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German Pages 765 Year 2010
Oberurseler Hefte Ergänzungsbände Herausgegeben von Werner Klän im Auftrag der Lutherischen Theologischen Hochschule Oberursel Band 6
Werner Klän und Gilberto da Silva (Hrsg.) Quellen zur Geschichte selbstständiger evangelisch-lutherischer Kirchen in Deutschland Dokumente aus dem Bereich konkordienlutherischer Kirchen
Inh. Dr. Reinhilde Ruprecht e.K.
Mit 47 Abbildungen. Verhandlungen und Vollzug lutherischen Glaubens, in Buchstaben gefasste Lehre und im Gottesdienstraum gefeierte Liturgie, Wortgebilde und Kirchenarchitektur: Das Titelbild kombiniert zwei Meilensteine in der Geschichte selbstständiger lutherischer Kirchen in Deutschland. Es zeigt zum einen das „erste Kirchgebäude“ einer selbstständigen lutherischen Gemeinde – die Katharinenkirche in Breslau, erbaut kurz nach 1300 als Klosterkirche, seit 1843 Kirche der lutherischen Gemeinde, 1945 schwer zerstört, heutige Nutzung: Konzerthalle und Restaurant. Zu sehen ist zum andern das Titelblatt der „Einigungssätze“ – eines Konsensdokumentes aus dem Jahr 1948, das das Ergebnis intensiver Bemühungen von Vertretern verschiedener Vorgängerkirchen darstellt, die Vereinigung selbstständiger lutherischer Kirchen zur Selbständigen Evangelisch-Lutherischen Kirche zu ermöglichen.
Gedruckt mit Unterstützung des Förderungs- und Beihilfefonds Wissenschaft der VG WORT. Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte Daten sind im Internet über http://dnb.ddb.de abrufbar. Eine eBook-Ausgabe ist erhältlich unter DOI 10.2364/4226879743. © Edition Ruprecht Inh. Dr. R. Ruprecht e.K., Postfach 17 16, 37007 Göttingen – 2010 www.edition-ruprecht.de Alle Rechte vorbehalten. Das Werk einschließlich seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urhebergesetzes bedarf der vorherigen schriftlichen Zustimmung des Verlags. Diese ist auch erforderlich bei einer Nutzung für Lehrund Unterrichtszwecke nach § 52a UrhG. Redaktion und Satz: Tanja Constien Register: Andrea Parrandier Layout: mm interaktiv, Dortmund Druck: Hubert & Co GmbH & Co KG, Göttingen Umschlaggestaltung: klartext GmbH, Göttingen ISBN: 978-3-7675-7138-9
Inhaltsverzeichnis Vorwort.................................................................................................. 21 Einleitung .............................................................................................. 22 I. 1. 2. 3. 4. 5. 6. 7. 8. 9. 10. 11. 12. 13. 14. 15. 16. 17. 18.
19. 20.
21. 22. 23.
Die Evangelisch-lutherische (altlutherische) Kirche ......................... 25 Einführung ............................................................................................. 25 Kabinettsordre Friedrich Wilhelm III. vom 27.9.1817 ............................... 33 Bittschrift Johann Gottfried Scheibels an den König vom 3.6.1830........... 34 Kabinettsordre vom 4.4.1830 an v. Altenstein .......................................... 35 Erlass vom 30.4.1830 ............................................................................. 36 Erste Bittschrift der lutherischen Gemeinde Breslau vom 27.6.1830......... 37 Zweite Bittschrift der lutherischen Gemeinde Breslau vom 26.7.1830....... 41 Dritte Bittschrift der lutherischen Gemeinde Breslau vom 30.8.1830 ....... 48 Vierte Bittschrift der lutherischen Gemeinde Breslau vom 1.11.1830........ 51 Wünsche der lutherischen Gemeinde Breslau vom April 1831 .................. 55 Kabinettsordre Friedrich Wilhelm III. vom 28.2.1834 .............................. 55 Petition der schlesischen Lutheraner um Anerkennung ihrer Rechte vom 4.4.1834.......................................................................................... 57 Anschreiben vom 2.2.1842 ..................................................................... 68 Aus der Instruktion für das Oberkirchenkollegium................................... 71 Über das Vorsteheramt............................................................................ 76 Aus den Bestimmungen über gottesdienstliche Gemeinschaft .................. 81 Ganz gehorsamstes Promemoria vom 15.8.1841...................................... 82 Die Generalkonzession für die von der Gemeinschaft der evangelischen Landeskirche sich getrennt haltenden Lutheraner vom 23.7.1845 ............ 88 Zirkular-Erlass der Minister des Kultus, der Justiz und des Innern vom 7.8.1847, betreffend die Regulierung der Verhältnisse der von der evangelischen Landeskirche sich getrennt haltenden Lutheraner ............. 90 [18.] Petition des Oberkirchenkollegiums um Anerkennung der kirchlichen Rechte vom 17.12.1868 ................................................... 95 [19.] Gesetz, betreffend die Ergänzung und Abänderung der Generalkonzession für die von der Gemeinschaft der evangelischen Landeskirche sich getrennt haltenden Lutheraner vom 23.7.1845, vom 23.5.1908........................................................................................ 99 [20.] Satzungen für den Verein evangelisch-altlutherischer Kirchengemeinden vom 9.9.1910 ...........................................................101 [21.] Erteilung der Rechte einer juristischen Person vom 3.11.1910.........101 [22.] Erteilung der Körperschaftsrechte vom 19.6.1930 ........................ 102
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Inhaltsverzeichnis
24. 25.
[23.] Petition lutherischer Pastoren (1847)............................................ 102 [24.] Stellungnahme der Generalsynode der Evangelisch-lutherischen Kirche in Preußen über das Verhältnis zu den lutherischen Landeskirchen (1868) .......................................................................... 105 [25.] Stellungnahme der Generalsynode der Evangelisch-lutherischen Kirche in Preußen über das Verhältnis zu den lutherischen Landeskirchen (1873) .......................................................................... 106 [26.] Stellungnahme der Generalsynode der Evangelisch-lutherischen Kirche in Preußen über das Verhältnis zu anderen Kirchen (1878) ......... 107 [27.] Stellungnahme der Generalsynode der Evangelisch-lutherischen Kirche in Preußen über das Verhältnis zu den lutherischen Freikirchen (1878) ............................................................................... 109 [28.] Stellungnahme der Generalsynode der Evangelisch-lutherischen Kirche in Preußen zur Suspension der Kirchengemeinschaft mit der Hannoverschen Landeskirche (1882) .........................................110 [29.] Stellungnahme der Generalsynode der Evangelisch-lutherischen Kirche in Preußen zu den Einigungsbemühungen im freikirchlichen Luthertum (1886) ......................................................... 112 [30.] Stellungnahme der Generalsynode der Evangelisch-lutherischen Kirche in Preußen zur geplanten Bildung eines Delegiertenkonvents lutherischer Freikirchen (1906).............................................. 112 [31.] Erklärung der Generalsynode der Evangelisch-lutherischen Kirche in Preußen über das Verhältnis zu den lutherischen Landeskirchen und Freikirchen (1906) ............................................................................... 113 [32.] Beschluss der Generalsynode der Evangelisch-lutherischen Kirche in Preußen über das Verhältnis zu den Hannoverschen Freikirchenbildungen (1910)..................................................................114 Stellungnahme des Oberkirchenkollegiums zur DDR-Verfassung von 1968 .............................................................................................. 115 Hirtenwort des Oberkirchenkollegiums zur Aufhebung der Kirchengemeinschaft durch die Evangelisch-Lutherische Freikirche (1984)............117
26.
27. 28.
29.
30.
31.
32.
33.
34. 35.
II. 36. 37. 38.
Die Evangelisch-lutherische Immanuelsynode ............................... 120 Einführung ........................................................................................... 120 [33.] Julius Diedrich über „Wert und Wesen des Kirchenregiments“....... 123 [34.] Lossagung Julius Diedrichs vom Kirchenregiment des Oberkirchenkollegiums (1861) ............................................................. 125 [35.] Erklärung des Oberpräsidiums der Provinz Brandenburg zu den Rechtsverhältnissen der aus der Evangelisch-lutherischen Kirche in Preußen ausgeschiedenen Pastoren und Gemeinden vom 19.12.1861..... 125
Inhaltsverzeichnis
39. 40. 41.
42. 43. 44. 45. 46. 47. 48. 49.
III. 50. 51.
52. 53. 54. 55. 56.
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[36.] Gründungsurkunde der Evangelisch-lutherischen Immanuelsynode vom 21.7.1864 ........................................................... 127 [37.] Petition der Evangelisch-lutherischen Immanuelsynode um rechtliche Anerkennung vom 19.2.1865........................................... 131 [38.] Entscheidung der Generalsynode der Evangelisch-lutherischen Kirche in Preußen über den Lehrstreit und die Aufhebung der Kirchengemeinschaft mit den sezedierten Pastoren und Gemeinden (1864) ............................................................................... 134 [41.] Thesen von Julius Diedrich über die lutherischen Landeskirchen... 135 [42.] Thesen von Julius Diedrich über die lutherischen Freikirchen ....... 136 [39.] Thesen der Immanuelsynode über Kirchengemeinschaft (1875) ... 137 [43.] Von der Konferenz angenommene Einigungssätze vom 5./6.10.1875 ................................................................................. 138 [40.] Thesen 11 und 12 über Kirchengemeinschaft in der revidierten Fassung von 1886 ................................................................ 139 [44.] Instruktion für den Senior der Immanuelsynode vom 25.8.1888...................................................................................... 139 [45.] Lehrstellung der Immanuelsynode in den Fragen von Kirche, den Kirchenordnungen und dem Kirchenregiment (1897) ..................... 143 [46.] Stellungnahme der Generalsynode der Evangelisch-lutherischen Kirche in Preußen über die Möglichkeit einer Wiedervereinigung mit der Immanuelsynode (1902) ........................................................... 145 Die Evangelisch-lutherische Kirche in Baden .................................. 147 Einführung ............................................................................................147 Erklärung Carl Eichhorns über seinen Austritt aus der Union und seinen Übertritt zur lutherischen Kirche vom 3.11.1850......................... 153 [48.] Stellungnahme der Generalsynode der Evangelisch-lutherischen Kirche in Preußen über den Anschluss der badischen Lutheraner an die Evangelisch-lutherische Kirche in Preußen (1852) ........................... 155 Duldungsedikt für die Pastoration der badischen Lutheraner durch die Pfarrer Eichhorn und Ludwig (1856)...................................... 155 [49.] Der Bericht im Kirchenblatt über die Duldung der badischen Lutheraner (1856) ................................................................................ 156 [50.] Aus der Denkschrift über die Stellung der lutherischen Kirche in Baden vom 23.7.1862........................................................................ 158 [51.] Gründungsurkunde der Evangelisch-lutherischen Kirchengemeinde in Baden vom 12.3.1865 ........................................................ 159 [52.] Lossagung Max Frommels vom Kirchenregiment des Oberkirchenkollegiums vom 14.3.1865 ................................................. 160
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Inhaltsverzeichnis
57.
[53.] Amtsentsetzung Max Frommels durch das Oberkirchenkollegium vom 11.4.1865 .......................................................................161 [54. erweitert] Aus der Kirchenordnung der vereinigten evangelischlutherischen Gemeinden im Großherzogtum Baden (1871) ................... 163 [55.] Mitteilung des Kirchensuperintendenten der (alten) Selbständigen evangelisch-lutherischen Kirche zum badischen Synodalbeschluss vom 1.5.1965 ............................................................ 169 Beitritt zum Lutherischen Weltbund ...................................................... 170 Entschließung zur Leuenberger Konkordie .............................................171 Protest zu den Beschlüssen von Curitiba................................................ 172 Beschluss der Synode vom 27.8.1994 zur Frage der Ordination von Frauen zum Pfarramt ...................................................................... 172 Reaktionen der SELK: Beschluss der 9. Kirchensynode.......................... 173 Reaktionen der SELK: Beschluss der 10. Kirchensynode.........................174 Gemeinsame Erklärung der Evangelisch-lutherischen Kirche in Baden und der Evangelischen Landeskirche in Baden von 1996........................ 175 Protest gegen die „Gemeinsame Erklärung zur Rechtfertigungslehre“ .....177 Die Kirchenordnung der Evangelisch-lutherischen Kirche in Baden........ 179
58. 59.
60. 61. 62. 63. 64. 65. 66. 67. 68. IV.
69. 70. 71. 72. 73. 74.
75. 76. 77. 78.
Die Evangelisch-Lutherische Freikirche (in Sachsen und anderen Staaten) .................................................184 Einführung ........................................................................................... 184 [56.] Brief Adolf von Harleß’ an Friedrich Brunn (1846)........................ 193 [57.] Brief Wilhelm Löhes an Friedrich Brunn vom 24.6.1846 ................ 196 [58.] Brief Friedrich Brunns an Kirchenrat Wilhelmi, Wiesbaden, vom 13.7.1846.................................................................... 199 [59.] Friedrich Brunn über die Generalsynode der Evangelischlutherischen Kirche in Preußen von 1852 .............................................. 201 [60.] Friedrich Brunn über seine Lossagung vom Kirchenregiment des Oberkirchenkollegiums vom 23.2.1865 ........................................... 202 [61.] Aus der Synodalstatistik der Superintendenturen und Parochien der Evangelisch-lutherischen Kirche in Preußen (1864; Anmerkung von 1865) ............................................................... 203 [62.] Amtsentsetzung Friedrich Brunns durch das Oberkirchenkollegium vom 11.4.1865 ...................................................................... 203 [63.] Aus einem Brief Carl Ferdinand Wilhelm Walthers an Friedrich Brunn vom 2.3.1861 .............................................................. 204 [64.] Eingabe des Pastors Heinrich Fröhlich und Genossen vom 15.6.1868...................................................................................... 205 [65.] Antwort des Kultusministeriums vom 24.5.1869 ........................... 207
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79. 80. 81. 82. 83. 84. 85. 86. 87. 88. 89. 90. 91. 92. 93. 94.
95.
96. 97. 98. 99.
100.
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[66.] Aufruf des Vereins evangelisch-lutherischer Glaubensgenossen vom April 1867 ......................................................................................210 [67.] Statuten des Lutheraner-Vereins zu Dresden vom 9.4.1868 ............ 212 [68.] Eingabe der Lutheraner-Vereine zu Dresden, Planitz und Zwickau vom 31.10.1870 ....................................................................... 213 [69.] Antwort des Kultusministeriums vom 21.12.1870 ..........................214 [70.] Eingabe der Lutheraner-Vereine zu Dresden, Planitz und Zwickau vom 17.2.1871 ....................................................... 215 [71.] Eingabe der Lutheraner-Vereine zu Dresden, Planitz und Zwickau vom 22.7.1871....................................................... 221 [72.] Antwort des Kultusministeriums vom 10.8.1871 ........................... 221 [73.] Austrittserklärung Eduard Gnaucks, Dresden, vom 26.8.1871....... 222 [74.] Gelöbnisformel für Religionslehrer im Königreich Sachsen............ 223 [75.] Gelöbnisformel für Religionslehrer im Königreich Sachsen ........... 223 [76.] Gemeindeordnung der evangelisch-lutherischen St. Johannis-Gemeinde Planitz vom 31.10.1872 ..................................... 223 [77.] Petition von 15 Pastoren betreffend das Suspensionsrecht gegenüber Tauf- und Trauungsverächtern vom 15.1.1876 ....................... 230 [78.] Antwort des Landeskonsistoriums vom 19.1.1876 ......................... 232 [79.] Letzte Eingabe Karl Georg Stöckhardts vom 6.6.1876 ................... 234 [80.] Verfassung der Synode der Evangelisch-Lutherischen Freikirche in Sachsen und anderen Staaten Deutschlands (1876/77)...................... 235 Bekanntmachung zur Aufrichtung der Kirchengemeinschaft zwischen der Evangelisch-lutherischen Kirche im früheren Altpreußen und der Evangelisch-Lutherischen Freikirche, 16.1.1948 .............................. 246 Zwei Mitteilungen an die Gemeinden der Evangelisch-Lutherischen Freikirche über die Einigung mit der (alten) Selbständigen evangelisch-lutherischen Kirche ............................................................ 246 Gemeinsame Erklärung zur Verbindlichkeit der Einigungssätze ............. 266 Synodalbeschluss Hartenstein 1969 der Evangelisch-Lutherischen Freikirche (Ost).................................................................................... 266 Vereinbarung zwischen der Evangelisch-lutherischen (altlutherischen) Kirche und der Evangelisch-Lutherischen Freikirche (1972) .................. 267 Synodalbeschluss der Evangelisch-Lutherischen Freikirche vom 26.5.1984 in Hartenstein, betr. die Suspendierung der Kirchengemeinschaft mit der Evangelisch-lutherischen (altlutherischen) Kirche........................................................................ 270 Was das Verhältnis der Evangelisch-Lutherischen Freikirche (ELFK) zur Selbständigen Evangelisch-Lutherischen Kirche (SELK) belastet (Dezember 1988) ................................................................................. 272
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101.
Synodalbeschluss der Evangelisch-Lutherischen Freikirche vom 7.10.1989 in Karl-Marx-Stadt, betr. die Aufhebung der Kirchengemeinschaft mit der Selbständigen EvangelischLutherischen Kirche ............................................................................. 286 Synodalbeschluss 2.1 der Evangelisch-Lutherischen Freikirche vom 10.10.1992 in Hartenstein, betr. die Aufhebung der Kirchen gemeinschaft mit der Lutheran Church – Missouri Synod....................... 287 Synodalbeschluss 2.3 der Evangelisch-Lutherischen Freikirche vom 10.10.1992, betr. den Beitritt zur Konfessionellen EvangelischLutherischen Konferenz (KELK) ........................................................... 289 Verfassung der Konfessionellen Evangelisch-Lutherischen Konferenz (1993/2008) ........................................................................................ 289 Überarbeitete Verfassung der Evangelisch-Lutherischen Freikirche (2006) ................................................................................. 296
102.
103.
104. 105.
V. 106. 107. 108.
109. 110. 111.
112. 113. 114. 115. 116. 117. 118.
Die Renitente Kirche ungeänderter Augsburger Konfession ............ 307 Einführung ........................................................................................... 307 [81.] Thesen August Friedrich Christian Vilmars über die Kirche, ihr Wesen, ihre Regierung und ihre Verfassung (1861)........................... 312 [82.] Anträge der Jesberger Konferenz auf Aufhebung des landesherrlichen Summepiskopats (1849)..............................................316 [83.] Aus einem Brief August Friedrich Christian Vilmars an Jakob Wilhelm Georg Vilmar über den Bekenntnisstand der niederhessischen Kirche vom 21.5.1867 .................................................317 [84.] Petition der Geistlichen des Konsistorialbezirks Kassel um Aufrechterhaltung der Kirchenordnung von 1657, vom 12.7.1867............318 [85.] Deklaration über den Bekenntnisstand der niederhessischen Kirche (1867) ............................................................ 320 [86.] Allerhöchster Erlass betreffend die Vereinigung der Konsistorien Kassel, Marburg und Hanau zu einem gemeinschaftlichen Konsistorium in Marburg vom 13.6.1868..................................... 322 [87.] Allerhöchster Erlass vom 9.8.1869................................................ 323 [88.] Aus der Verordnung vom 9.8.1869................................................ 323 [89.] Protest Jakob Wilhelm Georg Vilmars gegen die Einführung der neuen Presbyterial- und Synodalordnung vom 29.9.1869 ................. 325 [90.] Der „Juliprotest“ (1873)............................................................... 326 [91.] Amtsenthebung Jakob Wilhelm Georg Vilmars vom 12.11.1873 ..... 330 [92.] „Offene Erklärung“ der abgesetzten Pfarrer (Dezember 1873) ...... 330 [93.] Antwort auf die Zuschrift der Hochwürdigen Herren Superintendenten Dankwerts und Rocholl in Göttingen und
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Pastoren Th. Harms in Hermannsburg und H. Steinmetz in Celle an die am 8.7.1874 in Melsungen versammelte niederhessische Pastoralkonferenz ........................................................ 331 119. [94.] Gründungsdokument des Homberger Konvents vom 19.9.1877 ..... 335 120. [95.] Lossagung des Homberger Konvents von den mauritianischen Verbesserungspunkten und der Deklaration der hessischen Generalsynode von 1607, vom 19.9.1877 ............................................... 336 VI.
Die Selbständige evangelisch-lutherische Kirche in den hessischen Landen ...................................................................... 339
Einführung ........................................................................................... 339 [96.] Amtsenthebung des Pfarrers Ferdinand Bingmann zu Höchst an der Nidder vom 14.6.1875................................................................. 343 122. [97.] Lossagung der renitenten Pfarrer vom landesfürstlichen Kirchenregiment vom 30.6.1875 ........................................................... 344 123. [98.] Aus der Kirchenordnung der Selbständigen evangelischlutherischen Kirche (1876) ................................................................... 349 124. [99.] Aus der Kirchenordnung der Selbständigen evangelischlutherischen Kirche (1902) ................................................................... 356 125. [100.] Ordnung der Wahl und Weihe eines Superintendenten (nach 1945).......................................................................................... 358 121.
VII.
Die Hannoverschen evangelisch-lutherischen Freikirchen............... 363
Einführung ........................................................................................... 363 126. [101.] Synopse der alten und neuen Form der Trauordnung.................... 371 127. [102.] Eingabe und Bitte verschiedener Kirchenglieder Trauung betreffend vom 23.3.1877 ..................................................................... 372 128. [103.] Die Unterlüßer Erklärung vom 6.6.1877...................................... 373 129. [104.] Theodor Harms’ Stellungnahme zu seiner Suspension vom 22.1.1878 ...................................................................................... 375 130. [105.] Theodor Harms’ Amtsentsetzung................................................ 377 131. [106.] Theodor Harms über die Gründung der Kreuzgemeinde Hermannsburg (1878) .......................................................................... 384 132. [107.] Ordnung der Kreuzgemeinde Hermannsburg vom 9.11.1878........ 386 133. [108.] Protokollarische Zusammenstellung der Beschlüsse der ordentlichen Synoden der Hannoverschen evangelisch-lutherischen Freikirche (30.4.1878–2.6.1885).......................................................... 387 134. [109.] Aus der öffentlichen Erklärung betreffend die Loslösung der Kreuzgemeinde zu Hermannsburg vom Synodalausschuss der Hannoverschen evangelisch-lutherischen Freikirche (Mai 1886) ............ 393
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Inhaltsverzeichnis
VIII. Mission....................................................................................... 398 135. 136. 137. 138.
139. 140. 141. 142. 143.
144. 145. 146.
147. 148. 149. 150. 151. 152.
Einführung ........................................................................................... 398 Aus einem Brief August Ludwig Christian Kavels an Georg Philipp Eduard Huschke vom 18.12.1835 .................................... 404 [110.] Aus einem Brief Georg Philipp Eduard Huschkes an den Leipziger Missionsverein (Juni 1833) ......................................... 404 [111.] Aus dem 3. Jahresbericht des Breslauer Missionsvereins (1833).................................................................................................. 405 [112.] Johann Gottfried Scheibel: „Wie verhält sich die Lutherische Kirche zu den Missions-Gesellschaften und den dazu gehörigen Instituten in unsrer Zeit?“ ..................................................................... 405 [113.] Aus der Instruktion für das Oberkirchenkollegium ...................... 406 [114.] Beschluss der Generalsynode der Evangelisch-lutherischen Kirche in Preußen über die Missionsangelegenheit (1841) ..................... 407 [115.] Aufruf der Dresdner Evangelisch-lutherischen Missions gesellschaft vom 30.9.1836 ................................................................... 408 [116.] Beschluss der Generalsynode der Evangelisch-lutherischen Kirche in Preußen über das Verhältnis zur Leipziger Mission (1848) ...... 410 [117.] Aus dem Schreiben des Oberkirchenkollegiums der Evangelisch-lutherischen Kirche in Preußen an das Missionskollegium der Leipziger Mission vom 16.4.1858 ..................................... 410 [118.] Beschluss der Generalsynode der Evangelisch-lutherischen Kirche in Preußen über das Verhältnis zur Leipziger Mission (1860) ...... 411 [119.] Resolution der Generalversammlung der Leipziger Mission zu § 6 der neuen Statuten (1881)........................................................... 411 [120.] Stellungnahme der Generalsynode der Evangelisch-lutherischen Kirche in Preußen zur Resolution von 1881 und dem Stimmrecht des Marburger Missionsvereins (1894) ........................................................ 412 [121.] Beschlüsse der Generalsynode der Evangelisch-lutherischen Kirche in Preußen über Missionsangelegenheiten (1898)....................... 413 [122.] Beschlüsse der Generalsynode der Evangelisch-lutherischen Kirche in Preußen über Missionsangelegenheiten (1902)........................414 [123.] Beschlüsse der Generalsynode der Evangelisch-lutherischen Kirche in Preußen über Missionsangelegenheiten (1910) ....................... 415 Beschlüsse der Generalsynode der Evangelisch-lutherischen Kirche in Preußen über Mission (1921) ..................................................416 [124.] Eingabe der Missionare Grubert, Schäffer, Willkomm, Zorn und Zucker an das Kollegium der Leipziger Mission (September 1875) ..........416 [126.] Eingabe der Missionare Grubert, Schäffer, Willkomm, Zorn und Zucker an das Direktorat der Leipziger Mission (November 1875) .......... 418
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153. Zirkular des Missionsdirektors an die Missionare der Leipziger Mission in Indien vom 8.1.1894 ............................................................. 421 154. Julius Nagel, Zur Missionsfrage (1894) .................................................. 423 155. [130.] Statuten der Hermannsburger Mission, bestätigt am 2.5.1856 ..... 423 156. [131.] Nicht genehmigter Entwurf eines Statuts für die Hermannsburger Mission von Ludwig Harms, dem Landeskonsistorium Hannover eingereicht am 30.12.1851 .................................................... 425 157. [132.] Die von Ludwig Harms bei der ersten Aussendung von Missionaren und Kolonisten mitgegebene Ordnung (1853) .................... 426 158. [133.] Theodor Harms über die Stellung der Hermannsburger Mission zu Landeskirche und Freikirche (1878)..................................... 428 159. [134.] Vereinbarung zwischen der Leitung der Hermannsburger Mission und dem Hannoverschen Landeskonsistorium vom 15.3.1890...................................................................................... 429 160. [135.] Grundsatzerklärung der Synode der Hannoverschen evangelisch-lutherischen Freikirche vom 18.6.1889 ............................... 429 161. [136.] Stellungnahme der Synode der Hannoverschen evangelischlutherischen Freikirche zur Vereinbarung zwischen der Leitung der Hermannsburger Mission und dem Hannoverschen Landeskonsistorium, vom 5.6.1890.................................................................. 430 162. [137.] Austrittserklärung der zur Hannoverschen evangelischlutherischen Freikirche gehörigen Mitglieder des Hermannsburger Missionshauses vom 10.5.1892 ............................................................. 430 163. [138. erweitert] Beschlüsse der Synode der Hannoverschen evangelisch-lutherischen Freikirche über die Errichtung einer eigenen Mission (1892)......................................................................... 433 164. [139.] Satzungen der Mission der Hannoverschen evangelisch-lutherischen Freikirche (1903) ........................................... 434 165. Schreiben von Superintendent Böttcher vom 19.6.1943 ......................... 438 166. „Ein Noth- und Hülferuf aus Nordamerika“, mitgeteilt von Friedrich Brunn, lutherischer Pastor in Steeden (1860)................... 439 167. [140.] Gründungsurkunde des Melsunger Missionshauses vom 9.10.1870 ...................................................................................... 441 168. [141.] Bekanntmachung über die Bildung der Mission evangelischlutherischer Freikirchen (Bleckmarer Mission) vom 1.11.1950............... 442 169. [142.] Beschluss der 25. Generalsynode der Evangelisch-lutherischen (altluth.) Kirche über das Verhältnis zur Bleckmarer Mission (1954)...... 444 170. [143.] Erklärung zur Frage nach der Zusammenarbeit lutherischer Missionen in Südafrika (1953) ........................................... 444 171. [144.] Wegweisung für die Junge Kirche (1956)..................................... 447
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172.
[145.] Aus der Verfassung der Lutherischen Kirche im Südlichen Afrika (1967)........................................................................ 449 Friedrich Wilhelm Hopf: Versuch einer eigenen Stellungnahme (1979) .. 456 Stellungnahme der Missionsleitung zum Rassismus, vom 4.12.1986....... 459 Stellungnahme der Theologischen Kommission zum Rassismus, * vom 10.3.1987 ..................................................................................... 461 Vertreter der Evangelisch-Lutherischen Freikirchen haben sich der „Frankfurter Erklärung“ mit folgender Zusatzerklärung angeschlossen (1970) ........................................................................... 463 [146.] Aus der Grundordnung der Selbständigen EvangelischLutherischen Kirche: Artikel 8: Mission und Diakonie (1972)................. 464 [147.] Ordnung für die Mission evangelisch-lutherischer Freikirchen (Bleckmarer Mission) (1973).............................................. 464 Satzung des Vereins Lutherische Kirchenmission (Bleckmarer Mission) e.V. ..................................................................... 469 Vereinbarung zwischen der Selbständigen Evangelisch-Lutherischen Kirche – vertreten durch die Kirchenleitung – und der Lutherischen Kirchenmission (Bleckmarer Mission) e.V. – vertreten durch die Missionsleitung (1998) ......................................................................... 471 Vereinbarung zwischen der Lutheran Church in Southern Africa (LCSA) und der Selbständigen Evangelisch-Lutherischen Kirche (SELK) ........... 475
173. 174. 175. 176.
177. 178. 179. 180.
181.
IX. 182. 183. 184. 185. 186. 187. 188. 189. 190.
Verhältnis Kirche und Judentum....................................................478 Einführung ........................................................................................... 478 „Der HErr kommt! ein Ruf zur Mission auch unter Israel“....................... 480 Ablehnung des Antrags von Karl Becker auf Anstellung als Judenmissionar durch die Generalsynode 1856 ..................................... 482 Carl Becker: Ach, daß die Hülfe aus Zion über Israel käme, und der HErr sein gefangen Volk erlösete! Ps. 14,7................................. 482 Nachschr. der Redaktion, zu: Alfons Wagner: Noch ein Wort * über Judenmission ............................................................................... 483 Aufruf zur Bildung eines Vereins für Judenmission................................. 484 Bestätigung der „Vereinigung der Freunde Israels innerhalb der lutherischen Kirche in Preußen“ durch die Generalsynode von 1921 ...... 484 Auflösung der „Vereinigung der Freunde Israels innerhalb der lutherischen Kirche in Preußen“............................................................ 485 Kollekte für Mission unter Israel ............................................................ 485 Thesen von Pfarrer Gottfried Riegel auf dem Herbstkonvent der Selbständigen evangelisch-lutherischen Kirche in Hessen am 10./11.10.1933 in Dreihausen ............................................................... 485
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191. 192. 193. 194.
195. 196. 197.
X. 198. 199. 200. 201. 202. 203.
204. 205.
XI.
15
„Der Arierparagraph“ von Seminardirektor Friedrich Priegel ................. 487 120 Jahre Zentralverein ........................................................................ 489 Satzung des Arbeitskreises der Selbständigen EvangelischLutherischen Kirche für Zeugnis unter den Juden .................................. 497 Was meint der Arbeitskreis der Selbständigen EvangelischLutherischen Kirche für Zeugnis unter den Juden (AZJ) mit „Zeugnis unter den Juden“? .................................................................. 500 Luther und die Juden – und wir lutherischen Christen............................ 503 Koordinator der Selbständigen Evangelisch-Lutherischen Kirche (SELK) für „Kirche und Judentum“............................................ 504 Beschluss der 11. Kirchensynode der Selbständigen EvangelischLutherischen Kirche in Radevormwald vom 12.–17.6.2007.................... 506 Diakonie ..................................................................................... 507 Einführung ........................................................................................... 507 Diakonieverständnis der Selbständigen EvangelischLutherischen Kirche ............................................................................. 513 Richtlinien für ein Diakonisches Jahr..................................................... 513 Grundsätze und Aufgaben des Diakonischen Werkes der Selbständigen Evangelisch-Lutherischen Kirche .....................................516 Ordnung für die diakonische Arbeit der Selbständigen Evangelisch-Lutherischen Kirche ...........................................................518 Geschäftsordnung der Vollversammlung des Diakonierates der Selbständigen Evangelisch-Lutherischen Kirche (SELK)........................ 522 Das Amt des Diakons/ der Diakonin in der Selbständigen Evangelisch-Lutherischen Kirche (SELK) sowie Richtlinien bei der Ausbildung von Gliedern der SELK zu Diakoninnen/ Diakonen.............. 524 Mitarbeitervertretungsgesetz für das Diakonische Werk der Selbständigen Evangelisch-Lutherischen Kirche (MVG-DW-SELK) ........ 526 Richtlinie der Selbständigen Evangelisch-Lutherischen Kirche (SELK) über die Anforderungen der privatrechtlichen beruflichen Mitarbeit in der SELK – (Loyalitätsrichtlinie SELK)............................... 527 Ausbildungsstätten ...................................................................... 530
Einführung ........................................................................................... 530 206. Synodalbeschluss über die Einrichtung einer von der Kirche getragenen Professur in Breslau (1864) ................................................. 535 207. Synodalbeschluss über die Einrichtung eines Seminars in Breslau (1882)................................................................... 535
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208. Amtliche Bekanntmachung zum ersten theologischen Semester (1935)............................................................. 537 209. Eröffnung einer „Theologischen Hilfs- und Beratungsstelle“ in Leipzig (1920) .................................................................................. 537 210. Namensänderung der Ausbildungsstätte in Klein-Machnow (1924)......... 539 211. Gründung des Proseminars in Groß Oesingen (1946) ............................ 539 212. Vorläufiges Statut der Lutherischen Theologischen Hochschule Oberursel........................................................................... 540 213. Vorläufige staatliche Anerkennung der Hochschule vom 14.6.1950 ........ 544 214. Endgültige staatliche Anerkennung der Hochschule vom 2.5.1955 ......... 545 215. Vereinssatzung zur Gründung des Freundeskreises (1956) .................... 545 216. Vereinssatzung Kreis der Freunde und Förderer der Lutherischen Theologischen Hochschule in Oberursel e.V. .................... 549 217. Statut der Lutherischen Theologischen Hochschule Oberursel ............... 552 XII.
Vereinbarungen, Zusammenschlüsse, Vereinigungen ..................... 558
Einführung ........................................................................................... 558 [148.] Die Homberger Vereinbarung zwischen der Evangelischlutherischen Kirche in Preußen, der Selbständigen evangelischlutherischen Kirche in Hessen-Darmstadt, der Renitenten Kirche ungeänderter Augsburger Konfession (Homberger Konvent) und der Hannoverschen evangelisch-lutherischen Freikirche vom 9.11.1885....... 566 219. [149.] Vereinbarung über die gastweise Gewährung von Kanzel- und Abendmahlsgemeinschaft zwischen der Evangelisch-lutherischen Kirche in Preußen, der Selbständigen evangelisch-lutherischen Kirche in Hessen-Darmstadt, der Renitenten Kirche ungeänderter Augsburger Konfession (Homberger Konvent) und der Hannoverschen evangelisch-lutherischen Freikirche (1887) ........................................... 567 220. [150.] Vereinbarung betreffend die Kanzel- und Altargemeinschaft zwischen der Evangelisch-lutherischen Kirche in Preußen und der evangelisch-lutherischen Synode in Baden (Mai 1903) ........................... 567 221. [151.] Gemeinsame Bekanntmachung über die Wiedervereinigung der Evangelisch-lutherischen Kirche in Preußen und der Evangelischlutherischen Immanuelsynode (1904) ................................................... 570 222. [152.] Amtliche Bekanntmachung des Oberkirchenkollegiums über die Wiedervereinigung der Evangelisch-lutherischen Kirche in Preußen und der Evangelisch-lutherischen Immanuelsynode vom 17.5.1904 ...................................................................................... 571 223. [153.] Satzungen des „Delegierten-Konventes“ der vom Staate unabhängigen lutherischen Kirchen in Deutschland vom 6.2.1907 ......... 572 218.
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224. [154.] Kundgebung der „Vereinigung evangelisch-lutherischer Freikirchen in Deutschland“ (August 1919) ............................................574 225. [155.] Friedens-Instrument zwischen der Hannoverschen evangelisch-lutherischen Freikirche und der Evangelischlutherischen Hermannsburg-Hamburger Freikirche (1908).....................576 226. [156.] Friedens-Dokument zwischen der Hannoverschen evangelisch-lutherischen Freikirche und der Evangelischlutherischen Hermannsburg-Hamburger Freikirche (1920).................... 578 227. [157.] Aufnahme der Hermannsburger evangelisch-lutherischen Freikirche in die Evangelisch-Lutherische Freikirche (in Sachsen und anderen Staaten) (1908).............................................. 579 228. [158.] Aufnahme eines Teils der Süddeutschen evangelischlutherischen Freikirche in die Evangelisch-Lutherische Freikirche (in Sachsen und anderen Staaten) (1921).............................................. 581 229. [159.] Ergebnis der Verhandlungen zwischen der Hannoverschen evangelisch-lutherischen Freikirche und der Evangelisch-Lutherischen Freikirche (in Sachsen und anderen Staaten) vom 23./24.6.1908 – Thesen über Schrift und Bekenntnis..................... 582 230. [160.] Ergebnis der Verhandlungen zwischen der Hannoverschen evangelisch-lutherischen Freikirche und der Evangelisch-Lutherischen Freikirche (in Sachsen und anderen Staaten) vom 16./17.6.1909 – Thesen über die Kirche ......................................... 585 231. [161.] Ergebnis der Verhandlungen zwischen der Hannoverschen evangelisch-lutherischen Freikirche und der Evangelisch-Lutherischen Freikirche (in Sachsen und anderen Staaten) vom 15./16.4.1913................................................................................ 588 232. [162.] Ergebnis der Verhandlungen zwischen der Hannoverschen evangelisch-lutherischen Freikirche und der Evangelisch-Lutherischen Freikirche (in Sachsen und anderen Staaten) vom 9./10.9.1913............. 589 233. [163.] Konföderationsstatut zwischen der Renitenten Kirche ungeänderter Augsburger Konfession und der Selbständigen evangelisch-lutherischen Kirche in den hessischen Landen (1910) ......... 591 234. [164.] Konföderationsstatut zwischen der Renitenten Kirche ungeänderter Augsburger Konfession und der Hannoverschen evangelisch-lutherischen Freikirche (1924) ........................................... 592 235. [165.] Bildung eines gemeinsamen Superintendentur-Kollegiums der Hannoverschen evangelisch-lutherischen Freikirche, der Selbständigen evangelisch-lutherischen Kirche in Hessen, der Evangelischlutherischen Hermannsburg-Hamburger Freikirche und der Renitenten Kirche ungeänderter Augsburger Konfession (1924) ............ 593
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236. [166.] Bund selbständiger evangelisch-lutherischer Kirchen in Hessen und Niedersachsen vom 28.5.1930......................................... 594 237. [167.] Die Evangelisch-lutherischen Freikirchen und die Entscheidungen von Eisenach im Juli 1948, vom 31.10.1948............. 598 238. [168.] Verfassung der (alten) Selbständigen evangelischlutherischen Kirche (1947) ................................................................... 602 239. Die Evangelisch-lutherische Kirche in Baden ......................................... 606 240. [169.] Vereinbarung über den Anschluss der Renitenten Kirche ungeänderter Augsburger Konfession an die Selbständige evangelisch-lutherische Kirche vom 7.9.1950......................................... 607 241. [170.] Erklärung von Superintendent Wicke zum Anschluss der Renitenten Kirche ungeänderter Augsburger Konfession an die (alte) Selbständige evangelisch-lutherische Kirche (1950) ..................... 609 242. [171.] Mitteilung für die Gemeinden der hessischen Diözese, zugleich Bekanntgabe für die anderen Diözesen der (alten) Selbständigen evangelisch-lutherischen Kirche über den Anschluss der Renitenten Kirche ungeänderter Augsburger Konfession (September 1950) ................................................................................ 611 243. [173.] Aus den Einigungssätzen zwischen der Evangelischlutherischen Kirche Altpreußens und der Evangelisch-Lutherischen Freikirche (in Sachsen und anderen Staaten) (1947) ............................. 612 244. [174.] Mitteilung für die Gemeinden der (alten) Selbständigen evangelisch-lutherischen Kirche über die gegenseitige Anerkennung der Kanzel- und Abendmahlsgemeinschaft zwischen der EvangelischLutherischen Freikirche (in Sachsen und anderen Staaten) und der (alten) Selbständigen evangelisch-lutherischen Kirche (Dezember 1949)...................................................................................618 245. [175.] Grundordnung der Selbständigen EvangelischLutherischen Kirche (1972) ...................................................................619 246. Vertrag zur Vereinigung der Evangelisch-Lutherischen Bekenntniskirche (ELBK) mit der Selbständigen-EvangelischLutherischen Kirche (SELK) ................................................................. 634 247. Kirchengemeinschaft zwischen der Evangelisch-lutherischen Kirche in Baden und der Selbständigen Evangelisch-Lutherischen Kirche.......... 637 248. Schlusserklärung der Evangelisch-lutherischen Kirche in Baden und der Selbständigen Evangelisch-Lutherischen Kirche zur Kasseler Übereinkunft ........................................................................................ 640 249. Vereinbarung über den Beitritt der Evangelisch-lutherischen altlutherischen) Kirche zur Selbständigen Evangelisch-Lutherischen Kirche ...... 641 250. Vereinbarung über eine Kooperation zwischen der Selbständigen Evangelisch-Lutherischen Kirche (SELK) und der Concordia-
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Gemeinde, evangelisch-lutherische Freikirche e.V. in Celle (Concordia-Gemeinde) ......................................................................... 646 251. Vereinbarung zwischen der Selbständigen EvangelischLutherischen Kirche und The Lutheran Church-Canada......................... 648 252. Partnerschaftsvereinbarung zwischen der Igreja Evangélica Luterana do Brasil und der Selbständigen Evangelisch-Lutherischen Kirche .............. 652 253. Vereinbarung zwischen der Selbständigen Evangelisch-Lutherischen Kirche (SELK) und der Freien Evangelisch-Lutherischen Synode von Südafrika (FELSISA) ............................................................................ 655 254. International Lutheran Council – Constitution....................................... 658 XIII. Oecumenica ............................................................................... 665 255.
256.
257. 258. 259.
260.
261.
262.
263.
264.
Einführung ........................................................................................... 665 Erklärung der Kirchenleitungen Freier evangelisch-lutherischer Kirchen in Deutschland zur Frage nach der Abendmahlsgemeinschaft (1969).................................................................................................. 669 Stellungnahme von Bischof Dr. Diethardt Roth (Selbständige Evangelisch-Lutherische Kirche) zu dem Dokument „Kirchengemeinschaft nach evangelischem Verständnis“........................674 * Abendmahlsgemeinschaft im Kontext der Ekklesiologie ........................ 677 Kirchengemeinschaft. Bestimmungen aus der Handreichung „Ökumenische Verantwortung“ (1994) ................................................. 680 Vereinbarung über partnerschaftliche Beziehungen zwischen der Selbständigen Evangelisch-Lutherischen Kirche (SELK) und der Schlesischen Evangelischen Kirche Augsburgischen Bekenntnisses in der Tschechischen Republik (SEKAB) ............................................... 683 Vereinbarung über partnerschaftliche Beziehungen zwischen der Selbständigen Evangelisch-Lutherischen Kirche (SELK) und der Evangelisch-Lutherischen Ingermanlandkirche in Russland (ELKIR)..... 685 Vereinbarung zwischen der Selbständigen Evangelisch-Lutherischen Kirche (SELK) in Deutschland und der Evangelisch-Lutherischen Kirche Lettlands (ELKL)....................................................................... 687 Vereinbarung zur Entwicklung der Kontakte zwischen der Evangelischen Kirche der Kirchenprovinz Sachsen (EKKPS) und der Selbständigen Evangelisch-Lutherischen Kirche (SELK) in Wittenberg ........................ 687 Thesen zur Kirchengemeinschaft; Entschließung der Teilnehmer der European Regional ILC Conference (Antwerpen, Belgien, 11.–14.6.2004) an ihre Kirchen ........................... 689 Stellungnahme der Selbständigen Evangelisch-Lutherischen Kirche zur „Gemeinsamen Erklärung zur Rechtfertigungslehre“
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265.
266. 267.
268. 269. 270.
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(Römisch-katholische Kirche – Lutherischer Weltbund) (März 1999).......................................................................................... 690 Stellungnahme zur „Gemeinsamen offiziellen Feststellung des Lutherischen Weltbundes und der römisch-katholischen Kirche“ samt „Anhang“ ..................................................................................... 698 Charta Oecumenica.............................................................................. 702 Beschluss zur Charta Oecumenica von Kirchenleitung und Kollegium der Superintendenten der Selbständigen EvangelischLutherischen Kirche ............................................................................. 709 Anschreiben von Bischof Dr. Diethardt Roth zur Charta Oecumenica ........................................................................ 710 Der Text der wechselseitigen Taufanerkennung im Magdeburger Dom am 29.4.2007 ......................................................714 Beschluss der Kirchenleitung zur Taufanerkennung vom 22./23.2.2007 .............................................................................. 715
Anhang ................................................................................................. 717 Abkürzungsverzeichnis ..........................................................................719 Verzeichnis der Veröffentlichungen, denen Quellen entnommen wurden .............................................................................. 721 Verzeichnis der Archive/Fundorte......................................................... 727 Personenverzeichnis ............................................................................. 729 Bildquellenverzeichnis .......................................................................... 735 Verzeichnis der Mitarbeiter dieses Bandes ............................................. 739 Namensregister......................................................................................741 Ortsregister ...........................................................................................747 Sachregister ......................................................................................... 752
Vorwort Am 5. November 1967, kurz nach dem 450. Reformationsjubiläum, hielt der Präsident der Kirchenkanzlei der Evangelischen Kirche der Union, Franz-Reinhold Hildebrandt (1906–1991), in der St. Marienkirche zu Berlin eine Predigt, die für die selbstständigen Lutheraner eine große Bedeutung hat. Vor dem Hintergrund der verbindenden Erfahrungen aus dem Kirchenkampf sagte Hildebrandt anhand des Predigttextes Epheser 4,15-16: „Mit Beschämung bekennen wir, daß es bei der Durchsetzung der Union nicht an Anwendung von Gewalt gefehlt hat. Jener Weihnachtsabend des Jahres 1834 in dem schlesischen Dorf Hönigern im Kreise Namslau diente nicht der Auferbauung des Leibes Christi. Mit Kolbenstößen von Soldaten, gewaltsamem Öffnen von Kirchentüren und Verhaftungen von Pfarrern, wie es damals geschah, lud unsere Kirche eine Schuld auf sich, die noch heute nachwirkt. Damals sind viele Familien aus ihrer Heimat nach Australien und Nordamerika ausgewandert, um ihren lutherischen Glauben rein zu bewahren, den sie in der Union gefährdet sahen. Und wenn Schuld allein durch Vergebung bedeckt werden kann, so wollen wir diesen Tag nicht vorbeigehen lassen, ohne unsere altlutherischen Brüder um solche Vergebung zu bitten.“1 Ohne dass der Begriff damals schon geprägt gewesen wäre, hat sich auf der Kanzel der St. Marienkirche etwas ereignet, das heute als „Healing of Memories“ bezeichnet wird. Dabei gilt die Einsicht, dass solche Prozesse nicht einseitig sein können. So muss sich die selbstständige lutherische Bekenntniskirche in der Gewissheit, das konfessionelle Erbe der lutherischen Reformation bewahrt zu haben, dennoch mit Blick auf ihre Geschichte fragen, ob sie sich zum Beispiel nicht manchmal in ihren kleinen überschaubaren Gemeinden zu wohl gefühlt hat in dem Bewusstsein, dass die anderen alles falsch und sie selbst alles richtig mache. Erst wenn aus den historischen Quellen die allzu menschlichen Faktoren, zugefügtes Leid und eingestandene Schuld benannt sind, ist es möglich, zum Wesentlichen vorzudringen: zur Lehre der Heiligen Schrift, zu den Sakramenten und zu den Bekenntnissen der Kirche. Ich wünsche diesem Quellenband, dass er solchen Dienst tun möge. Am Tag der Apostel Petrus und Paulus 2010
Hans-Jörg Voigt, Bischof der Selbständigen Evangelisch-Lutherischen Kirche
1
... daß Jesus Christus allein unser Heil ist, Brandenburgische Predigten aus drei Jahrhunderten, Hrsg. Friedrich Winter, EVA Berlin, 1989, S. 154
Einleitung Werner Klän – Gilberto da Silva (Hrsg.) Eine erste Dokumentensammlung über die Geschichte selbstständiger evangelischlutherischer Kirchen in Deutschland ist 1987 unter der Herausgeberschaft von Manfred Roensch (†) und Werner Klän erschienen (vgl. Manfred Roensch / Werner Klän (Hrsg.), Quellen zur Entstehung und Entwicklung selbständiger evangelischlutherischer Kirchen in Deutschland, Frankfurt a.M. / Bern / New York 1987, 594 S.). Die Herausgeber stellten damals fest, dass es „bis zum heutigen Tage keine zusammenfassende Geschichte aller lutherischen Gemeinden und Kirchen, die, im vergangenen Jahrhundert entstanden, heute […] in der Selbständigen EvangelischLutherischen Kirche (SELK) in der Bundesrepublik organisatorisch zusammengeschlossen sind“, gab. Ihr Ziel war es, mit der Veröffentlichung einer Dokumentensammlung „diesem Mangel wenigstens teilweise abzuhelfen“. Dieser „Quellenband“ enthielt so die wichtigsten Dokumente aus der Geschichte der im 19. Jahrhundert in der Auseinandersetzung mit Union und Rationalismus entstandenen, vom Staat unabhängigen lutherischen Gemeinden und Kirchen in Deutschland. Das inzwischen vergriffene Werk erscheint jetzt in zweiter, erweiterter und grundlegend überarbeiteter Auflage und hat – besonders durch die Einführungen zu den Dokumenten – die Funktion einer immer noch fehlenden Gesamtdarstellung zur Geschichte selbstständiger evangelisch-lutherischer Kirchen in Deutschland. Ein weiterer wichtiger Grund für die Neuherausgabe dieses Quellenbandes sind die erheblichen Fortschritte dieses Gebietes der Kirchengeschichtsschreibung des 19. Jahrhunderts. Außerdem sind in den über zwanzig Jahren seit Erscheinen der ersten Ausgabe im Bereich der deutschen und europäischen Geschichte grundlegende Veränderungen eingetreten, die unmittelbare Auswirkungen auf die Entwicklung der konkordienlutherischen Kirchen hatten. So kam es 1990 zum Zusammenschluss der 1972 auf westdeutschem Gebiet entstandenen Selbständigen Evangelisch-Lutherischen Kirche (SELK) mit der in der DDR bestehenden Evangelisch-lutherischen (altlutherischen) Kirche. Diese Neuausgabe wurde folglich um Dokumente erweitert, die diese Entwicklung belegen, außerdem um solche, die den Weg der Evangelisch-lutherischen (altlutherischen) Kirche und der Evangelisch-Lutherischen Freikirche zwischen 1945 und 1990 in der (ehemaligen) DDR nachvollziehen helfen. Neben diesen notwendigen historischen Erweiterungen wurde der „Quellenband“ außerdem um einige thematisch neue Kapitel erweitert: Aufgenommen sind z. B. Dokumente, die über das Verhältnis von (selbstständigen evangelisch-lutherischen) Kirche(n) und Judentum unterrichten; ferner Darstellungen zu den teilweise bis in die Entstehungsgeschichte dieser Kirchen zurück reichenden diakonischen Arbeitsfeldern sowie Quellen, die die Gründung und den Weg der theologischen Ausbildungsstätten in kirchlicher
Einleitung
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Trägerschaft der behandelten Kirchen beleuchten. Schließlich erwies es sich als unabdingbar, das Feld der ökumenischen Beziehungen dieser Kirchen vor Augen zu führen, die aus teils selbst gewählter Isolation in den zurückliegenden dreißig Jahren zur Wahrnehmung gesamtchristlicher Verantwortung gefunden haben; dabei fanden die Aktivitäten, Dokumente und Vereinbarungen im nationalen wie im internationalen Kontext gebührende Berücksichtigung. Durch die neu aufgenommenen und kommentierten Quellen zu diesen und weiteren Themen erweist sich die Neuausgabe als großer Fortschritt in der breiten Dokumentation kirchlicher Arbeitsfelder konkordienlutherischer Kirchen, die bisher so gut wie nicht quellen1 mäßig erschlossen waren. Den Herausgebern ist es gelungen, sowohl Mitarbeiter an der ersten Ausgabe des „Quellenbandes“ für Überarbeitungen zu gewinnen, als auch weitere Forscher und Fachleute auf dem Gebiet der Geschichte selbstständiger evangelisch-lutherischer Kirchen in Deutschland an der Mitarbeit bei dieser Neuausgabe zu beteiligen, die – nicht zuletzt ausweislich ihrer wissenschaftlichen Veröffentlichungen – als besonders bewandert in bestimmten Teilbereichen des Gesamtgebietes gelten. In der Anlage des Bandes wurde dafür Sorge getragen, dass die Einführungen zu den Dokumenten zum größten Teil vollständig neu geschrieben wurden, so dass sie jetzt einen ersten geschichtlichen Überblick über das jeweilige Kapitelthema bieten. Zudem wurden sämtliche in der Vorauflage veröffentlichten Dokumente einer erneuten Korrektur unterzogen und einem mit den neu eingebrachten Texten abgestimmten, weithin einheitlichen Layout zugeführt, das die Orientierung im Buch wesentlich erleichtert. Ergänzend werden ein ausführliches Literaturverzeichnis und Register beigefügt, die die Benutzbarkeit des Bandes deutlich erhöhen. Außerdem wird die Neuausgabe als eBook angeboten, so dass durch die differenzierten Such- und Zitatfunktionen dieses Mediums ein weitaus größerer Benutzerkreis angesprochen wird als bisher. Die Beigabe von größtenteils historischen Aufnahmen von handelnden Personen und Handlungsorten dient der geschichtlichanschaulichen „Verortung“ des Quellenmaterials. Die Herausgeber übernehmen so einerseits die Zielsetzung der ersten Auflage und sind wiederum überzeugt, auch mit der neuen, erweiterten Ausgabe des „Quellenbandes“ eine „wichtige Informationslücke“ zu schließen. Der „Quellenband“ wird in dieser aktuellen, thematisch ausgeweiteten und neu gestalteten Fassung ein unentbehrliches Hilfsmittel zur Erschließung der Geschichte konfessionell bestimmter, staatsfreier lutherischer Kirchen werden, wie sie im 19. Jahrhundert entstanden. Andererseits leistet dieser Band einen wesentlichen Beitrag zur differenzierten Wahrnehmung eines modernen Kirchentypus mit betont konkordienlutherischer Ausrichtung, diesseits des mit dem Ende des deutschen Kaiserreichs
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Um die Kompatibilität mit der ersten Ausgabe zu gewährleisten, wird die Durchnummerierung der Texte in jener Ausgabe jetzt in eckigen Klammern angegeben.
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Einleitung
und der Weimarer Reichsverfassung an ein gewisses Ende gekommenen Staatskirchentums in Deutschland. Frau Prof. Dr. Irene Dingel vom Institut für europäische Geschichte in Mainz hat die Entstehung des Bandes durch kundige und hilfreiche Vorschläge an uns Herausgeber begleitet. Sie erstellt ein Gutachten für den Förderungsfonds der Verwertungsgesellschaft Wort, die die Drucklegung durch einen namhaften Zuschuss ermöglichte. Zu danken ist auch der Kirchenleitung der Selbständigen EvangelischLutherischen Kirche, die gleichfalls Druckkostenzuschüsse gewährte, außerdem Frau Tanja Constien und Frau Andrea Parrandier, die als bewährte Mitarbeiterinnen maßgeblich zum Abschluss der Arbeiten beigetragen haben. Oberursel, 02.07.2010 Prof. Dr. Werner Klän / Prof. Dr. Gilberto da Silva
I.
Die Evangelisch-lutherische (altlutherische) Kirche
Gilberto da Silva Einführung Die im 19. Jahrhundert herrschenden Mentalitäten begünstigten die Idee einer Union der seit der Reformation getrennten evangelischen – lutherischen und reformierten – Kirchen in den deutschen Territorien. Die Aufklärung hatte zu einer Säkularisierung von Staat und Gesellschaft geführt, die die Rationalität als Grundprinzip von Geisteshaltung und Lebensgestaltung stellte. Diese Rationalität pochte auf eine Neugestaltung veralteter Strukturen und Institutionen, die auch Kirche und Religion betraf. Dazu gehörte das Plädoyer für eine „rationale“ Religion als Menschheits- oder Kulturreligion, in der das Dogma keinen Platz mehr haben und die Praxisorientierung ihren Sinn machen sollte. Darin verloren zwangsweise die innerevangelischen konfessionellen Unterschiede ihre Bedeutung. Diese „rationale“ Geisteshaltung wurde durch eine „emotionale“ ergänzt, die vom Pietismus auf die Tagesordnung gebracht wurde. Dieser erstrebte eine Frömmigkeitserneuerung durch Verinnerlichung und Individualisierung, in der der persönliche Glaube und das eigene fromme Gefühl wichtiger als Kirche und Konfession waren. Hier wurde der Akzent auf das gläubige Leben statt auf die theologische Lehre gesetzt, wobei in der Betonung der Praxisorientierung Pietismus und Aufklärung eine bedeutende Schnittmenge vorzuweisen hatten und mit der zunehmenden Technisierung des Lebens dieser Zeit in Einklang standen. Im Königreich Preußen spielten neben den herrschenden Mentalitäten weitere Faktoren eine wichtige Rolle bezüglich der Unionsidee. Auf der theologischen Ebene ist Friedrich Schleiermacher (1768–1834) von zentraler Bedeutung. Indem er das Wesen der Religion als Anschauung und Gefühl bzw. als unmittelbares Erleben des Unendlichen beschrieb, machte Schleiermacher den individuell-existentiellen Glauben zum Kriterium für die Wahrheit der biblischen und dogmatischkonfessionellen Lehren und stand so am Schnittpunkt von Aufklärung und Pietismus. Demgemäß erkannte Schleiermachers Glaubenslehre in den innerevangelischen Lehrunterschieden keine für die (evangelische) Konfession konstitutive Relevanz mehr. Im Zuge dessen verlangte diese Glaubenslehre, die durch ihr „evangelisches“ Gepräge nur noch die Wesensdifferenz zwischen evangelischem Glauben und römischem Katholizismus anerkannte, Konsequenzen für die Kirchenstruktur, nämlich die Luthertum und Reformiertentum in einer „Synthese“ überwindende Konsensunion. Auf der politischen Ebene hatte der preußische Staat durchaus Interesse an einer innerevangelischen Union. Eine Vereinigung der evangelischen Kirchen würde auf der einen Seite Einsparungen im Haushalt bringen, denn man hätte damit nicht mehr zwei, sondern nur eine Kirchenstruktur zu unterhalten. Auf
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Die Evangelisch-lutherische (altlutherische) Kirche
der anderen Seite würde aus der Sicht des Staates eine solche Union eine politische Zentralisierung und eine Vereinigung der Kräfte nach dem 1806 verlorenen Krieg gegen Frankreich bringen. In diesem Zusammenhang spielte das Selbstverständnis des preußischen Staates als Mittel im Kampf des Reiches der Wahrheit und Gerechtigkeit gegen das Reich der Lüge und Finsternis, eine nahezu transzendente Vorstellung des Staates als Stätte der Wirksamkeit für Menschenbildung und intellektuelle Kultur eine zentrale Rolle. Außerdem würde eine evangelische Union die Administration des Schulwesens und die Versorgung der Gemeinden um Einiges vereinfachen. Zu diesen „politischen“ Gründen kam das Interesse des seit 1613 reformierten Herrscherhauses, eine Lösung für die nach wie vor mehrheitlich lutherische Landeskirche herbeizuführen. In dieser Hinsicht strebte Friedrich Wilhelm III. (*1770, 1797–1840) von Anfang an eine Union von Lutheranern und Reformierten an. Für ihn waren die symbolischen Bücher der beiden evangelischen Konfessionen nur Dokumente religiöser Meinung früherer Jahrhunderte, wobei er in Übereinstimmung mit den herrschenden Mentalitäten der „wahren Religion des Herzens“ den Vorrang gab. Die ersten Reformen im Sinne einer Vereinigung der evangelischen Kirchen in Preußen fanden bereits 1809 mit der Einrichtung einer gemeinsamen Prüfungskommission für lutherische und reformierte Kandidaten der Theologie statt. Ein weiterer Schritt in diese Richtung wurde 1813 mit der Ordinationsverpflichtung nur auf die Heilige Schrift – ohne die Bindung an die jeweiligen symbolischen Bücher der Konfessionen – beschlossen. Die entscheidenden Ereignisse nahmen jedoch erst ab 1817 ihren Lauf. Friedrich Wilhelm III. nahm die bevorstehenden Feierlichkeiten zum 300. Jubiläum der Reformation zum Anlass, den beiden evangelischen Kirchen in Preußen die Union „aus der Freiheit eigener Überzeugung“ nahe zu legen und sie in der Hof- und Garnisonsgemeinde zu Potsdam zu verwirklichen (Dok. 1). Viele Gemeinden folgten dem Aufruf des Königs und veranstalteten gemeinsame Abendmahlsfeiern von Lutheranern und Reformierten, kehrten aber kurz danach zur traditionellen Trennung zurück. Parallel zu diesen eher administrativen Maßnahmen versuchte der König, die Union auf dem liturgischen Wege voranzutreiben. Die 1821/22 erschienene „Liturgie zum Hauptgottesdienste an Sonnund Feiertagen und zur Abendmahlsfeier für die Hof- und Domkirche zu Berlin“ war eine Umarbeitung einer Agende, die der König selbst 1816 für die Garnisonskirche in Potsdam erarbeitet hatte. Die königliche Agende bedeutete auf der einen Seite einen Vorstoß gegen den herrschenden Rationalismus unter der Pfarrerschaft, die sich bereits von einer liturgischen „Enge“ verabschiedet hatte. Der König bemühte sich um eine größere Feierlichkeit des Gottesdienstes: (Wieder-)Einführung des Talars, des Chorgesangs, von Kruzifixen und Kerzen auf den Altären unter anderem. Auf der anderen Seite spiegelte die Agende den Zeitgeist wider, indem sie die liturgische Vereinigung von lutherischem und reformiertem Gottesdienst versuchte. Ein Beispiel dafür war die vorgesehene Darreichung des Abendmahls unter Verwendung einer Berichtsformel: „Christus, unser Herr, sprach: Nehmet hin und
Einführung
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esset, das ist mein Leib ... Christus, unser Herr, sprach: Nehmet hin und trinket, das ist ...“ Damit sollten sich sowohl Lutheraner als auch Reformierte mit ihren unterschiedlichen Auffassungen wieder finden.
Johann Gottfried Scheibel, *1783, †1843, Professor der Theologie in Breslau seit 1811, Diakonus an St. Elisabeth in Breslau seit 1817, Suspension wegen seines Widerstandes gegen die Einführung der Union 1830, aus Preußen ausgewiesen 1832, im Exil in Sachsen 1832–1839, im Exil in Nürnberg, 1839–1843.
Das Unionsvorhaben des Königs blieb nicht ohne Opposition. Der Breslauer Theologieprofessor und Diakonus an St. Elisabeth, Johann Gottfried Scheibel (1783– 1843), der bereits 1817 Aufmerksamkeit auf sich zog, indem er als einziger unter den Theologieprofessoren an der unierten Abendmahlsfeier nicht teilnahm, lehnte die neue Agende strikt ab (Dok. 2). Geboren in einem lutherisch geprägten Haus, bewegte sich Scheibel zunächst im Rahmen des starken konfessionellen Bewusstseins der lutherischen Kirche in Schlesien, das bis 1740 unter habsburgischer Herrschaft stand und unter Rekatholisierungsmaßnahmen litt. Mentalitätengeschichtlich gesehen spielten Aufklärung und Pietismus in Schlesien eine geringere Rolle als im übrigen Preußen. Bei seinem Theologiestudium in Halle ab 1801 bemühte sich Scheibel um biblische Fundierung und geschichtliches Denken. Nach einer Glaubenskrise während des Studiums kam er zurück zur biblischen Wahrheit, die er später in den Lehren der lutherischen Bekenntnisschriften treu wiedergegeben sah. Dabei wurde die lutherische Abendmahlslehre zum Zentrum seiner Theologie. Als Diakonus in Breslau sammelte er eine Art „Personalgemeinde“ um sich, die seine Predigten schätzte und für eine Erweckung in der Gemeinde und Umgebung sorgte. Im Jahr 1811 wurde Scheibel außerordentlicher, 1818 ordentlicher Theologieprofessor an der Breslauer Universität. Dabei wehrte er sich immer wieder gegen die herrschende rationalistische Theologie. Seine deutliche Absage an die königliche Agende ließ sich von zwei Prinzipien leiten: 1) Der Zusammenhang von Gottesdienst, Bekenntnis und Kirche ist unauflöslich. Das bedeutet, dass eine lutherische Gemeinde nur eine lutherische Agende, die bei der Abendmahlsliturgie die Realpräsenz von Christi Leib und Blut deutlich bezeugt, verwenden kann. 2) Das ius
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Die Evangelisch-lutherische (altlutherische) Kirche
liturgicum des Königs in dieser Angelegenheit ist fraglich, da er dabei in die Zuständigkeit der Gemeinden eingreift und, noch problematischer, als reformiertes Kirchenoberhaupt liturgische Änderungen für die lutherische Kirche diktiert.
Georg Philipp Eduard Huschke, *1801, †1886, Professor der Rechte 1824–1827 in Rostock, seit 1827 in Breslau, Doktor der Theologie, erster Direktor des Oberkirchenkollegiums der Evangelisch-lutherischen Kirche in Preußen 1841–1886.
Ungeachtet der zum Teil heftigen Opposition, fuhr Friedrich Wilhelm III. mit seinen Plänen fort und führte die Union 1830 endgültig ein (Dok. 3, 4). Daraufhin sammelte sich um Scheibel, den Juristen Georg Philipp Eduard Huschke (1801–1886) und den Naturphilosophen Henrich Steffens (1773–1845) eine immer größer werdende Gruppe von konfessionellen Lutheranern, die den Übertritt zur preußischen Union nicht vollziehen wollten. Die preußische Regierung antwortete zunächst mit der Amtssuspendierung Scheibels, dann mit der Exilierung (1832). In dieser Zeit ersuchte die konfessionell-lutherische Gruppe in Breslau, anhand wiederholter Bittschriften (Dok. 5–9) die Wiederherstellung der Rechte der lutherischen Kirche in Preußen. Der König nahm die Sache jedoch zunehmend persönlich und antwortete den Breslauern schroff und abschlägig (Dok. 10). Auch ein nächster Versuch der Lutheraner blieb erfolglos (Dok. 11). Es begann eine harte Verfolgungszeit für die konfessionell-lutherische Opposition, die mit Zwangsgeldern, Pfändungen und Verhaftungen immer wieder bestraft wurde.
Einführung
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Hönigern, Kirche, erbaut 1787, auf Befehl der polnischen Regierung abgerissen 1956, bis zur Dragonade von Hönigern am 24.12.1834 evangelisch-lutherisch, danach evangelischuniert, Aufnahme: 1934.
Tiefpunkt der Auseinandersetzungen waren die Ereignisse im Dorf Hönigern am Heiligabend des Jahres 1834: Da die konfessionell-lutherisch gesinnten Gemeindeglieder sich zusammen mit ihrem Pfarrer Eduard Gustav Kellner (1801–1878) weigerten, dem unierten Superintendenten die Dorfkirche aufzuschließen, reagierte die preußische Regierung mit der Entsendung des Militärs mit 400 Mann Infanterie, 80 Reitern und 2 Kanonen. Die Soldaten nahmen die Kirche mittels Kolbenschlägen und Verprügelungen in Besitz und legten die unierte Agende demonstrativ auf den Altar. Diese groteske Episode zeigt, wie empfindlich Friedrich Wilhelm III. und seine Regierung gegen die konfessionell-lutherische Opposition in Schlesien inzwischen geworden waren und sorgte für Aufsehen und Empörung in Preußen und im Ausland.
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Eduard Gustav Kellner, *1802, †1878, Pfarrer in Hönigern 1826–1834, wegen Widerstandes gegen Einführung der Union von 1834 bis 1838 in Haft, Bedienung lutherischer Gemeinden in ganz Preußen im Untergrund 1839–1841, Pfarrer in Schwirz seit 1841.
Der Beginn einer Wende kam mit dem Regierungsantritt Friedrich Wilhelms IV. (1795–1861) 1840. Der neue Monarch, dem bereits in seiner Zeit als Kronprinz das Vorgehen seines Vaters und dessen Minister missfiel, verfügte bereits im August desselben Jahres die Freilassung inhaftierter Pfarrer und erlaubte ihre Amtsausübung in den Gemeinden. Im Ganzen gewährte der neue König den konfessionellen Lutheranern eine Duldung. Die neue Situation ermöglichte es den konfessionellen Lutheranern, ihre kirchliche Organisation in Angriff zu nehmen, wodurch die definitive Bildung einer Freikirche lutherischen Bekenntnisses ihren Lauf nahm (Dok. 12–15). Dabei kamen vor allem konsistoriale und synodale Züge zum Tragen. Verhandlungen mit dem Staat führten zu einer ausführlichen Darstellung des konfessionell-lutherischen Anliegens, die Voraussetzung für eine mögliche staatliche Anerkennung sein sollte (Dok. 16). Der preußische Staat gewährte den konfessionellen Lutheranern mittels einer Generalkonzession schließlich eine, wenn auch stark eingeschränkte, Anerkennung (Dok. 17). Diese wurde im Jahr 1847 durch einen Zirkularerlass der Minister des Kultus, der Justiz und des Innern, die so genannte „Spezialkonzession“, mit Anerkennung der einzelnen, namentlich erwähnten Gemeinden und Geistlichen lediglich präzisiert (Dok. 18). Aufgrund dessen sah 1 sich die Evangelisch-lutherische Kirche in Preußen – denn dies waren die „Altlutheraner“ nach ihrem Selbstverständnis – genötigt, immer wieder um die uneingeschränkte Anerkennung ihrer kirchlichen Stellung bei den Staatsbehörden nachzu1
So die beanspruchte, aber staatlicherseits nicht anerkannte Bezeichnung seit ihrer Entstehung. Aufgrund der historisch bedingten besonderen Situation Preußens wurde der Kirchenname mehrmals geändert: zur Zeit der Gründung hieß sie „Evangelisch-lutherische Kirche in Preußen“, seit 1933 „Evangelisch-lutherische Kirche Altpreußens“, nach dem Zweiten Weltkrieg „Evangelischlutherische Kirche im früheren Altpreußen“ und seit 1954 „Evangelisch-lutherische (altlutherische) Kirche“.
Einführung
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suchen (Dok. 19). Aber erst 1908 konnte sie als Kirche und für ihre Gemeinden Korporationsrechte erlangen (Dok. 20–22). Schließlich knapp 100 Jahre nach ihrer Entstehung erhielt die Altlutherische Kirche die Rechte einer Körperschaft des öffentlichen Rechts (Dok. 23). Die Auseinandersetzungen um das lutherische Bekenntnis führten auch innerhalb der unierten preußischen Landeskirche zu einem Erwachen der konfessionellen Frage. Im Zuge dessen kam es in den vierziger Jahren des 19. Jahrhunderts zum Anschluss einer „zweiten Generation“ konfessionell-lutherischer Pfarrer an die Evangelisch-lutherische Kirche in Preußen, nachdem eine Klärung des Bekenntnisstandes in der Union nicht hatte herbeigeführt werden können (Dok. 24). Julius Nagel, Julius Diedrich, Wilhelm Friedrich Besser, Hermann Alexander Pistorius waren die führenden Köpfe dieser Gruppe. Es entzündete sich jedoch bald ein heftiger Streit zwischen dieser Gruppe, insbesondere darin Diedrich, und dem unter der Führung Huschkes stehenden Oberkirchenkollegium in Breslau um die Fragen von Kirchenamt, -regiment und -ordnung. Die Auseinandersetzung führte zur Trennung von Pfarrern und Gemeinden und Gründung der „Immanuelsynode“ (s. Kap. II). Die Ereignisse des Jahres 1866 mit der „Ausdehnung“ des preußischen Staates brachten eine teils faktische, teils rechtliche Einführung der Union in den bis dahin lutherischen Landeskirchen der nun preußischen Provinzen. Dies nötigte die preußischen konfessionellen Lutheraner zu einer Überprüfung ihrer Stellung zu den lutherischen „Provinzialkirchen“ (Dok. 25). Dazu wurden Grundsätze für die Beurteilung des Bekenntnisstandes der Landeskirchen entwickelt (Dok. 26), die den Umgang der Evangelisch-lutherischen Kirche in Preußen unter der Leitung des Oberkirchenkollegiums mit jenen Kirchen orientieren sollten. Die weitere Entwicklung in den Landeskirchen führte aber dazu, dass diese Grundsätze später (1878) präzisiert und an konkreten Beispielen bezüglich der Aufhebung von Kirchengemeinschaft angewendet werden mussten (Dok. 27). Nicht nur das Verhältnis zu den (lutherischen) Landeskirchen musste geklärt werden, sondern auch das Verhältnis zu den sich in anderen deutschen Territorien bildenden selbstständigen lutherischen Kirchen. Auch hier spielte der Bekenntnisstand die entscheidende Rolle (Dok. 28). Ein Beispiel für die Auswirkungen dieses „Klärungsprozesses“ ist die Suspension der Kirchengemeinschaft mit der Hannoverschen Landeskirche (Dok. 29). Das gemeinsame konfessionell-lutherische Anliegen legte die Bemühung um die Einigung mit den anderen deutschen selbstständigen lutherischen Kirchen, einschließlich der Immanuelsynode, nahe und wurde durch eine synodale Stellungnahme bekräftigt (Dok. 30). Aus diesen Bemühungen ging der Vorschlag zur Bildung eines gemeinsamen Delegiertenkonvents selbstständiger lutherischer Kirchen hervor (Dok. 31). Diese neue Lage am Anfang des 20. Jahrhunderts führte zu weiteren Klärungen bezüglich des Verhältnisses zu den Landeskirchen auf der einen und zu den selbstständigen lutherischen Kirchen auf der anderen Seite (Dok. 32). Ein Beispiel für diese Klärung ist die eindeutige Entscheidung zugunsten der
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Hannoverschen evangelisch-lutherischen Freikirchen (Dok. 33). Somit definierte die Evangelisch-lutherische Kirche in Preußen ihren Platz in der kirchlichen Landschaft Deutschlands und arbeitete nach der Katastrophe des Zweiten Weltkriegs zusammen mit den anderen selbstständigen lutherischen Kirchen mit dem Ziel eines Zusammenschlusses (s. Kap. XII), der 1972 in Westdeutschland (BRD) mit der Gründung der Selbständigen Evangelisch-Lutherischen Kirche (SELK) verwirklicht wurde. In der ehemaligen Deutschen Demokratischen Republik (DDR) ist die Entwicklung nach dem Zweiten Weltkrieg eine andere gewesen. Angesichts der Schwierigkeit, eine gemeinsame Kirchenleitung für Ost und West nach der innerdeutschen Grenzziehung aufrechtzuerhalten, hat sich die Evangelisch-lutherische (altlutherische) Kirche in den 1950er Jahren administrativ neu formiert, faktisch mit je einer selbstständigen Kirche in der Bundesrepublik und in der DDR. Im sozialistischen Staat (Dok. 34) kam es aber 1972 nicht zum kirchlichen Zusammenschluss. Stattdessen bildeten die dort vorhandene „altlutherische“ und Evangelisch-Lutherische Freikirche (s. Kap. IV) lediglich eine lose „Vereinigung selbständiger ev.-luth. Kirchen in der DDR“ (VselK). Die wachsende Entfremdung zwischen den beiden Kirchenkörpern in der DDR führte schließlich zum Bruch mit der Aufhebung der Kirchengemeinschaft im Jahre 1984 (Dok. 35).
1.
Kabinettsordre Friedrich Wilhelm III. vom 27.9.1817 *
Schon Meine, in Gott ruhende erleuchtete, Vorfahren, der Kurfürst Johann Sigismund, der Kurfürst Georg Wilhelm, der große Kurfürst, König Friedrich I. und König Friedrich Wilhelm I. haben, wie die Geschichte ihrer Regierung und ihres Lebens beweiset, mit frommem Ernst es sich angelegen sein lassen, die beiden getrennten protestantischen Kirchen, die reformirte und lutherische, zu Einer evangelisch christlichen in Ihrem Lande zu vereinigen. Ihr Andenken und Ihre heilsame Absicht ehrend, schließe Ich Mich gerne an Sie an, und wünsche ein Gott gefälliges Werk, welches in dem damaligen unglücklichen Sekten-Geiste unüberwindliche Schwierigkeiten fand, unter dem Einflusse eines besseren Geistes, welcher das Außerwesentliche beseitigt und die Hauptsache im Christenthum, worin beide Confessionen Eins sind, festhält, zur Ehre Gottes und zum Heil der christlichen Kirche, in Meinen Staaten zu Stande gebracht und bei der bevorstehenden Säcular-Feier der Reformation damit den Anfang gemacht zu sehen! Eine solche wahrhaft religiöse Vereinigung der beiden, nur noch durch äußere Unterschiede getrennten, protestantischen Kirchen ist den großen Zwecken des Christenthums gemäß; sie entspricht den ersten Absichten der Reformatoren; sie liegt im Geiste des Protestantismus; sie befördert den kirchlichen Sinn; sie ist heilsam der häuslichen Frömmigkeit; sie wird die Quelle vieler nützlichen, oft nur durch den Unterschied der Confession bisher gehemmten Verbesserungen in Kirchen und Schulen. Dieser heilsamen, schon so lange und auch jetzt wieder so laut gewünschten und so oft vergeblich versuchten Vereinigung, in welcher die reformirte Kirche nicht zur lutherischen und diese nicht zu jener übergehet, sondern beide Eine neubelebte, evangelische christliche Kirche im Geiste ihres heiligen Stifters werden, steht kein in der Natur der Sache liegendes Hinderniß mehr entgegen, sobald beide Theile nur ernstlich und redlich in wahrhaft christlichem Sinne sie wollen, und von diesem erzeugt, würde sie würdig den Dank aussprechen, welchen wir der göttlichen Vorsehung für den unschätzbaren Segen der Reformation schuldig sind, und das Andenken ihrer großen Stifter, in der Fortsetzung ihres unsterblichen Werks, durch die That ehren. Aber so sehr Ich wünschen muß, daß die reformirte und lutherische Kirche in Meinen Staaten diese Meine wohlgeprüfte Ueberzeugung mit mir theilen möge, so weit bin Ich, ihre Rechte und Freiheit achtend, davon entfernt, sie aufdringen und in dieser Angelegenheit etwas verfügen und bestimmen zu wollen. Auch hat diese Union nur dann einen wahren Werth, wenn weder Ueberredung noch Indifferentismus an ihr Theil haben, wenn sie aus der Freiheit eigener Ueberzeugung rein hervorgeht, und sie nicht nur eine Vereinigung in der äußeren Form ist, sondern in *
Hermann Theodor Wangemann, Sieben Bücher Preußischer Kirchengeschichte. Eine aktenmäßige Darstellung des Kampfes um die lutherische Kirche im XIX. Jahrhundert 1, Berlin 1859, 28–30.
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der Einigkeit der Herzen, nach ächt biblischen Grundsätzen, ihre Wurzeln und Lebenskräfte hat. So wie Ich Selbst in diesem Geiste das bevorstehende Säcularfest der Reformation, in der Vereinigung der bisherigen reformirten und lutherischen Hof- und Garnison-Gemeinde zu Potsdam zu Einer evangelisch christlichen Gemeine feiern, und mit derselben das h. Abendmahl genießen werde: so hoffe Ich, daß dies Mein Eigenes Beispiel wohlthuend auf alle protestantischen Gemeinen in Meinem Lande wirken, und eine allgemeine Nachfolge im Geiste und in der Wahrheit finden möge. Der weisen Leitung der Consistorien, dem frommen Eifer der Geistlichen und ihrer Synoden überlasse Ich die äußere übereinstimmende Form der Vereinigung, überzeugt, daß die Gemeinen in ächt christlichem Sinne dem gerne folgen werden, und daß überall, wo der Blick nur ernst und aufrichtig, ohne alle unlautere NebenAbsichten auf das Wesentliche und die große heilige Sache selbst gerichtet ist, auch leicht die Form sich finden, und so das Aeußere aus dem Innern, einfach, würdevoll, und wahr von selbst hervorgehen wird. Möchte der verheißene Zeitpunkt nicht mehr ferne sein, wo unter Einem gemeinschaftlichen Hirten Alles in Einem Glauben, in Einer Liebe und in Einer Hoffnung sich zu Einer Heerde bilden wird! Potsdam, den 27. Septbr. 1817. Friedrich Wilhelm. An die Consistorien, Synoden und Superintendenturen.
2.
Bittschrift Johann Gottfried Scheibels an den König vom 3.6.1830*
Allerdurchlauchtigster, Großmächtigster König, Allergnädigster König und Herr! Zu den Füßen Ewr. Majestät wagt Einer Ihrer geringen, aber treuen Knechte die tiefgefühlteste Bitte seines Herzens zu legen. Die lutherische Gemeine, deren Lehrer und Seelsorger ich bin, legt an das Herz ihres theuren Landesvaters, dem sie freudig ihr Gut und ihr Leben opfert, die hochheilige Sache ihres Glaubens. Ihr Gewissen erlaubt ihr nimmer, irgend Etwas in ihrem Gottesdienste zu gebrauchen, was irgend wie zu einer Union hinleiten könne. Einem Schwanken, wie es sich in 40facher Abendmahls-Gebets-Form der neuen Agende zeigt, ist ihr im Heiligsten des Glaubens unmöglich beizupflichten. Darum hofft sie vor den Augen Jesu vertrauungsvoll auf die Gerechtigkeit und Huld Ewr. Majestät, daß Höchst Dieselben ihr, wie bisher, die Stätte und die Art und Weise ihres stillen Gottesdienstes nach ihrer Wittenberger Agende gewähren, wie die *
Johann Gottfried Scheibel, Actenmäßige Geschichte der neuesten Unternehmung einer Union zwischen der reformirten und lutherischen Kirche vorzüglich durch gemeinschaftliche Agende in Deutschland und besonders in dem preußischen Staate. Zweiter Theil, enthaltend hundert und zwei und dreißig Acten-Stücke, Leipzig 1834, 36f.
Kabinettsordre vom 4.4.1830 an v. Altenstein
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Brüdergemeine, Mennoniten, Israeliten erfahren. Und darf der treue Knecht, der mit Gott wagen kann, zu seinem Könige freudig aufzublicken, noch Eine Bitte hinzufügen: Darf ich selbst vor Erw. Majestät, da unsre Stadt mit Höchst Dero Gegenwart beglückt ist, noch persönlich äußern, was unvollkommene Zeilen nur kurz andeuten konnten? Könnte ich vor Dero Antlitz die Noth unsrer Kirche bezeugen? Gott wird das Herz des Vaters zu seinen Kindern stets lenken. Mit dieser unerschütterlichen Hoffnung ersterbe ich in tiefster Ehrfurcht Ewr. Königlichen Majestät allerunterthänigster D. J. G. Scheibel, ord. öffentl. Prof. an der Universität und Diakon an der Elisabeth-Kirche. Breslau, d. 3. Juni, 1830.
3.
Kabinettsordre vom 4.4.1830 an v. Altenstein*
Die dritte Säkularfeier des Tages, an welchem die Uebergabe der Augsburgischen Confession erfolgte, wird bei dem hohen Werthe, den dieses Glaubensbekenntnis, das nächst der heiligen Schrift als die Hauptgrundlage der evangelischen Kirche anzusehen ist, behauptet, und wegen des bedeutsamen Einflusses dieser symbolischen Schrift auf die innere und äußere Befestigung derselben, für die evangelischen Glaubens-Genossen in diesem Jahre eine willkommene Veranlassung herbeiführen, zur dankbaren Freude über die ihnen bisher erhaltenen Segnungen der evangelischen Lehre sich zu vereinigen und Gott dafür die Opfer ihrer Ehrfurcht und Anbetung darzubringen. Ich habe daher beschlossen, daß dieser Tag (der 25. Juni), so wie im Jahre 1730 (oder den nachfolgenden Sonntag), in allen evangelischen Kirchen des Landes gottesdienstlich begangen werden soll. Möchte dies Erinnerungsfest der Uebergabe, dieses auf die heilige Schrift und die in ihr geoffenbarten Heilswahrheiten gegründeten Zeugnisses von dem Glauben der evangelischen Christen, das sich nach drei Jahrhunderten noch eben so bewährt gezeigt und zeigen wird, als damals, und zu dessen Geist auch Ich Mich von Herzen bekenne, dazu beitragen, in der evangelischen Kirche die ächte Glaubenstreue immer mehr zu befestigen und zu beleben, unter ihren Gliedern die Einigkeit im Geiste zu befördern und bei allen Meinen evangelischen Unterthanen neue Entschließungen der wahren Gottesfurcht, der christlichen Liebe und Duldsamkeit zu vermitteln und anzuregen. Was wegen dieser Säkularfeier im Einzelnen noch anzuordnen sei, darüber will Ich Ihre gutachtlichen Vorschläge erwarten, bemerke aber, daß es Mir angemessen erscheint, an dieses erfreuliche Ereigniß die weiteren Schritte zu knüpfen, durch welche das heilsame Werk der Union, für das sich seit so lange die *
Hermann Theodor Wangemann, Sieben Bücher Preußischer Kirchengeschichte. Eine aktenmäßige Darstellung des Kampfes um die lutherische Kirche im XIX. Jahrhundert 1, Berlin 1859, 89.
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Stimmen so vieler Wohlgesinnten erhoben haben, und welches in der wichtigsten Beziehung hinreichend vorbereitet ist, im Geiste Meines Erlasses vom 27. September 1817 der Vollendung näher geführt werden kann. Ich sehe auch deßhalb Ihrem Berichte entgegen. Berlin, den 4. April 1830. (gez.) Friedrich Wilhelm. An den Staats-Minister-Frhrn. v. Altenstein.
4.
Erlass vom 30.4.1830*
Des Königs Majestät haben sich mit der Ansicht völlig einverstanden erklärt, daß die allgemeine Einführung der Agende auch zu den Fortschritten der Union wesentlich beitragen werde, und nur bei den Vorschlägen, welche Allerhöchst Dero Genehmigung untergelegt worden, vorausgesetzt, daß der Beitritt einer Gemeinde zur Union nicht so anzusehen sei, als ob er ihre äußerliche Verschmelzung mit einer andern Gemeinde desselben Orts zur nothwendigen Folge haben müsse, sondern daß eine solche Verbindung zweier unirter Gemeinden zu einer Parochie, wo sie wünschenswerth und ausführbar erscheint, durch freie Einwilligung und auf dem Wege besonderer Verhandlungen herbei geführt werden solle. Des Königs Majestät haben daher den geistlichen Minister ermächtigt, die General-Superintendenten, und beziehungsweise die geistlichen Behörden in den Provinzen, wo noch keine General-Superintendenten angestellt sind, mit Anweisung zu versehen, auf angemessene Weise dahin zu wirken, daß in den Gemeinden ihres Aufsichtskreises bei der Feier des heiligen Abendmahls das Brechen des Brotes, welches als der symbolische Ausdruck des Beitritts zur Union zu betrachten ist, ehemöglichst in Anwendung komme. Daß die General-Superintendenten ihr Augenmerk und ihren Einfluß auch dahin richten, daß das Aufgeben der den beiden evangelischen Konfessionen eigenthümlichen Unterscheidungsnamen von den Geistlichen und Gemeinden erfolge, dies ist ihnen, ohne jedoch eine bestimmte Formalität dafür vorzuschreiben, ebenfalls zu empfehlen, überhaupt aber für alles, was ihnen hierbei zur Aufgabe gestellt ist, auch die Mitwirkung der Provinzialbehörden in Anspruch zu nehmen. Was der geistliche Minister außerdem an leitenden Grundsätzen und Regeln für das Verfahren der Verwaltungsbehörden in dieser ganzen Angelegenheit, namentlich hinsichtlich der Anstellung der Geistlichen bei nicht unirten Gemeinden, und zur Beseitigung der Schwierigkeiten, welche der Reiz äußerlicher Interessen hier und da der Union entgegenstellen könnte, vorgeschlagen, haben des Königs Majestät angemessen gefunden, und den Minister autorisirt die gedachten Behörden demgemäß zu instruiren. *
Hermann Theodor Wangemann, Sieben Bücher Preußischer Kirchengeschichte. Eine aktenmäßige Darstellung des Kampfes um die lutherische Kirche im XIX. Jahrhundert 1, Berlin 1859, 90.
Erste Bittschrift der lutherischen Gemeinde Breslau vom 27.6.1830
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R. O. 30. April 30. Anm. 14. S. 330.
5.
Erste Bittschrift der lutherischen Gemeinde Breslau vom 27.6.1830*
Allerdurchlauchtigster, Großmächtigster König, Allergnädigster König und Herr! Breslau, den 27. Juni 1830. Ein Theil der lutherischen Gemeinde in Breslau bittet allerunterthänigst um die Fortdauer der Selbstständigkeit ihrer Kirche. Ew. Majestät erhabenem, durch die Gnade Gottes anvertrautem Throne, wagen wir Unterzeichnete in unserm Namen, und im Auftrage einer nicht unbedeutenden Anzahl von Stadt- und Landbewohnern, die sich wohl, da sie eines Sinnes ist, eine Gemeinde und zwar eine sehr betrübte und gedrängte nennen darf, uns in tiefster Demuth zu nähern und möge Gott das Herz des gerechtesten, des frömmsten Königs lenken, daß er unsere allerunterthänigste Bitte, unser zuversichtliches, auf Gott und den erhabenen Königlichen Sinn festbauendes Flehen erhöre. Wir und diejenigen, in deren Namen wir schreiben, Ew. Majestät treueste Unterthanen, sind dem lutherischen Glauben zugethan; nach mancherlei geist- und weltlichen Verirrungen sind viele von uns durch göttliche Gnade zum Glauben unsrer Väter zurückgekehrt, und haben Ruhe und Trost, Zuversicht zu Gott und Freudigkeit im Leben und Sterben in ihm gefunden. Treu unserm Gott sind wir der Obrigkeit unterthan, Ew. Majestät mit Leib und Seele unterworfen; freudig entschlossen, Gut und Leben dem theuren König und dem geliebten Vaterlande zu opfern, nehmen wir nicht an den politischen Verirrungen Theil, wie wir die religiösen von uns gewiesen haben. Die Zeit ist schwankend, Irrlehrer der gefährlichsten Art sind selbst in den Tempel des Herrn eingedrungen, und wir Hausväter, wir Unterthanen, verpflichtet, den festen Kern der göttlichen Lehre auf unsere Kinder als den höchsten Segen zu übertragen, blickten oft mit Kummer in eine traurige Zukunft. Zwar haben wir mit freudigem Erstaunen die Zeichen der Gnade begrüßt, die uns kund thaten, wie so viele Herzen bewegt und gerührt wurden, daß sie das Heil suchten, wo es zu finden ist. Wir aber, die wir das Glück hatten, durch treue Lehrer geleitet zu werden, erkannten zwar die gnadenreiche Fügung, traten in Bündniß mit den Brüdern, die Gott uns durch unerforschliche Wege, durch eine Lenkung der Gemüther, die nie durch äußere Veranstaltung erreicht werden kann, entgegenführte, aber es blieb uns nicht verborgen, daß jene neuerwachte Gesinnung sich mehr an das Gefühl, als an die bestimmte Lehre hielt. Diese aber ist uns heilig und wichtig, sie bildet, nach der Aeußerung der Apostel, die Gemeinde. Jetzt, in der Nähe des *
Johann Gottfried Scheibel, Actenmäßige Geschichte der neuesten Unternehmung einer Union zwischen der reformirten und lutherischen Kirche vorzüglich durch gemeinschaftliche Agende in Deutschland und besonders in dem preußischen Staate. Zweiter Theil, enthaltend hundert und zwei und dreißig Acten-Stücke, Leipzig 1834, 82–87.
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festlichen Tages, der der Erneuerung des Glaubens geweiht, der von uns allen gefeiert seyn würde in jedem häuslichen Kreise, auch wenn der fromme Sinn Ew. Majestät nicht die öffentliche Feierlichkeit geboten hätte, dürfen wir sagen: Wir begehren nichts Neues, wir halten uns fest an der Väter Lehre, und würden in Allem, was nicht Zeit und äußere Umstände damals geboten, ganz und gar das Bekenntniß jenes Tages als unser jetziges wiederholen. Gott hat uns treue Lehrer geschenkt, an die wir uns anschlossen; aus dieser durch seine Gnade gesegneten Vereinigung entsprang unser Gottesdienst, der von allem Schulgezänke entfernt, von allem fanatischen Eifer gereinigt, uns das Höchste und Heiligste war, wir fanden uns in jeder irdischen Arbeit gekräftigt, jeden irdischen Besitz durch ihn geadelt, jede irdische Liebe durch ihn geweiht. Er ist der unerschütterliche Grund unserer Treue gegen König und Vaterland. In seiner selbstständigen Eigenthümlichkeit ist er das feste Fundament, welches alle unsere irdischen Verhältnisse trägt. Das Gebäude, allergnädigster König! kann seinen eigenen Grund nicht tragen. Gebet und Gesang und Sakramente und Predigt drückten in unserm Gottesdienste, der die alte Sitte beibehielt, eine lebendige Einheit aus, und unsere Lehrer wußten aus den zerfallenen Liedern einer versunkenen Zeit, die wenigen nicht zu verdrängenden Blüthen zu unserer Erbauung zu sammeln. Der Unterricht wird unsern Kindern eine wahre Aufnahme in die Gemeinde, der Gottesdienst schließt sich in allen seinen Theilen dem Kinde auf und wird ihm eigen. Diesen unsern Gottesdienst, wie er sich, wenn auch an manchen Unbilden der Zeit leidend, dennoch an unsre Lehre und Glauben anschließt, wollen wir unsern Kindern und Kindeskindern überliefern, daß diese ihn ihren Nachkommen unverfälscht und mit Gottes Hülfe, durch immer gesteigerte Reinheit der Lehre geheiligt, bis zur Ankunft des Herrn bewahren. Wir leben der freudigen Zuversicht, daß er der gesegnete Stamm sein wird, an welchem sich alle zerstreuten Gemeinden vereinigen werden, wenn dann erst die Kirche des Herrn sichtbar wird auf der Erde. Wir wagten es ausführlich zu seyn in der unterthänigen Darlegung unsers Gottesdienstes und dessen Bedeutung; wir mußten es seyn. Gott verzeihe es denen, die das Dasein solcher Gemeinden in Ew. Majestät Landen verhehlten. Viele zerstreuten Glieder dieser Gemeinde, noch vor Kurzem die anerkannt herrschende im Lande, mögen treuer Lehrer entbehren, wie Gott sie uns schenkte. Auch würden mehrere ganze Pfarrgemeinden Schlesiens sich gern an uns anschließen, wenn wir sie von unsrer jetzigen allerunterthänigsten Bitte in Kenntniß gesetzt hätten. Jetzt, da wir es gewagt haben, in tiefster Demuth das Leben in der Gemeinde Ew. Majestät kund zu thun, dürfen wir frei bekennen, daß die Einführung der Agende das ganze gesegnete Dasein dieser Gemeinde mit der Vernichtung bedroht. Das Verhältniß unserer Lehre zur Agende müssen wir unsern treuen Lehrern darzustellen überlassen, und sie haben es in einem Aufsatze gethan, dessen Druck, obgleich er mit christlicher Freimüthigkeit Klarheit, Umsicht und Achtung für
Erste Bittschrift der lutherischen Gemeinde Breslau vom 27.6.1830
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bürgerliche Ordnung verband, dennoch durch die Censur verhindert wurde. Mit tiefem Kummer stehen wir so da, indem auch der Druck zweier, ohne allen fleischlichen Eifer gehaltenen Predigten untersagt worden ist, unsre Lehrer aller Mittel beraubt, die Mitglieder unserer Gemeinde in ihrem Glauben zu stärken, während den Vertheidigern der Union alle Wege offen stehen, die Herzen zu gewinnen, und wir würden es als eine hohe Gnade Ew. Majestät erkennen, wenn Allerhöchst Dieselben geruhen möchten, diesem Aufsatz und genannten Predigten, die wir beizulegen wagen, eine huldvolle Aufmerksamkeit zu widmen. Unser Abendmahlsritus wird zwar innerhalb der Agende als eine Ausnahme geduldet, aber als ein Vereinzeltes, ja als ein Fremdes sehen wir ihn in eine Liturgie hineingepflanzt, die nicht wie unsre alte, aus der innersten Mitte unserer Lehre, unseres Glaubens entsprungen ist. Es kann uns nicht beruhigen, daß alles, was der Lehre, in welcher wir unser Heil suchen, widerspricht, wenn auch noch so sorgfältig vermieden wird. Diese selbst, in ihrer eigenthümlichen Selbstständigkeit, in ihrer Herrlichkeit und Kraft muß entschieden hervortreten und den ganzen Gottesdienst durchdringen und beleben. Man hat die Hoffnung, daß der so in sich zersplitterte lutherische Gottesdienst, nachdem die innersten Elemente des eigenthümlichen Lebens zerstört sind, ganz aufhören und in der allgemeinen, der gewünschten Union verschwinden sollte, nicht verheimlicht, sondern vielmehr öffentlich ausgesprochen. Man betrachtet dasjenige, was uns ein fester unerschütterlicher, wesentlicher Theil unseres heiligen Glaubens ist, als ein Vorurtheil, welches, wenn es so vereinzelt angefochten wird, ohne daß es vertheidigt werden darf, bald unterliegen muß, und wahrlich diese Hoffnung derer, die auf die Vernichtung unserer Gemeinde arbeiten, ist keine leere. Die Zeit hat auf eine betrübende Weise dargethan, wie selten solche Lehrer sind, die ihrer Ueberzeugung alles zu opfern fähig sind. Ein Wechsel der Prediger würde höchst wahrscheinlich die Vernichtung der Gemeine herbeiführen. Das Gefühl, daß diese Gefahr uns droht, muß dem treuen Lehrer beständig vorschweben; je gewissenhafter er ist, desto dringender müssen seine Warnungen werden, und dieselben Gemeinden, die, wenn es ihnen vergönnt wäre, sich in natürlicher Trennung auf die ihnen angemessene Weise zu gestalten, in Liebe und Eintracht neben einander leben würden, werden sich jetzt wechselseitig mißtrauisch beobachten, und innerlich immer entschiedener scheiden. Wir dürfen nicht hoffen, daß die Mehrzahl unserer Nachkommen von gleichem christlichen Eifer durchdrungen seyn werde, die Zeit, die lockende Umgebung wirkt zu gewaltsam, die Meisten – wir müssen es leider voraussetzen, wie sorgfältig auch Unterricht und Erziehung entgegen zu wirken suchen – werden lau, viele kalt und gleichgültig seyn. Aus einer streng gesonderten Gemeinde herauszutreten, in eine von dieser getrennte hineinzutreten, scheut sich aber auch das laue, ja das erkältete Gemüth. So wird der feste Stand der Gemeinde sicher den Besseren, Gläubigeren erhalten und wir können mit Zuversicht die Zukunft betrachten. Gott weiß, daß wir einer jeden christlichen Gemeinde und also auch der neu sich bildenden evangeli-
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schen, Segen und Gedeihen wünschen, wir wissen wohl, daß die Wege zum Heil verborgen und mancherlei Art sind. In Liebe und herzlich christlichem Vertrauen begrüßen wir einen jeden Bruder in dem Heilande, der das ihm anvertraute Pfund treu bewahrt und an der Stufe des Erkennens, die Gott ihn erlangen ließ, mit nie ermüdendem Sinn festhält. Aber von so großen Gefahren umgeben, von einer solchen Unsicherheit bedroht, flehen wir Ew. Majestät in tiefster Demuth an: „Für jetzt uns unsere treuen Lehrer, Münster, 3ter Diac. zu St. Elisabeth, Scheibel, Doktor und Prof. der Theologie und 5ter Diak. zu St. Elisabeth, der schon vorläufig suspendirt ist, und Thiel, Prediger im Krankenhospital zu Allerheiligen, gegen welchen das Remotionsverfahren auch schon eingeleitet ist, zu lassen, und zu erlauben, daß sie uns auf die durch lange Zeiten begründete, durch Luthern selbst zum Theil eingeführte Weise des Gottesdienstes zu erbauen, fortfahren, für die Zukunft aber uns durch Anerkennung einer besondern, von der allgemeinen evangelischen getrennten, lutherischen, mit ihrer eigenthümlichen Verfassung versehenen und zur Anstellung von Lehrern ihres Sinnes berechtigten Kirche allergnädigst sicher zu stellen.“ Ja, wir sehen mit freudiger Zuversicht dem allergnädigsten Beschluß unsers huldreichsten Monarchen entgegen, der sich freuen wird, wenn er erfährt, daß unter so vielen Lauen es Einige giebt, denen ihr Glaube wirklich das Heiligste ist, und diesen gern gönnen wird, Gott auf ihre Weise zu verehren. Wir verharren fest auf die Huld unsers allergnädigsten Königs vertrauend in tiefster Demuth Ewr. Majestät allerunterthänigst und treu ergebene Diener und Unterthanen. Steffens, Prof., zur Zeit Rector. Huschke, Prof. v. Haugwitz, Oberlandes-Gerichts-Assessor. Mager, General-Landschaftssekretair. Grempler, Kaufmann. Kästner, Destillateur, auch Stadtverordneten-Stellvertreter und Armen-Schul-Vorsteher. Helling, Schlossermeister. Miedsam, Schneidermeister.
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Bornn, Tischlermeister. Willisch, Kürschnermeister. Schleicher, Gerichtsscholz in Herdain.
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Großmächtigster König! Allergnädigster König und Herr! Breslau, den 26sten Juli 1830. Ein Theil der evangelischen lutherischen Gemeinde hiesigen Orts wagt es, Ew. Majestät unterthänigst darauf aufmerksam zu machen, daß sie jetzt alles öffentlichen Gottesdienstes entbehren müsse: sie bitten deshalb um Wiedereinsetzung ihrer Prediger, und verwahren sich gegen falsche Vorstellungen, die von den Behörden ausgegangen seyn dürften. Zu den Stufen des Thrones Ewr. Majestät hinzuzutreten und dort ihre Klage auszusprechen, sehen sich die im Namen der hiesigen Christen evangelischlutherischer Confession Unterschriebenen, Ewr. Majestät getreueste Unterthanen, leider abermals genöthiget, um dort die Gerechtigkeit und Gewissensfreiheit zu finden, welche ihnen von den hiesigen Behörden versagt wird. Seitdem Ewr. Majestät wir unsere erste allerunterthänigste Bitte überreichten, hat das hiesige städtische Consistorium, angeblich auf Befehl der ProvinzialRegierung, nicht nur die einstweilige Suspension des Professor und Diakonus Scheibel auf unbestimmte Zeit verlängert, sondern auch auf gleiche Weise dem Prediger Thiel am Hospital Allerheiligen „Kanzel und Altar verschlossen“ und diese Verfügungen, ungeachtet der dagegen gemachten Vorstellung, daß ein solches Verfahren nach den bestehenden Gesetzen (vergl. Allgem. L. T. Thl. 2, Tit. 11. §. 532) nur wegen grober Excesse im Amte den Behörden gestattet ist, nicht wieder zurückgenommen. Auf diese Weise sieht sich durch eine schreiende Ungerechtigkeit wider göttliche und menschliche Gesetze eine große Anzahl hiesiger Christen, denen ihr Gewissen nicht erlaubt, durch Anschließung an die katholischen oder unirten Gottesdienste dieser Stadt ihre eigenthümliche Kirche und Gottesdienst aufzugeben, ihrer Seelsorger beraubt; sie können Gott nicht mehr in der Gemeinde anrufen, die trostreiche Ermahnung nicht mehr aus seinem Munde vernehmen, die *
Johann Gottfried Scheibel, Actenmäßige Geschichte der neuesten Unternehmung einer Union zwischen der reformirten und lutherischen Kirche vorzüglich durch gemeinschaftliche Agende in Deutschland und besonders in dem preußischen Staate. Zweiter Theil, enthaltend hundert und zwei und dreißig Acten-Stücke, Leipzig 1834, 95–104.
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Sakramente endlich nicht mehr gebrauchen, wodurch nach göttlicher Stiftung ihre Kinder in den Gnadenbund der Erlösung aufgenommen und sie selbst in der Kraft und Hoffnung des ewigen Lebens gestärkt werden sollen. Zwar ist der alte und verdiente Diaconus Münster nicht suspendirt, aber indem er die Sakramente mit den übrigen unirten Geistlichen, obschon auf lutherische Weise, verwaltet, so glauben wir zwar nicht annehmen zu müssen, daß er seine Ueberzeugung geändert habe, aber doch daraus Folgerungen wider die Selbstständigkeit unsrer Kirche besorgen zu dürfen und an den von ihm gehaltenen Gottesdiensten nicht Theil nehmen zu können. Auf die schwere Verantwortlichkeit hinzuweisen, welche in solchem Gewissensdruck liegt, steht uns nicht zu. Wohl aber können wir uns die Entziehung unserer heiligsten Güter nicht gutwillig gefallen lassen, sondern nehmen dahin unsere Zuflucht, wo noch immer der Bedrängte Trost und Hülfe fand, zu dem frommen und Gerechtigkeit liebenden Herzen unsers allergnädigsten Königs. Ew. Majestät bitten wir allerunterthänigst: „Höchstdieselben wollen gnädigst geruhen, die von dem hiesigen städtischen Consistorium ausgesprochene Suspension der genannten beiden Prediger aufzuheben und letztere bis dahin, daß die Fortdauer der lutherischen evangelischen Kirche in der früher erbetenen Art regulirt seyn wird, in der Ausübung ihres Amtes zu lassen.“ Diese unterthänigste Bitte wird um so dringender, als, nach einem nicht unwahrscheinlichen Gerücht, die hiesigen Behörden die Absicht hegen sollen, durch mögliche Verzögerung diese ganze Angelegenheit zu Schlafe zu bringen. Unwürdiges Verfahren (wenn man es wirklich beabsichtigt) in einer so heiligen Sache, und welches leicht die entgegengesetzten Folgen haben könnte! Denn wenn diese Aufhebung alles öffentlichen Gottesdienstes lange dauern sollte, so bliebe nichts übrig, als in Privatzusammenkünften das nicht zu entbehrende Gut zu suchen, zu denen die Behörden wieder, nach ihrer bis jetzt bewiesenen unduldsamen Stimmung zu urtheilen, ihre Einwilligung versagen würden. Geschähe dieses aber, und sehe sich so die Gemeinde, die bisher die angesehenste im Lande war, alles Gottesdienstes beraubt, so würden die Folgen schwer zu berechnen seyn, und wenigstens müßten die Unterzeichneten alle Verantwortlichkeit von sich weisen, wenn im Glauben wenig befestigte Gemüther sich zu Schritten hinreißen ließen, die wir von Grund des Herzens verabscheuen. Ein anderes Gerücht sagt, die hiesigen Behörden hätten Ewr. Majestät berichtet, daß eine Gemeinde, die den reinen lutherischen Gottesdienst sich erhalten wolle, entweder gar nicht existire, oder doch die Anzahl ihrer Mitglieder sehr unbedeutend sey. Zugleich sollen sie unsere Sache allerhöchsten Orts so vorgestellt haben, daß uns auch das letzte Mittel, Gewissensfreiheit zu erlangen, vereitelt wurde. Was das Erste betrifft, so ist es schwer zu begreifen, wie eine solche Behauptung gewagt werden kann, da man gar keine Untersuchung angestellt hat. Durch Unruhen hat sich freilich die Existenz einer Gemeinde nicht bekundet, weil ein solches Betragen ihrem Glauben schnurstracks, widersprechen würde. In stiller Festigkeit ist sie aber allerdings vorhanden, und schon die Unter-
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zeichneten würden im Stande seyn, unter ihrer Bekanntschaft gegen 500 (um die Zahl eher zu klein als zu groß anzugeben) zu ihr gehörige Mitglieder namhaft zu machen. Ist es aber den Behörden um offene Wahrheit zu thun, warum haben sie nicht amtlich erklärt: jedes Gemeinde-Glied, welches in dem unirten Gottesdienste nicht Beruhigung fände und deshalb in das große Ganze der unirten Kirche nicht treten, sondern zu einer selbstständigen lutherischen Gemeinde gehören wolle, dürfe und solle seinen Namen frei und offen angeben? (was zwar da nicht nöthig erscheint, wo kein Widerspruch sich zeigt, da aber allerdings erbeten werden muß, wo wie am hiesigen Orte derselbe sich so entschieden ausspricht). Warum halten sie nicht Anfrage bei den einzelnen Gemeindemitgliedern, wie es sonst bei viel unwichtigeren Angelegenheiten zu geschehen pflegt? Sicherlich würden sie dann von ihrem Irrthum zurückkommen. Wenn aber von Sachen des Glaubens die Rede ist, so versteht es sich, daß unter einer Gemeinde, nicht die durch ein Kirchengebäude – und die daran geknüpften Parochialrechte, sondern die durch Einheit des Glaubensbekenntnisses und Gottesdienstes Vereinigten zu denken sind, was leider von vielen Dienern Ewr. Majestät auch nicht so berücksichtigt zu werden scheint, wie man es in einem protestantischen Staate und nach dem vorleuchtenden Beispiele Ewr. Majestät Selbst erwarten sollte. – Denn wohl ist uns zu unsrer großen Freude jüngst zu Ohren gekommen, wie Ewr. Majestät sogar in einer minder wichtigen Sache, nämlich bei dem Streite über ein neu einzuführendes Gesangbuch, nicht wie die Behörden wollten, die äußerliche Kirche, für die doch kein Heiland gestorben ist, sondern die jetzt wirklich vorhandene Gemeinde der Gläubigen, die ihren Gott und Erlöser in der Einheit des Geistes und der Wahrheit anbeten, für die allein über die Art des Gottesdienstes entscheidende erklärt haben. Hinsichtlich der zu vermuthenden unrichtigen Vorstellung unserer Sache sind wir freilich schlimm daran, uns gegen Angriffe vertheidigen zu müssen, die wir nicht kennen; doch dürfen wir es nicht versäumen, wenn auch aufs Ungewisse hin, auf der Seite uns zu schützen, von wo wir die Streiche fürchten. Wollen Ewr. Majestät dabei uns ein gnädiges Ohr leihen. Am meisten besorgen wir, daß unsre Weigerung als engherzige Lieblosigkeit, oder gar als bloße Widerspenstigkeit dargestellt werden möchte. „Sie wollen sich nicht uniren, folglich sind sie lieblos; sie wollen in allen Stücken bei der Augsburgischen Confession bleiben, folglich sind sie Wortkrämer; sie wollen den unirten Gottesdienst nicht annehmen, folglich sind sie widerspenstig.“ Das sind Urtheile, die man leider jetzt von solchen hört, deren Amt schon es erforderte, die Sache besser einzusehen. Glauben wir etwa, daß man als Mitglied der reformirten oder der unirten evangelischen Kirche nicht selig werden könne? oder betrachten wir diese Mitglieder nicht als unsere Nächsten, von denen das Gebot gilt: liebe deinen Nächsten, wie dich selbst? Wäre das, so würden wir den wichtigsten Grundsätzen unserer eigenen Kirche untreu, und folglich im Widerspruch mit uns selbst seyn. Wir erkennen vielmehr in dem einzelnen Reformirten, wie in dem griechischoder römisch-Katholischen ebenfalls unsern christlichen Mitbruder, zu derselben
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derselben Verheißung der Seligkeit berufen, und fühlen uns mit dem Reformirten noch näher verbunden durch die gemeinsame Verwerfung der römischen Irrthümer. Aber weiter, als auf den Einzelnen kann sich dieses nicht erstrecken, so lange die Verschiedenheit des kirchlichen Glaubens nicht gehoben ist. Also wollten wir uns nicht vielleicht uniren, weil wir nun einmal eine besondre Kirche festhalten wollen? Niemand kann zu einer Union geneigter seyn, als wir, wenn sie nur eine wirkliche Union ist, d. h. eine solche, die von der Einheit des Glaubensbekenntnisses ausgeht. Was ist also der Grund unserer Weigerung? Kein anderer, als der, daß wir die Union, welche wir vor unsern Augen haben zu Stande kommen sehen, von Grund unsers Herzens für eine verwerfliche und gefährliche erklären müssen. Denn es ist nur ein doppelter Fall möglich: entweder soll damit nur eine äußere Vereinigung ausgesprochen seyn, in der Jeder für sich glauben mag, was er will, oder sie soll eine wahrhafte Union seyn, die aus der Einheit des Glaubens und des Glaubensbekenntnisses hervorgeht. Nach der ersten Ansicht, welche die der hiesigen Behörden und der großen Menge zu seyn scheint, würde die Natur der Kirche vernichtet; zum erstenmal sähe die Geschichte des Christenthums die entsetzliche Erscheinung einer absichtlich blos zum Schein eingegangenen Verbindung zur Gottesverehrung einer Kirche, deren Einheit blos in dem Mangel und der Gleichgültigkeit gegen allen Glauben bestände. Ist es nicht genug, möchten wir die fragen, die sich also uniren, daß in den durch Gottes Geist gebildeten Kirchen nach und nach die Lauigkeit überhand nimmt, und das Werk des göttlichen Geistes zu erdrücken droht, sondern soll selbst auf diesen Geist der Lauigkeit hin, von vorn herein eine neue Kirche gegründet werden? Und wäre dieses eine Kirche, oder nicht vielmehr eine antichristliche Nachäffung einer Kirche zu nennen? In diesem Sinne können wir also eine Union nur als verwerflich bezeichnen; der Schein der Liebe, in den sie sich kleidet, ist eben nur ein Schein, sie selbst nichts als eine Höflichkeitsbezeugung, in der man gegenseitig mit dem liberal thut, was man nicht hat, nämlich mit dem Glauben. Soll aber die Union aus der Einheit des Glaubens und Glaubensbekenntnisses hervorgehen, wie sie ohne Zweifel von so vielen höchst achtbaren evangelischen Christen beider Confessionen gedacht wird, so entsteht das Bedenken, daß ein solches Glaubensbekenntniß bis jetzt nirgends existirt, soll es aber aus den vorhandenen, widersprechenden Confessionsbüchern beider Kirchen bestehen, wie dazu die Agende für die evangelische Kirche den Grund legt, so wird obendrein das, was wir noch hatten, zerstört; denn zwei Glaubensbekenntnisse haben, die, wenn auch nur in einigen Artikeln einander widersprechen, oder keines haben, ist bei der nothwendigen Untheilbarkeit eines Glaubensbekenntnisses, eines und dasselbe. Und damit wir dieses nicht blos unserer eigenen Einsicht glauben, ist auch kürzlich von 2 Consistorial-Räthen und Professoren der Theologie, als den geistlichen Organen der Provinz, mit allgemeiner Zustimmung der schlesischen Geistlichkeit öffentlich ausgesprochen worden, daß durch Union und Agende nun die Bekenntnißschriften der beiden evangelischen Kirchen cassirt, und blos noch die heilige Schrift Richtschnur der Lehre sey, von
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der aber allgemein bekannt ist, daß auf sie bis jetzt noch alle Ketzereien gegründet wurden, und daß sie grade jetzt mehr als je gemißbraucht wird, um die allerunchristlichsten Lehren mit ihr zu rechtfertigen. Also um solchen Preis sollten wir uns uniren? Für nichts Alles dahin geben? Denken Sie sich, allergnädigster König! die Gewissens-Angst eines Familienvaters, der jetzt seine alte Kirche verlassen sollte. Er blickt zurück zu seinen Vorältern: Gott war mit ihnen, erleuchtete ihren Geist und stärkte ihren Glauben also, daß sie mit dem Schwerdte des Wortes eine ganze Welt überwinden und eine Kirche gründen konnten, die gewahrt durch ein scharf bestimmtes, aus der heil. Schrift geschöpftes Glaubensbekenntniß den ächten lautern Glauben von Geschlecht zu Geschlecht bis auf diese Zeit hin erhielt. Und er soll nun diesen sichern Hort verlassen? Er das erste Glied in der Kette der Geschlechter seyn, welches nicht mehr mit dem ruhigen Bewußtseyn sterben kann, seinen Nachkommen das höchste heiligste Gut unversehrt zu hinterlassen, welches er von Vorfahren überkommen hat? Wie will er, dem dieses nun einmal GewissensSache geworden ist, es vor dem ewigen Richter verantworten, daß er das ihm anvertraute Pfund nicht einmal bewahrt, daß er den sichern Port in einer Zeit verlassen hat, welche überall das traurige Bild eines von allerlei Wind der Lehre stürmisch bewegten Meeres darbietet? Gewiß wird das fromme Herz Ewr. Majestät die Besorgniß zu schätzen wissen, mit der diese Gefahr des Eintritts in die unirte Kirche uns erfüllt. Was die Agende betrifft, so müssen wir uns ebenfalls feierlich gegen jede solche Darstellung der Sache verwahren, als verweigerten wir deren Annahme aus Widerspenstigkeit. Unsere Gründe liegen eben so lediglich im Gewissen. Wir sehen ein, daß, da die Agende das einzig Positive ist, welches bis dahin die unirte evangelische Kirche hat, ihre Annahme viel sicherer in dieselbe hineinbringt, als die bloße Erklärung sich uniren zu wollen, welche ohne Existenz der Agende etwas an sich Hohles seyn würde; deshalb hindern uns hier ganz dieselben Gründe, aus welchen wir die Union zurückweisen müssen. Wir erkennen ferner, daß die Agende als die allwöchentlich ausgesprochenen Bekenntnisse und Gebete der Gemeinde an sich noch wichtiger ist, als ein blos einmal niedergeschriebenes Glaubensbekenntniß, und da wir nun in derselben das Eigenthümliche unsers Glaubens nicht überall rein und bestimmt ausgedrückt, ja selbst in den wichtigsten Artikeln, namentlich vom Abendmahl, entschiedene Abweichungen von der augsburgischen Confession finden, so würden wir einen Verrath an unserm Glauben begehen, wenn wir sie annehmen wollten. Dazu wird uns aber Niemand, am wenigsten unser gerechtester König und Herr nöthigen wollen. Ewr. Majestät würden vor dem Gedanken erschrecken, daß einen Ihrer geringsten Unterthanen widerrechtlich auch nur ein Winkel seines Hofes genommen würde – und doch gehört unser Gut und Blut Ewr. Majestät. Wie wäre es also möglich, daß nicht blos einem Einzelnen, sondern einer im Gebet versammelten Gemeinde, nicht blos das wichtigste irdische Besitzthum, sondern ein Artikel des Glaubens verkümmert oder aufgezwungen würde, des Glaubens, über den blos der Sohn Gottes gebieten und Er auch nur so gebieten will, daß Er ihn
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von unserm freien Willen fordert. Ewr. Majestät Behörden scheinen freilich, indem sie uns um des Glaubens willen verfolgen, und unsre Lehrer nehmen, und die Fortdauer unsrer Kirche nicht anerkennen wollen, von andern Ansichten auszugehen. Entweder denken sie sich unter einer Agende statt die heiligsten und darum auch freiesten Herzensergießungen der Gemeinde an ihren Gott darin zu erkennen, bloße Ceremonien, welche eben so wie Formulare für weltliche Geschäfte durch Gesetze vorgeschrieben und befohlen werden könnten; oder sie sind aller Ansprüche und Vorschriften uneingedenk, auf denen unser Kirchen- und Staatsgebäude beruht. Scheiden nicht unsre Bekenntnißschriften, die augsburgische Confession, deren Apologie, die schmalkaldischen Artikel, und die Concordienformel überall ausdrücklich weltliches und geistliches Regiment? Beschränken sie nicht selbst der Bischöfe Gewalt auf Aeußerlichkeiten und verbieten ihnen zu gehorchen, sobald sie etwas den Glauben Beschwerendes vorschreiben? Doch wenn man auch diese Ansprüche der Kirche übersehen hätte, wie konnte man sobald der weltlichen Gesetze vergessen, nach denen (Allg. L. R. Thl. 2, Tit. 11. §. 1–4.) der Glaube und der innere Gottesdienst kein Gegenstand von Zwangsgesetzen seyn können, jedem Einwohner im Staat eine vollkommene Glaubens- und Gewissensfreiheit gestattet worden, Niemand wegen seiner Religions-Meinungen zur Rechenschaft gezogen, verspottet oder gar verfolgt werden soll? nach denen ferner (eben daselbst, L. R. §. 22. 23.) nicht blos den öffentlich aufgenommenen, sondern auch den blos geduldeten Kirchengesellschaften die freie Ausübung ihres Gottesdienstes, mit den ihren Religionsgrundsätzen gemäßen Gebräuchen gestattet, endlich auch (eben daselbst L. R. §. 32. 33. 45. 46.) keine Kirchengesellschaft befugt ist, ihren Mitgliedern Glaubensgesetze wider ihre Ueberzeugung aufzudringen, der Staat aber selbst nur von den von jeder für sich eingeführten Kirchenordnungen Kenntniß zu nehmen, nicht aber darein einzugreifen, berechtigt seyn soll? Was mag es also seyn, was die Behörden zu so intoleranten und selbst gesetzwidrigen Schritten hinreißt? Wir können nur zweierlei als Grund vermuthen. Viele scheinen die der heil. Schrift ganz zuwider laufende Meinung zu hegen: Daß der Glaube nicht Sache der Gemeinde, sondern bloße Privatmeinung eines jeden Einzelnen sey; auf diese Weise sehen sie keine Glaubensverkümmerung darin, wenn der Kirche im Ganzen etwas vorgeschrieben, und jedem Einzelnen, als Ausnahme, das eine oder das andere nachgelassen wird, von dem man mit Grund voraussetzt, daß mit zunehmender Gleichgültigkeit in religiösen Dingen es in der folgenden Generation schon verschollen seyn werde. Aber Jesus Christus will nicht den zerstreuten Glauben Einzelner, Er will Gemeinden, die so unter einander eins seyen, wie Er und der Vater eins sind; seine Apostel ermahnen vor Allem, daß die Gemeinden Eines Sinnes seyen, einerlei Rede führen. So ist es denn auch dem Christen nicht gleichviel, was sein Mitchrist, namentlich seine Kinder oder sonstige Angehörigen glauben, sondern er ist darum eben so bekümmert, wie um seinen eigenen Glauben; leidet ein Glied an dem einigen untheilbaren Leibe des Herrn, welcher eben die Gemeinde ist, so leiden alle Glieder mit. Daher ist auch der Gewissensdruck, der auf der Gemeinde selbst las-
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tet, immer noch ein größerer, als die Verfolgung des Einzelnen, als solcher. Zu dem muß nach denkenden Gemüthern das größte Aegerniß dadurch gegeben werden, wenn sie in derselben Kirche dieselben feierlichen Handlungen von demselben Geistlichen nach mehreren verschiedenen Glaubensweisen, wie es grade diesem Geistlichen, oder jenem Gemeindegliede beliebt, vorgenommen sehen, und möchte nur bei Zeiten darauf bedacht genommen werden, wie großer Vorschub der katholischen Kirche mit ihrem festen unwandelbaren Cultus gegen diese absichtlich hervorgebrachte innere Zerfallenheit der einzelnen evangelischen Gemeinden in sich geleistet werden muß. Eine andere falsche Stütze wagt man vielleicht aus Ewr. Majestät Allerhöchsten, der für Schlesien bestimmten Agende voranstehender Verfügung vom 19. April 1829 herzunehmen. „Der König hat befohlen,“ sagt man, „wer sich also nicht fügt, muß abgesetzt werden.“ Aber wo steht ein Wort von Befehl? Wo ein Wort von Suspension und Absetzung, welche den sich nicht Fügenden treffen solle? Ewr. Majestät, erfüllt von der Betrübniß über die Frechheit vieler neologischen Geistlichen, die selbst aus der Liturgie die wesentlichsten christlichen Lehren zu verdrängen gewußt, eine Betrübniß, die sicher alle wahrhaft christlichen Unterthanen Ewr. Majestät mit dem christlichen Herzen ihres Landesvaters theilen, wünschen durch die Einführung der in vielen Stücken so Treffliches enthaltenden Agende solcher Willkühr zu steuern, und sprechen daher den Wunsch und die zuversichtliche Erwartung, sie von den Geistlichen angenommen zu sehen, so dringend aus, wie es im Reiche Gottes bei jeder lebendigen Ueberzeugung Recht ist, und wie hier die Schändlichkeit des Mißbrauchs dazu auffordern mußte. Aber wie kann man es wagen, hieraus einen Befehl zu machen, Ewr. Majestät den Willen unterzulegen, in der Kirche Gottes zu herrschen, ja den Willen, daß jeder Prediger, der seinem Herrn, seiner Gemeinde, seinem Eide und Gewissen treu, den alten Glauben in Predigt und Liturgie bewahrt hat, nun wegen gewissenhaften Beharrens in seiner Kirche als wegen groben Excesses im Amte suspendirt und entsetzt werden solle? Hat man so ganz die ausdrücklichen Aeusserungen Ewr. Majestät vergessen in der Allerhöchsten Cabinets-Ordre vom 18. Juli 1798. „Daß bei der vorhabenden Liturgie nicht nur Zwang – denn an diesen darf in Angelegenheit des Gewissens und der Ueberzeugung gar nicht gedacht werden – sondern auch so viel als möglich alle bürgerliche Autorität vermieden werden soll;“
und in der Allerhöchsten Verfügung an die Consistorien, Synoden und Superintendenten vom 27ten September 1817. „Aber so sehr ich wünschen muß, daß die reformirte und lutherische Kirche in meinen Staaten diese meine wohl geprüfte Ueberzeugung mit mir theilen möge, so weit bin ich, ihre Rechte und Freiheit achtend, davon entfernt, sie aufdringen, und in dieser Angelegenheit etwas verfügen und bestimmen zu wollen.“
Doch mag man sich auch vergessen haben, wir preisen Gott, daß er uns in diesen bedenklichen Zeiten einen so gerechten und christlich denkenden Monarchen, wie
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Ewr. Majestät, gegeben hat, zu dem der Bedrängte und Verfolgte, gegen den Unterdrücker vertrauungsvoll seine Zuflucht nehmen kann, und zweifeln nicht, Ewr. Majestät werden unsre allerunterthänigste Bitte erhören, unsre Lehrer uns wiederschenken, und auch bei der äußern Regulirung unsers Kirchenwesens, welche in Folge des Fortbestehens der bisherigen Kirche der Augsburgischen ConfessionsVerwandten nothwendig werden wird, uns diejenige Gerechtigkeit widerfahren lassen, welche den Verhältnissen angemessen ist. In tiefster Ehrfurcht ersterben wir Ewr. Majestät getreueste Unterthanen. Steffens, Professor. (v. Haugwitz ist abwesend.) F. G. Mager, General-Landschafts-Secretair. Grempler, J. Willisch, Kürschnermeister. E. G. Helling, Schloßermeister. E. Huschke, Professor. Friedrich Midsam, Kästner. Bornn. J. Gottlieb Schleicher, Gerichts-Scholz in Herdain.
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Dritte Bittschrift der lutherischen Gemeinde Breslau vom 30.8.1830*
Breslau, den 30. August, 1830. Eine Anzahl hiesiger evangel. luth. Christen bittet allerunterthänigst um gnädigste Beschleunigung einer willfährigen Entscheidung in ihrer Gemeine-Angelegenheit. *
Johann Gottfried Scheibel, Actenmäßige Geschichte der neuesten Unternehmung einer Union zwischen der reformirten und lutherischen Kirche vorzüglich durch gemeinschaftliche Agende in Deutschland und besonders in dem preußischen Staate. Zweiter Theil, enthaltend hundert und zwei und dreißig Acten-Stücke, Leipzig 1834, 115–117.
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Allerdurchlauchtigster, Großmächtigster König, Allergnädigster König und Herr! Ew. Majestät wollen in Gnaden nicht zürnen, wenn die Unterzeichneten, Allerhöchst Dero getreuste Unterthanen, zum 3ten Male ihre klagende Stimme erheben, um endlich Erleichterung ihrer großen Noth zu finden. Wir würden ja gern in schweigender Demuth harren, und nicht das ohnehin schon mit vielfachen Sorgen belastete Herz unsers theuersten Königs aufs Neue bestürmen, wenn der ängstliche Zustand, in dem wir uns schon seit 8 Wochen befinden, nicht von Tage zu Tage, zumal bei zunehmender Unduldsamkeit der Behörden, drückender würde. Geruhen Ew. Majestät doch nur gnädigst zu bedenken, was es heiße, daß eine ganze Gemeinde und zwar eine solche, der wahrhaft ihr Glaube und Gottesdienst das höchste und unmittelbarste Gut ist, ohne öffentlichen Gottesdienst seyn, daß sie der Sacramente entbehren muß. Die Sache wird um so wichtiger, als die Zahl ihrer Mitglieder nach eingegangenen genauern Erkundigungen weit größer ist, als wir sie früher angegeben haben. Die Seelenzahl derer, die sich ausdrücklich gegen die Union und für das Fortbestehen einer evangel. lutherischen Kirche mit eignem Gottesdienst und eigner Gemeine-Verfassung unaufgefordert erklärt haben, steigt über 1000, d. h. eine Zahl, größer als diejenige, für welche die reformirte Kirche in Glogau eingerichtet, und eben so groß wie diejenige, für welche die hiesige reformirte Kirche ursprünglich gebaut wurde. Wie groß aber die Menge derjenigen seyn müsse, welche im Verborgenen die Union mißbilligen (und in dem von ihren Geistlichen eigenmächtig über sie geworfenen Netze sich nicht gern wollen fangen lassen) beweisen folgende Umstände. Während in der jetzt unirten St. Elisabeth-Kirche in frühern Jahren alle Sonntage um diese Zeit sich regelmäßig über 100 Communicanten einfanden, beträgt deren Zahl in diesem Jahre seit der Union höchstens 30 bis 40; an einem Sonntage hatte sich sogar keiner gemeldet, ein Fall, der sonst seit Menschengedenken noch nie, selbst nicht in den kältesten Wintertagen, vorgekommen ist. In der andern evangelischen Haupt-Kirche zu Maria Magdalena hat sich deren erster Geistliche am letzten Sonntage genöthigt gesehen, über den seit Kurzem so überaus verminderten Kirchenbesuch von der Kanzel herab Klage zu führen. (Die Schuld davon soll freilich den Schwärmern und Sectirern, den falschen Propheten und Pharisäern beigemessen worden seyn, womit wir ohne Zweifel gemeint sind). Doch wissen Ew. Maj. in höchst Ihrer christlichen Weisheit, was diese Namen in dieser Zeit des Abfalls zu bedeuten haben, und wie es leider zu einer Ehre vor Gott geworden ist, mit solchen schmähenden Beiwörtern belegt zu werden. Man könnte nun freilich sagen, daß nach und nach den Leuten die Sache gleichgültiger werden, und die alte Zahl zu Sacrament und Gottesdienst sich wieder einfinden werde. Aber ist das ein Gewinn, wenn der schwache Docht des Glaubens durch den lang dauernden Zwang gänzlich ausgelöscht, wenn der ohnehin so große Indifferentismus noch größer gemacht wird, wenn der lebendige Gottesdienst sich in bloßen Lippendienst, der Gebrauch der Sacramente in eine äußerliche Ceremonie verwandelt?
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Doch wir hoffen zu Gott, daß die angeführten, von der äußern Menge der Bedrückten hergenommenen Gründe unnöthig gewesen sind, um Ew. Maj. nun baldigst zu der Handlung der Gerechtigkeit zu bestimmen, um welche wir allerunterthänigst gebeten haben. O möchten Ew. Maj. doch blos auf die Stimme des heil. Wortes Gottes, auf die Stimme der Gerechtigkeit, und getrost dürfen wir hinzusetzen, auf die Stimme Ihres biedern, nur das Rechte wollenden, Herzens hören! Gewiß, uns wäre bald geholfen. Ew. Majestät haben ja in viel geringern Angelegenheiten Bedrängte nicht so lange in Ihrem Druck seufzen lassen. Möchte also auch uns in viel größrer und täglich wachsender Noth dieselbe Huld zu Theil werden. Ja möchten Ew. Majestät geruhen, nach einer so langen, von uns ängstlich durchlebten, Zeit endlich ein Wort des Trostes vernehmen zu lassen, und dadurch, durch Gewährung ihrer gerechten Bitten, eine Gemeine aufzurichten, die sonst nur noch vor den Thron der ewigen Gerechtigkeit ihre Klagen bringen könnte. In unveränderlicher tiefster Devotion ersterben wir Ew. Maj. allerunterthänigst treu gehorsamste: Steffens, Prof., zur Zeit Rector. Huschke, Professor. v. Haugwitz, Oberlandes-Gerichts-Assessor. Mager, General-Landschaftssekretair. Grempler, Kaufmann. Kästner, Destillat., auch Stdtvrordntn.-Stellvertreter und Armen-Schul-Vorsteher. Helling, Schlossermeister. Miedsam, Schneidermeister. Bornn, Tischlermeister. Willisch, Kürschnermeister. Schleicher, Gerichtsscholz in Herdain.
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Vierte Bittschrift der lutherischen Gemeinde Breslau vom 1.11.1830 *
Allerdurchlauchtigster, Großmächtigster König, Allergnädigster König und Herr, Breslau, den 1. Novbr. 1830. Die Gemeine der Augsburgschen Confessions-Verwandten bittet allerunterthänigst um Entscheidung ihrer kirchlichen Angelegenheit. Ew. Königl. Maj. wagt in der größten Bedrängniß eine höchst betrübte Gemeine zum viertenmale sich in tiefster Demuth flehend zu nähern. Zwar wir, die wir dem Glauben unsrer Väter, in welchem wir erzogen sind, der uns beglückte, auf welchen unsre Prediger selbst durch den Staat feierlich verpflichtet wurden, treu blieben, wissen nichts Neues dem hinzuzufügen, was wir – was ausführlicher unsre Lehrer – allerunterthänigst zu den Füßen des Thrones niederlegten. Aber es gilt weit mehr, als irdische Güter, und damit wir in einer so wichtigen Sache nichts versäumen, so wagen wir es noch einmal auszusprechen, was uns das Heiligste ist. Wie alle Christen, glauben wir an das Wort von Ewigkeit, welches Fleisch ward und unter uns wohnte. Aber die Gemeinde ist uns der Leib Christi, nicht figürlich, symbolisch, sondern rein wesentlich, buchstäblich, wie die heil. Schrift uns lehrt. Wer von Christo durchdrungen in ihm lebt, der ist ein Glied dieses heiligen Leibes, das Unverwesliche in ihm ist dem Heilande auf das Innigste, Wesentlichste verbunden. Durch den ganzen Gottesdienst, durch jede gottesdienstliche Handlung, wie durch Lehre, wollen wir dieser Gemeinschaft näher treten, uns für sie bereiten, uns ihrer, als unsrer höchsten Seligkeit, wie wir sie hier auf Erden erlangen können, erfreuen. – Aber durch das heil. Abendmahl hat Gott sich ein priesterliches Volk erkohren; ein höheres Gut giebt uns darin Christus, als in der Verkündigung seiner Lehre, durch dieses ist er einem Jeden, was er der Gemeine ist, dadurch wirkt er in uns eine geheimnißreiche Gnade, welche nährend, entwickelnd für die höhere Seligkeit, uns durchdringt. Ja es vermag das Unverwesliche in uns, was auch leiblich bleibt nach dem Tode, und wesentlich ein Glied des Leibes Christi ist, wenn es durch ächte Reue gereiniget, durch wahre Liebe geheiliget ist, eine höhere Nahrung zu genießen – und wir nehmen hin und essen, und wissen, daß es der Leib des Herrn ist, und wir trinken und erkennen, daß es sein Blut ist, und so ist unser Altar uns das Allerheiligste unsers Gottesdienstes, da ist der Mittelpunkt des gnadenreichen Geheimnisses, wie wir durch Taufe und Gebet und Lehre für dasselbe vorbereitet werden. Was uns auch sonst verlocken mag, Begierden, die uns irre führen, daß wir sündigen, Irrthümer, die sich uns aufdringen, daß wir schwanken; hier soll *
Johann Gottfried Scheibel, Actenmäßige Geschichte der neuesten Unternehmung einer Union zwischen der reformirten und lutherischen Kirche vorzüglich durch gemeinschaftliche Agende in Deutschland und besonders in dem preußischen Staate. Zweiter Theil, enthaltend hundert und zwei und dreißig Acten-Stücke, Leipzig 1834, 126–131.
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Alles verstummen, Er selbst ist da, der sich uns ergiebt, daß wir ihn nicht nur hören, sein nicht blos gedenken, sondern daß wir ihn genießen und durch diese Nahrung gestärkt gedeihen für ein höheres Leben. Hier darf kein Zweifel nahen, kein so oder so. Gleich wie Israel in der Wüste Manna aß, so empfängt das geistige Israel ein ander Brod vom Himmel, und das Brod, welches Christus uns giebt, ist sein Fleisch, welches er giebt für das Leben der Welt, denn er sagt: wer mein Fleisch isset und trinket mein Blut, der hat das ewige Leben und ich werde ihn auferwecken am jüngsten Tage, denn mein Fleisch ist wahrhaftig Speise, mein Blut ist wahrhaftig Trank (Joh. 6. v. 48–58.). So lehrt die Bibel. In solchem Zusammenhange mit der Grundanschauung des Christenthums steht diese Lehre. In diesem Glauben, ohne zweifelndes Schwanken, genossen die ersten Gemeinen das heil. Abendmahl, bis der unheilbringende Irrthum den Leib des Herrn, wie er die Gemeine bildet, in die Sinnlichkeit hineinzog, und einen irrdischen Thron an die Stelle des himmlischen setzte, und auch das Abendmahl in einen Act der Zauberei verwandelte. Vor 300 Jahren trat das gereinigte Bekenntniß, dessen wir uns erfreuen, hervor. Die Irrthümer der Zeit, in einer andern Richtung verlockend, wurden wieder mächtig. Zweifelnder Verstand zerstörte den Altar und erzeugte Unglauben, – überspannte Empfindung, die sich wohlgefällig in sich selber spiegelt, wollte ein Traumbild eigner Schöpfung bilden und an die Stelle des heil. Altars setzen, den Gott in der Geschichte als das heiligste Denkmal seiner Gnade aufgerichtet hat, für jeden offenbar, der sich selbst entsagt und in reiner Einfalt die hohe Gabe empfängt; Mysticismus, Fanatismus, frömmelnde Empfindelei, wie Unglauben, verbargen den festen Grundstein, daß es fast schien, als wäre er verschwunden. Aber, wie in den frühern Zeiten sinnlicher Verirrung, hat er sich auch jetzt noch erhalten, und eine Stätte gefunden, wo ihn freilich Wenige erkannten. Wohl kann die Union, die Ew. Maj. im frommen Sinn zu errichten strebten, unter Gottes Leitung ein heilsames Werk werden. Denn dieß ist ihre segensreiche Bedeutung, daß die Verirrten, von dem Wind der Meinungen, von den Täuschungen der Empfindungen heimkehren sollen zu dem Altare der Väter, zu der Gewißheit im Glauben, Lehre und Bekenntniß, und auch dazu bedarf es noch eines klar ausgesprochenen Bekenntnisses. Kann man aber die, welche in ihrem Glauben gewiß sind, zwingen wollen zu der Erklärung: in dem, worüber sie gewiß sind, womit im unzertrennlichsten Verbande die ganze Summe christlicher Heilswahrheiten steht, sey keine Gewißheit möglich? Mit solchem Verfahren, so wagen wir freimüthig unsre innerste Ueberzeugung vor Ew. Majestät auszusprechen, mit ihm verschwindet der Segen der Union. Unser Glaube ist einfach, wenn gleich inhaltschwer, er erlaubt nicht diese oder jene Deutung. Wo wäre etwas Festes, wahrhaft Gegründetes, wo der sichere Boden, der alles trägt, wenn der Altar schwankt, wenn von daher sich Zweideutiges vernehmen ließe? Er bliebe für einen Jeden, nach dem Grade seiner Erkenntniß, das unwandelbar Gewisse!
Vierte Bittschrift der lutherischen Gemeinde Breslau vom 1.11.1830
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Wir sind aus unsern Kirchen getrieben, die unsere Väter für unser Bekenntniß gründen halfen, wir sind von unsern heiligen Altären weggestoßen. Ein fremder Geist waltet dort, und wir haben keinen Theil an ihm. Vier Monate sind verflossen. Eltern harren mit ihren Kindern, und wünschen, daß sie durch die Taufe in die unveränderte Gemeine ihrer Väter aufgenommen werden. Verweigert wird es ihnen, sie von einem lutherisch gebliebenen Prediger taufen zu lassen; man droht ihnen, sie nach Verlauf von 6 Wochen zu zwingen, daß sie bei unirten Predigern dieses thun lassen, man beruft sich dafür auf einen Cabinetsbefehl Ew. Maj. vom 23. Februar 1802, in welchem allerdings als gesetzliche Frist, innerhalb welcher ein Kind getauft werden soll, 6 Wochen angegeben werden, zugleich aber auch gänzliche Religions- und Gewissens-Freiheit zugesichert wird; Bräute warten auf das Wort ihrer Lehrer, die ihren Bund segnen sollen: Alle sehnen sich nach der stärkenden ermunternden Predigt der besten der christlichen Lehrer hiesiger Stadt, die Gott vorzüglich berufen hat, zur Lehre, zur Stärkung, zur Heiligung, die man von ihren Kanzeln getrieben hat. Einfache Männer – mit den Sorgen des Lebens in einer harten, ja bedenklichen Zeit kämpfend, entbehren den heiligen Genuß, der für sie nur so, wie er ihnen bisher gereicht ward, segensreich zu wirken vermochte. Wir haben gegen diese Zertrümmerung unsers Altars, gegen dieses Herausstoßen aus unsern Kirchen, keine Hülfe, als das Gebet. Jüngere und ältere Geistliche leben in zerstörender Seelenangst, weil sie dem Höchsten nicht alle irdischen Güter zu opfern vermochten und Union wie Agende annahmen. Junge Männer sehen sorgenvoll in einem innern schweren Kampf demselben Schicksal entgegen. Viele, leider! werden unterliegen und äußern Wohlstand mit innerer Zerstörung erkaufen. Wir haben dreimal in tiefster Unterthänigkeit dringend gefleht, aber Ewr. Majestät haben uns nicht mit einer huldreichen Antwort beglückt. Unsere Abgesandten wünschten persönlich unser immer ängstlicher werdendes Flehen in Ew. Majestät allergnädigster Gegenwart auszusprechen. Väter und Mütter, Kinder und Greise, in Sorgen und Noth grau geworden, liegen vor dem Herrn; von der schweren Arbeit wandten sie sich zu der noch schwereren Sorge. Wie freudig erwarteten wir die Wiederkunft der Abgesandten! Aber die Räthe, die das hohe Glück genießen, in Ew. Maj. Gegenwart zu leben, versicherten, daß sie nicht hoffen dürften, vorgelassen zu werden. Sie gaben uns die tröstliche Verheißung, daß wir nun bald die allergnädigste Entscheidung Ewr. Majestät erhalten würden; ein Monat ist wieder in Angst und Trübsal verflossen, und wir haben nichts vernommen. Zwar äußerten die hohen Räthe Ew. Maj., daß Allerhöchst-dieselben jetzt mit wichtigern Dingen beschäftigt wären. Aber nein! – nicht im Sinne unsers Allergnädigsten Königs haben diese gesprochen; unsrer sind nicht Viele, aber eine wichtigere Sache, als unsre, kennt auch die fromme Majestät nicht. Denn Seelen sind in Gefahr, für die Christus gestorben ist. Was bleibt uns übrig? Dürfen wir aufgeben, was wir als unser höchstes Heiligthum laut und feierlich zu retten unternahmen? An den wenden wir uns, der
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einem Jeden nahe ist, wenn man ihn anfleht, einen Jeden hört, wenn man ihn anruft. Möge Gott das Herz Ewr. Majestät lenken, daß Allerhöchstdieselben in huldreicher Gnade sich zu uns wenden und uns vergönnen, nach der Väter Weise durch Prediger unsers Glaubens Gott zu dienen. So sehr leicht ist die Anordnung für unsre Stadt gemacht. Wenn Ewr. Majestät allergnädigst erklären: Die nicht-unirte Kirche der Augsburgschen Confessions-Verwandten dürfe sich frei neben die unirte evangelische hinstellen, jene solle einen Theil von den Kirchengebäuden und Gütern, die ihr früher allein gehörten, zurück erhalten, sie dürfe Prediger ihres Bekenntnisses haben, ihren Gottesdienst in alter Ordnung halten, ihre Parochialverhältnisse ordnen, – wie schnell würde die freundlichste Ordnung und Eintracht an die Stelle der jetzt allgemein herrschenden Zerrütung treten. Ja, im Namen Gottes des Vaters, des Sohnes und des heil. Geistes beschwören wir Ew. Maj. sich unser zu erbarmen, uns, da wir die heiligsten Güter uns zu erhalten suchen, nicht abzuschlagen, was der Geringste für Geringeres nie vergebens sich erflehte. Es sind nicht blos Unterthanen, die den Thron anflehen, um das, was er allein zu geben vermag, um irdische Güter; es sind Christen, die mit dem christlichen Könige gemeinsam einem höhern Thron gegenüber treten, der über beide richtet. In tiefster Ehrfurcht ersterben wir Ew. Majestät getreueste Unterthanen Steffens, Professor. v. Haugwitz, Oberlandes-Gerichts-Assessor. F. G. Mager, General-Landschafts-Secretair. Grempler, J. Willisch, Kürschnermeister. E. Huschke, Professor. C. G. Helling, Schlossermeister. Friedrich Midsam. Kästner. Bornn. J. Gottlieb Schleicher, Gerichts-Scholz in Herdain.
Wünsche der lutherischen Gemeinde Breslau vom April 1831
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Wünsche der lutherischen Gemeinde Breslau vom April 1831*1 (eingereicht am 2.5.1831)
1. Selbstständige, von der unirten Kirche in Preußen getrennte Kirche nach dem göttlichen Wort und unsern darauf gegründeten Lutherischen Bekenntnißschriften. 2. Aus dieser Selbstständigkeit hervorgehend eine von der Gemeine zu gebende, nach der heiligen Schrift Neuen Testamentes einzurichtende PresbyterialVerfassung. 3. Wahl und Erhaltung der Lehrer und Kirchenbeamten geschieht durch die Gemeine, so wie ihr die Verwaltung des Kirchenguts zusteht. 4. Den eigenthümlichen Gottesdienst der lutherischen Kirche in seiner Integrität nach der Wittenberger Agende. 5. Die freie dem göttlichen Wort und den darauf gegründeten lutherischen Bekenntnißschriften gemäße Lehre. Ueber Erhaltung der Lehre des Gottesdienstes wie der Verfassung wacht die Gemeine. 6. Es versteht sich, daß wir, wie jede Gesellschaft der gesetzlichen Oberaufsicht des Staats zur Abwendung alles dessen, was diesem Gefahr bringen könnte, unterworfen sind, so wie wir umgekehrt den gesetzlichen Schutz geduldeter Kirchengesellschaften erbitten. 7. Da wir nicht als Fremdlinge in den Staat eingetreten, hoffen wir auch gnädige Gewährung der Bitte, daß uns statt der bisher mitgenossenen kirchlichen Gebäude und Grundstücke eine besondere Kirche gewährt und hinsichtlich der Beerdigungen für billige Regulirung der Stellgebühren im Verhältniß zu andern Parochien gesorgt werde.
10. Kabinettsordre Friedrich Wilhelm III. vom 28.2.1834 *2 Es hat Mein gerechtes Mißfallen erregen müssen, daß von einigen Gegnern des kirchlichen Friedens der Versuch gemacht worden ist, durch die Mißdeutungen und unrichtigen Ansichten, in welchen sie hinsichtlich des Wesens und des Zwecks der Union und Agende befangen sind, auch andere irre zu leiten. Zwar läßt sich von der Kraft der Wahrheit und dem gesunden Urtheile so vieler Wohlunterrichteter hoffen, daß dieses unlautere Beginnen im Ganzen erfolglos sein, und daß es durch die *1 Johann Gottfried Scheibel, Actenmäßige Geschichte der neuesten Unternehmung einer Union zwischen der reformirten und lutherischen Kirche vorzüglich durch gemeinschaftliche Agende in Deutschland und besonders in dem preußischen Staate. Zweiter Theil, enthaltend hundert und zwei und dreißig Acten-Stücke, Leipzig 1834, 177. 2 * Hermann Theodor Wangemann, Sieben Bücher Preußischer Kirchengeschichte. Eine aktenmäßige Darstellung des Kampfes um die evangelisch-lutherische Kirche im XIX. Jahrhundert 2, Berlin 1859, 34–36.
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pünktliche Ausführung der Befehle, welche Ich in Meiner Ordre vom heutigen Tage, behufs der Beseitigung separatistischer Unordnungen Ihnen ertheilt habe, gelingen werde, auch die Wenigen, die sich durch falsche Vorspiegelungen haben täuschen lassen, von ihrem Abwege zurück zu bringen. Damit jedoch eine richtige Beurtheilung der in Rede stehenden Angelegenheit auch denen erleichtert werde, deren Bedenklichkeiten aus Gewissensängstlichkeit entstehen, wird es zweckdienlich sein, daß die Hauptgrundsätze, nach welchen die Einführung der Agende und die Beförderung der Union zu leiten, Ich Sie bei wiederholten Veranlassungen angewiesen habe, im Zusammenhange bekannt gemacht werden. Die Union bezweckt und bedeutet kein Aufgeben des bisherigen Glaubensbekenntnisses, auch ist die Autorität, welche die Bekenntnißschriften der beiden evangelischen Confessionen bisher gehabt, durch sie nicht aufgehoben worden. Durch den Beitritt zu ihr wird nur der Geist der Mäßigung und Milde ausgedrückt, welcher die Verschiedenheit einzelner Lehrpunkte der andern Confession nicht mehr als den Grund gelten läßt, ihr die äußerliche kirchliche Gemeinschaft zu versagen. Der Beitritt zur Union ist Sache des freien Entschlusses, und es ist daher eine irrige Meinung, daß an die Einführung der erneuerten Agende nothwendig auch der Beitritt zur Union geknüpft sei, oder indirect durch sie bewirkt werde. Jene beruht auf den von Mir erlassenen Anordnungen; dieser geht nach Obigem aus der freien Entschließung eines Jeden hervor. Die Agende steht mit der Union nur in sofern im Zusammenhange, daß die darin vorgeschriebene Ordnung des Gottesdienstes und die für kirchliche Amtshandlungen aufgenommenen Formulare, weil sie schriftmäßig sind, ohne Anstoß und Beschwerde auch in solchen Gemeinden, die aus beiderlei Confessions-Verwandten bestehen, zu gemeinsamer Förderung christlicher Gottesfurcht und Gottseligkeit in Anwendung kommen können. Sie ist auch keinesweges bestimmt, in der evangelischen Kirche an die Stelle der Bekenntnißschriften zu treten, oder diesen in gleicher Eigenschaft beigesellt zu werden, sondern hat lediglich den Zweck, für den öffentlichen Gottesdienst und die amtlichen Verrichtungen der Geistlichen eine dem Geiste der Bekenntnißschriften entsprechende Ordnung, die sich auf die Autorität der evangelischen Agenden aus den ersten Zeiten der Reformation gründet, festzustellen, und alle schädliche Willkühr und Verwirrung davon fern zu halten; mithin ist das Begehren derer, welche aus Abneigung gegen die Union auch der Agende widerstreben, als unstatthaft, ernstlich und kräftig abzuweisen. Auch in nicht unirten Kirchen muß der Gebrauch der Landes-Agende unter den für jede Provinz besonders zugelassenen Modificationen stattfinden; am wenigsten aber – weil es am unchristlichsten sein würde – darf gestattet werden, daß die Feinde der Union im Gegensatz zu den Freunden derselben als eine besondere Religions-Gesellschaft sich constituiren. Ich beauftrage Sie, gegenwärtigen Erlaß durch die Regierungs-Amtsblätter zur öffentlichen Kenntniß zu bringen. Berlin, den 28. Februar 1834. (gez.) Friedrich Wilhelm.
Petition der schlesischen Lutheraner um Anerkennung ihrer Rechte
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11. Petition der schlesischen Lutheraner um Anerkennung ihrer Rechte vom 4.4.1834* Breslau, den 4. April 1834. Eine Anzahl von schlesischen Predigern, Candidaten des Predigtamts und Gemeinen des evangelisch-lutherischen Bekenntnisses bitten ganz gehorsamst um Anerkennung der Rechte ihrer Kirche. Hoch- und Wohlgeborner Herr Freiherr! Hochgebietender, Höchstverehrter Herr wirklicher und dirigirender Staatsminister! Die unterzeichneten Unterthanen Sr. Majestät aus der Provinz Schlesien, sämmtlich dem Augsburgischen Religionsbekenntnisse und der darauf gegründeten evangelisch-lutherischen Kirche zugethan, sind, von denselben Beweggründen und Interessen getrieben, zusammengetreten, um über den dermaligen Zustand ihrer Kirche Euer Excellenz folgende Vorstellung und Bitte ganz gehorsamst zu überreichen: Es ist allbekannt, daß Luthers Reformation bald nach ihren Anfängen auch in Schlesien Eingang fand. Obgleich die oberste Landesherrschaft einer andern Religionspartei angehörte, so erhielt doch die neu entstandene Kirche bald öffentliche Anerkennung und durch den Majestätsbrief Kaiser Rudolph’s II. die ausgedehntesten Privilegien. Während des dreißigjährigen Krieges wurde zwar katholischer Seits alles aufgeboten, um das Luthertum in Schlesien auszurotten. Aber alle Versuche scheiterten an der Glaubenstreue unserer Väter und der Westphälische Frieden gab ihnen wie allen Lutheranern Deutschlands wenn auch nicht den alten Glanz ihrer Kirche wieder, doch eine festere und allgemeinere Garantie ihrer kirchlichen Rechte, nicht blos gegen Katholiken, sondern auch gegen die dritte damals in Deutschland anerkannte Religionspartei der Reformirten. Gegen Ende des Jahrhunderts suchten die Katholiken unsern Glaubensvätern den Genuß der erlangten Gerechtsame wieder zu schmälern, aber eine der Mächte, welche den Westphälischen Frieden mit unterzeichnet und die Gewährleistung desselben mit übernommen hatte, half den Glaubensbrüdern aus; die Altranstädter Convention vom Jahre 1707 bestätigte den Westphälischen Frieden und fügte neue Verwilligungen hinzu. Endlich kam das Land unter protestantische Hoheit, und die schlesischen Lutheraner erhielten eine, wenn auch nicht derselben Kirche zugethane, doch vollkommen duldsame Herrschaft. Nicht nur wurden alle bisherigen Rechte anerkannt, sondern Friedrich der Große gestattete auch den schlesischen Lutheranern neue Kirchen oder Bethäuser zu bauen, so viel sie wollten, und alle erhielten in einem lutherischen Oberconsistorium eine gemeinsame Oberbehörde. Der Majestätsbrief Kaiser Rudolph’s II., dessen Wohlthaten von der katholischen Herrschaft schon so lange vorenthalten waren, erhielt so wieder volle factische Anerkennung. Der Geist des *
Johannes Nagel, Die Kämpfe der evangelisch-lutherischen Kirche in Preußen seit Einführung der Union. I. Teil: Die evangelisch-lutherische Kirche in Preußen und der Staat, Stuttgart 1869 (II. Teil nicht erschienen), 124–139.
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Jahrhunderts, dem Glaubenszwange feind, befestigte diese Freiheiten je länger desto mehr. Das preußische Landrecht, von ihm durchdrungen, gab der lutherischen Kirche neben den landesherrlichen Bestätigungen der alten Rechte bei jedem Regierungswechsel eine feste rechtliche Gewähr auch im Innern des Staats. Um dieselbe Zeit aber hatte leider auch der Unglaube schon so große Fortschritte gemacht, daß er in seinen weiteren Folgen den ganzen göttlichen wie menschlichen Rechtszustand bedrohte. Das Religionsedict, in welchem der reformirte Landesherr auch den Lutheranern befahl, streng bei dem Lehrbegriff ihrer Kirche zu bleiben, suchte dem Uebel zu steuern. Aber eine äußere irdische Macht konnte den erstorbenen Glauben nicht beleben. Schon nach wenig Jahren mußte es wieder aufgehoben werden. Der durch den unzureichenden Damm angeschwollene Strom des Unglaubens und Indifferentismus brach nur mit um so ungestümerer Gewalt über die Kirche herein; er suchte nun auch das äußere Bestehen der lutherischen Kirche anzutasten. Da trat Gott ins Mittel. Durch den Druck der französischen Gewaltherrschaft und die wunderbare Befreiung von derselben wurden viele Gemüther tief erschüttert und blickten zurück nach dem kirchlichen Glaubensschatze, den wenige kümmerlich bewahrt, die meisten völlig verloren hatten. Aber auch da ward keineswegs das große Ganze der Zeit vom Glauben der Väter wieder ergriffen. Vielmehr war es meist nur hohe menschliche Begeisterung für Edles und Schönes, zum Theil mit Wirkungen des heiligen Geistes untermischt, welche die Zeit bewegte und gar bald zu mannigfachen, dem Staat wie der Kirche gleich gefährlichen Irrthümern hinriß: ja die Klagen über Glaubensindifferentismus und Unkirchlichkeit wurden jetzt erst recht laut. In diesem Zustande erwuchs die nach den verschiedenen Geistern der Zeit so verschieden gedachte Idee der Union: abermals versuchte es die weltliche Macht durch äußere Maßregeln den protestantischen Kirchen aufzuhelfen; dieses Mal aber nicht blos durch Verweisung auf ihre Symbole und Grundgesetze, sondern durch Bildung einer neuen aus der lutherischen und reformirten zusammengesetzten Kirche, unter dem Namen der unirten oder evangelischen Landeskirche. Der Verlauf und Erfolg dieser Bestrebungen liegt am Tage. Unter den drei Bestandtheilen, welche das Dasein einer Kirche auf Erden ausmachen, Bekenntniß eines bestimmten Glaubens, diesem gemäßen Gottesdienst und eigenthümlicher Verfassung und Leitung der kirchlichen Angelegenheiten, kam hinsichtlich des ersten der Zeitgeist selbst der Union entgegen, indem die herrschende Gleichgültigkeit gegen einen bestimmten Glauben bei den meisten von selbst auch eine Gleichgültigkeit gegen die unsern Vätern hochwichtigen Unterschiedslehren zwischen unserer und der reformirten Kirche erzeugt hatte. Auch konnte schon an sich, da der Glaube etwas Innerliches ist und zu einem neuen Bekenntniß desselben der innere Zwiespalt der Zeit ganz unfähig war, darüber nichts Aeußeres festgesetzt werden. Doch wurde officiell erklärt, daß der Uebertritt zur Union keinen Glaubenswechsel enthalten solle, d. h. also, daß die unirte Kirche als solche auf keinem bestimmten Glauben erbaut sei – was aber wieder (da eine Kirche ohne eine gewisse ihr ein-
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wohnende durchgreifende Ueberzeugung nicht gedacht werden kann) nur soviel heißt, als die unirte Kirche glaube und bekenne, daß ein bestimmtes kirchliches Glaubensbekenntniß im Verhältniß zu den vorgefundenen protestantischen Kirchen unnöthig und insbesondere die Unterscheidungslehren zwischen den beiden Kirchen gleichgültig seien. Was den zweiten Bestandtheil einer Kirche, den Gottesdienst, betrifft, so wurde dafür durch die ursprünglich für die reformirte Hof- und Domkirche bestimmte, nachher für die einzelnen Provinzen und auch für Schlesien, von gemischten (lutherischen und reformirten) Kommissionen, umgearbeitete Agende der neuen evangelischen Landeskirche gesorgt und deren Annahme den Predigern ohne Unterschied der Confession zur Pflicht gemacht. Diese Agende, ein treuer Abdruck des vorhin bezeichneten eigenthümlichen Glaubens der neuen Kirche, ward daher das Hauptvehikel der Ausbreitung der letztern. Am entschiedensten endlich bestätigte sich die unirte Kirche in dem dritten äußerlichsten Hauptstücke, der Verfassung. Nicht nur, daß die bisher lutherischen höhern Kirchenbehörden alle ausdrücklich der Union beitraten, sondern man verfuhr auch hinsichtlich des theologischen Unterrichts auf Schulen und Universitäten, der Examina der Kandidaten, der Ordination der Geistlichen, der Besetzung der landesherrlichen Patronatstellen, u.s.w. so bestimmt im Interesse der unirten Kirche, daß diese im Grunde als die allein bestehende vorausgesetzt und etwaiges Widerstreben in dieselbe einzugehen nur als unrechtmäßige nach und nach ebenfalls wegzuschaffende Ueberbleibsel der alten Kirche behandelt wurden, die nur auf Eigensinn oder Eigennutz beruhen könnten. So wurde auch in unserem Vaterlande besonders seit dem Feste der Augsburgischen Confession im Jahre 1830 die unirte Kirche mehr oder weniger vollständig die factisch herrschende, und die lutherische, die dieses bisher von Rechts wegen war, möglichst verdrängt. Aber völlig aufgehoben werden konnte letztere nur, wenn sie selbst sich, oder vielmehr, wenn der Herr, der sie gegründet hatte, sie aufgab, und das war Seiner Zusage entgegen, die längst in dem Sinnspruche des christlichen Volks „Gottes Wort und Luthers Lehr vergehen nun und nimmermehr“ ihren Widerall und ihr Zeugniß in den Herzen seiner Bekenner gefunden hatte. Ebenso bekannt, wie die obigen Thatsachen, ist es, daß bei der Einführung der neuen Agende und Union in Schlesien eine Anzahl von Gemeinen mit ihren Predigern auf das Entschiedenste den Beitritt zur unirten Kirche – sei es in ihrem Bekenntniß, in ihrem Gottesdienste oder in ihrer Verfassung verweigerte, fest entschlossen, das ihr von den Vätern überlieferte Kleinod der lutherischen Kirche – in ihrem Bekenntniß, ihrem Gottesdienst und ihrer selbständigen Verfassung – sich und ihren Nachkommen zu bewahren. Ihre Zahl, anfangs gering, mehrte sich allmählig, als die Gewissen Zeit gewonnen hatten, sich über die Bedeutung ihrer Kirche überhaupt und im Verhältnisse zur Zeit zurecht zu finden, als insbesondere das von den unirten Staats- und Kirchenbehörden gegen die übrig gebliebenen Lutheraner beobachtete Verfahren, welches die Absicht der völligen Hineinziehung der
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lutherischen Kirche in die unirte bekundete, offenbar ward. Theils traten Einzelne oder einzelne Abtheilungen von ganzen Gemeinen aus der unirten Kirche zur lutherischen zurück, theils sandten Geistliche in Uebereinstimmung mit ihren Gemeinen die neue Agende der „evangelischen Kirche“ mit der Erklärung zurück, sich der lutherischen wieder anschließen zu wollen. Auf diese Weise haben die Unterzeichneten sich zusammengefunden. Keine Lockung irdischen Vortheils hat sie verleitet, keine Aussicht auf den Beifall der Welt sie ermuthigt, – beides war ja entschieden auf der andern Seite; sie mußten umgekehrt Verfolgung und Elend als die Folgen betrachten, der sie mit dem gethanen Schritte entgegen gingen; aber sie mußten bei dem Gedanken erzittern, einst dem Richter aller ihrer Thaten Rechenschaft geben zu müssen, wo sie das ihnen vertraute Pfund der reinen Lehre, des reinen Sacraments und der Erhaltung beider in der auf diese gegründeten Kirche gelassen, warum sie das von den Vätern ererbte Gut ihren Kindern nicht erhalten hätten. Noch jetzt wissen sie nicht, was Gott in diesem irdischen Leben über sie verhängen wird. Aber das wissen sie mit der Gewißheit und Freudigkeit, welche allein eine im harten Gewissenskampfe errungene Ueberzeugung gewähren kann, daß sie vor Gott und Menschen den Namen ihres Herrn Jesu Christi, der ihnen und ihrer Kirche versiegelt ist, bekennen sollen, und so Gott ihnen Gnade giebt, bis an ihr Ende bekennen wollen. Demgemäß und in Betracht, daß durch das Umsichgreifen der unirten Kirche, sowohl unter den Geistlichen und Behörden als in den einzelnen Gemeinen der lutherischen Kirche, die letztere ihren bisherigen innern Zusammenhang verloren hat, daß sie sogar, wie die Erfahrung gezeigt, als lutherische von der unirten gesonderte Kirche von Sr. Majestät Behörden factisch nicht mehr anerkannt wird, daß aber ihre Reorganisation ebenso zu ihrem Fortbestehen nothwendig ist, wie ihre Befugniß dazu aus ihren unbestreitbaren Rechten folgt, richten Unterzeichnete im eigenen Namen und im Namen der durch sie Vertretenen an Ein Hohes Ministerium das unterthänige Gesuch: die lutherische Kirche als eine im Bekenntniß ihres, in den bekannten sechs symbolischen Schriften ausgesprochenen Glaubens, in ihrem Gottesdienste und in ihrer Verfassung, Verwaltung und ihrem Schulwesen freie selbständige Kirche, ihren alten Rechten gemäß wiederum anzuerkennen, damit auf Grund dieser Anerkennung ihre vollständige Auseinandersetzung mit der unirten Kirche und ihre innere Reorganisation leicht und ordentlich erfolgen könne.
Da ferner an vielen Orten der Prediger mit dem größten Theil der Gemeine unirt geworden; die übrigen lutherisch gebliebenen aber laut göttlicher Schrift (Hebr. 10, 25) ihre Versammlungen nicht verlassen können, ihnen jedoch von den Königlichen Behörden ihre Nothgottesdienste verpönt werden, so bitten wir ferner: die Königlichen Behörden gnädigst auf das Recht der lutherischen Kirche zu verweisen und so zu gestatten, daß die Lutheraner einstweilen und bis sie durch erlangte Concession in den Stand gesetzt werden, sich ordentlicher Weise einen Prediger zu berufen, ihren Gottesdienst durch erwählte Laien und unter Aufsicht des
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nächsten lutherischen Geistlichen nach der Wittenberger Agende, mit Ablesung einer Predigt, ungestört abhalten dürfen.
Zur näheren Begründung dieser unserer Gesuche die religiösen Motive, die uns vom Eintritt in die unirte Kirche abhalten und uns überzeugen, daß Annahme der Agende unter Unterordnung unter unirte Kirchenbehörden den Uebertritt zur Union einschließt, auseinanderzusetzen, halten wir bis auf weiteres Verlangen für überflüssig, da diese im Wesen dieselben sind, welche schon unsere Väter bewogen haben, von der reformirten Kirche sich gesondert zu halten, und welche in Bezug auf unser Verhältniß zur unirten Kirche neuerlich in mehreren Druckschriften, nämlich: 1. 2. 3. 4. 5. 6.
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Sendschreiben an die Freunde und Beförderer der Union in der evangelischlutherischen Kirche, Leipzig bei Kummer 1822. Vollgültige Stimmen von Dr. Schulz und von Cöln, Leipzig bei A. Barth 1826. Geschichte der lutherischen Gemeine in Breslau von Scheibel, Nürnberg bei Raw 1832. Theologisches Votum eines Juristen, Nürnberg bei J. Phil. Raw 1832. Sendschreiben an Dr. Hengstenberg von Scheibel, Dresden 1832. Actenmäßige Geschichte der neuesten Unternehmung einer Union zwischen der reformirten und lutherischen Kirche von Dr. J. G. Scheibel bei Fr. Fleischer, Leipzig 1834. Das trennende Unionswerk, von einem lutherischen Geistlichen in Schlesien, Nürnberg bei Raw 1833.
öffentlich dargelegt worden sind. Wir beschränken uns daher auf die Rechtsgründe und auf die Verwahrung vor einigen Mißverständnissen: Daß zuvörderst die evangelisch-lutherische Kirche in Schlesien, wie in sämmtlichen preußischen Staaten eine rechtlich bestehende privilegirte Kirchengesellschaft sei, bedarf als weltkundige Thatsache keines Beweises. Es reicht hin, nur auf die schon erwähnten Urkunden, welche ihre Rechte und Freiheiten aussprechen, genauer hinzuweisen. Sie erhielt zuerst durch den Religionsfrieden von 1555, nachher durch Kaiser Rudolph’s II. Majestätsbrief vom Jahre 1609, darauf durch den Westphälischen Frieden von 1648, dann durch dessen Bestätigung und Erweiterung in der Altranstädter Convention von 1707 festes rechtliches – wenn auch durch Verfolgungssucht der andern Religionspartei öfter geschmälertes – Bestehen. Alle diese Rechtszusicherungen sind entweder durch Friedensschlüsse garantirt oder fallen vor die Königl. Preußische Acquisition Schlesiens, die nach vorheriger Anerkennung aller bisherigen Freiheiten der Schlesier geschah, und können daher durch keine inländische Gesetzgebung wieder aufgehoben werden. Seit der preußischen Eroberung wurden eben dieselben von Friedrich dem Großen, auch von Friedrich Wilhelm II. und von des jetzt regierenden allergnädigsten Königs Majestät bestätigt. Ein Königswort kann auch nicht gebrochen werden. Ferner
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bestimmt das allgemeine Landrecht, welches die katholische, lutherische und reformirte Kirche als die privilegirten Hauptreligionsparteien vorfand: Theil II. Tit. 11. §. 2. Jedem Einwohner im Staat muß eine vollkommene Glaubens- und Gewissensfreiheit gestattet werden. §. 3. Niemand ist schuldig, über seine Privatmeinungen in Religionssachen Vorschriften vom Staate anzunehmen. §. 4. Niemand soll wegen seiner Religionsmeinung beunruhigt, zur Rechenschaft gezogen, verspottet oder gar verfolgt werden. §. 37. Kirchengesellschaften dürfen so wenig als einzelne Mitglieder derselben einander verfolgen oder beleidigen. §. 43. Keine Religionsparthei soll die Mitglieder der andern durch Zwang oder listige Ueberredung zum Uebergange zu verleiten sich anmaßen.
Endlich wurde in Anwendung auf den höchsten Orts gefaßten Plan zur Bildung der unirten evangelischen Landeskirche von Sr. Majestät bereits in der Kabinetsordre vom 18. Juli 1798 und wiederholt in der Verfügung an die Consistorien vom 27. September 1817, Fernhaltung alles Zwanges und bürgerlicher Autorität und die Respectirung der bestehenden Kirchen und ihrer Rechte eingeschärft. Insbesondere heißt es in der letzten Verfügung: Aber so sehr Ich wünschen muß, daß die reformirte und lutherische Kirche in Meinen Staaten diese Meine wohlgeprüfte Ueberzeugung mit Mir theilen möge, so weit bin Ich, ihre Rechte und Freiheit achtend, davon entfernt, sie aufdringen und in dieser Angelegenheit etwas verfügen und bestimmen zu wollen.
Auch diese von Sr. Majestät anerkannten Rechtsgrundsätze können nicht übergangen werden. Vorzüglich beachtenswerth ist aber bei allen diesen Rechten und Freiheiten, daß sie kirchliche sind. Nicht auf Denk- und innere Glaubensfreiheit des Einzelnen sind sie gerichtet, sondern sie gewähren einer Kirche, die eine große von einem Glauben belebte Corporation ist, freies Bestehen. Leider bildete sich seit dem Ende des vorigen Jahrhunderts in den Zeiten des fast erloschenen kirchlichen Glaubens der Wahn, als wäre die Religion bloß Sache der individuellen Meinung, die Kirche dagegen eine Anstalt des Staats, vom Glauben und Erkenntniß der ihr Angehörigen unabhängig. Aber unser Heiland hat nicht bloß Lehren über die Religion verbreitet, sondern Er hat ein Reich gestiftet, von derselben Realität wie die irdischen Staaten, nur daß „sein Reich nicht ist von dieser Welt“ und darum, ungeachtet seiner äußeren Erscheinung, mit den Reichen, die von dieser Welt sind, in gar keinem Conflict steht. Dieses Reich, welches zu dem Glauben an das Wort Gottes sich verhält wie der Leib zum Geiste, wie die äußere Staatseinrichtung zu dem irdischen Gesetz, ist eben die Kirche, und es ist bis ins vorige Jahrhundert nie daran gezweifelt worden, daß aller christliche Glaube nur in einer Kirche gedacht werden und bestehen könne: so ist auch die lutherische Kirche nicht ein Theil des Staats, sondern der Leib
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des lutherischen Glaubens, „erbaut auf dem Grund der Apostel und Propheten, da Jesus Christus selber der Eckstein ist, auf welchem der ganze Bau ineinandergefügt, wächset zu einem heiligen Tempel in dem Herrn“ (Ephes. 2. 20. 21). Auf diese Kirche in allen ihren äußeren Erscheinungen, der selbständigen eigenthümlichen Anordnung des Gottesdienstes, Verfassung, Verwaltung, Zucht und Erziehung, die sämmtlich von dem inwohnenden Geiste ihres Glaubens und Bekenntnisses durchdrungen sein müssen, beziehen sich die eben gedachten Rechte und Freiheiten der lutherischen Kirche. Auf sie können sie sich allein beziehen, da die bloße Religionsmeinung Einzelner, als etwas rein innerliches, gar nicht zur Erscheinung kommt und es mithin lächerlich wäre, von einer gesetzlichen Anerkennung der Glaubens- und Gewissensfreiheit in diesem Sinne reden zu wollen. Es leuchtet daher ein, daß die bloße Verwilligung an einzelne Lutheraner von unirten Geistlichen etwa nach lutherischen Formularen in geistlichen Handlungen sich bedienen zu lassen und dabei den lutherischen Glauben haben zu dürfen, keine Anerkennung, sondern die bestimmteste Ableugnung ihrer Kirche und kirchlichen Rechte ist. Weß Glaubens und welcher Kirche der Hörer der Predigt, der Communicant ist, deren muß auch der Geistliche sein, und eben derselben muß auch die Agende sein, welche den Gottesdienst regelt. Dasselbe würde hinsichtlich der Verfassung gelten, wenn nur zugestanden würde, daß die Lutheraner zwar in einzelnen Gemeinen eigene Prediger haben, ihre Verwaltung aber, wenn auch erst in höchster Instanz, in den Händen solcher Behörden, die nicht ausschließlich der lutherischen Kirche selbst angehören, liegen sollte. Wem kann es auch entgehen, daß, wenn eine Gemeine nicht ihre Versammlungen hat, nicht die Art ihres Gottesdienstes selbst bestimmt und bewahrt, wenn sie nicht selbst ihre Aufseher, Lehrer und Seelsorger bildet, ordinirt, auf ihre Glaubensbekenntnisse verpflichtet und einsetzt, nicht selbst für den Unterricht ihrer Jugend sorgt, selbst über Lehre, Bekenntniß und Wandel ihrer Mitglieder wacht, überhaupt nicht selbst ihre Angelegenheiten leitet, sondern in Stücken dieser Art einer fremden Kirche übergeben ist, – von einer wirklichen Freiheit derselben nicht die Rede sein kann, und daß der in ihr wohnende Glaube ebenso bald der fremden Einwirkung erliegen muß, wie die Gesetze und der Charakter eines Volkes, welches einer fremden Regierung unterworfen wird. Zugleich rechtfertigt es sich hiermit hinlänglich, wenn von uns Annahme der Agende und der Behörden der unirten Kirche dem Wesen nach als dem ausdrücklichen Beitritt zur Union gleichstehend betrachtet worden ist. Doch zum Ueberfluß sind auch alle jene einzelnen kirchlichen Rechte in den angeführten Urkunden der lutherischen Kirche ausdrücklich zugesichert, so daß der genaue Inhalt der erbetenen Anerkennung aus ihnen auch ohne besondere Angabe entnommen werden kann. Nach dem Religionsfrieden von 1555 §. 15 soll kein Stand des Reichs die Augsburgischen Confessionsverwandten „von dieser Augsburgischen Confessionsreligion, Glauben, Kirchengebräuchen, Ordnung und Ceremonien, so sie aufgerichtet oder nochmals aufrichten möchten, in ihren Fürstenthümern, Landen und Herrschaften dringen ..., sondern bei solcher
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Religion, Glauben, Kirchengebräuchen, Ordnung und Ceremonien, auch ihrem Haab, Gütern ... ruhiglich und friedlich bleiben lassen.“
Und nach §. 20 soll die geistliche Jurisdiction ... wider der Augsburgischen „Confessionsreligion, Glauben, Bestellung der Ministerien, Kirchengebräuche, Ordnungen oder Ceremonien, so sie aufgericht oder aufrichten möchten ... nichts exercirt, gebraucht oder geübt werden, sondern derselben Religion, Glaube, Kirchengebrauch, Ordnungen oder Ceremonien und Bestellung der Ministerien ... ihren Gang lassen und kein Hinderniß oder Eintrag geschehen.“
Nach dem Majestätsbrief Kaiser Rudolph’s II. vom 20. August 1609 sollen: „alle und jede Einwohner des ganzen Landes Schlesien ..., welche der Augsburgischen Confession verwandt sein und sich zu derselben bekennen, keinen ausgenommen, ihre Religion, laut letzterwähnten Confession, frei und ungehindert überall, an allen Orten üben und verrichten; bei solch ihrer Religion, Priesterschaft und Kirchenordnung, welche jetzt bei ihnen ist, oder dieser Confession gemäß, möchte aufgerichtet werden, fried- und geruhiglich verbleiben, keiner aus derselben zu einer andern Religion als wie sie die bishero gehabt, ungeachtet unter welcher geistoder weltlicher Obrigkeit einer gesessen, oder sich aufhalten thut, gedrungen oder derowegen verjaget, vielweniger blos und allein der Religion halben, ab officiis removiret, und also auf keinerlei Weise noch Wege in ihrem Gewissen bedrängt oder betrübet, sondern vielmehr alle und jede dieser Augsburgischen Confession Verwandte, bei derselben, auch bei allen jetzo inne habenden Kirchen, Gottesdienst, Ceremonien, Schulen, Pfarreien, Klöstern, Stiftungen, Zehenden, Zinsen, Accidenzien, Einkommen, allermaßen, wie sie solche bishero im Besitz und Gebrauch gehalten, ruhig und unangefochten gelassen werden sollen.“
Im weitern Verfolg wird den Augsburgischen Confessionsverwandten auch das Recht zugesichert, ihre bisherigen Consistoria zu behalten oder neue aufzurichten, desgleichen Kirchen, Gotteshäuser, Begräbniß und Kirchhöfe aufzubauen, und sie sollen in keiner Art zu einer andern Religion durch Gewalt oder auf andere unziemliche Weise hinübergezogen werden. Die Worte sind: „Zum Dritten verwilligen wir auch dieses, da jemand aus den Fürsten und Ständen, außer den Kirchen und Gotteshäusern, welche sie jetzo inne haben, halten, oder ihnen sonsten zuständig sein (bei welchen sie auch friedlich geschützt und erhalten werden sollen), etwa in Städten, Städtlein, Dörfern, oder anders wo wollte oder wollten mehr Kirchen, Gotteshäuser oder Schulen, zu Unterweisung und Auferziehung der Jugend aufrichten und bauen lassen, daß solches gleich wie den Fürsten und Herren Stand, und derselben allerseits Unterthanen, also auch den Erbfürstenthümern, sowohl in Städten als auf dem Lande ingemein und einem jeden insonderheit, anjetzo und in künftig zu thun, frei und offen stehen soll, vor männiglich ungehindert. Zum Vierten wollen wir auch den Augsburgischen Confessions Verwandten, Fürsten und Ständen diese sondere Gnad thun, daß diejenigen Fürsten, so zu Zeiten unserer hochgeehrten Herrn Anherrs und Herrn Vatters, auch bei Antretung unserer Regierung ihre Consistoria gehabt, ... neue aufzurichten, und allermaßen
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mit denselben, wie die andern, so die ihrige bishero gehalten, in Ordination und Ehesachen zu verfahren, freistehen soll ... Zum Fünften ..., in welchen Orten aber und Städten diejenigen, so der Augsburgischen Confession seien, ihre eigenen Kirchen und Begräbniß, oder gesammt mit den katholischen nicht hätten, dieselben sollen, vermöge dieser unser Concession, wie Kirchen und Gotteshäuser, also Begräbniß und Kirchhöfe aufzubauen, auch Stellen dazu auszusetzen Macht haben ... Letztlich wollen wir auch dieses, daß zur Erhaltung Lieb und Einigkeit, eine Part der Andern, katholische sowohl als auch der Augsburgischen Confession Verwandte, in so, wie vorgesetzt, verwilligter Uebung und Gebrauch ihrer Religion, Kirchenordnung und ertheilten Gerechtigkeiten nicht eingreifen oder fürschreiben, die Geistliche in Weltliche und hinwieder die Weltliche in Geistliche Empter sich nicht einmischen, vielweniger einander schmähen noch verfolgen, sondern nunmehr als Glieder zu einem corpore gehörig einander lieben, ehren, fördern und beiderseits für einen Mann in allen unsern und des Vaterlands Notturfften und Angelegenheiten, es sei in Mitleidungen oder andern unvermeidlichen Zufällen beisammen als treue Freunde stehen und in Summa also von heutiges Tages dato an, keiner von dem andern, wie aus den Fürsten, Herren und Ständen, also auch den Städten, Städtlein und Paversvolk, weder von ihren Obrigkeiten noch von keinen einzigen andern geist- oder weltliches Standes Personen, wegen der Religion bedrängt und zu einer andern sei es durch Gewalt oder anderer unziemlicher Weise gezwungen oder abgeführet werden solle.“
Hinsichtlich des Gottesdienstes gesteht auch das allgemeine Landrecht §. 40 Theil II. Tit. 11. jeder Kirchengesellschaft das Recht zu: „wegen der äußeren Form und Feier des Gottesdienstes dienliche Ordnungen einzuführen,“
die nur nach dem folgenden Paragraphen dem Staat zur Prüfung vorgelegt werden sollen, ob darinnen auch Ehrfurcht gegen die Gottheit, Gehorsam gegen die Gesetze, Treue gegen den Staat und sittlich gute Grundsätze gegen die Mitglieder enthalten sind. Ganz speciell aber für den vorliegenden Fall, wo in Folge des Uebertritts des früher lutherischen Brandenburgischen Hauses zur reformirten Confession und der Acquisition Schlesiens durch dasselbe unsere lutherische Kirche gegen die Reformirten in ein Verhältniß getreten ist, durch das erstere sich beeinträchtigt finden muß, verordnet der Westphälische Friede Instr. pac. Osnabr. 7. §. 1. „Auch ist von kaiserl. Majestät und Reichsständen einmüthig beschlossen worden, daß, welche Gerechtsame oder Wohltat sowohl die übrigen Verordnungen des Reichs, als der Religionsfriede und diese öffentliche Vereinbarung und in ihr die Hinlegung der Beschwerden, den katholischen und den der Augsburgischen Confession zugethanen Ständen und Unterthanen, ertheilen, dieselbe auch denjenigen unter jenen, welche Reformirte genannt werden, zustehen soll; ungefährdet jedoch die Verträge, Uebereinkunft, Privilegien, Reversalen und andern Bestimmungen, welche die sogenannten protestantischen Stände unter sich und mit ihren Un-
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terthanen über die Religion und deren Uebung und was davon abhängt, abgeschlossen und dadurch jedes Orts Ständen und Unterthanen bisher vorgesehen haben, ungefährdet auch der Gewissensfreiheit eines jeden. Weil jedoch die Religionsstreitigkeiten, welche unter den eben erwähnten Protestanten geführt werden, noch nicht beigelegt worden, sondern zu weiterer Beilegung vorbehalten sind und jene also zwei Partheien ausmachen, darum ist über das Reformationsrecht zwischen beiden also übereingekommen, daß, wenn ein Fürst oder anderer Landesherr oder Patron einer Kirche nach diesem zu der Religion des andern Theils übergegangen ist, oder eine Herrschaft oder Fürstenthum da, wo des andern Theils Religion gegenwärtig in öffentlicher Uebung besteht, durch Successionsrecht oder kraft dieses Friedensschlusses oder durch irgend einen andern Titel erlangt oder wieder erlangt hat, ihm selbst zwar gestattet sein soll, Hofprediger seiner Confession, ohne Beschwerung und Gefährde der Unterthanen, bei sich und in seiner Residenz zu halten. Dagegen soll es ihm nicht erlaubt sein, die öffentliche Uebung der Religion, die Kirchengesetze und Ordnungen, welche daselbst bis dahin angenommen sind, zu verändern, oder die Gotteshäuser, Schulen, Hospitäler oder dazu gehörige Einkünfte, Pachtzinse, Stipendien, den bisherigen Besitzern zu nehmen und sie Leuten seiner Religion zuzuwenden, oder unter dem Vorwande des Landeshoheitlichen, Bischöflichen, Patronats- oder irgend eines andern Rechts den Unterthanen Geistliche der andern Confession aufzudringen, oder irgend ein anderes Hinderniß oder Gefährde direct oder indirect der Religion des andern Theils zu bereiten. Und damit diese Uebereinkunft desto fester beobachtet werde, soll es im Falle einer solchen Veränderung den Gemeinen selbst zustehen, taugliche Schulen- und Kirchendiener, so von dem öffentlichen Consistorium und Ministerium des Orts, wenn diese mit den Präsentirenden oder Ernennenden derselben Religion sind, oder, in dessen Entstehungsfalle an demjenigen Orte, welchen die Gemeinen selbst wählen werden, examinirt und ordinirt und sodann von dem Fürsten oder Landesherrn unweigerlich confirmirt werden sollen, zu präsentiren, oder wenn sie das Präsentationsrecht nicht haben, zu ernennen.“
Der hier bezeichnete Fall ist gegenwärtig fast wörtlich eingetreten. Wir haben durch den Beitritt unserer bisherigen Kirchenbehörden zur unirten Kirche alle unsere obern Behörden verloren, das kirchliche Verwaltungsrecht (jus in sacra) ist somit den Gemeinen heimgefallen und eine Reorganisation derselben ebenso nothwendig geworden, als der gedachte Paragraph des Westphälischen Friedens in Verbindung mit dem angeführten Majestätsbriefe Kaisers Rudolph’s II. die Gemeine dazu berechtigt. Zwar ist die neue Kirche, in welche unsere Behörden eintraten, nicht geradezu und nicht dem Namen nach die reformirte. Aber abgesehen davon, daß sie dem Wesen nach nur als eine erweiterte reformirte Kirche betrachtet werden kann, wie der beiden eigenthümliche negative Charakter hinsichtlich der Abendmahlslehre zeigt, so versteht es sich auch von selbst, daß eine lutherische Kirche ebensowohl in ihrer Selbstständigkeit beeinträchtigt wird, wenn sie in eine aus der Mischung von reformirter und lutherischer Kirche hervorgegangene neue, als solche nicht lutherische Kirche hineingezogen wird, als wenn sie geradezu in eine bestehende reformirte Kirche eingeht.
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Wenn wir ferner um einstweilige Gestattung von Laiengottesdiensten an solchen Orten, wo sich kein lutherischer Prediger befindet, gehorsamst gebeten haben, so rechtfertigt sich dieses Gesuch hinlänglich durch den unverschuldet eingetretenen Nothstand unserer Kirche. Außerdem aber auch durch das allgemeine Landrecht §. 9 und 10 Theil II. Tit. 11., welches gestattet, daß mehrere Einwohner des Staates unter dessen Genehmigung zu Religionsübungen zusammen kommen, und wo sich aus dem Gegensatz von §. 9 ergiebt, daß diese Genehmigung nur solchen Zusammenkünften versagt werden soll, die theils heimlich gehalten werden, theils der Ordnung und Sicherheit des Staats gefährlich werden könnten. Diesen Charakter tragen aber offenbar lutherische Nothgottesdienste in der Art, wie sie eben erbeten werden, nicht an sich. Zugeschweigen, daß alle Verfolgung und Bestrafung derselben, wie die ganze Kirchengeschichte zeigt und für Schlesien die im 17. Jahrhundert katholischer Seits versuchte Unterdrückung der lutherischen Kirche beweist, ihren Zweck doch nicht erreichen könne, denn hier ist das Gewissen durch Gottes Wort selbst gefangen. Ebr. 10, 24–27. Wir haben hiermit die Gründe unseres Gesuchs dargelegt. Wir begehren nichts Neues, sondern nur was uns zusteht, was nur gegen alle göttliche und menschliche Rechte, gegen die heiligsten Zusicherungen früherer Landesherren und Sr. regierenden Majestät verweigert werden könnte. In Preußen fanden früher unsere Glaubensverwandten Zuflucht und Schutz. Sollte er uns, einer privilegirten Landeskirche entzogen werden? Preußen gab Europa das Beispiel der kirchlichen Toleranz; es hat sich allmählig zum Muster geistiger Freiheit und Bildung emporgeschwungen. Sollte es jetzt die eigenthümlichste Frucht des heiligen Geistes, die lutherische Kirche, in seinem Schooße vernichten wollen? Sr. Majestät gerechte Regierung wird allgemein gepriesen. Sollte blos der lutherischen Kirche die Gerechtigkeit versagt werden, welche selbst den Juden zu Gute kommt? Der Glaube ist des Menschen Heiligthum; er predigt und thut den Gehorsam gegen die Obrigkeit, auf ihm ruhen alle irdischen Verhältnisse; sein Recht (und ein solches hat der lutherische unbestreitbar) kann also nicht angetastet werden, ohne schon durch das Beispiel die Grundlage aller andern Rechte zu erschüttern. Den Lutheranern eine andere, als ihre eigene, gesetzlich ihnen zukommende Kirchenverwaltung aufdringen, wäre im Grundsatz nichts Anderes, als die Preußen einer fremden, ihnen nicht angestammten Obrigkeit unterwerfen wollen. Daß die Unterzeichneten nicht nach einzelnen Gemeinen, sondern vereint und zwar unmittelbar an Ein hohes Ministerium sich gewandt haben, schien sich ihnen nach den bestehenden Gesetzen dadurch zu rechtfertigen, daß der Gegenstand ein die lutherische Kirche der ganzen Provinz Schlesien betreffender ist; wie denn auch die in Bezug genommenen Urkunden zum Theil ausdrücklich diese Provinz insgesammt angehen. Obgleich sie übrigens die daraus herfließenden Rechte nur für sich in Anspruch nehmen können, so wollen sie doch keineswegs dem gleichen Rechte anderer Glieder derselben Kirche damit zu nahe getreten sein und verwahren sich ausdrücklich gegen die Meinung, daß sie gegenwärtig die einzigen seien, welche die
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Erhaltung der lutherischen Kirche in der gehorsamst erbetenen Weise wünschen, indem sie Gegentheils wissen, daß noch viele Schlesier denselben Wunsch hegen, die nur zufällig an diesem unterthänigen Gesuch nicht Theil genommen haben. Was die Legitimation der Unterzeichneten betrifft, so hat es leider aus Scheu, das gesetzliche Verbot des Sammelns von Unterschriften zu verletzen, nicht überall bewirkt werden können, daß diejenigen, in deren Namen diese gehorsamste Eingabe verfaßt ist, dieselbe mit unterschrieben oder die Unterschriebenen schriftlich bevollmächtigten. Da jedoch in derselben nur auf allgemeine Rechte angetragen ist, so erscheint dieser Mangel unwesentlich. Jedenfalls könnte demselben durch amtlich zu veranstaltende Befragung der Auftraggeber abgeholfen werden. Eine hochgeneigte, wie zu hoffen, baldige und gewierige Antwort wolle Ein hohes Ministerium die Gnade haben, an Pastor Berger in Hermannsdorf bei Breslau, Pastor Kellner in Hönigern bei Namslau, Pastor Biehler in Kaulwitz bei Namslau und dem Kaufmann Grempler in Breslau, die wir erwählt haben, daß durch sie die Communication über unsere Kirchenangelegenheit mit der hohen Behörde geschehe, zukommen zu lassen und sie insbesondere an den letztgenannten zu adressiren. In besonderer Ehrfurcht unterzeichnen sich Euer Excellenz und Eines hohen Ministerii ganz gehorsamste Diener. (Folgen 45 Unterschriften.)
12. Anschreiben vom 2.2.1842* (aus den Synodalbeschlüssen von 1841) Geliebte Brüder in Christo! Gnade sei mit Euch und Friede von Gott dem Vater und unserm Herrn Jesu Christo! Nachdem durch die Gnade unseres Gottes, welcher die Herzen der Menschen in seiner Hand hat, der Friede unserer Kirche so weit hergestellt worden, daß die Predigt des Wortes in den Gemeinen frei erschallen kann und unsere Pastoren in denselben überhaupt ungehindert wirken, war es ein angelegentliches Bestreben der zur Leitung der allgemeinen kirchlichen Angelegenheiten von den Synoden des Jahres 1835 ernannten Bevollmächtigten, eine Synode der vaterländischen Gemeinen lutherischen Bekenntnisses zu veranlassen. Es wurden daher so bald als möglich die nöthigen Vorbereitungen dazu getroffen und durch Ausschreiben vom 25. *
Oberkirchenkollegium (Hg.), Beschlüsse der von der evangelisch-lutherischen Kirche in Preußen im September und October 1841 zu Breslau gehaltenen Generalsynode (und folgender Generalsynoden, gesammelt in 2 Bänden: 1841–1873 und 1878–1910), Leipzig 1842 und Breslau 1844ff., 1–4.
Anschreiben vom 2.2.1842
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Juli v. J. eine solche allgemeine Synode zum 15. September nach Breslau einberufen, welche auch am gedachten Tage zusammentrat. Ihr könnet selbst ermessen, wie groß die Freude sämmtlicher Synodalen war, nach so langer Zeit und nach so manchen schweren Leiden sich wieder zu finden, und wie aller Herzen angeregt waren zum Lobe und Preise unseres Gottes, und zum Danke auch gegen unsern irdischen König und Herrn, dessen Gnade der Verfolgung ein Ziel gesetzt hat. Erster Gegenstand der Berathung war die Abhaltung des Synodalgottesdienstes. Dieser fand in Folge dessen am 17. Vormittags in dem gewöhnlichen gottesdienstlichen Lokale der hiesigen lutherischen Gemeine unter Theilnahme eines großen Theils derselben und vieler Fremden Statt. Die Synodalpredigt wurde über 1. Petri 2, 5 gehalten, und am Schlusse empfingen die Mitglieder der Synode, welche Tags vorher privatim gebeichtet hatten, das heilige Abendmahl des Herrn. An dem Nachmittage desselben Tages fand die erste ordentliche Sitzung und in derselben die Prüfung der Vollmachten der erschienenen Gemeine-Deputirten, darauf die Wahl eines Präsidenten der Synode, zweier Stellvertreter desselben und dreier Secretäre Statt, worauf sich die Synode für constituirt erklärte, ihre Arbeiten begann und solche theils in den für die verschiedenen Berathungsgegenstände gebildeten Commissionen, theils in Plenarsitzungen bis zum 17. October fortsetzte. An diesem Tage feierte die Synode mit Preis und Dank für die ihr vom Herrn geschenkte Gnade wiederum das heilige Abendmahl und löste sich dann auf, nachdem sie noch beschlossen hatte, daß von dem an eben diesem Tage eingesetzten und verpflichteten Ober-Kirchen-Collegium ein nach Materien geordneter Auszug aus den Beschlüssen der Synode angefertigt und gedruckt werden sollte. Dieser letztern Anordnung sind wir, sobald als thunlich war, nachgekommen und bieten Euch hiermit eine solche Zusammenstellung dar, zunächst geordnet nach denjenigen Materien, welche Nr. XIII der dem Synodalausschreiben beigefügten „Grundsätze für die Abhaltung der Synode“ als Berathungsgegenstände bezeichnet hatte. Diese Zusammenstellung enthält sämmtliche allgemeine Synodalbeschlüsse, d. h. alle solche, welche sich nicht blos auf den Geschäftsbetrieb der Synode selbst bezogen. Leider ist es aber der Synode wegen Kürze der Zeit nicht möglich gewesen, alle Gegenstände zur Berathung und Beschlußnahme zu bringen, die ihr dazu vorgelegt waren, und sie hat sich genöthigt gesehen, eine Reihe von Einrichtungen, deren Nothwendigkeit oder Nützlichkeit für das Gedeihen der Kirche ihr nicht entging, gänzlich auszusetzen, oder der vorläufigen Bestimmung des Ober-KirchenCollegium zu überlassen. Inzwischen hoffte sie, daß die Beschlüsse, welche sie gefaßt hat, unter dem Gnadenbeistande des Herrn dazu hinreichen würden, um als nothdürftige Grundlage eines geordneten kirchlichen Zustandes zu dienen und die Bahn im Allgemeinen vorzuzeichnen, auf welcher unser kirchliches Leben einer vollkommneren Entwicklung entgegengehen könnte.
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An Euch, geliebte Brüder, ist es nun, durch willigen Gehorsam gegen die Anordnungen der Synode, die mit dem Tage der Bekanntmachung bei Euch in Kraft treten, diese Hoffnung auch an Eurem Theile zu erfüllen. Dadurch wird der Name des Herrn, der ein Gott der Ordnung ist, unter Euch verherrlicht und das Band des Friedens und der Einigkeit unter uns Allen fester geknüpft werden. Laßt uns aber über der feinen Zucht und Ordnung, welche die Synode unter uns zu begründen beabsichtigt hat, den höhern Beruf nicht verabsäumen, darin uns der Herr berufen hat. Durch seine unverdiente Gnade sind wir dem Leichtsinn, dem Indifferentismus und der Zerflossenheit dieser Zeit in Glaubenssachen gegenüber um ein festes Bekenntniß geschaart, welches unsere gliedliche Gemeinschaft mit der wahren apostolischen Kirche aller Jahrhunderte und aller Länder bekundet, durch welches wir alle Schalkheit der Menschen und Täuscherei, damit sie uns erschleichen zu verführen, von uns ausschließen, und durch welches wir auch unsere Seelen selig machen, so wir von Herzen glauben. Laßt uns darum mit dem heiligsten Ernste festhalten an diesem Bekenntnisse und das Wort der Wahrheit, welches wir bekennen, gleich unsern Glaubensvätern, für den allerhöchsten Schatz achten, ohne den alle menschlichen Einrichtungen, so weise und heilsam sie sonst auch sein mögen, nur wenig ausrichten, mit dem aber die Kirche die Verheißung hat, daß auch die Pforten der Hölle sie nicht überwältigen sollen. Thun wir dieses, so werden wir auch vor den Gefahren bewahrt bleiben, welchen kleinere religiöse Vereine so häufig verfallen sind, durch Ueberschätzung ihrer eigenthümlichen gottseligen Einrichtungen sich dünken zu lassen, als wären sie etwas Besseres als ihre Glaubensbrüder, bei denen diese nicht bestehen, und durch engherzige Zurückziehung auf sich selbst den Segen zu verkümmern, der im lebendigen Zusammenhange mit dem großen Baume der wahren christlichen Kirche allen gesunden Zweigen desselben zufließt. Es genüge uns aber nicht, die Wahrheit mit dem Munde zu bekennen, sondern eben so sehr laßt uns bestrebt sein, sie in das Leben einzuführen. Der Glaube, wenn er die Werke nicht hat, sagt Jacobus, ist todt in ihm selber, und die Kirche des Herrn kann ihrem hohen Berufe, ein Licht der Welt und eine Stadt Gottes, die auf einem Berge liegt, zu sein, nicht wahrhaft nachkommen, wenn sie ihren Glauben nicht mit einem ihm entsprechenden Wandel ziert. Darum, wo das treueste Bekenntniß zu dem Worte des Herrn, der uns geliebt hat, da soll auch die inbrünstigste Gegenliebe zu Ihm, in dieser ungefärbte brüderliche Liebe, und in der brüderlichen Liebe die größte allgemeine Liebe sich offenbaren. Insbesondere ermahnen wir Euch, geliebte Brüder, daß ihr nichts thut durch Zank und eitle Ehre, daß Ihr, so viel an Euch ist, Frieden haltet mit Jedermann und auch denen mit Sanftmuth begegnet, welche draußen sind. Vergeßt auch nicht der großen Wohlthat, welche uns durch unsern theuern König dadurch zu Theil geworden ist, daß er uns gleich seinen übrigen Unterthanen die Gewissensfreiheit wiedergegeben hat. Wenn Ihr also mit uns bittet für die Kirche, die Obrigkeit und alle Menschen, so gedenket seiner insonderheit vor dem
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Throne der Gnaden, daß Gott ihm weise Rathschläge und einen starken Arm verleihen und ihn allenthalben krönen wolle mit Gnade und Wohlfahrt. Endlich gedenket aber in Eurem Gebete auch unser, die wir jetzt zum ersten Male in dem uns übertragenen Amte an Euch insgesammt schreiben, und bittet den Herrn der Kirche, daß Er unserer Schwachheit zu Hülfe kommen, unsern Glauben stärken, uns Weisheit und Verstand und brünstige Liebe zu den Brüdern geben wolle, auf daß unser Amt an uns und Euch gesegnet sei für Zeit und Ewigkeit. Gott aber des Friedens, der von den Todten ausgeführt hat den großen Hirten der Schafe durch das Blut des ewigen Testaments, unsern Herrn Jesum, der mache Euch fertig in allem guten Werk zu thun Seinen Willen, und schaffe in Euch, was vor Ihm gefällig ist, durch Jesum Christum, welchem sei Ehre von Ewigkeit zu Ewigkeit. Amen. Breslau, den 2. Februar 1842. Das Ober-Kirchen-Collegium der evangelisch-lutherischen Kirche in Preußen. gez. E. Huschke. An sämmtliche Gemeinen der evang. lutherischen Kirche in Preußen.
13. Aus der Instruktion für das Oberkirchenkollegium (aus den Synodalbeschlüssen von 1841)
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Die vom 15. September 1841 ab in Breslau versammelte General-Synode der evangelisch-lutherischen Kirche in Preußen hat, von der Ueberzeugung durchdrungen, daß die Gesammtheit der evangelisch-lutherischen Gemeinen des Vaterlandes einer Centralbehörde bedürfe, welcher die Berathung und Verwaltung ihrer Gesammtinteressen übertragen werde, die Einrichtung einer solchen unter dem Namen eines: Ober-Kirchen-Collegium der evangelisch-lutherischen Kirche in Preußen beschlossen, und für dieselbe nachstehende Instruction genehmigt. Erster Abschnitt. Von der Zusammensetzung und innern Verfassung des Ober-Kirchen-Collegium. §. 1.
Mitglieder des Ober-Kirchen-Collegium.
Das Ober-Kirchen-Collegium besteht mit Einschluß des Directors aus wenigstens *
Oberkirchenkollegium (Hg.), Beschlüsse der von der evangelisch-lutherischen Kirche in Preußen im September und October 1841 zu Breslau gehaltenen Generalsynode (und folgender Generalsynoden, gesammelt in 2 Bänden: 1841–1873 und 1878–1910), Leipzig 1842 und Breslau 1844ff., 8–13.
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vier ordentlichen Mitgliedern (Räthen), einem Secretär und einem Rendanten. §. 2. Sitz desselben. Es hat seinen ordentlichen Sitz zur Zeit in Breslau, und kann ihn selbst nur aus sehr dringenden Gründen und durch einstimmigen Beschluß an einen andern Ort der Monarchie verlegen. §. 3. Beschaffenheit der Mitglieder. Die ordentlichen Mitglieder sind zur Hälfte geistlichen, zur Hälfte weltlichen Standes; nur wenn der Director dem letztern angehört, muß ein geistliches Mitglied mehr gewählt werden. Die zu wählenden Personen müssen die 1 Tim. 3. V. 1–7 angeführten Eigenschaften haben, der unveränderten Augsburgischen Confession (vergl. §. 10 und 27 dieser Instruction) zugethan sein, und ihren Wohnsitz im Königreiche Preußen haben, oder doch nehmen. §. 4. Wohnort derselben. Es ist nicht erforderlich, daß alle ordentlichen Mitglieder in dem Orte wohnen, wo das Ober-Kirchen-Collegium seinen Sitz hat; wohl aber müssen der Director und so viele ordentliche Mitglieder als nothwendig ist, damit eine gründliche mündliche Berathung stattfinden könne und die laufende Geschäftsbesorgung nicht verzögert werde, am Orte selbst, oder doch in solcher Nähe wohnen, daß sie an den Berathungen ohne große Schwierigkeiten persönlich Theil nehmen können. Zum Secretär und zum Rendanten können nur am Orte wohnhafte Personen gewählt werden. §. 5. Erstmalige Besetzung und Erweiterung des Ober-Kirchen-Collegium. Die erstmalige Besetzung des Ober-Kirchen-Collegium geschieht von der GeneralSynode selbst nach der von ihr beliebten Wahlart. Auch kann eine etwa erforderlich scheinende Erweiterung des Ober-Kirchen-Collegium nur von einer Synode geschehen. §. 6. Wiederbesetzung vacanter Stellen. Geht später aus irgend einem Grunde ein ordentliches Mitglied ab, dessen Stelle wieder besetzt werden soll, so erwählt das Ober-Kirchen-Collegium einen oder mehrere Candidaten zu der erledigten Stelle; diese werden durch die Superintendenten den Kirchen-Collegien bekannt gemacht; die Kirchen-Collegien jeder einzelnen selbstständigen Gemeine entscheiden durch einfache Stimmenmehrheit
Aus der Instruktion für das Oberkirchenkollegium
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über Annahme oder Zurückweisung des Vorgeschlagenen. Wenn mehrere vorgeschlagen sind, so stimmt jedes Kirchen-Collegium über jeden einzeln ab; wer bei diesen Abstimmungen nicht über die Hälfte der Stimmen hat, gilt als zurückgewiesen, von denen aber, welche über die Hälfte Stimmen haben, derjenige als gewählt, auf den die meisten Stimmen gefallen sind. Aus jedem Pastoralbezirke gehen nun die Vota der einzelnen Kirchen-Collegien durch den Superintendenten dem OberKirchen-Collegium zu, dieses zählt dieselben, entscheidet bei Stimmengleichheit, und macht das Resultat der Wahl bekannt. (Vergl. §. 27 der Bestimmungen über das Vorsteheramt.) Nur in dem Falle des §. 16, wenn auf dem Wege des Erkenntnisses ein Mitglied des Ober-Kirchen-Collegium seiner Function enthoben worden ist, kann dasselbe durch Cooptation ein anderes Mitglied an dessen Stelle berufen, welches dann zwar Sitz und Stimme im Collegio hat, aber doch der Bestätigung der nächsten Synode zu seiner definitiven Anstellung bedarf. §. 7.
