Rating-Systeme am Beispiel der Versicherungswirtschaft [1 ed.] 9783428474325, 9783428074327


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German Pages 371 Year 1992

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Rating-Systeme am Beispiel der Versicherungswirtschaft [1 ed.]
 9783428474325, 9783428074327

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CHRISTOPH SÖNNICHSEN

Rating-Systeme am Beispiel der Versicherungswirtschaft

Schriftenreihe des Instituts für Versicherungswissenschaft an der Universität zu Köln Begründet von Professor Dr. jur. Dr. phil. W. Rohrbeck t und fortgeführt von Professor Dr. sc. pol. P. Braeß t Herausgegeben von-Professor Dr. rer. pol. D. Farny

Neue Folge Heft 47

Rating-Systeme am Beispiel der Versicherungswirtschaft

Von Dr. Christoph Sönnichsen

DUßcker & Humblot . Berliß

Die Deutsche Bibliothek - CIP-Einheitsaufnahme

Sönnichsen, Christoph: Rating-Systeme am Beispiel der Versicherungs wirtschaft / von Christoph Sönnichsen. - Berlin : Duncker und Humblot, 1992 (Schriftenreihe des Instituts für Versicherungs wissenschaft an der Universität zu Köln; N. F., H. 47) Zug!.: Köln, Univ., Diss., 1991 ISBN 3-428-07432-7 NE: Institut für Versicherungswissenschaft (Köln): Schriftenreihe des Instituts ...

Alle Rechte vorbehalten © 1992 Duncker & Humblot GmbH, Berlin 41 Fotoprint: Wemer Hildebrand, Berlin 65 Printed in Germany ISSN 0720-7190 ISBN 3-428-07432-7

Vorwort

Wirtschaften ist die Summe von Entscheidungen. Sollen diese Entscheidungen zu guten Ergebnissen führen, benötigen die Entscheidungsträger ausreichend Information. Die Beschaffung und Verarbeitung adäquater Informationsmengen stellt auf realen Märkten ein Hindernis für effiziente Entscheidungen dar. Eine besondere Ausprägung weist das Informationsproblem in der Versicherungswirtschaft auf. Die Abstraktheit und die Komplexität der mit Versicherung verbundenen Sachverhalte machen es vielen Entscheidungsträgern unmöglich, die für eine effiziente Entscheidung notwendigen Informationsprozesse selbständig durchzuführen. Eine vergleichbare Situation besteht auf den Kapitalmärkten. Zahlreiche Investoren sind mit der Beschaffung und Aufbereitung von Informationen über Investitionsobjekte überfordert. Diesen Trägern von Investitionsentscheidungen steht ein Instrument zur Verfügung, das ihnen entscheidungsrelevante Information in von Spezialisten aufbereiteter und komprimierter Form liefert, und die Entscheidungsträger in die Lage versetzt, effiziente Entscheidungen zu treffen: Das Rating. In der vorliegenden Arbeit wird nach einer Darstellung der allgemeinen Entscheidungsproblematik in Marktwirtschaften und ihrer besonderen Ausprägung in der Versicherungswirtschaft (Kapitel A) ein Modell eines Systems zur Erstellung von Ratings entwickelt. Wenn das Ziel dieser Ratings in einer Unterstützung der Träger von Entscheidungen über Versicherung besteht, hat das Rating-System bestimmten Anforderungen zu genügen (Kapitel B). Die Heterogenität realer Entscheidungen im Zusammenhang mit Versicherung zwingt dabei zu einer Differenzierung der Entscheidungsträger und der Entscheidungsarten. Die vorliegende Untersuchung nimmt eine Unterscheidung in zwei Gruppen idealtypischer Träger von Nachfrageentscheidungen hinsichtlich ihres Versicherungsschutzes vor. Ratings als spezielle Informationsbe-

6

VOIwort

reitstellung müssen in Abhängigkeit von den Typen der Entscheidungsträger, die sie unterstützen, unterschiedliche Informationsinhalte repräsentieren. Diese verschiedenen Informationsinhalte und das Verfahren, mit dem sie zu einem Rating aufbereitet werden, sind Gegenstand des Kapitels C. Den Abschluß der Arbeit bilden einige Überlegungen über Veränderungen auf den Versicherungsmärkten, die durch Deregulierung und Schaffung eines europäischen Binnenmarkts zu erwarten sind. Ihre Auswirkungen auf den Informationsbedarf von Entscheidungsträgem und die Folgerungen für Rating-Systeme werden in Kapitel D kurz dargestellt.

INHALTSVERZEICHNIS A. Einführung: Zur Problematik von Entscheidungen in der Versicherungswirtschaft 1. Zur Entscheidungsproblematik in einer Marktwirtschaft............................. 25 1.1 Allgemeines ....................................................................................................... 25

1.2 Bemerkungen zur Entscheidungstheorie......................................................... 26 1.2.1 Entscheidungsbegrijf............................................................................... 26 1.2.2 Ansätze der Entscheidungstheorie ......................................................... 27 1.2.3 Entscheidungsmodelle ............................................................................ 28 1.2.3.1 Grundmodell der normativen Entscheidungstheorie .......... 28 1.2.3.1.1 Vorbemerkungen ....................................................... 28 1.2.3.1.2 Das Entscheidungsfeld .............................................. 29 1.2.3.1.3 Die Ergebnismatrix.................................................... 30 1.2.3.1.4 Der Zielplan ............................................................... 30 1.2.3.1.5 Die Entscheidungsmatrix.......................................... 31 1.2.3.2 Kritik am Grundmodell der Entscheidungstheorie ............. 31 1.2.3.3 Ausgewählte Probleme der Bildung adäquater Entscheidungsmodelle .............................................................. 33

1.3 Entscheidungen und Information ................................................................... 36 1.3.1 Vorbemerkungen ..................................................................................... 36 1.3.2 Informationsbegriff................................................................................. 36

1.3.3 Information als Input im Entscheidungsprozeß................................... 37 1.3.3.1 Ausgangslage: Mögliche Informationsstände des Entscheidungsträgers ................................................................ 37 1.3.3.1.1 Zum Begriff des Informationsstands ...................... 37 1.3.3.1.2 Ausprägungen des Informationsstands ................... 39 1.3.3.2 Ansätze zur Verringerung des Informationsdefizits ......................................................................................... 41

8

Inhaltsverzeichnis

1.3.3.2.1 Ausprägungen des Informationsdefizits ................. 41 1.3.3.2.2 Informationsbereitstellung ....................................... 42 1.3.3.2.2.1 Arten der Informationsbereitstellung ............................................ 42 1.3.3.2.2.2 Grenzen der Informationsbereitstellung durch den Entscheidungsträger ................................ 46 1.3.3.2.2.3 Anforderungen an die Informationsbereitstellung durch Dritte .............................................. 48 1.3.3.2.3 Komplexitätsreduktion der Entscheidungssituation ....................................................................... 51

1.4 Zusammenfassung ........................................................................................... 52 2. Versicherungswirtschaft als Teil der Marktwirtschaft ................................... 53

2.1 Allgemeines ....................................................................................................... 53 2.2 Bedeutung der Versicherungswirtschajt .......................................................... 55 2.3 Beteiligte der Versicherungswirtschajt ............................................................. 58 2.3.1 Modell der Versicherungswirtschajt ....................................................... 58 2.3.2 Beteiligte der Versicherungsmärkte ........................................................ 59 2.3.3 Beteiligte der Nachbarmärkte ................................................................ 61 2.3.4 Sonstige Beteiligte.................................................................................... 63 3. Besonderheiten bei Entscheidungen in der Versicherungswirtschaft ••••.••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••.•..•••••••••.•••••••• 64

3.1 ''Versicherungs-Entscheidungen''..................................................................... 64 3.2 Entscheidungsträger.......................................................................................... 66 3.2.1 ''Professionelle'' Entscheidungsträger..................................................... 66 3.2.2 ''Nicht-professionelle'' Entscheidungsträger .......................................... 67 3.3 Entscheidungsobjekt: Versicherungsschutz .................................................... 69

Inhaltsverzeichnis

9

3.3.1 Vorbemerkungen ..................................................................................... 69 3.3.2 Abstraktheit und Immaterialität von Versicherungsschutz ................. 70 3.3.3 Zeitraum- und Zukunftsbezogenheit .................................................... 71 3.3.4 Mangelhafte "Erfahrbarkeit" des Produkts Versicherungsschutz ................................................................................ 73 3.4 Sonstige Aspekte der Informationsproblematik in der Versicherungswirtschaft .................................................................................... 75 3.4.1 Vorbemerkungen ..................................................................................... 75 3.4.2 Weitere Informationsprobleme beim ''nichtprofessionellen " Entscheidungsträger .................................................... 75 3.4.2.1 Informationsbeschaffungsprobleme ....................................... 75 3.4.2.2 Informationsaufnahme- und -verarbeitungsprobleme ........ 77 3.4.3 Informationsprobleme beim ''professionellen'' Entscheidungsträger ................................................................................ 80 3.4.3.1 Informationsbeschaffungsprobleme ....................................... 80 3.4.3.2 Deckung des Informationsbedarfs: Make or Buy? .............. 82 3.5 Vorhandene Ansätze zur Reduzierung der Informationsproblematik ....................................................................................................... 85 3.5.1 Vorbemerkungen ..................................................................................... 85 3.5.2 Informationsbereitstellung...................................................................... 85 3.5.2.1 Informationsbereitstellung durch die Anbieter .................... 85 3.5.2.1.1 Publizität der Versicherungsunternehmen ............ 85 3.5.2.1.2 Öffentlichkeitsarbeit, Werbung und Verkaufsförderung der Versicherungsunternehmen............................................................... 88 3.5.2.2 Informationsbereitstellung durch Dritte ................................ 93 3.5.2.2.1 Allgemeines ................................................................ 93 3.5.2.2.2 Stiftung Warentest ..................................................... 94 3.5.2.2.3 Wirtschaftspresse ....................................................... 96 3.5.2.2.4 Sonstige ........................................................................ 97 3.5.3 Komplexitätsreduktion durch Regulierung............................................ 99 4. Fazit ...................................................................................................................... 101

10

Inhaltsverzeichnis

B. Allgemein: Ratings in der Versicherungswirtschaft 1. Rating: Terntinologische Grundlagen ............................................................. 103

1.1 Anmerkungen zum Begriff Rating................................................................. 103 1.1.1 Herkunft von ''Rating'' .......................................................................... 103 1.1.2 Vorläufige Begriffsbeschreibung........................................................... 104 1.2 Verwendung und Verbreitung von Ratings ................................................... 106 1.2.1 Verwendung und Verbreitung auf den Finanzmärkten ..................... 106 1.2.1.1 Intemational. ............................................................................ 106 1.2.1.2 National.. ................................................................................... 108

1.2.2 Verwendung und Verbreitung auf den Versicherungsmärkten .................................................................................................. 110 1.2.2.1 International ............................................................................. 110 1.2.2.2 National. .................................................................................... 111 1.2.3 Sonstige Verwendungen des Begriffs Rating ....................................... 113

1.3 Rating: Definition und Abgrenzungen .......................................................... 114 1.3.1 Ableitung von Rating-Merlanalen ....................................................... 114 1.3.2 Begriffsdefinition ................................................................................... 117 1.3.3 Abgrenzungen ........................................................................................ 118 1.3.3.1 Beispiele Rating-ähnlicher Bewertungsergebnisse ................................................................................. 118 1.3.3.2 Speziell: Abgrenzung vom "Ranking" ................................... 119

2. Ziele von Ratings ................................................................................................. 125

2.1 Allgemeine Zielsetzung: Erhöhung von EntscheidungseJfizienz durch Bereitstellung von Ratings ................................................................... 125 2.1.1 Begriff und Kriterien der EntscheidungseJfizienz................................ 125

2.1.2 Ansätze für den Einsatz von Ratings zur Erhöhung der EntscheidungseJfizienz .......................................................................... 126 2.1.3 Umfang der EJfizienssteigerung durch Ratings................................... 127

Inhaltsverzeichnis

11

2.2 Spezielle Zielsetzung: Verbesserung der infonnationellen Entscheidungsgrundlagen .............................................................................. 128 2.2.1 Quantitative Verbesserung der Infonnationssituation ....................... 128 2.2.2 Qualitative Verbesserung der Infonnationssituation ......................... 129 2.3 Spezielle Zielsetzung: Verringerung des entscheidungsabhängigen Ressourceneinsatzes................................................................... 130 2.3.1 Technische Entlastung des Entscheidungsträgers .............................. 130 2.3.1.1 Verkürzung des Entscheidungsprozesses durch Komplexitätsreduktion ................................................ 130 2.3.1.2 Effekte von Ratings für die Verarbeitungskapazität des Entscheidungsträgers...................................... 133 2.3.2 Ökonomische Entlastung des Entscheidungsträgers durch Spezialisierung und Zentralisierung .................................................... 134 3. Rating-Objekte und Rating-Interessenten in der Versicherungswirtschaft ..................................................................................... 135

3.1 Allgemeines ..................................................................................................... 135 3.2 Rating-Objekte in der Versicherungswirtschaft ............................................ 136 3.2.1 Beschreibung der Rating-Objekte ........................................................ 136 3.2.2 Beziehungen zwischen Produkt- und Produzentenqualität............... 137 3.2.3 Rating-Interessenten in der Versicherungswirtschaft.......................... 140 3.2.3.1 Informationsinteressenten in der Versicherungswirtschaft ................................................................................... 140 3.2.3.2 Kemgruppe der Rating-Interessenten ................................. 141 3.2.3.3 Randgruppe der Rating-Interessenten ................................ 142 3.2.3.4 Tendenzielle Zuordnung der Ratings zu den Interessentengruppen ............................................................. 142 3.2.3.5 Einige Anmerkungen zur erwarteten Akzeptanz gegenüber Ratings ................................................................... 145 3.2.3.5.1 Allgemeine Voraussetzungen für die Akzeptanz von Ratings ........................................... 145 3.2.3.5.2 Akzeptanz in der Kemgruppe ............................... 145 3.2.3.5.3 Akzeptanz in der Randgruppe ............................... 147 4. Anforderungen an Ratings in der Versicherungswirtschaft ....................... 148

12

Inhaltsverzeichnis

4.1 Vorbemerkungen ............................................................................................. 148 4.2 Anforderung der Problemadäquanz ............................................................. 148 4.2.1 Problemadäquanz als Voraussetzung für das Vorhandensein von Information ......................................................... 148 4.2.2 Konflikt zwischen Individualität von Bewertungen und kollektiver Ausrichtung von Ratings .................................................... 149

4.2.2.1 Zur Problematik von Bewertungen ...................................... 149 4.2.2.1.1 Begriffsabgrenzung .................................................. 149 4.2.2.1.2 Individualität von Bewertungen ............................ 152 4.2.2.2 Kollektive Ausrichtung von Ratings ..................................... 152 4.2.3 Ansätze einer Konfliktbewältigung ...................................................... 153 4.2.3.1 Ermittlung der Zielstruktur der Rating-Empfänger .......... 153 4.2.3.1.1 Begründung der Strukturermittlung ..................... 153 4.2.3.1.2 Zielstrukturen und Möglichkeiten ihrer Ermittlung - ein Überblick ........................... 154 4.2.3.2 Verdichtung zu Bewertungszielen ........................................ 159 4.3 Anforderung der Nachvollziehbarkeit........................................................... 161 4.3.1 Anmerkungen zum Begriff Nachvollziehbarkeit ................................ 161 4.3.2 Ablehnung der Überprüjbarkeit von Ratings...................................... 162

4.3.2.1 Systematische Grenzen der Überprüfung von Ratings ...................................................................................... 162 4.3.2.2 Umfassende Transparenz des Rating-Verfahrens als Voraussetzung für die Überprüfbarkeit von Ratings ..................................................................................... 163 4.3.3 Konsequenzen der Nachvollziehbarkeit .............................................. 166 4.3.3.1 Unzureichende Bestimmbarkeit der Anforderung ............ 166 4.3.3.2 Vermeidung fehlerhafter Ratings ......................................... 167 4.4 Anforderung der Genauigkeit und Aktualität.............................................. 170 4.4.1 Genauigkeit von Ratings ...................................................................... 170

4.4.1.1 Inhaltliche Genauigkeit .......................................................... 170 4.4.1.2 Genauigkeit der Darstellung ................................................. 172 4.4.2 Aktualität von Ratings .......................................................................... 174 4.5 Anforderung der Wirtschaftlichkeit ............................................................... 176

Inhaltsverzeichnis

13

4.5.1 Anmerkungen zum Kriterium Wirtschaftlichkeit................................ 176 4.5.2 Hauptkostenarten eines Rating-Systems ............................................. 177 4.5.3 Erlösquellen von Rating-Systemen ...................................................... 178 4.6 Anfordemng der Unabhängigkeit.................................................................. 180 4.6.1 Unabhängigkeit als Voraussetzung für Akzeptanz ............................. 180 4.6.2 Möglichkeiten der institutionellen Ansiedlung von

Rating-Systemen und deren Auswirkungen auf die Unabhängigkeit ..................................................................................... 180 4.6.2.1 Rating-Agentur in Form einer Behörde .............................. 180 4.6.2.1.1 Das BAV als Produzent von Ratings? ................. 180 4.6.2.1.2 Sonstige Behörden als Rating-Agenturen............ 182 4.6.2.2 Privatwirtschaftliche Rating-Agenturen .............................. 183

4.6.3 Vorschlag einer Rating-Agentur in Form eines

unabhängigen Informationsbetriebs.................................................... 184

4.7 Vorläufige Zusammenfassung und erste Wertungen ................................... 186 5. Weitere Aspekte von Ratings in der Versicherungswirtschaft..................... 190 5.1 Allgemeines ..................................................................................................... 190 5.2 Informationsversorgung von Rating-Verfahren ........................................... 190 5.2.1 Vorbemerkungen ................................................................................... 190 5.2.2 Aspekte des Informationsbedarfs ........................................................ 191 5.2.2.1 Arten notwendiger Information ............................................ 191 5.2.2.2 Ermittlung des Informationsbedarfs .................................... 195 5.2.3 Ansätze zur Deckung des Informationsbedarfs .................................. 199 5.2.3.1 Deckung aus allgemein zugänglichen Quellen ................... 199 5.2.3.1.1 Arten allgemein zugänglicher Informationsquellen ................................................ 199 5.2.3.1.2 Eignung allgemein zugänglicher Information für den Einsatz bei Rating-Verfahren ..................................................... 201 5.2.3.2 Deckung durch interne Information..................................... 204 5.2.3.2.1 Arten interner Information .................................... 204

14

Inhaltsverzeichnis

5.2.3.2.2 Voraussetzungen für den Einsatz interner Information................................................ 206

5.3 Problematik der Wirkungen von Ratings...................................................... 208 5.3.1 Wettbewerbsbeeinflussung durch Ratings ........................................... 208 5.3.2 M arkteintrittsbeschränkungen aufgrund fehlender Rating-Vergabe ...................................................................................... 210 5.3.3 Marktregulierung durch Standards ...................................................... 210 5.4 Aspekte der rechtlichen Zulässigkeit von Ratings ....................................... 211 6. Zusammenfassung und weiteres Vorgehen ..................................................... 213

C. Modell eines Rating-Verfahrens und Aspekte seiner Ausgestaltung für Unternehmens- und Produktratings 1. Modell eines Rating-Verfahrens ....................................................................... 215

1.1 Gesamtdarstellung eines Rating-Verfahrens ................................................ 215 1.2 Einzelne Verfahrensschritte ........................................................................... 217 1.2.1 Vorbemerkungen ................................................................................... 217 1.22 Bewertungsvorbereitung ........................................................................ 217 1.2.2.1 Ableitung von Qualitätsmerkmalen ..................................... 217 1.2.2.2 Identifikation von Rating-Kriterien ..................................... 219 1.2.3 Bewertungsdurchführung...................................................................... 220 1.2.3.1 Bewertung der Rating-Kriterien ........................................... 220 1.2.3.2 Ermittlung der Teilqualitäten ............................................... 222 1.2.3.2.1 Anforderungen an die Informationsverdichtung................................................................ 222 1.2.3.2.2 Aggregationsverfahren ............................................ 223 1.2.3.3 Feststellung und Veröffentlichung des Ratings ...................................................................................... 230 2. Aspekte eines Unternehmensratings ................................................................ 231

Inhaltsverzeichnis

15

2.1 Merkmale der UntemehmensquaIität ........................................................... 231 2.1.1 Vorbemerkungen ................................................................................... 231 2.1.2 ''Harte'' Qualitätsmerkmale eines Versicherungsuntemehmens ........................................................................................ 234 2.1.2.1 Merkmal Sicherheitsgrad ....................................................... 234 2.1.2.2 Merkmal Erfolgskraft ............................................................. 238 2.1.2.3 Merkmal Wachstumskraft...................................................... 240 2.1.3 "Weiche" QuaIitätsmerkmale eines Versicherungsuntemehmens ........................................................................................ 243 2.1.3.1 Merkmal Humanpotential ..................................................... 243 2.1.3.2 Merkmal versicherungstechnisches Potential ..................... 245 2.1.3.3 Merkmal nichtversicherungstechnisches Potential .................................................................................... 248 2.2 Identifikation von Ratingkriterien ................................................................ 251 2.2.1 Vorbemerkungen ................................................................................... 251 2.2.2 Ausgewählte Kriterien zur Erfassung des Sicherheitsgrads................................................................................................ 251 2.2.2.1 Allgemeines .............................................................................. 251 2.2.2.2 Ausprägung wichtiger Einzelrisiken von Versicherungsuntemehmen ................................................... 253 2.2.2.3 Sicherheitsmittel und Rückversicherung als wichtige risikopolitische Instrumente ................................... 255 2.2.2.4 Qualitätskriterien der genannten risikopolitischen Instrumente .......................................................... 261 2.2.3 Ausgewählte Kriterien zur Erfassung der Erfolgskraft........................ 265 2.2.4 Ausgewählte Kriterien zur Erfassung der Wachstumskraft................ 269 2.2.5 Anmerkungen zu Kriterien des Humanpotentials .............................. 272 2.2.6 Ausgewählte Kriterien zur Erfassung des versicherungstechnischen Potentials.................................................... 274 2.2.7 Anmerkungen zu Kriterien des nichtversicherungstechnischen Potentials .......................................................................... 278 2.3 Feststellung und Veröffentlichung eines Untemehmensratings .................. 281 2.3.1 Feststellung des Untemehmensratings ................................................ 281 2.3.2 Vergabe (Veröffentlichung) des Ratings.............................................. 282

16

Inhaltsverzeichnis

2.4 Exkurs: Beispiel eines Ratings von Versicherungsunternehmen aus den USA .................................................................................... 284 2.4.1 Vorbemerkungen ................................................................................... 284 2.4.2 Ziel des Rating-Systems von A.M.Best................................................ 285 2.4.3 Qualitätsmerkmale bei A.M.Best ........................................................ 285 2.4.4 Informationsbasis.................................................................................. 287 2.4.5 Feststellung und Vergabe der Ratings.................................................. 288 2.4.6 Übersicht über die Symbole der A.M.Best Company......................... 289 3. Aspekte eines Produktratings ........................................................................... 291

3.1 Merkmale der Produktqualität ...................................................................... 291 3.1.1 Vorbemerkungen ................................................................................... 291 3.1.2 Allgemeine Merkmale der Qualität von Versicherungsprodukten. ....................................................................... 295 3.2 Kriterien der Produktqualität ......................................................................... 301 3.2.1 Vorbemerkungen ................................................................................... 301 3.2.2 Anmerkungen zu Kriterien der Beziehungsqualität............................ 304 3.2.3 Anmerkungen zu Kriterien der Wirkungsqualität ............................... 306 3.3 Feststellung und Veröffentlichung von Produktratings ............................... 308 3.3.1 Verdichtung der Daten und Übertragung auf Produkte..................... 308 3.3.2 Besonderheiten bei der Bewertung von Versicherungsprodukten ............................................................................................... 309 3.3.3 Grenzen der Zweckmäßigkeit von Produktratings ............................. 310 3.3.4 Darstellung und Möglichkeiten der Übermittlung von Produktratings ................................................................................ 312 3.4 Exkurs: Zum Informationsverhalten der potentiellen Empfänger von Produktratings...................................................................... 315

17

Inhaltsverzeichnis

D. Ausblick: Ratings in der deutschen Versichemngswirtschaft vor dem Hintergmnd sich ändernder Marktbedingungen 1. Entwicklungen auf den Versicherungsmärkten ............................................. 319

1.1 Vorbemerkungen. ............................................................................................ 319 1.2 Regulierung / Deregulierung von Versicherungsmärkten. ........................... 320 1.2.1 Argumente und Instrumente zur Regulierung von Versicherungsmärkten ........................................................................... 320 1.2.2 Argumente und Ansätze zur Deregulierung ........................................ 323 1.3 Konsequenzen der Schaffung eines Europäischen Binnenmarkts ............. 325 1.3.1 Zu erwartende Entwicklungen auf den Versicherungsmärkten ........................................................................... 325 1.3.2 Veränderung des Versicherungsangebots ............................................ 327 1.3.3 Erhöhung des Versicherungsnehmerrisikos......................................... 328 2. Implikationen für Rating-Systeme ................................................................... 329

2.1 Zunahme der Rating-Bedeutung auf veränderten Versicherungsmärkten .................................................................................... 329 2.1.1 Deckung eines veränderten Informationsbedarfs............................... 329 2.1.2 Unterstützung der Versicherungsvermittlung....................................... 330 2.1.3 Ratings und ein Konkurssicherungsfonds ........................................... 331 2.1.4 Reduktion von Sprachbarrieren........................................................... 332 2.2 Auswirkungen auf die Erstellung von Ratings ............................................. 333 3. Fazit ....................................................................................................................... 334

Literaturverzeichnis

2 Sönnichsen

336

Abbildungsverzeichnis Abbildung 1:

Elemente des Grundmodells der normativen Entscheidungstheorie ............................................... 29

Abbildung 2:

Ergebnismatrix des Grundmodells ............................... 30

Abbildung 3:

Entscheidungsmatrix des Grundmodells ......................... 32

Abbildung 4:

Schematische Darstellung unvollkommener Information .......................................................... 41

Abbildung 5:

Einfaches Modell der Versicherungswirtschaft ................. 60

Abbildung 6:

Beispiel einer Rating-Skala ...................................... 114

Abbildung 7a:

U rspriingliche Entscheidungssituation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 131

Abbildung 7b:

Entscheidungssituation mit Rating ............................. 132

Abbildung 7c:

Entscheidungssituation mit Mindestrating "B" ............... 133

Abbildung 8:

Tendenzielle Bedeutung von Produktund Unternehmensrating in Abhängigkeit der Interessentengruppen ........................................ 143

Abbildung 9:

Kontrollansätze für Ratings..................................... 169

Abbildung 10:

Hauptarten der Inputinformation eines Rating-Verfahrens ......................................... 192

Abbildung 11:

Modell eines Rating-Verfahrens ................................ 216

Abbildung 12:

Bewertungsziel von Rating-Verfahren ......................... 219

Abbildung 13:

Einfaches Schema des Mustererkennungsprozesses ......... 226

Abbildung 14:

Mustererkennungsprozeß mit überwachtem Lernen ......... 228

Abbildung 15:

Expertiseausschnitt aus TyPEX ................................ 229

Abbildung 16:

Merkmale der Unternehmensqualität .......................... 235

Abbildung 17:

Wachstumsformen von Versicherungsunternehmen ......... 244

Abbildungsverzeichnis

19

Abbildung 18:

Entwicklungsmöglichkeiten des Humanpotentials ........... 246

Abbildung 19:

Bestandteile des versicherungstechnischen Potentials .......................................................... 247

Abbildung 20:

Komponenten der Qualität von Versicherungsprodukten .......................................................... 298

Abbildung 21:

Produktrating mit Zusatzinformation .......................... 313

Abbildung 22:

Beispiel eines produktgruppenbezogenen Stärken- / Schwächenprofils .................................... 315

Abkürzungsverzeichnis a.a.O.

am angegebenen Ort

Abb.

Abbildung

Abs.

Absatz

AFB

Allgemeine Feuerversicherungs-Bedingungen

AG

Aktiengesellschaft

allg.

allgemein

AVB

Allgemeine Versicherungsbedingungen

BAV

Bundesaufsichtsamt für das Versicherungswesen

BB

Betriebsberater (Zeitschrift)

BFuP

Betriebswirtschaftliche Forschung und Praxis (Zeit-

BGH

Bundesgerichtshof

BGHZ

Entscheidungen des Bundesgerichtshofes in Zivilsachen

BRE

Beitragsrückerstattung

BSP

Bruttosozialprodukt

BZ

Börsenzeitung

bzgl.

bezüglich

bzw.

beziehungsweise

DB

Der Betrieb (Zeitschrift)

DBW

Die Betriebswirtschaft (Zeitschrift)

ders.

derselbe

d.h.

das heißt

DIN

Deutsche Industrie-Norm

Dipl.Arb.

Diplomarbeit

schrift)

Diss.

Dissertation

d.V.

der Verfasser

EDV

Elektronische Datenverarbeitung

EG

Europäische Gemeinschaft

et. al.

und andere(n)

evtl.

eventuell

f.

folgende

Abkürzungsverzeichnis

feR

für eigene Rechnung

ff.

fortfolgende

FN

Fußnote

GDV

Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft e.V.

gern.

gemäß

GmbH

Gesellschaft mit beschränkter Haftung Gewerblicher Rechtsschutz und Urheberrecht (Zeit-

GRUR

schrift) GuV

Gewinn- und Verlustrechnung

Habil.

Habilitationsschrift

HB

Handelsblatt (Zeitung)

HdV

Handwörterbuch der Versicherung, hrsg. v. Dieter Farny, Elmar Helten, Peter Koch u. Reimer Schmidt, Karlsruhe 1988 Handwörterbuch der Wirtschaftswissenschaft, hrsg. v.

HdWW

Willi Albers, Karl Erich Born et. al. Hervorh. d.d. Verf. =

Hervorhebungen durch den Verfasser

HGB

Handelsgesetzbuch

Hrsg.

Herausgeber

hrsg. v.

herausgegeben von

HWB

Handwörterbuch der Betriebswirtschaft, 4. Auflage, hrsg. v. Erwin Grochla u. Waldemar Wittmann Handwörterbuch der Organisation, 2. Auflage, hrsg. v.

HWO

Erwin Grochla, Stuttgart 1980 Handwörterbuch des Rechnungswesens, 2. Auflage,

HWR

hrsg. v. Erich Kosiol, Klaus Chmielewicz u. Marcel IBNR IDW

=

Schweitzer, Stuttgart 1981 Incurred but not reported (Spätschäden) Institut der Wirtschaftsprüfer

i.e.S.

im engeren Sinne

IfD

Institut für Demoskopie (Allensbach)

insb.

insbesondere

ISI

Insurance Solvency International

i.w.S.

im weitesten Sinne

Jm

Journal für Betriebswirtschaft (Zeitschrift)

21

22

Abkürzungsverzeichnis

JR! KFZ Kreditwesen LlH Marketing. ZFP mm Mrd. MVSVM

The Journal of Risk and Insurance (Zeitschrift) Kraftfahrzeug Zeitschrift für das gesamte Kreditwesen Life/Hea1th Insurance Edition Marketing. Zeitschrift für Forschung und Praxis Manager Magazin (Zeitschrift) Milliarden Mitteilungen der Vereinigung schweizerischer Versicherungsmathematiker (Zeitschrift) Neue Juristische Wochenschrift (Zeitschrift)

NJW

Nr.

Nummer

o.J.

ohne Jahr

0.0. o.V. ÖBA ör P/C PC PKV PML Rdnr.

ohne Ort

RfB

Rückstellung für Beitragsrückerstattung Rückversicherer

ohne Verfasser Österreichisches Bank-Archiv (Zeitschrift) öffentlich-rechtlich Property/Casualty Insurance Edition Personal Computer Private Krankenversicherung Probable Maximum Loss Randnummer

RückVR RV

Rückversicherung(s)

S&P

Standard & Poor's

S.

Seite

sigma

=

StiWa

Zeitschrift der Schweizerischen Rückversicherungs-Gesellschaft Stiftung Waren test

SVZ

Schweizerische Versicherungs-Zeitschrift

u.

und

u.a. unveröff.

=

unter anderem unveröffentlicht

usw.

und so weiter

v.

von

Abkürzungsverzeichnis

VAG

23

Versicherungsaufsichtsgesetz (Gesetz über die Beaufsichtigung der Versicherungsunternehmen) Versicherungsbetriebe (Zeitschrift)

vb VerBAV VersVerm

Veröffentlichungen des BAV Versicherungsvermittlung (Zeitschrift)

vgl.

vergleiche

VHB84

Allgemeine Hausratversicherungsbedingungen (VHB 84)

VK VN

=

Vol. VP VR vs. VU VUBR VVaG

Versicherungskaufmann (Zeitschrift) Versicherungsnehmer Volume Die Versicherungspraxis (Zeitschrift) Versicherer versus

=

Versicherungsunternehmen Bilanzierungsrichtlinien für Versicherungsunternehmen Versicherungsverein auf Gegenseitigkeit

VW

Versicherungswirtschaft (Zeitschrift)

WBS WiSt

Wissensbasiertes System Wirtschaftswissenschaftliches Studium (Zeitschrift)

WISU WiWo WPg

Das Wirtschaftsstudium (Zeitschrift)

z.B.

=

Wirtschaftswoche (Zeitschrift) Die Wirtschaftsprüfung (Zeitschrift) zum Beispiel

ZtbF

=

Schmalenbachs Zeitschrift für betriebswirtschaftliche

zm

Zeitschrift für Betriebswirtschaft Forschung

+ Organisation

zfo

Zeitschrift Führung

ZfV z.T.

