemische Objekte 122 Ereignis 61

Gefühle 59 geistiges Eigentum 124 Geltungssymbol 35 Gentechnik 109 Gesellschaft der Individuen 43 Gesellschaft der Organisationen 26 Gesellschaften, westliche 188 Gesetz, allgemeines 75 Gesetzesbindung 29 Gesundheitsrecht 105 Glaubensvorstellung – protestantisch Globalisierung 117 Globalverfassung 161 Google 176 Governance 83 griechisches Recht 130 Grundrecht des Wissens 32 Grundrechte – Historisierung 27 – im Privatrecht 32 – impersonal 83 – mehrpolig 31 Gruppenpluralismus 116 Hart, H. L. A. 19 Hermeneutik 23 High Knowledge 109

119

Sachverzeichnis Hochtechnologie 95 Horizont des Rechts 61 Identität 175 Identitätsbildung 51 impersonale Grundrechte 127 implizites Wissen 143 Information Broker 110 Informationsökonomie – Internet Informationstechnologie 98 institutionelle Garantien 65 interdisziplinar 13 internationales Privatrecht 138 Interpretation 25 Irreversibilität 108 Islam 119 Islamisierung 119 Islamismus 119 Judentum

176

117

Kalifat 193 Koalitionsfreiheit 128 Kognitionswissenschaften 98 kollektive Intelligenz 114 Kollision – diagonal 138 Kollisionsregeln 32 Konstitutionalisierung 65 Kontingenzerfahrung 174 Konventionen 40 Kopftuch – islamisch 117 Kruzifix 118 Lebensform

116

margin of appreciation 151 Maßnahmegesetz 78 Medienöffentlichkeit 42 Medienordnung 85 Medientheorie des Rechts 174 Medium 133 Medizin – evidenzbasiert 106 Methode – Rechtsanwendung 135 Monitoring 120 Multikulturelle Gesellschaft 111 multireligiöse Gesellschaft 116

Nanotechnologie 88 Nationalstaat 52 Neo-Keynesianismus 149 neoliberal 145 Netzgemeinde 124 Netzpflichten 114 Netzsubjekte 123 Netzvertrag 112 Netzwerkdefizit 149 Netzwerkgesellschaft 34 Nichtwissen 63 Normalität 76 Normativität 15 Normen, implizite 76 Normen, private 20 Öffentlichkeit – Fragmentierung 111 „Ordnung aus dem Chaos“ 175 Ordnung aus Unordnung 167 Ordnung fern vom Gleichgewicht 46 Persönlichkeitsprofil 114 Persönlichkeitsschutz 152 Polizei 21 Positivismus 43 Poststrukturalismus 68 Pressefreiheit 152 Prinzipien – Europarecht 144 Privatrecht, regulierendes 115 Protosubjekt 133 Prozeduralisierung 34, 132 Rationalität – kontextuell 63 – praktische 66 Recht – transnational 45 – und Gewalt 27 Recht als Kultur 14 Rechte, soziale 37 Rechtsanwendung 24 Rechtsästhetik 59 Rechtsdenken – jüdisch 200 Rechtsfortbildung 20 Rechtspluralismus – global 134 Rechtssubjektivität 14 Regeln, soziale 29 Regime 148

243

244

Sachverzeichnis

Regulierung 67 Regulierungsnetzwerke 168 Religion 116 Religionspolitik 119 Remix 124 Rhetorik 130 Risikomanagement 103 Risikowissen 97 Riskante Netze 110 Ritual 49 römisches Rechtsdenken 131 römisches Zivilrecht 132

Schiedsgerichte 47, 123 Selbstkonstitutionalisierung – gesellschaftlich 165 Selbstorganisation 42, 128 Selbstregulierung 115 Semantik 23 Sexualkundeunterricht 118 social media 113 Souveränität 21 soziale Epistemologie 45 Sozialhilfe 80 Sozialpolitik 22 Sozialstaat 57 Spezialwissen 23, 39 Staat – Islam 187 Staatlichkeit – Wandel 13 Stadt 70 – als Lebensform 30 Stand der Technik 38 Standards – transnational 41 Streikrecht – Beamte 154 Subjekt – Abstraktion 69 – Eigenwille 48 – griechisches 71 Subjektive Rechte 45 Superstaat – europäisch 147 supranationales Recht 138

Technik- und Umweltrecht 37 Technikethik 100 Technologien 40 Territorialität 149 Textualität – jüdisch 196 Toleranz 119 Trajektorien – technische Entwicklung 124 Transnationalisierung 13 TTIP 159 Ummah 193 Ungewissheit 67 Unterscheidung 21 Varietät 42 Verfahren 130 Verfassung – Subtext 142 Verfassungsgerichtsbarkeit 85 Verhältnismäßigkeitsprinzip 85 Vermutung 27 Vermutungsregeln 40 Verrechtlichungsprozess 161 Vertragsnetzwerke 38 Verwaltung – internal law 33 Verwaltungsrecht – allgemeines 33 – global 167 – transnational 166 Vorsorgeprinzip 50 Weltgesellschaft 161 Weltstaatlichkeit 161 westliches Recht 133 Wissensarten 106 Wissenschaft – Ethisierung 98 wissenschaftliche Erkenntnisse 38 Wissensgesellschaft 52 Wissensproduktion 77 Wissenssysteme 15 Zivilgesellschaft, Konstitutionalisierung 24 Zurechnung 22