Wahl der Candidaten.
Bei der Wahl der Candidaten (§. 6.) sind alle ordentlichen Mitglieder des OberKirchen-Collegiums vom Director zur Stimmenabgabe zeitig aufzufordern. Die gegenwärtigen stimmen in einer anzuberaumenden Sitzung, die abwesenden durch Einsendung ihrer Stimme zu dieser Sitzung, und es entscheidet die einfache Stimmenmehrheit. §. 8. Wahl des Directors, Rendanten und Secretärs. Auf dieselbe Weise geschieht die Wahl des Directors, des Rendanten und des Secretärs. §. 9. Bestätigung des Staats. So weit es erforderlich, wird für die gewählten Personen die Bestätigung des Staates eingeholt. §. 10. Bestallung der Mitglieder. Jedes gewählte ordentliche Mitglied wird bei der ersten Besetzung durch einen von der Synode bestimmten Geistlichen, später durch ein geistliches Mitglied des Ober-Kirchen-Collegium, unter Gebet feierlich zum Amte bestellt, nachdem dasselbe zuvor auf die Bekenntnißschriften der evangelisch-lutherischen Kirche in Preußen (§. 27.) verpflichtet worden ist. Auch erhält es eine resp. von der Synode oder von dem Ober-Kirchen-Collegium vollzogene Bestallung.
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§. 11. Bestallung des Rendanten und Secretärs. Der Rendant und Secretär werden von dem Director des Ober-Kirchen-Collegium in Pflicht genommen und erhalten gleichfalls eine, vom Collegium zu vollziehende Bestallung. §. 12. Pecuniäre Verhältnisse. Die Mitglieder des Ober-Kirchen-Collegium, einschließlich des Rendanten und Secretärs verwalten für jetzt ihr Amt unentgeldlich, weil es der Kirche an Mitteln fehlt, sie zu besolden. Dagegen werden ihnen ihre baaren Auslagen für Schreibmaterialien, Copialien, Porto, Reisekosten u. dgl. aus der allgemeinen Kirchenkasse ersetzt. §. 13. Amtsdauer und Verhältniß zur Synode. Die Aemter im Ober-Kirchen-Collegium werden an sich lebenslänglich übertragen; und da das Ober-Kirchen-Collegium ein organisches Glied der Kirchenregierung ist, so hört dasselbe, auch wenn eine General-Synode der lutherischen Kirche in Preußen zusammentritt und sich constituirt hat, nicht zu existiren auf, sondern verbleibt in seiner Function. Der Synode steht aber das Recht zu, von dem OberKirchen-Collegium Rechenschaft zu fordern und es sowohl im Ganzen, als auch einzelne Glieder desselben zur Verantwortung zu ziehen und anzuklagen, und demgemäß, wenn Gründe vorhanden sind, welche aber erörtert werden müssen, und wobei dem Einzelnen wie dem Collegium Verantwortung zusteht, den Einzelnen und auch das Collegium ab officio zu suspendiren; im letztern Falle eine Zwischenverwaltung zu organisiren, und auf später bestimmte Weise Untersuchung und Erkenntniß zu veranlassen. §. 14. Freiwillige Niederlegung der Aemter. Auch vor Zusammentritt einer General-Synode können die Aemter im OberKirchen-Collegium freiwillig niedergelegt werden, jedoch nur nach Angabe triftiger, von dem Ober-Kirchen-Collegium zu prüfender, und als solche anerkannter Gründe, und vorausgesetzt, daß dadurch die Fortsetzung der Geschäfte nicht unmöglich gemacht wird. §. 15. Stellung des Rendanten und Secretärs zum Collegium und Entlassung derselben. Der Rendant und Secretär sind verpflichtet, den Weisungen des Ober-KirchenCollegium Folge zu leisten; auch steht diesem aus triftigen Gründen die Entlassung derselben zu. Diese soll aber nur geschehen können, wenn zuvor eine von dem
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Ober-Kirchen-Collegium zu ernennende Commission, aus zwei weltlichen und einem geistlichen Mitgliede bestehend, die Untersuchung geführt und auf Entlassung erkannt hat. Die Commissarien dürfen nicht aus dem Ober-KirchenCollegium genommen sein, und gegen dieselben stehen dem Angeklagten Einwendungen zu, über welche das Ober-Kirchen-Collegium entscheidet. Wird innerhalb 10 Tagen nach der Publication Appellation eingelegt, so entscheidet das OberKirchen-Collegium definitiv, wobei natürlich etwa speciell betheiligte Mitglieder desselben nicht mitstimmen. Beschwerde hierüber kann nur bei der nächsten General-Synode, nicht aber anderwärts geführt, auch nicht richterliche Hülfe nachgesucht werden. §. 16. Amtliche Mißhelligkeiten unter den ordentlichen Mitgliedern des Ober-KirchenCollegium muß der Director zu schlichten suchen. Auch hat er das Recht, dieselben im Falle der Saumseligkeit an ihre Pflichten zu erinnern. Ihnen Verweise zu ertheilen, ist er aber nicht berechtigt, sondern muß über sie bei der nächsten Synode Beschwerde führen. Tritt aber die Nothwendigkeit ein, Mitglieder des Ober-KirchenCollegium zur Untersuchung zu ziehen, bevor noch eine Synode zusammenkommt, so verfügt diese das Ober-Kirchen-Collegium, und überträgt die Führung derselben einem Superintendenten und einem Mitgliede der Kirche weltlichen Standes. Gegen beide, welche nicht Mitglieder des Ober-Kirchen-Collegium sein dürfen, stehen dem Angeschuldigten Einwendungen zu, über welche das Ober-Kirchen-Collegium entscheidet. Auf Grund der verhandelten Akten erkennt das Ober-KirchenCollegium. Das Erkenntniß kann auf Freisprechung, Verweis, oder darauf gerichtet sein, den Angeschuldigten seiner Function zu entheben. Bei diesem Erkenntnisse hat es bis zur nächsten Synode sein Bewenden, bei welcher der Angeschuldigte die Aufhebung desselben nachsuchen kann. Bei der Abstimmung über das zu fällende Urtheil sowohl, als überall bei Einleitung der Untersuchung und während derselben, bei den in Bezug auf sie vorkommenden Fragen, soll die Beobachtung des §. 21 und 3 aufgestellten Grundsatzes wegen Gleichgewichts der Stimmen geistlicher und weltlicher Mitglieder nicht erforderlich sein.
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Die Evangelisch-lutherische (altlutherische) Kirche
Das Oberkirchenkollegium der Evangelisch-lutherischen Kirche in Preußen, von links: Wilhelm Friedrich Besser (*1816, †1884), Karl Ernst Gustav Freiherr von Rheinbaben (*1755, †1885), Georg Philipp Eduard Huschke (*1801, †1886), Leopold Julius Nagel (*1809, †1884), August Immanuel Böhringer (*1823, †1881), Aufnahme: 1873 vermutlich in Breslau.
14. Über das Vorsteheramt* (aus den Synodalbeschlüssen von 1841) Einer der wichtigsten Gegenstände, mit welchen sich die Synode zu beschäftigen hatte, war das Vorsteheramt. Es ist den Gemeinden bekannt, daß in Folge der Einführung der Union, namentlich der hierbei gegen die der lutherischen Kirche treu bleibenden Glieder und Lehrer ergriffenen Maßregeln, die Kirche durch Gottes wunderbare Gnade zu einem neuen Leben erwachte, und daß die treu gebliebenen und sich sammelnden Gemeinden, nachdem sie mit dem Wegfall der bisherigen Kirchenbehörde und durch die Vertreibung der wenigen treu gebliebenen Lehrer ihre natürlichen Organe verloren hatten, durch die Noth gedrängt wurden, aus ihrer Mitte vertrauenswerthe Männer zu erwählen, durch welche sie vertreten, regiert, und so weit dieß ohne das Predigtamt geschehen kann, geweidet wurden. Diese Einrichtung entstand in allen lutherischen Gemeinden des Vaterlandes, und wer den letzten Kirchenkampf mit durchgemacht oder auch nur aufmerksam beobachtet hat, wird nicht in Abrede stellen können, daß dieselbe in der Hand des Herrn eines der vorzüglichsten Mittel war, die Gemeinde in Abwesenheit der im Gefängniß und Verbannung oder auf der Flucht befindlichen Pastoren zusammenzuhalten, Rotten und Secten zu wehren, und überhaupt die Kirche in unserm Vaterlande zu erhalten. *
Oberkirchenkollegium (Hg.), Beschlüsse der von der evangelisch-lutherischen Kirche in Preußen im September und October 1841 zu Breslau gehaltenen Generalsynode (und folgender Generalsynoden, gesammelt in 2 Bänden: 1841–1873 und 1878–1910), Leipzig 1842 und Breslau 1844ff., 53–58.
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Wenn aber diese Einrichtung aus Noth entstanden war und schon in dem christlichen Bewußtsein der Gemeinde ihre derzeitige Berechtigung gefunden hatte, so wurde dieselbe auch weiter dadurch gerechtfertigt, daß ein analoges Vorbild für sie in den apostolischen Einrichtungen aus der heiligen Schrift selbst sich nachweisen läßt, daß sie mit unserem Bekenntnisse durchaus nicht in Widerspruch steht, zum Theil mehr oder weniger ausgebildet in der Kirche schon vorhanden, allezeit aber von den bewährtesten Lehrern unserer Kirche gewünscht worden ist. Anmerkung. Aus den vielfachen hierüber angestellten Voruntersuchungen, welche der Synode vorlagen, werde hier zu weiterer Verständigung nur Folgendes bemerkt: 1. Es sind in der Apostelzeit zur Weide der Gemeinden immer mehrere Personen nach Verschiedenheit ihrer Gaben (1 Cor. 12, 28) bestellt worden, Apostelgesch. 11, 30; 14, 23; 20, 17; Tit. 1, 5; Philipp. 1, 1; Jac. 5, 14; welche nicht alle am Worte und in der Lehre arbeiteten (1. Tim. 5, 17), und es werden neben den Lehrern, Hirten, Helfer, Regierer genannt (Eph. 4, 11; 1 Korinth. 12, 28; Röm. 12, 7–8). Schon hiernach ist klar, daß die Einführung solcher Helfer und Regierer neben den Lehrern der Gemeinde nicht schriftwidrig ist. 2. Es liegt darin aber auch keine Abweichung von dem Bekenntnisse der lutherischen Kirche, indem das von ihr für nothwendig erklärte ordentliche Kirchenregiment von der Gemeinde (Augsb. Conf. Art. 14) dadurch nicht beeinträchtigt, sondern unterstützt, erweitert und wirksamer gemacht wird, und die Concordienformel Art. 10 jeder Gemeinde die Befugniß einräumt, gottselige und heilsame Einrichtungen bei sich zu treffen. 3. Zur Zeit der Reformation nahm mit Recht die Wiederherstellung der reinen Lehre als des Nothwendigsten das Interesse zu ausschließlich in Anspruch, und erfolgte das Bekenntniß zum Evangelium noch zu sehr nach politischen Ganzen, ohne daß alle Einzelnen davon durchdrungen worden wären – als daß eine solche, der neutestamentlichen nachgebildete, Verfassung zum Heile einer Kirche hätte eingeführt werden können, welche in dem Einen, was Noth ist, ihren höchsten Schatz erkannte. Wenn sie dennoch von den Reformirten schon damals mit großem Eifer betrieben wurde und nicht ohne Segen blieb, so beruhte dieses auf der ursprünglich verschiedenen mehr formalen und äußerlichen Richtung der Schweizerischen Reformation, zum Theil im Zusammenhange mit dem republikanischen Geiste der dortigen politischen Verfassung. In der deutschen lutherischen Kirche finden sich die ersten Spuren ihres Prinzips – abgesehen von dem den Obrigkeiten von Anfang an in der Kirche eingeräumten Rechte „vorzüglicher Kirchenmitglieder“ – in der frühzeitigen Besetzung der Consistorien mit weltlichen neben den geistlichen Mitgliedern, dann in den einzelnen Gemeinden, in den Kirchenvorstehern oder Kirchenältesten, welche aber meistens blos mit den äußerlichsten Interessen der Gemeinden zu thun hatten. Nur in kleineren politischen Gesammtheiten, wie in den Reichsstädten, stellten deren kirchliche Behörden ein der neutestamentlichen Verfassung schon ähnlicheres Bild dar, indem sie ebenfalls aus Geistlichen und Laien ge-
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mischt waren, und in unmittelbarerem Verhältnisse zu den einzelnen Gemeinden auch alle Interna besorgten. Außerhalb Deutschlands ist die AeltestenVerfassung auch, ihrem innern und Haupttheile nach, in Schweden, und noch mehr in den lutherischen Gemeinden Hollands (vergl. überdieß Benthems holländischer Kirchen- und Schulenstaat, Frankfurt und Leipzig 1698. Kap. XI.), dann auch in Nordamerika zur Ausführung gekommen. Es ist nicht zu verkennen, daß in einer Zeit, wo die Christenheit im Allgemeinen im Indifferentismus oder Unglauben sich von einer confessionellen christlichen Kirche immer weiter zurückzieht, und wo, wie bei uns, die Gemeinden aus Einzelnen in Folge persönlicher Ueberzeugung sich sammeln, ein der ältesten christlichen Kirche ähnlicher Zustand eintritt, in dem auch die damalige Gemeindeverfassung erst wieder ihre volle Bedeutung erhalten kann. 4. Empfohlen wurde eine solche Verfassung der Gemeinden unter andern, um Flacius Illyricus nicht zu erwähnen, von Joh. Gerhard, loc. Theol. Tom. VI. Jena 1619. p. 40., Joh. Valent. Andreae, Theolophilus ed. Lips. 1719 pag. 59 ff., Beugel, Liebich und Burg zu 1. Tim. 5, 17. Zu derselben Stelle sagt C. Starcke in seiner Synopsis: „An dergleichen Aeltesten ist heut zu Tage fast überall Mangel in der lutherischen Kirche und wird von Vielen gewünscht, daß diesem Mangel möge abgeholfen werden.“ Am häufigsten und stärksten spricht sich darüber aus Ph. Jac. Spener in seinen theologischen Bedenken Halle 1721. Th. 1. S. 600: „Auch glaube ich festiglich, die Einsetzung dieses Kirchen-Regiments, nämlich der Aeltesten, die nicht Prediger sind, sollte wohl eines der wichtigsten Besserungsmittel sein und die übrigen alle eben so erleichtern, als deren Nutzen vermehren.“ Th.4. S. 309: „Halte auch für nöthig und das größte Momentum zu nachdrücklicher Erbauung, daß wir wiederum unsere beiderlei Aeltesten hätten, nämlich nicht nur die an dem Wort eigentlich mit Predigen arbeiteten, sondern auch Andere, die neben denselben Aufsicht auf die Gemeinden hätten und mit Vermahnen, Zusprechen, Strafen, Trösten und also Fleiß das von den Andern Gelehrte in Uebung helfen zu bringen, bei der Gemeinde dem Predigtamte an die Hand gingen.“ In neuester Zeit redet dieser Verfassung selbst Stahl: „die Kirchenverfassung nach Lehre und Recht der Protestanten“ S. 208 das Wort, obgleich er sonst das Recht des Lehrstandes zum KirchenRegimente, der Gemeinde gegenüber, zu ausschließlich behauptet. Die Synode stellte nun an die Spitze ihrer Berathung über diesen Gegenstand folgende Grundsätze: daß es sich darum nicht handle, die apostolische Verfassung wieder herzustellen; dieses jedoch nicht in der Meinung, als ob die Verfassung der heiligen Kirche Gottes in ihrer Blüthenzeit gering zu schätzen, sondern in dem Sinne, daß die Verfassung der Kirche, wie wir sie im Worte Gottes erzählt finden, nicht ohne weiteres als ein schlechthin zu befolgendes allgemeines Gebot Gottes anzusehen sei, dergestalt, daß wir alle Aemter und Gemeindeeinrichtungen, wie wir sie in den Schriften des N. T. vorfinden, mit ihren Namen und ihren äußeren Formen wiederherstellen und
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einrichten müßten, sondern daß, so wie wir in Bezug auf Verfassung Vorschriften im Worte Gottes vorfinden, die zu aller Zeit ihre Gültigkeit haben und deßhalb auch in unsern Tagen befolgt werden müssen, wir ebenso in derselben auch Einrichtungen erzählt finden, welche nur Entwickelung jener Grundsätze durch Zeit und Ortsverhältnisse bedingt, enthalten, und welche eben deßhalb im Laufe der Zeit sich in der Kirche Gottes immer gewandelt haben.
Ferner: daß diese ausgesprochenen Grundsätze völlig mit dem Verfahren unserer Reformatoren und den Aussprüchen unserer Bekenntnißschriften übereinstimmen, welche von der in der römischen Kirche vorgefundenen Verfassung dasjenige, was sie als dem Worte Gottes zuwiderlaufend erkannten, ausschieden, insbesondere gegen die Vermengung des weltlichen und geistlichen Regiments sich verwahrten, im Uebrigen aber nur festsetzen, daß in der Kirche Gottes Niemand ohne ordentlichen Beruf öffentlich lehren und Sacramente verwalten solle und die speciellere Entwickelung der Kirchenverfassung den Bedürfnissen des Orts und der Zeit überließen.
Ferner: daß nach dem Zeugniß der Geschichte, wie vor der Reformation von der Apostelzeit beginnend, in ihren Uranfängen auch schon in der heiligen Schrift enthalten, die Verfassung der Kirche sich allmälich entwickelt und verändert, ihr Wesen aber, das Amt, das die Versöhnung predigt, allezeit beibehalten hat, so auch nach der Reformation dieselbe historische Entwickelung sich kund giebt, und die Zulässigkeit solcher Entwickelung allezeit und übereinstimmend von den Lehrern unserer Kirche behauptet worden ist.
Ferner wurde für wichtig gehalten, hervorzuheben: daß, wiewohl wir hiernach berechtigt sein würden, in der Verfassung solche Einrichtungen zu treffen, welche noch nicht dagewesen, insofern wir nur im Stande wären, nachzuweisen, daß dieselben weder dem Worte Gottes, noch der historischen Entwickelung der Kirche widersprechen, sondern vielmehr mit diesen im Einklang stehen und dem Bedürfnisse der Zeit und des Ortes angemessen seien – es sich hier nicht um Einführung von etwas Neuem, in der Kirche nicht vorhanden Gewesenen, oder um Verwirklichung eines Gedankens oder Einfalls, sondern um festere Begründung und Regulirung einer durch die historische Entwickelung und besondere Führung des Herrn in der Kirche entstandenen Einrichtung handelt, – indem abgesehen von den mehr oder weniger entwickelten Keimen solcher Verfassung in den lutherischen Kirchen früherer Zeit oder anderer Länder bei uns das Vorsteheramt in der Zeit der Verfolgung durch die Noth herbeigeführt, und auch schon auf den früheren Synoden unserer Kirche gebilligt worden ist.
Auf dieser Grundlage und in Berücksichtigung der im Verlauf der Zeit in Bezug auf das Amt der Vorsteher gemachten Erfahrungen hat nun die Synode nachstehende Bestimmungen über das Vorsteheramt beschlossen und angenommen.
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Aus den Bestimmungen für das Vorsteheramt I. Kapitel. §. 1.
Wirkungskreis der Vorsteher.
Inhalt des Vorsteheramtes.
Das Vorsteheramt hat es mit der Regierung und Pflege der Gemeinde zu thun, und wird von dem Pastor der Gemeinde, welcher allein das öffentliche Lehramt hat, und von Personen, welche dazu aus der Gemeinde erwählt worden sind, verwaltet. Von diesen letzteren, welche wie bisher unentgeldlich fungiren, ist hier die Rede. §. 2. Gegenstände seiner Fürsorge. Es liegt den Vorstehern ob, in Gemeinschaft mit dem Pastor: 1. darüber zu wachen, daß die Gemeinde bei der reinen Lehre erhalten werde und keine Irrlehre in derselben aufkomme, und daß in derselben sowohl die allgemeine Kirchenordnung, als auch die Gemeindeordnung zur Ausführung komme und aufrecht erhalten werde; 2. die specielle Seelsorge zu üben, und Kirchenzucht unter Zuziehung der Gemeinde zu handhaben; 3. mit Beistimmung der Gemeinde neue Glieder in dieselbe aufzunehmen; 4. das Kirchenvermögen persönlich zu verwalten, oder die Aufsicht über die Verwaltung desselben zu führen; 5. sich der Armen- und Krankenpflege zu unterziehen, oder dieselbe zu beaufsichtigen; 6. die Gemeinde in ihren Angelegenheiten nach Außen zu vertreten, insofern hiervon nicht besondere Ausnahmen gemacht sind; 7. haben die Vorsteher bei der Wahl eines neuen Pastors das Präsentationsrecht, falls dem nicht besonders erworbene Rechte Anderer entgegenstehen; endlich: 8. wirken die Vorsteher bei der Wahl eines Deputirten zur Synode mit, wie dieß §. 52 der Instruction für das Ober-Kirchen-Collegium angeordnet ist; haben sie die Missionsangelegenheit in der Gemeinde sowohl nach der Seite, daß die Beiträge ordentlich eingehen, als auch nach der, daß sie zum Missionszwecke verwendet werden, zu betreiben, und auch dahin zu wirken, daß diese Angelegenheit Herzensangelegenheit der Gemeinde werde. Auch haben sie in Betreff der Schulen für die Gemeinde soweit zu sorgen, als diese Sorge nicht von einer besonderen Schulcommission übernommen ist.
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15. Aus den Bestimmungen über gottesdienstliche Gemeinschaft* (aus den Synodalbeschlüssen von 1841) Die Synode hatte diese Frage in weiterem Sinne, und zwar auch nach der Seite aufgenommen, daß unser Verhältniß zu auswärtigen lutherischen Kirchen in Betracht gezogen wurde, da mehrere dahin einschlagende Fragen zur Beantwortung vorlagen. Zulassung auswärtiger Lutheraner: 1) zum Abendmahle. Hinsichtlich der Frage, über Zulassung auswärtiger Lutheraner zum Abendmahle bei inländischen Pastoren, ist der Grundsatz ausgesprochen worden, daß ein Pastor der lutherischen Kirche, wenn er auch selber falsche Lehre habe, doch das wahre Abendmahl austheile, wenn in der Agende der Kirche des Landes, welcher die Gemeinde angehört, nicht Aenderungen getroffen sind, wodurch das Abendmahl aufhört, nach der Einsetzung Christi gefeiert zu werden, und nach dieser Agende das Abendmahl verwaltet wird – daß es deshalb Separatismus sei, wenn Jemand blos um der falschen Lehre des Pastors willen, das Abendmahl von ihm zu empfangen, oder ein Dimissoriale für eine andere lutherische Parochie desselben oder eines andern Landes zu nehmen, Bedenken trage. Im Uebrigen wurden zwei Fälle unterschieden: 1. der Nachsuchende kann das Abendmahl von dem Irrlehrer empfangen, ohne dessen falsche Lehre anhören zu müssen. Alsdann ist er, wie schon angedeutet, anzuweisen, es von demselben zu nehmen, oder ein Dimissoriale von ihm zu erbitten; 2. im entgegengesetzten Falle muß er die Abstellung der falschen Lehre zunächst von seinem Pfarrer, und dann bei den Kirchenbehörden verlangen, worauf, wenn dieses vergeblich gewesen, es seinem Gewissen überlassen bleibt, ob er durch Wegbleiben aus der Predigt, oder indem er blos innerlich die schon oft gerügte falsche Lehre abweist, wider die letztere Zeugniß ablegen will. Ebenso hängt es aber auch von seinem Gewissen und der Verschiedenartigkeit der Fälle ab, ob er das Abendmahl von dem Irrlehrer nehmen, oder um der falschen Lehre willen anderwärts suchen wolle. Wählt er in diesem Falle das Letztere, oder wird das Sacrament nicht laut des Evangeliums verwaltet, wovon sich der Pastor jedoch gehörig überzeugen muß; und so oft ein Dimissoriale gebracht wird, kann der Pastor ihm das Sacrament reichen; jedoch soll er auch in diesen Fällen bei dem Ober-Kirchen-Collegium Anzeige machen, und in bedenklichen Fällen schon vorher berichten. *
Oberkirchenkollegium (Hg.), Beschlüsse der von der evangelisch-lutherischen Kirche in Preußen im September und October 1841 zu Breslau gehaltenen Generalsynode (und folgender Generalsynoden, gesammelt in 2 Bänden: 1841–1873 und 1878–1910), Leipzig 1842 und Breslau 1844ff., 91f.
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16. Ganz gehorsamstes Promemoria vom 15.8.1841 * (aus den Synodalbeschlüssen von 1841) Die Bedingungen betreffend, unter denen der evangelisch-lutherischen Kirche im preußischen Staate gesetzliche Anerkennung zu Theil werden soll. Von einem Hohen Ministerium sind die evangelisch-lutherischen Gemeinden aufgefordert worden, sich über die Bedingungen auszusprechen, unter denen sie den Schutz der Gesetze, als eine im Staate anerkannte Religionsgesellschaft, zu erlangen wünschen. Wenn die Unterzeichneten, Namens ihrer Glaubensgenossen, auftreten, um dieser Aufforderung nachzukommen, so halten sie sich hierzu durch den Auftrag legitimirt, den sie von der im Jahre 1835 in Breslau gehaltenen Synode der evangelischlutherischen Gemeinden des Vaterlandes dazu erhalten haben, wegen Anerkennung der Kirche von Seiten des Staats die geeigneten Anträge zu machen. Doch müssen sie zugleich bemerken, daß nach einem Beschlusse dieser allgemeinen Synode das Resultat der Verhandlungen ihrer Vertreter mit dem Staate wiederum einer Synode zur Genehmigung vorgelegt werden soll. Könnte ein solches schon bis zu Ende des kommenden Monats erreicht werden, so würde aller Verzug, den sonst jene einzuholende Bestätigung herbeiführen möchte, hinwegfallen, weil alsdann wieder eine allgemeine Synode der evangelisch-lutherischen Gemeinden in Breslau abgehalten werden soll. Für den Fall, daß dieses nicht möglich wäre, werden wir durch Herbeiführung geeigneter Beschlußnahmen auf jener Synode dafür Sorge zu tragen suchen, daß die Genehmigung auf eine weniger umständliche Weise erfolgen könne. Doch setzt dieß voraus, was aber auch schon an sich die Pflicht der Stellvertretung uns vorschreibt, daß wir im Folgenden uns streng an den Inhalt der Petita halten, welche die früheren Eingaben an das hohe Ministerium und des hochseligen Königs Majestät enthalten, in denen die Gemeinden kurz zusammengefaßt haben, was sie zur Befriedigung ihrer Gewissen glaubten verlangen zu müssen, indem sich dann mit Sicherheit voraussehen läßt, daß wenigstens die auf dieser Basis ruhenden Forderungen die Genehmigung der Gemeinden erhalten werden. Aus diesem Grunde hoffen auch die Unterzeichneten Entschuldigung zu finden, wenn diese Forderungen in einer den Schein der Unziemlichkeit tragenden bestimmten Sprache ausgedrückt werden, und nicht erst die Versicherung aussprechen zu dürfen, daß die lutherischen Gemeinden mit innigstem Danke die Gnade Sr. Majestät in der Rückgabe des kirchlichen Friedens erkennen werden. Der Inhalt jener Petitionen war nun, kurz zusammengefaßt: Anerkennung der evangelisch-lutherischen Kirche in den Königl. Preußischen Staaten auf Grund ihrer bekannten Confessionsschriften als einer in Gottesdienst und *
Oberkirchenkollegium (Hg.), Beschlüsse der von der evangelisch-lutherischen Kirche in Preußen im September und October 1841 zu Breslau gehaltenen Generalsynode (und folgender Generalsynoden, gesammelt in 2 Bänden: 1841–1873 und 1878–1910), Leipzig 1842 und Breslau 1844ff., 97–103.
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Verfassung selbstständigen und eigenthümlichen Kirche.
Demnach legen die evangelisch-lutherischen Gemeinden: 1. als alleiniges und ausschließliches Bekenntniß und somit als Grundlage ihres ganzen kirchlichen Bestandes die 7 Bekenntnißschriften der lutherischen Kirche, in ihrem vollen, sowohl thetischen als antithetischen Sinne vor, namentlich: 1. die 3 ökumenischen Symbole, 2. die Augsburgische Confession, 3. deren Apologie, 4. die Schmalkaldischen Artikel, 5. den kleinen 6. und den großen Katechismus Luthers, und 7. die Concordien-Formel. Indem die Lutheraner an diesen Bekenntnissen auch in ihrem antithetischen Sinne festhalten, und sie nach ihrem ursprünglichen Sinne als Basis und Richtschnur ihres ganzen innern und äußern kirchlichen Bestandes betrachten, liegt darin eine bestimmte Eigenthümlichkeit, der evangelischen Landeskirche gegenüber, ausgesprochen, indem diese mehr oder weniger überall die antithetische Geltung der lutherischen Symbole aufgegeben hat, und in ihr auch solchen Gemeinden, bei welchen der Unionsritus nicht eingeführt ist, doch dem Kirchenregimente nach die ausschließliche Geltung der lutherischen Symbole nicht gewährt wird. II.
Hinsichtlich des Gottesdienstes
müssen sie ihrem Gewissen gemäß auf einer jenen Bekenntnissen entsprechenden Einrichtung desselben bestehen, weil der Gottesdienst der reine, vollkommene und unzweifelhafte Ausdruck des Bekenntnisses sein muß. Sie haben sich daher bis jetzt der alten Wittenberger Agende, so wie diese in den Breslauer evangelischlutherischen Hauptkirchen recipirt war (mit Abrechnung der in den letzten 50 Jahren durch Willkür der Geistlichen darin vorgenommenen Veränderungen) und nur in einzelnen Gemeinden anderer alten lutherischen, auf demselben Urtypus beruhenden Agenden bedient, und gedenken sich dieser ferner zu bedienen. Doch muß ihnen, nach ihrem Bekenntnisse selbst (Concordienformel Art. X.) und in Gemäßheit des Allg. Landrechts Thl. II. Tit. 11. §. 46 hinsichtlich der gottesdienstlichen Feier das Recht der Autonomie zustehen, so daß sie selbst befugt sind, Veränderungen in den Formularen der Agende und hinsichtlich der gottesdienstlichen Ordnung überhaupt vorzunehmen, und dieselben blos zur Erlangung der Gültigkeit eines Polizeigesetzes dem Staate nach §. 47 und 48 d. A. L. R. Thl. II. Tit. 11 vorzulegen haben, andrerseits aber ihnen keine Art der gottesdienstlichen Feier zugemuthet werden darf, welche nicht von ihnen selbst freiwillig angenommen ist. Eben dieses gilt auch von der Einführung oder Abschaffung von Gesangbüchern, Kate-
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chismen und andern Hülfsmitteln der gottesdienstlichen Feier oder des Religionsunterrichts. III.
Hinsichtlich der Verfassung
folgt daraus, daß die lutherische Kirche als eine selbstständige eigenthümliche Religionsgesellschaft anerkannt wird A.
im Verhältniß zu andern Confessionen überhaupt
1. daß in Gemäßheit der §§. 40–43, des A. L. R. Thl. II. Tit. 11. ein Uebertritt von andern Kirchen zu ihr, sowie von ihr zu andern Kirchen Jedem, nach den Staatsgesetzen Urtheilsfähigen frei stehen muß, wogegen sie selbst nicht verpflichtet sein kann, solche Personen als ihre Mitglieder anzuerkennen, welche nach ihrem Ermessen mit ihren Grundsätzen nicht übereinstimmen; 2. daß keine Nöthigung für die Lutheraner Statt findet, einem ihrem Gewissen zuwiderlaufenden Gottesdienste beizuwohnen. 3. daß die Lutheraner nicht mehr unter den geistlichen Obern der unirten Kirche, insoweit diese Rechte der Kirchengewalt ausüben, namentlich also nicht unter den evangelischen Superintendenten, Generalsuperintendenten und Consistorien stehen; 4. daß die Lutheraner aus den Parochieen ihres Wohnortes, welche nicht zu ihrer Religionsgesellschaft gehören, ausscheiden und den daraus folgenden Lasten und Verpflichtungen nicht unterworfen bleiben können. Freiwillige Zahlung von Stolgebühren an unirte Geistliche, und andere aus dem Parochialnexus folgende Verbindlichkeiten haben die Lutheraner stets als etwas Gewissenswidriges betrachtet, weil darin ein Bekenntniß der Zugehörigkeit zu einer fremden Kirche und folglich eine Verläugnung der eignen liegt. Auch würden sie eine Besteuerung irgend einer Art, zu Gunsten anderer Confessionen, als der Gerechtigkeit und Billigkeit widerstreitend, ablehnen müssen. Es liegt in der Natur der Sache, daß jede Kirchengemeinde nur von den zu ihr gehörigen Mitgliedern, welche auch die Vortheile ihrer kirchlichen Anstalt genießen, Beiträge zum Unterhalt derselben verlangen kann. Von einer Entschädigungsforderung der unirten Geistlichen kann aber auch nicht die Rede sein, weil theils den Lutheranern das Festhalten an der alten legitimen Kirche nicht zum Vorwurf und zum Nachtheil gereichen darf, theils jeder Geistliche den Ausfall, den er durch irgend eine andere Art der Verminderung der Zahl seiner Kirchkinder, z.B. durch Auswanderung, Sterblichkeit, Uebertritt zu einer andern Confession, erleidet, sich gefallen lassen muß. Da aber die Lutheraner größtentheils arm, durch die Geldstrafen der Verfolgungsjahre hart mitgenommen und gegenwärtig genöthigt sind, zu Wiedererlangung von kirchlichen Gebäuden, zur Bestreitung der Gehalte ihrer Pastoren u. dergl. m. außerordent-
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liche, ihre eigenen Kräfte übersteigende Anstrengungen zu machen, so würden sie auch materiell kaum fähig sein, eine solche Besteuerung zu Gunsten unirter Parochieen auszuhalten. 5. In Betreff der Schulen muß es zwar den Lutheranern frei stehen, der am Orte bestehenden Unterrichtsanstalten anderer Confessionen gegen Entrichtung der gesetzlichen Beiträge sich ebenfalls zu bedienen, in welchem Falle sie aber nicht genöthigt werden können, am Religionsunterrichte Theil zu nehmen, doch müssen sie auch das Recht erhalten, eigne Unterrichtsanstalten zu errichten, um dem Bedürfnisse der Bildung ihrer Jugend oder ihrer zukünftigen Pastoren abzuhelfen. B.
In ihrem Innern hat die lutherische Kirche
1. als Gesammtkirche selbst und ausschließlich das Recht der Kirchengewalt über ihre Glaubensgenossen, welche sie theils durch eine dauernde kirchliche Oberbehörde, theils durch von Zeit zu Zeit zusammenzuberufende Synoden auszuüben gedenkt. Die erste besteht aus theils geistlichen theils weltlichen Mitgliedern ihres Bekenntnisses, die die Kirche selbst dazu erwählt, und auf ihre symbolischen Bücher verpflichtet, und es steht ihr die Verwaltung aller gemeinsamen Interessen der gesammten Kirche, die Aufsicht über die Reinheit der Lehre und über den Gottesdienst, die Bestimmung über Bildung oder Veränderung der Parochieen, über kirchliche Schulangelegenheiten, über Prüfung, Ordination, Verpflichtung und Amtseinweisung der Pastoren, Kirchenzucht über die Pastoren, und überhaupt in höherer Instanz die Initiative zu neuen kirchlichen Einrichtungen und Dispensirung von kirchlichen Vorschriften, soweit solche zulässig ist, die Einberufung von Synoden, und alles was sonst in der laufenden kirchlichen Verwaltung liegt, zu. Für wichtigere Angelegenheiten treten allgemeine Synoden zusammen, die aus geistlichen und weltlichen Vertretern der Gemeinden bestehen, und während ihrer Dauer (ähnlich wie bei der evangelischen Brüdergemeinde) ausschließlich die höchste Kirchengewalt ausüben, so daß auch die dauernde kirchliche Behörde ihnen Rechenschaft schuldig und ihren Beschlüssen unterworfen ist. 2. Die Lutheraner bilden eigne Kirchengemeinden. In dieser Hinsicht muß es ihnen freistehen, sobald sich eine nach ihrem Ermessen hinlängliche Zahl von Mitgliedern in einer Gegend angesammelt hat, mit Bewilligung der kirchlichen Oberbehörde und des Staats, ein eigenes Kirchensystem zu gründen, umgekehrt aber auch, wenn die Zahl derselben sich so weit verringert, daß ein Fortbestand unmöglich scheint, sie wieder aufzulösen, und sonst auf jede Weise etwa durch Einpfarrung in andere Gemeinden, durch Besuch von Pastoren benachbarter Gemeinden, u.s.w. dafür zu sorgen, daß jedem die Heilsgüter der Kirche zu Theil werden.
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Die Einrichtung der Gemeinden und deren Verhältniß zur Gesammtkirche und zu der kirchlichen Oberbehörde ist gleichfalls der eigenen Bestimmung der lutherischen Kirche überlassen. Sie beabsichtigt nach dem, was schon jetzt größtentheils besteht, a) die Einrichtung eines Presbyteriums oder Kirchenvorstandes in jeder Gemeinde, welcher unter Leitung des Pastors, dem allein die regelmäßige Verwaltung der geistlichen Amtshandlungen zusteht, die gemeinsamen Angelegenheiten der Gemeinde besorgt, insbesondere auch eine evangelische Kirchenzucht über die Gemeindeglieder übt, und sich überhaupt zur Gemeinde ähnlich verhält, wie die kirchliche Oberbehörde zur Gesammtkirche; b) die Gemeinde nach ihrer organischen Einrichtung hat das freie Recht der Aufnahme neuer würdiger, der Ausschließung bisheriger unwürdiger Mitglieder, der Wahl ihres Pastors und ihres Kirchenvorstandes, die Bestimmung über ihre gottesdienstliche Feier, über die Aufbringung der Beiträge zu kirchlichen Bedürfnissen und deren Verwendung, die Aufsicht über das Kirchengut und das Recht bei Synoden repräsentirt zu werden; c) die Einrichtung von Elementarschulen für diese Gemeinden, über welche dem Pastor und Kirchenvorstande der Gemeinde die Aufsicht zusteht; d) sie spricht für diese Gemeinden die äußeren Rechte der Parochieen an, daher auch die Befugniß, Kirchengebäude und andere Sachen des kirchlichen Bedürfnisses, wie: Glockengeläute, Begräbnißörter u.s.w., nach ihren Bedürfnissen zu erwerben und zu benutzen, wiewohl sie, so lange sie noch keine eigenen Begräbnißörter hat, ferner die Mitbenutzung der vorhandenen Kirchhöfe der evangelischen Ortsgemeinden, gegen Erlegung der herkömmlichen Gebühr, behält. Auch das Recht, Erbschaften und Vermächtnisse zu erwerben, steht ihnen nach den Grundsätzen des Allg. Landrechts zu; e) da die Lutheraner zum Theil so zerstreut wohnen, daß sie nicht sämmtlich an einem von einem Pastor geleiteten Gottesdienste Theil nehmen können, so muß ihnen die Befugniß zugestanden werden, religiöse Versammlungen auch ohne Leitung eines Pastors zu halten, die aber stets unter höherer kirchlicher Aufsicht stehen. C.
Im Verhältnis zum Staate
1. versteht es sich von selbst, daß diesem das Majestätsrechts circa sacra auch hinsichtlich der lutherischen Kirche zukommt, und dürfte es nach der bestehenden Verfassung am zweckmäßigsten durch die Regierungen ausgeübt werden. 2. Im Uebrigen erwartet sie vom Staate eine wirkliche Anerkennung als lutherische Kirche, die daher auch in politischer Hinsicht unter dem Schutze der Bun-
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desakte Art. XVI steht, wie sie selbst sich mit den lutherischen Kirchen des Auslandes als dem Bekenntnisse nach für eins und verbunden ansieht. Aus dieser Anerkennung folgt, daß ihre nach gemeinem protestantischen Kirchenrechte vocirten und ordinirten Prediger die Rechte und Pflichten der Geistlichen und Pfarrer; die lutherischen Gemeinden, die Rechte der Parochieen; die Mitglieder der kirchlichen Oberbehörde, die Rechte und Pflichten von Beamten einer anerkannten Gesellschaft haben. Weil die von rite vocirten und ordinirten Geistlichen der lutherischen Gemeinden während der Zeit der Nichtanerkennung vollzogenen Trauungen von den Gerichten wenigstens nicht für vollgültig angesehen worden sind, so wird um eine allgemeine allerhöchste Bestätigung derselben gebeten. Ebenso um Confirmation der bisher von den lutherischen Gemeinden geführten Kirchenbücher, damit im Falle des Bedürfnisses der betreffende Pfarrer aus ihnen ein vollgültiges Zeugniß unter Beidrückung eines anerkannten Kirchensiegels ausstellen könne. Für die Bestreitung der äußeren kirchlichen Bedürfnisse hat zwar die lutherische Kirche, wie jede Religionsgesellschaft, selbst zu sorgen, da aber die Lutheraner in Folge der Union allen Mitgenuß an dem Kirchenvermögen eingebüßt haben, und bei ihrer zum Theil durch die Verfolgungsjahre selbst herbeigeführten Armuth nicht im Stande sind, sich die nöthigen Kirchengebäude aus eigenen Mitteln wieder zu verschaffen und die übrigen pecuniären Bedürfnisse hinreichend zu bestreiten, so dürfen sie die Billigkeit des Verlangens anerkannt zu sehen hoffen, daß ihnen von Seiten des Staates eine in jedem einzelnen Falle zu erbittende Beihülfe gewährt werde. Da es den lutherischen Gemeinden, besonders im Anfange, an der nöthigen Zahl von Candidaten ihres Bekenntnisses mangeln dürfte, um sich aus ihnen mit Predigern zu versehen, so bitten sie, auch Ausländer berufen zu dürfen. Um aber auch für die Zukunft regelmäßig mit solchen Pastoren versorgt werden zu können, welche einerseits die nöthige wissenschaftliche und theologische Bildung im Allgemeinen besitzen, anderer Seits dem Glaubensbekenntnisse der Gemeinden zugeführt werden, bitten sie es sich ferner als eine Gnade aus, daß bei einer der inländischen Universitäten stets ein von ihnen auf die Bekenntnißschriften der lutherischen Kirche verpflichteter ordentlicher Lehrer, wenn auch (um gegenseitige störende Conflicte zu vermeiden) außerhalb der evangelisch-theologischen Facultät, vom Staate angestellt und besoldet werde, der sich den Studien der jungen Theologen lutherischen Bekenntnisses besonders widmet. Zugleich verbinden sie hiermit den Wunsch, daß der gegenwärtig in Nürnberg privatisirende Dr. Scheibel, welcher ehemals an der Universität zu Breslau dem Wesen nach schon die Stellung einnahm, welche vorstehend bezeichnet worden ist, als erster Lehrer dieser Art berufen, und somit in seine frühere, seitdem noch immer offen gebliebene Professur wieder eingesetzt werden möchte.
Breslau am 15. August 1841.
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17. Die Generalkonzession für die von der Gemeinschaft der evangelischen Landeskirche sich getrennt haltenden Lutheraner vom 23.7.1845* Wir Friedrich Wilhelm, von Gottes Gnaden, König von Preußen u. s. w. Auf die Uns vorgetragenen Bitten und Wünsche derjenigen Unserer lutherischen Unterthanen, welche sich von der Gemeinschaft der evangelischen Landeskirche getrennt halten, wollen wir in Anwendung der in Unserer Monarchie bestehenden Grundsätze über Gewissensfreiheit und freie Religionsübung und im Interesse der öffentlichen bürgerlichen Ordnung zulassen und gestatten, daß von den gedachten Lutheranern nachstehende Befugnisse unter den hinzugefügten, maßgebenden Bestimmungen in Ausübung gebracht werden: 1. Den von der Gemeinschaft der evangelischen Landeskirche sich getrennt haltenden Lutheranern soll gestattet sein, zu besonderen Kirchengemeinden zusammenzutreten und einen Verein dieser Gemeinden unter einem gemeinsamen, dem Kirchenregiment der evangelischen Landeskirche nicht untergebenen Vorstande zu bilden. 2. Zur Bildung einer jeden einzelnen Gemeinde ist jedoch die besondere Genehmigung des Staates erforderlich. Die Ertheilung dieser Genehmigung steht gemeinschaftlich den Ministern der geistlichen Angelegenheiten, des Innern und der Justiz zu. 3. Eine solche Kirchengemeinde (Nr. 2) hat die Rechte einer moralischen Person. Sie kann daher auch Grundstücke auf ihren Namen mit Genehmigung des Staates erwerben, sowie eigene, dem Gottesdienste gewidmete Gebäude besitzen, welchen jedoch der Name und die Rechte der Kirchen (§. 18, Titel 11, Theil II des allgemeinen Landrechts) nicht beizulegen sind. 4. Als Geistliche der von der Gemeinschaft der evangelischen Landeskirche sich getrennt haltenden Lutheraner dürfen nur Männer von unbescholtenem Wandel angestellt werden, welche zu einer bestimmten Gemeinde vocirt, von dem Vorstande (Nr. 1) bestätigt und von einem ordinirten Geistlichen ordinirt sind. 5. Nach eben dieser Vorschrift (Nr. 4) ist zu beurtheilen, ob und unter welchen Bedingungen die bisher schon als Geistliche dieser Religionspartei thätig gewesenen Personen in dieser Eigenschaft ferner zugelassen werden können. 6. Die von diesen Geistlichen (Nr. 4 und 5) vorgenommenen Taufen, Confirmationen, Aufgebote und Trauungen haben volle Gültigkeit, und werden die von ihnen und ihren Vorgängern bisher verrichteten Amtshandlungen mit rückwirkender Kraft hierdurch als gültig anerkannt. 7. Bei Führung der Geburts-, Trauungs- und Sterberegister haben die Geistlichen dieser Gemeinden die gesetzlichen Vorschriften genau zu befolgen, insbeson*
Johannes Nagel, Die Kämpfe der evangelisch-lutherischen Kirche in Preußen seit Einführung der Union. I. Teil: Die evangelisch-lutherische Kirche in Preußen und der Staat, Stuttgart 1869 (II. Teil nicht erschienen), 238–240.
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dere auch Duplicate dieser Register bei dem Gerichte ihres Wohnorts niederzulegen. Die aus diesen Registern von ihnen ertheilten Auszüge sollen öffentlichen Glauben haben. 8. Aufgebote zu Trauungen können fortan mit rechtlicher Wirkung in den zum Gottesdienst bestimmten Localen derjenigen Gemeinden vorgenommen werden, zu denen die Verlobten gehören. 9. Wenn Mitglieder der gedachten Gemeinden die Verrichtung einzelner geistlicher Amtshandlungen in der evangelischen Landeskirche nachsuchen, so soll daraus allein der Austritt aus ihrer Gemeinde nicht gefolgert werden. 10. In Ansehung der Verpflichtung zu den aus der Parochialverbindung fließenden Lasten und Abgaben soll auch bei den sich von der evangelischen Landeskirche getrennt haltenden Lutheranern die Vorschrift des §. 261, Titel 11, Theil II des allgemeinen Landrechts zur Anwendung kommen, soweit nicht nach Provinzialgesetzen oder besonderem Herkommen dergleichen Abgaben auch von Nichtevangelischen an evangelische Kirchen und Pfarreien, und umgekehrt zu entrichten sind. Zur Entrichtung des Zehnten sollen die gedachten Lutheraner, wenn die zehntberechtigte Kirche oder Pfarrei eine evangelische ist, überall verpflichtet bleiben, wo die Zehntpflicht sich nach der Confession des Zehntpflichtigen bestimmt. Unsere Minister der geistlichen Angelegenheiten, des Innern und der Justiz sind beauftragt, für die Ausführung dieser Bestimmung Sorge zu tragen. Urkundlich haben Wir diese Generalconcession Allerhöchstselbst vollzogen. Gegeben Sanssouci, den 23. Juli 1845. (L. S.) Friedrich Wilhelm. Eichhorn. v. Savigny. v. Bodelschwingh. Uhden.
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18. Zirkular-Erlass der Minister des Kultus, der Justiz und des Innern vom 7.8.1847, betreffend die Regulierung der Verhältnisse der von der evangelischen Landeskirche sich getrennt haltenden Lutheraner* (die sogenannte „Spezialkonzession“) Auf Grund der von Euer Hochwohlgeboren unter dem 22. November v. J. eingesandten kommissarischen Verhandlungen und vermöge der durch Nr. 2 und durch die Schlußbestimmung der General-Concession vom 23. Juli 1845 den unterzeichneten Ministern beigelegten Befugnisse, haben nunmehr, zur weitern Regulirung der Verhältnisse der von der Gemeinschaft der evangelischen Landeskirche sich getrennt haltenden Lutheraner nachstehende Festsetzungen getroffen werden können. 1. Als der in Nr. 1 der General-Concession den Gemeinden der getrennten Lutheraner gestattete, dem Kirchenregimente der evangelischen Landeskirche nicht untergebene Vorstand derselben, ist das durch die Synodalbeschlüsse der getrennten Lutheraner vom Jahre 1841 unter ihnen eingerichtete, unter dem Vorsitze des Professors Dr. Huschke in Breslau bestehende Ober-KirchenCollegium anzusehen. 2. Als Kirchengemeinden, mit den in Nr. 3 der General-Concession denselben beigelegten Rechten einer moralischen Person, werden die in der in sechs Abdrücken hier anliegenden Uebersicht A. verzeichneten Gemeinden zu Breslau, Waldenburg, Goldschmieden, Bernstadt, Woiselwitz, Liegnitz, Militsch, Freistadt, Schwirz, Ratibor, in der Provinz Schlesien, – Züllichau, Berlin, in der Provinz Brandenburg, – Cammin, Ubedel in der Provinz Pommern, – Posen, Prittisch, Bromberg, Rogasen, in der Provinz Posen, – Thorn, Danzig, in der Provinz Preußen, – und Erfurt, in der Provinz Sachsen,
anerkannt. Diese Anerkennung hat sich nur auf diejenigen kirchlichen Verbände der getrennten Lutheraner erstrecken können, welche nicht blos durch Einrichtung eines Kirchen-Collegiums, sondern auch durch Anstellung eines am Orte selbst residirenden Geistlichen als ein vollständig organisirtes Kirchenwesen sich darstellen. Den übrigen, von den Abgeordneten des Ober-KirchenCollegiums namhaft gemachten kirchlichen Verbänden, hat die Anerkennung als Kirchengemeinde mit den Rechten einer moralischen Person für jetzt nicht ertheilt werden können. Sollte jedoch in der Folge die Organisation eines dieser kirchlichen Zweigverbände sich dahin vervollständigen, daß in ihm ein eigener Geistlicher seinen Wohnsitz erhält, oder tritt bei einem derselben das specielle Bedürfniß ein, behufs der Erwerbung von Grundeigenthum oder hypotheka*
Hermann Theodor Wangemann, Sieben Bücher Preußischer Kirchengeschichte. Eine aktenmäßige Darstellung des Kampfes um die evangelisch-lutherische Kirche im XIX. Jahrhundert 2, Berlin 1859, 411–415.
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risch eingetragener Kapitalien die Rechte einer moralischen Person in Anspruch zu nehmen, so ist desfalls von dem Vorstande des betheiligten Verbandes ein besonderer Antrag an die vorgesetzte Regierung zu richten und von dieser an die unterzeichneten Minister zu berichten, welche darüber nach Maßgabe der Nr. 2 der General-Concession das Weitere befinden werden. 3. Die in Nr. 10 der General-Concession den von der evangelischen Landeskirche sich getrennt haltenden Lutheranern zugestandene Befreiung von Abgaben und Leistungen an eine der öffentlich aufgenommenen Kirchen, kommt in dem dort bezeichneten Umfange nicht nur den Mitgliedern der vorstehend bezeichneten, förmlich anerkannten Kirchengemeinden zu Statten, sondern auch den Angehörigen der den Geistlichen dieser Gemeinden zugewiesenen kirchlichen Zweigverbände, so wie denjenigen zerstreut wohnenden getrennten Lutheranern, welche dem Pfarrbezirke eines dieser Geistlichen zugewiesen sind. Als Nachweis dieser Zuweisung dient, wenn darüber Zweifel entsteht, eine Bescheinigung des betreffenden Geistlichen und des Kirchen-Collegiums derjenigen Gemeinde, bei welcher derselbe Wohnsitz hat. 4. Den anerkannten Kirchengemeinden der getrennten Lutheraner steht im Allgemeinen derselbe Umfang von Berechtigung zu, welcher nach den allgemeinen Landesgesetzen mit der Eigenschaft einer moralischen Person verbunden ist. Bei der Annahme von Geschenken und letztwilligen Zuwendungen haben sie sich hiernach nach Vorschrift des Gesetzes vom 13. Mai 1833 (Gesetzsammlung Seite 49) zu verhalten, bei der Erwerbung von Grundstücken aber, vermöge der besondern Bestimmung im §. 194, Th. II., Tit. 11 des Allgemeinen Landrechts und Nr. 3 der General-Concession, die ausdrückliche Genehmigung des Staats nachzusuchen. 5. Was die bei den genannten Lutheranern in Function stehenden oder vormals in Function gewesenen Geistlichen anbetrifft, so sind solche in dem von den Bevollmächtigten des Ober-Kirchen-Collegiums überreichten und von hier aus mit einigen nachträglichen Bemerkungen versehenen Verzeichnisse, von welchem hier sechs Abdrücke beigefügt sind, vollständig aufgeführt. Von diesen Geistlichen sind nachstehend benannte: Karl Ferdinand Berger zu Goldschmieden, Eduard Kellner zu Schwirz, Johann Gottlieb Heinrich Reinsch zu Züllichau, Heinrich Adolph Geßner zu Freistadt, Friedrich August Senckel zu Woiselwitz, Friedrich Lasius in Berlin, Johann George Gottfried Wermelskirch zu Erfurt, Johann Heinrich Caspar Wedemann zu Breslau, Christian Theodor Ludwig Wagner zu Militsch, Ludwig Otto Ehlers zu Liegnitz, Dr. Johann Heinrich Ludwig Schröder zu Thorn, August Ferdinand Gotthilf Gaudian zu Ratibor, Karl Friedrich August Wolff zu Prittisch, Eduard Kluge zu Bernstadt, Karl Julius Schneider zu Berlin, Wilhelm Heinrich Brandt zu Danzig, Karl Sigismund Hennig zu Schwirz, Herrmann Aurelius Latzel zu Breslau, Dr. Emil Franke zu Rogasen, Dr. Johann Benjamin Trautmann zu Waldenburg,
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als solche anzusehen, bei denen das Vorhandensein der in Nr. 4 der GeneralConcession geforderten Bedingungen nachgewiesen ist, und gegen deren fernere geistliche Wirksamkeit in den ihnen zugewiesenen seelsorgerlichen Bezirken auch sonst kein Anstand obwaltet. Desgleichen ist bei folgenden nicht mehr in Function stehenden Geistlichen: Dr. Johann Gottfried Scheibel, Gottlieb Friedrich Eduard Biehler, Norbert Wehrhan, Otto Friedrich Wehrhan, Friedrich Leberecht Ehregott Krause, Karl Kaul, Heinrich Ernst Ferdinand Guericke, Karl Wilhelm Ehrenström, Johann Andreas August Grabau, Ernst Wilhelm Eduard Ehregott Gaudian, Daniel Gotthart Fritsche, Gustav Adolph Kindermann, Vinzenz Reinhard Klein,
das Vorhandensein der in Nr. 4 der General-Concession erforderten Bedingungen nachgewiesen. Die von sämmtlichen vorbenannten Geistlichen vorgenommenen Taufen, Confirmationen, Aufgebote und Trauungen genießen nach §. 6 der GeneralConcession volle Gültigkeit vom Tage der vorgenommenen Handlung an, und die von ihnen darüber geführten Register nach Nr. 7 daselbst öffentlichen Glauben. Dasselbe gilt von denjenigen pfarramtlichen Handlungen, welche die in Function stehenden Geistlichen künftig verrichten werden, so wie von den Eintragungen und von den Auszügen, welche diese Geistlichen aus den von ihnen oder ihren vorbenannten Vorgängern geführten Registern ertheilen werden. Was dagegen die in der Zusammenstellung ferner noch aufgeführten Geistlichen: Philipp Jacob Oster, Johann Rudolph Caspar Hasert und Gottlob Gottfried August Plenz
anbetrifft, so haben dieselben als Ausländer, bevor ihnen ein Anspruch auf ungehinderte Fortführung ihrer geistlichen Verrichtungen zugestanden werden kann, zuvor ihre Aufnahme in den Preußischen Unterthanen-Verband nach Vorschrift des Gesetzes vom 31. December 1842 bei der zuständigen Regierung nachzusuchen. Die ihnen zu einer Gemeinde der getrennten Lutheraner ertheilte und von dem Ober-Kirchen-Collegium bestätigte Berufung, gilt als Nachweis der Erfüllung der im §. 7 Nr. 4 des Gesetzes geforderten Bedingung standesmäßigen Unterhalts. Dagegen hat diese Berufung und Bestätigung nicht die im §. 6 des Gesetzes den von einer landesherrlichen Central- oder Provinzial-Behörde vollzogenen oder bestätigten Bestallungen beigelegte Wirkung. 6. Die bei den anerkannten Gemeinden der getrennten Lutheraner in Wirksamkeit stehenden Geistlichen sind nach Nr. 7 der General-Concession verpflichtet, ein Duplicat der von ihnen und von ihren Vorgängern für ihren seelsorgerlichen Bezirk geführten Geburts-, Trauungs- und Sterbe-Register bei dem Gerichte ihres Wohnorts niederzulegen und damit von Jahr zu Jahr fortzufahren. Die be-
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betreffenden Gerichte werden, unter Anberaumung angemessener Fristen, auf die Erfüllung dieser Obliegenheiten von Amtswegen halten. 7. Die im Vorstehenden anerkannten Gemeinden und die mit denselben in Verbindung stehenden kirchlichen Zweigverbände werden, soweit sie den Bezirk der einzelnen Regierungen berühren, in den Amtsblättern der betreffenden Regierung öffentlich bekannt gemacht werden. Dasselbe wird mit den Namen derjenigen Geistlichen geschehen, welche innerhalb des betreffenden Regierungsbezirks geistliche Verrichtungen versehen haben oder noch versehen. Bei der künftigen Anerkennung neuer Gemeinden werden die unterzeichneten Minister die erforderliche Bekanntmachung durch die Amtsblätter der betreffenden Regierung veranlassen. Veränderungen in den kirchlichen Zweigverbänden und in den seelsorgerlichen Bezirken bedürfen einer Bekanntmachung in den Amtsblättern nicht, sondern bleibt es der betheiligten Regierung überlassen, nach erfolgter Anzeige des betreffenden Kirchencollegiums solche durch Circulare oder durch Bekanntmachung in den Local- oder Kreisblättern zur Kunde der dabei interessirten Behörden zu bringen. 8. Eine Bestätigung neu angestellter Geistlichen unter den getrennten Lutheranern wird von Seiten der Staatsbehörden nicht ertheilt. Dagegen hat das OberKirchen-Collegium von jeder neu erfolgenden Anstellung dem Oberpräsidenten der Provinz, in welcher der neue Geistliche seinen Wohnsitz nimmt, Anzeige zu machen und das Vorhandensein der in Nr. 4 der General-Concession vorgeschriebenen Bedingungen nachzuweisen. Findet der Oberpräsident gegen dessen Zulassung kein Bedenken, und ist, im Falle der Berufung eines Ausländers, dessen Naturalisation vorausgegangen, so ist der Oberpräsident ermächtigt, ohne weitere Anfrage den Namen des betreffenden Geistlichen, und daß dessen Qualification nach Nr. 4 der General-Concession nachgewiesen sei, durch das Amtsblatt der betheiligten Regierung zur öffentlichen Kenntniß zu bringen. 9. Auf die Anträge des Ober-Kirchen-Collegiums wegen Bewilligung der Stempelfreiheit für die Angelegenheiten der Kirchengemeinden der getrennten Lutheraner, und wegen Befreiung ihrer Geistlichen von öffentlichen und CommunalAbgaben, kann nach Inhalt der General-Concession vom 23. Juli 1845 nicht eingegangen werden. Eben so wenig eignen sich die am Schlusse der stattgehabten Commissionsverhandlungen angebrachten Anträge wegen der Schulverhältnisse der getrennten Lutheraner zu einer nähern Berücksichtigung, und kann es den Betheiligten nur überlassen werden, im einzelnen Falle die über das Verhalten der Schul-Revisoren zu führenden Beschwerden näher zu begründen. Schließlich bemerken wir noch, zur Beseitigung mehrfach hervorgetretener Mißverständnisse, daß die Allerhöchste Verordnung vom 30. Mai d. J., betreffend die Geburten, Heirathen und Sterbefälle, deren bürgerliche Beglaubigung durch die Ortsgerichte erfolgen muß, auf die Verhältnisse der genannten Lutheraner keine Anwendung findet, vielmehr für letztere die in der General-
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Concession vom 23. Juli 1845 enthaltenen Bestimmungen allein maßgebend bleiben. Vorstehend enthaltene Festsetzungen und Uebersichten werden den Oberpräsidenten sämmtlicher Provinzen gleichmäßig mitgetheilt, und wird für deren übereinstimmende Ausführung in allen betheiligten Regierungsbezirken Sorge getragen werden. Berlin, den 7. August 1847. gez. Eichhorn. Der Justizminister. Im Auftrage: gez. Ruppenthal. Der Minister des Innern. Im Auftrage: gez. Mathes. An den königlichen Ober-Präsidenten Herrn von Wedel Hochwohlgeboren in Breslau.
Breslau, Katharinenstraße, Katharinenkirche, erbaut kurz nach 1300, Dominikanerinnen-Klosterkirche bis 1811, Säkularisation des Klosters 1811, Kirche als Lager genutzt seit 1811, schwer beschädigt 1945, in den ursprünglichen Formen vereinfacht wiederaufgebaut, seit 1843 im Besitz der evangelisch-lutherischen Gemeinde, erstes Kirchgebäude der Lutheraner in Breslau nach Einführung der Union 1817/30. Die Außenansicht zeigt die Westfront des Gebäudes, Zustand: Oktober 2009. Die Innenansicht zeigt den Kirchraum Richtung Osten, Zustand: vor der Zerstörung 1945. Heutige Nutzung: Restaurant im Untergeschoss, das bis 1945 als Lagerraum genutzt wurde, im Obergeschoss, dem ehemaligen Kirchraum, eine Halle für Pop-Konzerte.
Petition des Oberkirchenkollegiums um Anerkennung der kirchlichen Rechte
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19. [18.] Petition des Oberkirchenkollegiums um Anerkennung der kirchlichen Rechte vom 17.12.1868* Hohes Haus der Abgeordneten! Im Auftrage und im Namen der im Sept. d. J. hier versammelt gewesenen Generalsynode der evangelisch-lutherischen Kirche in Preußen richten wir an das hohe Haus die nachstehende gehorsamste Petition. Es ist bekannt, daß, wie im übrigen Deutschland und jetzt noch in den neuen Provinzen Preußens, auch in dessen alten Provinzen die evangelisch-lutherische Kirche neben der römisch-katholischen und reformirten als eine auf Grund ihres Bekenntnisses in Gottesdienst und Verfassung eigenthümliche und selbständig organisirte und als solche sowohl reichsgesetzlich durch den Westfälischen Frieden als durch zahlreiche Reverse der Landesherren garantirte Kirche bestand. Ebenso bekannt ist es, daß, als König Friedrich Wilhelm III. im Jahr 1817 die Vereinigung der lutherischen und reformirten Kirche „zu Einer neu belebten evangelischen Kirche“ unternahm, dieses unter wiederholter Anerkennung der Freiheiten und Rechte der bisher gesonderten beiden Kirchen und daher mit der ausdrücklichen Verheißung geschah, es solle der Beitritt zu dieser neuen Kirche nur ein freiwilliger sein. (Cabinetsordre vom 27. September 1817 in v. Kamptz „Annalen“, I, 64.) Als nun aber zunächst in Breslau, wo die Union im Jahr 1830 in allen Kirchen von der Mehrzahl der Geistlichen und Parochianen angenommen wurde, eine Minorität ihrem Gewissen gemäß sich von ihr fern hielt und im Vertrauen auf das Recht und die königliche Zusage an der bisherigen lutherischen Kirche als einer in Bekenntniß, Gottesdienst und Verfassung selbständigen festhalten zu wollen erklärte, mußte sie leider erfahren, daß dem Recht keine Folge gegeben und nicht gehalten wurde, was zugesagt war. Während die neue Kirche unter dem Namen der evangelischen Kirche durch einheitliche Gesetzgebung, Kirchenregierung und Agende von oben her mit Absehen von den verschiedenen Bekenntnissen der beiden Kirchen als solcher und weiterhin auch ohne Rücksicht auf ausdrücklichen Beitritt zur Union sich organisirte und alles Stiftungsgut der früher getrennt bestehenden Kirchen sich aneignete, wurde es zunächst in der Cabinetsordre vom 28. Februar 1834 (v. Kamptz „Annalen“, XVIII, 74) für das unchristlichste erklärt, daß die Feinde der Union als eine besondere Religionsgesellschaft sich constituirten; darauf aber wider die damit gemeinten Lutheraner, die man nun als Separatisten bezeichnete, anstatt ihr zweifelloses Recht anzuerkennen, eine lange Reihe von Jahren hindurch bis zum Regierungsantritt des Königs Friedrich Wilhelm IV. mit den bekannten Verfolgungsmaßregeln vorgegangen, welche einen so tiefen Schatten auf die neuere Entwicklungs*
Johannes Nagel, Die Kämpfe der evangelisch-lutherischen Kirche in Preußen seit Einführung der Union. I. Teil: Die evangelisch-lutherische Kirche in Preußen und der Staat, Stuttgart 1869 (II. Teil nicht erschienen), 258–263.
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geschichte des preußischen Staats geworfen haben. Diese Verfolgung erreichte nicht, was sie sollte. Das gekränkte Recht schrie nur um so lauter. Die Zahl der Lutheraner wuchs und verbreitete sich allmälig über alle Provinzen. Staat und Landeskirche wurden aber mit einer schweren Schuld belastet. Auch ist das begangene Unrecht bis auf diesen Tag noch keineswegs gesühnt. Zwar wurde die Verfolgung nach dem Regierungsantritt Königs Friedrich Wilhelm IV. sistirt, der unterdrückten lutherischen Kirche aber nur unter dem Namen „der von der Landeskirche sich getrennt haltenden Lutheraner“ die Generalconcession vom 23. Juli 1845 (Ges.-S. 1845, S. 516) ertheilt, welche noch jetzt die gesetzliche Basis unsers Bestehens in etwa 52 Parochien mit 168 Gemeinden und 41,000 Seelen bildet. Da die wenig zahlreichen und vieles unbestimmt lassenden ausdrücklichen Vorschriften dieser Concession, verglichen mit den im Landrecht allein vorkommenden beiden Berechtigungsgraden von Religionsgesellschaften, den öffentlich aufgenommenen und den geduldeten, doch im Ganzen – nämlich nur mit Ausnahme jenes uns ertheilten Namens und der Bestimmung, daß unsern gottesdienstlichen Gebäuden der Name und die Rechte der Kirchen nicht zustehen sollten – auf die uns ertheilten Rechte einer öffentlich aufgenommenen Religionsgesellschaft uns hinzuweisen schienen, so gingen wir zwar auf die Ausführung der Concession ein, jedoch nur unter der Bedingung, daß jene unsere Ansicht über die Auslegungsregel für die in der Generalconcession unbestimmt gebliebenen Verhältnisse auch von der Staatsregierung anerkannt werde, und unter Verwahrung sowohl gegen den uns beigelegten als gegen den unsern Kirchen abgesprochenen Namen, in welcher Hinsicht wir um Nachholung dessen baten, was der lutherischen Kirche nach ihrem historischen Rechte gebühre. Lange wurde hierauf geschwiegen. Endlich erschien statt einer Antwort das allerdings ohne verfassungsmäßige Zuziehung der Stände erlassene allerhöchste Patent vom 30. März 1847 (Ges.-S. 1847, S. 121), das, im Widerspruch mit dem bisher geltenden Rechte, als mit vollen Rechten zu schützende Kirchen nur noch die evangelische und römisch-katholische erwähnte und in einer Beilage uns mit einer neu erfundenen Bezeichnung als nicht bloß geduldete oder als aufgenommene, aber nicht öffentlich aufgenommene Religionsgesellschaft zwischen die landrechtlichen Bezeichnungen der geduldeten und öffentlich aufgenommenen Religionsgesellschaften einschob. Die Praxis wenigstens einiger der einflußreichsten höchsten Behörden zeigte denn auch bald, daß damit für die in der Generalconcession unbestimmt gebliebenen Verhältnisse das Maß einer bloß geduldeten Religionsgesellschaft als Auslegungsregel gegeben sein sollte. Auch gegen dieses Patent legten wir sofort wieder den früheren Protest ein, und als nachher im Jahr 1848 bei Vereinbarung der Verfassung der dazu berufenen Versammlung der die Kirchen betreffende Artikel (jetzt Art. 15) wiederum in der Fassung des Patents vorgelegt wurde, erneuerten wir denselben sowohl beim königl. Staatsministerium als bei dieser Versammlung in den anliegenden gedruckten
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Petitionen vom 11. und 25. Mai 1848, mit Hinzufügung der in ihnen ersichtlichen einzelnen Bitten. Doch auch diese Kundgebungen des unterdrückten Rechts fanden kein Gehör. Erst nach Jahren erfolgte eine Bescheidung (vom 31. Mai 1853) und zwar nur durch den Minister der geistlichen Angelegenheiten, an den unsere Eingabe vom königl. Staatsministerium abgegeben war. Sie wies unsere Bitten ab; doch jetzt zum ersten Male mit Hinzufügung eines Grundes, weil sie nämlich auf der unrichtigen Voraussetzung beruhten: daß die von der Gemeinschaft der evangelischen Landeskirche sich getrennt haltenden Lutheraner die evangelisch-lutherische Kirche in Preußen repräsentiren und daß diese Kirche in der evangelischen Landeskirche Preußens nicht enthalten und nicht vertreten sei. Dieser Grund ist aber schwer zu begreifen. Warum soll es seitens unserer Religionsgemeinschaft eine unrichtige Voraussetzung sein, daß sie, die bei der Neubildung der evangelischen Landeskirche aus bisherigen Bestandtheilen der reformirten und lutherischen Kirche des Landes an der bisherigen, in Bekenntniß, Gottesdienst und Verfassung selbständigen lutherischen Kirche festhielt, nicht auch fortwährend diese Kirche darstelle? Gilt doch sonst überall der Grundsatz, daß diejenigen, welche an dem Grundstatut einer Gesellschaft festhalten, wenn auch eine noch so große Majorität von ihnen abweicht, fortdauernd die Gesellschaft und deren Rechte repräsentiren. Ein Verlassen des Grundstatuts, hier des Bekenntnisses der lutherischen Kirche, als der einigen Norm ihrer Gesetzgebung, ihres Regiments und ihres ganzen kirchlichen Thuns, wonach sie anders Lehrende, insbesondere auch die Reformirten, von ihrer Gemeinschaft ausschließt, liegt aber unleugbar in dem Zutritt zur evangelischen Landeskirche, die als solche in ihrer kirchlichen Gesetzgebung, ihrem Regiment, ihrer Agende etc. nicht mehr die Bekenntnisse der lutherischen Kirche als einige Norm anerkennt und dagegen die kirchliche Gemeinschaft von Reformirten und Lutheranern untereinander, selbst auch im heiligen Abendmahl, als ein wesentliches Kennzeichen ihres Bestandes betrachtet. Ebenso wenig kann auch behauptet werden, daß die lutherische Kirche in der evangelischen Landeskirche in Preußen enthalten und vertreten sei. Nennen sich noch jetzt einzelne Bestandtheile, nämlich Gemeinden oder Geistliche der letztern: „lutherischer Confession“, weil sie früher Bestandtheile der lutherischen Kirche waren und von deren Lehren und Gebräuchen vieles beibehalten haben, und wird auch auf diese Confession bei der Ordination und beim Gottesdienst auf besonderes Verlangen noch eine gewisse Rücksicht genommen, die jedoch stets an den Unionsgrundsätzen der evangelischen Kirche als einer einheitlichen ihre Schranke findet, so ist doch deshalb nicht die lutherische Kirche in der Landeskirche vorhanden und vertreten, was vielmehr, da der Begriff der Kirche Selbständigkeit auf Grund ihrer eigenthümlichen Principien fordert, bei dem Widerstreit der Principien beider Kirchen ein innerer Widerspruch sein würde. Da hiernach mit jener abschläglichen Antwort eigentlich nur ausgesprochen schien, daß man eine selbständige lutherische Kirche neben der evangelischen
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Landeskirche, vielleicht aus Furcht, den Bestand der letzteren dadurch zu tief zu erschüttern, nicht mehr anerkennen wolle oder könne, so begnügten wir uns damit, unser gutes Recht nur wieder zu verwahren, in der Hoffnung, daß eine spätere Zeit unter veränderten Umständen geneigter sein würde, es anzuerkennen und uns danach Gerechtigkeit widerfahren zu lassen. Zwei Umstände sind es, die uns bewegen, unser Recht jetzt wieder geltend zu machen. Einmal sind in unserm Staat infolge der Ereignisse des Jahres 1866 mehrere lutherische Landeskirchen als Provinzialkirchen der evangelischen Kirche Altpreußens zur Seite getreten und haben die königliche Zusage erhalten, in ihrem Recht als lutherischen Kirche geschützt zu werden. Zwischen ihnen und uns ist bei aller Verschiedenheit der innern Entwicklungsgeschichte doch im Bekenntniß und dessen Recht kein Unterschied, außer daß der Artikel 15 der Verfassungsurkunde, insofern er den Kirchen und Religionsgesellschaften die selbständige Verwaltung ihrer Angelegenheiten gewährleistet, bei uns schon in Kraft getreten ist. Soll nun aber in demselben Staate dasselbe religiöse Bekenntniß nur nach Ortsverschiedenheit eine ganz verschiedene Berechtigung haben? Soll es beispielsweise in Hannover als reichsgesetzlich anerkannte Kirche, in Altpreußen als wenig mehr als geduldeter Separatismus behandelt werden? Ja, es bestehen in den neuen Provinzen mit unirt-evangelischer Kirche auch Gemeinden, die als lutherische sich uns angeschlossen haben, und denen nun nicht einmal die Rechte der Generalconcession, als eines bloß für die alten Provinzen erlassenen Gesetzes, sondern nur das allgemeine religiöse Vereinsrecht der Verfassung zuerkannt worden – also selbst eine dreifache Berechtigungsart derselben Confession in demselben Staat! Das ist ein unhaltbarer Zustand. Oder wollte man ihn doch halten, so würde man das früher diesem Bekenntniß im Interesse der Union zugefügte und fortdauernd festgehaltene Unrecht nur noch in ein grelleres Licht stellen, obendrein jetzt ohne sich auf das Interesse berufen zu können, daß in Preußen neben der evangelischen Landeskirche keine andere protestantische Kirche mit gleichen Rechten existiren solle. Zweitens hat sich im Laufe der Jahre immer mehr die Unsicherheit der Rechtsgrundlage offenbart, welche unserer Religionsgesellschaft durch die Generalconcession gegeben ist. Während manche Staats- und städtische Behörden in den unbestimmt gebliebenen Verhältnissen von der Gleichsetzung mit den öffentlich aufgenommenen Religionsgesellschaften ausgehen, versagen uns andere diese Rechte, z.B. unsern Pastoren das Recht auf die Trauung der Braut nach der Parochialangehörigkeit, weil unsere Kirchgemeinden nicht für Parochieen erklärt seien, oder entziehen sie uns wieder, z.B. das Recht der Sportelfreiheit, so daß der Eindruck völlig willkürlicher Behandlung durch die Behörden entsteht. Hiernach ersuchen wir nun das hohe Haus gehorsamst, bei der königl. Staatsregierung wegen einer neuen gesetzlichen Regulirung unserer Verhältnisse auf Grund der historischen Rechte der evangelisch-lutherischen Kirche und zwar näher sich dahin zu verwenden, daß
Ergänzung und Abänderung der Generalkonzession
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unter Aufhebung der Generalconcession vom 23. Juli 1845 der Gesammtheit der unter unserer regimentlichen Pflege stehenden Gemeinden in Preußen als lutherischer Kirche die Rechte einer öffentlich aufgenommenen Religionsgesellschaft, namentlich mit Anerkennung ihrer Gemeinden als Parochieen, ihrer gottesdienstlichen Gebäude als Kirchen, ihrer Geistlichen als dem Staat gegenüber den der evangelischen Landeskirche gleichberechtigten, ihrer Schulen als besonderer confessioneller Schulen, sowie auch die Rechte der Stempel- und Sportelfreiheit in dem Maße, wie sie die öffentlich aufgenommenen Kirchen genießen, beigelegt und mit Rücksicht auf den ohne unsere Schuld entblößten Zustand unsers Kirchenwesens eine angemessene Subvention aus Staatsmitteln uns bewilligt werde.
Breslau, den 17. Dezember 1868. Das Ober-Kirchen-Collegium der ev.-luth. Kirche in Preußen. E. Huschke.
20. [19.] Gesetz, betreffend die Ergänzung und Abänderung der Generalkonzession für die von der Gemeinschaft der evangelischen Landeskirche sich getrennt haltenden Lutheraner vom 23.7.1845, vom 23.5.1908* Wir Wilhelm, von Gottes Gnaden, König von Preußen usw., verordnen, mit Zustimmung beider Häuser des Landtages der Monarchie, für den Geltungsbereich der Generalkonzession für die von der Gemeinschaft der evangelischen Landeskirche sich getrennt haltenden Lutheraner vom 23. Juli 1845 (Gesetzsamml. S. 516), was folgt: Artikel 1. Der Justizminister, der Minister des Innern und der Minister der geistlichen Angelegenheiten werden ermächtigt, dem gemäß Ziffer 1 der Generalkonzession vom 23. Juli 1845 (Gesetzsamml. S. 516) gebildeten, unter dem Oberkirchenkollegium zu Breslau stehenden Verein der evangelisch-altlutherischen Kirchengemeinden die Rechte einer juristischen Person zu erteilen. Artikel 2. Wird in eine gemäß Ziffer 2 der Generalkonzession vom 23. Juli 1845 genehmigte evangelisch-altlutherische Kirchengemeinde durch deren Vorstand ein Mitglied einer anderen Religionsgesellschaft, welches innerhalb der Kirchengemeinde einen *
Gottfried Nagel, Unsere Heimatkirche. Kurze Geschichte der Ev.-lutherischen Kirche in Preußen, Breslau 21924, 136f.
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Wohnsitz hat, innerhalb sechs Monaten nach Begründung dieses Wohnsitzes auf Grund einer öffentlich beglaubigten Beitrittserklärung aufgenommen, so wird der Aufgenommene von dem ersten Tage des auf die Beitrittserklärung folgenden Monats ab von der Verpflichtung zu Leistungen befreit, welche auf seiner bisherigen persönlichen Zugehörigkeit zu der andern Religionsgesellschaft beruhen. Unberührt bleibt die Verpflichtung zu sonstigen Leistungen, insbesondere zu solchen, welche entweder kraft besonderen Rechtstitels auf bestimmten Grundstücken haften oder von allen Grundstücken des Bezirks oder doch von allen Grundstücken einer gewissen Klasse in dem Bezirk ohne Unterschied des Besitzers zu entrichten sind. Hinsichtlich des Austritts aus einer gemäß Ziffer 2 a.a.O. genehmigten Gemeinde bewendet es bei den Vorschriften des Gesetzes, betreffend den Austritt aus der Kirche, vom 14. Mai 1873 (Gesetzsamml. S. 207). Findet jedoch gleichzeitig mit dem Austritte der Übertritt zu einer mit Korporationsrechten versehenen Gemeinde einer anderen Religionsgesellschaft, in deren Bezirke der Übertretende seinen Wohnsitz hat, innerhalb sechs Monaten nach Begründung dieses Wohnsitzes statt, so wird der Übertretende auf Grund einer bei dem Vorstande derselben abgegebenen öffentlich beglaubigten Übertrittserklärung von dem ersten Tage des auf die Übertrittserklärung folgenden Monats ab von der Verpflichtung zu Leistungen befreit, welche auf der bisherigen Kirchengemeindezugehörigkeit beruhen. Artikel 3. Die aus den §§ 18 und 25 Teil II Titel 11 des Allgemeinen Landrechts sich ergebenden Beschränkungen bezüglich der Benennung der gottesdienstlichen Gebäude und hinsichtlich des Gebrauchs der Glocken finden bei den gemäß Ziffer 2 der Generalkonzession vom 23. Juli 1845 (Gesetzsamml. S. 516) genehmigten Gemeinden fortan keine Anwendung. Artikel 4. Das gegenwärtige Gesetz tritt mit dem Tage seiner Verkündigung in Kraft. Urkundlich unter Unserer Höchsteigenhändigen Unterschrift und beigedrücktem Königlichen Insiegel. Gegeben Prökelwitz, den 23. Mai 1908. (L. S.) Wilhelm. Fürst v. Bülow. v. Bethmann Hollweg. v. Tirpitz. Frhr. v. Rheinbaben. v. Einem.
Satzungen für den Verein evangelisch-altlutherischer Kirchengemeinden
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Beseler. Breitenbach. v. Arnim. v. Moltke. Holle. Sydow.
21. [20.] Satzungen für den Verein evangelisch-altlutherischer Kirchengemeinden vom 9.9.1910*1 § 1. Der gemäß Ziffer 1 der Generalkonzession vom 23. Juli 1845 gebildete, unter dem Ober-Kirchen-Kollegium zu Breslau stehende Verein der evangelischaltlutherischen Kirchengemeinden hat seinen Sitz in Breslau. § 2. Mitglieder sind die mit Genehmigung des Staates bestehenden evangelischaltlutherischen Kirchengemeinden sowie diejenigen Kirchengemeinden, welchen künftig diese Genehmigung erteilt wird. § 3. Der Verein wird durch seinen Vorstand, das Ober-Kirchen-Kollegium zu Breslau, gerichtlich und außergerichtlich vertreten. Die den Verein verpflichtenden schriftlichen Willenserklärungen sind zu unterzeichnen: „Das OberKirchen-Kollegium zu Breslau“ und von dem Direktor des Ober-KirchenKollegiums oder dessen Stellvertreter unter Beidrückung des Siegels des Oberkirchenkollegiums zu unterschreiben. § 6. Über Änderungen dieser Satzungen beschließt das Ober-Kirchen-Kollegium unter Zustimmung der Generalsynode der evangelisch-altlutherischen Kirchengemeinden. Die Änderungen bedürfen der Genehmigung des Justizministers, des Ministers des Inneren und des Ministers der geistlichen Angelegenheiten.
22. [21.] Erteilung der Rechte einer juristischen Person vom 3.11.1910*2 Berlin, den 3. Nov. 1910. Just. Min. I. Nr. 286 Min. d. g. Ang. G. I. Nr. 2113. Min. d. Inn. I. Nr. 1958. Dem gemäß Ziffer I der Generalkonzession vom 23. Juli 1845 (Gesetzsamml. S. *1 Gottfried Nagel, Unsere Heimatkirche. Kurze Geschichte der Ev.-lutherischen Kirche in Preußen, Breslau 21924, 138. 2 * Gottfried Nagel, Unsere Heimatkirche. Kurze Geschichte der Ev.-lutherischen Kirche in Preußen, Breslau 21924, 138.
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Die Evangelisch-lutherische (altlutherische) Kirche
516) gebildeten, unter dem Ober-Kirchen-Kollegium zu Breslau stehenden Verein der evangelisch-altlutherischen Kirchengemeinden erteilen wir in Gemäßheit der Artikel I des Gesetzes, betreffend die Ergänzung und Abänderung der Generalkonzession für die von der Gemeinschaft der evangelischen Landeskirche sich getrennt haltenden Lutheraner vom 23. Juli 1845 (Gesetzsamml. S. 516), vom 23. Mai 1908 (Gesetzsamml. S. 155) auf Grund der zurückfolgenden Satzungen vom 9. Sept. 1910 hierdurch die Rechte einer juristischen Person. Die ordnungsmäßige Zusammensetzung und der Personalbestand des Ober-Kirchen-Kollegiums ist erforderlichenfalls durch den Oberpräsidenten der Provinz Schlesien zu bescheinigen. Folgen die Unterschriften der 3 Minister.
23. [22.] Erteilung der Körperschaftsrechte vom 19.6.1930*1 Berlin, den 19. Juni 1930. G. I Nr. 1661. 1. Im Einverständnis mit dem Herrn Minister des Innern und dem Herrn Justizminister erkenne ich an, daß auf Grund der Generalkonzession vom 23. Juli 1845 (Ges.S. S. 516) und des Gesetzes betr. die Ergänzung und Abänderung der Generalkonzession vom 23. Mai 1908 (Ges.-S. S. 155) die gemäß Ziffer 2 der Generalkonzession genehmigten altlutherischen Kirchengemeinden sowie der Verein der evangelisch-altlutherischen Kirchengemeinden Körperschaften des öffentlichen Rechts sind. Zugleich im Namen des Ministers des Innern und des Justizministers Der Minister für Wissenschaft, Kunst und Volksbildung. gez. Grimme.
24. [23.] Petition lutherischer Pastoren (1847)*2 Allerdurchlauchtigster, Gr|oß|mächtigster König, Allergn|ädigster| K|önig| u|nd| Herr! Die unterthänigst unterzeichneten Diener des göttl|ichen| Worts nahen sich ehrerbietigst dem Throne Ewr. königl|ichen| Maj|estät|, um allerhöchstdero Gerechtigkeit u|nd| Schutz anzurufen für die Rechte (gestr.: der) und Freiheiten der ev|angelisch| luth|erischen| Kirche, welche sie durch die Anträge der Majorität der jüngst versammelt gewesenen Generalsynode über Union u|nd| Bekenntniß aufs Äußerste (gestr.: gemißhandelt) |add. am Rand: gemißachtet| u|nd| gefähr*1 Kirchenblatt für die evangelisch-lutherischen Gemeinden in Preußen 85 (1930), 411f. *2 Nachlass Julius Diedrich, im Besitz von Baudirektor Jürgen Hahn, Bergisch-Gladbach.
Petition lutherischer Pastoren
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det sehen, u|nd| glauben wir in der vertrauensvollen Hoffnung uns nicht zu irren, daß Ewr. K|öni|g|l|iche Maj|estät| solches Zeugniß aus der Mitte bekenntnißtreuer Diener der Kirche gnädig aufnehmen werden. Ewr. k|öniglichen| Maj|estät| dürfen wir allerdings nicht verschweigen, daß wir von einer ev|angelisch| luth|erischen| Kirche in Preußen nur mit Zaghaftigkeit zu reden wagen. Die in Folge der eingeleiteten u|nd| theilweise durchgeführten Union u|nd| zu Gunsten derselben ergriffenen Maaßregeln haben schon längst unsere Gewissen belastet u|nd| uns die Amtsfreudigkeit je länger je mehr verkümmert. So ernstlich wir eine wahre Union aller Gläubigen auf (gestr.: Erden) Grund der Einträchtigkeit im göttl|ichen| Worte, die auch sichtbare Darstellung der Gemeinschaft derer, die durch den Glauben zum Leibe Christi gehören, ersehnen u|nd| fördern helfen wollen, so sind wir doch auch überzeugt, daß dies nicht durch ein Verschweigen der Wahrheit geschehen darf; daß also die luth|erische| Kirche das Recht auf confeßionell gesondertes Bestehen hat, weil nur dadurch ihr lauteres, allerdings in stets reicherer Fülle sich entfaltendes Bekenntniß der ganzen Heilswahrheit Gemeingut aller Gläubigen werden kann, u|nd| weil sie allein (gestr.: auch) dadurch auch die Mißion, den anderen Confeßionen ein Segen zu sein, zu erfüllen vermag. Sollte also der luth|erischen| Kirche ihr confeßionell gesondertes Bestehen genommen werden, so würde dadurch auch die in der Stille der Seelen (gestr.: weltzugewandte) |add. über der Zeile: vom Herrn zu vollziehende| u|nd| wirklich in Erfüllung begriffene Union nur aufgehalten werden. Wir erkennen es demnach für unsere Pflicht, dies Bestehen ihr zu erhalten, oder wo es in Frage gestellt ist, wieder zu erarbeiten. In dem bisherigen Zustande nun haben wir die, ob auch mehr u|nd| mehr dahinschwindende Hoffnung gehegt, daß wir solcher Pflicht, gelehnt auf die alten, im westphäl|ischen| Frieden begründeten u|nd| seitdem oftmals feierlich garantierten Rechte unserer // Kirche in Ewr. Maj|estät| königl|ichen| Landen, so weit sie ihr auch in Gemäßheit der authentischen Urkunden über Tendenz u|nd| Bedeutung der kirchenregimentlich gewollten Union noch belassen worden sind, ohne Veruntreuung würden nachkommen können; haben gern in Geduld verharren wollen, daß aus der damaligen um das Bekenntniß der ev|angelischen| Landeskirche gelagerten, u|nd| deßhalb in alle Lebenssphären derselben eingedrungenen Unsicherheit u|nd| Verwirrung ein klarer Zustand, Licht u|nd| Recht für unsere Kirche allmählig sich herausarbeiten würden. Nun aber zielen die betreffenden Anträge der Generalsynode auf eine schließliche Organisation der Landeskirche als unirter in der Art ab, daß auch die letzten Anhaltspunkte der Hoffnung einer besseren Zeit für die luth|erische| Kirche im theuren Vaterlande dadurch genommen werden würden. Das Princip eben, um dessentwillen wir der actuellen Union zu widersprechen uns verbunden halten, das Princip der Indifferenzirung erkannter Wahrheit göttlichen Worts – in deßen Verwerfung wir uns mit unseren reformirten Brüdern vollkommen Eins wissen – hat sich in jenen Synodalgutachten u|nd| Anträgen auf wahrhaft überraschende Weise schnell u|nd| weit entfaltet, so daß, was ihnen zufolge ungewiss, weil nicht
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Die Evangelisch-lutherische (altlutherische) Kirche
verpflichtendes Bekenntniß der Kirche sein soll, weit über den Dissensus der reformirten u|nd| lutherischen Kirche hinausgeht, indem ja gar das Fundamentalbekenntniß der gesammten Christenheit theilweise (u|nd| damit principiell ganz) dem sogenannten theolog|ischen| Bewußtsein der Gegenwart preisgegeben werden soll. Vor Ewr. Königl|ichen| Maj|estät| in eine Kritik der betreffenden Synodalanträge einzugehen (gestr.: brauchen) glauben wir uns enthalten zu müssen, u|nd| auch zu dürfen, weil dieselben ausgesprochenermaßen als vor allem zu lösenden Aufgabe sich die setzen, das confeßionell gesonderte Fortbestehen der luth|erischen| Kirche aufzuheben, also eine faktische Abrogirung der allerhöchsten Declaration vom 28. F|eb|ruar| 1834 involviren, welche den zarten Faden enthält, der bislang so viele luther|ische| Pfarrer u|nd| Gemeindeglieder innerhalb des landeskirchl|ichen| Verbandes festgehalten hat. Was daher Ewr. Königl|ichen| Maj|estät| wir unterthänigst ans Herz – welches Gott regire! – zu legen ausschließlich uns hier berufen halten, ist dies: – Ewr. K|önigliche| Maj|estät| wolle Allergnädigst Sorge tragen, daß wir und unsere Gemeinden in keiner Weise zum völligen Verlassen unserer alten u|nd| zum Angehören der neuen Kirche gezwungen werden, welche aus den Vorschlägen der Majorität der Gen|eral|synode mit Nothwendigkeit sich ergeben würde; daß unsere kirchl|ichen| Rechte u|nd| Freiheiten, so weit sie noch bestehen, bewahrt werden, u|nd| wo sie verdunkelte worden sind, wieder ans Licht u|nd| zur Geltung kommen.
Daß die von der (add. über der Zeile: Majorität der) Gen|eral| Syn|ode| in Aussicht gestellten Concessionen u|nd| Exemptionen für einzelne luth|erische| Pfarrer u|nd| Gemeinen unser (gestr.: er Zeit) Gewissen nicht zufrieden stellen können, das ehrerbietigst zu erklären, wolle Ewr. Maj|estät| uns Allergnädigst gestatten. Eine luth|erische| Kirche existirte offenbar da nicht mehr, wo sämmtl|iche| Geistliche die von der Mehrheit der Gen|eral| Syn|ode| vorgeschlagene Ordination empfingen, also Diener einer nicht luth|erischen| Kirche würden; sie würden dann heilen Gewissens nimmermehr Hirten luther|ischer| Gemeinden sein können; das confessionelle Recht der Gemeinden verlöre alle Garantie; die Gesammtheit der lutherischen Gemeinden würde sich als solche, als Kirche, nicht manifestiren und conserviren können, dann völlig entbehrend des Organs solcher Manifestation und Conservation, nämlich eines ihrem Bekenntnisses zugethanen u|nd| zum Wachen über dasselbe bestellten Regiments. Die durch die projectirte Lehrordnung zu erzielende Wahrung des kirchl|ichen| Bekenntnisses vermögen wir als eine solche nicht zu erkennen, indem nicht erhellt, für wen die Lehrordnung die Lehre festsetzen solle, wenn sie nicht einmal für die Diener der Kirche verpflichtend sein soll; u|nd| weil es (gestr.: zu) einer völligen Auflösung der Kirche gleichkäme, sollte die Kirche sich zu keinem bestimmten Sonderbekenntniße bekennen, sondern nur einzelnen Gemeinden gestattet werden, vorläufig ein besonderes Bekenntniß festzu (gestr.: setzen) halten u|nd| von ihren Pastoren zu begehren.
Verhältnis zu den lutherischen Landeskirchen (1868)
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Ewr. K|önigliche| Maj|estät| bitten wir inständigst, diese unsere allerunterthänigste Eingabe, zu der wir uns auf einer brüderlichen Conferenz vereinigt haben, als einen durch den tiefen Jammer der Kirche uns ausgepreßten Nothschrei, huldreichst entgegen nehmen zu wollen, uns Allerhöchst Sich versichert zu halten, daß wir nicht ablaßen (gestr.: zu) werden, den Herrn der Kirche für Ewr. Maj|estät| anzuflehen um ein weises Herz, königl|iche| Gedanken und heilsam Rathschläge, um Erleuchtung der heil|igen| Geistes, zu erkennen, u|nd| um ein durch Gnade festes Herz, zu thun den Willen Gottes. Wir ersterben in solcher Fürbitte Ewr. K|öniglichen| Maj|estät| allerunterthänigste gez. Feldner cum XVII aliis
25. [24.] Stellungnahme der Generalsynode der Evangelischlutherischen Kirche in Preußen über das Verhältnis zu den lutherischen Landeskirchen (1868)* 1. Der Synode lag ein Antrag vor, den bisherigen Zusatz bei dem Namen der Behörden unserer Kirche, als „der evang.-luth. Kirche in Preußen“ mit Rücksicht darauf, daß nach der jetzigen Ausdehnung des Preußischen Staats auch mehrere lutherische Provinzialkirchen in demselben beständen, in den „der evang.luth. Kirche in Alt-Preußen“ zu verändern. Wie sehr aber auch die Mißverständlichkeit der Fortführung des bisherigen Namens unter den gegenwärtigen Umständen eine solche oder ähnliche Namensänderung empfehlen mochte, beschloß doch die Synode: in Anbetracht, daß die Aenderung eines solchen historisch begründeten Namens ohne die dringendsten Gründe überhaupt bedenklich, – daß der bisherige Name, da er selbstverständlich nach der Zeit seines Ursprungs zu beurtheilen sei, die besorgte Anmaßung um so weniger enthalte, als die jetzige Mißverständlichkeit desselben nur durch von uns ganz unabhängige politische Ereignisse herbeigeführt sei, – und daß auch der vorgeschlagene oder ein anderer neuer Name geographisch nicht richtig oder vielleicht bald wieder zu ändern sein würde,
über den Antrag zur Tagesordnung überzugehen. Indem aber die Gründe dieses Uebergangs zur Tagesordnung hier veröffentlicht werden, ist damit auch öffentlich ausgesprochen, daß die Fortführung dieses Namens unter Umständen, unter welchen wir ihn selbstverständlich nicht an*
Oberkirchenkollegium (Hg.), Beschlüsse der von der evangelisch-lutherischen Kirche in Preußen im September und October 1841 zu Breslau gehaltenen Generalsynode (und folgender Generalsynoden, gesammelt in 2 Bänden: 1841–1873 und 1878–1910), Leipzig 1842 und Breslau 1844ff., 461–463.
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Die Evangelisch-lutherische (altlutherische) Kirche
genommen haben würden, nicht den Sinn hat, unsere Glaubensgenossen in den neuen Provinzen von der lutherischen Kirche in Preußen auszuschließen und uns allein als solche zu bezeichnen. 2. Im Verwaltungsbericht hatte das Ober-Kirchen-Collegium auch der von ihm zu der im Juli v. J. in Hannover abgehaltenen Allgemeinen evang.-luth. Conferenz eingenommenen Stellung gedacht und die erheblichen Bedenken ausgeführt, die einer activen Betheiligung an dieser Conferenz von unserer Seite im Wege ständen, so lange auch Glieder der Preußischen Landeskirche als berechtigte active Mitglieder zu derselben zugelassen würden. Indem nämlich diese Conferenz nur „die Glieder der verschiedenen lutherischen Kirchengebiete Deutschlands“ zur Pflege ihrer Gemeinschaft einander nähern und zur activen Theilnahme an ihren Verhandlungen nur „Lutheraner“ zulassen zu wollen in ihren Statuten öffentlich erklärt hat, wird mit der gleichzeitigen Zulassung von Gliedern der Preußischen Landeskirche thatsächlich ausgesprochen und anerkannt, daß diese gleichfalls lutherische Kirche sei oder enthalte, was auch unsererseits anzuerkennen wir uns ohne Verläugnung der Wahrheit und ohne Beurtheilung unsers ganzen gegen die Union geführten Kampfes nicht herbeilassen können. Die Synode sprach ihre vollständige Billigung des bisherigen Verfahrens und der öffentlich kundgegebenen Grundsätze des Ober-Kirchen-Collegiums in dieser Sache aus.
26. [25.] Stellungnahme der Generalsynode der Evangelischlutherischen Kirche in Preußen über das Verhältnis zu den lutherischen Landeskirchen (1873)* Auf verschiedene Anträge über unsere Stellung zu den lutherischen Landeskirchen wurde den schon von früheren Synoden aufgestellten Grundsätzen, nämlich: 1. daß wir uns zu der rechtlichen oder thatsächlichen Beseitigung der kirchlichen Symbole, als Richtmaßes der öffentlichen Lehre, in manchen geschichtlich lutherischen Landeskirchen allerdings nicht gleichgültig verhalten dürften, vielmehr wissen müßten, welche Kirchen wir noch, als in Bekenntnißeinheit mit uns stehend, anzusehen hätten, um bei den mannichfachen Berührungen mit ihnen recht rathen und handeln zu können, – daß jedoch 2. der Beruf zu einem Verfahren gegen auswärtige lutherische Landeskirchen für unsere Kirche mit voller Gewißheit doch nur dann eintrete, wenn in bestimmten Fällen ein gewissenhaftes Handeln in dem uns befohlenen Werk es unumgänglich nothwendig mache, – wobei aber *
Oberkirchenkollegium (Hg.), Beschlüsse der von der evangelisch-lutherischen Kirche in Preußen im September und October 1841 zu Breslau gehaltenen Generalsynode (und folgender Generalsynoden, gesammelt in 2 Bänden: 1841–1873 und 1878–1910), Leipzig 1842 und Breslau 1844ff., 520f.
Verhältnis zu anderen Kirchen (1878)
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3. die Entscheidung über das in solchen Fällen einzuhaltende Verfahren nicht den einzelnen Pastoren zu überlassen, sondern dem Ober-Kirchen-Collegium zu überweisen und so zu treffen sei, daß sowohl auf der einen Seite die Gefahr, separatistische Gelüste zu begünstigen, vermieden werde, als auch andererseits nichts geschehe, wodurch das nöthige Zeugniß wider falsche Lehre unterdrückt würde; als allgemeine Norm für die vom Ober-Kirchen-Collegium in einzelnen Fällen zu treffenden Entscheidungen hinzugefügt: „Eine lutherische Gesammtkirche ist als noch bestehend da anzuerkennen, wo nicht nach gründlicher Erwägung aller einschlagenden Thatsachen und Verhältnisse zweifellos offenbar ist, daß das lutherische Bekenntniß aufgehört hat, publica doctrina und als solche (gemäß Artikel 7 der Augsburger Confession) für den gesammten kirchlichen Organismus ausschließlich maßgebend zu sein. Insbesondere ist eine Aufhebung des lutherischen Charakters einer Kirche auch darin zu erkennen, wenn der 10. Artikel der Augsburger Confession durch grundsätzliche Zulassung von Nicht-Lutheranern zum heiligen Abendmahl außer Kraft gesetzt ist;“
jedoch die Anwendung dieser Grundsätze auf die vorkommenden Fälle dem OberKirchen-Collegium überlassen.
27. [26.] Stellungnahme der Generalsynode der Evangelischlutherischen Kirche in Preußen über das Verhältnis zu anderen Kirchen (1878)* Die Synode erklärte sich mit den aus dem Verwaltungsbericht vernommenen Verfahren des Ober-Kirchen-Collegium gegen die ehemals kurhessische, die SachsenWeimarsche und die Hessendarmstädtische Lutherische Landeskirchen einverstanden, wonach dasselbe, veranlaßt durch praktische Fälle, in Folge der neuerlichen Organisation dieser Kirchen, durch welche sie das Lutherische Bekenntniß als Norm ihres einheitlichen Bestandes aufgegeben haben, als nicht mehr Lutherisch behandelt hat. Sie sprach zugleich den Wunsch aus, daß in Zukunft die Aufhebung der Kirchengemeinschaft mit einem Kirchenkörper jedesmal durch das Kirchenblatt bekannt gemacht werde. Außerdem gab die Synode über das gesammte vom Ober-Kirchen-Collegium innegehaltene Verfahren in Beziehung auf den zweifelhaften Bekenntnißstand von Landeskirchen folgende Erklärung ab:
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Oberkirchenkollegium (Hg.), Beschlüsse der von der evangelisch-lutherischen Kirche in Preußen im September und October 1841 zu Breslau gehaltenen Generalsynode (und folgender Generalsynoden, gesammelt in 2 Bänden: 1841–1873 und 1878–1910), Leipzig 1842 und Breslau 1844ff., 597–599.
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Die Evangelisch-lutherische (altlutherische) Kirche
1. Die Synode bekennt sich wiederholt zu dem von der vorigen Generalsynode ausgesprochenen Grundsatze „Eine Lutherische u.s.w. (S. 521). 2. Sie erklärt sich mit der Art und Weise, wie das Ober-Kirchen-Collegium in der abgelaufenen Synodalperiode diesen Grundsatz in den einzelnen Fällen angewandt hat, vollkommen einverstanden und beauftragt das Ober-KirchenCollegium, mit derselben Entschiedenheit und Nüchternheit wie bisher auch fernerhin unsere Grundsätze in vorkommenden Fällen zur Anwendung zu bringen. 3. Insonderheit erklärt sich die Synode mit der Ansicht des Ober-KirchenCollegiums, daß unser Verhältniß zu den als Lutherisch anzuerkennenden Landeskirchen Angesichts der in ihnen sich häufenden Bekenntnißwidrigkeiten zeitweise auch das einer theilweisen oder völligen Suspension der Kirchengemeinschaft sein könne, einverstanden und ermächtigt das Ober-KirchenCollegium in solchen Fällen, in denen unsere kirchliche Stellung nicht anders gewahrt werden kann, solche Suspension auch förmlich auszusprechen. 4. Die Synode ersucht das Ober-Kirchen-Collegium, ein Schriftchen auszuarbeiten oder ausarbeiten zu lassen, in welchem in einfacher, möglichst populärer Darstellung die Grundsätze unserer Kirche in der Behandlung der Lutherischen Landeskirchen dargelegt und vertheidigt werden. Dieses Schriftchen soll so abgefaßt werden, daß es theils die Richtigkeit unserer Grundsätze überzeugend darlegt, theils ein ernstes Zeugniß wider die in den Lutherischen Landeskirchen herrschenden Bekenntnißwidrigkeiten enthält, theils die treuen Glieder in ihrem Kampfe stärkt. 5. Die Synode spricht ihre tiefe Betrübniß darüber aus, daß das Lutherische Landeskonsistorium in Hannover nicht nur die gastweise Zulassung Unirter und Reformirter zum Lutherischen Abendmahl festhält, nicht nur die Union in den Militärgemeinden frei gewähren läßt, sondern auch die Lutherisch Gesinnten innerhalb der preußischen Landeskirche als vollberechtigte Glieder und Abendmahlsgenossen der Lutherischen Kirche anerkannt hat. Wenn auch die Synode nicht übersieht, daß durch dieses Verfahren des Hannoverschen Kirchenregiments, sofern die Landessynode demselben nicht förmlich zugestimmt hat, der 10. Artikel der Augsb. Confession noch nicht förmlich außer Kraft gesetzt ist, so kann sie sich nicht doch verbergen, daß wenn die Hannoversche Landeskirche auf diesem Wege weitergeht, die Einführung der Union in Hannover nur noch eine Frage der Zeit ist, und das um so mehr, als nach den Berathungen der Landessynoden und sonstigen Kundgebungen aus der Hannoverschen Landeskirche der Grundsatz des Hannoverschen Landesconsistorium fast allgemeine Zustimmung findet und fast allgemein angewendet wird. Die Synode hält es um so mehr für ihre Pflicht, gegen diese Grundsätze des Hannoverschen Landesconsistorium ihre Stimme zu erheben, als dieselben nicht nur für die Hannoversche Kirche selbst verderblich werden müssen, sondern auch die Berechtigung unserer eigenen Stellung aufs bestimmteste verneinen. Die
Verhältnis zu den lutherischen Freikirchen (1878)
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Synode ersucht daher das Ober-Kirchen-Collegium das Hannoversche LandesConsistorium brüderlich und dringend zu bitten, daß es seine Grundsätze über die Abendmahlsgemeinschaft doch noch einmal nach der Schrift und dem Bekenntniß prüfen und berichtigen wolle. Uebrigens überläßt die Synode dem Ober-Kirchen-Collegium je nach dem Ausfall der von dem Hannoverschen Landes-Consistorium zu erwartenden Antwort unsere Beziehungen zur dortigen Landeskirche zu regeln. Endlich 6. spricht die Synode dem hochwürdigen Ober-Kirchen-Collegium für alle in dieser Angelegenheit bewiesene Sorgfalt und Treue ihren besondern Dank aus.
28. [27.] Stellungnahme der Generalsynode der Evangelischlutherischen Kirche in Preußen über das Verhältnis zu den lutherischen Freikirchen (1878)* Das Verhältniß zu den sich bildenden von uns getrennten Freikirchen betreffend, lehnte die Synode einen Antrag, der das Ober-Kirchen-Collegium ersuchte, mit Rücksicht auf das in mehreren derselben beginnende Verlangen nach Verständigung vielleicht selbst späterer Vereinigung mit uns, in dieser Beziehung die Initiative zu ergreifen und geeignet scheinende entgegenkommende Schritte zu thun, weil er keine bestimmten Vorschläge enthielt, ab, sprach jedoch das Vertrauen aus, daß das Ober-Kirchen-Collegium zu einer aufrichtigen Verständigung gewiß wie bisher gern die Hand bieten würde. Hinsichtlich des Antrags: in Anbetracht dessen, daß unter den Pastoren und kleineren Kirchengemeinschaften, welche sich gegenwärtig von den verderbten Lutherischen Landeskirchen trennen, keine Lehr- und Bekenntnißeinheit herrscht, zu beschließen, daß diese Kirchengemeinschaften bez. Pastoren nicht eher zur Kanzel- und Abendmahlsgemeinschaft mit uns zugelassen oder öffentlich als Glaubensbrüder anerkannt werden sollen, bis sich das Ober-Kirchen-Collegium durch Verhandlung mit ihnen genügend überzeugt und öffentlich bekannt gemacht hat, daß sie mit uns auf demselben Bekenntnißgrunde stehen,
wurde der Antragsteller mit Zustimmung der Synode an das Ober-KirchenCollegium verwiesen.
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Oberkirchenkollegium (Hg.), Beschlüsse der von der evangelisch-lutherischen Kirche in Preußen im September und October 1841 zu Breslau gehaltenen Generalsynode (und folgender Generalsynoden, gesammelt in 2 Bänden: 1841–1873 und 1878–1910), Leipzig 1842 und Breslau 1844ff., 600.
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Die Evangelisch-lutherische (altlutherische) Kirche
29. [28.] Stellungnahme der Generalsynode der Evangelischlutherischen Kirche in Preußen zur Suspension der Kirchengemeinschaft mit der Hannoverschen Landeskirche (1882)* Aus den Synodalbeschlüssen der letzten Generalsynode vom Jahre 1878 (cf. Syn.Beschl. Seite 599, 5) ist bekannt, daß das Ober-Kirchen-Collegium ersucht worden war, mit Rücksicht darauf, daß das lutherische Landes-Consistorium in Hannover die lutherisch Gesinnten innerhalb der preußischen Landeskirche als vollberechtigte Glieder und Abendmahlsgenossen der lutherischen Kirche anerkannt hatte, das Hannoversche Landesconsistorium brüderlich und dringend zu bitten, daß es seine Grundsätze über die Abendmahlsgemeinschaft doch noch einmal nach der Schrift und dem Bekenntniß prüfen und berichtigen wolle. Je nach dem Ausfalle der zu erwartenden Antwort war dem Ober-Kirchen-Collegium überlassen worden, unsere Beziehungen zur dortigen Landeskirche nach Maßgabe der Grundsätze zu regeln, welche bereits von einer früheren Synode (cf. Syn.-Beschl. Seite 521, 3) klar und deutlich ausgesprochen worden sind. Der dieserhalb mit dem Hannoverschen Landes-Consistorium geführte eingehende Schriftwechsel ist bereits von dem Ober-Kirchen-Collegium in der „Amtlichen Mittheilung betreffend den Bekenntnißstand der evangelisch-lutherischen Landeskirche Hannovers und die Kirchengemeinschaft mit derselben“ vom Jahre 1880 veröffentlicht worden. Er hat, wie bekannt, zu dem Resultate geführt, daß die Kirchengemeinschaft mit der Hannoverschen lutherischen Landeskirche bis zur Abstellung der oben erwähnten, uns beschwerenden Mißbräuche suspendirt werden mußte. Es war aber immer noch die Möglichkeit vorhanden, daß die gegen Ende des Jahres 1881 und zu Anfang des Jahres 1882 in Hannover tagende Landessynode das bekenntnißwidrige Verhalten des dortigen Landesconsistoriums rectifiziren und demnach auch uns die volle und ungetrübte Kirchengemeinschaft mit der Hannoverschen Landeskirche wiederum ermöglichen werde. Diese Hoffnung ist aber leider durch die Verhandlungen und Beschlüsse der Hannoverschen Landessynode nicht in Erfüllung gegangen. Obschon ein Antrag vorlag, in welchem es klar und deutlich ausgesprochen war, daß die vom Ober-Kirchen-Collegio vorgebrachte Beschwerde über schrift- und bekenntnißwidrige Praxis hinsichtlich der Abendmahls- und Kanzelgemeinschaft mit Gliedern resp. Dienern der unirten preußischen Landeskirche, sowie die in Folge der verweigerten Abstellung dieser Praxis vom Ober-Kirchen-Collegio verfügte Suspension der vollen Kirchengemeinschaft
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Oberkirchenkollegium (Hg.), Beschlüsse der von der evangelisch-lutherischen Kirche in Preußen im September und October 1841 zu Breslau gehaltenen Generalsynode (und folgender Generalsynoden, gesammelt in 2 Bänden: 1841–1873 und 1878–1910), Leipzig 1842 und Breslau 1844ff., 648–651.
Suspension der Kirchengemeinschaft mit der Hannoverschen Landeskirche
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mit der Hannoverschen Landeskirche leider nicht für unbegründet gehalten werden könne, hat die Hannoversche Landessynode diesen Antrag beinahe einstimmig (gegen nur 2 Stimmen) abgelehnt und einen Antrag angenommen, welcher die schrift- und bekenntnißwidrige Praxis nach wie vor bestehen läßt, ohne über die Bekenntnißmäßigkeit oder Bekenntnißwidrigkeit derselben ein Urtheil abzugeben. Dies und außerdem der – wenn auch nur vereinzelt in unserer Kirche selbst hervorgetretene – Widerspruch gegen die von dem Ober-Kirchen-Collegium mit der Suspension der Abendmahlsgemeinschaft getroffene Entscheidung gab dem OberKirchen-Collegium Veranlassung, in der „Neuen amtlichen Mittheilung – betreffend den Bekenntnißstand der evangelisch-lutherischen Landeskirche Hannovers und die Kirchengemeinschaft mit derselben“, alle erhobenen Bedenken zu beleuchten und ihnen gegenüber die Entscheidung zu rechtfertigen. Auf der General-Synode kam diese Seitens des Ober-Kirchen-Collegs hiermit für beendet erachtete Angelegenheit durch einen Antrag zur Sprache, welcher, wenn er auch die von dem Ober-Kirchen-Colleg getroffene Maßregel als innerhalb der Zuständigkeit desselben getroffen ansah und auch anerkannte, daß „gegenüber der in der Hannöverschen Landeskirche zur Herrschaft gelangten bekenntnißwidrigen Abendmahlspraxis unsererseits ein deutliches Wort- und Thatzeugniß, berechtigt und nothwendig“ gewesen sei und noch sei etc. – doch in Frage stellte, ob eine Suspension der Kirchengemeinschaft mit einer im Uebrigen das lutherische Bekenntniß als publica doctrina festhaltenden Landeskirche wegen schrift- und bekenntnißwidriger Praxis zulässig und ob die Möglichkeit ausgeschlossen sei, mit einzelnen hannoverschen Geistlichen, welche hinsichtlich der Zulassung zum heiligen Abendmahle bekenntnißmäßig verführen, noch volle Kirchengemeinschaft aufrecht zu halten. – Dieser Antrag bezweckte auch eine möglichst weitgehende Nachsicht gegen solche Geistliche unserer Kirche, welche aus Gewissensbedenken sich mit der Entscheidung des Ober-Kirchen-Collegs nicht einverstanden zu erklären und darum derselben nicht conform zu handeln vermöchten – und wünschte ein disciplinarisches Einschreiten gegen dieselben nur wenn ein Aergerniß angerichtet wäre oder eine grundsätzliche Unbotmäßigkeit gegen die kirchliche Ordnung vorläge. Nach eingehenden Erörterungen, in welchen es allerseits zum Ausdrucke kam, wie schmerzlich es unserer Kirche sei, sich mit der lutherischen Landeskirche Hannovers in einer so wichtigen, den Bekenntnißstand der Kirche betreffenden Angelegenheit, nicht in der vom HErrn geforderten Einigkeit des Geistes zu wissen, gab die Generalsynode über das Verfahren des Ober-Kirchen-Collegiums in dieser Sache folgende Erklärung ab: „Die Generalsynode spricht dem Ober-Kirchen-Collegium ihren Dank aus für die Treue und Festigkeit, mit welcher es die Sache des lutherischen Bekenntnisses dem Hannoverschen Landes-Consistorium gegenüber vertreten hat und erklärt die leider nothwendig gewordene Suspension der Kirchengemeinschaft mit der dortigen Landeskirche für gerechtfertigt. Im Uebrigen hat die Generalsynode zu dem hoch-
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Die Evangelisch-lutherische (altlutherische) Kirche
würdigen Ober-Kirchen-Collegium das gute Vertrauen, daß es in Beurtheilung einzelner Fälle die größte Milde walten lassen, insonderheit die Gewissensbedenken einzelner Pastoren in dieser Sache in jeder Weise berücksichtigen werde und legt dies demselben noch besonders an’s Herz.“
30. [29.] Stellungnahme der Generalsynode der Evangelischlutherischen Kirche in Preußen zu den Einigungsbemühungen im freikirchlichen Luthertum (1886)*1 Für die Bemühungen, mit den übrigen lutherischen Freikirchen Deutschlands Gemeinschaft zu knüpfen, sprach die Synode dem Ober-Kirchen-Collegium ihren Dank aus und ertheilte ihm den Auftrag, in diesem Bemühen fortzufahren und dasselbe auch auf die von unserem Kirchenverbande jetzt getrennten, unter dem Namen der Immanuelsynode in Preußen vorhandenen lutherischen Gemeinden und Glieder auszudehnen.
31. [30.] Stellungnahme der Generalsynode der Evangelischlutherischen Kirche in Preußen zur geplanten Bildung eines Delegiertenkonvents lutherischer Freikirchen (1906)*2 Auf den Bericht des Ober-Kirchen-Kollegiums über seine Verhandlungen mit den lutherischen Freikirchen behufs Bildung eines Delegierten-Konventes wurde beschlossen: Generalsynode spricht ihre Befriedigung darüber aus, daß Versuche gemacht worden sind, einen Delegierten-Konvent zustande zu bringen. Sie hält es für wünschenswert, daß diese Versuche fortgesetzt werden, zumal da ein solcher Versuch nicht zu der Besorgnis Anlaß geben kann, als könnten dort bindende Abmachungen getroffen werden. Selbstverständlich bedürfen die Resultate solcher Konventsversammlungen doch immer noch der Zustimmung der kirchlichen Organe der einzelnen Freikirchen.
*1 Oberkirchenkollegium (Hg.), Beschlüsse der von der evangelisch-lutherischen Kirche in Preußen im September und October 1841 zu Breslau gehaltenen Generalsynode (und folgender Generalsynoden, gesammelt in 2 Bänden: 1841–1873 und 1878–1910), Leipzig 1842 und Breslau 1844ff., 711. 2 * Oberkirchenkollegium (Hg.), Beschlüsse der von der evangelisch-lutherischen Kirche in Preußen im September und October 1841 zu Breslau gehaltenen Generalsynode (und folgender Generalsynoden, gesammelt in 2 Bänden: 1841–1873 und 1878–1910), Leipzig 1842 und Breslau 1844ff., 1017.
Verhältnis zu den lutherischen Landeskirchen und Freikirchen (1906)
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32. [31.] Erklärung der Generalsynode der Evangelischlutherischen Kirche in Preußen über das Verhältnis zu den lutherischen Landeskirchen und Freikirchen (1906)* Angesichts der Tatsache, daß die lutherischen Landeskirchen den Unterschied zwischen ihnen und den reformierten bezw. unierten Kirchen vielfach verwischen, indem sie die aus solchen Kirchen Zuziehenden meist ohne weiteres als Glieder der lutherischen Kirche ansehen, die in unierte Kirchengebiete zuziehenden Lutheraner meist ungewarnt der Union überlassen, statt sie der lutherischen Kirche zuzuweisen, und durch den Zusammenschluß in dem evangelischen Kirchenausschuß die Gleichstellung aller deutschen Kirchen auch zum öffentlichen Ausdruck gebracht haben, daß endlich auch durch das Eindringen grundstürzender Irrtümer moderner Theologie der Bekenntnisstand mancher lutherischen Landeskirche aufs tiefste erschüttert ist, sieht sich die evangelisch-lutherische Kirche in Preußen zu folgender Stellungnahme genötigt: Auf Grund unseres Bekenntnisses zur Heiligen Schrift und den lutherischen Symbolen stehen wir zwar nach wie vor in Kirchen- und Abendmahlsgemeinschaft mit allen Kirchen, in welchen das lutherische Bekenntnis noch nicht aufgehört hat, für den gesamten kirchlichen Organismus ausschließlich die öffentlich anerkannte Lehrnorm zu bilden. Da aber das Zurechtbestehen dieser Lehrnorm uns leider nicht die Gewißheit gibt, daß auch auf allen Kanzeln und an allen Altären dieser Kirchen bekenntnisgemäß gelehrt und gehandelt wird, so müssen wir unsere in solche Kirchengebiete ziehenden Glieder dahin belehren, daß sie sich von solchen Altären fern halten müssen, wo ihnen offenbare Verletzung des lutherischen Bekenntnisses entgegentritt, und nur bei solchen Geistlichen das Sakrament suchen, bei denen sie die bekenntnismäßige Lehre und Sakramentsverwaltung tatsächlich vorfinden. Das Ober-Kirchen-Kollegium wird ein belehrendes Schreiben drucken lassen, welches den in lutherische Landeskirchen verziehenden Gemeindegliedern mitgegeben werden soll. Die aus lutherischen Kirchen zu uns ziehenden Glieder sind zum heiligen Abendmahl zuzulassen, wenn sie sich zu der Lehre der lutherischen Kirche bekennen und auch sonst kein Grund vorliegt, ihnen das Sakrament zu versagen. Wir erwarten dabei von ihnen, daß sie bei etwaiger Rückkehr in ihre Heimatkirche mit Wort und Tat gegen Verletzung des Bekenntnisses auftreten und durch ein gutes Be*
Oberkirchenkollegium (Hg.), Beschlüsse der von der evangelisch-lutherischen Kirche in Preußen im September und October 1841 zu Breslau gehaltenen Generalsynode (und folgender Generalsynoden, gesammelt in 2 Bänden: 1841–1873 und 1878–1910), Leipzig 1842 und Breslau 1844ff., 1017–1019.
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Die Evangelisch-lutherische (altlutherische) Kirche
kenntnis ihres Glaubens auch dort die rechte Kirche bauen helfen. Den Geistlichen lutherischer Landeskirchen gewähren wir den Zutritt zu unsern Kanzeln, wenn auch sie ihrerseits sich bereit erklären, nur in der lutherischen Kirche und nicht auf den Kanzeln der Union zu amtieren. Generalsynode ermächtigt das Ober-Kirchen-Kollegium, auch mit solchen lutherischen Freikirchen, welche in landeskirchlich-lutherischen Gebieten nicht aus sündlichen Ursachen oder separatistischen Gelüsten, sondern im ernstlichen Kampf gegen bekenntniswidrige Lehre und Praxis entstanden sind, auf ihr Ansuchen zwecks Herbeiführung von Kanzel- und Abendmahlsgemeinschaft in Unterhandlung zu treten. In Anwendung dieser Stellungnahme wird, obwohl wir eine unserm Kirchenverbande eingegliederte Gemeinde in Hannover haben und mit der in Hannover entstandenen lutherischen Freikirche verbunden sind und verbunden bleiben wollen, der Synodalbeschluß Seite 651 dahin abgeändert, daß wir auch mit bekenntnistreuen Geistlichen der hannöverschen Landeskirche Gemeinschaft zu pflegen bereit sind, vorausgesetzt, daß diese sich als solche zu erkennen geben, welche die von ihrer Kirchenbehörde öffentlich aufgestellten und unserer Kirche gegenüber verteidigten Grundsätze, betreffend Zulassung Andersgläubiger zu den lutherischen Altären nicht billigen und demgemäß handeln.
33. [32.] Beschluss der Generalsynode der Evangelischlutherischen Kirche in Preußen über das Verhältnis zu den Hannoverschen Freikirchenbildungen (1910)* Da die bisherigen Beschlüsse über die Stellung unserer Kirche zu der Landeskirche und den Freikirchen in Hannover berechtigte Bedenken hervorgerufen hatte, ersetzte die Generalsynode die diesbezüglichen Beschlüsse Seite 651 und 1019 der Synodalbeschlüsse durch folgenden Beschluß: Die auf Seite 1017 bis 1019 ausgesprochenen Grundsätze kommen auch gegenüber der Hannoverschen Landeskirche zur Geltung. In der Überzeugung aber, daß die vor mehr als 30 Jahren in Hannover entstandene freikirchliche Bewegung aus einem ernsten Kampfe für die Erhaltung der lutherischen Kirche in ihrer Bekenntnisreinheit und -einheit hervorgegangen ist, haben wir nicht nur eine freikirchliche Gemeinde in unseren Verband aufgenommen, sondern pflegen auch mit der „Lutherischen Freikirche in Hannover“ sowie mit den Gemeinden der „HermannsburgHamburger Synode“ Abendmahlsgemeinschaft. Von dieser Sachlage werden wir unseren nach Hannover ziehenden Gemeinde*
Oberkirchenkollegium (Hg.), Beschlüsse der von der evangelisch-lutherischen Kirche in Preußen im September und October 1841 zu Breslau gehaltenen Generalsynode (und folgender Generalsynoden, gesammelt in 2 Bänden: 1841–1873 und 1878–1910), Leipzig 1842 und Breslau 1844ff., 1072.
Stellungnahme des Oberkirchenkollegiums zur DDR-Verfassung von 1968
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gliedern klaren Bescheid geben und ihnen, wo nicht die Rücksicht auf besondere Umstände einen anderen Weg zeigt, den Anschluß an eine der dortigen freikirchlichen Gemeinden empfehlen.
34. Stellungnahme des Oberkirchenkollegiums zur DDRVerfassung von 1968* 25. März 1968 An die Kommission zur Ausarbeitung einer sozialistischen Verfassung der Deutschen Demokratischen Republik 102 Berlin Breite Straße 1 Der Entwurf der Verfassung der Deutschen Demokratischen Republik ist in vielen Gemeinden der Ev.-luth. (altluth.) Kirche besonders eingehend durchgesprochen worden. Die Ev.-luth. (altluth.) Kirche ist ja eine Kirche, die vor 150 Jahren im damaligen Preußischen Staat einen schweren Kampf durchstehen mußte, um Glaubensfreiheit und die kirchlichen Rechte für ein ausschließlich vom evangelisch-lutherischen Bekenntnis her geprägtes Kirchenwesen zu erhalten. Nachdem sie durch die Generalkonzession vom Jahre 1845 Duldung erreicht hatte, wurde sie erst im Jahre 1930 als Körperschaft öffentlichen Rechts anerkannt. Sie hat die Bestimmungen der Verfassung von 1949 begrüßt, die diesen Rechtsstatus bestätigten. Sie konnte dann auch im Jahr 1951 die Anerkennung für ihre neu gebildeten Gemeinden durch den stellvertretenden Ministerpräsidenten Otto Nuschke erhalten. Umso mehr ist jetzt Beunruhigung darüber entstanden, daß der neue Verfassungsentwurf viele Bestimmungen der Verfassung von 1949 nicht mehr enthält. Es geht dabei nicht um die verfassungsmäßige Garantie alter Privilegien. Es geht der Ev.-luth. (altluth.) Kirche vielmehr darum, daß sie ihre Arbeit und ihren Dienst so tun kann, wie es der Gehorsam gegen Gottes Wort und das Bedürfnis ihrer Glieder gebieten. Wir sind dabei gerade aus notvoller Erfahrung heraus der Meinung, daß sich das Verhältnis von Kirche und Staat umso besser und fruchtbringender gestaltet, je klarer und bestimmter dafür die verfassungsmäßigen Grundlagen formuliert sind. Aus diesem Grunde halten wir es für unsere Pflicht, darum zu bitten, den Verfassungsentwurf zu überprüfen und zu erwägen, ob nicht in folgenden Punkten eine Ergänzung und Präzisierung möglich wäre: 1. Es sollte in Artikel 18 Absatz 3 am Ende die verfassungsmäßige Garantie der Gewissensfreiheit, wie sie die Verfassung von 1949 enthält, in die neue Verfassung aufgenommen werden. Es kann für Christen, deren Gewissen von Gottes Wort bestimmt ist, zu notvollen Konflikten kommen, wenn die Beziehungen der Bürger untereinander ausschließlich durch die Grundsätze sozialistischer Mo*
Archiv der Kirchenleitung der Selbständigen Evangelisch-Lutherischen Kirche (SELK), Aktenzeichen 501/00.
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ral, die aus ganz anderen Quellen abgeleitet sind, geprägt werden. 2. Es erscheint uns weiterhin unumgänglich notwendig, daß in die Verfassung auch die Garantie der Glaubensfreiheit aufgenommen wird. Das Leben der Christen kann sich ja nicht darauf beschränken, sich zu einem religiösen Glauben zu bekennen und religiöse Handlungen auszuüben; vielmehr wissen die Christen sich gedrungen, ihre Glaubensüberzeugungen in allen Lebensbereichen zur Geltung zu bringen. Sagt doch auch der Artikel 18 der „Allgemeinen Erk1ärung der Menschenrechte“: „Dieses Recht umfaßt die Freiheit ...‚ seine Religion oder seine Überzeugung allein oder in Gemeinschaft mit anderen, in der Öffentlichkeit oder privat, durch Lehre, Ausübung, Gottesdienst und Vollziehung von Riten zu bekunden.“ 3. Dazu gehört auch das Recht der Eltern, ihre Kinder an der kirchlichen Unterweisung teilnehmen zu lassen, ohne daß dadurch irgendwelche Nachteile erwachsen. 4. Die Glieder der Ev.-luth. (altluth.) Kirche haben von Anfang an ihr Kirchwesen ohne jede staatliche Hilfe und Unterstützung aus eigenen, freiwillig aufgebrachten Mitteln aufgebaut und unterhalten. Es ist darum wichtig, wenn das Recht, für kirchliche Zwecke Mittel zu erheben, ausdrücklich auch in der Verfassung zugestanden wird. 5. Es erscheint uns um der Sorge um den Menschen willen dringend geboten, daß die Möglichkeit seelsorgerlicher Betreuung in Krankenhäusern und anderen öffent1ichen Anstalten gewährleistet wird. Es dürfte deutlich sein, daß wir mit diesen Bitten und Vorschlägen nicht irgendwelche Rechtsform vergangener Zeiten bewahren und sichern wollen, sondern daß es uns um die in Artikel 4 der Verfassung angesprochene Würde des Menschen und um ein friedliches Miteinander und Füreinander aller Bürger unseres Landes geht. (H. Schröter) Kirchenrat
Hirtenwort des Oberkirchenkollegiums
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Berlin-Mitte, Annenstraße, Evangelisch-lutherische Kirche, erbaut 1857, beschädigt 1945, Schulhaus rechts neben der Kirche 1945 zerstört, Sitz der „Dienststelle DDR“ des Oberkirchenkollegiums der Evangelisch-lutherischen (altlutherischen) Kirche seit 1961, Sitz des Oberkirchenkollegiums des in der DDR fortbestehenden Teils der Ev.-luth. (altluth.) Kirche seit 1972. Fast unmittelbar hinter dem Kirchgrundstück verlief 1961–1989 der so genannte Todesstreifen und die Berliner Mauer. Sehr seltene Aufnahme: 1981.
35. Hirtenwort des Oberkirchenkollegiums zur Aufhebung der Kirchengemeinschaft durch die Evangelisch-Lutherische * Freikirche (1984) Hirtenwort an die Gemeinden der Ev.-luth. (altluth.) Kirche Liebe Brüder und Schwestern! Die Ev.-Luth. Freikirche hat die Kirchengemeinschaft mit uns aufgehoben. Nach dieser Enttäuschung bewegt uns alle die Frage: Wie soll es nun weitergehen? Das Ziel einer zusammengeschlossenen selbständigen ev.-luth. Kirche in unserem Lande konnte nicht erreicht werden! – Mit der Kirchengemeinschaft sind alle anderen Gemeinsamkeiten nun ausgesetzt: Die Vereinbarung von 1972, die Funktion einer Gemeinsamen Kirchenleitung, die Möglichkeit gemeinsamer Synoden und die brüderliche Zusammenarbeit auf Konferenzen und in Kommissionen. *
Archiv der Kirchenleitung der Selbständigen Evangelisch-Lutherischen Kirche (SELK), Aktenzeichen 501/00.
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Die Evangelisch-lutherische (altlutherische) Kirche
Eine Selbständige Evangelisch-Lutherische Kirche bleibt aber das Ziel für uns bekenntnisbewußte Kirchen und Gemeinden. Bekanntlich ist der Anschluß der St.Trinitatisgemeinde Leipzig so zu verstehen. – Entschieden zurückweisen müssen wir die Vorwürfe, die als Begründung für den Beschluß der Ev.-Luth. Freikirche dienen. Sie sind seit vielen Jahren ständig nur wiederholt worden und werden dadurch nicht richtiger. Wir haben lange mit den maßgeblichen Theologen der Ev.-Luth. Freikirche verhandelt. Es ist uns zunehmend deutlich geworden, daß wir bei ihnen nicht mehr mit echter Gesprächsbereitschaft rechnen können. Es sind nicht einzelne theologische Lehren, die zwischen uns stehen. Es geht auch nicht um einzelne Personen. Die ganze Art des Denkens ist dort einseitig geprägt. Unbeweglichkeit und Ablehnung jedes Spielraums fordern entweder unsere totale Zustimmung oder führen zu Abgrenzung und Trennung. Schlußfolgerungen werden gezogen, die eine andere Meinung zum Schlechten deuten. So kommt es zu solchen für uns alle absurden Aussagen, die altlutherische Kirche bezichtige den HErrn, ein Irrlehrer zu sein. Weitere Verhandlungen sind darum jetzt für uns sinnlos und nur vergebliche Mühe. – Wir bleiben unsererseits bei der ursprünglichen Haltung unserer Kirche: Wir gründen uns auf das unfehlbare Gotteswort der Schrift. Wir halten fest an der ausschließlichen Geltung des lutherischen Bekenntnisses. Wir stimmen den Einigungssätzen zu. Wir handeln nach den Beschlüssen unserer Generalsynode. – Dies wollen wir einmütig tun und allen Versuchen widerstehen, unsere Pastoren und die Kirchenleitung auseinanderzubringen. Erwartungen sind enttäuscht worden. Aber es besteht kein Grund, die Ev.-luth. (altluth.) Kirche zu verlassen oder ihren Weg für verfehlt zu halten. Wenn wir die neue Lage in Demut und Buße annehmen, dürfen wir Gott auch um den Weg bitten, der uns heraus- und weiterführt. Das Arbeitsfeld in den Gemeinden – Unsere Theologie hat nun wieder dieser Arbeit zu dienen. – Unsere Pastoren haben viel zu tun. Die Gemeinden Angermünde, Greifswald, Sangerhausen und Weigersdorf haben zur Zeit keinen Hirten. Unter unseren zwanzig Amtsbrüdern sind vier nahe am Rentenalter. Von unseren vier Theologiestudenten wird der erste voraussichtlich nicht vor Herbst 1987 ins Vikariat kommen. Weitere Pfarrstellen werden also unbesetzt sein. – Darum ist ein Sonderprogramm nötig, um den Dienst des Predigtamtes überall zu gewährleisten. Wir brauchen nun sehr den persönlichen Einsatz einiger Männer. Erfahrene und im lutherischen Glaubensbekenntnis gegründete Gemeindeglieder rufen wir, haupt- oder nebenberuflich die Pfarramtsarbeit in den unbesetzten Stellen zu übernehmen. Es soll demnächst eine Ausbildungsordnung erstellt werden, nach der in etwa drei Jahren das nötigste Rüstzeug vermittelt wird.
Hirtenwort des Oberkirchenkollegiums
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Zugleich erbitten wir uns aus der Jugend weitere Willigkeit, Theologie zu studieren. Die jungen Männer sollen an einer Ausbildungsstätte in Leipzig immatrikuliert sein. Doch ist eine enge Begleitung im Studium durch einen eigenen Seminarbetrieb unserer Ev.-luth. (altluth.) Kirche unerläßlich. – Wir rufen auch unsere Amtsbrüder, zusätzlich in Nachbargemeinden tätig zu werden. Reisepläne werden aufgestellt werden müssen. – Andererseits bedeutet das, daß noch mehr und regelmäßige Besuche, Hauskreise, Bibelstunden und Kinderunterweisung durch Gemeindeglieder übernommen werden. Gemeinden, die regelmäßig sonntags Predigtgottesdienst haben, sollten bis auf weiteres jeden Monat einen Lektorengottesdienst vorbereiten und gestalten. – Der missionarisch-diakonische Dienst sollte in den Gemeinden zielstrebig und mit Hilfe des Naemi-Wilke-Stiftes gefördert werden. Alle diakonische Arbeit soll koordiniert und einem Diakoniebeauftragten der Kirche unterstellt werden. Liebe Brüder und Schwestern, bittet Gott um seinen Segen für unseren kirchlichen Weg! Wir haben in unserem lutherischen Bekenntnis eine klare Darlegung des Evangeliums, einen verheißungsvollen Ruf, Wort und Sakrament recht zu gebrauchen. Suchen wir als Gemeindeglieder nach Möglichkeiten, anderen Christen und unseren Mitmenschen überhaupt damit zu dienen! „Gnade, Barmherzigkeit, Friede von Gott, dem, Vater, und Christus Jesus, unserem Herrn!“
Das Oberkirchenkollegium der Ev.-luth. (altluth.) Kirche Berlin, im Juli 1984
II.
Die Evangelisch-lutherische Immanuelsynode
Werner Klän Einführung Die Evangelisch-lutherische Immanuelsynode stellt eine Kirchenbildung dar, die zunächst in Preußen im Gefolge der ekklesiologischen Auseinandersetzungen des 19. Jahrhunderts ins Dasein trat. An den Diskussionen um Kirche und Amt, die nicht nur das deutsche Luthertum, sondern auch die nordamerikanischen und australischen Auswandererkirchen lutherischer Konfession bewegten, waren Vertreter der Evangelisch-lutherischen Kirche in Preußen von Beginn an beteiligt. Während die Debatten in den staatskirchenrechtlich weithin gesicherten lutherischen Landeskirchen so gut wie keine bestandsgefährdenden Auswirkungen hatten, wirkten die Konflikte in den notgedrungen staatsfrei organisierten lutherischen Kirchen Preußens, aber auch der nordamerikanischen Staaten als Sprengsatz, die den Bestand der jungen Kirchbildungen bedrohten. Aus den Reihen der in den späten vierziger Jahren neu zur Evangelischlutherischen Kirche in Preußen getretenen Pastoren erhob sich alsbald heftige Kritik an der aus der Verfolgungszeit herausgewachsenen konsistorial-synodalen Verfassung, besonders an der Stellung des Oberkirchenkollegiums als Leitungsbehörde (Dok. 36). Dessen Selbstverständnis als kirchliche „Obrigkeit“ wurde von den Kritikern entschieden in Zweifel gezogen. Dieser Konflikt ist ein eindrückliches Paradigma für die historischen und systematischen Schwierigkeiten bei der Beantwortung der Frage, die sich strukturell in der Bildung der konfessionsbestimmten lutherischen Kirchentümer seit Beginn des 19. Jahrhunderts abzeichnete, nämlich wer bei oder nach Erledigung des landesherrlichen Kirchenregiments, die Leitung der Kirche, und verbunden mit welchen Rechten übernehme. Unter den Bedingungen staatsfreier kirchlicher Existenz führten die Auseinandersetzungen die Evangelisch-lutherische Kirche in Preußen in ihre erste und schwerste Existenz- und Glaubwürdigkeitskrise. Die Spaltung der Evangelischlutherischen Kirche in Preußen über die Frage des Kirchenregiments und der Kirchenverfassung führte zur Diskreditierung ihres konfessionellen Anliegens in weiten Kreisen der kirchlichen Öffentlichkeit. Nach längeren internen Auseinandersetzungen, bei denen die Kritiker der bestehenden Kirchenordnung keinerlei Reformansätze durchsetzen konnten, kam es unter Federführung von Julius Diedrich, Pastor in Jabel bei Wittstock/Dosse, zur Lossagung von der Leitung des Oberkirchenkollegiums (Dok. 37), ohne dass diese Entwicklung damit zum Stillstand gekommen wäre. Die sezedierten Pastoren konnten eine staatliche Anerkennung ihrer Stellung und ihrer Gemeinden nicht erlangen (Dok. 38), so sehr sie sich auch um eine eigenständige kirchliche Organisation
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bemühten, die freilich stark independentistische Züge trug (Dok. 39). Auch dringliche Petitionen um Ausweitung der in der Generalkonzession gewährten Rechte auf den Bereich der Immanuelsynode oder Bitten um neue staatskirchenrechtliche Regelungen blieben ohne Erfolg (Dok. 40). Die Generalsynode der Evangelisch-lutherischen Kirche in Preußen hingegen beschuldigte die Immanuelsynode des „Separatismus“ und erklärte die Kirchengemeinschaft mit ihren Pastoren und Gemeinden für aufgehoben (Dok. 41). Die erste Generation der selbstständigen Lutheraner hatte gemeint, die kirchliche Reorganisation durch Rückgriff auf historisch vorgegebene Institutionen, teilweise aber auch durch Schaffung neuer, zeitgenössischer Einrichtungen, wie Kirchenvorstände und Synoden, vornehmlich aber auf juridischem Wege vollziehen zu müssen. Die Kritik gegen die so erarbeiteten Lösungen betraf vor allem die mangelnde theologische Reflexion der kirchlichen Verfassungsgestalt und die Überfremdung kirchlichen Handelns durch rechtliche Bestimmungen.
Franz Wilhelm Julius Diedrich, *1819, †1890, Pfarrer in Saatzke (Zaatzke) bei Wittstock/Dosse 1845–1847, Übertritt zur Evangelisch-lutherischen Kirche in Preußen 1847, Pfarrer in Jabel bei Wittstock/Dosse 1847–1874, Lossagung vom Oberkirchenkollegium 1861, Mitbegründer der Evangelisch-lutherischen Immanuelsynode 1864, Pfarrer in Frankfurt/Main 1874–1883, Pfarrer in Straßburg 1883–1890.
Der Ablösungsprozess, wie er daraufhin in Preußen stattfand, zeigte aber in den sechziger Jahren des 19. Jahrhunderts noch Weiterungen; dazu zählen die Gründung der Evangelisch-lutherischen Kirche in Baden (s. Kap. III) und die besonderen Wege der selbstständigen lutherischen Gemeinden in Nassau (s. Kap. I), die später in Verbindung mit der Lutherischen Kirche – Missouri-Synode traten. In ihrer Sonderexistenz verloren die leitenden Geistlichen der Immanuelsynode die Aufgabe der Einigung der selbstständigen evangelisch-lutherischen Kirchen allerdings nicht aus dem Blick. So machten sie schon 1874 erste Versuche, eine Annäherung unter den selbstständigen evangelisch-lutherischen Kirchen herbeizu-
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Die Evangelisch-lutherische Immanuelsynode
führen, die allerdings schon bald darauf scheiterten (Dok. 42, 43). Nur ein Jahr später (1875) erarbeitete die Immanuelsynode Thesen zur Kirchengemeinschaft (Dok. 44), die eben die neu entstandenen bekenntnisbestimmten lutherischen Kirchen zu integrieren suchten (Dok. 45). Bezüglich der Evangelisch-lutherischen Kirche in Preußen erfuhren diese Thesen ein gutes Jahrzehnt später (1886) eine charakteristische Modifikation, indem nun den Gliedern der Evangelisch-lutherischen Kirche in Preußen, die den Beschluss der Generalsynode zur Aufhebung der Kirchengemeinschaft mit den „Immanueliten“ von 1864 missbilligten, die Hand zur Versöhnung gereicht wurde (Dok. 46). In langwierigen Verhandlungen während der neunziger Jahre des 19. Jahrhunderts kam es, nicht zuletzt weil auf beiden Seiten eine neue Generation in leitende Stellungen aufrückte, zu gewissen Annäherungen zwischen der Immanuelsynode und der Evangelisch-lutherischen Kirche in Preußen. Nachdem die Immanuelsynode aufgrund ihrer eigenen Erfahrungen sich dazu entschlossen hatte, ein relatives Recht übergeordneter Kirchenleitung einzugestehen (Dok. 47, 48), die Evangelisch-lutherische Kirche in Preußen wiederum von extremen Positionen der sechziger Jahre abzurücken bereit war (Dok. 49), kam es im Jahr 1904 – von ganz geringen Ausnahmen abgesehen – zur Wiedervereinigung der konfessionellen Lutheraner in Preußen (s. Kap. XII, Dok. 221). Bei diesem Prozess waren freilich weniger theologische als pragmatische Gesichtspunkte leitend. Allerdings brach sich in diesem Zusammenschluss auch die Einsicht Bahn, dass das Zusammenstehen derjenigen, die eine konfessionsbestimmte Gestalt lutherischen Kirchentums vertraten, unabweisbar notwendig werde, je deutlicher wurde, dass die kirchlich-theologische Entwicklung in Deutschland insgesamt von den konkordienlutherischen Grundpositionen der selbstständigen Lutheraner fortführte.
36. [33.] Julius Diedrich über „Wert und Wesen des Kirchenregiments“* (Auszüge; 1859) In der Kirche kann man nicht mehr Priester, Könige und Propheten haben, sondern man muß das alles selber sein; und daß man es werde, dazu ist das Predigtamt. Dies Amt ist nun kein Gesetzesamt mehr, sondern es bietet lauter Evangelium dar und zeigt uns, wie alle dem Fluche des Gesetzes verfallen seien, welche das Evangelium verachten. Das Wort treibt ganz und gar keinen Zwang gegen die Menschen, sondern es will sie allein zu seliger Freiheit und himmlischer Hoheit führen, und das geht nicht dadurch, daß man knechtet und zwingt. Darum läßt es auch, wie sich von selbst versteht, jedem die Freiheit, wegzulaufen und sich zu entziehen, obwohl es einem solchen bezeugt, daß er sich damit in Tod und Verdammnis stürzt. Ja Paulus sagt wohl zu Timotheus, einem rechten Erzbischofe: Tue dich von solchen! nicht aber: halt sie äußerlich ja fest. Weil nun Christus ein ewiges geistliches Reich über alle Länder und Völker gestiftet hat, welches alle zur Freiheit beruft und führt, ja alle, welche kommen, zu Priestern, Königen und Propheten macht, so kann in der Kirche nicht ein äußerlich zwingendes Amt sein, wie es ein irdisches Volk in seiner Obrigkeit hat und für seine zeitlichen Zwecke auch haben muß. Es ist das eine Schwachheit und Unvollkommenheit an den irdischen Staaten, wodurch sie uns noch zum Teil vorhalten, was das Reich GOttes im alten Bunde gewesen ist, das selbst in Form eines Staates vorübergehend erschien. Nach solcher Gestalt kann und darf die Kirche jetzt nicht mehr ringen, wenn sie nicht selbst zurückschreiten und sich erniedrigen und wegwerfen, wenn sie nicht ihr selig machendes Geheimnis und ihren himmlischen Schatz verlieren will. Darum kann die Kirche auch kein anderes Amt in sich haben, als das evangelische Predigtamt, denn ein geistliches, himmlisches Reich ist sie, das die Seelen mit GOttes Geiste erfüllen will durch das Wort; so weit das aber nicht durchs Wort gehen will, bleibts wahrlich ewig ungeschehen ... Man kann und darf also in äußeren Kirchensachen nicht mit dem vierten Gebot kommen, als sollte um des Gehorsams willen dies oder jenes gehalten werden; denn in der Kirche ist mir keiner anders Vater als GOtt, und was Er will, sagt mir die Predigt des Evangeliums und die Absolution, weshalb man die Seelsorger auch Beichtväter nennt. Ihre Vaterschaft reicht aber nicht in weltliche Dinge, wie die Kirchenordnung u. dergl. – Hätte Luther das Kirchenregiment als durch’s vierte Gebot geheiligt angesehen, so hätte er wahrlich nicht Leo’s Bannbullen samt dem alten Kirchenrechte ins Feuer werfen können. Er hätte dann alles leiden müssen, wie wir von Vätern und Fürsten alles leiden, ohne sie abzusetzen und nicht durch *
Julius Diedrich, Wert und Wesen des Kirchenregiments, Neuruppin 1859. Greiz 21907 (hg. v. St. Vollert), 14f., 18f., 27, 32f.
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Aufruhr neue Staaten stiften. Luther hat aber ein neues Kirchenwesen neben und gegen das päpstliche hingestellt, und damit hat er tatsächlich gelehrt, daß das Kirchenregiment nicht durch’s vierte Gebot geschützt sein kann. Es hilft auch nicht zu sagen: „Der Papst war ungläubig“; denn war sein Amt als solches von GOtt, so mußte man des einstweiligen Amtsträgers Unglauben nicht annehmen, man konnte allenfalls petitionieren und darauf antragen, ihn ordnungsmäßig abzusetzen; aber man konnte gegen sein Amt nicht ein neues Gemeinwesen stiften. Hieraus wird klar sein, unser jetzt sogenanntes Kirchenregiment, mag es sein was es wolle, hat keine Macht und Gewalt nach weltlicher Art wie die Obrigkeit; es steht auch nicht als Vater da, welcher mit dem vierten Gebot treiben kann ... Gesetze haben wir für die Kirche gar nicht zu machen; wir haben deren genug in der Schrift; wer noch mehrere haben will, kann sie reichlich in Rom finden, und doch pflegen sie auch da dieselben nur quantweise zu halten. Lassen wir das den Römern, Gesetze zu geben, die sie nachher wieder stille umgehen ... Darum weg mit den falschen Stützen, mit den selbstgeschnitzten Rohrstäben! Sie haben nur so viel Kraft, als unser Eigenwille ihnen beilegt. Unsere Kraft ist allein im Worte. Lassen wir das unter uns fort und fort erschallen, ja rufen wir es durch die Welt, daß die Mühseligen und Beladenen kommen, auch noch zur elften Stunde – was dann weiter werden soll, wird unser HErr Christus wissen und zeigen, der so wie ER König im Gnadenreiche ist, auch mit Seiner Macht alle Naturgewalten regiert wie Länder und Völker. Wollen wir aber die äußerliche Gestalt der Kirche um jeden Preis wahren, und sie nach Zeitbedürfnis zurecht machen, und die Weisheit gewisser Leute pflegen, welche sich zur wahren Weisheit verhält wie die Liebe der Unzüchtigen zur himmlischen Liebe – so haben wir den ewigen Schatz verspielt. Erweisen wir uns im Glauben und Bekenntnis treu gegen alle Anläufe des Weltgeistes, ermuntern wir uns täglich wieder zur Liebe und Geduld gegen alle Menschen und vornehmlich gegen die Brüder, so wird unsre Kirche vor allen sich erweisen als rechte Erziehungsanstalt für unsre Jugend, und für alle, welche sich noch ziehen lassen wollen. Ein Zuchthaus aber soll sie nicht sein. Die Welt wird so gewiß das Evangelium recht bezeugt erhalten, und mehr ist uns nicht aufgetragen. Was soll aber aus der Erziehung zum Himmel werden, wenn man selber nach lauter Formen und Dingen dieser Welt trachtet und die anvertrauten Seelen, statt sie in den lebendigen Fluß des Wortes GOttes einzuführen (der freilich durch lauter Kampf und Unruhe in dieser Zeit hinfließt), sie im besten Falle mit gesetzlichen toten Worten oder vielleicht mit pietistischen Regeln abspeist? – Mit dem lauteren Evangelium werden wir wohl bleiben bis der HErr kömmt, wenn’s auch zuweilen wieder so aussieht, wie’s uns Paulus im 2. Timotheusbriefe vor Augen stellt. Lassen wir aber davon und fallen lieber auf hohe Regierungskünste, so wird es mit uns bald, bald aus sein, ja dann ist’s schon aus. Wir waren der Welt ein kurzes Schauspiel. GOtt erbarme sich unser durch JEsum Christum, daß wir selig vollenden. Amen.
Lossagung Julius Diedrichs vom Kirchenregiment des Oberkirchenkollegiums
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37. [34.] Lossagung Julius Diedrichs vom Kirchenregiment des Oberkirchenkollegiums (1861)*1 Hochwürdiges Oberkirchenkollegium! Die Uebertragung der weiteren Verhandlung mit mir an den P. Froböß und dessen Schreiben haben mir die völlige Ueberzeugung beigebracht, daß ich unter der Gerichtsbarkeit des H. O. K. C. mein Amt nicht weiter führen könnte. Ich erklärte dem Kirchenkollegio, daß ich mein Amt niederlegen wolle, wenn damit dem Frieden der Gemeinde gedient wäre, erfuhr aber von demselben und von vielen Seiten in der Gemeinde, daß in diesem Falle eine Zersplitterung der Gemeinde in Aussicht stehe, indem in derselben das Vertrauen zu der Oberleitung des O.K.C. nach Angabe der Synodalbeschl. gewichen sei. Unter diesen Umständen will ich an meiner Gemeinde bleiben und mit derselben von dem engeren Synodalverbande in Breslau abtreten, wozu wir uns ebenso berechtigt als verpflichtet halten, weil diese Verbindung auf besonderem Vertrauen beruht. Doch sind wir bereit, uns vom H. Oberkirchenkollegium dem Staate gegenüber vertreten zu lassen und auch zu den Kollekten wie bisher beizusteuern, wenn uns die demgemäßen Rechte reservirt bleiben, worüber wir geneigten Bescheid erwarten. Das Protokoll und die Erklärung vom 13. Januar liegen in Abschrift bei, welche von den Vorstehern Drenkhahn und Höpfner noch nicht unterschrieben sind, weil sie bei der Unterschrift nicht anwesend sein konnten. Die Erklärung der Gemeinde Krempendorf wird in Kurzem nachfolgen, ebenso die Berechnung vom 3. und 4. Quartal 1860. Mit dem Wunsche, daß sich unser Verhältniß zu der Synode Breslau nun aufs friedlichste gestalten möge, verbleibe ich hochachtungsvoll (gez.) J. Diedrich, P.
38. [35.] Erklärung des Oberpräsidiums der Provinz Brandenburg zu den Rechtsverhältnissen der aus der Evangelischlutherischen Kirche in Preußen ausgeschiedenen Pastoren und Gemeinden vom 19.12.1861 *2 Zwischen dem Vorstande der von der Gemeinschaft der Landeskirche sich getrennt haltenden Lutheraner, dem Ober-Kirchen-Collegium zu Breslau, und einer Anzahl von Geistlichen besteht über den Begriff der Kirche und den Rechtsgrund des Kirchenregiments ein Streit, der namentlich auch in der Gemeinde Saatzke eine neue Separation zur Folge gehabt hat. Von dem Ober-Kirchen-Collegium zu Breslau ist über den Geistlichen dieser Gemeinde, Prediger Diedrich zu Jabel, unter Eröffnung *1 Kirchenblatt für die evangelisch-lutherischen Gemeinden in Preußen 13 (1861), 164f. *2 Pfarrarchiv der ev.-luth. Kirchengemeinde Jabel III 44.
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eines Disciplinarverfahrens die Suspension verhängt worden; andererseits hat sich der Letztere angeblich mit der ganzen Gemeinde von dem Verbande mit dem OberKirchen-Collegium losgesagt. Die Gemeinde Saatzke nimmt aber nichtsdestoweniger die in der General-Concession vom 23. Juli 1845 den von der Gemeinschaft der Landeskirche sich getrennt haltenden Lutheraner verwilligte Gerechtsame für sich in Anspruch. Dies beruht auf einer unzuläßigen Auslegung des erwähnten Privilegiums, welches nicht zu Gunsten jedes zum (sic!) Gegensatze zu der Landeskirche stehenden Lutherthums, sondern lediglich zu Gunsten des durch bekannte geschichtliche Vorgänge individuell bestimmten Kreises erlaßen ist, der sich in dem // Ober-Kirchen-Collegium der unter No. 1 der General-Concession gestatteten, in dem Erlaße der Königlichen Ministerien der geistlichen Angelegenheiten, der Justiz und des Innern vom 7. August 1847 anerkannten Vorstand und in diesem sein unterscheidendes Kennzeichen von anderen ähnlichen Religionsgesellschaften gegeben hat. Es folgt hieraus, daß die Rechte der moralischen Person, welche die General-Concession in No. 3 den Kirchengemeinden dieses Kreises zugesteht, mit der Absonderung von demselben für die sich absondernden Personen und zwar nach Maaßgabe den inzwischen durch den Artikel 13 der Verfaßungs-Urkunde festgestellten Grundsatzes dergestalt verloren gehen, daß sie nicht durch einen Akt der Verwaltung, sondern nur durch ein Gesetz wieder erworben werden könnten, und mit nicht minderer Bestimmtheit ergiebt sich, daß die Geistlichen, sobald sie sich lossagen, damit auf die Berechtigungen, welche sie bis dahin hinsichtlich der Amtshandlungen und der Führung der Kirchen-Bücher auf Grund von No. 6 und 7 der General-Concession ausgeübt haben, verzichten, sowie daß die von dem Breslauer Synodalverbande abgesonderten Lutheraner fortan gleich anderen Dissidenten, // der Verordnung vom 30. Maerz 1847 betreffend die bürgerliche Beglaubigung der Geburten etc., unterliegen. – Je schwerer diese Folgen sind und je weniger zu erwarten steht, daß den aus der Landeskirche nach § 17 der Verordnung vom 30. Maerz 1847 ausscheidenden, von dem Breslauer Synodal-Verbande sich absondernden Lutheranern größere Rechte als die erlaubten Privatgesellschaften (§§ 11–14 Th II Tit. 6 des allgem. Landrechts) verliehen werden sollten um so ernstlicher und reiflicher haben sich die Betheiligten die Tragweite des Schrittes zu vergegenwärtigen, den sie zu thun beabsichtigen. Im Auftrage der Herren Minister der geistlichen pp. Angelegenheiten, des Innern und der Justiz, welche die weiteren Maaßnahmen auf die Anträge und Erklärungen der Gemeinde Saatzke einstweilen noch ausgesetzt haben, fordere ich daher die Mitglieder dieser Gemeinde auf, nochmals in Erwägung zu nehmen, ob dieselben es nicht vorziehen, eine Ausgleichung des mit dem Ober-Kirchen-Collegium in Breslau entstandenen Zerwürfnißes anzubahnen. Ich bewillige zu dem Ende eine sechswöchentliche Frist. Geht mir innerhalb derselben gar keine oder keine befriedigende Entscheidung der Kirchengemeinde Saatzke zu, so hat die Letztere ihre Auflösung nach Maaßgabe der vorstehenden Andeutungen zu gewärtigen. Potsdam, den 19. Dezember 1861
Gründungsurkunde der Evangelisch-lutherischen Immanuelsynode
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v. Ober Präsidium der Provinz Brandenburg. An den Vorstand der lutherischen Kirchen-Gemeinde Saatzke – Jabel z. H. des Predigers Herrn Diedrich Hochwürden zu O.P. 6142 Jabel.
39. [36.] Gründungsurkunde der Evangelisch-lutherischen Immanuelsynode vom 21.7.1864* An unsre Gemeinen. Geliebte Brüder! Bei unserem Zusammensein hier, sind wir unter Gottes gnädigem Beistande über die nachstehende Erklärung übereingekommen, welche wir Euch mit der guten Zuversicht übergeben, daß wir in derselben auch Euren Sinn und Meinung ausgesprochen haben. Wir bitten Euch aber auch Eure Zustimmung zu derselben ausdrücklich auszusprechen und inmitten jeder Gemeinde zu bezeugen. Wir sind Alle darüber einverstanden, und wissen daß Ihr es mit uns seid, daß Gemeinen, welche zu dem unter uns aufgerichteten Synodalverbande nicht gehören wollen, wenn sie sonst dem lutherischen Bekenntnisse zugethan sind, darum ebensowohl für lutherische Gemeinen anzuerkennen seien, als die mit uns verbundenen. Ebenso ist es unser Aller Meinung, daß es Gemeinen, die in den Synodalverband mit uns eintreten, auch frei stehen muß, denselben wieder zu verlassen, ohne daß wir sie darum dürften als von der lutherischen Kirche abgewichen ansehn. Aber wir hoffen zu der Barmherzigkeit Gottes, daß durch Seine Gnade unsere Verbindung und gegenseitige Hülfeleistung zum Segen und Gedeihen unserer Gemeinen dienen werde. Diese Hoffnung wolle Er in Gnaden erfüllen. Damit grüßen wir Euch geliebte Brüder von Herzen in der Liebe unseres HErrn Jesu Christi, Seine Gnade sei mit Euch Allen. Amen! Magdeburg, den 21. Juli 1864. Die zur Synode versammelten Pastoren. L. O. Ehlers, Pastor in Liegnitz. J. Diedrich,
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Pfarrarchiv der ev.-luth. Kirchengemeinde Jabel (Sonderdruck).
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Die Evangelisch-lutherische Immanuelsynode
Pastor in Jabel. Zöller, Pastor in Wollin. Th. Crome, Pastor in Rade vorm Wald. C. Räthjen, Pastor in Neu-Ruppin. Admin. von Magdeburg. L. Könnemann, Pastor in Rogasen. G. v. Kienbusch, Pastor in Wernigerode. Im Namen Jesu. Wir unterzeichneten lutherischen von unserer früheren Verbindung mit dem Oberkirchenkolleg zu Breslau abgetretenen und zu einer besonderen Synode vereinigten Pastoren bezeugen hiemit öffentlich vor GOtt und Jedermann wie folgt: Der gemeinsame Grund unseres Synodalverbandes ist das Wort GOttes alten und neuen Testaments wie solches in den Symbolen der evangelisch-lutherischen Kirche, nämlich 1. den drei alten Symbolen; 2. der unveränderten augsburgischen Konfession und derselben Apologie; 3. den beiden Katechismen Luthers; 4. den schmalkaldischen Artikeln; 5. der Concordienformel lauter und rein bekannt ist. Nach der Norm dieses Bekenntnisses der lutherischen Kirche unser Predigtamt zu führen, sind wir von unsern Gemeinden ordnungsmäßig berufen und haben es eidlich gelobt und versprochen. Wir bestätigen und wiederholen solches unser Gelöbniß und Versprechen hiemit öffentlich: Als eine freie lutherische Synode wollen wir nicht frei sein von der Regel und Norm des göttlichen Worts für Glauben und Leben, noch auch von menschlicher, staatlicher und kirchlicher Ordnung, sondern unsre und unsrer Gemeinden evangelische Freiheit, die wir in Christo haben, gegenüber papistischer Irrlehre und Tyrannei, gewahrt wissen. So bezeugen wir auch hiemit öffentlich, daß wir und unsere Gemeinden nicht darum von dem Oberkirchenkollegio getrennt sind, weil wir keine Kirchenordnung und keine Beaufsichtigung unserer Amtsführung leiden wollten, sondern Grund und Ursache dieser Trennung ist lediglich die vom Oberkirchenkollegio beharrlich vertheidigte und in seinem Verfahren zur Anwendung gebrachte falsche Lehre, gegen welche nicht allein mit Worten zu zeugen, sondern endlich auch durch die
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That der Trennung unsere Gemeinden zu schützen wir durch das Bekenntniß unserer Kirche genöthiget waren. Auf Grund dieses unsers Bekenntnisses verwerfen wir als gegen dasselbe streitende Irrlehre die von unsern Gegnern aufgestellten Lehren von Kirche, Kirchenamt und Kirchenordnung, nämlich: 1. daß Eine der bestehenden kirchlichen Gemeinschaften die Kirche oder der Leib Christi sei, 2. daß ein zur Aufrechterhaltung und Handhabung kirchlicher Ordnung aufgerichtetes Amt in der Kirche, jetzt gewöhnlich Kirchenregiment genannt, ein Theil des von Christo gestifteten Amts des Worts oder daß ein solches Amt in der heiligen Schrift ausdrücklich von Gott befohlen und darum göttlichen Rechts, oder daß es geistliche Obrigkeit sei; 3. daß Kirchenordnungen die Gewissen gleich den Geboten GOttes oder den Befehlen weltlicher Obrigkeit verpflichtende Gesetze seien. Indem wir nun diesen Irrthümern gegenüber uns von GOtt in eine kirchliche Verbindung zusammengeführt finden, erkennen wir uns für verpflichtet, für Aufrechthaltung der reinen Lehre und unverfälschten Sakramentsverwaltung in unsern Gemeinden nach Kräften zu sorgen und uns dazu den gegenseitigen Beistand und Dienst brüderlicher Liebe zu leisten. Wir erkennen und erklären es demnach für unsere Pflicht: 1. die Einigkeit im Geist und Gemeinschaft im Bekenntniß zu fördern und zu pflegen und zu dem Ende wo möglich wenigstens eine Synode alljährlich unter freier Betheiligung von Gliedern unserer Gemeinden zu halten; 2. unsere Amtsführung und das kirchliche Leben in unsern Gemeinden und unsern Kirchen gegenseitig zu beaufsichtigen und zu dem Zwecke uns unter einander fleißig zu visitiren, so zwar daß bei jeder Gemeinde wo möglich alle fünf Jahre regelmäßig, außerdem aber auf besonderen Antrag der Pastoren oder Gemeinden, außerordentlicher Weise, Visitation gehalten werde. 3. Im Falle der Erledigung des Pfarramts bei Einer unserer Gemeinden erkennen wir es für die Pflicht sämmtlicher, insonderheit der zunächstwohnenden Pastoren sich nach Kräften der verwaisten Gemeinde anzunehmen und dieselbe so lange mit Wort und Sakrament zu bedienen, bis der HErr ihr einen neuen Hirten gegeben hat. 4. Als Eine unsrer wichtigsten Pflichten erkennen wir es, für Erhaltung des öffentlichen Predigtamts unter uns insgemein und für Wiederbesetzung erledigter Pfarrstellen nach Kräften zu sorgen. Zu diesem Zwecke wollen wir die beiden gewöhnlichen Prüfungen von Kandidaten des Predigtamts pro venia concionandi und pro ministerio auch unter uns im Brauch behalten und mit bereits anderweitig geprüften Kandidaten oder Pastoren das übliche Colloquium anstellen. Auch sollen die von unsern Gemeinden ordentlich berufenen Pastoren bei uns nach hergebrachter Weise ordinirt resp. introducirt werden.
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5. Es ist selbstverständlich, daß eine Gemeinde, welche einen Pastor berufen oder behalten wollte, dem durch das Urtheil der Synode die Befähigung zum Predigtamte abgesprochen, unserem Synodalverbande ferner nicht angehören kann. 6. Zur Berufung der Synoden, zur Anordnung und Anstellung der Visitationen, der Examina und Colloquia, zur Vornahme oder Anordnung von Ordinationen und Introductionen, wie auch zur friedlichen Vergleichung oder Veranlassung schiedsrichterlicher Schlichtung von Streitigkeiten in und unter Gemeinden und Pastoren haben wir einen Synodalvorstand erwählt, bestehend aus den mitunterzeichneten Amtsbrüdern Ehlers und Diedrich. Dieselben haben diese Wahl angenommen und wollen sich den bezeichneten Obliegenheiten ihrer Stellung unterziehen. Bei den Prüfungen und Colloquien wollen sie einen oder einige andere Amtsbrüder zuziehen, welche sie nach Maßgabe der Umstände dazu erwählen, aber auch für die Abhaltung der mündlichen Prüfungen sowohl als für die Vollziehung von Ordinationen und Einführungen, das Recht der Ernennung von Substituten, was die Umstände erfordern sollten, sich vorbehalten haben. Und so befehlen wir denn hiemit uns und unsere Gemeinden der Barmherzigkeit des treuen GOttes und Heilands, DEr Seiner Kirche verheißen hat: in der Welt habt ihr Angst, aber seid getrost, Ich habe die Welt überwunden, – und: Siehe, Ich bin bei euch alle Tage bis an der Welt Ende. IHM sei Lob und Preis in der Gemeinde von nun an bis in Ewigkeit. Amen. L. O. Ehlers. J. Diedrich. Zöller. Th. Crome. C. Räthjen. L. Könnemann. G. v. Kienbusch.
Petition der Evangelisch-lutherischen Immanuelsynode
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Die Pfarrer der Evangelisch-lutherischen Immanuelsynode, vordere Reihe von links: Wilhelm Semm (?), Julius Diedrich, Albert Zöller, sen. (?), Carl Räthjen, Ludwig Otto Ehlers, Theodor Crome, hintere Reihe von links: ?, ?, ?, Friedrich Brunn (als Gast), Simon Meeske (?), ?, Ludwig Könnemann (?), Aufnahme: vermutlich 1867 in Magdeburg.
40. [37.] Petition der Evangelisch-lutherischen Immanuelsynode um * rechtliche Anerkennung vom 19.2.1865 Allerdurchlauchtigster, Großmächtigster König! Allergnädigster König und Herr! Ewr. königlichen Majestät erhabenem Throne wagen es die Unterzeichneten sich in tiefster Unterthänigkeit mit dieser Vorstellung und Bitte zu nahen: König Friedrich Wilhelm IV., Ewr. königlichen Majestät in Gott ruhender Herr Bruder, hatte die allerhöchste Gnade gehabt, den von der evangelischen LandesKirche sich getrennt haltenden Lutheranern die General-Concession vom 23. Juli 1845 zu ertheilen, worin ihnen gestattet wurde, zu besonderen Kirchengemeinden mit Corporationsrechten zusammen zu treten, und einen Verein dieser Gemeinden unter einem eigenen Vorstande zu bilden. Demgemäß ist der Synodal-Verband unter dem Ober-Kirchen-Kollegium zu Breslau gebildet worden, welchem die Unterzeichneten mit ihren Gemeinden als Pastoren, zum Theil als Superintendenten angehört haben. In der weiteren Entwickelung des Synodal-Verbandes traten aber innere Gegensätze hervor, aus denen sich in den letzten Jahren ein Lehrstreit über das Wesen der Kirche und des sogenannten höheren Kirchenregiments sowie über die Bedeutung der äußeren Kirchenordnungen entspann. Bei Gelegenheit dieses Streites hat das Ober-Kirchen-Collegium zu Breslau Lehrgrundsätze vertheidigt, welche nach unserer im Worte Gottes gegründeten Ueberzeugung mit den Irrthümern der römisch-katholischen Kirche verwandt sind. Das Ober-Kirchen-Collegium verschmäht es, sein Ansehen der Wahrheit gemäß auf die brüderliche Vereinbarung *
Pfarrarchiv der ev.-luth. Kreuzkirchengemeinde Neuruppin, Immanuelsynode II 53.
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und auf die Bewilligung der Landesobrigkeit zu gründen, sondern legt sich fälschlich eine oberste Regierung und Gerichtsbarkeit bei, welche auf göttlicher Stiftung beruhen soll; und wofür es einen gleichen Gehorsam mit der Obrigkeit in Anspruch nimmt. In practischer Bethätigung dieser Grundsätze hat es eine Reihe von Pastoren abgesetzt, welche ihre Gemeinden vor solcher Abirrung warnen und schützen wollten; andre sind der Absetzung durch freiwilliges Ausscheiden aus dem bisherigen Verbande zuvorgekommen. Mehr als 5000 Gemeindeglieder in allen Provinzen, deren Zahl noch in stetigem Zunehmen begriffen ist, theilten die Gewißens-Ueberzeugung ihrer hier unterzeichneten Pastoren, und sagten sich von einem Vorstande los, dem sie die Leitung ihrer gemeinsamen kirchlichen Interessen nur unter der Voraussetzung des treuen Bekenntnisses zur reinen Lehre anvertraut hatten. Sie constituirten sich am 21. Juli 1864 zu Magdeburg unter erneueter (sic!) Verpflichtung auf die alten Bekenntnisse der lutherischen Gesammtkirche zu einer besonderen Synode, welcher sie den Namen Immanuel-Synode beilegten, und deren Vorstand für jetzt aus den Pastoren Ludwig Otto // Ehlers in Liegnitz und Julius Diedrich in Jabel bei Wittstock besteht. Die schließliche Scheidung vollzog die General-Synode zu Breslau im October 1864, indem sie das Verfahren des Ober-Kirchen-Collegiums billigte, und die Abendmahlsgemeinschaft mit uns Angehörigen der Immanuel-Synode öffentlich abbrach. Ewr. königlichen Majestät Saatsbehörden haben nun mehrfach die Allerhöchste General-Concession vom 23. Juli 1845 dahin ausgelegt, daß die Wohlthaten derselben nur solchen Lutheranern zu Theil werden, welche unter dem Ober-KirchenKollegium zu Breslau befaßt sind. Daher, obgleich die Verleihung zu Gunsten des lutherischen Bekenntnisses erfolgt war, und obgleich unsere Trennung von Breslau keinen anderen Grund und Zweck hatte als den, das lutherische Bekenntnis gegen gefährliche unevangelische Verdunkelungen aufrecht zu erhalten, so sind wir dennoch der bisher genossenen Rechte verlustig gegangen. Unsere bürgerliche Lage ist dadurch eine drückende und verwirrte geworden. Die Civilstands-Register zu benutzen, ist vielen Gemeindegliedern in ihrer Schwachheit anstößig, weil sie dadurch mit den erklärten Unchristen bürgerlich gleichgestellt erscheinen. Die Herren Minister der geistlichen Angelegenheiten, der Justiz und des Innern, an welche wir uns mit der Bitte um Abhülfe gewendet hatten, haben laut hohen Entscheides vom 26. August 1864 die ungünstige Auslegung der Allerhöchsten GeneralConcession aufrecht erhalten. Wir unterwerfen uns dieser Entscheidung in schuldigem Gehorsam, wenden uns aber im Vertrauen auf den lebendigen Gott, dem wir dienen, und der die Macht uns zu helfen in Ewr. königlichen Majestät Hände gelegt hat, in tiefster Demuth an Dero landesväterliches Herz und königliche Huld mit der zuversichtlichen Bitte, Ewr. königliche Majestät wolle aus Allerhöchster Machtvollkommenheit unsere durch das Ober-Kirchen-Kollegium zu Breslau schwer gekränkten bürgerlichen Rechte schützen und Allergnädigst anderweit regeln, zum in-
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brünstigen Danke einer großen Anzahl von Ewr. Majestät allezeit getreuen Unterthanen. Se. Majestät König Friedrich Wilhelm IV. hatte in Ansehung solcher Fälle, wie der unsrige ist, durch das Patent vom 30. März 1847 Seinen Allerhöchsten Willen dahin zu erkennen gegeben: Befindet sich eine neue Religionsgesellschaft in Hinsicht auf Lehre und Bekenntniß mit einer der durch den Westphälischen Friedensschluß in Deutschland anerkannten christlichen Religionsparteien in wesentlicher Uebereinstimmung, und ist in derselben ein Kirchenministerium eingerichtet, so wird diesem bei Genehmigung der Gesellschaft zugleich die // Berechtigung zugestanden werden, in den Landestheilen, wo das Allgemeine Landrecht oder das gemeine deutsche Recht gilt, solche die Begründung oder Feststellung bürgerlicher Rechtsverhältnisse betreffende Amtshandlungen, welche nach den Gesetzen zu dem Amte des Pfarrers gehören, mit aller rechtlicher Wirkung vorzunehmen.
Die Voraussetzungen dieses Allergnädigsten Versprechens bestehen bei uns laut der gemeinsamen Synodalordnung, welche wir Ewr. königlichen Majestät in der Beilage allerunterthänigst auszubreiten wagen, im vollsten Maaße. Unsre gänzliche Uebereinstimmung mit den Bekenntnißschriften der lutherischen Reformation ist durch zahlreiche Gutachten von namhaften Theologen des Inlandes und Auslandes bezeugt worden. Beispielsweise dürfen wir uns beziehen auf den KöniglichBayrischen Ober-Consistorial-Präsidenten Dr. von Harleß, ferner auf die Professoren der theologischen Facultät zu Erlangen, den weitbekannten Pfarrer Löhe zu Neu-Dettelsau in Bayern, den Kirchenrechtslehrer Consistorialrath Dr. Meyer zu Rostock und den Herausgeber des angesehensten kirchlichen Zeitblattes im Hannoverschen, Pastor Münkel. Auf Grund dessen bitten wir allerunterthänigst: Ewr. Königliche Majestät wolle unsrer Immanuel-Synode zunächst Allerhöchstdero Landesherrliche Genehmigung ertheilen und in Ausführung der Verheißung vom 30. März 1847 zu befehlen geruhen, daß die Amtshandlungen der Geistlichen dieser Synode in voller rechtlicher Gültigkeit und mit rückwirkender Kraft anerkannt werden.
Des besonderen Schutzes Ewr. Königlichen Majestät sind wir in solchen Fällen bedürftig, wo innerhalb einer Gemeinde die Spaltung in zwei Parteien vor sich gegangen ist, und das Corporationsvermögen von der Breslauer Partei für sich allein in Anspruch genommen wird. Sollte dieser Anspruch möglicherweise nach dem Buchstaben des Gesetzes begründet sein, so erscheint doch eine große Härte darin, zumal wo der andre Theil der Gemeinde nach Zahl und Beisteuer der überwiegende ist. Ewr. Königliche Majestät wolle Allerhöchst sich in Gnaden zu diesen Nothständen herablassen, und einen gesetzlichen Zustand dahin begründen, daß das Kirchengut der gespaltenen Gemeinden, in Ermangelung einer gütlichen Einigung, durch die betreffenden Staats-Behörden nach Billigkeit zur Vertheilung gebracht wird.
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Allergnädigster König und Herr! Wir haben nicht Gefallen an Spaltung und Verwirrung, wie man uns schuldgegeben hat. Sondern wir haben nur unsre eidlich übernommene Amtspflicht als Diener des // Wortes Gottes und als Wächter und Hirten in Seiner Kirche nicht versäumen wollen. Wir begehren, in aller Stille unsre Gemeinden auf dem Grunde des rechten christlichen Glaubens einträchtig zu erbauen. Wollte Ewr. königl|iche| Majestät Allerhöchst ihren Behörden Auftrag geben, von unsrer Amtsführung und dem Zustande unsrer Gemeinden nähere Einsicht zu nehmen, so sind wir mit Freuden bereit, uns der Inspection jetzt und zukünftig in jeder Art und Weise, bei der unsre Lehre und unsre kirchliche Gewissenstellung unangetastet bleibt, zu unterwerfen. Inzwischen verharren wir unter allen Umständen in herzlicher Fürbitte zu Gott dem Herrn, der Ewr. Königl|icher| Majestät theures Haupt und Regierung reich segnen wolle, und ersterben in tiefster Ehrfurcht als Ewr. Königlichen Majestät treu gehorsamste und allerunterthänigste: Liegnitz und Jabel den (19.2.) 1865 die Pastoren der lutherischen Immanuel-Synode
41. [38.] Entscheidung der Generalsynode der Evangelischlutherischen Kirche in Preußen über den Lehrstreit und die Aufhebung der Kirchengemeinschaft mit den sezedierten Pastoren und Gemeinden (1864)* Der schon auf der Synode von 1860 geführte und unerledigt gebliebene Lehrstreit wegen der Lehren von der Kirche, dem Kirchenregiment und den Kirchenordnungen war inzwischen mit großer Lebhaftigkeit und steigendem Eifer fortgeführt worden und hatte nicht nur in einigen Gemeinden förmliche Spaltungen herbeigeführt, sondern auch für die Kirche überhaupt die Gefahr heraufbeschworen, die Einigkeit des Geistes und mit dieser das Band des Friedens zu verlieren. Diese Gefahr mit Gottes Hülfe abzuwenden wurde als die Hauptaufgabe der gegenwärtigen Synode erkannt. Den weitaus größesten Theil der betreffenden Verhandlungen nahm eine von einigen Mitgliedern eingebrachte Anklage in Anspruch, durch welche das OberKirchen-Collegium beschuldigt wurde, mit falscher Lehre ein öffentliches Aergerniß gegeben zu haben, welches mit den ihr zu Gebote stehenden Mitteln abzustellen die Synode aufgefordert wurde. Diese indessen erklärte nach den umfassendsten *
Oberkirchenkollegium (Hg.), Beschlüsse der von der evangelisch-lutherischen Kirche in Preußen im September und October 1841 zu Breslau gehaltenen Generalsynode (und folgender Generalsynoden, gesammelt in 2 Bänden: 1841–1873 und 1878–1910), Leipzig 1842 und Breslau 1844ff., 378f., 380f.
Thesen von Julius Diedrich über die lutherischen Landeskirchen
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und eingehendsten Erörterungen, daß sie keine Ursache zur Erhebung einer Anklage gegen das Ober-KirchenCollegium finde. ...
Es kam auch die von der Kirche gegen die getrennten Pastoren und Gemeinden fernerhin einzunehmende Stellung zur Sprache, und beschloß die Synode dieserhalb Folgendes: In Erwägung, daß die von uns secedirten früheren Pastoren Diedrich, Ehlers und Genossen nebst ihren Anhängern keinen schriftgemäßen Grund gehabt, sich von uns zu trennen, erkennt die Synode in ihrer Secession eine eigenwillige faktische Losreißung, derselben von unserer Kirchengemeinschaft und daß sie sich eben damit der Sünde des Separatismus schuldig gemacht haben. Demgemäß sind solche Personen zum heiligen Abendmahl und aller sonstigen Gemeinschaft unserer Kirche nicht eher wieder zuzulassen, bis sie je nach den Umständen Belehrung empfangen oder ihre Bußfertigkeit bezeugt und um Wiederaufnahme gebeten haben. Diese ihre Bußfertigkeit ist vom Pastor der Gemeinde, zu der sie zurückgetreten sind, im öffentlichen Gottesdienst anzuzeigen.
42. [41.] Thesen von Julius Diedrich über die lutherischen Landeskirchen* (für die Eisenacher Konferenz; 1874) 1. Wir sehen die lutherischen Landeskirchen immer mehr verblassen und im Zuge zu einer confessionslosen Nationalkirche zusammenfließen. 2. Das Gerüst der früheren Organisation bleibt aber stehn, und verhärtet sich durch Zusammenwirken der confessionslosen Regierung mit den glaubensfeindlichen Massen zu einer Nationalkirche. 3. Daher werden schließlich alle Diejenigen, welche noch in der evangelischen Wahrheit und im Bekenntniß den Einheitsgrund und den Zusammenhalt der Kirche sehen, aus der Landeskirche weichen müssen. 4. Allerdings vollzieht sich dieser Uebergang zur Nationalkirche ungleichmäßig. Ja man kann auf zeitweises Aufhalten des Hereinbruchs hoffen, in solchen Landeskirchen, wo die höchsten Kirchenbehörden sich unzweideutig aufs Bekenntniß stellen. Dennoch müssen Alle selbst da den kirchlichen Boden durch Staatsgewalt und Majoritätsprincip als höchst gefährdet anerkennen. 5. Etliche sind da, wo die Union gesetzlich eingeführt ist, schon längst aus den Landeskirchen herausgetreten. Andere sind erst vor Kurzem herausgedrängt, und noch Mehreren steht dies bevor, wenn die Massen noch besser ihre Macht gebrauchen lernen. *
Immanuel. Volksblatt für lutherische Gemeinden 11 (1874), 264f.
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Die Evangelisch-lutherische Immanuelsynode
6. Da solcher Übergang der Landeskirchen zur bekenntnislosen Nationalkirche vor Augen ist, so folgt für die, welche in der Landeskirche zu bleiben für erlaubt und recht halten, dennoch: a) daß sie den Austritt in die Freikirche im Auge behalten als den Weg, den der HErr mit Seiner Kirche gehen will, b) daß sie den Ausgetretenen brüderliche Hülfe und Theilnahme leisten, c) daß sie Absetzungen, welche die Folgen des erschütternden Bekenntnisses sind, nicht gut heißen, d) daß sie den Kampf um’s Bekenntniß in unserer und der früheren Zeit zur Kenntniß der Gemeinden bringen, in Missionsstunden oder sonstigen Mittheilungen. 7. Wo die Erschütterung des Bekenntnisses zu unklaren, noch nicht abgeschlossenen Rechtsverhältnissen geführt hat, kann aber auch umgekehrt von den, um der Erschütterung des Bekenntnisses willen Heraustretenden oder Herausgedrängten gefordert werden, daß sie mit dem Verwerfungsurtheil der Zurückbleibenden, als geradezu vom Bekenntnisse Abgefallenen, auch noch nicht abschließen. 8. Nur so kann ein freundschaftliches Verhältniß zwischen Separierten und Landeskirchen, welches Beiden zum Vortheil ist, begründet werden.
43. [42.] Thesen von Julius Diedrich über die lutherischen Freikirchen* (für die Eisenacher Konferenz; 1874) „1. Die Separierten stehen in abgesonderten Häuflein ziemlich spröde gegen einander da, und die verschiedenen Synodalverbände derselben haben mit einander ungeschlichteten Streit. Dennoch gehören sie um des Einen lutherischen Bekenntnisses willen ein und derselben lutherischen Kirche an. Denn das Eine Bekenntniß mach die Kirche im Grunde. (Augsb. Conf. Schmalk. Art. Thl. II. Art. 4.)“ „2. Absatz 1. Es können verschiedene luth. Synodalverbände eben so wohl wie die verschiedenen luth. Landeskirchen neben einander bestehen.“ These 2, Absatz 2 (a.a.O., S. 266): „Um des ungeschlichteten Streites und der Verfassungsverschiedenheiten willen ist es zur Zeit das Heilsamste, daß sie so bestehen, wenn ein friedlicher Zustand unter den freikirchlichen Lutheranern eintreten soll.“ [Diese Passage lautete in ihrem Mittelteil ursprünglich: „... ist es zur Zeit ganz nothwendig ...“.]
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Immanuel. Volksblatt für lutherische Gemeinden 11 (1874), 265.
Thesen der Immanuelsynode über Kirchengemeinschaft (1875)
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44. [39.] Thesen der Immanuelsynode über Kirchengemeinschaft (1875)* 1. Wir schließen vom h. Abendmahl nicht bloß nach dem klaren Willen des HErrn aus alle Nichtchristen, alle zur Selbstprüfung Unfähigen, und Alle, welche durch unbußfertiges Verharren als Verächter des göttlichen Wortes in Lehre und Leben offenbar werden, sondern wir verwerfen auch die Abendmahlsgemeinschaft mit falschen Kirchen. 2. Unter falschen Kirchen verstehen wir diejenigen Kirchengemeinschaften, in welchen das Wort Gottes nicht rein gepredigt und die h. Sacramente nicht nach der Einsetzung des HErrn Christus verwaltet werden. Mit solchen Kirchen, die wir nach Gottes Wort meiden, von denen wir uns thun und weichen sollen, Abendmahlsgemeinschaft zu halten, achten wir für Sünde, weil wir grade dadurch am Tische des HErrn unsere innigste Glaubensgemeinschaft mit ihnen bezeugen und durch den Genuß des Leibes und Blutes Christi besiegeln würden. 3. Wir müssen auch solche Glieder falscher Kirchengemeinschaften, die sich persönlich als unserem Glauben zugethan erklären, oder den Eindruck wahrer Gotteskinder machen sollten, von unserem Abendmahle abweisen, bis sie sich von der falschen Kirche lossagen und zur wahren sichtbaren Kirche bekennen. Wir halten das nicht nur für von Gottes Wort geboten, sondern auch für allein der wahren Liebe gegen die Abgewiesenen selbst und gegen Andere gemäß. – 4. Demnach können wir so wenig mit Unirten, als mit Römischen und Reformirten Abendmahlsgemeinschaft haben. 5. „Dagegen wollen wir im Princip mit allen denjenigen Kirchengemeinschaften, welche sich zu den luth. Bekenntnissen, und wäre es auch nur zur ungeänderten Augsburgischen Confession bekennen, Abendmahlsgemeinschaft halten, so lange ihre öffentliche Lehre und Praxis diesem Vorgeben nicht widerspricht.“ 6. „Wir wollen nicht wegen jeder Lehrdifferenz die Abendmahlsgemeinschaft mit solchen Gemeinschaften aufheben, auch das heilige Sacrament nicht zur Vergrößerung unserer Sondergemeinschaft oder zur Unterwerfung Anderer mißbrauchen, sondern erst dann dessen Verweigerung eintreten lassen, wenn wir in den Abweichungen Seelenverderbliche, das Fundament verletzende falsche Lehre erkennen.“ 7. „Wir verzichten aber darauf, von vorn herein Hauptpunkte zu bezeichnen, in denen wir Einigkeit unbedingt fordern müßten, sondern sind der Meinung, daß jeder Irrthum zu einem fundamentalen werden kann.“ 8. „Wir können mit keiner der jetzigen lutherischen Landeskirchen in der Art Abendmahlsgemeinschaft halten, daß ihre Glieder als solche Zutritt zu unseren *
Lutherische Dorfkirchenzeitung 27 (1875), 151–153.
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Altären hätten, weil diese Kirchen durch ihre historischen Rechtsverhältnisse und ihren luth. Namen keine volle Bürgschaft mehr des in Wahrheit bestehenden luth. Bekenntnisses geben. Wir müssen jedes ihrer Glieder erst prüfen, resp. unterweisen und zum Meiden der Irrlehre verpflichten. Von Pastoren solcher Landeskirchen müssen wir verlangen, daß sie offenbaren Irrlehrern die Sacramentsgemeinschaft öffentlich aufsagen.“ „In solchen Kirchengemeinschaften, welche die Bekenntnißlosigkeit ihrer auf das Majoritätsprincip begründeten Synodalverfassungen durch den Zusatz “unbeschadet des Bekenntnißstandes“ verdecken wollen, können wir keine lutherischen Kirchen mehr sehen.“ „Mit sämmtlichen sich separirenden Lutheranern wollen wir Abendmahlsgemeinschaft halten, so lange sich keine den Glaubensgrund angehende Lehrverschiedenheit mit ihnen klar herausstellt. Wir sind aber fern davon, in der Abendmahlsgemeinschaft das Mittel zu sehen, solche Differenzen zuzudecken oder zu heilen.“ „Mit der Breslauer Synode können wir nicht Abendmahlsgemeinschaft haben, da die in der „Oeffentlichen Erklärung“ ausgesprochenen falschen Lehren ihres Oberkirchencollegs seit 1864 von jener ganzen Synode wenigstens als Norm der Kirchenregierung anerkannt, und dieselben offenbar tiefe, den Grund angehende Gegensätze gegen unsere Lehre sind. Einzelne Glieder jener Synode könnten wir nur zu unserem Sacrament zulassen, wenn sie mit Wort und That gegen die Lehre und Praxis des Oberkirchen-Collegs Protest erheben.“ „In der Suspendirung der Abendmahlsgemeinschaft mit uns Seitens der Missourier können wir nur einen Mißbrauch des heiligen Sacraments sehen, da keine das Fundament berührende Differenzen obwalten, und müßten Glieder unserer Synode, welche nun an Jener Abendmahl theilnehmen, strafen als Solche, die sich dieser Sünde mit theilhaftig machten.“ –
45. [43.] Von der Konferenz angenommene Einigungssätze vom 5./6.10.1875 * 1. Wir bekennen uns mit Herz, Mund und That zu der lutherischen Lehre, wie sie in den Symbolen enthalten ist. 2. Streit ist also nicht über Annahme oder Nichtannahme des lutherischen Bekenntnisses, sondern nur über das Verständniß etlicher Punkte desselben, z.B. die Lehre vom geistlichen Amt und die Lehre vom Kirchenregimente. 3. Wir wollen nicht wegen jeder Lehrdifferenz die Abendmahlsgemeinschaft aufheben, sondern erst dann Verweigerung derselben eintreten lassen, wenn wir in diesen Differenzen seelenverderbliche, das Fundament verletzende falsche *
Immanuel. Volksblatt für lutherische Gemeinden 13 (1876), 166.
Thesen 11 und 12 über Kirchengemeinschaft
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Lehre erkennen. 4. Unter kirchlicher Gemeinschaft verstehen wir nicht Gemeinsamkeit des Kirchenregimentes, sondern wesentlich Sacramentsgemeinschaft und brüderlichen Verkehr und Handreichung.
46. [40.] Thesen 11 und 12 über Kirchengemeinschaft in der revidierten Fassung von 1886*1 These 11 Die Abendmahlsgemeinschaft zwischen uns und der Breslauer Synode ist durch Beschluß derselben vom Jahre 1864 aufgehoben. Die einzelnen Mitglieder der Breslauer Synode, welche das, auf die schriftwidrige Lehre des Oberkirchen-Collegium gegründete Zuchtverfahren der Synode gegen uns nicht vertreten, sehen wir als lutherische Brüder an. These 12 In der Suspendirung der Abendmahlsgemeinschaft mit uns seitens der Missourier können wir nur eine Frucht sectirerischen Geistes erkennen und müssen sie als Mißbrauch des Sacraments bezeichnen.
47. [44.] Instruktion für den Senior der Immanuelsynode vom 25.8.1888*2 I.
Wahl des Seniors.
§ 1. Der Senior wird von der Synode auf Vorschlag des Lehrstandes in der Regel am letzten Tage der Versammlung gewählt, und zwar von Synode zu Synode. Der Lehrstand wählt den Vorzuschlagenden in geheimer Abstimmung durch Stimmzettel. Der Vorzuschlagende muß in der Regel durch zwei Drittel Stimmen designirt werden. Die Synode entscheidet über Annahme oder Ablehnung des Vorschlages durch Stimmenmehrheit in öffentlicher Abstimmung, an welcher auch der Lehrstand *1 Immanuel. Volksblatt für lutherische Gemeinden 23 (1886), 238f. *2 Immanuel. Volksblatt für lutherische Gemeinden 25 (1888), 337–341.
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theilnimmt. Im Fall der Ablehnung muß ein neuer Vorschlag erfolgen. II.
Begriff des Senioren-Amtes.
§ 2. Das Seniorenamt in der Immanuel-Synode ist nicht herrschen, sondern dienen. Wie die Gemeinden der Immanuel-Synode sich durch Gottes Führen zu einer kirchlichen Verbindung vereinigt erkennen, einander in Liebe zu dienen: so soll der Senior der Synode, als in ihrem Auftrage der Gesammtheit der Synode und jeder einzelnen Gemeinde als ihrem Gliede in gleicher Weise dienen. § 3. Er handelt also in seinem Amte als Stellvertreter der Synode, und jede Gemeinde und jeder Pastor soll seinen Dienst, den er erweist, als einen von der Synode erwiesenen Dienst ansehen. § 4. Daraus folgt dreierlei: 1. daß der Dienst des Seniors ruht, wenn und so lange die Synode versammelt ist. 2. daß der Senior für seine Amtsführung Rechenschaft schuldig ist. 3. daß der Senior, so oft die Synode zusammentritt, ihr über seinen Dienst Bericht erstattet. III.
Inhalt des Senior-Amtes.
§ 5. Der Senior hat das gesammte kirchliche Leben in den, der Synode angehörigen Gemeinden zu überwachen. Er hat daher zu überwachen: 1. die Lehre und den Wandel jedes Pastors der Synode. 2. die Entwickelung und Kundgebung des kirchlichen Lebens in den Gemeinden. 3. den Fortbestand des Predigtamtes in den Gemeinden.
Instruktion für den Senior der Immanuelsynode
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Verhältniß des Seniors zu seinen Amtsbrüdern.
§ 6. Der Senior ist nicht Vorgesetzter der Pastoren, sondern primus inter pares. Darum ist es des Seniors Recht und Pflicht, jeden Pastor der Synode, dessen Lehre oder Wandel anstößig ist, zu ermahnen und zurechtzuweisen, und zwar in der folgenden Ordnung: a) zwischen ihm und dem betreffenden Pastor allein. b) durch Anrufung einiger Amtsbrüder oder des ganzen Lehrstandes durch Currende. c) durch Anrufung der versammelten Synode. Dagegen ist der Senior nicht berechtigt, einen Pastor bei dessen eigener Gemeinde anzuklagen. § 7. Leistet der betreffende Pastor der ihm zugegangenen Ermahnung Gehör, so ist die Sache damit erledigt. Widerspricht er auch den Ermahnungen der Synode beharrlich, so hat die Synode das Nöthige zu beschließen, und von diesem Beschluß durch den Senior den Vorstehern der Gemeinde des betreffenden Pastors Mittheilung zu machen. § 8. Der Beschluß der Synode darf nie auf Absetzung des Pastors lauten, sondern höchstens auf seine Ausschließung aus dem Synodalverbande. § 9. Nachdem bei Anklagen gegen den Pastor der ganze Instanzenzug vom Senior vergeblich durchschritten, soll derselbe mit Zuhülfenahme des Viceseniors und eines näher stehenden Pastors der betreffenden Gemeinde und ihrem Vorstande dahin beistehen, daß die vorliegende Gefahr beseitigt werde. § 10. Dieselben Rechte und Pflichten, welche dem Senior bezüglich seiner Amtsbrüder zustehen, stehen dem Vicesenior bezüglich des Seniors zu.
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§ 11. Behufs Erhaltung des geistigen Verkehrs unter den Gliedern des Lehrstandes liegt dem Senior ob, Currenden in Circulation zu setzen. V.
Ueberwachung des kirchlichen Lebens in den Gemeinden.
§ 12. Das Hauptmittel zur Ueberwachung des kirchlichen Lebens in den Gemeinden sind die Visitationen. In der Regel soll jede Parochie alle fünf Jahre einmal visitirt werden. § 13. Außerordentliche Visitationen können sowohl von Pastoren, als auch Gemeinden erbeten, in besonders dringenden Fällen vom Senior beschlossen werden. In letzterem Falle werden die Kosten der Visitation von der Synodalkasse, sonst aber in der Regel von den betreffenden Parochien getragen. § 14. Der Senior kann, wenn er behindert ist, die Visitation selbst vorzunehmen, einen Amtsbruder damit beauftragen, welcher dann als Stellvertreter des Seniors fungirt. Zur Visitation ist, wenn rathsam, ein Pastor der Synode als Helfer und Berather heranzuziehen, unter Umständen auch Glieder aus dem Laienstande. § 15. Der Senior ist nicht berechtigt, mit einem oder mehreren Vorstehern oder Mitgliedern einer Parochie ohne Wissen des betreffenden Pastors amtlich zu correspondiren, ausgenommen die Fälle § 8 und 9. VI.
Fortbestand des Predigtamtes.
§ 16. Im Falle der Erledigung des Pfarramtes in einer Parochie hat der Senior nach Kräften dahin zu wirken, a) daß es möglichst bald wieder besetzt werde, b) daß die Parochie während der Vakanz von den benachbarten Amtsbrüdern bedient werde.
Lehrstellung der Immanuelsynode
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§ 17. Behufs möglichst baldiger Wiederbesetzung liegt dem Senior ob: 1. die Gemeinden anzuweisen, daß sie nach der bei ihnen geltenden Ordnung zur Neuwahl schreiten. 2. die Wahl entweder selbst oder durch einen stellvertretenden Pastor zu leiten. 3. die nöthigen Verhandlungen mit dem Neugewählten zu führen. 4. ihm unter Hinzuziehung mehrerer Amtsbrüder das Examen resp. colloquium de orthodoxia abzunehmen. 5. den Gewählten zu ordiniren resp. einzuführen. Der nächsten Synode ist darüber unter Vorlegung der Protokolle Bericht zu erstatten.
48. [45.] Lehrstellung der Immanuelsynode in den Fragen von Kirche, den Kirchenordnungen und dem Kirchenregiment (1897)* 1. Die Kirche als Glaubensartikel, nach ihrem eigentlichen Wesen betrachtet, umfaßt nur diejenigen Menschenseelen als ihre Glieder, welche durch den heiligen Geist in den Gnadenmitteln zum rechten Glauben gebracht, und in demselben erhalten sind. – Etwas Anderes ist es um die äußere Erscheinung der Kirche hier auf Erden, wonach auch Heuchler und Gottlose zu ihr gehören. Diese sind nicht Glieder der wesentlichen Kirche und gehören infolge ihres Unglaubens in keiner Weise zum Leibe Christi. Solche Unterscheidung zwischen dem von Gott gewirkten Wesen und der äußeren Erscheinung der Kirche fordert schon die alles bestimmende freie Gnade Christi und die Rechtfertigung allein durch den Glauben. 2. Da alle wahren Christen nach Gottes Gnadenordnung durch Wort und Sakrament zum Glauben geführt und darin erhalten werden, so sind Wort und Sakrament als Christi unmittelbare Gaben an Seine Gemeinde notwendig für den Bestand der Kirche auf Erden, ohne daß sie zum Wesen der Kirche selbst gehören. Darum ist auch die wesentliche Kirche Christi nicht in jeder Hinsicht eine unsichtbare, sondern mitten in der äußerlich erscheinenden Kirche erkennbar an dem rechten Brauch der Gnadenmittel. 3. Zur Verwaltung und Austeilung der himmlischen Gnadengüter hat der Herr nur ein besonderes Amt durch ausdrücklichen Befehl gestiftet, nämlich das der Verkündigung des Wortes und der Austeilung der heiligen Sakramente: Das heilige Predigtamt. Dieses Amt besteht also in der Kirche, wie die Gnadenmittel selbst, nach göttlichem Recht. Dieses Recht erstreckt sich aber nur auf die schriftgemäße Verwaltung derselben, nicht auf die ganze äußere Ordnung *
Immanuel. Volksblatt für lutherische Gemeinden 34 (1897), 289–293.
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Die Evangelisch-lutherische Immanuelsynode
und Regierung in der Kirche. 4. Soweit ein Prediger die göttliche Rechtsbefugnis seines Amtes schriftgemäß ausübt, soweit haben die Gemeindeglieder ihm als ihrem geistlichen Vater Gehorsam zu leisten, und zwar nicht allein um der Liebe willen, sondern auf Christi Befehl. Doch wird dieser Gehorsam immer nur dem Amte, nicht aber der Person des Amtsträgers geleistet. Die einzelnen Personen sind und bleiben mit Sünde behaftet, darum dem Irrtum unterworfen, ja des Abfalls vom göttlichen Worte fähig, deshalb hat das Predigtamt nur Gottes Wort als Norm und Richtschnur als über sich stehend anzuerkennen. Die Inhaber des Amtes haben sich jedoch allezeit betreffs der Frage, ob sie wirklich ihr Amt schriftgemäß führen, dem Urteil ihrer Brüder willig zu unterwerfen, denn auch die Gesammtkirche trägt ernste Verantwortung vor Gott, ob ihre Diener in ihrem Amte das Reich Gottes bauen oder zerstören. Insoweit steht die Kirche nach den schmalkaldischen Artikeln über ihren Dienern. Wird ein Pastor nach dem Maßstabe der heiligen Schrift als des geistlichen Amts unwürdig befunden, so hat die Kirche nicht nur das Recht, sondern die heilige Pflicht, in Verbindung mit jener schwer gefährdeten Gemeinde den Prediger seines Amts zu entheben, und eine bessere Besetzung jener Amtsstelle herbeizuführen. 5. Alle Kirchenordnungen in den Einzelgemeinden wie in der Gesammtkirche, soweit sie über die Verwaltung der Gnadenmittel hinausgehen, führen sich nicht auf einen Befehl Christi zurück und sind deshalb auch nicht in unmittelbarer Weise göttlichen Rechtes, so daß man ihnen um Christi willen zu gehorchen hätte. Kirchenordnungen sind vielmehr von der Kirche selbst gebildet und in verschiedenen Zeiten verschieden gestaltet. Sie sind aber nicht als etwas Nebensächliches oder Willkührliches anzusehen, sondern sie sind für die Kirche notwendig, damit diese mitten in einer sündigen Menschheit ihren Heilsberuf erfüllen kann. Ja, sie haben in gewissem Sinne auch ein göttliches Recht für sich, nämlich dieses, daß Gott ein Gott der Ordnung ist, und auch unter seinen Kindern alles ehrlich und ordentlich gehalten haben will. Doch gehört dieses göttliche Recht in die Schöpfungsordnung und fließt allein aus derselben, nicht aus der Heilsordnung. So sehr daher das göttliche Recht der Schöpfungsordnung auch auf dem Gebiet des äußeren Kirchenlebens berechtigt ist, so bestehen doch die einzelnen Kirchenordnungen, auf ihre Verschiedenheit und ihre vielfachen Mängel hin betrachtet, nur nach menschlichem Rechte. 6. Allen in der Kirche geltenden Ordnungen, soweit sie nicht im Widerspruch mit dem Worte Gottes stehen, ist in freier Liebe um des Friedens willen Gehorsam zu leisten, selbst dann, wenn manche äußerliche Unzuträglichkeiten sich aus ihnen ergeben. Wer ohne in Gottes Wort gegründete Ursache die Kirchenordnung mutwillig verletzt, versündigt sich, zwar nicht gegen ein ausdrückliches Gebot Christi oder seiner Apostel, wohl aber gegen die von Christo gebotene brüderliche Liebe, welche auch Schwachheiten in Geduld tragen soll. – Wenn eine Kirchenordnung etwas festsetzen würde, was wider Gottes Wort verstieße,
Wiedervereinigung mit der Immanuelsynode (1902)
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so würde derjenige Christ seinen Glauben verleugnen, welcher die Schriftwidrigkeit solcher Ordnung zwar durchschaute, aber in äußerer Trägheit oder falsch-gesetzlichem Gehorsam derselben doch folgen wollte. Solche Kirchenordnung hat vielmehr alles göttliche Recht gegen sich und kann durch kein menschliches Recht geschützt werden. 7. Zu den Ordnungen, welche der Kirche zur Ausübung ihres Berufs auf Erden nützlich und heilsam sind, gehört auch das sogenannte Kirchenregiment. In ihm faßt sich die ganze Ordnung der Kirche gleichsam als in ihrer äußern Spitze zusammen. Dieses Kirchenregiment beruht nicht auf einem ausdrücklichen Befehl Christi oder seiner Apostel, hat also nicht dasselbe unmittelbare göttliche Recht für sich und nicht denselben Gehorsam zu fordern, wie das heilige Predigtamt bei schriftmäßiger Verwaltung der Gnadenmittel. Der Gehorsam gegen das Kirchenregiment ist vielmehr derselbe, welcher, wie oben gezeigt, allen Kirchenordnungen zu leisten ist. Diesen Gehorsam in den oben erwähnten Grenzen haben auch die Träger des geistlichen Amts dem Kirchenregiment willig und gern zu leisten. Das Gegenteil würde von geistlichem Hochmut zeugen. – Die Bezeichnung des Kirchenregiments als „geistliche Obrigkeit“ kann zwar in richtigem Sinne verstanden werden, ist aber sehr leicht irreleitend, weil die Christen der weltlichen Obrigkeit in allen dem Worte Gottes nicht widerstreitenden Dingen unbedingten gesetzlichen Gehorsam schulden, und nicht nur um der Liebe willen. Beides, der bürgerliche Gesetzesgehorsam und der kirchliche Liebesgehorsam ist gar nicht scharf genug von einander zu scheiden.