Zeitschrift für Versicherungswesen

ZVersWiss ZWS

zum Teil Zeitschrift für die gesamte Versicherungswissenschaft Zeitschrift für Wirtschafts- und Sozialwissenschaften

A. Einführung: Zur Problematik von Entscheidungen in derVersicherungswirtschaft 1. Zur Entscheidungsproblematik in einer Marktwirtschaft

1.1 Allgemeines

Wesentliches Charakteristikum einer Marktwirtschaft ist die prinzipielle Entscheidungsautonomie der beteiligten Wirtschaftssubjekte. Gesteuert werden die dezentral getroffenen Einzelentscheidungen durch den Wettbewerb, der mit seinen Mechanismen (Anreize und Beiträge) dafür Sorge trägt, daß sich ein anpassungs- und leistungsfahiges Wirtschaftssystem bildet. Voraussetzung für einen funktionsfahigen Wettbewerb ist das Vorhanden sein von Information 1. Diese sehr allgemeine, vordergründig betrachtet vielleicht sogar triviale Behauptung wird im weiteren Verlauf der Arbeit eine besondere Bedeutung erlangen. Der Grund für Fehlentwicklungen, für Fehlentscheidungen, allgemein ausgedrückt für unerwünschte Sachverhalte im Wirtschaftssystem ist nämlich in der Mehrzahl der Fälle ungenügendes Vorhandensein von Information 2 . Ein kurzer Überblick über den Zusammenhang von zweckmäßigen (guten, erwünschten) Entscheidungen in einer Marktwirtschaft und dem Vorhandensein von Information soll diese These untermauern. In der Wettbewerbstheorie wird das Vorhandensein von Markttransparenz gefordert, was inhaltlich nichts anderes darstellt. Vgl. dazu beispielhaft: Heuß, E.: Wettbewerb; in: HdWW, Band 8, Stuttgart et. al. 1980, S. 679, wobei sich hier die Frage nach dem Umfang der Transparenz noch nicht stellt.

2

Gleichlautend: Mag, w.: Entscheidung und Infonnation, München 1977, S. 1. Etwas anders formuliert Lachnit den gleichen Sachverhalt: "In einer marktwirtschaftlichen Ordnung, in der das Wirtschaftsgeschehen von den Entscheidungen der Wirtschaftssubjekte bestimmt wird, sind Infonnationen ... Voraussetzungen dafür, daß die volkswirtschaftlichen Ressourcen optimal genutzt werden ... können." Lachnit, L.: Systemorientierte Jahresabschlußanalyse, Wiesbaden 1979, S. 1.

26

A. Einführung

1.2 Bemerkungen zur Entscheidungstheorie

1.2.1 Entscheidungsbegriff

"Als Entscheidung wird die Wahl einer Handlungsalternative aus mehreren möglichen Handlungsalternativen bezeichnet. "3 Dies bedeutet, daß für eine Entscheidung mindestens zwei Handlungsmöglichkeiten existieren müssen, die im Extremfall aus dem "Tun" oder "Nicht-Tun" einer einzelnen Handlung bestehen können. Ohne hier näher auf die Abgrenzung von Entscheidung und Nicht-Entscheidung einzugehen 4 , ist es unumgänglich, die zitierte, sehr allgemeine Definition des Begriffes Entscheidung etwas zu konkretisieren. Zum einen ist die Wahl, eine Handlung vorzunehmen, nur dann eine Entscheidung zu nennen, wenn sie "bewußt" vorgenommen wird5. Zum anderen interessieren hier nur solche Entscheidungen, die wirtschaftliche Sachverhalte betreffen6 .

3

Schildbach. T.: Entscheidung; in: Vahlens Kompendium der Betriebswirtschaftslehre. Band 2.2. Auflage. München 1990. S. 59.

4

Vgl. dazu den ausführlichen Überblick bei Kaluza. B.: Entscheidungsprozesse und empirische Ziel forschung im Versicherungsunternehmen. Karlsruhe 1979. S. 28 ff. mit zahlreichen Literaturangaben. Mag meint dazu: "So scharfsinnig diese psychologischen Abgrenzungen auch sein mögen, sie liegen im wesentlichen im Vorfeld der betriebswirtschaftlichen Fragestellung." Mag. w.: Entscheidung und Information. a.a.O .• S. 4. Vgl. dazu auch die DefInition bei Kaluza. B.: Entscheidungsprozesse ...• a.a.O .• S. 32; auf das Problem. daß das Merkmal der "Bewußtheit" wenig operational ist. soll nicht weiter eingegangen werden. da die Lösung dieses Problems hier nicht von Bedeutung ist. Der Grund für die Einführung dieses Kriteriums liegt ausschließlich darin. die völlig unbewußten Wahlhandlungen von Individuen negativ abzugrenzen. Ähnlich sehen das sicher auch Sieben I Schild bach. wenn es in ihrer sonst ähnlich lautenden Deftnition heißt: " ... die mehr oder weniger bewußte Auswahl ... "; siehe Sieben. G. I Schildbach. T.: Betriebswirtschaftliehe Entscheidungstheorie. 3. Auflage. Düsseldorf 1990. S. 1. Ebenso: Laux. H.: Entscheidungstheorie - Grundlagen. Berlin/HeidelberglNew York 1982. S. 3.

5

6

Auch diese Forderung stellt keine wesentliche Einschränkung des Begriffsinhalts dar. da in einem modemen. arbeitsteiligen Wirtschaftssystem nahezu jede Handlung mit wirtschaftlichen Konsequenzen verbunden ist. Notwendig ist sie trotz dessen. um die Wahl der Handlungen aus der Betrachtung auszuklammern. bei denen weder die Motivation des Handelnden noch die Folgen seines Tuns zweckmäßigerweise mit dem wirtschaftswissenschaftlichen Instrumentarium erfaßbar sind.

1. Zur Entscheidungsproblematik in einer Marktwirtschaft

27

Als Entscheidung soll also jede bewußte Wahl zwischen mehreren Handlungsmöglichkeiten bezeichnet werden, die Auswirkungen 7 auf wirtschaftliche Sachverhalte hat.

1.2.2 Ansätze der ElIIscheidungstheorie Die Grundlagen einer Entscheidungstheorie als einem Aussagensystem, das Erklärungen oder Begründungen bei der wissenschaftlichen Durchdringung des Phänomens Entscheidung 8 liefern soll, finden sich in der klassischen Mikroökonomie. Schon hier wurde versucht, wenn auch unter recht realitätsfernen Prämissen, mit dem Wirtschaftlichkeitsprinzip die Entscheidungen der Marktteilnehmer zu erklären 9 . Heute ist die Entscheidungstheorie weit entwickelt; es gibt eine reichhaltige Literatur zu diesem Gebiet lO . Allgemein beinhaltet Entscheidungstheorie "die logischen und empirischen Analysen des rationalen oder intendiert rationalen Entscheidungsverhaltens"11. Die Entscheidungstheorie umfaßt damit zwei grundsätzlich unterschiedliche Ansätze: Die empirisch realistische Entscheidungstheorie entwickelt Aussagen darüber, wie in der Realität tatsächlich die Entscheidungen getroffen werden 12, und die norma7

8 9

10

11 12

Der Begriff Auswirkung ist im weitesten Sinne zu verstehen, also einschließlich der Möglichkeit, daß sich an einem wirtschaftlichen Sachverhalt nichts ändert. In einem solchen Fall soll z.B. eine negative Veränderung vennieden werden und die (erhoffte) Auswirkung besteht in der Beibehaltung einer vorhandenen Situation. Zum allgemeinen Begriff "Theorie" siehe Wild, J.: Theorienbildung, betriebswirtschaftliche; in: HWB, Band 3, Stuttgart 1976, Sp. 3890. Eine kurze Darstellung der historischen Entwicklung der Entscheidungstheorie findet sich bei K6hler, R. / Uebele, H.: Einsatzbedingungen von Planungs- und Entscheidungstechniken; in: Der praktische Nutzen empirischer Forschung, hrsg. v. Eberhard Witle, Tübingen 1981, S. 118-122. Eine ausführliche Darstellung mit kritischen Anmerkungen findet sich bei Stäudel, T.: Entscheidungsverhalten aus präskriptiver und deskriptiver Sicht; in: Lohhausen, hrsg. v. Dietrich Dömer, Heinz W. Kreuzig, Franz Reitzer u. Thea Stäudel, Bem 1983, S. 54-100. Beispielhaft sollen hier nur die Übersichten bei Sieben, G. / Schildbach, T.: ... Entscheidungstheorie, a.a.O., S. 1-13, oder ausführlich bei Kirsch, w,: Einführung in die Theorie der Entscheidungsprozesse, 2. Auflage, Wiesbaden 1977, erwähnt werden.

Bamberg, G. / Coenenberg, A. G.: Betriebswirtschaftliche Entscheidungslehre, 5. Auflage, München 1989, S. 1. Vgl. aus dem umfangreichen Schrifttum beispielhaft: Schildbach, T.: Entscheidung, a.a.O., S. 60; Bamberg, G. / Coenenberg, A. G.: ... Entscheidungslehre, a.a.O., S. 4; Sieben, G. / Schildbach, T.: ... Entscheidungstheorie, a.a.O., S. 3.

28

A. Einführung

tive Entscheidungstheorie hat zum Untersuchungsgegenstand, wie Entscheidungen "rational"13 zu fällen sind, d.h. sie sucht nach Entscheidungsregeln, die den Entscheidungsträger in einer gegebenen Situation die Wahl treffen lassen, deren Konsequenz den höchsten Beitrag zu seiner Zielerfüllung bringt l4 . Diesem zweiten Ansatz soll im weiteren Verlauf der Arbeit überwiegend gefolgt werden.

1.2.3 Entscheidungsmodelle 1.2.3.1 Grundmodell der normativen Entscheidungstheorie 15 1.2.3.1.1 Vorbemerkungen Entscheidungsmodelle benötigen grundsätzlich zwei Arten von Informationen, von denen das Modell und die Entscheidung, die unter Verwendung des Modells getroffen wird, bestimmt werden:

- Zielinfonnationen; dies sind Informationen über die angestrebten Ziele des Entscheidungsträgers und deren Rangfolge untereinander. - Entscheidungsfeldinfonnationen; das sind Informationen darüber, welche Aktionsmöglichkeiten dem Entscheider überhaupt zur Verfügung stehen, mit welchen nicht beeinflußbaren Einwirkungen auf die Aktionen zu rechnen ist ("Umweltzustände") und welche Konsequenzen sich daraus im einzelnen ergeben. Beide Informationskategorien und ihr Zusammenwirken werden üblicherweise wie folgt dargestellt (vgl. Abb. 1).

13 14

15

Der Begriffsinhalt der "Rationalität" wird an späterer Stelle noch ausführlicher zu behandeln sein. Vgl. Abschnitt 1.2.3.3 in diesem Kapitel. Siehe ebenfal\s nur beispielhaft Sieben, G. / Schildbach, T.: ... Entscheidungstheorie, a.a.O., S. 1; Laux, H.: Entscheidungstheorie, a.a.O., S. 3 f.; Schildbach, T.: Entscheidung, a.a.O., S. 59. Vgl. zu den Ausführungen in diesem Kapitel insgesamt Sieben, G. / Schildbach, T.: ... Entscheidungstheorie, a.a.O., S. 15-34.

I. Zur Entscheidungsproblematik in einer Marktwirtschaft

29

1.2.3.1.2 Das Entscheidungsfeld Innerhalb des Entscheidungsfelds werden drei Bestandteile unterschieden. Der Aktionsraum beinhaltet alle dem Entscheidungsträger zur Verfügung stehenden Handlungsmöglichkeiten (Aktionen). Es gilt die Annahme, daß der Entscheidungsträger alle realisierbaren Aktionen kennt und daß sich die einzelnen Aktionen gegenseitig ausschließen. Fällt also die Wahl auf die Aktion ak (mit k= l...n) darf keine Möglichkeit bestehen, eine der anderen Aktionen ai (mit i ~ k) aus dem Aktionsraum zusätzlich ergreifen zu können. Ein vollständiger Aktionsraum enthält grundsätzlich auch die Unterlassungsalternative; das ist die Möglichkeit, nichts zu tun.

I Abb. I:

l

l

l

l

&gebnismalrix

l Entscheidungsmatrix

Elemente des Grundmodells der normativen Entscheidungstheorie l6

Zweiter Bestandteil des Entscheidungsfelds ist die Umwelt. Damit wird die Menge der möglichen Umweltsituationen bezeichnet. Unter Umweltsituationen werden alle Sachverhalte erfaßt, die Auswirkungen auf die Ergebnisse von Aktionen haben, auf die der Entscheidungsträger selbst jedoch keinen Einfluß nehmen kann. Beispiele dafür sind Klima, Gesetzgebung oder auch Konjunkturverläufe.

16

Entnommen bei Schildbach, T.: Entscheidung, a.a.O., S. 63.

30

A. Einführung

Drittes Element des Entscheidunsgfelds ist schließlich die Era:ebnisfunktion. Ihre Aufgabe ist die eindeutige Zuordnung von Ergebnissen zu jeder Kombination einer Aktion aus dem Aktionsraum und einer der möglichen Umweltsituationen. 1.2.3.1.3 Die Ergebnismatrix Faßt man die Bestandteile des Entscheidungsfelds zusammen, so führt das zur EI; a:ebnismatrix. Der Aktionsraum (alle ai) wird in der Vorspalte abgetragen und die - eventuell mit ihren Eintrittswahrscheinlichkeiten versehenen - Umweltsituationen (s/7) in der Kopfzeile. In der Matrix selbst wird entsprechend der Ergebnisfunktion jeder Kombination von Aktion und Umweltsituation ein Ergebnis (eij) zugeordnet (vgl. Abb. 2). ErgebnismaIrix

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1. Modell eines Rating-Verfahrens

217

Durch die veröffentlichten Bewertungsergebnisse (Ratings) können sich Rückwirkungen sowohl auf die Bewertungsobjekte als auch auf die Bewertungsziele ergeben. Rating-Verfahren sind daher im Zeitablauf immer wieder zu überprüfen.

1.2 Einzelne Verfahrensschritte

1.2.1 Vorbemerkungen Eine ausführliche Darstellung des Rating-Verfahrens an dieser Stelle führt zu umfangreichen Überschneidungen mit den Ausführungen, die zum Untemehmensund Produktrating in späteren Abschnitten gemacht werden. Aus diesem Grund beschränken sich die folgenden Beschreibungen auf generelle Sachverhalte eines Rating-Verfahrens, die von seiner Anwendung auf bestimmte Rating-Objekte unabhängig sind.

1.2.2 Bewertungsvorbereitung 1.2.2.1 Ableitung von Qualitätsmerkmalen Das Bewertungsziel von Rating-Verfahren ist eine Aussage über die Qualität von Rating-Objekten. Zur Operationalisierung dieses Bewertungsziels ist eine Begriffsbestimmung von Qualität zwingend erforderlich. "Der Begriff 'Qualität' stammt vom lateinischen 'qualis' und bedeutet 'wie beschaffen' . " 1 Im heutigen Sprachgebrauch wird der Begriff Qualität mit der Beschaffenheit von Produkten oder Leistungen in Verbindung gebracht. Hohe Qualität weisen solche Produkte oder Leistungen auf, die den Zweck, für den sie eingesetzt werden, fehlerfrei und auf zufrieden stellende Weise erfüllen.

Bantel, W. / Hinterhuber, H. H. / Hübner, H.: Qualitätssicherung als Führungsaufgabe Integration der Qualitätssicherung in die strategische Untemehmensführung; in: 1m 1989, S.20.

218

C. Modell eines Rating-Verfahrens und Aspekte seiner Ausgestaltung

Das Deutsche Institut für Normung definiert Qualität als die "Gesamtheit von Eigenschaften und Merkmalen eines Produkts oder einer Leistung, die sich auf deren Eignung zur Erfüllung gegebener Erfordernisse beziehen. "2 Anders formuliert repräsentiert die Qualität eine Aussage darüber, in welchem Umfang Produkte oder Leistungen die Erwartungen erfüllen, die aus der Sicht der Verwender an sie gestellt werden; inwieweit die Produkte und Leistungen also für den Benutzer 'geeignet' sind. Grundsätzlich können die verschiedenen Ausprägungen von Qualität auf einem Kontinuum zwischen den Extremen 'völlig ungeeignet' bis 'hervorragend geeignet' abgetragen werden 3 . Ratings verfolgen jedoch nur das Ziel der Klassifikation von Rating-Objekten. Daraus folgt: Das Bewertungsziel von Rating-Verfahren ist die Zuordnung der Rating-Objekte zu einer bestimmten Qualitätsklasse, und zwar in Abhängigkeit davon, wie die Beschaffenheit des Rating-Objekts mit den Erwartungen der Rating-Empfänger übereinstimmt (Vgl. Abb. 124). Die Ermittlung der Zielstrukturen potentieller Rating-Empfänger, von denen ihre Erwartungen hinsichtlich der Beschaffenheit von Rating-Objekten bestimmt werden, wurde bereits beschrieben5 . Für den weiteren Rating-Prozeß ist nun die Ableitung von Merkmalen vorzunehmen, die die Beschaffenheit des Rating-Objekts repräsentieren. Sie werden als Qualitätsmerkmale bezeichnet. So ist Z.B. die Beschaffenheit im Sinne der Qualität eines Versicherungsunternehmens wenig bestimmt. Ein wichtiges Qualitätsmerkmal6 , dessen Ausprägung Aussagen über die Qualität von Versicherern zuläßt, ist jedoch die Sicherheit dieses Unternehmens. Es sind so viele Qualitätsmerkmale zu ermitteln, daß die Gesamtheit ihrer Ausprägungen eine Aussage über die Qualität des Rating-Objekts zuläßt.

2

DIN 55350. zitiert nach Meyer, A. / MattmUller, R.: Qualität von Dienstleistungen. Entwurf eines praxisorientierten Qualitätsmodells; in: Marketing.ZFP 1987. S. 187.

3

"Qualität ist also kein bivalenter Begriff." Bantel, W. / Hinterhuber, H. H. / Hubner, H.: Qualitätssicherung ...• a.a.O .• S. 20.

4

In Anlehnung an Bantel, W. / Hinterhuber, H. H. / HUbner. H.: Qualitätssicherung ...• a.a.O .• S. 21.

5

Vgl. Abschnitt 4.2.3 in Kapitel B.

6

Die Qualitätsmerkmale von Versicherungsuntemehmen werden noch ausfiihrlich behandelt. Siehe Abschnitt 2.1 weiter unten.

1. Modell eines Ra,ting-Verfahrens

219

QUAUTÄTSURTEll

Abb. 12: Bewertungsziel von Rating-Verfahren

1.2.2.2 Identifikation von Rating-Kriterien Die Ausprägung der Qualitätsmerkmale (die Teilqualität) ist regelmäßig nicht direkt bestimmbar. Daher sind Kriterien zu identifizieren, die folgenden Anforderungen genügen: - Die Kriterien sind quantifizierbar7 . - Die Kriterienwerte lassen Aussagen über eine konkrete Teilqualität zu. Die möglichen Kriterien sind in ihrer Art vielfältig. Grundsätzlich handelt es sich dabei um numerische Ausdrücke (meist Kennzahlen 8) oder um qualitative Ein-

7

8

Quantifizierbar ist nicht identisch mit meßbar. Quantifizieroar ist ein Kriterium dann, wenn ihm ein bestimmter Wert zugeordnet werden kann, wobei die Art der Zuordnung nebensächlich ist. Absolute Zahlenwerte bestimmter Größen eines Unternehmens (z.B. X DM SchwankungsrucksteIlungen) haben wenig Aussagegelhalt. Sie sind nicht vergleichbar. Daher werden sie zu anderen Größen in Beziehung gesetzt, relativiert. "Den Ausdruck dieser zueinander in Beziehung gesetzten betriebswirtschaftlieh relevanten Größen nennt man Kennzahl." Coenenberg, A. G.: Jahresabschluß und Jahresabschlußanalyse, 11. Auflage,

220

C. Modell eines Rating-Verfahrens und Aspekte seiner Ausgestaltung

schätzungen, die Z.B. durch Methoden der sozioökonomischen Messung quantifiziert werden. Voraussetzung für ihre Charakterisierung als Kriterium ist, daß die den Kennzahlen und Einschätzungen zugeordneten Werte Aussagekraft hinsichtlich der Ausprägung untersuchter Teilqualitäten aufweisen. Der Umfang ihrer Aussagekraft ist damit noch nicht festgelegt. So weisen einzelne Kriterien auf die Ausprägungen unterschiedlicher Qualitätsmerkmale hin 9 , andererseits sind für die Bestimmung einer konkreten Teilqualität regelmäßig mehrere (viele) Kriterien erforderlich lO •

1.2.3 Bewertungsdurc/iführung l.2.3.1 Bewertung der Rating-Kriterien Nach ihrer Identifikation sind die Kriterien zu quantifizieren. Diese Quantifizierung geht grundsätzlich über eine reine Messung der Kriterienwerte hinaus. Sie enthält bereits eine Bewertung. Um den Anforderungen eines Rating-Verfahrens zu genügen, sind bereits bei der Quantifizierung der Kriterien die individuellen Besonderheiten des Rating-Objekts und die relevanten Umweltbedingungen zu berücksichtigen. Vor ihrer Weiterverarbeitung im Rating-Prozeß sind erfaßte Kriterienwerte kritisch zu reflektieren und bei Bedarf anzupassen. Anders ausgedrückt: Als Kriterienwerte dürfen nicht lediglich mechanisch-arithmetische Kennzahlen produziert werden, es sind statt dessen Bewertungsergebnisse zu liefern. Als Beispiel kann das Kriterium Prämienwachstum genannt werden: Angenommen, das beim untersuchten Versicherungsunternehmen ermittelte Prämienwachs-

9 10

Landsberg am Lech, 1990, S. 564. An gleicher Stelle finden sich auch Ausführungen über die unterschiedlichen Arten von Kennzahlen. Anderer Ansicht ist Lachnit, der auch Absolutzahlen als Kennzahlen zuläßt. Vgl. Lachnit, L.: ... Jahresabschlußanalyse, a.a.O., S. 16 f. Ein Verfahren zur Auswahl zweckmäßiger Kennzahlen stellt Perlitz vor. Vgl. Perlitz, M.: Die Prognose des Unternehmenswachstums aus Jahresabschlüssen deutscher Aktiengesellschaften, Wiesbaden 1973, S. 49 ff. Z.B. läßt das Kriterium 'Erträge aus Kapitalanlagen' Rückschlüsse sowohl auf die Sicherheit (Kapitalerhaltung) als auch auf die Ertragslage eines Versicherers zu. So ist beispielsweise der Sicherheitsgrad eines Versicherungsunternehmens nicht nur von seiner Ausstattung mit Eigenmitteln abzuleiten, sondern ebenso abhängig von der Art der betriebenen Versicherungsgeschäfte, dem Umfang der versicherungstechnischen Rückstellungen usw.

1. Modell eines Rating-Verfahrens

221

turn beträgt 7%. Im gleichen Zeitraum sind die Prämien der direkten Mitbewerber im Durchschnitt um 5% gestiegen. Die Folge ist, daß nicht der Ausdruck 7% in den weiteren Bewertungsprozeß einfließt, sondern ein auf den Durchschnitt bezogener Wert, also z.B. "40% über dem Durchschnittswachstum" . Diese Bewertung (bzw. Relativierung) der erfaßten Kriterienwerte setzt die Verfügbarkeit zweckmäßiger Vergleichsmaßstäbe voraus. Durchschnittswertell eignen sich als Maßstab nur dann, wenn sie folgende Anforderungen erfüllen: - Der Durchschnittswert selbst ist als mindestens zufrieden stellend einzustufen. - Der Durchschnittswert ist repräsentativ. Nicht zufrieden stellend ist ein Durchschnittswert dann, wenn ein im Vergleich dazu überdurchschnittlicher Kriterienwert inhaltlich eine negative Qualitätsaussage darstellt. Z.B. ist es nur zweckmäßig, Prämiensteigerungen mit dem Durchschnittswachstum vergleichbarer Unternehmen in Relation zu setzen, wenn das Durchschnittswachstum die Inflationsrate übersteigt. Liegt das Durchschnittswachstum darunter, so kann auch die Ermittlung eines überdurchschnittlichen Wachstums beim untersuchten Versicherer den Tatbestand der realen Schrumpfung anzeigen. Daraus einen "guten" Wachstumswert abzuleiten, ist mit dem Ziel eines Rating-Verfahrens nicht vereinbar 12 .

11

12

Es können eine Vielzahl anderer Vergleichsmaßstäbe herangezogen werden, z.B. das Bruttosozialprodukt, die Entwicklung der Lebenshaltungskosten, der KonjunktuIVerlauf einzelner Teilindustrien usw. Noch deutlicher wird die Gefährdung, die von der Verwendung unzweckmäßiger Durchschnittswerte ausgeht, wenn Erfolgsgrößen zu untersuchen sind. So betrug beispielsweise in den USA 1984 der durchschnittliche Verlust in der Property/Casualty Versicherung 3,3% der verdienten Prämien (vgl. Jannott, H. K.: Interdependenzen von versicherungstechnischem und allgemeinem Geschäft; in: Staat, Wirtschaft, Assekuranz und Wissenschaft, Festschrift für Robert Schwebler, hrsg. v. Rudolf Henn u. Walter F. Schickinger, Karlsruhe 1986, S. 258 f.), mit steigender Tendenz für 1985. Bei einem solchen Szenario kann ein analysierter Versicherer auch dann noch deutliche Substanzverluste erleiden, wenn er sich positiv vom Durchschnitt der Branche abhebt.

222

C. ModeIl eines Rating-Verfahrens und Aspekte seiner Ausgestaltung

Ein Durchschnittswert ist nicht repräsentativ, wenn die zur Durchschnittsbildung verwendeten Ergebnisse nicht vergleichbar 13 sind oder wenn der Durchschnitt von Einzelwerten verzerrt wird. Solche Verzerrungen können durch außerordentliche Vorgänge verursacht werden l4 . Während sich der Fehler im Fall nicht repräsentativer Durchschnitte aufgrund verzerrender Einzelwerte durch eine Bereinigung ihres Einflusses relativ leicht beheben läßt, stellt die mangelhafte Vergleichsbasis im erstgenannten Fall ein größeres Problem dar. Bei 'mangelhaften' Durchschnittswerten ist nämlich die Relativierung anhand eines fiktiv festzulegenden, "zufriedenstellenden" Werts vorzunehmen. Eine solche Fiktion kann regelmäßig nur dann zu sinnvollen Ergebnissen führen, wenn sie mit Vorsicht vorgenommen wird und ausreichendes Expertenwissen zur Basis hat. l.2.3.2 Ermittlung der Teilqualitäten l.2.3.2.1 Anforderungen an die Informationsverdichtung Liegen die Bewertungsergebnisse der einzelnen Kriterien vor, erfolgt die Ermittlung der Teilqualitäten. Die Bestimmung von Teilqualitäten ist allgemein ausgedrückt ein Informationsverarbeitungsprozeß, bei dem mehrere (viele) Einzelinformationen einer niedrigeren Abstraktionsebene (Kriterienwerte) zu einer einzelnen Information auf höherer Abstraktionsebene (Ausprägung des Qualitätsmerkmals) verdichtet werden. Informationsverdichtung hat grundsätzlich zur Folge, daß die absolute Menge der Information abnimmt. Einzelinformationen gehen bei der Aggregation unter. Aufgrund dieses Sachverhalts ist ein Aggregationsverfahren auszuwählen, das eine Verfälschung des Informationsgehalts bei der Verdichtung verhindert. Eine Ver13 14

Nicht vergleichbar sind beispielsweise Wachstumsraten von Unternehmen mit deutlich unterschiedlichen Bestandsmischungen. Durch die Änderung der Struktur eines großen Versicherungskonzerns Mitte der achtziger Jahre und der damit verbundenen Neuordnung des Kompositversicherers wurden z.B. einzelne Kennzahlen so stark beeinflußt, daß auch die davon abhängigen Durchschnittswerte deutlichen Verzerrungen unterlagen. Vgl. Farny, D. / Mehring, H.-P. / Sönnichsen, c.: Die Geschäftsergebnisse der Kompositversicherung im Jahr 1985 und im Fünfjahreszeitraum 198111985; Beilage zur VW Nr. 19/1986, Tabelle 11 a, S. XX sowie die Erläuterungen zum Sachverhalt auf S. VI.

1. Modell eines Rating-Verfahrens

223

fälschung des Informationsgehalts liegt vor, wenn die verdichtete Information zu einem anderen Qualitätsurteil führt, als die Analyse und Abwägung der Einzelinformationen. Gründe für eine potentielle Verfälschung des Informationsgehalts basieren auf folgenden Tatbeständen: 1.) Mehrfacherfassung derselben Sachverhalte;

2.) Vernachlässigung von Korrelationen; 3.) unzweckmäßige Gewichtung. Mehrfacherfassungen gleicher Sachverhalte treten bei der Aggregation von Kriterienwerten auf, deren Bewertungsgrundlagen nicht überschneidungsfrei sind. Das kann z.B. durch die Verwendung gleicher Bezugsgrößen bei der Ermittlung verschiedener Kennzahlen verursacht sein. Solche Mehrfacherfassungen sind nach erfolgter Verdichtung schwer erkennbar, weil Einzelinformationen nicht mehr vorliegen. Negative und positive Korrelationen zwischen einzelnen Kriterien treten durch die umfangreichen Interdependenzen nahezu zwangsläufig auf. Sie führen zu einer Verfälschung des Bewertungsergebnisses, wenn sie im Verdichtungsprozeß nicht berücksichtigt und entsprechend neutralisiert werden. Als potentielle Ursache für Verfälschungen des Informationsgehalts wurde schließlich die unzweckmäßige Gewichtung genannt. Zweifellos tragen die verschiedenen Kriterien in unterschiedlichem Maße zur Ausprägung des jeweiligen Qualitätsmerkmals bei. Diesem unterschiedlichen Beitrag muß durch eine entsprechende Gewichtung der Kriterienwerte im Verdichtungsprozeß Rechnung getragen werden. Die Problematik von Gewichtungen besteht im Mangel einer objektiv richtigen Methode für die Festlegung der einzelnen Gewichte. Ihre Ermittlung basiert daher im wesentlichen auf Erfahrung und analytischem Expertenwissen. 1.2.3.2.2 Aggregationsverfahren Bei der Ermittlung von Teilqualitäten handelt es sich allgemein formuliert um die Zuordnung eines komplexen Sachverhalts (z.B. Qualitätsmerkmal), der sich durch unterschiedliche Kriterienausprägungen mit z.T. unbekannten gegenseitigen Ab-

224

C. Modell eines Rating-Verfahrens und Aspekte seiner Ausgestaltung

hängigkeiten beschreiben läßt, zu einer bestimmten Klasse dieser Sachverhalte durch Aggregation der Kriterienausprägungen. Die Differenzierung der Klassen erfolgt durch ihr Qualitätsniveau (z.B. hoher Sicherheitsgrad - mäßiger Sicherheitsgrad). Für Aggregationsverfahren, die solche Zuordnungen ermöglichen, sind im Rahmen der Untersuchungen zur Bonitätsanalyse oder zur Früherkennung negativer Unternehmensentwicklungen (Frühwarnsysteme) zahlreiche Ansätze entwickelt worden l5 . Ein verbreitetes Verfahren ist das der Diskriminanzanalyse, die eine bivalente Klassifikation zum Ziel hat. Bei der Insolvenzprognose z.B. versucht man mit ihrer Hilfe, die Trennung der betrachteten Unternehmen in die Klassen 'insolvenzgefährdet' und 'nicht insolvenzgefährdet'16 zu erreichen. Zur Ermittlung von Teilqualitäten innerhalb eines Rating-Verfahrens ist die Diskriminanzanalyse als Aggregationsverfahren allerdings nicht geeignet. Einmal ist eine bivalente Klassifikation für die Zuordnung zu Qualitätsintervallen unzureichend. Darüber hinaus kann ein Teil der Kriterienausprägungen mittels Diskriminanzanalyse nicht verarbeitet werden. Die Diskriminanzanalyse benötigt als ein mathematisch-statistisches Verfahren kardinalskalierte Inputwerte. Ein kardinales Skalenniveau ist bei einem Rating-Verfahren aufgrund der zahlreichen ausschließlich qualitativ bewertbaren Kriterien nicht zu realisieren. Benötigt wird daher ein Verfahren zur Qualitätsklassifikation, welches in der Lage ist, auch ordinalskalierte Inputwerte zu verarbeiten. Ein solches Verfahren ist das der Mustererkennung l7 . Die Theorie der Mustererkennung ist noch nicht sehr alt; ihre bevorzugten Anwendungsgebiete sind die Wissenschaftsdisziplinen Biologie, Meteorologie und 15

16

17

Einige statistische Verfahren beschreiben Rommelfanger, H. / Unterharnscheidt, D.: Modelle zur Aggregation von Bonitätskriterien; in: ZfbF 1988, S. 471-503. VgJ. dazu beispielhaft: Baetge, J.: Möglichkeiten der Früherkennung negativer Unternehmensentwicklungen mit Hilfe statistischer Jahresabschlußanalysen; in: ZfbF 1989, S. 792811; Baetge, J. / Huß, M. / Niehaus, H.-J.: Betriebswirtschaftliche Möglichkeiten zur Erkennung einer drohenden Insolvenz; in: Beiträge zur Reform des Insolvenzrechts, hrsg. v. IDW, Düsseldorf 1987, S. 61-81; Niehaus, H.-J.: Früherkennung von Unternehmenskrisen - Die statistische Jahresabschlußprüfung als Instrument der Abschlußprüfung, Düsseldorf 1987. VgJ. zu den folgenden Ausführungen Fischer, J. H.: Computergestützte Analyse der Kreditwürdigkeit auf Basis der Mustererkennung, Düsseldorf 1981; und Bühler, w.: Bonitätsbeurteilung auf der Grundlage qualitativer Indikatoren; in: ÖBA 1982, S. 81-93 u. S. 180-199.

1. Modell eines Rating-Verfahrens

225

Medizin. Aus der Medizin entstammt das eingängige Analogiebeispiel für den Prozeß der Mustererkennung l8 : Ein Arzt, der von einem Patienten konsultiert wird, hat die Aufgabe, anhand der vom Patienten geäußerten Symptome, seines Wissens und eventuell nötiger Zusatzuntersuchungen eine Diagnose über die vorliegende Erkrankung zu erstellen. Dies erfolgt durch den Vergleich der Symptome, die beim Patienten erkennbar sind, mit den 'typischen' Symptomen eines bestimmten Krankheitsbilds. Im Regelfall schließt sich daran eine Handlungsempfehlung in Form einer bestimmten Therapie an. Übertragen auf die Bestimmung von Teilqualitäten bedeutet das: Die Analysten haben aufgrund der Kriterienwerte (Symptome), die für ein Qualitätsmerkmal vorliegen, und ihres Expertenwissens ein Urteil über die Zugehörigkeit des betrachteten Merkmals zu einer bestimmten Qualitätsklasse (" Art der Erkrankung") zu fällen l9 . Auch hier erfolgt die Zuordnung durch einen Vergleich der betrachteten Kriterienausprägungen mit den 'typischen' Werten, die die Kriterien bei einer bestimmten Teilqualität aufzuweisen haben. In vereinfachter Form vollzieht sich der Prozeß der computergestützten Mustererkennung wie folgt: Die bewerteten Kriterien eines Qualitätsmerkmals werden dem EDV-System eingegeben. Die Gesamtheit dieser Werte repräsentiert eine bestimmte Ausprägung des Qualitätsmerkmals (individuelles Qualitätsmuster oder Individualmuster), die durch die Einzelwerte und deren Kombination determiniert wird. Dieses Qualitätsmuster wird daraufhin vom EDV-System mit sogenannten Idea1mustem verglichen. Die Idea1muster sind Kombinationen von Kriterienwerten, die ein Qualitätsmerkmal einer bestimmten Qualitätsklasse typischerweise aufweist. Das eingegebene Muster wird der Qualitätsklasse zugeordnet, mit deren Idea1muster es die größte Übereinstimmung aufweist. Der Name dieser Klasse, das ist die Bezeichnung ihres Qualitätsniveaus, wird als Ergebnis des Aggregationsverfahrens vom EDV-System ausgegeben (Vgl. Abb. 13). 18

Vgl. Menens, P.: Die Theorie der Mustererkennung in den Wirtschaftswissenschaften; in: ZfbF 1977, S. 777. Ausführlich dazu: Fischer, J. H.: Computergestützte Analyse ... , a.a.O., S. 72 ff.

19

Da ein Rating Qualitätsurteile bereitstellt, aber grundsätzlich keine Handlungsempfehlungen aussprechen soll, kann der Prozeß an dieser Stelle abgebrochen werden. 15 Sönnichsen

226

C. Modell eines Rating-Verfahrens und Aspekte seiner Ausgestaltung

Voraussetzung für diesen Mustererkennungsprozeß ist die Kenntnis der Idealmuster durch das EDV-System. Diese Idealmuster müssen dem System also "beigebracht werden". Dazu existieren unterschiedliche Verfahren20 . Für den Einsatz bei Rating-Verfahren eignet sich die Methode des "überwachten Lemens". Sie zeichnet sich dadurch aus, daß dem System die Anzahl der Qualitätsklassen vorgegeben wird, die Idealmustererstellung EDV-gestützt erfolgt und im Zeitablauf Änderungen angepaßt wird.

EI1IIeIlung des lndivIdualmtlItenI

Vergleich mit

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IIIImmung

nein

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ja

Abb. 13: Einfaches Schema des Mustererkennungsprozesses

Der Prozeß des "überwachten Lemens" läuft vereinfacht wie folgt ab: Neben der Anzahl der Qualitätsklassen wird dem System bestimmtes Analystenwissen vorgegeben (A-Priori-Wissen über Idealmuster). Das System entwickelt daraus die benötigten Idealmuster, indem die Charakteristika der unterschiedlichen Qualitätsklassen herausgearbeitet werden. 20

Vgl. hierzu Mertens, P.: Die Theorie der Mustererkennung ... , a.a.O., S. 780 f.

1. Modell eines Rating-Verfahrens

227

Die Anpassungen der Idealmuster werden auf zwei Arten angestoßen. Einmal können von außen Änderungen eingegeben werden. Daneben kann das System die Idealmuster "fortschreiben". Die Charakteristika der Individualmuster, die einer Qualitätsklasse zugeordnet wurden, werden separat gespeichert. Ergibt sich daraus im Zeitablauf, daß die Idealmuster nicht mehr geeignet sind, die entsprechende Qualitätsklasse exakt zu repräsentieren, wird eine Anpassung vorgenommen. Dies kann automatisch erfolgen oder, nach vorheriger Meldung durch das System, von Analysten überwacht und gesteuert werden. Dadurch wird eine systematische Verbesserung und Anpassung der Idealwerte an die realen Sachverhalte gewährleistet. Schematisch ist der Mustererkennungsprozeß mit überwachtem Lernen in Abb. 14 dargestell t. Die Implementierung eines Verfahrens der Mustererkennung mit den beschriebenen Funktionen ist in Form eines Expertensystems21 bzw. eines Wissensbasierten Systems (WBS) möglich. Einige WBS laufen bereits in praktischen Anwendungen, und ihre Zahl steigt schne1l 22 • Die Erforschung, Entwicklung und Anwendung von Expertensystemen 23 für wirtschaftswissenschaftliche Zwecke haben ihren Schwerpunkt generell im Bereich der Bewertung von Unternehmen 24 und dort speziell auf dem Gebiet der Kreditwürdigkeits- bzw. Bonitätsprüfung25 . 21

Zur Beschreibung von Expertensystemen vgl. den Überblick bei Milling. P.: Expertensysteme zur Unterstützung betrieblicher Entscheidungsprozesse; in: WiSt 1989, S. 385-390. Eine kritische Betrachtung der noch bestehenden Grenzen bei ihrer Anwendung stellt Zelewski an: Zelewski. S.: Kritische Faktoren beim Einsatz von Expertensystemen; in: zm 1991. S. 237-258.

22

Vgl. Mertens. P.: Expertensysteme in der Finanzwirtschaft - Ein Überblick; in: BFuP 1989, S. 282 ff. Einige werden auch von Versicherungen bereits eingesetzt oder befinden sich kurz vor der Implementierung. Vgl. z.B. Bohn. K.: Aufbau eines Expertensystems rur Risikoprufungen; in: vb 2/1989. S. 32-40; Bachern. J.: Wie der Gerling-Konzern Expertensysteme benutzt; in: vb 111991, S. 2-5; sowie Lang. R.: Schon einsetzbar rur die Praxis? - Expertensysteme rur die interne Revision; in: vb 111991. S. 8-14. Gerade im Tätigkeitsfeld der Versicherer könnte allerdings die Verbreitung dieser Systeme weiter sein als sie heute ist. Gründe darur nennt Steuer. R. E.: Chancen und Risiken rur Expertensysteme in der Versicherungswirtschaft; in: VW 1990, S. 508-513.

23

Die Begriffe Expertensystem und WBS werden synonym verwendet.

24

Beispielhaft sei auf folgende Quellen verwiesen: Sieben. G. et. al.: Expertengestützte Ergebnisprognose zur Untemehmensbewertung; in: DB 1990, S. 1-8; sowie Mertens. P.: Expertisesysteme als Variante der Expertensysteme zur Führungsinformation; in: ZfbF 1989, S. 835-854.

25

Siehe hierzu die Beispiele bei: Guggisberg. U.: Experten-Systeme rur die Kreditentscheidung; in: Kreditinformations- und Kreditüberwachungssysteme, hrsg. v. Wilhelm Bühler u. Leo Schuster, Wien 1988, S. 141-149; Krakl. J. / Nolte-Hellwig. K. U.: Computergestützte Bonitätsbeurteilung mit dem Expertensystem "CODEX"; in: Die Bank 1990, S. 625-634; Manen. V.: Expertensystem rur die Bonitätsprufung und Beratung im Firmen-

228

C. Modell eines Rating-Verfahrens und Aspekte seiner Ausgestaltung

Ein an der Friedrich-Alexander-Universität, Erlangen-Nürnberg, entwickeltes "Expertisesystem"26 führt zu Ergebnissen, die auch ein System zur Ermittlung der Teilqualitäten mit Hilfe der Mustererkennung bereitstellen sollte27 . Es handelt sich um das System TYPEX (Expertensystem zur Typisierung von Unternehmen. Vgl. Abb. 15 28 ).

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Abb. 14: Mustererkennungsprozeß mit überwachtem Lernen

26 27 28

kundengeschäft; in: Die Bank 1989, S. 214-218; sowie Ruhland, J./ Rudlof, S.: Expertensystem für Sonderkredite; in: Die Bank 1990, S. 695-701. Mertens bezeichnet mit diesem Ausdruck solche WBS, die "aus Zahlenwerken verbale Gutachten ableiten und gegebenenfalls in diese verbalen Gutachten Zahlentabellen und Grafiken einarbeiten." Menens, P.: Expertisesysteme ... , a.a.O., S. 835.

Vgl. ebenda, S. 836 f. Die Konstruktion des dort erwähnten Systems basiert allerdings auf der Analyse von Jahresabschlüssen. Die folgenden Ausführungen entstammen der zitierten Quelle. Der in Abb. 15 gezeigte Ausschnitt einer Expertise von TYPEX stammt aus Menens, P.: Expertisesysteme ... , a.a.O., S. 837.

1. Modell eines Rating-Verfahrens

229

Ein WBS, das den Prozeß der Mustererkennung ausführt und zu einem ähnlichen Output gelangt, erfüllt die Anforderungen, die an die Ermittlung von Teilqualitäten innerhalb eines Rating-Verfahrens gestellt werden. Es gibt die Zuordnung zur entsprechenden Qualitätsklasse an, begründet das Ergebnis, wodurch bei Bedarf auf Einzelinformationen zurückgegriffen werden kann, die sonst bei der Verdichtung verloren gehen, und es ist ohne größere Aufwendungen an veränderte Rahmenbedingungen (somit auch an Besonderheiten des Einzelfalls) anzupassen. Daneben wird der Bewertungsvorgang durch die Computerunterstützung zeitlich verkürzt.

Erlluterung des Unternehmens 0 . . betracht.te Unt.rn.hm.n kommt I... Berich"jahr wie im Vorjahr d .... Untern.hm.n.typ ·Kumu....on von Problemen· am nachat.n. Oi... Unt.rn.hm.nakl_ wird ainar..i.. durch .in.n bal..t.t.n lI_rial- und Peraon"banrich und andereraaita durch .inen achrumpf.nd.n Abaatzllerwich charaktertai.rt.

1. RIN7IabiIitII Ea gelang dem batracht.t.n Unternehmen nicht. ..;_ d.utllch unter d.m Niveau d.r Vergleichaunterneh_ liegende R.ntabili ....'.g. Im Berich..j.hr zu verbaaam. O.fir aind dia Umaatzr.ntabilltat und die GeaamtIIapitaIr.ntabilität verantworUich. die ...

Abb. 15: Expertiseausschnitt aus TYPEX

Insgesamt weist das Verfahren der Mustererkennung zwei Eigenschaften auf, die es für die Anwendung innerhalb eines Rating-Verfahrens empfehlen: Es ist erstens in der Lage, ordinalskalierte Werte qualitativer Kriterien zu verarbeiten29 , zwei29

Vgl. dazu Bahler, W.: Bonitätsbeurteilung auf der Grundlage qualitativer Indikatoren, a.a.O. Bühler verwendet bei seiner Bonitätsanalyse ausschließlich qualitative Indikatoren, d.h. er verzichtet auf Bilanzdaten (gemeint ist wohl: auf Daten des Jahresabschlusses).

230

C. Modell eines Rating-Verfahrens und Aspekte seiner Ausgestaltung

tens ist dieses Verfahren computergestützt realisierbar, bleibt aber trotzdem variabel und damit anpassungsfahig an sich ändernde Konstellationen. Bühler stellt dazu fest 30 : Wenn es zutreffend ist, daß - eine fast unübersichtliche Vielzahl möglicher Kriterien die Teilqualitäten beeinflußt, - zwischen diesen Einflußfaktoren selbst wiederum vielfältige Abhängigkeiten bestehen und -der Einfluß der einzelnen Kriterien auf die Qualitätsausprägung im Zeitablauf variabel ist, dann wird bei der für die Beurteilung zu wählenden Methode von eben dieser Informations-Vielfalt und -Komplexität auszugehen sein. Die Methode der Mustererkennung kommt diesem Sachverhalt entgegen, indem über sie die Vielfalt beobachteter Merkmale sortiert, zu Entwicklungsmustern zusammengefaßt und im Zeitablauf verfolgt wird. 1.2.3.3 Feststellung und Veröffentlichung des Ratings Nach der Ermittlung der Teilqualitäten ist deren Zusammenfassung zu einem Gesamturteil vorzunehmen. Nach welchem Verfahren diese letzte Aggregation vorgenommen wird, hängt vom konkreten Anwendungsfall des Rating-Verfahrens ab. Grundsätzlich kann auch für diese Infornationsverdichtung das Verfahren der Mustererkennung eingesetzt werden. Da an dieser Stelle des Rating-Verfahrens jedoch nur noch wenige Teilqualitäten miteinander verknüpft werden müssen, sind auch personelle Rating-Feststellungen möglich. Dies z.B. in der Form, daß ein Team von Analysten das Gesamturteil über die Qualität des bewerteten RatingObjekts fällt. Der Abschluß eines Rating-Verfahrens besteht in der Veröffentlichung der Ratings.

30

Bühler, w.: Bonitätsbeurteilung auf der Grundlage qualitativer Indikatoren, a.a.O, S. 84. Die Terminologie von Bühler wurde für den hier vorliegenden Sachverhalt angepaßt.

2. Aspekte eines Unternehmensratings

231

2. Aspekte eines Unternehmensratings

2.1 Merkmale der Unternehmensqualität

2.1.1 Vorber,nerkungen Eine Bewertung der Unternehmensqualität setzt die Operationalisierung des Begriffs 'Unternehmensqualität' voraus 31 . Qualität von Produkten und Leistungen ist als Ausmaß ihrer Eignung zur Erfüllung von Kundenerwartungen beschrieben worden. Analog dazu wird im vorliegenden Zusammenhang die Unternehmensqualität als ein Ausdruck für die Fähigkeit eines Versicherers bezeichnet, die Erwartungen erfüllen zu können, die von Seiten der (potentiellen) Versicherungsnehmer an das Versicherungsunternehmen gestellt werden. In Anlehnung an die Definition des Deutschen Instituts für Normung 32 kann die Qualität eines Versicherungsunternehmens wie folgt konkretisiert werden: Die Qualität eines Versicberunesunternehmens ist die Gesamtheit seiner Eigenschaften und Merkmale, die sich auf die Eignung zur Erfüllung gegebener Erwartungen seiner (potentiellen) Kunden beziehen. Je höher die Eignung eines Versicherers zur Erwartungserfüllung eingeschätzt werden kann, desto höher ist seine Qualität einzustufen. Da sich Unternehmensratings in erster Linie an "professionelle" Entscheidungsträger richten, sind deren Erwartungen bei der Beurteilung von Unternehmensqualitäten zu berücksichtigen. Mit der hier vorgenommenen Konkretisierung des Qualitätsbegriffs ist allerdings die Frage nach den Merkmalen, mit denen sich diese Qualität im Einzelfall beschreiben läßt, noch nicht beantwortet. Ein Versuch, Merkmale von Unternehmen mit herausragender Qualität ("exzellente Unternehmen") zu ermitteln, hat Mitte 31

32

Vgl. auch BUhleT, w.: Bonitätsbeurteilung auf der Grundlage qualitativer Indikatoren, a.a.O., S. 10: "Die Frage ist doch, wie beispielsweise die 'Qualität' eines Unternehmens überhaupt zu erfassen und bewerten ist?· Vgl. Abschnitt 1.2.2.1 dieses Kapitels.

232

C. Modell eines Rating-Verfahrens und Aspekte seiner Ausgestaltung

der achtziger Jahre in der Praxis große Aufmerksamkeit hervorgerufen 33 , ist von Seiten der Wissenschaft jedoch heftig kritisiert worden 34 . Grundsätzlich stößt die Extraktion von Qualitätsmerkmalen auf zwei Hindernisse. Das erste Hindernis ist inhaltlicher Art: Der durch die Definition determinierte Ansatz auf Abnehmerseite ("Erwartungen seiner (potentiellen) Kunden") erfordert für eine Bewertung von Unternehmensqualitäten, auf eine Untersuchung von (potentiellen) Kunden zurückzugreifen. Das zweite Hindernis besteht in der Zukunftsorientierung von Erwartungen. Sollen Merkmale abgeleitet werden, deren Ausprägung Aussagen über Erwartungserfüllungen zulassen, müssen auch diese Aussagen zukunftsorientiert sein. Der erste Hindernis läßt sich durch die Nutzung von Ersatzmerkmalen zur Qualitätsbeschreibung überwinden. Ersatzmerkmale sind solche, die sich bei den betrachteten Unternehmen erkennen lassen und zugleich einen Rückschluß darauf erlauben, in welchem Umfang den Kundenerwartungen Rechnung getragen wird. Ein solches Ersatzmerkmal stellt der Unternehmenserfolg dar. Zweifellos wird die Qualität eines Unternehmens, und zwar nicht nur eines Versicherungsunternehmens, durch seinen Erfolg auf den Märkten ausgedrückt. Wird aus der Qualitätsdefinition der Umkehrschluß gezogen, dann hat ein Unternehmen nur Erfolg, wenn seine Leistungen die Erwartungen seiner Kunden erfüllen und daher in entsprechendem Umfang Abnehmer finden. Es existiert also eine "Korrelation zwischen Qualität und Unternehmenserfolg"35, und der Unternehmenserfolg ist durch eine Untersuchung der Unternehmen quantifizierbar. Mit der Identifikation des Unternehmenserfolgs als Ersatzmerkmal für die Unternehmensqualität ist das zeitliche Hindernis allerdings noch nicht überwunden. Der Unternehmenserfolg drückt sich vorrangig in gegenwärtigen bzw. vergangenheits33

34

35

Siehe dazu die Veröffentlichung von Peters, T. J. / Watennan, R. H.: Auf der Suche nach Spitzenleistungen - Was man von den bestgefiihrten US-Unternehmen lernen kann, Landsberg am Lech 1983 (bekannter ist der amerikanische Originaltitel: "In Search of Excellence"). Zur Kritik insbesondere Frese, E.: Excellente Unternehmen - Konfuse Theorien. - Kritisches zur Studie von Peters und Waterman; in: DBW 1985, S. 604-606. Ebenso: Wachter, H.: Zur Kritik an Peters und Waterman; in: DBW 1985, S. 608-609. Ähnlich: Altschul, K.: Wie flüchtig sind Spitzenleistungen?; in: Absatzwirtschaft 1985, S. 16-20; Krager, w.: Die Erklärung von Unternehmungserfolg: Theoretischer Ansatz und empirische Ergebnisse; in: DBW 1988, S. 28 f.

Meyer, A. / Mattmaller, R.: Qualität von Dienstleistungen, a.a.O., S. 187.

2. Aspekte eines Unternehmensratings

233

orientierten Größen aus. Andererseits ist ein wesentlicher Bestandteil einer Erfolgsuntersuchung die Prognose seiner Dauerhaftigkeit in der Zukunft. Die Erkenntnis, daß den zukünftigen Erfolgschancen für die Beurteilung eines Unternehmens herausragende Bedeutung zukommt, hat in der Betriebswirtschaftlehre zur Ableitung "kritischer Erfolgsfaktoren " geführt36 . Bei den kritischen Erfolgsfaktoren handelt es sich um solche "Einflußfaktoren des Erfolgs, die auf keinen Fall auch nicht vorübergehend - vernachlässigt werden dürfen, denen längerfristig als Existenzvoraussetzung eine überragende Bedeutung zukommt. "37 Als Merkmale der Unternehmensqualität werden daher zwei Merkmalsbündel abgeleitet, die "harten" und die "weichen" Qualitätsmerkmale38 . Die harten Qualitätsmerkmale repräsentieren den bisherigen Erfolg des Versicherers. Sie sind gegenwarts- bzw. vergangenheitsbezogen, und ihre Ermittlung basiert auf Daten und Fakten. Die weichen Qualitätsmerkmale beschreiben seine Potentiale, auch zukünftig erfolgreich zu sein. Sie beschreiben die Fähigkeit des Versicherers, angemessene Ausprägungen der "harten" Qualitätsmerkmale auch in Zukunft beizubehalten (wenn sie bisher erreicht wurden) oder zu erreichen (wenn sie bisher verfehlt wurden). Sie beschreiben die Fähigkeiten eines Versicherungsunternehmens, den Erwartungen seiner Versicherungsnehmer in künftigen Perioden gerecht zu werden. Beide Merkmalsbündel werden für diese Arbeit durch jeweils drei Merkmale gebildet. Die harten Qualitätsmerkmale sind: 1.) Der Sicherheitserad. Das ist im wesentlichen die gegenwärtig feststellbare

Überlebenswahrscheinlichkeit des Versicherers auf lange Sicht und damit zugleich ein Ausdruck für die dauerhafte Fähigkeit, die Verpflichtungen aus den Versicherungsgeschäften zu erfüllen. 2.) Die Erfoleskraft. Das ist ein Merkmal für die Fähigkeit, vorgegebene Unternehmensziele, besonders Gewinn- und / oder Bedarfsdeckung zu erfüllen. 36

37 38

Vgl. beispielhaft: Hoffmann, F.: Kritische Erfolgsfaktoren - Erfahrungen in großen und mittelständischen Unternehmen; in: ZfbF 1986, S. 831-843; Krüger, W.: Die Erklärung von Unternehmungserfolg ... , a.a.O., S. 27-43. Hoffmann, F.: Kritische Erfolgsfaktoren ... , a.a.O., S. 833. Die Begriffe "harte" und "weiche" Merkmale entstammen den "harten" und "weichen S" aus dem 7S Modell von McKinsey (vgl. Peters, J. P. / Watennan, R. H.: Auf der Suche ... , a.a.O., S. 32 ff.). Sie werden hier in anderer Bedeutung verwendet.

234

C. Modell eines Rating-Verfahrens und Aspekte seiner Ausgestaltung

3.) Die Wachstumskraft bzw. Marktposition. Beide Größen repräsentieren die Bevorzugung der angebotenen Produkte durch die (potentiellen) Kunden; die erreichte Marktposition ist Ausdruck für die relative Wettbewerbsstärke des Versicherers im Vergleich zu seinen Konkurrenten. Als weiche Qualitätsmerkmale werden folgende Größen verwendet: 1.) Das Humanpotential. Es ist Ausdruck für die personenbezogenen Ressourcen, also der Verfügbarkeit über dispositive und ausführende Arbeitsleistungen. 2.) Das versicherungstechnische Potential. Es drückt die Fähigkeit des Versicherers aus, Risikogeschäfte zu zeichnen, und zwar in Abhängigkeit vom vorhandenen Versicherungsbestand und den verfügbaren Verfahren. 3.) Das nichtversicherungstechnische Potential. Es beschreibt alle übrigen Kategorien des Leistungsvermögens eines Versicherers, besonders sein Servicepotential, das Potential aus dem Kapitalanlagegeschäft und das Potential der Betriebstechnik. Betrachtet man vereinfacht ausgedrückt die Qualität als den Grad der Erfüllung von Bedürfnissen39 , so beschreiben die "harten" Merkmale das bis zum gegenwärtigen Zeitpunkt erreichte Niveau, während die "weichen" Kriterien eine Prognose des zukünftigen Erfüllungsgrads zulassen. Im folgenden werden die sechs herausgestellten Merkmale (vgl. die Übersicht in Abb. 16) etwas ausführlicher behandelt.

2.1.2 WHarte Qualitätsmerkmale eines Versicherungsunternehmens W

2.1.2.1 Merkmal Sicherheitsgrad Herausragendes Merkmal für die Qualität eines Versicherungsunternehmens ist dessen eigene Sicherheit40 . "Versicherungsschutz produzieren heißt, anderen Wirtschaftseinheiten Sicherheit zu geben. Es liegt in der Natur dieses Geschäftes,

39 40

Vgl. Seghez:zi, H. D.: Fundamente der Qualität; in: Qualitäts-Management im Versicherungsuntemehmen. hrsg. v. Walter Ackermann u. Axel Lehmann. St. Gallen 1990. S. 15. Vgl. auch Farny, D.: Buchführung und Periodenrechnung .... a.a.O., S. 181.

2. Aspekte eines Unternehmensratings

235

daß der Versprechende ein gehöriges Maß eigener Existenzsicherheit aufweisen muß, weil sonst das Versicherungsschutzversprechen seinen Sinn verliert. "41

Abb. 16: Merkmale der Unternehmensqualität

Die Sicherheit eines Versicherers ist nur schwer greifbar. Um dennoch zu einer Aussage über den Sicherheitsgrad eines Versicherers zu gelangen, wird ein indirekter Weg beschritten: "Der Sicherheitsgrad ist das Komplement zur Ruinwahrscheinlichkeit, das ist die Wahrscheinlichkeit, daß in einem bestimmten (der Eigenart des Versicherungsgeschäftes entsprechend langen) Zeitraum der Ruinfall eintritt, weil die Versicherungsunternehmung wegen der Realisation der Risiken ihre Verpflichtungen nicht mehr erfüllen kann. "42 Die Bestimmung des Sicherheitsgrads eines Versicherers ist daher indirekt über die Beschreibung seiner Risikolage möglich43 . Die Ausprägung des Sicherheitsgrads ist durch eine Verbesserung der Risikolage mittels risikopolitischer Instrumente beeinflußbar. 41 42 43

Farny, D.: Gewinn und Sicherheit als Ziele von Versicherungsunternehmen; in: ZVersWiss 1967, S. 73. Ebenso: Farny, D.: Versicherungsbetriebslehre, a.a.O., S. 268. Fuß, F.: Risikogerechte Eigenkapitalausstattung und Solvabilitätssysteme der Schadenversicherungsdirektive - eine betriebswirtschaftliche Untersuchung, Karlsruhe 1971, S. 30 f. Ein ähnliches Vorgehen wählt z.B. Schmidt-Maasberg, P.: Die Beurteilung der Risikosituation der Schaden- und Unfallversicherungsunternehmen mit Hilfe der externen Bilanzanalyse, Diss. Hamburg 1973, S. 86 f.

236

C. Modell eines Rating-Verfahrens und Aspekte seiner Ausgestaltung

Verschiedene Risikosysteme können zur Beschreibung der Gesamtrisikosituation eines Versicherers herangezogen werden. "Überwiegend wird in betriebswirtschaftlichen Risikomodellen für Versicherungsunternehmen das versicherungstechnische Risiko aus dem Versicherungsbestand besonders betont; alle übrigen Risiken werden als 'nichtversicherungstechnische' oder 'kaufmännische' bezeichnet. "44 Das Versicherungsunternehmen ist zwei grundsätzlich verschiedenen Risikokategorien ausgesetzt45. Die eine Risikokategorie enthält die nichtversicherungstechnisehen Risiken46 , dazu gehören z.B. das Kapitalanlagerisiko, das Rückstellungsrisiko und als Residualgröße das allgemeine Unternehmensrisiko. "Mit dem allgemeinen Unternehmensrisiko werden Sachverhalte angesprochen, die das Unternehmen als Ganzes betreffen und keine eindeutig abgrenzbaren Ursachensysteme aufweisen, wie etwa Veränderungen auf den Märkten oder im Wirtschafts-, Gesellschafts- und Rechtssystem. "47 Die zweite Risikokategorie ist eine Besonderheit der Versicherungswirtschaft, das versicherungstechnische Risiko. Die Versicherungsunternehmen übernehmen von ihren Kunden Wahrscheinlichkeitsverteilungen von Schäden (Risiken) und bündeln diese in einem Versicherungsbestand 48 . Jedes einzelne Risiko wird repräsentiert durch seinen individuellen Schadenerwartungswert und seine individuelle Streuung. Bei jedem einzelnen Risiko treten innerhalb einer Periode entweder keine oder solche Schäden (Effektivschäden) ein, die vom Schadenerwartungswert positiv oder negativ abweichen. Durch die Bündelung der Einzelrisiken entsteht beim Versicherer eine neue Wahrscheinlichkeitsverteilung, die Schadenverteilung des Gesamtbestands ("Gesamtschadenverteilung"49). Sie wird durch den Erwartungswert des Gesamtschadens 44 45

46 47

48

49

Farny, D.: Versicherungsbetriebslehre, a.a.O., S. 406. Vgl. zu den einzelnen Risiken, denen ein Versicherungsunternehmen ausgesetzt ist, ausführlich: Farny, D.: Versicherungsbetriebslehre, a.a.O., S. 406 ff.; sowie Fuß, F.: Risikogerechte Eigenkapitalausstattung ... , a.a.O., S. 9 ff. Vgl. Fuß, F.: Risikogerechte Eigenkapitalausstattung ... , a.a.O., S. 11 ff. Farny, D.: Versicherungsbetriebslehre, a.a.O., S. 407 f. Vgl. zu den folgenden Ausführungen: Helfen, E.: Die Erfassung und Messung des Risikos; in: Versicherungsenzyklopädie, hrsg. v. Walter Große, Heinz-Leo Müller-Lutz u. Reimer Schmidt, Band 2, Wiesbaden 1984, S. 132 f. u. S. 136 ff.; Farny, D.: Versicherungsbetriebslehre, a.a.O., S. 32 ff. Farny, D.: Versicherungsbetriebslehre, a.a.O., S. 33.

2. Aspekte eines Unternehmensratings

237

und die Gesamtschadenstreuung charakterisiert. Die Zusammenfassung vieler Einzelrisiken bewirkt, daß innerhalb des Versicherungsbestands zwischen solchen Risiken, deren Effektivschaden ihren individuellen Erwartungswert übersteigt, und solchen, die mit einem niedrigeren Effektivschaden belastet sind, ein Ausgleich stattfindet. Dieser Risikoausgleich im Kollektiv führt zu einer Reduktion der relativen Streuung der Gesamtschadenverteilung im Vergleich zur Streuung der individuellen Risiken. Er ist "die Grundlage des Risikotransfers: Der Versicherer beurteilt die übernommene Schadenverteilung im Hinblick auf die Streuung wegen des Risikoausgleichs als 'weniger gefährlich' als der Versicherungsnehmer. "50 Als Entgelt für die Risikoübernahme berechnet (schätzt) der Versicherer den individuellen Erwartungswert der übernommenen Schadenverteilungen und verlangt in dieser Höhe eine Risikoprämie vom VersicherungsnehmerS!. Erfolgt diese Berechnung nach dem individuellen Äquivalenzprinzip52, so entspricht die Summe der Risikoprämien dem Erwartungswert des Gesamtschadens eines Bestands. Das versicherungstechnische Risiko besteht darin, daß der effektive Gesamtschaden eines Bestands von dem erwarteten Gesamtschaden mit der Folge abweicht, daß die Summe der eingenommenen Risikoprämien zur Deckung des Effektivschadens nicht ausreicht53 . Beide Risikokategorien, das nichtversicherungstechnische und das versicherungstechnische Risiko, bilden das Gesamtrisiko eines Versicherungsunternehmens. Seine Realisierung bedeutet im Extremfall den Ruin des betroffenen Versicherers. Dieser Ruin kann durch Illiquidität54 oder Überschuldung begründet sein und führt zum Ausscheiden des Versicherungsunternehmens aus dem Markt.

50 51

52 53

54

Farny, D.: Versicherungsbetriebslehre, a.a.O., S. 34. In der Realität setzt sich die Prämie aus zahlreichen weiteren Bestandteilen zusammen.

Darauf soll aber hier nicht eingegangen werden. Vgl. dazu Farny, D.: Versicherungsbetriebslehre, a.a.O., S. 47 ff. Das individuelle Äquivalenzprinzip verlangt die exakte Übereinstimmung der Risikoprämie mit dem individuellen Schadenerwartungswert für jedes versicherte Einzelrisiko. Zweifellos kann auch der Fall eintreten, daß der effekive Gesamtschaden niedriger ist als die Summe der Risikoprämien. Diese Konstellation wird jedoch üblicherweise nicht als Risiko, sondern als Chance betrachtet und ist mangels eines Gefährdungspotentials für das betroffene Unternehmen auch nicht Gegenstand der risikopolitischen Betrachtung.

Illiquidität, also Zahlungsunfähigkeit, ist eine Ruinform, die bei Versicherern aufgrund der Vorauszahlung der Prämien durch den Versicherungsnehmer unwahrscheinlich ist und daher in Normalsituationen vernachlässigt werden kann.

238

C. Modell eines Rating-Verfahrens und Aspekte seiner Ausgestaltung

Nach der Analyse der Risikosituation eines Versicherers wird als Zielgröße der Sicherheitsgrad festgelegt. Dies erfolgt nicht nach objektiven Merkmalen, sondern nach subjektiven Risikopräferenzen55 : Ein wesentlicher Grund dafür besteht in der mangelhaften Quantifizierbarkeit der Ruinwahrscheinlichkeit eines Versicherers. Zwar lassen sich die Ausprägungen einiger Teilrisiken (z.B. das Zufallsrisiko) mittels mathematisch-statistischer Verfahren bestimmen, andere hingegen, insbesondere das allgemeine Unternehmensrisiko, entziehen sich jeglicher Messung56 . Durch die Unbestimmtheit einzelner Teilrisiken und die mangelnde Kenntnis ihrer Beiträge zum Gesamtrisiko ist eine Ermittlung der Ruinwahrscheinlichkeit des Gesamtunternehmens nicht möglich. Sie kann lediglich aufgrund von Erfahrungswerten geschätzt werden. Damit ist auch der Sicherheitsgrad als Komplement der Ruinwahrscheinlichkeit einer objektiven Quantifizierung entzogen. Weiter kann das Ruinrisiko eines Unternehmens nicht völlig ausgeschlossen werden. Die Ruinwahrscheinlichkeit nimmt empirisch niemals den Wert Null an 57 ; ein Restrisiko für das Unternehmen bleibt erhalten. Wie hoch / niedrig ein 'erträgliches' Restrisiko sein darf, entsprechend wie niedrig I hoch der "Grenz-Sicherheitsgrad" festzusetzen ist, ist eine Entscheidung der einzelnen Unternehmen, die wiederum von der Risikobereitschaft seiner Leitung bzw. seiner Unternehmensträger abhängt. Die Bestimmung des Sicherheitsgrads eines Versicherungsunternehmens ist demnach in zweifacher Hinsicht subjektiv, nämlich durch die Bestimmung (Schätzung) der Ruinwahrscheinlichkeit und durch die Festlegung der mindestens zu gewährleistenden Ausprägung des Sicherheitsgrads. 2.1.2.2 Merkmal Erfolgskraft Ein weiteres Qualitätsmerkmal von Versicherungsunternehmen ist ihre ökonomische Erfolgskraft, ausgedrückt in der Fähigkeit, Gewinne zu erwirtschaften. Grundsätzlich nebensächlich ist im vorliegenden Zusammenhang, in welcher kon55 56 57

Vgl. zu den folgenden Ausführungen Fuß. F.: Risikogerechte Eigenkapitalausstattung ...• a.a.O., S. 3l. Vgl. auch Farny, D.: Versicherungsbetriebslehre, a.a.O., S. 408.