49. [46.] Stellungnahme der Generalsynode der Evangelischlutherischen Kirche in Preußen über die Möglichkeit einer Wiedervereinigung mit der Immanuelsynode (1902)* Der Pastor der Immanuelsynode Meeske in Luzine hatte ein Gesuch an die Generalsynode gerichtet, dieselbe möge den Riß von 1864 beseitigen, indem sie den Bann gegen die Sezedierten zurücknehme und aufhöre, mit der Öffentlichen Erklärung die Synode zu vergewaltigen. Die Generalsynode ersuchte das Ober-KirchenKollegium, den Antrag des Pastor Meeske zu beantworten und dabei auf folgende Punkte hinzuweisen: 1. Wenn im Antrag von einem Banne die Rede sei, so sei die Berechtigung dazu nicht vorhanden, da derselbe niemals wegen des Lehrdissensus ausgesprochen worden sei und die Synode von 1894 ausdrücklich eine dies deutlich in sich *
Oberkirchenkollegium (Hg.), Beschlüsse der von der evangelisch-lutherischen Kirche in Preußen im September und October 1841 zu Breslau gehaltenen Generalsynode (und folgender Generalsynoden, gesammelt in 2 Bänden: 1841–1873 und 1878–1910), Leipzig 1842 und Breslau 1844ff., 967f.
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schließende Erklärung nochmals abgegeben habe. 2. Daß die Synode außer Stande sei, ihrerseits eine Revision des gesamten Verfahrens gegenüber den einzelnen sezedierten Pastoren vorzunehmen, auch wenn sie anzunehmen bereit sei, daß auch auf unserer Seite menschliche Schwachheit und Sünde sich dabei im einzelnen eingemischt habe (nach Jakobi 3, 2), also ihm nur anraten könne, das Geschehene dem HErrn anheimzustellen, wenn er im übrigen die dargebotene Möglichkeit der Wiedervereinigung anzunehmen im stande sei. 3. Falls dieser Annahme die Besorgnis entgegenstehen sollte, daß das hochwürdige Ober-Kirchen-Kollegium seinerseits auf Grund der Öffentlichen Erklärung eine Vergewaltigung der ihm unterstehenden Pastoren vornehmen könne, so sei dieser Besorgnis dadurch der letzte auch nur scheinbare Grund genommen, daß das hochwürdige Ober-Kirchen-Kollegium in seinem Verwaltungsberichte folgende Erklärung abgegeben habe: An die Beschlüsse der Generalsynode von 1898, nach welchen der „Öffentlichen Erklärung“ vom Jahre 1864 die Bedeutung eines kirchlichen Bekenntnisses aberkannt, dagegen als publica doctrina, auf welche unsere Pastoren bei ihrer Ordination zu verpflichten, und nach welcher Lehre und Leben in unseren Gemeinden zu urteilen sind, nach wie vor nichts anderes als die heilige Schrift alten und neuen Testaments und die sämtlichen Bekenntnisschriften der evangelisch-lutherischen Kirche anerkannt worden sind, weiß sich selbstverständlich auch das OberKirchen-Kollegium gebunden und muß also die Annahme, es wolle bei der Ausübung seines Aufsichtsamtes nun doch noch die „Öffentliche Erklärung“ vom Jahre 1864 für sich in der ausdrücklich abgelehnten Weise maßgebend sein lassen, weit von sich weisen.
III. Die Evangelisch-lutherische Kirche in Baden Frank Martin Brunn Einführung 1821 hatten sich im Großherzogtum Baden die evangelisch-lutherische und die reformierte Landeskirche mit einer Generalsynode und der Bestätigung ihrer Beschlüsse durch den Großherzog zu einer Konsensunion zusammengeschlossen. Seit 1812 schon hatten beide protestantischen Kirchen eine gemeinsame Verwaltung im Innenministerium. Die Neugründung evangelisch-lutherischer Gemeinden im Großherzogtum Baden seit den 1850er Jahren geht auf das Wirken der Pfarrer Carl Eichhorn (1810– 1890), August Wilhelm Ludwig (1815–1901), Georg Friedrich Haag (1806–1875) 1 und Max Frommel (1830–1890) zurück.
Carl Eichhorn, *1810, †1890, Pfarrer in Bofsheim/Baden, Pfarrer in Nußloch b. Heidelberg 1847–1850, Austritt aus der unierten badischen Landeskirche 1850, gründete die erste lutherische Gemeinde in Baden in Ihringen/Kaiserstuhl 1851, Pfarrer in Ihringen 1851–1867, Pfarrer in Korbach seit 1867.
Im November 1850 legte Carl Eichhorn um der Bindung an das evangelischlutherische Bekenntnis willen sein Pfarramt in Nußloch bei Heidelberg nieder und erklärte seinen Austritt aus der Landeskirche (Dok. 50). Er wurde des Ortes verwiesen und zog mit seiner Familie nach Durlach bei Karlsruhe. Auf Vermittlung 1
Vgl. dazu auch Frank Martin Brunn, Union oder Separation? Eine Untersuchung über die historischen, ekklesiologischen und rechtlichen Aspekte der lutherischen Separation in Baden in der Mitte des 19. Jahrhunderts (VVKGB 64), Karlsruhe 2006.
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Die Evangelisch-lutherische Kirche in Baden
durch den Straßburger Pfarrer Friedrich Horning wurde Eichhorn zu Vorträgen ins badische Oberland eingeladen. Infolgedessen bildete sich im Frühjahr 1851 in Ihringen im Kaiserstuhl eine erste, von der Landeskirche unabhängige kleine lutherische Gemeinde. Eichhorn schloss sich daraufhin der Evangelisch-lutherischen Kirche in Preußen (s. Kap. I) an, um eine ordentliche Vokation für die Arbeit in Ihringen zu erhalten. Im Sommer des Jahres trennten sich in Nußloch einige Mitglieder von Eichhorns früherer Kirchengemeinde und bildeten ebenfalls eine kleine lutherische Gemeinde. Die beiden Gemeinden in Ihringen und Nußloch wurden hinfort von Eichhorn betreut und von der Generalsynode der Evangelischlutherischen Kirche in Preußen als ihr zugehörig erachtet (Dok. 51). Anfang des Jahres 1855 legte August Wilhelm Ludwig in Söllingen bei Karlsruhe sein Pfarramt nieder und trat aus der Landeskirche aus. Infolgedessen bildeten sich selbstständige lutherische Gemeinden in Söllingen und im benachbarten Berghausen. Im Frühjahr 1855 wurde Georg Friedrich Haag nach mehreren Abmahnungen wegen seiner an der Agende der früheren lutherischen Kirche Badens orientierten Abendmahlspraxis in Ispringen bei Pforzheim durch den Evangelischen Oberkirchenrat der Landeskirche abgesetzt. Infolgedessen bildeten sich in Ispringen und Umgebung ebenfalls selbstständige lutherische Gemeinden. Der badische Staat ging von Anfang an mit polizeilichen Maßnahmen gegen die lutherischen Geistlichen vor, um so genannte Proselytenmacherei zu verhindern. Nach den Revolutionskriegen von 1848/49 fürchtete man neue Unruhen. Darum wurde die Bewegungsfreiheit der lutherischen Geistlichen eingeschränkt, Versammlungen wurden verboten, Gottesdienste wurden aufgelöst, Eichhorn und Ludwig wurden mehrfach inhaftiert, unter Hausarrest gestellt und mit Geldstrafen belegt. Haag wich dieser Situation im Sommer 1855 aus, indem er an das Evangelische Missionshaus der preußischen Landeskirche in Berlin wechselte. Bald darauf trat er in die Evangelisch-lutherische Kirche in Preußen ein und wurde Pfarrer in Stolp in Pommern.
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Max Frommel, *1830, †1890, Übertritt zur Evangelisch-lutherischen Kirche in Preußen 1852, Hilfsprediger in Liegnitz 1853, Pfarrer in Reinswalde bei Sorau 1854, Pfarrer in Ispringen bei Pforzheim 1858, Lossagung vom Oberkirchenkollegium 1865, Gründung der Evangelisch-lutherischen Kirche in Baden 1865, Generalsuperintendent und Konsistorialrat der Evangelisch-lutherischen Landeskirche Hannovers in Celle 1880–1890.
Nach kurzer aber wenig gedeihlicher Betreuung durch den unions-lutherischen preußischen Pfarrer Rohde beriefen die Ispringer selbstständigen Gemeinden im Frühjahr 1858 Max Frommel als ihren Pfarrer. In Karlsruhe aufgewachsen und während des Theologiestudiums mit seiner Mutter in die Evangelisch-lutherische Kirche in Preußen übergetreten, war er seit 1854 Pfarrer in Reinswalde in Schlesien. Nach etlichen Bittgesuchen und Eingaben an die badische Regierung erteilte das Staatsministerium im November 1856 schließlich den Pfarrern Eichhorn und Ludwig unter erheblichen Auflagen die Duldung zur Betreuung der selbstständigen lutherischen Gemeinden (Dok. 52, 53). Nach weiterer Verhandlung Anfang des Jahres 1857 wurde die gesamte bisherige Praxis der kleinen Gemeinden legalisiert. Unter dem Vorwand der Proselytenmacherei mussten sie aber dennoch verschiedene Einschränkungen hinnehmen, z. B. eine Begrenzung der Größe des Gottesdienstlokales. Damit glich ab 1857 der Rechtsstatus der selbstständigen lutherischen Gemeinden in Baden dem einer geduldeten Religionsgemeinschaft. Im Herbst 1857 schlossen sich die lutherischen Gemeinden der Evangelischlutherischen Kirche in Preußen an und wurden in zwei Pfarrbezirke eingeteilt, Ispringen und Durlach. Zum Pfarrbezirk Durlach gehörten neben Gottesdienstorten in der näheren Umgebung auch Ihringen. Aus Stolp zurückgekehrt gründete Haag 1862 auf dem bei Remchingen in der Nähe von Pforzheim gelegenen Sperlingshof eine selbstständige lutherische Gemeinde. Frommel gründete 1867 in Karlsruhe und 1869 in Freiburg je eine selbst-
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ständige lutherische Kirchengemeinde. 1876 wurde in Baden-Baden ein von Ispringen aus betreuter Gottesdienstort eingerichtet. Die Anfangsjahre der neuen lutherischen Kirchengemeinden im Großherzogtum Baden waren nicht nur durch staatliche Restriktionen geprägt, sondern auch von Konflikten zwischen den Pfarrern und Teilen der Gemeinden. Haag wurde sich mit Eichhorn und Frommel über Pfarrbezirk übergreifende Kompetenzen der Pfarrer nicht einig und kritisierte Eichhorns zurückhaltende Zulassungspraxis beim Abendmahl sowie die von Eichhorn eingerichtete Anbindung der badischen Gemeinden an die Evangelisch-lutherische Kirche in Preußen. Haag sagte sich im Sommer 1862 vom Breslauer Oberkirchenkollegium der Evangelisch-lutherischen Kirche in Preußen los. So kam es zum Bruch zwischen ihm und Eichhorn und Frommel. Irritiert von den Entwicklungen und unzufrieden mit seiner persönlichen Situation kehrte Ludwig in dieser Zeit in die Landeskirche zurück. Auch zwischen Eichhorn und Frommel gab es Differenzen. Die erheblichste betraf die ebenfalls von Haag kritisierte Unterstellung der badischen Gemeinden unter das Breslauer Oberkirchenkollegium der Evangelisch-lutherischen Kirche in Preußen. Frommel legte seine Position im Sommer 1862 in einer Denkschrift dar (Dok. 54). Im Zuge der Lehrstreitigkeiten, die zur Bildung der Immanuelsynode führten (s. Kap. II), gründete Frommel im Frühjahr 1865 eine selbstständige evangelisch-lutherische Kirchengemeinde in Ispringen und vollzog mit den von ihm betreuten Gemeinden ebenfalls die Lösung vom Oberkirchenkollegium in Breslau (Dok. 55, 56). Daraufhin wurde er durch das Oberkirchenkollegium seines Amtes enthoben (Dok. 57). Frommels Bruch mit der Evangelisch-lutherischen Kirche in Preußen führte auch zum Bruch mit Eichhorn, der Frommels Schritt in die badische Selbstständigkeit nicht mit vollziehen wollte. So waren drei selbstständige lutherische Gruppierungen in Baden entstanden, die keine Kirchengemeinschaft miteinander pflegten. Die Zersplitterung konnte erst 1903 überwunden werden (s. Kap. XII). Die Trennung zwischen Eichhorn und Frommel sowie Eichhorns Festhalten an der Verbindung mit der Evangelisch-lutherischen Kirche in Preußen war in den selbstständigen lutherischen Gemeinden allerdings nur schwer zu vermitteln. Darum wendeten sich in Eichhorns Gemeinden etliche Gläubige von Eichhorn ab und schlossen sich Frommel an. So kam es, dass Eichhorn sich nicht mehr halten konnte und 1866 einen Ruf aus Waldeck in die zur Evangelisch-lutherischen Kirche in Preußen gehörende selbstständige Gemeinde in Korbach und Umgebung annahm. 1871 gaben sich Frommels Gemeinden als Vereinigte evangelisch-lutherische Gemeinden im Großherzogtum Baden eine Kirchenordnung, die sie in synodaler Weise verfassten (Dok. 58). Aufgrund der theologischen und kirchenrechtlichen Konkurrenz der Gemeinden zur unierten, mit dem badischen Staat verbundenen Landeskirche, konnten die Gemeinden als Vereinigung erst nach dem Ersten Weltkrieg im August 1919 die Rechte einer Körperschaft des öffentlichen Rechts erlangen.
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Nach einer Revision der Kirchenordnung 1903 erneuerte die EvangelischLutherische Synode in Baden 1926 ihre Kirchenordnung und nahm den Namen „Badische Evangelisch-Lutherische Freikirche“ an. Nach dem Zweiten Weltkrieg reagierten 1947 einige der lutherischen Freikirchen in Deutschland auf die Gründung der EKD mit einem Zusammenschluss zur sog. alten Selbständigen evangelisch-lutherischen Kirche (alte SelK). Ihr traten die badischen Lutheraner 1948 als badische Diözese bei (s. Kap. XII). Mit dem kirchenpolitischen Kurs der alten SelK nicht recht einverstanden beschloss die Synode der badischen Diözese 1965, aus dem Verband auszuscheiden und sich selbstständig zu verfassen, um eigenständig Gespräche mit der Vereinigten Evangelisch-Lutherischen Kirche Deutschlands (VELKD) führen zu können (Dok. 59). Seit dem ist die Evangelisch-lutherische Kirche in Baden (ELKiB) selbstständig. Sich als lutherische Diaspora in einem unierten Umfeld erlebend strebte die ELKiB Ende der 1960er Jahre die Aufnahme in den Lutherischen Weltbund (LWB) an. Zu dieser Zeit war der LWB noch ein auf Bekenntnisbindung gebauter Bund ohne verfassungsrechtlich geordnete Kirchengemeinschaft der darin organisierten Kirchen. Als im Rahmen des Aufnahmeverfahrens der Evangelische Oberkirchenrat der badischen Landeskirche um eine Stellungnahme gebeten wurde, äußerte dieser den Wunsch, anstatt der Aufnahme der ELKiB in den LWB die bestehenden Kontakte zur Landeskirche zu intensivieren. Im August 1968 erfolgte der Beschluss des Exekutiv-Komitees des LWB, die ELKiB in den LWB aufzunehmen, im August 1969 trat er in Kraft (Dok. 60). Wurde die Verbindung zu den evangelisch-lutherischen Kirchen gesucht, so wurde zugleich die Annäherung der lutherischen und der reformierten Tradition in Deutschland kritisch begleitet. Als Reaktion auf die Leuenberger Konkordie verabschiedete die Synode der ELKiB im Sommer 1975 eine Entschließung, in der sie auf das ungeklärte Verhältnis der Konkordie zu den evangelisch-lutherischen Bekenntnisschriften hinweist und letztere als Grundlage für Kirchengemeinschaft benennt (Dok. 61). In ihrer Ausschließlichkeit teilten diese Position die Mehrzahl der im LWB verbundenen Kirchen nicht. Deshalb wollte die ELKiB die Erklärung von Kirchengemeinschaft in der Souveränität der Synode wissen. Auf die Änderung der Verfassung des LWB 1990 in Curitiba hin, die die Kanzel- und Abendmahlsgemeinschaft der Mitgliedskirchen festschreibt, legte die ELKiB Anfang des Jahres 1991 gemeinsam mit den lutherischen Kirchen von Dänemark und Madagaskar Widerspruch ein (Dok. 62). Anfang der 1980er Jahre näherten sich die 1972 gegründete Selbständige Evangelisch-Lutherische Kirche (SELK) und die ELKiB einander an. Nach einer „Gemeinsamen Erklärung“ am 10. März 1981 kam ein synodaler Prozess in Gang, der mit Synodalbeschlüssen der ELKiB am 20. März 1982 in Freiburg und der SELK am 14. September 1983 in Allendorf/Lumda das Bestehen der Kirchengemeinschaft zwischen beiden Kirchen feststellte (s. Kap. XII).
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Die Frage nach der Reichweite der Gleichheit der beiden Geschlechter im Blick auf das kirchliche Amt beantwortete die Synode der ELKiB 1994 mit der Einführung der Ordination von Frauen zum Pfarramt (Dok. 63). Das führte zwangsläufig zu neuen Irritationen im Verhältnis zur Selbständigen Evangelisch-Lutherischen Kirche (SELK), die diesen Schritt zwar kontrovers diskutierte, aber nicht zu vollziehen vermochte (Dok. 64, 65). Anlässlich des 175-jährigen Jubiläums der badischen Landeskirche 1996 wurden Gespräche zwischen der Landeskirche und der ELKiB geführt mit dem Ziel, die bestehenden Beziehungen zwischen beiden Kirchen zu festigen und zu vertiefen. Aus den Gesprächen resultierte eine „Gemeinsame Erklärung“, die im Herbst 1996 in Karlsruhe unterzeichnet wurde (Dok. 66). War die Frage der Kirchengemeinschaft gegenüber der Leuenberger Konkordie und der Verfassungsänderung des LWB in Curitiba ein Anlass, das eigene lutherische Profil zu betonen, so auch 1998 die „Gemeinsame Erklärung zur Rechtfertigungslehre“ (GER) zwischen LWB und Römisch-Katholischer Kirche. Als der LWB seinen Mitgliedskirchen die GER zur Ratifikation vorlegte, erklärte die Synode der ELKiB, dass und warum aus ihrer Sicht ein Konsens noch nicht erreicht sei (Dok. 67). Die Kirchenordnung der ELKiB wurde immer wieder den jeweiligen Erfordernissen angepasst. Sie wird hier in ihren wesentlichen Teilen dokumentiert (Dok. 68).
50. Erklärung Carl Eichhorns über seinen Austritt aus der Union und seinen Übertritt zur lutherischen Kirche vom 3.11.1850* Großherzoglicher Evangelischer Oberkirchenrath! Des Pfarrers Eichhorn in Nußloch Dekanats Oberheidelberg gehorsamste Bitte um Entlassung aus der unirten Kirche. Der Unterzeichnete beehrt sich, seiner Dienstbehörde pflichtschuldige Anzeige von einem Schritte zu machen, den er seit Jahren bei sich erwogen, und nun, von seinem Gewissen aufs Äußerste gedrängt, endlich zur Ausführung zu bringen gedenkt: es ist sein Austritt aus der badischen unirten Kirche, den er an dem heutigen Sonntage seiner bisherigen Gemeinde Nußloch angezeigt hat und der nun durch die Entlassung aus dem Verbande der unirten Kirche seine Vollendung erhalten soll. Der Unterzeichnete glaubt, es in jeder Weise schuldig zu sein, die Motive zu diesem Schritte in möglichster Kürze anzuführen: Es wird wohl von keiner Seite her geleugnet werden können, daß der Bekenntnisstand der evangelisch-lutherischen Kirche durch die Union alterirt, ja vielmehr dermaßen undifferentirt geworden ist, daß es so ziemlich in das subjektive Ermessen jedes einzelnen Kirchendieners gestellt ist, ob er etwas und was er von den alten Bekenntnissen annehmen oder nicht annehmen will; ja durch das „Insofern und Insoweit“ des §2 der Unionsurkunde und durch das auf diesem Paragraphen allein maßgebende Princip der freien Forschung für die Bekenntnisschriften ihrer eigentlichen Bestimmung, Maß und Ausdruck des gemeinsamen kirchlichen Glaubens zu sein, so völlig entrückt, daß sie vielmehr jeder beliebigen Verwerfung preis gegeben sind. Der Unterzeichnete will damit, so wie überhaupt in seiner ganzen vorliegenden Erklärung keinerlei persönliche Vorwürfe machen; er ist vielmehr überzeugt, daß die modernen Unionsversuche, die jeder der beiden evangelischen Confessionen gerecht werden wollen, ebendeshalb eine möglichst weite Stellung gegen alle Sonderbekenntnisse einnehmen müssen. Dagegen ist er eben so fest überzeugt, daß alle diese Unionen lediglich zum Nachtheil der alten Bekenntniskirchen ausfallen müssen und daher von allen Freunden der letzteren nicht anerkannt werden können. Nur steht aber ferner jener Bekenntnis- und Kirchenzerstörende Grundsatz (der §2 der Un. Urk.) nicht bloß auf dem Papiere, er ist vielmehr praktisch geworden in den in den letzten Dezennien in der unirten Kirche Badens eingeführten kirchlichen Büchern, die vor dem Standpunkte evangelischer Lehre und BekenntnisTreue aus entschieden verworfen werden müssen. Ebenso ist jenes Unionsprinzip praktisch geworden in der entschiedensten Lehrwillkür und in vielfacher Lehr-Zuchtlosigkeit, welche ein jammervolles Bild *
Landeskirchenarchiv Karlsruhe (LKA KA), GA 449.
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Die Evangelisch-lutherische Kirche in Baden
unserer badischen ev. kirchlichen Zustände darbieten. Der Unterzeichnete ist durch biblisch-exegetische, dogmatische und symbolische Studien zu dem Bekenntnisse der evang. lutherischen Kirche, und durch die bittersten Erfahrungen von dem Jammer der eben gerügten Zuchtlosigkeit, und durch die Anschauung der Lebenskraft, welche die lutherische Kirche bringt, zu dieser selbst, der Kirche seiner Väter, zurückgeführt worden, welche zwar durch die Versäumnisse der Väter eine zeitlang in geistlichen Tod versinken konnte aber unzerstörbare Lebenskeime in sich trägt, welche nur um so herrlicher hervorbrachen, da man diese Kirche todt glaubte und in der Union begraben wollte. Der Unterzeichnete ist, obgleich dem Namen nach Diener der unirten Kirche, ein treuer Bekenner der lutherischen und wie dieser zu so jener abgewendet. Es ist aber dies eine falsche Stellung, welche gegen das Gewissen verstößt und dem Unterzeichneten unerträglich ist. Er suchte sich derselben auf verschiedene Weise zu entziehen, oder sich derselben zu erleichtern. Er glaubte schon vor einiger Zeit, den lutherischen Katechismus statt des Landeskatechismus im Unterrichte gebrauchen zu dürfen: durch hohen Beschluß Hochdesselben vom 17. Oktober 1848 N: 15, 521 wurde ihm der Gebrauch des lutherischen Katechismus bei dem Unterrichte ausdrücklich untersagt. Er glaubte, bei der Austheilung des h. Abendmahls von der unirten Form abweichen und die lutherische Form gebrauchen zu dürfen. Der Bescheid auf die letzte Kirchenvisitation setzte ihm auch hierin Schranken. Er suchte sich damit zu trösten, daß die Predigt des lauteren Evangeliums auf der Kanzel nicht gehindert sei. Aber der Unterzeichnete ist genötigt, unter der Kanzel den falschen Katechismus zu gebrauchen. Der Unterzeichnete ist auch jetzt zu der Einsicht gekommen, daß es außer der Befugnis des hohen Oberkirchenraths steht, ihm solche kirchliche Lizenzen zu gestatten, welche dem Begriffe der bei uns zu Stande gekommenen Union widerstreiten. Es wäre dieser allerdings seine nächste Aufgabe gewesen, seine desfallsigen Anliegen der künftigen Generalsynode vorzutragen. Aber der Unterzeichnete könnte mit der Concession des Gebrauchs des lutherischen Katechismus, der luth. Agende und des luth. Gesangbuchs schon nicht mehr sich begnügen; denn es wäre dieß eben nur eine Concession, welche sich mit dem Principe der badischen Union nicht vertrüge und dieser unter Umständen zurückgezogen werden könnte; er müßte um Aufhebung der falschen Union petitionieren, und diese würde er von einer innerhalb der Union stehenden Generalsynode wohl vergeblich verlangen. Würde aber wider Vermuthen eine Aufhebung der Union erfolgen, so wäre ja des Unterzeichneten jetziger Austritt aus derselben jedenfalls gerechtfertigt! Auf keinen Fall könnte der Unterzeichnete sein Gewissen bis zu einer, so unwahrscheinlichen Aufhebung der Union beschwichtigen; dasselbe ist jetzt schon in hohem Grade beunruhigt, wegen der falschen kirchlichen Stellung des Unterzeichneten, und Hochderselbe wird den Unterzeichneten gewiß recht bald aus dieser
Anschluss der badischen Lutheraner an die Evangelisch-lutherische Kirche in Preußen
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peinlichen Lage um so eher entlassen, da der Kirche nicht damit gedient sein kann, unter ihren Dienern Einen zu wissen, dem die Unionssatzungen, welchen er einst in einem anderen Erkenntnisstande Treue und Gehorsam gelobt hat, zur drückendsten Last geworden sind. Es wiederholt daher der Unterzeichnete seine Bitte um Demission aus der unirten Landeskirche, und verharrt Ehrerbietigst Nußloch den 3. November 1850. gehorsamster Diener Pfr. Eichhorn
51. [48.] Stellungnahme der Generalsynode der Evangelischlutherischen Kirche in Preußen über den Anschluss der badischen Lutheraner an die Evangelisch-lutherische Kirche in Preußen (1852)*1 Die Gemeinen des Pastor Eichhorn in Baden, sowie die im Herzogthum Nassau, können nicht mehr als auswärtige Lutherische Kirchen bezeichnet werden, da sie unserem Kirchenverbande sich angeschlossen haben, die ersteren von Anfang völlig, die letzteren mit Vorbehalt besonderer Einrichtungen für ihre Gemeineverfassung (nach Synodalbeschl. S. 190), worüber auch während dieser Synode das Nähere festgesetzt worden ist. Es möge aber hier der Beschluß der Synode erwähnt werden: einen Synodalbrief an die Brüder in Nassau und Baden zu richten, worin die aus Erfahrung gewonnene Stellung unserer Kirche zur Union zur Stärkung in ihrem Kampfe ihnen dargelegt werde.
52. Duldungsedikt für die Pastoration der badischen Lutheraner durch die Pfarrer Eichhorn und Ludwig (1856)*2 No 1417–18. Seine Königliche Hoheit der Großherzog haben das Ministerium des Innern auf seinen unterthänigsten Vortrag vom 16ten d. M. No. 1281, die Pastoration der ausgetretenen Lutheraner durch die vorigen Pfarrer Eichhorn und Ludwig betreffend, allergnädigst zu ermächtigen geruht, die vorigen Pfarrer Carl Eichhorn und Wilhelm Ludwig probeweise auf Wohlverhalten und vorbehaltlich jederzeitigen *1 Oberkirchenkollegium (Hg.), Beschlüsse der von der evangelisch-lutherischen Kirche in Preußen im September und October 1841 zu Breslau gehaltenen Generalsynode (und folgender Generalsynoden, gesammelt in 2 Bänden: 1841–1873 und 1878–1910), Leipzig 1842 und Breslau 1844ff., 248. *2 Generallandesarchiv Karlsruhe (GLA KA) 235/309; LKA KA, GA 4429.
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Die Evangelisch-lutherische Kirche in Baden
Widerrufs unter den seinerzeit für Pfarrer Rohde vorgezeichneten Beschränkungen zur Pastoration jener aus der Landeskirche ausgetretenen Lutheraner zuzulassen, welche nicht zu den Bezirken ihrer früheren Kirchengemeinde gehört haben. Beschlossen im Großherzoglichen Staatsministerium zu Karlsruhe, 21. November 1856. (gez.) von Stengel.
53. [49.] Der Bericht im Kirchenblatt über die Duldung der badischen Lutheraner (1856)* Im Laufe des Monats November kam uns auf mündlichem Wege die Nachricht zu, daß der Großherzog, Königliche Hoheit, die beiden Pfarrer Eichhorn und Ludwig anerkannt habe – jedoch immer noch unter Beschränkungen. Erst gegen Ende Dezember wurde dem Pfarrer Eichhorn von dem Oberamte Durlach und dem Pf. Ludwig von dem Stadtamte Freiburg eröffnet, daß Seine Königliche Hoheit der Großherzog allergnädigst geruhet haben, die beiden vormaligen Pfarrer C. Eichhorn und W. Ludwig zur Pastoration der aus der unirten Landeskirche ausgetretenen Lutheraner zuzulassen, jedoch nur probeweise, auf Widerruf, und unter den dem P. Rohde vorgezeichneten Beschränkungen. Diese landeskirchliche Bewilligung ist immerhin als ein bedeutender Schritt zum Kirchenfrieden zu betrachten, indem damit das Prinzip aufgegeben ist, welches Jahre lang und mit Beharrlichkeit fest gehalten worden war, daß Geistliche, welche aus der unirten Kirche des Landes aus- und zu der lutherischen Kirche übergetreten sind, nimmermehr anerkannt werden, das Prinzip ist verlassen, daß namentlich Pf. Eichhorn nicht bestätigt werden solle. Den Beschränkungen, welche den beiden Geistlichen mit ihrer Bestätigung zugleich auferlegt werden sollten, konnten diese freilich Gewissenshalber sich nicht unterwerfen. Diese Beschränkungen lauten nämlich wörtlich also: „Den ausgetretenen Lutheranern werden durch diese Bewilligung keine Körperschaftsrechte verliehen. Dieselben werden daher eben so wenig, als Gemeinden anerkannt, als ihrem Seelsorger ein öffentlicher Charakter zugestanden werden kann. Zu dem Gottesdienste darf kein größeres Lokale gewählt werden, als nach der Zahl der in einer Gemeinde vorhandenen Lutheraner erforderlich ist, es sei denn, daß nachgewiesen werde, daß und wie dafür gesorgt sei, den freien Zutritt nicht dazu gehöriger Personen abzuhalten. Der Gottesdienst darf nur je für die ausgetretenen Lutheraner einer Ortsgemeinde in dieser abgehalten werden, und es wird nicht gestattet, daß die Glaubensgenossen einer Ortsgemeinde zu dem Gottesdienste in eine andere Gemeinde sich *
Kirchenblatt für die evangelisch-lutherischen Gemeinden in Preußen, Jahrgang 1857, 33–35.
Duldung der badischen Lutheraner (1856)
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begeben. – Wo besondere Verhältnisse, z.B. die geringe Zahl, die Abhaltung eines gemeinschaftlichen Gottesdienstes erfordern, ist dem Ministerio des Innern Anzeige zu erstatten. Auch wo der Geistliche der ausgetretenen Lutheraner eine Taufe oder Beerdigung vornimmt, besorgt der Ortspfarrer gegen Zahlung der desfallsigen Gebühr die Verrichtungen, die ihm als Beamten des bürgerlichen Standes zukommen.“ (Nämlich die Einträge in die Kirchenbücher.) Diese Beschränkungen können zum Theile gar nicht mehr aufrecht erhalten werden. Denn die älteren Gemeinen durften sich schon seit geraumer Zeit Bezirksweise versammeln; dem Bezirke Söllingen war dies sogar vom Ministerio des Innern ausdrücklich gestattet worden. Auch hatte P. Rhode in der letzten Zeit seiner Amtsführung mehrere benachbarte Ortsgemeinden zu gemeinsamen Gottesdiensten vereinigt. – Auch war von einflußreicher Seite her die Versicherung ertheilt worden, daß man von strenger Aufrechthaltung dieser Beschränkungen Umgang nehmen werde. Aber damit konnten sich weder die Pastoren noch die Gemeinden begnügen, denn übelgesinnte Beamte und Bürgermeister oder auch unirte Pfarrer konnten und werden diese Beschränkungen in ihrer ganzen lästigen Gestalt und Ausdehnung festhalten, so lange dieselben schriftlich, die mildere Auslegung derselben aber nur mündlich gegeben sind. Deßhalb reichten die beiden Pastoren Eichhorn und Ludwig sogleich eine Erklärung bei dem Ministerio des Innern mit der Bitte um Vortrag bei dem Großherzoge ein, daß sie unter den mehrgedachten Beschränkungen ihr Amt oder die Pastoration nicht führen konnten, und daß sie daher zunächst um Bewilligung folgender Punkte bitten möchten: 1. Verleihung von Corporationsrechten, 2. Gestattung der Gottesdienst-Freiheit und unbedingten Versammlungsrechtes, 3. Aufhebung aller polizeilichen Beschränkungen, 4. völlige Anerkennung ihrer amtlichen Handlungen, 5. Wegfall aller Abgaben an unirte Geistliche. Wir leben der Hoffnung, daß uns die letzteren Punkte werden gewährt werden. Korporationsrechte scheint aber unsere Regierung uns noch nicht bewilligen zu wollen. Unterdessen werden unsere Gottesdienste an den meisten Orten ungestört und öffentlich gehalten.
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Die Evangelisch-lutherische Kirche in Baden
54. [50.] Aus der Denkschrift über die Stellung der lutherischen Kirche in Baden vom 23.7.1862* III.
Grundsätze und Vorschläge zur Lösung unserer Aufgabe
1. Wir haben uns als lutherische Kirche in Baden zu verfaßen (konstituieren). Was wir vor Gott nach dem Glauben, vor der Welt nach dem Bekenntniß stets haben sein wollen, haben wir uns auszusprechen, was wir durch Gottes Gnade wirklich waren und sind u|nd| wofür wir auch stets vom luth|erischen| Ausland angesehen wurden, – als solche Gemeinschaft haben wir uns zu erkennen zu geben u|nd| gemeinsam zu handeln. Darin haben wir schon eo ipso unsere Stellung gefunden zu der luth|erischen| Kirche aller Orten, sei sie Landesoder Freikirche. 2. Wir haben das Kirchenregiment nach besten Kräften selbst aufzurichten unter uns. Was Breslau 1841 für Preußen that, indem es eine Synode u|nd| Verwaltung schuf, das haben wir 1862 für Baden zu thun, da es leider nicht früher geschehen. Dies ist nicht ein eigenmächtiges Ansichreißen der Prärogative eines Anderen, sondern das bußfertige Nachholen einer versäumten Pflicht. Bei Zugrundelegung einer guten Kirchenordnung u|nd| Vermeidung gesetzlicher Einerleiheit wird ohnehin das Regiment nicht zuviel werden. 3. Wir haben die Erwerbung der Korporationsrechte für die luth|erische| Kirche in Baden zu betreiben, eventuell auf dem Wege der Vereinsrechte sicherzustellen, daß die einzelnen Glieder der einzelnen Gemeinden nur als Glieder der badisch-luth|erischen| Kirche, der Besitzstand der Gemeinden als Eigenthum der Kirche auftreten. Es ist die Hoffnung noch nicht aufzugeben, daß wir das Recht, das die Juden besitzen, erringen. 4. Wir haben das Verhältniß zu Breslau schiedlich friedlich zu lösen. Es ist natürlich, daß wir zu der luth|erischen| Kirche in Preußen u|nd| Nassau in näherer Beziehung bleiben, als zu den luth|erischen| Landeskirchen, weil unsre Geschäfte als einer Freikirche, sowie unsre Bedürfnisse u|nd| Aufgaben uns auf einander weisen. Es ist Pflicht, daß wir in Dankbarkeit eingedenk bleiben der brüderlichen Liebe, Unterweisung u|nd| Handreichung, die uns von dort geworden. Der gegenwärtige Lehrkampf bleibt bei unserer Lösung insofern außer Betracht, als die lutherische Kirche in Baden als solche erst dann sich damit zu befassen hat, wenn die Generalsynode in Breslau ihre Stimme darin abgibt. 5. Wir haben Haag von dem Gesichtspunkt aus zu bekämpfen, daß er die in Baden vorhandene luth|erische| Kirche nicht nur völlig ignorirt (persönlich u|nd| öffentlich), sondern geradezu zu zerstören sucht, um von vorn zu beginnen. Er gesteht selbst sein völliges novum, daß es das erste Mal in Deutschland ist, daß solches unternommen, auch daß er es ganz allein thut. Stundenhalter und Se*
Pfarrarchiv der ev.-luth. Kirchengemeinde Ispringen, 5 Seiten; hier: 4f.
Gründungsurkunde der Evangelisch-lutherischen Kirchengemeinde in Baden
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paratisten habens freilich längst ebenso gemacht, aber nicht Lutheraner oder gar luth|erische| Pfarrer. Lutherischer Glaube erzeugt Mitbekennen mit den Brüdern, Solidarität auf Kanzel u|nd| Altar, lutherische Liebe verpflichtet zu brüderlicher Handreichung, lutherische Nüchternheit zum Warten auf einen ordentlichen Beruf. // Der Entwurf einer Kirchenordnung, sowie einer Gottesdienstordnung, welche sich an die badische Tradition anlehnen, bleibt einer besonderen Ausarbeitung vorbehalten. Die Zeiten sind ernst u|nd| die Zeit ist kurz. Gottes Gerichte heben am Hause Gottes an. Möchten wir die Zeit Seiner Heimsuchung erkennen u|nd| thun was zu unserm Frieden dient. Das walte Er durch Seinen Geist. Amen. Ispringen, d|en| 23. Juli 1862 M. Frommel
55. [51.] Gründungsurkunde der Evangelisch-lutherischen Kirchengemeinde in Baden vom 12.3.1865* Im Namen des Vaters, des Sohnes und des heiligen Geistes. Die evangelisch lutherische Gemeinde Ispringen erklärt hiermit, wie folgt: I. Wir bekennen uns zu der heiligen Schrift Alten u|nd| Neuen Testaments, als der einigen Richtschnur, darnach alle Lehre soll geurtheilt werden. Wir bekennen uns zu den drei allgemeinen Bekenntnissen der Christenheit u|nd| zu sämmtlichen Bekenntnissen der evangelisch lutherischen Kirche, insonderheit der ungeänderten Augsburgischen Confession und dem Kleinen Katechismus Luthers, weil dieselben mit Gottes Wort übereinstimmen. Wir bekennen die darin bekannte Wahrheit u|nd| verwerfen die darin verworfene Irrlehre. II. Wir halten uns an die Kirchenordnung der evangelisch lutherischen Kirche in Baden, soweit nicht deren Abänderung durch neu eingetretene Verhältnisse bedingt ist. Uebrigens bekennen wir mit dem VII. Artikel der Augsb|urgischen| Confession: „daß genug ist zu wahrer Einigkeit der christlichen Kirchen, daß einträchtiglich nach reinem Verstand das Evangelium gepredigt u|nd| die Sakramente dem göttlichen Wort gemäß gereicht werden. Und ist nicht noth zu wahrer Einigkeit der christlichen Kirchen, daß allenthalben gleichförmige Ceremonien, von Menschen eingesetzt, gehalten werden.“ III. Als evangelisch lutherische Kirche und Kirchengemeinde in Baden war unser Verhältniß zur Synode Breslau nur zeitweiliger Nothbehelf, auch dortselbst nur als ein Provisorium angesehen, // dessen Endschaft wir als konstituierte evangelisch lutherische Kirchengemeinde in Baden wir hiermit erkennen. Zu *
Pfarrarchiv der ev.-luth. Kirchengemeinde Ispringen, 4 Seiten.
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Die Evangelisch-lutherische Kirche in Baden
dieser Erklärung fühlen wir uns aber noch besonders aufgefordert durch die jüngsten Ereignisse innerhalb jener Synode. IV. Von der „evangelisch protestantischen“ Landeskirche in Baden sind wir getrennt, weil sie in ihrer Unionsurkunde § 1 erklärt, daß „in derselben jetzt und in Zukunft keine Spaltung in unirte und nicht unirte Kirchen stattfinden kann u|nd| darf, sondern die evangelische Kirche des Landes nur Ein wohl und innig vereintes Ganzes darstellt.“ Dadurch sind wir gezwungen, neben der unirten Landeskirche als evangelisch lutherische Kirche in Baden zu bestehen, weil uns innerhalb der Landeskirche das Recht der Existenz als evangelisch lutherische Kirchengemeinde genommen ist. Nur hiedurch ist unsere Sonderstellung begründet, weil unser gottgegebener Beruf ist, die reine Lehre durch evangelisch lutherisches Bekenntniß zu erhalten. V. Auch unserer hohen Landesobrigkeit gegenüber glauben wir schuldig zu sein zu erklären, daß wir nur begehren, uns als Bürger des Landes in unserem evangelisch lutherischen Glauben gemeinsam u|nd| öffentlich zu erbauen u|nd| hierzu erwarten wir ihren gottbefohlenen Schutz, welcher seit dem westphälischen Frieden der lutherischen Kirche öffentlich verbrieft ist. VI. Schließlich bezeugen wir auch unsern Volksgenossen daß wir nichts anderes sind und sein wollen als evangelisch lutherische Christen, Glieder der alten // lutherischen Kirche unseres Vaterlandes, wie sie drei Jahrhunderte hier geblüht hat. Mögen sie uns auch anerkennen als Kinder unsrer Väter, als Brüder ihres Stammes, die mit dem selben Bekenntniß der ewigen einigen Wahrheit das eigne u|nd| der Brüder Bestes suchen. Unsre Hilfe steht im Namen des Herrn, der Himmel und Erde gemacht hat. Wer auf Ihn hofft, der wird nicht zu Schanden. Ispringen bei Pforzheim, d|en| 12. März 1865 Der Kirchenvorstand der evangelisch lutherischen Gemeinde Max Frommel, Pfarrer und sechs Unterschriften Die stimmfähigen Glieder der Gemeinde: 52 Unterschriften
56. [52.] Lossagung Max Frommels vom Kirchenregiment des Oberkirchenkollegiums vom 14.3.1865* Hochwürdiges Oberkirchenkollegium der ev|angelisch| luth|erischen| Kirche in Preussen. Anbei übersendet der Unterzeichnete in beglaubigter Abschrift die Erklärung, womit die hiesige Gemeinde am 12. d. M. in öffentlicher Gemeindeversammlung einstimmig sich als evang|elisch| lutherische Kirchengemeinde in Baden konstituiert hat. Der Gedanke, der mir seit meinem Eintritt in die badische Kirche vom Jahr *
Pfarrarchiv der ev.-luth. Kirchengemeinde Ispringen, 2 Seiten.
Amtsentsetzung Max Frommels durch das Oberkirchenkollegium
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1858 vorgeschwebt, also bereits vor Ausbruch des Kirchenstreits u|nd| welcher sich in einem Ewr. Hochwürden vorgelegten (an Rand hinzugefügt: aber von demselben leider abgewiesenen) Entwurf vom Jahr 1859 (gestr.: bereits) in seinen praktischen Grundlinien ausgesprochen findet, ist hier zu seiner Gestaltung gekommen. Nicht die Auflösung eines früheren Verhältnisses steht uns hiebei im Vordergrunde, sondern die wahrhafte Erfüllung (gestr.: dieses) des uns von Gott gegebenen Berufs in unserem Vaterlande. Daß aber (gestr.: hiezu) die jüngsten Ereignisse innerhalb Ihrer Synode wesentlich beigetragen haben, uns diese Pflicht zu einer unabweislichen zu machen, ist in der Erklärung selbst angedeutet. Wie ich als Glied der Synode Breslau nach meinem Beruf wider die von mir für falsch erkannte Lehre offen gezeugt habe, (gestr.: bei aller persönlichen Hochachtung) so konnte ich auch hier nicht umhin zu sagen, wie tief ich den von seiten des O|ber|K|irchen|Collegiums geschehenen Rechtsbruch in formeller Beziehung u|nd| die von seiten des Regiments verkündigte amtliche Geltendmachung falscher Lehre in materieller Beziehung beklage. Es ist uns um so schmerzlicher, als (gestr.: dadurch) in der Öffentl|ichen| Erkl|ärung| eine Scheidewand durch Ewr. Hochwürden aufgerichtet ist, welche (am Rand hinzugefügt: wenn auch nicht von der Synode, so doch deren oberste Behörde) Sie von uns und von allen andern luth|erischen| Kirchen trennt. Gott gebe, daß sie wieder fallen möge und die lutherischen Christen u|nd| Gemeinden, wenn auch zerstreut in den Ländern, doch eins im Geiste in brüderlicher Liebe mit einander wider den gemeinsamen Feind kämpfen, mit einander leiden u|nd| mit einander sich freuen mögen. // Anbei sende ich Ihnen die übrigen 6 nicht verkauften Exemplare der Öffentl|ichen| Erklärung zurück, indem ich für die 14 verkauften den Betrag von 2 M 5 Pf. beilege. Endlich sende ich die 10 Ex|em|p|lare| der Synodalpredigt von Sup|erintendent| Feldner hiermit zurück. Mit Ehrerbietung Ispringen b|ei| Pforzheim d|en| 14. März 1865 Max Frommel ev|angelisch| luth|erischer| Pf|arrer|
57. [53.] Amtsentsetzung Max Frommels durch das Oberkirchenkollegium vom 11.4.1865 * I. N. J. Der Pastor Max Frommel zu Ispringen hat in Verbindung mit den Vorstehern und
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Kirchenblatt für die evangelisch-lutherischen Gemeinden in Preußen, Jahrgang 1865, 108–110.
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stimmfähigen Gliedern der evangel.-lutherischen Gemeinde Ispringen mittels notariell beglaubigter Erklärung vom 12. März e. die bestehende Kirchenordnung thatsächlich abgeschafft, eine neue an deren Stelle gesetzt und überhaupt den bisherigen Zusammenschluß dieser Gemeinde mit der ev.-lutherischen Kirche in Preußen indem derselbe ein zeitweiliger Nothbehelf gewesen und auch von uns selbst nur als ein Provisorium angesehen worden sei,
völlig aufgehoben. Da aber die über den Anschluß der Gemeinden der Parochie Ispringen an die ev.-lutherische Kirche in Preußen aufgenommene Verhandlung vom 2. April 1858 des angeblich provisorischen Charakters dieses Anschlusses mit keiner Sylbe erwähnt, vielmehr wörtlich folgendermaßen lautet: „Wir unterzeichnete Vorsteher und Glieder der lutherischen Gemeinden Eisingen mit Göbrichen und Düren, Ispringen, Pforzheim mit Büchenbronn und Dietlingen, Ellmendingen mit Weiler bitten hiermit ein Hochwürdiges Ober-Kirchen-Collegium um Anerkennung und Aufnahme in den Verband der ev.-luth. Kirche Preußens. Wir erklären, daß wir uns zu den symbolischen Schriften der ev.-lutherischen Kirche Preußens bekennen, nämlich den drei oecumenischen Symbolen, der unveränderten Augsb. Confession, deren Apologie, den Schmalkald. Artikeln, dem großen und kleinen Katechismus Dr. Martin Luthers und der Concordienformel. Wir versprechen, daß wir die allgemeine kirchliche Ordnung nach den Synodalbeschlüssen der ev.-luth. Kirche Preußens, sofern sie nicht gegen Gottes Wort sind, beobachten und halten wollen,“
so hat das Ober-Kirchen-Collegium der ev.-lutherischen Kirche in Preußen in Folge dieses eklatanten Bruchs der Bedingungen, unter welchen die erbetene Aufnahme in unsern Kirchenverband gewährt worden ist, und auf Grund der von der letzten Synode über das gegen Kirchendiener, welche in offenbaren Separatismus verfallen, anzuwendende Disciplinarverfahren, so wie über unser Verhältniß zu den Secedirten gefaßten und bereits publicirten Beschlüsse (vgl. Oeffentl. Erkl. S.6–8 und S.8) in seiner heutigen Sitzung 1. für Recht erkannt, daß der Pastor Max Frommel zu Ispringen sich dadurch, daß er sich von der bestehenden Kirchenordnung und unserer Jurisdiction entbunden und überhaupt die bisherige Verbindung mit unserer Kirche abgebrochen hat, ohne sein Amt niederzulegen, die amtlichen Rechte, die er bisher innerhalb unserer Kirche genossen, selbst abgesprochen und damit verloren habe; 2. beschlossen, dies, sowie den gleichzeitigen Abfall der Glieder der Gemeinde Ispringen und die damit eingetretene Nothwendigkeit, den über unser Verhältniß zu den Secedirten gefaßten Synodalbeschluß auf dieselben anzuwenden, durch das Kirchenblatt zur öffentlichen Kenntniß zu bringen,
welches letztere hiermit geschieht. Breslau, den 11. April 1865. Das Ober-Kirchen-Collegium der evang.-lutherischen Kirche in Preußen.
Kirchenordnung der vereinigten evangelisch-lutherischen Gemeinden
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E. Huschke.
58. [54. erweitert] Aus der Kirchenordnung der vereinigten evangelisch-lutherischen Gemeinden im Großherzogtum Baden (1871)* „Lasset Alles ehrlich und ordentlich zugehen.“ 1 Cor. 14, 40.
§ 1. Die vereinigten evangelisch-lutherischen Gemeinden bekennen sich zu der heiligen Schrift alten und neuen Testamentes als der einigen Richtschnur, darnach alle Lehre geurtheilt werden soll, und eignen sich die drei allgemeinen Bekenntnisse der Christenheit, nämlich das apostolische, nicänische und athanasianische, und die besonderen Bekenntnisse der lutherischen Kirche, nämlich die ungeänderte Augsburgische Confession und deren Apologie, die Schmalkaldischen Artikel, Luthers großen und kleinen Katechismus und die Concordienformel, als diejenigen Bekenntnisse an, in welchen die reine Schriftlehre sich ausdrückt. § 2. Durch dies ihr Bekenntniß wissen sie sich in Kirchengemeinschaft mit allen Gemeinden evangelisch-lutherischen Bekenntnisses in der Christenheit, insbesondere mit denen im deutschen Vaterlande. Innerhalb der „evangelisch-protestantischen Landeskirche“ des Großherzogthums Baden aber können sie als evangelischlutherische Gemeinden nicht bestehen, weil diese Kirche in § 1 ihres Unionsstatutes erklärt, daß in ihr „jetzt und in Zukunft keine Spaltung in unirte und nichtunirte Kirchen stattfinden kann und darf, sondern die evangelische Landeskirche nur Ein wohl und innig vereinigtes Ganzes darstellt.“ Die evangelisch-lutherischen Gemeinden sind hierdurch gezwungen, neben der unirten Landeskirche und von ihr gesondert zu leben. § 3. Sie halten sich and die alten kirchlichen Ordnungen der evangelisch-lutherischen Kirche, wie sie in Baden vor der Union drei Jahrhunderte lang bestanden, und stellen in Folgendem die Abänderungen fest, welche durch den Wegfall des landesherrlichen Kirchenregiments für sie nothwendig geworden sind. *
Kirchen-Ordnung der vereinigten evangelisch-lutherischen Gemeinden im Großherzogthum Baden, Pforzheim 1871, 3f., 5, 6f., 8–11.
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Gemeinde-Ordnung. § 4. Jedes Gemeindeglied erkennt an, daß Wort und Sacrament die Mittel sind, durch welche Gott uns zu unserer Seelen Seligkeit den Glauben schenkt und fest macht; daß daher jeder Christ die Pflicht hat, nicht nur sie fleißig zu suchen, sondern auch an seinem Theile dazu zu thun, sowohl daß rechte Sakraments-Verwaltung, als auch daß diejenige ehrliche Ordnung in der Gemeinde bestehe, die den Christen geboten ist (1 Cor. 14, 40), und ohne deren Erhaltung Wort und Sakrament in ihrem vollgesegneten Wirken beeinträchtigt werden. Demgemäß verspricht jedes Gemeindeglied: 1. Alle Erweisungen des heil. Predigtamtes, auch persönliche Vermahnungen mit Willigkeit anzunehmen, die Kinder zum Religionsunterricht und zur Christenlehre regelmäßig anzuhalten, und sich zum heil. Abendmahl und wo es sonst bei Amtshandlungen erforderlich ist – Krankheitsfälle ausgenommen – persönlich dem Pfarrer zu melden. 2. Zu Erhaltung des Predigtamtes und des Gottesdienstes nach seinen Kräften beizutragen, und den Ordnungen, welche in dieser Kirchen-Ordnung gemeinschaftlich festgestellt sind, sowie den künftig durch die Gemeinde festzustellenden kirchlichen Ordnungen, wenn sie Gottes Wort nicht zuwider sind, sich in Liebe zu unterwerfen. § 13. Ebenso werden von beiderlei Verlust [Anspruch auf Gemeindemitgliedschaft und Besitz, FMB] die freiwillig aus dem Gemeinde-Verbande tretenden und diejenigen Gemeindeglieder betroffen, welche – ohne ihre Verbindung mit der Gemeinde festzuhalten – wegziehen. Als freiwillig Austretende werden auch Solche angesehen, die es versuchen sollten, mit Stimmenmehrheit eine Auflösung der Gemeinde zu beschließen. Sollte, was Gott in Gnaden verhüten wolle, eine Trennung in der Gemeinde um der Lehre willen entstehen, so verbleibt das Kirchenvermögen denjenigen Gemeindegliedern, welche bei dem Bekenntnis der unveränderten Augsburgischen Konfession beharren, und demgemäß die Prediger der Gemeinde auf die sämmtlichen Symbole der ev.-lutherischen Kirche (§ 1.) verpflichtet und nach denselben beurteilt wissen wollen.
Kirchenordnung der vereinigten evangelisch-lutherischen Gemeinden
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Das Pfarramt. § 16. Die Pflichten des Pfarramtes sind, daß er Gottes Wort lauter und rein nach den Bekenntnissen der evangelisch-lutherischen Kirche (§ 1.) predige, die heiligen Sakramente nach der Einsetzung des Herrn verwalte, die Unbußfertigen strafe, die Katechumenen unterrichte, die Kranken und Sterbenden besuche, und überhaupt nach Kräften alles das thue, was einem rechtschaffenen Diener des göttlichen Wortes zusteht. Er ist Glied der Kirchenconferenz (§ 30 ff.), und hat in derselben das Lehramt zu vertreten. § 17. Seine Wahl und Berufung geschieht – unter Leitung eines von der Conferenz dazu beauftragten anderen Geistlichen – durch die Versammlung der stimmfähigen Gemeindeglieder (§ 8) der von ihm zu versehenden Gemeinde oder Gemeinden mit absoluter Stimmenmehrheit. Zum Pfarrer kann nur ein solcher gewählt und berufen werden, der sich zu dem Bekenntniß der evangelisch-lutherischen Kirche bekennt (§ 1.). Erzielt eine erste Wahlbestimmung nicht absolute Stimmenmehrheit, so wird eine zweite Versammlung gehalten, und findet die schließliche Wahl in dieser statt. Der Gewählte wird in seiner Vocation auf die lutherischen Bekenntnißschriften verpflichtet, und muß vor seiner Einführung ins Amt schriftlich versprechen, daß er die Kirchenordnung halten will. Das Vorsteheramt. § 21. Die Kirchenvorsteher jeder Gemeinde (§ 7.) werden von derselben auf Lebenszeit gewählt. Ihre Zahl richtet sich nach der Größe der Gemeinde, und wird auf der Kirchenconferenz vereinbart. § 22. Die Vorsteher führen ihr Amt unentgeltlich. Ihre Berufspflichten sind: 1. Den Pfarrer zu unterstützen in Aufrechthaltung und Förderung christlicher Zucht und Sitte und einer löblichen Ordnung in der Gemeinde, sowie in Pflege der Armen und Kranken, wo dieselbe von Gemeindewegen nöthig ist. 2. In Gemeinschaft mit dem Pfarrer die Aufgaben des Kirchenvorstandes (§ 26 ff.) zu erfüllen und die Gemeinde nach Außen zu vertreten.
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3. Gegen den Pfarrer, wenn er in Lehre oder Wandel Anstoß gibt, auf geordnetem Wege Klage zu führen; bei Erledigung des Pfarramts aber dafür zu sorgen, daß es durch einen bekenntnißtreuen Pfarrer wieder besetzt wird. Der Kirchenvorstand. § 26. Der aus Pfarrer und Kirchenvorstehern bestehende Kirchenvorstand (§ 7.) besorgt die Aufrechterhaltung der Ordnung in der Gemeinde, namentlich im Gemeindehaushalt und vertritt die Gemeinde nach Außen. § 27. Es kommt in ihm zur Sprache: 1. Was auf dem Gebiete der christlichen Zucht und Ordnung zur Förderung des Gemeindelebens, nach Ermessen des Pfarrers oder eines Vorstehers, geschehen könnte oder sollte. 2. was von Vorschlägen an die Gemeindeversammlung, 3. oder von Anträgen an die Kirchenconferenz gebracht werden soll. § 28. Er hat das Kirchenvermögen der Gemeinde als ihm anvertrautes Gut in deren Namen zu verwalten und ist zu allen Handlungen, die zu dieser Verwaltung gehören, von der Gemeinde bevollmächtigt, verfährt jedoch hierbei nicht nach Gutdünken, sondern muß sich in wichtigeren Angelegenheiten (§ 29.) nach desfallsigen Gemeindebeschlüssen (§ 9.) richten. Wo er lediglich derartige Beschlüsse ausführt, hat die Gemeinde dafür aufzukommen, und seine Glieder, wenn es nöthig ist, schadlos zu halten. Wo er selbständig handelt, ist er für Erhaltung und Verwendung des Kirchenvermögens in seinen Gliedern persönlich verantwortlich. Jährlich hat er von seiner Verwaltung vor der Gemeinde und vor der Conferenz Rechenschaft abzulegen. § 29. Ausgaben die nicht über 25 fl. betragen und die laufenden Ausgaben bestreitet der Kirchenvorstand aus der Gemeindekasse selbständig. Hingegen darf er Ausgaben, welche 25 fl. übersteigen, Bestimmungen über Gehalte, größere Reparaturen, Ankäufe u. dgl. ohne Genehmigung der Gemeindeversammlung nicht beschließen. Bei Veräußerungen kirchlicher Vermögensstücke, bei Neubauten und Capitalaufnahmen muß dieser Genehmigung außerdem noch Einholung des Gutachtens der
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Kirchenconferenz oder wenigstens eines unbetheiligten Kirchenvorstandes vorhergehen. § 30. Die Versammlungen des Kirchenvorstandes werden vom Pfarrer berufen. Dieser leitet die Berathung, und legt deren Ergebniß, so oft es nöthig ist, zur Abstimmung vor. Bei Stimmengleichheit entscheidet seine Stimme. Bleibt die von dem Pfarrer vertretene Meinung in der Minderheit, so geht die Sache an die Gemeindeversammlung (§ 9.). Wird auch da keine Vereinigung erzielt, so ist sie der Conferenz vorzulegen. Die Kirchenconferenz. § 31. Die Kirchenvorstände sämmtlicher Eine Parochie bildenden Gemeinden treten, zwecks Ordnung ihrer gemeinsamen Angelegenheiten, zu einer Kirchenconferenz zusammen. § 32. Dieser Kirchenconferenz fallen, so lange die vereinigten ev. lutherischen Gemeinden nur Eine Parochie ausmachen, auch solche Aufgaben zu, welche unter anderen Umständen die Synode zu besorgen haben würde. Die Kirchenconferenz nimmt hierbei aber, soweit sie dessen bedarf, den brüderlichen Liebesdienst bekenntnißtreuer Lutheraner in andern deutschen Ländern in Anspruch. § 33. Für jetzt erstreckt sich ihre Wirksamkeit auf Folgendes: 1. Aufsicht über Lehre und Leben: sie ordnet Visitation in der Gemeinde an. 2. Mitwirkung bei Anstellung und Absetzung von Geistlichen, nach § 20, bei der Wahl und der Entlassung von Kirchenvorstehern, nach § 21, 24, 25. 3. Erledigung der innerhalb der Einzelgemeinde unerledigt gebliebenen Anstände und Klagen, nach § 10, 12, 29, 30. 4. Ordnung des gemeinsamen Parochialhaushaltes, insonderheit des Pfarrgehaltes. 5. Vermittelung solcher Maßregeln im kirchlichen Leben, bei denen alle vereinigten Gemeinden betheiligt sind. 6. Entscheidung über die Bildung neuer Gemeinden oder Parochien.
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§ 34. Die Abstimmung in der Conferenz geschieht nach absoluter Stimmenmehrheit. Nicht abgegebene Stimmen werden nicht gezählt. Bei Stimmengleichheit entscheidet die Stimme des Vorsitzenden. Hat eine Gemeinde ihren Kirchenvorstand nicht gesandt, so verzichtet sie damit auf ihr Stimmrecht für dieses Mal. § 35. Die Kosten der Conferenz und ihrer laufenden Geschäfte werden aus dem Ertrag des Synodalgroschens bestritten, den jedes communionfähige Gemeindeglied jährlich zu entrichten hat. § 36. Wo es ihr sachentsprechend scheint, kann die Conferenz ihren Beschluß bis zur nächsten Versammlung aussetzen und inzwischen über diesen Gegenstand das Gutachten eines oder mehrerer bekenntnißtreuer lutherischer Theologen oder Juristen, die an der Sache nicht betheiligt sind, einholen. § 37. So oft: 1. Reinheit der Lehre oder Absetzung eines Pfarrers oder die Klage einer Gemeinde wider die Conferenz selbst in Klage ist, oder 2. in Sachen, die das geistliche Gebiet betreffen, der Pfarrer als Vertreter des Lehrstandes bei einem Conferenzbeschluß sich nicht beruhigt, oder 3. die Conferenz es mit Stimmenmehrheit für rathsam erklärt, soll die Entscheidung einem aus bekenntnißtreuen auswärtigen Lutheranern gebildeten Schiedsgericht überlassen werden. § 38. In jedem Einzelfalle beschließt hierbei die Conferenz, aus wie vielen und ob bloß aus theologischen oder auch aus juristischen Mitgliedern dies Gericht bestehen soll. Hierauf wählt sie die Schiedsrichter, wobei jeder der streitenden Theile die Gewählten einmal ohne Gründe, nachher aus Gründen, über deren Triftigkeit die Conferenz entscheidet, verwerfen kann. Sind auf diese Weise die Mitglieder des Schiedsgerichts festgestellt und haben sie den Auftrag auf Bitte der Conferenz angenommen, so werden Einem von ihnen die sämmtlichen für die Entscheidung der Sache nothwendigen Schriftstücke, mit Einschluß alles dessen, was die Betheiligten zu diesem Zwecke einreichen, von der Conferenz übergeben. In welcher Art die Schiedsrichter zu gemeinsamen Schlusse
Mitteilung des Kirchensuperintendenten
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gelangen, bleibt ihnen überlassen. Ihrem Spruche haben die streitenden Theile sich zu unterwerfen und die Conferenz hat darnach zu verfahren.
59. [55.] Mitteilung des Kirchensuperintendenten der (alten) Selbständigen evangelisch-lutherischen Kirche zum badischen Synodalbeschluss vom 1.5.1965 * Wir haben die betrübliche Pflicht, unseren Lesern von einem Vorgang Kenntnis zu geben, der uns alle aufs schmerzlichste bewegen muß. Wir tun dies, indem wir den Bericht des Kirchensuperintendenten der Selbständigen Evang.-Luth. Kirche abdrucken, der in der letzten Nummer des Kirchenblattes „Unter dem Kreuz“ veröffentlicht worden ist. Der Bericht hat folgenden Wortlaut: „Am 18. Mai dieses Jahres hatte sich die Kirchenleitung (Superintendentenkollegium) auf einer Sitzung in Kassel mit einem Vorgang zu befassen, der für den Bestand unserer Kirche von einschneidender und schmerzlicher Bedeutung ist. Die Badische Diözese unserer Kirche hat auf ihrer Synode vom 1. Mai 1965 mit Zweidrittelmehrheit den Beschluß gefaßt, aus dem Verband unserer Kirche auszuscheiden. Sie hat ferner beschlossen, als nunmehr wieder für sich bestehende Evang.Luth. Kirche in Baden auf Grund eines Angebotes der Vereinigten Ev.-Luth. Kirche Deutschlands (VELKD) Verhandlungen mit dieser Kirche zu führen, um mit ihr in ein Vertragsverhältnis zu kommen. Die dadurch entstandene Situation ist noch nicht ganz zu übersehen. Wie im einzelnen das Verhältnis der Evang.-Luth. Kirche in Baden zur VELKD und damit zu den lutherischen Landeskirchen Deutschlands sich gestalten wird, bleibt abzuwarten. Ebenso ist das weitere Verhältnis unserer Kirche zu der Evang.-Luth. Kirche in Baden vorläufig noch nicht festgelegt. Darüber zu entscheiden, ist nach der Verfassung unserer Kirche Sache der Erweiterten Kirchenleitung, die Ende Juni zusammenkommen wird. Die Kirchenleitung sah sich auf ihrer Sitzung in Kassel aus verschiedenen Gründen nicht in der Lage, die Beschlüsse der Badischen Synode einfach hinzunehmen. Der entscheidende Grund sei genannt: Es wurde von der Ev.-Luth. Kirche in Baden keine kirchliche Begründung für diese Synodalbeschlüsse gegeben. Wenn die Heilige Schrift und das Bekenntnis der lutherischen Kirche das Richtmaß für alles kirchliche Handeln ist, ist die Evang.-Luth. Kirche in Baden gefragt, wie sie ihren Schritt der Annäherung an die VELKD von daher zu begründen gedenkt. Sie hat bisher mit allen lutherischen Freikirchen Deutschlands die EKD als ein Unionsgebilde, das mit der Heiligen Schrift und dem lutherischen Bekenntnis unvereinbar ist, verworfen. Sie hat demgemäß keine Kirchengemeinschaft mit den lutherischen Landeskirchen gehabt, weil sie sich diesem Unionsgebilde eingegliedert haben. Sie ist uns und den verbündeten lutherischen Freikirchen eine Erklärung darüber *
Kirchenblatt für evangelisch-lutherische Gemeinden 115 (1965), 131.
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Die Evangelisch-lutherische Kirche in Baden
schuldig, welches jetzt ihre kirchliche Stellung ist und wie sie sie begründet. Eine entsprechende Anfrage wurde von der Kirchenleitung an die Evang.-Luth. Kirche in Baden gerichtet. Die Antwort bleibt abzuwarten. Die Kirchenleitung hat zunächst folgenden Beschluß gefaßt: „Die Kirchenleitung sieht in den Gemeinden, die den Synodalbeschluß nicht annehmen, die legitime Fortsetzung der Badischen Diözese der Selbständigen EvangelischLutherischen Kirche. Infolgedessen wird die Kirchenleitung diesen Gemeinden in allen Fragen Hilfe und Rechtsschutz gewähren.“ Dabei handelt es sich zur Zeit um die Gemeinden Pforzheim und Ispringen. Ich möchte mich in meinem Bericht über die Sitzung der Kirchenleitung in Kassel auf die Darlegung dieser Vorgänge beschränken. Dies war der wichtigste Punkt in dieser Sitzung und zugleich der Punkt, der uns alle angeht und der uns alle ins Gebet treiben sollte. Die Vorgänge in Baden haben deutlich gemacht: Wir gehen unseren Weg als Angefochtene, die in ihrer Schwachheit ganz auf den Herrn der Kirche angewiesen sind, daß er ihnen Klarheit und Festigkeit schenkt. Herr, erbarm dich unser! Horst Brügmann, Kirchensuperintendent.“
60. Beitritt zum Lutherischen Weltbund* 30. September 1968 Lieber Bruder Daub! Es ist mir eine grosse Freude, Ihnen den Beschluss des Exekutiv-Komitees des Lutherischen Weltbundes mitzuteilen, den es auf seiner diesjährigen Sitzung in Genf über Ihren Mitgliedschaftsantrag wie folgt gefasst hat: Beschlossen: „Dass die Evangelisch-lutherische Kirche in Baden als Mitglied in den Lutherischen Weltbund aufgenommen werde.“ In diesem Zusammenhang möchte ich Sie auf Art. IV der LWB-Verfassung hinweisen, in dem es heisst, dass ein solcher Beschluss des Exekutiv-Komitees erst gültig ist, „wenn nicht binnen eines Jahres mehr als ein Drittel der Gliedkirchen Einwendungen erhebt“. Demnach tritt Ihre Mitgliedschaft offiziell erst am 27. August 1969 in Kraft. Im Namen des Exekutiv-Komitees und des LWB-Stabes möchte ich Ihnen und Ihrer Kirche zu diesem Schritt unsere Segenswünsche aussprechen. Es wird immer unser Anliegen sein, Ihnen und Ihrer Kirche zur Seite zu stehen und sie in unsere Fürbitte einzuschließen. Wir freuen uns aber auch über den Beitrag, den Ihre Kirche für die weltweite Lutherische Gemeinschaft leisten will. Möge Gott, unser Herr, Ihnen und den Gemeinden und Pfarrern der Evangelisch-lutherischen Kirche in Baden gnädig sein und Sie in Ihrem Amte leiten. *
Archiv der Ev.-Luth. Erlöserkirchengemeinde Freiburg.
Entschließung zur Leuenberger Konkordie
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Mit brüderlichen Grüßen (gez.) André Appel
61. Entschließung zur Leuenberger Konkordie* Wir verstehen unsere Evangelisch-Lutherische Kirche in Baden als eine Kirche, die sich in der Verkündigung und in der Verwaltung der Sakramente wie im gesamten Handeln der Kirche an die Heilige Schrift Alten und Neuen Testaments gemäß dem Bekenntnis der evangelisch-lutherischen Kirche gebunden weiß. Wir nehmen damit die Entscheidung der Väter unserer badischen Kirche auf, die sich durch ihr Ja zum lutherischen Bekenntnis zugleich geschieden wussten von Lehrvermischung und Bekenntniserweichung. Obwohl in einer vierhundertjährigen Geschichte die Kirchen der Reformation zu neuen, einander ähnlichen Formen des Denkens und Handelns geführt wurden, sehen wir uns angesichts wesentlicher Unterschiede in der Art des theologischen Denkens und des kirchlichen Handelns um unseres Glaubens willen nicht ermächtigt, der Leuenberger Konkordie zuzustimmen. Uns erscheint nach wie vor ungeklärt, wie sich die Zustimmung zur Konkordie verhält zur fortdauernden Geltung der Bekenntnisse. Wir befürchten, dass die Zustimmung zur Konkordie einer weitergehenden Relativierung der im Bekenntnis ausgesprochenen Wahrheit Vorschub leistet, und bedauern deshalb, dass die mit uns im Lutherischen Weltbund verbundenen Gliedkirchen der VELKD der Leuenberger Konkordie zugestimmt haben. Durch unsere Bindung an die Heilige Schrift Alten und Neuen Testaments als der einzigen Richtschnur, nach der alle Lehre geurteilt werden soll, und in der Überzeugung, dass in den ungeänderten Bekenntnissen der evangelischlutherischen Kirche die reine Lehre der christlichen Kirche zum Ausdruck kommt, stehen wir in Kirchengemeinschaft mit allen Kirchen und Gemeinden, die sich in gleicher Weise an der Heiligen Schrift und das lutherische Bekenntnis binden. Wir können aber nicht umhin, Kanzel- und Abendmahlsgemeinschaft dort zu versagen, wo Lehre und Praxis in offenkundigem Widerspruch zum Evangelium stehen. Wir verkennen nicht das ernsthafte Bemühen, die Trennungen der Reformationszeit zu überwinden und zugleich das ererbte Glaubensgut in Treue zu bewahren. Mit den umgebenden Kirchen suchen wir daher weiterhin das theologische Gespräch und die praktische Zusammenarbeit. (Mit großer Mehrheit verabschiedet durch die Synode am 13. Sept. 1975)
*
Ordnungen der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Baden, hg. i. A. des Synodalausschusses, Pforzheim 22001, 29.
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Die Evangelisch-lutherische Kirche in Baden
62. Protest zu den Beschlüssen von Curitiba*1 2. Februar 1991 Sehr geehrter Herr Generalsekretär, hiermit lege ich im Namen der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Baden Einspruch ein gegen Änderungen – in – Abschnitt III (3) Wesen – Abschnitt VIII (29ff) Rat und werden folgendermaßen begründet: 1. Die Evangelisch-Lutherische Kirche in Baden hat nach Budapest dagegen Einspruch eingelegt, daß die Entscheidung über Kanzel- und Abendmahlsgemeinschaft nicht mehr Sache der Mitgliedskirchen bleibt, sondern durch die Verfassung festgelegt ist. Die zuständigen Gremien unserer Kirche haben sich nicht davon abbringen lassen, den alten Wortlaut für zutreffend und angemessen zu halten: „Er (der Weltbund) übt nicht aus eigenem Recht kirchliche Aufgaben aus. Ebensowenig ist er befugt, für die ihm angehörenden Kirchen Gesetze zu erlassen oder sonst die Selbständigkeit irgendeiner Mitgliedskirche zu beschränken.“ 2. Die Erweiterung des Exekutivkomitees zu einem Rat und der Wegfall der bisherigen Kommissionen wurde den Mitgliedskirchen als Weg zu verstärkter Partizipation und zur Kostendämpfung dargestellt. Daß diese Veränderungen in der Struktur der richtige Weg zu den angestrebten Zielen sei, hat sich in unsere Kirche hinein nicht vermitteln lassen. Wir lehnen sie deshalb ab. Indem ich Ihnen und unserem Weltbund in diesen kritischen Wochen Gottes besonderen Beistand erbitte, bin ich mit freundlichen Grüßen Ihr ergebener Gottfried Daub
63. Beschluss der Synode vom 27.8.1994 zur Frage der Ordination von Frauen zum Pfarramt*2 Die Synode sieht in der Frage der Ordination von Frauen einen Fall des § 47 der Kirchenordnung, denn für diesen Fall ist in der Kirchenordnung keine Entschei1 dung getroffen.
*1 Archiv der Ev.-Luth. Erlöserkirchengemeinde Freiburg. *2 Ordnungen der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Baden, hg. i. A. des Synodalausschusses, Pforzheim 22001, 30. 1 Bei dem Verweis auf § 47 KO handelt es sich vermutlich um einen Schreibfehler. Gemeint ist vermutlich § 45 Auslegungsbestimmungen, in der aktuellen Fassung VIII. Auslegungsbestimmungen (s. u. Dok. 68).
Reaktionen der SELK: Beschluss der 9. Kirchensynode
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Nach intensiver Beratung fällt die Synode daher mit zwei Drittel Mehrheit die folgende Entscheidung: 1. Frauen können das von Christus gestiftete Amt ebenso ausüben wie Männer. 2. Die Evangelisch-Lutherische Kirche in Baden ordiniert zu diesem Dienst berufene und dazu ausgebildete Frauen entsprechend den gültigen Ordinationsordnungen. 3. Ordinierte Frauen, die von den einzelnen Gemeinden in den Dienst berufen werden, tragen die Bezeichnung „Pfarrerin“. 4. Die Gestaltung ihres Dienstes ist Sache der berufenden Gemeinden im Einvernehmen mit dem Synodalausschuss.
64. Reaktionen der SELK: Beschluss der 9. Kirchensynode* Beschluss der 9. Kirchensynode der SELK, 8. bis 13. Juni 1999 in Farven Antrag 450 – Antrag des 8. Allgemeinen Pfarrkonvents Die 9. Kirchensynode hat den folgenden Antrag des 8. Allgemeinen Pfarrkonvents am 12. Juni 1999 mit 76 Ja-Stimmen ohne Gegenstimme bei vier Enthaltungen angenommen: Antrag an die 9. Kirchensynode Der 8. Allgemeine Pfarrkonvent der Selbständigen Evangelisch-Lutherischen Kirche (SELK) stellt folgenden Antrag und bittet, folgendes zur Kenntnis zu nehmen: A Der Allgemeine Pfarrkonvent der SELK schlägt der 9. Kirchensynode 1999 hinsichtlich der Kirchengemeinschaft mit der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Baden (ELKiB) zur Beschlußfassung vor: „Die 9. Kirchensynode 1999 bestätigt die Entscheidung von Kirchenleitung und Kollegium der Superintendenten zur Einschränkung der Kirchengemeinschaft mit der ELKiB vom 22.10.1994 [Anlage 1]: ‚Die Grundordnung der SELK Artikel 7,2 und der Synodalbeschluß der 2. Kirchensynode vom 17.6.1975 [Anlage 2] zum Dienst der Frau in der Gemeinde bindet die SELK im Blick auf die Ordination von Frauen zum Amt der Kirche. Das schränkt die noch bestehende Kirchengemeinschaft (zur Evangelisch-Lutherischen Kirche in Baden, ELKiB) in folgender Weise ein: 1. Für Pastoren der SELK ist im Rahmen der zwischen der ELKiB und der SELK bestehenden Kirchengemeinschaft ein Amtieren mit einer ordinierten Frau
*
Unterlagen für den 9. Allgemeinen Pfarrkonvent der SELK, Oberursel 18.–22.06.2001, 300, 1–2.
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Die Evangelisch-lutherische Kirche in Baden
nicht möglich. 2. Berufungen von Pastoren in die jeweils andere Kirche sollen derzeit nicht erfolgen. 3. Ein Praktizieren der noch bestehenden Kirchengemeinschaft kann während des Klärungsprozesses zwischen unseren Kirchen nicht eingefordert werden.’“ Begründung 1. Der Allgemeine Pfarrkonvent versteht diese Entscheidung als eine Reaktion auf den Dissens zwischen unseren Kirchen in der Frage der Ordination von Frauen zum Amt der Kirche, der durch den Beschluß der Synode der ELKiB vom 27.08.1994 aufgebrochen ist. [Anlage 3] 2. Der Allgemeine Pfarrkonvent sieht in dieser Entscheidung aber auch einen Versuch, an diesem Dissens die Gemeinschaft zwischen unseren Kirchen nicht endgültig zerbrechen zu lassen. 3. Allgemeine Pfarrkonvent gibt der Hoffnung Ausdruck, daß weiterhin Gespräche zwischen unseren Kirchen stattfinden, die den Dissens in der Frage der Ordination von Frauen zum Amt der Kirche ausräumen, um zur uneingeschränkten Kirchengemeinschaft zurückkehren zu können. B 1. Die 9. Kirchensynode 1999 nimmt weiterhin zur Kenntnis, daß der Allgemeine Pfarrkonvent das Kollegium der Superintendenten und die Kirchenleitung zu Gesprächen mit der ELKiB beauftragt hat. Gegenstand dieser Gespräche sollen unter anderem sein die Frage der Ordination von Frauen, die Frage der Praxis von Besuchen von „Abendmahlsfeiern der jeweils anderen Kirche“ (Gemeinsame Erklärung von ELKiB und Evangelischer Landeskirche in Baden vom 08.10.1996 [Anlage 4]) und die Problematik der Kirchengemeinschaft von ELKiB und VELKD. Ziel dieser Verhandlungen soll die Feststellung der uneingeschränkten Kirchengemeinschaft sein. 2. Sollten diese Verhandlungen bis zum nächsten Allgemeinen Pfarrkonvent der SELK (2001) nicht zu zufriedenstellenden Klärungen führen, wäre der Allgemeine Pfarrkonvent genötigt, die Kirchengemeinschaft zur Disposition zu stellen.
65. Reaktionen der SELK: Beschluss der 10. Kirchensynode* Antrag 450.01 – Antrag des Arbeitsausschuss 2 der 9. Allgemeinen Kirchensynode
*
10. Kirchensynode der SELK, Melsungen 17.–22.06.2003, 450, 8.
Gemeinsame Erklärung
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Die 9. Kirchensynode hat den folgenden Antrag des Arbeitsauschusses II der 9. Kirchensynode am 12. Juni 1999 „mit deutlicher Mehrheit angenommen bei einer Gegenstimme und vier Enthaltungen“ (Protokoll der 9. Kirchensynode, S. 24): Vorbehaltlich der Annahme von Antrag 450 empfiehlt die Kirchensynode bei positivem Abschluß der Gespräche mit der ELKiB eine vorzeitige Rücknahme der im Antrag 450 genannten Einschränkungen der Kirchengemeinschaft durch das Kollegium der Superintendenten und die Kirchenleitung, die dann vom 9. Allgemeinen Pfarrkonvent und der 10. Kirchensynode beschlossen werden kann.
66. Gemeinsame Erklärung der Evangelisch-lutherischen Kirche in Baden und der Evangelischen Landeskirche in Baden von 1996* Gemeinsame Erklärung der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Baden und der Evangelischen Landeskirche in Baden aus Anlaß des 175jährigen Unionsjubiläums I. Das 175jährige Jubiläum der Union der Evangelischen Landeskirche in Baden war Anlaß für Gespräche zwischen der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Baden und der Evangelischen Landeskirche in Baden. Diese hatten das Ziel, die bisher schon bestehenden Beziehungen und Verbindungen zu festigen und zu vertiefen. Dabei sollten auch die Vorgänge, die zur Trennung beider Kirchen geführt haben, in den Blick genommen und bedacht werden. Die Gespräche haben ergeben, daß die genauere historische Erhellung der im 19. Jahrhundert erfolgten Trennung beider Kirchen und deren theologische Bewertung wissenschaftlicher Bearbeitung bedürfen. Darum wurde vereinbart, daß die Theologische Fakultät der Universität Heidelberg dazu um ein Gutachten gebeten wird unter Beteiligung der Lutherischen Theologischen Hochschule Oberursel. Grundsätzlich wird festgestellt: Mit Bedauern sieht die Landeskirche heute, wie die lutherische Minderheit, die sich aus Gründen ihrer Bindung an die Heilige Schrift und das Bekenntnis seinerzeit von der Landeskirche getrennt hat, durch staatliche Zwangsmaßnahmen bedrängt und ihr Duldung und Anerkennung zunächst versagt wurde. Umgekehrt sieht die Evangelisch-Lutherische Kirche in Baden mit Bedauern, daß die von der Landeskirche Getrennten die in der Bindung an die Heilige Schrift gründenden Motive der Väter der Union damals nicht wahrgenommen und die unierte Landeskirche vergröbernd und auch aus der Perspektive ihrer Überzeugungen nicht immer sachgerecht dargestellt haben. *
Unterlagen für den 9. Allgemeinen Pfarrkonvent der SELK, Oberursel 18.–22.06.2001, 300, 4–6.
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Die Evangelisch-lutherische Kirche in Baden
II. Trotz der Trennung im vorigen Jahrhundert haben gemeinsame geistliche Erfahrungen in den Nöten und Herausforderungen dieses Jahrhunderts ein neues Verstehen und vielfältige Beziehungen wachsen lassen. Diese Beziehungen gründen im reformatorischen Bekenntnis der Rechtfertigung des Sünders allein aus dem Glauben an Jesus Christus, den gekreuzigten und auferstandenen Herrn. Die Zusammenarbeit zeigt sich besonders innerhalb der Arbeitsgemeinschaft Christlicher Kirchen (ACK) in Baden-Württemberg, zu deren Gründungsmitgliedern beide Kirchen gehören. Noch offenkundiger ist die Zusammenarbeit in den örtlichen Arbeitsgemeinschaften christlicher Gemeinden in Baden. Gemeindeglieder beider Kirchen besuchen die Gottesdienste und Abendmahlsfeiern der jeweils anderen Kirche. Das Bedürfnis zu einer engeren Zusammenarbeit zwischen den Gemeinden beider Kirchen ist im allgemeinen vorhanden. In der Zusammenarbeit hat sich bewährt: – daß sie einander wahrnehmen und einander unabhängig von den Größenverhältnissen gelten lassen; – daß sie einander informieren und bei Planungen angemessen berücksichtigen; – daß sie einander zu besonderen Anlässen einladen und auf unterschiedliche Weise Beteiligung und gegebenenfalls Mitwirkung ermöglichen. Auf folgenden Gebieten soll die bisherige Zusammenarbeit ausgebaut werden: – An der Erteilung des Religionsunterrichts an den öffentlichen Schulen, der für Schüler und Schülerinnen beider Kirchen gemeinsam gegeben wird, sollen sich nach Möglichkeit Pfarrer/Lehrkräfte aus der Evangelisch-Lutherischen Kirche beteiligen. – Seelsorge in Krankenhäusern und Einrichtungen der Altenpflege kann abgesprochen und aufgeteilt werden. – Gegenseitige Vertretung bei Amtshandlungen (z.B. Beerdigungen) soll nach Absprache der beteiligten Pfarrämter möglich sein, insbesondere bei Familien mit Mitgliedern aus beiden Kirchen. – Im Sinne der Vereinbarung zwischen der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Baden und der Evangelischen Landeskirche in Baden über die kirchliche Mitgliedschaft und die Kirchensteuerpflicht vom 20.4.1993, insbesondere § 1, Abs. 2, sollen Zugezogene auf am Ort bestehende Gemeinden hingewiesen werden. IV. Für die Zulassung zum Abendmahl gilt: Die Evangelische Landeskirche in Baden hat 1974 „eucharistische Gastbereitschaft“ erklärt. Nach dem Verständnis der Landeskirche gilt: „Mit Brot und Wein empfangen wir den Leib und das Blut Christi zur Vereinigung mit ihm, unserem
„Gemeinsame Erklärung zur Rechtfertigungslehre“
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Herrn und Heiland, nach 1. Kor 10,16: ‚Das Brot, das wir brechen, ist die Gemeinschaft usw.‘“. Mit diesem Verständnis legt die Evangelische Landeskirche in Baden Gliedern anderer Kirchen nichts in den Weg, wenn diese am Abendmahl teilnehmen wollen und sie die Teilnahme mit ihrem Gewissen vereinbaren können. Aufgrund ihrer Lebensordnung kann die Evangelisch-Lutherische Kirche in Baden „eucharistische Gastfreundschaft“ folgendermaßen erklären: „Jeder, der die Gaben des Abendmahls – Leib und Blut Jesu Christi unter Brot und Wein zur Vergebung der Sünden – begehrt, darf in den Gemeinden der EvangelischLutherischen Kirche in Baden zum Tisch des Herrn kommen.“ Wir wollen, wie es in der Ordnung der Arbeitsgemeinschaft Christlicher Kirchen in Baden-Württemberg (ACK-BW) heißt, unsere „Gemeinsamkeit im Glauben an den einen Herrn Jesus, der Haupt der Kirche und der Herr der Welt ist, in Zeugnis und Dienst gerecht werden – zur Ehre Gottes, des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes“. Karlsruhe, 8. Oktober 1996 Landesbischof Prof. Dr. K. Engelhardt Evangelische Landeskirche in Baden Superintendent Andreas Heinicke Evangelisch-Lutherische Kirche in Baden
67. Protest gegen die „Gemeinsame Erklärung zur Rechtfertigungslehre“* 1. Auf Grund der in der „Gemeinsamen Erklärung zur Rechtfertigungslehre“ dargestellten Übereinstimmungen in der Rechtfertigungslehre zwischen der röm.-kath. Kirche und den Lutherischen Kirchen im LWB stellen wir fest: Die „Gemeinsame Erklärung zur Rechtfertigungslehre“ ist ein unerwartet großer Schritt hin auf ein gemeinsames Verständnis der zentralen Lehre der Reformation, den wir mit Freude begrüßen. 2. Ein Konsens im Sinne von § 40 ist mit der „Gemeinsamen Erklärung“ aber noch nicht erreicht. Darum hoffen, wünschen und erbitten wir, daß sie wesentliche Grundlage für die ökumenische Entwicklung hin zu einer vertieften Kirchengemeinschaft sein möge. Erläuterungen zum Beschluß: A. Wir stellen mit Freude Übereinstimmung besonders in folgenden Punkten fest: *
Ev.-Luth. Kirche in Baden (Beschluß der Synode vom 21. März 1998 mit den Erläuterungen zum Beschluß), in: Die Gemeinsame Erklärung zur Rechtfertigungslehre. Dokumentation der Stellungnahmen aus den Mitgliedskirchen des Deutschen Nationalkomitees des Lutherischen Weltbundes (Texte aus der VELKD 81), Hannover 1998, 1–2.
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B.
Die Evangelisch-lutherische Kirche in Baden
1. Ausgangspunkt der Lehre von der Rechtfertigung ist die Heilige Schrift (Abschnitt 1, §§ 8–12; § 17). 2. Das Rechtfertigungsgeschehen wird als Werk des dreieinigen Gottes beschrieben (§ 15). 3. Rechtfertigung geschieht allein durch Christus (§ 16). 4. Rechtfertigung ist Geschenk des Hl. Geistes, der durch die Gnadenmittel wirkt (§ 12; § 16; § 25; § 28; § 34). 5. Der Sünder wird durch den Glauben an das Werk Christi gerecht (§ 15; § 16; § 22; § 25; § 28). 6. Die Rechtfertigung wird dem Sünder allein aus Gnade, ohne seinen Verdienst zugeeignet (§ 10; § 15; § 17; § 19; § 22; § 31). 7. Rechtfertigung ist Sündenvergebung (§§ 10–12; § 17; § 22). 8. „Wo Vergebung der Sünde ist, da ist Leben und Seligkeit“ (Kl. Katechismus, 5. Hauptstück, Zum Andern. GER § 16; § 17; § 22; § 8). 9. Der Gerechtfertigte bleibt täglich auf Vergebung angewiesen (§ 28). Wir erhoffen weitere Klärung in folgenden Punkten: 1. Wenn die in § 40 erwähnten noch verbleibenden Unterschiede als „offen aufeinander hin“ bezeichnet werden, so bedeutet dies für uns ein Feld künftiger weiterer Bemühungen um größere Übereinstimmung. 2. Die Lehre von der Rechtfertigung des Sünders allein aus Gnade, allein um Christi willen, allein aus Glauben ist für uns als lutherische Kirche das schlechthin entscheidende Kriterium aller christlichen Lehre und Praxis, dem andere Kriterien nicht gleichzuhalten sind. Dieser Bindung wird der § 18 nicht im notwendigen Maße gerecht. 3. Das in den §§ 28–30 formulierte Verständnis dessen, was für die jeweiligen Kirchen Sünde bedeutet, können wir nicht als Konsens ansehen. Eine qualitative Unterscheidung zwischen böser Neigung und willentlicher Trennung von Gott wird vom luth. Bekenntnis nicht geteilt (CA II). 4. Die theologische Methodik der Unterscheidung von Gesetz und Evangelium zur Sicherung der Rechtfertigungslehre, wie sie in § 32 richtig beschrieben wird, hat kaum Konsequenzen in der Durchführung. 5. Zwischen den Aussagen zur Heilsgewißheit § 34 und § 36, vor allem dem letzten Satz (hier bedeutet Gewißheit des Glaubenden lediglich, daß Gott sein Heil will, nicht, daß Gott es trotz aller Anfechtung des Glaubenden wirkt), bestehen zu klärende Spannungen. 6. § 38 steht mit seiner Formulierung, daß gute Werke zu einem Wachstum in der Gnade beitragen und so „die von Gott empfangene Gerechtigkeit bewahrt“ wird, in direktem Gegensatz zur Konkordienformel (FC), die dies in SD IV, Abschn. 3 ausdrücklich verwirft. Die Evang.-Luth. Kirche in Baden ist durch die Präambel ihrer Kirchenordnung auf die FC verpflichtet. Daher können wir nicht erklären, daß das in der „Gemeinsamen Erklärung zur Rechtfertigungslehre“ vorgelegte Verständnis der Lehre von
Die Kirchenordnung der Evangelisch-lutherischen Kirche in Baden
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der Rechtfertigung der röm.-kath. Kirche von den Lehrverurteilungen der Bekenntnisschriften der luth. Kirche nicht mehr getroffen wird.
68. Die Kirchenordnung der Evangelisch-lutherischen Kirche in Baden* Präambel Die Evangelisch-Lutherische Kirche in Baden bekennt sich zu der Heiligen Schrift Alten und Neuen Testamentes als der einzigen Richtschnur nach der alle Lehre geurteilt werden soll, und eignet sich die drei allgemeinen Bekenntnisse der Christenheit, nämlich das Apostolische, Nicänische und Athanasianische, und die besonderen Bekenntnisse der lutherischen Kirche, nämlich die ungeänderte Augsburgische Konfession und deren Apologie, die Schmalkaldischen Artikel, Luthers Großen und Kleinen Katechismus und die Konkordienformel als diejenigen Bekenntnisse an, in welchen die reine Schriftlehre zum Ausdruck kommt. Durch dies ihr Bekenntnis weiß sie sich in Kirchengemeinschaft mit allen Kirchen und Gemeinden evangelisch-lutherischen Bekenntnisses, insbesondere mit denen in Deutschland. Sprachregelung Die Bezeichnung „Pfarrer“, „Kirchenvorsteher“ usw. in dieser Ordnung sind Funktionsbezeichnungen und werden unabhängig vom Geschlecht der jeweiligen Personen verwandt. I.
Organisation
§1
Rechtsstatus
Die Evangelisch-Lutherische Kirche in Baden und ihre Gemeinden als deren Glieder sind Körperschaften des öffentlichen Rechts (Anerkennung durch das Ministerium des Kultus und Unterrichts vom 16. August 1919, Staatsanzeiger für Baden 1919, Spalte 325). §2
Die Gemeinde und ihre Organe
1. Eine Gemeinde wird gebildet durch kirchlichen Zusammenschluss lutherischer *
Archiv der Ev.-Luth. Erlöserkirchengemeinde Freiburg.
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2. 3.
4.
5.
§3
Die Evangelisch-lutherische Kirche in Baden
Christen auf der in der Präambel genannten Bekenntnisgrundlage zu regelmäßigen öffentlichen Gottesdiensten im Rahmen der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Baden, sei es, dass sie von einem eigenen Pfarrer bedient wird, sei es, dass sie ihren Pfarrer mit anderen Gemeinden teilt. Jede Gemeinde bedarf der Anerkennung durch die Synode. Gemeinde im Sinne dieser Kirchenordnung ist nur eine von dieser anerkannte. Jede Gemeinde regelt ihre Angelegenheiten selbständig entsprechend der Kirchenordnung (KiO) und der Gemeindeordnung (GO) in der von der Synode beschlossenen jeweils gültigen Fassung. Eine Gemeinde, die sich durch Abwendung vom lutherischen Bekenntnis, durch grobe Missachtung der Kirchenordnung sowie von Beschlüssen der Synode oder des Synodalausschusses oder durch hartnäckige Abweisung geschwisterlicher Ermahnung der Gemeinschaft der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Baden entzieht, kann von der Synode aus der EvangelischLutherischen Kirche in Baden ausgeschlossen werden. Löst sich eine Gemeinde auf, tritt aus der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Baden aus oder wird aus ihr ausgeschlossen, so verliert sie jeden Anspruch auf das gemeinsame Vermögen der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Baden. Organe der Kirche
Organe der Kirche sind: 1. die Synode 2. der von der Synode gewählte Synodalausschuss 3. der von der Synode gewählte Superintendent bzw. sein Stellvertreter; 4. der Pfarrkonvent II.
Das Pfarramt
§4
Aufgaben des Pfarrers
Die Pflichten des Pfarrers, der zum Hirten der Gemeinde berufen ist, sind: – evangeliumsgemäße Predigt des Wortes Gottes sowie Darreichung der Sakramente entsprechend den Bekenntnissen der evangelisch-lutherischen Kirche; – Durchführung der Amtshandlungen entsprechend der kirchlichen Ordnungen; – Unterweisung der Jugend auf der Grundlage des Kleinen Katechismus Martin Luthers; – Seelsorge an den Gemeindegliedern; – Leitung der gemeinsamen kirchlichen Aufgaben zusammen mit dem Kirchenvorstand; – Vollzug aller Amtspflichten entsprechend dem Pfarrergesetz.
Die Kirchenordnung der Evangelisch-lutherischen Kirche in Baden
§5
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Wählbarkeit zum Pfarramt
1. Die Berufung oder Wahl eines Pfarrers geschieht durch die von ihm zu versehende Gemeinde entsprechend der Gemeindeordnung. 2. Wählbar in das Pfarramt ist ein Pfarrer, der sich in seiner Ordination an die in der Präambel genannten Bekenntnisse der lutherischen Kirche gebunden hat und der entsprechend seiner Ausbildung und den Maßgaben des Pfarrergesetzes zur Führung eines Pfarramtes in einer lutherischen Landeskirche berechtigt ist. Wurde er in seiner Ordination nur auf einen Teil der in der Präambel genannten Bekenntnisse verpflichtet, so ist eine Nachverpflichtung durchzuführen. 3. Ein Bewerber um ein Pfarramt oder eine Pfarramtsverwaltung in einer Gemeinde der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Baden soll zum Zeitpunkt der Bewerbung Glied einer evangelisch-lutherischen Kirche sein. Ist ein Bewerber Glied einer nicht-lutherischen Kirche, so ist von ihm nachzuweisen, dass er das entsprechende Pfarramt um des lutherischen Bekenntnisses willen anstrebt. 4. Die Entscheidung über die Wählbarkeit ins Pfarramt einer Gemeinde der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Baden obliegt dem Synodalausschuss im Zusammenwirken mit dem Pfarrkonvent. (...) III.
Die Synode
§ 10 Stellung der Synode 1. In der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Baden ist die Synode Trägerin der obersten Kirchengewalt. 2. Sie übt diese unter sorgfältiger Beachtung dieser Kirchenordnung wie der in Betracht kommenden Staatsgesetze in voller Selbständigkeit aus. § 11
Zusammensetzung der Synode
1. Die ins Gemeindepfarramt berufenen Pfarrer sind kraft ihres Amtes Mitglieder der Synode. 2. Pfarrvikare nehmen auf der Synode mit beratender Stimme teil. 3. Jede Gemeinde entsendet als stimmberechtigte Synodale einen Kirchenvorsteher und mindestens ein weiteres Gemeindeglied. 4. Die Voraussetzungen der Wählbarkeit für die Synode entsprechen den Voraussetzungen der Wählbarkeit in den Kirchenvorstand (§ 20 Ziff. 1 GO). 5. Den auf die Synode zu entsendenden Kirchenvorsteher bestimmt der Kirchenvorstand.
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Die Evangelisch-lutherische Kirche in Baden
6. Die weiteren Synodalen sind von der Gemeindeversammlung/Gemeindevertretung zu wählen. Den Gewählten wird per Wahl jeweils ein Vertreter zugeordnet. Scheidet ein Synodaler oder sein Vertreter ganz aus dem Amt aus, ist neu zu wählen. 7. Bei Gemeinden mit über 350 Gemeindegliedern wird die Anzahl der von der Gemeindeversammlung/Gemeindevertretung zu wählenden Synodalen dadurch ermittelt, dass die Zahl der Gemeindeglieder durch 350 geteilt wird. Auf einen Rest von 200 oder mehr Gemeindegliedern entfällt ein weiterer zu wählender Synodaler. (...) V.
Der Superintendent
§ 20 Aufgaben des Superintendenten 1. Dem Superintendenten obliegt die geistliche Leitung der EvangelischLutherischen Kirche in Baden. 2. Er vertritt die Evangelisch-Lutherische Kirche in Baden im Auftrage des Synodalausschusses nach außen. 3. Er führt Ordinationen und Einführungen in das Pfarramt durch. 4. Er bestätigt die Berufung von Lektoren. 5. Er visitiert die Gemeinden in angemessenen Zeiträumen (spätestens nach fünf Jahren), sowie auf Antrag der Synode (§ 16 Ziff. 4 – KiO), des Synodalausschusses (§ 19 Ziff. 15 – KiO) oder des betreffenden Kirchenvorstands (§ 23 Ziff. 3 i – GO); der Superintendent wird im Pfarramt von seinem Stellvertreter visitiert. 6. Er führt die Dienstaufsicht über die ordinierten Amtsträger der Kirche entsprechend dem Pfarrergesetz. 7. Er leitet die Pfarrwahl einer Gemeinde (§ 13 Ziff. 8 – GO). 8. Er nimmt als geistlicher Leiter der Kirche zugleich die Seelsorge an den Mitgliedern des Pfarrkonventes wahr; er kann auf eigene Veranlassung oder auf Wunsch des betreffenden Mitglieds des Pfarrkonvents diese Aufgabe an den seelsorgerlichen Berater des Pfarrkonventes abgeben (s. § 22 Ziff. 7 – KiO); er ist gehalten, dies zu tun, wenn eine Kollision zwischen der Dienstaufsicht und dem seelsorgerlichen Auftrag auftritt oder aufzutreten droht. 9. Er hat den Vorsitz der Synode inne (§ 14 Ziff. 4 – KiO). 10. Er hat den Vorsitz des Synodalausschusses inne (§ 18 Ziff. 5 – KiO). 11. Er beruft den Pfarrkonvent ein (§ 23 Ziff. 3 – KiO). 12. Er ist der Synodalkasse gegenüber anweisungsberechtigt (§ 24 Ziff. 3 – KiO). 13. Im Verhinderungsfall sowie in den den Superintendenten selbst betreffenden Angelegenheiten tritt der stellvertretenden Superintendent an seine Stelle. (...)
Die Kirchenordnung der Evangelisch-lutherischen Kirche in Baden
VIII.
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Auslegungsbestimmungen
Ist die Auslegung eines Satzes dieser Kirchenordnung zweifelhaft oder tritt der Fall ein, für den in der Kirchenordnung keine Entscheidung getroffen worden ist, so steht der Synode nach § 16 (21) KiO die Entscheidung im Einzelfall durch Abstimmung gem. § 15 (2) KiO zu. IX.
Schlussbestimmungen
1. Diese Kirchenordnung ersetzt die Kirchenordnung vom 24. September 1977 in der geänderten Fassung vom 16. November 1985. 2. Sie tritt mit dem 1. Januar 2002 in Kraft. (beschlossen auf der Synodaltagung am 17. November 2001 in Steinen)
IV. Die Evangelisch-Lutherische Freikirche (in Sachsen und anderen Staaten) Gottfried Herrmann Einführung
Friedrich August Brunn, *1819, †1895, Austritt aus der nassauischen Landeskirche 1846, Pfarrer in Steeden 1846–1879, Aufnahme in die Evangelisch-lutherische Kirche in Preußen 1852, Lossagung vom Oberkirchenkollegium 1865, in Verbindung mit der Immanuelsynode bis längstens 1873, Glied der Evangelisch-Lutherischen Freikirche seit 1879.
Die älteste Wurzel der Evangelisch-Lutherischen Freikirche (in Sachsen und anderen Staaten) liegt im Herzogtum Nassau. Hier vollzog Friedrich Brunn 1846 den Austritt aus der 1817 eingeführten Union (Dok. 71), durch Gutachten von Adolf von Harleß (Dok. 69) und enge Verbindung mit Wilhelm Löhe (Dok. 70) zu diesem Schritt ermutigt. Er schloss sich zunächst der Evangelisch-lutherischen Kirche in Preußen an (s. Kap. I), löste die Verbindung jedoch im Zusammenhang mit dem Streit um Kirche und Kirchenregiment (Dok. 72, 73). Daraufhin wurde er vom Oberkirchenkollegium seines Amtes enthoben (Dok. 74, 75). Unterstützung fand er dann bei Carl Ferdinand Wilhelm Walther und der nordamerikanischen Missouri1 Synode, für die er im Steedener Proseminar Zöglinge heranbildete (Dok. 76).
1
Vgl. dazu auch Christoph Barnbrock, Die Predigten C.F.W. Walthers im Kontext deutscher Auswanderergemeinden in den USA. Hintergründe – Analysen – Perspektiven, Hamburg 2003.
Einführung
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Carl Ferdinand Wilhelm Walther, *1811, †1887, Pfarrer in Bräunsdorf bei Penig/Sachsen 1836–1838, mit Martin Stephan in die USA ausgewandert 1838, Pfarrer in Perry County, 1839–1841, Pfarrer in St. Louis/Missouri 1841–1887, 1. Allgemeiner Präses der Missouri-Synode (heute: Lutheran Church-Missouri Synod [LCMS]) 1847–1850; 1864–1878.
Im Königreich Sachsen richtete sich der Protest bekenntnistreuer Lutheraner zuallererst gegen die Zulassung von Unierten zum Abendmahl in der nominell lutherischen Landeskirche (Dok. 77), allerdings vergeblich (Dok. 78). In den 1860er Jahren wurde der sozialdiakonisch orientierte „Verein evangelisch-lutherischer Glaubensgenossen“ (Dok. 79) in Dresden zum Sammelbecken bekenntnisbewusster Lutheraner. Seit 1868 organisierten sie sich an verschiedenen Orten als „Lutheranervereine“ (Dok. 80) und wurden mit mehreren Eingaben beim Kultusministerium vorstellig, ohne jedoch zufrieden stellende Antworten zu erhalten (Dok. 81– 84). Die unnachgiebige Haltung des Ministeriums (Dok. 85) führte im Jahre 1871 schließlich zu Austritten (Dok. 86) aus der sächsischen Landeskirche. Aktuellen Anlass für diese Konsequenz war die Abschwächung des Religionseides (Ordinationsverpflichtung) durch die Landessynode (Dok. 87, 88). Die so entstandenen Gemeinden (Dok. 89) beriefen Carl Friedrich Theodor Ruhland zu ihrem Pastor. Andere Pastoren schlossen sich in den folgenden Jahren der selbstständigen lutherischen Gemeinden an.
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Karl Georg Stöckhardt, *1842, †1913, Diakonus in Planitz 1873–1876, Übertritt zur Evangelisch-Lutherischen Freikirche 1876, zweiter Pfarrer der separierten evangelischlutherischen St. Johannisgemeinde in Planitz 1876–1878, Pfarrer der Heilig-KreuzGemeinde in St. Louis/Missouri 1878–1887, Professor am Concordia-Seminar der Missouri-Synode in St. Louis 1887–1913.
In einem zweiten Zug führte Karl Georg Stöckhardt im Zusammenhang mit der Zivilstandsgesetzgebung 1875/76 eine Auseinandersetzung mit dem Landeskonsistorium (Dok. 90, 91), die mit seiner Beurlaubung und Amtsniederlegung endete (Dok. 92). Fast gleichzeitig sahen sich vier Missionare, nach vergeblichen Versuchen, die Leitung der Leipziger Mission zur tatsächlichen Anwendung der Bekenntnisbindung in Ausbildung und Praxis zu bewegen, zum Austritt aus der Mission 2 genötigt (s. Kap. VIII, Dok. 151, 152) . Unter Anschluss der selbstständigen Lutheraner in Nassau wurde im Jahre 1876/77 die „Evangelisch-Lutherische Freikirche in Sachsen und anderen Staaten Deutschlands“ mit einer eigenen Synodalordnung (Dok. 93) gegründet, in der das Laienelement besonders zu Geltung kam. 3 Weitere Auseinandersetzungen im Raum der Leipziger Mission in der ersten Hälfte der 1890er Jahre führten zu einer erneuten Austrittsbewegung, die ebenfalls Anschluss an die Evangelisch-Lutherische Freikirche fand. Später gliederten sich die Hermannsburger evangelisch-lutherische Freikirche (s. Kap. XII, Dok. 227) und selbstständige lutherische Gemeinden in Süddeutschland (s. Kap. XII, Dok. 228), Ostpreußen und Thüringen an. Die aus der Reorganisation der 1945 aufgelösten „Evangelisch-lutherischen Freikirche in Polen“ hervorgegangenen Gemeinden
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Vgl. ebenfalls Dok. 125, 127 in: Manfred Roensch / Werner Klän (Hrsg.), Quellen zur Entstehung und Entwicklung selbständiger evangelisch-lutherischer Kirchen in Deutschland, Frankfurt a.M. / Bern / New York 1987, 419–423; 429–434. Vgl. Dok. 128, 129 a. a. O., 435–441.
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im Osten Deutschlands bildeten 1953 den „Diaspora-Bezirk“ der EvangelischLutherischen Freikirche (der bis 2002 bestanden hat).
Zwickau-Planitz, St. Johanneskirche, erbaut 1879 auf dem Grundstück des Heckelschen Gutes in Niederplanitz, durch Kauf erworben 1871, zweiter Kirchbau der Gemeinde. Die erste Kirche (eine umgebaute Scheune) dient seither als Gemeindeheim.
Die Evangelisch-Lutherische Freikirche (ELFK) ist eine Kirche, die – bedingt durch ihre Entstehung im Bereich einer nominell lutherischen Landeskirche – von Anfang an großen Wert darauf gelegt hat, dass nicht nur die formal-rechtliche (de jure) Geltung des Bekenntnisses für die Einschätzung des Bekenntnisstandes einer Kirche ausschlaggebend sein kann, sondern ihr tatsächlicher Zustand (de facto). Andere selbstständige lutherische Kirchen (z. B. die preußischen „Altlutheraner“) haben lange Zeit im Wesentlichen den de-jure-Standpunkt eingenommen. Die fehlende Übereinstimmung in dieser Grundsatzfrage hat jahrzehntelang eine Einigung zwischen den verschiedenen lutherischen Freikirchen in Deutschland verhindert. Umso überraschender war, dass nach 1945 eine relativ schnelle Einigung zwischen der ELFK und der Evangelisch-lutherischen Kirche im früheren Altpreußen, ab 1954 Evangelisch-lutherischen (altlutherischen) Kirche, zustande kam (Dok. 94). Die Überwindung der bisherigen Differenzen wurde in den „Einigungssätzen“ von 1948 (s. Kap. XII, Dok. 243) dokumentiert. Vorausgegangen war der sich abzeichnende Zusammenschluss aller evangelischen Landeskirchen Deutschlands unter dem Dachverband der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKiD). Damit
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hatten die lutherischen Landeskirchen auch formal die exklusive Geltung des lutherischen Bekenntnisses aufgegeben. Die selbstständigen lutherischen Kirchen nahmen zu diesem Vorgang in einer gemeinsamen Erklärung vom 31.10.1948 Stellung (s. Kap. XII, Dok. 237). Sie sahen sich nun alle nicht mehr in der Lage, die Kanzel- und Abendmahlsgemeinschaft mit den lutherischen Landeskirchen fortzusetzen (sofern sie überhaupt noch bestand). In den Jahren 1948/49 kam es dann auch zu Einigungsverhandlungen zwischen der „alten“ Selbständigen evangelisch-lutherischen Kirche (alte SelK) und der ELFK. Die alte SelK war 1947/48 durch den Zusammenschluss von fünf selbstständigen lutherischen Kirchen in Hessen, Niedersachsen und Baden entstanden. Einen Eckpfeiler der Einigung mit der ELFK bildete die positive Stellungnahme der alten SelK zu den Einigungssätzen. Die Diözesen der alten SelK erklärten am 7.4.1949 gemeinsam, dass „sie in denselben nichts finden, was gegen Schrift und Bekenntnis verstößt oder inhaltlich über dieselben hinausgeht“ (Dok. 95, Anlage I). Geklärt werden konnte in gemeinsamen Verhandlungen der zum Teil unterschiedliche Gebrauch der Begriffe „Berufung“ (vocatio) und „Ordination“ (Dok. 95, Anlage II A). Als größte Schwierigkeit erwies sich die Frage nach dem Verhältnis der alten SelK zur Hermannsburger Mission. Die Hermannsburg-Hamburger evangelischlutherische Freikirche (jetzt eine Diözese der alten SelK) stand traditionell in enger Verbindung zur Hermannsburger Mission. Man betrachtete die Mission als neutrales Terrain, auf dem Mitglieder von Landeskirche und Freikirche ohne Einschränkung zusammenarbeiteten. Details waren in Verträgen von 1889/90 und 1924 geregelt worden. Dies konnte nach der Gründung der EKiD (1948) nicht so bleiben, weil die Hannoversche Landeskirche damit auch formal einen unionistischen Standpunkt eingenommen hatte. Es wurde unumgänglich, sich auf die neue Lage einzustellen. Die selbstständigen lutherischen Kirchen (inkl. der alten SelK) hatten ihre Ablehnung gegenüber der EKiD als Unionskirche deutlich zum Ausdruck gebracht (s. Kap. XII, Dok. 237). Angesichts der historisch gewachsenen Verbindungen hielt man in Hermannsburg eine sofortige Aufgabe der freikirchlichen Mitarbeit in der Mission für undurchführbar. Man erklärte aber, dass durch den EKiDAnschluss die ursprünglich angenommenen Voraussetzungen (von 1890) nicht mehr gegeben seien (Dok. 95, Anlage III A). Die ELFK erklärte sich durch ihre Verhandlungsführer bereit, diese Haltung als Proteststatus (status confessionis) zu werten, der vorübergehend möglich ist und auf eine endgültige Klärung abzielt (Dok. 95, Anlage III B). Unter diesen Voraussetzungen erklärte sich die ELFK am 24.11.1949 zur Aufrichtung der Kanzel- und Abendmahlsgemeinschaft gegenüber der alten SelK bereit (Dok. 95, II. Teil). Durch die Aufrichtung von Kanzel- und Abendmahlsgemeinschaft zwischen allen bestehenden selbstständigen lutherischen Kirchen in Deutschland während der Jahre 1948/49 eröffnete sich die Möglichkeit, auf einen organisatorischen Zusammenschluss dieser Kirchen hinzuarbeiten. Dieses Unternehmen wurde in den
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1950er und 1960er Jahren in mehreren Phasen vorangetrieben. Dabei gab es zwischenzeitlich erhebliche Rückschläge: a) 1959 ließ sich ein Pastor der alten SelK (Hans-Otto Harms) zum Kondirektor der Hermannsburger Mission wählen. Dies geschah mit Billigung seiner Kirchenleitung. Die ELFK konnte in diesem Schritt nur ein Zurückgehen hinter die 1948/49 gemachten Zusagen der alten SelK sehen, die zur Aufrichtung der Kirchengemeinschaft geführt hatten. Die ELFK wandte sich deshalb 1962 mit einem „Brüderlichen Wort“ an die Schwesterkirche. Trotzdem zogen sich die Verhandlungen über Jahre hin. Erst im unmittelbaren Vorfeld der Fusion (1970), wurde durch die alte SelK signalisiert, dass man vorhabe, nun die Verbindung zur Hermannsburger Mission ganz aufzugeben. Wie die letzten Jahre gezeigt haben, sind aber bis zur Gegenwart keine praktischen Konsequenzen daraus gezogen worden. b) 1965 schied die Badische Diözese aus der alten SelK aus und konstituierte sich wieder als „Evangelisch-lutherische Kirche in Baden“. Anschließend wurde die Kirchengemeinschaft mit lutherischen Landeskirchen (VELKD) wieder aufgerichtet. Dadurch kam es zum Abbruch der Kanzel- und Abendmahlsgemeinschaft mit den übrigen selbstständigen lutherischen Kirchen. (1983 erklärte die neue SELK die Kirchengemeinschaft mit der Evangelisch-lutherischen Kirche in Baden als bestehend.) c) 1958 fasste außerdem die Generalsynode der Evangelisch-lutherischen (altlutherischen) Kirche den Beschluss, in Verhandlungen mit den lutherischen Landeskirchen (VELKD) einzutreten mit dem Ziel, die Kirchengemeinschaft wieder aufzurichten. Dies sorgte für erhebliche Irritationen in der ELFK. 1962 nahm die nächste Generalsynode diese Entscheidung zurück und eröffnete damit wieder den Weg für eine Fusion der selbstständigen lutherischen Kirchen. In diesen Jahren stießen vor allem die Einigungssätze von 1948 immer wieder auf Kritik innerhalb der Evangelisch-lutherischen (altlutherischen) Kirche. Man empfand sie als Einengung und Behinderung bei weiterer theologischer Arbeit. Umstritten war auch ihr Stellenwert als Maßstab für Lehrzucht, da sie (von allen selbstständigen lutherischen Kirchen) nicht in die Bekenntnisverpflichtung bei der Ordination eingeschlossen wurden. Diese Diskussionen führten dazu, dass die ELFK eine erneute Bestätigung der Verbindlichkeit der Einigungssätze zur Vorbedingung für die geplante Fusion der selbstständigen lutherischen Kirchen machte. Diesem Anliegen entsprach die „Gemeinsame Erklärung zur Verbindlichkeit der Einigungssätze“ von 1968 (Dok. 96), die sowohl von der ELFK als auch von der Generalsynode der Evangelischlutherischen (altlutherischen) Kirche verabschiedet wurde. Damit stand im Westen Deutschlands einer Fusion fast aller lutherischen Freikirchen (abgesehen von der Evangelisch-lutherischen Kirche in Baden) nichts mehr im Weg. Alle organisatorischen Fragen und Ordnungsprobleme konnten gemeinsam geregelt werden. Die Fusion zur „neuen“ Selbständigen Evangelisch-Lutherischen
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Kirche erfolgte am 25.6.1972. In ihr gingen die Gemeinden der Evangelischlutherischen (altlutherischen) Kirche und der Evangelisch-Lutherischen Freikirche in Westdeutschland sowie alle Gemeinden der „alten“ Selbständigen evangelisch-lutherischen Kirche auf. Im Osten Deutschlands (DDR) verlief die Entwicklung anders. Durch den „eisernen Vorhang“ befand man sich bei den Fusionsverhandlungen weitgehend in der Zuschauerrolle. Nach dem Mauerbau in Berlin waren (seit 1965) keine gemeinsamen Synoden oder Kirchenleitungssitzungen mehr möglich. Trotzdem verfolgte man auch im Ostteil der ELFK den Gang der Dinge im Westen zunächst durchaus mit Wohlwollen. 1969 wurde durch einen Beschluss der ELFK (Teilsynoden Ost und West) der Weg freigemacht für unterschiedliche Geschwindigkeiten im Fusionsprozess in Ost und West. Die jeweiligen Teilsynoden wurden ermächtigt, für ihren Bereich die nötigen Entscheidungen zu treffen (Dok. 97). In der DDR existierten nur Gemeinden von zwei selbstständigen lutherischen Kirchen, der Evangelisch-lutherischen (altlutherischen) Kirche und der ELFK. Weil die Körperschaftsrechte beider Kirchen im kommunistischen Staat nicht gefährdet werden sollten, kam es im September 1972 zunächst zur Bildung eines gemeinsamen Dachverbandes, der „Vereinigung selbständiger evangelisch-lutherischer Kirchen“ (VselK). Arbeitsgrundlage der Zusammenarbeit beider Kirchen bildete eine „Vereinbarung“, die bei der ersten gemeinsamen Synode im September 1972 in Zwickau-Planitz von beiden Teilsynoden gesondert angenommen wurde (Dok. 98). Bevor die körperschaftsrechtlichen Fragen nicht geklärt waren, sollte an den theologischen Voraussetzungen einer Fusion gearbeitet werden. Da im Osten die Gemeinden beider Kirchen in räumlich abgegrenzten Bereichen existierten, war der gegenseitige Annäherungsprozess noch nicht so fortgeschritten wie im Westen. Deshalb sollte zunächst die Zusammenarbeit zwischen den Kirchen intensiviert werden. Auch die Ausbildung des Pfarrernachwuchses lief zunächst nicht gemeinsam (wie z. B. in Oberursel, s. Kap. XI). Erst seit Ende der 1960er Jahre kamen verstärkt auch „altlutherische“ Studenten an das Leipziger Seminar der ELFK. Die gegenseitige Annäherung offenbarte erhebliche Unterschiede in der kirchlichen Tradition und Praxis. Zum Stolperstein wurden aber mehr und mehr unterschiedliche Auffassungen in theologischen Grundsatzfragen. Diese zeigten sich erstmals für die größere Öffentlichkeit bei der zweiten gemeinsamen Synode 1976 in Berlin, bei der – wie zuvor im Westen – die gemeinsame Erklärung zur Verbindlichkeit der Einigungssätze diskutiert wurde. Bei der abschließenden Abstimmung enthielten sich einzelne „altlutherische“ Pastoren der Stimme. Auf Befragen erklärten sie, dass sie einzelnen Aussagen der Einigungssätze (z.B. zur Schriftlehre) nicht zustimmen könnten. Die Vertreter der ELFK bestanden darauf, dass diese Fragen vor einer geplanten Fusion im Osten geklärt werden müssten. Eine gemeinsame theologische Kommission wurde berufen, welche die Differenzen aufarbeiten sollte. Die 1978 veranstaltete dritte gemeinsame Synode beriet zwar die geplante Grund-
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ordnung einer fusionierten Kirche, konnte aber den praktischen Vollzug nicht beschließen, da die theologischen Differenzen nicht ausgeräumt waren. Nach zwischenzeitlich positiven Teilergebnissen gerieten die theologischen Verhandlungen Anfang der 1980er Jahre in die Sackgasse. Trotz aller Bemühungen (dazu gehörte auch der Wechsel in der Besetzung der Kommissionen) war eine Einigung in grundsätzlichen Fragen nicht möglich. Unterschiedliche Anschauungen gab es vor allem in Bezug auf die beiden Themen Bibelkritik und Ökumene: 1. Sind die historischkritischen Methoden (Bibelkritik) der Heiligen Schrift angemessen (Verbalinspiration) oder nicht? 2. Sollte die geistliche Zusammenarbeit mit anderen Kirchen, Gemeinschaften und Gremien weiter von der vollen Übereinstimmung in der Lehre abhängig gemacht werden oder nicht? Als sich alle Hoffnungen auf einen gemeinsamen Weg zerschlagen hatten, beschloss die in Hartenstein versammelte Synode der ELFK am 26.5.1984 die vorläufige Suspension der Kanzel- und Abendmahlsgemeinschaft gegenüber der Evangelisch-lutherischen (altlutherischen) Kirche (Dok. 99). Es zeigte sich, dass trotz jahrelanger Verhandlungen nicht nur die geplante Fusion gescheitert, sondern sogar die Einigkeit in Lehre und Praxis als gemeinsame Grundlage für Kirchengemeinschaft verloren gegangen war. In den folgenden Jahren bemühte sich die SELK vom Westen Deutschlands aus, den Gesprächsfaden wieder anzuknüpfen. Da sie aber in den beiden strittigen Fragen selbst mehr oder weniger offen die Position der Evangelisch-lutherischen (altlutherischen) Kirche teilte, blieben die Vermittlungsversuche ohne Erfolg. Als die ELFK daraufhin die Basis für Kirchengemeinschaft gefährdet sah (Dok. 100) und offizielle Lehrverhandlungen erbat, stieß sie damit auf Ablehnung bei der Kirchenleitung der SELK. So kam es am 7.10.1989 dazu, dass die Synode der ELFK auch die Kanzel- und Abendmahlsgemeinschaft zur SELK aufkündigte (Dok. 101). Die Evangelisch-lutherische (altlutherische) Kirche (DDR) fusionierte nach der Einigung Deutschlands mit der SELK (1991). Die Trennung von der SELK konnte nicht ohne Auswirkungen auf das Verhältnis der ELFK zu anderen selbstständigen lutherischen Kirchen außerhalb Deutschlands bleiben. Diese standen weiter in Kirchengemeinschaft mit SELK und ELFK, die aber untereinander keine Kanzel- und Abendmahlsgemeinschaft mehr hatten. Die ELFK wandte sich deshalb an diese Schwesterkirchen mit der Bitte, zu den aufgebrochenen Fragen in Deutschland Stellung zu nehmen. In den Jahren ab 1989 wurde mit diesen Kirchen schriftlich bzw. in Gesprächen verhandelt. Obwohl einige von ihnen (Frankreich, Dänemark, Finnland) die ELFK-Beanstandungen gegenüber der SELK in der Sache teilten, waren sie doch nicht in der Lage, daraus praktische Konsequenzen zu ziehen. So sah sich die ELFK-Synode 1992 genötigt, die Kirchengemeinschaft auch gegenüber diesen Kirchen vorerst aufzuheben. Gleiches geschah im Verhältnis zur Lutheran Church – Missouri Synod, zu der seit der Gründungszeit der ELFK enge Verbindungen bestanden hatten (Dok. 102).
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Im Gegenzug wurden die Beziehungen der ELFK zur Wisconsin Evangelical Lutheran Synod (WELS) und zur Evangelical Lutheran Synod (ELS) erneuert. Auch hier mussten Fragen geklärt werden. So kam es zwischen 1990 und 1994 zu einer Serie von Lehrgesprächen über das Thema „Kirche und Amt“ mit der WELS, die mit einer beiderseits akzeptierten Einigung endeten. 1993 konnte auf Initiative von WELS und ELS die „Konfessionelle Evangelisch-Lutherische Konferenz“ (KELK) als neuer weltweiter Zusammenschluss bekenntnisbewusster lutherischer Kirchen gegründet werden. Die ELFK schloss sich diesem Verband an (Dok. 103, 104). Sie war Gastgeber der KELK-Gründungsversammlung in Oberwesel/Rhein. Inzwischen gehören 20 lutherische Kirchen in der Welt zur KELK (u. a. in Schweden, Norwegen, Lettland, Ukraine, Tschechien, Bulgarien und Portugal). In den letzten Jahren seit 2000 konnte eine den veränderten Verhältnissen angepasste Verschlankung der organisatorischen Strukturen in der ELFK durchgeführt werden. So wurde 2002 die Bezirkseinteilung vorläufig aufgehoben (Sächsischer und Diaspora-Bezirk) und eine Begrenzung von Amtszeiten für leitende Ämter eingeführt. Dieser Prozess schlug sich in der überarbeiteten Kirchenverfassung von 2006 nieder (Dok. 105).
69. [56.] Brief Adolf von Harleß’ an Friedrich Brunn (1846) * Es ist mir die Frage vorgelegt worden, was eines Seelsorgers Pflicht sei, der, in einer unierten Kirche stehend, samt dem größten Teil seiner Gemeinde zu jenem Glauben gekommen ist, welchen das Bekenntnis der evangelisch-lutherischen Kirche bekennt; und zwar so, daß Prediger und Gemeinde in diesem Glauben gegründet und bereit sind, diesen Glauben vor Gott und der Welt zu bekennen, möge auch aus solchem Bekenntnis über sie ergehen, was da wolle. Es wird weiter hinzugefügt, daß diese unierte Landeskirche alles und jedes kirchliche Bekenntnis abgetan hat und Agenden, Katechismen und Gesangbücher gebraucht, welche mit dem Bekenntnis des evangelisch-lutherischen Glaubens nicht in Einklang stehen. Es entsteht demnach die Frage, was unter solchen Umständen die Pflicht eines treuen Hirten der Gemeinde sei, ob aus der Kirche auszutreten oder zu bleiben, ob schweigend zu bleiben oder unter Protest gegen die allgemeinen kirchlichen Zustände. Die erste Antwort ist: Wer glaubt und seines Glaubens gewiß ist, der bekennt. „Denn so man von Herzen glaubt, so wird man gerecht; und so man mit dem Munde bekennt, so wird man selig (Röm. 10, 10).“ Eine Kirche, die Glauben haben will an das Wort und bekennt nicht nach dem Glauben, den sie hat, ist eine Kirche, die ihre Pflicht versäumt und eher verleugnet als glaubt. Sie bekennt aber, so sie sich zum Herrn Jesus Christus bekennt und im Bekenntnis aussagt, was sie von Christo, seinem Erlösungswerk und den Mitteln des Heils halte. Denn Christus spricht: „Wer mich bekennet vor den Menschen, den will ich bekennen vor meinem himmlischen Vater (Matth. 10, 32).“ Eine Kirche, die sich zum Wort der Schrift bekennt, aber nicht aussagt, was sie nach diesem Wort glaubt, bekennt nicht, sondern verleugnet. Christus aber spricht: „Wer mich verleugnet vor den Menschen, den will ich auch verleugnen vor meinem himmlischen Vater.“ – In einer bekenntnislosen Kirche kann niemand bleiben, der Glauben hat und nach ihm tut. Bleibt er, so macht er sich der Sünde dieser Kirche teilhaftig. Aber wie verhält es sich mit einem Seelsorger, der in einer solchen Kirche samt dem größten Teil seiner Gemeinde zum rechten Glauben und zur Begründung in demselben gekommen ist? Soll er etwas tun, was ihn von seiner Gemeinde scheidet, oder soll er scheiden, um die Gemeinde, die Herde, dem Wolfe zu überlassen, oder soll er eine Mittelstraße einschlagen zwischen dem Scheiden und Bleiben? So ist abermals die nächste Antwort die: Er soll gar nichts tun, was bloß ihn sichert; er soll alles für die Gemeinde und mit der Gemeinde tun. Er soll und darf nicht an sich denken und für sich sorgen, sondern sein Denken und Sorgen muß in der Gemeinde aufgehen. Ein Jünger des Herrn geht und schüttelt nur da den Staub von den Füßen, wo man ihn nicht annimmt noch seine Rede hört (Matth. 10, 14 usw.). Wo man ihn aber angenommen hat, da bleibt er als ein guter Hirte und läßt *
Lutherischer Rundblick 8 (1960), 16–18.
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eher sein Leben für die Schafe (Joh. 10, 12). Ist also Hirte und Herde zu einem gewissen und im Worte Gottes begründeten Glauben gekommen und zwar zu dem, welchen die evangelisch-lutherische Kirche bekennt, so muß seine erste Sorge die sein, daß beide Teile ihrem Glauben gemäß tun, d.i. diesen Glauben bekennen. Es haben dann beide eine gemeinsame Pflicht. Sorgt er nicht für die Erfüllung dieser gemeinsamen Pflicht, so hat er unterlassen, was seines Amtes war. Er kann die Gemeinde nicht von dem lossprechen, was ihm selbst Gewissenssache ist. Vielmehr muß er dahin trachten, daß beide zusammen ihrem Gewissen vor dem Herrn und vor Menschen genugtun. Die Zeit hierzu ist nicht mit diesem oder jenem äußeren Verhältnis, sondern mit der innerlichen Glaubensgewißheit gekommen. Ist der gewisse Glaube da, so folgt das freudige Bekenntnis von selbst. Diese Pflicht hat gedoppelten Grund. Der treue Hirte kann nicht warten, bis etwa er fortgeschickt und der Wolf eingelassen wird, der die Schafe verstreue oder verzehre. Er muß die Zeit seines Hirtenamtes nutzen. Er muß aber ebenso der Gemeinde sagen, daß sie ihre Zeit zu nutzen habe. Eine Gemeinde, welche die Zeit ihres Bekenntnisses versäumt, bringt sich selbst um die Begründung ihrer Rechte und Freiheiten. Die Gemeinde muß bekennen, um im Bekenntnis die Bürgschaft ihres Bestandes zu gewinnen. Und wenn eine Gemeinde will der lutherischen Kirche angehören, so kann ihr dies nach allem beschworenen Recht der luth. Kirche von niemand in Deutschland, außer rechtswidrig, gewehrt werden. Das Gemeindebekenntnis allein aber sichert die Gemeinde für jetzt und künftig nach menschlichem Rechte in dem Besitz und der Ausübung ihres Glaubens. Auf die Gliedschaft an dieser Kirche muß sie sich berufen können, um ein Recht zu haben, wider bekenntniswidrige Amtsverwaltung in Kirche und Schule zu protestieren. Welche Gemeinde sich dieses Recht nicht will erobern, sondern in sogenanntem Glauben es Gott anheimstellen, was aus ihr in Zukunft werde, zieht den Glauben und Gottes Gnade auf Mutwillen. Erobert aber ist das Recht, so die Gemeinde bekennt. Handelt es sich also in dem gegebenen Fall um eine Stellung von Seelsorger und Gemeinde, so wird diese nur in dem Maße pflichtmäßig ausgefüllt sein, als die Gemeinde mit ihrem Prediger tut, was ihr Glaube fordert. Die Gemeinde nun hat kein Amt der Kirchenleitung; sie wird nicht begehren können, daß nach ihrem Glauben sich die Gestalt der Kirche ändere, sie wird auch nicht protestieren können, wenn ihr nicht ein ihr ursprüngliches Recht widerrechtlich entzogen wurde. Handelt es sich also nicht um einen ursprünglichen Rechtsbesitz oder eine Rechtsentziehung oder Rechtsweigerung, sondern nur einfach um das Recht des Bekenntnisses zur evangelisch-lutherischen Kirche, so hat die Gemeinde, um zu diesem Recht zu gelangen, nicht wider das Verhalten der nicht-lutherischen Kirche zu protestieren, sondern sich im Bekenntnis zur lutherischen Kirche zu bekennen. Und ist es die Pflicht des Seelsorgers, mit seiner Gemeinde zu handeln und im Notfall auch zu leiden, so muß er sein Verhalten dem gebotenen Verhalten der Gemeinde gemäß einrichten. Die Gemeinde hat nur ein unzweifelhaftes Recht, das des Bekenntnis-
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ses, nicht das des Protestes wider die Art einer Landeskirche, falls nicht die Landeskirche die Gemeinde um ein ihr ursprüngliches Recht gebracht hat. Ist das in der bestehenden Frage nicht der Fall, so muß auch der Prediger vom Bleiben in der Landeskirche unter Protest gegen die Gestalt der Landeskirche absehen, sondern er muß mit der Gemeinde bekennen und im Bekenntnis von der bekenntnislosen Kirche ausscheiden. Was hülfe denn auch ein Protest einzelner Gemeinden gegen die Art der Landeskirchen, so sie begehren, in der Landeskirche zu bleiben? Das Glied, das am Leibe bleiben will, hat kein Recht, wider die Art des Leibes zu protestieren. Die Zeit der Reformation bietet keine Ähnlichkeit. Zur Zeit Luthers hatte noch nicht das Tridentinische Konzil sich in Widerspruch mit den alten Bekenntnissen gesetzt. Da war erst zu versuchen, ob nicht auf Grund der anerkannten alten Bekenntnisse eine Einigung sich versuchen ließe. Hat aber eine Kirche alle Bekenntnisse über Bord geworfen, woran soll da eine bekenntnistreue Gemeinde ihren Protest anknüpfen? Man wird den Protest annehmen und die Sache auf die lange Bank schieben, Hirten und Gemeinde trennen und dann nach Gutdünken verfahren. Protest ist der Anfang eines endlosen Prozesses; Bekenntnis und Übertritt Anfang und Ende alles Streites und Haders. Hierbei hat ein treuer Hirte nicht zu fragen, ob er sich nicht mit einem solchen Schritt einer möglichen und ausgedehnteren Wirksamkeit in einer Landeskirche beraube. Nicht Möglichkeiten sind die Richtschnur, sondern der eigene Glaube, das eigene Gewissen; der Glaube, das Gewissen, die Wohlfahrt der Gemeinde. Kann ein Seelsorger ruhig sein, der seine Gemeinde im Glaubens- und Gewissenskampf, ohne Sicherheit und Sicherung ihres Gemein-Bekenntnisses verläßt? Er kann es nicht und dann am wenigsten, wenn er sich in Sicherheit gebracht, die Gemeinde aber in Unsicherheit gelassen und verlassen hat. Daß die Gemeinde ihres Glaubens leben könne, dafür muß der Hirte im Notfall auch das eigene Leben lassen. Allerdings aber muß bei einem gemeinsamen Schritte der Seelsorger die Seelen der Gemeinde kennen und wahren. Er muß einer schwachen Gemeinde nicht zumuten wollen, was nur eine glaubensstarke kann. Er muß seiner Gemeinde eher alle Schrecknisse leiblicher Not vormalen, als sie überreden, denn was nicht aus Glauben getan wird, ist Sünde. Hat aber die Gemeinde samt dem Seelsorger felsenfesten Glauben, fragt sie nichts nach Himmel und Erde, so sie Gott den Herrn hat, dann wohlauf! Der Herr wird beide behüten als seinen Augapfel und sie zum Zeichen und Segen setzen, so sie ihr Leben dahingeben, um es zu gewinnen, ihre Ehre vor Menschen, um die Ehre vor Gott zu behalten, ihre zeitliche Wohlfahrt, um des ewigen Lebens teilhaftig zu werden. Mit Kraft aus der Höhe rüste Gott alle Gemeinden, die jetzt den Herrn bekennen! Denn Schmach ist ihr Lohn, nicht Ehre. Selig aber seid ihr, spricht Christus, wenn euch die Menschen um meinetwillen schmähen und verfolgen, und reden allerlei Übels wider euch, so sie daran lügen. Der Herr stärke mit gewissem Glauben alle, die da wollen gewisse Tritte tun. Amen.
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70. [57.] Brief Wilhelm Löhes an Friedrich Brunn vom 24.6.1846* Verehrter Freund und Bruder! Ihr wertes Schreiben vom 17. d.M. (Juni 1846), welches ich vorgestern empfangen habe, ist mir zur Stunde, da ich es las, eine Ursache inniger und tröstlicher Freude geworden. Ich habe es redlich und reiflich, heute auch mit zwei teilnehmenden Amtsbrüdern, überlegt, und gebe Ihnen nun nach bestem Wissen und Gewissen meine Antwort. Die kirchlichen Verhältnisse des Herzogtums Nassau, wie Sie in Ihrem werten Schreiben sie schildern und ich sie in der Statistik von Wiggers (Dr. Julius Wiggers, Lizentiat der Theologie und a.o. Professor an der Universität Rostock: „Kirchliche Statistik oder Darstellung der gesamten christlichen Kirche nach ihrem gegenwärtigen äußeren und inneren Zustande“, 2 Bde., Hamburg u. Gotha, Fr. u. Andr. Perthes, 1842–1843) kürzlich geschildert fand, sind meines Erachtens von der Art, daß auch ich Gewissens wegen in denselben nicht würde bleiben können. Zwar gewähren die gesetzlichen Bestimmungen, nach welchen einem jeglichen Geistlichen unbenommen ist, das Evangelium nach seiner Überzeugung zu lehren, auch einem lutherischen Pfarrer Weitschaft genug, die kirchliche Wahrheit in ihrer Thesis und friedlichen Apologie vorzutragen. Aber indem den Predigern einer jeden aus der reformierten oder lutherischen Kirche hervorgegangenen Partei dieselbe Freiheit gestattet ist, ist die Wahrheit der heiligen Kirche zu einer Parteimeinung gestempelt, zu einer Ansicht, welche keinen Anspruch darauf macht, völlig und alleine im göttlichen Rechte zu sein. Gerade, das, was der göttlichen, geoffenbarten Wahrheit den höchsten Wert für arme Menschenkinder gibt, daß sie nämlich dem Hader menschlicher, sich einander anklagender und entschuldigender Meinungen ein Ende macht und den Seelen einen unwandelbaren Fels der Gewißheit darbietet, – gerade das ist vernichtet. Statt eine Säule und Grundfeste der Wahrheit zu sein, wird die Kirche so zu einem wimmelnden Haufen von Talmudisten, deren ein jeder den Anspruch macht, im Frieden sagen zu dürfen, was ihm beliebt, und deshalb sich auch anheischig macht, den himmelschreiendsten Diskrepanzen in Dingen, wo eine gewisse Meinung jedem not ist und nur eine heilsame sein kann, im Frieden zuzuhören. Statt daß die Kirche nach dem letzten feierlichen Erdengebete ihres ewigen Hohenpriesters (Joh. 17) eins sein sollte in Ihm, statt daß ein Glaube, ein Herz und Sinn alle ihre Glieder zur einen Herde des guten Hirten machte, wird sie uneins – und will doch in IHm sein, zerrissen im Glauben, Herz und Sinn sucht sie die unglückseligen Klüfte in ihrem Bereiche mit der kolossalen Lüge zu bedecken, daß man dennoch einig sein könne, wenn man nur die Wahrheit nicht als eine gewordene und vorhandene, nur nicht als eine königliche und herrschende ansehe. Ein Reich des Unfriedens im Innersten ist sie auf diese Weise und kann darum auch keine Zufluchtstätte armer, gejagter Seelen sein. Immer lernend und nie zur Er-
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Lutherischer Rundblick 8 (1960), 19–21.
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kenntnis der Wahrheit kommend, ist sie weit entfernt, eine Lehrerin aller Heiden und eine Trösterin aller Weisen zu sein. – So ist sie nichts, so schafft sie nichts. Darum, und aus wie vielen Gründen sonst? – könnte ich auch nicht in dem nassauischen Kirchenverbande bleiben. Und Gott Lob, wie ich’s nicht könnte, wenn ich mich in den Fall versetzte, so können auch Sie es nicht. Wir wissen, welchem wir glauben, und wie wir also unseres Glaubens Lehre anzusehen und zu schätzen haben, nämlich als ewige und unumstößliche Wahrheit. Darum können wir auch nicht gutwillig zugestehen, daß man unsern Glauben als eine religiöse Ansicht behandele. Wir müssen ihn nicht bloß bekennen, sondern als das bekennen, was er ist, als ausschließende Wahrheit. Es ist unsere Liebespflicht gegen Gott und Menschen, daß wir uns scheiden von aller Lüge und Finsternis und Gemeinschaft halten mit denjenigen alleine, welche bei der reinen Lehre halten. Ich mag es darum ansehen, wie ich will, so kann ich doch Ihren Entschluß, den Verband der nassauischen Landeskirche zu verlassen, nur billigen. Ich weiß, daß die Mehrzahl unter den Christen unserer Tage denen, welche so urteilen und handeln, die Liebe abspricht. Es bleibt aber doch wahr, daß sie gerade auf diese Weise die Liebe verletzt, während wir sie halten, indem wir mit Wort und Tat den rechten schmalen Weg zum ewigen Leben zeigen und empfehlen. Nicht bloß Röm. 10, 9.10., sondern auch 1. Tim. 4, 13–16, ja, die ganze heilige Schrift, samt dem ganzen Altertume gehört uns zu, wenn wir also wandeln. Darin sind wir einig. Eine andere Frage ist es aber, ob Sie bei solcher Gesinnung und solchem Bekenntnis innerhalb der nassauischen Kirchengemeinschaft eine gesonderte Gemeinde bilden können oder nicht. Ich gestehe Ihnen, daß ich es nicht glaube. So wenig Sie in der römischen Kirchengemeinschaft lutherischer Pfarrer sein können, so wenig können Sie es in der nassauischen, so wie sie nämlich von Ihnen und Wiggers beschrieben ist. Man wird Sie schwerlich an eine andere Gemeinde im Lande versetzen, wenn man erst sicher erkannt hat, daß Ihr Bekenntnis nüchterner, männlicher, beharrlicher Ernst ist. Und ob man’s täte, könnten Sie doch sich von einer solchen Kirche nicht setzen und installieren lassen. Wie können Sie ihr untertan sein, wenn Sie dieselbe als eine Feindin Christi und seiner Wahrheit erkennen? Müssen Sie nicht vielmehr gegen sie kämpfen? Und wollten doch unter ihrem Regimente stehen? Damit würden Sie bei allem Hunger und Durst nach Wahrheit und Zucht die Wahrheit verletzen und zugleich die Zucht, zu denen beiden es gehört, daß wir nur Glieder seines Leibes seien. „Eines Leibes und eines Geistes“ zu sein, sind wir berufen. – Was aber Ihnen, dem Einzelnen, in diesem Stücke gilt, das gilt auch allen Ihren der Kirche Gottes zugetanen Gemeindegliedern. Sie können freilich das keinem zumuten; aber wenn alle gefaßt haben, was die Schrift von Christo und von seiner Braut spricht, so wird einem jeglichen die Wahrheit auf einfachen Vorhalt einleuchten. – Ich sehe wohl, welche Sichtung und welche Leiden kommen können, wenn eine ganze Gemeinde Trennung von der Landeskirche und Ruhe auf der alten Basis der lutherischen Kirche verlangt. Es wird auch wenn die Gemeinde nicht sehr zahlreich ist, Aufsehen erregen. Es wird für und wider geredet
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und großer Schein der Liebe und Heiligkeit von den Feinden vorgewendet werden. Dazu werden Ihre Gemeindeglieder in einer so schweren Sache auch fehlen und sündigen, und jeder Fehl, jede Sünde wird gehörig ausgebeutet werden usw. usw. Dennoch weiß ich nicht anders zu sagen, als daß ich Trennung von der Landeskirche und Verharren in ihrem Verbande für eine contradictio in adjecto halte. Alle Vorteile, welche das Verharren im Verbande begleiten würden, werden von dem einen Nachteil aufgewogen werden, daß Wahrheit und Zucht verletzt würde, nicht zu rechnen, daß böses Beispiel gegeben und auf die treuen Bekenner der Kirche in Preußen, die sich von einer besseren Union trennten, ein Vorwurf gebracht würde. Freilich eine schwere Aufgabe stünde Ihnen bevor, aber auch eine desto schönere. Der Herr wird helfen, daß es den Demütigen und Aufrichtigen gelinge. – Ich weiß nicht, ob die lutherische Kirche noch irgendeinen Rest von rechtlichem Bestehen im Herzogtum Nassau hat, ob dies Recht nachgewiesen und durchgefochten werden könnte. Kann es, so ist natürlich das der Boden, auf den man sich mit aller Bescheidenheit stellen müßte. Wenn aber auch das nicht der Fall ist, so wäre Duldung fürs erste auch genug. Eine geduldete lutherische Kirche ist vom obersten Episkopat der weltlichen Fürsten und damit von einem großen, verjährten Übel frei – von einem Übel, welches 300 Jahre lang die lutherische Kirche Deutschlands zerbröckelt, zerstückt und erdrückt hat. Schon diese Freiheit und damit die Möglichkeit, sich ungehindert zu entfalten, ist eines heißen, langjährigen Kampfes wert. Vor allen Dingen ist, glaube ich, allen teuren Brüdern, die eines Vorsatzes sind, nötig, recht hell zu erkennen, was sie wollen und ob sie’s redlich wollen. Sodann müßte der einfältigste, stillste Weg nach außen hin nach den Ordnungen des Landes betreten werden. Der Beirat wohlgesinnter, für die Sache gewonnener Juristen wäre sehr zu wünschen. Wären alle Teilnehmer völlig einig, so wäre zu überlegen, ob es nicht am besten wäre, wenn vor den betreffenden Behörden Bekenntnis zu den lutherischen Symbolen und Lossagung von der Landeskirche protokollarisch niedergelegt und gleichzeitig die Bitte um Duldung auf Grund der lutherischen Symbole und einer vorzulegenden Kirchenordnung an den Staat gestellt würde. Nach einem solchen Schritte läge denn alles an der stillen, gottergebenen Festigkeit und Einigkeit der Gemeinde mit dem Hirten. – Ich kenne entschieden kirchliche Juristen, die, wenn es dazu käme, gern bereit sein würden, Sie wegen der rechtlichen Formen zu beraten. Daß ich mit Freuden zu jeder Teilnahme und Arbeit, welche ich hierbei zu Ihrer Erleichterung übernehmen könnte, bereit bin, will ich nur nicht besonders versichern. Meine Zeit, meine Kraft sei Ihre. Der Herr segne Sie und Ihre Glaubensgenossen! ER wolle Sie alle stärken, vollbereiten, kräftigen, gründen. „Wenn er Sie demütigt, macht er Sie groß“. – Der heilige Laurentius sagte sterbend: „Meine Nacht hat keine Dunkelheit; ich sehe alles hell.“ Sie, nicht ein Martyr, aber ein Konfessor, mögen ein Gleiches sagen können. Der Friede sei mit Ihnen und Ihrem treuergebenen W. Löhe, Pfr.
Brief Friedrich Brunns an Kirchenrat Wilhelmi
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N.-Dettelsau, 24. Juni (St. Johannistag) 1846 PS. Wie gerne, wie fröhlich wollte ich Sie in meiner Hütte empfangen! Das sag ich im Postskript, damit Sie es bemerken.
Johannes Konrad Wilhelm Löhe, *1808, †1872, Pfarrer in Neuendettelsau seit 1837, Ausbildung von Pastoren für die (deutschen) lutherischen (Auswanderer-)Kirchen Nordamerikas seit 1842, Mitbegründer der Gesellschaft für innere und äußere Mission im Sinne der lutherischen Kirche 1847, Gründung des Diakonissenmutterhauses Neuendettelsau 1854.
71. [58.] Brief Friedrich Brunns an Kirchenrat Wilhelmi, Wiesbaden, vom 13.7.1846* An Geh. Kirchenrath Wilhelmi. 13. July 1846 Ew. Hochwürden haben mich zu aufrichtigem Dank verpflichtet durch Ihr geehrtes Schreiben, worin Sie Ihre Ansicht über kirchliche Symbole mir so offen und unverhohlen darlegen. Wenn ich bisher in einzelnen Stunden wohl auch Befürchtungen in mir aufsteigen sah, ob ich nicht dennoch unsre Kirchenordnung von den Jahren 1817–18 mißverstanden hätte, so haben Ew. Hochwürden selbst mir nun über das Verhältnis unsrer Nassauischen Landeskirche zu den kirchlichen Symbolen die letzten Zweifel benommen, durch die unverhohlene Erklärung, daß die Symbole uns in unsrer Landeskirche nur gelten „als Bekenntnisse, aber nicht als bindende Glaubens- und Lehrvorschriften“, daß „Symbolzwang gegen das Princip der evangelischen Kirche“ streite. Mit diesen Äußerungen haben Ew. Hochwürden mir den *
Lutherischer Rundblick 17 (1969), 19–21.
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Die Evangelisch-Lutherische Freikirche (in Sachsen und anderen Staaten)
letzten Hoffnungsschimmer benommen, daß eine von mir so heiß ersehnte bessere Geltung der kirchlichen Symbole in unsrer Landeskirche herbeigeführt werde. Das, was ich als die einzige rechtliche Grundlage der Kirche erkenne, sehe ich mit tiefem Schmerz völlig mißkannt und verworfen. Ew. Hochwürden haben es daher nur sich selbst zuzuschreiben, wenn ich genöthigt bin, auf anderem, bereits eingeschlagenen Wege eine kirchliche Stellung mir zu erringen, wie sie streng und unerläßlich von meinem Gewissen gefordert wird. Die Symbole gelten in unsrer Landeskirche als „Bekenntnis“. Setzt ein Bekennen nicht erst nothwendig ein „Glauben“ voraus? Oder darf ich bekennen, was ich nicht zuvor erst glaube? Nun aber wissen wir aus Röm. 10, 14, daß niemand glauben kann, ehe denn er es gehört habe, und wiederum, daß niemand hören kann ohne Predigen. Folgt daraus nicht consequent: unsre Landeskirche verpflichtet ihre Prediger nicht, den Glauben der Symbole zu lehren, also können die Gemeinden auch nicht hören und glauben; und doch will die Kirche (d.h.: die Gesamtheit der jetzt lebenden Personen und Gemeinden, die sich evangelisch-christlich nennen) bekennen, |also| einen Glauben, der nicht in ihr gelehrt wird, den ihre Glieder also auch nicht hören und haben? Die Alten pflegen durchgehends zu sagen: „Wir glauben, lehren und bekennen“; unsrer Landeskirche dagegen müssen wir sagen: sie lehrt die Wahrheit der Symbole nicht, sie glaubt sie nicht, sie bekennt sie nur. Werden mir Ew. Hochwürden verargen, daß ich eine solche Geltung von Symbolen nur für ein leeres Trugbild halte? Ja, vor Zeiten sind die Symbolischen Bücher, wie Ew. Hochwürden schreiben, Bekenntnisschriften gewesen; gewiß, damals durfte die Kirche freudig der Bekenntnisse ihres Glaubens sich rühmen, denn sie lehrte diesen Glauben und die Gemeinden hatten ihn. In unsrer Landeskirche aber, von der es vielleicht zweifelhaft ist, ob sie außer mir noch einen einzigen Prediger besitzt, der rein und vollständig den Glauben der symbolischen Bücher theilt, können die Symbole nicht Bekenntnisse eines Glaubens seyn, den sie gegenwärtig nicht mehr hat, sondern sie sind nur Zeugnisse dessen, was in vergangenen Zeiten in unsrer Kirche gelehrt und geglaubt wurde. Nach meiner innigen Überzeugung soll die Gemeine Gottes ein Pfeiler und Grundfeste der Wahrheit seyn, 1. Tim. 3, 15. Heilige Pflicht der Kirche ist es also, eine Trägerin, Bewahrerin, Wächterin des Glaubens zu sein. Diese Pflicht haben nicht nur die Diener und Leiter der Kirche, sondern die „Gemeine Gottes“, wie der Apostel spricht, in ihrer Gesamtheit. Röm. 16, 17 befiehlt der ganzen Gemeine, von denen zu weichen, die eine Zertrennung anrichten neben der erlernten Lehre. 2. Joh. 10 werden gleichfalls alle Christen ohne Unterschied ermahnt, diejenigen nicht bey sich aufzunehmen, die ihnen die Lehre Christi nicht bringen. Hieraus erhellt sattsam, daß jede christliche Gemeinde die heilige Pflicht hat, an dem reinen evangelischen Glauben zu halten, über ihn zu wachen, also nicht zu dulden, daß ihr und ihren Kindern ein andrer, als falsch erkannter Glaube gelehrt werde. Ist der Glaube unsrer Kirche nun niedergelegt in ihren Symbolen, so folgt, daß keine Gemeinde
Generalsynode der Evangelisch-lutherischen Kirche in Preußen
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einen Lehrer und Prediger annehmen darf, welcher ihr nicht den in ihren Symbolen niedergelegten Glauben zu verkündigen gesetzlich verpflichtet und gehalten ist. In diesen Grundsätzen werden Ew. Hochwürden ein kirchliches Princip erkennen, welches seit Jahrhunderten in der lutherischen Kirche gegolten hat und geübt worden ist. Es war mir nicht verboten, meine Glaubensüberzeugung in dem ganzen Umfange, wie ich sie aus der Schrift schöpfe, zu predigen; bey Abhaltung meiner Pfingstpredigt habe ich daher nicht nur nicht das geringste Bedenken gehegt, einen ungesetzlichen Schritt zu begehen, sondern ich habe es für eine heilige Pflicht gehalten, meine Gemeinde, wie meine Kirche an dem von Gott mir angewiesenen Orte zu erinnern sowohl an die Sünde der Versäumnis, deren sie sich bisher schuldig gemacht, als an das ihr von Gott befohlene Gebot, über Glauben zu halten und zu wachen. Diese Pflicht des öffentlichen Zeugnisses, und nichts anderes, wollte ich durch jene Predigt erfüllen. Nun ich sie erfüllt habe, und ich sehe, die Kirche nimmt mein Zeugnis nicht an, sie setzt sich ihm feindlich entgegen, nun darf ich, ohne mein Gewissen zu verletzen, schweigen. Ich werde nie wieder ein öffentliches Zeugnis wiederholen, welches die Kirche, unter Androhung von Gewaltmaßregeln, entschieden von sich weist. Mein Zeugnis habe ich abgelegt, und es ist verworfen worden. Ganz der natürlichen Folge und Ordnung gemäß hat nun meine Gemeinde das Bekenntnis ihrer Überzeugungen herzoglicher Landesregierung vorgelegt. Wird die Landeskirche sich auch hiergegen verschließen, oder wird sie die bekannten kirchlichen Grundsätze in sich aufnehmen? Gott wolle es zum Segen für Viele lenken, was wir zu thun nicht lassen konnten und was gesetzlich wenigstens nirgends untersagt, noch, vermöge der bestehenden Gewissensfreyheit, verwehrt ist. Mag man wohl auch den geschehenen Schritt als eine Folge meines Wirkens in hiesiger Gemeinde erkennen; es war mir ja unverboten, meinen Glaubensüberzeugungen in dem ganzen Umfange wie ich sie erkenne aus heiliger Schrift, zu leben. Ich darf getrost und fest versichern, daß das Geschehene nur hervorgegangen ist aus strengster und heiligster Gewissensüberzeugung, aus warmem Eifer für die höchsten und theuersten Interessen, aus klar erkanntem, göttlichem Gebot. Daß man dieses erkennen und uns Gerechtigkeit widerfahren lasse, das ist mein sehnlichster Wunsch, meine dringendste Bitte.
72. [59.] Friedrich Brunn über die Generalsynode der Evangelisch-lutherischen Kirche in Preußen von 1852* Wiewohl wir einzelne Glieder derselben schon früher kannten und in Verbindung mit ihnen lebten, schlossen wir nassauischen Lutheraner doch erst im Jahre 1852 uns der Breslauer Synode eigentlich an. In diesem Jahre besuchte ich zum ersten *
Evangelisch-lutherische Kirche und Mission 12 (1877), 90.
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Male die Synodalversammlung in Breslau und ward mit allgemeiner großer brüderlicher Liebe dort aufgenommen. Bei der gänzlichen kirchlichen Vereinsamung, worin wir in Nassau standen, und bei dem natürlichen Wunsche, doch, wo irgend möglich, einer größeren kirchlichen Gemeinschaft anzugehören, schlossen wir aber um so lieber und leichter der Breslauer Synode uns an, da sie die einzige lutherische Freikirche damals in Deutschland war und an Lehrdifferenzen Niemand dachte. Nicht Lehrunterschiede, doch schon ein anderer Punkt stellte sich indessen gleich anfangs zwischen uns und die Breslauer. Letztere hatten nämlich bereits ein dickes Buch voll gesetzlich bindender Synodalbeschlüsse; das widerstrebte theils sehr unseren einfachen nassauischen Gemeindeverhältnissen, wo sich bisher auf dem Wege freier christlicher Liebe und Vertrauens Alles ungehindert und ohne den lästigen Zwang von Synodalbeschlüssen gestaltet und geordnet hatte, theils bewegten uns, wie schon früher erzählt worden ist, die Löhe’schen Ideen von kirchlicher Verfassung, die wir für die echt biblischen hielten. So lehnten wir die Breslauer Synodalbeschlüsse von uns ab und bereitwilligst wurde uns das von der Breslauer Synode auch gestattet und im Jahre 1852 eine Vereinbarung schriftlich festgesetzt, wonach wir nassauischen Lutheraner zwar dem Breslauer Oberkirchencollegium als unserem Kirchenregiment uns zu unterstellen verpflichteten, jedoch von der Verbindlichkeit der Breslauer Synodalbeschlüsse befreit blieben.
73. [60.] Friedrich Brunn über seine Lossagung vom Kirchenregiment des Oberkirchenkollegiums vom 23.2.1865 * Wir Pastoren am oberen Rhein (P. Crome war bereits früher zur Immanuelsynode getreten), wir beiden in Nassau, P. Frommel in Baden, P. Frischmuth in Saarbrücken, schlossen uns eng zusammen und nach mehreren gemeinschaftlichen Berathungen erklärten wir dann dem Oberkirchencollegium, Jeder in seiner Weise, unsere Lossagung. Es war am 23. Februar 1865, als wir zu diesem Zwecke in Steeden eine Versammlung aller unserer nassauischen lutherischen Gemeinden hielten und dort unsere Trennung von der Breslauer Synode beschlossen. Ganz einstimmig waren bis dahin alle unsere Gemeinden auch in dieser Sache dem Zeugniß der Wahrheit gefolgt, das sie von uns Pastoren erhielten, umso leichter, da ihnen im Ganzen die Breslauer Synode immer nur so ganz fern gestanden hatte und keinerlei Band der Anhänglichkeit an sie vorhanden war.
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Evangelisch-lutherische Kirche und Mission 12 (1877), 92.
Aus der Synodalstatistik
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74. [61.] Aus der Synodalstatistik der Superintendenturen und Parochien der Evangelisch-lutherischen Kirche in Preußen (1864; Anmerkung von 1865)*1 Noch keiner Superintendentur gehören an: außerhalb Preußens: Pfarrbezirk Steeden in Nassau. (794 S.) Pastor Brunn. Hilfsprediger Hein. 1. Gem. Steeden (350 S.) – 2. Gem. Gemünden (250 S.) – 3. Gem. Anspach (110 S. 84 C. 1 26 B.) – 4. Gem. Wiesbaden-Nordenstadt (84 S. 45 C. 14 B.). Bemerkungen. S. bedeutet Seelenzahl, C. “ Communionfähige, B. “ Beitragspflichtige.
75. [62.] Amtsentsetzung Friedrich Brunns durch das Oberkirchenkollegium vom 11.4.1865*2 I. N. J. Nachdem der Pastor Brunn zu Steeden, sowie der Hilfsprediger Hein zu Wiesbaden, in Verbindung mit den Gemeinden Steeden und Anspach in Nassau sich im Februar d.J. von dem Ober-Kirchen-Collegium und der Autorität der Generalsynode losgesagt haben, hat das Ober-Kirchen-Collegium der ev.-lutherischen Kirche in Preußen auf Grund der für solche Fälle gefaßten Synodalbeschlüsse (vgl. Oeffentl. Erklärung S. 6–8 und S. 8) in seiner heutigen Sitzung 1. für Recht erkannt, daß der Pastor Brunn zu Steeden und der Hilfsprediger Hein zu Wiesbaden sich dadurch, daß sie sich von dem Ober-Kirchen-Collegium und der Autorität der Generalsynode losgesagt haben, ohne ihr Amt niederzulegen, die amtlichen Rechte, die sie bisher innerhalb unserer Kirche genossen, selbst abgesprochen und damit verloren haben,
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*1
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Inzwischen haben sich P. Brunn und Hilfsprediger Hein mit den Gliedern der Gemeinen Steeden, Anspach und Wiesbaden-Nordenstadt von unserer Kirche separirt. Die Gemeine Gemünden, jetzt mit Hilfsprediger Müller, ist einstweilen zum Pfarrbezirk Elberfeld geschlagen worden. Oberkirchenkollegium (Hg.), Beschlüsse der von der evangelisch-lutherischen Kirche in Preußen im September und October 1841 zu Breslau gehaltenen Generalsynode (und folgender Generalsynoden, gesammelt in 2 Bänden: 1841–1873 und 1878–1910), Leipzig 1842 und Breslau 1844ff., 398f. Kirchenblatt für die evangelisch-lutherischen Gemeinden in Preußen, Jahrgang 1865, 108.
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2. beschlossen, dies, sowie den gleichzeitigen Abfall der Glieder der Gemeinden Steeden und Anspach und die damit eingetretene Nothwendigkeit, den über unser Verhältniß zu den Secedirten gefaßten Synodalbeschluß auf dieselben anzuwenden, duch das Kirchenblatt zur öffentlichen Kenntniß zu bringen, welches letztere hiermit geschieht. Breslau, den 11. April 1865. Das Ober-Kirchen-Collegium der evang.-lutherischen Kirche in Preußen. E. Huschke.
76. [63.] Aus einem Brief Carl Ferdinand Wilhelm Walthers an Friedrich Brunn vom 2.3.1861* ... Bitten um Prediger kommen allwöchentlich an, oft für die allerhoffnungsreichsten Plätze; dazu öffnet sich unserer aufsuchenden Liebe ein neukonstituiertes großes Territorium nach dem andern, von denen man mit Erstaunen hört, daß sie, von uns für Wüsteneien und Jagdgründe der Indianer noch gehalten, bereits von vielen Tausenden zu einem großen Teil deutscher Ansiedler bewohnt sind, die, abgeschnitten von dem Verkehr mit der Mutterkirche, einen unter ihnen erscheinenden Boten des Evangeliums mit großer Freude begrüßen. Diese armen Leute entweder ganz geistlich verkommen oder eine Beute der schwärmerischen Sekten werden zu sehen, die es wohl wissen, wie wichtig es ist, in einem neuen Territorium die Ersten zu sein, ist herzzerreißend. Von unsern Anstalten hier kann aber eine entsprechende Hilfe nicht gehofft werden. In St. Louis dauert es zu lange, ehe die Knaben zu Arbeitern herangewachsen und ausgerüstet sind, und in Fort Wayne ist die Anzahl der von Zeit zu Zeit Eintretenden derart, daß sie hinter den Anforderungen weit zurückbleibt, obwohl die Zahl darin größer ist als sonst in einem amerikanischen Predigerseminar. Wie freuen wir uns daher, daß Gott Sie erweckt hat, in der Liebe Christi in Deutschland einen Werbeplatz zu eröffnen, dort, wo es so viele junge erweckte Männer gibt, die wohl Lust und Gaben hätten, sich für den unmittelbaren Dienst der Kirche vorbereiten zu lassen, denen aber nach dortigen Verhältnissen wegen mangelnder klassischer Vorbildung die Möglichkeit, noch öffentliche Kirchendiener zu werden, abgeschnitten ist. Wir haben hier seit fünfzehn Jahren die Erfahrung gemacht, daß es keineswegs nur als Sache des Notstandes anzusehen ist, wenn man nicht in den alten Sprachen Unterrichtete, die aber ein Herz voll Glaubens und voll Liebe zu Christo und den Miterlösten und dabei einen guten Verstand und sonstige zum Kirchendienst nötige Gaben haben, in diesen Dienst zieht. Unsere sogenannten praktisch gebildeten Prediger sind das beste Element unsers Ministeriums. Sie übertreffen nicht selten im Predigen, in der Seelsorge und in der Ge*
Carl Ferdinand Wilhelm Walther, Briefe an seine Freunde, Synodalgenossen und Familienglieder 1, hg. von L. Fürbringer, St. Louis/Mo. 1915, 159f.
Eingabe des Pastors Heinrich Fröhlich und Genossen vom 15.6.1868
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meinderegierung die mit gelehrten Kenntnissen Ausgestatteten bei weitem. Es ist eine Herzenslust, durch Amerika zu reisen und zu sehen, wie überall durch den selbstverleugnenden und eifrigen Dienst unserer Prediger rechtschaffene, in gesunder Erkenntnis stehende echt lutherische Kernchristen geworden sind, die in ihrer ganzen Gegend einen wahren Sauerteig bilden. Das Herz lacht mir im Leibe, wenn ich an die furchtbare Zeit zurückdenke, in welcher ich hier ankam, da fast nirgends Spuren lutherischer Erkenntnis zu entdecken waren, und damit unsern gegenwärtigen Stand vergleiche. Nicht nur ist jetzt unsere durch Gottes Gnade lebendige und rechtgläubige, in reiner Erkenntnis der Lehre Luthers stehende Synode über das ganze Unionsgebiet vom äußersten Norden Minnesotas bis zum äußersten Süden Louisianas und Texas’, vom vordersten Osten New Yorks und Virginias bis zum hintersten Westen Californias wie ein Netz des Evangeliums ausgespannt; nicht nur ist jetzt eine wahre lutherische Literatur, das Konkordienbuch, Luthers Hauspostille, rechtgläubige Gesangbücher, Katechismen, Bibelwerke, Agenden, Schulbücher aller Art, Zeitschriften usw., alles durch Gottes Gnade, von uns aufgelegt oder auf unsern Betrieb aufgelegt, daneben eine Unzahl rechtgläubiger, aus dem alten Vaterland herübergeholter Antiquarien in tausend und aber tausend Exemplaren über das ganze Land verbreitet, sondern auch in andern Synoden ist eine gewaltige Gärung erzeugt worden, die immer mehr Gesundes herausgebiert ...
77. [64.] Eingabe des Pastors Heinrich Fröhlich und Genossen vom 15.6.1868* An das Königliche Hohe Ministerium des Kultus und öffentlichen Unterrichts zu Dresden. Als nach den traurigen politischen Ereignissen des Jahres 1866 wir, die ehrerbietigst Unterzeichneten, mit unserm ganzen Sachsenvolke uns freuen konnten, daß unserm geliebten Vaterlande seine Selbständigkeit erhalten blieb, mußte es uns als Glieder und resp. Dienern der lutherischen Kirche sehr nahe liegen, dem Herrn zugleich dafür zu danken, daß durch diese unserm Lande verbliebene Selbständigkeit auch unsre teure lutherische Landeskirche vor den großen Gefahren, denen die lutherische Kirche in den unter preußische Hoheit geratenen Ländern im Verhältnis zu der in Altpreußen bestehenden Union gegenübersteht, bewahrt und in ihrem Bekenntnis und ihrer Verfassung intakt geblieben ist. Freilich können wir uns nicht verhehlen, daß die durch die Organisation des Norddeutschen Bundes herbeigeführte Versetzung unierter Bundesbeamter, sowie überhaupt das infolge des Freizügigkeitsgesetzes zu erwartende resp. bereits eingetretene Hereinströmen unierter Familien in unser Land allmählich Verwirrung und Gefahren für unsere lutheri*
Bezirksarchiv des Sächsischen Bezirks der Ev.-luth. Freikirche, Crimmitschau, Loc. XI/d (Abschrift von Pfarrer Gotthilf Herrmann, Zwickau 1941).
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sche Kirche nach sich ziehen kann. Viel wichtiger aber ist die durch gewisse, dem Königlichen Hohen Ministerium nicht unbekannt gebliebene Vorgänge angeregte Frage nach der Stellung unserer lutherischen Landeskirche und nach dem den lutherischen Geistlichen des Landes obliegenden Verhalten zu preußischen, innerhalb unseres Landes garnisonierenden Truppenkörpern, und wir können nicht verbergen, daß uns die Vorgänge in Leipzig, ja selbst in Bautzen mit tiefer Besorgnis erfüllt haben. Nach allem, was bis jetzt über den ganzen Sachverlauf zu allgemeiner Kenntnis gelangt ist, scheint in Leipzig die Zulassung der dortigen preußischen Garnison zu den lutherischen Altären als etwas ganz Selbstverständliches bewirkt worden zu sein, während man sich in Bautzen (vgl. Nr. 9 des diesjährigen Sächs. Kirchen- und Schulblattes S. 84) damit begnügt hat, durch das Kommando der dortigen preußischen Garnison den Mannschaften mitteilen zu lassen, daß unsere Kirche eine Evangelisch-lutherische sei und auch das heilige Abendmahl nach evangelisch-lutherischem Ritus bei uns verwaltet werde. Es kann nun unsers Erachtens wohl nicht bezweifelt werden, daß das Verfahren in Leipzig einer Union in praxi völlig gleichkommt. Ohne auf das Wesen der Union hier näher eingehen zu wollen, müssen wir doch den Satz: „Abendmahlsgemeinschaft ist Kirchengemeinschaft“ als Grundsatz unserer Kirche festhalten. Deshalb genügt aber auch das in Bautzen innegehaltene Verfahren durchaus nicht zur Wahrung des Rechtes unserer Kirche. Gegen die in Leipzig beliebte unterschiedslose Zulassung von Unierten zum heiligen Abendmahl und ebenso gegen das zwar wohlgemeinte, aber offenbar nicht genügende Verfahren in Bautzen müssen wir daher auch als Glieder und resp. Diener der lutherischen Kirche hiermit feierlichst Verwahrung einlegen und halten uns, damit nicht aus diesen Vorgängen später irgendwelche, dem guten Rechte unserer lutherischen Landeskirche nachteilige Konsequensen gezogen werden können, für verpflichtet, dem Königlichen Hohen Ministerium diese unsere Verwahrung in aller Ehrerbietung zu überreichen, knüpfen aber daran zugleich die ehrfurchtsvolle Bitte: „Hochdasselbe wolle durch entsprechende Generalverordnung an alle Geistlichen des Landes, resp. durch Einvernehmen mit der Königlich Preußischen Staatsregierung behufs jedesmaliger Abordnung unierter Militärgeistlicher zu den in unserm Land garnisonierenden preußischen Truppen oder auf sonstige geeignete Weise geeignetzt Vorkehrung treffen, daß dergleichen Vorkommnissen für die Zukunft vorgebeugt werde,“ eine Bitte, deren geneigte Erfüllung zu hoffen wir umso mehr berechtigt zu sein glauben, da ein Mitglied des Hohen Ministeriums, Herr Geh. Kirchenrat Oberhofprediger Dr. Liebner im September 1866 auf der an die Dresdener Feste sich anschließenden sächs. Pastoralkonferenz öffentlich erklärt hat: „es werde von Seiten der obersten Kirchenbehörde alles geschehen, um die Geistlichen hinsichtlich dieser Angelegenheit nicht in Gewissensnöte kommen zu lassen.“
Antwort des Kultusministeriums vom 24.5.1869
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Zur Unterstützung der vorstehenden Bitte fügen wir hinzu, daß der Fall, daß preußische Truppen in unserm Lande zeitweilig Standquartier haben, sich oft und bald wiederholen kann, daß in Betracht der Nähe der preußischen Grenze die Füglichkeit, preußische Geistliche zur Bedienung des preußischen Militärs herbeizuziehen, sehr nahe liegt und daß der Wunsch, von den unglücklichen konfessionellen Streitigkeiten, wie sie gerade in unserem Nachbarlande Preußen und eben wegen der Union so lebhaft entbrannt sind, verschont zu bleiben, dem Königlichen Ministerium nicht weniger als uns und dem ganzen Sächsischen Volke am Herzen liegt. In dieser Zuversicht haben wir auch geglaubt, von einer öffentlichen Aufforderung zur Unterschrift dieser unserer Vorstellung absehen zu können, bitten jedoch inständigst, das Königliche Ministerium des Kultus wolle unsre beunruhigten Gewissen ansehen, der dargestellten Gefahr der Landeskirche fürsorglich zuvorkommen und uns auf diese unsre Vorstellung baldigst geneigte Bescheidung erteilen. Dresden, den 15. Juni 1868 (Es folgen 84 Unterschriften)
78. [65.] Antwort des Kultusministeriums vom 24.5.1869
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An Herrn Prediger Fröhlich an der Diakonissenanstalt zu Dresden und Genossen. Sie haben in Gemeinschaft mit einer Anzahl anderer Geistlicher und verschiedener Mitglieder von Kirchen-Gemeinden in einer am 15. Juni v.J. an das unterzeichnete Ministerium gerichteten Vorstellung, unter Anerkennung der Thatsache, daß ohnerachtet der politischen Ereignisse des Jahres 1866 unsere evang.-luth. Landeskirche in ihrem Bekenntniß und ihrer Verfassung intakt geblieben sei, doch die Besorgnis ausgesprochen, daß das Freizügigkeitsgesetz des norddeutschen Bundes und das in dessen Folge zu erwartende Hereinziehen unirter Familien in unser Land Verwirrung und Gefahr für unsere evang.-luth. Kirche nach sich ziehen könne. Sie haben sich zu Begründung dieser Besorgniß auf das Verfahren zweier Geistlicher in Leipzig und Bautzen bezogen – gegenüber den damals in jenen Orten garnisonirenden Königl. Preuß. Truppen, haben „als Glieder der evang.-luth. Kirche“ gegen jenes Verfahren feierlichst Verwahrung eingelegt und daran den Antrag geknüpft: das Ministerium möge durch entsprechende Generalverordnung an alle Geistlichen des Landes, resp. durch Einvernehmen mit der Königl. Preuß. Staatsregierung behufs jedesmaliger Abordnung unirter Militärgeistlicher zu den in unserem Lande garnisonirenden Königl. Preuß. Truppen, oder sonst auf geeignete Weise Vorkehrung treffen, daß dergleichen Vorkommnissen für die Zukunft vorgebeugt werde. Dabei ist zugleich auf eine Aeußerung des Oberhofpredigers D. Liebner Bezug *
Sächsisches Kirchen- und Schulblatt 19 (1869), 377–380.
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genommen: „es werde Seiten der obersten Kirchenbehörde Alles geschehen, um die Geistlichen hinsichtlich dieser Angelegenheit nicht in Gewissensnöthe kommen zu lassen“ und endlich ausdrücklich um Bescheidung auf diese Vorstellung gebeten worden. Das Ministerium hat absichtlich bis jetzt angestanden, diesem Wunsche zu entsprechen, um die ganze Frage recht sorgfältig und unbefangen zu prüfen und etwa zu machende Erfahrungen benutzen zu können, darf aber nun nicht länger säumen, Ihnen Folgendes zu eröffnen: Was zunächst den Antrag betrifft: eine Vernehmung mit der Königl. Preuß. Regierung eintreten zu lassen, so werden sich ohne Zweifel die Herren Antragsteller bei nochmaliger Erwägung selbst sagen müssen, daß eine solche Vernehmung nicht nur völlig nutzlos, sondern auch den Verhältnissen wenig entsprechend sein würde; nutzlos, weil sich die Preußische Regierung darüber, ob und welche Geistliche sie ihren Truppen beizugeben für angemessen halte, keine Vorschriften würde machen lassen und überhaupt Präventivmaßregeln zu Abwendung vereinzelter, ausnahmsweiser Nothstände, die hier allein denkbarer Weise in Betracht kommen könnten, bei der Fürsorge für die geistliche Pflege der Truppen nach Lage der Dinge sich nicht füglich treffen lassen; den Verhältnissen nicht entsprechend: weil auch nicht der geringste Grund vorliegt, eine Wiederkehr der Ereignisse des Jahres 1866 anzunehmen, oder die Garnisonirung Preußischer Truppen in Sachsen vorauszusetzen, nicht zu gedenken, daß bekanntlich keineswegs alle Preußischen Truppen der unirten Kirche angehören. Kann demnach diesem Antrage in alle Wege nicht stattgegeben werden, so vermag das Ministerium auch nicht die Verwahrung, welche Sie gegen das Verfahren einiger Geistlichen in Leipzig und Bautzen einlegen zu sollen geglaubt haben, als genügend motivirt anzuerkennen. Zwar ist das unterzeichnete Ministerium nicht in den Fall gekommen, speciell über jene Vorkommnisse urtheilen zu müssen; allein darüber ist, soviel dem Ministerium bekannt geworden, kein Zweifel, daß den Königl. Preuß. Militärs, welche in Leipzig und in Bautzen das heilige Abendmahl zu nehmen sich entschlossen haben, bekannt war und daß dieselben beziehentlich ausdrücklich daran erinnert worden sind, daß in Sachsen nach lutherischem Ritus gespendet werde, und daß an beiden Orten auch wirklich nach lutherischem Ritus gespendet worden ist. Es hat sonach weder eine Täuschung auf Seiten der Empfänger, noch eine Abweichung von der kirchlich vorgeschriebenen Form (!) auf Seiten der Ausspender stattgefunden. Eben dies sind aber die Voraussetzungen, unter denen unsere lutherische Landeskirche, ohne ihren Bekenntnißstand zu alteriren, oder ihre Grenzen verrücken zu lassen, Gastfreundschaft am Tische des Herrn solchen evang. Christen gewähren darf, welche, obwohl ihr äußerlich nicht angehörig, doch durch ihr Kommen zu unserem Abendmahle beweisen, daß sie sich wenigstens nicht im Gegensatz gegen den Sinn stellen, in dem ihnen unsere Kirche das Sakrament reicht, die in ihrem Katechismus als das wesentliche Erforderniß eines gesegneten Abendmahlsgenus-
Antwort des Kultusministeriums vom 24.5.1869
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ses und als das Kennzeichen der Würdigkeit eines Communicanten nicht sowohl die kirchliche, als die geistliche Qualität desselben bezeichnet. Das Ministerium kann es dabei unterlassen, in eine Erörterung über das Wesen der Union einzutreten und insbesondere die Frage zu discutiren, ob ursprünglich lutherische Kirchengemeinden oder Kirchenglieder durch ihren Beitritt zur Union wirklich ihren lutherischen Charakter verloren haben; nur darauf muß aufmerksam gemacht werden, daß der Satz: „Abendmahlsgemeinschaft ist Kirchengemeinschaft“, an welchen Sie glauben festhalten zu müssen, doch nur dann Gültigkeit haben kann, wenn unter „Abendmahlsgemeinschaft“ etwas Anderes verstanden wird, als die oben bezeichnete gastweise Zulassung zum Tische des Herrn. Das Ministerium verhehlt sich nicht, daß einzelne Fälle eintreten können, wo die Kirche und ihre Diener berechtigt, ja verpflichtet sind, auch diese gastweise Zulassung zu verweigern. Aber diese Fälle können, sobald die bereits erwähnten Voraussetzungen der Zulassung erfüllt sind, unter keine andere Norm gestellt werden, als die, nach welcher die Geistlichen unserer Landeskirche gesetzlich berechtigt sind, Einzelne ihrer Gemeindeglieder vom Genuß des Abendmahls auszuschließen. Überdies würde eine General-Verordnung, durch welche unbedingt die Spendung des heil. Abendmahls nach lutherischem Ritus an Unirte untersagt würde, zumal in größeren Parochien, in denen ohne Privatbeichte, vielleicht selbst ohne vorherige Anmeldung, Hunderte zugleich zum heiligen Abendmahl gehen und der Geistliche nicht im Entferntesten zu beurtheilen vermag, wer die Theilnehmer sind, völlig unausführbar sein und in kaum zu verantwortender Weise die Gewissen der Geistlichen ebenso wie anderer ernster Gemüther verletzen. Das Ministerium ist sich seiner Pflicht, das Bekenntniß und die Verfassung unserer Landeskirche „intakt“ zu erhalten, wohl bewußt und wird, wie es bisher diese Pflicht erfüllt zu haben glaubt, auch ferner unverbrüchlich daran festhalten; auch braucht Es nicht erst zu versichern, wie dringend Es gleich den Herren Petenten wünscht, daß die Zerwürfnisse, welche im Gefolge der Union hier und da aufgetreten sind, von unserer Landeskirche ferngehalten werden möchten. Aber der Bekenntnisstand unserer Kirche ist nicht bedroht, ihre Grundlagen sind nicht erschüttert und ihre Ordnungen wenigstens von Außen her nicht angefochten. Um so weniger würde es ihr anstehen, wenn sie sich jener wahrhaft evangelischen Freiheit verschließen wollte, welche mit der Treue gegen das eigne Bekenntniß sich wohl verträgt und eine Abweichung von den bestehenden Ordnungen in keiner Weise fordert. Jedenfalls ist schroffe Ausschließung Unirter vom Genuß des heiligen Abendmahls das ungeeignetste Mittel, um den Verwirrungen vorzubeugen, welche die Herren Petenten von dem Freizügigkeitsgesetz für unsere Kirche befürchten. Vermieden werden dieselben nur, wenn rechtzeitig und im evangelischen Liebesgeist alle die Bedürfnisse erfüllt werden, welche unausweichlich sind und weder eine Verleugnung unseres Glaubens, noch ein Opfer unseres kirchlichen Rechts
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bedingen. Ebenso, wie vielleicht einzelne Geistliche durch ihr Gewissen sich gebunden glauben, Unirte vom lutherischen Abendmahle zurückzuweisen, so drängt es dagegen andere sie zuzulassen; und man würde offenbar ungerecht und unzeitig (!) urtheilen, wenn man daraus auf Lauheit im Bekenntniß schließen wollte. Im Gegentheil dürfte der Gedanke: einen ernsten Christen, der das Verlangen hegt, zum heiligen Abendmahle zu gehen, blos darum, weil er der Union angehört, von dem Empfange des Gnadenmittels ausgeschlossen zu haben, das Gewissen eines treuen Geistlichen mehr beunruhigen, als der Gedanke, einen Unirten zugelassen zu haben, der, obwohl er weiß, daß ihm das heilige Abendmahl nach lutherischem Ritus gereicht wird, doch das Bedürfniß empfindet und mündlich oder factisch die Bitte ausspricht, als Gast Theil nehmen zu können an den Segnungen unserer Kirche. Jedenfalls aber wird das Ministerium, welches sorgfältig jeden Gewissenszwang zu vermeiden bemüht ist, einen Geistlichen, welcher auch nach gewissenhafter und selbständiger Erwägung glaubt, die gastweise Zulassung verweigern zu müssen, von den Folgen nicht befreien können, die, sei es bezüglich seiner Gemeinde, sei es für sein gesammtes amtliches Wirken, aus seinen subjectiven Ansichten und seinem danach bemessenen Verfahren hervorgehen können. Sonach werden die Herren Petenten selbst ermessen, daß das Ministerium nicht in der Lage ist, eine General-Verordnung nach dem Antrag derselben zu erlassen. Eine solche würde den vorstehend entwickelten Gesichtspunkten widersprechen, demVorwurfe resp. der Härte und der Nutzlosigkeit schwerlich entgehen, ohne zwingende Nothwendigkeit zum Widerstand reizen, insonderheit aber ein Mißtrauen gegen die Pflicht- und Bekenntnißtreue der Geistlichen, welches sie nicht verdienen, enthalten und nur Gewissensnöthe und Verlegenheiten herbeiführen, die doppelt sorgfältig zu vermeiden sind in einer Zeit, in der, gerade um die evangelische Kirche intakt zu erhalten, Alles darauf ankommt zu sammeln, nicht zu zerstreuen. Dresden, den 24. Mai 1869 Ministerium des Cultus und öffentlichen Unterrichts von Falkenstein
79. [66.] Aufruf des Vereins evangelisch-lutherischer Glaubensgenossen vom April 1867 * Lasset Euch nicht mit mancherlei und fremden Lehren umtreiben, denn es ist ein köstliches Ding, daß das Herz fest werde, welches geschieht durch Gnade. Ebräer 13,9
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Der Lutheraner (St. Louis/Mo.) 23 (1866/67), 117f.
Aufruf des Vereins evangelisch-lutherischer Glaubensgenossen
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Theure Brüder! Es ist unzweifelhaft gewiß, daß die Verdunkelung der rechten reinen Lehre ein bedeutsames Zeichen der Zeit ist, dem die Gerichte Gottes bereits zu folgen beginnen in den kräftigen Irrthümern, die, in vollkommenem Widerspruch mit der Lehre der lutherischen Kirche, zum Theil auf Universitäten gelehrt, zum Theil von Kanzeln gepredigt und in Schriften verbreitet werden. Je größer in unserer, in Menschendienst und Autoritätsglauben versunkenen Zeit die Unbekanntschaft mit der reinen lutherischen Lehre ist, je näher liegt die Gefahr, in diesen und jenen oft mit großem Schein vorgebrachten Irrthum verführt zu werden, der allemal seelengefährlich ist, weil durch jede, auch noch so feine und unbedeutend scheinende, Irrlehre der Kern und Stern, das Herzblut der lutherischen Lehre und Kirche, die Rechtfertigung durch den Glauben allein, verderbt, beschädigt oder verdunkelt wird. Obgleich es nun den lutherischen Christen zuzumuthen wäre, daß sie nicht nur genaue Kenntniß von den Lehren ihrer Kirche, sondern auch innere Ueberzeugung hätten von der unwiderleglichen Uebereinstimmung aller lutherischen Lehren mit dem unwandelbaren Worte der ewigen Wahrheit, so fand sich doch dagegen bei uns, die wir diese Zeilen an Euch richten, ein höchst bedenklicher Mangel in diesen Stücken und demgemäß die Unfähigkeit, Lehre zu prüfen und zu urtheilen und also der großen Gefahr zu entrinnen, die durch Satans schlaue List in dieser letzten betrübten Zeit jedem einzelnen droht. Wir schämen uns nicht, dies Bekenntniß unseres Leichtsinns vor Euch abzulegen, in welchem wir das von den reformatorischen Vätern erstrittene Kleinod mit dem Munde zwar hoch rühmten, in Wahrheit aber geringe achteten, indem wir uns „wägen und wiegen ließen von allerlei Wind der Lehre“. Wir rühmen aber ebenso hoch die Gnade Gottes, die uns durch den Dienst der lieben Missouri-Synode in Amerika, welche in allen Stücken reine und unverfälschte lutherische Lehre führt, zu der Erkenntniß unserer Schuld und zu dem seligen Entschluß gebracht hat, mit heiligem Ernst danach zu trachten, daß wir in dieser Lehre gegründeter und fester werden. Dazu dienten uns bis jetzt nicht nur die öffentlichen Bekenntnißschriften der Kirche und die Privatschriften ihrer rechtgläubigen Lehrer, vor allen die Schriften Luthers, sondern auch die Schriften der genannten Synode, ihre Blätter „der Lutheraner“ und „Lehre und Wehre“ und ihre höchst schätzbaren Synodal-Berichte, in denen zumeist ein Lehrstück behandelt wird. Außerdem soll uns, so Gott Gnade giebt, ein weiteres Hilfsmittel zur Förderung in der heilsamen Lehre das Blatt werden, das der liebe Past. Brunn in Steeden schreibt, in welchem derselbe außer den für uns wissenswerthesten Dingen aus der lutherischen Kirche Amerikas ein Stück lutherischer Lehre nach dem andern behandeln will. Wir gedachten nun dem treuen Heiland für die oben gerühmte Gnade auch dadurch danken zu können, daß wir Euch, herzlich geliebte Brüder, falls Ihr dies nicht schon als Eure Aufgabe erkannt, bäten, diese Sache wohl zu erwägen und mit uns
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dahin zu streben: 1) selbst immer fester und gegründeter zu werden in reiner lutherischer Lehre; 2) für die Ausbreitung derselben die empfangenen Kräfte zu verwenden; 3) diese selige Lehre mit Leib und Leben, Gut und Blut gegen die offenbaren Feinde sowohl als gegen den unionistischen Pietismus und gegen die falschberühmte Wissenschaft unserer Tage zu vertheidigen. Die Geldmittel, die wir zur Beschaffung der bereits erwähnten Schriften bedürfen, kommen uns dadurch, daß Jeder nach St. Pauli Rath (1.Cor. 16,1.2) sonntäglich ein Scherflein zurücklegt. Von dem Ertrage dieser Collecte sind nicht nur bereits zwei Exemplare einer Sammlung von Luthers Hauptschriften angeschafft, die unter uns circuliren, sondern es konnten auch einzelne, die lutherische Lehre behandelnde Schriften gedruckt werden. Auch haben wir unter uns einen Gotteskasten aufgestellt, zu dem wir ebenfalls nach obiger Regel der apostolischen Gemeinden steuern und von dessen Inhalt bedrängte ev.-luth. Gemeinden oder einzelne Glaubensgenossen Handreichung empfangen. Ueberzeugt, daß eine engere, durch gegenseitige Mittheilung und Fürbitte belebte Verbindung beiden Theilen von Segen sein würde, bitten wir jedenfalls um Eure Meinung in dieser Sache in einer freundlichen Antwort, sind auch gern erbötig, Euch obengenannte Schriften zu vermitteln, und grüßen Euch in herzlicher Liebe mit den Worten: „Halte, was Du hast, daß Niemand Deine Krone raube.“ Der Verein ev.-luth. Glaubensgenossen für innere Mission und zur Unterstützung Armer und Kranker E. Gnauck, d. Z. Vorsitzender
80. [67.] Statuten des Lutheraner-Vereins zu Dresden vom 9.4.1868* §1 §2
§3
§4
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Der Verein ist durch die kirchlichen Bewegungen der Jetztzeit hervorgerufen, und liegt ihm jede politische Tendenz fern. Der Verein sucht sich vor Allem selbst in der heilsamen rechten, reinen Lehre der lutherischen Kirche zu gründen und zu fördern, durch Studium der heiligen Schrift, der Bekenntnißschriften der lutherischen Kirche und der Privatschriften ihrer rechtgläubigen Lehrer, namentlich der reformatorischen Väter. Der Verein sucht nicht nur die reine lutherische Lehre auszubreiten, sondern stellt es sich auch zur Aufgabe, gegen alle falsche Lehre durch Wort und Schrift zu kämpfen. Den Verein vertritt ein Comite, das zunächst aus sieben Mitgliedern besteht und sich aus der Zahl der Mitglieder zu ergänzen und resp. zu erweitern hat. Bezirksarchiv des Sächsischen Bezirks der Ev.-luth. Freikirche, Crimmitschau, Loc. XIV, Akte LV Dresden, 2 (Abschrift).
Eingabe der Lutheraner-Vereine zu Dresden, Planitz und Zwickau vom 31.10.1870
§5 §6 §7
§8 §9
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Dem Comite, das die Leitung sämtlicher Geschäfte übernimmt, steht ein, aus demselben zu wählender Vorsitzender, Cassirer und Schriftführer vor. Die Anmeldung neuer Mitglieder hat bei dem Comite zu geschehen, welches Letztere über die Aufnahme zu entscheiden hat. Jedes Mitglied hat das Recht und die Pflicht, an den allgemeinen Versammlungen Theil zu nehmen und hat ein Exemplar sämmtlicher vom LutheranerVerein gedruckten Schriften zu beanspruchen. Die erwachsenden Kosten werden durch freiwillige Gaben der Mitglieder aufgebracht. Die Mitglieder des Vereins versammeln sich je nach Bedürfniß und werden dazu unter Mittheilung des Ortes und der Zeit vom Comite eingeladen.
Dresden, den 9. April 1868 Lutheraner-Verein gez. E. Gnauck d. Z. Vorsitzender
81. [68.] Eingabe der Lutheraner-Vereine zu Dresden, Planitz und Zwickau vom 31.10.1870 * An das Königliche Hohe Ministerium des Kultus und öffentlichen Unterrichts. Die ehrerbietigst unterzeichneten Lutheraner-Vereine im Königreich Sachsen, welche auf Anerkennung des ganzen Lehrinhalts der symbolischen Bücher der Lutherischen Kirche geeinigt sind, erlauben sich, im Gewissen gedrungen, bei dem Königlichen Hohen Ministerium des Kultus und öffentlichen Unterrichts die ergebene Anfrage: ob die in Sachsen stationierten unierten preußischen Beamten, die in unserm Lande zeitweilig stehenden preußischen Truppen und sonst einer andern Konfession zugehörige Einwohner Sachsens mit Genehmigung des Hohen Kirchenregiments an den lutherischen Altären zum Genuß des heiligen Abendmahls zugelassen werden.
Wir bitten das Königliche Hohe Ministerium um geneigte Antwort, welche der Vorsitzende des Dresdner Lutheraner-Vereins, Herr Kaufmann Gnauck, Alaunstr. 77, in Empfang zu nehmen von uns beauftragt ist. Dresden, am Reformationsfest 1870 Mit vollkommener Ehrerbietung zeichnen Der Lutheraner-Verein zu Dresden E. Gnauck, Vorsitzender *
Bezirksarchiv des Sächsischen Bezirks der Ev.-luth. Freikirche, Crimmitschau, Loc. XI/d (Abschrift von Pfarrer Gotthilf Herrmann, Zwickau 1941).
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Der Lutheraner-Verein zu Zwickau Johann Heinrich A. Deppe, Vorsitzender Der Lutheraner-Verein zu Planitz Karl Böhm, Vorsitzender
82. [69.] Antwort des Kultusministeriums vom 21.12.1870 * An Herrn Kaufmann Gnauck, Vorsitzenden des Lutheraner-Vereins zu Dresden. An das unterzeichnete Ministerium haben sie zugleich im Namen der beiden Vorstände des Lutheraner-Vereins zu Zwickau und Planitz mit dem Ersuchen um Bescheidung die Frage gerichtet: ob die in Sachsen stationirten unirten preußischen Beamten, die in unserm Lande zeitweilig stehenden preußischen Truppen und sonst einer andern Confession zugehörige Einwohner Sachsens mit Genehmigung des Hohen Kirchenregiments an den lutherischen Altären zum Genuß des heiligen Abendmahls zugelassen werden.
Das unterzeichnete Ministerium hält sich zu der Annahme berechtigt, daß seine Auffassung dieser Fragen, wie seine Stellung zu denselben, Ihnen bereits hinlänglich bekannt geworden sein dürfte. Denn es findet Ihren Namen mitunterzeichnet unter einer Eingabe an das Ministerium von einer Anzahl Geistlicher und Mitglieder der evangelisch-lutherischen Kirche, welche sich in der Hauptsache um dieselben Fragen bewegt und auf dasselbe bereits unter dem 24. Mai vorigen Jahres an Herrn Prediger Fröhlich und Genossen einen ausführlichen und eingehenden Bescheid erlassen hat. Dieser Bescheid aber kann Ihnen als Mitunterzeichner jener Eingabe unmöglich unbekannt geblieben und Ihnen behufs Ihrer Information auch jetzt noch jederzeit zugänglich sein. Man wiederholt daher in aller Kürze aus demselben nur die Bemerkungen, daß das Ministerium von den evangelischlutherischen Geistlichen des Landes jedenfalls zu fordern habe, daß sie das heilige Abendmahl gemäß seiner Einsetzung nach evangelisch-lutherischem Ritus administriren, weil darin der confessionelle Charakter der Feier dieser heiligen Handlung besteht, und das Ministerium hat keinen Grund zu der Annahme, daß von dieser Forderung irgendwo im Lande abgewichen werde. Im Uebrigen aber hat das Ministerium bisher keine Veranlassung gehabt, zu der in einzelnen Fällen wohl vorkommenden gastweisen Zulassung evangelischer Christen zum Mitgenusse des Abendmahls in lutherischen Kirchen des Landes eine Genehmigung auszusprechen; vielmehr ist dieselbe, wo sie stattgefunden haben sollte, dem Ermessen der einzelnen Geistlichen überlassen gewesen. Sie werden übrigens aus der früher ergangenen, wiederholt angezogenen Bescheidung auch zugleich ersehen können, *
Bezirksarchiv des Sächsischen Bezirks der Ev.-luth. Freikirche, Crimmitschau, Loc. XIV, Akte LV Dresden, 128f.
Eingabe der Lutheraner-Vereine zu Dresden, Planitz und Zwickau vom 17.2.1871
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daß und aus welchen schwer wiegenden Gründen das unterzeichnete Ministerium ein gerechtes Bedenken tragen würde, durch irgendwelche allgemeine Anordnung bezüglich solcher gastweiser Zulassung in einzelnen Fällen das Gewissen treuer und gewissenhafter Geistlicher unserer Kirche zu beschweren. Dresden, am 21. Dezember 1870 Ministerium des Kultus und öffentlichen Unterrichts Falkenstein
83. [70.] Eingabe der Lutheraner-Vereine zu Dresden, Planitz und Zwickau vom 17.2.1871* An das Hohe Kirchenregiment der Sächsischen Landeskirche zu Dresden. Auf unsere ergebene Anfrage in Bezug auf die Zulassung anderer Confessionen zu den Altären der lutherischen Kirche Sachsens wurden wir auf einen Bescheid ge2 wiesen, der unter dem 28. Juni vorigen Jahres in Folge einer Eingabe von Predigern und Laien ergangen war. In diesem Bescheid erklärt das Hohe Kirchenregiment: 1. daß die Zulassung zum heiligen Abendmahl von Gliedern der reformirten und unirten Kirche gegen das lutherische Bekenntniß nicht verstoße, wenn nur das heilige Abendmahl nach lutherischem Ritus verwaltet werde; 2. daß zu einem gesegneten Abendmahlsgenusse nicht sowohl die kirchliche als die geistliche Qualität wesentlich erforderlich sei; 3. hält das Hohe Kirchenregiment die Frage für discussionsfähig, also unentschieden, ob ursprünglich lutherische Kirchengemeinden oder Kirchenglieder durch ihren Beitritt zur Union wirklich ihren lutherischen Charakter verloren haben; 4. erklärt das Hohe Kirchenregiment den Satz: „Abendmahlsgemeinschaft ist Kirchengemeinschaft“ nur dann für giltig(!), wenn unter Abendmahlsgemeinschaft etwas anderes verstanden wird, als die gastweise Zulassung zum Tische des Herrn; 5. das Hohe Kirchenregiment hält die Verweigerung dieser gastweisen Zulassung nur in einem solchen Falle für berechtigt, in welchem auch jedem Gliede der lutherischen Kirche das Abendmahl verweigert werden müßte; 6. hält das Hohe Kirchenregiment eine Verordnung, durch welche Nichtlutheraner vom lutherischen Abendmahl zurückgewiesen würden, namentlich in größeren Parochien nicht nur für völlig unausführbar, sondern auch gewissensverletzend; 2 *
Gemeint ist offensichtlich das Eingangsdatum des Ministerialbescheides vom 24.5.1869. Bezirksarchiv des Sächsischen Bezirks der Ev.-luth. Freikirche, Crimmitschau, Loc. XIV, Akte LV Dresden, 147ff. (Abschrift).
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7. erklärt das Hohe Kirchenregiment das Zulassen anderer Confessionen zum lutherischen Abendmahl für eine wahrhaft evangelische Freiheit, die sich mit der Treue gegen das lutherische Bekenntniß wohl vertrage; 8. wird die gastweise Zulassung anderer Confessionen zum lutherischen Abendmahlstisch für ein unausweichliches, dem evangelischen Liebesgeiste gemäßes Bedürfnis erklärt, das weder eine Verleugnung lutherischen Glaubens noch ein Opfer kirchlichen Rechts bedingt; 9. erklärt das Hohe Kirchenregiment die Verweigerung der Theilnahme anderer Confessionen am lutherischen Abendmahle für subjective Ansicht des Predigers; und erklärt endlich 10. daß es einen solchen von den Folgen solcher Handlungsweise nicht befreien, also vor denselben nicht schützen könne. Hierauf haben wir dem Hohen Kirchenregiment Folgendes zu erwidern: Der ursprüngliche und unveränderliche Charakter der lutherischen Kirche, als der Kirche des reinen Worts und unverfälschten Sakraments, ist der, daß sie unverbrüchlich an dem Worte Gottes als der geoffenbarten Wahrheit festhält. Ihr ist ihrem Character nach nur Eine Richtung eigen, sie wird nur von Einem Geiste beseelt, nemlich von dem Geiste des unbedingten Glaubensgehorsams gegen das geschriebene Wort des Herrn, und darum kann folgerichtig in der lutherischen Kirche keine Richtung zu Recht bestehen, die einen anderen Geist als den der lutherischen Kirche hat, nemlich den unbedingten Glaubensgehorsam gegen das Wort des Herrn. Weil nun dieser unveränderliche Charakter der lutherischen Kirche allen anderen Kirchengemeinschaften, den Reformirten, der Union und allen andern Secten mangelt, so mußte schon Luther den Reformirten gegenüber bekennen: „Ihr habt einen andern Geist als wir.“ Da nun der reformirten Lehre gegenüber die lutherische Lehre in den Hauptstücken des Dissensus überall Position, die die reformirte dagegen Negation ist, so ist, wenn Position und Negation, wie es in der Union geschieht, für indifferent erklärt werden, schon dem Gedanken nach nicht die Negation, sondern die Position aufgegeben, und ist also die Union, schon an sich selbst betrachtet, ein Sieg der reformirten Lehre über die lutherische. Wir müssen daher eine vollständige Verkennung des Characters und Geistes der lutherischen Kirche darin sehen, sowie einen gefährlichen Irrthum, wenn es einem Hohen Kirchenregiment noch fraglich erscheinen kann, ob eine lutherische Gemeinde oder Kirchenglied durch den Beitritt zur Union den lutherischen Character verloren habe. Als eben dieselbe Verkennung des Characters und Geistes der lutherischen Kirche muß uns auch die in dem Bescheid weiter kundgegebene Behauptung des Hohen Kirchenregiments erscheinen, daß ein lutherischer Prediger ohne Verleugnung seines Glaubens und Bekenntnisses und ohne Verletzung kirchlichen Rechtes Reformirte und Unirte zum Abendmahl zulassen könne.