Zur Begründung vgl. Karten. w.: Grundlagen eines risikogerechten Schwankungsfonds für Versicherungsuntemehmen, Berlin 1966, S. 63.

2. Aspekte eines Untemehmensratings

239

kreten Form die Größe Gewinn definiert ist. Gewinn kann nach handels- oder steuerrechtlicher Bestimmung, nach internen Rechnungsgrundlagen oder in bezug auf unterschiedliche Zeiträume festgelegt werden. An dieser Stelle wird mit dem Terminus Gewinn (Überschuß), generell eine Differenz zwischen positiven und negativen Erfolgsgrößen einer bestimmten Periode bezeichnet, die größer Null ist58 . Das Streben nach Gewinn ist ein systemimmanenter Tatbestand in der Marktwirtschaft. Von diesem Gewinnstreben "werden volks- und betriebswirtschaftlich erwünschte Effekte erwartet, besonders die bestmögliche Verwendung der Produktionsfaktoren, die Anregung zur Innovation bei Produkten und Produktionsverfahren und die bestmögliche Güterversorgung der Wirtschaft. "59 Überschüsse werden von Versicherungsunternehmen aller Rechtsformen, wenn auch aufgrund unterschiedlicher Motive, angestrebt60 . Einmal erfolgt die Gewinnerzielung als oberstes Formalziel, wie Z.B. typischerweise bei Versicherungs-Aktiengesellschaften, zum anderen erfolgt sie als Mittel zum Zweck (Formalziel Bedarfsdeckung; Unterziel Gewinnerzielung, Z.B. zur Wachstumsfinanzierung), wie Z.B. typischerweise bei Versicherungsvereinen auf Gegenseitigkeit6 1. Versicherungsunternehmen sind auf die Erzielung von Überschüssen angewiesen, um am Markt bestehen zu können. Die unterschiedliche Motivation zur Gewinnerzielung basiert im wesentlichen auf der unterschiedlichen Verwendung der realisierten Überschüsse. Es gilt die These, daß Versicherungs-Aktiengesellschaften primär das Ziel verfolgen, Gewinne zur Vergütung für die EigenkapitaIbereitstellung durch die Unternehmensträger zu erwirtschaften. Dagegen wird für einen Versicherungsverein auf Gegenseitigkeit (VVaG) angenommen, daß Überschüsse den Versicherten (Mitgliedern) zugute kommen. Diese Überschußbeteilung der Mitglieder kann auf zwei Arten geschehen. Eine Möglichkeit besteht in der kalkulatorischen Antizipation der Überschüsse. Die Mitglieder profitieren dann von 58

Eine Differenz kleiner Null als (negativen) Gewinn zu bezeichnen, ist unzweckmäßig. Die Begriffe hierfür sind Verlust oder allgemein Fehlbetrag.

59

Farny, D.: Versicherungsbetriebslehre, a.a.O., S. 261. Siehe Farny, D.: Gewinn und Sicherheit ... , a.a.O., S. 65 f. Zu den idealtypischen Zieleinteilungen vgl. Farny, D.: Versicherungsbetriebslehre, a.a.O., S. 259. Die reaitypischen Verhaltensweisen der verschiedenen Rechtsformen am Markt lassen sich allerdings nicht klar trennen. Vgl. Farny, D.: Der Beitrag des Versicherungsvereins auf Gegenseitigkeit zur Versicherung in Vergangenheit und Zukunft; in: ZfV 1975, S. 10-17, insbesondere S. 14.

60 61

240

C. Modell eines Rating-Verfahrens und Aspekte seiner Ausgestaltung

günstigen Prämien. Die zweite Art besteht in der nachträglichen Überschußbeteiligung der Versicherten in Form von Beitragsrückvergütungen. Unternehmen beider Rechtsformen benötigen Erfolge allerdings auch für gleichartige Verwendungen62 . Mit realisierten Überschüssen wird reale Unternehmenserhaltung bezweckt, es werden Wachstumsprozesse oder Innovationen finanziert, der Sicherheitsgrad wird erhöht (z.B. infolge von Wachstum oder zum Ausgleich vorangegangener Perioden mit Fehlbeträgen), oder es wird über Gewinnbeteiligungen der Versicherungsnehmer6 3 die Wettbewerbsposition verstärkt. Nachhaltigkeit und Umfang der bis zum Betrachtungszeitpunkt erzielten Überschüsse eines Versicherers bestimmen die Ausprägung seines Qualitätsmerkmals Erfolgskraft. 2.1.2.3 Merkmal Wachstumskraft "Wachstumsziele werden von den Entscheidungsträgern in Versicherungsunternehmen häufig als natürliche Ziele empfunden, vermutlich in der Vorstellung, das Unternehmen sei ein natürlich wachsender Organismus, dessen Existenz im Falle der Stagnation oder Schrumpfung gefährdet ist. "64 Wachstum schlechthin ist jedoch zur Beschreibung einer Unternehmensqualität wenig geeignet. Die Identifikation einer angemessenen Wachstumskraft als Qualitätsmerkmal für einen Versicherer begründet sich auf folgende Überlegungen: Ein gewisses Mindestwachstum wird in real existierenden Wirtschaftssystemen allein deshalb notwendig, um einen Ausgleich für die inflationären Entwicklungen zu schaffen und damit zur realen Unternehmenserhaltung beizutragen65 . Expansion bedeutet weiterhin das Hineinwachsen in Größenordnungen, in denen Spezialisierungsvorteile genutzt werden können, die in kleineren Einheiten mangels ausreichender Auslastung unwirtschaftlich bleiben. Ob die Nutzung dieser Vorteile allerdings die Qualität eines Versicherungsunternehmens positiv beein62 63

Wenn auch in ihrer Bedeutung und Gewichtung Unterschiede festgestellt werden können. Auch detjenigen, die keine Mitglieder eines VVaG sind.

64 65

Farny, D.: Versicherungsbetriebslehre, a.a.O., S. 267. 'Wachstum wird mittelfristig benötigt, um mit der Inflation Schritt halten zu können ... ". Maninsohn, U.: Wie sicher sind Rückversicherungsgesellschaften - "Security Tests" und ihre Schwächen; in: VW 1984, S. 1308.

2. Aspekte eines Unternehmensratings

241

flußt, ist in allgemeiner Form nicht zu beantworten. Zum einen werden die Vorteile größerer Einheiten, die sich in einem Teilbereich realisieren lassen, durch Nachteile in anderen Teilbereichen wieder eingeschränkt. Als Beispiel kann die Veränderung des versicherungstechnischen Risikos bei wachsenden Beständen genannt werden. Zwar nimmt das Zufallsrisiko bei steigendem Umfang des Versicherungsbestands tendenziell ab, Änderungs- und Irrtumsrisiko verhalten sich jedoch eher bestandsgrößenproportional66 . Da die Veränderungen einzeln nicht quantifiziert werden können, ist über die Resultante auch keine allgemeine Aussage möglich. Weitere positive Auswirkungen des Wachstums sind zwar plausibel, lassen sich aber nicht beweisen. So gilt z.B. die These, daß in größeren Wirtschaftseinheiten Betriebskostenvorteile (economies of scale) erzielt werden können. Die Gültigkeit dieser These läßt sich aber für Versicherungsunternehmen nicht mit ausreichender Signifikanz nachweisen 67 . Ausschlaggebender Grund für die Wahl der Wachstumskraft als Qualitätsmerkmal bleibt die Hypothese, daß überdurchschnittliches (verglichen mit den direkten Mitbewerbern) Wachstum eines Versicherers einen Beleg dafür liefert, daß seine Leistungen (seine Produkte) von den Versicherungsnehmern in überdurchschnittlichem Maße akzeptiert und nachgefragt werden. Welche einzelnen Komponenten (z.B. Produktgestaltung, Absatzverfahren, Preis- oder Kommunikationspolitik) dazu beigetragen haben, ist an dieser Stelle noch unbedeutend. Inhaltlich ist der Begriff des Wachstums erklärungsbedürftig. Wachstum ist allgemein eine positive Veränderung von Größen merkmalen einer Wirtschaftseinheit68 66

67 68

Das versicherungstechnische Risiko besteht darin, daß die tatsächlichen Gesamtschäden eines Versicherungsbestands die eingenommenen Risikoprämien (= Erwartungswert der Gesamtschäden) übersteigen. Zufalls-, Änderungs- und Irrtumsrisiko sind Erklärungsgründe für diese mögliche Abweichung. Zufallsrisiko bedeutet, daß zufällig viele oder hohe Einzelschäden für die Differenz verantwortlich sind. Das Änderungsrisiko beschreibt den Fall, daß sich der Schadenerwartungswert im Zeitablauf verändert und aus diesem Grund die Risikoprämieneinnahme unzureichend wird. Mit Irrtumsrisiko wird schließlich die Möglichkeit ausgedruckt, daß über den tatsächlichen Schadenerwartungswert von vornherein falsche Informationen vorlagen, mit der Folge, daß auch zu geringe Risikoprämien verlangt wurden. Vgl. hierzu ausführlich: Farny, D.: Versicherungsbetriebslehre, a.a.O., S. 70 ff. Vgl. dazu Mehring, H.-P.: Die Betriebsgröße als Determinante der Betriebskosten in Versicherungsunternehmen, Dipl.Arb. Köln 1982, insbesondere S. 34 ff. Damit sind sowohl Unternehmungen (als Rechtseinheiten), als auch die in der Versicherungswirtschaft aufgrund des Spartentrennungsprinzips weit verbreiteten Unternehmensgruppen und Konzerne angesprochen. Synonym dazu wird der Begriff Versicherer ver16 Sönnichsen

242

C. Modell eines Rating-Verfahrens und Aspekte seiner Ausgestaltung

im Zeitablauf69 . Diese Größen merkmale können quantitativer oder qualitativer Natur sein. Quantitatives Wachstum besteht in einer Erhöhung von Kriterien, die mehr oder weniger direkt mit der Größe der betrachteten Wirtschaftseinheit in Verbindung gebracht werden können (z.B. Umsatz-, Kapitalausstattungs- oder Belegschaftswachstum). Qualitatives Wachstum hingegen besteht in einer Ausweitung der Leistungsfähigkeit70 . Weiter können externes und internes Wachstum eines Versicherers unterschieden werden 71 • "Externes Wachstum bedeutet eine Verflechtung mit bestehenden wirtschaftlichen Einheiten, die bisher noch nicht in der Einflußsphäre der betrachteten Bezugseinheit stehen. "72 Ist die wachsende Wirtschaftseinheit ein Versicherungsunternehmen, vollzieht sich das externe Wachstum beispielsweise durch den Kauf eines anderen Unternehmens und die anschließende Fusion. Betrachtet man als expandierende Bezugseinheit einen Versicherungskonzern, so kann externes Wachstum durch eine mehrheitliche Beteiligung an einer anderen Wirtschaftseinheit und deren Eingliederung in den Konzern erfolgen. "Beim internen Wachstum ... erfolgt das Größerwerden mehr oder weniger organisch von innen heraus um den ursprünglichen Kern der Unternehmung, und zwar durch Ausdehnung bestehender oder Schaffung neuer Unternehmenseinheiten."73 Internes Wachstum eines Versicherers liegt also dann vor, wenn durch eigene Anstrengungen Größenkriterien, wie z.B. Prämieneinnahmen oder Versicherungsbestände, erweitert werden (vgl. die schematische Darstellung in Abb. 17). wandt. Vgl. auch Weiss, w.: Wachstumsziele und -instrumente von Versicherungsunternehmen. Diss. Köln 1975. S. 27. Weiss bezeichnet sie als "Bezugseinheiten" . 69

Im vorliegenden Zusammenhang wird ausschließlich auf betriebswirtschaftliche Wachstumsprozesse abgestellt. Volkswirtschaftliche Betrachtungen bleiben unberücksichtigt.

70

Vgl. dazu Komjleisch, G. v. / Zahn, E.: Wachstum II: Betriebswirtschaftliche Probleme; in: HdWW. Band 8. Stuttgart et. al. 1980, S. 435: "Dieser Aspekt des Wachstums ist zwar kaum faßbar. doch dürfte er sich in verbesserten Gewinnsituationen und gestiegenen Aktienkursen bemerkbar machen ... ". Mit der von Kortzfleisch und Zahn gelieferten Begründung wird qualitatives Wachstum hier nicht weiter behandelt. Qualitatives Wachstum in diesem Sinne wird durch die Erfolgskraft eines Unternehmens repräsentiert. Eine zusätzliche Betrachtung in diesem Zusammenhang würde nicht nur zu den erwähnten Erfassungsproblemen. sondern auch zu einer doppelten Berücksichtigung des gleichen Sachverhalts führen.

71 72

Vgl. Kortifleisch, G. v. / Zahn, E.: Wachstum ...• a.a.O .• S. 434. Weiss, w.: Wachstumsziele ...• a.a.O., S. 30. Zum Begriff Bezugseinheit vgl. die Anmerkung in FN 68. Kortifleisch, G. v. / Zahn, E.: Wachstum ...• a.a.O .• S. 434.

73

2. Aspekte eines Unternehmensratings

243

Als Qualitätsmerkmal eines Versicherungsunternehmens soll die Wachstumskraft Hinweise auf seine Wettbewerbsstärke und die Akzeptanz seiner Produkte bei den Versicherungsnehmern liefern. Externes Wachstum zeugt allerdings vorrangig von ausreichender Kapitalausstattung und steht mit der Produktakzeptanz nur in sehr losem Zusammenhang. Unter Wachstumskraft als Qualitätsmerkmal wird hier demnach nur die nachgewiesene Fähigkeit eines Versicherers zu internem, quantitativem Wachstum verstanden. 2.1.3 "Weiche" Qualitätsmerkmale eines Versicherungsunternehmens

2.l.3.1 Merkmal Humanpotential "Wichtigste Grundlage für den wirtschaftlichen Erfolg eines Dienstleistungsunternehmens sind zweifelsfrei seine Mitarbeiter. "74 Diese Mitarbeiter bzw. das durch sie dem Unternehmen zur Verfügung gestellte Leistungsvermögen soll hier allgemein unter dem Begriff Humanpotential zusammengefaßt werden: "Mit Humanpotential bezeichnen wir die Gesamtheit menschlicher Arbeitskraft (Mitarbeiter und Führungskräfte mit ihrem Wissen, Können, Verhalten und ihren Werthaltungen), aus der die Unternehmung besteht. "75 Die Qualität der verfügbaren Arbeitskraft ist gerade für ein Versicherungsunternehmen von großer Bedeutung. Da die Produkte eines Versicherers immateriell sind, ist die Verbindung zwischen dem Auftreten und der Kompetenz der Personen, die diese Produkte präsentieren bzw. die Versicherungsgeschäfte abwickeln, und der Qualität des Unternehmens als Anbieter dieser Produkte stark ausgeprägt. "Der Versicherungsberater, der einen Kundenbesuch macht, gehört genauso zum

74

75

Mahlstedt. 1.: Personalentwicklung und Mitarbeiterfiihrung als Ausdruck eines gelebten Qualitäts-Managements; in: Qualitäts-Management im Versicherungsunternehmen, hrsg. v. Walter Ackermann u. Axel Lehmann, St. Gallen 1990, S. 121. Wohlgemuth. A. c.: Unternehmungsdiagnose ... , a.a.O., S. 21. Zusätzlich werden die Arbeitsleistungen von denjenigen Personen zum Humankapital von Versicherern gezählt, die zwar juristisch keine Angestellten sind, aufgrund von Vertretungsverträgen jedoch Repräsentanten des Unternehmens darstellen.

244

C. Modell eines Rating-Verfahrens und Aspekte seiner Ausgestaltung

Produkt ... , wie das Sicherheitsargument, welches sich hinter der Größe und Potenz seiner Gesellschaft verbirgt. "76

V-Konzern - alt

~lD~~~

[ill Zeit

V-Konzern - neu

11

~OlDlN~

Beteiligung an

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EingHederung

externes Wachstum



Zeit internes Wachstum

Abb. 17: Wachstumsformen von Versicherungsunternehmen77

Die Bedeutung des Humanpotentials78 für die Qualität eines Versicherers zeigt sich jedoch nicht ausschließlich in der Vertretung nach außen. Auch die Lei76 77 78

Lehmann, A.: Qualitäts-Management - gelebte Unternehmensidentität: Wege zur "Qua1ity Obsessed Company"; in: ZfV 1990, S. 498.

Legende: V = Versicherer und V-Konzern =Versicherungskonzern. Die allgemeine Bedeutung des Humanpotentials leitet Wohlgemuth anband von fünf Kriterien ausfiihrlich ab. Das sind: 1.) Der Einfluß des Humanpotentials auf das Image (insbesondere bei Dienstleistungsunternehmen durch die hohe Interaktionsdichte mit der Umwelt). 2.) Humanpotential bietet Imitationsschutz. Durch Humanpotential geschaffene Wettbewerbsvorteile sind praktisch nicht imitierbar. 3.) Humanpotential wird immer mehr

2. Aspekte eines Unternehmensratings

245

stungsressourcen, die in Form von Arbeitskraft, Know-how und Intellekt bei Mitgliedern der Unternehmensführung 79 sowie bei den im Innendienst tätigen Mitarbeitern vorhanden sind, bilden einen wichtigen Bestandteil der Unternehmensqualität. Die sachgerechte Behandlung und Gestaltung der verschiedenen Leistungen eines Versicherers, die Anpassungsfahigkeit des Unternehmens an sich ändernde Marktbedingungen sowie seine strategische Ausrichtung auf zukünftige Erfolgschancen können nur sichergestellt werden, wenn ausreichendes Humanpotential zur Verfügung steht. Der Begriff Humanpotential enthält das Wort 'Potential'. Ein Potential beschreibt eine "Vorrätigkeit von Ressourcen", ohne eine Aussage darüber zu machen, in welchem Umfang diese vorrätigen Ressourcen auch eingesetzt werden. Darüber hinaus sind Potentiale keine statischen Größen. In ihren generellen Entfaltungsmöglichkeiten liegt ein dynamischer, in die Zukunft gerichteter Aspekt80 . Die unausgenutzten Teile bestehender Potentiale und die Entfaltungsmöglichkeiten determinieren gemeinsam das Ausmaß der zukünftig möglichen Potentialentwicklung. (Vgl. Abb. 18) Das Qualitätsmerkmal Humanpotential beschreibt also die Gesamtheit der Ressourcen, die im Versicherungsunternehmen in Form von Arbeitskraft, Wissen, Können, Verhalten und Werthaltungen durch seine Mitarbeiter zur zukünftigen Nutzung vorhanden sind. Seine Ausprägung wird bestimmt durch die Intensität, mit der die Ressourcen genutzt werden, und die Entwicklungsmöglichkeiten, die sie enthalten. 2.1.3.2 Merkmal versicherungstechnisches Potential Die Qualität eines Versicherers wird weiter durch seine Leistungsfahigkeit in der Versicherungstechnik (i. w .S.) bestimmt. Das ist in erster Linie die Fähigkeit in einem Umfang Risiken zu übernehmen und zu tragen, wie andere Wirtschaftsein-

79

zum Engpaßfaktor. 4.) Humanpotential ist ein dominanter Kostenfaktor. 5.) Humanpotential ist kaum steuerbar. Vgl. Wohlgemuth, A. C.: Unternehmungsdiagnose ... , a.a.O., S. 45-69. Gemäß § 8 I Nr. 1 VAG ist "mangelnde Qualifikation" der Geschäftsführung bei einem Versicherungsunternehmen ein Grund für die Versagung der Erlaubnis zum Geschäftsbetrieb. Vgl. dazu auch: Kaulbach, D.: Zur Qualifikation der Vorstandsmitglieder von Versicherungsunternehmen; in: ZVersWiss 1976, S. 697-704.

80

Vgl. Wohlgemuth, A. C.: Unternehmungsdiagnose ... , a.a.O., S. 21 f.

246

C. Modell eines Rating-Verfahrens und Aspekte seiner Ausgestaltung

heiten sie abzugeben wünschen. Oder anders formuliert: Das versicherungstechnische Potential ist ein Ausdruck für das Leistungsvermögen eines Versicherungsunternehmens bei einer nachfrageorientierten Produktion von Versicherungsschutz.

Nutzungsintensitat

Entwicklungs-

r1chtung

Humanpotential 1 EntfaJtungsmOglichkeiten Abb. 18: Entwicklungsmöglichkeiten des Hurnanpotentials

Unter dem Begriff des versicherungstechnischen Potentials wird hier die Gesamtheit aller Ressourcen subsumiert, die einem Versicherungsunternehmen in Form seines Versicherungsbestands (Bestandspotential) und seiner versicherungstechnischen Verfahren (Verfahrenspotential) zur Verfügung stehen. Daraus resultiert seine Angebotskapazität (Angebotspotential). Das Angebotspotential beschreibt einerseits den Umfang des Sortiments 81 und andererseits die einzelproduktbezogene Zeichnungskapazität82 . Bestands-, Verfahrens- und Angebotspotential sind als Bestandteile des versicherungstechnischen Potentials nur theoretisch voneinander zu trennen. Praktisch sind sie in vielfacher Weise voneinander abhängig. So ist z.B. der zweckmäßige Einsatz versicherungstechnischer Verfahren vom jeweiligen Versicherungsbestand abhängig (vgl. Abb. 19).

81

Anzahl der unterschiedlichen Produkte, die angeboten werden können.

82

Höhe des Risikos bzw. der Versicherungssumme, die bei einem einzelnen Vertrag gezeichnet werden können.

2. Aspekte eines Untemehmensratings

247

Trotz der ausgeprägten Abhängigkeiten der genannten Teilpotentiale untereinander ist zur Erläuterung des versicherungstechnischen Potentials eine getrennte Beschreibung seiner Bestandteile zweckmäßig.

Abb. 19: Bestandteile des versicherungstechnischen Potentials

Der Versicherungsbestand ist nicht nur das Ergebnis der Versicherungproduktion, sondern selbst ein wichtiger Produktionsfaktor bei der Erzeugung von Versicherungsschutz 83 . Versicherungsschutz kann nur produziert werden, wenn ein entsprechender Bestand vorhanden ist. Die Begründung liefert das Prinzip von Versicherung, nämlich Ausgleichseffekte durch Bündelung vieler Risiken in Versicherungsbeständen herbeizuführen und zu nutzen. Das Bestandspotential wird im wesentlichen durch die Bestandsgröße, die Bestandszusammensetzung (Bestandsmischung) und die durchschnittlichen Restlaufzeiten der Verträge determiniert84 . Das Verfahrenspotential drückt die Fähigkeit des Versicherers aus, Risiken zu handhaben. Seine Ausprägung hängt insbesondere vom Leistungsvermögen bei 83

Vgl. Famy, D.: Versicherungsbetriebslehre, a.a.O., S. 440 f.

84

Vgl. hierzu und zu den weiteren Ausführungen Abschnitt 2.2.6 dieses Kapitels.

248

C. Modell eines Rating-Verfahrens und Aspekte seiner Ausgestaltung

der Steuerung des Risikoausgleichs, dem Umfang und der Qualität des zur Verfügung stehenden Rückversicherungsschutzes und der sonstigen Ressourcen an risikopolitischen Instrumenten ab. Beides, das Bestands- und das Verfahrenspotential, determinieren die Leistungsfähigkeit eines Versicherers hinsichtlich seines Versicherungsangebots. Tendenziell ist dabei der Umfang des Angebotssortiments eher von der Bestandszusammensetzung (betriebene Sparten) abhängig, während die Kapazität zur Zeichnung von Einzelrisiken eher von den Ressourcen an versicherungstechnischen Verfahren begrenzt wird 85. 2.1.3.3 Merkmal nichtversicherungstechnisches Potential Unter dem Qualitätsmerkmal 'nichtversicherungstechnisches Potential' werden alle Ressourcen eines Versicherers subsumiert, die nicht zu den beiden erstgenannten weichen Merkmalen gehören. Genannt wurden 86 folgende Subpotentiale: Das Service-, das Kapitalanlagepotential und das Potential der Betriebstechnik. Das Servicepotential umfaßt die Ressourcen eines Versicherers, die Beziehungen zu seinen (potentiellen) Versicherungsnehmern in deren Sinne zu gestalten. Die Kundenbeziehungen, die für ein Unternehmensrating von Bedeutung sind, bestehen zwischen den Versicherungsunternehmen und "professionellen" Entscheidungsträgern. Sie sind regelmäßig individuell gestaltet und entziehen sich daher einer generellen Beschreibung. Daneben wird die Fähigkeit, solche Kundenbeziehungen zweckmäßig zu gestalten, stark von der Ausprägung des Humanpotentials eines Versicherers beeinflußt. Daher soll im vorliegenden Zusammenhang nicht weiter auf das Servicepotential eingegangen werden 87 . Mit der Produktion von Versicherungsschutz eng verbunden ist die Bildung von Kapitalbeständen, welche zur Investition in zinsbringende Anlagen genutzt werden. Diese Bildung von Kapitalanlagen basiert auf verschiedenen Sachverhalten. 85 86 87

So limitiert z.B. die vorhandene Rückversicherungskapazität die Zeichnungsobergrenze bei der Versicherung von Großrisiken. Vgl. Abschnitt 2.1.1 dieses Kapitels. Ein vergleichbares Qualitätsmerkmal, die Beziehungsqualität, wird im Rahmen des Produktratings ausführlicher behandelt. Vgl. Abschnitt 3.2.2 weiter unten.

3. Aspekte eines Unternehmensratings

249

Zum ersten ist ein gewisser Sockel an Sicherheitskapital die Voraussetzung für das Angebot von Versicherungsschutz. Dieser besteht überwiegend aus Eigenmitteln des Versicherungsunternehmens88 . Daneben ergeben sich Kapitalbestände durch die Kombination von Risikoschutz und Spargeschäft bei einigen Versicherungsprodukten. Hier werden die Sparanteile der Kunden möglichst rentierlich angelegt, um bis zum Auszahlungszeitpunkt eine angemessene Verzinsung für die Versicherungsnehmer zu erwirtschaften. Eine der Versicherung ureigene Art der Bildung von Kapitalbeständen basiert auf der zeitlichen Differenz zwischen den Prämieneinzahlungen und den damit zu bestreitenden Auszahlungen. Die Prämien werden üblicherweise zum Beginn einer Versicherungsperiode im voraus entrichtet. Die Auszahlungen, die damit zu dekken sind, werden zum größten Teil erst später fallig. Dies gilt insbesondere für die Auszahlungen für Versicherungsfalle. Diese treten erst nach Beginn der Versicherungsperiode ein. Je nach Versicherungszweig liegen größere Zeiträume zwischen Versicherungsfall und dem tatsächlichen Abfluß von Versicherungsleistungen (z.B. in der Haftpflichtversicherung). Umfang und Qualität der so entstandenen Bestände an Kapitalanlagen bilden vorrangig aus zwei Gründen ein Submerkmal für die Qualität eines Versicherers. Einmal verursachen sie ein weiteres Risikopotential für das betroffene Unternehmen, nämlich das Kapitalanlagerisiko. Sollten die Geldbestände in Anlageformen investiert sein, die eine niedrige Rendite oder vielleicht sogar Verluste erwirtschaften, sind umfassende negative Konsequenzen für das Unternehmen zu erwarten. Sparziele von Kunden werden verfehlt, Sicherheitsziele des Versicherungsunternehmens können nicht realisiert werden, und bei größeren Verlusten besteht eine ernstzunehmende Gefahr für die Existenz des Versicherers. Andererseits ergeben sich bei entsprechenden Erträgen aus den Kapitalanlagen zusätzliche unternehmenspolitische Handlungsspielräume. Die Überschüsse aus dem Kapitalanlagegeschäft können Deckungsbeiträge substituieren, die durch die Prämienzahlungen der Versicherungsnehmer erbracht werden müßten. Die Folge da-

88

Entweder Beteiligungskapital der Unternehmenseigner (gezeichnetes Kapital der Aktiengesellschaften) oder thesaurierte Gewinne vergangener Rechnungsperioden. Zum Sicherheitskapital vgl. auch die Ausführungen im Abschnitt 2.2.2 weiter unten.

250

C. Modell eines Rating-Verfahrens und Aspekte seiner Ausgestaltung

von sind günstige Prämien, was wiederum Wettbewerbsvorteile nach sich zieht89 . Erträge aus Kapitalanlagen werden aber auch zu anderen Zwecken eingesetzt. Beispiele sind die Wiederanlage zur Erhöhung des Bestands, der Einsatz in der Dividendenpolitik, die Verwendung bei der Gewinnbeteiligung der Versicherungsnehmer90 usw. Das zweite erwähnte Submerkmal, das Potential der Betriebstechnik, wird repräsentiert durch Umfang und Qualität der informationstechnischen Ausrüstung eines Versicherers. Das Versicherungsprodukt ist immaterieller Natur und besteht aus gespeicherter, verarbeiteter und übermittelter Information. Unübersehbare Mengen an Kunden-, Risiko-, Schaden-, Vertrags- und sonstigen Informationen sind zu sammeln und aufzubereiten. Dies ist nur möglich, wenn die dazu erforderliche Ausrüstung an Informationstechnik nicht nur quantitativ, sondern auch qualitativ den Anforderungen genügt. Neben den skizzierten Teilen des Qualitätsmerkmals nichtversicherungstechnisches Potential können weitere Submerkmale abgeleitet werden. Ihr Anteil an der Gesamtqualität eines Versicherungsunternehmens ist jedoch im Vergleich zu den beschriebenen von untergeordneter Bedeutung. Sie erlangen nur dann besonderes Gewicht, wenn sie im Einzelfall Engpaßfaktoren darstellen. Beispielsweise kann sich die mangelnde örtliche Präsenz eines Versicherers an ausländischen Plätzen für einen Großkunden, der dort mit Niederlassungen oder Tochtergesellschaften vertreten ist, als Lücke bei der Erfüllung der Erwartungen dieses Kunden durch den Versicherer erweisen, und eine lückenhafte Erfüllung von Erwartungen ist eine Einbuße an Qualität. Als Qualitätsmerkmal im Rahmen eines Unternehmensratings werden solche Engpaßfaktoren nicht betrachtet. Sie sind jedoch bei entsprechender Bedeutung im Einzelfall bei einem der Bewertungsschritte zu berücksichtigen.

89

Dieser Vorgang wird auch als "Cash flow-Underwriting" bezeichnet. Zum Verfahren, aber auch zu den damit verbunden Gefahren vgl. ausführlich: Farny, D.: Nichtversicherungstechnische Erträge und Prämienbedarf in der Schaden/Unfallversicherung oder: Versuche und Versuchungen des Cash flow-Underwriting; in: VW 1983, S. 398-403 u. S. 476-485.

90

In den Versicherungszweigen, in denen die Prämiengestaltung vom BAV reguliert wird

(Lebens-, Kranken- u. KFZ-Haftpflichtversicherung), ist die Verwendung der Überschüsse aus dem KapitalanIagegeschäft z.T. an Vorschriften gebunden und unterliegt damit nicht den autonomen Entscheidungen der Untemehmens)eitungen.

2. Aspekte eines Unternehmensratings

251

2.2 Identülkation von Ratingkriterien 2.2.1 Vorbelnerkungen

Nachdem Merkmale zur Beschreibung der Untemehmensqualität ausgewählt wurden, sind nun die Kriterien zu identifizieren, die eine Aussage hinsichtlich der Ausprägung einzelner Qualitätsmerkmale zulassen. Schon die Qualitätsmerkmale waren nur unsauber voneinander abzugrenzen. Die gegenseitigen Abhängigkeiten sind ausgeprägt. Auch eine trennscharfe Zuordnung von Kriterien zu einzelnen Merkmalen ist nur im (seltenen) Einzelfall möglich. Meist trägt ein bestimmtes Kriterium zur Ausprägung mehrerer (oft aller) Qualitätsfaktoren bei, wenn auch z. T. mit unterschiedlichem Gewicht. So repräsentiert z.B. die Eigenkapitalquote einen bedeutenden Teil des Sicherheitsgrads, begrenzt aber auch u.a. gleichzeitig in ihrer Funktion als Sicherheitsreserve das versicherungstechnische Potential. Überschneidungen sind also unvermeidlich. Um Wiederholungen zu vermeiden, werden die Kriterien möglichst nur einmal beschrieben. Die Zuordnung zu den einzelnen Qualitätsmerkmalen erfolgt nach Plausibilitätsüberlegungen bzgl. der Bedeutung, die sie für die Ausprägung des betrachteten Merkmals aufweisen 91 . 2.2.2 Ausgewählte Kriterien zur Erfassung des Sicherheitsgrads

2.2.2.1 Allgemeines Dem Sicherheitsgrad verwandte Begriffe, die in Literatur und Praxis verwendet werden, sind Solvenz92 , Bonität93 oder Security94 eines Versicherers. Inhaltlich erfassen diese Termini einen überwiegend deckungsgleichen Sachverhalt, nämlich 91

92 93

94

Die Heterogenität der Rating-Objekte behindert allerdings auch diesen Versuch. Hat beispielsweise die Ausstattung mit Eigenmitteln bei Schaden- und Rückversicherern eine große Bedeutung für den Sicherheitsgrad, so tritt sie bei Lebensversicherern eher in den Hintergrund. Z.B. Pesonen, E.: Zum Begriff der Solvenz; in: MVSVM 1986, S. 43-53. Z.B. Werner, U.: Zur Bonität von Rückversicherem; in: Rückversicherung - Anspruch und Selbstverständnis, brsg. v. der Eisen und Stahl Rückversicherungs-AG u. der Hannover Rückversicherungs-AG, Karlsruhe 1984, S. 95-125. Z.B. Hutter, J.: Zur Prüfung der Security eines Rückversicherers, Mannbeim 1986; oder Martinsohn, U.: Wie sicher sind Rückversicherungsgesellschaften ... , a.a.O.

252

C. Modell eines Rating-Verfahrens und Aspekte seiner Ausgestaltung

eine Aussage über die Wahrscheinlichkeit, mit der ein Versicherer innerhalb einer zukünftigen Zeitspanne alle seine Verpflichtungen fristgerecht und in vollem Umfang erfüllen kann. Der Sicherheitsgrad eines Versicherungsunternehmens ist demnach das Komplement zu seiner Ruinwahrscheinlichkeit. Diese Ruinwahrscheinlichkeit ist vereinfacht ausgedrückt der Saldo aus dem Aggregat aller das Unternehmen bedrohenden Einzelrisiken und der Summe der Wirkungen, die von den eingesetzten risikopolitischen Instrumenten zur Risikobegrenzung ausgehen. Das Ausmaß, in dem die risikopolitischen Instrumente Risikominderung bewirken, hängt von ihrer Art und von ihrer Qualität ab. Arten und Wirkungsweisen risikopolitischer Instrumente sind vielfaJ.tig95 . Sie lassen sich grob in drei Klassen differenzieren: erstens solche, die den Informationsstand über die vorhandene Risikosituation verbessern, zweitens risikoursachenbezogene Maßnahmen und drittens Instrumente, die bei den Auswirkungen der Risiken ansetzen. Informationsverbessernde Maßnahmen tragen dazu bei, daß der Versicherer sein Risiko genauer kennt. Beispielsweise setzt die Ermittlung einer angemessenen Risikoprämie eine ausreichende Kenntnis des Schadenerwartungswerts voraus. Dazu bedarf es wiederum umfangreicher Informationen über die real existierenden Risikosituationen, die übernommenen Wahrscheinlichkeitsverteilungen sowie deren jeweiligen Anteile am Gesamtrisiko eines Versicherungsbestands. Risikoursachenbezogene Maßnahmen setzen an den Sachverhalten an, die ein entsprechendes Risiko entstehen lassen bzw. sein Ausmaß beeinflussen. Hier sind von Seiten des Versicherers Selektionsprozeduren zu nennen, die eine Annahme "schlechter" Risiken verhindern sollen. Damit kann das versicherungstechnische Risiko begrenzt werden. Ein risikoursachenbezogenes Instrument mit großer Bedeutung für Versicherer ist der Rückversicherungsschutz. Dieses Instrument vermindert das versicherungstechnische Risiko deutlich. Schließlich gehört auch die Beratung und Aufklärung der Versicherungsnehmer hinsichtlich einer angemessenen Risikominderung (z.B. Brandschutzempfehlungen für Industrie-Versicherungsnehmer) zu dieser Kategorie.

95

Vgl. zu den folgenden Ausführungen Farny, D.: Versicherungsbetriebslehre, a.a.O., S. 402 ff.

2. Aspekte eines Untemehmensratings

253

Die dritte Gruppe risikopolitischer Maßnahmen versucht schließlich, die ökonomischen Wirkungen von realisierten Risiken zu begrenzen. Das wichtigste Instrument dieser Gruppe ist die Bereitstellung ausreichender (finanzieller) Ressourcen, um die Auswirkungen einer Risikorealisation zu neutralisieren. Führt beispielsweise das versicherungstechnische Risiko zu einem Überschaden (effektiver Schaden> eingenommene Risikoprämie), kann durch den Einsatz von Sicherheitsmitteln ein Ausgleich geschaffen werden, ohne daß das Sicherheitsniveau des Versicherers unter eine zuvor festgelegte Mindestmarke sinkt. Zur Beschreibung ausgewählter Erfassungskriterien für den Sicherheitsgrad wird ein drei stufiger Weg beschritten: Einer kurzen Beschreibung von geeigneten Merkmalen, die Ausprägungen von Einzelrisiken eines Versicherungsunternehmens erkennbar machen, folgt eine Skizze der wichtigsten risikopolitischen Instrumente, nämlich den Sicherheitsmitteln und dem Rückversicherungsschutz. Dieser Skizze schließen sich im dritten Schritt einige Ausführungen darüber an, von welchen Faktoren die Qualität der genannten Instrumente determiniert wird. 2.2.2.2 Ausprägung wichtiger Einzelrisiken von Versicherungsunternehmen Der Sicherheitsgrad eines Versicherers ist schwer erfaßbar. Die Risikokategorien, die den Sicherheitsgrad beeinflussen, sind nicht nur sehr vielfaltiger Art, sie sind darüber hinaus in vielfacher Hinsicht gegenseitig voneinander abhängig. Einer Identifikation von geeigneten Kriterien zur Feststellung einer Ausprägung des Qualitätsmerkmals Sicherheitsgrad ist daher eine Struktur der Abhängigkeiten voranzustellen. Dazu werden folgende Thesen aufgestellt: Die Ausprägung des Sicherheitsgrads eines Versicherungsuntemehmens basiert im wesentlichen auf dem versicherungstechnischen Risiko. Dieses Risiko ist durch das Versicherungsgeschäft bedingt und in seiner ursprünglichen Ausprägung von den versicherten Risiken abhängig. Es setzt sich aus den Komponenten Zufalls-, Änderungs- und Irrtumsrisiko zusammen. Zur Begrenzung des versicherungstechnischen Risikos setzt der Versicherer risikopolitische Instrumente ein, im wesentlichen die Instrumente Vorrätigkeit von Sicherheitsmitteln und Rückversicherungschutz.

254

C. Modell eines Rating-Verfahrens und Aspekte seiner Ausgestaltung

Der Umfang und die Qualität dieser risikopolitischen Instrumente determinieren ihre Wirkung zur Begrenzung des versicherungstechnischen Risikos. Qualitätskriterien sind beim Rückversicherungsschutz die Leistungsfähigkeit des Rückversicherers und die Zweckmäßigkeit der gewählten Rückversicherungsformen. Die Qualität der Sicherheitsmittel wird nicht nur durch ihre mengenmäßige Vorrätigkeit in Relation zum Risiko bestimmt (z.B. hohe Eigenkapitalaustattung; vorsichtige Dotierung versicherungstechnischer Rückstellungen). Sicherheitsmittel werden auf verschiedene Arten vorrätig gehalten. Ein großer Teil dieser Mittel wird in Kapitalanlagen investiert. Daher beeinflußt die Qualität der Kapitalanlagen mittelbar die Qualität der Sicherheitsmittel96 . Die nichtversicherungstechnischen Risiken gehen nicht als eigene Risikobestandteile in die Untersuchung ein. Das allgemeine Unternehmensrisiko wird nicht weiter berücksichtigt97 . Das Kapitalanlage- und das Rückstellungsrisiko werden implizit bei der Qualitätsbeurteilung der Sicherheitsmittel in die Betrachtung mit einbezogen. Das versicherungstechnische Risiko beschreibt die Möglichkeit, daß der effektive Gesamtschaden den kollektiven Erwartungswert eines Versicherungsbestands übersteigt und die eingeforderten Risikoprämien daher zur Deckung des Effektivschadens nicht ausreichen. Für eine Untersuchung der Ursachen von diesen Überschäden empfiehlt sich eine Aufteilung des versicherungstechnischen Risikos in seine Komponenten Zufalls-, Änderungs- und Irrtumsrisiko98 . Die einzelnen Teile des Gesamtversicherungsbestands sind von den Elementen des versicherungstechnischen Risikos unterschiedlich betroffen. Deshalb setzt eine Erfassung von Kriterien des Merkmals Sicherheitsgrad bei der risikobezogenen Analyse der Größe und Mischung des Versicherungsbestands an. Dabei ist besonders zu beachten, daß die Beiträge von Zufalls-, Änderungs- und Irrtumsrisiko zum versicherungstechnischen Gesamtrisiko von der Stückzahl der versicherten Risiken und den Eigenschaften der einzelnen versicherten Schadenverteilungen (Schaden96 97

98

Ein niedriges KapitalanIagerisiko erhöht die Qualität der investierten Sicherheitsmittel et vice versa. Das geht auch nicht: "Das allgemeine Untemehmensrisiko ist ein wesentliches Element der Marktwirtschaft und nicht meßbar. Seine Inkaufnahme bei marktwirtschaftlicher Tätigkeit wird durch die Gewinnchance abgegolten." Famy, D.: Versicherungsbetriebslehre, a.a.O., S. 408. Vgl. dazu die Ausführungen zu den Komponenten des versicherungstechnischen Risikos bei Famy, D.: Versicherungsbetriebslehre, a.a.O., S. 70 ff.

2. Aspekte eines Untemehmensratings

255

erwartungswert und Streuung) bestimmt werden. Genauere Abgrenzungen sind in der Realität meist nicht möglich. Gewisse Hinweise auf die "Gefährlichkeit" bzw. die Ausgleichsfähigkeit des Versicherungsbestands können allenfalls aus den Erfahrungen über die Streuung der Gesamtschadenbelastung gewonnen werden. Das versicherungstechnische Risiko birgt die Möglichkeit von Verlusten (kollektive Überschäden) durch Nichtübereinstimmung von effektiven Gesamtschäden und Risikoprämien. Weitere Verlustquellen aus dem Versicherungsgeschäft können aus den übrigen Teilen der Prämienerträge und der Aufwendungen entstehen, also durch eine negative Differenz der Bruttoprämien abzüglich aller Schaden- und sonstiger Aufwendungen, darunter besonders die Betriebsaufwendungen. Deshalb ist das Verlustrisiko bzw. die Gewinnchance nicht nur von der Risikoexponiertheit des Versicherungsbestands, sondern auch von der Marktsituation abhängig, die die Höhe der erzielbaren Prämien bestimmt. Wesentlich für die Situation auf den einzelnen Teilmärkten sind die Intensität der Regulierung durch Versicherungsaufsicht sowie die Wettbewerbsintensität. Die Ermittlung von Einzelrisikoausprägungen bei einem Versicherungsunternehmen basiert also auf einer Untersuchung von Größe und Zusammensetzung seines Versicherungbestands. Beurteilungskriterien sind auf der Seite der versicherten Risiken die Gefährdung durch Komponenten des versicherungstechnischen Risikos; für eine Beurteilung eines ausreichenden Prämienniveaus sind die Zustände der relevanten Teilmärkte von Bedeutung. 2.2.2.3 Sicherheitsmittel und Rückversicherung als wichtige risikopolitische Instrumente Die Wahrscheinlichkeit versicherungstechnischer Fehlbeträge beeinträchtigen den Sicherheitsgrad eines Versicherungsunternehmens. Diese Wahrscheinlichkeit zu reduzieren oder die Wirkung der Risikoursachen zu begrenzen und damit den Sicherheitsgrad auf ein zufrieden stellendes Niveau zu bringen bzw. ihn dort zu halten, ist Aufgabe des risikopolitischen Instrumentariums. Dieses Instrumentarium ist sehr umfangreich. In den folgenden Ausführungen ist daher eine Beschränkung auf zwei besonders wichtige Instrumente angebracht.

256

C. Modell eines Rating-Verfahrens und Aspekte seiner Ausgestaltung

Risikopolitische Instrumente mit herausragender Bedeutung für den Sicherheitsgrad eines Versicherers sind einmal die bereitgehaltenen Sicherheitsmittel und zum zweiten Art und Umfang der eingesetzten Rückversicherung. Die Funktionsweisen sind grundsätzlich verschieden. Sicherheitsmittel wirken dahingehend, daß sie bei bereits realisierten Risiken den Bestand des Unternehmens gewährleisten, indem sie entstandene (versicherungstechnische) Verluste ausgleichen99 . Das Instrument der Rückversicherung reduziert dagegen das Gefährdungspotential dadurch, daß Teilrisiken von einem anderen Versicherer, dem Rückversicherer, getragen werden. Der rückversicherte Teil des ursprünglichen Gefährdungspotentials existiert folglich beim analysierten Unternehmen nicht mehr, die ursprünglich gegebene Wahrscheinlichkeitsverteilung des versicherungstechnischen Risikos wird günstig verändert 100. Als Sicherheitsmittel (Risikoreserven) können alle finanziellen Mittel eines Versicherers angesehen werden, die dazu dienen (können), die Folgen einer ungünstigen Abweichung der eingetretenen Schäden von den erwarteten auszugleichen, insbesondere Verluste zu decken, und damit eine Gefahr für die Existenz des Versicherers abzuwenden. Die Sicherheitsmittel eines Versicherers lassen sich grob in drei Klassen unterteilen 101 : - Eigenkapital, - Schwankungsrückstellungen 102, - Reserven in Schadenrückstellungen. Das Eigenkapital stellt für die meisten Versicherungsunternehmen 103 den wichtigsten Bestandteil der Risikoreserve dar 104 . Es schützt in universeller Weise vor den 99 100

Vgl. Farny, D.: Versicherungsbetriebslehre, a.a.O., S. 345 f. Vgl. Farny, D.: Versicherungsbetriebslehre, a.a.O., S. 343 ff.

101

Vgl. ausführlich zu den Risikoreserven: Flemming, K.: Risikoreserven; in: HdV, S. 667670. Wird nur von Schaden-/Unfall- und Rückversicherern gebildet. Siehe Farny, D.: Buchführung und Periodenrechnung ... , a.a.O., S. 133. Von geringerer Bedeutung ist es in der Lebensversicherung. "Dem Eigenkapital eines Industrieuntemebmens kommt in erster Linie eine Finanzierungs- und danach erst eine Sicherungsfunktion zu. Bei Versicherungsuntemebmen ist dies infolge der Besonderheit des produzierten Gutes ... umgekehrt." Jannott, H. K.: Interdependenz ... , a.a.O., S. 265. Anderer Ansicht ist allerdings Fuß, der der Finanzie-

102 103 104

3. Aspekte eines Unternehmensratings

257

Folgen ungünstiger Entwicklungen jeglicher Art, mit denen ein Versicherer konfrontiert wird. Es "deckt damit neben dem Risiko aus dem versicherungstechnischen Geschäft auch das Kapitalanlagerisiko und das Risiko aus dem allgemeinen Geschäft ab."105 Zum Eigenkapital gehören das in der Bilanz ausgewiesene "gezeichnete Kapital" und die offenen Rücklagen 106. Tendenziell ist der Sicherheitsgrad eines Versicherers umso höher einzustufen, je mehr Eigenkapital zum Ausgleich eventuell eintretender Verluste zur Verfügung steht 107 . Eine weitere versicherungsspezifische Position der Sicherheitsmittel stellt die Schwankungsrückstellung 108 dar. Diese Rückstellungsart entspricht den Besonderheiten des Risikogeschäfts, nämlich der zeitlichen Differenz zwischen den regelmäßig eingehenden Prämienzahlungen und den aleatorisch bedingten Auszahlungen für Versicherungsleistungen. Werden für einzelne Rechnungsperioden die versicherungstechnischen Ergebnisse ermittelt, ergeben sich zufaIlige versicherungstechnische Überschüsse oder Fehlbeträge. Grundfunktion der Schwankungs-

105

106

107

108

rungsfunktion des Eigenkapitals größere Bedeutung beimißt. Vgl. Fuß. F.: Risikogerechte Eigenkapitalausstattung ...• a.a.O .• S. 61 f. Im vorliegenden Zusammenhang soll der Meinung von Jannott gefolgt werden. Die Besonderheiten der Vermögenspositionen. die mit Eigenkapital finanziert werden (insbesondere immaterielle Vermögenswerte). wirkt sich zwar negativ auf die Möglichkeit aus. sie zu liquidieren und kann damit die Sicherungsfunktion gegenüber dem Illiquiditätsrisiko einschränken. Letzteres kann bei Versicherungsunternehmen jedoch vernachlässigt werden. wie bereits ausgefiihrt wurde. Vgl. FN 54 in diesem Kapitel. Flemming. K.: Risikoreserven, a.a.O., S 667. Es können im Einzelfall noch Sonderposten mit Rücldageanteil oder Genußscheinkapital hinzukommen. Zu den Einzelheiten der genannten Positionen sowie zu den Besonderheiten beim VVaG vgl. ausführlich: Farny. D.: Buchführung und Periodenrechnung ...• a.a.O .• S. 126 ff. Im Jahre 1989 waren die deutschen Kompositversicherer beispielsweise mit einem (sichtbaren) Eigenkapital in Höhe von knapp 38% der Prämien feR ausgestattet. Die Streuung der Einzelwerte ist allerdings recht hoch. Im angesprochenen Jahr belief sie sich auf Werte von 16,95% bis 108.35%. Siehe dazu: Farny. D. er. al.: Die Geschäftsergebnisse der Kompositversicherung im Jahr 1989 und im Fünfjahreszeitraum 1985/1989; Beilage zur VW Nr. 23/1990. Tabelle 10. S. XXIII. "Rückstellung zum Ausgleich der jährlichen Schwankungen im Schadenbedarf". Vgl. VUBR Nr. 1 Passiva 3.4; in: O. v.: Rechnungslegung '87 der Versicherungsunternehmen - VUBR, Karlsruhe 1988, S. 59. Zum Begriff der Schwankungsrückstellungen ausführlich: Nies. H.: Die Rückstellung zum Ausgleich des schwankenden Jahresbedarfs (Schwankungsrückstellung) - dargestellt am Beispiel der Hagelversicherung; in: WPg 1973, S. 339 ff. Die Passivposten mit ähnlichen Funktionen, wie beispielsweise die Großrisikenrückstellung. werden hier nicht explizit behandelt. Vgl. dazu Weiße. c.: Schwankungsrückstellung und Großrisikenrückstellung nach versicherungsmathematischen Grundsätzen; in: WPg 1974, S. 470-483.

17 Sönnichsen

258

C. Modell eines Rating-Verfahrens und Aspekte seiner Ausgestaltung

rückstellung ist daher die Bereitstellung eines Instruments, mit dem diese zufallsbedingten Abweichungen ausgeglichen werden können 109. Die Schwankungsrückstellung wird in den Versicherungszweigen, deren Schadenverlauf entsprechenden Schwankungen unterliegen, nach einer vom BAV vorgeschriebenen mechanischen Berechnung gebildet 110 . "Nach der Grundkonzeption der Schwankungsrückstellung wird jährlich geprüft, ob die Schadenquote der Rechnungsperiode vom langjährigen Durchschnitt abweicht. Liegt sie unter dem Durchschnitt, wird der entsprechende Unterschaden der Schwankungsrückstellung zugeführt, liegt sie über dem Durchschnitt ... , wird der entsprechende Überschaden entnommen. "111 In allen Fällen, in denen sie einen positiven Bestand aufweist, erfüllt sie durch ihre Widmung als Ausgleichsmittel für Überschäden gleichzeitig Sicherungsfunktionen. Die Bestände der Schwankungsrückstellung stehen neben dem Eigenkapital zur Deckung versicherungstechnischer Verluste zur Verfügung 112 . Ihre Bedeutung wird durch ihr real vorhandenes Volumen ausgedrückt. Das versicherungstechnische Spezialkapital l13 in der deutschen Kompositversicherung betrug im Geschäftsjahr 1989 durchschnittlich 15,4% der Prämien feR114. Weitere Sicherheitsmittel sind in Form der Rückstellungen für noch nicht abgewickelte Versicherungsfalle (Schadenrückstellungen) vorhanden. "Rückstellungen sind Passivposten, die die Aufgabe haben, Aufwendungen, die erst in einer späteren Periode zu einer in ihrer Höhe und ihrem genauen Fällig109 110 111 112

113

114

Vgl. auch Flemming, K.: Risikoreserven, a.a.O., S 667. Vgl. BAV.· Rundschreiben R4/78; in: VerBAV 1978, S. 262 ff. Farny, D.: Buchführung und Periodenrechnung ...• a.a.O., S. 133. Auf die einzelnen Vorschriften, die die Auflösung von Schwankungsrückstellungen regeln. wird hier nicht weiter eingegangen. Vgl. dazu die Anordnungen des zitierten Rundschreibens R4/78. Ebenso bleiben die theoretischen Begründungen für die Bildung und Funktionsweise von Schwankungsriickstellungen unberücksichtigt. Vgl. dazu Kanen, W.: Grundlagen eines risikogerechten Schwankungsfonds für Versicherungsunternehmen, Berlin 1966. Das versicherungstechnische Spezialkapital beinhaltet neben der Schwankungsrückstellung noch Großrisikenrückstellungen. Rückstellungen für drohende Verluste aus schwebenden Geschäften (Drohverlustrückstellungen) usw. Aufgrund der Dominanz der Schwankungsrückstellungen innerhalb dieser Größe, kann jedoch der Einfluß der anderen Rückstellungsarten vernachlässigt werden. ohne die gemachte Aussage zu verfälschen. Siehe Farny, D. et. al.: Die Geschäftsergebnisse ... (Komposit 1989) ... , a.a.O., Tabelle 10, S. XXIII. Absolut entspricht dies einem Betrag von insgesamt mehr als 6,1 Mrd. DM.

2. Aspekte eines Untemehmensratings

259

keitstermin am Bilanzstichtag noch nicht feststehenden Auszahlung ... führen, der Periode ihrer Verursachung zuzurechnen. "115 Aufwendungen für Versicherungsfälle entstehen dem Grunde nach zum Zeitpunkt des Eintritts versicherter Schäden. Die Auszahlungen für die Regulierung dieser Schäden fließen in der Regel erst (viel) später l16 . Für den Zeitraum zwischen Schadeneintritt und Abschluß der Schadenregulierung werden entsprechende Rückstellungen gebildet. Es sind drei Fälle zu unterscheiden, die zur Bildung von Schadenrückstellungen führen: 1.) Der Schaden ist gemeldet und der Höhe nach bekannt, die Versicherungslei-

stung wurde aber noch nicht ausgezahlt ("Auszahlungsschaden"). 2.) Der Schaden ist gemeldet, Höhe der Versicherungsleistung und Zeitpunkt der Auszahlung sind allerdings noch unbekannt ("Regulierungsschaden"). 3.) Ein Schaden ist bereits eingetreten, aber noch nicht gemeldet ("Spätschaden"). Für einen "Auszahlungsschaden " verursacht der Ansatz einer Rückstellung 117 keine Schwierigkeiten. Hier wird nur eine zeitliche Differenz zwischen einem in seiner Höhe bekannten Aufwand und der entsprechenden Auszahlung überbrückt. Eine Rückstellungsdotierung für "Regulierungsschäden" basiert auf der Schätzung der Höhe einer zukünftigen Versicherungsleistung. Der Schadeneintritt ist zwar bekannt und gemeldet, der Umfang der Versicherungsleistung hängt in diesen Fällen jedoch regelmäßig von der Entwicklung der Schadenregulierung ab. So werden Z.B. Haftpflichtschäden von Gerichtsurteilen, Rentenleistungen von deren Laufzeit oder Betriebsunterbrechungsschäden u.a. vom entgangenen Gewinn des versicherten Unternehmens und der Unterbrechungsdauer bestimmt. Besondere Unsicherheiten bei der Schätzung von Versicherungsleistungen begründen "Spätschäden". Aus Erfahrungswerten ist zwar bekannt, daß sie mit hoher Wahrscheinlichkeit eingetreten sind. Wann sie gemeldet und in welcher Höhe sie eventuell reguliert werden, ist äußerst ungewiß. Die Schätzung dieser "Spätschä115 116 117

Wöhe, G.: Bilanzierung und Bilanzpolitk, a.a.O., S. 542. Vgl. Farny, D.: Buchführung und Periodenrechnung ... , a.a.O., S. 132 f. Hierbei handelt es sich genaugenommen um Verbindlichkeiten und nicht um Rückstellungen.

260

C. Modell eines Rating-Verfahrens und Aspekte seiner Ausgestaltung

den" (IBNR1l8) verlangt ein hohes Maß an Vorsicht bei den Versicherungsunternehmen, die dafür durch Rückstellungsbildung bilanzielle Vorsorge zu treffen haben. Eine Sicherheitsfunktion erfüllt die Schadenrückstellung in doppelter Hinsicht. Einmal wird sichergestellt, daß für alle zum Betrachtungszeitpunkt bekannten oder noch zu erwartenden Versicherungsfälle entsprechende Finanzmittel zur Verfügung stehen. Darüber hinaus enthalten die Schadenrückstellungen regelmäßig eine finanzielle Sicherheitsreserve (Risikoreserve), indem insbesondere für "Spätschäden" aber auch für "Regulierungsschäden" der Unsicherheit der Schätzung dadurch Rechnung getragen wird, daß der Rückstellungsansatz der Höhe nach ausgesprochen "vorsichtig" erfolgt 119 . Die Bedeutung der Schadenrückstellung belegt ihr Volumen. In den Jahren 1980 bis 1989 betrug ihre Höhe im Durchschnitt der deutschen Kompositversicherer etwa 90 % der Prämien feR120. Bei diesen Unternehmen sind also 90% einer Jahresprämie (feR) bereits für die Zahlung von Versicherungsleistungen reserviert l21 . Ein risikopolitisches Instrument mit außerordentlicher Bedeutung für Versicherer ist neben den Sicherheitsmitteln die Rückversicherung.

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120 121

"Incurred but not reported ". Vgl. zu dieser Schadenkategorie und den damit verbunden Schätzproblemen ausführlich: Schmidt-Salzer, J.: IBNR und Spätschadenreservierung in der Allgemeinen Haftpflichtversicherung, Karlsruhe 1984. Eine Übersicht geben: Reich, A. lZeller, w.: Spätschäden; in: HdV, S. 807-809.

Vgl. auch Flemming, K.: Risikoreserven, a.a.O., S. 667. Siehe zur Problematik der Schätzung von Schadenrückstellungen auch die ausführliche Darstellung bei Perlet, H.: Rückstellungen für noch nicht abgewickelte Versicherungsfälle in Handels- und Steuerbilanz, Karlsruhe 1986, S. 83 ff. Um eine bilanzielle Vorsorge dieser Art mit dem Handelsund Steuerrecht in Übereinstimmung zu bringen, existiert eine spezielle Bewertungsvorschrift für versicherungstechnische Rückstellungen in § 56 Abs. 3 VAG: "Versicherungstechnische Rückstellungen dürfen auch insoweit gebildet werden, wie dies ... notwendig ist, um die dauernde Erfüllbarkeit der Verpflichtungen aus den Versicherungen sicherzustellen." Die etwas irreführende Formulierung "dürfen ... gebildet werden" beinhaltet nach allgemeiner Meinung kein Passivierungswahlrecht, sondern eine Passivierungspflicht. Siehe dazu: Schmidt, R. I Frey, P.: Prölss. VAG, a.a.O., § 56 Rdnr. 30. Vgl. Farny, D. et. al.: Die Geschäftsergebnisse ... (Komposit lOa, S. XXIII.

1989) ... , a.a.O., Tabelle

Im Jahre 1989 entsprach das mehr als 35 Mrd. DM. (Berechnet aus Farny, D. er. al.: Die Geschäftsergebnisse ... (Komposit 1989) ... , a.a.O., Tabellen 7 u. 10. Die zitierte Untersuchung deckt etwa 92% des Kompositversicherungsmarkts ab, vgl. ebenda S. IV.)

2. Aspekte eines Untemehmensratings

261

Die Rückversicherung ist die Versicherung der Versicherer l22 . Je nach Art der Rückversicherungsform gibt der Zedent 123 einen Teil eines übernommenen Einzelrisikos oder einen bestimmten Teil von Versicherungskollektiven ab. Das erstgenannte Verfahren gilt zweckmäßigerweise für Großrisiken, die versicherungstechnisch für den Zedenten zu "gefahrlich" sind l24 , die zweite Methode ist insbesondere in solchen Fällen vorteilhaft, in denen die Schäden eines bestimmten Versicherungskollektivs starken Schwankungen unterliegen. Analog zur Situation eines Versicherungsnehmers, der die ihn bedrohenden Risiken durch den Einsatz von Versicherungsschutz vermindert, verbessert sich die Risikosituation eines Versicherers durch den Bezug von Rückversicherungsschutz. Entscheidend für den hier interessierenden Sicherheitsgrad eines Versicherungsunternehmens sind dabei die Art und der Umfang des Einsatzes von Zessionen 125. Der Umfang der Rückversicherung ist in Abhängigkeit von den betriebenen Versicherungszweigen bei den Zedenten sehr unterschiedlich. Nimmt man als Volumenmaß für den bezogenen Rückversicherungsschutz den Anteil der dafür aufgewendeten Bruttoprämien der Erstversicherer 126 , so lag der Anteil in den Jahren 1980 bis 1989 in der Kompositversicherung bei knapp über 30 %127, in der PKV und der Lebensversicherung sind die Anteile wesentlich geringer. 2.2.2.4 Qualitätskriterien der genannten risikopolitischen Instrumente Der Wirkungsgrad risikopolitischer Instrumente ist nicht nur abhängig vom Umfang ihres Einsatzes, sondern wird darüber hinaus nicht unwesentlich von ihrer Qualität bestimmt. Vor diesem Hintergrund ist für die Beurteilung des Sicher122

Vgl. Grossmann, M.: Rückversicherung - Eine Einführung, 2. Auflage. St.Gallen 1982.

S. 1.

123

Das ist der risikoabgebende Versicherer. Es kann sich dabei um einen Erstversicherer, aber auch um einer Rückversicherer handeln.

124

Gründe dafür können beispielsweise neben der ungünstigen Auswirkung von nicht in den Bestand passenden Großrisiken auf das Zufallsrisiko (vgl. zur Wirkungsweise z.B. Gerathewohl, K. et. al.: Rückversicherung - Grundlagen und Praxis. Band I, Karlsruhe 1976. S. 71 ff.) auch nicht ausreichende Sicherheitsmittel sein.

125 126

Zession = in Anspruch genommener Rückversicherungsschutz. Wobei dieses Maß nur Näherungsaussagen erlaubt. Je nach Art des bezogenen Rückversicherungsschutzes (proportionallnichtproportional) ist das Ausmaß des damit abgegebenen Risikos nicht genau abzubilden.

127

Vgl. Farny, D. et. al.: Die Geschäftsergebnisse ... (Komposit 1989) ...• a.a.O .• Tabelle 7a. S. XVIII. Die Streuung ist allerdings beträchtlich. Sie lag 1989 zwischen etwa 5% und etwa 85% der Bruttoprämie. vgl. ebenda, Tabelle 7, S. XVII.

262

C. Modell eines Rating-Verfahrens und Aspekte seiner Ausgestaltung

heitsgrads eines Versicherers die Analyse der Qualität seiner risikopolitischen Instrumente unabdingbar. Die Sicherheitsmittel eines Versicherungsunternehmens werden nicht als Barmittel vorrätig gehalten, sondern sie werden investiert. Zur Investition in materielle und immaterielle Produktionsfaktoren wird insbesondere das Eigenkapital herangezogen. Diese Investitionen sind in der Versicherungswirtschaft allerdings im Vergleich zum Hauptinvestitionsobjekt der Kapitalanlagen von geringerer Bedeutung. Die Arten (Rendite, Liquiditätsnähe) und - mit außerordentlichem Gewicht - die Sicherheit der Kapitalanlagen bestimmen die Qualität der Reserven l28 . Welche Bedeutung der Kapitalanlagequalität bei Versicherern zukommt, unterstreicht die hohe Aufsichtsintensität, der die Kapitalanlagepolitik der Unternehmen unterliegt l29 , und das Volumen der Kapitalanlagen. So betrug der Kapitalanlagebestand der Kompositversicherer 1989 knapp das 1,8fache der Prämien feR 130, der der Lebensversicherer sogar mehr als das 7fache der Summe aus verdienten Bruttobeiträgen und Beiträgen aus der Rückstellung für Beitragsrückerstattung (RfB)131. Anders formuliert: eine lO%ige Abschreibung 132 auf die Kapitalanlagen eines Versicherers ist im Kompositgeschäft gleichbedeutend mit dem (vorerst nur bilan128

Zwar enthalten die Kapitalanlagen gleichzeitig Investitionen von Finanzmitteln, die nicht den Sicherheitsmitteln zugerechnet werden können (z.B. Verbindlichkeiten, Pensions- und SteueITÜckstellungen); dieser Sachverhalt kann im vorliegenden Zusammenhang jedoch vernachlässigt werden: Erstens ist eine Differenzierung der Kapitalanlagen nach der Art der sie finanzierenden Quellen im nachhinein nicht mehr möglich. Zweitens wird der weitaus größte Teil der Kapitalanlagen durch Sicherheitsmittel finanziert, wenn der Begriff Sicherheitsmittel weiter gefaßt wird. Bezeichnet man nämlich (bilanzieIl gesehen) alle Positionen der Passivseite als Sicherheitsmittel, die zur Erfüllung von Verpflichtungen aus Versicherungsverträgen bestimmt sind, dann sind neben den (reinen) Risikoreserven auch solche dazuzurechnen, die bereits bekannte Verpflichtungen aus Versicherungsverträgen abdecken. Die dominierenden Posten sind in der Kompositversicherung die Schadenrückstellungen und in der Lebensversicherung die DeckungsrucksteIlung.

129

Vgl. die §§ 54 bis 54d VAG.

130

Vgl. Farny, D. et. al.: Die Geschäftsergebnisse ... (Komposit 1989) ... , a.a.O., Tabelle 9a, S. XXII. Eigene Berechnungen aus unveröffentlichten Untersuchungen des Instituts für Versicherungswissenschaft an der Universität zu Köln.

131 132

Eine Abschreibung in dieser Höhe ist bei deutschen Versicherern z Zt. wenig realistisch. Die Kapitalanlagevorschriften sind allerdings erst kürzlich gelockert worden. (V gl. O. V.: Gesetz zur Änderung versicherungsrechtlicher Vorschriften; in: VerBAV 1990, S. 562564; o. v.: Das Gesetz zur Änderung versicherungsrechtlicher Vorschriften; in: VW 1990, S. 1354; Schwebler, R.: VermögensanIage und Anlagevorschriften der Versicherungsunternehmen; in: VermögensanIagepraxis in der Versicherungswirtschaft, hrsg. v.