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Der Erlaß des Hohen Kirchenregiments verkennt die Art und Natur der rechtgläubigen Kirche vollständig. Es eignet nemlich dem Character der lutherischen Kirche, aus Antrieb ihres lebendigen Geistes und dem Willen des Herrn gemäß, fort und fort Zeugnis abzulegen gegen alle falsche Lehre, Lüge und Irrthum. Denn so wenig unser Auge das geringste Stäubchen in sich aufnimmt, sondern es ausstößt, ebensowenig kann die Kirche in ihrem Bekenntniß das Eindringen auch nur eines einzigen Irrthums in irgendwelchem Artikel des Glaubens leiden, sondern muß jeden Irrthum sofort von sich ausstoßen, einerseits und vor Allem darum, weil jeder Artikel des christlichen Glaubens auf dem klaren Wort heiliger Schrift ruht und darin begründet ist, das Wort aber nicht der Menschen, sondern Gottes ist – andererseits aber, weil nicht eine unionistisch-pietistische Scheinliebe, sondern die aus dem rechten Glauben geborene Liebe sie treibt, den Irrenden von einem Irrthum zu befreien, der, wie eine Lawine sich vergrößernd, seiner Seelen Seligkeit kosten kann. Von wem nun dieser Zusammenhang zwischen Schrift und Bekenntnis in jedem einzelnen Artikel nicht beachtet wird, der beweist, daß er hierin keine rechtschaffene Furcht vor Gott und seinem Wort hat. Mit Recht also verdammt Luther die Liebe in den Abgrund der Hölle, die sich in Beschädigung des Glaubens und der Lehre erweist und mithin wider die Ehre Gottes und seines Worts streitet und als verwerfliche Menschelei offenbar wird. Aus diesem Grunde nun kann ein treuer lutherischer Prediger unirte nicht zum Abendmahl zulassen, er habe sie denn zuvor darüber belehrt, daß in ihrer Gemeinschaft der Irrthum mit der Wahrheit gleiche Berechtigung habe. Läßt sich der Irrende von seinem Irrthum überweisen, so versteht es sich von selbst, daß er sich dieses Irrthums ferner nicht mehr theilhaftig macht und sich entschieden zur lutherischen Kirche bekennt, läßt er sich aber nicht überführen, so gebietet dem lutherischen Prediger schon die Liebe, den Irrenden zum lutherischen Abendmahl nicht zuzulassen. Ueberhaupt würde ein rechtschaffener Lutheraner, er sei Pastor oder nicht, eher Leib und Leben hingeben, als sich mit den reformirten und unirten in diese sogenannte kirchliche Liebesunion einflechten zu lassen, die das Hohe Kirchenregiment ein unausweichliches, dem evangelischen Liebesgeiste gemäßes Bedürfniß nennt. Das Hohe Kirchenregiment hält zwar in großen Städten die Abweisung aller derer vom lutherischen Abendmahlstisch, die nicht der lutherischen Kirche angehören, für unausführbar; aber vor allem hat ein Diener der Kirche in einer großen oder kleinen Stadt, in Bezug auf sein Amt nach nichts weiter zu fragen, als was ihm, dem Haushalter über Gottes Geheimnisse, vom Hausherrn befohlen ist; dann erfordert es auch die Bekenntnißtreue eines solchen Predigers in einer großen Stadt, sonntäglich von Kanzel und Altar nicht nur die Gemeinde über die gottlose Tatlüge, die in unsern Tagen Union genannt wird, zu belehren und davor zu warnen, sondern auch zu bekennen, daß er im Gewissen gebunden sei, Niemanden zum heiligen Abendmahle zuzulassen, der nicht nach Glauben und Bekenntniß der lutherischen Kirche angehört; thut er das nicht, so verleugnet er am Altar seinen Glauben und
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Bekenntniß und befindet sich mit seiner Praxis im Gegensatz zu der vielleicht eben gehaltenen lutherischen Predigt und im Widerspruch mit dem von ihm vielleicht eben warm empfohlenen lutherischen Katechismus, der in der Auslegung der ersten Bitte erklärt, daß Nichtachtung und Gleichgültigkeit gegen die reine Lehre und das aus ihr sich entwickelnde heilige Leben, Nichtachtung und Gleichgültigkeit gegen die Ehre Gottes und die Heiligkeit seines Namens ist, der in der 4. Frage des 5. Hauptstückes die geistliche Qualification in den Glauben an die Worte setzt: Dies ist mein Leib, dies ist mein Blut, für euch gegeben und vergossen zur Vergebung der Sünden (siehe großer Katechismus Luthers vom heiligen Abendmahle). Dieser geistlichen Qualification können nur diejenigen theilhaftig sein, welche die rechte Lehre vom Sacrament des Abendmahls haben, also weder die Reformirten, die dem Worte Gottes widersprechen, noch die Unirten, die Ja und Nein zugleich sagen. Ein Altar aber, der nicht mehr von den Schranken des lutherischen Bekenntnisses umzäunt ist und desgleichen eine Gemeinde, deren Indifferentismus und confessionelle Unwissenheit es unmöglich machen, irgend eine Schranke des Glaubens und der kirchlichen Zucht und Ordnung um das heilige Sacrament her aufzurichten, ein solcher Altar und eine solche Gemeinde haben längst aufgehört lutherisch zu sein. Da kann überhaupt ein treuer gewissenhafter lutherischer Prediger nicht mehr das heilige Predigtamt führen, sondern wir müssen nur ausrufen: Wehe dem, der seine Hand dazu hergibt, an einen solchen Haufen von allerlei Volk blind und unbesehen das heilige Sacrament auszutheilen, wobei doch Christus und sein heiliger Name, sein Wort und Sacrament aufs schmählichste verleugnet und entheiligt wird. Nun hat zwar die unionsfreundliche Kirchenpolitik unserer Tage die Ausflucht der sogenannten gastweisen Zulassung eingewendet; aber wir können darin nur eine Ausflucht menschlicher Vernunft sehen, von der in Gottes Wort nichts steht. Wir können einfach nur darauf antworten: wäre die Zulassung Falschgläubiger zum lutherischen Abendmahl recht und nach Gottes Wort erlaubt, dann könnte man sie nicht bloß gastweise, sondern immer und überall zulassen; ist diese Zulassung aber Sünde, wie sie es wirklich ist, dann darf man es so wenig gastweise tun als sonst. Der Satz, daß Abendmahlsgemeinschaft Kirchengemeinschaft ist, kann mit Grund nicht angefochten werden, denn wo Abendmahlsgemeinschaft ist, muß nothwendig auch Lehr- und Bekenntnißgemeinschaft sein, da daß heilige Abendmahl selbst auf Lehre und Bekenntniß ruht und so wesentlich gemeinschaftsstiftend ist, daß diejenigen, welche das heilige Abendmahl ohne Beschränkung zusammen feiern, auch je länger je mehr dahin kommen müssen, in Lehre und Bekenntnis keinen Sonderungsgrund zu erkennnen und damit dem Irrthum dieselbe Berechtigung wie der Wahrheit zuzugestehen. Dies bekennt auch unsere Kirche in ihren Symbolen. So die Augsburger Confession: „Vom Brauch der Sacramente wird gelehrt, daß die Sacramente eingesetzt sind nicht allein darum, daß sie Zeichen seien, dabei man äußerlich die Christen kennen möge“ (Notae professionis inter homines) Art. 13; und die Leipziger theo-
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logische Facultät schrieb im Jahre 1620: „So ist auch dies Sacrament ein Kennzeichen der christlichen Kirchen. Weil wir denn die beharrlichen Calvinisten wegen ihres Unglaubens nicht für rechtschaffene Glieder unserer Kirche erkennen können, mögen wir ihnen auch nicht unsere Kennzeichen mittheilen, weil kein größer Ärgernis mag gegeben werden, als wenn also die Religionen vermengt werden.“ Zwar wenden unsere Widersacher ein, daß das Sacrament und selbst das in den Secten verstümmelte Sacrament ein unterscheidendes Bekenntniszeichen der Christenheit überhaupt gegenüber von Heiden, Juden und Türken sei, und darum könnten Christen untereinander recht wohl Abendmahlsgemeinschaft pflegen. Aber auch dies ist irrig, denn wenn die Sacramente Zeichen des Bekenntnisses sind, so sind sie Zeichen des reinen Bekenntnisses. Kommt also jemand zum lutherischen Altar, so ist er erst zu fragen: Glaubst und bekennst du auch, was wir Lutheraner glauben und bekennen? Und wollte jemand antworten: ob der lutherische oder reformirte Glaube der rechte ist, weiß ich nicht und kann ich nicht entscheiden, der soll wissen, daß er so lange vom lutherischen Abendmahlstisch wegzubleiben hat, bis er durch gehörigen Unterricht zu der Entscheidung befähigt ist und in Folge dieser gewonnenen Erkenntniß sich zur Lehre der lutherischen Kirche bekennt. Da nun das heilige Abendmahl auch ein Zeichen des Bekenntnisses zu dem Glauben und der Lehre derjenigen ist, mit denen man dasselbe feiert, so streitet die Zulassung von Gliedern irrgläubiger Gemeinschaften zur Abendmahlsfeier innerhalb der lutherischen Kirche 1. wider Christi Einsetzung, 2. wider die gebotene Einigkeit der Kirche im Glauben und demgemäßen Bekenntnisse, 3. wider die Liebe gegen denjenigen, dem es gereicht wird, 4. wider die Liebe gegen die eigenen Glaubensgenossen, 5. wider das Verbot, sich fremder Sünden und Irrthümer theilhaftig zu machen Das Irrthümliche der Behauptung, daß die Zulassung von Gliedern der unirten und reformirten Kirche gegen die Treue unserer Kirche dann nicht verstoße, wenn das Abendmahl nur nach dem Ritus unserer Kirche administrirt werde, ist so in die Augen springend, daß dieselbe einer Widerlegung nicht bedarf. Wir müssen es zutiefst beklagen, daß gegen den uns vorliegenden von unionistischem Geist getragenen Bescheid des Hohen Kirchenregiments nicht sämmtliche auf das lutherische Bekenntnis vereidete Prediger einstimmig Protest erhoben haben. Wir maßen uns nicht ein Urtheil darüber an, ob der Protest unterlassen ist aus Menschenfurcht oder Menschengefälligkeit, oder ob Mangel an confessionell geschärftem Gewissen die Ursache dieser Unterlassung gewesen ist. Unsererseits aber müssen wir gegen den Bescheid des Hohen Kirchenregiments entschieden protestiren in der Ueberzeugung, daß, je mehr der Unionismus und die Religionsmengerei die Sünde und das Verderben unserer Zeit ist, es die Treue der rechtgläu-
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bigen Kirche desto mehr erfordert, das heilige Abendmahl nicht zu einem Mittel einer äußerlichen Union ohne innerliche Glaubenseinigkeit zu mißbrauchen. Nach all diesen im Vorstehenden dargelegten Gründen müssen wir mit tiefstem Schmerz bekennen, daß wir die Behauptung des Hohen Kirchenregiments, die heilige Pflicht, das Bekenntniß der lutherischen Kirche „intact“ erhalten zu haben, nirgends können bestätigt sehen. Haben doch die kirchlichen Zustände unserer Zeit überhaupt und ganz insbesondere auch die sächsische Kirchengeschichte unter dem gegenwärtigen Kirchenregiment bis heute von Uebung einer rechtschaffenen Lehrzucht nichts aufzuweisen (hat doch das Hohe Kirchenregiment z.B. ruhig zugesehen, wie ein vor nicht langer Zeit verstorbener Hofprediger öffentlich nicht nur dem lutherischen Bekenntniß, sondern allgemeinen christlichen Wahrheiten Widersprechendes gelehrt hat), ja, das Hohe Kirchenregiment duldet bis heute, daß auf das Bekenntniß der Kirche vereidete Diener der lutherischen Kirche gleichzeitig Mitglieder des Protestanten-Vereins sind, welcher letztere im tiefsten Grunde alles das verwirft, was die lutherische Kirche bekennt. Indem wir uns nun erbieten, über das von uns Behauptete aus Gottes Wort, aus den Bekenntnissen der Kirche und den Schriften ihrer Kirchenlehrer weitere Rechenschaft abzulegen, glauben wir zugleich im rechten evangelischen Liebesgeiste zu handeln, wenn wir ein Hohes Kirchenregiment in tiefster Demuth und Ehrerbietung zu bitten wagen, die bisherigen schweren Versündigungen an dem Bekenntniß der lutherischen Kirche, wie sie die kirchliche Praxis bis heute mit sich gebracht hat, zu erkennen und demgemäß theils die zur Intacthaltung des lutherischen Bekenntnisses unumgänglich nöthige Lehrzucht einzuführen, theils vor allem eine unzweideutige Verordnung zu erlassen in Bezug auf das Zulassen der lutherischen Kirche nicht Angehöriger zum lutherischen Abendmahlstisch. Schenkt das Hohe Kirchenregiment diesen unseren Bitten nicht Gehör, so würden wir zwar als Lutheraner im Gewissen gebunden sein, von all denjenigen Altären und Gemeinden der sächsischen Landeskirche uns fernzuhalten, bei welchen durch öffentliche falsche Lehre oder Zulassung Unirter und Reformirter zum heiligen Abendmahl das lutherische Bekenntniß verleugnet wird; wir würden aber hierdurch als solche, die treu bei der lutherischen Lehre und Kirche bleiben, nicht diejenigen sein, die Spaltung anrichten, sondern ein Vorwurf dieser Art könnte nur unsere Gegner treffen, die eben davon abweichen, gleicherweise sind wir nicht diejenigen, welche die Gewissen verwirren, sondern befestigen in der Einen Wahrheit, so daß der Vorwurf abermals unsere Gegner, die durch Indifferentismus in der Lehre die Gewissen zweifelhaft machen, treffen müßte. Dresden, d. 17. Februar 1871 In schuldiger Ehrerbietung verharren Das Comite des Lutheraner-Vereins zu Dresden E. Gnauck, d. Z. Vors.
Eingabe der Lutheraner-Vereine zu Dresden, Planitz und Zwickau vom 22.7.1871
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das Comite des Lutheraner-Vereins zu Zwickau Andreas Deppe, d. Z. Vors. das Comite des Lutheraner-Vereins zu Niederplanitz Carl Friedrich Böhm, d. Z. Vorsitzender
84. [71.] Eingabe der Lutheraner-Vereine zu Dresden, Planitz und Zwickau vom 22.7.1871*1 An das Königliche Hohe Ministerium des Cultus und öffentlichen Unterrichts zu Dresden. Das Hohe Ministerium des Cultus und öffentlichen Unterrichts hat auf unsere Eingabe vom 17. Februar dieses Jahres uns bis jetzt noch keine Bescheidung zukommen lassen, so sehr wir auch einer solchen entgegenzusehen meinen durften. Wir erlauben uns daher unter Bezugnahme auf unsere Eingabe bei dem Hohen Ministerium nochmals anzufragen, ob Hochdasselbe nach unserer ehrerbietigen Vorstellung unsern beiden ausgesprochenen Bitten Gehör zu schenken geneigt ist und danach 1. Lehrzucht in der sächsischen Landeskirche einzuführen und 2. die beantragte Verordnung wegen Nichtzulassung der lutherischen Kirche nicht Angehöriger zum lutherischen Abendmahlstisch erlassen will. Die Wichtigkeit der Sache läßt uns gleichzeitig die Bitte aussprechen, das Hohe Ministerium wolle uns recht bald mit seinem Bescheid versehen. Dresden, den 22. Juli 1871 In größter Ehrerbietung verharren die Lutheraner-Vereine zu Dresden, Niederplanitz und Zwickau durch E. Gnauck, Alaunstr. 77
85. [72.] Antwort des Kultusministeriums vom 10.8.1871 *2 An Herrn Kaufmann Gnauck zu Dresden Das unterzeichnete Ministerium hat Ihnen auf Ihr anher gereichtes Schreiben vom 17. Februar und auf die erneute Eingabe vom 22. Juli d. J. zu erwidern, daß man allerdings nicht in der Lage ist, den in jenen Vorstellungen ausgesprochenen Anträgen und Bitten Gehör zu geben, sondern es vielmehr bei der unter dem 24. Mai *1 Bezirksarchiv des Sächsischen Bezirks der Ev.-luth. Freikirche, Crimmitschau, Loc. XIV, Akte LV Dresden, 187 (Abschrift). *2 Bezirksarchiv des Sächsischen Bezirks der Ev.-luth. Freikirche, Crimmitschau, Loc. XIV, Akte LV Dresden, 196 (Abschrift).
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Die Evangelisch-Lutherische Freikirche (in Sachsen und anderen Staaten)
1869 an Herrn Pastor Fröhlich und Genossen ergangenen Bescheidung bewenden läßt, ohne nach irgend einer Seite hin auf die bedauerlichen Konsequenzen einzugehen, welche Sie unbegreiflicherweise aus jenem Bescheide ziehen wollen. Dresden, den 10. August 1871 Ministerium des Kultus und öffentlichen Unterrichts Dr. Hübl
86. [73.] Austrittserklärung Eduard Gnaucks, Dresden, vom 26.8.1871* Sr. Hochwürden Herrn Pastor M. Clauß, Dresden. Nachdem das Hohe Kirchenregiment in einem Schreiben vom 10. August erklärt, daß es nicht in der Lage sei, den in einer Eingabe des Lutheraner-Vereins vom 17. Februar ds. Js. gemachten Vorstellungen, Anträgen und Bitten Gehör zu geben, sich also weigert: 1. die bisherigen schweren Versündigungen an dem Bekenntniß der luth. Kirche, wie sie die kirchliche Praxis bis heute mit sich gebracht hat, zu erkennen und demgemäß 2. die zur Intacthaltung des luth. Bekenntnisses unumgänglich nöthige Lehrzucht einzuführen, ferner 3. eine unzweideutige Verordnung zu erlassen in Bezug auf das Zulassen der luth. Kirche nicht Angehöriger zum luth. Abendmahlstisch, sondern im Gegentheil sich wiederholt zu dem am 24. Mai 1869 erlassenen, von unionistischem Geiste durchsäuerten Bescheid bekennt, so bin ich durch Gottes Wort im Gewissen gebunden, hiermit feierlich meinen Austritt aus der sächsischen Landeskirche als einer religionsmengerischen und grundsätzlich in ihrer Praxis den luth. Glauben und das luth. Bekenntniß verleugnenden Kirchengemeinschaft zu erklären. Indem ich noch bitte, Ew. Hochwürden wollen mich innerhalb vier Wochen mit einem Bestätigungsschreiben versehen, habe die Ehre zu zeichnen Dresden, den 26. August 1871 Ewr. Hochwürden ergebener E. Gnauck
*
Bezirksarchiv des Sächsischen Bezirks der Ev.-luth. Freikirche, Crimmitschau, Loc. XIV, Akte LV Dresden, 197 (Abschrift).
Gelöbnisformel für Religionslehrer im Königreich Sachsen
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87. [74.] Gelöbnisformel für Religionslehrer im Königreich Sachsen*1 (in der Fassung vom 18.5.1862) Ich, NN., schwöre hiermit zu Gott etc. in Ansehung der Religion, daß ich bei der in hiesigen Landen angenommenen reinen Lehre der evangelisch-lutherischen Kirche, wie solche in der Heiligen Schrift enthalten, in der ersten ungeänderten Augsburgischen Confession dargestellt und in den übrigen symbolischen Büchern der evangelisch-lutherischen Kirche wiederholt ist, beständig und ohne Falsch verbleiben, ihr gemäß zu lehren, die Aufrechterhaltung dieser Lehre, soweit an mir ist, fördern, und dafern ich mich in meinem Gewissen gedrungen fühlen sollte, von dem bei der evangelischen Kirche angenommenen Lehrbegriff bei meinen Lehrvorträgen abzuweichen, oder mich zu einer andern Confession zu bekennen, solches ohne Anstand bei meinen Vorgesetzten anzeigen und darauf fernere Entschließung erwarten will, so wahr mit Gott helfe.
88. [75.] Gelöbnisformel für Religionslehrer im Königreich Sachsen*2 (in der Fassung vom 27.7.1871) Ich gelobe vor Gott, daß ich das Evangelium von Christo, wie dasselbe in der Heiligen Schrift enthalten und in der Augsburgischen Confession und alsdann in den übrigen Bekenntnisschriften der evangelisch-lutherischen Kirche bezeugt ist, nach bestem Wissen und Gewissen lauter und rein lehren und verkündigen will.
89. [76.] Gemeindeordnung der evangelisch-lutherischen St. Johannis-Gemeinde Planitz vom 31.10.1872*3 Einleitung: Gott ist ein Gott der Ordnung und ermahnt daher auch durch den heiligen Apostel Paulus 1. Cor. 14,40 die christlichen Gemeinden, Alles ehrlich und ordentlich zugehen zu lassen. Im Gehorsam dessen und nach dem Vorbilde unserer Väter, die uns durch Verabfassung von christlichen Kirchenordnungen vorangegangen sind, legen *1 Verhandlungen der ersten evangelisch-lutherischen Landessynode im Königreiche Sachsen, 1871, Dresden 1871, 580. *2 Verhandlungen der ersten evangelisch-lutherischen Landessynode im Königreiche Sachsen, 1871, Dresden 1871, 578. *3 Gemeinde-Ordnung für die separirt evangelisch-lutherische St. Johannis-Gemeinde ungeänderter Augsburgischer Confession zu Planitz bei Zwickau im Königreich Sachsen, Dresden 1873.
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denn auch wir, eine Anzahl evangelisch-lutherischer Christen in diesem Ort und Umgegend, in nachstehenden zwölf Artikeln diejenige Ordnung nieder, unter der wir die Verwaltung unserer inneren und äußeren Angelegenheiten bestimmt und regulirt haben wollen. Gleichwohl erwarten wir weder von dieser noch irgend einer anderen Kirchenordnung fleischlicherweise das Bestehen und Gedeihen unserer Gemeinde, sondern setzen unsere Hoffnung auf die freie Gnade und den Segen unseres Gottes und bekennen uns daher von Herzen zu dem, was der selige Dr. Luther an die Pfarrherren und Prediger der Stadt Göttingen in seinem Gutachten über deren ihm überschickte treffliche Kirchenordnung unter Anderem geschrieben hat. Nämlich: „Wie manchem weisen Mann, ja wie manchem heiligen Mann, hat gefehlt seine allerschönste und beste Sache und sein allerheiligstes Recht. Warum das? Darum, daß über das Recht und gute Ordnung gehöret noch Eines, das heißt: Gerathen oder Gedeihen, daß auch St. Paulus selbst sagt, das Evangelium (welches doch nicht allein Gottes Ordnung, sondern auch Gottes Kraft ist) schaffe nichts, wenn nicht Gott das Gedeihen dazu gibt ... Solches will ich Euch, liebe Herren und Freunde, darum angezeigt haben, daß ihr euch selbst und euer Volk dazu wollet halten, nicht allein auf euere Kirchenordnung zu vertrösten, als habe es nun keine Noth, dieweil es gefasset ist, sondern auch Gott demüthig zu danken und daneben zu bitten, daß er auch das Gedeihen und Gerathen dazu gebe und seliglich Fortgehen. Denn Anstöße und Hindernisse werden sich genug finden und der ein Fürst in der Welt ist (glaubet mir), der wird auch zu Göttingen wollen ein Fürst und gar ungern ein Bettler sein. Gott werfe ihn unter euch, wie St. Paulus Röm. 16 bittet: ‚Gott zertrete den Satan unter euere Füße’, welches ich auch euch wünsche und bitte, daß euch Gott segne und behüte, unsträflich und kräftig wachsen lasse zu seinem Lob und Ehren. Amen.“ Der 1. Artikel:
Von dem Namen der Gemeinde
(Der Name, den diese Kirchgemeinde führt und unter welchem sie öffentlich bekannt sein will ist dieser: „Die separirt evangelisch-lutherische St. Johannis-Gemeinde ungeänderter 3 Augsburgischer Confession zu Planitz.“) Der 2. Artikel:
Von dem Bekenntniß
Die Gemeinde bekennt sich mit der ganzen rechtgläubigen evangelischlutherischen Kirche ohne allen Rückhalt zu sämmtlichen canonischen Büchern
3
Über die Einklammerung bestimmter Passagen informiert die Schlussbestimmung (am Ende der Ordnung).
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des Alten und Neuen Testaments als dem geoffenbarten Worte Gottes und der einzigen und unfehlbaren Regel und Richtschnur des christlichen Glaubens und Lebens und zu sämmtlichen symbolischen Büchern der evangelisch-lutherischen Kirche als der reinen und ungefälschten Erklärung und Darlegung des göttlichen Wortes und Willens. Diese Bekenntnißschriften, welche sich in dem christlichen Concordienbuche vom Jahre 1580 gesammelt finden, sind folgende: Die drei Hauptsymbole: Das Apostolische, Nicänische und Athanasianische, die ungeänderte Augsburgische Confession, deren Apologie, die Schmalkaldischen Artikel, die beiden Katechismen Luthers, die Concordienformel und die Sächsischen Visitationsartikel. Nach diesen symbolischen Büchern unserer Kirche sollen, weil sie aus Gottes Wort genommen, jederzeit die Lehre in dieser Gemeinde geführt und geprüft sowie auch alle etwa vorfallenden Lehr- und Religionsstreitigkeiten regulirt und geurtheilt werden. Der 3. Artikel:
Von den nothwendigen Erfordernissen und Pflichten eines Gliedes dieser Gemeinde
Es kann daher Niemand ein Glied, noch weniger ein Beamter dieser christlichen Gemeinde sein, noch werden, noch einen Antheil an den Rechten eines Gemeindegliedes haben, als wer die heilige Taufe empfangen hat und sich zu der heiligen Schrift als der einigen göttlichen Regel und Richtschnur des Glaubens und Lebens, sowie zu sämmtlichen symbolischen Büchern der evangelisch-lutherischen Kirche bekennt, als wer ferner nicht in offenbaren Werken des Fleisches (Gal. 5,19–21) lebt, sondern einen christlichen Wandel führt und nicht einer geheimen Gesellschaft, als: Freimaurerorden und dergleichen angehört. Insonderheit verpflichtet diese christliche Gemeinde ein jedes ihrer Glieder zum fleißigen Gebrauche der Gnadenmittel öffentlich und sonderlich, zu persönlicher Anmeldung zum heiligen Abendmahle, zu christlicher Erziehung der Jugend und Unterweisung derselben in der reinen Katechismuslehre, sowie zu friedfertiger Unterwerfung unter alle dem göttlichen Worte nicht zuwiderlaufende ordentliche Gemeindebeschlüsse und zu Annahme der brüderlichen Zurechtweisung, wo es gefehlet haben sollte. Auch ist jedes Gemeindeglied nach Gottes Wort und christlicher Liebe verpflichtet, zur Erhaltung von Kirche und Schule nach Vermögen beizusteuern. (Diejenigen, welche in die Gemeinde aufgenommen sein wollen, haben dies dem Pfarrer derselben anzuzeigen, um von diesem sowohl über die Gründe ihres Begehrens als auch insonderheit betreffs ihrer christlichen Erkenntniß geprüft und wo nöthig, unterwiesen zu werden. Hierauf haben sie ihr Aufnahmegesuch durch einen Kirchenvorsteher der Gemeinde vorzulegen. Findet diese keine Bedenken, so erfolgt die Aufnahme volljähriger männlicher Personen vor versammelter Gemeinde, minderjähriger männlicher oder einzelner weiblicher Personen dagegen vor dem Vorsteher-Collegio. Die Aufzunehmenden haben ihre Zustimmung zu dieser Gemeinde-Ordnung zu erklären.)
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Diejenigen, welche aus anerkannt rechtgläubigen Gemeinden kommend, ihren Eintritt in diese Gemeinde begehren, werden auf Grund eines guten Zeugnisses in dieselbe aufgenommen. Der 4. Artikel:
Von dem Pfarramt
Die Gemeinde richtet nach Christi Ordnung unter sich das heilige Predigtamt auf. Sie kann jedoch nur einen solchen Prediger in das Pfarramt wählen und berufen, der sich rückhaltlos zu dem zweiten Artikel dieser Kirchenordnung und insbesondere zu sämmtlichen symbolischen Büchern unserer Kirche nicht insofern oder insoweit, sondern weil sie mit dem Worte Gottes übereinstimmen, bekennt, welcher ferner die 1. Tim. 3,1–7 und Tit. 1,7–9 angegebenen Eigenschaften eines Dieners am Wort im zureichenden Maße besitzt und welcher endlich auch bei seinem Amtsantritt auf obiges Bekenntniß der Kirche öffentlich zu verpflichten ist. (Auch muß derselbe in seinem Vocationsschreiben mit den einzelnen Theilen seines Amtes bekannt gemacht sein.) Die Hauptstücke desselben aber sind: Die reine Predigt des Wortes Gottes nebst Katechismuslehre, die unverfälschte Verwaltung der heiligen Sakramente, schriftgemäße Handhabung der Kirchenzucht, Confirmandenunterricht, Beaufsichtigung der Religionsschulen und eine christliche Seelsorge. Der 5. Artikel:
Von dem Schulamt
Die Gemeinde, nach Gottes Wort auch zu gottseliger Erziehung ihrer Jugend verpflichtet, trägt Sorge für eine christliche Religionsschule unter Leitung eines rechtgläubigen Lehrers. Was jedoch in dem vorigen Artikel von der Wahl und dem Berufe eines Predigers gesagt ist, findet auch nach Maaßgabe seine Anwendung bei der Wahl und Anstellung eines solchen Religionslehrers. Der 6. Artikel:
Von andern Gemeindeämtern
Die Gemeinde in ihrer Gesammtheit erwählt nach dem Vorbilde der apostolischen Kirche in christlicher Ordnung aus ihrer Mitte nach Bedürfniß eine Anzahl von Vorstehern, welche unter Vorsitz des Pastors ein Vorsteher-Collegium bilden und innerhalb der Grenzen ihres ihnen von der Gemeinde überwiesenen Amtes und nach den ihnen von derselben übergebenen allgemeinen und besonderen Instruktion Sorge zu tragen haben, daß in der Gemeinde Alles ehrlich und ordentlich zugehe. Insbesondere haben sie bei Abhaltung des öffentlichen Gottesdienstes, Leitung der Gemeindeversammlungen, Handhabung der Kirchenzucht dem Pastor zur Seite zu stehen und mit diesem und dem Lehrer die Angelegenheiten der Schule – siehe Artikel 5 – zu berathen (auch kirchliche Collecten einzusammeln und zu verwalten. Es können zu diesen Aemtern nur solche Gemeindeglieder erwählt werden, die
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neben der erforderlichen Befähigung das 25. Lebensjahr erfüllt und wenigstens ein Jahr der Gemeinde angehört haben). Die den Vorstehern von der Gemeinde gegebenen Instruktionen können jederzeit durch ordentlichen Gemeindebeschluß verändert werden. Die Amtszeit dieser genannten Vorsteher soll je nach Bedürfniß durch besonderen Gemeindebeschluß festgestellt und jeder Vorsteher bei seinem Amtsantritt in sein Amt christlich eingewiesen werden. (Außerdem erwählt auch die Gemeinde je nach Erforderniß einen oder mehrere Vorleser und Schreiber.) Der 7. Artikel:
Vom öffentlichen Gottesdienst
Die Gemeinde behält sich zwar das Recht vor, in ihrer Gesammtheit und in christlicher Weise gottesdienstliche Ceremonien zu stellen und zu ändern, jedoch sollen nicht ohne dringende Noth und aus Leichtfertigkeit Aenderungen vorgenommen, sondern die guten alten Gebräuche unserer Kirche beibehalten werden. Es soll demnach der öffentliche Gottesdienst nach Vorschrift einer rechtgläubigen lutherischen Kirchenagende abgehalten und sollen die Kirchendiener verpflichtet werden, alle ihre amtlichen Handlungen nur nach Angabe rein lutherischer Formulare zu verrichten. Desgleichen sollen in Kirche und Schule – siehe Artikel 5 – nur rechtgläubige lutherische Gesangbücher und Katechismen und daneben in letzterer nur solche Lehrbücher gebraucht werden, die dem christlichen Bekenntniß nicht widerstreiten. Der 8. Artikel:
Von den Rechten der Gemeinde
Die Gemeinde in ihrer Gesammtheit hat die oberste Gewalt in der äußeren und inneren Verwaltung aller ihrer Angelegenheiten und insbesondere das unbestrittene Recht der Wahl und Berufung ihres Predigers und Lehrers (welches auch nicht einem Einzelnen, noch einer kleinen Körperschaft in der Gemeinde übertragen werden soll). Es hat aber die Gemeinde kein Recht, irgend Etwas wider Gottes Wort und die Symbole der evangelisch-lutherischen Kirche anzuordnen oder zu entscheiden. Thut sie das, so sind alle solche Anordnungen und Entscheidungen null und nichtig. Ebenso ungültig sind alle Anordnungen und Beschlüsse, wenn sie nicht entweder von der Gesammtgemeinde oder von einer oder mehreren ausdrücklich dazu bevollmächtigten Personen ausgehen. Der 9. Artikel:
Von den Gemeindeversammlungen
Außer dem öffentlichen Gottesdienste werden von der Gemeinde auch theils regelmäßige, theils außerordentliche Gemeindeversammlungen zur Berathung und
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Beschlußnahme aller sie als Gemeinde angehenden Angelegenheiten abgehalten. In Sachen der Lehre und des Gewissens soll nur allein nach Gottes Wort und den Bekenntnissen unserer Kirche, in Mitteldingen kann und soll nach Uebereinkommen nur die Stimmenmehrheit entscheiden. (Stimmfähig ist jedes männliche Gemeindeglied vom erfüllten 21. Lebensjahre an und damit verpflichtet, den Gemeindeversammlungen regelmäßig beizuwohnen. Ausbleibende leisten für den Fall auf ihr Stimmrecht Verzicht. Zu einer Gemeindeversammlung ist nöthig, daß sich mindestens zwei Drittheile der stimmfähigen Glieder der Gemeinde eingefunden haben und zu einem Gemeindebeschluß wird die Uebereinstimmung von wenigstens zwei Drittheilen der Anwesenden erfordert,) vorausgesetzt, daß es sich nicht um Sachen der Lehre und des Gewissens handelt, wozu Einstimmigkeit der Anwesenden erforderlich ist. (Der Gemeindeschreiber hat über alle Verhandlungen einer Generalversammlung ein genaues Protocoll zu führen und zur Prüfung und etwaigen Verbesserung vorzulegen. Diese und alle von der Gemeinde ausgehende Schreiben und Documente sind von dem Vorsteher-Collegium im Namen der Gemeinde zu unterzeichnen.) Der 10. Artikel: Von der Kirchenzucht Die Gemeinde übt auch nach dem Befehle und der Ordnung Christi, Matth. 18, die christliche Kirchenzucht, so daß öffentliche und unbußfertige Sünder nach gewissenhafter aber fruchtloser Anwendung der in Gottes Wort angegebenen Stufen der Ermahnung von ihr ausgeschlossen werden. In Folge dieses Ausschlusses sind solche Personen der Absolution, des Sacraments, sowie auch des Rechts, Taufpathen zu sein und an den Verhandlungen in der Gemeinde sich zu betheiligen, verlustig und haben für die Dauer ihrer Absonderung von der Gemeinde keinerlei Anspruch an das Eigenthum derselben. (Jedoch soll von der Gemeinde, christlicher Liebe, Vorsicht und Weisheit gemäß, wiewohl unbeschadet der ihr vom Herrn Christo verliehenen Gewalt, kein solcher Ausschluß vollzogen werden, ohne daß wo möglich zuvor von andern rechtgläubigen Gliedern der lutherischen Kirche ein christliches Gutachten begehrt und gottesfürchtig berücksichtigt worden ist.) Was endlich insonderheit die Absetzung des Predigers oder Lehrers betrifft, so kann dieselbe nur dann geschehen, wenn beharrliches Festhalten an falscher Lehre oder ärgerlicher Wandel und muthwillige Untreue in der Amts-Verwaltung desselben nach erfolgter christlicher Untersuchung als offenbar erkannt wird. Der 11. Artikel: Von der Armen- und Krankenpflege Der Armen- und Krankenpflege innerhalb der Gemeinde haben sich die von derselben bestellten Almosenpfleger im Vereine mit dem Prediger nach einer näher festzustellenden Regel zu unterziehen und sind alle Glieder der Gemeinde verpflichtet, dem Wort Gottes gemäß auch zu diesem Zwecke verhältnismäßig beizusteuern.
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Der 12. Artikel: Von den zeitlichen Gütern der Gemeinde und deren Verwaltung (Die von der Gemeinde nach festgestellter christlicher Ordnung erwählten Kirchenvorsteher nebst dem Schreiber sollen unter dem Namen „Curatoren“ als die Vertreter der Gemeinde dem Staate gegenüber und von Seiten desselben als für die Beobachtung der Landesgesetze verantwortlich angesehen werden. Diesen genannten Beamten übergiebt die Gemeinde ihr bewegliches und unbewegliches Eigenthum dergestalt, daß sie dasselbe im Namen dieser Gemeinde als ihnen anvertrautes fremdes Gut verwalten, in Beziehung darauf Contracte abschließen, Gelder auszahlen, erheben und darüber quittiren, Documente unterschreiben, vor Gericht erscheinen und alle Handlungen vollziehen, die die Gemeinde als Eigenthümerin selbst zu thun haben würde, so jedoch, daß sie mit diesen Gütern nicht nach eigenem Willen und Gutdünken zu schalten und zu walten befugt sind, sondern gedachte Handlungen nur nach gültigen Beschlüssen und Aufträgen der Gemeinde vollziehen. Dafür, was sie auf Beschluß und im Auftrage der Gemeinde thun, hat letztere mit ihren Gütern zu stehen und sie schadlos zu halten; wenn sie dagegen ohne Beschluß der Gemeinde nach eigenem Willen mit den Gemeindegütern verfahren, so sind sie den Gemeinden dafür persönlich verantwortlich. Die Namen dieser Beamten, sowie die der Prediger und Lehrer, und der Ort der gottesdienstlichen Zusammenkünfte werden der zustehenden Ortsobrigkeit angezeigt, so lange eine solche Anzeige von der Landesregierung als nothwendig erachtet werden sollte.) Diejenigen, welche friedlich von der Gemeinde ausscheiden, verlieren damit alle Rechte und Ansprüche auf das Eigenthum derselben. Sollte, was Gott verhüten möge, eine Trennung in der Gemeinde eintreten, so soll das Gesammtvermögen der Gemeinde demjenigen Theile verbleiben, welcher erwiesenermaaßen bei dem reinen Bekenntniß der evangelisch-lutherischen Kirche vom Jahre 1580 in Lehre und Praxis verharret. Schlußbestimmung Alle in dieser Gemeindeordnung enthaltenen Bestimmungen, mit Ausnahme der in Klammern gestellten, sollen unveränderlich sein. Veränderungen können jedoch nur durch ordentlichen Beschluß der Gemeinde vorgenommen werden und dürfen den unveränderlichen Ordnungen nicht widersprechen. Planitz, den 31. Oct. A. D. 1872 Das Vorsteher-Collegium der separirt evangelisch-lutherischen St. Johannis-Gemeinde u. A. C. daselbst
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Bestätigungs-Decret Das Ministerium des Cultus und öffentlichen Unterrichts hat die vorstehende Gemeinde-Ordnung der separirt evangelisch-lutherischen St. Trinitatis-Gemeinde ungeänderter Augsburgischer Confession in Dresden und St. Johannis-Gemeinde in Planitz genehmigt und derselben nach Maaßgabe von § 21 des Gesetzes vom 20. Juni 1870 die erbetene Bestätigung mit der Erläuterung ertheilt, daß die im Artikel 4, 5, 6 und 7 gebrauchten Worte „Religionsschule“, „Schulamt“ und „Schule“ nur vom Religionsunterrichte der Kinder zu verstehen sind. Zu dessen Urkunde ist dieses Decret ausgefertigt. Dresden, am 9. November 1872 (L.S.) Ministerium des Cultus u. öffentlichen Unterrichts (gez.) Dr. v. Gerber Fdlr.
90. [77.] Petition von 15 Pastoren betreffend das Suspensionsrecht gegenüber Tauf- und Trauungsverächtern vom 15.1.1876* An das Evangelisch-Lutherische Landesconsistorium zu Dresden So freudige Zustimmung die neuesten Consistorialverordnungen, und zwar zum Theil in wesentlichen Stücken, auch bei den ehrerbietigst Unterzeichneten gefunden haben, so ist es doch ein Punkt, über den wir nicht hinwegkommen und nicht hinwegkommen können: es ist dies das Verhalten des Geistlichen gegen Diejenigen, die auch nach Erschöpfung aller seelsorgerlichen Mittel, sowie vergeblicher Intercession des Kirchenvorstandes die kirchliche Trauung nicht begehren, resp. ihre Kinder nicht zur Taufe bringen. Das Hohe Consistorium hat in diesen Fällen jedesmal Berichterstattung angeordnet und Sich die Entscheidung vorbehalten. Wie aber dann, wenn vor Eintreffen dieses Entscheides oder überhaupt während des Admonitionsverfahrens der Renitente sich zum Abendmahl einstellt – ein Fall, der in mancher Gemeinde gewiß vorkommen wird. Es ist dem Geistlichen von Gewissens wegen unmöglich, Denjenigen, welche eine zweifellose kirchliche Pflicht, trotz Belehrung und Ermahnung, nicht erfüllen, und nicht erfüllen wollen, oder, wie es in der in den Weihnachtsfeiertagen verlesenen Ansprache heißt: „Denen, die Zertrennung und Aergerniß anrichten, statt dem Herrn Jesu Christo zu dienen,“ das heilige Abendmahl, als das Höchste und Theuerste, was die Kirche überhaupt besitzt, zu reichen. Gleichwol (!) soll sich der Geistliche eignen Vorgehens bis zum Eintreffen des obersten Entscheids *
Verordnungsblatt des Evangelisch-Lutherischen Landeskonsistoriums für das Königreich Sachsen, Jahrgang 1876, 57f.
Suspensionsrecht gegenüber Tauf- und Trauungsverächtern vom 15.1.1876
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scheids enthalten, also, wie man eigentlich schließen müßte, weil er das heilige Abendmahl nicht verweigern darf, es dem Renitenten – zum Gericht reichen. Wir können nicht meinen, daß das der Sinn des Erlasses ist. Wir geben ohne Weiteres zu, daß es dem Consistorium allein, ohne Beirath der Synode nicht möglich ist, das Zuchtverfahren zu regeln. Aber das ist’s auch nicht, was wir zur Zeit im Auge haben, ja wir bitten nicht einmal in der eben beschriebenen, ob auch unerträglichen Lage um ein positiv über den Renitenten zu verhängendes Verfahren, wir bitten nur um das Recht, dann die vorläufige Suspension vom heiligen Abendmahl eintreten lassen zu dürfen. Niemand wird diese Suspension ein wirkliches Zuchtmittel, – also ein der Synode Vorgreifen – nennen können, weil ja jene ihrem Begriffe nach nichts weiter ist, als die Aussetzung eines streitigen Genusses bis nach erfolgter Rechtfertigung, in diesem Falle aber die Suspension zu Gunsten des Begehrenden eintritt, damit er nicht etwa durch den Genuß des streitigen Gutes zu Schaden und Verderben komme. Diese Suspension würde nach unserem Dafürhalten alsbald nach Beginn des seelsorgerlichen Verfahrens dem Säumigen als selbsterwählte Folge etwaiger Renitenz zu bezeichnen sein, als terminus ad quem aber die in den nächsten Monaten zusammentretende Synode, die dann in voller Freiheit entscheiden könnte, während ihr durch eine inzwischen eingetretene laxe Praxis immerhin eine Art Präjudiz geschaffen, also ihre Freiheit beschränkt würde. Wir wollten vorstehendes, von unserem in Gottes Wort und dem Bekenntniß unserer Kirche gebundenen Gewissen dictierte Petitum erst durch eine größere Conferenz von Geistlichen und Laien an das Hohe Consistorium bringen. Weil aber dieser, wenigstens zum Theil der Publizität unterliegende Weg der Mißdeutung ausgesetzt sein könnte und wir Angesichts der wohlwollenden Gesinnung des Kirchenregiments allen bösen Schein meiden wollten, so haben wir hiervon abgesehen und bitten, ohne weitere Kreise zum Anschluß aufzufordern, hierdurch entweder um eine Interpretation des fraglichen Punktes im Erlaß vom 30. November 1875 in obigem Sinne durch das Verordnungsblatt, oder um eine private Beruhigung der Gewissen der Unterzeichneten, welche dann die Eröffnung des Consistoriums an ihre Amtsbrüder, die gleiche Gewissensscrupel haben, gelangen lassen würden. Einer Gewährung ihrer dingenden Bitte entgegensehend, verharren ehrerbietigst Baumfelder/Ortmannsdorf, Burghardt/Rottmannsdorf, A. Ebert/Gröditz, R. A. Kittan/Neukirchen b. Werdau, Bruno Lehmann/Bockwa, G. A. H. Nauck/Culitzsch, H. Noth/Zwickau, J. L. Pasig/Schneeberg,
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Dr. Richard Richter/Riesa-Leutewitz, M. Schenkel/Cainsdorf, H. J. Scheuffler/Lawalde b. Löbau, Dr. Dettmar Schmidt/Kohren, G. Stöckhardt/Planitz, E. Weber/Hosterwitz und G.H. Wolff/Börln b. Grimma. Den 15. Januar 1876
91. [78.] Antwort des Landeskonsistoriums vom 19.1.1876 * An Pfarrer Baumfelder in Ortmannsdorf und Genossen Das unterzeichnete Landesconsistorium hat den in Ihrer Eingabe vom 15. dieses Monats, deren Authenticität zu bezweifeln, obwohl sie dem Anscheine nach mit keiner einzigen eigenhändigen Unterschrift versehen ist, kein Anlaß vorliegt, – gestellten Antrag, den evangelisch-lutherischen Geistlichen, den Kirchengliedern gegenüber, welche die kirchliche Trauung nach vorausgegangener standesamtlicher Eheschließung, erfolgter Belehrung und Ermahnung ungeachtet nicht begehren, resp. ihre Kinder nicht zur Taufe bringen, das Recht zur vorläufigen Suspension vom Genusse des heiligen Abendmahles zuzusprechen, zum Gegenstande eingehender Berathung gemacht, in deren Verfolg aber den von Ihnen in der Eingangs erwähnten Eingabe eingenommenen Standpunkt, auf dessen Begründung näher einzugehen für jetzt unnötig erscheint, als mit den Ordnungen der Sächsischen evangelisch-lutherischen Kirche im Einklange befindlich und danach berechtigt nicht ansehen können. Diesen, für die Amtsthätigkeit der Geistlichen im Allgemeinen auch heute noch maßgebenden Ordnungen ist der Begriff einer vorläufigen, von dem Pfarrer zu verhängenden Suspension vom heiligen Abendmahl, welche in ihrer Wirkung sowohl dem dasselbe Begehrenden gegenüber, als nach außen hin, eine Ausschließung selbst tatsächlich gleichstehen würde, fremd. Insonderheit ist im X. der Generalartikel vom 1. Januar 1580 ausgesprochen, daß den Pfarrern nicht gestattet sein solle, ihre Pfarrkinder vom heiligen Abendmahl und der Absolution nach eigenem Ermessen auszuschließen, sondern daß, wenn ein Pfarrkind der stattgefundenen Vermahnung ungeachtet, sich als unverbesserlich zeigt, mit weiteren Maßregeln kirchlicher Zucht nur auf vorher einzuholendes Erkenntniß des Consistoriums, beziehendlich des Synodus vorgegangen werden solle. Diese Vorschrift findet sich in der resolutio grav. vom 22. Juni 1661, § 20, Ab-
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Verordnungsblatt des Evangelisch-Lutherischen Landesconsistoriums für das Königreich Sachsen, Jahrgang 1876, 46f.
Antwort des Landeskonsistoriums vom 19.1.1876
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schnitt 2 und im § 29 des revidierten Synodaldecrets vom 15. September 1673 im Wesentlichen wiederholt. Wenn nun an der zuletzt angeführten Stelle der Ausdruck „Suspension“ gebraucht ist, so kann darunter etwas Anderes, als was anderwärts „Abhaltung“ oder „Ausschließung“ vom Abendmahl genannt wird, schon darum nicht verstanden werden, weil auch letztere immer nur auf Zeit, das heißt auf so lange, als das betreffende Gemeindeglied in seiner Unbußfertigkeit beharrt, verhangen werden kann. Im Uebrigen ist auch diese „Suspension“ ausdrücklich der Consistorialbehörde vorbehalten. Diese Vorschrift hat nun aber auch seitdem in der fraglichen Beziehung auf die Bemessung der Grenzen der pfarramtlichen und seelsorgerischen Wirksamkeit ihre Gültigkeit nicht verloren; nirgends ist durch spätere Gesetze diese Grenze anders bestimmt worden, und es folgt schon hieraus, daß dieselbe von den evangelischlutherischen Geistlichen so lange innezuhalten sein wird, als nicht ein Anderes im Wege der Kirchengesetzgebung bestimmt werden sollte. Daß dadurch eine Beschwerung des Amtsgewissens eintreten sollte, läßt sich um deswillen nicht annehmen, weil auch nach der vorliegenden, weit zurückgehenden Erfahrung, obwohl es an Veranlassung zum Einschreiten gegen Gottes Wort und kirchlichen Ordnungen zuwiderlaufendes Verhalten einzelner Kirchenglieder, abgesehen von dem jetzt in Frage kommenden Versäumniß an der Kindertaufe und der kirchlichen Trauung, kaum irgendwo gefehlt haben kann, dennoch ein gleiches Verlangen, wie das in der Eingabe vom 15. Januar dieses Jahres enthaltene, von Seiten der Geistlichen nicht gestellt worden ist, daher es denn auch von dem Landesconsistorium als ein so unerläßlich gebotenes und dringliches Bedürfniß nicht angesehen werden kann, jenem jetzt gestellten Verlangen, unerwartet weiterer kirchengesetzlicher Vorschriften Folge zu geben, beziehendlich die in dem Erlasse vom 30. November 1875 als in der bestehenden Kirchenverfassung begründet aufgenommene Anordnung wieder aufzuheben oder abzuändern, wonach die Entschließung über das weitere Verfahren gegen ein durch die gradus admonitionis zur Beachtung der kirchlichen Ordnung in Beziehung auf Taufen und Trauungen nicht zu bewegen gewesenes Kirchenmitglied, und deshalb auch über die Frage, ob dasselbe von der Absolution und dem Genusse des heiligen Abendmahles auszuschließen sei, der Consistorialbehörde ausschließlich vorzubehalten gewesen ist. Dresden, am 19. Januar 1876 Evangelisch-Lutherisches Landesconsistorium Uhde
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92. [79.] Letzte Eingabe Karl Georg Stöckhardts vom 6.6.1876* An das Hohe Evangelisch-Lutherische Landesconsistorium Der Unterzeichnete sieht sich von Gewissens wegen genöthigt, dem Hohen Landesconsistorium in Erwiderung auf die Zuschrift vom 3. Juni Folgendes zu erklären: Er glaubt, nachdem er seit September vorigen Jahres fünf Mal die Hohe Behörde in der Suspensionsfrage, die ihm Gewissensfrage ist, angegangen hat, nach Erschöpfung aller Gründe, die für sein Petitum sprechen, genug gethan zu haben, in Vertheidigung seines ihm von Christo gegebenen Rechts; er verzichtet auf eine an die Hohen Herren Staatsminister, Excellenzen, zu richtende Beschwerde, da ihm Fortsetzung dieses fruchtlosen Actenwechsel nicht recht dem Ernste der Sache zu entsprechen scheint, und wiederholt einfach seinen Protest gegen die Verordnung vom 19. Januar und 24. März dieses Jahres und die Erklärung, daß er denselben nun und nimmer sich fügen kann und wird. Er muß dieser Erklärung aber noch eine andere beifügen. Aus dem Inhalte der an mich ergangenen Hohen Bescheide, z.B. aus der Verwendung von Luc. 15, aus der Anschauung betreffs der Sünde der Trau- und Taufverweigerer, aus der Betonung des äußerlichen Lippenbekenntnisses, aus der Beurtheilung des letzten Zuchtfalles, wonach ich einem leichtfertigen, trotzigen Mädchen, das noch nicht den geringsten Thatbeweis der Besserung geliefert, doch lieber das Abendmahl hätte reichen sollen, habe ich zur Genüge ersehen, daß das Hohe Landesconsistorium im Grunde einen ganz andern Begriff von Sünde und Buße und damit auch von Glaube und Rechtfertigung hat, als die heilige Schrift und das lutherische Bekenntniß, ja, daß Hochdasselbe eigentlich gar nicht mehr auf dem Materialprincip des lutherischen Glaubens besteht, wie es in einer früheren Kundgebung schon das Formalprincip unserer Kirche beeinträchtigt hat. Das Verhalten der Hohen Behörde gegenüber offenbaren Irrlehrern, sowie gegenüber offenbaren Verächtern des Heiligen beweist ferner, daß das Hohe Landesconsistorium nicht seinem schrift- und bekentnismäßigen Auftrage nachkommt. Erst kürzlich hatte Hochdasselbe von Gott Gelegenheit erhalten, den Fall des Dr. Sulze neu zu prüfen, denselben vor Antritt seines neuen Amtes entweder zum Widerruf seiner früher ausgestreuten Irrthümer zu nöthigen, oder ihm die Bestätigung zu versagen. Nun sitzt Dr. Sulze fester als je im Amt. Die seine Irrlehre dulden, sind mit für die Seelen verantwortlich, welche durch letztere verderbt werden. Auch andere Beispiele bezeugen, daß die reine Lehre in unserer Landeskirche nicht mehr geschützt ist. Ebenso ist die andere von Gott dargereichte Gelegenheit, gerade mit Beginn dieses Jahres der alten evangelischen Kirchenzucht wieder Eingang zu verschaffen, so gut wie versehen, besonders seitdem die Synode abermals vertagt worden ist. Auf Grund der Apologie und der Schmalkaldischen Artikel, sowie der General*
Verordnungsblatt des Evangelisch-Lutherischen Landeskonsistoriums für das Königreich Sachsen, Jahrgang 1876, 99f.
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artikel, wäre das Hohe Consistorium jetzt schon, vor der Synode, berechtigt, ja verpflichtet gewesen, offenbare Verächter des Worts und des Sacraments der Taufe vom Abendmahl und bei fortgesetzter Hartnäckigkeit von der Gemeinde öffentlich auszuschließen, wie dies bereits in anderen Landeskirchen mehrfach geschehen ist. Indem dies bei uns versäumt ist, hat die Zuchtlosigkeit nur neues Anrecht und neuen Boden in unserer Kirche gewonnen. Nun sagen die Schmalkaldischen Artikel auf Grund der heiligen Schrift: Episcopi defendentes impiam doctrinam et impios cultus habeantur tamquam anathemata. Andere gleichlautende Stellen dieses Artikels (De pot. et iurisd. Ep.), sowie z.B. des 28. Artikels der Augsburgischen Confession betonen, ecclesiae non agnoscant (derartige Bischöfe), daß man einer geistlichen Obrigkeit, die das Fundament des Evangeliums verlassen hat, überhaupt nicht mehr gehorchen solle. So ist es mir in den letzten Wochen – unter viel Gebet und Kampf – durch Gottes Wort und das lutherische Bekenntniß gewiß geworden, daß es Unlauterkeit wäre, weiterhin mit dem Hohen Consistorium, als meiner „verordneten Oberbehörde“, zu verkehren, daß ich um mein Gewissen zu salvieren, Hochdasselbe nicht mehr als eine „Evangelisch-Lutherische“ Behörde anerkennen kann, daß das Subordinationsverhältniß de facto schon gelöst ist. Und so halte ich es für Pflicht der Wahrhaftigkeit, hiermit offen zu erklären, daß ich dem Hohen Consistorium mich nicht mehr untergeben kann, sondern da es vom Worte Gottes und Bekenntniß abgefallen ist, mich, was hierdurch geschieht, von ihm lossagen muß. Gott weiß es, daß dieser Schritt mir schwer wird, aber ich kann nicht anders. Ehrerbietigst zeichnet Lic. th. G. Stöckhardt, Dc. Planitz, 6. Juni 1876 (am Paul Gerhardtstage)
93. [80.] Verfassung der Synode der Evangelisch-Lutherischen Freikirche in Sachsen und anderen Staaten Deutschlands (1876/77)* Vorwort Bei der nachfolgenden Synodalverfassung sind vornehmlich zwei Grundsätze maaßgebend gewesen: Erstens, „daß alle Gemeinden und Prediger an sich gleiche Gewalt haben und daß daher keine Gemeinde der andern und kein Prediger dem andern vorgesetzt oder unterworfen sei“, wie Luther bezeugt, wenn er schreibt: „Wir wissen, daß in der Christenheit also gethan ist, daß alle Kirchen gleich sind, und nicht mehr, *
Verfassung der Synode der Evang.-Luth. Freikirche in Sachsen und andern Staaten Deutschlands, Zwickau 1880.
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denn eine einige Kirche Christi in der Welt ist, wie wir beten: Ich gläube Eine heilige christliche Kirche. Ursach ist diese: Denn es sei eine Kirche, wo sie kann in der ganzen Welt, so hat sie kein ander Evangelium oder heilige Schrift, keine andere Taufe und Sacrament, keinen andern Glauben und Geist, keinen andern Christum und Gott, kein ander Vaterunser und Gebet, keine andere Hoffnung und ewiges Leben, denn wir hie in unserer Kirchen zu Wittenberg haben, und sind ihre Bischöfe unsern Bischöfen oder Pfarrherrn und Predigern gleich, keiner des andern Herrn oder Knecht; haben einerlei Sinn und Herz, und alles, was zur Kirchen gehört, ist alles gleich.“ (Wider das Papstthum zu Rom, vom Teufel gestiftet). Und Zweitens, daß dennoch alle Gemeinden fleißig sein sollen, zu halten die Einigkeit im Geist durch das Band des Friedens, und daß ein besonders wirksames Mittel dazu die Vereinigung der rechtgläubigen Gemeinden eines Landes zu einem größeren Verbande und eine geordnete Aufsicht dieser Gesammtheit über die einzelnen ist; davon sagt Luther u.a. Folgendes: „Wie ein göttlich heilsam Werk es sei, die Pfarren und christlichen Gemeinden durch verständige, geschickte Leute zu besuchen, zeigen uns genugsam an beide, Neu und Alt Testament ... Wer kann erzählen, wie nütze und noth solch Amt in der Christenheit sei? Am Schaden mag mans merken, der daraus kommen ist, sint der Zeit es gefallen und verkehret ist. Ist doch keine Lehre noch Stand recht oder rein blieben ... Demnach, so uns jetzt das Evangelion durch überreiche, unaussprechlich Gnade Gottes barmherziglich wiederkommen, und helle wieder aufgegangen ist, dadurch wir gesehen, wie die Christenheit verwirret, zerstreut und zerrissen: hätten wir auch dasselbige rechte Bischof- und Besucheamt, als aufs höchste vonnöthen, gerne wieder angerichtet gesehen.“ (Unterricht an die Visitatoren). Mit diesen beiden Grundsätzen stimmt denn auch auf’s Beste, was Luther am Schlusse des eben citirten Unterrichts sagt, daher wir mit den gleichen Worten diese Synodal-Verfassung empfohlen haben wollen: „Wiewohl wir solches nicht als strenge Gebot können lassen ausgehen, auf daß wir nicht neue päpstliche Decretales aufwerfen, sondern als eine Historien oder Geschichte, dazu als ein Zeugniß und Bekenntniß unsers Glaubens, so hoffen wir doch, alle fromme, friedsame Pfarrherren, welchen das Evangelion mit Ernst gefället, und Lust haben, einmüthiglich und gleich mit uns zu halten, wie St. Paulus lehret Phil. 2,2, daß wir thun sollen, werden solche ... unsre Liebe und Wohlmeinen nicht undankbarlich noch stolziglich verachten, sondern sich williglich, ohne Zwang, nach der Liebe Art, solcher Visitation unterwerfen, und sammt uns derselbigen friedlich geleben, bis daß Gott der Heilige Geist bessere durch sie oder durch uns anfahe. Wo aber etliche sich muthwillig dawider setzen würden, und ohne guten Grund ein sonderliches wollten machen, wie man denn wilde Köpfe findet, die aus lauter Bosheit nicht können etwas Gemeines oder Gleiches tragen, sondern ungleich und eigensinnig sein ist ihr Herz und Leben: müssen wir dieselben sich lassen von uns, wie die Spreu von der Tennen, sondern, und um ihretwillen unser Gleiches nicht lassen ... Aber Gott, der Vater in aller Barmherzigkeit, gebe uns
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durch Christum Jesum, seinen lieben Sohn, den Geist der Einigkeit und der Kraft, zu thun seinen Willen. Denn ob wir gleich aufs allerfeinest einträchtig sind, haben wir dennoch alle Hände voll zu thun, daß wir Guts thun und bestehen in göttlicher Kraft. Was sollts denn werden, wo wir uneins und ungleich untereinander sein wollten? Der Teufel ist nicht fromm noch gut worden bis daher, wirds auch nimmermehr. Darum laßt uns wachen und sorgfältig sein, die geistliche Einigkeit (wie Paulus lehret) zu halten im Bande der Liebe und des Friedens. Amen.“ I. N. J. Artikel 1:
Von dem Bekenntniß
Die Synode bekennt sich mit der gesammten rechtgläubigen evang.-lutherischen Kirche zu der heiligen Schrift Alten und Neuen Testaments, als dem geschriebenen Worte Gottes und der einzigen Regel und Richtschnur des Glaubens und Lebens, und zu sämmtlichen symbolischen Büchern der evang.-lutherischen Kirche als der reinen und ungefälschten Erklärung und Darlegung des göttlichen Worts. Diese symbolischen Schriften, welche sich in dem christlichen Concordienbuche vom Jahre 1580 gesammelt finden, sind folgende: die drei Hauptsymbole, das Apostolische, Nicänische und Athanasianische, die ungeänderte Augsburgische Confession, deren Apologie, die schmalkaldischen Artikel, die beiden Katechismen Lutheri und die Concordienformel. Nach diesen Bekenntnissen der Kirche sollen, weil sie mit Gottes Wort übereinstimmen, nicht nur die Lehre in der Synode geführt und geprüft, sondern auch alle etwa vorfallenden Religionsstreitigkeiten geurtheilt und regulirt werden. Es dürfen daher in den Kirchen und Schulen der Synode nur solche Lehr- und Erbauungsbücher gebraucht werden, welche der heiligen Schrift und den Symbolen der evang.-lutherischen Kirche durchaus entsprechen. – Die Synode verwirft jegliche Kirchen- und Glaubensmengerei, jede Kirchen-, Abendmahls- und Kanzelgemeinschaft mit Falschgläubigen und Unirten, sowie jedwede Theilnahme an dem Gottesdienst und Missionswesen falschgläubiger und unirter Gemeinschaften u. drgl. Artikel 2:
Von den Bedingungen der Zugehörigkeit zur Synode
Die Synode kann Anschluß und Zugehörigkeit zu ihrem Verbande nur gewähren: 1. Gemeinden, Kirchen- und Schuldienern, welche ohne allen Rück- und Vorbehalt den im 1. Artikel dargelegten Bekenntnißstand der Synode theilen und dem entsprechend auch für christlichen Unterricht ihrer Schuljugend Sorge tragen. 2. Gemeinden, Kirchen- und Schuldienern, welche ihre kirchenrechtliche Verbindung mit irgend einer deutschen Staatskirche aufgelöst haben. 3. Ordentlich berufenen und in ihrem Wandel unbescholtenen Predigern und Lehrern.
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4. Ordentlich von ihren betr. Gemeinden erwählten und in ihrem Wandel unbescholtenen Gemeindeabgeordneten. Artikel 3:
Bestandtheile und Eintheilung der Synode
Die Synode im weiteren Sinne besteht aus allen ihr verfassungsgemäß beigetretenen Gemeinden, Kirchen- und Schuldienern und kann nach Bedürfniß in mehrere Visitationskreise oder Diöcesen, über deren geographische Abgrenzung sie selbst Bestimmungen trifft, eingetheilt werden. Das Personal der Synodalversammlung umfaßt stimmberechtigte und berathende Glieder. Zu Ersteren gehören die Pastoren und Abgeordneten der Pfarrgemeinden, von denen jede einen derselben zu wählen berechtigt ist. Berathende Synodalglieder dagegen sind die Lehrer der Synodalgemeinden, sowie alle von solchen nicht bevollmächtigte Prediger und Abgesandte aus der Hörerschaft. Artikel 4:
Von dem Geschäftskreis der Synode
In denselben gehört Alles, was für die Synodalgemeinden als Gesammtkörperschaft zu verwalten ist, als: Ueberwachung der Reinheit und Einheit der Lehre, Aufsicht über die gesammte Amtsführung der Prediger und Lehrer innerhalb des Synodalbezirks, gemeinsame Vertheidigung und Ausbreitung der evang.-lutherischen Kirche, Verbreitung der heiligen Schrift und guter lutherischer Bücher, Mission, Herausgabe einer kirchlichen Zeitschrift, Ertheilung christlicher Gutachten und Bedenken, sowie Untersuchung und Schlichtung von Streitigkeiten zwischen einzelnen Personen und Parteien in den Gemeinden, Prüfung bzw. Ordination und Einweisung neu hinzutretender Kirchen- und Schuldiener, Sorge für die Heranbildung künftiger Prediger und Lehrer zum Dienst der Kirche, lebendiger Verkehr mit andern Theilen der rechtgläubigen Kirche, sowie Anknüpfung bez. Abschluß kirchenrechtlicher Verbindungen und Verträge mit denselben. Artikel 5:
Von den Beamten der Synode
Zur Ausführung ihrer Geschäfte erwählt die Synode während ihrer Sitzungszeit auf die Dauer von drei Jahren unter sich aus den Dienern der Kirche einen Präses, einen Secretair, und je nach Bedürfniß einen oder mehrere andere Visitatoren, sowie endlich aus der Zahl der Zuhörer einen Kassenführer. Diese Genannten und zwei gleichfalls auf die Dauer von drei Jahren erwählte Mitglieder der Hörerschaft bilden ein Collegium unter dem Namen Verwaltungsrath der Synode. Außerdem bestellt die Synode einen Herausgeber für die kirchliche Zeitschrift. Sämmtliche Beamte der Synode haben nur solche Rechte in Anspruch zu nehmen, welche ihnen ausdrücklich übertragen sind, und es sind dieselben dafür, sowie für Erfüllung ihrer
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Pflichten der Synode verantwortlich. Sie können daher jederzeit von dieser zur Rechenschaft gezogen werden. Artikel 6:
Von den Synodalversammlungen
Alljährlich versammelt sich die Synode zu einer auf nicht mehr als zehn Tage auszudehnenden Sitzung und zwar zu der Zeit und an dem Ort, worüber sie selbst in der letztgehaltenen Versammlung Bestimmung getroffen hat. In dringenden Nothfällen kann durch den Präses mit Zustimmung des Verwaltungsrathes eine außerordentliche Versammlung der Synode zusammenberufen werden. Zu einer gültigen und beschlußfähigen Synodalversammlung ist es, die verfassungsmäßige Zusammenberufung vorausgesetzt, nothwendig, daß mindestens drei Viertheile der Synodalgemeinden in ihren Vertretern – und zwar wenigstens durch je einen derselben – gegenwärtig seien. Die Synode eröffnet ihre jedesmalige erste Sitzung mit einem vom Präses geleiteten Predigtgottesdienst und jede nachfolgende Sitzung mit einem kurzen liturgischen Gottesdienst. Auch soll während der Sitzungszeit der Synode mehrmals von Synodalmitgliedern über Gegenstände, die der Präses denselben wenigstens zwei Monate zuvor bestimmt, gepredigt werden. Den Vorsitz in den Versammlungen, welche der Regel nach öffentlich sind, übernimmt der Präses und im Vertretungsfalle ein von der Synode erwähltes Mitglied des Ministeriums. Bei Beginn der Sitzungen werden zunächst von dem Secretair die Namen des anwesenden Synodalpersonals sowie der Abgeordneten einregistrirt, nachdem die Beglaubigungsschreiben der Letzteren geprüft und anerkannt worden sind. Auch werden die Aufnahmen der sich etwa zum Eintritt in die Synode Meldenden in der darüber getroffenen Ordnung vollzogen. Sodann verliest der Präses die Synodalrede und den Jahresbericht, in welchem derselbe namentlich über das Ergebniß seiner im vergangenen Jahre vorgenommenen Visitationen, über die Arbeiten der Prediger- und Lehrerconferenzen, sowie über die Beziehungen der Synode zu andern Theilen der ev.-luth. Kirche Mittheilung zu machen hat. Derselbe erstattet der Synode ferner einen summarischen Bericht von den in gegenwärtiger Versammlung zu besprechenden Gegenständen. Wer solche der Synode vorlegen will, hat sie mindestens 4 Wochen zuvor dem Präses schriftlich einzureichen. Wird der einzelne summarische Bericht von der Synode aufgenommen, so liegt er derselben zur Berathung vor und hat der Präses die Pflicht, erst nach sorgfältiger Erwägung der Gründe und Gegengründe die Synode zur Beschlußfassung resp. Abstimmung aufzufordern. Sachen der Lehre und des Gewissens werden allein durch Gottes Wort entschieden. Alle andern Entscheidungen geschehen nach Stimmenmehrheit. Bei Gleichheit der Stimmen entscheidet der Präses. Endlich hat der Kassenführer der Synode alljährlich über Einnahme, Ausgabe und Stand der ihm anvertrauten Kassen Rechnung abzulegen, woraufhin erstere eine Revision der Kassen und Rechnungsbücher anzuordnen hat. Die während einer Synodalver-
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sammlung etwa nöthig werdenden Neu- und Ersatzwahlen sollen in der letzten Sitzung derselben vorgenommen werden. Ueber alle Verhandlungen der Synode hat der Secretair ein genaues Protokoll aufzunehmen und solches zur Prüfung bez. Verbesserung vor Beginn jeder neuen Sitzung vorzulesen. Pastoren und Gemeindeabgeordnete, wenn sie aus gegründeten Ursachen abwesend sind, können in einem betreffenden Falle ihre Stimmen schriftlich abgeben. Der Präses hat jede einzelne Sitzung und die Synodalversammlungen überhaupt mit Gebet zu beschließen. Artikel 7:
Von der Stellung der Synode zu den einzelnen Gemeinden
Die Synode steht zu den einzelnen ihr angehörenden Gemeinden in der Eigenschaft einer berathenden kirchlichen Körperschaft und überläßt ihnen daher ihre Selbstregierung nach und mit Gottes Wort. Alle die einzelnen Gemeinden angehenden Synodalbeschlüsse als solche haben für erstere nur dann verbindliche Kraft, wenn diese sie durch einen förmlichen Gemeindebeschluß freiwillig angenommen und selbst bestätigt haben. Jede Synodalgemeinde hat das unbestrittene Recht, Beschlüsse und Anordnungen der Synode, welche sie entweder dem Worte Gottes nicht gemäß oder sonst für ihre Verhältnisse für ungeeignet befindet, unberücksichtigt zu lassen, resp. zu verwerfen. Artikel 8:
Von der Aufsicht der Synode über Lehre, Praxis und Leben innerhalb ihres Kreises
Die Synode wacht mit Ernst darüber, daß in ihrem Kreise die Reinheit und Einheit der Lehre erhalten und gefördert werde. Sie untersucht daher in ihren alljährlichen Sitzungen, welche Artikel der Kirchenlehre hauptsächlich in Wort |und| Schrift zu treiben, gegen welche Irrlehren und Sünden des Lebens insonderheit der Kampf zu richten, und wie dabei zu verfahren sei. Sie läßt es sich angelegen sein zu erfahren, ob auch die gesammte Praxis Seitens ihrer Prediger und Lehrer dem Vorbild der heilsamen Lehre entspreche, ob von Ersteren eine in allen Zweigen wahrhaft evangelische Seelsorge gehandhabt und ob insonderheit ein gründlicher Confirmandenunterricht mit Berücksichtigung der herrschenden Irrthümer ertheilt werde. Die Synode fordert von ihren Predigern, daß sie auf diesen Unterricht wenn möglich gegen 100 Stunden verwenden und fähigere Katechumenen dahin zu bringen suchen, daß sie die Lehren des christlichen Glaubens mit den klarsten Beweissprüchen der hl. Schrift begründen und die Irrlehren der Secten daraus widerlegen können, auch, daß die Prediger Sorge tragen, daß ihre Katechumenen eine gute Anzahl alter trefflicher Kirchenlieder auswendig lernen. Die Synode macht es ihren Predigern zur Gewissenspflicht, die confirmirte Jugend nicht aus den Augen zu verlieren, sich ihrer väterlich anzunehmen und daher auch mit ihr öffentliche sonntägliche Katechismusexamina anzustellen.
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Außerdem erforscht die Synode, wie es in den einzelnen Gemeinden hinsichtlich des Kirchenbesuchs, des Bibellesens und des Hausgottesdienstes, der Beichtanmeldung und Theilnahme am hl. Abendmahl, des Besuchs der Gemeindeversammlungen, der Kirchenzucht, des Schulbesuchs, der Auswahl und des Gebrauchs religiöser Schriften, der Liebesthätigkeit u.s.w stehe und welches überhaupt der kirchlich sittliche Zustand derselben sei. Artikel 9:
Von der Ertheilung von Gutachten und Schlichtung vorfallender Streitigkeiten
Die Synode ertheilt auf Begehren christliche Gutachten und sucht, falls sie von allen Betheiligten darum angegangen wird, obwaltende Streitigkeiten zu schlichten. Beides geschieht je nach Umständen durch die versammelte Synode, oder durch den Präses, oder ein von der Synode besonders dazu bestelltes Comitee, jedoch immer nur dann, wenn hierbei nicht weltliche Händel in ihren Kreis gezogen, noch die jeder einzelnen Gemeinde zustehenden Rechte beeinträchtigt, noch überhaupt die Regeln christlicher Liebe übergangen und verletzt werden. Artikel 10: Von dem Zuchtverfahren Tritt der Fall ein, daß ein Glied des Ministeriums der Synode offenbare Aegernisse in Hinsicht auf Lehre oder Leben giebt, so hat der Präses, sobald er von dem Thatbestand genügend überzeugt ist, die Pflicht, in Gemeinschaft mit wenigstens einem andern Prediger und der betreffenden Gemeinde die Sache zu untersuchen, in dringenden Nothfällen die Zugehörigkeit des betreffenden Predigers zur Synode vorläufig aufzuheben und dieses Verfahren zu veröffentlichen. Jedoch ist er in diesem Falle gehalten, innerhalb des nächsten Vierteljahres eine außerordentliche Synode zur weiteren Untersuchung der Sache einzuberufen, vorausgesetzt, daß die regelmäßige Versammlung derselben nicht innerhalb der nächsten 4 Monate stattfinden sollte, für welchen Fall die Angelegenheit bis dahin zu verschieben wäre. Die Synode hat an dem als in falscher Lehre oder in ärgerlichem Wandel beharrend Angeklagten den letzten Versuch zu machen, ihn zur bußfertigen Umkehr zu bewegen. Hört er indeß die Synode nicht, so wird er von derselben ausgeschlossen und die betr. Gemeinde hat, wo das noch nicht geschehen, an ihm den Befehl Christi Matth. 18,17 auszuführen. Sollte eine ganze Gemeinde erwiesenermaßen in Widerspruch mit Art. 1 und 2 der Verfassung verharren, so müßte derselben nach vergeblichem Vorhalt aus Gottes Wort die Synodalgemeinschaft aufgekündigt werden. Doch kann ein solcher Fall nur vor versammelter Synode endgültig erledigt werden. Ausgeschlossene verlieren allen Antheil an dem Besitzthum der Synode.
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Artikel 11: Von Aufnahme und Versorgung neuer Gemeinden Die Aufnahme einer neuen Gemeinde kann nur vor versammelter Synode auf Grund eines ordentlichen durch den Bevollmächtigten Vertreter übermittelten schriftlichen Gesuchs, und unter der Bedingung geschehen, daß dieselbe sich mit der Verfassung der Synode einverstanden erklärt. Zu dem Ende hat sie auch ihre Gemeindeordnung einen Monat zuvor dem Präses einzusenden, welcher sie unter Hinzuziehung eines Mitgliedes des Verwaltungsrathes aus der Hörerschaft zu prüfen und dann der Synode zu berichten hat, ob sie sich mit Art. 1 und 2 der Synodalordnung in Uebereinstimmung befindet und ob darin u. A. auf persönliche Anmeldung zum Heil. Abendmahl Bedacht genommen oder in welchen Punkten sie einer Abänderung bedürftig sei. Ist die aufgenommene Gemeinde predigerlos, so hat die Synode für deren Bedienung Sorge zu tragen. Artikel 12: Von Prüfung, Aufnahme, Ordination und Amtseinführung neuer Kirchen- und Schuldiener Melden sich Prediger und Lehrer, Predigt- oder Schulamtscandidaten zur Aufnahme in die Synode, so efolgt dieselbe, falls jene aus anerkannt rechtgläubigen Kirchen kommen und genügende Zeugnisse beibringen, ohne Weiteres vor versammelter Synode. Auch sind der Präses und die betr. Ortspastoren ermächtigt, solche Personen erforderlichen Falls schon vor formeller Aufnahme in die Synode zu ordiniren bez. in ein Amt einzuführen. Im andern Falle haben sich dieselben zunächst einem Examen bez. einem Colloquium zu unterwerfen. Die Prüfungscommission besteht aus dem Präses und mindestens 2 andern von ihm zu ernennenden Gliedern des Lehrstandes. Prüfung oder Colloquium sollen stets öffentlich sein und daher vor versammelter Synode oder wenigstens 12 urtheilsfähigen Zeugen geschehen. Die Prüfungscommission hat insonderheit zu erforschen, ob der Examinand eine gründliche Kenntniß von der rechten Theilung des Gesetzes und Evangeliums habe, ob er wahrhaftig, sowie lauter und entschieden im reinen Bekenntniß sei und ob er einen untadeligen Wandel führe. Betreffs der Lehrer ist besonders darauf zu achten, ob solche im Stande sein werden, hinsichtlich ihrer Kenntnisse den Ansprüchen des Staats zu genügen und nöthigenfalls die Staatsexamina zu machen. Ueber den Ausfall des Examens bez. Colloquium hat die Prüfungscommission ein Zeugniß auszustellen und zu unterzeichnen. Nur auf Grund eines befriedigenden Zeugnisses erfolgt dann die Aufnahme in die Synode und ev. die Ordination oder Amtseinführung. Dieselbe vollzieht der Präses in Gemeinschaft von wenigstens einem der benachbarten Pastoren mit feierlicher Verpflichtung auf sämmtliche Bekenntnißschriften unserer Kirche und zwar nach Vorschrift einer rechtgläubigen Agende. Auch hat der Präses dem Ordinirten ein hierauf bezügliches Zeugniß auszustellen. Die Amtseinführung von Lehrern vollzieht der betr. Ortspfarrer gleichfalls mit Verpflichtung auf die öffentlichen Bekenntnisse der Kirche.
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Artikel 13: Von Prediger- und Lehrerconferenzen Jeder einzelne Visitationskreis bildet mindestens einen Conferenzkreis. Die Pastoren vereinigen sich wenn möglich allmonatlich zu einer eintägigen Conferenz unter Vorsitz des Präses, (bez. Visitators) wobei der Regel nach Vormittags über Lehrsachen, Nachmittags über practische Fragen zu verhandeln ist. Alle Vierteljahre werden diese Conferenzen zu einer gemeinschaftlichen eintägigen Prediger- und Lehrerconferenz erweitert, wobei dann auch die Angelegenheiten der Schule zu besprechen sind. Die jedesmaligen Conferenzversammlungen werden zu Protokoll genommen, in ein Buch eingetragen, durch den Präses der Synode vorgelegt und dann im Synodalarchiv aufbewahrt. Artikel 14: Von dem Amte eines Präses und Visitators Der Präses und Visitator hat die Aufsicht über Lehre, Praxis und Amtsverwaltung der Pastoren, Lehrer und Beamten der Synode zu führen und ist zu dem Ende verpflichtet, während seiner dreijährigen Amtszeit wenigstens einmal jedes Kirchspiel amtlich zu besuchen, sich dabei nach der ihm von der Synode gegebenen schriftlichen Instruction zu halten und über das Resultat seiner Visitationen der Synode gewissenhaft zu berichten. Bestellt die Synode noch einen oder mehrere andere Visitatoren, so haben diese die oben erwähnte Aufsicht innerhalb ihres Kreises und zwar gleichfalls nach einer bestimmten Instruction zu führen, und dem Präses darüber zu berichten. Der Präses hat den Vorsitz und die Leitung bei den Synodalversammlungen, den Pastoralconferenzen seines Visitationskreises und bei den Sitzungen des Verwaltungsrathes und in diesen Beziehungen alle die im 6. und 13. Artikel bereits erwähnten Functionen zu übernehmen. In dringenden Nothfällen ist er befugt, eine außerordentliche Versammlung der Synode zusammenzuberufen, jedoch nur nach vorheriger Zustimmung des Synodalverwaltungsrathes und öffentlicher Bekanntmachung des Zwecks der abzuhaltenden Synode. Gegen Glieder des Ministeriums, welche in Aergernisse der Lehre und des Lebens fallen, hat er das im 10. Artikel dargelegte Zuchtverfahren einzuhalten und ganze Gemeinden, welche in offenbarem Widerspruch mit Art. 1 und 2 der Verfassung verharren, nach vergeblichem Vorhalt aus Gottes Wort, der Synode anzuzeigen. Ebenso ist es Pflicht des Präses, die Rechtmäßigkeit der etwa vorkommenden Amtswechsel und Amtsniederlegungen der Pastoren zu untersuchen, wie er denn auch außer den Synodalsitzungen auf Ersuchen Rath und Antwort zu ertheilen hat (siehe Art. 9). Der Präses ist Vorsitzender der Prüfungscommission und ihm stehen die etwa vorfallenden Ordinationen und Einführungen neu eintretender Prediger zu. Doch kann er diese Handlungen nöthigenfalls einem andern Prediger übertragen. Alle im Namen der Synode, des Verwaltungsrathes und der Prüfungscommission ausgefertigten Schreiben hat er zu unterzeichnen.
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Der Präses, welcher überhaupt darauf zu sehen hat, daß alle Beschlüsse der Synode auch von derselben vollzogen werden, und welcher alle ihm zu Gebote stehenden Mittel treulich dazu anzuwenden hat, daß die rechte gottgefällige Einigkeit der Synode gefördert und erhalten werde, soll jedoch nur das Recht der Berathung, der Ermahnung und des Vorhalts haben. Administrativgewalt soll er nur in den Fällen haben, in welchen die Geschäfte der Synode dieses nöthig machen und für welche er mit solcher Gewalt ausdrücklich bekleidet ist. Seine Entscheidungen sind für die betreffenden nur dann bindend, entweder wenn sie schon an sich als Entscheidungen des Wortes Gottes gewissensbindende Kraft haben, oder wenn ihm in einem bestimmten Falle von allen Betheiligten schiedsrichterliche Gewalt zuerkannt worden ist, vorausgesetzt, daß seine Entscheidungen nicht wider Gottes Wort sind. In jedem Falle kann von seiner oder eines Andern Entscheidung an die Synode appellirt werden. Artikel 15: Von dem Amte eines Secretairs der Synode Derselbe hat als solcher während der Synodalversammlung alle in Artikel 6 gedachten Functionen wahrzunehmen, namentlich das Protokoll über die Verhandlungen zu führen und vorzulesen, sowie aus diesem auf Beschluß der Synode den für den Druck bestimmten Synodalbericht zusammenzustellen. Der Secretair hat ferner ein Register über die Mitglieder der Synode zu führen, auch kirchenstatistische Notizen der Synode zu sammeln und behufs Anlegung einer Kirchenchronik in ein Buch einzutragen und das Synodalarchiv zu verwalten. Er hat endlich alle Schreiben und Documente der Synode anzufertigen und alles zu besorgen, was im Namen der Synode zu veröffentlichen ist. Der Secretair ist Mitglied des Synodalverwaltungsrathes und verpflichtet, den Sitzungen desselben regelmäßig beizuwohnen. Sollte das Amt des Präses vor abgelaufener Dienstperiode aus irgendeinem Grunde vacant werden, so hat der Secretair dasselbe provisorisch bis zur nächsten Synodalversammlung zu verwalten. Auch ist er in jedem einzelnen Behinderungsfalle des Präses der ordentliche Vertreter desselben. Ausgenommen hiervon sind jedoch die Präsidialgeschäfte bei versammelter Synode (siehe Art. 6). Artikel 16: Von dem Amte eines Synodalkassenführers Derselbe hat alle Geldangelegenheiten der Synode im Namen derselben und nach deren Anweisung zu besorgen. Er hat bei der jährlichen Versammlung der Synode Rechnung über Einnahme und Ausgabe abzulegen und sich jederzeit eine von der Synode oder deren Beamten angeordnete Revision der Bücher und Kassen gefallen zu lassen. Auch ist der Kassenführer Mitglied des Verwaltungsrathes und hat die Pflicht, den Sitzungen desselben regelmäßig beizuwohnen.
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Artikel 17: Von den Rechten und Pflichten der einzelnen Mitglieder der Synode Jede der Synode zugehörige Pfarrgemeinde hat Recht und Pflicht, zu den Synodalsitzungen außer ihrem Prediger einen Abgeordneten aus der Zuhörerschaft zu senden. Stimmberechtigt ist der Letztere, wenn er eine ihm von der Gemeinde gegebene schriftliche Vollmacht vorzeigen kann. Sendet eine Gemeinde zwei Prediger, so haben diese nur eine Stimme. Prediger und Lehrer haben ihren Eintritt in die Synode durch Unterschreibung der Synodalverfassung zu bewirken und sind dann verpflichtet, der jährlichen Synodalversammlung regelmäßig bis zu Ende beizuwohnen, oder wo sie nothhalber verhindert sind, eine schriftliche Entschuldigung einzureichen. Wer ohne solche die Synodalversammlungen dreimal versäumt, und allen ihm vom Präses zu Theil werdenden Ermahnungen sich verschließt, dessen gliedliche Verbindung mit der Synode muß dadurch als aufgehoben betrachtet werden. Jeder Prediger und Lehrer der Synode hat einen jährlichen Beitrag von 9 Mark in die Synodalkasse einzuzahlen und die Gemeinden der Synode sind verbunden, wenn möglich alljährlich freiwillige Collecten für diese Kasse zu sammeln. Diese Beisteuern sind zur Bestreitung der allgemeinen Unkosten der Synode zu verwenden. Jeder aus irgend einem Grund von dem Verband der Synode Ausscheidende verliert damit den Rechtsanspruch auf das Besitzthum derselben. Gemeinden, Prediger und Lehrer der Synode haben endlich allen Ernst und treuen Fleiß daranzusetzen, daß der mit dem Synodalverband beabsichtigte Zweck, nämlich die höchstnöthige Bewahrung der Reinheit und Einheit der Lehre und die Erhaltung und Mehrung unserer theuren ev.-luth. Kirche unter dem gnädigen Segen Gottes immer mehr erreicht werde. Schlußbestimmung Diese Verfassung der Synode kann jederzeit verändert und erweitert werden. Doch müssen solche Veränderungen a) dem 1. und 2. Artikel dieser Synodalordnung durchaus entsprechen, und b) in verfassungsgemäß zusammenberufener Synodalversammlung von mindestens drei Viertheilen sämmtlicher Synodalglieder im Auftrag ihrer Gemeinden, denen dies zeitig genug vorzulegen ist, beschlossen worden sein.
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94. Bekanntmachung zur Aufrichtung der Kirchengemeinschaft zwischen der Evangelisch-lutherischen Kirche im früheren Altpreußen und der Evangelisch-Lutherischen Freikirche, 16.1.1948*1 Die Evangelisch-Lutherische Kirche im früheren Altpreußen und die EvangelischLutherische Freikirche sind nach einer Reihe von Gesprächen in vorbehaltloser Bindung an die Heilige Schrift und das lutherische Bekenntnis einschließlich der Konkordienformel zur vollen Einigkeit im Glauben und in der Lehre gelangt. Für beide Kirchen ist maßgebend der Kirchenbegriff von Augustana VII, nach welchem das consentire de doctrina evangelii et de administratione sacramentorum („daß da einträchtiglich nach reinem Verstand des Evangelii gepredigt und die Sakramente dem göttlichen Wort gemäß gereicht werden“) gefordert wird. Auf diesem Grunde richten sie die Kirchengemeinschaft im Sinne der Kanzel- und Abendmahlsgemeinschaft miteinander auf. Berlin, den 16. Januar 1948. Für die Evangelisch-Lutherische Freikirche P. H. Petersen, Präses Für die Evangelisch-Lutherische Kirche im früheren Altpreußen Lic. Dr. E. Ziemer, Kirchenrat
95. Zwei Mitteilungen an die Gemeinden der EvangelischLutherischen Freikirche über die Einigung mit der (alten) Selbständigen evangelisch-lutherischen Kirche *2 I.
Kollegium für Lehrverhandlungen
Oberursel, den 21. September 1949 Kollegium für Lehrverhandlungen der Ev.-Luth. Freikirche Brief an die Gemeinden der Evang.-Luth. Freikirche. Liebe Glaubensgenossen! Mit innigem Dank gegen Gott teilen wir Ihnen heute mit, daß die Einigung aller lutherischen Freikirchen, um die wir Gott so oft ernstlich angerufen haben, um einen großen Schritt vorwärts gekommen ist, so daß die Gemeinden der Evang.*1 Der Lutheraner. Zeitblatt für evangelisch-lutherische Gemeinden in Deutschland, 2 (1948), 14. *2 I.: Hans Kirsten, Einigkeit im Glauben und in der Lehre 1. Die Lehreinigung 1945 bis 1949, Groß Oesingen 1980, 241–260. II.: Der Lutheraner. Zeitblatt für evangelisch-lutherische Gemeinden in Deutschland, 12 (1949), 135.
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Luth. Freikirche hiermit zur Stellungnahme aufgefordert werden können. Es wird in der Anlage die „Erklärung”, die von den Vertretern der Selbständigen Evang.-Lutherischen Kirche in Baden, Hessen und Niedersachsen einerseits und dem Kollegium für Lehrverhandlungen der Evang.-Luth. Freikirche andererseits am 7. April 1949 zu Oberursel unterzeichnet wurde, übermittelt (Anlage I). Sie werden gebeten, sich so bald als möglich in Ihrer Gemeindeversammlung über die Annahme oder Ablehnung dieser „Erklärung” schlüssig zu werden und das Ergebnis Ihrer in der Furcht Gottes gepflogenen Beratung dann alsbald schriftlich dem Ehrw. Allgemeinen Präses unserer Kirche, Herrn Pastor P. H. Petersen, BerlinSteglitz, Südendstr. 14, mitzuteilen. Die vom Ehrwürdigen Allgemeinen Präses gesetzte Frist zur Stellungnahme läuft zwei Monate nach dem Datum dieses Briefes ab. Wenn eine der Gemeinden sich bis dahin nicht brieflich oder telegraphisch gemeldet hat, wird ihr stillschweigendes Einverständnis angenommen. Zum näheren Unterricht über die Umstände, die zu der besagten „Erklärung“ der beiderseitigen Vertreter führten, geht Ihnen als weitere Anlage (II A) auch das Protokoll der Besprechung zu Oberursel am 6. April 1949 zu. Diesem Protokoll schließen wir „Bemerkungen” an (Anlage II B). Punkt 2 der „Erklärung” vom 7. April sieht eine Stellungnahme der Hermannsburg-Hamburger Diözese hinsichtlich der Hermannsburger Mission vor, die für die Aufrichtung der Kanzel- und Abendmahlsgemeinschaft Vorbedingung ist. Diese Stellungnahme liegt nun vor und geht Ihnen zusammen mit den zwei Dokumenten, auf die die Stellungnahme Bezug nimmt, als Anlage III A zu. Indem Sie sich schlüssig werden, ob Sie die „Erklärung” vom 7. April annehmen können, müssen Sie prüfen, ob die Hermannsburger Stellungnahme genügt als Beweis, daß diese Kirche sich gewissen Zuständen in der Hermannsburger Mission gegenüber „in statu confessionis” befindet, d.h. durch ihr abgelegtes Zeugnis eine falsche kirchliche Haltung und Entwicklung mit Ernst abzuwehren im Begriff steht, so daß man volles Vertrauen auch zu ihrer künftigen Stellung haben kann. Um Sie nicht in Unkenntnis über die Umstände zu lassen, sind den in der Anlage III A zusammengeschlossenen Hermannsburger Dokumenten „Erklärungen” [„Erläuterungen”] unsererseits beigegeben (Anlage III B). Dabei machen wir Sie auf die Vereinbarung aufmerksam, die zur Vermeidung von Mißverständnissen gleich nach dem Oberurseler Gespräch getroffen wurde. Nach derselben sollte jede der beiden Kirchen alles das, was sie als Kommentar, d.h. als begleitende Bemerkung zusammen mit der „Erklärung” vom 6.4.1949 an ihre Pastoren und Gemeinden schreiben würde, vor Absendung erst der anderen Kirche zur Kenntnis und eventuellen Stellungnahme vorlegen. Diese Abmachung ist von beiden Seiten innegehalten worden. Herr Kirchensuperintendent Martin und das Superintendentenkollegium haben dies unser Schreiben an Sie gelesen und, nachdem sie es auch dem Pfarrkonvent ihrer Kirche unterbreitet hatten, keine Einwendungen erhoben. Ebenso haben wir die Ansprache, die Kirchensuperintendent und Superintendentenkollegium an die Pastoren und Ge-
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meinden ihrer Kirche richten werden, gelesen, und keine Einwendungen gegen den vorgesehenen Wortlaut erhoben. Da der erwähnte Pfarrkonvent seine Zustimmung zu dem Ergebnis der zwischen unseren Kirchen geführten Verhandlung und ausdrücklich auch zu der Aufrichtung der Kirchengemeinschaft erteilt hat, wird die Selbständige Ev.-Luth. Kirche in Baden, Hessen und Niedersachsen nach erfolgter Zustimmung unserer Gemeinden die Gewährung der Kanzel- und Abendmahlsgemeinschaft bestätigen und die Ansprache an ihre Gemeinden ergehen lassen. Zur Vermeidung jeglichen Mißverständnisses sei bemerkt, daß die genannte Selbständige Ev.-Lutherische Kirche in Baden, Hessen und Niedersachsen vier Diözesen umfaßt, von denen früher jede eine selbständige Kirche war, als badische, hessische, hannoversche oder [und] Hermannsburg-Hamburger Freikirche. St. Anschar in Hamburg und die kleine hessische Renitente Kirche zählen nicht dazu. Die Aufrichtung der Kanzel- und Abendmahlsgemeinschaft zwischen unserer Ev.-Luth. Freikirche und der Selbständigen Evangelisch-Lutherischen Kirche in Baden, Hessen und Niedersachsen hängt nun noch von der Ratifizierung durch unsere Gemeinden ab. Die Erklärung der Kirchengemeinschaft setzt also unsererseits voraus, daß alle unsere Gemeinden grundsätzlich der Ihnen heute übermittelten „Erklärung” zustimmen und dies dem Ehrw. Allgemeinen Präses bis spätestens zum 21. November brieflich oder telegraphisch mitgeteilt haben. Erst nachdem Sie über die geschehene Ratifizierung von unserem Ehrw. Allgemeinen Präses informiert worden sind, kann die Kanzel- und Abendmahlsgemeinschaft in Kraft treten. Der durch Jesum Christum unseren Heiland reichlich ausgegossene Heilige Geist segne Ihre Beratungen in dieser wichtigen Reichssache unseres erhöhten Herrn Jesus Christus. Das Kollegium für Lehrverhandlungen der Evang.-Lutherischen Freikirche: (gez.) Heinrich Stallmann, Vizepräses, Vorsitzender (gez.) W. M. Oesch, Pastor und Dozent, Beauftragter (gez.) Hans Kirsten, Pastor und Dozent Bochum und Oberursel, den 21. September 1949 Anlage I: „Erklärung” v. 7.4.49 Anlage II A: Protokoll v. 6.4.49 Anlage II B: „Bemerkungen” hierzu Anlage III A: Stellungnahme d. Hermannsburg-Hamburger Diözese Anlage III B: „Erläuterungen” hierzu Anlage I:
Erklärung
Die unterzeichneten Vertreter der Evang.-Luth. Freikirche (in Sa. u. a. St.) und der Selbständigen Evang.-Luth. Kirche in Baden, Hessen und Niedersachsen stellen als Ergebnis eingehender Aussprachen fest:
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1. In bezug auf die Lehre haben sie sich davon überzeugt, daß der Erklärung der Kanzel- und Abendmahlsgemeinschaft zwischen ihren Kirchen nichts im Wege steht. Auf die Frage nach der Stellungnahme zu den „Einigungssätzen” zwischen der Ev.-luth. Kirche Altpreußens und der Ev.-Luth. Freikirche erklären die Vertreter der Selbständigen Evang.-Luth. Kirche in Baden, Hessen und Niedersachsen, daß sie in denselben nichts finden, was gegen Schrift und Bekenntnis verstößt oder inhaltlich über dieselben hinausgeht. Auch hinsichtlich weiterer Aussagen über Kirche und Amt ist den Unterzeichneten klargeworden, daß von ihren beiden Kirchen nichts gelehrt wird, was gegen Schrift und Bekenntnis verstößt. 2. In bezug auf die kirchliche Praxis, besonders die Frage der Hermannsburger Mission, stellen die Vertreter der Ev.-Luth. Freikirche fest, daß auch von hier aus für sie kein Hindernis für die Errichtung der Kanzel- und Abendmahlsgemeinschaft bestehen würde, wenn von der Hermannsburg-Hamburger Diözese anerkannt würde, daß die Vereinbarung zwischen der Hermannsburger Mission und der Hannoverschen Landeskirche vom 15.3.1890 als auf einer nicht mehr bestehenden Voraussetzung beruhend aufgehoben werden muß und daß konsequent dafür zu kämpfen ist, daß die Missionsarbeit in der Heimat und auf dem Missionsfeld sich von aller Beeinflussung und Einwirkung unionsgebundener Kirchen und schriftwidriger Gemeinschaft mit denselben freihält. Oberursel, den 7. April 1949 gez. H. Stallmann gez. Hans Kirsten gez. R. Rothfuchs gez. H. Martin gez. Lic. W. Srocka gez. W. M. Oesch Anlage II A Protokoll des Gesprächs zwischen Vertretern der Ev.-Luth. Freikirche und Vertretern der Hessischen Diözese der Selbständigen Ev.-Luth. Kirchen in Baden, Hessen und Niedersachsen am 6.4.1949 [vormittags] in Oberursel Anwesende: Von der Hessischen Diözese: Herr Kirchensuperintendent Martin, Marburg Herr Pastor Rothfuchs, Rodenberg (Deister) Herr Pastor Lucius, Rothenberg (Odenwald) Von der Ev.-Luth. Freikirche: Herr Präses Stallmann, Bochum
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Herr Pastor Kirsten, Oberursel Herr Pastor Oesch, Oberursel Herr Pastor Hübener, Frankfurt am Main Ferner nehmen an dem Gespräch teil: Herr Professor Sasse, Erlangen, und Herr Pfarrer Hopf, Mühlhausen (Oberfranken). Präses Stallmann eröffnet um 11 Uhr das Gespräch mit Verlesung von 2. Kor. 4,1–6 und Gebet. Einleitend berichtet Pastor Oesch kurz über die Entwicklung seit dem letzten informatorischen Gespräch in Hermannsburg am 21.9.1948. Kirchensuperintendent Martin stellt fest, daß das heutige Gespräch zunächst als ein informatorisches Gespräch speziell zwischen der Hessischen Diözese und der Ev.-Luth. Freikirche gedacht ist, und zwar als ein rein sachlich theologisches Gespräch, und daß auf seinen Wunsch Professor Sasse und Pfarrer Hopf gebeten wurden, an diesem Gespräch teilzunehmen. Die in Hermannsburg offen gelassene Frage, ob von der Hessischen Diözese materielle Bedenken gegen die Fassung der „Einigungssätze” in der Frage von Kirche und Amt erhoben werden (…), bildet den Ausgangspunkt des heutigen Gesprächs. Es wird die Frage der Ordination, Berufung und Einführung näher besprochen und 4 der Begriff der Gemeinde. In bezug auf These III B,2 [der „Einigungssätze”] wurde festgestellt, daß der Begriff der Gemeinde nicht notwendigerweise auf die Ortsgemeinde beschränkt ist, (…) hervorgeht. In bezug auf die Ordination wird festgestellt, daß die Ausdrücke vocatio und ordinatio in den Bekenntnisschriften und bei den Dogmatikern manchmal synekdochisch gebraucht werden. Werden die Begriffe wie in III B,2 unterschieden, so wird ausgehend von dem principaliter et immedia5 te des Tractatus (§ 24) bei der vocatio das Handeln Gottes (vocatio Dei mediata) 4
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These III B, 2 der „Einigungssätze“ lautet: „Obwohl die Gewalt, Sünden zu vergeben oder zu behalten, Gesetz und Evangelium zu predigen, ursprünglich und unmittelbar vom HErrn der Kirche allen Christen gegeben ist, beruft die christliche Gemeinde, um diese Gewalt ordentlicherweise öffentlich auszuüben, eine dazu geeignete Person. Diese verwaltet das Amt, die Gemeinde Gottes mit Wort und Sakrament zu weiden und zu regieren, nicht nur in menschlichem Auftrag, sondern zugleich – eben dadurch vermittelt – im Auftrage des HErrn. Die Ordination ist die feierliche Bestätigung der Berufung in das heilige Predigtamt vor der Gemeinde.“ Tractatus (Anhang zu den Schmalk. Artikeln) § 24: „Uber das muß man je bekennen, daß die Schlussel nicht einem Menschen allein, sonder der ganzen Kirchen gehoren und geben sind, wie dann solchs mit hellen und gewissen Ursachen genugsam kann erwiesen werden; dann gleichwie die Verheißung des Evangelii gewiß und ohn Mittl der ganzen Kirchen zugehoret, [auch] also gehoren die Schlussel ohn Mittl der ganzen Kirchen, dieweil die Schlussel nichts anders sind dann das Amt, dardurch solch Verheißung idermann, wer es begehrt, wurd mitgeteilt, wie es dann im Werk für Augen ist, daß die Kirche Macht hat, Kirchendiener zu ordiniern. Und Christus spricht bei diesen Worten: ‚Was Ihr binden werdet‘ etc. und deutet, wenn er die Schlussel geben, nämblich der Kirchen: ‚Wo zwen oder drei versammelt sind in meinem Namen‘ etc. Item Christus giebet das hohest und letzt Gericht der Kirchen, da er spricht: ‚Sag’s der Kirchen.‘“ „Nam Christus de clavibus dicens Matthaei XVIII. Addit: ‚Ubicunque duo vel tres consenserint super terram’ etc. Tribuit igitur claves ecclesia prinzipaliter et immediate, sicut et ob eam causam ecclesia principaliter habet jus vocationis.”
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durch Menschen verstanden und auch dann bei der ordinatio eine reale Wirkung festgehalten, wie die alten lutherischen Lehrer schon sagen. Die Aussprache ergab, daß grundsätzlich keine Gegensätze bestehen und materielle Bedenken von der Hessischen Diözese nicht erhoben werden. Kirchensuperintendent Martin erklärt, es würde den Gemeinden der Hessischen Diözese genügen, wenn die Freikirche erklärt, daß sie mit der Hessischen Diözese in der Lehre übereinstimmt und die Kanzel- und Abendmahlsgemeinschaft aufnehmen kann. Pastor Oesch erklärt, daß die betreffenden Ordnungen der Hessischen Diözese für die Freikirche ohne Bedenken sind. Die Besprechung wurde um 1 Uhr mittags abgeschlossen. Oberursel, den 6. April 1949 Nachtrag: Herr Prof. Sasse wird gebeten, seinen Beitrag zu der Aussprache über Kirche und Amt in einem der „Briefe an Lutherische Pastoren” zu veröffentlichen. Protokoll über das Gespräch zwischen Vertretern der Selbständigen Ev.-Luth. Kirche in Baden, Hessen und Niedersachsen und den Vertretern der Ev.-Luth. Freikirche am Nachmittag des 6.4.1949 in Oberursel Die Besprechung wurde um 14.30 Uhr von Kirchensuperintendent Martin mit Gebet eröffnet. Außer den Vertretern, die bereits an der Vormittagssitzung teilgenommen haben, nehmen auch Sup. Lic. Srocka von der Hermannsburg-Hamburger Diözese sowie Kirchenrat Lic. Kiunke von der Ev.-Luth. Kirche Altpreußens an den Verhandlungen teil (Prof. Sasse ist nicht anwesend). Zur Besprechung steht die Frage über das Verhältnis der Selbständigen Ev.Luth. Kirche in Baden, Hessen und Niedersachsen, insbesondere der Hermannsburg-Hamburger Diözese, zu der Hermannsburger Mission. Nach Verlesung der sich hierauf beziehenden Punkte des Protokolls des letzten Gesprächs vom 21.9.48 erläutert Sup. Srocka das Verhältnis der Hermannsburg-Hamburger Diözese zur Hermannsburger Mission und zeigt, welche engen Beziehungen die Gemeindeglieder seiner Diözese zu dieser Mission haben. Von den 38 Missionaren, die draußen arbeiten, sind etwa 20 freikirchliche. Die Gemeinden sehen auch viel mehr nach draußen auf die Missionsfelder als auf die Missionsleitung. Die der Landessynode von Hannover angehörenden Glieder der Missionsleitung haben sich auf dieser deutlich gegen die EKiD ausgesprochen, und der Missionssausschuß ist sich bis auf ein Glied in der Beurteilung der EKiD einig. Sup. Srocka bittet, noch Geduld zu haben. Es wurde von Pastor Oesch darauf hingewiesen, daß die HermannsburgHamburger Diözese an die Mission die Forderung richten müsse, daß das Abkommen zwischen Missionsausschuß und Hannoverscher Landeskirche vom 15.3.1890
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gekündigt wird. Der Missionsausschuß soll erklären, daß die Basis der Zusammenarbeit mit der Hannoverschen Landeskirche aufgehört hat. Es wird festgestellt, daß die Hermannsburger Mission als solche in den status confessionis treten muß. Der Anstoß dazu sollte nach Meinung von Sup. Srocka in Gemeinschaft mit dem in Deutschland demnächst zu erwartenden freikirchlichen Missionsdirektor Wichart gegeben werden oder notfalls von der Hermannsburg-Hamburger Diözese ohne ihn. Es besteht Einmütigkeit darüber, daß es im Augenblick geboten ist, für die Erhaltung dieser Mission als eines lutherischen Werkes mit allem Ernst zu kämpfen. Eine gewisse von den maßgebenden Instanzen der Diözese bestätigte Erklärung erscheint den Vertretern der Ev.-Luth. Freikirche nötig zur baldigst möglichen Aufrichtung der Kanzel- und Abendmahlsgemeinschaft. Es wird ein Ausschuß bestimmt, dem die Aufgabe gestellt wird, das Ergebnis der Besprechung des Tages zusammenzufassen und schriftlich festzulegen. Die Vertreter der Ev.-Luth. Freikirche fragen an, ob die Einschränkung in der Erwähnung der Konkordienformel in der Verfassung der Selbst. Ev.-Luth. Kirche in Baden, Hessen und Niedersachsen aufgehoben werden kann. Dies wird von den beiden anwesenden Superintendenten im Prinzip bejaht. Der beauftragte Ausschuß legt den Entwurf einer Erklärung vor, der gebilligt wird und in der Anlage unterschrieben beiliegt. Oberursel, den 6.4.1949 gez. H. Stallmann gez. H. Martin gez. Hans Kirsten gez. W. M. Oesch gez. W. Srocka gez. R. Rothfuchs (Die Unterzeichner bezogen sich auf das Protokoll des Vor- und Nachmittages.) gez. W. M. Oesch Anlage II B:
„Bemerkungen” zum Protokoll vom 6.4.1949
Zu dem als Anlage II A überreichten Protokoll des Gesprächs vom 6.4.1949 [vormittags] bemerken wir folgendes: Die beiden kurzen Sätze über die Ordination sollen nur die Punkte der Aussprache andeuten, nicht aber die Lehre genau formulieren. Es wurde ausgegangen von dem, was in Th. III B, 2 der „Einigungssätze zwischen der Ev.-luth. Kirche Altpreußens und der Evang.-Luth. Freikirche” gesagt wird. Dies ist zu vergleichen. (Zu dem Lehrzusammenhang gehört auch Th. III A, 1 C und These sowie Erklärung III B, 1.) Eine besondere These über die Ordination in die „Erklärung” vom 7.4.49 aufzunehmen, erschien nach der Aussprache nicht nötig.
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II.
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Gleiches Verständnis der Sache, synekdochischer Gebrauch der Worte Ordination und Wahl.
Wenn in dem Satz des Protokolls von dem sogenannten „synekdochischen” Gebrauch der Wörter „Ordination” und „Beruf” (Wahl, Vocation) die Rede ist, also von jenem Sprachgebrauch, bei dem ein Teil für das Ganze steht, so dachten wir an die Stelle in der Apologie Art. XIII, Paragraphen 7–13 (Müller, S. 203). Denn dort ist offenkundig bei Ordination die Berufung als Voraussetzung mitzuverstehen. Aber auch der Ausdruck Wahl ist so gebraucht, daß man die Ordination im engeren Sinne als öffentliche kirchliche Bestätigung mitdenkt. Auf diesen Sprachgebrauch haben schon die alten lutherischen Theologen Gerhard (Conf. cath. fol. 1328) und 6 Kromayer (Th. pos. p. 1030) hingewiesen . Auch heute liegt im Gebiete der lutherischen Freikirchen stellenweise ein verschiedener Sprachgebrauch vor, ohne daß sich deshalb die Lehre, die man über die Sachen führt, widerspricht. Ordiniert eine Diözese wie die Hessische die Kandidaten, die zwar geprüft, aber noch nicht an eine Ortsgemeinde im engeren Sinne berufen sind, so beruft sie dieselben zugleich und zunächst kraft der von allen Gemeinden auf die Diözese übertragenen Berufungsvollmacht. Durch die Handlung, die nach genauerem Sprachgebrauch Berufung und Ordination umfaßt, aber nur Ordination genannt wird, werden die Berufenen Hilfspastoren der Diözese und aller ihrer Gemeinden kraft göttlichen Berufs. Nach der dort geltenden Kirchenordnung ist auch der Superintendent Mitpastor in allen Gemeinden, in diesem Sinne von der ganzen Diözese und allen ihren Gemeinden berufen, zugleich aber nach menschlichem Recht der Kirchenleiter im Sinne einer gewissen Überordnung. Wird die Schriftlehre der Artikel XIV und XXVIII der Augsburgischen Konfession (des Artikels VII der Apologie, Paragraph 28, und des Anhanges zu den Schmalk. Artikeln, Paragraphen 24 und 66 bis 70) festgehalten, daß der Pastor einen Beruf der Gemeinde oder der Gemeinden haben muß, in deren Mitte er dient, und daß nicht etwa, ohne die Gemeinde, ein Träger des Amts den andern zum Träger des Amtes machen kann, wird also die Selbstfortpflanzung des Amtes kraft eigenen Rechtes und auch die Überordnung des einen Amtsträgers über den andern mit dem Anspruch göttlichen Rechtes zusammen mit unserem lutherischen Bekenntnis abgelehnt, so können die äußeren Ordnungen der Amtsbestellung und der ganzen Verfassung je nach dem Herkommen auch in den lutherischen Freikirchen sehr verschieden sein. Die äußeren Ordnungen und ihre jeweils nach den Umständen vollzogenen Änderungen gehören in das Gebiet der christlichen Freiheit (Anhang zu den Schmalk. Art., Paragraph 11; Konkordienformel Art. X Epitome, Abs. 2, Paragraph 4). Auch das Urteil über die Nützlichkeit der hier oder dort herr6
Kromayers kurze Äußerung sei angegeben: „Ordinatio, vel late vel stricle sumitur. Late pro ipsa vocatione, stricte pro vocationis testimonio solenni coram ecclesia sumitur. Vocatio necessaria est, ordination (stricte sumta) quidem indifferens, sed ita ut, licet non praeceptum, exempla tamen habeat et ita propius ad rerum neces sariarum rationem accedat.”
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schenden Ordnung kann erheblich voneinander abweichen. Das darf die Glaubenseinigkeit nach Eph. 4 und dem VII. Art. der Augsburgischen Konfession nicht stören. Was die praktische Zusammenarbeit an Ausgleich erfordert, ist Sache der den Brüdern entgegeneilenden Liebe. III.
Der von der Ordination gebrauchte Ausdruck „reale Wirkung”
In dem zweiten der erwähnten Sätze des Protokolls über die Ordination ist von einer „realen Wirkung” die Rede. Dieselbe wird aber eingeschränkt durch den Nachsatz: „wie die alten lutherischen Lehrer schon sagen”. In den Aussprachen waren entsprechende Zitate aus Chemnitz und Calov mitgeteilt worden, die wir am Ende dieser „Bemerkung” wiedergeben. Auf die Wiedergabe wird hier verzichtet. Auch schon in der wichtigen Vorbesprechung zwischen Pfarrer Friedrich Wilhelm Hopf und Pastor W. M. Oesch war die Wirkung der Ordination in einem inhaltlich gleichen Sinne behandelt worden. IV.
Die Lehreinheit und die Bedeutung der „Einigungssätze”
Die „Einigungssätze zwischen der Evang.-luth. Kirche Altpreußens und der Evang.Luth. Freikirche” sind Thesen zur Bereinigung der einzelnen Differenzen der beiden genannten Kirchen. Die einstigen Lehrdifferenzen zwischen uns und der Hannoverschen Evang.-Luth. Freikirche wurden schon in den Sätzen von 1908 und 1913 nach Schrift und Bekenntnis überwunden und beseitigt. Die Besprechung mit der zunächst aus 3 und nun aus 4 Diözesen bestehenden neugebildeten Selbständigen Evang.-Luth. Kirche, die am 21.9.48 in Hermannsburg begann und die sich dann in Besprechung im engeren Kreise mit Vertretern der Hessischen Diözese fortsetzte, verlief erfolgreich, wie das der Ausgang des Oberurseler Gesprächs am 6. und 7. April ds. Js. bestätigt. Besondere Einigungsthesen mit der vereinigten Selbständigen Kirche der 4 Diözesen erschienen uns bei der Lage der Dinge nicht zur Voraussetzung der Kirchengemeinschaft zu gehören. Dagegen erforderte die Lehreinheit aller lutherischen Freikirchen, zumal angesichts des ihnen gemeinsamen engen Raumes im westlichen Deutschland, daß an der Beilegung der einstigen Differenzen zwischen der Evang.-Luth. Kirche Altpreußens und der Evang.-Luth. Freikirche nicht vorübergegangen werden konnte. Darin, daß die Selbständige Evang.-Luth. Kirche in Baden, Hessen und Niedersachsen erklärt, die „Einigungssätze” enthielten nichts, was gegen Schrift und Bekenntnis verstoße oder inhaltlich über dieselben hinausgehe, liegt die Feststellung, daß sie materiell oder inhaltlich in den behandelten Punkten nicht anders lehrt, als die Evang.-Luth. Kirche Altpreußens und die Evang.-Luth. Freikirche nach Beilegung ihrer Differenz lehren. Das ergeben auch die Protokolle vom 21.9.48 und vom 6.4.49, sowie der abschließende Satz in der „Erklärung” vom 7.4.49: „Auch hinsichtlich weiterer Aussagen über ‚Kirche und Amt’ ist den Unterzeichneten klar
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geworden, daß von ihren Kirchen nichts gelehrt wird, was gegen Schrift und Bekenntnis verstößt.” Das zeigt, daß völlige Lehreinigkeit in den „Einigungssätzen” berührten Punkten besteht, daß eine Rückfrage nur bei den im Protokoll vom 6.4. erwähnten beiden Teilfragen wünschenswert erschien und auch hier die Lehreinigkeit festgestellt werden konnte. Für diese Lehreinigkeit nach Schrift und Bekenntnis, die Gott durch Seinen heiligen Geist und durch sein Wort gewirkt hat und die wir in den geführten Gesprächen feststellten, sagen wir demütig Dank. Wir bitten die Gemeinden, das herzlichste Vertrauen zu den Schwestergemeinden zu fassen. Schwachheiten sind bei uns vorhanden und auch bei anderen. Tragen wir in Demut einer des andern Last, damit wir das Gesetz Christi erfüllen. Loben und preisen wir den Gott aller Barmherzigkeit und Gnade dafür, daß einträchtige Lehre des Evangeliums und die gleiche stiftungsgemäße Verwaltung der Sakramente die lutherischen Freikirchen zu einer Glaubensgemeinschaft nach dem VII. Artikel der Augsburgischen Konfession und dem X. Artikel der Konkordienformel zusammenschließt und den Weg zu ihrer engen Zusammenarbeit zum Bau des Reiches Christi in unserem Vaterlande eröffnet. Das Kollegium für Lehrverhandlungen der Evang.-Lutherischen Freikirchen: (gez.) Heinrich Stallmann, Vizepräses, Vorsitzender. (gez.) W. M. Oesch, Pastor und Dozent, Beauftragter. (gez.) Hans Kirsten, Pastor und Dozent. Bochum und Oberursel, den 20. September 1949 [Nachschrift:] Es folgen hier für die, die es angeht, die Auszüge aus Chemnitz und Calov, auf die unter Punkt III Bezug genommen war: Chemnitz: Es ist auch dieses außer Zweifel, daß die Berufung zum Amt des Evangeliums um derer willen, welche laufen und nicht gesandt sind, Jer. 23,21, irgendein öffentliches Zeugnis und einen öffentlichen Zeugnisakt der Kirche haben solle; weshalb die Apostel die Berufung derjenigen, welche rechtmäßig zum Amt des Wortes und der Sakramente erwählt waren, durch irgendein öffentliches Zeugnis und einen öffentlichen Zeugnisakt der Kirche bekundeten und gleichsam besiegelten. Denn der Heilige Geist wollte auch, daß Paulus, der unmittelbar berufen war, durch eine öffentliche Bezeugung der Kirche als der Heidenapostel ausgerufen und dargestellt werde. In dieser öffentlichen Bestätigung, Bezeugung oder Ausrufung aber, da sie eine öffentliche Handlung war, gebrauchten die Apostel die äußerliche Zeremonie der Handauflegung, welche in jener Zeit bei jenem Volk gebräuchlich war, sowohl
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wegen der öffentlichen Bezeichnung des Berufenen als auch wegen der Gebete, die von der ganzen Kirche über die berufene Person geschahen ... Zu dem Gebete wurde auch das Fasten hinzugetan, Apostelgesch. 13,3. Und dieses ernstliche Gebet bei Ordination der Kirchendiener ist, weil es sich auf göttlichen Befehl und Verheißung gründet, nicht vergeblich. Dies aber ist es, was Paulus sagt: „die Gabe, die in dir ist durch Auflegen der Hände ...“ Das Amt des Wortes und der Sakramente hat göttliche Verheißungen, und darauf gründet sich das Gebet bei der Ordination: aber diese Verheißungen sind nicht an den Gebrauch der Handauflegung zu binden, für welchen es weder einen Befehl Christi noch eine solche Verheißung gibt, wie für den Ritus der Taufe und des Abendmahls des Herrn. (Lateinisch: Constat et hoc, vocationem ad ministerium evangelii debere publicum testimonium et publicam testificationem ecclesiae habere propter illos, qui currunt et non sunt missi, Jer. 23 [v.21]. Ideo apostoli eorum vocationem, qui legitime ad ministerium verbi et sacramentorum electi erant, publico aliquo testimonio et publica testificatione ecclesiae declarabant et quasi designabant. Nam et Paulum immediate vocatum Spiritus sanctus publica ecclesiae testificatione renuntiari et designari voluit, quod esset gentium apostolus. In illa vero vocationis publica approbatione, testificatione seu renuntiatione, cum esset publica actio, apostoli externum ritum impositionis manuum, qui illo tempore in illo populo usitatus erat, adhibuerunt, cum propter publicam vocati designationem tum vero propter preces et orationes, quae ab universa ecclesia super personam vocatam fiebant … Additum etiam fuit jejunium orationi, Act. 13[3]. Et haec seria oratio in ordinatione ministrorum, quia nititur mandato et promissione divina, non est irrita. Hoc vero est, quod Paulus dicit: Donum, quod est in te per impositionem manuum …) [ed. Preuß nach Jer. 23: Ideo Apostolorum vocationem …] Habet igitur ministerium verbi et sacramentorum promissiones divinas, et illis nititur oratio in ordinatione: sed illae promissiones non sunt alligandae ritui impositionis manuum, de quo nec mandatum Christi, nec talis promissio exstat, sicut de ritu baptismi et coenae dominicae. – Chemnitz, Exam. II, loc. XIII de sacramento ordinis, Sectio III, § 2. Calov: Obgleich wir freiwillig zugestehen, daß die Ordination nicht durchaus und absolut notwendig sei, noch auf göttliches Gebot sich stütze oder göttlichen Rechtens sei, sondern kirchlichen, ja, daß sie ein indifferenter Gebrauch sei: und obgleich wir auch nicht glauben, daß durch dieselbe ex opere operato (d.h. an sich, wenn sie nur geschieht, mag nun der, welcher sie erteilt und welcher sie empfängt, glauben oder nicht,) die zum Amte nötigen Gaben mitgeteilt werden, so halten wir doch dafür, daß diese kirchliche Ordnung um wichtiger Ursachen willen festgesetzt worden, und mit Recht in der Kirche heilig zu halten und zu beobachten und außer dem
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Notfall nicht zu unterlassen, geschweige alsbald abzuschaffen sei, obgleich derselben im Papsttum ein Aberglaube anhängt ... Wiewohl heutzutage durch die Handauflegung außerordentliche und Wundergaben des Heiligen Geistes nicht mitgeteilt werden, so zweifeln wir nicht, daß bei Hinzukommen der kirchlichen Ordination die zum heiligen Amte notwendigen Gaben des Heiligen Geistes durch die öffentlichen und Privatgebete der Kirche und der zu ordinierenden Person vermehrt werden, wovon auch jene Handauflegung ein gewisses [quoddam] Zeichen ist, da bei Mitteilung der Gaben des Heiligen Geistes dieselbe angewendet zu werden pflegte. Apostelgesch. 8,15; 19,6. (Lateinisch: Quanquam ultro admittamus, non esse praecise et absolute necessariam ordinationem, neque praeceptio niti divino, aut juris esse divini, sed ecclesiastici, adeoque ritum esse indifferentem, neque censeamus, ex opere operato per eandem dona conferri ad ministerium necessaria; illam tamen ecclesiasticam constitutionem ob graves causas sancitam esse, sancteque merito in ecclesia observandam, statuimus, nec intermittendam esse (extra casum necessitatis), nedum illico abrogandam, si qua superstitio illi adhaereat, in papatu … Quanquam extraordinaria et miraculosa Spiritus Sancti dona hodie non conferantur, per, non dubitamus tamen Spiritus Sancti ad munus sacrum necessaria accedente ordinatione ecclesiastica augeri per preces ecclesiae et personae ordinandae publicas ac privatas, cujus signum etiam quoddam est illaa manuum imposition, quum in conferendis donis Spiritus Sancti eadem adhiberi consueverit. Act. 8, 15. 19, 6.) Socinianismus profligatus (1652), p. 921.22. [Zitiert nach C. F. W. Walther, „Die Stimme unserer Kirche in der Frage von Kirche und Amt”, Erlangen 1852; Zwickauer Jubiläumsausgabe 1911, S. 313.] Anlage III A:
„Stellungnahme der Hermannsburg-Hamburger Diözese”
I. Marburg, d. 15.6.49 Kirchensuperintendent der Selbständigen Ev.-Luth. Kirche in Baden, Hessen und Niedersachsen An Herrn Präses Pfarrer Stallmann Bochum Sehr verehrter Herr Präses! Herr Amtsbruder Lic. Srocka hat mir folgenden Beschluß der HermannsburgHamburger Diözesansynode mitgeteilt und mich gebeten, Ihnen denselben officiell zu übermitteln: „Der Missionsausschuß wolle die Abmachung mit der hannoverschen Landeskirche vom 15.3.1890 als auf nicht mehr bestehenden Voraussetzungen beruhend zugunsten der Erklärung des Missionsausschusses von 1924 für aufgehoben erklä-
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ren. – Die Synode bittet den Missionsausschuß um eine öffentliche Erklärung darüber, daß die Hermannsburger Mission auf Grund ihrer in der Verfassung verankerten Bekenntnisverpflichtung weder direkt noch indirekt etwas mit der EKD zu tun haben und keinerlei Weisungen von dort her als für sie geltend annehmen kann.” Außerdem geht dem Missionsausschuß folgende Erklärung der Synode zu: „Die Synode erklärt dem Missionsausschuß in brüderlicher Offenheit, daß sie in der gegenwärtigen Situation den Missionsausschußmitgliedern und Direktoren auch deshalb ihr Vertrauen entgegenbringt, weil sie die Überzeugung hat, daß diese den Widerspruch zwischen dem lutherischen Bekenntnis und der Grundordnung der EKD erkennen und letzterer in Wort und Tat die Verbindlichkeit bestreiten.” Ich übermittle Ihnen dies Ergebnis der Synode und bitte Sie, mir mitzuteilen, ob damit das Hindernis, das sich für Ihre Kirche aus der Verbindung unserer Hermannsburg-Hamburger Diözese mit der Hermannsburger Mission ergab, hinfällig geworden ist und Ihre Kirche zur Anerkennung der Kanzel- und Abendmahlsgemeinschaft nunmehr bereit ist. Mit herzlichem brüderlichem Gruß Ihr (gez.) Sup. Martin II. Die in dem Schreiben des Herrn Kirchensuperintendenten Martin vom 15.6.1949 erwähnten Dokumente: A.) Vereinbarung zwischen der Hermannsburger Mission und dem Landeskonsistorium auf Grund der von Pastor Oepke geleiteten Verhandlungen mit dem Hannoverschen Landeskonsistorium vom Jahre 1889: 1. Es ist in der Mission eine zu Recht bestehende Ordnung, daß es allen zu ihr Gehörenden frei steht, in der ev.-luth. Landeskirche Hannovers das hl. Abendmahl zu feiern, und wiederum, daß Gliedern der Hann. Landeskirche der Zutritt zum Sakrament in den von unserer Mission in Afrika usw. gegründeten Gemeinden offensteht, daß also in dieser Weise Abendmahlsgemeinschaft zwischen der Hannoverschen Landeskirche und der Mission besteht. 2. Die vakant werdenden Plätze im Missionsausschuß werden jederzeit so besetzt, daß die Hälfte seiner Mitglieder der Hann. ev.-luth. Landeskirche angehört. 3. Eine der beiden Direktorstellen soll immer von einem landeskirchlichen Geistlichen bekleidet werden. 4. Die Leiter der Missionsanstalt werden jederzeit bereit sein, dem Königl. Landeskonsistorium auf dessen Erfordern einen Einblick in die Wirksamkeit der Anstalt und ihre finanziellen Verhältnisse zu gewähren.
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5. Es sollen in Zukunft nur solche Männer in den Ausschuß gewählt bzw. zu Direktoren der Anstalt berufen werden, welche die obigen Bestimmungen als zu Recht bestehend anerkennen. Diese Vereinbarung wurde am 15. März 1890 von dem Missionsausschuß mit allen gegen drei Stimmen der anwesenden Mitglieder angenommen. Vier Mitglieder protestierten am 3. Juni gegen den Beschluß. Da aber das Landeskonsistorium schon am 12. Mai die Vereinbarung veröffentlicht hatte, so blieb der Protest wirkungslos. B.) Die Erklärung von 1924 wird in dem Brief des Herrn Superintendenten Srocka mitgeteilt. Hermannsburg, den 27.6.1949 Herrn Pastor W. M. Oesch, Oberursel / Ts. Altkönigstraße 50 Sehr geehrter, lieber Herr Amtsbruder! Sie erbaten den Wortlaut der Erklärung des Missionsausschusses von 1924. In dieser Erklärung wird 1. die absolute Unabhängigkeit der Hermannsburger Mission von jeder Kirchenleitung betont und 2. die Zusammenarbeit freikirchlicher und landeskirchlicher Glieder derselben geregelt. Diese Erklärung lautet: 1. Die Hermannsburger Mission ist eine freie unabhängige Anstalt zur Ausbreitung des Evangeliums unter den Heiden. 2. Sie betreibt dieses Werk auf der Grundlage des ev.-luth. Bekenntnisses. Es ist ihr ernster Wille, sich unverworren zu halten mit allen das Bekenntnis erweichenden Störungen [wohl: Strömungen] der Zeit und diese gegebenenfalls mit Entschiedenheit zu bekämpfen. 3. Die Mitarbeit der Mission geschieht von landes- wie von freikirchlicher Seite. Beide sind grundsätzlich in der Leitung der Mission, im Ausschuß wie im Direktorium je zur Hälfte vertreten. Die Kirchenleitungen haben als solche keinerlei Einfluß auf die Führung der Anstalt (vergl. Satz 1) , so gern ihnen auch ein Einblick in das Leben [derselben] gewährt wird. 4. Die Mission nimmt dankbar jede Hilfeleistung hin, die ihr aus beiden Kirchen zuteil wird. Sie fühlt sich andererseits verpflichtet, in beiden Kirchen an der Förderung des kirchlichen Lebens mitzuwirken. 5. Die besonderen kirchlichen Rechte und Pflichten der Mitglieder werden durch die Teilnahme am Missionswerk in keiner Weise berührt. Bei dieser Gelegenheit darf ich gleich Ihre Anfrage vom 4. Mai betreffs unserer Stellung zur sogenannten Flüchtlingsmissionskirche dahin beantworten, daß unse-
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re Bedenken gegen dieselbe, besonders gegen deren „Missionsmethode”, in keiner Weise behoben sind. Herzlich grüßt Sie Ihr (gez.) W. Srocka Anlage III B: „Erläuterungen” zu den Hermannsburger Dokumenten für die Gemeinden der Ev.-Luth. Freikirche I. Eine treue lutherische Kirche kann nur mit solchen Kirchen Kanzel- und Abendmahlsgemeinschaft pflegen, die mit ihr in der ganzen Lehre des Wortes Gottes einig sind und auch nach Schrift und Bekenntnis handeln. Denn die Heilige Schrift sagt einerseits: „So jemand zu euch kommt und führet diese Lehre nicht; den nehmt nicht zu Hause [auf] und grüßt ihn auch nicht, denn wer ihn grüßet, der machet sich teilhaftig seiner bösen Werke” (2. Joh. 10. 11), und: „Ein wenig Sauerteig versäuert den ganzen Teig” (Gal. 5, 9). Andererseits sagt sie: „Lehret sie halten alles, was ich euch befohlen habe” (Matth. 28, 20). Dabei kann es hier und da zu Kampfeslagen kommen, in denen treuen Bekennern die Hand der vollen Gemeinschaft zu reichen ist, auch wenn sie an ihrem Ort ihren Kampf für die Alleingeltung der Wahrheit im kirchlichen Raume noch nicht haben zu Ende führen können. Sind sie im Bekenntnis der Wahrheit eins mit uns, sondern und scheiden sie sich grundsätzlich mit uns von allem Irrtum und haben sie zugleich deutlich sichtbar für jedermann den Kampf aufgenommen gegen falsche Lehre und Praxis in dem Kreis, in dem sie bisher standen, so mag die Liebe gebieten, gewisse Übergangszustände eine Zeitlang zu tragen. Es muß nur das zuversichtliche Vertrauen gerechtfertigt sein, daß sie auch weiterhin Schritt für Schritt gewissenhaft nach Gottes Wort handeln werden. II. Wir beziehen uns auf den sogenannten „Bekenntnisstand” (status confessionis), in dem Einzelne oder eine Gemeinschaft im Kampf unter Beweis stellen, daß sie den Weg des unbedingten Gehorsams gegenüber der vollen göttlichen Verkündigung zu gehen gewillt sind. So konnten wir z. B. mit Dank gegen Gott feststellen, daß wir in der Lehre mit Herrn Pfarrer Friedrich Wilhelm Hopf in Mühlhausen (Bayern) einig waren, da er mit Wort und Tat unsern allerheiligsten Glauben bekannte, obschon noch ein gewisses äußeres Band, das jedoch die Kanzel- und Abendmahlsgemeinschaft nicht mehr einschloß, ihn mit einer der EKD angehörenden Landeskirche verknüpfte. Wahrheit und Liebe forderten, daß wir ihm die glau-
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bensbrüderliche Anerkennung auch zu einer Zeit nicht versagten, als sein Kampf noch nicht alle äußerlich rechtlichen Folgen nach sich gezogen hatte. Er befand sich im Bekenntnisstand – in statu confessionis –, und wir bekannten uns zu ihm nach dem Wort: „Schäme dich nicht des Zeugnisses unseres Herrn noch meiner, der ich sein Gebundener bin” (2. Tim.1,8). Ein zwar nicht gleicher, aber ähnlicher Fall scheint uns im Verhältnis eines Teiles der Selbständigen Evang.-Luth. Kirche in Baden, Hessen und Niedersachsen zur Hermannsburger Mission und mittelbar zur Hannoverschen Landeskirche vorzuliegen. Die Hermannsburg-Hamburger Freikirche hatte ihre frühere selbständige Mission seit dem 15.3.1890 in Verbindung mit der Hannoverschen Landeskirche geführt (siehe Anlage III A). Das damalige Abkommen hatte die Hannoversche Evangelisch-Lutherische Freikirche in richtiger Erkenntnis veranlaßt, sich von der Hermannsburger Mission wegen Unionsbildung zurückzuziehen und die Bleckmarer Mission zu gründen. Bei dem Zusammenschluß der Selbständigen Evang.-Luth. Kirche in Hessen und Niedersachsen im Jahre 1946 trat in der Missionsfrage an sich keine Änderung ein. Die neugebildete Hermannsburg-Hamburger Diözese übernahm das bisherige Verhältnis zur Hermannsburger Mission. Die Diözesen Hannover und Hessen blieben bei der Bleckmarer Mission. Die Gesamtkirche jedoch enthielt sich der Stellungnahme. Im Herbst 1948 aber unterzeichnete die Selbständige Evang.-Luth. Kirche in Baden, Hessen und Niedersachsen für alle Diözesen die öffentliche Kundgebung, in der alle lutherischen Freikirchen die EKD und die VELKD als vom lutherischen Bekenntnis abweichend ablehnten (die letztere wegen ihrer Bindung an die EKD und an das Barmer Bekenntnis). Damit war eine neue Lage geschaffen, die nicht ohne Auswirkung auf das Verhältnis auch der Hermannsburger Diözese zur Mission und zur Hannoverschen Landeskirche bleiben konnte. Sie ersehen nun aus der Anlage III A, den Beschluß der HermannsburgHamburger Diözesansynode. Wenn es dort heißt: „Die Synode bittet den Missionsausschuß um eine öffentliche Erklärung darüber, daß die Hermannsburger Mission auf Grund ihrer in der Verfassung verankerten Bekenntnisverpflichtung weder direkt noch indirekt etwas mit der EKD zu tun haben und keinerlei Weisung von dort her als für sie geltend annehmen kann”,
so ist nach unserer Meinung die Hermannsburg-Hamburger Diözese damit in den sogenannten „Bekenntnisstand” (status confessionis) eingetreten. Das heißt, sie hat den Kampf um die alleinige Geltung des Bekenntnisses im Missionswerk so aufgenommen, daß uns kein Zweifel an ihrer Haltung erlaubt scheint. Wir bitten Sie, die Worte „weder direkt noch indirekt” in dem Beschluß besonders zu beachten. Das Wort „indirekt” muß sich in seinem Zusammenhang und entsprechend der Stellungnahme aller Freikirchen im vorigen Herbst auch auf die jetzige, an die EKD
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und an das Barmer Bekenntnis gebundene VELKD mit beziehen, so daß auch jede Weisung von dort abgelehnt wird. Wenn in dem vorhergehenden Satz gefordert wird, daß das Abkommen von 1890 zugunsten der Erklärungen von 1924 aufgehoben werde, so ist in dieser Erklärung von 1924 Punkt 2 besonders wichtig. Er lautet: „Sie betreibt dieses Werk auf der Grundlage des evang.-luth. Bekenntnisses. Es ist ihr ernster Wille, sich unverworren zu halten mit allen das Bekenntnis erweichenden Störungen (Strömungen?) der Zeit und diese gegebenenfalls mit Entschiedenheit zu bekämpfen” (Anlage III A).
Wir schließen aus der öffentlichen Stellungnahme der Hermannsburg-Hamburger Diözese zum Anschluß der lutherischen Landeskirchen, also auch der Hannoverschen Landeskirche an die EKD, daß sie den Zeitpunkt für gekommen erachtet, wo die Hermannsburger Mission sich nicht nur allgemein auf die Erklärung von 1924 7 stellen, sondern auch nach Punkt 2 derselben handeln muß. Deshalb fordert die Diözesansynode ja auch die Kündigung der alten Abmachung von 1890 „als auf nicht mehr geltenden Voraussetzungen beruhend“. Ferner geht dies aus dem besonderen Wort der Synode an den Missionsausschuß und die Direktoren hervor. So können in der von der Diözesansynode als neue Grundlage vorgeschlagenen Erklärung von 1924 die Punkte 3 und 4 nur so von ihr verstanden werden, daß der bisherige Rahmen gemeinsamer Arbeit solange weitergeführt wird, bis der geforderte Kampf der Hermannsburger Mission gegen die Bindung der Hannoverschen Landeskirche an die EKD nach der einen oder anderen Seite eine klare Entscheidung herbeigeführt hat. III. Schließlich ist Mission nicht eine freischwebende, sondern zur Aufgabe der Kirche gehörende Tätigkeit (Matth. 28,16–20). Daher „ist gemeinschaftliche Mission an die Voraussetzung der Bekenntniseinheit gebunden“. Dieser Grundsatz wurde von der Selbständigen Evang.-Luth. Kirche in Baden, Hessen und Niedersachsen einschl. des Hermannsburg-Hamburger Vertreters bei dem „Informatorischen Gespräch“ vom 21.9.48 laut Protokoll (…) anerkannt. Wir verstehen daher das jetzige Vorgehen der Hermannsburg-Hamburger Diözese als einen dem Artikel VII der Augsburgischen Konfession und dem Artikel X der Konkordienformel (vgl. Paragraphen 28–31 Solida Decl.) entsprechenden grundsätzlichen Schritt. Am 21.9.1948 wurde laut Protokoll von uns geltend gemacht, daß ausnahmsweise doch nur mit solchen Gliedern unionsgebundener Kirchen kirchliche Arbeit, also auch Mission, gemeinsam getan werden könne, die selbst in den status confessionis mit Wort und Tat eintreten. 7
[In der unkorrigierten Vervielfältigung steht Punkt 4, aber der Sinn und der Bezug der nacherwähnten Punkte 3 und 4 erzwingen hier Punkt 2.]
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Die damaligen drei ersten Punkte lauteten: 1. Der Bekenntnisstand der an der Hermannsburger Mission verantwortlich beteiligten landeskirchlichen Mitglieder entscheidet sich nicht allein an ihrer Bindung und Haltung innerhalb des Werkes der Hermannsburger Mission, sondern schließlich an ihrer kirchlichen Bindung und Haltung überhaupt. Eine kirchliche Zusammenarbeit mit Gliedern einer Unionskirche kann nach Schrift und Bekenntnis nur dann und so lange eine Zeitlang in Frage kommen, als dieselben in statu confessionis gegenüber ihrer Kirche stehen. 2. Sobald die Hannoversche Landessynode die Grundordnung der EKiD ratifiziert hat, ist das Hannoversche Kirchenregiment nicht mehr genuin lutherisch bekenntnisgebunden, sondern unionsgebunden, nicht nur de facto, sondern auch de jure. Amtsträger und Gemeinden, die sich dem Kirchenregiment grundsätzlich fügen, geraten in Unionsbindung. 3. In statu confessionis stehen nur solche, die grundsätzlich einem unionsgebundenen Kirchenregiment die Gefolgschaft verweigern und die sich ergebenden Konsequenzen schrittweise ziehen. Vereinslutheraner sind nicht in statu confessionis stehende Bekenner, sondern verleugnen durch Inkonsequenz den Kirchenbegriff von Augustana VII. Wir sind uns übrigens bei den Besprechungen in dieser Sache in tiefer Bewegung dessen bewußt geworden, wie eng die Hermannsburger Diözese mit der Mission verwachsen ist. Über die Hälfte aller Hermannsburger Missionare stammen aus der Freikirche. Um so stärker ist der Eindruck der Wende. IV. Zusammenfassend möchten wir folgendes sagen: Wir halten durchaus das von unserer Seite und von der Hannoverschen Freikirche immer vertretene Urteil aufrecht, daß der tatsächliche Zustand der Hannoverschen Landeskirche, auch abgesehen von ihrem Verhältnis zu anderen Kirchen und zur EKD, schon immer keine gemeinsame kirchliche Arbeit gestattete. Wir sind darüber hinaus allerdings der Meinung, daß durch den Anschluß der Hannoverschen Landeskirche an die EKD eine endgültige Bindung rechtlicher Art erfolgt ist, die nur um so klarer ein Tatbekenntnis und eine Scheidung erfordert. Wir sind jedoch der Zuversicht, daß die Hermannsburg-Hamburger Diözese bei dieser Lage in der Sache der Hermannsburger Mission den Schritt getan hat, den sie als ersten nach Schrift und Bekenntnis tun mußte, und damit auf dem Wege ist, sich von den mancherlei Bindungen zu befreien, die schon immer und jetzt erst recht ihre kirchliche Stellung belasteten. Wir hegen darum zu ihr und der mitverantwortlichen Gesamtkirche das Vertrauen, daß sie in dieser schwierigen Frage auch weiterhin nach Schrift und Bekenntnis handeln werden. Wir urteilen daher, daß die Unklarheiten, die im bestehenden Verhältnis zur Hermannsburger Mission und z. T. auch noch in der Erklärung von 1924 vorliegen
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(vgl. die Punkte 3 und 4), uns nicht nötigen, die Aufrichtung der Kirchengemeinschaft zu verweigern, da wir den status confessionis für gegeben erachten dürfen. Wir zweifeln nicht, daß nach den uns gemachten Zusagen auch in dem Übergangszustand, den wir vorläufig zu tragen bereit sind, für uns unerträgliche Ärgernisse, wie die Betätigung einer unmittelbaren Kanzelgemeinschaft mit der Hannoverschen Landeskirche auf dem Hermannsburger Missionsfest und ähnliches, abgestellt werden. V. Was den letzten Satz der Anlage III A betrifft, so erkennt die Selbständige Ev.-Luth. Kirche, in diesem Fall die Hermannsburg-Hamburger Diözese, die Lehreinigkeit, die mit der Einigung zwischen ihnen und uns hinsichtlich der ganzen EvangelischLutherischen Synodalkonferenz von Nordamerika gegeben ist, grundsätzlich an. 8 Dieselbe bezieht sich auch auf die Flüchtlingsmissionskirche , die zur Wisconsinsynode gehört. Sie sind bereit, die Schwierigkeiten in der Praxis, zu der wir ohne Vorlage [der Beweise] nicht Stellung nehmen können, mit den verantwortlichen Herren so bald als möglich brüderlich zu besprechen. Durch den Besuch, den zwei Vertreter der Wisconsinsynode auf Einladung dem Pastorenkonvent der Selbständigen Ev.-Luth. Kirche Ende August abstatteten, hat diese Aussprache mit besten Aussichten auf vollen Erfolg bereits begonnen. Das Kollegium für Lehrverhandlungen der Evang.-Luth. Freikirche: (gez.) Heinrich Stallmann, Vizepräses, Vorsitzender (gez.) W. M. Oesch, Pastor und Dozent, Beauftragter (gez.) Hans Kirsten, Pastor und Dozent Bochum und Oberursel, den 21. September 1949 II.
Offizielle Mitteilung des Präses
Aufrichtung der Kirchengemeinschaft Zwischen der Selbständigen Ev.-Luth. Kirche und der Ev.-Luth. Freikirche ist gemäß Beschluß beider Kirchen die Kanzel- und Abendmahlsgemeinschaft errichtet worden. Aus diesem Anlaß richtet der Präses der Ev.-Luth. Freikirche die nachstehende Kundgebung an die Gemeinden dieser Kirche: Liebe Glaubensgenossen! „Der Gott aber der Geduld und des Trostes gebe euch, daß ihr einerlei gesinnet seid untereinander nach Jesu Christo, auf daß ihr einmütig mit einem Munde lobet Gott und den Vater unseres Herrn Jesu Christi“ (Röm. 15, 6). 8
Später „Ev.-Luth. Bekenntniskirche“ (1976 in der neuen SELK aufgegangen).
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Mit herzlichem Dank gegen Gott den Heiligen Geist, der seine Kirche in alle Wahrheit zu leiten und bei dem Bekenntnis der heilsamen Lehre bis ans Ende zu erhalten verheißen hat, dürfen wir unseren Gemeinden heute die Mitteilung machen, daß Gott an uns wiederum nach dem Segenswunsch des Apostels aus der Epistel zum 2. Advent gehandelt und die Gabe der Einigkeit im Geist, daß wir sollen einerlei gesinnet sein nach Jesu Christo, von neuem unter uns ausgeteilt hat. Nachdem wir erst vor kaum zwei Jahren, nach beiderseitiger Annahme der „Einigungssätze“, die Aufrichtung der Kanzel- und Abendmahlsgemeinschaft mit der Evangelisch-Lutherischen Kirche im früheren Altpreußen, an dieser Stelle haben erklären können, haben nunmehr eingehende Besprechungen mit einer anderen lutherischen Freikirche in Deutschland, der Selbständigen EvangelischLutherischen Kirche (in Baden, Hessen und Niedersachsen) zum gleichen Ergebnis geführt, daß nämlich eine völlige Einigkeit im Bekenntnis der Wahrheit und in den Zielen kirchlichen Handelns festgestellt wurde. Die Ergebnisse dieser Besprechungen wurden in einer Anzahl von Dokumenten niedergelegt und haben allen unseren Gemeinden zur Besprechung und Erklärung ihres Einverständnisses innerhalb einer ausreichenden Frist vorgelegen. Nachdem nun alle unsere Gemeinden ihr Einverständnis mit dem Ergebnis der geführten Verhandlungen, die meisten durch ausdrückliche Abstimmung, bis zum vorgesehenen Termin mir kundgegeben haben, ist es mir eine liebe Pflicht, im Namen unseres Synodalrates die Aufrichtung der Kanzel- und Abendmahlsgemeinschaft mit der Selbständigen EvangelischLutherischen Kirche hierdurch als einen rechtmäßigen und gültigen Beschluß unserer Kirche festzustellen und zu veröffentlichen. „Der Herr hat Großes an uns getan, des sind wir fröhlich.“ In Dankbarkeit und Demut rühmen wir Gott, daß damit das Wunder der Einigung fast der gesamten lutherischen Freikirchen in Deutschland vor unseren Augen geschehen ist und wir nun nach dem Wunsch des Apostels zum bevorstehenden Weihnachtsfeste einmütig mit einem Munde loben dürfen Gott und den Vater unseres Herrn Jesu Christi. Unsere Gemeinden aber fordern wir auf, wie es in jener Epistel weiter heißt: „Darum nehmet euch untereinander auf, gleichwie euch Christus hat aufgenommen zu Gottes Lobe!“ Möchten von der neugeschenkten Gemeinschaft des Glaubens und des Bekenntnisses der lutherischen Freikirchen in Deutschland Segensströme brüderlicher Gesinnung und herzlicher Liebe in unsere Gemeinden fließen! Möchte die einige freie lutherische Kirche unseres Landes aber auch die Stadt auf dem Berge werden, die mit ihrem Zeugnis nicht verborgen bleiben kann, und die den vielen Elenden und Verlassenen unseres Volkes mit dem reinen Evangelium den rechten Trost seligmachender Wahrheit zu schenken vermag! Berlin-Steglitz, den 24. November 1949 P. H. Petersen, Präses.
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96. Gemeinsame Erklärung zur Verbindlichkeit der Einigungssätze*1 Von der 65. Synode der Ev.-Luth. Freikirche am 25. Oktober 1968 in Wiesbaden angenommen, ebenso von der 29. Generalsynode der Ev.-luth. (altluth.) Kirche 1972. An der 1947 beiderseitig ausgesprochenen Zustimmung zu den Einigungssätzen, daß sie mit der Heiligen Schrift und den lutherischen Bekenntnisschriften übereinstimmen, wird festgehalten. Unsere Kirchen bestätigen daher auch die damals getroffene Feststellung, daß mit den Einigungssätzen die früher vorhandenen Lehrdifferenzen zwischen unseren Kirchen überwunden sind, und bejahen noch heute die daraus gezogene Konsequenz, daß es infolgedessen geboten war, Kirchengemeinschaft miteinander aufzurichten und zu halten. Nach wie vor soll darum in unseren Kirchen in den früher strittigen Fragen im Sinne der getroffenen Vereinbarungen gepredigt, gelehrt und gehandelt werden, und es soll alles vermieden werden, was ihre Geltung in der Öffentlichkeit in Frage stellt. Aus gegebener Veranlassung wird aber betont, daß die Einigungssätze als Lehrerklärung für eine bestimmte Situation den Bekenntnissen der Kirche nicht gleichgestellt werden und nicht Gegenstand der Verpflichtung bei der Ordination sein sollen. Die Kirchen sind sich ferner darüber klar, daß auch über die Vereinbarungen hinaus die behandelten Fragen – zumal angesichts neu auftretender Probleme – weiterer Erforschung bedürfen, und wollen in diesem Sinne offen bleiben für weitere Aussprachen und Verhandlungen untereinander und mit anderen Kirchen. Mit dieser Bereitschaft soll das bereits Erreichte nicht in Zweifel gezogen werden.
97. Synodalbeschluss Hartenstein 1969 der EvangelischLutherischen Freikirche (Ost)*2 Auf Vorschlag des Synodalrates-Ost wird beschlossen: 1. Eine Synode im Sinne von Artikel 5 der Verfassung ist auch dann beschlußfähig, wenn sie nur die Mitglieder mindestens eines Bezirkes umfaßt, sofern eine Synodaltagung mit größerer Beteiligung durch äußere Umstände undurchführbar ist. Synodalbeschlüsse eines solchen Gremiums gelten zunächst für die betroffenen Bezirke. Die Präsides haben die Pflicht, darüber zu wachen, daß es nicht zu illegitimen Sonderentwicklungen kommt. *1 Hans Kirsten, Einigkeit im Glauben und in der Lehre 1. Die Lehreinigung 1945 bis 1949, Groß Oesingen 1980, 261. *2 Bezirksarchiv des Sächsischen Bezirks der Ev.-Luth. Freikirche, Crimmitschau, Loc. II, ELFKSynoden 1969 (Vervielfältigung).
Vereinbarung
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2. Diese Synodaltagung ist berechtigt, ihren eigenen Präses zu wählen, der 9 zugleich Bezirkspräses sein kann. Sie wählt auch ihren Synodalrat. 3. Die Gültigkeit dieses Beschlusses erlischt, sobald Synoden unter Beteiligung aller Bezirke tagen können.
98. Vereinbarung zwischen der Evangelisch-lutherischen (altlutherischen) Kirche und der Evangelisch-Lutherischen Freikirche (1972)* I.
Grundlage der Vereinbarung
§1
Rechtsgrundlage
Die Ev.-luth. (altluth.) Kirche und die Ev.-Luth. Freikirche wollen mit Annahme dieser Vereinbarung ihre Einigkeit im Glauben und in der Lehre, wie sie diese in der Vergangenheit errungen haben, bekräftigen und die Aufgaben bekenntnisgebundener ev.-luth. Kirchen wirksamer erfüllen. Jede Kirche behält ihre Eigenständigkeit. Die Verfassungen und Ordnungen beider auf dem Gebiet der DDR bestehenden Kirchen bleiben in Kraft. Beide Kirchen übertragen durch entsprechende Beschlußfassung gemeinsame Aufgaben den dafür eingesetzten Gremien. §2
Selbstverständnis und Bekenntnisstand
Die beiden genannten Kirchen stehen in der Einheit der heiligen, christlichen und apostolischen Kirche, die überall da ist, wo das Wort Gottes rein verkündigt wird und die Sakramente nach der Einsetzung Christi verwaltet werden. Sie bezeugen Jesus Christus als den alleinigen Herrn der Kirche und verkündigen ihn als den Heiland der Welt. Sie sind gebunden an die Hl. Schrift Alten und Neuen Testaments als an das unfehlbare Wort Gottes, nach dem alle Lehren und Lehrer der Kirche beurteilt werden sollen. Sie binden sich daher an die Bekenntnisschriften der evangelischlutherischen Kirche, weil in ihnen die schriftgemäße Lehre bezeugt ist, nämlich an die drei ökumenischen Symbole (das Apostolische, Nicänische und Athanasianische Bekenntnis), an die ungeänderte Augsburgische Konfession und ihre Apolo-
9 *
Was von der geltenden Synodalverfassung aus dem Jahr 1927 ausdrücklich ausgeschlossen wurde (§ 29,2). Bezirksarchiv des Sächsischen Bezirks der Ev.-Luth. Freikirche, Crimmitschau, Loc. II, ELFKSynoden, 1972 (Vervielfältigung).
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gie, die Schmalkaldischen Artikel, den Kleinen und Großen Katechismus Luthers und die Konkordienformel. §3
Kirchengemeinschaft
Beide Kirchen pflegen Kirchengemeinschaft mit allen Kirchen, die Lehre und Handeln in gleicher Weise an die Hl. Schrift und das lutherische Bekenntnis binden. Sie verwerfen die der Hl. Schrift und den lutherischen Bekenntnissen widersprechenden Lehren und ihre Duldung sowie jede Union, die gegen Schrift und Bekenntnis verstößt. Sie wissen sich darin einig mit der rechtgläubigen Kirche aller Zeiten. II.
Ordnung der Zusammenarbeit
§4
Arbeitsgremien
Für ihre gemeinsamen Anliegen bilden beide Kirchen folgende Arbeitsgremien: a) die gemeinsame Synode b) die gemeinsame Kirchenleitung c) den Konvent der Superintendenten und Bezirkspräsides d) die gemeinsame Pastoralkonferenz e) die gemeinsamen Kommissionen §5
Die gemeinsame Synode
Die gemeinsame Synode besteht aus den Synoden beider Kirchen, nämlich der Generalsynode der Ev.-luth. (altluth.) Kirche und der Synode der Ev.-Luth. Freikirche. Sie tritt in der Regel alle vier Jahre zusammen. Bei Abstimmungen ist für ihre Beschlüsse die jeweils erforderliche Mehrheit der in jeder Teilsynode vorhandenen Stimmen nötig. §6
Die gemeinsame Kirchenleitung
Die gemeinsame Synode wählt nach der geltenden Wahlordnung wenigstens 2 Glieder aus der Leitung jeder Kirche für die gemeinsame Kirchenleitung. Gleichzeitig wird jeweils für Ausfälle ein Amtsnachfolger gewählt. Die gemeinsame Kirchenleitung pflegt und fördert die Einheit der verbündeten Kirchen und wacht darüber, daß es in der Lehre und Praxis zu keinen beharrlichen Abweichungen von Schrift und Bekenntnis kommt. Beschlüsse der gemeinsamen Kirchenleitung treten nur dann für beide Kirchen in Kraft, wenn 4 Wochen nach der Beschlußfassung von keiner der Kirchenleitungen ein Einspruch erfolgt ist.
Vereinbarung
§7
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Der Präsident
Die gemeinsame Synode wählt einen Pastor, der der gemeinsamen Kirchenleitung angehört, als Präsidenten. Der Präsident beruft ein und leitet die Sitzungen der Kirchenleitung. Er nimmt in der Regel am Konvent der Superintendenten und Bezirkspräsides teil. §8
Der Konvent der Superintendenten und Bezirkspräsides
Der Konvent der Superintendenten und Bezirkspräsides fördert und wahrt in geistlicher Weise die Einigkeit der beiden verbündeten Kirchen in Lehre und Praxis. §9
Die gemeinsame Pastoralkonferenz
Die gemeinsame Pastoralkonferenz besteht aus allen ordinierten Amtsträgern der beiden Kirchen. Sie tagt in der Regel jährlich einmal. Die Konferenz hat die Aufgabe, Sachen der Lehre und Praxis zu beraten und zu fördern. § 10 Die gemeinsamen Kommissionen Für besondere Aufgaben beruft die gemeinsame Kirchenleitung Fachkommissionen. In ihnen sollen nach Möglichkeit jeweils alle Diözesen bzw. Bezirke vertreten sein. Die Vorsitzenden der Kommissionen können für ihr Fachgebiet zu den Sitzungen der gemeinsamen Kirchenleitung hinzugezogen werden. III.
Zielstellung und Schlußbestimmungen
§ 11
Anpassung des kirchlichen Handelns
Beide Kirchen gleichen ihre Praxis mehr und mehr an. Sie fassen daher keine Beschlüsse, die gemeinsames kirchliches Handeln erschweren oder gefährden. Sie mühen sich um eine gemeinsame kirchliche Arbeitsordnung. § 12 Änderung der Vereinbarung Für eine Veränderung dieser Vereinbarung ist Zweidrittelmehrheit der gemeinsamen Synode erforderlich.
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§ 13 Inkrafttreten Die Vereinbarung tritt in Kraft mit ihrer Annahme durch die Generalsynode der Ev.-luth. (altluth.) Kirche und die Synode der Ev.-Luth. Freikirche entsprechend den in beiden Kirchen geltenden Bestimmungen. Die Arbeitsgemeinschaft freier evangelisch-lutherischer Kirchen in der DDR gibt das bekannt und löst sich nach Bestellung der gemeinsamen Kirchenleitung auf. (Angenommen durch die Generalsynode der Ev.-luth. (altluth.) Kirche und die Synode der Ev.-Luth. Freikirche am 23. Sept. 1972 in Zwickau-Planitz)
99. Synodalbeschluss der Evangelisch-Lutherischen Freikirche vom 26.5.1984 in Hartenstein, betr. die Suspendierung der Kirchengemeinschaft mit der Evangelisch-lutherischen (altlutherischen) Kirche* 10
Wie bereits auf den Synodalversammlungen unserer Kirche im Jahr 1980 und 11 1982 befürchtet und durch entsprechende Beschlüsse aufzuhalten versucht worden war, kann die seit 1947 bestehende Kirchengemeinschaft zwischen der Ev.Luth. Freikirche und der Ev.-luth. (altluth.) Kirche vorläufig nicht mehr aufrecht erhalten werden. Begründung: 1. Weil – wir den schweren Dissensus (Gegensatz) in der Lehre von der Heiligen Schrift, der zwischen beiden Kirchen besteht, nicht mehr weiter verantworten können; 2. Weil – trotz der Bitten unserer Synoden weder durch die Lehrerklärung der Generalsynode (September 1982) der Altlutherischen Kirche noch durch Lehrzucht folgende Behauptungen als Irrlehre abgewehrt bzw. als beharrlich festgehaltene Lehrmeinung ausgeschlossen wurden: a) die Behauptung eines irrtumsfähigen und zugleich irrtumslosen Christus, – irrtumsfähig in geschichtlichen, naturwissenschaftlichen und literarischen Bereichen, – irrtumslos in heilswichtigen Dingen.
10 Synodalbeschluß Karl-Marx-Stadt 1980: „... kaum noch zu ertragende Gewissensbelastung“. 11 Synodalbeschluß Zwickau 1982: „... Kirchengemeinschaft aufs äußerste bedroht“. Wenn der Dissensus nicht überwunden wird, sieht die Ev.-Luth. Freikirche „keinen anderen Weg, als die Kanzel- und Abendmahlsgemeinschaft so lange zu suspendieren, bis Übereinstimmung erzielt ist“. * Bezirksarchiv des Sächsischen Bezirks der Ev.-Luth. Freikirche, Crimmitschau, Loc. II, ELFKSynoden 1984 (Vervielfältigung).
Synodalbeschluss der Evangelisch-Lutherischen Freikirche vom 26.5.1984
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b) die Behauptung, grundsätzlich sei die biblische Darstellung historischer Fakten durch sichere historische Beweise zu korrigieren oder zu ergänzen. So brauchten z.B. Aussagen Jesu und seiner Apostel hinsichtlich der Geschichtlichkeit bestimmter Personen und Ereignisse des Alten Testaments nur in ihrem geistlichen Gehalt als wahr, aber nicht als wirklich geschehen zu gelten. c) die Behauptung, es gäbe Jesusworte, die seinem zeitbedingten menschlichen Wissen unterliegen, und ein solches zeitbedingtes Wissen könne niemals bindende Autorität für alle Zeiten in der Kirche beanspruchen. 3. Weil – damit innerhalb der Altlutherischen Kirche die historisch-kritische und die naturwissenschaftliche Forschung über Worte Jesu und seiner Apostel gestellt werden darf, und so den Anfängen der Bibelkritik in der VselK Eingang verschafft worden ist; 4. Weil – damit solche Behauptungen gar nicht als schrift- und bekenntniswidrig angesehen werden, sondern als tragbar gelten; 5. Weil – innerhalb der Altlutherischen Kirche ein Spielraum für theologische Meinungen gegen klare Schriftaussagen beansprucht wird, so daß klare Stellen der Heiligen Schrift zu offenen Fragen erklärt werden; 6. Weil – durch diese schweren Lehrdifferenzen die Einmütigkeit zerstört ist, – die zwischen unseren Kirchen in der Vergangenheit errungen und in den „Einigungssätzen“ als Mitfundament unserer Kirchengemeinschaft festgehalten wurde. 7. Weil – diese schwerwiegende Lehrkontroverse in der Altlutherischen Kirche als bloßer „Meinungsstreit“ hingestellt wird (z.B. Generalsynodalbeschluß Nr. 1200, Sept. 1982). 8. Weil – innerhalb der Altlutherischen Kirche neben Duldung falscher Lehre auch unbiblische kirchliche Praxis geübt wird, z.B. unionistische Bindungen, unlutherische Ausbildung zum Predigtamt, Wählbarkeit von Frauen in verantwortliche Gemeinde- und Synodalämter (vgl. Synodalbeschlüsse Klitten 1982 Nr. 1141 und 1144 entgegen „Vereinbarung“ der VselK § 11). 9. Weil – nach der Heiligen Schrift und dem lutherischen Bekenntnis volle Lehreinigkeit Voraussetzung der Kirchengemeinschaft ist und falsche Lehre die Kirchengemeinschaft zerstört und den persönlichen Glauben der Gemeindeglieder gefährdet (vgl. Nagelscher Katechismus, Frage 176 und 177). erklären wir hiermit die zwischen der Ev.-Luth. Freikirche und der Ev.-luth. (altluth.) Kirche in der VselK bestehende Kanzel- und Abendmahlsgemeinschaft solange für aufgehoben, bis die nötige Lehreinigkeit nach Schrift und Bekenntnis wieder hergestellt ist. Gleichzeitig mit dieser Suspension bekunden wir – im Blick auf unseren bisherigen gemeinsamen Weg – erneut unsere Bereitschaft zu verbindlichen Lehrgesprächen und zwischenkirchlichen Verhandlungen im Sinn unseres Vorschlages (Synodalbeschluß Zwickau 1982). Sobald volle Einmütigkeit – auch über Abgrenzung
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gegen falsche Lehre und Praxis – erreicht ist, kann die hiermit ausgesprochene Aussetzung der Kirchengemeinschaft wieder rückgängig gemacht und die ersehnte Fusion angestrebt werden. Wir beteuern ferner, daß wir mit diesem Beschluß den einzelnen Gliedern der Altlutherischen Kirche den Glauben an unseren Heiland Jesus Christus weder absprechen wollen noch dürfen. Möge durch Gottes Gnade und Führung seines Heiligen Geistes der schmerzliche Schritt der Suspension einen zwischenkirchlich nötigen Reifeprozeß auslösen, der zum Wachsen und Werden einer echten Fusion führt. (Für die Richtigkeit gez. G. Wilde)
100. Was das Verhältnis der Evangelisch-Lutherischen Freikirche (ELFK) zur Selbständigen Evangelisch-Lutherischen Kirche (SELK) belastet (Dezember 1988)* I. Teil: 1.
Bibelkritik Wahrheitsbegriff der Bibel 12
Laut Protokoll des Gesprächs zwischen Vertretern unserer beiden Kirchen am 5.9.88 wurde von beiden Seiten als erster Schwerpunkt der Kontroverse festgestellt, dass wir verschiedene Antworten auf die Frage geben: Was heißt: Die Schrift ist wahr? Wir stimmen mit den Vertretern der SELK zunächst darin nicht überein, 13 dass dies eine „philosophische Frage“ sei und dass das Verständnis von „Wahrheit der Heiligen Schrift“ von dem „geistesgeschichtlichen Hintergrund“ des einzelnen 14 abhänge . Denn das philosophische Wahrheitsverständnis mag sein wie es will, so hat es doch nicht darüber zu entscheiden, was der Wahrheitsanspruch der Bibel bedeutet und umfasst. Darüber hat nur die Bibel selbst zu entscheiden. In ihr selbst wird aber die Aussage „Dein Wort ist nichts als Wahrheit“ (Ps 119,160 vgl. Joh 17,17) nirgendwo auf den theologischen Kern oder sonst etwas beschränkt. Im Gegenteil! Wenn z.B. das Zeugnis eines Augenzeugen über ein bestimmtes Geschehen auf Golgatha als wahr bezeichnet wird, dann kann nach dem Zusammenhang nur das gemeint sein, was jeder philosophisch unverbildete und ehrliche Mensch darunter versteht, nämlich dass das Zeugnis stimmt, richtig ist, d.h. dass es das 12 Künftig zitiert als „Protokoll“ mit Angabe der Nummer der Gesprächsbeiträge. * ELFK-Dokumentation, Umstände, die zum Bruch der Kirchengemeinschaft mit der Ev.-luth. (altluth.) Kirche und der Selbständigen Ev.-Luth. Kirche geführt haben; erstellt im Auftrag der ELFKSynode von M. Hoffmann (Dok. 82) Zwickau 1991 (als Manuskript gedruckt). 13 Protokoll Nr. 22. 14 Protokoll Nr. 42.
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historische Ereignis den Tatsachen entsprechend bezeugt (Joh 19,35). Oder wenn Paulus behauptet hätte, ein Ereignis sei geschehen, das nicht wirklich und leibhaftig geschehen ist, dann wäre nach des Apostels eigenem Verständnis seine Behauptung nicht trotz der historischen Unrichtigkeit doch Ausdruck einer Wahrheit, sondern falsches Zeugnis (1 Kor 15,15). Nun legt aber das Neue Testament nicht nur an diesen Stellen, sondern durchweg großen Wert darauf, dass seine Berichte nicht auf Fabeln beruhen, sondern auf dem Zeugnis von Augen- und Ohrenzeugen (2 Petr 1,16ff; 1 Joh 1,1ff; Lk 1,1ff). Von diesen Berichten hält Jesus auch ganz nebensächlich scheinende Begebenheiten für wert, dass sie in die ganze Welt hinaus gehen (Mt 26,13). – Was nun die geschichtlichen Berichte des Alten Testaments betrifft, so hat der Sohn Gottes selbst, sooft er auf sie verwiesen hat, als selbstverständlich vorausgesetzt, dass sie berichten, was wirklich so geschehen ist. Die Zuverlässigkeit der historischen Berichte des Wortes Gottes gehört für ihn also dazu, wenn er zu seinem Vater betend sagt: „Dein Wort ist die Wahrheit“ (Mt 11,21–24; 12,3.42; 19,4f; Lk 11,50f; 17,28–32; Joh 3,14 u.a.). 2.
Historische Kritik
Von daher ist uns folgende Behauptung der SELK-Vertreter unerträglich: „Mit der Infragestellung der Jona-Geschichte wird ihre theologische Aussage gar nicht ver15 ändert“ . Denn damit werden auch die Worte, die unser Herr Jesus Christus dazu sagte, nicht für voll genommen! Dementsprechend wurde ganz grundsätzlich gesagt: „Wichtig ist die entsprechende Aussage eines Textes (Skopus). Seine Form 16 kann auch die Gestalt einer einkleidenden Erzählung sein“ . – Bezogen auf Gleichnisse oder poetische Bildreden ist das eine Binsenwahrheit. Das Erschreckende ist jedoch, dass dies auch auf biblische Berichte angewandt wird. Gewiss wollen diese nicht nur über geschichtliche Ereignisse informieren, um unser Wissen zu bereichern. Sie wollen vielmehr Gottes Gnade, Zorn und Macht verkündigen, aber eben aufgrund realer Begebenheiten in dieser unserer Welt. Indem man nun aber die Realität der Ereignisse leugnet oder mit einem Fragezeichen versieht, beraubt man auch Gottes Zorn, Gnade und Macht ihrer Realität. Nun sind aber Berichte über Geschehnisse in unserer irdischen Welt an historische und geographische Angaben gebunden oder auch an Fakten von Naturereignissen. Trotzdem wurde von den SELK-Vertretern gesagt, die Berichte könnten „wahr“ sein, auch wenn sie in bezug auf die genannten Angaben nicht „richtig“ oder nicht „stimmig“ 17 seien . Das ist im Ansatz Bultmannianismus, der für die SELK dieselben verheerenden Folgen haben wird wie in anderen Kirchen, auch wenn in der SELK zur Zeit noch nicht so weitreichende Folgerungen gezogen werden wie dort. Aber wenn auch 15 Protokoll Nr. 28. 16 Protokoll Nr. 26. 17 Protokoll Nr. 22.
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die großen Heilsereignisse nicht angetastet werden, so können doch die vielen anderen von der Bibel berichteten Ereignisse nicht mehr warnen, trösten oder als Vorbild dienen, wenn die Frage gestellt wird, ob sie überhaupt so geschehen sind. Wie kann man das verantworten, wo doch die ganze Schrift, in der die geschichtlichen Berichte den größten Teil ausmachen, von Gott eingegeben wurde zur Warnung, zum Trost und zur Erziehung in der Gerechtigkeit wie auch in alledem zur Lehre? (1 Kor 10,11; Röm 15,4; 2 Tim 3,16f). – Selbst wenn ein Prediger nur insgeheim seine Fragezeichen hinter die biblischen Angaben setzt, schadet er der Gemeinde. Denn er kann mit Ereignissen, die er selbst nicht für Tatsachen, sondern nur für mehr oder weniger ausgedachte Einkleidung hält, nicht in derselben Kraft predigen, als wenn er ihrer Tatsächlichkeit gewiss ist. 3.
Vernunft als Richterin
Auch die Beruhigung, man bezweifle ja nur nebensächliche Angaben, aber nicht, dass die Ereignisse überhaupt geschehen sind, – auch diese Beruhigung taugt nichts. Denn damit ist die Vernunft und ihr historisches Urteil bereits zur Richterin über das Wort Gottes erhoben. Aber das historische Urteil auch der besten Geschichtswissenschaftler über weit zurückliegende Vergangenheit kann höchstens sagen, wie es wahrscheinlich damals war. Niemand kann ja die Zuverlässigkeit der historischen Quellen nachprüfen. Das Urteil darüber, inwieweit sie zuverlässig sind, geht daher bei den einzelnen Geschichtsforschern weit auseinander, ist also subjektiv. Wird nun in einer Kirche der historische Zweifel an der heiligen, göttlichen Schrift grundsätzlich als berechtigt anerkannt, als wäre sie eine menschliche historische Quelle, dann ist es unmöglich, ihn auf nebensächliche oder nebensächlich scheinende Dinge zu beschränken. Denn wer in seinem subjektiven Urteil nur Einzelzüge der Berichte anzweifelt, hat kein Recht zu verbieten, dass ein anderer in seinem ebenso subjektiven Urteil die berichteten Ereignisse überhaupt nicht für wirklich geschehen hält. Das ist der Preis, den man bezahlen muss, wenn man nicht mehr mit den Kirchenvätern der ersten Jahrhunderte, mit den Vätern der Reformation und den Vätern der lutherischen Freikirchen dem Apostel Paulus nachsprechen will: „Ich glaube allem, was geschrieben steht“ (Apg 24,14). Dieser Preis ist uns zu hoch. Denn hier geht es um das Fundament der Kirche, in dem Jesus Christus der Eckstein ist (Eph 2,19f). Dass eine Schwesterkirche das Fundament für sich selbst von den Rändern her abbaut, können wir nicht mitverantworten, weil dabei früher oder später auch der Eckstein verloren geht. Daher können wir auch nicht mitverantworten, dass in der SELK zugegebenermaßen die Anwendung der historisch-kritischen Methoden bis zu einer naturgemäß sehr unbestimmten Grenze erlaubt wird, obwohl diese Methoden den Zweifel an der historischen Zuverlässigkeit der Bibel zur Voraussetzung haben.
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Gewiss ist die Anerkennung der Irrtumslosigkeit der Heiligen Schrift, die einmal gemeinsam in den Einigungssätzen bekannt wurde, nicht die Voraussetzung des Glaubens. Der Heilige Geist wirkt vielmehr das Vertrauen auf den dreieinigen Gott durch das zentrale Evangelium der Schrift, die damit zugleich als Gottes Wort erfahren wird. Wer das aber erfahren hat, der vertraut nun auch allem, was Gott ihm durch die Schrift sagt. Umgekehrt versucht der Teufel aber oft das Vertrauen eines Christen zunächst 18 an der Peripherie des Wortes Gottes ins Wanken zu bringen und dort das Urteil der Vernunft und der historischen Wissenschaft höher zu achten als Gottes Wort. Wer aber das bewusst tut, wird sich von Luther sagen lassen müssen: „Wer ein ein19 zelnes Gotteswort verachtet, der achtet freilich auch keines nicht groß“ . 4.
Schöpfung oder Evolution
Genausowenig können wir mitverantworten, dass in der SELK der Schöpfungsbericht so erklärt werden darf, als ob er die einzelnen Schöpfungsakte „nicht als fakti20 sches Geschehen“ bezeuge. Er könne ja auch eine hymnisch-poetische oder dem Verständnis schlichter Menschen angepasste Einkleidung der allgemeinen Wahrheit sein, dass Gott der Schöpfer ist. So sei die Schilderung der Schöpfung als eines Sechs-Tage-Werkes eine Anpassung an die dem Menschen gewohnte Arbeitswoche. Die Anpassung ginge „bis dahin, dass Gott wie ein Orientale am Abend im Schatten 21 Ruhe sucht“ . – Die Bibel sagt jedoch, dass die Arbeitswoche des Menschen vom Sechs-Tage-Werk Gottes herkommt, was dann also eine direkte Verkehrung der Tatsachen wäre. Und sie sagt gar nichts davon, dass Gott im Schatten Ruhe gesucht hätte. Der Grund für eine solch willkürliche Auslegung göttlicher Bezeugung der Urgeschichte liegt in keiner Weise im Text. Der steht ja in engem Zusammenhang mit den folgenden geschichtlichen Berichten. Der Grund kann nur – wie schon bei der historischen Kritik – in einer Überschätzung der Vernunft und der Wissenschaft, in diesem Falle der Naturwissenschaft, liegen, zumal eine solche Auslegung erst seit Darwin Mode geworden ist. Das ergibt sich auch daraus, dass von Vertretern der SELK geäußert wurde, es gäbe „im Reich zur Linken eine wissenschaftli22 che Autonomie . Diese können wir nicht beeinträchtigen.“ Daraus folgt: Eine Wi23 derlegung naturwissenschaftlicher Behauptungen „geht nicht“ . Denn „Glaubensaussage und naturwissenschaftliche Hypothese gehören nicht auf eine 24 Ebene“ .
18 19 20 21 22 23 24
= Umkreis, Randgebiet (Anmerkung der Dokumentation 1991). WA 26, 450,3 (= Weimarer Ausgabe der Schriften Luthers, Anmerkung der Dokumentation 1991). Protokoll Nr. 59. Protokoll Nr. 65. = eine Selbständigkeit, die ihren eigenen Gesetzen folgt. Protokoll Nr. 81. Protokoll Nr. 57.
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Das ist jedoch ein Trugschluss. Denn beide Reiche stehen immer noch unter Gott. Daher hat die Selbständigkeit und Eigengesetzlichkeit auf allen Gebieten des Weltreiches Gottes eine Grenze. Weder Regierende noch Wissenschaftler haben von Gott Verfügungsrecht bekommen über die Seelen der Menschen. Sie haben daher auch nicht das Recht, ihnen ihre Ideologie aufzuzwingen oder mit wissenschaftlichem Schein aufzureden. Tun sie es dennoch, so haben Christen die Pflicht, sich dem zu widersetzen und zur Hilfe für andere den Widerspruch der Ideologie zum Wort Gottes aufzudecken. Indem Wissenschaftler – oft im Bunde mit den Regierenden – die Evolution propagieren, verlassen sie ja die Ebene exakter Wissenschaft und begeben sich auf die Ebene des Glaubens. Es ist aber ein Götzenglaube, ob sie nun die allwissende Vernunft, die allmächtige und allweise Natur oder den Götzen Fortschritt an die Stelle Gottes setzen. Auf der Ebene des Glaubens aber folgt der Christ allein dem Wort Gottes und dem ganzen Wort Gottes. Wenn es der Schöpfer für nötig befunden hat, uns etwas über sein Schöpfungswerk und die Urgeschichte der Menschheit zu sagen, dann dürfen wir und sollen wir ihm das doch genauso glauben wie alles andere. Niemand hat das Recht zu sagen, das gehöre nicht zum Glaubensinhalt und darum auch nicht zum Lehrinhalt der Kirche. Wollen wir’s aber nicht glauben, weil wir nicht in Widerspruch zum Evolutionsglauben geraten wollen, dann hilft auch eine Umdeutung des Schöpfungsberichtes allein nicht. Dann müssen wir vielmehr aus Gottes Wort alles streichen, was dem Evolutionsglauben widerspricht: das vollkommene, heilige und dem Tode nicht verfallene erste Menschenpaar Adam und Eva, deren Sündenfall und die Wahrheit, dass „durch einen Menschen die Sünde gekommen ist in die Welt und der Tod durch die Sünde“. Dann müssen wir aus Gott einen grausamen Tyrannen machen, der den schrecklichen Kampf ums Dasein und damit Sünde und Tod von Anfang an gewollt hat, und müssen aus dem Erlöser der gefallenen Menschheit einen Helfer zu ihrer Vervollkommnung machen und damit das Evangelium preisgeben. Und eben das tut ehrlicherweise die heute herrschende Theologie, weil sie der Evolution nicht zu widersprechen wagt. Wir können diesen Weg auch nicht ein Stück weit mitgehen und können unsere liebe Schwesterkirche nur mit Ernst davor warnen. II. Teil: Ökumene und Pluralismus 1.
Ist ökumenische gottesdienstliche Gemeinschaft nötig?
In den Gesprächen am 5.9.88 wurde von den Vertretern der SELK die Teilnahme an ökumenischen Gottesdiensten, Bibelstunden usw. als eine im Wandel der Zeit begründete Tatsache einfach hingenommen: „Bei uns hat sich im kirchlichen Bereich ein Wandel vollzogen. Es gibt viele Begegnungen zwischen den verschiedenen Kirchgemeinden. Unsere Gemeinden beteiligen sich daran (z.B. an ökumenischen
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Bibelstunden oder Gebetsgottesdiensten)“ . Aus den veränderten Verhältnissen wurde aber sogar die Notwendigkeit solcher Gemeinschaft gefolgert: „Wir müssen der kirchlichen Entwicklung Rechnung tragen und dürfen uns nicht dauernd auf unsere Väter im 19. Jahrhundert berufen. Die Kirchen sind seit dem letzten Krieg alle enger zusammengerückt. Kontakte und Gemeinsamkeiten zwischen den Kon26/27 fessionskirchen sind ein Bedürfnis auch in unseren Gemeinden“ . Demgegenüber ist zu fragen: Seit wann ist das, was viele andere tun, die Begründung für unser Handeln? Man müsste doch erst einmal fragen, ob die Entwicklung in unserer kirchlichen Umwelt im Licht des Wortes Gottes gut ist! Eben das haben die Väter getan. Dabei kamen die Väter der ELFK zu folgender Feststellung: „Darum ist es gottlos zu sagen: ‚... die Verhältnisse sind ganz andere geworden, darauf muss man Rücksicht nehmen.’ Allerdings haben sich die Zeiten geändert, so geändert, dass auch solche, die da Christen sein wollen, sich nicht mehr fürchten vor Gottes Wort ..., aber Gottes Wort behält dennoch seine Gültigkeit in alle Ewigkeit ... Wo nun durch eine schriftwidrige Praxis das rechtgläubige Bekenntnis, das auf dem Papier steht, Lügen gestraft wird ..., muss eine solche Praxis kirchentren28 nend wirken“ . Die Entwicklung, – kirchliche Gemeinschaft zu pflegen ohne Einigkeit in der Lehre, – begann nicht mit dem letzten Krieg, sondern zur Zeit der Väter. Sie aber haben sich dieser Entwicklung mit allen Konsequenzen entgegengestellt, obwohl sie genauso wie wir das Bedürfnis nach friedlicher Gemeinschaft mit allen Christen hatten. Doch sie sagten mit dem lutherischen Bekenntnis: „Schwer ist es, dass man von soviel Landen und Leuten sich trennen und eine sondere Lehre führen will (lat.: und Schismatiker/ Separatist genannt wird). Aber hier steht Gottes Befehl, dass jedermann sich soll hüten und nicht mit denen einhellig sein, die unrechte Lehre 29/30 führen oder mit Wüterei zu erhalten gedenken“ . Dass man sich damit leider auch von dem „Anhang“ der Irrlehrer trennen muss, weil er mit ihnen in Gemeinschaft bleibt, steht im Paragraphen davor. An anderen Stellen wird die Trennung als 31 eine nötige Flucht bezeichnet . „Fliehen“ heißt aber doch nicht Gemeinsamkeiten suchen und das lutherische Erbe in den großen ökumenischen Topf einbringen!
25 Protokoll Nr. 103. 26 Protokoll Nr. 113. 27 Die Fassung dieses Gesprächsbeitrages aus dem ursprünglichen Protokoll wurde später auf Wunsch der SELK-Vertreter geändert. Der Sinn blieb aber derselbe; vgl. Dokument 13 (= Anmerkung der Dokumentation 1991) / in diesem Dokumentenanhang Dok. XVIII (AHo). 28 Präses Dr. Nickel, Synodalreferat 1927, S. 65. 29 Traktatus I 42, BSLK 485. 30 Bekenntniszitate hier und künftig nach: Die Bekenntnisschriften der Ev.-luth. Kirche (BSLK), Göttingen 1930. 31 Traktatus II 52.58, BSLK 487.489.
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2.
Ist ökumenische gottesdienstliche Gemeinschaft zulässig?
Im Gegensatz zu obigen Bekenntnisstellen wurden von den SELK-Vertretern die als nötig erachteten ökumenischen „Kontakte“ auch als zulässig hingestellt, und zwar mit Hilfe einer neuen Lehre von der Kirchengemeinschaft: „Aber eine ökumenische Bibelstunde ist noch keine Kirchengemeinschaft und erst recht kein Unionismus ... Ein gemeinsames unanstößiges Gebet oder eine Schriftlesung sind für uns keine Kirchengemeinschaft (z.B. bei Mitwirkung eines katholischen Priesters an einer lutherischen Trauung). So etwas liegt unterhalb des Niveaus der Kirchengemein32 schaft“ . Unsere Frage, wieso Teilnahme an ökumenischen Gottesdiensten Bibelstunden, Jugendstunden, Trauungen, Weltgebetstagen usw. keine Kirchengemeinschaft sei, beantwortete Bischof Dr. Schöne, D.D., mit Billigung der Kirchenleitung am 23.3.88 schriftlich folgendermaßen: Das sei „keine erklärte Kirchengemeinschaft von Kirche zu Kirche, sondern nur (!) ein Zusammenwirken von Christen unterschiedlicher Konfession“, auch sei es „keine Gemeinschaft, die ihrer Natur nach immer auf Dauer angelegt ist“. Außerdem träfe die Mahnung zur Trennung „nach 1 Joh 3 die Christusleugner, nicht aber schon alle diejenigen, die anderen, ggf. irrigen 33 Auffassungen, in bestimmten Lehrfragen anhängen“ . Im Gegensatz zur letzten Aussage heißt es im lutherischen Bekenntnis, dass „Ungleichheit der Zeremonien“ die Gemeinschaft von Kirchen nicht aufhebt, „wenn sie sonst in der Lehre und in allen ihren Artikeln, auch rechtem Gebrauch 34 der Sakramente, miteinander einig“ sind . Deswegen werden im Bekenntnis nicht nur zentrale Irrlehren verworfen, sondern alle in jener Zeit aufgetretenen schriftwidrigen Lehren, sei es über die Erbsünde oder über den freien Willen, das Gesetz, Kirche und Amt, Erwählung usw. Selbst das Verbot der Priesterehe wird gemäß der Schrift „Teufelslehre“ genannt, weil „Gottes Wort und Gebot durch kein mensch35 lich Gelübde oder Gesetz mag geändert werden“ . Die Verwerfungen bedeuten aber für die Bekenner, dass sie diejenigen, die hartnäckig die verworfenen Irrlehren festhalten, in ihren „Landen, Kirchen und Schulen keineswegs zu dulden geden36 ken“, also jede kirchliche Gemeinschaft mit ihnen aufheben . Demgemäß heißt es in den Einigungssätzen von 1947:„... jede kirchliche Gemeinschaft mit Irrlehrern, auch ... die kirchliche Gemeinschaft zwischen rechtleh37 render und falschlehrender Kirche, ist schrift- und bekenntniswidrig“ . Genauso verwirft die Verfassung der ELFK nicht nur „Abendmahls- und Kanzelgemeinschaft mit Falschgläubigen und solchen, welche die obengenannten Bekenntnisschriften zwar äußerlich anerkennen, aber in Lehre und Praxis davon abweichen“, sondern 32 33 34 35 36 37
Protokoll Nr. 103 und 105. Punkt 7–9 des genannten Briefes. SD X,31; BSLK 1063. CA XXIII,8.22f; BSLK 87.90. BSLK 756. Einigungssätze III, A, 3.
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fügt hinzu: „sowie die Teilnahme an dem Gottesdienst und Missionswesen falsch38 gläubiger und glaubensmengerischer Gemeinschaften“ . 3.
Was Gottes Wort davon sagt
Vom Wort Gottes her steht außer Frage, dass wir mit Christen, die falschen schriftwidrigen Lehren anhängen, im menschlich-persönlichen Leben Frieden halten sollen – wie mit allen Menschen (Röm 12,18). Genauso steht fest, dass eine Gemeinde oder Kirche, die durch Gottes Wort und Gnade einmütig ist im Glauben, Lehren und Bekennen, dies hohe Gut bewahren soll durch das Band des Friedens (Eph 4,3). Menschliche Verschiedenheiten und Fehler, z.B. der Diener des Wortes, dürfen nicht Anlass von Parteiungen oder gar Spaltungen sein (1 Kor 3,3–5). Um des Friedens willen müssen wir daher oft menschliche Eigenarten sowie Bräuche und Ordnungen tolerieren, obwohl sie nicht nach unserem Geschmack sind. Auch sollen wir in vergebender Liebe zudecken, wenn man uns verletzt. Wir müssen also verzichten lernen auf die Durchsetzung unseres Geschmacks, unseres Maßstabs und unseres Rechts. Wir dürfen aber nicht verzichten auf die Alleingültigkeit der Lehre, die nicht uns, sondern Gott gehört. Das Wort Gottes mit seinem gesamten Lehrgehalt ist uns ja samt den Sakramenten anbefohlen, d.h. zu treuen Händen anvertraut, und zwar als einziges Rettungsmittel für die Welt und uns selbst (Mt 28,19f; Joh 17,14; Offb 22,18f; 1 Tim 4,16). Einen größeren Schatz kann es auf dieser armen Erde gar nicht geben! Das hat auch Luther immer wieder vor Augen gehalten: „Das Gut ist so groß, dass es keines Menschen Herz begreifen kann ... und ja nicht so gering zu achten ist, wie die Welt tut und etliche unverständige Geister vorgeben ...: man solle nicht über einem Artikel so hart streiten und darüber die christliche Liebe zertrennen ..., sondern, ob man gleich in einem geringen Stück irrete, da man sonst in andern eines ist, möge man wohl etwas weichen und gehen lassen, und gleichwohl brüderliche und christliche Einigkeit und Gemeinschaft halten. Nein, lieber Mann, mir nicht des Friedens (d.h. mir nicht einen solchen Frieden) und Einigkeit, darüber man Gottes Wort verliert ... Denn es ist nicht um äußerlicher oder weltlicher Einigkeit und Friedens willen, sondern um des ewigen 39 Lebens willen gegeben“ . Aber Gottes Wort sagt auch ganz direkt, dass man mit denen, die falscher Lehre anhängen, keine Gemeinschaft haben soll. Gewiss haben die Apostel in ihren Briefen meist eine bestimmte Irrlehre im Auge, die die angeschriebene Gemeinde damals besonders bedrohte, z.B. in der uns entgegengehaltenen Stelle 1 Joh 5 bzw. 40 4,1ff . Diese Irrlehre klingt noch einmal in 2 Joh 7 an. Dann aber geht Johannes vom Einzelfall über zu der allgemeinen Warnung vor allen, die nicht bleiben „in der 38 Artikel II. 39 Walch2 9,831 (= St. Louiser Ausgabe der Schriften Luthers); EA (= Erlanger Ausgabe der Schriften Luthers) 19,269f (Klammererklärungen = Anmerkungen der Dokumentation 1991). 40 Siehe oben.
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Lehre Christi“ (Vers 9). Und daran schließt er die Mahnung: „Wenn jemand zu euch kommt und bringt diese Lehre nicht, den nehmt nicht ins Haus und grüßt ihn auch nicht“ (mit dem Bruderkuss in der Hausgemeinde). Hier und in den folgenden Schriftstellen wird das Verbot der Gemeinschaft weder auf eine bestimmte Irrlehre beschränkt noch auf eine rechtlich „erklärte“ oder „auf Dauer“ praktizierte Gemeinschaft. Vielmehr werden die Christen ohne Wenn und Aber gemahnt, von denen zu weichen, die durch falsche Lehre die Einigkeit im Geist zertrennen (Röm 16,17), sich von Irrlehrern zu reinigen (2 Tim 2,17.21) und einen mehrmals ermahnten falschen Lehrer zu meiden (Tit 3,10). Wenn Paulus aber gar den Fluch spricht über solche, die zwar Evangelium lehren, aber „anders“ als er es durch Gottes Geist gepredigt hat, so ist es völlig undenkbar, dass er gegen gemeinsame Gottesdienste oder Bibelstunden in größeren oder kleineren Abständen nichts einzuwenden gehabt hätte. Das lutherische Bekenntnis führt auch mehr41 mals 2 Kor 6,14ff als Schriftgrund dafür an, dass man „vom Papst und seinen Gliedern oder Anhang als von des Antichrists Reich weichen“ soll: „Ziehet nicht am fremden Joch mit den Ungläubigen ... Darum ‚gehet aus von ihnen und sondert euch ab’ spricht der Herr.“ Damit soll nicht gesagt sein, dass die ganze Papstkirche nur aus Ungläubigen besteht, wohl aber, dass sie der „Anhang“ von Ungläubigen ist, mit denen man eben deshalb keine Gemeinschaft haben kann. Und das gilt heute nicht nur von der Papstkirche! – Schließlich mahnt unser Herr Christus selbst, uns vor falschen Propheten, den reißenden Wölfen im Schafskleid, zu hüten (Mt 7,15). Auch darin liegt die Aufforderung, vor ihnen zu fliehen. Denn kein Schaf ist so einfältig, dass es freiwillig mit Wölfen in einem Stalle bleibt. Darum sagt Luther: „Wer seine Lehre, Glauben und Bekenntnis für wahr, recht und gewiss hält, der kann mit andern, so falsche Lehre führen oder derselben zugetan sind, nicht in 42 einem Stalle stehen ...“ . Ja, Jesus sagt es selbst: „Einem Fremden aber folgen sie (die Schafe) nicht nach, sondern fliehen vor ihm; denn sie kennen der Fremden Stimme nicht“ (Joh 10,5). Wohl dürfen wir denen unser Zeugnis nicht verweigern, die mit uns in der Wahrheit eins werden möchten – in demütiger Beugung unter Gottes heiliges Wort. Mit ihnen um die Einmütigkeit in der Wahrheit zu ringen ist aber etwas völlig anderes, als gemeinsame Gottesdienste mit denen zu feiern, die bei den falschen Lehrern bleiben wollen, von denen wir doch fliehen, weichen und uns absondern sollen. Das gilt erst recht von den ökumenischen Gottesdiensten und Veranstaltungen. Denn sie dienen ja dem Ziel des Ökumenischen Rates der Kirchen, der z.B. auf seiner 3. Vollversammlung in New Delhi erklärte: „Wir glauben, dass die Einheit, die zugleich Gottes Wille und seine Gabe an seine Kirche ist, sichtbar gemacht wird, indem alle an jedem Ort ... in eine völlig verpflichtete Gemeinschaft geführt
41 Z.B. Trakt. 41; BSLK 485. 42 Walch2 17,1180; EA 65,86.
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werden ... Es besteht eine tiefe Beziehung zwischen der Erfüllung der missionari43 schen Verpflichtung und der Wiederherstellung(!) ihrer sichtbaren Einheit“ . – Die eine Kirche Christi, die schon immer und allezeit verborgen da ist, sichtbar machen zu wollen, ist eine schwärmerische Utopie. Sie widerspricht dem Wort Christi und seiner Apostel, das eine äußere Zerrissenheit durch viele falsche Propheten voraussagt. Zur Erreichung ihres Zieles kann daher die Ökumene eine Einmütigkeit in der Lehre des rettenden Gotteswortes nicht wollen. Neuerdings hat sie eine andere Einheit gefunden, nämlich im Kampf um irdischen Frieden und 44 soziale Gerechtigkeit . Das kam auch beim letzten Weltgebetstag der Frauen zum 45 Ausdruck, (zu dem sogar das Blatt des SELK-Frauendienstes einlud): „Miteinander für Frieden, für Gerechtigkeit ... auf dem Weg zur Einheit“. So soll jede ökumenische Gemeinschaft auf Ortsebene dazu helfen, dem Ziel näherzukommen, nämlich einer Einheitskirche auf Kosten des Evangeliums. Davor können wir nur fliehen! Selbst bei einem ökumenischen Gebetsgottesdienst um die Einheit der Kirche wären wir – abgesehen von der Frage, ob wir da alle zu demselben Gott beten (1 Joh 2,23; Gal 5,4) – mit den anderen nicht einmal eins in bezug auf das Ziel, um das wir bitten, sondern gegeneinander. Ein solches Gebet aber hat keine Verheißung (Mt 18,19). An diesem Beispiel wird deutlich, warum die ELFK zusammen mit AltMissouri gemeinsames Gebet versammelter Christen von jeher als Teil der Kirchen46 und Bekenntnisgemeinschaft angesehen hat – auch aufgrund Apg 2,42 . Es bedarf keiner langen Erörterung, dass das oben angeführte einhellige 47 Schriftzeugnis nicht mit Apg 3,1 entkräftet werden kann . Die Apostel durften sich nicht von dem alten Gottesvolk und ihrem Auftrag an diesem lösen, bevor offenbar wurde, ob es seinen Oberen folgen wollte oder der Botschaft von dem gekommenen Messias (Apg 13,46; 18,4–6). 4.
Pluralismus
a) Ist zur Gemeinschaft mit anderen Kirchen Einmütigkeit nötig in allem, was die Schrift lehrt, dann natürlich auch innerhalb einer Kirche. Zwar darf keine Kirche deswegen verurteilt werden, dass in ihr hier und da Abweichungen von biblischer Lehre vorkommen, wenn die Kirche nur willens ist, durch evangelische Lehrzucht dem abzuhelfen. Wir können es aber als Schwesterkirche nicht mitverantworten 43 44 45 46
Bericht der Sektion „Einheit“ in: Lutherische Monatshefte, 1. Januar 1962. Vgl. z.B. International Review of Mission, Vol. 76, Nr. 303, Juli 1987. Nr. 121. Synodalberichte der ELFK 1897, S. 86f; 1900, S. 26; E.A.W. Krauß, Lebensbilder aus d. Geschichte d. christl. Kirche, St. Louis 1915, S. 725; Lehre und Wehre, Jg. 51, 98ff.326ff. 47 Protokoll Nr. 105.
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und tragen, wenn in der SELK grundsätzlich nicht mehr alle Lehre an der Heiligen Schrift gemessen werden soll. Schon im Bischofsbrief vom 17.10.87 hieß es in Punkt 7, dass es „keine allgemein verbindliche Lehrfestlegung über das lutherische Bekenntnis hinaus“ geben könne. Da die Klausel: „sofern nicht alle lutherischen Kirchen der Welt diese (Lehrfestlegung) in Einmütigkeit fassen“, ganz utopisch ist, bliebe damit für alle künftigen Zeiten mit ihren neuen Irrlehren alles zu lehren erlaubt, was im Bekenntnis nicht verworfen ist. So bestand von unserer Seite aller Grund, im zweiten Berliner Gespräch zu fragen, was für die SELK zur Lehrnorm gehöre, zu der niemand im Gegensatz lehren darf. Wir erhielten die Antwort: „Die 48 49 ganze Lehre der Confessio Augustana vom ersten bis zum 28. Artikel“ . Auch wenn wir gutwillig annehmen, dass die übrigen Bekenntnisschriften als verbindliche Auslegung der CA angesehen werden, so bleibt doch die für uns unfassbare Tatsache: In der SELK soll über die Lehrnorm des Bekenntnisses hinaus jeder Pas50 tor nach seiner persönlichen Schriftauslegung lehren können, was er will, auch wenn es dem klaren Schriftzeugnis widerspricht! Das sieht wie eine Überbewertung des Bekenntnisses aus, schlägt ihm aber in Wahrheit ins Gesicht. Denn es sagt ganz klar: „Wir glauben, lehren und bekennen, dass die einzige Regel und Richtschnur, nach welcher zugleich alle Lehren und Lehrer gerichtet und geurteilt werden sollen, sind allein die prophetischen und apostolischen Schriften Alten und Neuen Testa51 52 ments, wie geschrieben steht ...“ . Aber auch schon in der CA wird zustimmend dies Wort Augustins angeführt: „Man soll auch den Bischöfen nicht folgen, wo sie 53 irren oder etwas wider die heilige göttliche Schrift lehren oder ordnen“ . Das aber gilt auch heute noch, weil Jesu Wort allezeit gilt: „Lehret sie halten alles, was ich euch befohlen habe“ (Mt 28,20). Genauso gilt doch noch: „... alle Schrift, von Gott eingegeben, ist nütze zur Lehre, zur Strafe ...“ (2 Tim 3,16). Eine Kirche, die das volle Evangelium hat – wie die Gemeinde in Thessalonich (1 Thess 1,5–7), – daneben aber nur eine falsche Lehre über den Termin des Jüngsten Tages duldet, lässt daher Menschen „wankend“ machen und „verführen“ und setzt so deren Heil aufs Spiel (2 Thess 2, 1–3). Auch wenn sich nicht alle ihre Glieder dadurch im Glauben irre machen lassen, so ist es doch ungeheure Schuld. Zudem aber droht einer solchen Kirche die furchtbare Gefahr, ein Stück der Lehre nach dem anderen zu verlieren, bis schließlich auch das Zentrum des Evangeliums verloren oder verfälscht ist. Denn „ein wenig Sauerteig versäuert den ganzen 54 Teig“ (Gal 5,9). Das gilt natürlich „besonders“ von direkter Verfälschung der Rechtfertigungslehre, aber eben nicht nur davon. Denn alle Lehre der Schrift hängt
48 49 50 51 52 53 54
= Augsb. Konfession (CA). Protokoll Nr. 74 und 75. Protokoll Nr. 77. FC Epit., Sum. Begr. 1; BSLK 767. Artikel XXVIII, 28; BSLK 124f. Vgl. CA XXVIII Beschluss 5; BSLK 134. FC SD III,7; BSLK 916f.
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mit dem Zentrum zusammen, wie Luther z.B. im Großen Galaterkommentar zu Gal 5,9 ausführlich und mit großem Nachdruck darlegt. Von dieser Tatsache geht auch das lutherische Bekenntnis aus, wenn es u.a. die mancherlei, aber gewiss nicht fundamentalen Irrtümer in bezug auf die „Zwei Reiche“ nicht tolerieren kann („in55 tolerabiles“ ) und hinzufügt, dass vor solchen Irrtümern „und was davon an weiteren Irrtümern abhängt und daraus folgt, ... alle frommen Christen ... sich hüten 56 sollen, so lieb ihnen ihrer Seelen Heil und Seligkeit ist“ . Wo aber schriftwidrige Lehre geduldet wird, da greift sie nicht nur nach und nach andere, zentralere Lehren an, sondern breitet sich auch von einigen wenigen Pastoren und Gemeindegliedern auf andere aus, denn sie „frisst um sich wie ein Krebsgeschwür“ (2 Tim 2,17). Auch dies bestätigt die Erfahrung immer wieder. b) Die Erklärung der SELK-Vertreter, alle Lehrgegensätze dulden zu wollen, die nicht schon vom Bekenntnis entschieden wurden, ist eine so grundsätzliche Weichenstellung zum Pluralismus hin, dass der Nachweis eines solchen sich eigentlich erübrigt. Wenn wir dennoch einige Beispiele anführen, dann nur, um der wiederholten Aufforderung von Bischof Dr. Schöne D.D. nachzukommen. Wie weit (neben strikter Ablehnung unbiblischer Ökumene) die Öffnung zu ihr hin in den letzten fünf Jahren fortgeschritten ist, zeigen Beiträge in SELK-Blättern, in denen von Teilnahme an Missionsfesten der Landeskirche, von musikalischer Mitwirkung an einer Mittagsmesse bei Benediktiner-Mönchen, von Zulassung landeskirchlicher Glieder zum Abendmahl anlässlich des Evangelischen Kirchentages, von mehrmaliger geistlicher Auffrischungsfahrt zum Zentrum des Ökumenismus Taizé und von Teilnahme am Weltgebetstag begeistert oder wie von etwas Selbst57 verständlichem berichtet wird . – In einem Referat vor der letzten SELK-Synode wurde sogar die Meinung vertreten, Grundsätze einer „differenzierten Zusammenarbeit“ müssten wir (die SELK) im Blick auf den Evangelischen Kirchentag, den Gemeindetag unter dem Wort, die Weltgebetswoche für die Einheit der Christen, den Weltgebetstag der Frauen, Evangelisationsveranstaltungen, Bibelwochen 58 etc. (!) noch entwickeln . Das im gleichen Heft abgedruckte zweite Referat gipfelt in den Behauptungen, Jesus forme „schon jetzt eine neue Gesellschaft“. Die Kirche müsse „den Dienst des Evangeliums (!) an den politischen Strukturen“ erweisen und mit ihrem „Stil des Umgangs miteinander“ beispielhaft wirken für „die ‚innere Revolution’, die in den gesellschaftlichen Strukturen erfolgen soll“. Dies wird auch noch mit dem Wort Jesu (Mt 10,18) begründet, wo von dem geistgewirkten Zeugnis der vor Gericht und 55 56 57 58
FC Epit. XII,12–19; BSLK 824f. FC Epit. XII,30; BSLK 826. SELK-Info 12/85; Luth. Kirche 12/84; 5 u. 8/85; 9/88; Frauendienst 3/88. Oberurseler Hefte 24, S. 14.
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Obrigkeit gezerrten Jünger die Rede ist. Von solcher Bezeugung des Evangeliums sagt das Neue Testament viel, nichts aber davon, dass die Kirche die Strukturen der Welt verbessern soll. Von Letzterem redet der reformierte Theologe Karl Barth! In dem Buch „Was erwartet uns nach dem Tod“, in dem Kirchen und Religionsgemeinschaften ihre Auffassung zum Thema wiedergeben, wird ausgerechnet im SELK-Beitrag gelehrt, dass auch die Seele im Tode stirbt, obwohl die Schrift an vielen Stellen das Gegenteil sagt. In dem Buch heißt es: „Seele und Leib sind nicht so zu trennen, dass die Seele leben und der Leib zerfallen könnte ... (Christi) Opfer ist so kraftvoll, dass es von mir heißen kann, ich schliefe ..., auch wenn nichts da 59 ist, was schläft“ . Auch die Artikelserie „Das Fremdwort“, die seit Januar 1988 jeweils auf der letzten Seite der „Lutherischen Kirche“ steht, führt zum größten Teil in die Irre. In 3/88 wird zum Thema „Dogma“ auf einer ganzen Seite nicht einmal erwähnt, dass das Dogma der Kirche etwas mit der Heiligen Schrift zu tun hat, geschweige denn, dass rechtes kirchliches Dogma nur das bekennt, was die Schrift lehrt. Und damit fehlt das Entscheidende! In 4/88 wird von Absolution und Abendmahl ganz einseitig nur dies gesagt: „‚Ich weiß gewiss, dass ich dich vor Gott gelöst habe, du glaubst oder glaubst nicht’, so darf ein Pastor nach der Absolution zum Beichtenden sagen. Und dass wir im Altarsakrament auch dann den Leib und das Blut des Herrn ... empfangen, wenn wir nicht glauben, dürfte sich in lutherischen Kreisen herumgesprochen haben.“ – Dass aber ohne Glauben nicht Vergebung empfangen wird, sondern Gericht, bleibt ungesagt. So wird aus der halben Wahrheit eine ganze Irreführung. Die folgende Nummer der „Lutherischen Kirche“ brachte dazu zwar eine Kritik, aber nur als Leserbrief unter der Überschrift „Was Leser meinen“. In 6/88 entsteht der Eindruck, dass mit den Fundamentalisten auch ihr Bekenntnis zur Irrtumslosigkeit der Heiligen Schrift verurteilt wird. Dieser Eindruck wird dadurch als richtig bestätigt, dass der Verfasser folgenden Gegensatz konstruiert: Die lutherische Kirche „glaubt nicht an die Bibel. Sie glaubt vielmehr an den dreieinigen Gott.“ – Die meisten Christen verstehen aber „glauben an“ mit Recht im Sinne von „vertrauen auf“ und verwenden daher beides nicht nur in bezug auf Gott, sondern reden auch wie Jesus vom Glauben an das Evangelium (Mk 1,15), oder wie Luthers Übersetzung in 1 Petr 2,8 vom Glauben an das Wort Gottes. Da der Verfasser nach dem Zusammenhang nicht diesen Sprachgebrauch, sondern die Fundamentalisten korrigieren will, kann man den Gegensatz doch wohl nur so verstehen: Wir vertrauen auf Gott, aber nicht auf sein Wort, jedenfalls nicht so, dass wir es wie die Fundamentalisten für irrtumslos halten. In 7/88 wird behauptet: „’Inspiration’ heißt: Gott der Heilige Geist wirkt durch das Wort seiner Boten, bindet sich daran und lässt so ihr Wort Sein Wort sein.“ – Nein! Inspiration heißt Eingebung, wie jeder Konfirmand wissen sollte. Gott wirkt 59 Gütersloher TB 1983, Bd. 1069, S. 217f.