2. Aspekte eines Untemehmensratings

263

zieHen) Verlust von etwa 18% der Jahresprämie feR, bei einem durchschnittlichen Lebensversicherer ist sogar eine Lücke in Höhe von etwa 70% einer Jahresprämie zu decken. Die Analyse der Kapitalanlagequalität hat sich bei der Bestimmung des Sicherheitsgrads eines Versicherers auf zwei Punkte zu konzentrieren. Das ist erstens der Risikograd der einzelnen Investitionen hinsichtlich Veränderungen von Kapitalmarktkonstellationen (Zinsniveau, Börsenentwicklung, Wechselkurse usw.) und zweitens die in den Anlagen enthaltenen stillen Reserven 133. Dabei bestimmt der Risikograd die Wahrscheinlichkeit eines Wertverlustes oder des Zinsertragsausfalls einzelner Investitionen, während der Umfang der stillen Reserven die Ressourcen angibt, die für einen eventuellen Ausgleich von Wertverlusten zur Verfügung stehen. Auf die besondere Bedeutung der Kapitalanlagequalität bei Lebensversicherern ist hinzuweisen. Deshalb kommt der Untersuchung des Sicherheitsgrads bei Lebensversicherern erhöhte Bedeutung zu. In der Lebensversicherung werden die Prämien aufgrund aufsichtsrechtlicher Vorschriften besonders vorsichtig, d.h. mit hohen Sicherheitszuschlägen, kalkuliert, und das Sterblichkeitsrisiko ist verhältnismäßig konstant. Die Existenz eines Lebensversicherers wird demnach weniger durch das versicherungstechnische Risiko, sondern vor allem durch das KapitalanRobert Schwebler, 2. Auflage, Karlsruhe 1991, S. 34 ff.) Bei weiterer Lockerung der Kapitalanlagevorschriften und steigenden Kursschwankungen auf den Kapitalmärkten nimmt das Kapitalanlagerisiko zu. So waren in Deutschland nach dem Börsencrash 1987 bereits hohe Abschreibungen vorzunehmen, und die ganze Tragweite negativer Konsequenzen aus riskanter Kapitalanlagepolitik zeigt die aktuelle Problematik einiger Lebensversicherer in den USA. Vgl. dazu beispielhaft: Deysson, c.: Seltsame Mentalität - US-Versicherungen: Krasse Aufsichtsmängel führten zu Auswüchsen bei Lebensversicherem; in: WiWo Nr. 20/1991, S. 86-89; Eckhardt, J.: USA - Die Krise im Immobiliensektor zieht die Assekuranz zunehmend in Mitleidenschaft; in: HB vom 26.127.07.1991, S. 9; Marmol, G. / Shuk, J.: Testing the Mettle of Life Insurers; in: Best's Review, LlH, Vol. 91, Nr. 12/1991, S. 16-17 u. S. 94-97; O. Y.: Assekuranzkonzern First Executiv durch spekulative Anlagen der Tochter gefiihrdet - US-Versicherung: Kalifomiens Aufsicht bestellt Zwangsverwaltung für Executive Life; in: HB vom 15.04.1991, S. 12; o. Y.: Kapitalausstallung vielfach unzulänglich - US-Versicherungen: Pleite der Executive Life legt beträchtliche Schwachstellen frei; in: HB vom 11.06.1991, S. 11; oder: ZWätz, D.: Die staatliche Aufsicht griff viel zu spät ein - US-Lebensversicherungen: Die Pleite der Executive Life untergräbt das Vertrauen in die Assekuranz; in: HB vom 10.06.1991, S. 3. 133

Stille Reserven können in den Kapitalanlagen deutscher Versicherungsunternehmen in beachtlichem Umfang vermutet werden. Sie bestehen in der Differenz zwischen den in den Bilanzen ausgewiesenen Wertansätzen der Kapitalanlagen und den jeweiligen (oft bedeutend höheren) Marktwerten. Ihre Existenz verdanken sie rechtlich zulässigen ("vorsichtigen") Bewertungsverfahren, die einerseits in vorgenommenen Abschreibungen, andererseits in unterlassenen Zuschreibungen bestehen.

264

C. Modell eines Rating-Verfahrens und Aspekte seiner Ausgestaltung

lagerisiko gefährdet. Die (reinen) Risikoreserven sind daher von untergeordneter Bedeutung 134. Maßgeblich sind vielmehr die Erhaltung der Kapitalanlagen, in denen die Sparguthaben der Versicherten (DeckungsTÜckstellungen) investiert sind, sowie die Erhaltung einer ausreichenden Kapitalanlagerendite zur Verzinsung der Sparguthaben. Eine Qualitätsbeurteilung des risikopolitischen Instruments Rückversicherung betrifft zwei Punkte: Der erste ist die Zweckmäßigkeit, mit der dieses Instrument nach Umfang und nach Art der gewählten Rückversicherungsform eingesetzt wird. Diese risikopolitische Zweckmäßigkeit wird von der Zusammensetzung des Versicherungsbestands nach betriebenen Sparten und zusätzlich von der Exponiertheit einzelner Spitzenrisiken im Portefeuille determiniert. Der zweite Aspekt betrifft die Sicherheit, die von den Risikoträgem des Rückversicherungsschutzes gewährleistet werden kann. Die Security von Rückversicherern 135 ist ein alter Gegenstand der Diskussion 136. Im vorliegenden Zusammenhang soll hierauf jedoch nicht weiter eingegangen werden. Die Beurteilung des Sicherheitsgrads eines Rückversicherers setzt die gleichen Beurteilungsverfahren voraus, die auch bei der Bewertung des Sicherheitsgrads jedes anderen Versicherers einzusetzen sind 137.

134 135 136

137

Das Eigenkapital von Lebensversicherem ist im Vergleich zu anderen Versicherungsbranchen sehr niedrig. Schwankungsrückstellungen gibt es gar keine. Deutsche reine Rückversicherer unterliegen nur einer begrenzten Aufsicht, vgl. § 1 Abs. 2 VAG. Vgl. z.B. Bertschinger, P.P.: Kriterien der Bonität von Nicht-Lebens- und Rückversicherungsgesellschaften; in: ZfV 1978, S. 647-656; Farny, D.: Über die Schwierigkeiten, einen "guten" Rückversicherer auszuwählen - unveröffentlichter Vortrag auf einer Veranstaltung der Bayerischen Rück 1982; Hutter, J.: Zur Prüfung der Security ... , a.a.O.; Martinsohn, U.: Wie sicher sind RückversicherungsgeseUschaften ... , a.a.O.; Werner, U.: Zur Bonität von Rückversicherern, a.a.O.; oder: Werner, U.: Die Analyse des Lageberichts ... , a.a.O., S. 1014-1035. Die Besonderheiten des betriebenen Geschäfts sind dabei selbstverständlich zu berücksichtigen. So tritt beispielsweise bei der Analyse des Versicherungsbestands die Zusammensetzung nach unterschiedlichen Sparten in ihrer Bedeutung hinter die Frage zurück, zu weIchen Teilen das Rückversicherungsportefeuille aus proportionalen und nichtproportionalen Verträgen besteht.

2. Aspekte eines Untemehmensratings

265

2.2.3 Ausgewählte Kriterien zur Erfassung der Erfolgskrajt Während bei der Untersuchung des Sicherheitsgrads eines Versicherungsunternehmens vorrangig Stichtagsgrößen 138 betrachtet werden, sind bei der Analyse der Erfolgskraft Zeitraumgrößen zu bewerten. Die Länge der dabei zu berücksichtigenden Zeiträume, Z.B. die Anzahl der einzubeziehenden Rechnungsperioden, ist so zu wählen, daß ein zweckmäßiger Kompromiß zwischen Aussagegehalt und Analyseaufwand erreicht wird. So ist bei Betrachtung der versicherungstechnischen Ergebnisse einer einzelnen Rechnungsperiode wegen der Schadenschwankungen keine zuverlässige Aussage zur Erfolgskraft möglich. Andererseits ist die Erfassung dieser Größen über einen Zeitraum von vielen Jahren sehr aufwendig. Außerdem lassen lange zurückliegende Ausprägungen bestimmter Sachverhalte regelmäßig keine Schlüsse auf aktuelle Verhältnisse zu 139. Bei der Bewertung der Erfolgskraft eines Versicherungsunternehmens können drei Analyseziele verfolgt werden. Die Erfolge können nach ihrer Höhe (absolut oder relativ), nach ihrer Art (ordentlicher vs. außerordentlicher Erfolg) oder nach ihrer Quelle (versicherungstechnischer Erfolg vs. Kapitalanlageerfolg) untersucht werden. Die absolute Höhe des Erfolgs von Versicherungsuntemehmen ist für eine Beurteilung der Erfolgskraft von untergeordneter Bedeutung. Sie hängt nicht nur von der Art der Erfolgsdefinition ab l40 ; ihre Einordnung als ausreichend oder nicht ausreichend kann darüber hinaus nur unter Berücksichtigung der jeweiligen Unternehmensziele vorgenommen werden. Die allgemeingültige Ableitung einer zufriedenstellenden Erfolgshöhe ist nicht möglich. Allenfalls vertretbar sind generelle Aussagen über den Mindesterfolg, den ein Versicherungsunternehmen zu erwirtschaften hat. So kann die Untergrenze des Erfolgs Z.B. in der Höhe festgelegt werden, die zur realen Substanzerhaltung und einer angemessenen Verzinsung des Eigenkapitals ausreicht. Weitaus bedeutsamer sind die Analyseergebnisse hinsichtlich der Art und der Herkunft der jeweiligen Überschüsse. 138

Die Ausstattung mit Sicherheitsmitteln, der Umfang von Rückstellungen usw. sind als Bestandsgrößen nur stichtagsbezogen zu ermitteln.

139

In Abhängigkeit der zu untersuchenden Kriterien kann eine Berücksichtigung der letzten drei bis fünf Rechnungsperioden als zweckmäßig angesehen werden.

140

Vgl. dazu die Ausführungen in Abschnitt 2.1.2.2 dieses Kapitels.

266

C. Modell eines Rating-Verfahrens und Aspekte seiner Ausgestaltung

Eine Bewertung von Erfolgskomponenten ihrer Art nach als "ordentlich" läßt Rückschlüsse auf ihre Dauerhaftigkeit zu. Außerordentliche Erfolgsbestandteile sind solche, die entweder nicht aus der gewöhnlichen Geschäftstätigkeit eines Versicherers stammen (z.B. Verkauf eines Versicherungsbestands), oder solche, die einmaliger Natur sind (z.B. Erträge aus der Neubewertung von Rückstellungen aufgrund geänderter Vorschriften). Die Erzielung solcher außerordentlicher Gewinnfaktoren auf Dauer oder zumindest in einer gewissen Regelmäßigkeit ist auszuschließen. Sie sind zwar zum Zeitpunkt ihres Auftretens durchaus Erfolgsbestandteil eines Versicherungsunternehmens, bei der Betrachtung der Erfolgskraft als einer auf Kontinuität angelegten Größe sind sie jedoch zu eliminieren l41 . Die Untersuchung der Überschüsse eines Versicherers nach ihrer Herkunft hat in der jüngeren Vergangheit an Gewicht gewonnen. Damit ist die Zusammengehörigkeit bzw. die Interdependenz von versicherungstechnischem Ergebnis und den Erfolgen aus dem Kapitalanlagegeschäft 142 angesprochen. Mit dem Versicherungsgeschäft eng verbunden ist die Bildung von großen Kapitalbeständen l43 . Mit ihnen werden bei zweckmäßiger Anlage auf den Kapitalmärkten Erträge erwirtschaftet, die nicht direkt dem eigentlichen Geschäft der Versicherer, nämlich der Risikotragung, entstammen. Diese Kapitalanlageerträge haben sich zu einem dominierenden Erfolgsbestandteil von Versicherern entwikkelt. Unterstützt wurde diese Entwicklung durch das hohe Zinsniveau an den Kapitalmärkten sowie durch den z.T. heftigen Wettbewerb auf den Versicherungsmärkten, der die Prämien unter Druck gesetzt und damit die Erfolgschancen aus dem Versicherungsgeschäft eingeschränkt hat. Welche Konsequenzen hiermit verbunden sind, läßt sich an der Entwicklung der US-amerikanischen NichtlebenVersicherungswirtschaft Ende der 70er und Anfang der 80er Jahre veranschaulichen. Ständig steigenden Kapitalanlageerträgen standen schnell wachsende versi141

142

143

Vgl. auch Farny. D.: Buchfiihrung und Periodenrechnung ...• a.a.O., S. 179; ebenso: Rieger. A.: Wachstum und Ertragslage deutscher Lebensversicherungsuntemehmen 1976 bis 1985 - Dargestellt am Beispiel der Volksfiirsorge Lebensversicherung AG, Diss. Berlin 1988, S. 55 f. Vgl. zu den folgenden Ausführungen insbesondere Farny, D.: Nichtversicherungstechnisehe Erträge ... , a.a.O.; sowie Jannott, H. K.: Interdependenz ... , a.a.O. Statt vom Ergebnis aus Kapitalanlagen wird in der Literatur auch vom Ergebnis aus dem • Allgemeinen Geschäft" gesprochen. Letzteres enthält neben Anlageüberschüssen noch weitere Erfolgsbestandteile. Da die Kapitalerträge jedoch die übrigen Ertragskomponenten eindeutig dominieren, kann die vorgenommenen Beschränkung beibehalten werden. Vgl. auch die Ausführungen zu den Sicherheitsmitteln weiter oben.

2. Aspekte eines Unternehmensratings

267

cherungstechnische Verluste gegenüber, bis im Jahre 1984 auch das Gesamtergebnis negativ wurde l44 . Auch in Deutschland waren viele Versicherer über negative versicherungstechnische Ergebnisse nicht besorgt, wenn zum Ausgleich genügend hohe Kapitalanlageerträge gegenüberstanden 145 . Grundsätzlich ist die These, die Versicherungsnehmer in Form von niedrigen ("unzureichenden") Prämien an den Erträgen aus Kapitalanlagen zu beteiligen und damit auch versicherungstechnische Verluste zu akzeptiem, nicht zu kritisieren. Denn "in der ex post-Betrachtung sind ... Prämienerträge in dem Umfang entbehrlich, wie Ergebnisse aus Kapitalanlagen zur Verfügung stehen. "146 Risikoreich für den Versicherer ist diese Art der "Substitution von Prämien durch Zinsen" im wesentlichen dann, wenn sie ex ante geschieht und kalkulatorisch wenig gesichert ist l47 . Dieses 'Cash flow-Underwriting' verursacht neben der Gefahr des Substanzverlustes der Kapitalanlagen 148 durch anhaltende Verwendung von Kapitalanlageerträgen für die Deckung versicherungstechnischer Verluste ein weiteres Risiko für den Versicherer, nämlich das Risiko der zukünftigen Zinsentwicklung auf den Kapitalmärkten 149 . Zum versicherungstechnischen Risiko tritt dann noch ein erhöhtes Kapitalmarktrisiko. Die Beurteilung der Erfolgskraft eines Versicherungsunternehmens basiert demnach vorrangig auf zwei Analyseschwerpunkten, nämlich einmal der Untersuchung des Kriteriums Dauerhaftigkeit von Erfolgen (Verhältnis von ordentlichen zu außerordentlichen Komponenten im Beobachtungszeitraum) sowie des Kriteriums Quelle der einzelnen Erfolgskomponenten. Insbesondere der zweite Analyseschwerpunkt bereitet bei der praktischen Bewertungstätigkeit einige Schwierigkei144

Vgl. Jannott, H. K.: Interdependenz ... , a.a.O., S. 254 ff.

145

Die deutschen Kompositversicherer konnten 1989 auf das mit Abstand beste Jahr bzgl. ihrer versicherungstechnischen Ergebnisse seit langer Zeit blicken. Trotzdem wiesen mehr als ein viertel (25,8%) der untersuchten Unternehmen eine negative Zwischensumme 2 (versicherungstechnisches Ergebnis vor Veränderung der Schwankungsrückstellung) aus, und zwar bis zu 37% der Prämien feR. Vgl. dazu Farny, D. er. al.: Die Geschäftsergebnisse ... (Komposit 1989) ... , a.a.O., Tabellen 11 u. 11a sowie den erläuternden Text dazu auf S. XXIV.

146

Farny, D.: Nichtversicherungstechnische Erträge ... , a.a.O., S. 402. Farny bezeichnet das als 'Prämienpolitik nach Gefühl'. Siehe Farny, D.: Nichtversiche-

147

rungstechnische Erträge ... , a.a.O., S. 398.

148

Vgl. dazu auch die Ausführungen bei Jannott, H. K.: Interdependenz ... , a.a.O., S. 270 f.

149

Siehe ebenda, aber auch Farny, D.: Nichtversicherungstechnische Erträge ... , a.a.O., S. 398.

268

C. Modell eines Rating-Verfahrens und Aspekte seiner Ausgestaltung

ten. Die Frage, ob und in welchem Ausmaß Kapitalanlageerträge zur "Subvention" des Versicherungsgeschäfts ohne betriebswirtschaftliche Bedenken herangezogen werden können, ist in allgemeiner Form nicht zu beantworten. Das hängt u.a. von der Verfassung des Kapitalmarkts (z.B. der Konstanz des Zinsniveaus), der Art der betriebenen Sparten (davon abhängig sind z.B. Umfang und Verweildauer von Zinsträgern) oder vom Selbstfinanzierungsbedarf des Versicherers ab. Grundsätzlich ist jedoch die Erfolgskraft eines Versicherungsunternehmens umso höher einzuschätzen, je weniger Kapitalanlageerträge zum Ausgleich versicherungstechnischer Verluste eingesetzt wurden. Eine davon abweichende Beurteilung gilt für die Lebensversicherung. Aufgrund der intensiven Regulierung der Lebensversicherung durch die Versicherungsaufsicht, die zur Sicherstellung der Erfüllbarkeit von zukünftigen Verpflichtungen aus den Versicherungsverträgen eine äußerst vorsichtige Prämienkalkulation vorschreibt, entstehen in der Lebensversicherung zwangsläufig hohe Überschüsse l50 . Diese Überschüsse müssen nach dem aufsichtsrechtlichen Grundsatz, daß die "Belange der Versicherten zu wahren sind", zum größten Teil (mindestens 90%, tatsächlich etwa 98%) an die Versicherungsnehmer zurückerstattet werden i51 . Dadurch kommt es zu einem gegenläufigen Prozeß von (aus Vorsichtsgründen) überhöhter Prämieneinnahme und (aus Billigkeitsgründen) entsprechenden Rückführungen der daraus entspringenden Überschüsse. Praktisch äußert sich der beschriebene Prozeß darin, daß neben den garantierten Versicherungsleistungen im Versicherungsfall umfangreiche zusätzliche Mittel aus der Gewinnbeteiligung zur Ausschüttung gelangen. Der Umfang dieser zusätzlichen Mittel ist ein wesentlicher Aspekt der Qualitätsbeurteilung von Lebensversicherern und hängt direkt von der Erfolgskraft ab. Erfolg oder Überschuß ist eine Residualgröße von negativen und positiven Erfolgsbeiträgen. Als wesentliche negative Erfolgsbeiträge in der Lebensversicherung sind die Versicherungsleistungen sowie die Aufwendungen 152 für den Absatz und die Bearbeitung der Versicherungsprodukte zu nennen. Da die Versicherungsleistungen überwiegend extern durch den Risikoverlauf bestimmt sind, bleibt dem 150 151 152

Vgl. Feilmeier, M. I Junker, M.: Überschußfinanzierung in der Lebensversicherung; in: HDV, S. 905. Siehe dazu Baumann, H.: Überschußbeteiligung, rechtliche Grundlagen; in: HdV, S. 896 mit den entsprechenden Nachweisen. Je nach inhaltlicher Abgrenzung können auch die Kosten herangezogen werden.

2. Aspekte eines Untemehmensratings

269

Unternehmen als Aktionsparameter zur Erhöhung der Erfolgskraft im wesentlichen die Reduzierung der Vertriebs- und Betriebsaufwendungen. Positive Erfolgsbeiträge liefern insbesondere die Kapitalanlageerträge und die Risikogewinne eines Lebensversicherers. Während die Risikogewinne vom Versicherer wenig beeinflußbar sind l53 , liegt der Schwerpunkt der Erfolgsgestaltung auf einer Realisierung möglichst hoher Kapitalanlageerträge. Umfang und Qualität dieses Erfolgspostens bestimmt in signifikanter Weise die Erfolgskraft eines Lebensversicherers. Damit ist der Einsatz von Kapitalanlageerträgen für das Versicherungsgeschäft bei Lebens- und Nicht-Lebensversicherern unterschiedlich zu bewerten. Während bei Nicht-Lebensversicherern eine (dauerhafte) Nutzung der Kapitalanlageerträge zur Deckung versicherungstechnischer Verluste tendenziell negativ einzuschätzen ist, stellt sich die Situation in der Lebensversicherung anders dar. Hier werden nicht Verluste aus dem Versicherungsgeschäft durch Überschüsse aus anderen Geschäften ausgeglichen. Durch Kapitalanlageerträge werden vielmehr die rechnungsmäßige Verzinsung der Sparguthaben und darüberhinaus Zusatzleistungen erwirtschaftet, die - vereinfacht ausgedrückt - eine bereits vorhandene Qualität der Bedarfsdeckung durch die Versicherung erhöhen. In der Nicht-Lebensversicherung müssen dagegen durch Kapitalanlageerträge die Folgen mangelhafter Qualitäten korrigiert werden. 2.2.4 Ausgewählte Kriterien zur Eifassung der Wachstumskraft

Als Wachstum wurde eine positive Veränderung von Größenmerkmalen einer Wirtschaftseinheit im Zeitablauf bezeichnet, wobei im vorliegenden Zusammenhang nur das interne Wachstum von Interesse ist l54 . Die Problematik einer Erfassung der Wachstumskraft liegt in der Ermittlung aussagefähiger Größenmerkmale, aufgrund deren Veränderungen Wachstumszahlen angegeben werden können. In der Betriebswirtschaftslehre sind zahlreiche Merkmalskataloge entwickelt worden, die sich allerdings fast ausschließlich auf Indu153

Es handelt sich hier insbesondere um die im Vergleich zur Kalkulation geringere Sterblichkeit der Versicherten aufgrund der VelWendung einer 'vorsichtigen' Sterbetafel. Einflußmöglichkeiten ergeben sich für den einzelnen Versicherer vorrangig durch Risikoprüfung und selektive Annahmepolitik.

154

Vgl. zur Begründung die Ausführungen in Abschnitt 2.1.2.3 dieses Kapitels.

270

C. Modell eines Rating-Verfahrens und Aspekte seiner Ausgestaltung

strieunternehmen beziehen 155. Für die Versicherungswirtschaft gibt Farny folgende Systematisierung l56 : - Input&rößen (dominante Produktionsfaktoren, wie z.B. Personal, Sachmittel,

investiertes Eigenkapital usw.), -Trans(onnations&rößen (Mengen von Leistungsprozessen, wie Erst- oder Schadenbearbeitungen), -Output&rößen (z.B. Größe des Versicherungsbestands oder Umfang der Kapitalanlagen) . Weiss unterscheidet ebenfalls drei Gruppen von Wachstumsgrößen (Höhe des Versicherungsbestands, Anzahl wachstumsabhängiger Vorgänge, Einsatz des Produktionsfaktors Mensch)157. Eine interessante Wachstumsgröße nennt Rieger. Er kommt zu dem Schluß, daß eine aussagefähige Maßzahl für Wachstum nicht eindimensional sein kann, sondern mehrdimensional formuliert werden muß. Aufgrund dieser Überlegungen mißt Rieger Unternehmenswachstum anhand der Veränderung des Unternehmenswerts 158 . Die Zweckmäßigkeit der verschiedenen Größen ist unterschiedlich zu beurteilen. Je nach Zielsetzung der Wachstumsbeurteilung differiert der Aussagegehalt der einzelnen Größenmerkmale über den Wachstumsprozeß deutlich. Die Wachstumskraft als Merkmal der Unternehmensqualität wurde mit der Begründung ausgewählt, daß überdurchschnittliches Wachstum ein Indiz für überdurchschnittliche Akzeptanz der Produkte des betrachteten Unternehmens am Markt darstellt. Vor diesem Hintergrund sind solche Größen merkmale des Wachstums zu wählen, die eine Aussage über die Menge des abgesetzten Versicherungsschutzes zulassen.

155 156 157 158

Vgl. dazu die ausfiihrliche Darstellung bei Rieger, A.: Wachstum und Ertragslage ... , a.a.O., S. 26 ff. Siehe Farny, D.: Versicherungsbetriebslehre, a.a.O., S. Siehe Weiss, W.: Wachstumsziele ... , a.a.O., S.

125 ff.

267.

Vgl. Rieger, A.: Wachstum und Ertragslage ... , a.a.O., S. 43 ff., insbesondere S. 53. Die unterschiedlichen Arten der in Frage kommenden Untemehmenswerte diskutiert er später auf S. 125 ff.

2. Aspekte eines Untemehmensratings

271

Ausdruck für die Menge abgesetzten Versicherungsschutzes können z.B. Bruttoprämieneinnahmen, Versicherungssummen, Stückzahl der im Bestand befindlichen Versicherungsverträge, Stückzahl der versicherten Risiken oder die Anzahl der Versicherungsnehmer sein. Je nach Art des untersuchten Versicherungsbestands ist die Aussagekraft einer Veränderung der genannten Merkmale verschieden. Die nach Stückzahlen definierten Größenmerkmale sind nur in solchen Fällen zweckmäßig einsetzbar, in denen es sich um die Zählung vergleichbarer Sachverhalte handelt. So ist z.B. eine Veränderung der Zahl von Versicherungsnehmern nur dann eine gehaltvolle Aussage zum Wachstum, wenn die betrachteten Kunden gleichartigen Versicherungsschutz beziehen. Aufgrund der leichten Erfaßbarkeit und des hohen Aussagegehalts bei den meisten Untersuchungszielen, bieten sich als Merkmale die Bruttoprämieneinnahmen 159 in der Schadenversicherung und die Versicherungssummen in der Summenversicherung an. Bei beiden Merkmalen ist allerdings die Bereinigung nomineller Veränderungen wichtig. Eine Veränderung der Prämieneinnahmen allein aufgrund von Preiserhöhungen (Prämienanpassungen) hat keine Auswirkung auf das Wachstum der abgesetzten Menge an Versicherungsschutz. Wie die Erfolgsgrößen sind auch die Wachstumsgrößen über einen längeren Zeitraum zu ermitteln, um die Wachstumskraft eines Versicherers bewerten zu können. Die Frage, ob es sich dabei im Einzelfall um eine über- oder unterdurchschnittliche Wachstumskraft handelt, ist nur durch den Vergleich mit anderen Größen, also durch eine Relativierung der Wachstumszahlen, möglich. Als Vergleichsgrößen 160 bieten sich die Wachstumszahlen anderer Versicherer an. Es können aber auch Veränderungen des Marktanteils beurteilt werden. In diesen Veränderungen ist die Relativierung bereits vorgenommen. Allerdings muß jeweils die Definition des relevanten Markts überprüft und eventuell korrigiert werden.

159

160

Die Bruttoprämieneinnahmen werden statt der Prämien feR aus dem Grund herangezogen, weil ihre Veränderung ein Maß rur das Wachstum des abgesetzten Versicherungsschutzes darstellt. Soll z.B. die Veränderung in der Menge der getragenen Risiken beschrieben werden, ist die Nutzung der Prämien feR vorzuziehen. Zu den Voraussetzungen rur zweckmäßige Vergleichsmaßstäbe siehe die Ausruhrungen in Abschnitt 1.2.3.1 weiter oben.

272

C. Modell eines Rating-Verfahrens und Aspekte seiner Ausgestaltung

2.2.5 Anmerkungen zu Kriterien des Humanpotentials

Die Bedeutung, die dem Humanpotential eines Versicherungsunternehmens zukommt, wurde bereits betont. Als nicht ganz einfach erweist es sich jedoch, Kriterien zur Erfassung dieses Potentials zu finden, die sowohl einfach zu handhaben und quantifizierbar sind, als auch ausreichend Aussagegehalt bieten. Im folgenden sollen einige Ansätze genannt werden, die zu einer Lösung des Problems beitragen. Die Beurteilung persönlicher Potentiale ist in einer marktwirtschaftlichen, an Leistung orientierten Wirtschaftsordnung ein alltäglicher Vorgang. Sie wird aus unterschiedlichen Anlässen vorgenommen. Beispiele für unternehmensinterne Beurteilungssituationen sind Einstellungen von neuen Mitarbeitern, Beförderungen oder routinemäßige Überprüfungen. Unternehmensextern ist die Beurteilung persönlicher Potentiale 161 ein wachsendes Tätigkeitsfeld von Kreditinstituten. Anlässe sind dabei Entscheidungen über die Finanzierung von Unternehmensgründungen l62 , über die Vergabe von Krediten 163 oder über die eventuelle Kündigung von Krediten (Kreditkontrolle, Insolvenzprognose) 164. Von besonderem Interesse für die vorliegende Arbeit ist allerdings die Beurteilung der persönlichen Potentiale in einem Unternehmen (das Humanpotential) im Hinblick auf sich daraus ergebende zukünftige Erfolgschancen.

161

Hier speziell die Beurteilung von Führungskräften.

162

Vgl. dazu Baaken, T.: Bewertung technologieorientierter Unternehmensgründungen, Berlin 1986. Hier insbesondere die Ausführungen zur Persönlichkeit des Gründers auf S. 101 ff.

163

Z.B. Kohls. H. / Marciwiak. K.: Untemehmer- und Unternehmensbeurteilung. a.a.O.

164

Vgl. beispielsweise: Bühler. W.: Bonitätsbeurteilung jenseits von Bilanzanalyse .... a.a.O.; Hertenstein. K.-H.: Maßnahmen und Strategien der Untemehmensbeurteilung Erfahrungsbericht der Kreissparkasse Göppingen; in: Kreditinformations- und Kreditüberwachungssysteme. hrsg. v. Wilhelm Bühler u. Leo Schuster. Wien 1988. S. 55-77; Köllho/er, D.: Modeme Verfahren der Bilanz- und Bonitätsanalyse im Firmenkundengeschäft der Bayerischen Vereinsbank AG; in: ZfbF 1989. S. 974-981. Die wachsende Bedeutung der personellen gegenüber den bilanziellen Beurteilungskriterien werden bei von Stein besonders hervorgehoben. Siehe: Stein. J. H. von: Typologie krisengeneigter Unternehmer. a.a.O.

2. Aspekte eines Unternehmensratings

273

Erfassung und Beurteilung der Potentiale von führenden und ausführenden Mitarbeitern in Versicherungsunternehmen sind außerordentlich schwierig l65 . Aus Untersuchungen im Bereich der Industrie ist eine Liste von Kriterien zu erarbeiten, die das Potential der verschiedenen Gruppen der Mitarbeiter Z1lm Ausdruck bringt. Als Beispiel kann auf die Arbeit von Wohlgemuth 166 verwiesen werden. Die Ziele seines Forschungsprojekts waren 167: 1.) Ausbau der Kenntnisse über erfolgsrelevante Unternehmensmerkmale unter

besonderer Berücksichtigung des Humanpotentials und 2.) die Entwicklung eines entsprechenden Diagnoseinstrumentariums. Zur Erfassung des Humanpotentials werden zwei Gruppen von Beurteilungskriterien gebildet, die Führung und die Mitarbeiter 168 . Ersteres umfaßt "... das gesamte Top-Management (Geschäftsführung), die Gesamtheit der Führungskräfte, das Führungsnachwuchspotential sowie die wesentlichen Merkmale der Führungskultur. "169 Das zweite Kriterium beinhaltet die Gesamtheit aller Mitarbeiter mit ihrem Wissen, Können und Wollen. Die Bewertung erfolgt über ein umfangreiches System von Indikatoren, deren Ausprägungen mit Hilfe von Befragungen oder statistischen Erhebungen ermittelt werden. Für die Beurteilung des Kriteriums "Mitarbeiter" werden beispielsweise (wiederum gemessen durch Subindikatoren) das Fachpotential, die Arbeitszufriedenheit, das Betriebsklima, die Aktivität oder die Fluktuation bewertet; zur Erfassung der Personalpolitik werden Sachverhalte wie Lohnpolitik, nichtmaterielle Anreize oder Effektivität der Personalarbeit erfaßt. 165

166 167 168

169

Vgl. auch die Ausführungen zur Potentialbeurteilung von Führungskräften bei Vogel, N. A.: Führungskräfteentwicklung im Versicherungsunternehmen. Karlsruhe 1987, S. 72 ff. mit zahlreichen weiteren Belegen. Siehe Wohlgemuth, A. c.: Unternehmungsdiagnose .... a.a.O. An diese Arbeit lehnen sich auch die folgenden Ausführungen an. Vgl. ebenda. S. 7. Bei der Betrachtung von Versicherern. wie sie hier erfolgen soll. sind prinzipiell die Mitglieder der Außenorganisation. soweit sie keine Angestellten des Unternehmens sind. als dritte Gruppe hinzuzuziehen. Das soll an dieser Stelle allerdings mit dem Hinweis unterbleiben. daß ihre Behandlung unter dem Aspekt des Produkthandlings später erfolgt. Vgl. Abschnitt 3.2.2 dieses Kapitels. Wohlgemuth. A. c.: Unternehmungsdiagnose .... a.a.O .• S. 112.

18 Sönnichsen

274

C. Modell eines Rating-Verfahrens und Aspekte seiner Ausgestaltung

Wohlgemuth kommt zu dem Ergebnis, daß sich die Ausprägungen der einzelnen Indikatoren bzw. Indikatorengruppen zwischen erfolgreichen und erfolglosen Unternehmen unterscheiden. Darüber hinaus ist er in der Lage, diese Unterschiede zu konkretisieren 170 • Für die detaillierte Auswahl von Beurteilungskriterien für das Humanpotential von Versicherungsunternehmen bietet die Untersuchung von Wohlgemuth eine umfangreiche Vorschlagsliste 171 , deren Inhalte entsprechend der Zielsetzung von Rating-Verfahren selektiert, angepaßt und an einigen Stellen ergänzt werden müssen.