Verhältnis der Evangelisch-Lutherischen Freikirche
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nicht nur durch das Wort der Propheten und Apostel, sondern es ist zuvor von ihm gewirkt oder inspiriert (= eingegeben). Wird das verschwiegen, so ist den Bibelkritikern die Tür geöffnet, die ja behaupten, Gott wirke durch eine von Legenden und Irrtümern, Philosophien und Hass entstellte Bibel. Mögen auch die Irreführungen nicht beabsichtigt gewesen sein, halten wir es doch für unverantwortlich, dass Redaktion und Kirchenleitung das alles abdrucken ließen und nicht zurechtrückten. Im Zusammenhang mit dem Artikel dieser Serie in 1/88 der „Lutherischen Kirche“, wo die Ersetzung der „bunten liturgischen Gewänder im Gottesdienst durch einen schwarzen Talar“ beklagt wird, sei es uns hier wenigstens erlaubt, unsere Sorge zum Ausdruck zu bringen, dass die SELK einem hochkirchlichen Trend verfallen könnte, der den fundamentalen Gegensatz zur römischen Papstkirche verwischt. Die eifrige Befürwortung der Begriffe „Messe“ und „katholisch“ sowie 60 61 der „Messgewänder“ wie auch das Gebet für die Toten scheinen uns neben anderem in diese Richtung zu weisen. Gegen die Zulassung von anderskirchlichen Paten zum Konfirmationsabendmahl sowie gegen die Mitwirkung von Amtsträgern anderer Kirchen bei Trauungen 62 konfessionsverschiedener Paare haben wir bereits mehrfach Stellung genommen. Wir können hier keine wirklichen seelsorgerlichen Notfälle erkennen, die es gebieten, die vielen obengenannten Mahnungen Gottes zu übergehen. Wir sehen es vielmehr als einen schlechten seelsorgerlichen Dienst an, dem ökumenischen Zeitgeist nachzugeben. Vielleicht findet Prof. Dr. Slenczka mehr Gehör als wir, der auf dem Pfarrkonvent des Sprengels Süd u.a. sagte: „Zu den missbrauchten, entleerten und dann mit fremden Inhalten gefüllten Wörtern gehört in unserer Zeit leider auch das wichtige Wort Seelsorge. Wenn man ‚aus seelsorgerlichen Gründen’ etwas tut oder unterlässt, heißt das im Klartext oft nichts anderes, als aus menschlichen Rücksichten zu handeln, sich an Gefühlen, Empfindlichkeiten, Bedürfnissen, Zeitströmun63 gen u.ä. zu orientieren, um niemanden zu verletzen oder gar zu vertreiben“ . Wenn wir der Aufforderung, unsere Beschwernisse noch einmal zu Papier zu bringen, in solchem Umfang und mit ausführlicher Begründung nachgekommen sind, so mag das zeigen, wie sehr uns die Schwesterkirche am Herzen liegt und wie sehr die Differenzen unser Gewissen belasten und die Kirchengemeinschaft bedrohen. – Möge der Allgemeine Pfarrkonvent der SELK in seiner hohen Verantwortung alles prüfen und zu einer Stellungnahme gelangen, die Gott gefällt! Wir haben uns bemüht, den rechten brüderlichen Ton zu finden. Sollte uns das nicht immer gelun-
60 Lutherische Kirche 2/88. 61 Im neuen SELK-Gesangbuch (ELKG). 62 Vgl. „Mit Christus leben“, S. 53, und Pastorales Anschreiben des Superintendentenkollegiums zur Frage der Abendmahlszulassung vom 26.03.1983. 63 Referat S. 11. * Bezirksarchiv des Sächsischen Bezirks der Ev.-Luth. Freikirche, Crimmitschau, Loc. II, ELFKSynoden, 1989 (Vervielfältigung).
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Die Evangelisch-Lutherische Freikirche (in Sachsen und anderen Staaten)
gen sein, so bitten wir um Vergebung. Der Herr wolle das Beste daraus machen und seinen Segen darauf legen.“ (Auf Veranlassung von Herrn Bischof Dr. J. Schöne, D.D., dargelegt von Rektor Gottfried Wachler D.D., Dr. G. Herrmann und Präses G. Wilde)
101. Synodalbeschluss der Evangelisch-Lutherischen Freikirche vom 7.10.1989 in Karl-Marx-Stadt, betr. die Aufhebung der Kirchengemeinschaft mit der Selbständigen EvangelischLutherischen Kirche* Der Allgemeine Pfarrkonvent der SELK in Hofgeismar (Juni 1989) hat dankenswerterweise zu den Problemen zwischen unseren Kirchen Stellung genommen. Sein Beschluß ist an die Pastoralkonferenz und an die nächste Synode der Ev.-Luth. Freikirche gerichtet. Trotz erklärter gemeinsamer Lehrbasis werden darin Abweichungen von Schrift und Bekenntnis in folgenden Punkten festgehalten und geduldet: 1. Ohne Erwähnung oder gar Widerlegung des von uns dagegen angeführten Schriftzeugnisses bekräftigt der Pfarrkonvent (unter Ablehnung jeglicher Revi64 sion die Bestimmungen der Wegweisung „Mit Christus leben“ in bezug auf a) eine Mitwirkung an ökumenischen Gottesdiensten, b) eine teilweise Öffnung des Zugangs zum Abendmahlstisch für Glieder falschlehrender Kirchen – über wirklich seelsorgerliche Notfälle hinaus, c) eine Mitwirkung von Amtsträgern anderer Konfessionen bei Trauungen konfessionsverschiedener Paare, womit in allen drei Fällen die Seelengefährdung durch Irrlehre verharmlost und die Einmütigkeit der Kirchen im Wesentlichen vorgetäuscht wird. 2. Genauso wird ohne jedes Zeichen der Bereitschaft, unseren Einspruch zu überdenken, und ohne jede Begründung die 1983 erklärte Kirchengemeinschaft mit der Ev.-Luth. Kirche in Baden bekräftigt, obwohl diese Kirche sich mit allen, auch nur rechtlich lutherischen Kirchen in Kirchengemeinschaft sieht und Mitglied des Lutherischen Weltbundes bleibt. 3. Unverändert sollen falsche Lehren von der Heiligen Schrift und von der Schöpfung geduldet werden. Sie werden – wiederum ohne Begründung – als „theologische Divergenzen und unterschiedliche Denkansätze“ bezeichnet, die nicht kirchentrennend seien, obwohl sie die Autorität des Wortes Gottes untergraben. 64 = Überprüfung, Überarbeitung (= Anmerkung der Dokumentation 1991). * Bezirksarchiv des Sächsischen Bezirks der Ev.-Luth. Freikirche, Crimmitschau, Loc. II, ELFKSynoden 1989 (Vervielfältigung).
Aufhebung der Kirchengemeinschaft mit der Lutheran Church – Missouri Synod
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4. Unverändert soll Lehrzucht eingeschränkt geübt werden, obwohl zunächst erklärt wird, daß sie sich aus der Ordinationsverpflichtung ergibt. Von der Lehrzucht ausgenommen werden gerade die modernen Irrlehren, die unser Verhältnis belasten und die aus dem rationalen Denkansatz kommen, z. B. diese, daß die biblischen Berichte (einschließlich Schöpfungsbericht) wahr, aber nicht wirklichkeitsgetreu seien. 5. Eine Änderung in bezug auf die schriftwidrige Meinungsvielfalt in den Veröffentlichungen der SELK ist von daher nicht zugesagt. Wir sehen dadurch unser Anliegen abschlägig beschieden. Schon vorangegangene Verhandlungen konnten leider die schwerwiegenden Differenzen in Lehre und Praxis nicht bereinigen. Unserer Bitte, durch verbindliche Lehrgespräche über diese Dinge einen weiteren gemeinsamen Weg unter Gottes Wort zu finden, ist nicht entsprochen worden. Weil damit keine gottgefällige Basis für Kirchengemeinschaft mehr besteht, sehen wir uns von Schriftstellen wie Röm 16,17 her genötigt, hiermit die Kir65 chengemeinschaft zwischen unseren Kirchen aufzukündigen. Wir treffen diese Entscheidung schweren Herzens, doch in der Hoffnung, daß sich durch diesen Schritt Pastoren und Gemeinden der SELK zu einer eindeutigen Bekenntnishaltung zurückrufen lassen. Wir wissen uns weiterhin in Glauben und Liebe verbunden mit jedem in der SELK, der uneingeschränkt zur Lehre der Heiligen Schrift und des lutherischen Bekenntnisses und der sich daraus ergebenden Praxis steht, wenn wir auch durch diesen Beschluß vorerst äußerlich getrennt sind. Zu verbindlichen Lehrgesprächen über diese schwerwiegenden Beanstandungen in Lehre und Praxis halten wir uns bereit, um neue Einmütigkeit unter Gottes Segen zu erreichen. Die Synode der Ev.-Luth. Freikirche Karl-Marx-Stadt [Chemnitz], am 7. Oktober 1989
102. Synodalbeschluss 2.1 der Evangelisch-Lutherischen Freikirche vom 10.10.1992 in Hartenstein, betr. die Aufhebung der Kirchengemeinschaft mit der Lutheran Church – Missouri Synod* Die Synode beschließt: Nach der Heiligen Schrift (Röm 16,17; 2Joh 10f; Tit 3,10) sollen und wollen wir nur mit solchen Kirchen Gemeinschaft pflegen, die im Glauben und Bekennen, in Lehre und Praxis ganz auf dem Boden von Schrift und Bekenntnis stehen. 65 Die Synode machte sich außerdem zu eigen, was in den Anträgen 2.2. und 2.3. zur Begründung dieser schwerwiegenden Entscheidung gesagt wurde. * ELFK-Synodalheft 1992, hg. im Auftrag der Ev.-Luth. Freikirche, Zwickau 1991, 40f.
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Die Evangelisch-Lutherische Freikirche (in Sachsen und anderen Staaten)
Darum erklären wir die bereits seit 1970 nur noch unter Protest bestehende Kirchengemeinschaft zwischen der Evangelisch-Lutherischen Freikirche und der „Lutheran Church – Missouri Synod“ (LCMS) für aufgehoben. Begründung: Unsere Kirche hat – besonders in ihren früheren Jahren – der LCMS viel zu verdanken – vor allem durch ihr klares und volles Zeugnis des rettenden Evangeliums in Wort und Tat. Leider war aber in der LCMS nach dem zweiten Weltkrieg ein fortschreitendes Abweichen von schrift- und bekenntnisgemäßer Lehre und Praxis zu beobachten. Das führte 1961 zum Zerbrechen der alten Ev.-Luth. Synodalkonferenz. Unsere Kirche trat darum 1970 in öffentlichen Protest zu Lehre und Praxis der LCMS. So wollte sie die Schwesterkirche auf eine dringend notwendige Besinnung auf biblische Lehre und Praxis hinweisen. Als Mitte der 70er Jahre am Concordia-Seminar in St. Louis die biblische Schriftlehre wieder zur Geltung kam, und später auch die bekenntniswidrige Kirchengemeinschaft zur liberalen American Lutheran Church (ALC) aufgehoben wurde, wuchs unsere Hoffnung auf eine grundlegende Korrektur des kirchlichen Kurses der LCMS. In dieser Hoffnung sehen wir uns enttäuscht. Selbst aus unserer großen Entfernung müssen wir immer mehr Tatsachen erkennen, die die grundsätzlich pluralistische Haltung der heutigen LC–MS belegen: 1. Die LC–MS hält fortgesetzt Kirchengemeinschaft mit Kirchen, die dem Lutherischen Weltbund (LWB) angehören. 2. Sie rechtfertigt eine teilweise geistliche Zusammenarbeit mit Kirchen, die offenkundig einen anderen Bekenntnisstand haben, auf Grundlage einer in ihr aufgebrachten schriftwidrigen Theorie von verschiedenen Ebenen („levels“) der Kirchengemeinschaft. So sucht sie z. B. auch in Deutschland zunehmend die Zusammenarbeit mit Vertretern der evangelischen Landeskirchen, von denen wir um des Bekenntnisses willen getrennt sind. 3. Sie duldet Pluralismus in ihrer Mitte und unterläßt weithin die von Schrift und Bekenntnis geforderte Lehrzucht. 4. Dies alles zeigt sich auch in der Behandlung der Differenzen im europäischen Luthertum durch die LCMS. Obwohl sich unsere Kirche aufgrund schriftwidriger Lehre und Praxis in den damaligen Schwesterkirchen genötigt sah, die Kirchengemeinschaft zur Ev.-luth. (altluth.) Kirche (ElaK) und Selbständigen Ev.Luth. Kirche (SELK) aufzuheben, erkennt die LCMS keine Notwendigkeit, ihr Verhältnis zu den europäischen Schwesterkirchen zu klären. Mit ihrem Handeln zeigt sie, daß sie entweder falsche Lehre grundsätzlich nicht mehr als kirchentrennend ansieht oder die Differenzen, die unsere Kirche zu ihrem Bekenntnis gegenüber ElaK und SELK veranlaßt haben, als unwichtig einstuft. In beiden Fällen erweist es sich als Tatsache, daß die LCMS zumindest in der Leh-
Beitritt zur Konfessionellen Evangelisch-Lutherischen Konferenz
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re von Kirche und Kirchengemeinschaft praktisch nicht mehr auf dem Boden von Schrift und Bekenntnis steht. Die Synode der Ev.-Luth. Freikirche Hartenstein, 10.10.1992
103. Synodalbeschluss 2.3 der Evangelisch-Lutherischen Freikirche vom 10.10.1992, betr. den Beitritt zur Konfessionellen Evangelisch-Lutherischen Konferenz (KELK)*1 Die Synode beschließt: Die Evangelisch-Lutherische Freikirche (ELFK) begrüßt die Initiative aus den Schwesterkirchen Wisconsin Evangelical Lutheran Synod (WELS) und Evangelical Lutheran Synod (ELS), die Konfessionelle Evangelisch-Lutherische Konferenz (KELK) ins Leben zu rufen. Die ELFK ist bereit, der Einladung zu folgen und Mitglied der KELK zu werden. Sie freut sich darüber, daß die Gründungsversammlung in Deutschland stattfinden soll. Möge Gottes Geist alle Mitgliedskirchen der KELK in schriftgemäßer Einmütigkeit zusammenführen und erhalten – und ihnen Segen vermitteln wie einst durch die Synodalkonferenz.
104. Verfassung der Konfessionellen Evangelisch-Lutherischen Konferenz (1993/2008)*2 Artikel I:
Name
Der Name dieses Kirchenbundes ist: Konfessionelle Evangelisch-Lutherische Konferenz (KELK) Artikel II:
Glaubensbekenntnis
1. Die Konferenz bekennt sich zu den kanonischen Büchern des Alten und Neuen Testaments als dem wörtlich inspirierten und irrtumslosen Wort Gottes und unterwirft diesem Wort Gottes als der einzigen unfehlbaren Regel und Autorität alle Angelegenheiten der Lehre, des Glaubens und Lebens. 2. Die Konferenz bekennt sich ebenfalls zu den Bekenntnissen der Evangelisch*1 ELFK-Synodalheft 1992, hg. im Auftrag der Ev.-Luth. Freikirche, Zwickau 1991, 42. *2 Ordnungen und Richtlinien der Ev.-Luth. Freikirche, Zwickau 2008, Teil B, Nr. 13: KELKOrdnungen [Originaltexte in Englisch, deutsche Übersetzung: ELFK/G. Herrmann].
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Die Evangelisch-Lutherische Freikirche (in Sachsen und anderen Staaten)
lutherischen Kirche, die im Konkordienbuch von 1580 enthalten sind, nicht insofern, sondern weil sie die rechte Auslegung der reinen Lehre des Wortes Gottes sind. Artikel III:
Zweck
Zweck dieser Konferenz Evangelisch-lutherischer Bekenntniskirchen ist es: 1. der Einigkeit im Geist und Einmütigkeit im Glauben und Bekenntnis, welche die Glieder der Konferenz verbinden, äußeren Ausdruck zu geben; 2. für die gegenseitige Ermutigung der Glieder, ihr geistliches Wachstum und ihre Festigung im Glauben und Bekenntnis ein Forum darzustellen; 3. die bestehende Einigkeit in schriftgemäßer Lehre unter den Mitgliedskirchen zu fördern und zu stärken und zu versuchen alles, was diese Einigkeit zu stören und zerreißen drohen könnte, zu entfernen; 4. die Glieder der Konferenz zu ermutigen, eifrig ihr lutherisches Erbe des reinen und unverfälschten Evangeliums von Jesus Christus mit denen zu teilen, die Jesus als ihren Heiland noch nicht kennen und noch nicht an ihn glauben; 5. der Welt ein klares, starkes und gemeinsames Zeugnis zu geben über alles, was die Bibel, das wörtlich inspirierte, irrtumslose und verbindliche (autoritative) Wort Gottes lehrt; 6. die Vorbereitung und Herausgabe klarer schriftgegründeter, bekenntnisgemäßer Stellungnahmen anzuregen und zu erarbeiten zu Themen, die von Zeit zu Zeit die Kirche konfrontieren und die bereits oder nicht angesprochen sind in den Bekenntnissen der Evangelisch-Lutherischen Kirche im Konkordienbuch von 1580. Artikel IV:
Mitgliedschaft
1. Mitgliedschaft in der Konferenz kann nur von solchen lutherischen Kirchen erworben und beibehalten werden, die ohne Einschränkung die Lehr- und Bekenntnisgrundlage der Konferenz angenommen haben, wie sie in Artikel II beschrieben ist, und nicht in Kirchengemeinschaft mit Kirchen stehen, die in ihrer Lehre oder Praxis vom Bekenntnisstand der Konferenz abweichen. 2. Kirchen, die um Mitgliedschaft in der Konfrenz nachsuchen, können bei jeder Zusammenkunft der Konferenz durch Zustimmung von zwei Dritteln der anwesenden stimmberechtigten Delegierten aufgenommen werden, abhängig von der Ratifizierung durch alle Mitgliedskirchen bei deren nächstem Treffen (Synode).
Verfassung der Konfessionellen Evangelisch-Lutherischen Konferenz
Artikel V:
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Vollmacht
1. Die Konferenz hat in allen Dingen nur eine beratende Vollmacht, außer denen, zu welchen die Mitgliedskirchen ihr ausdrücklich den Auftrag zu handeln gegeben haben. 2. Jede Mitgliedskirche der Konferenz, die Kirchengemeinschaft mit einer anderen Kirche aufnimmt, soll ihren Schritt der nächsten Zusammenkunft der Konferenz zur Bestätigung vorlegen. Artikel VI:
Vertretung
1. Jede Mitgliedskirche der Konferenz soll bei den regelmäßigen Vollversammlungen der Konferenz vertreten sein durch zwei stimmberechtigte Delegierte: den Präses oder Leiter der Kirche und einen anderen Delegierten, der von der Kirche bestimmt wird. 2. Jede Mitgliedskirche kann bis zu vier zusätzliche Delegierte entsenden, die als beratende, nichtstimmberechtigte Vertreter in der Vollversammlung der Konferenz dienen sollen. Artikel VII:
Vollversammlungen
Regelmäßige Vollversammlungen der Konferenz sind aller drei Jahre zu halten. Vorschläge für Ort und Zeit sind der Vollversammlung vom Vorbereitungsausschuss (s. Art. X) der stimmberechtigten Vollversammlung drei Jahre im Voraus zu unterbreiten. Nötig werdende Änderungen sollen vom Vorbereitungsausschuss beschlossen und bekannt gegeben werden. Artikel VIII:
Beauftragte
1. Beauftragte der Konferenz sollen ein Präsident, ein Vizepräsident und ein Sekretär sein. 2. Die Beauftragten der Konferenz werden aus einer durch Abstimmung bestätigten Kandidatenliste gewählt. Die Wahl erfolgt mit Stimmzettel. Für die Wahl ist eine Mehrheit erforderlich. 3. Die Amtszeit der Beauftragten der Konferenz beträgt drei Jahre. Nach zwei Amtszeiten ist eine Person für die gleiche Aufgabe während der nächsten drei Jahre nicht wieder wählbar. Tritt eine Vakanz ein im Amt des Präsidenten soll der Vizepräsident Präsident werden. Tritt eine Vakanz ein im Amt des Vizepräsidenten oder Sekretärs, soll die Person, welche die nächsthöchste Stimmzahl bei der vorangegangenen Wahl erhielt, für das Amt des Vizpräsidenten oder Sekretärs für den Rest der Amtsdauer in dieses Amt nachrücken.
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Die Evangelisch-Lutherische Freikirche (in Sachsen und anderen Staaten)
Artikel IX:
Regionaltreffen
Es erscheint sinnvoll, die Konferenz in fünf Weltregionen einzuteilen: Nordamerika, Südamerika, Asien, Europa und Afrika. Zwischen den Zusammenkünften der Vollversammlung können Mitgliedskirchen in diesen Regionen zusammenkommen, um Berichte über die Vollversammlungen entgegenzunehmen und Angelegenheiten von allgemeinem Interesse und Wichtigkeit zu beraten. Artikel X:
Vorbereitungsausschuss
1. Der Vorbereitungsausschuss besteht aus dem Präsidenten, dem Vizepräsidenten, dem Sekretär und zwei Vertretern, die von der Vollversammlung gewählt werden. Diese beiden Vertreter dienen im Höchstfall zwei Dreijahresperioden. 2. Der Vorbereitungsausschuss stellt das Programm auf und trifft alle nötigen Vorbereitungen für die Vollversammlung der Konferenz. Er soll Informtionen verbreiten über die Zusammenkünfte und die Arbeit der Konferenz. Er soll sooft wie nötig zusammenkommen, um diese und andere ihm zugewiesene Pflichten auszuführen. Artikel XI:
Kosten
1. Jede Mitgliedskirche trägt selbst die Kosten für ihre Delgierten bei den Zusammenkünften der Konferenz. 2. Ein besonderer Fonds soll eingerichtet werden, zu dem die Mitgliedkirchen der KELK gebeten werden beizusteuern. Mitgliedskirchen, die Hilfe benötigen, um die Auslagen der Delegierten zu bezahlen, können beim Vorbereitungsausschuss Unterstützung aus dem KELK-Fonds beantragen. Die Kosten für den Vorbereitungsausschuss werden ebenfalls aus diesem Fonds bezahlt. Der Fonds wird vom Vorbereitungsausschuss verwaltet durch eine Person, die er dafür bestimmt mit einer Amtszeit von drei Jahren [Kassierer]. Bei diesem Amt ist [unbeschränkte] Wiederwahl möglich. Die Verwaltung des KELK-Fonds durch den Vorbereitungsausschuss ist durch die Vollversammlung zu bestätigen. Artikel XII:
Zusätze
Zusätze zu dieser Verfassung können bei jedem Treffen der Konferenz mit einer Mehrheit von zwei Dritteln der stimmberechtigten Delegierten angenommen werden, sofern sie allen Mitgliedskirchen ein Jahr vor dem Treffen durch das Planungskomitee bekannt gemacht worden sind. (Beschlossen durch die 1. KELK-Vollversammlung in Oberwesel 1993)
Verfassung der Konfessionellen Evangelisch-Lutherischen Konferenz
1. Zusatz:
293
Theologische Kommission der KELK (1996)
1.1
Es wird eine Theologische Kommission, die aus fünf Mitgliedern besteht, eingerichtet. Die Mitglieder dieser Kommission sollen vom Planungskomitee ernannt werden, mit anschließender Bestätigung durch die Vollversammlung. Eine Amtsperiode soll sechs Jahre dauern. Am Anfang sind drei Mitglieder für sechs Jahre und weitere drei Mitglieder für drei Jahre zu berufen. Die Ernennung der Mitglieder gilt maximal für zwei Amtsperioden. Der Präsident der Konferenz (KELK) soll von amtswegen Mitglied der Kommission sein. 1.2 Die Kommission soll Stellungnahmen zu den theologischen Themen vorbereiten, die bei der letzten Vollversammlung behandelt wurden. Diese Erklärungen sollen durch die Vollversammlung der KELK angenommen werden. (Beschlossen durch die 2. KELK-Vollversammlung in Puerto Rico 1996) 2. Zusatz:
Richtlinie für die Aufnahme von Kirchen in die KELK
A.
Vollmitgliedschaft
1.
Voraussetzungen
a) Die betreffenden Kirchen sollten: – Mitgliedsgemeinden und ausgebildete, einheimische Pastoren haben, um das Evangelium auszubreiten – eine Organisationsstruktur besitzen, z.B. Synodalbeamte, Verfassung usw. – eine offiziell angenommene Lehrerklärung besitzen, – eine arbeitende Lehrkommission haben, – einen kirchlichen Haushalt und ein nachweisliches Finanzaufkommen haben. b) Von den entsprechenden Kirchenkörpern, die um Mitgliedschaft ersuchen, ist zu erwarten, daß sie mindestens mit einer der KELK-Kirchen in formaler Kirchengemeinschaft stehen, bevor sie ihren Aufnahmeantrag stellen. 2.
Verfahren
In Verbindung mit dem Antrag auf Mitgliedschaft sollte die entsprechende Kirche vor ihrem formalen Antrag: – ermuntert werden, an einer KELK-Versammlung als eingeladener Gast/Beobachter teilzunehmen; – ihren Antrag durch zwei Mitgliedskirchen unterstützen zu lassen; – ihre Kirchenverfassung und Lehrdokument(e) mindestens ein Jahr vor der Vollversammlung, bei der über ihre KELK-Mitgliedschaft entschieden wer-
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Die Evangelisch-Lutherische Freikirche (in Sachsen und anderen Staaten)
den soll, an das KELK-Planungskomitee bzw. die Theologische Kommission der KELK einreichen. B.
Assoziierte Mitgliedschaft
1.
Voraussetzungen
Die entsprechende Kirche sollte: – in Lehrgemeinschaft mit einer Kirche der KELK sein; – an der Entwicklung einer engeren organisatorischen Beziehung zur KELK interessiert sein. 2.
Verfahren
Eine Kirche, die eine assoziierte Mitgliedschaft in der KELK anstrebt, sollte diesen Wunsch und Bitte durch einen Brief an den KELK-Präsidenten bekannt machen. C.
Rechte und Privilegien
1. Stimmrecht und die Übernahme von Ämtern bleiben auf Vollmitglieder beschränkt. 2. Assoziierte Mitglieder haben das Recht, an allen Sitzungen teilzunehmen und Präsentationen zu liefern (serve as presenters). D.
Verantwortlichkeit
Vollmitglieder sollen durch finanzielle Unterstützung in angemessener Höhe zu den laufenden Aktivitäten der KELK beitragen. (Beschlossen durch die 5. KELK-Vollversammlung in Tokio-Narita 2005) 3. Zusatz:
Verfahren zur Schlichtung von Streitigkeiten zwischen KELKKirchen (2008)
Für den Fall, dass Streitigkeiten zwischen Mitgliedskirchen der KELK auftreten sollten, die nicht gelöst werden können und deshalb das Band der Kirchengemeinschaft zwischen diesen Kirchen bedrohen, ist folgendes Verfahren anzuwenden: 1. Sind die Kirchen nicht in der Lage, die Schwierigkeiten selbst zu beseitigen, soll der KELK-Präsident zu Rate gezogen und um Hilfe bei der Schlichtung des Streites gebeten werden. Bei einem solchen Vorgehen behalten die Kirchen ihren unabhängigen, selbstverwaltenden Status. Sie sind aber bereit, im Bemü-
Verfassung der Konfessionellen Evangelisch-Lutherischen Konferenz
295
hen um Lösung ihres Problems das Urteil der KELK-Leitung zu suchen und sich diesem zu unterwerfen. 2. Wenn der KELK-Präsident nicht in der Lage ist, selbst eine Lösung des Streites herbeizuführen, soll er vier weitere Persönlichkeiten aus der Theologischen Kommission oder dem Planungskomitee hinzuziehen. Dieses Fünf-MitgliederKomitee soll die Sache weiter untersuchen, beraten und den Streit zu lösen suchen. 3. Wenn die Streitsache trotzdem ungelöst bleibt, sollte das ernannte Komitee der nächsten Vollversammlung einen Handlungsvorschlag unterbreiten. Der Vorschlag des Komitees muss den Mitgliedskirchen der KELK mindestens drei Monate vor dieser Vollversammlung mitgeteilt werden. Die Entscheidung der tagenden Vollversammlung stellt für KELK-Mitgliedskirchen die endgültige Lösung der Sache dar. (Beschlossen durch die 6. Vollversammlung in Kiew 2008) 4. Nachtrag:
THETA-Kommission für theologische Weiterbildung (2008)
Es wird beschlossen: 1. Dass die KELK eine Kommission einsetzt, welche Bemühungen unternimmt 66 und verstärkt, eine theologische Ausbildung auf postgradualem Niveau für gegenwärtige und künftige Seminar-Lehrer bereitzustellen; 2. Dass diese Kommission den Namen THETA tragen soll (THeological Education – Transfers und Augmentation = Theologische Ausbildung – Austausch und Wachstum); 67 3. Dass diese Kommission aus fünf Mitgliedern bestehen soll, die vom KELKPräsidenten ernannt werden; 4. Dass diese Kommission autorisiert wird, festzustellen: a) welche Studienkurse derzeit auf dem postgradualen Niveau an KELKSeminaren verfügbar sind; b) was fehlt, was nötig ist oder gewünscht wird; c) wie erreicht werden kann, was nötig ist; d) wie die Kosten sind und welche Fonds genutzt werden könnten; e) wie die weltweite theologische Ausbildung in der KELK bekannt gemacht und koordiniert werden kann;
66 Postgradual = über den ersten Studienabschluss hinausgehend 67 Als Mitglieder der Kommission wurden in Kiew 2008 berufen: Prof. Kenneth Cherney/Mequon (USA), Prof. David Haeuser/Lima (Peru), Rektor John Vogt/Ternopil (Ukraine), Prof. John Lawrenz/Hong Kong (China) und Prof. Salimo Hachibamba/Lusaka (Sambia) * Verfassung der Evangelisch-Lutherischen Freikirche, hg. im Auftrag der Evangelisch-Lutherischen Freikirche, Zwickau 22008, 1–15.
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Die Evangelisch-Lutherische Freikirche (in Sachsen und anderen Staaten)
5. Dass diese Kommission Schwesterkirchen dabei helfen soll, Wege für die nötige Ausbildung ihrer Dozenten/Professoren zu finden; 6. Dass diese Kommission autorisiert wird, versuchsweise neue Kurse und Dienste anzubieten; 7. Dass diese Kurse für alle Pastoren zum Zweck der Weiterbildung und beruflichen Vervollkommnung offen sein sollen; 8. Dass diese Kommission autorisiert wird, nach den nötigen finanziellen Mitteln aus KELK-Fonds oder durch Sponsoren von außerhalb zu suchen; 9. Dass diese Kommission jeder KELK-Vollversammlung einen Bericht vorlegen soll, einschließlich des finanziellen Budgets; 10. Dass die KELK-Mitgliedskirchen ermuntert werden, die von dieser Kommission angebotenen Hilfen anzunehmen und von dem Gebrauch zu machen, was für sie nützlich ist. (Beschlossen durch die 6. KELK-Vollversammlung in Kiew 2008)
105. Überarbeitete Verfassung der Evangelisch-Lutherischen Freikirche (2006)* Vorwort Bei dieser Verfassung sind vor allem zwei Grundsätze maßgebend gewesen: – Erstens, dass alle Gemeinden und Pastoren an sich gleichgestellt sind und dass daher keine Gemeinde der anderen und kein Pastor dem anderen vorgesetzt oder untergeordnet ist. – Zweitens, dass dennoch alle Gemeinden „fleißig sein sollen zu halten die Einigkeit im Geist durch das Band des Friedens“ (Eph 4,3). Dazu eignet sich besonders eine Vereinigung bekenntnistreuer Gemeinden zu einem größeren Verband und eine geordnete Aufsicht über die einzelnen. Dabei ist festzuhalten, dass eine solche Verfassung nicht von Gott geboten ist, so dass sich die Gemeinden ihr um des Gewissens willen zu unterwerfen hätten, sondern dass es sich um eine gute christliche Ordnung handelt, welche die Gemeinden um der Liebe und des Friedens willen freiwillig einhalten. Gott, der Vater aller Barmherzigkeit, gebe uns durch Jesus Christus, seinen lieben Sohn, den Geist der Einigkeit und der Kraft, seinen Willen zu tun!
*
Verfassung der Evangelisch-Lutherischen Freikirche, hg. im Auftrag der Evangelisch-Lutherischen Freikirche, Zwickau 22008, 1–15.
Überarbeitete Verfassung der Evangelisch-Lutherischen Freikirche (2006)
Artikel I:
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Name der Kirche
§1 1. Die unter dieser Verfassung zusammengeschlossenen Kirchgemeinden und Personen bilden eine Religionsgesellschaft im Sinne des Artikels 140 des Grundgesetzes der Bundesrepublik Deutschland. 2. Sie führt den Namen „Evangelisch-Lutherische Freikirche“. 3. Der Sitz der Evangelisch-Lutherischen Freikirche ist Berlin. Sie ist beim Amtsgericht in Berlin als Verein eingetragen. Artikel II:
Bekenntnis der Kirche
§2 1. Die Kirche bekennt sich mit allen bekenntnistreuen evangelisch-lutherischen Kirchen zu der Heiligen Schrift Alten und Neuen Testaments als dem irrtumslosen Wort Gottes und der einzigen Regel und Richtschnur des Glaubens und Lebens und zu sämtlichen Bekenntnisschriften der evangelisch-lutherischen Kirche als der reinen unverfälschten Erklärung und Darlegung des göttlichen Wortes. Diese Bekenntnisschriften, die sich im Christlichen Konkordienbuch vom Jahre 1580 gesammelt finden, sind folgende: – die drei Hauptbekenntnisse: das Apostolische, das Nizänische und das Athanasianische, – die ungeänderte Augsburgische Konfession, – deren Apologie, – die Schmalkaldischen Artikel, – die beiden Katechismen Luthers, – die Konkordienformel. 2. Nach diesen Bekenntnissen sollen, weil sie mit Gottes Wort übereinstimmen, nicht nur die Lehre in der Kirche geführt und geprüft, sondern auch alle etwa vorfallenden Glaubens- und Lehrstreitigkeiten beurteilt und entschieden werden. Es dürfen daher in Gottesdienst und Unterweisung der Kirche nur solche Bücher verwendet werden, die der Heiligen Schrift und den Bekenntnissen der evangelisch-lutherischen Kirche entsprechen. 3. Die Kirche verwirft jede Lehrvielfalt (Pluralismus, Unionismus), jede Kirchenund Glaubensvermischung, jede Kirchen-, Abendmahls- und Kanzelgemeinschaft mit Falschlehrenden und solchen, die obengenannte Bekenntnisschriften zwar äußerlich anerkennen, aber in Lehre und Praxis davon abweichen, sowie die Teilnahme an Gottesdiensten und Missionsarbeit falschlehrender und unionistischer Gemeinschaften.
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Artikel III:
Rechte und Aufgaben der Kirche
§3 1. Die Kirche ist den ihr angeschlossenen Gemeinden gegenüber keine gesetzgebende, sondern eine beratende Körperschaft. Sie erkennt das Recht der einzelnen Gemeinden an, sich nach und mit Gottes Wort selbst zu regieren. Jede Gemeinde ist danach befugt: a) Synodalbeschlüsse, die nach ihrer Meinung dem Wort Gottes nicht gemäß sind, zu verwerfen, b) andere Synodalbeschlüsse, die ihr etwas auferlegen, was für ihre Verhältnisse nicht geeignet ist, unberücksichtigt zu lassen. Sie ist in beiden Fällen gehalten, spätestens innerhalb von drei Monaten nach Veröffentlichung des betreffenden Beschlusses dem Präses unter Angabe ihrer Gründe Mitteilung von ihrer abweichenden Stellung zu machen. 2. Handelt es sich dabei um Gottes Wort, Lehre und Bekenntnis (Fall a), so hat nach § 4, 1 die Kirche die Pflicht, alles zu tun, um durch brüderliche Verhandlungen, die eine Gemeinde nach Gottes Wort nicht ablehnen darf, die Einigkeit im Geist zwischen Kirche und Gemeinde aufrechtzuerhalten oder wiederherzustellen. §4 Die Kirche hat folgende Rechte und Aufgaben: 1. Sie überwacht die Reinheit und Einheit der Lehre bei ihren Gemeinden und wahrt deren Rechte. 2. Sie beaufsichtigt das geistliche und kirchliche Leben der Gemeinden (vgl. AF III, 5, [1], [5] und [6]). 3. Sie erteilt Gutachten und Ratschläge und schlichtet etwa vorfallende Streitigkeiten in den Gemeinden, wenn es von den beteiligten Parteien begehrt wird (vgl. AF III 5 A, 4 und III, 5 B, 2). 4. Sie sorgt für die Ausbildung und Prüfung der Studenten und Vikare (AF IX, 19). 5. Sie entscheidet über die Schrift- und Bekenntnistreue sowie Lehrtüchtigkeit in den Dienst der Kirche tretender Vikare, Pastoren und Dozenten und sorgt für deren Ordination bzw. Einführung (vgl. AF IX, 20). 6. Sie führt die Aufsicht über Lehre und Leben der Pastoren, Dozenten und sonstigen Mitarbeiter der Kirche und wahrt deren Rechte. 7. Sie trägt Sorge für die Errichtung und Erhaltung lutherischer Schulen, für die christliche Unterweisung der Kinder und Konfirmanden (vgl. AF III, 5 B, 4 b) sowie für die Arbeit mit der konfirmierten Jugend (vgl. AF VIII, 18).
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8. Sie regelt im Einverständnis mit den Gemeinden die Versorgung der Pastoren und Dozenten, die in den Ruhestand treten, und ihrer Witwen und Waisen (Ruhegehaltsordnung). 9. Sie fördert nach Kräften die Ausbreitung des Evangeliums in unserem Land und in der Welt. 10. Zu diesem Zweck unterstützt sie die Verbreitung der Bibel sowie lutherischer Bücher und Zeitschriften. 11. Sie pflegt glaubensbrüderliche Beziehungen zu bekenntnistreuen lutherischen Kirchen in aller Welt und schließt kirchliche Verträge mit ihnen. 12. Sie vertritt und wahrt das gemeinsame Bekenntnis und die Rechte der Kirche gegenüber anderen Kirchen und gegenüber dem Staat. §5 Die Kirche hat das Recht, unter ihrem Namen Eigentum zu erwerben und zu verwalten. Artikel IV:
Mitglieder der Kirche
§6 1. Mitglieder der Kirche können werden: alle Kirchgemeinden, Pastoren und Dozenten, die dem Bekenntnis (s. Art. II) zustimmen und diese Verfassung anerkennen (vgl. AF I,1). 2. Stimmberechtigte Mitglieder sind die Gemeinden. Jede Gemeinde hat zwei Stimmen, von denen eine der Pastor wahrnimmt, die andere das Gemeindeglied, das sie zur Kirchensynode entsendet (vgl. AF I, 3, 1–5). 3. Alle übrigen Mitglieder sind beratende Mitglieder. 4. Über die Mitglieder ist ein Verzeichnis zu führen. §7 Wer in die Kirche aufgenommen werden will, hat beim Präses ein schriftliches Aufnahmegesuch einzureichen; dabei haben Gemeinden ihre Gemeindeordnung, Pastoren ihre Zeugnisse beizufügen. Pastoren aus Kirchen, die mit der EvangelischLutherischen Freikirche nicht in Kanzel- und Abendmahlsgemeinschaft stehen, müssen sich einem Kolloquium unterziehen (vgl. AF IX, 20). Über die Aufnahme entscheidet die Kirchensynode (vgl. AF I, 1).
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Die Evangelisch-Lutherische Freikirche (in Sachsen und anderen Staaten)
§8 1. Alle Mitglieder der Kirche verpflichten sich durch Annahme dieser Verfassung, alles zu tun, um den gewählten Vertretern und Beauftragten der Kirche die Durchführung ihrer Rechte und Pflichten möglich zu machen. 2. Insbesondere übernehmen die Gemeinden die Pflicht, durch freiwillige Beiträge der Kirche die Durchführung ihrer Aufgaben zu ermöglichen. §9 Mitglieder, die aus der Kirche austreten wollen, haben dies dem Präses schriftlich mitzuteilen. Bei Gemeinden muss dieser Mitteilung der Nachweis über einen ordnungsgemäß gefassten Gemeindebeschluss beigefügt werden. Die brüderliche Liebe erfordert es, dass die Austretenden vor ihrem Austritt Vertretern der Kirche Gelegenheit geben, die Gründe des Austritts mit ihnen zu besprechen. Dabei ist zu klären, ob es sich bei dem Austritt zugleich um eine Aufhebung der Glaubensgemeinschaft handelt. § 10 1. Die Kirche muss Mitglieder ausschließen, die in der Lehre, im kirchlichen Handeln oder im Lebenswandel dem Bekenntnis (s. Art. II) beharrlich widersprechen (vgl. AF I, 2). 2. Der Ausschluss kann nur durch die Kirchensynode vollzogen werden. Bis ein Beschluss der Kirchensynode zustande gekommen ist, kann in dringenden Notfällen der Synodalrat einem solchen Mitglied den Gebrauch der Mitgliedsrechte bis zum Zusammentritt der Kirchensynode entziehen (= Suspension; vgl. AF I, 2, 1). § 11 Mitglieder, die austreten, ausgeschlossen werden oder sonst ihre Verbindung mit der Kirche lösen, verlieren alle Rechte innerhalb der Kirche und allen Anspruch an deren Eigentum und Vermögen (vgl. AF VII, 17, 4f). Artikel V:
Kirchensynode
§ 12 1. Die Kirchensynode ist die Versammlung der Mitglieder der Kirche (vgl. AF I, 3).
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2. Jede Gemeinde ist berechtigt und verpflichtet, ihren Pastor und ein von ihr bevollmächtigtes Gemeindeglied zur Synode zu entsenden. Ein Pastor, der mehrere Gemeinden versorgt, hat nur eine Stimme. Haben in die Kirche aufgenommene Gemeinden, die einen Pfarrbezirk bilden, mehrere Glieder als Vertreter zur Kirchensynode entsandt, so haben diese zwar das Rederecht, aber das Stimmrecht steht nur einem von ihnen zu (vgl. AF I, 3). 3. Die beratenden Mitglieder und die Mitglieder des Synodalrates sind ebenfalls berechtigt und verpflichtet, der Kirchensynode beizuwohnen und an ihren Beratungen teilzunehmen. Sie haben aber als solche kein Stimmrecht. § 13 Die Kirchensynode allein bestimmt über die innere und äußere Verwaltung der Rechte und Aufgaben, die der Kirche von den Gemeinden übertragen sind. Sie wählt die Vertreter der Kirche und legt deren Befugnisse und Aufgaben fest. Die gewählten Vertreter sind der Kirchensynode für ihre Amtsführung verantwortlich. Gegen ihre Entscheidung kann jederzeit an die Kirchensynode Berufung eingelegt werden. § 14 1. Ordentliche Kirchensynoden finden alle 2 Jahre statt. 2. Außerordentliche Kirchensynoden können in besonderen Fällen vom Synodalrat einberufen werden. Sie müssen einberufen werden, wenn ein Drittel aller Gemeinden beim Präses den Antrag stellt. § 15 1. Ort und Zeit einer ordentlichen Kirchensynode werden entweder von der Kirchensynode selbst oder vom Synodalrat festgelegt. 2. Die Einberufung aller Kirchensynoden ist den Gemeinden wenigstens vier Monate vor ihrem Zusammentritt durch den Präses schriftlich bekanntzugeben. Wenigstens vier Wochen vor der Kirchensynode ist deren Tagesordnung den Mitgliedern der Kirche schriftlich mitzuteilen (vgl. Geschäftsordnung für Synoden, § 10). 3. Den Vorsitz der Kirchensynode führt der Präses. Der Synodalrat benennt aus seinen Reihen einen stellvertretenden Vorsitzenden und einen Schriftführer für das Präsidium der Kirchensynode. Einer von beiden sollte möglichst Gemeindeglied sein. Über die Verhandlungen und Beschlüsse der Kirchensynode ist vom Schriftführer eine Niederschrift anzufertigen, die nach der Annahme durch die Kirchensynode vom Vorsitzenden und vom Schriftführer unterzeich-
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net und im Archiv der Kirche aufbewahrt wird (vgl. Geschäftsordnung für Synoden, § 4 und § 32). § 16 1. Bei Kirchensynoden entscheidet in Sachen der Lehre und des Gewissens allein Gottes Wort und das Bekenntnis der Kirche. Alle Beschlüsse, die gegen Gottes Wort und das Bekenntnis verstoßen, sind null und nichtig. Alle anderen Entscheidungen erfolgen mit einfacher Mehrheit der anwesenden Stimmberechtigten, soweit diese Verfassung nicht etwas anderes vorschreibt. Bei Stimmengleichheit gibt der Vorsitzende den Ausschlag. 2. Eine Kirchensynode ist nicht beschlussfähig, wenn nicht mindestens zwei Drittel der Stimmberechtigten anwesend sind. Ist eine Kirchensynode nicht beschlussfähig, so ist es die nächste verfassungsmäßig einberufene auf jeden Fall, wenn in der Einladung darauf hingewiesen worden ist. Artikel VI:
Gewählte Vertreter und Beauftragte
§ 17 Gewählte Vertreter und Beauftragte der Kirche sind: der Präses, die Mitglieder des Synodalrates und die von der Kirchensynode gewählten Vorsitzenden der Ausschüsse. A.
Präses
§ 18 Der Präses wird von der Kirchensynode aus den zur Kirche gehörenden Pastoren auf vier Jahre gewählt. § 19 1. Der Präses hat vor allen Dingen darüber zu wachen, dass die Einigkeit in Lehre und Praxis der ganzen Kirche erhalten und gefördert wird. 2. Der Präses führt die Aufsicht über sämtliche Angestellten und gewählten Vertreter der Kirche (vgl. AF III, 5 (3)). 3. Er ist der Vorsitzende des Synodalrates und der Kirchensynode. Er hat das Recht, allen Sitzungen der Ausschüsse beizuwohnen, doch ohne Stimmrecht.
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§ 20 Ist der Präses verhindert, sein Amt wahrzunehmen oder wird sein Amt frei, so tritt sein Stellvertreter für ihn ein. B.
Synodalrat
§ 21 1. Der Synodalrat besteht aus dem Präses, zwei der Kirche angehörenden amtierenden Pastoren sowie zwei Gemeindegliedern (vgl. AF III, 6; VI, 16). 2. Die Kirchensynode ist berechtigt, bei Veränderung der Aufgaben die Gliederzahl und Zusammensetzung des Synodalrates mit einfacher Stimmenmehrheit zu ändern. 3. Die Amtsdauer der Glieder des Synodalrates beträgt vier Jahre. Bei eintretenden Vakanzen hat der Synodalrat das Recht, sich bis zur nächsten Kirchensynode zu ergänzen. § 22 Der Synodalrat wählt zu Beginn seiner Amtstätigkeit je eines seiner Mitglieder zum Schriftführer und zum Finanzleiter. Durch Geschäftsordnung kann eine weitere Aufgabenteilung vorgenommen werden (vgl. AF III, 7–9). § 23 1. Der Synodalrat führt die Verwaltung der Kirche nach den von der Kirchensynode aufgestellten Richtlinien (vgl. AF III, 6–9). 2. Er vertritt die Kirche gerichtlich und außergerichtlich. Zur Abgabe einer Willenserklärung genügt die Unterschrift zweier Mitglieder. Nach außen wird die Kirche durch den Präses und ein weiteres Glied des Synodalrates repräsentiert. C.
Ausschüsse
§ 24 1. Zur Unterstützung und Entlastung von Kirchensynode und Synodalrat bestehen innerhalb der Kirche als ständige Einrichtungen folgende Ausschüsse: 1. Theologische Kommission, 2. Ausschuss für die Beaufsichtigung und Verwaltung des Lutherischen Theologischen Seminars (= Kuratorium, vgl. AF IX, 19), 3. Ausschuss für Recht und Verfassung (vgl. AF XI, 22),
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4. 5. 6. 7. 8.
2. 3. 4.
5.
Aufsichtsrat der Concordia-Buchhandlung, Ausschuss für Veröffentlichungen (vgl. AF X, 21), Ausschuss für Evangelisation und Öffentlichkeitsarbeit (vgl. AF XII, 23), Ausschuss für Jugendarbeit (vgl. AF VIII, 18), Amt für Kirchenmusik (vgl. AF XIII, 24) 9.Ausschuss für Schulen (vgl. AF VIII, 18a) 10. Finanzbeirat (vgl. AF III,9) 11. Amt für Senioren (vgl. AF VII,18b) Zur Prüfung ihrer Kassen wählt die Kirchensynode wenigstens zwei Kassenprüfer (vgl. AF III, 10). Die Synode kann durch einfachen Mehrheitsbeschluss weitere Ausschüsse einsetzen und aufheben. Die Ausschüsse bestehen jeweils aus dem von der Kirchensynode für vier Jahre gewählten Vorsitzenden und mindestens zwei weiteren Mitgliedern. Diese weiteren Mitglieder werden vom Synodalrat im Einvernehmen mit dem betreffenden Vorsitzenden ernannt. Ihre Amtszeit beträgt ebenfalls vier Jahre. Über Geldmittel können die Ausschüsse nur insoweit verfügen, als sie ihnen von der Kirchensynode oder dem Synodalrat zur Verfügung gestellt werden.
D.
Pastoralkonferenzen (vgl. AF IV, 13)
§ 25 Die Pastoren sollen zur Besprechung in Sachen der Lehre und Praxis Pastoralkonferenzen halten. Diese sind für Verwaltungsangelegenheiten nicht zuständig. Artikel VII:
Einteilung der Kirche
§§ 26 bis 35 entfallen Artikel VIII:
Auflösung
§ 36 1. Die Evangelisch-Lutherische Freikirche kann nicht aufgelöst werden, solange noch wenigstens drei ihrer Gemeinden an dem Bekenntnis (Art. II) festhalten. Wird diese Zahl nicht erreicht, so haben die übrigbleibenden beiden Gemeinden das Recht, den Synodalverband aufzulösen und über dessen Eigentum und Vermögen zu bestimmen. Bei der Auflösung der Evangelisch-Lutherischen Freikirche oder beim Wegfall ihrer bisherigen Zwecke ist ihr Vermögen, soweit
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die Steuergesetze keine Beschränkung vorsehen, für gemeinnützige Zwecke zu verwenden. Beschlüsse über die Verwendung des Vermögens bei einer Auflösung der Evangelisch-Lutherischen Freikirche, sowie Beschlüsse über Satzungsänderungen, die die Zwecke der Evangelisch-Lutherischen Freikirche betreffen, sind vor dem Inkrafttreten dem zuständigen Finanzamt mitzuteilen. 2. Bei Spaltungen und Streitigkeiten gilt derjenige Teil als die EvangelischLutherische Freikirche, der bei dem Bekenntnis bleibt, wie es in Artikel II (§ 2, 1–3) dieser Verfassung festgelegt ist. Artikel IX:
Schluss- und Übergangsbestimmungen
§ 37 1. Änderungen dieser Verfassung mit Ausnahme des Artikel II können nur von der Kirchensynode beschlossen werden, wenn sie mit der Tagesordnung im Wortlaut bekanntgemacht worden sind und zwei Drittel sämtlicher stimmberechtigten Mitglieder für die Änderung stimmen. Sind auf einer Kirchensynode nicht zwei Drittel sämtlicher stimmberechtigten Mitglieder vertreten, so kann auf einer innerhalb von drei Monaten einberufenen Kirchensynode die Änderung mit einer Mehrheit von zwei Dritteln der auf dieser Synode vertretenen Mitglieder beschlossen werden. Die Einberufung dieser Kirchensynode muss ebenfalls schriftlich mit einer Frist von vier Wochen unter Angabe der Tagesordnung und des Änderungsvorschlages und unter dem Hinweis auf die Folgen des Nichterscheinens geschehen. 2. Ausführungsbestimmungen zu dieser Verfassung können mit einfacher Stimmenmehrheit beschlossen werden. § 38 Die Kirchensynode ist berechtigt, abweichend von dieser Verfassung mit einfacher Stimmenmehrheit die nötigen Anordnungen zu treffen, damit die Bestimmungen dieser Verfassung erstmalig gleichzeitig mit ihrem Inkrafttreten durchgeführt werden können. § 39 Diese Verfassung tritt in Kraft, sobald auf der Synode 1927 festgestellt worden ist, dass drei Viertel der Gemeinden ihr zugestimmt haben; gleichzeitig tritt die alte Verfassung außer Kraft, doch führen die alten Beamten die Geschäfte bis zum Schluss der Synode 1927. Die Evangelisch-Lutherische Freikirche
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(Neufassung verabschiedet durch die ELFK-Synode in Schönfeld am 9.6.2006; unter Zugrundelegung der Verfassung von 1927 bzw. 1990 erarbeitet)
V.
Die Renitente Kirche ungeänderter Augsburger Konfession
Gilberto da Silva Einführung Das Fürstentum der Landgrafschaft Hessen-Kassel entstand 1567 nach dem Tod des aus der Reformationsgeschichte bekannten Landgrafen Philipp I. (des Großmütigen), als die von ihm regierte Landgrafschaft Hessen nach den altertümlichen Erbregeln des Hauses Hessen auf seine vier Söhne aufgeteilt wurde. Ab 1803 erhielt Hessen-Kassel die Kurwürde mit der Bezeichnung Kurfürstentum Hessen, kurz Kurhessen oder auch Niederhessen. Im Zuge der „Revolution“ von 1848/49 wurden in Kurhessen Reformen eingeführt, die eine größere Religionsfreiheit und Ablösung des engen Bandes zwischen Staat und Kirche als Ziel hatten. Bereits diese Reformen brachten die Kritik einiger kurhessischer Geistlicher, die angesichts der veränderten politischen Lage auch für Strukturreformen in der Landeskirche plädierten, da die Kirche ihrer Meinung nach von einem nichtchristlichen oder gar gottlosen Staat – so die Bewertung der Demokratie – nicht mehr regiert werden kann. Somit spielte die Frage nach dem seit der Reformation für die Landeskirchen charakteristischen landesherrlichen Kirchenregiment eine wichtige Rolle.
August Friedrich Christian Vilmar, *1800, †1868, Theologe, Gymnasiallehrer in Marburg 1827–1833, Gymnasialdirektor in Marburg 1833–1850, Staatsrat im Ministerium Hassenpflug (Kultus- und Justizminister im Kurfürstentum Hessen-Kassel) 1850/51, Vertreter des Generalsuperintendenten 1850–1855, nach seiner Wahl zum Generalsuperintendenten 1855 vom Kurfürsten nicht bestätigt, Professor in Marburg 1855–1868.
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Die Renitente Kirche ungeänderter Augsburger Konfession
Die Auseinandersetzungen jedoch, die mit der Entstehung selbstständiger evangelisch-lutherischer Gemeinden in Kurhessen in engem Zusammenhang stehen, sind mit der Persönlichkeit und Wirksamkeit von August Friedrich Christian Vilmar (1800–1868) verbunden. Geboren in Solz bei Bebra, trat A. Vilmar anfangs akademisch mit ersten Untersuchungen und Veröffentlichungen zur griechischen und altsächsischen Syntax hervor. Der frühe A. Vilmar betätigte sich politisch durchaus liberal. Jedoch unter dem Eindruck der Ereignisse von 1848 und der hessischen Religionsgesetzgebung gründete er die Zeitung „Hessischer Volksfreund“, die eine restaurativ-konservative politische Programmatik vertrat und dezidiert antirevolutionär war. Für die Kirche bzw. theologisch betonte sie das kirchlich-prophetische Wächteramt, das auf die Wahrung der göttlichen Weltordnung vor den Gefahren von Revolutionen zu drängen habe. Dabei wurde von A. Vilmar die Lehre vom geistlichen Amt stark hervorgehoben, denn eben nur dieses Amt habe das Mandat, die Kirche zu regieren. Die Geschichte der Landeskirchen unter dem Zeichen des landesherrlichen Kirchenregiments sah er als eine Usurpation der Kirchenregierung von Seiten der weltlichen Reichsstände. A. Vilmar betrachtete das geistliche Amt der Kirche nach Schrift und Bekenntnis nicht etwa als ein „machtloses Redeamt“, sondern als ein „Hirtenamt“, indem er ihm einen wesentlich führenden, regierenden, normgebenden Charakter zusprach. Das ministerium ecclesiasticum habe kraft seiner göttlichen Einsetzung zu der Gemeinde zu reden. Der Mandatsträger erhalte sein Mandat ausschließlich von Christus selbst, könne also wie nur in seinem Auftrag, so auch nur in seinem Namen alle Funktionen des Amtes ausführen. In diesem Sinne hätten im Unterschied zu den so genannten Laien die Pfarrer ein besonderes Mandat vom Herrn bekommen. Berühmt sind A. Vilmars Worte: „Wenn ich das Wort Synode höre, ist mir, als wenn der Teufel an mir vorüberstiege.“ Die Amtslehre A. Vilmars prägte in der weiteren geschichtlichen Entwicklung die selbstständige evangelisch-lutherische Kirchenbildung in Kurhessen (Dok. 106). Unter der Führung A. Vilmars wurde 1849 eine Konferenz in Jesberg einberufen, die auf Verfassungsänderungen drängte und die Übertragung der Kirchengewalt auf die Geistlichen sowie die Zurückdrängung des Laientums in Fragen der Kirchenzucht und Gemeindeleitung forderte. Damit verbunden war die Forderung, die Ausübung der Kirchengewalt in Kurhessen von der Staatsregierung auf die „Superintendenten und Inspektoren“ zu übertragen (Dok. 107). Kurfürst Friedrich Wilhelm I. (*1802, 1847–1866, †1875) verfolgte beim Abklang der Revolution 1849 zunächst die Absicht, A. Vilmar als Innenminister zu berufen, doch nahm er wegen dessen kirchenpolitisch-ekklesiologischer Einstellung Abstand davon. 1850 bewarb sich A. Vilmar um die Kasseler Pfarrstelle St. Martin, musste aber nach dem heftigen Widerstand der Gemeinde seine Kandidatur zurücknehmen. Ein Jahr später wurde er Ministerialreferent für geistliche und Schulfragen. Schließlich ernannte der Kurfürst ihn 1855 zum Professor in Marburg.
Einführung
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Jakob Wilhelm Georg Vilmar, *1804, †1884, Pfarrer in Rotenburg a. d. Fulda seit 1830, Pfarrer und Metropolitan in Melsungen seit 1851, führender Vertreter der hessischen Renitenz seit 1866/1873, (endgültige) Suspension 1873, Pfarrer der renitenten Gemeinde in Melsungen seit 1873, Ausbildung von Proseminaristen zum Theologiestudium in Mendota/Illinois für die (deutsche) lutherische Iowa-Synode in Nordamerika seit 1870, nach seinem Tod fortgeführt bis 1912.
Die ekklesiologischen Auseinandersetzungen traten jedoch in eine neue, vertiefte Phase mit der Annexion Kurhessens durch Preußen 1866 ein. Damit gewann die Unionsbewegung in der nun preußischen Provinz Hessen-Nassau (1868) mit der Idee einer „deutschen evangelischen Nationalkirche“ an Aufschwung. Die Implikationen und Schwierigkeiten des bevorstehenden Bekenntniskampfes wurden bald von A. Vilmar vorausgesehen (Dok. 108). In diese Phase der selbstständigen evangelisch-lutherischen Kirchenbildung in Kurhessen tritt die Persönlichkeit und Wirksamkeit des jüngeren Bruders A. Vilmars, Jakob Wilhelm Georg Vilmar (1804–1884), ein. Wilhelm Vilmar, wie er bekannt war, studierte Theologie in Marburg und war ab 1830 Pfarrer in Rotenburg a. d. Fulda; 1851 trat er die Stelle des Pfarrers und Metropolitans in Melsungen an. Im Jahr 1862 gründete W. Vilmar die Niederhessische Pastoralkonferenz, die die Problematik von Jesberg wieder aufnahm. Interessant dabei ist die darin entwickelte Geschichtsvorstellung, die den Anbruch einer neuen Epoche der Kirche mit der „Erfahrung“ des „Königtums Jesu Christi“ annahm. Nach der preußischen Annexion plante man die Umbildung des Kirchenregiments in der Provinz Hessen-Nassau im Sinne des Presbyterial- und Synodalsystems nach dem Muster der rheinisch-westfälischen Kirchenverfassung. Das führte zur Opposition von Seiten der Gruppe um W. Vilmar (Dok. 109), in der der ungeklärte Bekenntnisstand der niederhessischen Kirche besondere Achtung fand (Dok. 110). W. Vilmar betrachtete Preußen wegen seiner Verfassung als einen „religionslosen Staat“ und sprach dem preußischen König das Recht ab, summus episcopus der niederhessischen Kirche angesichts seiner Zugehörigkeit zu einer
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Die Renitente Kirche ungeänderter Augsburger Konfession
fremden (reformierten) Konfession zu sein. Die Regierung reagierte mit der Versetzung W. Vilmars von Melsungen nach Sand, der allerdings an den König appellierte und bald zurück nach Melsungen kommen konnte. Die geplante Presbyterialverfassung und die Zusammenlegung der Konsistorien Kassel, Marburg und Hanau unter unierter Prägung (Dok. 111–113) scheiterten später (1871) an der aus finanziellen Gesichtspunkten begründeten Ablehnung des preußischen Abgeordnetenhauses, waren aber Gegenstand heftigen Protestes von Seiten W. Vilmars (Dok. 114). Das führte zu seiner Amtssuspendierung und zur Einleitung von Strafverfahren wegen unerlaubter Abhaltung von Bibelstunden und Konfirmandenunterricht. Als dann doch 1873 die Konsistorien zusammengelegt wurden, protestierten dagegen etwa 45 Pfarrer im Juli desselben Jahres mittels einer Eingabe (Dok. 115) an den seit 1871 herrschenden deutschen Kaiser („Juliprotest“, die grundlegende Urkunde der hessischen „Renitenz“), unter ihnen die Metropolitane Hoffmann (Felsberg), Hartwig (Waldkappel) und W. Vilmar (Melsungen). Die Regierung antwortete mit Suspensionen und Amtsenthebungen, wobei W. Vilmar endgültig des Amtes enthoben wurde (Dok. 116). Die Betroffenen erkannten in der „Offenen Erklärung“ (Dok. 117) die Strafen wegen der „kirchlichen Unzuständigkeit der Behörde“ aber nicht an, denn ihrer Auffassung nach dürfe nur das geistliche Amt in der Kirche regieren. Im Gefolge dieser Auseinandersetzung bildeten sich Ende 1873 in Melsungen und anderen Teilen Niederhessens so genannte „renitente“ Gemeinden, die zu ihren Pfarrern hielten und die Union ablehnten. Die antiunionistische Opposition spaltete sich aber gleich im Jahr 1874 in „Melsunger Konvent“ (unter der Leitung W. Vilmars) und „Homberger Konvent“ (unter der Leitung des Metropolitans Friedrich Wilhelm Hoffmann, 1803–1889). Es ging dabei um die Beibehaltung in der sich nun formierenden selbstständigen Kirche der so genannten „mauritianischen“ oder „hessischen Verbesserungspunkte“, die 1607 von Landgraf Moritz (dem Gelehrten, *1572, 1592–1627, †1632), nachdem er 1605 zum Calvinismus übertrat, in die hessische Kirche eingeführt worden waren. Die „Verbesserungspunkte“ verfügten, dass a) es gelehrt werden sollte, dass Christus, und nicht seine Menschheit, überall ist; b) die Zehn Gebote korrekt aufgezählt werden sollten (das zweite Gebot als Bilderverbot); c) das Brot bei der Abendmahlseinsetzung gebrochen werden sollte. Auslöser des Streits war ein Vorstoß hannoverscher Geistlicher (s. Kap. VII), die eine deutliche Verwerfung der „Verbesserungspunkte“ von Seiten der Renitenz verlangten. Während die Mehrheit unter W. Vilmar (Melsungen) an den „Verbesserungspunkten“ festhielt (Dok. 118), trennte sich die Minderheit unter Hoffmann (Homberg) von W. Vilmar, bildete einen eigenen kirchlichen Zusammenschluss 1877 (Dok. 119) und gab die „Verbesserungspunkte“ teilweise auf (Dok. 120). Ein Jahr später verband sich der so genannte „Homberger Konvent“ der Renitenten Kirche ungeänderter Augsburger Konfession mit der im benachbarten Hessen-
Einführung
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Darmstadt entstandenen selbstständigen evangelisch-lutherischen Kirche; 1889 erfolgte die Vereinigung beider Kirchen zur „Selbständigen evangelischlutherischen Kirche in den hessischen Landen“ (s. Kap. VI). Im Jahr 1880 kam es zu einem weiteren Konflikt innerhalb des „Melsunger Konvents“ mit der Abspaltung des „Sander Konvents“, diesmal um die Frage von Organisation und Kirchenregiment, in der die teilweise Ablehnung des umstrittenen Führungsstils W. Vilmars eine wichtige Rolle spielte. Diese beiden Konvente vereinigten sich aber 1907 wieder. Die so wiedervereinigte „Renitente Kirche ungeänderter Augsburger Konfession“ bildete im Jahr 1910 eine Konföderation mit der „Selbständigen evangelisch-lutherischen Kirche in den hessischen Landen“ (in der der „Homberger Konvent“ seit 1889 bereits integriert war); im Jahr 1924 kam es zu einer Konföderation mit der „Hannoverschen evangelisch-lutherischen Freikirche“. Nach dem Zweiten Weltkrieg schließlich vereinigten sich die selbstständigen Kirchenbildungen in Baden, Hessen und Hannover zur (alten) „Selbständigen evangelisch-lutherischen Kirche“ (s. Kap. XII).
106. [81.] Thesen August Friedrich Christian Vilmars über die Kirche, ihr Wesen, ihre Regierung und ihre Verfassung (1861)* 1. Die Lehre von der Kirche, welche in der Augsburgischen Konfession aufgestellt wird, ist die ausschließliche Grundlage einer zukünftig auszubildenden Lehre von der Kirche innerhalb des Bereiches der lutherischen Konfession. Jene Lehre ist nicht bloß in den Artikeln 7 und 8, sondern auch in den Artikeln 11, 12, 13, 15 und 28 (II, 7) niedergelegt. Die letztgedachten fünf Artikel sind mit Hinzunahme der Artikel 5 und 14, sowie der betreffenden Ausführungen der Apologie, namentlich zu Artikel 15, unentbehrliche Ergänzungen und Erläuterungen der Artikel 7 und 8. Eine angebliche Lehre des lutherischen Bekenntnisses von der Kirche aus den 1 verschiedenen Aussprüchen Luthers zusammenzusetzen, ist unstatthaft. 2. Die Lehre der Augsburgischen Konfession von der Kirche läßt sich dahin zusammenfassen: Die Kirche ist die von dem dreieinigen Gott getroffene Anordnung der steten unveränderten Anwesenheit (der lebendigen Gegenwart) des Heiligen Geistes unter den Menschen auf Erden und der durch diese Anwesenheit vermittelten lebendigen Gegenwart Christi des Herrn, sowie der Mitteilung des Heiligen Geistes und Christi an die Menschen mittels des Wortes und Sakraments. Subjektiv ausgedrückt, ist die Kirche diejenige menschliche Gemeinschaft, in welcher diese Anordnung Gottes sich verwirklicht. – Alle Taten Gottes zur Seligkeit der Menschen (Berufung, Buße, Rechtfertigung, Heiligung) werden nur von der Kirche und in der Kirche bewirkt.
1
*
„Zu dieser These wurde auf der letzten Konferenz (am 11. Oktober 1860), deren Verhandlungen sich über die sechs ersten Thesen verbreiteten, folgender Zusatz angenommen: „Die Lehre von der Kirche nach lutherischem Lehrbegriff kann nicht ausgehen von den Privatschriften lutherischer Gottesgelehrter, auch nicht von denen Luthers, sondern nur von den Bekenntnissen dieser Kirche. Allerdings nur so, daß ihre Aufstellungen stets an dem Worte Gottes zu prüfen und zu bewähren sind. Auch muß eine solche Lehrdarstellung in erster Linie ausgehen von der Augsburgischen Konfession und deren Apologie, in welchen beiden die Anschauungen der Träger der deutschen Reformation über die Kirche am ursprünglichsten, reinsten, schriftgemäßesten und durch anderweite Einflüsse noch nicht getrübt, niedergelegt sind, während in den Schmalkaldischen Artikeln durch die fortdauernde Feindschaft der Bischöfe und des römischen Stuhls eine nicht unwesentlich veränderte Anschauung sich geltend zu machen beginnt.“ Wilhelm Hopf, August Vilmar. Ein Lebens- und Zeitbild 2, Marburg 1913, 374–379.
Thesen August Friedrich Christian Vilmars über die Kirche
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3. Die Lehre der Augsburgischen Konfession von der Kirche ist mithin auch die, daß die sichtbare Kirche die wahre Kirche auf Erden sei. 4. Die Lehre der Augsburgischen Konfession von der Kirche widerspricht folglich der Annahme 1. als werde die Kirche durch die Mitglieder derselben (die menschliche Gemeinschaft) und deren Beschaffenheit (Glaube, Heiligung) zur Existenz gebracht; 2. als seien die Getauften, aber noch nicht oder nicht mehr Gläubigen nur äußerlich mit der Kirche verbunden (eine sogen. ‚kirchliche Masse’). 5. Die Lehre der Augsburgischen Konfession von der Kirche ist nach § 2 weiter auch die, daß die Kirche ein vollständig selbständiges, von der Einwirkung der Welt geschiedenes Institut sei (vergl. auch den Prolog und Epilog der Augsburgischen Konfession). 6. Die Realisierung jener Anordnung Gottes (§ 2), daß das Seligkeitsgut (die Gegenwart des Heiligen Geistes und Christi) allen kommenden Geschlechtern genau in derselben Weise zu Teil werden soll wie den ersten Christen, ist nach der schriftmäßigen Lehre der Augsburgischen Konfession unbedingt gebunden an das direkt göttliche Institut des geistlichen Amtes. 7. Nach der schriftmäßigen Lehre der Augsburgischen Konfession (Art. 14 und 28) ist somit das geistliche Amt der ausschließliche Regierer der Kirche als einer Gemeinschaft. 8. Die Lehre der Augsburgischen Konfession von der Kirche widerspricht folglich der Annahme 1. eines dreifachen, zur Kirchenregierung angeblich von Gott bestimmten Standes, eines triplex ordo hierarchicus (ecclesiasticus, politicus, oeconomicus);
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Die Renitente Kirche ungeänderter Augsburger Konfession
2. eines Territorialsystems, eines Kollegialsystems, einer Vermengung der kirchlichen Gewalt mit der weltlichen Gewalt, einer irgendwie eintretenden Regierung der Kirche durch eine nichtgeistliche Gewalt. Als eine grundstürzende Irrlehre muß nach der Schrift und nach der Lehre der Augsburgischen Konfession verworfen werden die Lehre von einem Aufgehen der Kirche im ‚Staate’. 9. Das geistliche Amt als das die unveränderte Erhaltung des Seligkeitsgutes bewirkende göttliche Organ ist (abgesehen von den grundlegenden Ämtern der Apostel, Propheten und Evangelisten) nur eins: das der Hirten (= Lehrer, Presbyter, Episkopen), der Pastorat. Hierzu kommt 1. kraft apostolischer Autorität und Überlieferung das Amt der Oberhirten (Bischöfe), welches Amt von der Augsburgischen Konfession nicht nur nicht verworfen, sondern ausdrücklich anerkannt ist; und 2. gleichfalls kraft apostolischer Autorität das Amt der Armenpflege, der Diakonat. Letzteres Amt ist jedoch wesentlich von dem Pastorat verschieden, indem dasselbe durch Wahl der Gemeinde, unter nachfolgender Bestätigung durch den Pastorat, zustande kommt. 10. Die Funktion des Pastorats, als des Regierers der Kirche in ihrer Qualität einer Gemeinschaft, besteht nach der Lehre der Augsburgischen Konfession 1. In der öffentlichen Verkündigung des göttlichen Wortes; 2. In der Entscheidung über die Reinheit der Lehre; 3. In der Administration der Sakramente; 4. In der Handhabung der Schlüsselgewalt, mithin in der unbeschränkten Handhabung der Kirchenzucht, sowohl hinsichtlich der Heterodidaskalie wie der ethischen Unwürdigkeit in Beziehung auf das Sakrament, mittels des kleinen und großen Bannes. Eingeschlossen ist hierbei die Bestimmung über die Erfordernisse und die Abschließung einer christlichen Ehe. 5. In der Bestimmung der Mittel zu rechter Wortverkündigung und Sakramentsadministration; – die Einrichtung des Gottesdienstes, die Unterweisung der Jugend im christlichen Glauben, die Erziehung künftiger Hirten, sowie die Disziplin über die Träger des Amtes selbst, endlich die Armenpflege unterliegt ausschließlich der Bestimmung des geistlichen Amtes; 6. In der Entscheidung über die Zulassung der betreffenden Individuen zum geistlichen Amte, in der Ordination der Zugelassenen und in der Bestellung der Pas-
Thesen August Friedrich Christian Vilmars über die Kirche
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toren zu dem Amt an einer einzelnen Gemeinde, sowie in der Einsetzung der Pastoren in dieses Amt; 7. In der ausschließlichen, allgemeinen und besonderen Verwaltung des Kirchenvermögens. 11. Die definitive Entscheidung über die Reinheit der Lehre übt der Pastorat aus durch Synoden. Die Synoden müssen unter Zuziehung einer angemessenen Anzahl von nichtgeistlichen Kirchengliedern, welche jedoch nur beratende Stimme haben, abgehalten werden. 12. Den großen Bann, die Bestimmung der Mittel zu rechter Wortverkündigung und Sakramentsadministration etc. (§ 10, 5), die Entscheidung über die Zulassung zum geistlichen Amt etc. (§ 10, 6) und die allgemeine Verwaltung des Kirchengutes übt der Pastorat aus durch das Bischofsamt. 13. Der Oberhirte (Bischof) wird durch die Wahl der sämtlichen Pastoren der Diözese zu seinem Amte bestimmt. Für die Ausübung der im § 12 genannten Funktionen, mit Ausnahme der Ordination und der Einsetzung der Pastoren in ihr Amt, umgibt er sich mit einem Konsistorium, dessen Mitglieder teils von dem Bischof ernannt, teils durch Kooptation, teils durch die Wahl der Diözesangeistlichkeit bestimmt werden, und welchem im allgemeinen beratende, hinsichtlich des großen Bannes, der Zulassung zum geistlichen Amt (Prüfung), der Amtsentsetzung und der Vermögensverwaltung entscheidende Stimme zukommt. Eine Konsistorialverfasssung, in welcher die Konsistorien als ‚Staatsbehörden’ erscheinen, ein administratives Übergewicht nichtgeistlicher Mitglieder, und überhaupt eine Vermengung der geistlichen Gewalt mit der weltlichen Gewalt (§ 8, 2) eintritt, widerspricht der Lehre der Augsburgischen Konfession von der Regierung der Kirche. 14. Die Kirchenzucht im Besonderen übt jeder Pastor unter Beihülfe von Kirchensenioren aus, welche teilweise von dem Pfarrer ernannt, teilweise durch Kooptation bestimmt werden; die Verwaltung des Kirchenvermögens im Besonderen übt er aus unter Beihülfe von Kirchenvorständen (Baumeistern, Juraten), welche aus der
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Wahl der betreffenden Gemeinde hervorgehen und der Bestätigung des Pastorats unterliegen; die Armenpflege endlich unter Beihülfe des Diakonats (§ 9, 2). Die Lehre von einem doppelten Presbyterat, einem lehrenden (Pfarrer) und nicht lehrenden (Kirchenältesten), wie dieselbe in der calvinistischen Kirche aufgestellt worden ist, widerspricht der Lehre der Schrift und der Augsburgischen Konfession. 15. Zwischenbehörden zwischen dem Bischof und den Pastoren (Superintendenten, Dekane, Adjunkten) sind zulässig, aber nicht notwendig. 16. Der Kirchenpatronat steht nicht im Widerspruch mit der Lehre der Augsburgischen Konfession, und ebenso ist es zulässig, diejenigen Gemeinden, welchen kein Patronatsrecht zusteht, vor der Bestellung eines Pfarrers über die Person des zu Bestellenden zu befragen und zu hören.
107. [82.] Anträge der Jesberger Konferenz auf Aufhebung des landesherrlichen Summepiskopats (1849)* Die Versammlung möge aussprechen, daß 1. in Erwägung des wahren Wohles der Kirche und des Staates der landesherrliche Episkopat, d. h. die unmittelbare Ausübung der landesherrlichen Kirchengewalt über die evangelischen Kirchenparteien, mit den erlassenen Gesetzen (vom 29. Oktober v.J. und des Artikels V der Grundrechte des deutschen Volkes) fernerhin nicht mehr vereinbar sei, daß 2. also die betreffenden Worte des § 134 der kurhessischen Verfassungsurkunde vom 5. Januar 1831 („unmittelbare Ausübung der Kirchengewalt“ etc.) nach Maßgabe dieses Antrages abgeändert werden, daß 3. die landesherrliche Kirchengewalt an die Superintendenten und Inspektoren, als die berufenen Vertreter der hessischen Geistlichkeit, übertragen werden möge, und daß 4. die Ausführung dieses Antrags in dem oben erwähnten Memoriale an den Landesherrn, an das Ministerium des Innern und an die Landstände angebahnt werden möge. Se. Königl. Hoheit unser allergnädigster Landesherr und Kurfürst wolle geruhen, im Einverständnisse mit der hohen Ständeversammlung allergnädigst zu beschlie*
Wilhelm Hopf, August Vilmar. Ein Lebens- und Zeitbild 2, Marburg 1913, 71–73.
Aus einem Brief August Friedrich Christian Vilmars
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ßen, wie folgt: 1. der § 132 sowie der § 134 der Verfassungsurkunde sind infolge des Religionsgesetzes vom 29. Oktober 1848 und des Reichsgesetzes vom 27. Dezember 1848 über die deutschen Grundrechte als weggefallen zu betrachten; 2. die in denselben erwähnte unmittelbare und mittelbare Ausübung der Kirchengewalt über die evangelischen Glaubensparteien geht einstweilen auf die gegenwärtigen in Kurhessen im Amte stehenden evangelischen Superintendenten und Inspektoren in der Art über, daß jeder Einzelne die Kirchengewalt zunächst in dem ihm zur Verwaltung überwiesenen Bezirke ausübt, alle insgesamt aber sie in der evangelischen Gesamtkirche des Landes als solcher ausüben; 3. die erwähnten Superintendenten und Inspektoren sind aber verpflichtet, nach den über die Berufung der Synoden in Althessen seither bestandenen Grundsätzen zunächst jeder in seinem Bezirke eine Diözesansynode zur Vorberatung sowie zur Wahl von Abgeordneten auf die Landessynode, demnächst alle insgesamt eine solche Landessynode zu berufen, auf welcher die Ausübung der Kirchengewalt definitiv geordnet und zugleich diejenigen Männer erwählt werden, welche zum Behufe der weiteren Auseinandersetzung der evangelischen Kirche des Landes mit dem Staate namens der ersteren die erforderlichen Verhandlungen mit der Staatsregierung zu führen haben; 4. bis zur erfolgten Übertragung der Ausübung der Kirchengewalt an die Superintendenten und Inspektoren hat die Staatsregierung sich jedes wichtigeren Aktes der Kirchenregierung, insbesondere der Besetzung der höheren Kirchenämter, zu enthalten; 5. mit der Zurückgabe der Ausübung der Kirchengewalt an die Superintendenten und Inspektoren erlischt von selbst der den landesherrlichen Konsistorien verliehene Auftrag.
108. [83.] Aus einem Brief August Friedrich Christian Vilmars an Jakob Wilhelm Georg Vilmar über den Bekenntnisstand der niederhessischen Kirche vom 21.5.1867* ... Es ist ja freilich für uns Niederhessen keine andere Möglichkeit, uns aus den preußischen Fluten zu retten, als uns aus aller Macht an die vorhandenen niederhessischen Kirchenordnungen anzuklammern. Ob es etwas helfen wird, ist eine andere Frage. Denn eben unter diesen Kirchenordnungen ist das dümmste sog. Reformiertentum, wirklich: der krasseste bekenntnislose Unionismus, nicht allein vorhanden gewesen, sondern als Recht proklamiert worden. Darauf brauchen die Preußen sich nur zu berufen, um dem, was faktisch bestanden hat und leider vom *
Wilhelm Hopf, August Vilmar. Ein Lebens- und Zeitbild 2, Marburg 1913, 433.
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Kurfürsten nur zu stark begünstigt worden ist, nur ein wenig nachzuhelfen, d.h. durch neue Normen auch ein formelles Recht zu gewähren. Die ‚Evangelischen Blätter’ der Herren Ebert, Heppe e tutti quanti triumphieren schon. Ich habe gleich nach der preußischen Okkupation gefürchtet und fürchte täglich mehr, daß jetzt erst die vollen Konsequenzen der Moritzschen Kirchenumwühlung sich entwickeln werden; die niederhessische Kirche ist zu einer Insel gemacht worden, ähnlich wie damals, um dieselbe Zeit, die Kirche in den Fürstentümern Anhalts, welche ja in der neueren Zeit den breitesten Boden für einen gänzlich dummen Unionismus gebildet hat. Solche rein auf sich selbst gestellte territoriale und dazu kleine Kirchenkörper besitzen stärkeren Organismen und vollends dem Strom der Zerstörung gegenüber keine Widerstandskraft. Aber gekämpft muß werden, so lange es überhaupt noch möglich ist, und wäre der Kampf voraussichtlich auch ein hoffnungsloser Kampf ...
109. [84.] Petition der Geistlichen des Konsistorialbezirks Kassel um Aufrechterhaltung der Kirchenordnung von 1657, vom 12.7.1867* Durchlauchtigster, Großmächtigster, Allergnädigster König und Herr! Die Geistlichen des Consistorialbezirks Cassel bitten alleruntertänigst, die Aufrechterhaltung ihrer in Frage gestellten Kirchenordnung von 1657 betreffend. Es gehört zu den schwersten Nöten, welche eine Gemeinschaft erleiden kann, wenn das Recht, auf welchem ihre Existenz ruht, in Frage gestellt wird, und ihrer Glieder sich die Besorgnis bemächtigt, daß dies Recht gebrochen werden könne. In eine solche Not sieht sich gegenwärtig die Kirchengemeinschaft des Consistorialbezirks Cassel durch die Verhandlungen versetzt, welche Zwecks Einführung der Rheinisch-Westfälischen Presbyterial- und Synodalordnung in diese Gemeinschaft Seitens des Königl. Cultusministeriums eröffnet worden sind. Die Rheinisch-Westfälische Presbyterial- und Synodalordnung, welche aus den Principien der Helvetischen Confession hervorgegangen ist und nur den Bekennern dieser Confession genügen kann, steht mit den Principien unserer, für die Bekenner der Augsburgischen Confession erlassenen, Kirchenordnung in so schneidendem Gegensatz, daß diese durch die Einführung jener Ordnung in unsere Kirchengemeinschaft bis in ihre tieffsten Fundamente erschüttert und umgekehrt werden müßte. Auf unserer Kirchenordnung von 1657, deren Grundzüge bis in die ersten Anfänge der Hessischen Kirchengemeinschaft zur Zeit der Reformation zurückreichen, und in welcher mittelst treuer Ausrichtung des oberbischöflichen Amtes, also *
Eduard Rudolf Grebe, Geschichte der hessischen Renitenz, Cassel 1905, 66–68.
Petition der Geistlichen des Konsistorialbezirks Kassel
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im Namen Jesu Christi, des Herrn der Kirche, alle vor 1657 hervorgetretene kirchliche Gestaltungen ihren rechtlichen, bis zur Feststellung eines neuen ökumenischen Bekenntnisses endgültigen Abschluß erhalten haben, ruht alles Recht unserer Kirchengemeinschaft und seit der Reformationszeit unsere gesamte, nie abgebrochene kirchliche Entwickelung. Die Einführung der mehrgedachten Presbyterial- und Synodalordnung in unsere Kirchengemeinschaft würde daher unter allen Umständen diese schwer beschädigen. Würde sie gewaltsam vollzogen, so würde sie all unser, seit 210 Jahren unverletzt erhaltenes, kirchliches Recht brechen, über uns Geistliche, die wir auf die Kirchenordnung von 1657 eidlich verpflichtet sind, große Gewissensnot und Glaubensverfolgung bringen, und den Kern unseres Volkes, welcher an unserer Kirchenordnung mit Treue hängt, bis ins innerste Leben verletzen. Sollte aber die Annahme oder Ablehnung jener Ordnung dem Ermessen der Gemeinden oder der einzelnen Glieder derselben anheim gestellt werden, dann würde diese Maßnahme bei dem Abfall vieler Glieder unserer Kirchengemeinschaft vom Glauben der Väter Spaltungen in derselben, Zerwürfnisse über das Recht auf das kirchliche Vermögen und Verwirrung vieler Schwachen in ihrem Glauben zur Folge haben. Zu den schweren Besorgnissen wegen der uns in Aussicht gestellten Vernichtung unserer Kirchenordnung und des darauf ruhenden Rechts kommt noch hinzu, daß schon jetzt durch das Verbleiben eines zur unierten Kirchengemeinschaft übergetretenen Mitgliedes des Königl. Consistoriums zu Cassel in seinem bisherigen Amte die ausschließliche Gültigkeit unseres Bekenntnisses bedroht wird, indem nur hierdurch die Mißachtung des kirchlichen Grundsatzes „daß in einer Kirchengemeinschaft nur Glieder dieser und nicht einer fremden Kirchengemeinschaft kirchliche Ämter bekleiden können“, und das Übersehen der Folgen sich erklären läßt, daß durch ein solches Verfahren Mißtrauen erweckt und die Autorität der kirchlichen Behörden geschwächt wird. In dieser Not wenden wir uns an Ew. Majestät mit der frohen Zuversicht, daß Allerhöchst dieselben eben so, wie unser Erlauchtes angestammtes Fürstenhaus es 210 Jahre lang getan hat, unser kirchliches Recht schützen und uns dieselbe Allerhöchste Gnade gewähren werden, welche Ew. Majestät durch den Allerhöchsten Erlaß vom 8. December 1866 der Hannöverschen Lutherischen Kirchengemeinschaft gewährt haben. Demzufolge richten wir an Ew. Majestät, durch unser vom Herrn Jesu Christo uns anvertrautes Amt dazu genötigt, die alleruntertänigste Bitte, in Allergnädigster Erwägung, daß für die Aufrechterhaltung unserer Kirchenordnung von 1657 und für die ausschließliche Gültigkeit unseres Bekenntnisses in unserem Bereiche uns das höchste Recht auf Erden zur Seite steht, wollen Ew. Majestät uns die Integrität dieser unserer Kirchenordnung mit allen Bestimmungen derselben über Cultus, Verwaltung und Regierung Allergnädigst erhalten, uns insbesondere vor der Einführung der diese Ordnung und ihr Recht vernichtenden Rheinisch-Westfälischen Presbyterial- und Synodalordnung und vor den, von dieser
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Einführung unzertrennlichen schweren inneren und äußeren Drangsalen Allergnädigst bewahren, so wie auch den alten kirchlichen Grundsatz, daß in einer Kirchengemeinschaft nicht Glieder einer andern Kirchengemeinschaft Ämter bekleiden können, Allergnädigst in Geltung erhalten, und darüber zu unserer und unserer Gemeinden Beruhigung Allergnädigste Zusage an uns erlassen.
Die wir in allertiefster Ehrfurcht ersterben Ew. Majestät alleruntertänigste Diener. Guntershausen, am 12. Juli 1867.
110. [85.] Deklaration über den Bekenntnisstand der niederhessischen Kirche (1867)* In der bei Th. Kay zu Cassel 1867 erschienen Schrift des Herrn Vorstandes der Diöcese Cassel: „Einige Worte der Erwiderung auf die Schrift des Professors Dr. Vilmar: ‚Die Gegenwart und die Zukunft der niederhessischen Kirche’, zunächst für die Geistlichen der Diöcese Cassel bestimmt“ sind, neben den persönliche Abwehr bezweckenden Ausführungen, Hinweisungen auf den Bekenntnisstand der niederhessischen Kirche enthalten, welche es uns zur Beseitigung jeder Unklarheit in der das Bekenntnis unserer Kirche betreffenden Frage, sowie zur Förderung des richtigen Verständnisses dessen, was in derselben kirchlich Rechtens ist, angezeigt erscheinen lassen, die wichtigsten, das Bekenntnis unserer Kirche entscheidenden Momente, zu welchen wir uns selbst in voller und inniger Überzeugung bekennen, öffentlich hervorzuheben. Wir sind nicht Willens, die Existenz des von dem Herrn Verfasser in den Vordergrund gestellten Synodalabschiedes von 1607 und der demselben beigefügten Declaration in Abrede zu stellen, dürfen aber mit entschiedenem Nachdruck geltend machen, daß der Abschied selbst es ausdrücklich ausspricht, nichts an dem Bekenntnisse ändern zu wollen und daß er sich auf die Conformität mit dem Worte Gottes und der Augustana beruft. Diese nebst ihrer Apologie ist neben dem Apostolicum, Nicaenum, Athanasianum, Ephesinum Chalcedonense das Fundament der niederhessischen Kirche. Auf diese Bekenntnisse allein sind wir ordiniert, verpflichtet und in unser Amt eingesetzt, und es ist uns in der Kirchenordnung von 1657, deren Continuität mit den ältern Kirchenordnungen von 1566 und 1573 durch das landesherrliche Einführungs-Mandat ausdrücklich und mit klaren Worten ausgesprochen ist, eine authentische Interpretation nicht blos des in der Consistorial-Ordnung von 1616 erwähnten Abschieds, sondern überhaupt alles dessen, was in der niederhessischen Kirche Bekenntnisrecht und Pflicht ist, in die Hand *
Eduard Rudolf Grebe, Geschichte der hessischen Renitenz, Cassel 1905, 80–83.
Deklaration über den Bekenntnisstand der niederhessischen Kirche
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gegeben. Wir haben „nach jenen Bekenntnissen die ganze Lehre christlicher Religion rein und unverfälscht, treulich und fleißig den Gemeinden Gottes vorzutragen, nach derselben Form und Richtschnur alle unsere Predigten, Lehren, Trost, Vermahnung u. s. w. zu richten und anzustellen und uns hiervon durch keine Gunst der Menschen, keine Furcht und Gefahr abwenden oder abschrecken zu lassen (Cap. XVI.)“, also unsern Gemeinden die ganze volle Wahrheit der Augustana, lauteres Wort und reines Sacrament unverkümmert und unverkürzt zu bieten und mit Darangabe aller subjectiven Anschauungen in Übereinstimmung mit der Kirchenordnung (Cap. IV., VIII., X. und XI.) zu lernen: 1. Von der Taufe, „daß sie das erste Sacrament ist, in welchem der Herr Christus uns von allen Sünden abwaschen, neu gebären, ihm selbst einverleiben, mit sich selbst bekleiden, den heiligen guten Geist geben und mitteilen, uns zu Kindern und Erben des ewigen Lebens machen will, welches alles uns wahrhaftig überreicht und mitgeteilt wird, wenn wir im Namen des Vaters, Sohnes und heiligen Geistes getauft und also von Sünden gereinigt, des alten Adams entledigt, in den Tod Christi begraben, mit ihm zur Gerechtigkeit und in das wahre göttliche Leben auferweckt und in das himmlische Wesen versetzt und erhöht werden.“ Dieser reinen Lehre von der Taufe entsprechend, haben wir die getauften Kinder mit den Worten zu segnen: „Der allmächtige Gott und Vater unseres Herrn Jesu Christi, der dich wiedergeboren hat durch das Wasser und den heiligen Geist und hat dir in Christo Jesu alle deine Sünde vergeben, der salbe und stärke dich mit seinen heilsamen Gnaden zum Leben, Amen.“ 2. Von dem heiligen Abendmahl haben wir nach der erwähnten Kirchenordnung zu bezeugen, „daß uns der Herr Christus in demselben laut seiner eignen Verheißung speiset und tränket mit seinem eignen Leibe und Blute;“ haben, im entschiedenen Widerspruche mit der Declaration von 1607, „die Communicanten vor dem Mißbrauche des Sacraments, daraus zeitlicher und ewiger Jammer folgt, unter Dräuung göttlichen Zorns ernstlich zu warnen, damit nicht beide, wir die Verwalter des Sacraments und die Empfänger desselben, am Leibe und Blute des Herrn uns vergreifen und schuldig machen und uns selbst das Gericht essen und trinken;“ haben dieselben in der Beichte zu fragen, „ob sie glauben, daß sie im heiligen Abendmahle mit dem gekreuzigten Leibe und vergossenen Blute des Herrn Jesu Christi gespeiset und getränkt werden;“ haben ihnen am Altar sodann „erstlich das gesegnete Brod, welches ist der Leib des Herrn, darnach den gesegneten Kelch, welcher ist das wahre Blut des Herrn“, darzureichen, und bei der Distribution der Elemente uns der Worte zu bedienen: „Nehmet hin und esset, das ist der Leib des Herrn Jesu Christi, der für euch gegeben ist; nehmet hin und trinket, dieser Kelch ist das neue Testament in dem Blute des Herrn Jesu Christi, welches für euch und für viele vergossen ist zur Vegebung der Sünden.“ 3. Wir sind mit dem Amte der Schlüssel betraut, durch welches der Herr Christus die Macht zu binden und zu lösen in die Hände seiner Diener legt, und wir ha-
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ben auf Grund der erwähnten Kirchenordnung dieses Amt also auszurichten, „daß wir den Unbußfertigen und Ungläubigen die Sünden behalten, die Bußfertigen und Gläubigen aber im Namen des Herrn Jesu Christi, auf seinen Befehl und in Kraft seiner Worte, da er spricht: „welchen ihr die Sünden erlasset, denen sind sie erlassen, welchen ihr sie behaltet, denen sind sie behalten“, als ordentliche berufene Diener der Gemeinde Jesu Christi von allen ihren Sünden frei, ledig und loszusprechen, daß sie ihnen allzumal sollen vergeben sein so reichlich und vollkommen, als Jesus Christus dasselbe durch sein Leiden und Sterben verdienet und durch sein Evangelium aller Welt zu verkündigen befohlen hat.“ Jene klaren Bekenntnisse, auf welche wir in den feierlichsten Stunden unseres Lebens „vor Gottes und seiner heiligen Engel Angesicht“ verpflichtet worden sind, und der denselben conforme Inhalt unserer Kirchenordnungen, deren ausnahmslose Gültigkeit niemand bestreiten kann, geben uns das Recht wie die Pflicht, für lauteres und reines Sacrament, wie es der deutsche Reformator Dr. M. Luther an das Licht gezogen hat, als heilige Güter unserer niederhessischen Kirche einzustehen und uns gegen den Calvinismus und Kryptocalvinismus, von wem er auch geltend gemacht werden mag, feierlich zu verwahren. Und indem wir dieses hiermit tun, dürfen wir das Urteil darüber, wohin die niederhessische Kirche ihrem Bekenntnisstande nach gehört, jedem Unbefangenen getrost überlassen. Cassel, im December 1867.
111. [86.] Allerhöchster Erlass betreffend die Vereinigung der Konsistorien Kassel, Marburg und Hanau zu einem gemeinschaftlichen Konsistorium in Marburg vom 13.6.1868 * Auf ihren Bericht vom 8. v. M. genehmige Ich hierdurch, daß die zur Zeit im Regierungsbezirk Cassel bestehenden drei evangelischen Consistorien, in Cassel, Marburg und Hanau zu einem gemeinschaftlichen, der Aufsicht des Ministers der geistlichen etc. Angelegenheiten unterstellten Consistorium, welches seinen Sitz in Marburg haben und seine amtliche Tätigkeit auf alle zum Regierungsbezirk Cassel gehörigen Landesteile erstrecken soll, vereinigt werden. Bei der Zusammensetzung des Consistoriums ist auf eine Vertretung der verschiedenen Confessionen Rücksicht zu nehmen. Dasselbe hat die Aufgabe, das Recht der verschiedenen Confessionen und der in einem Teile des Landes bestehenden Union, sowie die auf dem Grunde dieses Rechts ruhenden Einrichtungen zu schützen und zu pflegen. Es beschließt in den zu seiner Entscheidung gelangenden Angelegenheiten collegialisch nach Stimmenmehrheit seiner Mitglieder. In solchen Sachen jedoch, welche das Bekenntnis unmittelbar berühren, ist die confessionelle Vorfrage lediglich nach *
Eduard Rudolf Grebe, Geschichte der hessischen Renitenz, Cassel 1905, 92f.
Allerhöchster Erlass vom 9.8.1869
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den Stimmen der Mitglieder der betreffenden Confession zu entscheiden. Das Collegium hat alsdann diese Entscheidung seinem Gesamtbeschluß zu Grunde zu legen, oder, wenn Bedenken dagegen obwalten, die Sache zu höherer Entscheidung vorzutragen. Der vorstehende Erlaß ist durch die Gesetzsammlung zu veröffentlichen, und haben Sie wegen Ausführungen desselben das Erforderliche anzuordnen. Schloß Babelsberg, den 13. Juni 1868. Wilhelm.
112. [87.] Allerhöchster Erlass vom 9.8.1869 *1 Auf Ihren Bericht vom 7. d. M. habe Ich beschlossen, für die Evangelischen Kirchengemeinden im Regierungsbezirk Kassel eine, aus Geistlichen und anderen Evangelischen Gemeindegliedern zu bildende außerordentliche Synode zu berufen, um mit derselben für jene Kirchengemeinden die Herstellung einer presbyterialsynodalen Verfassung auf der Grundlage kirchlicher Selbständigkeit in Berathung zu nehmen. Als Synodalort bestimme Ich die Stadt Marburg. Über die Zuständigkeit und Zusammensetzung der Synode werden unter Berücksichtigung der in den Hessischen Kirchen- und Presbyterial-Ordnungen gegebenen Grundlagen, die näheren Bestimmungen durch besondere Verordnung ergehen. Zum Zweck möglichster Förderung der Sache erachte Ich es für rathsam, dieselbe einer einheitlichen Leitung zu unterstellen und will Ich deshalb das derzeitige Konsistorium in Marburg mit derselben betrauen. Sie haben demgemäß diese Behörde mit näherer Instruction zu versehen und derselben aufzugeben, sich in dieser Angelegenheit mit den beiden anderen zur Zeit bestehenden Konsistorien in entsprechender Verbindung zu halten. Es ist mein Wille, daß die Synode baldmöglichst und jedenfalls noch im Laufe dieses Jahres zusammentrete. Die nähere Bestimmung des Tages überlasse ich dem Konsistorium. Der vorstehende Erlaß ist durch die Gesetzsammlung ... An den Minister der geistlichen usw. Angelegenheiten.
113. [88.] Aus der Verordnung vom 9.8.1869*2 § 1. Die Synode wird gebildet: 1. aus den 6 Superintendenten, 2. aus 24 geistlichen und 24 weltlichen Abgeordneten der zur Zeit bestehenden Diözesen und Inspekturen, 3. aus 6 von Uns zu berufenden Mitgliedern, darunter einen Pro*1 Karl Wicke, Die hessische Renitenz, ihre Geschichte und ihr Sinn, Kassel 1930, 57. *2 Karl Wicke, Die hessische Renitenz, ihre Geschichte und ihr Sinn, Kassel 1930, 57f.
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fessor der Theologie an der Universität zu Marburg und dem Ephorus der dortigen Stipendiaten-Anstalt. § 3. ... Wählbar zur Synode sind sämtliche wahlberechtigte Geistliche des Kirchenkreises, sowie die Ältesten, Kirchenvorsteher und selbständigen Mitglieder der zu demselben Bekenntnisstande gehörigen Kirchengemeinden des Konsistorialbezirks, insofern sie das 30. Lebensjahr vollendet haben. Die Wahl ist jedoch nur auf solche Personen zu richten, welche einen unsträflichen Wandel führen, ein gutes Gerücht in der Gemeinde haben und durch ihre Theilnahme am öffentlichen Gottesdienst und dem heiligen Abendmahl ihre kirchliche Gesinnung bezeugen. § 4. ... Stimmberechtigt sind alle volljährigen selbständigen Gemeindeglieder männlichen Geschlechts, welche sich im Vollbesitz der bürgerlichen Ehrenrechte befinden, zu den Bedürfnissen der Gemeinde beitragen und nicht durch lasterhaften Lebenswandel oder durch thatsächlich bekundete Verachtung der Religion oder der Kirche Anstoß erregen ... § 7. ... Bei der Wahl ist darauf bedacht zu nehmen, daß unter den geistlichen und unter den weltlichen Mitgliedern die verschiedenen Konfessionen vertreten sind ... Über die Zuständigkeit der Synode wurde folgendes bestimmt: § 9. Die Synode ist dazu berufen, zu der Herstellung einer kirchlichen Verfassung mitzuwirken, durch welche die hessische Provinzialkirche neben dem durch Unsern Erlaß vom 13. Juni 1868 (Gesetz-Sammlung 1868 pag. 583) errichteten Gesamt-Konsistorium mit den erforderlichen presbyterialen und synodalen Organen ausgestattet und durch welche sie in den Stand gesetzt wird, sich als eine einheitliche, ihre Angelegenheiten selbständig ordnende und verwaltende Provinzial-Kirchengemeinde zu bethätigen. Änderungen bisheriger kirchlichen Einrichtungen, welche über diesen nächsten Zweck hinausgehen, sind nicht Gegenstand der Berathung für die gegenwärtig zu berufende Synode, sondern werden, soweit sich hierzu ein Bedürfniß zeigt, die Aufgabe der späteren, auf Grund der festgestellten Verfassung regelmäßig zusammentretenden Provinzialsynoden bilden. Diesen Grundsätzen entsprechend werden der Synode mit Unserer Genehmigung die Entwürfe 1. einer Presbyterial- und Synodalordnung; 2. einer Verordnung über die Aufbringung der Synodalkosten; 3. eines Gesetzes, betreffend die Resortverhältnisse der kirchlichen Verwaltungsbehörden im Regierungsbezirk Cassel, zur Beratung vorgelegt werden. Die Entscheidung über die etwa in Antrag gebrachten Änderungen behalten Wir Unserer Entschließung vor.
Protest Jakob Wilhelm Georg Vilmars
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114. [89.] Protest Jakob Wilhelm Georg Vilmars gegen die Einführung der neuen Presbyterial- und Synodalordnung vom 29.9.1869* Durch Verfügung des Consistoriums zu Cassel vom 20. d.M. ist mir „der Entwurf einer Presbyterial- und Synodalordnung für die evangelischen Gemeinden der hessischen Provinzialkirche“ zugefertigt worden, um amtlich danach zu verfahren. Als Glied der niederhessischen Kirchengemeinschaft, deren Rechtsbestand auf Grund des Art. 7 des Westfälischen Friedensinstruments durch die Kirchenordnungen vom Jahre 1657 gesichert ist, und als Träger des von dem Herrn der Kirche übertragenen geistlichen Amtes ist es mir verboten, an irgend einer Handlung teilzunehmen, welche den Rechtsbestand dieser Kirchengemeinschaft erschüttert und aufhebt, wie es durch die Einführung der entworfenen Presbyterial- und Synodalordnung geschieht, und geboten, diesen Rechtsbestand, weil darin die durch die Reformation festgestellten Heilsgüter der Kirche für diese Kirchengemeinschaft völkerrechtlich garantirt sind, durch alle mir zu Gebote stehenden gesetzlichen Mittel zu schützen. Ich sehe mich deshalb außer Stande, der durch obige Verfügung an mich ergangenen Aufforderung in irgend einer Weise zu entsprechen. Wie ich nun gegen die beabsichtigte Einführung dieser Presbyterial- und Synodalordnung meinen Protest bereits vor dem Consistorium, als demjenigen Forum, welches zum Schutz des Rechtsbestandes der niederhessischen Kirchengemeinschaft auf Grund der zu Recht bestehenden Kirchenordnung vom Jahr 1657 vorhanden ist, erhoben und daselbst meine Rechtsverwahrung niedergelegt habe, mit der Bitte, dieselbe zur Kenntnis der höchsten Behörden zu bringen, erhebe ich hiermit gegen dieselben auch öffentlich vor den von Gott mir anvertrauten Gemeinden, vor sämtlichen Trägern des geistlichen Amtes in dieser unserer Kirchengemeindschaft, vor allen Gliedern derselben, welche durch diese Kirchenordnung zu einem festen Kirchenkörper verbunden sind, und zuletzt vor der gesamten Christenheit, in welcher das Faktum der Reformation als eine ewige Gottestat unbeweglich feststeht, feierlichst Protest. Melsungen, den 29. September 1869. J. W. G .Vilmar, Pfarrer der Parochie Melsungen und des Vicariats Obermelsungen und Metropolitan der Klasse.
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Eduard Rudolf Grebe, Geschichte der hessischen Renitenz, Cassel 1905, 110f.
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115. [90.] Der „Juliprotest“ (1873) * Allerdurchlauchtigster, Großmächtigster, Allergnädigster Kaiser, König und Herr! Durch die Errichtung eines, an die Stelle der bisherigen einzel-kirchlichen Konsistorien tretenden, Gesamtkonsistoriums für die drei kurhessischen Kirchen, welche durch ihre Kirchenordnungen und zum Teil auch durch ihre Bekenntnisse von einander geschieden sind, haben Ew. K. K. Majestät unsere Niederhessische Kirche so wesentlich umgestaltet, daß diese Umgestaltung der Aufhebung ihres Bestandes gleichkommt. Ew. K. K. Majestät wollen uns, den alleruntertänigst unterzeichneten Geistlichen dieser Kirche, allergnädigst gestatten, diese Tatsache nachzuweisen, und dann auf Grund der Stellung, welche uns zu derselben vom Herrn der Kirche angewiesen ist, Allerhöchstdenselben unsere alleruntertänigsten Bitten zu unterbreiten. Das innere Leben unserer Niederhessischen Kirche ist der vom heiligen Geist gewirkte Glaube, welcher in der Augsburgischen Konfession zum Ausdruck gekommen ist, und ihre äußere Gestalt, durch welche ihr Glaubensleben in die Erscheinung tritt, sich entfaltet und auf die nachfolgenden Geschlechter überträgt, ist in ihren Kirchenordnungen festgestellt, welche aus dem, in der Augsburgischen Konfession zum Ausdruck gekommen, Glauben hervorgegangen sind. Unsere Niederhessische Kirche ist somit eine organische Schöpfung unseres Herrn Jesu Christi, welcher ihr nicht blos durch den heiligen Geist ihr inneres Leben, den Glauben, sondern mittelbar durch diesen auch ihre äußere Gestalt, die Kirchenordnungen, gegeben hat, und eben deshalb hat sie auch ausschließlich den Herrn Jesum Christum zu ihrem Herrn. Weil unsere Kirche nur in diesem ihrem Glauben, der in der Augsburgischen Konfession zum Ausdruck gekommen ist, mittelst des heiligen Geistes den wesentlichen Inhalt des Wortes Gottes erkannt und denselben als den Quell ihres ewigen Lebens erfaßt hat, so ist sie auch durch ihren Glauben an das Wort Gottes, soweit sie dasselbe im Glauben erfaßt hat, und an den gebunden, der dieses Wortes Mittelpunkt ist, an den Herrn Jesum Christum, und weil die Kirchenordnungen aus diesem Glauben, oder, was dasselbe ist, aus dem in diesem Glauben erkannten Worte Gottes hervorgegangen sind und demselben entsprechen, so reicht die Gebundenheit der Kirche und ihrer Glieder oder die Regierung derselben Seitens des Herrn Jesu Christi auch durch die Kirchenordnungen hindurch, so daß das, was der Herr Jesus Christus von der Kirche zufolge des von derselben erkannten Wortes Gottes fordert, durch die Kirchenordnungen festgestellt ist. Obwohl der Herr Jesus Christus nicht sichtbar unter uns weilt, und alle sichtbaren Handlungen in unserer Kirche durch Menschen vollzogen werden, so ist doch, wie gezeigt, mittelst des Bekenntnisses und der Kirchenordnungen in derselben nur der Wille des Herrn maßgebend und jedes menschliche Belieben von derselben
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Eduard Rudolf Grebe, Geschichte der hessischen Renitenz, Cassel 1905, 206–212.
Der „Juliprotest“ (1873)
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ausgeschlossen. Und wie nun in dieser Kirche eine jede Handlung und eine jede Einrichtung als geboten oder zulässig nur dadurch legitimiert ist, daß sie von dem Bekenntnis oder von den Kirchenordnungen gefordert wird oder diesen Grundlagen der Kirche nicht widerspricht, wodurch diese allein eine Kirche Gottes ist, so hatte dies auch hinsichtlich unseres bisherigen an die Bekenntnisse unserer Kirche gebundenen Konsistoriums seine volle Geltung, weil dasselbe als eine, in allen ihren Gliedern auf der Augsburgischen Konfession stehenden kirchliche Behörde Kraft unserer Kirchenordnungen eingesetzt war, und Erhaltung und die Ausführung dieser Kirchenordnungen, welche ihr allein Autorität und Macht verliehen, zu ihrer ausschließlichen Aufgabe hatte. Das von Ew. K. K. Majestät eingesetzte Gesamtkonsistorium, welches schon durch seine Zusammensetzung aus verschiedengläubigen Gliedern unserem Bekenntnis widerspricht, ist nicht Kraft unserer Kirchenordnungen, sondern im Widerspruch zu denselben nur Kraft eines menschlichen und sogar eines außerhalb unserer Kirche stehenden menschlichen Willens eingesetzt, und kann daher, da es schon durch seine Existenz im Gegensatz zu unseren Kirchenordnungen steht, unmöglich die Aufgabe haben, diese Ordnungen unabhängig von jeder menschlichen Autorität zu erhalten und auszuführen, sondern ist unausweichlich genötigt, bei allem seinem Handeln eben nur den menschlichen, außerhalb unserer Kirche stehenden Willen, dem es sein Dasein verdankt, zu seiner höchsten Norm zu nehmen. Durch die Einsetzug des Gesamtkonsistoriums verliert somit unsere Kirche den Charakter einer Kirche Gottes, in welcher mittelst Bekenntnisses und der aus diesem hervorgegangenen Kirchenordnungen der Herr Jesus Christus allein herrscht, und wir haben folglich nicht zuviel gesagt, wenn wir diese Umgestaltung als eine Aufhebung des Bestandes unserer Kirche bezeichneten. Auch kann man nicht mit Grund zu Gunsten dieser Umgestaltung die Behauptung aufstellen, daß durch diese nur unsere Kirchenordnungen, aber nicht unser Bekenntnis und somit auch wohl der Bestand unserer Kirche berührt werde, da unsere Kirchenordnungen eben nichts Anderes sind, als unser kirchlich ausgeprägtes, in das Leben der kirchlichen Gemeinde eingeführtes und rechtlich festgestelltes Bekenntnis, sodaß mit dem Hinfall unserer Kirchenordnungen unausweichlich auch die objektive Geltung unseres Bekenntnisses hinfällig wird. Wir, die alleruntertänigst unterzeichneten Diener Jesu Christi in der Niederhessischen Kirche, die wir uns für verpflichtet halten und bereit sind, Ew. K. K. Majestät in allen Dingen zu gehorchen, welche nicht wider Gott streiten, können Allerhöchst denselben jedoch eben so wenig wie die namhaftesten Kirchenrechtslehrer das Recht zuerkennen, eine Kirche Dessen, dem alle Gewalt im Himmel und auf Erden gegeben ist, im Widerspruch mit dem Bekenntnis derselben und ihren rechtlichen Ordnungen umzugestalten, und sehen uns deshalb durch die Treue gegen diesen unsern Herrn gezwungen, dem in der angegebenen Weise zu Stande gekommenen Gesamtkonsistorium, durch welches unserer Kirche der Zusammen-
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hang mit diesem Herrn entzogen wird, die wir Ew. K. K. Majestät bereits in unserer alleruntertänigsten Eingabe von Januar d. J. aussprachen, die Anerkennung und Unterstellung zu versagen. In dieser unserer ablehnenden Stellung zum Gesamt-Konsistorium müssen wir um der heiligsten Verpflichtungen willen, welche uns als Gliedern unserer Kirche und als Dienern Gottes in dieser obliegen, unwandelbar verharren, trotz Allem, was über uns verhängt werden möchte. Indem wir dies unbeschadet der Ehrfurcht aussprechen, die wir Ew. K. K. Majestät schulden, sind wir zugleich von der zweifellosen Gewißheit erfüllt, daß uns um dieses unseres Verhaltens willen rechtlich nichts Widriges treffen kann. Damit, daß wir um Jesu willen einer, von Ew. K. K. Majestät wider unser wohlbegründetes Recht eingesetzten Behörde die Anerkennung versagen und den Gehorsam weigern müssen, machen wir uns so wenig der Widersetzlichkeit gegen berechtigtes Regiment schuldig, daß wir vielmehr durch die Anerkennung dieser Behörde und den Gehorsam gegen dieselbe eine Treulosigkeit gegen unsern höchsten Herrn begehen würden. Durch die Weihe, welche wir als Diener Jesu Christi empfingen, haben wir das Mandat von diesem Herrn überkommen, uns in seiner Kirche als Botschafter an Seiner Statt und als Haushalter seiner Geheimnisse zu erweisen, und bei der Einsetzung in unsere Ämter haben wir an Eides Statt gelobt, den Auftrag unseres Herrn gemäß dem Bekenntnis und den Kirchenordnungen auszurichten, und uns „davon durch keine Gunst der Menschen, keine Furcht noch Gefahr abwenden oder abschrecken zu lassen“. Durch die Anerkennung des Gesamtkonsistoriums würden wir statt des von Christo empfangenen Mandates ein menschliches Mandat annehmen, und damit nicht blos unser Gelübde, unser Amt nur gemäß dem Bekenntnis und den Kirchenordnungen ausrichten, geradezu brechen, sondern auch den Sohn Gottes als unseren Herrn verleugnen und von Demselben abfallen. In den Wechselfall gestellt, in der Kirche entweder Jesu Christo, dessen Diener wir sind, oder Ew. K. K. Majestät zu gehorchen, Allerhöchst welchem wir nur in weltlichen Dingen zum Gehorsam verpflichtet sind, kann es uns nicht zur Schuld angerechnet werden, wenn wir uns gemäß dem Worte Gottes: „Man muß Gott mehr gehorchen als den Menschen“, als treue Diener unseres göttlichen Herrn erweisen. Und auch dann würde hierin nichts geändert und die Pflichtmäßigkeit und Unanfechtbarkeit unseres Handelns in gleichem Grade ersichtlich sein, wenn Ew. K. K. Majestät unser angestammter Landesherr wären, und als solcher Kraft oberstbischöflichen Amtes das Gesamtkonsistorium eingesetzt hatten, da auch die Träger der höchsten kirchlichen Ämter an das Bekenntnis und die Kirchenordnungen als die Mittel, durch welche der Herr Christus die Kirche regiert, gebunden sind, und im Streitfall die Majestät Jesu Christi der Autorität aller Träger kirchlicher Ämter vorgeht. Unsere amtliche Verpflichtung, wie uns dieselbe durch unsere Ordination und die Einsetzung in unsere Ämter auferlegt worden ist, haben wir, soweit das Urteil
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darüber menschlichem Gericht zusteht, ihrem ganzen Umfange nach bisher treulich erfüllt, und wir sind willig und bereit, dieselbe in gleicher Treue auch bis an unseres Lebens Ende zu erfüllen. Deshalb glauben wir auch nach göttlicher und menschlicher Gerechtigkeit zu dem Anspruch berechtigt zu sein, daß wir in der Ausrichtung unserer amtlichen Verpflichtung und in der Übung unserer amtlichen Rechte, so, wie wir dieselben mit dem Eintritt in unsere Ämter überkommen haben, belassen, und vor jeder störenden Einwirkung geschützt werden. In der Überzeugung, nicht Gnade, sondern nur unser Recht zu beanspruchen, bitten wir daher alleruntertänigst: Ew. K. K. Majestät, welche von Gott das hohe heilige Amt empfangen haben, das Recht zu schützen, wollen allergnädigst geruhen, uns, die wir dem, von Allerhöchstderselben eingesetzten, Gesamt-Konsistorium die Anerkennung um Jesu willen versagen müssen, zur ferneren, von jener unserer Kirche fremden Behörde ungestörten Ausrichtung unserer amtlichen Verpflichtung und zur unverkürzten Übung unserer amtlichen Rechte den allerhöchsten Schutz angedeihen zu lassen.
Freilich verbergen wir uns die Schwierigkeiten nicht, welche eintreten müssen, wenn einer Seits das Gesamtkonsistorium im Namen Ew. K. K. Majestät in Tätigkeit tritt, und anderer Seits wir, unberührt durch dasselbe, unsere Ämter nach wie vor im Namen des Herrn Jesu Christi verwalten. Aber die Schuld dieser Schwierigkeiten tragen nicht wir, sondern Diejenigen, welche Ew. K. K. Majestät den Rat gegeben haben, unsere Kirche ohne Maßgabe unseres kirchlichen Rechtes umzugestalten. Es gibt nur einen Weg, diese Schwierigkeiten zu heben, und da wir als Diener Gottes jenen Rat als einen folgenschweren erkennen, durch dessen Ausführung dem Sohne Gottes zu nahe getreten und unsere Kirche in ihrem innersten Wesen aufgelöst wird, so würden wir uns nicht als rechte Träger jenes heiligen Amtes erweisen, wenn wir von diesem Wege vor Ew. K. K. Majestät schweigen wollten. Wir bitten daher ferner alleruntertänigst: Ew. K. K. Majestät wollen in Anerkennung der allerhöchsten Majestät Jesu Christi unseres Heilandes auch allergnädigst geruhen, das gegen Dessen Willen eingesetzte Gesamtkonsistorium wieder aufzuheben und unser konfessionelles Konsistorium mit alleiniger Unterstellung desselben unter unser Bekenntnis und unsere Kirchenordnungen uns wieder zurückzugeben.
Die wir in tiefster Ehrfurcht ersterben Ew. K. K. Majestät alleruntertänigste Diener. Konsistorialbezirk Cassel, im Juli 1873.
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116. [91.] Amtsenthebung Jakob Wilhelm Georg Vilmars vom 12.11.1873*1 C. 3711 Beschluß In der Disciplinaruntersuchungssache gegen den Pfarrer und vorm. Metropolitan Vilmar zu Melsungen hat das Königliche Consistorium für den Regierungsbezirk Caßel in seiner Sitzung vom 12. November 1873 ... den Beschluß gefaßt: 1. daß der Angeschuldigte wegen Auflehnung gegen die landesherrliche Kirchengewalt sowie wegen hartnäckigen Ungehorsams gegen die Anordnungen der ihm vorgesetzten Behörden seines Pfarramts zu entsetzen und aller aus demselben, sowie aus der Ordination und der Candidatur für den Bereich des Consistorialbezirks Caßel entspringenden Rechte und Befugnisse für verlustig zu erklären, auch schuldig sei, die Kosten der Untersuchung sowie der während seiner Amtsenthebung angeordneten Vertretung zu zahlen. 2. daß diese Entscheidung als rechtskräftig zu vollstrecken sei, falls nicht seitens des Angeschuldigten binnen 4 Wochen nach ihrer Behändigung die Berufung an den Herrn Minister der geistlichen Angelegenheiten bei dem obgedachten Consistorium schriftlich angemeldet, bzw. gerechtfertigt wird.
117. [92.] „Offene Erklärung“ der abgesetzten Pfarrer (Dezember 1873)*2 Unser geistliches Amt, welches wir vom Herrn Jesu Christo überkommen haben, kann uns von keiner anderen Stelle und unter keinem andern Titel rechtlich genommen werden, als von dem zuständigen Kirchenregiment auf Grund des gegen uns erbrachten Beweises schwerer Vergehungen gegen das Bekenntnis oder die Kirchenordnungen. Die über uns verhängten Amtssuspensionen beziehungsweise Amtsentsetzungen können wir daher wegen der kirchlichen Unzuständigkeit der Behörde, von welcher die Urteile gefällt worden sind, als zu Recht bestehend nicht anerkennen, und das zwar um so weniger, als alle Vergehungen, auf deren Grund hin wir verurteilt werden, lediglich darin bestehen, daß wir unberechtigten Anmutungen gegenüber am Bekenntnis und an den Kirchenordnungen unbeweglich festhalten. Da wir nun überdies auf einen rechtlichen Austrag der uns und in uns der Kirche widerfahrenen schweren Verletzung deshalb verzichten müssen, weil eine an unser Bekenntnis und unsere Kirchenordnungen gebundene, dem Con*1 Klaus Engelbrecht, Um Kirchentum und Kirche. Metropolitan Wilhelm Vilmar (1804–1884) als Verfechter einer eigentümlichen Kirchengeschichtsdeutung und betont hessischen Theologie, Frankfurt am Main, Bern, New York, Nancy 1984, 130. *2 Klaus Engelbrecht, Um Kirchentum und Kirche. Metropolitan Wilhelm Vilmar (1804–1884) als Verfechter einer eigentümlichen Kirchengeschichtsdeutung und betont hessischen Theologie, Frankfurt am Main, Bern, New York, Nancy 1984, 130f.
Antwort auf die Zuschrift der Hochwürdigen Herren Superintendenten
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sistorium, welches uns verurteilt hat, übergeordnete Behörde gar nicht vorhanden ist, so legen wir hier öffentlich vor allen den Stellen, an welche diese Schrift gerichtet ist, gegen unsere Amtssuspension bzw. gegen unsere Amtsenthebungen und gegen alle mit diesen Maßnahmen im Zusammenhang stehenden Vorgänge kraft unseres Amtes im Namen Jesu Christi Rechtswiderspruch ein. Kraft dieses Rechtswiderspruchs fordern wir nicht bloß für günstigere Rechtsverhältnisse zurück, was man wegen unseres Beharrens auf dem Boden des Bekenntnisses und der Kirchenordnungen uns gewaltsam genommen hat, und was wir ohne dagegen physischen Widerstand zu leisten, uns haben nehmen lassen, sondern halten auch unbeweglich fest, was, so lange wir am Bekenntnis oder an den Kirchenordnungen nicht schwer gesündigt haben, uns durch kein menschliches Urteil und keine menschliche Macht genommen werden kann, unsere Qualität als Diener Gottes und den uns von Gott gegebenen Auftrag, das Amt der Diener Gottes zu verwalten. Eingedenk dieses uns erteilten göttlichen Mandates werden wir gegenüber jedem hiergegen gerichteten menschlichen Verbote daher stets wie einst die Apostel nach dem Gotteswort handeln, daß man Gott mehr gehorchen müsse als den Menschen. Mag man uns auch in unseren Gotteshäusern die heiligen Stätten auf den Predigtstühlen und vor den Altären versperren, so bleiben wir doch nach wie vor von Gott berufene Träger der geistlichen Amtes, und werden an denen, welche ihrem Confirmationsgelübde getreu in die, durch das unierte Consistorium constituierte, unierte Kirche nicht eintreten, dieses Amt im Namen unseres Herrn nach wie vor ausrichten, dessen zweifellos gewiß, daß wir daran nur der Gewalt nach aber nicht dem Rechte nach gehindert werden können.
118. [93.] Antwort auf die Zuschrift der Hochwürdigen Herren Superintendenten Dankwerts und Rocholl in Göttingen und Pastoren Th. Harms in Hermannsburg und H. Steinmetz in Celle an die am 8.7.1874 in Melsungen versammelte niederhessische Pastoralkonferenz * Der Inhalt Ihrer Zuschrift, Hochwürdige Herrn und Verehrte Freunde, ist ein doppelter und hat uns nach dieser doppelten Seite mit ebenso großer Freude als tiefem Schmerz erfüllt. Unsere Freude und damit zugleich unser Dank betrifft die unumwundene und rücksichtslose Zustimmung, die Sie in Ihrem und wir dürfen wohl hinzusetzen im Namen aller derer aussprechen, welche mit Ihnen das in der hannoverschen Landeskirche niedergelegte Zeugniß der Reformation auch in dieser Zeit des kirchlichen Umsturzes unbeweglich festhalten wollen, zu den kirchlichen Vorgängen in Hessen und zu dem was Gott hier in seiner Kirche in unsern Tagen *
Jakob Wilhelm Georg Vilmar, Sendschreiben an den Herrn Pastor Steinmetz in Celle, in Betreff der hessischen Verbesserungspunkte vom Jahre 1604, Melsungen 1874, 4–9.
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gethan hat, und wozu er auch uns zu seinen geringen Dienern und Werkzeugen erwählte. Unser Schmerz aber bezieht sich darauf, daß Sie diese Zustimmung an eine Bedingung binden, die zu erfüllen wir nach unserem menschlichen Vermögen völlig außer Stande sind. Alles was in unseren Tagen in Hessen als eine wirkliche That in kirchlichen Dingen geschehen ist, ist in Folge des hier bereits niedergelegten Zeugnisses vom geistlichen Amt geschehen, durch welches Christus zur Rechten seines Vaters in neuer geschichtlicher Weise offenbart wird, in welchem das Zeugniß der Reformation sich vollendet und aus welchem die Kirche selbst in ihrem einheitlichen Zusammenhang sowohl wie in ihrer völligen Unabhängigkeit von aller und jeder menschlichen und weltlichen Gewalt allmählich neu in die Erscheinung zu treten beginnt. Alles was an den Pfarrern und den Gliedern der Kirche in Hessen in Folge davon, daß sie auf diesem Zeugniß stehen und zu ihm sich bekennen, geschehen ist und geschieht, ist der Beweis von der Wahrheit dieses Zeugnisses, wie davon, daß es gewißlich über alle feindlich ihm gegenüberstehenden Kräfte siegen wird. Mit Freuden erdulden wir Pfarrer daher auch die Leiden, die um dieses Zeugnisses willen über uns ergehen. Wir sind aus unsern Aemtern verdrängt. Es ist uns Alles Alles genommen, was von dieser Welt ist. Man tastet sogar das ewige Besitzthum unserer Seele an und streckt die Hand aus nach der Krone unseres ewigen Lebens, um uns auch diese, wenn es möglich wäre, zu unserer völligen Vernichtung zu rauben. Daß diesen Vorgängen gegenüber nicht nur von unsern Gemeinden, sondern auch weit und breit und von den verschiedensten Seiten und auf die verschiedenste Weise anerkennende Sympathieen entgegengetragen werden, ist für uns nicht nur höchst tröstlich und ein Beweis, daß wir vor Gott und Menschen recht gehandelt haben, sondern auch ein Beweis dafür, daß vor dem Lichte dieses Zeugnisses, in welchem wir stehen, das Dunkel und die Finsterniß dieser kirchlichen Mitternachtsstunde in nicht langer Zeit verschwinden wird. So nehmen wir denn auch Ihren Zustimmungsgruß, Hochwürdige Herrn und Verehrte Freunde, mit hoher Freude und innigem Danke an. Aber es schmerzt uns tief, daß Sie Ihre Zustimmung für die Zukunft an die Bedingung einer von uns, d. h. von den sog. Renitenten, öffentlich abzugebenden Erklärung binden, in welcher wir die sog. Verbesserungspunkte des Landgrafen Moritz, welche allerdings einen Theil des Bekenntnißstandes unserer hessischen Landeskirche bilden, öffentlich verwerfen sollen. Wohl können wir nicht umhin, dem Zeugniß der Wahrheit, wenn es uns entgegentritt, unsere Seelen zu öffnen, auch können wir mit der Kraft und dem Beistand Gottes das Kreuz tragen, das um solches Zeugnisses willen auf uns gelegt wird, aber wie wir nicht ein Haar auf unserm Haupte weiß oder schwarz machen können, so können wir auch keinen Buchstaben an dem Bekenntniß unserer Landeskirche aus unserem eigenen Vermögen ändern. Wiewohl Sie nun diese „Verbesserungspunkte“ als den unheilvollen Stein des Anstoßes und den Fels des Aergernisses anzusehen scheinen, den Sie, um eine völlige und bleibende Vereinigung mit Ihnen zu erzielen, von uns aus dem Wege
Antwort auf die Zuschrift der Hochwürdigen Herren Superintendenten
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geräumt zu sehen wünschen, so nimmt uns doch das billig Wunder, woher es denn doch komme, daß gerade an der Stelle, wo ein solches Aergerniß angerichtet worden ist, solches Zeugniß hervortreten, zu solchem Zeugniß sich bekannt werden, solches Leiden und Kreuz um solches Bekenntnisses willen übernommen und ertragen werden konnte? Nun würden wir Theologen, wiewohl wir die geschichtlichen Vorgänge bei der Einführung dieser sog. Verbesserungspunkte aufs tieffste beklagen, sie nicht entschuldigen wollen, und am allerwenigsten sie rechtfertigen können, wenn wir aufgefordert werden, einen theologischen Beweis für ihre Haltbarkeit zu führen, auf das bündigste nachweisen können, daß dieselben „an sich“ weder eine Veränderung der Augsburgischen Confession, noch einen Abfall von der durch Luther bewirkten Kirchenreformation, noch einen positiven Gegensatz zu den übrigen symbolischen Büchern der lutherischen Kirche in sich schließen, daß ihnen vielmehr, wenn es darauf ankäme einen unparteiischen Beweis zu führen, sogar in der Gesammtkirche eine Stelle vindicirt werden könnte. Dabei leugnen wir keineswegs die Gefahr, in welcher die hessische Landeskirche in der Zeit des Landgrafen Moritz schwebte, von dem reinen Bekenntniß der Kirche abzufallen, wenn es gelungen wäre, ein anderweitiges, die Augsburgische Confession corrigirendes und im Widerspruch mit ihr stehende Bekenntnißsätze enthaltendes Bekenntniß aufzustellen und demselben Rechtskraft zu verleihen, wie dies bekanntlich bei der Confessio Sigismundi wirklich der Fall ist. Diese Gefahr ist besonders in der bei den Synodalacten vom Jahr 1607 befindlichen Declaration ersichtlich, die bis auf die neueste Zeit völlig unbekannt von den Gegnern des ausschließlichen Rechtsbestandes der ungeänderten Augsburgischen Confession nebst deren Apologie in Hessen, namentlich von dem Professor Heppe in Marburg und dem Generalsuperintendenten Martin in Cassel aus dem Staube der Vergessenheit hervorgeholt und zur Trübung des Bekenntnißstandes der hessischen Landeskirche benutzt worden ist. Hierdurch ist es gekommen, daß diese Declaration nach Außen von den verschiedensten Seiten als die vermeintlich zu Recht bestehende „dogmatische Erklärung“ der Verbesserungspunkte angesehen worden ist. Diese Declaration vom Jahr 1607 weisen wir allerdings feierlichst aus dem Bekenntnißstand der hessischen Landeskirche heraus und zwar nicht allein aus inneren dogmatischen Gründen, sondern aus äußeren Rechtsgründen, nicht als wollten wir uns irgendwie Recht und Befugniß beilegen aus eigener Machtvollkommenheit irgend etwas an dem Bekenntniß- und Rechtsbestand der hessischen Landeskirche zu ändern, als vielmehr allein deswegen, weil die Geschichte selbst über die völlige dogmatische Richtigkeit und rechtliche Ungültigkeit dieser Declaration vollständig entschieden hat. Wir haben das volle Vertrauen zu Ihrer Einsicht und zu Ihrer Gesinnung, Hochwürdige Herrn und Verehrte Freunde, daß Sie unsere dermalige kirchliche Stellung in vollem Maße würdigen und erkennen, wie wir nicht in der Lage sind, weder nach
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der Vergangenheit irgend eine Veränderung in dem Bekenntnißstand unserer Landeskirche auszusprechen, noch nach der Zukunft mit irgend welchem neuen Bekenntniß dermalen hervorzutreten, wiewohl wir wissen, daß es sich um ganz neue Dinge in der Kirche handelt, die zwar von jeher vorhanden, aber noch nicht erschienen, erst jetzt durch dieser Zeit Leiden ausgeboren werden, an welchen Leiden wir dermalen schon reichlich theilnehmen. Auch davon werden Sie sich überzeugt halten, daß das in Hessen vorhandene Zeugniß vom geistlichen Amt und die auf dasselbe gegründete That, nicht möglich gewesen wäre, wenn nicht die Person Luthers und das durch ihn bewirkte Zeugniß der Reformation in der hessischen Kirche nicht nur volle Anerkennung, sondern auch vollen Raum hätte, und wenn nicht dieser geschichtliche Theil der Kirche der Reformation nicht nur nach der inwendigen Seite vollständig lutherisch gestaltet wäre, sondern auch den Beruf von Gott hätte, dieser inneren Gestaltung der lutherischen Kirche in ihrer weiteren Geschichte auch äußerlich einen neuen Ausdruck zu geben. In der Hoffnung einer ferneren kirchlichen und brüderlichen Gemeinschaft unterzeichnen: Melsungen, am 8. Juli 1874. Vilmar, Pfr. und Metropolitan. C. Baumann, Pfr. von Beenhausen. Ernst Baumann, cand. theol. in Melsungen. Dietrich, Pfr. Chn. Frick, Pfr. Grau, Pfr. zu Lichtenau. E. Grau, Pfr. Hartwig, Pfr. H. F. Henkel, a. o. Pfr. in Melsungen. Hopf, Pfr. und Decan in Rotenburg. Rausch, Pfr. zu Rengshausen a. D. Rausch, Pfarrassistent daselbst. Schilling, Pfr. von Ober-Rieden. Schmidt, cand. theol. aus Melsungen. Thamer, Pfr. Wilh. Vilmar, außerordentl. Pfr. zu Melsungen. Witzel, Pfr. von Schemmern zu Bischhausen. Wolff, Pfr. von Singlis. Wolfram, Pfr. zu Berge. Zülch, Pfr. Tobias Küchmann, Lehrer in Berge. Conrad Stern, Lehrer. Otto Ringeling, Cantor und Lehrer. Rudolph Schlunk aus Cassel. H. Jungermann, Lehrer in Hersfeld. Aug. Wicke aus Hombressen. Konr. Bayer, H. Herwig, Joh. Hoffmann, Johs. Landgrebe, A. Mardorf, H. Mardorf, W. Mardorf I. Jul. Wilh. Mensing, Postm. Wilh. Pfankuch, Joh. Reinhard, Lehrer. Conr. Riese II. Wilh. Weltner III, Tuchmacherm. zu Melsungen. G. Stähling, Lehrer und Lector in Merxhausen. G. Wenderoth in Mörshausen. J. Wollenhaupt in Mosheim. W. Wiegand in Mühlhausen. A. Körber in Rengshausen. W. Heinemann, Conr. Müller, Joh. Conr. Müller zu Sand. Conr. Clobes, Joh. Wicke, Just. Meyfarth zu Unshausen. Nachträglich: Baumann, Pfr. zu Kerspenhausen. Saul, Pfr. A. Schilling, past. extr. Homberg. Ditmar Grebe aus Cassel. B. Schuchard, Kaufmann zu Niederaula. H. Stock. E. Wicke, Kirchenälteste zu Besse.
Gründungsdokument des Homberger Konvents vom 19.9.1877
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119. [94.] Gründungsdokument des Homberger Konvents vom 19.9.1877* Geschehen, Guntershausen, am 19. September 1877. Nachdem eine Anzahl unserer renitenten Amtsbrüder ein ferneres kirchliches Zusammengehen mit uns zu unserem Leidwesen deßhalb abgelehnt hat, weil wir der Meinung derselben nicht beipflichten können, daß Alles, was bis zum 28. Juli 1873 in der Niederhessischen Kirche Geltung gehabt hat, unversehrt erhalten werden müße, unangesehen, ob es aus dem Glauben der Kirche hervorgegangen, oder derselben durch unberechtigte Menschenmacht aufgezwungen ist, so sehen wir uns genöthigt, zur Fortführung eines geordneten kirchlichen Lebens für uns und unsere Gemeinden ohne jene Amtsbrüder Fürsorge zu treffen. Indem wir die Heilung des beklagten Zwiespaltes, die wir sehnlich wünschen, der gnädigen Fügung unsers HErrn anheimstellen, haben wir daher Folgendes bis auf Weiteres mit einander vereinbart. I. Alle, für unsere Kirchengemeinschaft als nöthig erachteten Anordnungen und Entscheidungen hinsichtlich der Verwaltung der von Christo erworbenen Gnaden werden durch Stimmenmehrheit von der Gesammtheit unserer ordinierten Geistlichen getroffen, welche zu dem Ende in bestimmten Zeiträumen sich versammeln, oder, wenn eine Sache außerhalb der regelmäßigen Versammlungen Erledigung erheischt, durch Umlaufschreiben zur Abstimmung veranlaßt werden. II. Die Berufung der ad. I. erwähnten Versammlungen, sofern dieselben nicht im Voraus festgestellt sind, und die Leitung der Verhandlungen in dieser führt der, von der Gesammtheit der Geistlichen erwählte Metropolitan aus, welcher einstweilen auch statt des Superintendenten dessen Amt zu führen, und in Gemeinschaft mit seinem Stellvertreter und einem weiteren zu wählenden Geistlichen die Berufung und Bestellung der Pfarrer zu vollziehen hat. III. Den Metropolitan vertritt bei dessen Verhinderung hinsichtlich aller Obliegenheiten desselben und im Fall der Erhebung einer Beschwerde über denselben hinsichtlich der Leitung der auf diese bezüglichen Verhandlungen der in gleicher Weise wie *
Friedrich Wilhelm Hoffmann (Hg.), Sendschreiben etlicher Geistlicher der renitenten Kirche Augsburgischer Confession in Niederhessen an ihre Amtsbrüder in derselben Kirche. Nebst einem Vorwort und Nachwort an sämmtliche Glieder der genannten Kirche, Homberg 1878, 20f.
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der Metropolitan erwählte Stellvertreter desselben. O. u. T. w. o. Hoffmann. Gerhold. Bohne. Amelung. E. Reuber. Hast. W. Wolff.
120. [95.] Lossagung des Homberger Konvents von den mauritianischen Verbesserungspunkten und der Deklaration der hessischen Generalsynode von 1607, vom 19.9.1877* Geschehen, Guntershausen, am 19. September 1877. Nachdem wir heute zur Fortführung eines geordneten, der Entfaltung fähigen, kirchlichen Lebens bei uns durch Beschaffung der unentbehrlichen Vorbedingungen desselben einstweilen Fürsorge getroffen haben, beschließen wir mit Bezugnahme auf diese Bestimmungen weiter, wie folgt. I. Da wir durch unser Amt und unsern persönlichen Glauben den heiligen Beruf überkommen haben, die Glaubensbekenntniße, auf welchen die Kirche der Augsburgschen Confession auferbaut ist, und auf welche wir als Diener Christi eidlich oder an Eides Statt verpflichtet sind, nicht blos gegen jeden, ihnen durch Wort oder That entgegentretenden, Angriff sondern auch gegen alle, sie beeinträchtigende, im Gegensatz zum königlichen Amt Christi geübte, Menschenmacht mit unserem Zeugniß und mit Einsetzung unserer Personen aufrecht zu erhalten, und die Irrlehre von der Geltung solcher Menschenmacht in der Kirche zu verwerfen, da wir ferner nur in Ausübung dieses Berufes und aus keinem anderen Grunde gegen das, im Widerspruch zu Artikel 7 und 28 des Augsburgschen Glaubensbekenntnißes eingesetzte unierte Gesammtconsistorium renitent geworden sind, da wir fürs dritte diesen unseren, mit dieser Renitenz geübten, Beruf geradezu verletzen, die Irrlehre von der Geltung der, im Widerspruch zum königlichen Amte Christi vollzogenen, Menschenmacht in der Kirche als rechte Lehre anerkennen, und die Frucht jener Renitenz in Frage stellen würden, wenn wir Trübungen des *
Friedrich Wilhelm Hoffmann (Hg.), Sendschreiben etlicher Geistlicher der renitenten Kirche Augsburgischer Confession in Niederhessen an ihre Amtsbrüder in derselben Kirche. Nebst einem Vorwort und Nachwort an sämmtliche Glieder der genannten Kirche, Homberg 1878, 22–24.
Lossagung des Homberger Konvents von den mauritianischen Verbesserungspunkten
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Kirchenbestandes, welche aus unberechtigter Menschenmacht hervorgegangen sind, als gesunde Entwickelung des kirchlichen Glaubens bei uns fortbestehen ließen, und da nun endlich die beiden Thatsachen vorliegen, einmal, daß das vom L. Moritz der Kirche in Niederhessen aufgezwungene s. g. Verbeßerungswerk, welches die Umwandlung der lutherischen Kirche daselbst in eine calvinische anbahnen sollte, mit dem im ersten Verbeßerungspunct für die Predigt erlaßenen Verbot, die Möglichkeit der Gegenwart des Leibes und Blutes Christi im heiligen Abendmahl aus der Beschaffenheit beider Naturen des HErrn aufzuweisen, viele Verwirrung über den Glaubensstand dieser Kirche angerichtet hat und noch anrichtet, und mit dem Bilderverbote des zweiten Verbeßerungspunctes auf falscher Auslegung des Wortes GOttes ruht, und fürs Andere, daß die Declaration der hessischen Generalsynode von 1607 neben lutherischer auch im Einzelnen calvinischer Auffassung Raum läßt, und mit diesen beiden Thatsachen also der Bekenntnißstand der niederhessischen Kirche durch unberechtigte Menschenmacht getrübt ist, so sagen wir, die versammelten Geistlichen, uns für uns und die von uns vertretenen Gemeinden 1. von dem Verbeßerungswerk des L. Moritz und 2. von der Declaration der hessischen Generalsynode von 1607 hierdurch los, und erklären feierlich, daß wir mit unseren Gemeinden an dem Glaubensgrunde der althessischen Kirche unverbrüchlich festhalten, und bekennen uns deßhalb, wie diese althessische Kirche, zu dem Apostolischen, Nicänischen, Athanasianischen, Ephesinischen, Chalcedonensischen und dem unveränderten Augsburgschen Glaubensbekenntniß sammt dessen Apologie, zu dem kleinen und großen Katechismus Luthers, und zu den, von den hessischen Gottesgelehrten mitaufgestellten Schmalkaldischen Artikeln, und zwar in dem ursprünglichen Verstande, in welchem diese Bekenntniße abgefaßt sind.
II. Da nach Artikel 7 des Augsburgschen Glaubensbekenntnißes zur Einigkeit der christlichen Kirchen gleichförmige Ceremonien, von Menschen eingesetzt, nicht nöthig sind, und da wir, wie Luther, Scheu tragen, kirchliche Gebräuche, die weder dem Worte Gottes noch dem Bekenntniß widersprechen, willkührlich zu verwerfen, so werden in Niederhessen da, wo es bisher üblich war, die Zählung der göttlichen Gebote, wie sie im zweiten Verbeßerungspunct enthalten ist, und das Brotbrechen beim heiligen Abendmahl als bloße Gebräuche, denen irgendwelche, von der lutherischen Kirche trennende, das Bekenntniß berührende, Bedeutung überall nicht zukommen soll, bis dahin beibehalten, daß der HErr es anders fügt, während selbstverständlich in solchen Gemeinden, in welchen die lutherische Zählung der göttlichen Gebote und die Hostien beim heiligen Abendmahl üblich sind, es dabei sein Verbleiben hat.
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VI. Die Selbständige evangelisch-lutherische Kirche in den hessischen Landen Gilberto da Silva Einführung Mit den territorial-politischen Reformen des Jahres 1815 kam es bereits zu einer praktischen Union in der neu entstandenen linksrheinischen Provinz Rheinhessen und in Darmstadt, die zum Großherzogtum Hessen oder Hessen-Darmstadt gehörten. Diese „lockere“ Union gewann 1832 kirchenrechtlichen Charakter mit der Einführung einer einzigen Kirchenordnung für die ganze hessisch-darmstädter Landeskirche, so dass die lutherische, reformierte und unierte Konfession nun unter einem Dach standen. Damit verbunden war auch die Vorgabe an die Pfarrer, die Union zu fördern. Ein neues, 1860 erlassenes Ordinationsformular verpflichtete die angehenden Geistlichen aller drei Konfessionen auf die Bekenntnisschriften „unserer Kirche“, wobei den Kandidaten frei gestellt war, darunter die Bekenntnisschriften ihrer Konfession zu verstehen. Zu dieser Zeit gab es die ersten Proteste einzelner Pfarrer, die Geldstrafen bezahlen mussten oder gar des Amtes suspendiert wurden. Im Jahr 1870, mitten in der Jubelfeier über die deutschen Siege in Frankreich, wurde eine neue, presbyteriale und synodale Kirchenverfassung veröffentlicht, die die Kirche „demokratisieren“ und den Weg zu einer deutschen evangelischen Nationalkirche vorbereiten sollte. Drei Jahre später versammelte sich die konstituierende Synode, deren Mitglieder nicht auf ein Bekenntnis verpflichtet werden konnten. Nicht einmal auf Gottes Wort lautete ihre Verpflichtung, sondern auf „bestes Wissen und Gewissen“. Durch Synodalbeschluss wurde die bereits praktizierte offene Abendmahlszulassung zwischen den drei Konfessionen zu einer „obligatorischen“ Abendmahlsgemeinschaft. Als die neue Kirchenverfassung dann 1874 in Kraft trat, lehnten sie fünfzehn lutherische Pfarrer aus Bekenntnisgründen ab. Sie erklärten in einer Protestschrift, dass sie „für sich, ihre Kinder und die der lutherischen Kirche treu bleibenden Familien ihrer Gemeinden“ die neue Verfassung nicht annehmen könnten. Das neue Konsistorium verfügte aufgrund der neuen Kirchenverfassung bzw. des Synodalbeschlusses die Amtsenthebung für sieben der protestierenden Pfarrer (Dok. 121). Die Pfarrer erhoben öffentlich Protest gegen die Maßnahmen des Konsistoriums, wiesen seine Entscheidung als „wider Recht und Gerechtigkeit verstoßendes kirchenordnungswidriges Urteil“ zurück und sagten sich vom landesfürstlichen Kirchenregiment los (Dok. 122), was in dieser Form innerhalb des sich zu dieser Zeit in Deutschland formierenden selbstständigen Luthertums einmalig war. Aus dieser Bewegung entstanden fünf selbstständige lutherische Gemeinden: Reichels-
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heim im Odenwald, Rothenberg im Odenwald, Fürstenau bei Michelstadt, Höchst an der Nidder und Usenborn bei Ortenberg. Es folgten gerichtliche Verfolgungen wegen unbefugter Ausübung des geistlichen Amtes. Geld- und Gefängnisstrafen wurden zwar festgesetzt, letztere jedoch wegen des „schlechten Beispiels“ aus Preußen nie ausgeführt. Eine Erleichterung kam gleich 1878 mit dem so genannten „Austrittsgesetz“, das gerichtlich für die selbstständigen Lutheraner die Pflicht aufhob, weiter Kirchensteuer an die Landeskirche zu zahlen. Interessant dabei ist die Tatsache, dass dieses Gesetz unter dem öffentlichen Druck der englischen „Evangelischen Allianz“ zustande kam. Obwohl kirchlich und theologisch von den selbstständigen Lutheranern in Hessen-Darmstadt weit entfernt, nutzte sie die englische Presse, um auf die „religiöse Intoleranz in Hessen-Darmstadt“ hinzuweisen. Auch ein hoher Vertreter der Allianz wurde nach Darmstadt entsandt, um mit dem Großherzog und seinem Ministerium zu verhandeln. Im November 1877 fand in Stammheim in der Wetterau die konstituierende Synode der Selbständigen evangelisch-lutherischen Kirche in Hessen-Darmstadt statt, auf der die Pfarrer und Vertreter aus den Gemeinden anwesend waren. Der Theologe und Gymnasiallehrer Ferdinand Lucius (†1877) erarbeitete eine eigene Kirchenordnung für die neu entstandene Kirche, die von der Synode angenommen wurde (Dok. 123) und spätere Überarbeitungen erfuhr (Dok. 124, 125). Charakteristisch für diese Kirchenordnung ist die Betonung des bischöflichen Charakters des Superintendentenamtes. Mit einer klaren Trennung zwischen Pfarr- und Seniorenamt versucht diese Ordnung einer Problematik vorzubeugen, die in den selbstständigen lutherischen Kirchen immer wieder für Konflikte sorgte (s. Kap. II). Dabei bekundete man auch die Absicht, von anderen selbstständigen lutherischen Kirchen unabhängig zu bleiben, um „von andern gemachten Fehler“ zu vermeiden. Als erster Superintendent wurde 1877 Karl Ferdinand Bingmann (1822–1898) gewählt und eingeführt.
Einführung
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Karl Ferdinand Bingmann, *1822, †1898, Pfarrer in Höchst/Nidder seit 1849, Amtsentsetzung wegen Widerstandes gegen die unionistische Kirchenverfassung 1875, Mitbegründer der Selbständigen evangelisch-lutherischen Kirche im Großherzogtum Hessen und deren erster Superintendent seit 1877.
Die anfangs betonte strukturelle Unabhängigkeit von anderen selbstständigen lutherischen Kirchen hinderte die Lutheraner aus Hessen-Darmstadt jedoch nicht daran, Kirchengemeinschaft mit ihnen zu suchen. Somit wurde gleich 1878 die Kirchengemeinschaft mit dem „Homberger Konvent“ der „Renitenten Kirche ungeänderter Augsburger Konfession“, nachdem dieser die so genannten „mauritianischen Verbesserungspunkte“ abgelehnt hatte, beschlossen (s. Kap. V); 1889 schlossen sich beide Gruppen zusammen. Im Jahr 1880 kam die Kirchengemeinschaft mit der „Hannoverschen evangelisch-lutherischen Freikirche“ (s. Kap. VII); 1888 mit der „Evangelisch-lutherischen Kirche in Preußen“ (s. Kap. I); 1904 mit der „Evangelisch-lutherischen Kirche in Baden“ zustande (s. Kap. III). In diesem Jahr kamen auch die Gemeinden Dreihausen und Marburg (mit dem Predigtort Warzenbach), nach Auseinandersetzungen mit der „Renitenten Kirche ungeänderter Augsburger Konfession“ („Melsunger Konvent“) zur nun „Selbständigen evangelisch-lutherischen Kirche in den hessischen Landen“. Schließlich vereinigten sich nach dem Zweiten Weltkrieg die selbstständigen Kirchenbildungen in Baden, Hessen und Hannover zur (alten) „Selbständigen evangelisch-lutherischen Kirche“ (s. Kap. XII). Ein für die wissenschaftliche Nachwelt wichtiger Beitrag der „Selbständigen evangelisch-lutherischen Kirche in den hessischen Landen“ ist die von Pfarrer Christian Müller über Jahre gesammelte Fürstenauer Kirchenbibliothek. Diese wertvolle Sammlung, die unter anderem Inkunabeln, Erstdrucke aus der Reformationszeit, zahlreiche Werke über den Gottesdienst der christlichen Kirche und eine reiche Anzahl theologischer Werke aus dem 15. bis 19. Jahrhundert enthält, ging 1972 in
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Die Selbständige evangelisch-lutherische Kirche in den hessischen Landen
den Besitz der Selbständigen Evangelisch-Lutherischen Kirche über und gehört als Dauerleihgabe zum Bibliotheksbestand der Lutherischen Theologischen Hochschule Oberursel (s. Kap. XI).
Christian Müller, *1825, †1892, Pfarrer in Beerfelden und zugleich Hausgeistlicher und Erzieher der Grafen Erbach-Fürstenau seit 1867, Schlossgeistlicher auf Schloss Fürstenau seit 1870, Protest gegen die unionistische Kirchenverfassung 1874, regelmäßige lutherische Gottesdienste in der Schlosskapelle auf Schloss Fürstenau seit 1875, Mitbegründer der Selbständigen evangelisch-lutherischen Kirche im Großherzogtum Hessen 1877.
121. [96.] Amtsenthebung des Pfarrers Ferdinand Bingmann zu Höchst an der Nidder vom 14.6.1875 * Der evangelische Pfarrer Ferdinand Bingmann zu Höchst a.d.N. hat nach Erlaß des Allerhöchsten Edikts vom 6. Januar 1874, betreffend die Verfassung der evangelischen Kirche des Großherzogtums, unter Protestierung gegen diese Verfassung in Gemeinschaft mit anderen Geistlichen, sich geweigert, seine ediktmäßige Amtstätigkeit zunächst bei der Vornahme der kirchlichen Wahlen eintreten zu lassen und, nachdem diese Wahlen durch einen besonderen Kommissär vorgenommen worden waren, auf desfallsige abermalige spezielle Aufforderung die bestimmte Erklärung abgegeben, daß er mit der nach dem Edikt vom 6. Januar 1874 bestellten Kirchengemeindevertretung und mit dem aus derselben hervorgegangenen Kirchenvorstand in amtlichen Verkehr nicht treten werde. Durch Erkenntnis vom 20. November 1874 wurde er hierauf wegen amtspflichtswidrigen Ungehorsams gegen ein bestehendes Gesetz zur Strafe von Amt und Gehalt auf die Dauer von drei Monaten suspendiert. Nachdem Pfarrer Ferdinand Bingmann nunmehr auf die dritte, in Gemäßheit Beschlusses des erweiterten Oberkonsistoriums vom 27. Mai l. J. an ihn ergangene und seine Amtsentsetzung in Aussicht stellende Aufforderung, sich fortwährend geweigert hat, sich dem Edikt vom 6. Januar 1874 über die Kirchenverfassung zu fügen und den ihm nach demselben obliegenden Amtspflichten für die Zukunft nachzukommen, ist er durch sein Verschulden in die Unmöglichkeit versetzt worden, das ihm übertragene Pfarramt in sehr wesentlichen Beziehungen ferner ordnungsmäßig zu verwalten, wie auch sein amtspflichtwidriges, unbotmäßiges Verhalten und seine Auflehnung gegen die bestehende kirchliche Gesetzgebung im Interesse des Dienstes und seiner ihm anvertrauten Gemeinde jetzt, nachdem alle Versuche gescheitert sind, den renitenten Geistlichen zum schuldigen Gehorsam zurückzuführen, nicht ferner zugelassen werden kann und gebührende Ahndung finden muß. Aus diesen Gründen hat das durch Zuziehung des Synodal-Ausschusses erweiterte Oberkonsistorium in Gemäßheit des § 131 pos. 15 und des § 134 pos. 4 des Edikts über die Kirchenverfassung in der Sitzung von heute erkannt, daß der evangelische Pfarrer Ferdinand Bingmann zu Höchst a. d. Nidder wegen fortgesetzten dienstlichen Ungehorsams und unbotmäßigen Verhaltens von der Pfarrstelle zu Höchst a. d. Nidder, unter Verlust des damit verbundenen Diensteinkommens, zu entlassen, auch ihm das Recht, geistliche Funktionen innerhalb der evangelischen Landeskirche vorzunehmen, zu entziehen sei. *
Karl Müller, Die Selbständige evangelisch-lutherische Kirche in den hessischen Landen, Elberfeld 1906, 132–134.
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V. R. W. Urkundlich der Unterschriften und des beigedruckten Siegels. Darmstadt, den 14. Juni 1875. (L.S.) (gez.) Kritzler. (gez.) Ackermann.
122. [97.] Lossagung der renitenten Pfarrer vom landesfürstlichen Kirchenregiment vom 30.6.1875* Allerdurchlauchtigster Großherzog, Allergnädigster Großherzog und Herr! Eure Königliche Hoheit wollen in Gnaden geruhen, die nachfolgende Darlegung der alleruntertänigst unterzeichneten Geistlichen der evangelischen Kirche ungeänderter Augsburgischer Konfession in den Landen Hessen entgegenzunehmen. Sie sind dazu vor Gott und Menschen gezwungen und würden das eben genannte Bekenntnis, unter welchem auch der Name „Philips Landgraff zu Hessen“ steht, und ihr Amt verleugnen, wenn sie solches Zeugnis angesichts der Lage der Kirche Christi und insbesondere ihrer engeren Konfessionskirche unterließen. In allen seit Jahrzehnten und zumal seit Beginn der Verfassungswirren ihrerseits gemachten Eingaben haben sie, wie einst zur Zeit der Augsburger Konfessionsübergabe ihre Väter – es sind jetzt gerade 345 Jahre her –, allein darum gebeten, daß die Kirchenoberen der Gültigkeit seien, unbillige Beschwerungen und menschliche Satzungen, welche man ohne Sünde nicht halten könne, zu mildern oder abzutun, sintemal eine Änderung nicht schade. So wenig, wie ihre Väter, gingen sie damit um, den Kirchenoberen ihre Gewalt zu nehmen, sondern baten und begehrten, daß die dem Wesen und dem Bekenntnis einer jeden der (im vorhinigen Organisations-Edikt von 6. Juni 1832 genannten) drei evang. Konfessionen entsprechende kirchliche Repräsentation und Organisation beschafft werde. Die Erfüllung dieses durchaus gerechten Begehrens war um so eher für unsre evangelischlutherische Kirche zu erwarten, als dieselbe seit mehr als 300 Jahren ihre trefflichen festen Ordnungen für Lehre und Leben besitzt, welchen noch heute Rechtskraft und Verbindlichkeit innewohnt, und welche, wo sie nur richtig gehandhabt werden, auch ihre segensreiche Wirksamkeit entfalten. Schon darum mußten wir uns gegen alle und jede moderne, von der Staatsregierung oktroyierte Synodalverfassung erklären, welche die Kirche in Ähnlichkeit mit den gegenwärtigen politischen Gestaltungen nach dem weltlichen Majoritätenprinzip konstituiert. Denn *
Karl Müller, Die Selbständige evangelisch-lutherische Kirche in den hessischen Landen, Elberfeld 1906, 21–28.
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einer solchen müssen treue Diener unserer Kirche die Anerkennung versagen und ihren Beschlüssen von vornherein alle verbindende Rechtskraft absprechen. Anerkennung ihrerseits hieße einen Mord an ihr begehen. Daher durften sie wenigstens erwarten, daß seitens des Kirchenregiments unseren prinzipiellen, echt kirchlichen Bedenken und Erklärungen irgendwie mit Verständnis und Liebe entgegengekommen würde. Dies geschah aber in keiner Weise; vielmehr wurden wir, trotz der klaren Berechtigung, als Teil des Lehrstandes gehört zu werden, einfach abgewiesen mit der Versicherung, daß die in der evang. Kirche des Großherzogtums bestehenden verschiedenen Konfessionen durch die Gesetzgebung, die Organisation der Kirchenbehörden und die kirchlichen Einrichtungen den Schutz, auf welchen sie Anspruch hätten, in vollem Maße genössen. – Schreiben Großh. Ministeriums vom 18. März 1858. Welches der Vollgenuß dieses Schutzes sei, trat zwölf Jahre nachher in der nach protestantenvereinlichen Grundsätzen und Wünschen gefertigten neuen Kirchenverfassung zutage, welche alle jene aufgeführten Bürgschaften einfach über Bord warf. Wir unterließen es nicht, gestützt auf den altbewährten und verbürgten Rechtsschutz, Eure Königliche Hoheit zu wiederholten Malen in alleruntertänigsten Vorstellungen um Gewährung dieses Schutzes anzugehen und zu flehen, unsere Kirche, uns, ihre Diener, unsere Kinder und die treuen Glieder vor der mit der Einführung einer solchen antikirchlichen, weltförmigen Verfassung unfehlbar eintretenden Auflösung und Zersetzung zu bewahren, unter ausdrücklicher Erklärung, daß wir uns derselben nimmermehr unterwerfen könnten noch würden. Wir mußten dabei fest voraussetzen, daß, weil Eure Königliche Hoheit das Kirchenregiment innerhalb der evangelisch-lutherischen Kirche der Lande Hessen nicht für Allerhöchst ihre Person, sondern eben als Landesherr inne haben, Allerhöchstdieselben auch niemals nur entfernt von dem Gedanken berührt werden könnten, diese Kirche der Kopfzahlmasse und ihrem unkirchlichen Belieben preiszugeben und sie damit in so und so viele souveräne Faktoren zerlegen zu lassen. Diese Voraussetzung erschien um so begründeter, als die Diener und Glieder dieser Kirche, welcher das Durchlauchtige Fürstenhaus persönlich noch zugehört, bis in die allerneuste Zeit sich des Schutzes getrösten durften, um dessenwillen einst vor 345 Jahren die Durchlauchtigen Vorfahren Eurer Königlichen Hoheit die Oberleitung derselben in diesen Landen übernommen hatten. Da ward ganz unerwarteterweise, nur von der Zeitströmung gedrängt, wie es heißt, die neue Kirchenverfassung eingeführt und durch sie die bekenntnislose Union, wodurch unsre evangelisch-lutherische Kirche in ihrem verbürgten Rechtsund Bekenntnisbestande so gut wie aufgehoben und ihr damit der Schutz, auf welchen sei Anspruch hatte, völlig entzogen ward. Wir würden sehr undankbar sein, wollten wir irgend die Segnungen verkennen, welche aus jenem ursprünglichen Verhältnis zwischen evangelischem Fürsten und evangelischem Volke in den Landen Hessen erwachsen sind, so lange dasselbe noch
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auf den ursprünglichen Bedingungen ruhte. Diese aber waren, wie wir Eurer Königlichen Hoheit in unserer Eingabe vom 28. November 1873 darzulegen uns erlaubten, der gleiche Boden des Bekenntnisses, das Vertrauen und der Schutz. So lange sie aufrecht erhalten wurden und bestanden, stand es in den Hessenlanden nach allen Seiten hin gut, selbst in den schwersten Zeiten. Denn das in solchen gesprochene Wort des Landgrafen Georg II. bleibt wahr: „Kein Fürstentum oder Land kann recht grünen, blühen oder Bestand haben, wann dem König der Ehren Jesu Christo die Tore nicht weit und die Türen nicht hoch gemacht werden.“ – Solches aber war durch Jahrhunderte geschehen; in den Landen Hessen herrschte evangelisches Fürstentum; die Bekenntnisse unsrer Kirche waren in Geltung und das mit Einsicht und Gerechtigkeit im Segen regierte Volk war im großen und ganzen ein kirchliches Volk. Nunmehr aber sind jene Bedingungen von seiten des modernen konfessionslosen Staates aufgehoben worden, insbesondere zuletzt durch Zulassung der Einführung einer Synodalverfassung, welche die bisher geltenden Bekenntnisse und die dazu gehörigen alten Kirchenordnungen einfach übergeht, bezw. deren Verbindlichkeit und Wirksamkeit für eine „falsche Praxis“ in den Landen Hessen erklärt. Infolge davon ist es – bereits mit dem Ablauf des ersten Jahres des Bestehens dieser Kirchenverfassung – dahin gekommen, daß sieben der hier treugehorsamst mitunterzeichneten Geistlichen von Amt und Gehalt abgesetzt sind, – wir bedienen uns der öffentlich gebrauchten Worte eines dieser Verfassung unterstellten Geistlichen – „um einer solch traurigen Verfassung willen. Wir begreifen es nicht, wie die Regierung so an der Auflösung der Landeskirche arbeiten kann; denn daß solche Auflösung das Ende unsrer kirchlichen Entwicklung ist, unterliegt keinem Zweifel; es kann gar nicht anders kommen.“ Mit dem allertiefsten Schmerze haben wir alleruntertänigst Unterzeichnete daher heute vor unsrem Fürstenthrone als unsre gewonnene Überzeugung auszusprechen, daß Eure Königliche Hoheit infolge dieser „traurigen Verfassung“ jenen altbewährten Fürstenschutz treuen Dienern ihrer Kirche nicht mehr gewähren können, ja, wie die in dem Erkenntnis des sogenannten erweiterten Oberkonsistoriums (dem doch die organische Kompetenz-Instruktion Eurer Königlichen Hoheit bis zur Stunde noch fehlt) angezogenen Paragraphen der neuen Verfassung dartun, denselben nicht mehr gewähren zu dürfen scheinen, trotzdem daß Eure Königliche Hoheit und das Allerhöchste Haus noch unserer Kirche angehören. Soviel steht fest: diese neue Kirchenverfassung duldet eben keine treuen Diener der evangelisch-lutherischen Kirche mehr im Lande, sondern stößt sie aus, – aus ihrer sogenannten Landeskirche, welche wir allerdings nicht kennen, noch anzuerkennen vermögen, eben weil sie gar kein juristischer, kein kirchenrechtlicher, überhaupt kein kirchlicher, sondern nur ein liberalpolitischer Begriff ist, welcher mit den eigentlichen Aufgaben der Kirche Jesu Christi außer aller Beziehung steht. Nachdem aber dadurch den alleruntertänigst Unterzeichneten der tatsächliche Beweis geliefert ist, daß sie auf keinerlei kirchlichen Rechtsschutz mehr zu rechnen
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haben, dazu unser Vertrauen zu den Kirchenoberen, welche eine dem Glauben der Kirche entfremdete Menschenmasse als solche über Glauben und Glaubensordnung ohne jegliche kirchliche Schranke bestimmen lassen, was ihr gut dünkt, und nur deren ausführendes Organ geworden sind, ebenfalls dahin fallen mußte, endlich dasselbe Kirchenregiment sich so hoch über alle Bekenntnisse gestellt hat, daß man versucht ist, dies eigentlich gar keinen Standpunkt mehr zu nennen, jedenfalls aber von hier aus die nötige treue Obhut und Pflege derselben nicht ausgeübt werden kann, so ist für sie damit zugleich überhaupt dargetan, daß dieses einst um der Not willen entstandne weltliche Kirchenregiment unsere evangelische Kirche Augsburgischer Konfession in der bisherigen rechtlich verbrieften Weise nicht mehr schützen könne oder wolle, und daß sogar Eure Königliche Hoheit, Allerhöchstwelche in der Eigenschaft als Summus-Episkopus den Antrag auf Absetzung treuer Diener jener Kirche durch Entschließung vom 15. l. M. zu genehmigen geruht haben, damit im Grunde erklären, daß Allerhöchstdero bis dahin vorhandenen Rechte nicht mehr durchführbar, – und somit treue Diener und Glieder unserer Kirche in den Landen Hessen völlig rechtlos und vogelfrei geworden seien, indem man sie ohne alles prozessualische Verfahren einfach kassiert und zur Strafe emeritiert, weil sie Diener der evangelisch-lutherischen Kirche des Landes sind und bleiben wollen. Daher sehen wir uns vor allem aus Treue und Gehorsam gegen den ewigen König und Herrn der Kirche, dem wir unsere Seligkeit und unser Amt verdanken, zu dem alleruntertänigsten aufrichtigen Zeugnis vor Eurer Königlichen Hoheit gedrungen: Einmal, daß wir als Diener der evangelischen Kirche ungeänderter Augsburger Konfession für uns, unsere Familien und die ihr treu bleibenden Glieder auf jeden weltlichen kirchenregimentlichen Schutz verzichten, wie ihn der konfessionslose Staat und seine Regierung, beziehungsweise dessen neueste Phase, die Synodalregierung, welche die Kirchengewalt über eine der unsrigen entgegengesetzte sog. Landeskirche ausübt, unserer Konfession angedeihen lassen kann, da – laut Zeugnis der Geschichte und Erfahrung – die so hochgepriesene und heute wieder so laut verkündigte Konfessionslosigkeit des Staates nichts anderes ist als vollständige Knechtschaft unter eine politische Religion, beziehungsweise eine Auflösung der anerkannten Konfessionen in den Staat. Zum andern, daß wir als Diener der evangelischen Kirche ungeänderter Augsburger Konfession, mit deren 28. Artikel der landesfürstliche Summepiskopat schon an sich in Widerspruch steht, nachdem nunmehr die Bedingungen zur Rechtfertigung dieses widerkirchlichen Notbischoftums durch die moderne Staatsgestaltung und im Zusammenhange damit durch die allerneuesten Verfassungsvorgänge in den Kirchen der Lande Hessen in gänzlichen Wegfall gekommen sind, uns von demselben, hiermit öffentlich lossagen. –
„Derhalben ist die Schuld des Gegenteils“, sagen wir zusammenfassend mit unseren Vätern, „daß den Bischöfen der Gehorsam entzogen wird, und sind wir vor Gott
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und allen frommen Leuten entschuldiget; denn dieweil die Bischöfe die Unseren nicht dulden wollen, sie verlassen denn diese Lehre, so wir bekannt haben, und doch wir vor Gott schuldig sind, diese Lehre zu bekennen und zu erhalten, müssen wir die Bischöfe fahren lassen und Gott mehr gehorsam sein, und wissen, daß die christliche Kirche da ist, da Gottes Wort recht gelehrt wird. Die Bischöfe mögen zusehen, wie sie es verantworten wollen, daß sie durch solche Tyrannei die Kirchen zerreißen und wüste machen.“ Apologie der Augsburgischen Konfession Art. 7. Wir geben dies offene Zeugnis, tun diesen überaus ernsten Schritt aber zugleich aus Treue gegen unser angestammtes Fürstenhaus, im Interesse der Monarchie selbst. Längst und bis heute hat uns nämlich der herrschende vulgäre Liberalismus – wir hoffen mehr aus Unverstand als aus Lüge – bei allen Gelegenheiten öffentlich vorgeworfen, wir Lutheraner hielten an dem Bekenntnis unserer Kirche nur fest – „aus Fürstengunst“ oder „um persönlicher Vorteile und Interessen willen“, wir seien „Fürstenknechte“ und „an die Feudalen verkauft“ und dergleichen Redensarten mehr. Nunmehr dürfte das Finale unseres 25jährigen Einstehens und Kämpfens für die Freiheit der Kirche und der kirchlichen Bekenntnisse im Lande Hessen: Absetzung und Ausstoßung der Bekenner der ungeänderten Augsburger Konfession durch die ehemaligen Kirchenoberen, auch dem Blindesten zeigen, daß wir innerhalb dieses langen Zeitraums nur mit der allerentschiedensten Ungunst von seiten des weltlichen Kirchenregiments zu tun hatten, wie man uns den zugleich als „Revolutionäre“ angeschuldigt und verdächtigt hat. Weit entfernt, uns durch diese erfahrene Behandlung etwa in die Opposition nach Art der Antikirchlichen treiben zu lassen, erlauben wir uns, die Versicherung unsrer fortwährenden allertreuesten Ergebenheit als Untertanen Eurer Königlichen Hoheit und des Durchlauchtigen Hauses zu erneuern. – Wir hoffen hinfort mit der Hilfe des allmächtigen Gottes in dieser unserer kirchlichen Freistellung auf Grund unserer guten alten Kirchenordnungen nicht allein unser vom Herrn empfangenes evangelisches Kirchenamt im Sinne unserer treuen Väter an den uns befohlenen treuen Gliedern unserer Kirche besser zu erfüllen, sondern zugleich das göttliche Recht der weltlichen Obrigkeit erst recht frei und fest wider alle Revolution, zumeist die geistige, zu vertreten. Wir geloben nach wie vor, für Eure Königliche Hoheit und das ganze Allerhöchste Haus und für alle Obrigkeit treu zu beten, wir werden nach wie vor weltlichen Gehorsam und weltliche Zucht nach Maßgabe des göttlichen Wortes predigen, dem Staate nach wie vor durch unsere persönlichen Leistungen als Staatsbürger dienen und somit dartun, daß wir als freie Knechte des lebendigen Gottes uns in jenen Pflichten durch unser Bekenntnis, welches wir ohne jegliches weltliche Interesse unabhängig vertreten, erst recht fördern lassen. – Diese alleruntertänigste Erklärung und Versicherung wollen Eure Königliche Hoheit in Gnaden anzunehmen geruhen. In allertiefster Ehrfurcht verharren Eurer Königlichen Hoheit treugehorsamste Untertanen und Diener der evangelisch-lutherischen Kirche
Kirchenordnung der Selbständigen evangelisch-lutherischen Kirche (1876)
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Frankfurt a. M., 30. Juni 1875. Karl Ferdinand Bingmann, luth. Pfarrer zu Höchst a.d.N. – Christian Müller, luth. Pfarrer zu Fürstenau. – Georg Anthes, luth. Pfarrer zu Reichelsheim, Kr. Erbach. – Emil Kraus, luth. Pfarrer zu Rothenberg. – Dr. Eduard Lucius, luth. Pfarrer zu Rodheim a. d. Horloff. – Richard Lucius, Pastor an der unabhängigen luth. Gemeinde Usenborn. – Friedrich Kraus, luth. Pfarrer zu Volkartshain. – H. Bichmann, luth. Pfarrer zu Güttersbach. – G. Baist, luth. Pfarrer zu Ulfa.
123. [98.] Aus der Kirchenordnung der Selbständigen evangelischlutherischen Kirche (1876)* I. N. J. Einleitung.
Von dem Wesen, Bekenntniß und Amt der Kirche.
Die „selbständige evangelisch-lutherische Kirche in den hessischen Landen“ hat der hier neu entstandenen sog. „Evangelischen Landeskirche“ sich nicht angeschlossen, sondern getrennt und unabhängig von derselben auf dem Grund und Boden der alten Hessischen Kirchenordnungen sich ihre eigene Verfassung gegeben. Dagegen weiß sie sich im Glauben und Bekenntniß eins mit der gesammten Kirche unveränderter Augsburgischer Confession und erstrebt auf Grund dieser hier folgenden Verfassung einen engern Zusammenschluß mit andern Kirchenkörpern desselben Bekenntnisses. Zuvörderst erklärt sie in Beziehung auf das Wesen, Bekenntniß und Amt der Kirche in Uebereinstimmung mit der Hessischen Kirchenordnung von 1566: „Der ewige und allmächtige Gott hat nach Seiner grundlosen Kraft, Weisheit und Güte Sich auf Erden eine Kirche aus dem menschlichen Geschlechte versammelt, von welcher Er als ein einiger wahrer Gott und gnädiger barmherziger Herr allezeit geehrt, angerufen und gepriesen werden soll.“ „Und diese Seine Kirche regieret und verwaltet Gott durch Seinen Sohn und den heiligen Geist zu allen Zeiten ganz weislich; endlich macht Er sie vollkommen und selig und krönet sie in den Himmeln, da Er auch zugleich von der Schaar, beide der seligen Menschen und auch der Engel, ohne Unterlaß soll gelobet und gepriesen werden.“ – „Die ewige und unwandelbare Lehre der Kirche bekennen wir, daß sie in den Büchern des Gesetzes, der Propheten, Evangelisten und Apostel, beide im Alten und im Neuen Testament verfaßt ist, und daß in denselbigen durch den heiligen Geist reichlich Alles offenbaret ist, was man zur Seligkeit der Menschen und zum gewissen Unterricht der Kirche wissen muß.“ *
Kirchen-Ordnung für die selbständige evangelisch-lutherische Kirche, zunächst in den hessischen Landen, Darmstadt 1876, 3–9.
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„Insbesondere glauben wir auch von Herzen und bekennen vor allen Menschen die allgemeinen Symbola, das apostolische, nicänische und athanasianische, als Zeugnisse und Bekenntnisse der Einhelligkeit der Einen allgemeinen rechtgläubigen Kirche.“ „Und dieweil die dem Kaiser Karl V. 1530 zu Augsburg übergebene Confession sammt deren Apologie, die Schmalkaldischen Artikel, die beiden Katechismen Luthers“ – und beziehungsweise die Concordienformel – „aus der heiligen Schrift gezogen und in Gottes Wort gegründet sind, so bekennen wir uns auch in allen Punkten zu denselbigen gleich unsern Vätern.“ „So bezeugen wir denn vor dem Angesichte Gottes und unseres Herrn Jesu Christi, welcher richten wird die Lebendigen und die Todten, daß wir uns der Einhelligkeit der allgemeinen rechtgläubigen Kirche Gottes in der ewigen, unwandelbaren und reinen Lehre der Wahrheit annehmen und befleißigen, in welcher Bekenntniß und Einhelligkeit wir auch mit Hülfe des heiligen Geistes bis zum Ende unseres Lebens beständig bleiben wollen.“ – „Wiewohl der ewige und allmächtige Gott von Anfang her Seine Kirche Selbst regiert und sie auch forthin bis zum Ende der Welt Selbst regieren und erhalten will, weil aber doch dieselbige, wie sie auf Erden ist, ganz aus dem menschlichen Geschlechte versammelt wird, so gefällt es auch Gott, daß Alles, so Er Selbst der Kirche zu allen Zeiten vonnöthen achtet, durch Menschen ausgerichtet werde.“ „Derhalben hat Er erstlich zur Regierung Seiner Kirche Ein Haupt und Einen Hohenpriester verordnet, nämlich Seinen Sohn, unsern Herrn Jesum Christum, welcher ist Mensch worden und auf Erden unter den Menschen gewohnet, auf daß Er Alles, was die Seligkeit der Menschen und der Kirche Nothdurft belangt, beschaffen und ausrichten möchte.“ „Es sind danach unter demselbigen Christo, welcher ist wahrer Gott und Mensch, andere Diener auf Erden gesetzt, |welche der heilige Geist nennet Gottes Mitarbeiter, Diener Christi und Haushalter über Gottes Geheimnisse. Diese sind nach der Apostel Lehre in der Kirche Gottes hoch vonnöthen.“| Sie haben anstatt und auf Befehl des Erzhirten Jesu Christi das Hirten- und Lehramt in der Kirche hier auf Erden fortzusetzen bis auf den Tag Seiner Wiederkunft, und unterscheiden sich nach Gottes Wort als Oberhirten oder Superintendenten (Bischöfe), und als Hirten oder Pastoren. Denselben steht nach apostolischer Ordnung der Diakonat helfend zur Seite. Durch diese Aemter wird bei uns nach dem Befehl Christi und der heiligen Apostel aller Dienst in der Gemeinde Gottes ausgerichtet.
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Erster Abschnitt. Von den Oberhirten oder Superintendenten. §. 1. Den Oberhirten oder Superintendenten steht die Oberleitung der Heerden und Hirten, der Gemeinden und Pastoren, auf Grund und in Gemäßheit des Bekenntnisses der Kirche, innerhalb der Schranken dieser Kirchenordnung zu. Diese Oberleitung besteht wesentlich in der Oberaufsicht über die bekenntnismäßige Verwaltung der Lehre, der Sacramente und der Absolution, in der Ertheilung der Vollmacht für den Pastorat, und in der Ueberwachung und Aufrechterhaltung der kirchlichen Ordnung, Zucht und Sitte. §. 2. Jeder Superintendent steht einer eigenen Diöcese vor, deren kirchliche Angelegenheiten er zu leiten hat, und pastorirt persönlich die Gemeinde, in welcher er seinen Sitz hat (§§. 8; 59). Doch sind ihm nach Bedürfniß Kapläne zur Unterstützung und Aushülfe beigegeben (§. 17). §. 3. Die Superintendenten sämmtlicher Diöcesen, in welchen diese Kirchenordnung in Geltung ist, bilden, zu einem Collegium vereinigt, die höchste Kirchenbehörde, das Superintendentur-Collegium. §. 4. Dieses Collegium der Superintendenten nimmt noch ein oder zwei kirchenrechtskundige Mitglieder in seine Mitte auf und wird von drei zu drei Jahren durch zwei von dem Generalpfarrconvent und der Generalsynode delegirte Mitglieder, einen Geistlichen und einen Laien, ergänzt (§§. 21, 8; 71, 6). Den Vorsitz und die Leitung des Superintendentur-Collegs führt der von den Mitgliedern desselben durch Wahl hierzu bestimmte Superintendent. Diesem ist die Wahl eines Stellvertreters aus den geistlichen Mitgliedern des Collegiums überlassen. Den Schriftführer wählt das Collegium selbst aus seiner Mitte. §. 5. Es versammelt sich jeden Monat wenigstens einmal zu festgesetzter Stunde an einem bestimmten Orte, um über die Angelegenheiten der Gesammtkirche zu berathen und zu beschließen. Die Sitzungen, zu welchen je nach Anlaß auch andere
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Mitglieder der Kirche mit berathender Stimme zugezogen werden können, werden mit Wort Gottes und Gebet begonnen und geschlossen. Beschlüsse und Entscheidungen werden in ein von dem Vorsitzenden zu bewahrendes Protokollbuch eingetragen und von sämmtlichen anwesenden Mitgliedern unterschrieben. Sind sie auf kirchenordnungsmäßigem Wege veröffentlicht und verstoßen sie nicht wider Gottes Wort und das Bekenntniß der Kirche, so haben sie für den gesammten Kirchenkörper verbindliche Kraft. §. 6. Der Wirkungskreis des Superintendentur-Collegs umfaßt folgende Functionen: I.
Functionen der geistlichen Mitglieder des Collegiums, bei welchen den weltlichen Mitgliedern nur eine berathende Stimme zukommt:
1. oberste Aufsicht und Entscheidung in Sachen der Lehre und des Cultus (§§. 7; 8, 2; 21, 4); 2. oberste Aufsicht über Amtsführung und Wandel der Geistlichen und aller andern Kirchendiener, sowie über den kirchlichen und sittlichen Zustand der Gemeinden (§§. 8, 5; 14, 9); 3. oberste Aufsicht über die kirchliche Erziehung und Unterweisung der Jugend (§§. 8, 3; 14, 3; 37, 5); 4. oberste Aufsicht über das theologische Seminar und alle übrigen Anstalten der Kirche (§§. 8, 4; 15, 5; 66, 5; 71, 1, 2); 5. Prüfung der Bewerber um kirchliche Aemter und Berufung der tüchtig Befundenen in den Dienst der Kirche (§§. 21, 6; 30; vgl. §. 16); 6. Verwendung der in den Dienst der Kirche berufenen Candidaten, Ernennung der Kapläne und der theologisch gebildeten Diakonen, Vorschlag der Pastoren (§§. 16; 17; 30); 7. Bestätigung der designirten Mitglieder des Kirchenregimentes, der Superintendenten, Pastoren und Lehrer durch Bestallbriefe, die von dem Vorsitzenden und Schriftführer des Collegs zu unterzeichnen und mit dem Kirchensiegel zu versehen sind (§§. 11; 16; 21, 5); 8. Anordnung der Ordination und Introduction der Geistlichen (§. 8, 7 und §. 16); 9. Anordnung von ordentlichen und außerordentlichen Visitationen (§. 8, 7); 10. Anordnung der Einweihung von Kirchen und kirchlichen Anstalten (§. 8, 7); 11. Bestätigung der Suspension von Geistlichen und Erstreckung derselben auf sechs Monate (§§. 8, 14; 20, 3); ferner, nach vorgängiger Zustimmung der Pastoralconvente, die Dienstentlassung und Absetzung von Geistlichen (§§. 20, 3; 21, 3); 12. Erlaß von Hirtenbriefen an Pastoren und Gemeinden (vgl. §. 8, 8); 13. Berufung und Leitung des Generalpfarrconvents (§. 21);
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II.
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Functionen des Gesammtcollegiums, bei welchen allen Mitgliedern desselben gleiches Stimmrecht zusteht:
14. Durchführung und Aufrechterhaltung der Kirchenordnung und der auf Grund derselben zu erlassenden Bestimmungen (§. 7, 1); 15. Erlaß der nöthigen Ausführungen, Regulativen und Instructionen; 16. das Dispensationsrecht und die Ehesachen, soweit sie innere Kirchenangelegenheiten sind; 17. Errichtung, Umgestaltung oder Auflösung von Parochien und Diöcesen, vorbehaltlich der Mitwirkung der betheiligten Parochien und Diöcesen, sowie der Generalsynode (§§. 41; 58, 7; 59; 66, 6; 71, 7); 18. die Kirchendisciplinargewalt in oberster Instanz; jedoch kann Ausschluß aus der Kirchengemeinschaft (Excommunication) nur unter Mitwirkung der betheiligten Gemeinde (§. 58, 3), und über Geistliche nur nach vorausgegangener Zustimmung des Generalpfarrconvents (§. 21, 3) verhängt werden; 19. die letzte Entscheidung über Recurse, besonders bei Streitigkeiten der Pastoren oder der Gemeinden unter sich, oder der Pastoren mit Gemeinden, Senioren etc. (§§. 8, 15; 20, 2; 21, 2; 38; 50, 3; 57, 6; 58, 5; 66, 9; 71, 5); 20. Verwaltung sämmtlicher allgemeiner kirchlichen Fonds und Liegenschaften, sowie oberste Leitung und Verwaltung alles kirchlichen Vermögens, Genehmigung zur Annahme kirchlicher Stiftungen, zur Veräußerung kirchlicher Vermögenstheile etc. (§§. 8, 6; 14, 8; 24, 4; 37, 8; 50, 5; 57, 4; 66, 7; 71, 4); 21. Anordnung allgemeiner außerordentlicher Feiern und Kirchencollecten (vgl. §. 8, 9); 22. Ertheilung von Urlaub an Geistliche über einen Monat hinaus (vgl. §. 8, 13); 23. Vertretung der Kirchengemeinschaft nach Außen; 24. Pflege der Gemeinschaft mit den selbständigen Kirchenkörpern unveränderter Augsburgischer Confession; 25. Berufung und Leitung der Generalsynode (§. 69); 26. Bestätigung und Veröffentlichung der Beschlüsse der Diöcesan- und Generalsynoden (§§. 65; 73). §. 7. Die oberste Kirchenregierung übt ferner in Gemeinschaft mit der Generalsynode (§. 71) das Gesetzgebungsrecht in allen kirchlichen Angelegenheiten aus, bleibt aber dabei dem Bekenntniß der Kirche unterstellt. Es kann also kein kirchliches Gesetz ohne Uebereinstimmung dieser beiden Factoren erlassen, aufgehoben, geändert oder authentisch interpretirt werden. Insbesondere ist die vorgängige Zustimmung der Generalsynode erforderlich: 1. bei Erlaß kirchengesetzlicher Normen, welche sich auf Lehre, Cultus, Zucht und Verfassung beziehen (§§. 6, 14; 20, 4; 21, 4; vgl. §§. 50, 4; 58, 6; 66, 10);
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2. bei Einführung von Agenden, Gesangbüchern und anderen kirchlichen Lehrschriften. In besonders dringenden Fällen kann die Kirchenregierung in Uebereinstimmung mit dem Generalpfarrconvent provisorische Verfügungen über diese Angelegenheiten treffen, vorbehaltlich der bei der nächsten Generalsynode einzuholenden Zustimmung (§. 22). §. 8. Jeder Superintendent hat nicht blos als Mitglied der obersten Kirchenbehörde Antheil an der Regierung des gesammten Kirchenkörpers, sondern erscheint auch in Beziehung auf seine eigene Diöcese als der persönliche Träger der Kirchengewalt (§§. 2; 59). In dieser letzteren Eigenschaft gehören zu seinen Amtsobliegenheiten im Einzelnen: 1. die persönliche Verantwortung für die richtige Ausführung der bestehenden kirchlichen Ordnungen und Bestimmungen; 2. die Aufsicht über Lehre, Cultus und Kirchenzucht (§. 6, 1); 3. die Aufsicht über die kirchliche Erziehung und Unterweisung der Jugend (§§. 6, 3; 14, 3; 37, 5); 4. die Aufsicht über sämmtliche kirchliche Anstalten der Diöcese (§§. 6, 4; 15, 5; 66, 5; 71, 2); 5. die unmittelbare persönliche Ueberwachung des kirchlichen und sittlichen Zustandes der Diöcese, insbesondere der Amtsführung und des Wandels der Geistlichen, Senioren und Diakonen (§§. 6, 2; 14, 9); 6. die Verwaltung des der Diöcese angehörigen Kirchenvermögens (§. 66, 7), sowie die Aufsicht über die Verwaltung des Localkirchenvermögens (§§. 14, 8; 24, 4; 37, 8; 50, 5; 57, 4); 7. Vornahme der ihm aufgetragenen Einweihungen, Kirchenvisitationen, Ordinationen und Introductionen (§. 6, 8. 9. 10.); 8. Erlaß von Ausschreiben und Hirtenbriefen an Pastoren und Gemeinden der Diöcese, nach vorher eingeholter Billigung der andern geistlichen Mitglieder des Kirchenregiments; 9. Anordnung oder Genehmigung außerordentlicher Feiern von localem Character (vgl. §. 6, 21); 10. Anordnung einer interimistischen Verwaltung bei eingetretenen Pfarrvacanzen, sowie Regelung der Ansprüche zwischen abgehenden Geistlichen, oder Erben verstorbener Geistlichen und deren Amtsnachfolgern (§. 58, 1); 11. Bestätigung der gewählten Diakonen und Senioren (§§. 29; 35), sowie der vom Diöcesanpfarrconvent bestellten Lehrer (20, 5); 12. Entscheidung über Beschlüsse des Seniorenconvents, bei welchen die Ansicht des Pastors in der Minderheit geblieben ist (§. 39);
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13. Ertheilung von Urlaub an Geistliche, dessen Dauer sich nicht über einen Monat erstreckt (vgl. §. 6, 22); 14. Ausübung der kirchlichen Disciplinargewalt bis zum Ausschluß vom heiligen Abendmahl (§. 14, 5); ferner bei Geistlichen, vorbehaltlich des Recurses an den Diöcesanpfarrconvent (§. 20, 3) und an die Kirchenregierung (§. 6, 11) bis zur Suspension auf drei Monate; endlich bei Senioren und Diakonen bis zur Entlassung oder Absetzung (§§. 29 und 40); 15. Vermittlung von Streitigkeiten der Geistlichen oder der Gemeinden unter einander, oder der Geistlichen mit ihren Gemeinden (§§. 6, 19; 20, 2; 21, 2; 38; 50, 3; 57, 6; 58, 5; 66, 9; 71, 5); 16. Berufung und Leitung der Gemeindeversammlungen nach Maßgabe des § 58, sowie größerer Diakonenversammlungen zur Berathung über Angelegenheiten der Diakonie (§. 31); 17. Berufung und Leitung des Diöcesanpfarrconvents und der Diöcesansynode (§§. 20 und 61). §. 9. Jedem Superintendenten werden von drei zu drei Jahren (von einer Generalsynode bis zu der andern) von dem Diöcesanpfarrconvent (§. 20, 7) und der Diöcesansynode (§. 66, 11) ein Geistlicher und ein Laie bezeichnet, deren Aushülfe und Unterstützung er in dringenden Fällen in Anspruch nehmen kann, wie z.B. bei der Aufsicht über das Kirchenvermögen, bei größeren Visitationen, bei schweren Kirchenzuchtsfällen etc. §. 10. Ueber sämmtliche Functionen, welche die Superintendenten in ihrer Diöcese verrichten, haben dieselben ein Buch zu führen, welches zur Registratur der Superintendentur gehört. §. 11. Die Wahl der Oberhirten erfolgt auf Lebenszeit, unter Leitung des Vorsitzenden des Superintendentur-Collegs und unter Mitwirkung der übrigen Superintendenten, durch die Geistlichen der betreffenden Diöcese in öffentlichem Gottesdienst vor versammelter Gemeinde und wird von Seiten des Kirchenregiments nach Maßgabe des §. 6, 7 bestätigt. Ueber die kirchliche Wahlordnung und die Ordination der Superintendenten siehe die Kirchenagende (vgl. §. 20, 6).
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Die Selbständige evangelisch-lutherische Kirche in den hessischen Landen
124. [99.] Aus der Kirchenordnung der Selbständigen evangelischlutherischen Kirche (1902)* Erster Abschnitt. Von dem Kirchenregiment. § 1. Den Superintendenten oder Oberhirten steht die Oberleitung der Pfarrer und Gemeinden auf Grund und in Gemäßheit des lutherischen Bekenntnisses und nach den Bestimmungen dieser Kirchenordnung zu. Diese Oberleitung besteht wesentlich in der Oberaufsicht über die bekenntnismäßige Verwaltung der Lehre, der Sacramente und der Absolution, in der Erteilung der pfarramtlichen Vollmacht und in der Ueberwachung und Aufrechterhaltung, der kirchlichen Ordnung, Sitte und Zucht. § 2. So lange unsere Kirche nur aus einer Diöcese besteht, übt der Superintendent mit seinem Beirat (§ 5) die Oberleitung aus. Er erscheint als der persönliche Träger der Kirchengewalt. Zu seinen Pflichten gehören: 1. Ordination und Einführung der Pfarrer (§ 10). 2. Ordentliche und außerordentliche Kirchenvisitationen. 3. Kirchen- und sonstige Einweihungen. 4. Berufung und Leitung der Pfarr- und Kirchenconvente (§ 13 und 38). 5. Erteilung von Urlaub an die Pfarrer. 6. Anordnung der Verwaltung vacanter Pfarreien (§ 11). 7. Anordnung allgemeiner Kirchencollecten. 8. Bestätigung oder Ablehnung der Senioren und Diakonen (§ 17 und 23). 9. Entscheidung über Beschlüsse des Seniorenconvents, bei denen der Pfarrer in der Minderheit geblieben ist (§ 20), kurz alle amtlichen Handlungen, welche die Leitung der Kirche erheischt. Da der Superintendent zugleich Pfarrer einer Gemeinde ist, so hat er sich in allen den Fällen, die seine Gemeinde betreffen und eine kirchenregimentliche Entscheidung erfordern, an seinen Assistenten (§ 5) zu wenden und sich dessen Entscheidung zu unterwerfen. § 3. Der Superintendent hat über die von ihm vollzogenen amtlichen Handlungen ein *
Kirchenordnung für die selbständige evangelisch-lutherische Kirche in den hessischen Landen, o.O. 1902, 5–7.
Kirchenordnung der Selbständigen evangelisch-lutherischen Kirche (1902)
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Buch zu führen, welches zur Registratur der Superintendentur gehört. § 4. Wahl und Ordination des Superintendenten erfolgen auf Lebenszeit nach der festgestellten Ordnung, wovon je ein Exemplar bei dem Superintendenten und dessen Assistenten zu deponieren ist. Bei Erledigung der Superintendentur ist der Pfarrconvent zur Wahl des Nachfolgers baldmöglichst durch den Assistenten zu berufen und von diesem zu leiten (§ 13, 7). Bis dahin hat der Assistent die Superintendentur zu verwalten. § 5. Der dem Superintendenten zur Seite stehende Beirat besteht aus zwei Pfarrern, welche von dem Pfarrconvent auf drei Jahre gewählt werden und von denen immer einer als sein Assistent fungiert (§ 13, 7). Sie haben in Gemeinschaft mit dem Superintendenten folgende Obliegenheiten: 1. Prüfung, Beaufsichtigung und Verwendung der Pfarramtscandidaten. 2. Verwaltung des allgemeinen Kirchenvermögens, beziehungsweise Aufsicht über dieselbe, sowie über die Verwaltung des Vermögens der einzelnen Gemeinden, die insbesondere bei wichtigen An- und Verkäufen, z.B. von Immobilien, ihrer Zustimmung bedürfen. Hierbei sollen sie womöglich einen oder mehrere Laien zuziehen. 3. Ausübung der Disciplin gegen einen Pfarrer bis zur zeitweiligen Amtsenthebung (§ 13, 3). 4. Desgleichen gegen Senioren und Diakonen bis zur Entlassung aus dem Dienst (§ 21und 23). 5. Verhängung der Excommunication (§ 8, 5). 6. Entscheidung über Streitigkeiten zwischen Pfarrern und Gemeinden unter sich oder eines Pfarrers mit seiner Gemeinde. 7. Beratung der Pfarrer in schwierigen Lagen, sowie vorläufige Entscheidung in solchen Fällen, bei denen sonst der Pfarrconvent zuständig ist (§ 13). 8. Vertretung der Kirche nach außen. § 6. Die Beratungen dieses Collegiums finden je nach Bedürfnis auf Berufung des Superintendenten oder auf Wunsch eines anderen Mitgliedes statt. Sie können auch schriftlich geführt werden; doch soll mindestens einmal jährlich eine persönliche Zusammenkunft stattfinden.
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Die Selbständige evangelisch-lutherische Kirche in den hessischen Landen
125. [100.] Ordnung der Wahl und Weihe eines Superintendenten (nach 1945)* I.
Wahlordnung
Während die Gemeinde das Lied Nr. 264 V 1–3 „Erneure mich, o ewigs Licht“ singt, betritt – von 2 Assistenten begleitet – der Leiter der Wahl den Altar und eröffnet die Wahlhandlung mit einer 1. einleitenden Anrede 2. Gemeindegesang: „Ehalt uns, Herr, bei deinem Wort ...“ (Nr. 142) 1. Assistent: 3. Lektion a) Verlesung aus der Diözesanordnung b) 1. Tim 3 V 1–7 1. Assistent: Du aber, o Herr, erbarm dich unser! Gemeinde: Dank sei dir, o Jesu! 4. Ansprache 5. Kollekte (kniend) 2. Assistent: Gott, gedenke an deine Gemeinde, die du von Alters her erworben: Gemeinde: Und dir zum Erbteil erlöset hast. 2. Assistent: Laßt uns beten: O Herr Gott, himmlischer Vater, der du aller Herzen erkennest und allein tüchtig machest, der du auch allein aussonderst treue Diener der Kirche, welche dein Sohn Jesus Christus versammelt und mit mancherlei Gaben nach Seiner Himmelfahrt gezieret und begnadigt hat und dieselbe noch bis auf den heutigen Tag als Haupt und Erzhirte regieret: wir bitten Dich, Du wollest durch Deinen Heiligen Geist unsere Herzen erleuchten und regieren, damit wir mit einträchtiger Stimme einen solchen Aufseher für unsere Gemeinden erwählen, an dem Du Wohlgefallen habest, und der zu Deines Namens Ehre und zur Erbauung aller Gläubigen sein befohlenes Amt allezeit treulich versehe und ausrichte: durch denselben Jesum Christum, unsern Herrn: Gemeinde: Amen Gemeinsam noch knieend: Vater unser 6. Wahl *
Pfarrarchiv der ev.-luth. Kirchengemeinde St. Martin Rothenberg/Odenwald (Sonderdruck).
Ordnung der Wahl und Weihe eines Superintendenten (nach 1945)
Vom Gebet aufgestanden setzen sich die Pfarrer und die Gemeinde, während der Wahlleiter und seine Assistenten sich in die Sakristei begeben. Während die das Lied Nr. 206 V 1–5 „Preis, Lob und Dank sei Gott dem Herren“ singt, werden die Wahlzettel von einem Pfarrer (oder Vikar) verteilt und, nachdem sie ausgefüllt sind, eingesammelt und in die Sakristei gebracht. Es folgt die Bekanntgabe der Wahl vor versammelter Gemeinde sowie Frage an den Gewählten, ob er das Amt auf sich zu nehmen bereit ist und dessen Antwort. Danach spricht der Wahlleiter: Gelobet sei der Herr unser Gott von Ewigkeit zu Ewigkeit! Amen, Halleluja!
Gemeinde
Gemeinde: Die Versammlung singt: II.
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„Es danke, Gott, und lobe dich“ (Nr. 182 V 3)
Die Ordination 1.
Ordinator:
Ordinator: Gemeinde: Gemeinde Ordinator:
2. 1. Assistent: 1. Assistent: Gemeinde: 3.
Eingang Geliebte Gemeinde! Es liegt uns nunmehr ob, den erwählten Superintendenten zu ordinieren und der ganzen Kirche zu befehlen. Darum gedenket sein und unser aller, die wir Christi Diener sind, damit das herrliche Werk der Segnung gelinge. O Herr, hilf! O Herr, laß wohlgelingen! singt das Lied Nr. 209, „Herr, unser Gott laß nicht zu Schanden“ Alles aber, spricht der heilige Apostel Paulus, wird geheiligt durchs Wort Gottes und Gebet, also auch das Amt und der Dienst des Herrn. So höret zuerst Gottes Wort! Lektion Also spricht der Herr durch den Mund seines heiligen Apostels Titus 1 V 5–9: Du aber, o Herr, erbarm dich unser! Dank sei dir, o Jesu! Litanei
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Die Selbständige evangelisch-lutherische Kirche in den hessischen Landen
Ordinator: Assistenten: Ordinator: Assistenten:
4. Ordinator zum Ordinanden:
Ordinand: Ordinator: Ordinand: Ordinator: Ordinand: 2. Assistent:
5.
Gemeinde: 6.
1. Assistent:
7. 8. 9.
Kommt, laßt uns anbeten und knien: Und niederfallen vor dem Herrn, der uns gemacht hat. Herr, erzeige uns deine Gnade: Und hilf uns Gebet der Litanei (Nr. 138) (mit Einschaltung besonderer Fürbitten) Summa der Amtsvollmacht Hab Acht, geliebter Bruder, auf die Vollmacht des Bischofsamtes, zu welchem dich der Heilige Geist setzet, zu weiden die Gemeinde Gottes, welche er durch sein eigen Blut erworben hat: Hüter sollst du sein der reinen seligmachenden Lehre und Wächter über die heiligen Sakramente! Herr, mein Gott, erleuchte meine Leuchte! Leiter der Hirten und Herden durch heilsame Zucht und Vorbild der Gläubigen in Wort und Wandel! Herr, sende dein Licht und deine Wahrheit, daß sie mich leiten! Pfleger der heiligen Ordnungen, Sitten und Güter, Bekenner der Wahrheit wider die Pforten der Hölle! Herr, gedenke mein und stärke mich! Gebet um den Heiligen Geist für den Ordinanden Laßt uns beten: Allmächtiger Gott, himmlischer Vater, der du deinen lieben Sohn Jesum Christum gesetzt hast zu unserem Erzhirten und Bischof unserer Seelen und durch Ihn zum hohen und heiligen Dienst in deiner Kirche Hirten und Lehrer erwählen lässest: wir bitten dich, du wollest diesem zum Oberhirten Erwählten Deinen Heiligen Geist reichlich mitteilen, der ihn allezeit erleuchte, führe und stärke, damit er solches Amt weislich und eifrig verrichte durch denselben Deinen Sohn, Jesum Christum, unsern Herrn: Amen Gesang der Gemeinde an den Heiligen Geist „Komm, Heiliger Geist, Herre Gott“ (Nr. 98) Vermahnung des Ordinators an den Ordinanden Verpflichtung des Ordinanden Gebet um Bewahrung und Treue des Ordinanden Laßt uns beten: Allmächtiger, gütiger Gott himmlischer Vater, der Du von Deinem lieben Sohne, unserm ewigen einigen Hohenpriester bis ans Ende der Tage gebeten wirst, Deine Diener in der Welt vor dem Übel zu be-
Ordnung der Wahl und Weihe eines Superintendenten (nach 1945)
Gemeinde: 10.
11.
12.
Gemeinde: 13. 14. Ordinator:
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wahren; wir bitten Dich für diesen hier vor Deinem Angesicht stehenden Diener und Haushalter über Deine Geheimnisse, Du wollest ihn vor allen eigenen Fehlern und Ärgernissen, vor falscher Verleumdung und Verkleinerung, sowie vor aller gewaltsamen Hinderung seines Amtes und Dienstes bewahren, auf daß er treu, standhaft, fleißig und seliglich Ihm und Seiner lieben Kirche in allem diene, damit Dein Name immer mehr geheiligt und Dein Reich allenthalben erweitert und herrlicher werde durch denselben Jesum Christum, Deinen Sohn, unsern Herrn: Amen. Das Ecce quem bonum oder der Pfarrer heilige Eintracht Die Pfarrer singen Psalm 133 Übergabe der Bestallungsurkunde Der Ordinator übergibt sie mit den Worten: Weide die Gemeinde Gottes sanft und linde ohne Weichheit und Unruhe, weise und besonnen ohne Hochmut und Anmaßung, gerecht und fest ohne Zorn und Leidenschaft! Weihe Während alle niederknien, legen Ordinator und Assistenten die Hände auf und der Ordinator betet: Herr Gott, himmlischer Vater, der Du allein tüchtige Diener Deiner Kirche machest und sendest und ihnen Kraft und Macht gibst: wir bitten Dich demütiglich, Du wollest das Herz dieses Deines Dieners mit dem Heiligen Geist im Namen Jesu Christi erleuchten und ihn mit Deiner gewaltigen Hand also leiten und führen, daß er sein befohlenes Amt zu Deines Namens Ehre und Auferbauung aller Gläubigen in der Kirche Deines Sohnes treulich verrichten möge durch denselben Deinen Sohn, Jesum Christum, unsern Herrn: Amen. Gemeinsames Vater unser (noch kniend) Überweisung der Gemeinden an den ordinierten Oberhirten (während sich der Ordinand zur Gemeinde kehrt) So befehlen wir dir, lieber Bruder, alle Gemeinden der Hessischen Diözese, daß du sie, die mit dem Blute Christi erlöset und dir nun vom Heiligen Geist vertraut
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sind, mit aller Treue und großer Sorgfalt regierest, führest und unverletzt wahrest und stellest dich allenthalben zum Vorbild der Gläubigen. Halte an zu aller Zeit mit Lehre, mit Ermahnen, mit Lernen; laß nicht aus der Acht die Gabe, die dir gegeben ist mit Handauflegung der Ältesten. Solches warte, damit gehe um, daß dein Zunehmen in allen Dingen offenbar sei. Der Herr segne dich aus Zion! Der Himmel und Erde gemacht hat. O Herr, hilf:
Ordinand: 1. Assistent: Alle Pfarrer samt Ordinand: 15. Ordinator zur Versammlung:
16. 17. 18. Superintendent: Gemeinde: Superintendent: Gemeinde: Superintendent:
O Herr, laß wohl gelingen! Verpflichtung der Gemeinden gegen den ordinierten Oberhirten Wir befehlen nun euch, im Herrn geliebte Hirten, Senioren und Gemeinden diesen ordinierten Superintendenten und vermahnen euch, so viel an uns ist, daß ihr nach dem Befehl Gottes ihn als euren rechten und treuen Oberhirten wollet annehmen und in Ehren halten und ihn lieb und wert haben um des Wortes und seiner Mühe willen; seid friedsam mit ihm; wollet allesamt ihm folgen und gehorchen. Amen. Ansprache des neuen Superintendenten Gemeinsam gesungenes Tedeum (Nr. 137) Benedicamus und Segen Der Herr sei mit euch! Und mit deinem Geiste! Laßt uns benedeien den Herrn! Gott sei ewiglich Dank! Segen.
VII. Die Hannoverschen evangelisch-lutherischen Freikirchen Andrea Grünhagen Einführung Die lutherische Freikirchentwicklung im Hannoverland des 19. Jahrhunderts nahm ihren Ausgang in einer lutherischen Erweckungsbewegung um den Pastor Louis 1 Harms in Hermannsburg.
Georg Ludwig Detlef Theodor (genannt: Louis) Harms, *1808, †1865, Erweckungsprediger, Kollaborator (Mitarbeit im Pfarramt) seines Vaters in Hermannsburg 1844–1849, Pfarrer in Hermannsburg seit 1849, Gründung der Hermannsburger Mission (heute: Evangelisch-lutherisches Missionswerk in Niedersachsen [ELM]) 1849.
Georg Ludwig Detlef Theodor Harms, mit Rufnamen Louis genannt, wurde am 5.5.1808 in Walsrode geboren, wo sein Vater Christian Harms Pastor und Schulrektor war. 1817 wechselte Christian Harms auf die Pfarrstelle nach Hermannsburg. Dort kam Theodor Harms am 19.3.1819 zur Welt. Die Familie hatte zehn Kinder, acht Söhne und zwei Töchter. Der Vater unterrichtete die Kinder in seiner Privatschule selbst. Er war ein engagierter Pädagoge. Als Pfarrer war er von einem milden Rationalismus bestimmt, nüchtern und konsequent.
1
Vgl. dazu auch Andrea Grünhagen, Erweckung und konfessionelle Bewußtwerdung am Beispiel Hermannsburgs im 19. Jahrhundert, Quellen und Beiträge zur Geschichte der Hermannsburger Mission und des Ev.-luth. Missionswerkes in Niedersachsen, Münster 2010.
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Die Hannoverschen evangelisch-lutherischen Freikirchen
Louis Harms besuchte das Gymnasium in Celle und studierte danach Theologie in Göttingen (1827–1830). Nach dem Examen wurde er Hauslehrer in Lauenburg und Lüneburg. 14 Jahre lang, auch für damalige Verhältnisse sehr ungewöhnlich, fand sich für ihn keine Stelle in seiner Kirche. Er galt dem Konsistorium als zu eigenständig. Erst 1844, als sein Vater ihn als Hilfsprediger benötigte, wurde er ordiniert. Schon in seiner Zeit als Hilfsprediger in Hermannsburg, begann das, was man die Hermannsburger Erweckung nennt. Dazu gehört z. B. die Hausandacht in den Familien. Der Gottesdienstbesuch stieg sprunghaft an. Sonntagsheiligung wurde zu einem wichtigen Kennzeichen der Erweckung. Ein Sonntag in Hermannsburg übte zu jener Zeit auch eine beträchtliche Anziehung auf Christen aus anderen Gemeinden und Kirchspielen aus. In Hermannsburg erlebten sie vor allem Gottesdienste, mit denen der ganze Sonntag ausgefüllt war. Der Vormittagsgottesdienst dauerte mindestens drei Stunden. L. Harms hielt eine Auslegung der Lesungen und eine Predigt, die eine Stunde und mehr beanspruchte. Auch fanden an jedem Sonntag eine Abendmahlsfeier und mehrere Taufen statt. Außerdem ließ L. Harms grundsätzlich alle Strophen der Choräle singen. Nachmittags folgte die sog. Kinderlehre, eine Katechese für die Kinder und Jugendlichen, zu der in Hermannsburg aber die ganze Gemeinde erschien. Besonders genossen einzelne Gemeindeglieder, die es wollten, abends noch eine Versammlung im Pfarrhaus, in der L. Harms auf Plattdeutsch die Bibel auslegte und Geschichten erzählte. Diese Abende haben durch ihre Volkstümlichkeit eine gewisse Berühmtheit erlangt. Man darf aber nicht vergessen, dass L. Harms, wie schon sein Vater, außer in Kirche und Schule mit den Gemeindegliedern überhaupt immer Plattdeutsch sprach. Als Christian Harms 1848 starb, wurde Louis sein Nachfolger als Pfarrer in Hermannsburg. Seit seiner Kandidatenzeit hatte sich L. Harms für die Sache der Mission engagiert, 1836 beispielsweise die Norddeutsche Missionsgesellschaft mitbegründet. Seit 1845 spendeten auch Hermannsburger Gemeindeglieder für die Mission. Überdies meldeten sich junge Männer, die Missionare werden wollten. Nun, als selbstständiger Pfarrer, konnte L. Harms daran gehen, ihnen eine Ausbildung zu geben. Dazu gründete er das Hermannsburger Missionshaus (12.10.1849), in welchem zunächst zwölf sog. Zöglinge aufgenommen wurden. Lehrer im Missionshaus wurde Theodor Harms, Louis Harms’ jüngerer Bruder. Er hatte das Gymnasium in Lüneburg besucht, in Göttingen Theologie studiert und danach als Hauslehrer gearbeitet. Erwähnenswert ist, dass die Kirchenmusik für Theodor Harms eine große Rolle spielte. Er brachte den Missionszöglingen das Posaunespielen bei. Außerdem gründete er mit ihnen und jungen Gemeindegliedern einen Singchor. Das war für die Gemeinde etwas Neues und stärkte ihr Selbstbewusstsein und ihren Eifer.
Einführung
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Theodor Harms, *1819, †1885, Theologe, Inspektor des neu errichteten Missionsseminars in Hermannsburg seit 1849, Pfarrer in Müden/Oertze seit 1858, Leiter der Hermannsburger Mission seit 1865, Pfarrer in Hermannsburg seit 1865, Amtsenthebung aufgrund seines Widerstandes gegen die veränderte Trauliturgie 1878, Mitbegründer der Hannoverschen evangelisch-lutherischen Freikirche 1878.
Zur Hermannsburger Erweckung gehörten also vor allem zwei Dinge, das aktive kirchliche Leben und die Mission. Beides blieb auch prägend für die Gemeinden, die aus der Landeskirche austraten. Diese Trennung hatte ihren Grund hauptsächlich in der Besonderheit dieser Erweckung als einer konfessionell bewusst lutherischen. Theodor Harms vertrat eine entschieden lutherische Position und auch Louis Harms entwickelte sich besonders durch die kirchlichen Streitigkeiten seiner letzten Lebensjahre, von denen noch zu reden sein wird, in diese Richtung. Er erkannte immer mehr, dass die Heilsgewissheit der Menschen nicht an ihrer „Bekehrung“ hängt, obwohl er davon auch viel zu reden wusste. Er meinte damit aber weniger eine Hinwendung zu Gott aus menschlichem Willen und Kräften, sondern ein radikales Ernstmachen mit einer christlichen Lebensführung. Doch das ist für ihn nicht der Grund der Seligkeit, diese hängt allein an Gottes Wirken in den Gnadenmitteln der Kirche, Wort und Sakrament. Dies schätzte L. Harms sehr hoch. Er liebte die lutherische Kirche seiner Heimat, weil er ein geschichtlich denkender Mensch war und ihm das von den Vorfahren Überkommene teuer war. Deshalb war er auch nie etwas anderes, als Lutheraner. Aber er ist es immer bewusster geworden. Dazu gehört auch die Erkenntnis, was der lutherischen Kirche geschenkt ist, auch im Vergleich zu anderen Kirchen. Gleichwohl achtete er Frömmigkeit und Eifer in jeder Kirche. Diese Erweckungsbewegung hatte also ein bewusst konfessionelles und kirchliches Profil. Dies ist wichtig für den weiteren Verlauf der Dinge. Die Hannoversche lutherische Freikirche ist dadurch geprägt, dass sie im Gegenüber zu einer dem Recht nach lutherischen Landeskirche entstand. Im Vorder-
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Die Hannoverschen evangelisch-lutherischen Freikirchen
grund stand also nicht der Widerstand gegen die Einführung der Union. Es gab andere Differenzen innerhalb der Hannoverschen Landeskirche. Nicht nur Louis Harms war damals mehr und mehr zum konfessionellen Lutheraner geworden, auch der bekannte Pastor Ludwig Adolf Petri (1803–1873) in Hannover und weite Kreise um ihn teilten diese Einstellung. Nicht zuletzt stand auch das Hannoversche Königshaus auf ihrer Seite. Doch in den Jahren 1862/63 kam es für diese Gruppe zu einer herben Enttäuschung. Der sog. Katechismusstreit zeigte, dass die Kräfte des theologischen Rationalismus und Liberalismus doch noch die Macht und Mehrheit hatten. König Georg V. gedachte 1862, anlässlich der Konfirmation des Kronprinzen, den zu dieser Zeit gebräuchlichen Landeskatechismus von 1790 durch eine Neubearbeitung des früher üblichen Katechismus des Celler Generalsuperintendenten Walther von 1653 ablösen zu lassen. Doch der neue Walthersche Katechismus stieß auf erbitterten Widerstand. Der König musste sich beugen, nachdem es in Hannover zu politischen Unruhen und dem Sturz des Ministeriums gekommen war und somit erfolgte die Einführung nur fakultativ. Louis Harms und die mit Hermannsburg verbundenen Kreise kämpften für den Waltherschen Katechismus und waren enttäuscht über die Machtlosigkeit des Königs. Sie erkannten an diesem Streit, wie es theologisch und kirchenpolitisch um ihre Kirche bestellt war. Es erstarkten die liberalen Kräfte, die sich im Protestantenverein zusammenschlossen, um eine deutsche, unierte Gesamtkirche anzustreben. Außerdem forderten sie mehr Demokratie in der Kirche und zu diesem Zweck die Einberufung einer Synode. Auch hier widersprach Louis Harms heftig. Nichts lag ihm ferner als der Gedanke, über Glaubensfragen könnte per Abstimmung (vor allem von Laien) entschieden werden. Eine Synode war für ihn Rebellion gegen die von Gott gesetzte Obrigkeit. Die Hannoversche Landeskirche erhielt dennoch eine synodale Verfassung. Auf der ersten stattfindenden Vorsynode sollte besonders die Frage nach der Teufelsentsagung bei der Taufe diskutiert werden. Unter dem Einfluss von Aufklärung und Rationalismus war sie meistens unterlassen worden. Nun hatten einige Pastoren sie mit Zustimmung des Konsistoriums, aber ohne ihre Gemeinden zu fragen, wieder eingeführt. Das Konsistorium erlaubte aber, dass ein anderer Pfarrer taufen durfte, wenn die Eltern die Abrenuntiation ablehnten. Louis Harms sah darin ein Zeichen des Unglaubens, die Verweigerung der Teufelsentsagung zeige, dass viele die Existenz des Teufels und der Erbsünde leugneten. Die einsamen Wege der erweckten Lutheraner begannen sich abzuzeichnen. Als das Königreich Hannover im Jahr 1866 seine politische Selbstständigkeit verlor und preußische Provinz wurde, hatte dies auch Auswirkungen auf die kirchlichen Kreise. Theodor Harms und seine Mitstreiter hingen am welfischen Königshaus und hielten die Annexion für ein Unrecht, das sie aber zu erleiden hätten im Gehorsam gegen Gott. Die Entstehung der Hannoverschen Freikirche ist jedoch nicht durch die antipreußische Haltung der Protagonisten zu erklären. Die politi-
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sche Situation gab zwar den äußeren Rahmen ab und lieferte den Anlass zur Trennung, war aber nicht der Grund. Es handelte sich vielmehr um einen Konflikt innerhalb der Hannoverschen Landeskirche. Zunächst fürchteten diejenigen, die eine konfessionelle Haltung vertraten wie Theodor Harms, es könnte durch den preußischen König zu einer Einführung der Union in Hannover kommen. Dies verhinderte Bismarck jedoch, der eine offene Rebellion in der neuen Provinz vermeiden wollte und sich gegen den Berliner Oberkirchenrat durchsetzte. Gleichzeitig rang der preußische Staat im Kulturkampf darum, alle gesellschaftlichen Kräfte zu bündeln und zu kontrollieren. Richteten sich zwar viele der angewandten Maßnahmen gegen die katholische Kirche, so trafen sie auch die lutherische. Der Kirche wurde die Schulaufsicht entzogen. Mit der Einführung der Zivilstandsgesetzgebung und der Einrichtung von Standesämtern wurde der Kirche weiterer öffentlicher Einfluss genommen. Der Kirchlichen Trauung musste nun die Ziviltrauung vorangehen. Damit sind wir beim äußeren Anlass der Freikirchenbildung. Das Problem entstand durch die Art und Weise, wie die kirchlichen Behörden in Hannover auf das neue Gesetz reagierten. Die im Sommer 1876 tagende Landessynode beschloss eine Änderung der bisherigen Trauagende. Um den Unterschied zu verstehen, muss man die alte und neue Trauformel vergleichen (Dok. 126): In der alten Form geht man davon aus, dass zwei Brautleute in die Kirche kommen, damit sie dort durch den Pastor zu Eheleuten zusammengesprochen werden und so ihre christliche Ehe beginnt. Bei der neuen Form handelt es sich um Eheleute, die schon verheiratet sind und nun noch einmal zusammengesprochen werden. Theodor Harms und einige andere Pastoren protestierten gegen die neue Trauordnung und baten, dass ihnen durch eine Ausnahmeregelung der Gebrauch der alten Agende weiter gestattet sein möge. Dies wurde ihnen nicht gewährt. Sie hatten nur die Wahl, die neue Agende mit schlechtem Gewissen zu benutzen oder sich zu weigern und die Konsequenzen zu tragen. Für Theodor Harms und seine Mitstreiter war der Punkt erreicht, an dem sie den Weg ihrer Kirche nicht mehr mitgehen konnten. Es ging ihnen nicht um die Ziviltrauung an sich. Sie haben nie deren Rechtsgültigkeit für den bürgerlichen Bereich bestritten. Aber als christliche Trauung konnten sie sie nicht gelten lassen. Besonders zuwider war ihnen die Unaufrichtigkeit der neuen Agende, bei der eigentlich konsequenterweise nur ein Segen der bestehenden Ehe hätte erfolgen können, nun aber durch das Zusammensprechen der Eindruck erweckt werden sollte, es sei alles beim Alten geblieben, obwohl eben undeutlich blieb, zu was zusammengesprochen wurde. Das empfanden sie als Heuchelei. Es blieb den Gegnern der neuen Trauordnung kein anderer Weg, als sich offen zu widersetzen (Dok. 127, 128). Sofern sie sich nicht schon im Ruhestand befanden, hatte dies die Amtsenthebung zur Folge. Man bot Theodor Harms um seiner besonderen Stellung in Hermannsburg willen an, sich bei Trauungen durch einen
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Die Hannoverschen evangelisch-lutherischen Freikirchen
Vikar vertreten zu lassen. Er lehnte ab und schöpfte alle rechtlichen Mittel aus. Dennoch wurde er am 22.1.1878 suspendiert (Dok. 129) und am 31.1.1878 seines Amtes enthoben (Dok. 130). Er selbst erklärte daraufhin am 4.2.1878 den Austritt aus der Landeskirche. Viele Gemeindeglieder folgten ihm und am 13.2.1878 konstituierte sich die Kreuzgemeinde in Hermannsburg (Dok. 131, 132). Auch andere Pastoren, die an der Seite von Theodor Harms standen, wurden abgesetzt. Gemeindeglieder folgten ihnen und es entstanden weitere Gemeinden in Scharnebeck (Pastor Stromburg), Nettelkamp (Pastor Heicke), Wriedel (Pastor K. Dreves) und Hannover (Pastor Rocholl). An manchen Orten waren es nur einzelne Familien, die sich dann an die neuen Gemeinden anschlossen, zum Teil entstanden auch Gemeinden ohne Pastor, die sich zumeist als Filialen von Hermannsburg verstanden wie in Bleckmar, Brunsbrock, Hörpel, Sottrum, Soltau und Wittingen. Am 30.4.1878 wurde die Hannoversche evangelisch-lutherische Freikirche gegründet (Dok. 133). Theodor Harms wurde ihr erster Präses.
Rudolf Rocholl, *1822, †1905, Pfarrer in Sachsenberg (Waldeck) 1850–1861, Amtsniederlegung aus Protest gegen die Union 1861, Pfarrer in Brese (Hannover) 1861–1867, Pfarrer und Superintendent in Göttingen 1867–1878, Amtsniederlegung aus Widerstand gegen die veränderte Trauliturgie und gegen die Forderung der Abendmahlsgemeinschaft mit den Unierten 1878, Übertritt zur Evangelisch-lutherischen Kirche in Preußen 1878, Pfarrer in Radevormwald 1878–1885, Pfarrer in Breslau 1885–1891, Superintendent und Kirchenrat seit 1885, emeritiert 1891.
Es gab jedoch Spannungen innerhalb der Hannoverschen Freikirche, die durch unterschiedliche theologische Standpunkte zu der Frage „Verhältnis von Amt und Gemeinde“ entstanden. Die Überzeugung der Theologen war u. a. durch ihr kirchliches Herkommen bestimmt. Da es für die Hannoversche Freikirche nicht genügend Pastoren aus den eigenen Reihen gab, beriefen einige Gemeinden Seelsorger aus der 1873 entstandenen Renitenten Kirche ungeänderter Augsburgischer Konfession in Kurhessen. Diese Pastoren vertraten in der Frage der Zuordnung von Pastor
Einführung
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und Gemeinde und deren Rechten die Position ihres theologischen Lehrers, des Marburger Professors August Friedrich Christian Vilmar (1800–1868). Speziell ging es um die Frage, ob der Gemeinde ein Entscheidungsrecht in Fragen der Lehre, der Kirchenzucht und der Berufung des Pfarrers zusteht. Nun prallte die Auffassung der aus Hessen stammenden Pastoren, die von einer sehr starken Stellung des Amtes im Gegenüber zur Gemeinde ausgingen und der Gemeinde kein Recht in den oben genannten Punkten zugestehen wollten, mit der Position von Theodor Harms zusammen. Dieser folgte in diesen Fragen der Meinung von Julius Diedrich (1819–1890), der über der Frage nach dem Kirchenregiment die Spaltung zwischen der Evangelisch-lutherische Kirche in Preußen (s. Kap. I) und der Immanuelsynode (s. Kap. II) im Jahr 1864 auslöste. Diedrich und mit ihm Harms vertraten das Recht der einzelnen Gemeinde und ihres Pastors – das ist die Pointe – gegen den Eingriff einer übergeordneten Kirchenleitung. Genau dies geschah nach Meinung von Th. Harms im Jahr 1880. Die Hannoversche Freikirche bildete einen Synodalausschuss, zunächst auf Probe. Dieser Ausschuss erhielt das Recht, nach vorheriger Vorstellung, Pfarrer für die Gemeinden anzustellen. Dies kollidierte aber mit dem Berufungsrecht der Gemeinden, wie die Hermannsburger Gemeindeordnung es vorsah, und so handelte Th. Harms als Präses der Hannoverschen Freikirche und Hermannsburger Pfarrer wiederholt, ohne das Einverständnis der anderen Ausschussmitglieder einzuholen. Mit Vehemenz vertrat er auch das Berufungsrecht der Gemeinde. Solange Th. Harms lebte, ertrug die Hannoversche Freikirche diese Spannungen. Doch als es nach seinem Tod 1885 um die Frage seines Nachfolgers ging, brachen diese Spannungen auf. Am 16.4.1886 sagte sich die Mehrheit der Hermannsburger Gemeinde vom Synodalausschuss der Hannoverschen Freikirche los; sie bildeten die Große Kreuzgemeinde (Dok. 134). Ein Teil blieb jedoch mit Pastor Conrad Dreves bei der Hannoverschen Freikirche und gründete die Kleine Kreuzgemeinde. Auch andere Gemeinden spalteten sich, Gemeindeglieder aus Nestau, Molzen und Gistenbeck schlossen sich zur Gemeinde Nestau zusammen, deren Pfarrer 1887 Heinrich Madaus (1853–1915) aus der Immanuelsynode wurde. Auch ganze Gemeinden spalteten sich ab, so Groß Oesingen mit Wilhelm Wöhling, Hörpel mit Alert Dierks, Brunsbrock mit Christoph Meyer, Soltau und Wittingen mit Pastor Wetje. Dazu kam Pastor Meinel mit der Zionsgemeinde Hamburg. Am 9. November konstituierte sich dann das noch ohne Namen, was die Hermannsburger Freikirche werden sollte. Doch auch in diesem neuen Versuch einer lutherischen Freikirche brachen Differenzen auf. Es ging einerseits um die Frage der Hermannsburger Mission. Da dort Landes- und Freikirche nach wie vor zusammenarbeiteten, war die Frage, ob man dadurch nicht in eine problematische Kirchengemeinschaft komme, die eigentlich eine Union sei. Andererseits entstand ein Streit zwischen Th. Harms’ Nachfolger Johannes Ehlers, ebenfalls aus der Immanuelsynode, und Wilhelm Wöhling in Groß Oesingen, der aus der Missouri-Synode kam. Es ging um die Frage nach der Eingebung der Bibel durch Gott. Während Ehlers die Inspiration der Schrift so verstand,
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dass sie unfehlbar zum Heil der Menschen führe, vertrat Wöhling die absolute Irrtumslosigkeit der Schrift in allen Einzelheiten. Dies hielt Ehlers zwar für eine tolerable Meinung, aber nicht für verbindliche Lehre. Es kam zum Bruch. Ehlers, Madaus und Meinel trennten sich mit ihren Gemeinden Hermannsburg Groß Kreuz, Nestau und Hamburg von der Hermannsburger Freikirche und bildeten die Hermannsburg-Hamburger Freikirche, die sich in der Missionsfrage dafür entschied, weiterhin die Hermannsburger Mission zu unterstützen. 1894 trat die Hermannsburger Freikirche in Kirchengemeinschaft mit der Sächsischen Freikirche, 1908 kam es zur Fusion und die Kirche hieß nun Evangelisch-Lutherischen Kirche in Sachsen und anderen Staaten (von den anderen Freikirchen als „Missourier“ bezeichnet) (s. Kap. IV). Nach dem Zweiten Weltkrieg, 1947 vereinigten sich die Hannoversche Freikirche und die Hermannsburg-Hamburger Freikirche mit den hessischen Lutheranern zur (alten) Selbständigen evangelisch-lutherischen Kirche. 1948 gab es Kirchengemeinschaft zwischen den Altlutheranern und der sächsischen Freikirche, 1949 auch zur (alten) SELK. Damit waren die im 19. Jahrhundert entstandenen Spaltungen zwar beseitigt (s. Kap. XII), die unterschiedlichen Traditionen (z. B. die Unterstützung der Hermannsburger oder der Bleckmarer Mission) blieben jedoch bestehen.
126. [101.] Synopse der alten und neuen Form der Trauordnung* Alte Form: Es sind allhie gegenwärtig NN. und NN., welche sich in den ehelichen Stand nach göttlichem Willen zu begeben bedacht sind usw. oder: Es sind diese gegenwärtige Personen, Braut und Bräutigam willens, nach Gottes Gebot und Ordnung in den heiligen Ehestand zu treten usw.
Neue Form: Es sind hier gegenwärtig NN. und NN., die ordentlicher Weise ihre Ehe rechtsgültig geschlossen haben und nun mehr im Namen des dreieinigen Gottes sich wollen trauen lassen.
NN., Ihr steht allhie und begehrt gegenwärtige NN. zu nehmen zu eurer ehelichen Hausfrau usw. oder: NN., ich frage Euch an Gottes Statt, ob Ihr gegenwärtige NN. zu einem ehelichen Gemahl begehrt usw.
NN., ich frage Euch an Gottes Statt: Wollt Ihr gegenwärtige NN. als Euer eheliches Gemahl haben usw.
Weil NN. und NN. sich unter einander zur Ehe begehren usw., so spreche ich sie ehelich zusammen im Namen des Vaters und des Sohnes und des heiligen Geistes. Amen. oder: Weil denn diese gegenwärtige Personen NN. und NN. einander zur Ehe begehren usw., so spreche ich sie hiermit öffentlich vor dieser christlichen Versammlung ehelich zusammen usw. Was nun Gott zusammen gefügt hat, das soll der Mensch nicht scheiden.
Weil denn diese gegenwärtige Personen NN. und NN. einander zur Ehe begehrt und allhier vor Gottes Angesicht und vor dieser Gemeinde sich als christliche Eheleute bekannt, sich auch darauf die Hände geben haben, so spreche ich als ein verordneter Diener der Kirche sie zusammen usw.
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Hannoversche evangelisch-lutherische Freikirche, Pastorenkonvent (Hg.), Geschichte der Hannoverschen evangelisch-lutherischen Freikirche, Celle 1924, 4.
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127. [102.] Eingabe und Bitte verschiedener Kirchenglieder Trauung betreffend vom 23.3.1877* An hochlöbliches Landeskonsistorium zu Hannover. Hochwürdigem Landeskonsistorium ist bekannt, daß eine Anzahl der treusten und tüchtigsten Geistlichen unserer Landeskirche durch Gottes Wort sich gebunden erachten, an der alten Trauordnung, wie sie wesentlich in der Kalenbergschen und Lüneburgschen Kirchenordnung vorgezeichnet ist, fest zu halten und also den Gebrauch der neuen Trauordnung abzulehnen. Wir haben die Kundgebungen jener Geistlichen mit herzlicher Freude und Dank gegen den HErrn der Kirche begrüßt, weil wir darin ein erstes Anzeichen des in dieser heiligen Sache erwachten Gewissens der Kirche und des festen Entschlusses erblicken, der Stimme des in Gottes Worte gebundenen Gewissens und nur dieser allein zu folgen. Aber wir halten uns auch als Kirchenglieder verpflichtet, nicht nur unser Zeugnis mit dem jener Männer zu vereinigen, sondern auch getreulich mit ihnen zu teilen, was sie etwa um des Gewissens willen zu leiden haben werden. Der Gedanke einer eigenwilligen Separation von der Landeskirche liegt uns wie auch jenen Geistlichen so fern, daß wir eine solche vielmehr als Sünde verabscheuen und fliehen. Jedoch verbergen wir uns nicht, daß unsere Kirche nahe vor dem Ziele angekommen ist, da das Wort „Man muß Gott mehr gehorchen als den Menschen“ uns nötigen wird, zwar nicht uns selbst auszuscheiden, aber uns ausscheiden zu lassen, wie dieses Gotteswort einst auch Luther aus der Römischen Kirche ausgeschieden hat. Wir erinnern, um diese unsere bange Besorgnis zu begründen, nur an die gesetzliche Unterdrückung der Abrenuntiation in der Taufliturgie, an die vom hochw. Landeskonsistorium empfohlene gastweise Zulassung Reformierter und Unierter zu unsern Abendmahlen, an die Überlassung unserer lutherischen Soldaten an die Seelsorge einer fremden, der unierten Kirche und endlich an die Verwaltung der Beichte, da wir z.T. in Gemeinden leben müssen, in welchen unter den Augen der Kirchenregierung Leute absolviert werden, deren Namen der Lossprechende nicht einmal kennt, geschweige denn, daß er über den Seelenzustand der Beichtenden ein Urteil zu gewinnen im Stande gewesen wäre. Wir bitten Hochw. Landeskonsistorium, sorgfältig ins Auge fassen zu wollen, wie überaus schwer schon diese und ähnliche Notstände es den ernsten und ängstlichen Gewissen machen, in der Kirche auszuharren. Sollte zu diesen Notständen noch der kommen, daß die Kirche treuen Seelsorgern das Amt entzieht, oder auch nur beschränkt um der Trauordnung willen, in welcher selbst die, die sie gemacht haben, nur eine menschliche Ordnung erkennen, so sehen wir nicht ab, wie die Kirchentrennung noch vermieden werden kann, und schieben die Verantwortung derselben denen zu, die es dahin gebracht haben, daß die lutherische Landeskirche Hanno*
Hannoversche evangelisch-lutherische Freikirche, Pastorenkonvent (Hg.), Geschichte der Hannoverschen evangelisch-lutherischen Freikirche, Celle 1924, 6–8.
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vers den Gewissen keinen Raum mehr läßt, ihrem Gott nach der Ordnung ihrer Väter zu dienen, obwohl sie offenbare Irrlehrer und Verleugner ihres Bekenntnisses im Amte duldet. Hochw. Landeskonsistorium ersuchen wir so ehrerbietig wie dringend, uns mit einer baldigen Antwort dahin versehen zu wollen, „ob wir hoffen dürfen, daß in unserer Hannoverschen Landeskirche den Geistlichen wie den Laien auch in Zukunft das Recht unverkümmert wird erhalten werden, das in den Bekenntnissen und den alten Kirchenordnungen unserer Lande begriffen ist, sowie die Freiheit des Gewissens, öffentlich und sonderlich ungestört nach diesem Rechte zu leben.“
Hermannsburg, den 23. März 1877. (Folgen die Unterschriften.)
128. [103.] Die Unterlüßer Erklärung vom 6.6.1877* Die Bittsteller weisen Eingangs die falsche Unterstellung des Landeskonsistoriums zurück, daß sie dem Gedanken einer Trennung von der Landeskirche Raum gegeben hätten, während sie im Gegenteil eine eigenwillige Trennung, als Sünde, ausdrücklich von sich gewiesen hätten. Auf die Erinnerung des Landeskonsistoriums an Art. VII. der Augsb. Konfession wird erwidert, daß die Bittenden dem rückhaltlos zustimmen und nur wünschen, es möchte in der Landeskirche so stehen, wie dieser Artikel fordert, „daß genug ist zu wahrer Einigkeit der christlichen Kirche, daß da einträchtig nach dem reinen Verstande des Evangeliums gepredigt, und die Sakramente dem göttlichen Worte gemäß gereicht werden, und daß nicht not ist zu wahrer Einigkeit der Kirche, daß allenthalben gleichförmige Zeremonien, von Menschen eingesetzt, gehalten werden.“ Auch stimmen sie dem Schluße des Landeskonsistoriums zu, daß eine Trennung, bloß um Zeremonien willen, welche Mitteldinge seien, ein Abfall von der Kirche wäre. Daß aber die Trauung eine solche Zeremonie sei, widerspreche der eigenen Erklärung des Landeskonsistoriums in seinem Schreiben an den Kirchenvorstand zu Elliehausen vom 6. Dezember 1876: „Die zu Trauenden sollen durch die Trauung die Gewißheit empfangen, daß sie von Gott selbst in den heiligen Ehestand zusammengefügt, von Gott selbst einander zur Ehe gegeben sind und sich aller Verheißungen und Zusagen, die Gott für diesen heiligen Stand gegeben hat getrösten dürfen.“ Die Trauung, so fahren die Bittsteller fort, ist keine bloße Zeremonie, sondern eine göttliche Ordnung, von der Kirche dem Worte Gottes gemäß geordnet, kann also nicht ohne Sünde aufgehoben und in eine Scheintrauung verwandelt werden. *
Hannoversche evangelisch-lutherische Freikirche, Pastorenkonvent (Hg.), Geschichte der Hannoverschen evangelisch-lutherischen Freikirche, Celle 1924, 8–11.
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Die Hannoverschen evangelisch-lutherischen Freikirchen
Gegen die Behauptung des Landeskonsistoriums, es habe noch Niemand von denen, welche die neue Trauliturgie zu gebrauchen Bedenken tragen, gesagt, daß sie etwas enthalte, was dem reinen Verstande des Evangeliums widerspräche, verweist die Eingabe auf die obenerwähnte Denkschrift des Pastors Raven, welche klar sagt, daß die Pastoren den Gehorsam verweigert haben, weil das neue Traugesetz etwas von ihnen verlangte, was wider Gott ist. Auch die Unterzeichner der Eingabe haben die neue Trauform abgelehnt um des Gewissens willen. „Das Gewissen des Christen ist aber durch nichts gebunden, ohne durch Gottes Wort.“ Die neue Trauordnung verstößt gegen das zweite Gebot. Ist sie nur eine Zeremonie, die Gott nicht geboten hat, wie das Landeskonsistorium sagt, so soll man dabei nicht die Worte gebrauchen „im Namen des Dreieinigen Gottes.“ Dies wird nicht anders, wenn das L. K. erklärt, die neue Trauung solle den Eheleuten, welche ihre Ehe auf dem Standesamte geschlossen haben, die Gewißheit geben, daß ihre Ehe Gott gefalle. Das sollte die Kirche vor der Eheschließung getan haben; hinterher ist es überflüssig, also ein Mißbrauch des göttlichen Namens. Die neue Trauung verstößt auch gegen das achte Gebot, denn sie führt die Leute in den Irrtum, daß sie wesentlich dasselbe sei, wie die alte Trauung, während sie in Wahrheit gar keine Trauung ist, d. h. eine Handlung, durch welche die Ehe geschlossen wird, was sie auch nach dem Kirchengesetz vom 6. Juni 1876 gar nicht sein soll. Sie soll ja nach der Erklärung des L. K. den Leuten nur die Gewißheit geben, daß sie ordentlich in die Ehe gekommen sind – nämlich im Standesamte –, während die neue Trauformel, welche aus der alten Formel die Worte „Ich spreche euch zusammen“ beibehalten hat, den Irrtum verstärkt, als ob die Ehe in der Kirche geschlossen werde. „Wir wollen, sagt die Eingabe weiter, die wahre und echte Trauung in der Kirche behalten. Daran hindert uns nicht die Handlung im Standesamte, die wir anerkennen als das, was sie selbst sein will, eine Eheschließung nach dem bürgerlichen Rechte, obgleich wir ihre Einführung beklagen, als einen Schaden, den der Staat nicht der Kirche, sondern sich selbst und dem Volke zugefügt hat. Sie hindert uns nicht, Gott zu geben, was Gottes ist, daß die Ehe nach göttlichem Rechte geschlossen werde.“ „Wird gefragt: Gibt es ein von Gott gegebenes Recht der Eheschließung? so antworten wir: Die kirchliche Eheschließung ist eine Ordnung, welche die Kirche richtig aus dem Worte Gottes von der Ehe abgeleitet hat. Der Herr hat ihr selbst die Wege gezeiget, indem Er Matth. 19, 6 auf die grundlegende Schriftstelle 1. Mose 2 „Er brachte sie zu ihm“ und „sie werden sein ein Fleisch“ verweist und daraus den Rechtssatz für das christliche Leben zieht: „Was Gott zusammen gefügt hat, das soll der Mensch nicht scheiden.“ Desgleichen St. Paulus Ephes. 5. Auf diesem Wege ist die christliche Kirche fortgeschritten und hat mit ihrem Eherecht auch ihr Eheschließungsrecht entwickelt. Dieses umfaßt nicht bloß sachliche Bestimmungen, sondern auch die Form der Eheschließung, in welcher ihre Lehre von der Ehe zum richtigen und vollen
Theodor Harms’ Stellungnahme zu seiner Suspension vom 22.1.1878
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Ausdruck kommt. Selbstverständlich sind nicht alle einzelnen Formen, welche die Kirche vorschreibt, göttlichen Rechts, sondern nur die, welche sie aus dem Worte Gottes begründen kann. Das Übrige sind Zeremonien, die um der Ordnung willen gehalten werden. Zu diesen gehört jedoch nicht das, was ausdrücklich im Namen Gottes geschieht, dadurch das Wort „Er brachte sie zu ihm“ zur vollen Darstellung kommt. Er tut es durch Sein Wort, und die Verwaltung Seines Wortes hat Er der Kirche befohlen.“ „Wenn anderseits behauptet wird, dieses Recht der Kirche könne nicht neben dem Rechte des Staates auf Eheschließung, wie es durch das Reichsgesetz eingeführt ist, bestehen, so ist zu erwidern: Beide Rechte bestehen auf ganz verschiedenen Gebieten, wirken mit verschiedenen Mitteln und verleihen ganz verschieden Güter. Wir leben in der Welt und befolgen der Welt Recht, solange und sofern es uns nicht hindert, auch Gottes Recht zu befolgen.“
129. [104.] Theodor Harms’ Stellungnahme zu seiner Suspension vom 22.1.1878* Am 22. Januar ist mir meine Suspension, d. h. meine vorläufige Amtsentsetzung zugefertigt, und ist damit eine Disciplinaruntersuchung gegen mich eingeleitet worden, wozu ich mich am 24. Januar in Bergen vor den Herren Superintendenten und Amtshauptmann zu stellen hatte. Der Grund zu meiner Suspension und der zu erfolgenden definitiven Amtsentsetzung ist meine beharrliche Weigerung, das neue Trauformular zu gebrauchen. Das ist der einzige Grund, weshalb ich auch fröhlich und getrost meiner Amtsentsetzung entgegen sehe, aber laut und feierlich dagegen protestire. Ich bin ein blutarmer Sünder und des heiligen Predigtamts nicht werth, bin mir aber vor Menschen nichts bewußt, das einer so schweren Strafe werth wäre, denn für einen rechtschaffenen Pastoren kann es kaum etwas Schwereres geben, als des Amtes entsetzt zu werden, welches das herrlichste und köstlichste aller Aemter ist. Ich habe keine falsche Lehre gepredigt, sondern habe gegolten für einen Eiferer um die reine Lehre, ich habe kein gottloses Leben geführt, daß dasselbe im Widerspruch stände zu der Lehre, die ich gepredigt habe und habe gern und willig Gesundheit und Leben in mein schweres Doppelamt hineingelegt. Ich werde auch nicht deßhalb abgesetzt, weil ich die Rechtsgültigkeit der bürgerlichen Eheschließung für den Staat nicht anerkannt hätte, wohl aber, weil ich mich geweigert habe und noch weigere, die Rechtsgültigkeit der bürgerlichen Eheschließung auch für die Kirche anzuerkennen, wie dies durch das neue Trauformular gefordert wird. Ich behaupte auch noch jetzt und werde es behaupten bis an mein Ende, daß der Kirche die wirkliche Trauung zukommt, d. h. die eheliche Zusammensprechung der Brautleute im Namen des dreieinigen Gottes, so daß die Brautleute durch die kirchliche *
Hermannsburger Missionsblatt 25 (1878), 14–16.
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Trauung zu Eheleuten werden, daß also in jedem Falle die Christen, wenn sie das Standesamt verlassen haben und dort die Ehe bürgerlich gültig geschlossen ist, dann noch immer Brautleute sind und erst durch die kirchliche Trauung wirkliche Eheleute werden und damit als Eheleute zusammen leben dürfen. Da nun das neue Trauformular die bürgerliche Eheschließung auch als für die Kirche rechtsgültig annimmt, also die sich heirathenden Personen als Eheleute ansieht und behandelt, ich dasselbe aber nach meinem Gewissen nicht gebrauchen kann und bei Luthers Trauweise bleiben will und muß, weil dieselbe klar und unzweideutig ist, auch in unsern Symbolen steht und damit von der Kirche bisher hoch in Ehren gehalten, auch in allen luth. Landen in Brauch gewesen ist, so bin ich vom Predigtamt in der hannoverschen Landeskirche suspendirt und habe meine endgültige Absetzung zu erwarten. Ich glaube, als ein ehrlicher Christenmensch habe handeln zu müssen, daß ich der hohen Behörde meine Gewissensbedenken und meine Weigerung offen und gerade mitgetheilt habe. Ich hätte das Trauformular annehmen können und in der Amtsführung dasselbe nach meinem Gutdünken verändern und verstümmeln können, wie Manche thun sollen, oder wäre einfach bei Luthers Trauweise geblieben und hätte es darauf ankommen lassen, daß ich darüber denunciert worden wäre, wäre auch vielleicht vor Menschen damit durchgekommen, hätte auch bald nach der alten oder neuen Trauweise verfahren können wie es beliebt würde, aber das wäre doch nur Heuchelei und Feigheit gewesen, und wie ich mit einer solchen Handlungsweise vor Gott bestehen könnte, verstehe ich nicht. So habe ich es für besser gehalten, den geraden Weg zu gehen und meiner Behörde zu sagen: Ich kann und will die neue Trauweise nicht annehmen, weil sie nach meinem Wissen und Gewissen gegen Gottes Wort ist. Bin ich um deßwillen nicht würdig im Predigtamt in der Landeskirche zu bleiben, so muß ich gehen, aber nicht bloß aus dem landeskirchlichen Pfarramt, sondern auch aus der Landeskirche selbst. Der HErr möge mich bewahren, die hohe Behörde zu verklagen vor Seinem Thron, die das nach meiner Meinung harte Urtheil gefällt hat und das noch härtere wahrscheinlich fällen wird, ich bitte den HErrn vielmehr, sie zu segnen und namentlich dem theuren Mitgliede derselben, das mir so viel Liebe erwiesen hat, seine Liebe reichlich zu vergelten. Ohne Groll und Haß will ich scheiden von meinem theuren Amte in der Landeskirche, von der uralten lieben, lieben Kirche, aus der Segensströme über die ganze Welt geflossen sind, aus der uralten ehrwürdigen Sakristei, in der Urban Rhegius, Hildebrand, Walther, Johann Arndt gebetet, in der mein Vater, Bruder und ich so manches Jahr die Knie gebeugt, unter dessen Decke die Palmen und Cypressenkränze hängen, die meines theuren, angestammten Königs Liebe auf meines Bruders Sarg gelegt, aus dem trauten Pfarrhause, da meine Familie 61 Jahre gewohnt, da ich geboren bin, da ich 11 Jahre als Pastor gelebt, da mein seliger Bruder gelebt, gebetet, gerungen, geschrieben, gelitten hat und gestorben ist und in welchem ich auch so gern gestorben wäre. Das ist mein Trost, daß ich in meinem geliebten Hermannsburg bleiben darf, so Gott will, bleiben darf als Pastor einer freien Gemeinde, frei vom Staat, frei von der Landeskirche, in der ich nicht bleiben kann
Theodor Harms’ Amtsentsetzung
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und darf, in der Mitte der Treuen, die mit mir zu leiden und zu kämpfen entschlossen sind für das Bekenntniß und die Ordnungen unsrer theuren lutherischen Kirche und die das Missionswerk als ihren Augapfel zu wahren beflissen sind. Ich gehe in Gottes Namen, ich bleibe in Gottes Namen. Christus ist mein Leben und Sterben ist mein Gewinn. Amen.
130. [105.] Theodor Harms’ Amtsentsetzung * (Urkunde vom 31.1.1878) Hannover, den 31. Januar 1878 Erkenntniß. In der Disciplinar – Untersuchungssache ge- / gen den Pastor Theodor Harms zu Her- / mannsburg wegen Ungehorsams ge- / gen das Kirchengesetz vom 6.“ Juli 1876, / die kirchliche Trauung in der evangelisch- / lutherischen Kirche der Provinz Hannover / betreffend, wird auf Grund der Acten / hierdurch erkannt, daß Pastor Harms / aus dem Pfarramt zu entlassen und in die Kosten(a) der Untersuchung zu / verurtheilen(b) ist./ Zur etwaigen(c) Einlegung und / Rechtfertigung einer Berufung an / das Königliche Landes- Consistorium / wird eine Frist von 14 Tagen bei Stra- / fe des Ausschlusses damit vorgeschrieben./ Entscheidungsgründe. Carl Friedrich Theodor Harms, geb. 19.” / März 1819 zu Hermannsburg, wo sein // Vater damals als Prediger stand, ist, nach- / dem er das erste theologische Examen Ostern / 1842 (No. 2), das zweite Michaelis 1845 (fere / bene), das dritte im Mai 1852 (bene) bestan-/den hatte, dann eine Zeit lang als Haus- / lehrer und hiernächst mehrere Jahre in / dem Missionshause zu Hermannsburg / als Lehrer und Vorsteher thätig gewesen / war, im October 1857 als Pastor adj. ohne / Hoffnung der Nachfolge zu Müden a/d. / Oerze, im Jahre 1863 definitiv als Pastor / daselbst angestellt, im Jahre 1866 auf die / Pfarre Hermannsburg versetzt./ Wenngleich Pastor Harms nach / den Acten über die während seiner Dienst- / zeit zu Müden und Hermannsburg / abgehaltenen Kirchen- und Schulvisita- / tionen an einer gewissen Enge des Ge- / sichtskreises leidet und nicht immer ge- / nügend zwischen Gesetz und Evange- / lium zu unterscheiden weiß, auch / bezüglich der Liturgie im öffentlichen / Gottesdienste und bei Verwaltung // der actus ministeriales hie und da von / den bestehenden gesetzlichen Vorschriften / eigen*
Missionsarchiv des Ev.-Luth. Missionswerks in Niedersachsen, Hermannsburg.
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mächtig abgewichen ist, so wird / ihm doch in den kirchencommissarischen / Visitationsberichten, wie in den darauf / ergangenen Consistorialbescheiden durch- / weg eine eifrige, treue und segens- / reiche Amtsführung bezeugt. Zu einem besonderen Verfahren / resp. zu disciplinarischen Maßnahmen, / hat sein amtliches und außeramtliches / Verhalten in folgenden Fällen Anlaß / gegeben:/ 1. Durch Zeitungsartikel und eine / Beschwerdevorstellung des Moderamen / cötuale der reformirten Kirche des Für- / stenthums Ostfriesland war es zur / Kenntniß des Consistoriums gekommen, / daß in einer vom Pastor Harms am / 9.“ Juni 1869 zu Burg im Süderdithmar- / schen gehaltenen Missionsrede Schmä- / hungen der reformirten Kirche und / der Union vorgekommen sein sollten. // Nach den dieserhalb angestellten Ermit- / telungen erwiesen sich die dem Pastor / Harms gemachten betreffenden Vorwür- / fe im wesentlichen als unbegründet / und auf unrichtiger Auffassung seiner / betreffenden Aeußerungen beruhend. / Das Consistorium fand sich jedoch veran- / laßt, demselben eine Mahnung des In- / halts zu ertheilen, daß er bei aller Le- / bendigkeit des confessionellen Bewußt- / seins und bei(d) aller Entschiedenheit im / Festhalten an seiner Kirche in Zukunft / es an christlicher Weisheit, Milde und / Sanftmuth in keiner Weise fehlen lassen werde./ 2. Bei Gelegenheit einer um Ostern / 1873 zu Lutterloh abgehaltenen Schul- / prüfung hat Pastor Harms, wie durch / eine desfallsige Untersuchung consta- / tirt worden, zunächst den Schulkin- / dern gegenüber in Anwesenheit / zweier Lehrer und zweier Schulvor- / steher, sodann nach Entfernung der // Kinder und der Schulvorsteher beiden / betreffenden Lehrern gegenüber seine / Mißstimmung über die gegenwärti- / ge politische Gestaltung Deutschlands / in unpassender, demonstrativer Weise / kund gegeben. Das Consistorium hat / durch Bescheid vom 21.“ Juli 1873 die / fraglichen Aeußerungen des Predigers / ernstlich gemißbilligt und zugleich / die Erwartung ausgesprochen, der- / selbe werde künftig, eingedenk sei- / nes Diensteides und seiner pastoralen / Pflichten, ähnliche Ungehörigkeiten sorg- / fältig vermeiden, – unter Hinzufü- / gung der Androhung schärferer Maß- / nahmen für den Fall, daß Pastor / erneuter Verfehlungen der vorliegen- / den Art sich schuldig machen würde./ 3. Laut Protocollar-Bescheides / vom 31.“ Juli 1873 hat Königliches Consis- / torium dem Pastor Harms wegen / seiner in No. 1. des Hermannsburger / Missionsblatts der 1873 sich findenden // Auslassungen über die Allgemeinen / Bestimmungen vom 15.“ October 1872, / die Aufgabe und das Ziel der Volksschu- / le betreffend, einen scharfen Verweis / ertheilt. In dem Bescheide wird ausge- / führt, daß Pastor mit Unverstand ge- / gen die „Allgemeinen Bestimmungen“ / geeifert, und bei Veröffentlichung sei- / ner fraglichen Anschauungen nicht aus / dem Geiste, sondern nach dem Fleische, / vorschnell unbesonnen, in Ueberhe- / bung und Anmaßung, lediglich nach / subjectivem Urtheil und Ermessen ge- / handelt habe. – Für den Fall der Wieder- / holung ähnlicher
Theodor Harms’ Amtsentsetzung
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Anstöße und Aerger- / nisse sind sehr ernste disciplinarische / Maßregeln angedroht./ Uebrigens ist in Folge der sub 2 / und 3 erwähnten Vorgänge dem / Pastor Harms, der schon früher nach / Erlaß des Gesetzes vom 11.“ März 1872 / die Localschulaufsicht niedergelegt / hatte, der Vorsitz in den Schulvorstän- / den der Parochie Hermannsburg auf / Anordnung des Herrn Cultus – Ministers / durch Consistorialerlaß vom 10.“ October / 1873 entzogen./ 4. Unter 6/8.“ December 1876 / brachte Superintendent Raven zu / Lüne beim Consistorium zur Anzeige, / daß Pastor Harms kurz zuvor ein / Ehepaar aus der Parochie Amelinghau- / sen ohne Dimissoriales des zuständi- / gen Pfarrgeistlicen in Hermanns- / burg getraut habe. Auf desfallsige / Nachfrage erklärte Pastor, allerdings / seien von ihm der Kaufmann / Kämpfer und dessen Ehefrau aus Ame- / linghausen ohne Erlaubniß des dorti- / gen Predigers (am 1.“ December 1876) ge- / traut; er habe jedoch damals einer / solchen Erlaubniß nicht zu bedürfen ge- / glaubt, indem er den § 2 des Kirchen- / gesetzes über kirchliche Trauung vom 6.“ Juli 1876 so verstanden, daß diejeni- / gen Prediger, welche eine oder die // andere der dort genannten Qualitäten / haben, zur Vornahme der Trauung / nicht nur zunächst zuständig, sondern / auch verpflichtet seien; daß jedoch (wegen / des in dem citirten Gesetzesparagraphen / vorkommenden Passus: „unbeschadet / einer schon bestehenden größeren Frei- / heit“) nach Wahl der zu trauenden Per- / sonen jeder andere Prediger die Trau- / ung vollziehen könne. Jetzt freilich / sehe er seinen Irrthum ein und werde / künftig nicht wieder gegen den § 2 / des gedachten Gesetzes verstoßen. Das / Consistorium hat im Hinblick auf jene / – wie es in dem Consistorialbescheide / vom 11.“ Januar 1877 heißt, „freilich / kaum für möglich zu haltende“ – Gesetzes- / auslegung und dies Versprechen des Pa- / stors von weiteren Maßnahmen ge- / gen denselben abgesehen und sich dar- / auf beschränkt, die Erwartung auszu- / sprechen, daß Pastor seinem Verspre- / chen gemäß sich verhalten werde.// 5. In der auf dem vorigjährigen / Missionsfeste zu Hermannsburg über / den Text Ebr. 4, 1–3 gehaltenen, in / No. 6 des Hermannsburger Missions- / blatts der 1877 abgedruckten Predigt / hat Pastor Harms den Satz aufge- / stellt, daß „die Leiber der Gottlosen / im Grabe keine Ruhe haben“, und / zur Begründung desselben u.a. / wörtlich das Folgende vorgetra- / gen: „Was die Hyänen für die Lei- / chen der Zulu sind, das sind die Teu- / fel für die Leichen der Gottlosen. Was / für ein Spiel sie mit diesen Leichen / treiben, das wissen wir nicht, aber / von dem Schlafe der Gerechten kann / bei ihnen keine Rede sein. Vor dem / Grabe eines Gottlosen graut dem Chri- / sten, denn er ahnt etwas von dem / Werk, das die Hyänen der Teufel / dort treiben. Und wie ernst es der / Teufel meint, das sehen wir aus dem / Kampf, den er mit dem Erzengel // Michael über den Leichnam Mosis / führte.“/
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Seitens des Consistoriums ist die- / serhalb dem Pastor Harms durch Be- / scheid vom 20.“ September v. J. tiefes / Bedauern und ernstliches Mißfallen / zu erkennen gegeben, weil die / evangelische Predigt nichts anderes / als die Schriftwahrheit enthalten sol- / le, dieser Forderung aber in der Auf- / stellung und Ausführung jenes Satzes / geradezu widersprochen sei. Denn / die heilige Schrift lehre an keiner / Stelle von einem Gerichte, das an / den in Folge der Sünde dem Tode / und der Verwesung anheimgefal- / lenen Leibern noch überdem im / Grabe vollzogen würde. Es treffe / den Pastor mithin der Vorwurf, / daß er in der Rede stehenden Pre- / digt gelehrt habe, was die Schrift / nicht lehre; daß er Selbsterfundenes / gelehrt habe. Ferner treffe ihn der // Vorwurf, daß die fraglichen Aus- / führungen bei denjenigen, welche / seine Predigt als Wahrheit aufge- / nommen, einen Aberglauben / hervorzurufen geeignet seien, den / zum Widerspruch gegen die Predigt / des reinen Evangeliums Geneigten / aber einen durchaus begründeten / Anlaß zum Widerspruch gebe./ 6. Wegen unangemessener / Aeußerungen, welche Pastor Harms / am 16.“ August v. J. auf dem Mis- / sionsfeste zu Wrestedt über die s. g. / kirchliche Mittelpartei der Provinz Hannover und die Union gemacht / haben soll, wurde von uns bereits / im August v. J. ein Ermittelungs- / Verfahren eingeleitet. Dasselbe / ist aber im September v. J. einstwei- / len sistirt worden, da die frag- / lichen Aueßerungen auch zu ei- / nem – so viel bekannt, gegenwär- / tig noch nicht beendeten – gericht- / lichen Verfahren gegen den Predi- / ger Anlaß gegeben haben./ 7. Durch Rescript vom 11. Decem- / ber v. J. theilte das Königliche Landes- / Consistorium hieselbst uns das Ergeb- / niß der Verhandlungen mit, welche / wegen Beibehaltung der in der Pa- / rochie Hermannsburg seither gebräuch- / lich gewesenen Trauungsliturgie / auch nach Erlaß des Kirchengesetzes / vom 6.“ Juli 1876 die kirchliche Trau- / ung betreffend, in Anlaß desfall- / siger Anträge des Pastors Harms / und des Kirchenvorstandes zu Her- / mannsburg zwischen jener Behörde / und dem Herrn Cultus – Minister / bis dahin stattgefunden hatten./ Danach hatte der Herr Minister / es abgelehnt, die Beibehaltung des / Trauungsformulars der Lüneburg’- / schen Kirchenordnung für die Kir- / chengemeinde Hermannsburg zu / gestatten. Dies war sofort nach // Eingang der betreffenden Ministe- / rialverfügung d. d. 28.“ November / 1877 dem Pastor Harms seitens des / Präsidenten des Landes – Consistori- / ums in mündlicher Unterredung / eröffnet, wobei letzterer den Ver- / such gemacht, den Geistlichen von sei- / nem Widerspruche gegen die Trau- / ungsliturgie zurück zu bringen, / und ihm klar gestellt hatte, welche / unausbleiblichen Folgen ein ferne- / res Widerstreben für ihn haben wer- / de. Da es nicht gelungen war, den / Prediger zur Anwendung der ge- / setzlichen Liturgie zu bewegen, / so hatte Königliches Landes – Consisto- / rium mittelst schriftlicher Erlasse / vom 11.“ December v. J. sowohl den / Kirchenvorstand von Hermannsburg / wie den Pastor Harms von der / Ministerial – Entscheidung in Kennt- / niß gesetzt.
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Dem Pastor war zu- / gleich der fernere Gebrauch der // bisher gebräuchlichen kirchenordnungs- / mäßigen Trauungsliturgie aus- / drücklich untersagt und ihm dane- / ben bemerklich gemacht, daß, wenn / er auch nach nochmaliger sorgfälti- / ger Prüfung zur Anwendung der / Liturgie des Trauungsgesetzes sich nicht / enschließen sollte, sein Ausscheiden / aus dem Dienste der Landeskirche / davon die unabweisliche Folge wür- / de sein müssen, es wäre denn, daß, / um ihn dem Amte dem Wunsche der / Gemeinde entsprechend, soweit und / so lange es thunlich, zu erhalten, vom / Königlichen Landes – Consistorium eine / auf Gewissensbedenken seitens des / Predigers nicht stoßende Anordnung / getroffen würde, welche ihn ein / für alle Mal ohne seine Mitwir- / kung im Einzelfalle der Vornahme / der Trauungshandlung enthöbe. Fer- / ner war dem Pastor aufgegeben, / hiernach seine weitere Erklärung // bis zum 3.“ Januar c. bei uns einzu- / reichen, und endlich bestimmt, daß / er vom Empfange des Erlasses an / von jeder anstehenden Trauung / uns so zeitig wie möglich Anzei- / ge zu machen und bezügliche hie- / sige Anordnung zu erwarten ha- / be. Die hierauf innerhalb der vor- / geschriebenen Frist vom Pastor / Harms an das Königliche Landes- / Consistorium statt an uns engereich- / te Erklärung geht dahin, daß „er / außer Stande sei, die neue Trau- / weise selbst zu gebrauchen, noch / in seiner Kirche vornehmen zu las- / sen.“ Es sei nicht gerathen, etwas / gegen das Gewissen zu thun, und / sein Gewissen sei in Gottes Wort ge- / fangen./ In dem Rescripte vom 5.“ Janu- / ar c. mit welchem das Königliche / Landes – Consistorium uns jene Er- / klärung übersandte, bemerkte das- // selbe, daß es, nachdem sich inzwischen / die Gemeinde mit einem Immediat- / gesuche wegen Beibehaltung der al- / ten Trauungsliturgie an Se. Maje- / stät den Kaiser und König gewandt / habe, angemessen erscheine, den / Allerhöchsten Bescheid auf das Gesuch / zu erwarten und einstweilen ei- / ne Disciplinar – Untersuchung ge- / gen Pastor Harms nicht einzuleiten. / Dabei müsse jedoch daran festge- / halten werden, daß auch in der / Zwischenzeit in Hermannsburg keine / Trauung anders als nach der Litur- / gie des Trauungsgesetzes vorgenom- / men werden dürfe. Es sei deshalb / der Superintendent Münchmeyer / zu Bergen anzuweisen, falls Pastor / sich anschicken sollte, eine Trauung / nach der alten Liturgie zu vollzie- / hen, diesen sofort vom Amte zu sus- / pendiren, auch dem Pastor unver- / weilt davon Kenntniß zu geben, // weshalb seine Amtssuspension und / die Einleitung einer Disciplinar- / Untersuchung für jetzt noch aufge- / schoben worden und welche Wei/ sung für den Fall einer beabsichtig- / ten Trauung ertheilt sei./ Als demgemäß das Geeignete / von uns angeordnet bezw. dem / Pastor Harms eröffnet war, be- / nachrichtigte uns das Königliche / Landes – Consistorium durch Erlaß / vom 14.“ Januar c., daß die von / der Gemeinde Hermannsburg ein- / gereichten Immediatvorstellungen / qu. abschläglich beschieden seien, und / überließ uns, nunmehr wegen / der Amtssuspension des Predigers / und Einleitung
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einer Disciplinar- / Untersuchung gegen denselben das / Erforderliche zu verfügen./ Mittelst Rescript vom 18.“ Janu- / ar c. verfügten wir sodann die / Einleitung einer Disciplinar – Un- // tersuchung gegen Pastor Harms, so- / wie dessen vorläufige Suspension / vom Pfarramte und beauftragten / die Kirchen-Commissarien von Her- / mannsburg, die Sache unter Beach- / tung der Allgemeinen Bestim- / mungen über das Verfahren in Dis- / ciplinaruntersuchungen wider / Kirchen- und Schuldiener vom 8.“ No- / vember 1860 (Ebhardts Sammlung / kirchlicher Gesetze pp 2.“ Folge, Seite 55) / zu instruiren, indem wir jedoch / zugleich dem geistlichen Kirchen-Commissair, Superintendenten Münch- / meyer, den Wunsch bezeugten, daß / er vor einer weiteren formellen / Eröffnung an den Pastor noch münd- / lich einen letzten Versuch machen / möge, denselben zur freiwilligen / Niederlegung seines Amts zu Be- / wegen. Daneben trafen wir / mittelst besonderen Rescripts von / dem nämlichen Datum Anord- // nung, daß sofort nach Eintritt der / Amtssuspension des Pastors Harms / der Pastor Plattmer aus Sülze die / pfarramtlichen Geschäfte in der Pa- / rochie Hermannsburg zu besorgen / habe./ Unterm 24/26.“ Januar c. sind / nun von den Kirchen – Commissarien / die instruirten Acten anher ein- / gesandt. Aus denselben ergiebt / sich, daß Pastor Harms am 21.“ Janu- / ar c. dem Superintendenten Münch- / meyer gegenüber auf desfallsiges / Befragen sich bestimmt geweigert, / freiwillig sein Amt niederzulegen, / und am 22.“ Januar c. bei seiner / protocollarischen Vernehmung vor / den Kirchen – Commissarien seine / – ihm vorgelesene – schriftliche Er- / klärung vom 3.“ v. M. aufrecht(e) erhalten / hat. Er finde sich durch Gottes Wort / und sein Gewissen behindert, die / gesetzliche Trauungsliturgie an- / zuwenden, und könne aus eben die- / sem Grunde auch nicht zugeben, daß / ein Anderer in seiner Kirche jene Trau- / weise gebrauche. Er habe noch im- / mer die Ueberzeugung, daß es Gottes / Wille und Ordnung sei, daß unter / Christen eine vor Gott gültige Ehe nicht / anders geschlossen werden und zu Stan- / de kommen könne, als durch die kirch- / liche Trauung. Für diese Ueberzeu- / gung berufe er sich auf Matth. Cap. 19./ V. 6. sowie darauf, daß die Kirche Wächte- / rin des Ehestandes sei. Die Frage der / Kirchen – Commissarien, ob er glaube, / daß alle göttlichen Ordnungen in der / Welt nur durch die Kirche gehandhabt / werden könnten, hat Pastor verneint, / die weitere Frage derselben aber, / weshalb er dann grade die Eheordnung / als eine solche ansehe, welche nur / durch die Kirche gehandhabt werden / könnte, dahin beantwortet, daß dies / für ihn aus dem Verbote // (...)(f) der Verwandschaftsgrade im / Levitikus und aus den Worten des / Herrn über die Ehescheidung folge. / Auf ferneres specielles Befragen, ob / er seine Ueberzeugung über den / Eheschluß aus den Bekenntnißschrif- / ten zu begründen vermöge und / wie er sich zu den Angaben Luther’s / im Eingange zu dem „Traubüch- / lein“ verhalte, hat Pastor erwie- / dert: er wisse sich in dem betreffen- / den Punkte in vollkommener Über- / einstimmung mit den Bekenntnis- / schriften, glaube sich jedoch nicht / darauf einlassen zu müssen, dies / in Ansehung des „Traubüchleins“ / im einzelnen nach-
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zuweisen. – / Dem Vorhalte der Kirchen – Com- / missarien, daß die am 16.“ Novem- / ber 1876 bei einer Vernehmung (vor / dem Superintendenten Münch- / meyer) von ihm abgegebene Er- / klärung, er habe sich eben sowie // sein Vorgänger – Pastor Ludwig / Harms – genau der Lüneburgschen / Trauungsformel bedient, nach einer / in der Epistel |sic| Postille des verstorbe- / nen Ludwig Harms befindlichen Trau- / rede sich(g) als unzutreffend erwiesen, ist / Pastor mit der Erwiederung begeg- / net, er habe kein Arg daraus ge- / habt, sondern immer geglaubt, / daß die Trauformel, wie solche sein / Vorgänger angewendet, mit der / Lüneburg’schen / Trauungsformel identisch sei. – Daß ein Anderer nach / der gesetzlichen Liturgie in der Her- / mannsburger Kirche traue, könne / er nicht gestatten, weil er für seine / Kirche verantwortlich sei und dar- / um nicht dulden dürfe, daß an sei- / nem Altare etwas geschehe, was wi- / der Gottes Gebot sei; er würde sich / eventuell der Theilnahme an frem- / der Sünde theilhaftig machen. – Auf instanzlichen Er- / kenntnisses hat Pastor ausdrücklich / verzichtet, dagegen zu Protocoll / zu nehmen gebeten, daß er gegen / seine bevorstehende Amtsentsetzung / entschieden protestiren und sich ver- / wahren müsse./ Aus dem Vorstehenden ergiebt / sich, daß Pastor Harms die Befolgung / des Trauungsgesetzes vom 6.“ Juli / 1876 beharrlich abgelehnt, auch seine / Zustimmung dazu verweigert hat, / daß die in der Parochie Hermanns- / burg vorfallenden Trauungen / durch einen von der Kirchenregie- / rung zu dem Behuf zu bestellenden / anderen Geistlichen nach Maßgabe / des Gesetzes vollzogen werden./ Da das mehrberegte Gesetz / auf kirchenverfassungsmäßigem / Wege zu Stande gekommen und / erlassen ist, so hat dasselbe für je- / des Mitglied der evangelisch lu- // therischen Kirche der Provinz Hanno- / ver rechtsverbindliche Kraft; der / Widerstand des Pastors Harms gegen / die Ausführung des Gesetzes ist objec- / tiv durchaus unberechtigt. Mag nun / zwar angenommen werden, daß / jener Widerstand auf wirklichen / Gewissensbedenken des Pastors beruhe, / so ist doch die Stellung, welche letz- / terer dem Gesetze gegenüber ein- / genommen hat, mit der Achtung / und dem Gehorsam, welche die in / unserer Landeskirche angestellten / Geistlichen den Ordnungen dieser / Kirche schulden, völlig unvereinbar. / Durch seine bestimmte Weigerung, / dem Kirchengesetze vom 6.“ Juli / 1876 Folge zu leisten, hat Pastor / Harms sein Verbleiben im Dienste / der Landeskirche schlechthin un- / möglich gemacht. Es hat daher, wie / geschehen, auf Entlassung desselben / aus dem Pfarramte erkannt wer- // den müssen./ Die Verurtheilung des Pastors / Harms in die Kosten der Untersu- / chung ist eine Selbstfolge der Haupt- / entscheidung./ (Siegel) Königliches Consistorium (Unterschrift) (a) Text teilweise verderbt (b) “ “ “
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(c) “ “ “ (d) über der Zeile (e) “ “ “ (f) gestrichen: der Ver- // bote (g) über der Zeile
131. [106.] Theodor Harms über die Gründung der Kreuzgemeinde Hermannsburg (1878)* Gott hat alle Dinge unter Seine Füße gethan und hat Ihn gesetzt zum Haupt der Gemeinde über Alles, welche da ist Sein Leib, nämlich die Fülle deß, der Alles in Allem erfüllet. Eph. 1.
Als ich am 4. Februar mein Absetzungsurtheil empfing, erklärte ich an demselben Tage schriftlich dem Amtsgericht meinen Austritt aus der Staatskirche, am 8. März nach Ablauf der gesetzlichen 4 Wochen, mündlich, und war damit auf gesetzlichem Wege aus der Staatskirche entlassen. Daß ein großer Theil meiner Gemeinde durch meine Absetzung ins Herz getroffen war, ist leicht zu denken, und Viele erklärten mir: Wir verlassen dich nicht, Vater Harms, wo du bleibst, da bleiben wir auch. Der Austritt erfolgte massenhaft und geht noch immer fort. Jedermann ist mein Zeuge, daß ich niemals die Gemeinde zur Separation aufgefordert habe in meinen Predigten, auch niemals Jemanden zum Austritt zu bewegen gesucht, thue es auch noch nicht. Wer mich fragt, den berathe ich und gebe ihm Aufschluß, so viel ich kann und überlasse es seinem Gewissen, auszutreten aus der Staatskirche, oder darin zu bleiben. Ich möchte, daß es einem Jeden ebenso zur Gewissenssache werden möchte, wie es mir Gewissenssache ist, denn dann ist man getrost und freudig, es möge auch kommen, was da wolle. Auch nicht einmal den Gliedern meiner Familie habe ich zugeredet, hatte es auch nicht nöthig, am allerwenigsten bei meiner kleinen tapferen Frau, sondern sie waren von Anfang an desselben Sinnes als ich und das Kreuz auf sich zu nehmen, das ich auf mich nehmen mußte. ... Am 13. Februar kamen die Hausväter zusammen und constituirten sich zu einer freien luth. Gemeinde, unabhängig vom Staatskirchenregiment. Das ist also der Stiftungstag der freien luth. Gemeinde Hermannsburg. Folgendes wurde festgestellt. 1. Ihr Name ist „Kreuzgemeinde.“ 2. Sie bekennt sich von Herzen zum vollen Bekenntniß der luth. Kirche von dem Symbolum Apostolicum bis zur Concordienformel eingeschlossen. 3. Ihre Kirchenordnung ist und bleibt die Lüneburgische. *
Hermannsburger Missionsblatt 25 (1878), 33f., 36, 38f.
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4. Sie wählt 7 Juraten und 7 Diaconen, welches sofort geschah. ... Ich sehe in der Verbindung der Kirche mit dem modernen Staat, wie sie ist, Verderben der Kirche und sehe keine Hülfe der Kirche, als in Trennung von ihm. Wo der HErr so deutlich auf Trennung von der Staatskirche hinwies, wie in unserm Falle, wäre Bleiben eine gröbliche Versündigung gewesen. Viele denken und sagen so wie ich, allein sie meinen, es sei noch nicht Zeit zur Scheidung. Uns dünkt, es ist die rechte Zeit für uns in Hermannsburg und Hannover. Ich halte dafür, daß in der zwangsweisen Einführung einer Ceremonie, für welche das Consistorium die Trauweise erklärt, das Unionsprincip proklamirt ist, nach welchem in meiner und meiner Kampfgenossen Amtsentsetzung bereits gehandelt worden ist. Daß Pastoren im Amte geduldet, ja geschützt werden, welche falsche Lehre predigen, die Gottheit Christi, das Dasein des persönlichen Teufels leugnen etc., ist mit dem Begriff der luth. Kirche absolut unvereinbar, in welcher alles Gewicht auf die reine Lehre und lauteren Sakramente zu legen ist. Ich konnte auch in ihr deßhalb nicht länger bleiben, weil Sakramentsgemeinschaft mit Gliedern der Union, mögen sie sich auch lutherisch nennen und es zu sein glauben, an vielen Altären nicht nur thatsächlich gepflogen wird, sondern auch höheren Ortes gutgeheißen worden ist. U. s. w. Daß erst die neue Trauweise den Bruch herbei geführt hat, und nicht schon früher derselbe erfolgt ist, hat darin seinen Grund, weil uns darin etwas zu thun befohlen war, was nach unsrer Gewissensüberzeugung gegen Gottes Wort und darum sündlich ist. Getragen habe ich die Uebelstände und mich eifrigst bemüht, wenigstens meine Kirche und Altar rein zu erhalten und niemals ein Glied einer fremden Kirchengemeinschaft zum Altar zugelassen, ohne mich zu versichern, daß es zu unsrer luth. Kirche überträte und sich dazu halten würde, durch Versprechen und Handschlag. Auch mein letzter Schritt, den ich gethan, um in der Landeskirche bleiben zu können, nämlich daß ich den im Traugesetz vorgeschriebenen Weg betreten habe, mit dem Kirchenvorstande beim Consistorium um Belassung der alten kirchenordnungsmäßigen Trauweise einzukommen, in welchem Falle unser Gesuch gewährt werden könne, was doch nicht anders zu verstehen war, als daß es uns gewährt werden würde, ja müßte, und damit zugestand, daß ich neben Luthers alter Trauweise, der neuen Trauweise, die von Luthers Trauweise grundverschieden ist, ihre Berechtigung in der Hannoverschen Landeskirche nicht aberkennen wolle, beweist klar genug, daß ich mit meiner Gemeinde zu tragen bereit war, was sich eigentlich gar nicht tragen ließ nach unsrer Anschauung. Mir ist auch die Eingabe damals schwer genug geworden, allein ich hoffte damals noch, daß dann noch eine Regeneration der Landeskirche doch möglich wäre von innen heraus. Jetzt aber kann ich es nicht mehr hoffen und der HErr hat sehr weislich gehandelt, daß Er den letzten Stützpunkt, an den wir uns in unsrer Kurzsichtigkeit klammerten, weggerissen hat.
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132. [107.] Ordnung der Kreuzgemeinde Hermannsburg vom 9.11.1878* Am 13. Februar 1878 vereinigten sich 270 Familienväter, denen sich seitdem noch viele andere, sowohl Familienväter als einzelne Personen angeschlossen haben, nachdem sie aus der Landeskirche ausgetreten waren, zu einer freien lutherischen Gemeinde, welche den Namen Kreuzgemeinde annahm, und entwarfen folgende Gemeindeordnung. 1. Die Gemeinde bekennt sich zu sämmtlichen Bekenntnißschriften (Symbolen) der lutherischen Kirche, von der Augsburgischen Confession bis zur Concordienformel eingeschlossen. 2. Sie nimmt die Lüneburgische Kirchenordnung als ihre eigne Kirchenordnung an. 3. Die Gemeinde wählt ihre Pastoren und Lehrer selbst. 4. Zur Vertretung der Gemeinde in vermögensrechtlicher Hinsicht, sowie zur Aufrechterhaltung der Ordnung mit und unter dem Pastoren, wählt die Gemeinde 7 Juraten, so daß jede der 6 Bauerschaften je 1 Juraten erwählt, die Bauerschaft Hermannsburg jedoch als die größeste unter den sechsen, 2 Juraten. Neben den 7 Juraten werden 7 Ersatzmänner gewählt. Den Vorsitz hat der Pastor. 5. Zur Versorgung der Armen werden in derselben Weise 7 Almosenpfleger (Diakonen) mit 7 Ersatzmännern gewählt. – Den Vorsitz hat ebenfalls der Pastor. 6. Juraten sowohl als Diakonen werden an einem Sonntage während des Vormittagsgottesdienstes durch den Pastoren in ihr Amt eingeführt durch Gottes Wort und Gebet. Die Dauer der Amtsführung ist 6 Jahr. Alle 3 Jahr scheidet die Hälfte aus. Nach 3 Jahren von jetzt an erfolgt die erste Ausscheidung. 7. Das Collegium der Juraten wählt einen Kirchenrechnungsführer. 8. In allen wichtigen Angelegenheiten hat die Gemeinde selbst zu entscheiden in einer vom Pastoren rechtzeitig abzukündigenden Gemeindeversammlung. Am 30. April 1878 versammelten sich die Vertreter der freien lutherischen Gemeinden von Hermannsburg, Hannover, Scharnebeck, Nettelkamp und Wriedel in Hermannsburg und vereinigten sich zur „hannoverschen lutherischen Freikirche,“ deren organisirenden Versammlungen der Name „Synoden“ beigelegt wurde. Einstimmig wurde beschlossen, daß selbstverständlich mit aller Treue und Entschiedenheit an sämmtlichen Symbolen der lutherischen Kirche vom Apostolischen Symbolum an bis zur Concordienformel einschließlich festgehalten werden solle, deßgleichen an der Lüneburgischen und Calenbergischen Kirchenordnung. Die Synode hat sich jährlich zweimal regelmäßig in Hermannsburg zu versammeln und zwar am Dienstag in der vollen Woche nach Ostern und am Dienstag in der vollen Woche nach Michaelis. Stimmberechtigt auf der Synode ist jeder Pastor *
Kreuzgemeinde Hermannsburg, Ohne Kreuz keine Krone. Ordnung der Kreuzgemeinde Hermannsburg, Hermannsburg 1878.
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und je ein Laie aus dem Juratencollegium. Der Synode steht ein Präses vor. Der Zweck dieser kurzen Zusammenstellung ist der, vor aller Welt zu bezeugen, daß die Kreuzgemeinde in Hermannsburg zusammt allen zur hannoverschen lutherischen Freikirche gehörigen Gemeinden, eine ächt lutherische sei. Halte, was du hast, daß Niemand deine Krone nehme! Hermannsburg, 9. Nov. 1878. Th. Harms, Pastor der Kreuzgemeinde.
133. [108.] Protokollarische Zusammenstellung der Beschlüsse der ordentlichen Synoden der Hannoverschen evangelischlutherischen Freikirche (30.4.1878–2.6.1885)* Erklärung der Ziffern. I bedeutet Protocoll der Synode vom 30. April 1878. II “ “ “ “ “ 8. Oktober 1878. III “ “ “ “ “ 22. April 1879. IV “ “ “ “ “ 7. Oktober 1879. V “ “ “ “ “ 6. April 1880. VI “ “ “ “ “ 5. Oktober 1880. VII “ “ “ “ “ 26. April 1881. VIII “ “ “ “ “ 4. Oktober 1881. IX “ “ “ “ “ 18. April 1882. X “ “ “ “ “ 3. Oktober 1882. XI “ “ “ “ “ 3. April 1883. XII “ “ “ “ “ 2. Oktober 1883. XIII “ “ “ “ “ 22. April 1884. XIV “ “ “ “ “ 11. November 1884. XV “ “ “ “ “ 2. Juni 1885. Am 30. April 1878 vereinigten sich die freien lutherischen Gemeinden Hermannsburg, Wriedel, Nettelkamp, Hannover und Scharnebeck durch ihre zu Hermannsburg unter dem Vorsitze des Pastors Harms versammelten Vertreter zur hannoverschen lutherischen Freikirche, deren organisierenden Versammlungen der Name „Synoden“ beigelegt wurde (I).
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Synodalausschuß der Hannoverschen Freikirche (Hg.), Beschlüsse der ordentlichen Synoden der hannoverschen lutherischen Freikirche, nach den Protocollen zusammengestellt vom Synodalausschuß im October 1885, Hermannsburg 1885.
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Die von Anfang an bestehende Altar- und Kanzelgemeinschaft der hannov. luth. Freikirche mit den freien luth. Kirchen in beiden Hessen wurde am 7. Oktober 1879 von der Synode anerkannt (IV). A.
Lehre und Kirchenordnung.
Die hannov. luth. Freikirche hält an sämmtlichen Symbolen der luth. Kirche vom Apostolicum bis zur Concordienformel als der Grundlage ihrer Lehre fest, desgleichen an der Lüneburgischen bezw. Calenbergischen Kirchenordnung. Im Confirmandenunterricht wird der sogenannte neue Katechismus gebraucht (I). B.
Synode.
Die Synode versammelt sich jährlich zweimal in Hermannsburg, am Dienstage nach Trinitatis und am Dienstage nach Martini (XIII vgl. I). Stimmberechtigt auf der Synode ist jeder Pastor mit je einem Laien (I). Jedes Pfarrarchiv soll eine Abschrift der Synodalprotocolle enthalten (II). Die Beschlüsse der Synoden werden gedruckt (XV). Die Tagesordnung soll vom Ausschuß im Einverständniß mit dem Pastorenconvent vorher festgestellt und den Gemeinden bekannt gemacht werden (III. XV). Anträge für die Synode sollen beim Ausschuß schriftlich eingebracht werden, und zwar für die Frühjahrssynode bis Ostern, für die Herbstsynode bis Michaelis. Später eingehende Anträge haben keinen Anspruch auf Berücksichtigung (XV). C.
Synodalausschuß.
Der Synodalausschuß besteht aus dem Präses, zwei andern Pastoren und zwei weltlichen Deputierten und wird auf Vorschlag des Pastorenconvents von der Synode als ein provisorischer auf ein Jahr gewählt. Der Ausschuß tritt viermal im Jahre zusammen; die Termine bestimmt er selbst. 1. Zum Geschäftskreise des ganzen Ausschusses gehören: a) Die Anstellung der Pastoren. Hierbei soll jedoch das Präsentationsrecht der Gemeinden gewahrt bleiben. Der Ausschuß soll, nachdem der Angezeigte geprüft, resp. examiniert und ordiniert worden, denselben anstellen. Anstellung der Prädikanten ist ebenso Sache des Ausschusses, sowie die Anstellung der Küster und Schullehrer. b) Bestrafung, einschließlich Absetzung, der Pastoren und sonstigen Kirchen- und Schuldiener. c) Ehesachen. d) Irrungen zwischen Kirchen- und Schuldienern zu behandeln, resp. beizulegen.
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e) Klage gegen Pastoren. f) Abhülfe, wenn den Kirchen und ihren Dienern etwas von ihrem Einkommen entzogen wird. g) Untersuchung und Entscheidung in Kirchenzuchtsfällen. h) Abgrenzung der Parochien unter Wahrung der bestehenden Rechte der Pastoren und Gemeinden. i) Ordnen des Einkommens der Kirchen- und Schuldiener. k) Aufsicht über die Kirchen-, Pfarr-, und Schulgüter. l) Vertretung der Kirche nach Außen, insbesondere auch Entscheidung über Kirchengemeinschaft. m) Anordnung außerordentlicher Visitationen. 2. Zum Geschäftskreise der geistlichen Mitglieder: a) Examen der Candidaten, Colloquium der Pastoren, Prüfung der Prädikanten. Nach Befinden des Ausschusses können auch andere Geistliche unserer Kirche zugezogen werden. b) Ordination der Pastoren; sie liegt dem Präses der Synode ob, oder im Auftrage desselben einem der geistlichen Beisitzer, im Notfalle einem andern Geistlichen der Synode. c) Introduction (Einführung). d) Visitation hält der Präses alle drei Jahre in Verhinderung eins der geistlichen Mitglieder im Auftrage des Präses. e) Aufsicht über Lehre und Liturgie. f) Prüfung der Schullehrer. g) Visitation der Schulen bei Gelegenheit der Kirchenvisitationen und sonst (V). D.
Pastorenconvent.
Die Pastoren versammeln sich zur Pflege der Abendmahlsgemeinschaft und theologisch-wissenschaftlicher Fortbildung jährlich zweimal in der Woche vor Advent und in der Woche vor Pfingsten (I). E.
Verhältniß zu andern Kirchengemeinschaften.
In Bezug auf die Zulassung von Gliedern anderer Kirchengemeinschaften zum h. Abendmahle soll nicht allein die persönliche Stellung derselben, sondern in erster Linie die Kirchenangehörigkeit entscheiden. Die Frage, ob eine Kirche als lutherisch anzuerkennen sei, soll nicht allein darnach entschieden werden, ob das Bekenntnis noch rechtlich öffentlich geltende Lehre ist, sondern auch darnach, ob dieser Lehre gemäß amtlich gehandelt wird (VI).
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Nach Kräften ist zu verhüten, daß Glieder unserer Kirche das Pathenamt in einer Kirche, die vom lutherischen Bekenntnisse abgefallen ist, übernehmen, und umgekehrt, daß Glieder solcher Kirchen zum Pathenamte bei uns zugelassen werden (V). Bei Aufnahme neuer Mitglieder sollen die Pastoren in der Regel eine Unterredung mit denselben vornehmen und sich das Versprechen geben lassen, keiner andern Kirchengemeinschaft angehören zu wollen. Dagegen soll eine Anmeldung jedes neuen Mitgliedes von der Kanzel mit Fürbitte jedem Pastoren überlassen bleiben (IV). F.
Kirchliches Zeugniß.
Wer in eine andere Gemeinde verziehen oder dort zum h. Abendmahle gehen will, hat dem betr. Pastoren ein kirchliches Zeugniß seines bisherigen Seelsorgers vorzulegen (VI). G.
Confirmanden.
Die Confirmandenprüfung hat jeder Pastor selbst vorzunehmen und nur in zweifelhaften Fällen einen Amtsbruder zuzuziehen. Für Dispensationen wird der letzte Juni als Grenze festgestellt (II). H.
Gottesdienstliche Einrichtungen.
Es ist dahin zu wirken, daß Mittwochs oder Freitags in allen Gemeinden Wochengottesdienste eingerichtet werden. Empfohlen wird die Feier eines Kirchspiels-Missionsfestes in jeder Gemeinde, sowie die Einführung einer allgemeinen Hagelfeier, als Bettages für die Früchte des Feldes, für welche der 1. Mai festgesetzt wird (I). I.
Pfarrarchiv.
In jedem Pfarrarchiv ist eine Abschrift der Synodalprotocolle (II), ein Inventar über das kirchliche Eigentum und, wo ein Kirchenvorstand besteht, ein Protocollbuch aufzubewahren (XII). K.
Collecten.
In allen Gemeinden sind jährlich 7 Beckencollecten abzuhalten: 1. Epiphanias für die Mission, 2. Ostern für die Synodalkasse, 3. Pfingsten desgl.,
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4. 5. 6. 7. L.
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am 1. Sonntage des August für die Wittwenkasse, Michaelis für die Synodalkasse, am Reformationsfeste für die Bibelgesellschaft, Weihnachten für die Synodalkasse (II. XIII). Synodalkasse.
Die Synodalkasse dient zur Bestreitung der Synodalkosten, insbesondere zur Besoldung des Reisepredigers. Eine Erweiterung des Zwecks der Kasse dahin, daß sie auch zur Besoldung von Pastoren, welche von ihren Gemeinden nicht genügend versorgt werden können, und zur Emeritirung von Geistlichen diene, wird spätern Beschlüssen vorbehalten. Zur Unterhaltung der Kasse werden Beckencollecten in allen Gemeinden an je einem Tage der drei hohen Feste und zu Michaelis gehalten. Der Schatzmeister soll nur auf Anweisung des Präses auszahlen (II). M.
Wittwenkasse.
(Errichtet 22. April 1884, Kassenstatut bestätigt 2. Juni 1885). § 1. Den nachgelassenen Wittwen und Waisen der im Dienst der hannoverschen luth. Freikirche stehenden Pastoren und Lehrer sollen aus dieser Kasse fortlaufende jährliche Pensionen bezw. Unterstützungen gewährt werden. § 2. Die Kasse steht unter Aufsicht der Synode. Letztere wählt und bestellt den Kassenführer, welcher nach Maßgabe der ihm ebenfalls von der Synode zu ertheilenden Instruction sein Amt zu verwalten hat. Das Amt des Kassenführers ist ein Ehrenamt. Der Synode steht auch die eventuelle Amtsentsetzung des Kassenführers zu. Die einstweilige Suspendierung desselben und die Bestellung einer provisorischen Verwaltung kann der Verwaltungsrath bewirken. § 3. Das Rechnungsjahr der Kasse läuft von einer Herbstsynode bis zur andern. § 4. Zur Dotirung der Kasse werden in allen Gemeinden am 1. Sonntag des August, an welchem voller Gottesdienst stattfindet, Collecten abgehalten, deren Erträge so-
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fort, spätestens bis Ende August bei Meidung einer Ordnungsstrafe von 1 Mark Seitens der betr. Kirchenvorstände an den Kassenführer einzusenden sind. Weitere Einnahmen werden von der freien Liebesthätigkeit der Gemeinden oder Einzelner durch Geschenke oder Zuwendung von Legaten erwartet. Der Verwaltungsrath hat das Interesse dafür anzuregen. Jeder Interessent zahlt einen jährlichen Beitrag von 3 Mark als Minimum. § 5. Mitglied (Interessent) der Kasse ist Jeder, der im Dienst der hannov. luth. Freikirche ein geistliches oder Lehr-Amt bekleidet, so lange er in dieser Stellung verbleibt. Niederlegung des Amtes oder Amtsentsetzung zieht den Verlust der Mitgliedschaft und damit jedes Anspruchs auf die eingezahlten Beiträge nach sich. Dagegen hat eine Emeritirung den Verlust der Mitgliedschaft nicht zur Folge. § 6. Jährlich, und zwar in der Herbstsynode, ist Bericht über das abgelaufene Rechnungsjahr vom Kassenführer durch Vorlage der Rechnung zu erstatten. Der Synode steht die Wahl eines Revisionsausschusses, sowie das Recht der Dechargierung des Rechnungsführers eventuell des Verwaltungsrathes allein zu. Die Revision hat jedesmal nach der Rechnungsablage zu erfolgen. § 7. Die Höhe der den Hinterbliebenen der Interessenten zu gewährenden Pensionen und Unterstützungen unterliegt der Beschlußfassung des Verwaltungsrathes und richtet sich im Uebrigen nach der Leistungsfähigkeit der Kasse. Die Kasse ist erst dann im Stande, Pensionen zu zahlen, wenn ein Kapitalfonds von 6000 Mark gesammelt ist. Bis dahin können nur Unterstützungen auf ein Jahr gewährt werden. Zu diesen Unterstützungen darf aber nicht mehr als die Hälfte der jährlichen Collectengelder in Anspruch genommen werden. Sind Wittwen oder Waisen nicht vorhanden, so werden sämmtliche Kassenaufkünfte zum Kapital geschlagen. Einmal kapitalisierte Gelder dürfen nicht zu Pensions- oder Unterstützungszahlungen angegriffen werden. § 8. Sind Wittwen und Waisen vorhanden, bevor ausreichende Unterstützungen aus der Kasse gezahlt werden können, so ist die Gemeinde an welcher der Verstorbene thätig gewesen ist, zunächst verpflichtet, das Fehlende aufzubringen. Die Verhandlungen hierüber führt die Synode durch den Verwaltungsrath.
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§ 9. Den ständigen Kassenvorstand, dem der Kassenführer in allen Stücken untergeordnet ist, bildet ein Verwaltungsrath von 7 Personen, welche auf 6 Jahre von der Synode gewählt werden. Nach 3 Jahren scheiden 3 Mitglieder durch das Loos aus und werden 3 neue gewählt. Zur Beschlußfassung sind mindestens 5 Mitglieder notwendig. § 10. Die zinslich zu belegenden Gelder werden in die Sparkasse in Hermannsburg gegeben und, sobald sie sich zu ausreichender Höhe angesammelt haben, zum Ankauf sicherer Staatspapiere verwandt. § 11. Ergänzungen oder Abänderungen dieser Statuten, sowie Beschlußfassung über etwaige Auflösung der Kasse gehören zu den Rechten der Synode, sind aber nur dann gültig, wenn sie eine Majorität von mindestens 2/3 der erschienen stimmberechtigten Mitglieder der Synode gefunden haben.
134. [109.] Aus der öffentlichen Erklärung betreffend die Loslösung der Kreuzgemeinde zu Hermannsburg vom Synodalausschuss der Hannoverschen evangelisch-lutherischen Freikirche (Mai 1886)* Hermannsburg, im Mai 1886. Ach, bleib bei uns, HErr JEsu Christ, Weil es nun Abend worden ist; Dein göttlich Wort, das helle Licht, Laß ja bei uns auslöschen nicht.
Viele Anfragen und Angriffe veranlassen uns, folgende Erklärung zu erlassen, welche wir in Liebe und Sanftmuth aufzunehmen bitten. Zunächst werden Alle, welchen es daran gelegen ist, sich ein richtiges Urtheil über die ganze Streitsache zu bilden, herzlich gebeten, stets die Sache selbst im Auge zu behalten, und sich weder durch persönliche Zuneigung oder Abneigung bestimmen noch auch durch den „Schein des Rechten“ blenden zu lassen. *
Ev.-luth. (Große) Kreuzgemeinde Hermannsburg, Öffentliche Erklärung betreffend die Lossagung der Kreuzgemeinde zu Hermannsburg vom Synodalausschuß der Hannöv. Freikirche, Hermannsburg 1886, 3–5, 9f., 14–16.
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Der Schein des Rechten ist nämlich auf der Seite des Synodal-Ausschusses, wenn man einfach die „Beschlüsse der ordentlichen Synoden“ etc. vom Oct. 1885*) hernimmt und darnach die Handlungsweise der Kreuzgemeinde beurtheilt. Denn da nach diesen Beschlüssen „die Anstellung der Pastoren“ zum Geschäftskreise des Ausschusses gehört, so hatte derselbe nach dem Heimgange des sel. Th. Harms unzweifelhaft das statutenmäßige Recht, in Uebereinstimmung mit dem Juraten-Collegium der Kreuzgemeinde einen Pfarradministrator einzusetzen. Wenn nun das Juraten-Collegium alle Vorschläge des Synodal-Ausschusses zurückwies, so sieht das allerdings für den Fernstehenden aus wie „Revolution“ (vergl. Kirchl. Anzeiger v. Bingmann Nr. 5, S. 35), und wir wundern uns nicht, daß Viele in Unkenntniß des wahren Sachverhaltes solches Urtheil nachgesprochen haben, bitten aber nun herzlich, auch unsre Erklärung zu beachten. Zuerst bezeugen wir, daß kein revolutionäres Gelüst uns zu unserm Widerstand gegen den Synodal-Ausschuß bewogen hat. Wenn in der Hannöv. Freikirche Friede und Einmüthigkeit geherrscht hätte, als der selige P. Harms starb, so wäre es der Kreuzgemeinde zu Hermannsburg gar nicht in den Sinn gekommen, den Anordnungen des Ausschusses Widerstand entgegen zu setzen. Aber Friede und Einmüthigkeit war in der Hannöverschen Freikirche eben nicht vorhanden, sondern die Kreuzgemeinde war mit dem sel. Pastor Harms innerlich und wesentlich schon losgelöst von den andern Pastoren der Freikirche, während doch diese Loslösung noch nicht äußerlich und förmlich vollzogen war. Dieser Umstand ist besonders wichtig zur richtigen Beurtheilung der ganzen Sache und sollte auch in gegenseitigen Erklärungen der Wahrheit gemäß nicht verschwiegen werden. Wir legen nun den Hergang der Sache in Kürze dar. Es ist bekannt genug, daß die ganze Hannöversche Freikirche in Hermannsburg ihren Quellort hat. Ludwig Harms hat gepflanzt, sein Bruder Theodor hat begossen und Gott hat das Gedeihen gegeben. Als nun Theodor Harms gewissenshalber in Bezug auf das Trauformular sich der Vergewaltigung der Staatsgewalt nicht fügen konnte und darüber seines Amtes entsetzt ward, da folgte ihm nicht nur der größte Theil seiner Pfarrgemeinde, sondern auch sonst schlossen sich vielerorten kleinere Häuflein an Hermannsburg an; so entstand die Hannöv. Freikirche. ... Die Vilmarsche Lehre dagegen treibt ihre Anhänger im geistlichen Amt zu römischen Anmaßungen. Ja, wenn ein ernster und demüthiger Knecht Gottes mit diesem Irrthum behaftet ist (wie das ja sehr wohl möglich ist), so merkt die Gemeinde gewiß weniger davon; aber wehe einer Gemeinde, welche einem eitlen ungeistlichen Menschen preisgegeben ist, der nun auf Grund seiner vermeintlichen „Amtswürde“ die Gemeinde tyrannisirt, sein Wort für unfehlbar ausgiebt, den Bann mißbraucht, Gemeinde-Beamten eigenmächtig ab- und einsetzt! Ganz anders war es die Kreuzgemeinde gewöhnt. Der selige Pastor Th. Harms diente Allen in Liebe mit dem Worte Gottes. Daher erklärt sich auch die große Anhänglichkeit der Kreuzgemeinde an ihren entschlafenen geistlichen Vater, wel-
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che von vielen Seiten als „Abgötterei“ gebrandmarkt wird. Davor bewahre uns der treue Gott! Wir sind weder auf Louis noch auf Theodor Harms getauft und schwören nicht auf ihre Unfehlbarkeit, aber wir folgen der Mahnung des Apostels, Hebr. 13, 7: Gedenket an eure Lehrer, die euch das Wort Gottes gesagt haben, welcher Ende schauet an, und folget ihrem Glauben nach. Th. Harms hat uns treulich Gottes Wort gepredigt und im Drange der Liebe Christi uns gedient; das wollen wir ihm nicht vergessen. Insonderheit aber sind wir ihm dankbar, daß er uns nach seinem geistlichen Wächteramt bei Zeiten vor dem fremden Geist gewarnt hat, der uns noch heute bedroht. Als die oben kurz dargelegte falsche Amtslehre zumal auf den Synoden und Conferenzen immer offener sich geltend machte, da legte der sel. P. Harms alsbald Zeugniß dagegen ab und ließ endlich im Jahre 1884 das bekannte Schriftchen über Predigtamt und Gemeinde ausgehen. Seitdem verschärfte sich der Gegensatz natürlich und der Bruch schien mehrmals in großer Nähe zu sein. Doch war der sel. Harms zu sehr ein Mann der Liebe und des Friedens, um seinerseits den Bruch zu beschleunigen. Wo die Stärke eines Menschen liegt, da liegt ja auch immer seine Schwäche. Harms suchte in der letzten Zeit seines Lebens (wie er im Juratencollegium wiederholt sich darüber äußerte), einen Mittelweg einzuschlagen. Er hatte nämlich vor, mit der Kreuzgemeinde eine Hospitanten- (d. h. gastweise) Stellung der Synode gegenüber einzunehmen, um so seine Freiheit zu wahren und doch womöglich die Kirchen-Gemeinschaft aufrecht zu erhalten. Nach Gottes Rathschluß war es ihm aber nicht vergönnt, diesen Plan durchzuführen, da der HErr Seinen treuen Knecht aus diesen Wirren unerwartet schnell herausnahm und ihn aus der streitenden in die triumphirende Kirche versetzte. ... Schließlich erklären wir: 1. Wir wollen einmüthig verbleiben bei dem reinen Worte Gottes und den unverfälschten Bekenntnissen unserer lutherischen Kirche. Wir halten ferner fest an der Lüneburgischen Kirchenordnung, soweit sie für unsere Zeit und Verhältnisse paßt und erklären es für unrichtig, daß wir von unserer Gemeindeordnung abgewichen seien. Den tadelnden Ausdruck in der Erklärung des SynodalPräses, daß wir von unserer Gemeinde-Ordnung „abgefallen“ seien, erklären wir für schief und irreleitend, da eine Aenderung unserer Gemeinde-Ordnung uns jederzeit freistehe; das Wort „Abfall“ paßt hier nicht und kommt aus falschem Geiste. Wir legen weder einer Kirchen-Ordnung noch irgend einer andern Schrift symbolische Bedeutung bei, sondern allein den Bekenntnißschriften. 2. Durch unsre nothgedrungene Loslösung vom Synodal-Ausschuß haben wir keineswegs die Kirchengemeinschaft mit den bekenntnißtreuen Gliedern der Hann. Freikirche aufgegeben. Wir wissen uns Eins mit allen treuen Lutheranern, welche mit uns denselben Glauben bekennen und dem unirten Wesen nicht mit leeren Worten, sondern durch die That widerstehen. Wir wollen keine
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lutherische Secte sein, sondern Angehörige der luth. Kirche; wir wollen keine bekenntnißwidrige Sondermeinung auf unser Panier schreiben und darnach die Sacraments-Gemeinschaft bemessen, sondern vielmehr danach trachten, immer einfältiger zu werden in der Erkenntniß des Wortes Gottes und demgemäß immer lutherischer zu werden. Denn wir sind noch nicht vollkommen, sondern es ist alles nur im Werden. 3. Wir erklären, daß wir weit davon entfernt sind, demokratisches Wesen in die Kirche einführen zu wollen. Alles wüste, unordentliche Wesen ist vom Teufel. Bei der Regierung der Kirche unterliegt nichts der Willkür, sondern alles hat sich darnach zu richten, daß der Lauf des Evangelii befördert werde. Dazu haben die drei Stände der Christenheit zusammenzuwirken; in unsern Verhältnissen: die Hirten, die Gemeindevorstände und die Gemeinden. Die Kirche Christi ist weder Demokratie, wo die Massen regieren, noch Aristokratie, als ob da ein bevorzugter Stand herrschte, sondern Monarchie. JEsus Christus ist König, wir Alle Seine Diener. „Die Kirche kann“ (so heißt’s in den Schmalkalder Artikeln) „nimmermehr baß (besser) regiert und erhalten werden, denn daß wir Alle unter Einem Haupt Christo leben, und die Bischöfe (Pastoren) alle gleich nach dem Amt (ob sie wohl ungleich nach den Gaben) fleißig zusammenhalten in einträchtiger Lehre, Glauben, Sacramenten, Gebeten und Werken der Liebe“ etc. Wir sind also keineswegs gegen kirchliche und synodale Ordnung, sondern halten dieselbe vielmehr für nothwendig, aber für menschlich und wandelbar. Gottes Wort allein ist unwandelbar. Dem soll alles dienen in der Kirche, auf daß durch Wort und Sacrament Kinder Gottes gezeugt, ernährt, erzogen und bis an’s Ende erhalten werden und daß Christus JEsus König sei und bleibe! Zu weiterer Verantwortung sind wir Jedem bereit. An alle Glieder der Hann. Freikirche aber, Pastoren und Gemeinden, richten wir die herzliche Bitte, auf Grund von Schrift und Bekenntniß nochmals alles einfältig zu prüfen. Wer nicht mit uns sich klar und bestimmt auf diesen Grund stellt, dessen Verbleiben bei uns wünschen wir gar nicht, denn der große Haufe macht es nicht. Wer aber einfältig bei Schrift und Bekenntniß bleibt, der ist schon Eins mit uns innerlich, und diese innerliche Einheit wird durch Gottes Gnade auch äußerlich offenbar werden zu Gottes Ehre. Hilf, daß wir leben in Dein’m Wort Und darauf ferner fahren fort. Von hinnen aus dem Jammerthal Zu Dir in Deinen Himmelssaal.
Das walte Gott! Mit dem Gruß des Friedens
Aus der öffentlichen Erklärung
J. J. G. Ehlers, lutherischer Pastor d. Z. Pfarradministrator an der Kreuzgemeinde zu Hermannsburg Das Juraten-Collegium: Hiestermann. Brammer. Springhorn. Kaiser. Winkelmann. Speckhau. Weusthoff.
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VIII. Mission Volker Stolle Einführung Die Entstehung der selbstständigen evangelisch-lutherischen Kirchen ist eng mit der neueren Missionsbewegung verbunden. Einerseits ist diese ein Phänomen der Erweckungsbewegung, die einen wichtigen Faktor der konfessionellen Bewusstwerdung darstellt. Andererseits boten die Missionsfeste und Missionsblätter eine Gelegenheit, über die Parochialgrenzen hinaus christliche Gemeinschaft zu pflegen, Gedanken auszutauschen und sich mit Gleichgesinnten zusammenzufinden. Die Christinnen und Christen, die sich dann in selbstständigen Gemeinden zusammenfanden, hatten in vielen Fällen vorher gemeinsam schon Missionsfeste gefeiert. Sowohl im geistlichen Bewusstsein als auch in den kommunikativen Strukturen bestand eine enge Verbindung zwischen Mission und konfessioneller Kirchenbildung. Ein bezeichnendes Beispiel ist der 1843 gegründete Waldeckische Missionsverein. Er positionierte sich 1855 bekenntnismäßig und geriet nach der Bildung selbstständiger lutherischer Gemeinden in seinem Wirkungsbereich 1864 in eine Krise, die zu seiner Auflösung im Jahre 1873 führte. Die Bildung selbstständiger lutherischer Gemeinden war ihrerseits mit Auswanderungsbewegungen verbunden, die dann zu lutherischer Mission genutzt wurden. So erfolgte im Jahre 1838 die Auswanderung unter August Ludwig Christian Kavel nach Australien auch unter einer missionarischen Programmatik (Dok. 135). Die Auswanderungen nach Nordamerika führten zu Indianermission, ohne dass diese länger Bestand hatte. Johann Gottfried Scheibel gehörte zu den Gründungsmitgliedern des Breslauer Missionsvereins (1816). Dieser war zunächst als reiner Unterstützungsverein für die Berliner Missionsgesellschaft tätig. Im Zuge der Auseinandersetzungen um Union, Konfession und Kirche wurden die Bekenntnisgebundenheit und der kirchliche Charakter auch der missionarischen Aufgabe mehr und mehr betont (Dok. 136– 138) und der Wechsel zur 1836 neu gegründeten Dresdener Mission vollzogen (Dok. 141), welche die alte lutherische Mission in Tranquebar in Indien fortsetzte, nachdem sie in Australien begonnen hatte und bevor sie später (seit 1893) auch in Ostafrika wirkte. Auch einen Judenmissionsverein rief Scheibel ins Leben (1822), dessen Arbeit die Breslauer lutherische Gemeinde in begrenztem Maße fortführte. Die Breslauer Bibelgesellschaft (1814), deren treibende Kraft Scheibel ebenfalls war, arbeitete dagegen betont konfessionsübergreifend. Nach der Reorganisation der Evangelisch-lutherischen Kirche in Preußen wurde die Mission ausdrücklich als Aufgabe der Kirche anerkannt (Dok. 139). Der Breslauer Missionsverein unter Leitung von Georg Philipp Eduard Huschke wurde Institut der Kirche (Dok. 140). Mit der Verlegung der Dresdener Missionsanstalt nach
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Leipzig wurden Prüfung, Ordination und Aussendung von Missionaren aus der Evangelisch-lutherischen Kirche in Preußen der Leipziger Mission überlassen (Dok. 142). Allerdings blieb das Verhältnis auf Dauer nicht spannungsfrei. Erste Irritationen brachte die Zulassung unierter Missionszöglinge zum Abendmahl Ende der fünfziger Jahre des 19. Jahrhunderts (Dok. 143, 144). Neue Schwierigkeiten brachte die Zusammenarbeit mit Missionsvereinen aus nicht (mehr) eindeutig lutherischen Kirchengebieten (Dok. 145–149). Nach der Unterbrechung im Ersten Weltkrieg wurde die Missionsarbeit fortgeführt (Dok. 150) und bis zum Ende des Zweiten Weltkriegs die Verbindung der Evangelisch-lutherischen Kirche in Preußen mit der Leipziger Mission weitgehend aufrechterhalten. Während des ersten Jahrhunderts der Leipziger Mission waren in ihr mehrere Pastoren aus dem Kreis der preußischen Lutheraner in deren Missionarsausbildung tätig. Aus ihrer Mitte gingen 16 Missionare in die Arbeit dieser Mission. Innerhalb der Leipziger Mission kam es 1875 zu einer Auseinandersetzung, die in Indien zum Austritt einiger Missionare führte (Dok. 151, 152). Diese (Alfred Heinrich Grubert, Otto Heinrich Theodor Willkomm, Carl Manthey-Zorn, Friedrich Zucker) standen in Kontakt mit der Missouri-Synode und den zur Freikirchenbildung tendierenden Lutheranern in Sachsen und beurteilten die Lehrstellung der Mission als nicht mehr eindeutig lutherisch. Weitere personelle und lehrmäßige Differenzen im Raum der Leipziger Mission führten in den neunziger Jahren desselben Jahrhunderts zur Entlassung der Missionare Karl Gustav Theodor Näther und Franz Eduard Mohn (Dok. 153). In diesem Fall stellte sich das Oberkirchenkollegium in Breslau hinter das Missionskollegium (Dok. 154). Während die frühere Gruppe das indische Missionsgebiet verlassen hatte, setzten diese beiden Missionare 1894 ihre Arbeit in Indien fort, nun getragen von der Missourisynode und von der Evangelisch-Lutherischen Freikirche in Sachsen unterstützt. Auf das Wirken von Ludwig Harms geht die Gründung der Hermannsburger Mission zurück. Im Jahre 1849 gründete er eine eigene Missionsanstalt, deren Statuten als Privatanstalt aber erst 1856 genehmigt wurden (Dok. 155). Charakteristisch für seinen missionstheologischen Ansatz sind sein Entwurf für Statuten der Hermannsburger Mission (Dok. 156) und die bei der ersten Aussendung, die nach Ostafrika führen sollte, ausgestellte Ordnung (Dok. 157). Die Gemeinde in Hermannsburg gründete eine Zweiggemeinde in Afrika, bestehend aus (zunächst ledigen) Missionaren, Handwerkern und Landwirten. Theodor Harms übernahm nach dem Tod seines Bruders die Leitung der Hermannsburger Mission. Von den Kämpfen im Zusammenhang mit der Entstehung der Hannoverschen evangelisch-lutherischen Freikirche wurde nach und nach auch die Mission betroffen. Zwar meinte Theodor Harms, die Mission für neutral erklären zu können (Dok. 158); jedoch erwies sich dieser Ansatz im Laufe der Zeit als illusionär. Eine Vereinbarung zwischen der Leitung der Hermannsburger Mission und dem Hannoverschen Landeskonsistorium in der Frage der Abendmahlsgemein-
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schaft (Dok. 159) bewog die Hannoversche evangelisch-lutherische Freikirche zu Grundsatzerklärungen (Dok. 160, 161) über das Verhältnis von Konfession, Separation und Mission. Schließlich kam es zum Austritt der freikirchlichen Mitglieder des Hermannsburger Missionsausschusses (Dok. 162) und zur Gründung eines eigenen kirchlichen Missionswerkes (Dok. 163); ein Missionshaus wurde in Bleckmar, Ortsteil von Bergen, gebaut.
Bleckmar, Missionshaus der Lutherischen Kirchenmission (Bleckmarer Mission), gegründet 1892, Aufnahme: vor 2010.
Arbeitsgebiet blieb das Südliche Afrika. Seit 1899 erschien das „Missionsblatt der Hannoverschen Evangelisch-Lutherischen Freikirche“, um für das Werk in breiteren Kreisen zu werben. Unterstützung erfuhr dieses Missionswerk von der Freien evangelisch-lutherischen Synode in Südafrika, der Selbständigen evangelischlutherischen Kirche in Hessen, aus der Evangelisch-lutherischen Kirche in Preußen und von der evangelisch-lutherischen Buffalosynode in Nordamerika. Im Jahre 1903 wurde eine Missionsordnung erstellt (Dok. 164). Nachdem das Missionsseminar bereits seit 1937 geschlossen war, musste die Arbeit in der Heimat 1943 fast ganz eingestellt werden (Dok. 165). Im Zuge der Auseinandersetzung um den konfessionellen Status der Hermannsburger Mission kam es zu zwei Abspaltungen von der Hannoverschen evangelisch-lutherischen Freikirche. Eine Gruppierung unter der Führung von Wilhelm Wöhling, die Evangelisch-lutherische Hermannsburger Freikirche, stand in enger Beziehung zur Evangelisch-lutherischen Freikirche in Sachsen und betrieb von 1892 bis 1906 eine eigene Mission unter den Maori in Neuseeland; ihr 1897 gegründetes Seminar in Uelzen sollte auch dem Missionarsnachwuchs dienen. Ein anderer Teil um die Große Kreuzgemeinde in Hermannsburg hielt an der Mitarbeit
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in der Hermannsburger Mission fest. Bis heute besteht ein Verband von Gemeinden und Freundeskreisen innerhalb der SELK zur Unterstützung des Evangelischlutherischen Missionswerks in Niedersachsen, in dem die Hermannsburger Mission 1972 aufgegangen ist. Eine besondere Sparte der Missionstätigkeit stellte die Vorbildung junger Männer in Deutschland für ein Theologiestudium in Nordamerika dar, um den dort herrschenden Pfarrermangel beheben zu helfen. 1861 begründete Friedrich Brunn ein Proseminar in Steeden (Dok. 166), das 1865 in einem Anbau des Pfarrhauses eigene Räumlichkeiten erhielt und das bis zu seinem Ende im Jahre 1886 nahezu 250 Schüler durchliefen. Als Publikationsorgan ließ Brunn seit 1866 das Blatt „Evangelisch-lutherische Mission und Kirche“ herausgehen. Dabei ist zu beachten, dass Brunn sein Unternehmen zunächst nicht als missionarisch charakterisierte, später aber sehr wohl. Der Missionsbegriff wies eine große Bedeutungsbreite auf. Eine entsprechende Einrichtung rief Jakob Wilhelm Georg Vilmar 1870 in Melsungen ins Leben, nachdem bereits zehn Jahre früher ein programmatischer Aufruf zur Bildung einer spezifisch „Niederhessischen Mission“ vorausgegangen war; diese Einrichtung wurde von vornherein als Missionshaus bezeichnet (Dok. 167). Für das Werk warb seit 1871 das „Melsunger Missionsblatt“. Auch in Dreihausen bestand auf Betreiben von Heinrich Schedtler von 1877 bis 1895 eine solche Ausbildungsstätte. Die zunehmende Konsolidierung der lutherischen Kirchen in Nordamerika erübrigte diese Unterstützung zum Ende des Jahrhunderts hin.
Friedrich Wilhelm Karl August Christoph Hopf, *1910, †1982, Pfarrer in Mühlhausen/Franken 1936–1949, Versetzung in den Wartestand wegen seines Protestes gegen den Beitritt der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Bayern zur Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) 1949, Übertritt zur Selbständigen evangelisch-lutherischen Kirche (sog. „alte“ SelK) 1950, Missionsdirektor der Bleckmarer Mission (heute: Lutherische Kirchenmission [LKM]) 1950–1978, emeritiert 1978. Aufnahme: beim Missionsfest auf dem Sperlingshof am 26.6.1955.
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Nach dem Zweiten Weltkrieg fand sich der größte Teil der selbstständigen evangelisch-lutherischen Kirchen in Deutschland zur Zusammenarbeit mit der Bleckmarer Mission als Mission evangelisch-lutherischer Freikirchen bereit (Dok. 168, 169), die dadurch eine deutliche Neubelebung und Ausweitung erfuhr. Das Missionsseminar hatte seine Arbeit bereits 1948 wieder aufgenommen. Die kirchlichkonfessionelle Prägung, wie sie von Anfang an die Missionsarbeit selbstständiger evangelisch-lutherischer Kirchen geprägt hatte, fand ihre Anwendung auch auf die Frage nach der Zusammenarbeit lutherischer Missionen in Südafrika (Dok. 170). In verschiedenen Schritten wurde die aus der Mission der Hannoverschen evangelisch-lutherischen Freikirche hervorgegangene Kirche in die Selbstständigkeit entlassen (Dok. 171), so dass sie seit 1967 als „Lutheran Church in Southern Africa“ mit eigenständiger Verfassung besteht (Dok. 172). 1979 versuchte Friedrich Wilhelm Hopf eine eigene Stellungnahme zu der Situation der Apartheid in Südafrika (Dok. 173). 1986 erbat die Kirchenleitung der SELK von der Missionsleitung und von der Theologischen Kommission Gutachten zur Frage des Rassismus (Dok. 174, 175). Im Mai 2003 lud die Kirchenleitung der LCSA die Missionsleitung ein, gemeinsam mit ihr die Position der Bleckmarer Mission und der LCSA in der Zeit der Apartheid hinsichtlich der Verletzung von Menschenrechten zu erörtern und zu klären und strukturierte die Thematik in neun Fragen. Ein Ergebnis dieser Initiative liegt noch nicht vor. In der Diskussion über den Wandel des Missionsverständnisses schlossen sich 1970 Vertreter der evangelisch-lutherischen Freikirchen mit gewissen Vorbehalten der „Frankfurter Erklärung zur Grundlagenkrise der Mission“ des „Theologischen Konvents“ an (Dok. 176). Die Selbständige Evangelisch-Lutherische Kirche erkannte in ihrer Grundordnung aus dem Jahre 1972 die Mission als kirchliche Lebensäußerung an (Dok. 177). Im Jahre 1973 gab sich die Mission evangelischlutherischer Freikirchen eine neue Ordnung, in der sie sich als kirchliches Werk zu erkennen gibt (Dok. 178). Eine spätere Umstrukturierung der Arbeitsformen war mit einer Namensänderung verbunden; sie heißt jetzt „Lutherische Kirchenmission (Bleckmarer Mission) e.V.“ (Dok. 179). Die Lutherische Kirchenmission (LKM) führt heute durchweg Einzelprojekte im Rahmen bestehender Kirchen durch, und zwar sowohl innerhalb ihrer Trägerkirche, der SELK, als auch im Dienst von Partnerkirchen weltweit. Die Vereinbarung zwischen SELK und LKM von 1998 zeigt die Struktur solcher Zusammenarbeit auf (Dok. 180). An die Stelle einer Vereinbarung zwischen LKM und LCSA ist 2009 eine Vereinbarung zwischen LCSA und SELK getreten, die auch die Rolle der LKM in diesem Miteinander bestimmt (Dok. 181). Insofern gilt der 1953 aufgestellte Grundsatz: „Lutherische Mission muss zu Lutherischer Kirche führen“ (s. Dok. 170) nicht mehr. Es geht heute um missionarischen Gemeindeaufbau innerhalb schon bestehender lutherischer Kirchen. Die Missionarsausbildung am eigenen Seminar in Bleckmar ruht seit 1984. Die Missionare und sonstige Mitarbeiter, die vor allem im diakonischen Bereich tätig sind, werden
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mit Zeitverträgen angestellt. Derzeit wird an einer Definition des Missionsverständnisses gearbeitet, wie es dem gegenwärtigen Wirken der LKM zugrunde liegt.
135. Aus einem Brief August Ludwig Christian Kavels an Georg Philipp Eduard Huschke vom 18.12.1835*1 Wir unsererseits sind nun entschlossen, das Vaterland zu verlassen, und da die Bedrückung der Kirche Christi sich über ganz Europa immer mehr und mehr zu verbreiten scheint, so denken wir nach einem andern Erdteil, Afrika oder Amerika, vielleicht auch einer der englischen Kolonien zu gehen. (…) Mir scheint die Auswanderung weniger ein Versuchtwerden über Vermögen, als die gegenwärtige und noch zu erwartende Verfolgung. Wenn es des Herrn Wille ist, mit der Kirche so zu verfahren, wie es Jeremia 25 [gemeint ist: Jer 45, 4–5] beschrieben ist, welches Kapitel mir diesen Sommer so wichtig wurde, und Europa eine solche Zerrüttung bevorsteht, so wäre Auswanderung das einzige Mittel, den Bestand der Kirche in einem andern Erdteil zu sichern und sie da durch Ausbreitung unter den Heiden zu verjüngen. Das würde dann in der Hand des Herrn die größte bisherige Mission neuerer Zeit werden.
136. [110.] Aus einem Brief Georg Philipp Eduard Huschkes an den Leipziger Missionsverein (Juni 1833)*2 Da wir nun uns zur lutherisch-evangelischen Kirche bekennen, so meinen wir, daß die Bekenntnisschriften unserer Kirche der Wirksamkeit unserer Gesellschaft für die Bekehrung der Heiden zugrunde gelegt werden müssen und daß unsere Missionare anzuweisen sind, z.B. ebensowohl hinsichtlich der Gnadenwahl, des Abendmahls usw. gegen die reformierte Kirche, wie hinsichtlich der Rechtfertigung, des Heiligendienstes und dergleichen gegen die katholische und hinsichtlich der Gottheit Christi und des Heiligen Geistes gegen die Sozinianer die Wahrheit zu predigen. Daß dabei möglichste Simplizität zu beobachten, den Kindern nicht gleich männliche Speise zu geben, und der Kampf gegen die Irrlehrer nicht eher zu unternehmen, als sich die Gefahr derselben zeigt, versteht sich nach der wahren Hirtenklugheit und dem Beispiel der Apostel von selbst.
*1 Wilhelm Iwan, Um des Glaubens willen nach Australien, Breslau 1931, 135. *2 Ernst Ziemer, Die Missionstätigkeit der Evangelisch-lutherischen Kirche in Preußen von 1830– 1890, Elberfeld 1904, 26.
3. Jahresbericht des Breslauer Missionsvereins (1833)
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137. [111.] Aus dem 3. Jahresbericht des Breslauer Missionsvereins (1833)*1 ... daß z. B. eine lutherische Missionsgesellschaft die christliche Kirche, welche in ihren symbolischen Büchern bekannt wird, unmittelbar durch Bildung und Aussendung von Missionaren oder mittelbar durch Abgabe ihrer Beiträge zu diesem Zwecke zu fördern bezwecken muß. ... daß namentlich eine Missions-Gesellschaft der evangelisch-lutherischen Kirche, der das unbedingte Halten aufs Wort des Herrn, soviel dieser Gnade gibt, einige Richtschnur in allem ihren Verhalten ist, weder mit einer reformierten, noch mit einer sonstigen irrgläubigen Kirche, die sie ja selbst bekämpfen muß, beim Missionswesen zusammen wirken kann, und daß, wer hier einen Mangel an Liebe finden wollte, wohl keinen Begriff von der wahren evangelischen Liebe (1. Kor. 13, 6) haben kann.
138. [112.] Johann Gottfried Scheibel: „Wie verhält sich die Lutherische Kirche zu den Missions-Gesellschaften und den dazu gehörigen Instituten in unsrer Zeit?“*2 (Auszüge; 1835) ... Und dieses schnell befriedigte Bedürfniß eines Heilandes hat nun ihre Herzen, – unleugbar schön und löblich (wer, der Jesum lieb hat, könnte dies leugnen?!) getrieben, Missions-Gesellschaften und Missions-Seminare zu gründen. Solche sind besonders in Basel, Barmen und Berlin entstanden; und viele Zweig-Gesellschaften, auch der Dresdener und Leipziger Missions-Verein erheben sich, mit ihnen verbunden. Sie gingen dabei, ziemlich stillschweigend (schon dieß kann christliche Wahrheitsliebe bei den lieben Brüdern nicht ganz billigen), von einer durch das göttliche Wort höchst verdächtig gemachten Unions-Idee aus; und achteten den Confessions-Unterschied dabei für gleichgültig. Doch waren sie, wie das Entstehen und die Statuten dieser Gesellschaften, wenigstens in Deutschland, besagen, nur Privat-Gesellschaften, und nicht kirchliche. Solange sie dies nur blieben, oder noch bleiben, trat das Verkehrte und Unlautre des Confessions-Gemisches in ihnen noch weniger deutlich hervor. Diese Missions-Gesellschaften hatten sich nehmlich nur verpflichtet, Beiträge zur Förderung der Heiden-Bekehrung zu sammeln, die Schriften über Geschichte und zur Förderung der Mission unter sich zu verbreiten, und sich durch gemeinschaftliche Andachtsübungen mit Betrachtung des göttlichen Worts und Singen frommer Lieder, auch Gebet, zum Eifer in der Verbreitung des *1 Ernst Ziemer, Die Missionstätigkeit der Evangelisch-lutherischen Kirche in Preußen von 1830– 1890, Elberfeld 1904, 31. *2 Johann Gottfried Scheibel, Mittheilungen über die neueste Geschichte der lutherischen Kirche 1/2, Altona 1835, 3f., 10f.
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christlichen Glaubens unter einander zu ermuntern. Freilich, indem doch jede Mission einer bestimmten kirchlichen Parthei entweder urkundlich angehört, oder der Lage der Sache noch angehören muß, (denn kann wohl ein Missionar anders als katholisch, lutherisch, reformirt, herrnhutisch oder methodistisch ordinirt seyn? kann das Abendmahl anders gelehrt oder gefeiert werden, als katholisch, lutherisch oder reformirt?) förderte man, unterstützte man prüfungslos auch irrige Religionspartheien. ... Also, so lange Privatgesellschaften, außerkirchliche Privat-Bemühungen, Missionen förderten, konnte der Lutheraner auch manche Schwäche darin noch tragen. Die Liebe verträgt Alles, gebot ihm Paulus. Aber derselbe Apostel sagt auch: Die Liebe freuet sich nicht der Ungerechtigkeit, sie freuet sich aber der Wahrheit. Und an diesen Ausspruch mußte bei einigen andern Unternehmungen der Missions-Institute gedacht werden. Als letzten und größten Zweck nehmlich setzten sich dieselben sehr natürlich eignes Aussenden von Heidenboten vor. Nun konnte, wie viel man es auch äußerte von Uebergehen des Confessions-Unterschiedes, der Natur der Sache nach nicht mehr die Rede sein, denn Missionare sind Prediger, empfangen also Ordination, was kirchliche Confessions-Handlung ist, lehren über Abendmahl, theilen das Sacrament aus, und dies ist entweder katholisch, oder reformirt, oder lutherisch. Ein lutherisch-reformirtes Abendmahl kann es nach den Confessionsschriften und der Natur der Sache nach nicht geben. In den MissionsSeminaren mußten die Lehrer ebenfalls einer dieser Confessionen angehören, und, hinsichtlich der kirchlichen Ordnung, die Zöglinge zum reformirten oder lutherischen Abendmahl gehen. ...
139. [113.] Aus der Instruktion für das Oberkirchenkollegium* (aus den Synodalbeschlüssen von 1841) §. 62.
Leitung des Missions-Wesens.
Die versammelte General-Synode hat die Ausbreitung des wahren apostolischen Glaubens der evangelisch-lutherischen Kirche unter Juden und Heiden für eine Pflicht der Kirche als solcher erkannt. Demgemäß gehen sogleich nach Anerkennung der lutherischen Kirche in Preußen die Rechte und Pflichten der bisherigen lutherischen Missionsgesellschaft für heidnische Völker in Breslau auf das OberKirchen-Collegium über, und dieses übernimmt außerdem auch die Leitung der kirchlichen Missionsthätigkeit unter den Israeliten.
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Oberkirchenkollegium (Hg.), Beschlüsse der von der evangelisch-lutherischen Kirche in Preußen im September und October 1841 zu Breslau gehaltenen Generalsynode (und folgender Generalsynoden, gesammelt in 2 Bänden: 1841–1873 und 1878–1910), Leipzig 1842 und Breslau 1844ff., 32.
Beschluss der Generalsynode der Evangelisch-lutherischen Kirche in Preußen
§. 63.
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Richtschnur dabei.
Hinsichtlich der Art und Leitung dieser Angelegenheit ist zunächst der darüber gefaßte Synodalbeschluß vom 21. September 1841 zu befolgen. Alles übrige wird dem Ermessen des Ober-Kirchen-Collegium anheimgestellt.
140. [114.] Beschluss der Generalsynode der Evangelischlutherischen Kirche in Preußen über die Missionsangelegenheit (1841)* Allgemeine Grundsätze. Bei Berathung über die Missionsangelegenheit wurde zunächst anerkannt, daß die Kirche Beruf und Macht habe, die Predigt des Evangeliums auch denen zu bringen, welche ihr nicht angehören, und daß namentlich die Erfüllung dieses Berufes nicht abhängig gemacht werden könne von einer vorher einzuholenden Erlaubniß derer, welchen gepredigt werden solle; aber auch von der anderen Seite, daß es dringend zu wünschen sei, daß die Missionsthätigkeit nicht blos dem Antriebe der einzelnen Glieder der Kirche überlassen, sondern, daß sie Angelegenheit der Kirche, als solcher, werde. Stellung der Breslauer lutherischen Missionsgesellschaft. Hierauf gründeten sich die Beschlüsse: 1. daß die Breslauer Missionsgesellschaft, die ihrer Tendenz nach eine lutherische ist, und unter Direction des Professor Dr. Huschke steht, wenn sie als Gesellschaft dazu einwilligt, ein Institut unserer Kirche werde, und unter Direction der Kirchenbehörde trete. Kirchlichkeit der Missionsthätigkeit. 2. Daß die ganze Kirche als solche die Missionsangelegenheit betreibe, und deßhalb die in den Gemeinden, als solchen für die Mission aufkommenden Geldmittel, zur Disposition der Kirchenbehörde gestellt werden, während einzelne Glieder der Kirche in der Verfügung über das, was sie anderweitig für die Mission thun wollen, unbeschränkt bleiben.
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Oberkirchenkollegium (Hg.), Beschlüsse der von der evangelisch-lutherischen Kirche in Preußen im September und October 1841 zu Breslau gehaltenen Generalsynode (und folgender Generalsynoden, gesammelt in 2 Bänden; 1841–1873 und 1878–1910), Leipzig 1842 und Breslau 1844ff., 104f.
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Verhältniß zur Dresdner Anstalt. 3. Da die gepflogenen Verhandlungen ergeben, daß die Dresdner lutherische Missionsgesellschaft nicht nur die Lehrer an ihrem Missions-Seminar auf die sämmtlichen Bekenntnißschriften unserer Kirche verpflichtet hat, sondern auch die von ihr ausgesandten Missionare grundsätzlich auf dieselbe Weise durch lutherische Consistorien verpflichten läßt, und da die Beiträge zu dem Missionswerke, aus den lutherischen Gemeinden Preußens bis jetzt entweder unmittelbar oder mittelbar durch die Breslauer lutherische Missionsgesellschaft dem Dresdner Institute zugeflossen sind, so wurde beschlossen: daß von dem Ober-Kirchen-Collegium von Zeit zu Zeit Commissarien nach Dresden an die dortige Missionsanstalt geschickt werden sollen, um sich zu überzeugen, ob dieselbe den Grundsätzen unserer Kirche gemäß geleitet werde; von dem Berichte derselben würde es abhängen, ob jene Gesellschaft, welche sonach Organ unserer kirchlichen Missionsthätigkeit wird, es auch fernerhin bleiben könne. Doch solle hierdurch der Freiheit unserer Kirche, sich in Zukunft nach Umständen auch eines andern Organs ihrer Missionsthätigkeit zu bedienen, keine Beschränkung auferlegt werden.
4. Wenn Missionszöglinge von uns in das Dresdner Institut zur Ausbildung gegeben werden, so soll deren Aussendung, vorherige Prüfung und Ordination, so wie spätere Beaufsichtigung unserer Kirche vorbehalten bleiben. 5. Soll die das Missionswesen leitende Kirchenbehörde ihr Bestreben dahin richten, daß die Missionssache in allen ihren Theilen in unmittelbaren Zusammenhang mit unserer Kirche trete, so daß Unterricht und Aussendung von Missionaren u.s.w. direct durch dieselbe geschehe; doch wird dabei vorausgesetzt, daß eine solche Einrichtung zur Förderung der lutherischen Missionssache im Ganzen dienen würde, bei welcher ein einhelliges Zusammenwirken wenigstens aller Lutheraner Deutschlands so wünschenswerth erscheint. Epiphaniasfest als Missionsfest. 6. Endlich ist beschlossen worden, das Epiphaniasfest kirchlich als allgemeines Missionsfest zu feiern, und bewilliget, an diesem Tage eine allgemeine Collecte für die Missionskasse einzusammeln.
141. [115.] Aufruf der Dresdner Evangelisch-lutherischen Missionsgesellschaft vom 30.9.1836* Verehrte Freunde! Sie haben längst den Wunsch gehegt, daß eine Missionsgesellschaft im lieben deut*
Edmund Alex, Fünfzig Jahre der Missionsthätigkeit im Königreiche Sachsen, Dresden 1869, 53f.
Aufruf der Dresdner Evangelisch-lutherischen Missionsgesellschaft
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schen Vaterlande bestehen möchte, die, ohne die Missionsbestrebungen anderer Confessionen im Geringsten zu verdächtigen, sich streng an das Bekenntniß der evangelisch-lutherischen Kirche anschlösse, ihre Missionare auf dieses Bekenntniß verpflichte und sie anweisen ließe, ihre Gemeinen aus den Heiden auf Grund dieses Bekenntnisses zu sammeln. In unserer Gesellschaft hat der Herr Ihnen geschenkt, was Sie sehnsuchtsvoll begehrten. Wir gehören der evangelisch-lutherischen Kirche gliedlich an; und, wenn wir gleich bisher unsere Fonds andern Gesellschaften zufließen ließen, als denjenigen in Basel und Herrnhut u.s.w., so wollen wir doch von nun an, wie wir es schon früher in unsern Berichten wiederholt ausgesprochen haben, die Beiträge, die uns zu Theil werden, zur Unterhaltung einer eigenen Mission verwenden. Wir hatten schon früher den Versuch gemacht, junge Männer zum Dienst des Herrn unter den Heiden vorzubereiten; jetzt aber hat uns der Herr drei beinahe völlig ausgebildete Zöglinge aus dem Jänicke’schen Missions-Institute zu Berlin zugeführt, die es als Lutheraner nicht über sich gewinnen konnten, Behufs Aussendung von der Gesellschaft zur Verbreitung des Evangelii in fremden Welttheilen zu London, zur englischbischöflichen Kirche überzutreten. Während dieselben hier noch weiter ausgebildet werden, geben wir uns Mühe, einen Missionsposten in der Heidenwelt zu ermitteln, wo wir sie anstellen können. Wenn wir diesen aufgefunden haben, werden wir dafür sorgen, daß sie in der lutherischen Kirche ordinirt werden; und wenn sie im Namen des Herrn einst arbeiten, so wollen wir darauf achten, daß sie keine andere, als solche Lehren vortragen, die mit unserm kirchlichen Bekenntnisse übereinstimmen. Verehrte Freunde! Wir sind es uns bewußt, daß wir nicht eigenwillig ein wichtiges Unternehmen beschlossen haben; sondern daß wir von einem merkwürdigen Zusammentreffen von Umständen geleitet worden sind. Wir glauben, indem wir dem Winke des Herrn folgen, ein Bedürfniß zu befriedigen, das sich unter vielen Missionsfreunden laut ausgesprochen hat. Wir sind gewiß, daß nicht äußere Mittel das erste Erforderniß zum Missionswerke sind, sondern daß der Glaube an die köstlichen Verheißungen des Herrn allermeist in Betracht komme; Freudigkeit aber ist uns aus Gnaden geschenkt, unsere Hand an den Pflug zu legen. Auch dürfen wir wohl erwähnen, daß die Wiege der Reformation einen passenden Mittelpunkt für die Missionsthätigkeit unserer Kirche abgiebt. Schließen Sie sich denn an uns an. Unterstützen Sie uns mit Ihren Gebeten und Liebesgaben, und lassen Sie uns all’ den Beistand, Rath und Trost angedeihen, den Sie uns bei unserm wichtigen und schwierigen Unternehmen zu ertheilen vermögen. Wir vermögen Alles durch den, der uns mächtig macht, Christus; Gott über Alles, gelobet in Ewigkeit. Amen. Dresden, den 30. September 1836. Das Comité der evangelisch-lutherischen Missionsgesellschaft.
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Graf Detlev von Einsiedel. C. C. Demiani. J. P. Goldberg. C. Tr. Löschke. F. W. Schütze. A. Suschke. Pr. Wermelskirch. C. Freih. v. Wirsing. J. C. Naumann, Sekretair.
142. [116.] Beschluss der Generalsynode der Evangelischlutherischen Kirche in Preußen über das Verhältnis zur Leipziger Mission (1848)*1 Zu S. 105. Nr. 4 (= Dok. 140, 4.). Nachdem das Dresdener Institut zur Ausbildung von Missionaren seit der Verlegung des Mittelpunktes der lutherischen Missionsthätigkeit nach Leipzig eine wesentliche Umänderung erlitten hat, und nach der neuen Einrichtung des lutherischen Missionswesens dem Missionskollegium in Leipzig die Gsammtleitung dieses Zweiges der kirchlichen Verwaltung auch Namens der lutherischen Kirche Preußens zusteht, soll der unter 4. aufgeführte Beschluß wegfallen.
143. [117.] Aus dem Schreiben des Oberkirchenkollegiums der Evangelisch-lutherischen Kirche in Preußen an das *2 Missionskollegium der Leipziger Mission vom 16.4.1858 Was wir nun nach Lage der Sache wünschen müssen, um sowohl uns selbst als auch unsere Geistlichen und Gemeinen beruhigen zu können, besteht darin, über die Grundsätze aufgeklärt zu werden, wonach Ihr Kollegium in dem Falle verfahren würde, wenn wiederum Zöglinge aus unseren oder anderen Gemeinden, welche in die dortige Missionsanstalt aufgenommen worden, Bedenken trügen, das Abendmahl von Geistlichen zu empfangen, welche auch Unierte zum Abendmahl zulassen, und insbesondere, ob Sie glauben, solche Bedenken überhaupt als unbegründet und auf einer falschen Herzens- oder Gewissensstellung beruhend *1 Oberkirchenkollegium (Hg.), Beschlüsse der von der evangelisch-lutherischen Kirche in Preußen im September und October 1841 zu Breslau gehaltenen Generalsynode (und folgender Generalsynoden, gesammelt in 2 Bänden: 1841–1873 und 1878–1910), Leipzig 1842 und Breslau 1844ff., 190f. *2 Ernst Ziemer, Die Missionstätigkeit der Evangelisch-lutherischen Kirche in Preußen von 1830– 1890, Elberfeld 1904, 111.
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zurückweisen und auch das Auskunftsmittel, daß dieselben bei einem anderen Geistlichen in oder außerhalb Sachsens, der keine Unierte zuläßt, zum Abendmahl gehen, ihnen abschlagen zu müssen.
144. [118.] Beschluss der Generalsynode der Evangelischlutherischen Kirche in Preußen über das Verhältnis zur Leipziger Mission (1860)*1 Hierüber wurde außer der im Synodalbericht ausführlich erzählten Wiederherstellung der Verbindung mit der Leipziger Missionsanstalt, beschlossen, daß, wenn einzelne beitragende Glieder der Kirche aus Gewissensbedenken ihre kirchlichen Beiträge dem Missions-Collegium in Leipzig nicht zukommen lassen wollen, es ihnen gestattet sein soll, ihnen eine andere Bestimmung zu geben.
145. [119.] Resolution der Generalversammlung der Leipziger *2 Mission zu § 6 der neuen Statuten (1881) Die General-Versammlung, indem sie einerseits an dem bisherigen Grundsatz festhält, nur solchen Vereinen die Aufnahme mit Stimmberechtigung zu gewähren, welche einem lutherischen Kirchengebiete angehören, andrerseits jedoch nicht in der Lage ist, die objektive Kirchenzugehörigkeit dieser Vereine, namentlich wenn es sich um Kirchengebiete handelt, deren Konfessionsstand zweifelhaft und bestritten ist, durch eigene Untersuchung und Urteilsfällung festzustellen, beschließt, diese grundsätzlich erforderliche objektive Zugehörigkeit zur lutherischen Kirche überall anzunehmen und anzuerkennen, wo der die Aufnahme nachsuchende Verein durch glaubwürdige Zeugnisse resp. notorische Tatsachen nachzuweisen im stande ist, daß in dem betreffenden Kirchengebiete das lutherische Bekenntnis als publica doctrina zu Recht besteht und die Kirchendiener bei ihrer Anstellung auf dasselbe als das allein gültige verpflichtet werden.
*1 Oberkirchenkollegium (Hg.), Beschlüsse der von der evangelisch-lutherischen Kirche in Preußen im September und October 1841 zu Breslau gehaltenen Generalsynode (und folgender Generalsynoden, gesammelt in 2 Bänden: 1841–1873 und 1878–1910), Leipzig 1842 und Breslau 1844ff., 346. *2 Ernst Ziemer, Die Missionstätigkeit der Evangelisch-lutherischen Kirche in Preußen von 1830– 1890, Elberfeld 1904, 153.
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146. [120.] Stellungnahme der Generalsynode der Evangelischlutherischen Kirche in Preußen zur Resolution von 1881 und dem Stimmrecht des Marburger Missionsvereins (1894)* Die Synode erklärte, A. daß an der von dem Ober-Kirchen-Collegium vorgeschlagenen und von der General-Versammlung der evangelisch-lutherischen Mission 1881 angenommenen Resolution, betreffend die Frage, welche Vereine innerhalb unserer Mission als stimmberechtigt anzuerkennen seien, festgehalten werden solle. B. Die Synode sprach ihre Zustimmung dazu aus, daß das Ober-Kirchen-Collegium die Untersuchung der Frage, ob der oberhessische (Marburger) Missionsverein, dessen Zugehörigkeit zur Union uns zweifellos feststehe, den Bedingungen der Resolution entspreche und daher sein Stimmrecht in der General-Versammlung behalten dürfe, wieder aufgenommen hat, und beauftragte das Ober-Kirchen-Collegium, diese Untersuchung mit allem von dem Bekenntniß gebotenen Ernst fortzusetzen und zu Ende zu führen. C. Beschloß die Synode, vom Missions-Collegium die Zusage zu verlangen, bis zur nächsten General-Synode zu den landeskirchlich-hessischen Missionsfesten keine Missionsbeamten zu entsenden und aus der Zahl der landeskirchlich-hessischen Geistlichen keine Festprediger nach Leipzig zu berufen. Dieser letztere Beschluß (sub C) wurde, da das Ober-Kirchen-Collegium denselben in seinem ersten Theil für bedenklich hielt und daher gemäß SynodalBeschlüsse S. 253 nochmalige Berathung forderte, aufgehoben und statt desselben das Ober-Kirchen-Collegium ersucht: I. Von dem Hochwürdigen Missions-Collegium die amtlichen Zusagen zu fordern: 1. Daß Geistliche der hessischen Provinzial-Kirche zu Festpredigern auf den Missionsfesten in Leipzig hinfort nicht mehr berufen werden sollten; 2. daß die Missionare und andere Beamte der Leipziger Mission bei den Mis*
Oberkirchenkollegium (Hg.), Beschlüsse der von der evangelisch-lutherischen Kirche in Preußen im September und October 1841 zu Breslau gehaltenen Generalsynode (und folgender Generalsynoden, gesammelt in 2 Bänden: 1841–1873 und 1878–1910), Leipzig 1842 und Breslau 1844ff., 856f.
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sionsfesten der hessischen landeskirchlichen Gemeinden nur als Berichterstatter, nicht aber als Prediger, und also in solcher Form und Weise auftreten, daß der Unterschied deutlich hervortrete. Die bezügliche Erklärung des Missions-Collegiums zu veröffentlichen. Bei schließlich unbefriedigendem Ergebniß der Verhandlungen in Erwägung zu nehmen, ob die Absendung der Missionsgelder an die Leipziger Missionskasse einstweilen einzustellen sei.
D. Die Synode gab dem Ober-Kirchen-Collegium anheim, bis auf Weiteres unseren geärgerten hessischen Gemeinden in entgegenkommender Weise alle mögliche Rücksicht in Betreff ihrer Missionsgaben zu gewähren.
147. [121.] Beschlüsse der Generalsynode der Evangelischlutherischen Kirche in Preußen über Missionsangelegenheiten (1898)* Die General-Synode ersucht das Ober-Kirchen-Kollegium, eine Vereinbarung mit dem Leipziger Missions-Kollegium darüber herbeizuführen, in welchem Sinne die sogenannte Resolution von 1881 verstanden und gehandhabt werden solle. Für den Fall, daß über Sinn und Handhabung der Resolution keine Übereinstimmung zu erzielen ist, giebt sie dem Ober-Kirchen-Kollegium anheim, zu erwägen, ob die Bestimmungen der Resolution einer Änderung bedürfen. Die General-Synode ersucht das Ober-Kirchen-Kollegium hinsichtlich der Darmstädter Missions-Konferenz in Leipzig zu beantragen, daß die aus HessenDarmstadt und überhaupt aus unierten Kirchengebieten in den Dienst der Leipziger Mission tretenden Zöglinge damit aus ihren bisherigen Kirchen ausscheiden und deshalb denselben der Genuß des heiligen Abendmahls in ihren frühern Kirchen nicht nur seelsorgerlich abzuraten, sondern einfach zu untersagen ist. Die General-Synode beauftragt das Ober-Kirchen-Kollegium, die gegründeten Bedenken über die durch den Darmstädter Fall eröffnete Teilnahme unierter Vereine an dem lutherischen Missionswerk Leipzigs und die daraus sich ergebenden Folgen nochmals dem Missions-Kollegium vorzutragen und eine Entscheidung der Leipziger Versammlung über diese Frage herbeizuführen. In Erwägung der schweren Lage, in welcher auf den umstrittenen Kirchengebieten durch die abweichende Beurteilung der kirchlichen Lage von seiten der Leipzi*
Oberkirchenkollegium (Hg.), Beschlüsse der von der evangelisch-lutherischen Kirche in Preußen im September und October 1841 zu Breslau gehaltenen Generalsynode (und folgender Generalsynoden, gesammelt in 2 Bänden: 1841–1873 und 1878–1910), Leipzig 1842 und Breslau 1844ff., 921f.
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ger Mission unsere Schwester-Gemeinden stehen, erklärt die General-Synode zur Stärkung unserer Brüder noch einmal: a) Die hessischen Kirchen werden von uns als unierte anerkannt und behandelt. b) Aus der Mitarbeit derselben an der Leipziger Mission folgt nicht eine Anerkennung dieser Gebiete als lutherischer. c) Die daraus erwachsenden Übelstände, so bedauerlich sie sind, werden zur Zeit in Geduld zu tragen sein. d) Den Brüdern der dortigen Schwesterngemeinden wird versichert, daß die Kirche ihre durch diese Verhältnisse besonders erschwerte Last mitfühlt und mitträgt und Gott bittet, denselben Kraft und Freudigkeit zu geben, auch diese Mißstände um Christi willen ferner zu tragen, so lange der HErr will. Die General-Synode nimmt mit Befriedigung Kenntnis von dem Widerspruch, welcher von unsern Deputierten auf der letzten General-Versammlung gegen die übereilte Stimmrechtserteilung an den Verein der Glieder und Freunde der lutherischen Kirche in Frankfurt a. M. erhoben worden ist und erklärt sich mit dem vom OberKirchen-Kollegium in dieser Angelegenheit zur Wahrung des konfessionellen Charakters der Leipziger Mission und zum Schutze unserer Frankfurter Gemeinde beschlossenen Maßnahmen einverstanden.
148. [122.] Beschlüsse der Generalsynode der Evangelischlutherischen Kirche in Preußen über Missionsangelegenheiten (1902)* Über das Verhältnis unserer Kirche zur Leipziger Mission wurde folgendes beschlossen: Nachdem die Generalversammlung der evangelisch-lutherischen Missionsgesellschaft in Leipzig die Aufhebung der Resolution von 1881 „unter ausdrücklicher Festhaltung der von der Leipziger Mission in betreff der Stimmberechtigung der sich ihr anschließenden Vereine innegehaltenen grundsätzlichen kirchlichen Stellung“ beschlossen hat, findet die Generalsynode in der Leipziger Mission noch diejenige Bekenntnisstellung prinzipiell vorhanden, auf deren Grundlage unsere Kirche im Jahre 1841 diese Mission zum Organ ihrer Missionstätigkeit gemacht hat. Die während des Bestehens der Resolution erfolgte Aufnahme des Frankfurter Missionsvereines hält die Generalsynode zwar nach wie vor für eine Verletzung jener grundsätzlichen kirchlichen Stellung; doch will sie die Stimmberechtigung dieses Vereines als Ausnahmefall in der selbstverständlichen Voraussetzung tragen, daß sie nicht zu einem Präzedenzfall für die Aufnahme von Vereinen in ähnlicher
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Oberkirchenkollegium (Hg.), Beschlüsse der von der evangelisch-lutherischen Kirche in Preußen im September und October 1841 zu Breslau gehaltenen Generalsynode (und folgender Generalsynoden, gesammelt in 2 Bänden: 1841–1873 und 1878–1910), Leipzig 1842 und Breslau 1844ff., 970f.
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kirchlicher Stellung gemacht werden darf, und daß das Missions-Kollegium die Ordination der Missionare nur bei rein lutherischen Kirchenbehörden nachsuchen wird.
Dazu gab das Ober-Kirchen-Kollegium noch folgende Erklärung ab: In Anbetracht dessen, daß unsere Kirche durch ihren Beschluß betreffend der ferneren Mitarbeit an der Leipziger Mission sich bereit erklärt hat, die Vereine, die unter der Geltung der Resolution das Stimmrecht erhalten haben, als Ausnahme zu tragen, obwohl wir ihr Kirchengebiet nicht als ein rein lutherisches anerkennen können, erklärt Ober-Kirchen-Kollegium, daß es den Gemeinden in Frankfurt und Hessen bezüglich der Epiphanienkollekte möglichste Schonung ihrer Gewissensstellung zu teil werden lassen wird.
Einen Antrag betreffend Errichtung einer lutherischen Mission in Palästina überwies Generalsynode dem Ober-Kirchen-Kollegium zur Erwägung für den Fall, daß eine eigene Mission von uns gegründet werden müßte.
149. [123.] Beschlüsse der Generalsynode der Evangelischlutherischen Kirche in Preußen über Missionsangelegenheiten (1910)* Auf den Beschluß der vorigen Generalsynode (Seite 970 = Dok. 148) hatte das Kollegium der evangelisch-lutherischen Mission in Leipzig in seinem Antwortschreiben ausgeführt, daß es die Aufnahme des Frankfurter Missionsvereins nicht für eine Verletzung der grundsätzlichen kirchlichen Stellung der Leipziger Mission halte. Dies veranlaßte die Generalsynode zu folgendem Beschluß: Die Generalsynode bedauert die fortgesetzte Stellungnahme der Leipziger Missionsleitung zu den Missionsvereinen aus nicht rein lutherischen Kirchengebieten; die Generalsynode hält dem gegenüber an ihrem Beschluß vom Jahre 1902 fest und wünscht dringend, daß unsere opferfreudige Mitarbeit an dem Werk der lutherischen Mission durch weitere Maßnahmen der Leipziger Missionsleitung nicht gestört werde.
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Oberkirchenkollegium (Hg.), Beschlüsse der von der evangelisch-lutherischen Kirche in Preußen im September und October 1841 zu Breslau gehaltenen Generalsynode (und folgender Generalsynoden, gesammelt in 2 Bänden: 1841–1873 und 1878–1910), Leipzig 1842 und Breslau 1844ff., 1021.
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150. Beschlüsse der Generalsynode der Evangelisch-lutherischen Kirche in Preußen über Mission (1921)*1 Im Blick auf die Heidenmission wird beschlossen: Generalsynode gibt ihrem Schmerz und ihrer Entrüstung darüber Ausdruck, daß die Gegner unseres Volkes im Weltkriege mit völliger Verkennung und Außerachtlassung des übernationalen Charakters der christlichen Mission alle deutschen Missionsarbeiter von ihren Missionsgebieten verdrängt und ausgewiesen haben. Sie dankt dem HErrn, daß er dennoch gut gemacht hat, was Menschen gedachten böse zu machen, und freut sich, daß es gelungen ist, den Bestand des Leipziger Missionswerkes in Indien und in Afrika bisher zu erhalten. An die Gemeinden der Heimatkirche richtet sie die ermunternde Bitte, in der opferwilligen und fürbittenden Liebe zum Werk der Heidenmission nicht nachzulassen.
151. [124.] Eingabe der Missionare Grubert, Schäffer, Willkomm, Zorn und Zucker an das Kollegium der Leipziger Mission (September 1875)*2 An Ein Hochwürdiges Collegium der Ev. Luth. Mission zu Leipzig. Hochwürdiges Collegium! Wir, die gehorsamst Unterzeichneten, fühlen uns um unseres im Worte Gottes gebundenen Gewissens willen gedrungen, Einem Hochwürdigen Collegium betreffs unseres Missions-Seminars Folgendes zu unterbreiten. Wir schicken die Bemerkung voraus, daß wir es nicht für angemessen erachtet haben, diese unsere Zuschrift auch bei den andern Brüdern zur etwaigen Unterschrift circuliren zu lassen. 1. Es ist ausgesprochener Grundsatz, daß unsere Ev. Luth. Mission mit all ihren Missionaren und eingebornen Mitarbeitern nur dann und soweit Beruf in diesem Lande hat, wenn und als sie das theure Bekenntniß unserer Kirche in sich und durch sich repräsentirt. 2. Das Seminar mit Theologenclasse ist eines der vorzüglichsten Werkzeuge diesen Standpunkt zu erreichen und zu bewahren. 3. Wir Missionare haben deßhalb Alle allen Grund, Recht und Pflicht uns um das Seminar, dessen Leitung und Leiter zu bekümmern. 4. Wir können leider nicht sehen, daß die bis jetzt aus dem Seminar hervorgegangenen und noch im Amte stehenden Landprediger (mit Ausnahme des Landpredigers Samuel), Katecheten und Lehrer so in und auf unserem Bekenntniß stehen, wie sie es allen Rechtes sollten. *1 Beschlüsse der im September 1921 gehaltenen Generalsynode der evangelisch-lutherischen Kirche in Preußen, 1145. *2 Carl Manthey-Zorn, Nothgedrungene Rechtfertigung des Austritts der Missionare F. Zucker, A. Grubert, O. Willkomm, C. M. Zorn aus der Leipziger Mission, St. Louis/Mo. 1877, 22.
Eingabe der Missionare Grubert, Schäffer, Willkomm, Zorn und Zucker
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5. Wir können auch leider nicht glauben und vertrauen, daß unsere aus dem gegenwärtigen Seminar hervorgehenden Missionsdiener unter der Leitung des Bruder Handmann eine andere – die rechte Stellung gewinnen werden. 6. Denn wir erkennen wohl völlig alle die vielen Verdienste Bruder Handmanns und die äußere Hebung des Seminars und seinen aufopfernden Eifer an, aber wir glauben, daß ihm die rechte Klarheit in der Lehre fehlt, die dem Vorsteher des Seminars vor Allem nöthig ist. 7. Wir können deßhalb nicht umhin, ein Hochwürdiges Collegium demüthigst und gehorsamst, aber auch im ernsten und bestimmten Bewußtsein unseres Schrittes zu bitten, die Noth unserer Gewissen zu schonen und bei Beendigung des gegenwärtigen Cursus die Leitung des Seminars in geeignetere Hände zu legen. 8. Wir sprechen letztlich aus, daß wir Gott bitten, Er möge unsern Bruder Handmann noch lange in Einigkeit des Geistes und Glaubens und der Lehre mit uns in unserer theuern Mission dienen lassen. Wir verharren eines Hochwürdigen Collegiums gehorsamste C. M. Zorn E. Schäffer O. Willkomm A. Grubert F. Zucker Tranquebar, September 1875
Die aus der Leipziger Mission (heute: Evangelisch-Lutherisches Missionswerk [LMW]) ausgetretenen Missionare, von links: Carl Manthey-Zorn, (*1846, †1928, 1871–1876 Missionar in Indien, 1876–1881 Pastor in Sheboygan/Wisconsin, 1881–1911 Pastor in Cleveland/Ohio), Otto Willkomm (*1847, †1933, 1873–1876 Missionar in Indien, 1876–1879 Pfarrer in Crimmitschau, 1879–1917 Pfarrer in Planitz, 1879–1907 Präses der Evangelisch-Lutherischen Freikirche), Friedrich Zucker (*1842, †1927, 1870–1876 Missionar in Indien, 1876 Pastor in Williamsburgh/New York, 1879 Professor in Ft. Wayne, 1893 Direktor der Mission der Missouri-Synode), Aufnahme: vermutlich 1876, Ort unbekannt.
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152. [126.] Eingabe der Missionare Grubert, Schäffer, Willkomm, Zorn und Zucker an das Direktorat der Leipziger Mission (November 1875)* An die Hochwürdigen Herren, den Herrn Missionsdirector Hardeland, und den Herrn Senior Cordes. Hochgeehrte, in Christo geliebte Väter. Indem wir in einer hohen, heiligen und folgenschweren Sache uns an Sie wenden, nehmen wir Bezug auf beifolgende „Erklärung“. Dieselbe gibt Auskunft über ihre Genesis, trägt, wie wir hoffen, ihren Charakter deutlich und klar auf der Stirn und läßt Sie ohne Zweifel vermuthen, was es ist, das uns zu Ihnen führt. – Wir wissen, was wir wollen, was wir nicht anders können, und haben jene Erklärung mit derselben Post, mit welcher dieselbe in ihre Hände gelangt, zur Veröffentlichung an Pastor Brunn gesandt. Geliebte Väter! Es ist dies keine Gelegenheit, anders als völlig wahr, aufrichtig und deutlich zu reden. Wir bitten Sie deshalb, halten Sie uns ein etwa frankes Wort in diesen Zeilen zu Gute, aber glauben Sie uns auch, wenn wir gerade Ihnen versichern, was wir Ihnen mit gutem Gewissen versichern können: daß wir uns an Sie wenden, hat keinen andern Grund als den, daß wir ein herzlich Vertrauen in Sie setzen. Sie werden uns in einer guten und heiligen Sache nicht verlassen, Sie seien – lassen Sie uns sagen: wie wir – gefangen an aller Vernunft unter dem Gehorsam Christi, Sie können nicht wider die Wahrheit, sondern für die Wahrheit, und Sie „trauen unter Seinen Fittigen“. Und wir haben Sie lieb von aufrichtigem Herzen. Und wie wir von solcher Liebe nie lassen werden, so von jenem Vertrauen nicht eher, als bis wir uns – was Gott in Gnaden verhüten wolle! – von Ihnen zurückgestoßen sehen. Lassen Sie uns nun unsere Sache in klarer und bündiger Form Ihnen vorlegen. Es ist eine doppelte und besteht 1) in dem, was wir festhalten müssen, und 2) in dem, was wir von Ihnen bitten. Ad 1. Wir wiederholen den letzten Satz unserer „Erklärung“: „Wir aber Alle, soviel unser theures Bekenntniß mitbekennen, wollen laut rufen: ‚Hie Schwert des Herrn und Gideon!’ und wollen miteintreten in den großen Kampf, wollen mit Zeugniß ablegen gegen jeden Abfall von der Wahrheit und mit den Sieg erlangen!“ Das ist, was uns treibt und bewegt. Das war es auch, was uns zu unsrer neulichen Bittschrift an Ein Hochwürdiges Collegium veranlaßte. Und weil uns dies treibt und *
Carl Manthey-Zorn, Nothgedrungene Rechtfertigung des Austritts der Missionare F. Zucker, A. Grubert, O. Willkomm, C. M. Zorn aus der Leipziger Mission, St. Louis/Mo. 1877, 51ff.
Eingabe der Missionare Grubert, Schäffer, Willkomm, Zorn und Zucker
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bewegt, so kann es Sie nicht verwundern, daß jener erste Schritt einen zweiten zur völligen Klärung nach sich zieht. Wir zweifeln nicht, daß wir auch ohne äußere Veranlassung früher oder später hiezu von besserer Erkenntniß und unserem Gewissen gedrängt worden wären; aber die berührten Artikel in der Kirchenzeitung Dr. Luthardts und der Widerspruch und die völlige Verdammung unseres Schrittes betreffs des Seminars, welche wir hier von einzelnen Brüdern zu erfahren haben, dazu auch der nun hinzukommende Wunsch, Sie nicht unehrlicher Weise über unsere ganze Stellung im Unklaren zu lassen, gerade ehe wir Ihre Antwort auf unsere damalige Bittschrift erhalten, – alles dies mag dazu beigetragen haben, jene Erkenntniß zu wecken und unser Gewissen zu schärfen. Und dafür danken wir Gott! – Nun sehen Sie ein, daß es dem Charakter solcher Ueberzeugungen wie der unsern, welche übrigens ohne Zweifel die eines jeden treuen Lutheraners sind und gewesen sind, schnurstracks widerspricht, sie nur private Ansichten sein zu lassen, welche man gelegentlich äußert, oder auch nicht äußert, die man, so viel es geht, etwa in seinem engeren Wirkungskreise geltend macht –, die man aber nicht mit Wort und Tath, mit Leben und Tod und – lassen Sie besonders sagen – durch eine völlig klare kirchliche Stellung ins Leben setzt. Unsere Ueberzeugungen decken sich mit dem lutherischen Bekenntniß. Und wenn dieses, wie man ihm schuld gibt, eine Frucht des 16. Jahrhunderts ist, so ist zum mindesten aus der Geschichte klar, daß es dazumal und auch später je und je von seinen Bekennern in dem von uns angezogenen Sinne aufgefaßt und vertreten wurde. Mehr und anderes wollen wir aber nicht. Auf dieses Bekenntniß sind wir vereidigt und berufen in öffentlicher kirchlicher Handlung. Und wenn die, welche uns den Eid abgenommen und uns ausgesandt haben, nicht gesonnen gewesen sind, daß wir damit Ernst machen sollten, so geht uns das nichts an. Und wenn wir selbst früher irrthümlich geglaubt haben, daß alle diese wahrhaftigen und nothwendigen Consequenzen kirchlicher Stellung in unserer Mission erfüllt und gezogen oder doch nicht vernichtet seien, so wundern wir uns über unsere Blindheit, sind aber nicht verpflichtet, in solchem Irrthum jetzt zu verharren. Wie es in unserer Mission steht, wissen Sie, liebe Väter, sehr gut und besser als wir. Wir brauchen also nur anzudeuten, um uns verantwortet zu haben. Wir stehen unter einem Collegium, aus Männern zusammengesetzt, welche die oben bezeichnete kirchliche Stellung nicht haben und zum Theil die uns theuren und heiligen Bekenntnißwahrheiten leugnen und bestreiten. Unsere Missionsvereine, in der Generalversammlung zur Behörde constituirt, sind anerkanntermaßen nur so lange zu halten, als wir nichts gegen die Confusion thun und kein klar Bekenntniß halten. (Dies ist genugsam bewiesen durch die ängstliche Sorgfalt, mit welcher Sie in unsern Berichten alles streichen, was irgend Jemandem zu deutlich sein und besonders eine falsche Lehre eines Mitgliedes des Collegiums antasten dürfte.) – Unter unsern Brüdern hier sind mancherlei theologische Meinungen vertreten, alle darin eins, daß sie nicht wollen, daß völliger Ernst mit dem lutherischen Bekenntniß gemacht werde. Und mit ihnen haben wir eo ipso Kirchenge-
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meinschaft. – So sind wir, und in uns unser Bekenntniß und die demgemäße Ueberzeugung: unser Glaube, von allen Seiten und principiell eingeengt und zu einem Scheinglauben verurtheilt. Dazu können wir uns um unsers Gewissens und unsrer Seligkeit willen nicht mehr hergeben und glauben auch nicht, daß Gottes Segen auf einem so geführten Werke ruhe. – Sie möchten uns vielleicht erwidern, in unserer Mission seien eben mehr oder weniger landeskirchliche Zustände, obwohl lange nicht so schlimm, und uns fragen, ob wir denn in keiner, auch nicht der besten Landeskirche dienen würden? Unsere Antwort ist: In der sächsischen Landeskirche z.B. würden wir unter den gegenwärtigen Verhältnissen nicht dienen und in jeder andern würden wir zeugen und handeln, wie wir zeugen und handeln müssen, und erwarten, was geschähe. Uebrigens sind wir herzlich froh, daß wir in keiner Landeskirche stehen. Hiernach ist ersichtlich, was wir um unser ferneres Verbleiben in unserer Mission zu ermöglichen, mit völliger Entschiedenheit und Beharrlichkeit fordern müssen – nämlich daß unserer Mission eine Stellung gesichert werde, daß dieselbe weder nach Schein noch Wesen Kirchengemeinschaft oder Subordinationsverhältniß mit solchen hat, welche irgend einer Bekenntnißwahrheit, und solche nennen wir mit Betonung die in der „Erklärung“ aufgeführten, offen widersprechen. Ad 2. Es ist uns nicht verborgen, daß diese Forderungen, wenn Sie sie erfüllen wollen eine Krisis in unserer Mission herbeiführen werden, und daß es, wenn man diese vermeiden will, unmöglich ist, jene zu erfüllen. Dies ist ein Beweis, wie schlimm es in unserer Mission steht und daß wir der „bösen Zeit“ ungehörigen Concessionen gemacht haben und uns in ungöttlicher Weise in sie „geschickt“. Denn unsere Forderungen enthalten für einen, „der die Wahrheit hat“, nichts Auffälliges. Indeß, wie die Dinge nun sind, könnte Einer, der uns nicht versteht und der für die lutherische Kirche kein Herz hat – also wir meinen nicht Sie – sagen: wir stellen unerfüllbare Forderungen, um von der Mission loszukommen. Wir müssen uns solcher Anschuldigungen versehen, denn heutzutage weiß man nur niedrige Erklärungsgründe für festes Halten ob der Wahrheit. Aber Ihnen, liebe Väter, versichern wir vor Gott und dem Herrn Jesu Christo, daß wir unsere Christen, unser Werk, unsern Beruf lieben, daß wir weinen bei dem Gedanken an eine Trennung und daß wir nur Eins weniger wünschen, als unsere Mission zu verlassen, nämlich die Wahrheit zu verläugnen (!). Aber was sollen wir viel Reden machen? – Unsere Bitte ist eine einfache: Treten Sie, geliebte Väter, zu uns! Halten Sie die reine Wahrheit, die Sie glauben wie wir, hoch, wie geschrieben steht, „nach dem Gesetz und Zeugniß“. Bekennen Sie die reine, volle, lautere Wahrheit, scheiden Sie sich von allem Widerpart und stellen Sie sich an die Spitze der so bekennenden Mission! Setzen Sie all Ihr Vertrauen auf Gott, der hilft, wo Menschenhilfe all aus ist.
Zirkular des Missionsdirektors an die Missionare der Leipziger Mission
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Und rufen Sie in die Welt, rufen Sie alle Bekenner reiner Lehre auf, uns zu helfen. So wird es geschehen! Nicht hochher reden wir und „ermahnen“ Sie etwa. Nein, wir demüthigen uns und fallen Ihnen zu Fuß und umfassen Ihre Kniee und bitten Sie flehentlich. Und wir hinwiederum geloben, Ihnen treu zu sein und kindlich gehorsam, und zu arbeiten, und wenn Noth und Mangel kommt, zu darben, aber nicht zu weichen. Sollte das nicht gehen? Bei Gott ist kein Ding unmöglich! Legen Sie alles dieses, als Ihren Entschluß auch unsern Brüdern vor und fragen Sie, wer gehen will und wer bleiben: etliche würden wohl gehen, viele bleiben. Liebe Väter! Die Zeit ist wahrlich böse Zeit: es wandelt uns Grauen und Entsetzen an ob unserer Forderung und kaum, daß wir unsere Bitten auszusprechen wagten. Aber wir beschwören Sie bei dem, der bereit ist zu richten die Lebendigen und die Todten, wir beschwören Sie bei dem Geist, der Zeugniß gibt unserm Geist: Sie wollen unsere Bitte erfüllen! Nun stehen wir in Gottes Hand. Wir haben uns mit Liebe und Vertrauen Ihnen genaht. Beschließen Sie. Wir haben zuletzt nur noch die traurige Pflicht zu erfüllen. Sie besteht hierin: Sollten Sie unsere Forderung nicht erfüllen, unserer Bitte nicht Gehör geben wollen – so ersuchen und ermächtigen wir Sie, diese selbe Schrift als förmliches und ehrerbietiges Entlassungsgesuch dem Hochwürdigen Collegio vorzulegen, und wir bitten Sie herzlich und demüthig, in diesem Fall dahin zu wirken, daß wir um deßwillen, was wir Gewissens halber nicht anders thun können, nicht mit Weib und Kind im fernen Lande in’s nackte Elend gestoßen werden, sondern daß man uns in Frieden ziehen lasse und uns die Mittel zur Heimreise gewähre. Wir hoffen aber, daß wir bereit sind, um Seines Namens willen auch alles zu dulden. Wir zeichnen mit herzlicher Ehrerbietung, lieben Väter, Ihre gehorsamen E. Schäffer. F. Zucker. C. M. Zorn. A. Grubert. O. Willkomm.
153. Zirkular des Missionsdirektors an die Missionare der Leipziger Mission in Indien vom 8.1.1894* Gnade sei mit Euch und Friede von Gott unserm Vater und Herrn Jesu Christo! *
Aktenstücke betreffend das Ausscheiden der Missionare Kempf, Näther und Mohn aus der Leipziger Mission. Im Auftrage des Missionskollegiums hg. v. Missionsdirektor v. Schwartz, Leipzig 1895, 130–136.
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Amen. Liebe Brüder! … „Wie Euch bekannt ist, hatten die Miss. Näther und Mohn die Fortdauer der Abendmahlsgemeinschaft davon abhängig gemacht, daß das Kollegium ihren unverklausulierte Antwort auf die folgenden Frage gäbe: 1. Ist die Lehre von der Verbal-Inspiration der heiligen Schrift, wie Schrift und Bekenntnis sie lehre und ich sie in meinem vorjährigen Vortrag mit einer Reihe von Brüdern zu bekennen die Freude hatte, die allein berechtigte Lehre in unserer Mission, und ist man demgemäß gewillt, alle Gegenlehre als falsche Lehre zu bekämpfen und abzuthun? 2. Ist das hochw. Kollegium gewillt, im Gehorsam gegen Matth. 20,25.26 den Kirchenrat, statt als eine obrigkeitliche Behörde, die er bis jetzt war, für einen brüderlichen Rat – unbeschadet seiner Administrativ-, Exekutiv- und Disziplinargewalt – zu erklären, und damit der Synode (§ 14) nicht nur „das Recht der Anfrage oder Äußerung von Bedenken oder ergänzenden und aufklärenden Bemerkungen“, sondern auch das Recht „von dem Worte Gottes gemäßer Anerkennung oder brüderlicher Bestrafung der Thätigkeit des Missionskirchenrats“ zuzugestehen – oder nicht? Daraus ergiebt sich schon, daß die von vier Brüdern ausgesprochene Bitte, das Verfahren gegen die Miss. Näther und Mohn einzustellen, auf einer irrigen Voraussetzung beruht. Es ist überhaupt ein Verfahren gegen sie nicht eingeleitet worden, sondern umgekehrt hatten sie ein Verfahren gegen das Missionskollegium eröffnet, indem sie den Mitgliedern desselben die Abendmahlsgemeinschaft für solange verweigerten, als es nicht ihre Forderungen bewilligen werde. Diese Forderungen waren aber von der Art, daß das Kollegium auf sie nicht eingehen zu können glaubte. Denn durch Erfüllung der ersten Forderung würde das Kollegium ein Sonderbekenntnis für unsere Mission aufgestellt oder wenigstens für ein von ihm aufgestellte authentische Deklaration die Geltung eines Lehrgesetzes in Anspruch genommen haben. Dazu aber hält sich das Kollegium nicht für befugt. Denn unser Anspruch, Mission der evangelisch-lutherischen Kirche zu sein, ruht lediglich darauf, daß das Bekenntnis der evangelisch-lutherischen Kirche die einzige Grundlage unserer Thätigkeit bildet (vergl. Allgemeine Grundsätze § 1 u. 3). … Was sodann die zweite Forderung betrifft, so mußte dieselbe schon wegen der Art ihrer Begründung abgelehnt werden. Denn die Annahme derselben würde das Zugeständnis involviert haben, daß unsere bisherige, seit 26 Jahren bestehende Ordnung gegen Gottes Wort verstoße, was doch nicht wahr ist. Aber auch sachlich hält das Kollegium die Bestimmung für durchaus angemessen, welche am 20. Februar 1859 ergangen ist. …
Zirkular des Missionsdirektors an die Missionare der Leipziger Mission
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154. Julius Nagel, Zur Missionsfrage (1894)*1 In Nr. 40 des „Gotthold“ theilt Herr Pastor Matschoß mit, er habe schon vor dem Missionsfest die Hoffnung mit Nachdruck aussprechen wollen, ich würde „ernste Verwahrung gegen jede etwa versuchte Laxheit in der Lehrstellung der Mission einlegen“. In dem Zusammenhang seines Artikels, welcher die „Lehrstellung der Mission“ allerdings etwas lax findet, gewinnt diese Mitheilung die Bedeutung einer schwereren Anklage gegen mich, als hätte ich eine selbstverständliche Pflicht versäumt oder wäre selbst einer laxen Lehrstellung schuldig. Nun darf ich zwar annehmen, daß der Herr Bruder, welcher es immer gut mit mir gemeint hat, nichts Arges gegen mich im Sinne hatte, als er jenes schrieb. Aber ich wünschte, er hätte sich mit mir persönlich in’s Benehmen gesetzt; das hätte unserem brüderlichen Verhältniß mehr entsprochen. Zur Sache bemerke ich nur, daß ich zu jener Verwahrung keine Veranlassung finden konnte, weil aus den von mir eingesehenen Acten eine falsche Lehrstellung der Mission sich nicht ergab. Nicht hat die Leipziger Mission einen neuen Curs eingeschlagen, sie ist ganz die alte, die sie immer gewesen ist; sondern sie hat nur verweigert, sich in einen neuen Curs drängen zu lassen. Ich kann nur rathen, auch in dieser Sache nicht auf allerhand Zeitungsnachrichten hin das Urtheil zu fällen, sondern die Acten abzuwarten; es wird dann Manches ganz anders aussehen. Einen „neuen Curs“ aber scheint der „Gotthold“ einzuschlagen. Wenigstens hat man eine solche Lobrede auf Missuri, wie sie dort aus Br. Matschoß Feder zu finden ist, in diesem Blatt noch nicht gelesen. Möge sie nicht ohne ernste Verwahrung bleiben. J.N.
155. [130.] Statuten der Hermannsburger Mission, bestätigt am 2.5.1856*2 § 1. Die Missionsanstalt zu Hermannsburg bildet eine juristische Person. § 2. Die Anstalt ist eine Privatanstalt, steht indessen insofern unter der Oberaufsicht des Konsistoriums zu Hannover, als diese Behörde darüber zu wachen hat, daß das Vermögen der Anstalt gehörig verwaltet und bestimmungsmäßig benutzt werde. Der Vorsteher der Anstalt hat dem Königlichen Konsistorium jährlich einen Rechnungsauszug zu übersenden. § 3. Die Anstalt treibt das Missionswerk auf Grund des Bekenntnisses der evangelisch-lutherischen Kirche. Die innere und äußere Leitung der Missionsangelegenheiten, insbesondere die Bestimmung des Missionsgebiets, die Anstellung des Hausvaters und der Lehrer, sowie die Zulassung der Zöglinge gebührt ausschließlich dem jeweiligen Vorsteher unter dem Beirate eines Ausschusses *1 Kirchen-Blatt für die Gemeinen des evang.-luth. Bekenntnisses in Preußen, Breslau 1894, 219f. *2 Georg Haccius, Hannoversche Missionsgeschichte 2, Hermannsburg 21910, 119f.
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von 10–12 Personen, teils Geistlichen teils Laien, unter welchen letzteren jedoch ein Rechtsgelehrter sein muß. Eine mitentscheidende Stimme hat der Ausschuß nur in den Vermögenssachen, insbesondere auch, wenn es auf Mehrausgaben für obige Angelegenheiten ankommt. Jedes Mitglied des Ausschusses hat alsdann eine Stimme, der Vorsteher der Anstalt aber vier Stimmen. Der jetzige Vorsteher der Anstalt ist der Pastor Harms zu Hermannsburg. Diesem bleibt es unbenommen, seinen Nachfolger in jenem Vorsteheramte zu erwählen. Sollte der Pastor Harms versterben, ohne eine solche Wahl getroffen zu haben, so wird der Vorsteher von dem in § 3 benannten Ausschuß nach absoluter Stimmenmehrheit erwählt, sowie auch alle späteren Vorsteher auf diese Weise zu erwählen sind. Es müssen jedoch wenigstens zwei Drittel des Ausschusses an der Wahl teilgenommen haben, wenn dieselbe gültig sein soll. Solange der Pastor Harms Vorsteher der Anstalt sein wird, hat dieser die Mitglieder des Ausschusses zu erwählen. Später hat der Ausschuß sich durch Wahl selbst zu ergänzen, jedoch unter Teilnahme des Vorstehers mit der demselben in § 3 beigelegten Stimmenzahl. Der Vorsteher mit dem Ausschusse vertritt die Anstalt in vermögensrechtlicher Hinsicht. Die Person des Rechnungsführers sowie die von diesem etwa zu leistende Kaution wird, solange der Pastor Harms Vorsteher der Anstalt ist, von diesem, – für die Folge aber von dem Ausschuß und dem Vorsteher unter Berücksichtigung des in § 3 angegebenen Stimmenverhältnisses bestimmt. Die Rechnung wird alljährlich dem Vorsteher abgelegt und von diesem in Gemeinschaft mit dem Ausschusse geprüft und moniert. Wenn sämtliche Monita ihre Erledigung gefunden haben, so erteilt der Vorsteher dem Rechnungsführer Decharge. Die der Anstalt gehörenden Obligationen, Wertpapiere und sonstigen Dokumente werden in einem mit 2 Schlössern versehenen Kasten aufbewahrt. Den einen der Schlüssel erhält der Vorsteher, den andern der Rechnungsführer. Würde der Vorsteher und der Ausschuß es für angemessen erachten, mit der Verwaltung einzelner Teile des Vermögens der Anstalt besondere Personen zu beauftragen, so haben letztere sich bei Besorgung solcher Geschäfte nach der ihnen zu erteilenden Vollmacht und Instruktion zu richten. Die Jahresfeier der Anstalt, zu welcher der Zutritt offen steht, wird um Johannis begangen. In dieser Versammlung wird ein Jahresbericht vorgelegt, welcher auch dem Königl. Konsistorium übersandt wird. Etwaige Abänderungen dieser Statuten bedürfen eines von dem Vorsteher und dem Ausschusse unter Berücksichtigung des in § 3 angegebenen Stimmenverhältnisses gefaßten Beschlusses und der Genehmigung der Königl. Regierung.
Entwurf eines Statuts für die Hermannsburger Mission
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156. [131.] Nicht genehmigter Entwurf eines Statuts für die Hermannsburger Mission von Ludwig Harms, dem Landeskonsistorium Hannover eingereicht am 30.12.1851* § 1. Das Missionshaus in Hermannsburg, auf dem Grunde des vollen lutherischen Bekenntnisses ruhend, ist ein Glied der lutherischen Kirche in specie der lutherischen Landeskirche im Königreich Hannover. § 2. Es steht demnach unter der Oberaufsicht und Oberleitung des hochw. Konsistorii in Hannover, sowohl in betreff der Lehre, als der Personen der Vorsteher, Lehrer und Zöglinge. Durch wen diese Oberaufsicht geübt werden soll, bestimmt die hohe Behörde. § 3. Hochwürdiges Konsistorium gewährt den in der Anstalt befindlichen Zöglingen vor ihrer jedesmaligen Aussendung das kirchliche Examen und den fähig befundenen die Ordination, die, insofern die Zöglinge nicht hannoversche Kandidaten oder in die hannoversche Kandidatur aufgenommen sind, nur für die Heidenwelt Gültigkeit hat, die bezeichneten Kandidaten aber in die Reihe der Prediger der Landeskirche stellt. Die Ordination soll in Hermannsburg stattfinden. Der folgende Paragraph gibt dem Vorsteher das Recht, seinen Nachfolger zu wählen, dem Konsistorium aber das Recht der Bestätigung. Der darauffolgende Paragraph spricht von 6–8 Beiräten, oder nach Bedürfnis mehr, je zur Hälfte aus Geistlichen und Laien bestehend, vom Vorsteher gewählt, vom Konsistorium bestätigt. Es sollen „nahmhafte mit ihm im Glauben einige“ Mitglieder der luth. Landeskirche sein. Als Zweck ist angegeben, teils „um in allen wichtigen Angelegenheiten ihres Rates sich zu bedienen, teils um durch sie die Verbindungen mit auswärtigen luth. Missionsanstalten zu unterhalten, teils um in den verschiedenen Landesteilen die Interessen des Hauses zu vertreten“. Nach dem folgenden Paragraphen erwählt der Vorsteher die Lehrer der Anstalt, die das Konsistorium bestätigen soll. Nach § 8 hat der Vorsteher die Leitung der inneren und äußeren Angelegenheiten innerhalb der Ordnungen der kirchlichen und Landes-Gesetze und unter Verantwortlichkeit gegen das Konsistorium. Damit dadurch „eine rasche, kräftige und einheitliche Geschäftsführung ermöglicht werde.“ § 9 bestimmt, daß der Vorsteher eine von den Beiräten zuvor geprüfte Rechenschaft über die Rechnungsführung dem Konsistorium ablegen soll, welche dann in kirchlichen Blättern zu veröffentlichen sei.
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Georg Haccius, Hannoversche Missionsgeschichte 2, Hermannsburg 21910, 110f.
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157. [132.] Die von Ludwig Harms bei der ersten Aussendung von Missionaren und Kolonisten mitgegebene Ordnung (1853)* I.
Allgemeine Bestimmungen.
Die lutherische Gemeine, die wir nach Ostafrika senden, ist ein Glied der lutherischen Kirche Hannovers. Die Oberleitung der kirchlichen und bürgerlichen Verhältnisse derselben steht bei dem Missionshause in Hermannsburg. Die Gemeine ist angewiesen, durch ihre eigene Arbeit ihren Unterhalt zu erwerben. Indessen verpflichtet sich das Missionshaus, für die Bedürfnisse der Gemeine zu sorgen, soweit dieselbe außer Stande ist, es selbst zu thun. II.
Kirchliche Verhältnisse.
§. 1. Grundlage derselben ist die Lüneburgische Kirchenordnung, welcher Geistliche und Laien gewissenhaft nachzuleben vor Gott verpflichtet sind. §. 2. Diener der Kirche an der Gemeine sind ein Pastor, zu welchem Missionar Struve ernannt ist, und sämmtliche ordinirte Missionare als Diakonen. Das Missionshaus in Hermannsburg ernennt die Kirchendiener, die Gemeine beruft die Ernannten, wenn an denselben nichts auszusetzen ist. Sobald die Verhältnisse es gestatten, werden Küster und Kantor angestellt. §. 3. Der Pastor ist der eigentliche Hirt der Gemeine und die Diakonen sind seine Gehülfen, mit denen er den Dienst am Worte und die Seelsorge zu theilen hat, so lange sie in der Gemeine bleiben. Das kirchliche Regiment der Gemeine steht dem Pastor zu. In allen kirchlichen Verhältnissen, die die Ausbreitung und Anordnung der Kirche unter den Heiden betreffen, hat der Missionsrath die Entscheidung. Derselbe besteht aus sämmtlichen Missionaren, unter welchen der Pastor der ersten Gemeine, als des Mittelpunkts der lutherischen Kirche unter den Heiden, den Vorsitz führt. Er hat die Versammlungen des Missionsrathes zu leiten, welche regelmäßig alle Monate Statt finden, aber auch außerdem von ihm berufen werden können. In diesen Versammlungen sollen der Pastor, die Diakonen und Katecheten die Angelegenhei*
Hermannsburger Missionsblatt 1 (1854), 13–15.
Ordnung (1853)
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ten der Mission besprechen und berathen, sich durch das Wort Gottes in ihrem allerheiligsten Glauben erbauen, im gemeinsamen Gebete zu ihrem hochwichtigen Amte sich stärken, zu fleißigem Studium sich ermuntern und sich treulich unter einander ermahnen und zurechtweisen. §. 4. Insofern die kirchlichen Verhältnisse in das Gemeineleben eingreifen, muß eine Vertretung der Gemeine Statt finden. Diese Vertretung wird geübt durch 2 Kirchenvorsteher, welche die Gemeine unter sich zu wählen hat. Mit ihnen hält der Pastor monatliche Versammlungen, denen auch die Diakonen und Katecheten beizuwohnen haben. Alle diese Personen bilden den Kirchenvorstand unter Vorsitz des Pastors. In den Bereich des Kirchenvorstandes gehören Kirchen- und Schulbauten, Armenpflege, Krankenpflege und Uebung der Kirchenzucht. III.
Bürgerliche Verhältnisse.
§. 5. Die Verwaltung und die Handhabung der Polizei liegt dem Schultheiß ob, der von sämmtlichen Gemeindegliedern zu erwählen und von dem Missionshause zu bestätigen ist. Der Schultheiß muß ein Laie sein. (Kolonist Schütte wurde dazu ernannt). §. 6. Das Gericht besteht aus dem Richter und 2 Schöffen. Das Missionshaus bestellt den Richter (Katechet Heinrich Hohls); die Gemeine wählt die Schöffen (Missionar Schütze und Kolonist Stolte). Die Sitzungen des Gerichts sind öffentlich. §. 7. In allen Verhältnissen der Gesammtgemeine hat die Gemeineversammlung zu entscheiden. Dieselbe besteht aus allen geistlichen und weltlichen Mitgliedern der Gemeine. Mit 2/3 der Stimmen wird ein gültiger Beschluß gefaßt. Den Vorsitz führt der Kirchspielsvorsprach (Missionar Schröder), der von der Gemeine gewählt wird und die Gemeineversammlung zu berufen hat. In das Gebiet derselben gehört z.B. Wahl und Anlage einer Niederlassung, Vertheilung der Arbeit, Beauftragung von Personen zu Gesandtschaften, insofern dieselbe nicht kirchliche Verhältnisse betreffen.
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§. 8. Ueber alle Beschlüsse der Gemeineversammlung, des Gerichts, des Kirchenvorstandes, des Missionsraths ist dem Missionshause alljährlich ein genauer Bericht einzusenden. Ueberhaupt werden von allen Missionaren und Laien treue und gewissenhafte Mittheilungen über die Zustände und Verhältnisse der Gemeine nach innen und außen erwartet. Den vom Missionshause ausgehenden Weisungen, Ermahnungen und Befehlen ist pünktlicher Gehorsam zu leisten.
158. [133.] Theodor Harms über die Stellung der Hermannsburger Mission zu Landeskirche und Freikirche (1878)* Wird aber, und das ist eine andere Frage, nicht durch meinen Austritt aus der Landeskirche die Hermannsburger Mission in Frage gestellt? das fürchte ich nicht. Denn erstens ist mein Austritt aus der Landeskirche, oder vielmehr mein Abschied vom Staatskirchlichen Regiment Gottes Weg und Wille, wie ich nicht zweifle. Zum andern werden die Ausschußmitglieder, welche nicht mit austreten, im Ausschuß bleiben und sich prächtig mit denjenigen, die austreten, vertragen und in Einem Glauben und herzlicher Liebe mit einander an dem heil. Werke arbeiten, wie ich nicht zweifle, da unsre Mission reine Privatsache ist und unsre Missionare mit dem Regiment der Landeskirche nichts zu thun haben, auch nie etwas zu thun gehabt haben. Was mein seliger Bruder zeitweilig so sehr wünschte, daß die Hermannsburger Mission dem Consistorium unterstellt werden möchte, daß es eine ähnliche Stellung zu derselben, wie zu den Pfarren und Pastoren haben möchte, ist glücklicherweise nicht in Erfüllung gegangen. Zum dritten steht unsre Mission auf dem festen Boden des vollen Bekenntnisses unsrer Kirche, sowie Luthers Ordnungen und hat nie etwas von Union und falscher Lehre wissen wollen, und zum vierten, und das ist die Hauptsache, der HErr sitzt im Regimente. Wollen die kirchlichen Behörden uns die kirchlichen Collecten entziehen, von denen nur diejenige im Fürstenthum Lüneburg uns ganz zugebilligt worden ist, so werden wir dies schmerzlich bedauern, werden aber auch hoffentlich ohne dieselben fertig werden, denn unser HErr Jesus hat viel, viel Geld und der ist allezeit unser Seckelmeister gewesen und nicht Menschen. Mag man uns nicht mehr die Prüfung unsrer Zöglinge und Ordination in der Christuskirche, die unser theurer angestammter König ausdrücklich dazu bestimmt hat, gestatten, so werden wir Examen und Ordination auch anderweitig finden mit Gottes Hülfe. Der HErr weiß, wie herzlich dankbar wir den hohen Behörden für alle Förderung unsers Werkes gewesen sind, weiß aber auch, daß wir uns zu trösten wissen, wenn dieselbe aufhört. Wir glauben auch, daß viele Pastoren sich völlig von uns abwenden werden, deren Herzen freilich wohl niemals uns gehört haben, allein wir werden es nicht ändern können, so bitterwehe es auch uns ums Herz ist.
*
Hermannsburger Missionsblatt 25 (1878), 21f.
Vereinbarung
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159. [134.] Vereinbarung zwischen der Leitung der Hermannsburger Mission und dem Hannoverschen Landeskonsistorium vom 15.3.1890*1 1. Es ist in der Mission eine zu Recht bestehende Ordnung, daß es allen zu ihr Gehörenden frei steht, in der ev.-luth. Landeskirche Hannovers das heil. Abendmahl zu feiern, und wiederum, daß Gliedern der Hannov. Landeskirche der Zutritt zum Sakrament in den von unserer Mission in Afrika usw. gegründeten Gemeinden offen steht, daß also in dieser Weise Abendmahlsgemeinschaft zwischen der Hannoverschen Landeskirche und der Mission besteht. (von uns hervorgehoben. Der Verf.) 2. Die vakant werdenden Plätze im Missionsausschuß werden jederzeit so besetzt, daß die Hälfte seiner Mitglieder der Hannov. ev.-luth. Landeskirche angehört. 3. Eine der beiden Direktorstellen soll immer von einem landeskirchlichen Geistlichen bekleidet werden. 4. Die Leiter der Missionsanstalt werden jederzeit bereit sein, dem Königl. Landeskonsistorium auf dessen Erfordern einen Einblick in die Wirksamkeit der Anstalt und ihre finanziellen Verhältnisse zu gewähren. 5. Es sollen in Zukunft nur solche Männer in den Ausschuß gewählt, bezw. zu Direktoren der Anstalt berufen werden, welche die obigen Bestimmungen als zu Recht bestehend anerkennen.
160. [135.] Grundsatzerklärung der Synode der Hannoverschen evangelisch-lutherischen Freikirche vom 18.6.1889*2 1. Die lutherische Kirche kann nur lutherische Mission treiben, und lutherische Mission kann nur von einer lutherischen Kirche getrieben werden. 2. Die Hermannsburger Mission ist in Gefahr, von dem lutherischen Bekenntnisse abzufallen. 3. Es ist unsere Pflicht, alles zu tun, daß die Anstalt, die für die lutherische Mission gegründet ist, auch der lutherischen Kirche erhalten bleibe.
*1 Hannoversche evangelisch-lutherische Freikirche, Pastorenkonvent (Hg.), Geschichte der Hannoverschen evangelisch-lutherischen Freikirche, Celle 1924, 33. *2 Hannoversche evangelisch-lutherische Freikirche, Pastorenkonvent (Hg.), Geschichte der Hannoverschen evangelisch-lutherischen Freikirche, Celle 1924, 34.
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161. [136.] Stellungnahme der Synode der Hannoverschen evangelisch-lutherischen Freikirche zur Vereinbarung zwischen der Leitung der Hermannsburger Mission und dem Hannoverschen Landeskonsistorium, vom 5.6.1890*1 1. Die Anerkennung der Hannoverschen Landeskirche, als einer lutherischen, verurteilt die Separation von derselben. 2. Die von der Hermannsburger Mission mit dem Landeskonsistorium getroffene und von diesem amtlich veröffentlichte Vereinbarung aber erkennt die Hannov. Landeskirche noch als eine lutherische an. 3. Folglich würde eine Anerkennung jener Verbindung und eine Beteiligung an derselben eine Verleugnung unserer Freikirche in sich schließen. 4. Jene Vereinbarung der Hermannsburger Mission mit dem Landeskonsistorium steht im Widerspruch mit § 2 des Missionsstatuts.
162. [137.] Austrittserklärung der zur Hannoverschen evangelischlutherischen Freikirche gehörigen Mitglieder des Hermannsburger Missionshauses vom 10.5.1892*2 Nettelkamp, Hermannsburg und Beckedorf, den 10. Mai 1892. Hochwürdiges Directorium und Ausschuß der Hermannsburger Missionsanstalt! Wir hielten es für unsere Pflicht, nicht alsbald nach der bekannten Vereinbarung mit dem hannoverschen Landesconsistorio unsern Austritt aus dem Missionsausschuß zu erklären, da wir die Erwartung hegen mußten, daß von Seiten unserer Hermannsburger Missionare in Afrika jene Abmachungen zurückgewiesen und in Folge dessen aufgehoben würden. Leider haben wir erfahren müssen, daß dies unser Bleiben im Missionsausschusse dazu benutzt worden ist, die Missionare und deutschen Gemeinden in Afrika glauben zu machen, als ob wir in jener Abmachung mit dem hannoverschen Landesconsistorio nicht mehr den Abfall von dem alten lutherischen Grunde der Hermannsburger Mission und das Betreten der Unionsbahn sähen. Dazu kommt, daß Missionar Oltmann in Neu-Hannover wegen seines Protestes gegen die sog. 5 Punkte vom 15. April 1890 aus dem Missionsverband entlassen ist. Als der mitunterzeichnete Pastor Dreves in Hermannsburg davon Kunde erhielt, fragte er, in Herz und Gewissen dadurch beschwert, bei Herrn Director Haccius an, ob von ihm an den Propstverweser Röttcher eine Weisung ergangen sei, daß Alle, *1 Hannoversche evangelisch-lutherische Freikirche, Pastorenkonvent (Hg.), Geschichte der Hannoverschen evangelisch-lutherischen Freikirche, Celle 1924, 34. *2 Unter dem Kreuze 17 (1892), 162–164.
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welche, wie Oltmann, mit der oben erwähnten Vereinbarung nicht zufrieden wären, als aus dem Missionsverband ausgeschieden anzusehen und zu behandeln seien. Pastor Haccius’ Antwort unterm 9. Februar d. J. lautete folgendermaßen: „Auf Ihr soeben erhaltenes Schreiben erwidere ich Ihnen, daß ich nach Afrika hin keine Weisung gegeben habe, ‚daß alle, die jene Abmachung mit dem hannoverschen Landesconsistorium um des Gewissens willen nicht annehmen können, als aus dem Missionsverband ausgeschieden anzusehen und zu behandeln seien.’ Auch wüßte ich nicht, daß ich irgend etwas gethan hätte, das meiner früheren Ihnen gegenüber gemachten Aeußerung, ‚die Gewissen schonen und entstehende Differenzen nicht büreaukratisch, sondern seelsorgerisch behandeln zu wollen,’ entgegen wäre. Ich glaube vielmehr, stets in dieser Weise gehandelt zu haben, und zweifle nicht, daß Sie mir zustimmen würden, wenn Sie recht instruirt wären. Ich bedaure von Herzen, daß so viele unrichtige Angaben die leider vorhandenen Gegensätze verschärft haben.“ Diese Antwort verpflichtete uns, sowohl Oltmann als auch die Brüder, die sich über die Behandlung, die jenem widerfahren, beschwert hatten, zu einer erneuten Zeugnißabgabe aufzufordern, damit wir klar zu sehen vermöchten, wie sich jene ihre Beschwerde mit der Aussage des Herrn Director Haccius reime. Darauf lief in diesen letzten Tagen aus Afrika folgender Bericht ein: „Propstverweser Röttcher hat gleich nach der Versammlung in Neu-Hannover zu Oltmann mündlich gesagt: Dadurch daß du von hier fortgehst, weil die Gemeinde dich nicht mehr haben will, bist du nicht aus unserer Mission heraus. Ich werde dich anderweitig in der Mission anstellen.“ Oltmann trat darauf eine 6-wöchentliche Urlaubsreise nach Lüneburg und Bergen an. Als er zurückkam und bei Röttcher nach Bescheid fragte über sein Verbleiben, wurden ihm von demselben aus einem unterdeß eingegangenen Schreiben von Director Haccius folgende Worte in die Feder dictirt: „Das aber muß für uns feststehen: Tritt einer dieser Pastoren deshalb, weil er nicht mit uns übereinstimmt, von seiner Gemeinde zurück, oder läßt die Gemeinde ihn gehen, so darf er nicht in die Mission zurückgenommen werden. Für den Fall bitte ich Sie und bevollmächtige ich Sie, dem Betreffenden sofort zu erklären, daß wir ihn als aus dem Verband unserer Mission ausgetreten ansehen.“ Dann ließ Propstverweser Röttcher sich den obigen Satz von Bruder Oltmann, wie derselbe ihn niedergeschrieben, vorlesen und sagte, er möge die Worte, welche unterstrichen sind, unterstreichen; wobei Röttcher dann noch hinzufügte: „Nun kann ja die Freikirche fürsorgen.“ In welche schwere Gewissensnöthe der ganze Compromiß mit der hannoverschen Landeskirche und insonderheit dies daraus resultirende herbe Vorgehen des Missionsdirectoriums in der Oltmannschen Sache treue ernste Seelen bringt, mögen folgende wenige Worte des Pastor Johannes in Bergen, die er am 6. November 1891 an Herrn Director Haccius richtete und davon er uns seiner Zeit eine Abschrift zukommen ließ, zeigen. Sie lauten: „Annahme jener Beschlüsse, die uns in die innigste und engste Gemeinschaft mit der hannov. Landeskirche bringen, ist
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mir, ohne die Wahrheit zu verleugnen, rein unmöglich. Wenn Brüder, die einst der Separation beitraten, heute wieder in die Landeskirche zurücktreten, also zurücksepariren, so müssen sie wissen, was sie thun und werden es ja auch wissen, ich richte sie nicht, nur für mich sage ich: Ich kann den Sprung nicht mitmachen. Mehrfach hat Pastor Theodor Harms in der Predigt gesagt: ‚Wer aus Ueberzeugung separirt hat und tritt trotzdem in die Landeskirche zurück, der kann, wenn er nicht bußfertig umkehrt, nicht selig werden.’ Auf Andere wende ich dies tiefernste Wort nicht an – mir handelt es sich um das höchste Gut. Aber sagt man fort und fort: Das verlangt ja auch niemand von dir, daß du landeskirchlich werden sollst; die Mission ist nicht landeskirchlich; die Beschlüsse bringen nichts Neues u.s.w. Sind solche Behauptungen wirklich wahr? Werden sie an maßgebender Stelle wirklich geglaubt und handelt man darnach? Wie kommt es denn, daß man Bruder Oltmann seinen Rücktritt in die Mission abschneidet, ihn entläßt? Bruder Oltmann will doch bis zur Stunde nichts anderes, als auf der Bahn bleiben, die ihm von Theodor Harms gezeigt ist. Er hat, so viel ich weiß, nichts weiter verbrochen, als offen und ehrlich seiner Behörde und Gemeinde erklärt, daß er keine Sakramentsgemeinschaft mit der hannov. Landeskirche eingehen könne, daß er seine Kirche nicht verleugnen könne. Und dies ist in den Augen seiner Behörde ein so großes Verbrechen, daß man die höchste Strafe über ihn verhängt. Ist wirklich nichts Neues eingeführt, dann war doch Oltmanns Protest gegen ein Nichts gerichtet, dann ist er also doch auch um etwas entlassen, das gar nicht vorhanden war, also – um nichts. Aber meiner Meinung nach stellt die Sache sich so heraus: Wenn man der Hermannsburger Union zustimmt, soll man glauben, daß nichts Neues eingeführt sei; wenn man sich aber weigert, soll man erfahren, daß das die höchste Strafe nach sich zieht. Ein und dieselbe Sache geringfügig bis zum nichts und doch so gewaltig, daß sie nur durch die schwerste Strafe gesühnt werden kann!“ – Im weiteren Verlauf seines Schreibens erinnert dann Johannes an Theodor Harms’ Klage, daß die hannoversche Geistlichkeit sich seiner nicht öffentlich angenommen und die Gewissensfreiheit energisch vertheidigt hätte, und bemerkt dazu: „Es muß sich jetzt zeigen, ob die Hermannsburger Missionare der hannoverschen Geistlichkeit schon so ähnlich sind, daß sie Bruder Oltmann ohne energischen Protest fallen lassen oder nicht.“ Er schließt: „Ich protestire hiermit ernstlich gegen die Handlungsweise meiner Behörde in der Oltmannschen – Neu-Hannoverschen Sache. Ich verlange Gewissensfreiheit in der Missionskirche, der ich angehöre. Das Vorgehen gegen Bruder Oltmann bezeichne ich als durchaus unlutherisch und unkirchlich.“ Aber man sieht aus dem Allen, daß Herr Director Haccius, als er Schonung der Gewissen und milde Praxis versprach, etwas Unmögliches versprochen hat, falls er fest entschlossen ist, auf der von ihm erwählten und am 15. April 1890 auf seinen Vorschlag auch vom Ausschuß, freilich mit äußerst geringer Stimmenmehrheit, gebilligten und angenommenen Marschroute zu verbleiben, an die, wie die Sachen jetzt liegen, die Herren Directoren amtlich gebunden sind.
Beschlüsse der Synode der Hannoverschen evangelisch-lutherischen Freikirche
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Da wir demnach alle Hoffnung, die Missionsleitung werde den betretenen Weg verlassen, aufgeben müssen, sehen wir uns zu unserm großen Schmerz genöthigt, unsern Austritt aus dem Missionsausschuß hierdurch zu erklären. A. Heicke. C. Dreves. Th. Martius. D. Brammer. An das Hochwürdige Directorium und den Ausschuß der Hermannsburger Mission, z. H. des Herrn Pastor Haccius. Hochehrwürden. Hermannsburg.
163. [138. erweitert] Beschlüsse der Synode der Hannoverschen evangelisch-lutherischen Freikirche über die Errichtung einer eigenen Mission (1892)* Nachdem es so, namentlich durch die Ereignisse in Afrika, klar geworden ist, daß diese jetzige Hermannsb. Mission für entschiedene Glieder unserer Hannöv. Freikirche, und daher auch für die Arbeit dieser Kirche selbst keinen Raum mehr hat, handelt es sich heute zunächst darum, ob die Synode sich zu folgenden beiden Sätzen bekennt: 1. Wir erkennen es als unsere Pflicht, die alte lutherische Mission des Louis Harms, zunächst in Afrika, fortzusetzen. 2. Wir wollen dieses Missionswerk als ein kirchliches, d.h. das Missionswerk unserer Hannöv. ev.-luth. Freikirche betreiben. Beiden Sätzen stimmten nicht allein die Synodalen, sondern auch alle übrigen Anwesenden einmüthig und mit Freuden bei. Aus diesen Beschlüssen ergab sich dann die Nothwendigkeit auch über die Leitung dieser unserer Mission eine wenigstens vorläufige Entscheidung zu treffen. Da es einerseits nahe lag, jene vier aus dem Missionsausschuß der Hermannsburger Mission ausgetretenen Glieder unserer Kirche, die zum Theil lange Jahre an der Missionsleitung mitgearbeitet hatten, auch fernerhin in diesem ihnen vertrauten Amte zu belassen, andererseits aber der kirchliche Charakter unserer Mission gewahrt werden mußte, so wurde beschlossen, daß zunächst jene vier seitherigen Mitglieder des Hermannsb. Missionsausschusses mit dem Synodal-Ausschuß unserer Kirche die Leitung der Mission übernehmen sollten. Zum Missions-Kassirer wurde Pastor Bingmann erwählt. Wenn selbstverständlicher Weise namentlich kleinere Missionsgaben auch fernerhin von den Gemein*
Unter dem Kreuze 17 (1892), 211.
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degliedern zunächst ihrem betr. Pastoren übermittelt werden können, so empfiehlt es sich doch im Interesse einer baldigen zinslichen Verwerthung der Gelder, größere Summen direct an den Kassirer einzusenden. Auch die Frage der Ausbildung unserer Missionszöglinge mußte erwogen werden; denn dieselbe ist insofern eine auch für den Augenblick schon praktische als wenigstens ei n unserer Kirche angehörender Missionszögling vorhanden ist, der nachdem unsere Kirchglieder aus dem Hermannsb. Missions-Ausschuß ausgetreten sind, auch nicht länger an dem Unterricht der Hermannsburger Missionsanstalt theilnehmen konnte. Da der Zögling zur Bleckmarer Gemeinde gehört, so erklärte sich Pastor Wolff bereit, denselben weiter zu unterrichten. Endlich beschloß die Synode eine den veränderten Verhältnissen entsprechend von den Passtoren neu zu formulirende Fürbitte für die Mission ins Kirchengebet aufzunehmen.
164. [139.] Satzungen der Mission der Hannoverschen evangelisch-lutherischen Freikirche (1903)* § 1. Die Mission der Hannov. Ev.-Luth. Freikirche ist als die rechte Fortsetzung der von Pastor Louis Harms gegründeten Hermannsburger Mission auf der Synode der genannten Kirche zu Wriedel am 14. Juni 1892 durch folgenden Beschluß gegründet worden: 1. Wir erkennen es als unsere Pflicht, die alte lutherische Mission des sel. Ludwig Harms, zunächst in Afrika, fortzusetzen. 2. Wir wollen das Missionswerk als ein kirchliches, als das Missionswerk unserer Hannov. Ev.-Luth. Freikirche betreiben. § 2. Die Mission der Hannov. Ev.-Luth. Freikirche ist demnach keine Privatsache, sondern ein kirchliches Werk, welches wie diese Kirche selbst auf dem Worte Gottes und dem Bekenntnisse der ev.-luth. Kirche ruht. § 3. Als kirchliches Werk steht die Mission unter der Synode der Hannov. Ev.-Luth. Freikirche und wird von dem Missionsausschuß geleitet, welcher der Synode verantwortlich ist. *
(Sonderdruck).
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§ 4. Das Vermögen der Mission besteht: 1. aus den bereits vorhandenen und den künftig noch zu erwerbenden Immobilien, Mobilien, Kapitalien, Ausständen und Berechtigungen; 2. aus denjenigen Einnahmen, welche der Mission aus kirchlichen Kollekten, freiwilligen Beiträgen, Schenkungen, letztwilligen Zuwendungen, Pensions- und Unterrichtsvergütungen erwachsen. § 5. Der Missionsausschuß besteht: 1. aus dem Synodalausschuß der Hannov. Ev.-Luth. Freikirche, 2. aus dem Leiter der Missionsanstalt, der den Titel „Missionsinspektor“ führt, 3. aus Gliedern unserer Kirche, welche auf Vorschlag des Missionsausschusses von der Synode gewählt werden, so daß Geistliche und Laien möglichst in gleicher Zahl vertreten sind, 4. nach Maßgabe der Verhältnisse aus Vertretern der mit uns verbundenen Kirchengemeinschaften. Der Rechnungsführer (§ 14) hat beratende Stimme. Treue Missionsfreunde, auch solche aus den mit uns verbundenen Kirchengemeinschaften, können vom Missionsausschuß zu Ehrenmitgliedern ernannt werden und an den Verhandlungen desselben mit beratender Stimme teilnehmen. § 6. Der Vorsitzende des Synodalausschusses ist zugleich Vorsitzender des Missionsausschusses und ernennt in Verhinderungsfällen einen Stellvertreter aus der Zahl der Ausschußmitglieder. Die Geschäftsführung wird durch den Missionsausschuß geregelt. § 7. Die Einladung der Ausschußmitglieder zu einer Sitzung muß in der Regel acht Tage vorher geschehen und der Gegenstand der Verhandlungen mitgeteilt werden. In Eilfällen darf von diesen Bestimmungen Abstand genommen werden. § 8. Der Ausschuß ist beschlußfähig, wenn außer dem Vorsitzenden oder dessen Stellvertreter mindestens die Hälfte der ordentlichen Mitglieder an der Sitzung teilnimmt.