2.2.6 Ausgewählte Kriterien zur Eifassung des versicherungstechnischen Potentials Das versicherungstechnische Potential beschreibt die 'technische' Leistungsfähigkeit eines Versicherers, Risiken von seinen Kunden zu übernehmen. Es setzt sich aus Bestands-, Verfahrens- und Angebotspotential zusammen. Kriterien zu seiner Erfassung sind aus diesen Subpotentialen abzuleiten. Voraussetzung für eine Risikoübernahme durch den Versicherer ist das Vorhandensein eines Versicherungsbestands. Die Ressourcen, die ein Bestand zur Zeichnung weiterer Risiken bereitstellt, werden von seiner Größe und seiner Stabilität bezüglich des Schadenverlaufs determiniert. Ein großer Versicherungsbestand läßt die Realisierung umfassender Ausgleichseffekte zu. Ein Bestand, der sowohl hinsichtlich seiner Größe als auch hinsichtlich seiner Effektivschäden nur geringen Schwankungen ausgesetzt ist (ein stabiler Bestand), begrenzt die Notwendigkeit zusätzlicher risikopolitischer Instrumente bei der Zeichnung neuer Risiken. Große und stabile Versicherungsbestände erleichtern demnach die Zeichnung neuer Risiken. So stellt beispielsweise ein großer KFZ-Versicherungsbestand bereits durch sein Vorhanden sein die versicherungstechnischen Ressourcen, weitere KFZ-Verträge

c.: Unternehmungsdiagnose ...• a.a.O., S.

170

Vgl. Wohlgemuth, A.

171

Als Beispiel seien einige Indikatoren zur Bewertung von Fühnmgkräften genannt. die seinem Indikatorenraster entstammen: Führungserfahrung. Erfahrung fachlicher Art, Ausbildung. Managertypologie. Einfluß auf die Unternehmenspolitik. Loyalität, Homogenität der Führungsgruppe als Ganzes usw. Der vollständige Indikatorenraster ist abgedruckt. Siehe dazu Wohlgemuth, A. c.: Unternehmungsdiagnose ...• a.a.O., Anhang A.

197 ff.

2. Aspekte eines Untemehmensratings

275

zu zeichnen 172. Ein vergleichsweise kleiner Bestand an Feuer-Industrie-Versicherungen erfüllt diese Voraussetzungen nicht. Die Zeichnung eines neuen Vertrags verlangt in diesem Fall regelmäßig den Einsatz zusätzlicher Rückversicherung, zusätzlicher Sicherheitsmittel usw. Eine Analyse des Bestandspotentials erfordert daher die Ermittlung der Gesamtbestandsgröße sowie des Umfangs der einzelnen Teilbestände. Diese Teilbestände sind zweckmäßigerweise hinsichtlich ihrer Stabilität abzugrenzen. Ein Rückgriff auf die im Rahmen der Rechnungslegung aufgestellte Spartenabgrenzung ist dabei vorteilhaft 173, da die Daten für diese Abgrenzung ohne zusätzlichen Erhebungsaufwand bereitstehen. Im Einzelfall kann es allerdings notwendig sein, die so gebildeten Teilbestände entweder weiter zu differenzieren 174 oder zu größeren Einheiten zu aggregieren 175. Ziel dieser Analyse sind Aussagen über die Ausgleichseffekte und die Stabilität der Teilbestände und damit auch des Gesamtbestands eines Versicherers. Die Stabilität von Teilbeständen läßt sich durch die Schwankung von Bruttoschadenquoten 176 darstellen. Rückschlüsse auf die realisierten Ausgleichseffekte eines Bestands lassen sich durch die Betrachtung der einzelnen Schadenquoten in den Teilbeständen ziehen. Indizien für die Stabilität im Sinne von Bestandsfestigkeit liefern Stornoquoten bzw. die durchschnittlichen Restlaufzeiten der Verträge. Überdurchschnittlich lange Restlaufzeiten verleihen dem vorhandenen Bestand eine gewisse Trägheit gegenüber kurzfristigen Veränderungen. Dieses Kriterium ist vor allem in der Personenversicherung (Lebens- und Krankenversicherung) von Bedeutung. Sein Gewicht ist in den anderen Sparten weniger ausgeprägt. Versicherungsverträge mit Wirtschaftssubjekten aus der Gruppe

172

Theoretische Extremfälle, wie z.B. Engpässe bei der Erffillung von Solvabilitätsvorschriften, bleiben unberücksichtigt.

173

Vgl. die Aufstellung: "Die Zusammenfassung von Versicherungsarten zu Versicherungszweigen und die daffir zu setzenden Kennzahlen", Anlage 1 zu den VUBR; in: O. V.: Rechnungslegung '87 ... (VUBR), a.a.O., S. 159 ff.

174

Z.B. die Feuer-Industrie-Versicherung in verschiedene Klassen, die sich durch die Höhe des PML ("Probable Maximum Loss" = maximal zu erwartender Höchstschaden) der Einzelrisiken unterscheiden.

175

Dies kann insbesondere dann sinnvoll sein, wenn mehrere Teilbestände ähnliche Stabilitäten aufweisen und vom Umfang her einzeln nicht bedeutend sind.

176

Also vor Berücksichtigung einer eventuellen Beteiligung der Rückversicherer.

276

C. Modell eines Rating-Verfahrens und Aspekte seiner Ausgestaltung

der "professionellen" Entscheidungsträger sind in der Nichtpersonenversicherung regelmäßig kurzfristiger Natur. Eine Prognose zur Entwicklung des Bestandspotentials ist schwierig. Die Entwicklung des Bestandspotentials wird bestimmt durch die individuelle Unternehmenspolitik des betrachteten Versicherers und durch die Veränderung der Sachverhalte, die die versicherten Risiken beeinflussen. Diese Sachverhalte können in Marktveränderungen (z.B. Konjunkturverlauf), in klimatischen Veränderungen (z.B. bei Sturmrisiken) oder in Veränderungen der Rechtsauffassungen (z.B. Umweltrecht) begründet sein. Eine generelle Beschreibung ihrer Auswirkungen auf die Stabilität einzelner Versicherungsbestände ist nicht möglich. Größe und Zusammensetzung des Gesamtbestands und seiner Teilbestände determinieren mögliche Ausgleichseffekte. Sie bilden damit zugleich Bewertungskriterien für Teile des versicherungstechnischen Verfahrenspotentials. Allgemein kann der Zusammenhang zwischen Größe und Zusammensetzung des Versicherungsbestands einerseits und der sich daraus ergebenden Qualität des Risikoausgleichs andererseits nicht dargestellt werden. Tendenziell gilt jedoch die These, daß der Ausgleich im Kollektiv mit steigenden Bestandsgrößen (mindert das Zufallsrisiko) und zunehmender Heterogenität der betriebenen Versicherungsgeschäfte (reduziert das Änderungsrisiko des Gesamtbestands) besser gelingt l77 . Ein weiteres Kriterium zur Erfassung des Verfahrenspotentials ist die Verfügbarkeit von Rückversicherungsschutz für den untersuchten Versicherer. Dieses Rückversicherungspotential wird differenziert in beschaffte und beschaffbare Rückversicherungsressourcen. Zu den erstgenannten gehören die Mengen an Rückversicherungskapazitäten, die dem Versicherungsunternehmen bereits vertraglich zur Verfügung stehen, aber zum Beurteilungszeitpunkt noch nicht genutzt werden. Beispiele dafür sind Quotenverträge l78 , bereitgestellte Maxima in der Summenex-

177

178

Dieser Sachverhalt muß nicht zwingend zur Abqualifizierung eines kleineren Bestands führen, selbst wenn dieser Bestand aus homogenen Risiken besteht (z.B. Spezialversicherer). Bei entsprechender Unabhängigkeit der Risiken kann hinsichtlich des Zufallsrisikos auch in diesem Bestand der kollektive Ausgleich auf einem qualitativ hohem Niveau gelingen. Bzgl. des Änderungsrisikos bleibt ein homogener Bestand allerdings besonders exponiert. Hier besteht die ungenutzte, aber zugesagte Menge Rückversicherung in dem prozentualen Teil jedes zukünftig gezeichneten Risikos, der durch die Quote definiert wird.

2. Aspekte eines Untemehmensratings

277

zedentenrückversicherung l79 sowie sonstige obligatorische Rückversicherungsverträge, deren Volumina durch bereits gezeichnetes Geschäft nicht vollständig ausgenutzt sind. Mit den beschaffbaren Rückversicherungsressourcen sind die Mengen an Rückversicherungsschutz angesprochen, die aktuell (bzw. wahrscheinlich in Zukunft) auf den Rückversicherungsmärkten angeboten werden. Hier handelt es sich also um Marktgrößen, die ihrerseits von der Risikoentwicklung bzw. von der Wettbewerbssituation auf den relevanten Rückversicherungsmärkten determiniert werden. Die Verfahrenspotentiale eines Erstversicherers können durch nicht vorhandene (nicht angebotene) Rückversicherungskapazitäten stark eingeschränkt werden. Empirisch entstehen Situationen knapper Rückversicherungskapazitäten, wenn bei den Rückversicherern hohe Schadenbelastungen auflaufen, eine Anpassung (Erhöhung) der Rückversicherungsprämien aufgrund intensiven Wettbewerbs jedoch nicht durchgesetzt werden kann. Die Folge ist eine Reduktion des Angebots an Rückversicherungsschutz, was bei einzelnen Zedenten zu Limitierungen ihrer eigenen Zeichnungskapazität führt l80 . Die Zukunftsorientierung von Rating-Verfahren unterstreicht die Bedeutung, die einer Prognose der beschaffbaren Rückversicherungsressourcen beizumessen ist. Das versicherungstechnische Risk-Management-Potential umfaßt die Fähigkeiten eines Versicherers, den Risikoausgleich durch Bestandsselektionen zu steuern oder die Rückversicherungspotentiale zweckmäßig einzusetzen. Auf die Ableitung von Kriterien zu seiner Erfassung kann hier verzichtet werden. Wie es die Bezeichnung Management-Potential ausdrückt, handelt es sich hierbei um Leistungsressourcen, die hauptsächlich dem Humanpotential zuzuordnen sind. Als Resultante des Bestands- und des Verfahrenspotentials wurde das Angebotspotential eines Versicherers bezeichnet. Seine Qualität wird durch die Ausprägungen 179

Als Maxima werden in dieser Rückversicherungsforrn Vielfache eines definierten Selbstbehalts des Zedenten verstanden, die der Rückversicherer zu tragen bereit ist. Ihr Aggregat stellt damit die Obergrenze für die Zeichnung von Großrisiken durch den Erstversicherer dar. Vgl. zur Sununenexzedentenruckversicherung ausführlich: Gerathewohl, K. et. al.: Rückversicherung (I), a.a.O., S. 71 ff.

180

Ein Beispiel war die Krise in der US-amerikanischen Haftpflichtversicherung in den 80er Jahren. Vgl. dazu Zettervall, D. B.: Die Zukunft der Haftpflicht-Rückversicherung in den USA; in: VW 1989, S. 231-236, insbesondere S. 234: "Zum ersten Mal seit vielen Jahren wurden die Versicherer mit der Aussicht auf keine oder nur sehr bescbränkte Rückversicberungsunterstützung konfrontiert. "

278

C. Modell eines Rating-Verfahrens und Aspekte seiner Ausgestaltung

der beiden erstgenannten Teilpotentiale bestimmt. Kriterien für seine Erfassung sind vorrangig Anzahl und Arten des angebotenen Versicherungsschutzes (Sortiment) und die Fähigkeit der Zeichnung von großen Einzelrisiken (Zeichnungskapazität). Neben der Fähigkeit, große Einzelrisiken zu zeichnen, wird unter dem Begriff Zeichnungskapazität auch das Vorhandensein von Ressourcen für die Zeichnung einer großen Zahl von Versicherungsverträgen verstanden l81 . In dieser Bedeutung wird der Terminus hier allerdings nicht verwendet. Das Leistungsvermögen eines Versicherungsunternehmens, eine sehr große Zahl von Versicherungsgeschäften handhaben zu können, ist ein Kriterium bei der Bewertung seiner Betriebstechnik und wird daher an späterer Stelle behandelt.

2.2.7 Anmerkungen zu Kriterien des nichtversicherungstechnischen Potentials Das nichtversicherungstechnische Potential ist eine wenig konkrete Restgröße. Es umfaßt alle Fähigkeiten eines Versicherers, die für seine Qualitätsbeurteilung relevant sind, den bisher beschriebenen Potentialen aber nicht angehören. Eine Konkretisierung dieser Restgröße ist nur bei empirischer Realisation eines Rating-Verfahrens möglich. Daher ist eine Identifikation von Kriterien zu seiner Erfassung im Rahmen einer theoretischen Untersuchung nicht möglich. Einige Anmerkungen zu Kriterien, die eine Qualitätserfassung bei der Betriebstechnik unterstützen, sollen jedoch nicht unterbleiben 182. Die Qualität der Betriebstechnik eines Versicherers wird besonders durch Qualität und Umfang der informationstechnischen Ressourcen repräsentiert 183. Kriterien dieser "informationstechnischen Qualität" lassen sich theoretisch nur in genereller Form ableiten; denn die Einflüsse der Informationstechnik auf das Unternehmensgeschehen sind in der Realität vielfaItig und extern schwer erkennbar. Auch ist der Begriff Informationstechnik wenig operational. Er umfaßt alle Komponenten

181 182

Famy unterscheidet in diesem Zusammenhang zwischen "Volumenkapazität" und "Sruckzahlkapazität". Vgl. dazu Farny, D.: Versicherungsbetriebslehre, a.a.O., S. 465. Eine Beschreibung von Kriterien der Kapitalanlagequalität kann hier entfallen. Diese Aspekte wurden bereits im Rahmen der Qualitätskriterien risikopolitischer Instrumente sowie im Zusammenhang mit der Ermittlung der Erfolgskraft behandelt. Vgl. die Abschnitte 2.2.2.4 und 2.2.3 dieses Kapitels.

183

Zur Begründung vgl. Abschnitt 2.1.3.3 weiter oben.

2. Aspekte eines Untemehmensratings

279

von Hard- und Software sowie ihre Beziehungen untereinander l84 . Je nach Art der angestrebten Einsatzziele ist eine bestimmte Konfiguration unterschiedlich zu beurteilen. Zwei grundsätzliche Bewertungskriterien können genannt werden: - Wirtschaftlichkeit und - Leistungsfähigkeit der eingesetzten Informationstechnik. Eine Beurteilung der Wirtschaftlichkeit, also der Relation zwischen Ertrag und Aufwand (oder Leistung und Kosten), ist für informationstechnische Ausrüstungen schwierig. Während allgemein die Erfassung des Aufwands als weitgehend problemlos angesehen wird, liegt die große Schwierigkeit in der Quantifizierung des korrespondierenden Ertrags 185 . Zur Lösung dieses Problems existieren allerdings inzwischen Modelle und empirische Untersuchungen. Im Rahmen dieser Arbeit soll daher nicht weiter darauf eingegangen werden l86 . Stattdessen ist kurz zu skizzieren, welche Kriterien die Leistungsfähigkeit der Informationstechnik eines Versicherers beschreiben. Ziel des Einsatzes von Informationstechnik ist die Erfüllung folgender Anforderungen bei der Verarbeitung von Information: -

Schnelligkeit, Mengenkapazität, Fehlerreduktion, Flexibilität.

184

185

186

Ähnlich Kakies: ·Wenn heute von Informationstechnik gesprochen wird. meint man doch in aller Regel die elektronische Datenverarbeitung und die digitale Kommunikationstechnik.· Kakies, P.: Stand und Entwicklungslinien der Informationstechnik in der Versicherungswirtschaft; in: ZVersWiss 1986, S. 322. Vgl. z.B. Mal/er, W.: Informationswert und Kosten-Nutzen-Analyse bei dispositiver EDV-Anwendung; in: ZVersWiss 1986, S. 354: •... liegt die Hauptaufgabe der KostenNutzen-Analyse in der Identifikation und Bewertung von Nutzeneffekten .• Vgl. zu den Modellen den Überblick bei Maciejewski, P. G.: Wirtschaftlichkeitsmodelle und Berechnungen der Bürokommunikation; in: VW 1989. S. 1656-1659. Eine Darstellung einiger empirischer Untersuchungen findet sich bei Mal/er, W.: Informationswert und Kosten-Nutzen-Analyse ...• a.a.O., S. 357 ff.

280

C. Modell eines Rating-Verfahrens und Aspekte seiner Ausgestaltung

Die Schnelligkeit der Informationstechnik drückt sich in der Anzahl von Informationsprozessen innerhalb einer Zeiteinheit aus. Dabei kann es sich um Zugriffe auf gespeicherte Daten, um Transformation von Daten oder um die Abgabe von Daten (entweder an andere Datenverarbeitungsanlagen oder als Output auf entsprechenden Endgeräten) handeln. Je höher die jeweilige Prozeßrate ist (meist gemessen in Anzahl der Prozesse pro Sekunde), desto schneller können beispielsweise Anfragen bearbeitet, Selektionen durchgeführt oder Datenübertragungen erledigt werden. Die Mengenkapazität wird durch die Kriterien Speicherkapazität und Verarbeitungskapazität beschrieben. Sie umfaßt demnach das verfügbare Volumen an elektronischem Speicherplatz (z.B. ausgedrückt in Megabyte) und die Fähigkeit, große Datenmengen pro Arbeitsgang zu verarbeiten. Unter Fehlerreduktion wird nicht die Vermeidung von mangelhaften Programmen verstanden. Die fehlerfreie Funktionsweise der eingesetzten Software wird vorausgesetzt l87 . Vielmehr besteht der Reduktionseffekt in der maschinellen Durchführung von Routinetätigkeiten (Anwendung der Grundrechenarten, Vergleich von Daten, usw.) und Übertragungsvorgängen. Diese Routinetätigkeiten treten in der Praxis der Versicherungsunternehmen in großem Umfang auf. Durch die gleichförmige Verrichtungsweise unterliegen sie bei manueller Erledigung hohen Fehlerquoten l88 . Durch maschinelle (elektronische) Erfüllung solcher Aufgaben kann eine deutliche Reduktion dieser Fehlerquoten erreicht werden. Schließlich ist von der Informationstechnik die Forderung nach Flexibilität zu erfüllen. Flexibilität wird dabei hauptsächlich hinsichtlich der Anpassungsfähigkeit an geänderte Anforderungsprofile (Anpassung an steigende Geschäftsvolumina, Übernahme weiterer Funktionsbereiche) verlangt. Daneben ist die Flexibilität der Informationsverarbeitung hinsichtlich des zu lösenden Aufgabentyps von Bedeutung. Vereinfacht ausgedrückt heißt das: Das Informationssystem hat die Informationen bereitzustellen, die nachgefragt werden. Inflexibel ist dagegen ein System, 187

Auch wenn das nicht ganz der Realität entspricht. Eine aus Erfahrung gewonnene Faustregel besagt, daß auch bei qualitativ guten Programmen (ab einer gewissen Mindestgröße) ein emstzunehmender Fehler pro 5000 Byte Programmumfang vorliegt. Siehe Brunnstein. K.: Computer-Viren-Report: Gefahren - Wirkung - Aufbau - Früherkennung - Vorsorge, Planegg / München 1989, S. 16.

188

Die hohen Fehlerquoten werden mit Eintönigkeit und der damit verbundenen Unaufmerksamkeit begründet.

2. Aspekte eines Unternehmensratings

281

bei dem nur die Informationen nachgefragt werden dürfen, die die Technik bereitstellen kann. Flexibilität ist z.B. gegeben, wenn durch entsprechende Vernetzung der Datenbestände jede verfügbare Einzelinformation in allen gewünschten Kombinationen mit anderen Einzelinformationen vom System bereitgestellt werden kann.

2.3 Feststellung und Veröffentlichung eines Untemehmensratings 2.3.1 Feststellung des Untemehmensratings

Im Anschluß an die Identifikation und die Erfassung der Ratingkriterien ist ihre Bewertung vorzunehmen. Die bewerteten Kriterien werden dann zu Ausprägungen der verschiedenen Teilqualitäten verdichtet. Diese Vorgänge wurden bereits beschrieben, ihre erneute Darstellung ist daher entbehrlich l89 . Aus den einzelnen Teilqualitäten ist schließlich das Gesamturteil über die Qualität des untersuchten Versicherungsunternehmens zu bilden. Dazu kann erneut das beschriebene Aggregationsverfahren der Mustererkennung eingesetzt werden. Für die Feststellung eines Unternehmensratings kann ein zusätzliches Verfahren empfohlen werden, nämlich die Zusammenfassung der Teilqualitäten durch ein sogenanntes Rating-Komitee. Dieses Rating-Komitee setzt sich aus den an der Analyse beteiligten Experten zusammen, die im Rahmen einer Sitzung die Teilqualitäten diskutieren und im Anschluß daran ein Gesamturteil festlegen, d.h. ein Rating vergeben. Die Vorteile dieses Verfahrens bestehen darin, daß das individuelle, zur Beurteilung anstehende Rating-Objekt mit seinen individuellen Gegebenheiten bestmöglich bei der Urteilsfindung berücksichtigt werden kann. Darüber hinaus können an dieser Stelle noch zusätzliche Faktoren einbezogen werden, die im vorangegangenen Ratingprozeß keinen Niederschlag gefunden haben l90 . 189 190

VgI. die Ausführungen im Abschnitt 1. 2. 3 zu Beginn dieses Kapitels. Zur Beurteilung des Sicherheitsgrads eines Versicherungsunternehmens kann z.B. seine Einbindung in einen Konzern von Bedeutung sein. Das Vorhandensein einer kapitalkräftigen Obergesellschaft wurde im bisherigen Rating-Verfahren noch nicht berücksichtigt. Es kann jedoch signifikante Auswirkungen für die Sicherheit des Rating-Objekts haben. Neben der Art der Konzernstruktur (Beteiligungskonzern oder Vertragskonzern) sind in die-

282

C. Modell eines Rating-Verfahrens und Aspekte seiner Ausgestaltung

2.3.2 Vergabe (Veröffentlichung) des Ratings

Ein Rating ist als eine spezielle Information beschrieben worden, die Entscheidungsträgern helfen soll, ihre Entscheidungen zu verbessern. Deshalb muß das erstellte Rating dem relevanten Kreis von Entscheidungsträgern übermittelt werden. Bei Unternehmensratings bedient man sich dazu zweckmäßigerweise eines zweistufigen Verfahrens. Aufgrund der Auswirkungen, die Ratings sowohl in positiver als auch in negativer Hinsicht auf die Marktaktivitäten des bewerteten Unternehmens haben, sowie aufgrund der Tatsache, daß der Goodwill einer Rating-Agentur u.a. von der "Fehlerfreiheit"191 seiner Ratings abhängt, wird das fertige Rating zuerst der Geschäftsführung des betroffenen Versicherungsunternehmens zugänglich gemacht. Deren Mitglieder haben nun einen begrenzten Zeitrahmen zur Verfügung, in dem sie auf das Rating reagieren können. Dabei können drei Varianten entstehen. 1.) Es erfolgt keine Reaktion innerhalb des zugestandenen Zeitrahmens, oder es

erfolgt eine positive Reaktion. 2.) Es erfolgt eine negative Reaktion, d.h. die betroffene Geschäftsführung ist mit dem Rating nicht einverstanden, kann aber gleichzeitig der Rating-Agentur zusätzliche Informationen bereitstellen. 3.) Wie in Fall 2.), jedoch mit dem Unterschied, daß keine Zusatzinformation vorhanden ist. Die drei Varianten haben auf die Veröffentlichung des Ratings unterschiedliche Auswirkungen. Im ersten Fall erfolgt die allgemeine Bekanntgabe des Ratings ohne weitere Verzögerung. Im Fall zwei wird das erstellte Rating anhand der neuen Informationen überprüft. Ergibt sich daraus eine andere Bewertung, wird das Rating entsprechend angepaßt und erneut der betroffenen Geschäftsführung mitgeteilt. Bleibt diese bei ihrer Ab-

191

sem Zusammenhang auch schwer erfaßbare qualitative Kriterien so gewichtig, daß sie nicht vernachlässigt werden dürfen. Z.B. ist die Bereitschaft einer Obergesellschaft, für Verluste der Tochter einzustehen, größer, wenn die beiden Gesellschaften über gleiche Namen verfügen. Begründet wird diese These mit dem Imageverlust der Obergesellschaft, der von fmanziellen Schwierigkeiten einer gleichnamigen "Tochter" auch für die "Mutter" verursacht wird. Vgl. dazu die Ausführungen zur Genauigkeit von Ratings in Abschnitt 4.4.1 des Kapitels

B.

2. Aspekte eines Untemehmensratings

283

lehnung und kann keine weitere Zusatzinformation mehr bereitstellen, ist die dritte Variante eingetreten. Die Folgen der dritten Variante, also einer Situation, in der die Geschäftsführung des Rating-Objekts das Rating endgültig ablehnt, können wiederum zweigeteilt sein. Entweder besteht die Rating-Agentur auf ihrer Bewertung und auf der Veröffentlichung, obwohl das betroffene Unternehmen das Rating nicht akzeptiert oder sie verzichtet auf eine Veröffentlichung des Ratings. Gleichzeitig wird der interessierten Öffentlichkeit aber mitgeteilt, daß ein Rating-Prozeß stattgefunden hat, das Ergebnis aber aufgrund von Meinungsverschiedenheiten nicht bekannt gegeben wird. Verfügt die Rating-Agentur mit ihren Ratings über entsprechende Akzeptanz, ist anzunehmen, daß ein solcher Vorgang bei den Marktteilnehmern eher zu einer ungünstigen Einschätzung des Rating-Objekts führt. Die betroffene Geschäftsleitung muß also vorsichtig abwägen, ob ein unbefriedigendes Rating weniger geschäftsschädigend wirkt als gar kein Rating l92 . Für die Veröffentlichung der Ratings sind drei Fragenbereiche zu klären. Erstens die Frage der Medien, in denen das Rating gestreut wird, zweitens ist festzulegen, ob es einen begrenzten oder unbegrenzten Kreis von berechtigten Empfängern gibt, und drittens muß entschieden werden, inwieweit das Rating-Symbol kommentiert wird. Medien stehen in reicher Auswahl zur Verfügung, von Printmedien bis hin zur Datenübertragung per EDV. Der Kreis der potentiellen Empfänger wird einmal durch das Interesse an den Ratings begrenzt, zum anderen kann er dadurch eingeschränkt werden, daß für die Ratings Gebühren zu zahlen sind. Grundsätzlich soll das Rating-Symbol für sich eine vollständige Aussage zur Qualitätsklassifikation zulassen. Gleichzeitig ist das Ziel der einfachen Aufnahme der Information 'Rating' nur eingeschränkt zu erreichen, wenn das Rating-Symbol noch umfassend kommentiert wird. Eine kurze Begründung für die Einstufung eines Versicherungsunternehmens in eine bestimmte Qualitätsklasse, insbesondere

192

Die empirischen Abläufe und Reaktionen auf den relevanten Märkten können aIlgemein nicht beschrieben werden. Sie sind abhängig von der Marktmacht der beteiligten Wirtschaftssubjekte.

284

C. Modell eines Rating-Verfahrens und Aspekte seiner Ausgestaltung

aber eine Erläuterung bei einer Änderung der Einstufung, trägt allerdings zum Verständnis der Ratings positiv bei. 2.4 Exkurs: Beispiel eines Ratings von Versicherungsunternehmen aus den USA193 2.4.1 Vorbemerkungen

Die bekannteste Rating-Agentur, die sich mit dem Rating von Versicherungsunternehmen befaßt, ist die A.M.Best Company in New Jersey/USA (A.M.Best). Gegründet von ihrem Namensgeber, Alfred M. Best, im Jahre 1898, deckt sie mit ihren Analysen den US-amerikanischen Versicherungsmarkt nahezu vollständig ab. Seit 1971 betreibt auch Standard & Poor's (S&P) das Rating von Versicherern in Amerika. Die seit Anfang der achtziger Jahre existierende Insurance Solvency International (ISI) in London, seit kurzem eine Tochtergesellschaft von Standard & Poor's, erstellt neuerdings Versicherungs-Ratings auf internationaler Basis. Für das Rating US-amerikanischer Versicherer, und nur dort ist Best's tätig, hat A.M.Best jedoch die absolute Marktführerschaft inne l94 . Als Beispiel für ein am Markt eingeführtes und akzeptiertes 195 Rating-System soll im folgenden das System von A.M.Best kurz vorgestellt werden.

193

Die Ausführungen dieses Kapitels entstammen der Beschreibung von Best's durch Arthur Synder, dem derzeitigen Präsidenten der Gesellschaft. Siehe Synder, A.: Managing Insolvency: Prediction and Prevention; in: Best's Review, PIC, Vol. 91, Nr. 6/1990, S. 10-13 u. S. 124-142. Es unterbleiben daher wiederholte Hinweise auf diese Quelle.

194

Vgl. auch den Artikel: Everling, 0.: Rating-Agenturen (21) - A. M. Best ist auf Versicherungen spezialisiert - Älteste Agentur mit Versicherungsratings - Fehlende Ratings werden begründet; in: BZ vom 14.08.1990, S.ll.

195

Das Rating von Best ist im Laufe der Zeit häufig kritisiert worden. Insbesondere in der Mitte der achtziger Jahre, als die amerikanische Versicherungswirtschaft von ernsten Problemen heimgesucht wurde. Vgl. Brotman, B. A.: The Reliability of Best's Insurer Ratings using Financial Information Published in the Annual Report; in: The Journal of Insurance Issues and Practices, Vol XII, No. 1, January 1989, S. 58-70; Asher, w.: New England's Best ploy; in: ReActions, September 1986, S.35-36. Daraufhin wurde das Rating-System den neuen Verhältnissen angepaßt. Unter anderem wurden ab 1987 die Qualitätsmerkmale "Risikostreuung" und "Qualität der Kapitalanlagen" neu aufgenommen. Insgesamt wird das Rating von Best auf dem amerikanischen Versicherungsmarkt akzeptiert und beachtet.

2. Aspekte eines Untemehmensratings

285

2.4.2 Ziel des Rating-Systems von A.M.Best

Das Ziel des Ratings von A.M.Best ist die Veröffentlichung einer Meinung über die Finanzkraft und damit die Fähigkeit eines Versicherers, seine vertraglichen Verpflichtungen jederzeit zu erfüllen. Dazu werden alle Kriterien bewertet, die die Gesamtleistung eines Unternehmens beeinflussen. Die Gesellschaft hebt immer wieder deutlich hervor, daß es sich um eine, wenn auch analytisch fundierte, Meinungsäußerung handelt, nicht um eine Tatsachenbehauptung l96 . 2.4.3 Qualitätsmerkmale bei A.M.Best

A.M.Best beschreibt acht Qualitätsmerkmale. Sie werden allerdings nicht als solche bezeichnet, sondern in der negativen Form "critical factors" genannt. Unterteilt werden sie in zwei Gruppen, in quantitative und in qualitative Merkmale l97 . Zu den quantitativen Faktoren gehören die Profitabilität, der Leverage und die Liquidität. Die qualitativen Merkmale umfassen die Risikostreuung, die Angemessenheit und Qualität der Rückversicherungsbeziehungen, die Qualität der Kapitalanlagen, die Angemessenheit der Schadenreserven und die Qualität des Managements. Dazu macht A.M.Best jeweils einige Anmerkungen, die hier kurz wiedergegeben werden sollen: - Profitabilität: Die Profitabilität (oben Erfolgskraft) gilt als Maß für die Fähigkeit eines Versicherers, seine Produkte zu wettbewerbsfähigen Preisen anzubieten und gleichzeitig seine finanzielle Konstitution zu bewahren. Zur Erfassung werden der Trend und die Stabilität von Prämieneinnahmen, Gewinn und Eigenmitteln analysiert. - Leverage: Der Ausdruck Leverage läßt sich schlecht ins Deutsche übersetzen. Gemeint sind damit verschiedene Relationen, die einen entgegengesetzten Einfluß auf Rentabilität und Risiko haben. Eine bekannte Relation ist das Verhält196 197

"Evaluating the fmancial condition of a company can not be considered an exact science." Synder, A.: Managing Insolvency ... , a.a.O., S. 124. Die amerikanischen Fachausdrucke, insbesondere die aus dem Rechnungswesen, lassen sich oft nur ungenau ins Deutsche übersetzen, da, selbst bei einer wörtlichen Übereinstimmung, die inhaltlichen Abgrenzungen aufgrund der verschiedenen Rechnungslegungen nicht übereinstimmen. In den folgenden Ausführungen werden die deutschen Termini verwandt, die in ihrer Bedeutung dem amerikanischen Ausdruck am ehesten entsprechen.

286

C. Modell eines Rating-Verfahrens und Aspekte seiner Ausgestaltung

nis von Eigen- zu Fremdkapital. Hier wirkt der Leverageeffekt auf die Eigenkapitalrentabilität. Mit steigendem Anteil von Fremdkapital kann die Eigenkapitalrentabilität (bei entsprechender Zinssituation) kontinuierlich erhöht werden. Gleichzeitig steigt das Risiko Z.B. der Überschuldung l98 . Es werden noch weitere Relationen untersucht, z.B. das Verhältnis der Prämien zu den Eigenmitteln, der Anteil der Prämien feR an den Bruttoprämien oder die Quote versicherungstechnische Rückstellungen zu Eigenmitteln. - Liquidität: Der Versicherer soll jederzeit in der Lage sein, seine kurz- und langfristigen Verpflichtungen erfüllen zu können. Dazu benötigt er genügend liquide Mittel, die u.a. so bemessen sein sollen, daß bei einer unerwartet auftretenden Zahlungsnotwendigkeit keine unplanmäßigen Verkäufe von Kapitalanlagen getätigt werden müssen. A.M.Best untersucht in diesem Zusammenhang u.a. den Umfang der liquiden Mittel, das Verhältnis von Schadenrückstellungen zu solchen Mitteln, die ohne Rückgriff auf gebundene Vermögenswerte zur Verfügung stehen, sowie Qualität, Marktwert und Streuung von Kapitalanlagen, letzteres insbesondere bei Einzelinvestitionen, die im Vergleich zu den Eigenmitteln eine entsprechende Höhe erreichen. - Risikostreuung: Die Streuung der Risiken im Bestand eines Versicherers werden von A.M.Best aus zwei Gesichtspunkten heraus untersucht: Einmal unter dem Aspekt der Bestandsmischung, also der Zusammensetzung der unterschiedlichen Versicherungszweige, und zweitens nach der geographischen Verteilung der einzelnen Risiken. Ersteres berücksichtigt die Differenzierungen in der SchadenanfaJ.ligkeit einzelner Zweige, letzteres erfaßt die Gefährdung, die von Kumulschäden, insbesondere von Naturkatastrophen, ausgeht. - Angemessenheit und Qualität der Rückversicherungsbeziehungen: Ziel der Untersuchung dieses Merkmals ist einerseits die Feststellung, ob Rückversicherung in einem Umfang genommen wird, der den zedierten Risiken angemessen ist. Geht die Inanspruchnahme darüber hinaus, nimmt A.M.Best andere als risikopolitische Gründe dafür an (z.B. finanzielle, steuerliche oder aufsichtsrechtliche). Eine hierdurch motivierte Zession wird im Bewertungsprozeß negativ berücksichtigt. Der zweite Untersuchungsaspekt ist die Sicherheit des bezogenen

198

Der Effekt basiert auf der Grundlage, daß die Gesamtkapitalrentabilität eines Unternehmens größer ist, als die Fremdkapitalzinsen. So kann durch neue Kreditaufuahme die Rentabilität des Eigenkapitals immer weiter gesteigert werden. In dem Moment, in dem sich die beschriebene Relation zwischen Gesamtrentabilität und Fremdkapitalzinsen umkehrt, ist das betroffene Unternehmen in höchstem Grade gefährdet.