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§ 9. Der Ausschuß kann in einer Geschäftsordnung Zeit und Ort für seine Sitzungen feststellen. Dem Vorsitzenden, oder in Verhinderungsfällen dessen Stellvertreter, steht das Recht zu, den Ausschuß zu berufen und dessen Verhandlungen zu leiten. Die Berufung des Ausschusses muß erfolgen, sobald wenigstens zwei ordentliche Ausschußmitglieder es beantragen. Der Ausschuß muß mindestens viermal in jedem Kalenderjahre zusammentreten. Über die Ausschußsitzung wird ein Protokoll geführt, welches die Namen der anwesenden Mitglieder und den wesentlichen Inhalt der Verhandlungen enthalten muß. Dasselbe ist von dem Protokollführer und dem Vorsitzenden unterschriftlich zu vollziehen. Den abwesenden Mitgliedern des Missionsausschusses sollen die Protokolle zugeschickt werden. § 10. 1. Bei Disziplinierung von Beamten der Mission (Missionaren, Inspektoren, Lehrern, Rechnungsführern, Ausschußmitgliedern), 2. bei hypothekarischen Belastungen, Ankauf oder Veräußerung von Immobilien, bei Prozessen, Vergleichen, Aufnahme von Darlehen müssen, wenn die ordentlichen Mitglieder nicht vollzählig erschienen sind, die Vota der Abwesenden entweder in einer zweiten Sitzung oder schriftlich eingeholt werden. § 11. In allen Verhandlungen nach außen, namentlich mit Privatpersonen, Behörden, Gerichten und Vereinen, und in vermögensrechtlichen Angelegenheiten jeder Art wird die Mission durch den Vorsitzenden bezw. durch dessen Stellvertreter, auf Ermächtigung des Missionsausschusses vertreten, die auf Verlangen schriftlich ausgefertigt werden kann. Die Unterschrift des Vorsitzenden, bezw. dessen Stellvertreters, mit dem Amtssiegel unter schriftlichen Willenserklärungen ist für die Mission rechtsverbindlich, sofern dieselben noch von einem ordentlichen Mitgliede des Missionsausschusses mit unterzeichnet sind. § 12. Der Missionsausschuß entscheidet namentlich über: 1. die Anstellung von Beamten, 2. die Bestimmung des Missionsgebietes, 3. die Feststellung der Zahl der aufzunehmenden Seminaristen, 4. die Aussendung der Missionare.
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§ 13. Der Missionsausschuß entscheidet ferner über: 1. Antretung oder Ausschlagung von Erbschaften, 2. Erwerb, Veräußerung oder dingliche Belastung von Grundstücken, 3. Aufnahme von Darlehen, 4. Führung von Prozessen und Abschlüsse von Vergleichen. § 14. Der Ausschuß bestellt einen Rechnungsführer, welcher für die Zeit seiner Amtsführung beratende Stimme im Missionsausschuß hat (s. § 5). Derselbe muß alljährlich Rechnung ablegen und vierteljährlich Bericht über den Stand der Kasse abstatten. Die Rechnung ist beim Jahresabschluß vom Missionsausschuß zu prüfen und abzunehmen. Auch bestellt der Ausschuß einen Revisor, nicht aus seiner Mitte, der einmal jährlich die Kasse revidiert. § 15. Die Wertpapiere und Gelder der Mission müssen feuer- und diebessicher aufbewahrt werden. § 16. Alle Abänderungen der Satzungen stehen der Synode zu. Schlußbemerkung. Obige Satzungen wurden von der Synode der Hannov. Ev.-Luth. Freikirche am 10. Juni 1903 genehmigt und traten mit demselben Tage in Kraft. Nachdem die erste Auflage vergriffen war, wurde dieser Neudruck mit mehreren Abänderungen auf den Synoden der Hannov. Ev.-Luth. Freikirche am 2. Juni 1931 und 25. Mai 1932 beschlossen. Molzen, den 24. Juni 1932. J. Böttcher, Superintendent.
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165. Schreiben von Superintendent Böttcher vom 19.6.1943 * Werte und liebe Brüder im Amte! Nachstehende Ausführungen übersende ich im Einvernehmen mit unserm Missions- und Synodalausschuß zu entsprechender Aufklärung der Gemeinden: Nun kommt die Zeit, in der wir gewohnt sind, in unsern Gemeinden hin u. her die Missionssonntage oder Missionsfeste zu halten. Dabei pflegten wir uns über die Mitwirkung auch anderer Pastoren als Festprediger mit unsern Gemeinden zu freuen. Dadurch flossen erwünschte Kollektenerträge für unsere Missionsarbeit in unsere Missionskasse Der nun bald 4 Jahre dauernde Krieg nötigt uns, bis auf weiteres diese liebe Gewohnheit aufzugeben. Durch die Einberufung von nun 6 Pastoren aus unserm Kreise ist die sonntägliche Betreuung unserer Gemeinden schon so herabgesetzt, daß ein weiterer Ausfall von Gottesdiensten und besonders Kinder- und Christenlehren ohne Not nicht ratsam erscheint. – In den uns verbündeten Freikirchen ist diese Notlage nach meiner Kenntnis noch größer. Da ist es nicht zu verantworten, andern Gemeinden an Sonntagen ihren Predigtgottesdienst zu nehmen, um selbst doppelten Genuß zu haben. Dazu kommt noch ein Anderes. – Wir haben in den Kriegsjahren kein Geld nach Afrika senden können und infolgedessen einen erfreulichen Geldvorrat a) „für Zahlungen nach dem Kriege“ und b) für die Altersversorgung unserer Missionsarbeiter zurücklegen und sicherstellen können. Aber nun soll das Körperschafts-Steuergesetz auf die lutherischen Freikirchen – von denen keine im Sinne des Reichsgesetzes als eine Körperschaft öffentlichen Rechts angesehen wird – Anwendung finden. Jede unserer Gemeinden, wenn sie nicht schon aufgerufen ist, wird also damit rechnen müssen, daß sie den Fragebogen zur Veranlagung für die Körperschaftssteuer zugesandt erhält. Das bedeutet dann, daß sie mit rund einem Drittel des Überschusses der Jahres-Einnahme über die Jahres-Ausgabe zur Körperschaftssteuer veranlagt werden wird. Unter diesen Umständen haben die Mitglieder unseres Missions-Ausschusses einstimmig dahin entschieden, in unseren Gemeinden bis auf weiteres keine Kollekte für unsere Mission zu veranlassen außer der einen, die am Epiphaniasfest erhoben wird. Denn der Ertrag dieser einen Kollekte wird voraussichtlich ausreichen zur Bestreitung der Missionsausgaben hier im Heimatlande. Wir haben bei dieser Maßnahme, die durch die gegenwärtigen Verhältnisse bedingt ist, zu unsern Kirchgliedern die gute Zuversicht, daß sie für den infolge fehlender Pastoren nötigen Verzicht auf Missionsfestprediger und auch für den zeitweiligen Verzicht auf Sammlungen für unser Missionswerk außer der Epiphaniaskollekte rechtes Verständnis haben werden; daß sie aber auch wieder freudig bereit *
Volker Stolle, Im tiefen Tal. Die Bleckmarer Mission während des Dritten Reiches (BlMS 2), Groß Oesingen 1986, 29–31.
„Ein Noth- und Hülferuf aus Nordamerika“
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sein werden, für unser Missionswerk die nötigen Opfer zu bringen, sobald wir Geld nach Afrika senden können, um unsern Brüdern draußen auf dem Missionsfelde zu erstatten, was ihnen inzwischen nicht gezahlt werden konnte oder dafür angeliehen werden mußte, auch ihnen wieder fortlaufend zu ihrem Lebensunterhalt beizusteuern. – Unsere Pastoren werden nach Gelegenheit in Predigt, Kinderlehre oder in besonderen Missionsvorträgen bei unsern Kirchgliedern die Liebe zur Mission lebendig erhalten und über den Stand unseres Missionswerkes nach Möglichkeit Bericht zu erstatten sich angelegen sein lassen. Vor allen Dingen aber laßt uns unsern erhöhten HErrn und Heiland bitten, daß Er, in Dessen Händen die Zügel der Weltregierung liegen, diese Zeit der Hemmung in der Ausbreitung Seines Reiches unter den Heiden bald in Gnaden beenden und uns vergönnen möge, zu dem Bau Seines Reiches durch die Mission auch wieder Gaben unserer Liebe beisteuern zu dürfen. Mit amtbrüderlichem Gruß und Segenswunsch gez. Böttcher, Superint.
166. „Ein Noth- und Hülferuf aus Nordamerika“, mitgeteilt von Friedrich Brunn, lutherischer Pastor in Steeden (1860)* Es sind seit einer Reihe von Jahren viele Glieder unserer luth. Kirche aus Nassau nach Nordamerika ausgewandert, einige derselben sind dort Prediger geworden, und durch ihre Vermittelung ist ein Noth- und Hülferuf an mich gelangt, um Zusendung und Vorbereitung von Zöglingen für die luth. Predigerseminare in PortWayne und St. Louis. Die fortwährende dringende Noth vieler luth. Gemeinden und Glieder unserer Kirche, die in Nordamerika ohne Prediger stehen und sie doch dringend begehren, eine Noth, zu deren Befriedigung bis jetzt alle vorhandenen Predigerkräfte bei weitem noch nicht hinreichen, war die Veranlassung dieses Hülferufs. Als dieser Ruf, jetzt schon vor mehreren Jahren, an mich gelangte, stand mir Eins im Wege, ihm sofort Gehör zu schenken: nämlich die traurige Zerklüftung der luth. Kirche Nordamerikas in die verschiedenen sich einander bekämpfenden Partheien, deren keiner ich glaubte volles Recht geben zu dürfen. Ich habe dieses offen und ehrlich nach Nordamerika geschrieben und bekannt und in Folge dessen hat ein langer mehrjähriger Briefwechsel zwischen mir und Herrn Prof. Krämer in Port-Wayne statt gefunden, der mich vollständig überzeugt hat, wie grundlos die Vorwürfe von Independentismus, kirchl. Demokratie und ähnlichem sind, die man der Synode von Missouri häufig zu machen pflegt, und wie so fälschlich man ihnen mißtraut, als wäre die göttliche Stiftung des Predigtamts nicht hinreichend bei *
Kirchen-Blatt für die Gemeinen des evang.-luth. Bekenntnisses in Preußen, Breslau 1860, 212– 214.
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ihnen erkannt und hochgehalten. Kann doch Niemand, auch selbst erklärte Gegner, z. B. Pf. Löhe, nicht, der Synode von Missouri den Ruhm des treuesten und strengsten Festhaltens sowohl an unsern kirchl. Symbolen, als an der Lehre und Theologie des 16. Jahrh., Luthers und der Väter unserer Kirche, absprechen, und darin ganz eines Sinnes mit den Missouriern zu sein, bekenne ich von ganzem Herzen. – Was gehen uns im Uebrigen blos persönliche Streithändel Einzelner in Nordamerika an? So weit es Personen, nicht die Lehre des göttl. Worts betrifft, denke ich darüber nicht Richter zu sein. Hier ist aber ein Anderes: nämlich die große Noth so vieler Gemeinden um Prediger, die Gefahr so vieler Seelen, ewig verloren zu gehen, weil ihnen Gottes Wort und Sakrament fehlt. Hier gilt es zu helfen und dem Herrn Christo Seelen zu erretten und zu erhalten, unangesehen alle blos persönlichen Streitereien. Wo ein Ruf um Hülfe ist, da ist aber auch ein göttl. Beruf. Und dieser letztre treibt und zwingt mich zu diesem Schreiben an Euch, liebe Brüder und Glieder unsrer lutherischen Kirche, die dieses Blatt lesen. Wir luth. Pastoren in Nassau haben schon längere Zeit einzelne befähigte junge Leute aus unsern Gemeinden zu uns genommen und in Nebenstunden sie unterrichtet. Vier derselben sind bereits in Nordamerika und führen zum Theil mit großem Segen das heil. Predigtamt, einer ist gegenwärtig noch hier bei mir in Steeden. Ohne eine Anstrengung, die unsere Zeit und Kräfte überstiegen hätte, und mit den verhältnißmäßig so geringen Unkosten, die der Aufenthalt eines jungen anspruchslosen Menschen auf einem Dorf verursacht, ist es uns auf diese Weise bei unsern so geringen Mitteln möglich geworden, dem HErrn aus unserm Nassau eine kleine Anzahl von Arbeitern in Seinen Weinberg zu stellen. Das hat uns Nass. Pastoren wohl schon öfter zu dem Gedanken bewegt: wenn uns doch in dem Werke Andere ein wenig hülfen, wie leicht könnte da Größeres geleistet werden. An dem Unterricht, den ich z. B. jetzt meinem einzigen Zögling ertheile, könnten eben so gut auch etliche mehr Theil nehmen und wie leicht wären die geringen Unterhaltskosten für einige Zöglinge hier auf dem Lande aufgebracht, wenn man hier und da etwas dafür thun wollte. Ich möchte freilich die vielen Bitten im Kirchenblatt um Geld- und Liebesgaben nicht mit einer neuen vermehren. Aber an eins möchte ich doch erinnern. Man gibt die vielen Hunderte und Tausende von Thalern jährlich für die Heidenmission. Das ist gewiß an sich recht und gut; aber angesichts des Nothstandes so vieler verlassener Gemeinden in Nordamerika, dürfte man doch wol fragen: ist es recht und christlich weise gehandelt, mit großen Opfern Boten auszusenden, um Heiden zur Kirche zu bringen, während in Nordamerika so Viele sind, und noch dazu unsre eignen Landesleute und Brüder nach dem Fleisch, die schon längst in der heil. Taufe Glieder der Kirche geworden sind, und die man wieder aus Mangel an Predigern läßt zu Heiden werden, läßt sie geistlich verkommen und verschmachten, oder im besten Fall, läßt sie allerlei unlautern und falschen Sekten in die Hände fallen? Ist es recht und weise gehandelt, Land und Meer zu umziehen, um Eine, oder einige
Gründungsurkunde des Melsunger Missionshauses
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wenige Heidenseelen zu bekehren (denn höher sind ja verhältnißmäßig die bekehrten Heiden unserer lutherischen Missionsplätze nicht zu schätzen), während Tausende von Seelen in Nordamerika zu gewinnen und bei der Kirche zu erhalten wären, wenn man den Gemeinden, die da stehen, bitten und rufen, nur Prediger senden wollte? Ist es ein rechter und kluger Eifer für das Reich Gottes, Tausende von Thalern zu opfern, um Einen oder einige Heidenboten nicht blos auszusenden, sondern auch draußen zu erhalten, während zehn oder hundert Thaler schon genug wären, um einer verlassenen Gemeinde in Nordamerika einen Prediger zu verschaffen? Wollte man das Eine thun, so sollte man fürwahr das Andre so viel leichtere und näher liegende nicht lassen. – Darum wäre mein Vorschlag und meine Bitte: laßt uns doch einen Theil der jährlich unter uns gesammelten Missionsgelder anwenden zur Ausrüstung von Prediger-Zöglingen für Nordamerika. Da könnten gerade wir Lutheraner in Preußen, Baden und Nassau bei unsern kleinen Kräften doch etwas Großes leisten und zu Stande bringe. Mein theurer Bruder und Amtsgenosse Hein und ich wären freudig entschlossen, Hand ans Werk zu legen; wir bedürften zunächst Zuweisung von geeigneten Zöglingen, die bei uns einen vorläufigen Unterricht empfangen müßten, bis sie zur weitern Ausbildung nach Nordamerika abzusenden reif wären. Zugleich aber mit den Zöglingen handelt es sich freilich auch um Mittel zu ihrem Unterhalt. So viel vorläufig genug. Weiteres vielleicht in Breslau bei Gelegenheit der diesjährigen Generalsynode. Aller Anfang im Reich Gottes ist klein wie ein Senfkorn, am HErrn liegt es aber, das Senfkorn wachsen zu lassen und die Vögel unter dem Himmel zu schicken, die in den Zweigen wohnen. Ist es Sein Wille auch in Betreff des vorstehenden Unternehmens, so möge ER es aus Gnaden verleihen. Brunn.
167. [140.] Gründungsurkunde des Melsunger Missionshauses vom 9.10.1870* 1. Es vereinigten sich am heutigen Tage die Unterzeichneten zur Gründung eines Missionshauses zu Melsungen für die hessische Mission. 2. Der Zweck dieses Missionshauses ist die Ausbildung von Missionaren, zunächst um die Glieder der Kirche, welche sich durch Auswanderung von der Mutterkirche getrennt haben, mit Predigern und Lehrern des Evangeliums zu versehen. 3. Die Ausbildung der Missionare geschieht auf Grund des Bekenntnißstandes und der Ordnungen der hessischen Kirche, namentlich auf Grund der ungeänderten Augsburgischen Confession, mit genauem Anschluß an die seit dem Jahre 1833 in Hessen bestehende Mission. *
Klaus Engelbrecht, Um Kirchentum und Kirche. Metropolitan Wilhelm Vilmar (1804–1884) als Verfechter einer eigentümlichen Kirchengeschichtsdeutung und betont hessischen Theologie, Frankfurt am Main, Bern, New York, Nancy 1984, 77f.
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4. Die Unterzeichneten erwählen ein vorläufiges Commitée, dessen Aufgabe es ist, theils im Inlande die geistigen und materiellen Kräfte zu sammeln, welche zur Unterstützung dieses Unternehmens erforderlich sind, theils im Auslande die nöthigen Verbindungen anzuknüpfen, durch welche die Thätigkeit der Mission ihren Ausgang finden kann, wobei wir namentlich die Iowa-Synode in Nordamerika namhaft machen.
Melsungen, Missionshaus, gegründet 1870, im abgebildeten Gebäude ansässig 1874– 1912, Gemeindezentrum und Pfarrwohnung bis 1950, Verkauf 1950, heutige Nutzung: Wohnhaus, Aufnahme: 1945.
168. [141.] Bekanntmachung über die Bildung der Mission evangelisch-lutherischer Freikirchen (Bleckmarer Mission) vom 1.11.1950* Diese unsere Mission hat jahrzehntelang auf einem einsamen Posten gestanden. Mit ihrer kleinen Kraft hat sie auf ihrem begrenzten Missionsgebiet gearbeitet. Die Zahl ihrer Missionare war gering, die Heimatbasis schmal. Wegen ihrer Kleinheit hat sie sich manche Verkennung gefallen lassen müssen. Ihre grundsätzliche Stellung aber war so klar und fest, daß sie sich in ihrer Selbständigkeit behauptete. Sie hatte ihre charaktervolle Eigenart. Sie wollte im Unterschiede von den von freien Vereinigungen getragenen Missionen Kirchenmission sein, d.h. Mission, die von der ganzen Kirche, ihren Gemeinden, Pastoren und kirchenleitenden Instanzen verantwortlich getragen wurde. Und sie wollte konfessionell-lutherische Kirchenmission sein. Mit der Vertretung dieser Grundsätze erschien sie vielen eigenbrötlerisch und stand *
Missionsblatt der Hannoverschen ev.-luth. Freikirche, 8 (1950), 2f.
Bildung der Mission evangelisch-lutherischer Freikirchen (Bleckmarer Mission)
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einsam im deutschen Missionsleben. Doch fand diese unsere Mission dankenswerte Unterstützung von Seiten der „Selbständigen ev.-luth. Kirche in Hessen“ und auch von der „Renitenten Kirche ungeänderter Augsburger Konfession in Hessen“. Auch die Gemeinden der „Freien ev.-luth. Synode in Südafrika“ haben von Anfang an unsere Mission als die ihrige angesehen und unterstützt und seit 1936, seitdem die Verbindung mit unserem Missionsfelde unterbrochen war, haben sie in ganz hervorragender Opferwilligkeit unsere Mission selbstlos getragen. Gott wolle alle diese uns erwiesene Liebe reichlich vergelten. Nun ist unserer Mission eine unerwartete Hilfe zuteil geworden, die einen neuen Ausblick eröffnet. Die beiden lutherischen Schwesterfreikirchen, die Ev.-luth. Kirche Altpreußens und die Ev.-luth. Freikirche haben ihren Willen ausgesprochen, unsere Mission fortan als ihre Mission anzusehen und sie zu unterstützen. Der Missionsausschuß und die Synode unserer Hannoverschen Diözese haben dieses Angebot dankbar angenommen und freuen sich, daß die Basis der Mission so wesentlich verbreitert worden ist und ihr ermöglicht wird, die Missionsarbeit mit neuer Kraft anzugreifen. Es liegt auf der Hand, daß die Aufgaben der Mission durch diese Veränderungen sich erheblich steigern. Dies hat den Missionsausschuß veranlaßt, eine neue Kraft in den Dienst der heimischen Missionsarbeit zu berufen und ihr einen Teil der Aufgaben, die einer Missionsleitung obliegen, zu übertragen. Sie glaubt, den geeigneten Mann in Herrn Pfarrer Friedrich Wilhelm Hopf gefunden zu haben, der seit Jahrzehnten mit Liebe für die Mission gearbeitet hat und sich durch die Herausgabe des bayerischen lutherischen Missionsjahrbuches als einen Kenner der Missionsverhältnisse erwiesen hat. Er hat Herrn Pfarrer Hopf die Werbearbeit in der Heimat, die Pflege der Verbindung mit dem Missionsfelde, die Herausgabe des Missionsblattes und die Vertretung auf den allgemeinen Missionskonferenzen übertragen. Herr Pfarrer Hopf hat den Ruf angenommen und seine Arbeit bereits begonnen. Unter seiner Leitung hat im August auf der Burg Tannenberg bei Nentershausen eine Missionsrüstzeit für Pastoren stattgefunden, die einen für alle Teilnehmer befriedigenden Verlauf genommen hat. Unsere Hannoversche Synode hat den Missionsausschuß gebeten, eine Vorlage über die künftige Leitung der Mission und die Ausbildung der Missionare zu machen, die den beteiligten Freikirchen zur Bestätigung unterbreitet werden soll. Der Missionsausschuß wird sich baldmöglichst dieser Aufgabe unterziehen. Im Einverständnis mit unserer Hannoverschen Synode dankt der Missionsausschuß Herrn Pastor Adolf Blanke für die hingebende, treue Arbeit, die er jahrzehntelang für die Mission und besonders für die Ausbildung der angehenden Missionare geleistet hat.
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Wir bitten Gott den HErrn um Seinen Segen für unser Missionswerk und alle Mitarbeiter an demselben durch den Beistand Seines Heiligen Geistes. Er gebe, daß neue Liebe zur Mission geweckt werde! Er lasse neuen Segen von unserm Missionsfelde zurückfließen auf unsere Gemeinden! Er fördere das Werk unserer Hände zum Bau Seines Reiches daheim und draußen! Der Missionsausschuß der bisherigen Mission der Hannoverschen ev.-luth. Freikirche i.A. J. Böttcher, Superintendent. Molzen, den 1. November 1950.
169. [142.] Beschluss der 25. Generalsynode der Evangelischlutherischen (altluth.) Kirche über das Verhältnis zur Bleckmarer Mission (1954)*1 Unsere Kirche beteiligt sich in voller Mitverantwortung an der Mission Ev.-luth. Freikirchen (Bleckmarer Mission), indem sie in die Missionsleitung einen Vertreter und in das Missionskollegium zwei Vertreter mit Sitz und Stimme entsendet. Soweit zu der Leipziger Mission alte Beziehungen bestehen, steht den Gemeinden die Mitarbeit an ihr in einer durch ein Regulativ zu ordnenden Weise frei. Die Epiphanien-Kollekte fließt im Gebiet der Allgemeinen Kirchenkasse Holzminden in jedem Falle der Bleckmarer Mission zu.
170. [143.] Erklärung zur Frage nach der Zusammenarbeit lutherischer Missionen in Südafrika (1953)*2 Von verschiedenen Seiten her sind Aufforderungen ergangen zu einer Zusammenarbeit lutherischer Südafrika-Missionen sowie der Kirchen, die als Frucht ihres Dienstes entstanden sind. Auch die Mission Evangelisch-Lutherischer Freikirchen (früher: Mission der Hannoverschen evangelisch-lutherischen Freikirche) ist gefragt worden nach ihrer Stellungnahme zu den in diesem Zusammenhang vorgelegten Plänen und Vorschlägen. Wir erklären hierzu folgendes:
*1 Gerhard Rost (Hg.), Synodalbeschlüsse der Evangelisch-lutherischen (altluth.) Kirche, o.O. 1971, 68. *2 Friedrich Wilhelm Hopf (Hg.), Lutherische Kirche treibt lutherische Mission, Festschrift zum 75jährigen Jubiläum der Bleckmarer Mission, Bleckmar 1967, 165f.
Zusammenarbeit lutherischer Missionen in Südafrika (1953)
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1. Am Anfang des Weges unserer Mission stehen die programmatischen Sätze: „Lutherische Kirche kann nur Lutherische Mission treiben!“ und „Lutherische Mission kann nur durch Lutherische Kirche getrieben werden.“ Wir fügen zu diesen Sätzen unserer Väter einen dritten hinzu: „Lutherische Mission muß zu Lutherischer Kirche führen.“ Für uns ist die Mission grundsätzlich und praktisch eine Sache der bekenntnisgebundenen lutherischen Kirche. 2. Mittel und Wege zur Zusammenarbeit lutherischer Missionen können nur dort gefunden werden, wo Kirchengemeinschaft (Kanzel- und Abendmahlsgemeinschaft) besteht zwischen diesen Missionen sowie zwischen den Kirchen, die hinter ihnen stehen. Der Maßstab für jede Entscheidung in dieser Hinsicht bleibt die schriftgemäße lutherische Lehre von der wahren Einigkeit der christlichen Kirche. Diese Einigkeit ist dort vorhanden, wo „einträchtiglich nach reinem Verstand das Evangelium gepredigt und die Sakramente dem göttlichen Wort gemäß gereicht werden“ (Augsb. Konf. Art. VII). Ein unentbehrliches Mittel zur Gewinnung und Erhaltung dieser wahren kirchlichen Einigkeit ist auch in der Mission die Bindung des gesamten kirchlichen Handelns an die Bekenntnisschriften der evangelischlutherischen Kirche, weil ihre Lehre „aus Gottes Wort genommen und darinnen fest und wohl gegründet ist“ (Konkordienformel, Solida Declaratio, Von dem summarischen Begriff ..., Ziff. 3). In der Bindung an die Lehrentscheidungen der Bekenntnisschriften liegt auch die Anerkennung der durch sie bezeugten Grenzen der Kirchengemeinschaft. „Schwer ist es, daß man von so viel Landen und Leuten sich trennen und eine sondere Lehre führen will. Aber hie stehet Gottes Befehl, daß jedermann sich soll hüten und nicht mit denen einhellig sein, so unrechte Lehre führen ...“ (Schm. Art., Traktatus, § 42). 3. Die lutherischen Missionen in Südafrika leiden unter der großen Not, daß unter ihnen die unerläßlichen Voraussetzungen wahrer und voller Kirchengemeinschaft sowie einer auf sie zu gründenden Zusammenarbeit nicht vorhanden sind, teils weil sie nicht in übereinstimmender Weise bekenntnisgebunden sind, teils weil sie trotz der gleichen Bekenntnisbindung die Frage nach den Grenzen der Kirchengemeinschaft verschieden beantworten. In dieser Lage gibt es nur einen Weg zur Herstellung voller Kirchengemeinschaft: nämlich Lehrverhandlungen, bei denen festgestellt werden muß, ob die Bindung an die Heilige Schrift und an ihre Auslegung in den lutherischen Bekenntnisschriften tatsächlich vorhanden ist, und ob dort, wo sie fehlt, der Weg zur Erreichung völliger Einigkeit in der Lehre beschritten werden kann. Es ist ferner zu prüfen, ob Bindungen an auswärtige Kirchen, denen be-
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kenntniswidriger Unionismus vorgeworfen werden muß, gelöst werden können, um dadurch den Weg zur Einigkeit unter bisher getrennten Lutheranern Südafrikas freizumachen. Die erwünschte Zusammenarbeit ist nur denkbar als Ziel und Frucht solcher Verhandlungen, nicht aber als Vorwegnahme ihrer Ergebnisse. 4. Mit dieser Stellungnahme erklären wir uns nicht gegen das Ziel einer kirchlichen Vereinigung aller wahrhaft lutherischen Missionskirchen in Südafrika, sondern für den Weg, der allein zu diesem Ziel führen kann. Weil wir Verhandlungen auf weite Sicht nicht nur für wünschenswert, sondern für dringend erforderlich halten, sind wir auch überzeugt, daß solche Verhandlungen immer wieder zu segensreichen Begegnungen zwischen einzelnen Vertretern lutherischer Missionen führen werden, so daß diese nicht nur viel voneinander lernen können, sondern schon jetzt in der Lage sein werden, viele Einzelfragen der kirchlichen Praxis und der missionarischen Arbeit in der gleichen Weise zu beantworten. Bleckmar, am 8. Juli 1953 Missionskollegium und Missionsleitung der Mission Evangelisch-Lutherischer Freikirchen Wilhelm Rothfuchs, Superintendent Friedrich Wilhelm Hopf, Missionsinspektor Itshelejuba, am 4. August 1953 Die Konferenz der Missionare der Mission Evangelisch-Lutherischer Freikirchen und der Pastoren der Freien ev.-luth. Synode in Südafrika Christoph Johannes, Superintendent Wilhelm Reusch, Präses Joh. Schnell K. Meister E. W. Henning Chr. H. W. Weber E. H. Schwacke F. Dierks G. Stallmann B. Schwarz J. Schnackenberg L. Wiesinger H. F. Böhmer
Wegweisung für die Junge Kirche (1956)
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171. [144.] Wegweisung für die Junge Kirche (1956)* 1. Die Evangelisch-Lutherische Kirche im Südlichen Afrika umfaßt alle Gemeinden, welche durch die Mission der Hannoverschen evangelisch-lutherischen Freikirche unter den Zulu und Betschuanen entstanden sind und auf der festen Grundlage beharren, auf der sie durch Gottes Gnade erbaut sind. 1. Kor. 3, 11: Einen andern Grund kann niemand legen außer dem, der gelegt ist, welcher ist Jesus Christus.
2. Demgemäß bekennt die Evangelisch-Lutherische Kirche im Südlichen Afrika, daß Jesus Christus allein ihr Haupt und Herr sei, – er, der eingeborene Sohn des lebendigen Gottes, der um unserer Sünden willen Gekreuzigte und um unserer Gerechtigkeit willen Auferweckte, der zur Rechten des Vaters Erhöhte, der in seiner Gemeinde auf Erden durch Wort und Sakrament wahrhaftig Gegenwärtige, der Heiland der ganzen Welt, der Richter der Lebendigen und der Toten, welcher wiederkommen wird in den Wolken des Himmels, der König aller Könige und der Herr aller Herren. Kol. 1, 18: Und er ist das Haupt des Leibes, nämlich der Gemeinde, er, welcher ist der Anfang und der Erstgeborene von den Toten, auf daß er in allen Dingen den Vorrang habe.
3. Als feste Grundlage des Glaubens und der Lehre gilt für die EvangelischLutherische Kirche im Südlichen Afrika Gottes eigenes Wort und nichts anderes, nämlich alle Bücher des Alten und Neuen Testaments als die untrügliche göttliche Wahrheit, vom Heiligen Geist inspiriert. Als richtige und verbindliche Auslegung der Heiligen Schrift gelten die sämtlichen Bekenntnisschriften der Evangelisch-Lutherischen Kirche, nämlich die drei Hauptsymbola der Alten Kirche: das Apostolische, das Nicänische und das Athanasianische Symbolum, die Unveränderte Augsburgische Konfession, die Apologie der Augsburgischen Konfession, die Schmalkaldischen Artikel, der Kleine und der Große Katechismus von Dr. Martin Luther, die Konkordienformel. Demgemäß werden alle Gemeinden im Kleinen Katechismus Luthers gründlich unterrichtet; die Evangelisten müssen die Unveränderte Augsburgische Konfession als das Bekenntnis ihrer Kirche kennen und anerkennen; die Pastoren sind durch ihr Ordinationsgelübde gebunden an die Lehre der lutherischen Bekenntnisschriften. 2. Tim. 3, 14–17: Du aber bleibe in dem, was du gelernt hast und dir vertrauet ist, sintemal du weißt, von wem du gelernt hast. Und weil du von Kind auf die heilige Schrift weißt, kann dich dieselbe unterweisen zur Seligkeit durch den Glauben an Christum Jesum. Denn alle Schrift, von Gott eingegeben, ist nütze zur Lehre, zur *
Friedrich Wilhelm Hopf (Hg.), Lutherische Kirche treibt lutherische Mission, Festschrift zum 75jährigen Jubiläum der Bleckmarer Mission, Bleckmar 1967, 167f.
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Strafe, zur Besserung, zur Züchtigung in der Gerechtigkeit, daß ein Mensch Gottes sei vollkommen, zu allem guten Werk geschickt.
4. Der Anschluß an die Evangelisch-Lutherische Kirche im Südlichen Afrika ist möglich für Gemeinden, welche auf derselben Grundlage des Glaubens und der Lehre stehen, wenn sie die Ordnungen der Evangelisch-Lutherischen Kirche im Südlichen Afrika annehmen. – Es besteht keine kirchliche Gemeinschaft mit Gemeinden und Kirchen, die auf einer anderen Grundlage stehen oder ihrerseits Gemeinschaft haben mit solchen, die an falscher Lehre festhalten. Eph. 4, 3–6: Seid fleißig zu halten die Einigkeit im Geist durch das Band des Friedens: ein Leib und ein Geist, wie ihr auch berufen seid auf einerlei Hoffnung eurer Berufung; ein Herr, ein Glaube, eine Taufe; ein Gott und Vater unser aller, der da ist über euch allen und durch euch alle und in euch allen.
5. Die Zulassung zum Heiligen Abendmahl ist in der Evangelisch-Lutherischen Kirche im Südlichen Afrika nur möglich für solche, die mit ihr wahrhaft einig sind im Glauben an die Worte Jesu: „Das ist mein Leib! Das ist mein Blut! Für euch gegeben und vergossen zur Vergebung der Sünden.“ Wer diesen Glauben an die Gegenwart des wahren Leibes und Blutes Christi im Brot und Wein bekennt, muß sich lossagen von der Gemeinschaft mit allen, die anders lehren und leben, als das Wort Gottes lehret. Apg. 2, 42: Sie blieben aber beständig in der Apostel Lehre und in der Gemeinschaft und im Brotbrechen und im Gebet.
6. Für den Zusammenschluß und die gemeinsame Arbeit aller Gemeinden der Evangelisch-Lutherischen Kirche im Südlichen Afrika sind verantwortlich der Superintendent als Bischof der Kirche und die Synode als Versammlung aller Pastoren, Evangelisten und Vertreter aller Gemeinden. Eph. 4, 15–16: Lasset uns aber rechtschaffen sein in der Liebe und wachsen in allen Stücken an dem, der das Haupt ist, Christus, von welchem aus der ganze Leib zusammengefügt ist und ein Glied am andern hanget, durch alle Gelenke, dadurch eins dem andern Handreichung tut nach dem Werk eines jeglichen Gliedes in seinem Maße und macht, daß der Leib wächst zu seiner selbst Besserung, und das alles in der Liebe.
7. Eines der Hauptziele der Synode ist die Bildung einer selbständigen lutherischen Bantu-Kirche, wenn die rechte Zeit dafür gekommen ist. Die weißen Missionare und die Missionsleitung in Deutschland und in Afrika werden in Gemeinschaft mit den Bantu-Gemeinden alles tun, um der jungen Bantu-Kirche zur vollen Selbständigkeit zu verhelfen. Röm. 12, 10–11: Die brüderliche Liebe untereinander sei herzlich. Einer komme dem andern mit Ehrerbietung zuvor. Seid nicht träge in dem, was ihr tun sollt. Seid brünstig im Geiste. Dienet dem Herrn.
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8. Die nächste Aufgabe der Synode ist die Aufstellung einer Kirchenordnung, die allen Gemeinden helfen soll für ihren Dienst, sowohl an den eigenen Gliedern als auch an den Heiden, denen sie das Wort Gottes schuldig sind. Apg. 2, 39: Denn euer und eurer Kinder ist diese Verheißung und aller, die ferne sind, welche Gott, unser Herr, herzurufen wird.
Die „Wegweisung“ war ein Wort der Mission an die Junge Kirche. Der Name der Kirche wurde von den einheimischen Afrikanern erarbeitet und später von anderen Kirchen übernommen, so daß man zur Unterscheidung von ihnen 1967 formulierte: Lutherische Kirche im Südlichen Afrika.
172. [145.] Aus der Verfassung der Lutherischen Kirche im Südlichen Afrika (1967)* I.
Name und Bekenntnisbindung
§1 Die Kirche nennt sich „Lutherische Kirche im Südlichen Afrika“ (LuKiSA). Diese Kirche umfaßt alle Gemeinden, die durch die Mission Evangelisch-Lutherischer Freikirchen entstanden sind oder sich mit dieser Kirche vereinigen. §2 Als feste Grundlage des Glaubens und der Lehre gilt für die LuKiSA Gottes eigenes Wort und nichts anderes, nämlich alle Bücher des Alten und Neuen Testaments als die untrügliche göttliche Wahrheit, vom Heiligen Geist inspiriert. Als die richtige und verbindliche Auslegung der Heiligen Schrift gelten die sämtlichen Bekenntnisschriften der lutherischen Kirche, nämlich: die drei Hauptsymbola der Alten Kirche, das Apostolische, das Nicänische und das Athanasianische Symbolum, die Unveränderte Augsburgische Konfession, deren Apologie, die Schmalkaldischen Artikel, der Kleine und der Große Katechismus Luthers und die Konkordienformel. Demgemäß sorgt die Kirche dafür, daß alle Gemeinden im Kleinen Katechismus Luthers gründlich unterrichtet werden, daß alle Evangelisten die Unveränderte Augsburgische Konfession als das Bekenntnis ihrer Kirche kennen und anerkennen, daß alle Pastoren sich binden durch ihr Ordinationsgelübde an die Lehre der Lutherischen Bekenntnisschriften. *
Friedrich Wilhelm Hopf (Hg.), Lutherische Kirche treibt lutherische Mission, Festschrift zum 75jährigen Jubiläum der Bleckmarer Mission, Bleckmar 1967, 169–171, 173–175, 179. [In eckigen Klammern stehen die Änderungen, die 1993 beschlossen wurden. Gegenwärtig läuft ein Prozess zur aktualisierenden Überarbeitung der Verfassung.]
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§3 Auf Grund ihrer Bindung an Schrift und Bekenntnis weiß sich die LuKiSA in der Einigkeit des Glaubens mit der Kirche der Apostel und den rechtgläubigen Christen aller Zeiten. Demgemäß steht sie in Kirchengemeinschaft mit den lutherischen Kirchen in der ganzen Welt, solange diese festhalten an der Lehre der Lutherischen Bekenntnisschriften und danach handeln. Es besteht keine Kirchengemeinschaft mit Gemeinden und Kirchen, die auf einer anderen Grundlage stehen oder ihrerseits Gemeinschaft haben mit solchen, die an schriftwidriger Lehre festhalten. II.
Das Ziel des Dienstes der Kirche
§4 Das Ziel des Dienstes der Kirche ist bestimmt durch den Auftrag Jesu Christi. Demgemäß sorgt sie dafür, daß das Evangelium von Jesus Christus rein verkündigt wird und die Sakramente einsetzungsgemäß verwaltet werden. Dieser Dienst im Reiche Gottes gilt ihren Gliedern und allen, die den Herrn Jesus Christus noch nicht kennen. §5 Die Kirche sorgt auch dafür, daß ihre Glieder in der Nachfolge Christi notleidenden und hilfsbedürftigen Mitmenschen dienen. III.
Kirchengemeinschaft und Abendmahlszulassung
§6 Kirchengemeinschaft ist nach lutherischer Lehre nur dort vorhanden, wo „einträglich nach reinem Verstand das Evangelium gepredigt und die Sakramente dem göttlichen Wort gemäß gereicht werden“ (CA VII). Die Gemeinschaft in der Verkündigung des Wortes Gottes ist deshalb unlöslich verknüpft mit der Gemeinschaft in der Verwaltung der heiligen Sakramente; beides darf nicht auseinandergerissen werden. Kirchengemeinschaft mit einer anderen Kirche kann die LuKiSA nur dann feststellen und aufrichten, wenn diese Kirche mit ihr völlig einig ist in der Bekenntnisbindung der Kirche (vgl. §§ 2, 3).
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§7 Abendmahlszulassung ist in der LuKiSA nur möglich für die Glieder ihrer Kirche oder anderer Kirchen, die mit ihr in voller Kirchengemeinschaft stehen. Bei Ausnahmen in Notfällen wird nach der dafür vorgesehenen Ordnung gehandelt. IV.
Kirchenmitgliedschaft
§8 Die LuKiSA faßt ihre Glieder in Gemeinden und Parochien [und Diözesen] zusammen. §9 Glieder der Kirche sind: a) alle Erwachsenen und Kinder, die innerhalb einer zu dieser Kirche gehörenden Gemeinde getauft sind; b) alle Glieder aus anderen lutherischen Kirchen, die gemäß der Ordnung der Kirche überwiesen und aufgenommen worden sind; c) alle getauften Personen aus anderen Kirchen und Denominationen, die nach Bitte um Aufnahme in der Lehre der lutherischen Kirche gründlich unterwiesen worden sind und sich hierzu gemäß der Ordnung der Kirche öffentlich bekannt haben. V.
Das Amt
§ 11 a) Gott hat das Predigtamt der Kirche gegeben zur Verkündigung des Wortes Gottes und zur Verwaltung der Sakramente, zur geistlichen Versorgung und zur Unterweisung der Gemeinde. Darum beruft die Kirche Männer, die im Worte Gottes und in der Lehre der Kirche unterrichtet worden sind, ordiniert sie gemäß der Ordnung der Kirche und gibt ihnen ein Lehr- und Predigtamt in der Kirche. b) Außer den Pastoren beruft die Kirche Evangelisten, die für diesen Dienst im Worte Gottes und in der Lehre der Kirche unterrichtet worden sind. Sie dienen der Gemeinde in Predigt und Unterweisung, und sie bringen das Evangelium denen, die fern von Christus sind.
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Mission
VI.
Die Gemeinde
§ 12 a) Jede Gemeinde verwaltet ihre Angelegenheiten selbst durch die Gemeindeleitung und die Gemeindeversammlung, jedoch unter Aufsicht der Diözesanleitung und der Kirchenleitung gemäß den allgemeinen Ordnungen und Beschlüssen der Allgemeinen Synode. b) Abgrenzungen und Veränderungen der bestehenden Gemeinden bedürfen der Genehmigung der Kirchenleitung. c) Über die Aufnahme neuer Gemeinden entscheidet die Kirchenleitung. IX.
Die Gesamtkirche
A.
Die Leitung der Kirche
§ 19 a) Zur Leitung der Kirche gehören: 1. der Bischof als der geistliche Leiter der Gesamtkirche [und als Vorsitzender der Kirchenleitung]; 2. die Dekane der Diözesen; 3. ein Laie aus jeder Diözese, der von ihrer Synode aus drei Laien gewählt wird, die von der Diözesanleitung vorgeschlagen sind; 4. der Kassenführer der Kirchenkasse der LuKiSA. b) Der Bischof muß ein ordinierter Pastor sein, der sich an das Bekenntnis der LuKiSA bindet. Er wird gewählt vom Allgemeinen Pastorenkonvent und bestätigt von der Allgemeinen Synode [Neufassung: Er wird von der Allgemeinen Synode gewählt. Der Wahl geht eine Nominierung von Pastoren in folgender Weise voraus: Sowohl jeder aktive Pastor als auch jede Gemeindeversammlung der Kirche ohne ihren Pastor können Nominierungen vornehmen. Die Vorschläge werden in versiegelte Umschläge gesteckt und dem Vorsitzenden der Allgemeinen Synode am Wahltag ausgehändigt. Der Vorsitzende und ein von der Allgemeinen Synode bestelltes Komitee geben die zwei oder drei Kandidaten mit der höchsten Stimmenzahl bekannt. Danach wählt die Allgemeine Synode den Bischof in geheimer Wahl; erforderlich ist eine Zweidrittelmehrheit]. Er führt den Vorsitz in der Kirchenleitung [dieser Satz entfällt]. c) Zu seinem Stellvertreter beruft der Bischof einen der Dekane, der von der Allgemeinen Synode bestätigt wird [Neufassung: Der Stellvertreter des Bischofs wird von der Allgemeinen Synode aus dem Kreis der Dekane gewählt]. Er vertritt den Bischof, wenn dieser verhindert ist. Beim Tode des Bischofs oder bei
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seinem Ausscheiden aus dem Amt führt der Stellvertreter das Bischofsamt bis zur Wahl und Bestätigung des Nachfolgers [… bis zur nächsten Wahl]. d) Die Dauer der Amtszeit des Bischofs wird bei seiner Wahl durch den Allgemeinen Pastorenkonvent bestimmt und von der Allgemeinen Synode bestätigt [… bei seiner Wahl durch die Allgemeine Synode bestimmt]. § 20 a) Die Aufgabe der Kirchenleitung ist die allgemeine Leitung und Verwaltung des gesamten Kirchenwesens der LuKiSA. Sie ist der Allgemeinen Synode verantwortlich. Der Bischof wacht zusammen mit der Kirchenleitung über das geistliche Leben der Kirche, die Reinheit der Lehre, die Einhaltung der kirchlichen Ordnungen sowie über die Durchführung der Synodalbeschlüsse. Die Kirchenleitung kann in jeder Gemeinde nicht nur auf Anträge und Beschwerden hin handeln, sondern auch erforderlichenfalls von sich aus eingreifen. b) Über ihre gesamte Tätigkeit hat die Kirchenleitung Rechenschaft abzulegen durch einen Rechenschaftsbericht des Bischofs vor der Allgemeinen Synode [Dieser Satz (b) folgt erst auf Satz (e); hier tritt an seine Stelle folgende neue Bestimmung: Die Kirchenleitung ernennt Kirchendiener und stellt andere Bedienstete an. Es leitet Kolloquien mit Pastoren anderer Kirchen, die sich der LuKiSA anschließen wollen. Es hat auch das Recht, Kirchendiener und andere Bedienstete zu suspendieren und zu entlassen. Weitere Einzelbestimmungen hinsichtlich des Disziplinarverfahrens gegenüber Kirchendienern und anderen Bediensteten werden von der Allgemeinen Synode beschlossen]. c) Zur Aufgabe der Kirchenleitung gehört die Aufsicht über die finanziellen Verhältnisse der Gesamtkirche, ferner die Festlegung der Gehälter für alle Angestellten der Kirche, Emeriten und deren Witwen im Rahmen der Beschlüsse der Allgemeinen Synode und die Bestimmung der Höhe der an die Kirchenkasse abzuführenden Beträge aus den Gemeinden. d) Die Kirchenleitung ist in ihrem gesamten Handeln gebunden an die Heilige Schrift und die Lutherischen Bekenntnisschriften. Außerdem sind für sie maßgebend die Verfassung und die Ordnungen der Kirche sowie die Beschlüsse der Allgemeinen Synode. e) Die Kirchenleitung strebt bei allen Entscheidungen Einmütigkeit an. Gelingt dies nicht, so muß die Beschlußfassung zurückgestellt werden bis zur nächsten Sitzung. Wird auch dann keine Einmütigkeit erzielt, so gilt Stimmenmehrheit, bei Stimmengleichheit die Stimme des Bischofs. Ist die Angelegenheit so vordringlich, daß die Entscheidung nicht verschoben werden kann, so trifft der Bischof eine vorläufige Regelung, die später von der Kirchenleitung bestätigt wird oder der Allgemeinen Synode zur Entscheidung vorgelegt werden muß. Weitere Einzelbestimmungen über das Amt des Bischofs und seine Aufgaben werden von der Allgemeinen Synode in einer besonderen Ordnung festgelegt.
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§ 21 Alle den Kultus und die Ordnung der Kirche betreffenden Vorlagen bedürfen vor ihrer Annahme durch die Allgemeine Synode der Befürwortung [der Information aller Gemeinden] durch den Allgemeinen Pastorenkonvent. Aufnahme von Lehrverhandlungen über Aufrichtung von Kirchengemeinschaft mit anderen Kirchen bedarf der vorhergehenden Beratung der Kirchenleitung mit dem Allgemeinen Pastorenkonvent. Über alle diesbezüglichen von der Kirchenleitung erarbeiteten Vorlagen und Erklärungen entscheidet die Allgemeine Synode, nachdem sie vom Allgemeinen Pastorenkonvent befürwortet worden sind. § 22 Der Bischof hat [nach Beratung mit der Kirchenleitung] das Recht, Entscheidungen und Beschlüsse der beschlußfassenden Gremien bis zu den nächsten Versammlungen bzw. Sitzungen zurückzustellen, wenn damit wichtige und schwerwiegende theologische Fragen verbunden sind, die einer weiteren Beratung bedürfen, bevor eine endgültige Entscheidung getroffen werden kann. § 23 Schriftliche Erklärungen der LuKiSA sind vom Bischof oder durch einen von ihm Bevollmächtigten zu zeichnen und mit dem Kirchensiegel zu versehen. § 24 Die Kirchenleitung vertritt durch den Bischof oder durch eine von ihm dafür autorisierte Person die gesamte LuKiSA in allen Angelegenheiten nach außen hin, und zwar sowohl gegenüber anderen Kirchen als auch gegenüber den Behörden und Gerichten des Landes. § 25 Sitz der Kirchenleitung der LuKiSA ist [soll jederzeit] der jeweilige Amtssitz des Bischofs [sein]. [Es folgen weitere Bestimmungen bezüglich etwaiger Rechtsverfahren.]
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B.
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Die Allgemeine Synode
§ 26 a) Die Allgemeine Synode ist die beschlußfähige Versammlung der Gesamtkirche. Sie hat das Recht der kirchlichen Gesetzgebung im Rahmen der vorliegenden Verfassung. b) Mitglieder der Allgemeinen Synode sind: 1. der Bischof der Kirche; 2. die übrigen Mitglieder der Kirchenleitung; 3. sämtliche Pastoren der Kirche; 4. die Lehrer am Theologischen Seminar; 5. die Laienvertreter der Parochien; sie werden von den Gemeindeversammlungen ihrer Parochien auf Vorschlag der Gemeindeleitung gewählt. In der Regel entsendet jede Parochie einen Vertreter. In besonderen Fällen können einer Parochie weitere Vertreter von der Kirchenleitung zugestanden werden. 6. Sechs bis zehn Männer, die zusätzlich von der Kirchenleitung direkt berufen werden können. c) Die Allgemeine Synode wird vom Bischof einberufen und geleitet. Sie tritt zusammen zu der von der letzten Allgemeinen Synode bestimmten Zeit, außerdem so oft es die Kirchenleitung für nötig hält, oder wenn die Einberufung einer außerordentlichen Synode von mehr als der Hälfte der Parochien beantragt wird. [Die Allgemeine Synode wählt aus der Mitte der Synodalen ihren Vorsitzenden und zwei Beisitzer. Bis zur Wahl des Vorsitzenden leitet der Bischof die Synode. Der Bischof ist berechtigt, das Wort zu ergreifen, wann immer es ihm erforderlich erscheint.] d) Die Allgemeine Synode faßt ihre Beschlüsse mit Stimmenmehrheit; sie ist für alle Beschlüsse an das Wort Gottes, die Lutherischen Bekenntnisschriften und an die Verfassung der Kirche gebunden. e) Die Kirchenleitung hat von ihrer gesamten Tätigkeit der Allgemeinen Synode Rechenschaft abzulegen durch einen Bericht des Bischofs [„durch … Bischofs“ entfällt] über die Durchführung aller wichtigen Synodalbeschlüsse, über sonstige Entscheidungen der Kirchenleitung und besondere Vorkommnisse in den Gemeinden. Auch wird ihr die Abrechnung der von der Kirchenleitung verwalteten Kirchenkasse zur Revision vorgelegt. f) Die Beschlüsse der Allgemeinen Synode treten nach Veröffentlichung durch die Kirchenleitung in Kraft. Pastoren und Gemeinden sind verpflichtet, die von der Allgemeinen Synode gefaßten Beschlüsse anzunehmen und für ihre Durchführung Sorge zu tragen. Die Kirchenleitung ist an die von der Allgemeinen Synode gefaßten Beschlüsse gebunden.
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Allgemeine Schlußbestimmungen Die Paragraphen 2 und 3 dieser Verfassung sind in dem Sinne festgelegt, daß weder sie noch diese Bestimmung jemals geändert, ergänzt oder eingeschränkt werden dürfen. Alle nötig werdenden Änderungen, Zusätze oder Einschränkungen dieser Verfassung sollen im Geist der vorliegenden Verfassung abgefaßt werden. Nach Begutachtung durch den Allgemeinen Pastorenkonvent entscheidet die Allgemeine Synode über ihre Annahme. Alle anderen notwendig werdenden Ordnungen sollen im Rahmen dieser Verfassung aufgestellt werden. Über die Auslegung dieser Verfassung entscheidet die Kirchenleitung. Die vorstehende Verfassung der Lutherischen Kirche im Südlichen Afrika wurde in ihrer Synodalversammlung am 31. März 1967 zu Roodepoort/Ventersdorp, Transvaal, angenommen [Neufassung: Die vorstehende Verfassung der Lutherischen Kirche im Südlichen Afrika wurde von der Allgemeinen Kirchensynode, die in Roodepoort/Ventersdorp, Transvaal, am 3. und 4. Dezember 1993 stattfand, angenommen. Sie ersetzt die frühere Verfassung, die von der Allgemeinen Kirchensynode, die in Roodepoort/Ventersdorp, Transvaal, vom 31. März bis zum 2. April 1967 stattfand, angenommen worden war].
Missionare vor der Aussendung, von links: Wilhelm Weber sen., Kurt-Günter Tiedemann, Friedrich Wilhelm Hopf, Frans Segoe, Fritz-Adolf Häfner, Isachar Dube, Ernst-August Albers, Aufnahme: 1967 in Bleckmar.
173. Friedrich Wilhelm Hopf: Versuch einer eigenen Stellungnahme (1979)* 1. Wir sind gefragt, ob wir den Widerstand gegen das Apartheidsystem selbst mit allen seinen Folgen und Auswirkungen anerkennen müssen als einen gerechten *
Friedrich Wilhelm Hopf, Lutherische Mitverantwortung für das christliche Zeugnis im Südlichen Afrika, Erlangen 1979, 43–45.
Friedrich Wilhelm Hopf: Versuch einer eigenen Stellungnahme
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Widerstand, der unbedingt nötig und durchaus möglich ist. Eine solche Anerkennung des Widerstandes setzt die klare Erkenntnis voraus, daß das in Südafrika herrschende System grundsätzlich und praktisch zu einer Tyrannis geworden ist und seine Gewalt tyrannisch mißbraucht. 2. Unter dieser Voraussetzung muß ein revolutionärer Aufbruch gegen das Apartheidsystem mit dem Ziel seiner Beseitigung als ein Gericht Gottes klar erkannt und eindeutig bezeugt werden. Die Kirche wird dies Gericht Gottes einerseits als ein gerechtes Gericht bezeugen, sie wird andererseits sich selbst mit ihren Gliedern sowie mit allen davon direkt Bedrohten und Betroffenen darunter beugen. 3. Es ist jedoch der Kirche verwehrt, sich zum Gerichtsvollzieher Gottes zu machen. Sie darf auch nicht andere dazu aufrufen, Gottes Gerichte zu vollstrecken. 4. Trotz ihres Verzichtes auf eine aktive Teilnahme an einer berechtigten Revolution darf die Kirche keinen Zweifel darüber aufkommen lassen, daß sie für alle Bedrückten und Bedrohten eintritt, sowohl für die durch eine Tyrannis Betroffenen, die nun rebellieren, wie für die durch den Aufbruch revolutionärer Gewalten Bedrängten. 5. Auch ein berechtigter und notwendiger Widerstand mit schweren revolutionären Folgen stellt alle dafür Verantwortlichen und alle daran Beteiligten unter das ihnen selbst drohende Gericht Gottes wie unter die Verheißung seiner rettenden und heilenden Gnade. 6. Lutherische Mitverantwortung für das christliche Zeugnis in Südafrika erstreckt sich auch auf eine Mitverantwortung für die Existenz der Weißen in diesem Lande und für ihre Zukunft. Die zur Zeit vordringlich geforderte Solidarität mit den Schwarzen in ihrem Ringen um Recht und Freiheit darf nicht daran hindern, die Sorgen und Ängste der Weißen ernst zu nehmen und ihnen zum Verständnis für die notwendige totale Veränderung der Verhältnisse zu helfen. 7. Der oft laut gewordene Ruf nach wirklicher Versöhnung zwischen Schwarzen und Weißen im Südlichen Afrika bleibt in seiner Glaubwürdigkeit und Auswirkung wesentlich davon abhängig, daß die schweren Belastungen und Behinderungen echter Versöhnung beseitigt werden, daß offenkundige Schuld erkannt, bekannt und vergeben wird, daß es zu einem Neuanfang im Vertrauen auf Gottes Barmherzigkeit kommt. Die Kirche Jesu Christi in allen ihren Gemeinden und in ihren einzelnen Gliedern steht unter der Verheißung ihres Herrn, sich zu beweisen und zu bewähren als „Stadt auf dem Berge“, als „Licht der Welt“, als „Salz der Erde“. Wenn aber das Salz salzlos wird, taugt es zu nichts mehr, als weggeworfen und von den Leuten zertreten zu werden (Matth. 5,13). Überblickt man die Gesamtlage im Südlichen Afrika unter dem Gesichtspunkt lutherischer Mitverantwortung für das christliche Zeugnis unter den Völkern dieses Subkontinents, so gerät man immer wieder unter den lähmenden Druck einer gewissen Ratlosigkeit und Ausweglosigkeit. Es ist leicht, sich zu distanzieren von
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gewissen unbiblischen und deshalb auch unlutherischen Äußerungen mancher Ökumeniker oder Befreiungstheologen. Und doch ist diese sicher notwendige Distanzierung nur dann sinnvoll, wenn wir Lutheraner für die schwarzen Völker Südafrikas ein besseres, biblisch einwandfrei begründetes aktuelles Wort haben. Ein Wort, das an ihren Nöten nicht vorbeiredet, sondern auf ihre Fragen und Klagen konkret eingeht, das vor allem aber auf ihren Schrei nach Befreiung direkt antwortet. Es wird uns Lutheranern nicht schwer fallen, schwärmerischen Erwartungen und utopischen Hoffnungen auf die Zukunft von „Azania“ zu widerstehen. Es wird uns vielleicht sogar gelingen, unsere schwarzen lutherischen Brüder zu ermutigen zu eigener Kritik an afrikanisch-nationalistischen Verfälschungen des Evangeliums. Mitteilungen über unser entschiedenes Nein zu pseudolutherischen Irrwegen in Deutschland könnten dabei hilfreich sein. Bei aller tiefen Sympathie für die Freiheitsforderungen der schwarzen Völker können wir nach unseren eigenen Erfahrungen niemals verschweigen, daß auch eine wirkliche Befreiung unterdrückter Völker noch keineswegs gleichbedeutend ist mit einer echten Freiheit der Kirche und ihrer Verkündigung. Was bisher in Südafrika geschehen ist oder unterlassen wurde, wird aller Voraussicht nach auch die Kirche von morgen und übermorgen auf einen Kreuzesweg zwingen, soweit sie nicht überhaupt in ihrer äußeren Gestalt von den Mächten dieser Welt zerschlagen und überwalzt werden wird. Aber von Einsichten dieser Art können wir gar nicht demütig und bescheiden genug sprechen. Jedenfalls dürfen wir niemals den Anschein erwecken, als wollten wir mit solchen Hinweisen bei unseren schwarzen Brüdern die alte Bevormundung nun in neuer Weise fortsetzen. Und doch sollen uns auch besorgt-resignierende Prognosen nicht davon abhalten, unsere Mitverantwortung für Südafrika getrost wahrzunehmen – in der Mission unter Schwarzen, Farbigen, Indern und Weißen, aber nicht weniger entschieden im Ringen um das gesamtchristliche Zeugnis angesichts der aktuellen politischen Entwicklung. Gott schenke uns Lutheranern bei unserem Beitrag zu diesem Zeugnis einen echten Zusammenklang mit dem Christuszeugnis vieler von uns getrennter Christen und Kirchen, deren falsche Lehren wir weiterhin verwerfen, ohne dabei zu vergessen, daß unser Herr Christus auch unter ihnen sein Volk hat und sich seine Zeugen erweckt.
Missionsleitung zum Rassismus, vom 4.12.1986
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174. Stellungnahme der Missionsleitung zum Rassismus, vom 4.12.1986* 1.
Rassismus
Im „Neuen Brockhaus“ wird Rassismus wie folgt definiert: Rassismus ist ein Schlagwort für eine Haltung, bei der Menschen einer Rasse die Angehörigen anderer Rassen als minderwertig ansehen; damit ist regelmäßig der Glaube an die Überlegenheit der eigenen Rasse verbunden. Bei den vom Rassismus betroffenen Gruppen ergibt sich als Reaktion oft ein gesteigertes Solidaritätsgefühl, das sich unter Umständen seinerseits zu einer Art von Rassismus entwickeln kann (Zitat gekürzt). Die Heilige Schrift kennt keinen Rassismus dieser Art. Die besondere Heraushebung Israels zum Beispiel ist nicht auf rassistisches Denken dieses Volkes zurückzuführen, sondern auf seine Erwählung durch ihren Gott Jahwe. Die von den Noah-Söhnen abgeleitete Rasseneinteilung ist längst von Wissenschaftlern und Theologen, selbst in „regierungsnahen“ Kirchen Südafrikas, als falsch erkannt worden. Zumindest läßt sich von hier aus kein „gottgewollter Rassismus“ ableiten. Auch im Neuen Testament ist keine rassistische Haltung zu entdecken. Im Gegenteil gibt es Anzeichen genug dafür, daß völkische und rassische Grenzen wie selbstverständlich aufgehoben werden. Die Liebe zum eigenen Volk, zum eigenen Volkstum, zur eigenen Kultur, zur eigenen Sprache usw., die auch andere Völker, Volkstümer, Kulturen und Sprachen achten kann und achten muß, ist nicht schon Rassismus. Aufgrund der drei Artikel des Apostolischen Glaubensbekenntnisses wird vollends deutlich, dass Rassismus Sünde ist: a) Er ist gegen den ersten Glaubensartikel, weil er mit der Herabsetzung eines Mitglieds einer anderen Rasse, das genauso Geschöpf Gottes ist, den gemeinsamen Schöpfer trifft. Mit der Verachtung eines Teils seiner Schöpfung wird auch der Schöpfer getroffen. b) Er ist gegen den zweiten Glaubensartikel von der Erlösung, die durch Jesus Christus allen Menschen zuteil wurde und damit Ländergrenzen und Rassegrenzen überschreitet. Ausschluß anderer Rasseangehöriger von der Erlösung Jesu Christi verkürzt in unzulässiger Weise sein Heilswerk. c) Er ist gegen den dritten Glaubensartikel, weil er die „Eine Heilige Christliche Kirche“, die Katholizität der Kirche, einschränkt oder allein auf die Ewigkeit als jenseitiges Leben „lokalisiert“. Auch die Wirksamkeit des Heiligen Geistes, schon im Neuen Testament auf die Heiden ausgegossen, wird durch den Rassismus bei Mitgliedern anderer Rassen als „weniger wertvoll“ eingestuft und damit auch die Wirksamkeit des Heiligen Geistes diskriminiert. Rassismus, gleich wann, wo und von wem er geübt wird, ist daher ohne Zweifel *
Missionsblatt. Mission Ev.-Luth. Freikirchen 79, Bleckmar 1987, 149–151.
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Sünde. Von daher sind wir der Überzeugung, daß lutherische Pastoren aller Völker und Rassen, die auf die Heilige Schrift und das Bekenntnis verpflichtet sind, jeden Rassismus als Sünde ansehen müssen, wenn sie das „in qua evangelium recte docetur“ (CA VII) („in welcher das Evangelium rein verkündigt wird“) als Bekenntnisverpflichtung ernstnehmen. 2.
Apartheid
Apartheid ist nicht in jedem Fall mit Rassismus identisch. Es ist daher nicht erlaubt, beide Begriffe von vornherein als identisch anzusehen und zu benutzen. Apartheid heißt bekanntlich „Trennung“ und ist die in der Republik Südafrika bereits vor 1947 praktizierte, seit 1948 aber institutionalisierte Trennung der verschiedenen Rassen. Seit 1960 heißt die damit verbundene Sache „getrennte Entwicklung“. Soweit Apartheid von Regierungsvertretern und sonstigen weißen und schwarzen Einwohnern unter rassistischen Motiven (siehe oben!) gesehen wird, ist auch Apartheid Sünde. Es gibt aber auch Auffassungen, die in manchen Apartheidsgesetzen Schutzfunktionen für die verschiedenen schwarzen Völker erhofften und auch heute noch erhoffen. Zum Beispiel würde in einem deckungsgleichen Schulsystem der Weißen und der Schwarzen in Südafrika mit den gleichen Anforderungen und Zielsetzungen die Kultur, Sprache und Kunst des jeweiligen schwarzen Volkes zur kurz kommen müssen und schließlich verlorengehen. Den schwarzen Völkern würden europäische Kultur, Sprache, Lebensauffassungen usw. aufgestülpt. – Oder die Tatsache, daß weithin die Wohngebiete für die verschiedenen Rassen getrennt sind, dient nicht nur dazu, Reibungen zwischen den verschiedenen Rassen und Völkern zu reduzieren zu wollen, sondern auch, um die ärmeren Schwarzen mit ihrem Stammesland und Eigentum vor dem Ausverkauf an die oft reicheren Weißen zu bewahren. Wenn Apartheidsgesetze daher nachweislich uneigennützig zum Wohle vielleicht einer sich noch unterentwickelten Gesellschaft erfolgen, nämlich die der Schwarzen, dann wäre es falsch, Apartheid als Sünde gebrandmarkt zu haben. Es müssen also im einzelnen die „Auswirkungen“ der „Apartheid“ und die Motive der „Apartheid“ für ihre Ablehnung, Duldung oder gar Förderung maßgeblich sein. Zu einer generellen undifferenzierten, pauschalen Verurteilung einer ungenau beschriebenen Apartheid mögen wir uns nicht verstehen. Aus diesem Grund kann Apartheid nur insoweit als Sünde bezeichnet werden, als sie von rassistischen, das heißt auch ausbeuterischen Motiven ausgeht oder in solche Motive abgleitet. Wie in jeder Regierungsform und in jedem Regierungsprogramm kann der Teufel zunächst gute Absichten ins Gegenteil verkehren und zur Schuld werden lassen. Auf den bisher skizzierten Grundlagen ist auch das Verhältnis unserer beiden Partnerkirchen im südlichen Afrika, der Freien Evangelisch-Lutherischen Synode
Stellungnahme der Theologischen Kommission zum Rassismus
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in Südafrika (FELSISA) und der Lutherischen Kirche im südlichen Afrika (LUKISA) zu sehen und zu beurteilen. Wo aus rassistischen Gründen die formal bestehende Kirchengemeinschaft nicht praktiziert wird, wäre auch dieses Verhalten Schuld vor Gott. Wo aber zum Beispiel die Muttersprachen den Glauben, das Beten und den Lobgesang bestimmen, wäre es eine Verarmung des Glaubenslebens, wenn es zur Regel oder zum Zwang gemacht würde, zu Gottesdiensten gehen zu müssen, bei denen man sprachlich nichts versteht oder sich von den fremden Glaubensäußerungen nicht angesprochen weiß. Wir bitten alle nicht-rassistisch eingestellten Christen beider Partnerkirchen darum, auch die nötige christliche Bruderliebe zu praktizieren, ohne zu provozieren und ohne sich provoziert zu fühlen. Unter Berufung auf die Rücksichtnahme auf einige „Schwache“ in der jeweiligen Gemeinde sollte nicht der Weg zum gegenseitigen Verstehen beider Kirche blockiert werden. Die „Schwachen“ dürfen nicht die übrige Gemeinde dominieren und blockieren. Sonst würden sie keine Schwachen mehr sein. Wir wissen, daß hier viele Pastoren und Gemeindeglieder der FELSISA auf einem Weg sind, der unsere Zurechtweisung nicht bedarf. Wir wissen aber auch, daß in der kirchlichen Verkündigung zwar keine politischen Fragen politisch behandelt werden dürfen – wer wollte dieses zur Auflage machen? –, aber auch hier Buße und Vergebung, Gesetz und Evangelium, so gepredigt wird, daß die Sünder angesprochen werden. Es liegt allerdings weder in Südafrika noch in Deutschland, weder bei Schwarz noch bei Weiß, in der Macht der Diener der Kirche, die Sünde auszurotten und den Sünder mit Gewalt zu ändern. Seit Adams Fall gibt es keine heile Welt mehr, nicht bei uns und nicht in Südafrika.
175. Stellungnahme der Theologischen Kommission zum Rassismus, vom 10.3.1987* 1. „Rasse“ ist ein Begriff der biologischen Anthropologie, der sich im 19. Jahrhundert im Zuge eines naturwissenschaftlichen Menschenbildes eingebürgert und unheilvoll ausgewirkt hat. Er hat kein Äquivalent in der biblischen Sprache und ist christlichem Denken wesensfremd. Auch Gen. 11,8, Deut. 32,8 und Act. 17,26 können nicht zur theologischen Rechtfertigung eines Rasse-Denkens dienen, weil die Völker dort nicht zur Wahrung irgendwelcher werthaften Besonderheiten oder Identitäten aufgeteilt werden. 2. Zur Rassebestimmung werden nicht nur biologische Faktoren herangezogen, sondern auch soziologische, kulturelle, sprachliche und soziale Faktoren. So sehr diese positiv gewürdigt werden können, so sehr können sich auch rassistische Bestrebungen hinter dem Ruf nach Wahrung entsprechender eigener Identität verbergen. Die Bejahung solcher eigenen Identität darf aber nicht nur *
Missionsblatt. Mission Ev.-Luth. Freikirchen 79, Bleckmar 1987, 151–153.
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3.
4.
5.
6.
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theologischen Legitimierung rassistischer Abgrenzung verwendet werden. Es wiegt deshalb besonders schwer, daß die südafrikanische Apartheidspolitik mit christlichem Anspruch auftritt. Nicht grundsätzlich anders als der Rassismus sind andere Formen, den eigenen Sozialverband mit einem besonderen Wertanspruch zu versehen, zu beurteilen wie Ethnozentrismus, Tribalismus oder Nationalismus. Die Aufteilung der Menschen nach Rassen ist ethisch überaus gefährlich, weil sie trotz gegenteiliger Beteuerungen leicht zu Wertungen führt und damit sowohl zu rassischer Diskriminierung anderer Volksgruppen als auch zu stolzer Selbstüberschätzung der eigenen Volksgruppe. Besonders folgenschwer ist die Institutionalisierung der Rassentrennung und ihre Verquickung mit Recht und Macht des Staates. Obwohl unsere kirchliche Tradition sich dem Einfluß des neuzeitlichen Menschenbildes widersetzen wollte, ist sie ihm doch wiederholt erlegen. Eine biblische Begründung rassistischer Vorurteile wurde mit Gen. 9,25 in exegetisch unzulässiger Weiser versucht (zum Beispiel: A. Vilmar, Collegium Biblicum AT I, Neue Ausgabe 1891, Seite 92, oder: G. Stöckhardt, Die biblische Geschichte des AT, 1896, Seite 15), obwohl Luther gerade die historische Unverrechenbarkeit dieses Fluches Noahs betont und zu einer von Glauben getragenen Sicht angeleitet hatte (W² I, Spalten 642 bis 644). Die Wirkungsspuren der modernistischen Interpretation lassen sich deutlich verfolgen und sind für die Geschichte unserer südafrikanischen Schwesterkirche keineswegs unerheblich. Heute sollte dieser Weg des Schriftbeweises ausgeschlossen sein. Mit dem Ende des kolonialen Zeitalters fehlt ihm auch seine historische Plausibilität. Aufgabe der Kirche ist es, durch Predigt und Unterweisung die Gewissen der Gemeinden und der Öffentlichkeit zu schärfen zur Sensibilität gegenüber solcher Entehrung anderer Menschen, zumal sie nur zu leicht und bald auch deren physische Existenz bedrohen kann. Christen sollten Mitmenschen, die unter solcher Diskriminierung leiden müssen, mit Gottes Wort trösten und sie durch Zeichen eigener Solidarität mit ihnen in ihrem Wertgefühl stärken, zugleich auch alle Wege unterstützen, die, ohne neues Unrecht an die Stelle zu setzen, strukturelle Verfestigungen solcher Vorurteile überwinden helfen. Kirchenglieder haben hier ihren Beitrag zu leisten aufgrund ihrer jeweiligen besonderen gesellschaftlichen Aufgabe und Verantwortung. Dabei ist zu beachten, dass rassistische Erscheinungen sich heute weltweit in allen gesellschaftlichen Systemen finden. In der Kirche und in den christlichen Gemeinden darf es Trennungen nach rassischen Gesichtpunkten nicht geben. Hier sind die freilich auf religiöse (heilsgeschichtliche) Differenzierungen bezogenen apostolischen Worte (Gal. 2, 12 bis 14; 3, 28; 1. Kor. 12, 13; Kol. 3, 11; Eph. 2, 14 bis 18) sachgemäß anzuwenden. Die Mahnung, Rücksicht auf die Schwachen im Glauben zu nehmen (Röm. 14; 1. Kor. 8) darf nicht als Alibi mißbraucht werden, Rassenvorurteile,
„Frankfurter Erklärung“
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die der biblischen Betrachtung des Menschen entgegenstehen, faktisch gelten zu lassen, geschweige denn, sie gar zu stützen. Andererseits ist sehr sorgfältig zu prüfen, ob in einer bestimmten Situation ein besonderes Zeugnis kirchlicher Gemeinschaft über Sprach-, Kultur- und Volksgrenzen hinweg nötig ist, oder auch die andere Frage, ob aus seelsorgerlichen Gründen dort, wo Menschen unterschiedlicher Volkszugehörigkeit einen gemeinsamen Lebensraum teilen, auch besondere Gottesdienste und kirchliche Veranstaltungen für die verschiedenen soziokulturellen Gruppen wichtig sind. (3 ausführliche Anmerkungen folgen)
176. Vertreter der Evangelisch-Lutherischen Freikirchen haben sich der „Frankfurter Erklärung“ mit folgender Zusatzerklärung angeschlossen (1970)* Die „Frankfurter Erklärung zur Grundlagenkrise der Mission“ vom 4. März 1970 findet unsere Zustimmung sowohl als klares, biblisch begründetes Zeugnis wie auch besonders in ihren eindeutigen Verwerfungen. Zur Abwehr jeglicher Unklarheit ist jedoch vom Boden einer bekenntnisgebundenen lutherischen Kirchenmission ein dreifacher Hinweis nötig: 1. Die Zustimmung zu einem Wort „schrift- und bekenntnisgebundener Theologen“ verpflichtet uns zugleich auszusprechen, daß wir an die Bekenntnisse der Evangelisch-Lutherischen Kirche gebunden sind, weil sie das geoffenbarte Gotteswort der Heiligen Schrift richtig auslegen und mit der Verwerfung der Gegenlehren auch die Grenzen gemeinsamen Bekennens in Kirche und Mission bestimmen. 2. Verkündigung und Frohbotschaft von Jesus Christus in der ganzen Welt zur Rettung aller Menschen und zu einem Zeugnis über alle Völker entspricht nur dann dem Auftrag des Herrn der Kirche, wenn es dabei um das reine Evangelium in einmütiger Bezeugung geht. Dieser Maßstab nötigt dazu, die heutige Ökumenische Bewegung nicht erst in ihren Folgeerscheinungen zu kritisieren, sondern ihre eigenen Voraussetzungen in Frage zu stellen. 3. Die Hoffnung auf die sichtbare Vollendung der Königsherrschaft Jesu Christi und auf die letzte Enthüllung seines Sieges über die Mächte der Finsternis darf niemals verwechselt werden mit der schwärmerischen Erwartung eines tausendjährigen Friedensreiches auf Erden innerhalb dieser Weltzeit. 3041 Bleckmar, am 31. März 1970 Friedrich Wilhelm Hopf, Bleckmar: Pfarrer und Missionsinspektor, Leiter des Missionsseminars Evang.-Luth. Freikirchen *
Lutherischer Rundblick 18 (1970), 161–162. Dort auch die „Frankfurter Erklärung zur Grundlagenkrise der Mission“, 157–161.
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Mission
Prof. Dr. Hartmut Günther, Oberursel Dozent Pastor Gottfried Hoffmann, Oberursel Prof. W.M. Oesch DD., Oberursel Prof. Dr. Manfred Roensch, Oberursel
177. [146.] Aus der Grundordnung der Selbständigen EvangelischLutherischen Kirche: Artikel 8: Mission und Diakonie (1972)*1 1. Die missionarischen und diakonischen Werke sind – ungeachtet ihrer Rechtsform – durch den Auftrag Gottes geforderte Lebensäußerungen der Kirche und ihrer Gemeinden. 2. Diese treiben das Werk der äußeren Mission, wie es ihnen besonders in der Mission Evangelisch-Lutherischer Freikirchen anvertraut ist. Sie sind volksmissionarisch tätig und wissen sich verantwortlich für die diakonischen Werke im Bereich der Selbständigen Evangelisch-Lutherischen Kirche.
178. [147.] Ordnung für die Mission evangelisch-lutherischer Freikirchen (Bleckmarer Mission) (1973)*2 §1 Die Mission Evangelisch-Lutherischer Freikirchen (Bleckmarer Mission) betreibt Heidenmission als ein gemeinsames Kirchenwerk selbständiger evangelischlutherischer Kirchen und setzt damit die seit 1892 bestehende Mission der Hannoverschen evangelisch-lutherischen Freikirche fort. Sie sucht diese Aufgabe zu erfüllen durch die Ausbildung, Aussendung und Unterhaltung lutherischer Missionare und anderer Mitarbeiter, deren Einsatz der missionarische und diakonische Auftrag der Kirche erforderlich macht. §2 1. Die Mission Evangelisch-Lutherischer Freikirchen (Bleckmarer Mission) ist insonderheit das Missionswerk der Selbständigen Evangelisch-Lutherischen Kirche, die in der Mission gemäß Artikel 8 ihrer Grundordnung eine durch den Auftrag Gottes geforderte Lebensäußerung der Kirche und ihrer Gemeinden sieht. *1 Gerhard Rost (Hg.), Ordnungen für die Evangelisch-lutherische (altluth.) Kirche, o. O., o. J., 148. *2 Armin Zielke (Hg.), Ordnungen für die Selbständige Evangelisch-Lutherische Kirche, o. O. 21984, 210.1–4.
Mission evangelisch-lutherischer Freikirchen (Bleckmarer Mission)
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2. Demgemäß wirken die Organe der Gesamtkirche und ihrer Kirchenbezirke sowie die Gemeinden in der Mission zusammen. 3. Die Zusammenarbeit mit anderen an der gemeinsamen Verantwortung beteiligten Kirchen erfolgt nach besonderer Regelung. 4. Insbesondere gilt dies für die Zusammenarbeit mit der Freien Ev.-Luth. Synode in Südafrika, die an dem gemeinsamen Missionswerk seit 1892 als an ihrer Kirchenmission beteiligt ist. Ihre Vertreter gehören dem Missionsbeirat in Südafrika an. 5. Auch die aus der Missionsarbeit hervorgegangene Lutherische Kirche im Südlichen Afrika gilt als eine an der gemeinsamen Verantwortung beteiligte Kirche. Die Zusammenarbeit mit ihr erfolgt im Rahmen einer „Vereinbarung“. 6. Für die Zusammenarbeit mit anderen Kirchen in Europa, wie der Eglise Evangélique Lutherienne-Synode de France et de Belgique, kann mit ihnen vereinbart werden, daß sie bis zu zwei Vertretern in das Missionskollegium entsenden und gegebenenfalls an den Beratungen der Missionsleitung beteiligt werden. §3 Für jede verantwortliche Mitarbeit in allen Organen der Mission sollen Liebe zum Werk der Mission und eine besondere Eignung maßgebend sein. §4 1. Die Missionsleitung vertritt die Mission nach innen und außen. 2. Zu ihren Aufgaben gehören insbesondere: a) die Verantwortung für die Ausbildung der künftigen Missionare, b) die Annahme von Seminaristen, Studenten und Kandidaten, die sich für den Dienst in der Mission melden, c) die Aussendung von Missionaren und anderen Mitarbeitern, d) die Bestimmung der Missionsgebiete, e) die Förderung des Missionslebens in den Kirchen und Gemeinden, f) die Berufung haupt- und nebenamtlicher Mitarbeiter der Missionsanstalt Bleckmar einschließlich der Lehrkräfte am Missionsseminar, g) die Verwaltung der Finanzen und des Vermögens in Zusammenarbeit mit dem Finanzbeirat, h) die Ausübung von Rechten und Pflichten eines Dienstherrn. 3. Die Missionsleitung arbeitet in allen wichtigen Fragen eng mit der Kirchenleitung der Selbständigen Evangelisch-Lutherischen Kirche zusammen. Insbesondere gilt das für wichtige Personalentscheidungen, die das Missionsseminar Bleckmar betreffen. In die Prüfungskommission wird ein Mitglied der Kirchenleitung entsandt.
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Mission
§5 1. Die Missionsleitung wird gebildet von a) einem von dem Missionskollegium und der Missionsleitung in gemeinsamer Sitzung gewählten Pastor der SELK als Vorsitzendem, b) je einem Vertreter aus jedem Sprengel der Selbständigen EvangelischLutherischen Kirche, die von dem zuständigen Propst nach Beratung mit den Leitungen der Kirchenbezirke seines Sprengels bestimmt werden, c) einem Mitglied der Kirchenleitung der SELK, d) dem Missionsdirektor, e) dem Rechnungsführer der Mission. 2. Die unter (1) a, b und e genannten Mitglieder der Missionsleitung werden für 6 Jahre beauftragt, erneute Beauftragung ist zulässig. 3. Der Vorsitzende führt den Vorsitz in der Missionsleitung und im Missionskollegium, er beruft die Sitzungen ein. Er soll Vorsitzender des eingetragenen Vereins „Mission Evangelisch-Lutherischer Freikirchen e.V.“ sein und vertritt die Mission auch gegenüber der Kirchenleitung und dem Missionsdirektor. §6 1. Das Missionskollegium nimmt die Aufsichtsfunktion gegenüber der Missionsleitung wahr. Es pflegt darüberhinaus die Verbindung mit den Bezirken und Gemeinden. 2. Das Missionskollegium hat eingehend den Bericht, den der Missionsdirektor im Auftrage der Missionsleitung über Lage und Entwicklung in der Mission erstattet, zu beraten. 3. Das Missionskollegium kann Richtlinien für die Tätigkeit der Missionsleitung festlegen. Es ist gehalten, bei schwerwiegenden Fragen eine Stellungnahme der Kirche herbeizuführen. 4. Das Missionskollegium wählt nach einer zu erstellenden Wahlordnung in gemeinsamer Sitzung mit der Missionsleitung einen Pastor zum Missionsdirektor. Der Gewählte bedarf der Bestätigung durch die Kirchenleitung der Selbständigen Evangelisch-Lutherischen Kirche. 5. Das Missionskollegium und die Missionsleitung wählen ebenso auch den Rechnungsführer. 6. Das Missionskollegium verabschiedet den Haushaltsplan; es nimmt die Jahresrechnung entgegen und erteilt dem Rechnungsführer Entlastung. §7 1. Das Missionskollegium wird gebildet: a) von dem Kollegium der Superintendenten der Selbständigen EvangelischLutherischen Kirche,
Mission evangelisch-lutherischer Freikirchen (Bleckmarer Mission)
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b) von je einem Vertreter aus jedem Kirchenbezirk, c) von gegebenenfalls bis zu je zwei Vertretern der Kirchen, die die Mission Evangelisch-Lutherischer Freikirchen als ihre Kirchenmission mittragen. 2. Die Beauftragung der Mitglieder des Missionskollegiums erfolgt auf die Dauer von 6 Jahren, erneute Beauftragung ist zulässig. 3. Den Vorsitz im Missionskollegium führt der Vorsitzende der Missionsleitung. Er hat – bis auf die gemeinsamen Wahlen (§ 6 (4)) – nur beratende Stimme. §8 Die Mission wird, was Verwaltung und Trägerschaft ihres Vermögens angeht, durch den im Vereinsregister des Amtsgerichts in Bergen eingetragenen Verein Mission Evangelisch-Lutherischer Freikirchen (Bleckmarer Mission) e.V. gemäß dessen Satzung vertreten. Mitglieder des eingetragenen Vereins sind die Mitglieder der Missionsleitung und des Missionskollegiums, die Mitgliederliste ist nach der Vereinssatzung laufend zu ergänzen. Vorsitzender des Vereins und Vorsitzender der Missionsleitung soll dieselbe Person sein. §9 1. Der Missionsdirektor ist der geschäftsführende Amtsträger der Mission. Er vertritt die Missionsleitung gegenüber allen ihren Sendboten, den mit der Mission verbundenen Kirchen und im gesamtdeutschen Missionsleben. Er führt die gesamte Korrespondenz und die nötigen mündlichen und schriftlichen Verhandlungen, er hat für regelmäßige Besuchsreisen nach Übersee zu sorgen und soll selbst durch Besuchsreisen die Verbindung mit den Sendboten der Mission und ihrem Arbeitsgebiet aufrechterhalten und fördern. 2. Der Missionsdirektor ist der Missionsleitung für die Durchführung ihrer Beschlüsse verantwortlich. Er bereitet ihre Sitzungen vor, macht ihr Vorlagen und informiert sie laufend über das gesamte Missionsgeschehen. 3. Der Missionsdirektor leitet die Missionsanstalt in Bleckmar mit allen ihren Abteilungen. Soweit die Missionsleitung für Einzelgebiete besondere Aufträge und Vollmachten erteilt, wird sie gegenüber dem Beauftragten durch den Missionsdirektor vertreten. § 10 1. Der Rechnungsführer ist für die laufenden Geschäfte der Geld- und Vermögensverwaltung verantwortlich. 2. Er entwirft zusammen mit dem Finanzbeirat der Missionsleitung den Haushaltsplan und legt ihn nach Besprechung und Billigung durch die Missionsleitung dem Missionskollegium vor.
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Mission
3. Er stellt die Jahresrechnung auf und vertritt sie gegenüber dem Missionskollegium. § 11 1. Zur ständigen Beratung und zur Überprüfung der Kassen- und Finanzlage der Mission beruft die Missionsleitung einen Finanzbeirat. Er besteht aus drei Mitgliedern, die die Kirchenleitung der SELK vorschlägt. 2. Der Finanzbeirat hat folgende Aufgaben: a) er überprüft sachlich und rechnerisch die Missionskasse, erstattet Bericht hierüber an das Missionskollegium. b) er berät die Missionsleitung ständig in allen finanziellen Fragen, begutachtet Vorhaben auf Wirtschaftlichkeit und finanzielle Durchführbarkeit, untersucht Möglichkeiten der Gestaltung der finanziellen Mitverantwortung der die Mission tragenden Kirchen, einschließlich ihrer Gemeinden. c) er arbeitet zusammen mit dem Rechnungsführer den Entwurf des Haushaltsplanes aus. 3. Die Amtszeit der Mitglieder des Finanzbeirates beträgt sechs Jahre; eine erneute Beauftragung durch die Missionsleitung im Einvernehmen mit der Kirchenleitung ist möglich. Mitglieder, die während der laufenden Amtszeit ausscheiden, können für den Rest der Berufungszeit gemäß Absatz 1 ersetzt werden. 4. Die Missionsleitung hat vor allen Beschlüssen, die eine erhebliche finanzielle Auswirkung haben, die Stellungnahme des Finanzbeirates einzuholen. Erhebt der Finanzbeirat Einspruch gegen einen derartigen Beschluß, so entscheidet das Missionskollegium. § 12 Die Missionsleitung hat der Kirchensynode der Selbständigen EvangelischLutherischen Kirche zu ihrer Beratung und Stellungnahme jeweils einen eingehenden Missionsbericht zu erstatten. § 13 Die Missionsordnung tritt nach Bestätigung durch die Kirchensynode der Selbständigen Evangelisch-Lutherischen Kirche in Kraft. (Bestätigt durch die Kirchensynode in Radevormwald am 26. Mai 1973.) Die von der 5. Kirchensynode 1985 in Berlin beschlossenen Änderungen sind in vorliegender Fassung aufgenommen.
Satzung des Vereins Lutherische Kirchenmission
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179. Satzung des Vereins Lutherische Kirchenmission (Bleckmarer Mission) e.V.* (in der Fassung vom 17.3.1993) §1
Name, Sitz, Eintragung
Der Verein führt den Namen „Lutherische Kirchenmission (Bleckmarer Mission) e.V.“. Er hat seinen Sitz in Bleckmar (Kreis Celle) und ist in das Vereinsregister des Amtsgerichts Celle eingetragen. §2
Zweck
1. Die Lutherische Kirchenmission (Bleckmarer Mission) e.V. betreibt Mission als Verkündigung des Evangeliums Jesu Christi mit dem Ziel der Errichtung und Förderung lutherischer Kirche. Sie hilft Kirchen bei ihrem missionarischen Auftrag und erfüllt ihre Aufgaben durch Ausbildung, Aussendung und Unterhalt lutherischer Missionare, Pastoren und anderer missionarischer und diakonischer Mitarbeiter. 2. Die Lutherische Kirchenmission (Bleckmarer Mission) e.V. ist das Missionswerk der Selbständigen Evangelisch-Lutherischen Kirche (SELK) und anderer bekenntnisgebundener evangelisch-lutherischer Kirchen. Sie setzt die seit 1892 bestehende Mission der Hannoverschen evangelisch-lutherischen Freikirche fort. 3. Der Verein ist Dienstherr für die Missionare und Mitarbeiter. Seine unmittelbare Dienstaufsicht vor Ort übt er durch einen von ihm ernannten Beauftragten aus, der die Missionare und Mitarbeiter auch gegenüber der Leitung einheimischer Kirchen vertritt. Über die jeweiligen Dienstzeiten im Ausland beschließt die Missionsleitung. §3
Mitglieder
1. Mitglieder sind: a) der Bischof, die Pröpste und die Superintendenten der SELK, b) je ein Vertreter jedes Kirchenbezirks der SELK, c) bis zu je zwei Vertreter derjenigen Kirchen, die die Lutherische Kirchenmission mittragen, d) der Missionsdirektor, e) je ein Vertreter jedes Sprengels der SELK, f) der Rechnungsführer. *
Ordnungen für die Selbständige Evangelisch-Lutherische Kirche (SELK). Herausgegeben von der Kirchenleitung der SELK, El 17 (2008), 210.1–2.
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Mission
Sie bilden das Missionskollegium (Mitgliederversammlung). Die Mitglieder unter b) und c) werden für die Dauer von 6 Jahren beauftragt. 2. Die Mitgliedschaft endet: a) durch den Tod des Mitglieds, b) durch Erlöschen des Mandats, c) durch das Ausscheiden des Mitglieds aus seinem kirchlichen Amt, d) durch schriftliche Austrittserklärung. Im Falle des Austritts scheidet das Mitglied mit dem Eingang der Erklärung bei der Missionsleitung aus, wenn kein anderer Zeitpunkt in der Erklärung genannt ist. 3. Neues Mitglied kann nur werden, wer im Sinne des Absatzes 1 ein Amt übernommen hat oder zum Vertreter bestellt ist sowie seinen Beitritt der Missionsleitung schriftlich mitteilt. §4
Missionsleitung (Vorstand)
1. Vorstand im Sinne des § 26 BGB ist die Missionsleitung, bestehend aus: a) dem Missionsdirektor als Vorsitzenden, b) den vier Vertretern der Sprengel Nord, West, Süd und Ost der SELK, c) einem Mitglied der Kirchenleitung der SELK (als stellvertretenden Vorsitzenden), und d) dem Rechnungsführer. 2. Die Missionsleitung vertritt die Lutherische Kirchenmission gerichtlich und außergerichtlich. Für die Wirksamkeit rechtsgeschäftlicher Erklärungen ist die Unterschrift von zwei Mitgliedern der Missionsleitung erforderlich. 3. Ein Mitglied scheidet aus der Missionsleitung aus, wenn die Mitgliedschaft nach § 3, Absatz 2, endet. §5
Versammlungen des Missionskollegiums
1. Eine Versammlung des Missionskollegiums hat mindestens einmal jährlich stattzufinden. Sie wird von der Missionsleitung mit einer Frist von mindestens zwei Wochen, im Falle von Wahlen mit einer Frist von mindestens vier Wochen einberufen. Das Missionskollegium wird geleitet von einem für 6 Jahre aus ihrer Mitte zu wählenden Vorsitzenden. Das Missionskollegium muss einberufen werden, wenn mindestens sechs Mitglieder das fordern. 2. Mit der Einladung ist die Tagesordnung zu übersenden. Über Satzungsänderungen darf nur verhandelt werden, wenn die beabsichtigte Satzungsänderung den Mitgliedern zwei Wochen vorher schriftlich mitgeteilt worden ist. 3. Das Missionskollegium ist beschlussfähig, wenn wenigstens die Hälfte seiner Mitglieder anwesend ist. Die Beschlüsse werden mit einfacher Stimmenmehrheit der Anwesenden gefasst; bei Satzungsänderungen ist Dreiviertel-Mehrheit
Vereinbarung
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der Anwesenden erforderlich. Die Auflösung des Vereins ist nur mit Zustimmung der Kirchenleitung der SELK möglich. 4. Über die Sitzungen des Missionskollegiums ist ein Protokoll zu führen, in welches alle Beschlüsse aufzunehmen sind. Das Protokoll ist von dem Vorsitzenden zu unterschreiben. (§§ 6–8 folgen.)
180. Vereinbarung zwischen der Selbständigen EvangelischLutherischen Kirche – vertreten durch die Kirchenleitung – und der Lutherischen Kirchenmission (Bleckmarer Mission) e.V. – vertreten durch die Missionsleitung (1998) * (in der Fassung vom 9.4.2003) I.
Grundlagen der Vereinbarung
1. Die Lutherische Kirchenmission (LKM) ist das Missionswerk der Selbständigen Evangelisch-Lutherischen Kirche (SELK). – Artikel 8 der Grundordnung und § 1 Nr. 1 der Missionsordnung – 2. Die LKM hat eine eigene Rechtsform: „Lutherische Kirchenmission (Bleckmarer Mission) e.V.” und verwaltet ihre Angelegenheiten selbst im Rahmen der dafür geltenden und von der Kirchensynode der SELK bestätigten Ordnungen. 3. Die LKM erfüllt ihre Aufgaben durch Ausbildung, Aussendung und Unterhalt der Missionare und anderer missionarischer und diakonischer Mitarbeiter. Die LKM ist Dienstherr für die von ihr ausgesandten Missionare und Mitarbeiter. – § 2 der Satzung der LKM e.V. – 4. Die SELK und die LKM treffen für die aus der Pfarrerschaft (einschließlich Pfarrvikare) der SELK hervorgehenden Missionare zur Abklärung ihrer dienstrechtlichen Verhältnisse in der Zeit ihres Dienstes in der LKM die folgende Vereinbarung und ordnen darin – die beiderseits betreffende Personalplanung – die Abgrenzung der Dienstherrenrechte – den Rechtsstatus der Missionare und damit zusammenhängende Fragen der Ausbildung, der Aussendung, der Besoldung und Versorgung sowie der Rückkehr der Missionare.
*
Ordnungen für die Selbständige Evangelisch-Lutherische Kirche (SELK). Herausgegeben von der Kirchenleitung der SELK, El 15 (2003), 212.1–4.
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II.
Personalplanung, dienstrechtliche Stellung der Missionare
1. Die LKM erarbeitet jährlich einen Stellenplan und stimmt diesen mit der SELK ab. 2. Für die nach Inkrafttreten dieser Vereinbarung aus der Pfarrerschaft der SELK in den Dienst der LKM berufenen Missionare bleibt die SELK – auch während der Dienstzeit in der LKM – arbeitsrechtlich Dienstherr. Die Dienstherrenrechte und die daraus resultierenden besoldungs- und versorgungsrechtlichen Rechte und Pflichten werden jedoch von der LKM als einem Werk der Kirche wahrgenommen. 3. Für die bereits vor Inkrafttreten dieser Vereinbarung im Dienst der LKM stehenden Missionare aus der SELK und deren Schwesterkirchen bleibt die LKM weiterhin eigenständiger Dienstherr mit allen Rechten und Pflichten. 4. Für die bereits im Dienst der LKM stehenden Missionare aus der SELK kann eine Änderung des Dienstherrn entsprechend Absatz (2) nur nach Abklärung aller besoldungs- und versorgungsrechtlichen Fragen erfolgen. Die Änderung bedarf in jedem einzelnen Fall einer Vereinbarung zwischen dem jeweiligen Missionar, der LKM und der SELK. III.
Die personelle Ausstattung der LKM
1. Die LKM kann im Rahmen des mit der SELK abgestimmten Stellenplanes Pfarrer der SELK unter Beachtung der geltenden kirchlichen Ordnungen in ihren Dienst berufen. 2. Die LKM kann in Absprache mit der SELK mit Theologiestudenten, Vikaren und Pfarrvikaren vereinbaren, sie nach erfolgreicher Beendigung ihrer Ausbildung in Dienst zu nehmen. 3. Die Indienstnahme von Mitarbeitern aus Schwesterkirchen ist von der LKM im Rahmen des abgestimmten Stellenplanes mit diesen Kirchen gesondert zu vereinbaren. Der SELK entstehen daraus keinerlei dienst-, besoldungs- und versorgungsrechtliche Verpflichtungen. IV.
Ausbildung für den Dienst in der LKM
1. Die Ausbildung von Missionaren aus der SELK erfolgt nach den für die Ausbildung von Pfarrern geltenden kirchlichen Ordnungen. 2. Die Vermittlung besonderer Kenntnisse und Fertigkeiten im Blick auf den künftigen Dienst regelt die LKM in Absprache mit der Partnerkirche, in deren Bereich der Missionar eingesetzt werden soll. 3. Theologiestudenten und Vikare der SELK können nach Zustimmung des zuständigen Studenten-Mentors bzw. des Leiters des Praktisch-Theologischen Seminars ein vorgeschriebenes Praktikum in einem Arbeitsbereich der LKM bzw. in einer ihrer Partnerkirchen ableisten.
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V.
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Entsendung von Missionaren
1. In der Regel werden ordinierte Amtsträger der SELK als Missionare in den Dienst der LKM berufen und in deren Arbeitsbereiche entsandt. 2. Im Einzelfall kann nach allseitiger Absprache auch vor der Qualifikation eines Amtsträgers eine Entsendung in eine Partnerkirche erfolgen. Die Qualifikation wird dann im Auftrag der SELK durch die Partnerkirche erteilt. Die dienstrechtliche Einbindung des Missionars in die SELK ist davon nicht betroffen. 3. Der Dienst der Missionare ist zeitlich befristet, in der Regel auf zehn Jahre. Verlängerung ist möglich. 4. Die Berufbarkeit eines Missionars in ein Pfarramt der SELK ruht während seiner Dienstzeit in der LKM. Eine Ausnahme ist bei allseitiger Zustimmung möglich. VI.
Rückkehr von Missionaren
1. Spätestens 1 Jahr vor Ablauf der Dienstzeit erklärt der Missionar gegenüber der Missionsleitung der LKM und der Kirchenleitung der SELK, ob er die Rückkehr in den Dienst der SELK wünscht oder eine Verlängerung seiner Dienstzeit in der LKM. 2. Über eine Verlängerung der Dienstzeit entscheidet die Missionsleitung der LKM nach Abstimmung mit der Kirchenleitung der SELK. 3. Anstelle des in den Dienst der SELK zurückkehrenden Missionars beruft die LKM im Rahmen ihres abgestimmten Stellenplanes einen anderen Amtsträger der SELK. 4. Dem aus der Partnerkirche zurückgekehrten Missionar und seiner Familie steht eine Zeit der Orientierung von in der Regel drei Monaten zu. Sie dient dem Einleben in die deutsche Gesellschaft und die Heimatkirche. Sie ist auch zu nutzen, um Kenntnisse oder Fertigkeiten, die für einen Dienst in der SELK erforderlich sind, aufzufrischen oder zu erwerben. Die Gestaltung ist im Einzelnen nach Anhörung des Missionars zwischen LKM und SELK einvernehmlich zu regeln. 5. Bis zum Antritt seines Dienstes in der SELK bleibt die wirtschaftliche Verantwortung der LKM für den Missionar bestehen. 6. ... 7. Will ein Missionar aus einer Schwesterkirche nach Ablauf seiner Dienstzeit bei der LKM in den Dienst der SELK treten, so muss er einen entsprechenden Antrag an die Kirchenleitung richten. Die Kirchenleitung der SELK entscheidet gemäß § 9 Abs. (6) der Pfarrerdienstordnung.
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Mission
VII.
Besoldung und Versorgung der Missionare
1. Für die bereits im Dienst der LKM stehenden Missionare aus der SELK gelten die bisherigen besoldungs- und versorgungsrechtlichen Regelungen weiter, insbesondere auch die Bestimmungen des Abschnitts V der bisherigen Vereinbarung vom 17. 3.1995: 1. Alle Missionare der LKM sind gemäß den geltenden Ordnungen in der Sozialversicherung pflichtversichert. 2. Wechseln Missionare in den Dienst der SELK, übernimmt die Kirche die Versorgung gemäß ihrer Ordnung für Besoldung und Versorgung; die von der LKM geleisteten Versicherungsbeiträge werden als Rentenanspruch gegenüber der BfA in die SELK eingebracht. Die Mission verpflichtet sich, diejenigen Versorgungsanteile der Kirche zu erstatten, die gemäß der geleisteten Dienstjahre in der Mission auf sie entfallen (Formel: Versorgungszahlung der Kirche in DM geteilt durch Anzahl der Gesamtdienstjahre mal Anzahl der Jahre im Missionsdienst Versorgungserstattungsbeitrag der Mission). 3. Die Mission ist dafür verantwortlich, daß zurückkehrende Pastoren, Emeriten oder Witwen finanziell den Pastoren, Emeriten oder Witwen der SELK gleichgestellt werden. 2. Für die nach Inkrafttreten dieser Vereinbarung in den Dienst der LKM berufenen Missionare aus der SELK übernimmt die LKM alle besoldungs- und versorgungsrechtlichen Verpflichtungen und stellt somit die SELK von allen finanziellen Ansprüchen in der Dienstzeit der Missionare frei. 3. Die LKM erstattet der SELK diejenigen Versorgungsanteile, die gemäß der geleisteten Dienstjahre eines Amtsträgers der SELK in der LKM auf sie entfallen. (Formel: Versorgungszahlung der SELK geteilt durch Anzahl der Gesamtdienstjahre mal Anzahl der Dienstjahre in der LKM) VIII.
Schlussbestimmungen
1. Diese Vereinbarung tritt mit dem Tage der Unterzeichnung in Kraft. Sie ersetzt die Vereinbarung vom 17.3.1995. 2. SELK und LKM überarbeiten innerhalb einer Frist von 4 Jahren ihre Ordnungswerke so, dass dem Ansatz dieser Vereinbarung folgend eine völlige Integration der LKM in die SELK herbeigeführt werden kann. Sie überprüfen dabei auch die jetzige organisatorische Struktur der LKM und ändern sie gegebenenfalls. 3. Das Verhältnis der SELK zu den Partnerkirchen, in denen Missionare der LKM Dienst tun, wird durch diese Vereinbarung nicht berührt. Die zwischenkirchlichen Kontakte der Partnerkirchen zur SELK werden von den jeweiligen kirchenleitenden Personen und Gremien wahrgenommen. Die Missionsleitung der LKM nimmt solche zwischenkirchlichen Kontakte, die sich bei der Erledigung
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ihrer Aufgaben ergeben, für die Kirchenleitung der SELK wahr. Sie hat die Kirchenleitung der SELK hierüber zu unterrichten.
181. Vereinbarung zwischen der Lutheran Church in Southern Africa (LCSA) und der Selbständigen Evangelisch-Lutherischen Kirche (SELK)* Seit vielen Jahren praktizieren die LCSA und die SELK Kirchengemeinschaft, die bis zum heutigen Tage noch nie formell besiegelt wurde. Diese Gemeinschaft begann 1892 mit dem Kontakt zur Bleckmarer Mission (heute: Lutherische Kirchenmission, Bleckmar – LKM). 1967 konstituierte sich die LCSA als eine eigenständige Kirche im Südlichen Afrika (Republik von Südafrika und Botswana und Swaziland). Beide Kirchen empfehlen im andächtigen Gebet ihr besonderes Verhältnis dem Segen des Allmächtigen Gottes an und bitten IHN, ihre Einheit im Glauben und im Auftrag zu vertiefen und zu stärken. I.
Die Grundlage unserer Kirchengemeinschaft
LCSA und SELK teilen die gemeinsame Bindung an die Lutherischen Bekenntnisschriften. Die LCSA erklärt in ihrer Grundordnung: „(1.2) Die Glaubenslehre und der Glaube der LCSA gründet sich ausschließlich auf Gottes eigenem Wort wie es geschrieben steht in der Heiligen Schrift Alten und Neuen Testaments als die unfehlbare göttliche Wahrheit, eingegeben durch den Heiligen Geist. Die Lutherischen Bekenntnisschriften werden anerkannt als die richtige und bindende Auslegung der Heiligen Schrift; dieses sind die drei ökumenischen Bekenntnisse der alten Kirche: Das Apostolische Bekenntnis, das Nicänische Bekenntnis und das Athanasianische Bekenntnis; die Unveränderte Augsburgische Konfession; deren Apologie; die Schmalkaldischen Artikel; der Kleine Katechismus Luthers; der Große Katechismus Luthers; und die Konkordienformel. (1.3) Auf Grund der Bindung an Schrift und Bekenntnis anerkennt die LCSA die Einheit des Glaubens mit der Kirche der Apostel und orthodoxen Christen aller Zeiten. Die LCSA ist deshalb in Gemeinschaft mit allen Lutherischen Kirchen der ganzen Welt in soweit wie diese Kirchen an den Lehren der Lutherischen Bekenntnisschriften festhalten und sich entsprechend verhalten.“
Die SELK erklärt in ihrer Grundordnung: „(1) Die Selbständige Evangelisch-Lutherische Kirche steht in der Einheit der heiligen, christlichen und apostolischen Kirche, die überall da ist, wo das Wort Gottes rein gepredigt und die Sakramente nach der Einsetzung Christi verwaltet werden.
*
Kirchenbüro der Selbständigen Evangelisch-Lutherischen Kirche, Hannover, Az. 527.
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Sie bezeugt Jesus Christus als den alleinigen Herrn der Kirche und verkündigt ihn als den Heiland der Welt. (2) Sie ist gebunden an die Heilige Schrift Alten und Neuen Testaments als an das unfehlbare Wort Gottes, nach dem alle Lehren und Lehrer der Kirche beurteilt werden sollen. Sie bindet sich daher an die Bekenntnisschriften der evangelischlutherischen Kirche, weil in ihnen die schriftgemäße Lehre bezeugt ist, nämlich an die ökumenischen Symbole (das Apostolische, das Nicänische und das Athanasianische Bekenntnis), an die ungeänderte Augsburgische Konfession und ihre Apologie, die Schmalkaldischen Artikel, den Kleinen und Großen Katechismus Luthers und die Konkordienformel.“
Beide Kirchen teilen den gemeinsamen Glauben an Jesus Christus, den Sohn Gottes und Menschensohn, als Herrn und Heiland. Es gibt kein Heil außer ihm. Wir bekennen freudig die Hauptlehre der lutherischen Bekenntnisse, nämlich dass der Sünder gerechtfertigt wird vor Gott aus Gnaden durch den Glauben an das Erlösungswerk Christi. II.
Der Ausdruck unserer Kirchengemeinschaft
Die Kanzel- und Abendmahlsgemeinschaft schließt folgendes ein: – Jede der Kirchen ermutigt die andere und unterstützt sie im Gebet – Pastoren der einen Kirche können in der anderen das Altarsakrament verwalten und predigen – Kommunikanten, die in der einen Kirche zum Altarsakrament zugelassen sind, können in der anderen – in Übereinstimmung mit den entsprechenden gemeindlichen Ordnungen – auch zugelassen werden – Ordinierte Pastoren, die zum Ministerium der einen Kirche gehören, können im gegenseitigen Einvernehmen der Kirchenleitungen zum Dienst in der anderen Kirche berufen werden – Kooperation zwischen den theologischen Ausbildungsinstitutionen soll gefördert werden: Theologiestudenten der einen Kirche können einen Teil ihrer Ausbildung in der anderen verbringen, sofern die jeweilige Kirchenleitung und die Leitung der betroffenen Hochschule/Seminar zustimmen. Professoren der einen Institution können in der jeweils anderen Vorlesungen halten. – Die Kirchen werden sich gegenseitig über spezielle Aufgaben und Herausforderungen, die sich ihnen stellen, informieren. III. Kooperation zwischen der LCSA und der Lutherischen Kirchenmission (LKM) LCSA und SELK haben ein gemeinsames Ziel. Es liegt in der Erfüllung der Mission, die Christus seiner Kirche gegeben hat, nämlich „Ihr ... werdet meine Zeugen sein ... bis an das Ende der Erde“ (Apg. 1,8), dass „alle Zungen bekennen sollen, dass Jesus Christus der ist, zur Ehre Gottes, des Vaters“ (Phil. 2,11).
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Im Bereich der Mission agiert die SELK durch die LKM und kooperiert mit der LCSA auf der Basis besonderer Vereinbarungen; diese sollten angewandt werden wie die Umstände es erfordern. Keine der beiden Kirchen wird ohne vorherige Konsultationen der anderen Kirche eine Missionsarbeit oder deren finanzielle Unterstützung an einem Ort aufnehmen, in dem die andere Kirche tätig ist. Jede missionarische Anstrengung hat das Ziel der Integration in eine Lutherische Kirche, die die Lehre und Bekenntnispraxis teilt, die in dieser Vereinbarung geteilt wird. IV.
Beziehungen zu anderen Kirchen und Organisationen
Als selbstständige Kirchen haben die LCSA und die SELK die Freiheit, nach eigenem Wunsch Beziehungen zu anderen Kirchen, Kirchenbünden, Zusammenschlüssen und dergleichen aufzunehmen. Auf Grund unserer besonderen Verbindung zueinander soll jedoch keine Kirche derartige Beziehungen von sich aus festlegen ohne vorangehende Konsultation der anderen Kirche. V.
Datum des Inkrafttretens
Diese Vereinbarung tritt in Kraft, wenn beide Kirchenleitungen ihre Zustimmung durch die folgenden Unterschriften schriftlich erklärt haben. Der englische Text ist der verbindliche. Gaberone/Botswana, den 13. Dezember 2009 Bischof David Tswaedi, Bischof Hans-Jörg Voigt
IX. Verhältnis Kirche und Judentum Volker Stolle Einführung Bei der Missionswirksamkeit waren von Anfang an nicht nur heidnische Völker im Blick, sondern auch Israeliten/Juden (s. Dok. 139, 140). Dies war um so selbstverständlicher, als in Preußen eine Reihe der Pastoren der Evangelisch-Lutherischen Kirche vorher in der Judenmission tätig gewesen war (Heinrich Kaspar Wedemann, Ludwig Otto Ehlers, Johann Georg Wermelskirch, Philipp Jakob Oster, Karl Friedrich Becker) und in Hessen die von Ludwig Saul 1861 ins Leben gerufene Balhorner Judenmission (Dok. 182) eng mit der Bildung der Renitenten Kirche verbunden war. Allerdings nahm dieser Arbeitszweig keine festeren Formen an. Tatsächlich wurde das Postulat der Judenmission nur in ganz geringen Ansätzen umgesetzt. Als einer der Judenmissionare, die in den Dienst der Evangelisch-lutherischen Kirche in Preußen getreten waren, Karl Friedrich Becker, dem Grundsatzbeschluss gemäß, dass die Missionstätigkeit unter den Israeliten Angelegenheit der Kirche als solcher sei, 1856 beantragte, hauptamtlich in der Judenmission eingesetzt zu werden, lehnte die Generalsynode dies ab (Dok. 183, 184).
Johann Georg Gottfried Wermelskirch, *1803, †1872, Judenmissionar in Warschau 1824–1825 und der Provinz Posen 1825–1835, Leiter der Dresdner (später Leipziger) Mission 1836–1842, Pfarrer der Evangelisch-lutherischen Kirche in Preußen in Berlin 1842–1844, Pfarrer in Erfurt 1844–1872.
Als 1871 in Leipzig der „Evangelisch-Lutherische Zentralverein für Mission unter Israel“ gegründet wurde, gehörte zwar die renitente Balhorner Gemeinde zu den
Einführung
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Gründungsmitgliedern, aber die Evangelisch-lutherische Kirche in Preußen konnte sich nicht zu einer korporativen Mitgliedschaft entschließen, sondern nur einzelnen Kirchgliedern einen Beitritt freistellen (Dok. 185). Der Einsatz für diese Sache wurde auch nicht stärker, als es auf Betreiben von Ernst Ziemer 1915 zur Gründung einer „Vereinigung der Freunde Israels innerhalb der lutherischen Kirche in Preußen“ kam (Dok. 186), der den Zentralverein vor allem in der Arbeit seiner Breslauer Station unterstützte. Die ausdrückliche kirchliche Billigung für diesen Schritt (Dok. 187) bedeutete zugleich, dass dieser Tätigkeitsbereich stillschweigend aus dem Aufgabenfeld des Oberkirchenkollegiums (s. Kap. VIII, Dok. 139, 140) herausgenommen wurde. Diese Vereinigung löste sich 1935 selbst auf (Dok. 188). Bereits 1946 rief das Oberkirchenkollegium dazu auf, den wiedererstandenen Zentralverein in seiner Arbeit durch eine Kollekte zu unterstützen (Dok. 189). Das Verhältnis zum Judentum wurde in der Zeit des Nationalsozialismus sehr kontrovers diskutiert; es fehlen aber kirchliche Erklärungen zum Thema. Auch das Verhalten gegenüber Juden und Christen jüdischer oder teilweise jüdischer Abstammung weist eine starke Divergenz aus. Die Spannbreite zeigen etwa die Thesen von Gottfried Riegel (Dok. 190) und die Stellungnahme von Friedrich Priegel zum Arierparagraphen in der Kirche (Dok. 191). Nach dem Zweiten Weltkrieg blieb eine Aufarbeitung aus. In den Einigungssätzen von 1947 werden nur chiliastische Erwartungen hinsichtlich der Rückkehr der Juden in ihr Land und hinsichtlich einer allgemeinen Judenbekehrung ausdrücklich zurückgewiesen (s. Kap. XII, Dok. 243, Th IV, 2). Allerdings wurde der Weg des Zentralvereins begleitet und mitgegangen, der seine Position zögernd überdachte. Diese Entwicklung fand ihren Niederschlag in mehreren Namensänderungen (1871: Mission unter Israel, 1985: Zeugnis und Dienst unter Juden und Christen, 2000: Begegnung von Christen und Juden). Ein Schritt auf diesem Wege war die so genannte „Leipziger Erklärung“ (Dok. 192). Um das Zeugnis unter den Juden zu fördern, etablierte sich 1984 ein „Arbeitskreis der Selbständigen Evangelisch-Lutherischen Kirche für Zeugnis unter den Juden e. V.“ (Dok. 193–195), in dessen Auftrag von 1991 bis 1998 ein Missionar im Raum Johannesburg/Südafrika arbeitete. Dieser Arbeitskreis löste sich 2002 wieder auf. Daraufhin berief die SELK einen Koordinator Kirche und Judentum (Dok. 196). Ein wichtiger Schritt erfolgte mit der Annahme der Charta Oecumenica (2003), die den Abschnitt „10. Gemeinschaft mit dem Judentum vertiefen“ enthält (s. Kap. XIII, Dok. 266). Die Kirchensynode der SELK 2007 hat den Beschluss gefasst, die Frage des christlich-jüdischen Verhältnisses zu klären (Dok. 197).
182. „Der HErr kommt! ein Ruf zur Mission auch unter Israel“* Wir feiern wieder den lieblichen Advent und erfreuen uns seiner seligen Botschaft: Der HErr kommt! mit ihrem dreifachen Stral: Er kommt, Er ist gekommen und Er wird kommen. Aus ihr schöpfen wir Gnade um Gnade und schmecken, wie freundlich der HErr ist: Sie ist dieser heiligen Zeit Loßung, von der wir uns unter allen Anfechtungen, mögen sie von Innen oder von Außen stammen, in aller Not und Traurigkeit kräftig gehoben und getragen fülen. O wie köstlich ist es, daß der HErr zu uns kommt mit Wort und Sacrament! Wie gut haben wir Christen es bei Ihm und in Seiner Gemeinschaft schon hier auf Erden; und wie vergnügt in GOtt dürfen wir der Ewigkeit entgegen sehen, in der sich uns ein Himmel voller Freude ganz erschließen wird. Aber nicht bloß zu uns kommt der HErr JEsus, sondern auch zu den Heiden; die mit jedem Jare größerwerdenden Werke, die Er unter ihnen tut: die unter abgöttischen Völkern erstehenden Kirchlein, Kirchen, Gemeinden und Schulen bezeugen’s; und immer weiter dehnen sich in unsern Tagen die Gebiete der Heidenmission aus, und immer lieblicher erblühen ihre Arbeitsfelder. Hunderte, ja Tausende von den Söhnen der Wüste liegen schon jetzt dem Stärkeren, der sie dem Starken entrißen, zu Füßen mit Anbetung und Verehrung Seines seligmachenden Namens. Die Christenheit scheut keine Anstrengungen, das Wort vom Kreuze zu den Kindern Japhets zu tragen, die es noch nicht kennen, aufdaß sich stets umfangreicher Noahs Segen erfülle: GOtt laße Japhet in Sems Hütten wonen. (1. Mos. 9, 27) Nur die Bekehrung Eines Volkes, und gerade des merkwürdigsten, das der Erdboden trägt, des alten Bundes- und Verheißungsvolks selbst, wird sehr langsam und zögernd in Angriff genommen. Die Mission unter Israel wird am läßigsten betrieben und, wie die Erfarung lehrt, am allergrimmigsten und schlauesten vom Satan verfolgt und verstört, und wo es ihm gelänge, aufgerieben. Zwar zeigt sich hin und wieder unter Christen auch das Verlangen, sich der Juden geistlich anzunehmen und die Judenmission hat ebenfalls erfreuliche Früchte aufzuweisen und findet je länger je mehr Anerkennung. Indes wie gering blieben bisher die Bestrebungen, die zu ihrer Förderung gemacht werden, im Vergleich mit denen, welche man der Rettung der Heiden widmet! Und doch ist der liebe HErr zuerst zu den Juden gekommen, hat als der Aufgang aus der Höhe sie zuerst gesucht, hat unter ihnen, dem auserwälten Volke, die ewig großen Taten getan, durch welche alle Völker erlöst werden sollen. Und er kommt noch zu ihnen – nicht so ganz wenige von ihnen, die getauft sind auf Seinen Namen, Israeliten ohne Falsch, die in Ihm ihren Messias gefunden, bestätigen dieß. Wenn du also, lieber Christ, gegenwärtig aus dem Munde der Kirche ein über das anderemal hörest: der HErr kommt! Und du wirst dadurch erinnert: Er kommt nicht bloß zu uns, nein, auch zu den Heiden, so vergiß nicht *
Der Sonntagsbote 10 (1867), 199–200.
„Der HErr kommt! ein Ruf zur Mission auch unter Israel“
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hinzuzusetzen: und sogar zu den Juden! So werde dir die süße Adventsbotschaft nicht allein zum Glaubensstärkenden, kräftigen Missions zeugnis, sondern auch zu einer Missions mahnung, die dich reizt, heilige Hände ohne Zorn und Zweifel zu dem starken GOtte Israels auch für die Bekehrung dieses Seines Volkes aufzuheben, wie Paulus tat (Röm. 10,1); mitzuwirken, daß Friedensboten zu ihm gesandt werden, damit ihm Advent und Weihnachten gebracht werden und die Juden in das Triumphlied, das einst ihre Väter sagen, einstimmen mögen: Hosiannah dem Sohne Davids; gelobt sei der da kommt im Namen des HErrn. Hosiannah in der Höhe! Im Kirchspiel Balhorn ist nun in’s siebente Jahr Judenmission unter dem Beistande des HErrn versucht worden. So dürftig und schwach auch die auf dieselbe abzielenden Bestrebungen immerhin sein mochten, so sind sie doch nicht ohne Erfolg und Segen geblieben, und einer der beiden Zöglinge, die hier zu dem Entschluß, sich dem Dienste der Mission unter Israel zu widmen, erweckt worden sind und die zur Ausfürung dieses Vorhabens erforderliche erste Anleitung und Vorbereitung bis zu ihrer weiteren Ausbildung, zu der sie durch den sächsischen Judenmissionsverein vermocht wurden, empfingen, konnte, wie unsere Leser aus Nr. 48 des Boten wißen, am 15. November d. J. bereits als Missionshelfer zur Ausübung seines Berufs abgeordnet werden. Die Missionsgemeinde des hiesigen Kirchspiels, durch diese und andere ähnliche Erfarungen überzeugt, daß ihre Arbeit für die Judenmission nicht vergeblich sei in dem Herrn, beabsichtigt nun hiernach auch fernerhin, wo es die Sache Israels gilt, die Hände nicht müßig in den Schoß zu legen; sondern vielmehr, soweit ihr der HErr Kraft und Mittel verleiht, allen Fleiß anzuwenden und dazu beizutragen, daß ihr begonnenes Werk mit Nachdruck fortgesetzt und die Zal der Friedensboten unter Israel vermehrt werde. Zu dem Ende ist sie künftig hin, wie bisher, bereit und wird es ihr besondere Freude gewären, für die Ausbildung solcher junger Leute, welche zu irgend einer Tätigkeit in der Judenmission geeignet sind, unter Benutzung der bisherigen Erfarungen Sorge zu tragen. Jünglinge, welche ein aufrichtiges, uneigennütziges, vor dem HErrn ernstlich geprüftes Verlangen hegen, der Judenmission zu dienen, werden daher, wenn sie, außerdem daß sie einen guten Wandel füren und militärfrei sein müßen, die nötigen Gaben besitzen, bereitwillige Aufname hier finden und wollen sich zu gedachtem Behufe bei dem Unterzeichneten melden. Den Freunden nah und fern, die an der hiesigen Mission bisher stets innigen Anteil nahmen und mit Gebet und Gaben dieselbe zu fördern die Güte hatten, sagt der Unterzeichnete zugleich Namens der hiesigen Missionsgemeinde für so häufige, unseren Bestrebungen zugewandte Liebe und Treue herzlichen Dank und verbindet damit die Bitte, auch künftig hin uns diese woltuenden Gesinnungen zu bewaren. Der HErr aber schenke uns Allen zum Weiterbau an Zion Seine Huld durch Seinen glorreichen Advent. Amen. Balhorn, den 16. Dezember 1867. Saul, Pfarrer.
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Verhältnis Kirche und Judentum
183. Ablehnung des Antrags von Karl Becker auf Anstellung als Judenmissionar durch die Generalsynode 1856*1 Alle übrigen in der vorstehenden Zusammenstellung nicht erwähnten Anträge betrafen theils Beschwerden Einzelner, die darauf von der Synode beschieden wurden, theils wurden sie durch einfache oder motivirte Tagesordnung abgelehnt. Zu den letztern gehörte auch ein Antrag auf Anstellung eines Judenmissionars, wobei die Synode zwar die Pflicht der Kirche, auch für die Bekehrung der Juden zu wirken, anerkannte, aber wegen ihres Unvermögens, dieselbe zur Zeit in der vom Antragsteller gewünschten Weise zu erfüllen, unter Anerkennung seiner Motive zur Tagesordnung überging.
184. Carl Becker: Ach, daß die Hülfe aus Zion über Israel käme, und der HErr sein gefangen Volk erlösete! Ps. 14,7 *2 So seufzt jeder wahre Christ für sich, für seine Angehörigen und Freunde, so seufzt er auch für seine Kirche. Hienieden immerdar und überall Streit und Unruhe von innen und von außen, dort einst, im Tempel unseres Gottes, ewige Stille und Sicherheit, wenn der ewige Friede anbricht. Jes. 32, 17.18. Denn „die Erlöseten des HErrn werden wiederkommen, und gen Zion kommen mit Jauchzen; ewige Freude wird über ihrem Haupte sein, Freude und Wonne werden sie ergreifen, und Schmerz und Seufzen wird weg müssen.“ Jes. 35, 10. Diese ewige Ruhe hat der Herr ja aber auch seinem alten Bundesvolke, Israel, erworben und zugedacht, und hat sie ihm selbst entgegen getragen, auch später seinen Aposteln den Auftrag gegeben: zu predigen in seinem Namen Buße und Vergebung der Sünde unter allen Völkern, und anzuheben zu Jerusalem. Luc. 24,47. Ein wahrer Christ seufzt daher auch unabläßig zu seinem Gott, daß Er auch Israel das Licht anbrechen lasse, ihnen die Schuppen von den Augen nehme, und Seinen heiligen Geist ihnen schenken möge, damit sie durch diesen Geist der Gnade und des Gebetes den ansehen lernen, welchen Jene zerstochen haben. Sach. 12, 10. Aus diesem Mitleidsgefühl, aus diesem Wunsche ist die Mission unter Israel entstanden. Dieselbe ist aber bisher fast ausschließlich von der reformirten und unirten Kirche betrieben worden. Soll aber nicht die Kirche des reinen Wortes und Sakramentes sich auch dieser Liebespflicht unterziehen, und den armen Juden das Brot des Lebens anbieten, da sie des geistigen Hungertodes sterben? Es war bei der letzten General-Synode der lutherischen Kirche in Preußen in Breslau die Rede davon, und es ward dem Unterzeichneten überlassen, bei sich darbietender Gelegenheit seinem Drange zu folgen und das Netz unter Israel auszuwerfen, ob der Herr vielleicht Einen Fisch hineingeben möchte. (…) *1 Die Beschlüsse der im September und Oktober 1856 gehaltenen General-Synode der evangelischlutherischen Kirche in Preußen, Breslau 1857, 299–300. *2 Kirchen-Blatt für die evang.-lutherischen Gemeinen in Preußen, Liegnitz 1857, 233.
Noch ein Wort über Judenmission
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185. Nachschr. der Redaktion, zu: Alfons Wagner: Noch ein Wort über Judenmission* Es hat dem kleinen Aufsatz über die Juden-Mission in Nr. 5 des Kirchenbl. von d. J. [Wort über Juden-Mission, Kirchenblatt 1871, S. 53–59, unterzeichnet mit G. E.] durchaus die Absicht fern gelegen, irgend welchem Chiliasmus irgendwie das Wort zu reden und Vorschub leisten zu wollen. Nur auf die Christenpflicht, den Juden ebenso wohl als den Heiden das Wort vom Kreuz zu predigen, sollte wieder einmal aufmerksam gemacht werden, wogegen ja auch der liebe Br. W[agner] an und für sich nichts einzuwenden findet. Wenn jedoch der sächsisch-baierische JudenMissions-Verein sein Werk, sei es grundsätzlich, sei es thatsächlich, in einer Weise betreiben sollte, daß damit nicht blos Juden bekehrt, sondern zugleich auch chiliastische Meinungen verbreitet würden, so würde freilich unsren Gemeinden nicht angerathen werden können, jener Pflicht durch Beitritt zu diesem Verein zu genügen. Indessen die Grundsätze des Vereines, wie sie in seinen Statuten vorliegen, enthalten nicht der Art. Vielmehr heißt es in § 2 derselben ausdrücklich: „Der alleinige Grund, auf dem der Central-Verein steht, ist Gottes Wort, nach dem Bekenntniß der ev.-luth. Kirche.“ Daß aber die von ihm angestellten Missionare neben dem Evangelio auch den Chiliasmus predigen und verbreiten sollten, behauptet der Verf. selbst nicht. Vielmehr erkennt er in einem späteren Briefe an den Herausgeber [Julius Nagel] ausdrücklich an: „Ebenso fern sei es von mir, die Thätigkeit des im Dienst dieses Vereins stehenden Veteranen für Juden-Mission, des theuren Pastor Becker, einer unkirchlichen Richtung oder gar der chiliastischen Irrlehre beschuldigen zu wollen; auch in den Berichten über die begonnene Thätigkeit der jüngeren Missionare Eisenblätter [gemeint ist: Eisenberg] und Bernhard findet sich nichts von chiliastischer Zuthat. Und dies alles (– so fährt der Verf. fort –) muß doch gewiß jeden wahren Freund des Friedens recht vorsichtig machen, nicht vorschnell über einen höchst lobenswerthen Verein – um einiger mit untergelaufenen Beimischungen willen – den Stab zu brechen. Dies möchte daher auch ich mir nimmermehr zu Schulden kommen lassen.“ – Es bleibt aber im Grunde nur das eine bedenklich, daß die Zeitschrift des Vereins: „Saat auf Hoffnung“ die möglichst weite Verbreitung chiliastischer Anschauungen mindestens ebenso sehr, wie die Thätigkeit für Juden-Mission sich zur Aufgabe gesetzt zu haben scheint. Wir gestehen auch zu, daß ohne Behebung dieses Bedenkens an einen förmlichen Beitritt unserer ganzen Kirche als solcher zu diesem Verein schwerlich gedachte werden kann. So lange jedoch die Statuten bleiben, wie sie sind, als auch die angestellten Missionare diesen Statuten gemäß ihr Werk wie bisher treiben, möchten wir keinem Lutheraner aus dem Beitritt ein Gewissen machen, um so weniger, da wir bis jetzt keine andere Gelegenheit haben, unsere unzweifelhafte Pflicht gegen Israel in geordneter Weise zu erfüllen. *
Kirchen-Blatt für die Gemeinen des evang.-luth. Bekenntnisses in Preußen, Breslau 1871, 175– 176.
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Verhältnis Kirche und Judentum
186. Aufruf zur Bildung eines Vereins für Judenmission *1 Unsere Kirche hat sich auch von jeher durch ihre einzelnen Glieder (Pastoren wie etwa besonders Becker, Ehlers, Wermelskirch) und ihre Gemeinden an der Arbeit der Judenmission beteiligt. Daß diese Arbeit aber viel zu gering ist, und daß sie besonders jetzt, da Gott selber durch den Krieg die Judenfrage so gewaltig aufgerollt hat, noch sehr gesteigert werden muß, um auch öffentlich Zeugnis abzulegen, sollte keine Frage sein. Je größer aber die Zahl von Juden ist, welche zugleich Glieder unseres Volkes sind, und je näher die weitere Entwicklung der Millionen von ‚Ostjuden’ unser deutsches Vaterland angeht, um so mehr kann und wird die Mitarbeit an der Judenmission unserem Volksganzen zum Segen gereichen. Unsere Kirche als Ganzes hat schon seit Jahrzehnten Judenmissionsarbeit nicht getrieben. Irgendein Beschluß der Generalsynode über die Judenmissionsarbeit außer der grundsätzlichen Zustimmung und Inangriffnahme auf der ersten Synode ist auf allen 1095 Seiten unserer Synodalbeschlüsse nicht zu finden; eine allgemeine Kollekte für diesen Zweck am 10. nach Trinitatis gibt es nicht; einen Fonds für Judenmission hat die Abrechnung der allgemeinen Kirchenkasse von 1852–1869 geführt, dann aber nicht mehr. Was heute in unserer Kirche für die Judenmission geschieht, ist reine Privatliebhaberei der betreffenden Gemeinden bzw. ihrer Pastoren. Vielleicht ist es nach den Erfahrungen in der Missionstätigkeit unserer Kirche auch geratener, die Arbeit an der Judenmission nicht ganz zu verkirchlichen, d. h. sie als Gesamtkirche zu treiben, sondern sie vielmehr freier Liebes- und Vereinsarbeit zu überlassen. Dann aber dürfte es am Ende doch gut und heilsam sein, wenn wir uns wenigstens in den einzelnen Diözesen oder sonst in kleinerem Kreis zu einem lutherischen Verein für Judenmission zusammen schlössen, um noch tatkräftiger auch öffentlich unsere gemeinsame Arbeit gestalten zu können.
187. Bestätigung der „Vereinigung der Freunde Israels innerhalb der lutherischen Kirche in Preußen“ durch die Generalsynode von 1921*2 Die Bestätigung der neugegründeten Vereinigung von Freunden Israels innerhalb der evangelisch-lutherischen Kirche in Preußen wird gebilligt. Es wird die Hoffnung ausgesprochen, daß Gott der HErr auch dieser Arbeit die Türen bald weiter auftun wolle.
*1 Ernst Ziemer, Unsere Kirche und unser Volk, Breslau 1916, 24f. *2 Beschlüsse der im September 1921 gehaltenen Generalsynode der evangelisch-lutherischen Kirche in Preußen, 1145.
„Vereinigung der Freunde Israels innerhalb der lutherischen Kirche in Preußen“
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188. Auflösung der „Vereinigung der Freunde Israels innerhalb der lutherischen Kirche in Preußen“*1 Das Direktorium des ev.-luth. Zentralvereins für Mission unter Israel hat am 15. August beschlossen, den Zentralverein aufzulösen, da andernfalls behördliche Auflösung bevorstand. Damit findet auch die Vereinigung der Freunde Israels innerhalb unserer Kirche ihr Ende.
189. Kollekte für Mission unter Israel*2 Der Zentralverein für Mission unter Israel ist wieder ins Leben getreten. Näheres bringen wir später einmal. Vorerst wird die Einsammlung einer Kollekte für diesen Zweck in unsern Gemeinden empfohlen.
190. Thesen von Pfarrer Gottfried Riegel auf dem Herbstkonvent der Selbständigen evangelisch-lutherischen Kirche in Hessen *3 am 10./11.10.1933 in Dreihausen (Die von Pfarrer Riegel aufgestellten Thesen) werden hiermit auf allgemeinen Wunsch veröffentlicht. Sie wollen nichts weiter sein als das schlichte, vom Konvent gebilligte Bekenntnis des Verfassers über Dinge, die aus Anlaß der Zeitereignisse vor der Gemeinde in den letzten Monaten ausführlich bezeugt wurden. Die Thesen sind folgende: 1. Ich bekenne mich zu der ev.-luth. Kirche als demjenigen Teil der christlichen Kirche, in welchem das Evangelium lauter und rein, ohne Menschensatzung, gelehrt und die beiden heiligen Sakramente unverkürzt und unverfälscht gespendet werden. Ich verwerfe alles Unionswesen, weil alle Verwischung der Kirchen- und Konfessionsgrenzen Untreue gegen Gottes Wort ist, Abschwächung der göttlichen Wahrheiten, Verletzung der christlichen Bekenntnispflicht und eine Ursache kirchlichen Verderbens und Niedergangs. Ich bekenne ferner, daß meine lutherische Kirche in jeder Form der Verfassung, wenn anders dieselbe auf Artikel 7 der Augsburgischen Konfession steht, bestehen kann, daß sie aber der Führung durch das geistliche Amt bedarf, das an den Willen des erhöhten Christus gebunden ist. 2. bekenne, daß die christliche Kirche in ihrem eigentlichen Sinn eine geistliche, übernatürliche Einheit von Menschen ist, die durch Kraft und Wirkung des Heiligen Geistes an Christum glauben und in diesem Glauben Vergebung der Sün*1 Kirchenblatt für die evangelisch-lutherischen Gemeinden in Preußen 90 (1935), 621. *2 Oberkirchenkollegium (Hg.), Rundbrief an unsere Pastoren 4 (1946), II.5. *3 Unter dem Kreuze 58 (1933), 373–374.
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den und Gemeinschaft mit dem dreieinigen Gott haben, die Versammlung aller Gläubigen und Heiligen aus allen Völkern. Sie ist Stiftung Christi, Pfingstschöpfung des Heiligen Geistes; Christus ist ihr König und Haupt, und Sein Evangelium ist ihr höchster Schatz. Ich bekenne weiter, daß jede Teilkirche nur soweit Kirche ist, soweit dies eigentliche Wesen der Kirche in ihr verwirklicht ist. Der Beruf der Kirche ist: als Gottes Prophetin und Evangelistin dem Volk das Gesetz und Evangelium Gottes zu bezeugen, auch den Regenten und Oberen des Volks, weil Gottes Wort Regel und Richtschnur alles Lebens und Wandelns ist. Sie ist ferner Zeugin der erlösenden Gnade und Verkündigerin der göttlichen Gerichte in der Völkergeschichte, Predigerin wider den Abfall und Lehrerin der göttlichen Ordnungen, in die das menschliche Leben gefaßt ist: Ehe und Lohn, Erwerb und Besitz, Sonntag und Werktag. Ich bekenne, daß die Kirche Recht und ihre Ordnung nicht vom Staat oder menschlichen Autoritäten hat, sondern von Gott und Seinem Wort, daß sie keine staatliche Abteilung ist, kein Reich von dieser Welt, auch kein Staat im Staat oder gegen den Staat, daß sie aber im Volk und Staat Raum und Freiheit haben muß zur Ausrichtung ihres göttlichen Berufs, und daß sie eben damit an Volk und Staat den heilsamsten Dienst übt. Ich verwerfe den irreführenden Namen „Volkskirche“, weil vielfach darunter verstanden wird eine Kirche aus dem Volk und durch das Volk, nicht aber Kirche Christi für das Volk. 3. Ich bekenne, daß Staat und Obrigkeit göttliche Ordnungen sind, denen jeder Christ sich zu unterordnen hat um des Gewissens willen in allen Stücken, die nicht gegen Gottes Wort sind. Ich bekenne ferner, daß der Totalitätsanspruch des Staates seine Grenze hat an dem Totalitätsanspruch des erhöhten Königs Christus, und daß die Grundlinien alles Rechts und Gesetzes niedergelegt sind in dem geoffenbarten Gesetz Gottes, das die göttliche Norm bildet für das Zusammenleben von Menschen und Völkern. 4. Ich bekenne gegenüber allem Rassedünkel die gottgegebene Einheit des ganzen Menschengeschlechts, das aus einem Blute stammt, und daß in dieser Tatsache das Gebot der Nächstenliebe seinen Grund hat. Ich bekenne weiter, daß alle Menschen in dem gleichen erbsündlichen Verderben liegen, Fleisch vom Fleisch geboren, und Kinder des Zornes sind von Natur, daß der Sohn Gottes teilhaftig wurde unsers Fleisches und Blutes als Menschensohn, daß Er für alle Menschen geboren, gestorben und auferstanden ist, daß allen die Erlösung und das ewige Heil zugedacht ist und daß die Kirche die Missionspflicht gegen alle Völker hat. 5. Ich bekenne ebenso klar die gottgewirkte Verschiedenheit der Völker und Rassen, deren Grund in Gottes Weisheit und Gerichtsernst zu suchen ist. Und ich bekenne dies im Gegensatz zum Weltbürgertum und zur wahllosen Rassenmischung. Und ich bekenne, daß Gott jedem Volkstum besondere Gaben verliehen hat und daß die Zugehörigkeit zu einem bestimmten Volkstum eine Fügung Gottes ist. Ich bekenne weiter, daß die berufende Gnade Gottes infolge
„Der Arierparagraph“ von Seminardirektor Friedrich Priegel
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unausforschlicher Gottesgerichte an die verschiedenen Völker und Rassen zu verschiedenen Zeiten ergeht, daß Gott jedem Volk den Raum seines Gebietes und die Zeitdauer seiner Geschichte zugemessen hat, daß aber kein Volk die Verheißung ewigen Bleibens besitzt. Ich bekenne, daß Gott meinem deutschen Volk in Luther und der Reformation eine besondere Gabe verliehen, aber damit auch eine besondere Aufgabe und Verantwortung auferlegt hat, so daß meinem Volk nicht stolze Überhebung geziemt, sondern bußfertige Beugung im Blick auf den großen Abfall gerade im deutschen Volk. 6. Ich bekenne weiter, daß die Zugehörigkeit zu einem bestimmten Volkstum für die Gliedschaft in der Kirche Christi außer Betracht bleiben muß. Hier ist nicht Jude, noch Grieche usw. Wer auf den dreieinigen Gott getauft ist und im Glauben lebt, ist vollberechtigtes Glied der christlichen Kirche, nicht Gast und Fremdling, sondern Mitbürger der Heiligen und Hausgenosse Gottes. 7. Ich bekenne endlich, daß das Evangelium nicht aus Blut und Rasse stammt, sondern aus gnädiger Offenbarung Gottes in Christo, daß es eine Gnadengabe ist für jede Rasse und alle Völker. Es ist nicht national, nicht antinational, nicht international, sondern übernational, stillt den innersten und tiefsten Bedarf jedes Volkstums, vermag jedes Volkstum zu erneuern, ohne dessen Eigenart zu zerstören, und bleibt doch dasselbe eine Evangelium. Demgemäß verwerfe ich alle Redensarten vom deutschen Christentum, vom artgemäßen Glauben und von der heldischen Religion als Zerstörung und Verweltlichung des Evangeliums, verwerfe jede Vermengung und Vermischung von Natur und Gnade, von Geistlichem und Weltlichem, von Politischem und Kirchlichem, von Nationalem und Religiösen.
191. „Der Arierparagraph“ von Seminardirektor Friedrich Priegel* (Auszug) (…) Obwohl nun dieses Gesetz [sc. der Arierparagraph der altpreußischen Union] unsre evang.-luth. Kirche in Altpreußen nichts angeht, ist es doch wohl nötig, daß wir uns über seine Bedeutung klar werden. Zunächst ist dabei zu beachten, was vielfach übersehen wird, daß es sich nicht darum handelt, ob Christen nicht arischer Abstammung – für Deutschland kommen ja nur getaufte Juden d. h. Judenchristen in Frage – zur christlichen Kirche gehören. Denn darüber, daß Judenchristen Glieder der Kirche sind, ist erfreulicher Weise kein Streit mehr. (…) Es ist also nicht gegen die Schrift, wenn man rassische Gesichtspunkte bei Berufung von Dienern des Evangeliums mit in Erwägung zieht. *
Kirchenblatt für die evangelisch-lutherischen Gemeinden in Preußen 88 (1933), 755–759. [Die Zitate beziehen sich auf die Anstellungsbedingungen für Geistliche und kirchliche Beamte der altpreußischen Union.]
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Von diesem Gedanken muß man ausgehen, wenn man den Arierparagraphen recht beurteilen will. Wie kam es überhaupt zur Forderung des Arierparagraphen? Unser Volk hat im Laufe seiner Geschichte mehr als einmal erkannt, daß die Juden als Fremdlinge anzusehen sind. Das kam vielfach schon äußerlich dadurch zum Ausdruck, daß die Juden in den Städten in bestimmten Vierteln oder Straßen zusammenwohnen mußten. Das jüdische Volk genoß auch nicht die gleichen Rechte mit dem deutschen Volke. Es lebte als Gastvolk im Lande. Erst seit der Aufklärung setzt die Bewegung ein, die die Juden aus der äußeren und inneren Absonderung befreit und sie als gleichberechtigte Staatsbürger anerkennt. Diese Gleichstellung hat aber der Teil der Judenschaft mißbraucht, der sich von den Bindungen und Ordnungen seiner Religion frei machte. Es kam mehr und mehr dahin, daß diese Juden mit ihrer Geschäftstüchtigkeit und auch oft skrupellosen Art das Kapital an sich brachten und es nun, statt damit der Allgemeinheit zu dienen, dazu benutzten, die Herrschaft im Geschäftsleben und schließlich auch im Staatsleben an sich zu reißen. Hiergegen hat sich der Unwille des Volkes seit langem gerichtet. Männer wie Adolf Stöcker stellten sich an die Spitze dieser Bewegung. Aber sie vermochten nichts Durchgreifendes zu erreichen. Erst als nach dem Kriege und der Revolution diese jüdischen Kreise und ihre Gefolgschaft ohne jede Rücksicht auf deutsche Volksart und Gesinnung in ungezügelter Willkür das Volk ausnutzten und seine heiligsten und besten Güter mißachteten, setzte die sieghafte Gegenbewegung unter Hitler ein. Unter seiner Führung kam das Volk mehr und mehr zu der Erkenntnis, daß es zu einer Genesung unseres Volkslebens nur kommen könne, wenn wir von dem verderblichen Einfluß des Judentums frei würden und unser Volk nicht weiter der äußeren und inneren Verjudung ausgesetzt wäre. Aus dieser Erkenntnis heraus lehnt unser Volk jede Führerschaft von Juden ab, um seine ihm von Gott gegebene Art zu reinigen und zuretten. Dies Bestreben unseres Volkes wird die Kirche auf Grund des 1. Artikels voll anerkennen können. Darum verleugnet sie nicht, sondern behauptet ihre Eigenart, wenn sie diesem im Volke vorhandenen Tatbestande Rechnung trägt, daß unser Volk kein Vertrauen zu der jüdischen Rasse und Art hat. Die Kirche wird daher bei Neuanstellungen von Geistlichen und kirchlichen Beamten es vermeiden müssen, Personen nicht arischer Rasse zu wählen, weil nun einmal die Arbeit in der Kirche auf Vertrauen aufgebaut sein muß. Zwischen einem judenchristlichen Pastor und der Gemeinde wäre heute weithin eine Mauer aufgerichtet, vielleicht auch gegen ihn in der Gemeinde ein Widerstand vorhanden, wodurch die Predigt und Seelsorge von vornherein so gut wie unfruchtbar wären. So wie Paulus um der Juden willen den Timotheus beschnitt, wird die Kirche heute judenchristliche Pastoren nicht berufen können, damit der Lauf des Evangeliums nicht aufgehalten werde; ebenso wie zur Zeit die Kirche in Deutschland es selbstverständlich vermeiden wird, etwa Pastoren polnischen oder französischen Geblüts anzustellen. Anders ist es freilich da, wo ein Pastor, der aus dem Judentum stammt, schon in einer Gemeinde tätig ist. Entfernung aus dem Amte hat die Kirche von jeher nur da
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vorgenommen, wo entweder Irrlehre oder anstößiger Lebenswandel vorlagen. Trifft beides nicht zu, so könnte eine Entfernung eines judenchristlichen Pastors aus dem Amte nur dann in Frage kommen, wenn das Vertrauensverhältnis zwischen Pastor und Gemeinde so sehr zerstört ist, daß eine gesegnete Arbeit nicht mehr zu erhoffen ist. Hier müßte die Behörde nach der bestehenden Kirchenordnung, aber unter möglichster Schonung des persönlich Unschuldigen verfahren. Das Gleiche müßte wohl da gelten, wo ein arischer Geistlicher mit einer nicht arischen Frau verheiratet ist. In andern Berufen, etwa bei einem Juristen oder Lehrer, fällt es nicht ins Gewicht, welcher Rasse die Frau angehört, und es läge eine ungerechtfertigte Härte darin, wenn wegen der nicht arischen Frau der Mann aus seinem Amte entfernt würde. Ganz anders ist es beim geistlichen Amte, weil die Frau des Pastors diesen vielfach in der Gemeindearbeit unterstützt. Hier könnte es bei einer Pfarrfrau nicht arischer Abstammung zu einer Zerstörung des Vertrauensverhältnisses kommen. Aber das kann nur von Fall zu Fall entschieden werden. Allgemein den Arierparagraphen mit rückwirkender Kraft einzuführen, ist für die Kirche Christi nicht annehmbar. Zweifellos werden bei Einführung solcher neuen Bestimmungen in der Übergangszeit hier und da Härten entstehen. Daß diese aber nach Möglichkeit abgemildert werden sollen, zeigen die weiteren Bestimmungen, daß von der Entlassung abgesehen werden kann, „wenn besondere Verdienste um den Aufbau der Kirche im deutschen Geiste vorliegen“, oder wenn die Betreffenden schon vor 1914 im Amte gewesen sind, oder am Weltkriege teilgenommen haben, ja selbst wenn ihre Väter oder Söhne im Kriege gefallen sind. Daß die lutherische Kirche in Deutschland reiche Segen auch von Judenchristen erfahren hat, die, wie ihre Werke zeigen, sich auch stark in den Deutschen Geist eingeführt haben, beweisen Männer wie Spitta, dessen wertvolle Lieder in vielen Gesangbüchern zu finden sind, der Maler Steinhausen, Theologen wie Franz Delitzsch, Philippi, Neander, der Kirchenrechtslehrer Stahl und manche andre. Durch die vorhin genannten Bestimmungen wir freilich das Prinzip durchlöchert, ebenso wenn man bei der Feststellung der Rasse nur bis auf die 3. Generation zurückgegriffen hat. Hier tritt eine Unsicherheit des Gesetzgebers in der Beurteilung der ganzen Frage zu Tage. Das Prinzip läßt sich eben nicht mit voller Konsequenz durchführen.
192. 120 Jahre Zentralverein* (Leipziger Positionspapier 1991) Der „Ev.-luth. Zentralverein für Zeugnis und Dienst unter Juden und Christen“ (gegründet 1871) kommt anläßlich seines 120jährigen Bestehens erstmals wieder *
Friede über Israel 74 (1991), 165–172. Abgedruckt in: Hans Hermann Henrix / Wolfgang Kraus (Hrsg.), Die Kirchen und das Judentum II. Dokumente von 1986–2000, Paderborn / Gütersloh 2001, 620–627 (E.III.23’).
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nach dem Zweiten Weltkrieg an seinem Gründungsort in Leipzig zusammen. Dies ist dem Zentralverein Anlaß A) sich Rechenschaft zu geben über seine wechselvolle Geschichte B) aufgrund gewandelter theologischer Einsichten die inhaltlichen Grundlagen und praktischen Aufgaben seiner Arbeit neu zu bestimmen. Wir verstehen das folgende Positionspapier nicht als endgültige Klärung unseres Selbstverständnisses, sondern als einen weiteren Schritt auf dem Weg unserer theologischen Neubesinnung über das Verhältnis von Christen und Juden. A
Rückblick auf den Weg des Zentralvereins: Kontinuität und Diskontinuität zum Erbe Franz Delitzschs
1. Der Zentralverein wurde − im wesentlichen auf Initiative des Leipziger Alttestamentlers und Judaisten Prof. Fr. Delitzsch − 1871 gegründet als Zusammenfassung der Bestrebungen zur „Evangelisierung Israels“ in den lutherischen Kirchen, vor allem in Deutschland. Er ging dabei von der für ihn selbstverständlichen Verpflichtung zur Ausbreitung des Glaubens an Jesus Christus auch unter Juden aus. Von anderen verwandten Bestrebungen unterschied er sich unter dem Einfluß Delitzschs − durch energische Ablehnung der Proselytenmacherei; − durch Offenheit für die Entstehung eigenständiger judenchristlicher Gemeinden, die mit der Empfehlung verbunden sein konnte, mit der Taufe bis zur Entstehung solcher Gemeinden zu warten; − durch das Bemühen, christliche Theologen mit jüdischer religiöser Überlieferung bekannt zu machen, was u.a. im Institutum Judaicum (Delitzschianum) wahrgenommen wurde. Allerdings war auch der Zentralverein nicht frei von einem Überlegenheitsgefühl gegenüber Juden und Judentum und von assimilatorischen und antijüdischen Gedanken. Die Begegnung mit jüdischen Gesprächspartnern geriet dabei in Gefahr, lediglich einen Glaubenswechsel herbeiführen zu wollen. Die Arbeit des Zentralvereins wurde von Anfang an nur von einer Minderheit in Kirche und Gesellschaft getragen. 2. Unter den Nachfolgern Delitzschs geriet die Arbeit des Zentralvereins – insbesondere in der Weimarer Republik − in ein ihr immer ungünstigeres geistiges Klima. Im Inneren war sie gekennzeichnet durch ein ständiges Ringen um die richtige Art der Begegnung mit den Juden. Die ursprüngliche Zielsetzung wurde jedoch im wesentlichen – unter dem Einfluß des langjährigen Missionsdirektors Otto von Harling – durchgehalten. Nach 1933, als die antijüdische Hetze ihrem Höhepunkt zustrebte, blieben nur noch wenige Mitglieder übrig. Unter starkem äußeren Druck erfolgte die Auflösung des Vereins 1936 und die Verlegung des Delitzschianums nach Wien. Dies
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wurde jedoch lediglich als Unterbrechung der Arbeit angesehen, nicht als deren Beendigung. 3. Dementsprechend knüpfte die Wiedergründung (1945) an die frühere Tätigkeit an und führte sie fort. Eine Grundsatzdiskussion und eine inhaltliche Neubesinnung fanden zunächst nicht statt. Dies bedauern wir ausdrücklich. Der Zentralverein war zunächst führend an dem sich neu anbahnenden Gespräch mit Juden (Deutscher Evangelischer Ausschuß für Dienst an Israel unter Leitung von Prof. K.H. Rengstorf) beteiligt. Die Auseinandersetzungen nach 1963 über die Frage „Mission-Dialog“ mit der neugebildeten Kirchentagsgruppe „Juden und Christen“ und deren Nachwirkungen führten jedoch zu einer Isolierung des Zentralvereins und zu einer starken Polarisierung. Erst seit den siebziger Jahren kam es verstärkt zu einer internen Neubesinnung und zur erneuten Beteiligung am allgemeinen Gespräch über das christlich-jüdische Verhältnis, wodurch die Situation nach Auschwitz (Schoa/Holocaust) immer stärker ins Bewußtsein drang. 4. Der Beschluß der Namensänderung von 1985 – von „Zentralverein für Mission unter Israel“ zu „Zentralverein für Zeugnis und Dienst unter Juden und Christen“ – bezeichnet einen vorläufigen Abschluß dieser Phase. Dennoch führte auch die Namensänderung nicht zu einer Grundsatzdiskussion. Es wurde öffentlich ausdrücklich erklärt, daß sich an den bisherigen Zielen nichts verändert habe. Aus der aktiven Mitwirkung bei wesentlichen kirchlichen Erklärungen zum christlich-jüdischen Verhältnis (EKD-Studie „Christen und Juden“ 1975; Faltblattserie „Was jeder vom Judentum wissen muß“ der VELKD; LEKKJErklärung „Zur Begegnung zwischen lutherischen Christen und Juden“ 1990) erwuchsen jedoch vielfältige Impulse für die Fortführung der Arbeit und die Neubesinnung über die Zielsetzung. 5. Im Rückblick auf die 120 Jahre seit der Gründung des Zentralvereins muß ausgesprochen werden, daß seine Geschichte belastet ist durch mancherlei Versagen. Zwar entsprach die Arbeit des Zentralvereins weithin nicht den heute verbreiteten Vorstellungen von „Judenmission“. Die Liebe zum Volk Israel und die Achtung vor der besonderen heilsgeschichtlichen Rolle dieses Volkes war von Anfang an ausgeprägt. Sie verband sich aber immer wieder mit einer mangelnden Wertschätzung des jüdischen Glaubens sogar mit antijüdischen und antisemitischen Gedanken und Gefühlen. In der Stunde der höchsten Not des jüdischen Volkes, während der Judenverfolgung in der Nazizeit, fanden die Anhänger des Zentralvereins nicht die Kraft und den Mut zum Zusammenbleiben und zum gemeinsamen Eintreten für die Verfolgten. Auch der Zentralverein hat seinen Anteil an der Schuldgeschichte der christlichen Kirchen gegenüber dem jüdischen Volk. Dies alles wurde erst allmählich im Rahmen der Neubesinnung in den letzten Jahrzehnten bewußt. Aufgrund dessen wurde nach und nach die eigene Positi-
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on daraufhin überprüft wo sie Elemente des Überlegenheitsgefühls, der Mißachtung und ganz allgemein des Antijudaismus enthält. Es ist notwendig, daß wir heute im Blick auf die 120jährige Tradition des Zentralvereins von Kontinuität und Diskontinuität sprechen. 6. In Kontinuität/Zustimmung zur bisherigen Geschichte gilt es, die positiven Ansätze festzuhalten und weiterzuentwickeln, vor allem: − die solidarische Zuwendung zu Juden und Judentum; − die Achtung vor der religiösen Eigenständigkeit des Judentums; − das Bestreben, sich mit der jüdischen Lehre und Überlieferung vertraut zu machen; − der Versuch des Abbaus von gegenseitigen Vorurteilen durch die Förderung einer besseren Kenntnis voneinander; − die vielfältigen Erfahrungen, die der Zentralverein in der langen Geschichte der christlich-jüdischen Begegnung gemacht hat. In Diskontinuität/Widerspruch zur bisherigen Geschichte gilt es, sich von zeitgeschichtlich und frömmigkeitsgeschichtlich bedingten Überzeugungen Delitzschs und seiner Nachfolger abzugrenzen. Dabei sind wir uns bewußt, daß nach dem Einschnitt von Auschwitz (Schoa/Holocaust) die Zielvorstellungen in der Begegnung zwischen Christen und Juden sich gewandelt haben. Dies betrifft vor allem − die Infragestellung des jüdischen Glaubens- und Lebensweges; − ein geistliches Überlegenheitsgefühl des christlichen Glaubens, aus dem heraus der jüdische Weg des Glaubens als minderwertig und mangelhaft empfunden wurde; − ein Verständnis von „Zeugnis des Glaubens“, bei dem die Begegnung zwischen Christen und Juden mißbraucht wurde als Mittel zum Zweck eines möglichen Glaubenswechsels; − die Entwicklung von pädagogischen Methoden, um Juden von ihrem Glauben abzubringen; − die aus dem allen sich entwickelnde Gefahr, daß im Zentralverein − bewußt oder unbewußt − die Begegnung zwischen Christen und Juden zu einer Form der Proselytenmacherei verkehrt wurde. B
Überlegung zur Konzeption und Arbeit des Zentralvereins heute
I.
Grundsätzliches: Was wir wollen – was wir nicht wollen
1. 1. Der Zentralverein wird aufgrund seiner Geschichte sowie seines ursprünglichen Namens und der damit verbundenen Zielsetzung immer wieder mit „Ju-
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2. 3.
4.
5.
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denmission“ in Verbindung gebracht. Unter „Judenmission“ werden dabei alle Aktivitäten von Kirchen, kirchlichen Organisationen und Einzelnen verstanden, die unter Mißachtung des jüdischen Glaubens- und Lebensweges das Ziel haben, Juden zu Christen zu machen. Dazu sagen wir „Nein“ und lehnen solche Aktivitäten ohne Einschränkung ab. Auch innerhalb des Zentralvereins hat es in seiner Geschichte Aktivitäten solcher Art gegeben. Bis heute ist damit die vertrauensvolle Begegnung zwischen Christen und Juden belastet. Wir verstehen, daß jüdische Gesprächspartner einer solchen Form der „Begegnung“ mit großem Mißtrauen gegenüberstehen, daß sie darin die Fortsetzung des „Holocaust mit anderen Mitteln“ (Levinson) sehen. Wir meinen darüber hinaus, daß der Begriff „Judenmission“ insgesamt so belastet und mißverständlich ist, daß er in keiner Weise mehr geeignet ist − außer zur Darstellung historischer Zusammenhänge −, Interesse und Zielsetzung des Zentralvereins heute zum Ausdruck zu bringen. Die so vollzogene Abgrenzung und Klarstellung ermöglicht und erfordert eine neue Bestimmung dessen, was der Zentralverein unter dem Stichwort „Zeugnis und Dienst“ heute als Grundlage seiner Arbeit ansieht. Dies bringen wir im folgenden zum Ausdruck.
2. 1. Unser christlicher Glaube gründet im Bekenntnis zu Jesus Christus als dem Heilland aller Menschen. Er ist die Mitte unseres Glaubens. Sein Jude-sein ist für uns Grundlage der Begegnung von Christen und Juden. 2. Wir stehen dabei in der Nachfolge Jesu, dessen Begegnung mit den Menschen stets eine Einheit war von Wort-Zeugnis (martyria), Tat-Zeugnis (diakonia) und Gemeinschafts-Zeugnis (Koinonia). „Zeugnis und Dienst“ des Zentralvereins haben sich an diesem ganzheitlichen Lebenszeugnis Jesu zu orientieren. 3. Wir sind uns jedoch schmerzlich bewußt, daß wir auch in der Tradition einer Christenheit stehen, in der die Verwirklichung der Begegnung im Geiste Jesu oft nicht gelungen ist und eher zu einer „Ver-Gegnung“ (M. Buber) führte. Daraus folgt für uns, daß in unseren Begegnungen mit jüdischen Gesprächspartnern berechtigtes Mißtrauen abzubauen und neues Vertrauen aufzubauen ist. 4. Nur in einer vertrauensvollen Begegnung ist es möglich, daß im MiteinanderLeben und -Arbeiten, im gegenseitigen Nehmen und Geben, im gemeinsamen Lernen von der Glaubenstradition des jeweils anderen, jeder der Partner seinen Glauben und seine Überzeugung dem anderen zumutet und zutraut. 5. Wer die partnerschaftliche Begegnung zwischen Christen und Juden ernst nimmt, kann dabei nicht einen unverbindlichen Meinungs- und Gedankenaustausch wollen. Eine solche Begegnung schließt auch einen verbindlichen „Streit um die Wahrheit“ im gegenseitigen Respekt ein.
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6. In dieser Begegnung wird auch ein gemeinsames Bezeugen des einen Gottes vor der Welt möglich. II. 1.
Zur gegenwärtigen Situation der Begegnung zwischen Christen und Juden Wir leben nach Auschwitz
Uns ist bewußt geworden und wir haben gelernt: Nach dem Holocaust ist Begegnung zwischen Christen und Juden dadurch belastet, daß christliche Kirche und Theologie mitverantwortlich für Auschwitz geworden sind. Das Evangelium von Jesus Christus ist dadurch in einer solchen Weise entstellt worden, daß es viele Juden nur noch als Botschaft des Schreckens und der Bedrohung ihrer Existenz wahrnehmen können. Wir sehen darin eine tiefgreifende Herausforderung zur Überprüfung unserer Theologie, unseres Glaubens und unseres Verhaltens. Unserer Überzeugung nach gehört daher heute zur Bezeugung von Jesus Christus gegenüber Juden: − unser aufrichtiges Bekenntnis der Schuld und der Bereitschaft zur Buße, die auf Gottes Vergebung vertraut; − unsere versöhnende Tat; − unsere glaubwürdige Solidarität mit dem jüdischen Volk; − unser entschiedenes Eintreten gegen jede Form von Antisemitismus und Antijudaismus. 2.
Unsere Verbundenheit mit den Juden
Auf vielfältige Weise sind wir in unserem Glauben mit den Juden verbunden: Jesus Christus selbst war Jude, wurde als Jude geboren und starb auch als Jude am Kreuz. Er hat sich von seinem Volk nie losgesagt. Durch ihn wurzelt unser Glaube in der jüdischen Tradition. Das Alte Testament ist die gemeinsame Bibel von Juden und Christen. Mit den Juden glauben wir an den einen Gott. Mit ihnen haben wir teil an der Befreiungsgeschichte Gottes. Mit ihnen hoffen wir auf die Vollendung der Geschichte durch Gott. Dankbar bekunden wir, daß wir von jüdischen Partnern viel für das Verständnis unseres Glaubens lernen: Die jahrtausendelangen Erfahrungen, die Juden im Verstehen der Bibel und im Umgang mit der Tora gemacht haben, können unseren christlichen Glauben bereichern und Engführungen beseitigen. Durch jüdische Theologen wurde uns in den letzten Jahrzehnten besonders die Person Jesu in seinem Jude-sein neu erschlossen. Wir bejahen die bleibende Erwählung des Volkes Israel als Ausdruck der unverbrüchlichen Treue Gottes zu seinem Volk. Auch wenn Juden und Christen jetzt
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getrennte Wege gehen, so hoffen wir doch, daß Gott diese Wege zu einem zusammenführt (vgl. Römer 11,33ff.). 3.
Unsere Verbundenheit mit den messianischen Juden
Seit der Zeit des Neuen Testamentes haben Juden immer wieder in Jesus für sich den Messias erkannt. Darunter gibt es solche, die sich als Jesusgläubige nicht von ihrem Volk trennen wollen. Heute haben sich solche Juden in Israel und in anderen Ländern zu kleinen, eigenständigen „messianisch-jüdischen“ Gemeinden zusammengefunden. Sie sind für uns ein sichtbares Zeichen für das Wesen der Kirche aus Juden und Heiden. Das ist ihre „einzigartige Zeugniskraft“ (Fr.W. Marquardt). Wir begrüßen die Entwicklung zu judenchristlicher Eigenständigkeit und fühlen uns aus der Geschichte des Zentralvereins heraus mit den messianisch-jüdischen Gemeinden auch angesichts ihrer schwierigen Situation innerhalb der christlichen Kirche in besonderer Weise verbunden. 4.
Unsere Verbundenheit mit unseren Kirchen
Die Kirchen und Gemeinden, in denen wir wirken, sind nach wie vor gekennzeichnet von einer großen Fremdheit gegenüber allem Jüdischen. Unkenntnis über die jüdische Wurzel des Christentums und über das Judentum der Gegenwart, Fortleben antijüdischer und antisemitischer Vorstellungen prägen das Bild. Zwar ist schon viel geschehen, um diese Fremdheit zu überwinden, aber dies hat bisher nur einen kleinen Teil von Kirche und Gesellschaft erfaßt. Da eine unbußfertige und unsolidarische Christenheit jede Begegnung zwischen Christen und Juden belastet, ist die Überwindung dieser Fremdheit ein vordringliches Anliegen. Wir wissen uns in der Gestaltung unserer Arbeit besonders den uns unterstützenden lutherischen Kirchen verpflichtet. In ihr sind wir darüber hinaus mit anderen Kirchen und kirchlichen Organisationen ökumenisch verbunden. III.
Unsere zukünftigen Aufgaben
1.
Zur inhaltlichen Grundlage
Die Arbeit des Zentralvereins erfolgt auf der Grundlage des Bekenntnisses der Ev.luth. Kirche. Dabei ist es notwendig, im Blick auf ein neues Verständnis des Judentums eine Reihe von Grundpositionen lutherischer Theologie neu zu durchdenken. Für die theologische Arbeit sind damit u.a. folgende Schwerpunkte gesetzt: − Gesetz und Evangelium (im Verhältnis zum Judentum stellt sich dabei die Frage nach der Zuordnung von „Gesetz und Evangelium“ in den beiden Testamenten der Bibel)
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Verhältnis Kirche und Judentum
−
Rechtfertigungslehre/Christologie (im Verhältnis zum Judentum stellt sich dabei die Frage nach der Bedeutung des „allein Christus – allein der Glaube“ zum „Wandeln auf dem Weg der Tora“ im Judentum) − zwei Reiche/zwei Regimente (im Verhältnis zum Judentum stellt sich dabei die Frage nach dem Zusammenhang von „Gottes Handeln – Handeln der Menschen“ einerseits und „Glaube und Politik – Kirche und Staat“ andererseits) Dabei sind die Anstöße aus dem Judentum fruchtbar zu machen, wie sie aus der Erforschung der jüdischen Geschichte, Literatur und Theologie und deren Beziehung zum Christentum erwachsen. 2.
Zur praktischen Arbeit
Der Zentralverein sieht es als seine besonderen Aufgaben an: 1. Kenntnisse über das Judentum und Verständnis für das Judentum in den christlichen Gemeinden zu fördern, um ihnen zu einer positiven veränderten Grundeinstellung gegenüber dem jüdischen Weg des Glaubens, gegenüber Juden in Deutschland, in Israel und der ganzen Welt zu verhelfen. 2. Irrwege und Schuld der Kirche im Verhältnis zum Judentum im Laufe von 2000 Jahren Kirchengeschichte bewußt zu machen und im Zusammenhang damit politisch-nationalen Antisemitismus und religiösen Antijudaismus zu erkennen und in Wort und Tat dagegen Stellung zu beziehen. 3. Theologische Gespräche auf gemeindlicher und übergemeindlicher Ebene über zentrale Fragen des Glaubens zu fördern, über das, was Juden und Christen im Glauben und Handeln verbindet und trennt. 4. Die wissenschaftliche und öffentliche Arbeit des Institutum Judaicum Delitzschianum Münster weiterhin zu unterstützen: In der Erforschung und Vermittlung von Geschichte, Literatur, Theologie und Philosophie des Judentums, in der Aufarbeitung der jüdisch-christlichen Beziehungen durch die Jahrhunderte sowie in seiner Aufgabe, in Kirche und Gesellschaft an der Erneuerung des Verhältnisses zum jüdischen Volk mitzuwirken. 5. In verschiedenen Formen an der publizistischen Arbeit mitzuwirken, im Besonderen durch die Zeitschrift „Friede über Israel“. 6. Den vertrauensvollen Kontakt zu jüdischen Gemeinden zu suchen, einander im brüderlichen Geist zu begegnen, gemeinsame Veranstaltungen zu fördern und gemeinsame Aufgaben wahrzunehmen. 7. Die lutherisch geprägten judenchristlichen Gemeinden in Israel im diakonischen Bereich (Altenheim Eben-Ezer, Haifa) und in der Entwicklung einer eigenständigen Theologie (Caspari-Center, Jerusalem) zu unterstützen. 8. Darüber hinaus einzelne Projekte zu fördern: − die der Solidarität mit dem jüdischen Volk in aller Welt dienen; − die die partnerschaftliche Begegnung zwischen Juden, Christen und Muslimen, zwischen Arabern, und Juden in Israel fördern;
Zeugnis unter den Juden
−
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die Mißtrauen abbauen, gegenseitiges Vertrauen entstehen lassen und so zu einem Beitrag auf dem „Weg des Friedens“ in Israel, dem Nahen Osten und darüber hinaus werden können.
Leipzig, 16. September 1991 Der Ev.-luth. Zentralverein für Zeugnis und Dienst unter Juden und Christen e.V. A. Baumann, D.Min. – Vorsitzender – Dr. A. Denecke – Geschäftsführer –
193. Satzung des Arbeitskreises der Selbständigen EvangelischLutherischen Kirche für Zeugnis unter den Juden* §1 Der Verein führt den Namen „Arbeitskreis der Selbständigen EvangelischLutherischen Kirche für Zeugnis unter den Juden e. V“, im folgenden verkürzt „Arbeitskreis“ genannt oder „AZJ“ abgekürzt. Er hat seinen Sitz in Hannover und ist beim dortigen Amtsgericht ins Vereinsregister eingetragen. §2 Der AZJ ist gebunden an die Grundartikel der Selbständigen EvangelischLutherischen Kirche (SELK), wie sie in ihrer Grundordnung Artikel l und 2 festgelegt sind. Die Bindung an die SELK und ihr Bekenntnis darf nicht durch Beschlüsse verändert werden. Der AZJ kann seine Aufgaben wahrnehmen in Zusammenarbeit mit Kirchen, mit denen die SELK in Kirchengemeinschaft steht, und deren Arbeitskreisen, soweit sie die gleichen Aufgaben verfolgen. Der AZJ kann auch anderen Organisationen beitreten soweit sie die gleichen Ziele verfolgen und den Bekenntnisstand der SELK unbeschadet lassen. Hier kommt auch der Evangelisch-Lutherische Zentralverein für Zeugnis und Dienst unter Juden und Christen e. V. in Betracht, zu dem seit dessen Gründung 1871
*
Arbeitskreis der Selbständigen Evangelisch-Lutherischen Kirche für Zeugnis unter den Juden e. V. (Hg.), Lutherische Christen und Juden, Hannover 1998, 34–37; zu Grundordnung Artikel 1 und 2 vgl. Dok. 245. Auszug abgedruckt in: Hans Hermann Henrix / Wolfgang Kraus (Hrsg.), Die Kirchen und das Judentum II. Dokumente von 1986–2000, Paderborn / Gütersloh 2001, 764–766 (E.III.53’).
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Verhältnis Kirche und Judentum
besondere Beziehungen bestehen. Ein solcher Beitritt bedarf außer der Zustimmung der Mitgliederversammlung auch der Genehmigung der Kirchenleitung der SELK. §3 Der AZJ fördert: 1. Verkündigung des Wortes Gottes und christliches Zeugnis unter Juden gemäß dem Lutherischen Bekenntnis. 2. Beziehungen zu jüdischen Christen. 3. Begegnung mit Juden und das Verständnis für das Judentum. 4. Studienarbeit über das Judentum und Zurüstung für christliches Zeugnis unter Juden. §4 Mitglieder des AZJ können natürliche und juristische Personen werden, die den Bekenntnisstand und die Aufgaben des AZJ bejahen und zur Mitarbeit bereit sind. Über Aufnahme und Ausschluß entscheidet der Vorstand, bei Einspruch die Mitgliederversammlung. Anträge über die Aufnahme und Erklärungen über den Austritt erfolgen schriftlich gegenüber dem Vorstand. Die Höhe des jährlichen Vereinsbeitrages bestimmt jedes Mitglied selbst. §5 Der Arbeitskreis hat folgende Organe: 1. die Mitgliederversammlung, 2. den Vorstand. Über deren Zusammenkünfte sind Beschlußprotokolle anzufertigen und vom Protokollführer und einem Vorstandsmitglied zu unterschreiben. §6 1. Die Mitgliederversammlung a) wählt den Vorstandsvorsitzenden, seinen Stellvertreter und den Kassenführer, b) nimmt Berichte des Vorstandes entgegen, c) entlastet den Vorstand nach Bericht des Kassenprüfers, d) wählt den Kassenprüfer, e) beschließt über Arbeitsvorhaben, die vom Vorstand oder aus ihrer Mitte vorgeschlagen werden.
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2. Die Mitgliederversammlung findet in der Regel jährlich, mindestens alle 3 Jahre an einem vom Vorstand zu bestimmenden Ort statt. 3. Zur Mitgliederversammlung wird vom Vorsitzenden mindestens 2 Wochen vorher unter Bekanntgabe der Tagesordnung schriftlich eingeladen. 4. Eine außerordentliche Mitgliederversammlung ist einzuberufen, wenn der Vorstand oder wenigstens 1/4 der Mitglieder unter Angabe von Zweck und Gründen es verlangen. 5. Die Mitgliederversammlung ist beschlußfähig, wenn satzungsgemäß eingeladen worden ist. 6. Beschlüsse werden mit einfacher Mehrheit der Anwesenden gefaßt. Stimmengleichheit gilt als Ablehnung. 7. Satzungsänderungen können nur vorgenommen werden, wenn a) der Änderungsantrag auf der Tagesordnung steht, b) 2/3 der anwesenden Mitglieder sich dafür aussprechen. §7 1. Der Vorstand leitet die Tätigkeit des Arbeitskreises. Er kann Mitglieder des AZJ mit einzelnen Aufgaben betrauen. 2. Dem Vorstand gehören an: a) der Vorsitzende, b) der stellvertretende Vorsitzende, c) ein vom Kollegium der Superintendenten der SELK beauftragter Beisitzer, d) ein von dem Missionskollegium der Lutherischen Kirchenmission (Bleckmarer Mission) e. V. beauftragter Beisitzer. 3. Scheidet der Vorsitzende oder sein Stellvertreter aus, so ergänzt sich der Vorstand durch einstimmige Zuwahl. 4. Scheidet ein Beisitzer aus, wird ein neues Mitglied von dem jeweiligen Gremium beauftragt. 5. Die Amtszeit des Vorstandes beträgt 6 Jahre. Wiederwahl von Vorstandsmitgliedern ist zulässig. 6. Der AZJ wird gerichtlich und außergerichtlich durch seinen Vorsitzenden und den stellvertretenden Vorsitzenden vertreten. Jeder ist allein vertretungsberechtigt. Im Innenverhältnis darf der stellvertretende Vorsitzende nur tätig werden, wenn der Vorsitzende verhindert ist. 7. Der Vorstand kann einen Geschäftsführer bestellen. §8 1. Der AZJ gewinnt die für seine Arbeit erforderlichen Mittel durch Kollekten, Spenden, Zuschüsse, Mitgliedsbeiträge und Rücklagen.
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Verhältnis Kirche und Judentum
2. Alle anfallenden Mittel und die aus ihnen beschafften Werte bilden das Vereinsvermögen. Dieses, auch etwaige Gewinne und Erträge sind an den satzungsgemäßen Zweck des AZJ gebunden. 3. Die Mitglieder erhalten keine Gewinnanteile und in ihrer Eigenschaft als Mitglieder keinerlei Zuwendungen aus Mitteln des AZJ. Sie erhalten weder bei ihrem Ausscheiden noch bei der Auflösung des AZJ irgendwelche Anteile aus dem Vereinsvermögen. 4. Niemand darf durch Ausgaben, die den Zwecken des AZJ fremd sind, oder durch unverhältnismäßig hohe Vergütung begünstigt werden. 5. Der AZJ verfolgt ausschließlich und unmittelbar gemeinnützige, mildtätige und kirchliche Zwecke im Sinne der jeweils letztgültigen Gemeinnützigkeitsverordnung. 6. Geschäftsjahr ist das Kalenderjahr. §9 Die Auflösung des AZJ kann nur durch eine zu diesem Zweck einzuberufende Mitgliederversammlung mit satzungsändernder Mehrheit erfolgen. In diesem Fall fällt das Vereinsvermögen der Selbständigen Evangelisch-Lutherischen Kirche zu, mit der Maßgabe, es für die in dieser Satzung festgelegten Zwecke zu verwenden. Diese Satzung tritt in Kraft, sobald sie im Vereinsregister eingetragen ist. Jedes Mitglied erhält einen Abdruck der Satzung. Diese Satzung wurde angenommen auf der Gründungsversammlung des Arbeitskreises der SELK für Zeugnis unter den Juden am 31. März 1984. (Fassung: 2. November 1996)
194. Was meint der Arbeitskreis der Selbständigen EvangelischLutherischen Kirche für Zeugnis unter den Juden (AZJ) mit „Zeugnis unter den Juden“?* Der „Arbeitskreis der Selbständigen Evangelisch-Lutherischen Kirche für Zeugnis unter den Juden e. V.“ bekennt mit dieser Kirche den einen Gott als den Vater, den Sohn und den Heiligen Geist, „bezeugt Jesus Christus als den alleinigen Herrn der Kirche und verkündigt ihn als den Heiland der Welt“ (Grundordnung Artikel 1.1). Sein „Zeugnis unter den Juden“ geschieht von dieser Grundlage aus.
*
Arbeitskreis der Selbständigen Evangelisch-Lutherischen Kirche für Zeugnis unter den Juden e. V. (Hg.), Lutherische Christen und Juden, Hannover 1998, 5–7. Abgedruckt in: Hans Hermann Henrix / Wolfgang Kraus (Hrsg.), Die Kirchen und das Judentum II. Dokumente von 1986–2000, Paderborn / Gütersloh 2001, 675–677 (E.III.28’).
Arbeitskreis der Selbständigen Evangelisch-Lutherischen Kirche
1.
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Gott ist einer
Wir bekennen uns mit den Juden zu dem einen Gott (Ex 20,3–6; Dtn 6,4f; Jes 42,8). Jesus hat dies Bekenntnis ausdrücklich bestätigt (Mk 12,29f). Die Christen können Jesus Christus nur so als ihren Herrn bekennen, daß sie zugleich Gott als ihren Vater bekennen (I Kor 8,6; Eph 4,1–6): „Du bist Christus, des lebendigen Gottes Sohn!“ (Mt 16,16; vgl. Röm 1,7). Das Bekenntnis zu dem einen Gott verbindet Juden und Christen in grundlegender Weise. Die urchristliche Gemeinde berief sich auf „Gesetz, Propheten und Schriften“ (Tenach, Altes Testament) als Gottes verbindliches Wort. Sie hielt am Zusammenhang mit dem Tempel und den Synagogen fest. Auch heute sollte diese Nähe als Chance in der Begegnung zwischen Juden und Christen genutzt werden. Ihr Bekenntnis zu dem einen Gott legen Christen jedoch in der Gewißheit ab, daß Gott sich in neuer und die Endzeit eröffnender Weise in Jesus von Nazareth als dem Christus offenbart hat. Wir glauben, daß Gott seine Liebe und sein Heil für alle Menschen in ihm erschlossen hat (Joh 1,16–18; 3,16; 14,6; Gal 3, 26–29; Rom 3,22–26; Act 4,12; Hebr 1,1–4). Dieses Zeugnis fand schon von Anfang an Aufnahme nur bei wenigen Juden. Die Juden, die sich zu Jesus als dem Messias bekennen, wollen ihr Judesein nicht verleugnen, sondern sehen es gerade im christlichen Glauben als von Gott erfüllt an. Dagegen empfinden die meisten Juden es als Zumutung und Abwertung ihres Weges mit Gott, wenn Christen das Evangelium als Gottes Tat und Einlösung seiner Verheißung an die Väter rühmen (I Kor 1,32; II Kor 1,20). So ist es nicht möglich, das Bekenntnis zu dem einen Gott gemeinsam abzulegen. 2.
Das universale Heil in Christus
Aufgrund des neutestamentlichen Zeugnisses glauben wir an Jesus als den Christus, den im Gesetz und den Propheten verheißenen Messias (Lk 24,25–27.44–49) den „König der Juden“ (Mk 15,26.32): Er hat aller Welt Gottes endzeitliches Heil gebracht (II Kor 5,17–19) und führt Juden und Heiden unter Gottes endgültiger Herrschaft zusammen. In der Auferweckung Jesu und seiner Erhöhung zur Rechten Gottes vermag die große Mehrheit der Juden ihre Erwartung Gottes jedoch nicht als erfüllt zu erkennen. Nur Gott selber, der die Rettung der Juden und aller Menschen will, wird durch die Verkündigung des Evangeliums Menschen zum Glauben an Jesus Christus als seinen einen Sohn und zur Erkenntnis seines Heils überwinden. Den Christen steht deshalb weder ein Gefühl der Überlegenheit zu, noch ein Recht, auf Juden in irgendeiner Weise Druck auszuüben. Jedoch sind Christen auch den Juden das Zeugnis von der Hoffnung, die in ihnen ist, schuldig. Ein grundsätzlicher Verzicht darauf würde die universale, rettende Kraft des Evangeliums für die Juden und alle anderen Menschen verleugnen (Röm 1,16; I Petr 3,15).
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Verhältnis Kirche und Judentum
3.
Das Evangelium auch für die Juden
Wir glauben, daß Gott durch seinen Geist alle Menschen mit der Christusbotschaft erreichen will (Act 1,4; Mt 28,18–20; Rom 10,10–17) Insbesondere hat Gott seine Verheißungen an das Volk Israel nicht widerrufen, sondern hat an seiner Erwählung fest (Röm 11,2.28f). Die Beteiligung des Synhedriums und einer breiten Volksmenge am Tod Jesu schließt die Juden nicht vom Evangelium aus (Act 2,22f.27f; 3,14–20; auch eine menschliche Selbstverfluchung kann Gottes Willen nicht aufheben, Mt 27,25); denn Ursache für den Tod Jesu sind die Sunden jedes einzelnen und die Schuld der ganzen Menschheit. Die Christen sollen so leben, daß ihr Verhalten in Wort und Tat einladend wirkt und die Liebe widerstrahlt die Gott nicht nur ihnen allein zuwendet, sondern allen Menschen. Gerade gegenüber Juden in ihrer unmittelbaren Nähe haben Christen sich lange Zeiten hindurch weithin unchristlich und in entsetzlicher Weise unmenschlich verhalten. So sind sie ihnen nicht nur das Zeugnis schuldig geblieben, sondern haben auch nachhaltig ein falsches Zeugnis abgelegt. Den Juden ist damit ein Zerrbild des christlichen Glaubens vermittelt worden. Diese Belastung läßt sich nicht durch bloße Worte überwinden, sondern nur durch geduldiges Aufeinanderzugehen. Wir glauben, daß die Schuld, die unser Verhältnis belastet, überwunden werden kann, indem wir als Christen und Juden voreinander und vor Gott die Schuld bekennen, die wir jeweils auf uns geladen haben, und Gottes Vergebung empfangen. In dieser Hoffnung wagen wir als Christen trotz einer langen Geschichte des Scheiterns neue Begegnungen mit Juden. Die Kraft zur Versöhnung trauen wir der Verkündigung des Evangeliums von Jesus Christus zu, das in seine umfassende Heilswirkung gerade auch die Überwindung aller Trennung mit einschließt (Eph 2,14– 18; II Kor 5,19–21). Diese für alle Menschen rettende Botschaft dürfen wir bezeugen. Zugleich warten wir auf den Tag, an dem Gott den Frieden seines ganzen Volkes vollenden wird, das heißt aller Menschen, die er geschaffen, durch sein Heil gerettet und zum ewigen Leben berufen hat. Dieses Grundsatzpapier wurde von der Mitgliederversammlung des Arbeitskreises der SELK für Zeugnis unter den Juden (AZJ) am 4. April 1992 inhaltlich beschlossen, von einer dort gewählten Kommission redaktionell überarbeitet und schließlich vom Vorstand des AZJ am 20. Oktober 1992 ausgefertigt.
Luther und die Juden – und wir lutherischen Christen
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195. Luther und die Juden – und wir lutherischen Christen* A
(Kurzfassung)
Immer wieder hört man, daß Luther ein glühender Judenfeind und damit ein Wegbereiter des modernen Antisemitismus gewesen sei. Deswegen hätten auch die lutherischen Kirchen nichts gegen den Holocaust unternommen. – Was hat es damit auf sich? 1. Luther wußte sehr genau, daß Jesus Christus aus dem jüdischen Volk stammte So ehrte und achtete er die Juden als Blutsverwandte Jesu und der Apostel und darüber hinaus als das erwählte Gottesvolk des Alten Testaments. Daß die Juden Jesus nicht als ihren Messias bekannten und der christlichen Kirche fernblieben, erklärte sich Luther in seiner Frühzeit damit, daß die Christen falsch mit den Juden umgegangen seien, nämlich mit Verachtung, Haß und Diskriminierung. Nachdem nun aber in der Reformation das Evangelium von der Liebe Gottes in Christus wieder ans Licht gekommen war, forderte Luther die Christen auf, den Juden brüderlich zu begegnen und ihnen in Liebe den Messias Jesus zu verkündigen – dann würden die Juden auch in die christliche Kirche finden und die Erfüllung ihres jüdischen Glaubens erleben können. Als sich diese Erwartung jedoch nicht erfüllte und die Juden für sich blieben, meinte Luther, das nur als bewußte Abwehr und Verweigerung verstehen zu können und damit als schaurige Lästerung des Messias Jesus. Und Gotteslästerern meinte man allgemein keinen Platz in der menschlichen Gesellschaft zugestehen zu können, – ein Los, das sie damals mit Ketzern und Anhängern anderer Religionen teilen mußten. So empfahl Luther den Landesherren, dafür zu sorgen, daß den Juden die Ausübung ihres Glaubens verboten und unmöglich gemacht würde, sie zudem enteignet und zu landwirtschaftlicher und handwerklicher Arbeit gezwungen würden. Daß Luther dabei alte antijüdische Vorurteile aufgriff und eine verbitterte und ehrabschneidende Sprache führte, ist leider nicht zu bestreiten. 2. War Luthers Ablehnung der Juden in seiner Spätzeit also ausschließlich religiös und aus der Sorge um die Wahrung der Ehre Gottes und des Messias Jesus begründet, so war der moderne Antisemitismus dagegen zunächst völkisch und dann auch rassistisch orientiert. Da wurde von der Minderwertigkeit und Abartigkeit der Juden gesprochen; das religiöse Bekenntnis spielte dabei gar keine Rolle. Insofern kann auch der späte Luther keinesfalls als Wegbereiter des Holocaust gesehen werden, selbst wenn seine Haltung den Juden gegenüber leider die positiven Ansätze seiner Frühzeit hinter sich gelassen hatte. *
Arbeitskreis der Selbständigen Evangelisch-Lutherischen Kirche für Zeugnis unter den Juden e. V. (Hg.), Lutherische Christen und Juden, Hannover 1998, 8–9. Abgedruckt (einschließlich Teil B) in: Hans Hermann Henrix / Wolfgang Kraus (Hrsg.), Die Kirchen und das Judentum II. Dokumente von 1986–2000, Paderborn / Gütersloh 2001, 783–790 (E.III.59’).
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Verhältnis Kirche und Judentum
3. In den lutherischen Kirchen, doch keineswegs nur in ihnen, herrschte weitgehend die Meinung, daß die Juden wegen der Ablehnung des Messias Jesus von Gott verworfen seien – was aber z. B. mit Römer 9–11 durchaus nicht übereinstimmt. Es gab nur wenige Ansätze, die Anregungen des jungen Luther, eine neue Sicht den Juden gegenüber zu gewinnen, aufzunehmen und sich um ehrliche und brüderliche Kontakte mit ihnen zu bemühen. So fehlte es den lutherischen Kirchen insgesamt an Kraft und Überzeugung, der Judenverfolgung im nationalsozialistischen Staat energisch entgegenzutreten. Auch in den Vorgängerkirchen der SELK waren judenfeindliche Gedanken und Formulierungen verbreitet; es gab einzelne Bekundungen von Solidarität gegenüber Juden und Judenchristen; aufs ganze gesehen fehlte es aber an einem entschiedenen Eintreten schon für die Judenchristen in den eigenen Reihen; die zuständigen kirchlichen Instanzen widersetzten sich nicht nachhaltig deren Diskriminierung oder Deportation. Heute ist unter lutherischen Christen klar: Das Judentum ist uns Christen so nahe wie keine andere Religion; Gottes Festhalten an dem Volk seiner Erwählung steht außer Frage; in Anbetracht der leidvollen Geschichte kann das Gespräch mit dem Judentum nur in Demut, Offenheit und Brüderlichkeit geführt werden. Nach wie vor gilt für uns als lutherische Christen auch: Gott hat in Christus das Heil aller Menschen bereitet und durch das Evangelium alle in die Gemeinschaft der Kirche Jesu Christi berufen.
196. Koordinator der Selbständigen Evangelisch-Lutherischen Kirche (SELK) für „Kirche und Judentum“ * Die SELK ernennt einen Koordinator für „Kirche und Judentum“ (KKJ), in der Regel für sechs Jahre. 1. Die Geschäftsstelle des KKJ ist das Kirchenbüro der SELK. 2. Für den Bereich „Kirche und Judentum“ wird ein Unterkonto bei der Allgemeinen Kirchenkasse der SELK eingerichtet und geführt. Hier werden auch die Kollekten (s. Punkt 6) verbucht. 3. Der KKJ betreut das Arbeitsfeld „Kirche und Judentum“. Er initiiert und koordiniert Lebensäußerungen der SELK auf diesem Gebiet. Es ist daran gedacht, dass der KKJ Aufgaben aus seinem Arbeitsfeld delegiert und sich nach Möglichkeit ein „Netzwerk“ von Mitarbeitenden schafft, auf die er für konkrete Anliegen zurückgreifen kann. 4. Das vom KKJ betreute Arbeitsfeld umfasst vor allem folgende Punkte: – Kenntnisnahme und Aufbereitung von Informationen zum Themenbereich „Kirche und Judentum“. Weitergabe von Informationen in den kirchenei*
Konzeption, von der Kirchenleitung der Selbständigen Evangelisch-Lutherischen Kirche (SELK) verabschiedet am 21. Februar 2003.
„Kirche und Judentum“
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genen Medien und ggf. als eigene Beilagen zur Dienstpost der Kirchenleitung. – Kenntnisnahme und Aufbereitung von Informationen zum Themenbereich „Zeugnis unter Juden“; Option eines möglichen Wirksamwerdens in diesem Bereich in Absprache mit der Lutherischen Kirchenmission (LKM). – Anregungen und Hilfestellungen zur Beschäftigung mit den Themenfeldern Israel/Judentum auf übergemeindlicher Ebene (zum Beispiel im Lehrangebot der der Lutherischen Theologischen Hochschule Oberursel, im Praktisch-Theologischen Seminar, im Pastoralkolleg, auf Konventen und Synoden u.a.m.). – Anregungen und Hilfestellungen zur Beschäftigung mit den Themenfeldern Israel/Judentum auf Gemeindeebene (Besuch jüdischer Einrichtungen, Kontakt zu jüdischen Gemeinden u.a.m.). – Herausgabe von Praxishilfen, insbesondere von Gottesdiensthilfen („IsraelSonntag“) zum 10. Sonntag nach Trinitatis. – Förderung von Studienprojekten im Themenbereich „Kirche und Judentum“. – Israel-Kontakte (z.B. über Veranstalter von Israel-Reisen aus dem Bereich der SELK) zu messianischen Gemeinden und anderen Einrichtungen. – Koordination der Verbindung zum Evangelisch-Lutherischen Zentralverein für Begegnung von Christen und Juden e.V. und zu anderen (ökumenischen) Einrichtungen im Bereich „Kirche und Judentum“ im In- und Ausland. 5. Dem KKJ wird ein Beirat zugeordnet, zu dem je ein Vertreter der Kirchenleitung der SELK, der Missionsleitung der LKM und der Fakultät der Lutherischen Theologischen Hochschule Oberursel gehört. Dieser Beirat steht dem KKJ beratend zur Seite und entscheidet gemeinsam mit ihm über Die Verwendung von Kollektengeldern, die in der SELK für „Kirche und Judentum“ – vornehmlich am 10. Sonntag nach Trinitatis – gesammelt werden. Es ist nicht daran gedacht, dass sich der Beirat regelmäßig zu Sitzungen trifft. Vielmehr findet die Kommunikation in der Regel auf telefonischem oder schriftlichem Wege (EMail, Briefpost) statt. 6. Der KKJ gibt jährlich einen Bericht an Kirchenleitung und Kollegium der Superintendenten. Er gibt Berichte für die jeweiligen Kirchensynoden der SELK.
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Verhältnis Kirche und Judentum
197. Beschluss der 11. Kirchensynode der Selbständigen Evangelisch-Lutherischen Kirche in Radevormwald vom 12.– 17.6.2007* Die 11. Kirchensynode bittet die Kirchenleitung, die Frage des Verhältnisses zwischen SELK (inkl. Ihrer Vorgängerkirchen) und Judentum durch die Theologische Kommission einer Klärung zuführen zu lassen. Sie bittet um Berichterstattung durch die Theologische Kommission auf dem nächsten Allgemeinen Pfarrkonvent und der nächsten Kirchensynode. Diese mögen über eine Weiterarbeit und ggf. Beschlussfassung zu diesem Themenkomplex befinden.
*
11. Kirchensynode der SELK, Radevormwald 12.–17.06.2007: 014 Protokolle, 27.
X.
Diakonie
Stefan Süß Einführung1 Selbstverständnis Die SELK hat sich 1972 mit ihrem Zusammenschluss aus mehreren lutherischen Teilkirchen in ihrer Grundordnung auch zur Diakonie bekannt. In Artikel 8 der Grundordnung heißt es: „Mission und Diakonie sind ungeachtet der Rechtsform ihrer Werke durch den Auftrag Gottes geforderte Lebensäußerungen der Kirche 2 und ihrer Gemeinden.“ Unter Bezugnahme auf Artikel 8 der Grundordnung hat die 7. Kirchensynode der SELK 1991 in fünf Thesen ihr theologisches Verständnis von Diakonie niedergelegt (Dok. 198): – Grundlegend geht das Diakonieverständnis der SELK von der Erlösungsbotschaft des 2. Artikels aus und verortet Diakonie damit in der Christologie. – Rechtfertigung und Glaube eröffnen auf dem Weg der Nachfolge Christi den Dienst am Nächsten (Diakonie). – Diakonie speist sich aus den Gnadenmitteln der Kirche und geht damit vom Altar der Gemeinde (Wilhelm Löhe) aus (Gnadenmittellehre). – Kirche ist diakonisch, weil der Geist Gottes Gemeinden „treibt“, Zuwendung zu Menschen in allen Lebenslagen zu leben (Ekklesiologie). – Diakonie gehört zum „Vorletzten“ und vollendet sich mit der Aufnahme von Menschen in die Ewigkeit (Eschatologie). Diakonie ist eine Folge der Rechtfertigung des Sünders und damit eine Frucht des Glaubens, nicht seine Voraussetzung. Diakonie ist auch keine Bringeleistung angesichts der Ewigkeit, wie mitunter Aussagen aus Mt 25, 31ff. interpretiert werden. „Diakonie hat auf anthropologischer Ebene ihr primäres Korrelat nicht in der Hilfsbedürftigkeit des anderen, sondern in dem Selbstverständnis des Menschen ... Ein Diakonieverständnis, das nicht in dieser Perspektive bei der Rechtfertigung des Sünders einsetzt, müsste zwangsläufig in der ekklesiologischen Entfaltung gesetz-
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Die vorgelegten Dokumente sind teilweise durch die geschichtliche Entwicklung überholt. Manche Aktivitäten sind aus unterschiedlichen Gründen eingestellt und neue eröffnet worden. Dies ist gesondert gekennzeichnet. Geltendes Recht ist entsprechend ausgewiesen. Ordnungen für die Selbständige Evangelisch-Lutherische Kirche (SELK). Herausgegeben von der Kirchenleitung der SELK, El 16 (2005), 100.
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Diakonie 3
lich werden.“ Diakonie versteht sich als Lebensform der Nachfolge Christi, der sein Leben dienend „zu einer Erlösung für viele“ gegeben hat (Mt 20, 28). Diakonie ist Wesensäußerung des Glaubens, weil sie dem Wesen des geoffenbarten Gottes entspricht. Das biblische Zeugnis von der Diakonie Gottes beginnt bereits in der Weihnachtsgeschichte: „Das Wort ward Fleisch“. Das Wort ist der „einziggeborene“ Sohn des Vaters. Er ist trotz menschlicher Gestalt der ganz andere, die Repräsentanz Gottes in einer von Gott gelösten Welt. „Wahrhaftiger Gott vom wahrhaftigen Gott … und Mensch geworden“ bekennt die Kirche im Nicänum. Gottes Wort inkarniert mit der Absicht, die verloren gegangene Gotteskindschaft an die zu verschenken, „die an seinen Namen glauben“ (Joh 1, 12). Damit definiert das Johannesevangelium in seinem Prolog die gesamte Menschheit als 4 behandlungsbedürftig, als „Diakoniefälle“ . Mit dem Eintritt in unsere Welt ist Jesus Christus auch ihrer Struktur unterworfen, „unter das Gesetz getan“ (Gal 4, 4), unter das „Gesetz der Sünde“ der Trennung vom Gott des Lebens. Aber in diese gottlose Welt bringt Jesus Christus das Wesen Gottes hinein. Gott inkarniert und damit das, was Jesus in so vielen Gleichnissen und mit seiner Lebenshaltung zeigt: die Liebe des Schöpfers zu seiner Schöpfung, die Liebe des Vaters zu seinen verlorenen Töchtern und Söhnen. Damit inkarniert das Wesen Gottes. Damit inkarniert diakonisches Wesen. Auch der Karfreitag, mit dem die Sendungsgeschichte des Christus irdisch endet, ist eine diakonische Tat. Aus menschlicher Perspektive ist es der Tiefpunkt der „via dolorosa“, aus der Perspektive der Ewigkeit, der Höhepunkt seiner Sendung. „Es ist vollbracht“, mit diesen Worten am Kreuz endet Gottes grundlegende Diakonie zur Erlösung dieser Welt und es beginnt die Diakonie seiner Kirche. Diakonisches Handeln der Kirche hat deshalb zu Recht Maß genommen an Jesus Christus und seinem Leben. In dieser Erlösung „extra nos“ liegt die Freiheit der Diakonie. In der Anerkennung der Erlösungsbedürftigkeit aller Menschen vor dem lebendigen Gott liegt der diakonische Ansatz. Diese Betrachtungsweise macht Diakonie evangelisch und verbindet sie unmittelbar mit der Mission. Die Sprachregelung des 19. Jahrhunderts, die lediglich in Äußere und Innere Mission unterschied, war theologisch sachgerecht. Die Verankerung des Diakonieverständnisses der SELK in den Satzungen von diakonischen Einrichtungen ist eine der Aufnahmebedingungen, um Mitglied im Diakonischen Werk (DW) der SELK werden zu können.
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Hanns-Stephan Haas, Diakonie-Profil, Gütersloh 2004, 33. Ebd.
Einführung
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Diakonische Aktivitäten Die diakonische Arbeit der SELK ist älter als ihre Ordnungen. In den lutherischen Teilkirchen, die sich 1972 zur SELK zusammenschlossen, existierten bereits diakonische Einrichtungen und diakonische Initiativen. Es waren insbesondere Persönlichkeiten des 19. Jahrhunderts, die der sozialen Frage gegenüber aufgeschlossen waren und in Einzelinitiativen erste diakonische Akzente setzten.
Wuppertal-Elberfeld, St. Petrikirche, erbaut 1858, zerstört 1943, Aufnahme: vor 1943.
Pfarrer Ludwig Feldner (1805–1890), zuletzt Pastor der „altlutherischen“ Gemeinde in Wuppertal, bediente sich des seinerzeit modernen Mittels des Vereinswesens, um eine christlicher Gesinnung entsprechende soziale Verpflichtung Gestalt werden zu lassen. Der Verstädterung will er durch die Aktivierung der „Laien“ eine eigenständige christliche Alternative bieten. So war er Mitbegründer der „Evangelischen Gesellschaft für Deutschland“ (1848) unterstütze den „Barmer Enthaltsamkeitsverein“, beteiligte sich an der Elberfelder „Armenkommission“, übernahm das Präsidium der Wuppertaler Traktatgesellschaft (1848), förderte die Arbeit der Jünglingsvereine und trug zur Gründung des Privatgymnasiums in Gütersloh maßgeblich bei (1848). Besonders zu würdigen ist sein Beitrag zur Organisation der Amenpflege unter konfessionellem Vorzeichen; dies geschah im Sinn eines privaten Sozialfürsorgewesens. Die Feldnersche Programmatik führte zur Aufleben kirchlich-diakonischer Arbeit, indem er für jede Gemeinde Diakone vorsah, die in genau
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Diakonie
umschriebenen Bezirken tätig wurden. In gewisser Hinsicht deutet sich in diesen Bemühungen bereits das moderne Subsidiaritätssystem der Diakonie an. Pfr. Adolf Burgdorf (1855–1935), der 1888 das altlutherische Pfarramt in Fürstenwalde übernommen hatte und im gleichen Jahr mit dem Aufbau sozialer Einrichtungen begann, die 1892 zur Gründung der Samariteranstalten Fürstenwalde führten. Die Einrichtung ist durch politische und wirtschaftliche Schwierigkeiten 1935 der Ev. Kirche Altpreußens, der heutigen Ev. Kirche Berlin Brandenburg Schlesische Oberlausitz (EKBO), übergeben worden und besteht bis heute fort. Der Unternehmer Friedrich Wilke (1829–1908) schuf aus christlicher Verantwortung heraus mit der Privatstiftung des Naëmi-Wilke-Stiftes in Guben die bis heute größte diakonische Institution innerhalb der SELK.
Guben, Naëmi-Wilke-Stift, vor der Pforte des Krankenhauses: Diakonissen mit Oberin Else Frey (erste Reihe siebente von links) und Vorsteher Pfarrer Wilhelm Brachmann (Mitte), Aufnahme: 1954.
Folgende Einrichtungen, die heute zur SELK gehören, sind in der Zeit vor 1972 entstanden: 1877 wurde das Evangelisch-Lutherische Gertrudenstift in Baunatal begründet. 1878 entstand das Naëmi-Wilke-Stift in Guben als Privatstiftung eines Hutfabrikanten. 1923 gründete sich in Remchingen bei Pforzheim die sog. Ev.-luth. Kinderfreundgesellschaft, das heutige Heilpädagogische Kinder- und Jugendheim Sperlingshof. 1946 entstand mit Unterstützung der Lutheran Church – Missouri-Synod (LCMS) in Hesel ein Auffangort für Heimatvertriebene, der Beginn der Seniorenarbeit des heutigen Ev.-Luth. Altenheims in Hesel. 1948 entstand auf Initiative einer Pfarrfrau der Diakonisch-Missionarische Frauendienst, die Frauenarbeit der SELK; die formal zum DW der SELK gehört. Diese Entwicklung hat sich nach Gründung der SELK fortgesetzt und erscheint unabgeschlossen:
Einführung
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1977 wurde die Kurklinik in Rothenberg (Odenwald) umstrukturiert zum Ev.-Luth. Haus Cordula, einer Senioreneinrichtung, die heute zur SELK gehört. 1999 wurde aus dem losen Netzwerk der Diakone, die aus der SELK stammen, ein eigener Diakonenverband ins Leben gerufen. 2005 gründete sich der Verein „Humanitäre Hilfe Osteuropa e.V.“, der mit Hilfslieferungen vor allem in die Nachfolgestaaten der ehemaligen Sowjetunion (UdSSR) den Fall des „Eisernen Vorhangs“ 1989 nutzte. 2006 sammelte sich im Verein „Hausgemeinschaft Villa Curamus e.V.“ ein lokales christlich-bürgerschaftliches Engagement zur Begleitung altgewordener Mitmenschen. Neben den neuen Aktivitäten (etwa das „Diakonische Jahr“, Dok. 199) haben sich die bereits bestehenden diakonischen Einrichtungen der SELK weiterentwickelt zu zeitgemäßen diakonischen Dienstleistungsunternehmen und teilweise ihre Arbeitsfelder erheblich ausgebaut. Diakonische Strukturen Bedingt durch die Teilung Deutschlands von 1961–1989 lag die Mehrzahl der diakonischen Einrichtungen in der ehemaligen Bundesrepublik Deutschland (West). Nur das Naëmi-Wilke-Stift im östlichen Guben lag auf dem Gebiet der ehemaligen DDR. Die westlichen Einrichtungen haben sich 1988 eigene Grundsätze für eine strukturierte Zusammenarbeit gegeben (Dok. 200). Mit dem Beitritt der DDR zur Bundesrepublik West und dem Beitritt der Evangelisch-lutherischen (altlutheri5 schen) Kirche (ELAK) in der ehemaligen DDR zur SELK (s. Kap. XII, Dok. 249) sind auch die diakonischen Strukturen der SELK gebündelt worden in der gemeinsamen „Ordnung für die diakonische Arbeit der SELK“ (Dok. 201, 202). Die diakonischen Rechtsträger der SELK, die dem DW der SELK angehören, sind zugleich Mitglieder der jeweiligen sie umgebenden landeskirchlichen diakonischen Werke (Landesverbände im DW der EKD). Diese enge Kooperation auf der Grundlage des Vereinsrechtes ist notwendig als Teil der Sozialstaatsstruktur der Bundesrepublik Deutschland nach dem so genannten Subsidiaritätsprinzip. Die Spitzenverbandsvertretung der Freien Wohlfahrtspflege in der Bundesrepublik übernehmen sechs anerkannte Wohlfahrtsverbände, unter ihnen das Diakonische Werk der EKD als Dachverband der Diakonie aller evangelischen Landes- und Freikirchen. Die SELK als Kirche ist deshalb Mitglied im DW der EKD und arbeitet aktiv in der Diakonischen Arbeitsgemeinschaft evangelischer Kirchen beim DW EKD, der eigenen rechtlichen Plattform der Freikirchen im DW der EKD mit.