2. Aspekte eines Untemehmensratings

287

Rückversicherungsschutzes. Dazu wird auf die Ratings der entsprechenden Rückversicherer zurückgegriffen. -Qualität der Kapitalanlaeen: Vor dem Hintergrund, daß stille Reserven in Bilanzen amerikanischer Unternehmen in geringerem Umfang vermutet werden als beispielsweise in Deutschland, wird bei den Kapitalanlagen die Auswirkung untersucht, die eine ungeplante Veräußerung von Vermögenspositionen auf die Eigenmittel zur Folge hätte. A.M.Best analysiert also die Differenz der Buchwerte von Aktiva zu den gültigen Marktwerten und einer eventuell bestehenden Marktenge (z.B. bei Immobilien). In diesem Zusammenhang bringt die Agentur eine interessante Risikokennziffer zum Einsatz, welche die hypothetische Verringerung der Eigenmittel ausdrückt, die durch ein Absinken der Aktienkurse um 20% oder einen Wertverlust der sonstigen Wertpapiere aufgrund einer Zinssteigerung um 2 Prozentpunkte verursacht wird. - Aneemessenheit der Schadenreserven: Dieser Größe wird von A.M.Best eine hohe Bedeutung zugemessen, da eine Veränderung der Schadenreserven direkte Auswirkungen auf die technischen Ergebnisse nach sich zieht. Darüber hinaus wird berichtet, daß für viele Versicherer eine 25%ige Unterreservierung die (technische) Insolvenz bedeutet, da zu einem Ausgleich der Differenz die Eigenmittel nicht ausreichen. Die Angemessenheit der Schadenreserven wird anhand der Abwicklungsergebnisse der Vergangenheit, der Unsicherheit (z.B. bei IBNR-Schäden), die der Reservierung zugrunde liegt, und der möglichen Beiträge, die das Kapitalanlagegeschäft beisteuern kann, untersucht. - Manaeementgualität: A.M.Best untersucht die Erfahrung, Kompetenz und Integrität des Managements. Auf die Art der Bewertung dieses Merkmals wird jedoch nicht eingegangen. Lediglich der große Einfluß, den dieses Merkmal auf die Vergabe des Ratings ausübt, wird unterstrichen 199 . 2.4.4 Informationsbasis

Die Informationsbasis wird zu einem großen Teil durch die Geschäftsberichte der einzelnen Versicherer gebildet. Ihre Aussagekraft ist insbesondere hinsichtlich der Bilanz im Vergleich zum deutschen lahresabschluß höher einzuschätzen, da die Wertansätze für Aktiva deutlich näher an den Marktwerten orientiert sind, als es 199

"The knowledge and understanding of the character and operating objectives of each company's management team plays an important role in our continual evaluation of the performance of the insurance companies we report on." Synder, A.: Managing Insolvency ... , a.a.O., S. 128.

288

C. Modell eines Rating-Verfahrens und Aspekte seiner Ausgestaltung

in Deutschland der Fall ist2OO • Daneben verfügt A.M.Best über eine umfassende EDV-gestützte Datensammlung, die Vergleichsrechnungen und Relativierungen der entsprechenden Einzelwerte zuläßt. Besonderen Wert legen die Analysten der Agentur auf ihre umfangreichen Kontakte zu den jeweiligen Versicherern und sonstigen Marktteilnehmern, die ihnen zusätzliche Informationsquellen großen Ausmaßes erschließen und sie in die Lage versetzen, ihre Ratings mit einem bedeutenden Anteil von "Insiderwissen" anzureichern 201 . Daneben ist das Interesse der betroffenen Versicherer aufgrund der Bedeutung der Ratings am amerikanischen Markt groß, auch interne Zusatzinformationen zur Verfügung zu stellen, wenn diese dazu beitragen, das Rating zu verbessern.

2.4.5 Feststellung und Vergabe der Ratings Das Verfahren, mit dem A.M.Best die oben genannten Qualitätsmerkmale erfaßt und bewertet, ist Außenstehenden nur bruchstückhaft bekannt. Zwar werden einige Kennzahlen zur Ermittlung einzelner Merkmale genannt; bekannt ist weiterhin, daß zu ihrer Bewertung ein Vergleich mit Normen durchgeführt wird, die A.M.Best festlegt. Die Art der Ermittlung dieser Normen, die Wertigkeit, mit der die einzelnen Kriterien in die Bewertung eingehen, insbesondere das dem Rating zugrundeliegende Aggregationsverfahren, werden jedoch als Geschäftsgeheimnis streng vertraulich behandelt. Vorläufig festgesetzt wird das Rating von einem Analystenteam, dem Ratingkomitee202 . Dieses Komitee entscheidet auf der Grundlage eines Berichts, den der für das entsprechende Unternehmen zuständige Analyst erstellt hat, und seiner eigenen Marktkenntnis über das Rating. Das Rating-Komitee ist hierbei völlig unabhängig.

200

201

202

Vgl. dazu Haller, A.: Die "Generally Accepted Accounting Principles" - Die Normen der externen Rechnungslegung in den USA; in: ZfbF 1990, S. 751-777, insbesondere S. 767 ff. "Our daily contact with the insurance industry provides an intelligence network supplying information helpful in detecting changes in the performance or market activities of companies which may not be reflected in their fmancial reports." Synder, A.: Managing Insolvency ...• a.a.O., S. 13. Vgl. Everling, 0.: Rating-Agenturen (21) ...• a.a.O.

2. Aspekte eines Untemehmensratings

289

Ist ein vorläufiges Rating vergeben, wird das Ergebnis der obersten Geschäftsführung des betroffenen Versicherers mitgeteilt. Ihr ist dann eine Frist von zwei Wochen eingeräumt, in der entweder Mißverständnisse und Fehlinformationen ausgeräumt oder im Falle eines unbefriedigenden Ratings zusätzliche Informationen bereitgestellt werden können. Bei Akzeptanz des Ratings durch das betroffene Unternehmen, mit oder ohne Revision, erfolgt die sofortige Veröffentlichung; bei endgültiger Unvereinbarkeit der Ansichten von Unternehmen und Agentur unterbleibt das Rating. Es wird ein besonderes Symbol veröffentlicht, mit dem die "Nicht-Vergabe" begründet wird203 . Für eine Verbreitung der Ratings stehen A.M.Best zahlreiche Medien zur Verfügung. Sie reichen 204 von der jährlich erscheinenden Gesamtpublikation "Best's Insurance Reports" über Monatszeitschriften ("Best's Review"), dem wöchentlichen "Best's Insurance Management Reports" bis hin zum "BestLink" , einem Netzwerk zum Datenaustausch im Online-Modus. Daneben veröffentlicht A.M.Best eine Reihe weiterer Publikationen, deren Informationen neben den Ratings alle wesentlichen Aspekte betreffen, die einen Einfluß auf den Versicherungs markt haben. 2.4.6 Übersicht über die Symbole der A. M. Best Company

A.M.Best verwendet unterschiedliche Kategorien von Symbolen. Im wesentlichen lassen sie sich in drei Klassen fassen: Erstens die Ratings, zweitens die Angaben zur absoluten Größe der Unternehmen (Financial Size Category) und drittens die Erklärungssymbole für den Grund der Nichtvergabe eines Ratings ("Not Assigned Classifications") . Die insgesamt neun Ratingsymbole bestehen aus den Buchstaben A, B, C unter Hinzunahme von +/- Zeichen für eine weitere Differenzierung. Ihre Bedeutung reicht von A + (=Superior) bis zu C- (=Fair). A + bescheinigt einem Unternehmen die denkbar umfassendsten Fähigkeiten zur Erfüllung seiner vertraglichen und sonstigen Verpflichtungen. Bei "C-"-Unternehmen sieht A.M.Best nur noch

203

Von diesen Symbolen benutzt A.M.Best 10 verschiedene Varianten. Ihre Bedeutung wird weiter unten beschrieben.

204

Jeweils getrennt für die Property/Casualty und die Life/Health Branche.

19 Sönnichsen

290

C. Modell eines Rating-Verfahrens und Aspekte seiner Ausgestaltung

eine gerade zufrieden stellende Fähigkeit zur Verpflichtungserfüllung, und das auch unter der Voraussetzung, daß keine unvorhergesehenen Ereignisse eintreten. Diese eigentlichen Ratings werden durch sogenannte "Modifiers", also erklärende Zusatzinformationen, ergänzt. Begründungen für solche Erläuterungen stellen z.B. Veränderungen bei den Versicherern dar, die sich noch nicht in einer Änderung des Ratings niedergeschlagen haben 205 . Weiter werden sie angefügt, wenn sich das dem Versicherer verliehene Rating nicht auf seine eigene Leistungsfähigkeit, sondern auf die einer anderen Gesellschaft des Konzerns206 bezieht. Eine weitere Symbolgruppe besteht aus den römischen Ziffern von I bis XV. Damit wird die absolute Größe eines Versicherungsunternehmens, gemessen an den Eigenmitteln und einiger spezieller Reserven, gekennzeichnet. Die einzelnen Klassen reichen von "bis 1 Mio $" (= Klasse I) bis "über 2 Mrd. $ (=Klasse XV). Damit soll den Empfängern der Analyse ein Eindruck vermittelt werden, wieviel Zeichnungskapazität dem entsprechenden Versicherer tendenziell zur Verfügung steht. Schließlich sollen noch die "Not Assigned" Classifications genannt werden. Sie stellen ein Unikat bei den Symbolen der unterschiedlichen Rating-Agenturen dar. Keine andere Agentur begründet so ausführlich, warum im Einzelfall kein Rating vergeben wurde. Die Symbole setzen sich aus den Buchstaben NA (Not Assigned) und einer Zahl zwischen 1 und 10 zusammen. Einer der Gründe für ihre Vergabe wurde bereits angesprochen, nämlich die Meinungsverschiedenheit zwischen der Agentur und dem betroffenen Versicherer (NA-9). Weitere Gründe sind u.a.: der Versicherer ist noch zu klein (NA-2), er ist noch nicht lange genug am Markt (NA-3)207, er ist ein Spezialversicherer, für den das Rating-System nicht ange205

206

207

So wird beispielsweise ein "c" an das Rating gefiigt, wenn Veränderungen eingetreten sind, die noch keinen Grund zur Beunruhigung darstellen. Anders ist dies bei "w" (von "Watch List"). Hier ist Grund zur Besorgnis vorhanden; er reicht aber noch nicht aus, das Rating zu ändern. Schließlich sei noch das "x" erwähnt. Es deutet darauf hin, daß das Rating seit der letzten Veröffentlichung verändert wurde und erleichtert dem Benutzer die Suche nach solchen Unternehmen. Beispiele hierfiir sind "g" fiir Group Rating oder "r" fiir Reinsured Rating. Letzteres wird Versicherern verliehen, die nahezu keinen Selbstbehalt mehr tragen, sondern ihr Risikogeschäft überwiegend auf den konzerneigenen Rückversicherer übertragen haben. Das Rating entspricht dann meistens dem des Rückversicherers. A.M.Best verlangt als Voraussetzung fiir die Vergabe eines Ratings mindestens fiinf volle Geschäftsjahre.

3. Aspekte eines Produktratings

291

messen erscheint (NA-4), oder der Versicherer bezieht einen hohen Anteil Rückversicherungsschutz von ungerateten Rückversicherern (NA-6). Ein Rating wird auch abgelehnt, wenn das Unternehmen die Informationswünsche der Agentur nicht befriedigen konnte (NA-8 = "Incomplete Financial Information"). Mit dieser Wahl von Symbolen erfüllt A.M.Best eine Vielzahl der Forderungen, die theoretisch an ein Rating-System gestellt wurden. Die Einfachheit der Ratingsymbole ermöglicht die leichte Aufnahmeflihigkeit beim Empfanger. Zusatzsymbole sorgen dafür, daß die Ratinginformation verfeinert wird. Schließlich unterstützen die Erläuterungen bei Nichtvergabe eines Ratings die Versicherer am Markt, indem sie klarstellen, daß auch das Fehlen eines Ratings nicht zwangsläufig ein Ausdruck mangelhafter Qualität sein muß. Dafür gibt es "NA-7". Dieses Zeichen besagt, daß das Unternehmen zwar die formalen Voraussetzungen für ein Rating erfüllt, die ermittelten Ergebnisse jedoch selbst das "C-" nicht mehr rechtfertigen.

3. Aspekte eines Produktratings

3.1 Merkmale der Produktqualität

3.1.1 Vorbetnerkungen Das immaterielle Produkt Versicherungsschutz weist eine Reihe von Besonderheiten auf, die es von anderen, insbesondere von materiellen Gütern, deutlich unterscheidet. Die wesentlichen Charakteristika eines Versicherungsprodukts wurden beschrieben208 . Produktratings streben eine Aussage über die Qualität von Versicherungsprodukten an. Eine Erinnerung an die Definition des Qualitätsbegriffs verdeutlicht die beiden Fragestellungen, die bei der Konzeption eines Produktratings im Vordergrund stehen:

208

Vgl. dazu die Ausffihrungen in Abschnitt 3.3 des Kapitels A.

292

C. Modell eines Rating-Verfahrens und Aspekte seiner Ausgestaltung

Wenn die Qualität einer Leistung - hier der Dienstleistung Versicherungsschutz in der Gesamtheit ihrer Eigenschaften und Merkmale besteht, die sich zur Erfüllung gegebener Kundenerwartungen eignen, ist zum einen die Frage nach vorhandenen Erwartungshaltungen und zum anderen die Frage nach den Eigenschaften zu ihrer Erfüllung zu beantworten. Die Schwierigkeiten bei der Konzeption eines Verfahrens zur Qualitätsbeurteilung von Versicherungsprodukten, das verläßliche Aussagen für genügend große (potentielle) Empfangergruppen zuläßt, basieren u.a. auf der Heterogenität der Erwartungshaltungen der Versicherungsnehmer. "Verschiedene Menschen haben unterschiedliche Erwartungen an eine konkrete Leistung, so daß sie deren Nutzen auch abweichend beurteilen. Über den für eine Qualitätsaussage benötigten Beurteilungsmaßstab herrscht in solchen Fällen weder bei den Nutzern noch bei irgendwelchen 'Experten' Konsens. "209 Darüber hinaus sind die Erwartungen, die ein großer Teil von Versicherungsnehmern ihren Versicherungsprodukten gegenüber hat, wenig bis gar nicht artikuliert bzw. nur im Unterbewußtsein existent21O . Aufgrund dieser verbreiteten unscharfen Erwartungsbildung fällt es schwer, Eigenschaften und Merkmale von Versicherungsprodukten zu extrahieren, die diese Erwartungen erfüllen. Daher gehen die Bemühungen der Institutionen, deren Ziel in der Information von Verbrauchern zu sehen ist (insbesondere StiWa und Wirtschaftspresse) dahin, die unzureichende Erwartungsbildung durch entsprechende Informationsbereitstellungen abzubauen 211 . Existente 'Versicherungs-Tests' bieten zweierlei Informationen an. Sie berichten zum einen über die Produkte selbst, d.h. beispielsweise über Bedingungsneuerun209 210

211

Rosenberger, G.: Die neutrale Verbraucherinformation ... , a.a.O., S. 328. Empirische Untersuchungen (durchgeführt vom IfD - nicht veröffentlicht) haben gezeigt, wie gering das Interesse an Versicherungsfragen in der Bevölkerung ausgeprägt ist. Die Folge davon sind nicht nur mangeInde Information, sondern darüber hinaus falsche Einstellungen und Urteile. Daraus kann sicher auch abgeleitet werden, daß evtl. existierende Erwartunghaltungen wenig (rational) fundiert sind. In diesem Zusammenhang existiert ein weiteres Hindernis auf dem Weg zu einer besseren Information der Versicherungsnehmer: Die fehlende Bereitschaft der Konsumenten, vorhandene Informationsangebote auch zu nutzen. In der oben genannten Untersuchung wird festgestellt, daß aufgrund des vorhandenen Desinteresses der Ruf nach mehr Aufklärung durch zusätzliche Information in vielen Fällen ad absurdum geführt wird. Auf diese Thematik ist weiter unten noch einzugehen. Vgl. Abschnitt 3.4 dieses Kapitels.

3. Aspekte eines Produktratings

293

gen212 , über die Notwendigkeit einzelner Versicherungen213 oder über Kriterien, nach denen einzelne Versicherungsnehmer zweckmäßige Vertragskonstellationen auswählen können214 . Tests der zweiten Art haben die Wirtschaftlichkeit von Versicherungsverträgen zum Inhalt. Hierbei wird untersucht, wo bzw. von wem vergleichbare Produkte zum günstigsten Preis angeboten werden 215 oder bei welchen Anbietem sich die eingezahlten Beiträge am höchsten rentieren 216 . Speziell die zuletzt genannten Preis- und Renditevergleiche sind häufig Gegenstand heftiger Kritik217 : Bei den Prämiengegenüberstellungen werden nur scheinbar vergleichbare Produkte in Relation zueinander gebracht. Weitgehend identisch sind lediglich die zugrundeliegenden, vom BA V genehmigten Versicherungsbedingungen. Ein wesentlicher Qualitätsaspekt des untersuchten Versicherungsschutzes bleibt jedoch unberücksichtigt: Die Dienstleistungs- bzw. Servicequalität218 . Ein Vergleich von Versicherungsprodukten ist auch deshalb unvollständig, weil 212

Vgl. z.B.: Thieltges, H.-W.: Leistungsgrad - Wohngebäudeversicherung: Wie Sie sparen können; in: Capital 10/1989, S. 108-113.

213

Siehe zum Beispiel zur Reisegepäckversicherung: Thieltges, H.-W.: Notration - Reiserisiken: Welchen Schutz Sie wirklich brauchen; in: Capital 6/1988, S. 149-153.

214

Vgl. beispielhaft Bess, J. / Thieltges, H.-W.: Preisvergleich - Hausrat: Die beste Versicherung für Sie; in: Capitall01l988, S. 171-183; WoljJ, v.: Zubehör - Vollkasko: Wann Sie von Sonderrabatten profitieren; in: Capita16/1988, S. 157-167.

215

Dies gilt insbesondere für Versicherungsprodukte ohne integrierten Sparanteil. Siehe dazu besonders die Berichte in FINANZtest, z.B. in Heft 3/1991 mit Prämienvergleichen in der Gebäude-, Hausrat- und KFZ-Versicherung. Verbreitet sind solche Untersuchungen auch in der Risikolebensversicherung: O. v.: Risikolebensversicherung: Sicherheit für wenig Geld; in: test 1989, S. 910-917; Thieltges, H.-W.: 132 Prozent Unterschied - Risikolebensversicherungen im Vergleich; in: Capita15/1989, S. 179-184.

216

Diese Vorgehensweise ist bei Produkten mit Sparanteil, also insbesondere der kapitalbildenden Lebensversicherung, anzutreffen. Z.B.: o. v.: Kapital-Lebensversicherung: So finden Sie die Spitzenreiter; in: test 1989, S. 704-712.

217

Auf die Kritik an Versicherungstests wurde bereits kurz hingewiesen. Vgl. Abschnitt 3.5.2.2 im Kapitel A dieser Arbeit.

218

Einer der Autoren solcher Preisvergleiche gibt diesen Mangel zu, jedoch ohne eine Möglichkeit seiner Behebung zu sehen: "Dabei ist uns allen klar, daß gerade hier oft derartige Unterschiede feststellbar sind, die eine Rangfolge nach schlichten Preisen auf den Kopf stellen würde. Dennoch läßt sich das Problem meiner Einschätzung nach nicht grundsätzlich lösen." WoljJ, v.: Vergleichstests von Versicherungsprodukten; unveröffentlichter Vortrag beim Versicherungsforum "Vergleichstests von Versicherungsprodukten" am 12.02.1990 in Köln. Der einzige, dem Verfasser bekanntgewordene Versuch, diesen Aspekt in die Beurteilung mit aufzunehmen, scheiterte an methodischen Mängeln, vgl. Wechsler, M. / Mettler, M.: Versicherungstest 2: Aussenseiter in Führung; in: Bilanz 2/1990, S. 102-111. Die Qualität der Beratung wurde hier durch einen 'Test' (Probeberatung) von lediglich zwei Agenten jedes Unternehmens ermittelt.

294

C. Modell eines Rating-Verfahrens und Aspekte seiner Ausgestaltung

eine Ermittlung der Leistungsfähigkeit des entsprechenden Anbieters im Schadenfall nahezu unmöglich ist219 . Andere Leistungsvergleiche finden ihre Kritiker aufgrund ihrer auf Kennzahlen beruhenden Schematik, durch die individuelle Stärken und Schwächen unzureichend abgebildet werden220 . Die hohe Bedeutung der Lebensversicherung für die Absicherung der Familie und die Altersversorgung einerseits, ihre Komplexität und der mit ihr verbundene lange Prognosehorizont andererseits liefern die Begründungen dafür, daß das Thema 'Beurteilung von Lebensversicherungen' einen großen Raum in der Literatur einnimmt221 und z.T. äußerst kontrovers diskutiert wird222 .

219

Vgl. Riege, J.: Das Versicherungsprodukt, a.a.O .• S. 430. Er stellt fest, daß durch die Beurteilung der Abwicklung eines Schadenfalls beim Kunden nicht auf die Qualität des Produkts insgesamt geschlossen werden kann. Mit anderer Begründung Helfen, E.: Wissenschaftliche Grundlagen von Produktvergleichen in der Versicherungswirtschaft, unveröffentlichter Vortrag beim Versicherungsforum "Vergleichstests von Versicherungsprodukten" am 12.02.1990 in Köln. Als Begründung wird hier angegeben, daß Schäden - und damit Versicherungsfälle - zu Testzwecken nicht vorsätzlich herbeigeführt werden dürfen.

220

Als Beispiel Bohn, K.: Leistungsquote in der PKV - Eine kritische Auseinandersetzung; in: ZfV 1989, S. 71-79, insbesondere S. 79: "Die vorstehenden Überlegungen zur heutigen Leistungsquote in der PKV sollten zeigen, daß diese Kennziffer die Note 'äußerst mangelhaft' verdient. Sie hat so gut wie keinen Aussagenwert, insbesondere ist sie für einen Vergleich der PKV-Unternehmen untereinander völlig ungeeignet."

221

Eine kleine Auswahl der zahlreichen Beiträge: Blaesius, S.: Zur Rentabilität von Lebensversicherungen - Helmut Diederich zum 60. Geburtstag -; in: zm 1988. S. 708 - 723; Blaesius, S.: Die Bewertung von Lebensversicherungsverträgen .... a.a.O.; Helbig, M.: Maßzahlen zur Rentabilität einer Lebensversicherung; in: Blätter der deutschen Gesellschaft für Versicherungsmathematik 1978. S. 309- 315; Heveling, H.: Getestet auf Leben und Tod; in: ZfV 1978. S. 696-698; Köhler, w.: Eigennutz oder mehr? - Verbraucherschutz: Lebensversicherung unter der Lupe; in: WiWo Nr. 50/1989. S. 125-131; Köhler, w.: Rendite ist nicht alles - Lebensversicherer: Über 100 Gesellschaften im Test; in: WiWo Nr. 41/1990. S. 177-185; Rauhuf, 8.: Zur Bewertung von Versicherungsverträgen; in: Geld, Banken und Versicherungen, hrsg. v. Hermann Göppl u. Rudolf Henn, Band 11, Karlsruhe 1982, S. 1085-1098; Schneider, D.: Grundsätze ordnungsmäßiger Rechnungslegung über Gewinnprognosen. dargestellt am Problem der Beispielrechnungen für Gewinnbeteiligungen in der Lebensversicherung; in: ZtbF 1980. S. 238-269; Schneider, D.: Höhere Gewinnversprechungen trotz weniger Gewinn: Mängel im Wettbewerbsrecht und in der internen Rechnungslegung für Lebensversicherungen; in: WPg 1981. S. 683-691; Schneider, E.: Bestimmung der Rentabilität gemischter Lebensversicherungen; in: ZVersWiss 1985, S. 403-423; Schwake, E.: Die Problematik der Bewertung von Versicherungsverträgen durch Dienstleistungstests - dargestellt am Beispiel der Lebensversicherung und der Privaten Krankenversicherung; in: ZVersWiss 1983, S. 343-362; Tröbliger, A.: Die Leistungsvergleiche in der Lebensversicherung; in: Geld. Banken und Versicherungen. hrsg. v. Hermann Göppl u. Rudolf Henn, Band 11, Karlsruhe 1982. S. 11331161.

3. Aspekte eines Produktratings

295

Unter Beachtung der bisher gemachten Ausführungen sind für Produktratings zwei Forderungen zu formulieren: 1.) Die Beurteilung der Qualität von Versicherungsprodukten muß über die Be-

wertung von Teilaspekten hinausgehen und hat die Gesamtheit dessen zu berücksichtigen, was vom Versicherungsnehmer als zum Versicherungsschutz gehörig angesehen wird. 2.) Eine Qualitätsaussage kann sich bei Versicherungsprodukten nicht auf mechanisch-arithmetische Kennzahlenuntersuchungen beschränken, sie muß darüber hinaus subjektive Bewertungen von qualitativen Elementen einbeziehen. Im folgenden wird daher versucht, allgemeine, das 'Gesamtprodukt' umfassende Qualitätsmerkmale zu beschreiben, Ansätze zu ihrer Erfassung zu skizzieren und Vorschläge zur Vergabe von Produktratings zu nennen. Dabei werden Fragen, die generelle Aspekte von Rating-Verfahren betreffen, nicht erneut behandelt, wenn sie bereits Gegenstand der Darstellung des Gesamtmodells eines Rating-Verfahrens waren.

3.1.2 Allgemeine Merkmale der Qualität von Versicherungsprodukten Die Bestimmung der Qualität von Versicherungsprodukten ist schwierig. Diese Schwierigkeiten gelten nicht nur für Versicherungen, sie werden - vor dem Hintergrund ihrer steigenden Bedeutung223 - seit einiger Zeit für alle Dienstleistungen diskutiert224 . Anfang der 70er Jahre stellte Maleri fest: 11 Aus der Unkörperlichkeit der Dienstleistung ergeben sich Quantifizierungsprobleme verschiedener Art. So 222

223

224

Vgl. dazu die Erwiderung von Gose, G.: Möglichkeiten und Grenzen einer Leistungsbeurteilung von Lebensversicherungsunternehmen; in: zm 1982, S. 491-499, auf Finsinger, J.: "Wettbewerb im Markt für Lebensversicherungen" - Eine Analyse systematischer Leistungsunterschiede; in: zm 1982, S. 186-201. Einen Disput zur Erfolgsbeurteilung liefern sich auch Schüler und Kühnberger: Schaler, w.: Der Erfolg in der Lebensversicherung: Entstehung, Darstellung und Beurteilung; in: zm 1988, S. 201-211; Kühnberger, M.: Der Erfolg in der Lebensversicherung: Entstehung, Darstellung und Beurteilung; in: zm 1989, S. 321-334 und die Stellungnahme von Schüler, w.: Zur Erfolgsrechnung bei Lebensversicherungsunternehmen - Eine Erwiderung; in: zm 1989, S. 330-334. Vgl. dazu Berekoven, L.: Der Dienstleistungsmarkt in der Bundesrepublik Deutschland Theoretische Fundierung und empirische Analyse, Band 1 und Band 2 (fabellen), Göttingen 1983, insbesondere Band 1, S. 52 ff. Siehe z.B. Corsten, H.: Die Produktion von Dienstleistungen - Grundzüge einer Produktionswirtschaftslehre des tertiären Sektors, Berlin 1985, S. 116 ff.; sowie den Überblick bei Meyer, A. / Mattmüller, R.: Qualität von Dienstleistungen, a.a.O. mit zahlreichen Literaturhinweisen.

296

C. Modell eines Rating-Verfahrens und Aspekte seiner Ausgestaltung

ist häufig schon die Outputquantität der Dienstleistungsproduktion schwierig zu messen; die Erfassung der Outputqualität wirft meist noch größere Probleme auf. "225 Die Schwierigkeiten bei der Beurteilung von Dienstleistungen beruhen insbesondere darauf, daß die Erwartungen von Dienstleistungskonsumenten nicht unmittelbar und einmalig erfüllt werden, sondern mittelbar und innerhalb eines bestimmten Zeitraums. Darüber hinaus ist der erreichbare Erfüllungsgrad auch von Leistungen abhängig, die der Dienstleistungsempfänger selbst zu erbringen hat: vom sogenannten externen Faktor226 . Am Beispiel eines Versicherungsprodukts sollen die Zusammenhänge erläutert werden: Vor dem Abschluß eines Versicherungsvertrags kann der potentielle Versicherungsnehmer die Qualität des Produkts, das ihm angeboten wird, nicht oder nur ungenau erfassen. Dementsprechend kann er nicht beurteilen, ob seine Erwartungen erfüllt sind; er muß sich vielmehr mit dem Versprechen begnügen, daß eine solche Erfüllung eintritt227 . Der Versicherungsschutz wird nach Vertragsabschluß für die Vertragsdauer gewährt. Inwieweit in dieser Zeitspanne die Ansprüche des Versicherungsnehmers befriedigt werden, ist vom Einzelfall abhängig. Eine Erwartungserfüllung wird Z.B. davon bestimmt, ob der Kunde nach mehr Sicherheit strebt und diese Sicherheit durch die abgeschlossene Versicherung vermittelt wird, oder ob ein Versicherungsfall eintritt und die Schadenregulierung erwartungsgemäß abläuft. Eine aus Sicht des Versicherungsnehmers qualitativ gute Schadenregulierung ist allerdings auch von seiner Fähigkeit und Bereitschaft abhängig, bei Vertragsabschluß die für eine angemessene Deckung des Risikos notwendige Information bereitzustellen, während der Laufzeit Änderungen in der Risikosituation zu erkennen und dem Versicherer mitzuteilen sowie im Versicherungsfall die für eine entsprechende Regulierung erforderlichen Schritte (Schadenminderung, Schadenanzeige

225 226 227

Maleri, R.: Grundzüge der Dienstleistungsproduktion, Berlin I Heidelberg I New York 1973, S. 43. Dazu ausführlich: Maleri, R.: Grundzüge der Dienstleistungsproduktion, a.a.O., S. 77 ff. Vgl. auch Lehmann, A.: Qualitäts-Management - gelebte Untemehmensidentität ... , a.a.O., S. 497.

3. Aspekte eines Produktratings

297

usw.) zu unternehmen. Die Gesamtheit dieser Leistungen des Abnehmers von Versicherungen wird als der externe Faktor bezeichnet228 . Das komplexe Zusammenspiel von verschiedenen Faktoren mit ihren unterschiedlichen Auswirkungen auf die Qualität eines Versicherungsprodukts ist zu strukturieren, um eine Basis für ein Produktrating zu bilden. In Anlehnung an ein allgemeines Modell der Dienstleistungsqualität wird daher eine Differenzierung in vier Subqualitäten (Qualitätsmerkmale) des Versicherungsschutzes vorgenommen (vgl. auch Abb. 20)229; 1.) Qualität des Anbieterpotentials, 2.) Qualität des externen Faktorpotentials, 3.) Beziehungsgualität zwischen Versicherer und Versicherungsnehmer und

4.) Wirkungsgualität des Versicherungsschutzes. In der Versicherungswirtschaft bestehen enge Zusammenhänge zwischen Anbieter- und Produktqualität230 . Mit der Bestimmung von Anbieterpotentialen als Subqualität von Versicherungsprodukten wird dieser Zusammenhang berücksichtigt. Untersuchungsgegenstände sind die Fähigkeiten des Versicherers zur Risikotragung, sowohl versicherungstechnischer als auch personeller Art, die Sicherheit des Anbieters und als zentraler Aspekt sein Image. Die Bedeutung des Images beruht auf seiner Filterwirkung. Die Komplexität des Produkts und dessen Qualitätsmerkmale bewirken, daß das Image des Versicherers die wahrgenommene Produktqualität signifikant beeinflußt. "Je nach vorhandenem positiven oder negativen Image des Anbieters werden Mängel bezüglich der Qualität der Leistungserstellung wie -darbietung vernachlässigt oder verstärkt erfaß t. "231 228

Vgl. Farny. D.: Versicherungsbetriebslehre, a.a.O., S. 443 ff.

229

Zum allgemeinen Modell der Dienstleistungsqualität siehe Corsten. H.: Dienstleistungen in produktionstheoretischer Interpretation; in: WISU 1988, S. 81-87 und Meyer. A. / Mattmüller. R.: Qualität von Dienstleistungen, a.a.O.

230

Vgl. Abschnitt 3.2.2 in Kapitel B dieser Arbeit. Meyer, A. / Mattmüller. R.: Qualität von Dienstleistungen, a.a.O., S. 194. Meyer und Mattmüller stellen an gleicher Stelle fest, daß das Image in Fällen mangelnden Sachverstands seitens der Nachfrager sogar zum einzigen Indikator der Qualität wird. Als Beispiel verweisen sie auf sogenannte 'Expertendienstleistungen' von Ärzten, Rechtsanwälten, Architekten usw.

231

298

C. Modell eines Rating-Verfahrens und Aspekte seiner Ausgestaltung

QualitAt des Anbieterpotentials

Riaikotregung Imege Sicherheit

Vermittlungsquelltlt . richtiger V.schutz

QualitAt des externen Faktors

• richtig

-mtielt

Beretungaquelltlt

FlhillkeU Bereitscheft

· Beralung . ~

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