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Beschluss der Generalsynode der ELAK 1990 und Beschluss der 7. Kirchensynode 1991.
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Diakonie
Oberster Repräsentant der Diakonie der SELK ist der Diakoniedirektor/die Diakoniedirektorin, der / die die SELK in der Diakonischen Konferenz, dem obersten Leitungsorgan des DW der EKD stimmberechtigt vertritt. Diakoniestruktur in der SELK Die Ordnung des DW der SELK fasst die gesamte diakonische Arbeit der SELK in einer rechtlich offenen Form zusammen. Die jährliche Vollversammlung des DW der SELK vereint diakonische Rechtsträger und weitere diakonische Initiativen mit je zwei Vertretern aus jedem der elf Kirchenbezirke der SELK. Dadurch wird die diakonische Arbeit der SELK direkt mit den gemeindlichen Aktivitäten in den Kirchenbezirken strukturell verbunden. Die Vollversammlung des DW der SELK ist das jährlich tagende Entscheidungsgremium des nicht eingetragenen Vereins DWSELK. In den Jahren seit 1990 hat die SELK stärker selbstständig von ihren rechtlichen Möglichkeiten als Körperschaft des öffentlichen Rechts Gebrauch gemacht und über ihre Kirchensynoden diakonische Rechtstexte erlassen, die die diakonischen Einrichtungsträger der Kirche als kirchliches Recht anwenden können wie z. B. die Bestimmungen über das Amt des Diakons/der Diakonin (Dok. 203), ein eigenes Mitarbeitervertretungsgesetz (Dok. 204) oder die Richtlinie der SELK über die Anforderungen der privatrechtlichen Mitarbeit in der SELK (Loyalitätsrichtlinie; Dok. 205). Gesamtkirchliche Ordnungen Die vorliegenden Ordnungen zur Diakonie dokumentieren, dass sich die SELK in den zurückliegenden Jahren verstärkt ihrer Diakonie gewidmet und sich mit der Ordnung für die diakonische Arbeit der SELK eine eigene Struktur gegeben hat.
198. Diakonieverständnis der Selbständigen EvangelischLutherischen Kirche*1 (in der Fassung vom 5.7.1991) Das in den folgenden Sätzen dargestellte Diakonieverständnis wird für die Selbständige Evangelisch-Lutherische Kirche als verbindlich angenommen. Diakonieverständnis a) In Jesus Christus ist die heilsame Gnade Gottes allen Menschen erschienen, um Vergebung der Sünden, Rettung und Heil zu erwirken. Der Sohn Gottes wurde Mensch, in allem uns gleich, doch ohne Sünde. Er nahm Knechtsgestalt an und machte sich zum Bruder auch der Elenden und Verlassenen. b) Wer durch den Glauben an Jesus Christus vor Gott gerechtfertigt ist, hat Frieden mit Gott. Gottes Liebe öffnet den Weg zum Dienst am Nächsten in der Nachfolge Christi. c) Diakonie hat daher ihre Quelle in den Gnadenmitteln, von denen aus christliche Liebestätigkeit erst möglich wird. Bei aller Achtung vor anders motivierter sozialer Tätigkeit ist daran festzuhalten, dass biblisch begründete Diakonie nur in Abhängigkeit von Gottes Wort und Sakrament geübt wird. d) Die durch den Heiligen Geist gesammelte Kirche ist auch diakonische Kirche. Sie ist dem ganzen Menschen in allen seinen Lebensbezügen zugewandt. Die Gaben des Heiligen Geistes befähigen die Gemeinde, die Liebe Christi zu denen zu tragen, die in ihrem Elend seine Zuwendung brauchen. e) So nimmt sich die Kirche des Menschen als eines Geschöpfes Gottes an. Der Mensch findet seine letzte Erfüllung dann, wenn er für Zeit und Ewigkeit in Christus geborgen ist. Obige Grundsätze wurden von der 7. Kirchensynode der SELK in Wiesbaden (2. bis 7. Juli 1991) angenommen.
199. Richtlinien für ein Diakonisches Jahr*2 Als Voraussetzung zur Durchführung eines Diakonischen Jahres in der Selbständigen Evangelisch-Lutherischen Kirche gelten die Bestimmungen der jeweils gültigen
*1 Ordnungen für die Selbständige Evangelisch-Lutherische Kirche (SELK). Herausgegeben von der Kirchenleitung der SELK, El 16 (2005), 220. *2 Ordnungen für die Selbständige Evangelisch-Lutherische Kirche (SELK). Herausgegeben von der Kirchenleitung der SELK, El 11 (1992), 2213.
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Diakonie
Fassung des Gesetzes zur Förderung eines freiwilligen sozialen Jahres. Für die Durchführung des Diakonischen Jahres im Bereich der Selbständigen Evangelisch-Lutherischen Kirche sind von den Einsatzstellen, dem Träger des Diakonischen Jahres und den Diakonischen Helfern folgende Leistungen zu erbringen: I.
Leistungen der Einsatzstellen
Das Diakonische Jahr kann nur in Einrichtungen geleistet werden, die die Voraussetzungen und diese Richtlinie anerkennen und erfüllen. Es werden solche Einrichtungen anerkannt, die in der Lage sind, Diakonische Helfer im Dienst am Menschen einzusetzen. Es geht dabei darum, hilfsbedürftigen Menschen, in erster Linie Kindern, Kranken, Alten und Behinderten, soweit sie der Hilfe und Betreuung bedürfen, zu helfen. Insbesondere sind die Kinder- und Altenheime im Diakonischen Werk der SELK geeignet. Das Diakonische Jahr soll nicht als Ersatz für fehlende Fachkräfte in Einrichtungen der Diakonie verstanden werden. Es wird ganztägig „als pflegerische, erzieherische oder hauswirtschaftliche Hilfstätigkeit“ geleistet. Soweit als möglich können die Einsatzstellen die Wünsche für besondere Einsatzbereiche berücksichtigen. 1. Die Einsatzstellen verpflichten sich a) dem Diakonischen Helfer Unterkunft und Verpflegung zu gewähren b) ihm das gesetzlich zustehende Taschengeld zu zahlen in der Höhe, wie es jeweils aufgrund der Empfehlungen bei der Jahressitzung des Diakonischen Werks der SELK beschlossen wird, auch für die vollen Monate, in denen die vorgeschriebenen Einführungskurse, Zwischenkurse und Anschlusskurse stattfinden c) dem Diakonischen Helfer bei einjähriger Beschäftigungszeit einen Urlaub entsprechend den Vergütungsgruppen Kr I–IV des BundesangestelltenTarifvertrages zu gewähren. Wenn Einsatzstellen günstigere Urlaubsregelungen anwenden, gelten diese. Beträgt die Beschäftigungszeit weniger als 12 Monate, erhält der Diakoniehelfer für jeden vollen Monat der Dienstzeit 1/12 des in Absatz I. genannten Urlaubs; dazu sind Bruchteile von Tagen auf volle Tage aufzurunden; d) im Krankheitsfall die Leistungen nach a) und b) bis zur Dauer von 6 Wochen weiterzugewähren. Dies gilt auch für diejenigen, die sich nur ein halbes Jahr verpflichtet haben; e) die Fahrten für An- und Abreise sowie zur Vorstellung beim Diakonischen Jahr als auch zu den Einführungs-, Zwischen- und Abschlusskursen zu tragen f) anteilig die Kosten für diese Kurse zu tragen g) bei Abwesenheit des Diakoniehelfers: An dienstfreien Tagen während des Erholungsurlaubs, bei Arbeitsunfähigkeit ein 30-stel des monatlichen Verpflegungsgeldes pro Tag zu vergüten
Richtlinien für ein Diakonisches Jahr
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h) für Abnutzung der eigenen Kleider eine monatliche Pauschale von 10 DM zu zahlen i) die Kirchenleitung der SELK als Träger des Diakonischen Jahres über besondere Vorkommnisse unverzüglich zu unterrichten. 2. Die Arbeitszeit des Diakonischen Helfers richtet sich nach dem Zeitplan des Heimes, in dem der Diakonische Helfer tätig ist. Die Arbeitszeit beträgt 40 Stunden pro Woche. Für Jugendlich unter 18 Jahren sind die Bestimmungen des Jugendarbeitsschutzgesetzes zu beachten. 3. Im jeweiligen Heim muss die Begleitung und Anleitung gewährleistet sein. Die Einsatzstellen sollen dafür ausdrücklich einen Mitarbeiter namhaft und verantwortlich machen, der nicht zugleich die Heimleiter sein sollte. Die Teilnahme an den Veranstaltungen des Hauses und die Teilnahme an Veranstaltungen der zuständigen Kirchengemeinde sollte ermöglicht werden. Die Diakoniehelfer sind mit der bestehenden Hausordnung vertraut zu machen. 4. Das Diakonische Jahr beginnt mit einem Einführungskurs, mit einem Zwischenkurs und endet mit einer Abschlussfreizeit. Die Teilnahme an diesen Veranstaltungen ist verbindlich. Die hierfür erforderlichen Arbeitstage dürfen auf den Erholungsurlaub nicht angerechnet werden. II.
Leistungen des Diakonischen Helfers
1. Der Dienst dauert grundsätzlich 1 Jahr, mindestens 6 Monate. Nach Vereinbarung kann das Diakonische Jahr in zwei Halbjahren abgeleistet werden. 2. Ein Wechsel der Einsatzstellen ist nur im Einvernehmen mit dem Träger des Diakonischen Jahres möglich und rechtzeitig abzusprechen. 3. Der Diakonische Helfer hat bei seiner Anmeldung einen Bewerbungsbogen mit zwei Lichtbildern einzureichen, ein ärztliches Zeugnis und eine Verpflichtung zu unterschreiben. Diese Anmeldeformulare sind beim Träger erhältlich. Ein kurzer Lebenslauf und ein pfarramtliches Zeugnis sind beizufügen. 4. Der Diakonische Helfer soll sich in der Einsatzstelle in das Team der Mitarbeiter einordnen und zu einer guten Zusammenarbeit beitragen. Er wird bereit sein, von den erfahrenen Mitarbeitern zu lernen und die Beratung zu suchen. 5. In allen Fällen, in denen Probleme im Arbeitsbereich nicht mit dem vom Heim beauftragten und für Diakonische Helfer verantwortlichen Mitarbeiter geklärt werden können, sollte Kontakt aufgenommen werden mit dem Verantwortlichen für die Kurse der Diakonischen Helfer.
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Diakonie
III.
Leistungen des Trägers des Diakonischen Jahres
Der Träger des Diakonischen Jahres in der SELK ist die SELK. 1. Sie bereitet den Einsatz der Diakonischen Helfer vor. Dabei werden nach Möglichkeit Wünsche der Diakonischen Helfer berücksichtigt, soweit es die Auswahl des Heimes betrifft. 2. Sie führt die Sozialversicherung für den Diakonischen Helfer durch, führt die Lohnsteuer und ggf. Kirchensteuer ab und fordert die verauslagten Beträge bei den Einsatzstellen zurück. 3. Sie sorgt dafür, dass der Einführungskurs, der Zwischenkurs und der Abschlusskurs durchgeführt werden. Hierfür können von der Kirchenleitung Beauftragungen ausgesprochen werden. 4. Sie überwacht den Einsatz der Diakonischen Helfer und die Einhaltung der Richtlinien und sorgt dafür, dass offene Fragen gemeinsam in den Jahressitzungen des Diakonischen Werkes der SELK geklärt werden. 5. Sie steht dem Diakonischen Helfer und den Einsatzstellen während des Diakonischen Jahres beratend zur Seite. 6. Sie informiert die Einsatzstellen über Gesetzesänderungen, soweit sie das Diakonische Jahr betreffen und über die Empfehlungen und Beschlüsse des Arbeitskreises Freiwillige soziale Dienste des Diakonischen Werkes der Evangelischen Kirche in Deutschland. Diese Richtlinien wurden beschlossen auf der Jahresversammlung des Diakonischen Werkes der SELK am 10.11.1978 in Hannover.
200. Grundsätze und Aufgaben des Diakonischen Werkes der Selbständigen Evangelisch-Lutherischen Kirche* 1.
Name
Das „Diakonische Werk der SELK“ ist eine Arbeitsgemeinschaft der diakonischen Einrichtungen der SELK. 2.
Aufgaben
Die Arbeitsgemeinschaft hat folgende Aufgaben: a) Die Bindung der diakonischen Einrichtungen zur SELK deutlich zu machen, b) die Arbeit und Zusammenarbeit ihrer Mitglieder zu fördern durch geistliche Zurüstung, Information, Erfahrungsaustausch und Meinungsbildung, *
Verabschiedet von der Jahrestagung des DW der SELK am 19.11.1988 in Baunatal-Großenritte; 1991 abgelöst durch die Ordnung für die diakonische Arbeit in der SELK (vgl. Dok. 201).
Grundsätze und Aufgaben des Diakonischen Werkes
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c) Förderung der Mitarbeiter d) Anstöße und Hilfen zu geben, die Verpflichtung der Kirche zur Diakonie bewusst zu machen, e) Vertretung gemeinsamer Interessen im „Diakonischen Werk der EKD“. 3.
Mitgliedschaft
Zur Zeit gehören der Arbeitsgemeinschaft als Mitglieder an: 1. Ev.-Luth. Diakonissenwerk Korbach 2. Ev.-Luth. Kinderheim Sperlingshof 3. Ev.-Luth. Altenheim Hesel 4. Ev.-Luth. Alten- und Pflegeheim Gertrudenstift 5. Ev.-Luth. Haus Cordula 01. Hilfswerk der SELK 02. Diakonisch-Missionarischer Frauendienst 03. Diakonisches Jahr 04. Diakonieverband der SELK 05. Geschäftsführender Kirchenrat Die genannten diakonischen Einrichtungen treffen sich mindestens einmal im Jahr und entsenden dazu Vertreter. Die Einrichtungen 1–5 sind gehalten, den Heimleiter, ein Vorstandsmitglied und eine Kraft aus dem pflegerischen Dienst zu entsenden; Die unter 01–05 Genannten sind mit je einer Stimme vertreten. Über die Aufnahme neuer Mitglieder entscheidet die Arbeitsgemeinschaft auf ihrer Mitgliederversammlung. 4.
Vorsitzender
Die Arbeitsgemeinschaft wählt für die Dauer von drei Jahren einen Vorsitzenden und dessen Vertreter.
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Diakonie
201. Ordnung für die diakonische Arbeit der Selbständigen Evangelisch-Lutherischen Kirche* (in der Fassung vom 18.6.2003)1 Präambel Mit der von der 7. Kirchensynode der Selbständigen Evangelisch-Lutherischen Kirche (SELK) verabschiedeten Ordnung für die diakonische Arbeit beschreibt die Kirche mögliche Arbeitsfelder und Verantwortlichkeiten von Kirche und Diakonie. Die Ordnung bindet ehrenamtliche Diakonie der Kirchgemeinden mit diakonischen Initiativgruppen und Einrichtungen der institutionellen Diakonie zusammen. Der Diakonierat ist der Zusammenschluss aller diakonischen Aktivitäten in der SELK in einer rechtlich offenen Form. §1
Die Gemeinde
1. Die Gemeinde weckt das Verständnis für den diakonischen Auftrag und stärkt die Bereitschaft zum diakonischen Dienst ihrer Glieder untereinander und über die Gemeinde hinaus. Dies geschieht vor allem a) in der gottesdienstlichen Verkündigung und Fürbitte, in der kirchlichen Unterweisung, in Gemeindeseminaren zu Fragen der Diakonie und durch Diakonietage; b) in der Zuwendung zu den Hilfsbedürftigen. Dies geschieht insbesondere durch – regelmäßigen Besuchsdienst bei Gemeindegliedern in Not, – Hauskrankenpflege, – Fahrdienste, – Vermittlung fachspezifischer Hilfen, – Trägerschaft vor allem von gemeinde-/kircheneigenen Kindergärten, Altenwohnanlagen u. a.; c) in der Pflege der Verbindungen zu diakonischen Einrichtungen der SELK, wie z.B. durch – Übernahme von Patenschaften bzw. Mitgliedschaften bei diakonischen Werken der SELK und ihrer Schwesterkirchen, – Vermittlung von Patenschaften zwischen Gemeindegliedern und Heimbewohnern in Einrichtungen der SELK.
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Als Ablösung der Grundsätze für die Arbeit der Diakonischen Werke der SELK von 1988 (s.o.).
* Ordnungen für die Selbständige Evangelisch-Lutherische Kirche (SELK). Herausgegeben von der Kirchenleitung der SELK, El 16 (2005), 221.1–5.
Ordnung für die diakonische Arbeit
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2. Die Dienste unter a) bis c) werden in Verbindung mit dem Pfarrer vor allem wahrgenommen z.B. durch – Gemeindekreise, (Frauenkreis, diakonischer Arbeitskreis), – einzelne Gemeindeglieder, – Kirchenvorstand, – Diakoninnen und Diakone, – Gemeindeschwestern, Gemeindehelferinnen, – Zivildienstleistende, – Diakonische Helfer(innen) im Freiwilligen Sozialen Jahr. 3. Zur Durchführung all dieser Aufgaben ist die Berufung und Einführung eines(r) Diakoniebeauftragten hilfreich, dem(r) ein Arbeitskreis für Diakonie zur Seite gestellt werden kann. 4. Die einzelnen Gemeindeglieder werden durch ihren Glauben gerufen, – die leiblichen und seelischen Nöte in der Gemeinde, in der Nachbarschaft, am Arbeitsplatz und in sonstigen Lebensbereichen wahrzunehmen und nach Kräften zu lindern, – Menschen in Not in der Nähe und in der Ferne auch mit ihren finanziellen Gaben zu unterstützen. 5. Junge Christen bedenken, ob sie ein soziales Jahr oder gegebenenfalls ihren Zivildienst in einer Einrichtung ihrer Kirche ableisten können. Bei ihrer Berufswahl fragen sie sich, ob sie einen diakonischen Beruf ergreifen können. 6. In sozialen Berufen ausgebildete Gemeindeglieder wissen um ihre Verantwortung, an geeigneter Stelle in den diakonischen Einrichtungen ihrer Kirche mitzuarbeiten. §2
Der Kirchenbezirk
Der Kirchenbezirk nimmt seine diakonische Verpflichtung unter anderem wahr, indem a) der Superintendent bei Visitationen den Gemeindediakonat berücksichtigt; b) für die seelsorgerliche Betreuung in den diakonischen Werken der SELK im Kirchenbezirk Sorge getragen wird; c) die Bezirkssynode eine(n) Diakoniebeauftragte(n) wählt, möglichst mit Sitz und Stimme auf der Bezirkssynode; d) der Bericht des(r) Diakoniebeauftragten von der Bezirkssynode entgegengenommen und darüber beraten wird; e) der (die) Diakoniebeauftragte des Kirchenbezirks den Erfahrungsaustausch und die Zurüstung der diakonisch Verantwortlichen in den Gemeinden und den diakonischen Einrichtungen fördert und f) im Diakonierat (Diakonischen Werk) der SELK mitarbeitet.
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Diakonie
§3
Die diakonischen Werke
a) Die Träger der diakonischen Werke der SELK regeln ihre Arbeit entsprechend der eigenen Ordnung. b) Die Anerkennung als Werk der SELK setzt unter anderem die Übernahme des Diakonieverständnisses der SELK in die Satzung des Trägers voraus. c) Das Diakonieverständnis der SELK bindet den Träger, seine diakonische Arbeit danach auszurichten. d) Die geistliche Aufsicht über die diakonischen Werke nimmt der Superintendent des Kirchenbezirks wahr, in dem das Werk seinen Sitz hat, soweit die Satzung der diakonischen Einrichtung nicht anderes regelt. e) Die geistliche Versorgung der diakonischen Werke wird durch die Kirchenleitung im Einvernehmen mit dem Superintendenten des zuständigen Kirchenbezirks und dem jeweiligen Träger geregelt. f) Die diakonischen Werke der SELK werden bei Inkrafttreten dieser Ordnung in einem Anhang aufgeführt. Eine Fortschreibung ist nach Zustimmung durch die Vollversammlung des Diakonierates möglich. §4
Der Diakonierat (Das Diakonische Werk) der SELK
1. Die SELK fasst die diakonische Arbeit in den verschiedenen Bereichen durch den Diakonierat (das Diakonische Werk) der SELK zusammen. 2. Die Organe des Diakonierates (Diakonischen Werkes) sind die Vollversammlung (a) und der Diakoniedirektor (b). a) Die Vollversammlung besteht aus: – je einem Vertreter der Kirchenbezirke, – je zwei Vertretern der diakonischen Werke, – einem Mitglied der Kirchenleitung. Die Vollversammlung tagt mindestens einmal jährlich unter der Leitung eines gewählten Vorsitzenden. Zu den Aufgaben der Vollversammlung gehört es: – Den Bericht der Diakoniebeauftragten der Kirchenbezirke sowie der Vertreter der diakonischen Werke der SELK entgegenzunehmen und zu beraten; – über die diakonische Arbeit in der SELK zu beraten und zu beschließen; – den (die) Diakoniedirektor(in) der Kirchenleitung und dem Kollegium der Superintendenten zur Wahl vorzuschlagen; – die vertraglich geregelte Zusammenarbeit mit diakonischen Werken anderer Kirchen zu beraten; – Satzungsänderungen der diakonischen Einrichtungen, soweit sie das Diakonieverständnis der SELK betreffen, zu genehmigen; – die Abrechnung des Diakoniedirektors entgegenzunehmen;
Ordnung für die diakonische Arbeit
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– sich eine Geschäftsordnung zu geben, die von der Kirchenleitung und dem Kollegium der Superintendenten zu genehmigen ist. b) Der (die) Diakoniedirektor(in) Zum (zur) Diakoniedirektor(in) kann vorgeschlagen und gewählt werden, wer Glied der SELK oder einer mit ihr in Kirchengemeinschaft stehenden Kirche ist. Zu seinen (ihren) Aufgaben gehören: – Vertretung des Diakonischen Werkes der SELK gegenüber anderen Kirchen und deren Diakonischen Werken auf Bundes- und Landesebene, der Diakonischen Arbeitsgemeinschaft evangelischer Kirchen, dem Diakonischen Werk und der Diakonischen Konferenz der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) etc.; – Kontaktpflege zu den diakonischen Partnern der Schwesterkirchen sowie zu Diakonischen Werken anderer Kirchen; – Vertretung der Diakonie gegenüber der Kirchenleitung und dem Kollegium der Superintendenten; – Berichterstattung des Diakonierates vor der Kirchensynode; – Kontaktpflege zu den Diakonischen Einrichtungen und den Bezirksbeauftragten der Diakonie sowie zu den Gemeinden und den anderen Mitgliedern der Vollversammlung und deren Beratung; – Anregungen zur diakonischen Arbeit in der Kirche durch Referate, Seminare, Gemeindeveranstaltungen sowie durch regelmäßige Veröffentlichungen des Diakonierates; – Mitwirkung bei Gründung neuer diakonischer Einrichtungen auf allen Ebenen und Anregung solcher Initiativen; – Einsatz bei der Ausbildung von Absolvent(inn)en des Freiwilligen Sozialen Jahres; – Fortbildung auf diakonischem Gebiet für Theologiestudierende, Vikare und Pfarrer. Der (die) Diakoniedirektor(in) nimmt seine (ihre) Aufgabe in Verbindung mit der Kirchenleitung und in der Verantwortung vor der Vollversammlung wahr. 3. Der (die) Diakoniedirektor(in) bestreitet seinen (ihren) Etat durch Zuwendungen des Haushalts der Allgemeinen Kirchenkasse der SELK. Die Ordnung tritt nach Beschluss der 7. Kirchensynode in Kraft. Er löst die „Grundsätze“ für die Arbeit der Diakonischen Werke der SELK ab. Letzte Fassung: Beschlüsse der 10. Kirchensynode der Selbständigen Evangelisch-Lutherischen Kirche in Melsungen vom 17. bis zum 22. Juni 2003.
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Diakonie
Anhang an die Ordnung für die diakonische Arbeit in der SELK (vgl. § 3 f) Diakonische Werke: 1. 2. 3. 4. 5. 6.
Diakonissenwerk Korbach e.V. Heilpädagogisches Kinder- und Jugendheim Sperlingshof Evang.-Luth. Altenheim Hesel Alten- und Pflegeheim Gertrudenstift Evang.-Luth. Haus Cordula Naëmi-Wilke-Stift Guben
Den diakonischen Werken sind folgende Einrichtungen gleichgestellt: 1. 2. 3. 4. 5.
Diakonieverband der SELK Diakonisch-Missionarischer Frauendienst Freiwillige Soziale Dienste (FSD) / Diakonisches Jahr (DJ) Altersgerechtes Wohnen e.V. Konvent der Diakoninnen und Diakone in der SELK
202. Geschäftsordnung der Vollversammlung des Diakonierates der Selbständigen Evangelisch-Lutherischen Kirche (SELK)* (in der Fassung vom 27.10.2006) I.
Einberufung, Beschlussfähigkeit
1. Die Tagungen des Diakonierates werden von dem Vorsitzenden / der Vorsitzenden des Diakonierates einberufen. 2. Die Einberufung erfolgt schriftlich unter Mitteilung der Tagesordnung. Sie soll den Mitgliedern einen Monat vor dem Tagungstermin zugehen. Die Tagesordnung wird zu Beginn der Tagung festgestellt. 3. Jede ordnungsgemäß einberufene Sitzung des Diakonierates ist beschlussfähig. II.
Vorsitzender, Stellvertreter
1. Der Diakonierat wählt aus seiner Mitte einen Vorsitzenden / eine Vorsitzende und einen Stellvertreter / eine Stellvertreterin. Die Wahlen erfolgen jeweils für zwei Jahre. Wiederwahl ist möglich. 2. Zu den Aufgaben des Vorsitzenden / der Vorsitzenden gehört es, die Tagungen *
Ordnungen für die Selbständige Evangelisch-Lutherische Kirche (SELK). Herausgegeben von der Kirchenleitung der SELK, El 17 (2008), 2210.1–2.
Geschäftsordnung der Vollversammlung des Diakonierates
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des Diakonierates vorzubereiten und zu leiten. III.
Sitzungsablauf, Aussprachen
1. In den Sitzungen des Diakonierates werden die nach der Tagesordnung vorgesehenen Gegenstände nach einer kurzen Einführung zur Aussprache gestellt. Soweit erforderlich, wird nach Abschluss einer Aussprache über den Beratungsgegenstand abgestimmt. 2. Bei der Aussprache ist den Sitzungsteilnehmern nach der Reihenfolge ihrer Wortmeldungen das Wort zu erteilen. Es können jederzeit Anträge auf Schluss der Rednerliste, auf Schluss der Aussprache sowie auf Vertagung des Beratungsgegenstandes gestellt werden. Vor einer Abstimmung über diese Anträge sind die noch offenen Wortmeldungen mitzuteilen. Über den weitergehenden Antrag ist zuerst abzustimmen. IV.
Abstimmung, Wahlen
1. Jedes Mitglied der Vollversammlung und der Diakoniedirektor haben je eine Stimme. Der Diakonierat fasst seine Beschlüsse mit einfacher Mehrheit. 2. Stimmenthaltungen werden bei der Stimmenauszählung nicht gewertet. Bei Stimmengleichheit ist ein Antrag abgelehnt. Geheime Abstimmung kann beantragt werden. 3. Vor jeder Abstimmung wird der Wortlaut des Antrages verlesen. V.
Sitzungsprotokoll
1. Über die Sitzungen des Diakonierates wird jeweils ein Protokoll erstellt. In dem Protokoll sind die Beratungsgegenstände, der wesentliche Inhalt der Aussprachen sowie die gefassten Beschlüsse aufzuführen. 2. Das Protokoll wird nach der Unterzeichnung durch den Vorsitzenden / die Vorsitzende und den Protokollführer / die Protokollführerin allen Mitgliedern zugesandt. 3. Einwendungen gegen das Protokoll und seine Beschlüsse müssen dem Vorsitzenden / der Vorsitzenden innerhalb von vier Wochen nach Zugang des Protokolls zugeleitet werden. Die Protokollannahme erfolgt durch die nächste Sitzung der Vollversammlung des Diakonierates.
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Diakonie
VI.
Gäste
Zu den Tagungen können Gäste durch den Vorsitzenden oder auf Beschluss des Diakonierates eingeladen werden. Die Gäste haben, soweit nicht der Diakonierat anders beschließt, Rederecht. VII.
Änderung der Geschäftsordnung
Beschlüsse zur Änderung der Geschäftsordnung bedürfen einer Zweidrittelmehrheit der anwesenden Mitglieder. VIII.
Inkrafttreten
Die vorstehende Geschäftsordnung tritt mit dem Tage der Genehmigung durch die Kirchenleitung und das Kollegium der Superintendenten der Selbständigen Evangelisch-Lutherischen Kirche in Kraft. Diese Geschäftsordnung wurde von der Vollversammlung des Diakonierates am 12. und 13.10.1992 in Bleckmar verabschiedet. Sie wurde von Kirchenleitung und Kollegium der Superintendenten auf ihrer Sitzung vom 18. bis zum 20.03.1993 in Bleckmar in Kraft gesetzt. Letzte Fassung: Beschlussfassung von Kirchenleitung und Kollegium der Superintendenten auf ihrer Sitzung vom 26. bis zum 28. Oktober 2006 in Bergen-Bleckmar.
203. Das Amt des Diakons/ der Diakonin in der Selbständigen Evangelisch-Lutherischen Kirche (SELK) sowie Richtlinien bei der Ausbildung von Gliedern der SELK zu Diakoninnen/ Diakonen* Grundlagen Diakone/ Diakoninnen bezeugen in Wort und Tat die in Jesus Christus sichtbar gewordene Liebe Gottes. Dies geschieht insbesondere durch: – die Abwendung oder Minderung materieller, leiblicher, seelischer und geistlicher Not, – gemeindepädagogische Hilfe und Begleitung, – Förderung missionarischer Aktivitäten. *
Überarbeiteter Entwurf, Stand: 22.11.2008.
Das Amt des Diakons/ der Diakonin
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Konkret wird dies z.B. durch die Arbeit in folgenden Bereichen: Kinder- und Jugendarbeit, Religionsunterricht, Seniorenarbeit, Krankenpflege, Arbeit mit Benachteiligten, Kirchliche Sozialarbeit, Seelsorge/Beratung, zielgruppenorientierte Verkündigung, Unterricht in der Gemeinde, Aus- und Fortbildung von Mitarbeitern, Erwachsenenbildung, Beziehungs- und Kontaktarbeit, Mitgestaltung im kommunalen Bereich, Vernetzung, Öffentlichkeitsarbeit, GemeindeOrganisation, Gemeindeentwicklung, Die Auszubildenden bzw. die Diakone/ Diakoninnen pflegen ihr geistliches Leben bewusst, insbesondere durch Gottes Wort, Beichte, Heiliges Abendmahl, Gebet und christliche Gemeinschaft. Diakone/ Diakoninnen im Dienst der SELK haben in der Regel eine abgeschlossene theologische und soziale, pädagogische oder pflegerische Ausbildung durchlaufen. Der Kirchenleitung werden die entsprechenden Kompetenzen durch Zeugnisse, die Übereinstimmung mit der Lehre der SELK durch ein Kolloquium nachgewiesen. Ausbildung Die Heimatgemeinden begleiten die Auszubildenden fürbittend. Die Auszubildenden setzen sich mit dem lutherischen Bekenntnis und der Geschichte der lutherischen Kirche auseinander. Für die Beratung und Begleitung während der Ausbildung bietet der Konvent der Diakoninnen und Diakone in der SELK im Rahmen seiner Möglichkeiten Hilfestellung an. Der Konvent der Diakoninnen und Diakone in der SELK Alle auszubildenden und ausgebildeten Diakone/ Diakoninnen in der SELK können sich dem „Konvent der Diakoninnen und Diakone in der SELK“ anschließen. Er begleitet und unterstützt seine Mitglieder, sorgt für Fort- und Weiterbildung, stärkt die Gemeinschaft untereinander und vertritt die Interessen der Diakoninnen und Diakone nach außen. Der Konvent der Diakoninnen und Diakone in der SELK führt eine Liste aller ihm bekannten auszubildenden und ausgebildeten Diakone/ Diakoninnen in der SELK, die er jährlich der Kirchenleitung und dem diakonischen Werk der SELK zur Kenntnisnahme gibt. Einsegnung/ Einführung Der Bischof oder ein von ihm beauftragter Pfarrer der SELK nimmt die Einsegnung von Diakonen/ Diakoninnen in der SELK vor. Über die Einsegnung ist eine Urkunde von der Kirchenleitung auszustellen und auszuhändigen.
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Diakonie
Die Einführung nimmt der jeweilige Pfarrer vor Ort bzw. der verantwortliche Geistliche vor, in dessen Bereich/ Aufgabengebiet die Diakonin/ der Diakon angestellt ist. Bei einer Einsegnung durch eine andere Kirche entscheidet die Kirchenleitung der SELK jeweils über die Anerkennung. Die Diakone/ Diakoninnen verpflichten sich bei der Einsegnung/ Einführung zum Dienst in der SELK in Treue gegen das Evangelium von Jesus Christus auf dem Grund des Bekenntnisses der evangelisch-lutherischen Kirche und gemäß den kirchlichen Ordnungen zur Ehre Gottes und zur Erbauung der Gemeinde ihr Amt zu führen und sich so zu verhalten, wie es für eine(n) Diakon/ Diakonin in der Gemeinde Jesu Christi angemessen ist. Diakone/ Diakoninnen in einer Dienstanstellung innerhalb der SELK Diakone/ Diakoninnen, die innerhalb der SELK hauptamtlich tätig sind, arbeiten gemäß einer Aufgabenbeschreibung und eines Dienstvertrages der anstellenden Gemeinde oder Stelle. Sie nehmen regelmäßig an Weiterbildungen teil. Diakone/ Diakoninnen, die im Dienst der SELK stehen, sind in Absprache mit den betreffenden Gremien in die Gemeinschaft von Kirchenvorstand und Konvent/ Synode des jeweiligen Kirchenbezirkes integriert. Diakone/ Diakoninnen in einer Dienststellung innerhalb der SELK werden aus dem Dienst entlassen und verlieren das Recht, sich Diakon/ Diakonin der SELK zu nennen, wenn sie aus der SELK austreten oder ausgeschlossen werden.
204. Mitarbeitervertretungsgesetz für das Diakonische Werk der Selbständigen Evangelisch-Lutherischen Kirche (MVG-DWSELK)* (in der Fassung vom 15.6.2007) Diakonieverständnis der SELK a) In Jesus Christus ist die heilsame Gnade Gottes allen Menschen erschienen, um Vergebung der Sünden, Rettung und Heil zu erwirken. Der Sohn Gottes wurde Mensch, in allem uns gleich, doch ohne Sünde. Er nahm Knechtgestalt an und machte sich zum Bruder auch der Elenden und Verlassenen. b) Wer durch den Glauben an Jesus Christus vor Gott gerechtfertigt ist, hat Frieden mit Gott. Gottes Liebe öffnet den Weg zum Dienst am Nächsten in der *
Ordnungen für die Selbständige Evangelisch-Lutherische Kirche (SELK). Herausgegeben von der Kirchenleitung der SELK, El 17 (2008), 228.1; folgen die Bestimmungen des MVG-DW-SELK.
Anforderungen der privatrechtlichen beruflichen Mitarbeit in der SELK
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Nachfolge Christi. c) Diakonie hat daher ihre Quelle in den Gnadenmitteln, von denen aus christliche Liebestätigkeit erst möglich wird. Bei aller Achtung vor anders motivierter sozialer Tätigkeit ist daran festzuhalten, dass biblisch begründete Diakonie nur in Abhängigkeit von Gottes Wort und Sakrament geübt wird. d) Die durch den Heiligen Geist gesammelte Kirche ist auch diakonische Kirche. Sie ist dem ganzen Menschen in allen seinen Lebensbezügen zugewandt. Die Gaben des Heiligen Geistes befähigen die Gemeinde, die Liebe Christi zu denen zu tragen, die in ihrem Elend seine Zuwendung brauchen. e) So nimmt sich die Kirche aller Menschen als eines Geschöpfes Gottes an. Der Mensch findet seine letzte Erfüllung dann, wenn er für Zeit und Ewigkeit in Christus geborgen ist. Obige Grundsätze wurden von der 7. Kirchensynode der SELK in Wiesbaden vom 2. bis 7. Juli 1991 angenommen.
205. Richtlinie der Selbständigen Evangelisch-Lutherischen Kirche (SELK) über die Anforderungen der privatrechtlichen beruflichen Mitarbeit in der SELK – (Loyalitätsrichtlinie SELK)* (in der Fassung vom 16.6.2007) §1
Geltungsbereich
1. Diese Richtlinie regelt die Anforderungen an die in privatrechtlichen Dienstund Arbeitsverhältnissen beschäftigten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Dienststellen und Einrichtungen der SELK. 2. Rechtlich selbstständige Einrichtungen sowie andere kirchliche Einrichtungen, Werke und Dienste nach Absatz 1 können diese Richtlinie aufgrund von Beschlüssen ihrer zuständigen Gremien anwenden. 3. Diese Richtlinie gilt nicht für Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die in öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnissen in der SELK aufgrund eigener kirchlicher Ordnungen beschäftigt sind, insbesondere Pastoren. §2
Grundlagen des kirchlichen Dienstes
1. Der Dienst der Kirche ist durch den Auftrag bestimmt, das Evangelium in Wort und Tat zu bezeugen, wie ihn die Grundordnung der SELK beschreibt. Alle Frauen und Männer, die in Anstellungsverhältnissen im Geltungsbereich dieser *
Ordnungen für die Selbständige Evangelisch-Lutherische Kirche (SELK). Herausgegeben von der Kirchenleitung der SELK, El 17 (2008), 201.1–2.
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Diakonie
Richtlinie tätig sind, tragen in unterschiedlicher Weise dazu bei, dass dieser Auftrag erfüllt werden kann. Dieser Auftrag ist die Grundlage der Rechte und Pflichten von Anstellungsträgern sowie Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern. 2. Es ist Aufgabe der kirchlichen und diakonischen Anstellungsträger, ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter mit den christlichen Grundsätzen ihrer Arbeit vertraut zu machen. Sie fördern die Fort- und Weiterbildung zu Themen des Glaubens und des christlichen Menschenbildes. §3
Berufliche Anforderung bei der Begründung des Arbeitsverhältnisses
1. Die berufliche Mitarbeit in der SELK und ihrer Diakonie setzt grundsätzlich die Zugehörigkeit zur SELK oder einer Kirche voraus, mit der die SELK in Kirchengemeinschaft verbunden ist. 2. Für Aufgaben, die nicht der Verkündigung, Seelsorge, christlichen Unterweisung zuzuordnen sind, kann von Absatz 1 abgewichen werden, wenn andere geeignete Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter nicht zu gewinnen sind. In diesem Fall können bevorzugt auch Personen eingestellt werden, die einer Mitgliedskirche der Arbeitsgemeinschaft Christlicher Kirchen in Deutschland (ACK) angehören sollen. § 2 Absatz 1 Satz 2 bleibt unberührt. 3. Für den Dienst in der SELK und ihrer Diakonie ist in der Regel ungeeignet, wer aus der SELK ausgetreten ist, ohne in eine andere Mitgliedskirche der ACK übergetreten zu sein. Ungeeignet kann auch sein, wer aus einer anderen Mitgliedskirche der ACK ausgetreten ist. Im Einzelfall kann bei sorgfältiger Prüfung Absatz 2 zur Anwendung kommen. §4
Berufliche Anforderung während des Arbeitsverhältnisses
1. Je nach Aufgabenbereich übernehmen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter Verantwortung für die glaubwürdige Erfüllung kirchlicher und diakonischer Aufgaben. Sie haben sich daher loyal gegenüber der SELK zu verhalten. 2. Von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der SELK wird erwartet, dass sie die Heilige Schrift und das lutherische Bekenntnis anerkennen. Sofern sie in der Verkündigung, Seelsorge, christlichen Unterweisung oder Einrichtungsleitung tätig sind, wird eine inner- und außerdienstliche Lebensführung erwartet, die der übernommenen Verantwortung entspricht. 3. Von christlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern anderer Kirchen wird erwartet, dass sie die Heilige Schrift und das lutherische Bekenntnis achten und für die christliche Prägung ihrer Einrichtung eintreten. 4. Nicht christliche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter haben den kirchlichen Auftrag zu beachten und die ihnen übertragenen Aufgaben im Sinne der Kirche zu erfüllen.
Anforderungen der privatrechtlichen beruflichen Mitarbeit in der SELK
§5
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Verstöße gegen berufliche Anforderungen an Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter
1. Erfüllt eine Mitarbeiterin oder ein Mitarbeiter eine in dieser Richtlinie genannte berufliche Anforderung an die Mitarbeit im kirchlichen oder diakonischen Dienst nicht mehr, soll der Anstellungsträger durch Beratung und Gespräch auf die Beseitigung des Mangels hinwirken. Als letzte Maßnahme ist nach Abwägung der Umstände des Einzelfalles eine außerordentliche Kündigung aus wichtigem Grund möglich, wenn der Mangel nicht auf andere Weise (z. B. Versetzung, Ermahnung, Abmahnung, ordentliche Kündigung) behoben werden kann. 2. Ein Grund für eine außerordentliche Kündigung ist insbesondere der Austritt aus der SELK ohne Übertritt in eine der Mitgliedskirchen der ACK oder ein Verhalten, das eine grobe Missachtung des Selbstverständnisses der SELK und ihrer Ordnungen und somit eine Beeinträchtigung der Glaubwürdigkeit des kirchlichen Dienstes darstellt. 3. Ein Kündigungsgrund kann auch gegeben sein, wenn eine Mitarbeiterin oder ein Mitarbeiter aus einer anderen Kirche als der SELK austritt. §6
Weitergehende Bestimmungen
Soweit Anforderungen für besondere Berufsgruppen über die Anforderungen dieser Richtlinie hinausgehen, bleiben sie unberührt. Die vorstehende Richtlinie wurde von der 11. Kirchensynode der Selbständigen Evangelisch-Lutherischen Kirche (SELK), die vom 12. bis zum 17. Juni 2007 in Radevormwald tagte, am 16. Juni 2007 verabschiedet und mit sofortiger Wirkung in Kraft gesetzt.
XI. Ausbildungsstätten Gilberto da Silva Einführung Das Anliegen der in den deutschen Territorien des 19. Jahrhunderts entstandenen selbstständigen evangelisch-lutherischen Kirchen beinhaltete unter anderem auch die Sorge um die konfessionelle Ausbildung des eigenen Pfarrernachwuchses. In zwei von diesen Kirchen kam es zur Einrichtung eigener theologischer Ausbildungsstätten.
Seminar der Evangelisch-lutherischen Kirche in Preußen, vordere Reihe, zweiter von rechts: Oberkirchenrat Dr. Gottfried Nagel (*1876, †1944), Aufnahme: 1932 in Breslau.
Die Evangelisch-lutherische Kirche in Preußen (ELKP, s. Kap. I) beantragte bei der Staatsregierung gleich ein Jahr nach der 1840 erreichten Duldung die Einrichtung eines theologischen Lehrstuhls für die Belange der lutherischen Kirche an einer Universität (s. Kap. I, Dok. 16, C7). Dem Antrag wurde nicht stattgegeben. In einer Petition von 1864 ersuchte die Generalsynode der ELKP die Anstellung eines staatlich besoldeten Professors für lutherische Theologie, hatte damit aber auch keinen Erfolg. Aufgrund dieser Absagen fasste man erstmals den Gedanken, eine eigene, von der Kirche getragene „Professur“ einzurichten (Dok. 206). Konkrete Pläne für die Eröffnung einer eigenen Ausbildungsstätte wurden jedoch erst Jahre später vom Oberkirchenkollegium, der Kirchenleitung der ELKP in Breslau, veröffentlicht. Daraufhin beschloss die Generalsynode der ELKP von 1882, nachdem die benötigten Mittel in einem Seminarfonds angesammelt wurden, die Einrichtung eines Theologischen Seminars in Breslau (Dok. 207), wobei sie im Ganzen den vom Oberkirchenkollegium dargelegten Grundzügen für die Errichtung der Anstalt
Einführung
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folgte. Bis zur Eröffnung des Seminars 1883 studierten die zukünftigen Pfarrer der ELKP an den staatlichen Universitäten und wurden nach Ablegung eines Kolloquiums in den Dienst dieser Kirche übernommen. Mit der Einrichtung einer eigenen Ausbildungsstätte begann die ELKP in eigener Verantwortung ihren theologischen Nachwuchs auszubilden. In der Zeit von 1883–1908 durchliefen mehr als 100 Studierende aus der ELKP und anderen Kirchen die Ausbildung am Seminar in Breslau; mehr als die Hälfte der 87 Pfarrer, die 1907 im Dienst der ELKP standen, waren an ihrem eigenen Seminar ausgebildet worden.
Breslau, Hohenzollernstraße, Christuskirche, erbaut 1901, zerstört 1945, Sitz des Oberkirchenkollegiums und des Seminars der Evangelisch-lutherischen Kirche in Preußen. Die Außenansicht zeigt den Gebäudekomplex von der Straßenfront (Südwestseite), Zeichnung: Paul Bunke 1930. Die Innenansicht zeigt den Blick Richtung Altar (Nordostseite), Aufnahme: vor 1945. Das Areal ist heute mit Wohngebäuden überbaut.
Eine Zäsur in der Entwicklung des Seminars markiert der Erste Weltkrieg. Das Wintersemester 1914/15 konnte in Breslau mangels Studierenden nicht eröffnet werden. Gab es im Sommersemester 1914 noch 14 eingeschriebene Studierende, waren die meisten gegen Ende des Semesters in „patriotischer Begeisterung“ als Freiwillige in den Krieg gezogen; die übrigen wurden im Herbst eingezogen. Das Theologische Seminar der ELKP konnte erst zum Sommersemester 1919 wieder eröffnet werden. Im Jahr 1933 konnte das fünfzigjährige Bestehen des Theologischen Seminars der nun Evangelisch-lutherischen Kirche Altpreußens (ELKA) in Breslau gefeiert werden. Bis zu diesem Zeitpunkt hatten es 294 Studierende auch aus anderen, vornehmlich lutherischen Freikirchen durchlaufen. Es war ihm in
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Ausbildungsstätten
dieser Zeit jedoch nicht gelungen, die Anerkennung als juristische Person zu erlangen. Unter der nationalsozialistischen Diktatur konnte die Ausbildung am Seminar zunächst offenbar weitgehend ungehindert fortgesetzt werden. Es wurde aber 1935 amtlich darauf aufmerksam gemacht, dass auch das erste theologische Semester in Breslau verbracht werden sollte. Es ist hier durchaus der Versuch zu erkennen, den Studierenden angesichts des Kirchenkampfes in der Deutschen Evangelischen Kirche eine Grundorientierung zu geben (Dok. 208). Die Zahl der Studierenden im Studienjahr 1935/36 bewegte sich zwischen zehn und vierzehn. Diese Zahl reduzierte sich im Studienjahr 1937/38 auf sechs, im Sommersemester 1938 auf vier, im Wintersemester 1938/39 auf nur noch drei Studierende. Ab Kriegsbeginn im September 1939 fehlen Nachrichten über das Seminar; nur noch die Abnahme der Examina lässt sich noch bis 1942 belegen. Verschiedene Hinweise in den Quellen lassen jedoch erkennen, dass der Seminarbetrieb, obwohl eingeschränkt, bis Dezember 1944 aufrechterhalten werden konnte. In diesem Monat wurde aber das Schicksal des Theologischen Seminars der ELKA besiegelt, als die Kriegshandlungen Breslau erreichten. In deren Verlauf wurden auch die Gebäude des Oberkirchenkollegiums samt Christuskirche, Seminarräumlichkeiten und Wohnungen der Kirchenräte zerstört. Die Bibliothek war zuvor noch ausgelagert worden, doch wurden die Gutsgebäude, in denen sie untergebracht war, gleichfalls und damit auch der größte Teil der kirchlichen Unterlagen, Dokumente und Akten der ELKA, vernichtet. Die Evangelisch-Lutherische Freikirche in Sachsen (ELFK, s. Kap. IV) unternahm bereits im 19. Jahrhundert Versuche, eine eigene theologische Ausbildungsstätte ins Leben zu rufen, die aber gescheitert sind. Daraufhin eröffnete sich ihr durch die engere Verbindung mit der Missouri-Synode (LCMS) die Möglichkeit, die künftigen Pfarrer zum Theologiestudium an die Seminare dieser Kirche zu senden. Diese Lösung funktionierte einwandfrei bis zum Ausbruch des Ersten Weltkriegs, als die Unmöglichkeit, Studierende zur Ausbildung in die USA zu schicken, die Suche nach neuen Wegen nötig machte. Die Studierenden mussten dann zeitweise notgedrungen an die staatlichen Fakultäten in Deutschland gehen. Über diese Schwierigkeit hinaus zeichnete sich in den Ausbildungsstätten der LCMS in den USA ein Sprachwechsel vom Deutschen zum Englischen immer stärker ab, was die Lage der Studierenden erschwerte. Angesichts dessen gründete die ELFK nach Kriegsende 1920 eine „Theologische Hilfs- und Beratungsstelle“ in Leipzig (Dok. 209), die seit 1921 den Namen „Theologisches Seminar der EvangelischLutherischen Freikirche in Sachsen und anderen Staaten“ führte. Ein Jahr später wurde mit Hilfe von Spenden aus der LCMS, die auch die Unterhaltungs- und Verwaltungskosten übernahm, ein Gelände in Klein-Machnow bei Berlin erworben, wohin das Seminar dann umsiedelte. Durch Synodalbeschluss wurde 1924 die Bezeichnung in „Theologische Hochschule“ geändert (Dok. 210). Bis 1945 wurden an der Hochschule in Klein-Machnow sämtliche Pfarrer der ELFK und teilweise auch verbündeter Kirchen ausgebildet. Durch Kriegseinwirkung verlor die Hoch-
Einführung
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schule 1945 zwei ihrer vier Gebäude. Da außerdem der Ort Klein-Machnow durch die Grenzziehung um Berlin völlig vom Verkehr abgeschnitten war, kam die Arbeit der Theologischen Hochschule der ELFK nach dem Zweiten Weltkrieg völlig zum Erliegen.
Klein-Machnow bei Berlin, ehemalige Theologische Hochschule der Evangelisch-Lutherischen Freikirche 1922–1945, ehemaliges Seemannserholungsheim der Kriegsmarine mit vier Gebäuden, durch Kauf erworben 1922, z.T. 1945 zerstört, ein Teil des Geländes enteignet und später durch die Nationale Volksarmee (NVA) der DDR genutzt, nach 1945 Pfarramt und Kirchsaal einer Gemeinde der Evangelisch-Lutherischen Freikirche, heutige Nutzung: Wohnungen, Pfarramt und Kirchsaal, Aufnahme aus den 1970-er Jahren.
Bereits im Jahr 1945 setzten Lehrgespräche zwischen den selbstständigen evangelisch-lutherischen Kirchen in Deutschland ein, die zu Vereinbarungen und Zusammenschlüssen führten (s. Kap. XII). Die Gespräche zwischen der ELKA und der ELFK hatten aber auch als Verhandlungsgegenstand die Eröffnung einer gemeinsamen Ausbildungsstätte in Westdeutschland. Das erste konkrete Ergebnis dieser Gespräche war die Gründung des gemeinsamen Proseminars im September 1946 im Dorf Groß Oesingen in der Lüneburger Heide, das dem Erlernen der alten Sprachen dienen sollte (Dok. 211). Die Einrichtung in Groß Oesingen war jedoch von Anfang an als ein Provisorium gedacht: Man wollte die gemeinsame Ausbildungsstätte in Frankfurt am Main bzw. in dessen Nähe eröffnen. Die Lutheran Church – Missouri Synod kaufte dafür ein geeignetes Gelände in Oberursel und stellte es den beiden Kirchen zur Verfügung mit der Aussicht, es ihnen später zu veräußern. Nach den notwendigen Vorbereitungen und einem noch in Groß Oesingen abgehaltenen „Notsemester“ konnte dann das Sommersemester der Lutherischen Theologischen Hochschule (LThH, Dok. 212) am 19. Mai 1948 in Oberursel eröffnet werden. Das Proseminar blieb noch bis einschließlich des Wintersemesters 1951/52 in Groß
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Ausbildungsstätten
Oesingen, danach wurde es in die LThH in Oberursel integriert. Im Jahr 1950 erhielt die LThH durch Erlass des Hessischen Ministers für Erziehung und Volksbildung unter gewissen Auflagen die offizielle Anerkennung als „Kirchliche Hochschule“ (Dok. 213). Nach Erfüllung der Auflagen wurde die endgültige Anerkennung 1955 ausgesprochen (Dok. 214). Als die LCMS in den fünfziger Jahren damit begann, ihre finanzielle Unterstützung für die Hochschule zurückzufahren, gründete 1956 eine Gruppe von lutherischen Christen, die die weitere Existenz der Hochschule gefährdet sah, zwecks finanzieller Unterstützung der LThH den „Kreis der Freunde und Förderer der Lutherischen Theologischen Hochschule und des Theologischen Proseminars in Oberursel e.V.“ (Dok. 215, 216).
Oberursel, Lutherische Theologische Hochschule (LThH), Verwaltungsgebäude, ehemals: Salomons Gärtchen – nach dem Zweiten Weltkrieg von der nordamerikanischen Missouri-Synode gekauft worden, seit 1948 Sitz der LThH, Aufnahme: 15.6.2010.
Mit dem Zusammenschluss selbstständiger evangelisch-lutherischer Kirchen zur SELK im Jahr 1972 (s. Kap. XII) übernahm diese die alleinige Trägerschaft der LThH. Diese ist somit ein gesamtkirchliches Werk mit einer von der Fakultät bejahten klaren gesamtkirchlichen Verantwortung, die fest im kirchlichen, theologischen und institutionellen Selbstverständnis der LThH verankert ist (Dok. 217).
206. Synodalbeschluss über die Einrichtung einer von der Kirche getragenen Professur in Breslau (1864)*1 8. Es war beantragt worden, einen lutherischen Professor der Theologie zu berufen, der in Breslau sein Domizil habe, und bei welchem alle unsere Studenten der Theologie das letzte Jahr Dogmatik und Pastoral-Theologie zu hören verpflichtet wären. Die Synode beschloß: in Anerkennung dessen, daß sowohl frühere Generalsynoden als das OberKirchen-Collegium diese Sache beständig im Auge gehabt, den Gemeinden auf’s dringendste zu empfehlen, durch Geschenke oder Vermächtnisse die Bildung eines Fond zur Salarirung eines solchen Professors der Theologie zu ermöglichen.
Dieser Beschluß ist bereits durch das Kirchenblatt veröffentlicht und den Gemeinden von Seiten des Ober-Kirchen-Collegiums dringend ans Herz gelegt worden.
207. Synodalbeschluss über die Einrichtung eines Seminars in Breslau (1882)*2 VI.
Seminarsache.
Schon seit längerer Zeit hat sich das Ober-Kirchen-Collegium mit der Frage beschäftigt, in welcher Weise die unserer lutherischen Kirche angehörenden Theologie Studirenden, welche bisher ihre Vorbereitung zum geistlichen Amte nur auf den theologischen Fakultäten der Staats-Universitäten finden konnten, vor dem Einflusse falscher Lehre, wie er sich je länger je mehr auch auf einzelnen lutherischen Universitäten geltend gemacht hat, mehr als bisher zu bewahren wären. Was bis jetzt unter uns nach dieser Richtung geschehen ist, reicht offenbar nicht aus. So hat sich denn in weiten Kreisen der Kirche die Ueberzeugung Bahn gebrochen, daß nur durch Errichtung eines eigenen theologischen Seminares, welches unsere Theologie Studirenden innerhalb ihrer Studienzeit in Breslau besuchen müßten, ein Lehrstand heranzubilden ist, welcher im Geiste und Glauben unserer Kirche stehend, derselben mit voller Hingabe des Herzens und Lebens zu dienen vermag.
*1 Die Beschlüsse der im September und October 1864 gehaltenen General-Synode der evangelischlutherischen Kirche in Preußen, Nassau, Baden und Waldeck. Amtliche Zusammenstellung. Breslau 1865, 386. *2 Die Beschlüsse der im August und September 1882 gehaltenen General-Synode der evangelischlutherischen Kirche in Preußen, Baden und Waldeck. Amtliche Zusammenstellung. Breslau 1883, 641–642.
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Ausbildungsstätten
Das Ober-Kirchen-Collegium, welchem nach § 48, 4. Seite 27 unserer Synodalbeschlüsse diese Sorge amtlich übertragen ist, hat sich auch bereits mehrfach mit der Bitte an die Gemeinden gewandt, zur Errichtung einer solchen Anstalt unter der Leitung eines dazu berufenden Docenten freiwillig und nach Vermögen beizusteuern. Es war auch bereits von früher her ein kleiner Fonds für diesen Zweck vorhanden, welcher im Jahre 1880 einen Bestand von 6888 Mk. 22 Pf. Hatte. Derselbe wuchs infolge des ersten Aufrufs binnen Jahresfrist auf 26,568 Mk. Seit diesem zweiten Aufrufe vermehrte sich dieser Fonds vornehmlich durch eine bedeutende Schenkung auf 44,753 Mk. 50 Pf., so daß jetzt die Möglichkeit der baldigen Einrichtung eines theologischen Seminars nicht mehr bezweifelt werden darf. In dankbarer Erkenntniß dieses sichtlichen Gottessegens glaubte das Ober-KirchenCollegium seinerseits nun auch die ersten Schritte zur Verwirklichung des lange gehegten Plans, eine Bildungsanstalt für die Theologie Studirenden unserer Kirche zu errichten, thun zu sollen und legte der letztversammelten Generalsynode die „Grundzüge und Gesichtspunkte“ für die Errichtung einer solchen Anstalt vor. Dieselben sind auch bereits im Kirchenblatte vom 1. Dezember 1882 zu allgemeiner Kenntniß gebracht worden. Die Generalsynode aber ist der Gründung des Seminars, nachdem sie dem Direktor des Ober-Kirchen-Collegiums Herrn Geheimen Rath Dr. Huschke ihren herzlichsten Dank für seine reiche Beisteuer votirt hatte, nun auch ihrerseits näher getreten, indem sie mit großer Einmüthigkeit folgende Beschlüsse gefaßt hat: 1. Eine theologische Bildungsanstalt, besetzt zunächst mit Kirchenräthen und andern geeigneten Pastoren, aber so bald als möglich auch mit einem Docenten, ist zu erstreben. 2. Glaubt Generalsynode auch das Recht der Genehmigung der Pläne aus § 48 der Instruktion für das Ober-Kirchen-Collegium für sich nicht ableiten zu sollen, so nimmt Generalsynode doch in der Richtung das Recht der Mitwirkung in Anspruch, daß sie das Ober-Kirchen-Collegium nunmehr ans Werk zu gehen auffordert und die Ausführung (nach 3 und 4) zu ermöglichen sucht. 3. Generalsynode ermächtigt das Ober-Kirchen-Collegium von 1884 an, eine Collecte für das Seminar auszuschreiben. 4. Generalsynode ermächtigt das Ober-Kirchen-Collegium ferner zu einer sofortigen gesetzlichen Anordnung, dergemäß alle unsrer Kirche angehörenden Theologie Studirenden das erste und die beiden letzten Semester ihres Studiums auf hiesiger Universität und auf unserem Seminare zuzubringen gehalten sind. Billige Rücksichten, namentlich auch in Beziehung des ersten Semesters walten zu lassen, bleibt dem Ermessen des Ober-Kirchen-Collegiums überlassen. Rücksichtlich dieses letztern Beschlusses ist bereits im Kirchenblatte vom 1. Oktober 1882 eine Bekanntmachung des Ober-Kirchen-Collegiums publizirt worden. Bezüglich der Mitgliedschaft des vom Ober-Kirchen-Collegium zu berufenden Leiters des theologischen Seminars an der Pastoren- Wittwen- und Waisenanstalt unse-
Amtliche Bekanntmachung zum ersten theologischen Semester (1935)
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rer Kirche und dessen Anspruch auf Emeritirung, vergl. die Beschlüsse in Abschnitt V unter Nr. 1 und unter Nr. 2 a. E.
208. Amtliche Bekanntmachung zum ersten theologischen Semester (1935)*1 3.
Erstes theologisches Semester
Es stellt sich als notwendig heraus, daran zu erinnern, daß nach der Vorschrift unsrer Kirche unsre Theologiestudierenden nicht bloß während der beiden letzten Semester, sondern auch schon während des ersten Semesters an unserm theologischen Seminar teilzunehmen haben. Wie wichtig es ist, daß gerade auch das erste Semester des theologischen Studiums hier zugebracht wird, hat sich immer wieder gezeigt. Wenn auch solche Studierende, die das griechische und das hebräische Sprachexamen noch nicht gemacht haben, erst nach Ablegung dieser Examina hierher kommen können, weil sie sonst nicht recht imstande sind, den theologischen Vorlesungen und Übungen zu folgen, so sollen sie doch dann wenigstens sofort nach Ablegung der Sprachprüfungen ein Semester hier studieren.
209. Eröffnung einer „Theologischen Hilfs- und Beratungsstelle“ in Leipzig (1920)*2 II.
Ausbildung von Pastoren und Lehrern für unsere Synode.
Auf Veranlassung der Sächsischen Konferenz hatte Herr Pastor i. R. O. Willkomm eine Vorlage über diesen hochwichtigen Gegenstand ausgearbeitet und diese den übrigen Pastoralkonferenzen zur Beratung übersandt. Diese Vorlage wurde verlesen und einige erläuternde Bemerkungen dazu gemacht. Die Synode erwählte einen Ausschuß, welcher sich aus Herrn Pastor O. Willkomm als Vorsitzenden, den Pastoren Kern, Dr. Nau und Paul Eikmeier, Lehrer Gillhoff und den Deputierten Barkowski und Knippenberg zusammensetzt und unter Berücksichtigung der von den Konferenzen eingegangenen Vorschläge weiter über die Angelegenheit beraten sollte. Am Dienstagvormittag unterbreitete diese Kommission folgenden Bericht: 1. Die Kommission kann die Notwendigkeit, jetzt schon zu einer dauernden Einrichtung den Grund zu legen, nicht anerkennen, hält es aber für die Pflicht un*1 Kirchenblatt für die evangelisch-lutherischen Gemeinden in Preußen 90 (1935), 673–674. *2 Bericht: 42. Jahresversammlung der Synode der evangelisch-lutherischen Freikirche in Sachsen und anderen Staaten in Niederplanitz vom 10. bis 14. Juli 1920, XII–XIII.
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Ausbildungsstätten
serer Kirche, sich der jungen Leute aus unserer Mitte, die sich z. Zt. dem Studium der Theologie widmen wollen, anzunehmen und ihnen das Studium echt lutherischer Theologie jedenfalls so lange zu ermöglichen, bis sich die Wege nach Amerika wieder geöffnet haben. 2. Die Kommission empfiehlt der Synode, eine geeignete Lehrkraft nach Leipzig zu berufen, die zusammen mit dem dortigen Ortspastor die theologische Unterweisung zu leiten hätte. 3. Als geeignetste Persönlichkeit hierzu erscheint der Kommission Herr Pfarrer i. R. H. Z. Stallmann. Sie spricht die Erwartung aus, daß der neuberufene Pastor in Leipzig, dem ja sowieso die Seelsorge der zu uns gehörenden Leipziger Studenten obliegt, sich auch an ihrer wissenschaftlichen Ausbildung beteiligen wird. 4. Der zu berufende Dozent hat einen Lehrplan aufzustellen, der vom Präses und Vizepräses zu genehmigen ist. Die Kommission empfiehlt der Synode, mit der Aufsicht über die Wirksamkeit des Dozenten und nötigenfalls mit der Wahl und Berufung eines Ersatzmannes und der nötigen Hilfskräfte den durch Zuziehung der Visitatoren erweiterten Synodalrat zu beauftragen. 5. Die Kommission empfiehlt, den betreffenden Dozenten aus der Synodalkasse nach den bestehenden Sätzen zu besolden und für bedürftige Studenten eine besondere Studentenkasse zu errichten, die eventuell auch Beihilfen geben kann für solche Studenten, die zur praktischen Ausbildung nach Brasilien gehen. 6. Im übrigen empfiehlt die Kommission der Synode, daß an die anderen Freikirchen gerade mit Rücksicht auf die Vorbildung und Erhaltung des Lehrstandes erneut die Aufforderung gerichtet werde, zur Herstellung rechter Geisteseinigkeit Lehrbesprechungen, und zwar zwischen berufenen Vertretern der verschiedenen Freikirchen, in kürzeren Zwischenräumen zu halten, und daß trotz der anscheinenden Aussichtslosigkeit nichts unversucht gelassen werde, um das Ziel des Zusammenschlusses und der Gründung einer Lehranstalt zu erreichen. Diese von der Kommission gegebenen Vorschläge erhebt die Synode zum Beschluß. Herr Pfarrer H. Z. Stallmann erklärt sich auf die Bitte der Synode bereit, während der Studienzeit in Leipzig sich der dort studierenden jungen Theologen aus unserer Mitte anzunehmen und sie in die echt lutherische Theologie einzuführen. Er erbittet die Fürbitte aller unserer Christen für dieses notwendige Werk. Die Synode dankt ihm sowohl als Herrn Pastor O. Willkomm für das, was beide in diesem aus dringender Not herausgeborenen Werk zu tun zugesagt bzw. bereits getan haben. Der Deputierte der Leipziger Gemeinde sagt kräftige Unterstützung und Förderung des in ihrer Mitte zu beginnenden Werkes zu. Zum Kassierer der neugegründeten Studentenkasse wird Herr Lippmann aus Leipzig gewählt. Die Synode ermuntert, diese Kasse fleißig mit Gaben zu bedenken. Für Bewilligungen aus dieser Kasse soll
Namensänderung der Ausbildungsstätte in Klein-Machnow (1924)
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der Leipziger Dozent in Verbindung mit der Pastoralkonferenz, aus deren Bereich der zu Unterstützende stammt, zuständig sein.
210. Namensänderung der Ausbildungsstätte in Klein-Machnow (1924)*1 ... Die Synode sprach beiden Ausschüssen ihre Anerkennung und ihren Dank für die geleistete Arbeit aus. Den Namen der Anstalt betreffend war der Antrag eingebracht worden, sie „Theologische Hochschule“ zu nennen, weil man in Deutschland unter seminaristischer Ausbildung eine solche versteht, die geringer ist als die einer Universität. Die Synode beschloß demgemäß ihre Anstalt „Theologische Hochschule“ und ihren Leiter „Rektor“ zu nennen. Die Lehrer der Anstalt sollen „Dozenten“ genannt werden, da der Titel „Professor“ in Deutschland durch das Gesetz geschützt ist und nur von denen geführt werden darf, welchen er durch die Regierung verliehen ist.
211. Gründung des Proseminars in Groß Oesingen (1946)*2 Aus der kirchlichen Arbeit Klein-Oesingen, den 12. November 1946. Das bedeutsamste Ereignis der vergangenen Wochen für unsere Kirche war die Eröffnung des Theologischen Proseminars der Ev.-Luth. Freikirche in GroßOesingen (Hann.). Wir sind uns bewußt, daß wir damit einen wichtigen Schritt dem Ziele entgegen haben tun dürfen, unserer Kirche und weiteren Kreisen eine Ausbildungsstätte für den theologischen Nachwuchs einer treulutherischen Kirche im Lande der Reformation zu schaffen. ... Bei der Frage des Neuaufbaus der Theologischen Hochschule, für den auch bereits ganz bestimmte Pläne vorliegen (s. unten), ging es zunächst darum, zuerst die dringendste Arbeit zu tun. Die dringendste Arbeit aber ist, solche junge Männer, die sich nach dem Besuch einer höheren Schule zum Studium der Theologie entschlossen haben, auf dieses Studium vorzubereiten. Trotz eines vorliegenden Reifezeugnisses fehlt ihnen u. U. noch mancherlei, was zu ihrem Studium unentbehrlich ist. Das liegt an den Kriegsverhältnissen – sind doch unsere jungen Männer durchgän*1 Bericht: 46. Jahresversammlung der Synode der Evangelisch-Lutherischen Freikirche in Sachsen und andern Staaten vom 10. bis 16. Juli 1924 in Berlin, XIX. *2 Der Lutheraner. Zeitblatt für evangelisch-lutherische Gemeinden in Deutschland, 2/3 (1946), 14– 15.
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gig, oft jahrelang, Soldaten gewesen und haben vieles wieder vergessen – und an dem offensichtlichen Leistungsrückgang unserer höheren Schulen überhaupt. Vor allem handelt es sich darum, gewisse Lücken in den alten Sprachen noch auszufüllen. Dafür ist nun die Einrichtung des genannten Proseminars, d. i. einer theologischen Vorschule getroffen worden. ... Nachtrag: Bezüglich unserer Hochschulpläne sei erwähnt, daß die Eröffnung für den 1. April 1947 beschlossen wurde, und daß die Aufsichtsbehörde ermächtigt wurde, alle Vorbereitungen zu treffen, um diesen Termin einhalten zu können. Dabei soll es nicht ausschlaggebend sein, ob die Hochschule auf dem dafür vorgesehenen Grundstück bei Frankfurt a. M. dann schon bezugsfertig ist. Evtl. kann ein anderer Platz vorläufig als Ausweichschule in Anspruch genommen werden. Auf alle Fälle sind Studenten, die sich mit dem Gedanken tragen, mit dem Sommersemester in die Hochschule einzutreten, gebeten, sich schon jetzt bei dem Leiter des Proseminars, Pastor Hans Kirsten, (20) Klein-Oesingen über Wittingen (Hann.) zu melden. In Frage kommen nur solche Studenten, die entweder das Reifezeugnis eines humanistischen Gymnasiums besitzen oder ihre hinreichende altsprachliche Vorbildung anderweit nachweisen können oder als fortgeschrittene Semester einer gleichberechtigten Anstalt (z. B. Universität) sich einschreiben lassen wollen.
212. Vorläufiges Statut der Lutherischen Theologischen Hochschule Oberursel* (Angenommen vom Oberkirchenkollegium der Ev.-Luth. Kirche im früheren Altpreußen und vom Synodalrat der Ev.-Luth. Freikirche mit Ergänzungen aus späteren Beschlüssen der Kirchenleitungen) § 1. Die LThH ist das gemeinsame Werk der Ev.-Luth. Kirche im früheren Altpreußen und der Ev.-Luth. Freikirche. Als solche steht sie im Dienst der Kirche des reinen Evangeliums, wie es in der Heiligen Schrift offenbart ist, und wie es uns in den Bekenntnisschriften unserer Kirche, namentlich in der ungeänderten Augsburgischen Konfession und in der Konkordienformel, aufs neue bezeugt ist. Sie ist eine freie kirchliche Hochschule, die vor allem der Ausbildung des eigenen theologischen Nachwuchses dient, daneben aber für die gesamte studierende Jugend offensteht. *
Archiv der Lutherischen Theologischen Hochschule, Oberursel, Akte 50/02 – 001.
Vorläufiges Statut der Lutherischen Theologischen Hochschule Oberursel
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§ 2. Zur Hochschulgemeinschaft gehören: 1. der Rektor (siehe § 3) 2. die Fakultät (siehe § 4) 3. die Studentenschaft (siehe § 5) Einrichtungen der LThH sind: 1. die Aufsichtsbehörde (siehe § 6) 2. der Verwaltungsrat (siehe § 7) Zur Durchführung ihrer Aufgaben werden erlassen: 1. die Aufnahmebedingungen (siehe § 8) 2. eine Studienordnung (siehe § 9) 3. eine Prüfungsordnung (siehe § 10). § 3. Der Rektor der Hochschule ist den beiden Kirchen und der Aufsichtsbehörde verantwortlich für die Leitung der Anstalt nach Gottes Wort und im Sinne ihrer Stiftung. Er vertritt die Hochschule nach innen und aussen, führt das Siegel der Hochschule, beruft und leitet als primus inter pares die Versammlungen der Fakultät. Er wacht über das geistliche und körperliche Wohl der Studenten und übt mit der Studentenschaft christliche Zucht und Disziplin an deren Gliedern. An den Sitzungen der Aufsichtsbehörde nimmt der Rektor ohne Stimmrecht teil. Das Rektorat wechselt mit Beginn jedes Wintersemesters zwischen beiden Kirchen. Der Rektor wird von der Fakultät gewählt. Sein Stellvertreter soll in der Regel sein Vorgänger sein. § 4. Alle Dozenten der LThH bilden die Fakultät. Als Dozenten gelten nur solche Lehrer, die durch die Kirchen in dies Amt berufen oder als solche von der Aufsichtsbehörde vorläufig bestellt worden sind (siehe z.B. § 6,4). Die Fakultät entscheidet über die Aufnahme von Studenten und – in Verbindung mit den Kirchenleitungen – über die Zulassung zum ersten Examen. Sie kann Studenten nur unter Zustimmung der Aufsichtsbehörde ausschliessen. Sie bestimmt zusammen mit der Aufsichtsbehörde den Lehrplan der Hochschule und legt der Aufsichtsbehörde am Ende jedes Semesters das Vorlesungsverzeichnis für das kommende Semester vor.
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§ 5. Die Studentenschaft besteht aus den ordentlichen Studierenden der LThH. Ordentliche Studierende sind nur die an der Hochschule eingeschriebenen Studenten der LThH. Die Studentenschaft regelt ihre Angelegenheiten selbständig. Sie tritt zu Studentenversammlungen zusammen, nachdem Termine und Tagesordnungen dem Rektor vorgelegen haben. Der Rektor erhält die Niederschrift zur Einsicht und Erklärung seines Einverständnisses. Beschlüsse sind erst mit seiner Unterschrift gültig. Die Studentenschaft wählt zur Vertretung ihrer Angelegenheiten den Vertrauensstudenten und die Studentenvertretung. Der Vertrauensstudent ist der Sprecher der Studentenschaft gegenüber dem Rektor und der Leiter der Studentenversammlungen. Die Studentenvertretung bearbeitet laufend deren Geschäfte. Die Studentenschaft ist mit dem Rektor verantwortlich für Ehre, Zucht und Ordnung an der LThH. Bei Aufstellung des Vorlesungsverzeichnisses wird ihr Gelegenheit gegeben, Wünsche zu äussern. § 6. Die Aufsichtsbehörde setzt sich zusammen aus je 2 Pastoren, von denen mindestens je einer den Kirchenleitungen angehören muß und je einem Gemeindeglied der beiden Kirchen. Den Vorsitz führt ein Pastor. Jährlich wechselt der Vorsitz zwischen den beiden Kirchen. Die Aufsichtsbehörde hat folgende Obliegenheiten: 1. Sie wacht darüber, dass die an der LThH vorgetragene Lehre dem Wort Gottes und den Bekenntnissen unserer Kirchen (Konkordienbuch von 1580) entspricht, dass die Lehrer ihr Amt treulich verwalten und einen christlichen Wandel führen. 2. Das am Ende jedes Semesters aufzustellende Vorlesungsverzeichnis für das kommende Semester wird von ihr geprüft und genehmigt. 3. Die Aufsichtsbehörde besucht jährlich wenigstens einmal die LThH und erstattet über ihren gesamten Zustand Bericht. 4. Findet die Aufsichtsbehörde, dass ein Lehrer wegen falscher Lehre oder anstößigen Wandels oder (mutwilliger) Vernachlässigung seines Amtes die Hochschule schädigt, so hat sie Recht und Pflicht, ihn seines Amtes vorläufig zu entheben, bis die Entscheidung der Kirchen eingeholt werden kann. Für die Zwischenzeit bestellt sie nötigenfalls einen Stellvertreter. Dies kann sie auch tun, wenn eine Lehrkraft durch den Tod abgerufen oder durch andauernde Krankheit an der Ausübung der Lehrtätigkeit gehindert wird und die Berufung eines Nachfolgers sich zum Nachteil der Hochschule verzögert.
Vorläufiges Statut der Lutherischen Theologischen Hochschule Oberursel
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§ 7. (nach der Neufassung gemäß den Beschlüssen der Kirchenleitungen vom 19. Oktober 1951) Der Verwaltungsrat setzt sich zusammen aus je einem Gemeindeglied der beiden Kirchen, die am Ort der LThH oder in unmittelbarer Nähe wohnen, und dem Rektor. Der Rektor führt den Vorsitz, ohne indes ein Stimmrecht auszuüben. Ihm liegt auch die Exekutive in den laufenden Hochschulangelegenheiten ob. Doch ist im Falle seines Einspruches gegen Beschlüsse des VR die Entscheidung des Vorsitzenden der Aufsichtsbehörde und seines Stellvertreters einzuholen. Falls nötig, kann bei den Sitzungen ein Vertreter der Studentenschaft zur Regelung studentischer Angelegenheiten gehört werden. § 8. Aufnahmebedingungen. Für das Studium an der LThH ist das Reifezeugnis eines humanistischen Gymnasiums und der Nachweis des Hebraicums Vorbedingung. Abiturienten anderer höherer Lehranstalten sind gehalten, die notwendigen Sprachstudien am Proseminar der Ev.-Luth. Freikirchen durchzuführen. Studenten anderer theologischer Hochschulen und Fakultäten (Universitäten) haben die Unterlagen ihres bisherigen Studiums vorzulegen. Frauen können als Gasthörerinnen an den öffentlichen Vorlesungen teilnehmen. Über die Notwendigkeit der Vorlage weiterer Nachweise entscheidet die Fakultät. § 9. Studienordnung. Es besteht Lernfreiheit. Einen Zwang zum Belegen bestimmter Vorlesungen übt die Hochschule nicht aus. Doch ist bei der Zulassung zum ersten Examen der Nachweis eines ordnungsmässigen Studiums und der erfolgreichen Teilnahme an Übungen zu erbringen. Zu den öffentlichen Vorlesungen können auch Gasthörer auf besonderen Antrag zugelassen werden. § 10. Prüfungsordnung. (Siehe dazu besonderen Erlass!)
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213. Vorläufige staatliche Anerkennung der Hochschule vom 14.6.1950* Der Hessische Minister für Erziehung und Volksbildung Wiesbaden, 14. Juni 1950 Gustav-Freytag-Straße 4 Telefon 23 563 XI/M/Kirchl. Hochschulen/– An die Evangelisch-Lutherische Freikirche, z. Hd. von Herrn Präses, Pfarrer Stallmann, Bochum 4 Lutherhof, Gahlenschestraße 146 Betr.:
Lutherische Theologische Hochschule Berlin-Zehlendorf z. Zt. Oberursel/Ts., Altkönigstraße 50
Ihren Antrag, die früher in Berlin gelegene und später nach Hessen verlegte Lutherische Theologische Hochschule auch in Hessen als Hochschule anzuerkennen, genehmige ich unter der Bedingung, daß die in Art. 61 der Verfassung des Landes Hessen gestellten Forderungen erfüllt sind. 1. Daß die Studenten ein zum Studium an einer Universität berechtigendes Reifezeugnis besitzen; 2. daß durch die Festsetzung der Unterrichtsgebühren nicht eine Sonderung nach den Besitzverhältnissen der Eltern gefördert wird; 3. daß die Dozenten den Anforderungen entsprechen, die an die Dozenten der staatlichen Hochschule gestellt werden. 4. Wenn dies nicht der Fall ist, muß innerhalb der nächsten 5 Jahre die Habilitation nachgeholt werden; 5. daß die wirtschaftliche und rechtliche Stellung der Dozenten gesichert ist, daß also tatsächlich und rechtlich eine Vergütung gewährt wird, die der Vergütung der Lehrkräfte an staatlichen Hochschulen entspricht, und daß sämtliche Anstellungsbedingungen in einem schriftlichen Anstellungsvertrag geregelt werden; daß keine staatlichen Mittel beansprucht werden. Die finanzielle Sicherstellung der Hochschule wird von Ihnen dadurch nachgewiesen, daß Sie sich verpflichten, die gesamten Kosten der Hochschule zu tragen, insbesondere auch für den Unterhalt und die Besoldung der Dozenten aufzukommen. gez. Dr. Stein
*
Archiv der Lutherischen Theologischen Hochschule, Oberursel, Akte 50/02 – 001.
Endgültige staatliche Anerkennung der Hochschule vom 2.5.1955
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214. Endgültige staatliche Anerkennung der Hochschule vom 2.5.1955*1 Der Hessische Minister für Erziehung und Volksbildung – VI/5–885/22/55 – Wiesbaden, den 2. Mai 1955 Luisenplatz 10 Dr.S/s An die Leitung der Lutherischen Theologischen Hochschule Oberursel / Taunus Altkönigstr. 50. Betr.: Lutherische Theologische Hochschule in Oberursel/Ts. Bezug: Ihr Schreiben vom 14.1.1955 – Dr. K/Bl. – Die Evangelisch-Lutherische Ausbildungsstätte in Oberursel wird nach Art. 60 Abs. 3 der Hessischen Verfassung als kirchlich-theologische Bildungsstätte anerkannt. Sie kann auch in Zukunft die ihr bei ihrer Gründung gestattete Bezeichnung „Lutherische Theologische Hochschule“ führen. in Vertretung: gez. Willy Viehweg
215. Vereinssatzung zur Gründung des Freundeskreises (1956)*2 §1 Der Verein „Kreis der Freunde und Förderer der Lutherischen Theologischen Hochschule und des Theologischen Proseminars in Oberursel e.V.“ ist ein Zusammenschluss von Gemeindegliedern der lutherischen selbständigen Kirchen in Deutschland. Die Mitgliedschaft können auch Vereine der lutherischen selbständigen Kirchen oder im Ausland wohnende lutherische Personen erwerben. Der Verein soll beim Vereinsregister in Wiesbaden eingetragen werden und hat seinen Sitz in Wiesbaden.
*1 Archiv der Lutherischen Theologischen Hochschule, Oberursel, Akte 50/02 – 001. *2 Archiv der Lutherischen Theologischen Hochschule, Oberursel, Akte 50/02 – 001.
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§2 Der Verein verfolgt den Zweck, Mittel für Aufgaben der Lutherischen Theologischen Hochschule und des Theologischen Proseminars in Oberursel zu beschaffen. Als Zwecke der Hochschule werden beispielhaft angesehen wissenschaftliche Aufgaben allgemeiner und besonderer Art, Förderung qualifizierter Studenten durch Ermöglichung von Zuschüssen zur Vertiefung ihrer Kenntnisse auf besonderen Gebieten, z.B. Kirchenmusik, Kirchengeschichte, Sprachforschung, Förderung einer wissenschaftlichen Zeitschrift der Hochschule, Sonderzuschüsse an Dozenten oder Studenten zum Zwecke der Teilnahme an theologischen wissenschaftlichen Konferenzen. §3 Über die Aufnahme eines Mitgliedes beschliesst der Gesamtvorstand mit Stimmenmehrheit. Nach der Aufnahme erhält das Mitglied einen Ausweis über die Mitgliedschaft. Der Mitgliedsbeitrag beträgt monatlich mindestens 1,-- DM. Die Beiträge können auch in Naturalien in der Form von Jahreszuwendungen nach Vereinbarung mit dem Vorstand geleistet werden. §4 Die Mitgliedschaft kann frühestens zum Schluss des Kalendervierteljahres unter Einhaltung einer dreimonatlichen Kündigungsfrist durch schriftliche Nachricht gegenüber dem Vereinsvorstand gekündigt werden. Der Vereinsvorstand ist berechtigt, ein Mitglied, welches unentschuldigt trotz dreifacher schriftlicher Aufforderung länger als 3 Monate mit mehr als 6 Mitgliedsbeiträgen im Rückstand ist, zu streichen. Der Vorstand ist ferner berechtigt, ein Mitglied auszuschliessen, wenn durch eine Handlung desselben das Ansehen des Vereins in erheblichem Masse geschädigt wird oder wenn sich das Mitglied eines unehrenhaften Lebenswandels schuldig macht. Der Ausschluss erfolgt durch Beschluss des Vorstandes in geheimer Abstimmung. Vorher soll dem Mitglied Gelegenheit gegeben werden, sich zu äussern. Von dem Ausschluss ist der Betroffene in Kenntnis zu setzen. §5 Organe des Vereins sind: 1. die Mitgliederversammlung, 2. der Vorstand.
Vereinssatzung zur Gründung des Freundeskreises (1956)
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§6 Die Mitgliederversammlung wird von dem Vorsitzenden des Vereins in schriftlicher Form einberufen und zwar mindestens 2 Wochen vor dem Versammlungstag, a) wenn es das Interesse der Vereins erfordert, b) zur Entgegennahme von Erklärungen des Vorstandes, insbesondere der Jahresabrechnung und des Geschäftsberichtes, c) zur Beschlussfassung über eine etwaige Auflösung des Vereins. Es soll alljährlich eine Mitgliederversammlung spätestens 2 Monate nach Abschluss des Kalenderjahres stattfinden, in der der Jahresbericht zu erteilen ist und die Vorstandswahl zu erfolgen hat. In der Mitgliederversammlung hat jedes Mitglied eine Stimme. Die Stimme kann auch im Wege der schriftlichen Vollmacht auf ein anderes Mitglied übertragen werden. Über die Beschlüsse der Mitgliederversammlung ist ein Protokoll anzufertigen, das vom Vorsitzenden zu unterschreiben ist. Der Vorstand ist verpflichtet, eine Mitgliederversammlung einzuberufen, wenn 10 % der Mitglieder dies schriftlich verlangen. §7 Die Verwaltung des Vereins erfolgt unter persönlicher Verantwortung des Vorstandes. Die Kassenprüfung des Vereins erfolgt alljährlich zum Schluss des Geschäftsjahres durch einen Prüfungsausschuss, bestehend aus 2 Mitgliedern, die nicht dem Vorstand angehören. Diese Prüfungsmitglieder werden jeweils in der Mitgliederversammlung für das kommende Geschäftsjahr gewählt. Geschäftsjahr ist das Kalenderjahr. §8 Der Vorstand besteht aus dem Vorsitzenden und vier weiteren Vorstandsmitgliedern, die die Aufgaben der Vereinsleitung im Wege der Vereinbarung unter sich verteilen. Der Vorstand ist berechtigt, sich zur technischen Unterstützung nach seinem Ermessen anderer Personen zu bedienen. Der Vorsitzende des Vorstandes vertritt den Verein im Sinne des § 26 BGB gerichtlich und aussergerichtlich. Der Vorsitzende kann einen Vertreter beauftragen. Im Innenverhältnis werden die Beschlüsse des Vorstandes mit Stimmenmehrheit gefasst. Bei Stimmengleichheit entscheidet die Stimme des Vorsitzenden. Über die Beschlüsse des Gesamtvorstandes ist ein Protokoll anzufertigen und von den Vorstandsmitgliedern zu unterzeichnen. Der Vorstand ist beschlussfähig, wenn mindestens 3 Vorstandsmitglieder zu der schriftlich vom Vorsitzenden unter Wahrung eine Frist von 2 Wochen einzuberufenden Vorstandssitzung erschienen sind. Der Vorstand führt die Geschäfte des Vereins ehrenamtlich. Reisekosten können erstattet werden.
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§9 Zuwendungen des Vereins an die Hochschule, das Proseminar oder bestimmte Personen dieser Anstalten lösen keinerlei Rechtsanspruch des Empfängers aus. § 10 Die Auflösung des Vereins kann von dem Gesamtvorstand einstimmig oder durch 2/3 Mehrheit der Mitgliederversammlung beschlossen werden. Nach erfolgtem Auflösungsbeschluss fällt das gesamte Vermögen des Vereins der Kasse der Luth. Theol. Hochschule in Oberursel zu, die im Sinne der hessischen Verfassung eine anerkannte kirchliche Hochschule ist. § 11 Diese Satzung wurde in der Mitgliederversammlung vom 24. Juni 1956 angenommen. Oberursel, den 24. Juni 1956 gez. Paul Alt gez. Friedrich Willkomm gez. Karl Walz gez. Otto Koch gez. Georg Griesbach gez. Rudolf Henzel gez. Ernst Schmidt gez. Hermann Mädrich gez. Ernst Winkler gez. Hans Kirsten gez. W. M. Oesch DD. gez. Aug. Schmidt gez. Fritz Meyer
Kreis der Freunde und Förderer der Lutherischen Theologischen Hochschule
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216. Vereinssatzung Kreis der Freunde und Förderer der Lutherischen Theologischen Hochschule in Oberursel e.V.* (in der Fassung vom 20.5.1990) §1
Name, Rechtsform, Sitz und Mitglieder
1. Der Verein führt den Namen „Kreis der Freunde und Förderer der Lutherischen Theologischen Hochschule in Oberursel e. V.“ 2. Der Verein hat seinen Sitz in Oberursel (Taunus). 3. Der Verein ist in das Vereinsregister des Amtsgerichts Bad Homburg v. d. Höhe eingetragen. 4. Der Verein ist ein Zusammenschluss von Gemeindemitgliedern der Selbständigen Evangelisch-Lutherischen Kirche in Deutschland (SELK). Die Mitgliedschaft können auch Gemeinden, Körperschaften, Vereine, juristische Personen lutherischer Kirchen und Einzelpersonen im In- und Ausland erwerben. §2
Dauer und Geschäftsjahr
1. Die Dauer des Vereins ist nicht beschränkt. 2. Das Geschäftsjahr ist das Kalenderjahr. §3
Zweck
1. Der Verein verfolgt ausschließlich und unmittelbar gemeinnützige, kirchliche und wissenschaftliche Zwecke im Sinne des Abschnitts „Steuerbegünstigte Zwecke“ der Abgabenordnung. 2. Der Verein hat zum Ziel: – die Förderung der Wissenschaft und Religion, der Erziehung, Volks- und Berufsausbildung im Rahmen der Ausbildung an der Lutherischen Theologischen Hochschule; – die Förderung von theologisch-wissenschaftlichen Publikationen und Zeitschriften. Der Satzungszweck wird verwirklicht u. a. durch: – finanzielle Unterstützung förderungswürdiger Studenten, besonders zur Aneignung und Vertiefung von Kenntnissen und Fertigkeiten auf Spezialgebieten, z. B. Kirchenmusik, Kirchengeschichte und Sprachforschung; – Gewährung von Zuschüssen an Dozenten und Studenten zum Zwecke der Teilnahme an Studienfahrten, theologisch-wissenschaftlichen Tagungen und Konferenzen; *
Ordnungen für die Selbständige Evangelisch-Lutherische Kirche (SELK). Herausgegeben von der Kirchenleitung der SELK, El 17 (2008), 263.1–4.
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– Stiftung von Förderpreisen für wissenschaftliche Arbeiten; – Förderung wissenschaftlicher Zeitschriften der Hochschule. Außerdem können noch andere als die genannten Zwecke verfolgt werden; sie müssen jedoch der Zielsetzung des Vereins entsprechen. Die der Erfüllung der vorgenannten Aufgaben dienenden Mittel können auch der Hochschule direkt zur zweckgebundenen Verwendung zur Verfügung gestellt werden. Der Verein ist berechtigt, zur Verfolgung seiner satzungsgemäßen Zwecke Darlehen aufzunehmen und zu gewähren. 3. Der Verein ist selbstlos tätig. Er verfolgt keine eigenwirtschaftlichen Zwecke. 4. Die Mittel des Vereins dürfen nur für die satzungsgemäßen Zwecke verwendet werden. Die Mitglieder erhalten keine Zuwendungen aus Mitteln des Vereins. 5. Es dürfen auch keine Personen durch Verwaltungsaufgaben, die den Zwecken des Vereins fremd sind, oder durch unverhältnismäßig hohe Vergütungen begünstigt werden. §4
Aufnahme von Mitgliedern, Mitgliedsbeiträge
1. Die Aufnahme eines Mitglieds erfolgt auf Antrag und nach Zustimmung des Vorstands. Die Mitgliedschaft wird durch Übersendung eines Ausweises bestätigt. 2. Der Mitgliedsbeitrag wird nach eigenem Ermessen festgesetzt. Er soll jedoch nicht unter dem Jahresbeitrag liegen, der von der Mitgliederversammlung festgesetzt worden ist. §5
Kündigung der Mitgliedschaft, Ausschluss von Mitgliedern
1. Die Mitgliedschaft kann durch schriftliche Nachricht an den Vorstand gekündigt werden. 2. Der Vorstand des Vereins ist berechtigt, ein Mitglied aus der Mitgliederliste zu streichen, wenn innerhalb von zwei Jahren kein Mitgliedsbeitrag mehr gezahlt worden ist. Der Vorstand ist ferner berechtigt, ein Mitglied auszuschließen, wenn durch dessen Verhalten das Ansehen des Vereins erheblich geschädigt wird. Vor dem Ausschluss ist dem Mitglied Gelegenheit zu geben, sich mündlich oder schriftlich vor dem Vorstand oder einem Vorstandsmitglied zu rechtfertigen. Der Ausschluss erfolgt durch Beschluss des Vorstandes und ist dem Betroffenen schriftlich mitzuteilen. §6
Organe
Organe des Vereins sind: 1. die Mitgliederversammlung; 2. der Vorstand.
Kreis der Freunde und Förderer der Lutherischen Theologischen Hochschule
§7
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Mitgliederversammlung, Stimmrecht
1. Die Mitgliederversammlung wird von dem Vorsitzenden des Vereins in schriftlicher Form einberufen und zwar mindestens zwei Wochen vor dem Versammlungstag, a) wenn es das Interesse des Vereins erfordert; b) zur Entgegennahme von Erklärungen des Vorstandes, insbesondere der Jahresabrechnung und des Geschäftsberichtes; c) bei Satzungsänderungen; d) zur Beschlussfassung über eine etwaige Auflösung des Vereins. 2. Es soll alljährlich mindestens eine Mitgliederversammlung stattfinden. In dieser Versammlung ist der Jahresbericht zu erstatten. Zu den Aufgaben der Mitgliederversammlung gehört insbesondere die Wahl des Vorstandes. 3. In der Mitgliederversammlung hat jedes Mitglied eine Stimme. Die Stimme kann auch im Wege der schriftlichen Vollmacht auf ein anderes Mitglied übertragen werden. 4. Die Beschlüsse der Mitgliederversammlung sind gültig, wenn die Mehrheit, im Falle einer Satzungsänderung des Vereins die Zweidrittel-Mehrheit der abgegebenen berechtigten Stimmen zustimmt. 5. Über die Beschlüsse der Versammlung ist ein Protokoll anzufertigen, das vom Vorsitzenden zu unterschreiben ist. 6. Der Vorstand ist verpflichtet, eine Mitgliederversammlung einzuberufen, wenn zehn Prozent der Mitglieder dies schriftlich verlangen. §8
Verwaltung und Kassenprüfung
Die Verwaltung des Vereins erfolgt unter persönlicher Verantwortung des Vorstandes. Die Kassenprüfung des Vereins erfolgt alljährlich zum Schluss des Geschäftsjahres durch einen Prüfungsausschuss, bestehend aus zwei Mitgliedern, die nicht dem Vorstand angehören. Diese Ausschussmitglieder werden jeweils in der Mitgliederversammlung für das kommende Geschäftsjahr gewählt. §9
Zusammensetzung, Wahl und Aufgaben des Vorstandes
1. Der Vorstand besteht aus dem Vorsitzenden und bis zu sechs weiteren gewählten Mitgliedern. Der Vorstand kann für die Dauer seiner Amtsperiode bis zu zwei weitere Personen zur Mitarbeit in den Vorstand berufen. Der Vorstand wird jeweils nach drei Jahren neu gewählt. 2. Der Vorstand verteilt die Aufgaben der Vereinsleitung im Wege der Vereinbarung unter sich. Der Vorsitzende des Vorstandes vertritt den Verein im Sinne des § 26 BGB gerichtlich und außergerichtlich. Der Vorsitzende kann einen Vertreter beauftragen. Im Innenverhältnis werden die Beschlüsse des Vorstandes mit Stimmenmehrheit gefasst. Bei Stimmengleichheit entscheidet die
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Ausbildungsstätten
Stimme des Vorsitzenden. Über die Beschlüsse des Vorstandes ist ein Protokoll anzufertigen. Der Vorstand ist beschlussfähig, wenn mindestens die Hälfte der Vorstandsmitglieder zu der schriftlich vom Vorsitzenden unter Wahrung einer Frist von zwei Wochen einzuberufenden Vorstandssitzung erschienen sind. Der Vorstand führt die Geschäfte des Vereins ehrenamtlich. Reisekosten können erstattet werden. § 10 Ausschluss von Rechtsansprüchen der Zuwendungsempfänger oder der Mitglieder 1. Zuwendungen des Vereins lösen bei den Empfängern keinerlei Rechtsansprüche aus. 2. Bei dem Ausscheiden von Mitgliedern oder bei Auflösung oder Aufhebung des Vereins besteht kein Rechtsanspruch der Mitglieder auf Rückzahlung von bereits zweckverwendeten oder noch nicht verwendeten Beiträgen oder Beitragsteilen. § 11 Auflösung des Vereins, Vermögensverwendung 1. Die Auflösung des Vereins kann von dem Gesamtvorstand einstimmig oder durch Zweidrittel-Mehrheit der Mitgliederversammlung beschlossen werden. 2. Nach erfolgtem Auflösungsbeschluss, bei Aufhebung des Vereins oder bei Wegfall seines bisherigen Zweckes fällt das gesamte Vereinsvermögen der Lutherischen Theologischen Hochschule in Oberursel zu, die im Sinne des Artikels 60 Absatz 3 der Hessischen Verfassung als kirchliche Hochschule anerkannt ist und die das übertragene Vermögen im Sinne der Satzungsbestimmungen des Vereins zu verwenden hat.
217. Statut der Lutherischen Theologischen Hochschule Oberursel * (in der Fassung vom 16.3.2007) [In diesem Statut werden die Termini „Lehrbeauftragter, Dozent, Professor, Rektor“ und darauf bezügliche Wendungen als Inklusivbegriffe gebraucht.]
*
Ordnungen für die Selbständige Evangelisch-Lutherische Kirche (SELK). Herausgegeben von der Kirchenleitung der SELK, El 17 (2008), 260.1–5.
Statut der Lutherischen Theologischen Hochschule Oberursel
A)
Allgemeines
§1
Status
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1. Die Lutherische Theologische Hochschule Oberursel (LThH) ist ein Werk der Selbständigen Evangelisch-Lutherischen Kirche (SELK). 2. Mit der SELK ist die Hochschule „gebunden an die Heilige Schrift Alten und Neuen Testaments als an das unfehlbare Wort Gottes, nach dem alle Lehren und Lehrer der Kirche beurteilt werden sollen. Sie bindet sich daher an die Bekenntnisschriften der evangelisch-lutherischen Kirche, weil in ihnen die schriftgemäße Lehre bezeugt ist, nämlich an die drei ökumenischen Symbole (das Apostolische, das Nicänische und das Athanasianische Bekenntnis), an die ungeänderte Augsburgische Konfession und ihre Apologie, die Schmalkaldischen Artikel, den Kleinen und Großen Katechismus Luthers und die Konkordienformel“ (Grundordnung der Selbständigen Evangelisch-Lutherischen Kirche – Artikel 1 Absatz 2 der Grundordnung). 3. Die Lutherische Theologische Hochschule Oberursel ist eine vom Land Hessen nach Artikel 60 Absatz 3 der Hessischen Verfassung anerkannte kirchlichtheologische Bildungsstätte. Sie unterliegt den Bestimmungen des HochschulRahmengesetzes und des Hessischen Hochschulgesetzes, soweit sie als staatlich anerkannte Hochschule davon betroffen ist. §2
Aufgaben
Die Lutherische Theologische Hochschule vertritt in Forschung und Lehre die evangelisch-lutherische Theologie. Sie steht Studierenden der Evangelischen Theologie offen. Besonders dient sie der wissenschaftlichen Ausbildung künftiger Pfarrer und Pastoralreferentinnen der SELK für ihren Beruf (Artikel 7 Absatz 4 der Grundordnung). B)
Akademische Selbstverwaltung
§3
Organe
Organe der Lutherischen Theologischen Hochschule sind: Der Rektor Die Fakultät Die Studierendenversammlung.
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Ausbildungsstätten
§4
Rektor
1. Der Rektor und sein Stellvertreter werden von der Fakultät aus dem Kreis der Professoren mit einfacher Stimmenmehrheit gewählt. Die Amtszeit beträgt zwei Jahre. Wiederwahl ist möglich. 2. Der Rektor ist als Leiter der Hochschule der Kirchenleitung gegenüber verantwortlich. Dem Kuratorium gibt er Rechenschaft über die Leitung der Hochschule in ihrer Ausrichtung nach dem Wort Gottes. 3. Der Rektor vertritt die Lutherische Theologische Hochschule in allen den Lehrbetrieb betreffenden Angelegenheiten. Er beruft und leitet als primus inter pares die Sitzungen der Fakultät und sorgt für die Ausführung von deren Beschlüssen. §5
Fakultät
1. Die Fakultät der Lutherischen Theologischen Hochschule besteht aus den Professoren und den Dozenten. Zum Professor berufen oder als Dozent beauftragt werden können ordinierte Geistliche der SELK, Pastoralreferentinnen der SELK sowie ordinierte Geistliche aus Schwesterkirchen der SELK, mit denen Kirchengemeinschaft besteht. Auf sie finden die Pfarrerdienstordnung und die Dienstbeanstandungsordnung der SELK sinngemäß Anwendung. Entgeltliche Nebentätigkeiten bedürfen der Zustimmung der Kirchenleitung. Das Nähere über die Berufung von Professoren und die Beauftragung von Dozenten der Lutherischen Theologischen Hochschule regelt die Berufungsordnung, welche von der Kirchenleitung gemeinsam mit dem Kollegium der Superintendenten und in Abstimmung mit der Fakultät und dem Kuratorium erlassen wird. 2. Die Fakultät beschließt den Lehrplan und die erforderlichen Ausbildungsmaßnahmen. 3. Die Fakultät wirkt bei der Zulassung zur und Durchführung der Ersten Theologischen Prüfung mit. §6
Studierendenversammlung
1. Zur Studierendenversammlung gehören alle ordentlichen Studierenden, die an der Lutherischen Theologischen Hochschule eingeschrieben sind. 2. Die Studierendenversammlung regelt die Angelegenheiten der Studierendenschaft. Sie wählt zu ihrer Vertretung den aus drei bis fünf Mitgliedern bestehenden Studierendenausschuss sowie dessen Sprecher. 3. Die Zusammenkünfte der Studierendenversammlung werden von dem Sprecher einberufen und geleitet. Ort und Termin der Zusammenkünfte werden unter Mitteilung der Tagesordnung mit dem Rektor abgestimmt. Der Rektor kann an der Studierendenversammlung teilnehmen; er hat Rederecht. Soweit bei den
Statut der Lutherischen Theologischen Hochschule Oberursel
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Zusammenkünften Beschlüsse gefasst werden, sind diese in einer Niederschrift festzuhalten und dem Rektor zu übermitteln. Beschlüsse über Angelegenheiten außerhalb des Hochschulbetriebes sind unzulässig. 4. Der Studierendenausschuss ist mit dem Rektor dafür verantwortlich, dass sich das Leben an der Lutherischen Theologischen Hochschule am Worte Gottes ausrichtet und niemandem Anlass zum Ärgernis gegeben wird. 5. Der Studierendenausschuss wird in die Beratung solcher Gegenstände einbezogen, die den Studiengang und die Gestaltung des studentischen Lebens an der Lutherischen Theologischen Hochschule betreffen. Vor Aufstellung des Vorlesungsverzeichnisses wird der Studierendenversammlung Gelegenheit gegeben, Wünsche zu äußern. §7
Lehrbeauftragte
1. Zur Entlastung der hauptamtlichen Lehrenden sowie zur Ausweitung des Lehrund Forschungsbetriebes können Lehrbeauftragte für theologische und nichttheologische Fächer bestellt werden. 2. Als Lehrbeauftragte für das Gesamtgebiet einer theologischen Disziplin sollen ordinierte Geistliche der SELK, Pastoralreferentinnen der SELK oder ordinierte Geistliche aus Schwesterkirchen der SELK, mit denen Kirchengemeinschaft besteht, bestellt werden. 3. Das Nähere über die Bestellung und die Tätigkeit der Lehrbeauftragten regelt die Dozentenberufungsordnung. §8
Wissenschaftliche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter
1. Zur Ermöglichung von Promotion und Habilitation können Wissenschaftliche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter angestellt werden. 2. Das Nähere regelt die Ordnung für Wissenschaftliche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die von der Kirchenleitung in Abstimmung mit der Fakultät erlassen wird. §9
Kuratorium
1. Das Kuratorium besteht aus dem Bischof als Vorsitzenden, zwei weiteren Vertretern aus der Kirchenleitung und zwei Laiengliedern der SELK. Die Laienglieder werden von der Kirchenleitung auf die Dauer von jeweils acht Jahren berufen. Sie sollen Erfahrungen in der Hochschularbeit besitzen. Die Laienglieder können jederzeit von ihrem Amt zurücktreten. Die Kirchenleitung kann sie vorzeitig abberufen, wenn ein wichtiger Grund vorliegt. 2. Das Kuratorium hat darauf zu achten, dass die an der Hochschule vorgetragene Lehre dem Wort Gottes und den Bekenntnissen der Evangelisch-Lutherischen
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Ausbildungsstätten
Kirche (Konkordienbuch von 1580) entspricht, dass die Lehrenden ihr Amt treu ausüben und ein christliches Leben führen. Es erstattet der Kirchenleitung jährlich Bericht über Zustand und Weg der Lutherischen Theologischen Hochschule. Über Missstände hat es die Kirchenleitung unverzüglich zu informieren; des Weiteren ist es gehalten, auf dienstrechtliche Maßnahmen oder die Einleitung von Verfahren der Dienst- oder der Lehrbeanstandung bei der Kirchenleitung hinzuwirken. 3. Zur Erfüllung seiner Aufgaben informiert sich das Kuratorium über den Hochschulbetrieb und berät die Fakultät in allen anstehenden Fragen. Es steht der Studierendenschaft zu Gesprächen zur Verfügung. § 10 Studium und Prüfungen Das Studium und die theologischen Prüfungen für Studierende in der SELK regeln die Studienordnung für die Theologiestudierenden der SELK und die Ordnungen der Theologischen Prüfungen der SELK. Diese Ordnungen werden von der Kirchenleitung in Abstimmung mit der Fakultät und dem Kuratorium erlassen. § 11
Immatrikulation und Exmatrikulation
An der Lutherischen Theologischen Hochschule regelt die Fakultät im Einvernehmen mit dem Kuratorium die Verfahren zur Immatrikulation und zur Exmatrikulation. C)
Hochschulbetrieb und Organisation
§ 12 Leitung 1. Der Rektor vertritt die Lutherische Theologische Hochschule in allen den Wirtschaftsbetrieb betreffenden Angelegenheiten und leitet die laufende Verwaltung der Hochschule. Er ist dafür gegenüber der Kirchenleitung verantwortlich. Die Aufgaben des Grundstücksvereins bleiben davon unberührt. 2. Im Rahmen der ihm übertragenen Befugnisse ist er Dienstvorgesetzter der Wissenschaftlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. § 13 Haushalt 1. Über den finanziellen Aufwand der Lutherischen Theologischen Hochschule ist von der Fakultät bis zum 31. Juli des Jahres ein Haushaltsvoranschlag für das folgende Jahr aufzustellen. 2. In diesem Haushaltsvoranschlag sind die zu erwartenden Einnahmen und Ausgaben detailliert aufzulisten.
Statut der Lutherischen Theologischen Hochschule Oberursel
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3. Über den Haushaltsvoranschlag wird von der Kirchenleitung und dem Kollegium der Superintendenten im Rahmen der Verabschiedung des allgemeinen Kirchenhaushaltes (Artikel 20 Absatz 4 f der Grundordnung) entschieden. Der Haushalt der Lutherischen Theologischen Hochschule ist Bestandteil des allgemeinen Haushaltes der SELK. Vorstehendes Statut wurde von Kirchenleitung und Kollegium der Superintendenten auf der Sitzung am 16.03.2007 in Bleckmar mit Wirkung vom 01.05.2007 in Kraft gesetzt.
XII. Vereinbarungen, Zusammenschlüsse, Vereinigungen Werner Klän Einführung Solange die Evangelisch-lutherische Kirche in Preußen die einzige lutherischkonfessionelle Freikirche in Deutschland darstellte, legte sich die Assoziation gleich ausgerichteter Gemeinden außerhalb Preußens an diese Kirchenbildung nahe. In der Tat unterstellten sich die lutherischen Gemeinden in Nassau und Baden bald nach ihrem Austritt aus den sie umgebenden Unionskirchen dem Oberkirchenkollegium in Breslau, ohne jedoch eine vollständige Integration in den Bestand des größeren Kirchentums zu vollziehen; sie behielten einen Sonderstatus ohne die Übernahme der „Synodalbeschlüsse“ (s. Kap. I, Dok. 51). Die erste Gemeinde staatsfreier Konstitution im Bereich einer lutherischen Landeskirche, die Evangelisch-lutherische Zionsgemeinde in Hamburg, suchte zunächst gleichfalls Verbindung mit den preußischen Lutheranern, blieb aber organisatorisch fast völlig für sich. Solange die Evangelisch-lutherische Kirche in Preußen die Verbindung mit der Hamburgischen Landeskirche nicht aufkündigen wollte, konnte es nicht zu einem Anschluss der Evangelisch-lutherischen Zionsgemeinde in Hamburg kommen. Dieselben Schwierigkeiten ergaben sich mit der Gründung der Hannoverschen evangelisch-lutherischen Freikirche. Erst 1880 kam es zur Suspendierung der Kirchengemeinschaft mit der Hannoverschen Landeskirche, die aber nicht völlig aufrechterhalten, sondern wie das Verhältnis zu den übrigen lutherischen Landeskirchen dahingehend modifiziert wurde, dass zwar mit dem Kirchenkörper insgesamt die Kirchengemeinschaft festgehalten, in Gemeinden, in denen der Bekenntnisstand allerdings de facto verletzt wurde, nicht praktiziert wurde (s. Kap. I, Dok. 30, 32, 33). Während die Evangelisch-Lutherische Freikirche in Sachsen (u. a. St.) strikt an der prinzipiellen Ablehnung des Landeskirchentums festhielt, da sie konsequent auf die de-facto-Geltung des lutherischen Bekenntnisses achtete (s. Kap. IV, Dok. 83), setzte sich diese Grundhaltung in denjenigen lutherischen Freikirchen, die aus der Ablehnung einer Union entstanden waren, nur zögernd durch. Zu ersten umfassenderen Vereinbarungen über die gastweise Gewährung von Kanzel- und Abendmahlsgemeinschaft kam es 1885/1887 zwischen der Evangelisch-lutherischen Kirche in Preußen, der Selbständigen evangelisch-lutherischen Kirche in Hessen-Darmstadt, der Renitenten Kirche ungeänderter Augsburger Konfession und der Hannoverschen evangelisch-lutherischen Freikirche (Dok. 218, 219). Die Unterschiede in der kirchlichen Verfassung, besonders die Frage der Beteiligung der Laien an der Kirchenleitung, wurden zwar als Differenz, aber nicht
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als eine die „Bekenntniseinheit störende“ gewertet. Dementsprechend sah man die nach CA VII erforderliche Lehreinheit gegeben. Hier war im Bereich der lutherischen Freikirchen zum ersten Mal die kirchenpolitische Praxis der Anschauung gefolgt, dass es Auffassungsunterschiede in der Interpretation von Schrift und Bekenntnis geben könne, ohne dass diese kirchentrennenden Charakter haben müssten. Nichtsdestoweniger wurden die Meinungsverschiedenheiten weiterer theologischer Erörterung empfohlen. Der Prozess der Annäherung wurde also nicht mit der Feststellung der Kirchengemeinschaft als beendet angesehen, sondern als im Fortgang befindlich betrachtet. Dieser Grundsatz fand im Jahr 1903 auch Anwendung auf die Regelung des Verhältnisses zwischen den preußischen und den badischen Lutheranern. In diesem Fall wurden die bestehenden Unterschiede in den Vorstellungen von der kirchlichen Verfassung ebenfalls nicht ausgeräumt, aber für tragbar erklärt (Dok. 220). Nachdem 1904 der Bruch zwischen „Breslau“ und „Immanuel“ geheilt werden konnte (Dok. 221, 222), indem beide Seiten die theologisch-polemischen Spitzensätze aus der Zeit der Kirchentrennung historisch und sachlich relativierten, kam es im Jahr 1907 zur Bildung des „Delegierten-Konventes“ aus den Reihen der selbstständigen evangelisch-lutherischen Kirchen in Deutschland (Dok. 223). Ausdrücklicher Zweck dieser Verbindung war die Erörterung theologischer Fragen und die Vereinbarung von Grundlinien für gemeinsames kirchliches Handeln nach außen. Die den beteiligten Kirchen gemeinsame Sicht der Entwicklung in den Landeskirchen wirkte in ihrem eigenen Bereich mehr und mehr als integrierender Faktor. Zwar wurde die Autonomie der einzelnen Kirchentümer noch stark hervorgehoben, zugleich aber die Möglichkeit ins Auge gefasst, dass Beschlüsse des Konvents durch die zuständigen Gemeinden der einzelnen Partnerkirchen ratifiziert werden (Dok. 224). Damit war der Ansatz für ein gemeinschaftliches Vorgehen und Auftreten eines nicht unerheblichen Teils der konkordienlutherischen Kirchenfamilie geschaffen. Nur ein Jahr später erreichten die Hannoversche evangelisch-lutherische Freikirche und die Evangelisch-lutherische Hermannsburg-Hamburger Freikirche einen modus vivendi, der unter freilich nur teilweiser Aufarbeitung der Gründe, die 1886 zur Trennung geführt hatten, zwar noch nicht die vollständige Kirchengemeinschaft erklärte, aber Möglichkeiten der pastoralen Bedienung, der Überweisung von Gemeindegliedern, der Übernahme von Patenschaften regelte. Ausdrücklich wurde die seinerzeitige Trennung bedauert und die gegenwärtige Regelung als Zwischenlösung gekennzeichnet (Dok. 225, 226). Die dritte der in Hannover bestehenden selbstständigen evangelischlutherischen Kirchen, die Hermannsburger evangelisch-lutherische Freikirche, schloss sich in demselben Jahr der Evangelisch-Lutherischen Freikirche in Sachsen (u. a. St.) an. Gemäß dem Gemeindeprinzip stellte jede Gemeinde für sich einen Aufnahmeantrag, über den die Synode je gesondert abstimmte (Dok. 227). Im Jahr
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1921 tat ein Teil der Süddeutschen evangelisch-lutherischen Freikirche denselben Schritt (Dok. 228). Parallel dazu kam es in den Lehrverhandlungen zwischen der Hannoverschen evangelisch-lutherischen Freikirche und der Evangelisch-Lutherischen Freikirche in Sachsen (u. a. St.) zu einem Teilergebnis; in den Fragen der Schriftlehre einigte man sich auf eine antimodernistische Festlegung, auf die Lehre von der Verbalinspiration; die Bekenntnisschriften wurden als norma normata „ihrem gesamten Lehrinhalt nach“ für verbindlich erachtet. Bemerkenswert ist, dass die Beschlussfassung über einen Passus, in dem die Unterscheidung von kirchentrennenden und nicht kirchentrennenden Auslegungsvarianten verworfen wurde, vorerst ausgesetzt wurde (Dok. 229). Es kam gleichwohl ein Jahr darauf zur Verabschiedung gemeinsamer „Thesen über die Kirche“; das aus der Entstehungszeit beiden Freikirchen als Gegenüber vorfindliche Landeskirchentum mit nominell lutherischem Bekenntnisstand ließ die vorhandenen Grundübereinstimmungen in der Ekklesiologie erkennen und gemeinsam formulieren (Dok. 230). Allerdings wurde erst 1913 in sehr offenen Formulierungen eine Konvergenz in der Amtsfrage aussagbar, in denen sich tendenziell die sächsische Position deutlicher durchsetzte (Dok. 231, 232). Diese Verhandlungsrunden markieren aber den Ansatz zu einem ersten umfassenderen Dialog der Evangelisch-Lutherischen Freikirche mit konfessionellen Kirchentümern grundsätzlich anderer Prägung. Ebenfalls noch vor Ausbruch des Ersten Weltkriegs traten die benachbarten selbstständigen evangelisch-lutherischen Kirchen in Hessen in nähere Verbindung. Nachdem sich schon 1878 der Homberger Konvent der Selbständigen evangelischlutherischen Kirche (nunmehr: „in den hessischen Landen“) angeschlossen hatte, verabschiedeten diese und die Hessische Renitenz im Jahr 1910 ein Konföderationsstatut (Dok. 233), in dem sie sich Kanzel- und Abendmahlsgemeinschaft gewährten. Das Festhalten der Niederhessen an ihrem besonderen Bekenntnisstand wurde nicht mehr als Hinderungsgrund für die notwendige Einheit nach CA VII verstanden. Gemeinsam konnten beide Kirchen das aus ihren Anfängen herausgearbeitete „Bekenntnis zu dem alleinigen Königtum Jesu Christi in der Kirche und in der Abwehr der staatlichen Eingriffe in allen kirchlichen Einrichtungen“ zum Ausdruck bringen. Damit war ein wichtiges Motiv selbstständigen kirchlichen Daseins zur Geltung gebracht, dem sich nicht sogleich alle selbstständigen evangelischlutherischen Kirchen anschlossen, zumal wenn sie, wie die Evangelisch-lutherische Kirche in Preußen, auf die staatliche Anerkennung als die lutherische Kirche ihres Landes warteten. Nach dem Ersten Weltkrieg wurde die „Vereinigung evangelisch-lutherischer Freikirchen“ gegründet, die zunächst aus sechs selbstständigen Kirchen bestand. Sie sah sich als Arbeitsgemeinschaft, die sich bekenntniskirchlich, damit aber antiunionistisch und antiliberalistisch begriff nach dem Motto: „Hindurch zur lutherischen Bekenntniskirche um jeden Preis!“ (Dok. 224). Die Verhandlungen auf den Vertretertagen der Vereinigung wurden durchgängig von dem Gegensatz zwi-
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schen Vertretern einer der Kooperation mit den lutherischen Landeskirchen zuneigenden Anschauung und strengen Anhängern des freikirchlichen Weges beherrscht. So kam der angestrebte kirchliche Zusammenschluss vorerst nicht zustande. Dennoch schritten die lutherischen Freikirchen auf dem Weg zu einer weitergehenden organisatorischen Vereinigung in Teilbereichen durchaus voran. Die relative räumliche Nähe und die enge Verwandtschaft im Amtsverständnis ließen die hessischen und hannoverschen Freikirchen in verbindlichere Gemeinschaft treten. Im Jahr 1920 wurde durch das „Friedens-Dokument“ die Kanzel- und Abendmahlsgemeinschaft zwischen der Hannoverschen evangelisch-lutherischen Freikirche und der Hermannsburg-Hamburger evangelisch-lutherischen Freikirche formell festgestellt, obwohl in der Frage der Beteiligung an der (überwiegend von der Hannoverschen Landeskirche getragenen) Hermannsburger Mission keine völlige Übereinkunft erzielt worden war (Dok. 226). Das „Konföderationsstatut“ zwischen der Renitenten Kirche ungeänderter Augsburger Konfession und der Hannoverschen evangelisch-lutherischen Freikirche stellte 1924 auch zwischen diesen beiden Kirchen Kanzel- und Abendmahlsgemeinschaft her (Dok. 234). Zugleich war es die unmittelbare Voraussetzung für die Bildung eines gemeinsamen Superintendentur-Kollegiums der beiden hessischen und der beiden hannoverschen Freikirchen. Die Bildung des SuperintendenturKollegiums wurde durchaus als Mittel zur Förderung eines Zusammenschlusses aller selbstständigen lutherischen Kirchen begriffen. Damit war zum ersten Mal auf kirchenleitender Ebene eine verbindliche Organisationsform geschaffen worden (Dok. 235). Sechs Jahre später schritten die an diesem Konzept beteiligten Kirchen zur Gründung des „Bundes selbständiger evangelisch-lutherischer Kirchen in Hessen und Niedersachsen“ fort. Die einzelnen Körperschaften gaben Teilkompetenzen an den „Kirchenausschuss" als Leitungsorgan ab und unterstellten sich den Beschlüssen eines „Allgemeinen Kirchentages“, der als Gesamtvertretung des Bundes fungierte. Dagegen verblieb die Pfarrstellenbesetzung in der Hoheit der Einzelkirchen. Mit der Schaffung überregionaler Gemeinschaftsorgane in verbindlicher Funktion schon 1930 war ein wesentlicher Schritt zur Herausbildung einer das gesamte freikirchliche Luthertum umfassenden Verfassung getan, der vorerst allerdings auf Hessen und Hannover beschränkt blieb (Dok. 236). Die Jahre unter der Herrschaft des Nationalsozialismus bis zum Ende des Zweiten Weltkriegs brachten für das Lager der selbstständigen evangelisch-lutherischen Kirchen keinen weiteren Fortschritt mehr in ihren Einigungsbemühungen. Obwohl sie sich, zumal nach Gründung der DEK, in ihrer konfessionellen Sonderexistenz historisch und theologisch legitimiert sahen, konnten sie weder einer der in den Reihen der Bekennenden Kirche vertretenen Positionen uneingeschränkt beipflichten, noch konnten sie eine übereinstimmende Alternative dazu in ihren eigenen Reihen bieten. Andererseits war man im Lager der selbstständigen evangelischlutherischen Kirchen nicht in der Lage, ein Einigungsmodell zu entwickeln, das als
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tragfähige Alternative zu den bestehenden Konstellationen und über diese hinausweisend realisierbar gewesen wäre. Der Ausgang des Zweiten Weltkriegs brachte in verschiedener Hinsicht eine notwendige, wenn auch teils erzwungene Neuorientierung; dies gilt auch für die selbstständigen evangelisch-lutherischen Kirchen in Deutschland. Am schwersten wurde die Evangelisch-lutherische Kirche in Preußen von dem Untergang der NaziDiktatur betroffen; sie verlor mit ihren schlesischen und pommerschen Kerngebieten zwei Drittel ihrer Kirchen. Die übrigen selbstständigen evangelisch-lutherischen Kirchen mit den Schwerpunkten in Sachsen bzw. dem westlichen Deutschland waren von den Folgen der Niederlage des Deutschen Reiches längst nicht in diesem Ausmaß betroffen. Im Raum der evangelischen Landeskirchen setzten sich gleich nach dem Krieg Entwicklungen fort, die längst zuvor begonnen hatten und durch den Ertrag des „Kirchenkampfes“ kaum in eine wirklich neue Richtung gingen: Sie führten zur Gründung der Evangelischen Kirche in Deutschland, die von allen lutherischen Freikirchen einhellig als Unionskirche identifiziert wurde (Dok. 237). Nach der Wiedervereinigung der Evangelisch-lutherischen Kirche in Preußen und der Evangelisch-lutherischen Immanuelsynode stellt der Zusammenschluss der Hannoverschen evangelisch-lutherischen Freikirche, der Selbständigen evangelisch-lutherischen Kirche in Hessen und der Evangelisch-lutherischen Hermannsburg-Hamburger Freikirche vom Jahre 1947 die erste formelle Vereinigung bisher getrennter Kirchenkörper mit gemeinsamer Verfassung, gemeinsamer Kirchenleitung dar. Die Verfassung der Selbständigen evangelisch-lutherischen Kirche von 1947 trug bewusst Übergangscharakter; sie beließ die bisherigen Teilkirchen als Diözesen in relativer verfassungsmäßiger und finanzieller Eigenständigkeit und hielt darüber hinaus die Möglichkeit für einen engeren Zusammenschluss nach innen wie einen weiteren Anschluss anderer lutherischer Freikirchen offen (Dok. 238). Tatsächlich schlossen sich 1948 die Evangelisch-lutherische Kirche in Baden (Dok. 239) und 1950 die Renitente Kirche ungeänderter Augsburger Konfession dem neuen Kirchenkörper an (Dok. 240). Es bedurfte allerdings, um die Annahme dieses Vorgangs in Hessen zu ermöglichen, ausführlicher Erklärungen seitens der kirchenleitenden Organe (Dok. 241, 242). Der Hessischen Renitenz wurde weitgehende Selbstständigkeit garantiert; sie musste allerdings die Konkordienformel als Bekenntnisgrundlage in der Verfassung der Selbständigen evangelisch-lutherischen Kirche von 1947 rezipieren; dies kam einer Erweiterung, nicht aber Veränderung ihres bisherigen Bekenntnisstandes gleich. Für die Feststellung der Kirchengemeinschaft zwischen der EvangelischLutherischen Freikirche in Sachsen (u. a. St.) und den übrigen selbstständigen evangelisch-lutherischen Kirchen waren ausgiebige Lehrverhandlungen erforderlich; die Schriftlehre, die Lehre von Bekehrung und Gnadenwahl, Ekklesiologie und Amtstheologie sowie Eschatologie waren Gegenstand der Erörterungen, die mit den „Einigungssätzen zwischen der Evangelisch-lutherischen Kirche Altpreußens und der Evangelisch-Lutherischen Freikirche“ 1947 abgeschlossen wurden (Dok.
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243). Dieses Dokument stellt einen ausdrücklichen Lehrkonsens in bisher umstrittenen Fragen fest, allerdings wird ihre systematische Geltung durch einen ungeschichtlichen Ansatz gewonnen. Der Stellenwert der „Einigungssätze“ wurde denn auch zwischen den Kirchen nicht völlig einhellig gesehen. Nichtsdestoweniger stellte dieses Dokument, nachdem infolge der Entscheidungen von Eisenach, die zur Gründung der EKD führten, auch die preußischen „Altlutheraner“ die Kirchengemeinschaft mit den lutherischen Landeskirchen aufgekündigt hatten, die Bedingung der Möglichkeit für die Aufrichtung von Kanzel- und Abendmahlsgemeinschaft zwischen sämtlichen lutherischen Freikirchen in Deutschland dar. Die „Einigungssätze“ wurden denn auch von der Selbständigen evangelisch-lutherischen Kirche zustimmend zur Kenntnis genommen, ohne freilich förmlich rezipiert zu werden (Dok. 244). Ihren institutionellen Ausdruck fand die erreichte Lehrübereinkunft in der Bildung der „Arbeitsgemeinschaft freier ev.-luth. Kirchen in Deutschland“. Sie bestand aus einer „Vertretung der Kirchenleitungen“ als Leitungsgremium und einer „Versammlung der Kirchenvertreter“ als Repräsentativorgan in synodalen Formen. Etwa seit Mitte der sechziger Jahre gab das Oberkirchenkollegium der Evangelisch-lutherischen (altlutherischen) Kirche dem Ziel einer Vereinigung der selbstständigen evangelisch-lutherischen Kirchen in Deutschland kirchenpolitisch den Vorrang. Je deutlicher die lutherischen Landeskirchen den Vollzug der Abendmahlsgemeinschaft in der EKD befürworteten, desto klarer wurde auch die Distanzierung der freikirchlichen Lutheraner von einer Kooperationswilligkeit mit der VELKD. Auch von Seiten der Selbständigen evangelisch-lutherischen Kirche wurde dieses Bemühen eindeutig favorisiert; die zunehmende Integrationsfähigkeit in diesem Bereich ist somit auch als Kehrseite eines Abstandnehmens von tendenziell als unionistisch verstandenen Entwicklungen innerhalb der lutherischen Landeskirchen zu deuten. Allerdings blieb der Erfolg all dieser Bestrebungen zunächst auf die Teilkirchen im Bereich der Bundesrepublik Deutschland – abgesehen von der Evangelisch-lutherischen Kirche in Baden – beschränkt. Die politischen Gegebenheiten brachten es mit sich, dass die auf dem Staatsgebiet der Deutschen Demokratischen Republik befindlichen Gemeinden der Evangelisch-lutherischen (altlutherischen) Kirche und der Evangelisch-Lutherischen Freikirche mehr und mehr ihre Eigenständigkeit betonten und sich schließlich Anfang der siebziger Jahre organisatorisch von den westdeutschen Glaubensgenossen trennten (s. Kap. I, Einführung u. Dok. 34). Hier kam es zwar zunächst zu Annäherungen, die 1972 zur Gründung der „Vereinigung selbständiger evangelischlutherischer Kirchen in der DDR“ führten (s. Kap. IV, Dok. 98); diese stellte jedoch nie einen vollständigen Zusammenschluss dar. Im Jahr 1984 wurde seitens der Evangelisch-Lutherischen Freikirche die Kirchengemeinschaft mit der Evangelischlutherischen (altlutherischen) Kirche aufgehoben (s. Kap. IV, Dok. 99). In der Bundesrepublik hingegen kam es 1972 zur Gründung der Selbständigen Evangelisch-Lutherischen Kirche (SELK), in der sich die Evangelisch-lutherische
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(altlutherische) Kirche, die Evangelisch-Lutherische Freikirche und die (alte) Selbständige evangelisch-lutherische Kirche zusammenschlossen. In der Verfassung (Grundordnung) der SELK von 1972 (Dok. 245) sind die früher kontrovers diskutierten Positionen zur Amtstheologie in ein neues Gesamt integriert und balanciert. So ist dem Bischof als geistlichem Leiter der Kirche die „Kirchenleitung“ als ein Gremium aus den Pröpsten der ursprünglich drei, seit Vereinigung mit der Evangelisch-lutherischen (altlutherischen) Kirche in der ehemaligen DDR im Jahr 1991 vier Sprengel, weiteren fünf „Laien“-Kirchenräten und dem Geschäftsführenden Kirchenrat (ordinierter Pfarrer) beigegeben. Gesetzgebendes Organ ist die „Kirchensynode“ aus ordinierten und nicht-ordinierten Kirchgliedern, deren Beschlüsse in Lehr-, Gottesdienst- und Kirchengemeinschaftsfragen allerdings der Vorberatung durch den „Allgemeinen Pfarrkonvent“ bedürfen.
Dr. Gerhard Rost, LL.D., *1922, †2003, Bischof der SELK 1973–1985, Aufnahme: Mai 1992.
Der Selbständigen Evangelisch-Lutherischen Kirche schloss sich 1976 die Evangelisch-lutherische Bekenntniskirche, die westdeutsche Nachfolgeorganisation der 1924 gegründeten und 1945 aufgelösten Evangelisch-lutherischen Freikirche in Polen an (Dok. 246). Im Jahr 1983 konnte Kirchengemeinschaft zwischen der Selbständigen Evangelisch-Lutherischen Kirche und der Evangelisch-lutherischen Kirche in Baden, die seit 1965 eigenständige Wege ging (s. Kap. III, Dok. 59), festgestellt werden (Dok. 247, 248). Durch die Umwälzung der politischen Verhältnisse in Europa seit 1989 wurde 1991 der Zusammenschluss von Selbständiger Evangelisch-Lutherischer Kirche und Evangelisch-lutherischer (altlutherischer) Kirche, der zuvor nur aufgrund der bestehenden politischen Grenzen verhindert worden war, möglich (Dok. 249). In Deutschland kam es 2001 zu einer Kooperationsvereinbarung zwischen der SELK und der Concordia-Gemeinde, evangelischlutherische Freikirche e.V. in Celle (Dok. 250).
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Hannover, Kirchenbüro der Selbständigen Evangelisch-Lutherischen Kirche, Schopenhauerstraße 7, erbaut ca. 1915, durch Kauf erworben, Sitz der Kirchenleitung der SELK seit 1975, Aufnahme: 23.1.2010.
Im Zusammenhang mit der Wahrnehmung zunehmender internationaler Verflochtenheit der konkordienlutherischen Kirchen wurden Vereinbarungen über die Feststellung bzw. die Art der Ausübung von Kirchengemeinschaft mit der Lutheran Church – Canada (Lutherische Kirche – Kanada, 1990/1991; Dok. 251), mit der Igreja Evangélica Luterana do Brasil (Evangelisch-Lutherische Kirche von Brasilien, 1994; Dok. 252), mit der Freien Evangelisch-Lutherischen Synode in Südafrika (1995; Dok. 253) abgeschlossen. Die Zugehörigkeit zur konkordienlutherischen Weltfamilie wird durch die Zugehörigkeit zum International Lutheran Council (ILC, Internationaler Lutherischer Rat) dokumentiert (Dok. 254).
218. [148.] Die Homberger Vereinbarung zwischen der Evangelisch-lutherischen Kirche in Preußen, der Selbständigen evangelisch-lutherischen Kirche in Hessen-Darmstadt, der Renitenten Kirche ungeänderter Augsburger Konfession (Homberger Konvent) und der Hannoverschen evangelischlutherischen Freikirche vom 9.11.1885* 1. Die genannten Kirchenkörper gewähren einander Kanzel- und Abendmahlsgemeinschaft auf Grund des Artikels 7 der Augsb. Konfession. 2. Die Differenz, in welchem Umfange die Laien an der Leitung der Kirche zu beteiligen sind, sehen beide Teile nicht als eine unerträgliche, die Bekenntniseinheit störende an. 3. Sie werden die Anschauungen des andern Teils nicht als Irrlehren behandeln, doch Verständigung durch Konferenzen suchen. 4. Die verziehenden Kirchenglieder sind Aufnahme in den Gemeinden des andern Teils zu suchen berechtigt und verpflichtet, sich zum Gottesdienst zu halten, die actus ministeriales zu suchen, sich der Kirchenzucht zu unterwerfen und die Kirchenbeiträge zu zahlen. Durch Kirchenschein haben sie sich auszuweisen. 5. Was die Kanzelgemeinschaft betrifft, so kann eventuell ein Colloquium de orthodoxia gefordert werden. 6. Bei Eintritt in den Dienst des anderen Teils hat der Geistliche sich nach den dort üblichen Ordnungen zu richten und Differenzen in der Lehre nicht vor die Gemeinde zu bringen. 7. Territoriale Grenzen sind nicht maßgebend. Beiderseits ist dahin zu wirken, baldmöglichst den Uebelstand zu beseitigen, daß an einem Orte Gemeinden beider Teile bestehen. 8. Kirchengemeinschaft mit anderen Kirchenkörpern ist nur unter Zustimmung und im Namen aller einzugehen. 9. Gegenseitige Beschickung der Generalkonvente und Generalsynoden.
*
Hannoversche evangelisch-lutherische Freikirche, Pastorenkonvent (Hg.), Geschichte der Hannoverschen evangelisch-lutherischen Freikirche, Celle 1924, 26f.
Gewährung von Kanzel- und Abendmahlsgemeinschaft
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219. [149.] Vereinbarung über die gastweise Gewährung von Kanzel- und Abendmahlsgemeinschaft zwischen der Evangelisch-lutherischen Kirche in Preußen, der Selbständigen evangelisch-lutherischen Kirche in Hessen-Darmstadt, der Renitenten Kirche ungeänderter Augsburger Konfession (Homberger Konvent) und der Hannoverschen evangelischlutherischen Freikirche (1887)*1 Nachdem die Lutherische Kirche in Preußen und die drei vereinigten Kirchenkörper, die selbständige Lutherische Kirche in Hessen-Darmstadt, die renitente Kirche ungeänderter Augsburgischen Konfession in Niederhessen und die Hannoversche evangelisch-lutherische Freikirche, sich überzeugt haben, daß die von der Augsb. Konfession Art. 7 erforderte Einigkeit in der rechten Lehre des Evangeliums und der Darreichung der Sakramente laut des Evangeliums zwischen ihnen durch Gottes Gnade besteht, die noch vorhandene Differenz aber darüber, in welchem Umfang die Laien an der Leitung der Kirche zu beteiligen seien, nicht als eine unerträgliche, die Bekenntniseinheit störende anzufechten ist, so haben dieselben beschlossen, einander hinfort gastweise Abendmahls- und Kanzelgemeinschaft zu gewähren.
220. [150.] Vereinbarung betreffend die Kanzel- und Altargemeinschaft zwischen der Evangelisch-lutherischen Kirche in Preußen und der evangelisch-lutherischen Synode in Baden (Mai 1903)*2 Nachdem die Verhandlungen, welche wir mit der evangelisch-lutherischen Synode in Baden geführt haben, zum Abschluß gekommen sind, veröffentlichen wir nachstehende Vereinbarung. Breslau, den 16. Mai 1903. Das Ober-Kirchen-Kollegium der evang.-luth. Kirche in Preußen. J.–Nr. 532/03. J. B.: W. Hinz. Nachdem die evangelisch-lutherische Kirche in Preußen und die evangelischlutherische Synode in Baden aus den gepflogenen Verhandlungen die Überzeugung gewonnen haben, daß, was nach Art. VII der Augsburgischen Konfession „genug ist zu wahrer Einigkeit der christlichen Kirche“, und folglich auch zur gegenseitigen *1 Hannoversche evangelisch-lutherische Freikirche, Pastorenkonvent (Hg.), Geschichte der Hannoverschen evangelisch-lutherischen Freikirche, Celle1924, 27. *2 Kirchenblatt für die evangelisch-lutherischen Gemeinden in Preußen 58 (1903), 321–323.
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Gemeinschaft am heiligen Abendmahl, auf beiden Seiten vorhanden sei, „daß namentlich einträchtig nach reinem Verstande das Evangelium gepredigt und die Sakramente dem göttlichen Worte gemäß gereicht werden“, daß aber das voneinander abweichende Verständnis des lutherischen Bekenntnisses in den Lehren von Kirche, Kirchenregiment und Kirchenordnungen nicht kirchentrennend wirken und also die gegenseitige Abendmahlsgemeinschaft verhindern müsse; so haben beide Kirchenkörper sich dahin verständigt, daß die Kanzel- und Altargemeinschaft nach folgenden Bestimmungen geregelt werden soll. I. Die gegenwärtig in Baden bestehenden Gemeinden beider Kirchenkörper erkennen sich in ihrem jetzigen Bestande an: Die zur evangelisch-lutherischen Kirche in Preußen gehörigen Gemeinden sind, nachdem sich die bisher zu ihrer Gemeinde in Karlsruhe gehörigen Glieder an die dortige Gemeinde der badischen evangelisch-lutherischen Synode und die in Mannheim wohnenden Glieder der badischen Synode an die dortige Gemeinde der evangelisch-lutherischen Kirche in Preußen angeschlossen haben, folgende: 1. Parochie Heidelberg. Pastor Immanuel Wagner in Heidelberg, Lutherstraße 51. – Seelenzahl: 80. Gottesdienst in Heidelberg, Augustinerkapelle, Grabengasse 20, mit dem Predigtort Mannheim (Gottesdienst in der Schloßkirche) und den Ortschaften Dossenheim, Bammenthal, Leimen und Nußloch. 2. Parochie Lörrach. Pastor Konrad Wagner in Zürich IV, Kinkelstraße 16. – Seelenzahl: 20. Gottesdienst in Lörrach, Baumgartnerstraße 1, mit der Ortschaft Weil. Die zur evangelisch-lutherischen Synode im Großherzogtum Baden gehörigen Gemeinden sind folgende: I. Parochie Ispringen. Wohnung des Pfarrers Ernst Littwien und des Vikars Ludwig Helsig: evangelisch-lutherisches Gemeindehaus Ispringen bei Pforzheim. Seelenzahl: 650. 1. Gemeinde Ispringen mit eigener Kirche daselbst. Dazugehörige Ortschaften, in denen regelmäßig Bibelstunden (Wochengottesdienste) stattfinden: Pforzheim (Gewerbeschule), Büchenbronn, Dietlingen, Ellmendingen, Nöttingen, Auersbach, Darmsbach, Söllingen, Eisingen, Göbrichen (zusammen 10 Predigtorte); sonst zu Ispringen gehörige Ortschaften: Brötzingen, Wilferdingen, Singen, Stein, Eutingen. 2. Filial-Gemeinde Baden-Baden; Gottesdienst: alte Spitalkirche, Gernsbacherstraße.
Vereinbarung betreffend die Kanzel- und Altargemeinschaft
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3. Filial-Gemeinde Bretten; Betsaal: Kirchgasse. Bibelstunden in Dürrenbüchig bei Bretten (1 Predigtort). Andere Ortschaften: Diedelsheim, Nußbaum. Parochie Karlsruhe. Pfarrer Gottfried Herrmann, Ettlingerstraße 9. Seelenzahl: 200. 1. Gemeinde Karlsruhe, Gottesdienst in der alten Friedhofkapelle, Ende der Waldhornstraße. 2. Predigtort: Ettlingen. Parochie Freiburg-Ihringen. Pfarrer Hugo v. Reußler, Senior der Synode. Lutherisches Pfarrhaus: Stadtstraße 10. Seelenzahl: 400. 1. Gemeinde Freiburg i. Br.; eigene Kirche in der Stadtstraße. Dazugehörige Ortschaften: Umkirch, Müllheim und Neustadt im Schwarzwald. 2. Filial-Gemeinde Ihringen am Kaiserstuhl; Kirchlokal im Hause des Bäckermeisters Hößle, Gemeindevorsteher.
II. Hinsichtlich der Abendmahlsgemeinschaft bezw. Gemeindezugehörigkeit sollen folgende Regeln gelten: 1. Die Gemeindeglieder beider Kirchenkörper haben zu allen Altären freien Zutritt. Erforderlich bleibt die Beibringung des Kirchenscheines von seiten des zuständigen Seelsorgers. 2. Wenn Gemeindeglieder des einen Teils an Orte verziehen, wo bloß eine Gemeinde des anderen Teils ist, so werden sie von ihrem bisherigen Seelsorger durch Erteilung des Kirchenscheins der anderen Gemeinde zugewiesen. 3. Wenn in anderen Fällen einzelne Gemeindeglieder sich der Gemeinde des anderen Teils anschließen wollen, so kann dies nur mit Zustimmung des bisherigen Seelsorgers unter Erteilung des Kirchenscheins geschehen. Zusatz: Es soll in Zukunft vermieden werden, daß an demselben Ort von beiden Kirchenkörpern öffentlicher Gottesdienst ausgerichtet wird. III. Die Pastoren beider Kirchenkörper werden sich bei allen Amtshandlungen, wo es die Not erfordert oder sonst erwünscht erscheint, in der unter Amtsbrüdern gleicher Konfession üblichen Weise vertreten, eventuell unter Ausstellung eines Dimissoriale. Die Stolgebühren fallen, wenn es nicht anders bestimmt wird, dem eigentlich zuständigen Geistlichen zu.
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Vereinbarungen, Zusammenschlüsse, Vereinigungen
IV. Die kirchenzuchtlichen Maßnahmen werden gegenseitig anerkannt. V. Die Pastoren beider Kirchenkörper werden ihre Gemeindeglieder anhalten, brüderlich mit den Gliedern des anderen Kirchenverbandes zu verkehren und, wo immer sich Gelegenheit bietet, die Gemeinschaft des Glaubens zu betätigen, daß aller Hader und alle Eifersüchtelei vermieden werde. VI. Die im Vorstehenden getroffenen Bestimmungen finden, soweit angängig, auch ihre Anwendung auf die aus Preußen nach Baden oder aus Baden nach Preußen verziehenden Lutheraner. Breslau und Freiburg i. Br., im Mai 1903. Das Ober-Kirchen-Kollegium der evang.-luth. Kirche in Preußen. Die evang.-luth. Synode im Großherzogtum Baden.
221. [151.] Gemeinsame Bekanntmachung über die Wiedervereinigung der Evangelisch-lutherischen Kirche in Preußen und der Evangelisch-lutherischen Immanuelsynode (1904)* Durch Gottes Gnade haben die Verhandlungen, welche seitens des Ober-KirchenKollegiums der evangelisch-lutherischen Kirche in Preußen und den Senioren der Immanuel-Synode seit dem 22. Oktober 1903 in sämtlichen Gemeinden der Immanuel-Synode stattgefunden haben, zur Wiedervereinigung der beiden seit 40 Jahren getrennten Kirchengemeinschaften geführt. Infolgedessen hat auch die Immanuel-Synode ihre Auflösung für den 12. Juni des Jahres beschlossen. Die Grundlage unseres nunmehrigen Zusammenschlusses bildet das einmütige Bekenntnis zur heiligen Schrift Alten und Neuen Testaments als dem reinen, lauteren Brunnen Israels und zu den aus der heiligen Schrift geschöpften Symbolen der evangelisch-lutherischen Kirche einschließlich der Konkordienformel. Die heilige Schrift und diese Symbole bilden allein die publica doctrina (öffentliche Lehre), auf welche unsere Pastoren bei ihrer Ordination zu verpflichten und nach welcher Lehre und Leben in unseren Gemeinden zu urteilen sind. Die unter uns noch be*
Kirchenblatt für die evangelisch-lutherischen Gemeinden in Preußen 59 (1904), 321f.
Amtliche Bekanntmachung des Oberkirchenkollegiums
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stehenden Meinungsverschiedenheiten sehen wir nicht als kirchentrennend an. Demgemäß schließen die Gemeinden der beiden bisher getrennten lutherischen Kirchengemeinschaften, welche die schriftwidrige Union der preußischen Landeskirche verwerfen, sich zu einem Kirchenkörper, unter einem Amt der Kirchenleitung und unter denselben kirchlichen Ordnungen zusammen. Wir bitten Gott, der da reich ist an Barmherzigkeit, er wolle zu dem Friedenswerke seinen Segen geben und es gereichen lassen zu Ehren seines heiligen Namens, zum Bau seines Reiches, zur Stärkung der lutherischen Kirche unseres Vaterlandes und zur Förderung des Glaubens und des geistlichen Lebens aller unserer Gemeinden, daß alle Glieder unserer Kirche wachsen an dem, der das Haupt ist, Jesus Christus, hochgelobt in Ewigkeit. Breslau und Magdeburg, am heiligen Pfingstfest 1904. Das Ober-Kirchen-Kollegium der evang.-luth. Kirche in Preußen. J. V.: W. Hinz. Die Senioren der evangelisch-lutherischen Immanuel-Synode. O. Scholze, Pastor, Senior der Immanuel-Gemeinde. Arthur Weber, Vizesenior der Immanuel-Synode.
222. [152.] Amtliche Bekanntmachung des Oberkirchenkollegiums über die Wiedervereinigung der Evangelisch-lutherischen Kirche in Preußen und der Evangelisch-lutherischen Immanuelsynode vom 17.5.1904* Wie die Glieder unserer Kirche aus der vorstehenden gemeinsamen Bekanntmachung ersehen, ist mit Gottes Hilfe die Heilung der 40jährigen Spaltung in der lutherischen Kirche Preußens zustande gekommen, indem die bisher zur Immanuelsynode gehörenden Pastoren und Gemeinden sich nunmehr unter unsere Kirchenleitung stellen und unsere Kirchenordnung annehmen. Wir sind gewiß, daß die Glieder unserer Kirche den sich anschließenden Glaubensgenossen mit brüderlicher Liebe und herzlichem Vertrauen entgegenkommen werden, wie auch jene es entgegenbringen wollen und daß man deshalb auch gegenseitig alles lieblosen Richtens der Vergangenheit sich enthalten wird. Möge die Macht des gemeinsamen Glaubens und der brüderlichen Liebe sich kräftig erweisen, um alle persönlichen Vorwürfe und Entfremdungen, welche in der Zeit der Trennung an einigen Orten leider entstanden sind, gänzlich abzutun, zu vergeben und zu vergessen nach dem Worte des Apostels: Seid aber untereinander freundlich, herzlich und vergebet einer dem andern, gleichwie Gott euch vergeben hat in Christo. *
Kirchenblatt für die evangelisch-lutherischen Gemeinden in Preußen 59 (1904), 322f.
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Vereinbarungen, Zusammenschlüsse, Vereinigungen
Durch den Zusammenschluß werden verschiedene Veränderungen in der Abgrenzung der Gemeinden nötig, da naturgemäß die Gemeindeglieder fortan in dem nächstgelegenen Pfarrorte Wort und Sakrament suchen werden. Diese Veränderungen sind in den Einzelverhandlungen der Anschluß-Kommission verabredet worden. Die an einigen Orten bestehenden Doppelgemeinden schließen sich meistens zu einer Gemeinde zusammen. Doch erschien es aus praktischen Gründen nötig, auch in etlichen Fällen vorläufig noch beide Gemeinden nebeneinander bestehen zu lassen. Aber auch da werden die Gemeinden nicht in einem Gegensatz zu einander stehen, sondern sie werden, verbunden in einer Kirchengemeinschaft unter gegenseitiger Aushilfe der Pastoren sich im Frieden bauen. Ebenso wurde vereinbart, daß an einigen Orten bis auf weiteres die vereinigte Gemeinde noch von beiden bisherigen Pastoren bedient werden soll. Wir veröffentlichen nachstehend eine Übersicht der vereinbarten Parochialveränderungen, die mit dem 12. Juni (2. Sonntag nach Trinitatis) in Kraft treten sollen. Eine besondere Anweisung betreffs der Durchführung der Vereinigung werden wir den Herrn Pastoren in den nächsten Tagen zugehen lassen. Indem wir die Glieder unserer Kirche auffordern, mit uns den HEerrn für seinen Gnadenbeistand in diesem wichtigen Werke zu preisen, ermahnen wir sie, auch in treuer Fürbitte der teueren lutherischen Kirche unseres Vaterlandes zu gedenken, damit sie im Frieden sich erbaue auf dem Grunde des lauteren Evangeliums und reich werde an guten Werken in Christo Jesu, unserem HErrn und Heilande. Breslau, 17. Mai 1904. Das Ober-Kirchen-Kollegium der evang.-luth. Kirche in Preußen. Nr. 563/04. In Vertretung W. Hinz.
223. [153.] Satzungen des „Delegierten-Konventes“ der vom Staate unabhängigen lutherischen Kirchen in Deutschland vom 6.2.1907 * § 1. Die unterzeichneten vom Staate unabhängigen lutherischen Kirchen in Deutschland treten zu einem „Delegierten-Konvent“ zusammen, auf welchem wichtige kirchliche Fragen besprochen und die Grundlinien für gleichmäßiges kirchliches Handeln, besonders nach außen hin, vereinbart werden sollen. Dadurch soll das Band des gemeinsamen Bekenntnisses zur ganzen Heiligen Schrift und den lutheri*
Kirchenblatt für die evangelisch-lutherischen Gemeinden in Preußen 62 (1907), 102f.
Satzungen des „Delegierten-Konventes“
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schen Bekenntnissen unter diesen Kirchen gestärkt, die brüderliche Liebe betätigt und der Zersplitterung der vom Staat unabhängigen lutherischen Kirchen gewehrt werden. § 2. Die Teilnahme an diesem „Delegierten-Konvent“ kann auch anderen lutherischen Freikirchen gewährt werden, wenn ihre Aufnahme von einem der beteiligten Kirchenkörper beantragt und von keinem ein Widerspruch dagegen erhoben wird. § 3. Auf dem Konvent werden die beteiligten Kirchen durch Delegierte vertreten. Die Zahl der Delegierten bleibt freigestellt. Für die Abstimmungen aber wird in Rücksicht auf den Umfang der verschiedenen Kirchen bis auf weiteres bestimmt, daß jede Kirche je 1 Stimme, die ev.-luth. Kirche in Preußen 2 Stimmen führen sollen. § 4. Der „Delegierten-Konvent“ tritt in der Regel jährlich einmal zusammen; auf Antrag einer der beteiligten Kirchenleitungen kann er auch zu außerordentlicher Tagung einberufen werden. Bei jedem regelmäßigen Jahreskonvent wird bestimmt, welche der beteiligten Kirchen den Vorort für den nächsten Jahreskonvent bilden, die Vorbereitungen und Einladungen dazu besorgen und den Vorsitz desselben führen soll. § 5. Der „Delegierten-Konvent“ ist nicht berechtigt, in die kirchliche Verwaltung der einzelnen beteiligten Kirchenkörper sich einzumischen; auch haben seine Beschlüsse, soweit sie sich auf kirchliches Handeln nach außen und innen beziehen, für die beteiligten Kirchenkörper nicht eher verbindliche Kraft, als bis sie die Zustimmung der betreffenden einzelnen Kirchen erlangt haben. Diese sollen in ihren Maßnahmen durch den „Delegierten-Konvent“ nicht beschränkt werden; doch versprechen sie, wichtigere gefaßte Beschlüsse ihrer Kirchenleitungen und ihrer Synoden sich gegenseitig mitzuteilen. Berlin, den 6. Februar 1907. Die evangelisch-lutherische Kirche in Preußen. G. Froböß. Die selbständige evang.-luth. Kirche in den hessischen Landen. L. Draudt.
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Vereinbarungen, Zusammenschlüsse, Vereinigungen
Die Hannoversche evang.-luth. Freikirche. E. Bingmann. Die evang.-luth. Hermannsburg-Hamburger Freikirche. J. J. G. Ehlers.
224. [154.] Kundgebung der „Vereinigung evangelisch-lutherischer Freikirchen in Deutschland“ (August 1919)* Im Juni d. J. haben folgende evangelisch-lutherische Freikirchen Deutschlands auf dem Grunde der Schrift und des lutherischen Bekenntnisses sich zusammengeschlossen zu einer Vereinigung, um gemeinsame kirchliche Angelegenheiten gemeinsam in die Hand zu nehmen: Die evangelisch-lutherische Kirche in Preußen. Die selbständige evang.-luth. Kirche in den hessischen Landen. Die Hannoversche evangelisch-lutherische Freikirche. Die evangelisch-lutherische Hermannsburg-Hamburger Freikirche. Die evangelisch-lutherische Synode in Baden. Die renitente Kirche ungeänderter Augsburgischer Konfession in Niederhessen. Zu diesen gemeinsamen kirchlichen Angelegenheiten rechnen sie unter den jetzigen kirchlichen Wirren das Zeugnis von den kirchlichen Grundsätzen, die sie in jahrzehntelanger Unabhängigkeit vom Staat immer wieder an Schrift und Bekenntnis geprüft und im kirchlichen Leben erprobt haben. 1. Im Gehorsam gegen ihres HErrn Gebot muß die Kirche Bekenntniskirche sein, das heißt: von allen ihren Kanzeln muß das Evangelium lauter verkündigt, an allen ihren Taufsteinen und Altären müssen die Sakramente nach Christi Einsetzung verwaltet werden. 2. Die reinste Ausprägung des Evangeliums sieht die lutherische Kirche mit ihren Vätern auf Grund der Erfahrungen von fast vier Jahrhunderten in dem lutherischen Bekenntnis.
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(Sonderdruck).
„Vereinigung evangelisch-lutherischer Freikirchen in Deutschland“
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3. Darum muß die lutherische Kirche mit heiligem Ernst darüber halten, daß alle ihre Diener ausschließlich auf das lutherische Bekenntnis verpflichtet werden, und muß in seelsorgerlicher Weise darüber wachen, daß sie demgemäß auch wirklich ihr Amt führen. Eine bekenntniswidrige Evangeliumsverkündigung und Sakramentsverwaltung darf um Gottes und der Gemeinden willen in der Kirche nicht geduldet werden. 4. Eine Kirche, in der neben dem lutherischen Bekenntnis noch ein anderes Bekenntnis zu Recht besteht, handelt damit gegen das lutherische Bekenntnis und macht das Bestehen einer lutherischen Bekenntniskirche in ihrer Mitte unmöglich. 5. Eine Kirche, in der zwar das lutherische Bekenntnis zu Recht besteht, in der aber doch unlutherische Lehre und bekenntniswidriges Handeln geduldet wird, verleugnet damit den Charakter einer lutherischen Bekenntniskirche. 6. Eine Kirche, in der zwar „das Wort Gottes lauter und rein gelehrt wird“, ohne daß doch ihre Glieder „auch heilig als die Kinder Gottes danach leben“ wollen, ist das Zerrbild einer Bekenntniskirche. 7. Den gesegnetsten Einfluß auf unser Volk werden nicht Kirchen haben, in denen die verschiedensten Richtungen gleichberechtigt sind, sondern Bekenntniskirchen mit lebendigen Gemeinden. 8. Darum muß in dieser für Volk und Kirche gleich entscheidungsvollen Zeit allen, die mit Ernst Lutheraner sein wollen, dies als Ziel voranleuchten: Hindurch zur lutherischen Bekenntniskirche um jeden Preis! Im August 1919. Der Ausschuß der Vereinigung evang.-luth. Freikirchen in Deutschland.
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Vereinbarungen, Zusammenschlüsse, Vereinigungen
Sup. Anthes, Reichelsheim. Kirchenrat Lic. Dr. Nagel, Breslau. Sup. Böttcher, Molzen.
225. [155.] Friedens-Instrument zwischen der Hannoverschen evangelisch-lutherischen Freikirche und der Evangelischlutherischen Hermannsburg-Hamburger Freikirche (1908) * Auf Grund der gepflogenen Verhandlungen ist zur Herstellung eines friedlichen Verhältnisses zwischen der Hannoverschen evangelisch-lutherischen Freikirche und der Evangelisch-lutherischen Hermannsburg-Hamburger Freikirche folgendes vereinbart worden: I. Pastor Ehlers gibt die Erklärung ab, er sei in dem Artikel „Immanuel 1886“, pag. 209 ff. zu weit gegangen, indem er etliche Pastoren der Hann. ev.-luth. Freikirche als Irrlehrer bezeichnet habe, und er nehme den gemachten Vorwurf hiermit zurück. Beiderseits wird erklärt, daß man beleidigende Urteile und Äußerungen des einen Teils über den anderen sich gegenseitig vergeben und gegenseitig nicht aufrecht erhalten wolle. II. In bezug auf die Inspirationsfrage erklären die Pastoren der HermannsburgHamburger Freikirche: Wir wollen nicht jeden Ausdruck, der auf unsrer Seite, besonders im Schriftwechsel über die Inspirationsfrage angewandt ist, vertreten und halten es uns gegenwärtig, daß es gilt, sich in diesen Sachen von Konzessionen an eine grundstürzende Kritik zu vermeiden. Wir bekennen uns nach wie vor mit der Konkordienformel zu den prophetischen und apostolischen Schriften Alten und Neuen Testaments als zu dem reinen lauteren Brunnen Israels, welches allein die einige und wahrhaftige Richtschnur ist, nach der alle Lehrer und Lehre zu richten und zu urteilen sind. Wir bekennen damit, daß die Heilige Schrift nicht bloß Gottes Wort enthält, sondern Gottes irrtumloses Wort ist.
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Hannoversche evangelisch-lutherische Freikirche, Pastorenkonvent (Hg.), Geschichte der Hannoverschen evangelisch-lutherischen Freikirche, Celle 1924, 301–303.
Friedens-Instrument
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III. Hinsichtlich der Berechtigung der Kirchentrennung von 1886 stehen die Meinungen beider Teile einander gegenüber. Beide Teile bedauern aber alles, was bei der Trennung von 1886 und in der Folge im Zorn und in der Erregung, zumal durch Hineinziehen von persönlichen Dingen gesündigt ist, sowie daß es überhaupt zu dieser Trennung gekommen ist. Sie überlassen das Endurteil über die Vorgänge der Kirchentrennung dem HErrn der Kirche. IV. Auf Grund dieser Erklärungen wird folgender „modus vivendi“ zur Betätigung des hiermit erreichten friedlichen Verhältnisses zwischen der Hann. ev.-luth. Freikirche und der Ev.-luth. Hermannsburg-Hamburger Freikirche in der Hoffnung und mit der Bitte zu Gott angenommen, daß durch Seine Gnade und zu Seiner Zeit auch der völlige kirchliche Zusammenschluß beider erreicht werden möge. 1. Wir wollen unter gegenseitigem Vergeben des auf beiden Seiten persönlich Gefehlten eines brüderlichen Verhaltens zueinander uns befleißigen. 2. Wir empfehlen denjenigen unserer Gemeindeglieder, welche an Orten wohnen, wo sie keinen regelmäßigen Gottesdienst ihrer Kirchengemeinschaft haben können, die event. dort oder in der Nähe bestehenden Gottesdienste, Christenoder Kinderlehren der anderen Kirchengemeinschaft möglichst zu besuchen. 3. Wir nehmen gegenseitig Gevattern an und präsentieren einander etwa vorkommende beide Kirchengemeinschaften betreffende Aufgebote. 4. Wir gewähren gegenseitig in Notfällen einzeln stehenden Mitgliedern der anderen Kirchengemeinschaft unter tunlichstem Einvernehmen mit dem betreffenden Parochus die erbetene Bedienung. 5. Wir machen uns gegenseitig Anzeige von bevorstehenden Uebertritten unter rechtzeitiger Gewährung der Möglichkeit von Meinungsäußerung dazu, und tun gegenseitig das Unsere, daß niemand sich schriftmäßiger Kirchenzucht seitens seiner Kirchengemeinschaft entzieht. Hermannsburg, am 29. Oktober 1908. Im Namen der Evangelisch-lutherischen Hermannsburg-Hamburger Freikirche (gez.) J. J. G. Ehlers, Pastor. Nettelkamp, am 3. November 1908. Im Namen der Hannoverschen evangelisch-lutherischen Freikirche (gez.) U. Heicke, Superintendent.
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226. [156.] Friedens-Dokument zwischen der Hannoverschen evangelisch-lutherischen Freikirche und der Evangelischlutherischen Hermannsburg-Hamburger Freikirche (1920)* Im Jahre 1908 konnte durch das Friedens-Instrument die Herstellung eines friedlichen Verhältnisses zwischen der Hannoverschen evangelisch-lutherischen Freikirche und der Evangelisch-lutherischen Hermannsburg-Hamburger Freikirche bekannt gegeben werden. Durch Gottes Gnade haben die in nachfolgenden Jahren geführten Verhandlungen jetzt zur Aufhebung der zwischen beiden Kirchen noch bestehenden Abendmahlsschranke geführt. Hierzu wurden in den gepflogenen Verhandlungen für das zu veröffentlichende Friedens-Dokument nachfolgende grundlegende beiderseitige Erklärungen vereinbart nebst den nachfolgenden Ausführungsbestimmungen, die für das gegenseitige Verhalten beider Freikirchen maßgebend sein sollen, solange sie noch nebeneinander bestehen. I.
Erklärungen:
1. Erklärung der Hannoverschen evangelisch-lutherischen Freikirche: Wir erklären, daß wir unsern Standpunkt in der Missionsfrage nicht aufgeben.
2. Erklärung der Evangelisch-lutherischen Hermannsburg-Hamburger Freikirche: Wir erklären, daß wir, obwohl wir grundsätzlich mit allen lutherischen Kirchen in Abendmahlsgemeinschaft stehen, diese doch mit der Hannoverschen Landeskirche wegen ihres Verhaltens gegen uns und ihrer geschichtlichen Entwicklung tatsächlich nicht ausüben können und wollen. Wir erklären ferner, daß wir das nach Punkt 1 der Vereinbarung zwischen der Hermannsburger Mission und der Hannoverschen Landeskirche von 1890 den Angehörigen der Mission zustehende Recht, in der Hannoverschen Landeskirche zum Abendmahl zu gehen, den Mitgliedern der Hermannsburg-Hamburger Freikirche niemals zugestanden haben und auch jetzt nicht zugestehen.
II.
Ausführungsbestimmungen:
1. Niemand ist genötigt, gegen sein Gewissen von den aus der Kanzel- und Abendmahlsgemeinschaft sich ergebenden Rechten Gebrauch zu machen oder bei gegebenem Anlaß aus seiner eigenen Kirche in die andere überzutreten. 2. Diejenigen, welche Kanzel und Altar ihrer eigenen Kirche ohne besondere Schwierigkeiten erreichen können, sollen hier ihre kirchliche Versorgung suchen. 3. Wenn jemand Kanzel und Altar seiner eigenen Kirche, weil diese sich in einem *
Hannoversche evangelisch-lutherische Freikirche, Pastorenkonvent (Hg.), Geschichte der Hannoverschen evangelisch-lutherischen Freikirche, Celle 1924, 304f.
Aufnahme der Hermannsburger evangelisch-lutherischen Freikirche
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entfernten Orte befindet, bedeutend schwerer erreichen kann als Kanzel und Altar einer Gemeinde der andern Kirche, so steht es ihm frei, sich dorthin pfarramtlich überweisen zu lassen. 4. Bei Heiraten zwischen Mitgliedern der beiden genannten Kirchen gilt es (abgesehen von dem in Punkt 3 Gesagten) als das Gewiesene, daß die Frau dem Manne folgt. Hermannsburg, am 19. Januar 1920. Im Namen der Evangelisch-lutherischen Hermannsburg-Hamburger Freikirche (gez.) Ehlers, Superintendent. Molzen, am 21. Januar 1920. Im Namen der Hannoverschen evangelisch-lutherischen Freikirche (gez.) Böttcher, Superintendent.
227. [157.] Aufnahme der Hermannsburger evangelischlutherischen Freikirche in die Evangelisch-Lutherische Freikirche (in Sachsen und anderen Staaten) (1908)* Die ehrw. Synode der Hermannsburger Freikirche hatte bei ihrer diesjährigen Tagung in Hörpel am 19. und 20. Juni auf Antrag der Gemeinde Uelzen (Präses Wöhling), der schon vor der Synode den einzelnen Gemeinden bekannt gegeben und von ihnen besprochen worden war, nach eingehender Beratung der Angelegenheit und Besprechung unserer Synodalverfassung den einstimmigen Beschluß gefaßt, den einzelnen Gemeinden ihres Verbands den Rat zu geben, sich der evangelischlutherischen Freikirche von Sachsen u.a.St. gliedlich anzuschließen. Diesem Rat ihrer Synode hatten sämtliche Gemeinden Folge geleistet, und so lagen denn unserer Synode Aufnahmegesuche vor von Herrn Präses Wöhling und seinen Gemeinden in Uelzen, Hermannsburg und Siebenhöfen; Herrn Vizepräses Chr. Meyer und seinen Gemeinden in Groß-Oesingen, Lachendorf und einigen Gliedern in Mühlheim a.d. Ruhr; Herrn Pastor Wetje und seinen Gemeinden in Wittingen und Wimmer (Dahlingshausen); Herrn Pastor Dierks und seinen Gemeinden in Brunsbrok und Höperhöfen; Herrn Pastor Lange und seiner Gemeinde in Hörpel; Herrn Pastor Hartwig Harms und seiner Gemeinde in Heimsen; sowie von Herrn Pastor Volkmann, der gegenwärtig wegen Krankheit seiner Mutter ohne Amt in Zarben lebt und sich zu Pastor Amlings Gemeinde in Wilhelmsdorf hält. *
Verhandlungen der 32. Jahresversammlung der Synode der evangelisch-lutherischen Freikirche in Sachsen und anderen Staaten, Berlin 1908, Zwickau o. J., 163–165.
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Vereinbarungen, Zusammenschlüsse, Vereinigungen
Diese Aufnahmegesuche wurden in der ersten Sitzung der Synode verlesen, und die Synode beschloß, sofort in geschlossener Sitzung darüber zu beraten. Der Präses teilte mit, daß die eingesandten Gemeindeordnungen von ihm und Herrn Synodalrat Nau bereits geprüft worden seien. Herr Pastor Willkomm sen., der zusammen mit Herrn Ferd. Schulz-Berlin als unser Delegierter der Synode der Hermannsburger in Hörpel beigewohnt hatte, erstattete ausführlichen Bericht über die dort gepflogenen Verhandlungen. Aus der Mitte der Synode wurden sodann noch verschiedene Anfragen gestellt. Nach deren Beantwortung wurde der Vorschlag gemacht und unterstützt, diejenigen Gemeinden, von denen Vertreter anwesend seien, sofort mit ihren Pastoren in unseren Synodalverband aufzunehmen, die Aufnahme der übrigen Pastoren und Gemeinden zu verschieben, bis Vertreter derselben angekommen seien, und über die Aufnahme Herrn Pastor Volkmanns noch besonders zu verhandeln, da aus unserer Synodalordnung nicht klar zu ersehen sei, ob Pastoren, die außer Amt sind, als Glieder in die Synode aufgenommen werden können. Diesem Antrag gemäß beschloß und handelte die Synode. Nachdem noch die Deputierten unserer Gemeinden in Hannover und Hamburg ausdrücklich bezeugt hatten, daß ihre Gemeinden sich freuen würden, wenn es zur Aufnahme der Hermannsburger käme und Herr Pastor Loeffler dieselbe Erklärung in bezug auf unsere Glieder in Dahlinghausen abgegeben hatte, wurde zunächst die Aufnahme der Herren Pastoren Wöhling, Meyer, Dierks und Harms und ihrer Gemeinden (und zwar so, daß über jede einzelne besonders abgestimmt wurde) einstimmig beschlossen; ebenso später, als die betr. Vertreter angekommen waren, die Aufnahme der Herren Pastoren Wetje und Lange mit ihren Gemeinden. Pastor Wetjes Gemeinde in Wittingen hatte in ihrem Aufnahmegesuch den Wunsch ausgesprochen, daß es ihr frei stehen möge, falls es zu einer Einigung in der Wahrheit mit der Hannoverschen Freikirche käme, sich dieser Synode anzuschließen, mit deren Gliedern sie durch mancherlei Beziehungen verbunden sei. Dazu wurde bemerkt, daß ja vorläufig noch nicht gesagt werden könne, ob die angefangenen Verhandlungen mit den Hannoveranern zu dem erwünschten Ziele wahrer Einigung führen werden; wenn das aber geschehe, so werde auch alles andere sich leicht regeln lassen. Es stehe jeder Gemeinde jederzeit frei, aus einer rechtgläubigen Synode anzuschließen, solange sie nur durch solchen Austritt die Liebe nicht verletze. Hinsichtlich Herrn Pastor Volkmanns beschloß die Synode, ihn als beratendes Glied aufzunehmen. Die Aufgenommenen sprachen sämtlich ihren Dank für die Aufnahme und ihre Freude darüber aus, daß sie nun auch äußerlich ganz mit uns vereinigt seien. Von unserer Seite gab Pastor Stallmann sen., als der Aelteste unter uns, unserer Freude über den Abschluß der Synodalgemeinschaft Ausdruck. Gott habe uns Stufe für Stufe so weit gebracht. Er fügte den Wunsch hinzu, daß Gott der HErr weiter Seinen Segen geben wolle, daß wir in rechter brüderlicher Liebe und Treue miteinander arbeiten, kämpfen, leiden und uns freuen mögen, bis wir dorthin gelangen, wo wir das Ziel unserer Hoffnung erreicht haben und miteinander vor Gottes Thron stehen und Sein Angesicht schauen.
Aufnahme eines Teils der Süddeutschen evangelisch-lutherischen Freikirche
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Dem in dem Schreiben der ehrw. Hermannsburger Synode ausgesprochenen Wunsche entsprechend, daß nach der Aufnahme eine geeignete Kommission gewählt werden möchte, um über Zusammenlegung von Gemeinden zu beraten und dieselbe in die Wege zu leiten unter Wahrung der Freiheit und Rechte der Gemeinden, wurde von der Synode eine aus folgenden Herren bestehende Kommission zu diesem Zwecke eingesetzt: die Pastoren Wöhling, Meyer, Loeffler und Willkomm sen., und die Synodalen Schmedt-Brunsbrok, Lehmann-Hannover, GillhoffBremen. Auf Vorschlag dieser Kommission wurden später folgende Beschlüsse gefaßt: den Gemeinden Hannover, Uelzen und Hermannsburg den Rat zu geben, sich zu einer Parochie zu vereinigen und den Wohnsitz des Pfarrers nach Hannover zu verlegen; den Dahlinghauser Gliedern zu raten, sich nunmehr zu einer Gemeinde zusammenzuschließen und dann Anschluß an die Gemeinde in Heimsen (Pastor Harms) zu suchen; der Gemeinde Lachendorf, die bisher durch Pastor Chr. Meyer von GroßOesingen aus bedient wird, den Rat zu geben, sich an die Gemeinde Wittingen, die an derselben Bahnstrecke liegt, anzuschließen und sich von Pastor Wetje mitbedienen zu lassen; endlich den Gemeinden in Bremen und Siebenhöfen zu empfehlen, sich mit der Gemeinde in Hamburg zu einer Parochie zu vereinigen.
228. [158.] Aufnahme eines Teils der Süddeutschen evangelischlutherischen Freikirche in die Evangelisch-Lutherische Freikirche (in Sachsen und anderen Staaten) (1921)* Die Gesuche um Aufnahme in die Synode seitens der Herren Pastoren und Gemeinden der Süddeutschen Freikirche, nämlich des Herrn Pfarrer B. Müller und der Gemeinde Wiesbaden-Frankfurt und des Herrn Pfarrer A. Kerle und der Gemeinde Pforzheim-Sperlingshof, übergab die Synode einem Ausschuß zur Vorberatung und Prüfung der Gemeinde-Ordnungen. In diese wurden gewählt die Herren Pastoren H.Z. Stallmann, J.M. Michael und W. Wöhling, sowie die Herren Deputierten P. Schubach und M. Harbeck. Der Ausschuß erstattete folgenden Bericht und machte folgende Vorschläge: „1. Die Gemeinden des Herrn Pfarrer Müller in Wiesbaden und Frankfurt a.M. haben sich mit unseren Gemeinden an diesen Orten vereinigt, so daß in den vergrößerten Gemeinden unsere Gemeinde-Ordnung gilt. Es erübrigt sich daher eine besondere Aufnahme sowie die Prüfung der Gemeinde-Ordnung. 2. Die Gemeinden *
Verhandlungen der 43. Jahresversammlung der Synode der evangelisch-lutherischen Freikirche in Sachsen und anderen Staaten, Brunsbrock (Hannover) 1921, Zwickau o. J., XIV–XV.
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Vereinbarungen, Zusammenschlüsse, Vereinigungen
des Herrn Pfarrer Kerle in Pforzheim und anderen Orten mit ihrem Pfarrer werden der Synode zur Aufnahme empfohlen. In ihrer Gemeinde-Ordnung haben die Gemeinden auf Ausübung von manchen ihrer Rechte verzichtet und diese Ausübung anderen, besonders dem Vorstand, übertragen. Es wird der Synode empfohlen, den Gemeinden zu raten, ihre Ordnung dahin zu ändern, daß die Gemeinden die Ausübung ihrer Rechte selbst in die Hand nehmen. 3. Wir empfehlen der Synode, Herrn Pfarrer Müller aufzunehmen und die Pastoren Müller und Eikmeier zusammen in Wiesbaden und Frankfurt a.M. zu belassen, weil für beide genügend Arbeit vorhanden ist, sowie die Herren Pfarrer Müller und Kerle nach unserer Gehaltsordnung zu besolden.“ Mit herzlicher Freude und Dank gegen Gott beschloß hierauf die Synode die Aufnahme nach dem Vorschlag ihres Auschusses. Die Neuaufgenommenen gaben ihrer Freude Ausdruck. Herr Pfarrer Kerle und der Deputierte der Gemeinde Pforzheim versprechen, bei ihrer Gemeinde für eine Aenderung der Gemeinde-Ordnung in dem angegebenen Sinne eintreten zu wollen.
229. [159.] Ergebnis der Verhandlungen zwischen der Hannoverschen evangelisch-lutherischen Freikirche und der Evangelisch-Lutherischen Freikirche (in Sachsen und anderen Staaten) vom 23./24.6.1908 – Thesen über Schrift und Bekenntnis* I. 1 a) Die heilige Schrift als die einzige Quelle(1) und die alleinige Regel und Richtschnur(2) aller geistlichen Erkenntnis für die Einzelnen(3) und für die Kirche(4) ist durchaus(5) klar in sich selbst(6) und bedarf keines menschlichen Auslegers(7). 1) Luk. 16,29; 2. Petr. 1,19; Sol. Decl., S. 568, § 3 |Ausgabe Müller|; 2) Jes. 8,19 f.; Sol. Decl., S. 517, § 1 u. 2, Norma normans; 3) 2. Tim. 3,15–17; 4) Eph. 2,20; Joh. 20,31., 5) Betr. etwaiger Dunkelheiten ist 2. Petr. 3,16 zu beachten. 6) Ps. 19,19; 119,105. 7) Joh. 2,19–22, doch sind weder die sprachwissenschaftlichen und ähnliche Hilfsmittel ausgeschlossen noch darf die Gabe der WeissagungSchriftauslegung (1. Thess. 5,20) verachtet werden.
(Endgültige Fassung, bzw. beantragte u. beschlossene Änderungen Anmerkung zu *
Hans Kirsten, Einigkeit im Glauben und in der Lehre 1. Die Lehreinigung 1945 bis 1949, Groß Oesingen 1980, 149–151.
Thesen über Schrift und Bekenntnis
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1 a): Unter „geistlicher Erkenntnis“ verstehen wir die notitia rerum spiritualium, d.i. alles dessen, was von den Geheimnissen Gottes auf dem Wege zur Seligkeit der einzelne wissen muß und die Kirche lehren soll. Sie bedarf daher, um verstanden zu werden, keiner richterlichen Entscheidung eines menschlichen Auslegers. Die Tätigkeit des Predigtamtes und derer, die sonst mit der Gabe der Weissagung ausgerüstet sind, ist also nur eine dienende (ministerium) 1 b) Abzuweisen ist daher nicht nur der Anspruch des Papstes, daß er kraft des ihm verliehenen Lehramtes über der Schrift stehe und sowohl neue Dogmen dekretieren könne als auch allein das Recht habe, die Schrift auszulegen, sondern auch der Anspruch der Neueren, die Lehre weiter fortbilden und entwickeln zu können, sowie die Behauptung der modernen positiven Theologie, daß das christliche Bewußtsein oder die Erfahrung der Kirche eine Quelle der Lehre (neben der Schrift) sei oder daß erst durch das Erleben der Kirche oder durch Festsetzung einer Kirchenversammlung bzw. durch symbolische Fixierung eine in der Schrift offenbarte Lehre verbindlich werde |auf Antrag des Thesenstellers gestrichen, dafür folgender Zusatz: „Oder endlich, daß die heilige Schrift nur für das Lehramt klar sei, welchem die Deutlichmachung für die Gemeinde obliege!“|.
2 a) Diese Aufgabe und Beschaffenheit der hl. Schrift bedingt und fordert einfache Annahme alles dessen, was sich als Tatsache oder als göttliches Gebot oder als Glaubenslehre nach den anerkannten Grundsätzen der Auslegung(1) aus dem Text ergibt, der von den Sachen handelt(2), gleichviel ob sich das mit der Vernunft und Erfahrung oder auch mit anderen Schriftlehren(3) nach unserem Urteil zu reimen scheint oder nicht. 1) Sensus literalis – Kontext – notwendige Schlußfolgerungen sind Schriftlehre! – Ne tropus ultra tertium! 2) Sedes doctrinae. 3) Matth. 4,7.
2 b) Abzuweisen ist daher nicht nur die sog. höhere Kritik, welche sich erdreistet, bestimmen zu wollen, was Gottes würdig sei oder nicht, sondern auch die Theorie der modernen positiven Theologie, daß die einzelnen Lehren aus dem Schriftganzen gewonnen werden müssen, wie auch endlich eine solche Anwendung der Glau-
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bensanalogie(1), da man einzelne Lehren nach anderen, denen sie zu widersprechen scheinen, modifiziert(2). 1) Röm. 12,6. 2) Beispiele hierfür sind die Verfälschungen der Lehren von der Dreieinigkeit, von der Person Christi, vom hl. Abendmahl, von der Kirche, vom Predigtamt, vom freien Willen u.d. Bekehrung, von der Gnadenwahl.
II. 3 a) Die Symbole sind die aus der Schrift geschöpfte und mit ihr durchaus übereinstimmende Antwort der Kirche auf die göttliche Offenbarung und deshalb auch ihrem gesamten Lehrinhalt nach(1) für alle Glieder und besonders für die Diener der rechtgläubigen Kirche verbindlich(2). 1) Nicht verbindlich sind historische Dinge, die Exegese einzelner Stellen der Schrift und etwaige fromme Meinungen. 2) Norma normata.
3 b) Abzuweisen ist daher sowohl die rein historische Auffassung der Bekenntnisse als eines bloßen Niederschlags der jeweiligen Zeittheologie(1) als auch die Verpflichtung auf die Bekenntnisse mit quatenus, nicht minder aber auch die Beschränkung der Verbindlichkeit der Symbole auf die zur Zeit ihrer Entstehung in Streit gewesenen Lehren(2). 1)
2)
Mißbrauch des Satzes der Form. Conc. S. 565 § 4, welcher lautet: „bei dem sich dieser Zeit rechte Christen sollen finden lassen“. Vergleiche dagegen den Schluß der Sol. Decl. (S.730 § 40). Nicht nur die Thesen u. Antithesen sondern auch die zu ihrer Begründung angeführten Lehren sind als Bekenntnis der Kirche anzusehen und daher verbindlich, z.B. die Lehre von der Verbalinspiration.
4 a) Weil nun die hl. Schrift klar ist und die Symbole der luth. Kirche die schriftgemäße Antwort der Kirche auf die göttliche Offenbarung sind, so gehört zur Kirchengemeinschaft nicht mehr, aber auch nicht weniger, als daß man einträchtiglich nach reinem Verstande das Evangelium predigt(1), in der christlichen Lehre und allen derselben Artikeln einmütig und einhellig ist(2) und daher auch die Gegenlehre einmütig verwirft(3), und zwar letzteres nicht nur mit Worten, sondern auch mit der Tat(4).
Thesen über die Kirche
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1) Conf. Aug. VII (M. S. 40). 2) 1. Kor. 1,10; Form. Conc. S. 553 § 5. 3) Conf. Aug. X (S. 41). 4) Röm. 16,16 f., Form Conc. S. 698 § 5 u. 6 (Sol. Decl. X).
4 b) Zu verwerfen ist daher nicht nur die Union zwischen Glauben und Unglauben, wie sie in den Staatskirchen sich breit macht, auch nicht nur die in der preußischen Union zuerst zum Ausdruck gekommene Union zwischen luth. und reform. Kirche, sondern auch der „lutherische“ Indifferentismus und Synkretismus, welcher bei grundsätzlicher Anerkennung der Alleinverbindlichkeit der Symbole doch verschiedene Auslegungen der Symbole für gleichberechtigt hält oder zwischen kirchentrennenden und nicht kirchentrennenden Abweichungen in der Lehre einen bösen Unterschied macht. N. S. Über 4 wurde die Beschlußfassung ausgesetzt bis zu einem Referat über die Grenzen der Abendmahlsgemeinschaft.
230. [160.] Ergebnis der Verhandlungen zwischen der Hannoverschen evangelisch-lutherischen Freikirche und der Evangelisch-Lutherischen Freikirche (in Sachsen und anderen Staaten) vom 16./17.6.1909 – Thesen über die Kirche * I Es ist, wie wir im dritten Artikel bekennen, ein sonderliches Werk des Hl. Geistes, daß er die ganze Christenheit auf Erden durch das Evangelium beruft, sammelt, erleuchtet, heiligt und bei Jesu Christo erhält im rechten einigen Glauben. Die Kirche ist also – auf ihre Entstehung gesehen – ein Geschöpf oder Werk Gottes, des Heiligen Geistes. II Weil der Hl. Geist durch das Evangelium, d.h. durch Wort und Sakrament, wirksam ist und nur durch sie, so ist die Verwaltung der Gnadenmittel wie für den Glauben des einzelnen, so für das Dasein der Kirche überhaupt von constitutiver (zeugender und grundlegender) Bedeutung. *
Hans Kirsten, Einigkeit im Glauben und in der Lehre 1. Die Lehreinigung 1945 bis 1949, Groß Oesingen 1980, 152–155.
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Vereinbarungen, Zusammenschlüsse, Vereinigungen
Wort und Sakrament sind semen et fundamentum ecclesiae. III Die eine heilige christliche Kirche hat nach Gottes Verheißung unüberwindliche Kraft und unaufhörliche Dauer. Wir glauben und bekennen, daß allezeit eine heilige christliche Kirche müsse sein und bleiben. IV Die eine heilige christliche Kirche ist also die Versammlung aller Gläubigen, bei welchen das Evangelium rein gepredigt und die heiligen Sakramente laut des Evangelii gereicht werden (Aug. VII). V Zu verwerfen ist die Auffassung der Kirche 1. als einer äußerlichen Polizei und Regiments (Rom) oder eines äußerlichen Organismus oder Anstalt (Neuere). 2. als ob sie eine ohne die Gnadenmittel entstandene und bestehende unsichtbare Gemeinschaft sei (Schwärmer). Sie ist die durch die Predigt des Evangelii und Verwaltung der Sakramente entstandene, erhaltene und wachsende Versammlung der Gläubigen. VI Obgleich alle Gläubigen durch den Glauben unmittelbar und gleichen Anteil an Christo haben, also in ihrer Beziehung zu ihm als ihrem einigen und allgemeinen Haupte einander gleichstehen, so sind sie doch – auf ihr gottgegebenes Verhältnis untereinander gesehen – nicht ein zusammenhangloser und ungeordneter Haufe, sondern bilden einen mannigfaltig gegliederten geistlichen Organismus. Dies folgt erstlich daraus, daß wir eben durch die Gnadenmittel Christo eingeleibt und damit auch einer des anderen Glied werden (Röm. 12, 5); ferner daraus, daß der Glaube durch die Liebe tätig ist; und endlich daraus, daß Gott eben dazu verschiedene Gaben und Ämter gibt, daß durch ihren Gebrauch in der Liebe der Leib Christi erbaut werde (Eph. 4,16). Hierauf weisen auch mehr oder minder die Bilder hin, welche in der hl. Schrift von der Kirche gebraucht werden, nämlich Gottes Haus, Tempel, Stadt und Volk, Christi Reich, Herde und besonders Christi Leib.
Thesen über die Kirche
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VII Die Kirche hat ferner die Aufgabe zu erfüllen, durch Verwaltung der Gnadenmittel die Kinder zu erziehen, die Schwachen und Kranken zu pflegen, ja alle ihre Glieder in Glauben und Erkenntnis zu fördern, sowie denen, die noch geistlich tot sind, zum Heil in Christo zu verhelfen. Nur in diesem Sinne und in diesen Beziehungen kann man von einer anstaltlichen Betätigung der Kirche reden. VIII Weil nur der Herr die Seinen kennt und auch die Wirkung der Gnadenmittel von uns geglaubt werden muß, so ist die Kirche Gegenstand des Glaubens (und in diesem Sinne ist die Kirche im eigentlichen Sinne unsichtbar). Die Gnadenmittel sind Merkmale der Kirche. IX Das Wort „Kirche“ (ekklesia) wird aber in einem weiteren (large) und uneigentlichen (synekdochischen) Sinne gebraucht, wenn es auf die vorhandenen (empirisch-historischen) Kirchen und Gemeinden angewandt wird; denn in diesen finden sich auch allzeit Heuchler und Gottlose. Letztere aber sind in Wahrheit nicht Christi, sondern des Teufels Glieder (Aug. VIII, S. 155,17; (Mtth. 13), S.154,16; Eph. 2,2; Joh. 8,44). X Das Recht zu diesem Gebrauche gibt uns die hl. Schrift für alle diejenigen Versammlungen, bei denen die sichtbaren Merkmale der Kirche, nämlich Wort Gottes und die hl. Sakramente, noch wesentlich sich finden. Denn diese sind um der Stiftung und Verheißung Christi willen wirksam, auch wenn sie durch Gottlose verwaltet werden (Aug. VIII, S. 152,3; 155,19; 157,28; 162,47). XI Jede empirisch-historische Kirche, bei welcher die sichtbaren Kennzeichen der Kirche in unverfälschter Lauterkeit sich finden (d.h. einmütige lautere Predigt des Evangelii und rechte Verwaltung der Sakramente), ist als rechte Kirche anzuerkennen (durch Pflege kirchlicher Gemeinschaft-, Kanzel- und Abendmahlsgemeinschaft). Umgekehrt ist die kirchliche Anerkennung den Kirchen zu versagen, in denen falsche Lehre und Lehren (vielleicht trotz nominell rechter publica doctrina) grundsätzlich geduldet werden oder tatsächlich herrschen.
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Vereinbarungen, Zusammenschlüsse, Vereinigungen
XII Auch jeder rechten christlichen Ortsgemeinde gebührt nach der Hl. Schrift der Name Kirche. Sie ist aber nur dann eine rechte christliche Ortsgemeinde, wenn sie die notae ecclesiae hat. Denn diese sind für ihren Bestand unbedingt nötig, und allein durch sie wird ihr das von Christo, dem Haupte, ausgehende Heil und Leben und damit aller geistliche Segen vermittelt (1. Kor. 3,21). XIII Es entspricht der Natur der Kirche als des Leibes Christi und ergibt sich von selbst aus der Tatsache, daß der Name Kirche sowohl der gesamten empirischen Kirche als auch den Provinzialkirchen und Ortsgemeinden gegeben wird, daß alle Ortsgemeinden verpflichtet sind, auf die Erbauung des ganzen Leibes zu sehen, und fleißig sein müssen, nach dem Befehl Gottes (Eph. 4,3) die Einigkeit im Geist nicht nur in ihrer eigenen Mitte, sondern auch mit der Gesamtkirche zu pflegen. Aber die Weise und Form der Erfüllung dieser Pflicht und also auch die kirchenregimentlichen Verbindungen ihren jeweiligen Grenzen nach sind menschlichen Rechts. Jede Ortsgemeinde hat das Recht, über ihre Zugehörigkeit zu solchen Verbindungen in ernster Erwägung der oben genannten Verpflichtung selbst zu entscheiden. XIV Jedes eigenwillige Zerreißen der einmal vorhandenen kirchlichen Organisation und der bestehenden Kanzel- und Abendmahlsgemeinschaft ist als „Zertrennung“ (Separatismus, Secessionismus oder Schisma) zu verurteilen und stört den gedeihlichen Fortschritt der Erbauung des Leibes Christi (S. 69, 78; S. 205, 24 f. – 126, 111; 1. Kor. 1,10–13; 3,17).
231. [161.] Ergebnis der Verhandlungen zwischen der Hannoverschen evangelisch-lutherischen Freikirche und der Evangelisch-Lutherischen Freikirche (in Sachsen und anderen Staaten) vom 15./16.4.1913* 1. Die Kirche im eigentlichen Sinne ist ihrem Wesen nach die Gesamtheit der Gläubigen (congregatio sanctorum) und ist als solche unsichtbar. 2. Das Predigtamt wird von Gott durch den von ihm vorgeschriebenen Beruf übertragen. 3. Gott hat nach Matth. 28 und Marc. 16 allen Christen bis ans Ende der Tage *
Hans Kirsten, Einigkeit im Glauben und in der Lehre 1. Die Lehreinigung 1945 bis 1949, Groß Oesingen 1980, 157.
Ergebnis der Verhandlungen
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befohlen, das Evangelium zu predigen; andererseits hat er Röm. 10 und in ähnlichen Stellen befohlen, daß nur die öffentlich predigen sollen, die gesandt sind. Damit ist den Christen die Weisung gegeben, das ihnen befohlene Predigtamt in der Weise auszurichten, daß sie Prediger des Evangeliums berufen. 4. Das ius vocandi gehört der Kirche. 5. Unter rite vocatus versteht man beiderseits, daß der Beruf von denjenigen ausgehe, welche von Gott den Befehl dazu haben, und daß der zu Berufende Fähigkeit und Tüchtigkeit zum Amt habe.
232. [162.] Ergebnis der Verhandlungen zwischen der Hannoverschen evangelisch-lutherischen Freikirche und der Evangelisch-Lutherischen Freikirche (in Sachsen und anderen Staaten) vom 9./10.9.1913* 1. Christus überträgt das von ihm gestiftete Predigtamt durch die Gemeinde als Inhaberin aller Kirchengewalt oder der Schlüssel, u. zwar durch deren von Gott vorgeschriebenen Beruf. 2. Die Mitwirkung der Amtsträger ist keine absolute Notwendigkeit; aber sie entspricht bei geordneten Verhältnissen den apostolischen Vorbildern in Act. 14,23; 1. Tim. 3 und Tit. 1,5–9. 3. Diese Mitwirkung besteht darin, daß die Wahl durch Amtsträger geleitet wird, damit ein nach 1. Tim. und Tit. zum Predigtamt Tüchtiger gewählt werde, und in der Bestätigung und Bekräftigung der richtig geschehenen Wahl durch die Ordination. 4. Die Ordination der Berufenen durch Handauflegung ist nicht göttliche Einsetzung, sondern eine apostolische kirchliche Ordnung u. zw. eine öffentlich feierliche Bestätigung des Berufs. Betr. die Lehre vom Sonntag Die heil. Schrift hat den Sabbath wie alle jüdischen Feiertage abgetan. Der Sonntag ist nicht von Gott geboten, sondern eine Ordnung der christlichen Kirche. Es ist ein Irrtum, anzunehmen, der Sonntag hätte nach dem 3. Gebot an die Stelle des Sabbaths treten müssen. Die Erfüllung des 3. Gebots besteht nicht sowohl in äußerlicher Ruhe als vielmehr in Heilighaltung, Hören, Lernen des Wortes Gottes. Also darf das Heilighalten „nicht so enge gespannt werden, daß darum andere zufällige Arbeit, so man nicht umgehen kann, verboten wäre“ (Catech, maior. P. 402 § 85, siehe auch August. p. 68 § 63). *
Hans Kirsten, Einigkeit im Glauben und in der Lehre 1. Die Lehreinigung 1945 bis 1949, Groß Oesingen 1980, 158f.
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Vereinbarungen, Zusammenschlüsse, Vereinigungen
Betr. Lehre von der Kenose Die Lehre der sog. Kenotiker wird einmütig verworfen. Betr. „Allgemeine Rechtfertigung“ Gott hat auf Grund des Erlösungswerkes Christi ein neues, nämlich ein Gnadenverhältnis für alle Menschen aufgerichtet, in welches jeder bußfertig Gläubige aufgenommen wird. Ersteres ist die allgemeine (objektive) Rechtfertigung (cf. Röm. 5,18); das andere ist die subjektive Rechtfertigung. Betr. Kirchenregiment Es gibt kein von Gott gestiftetes höheres Kirchenregiment, dem man nach dem 4. Gebot in Mitteldingen Gehorsam schuldig ist. Betr. Erbsünde und Bekehrung 1. Der natürliche Mensch ist geistlich blind und tot und Gottes Feind. Er kann daher zu seiner Bekehrung nicht das Geringste mitwirken. 2. Gott allein ist es, der durch sein Evangelium den natürlichen Menschen bekehrt, d.h. ihm den Glauben schenkt. 3. Für die Bekehrung eines Menschen gebührt Gott allein die Ehre. Daß der Mensch verloren geht, ist dagegen allein seine Schuld. 4. Es gibt hier keinen Zwischenzustand, sondern die Bekehrung geschieht in einem Augenblick. Betr. Gnadenwahl Die Colloquenten bekennen sich zum XI. Artikel der Concordien-Formel, sonderlich auch in § 8 desselben p. 705, nämlich, „daß die ewige Wahl eine Ursache ist, so da unsere Seligkeit und was zu derselben gehört, schaffet, wirket, hilft und befördert“. Verworfen wird daher (cf. p. 557 § 20), „daß nicht allein die Barmherzigkeit Gottes und das allerheiligste Verdienst Christi, sondern auch in uns eine Ursach sei der Wahl Gottes, um welcher willen Gott uns zum ewigen Leben erwählt habe.“ Zu dem „in uns“ gehört auch der Glaube. Betr. 1000 jähriges Reich 1. Es gibt nur eine leibliche Auferstehung der Toten am Jüngsten Tage. 2. Die Erwartung eines sichtbaren 1000jährigen Reiches der Herrlichkeit vor dem jüngsten Tage ist schriftwidrig.
Ergebnis der Verhandlungen
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Zusatz: Die Lehre von der Möglichkeit einer Bekehrung nach dem Tode ist schriftwidrig.
233. [163.] Konföderationsstatut zwischen der Renitenten Kirche ungeänderter Augsburger Konfession und der Selbständigen evangelisch-lutherischen Kirche in den hessischen Landen (1910)* Die Vertreter der renitenten Kirche ungeänderter Augsburger Konfession, welche sich zu der Deklaration von 1867 als authentischer Interpretation des niederhessischen Bekenntnisstandes und als bindend für die niederhessische Kirche bekennt, einerseits und der selbständigen evangelisch-lutherischen Kirche in den hessischen Landen andererseits haben sich überzeugt, daß die Einigkeit der Lehre und Verwaltung der Sakramente, welche die Confessio Augustana in Artikel 7 fordert, unter ihnen besteht. Ferner sind sie überzeugt, daß die Verschiedenheit der geschichtlich gewordenen kirchlichen Bräuche kein Trennungsgrund ist, da nach Artikel 7 der Augsburger Konfession es nicht not ist zu wahrer Einigkeit der Kirche, daß allenthalben gleichförmige Zeremonien von Menschen eingesetzt gehalten werden. Auch sind sie einig in dem Bekenntnis zu dem alleinigen Königtum Jesu Christi in der Kirche und in der Abwehr der staatlichen Eingriffe in alle kirchlichen Einrichtungen. Demgemäß beschließen sie, hinfort einander Kanzel- und Abendmahlsgemeinschaft zu gewähren. Dessen zur Urkunde ist dieses Statut doppelt ausgefertigt und von den Vertretern der beiden Kirchengemeinschaften eigenhändig unterschrieben: Balhorn, am 6. März 1910. gez. Rausch, Metropolitan. Grau. Engelbrecht. Wieke. K. Baumann. Michelstadt, den 6. April 1910 Das Kirchenregiment der selbständigen evangelisch-lutherischen Kirche in den hessischen Landen. gez. Draudt, Superint. Anthes. Müller. *
Kirchenblatt für die evangelisch-lutherischen Gemeinden in Preußen 65 (1910), 326f.
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Vereinbarungen, Zusammenschlüsse, Vereinigungen
234. [164.] Konföderationsstatut zwischen der Renitenten Kirche ungeänderter Augsburger Konfession und der Hannoverschen evangelisch-lutherischen Freikirche (1924)* Die Vertreter der Renitenten Kirche ung.A.K., die sich zu der Deklaration von 1867 als authentischer Interpretation des niederhessischen Bekenntnisstandes und als bindend für die niederhessische Kirche bekennt, einerseits und die Hannoversche ev.-luth. Freikirche andererseits haben sich überzeugt, dass die Einigkeit der Lehre und Verwaltung der Sakramente, welche die C.A. in Artikel VII fordert, unter ihnen besteht. Ferner sind sie überzeugt, dass die Verschiedenheit der geschichtlich gewordenen kirchlichen Bräuche kein Trennungsgrund ist, da nach Artikel VII (C.A.) es nicht not ist zu wahrer Einigkeit der Kirche, dass allenthalben gleichförmige Zeremonien, von Menschen eingesetzt, gehalten werden. Auch sind sie einig in dem Bekenntnis zu dem alleinigen Königtum Jesu Christi in der Kirche und in der Abwehr der staatlichen Eingriffe in alle kirchlichen Einrichtungen. Demgemäss beschliessen sie, hinfort einander Kanzel- und Abendmahlsgemeinschaft zu gewähren. Dessen zur Urkunde ist dieses Statut doppelt ausgefertigt und von den Vertretern der beiden Kirchengemeinschaften eigenhändig unterschrieben. Für die Renitente Kirche ung.A.K. Balhorn, den 12.V.24 (Siegel) (gez.) K. Siebert Für die Hannoversche ev.-luth. Freikirche I.A. des Synodal-Ausschusses Molzen, den 1. Mai 1924 (Siegel) (gez.) J. Böttcher, Superintendent
*
Superintendenturarchiv des Kirchenbezirks Hessen-Nord der Selbständigen EvangelischLutherischen Kirche.
Bildung eines gemeinsamen Superintendentur-Kollegiums
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235. [165.] Bildung eines gemeinsamen SuperintendenturKollegiums der Hannoverschen evangelisch-lutherischen Freikirche, der Selbständigen evangelisch-lutherischen Kirche in Hessen, der Evangelisch-lutherischen HermannsburgHamburger Freikirche und der Renitenten Kirche ungeänderter Augsburger Konfession (1924)* 1. Die Superintendenten der beteiligten Kirchen oder deren Stellvertreter bilden ein Superintendentur-Kollegium (S.-K.) zur Beratung gemeinsamer kirchlicher Angelegenheiten, damit in kirchlichen Dingen möglichst ein gleichmässiges Handeln erreicht und dadurch der Zusammenschluß angebahnt wird. Das S.-K. soll bei wichtigen Angelegenheiten durch Zuziehung je eines geistlichen Mitgliedes der betreffenden Kirchenregimente erweitert werden. Der dienstälteste Superintendent übernimmt die Leitung. Die Verhandlungen können schriftlich oder mündlich geführt werden. Folgende Richtlinien werden dem S.-K. für seine nächste Tätigkeit gegeben: a) Es soll möglichst bald Bestimmungen treffen, dass das examen pro ministerio für die beteiligten Kirchen gemeinsam gehalten, und dass die PredigtamtsKandidaten in all diesen Kirchen verwendet werden sollen. Die beteiligten Kirchen sollen dazu aufgefordert werden, das Vikariatsjahr für ihre Kandidaten offiziell zu machen, soweit sie es noch nicht haben. b) Durch geeigneten Ausbau des Bestehenden soll die Missionssache noch mehr eine gemeinsame Arbeit der an dem Missionswerk der Hann. ev.-luth. Freikirche beteiligten Kirchen werden. c) Es soll Grundzüge einer allgemeinen Verfassung aufstellen, die dem gemeinsamen Pfarrkonvent (siehe 2) zur weiteren Beratung übergeben werden sollen. d) Schliesslich steht es ihm frei, alles, was den Zusammenschluss fördern kann, in den Kreis seiner Beratungen zu ziehen und im Einklang mit den bestehenden Ordnungen der beteiligten Kirchen darüber Vorschläge zu machen. 2. Es soll in der Regel alle zwei Jahre ein gemeinsamer Pfarrkonvent stattfinden, auf dem in erster Linie solche Fragen erörtert werden sollen, deren Besprechung geeignet ist, den Zusammenschluss zu fördern oder Hindernisse aus dem Wege zu räumen. Hier können die Anregungen und Vorschläge des S.-K. weiter beraten *
Superintendenturarchiv des Kirchenbezirks Hessen-Nord der Selbständigen EvangelischLutherischen Kirche.
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Vereinbarungen, Zusammenschlüsse, Vereinigungen
werden. Durch diese Konvente, die durch einen Gottesdienst mit Abendmahlsfeier zu eröffnen sind, soll das Bewusstsein kirchlicher Zusammengehörigkeit und brüderlicher Gemeinschaft bei den Pfarrern der beteiligten Kirchen gefördert und gestärkt werden. Die beteiligten Superintendenten berufen gemeinsam den Konvent und setzen die Tagesordnung fest; sie führen abwechselnd den Vorsitz. 3. Ein gemeinsamer Kirchenkonvent an dem geistliche und Laien-Vertreter der betreffenden Kirchen teilnehmen, wird ins Auge gefasst. Das S.-K. und der gemeinsame Pfarrkonvent treffen darüber die nötigen Bestimmungen. 4. Durch diesen näheren Zusammenschluss soll die Arbeit der Vereinigung ev.-luth. Freikirchen in Deutschland gefördert und das Streben, einen Zusammenschluss aller lutherischen Freikirchen herbeizuführen, unterstützt werden. Die Hannoversche evangelisch-lutherische Freikirche: Molzen, den 14. Aug. 1924 (gez.) J. Böttcher. Superintendent Die selbständige evangelisch-lutherische Kirche in Hessen: Reichelsheim im Odenwald, 23. August 1924 Der Superintendent: (gez.) Anthes Die Hermannsburg-Hamburger evangelisch-lutherische Freikirche: Hermannsburg, 26. Aug. 1924 (gez.) Ehlers, Sup. Die renitente Kirche ung.A.C. in Niederhessen: Balhorn bei Kassel, den 27. Aug. 1924 (gez.) K. Siebert i.A. des Kirchenregimentes
236. [166.] Bund selbständiger evangelisch-lutherischer Kirchen in Hessen und Niedersachsen vom 28.5.1930* § 1. Der Bund selbständiger evangelisch-lutherischer Kirchen in Hessen und Niedersachsen besteht aus der Hannov. ev.-luth. Freikirche, der Hermannsburg*
(Sonderdruck).
Bund selbständiger evangelisch-lutherischer Kirchen
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Hamburger ev.-luth. Freikirche, der Renitenten Kirche ung. Augsb. Konf. in Hessen und der Selbständigen ev.-luth. Kirche in Hessen. § 2. An der Spitze des Bundes steht ein Kirchenausschuß. Dieser besteht aus dem Superintendentenkollegium und je einem zweiten Vertreter der verbündeten Kirchen, den jede beteiligte Kirche nach eigener Ordnung bestimmt. § 3. Der Kirchenausschuß wählt auf Vorschlag des Superintendentenkollegiums einen Superintendenten zum Vorsitzenden auf je vier Jahre. Dieser ist zugleich Vorsitzender des Superintendentenkollegiums. Er beruft und leitet den Kirchenausschuß und gibt in ihm bei Stimmengleichheit den Ausschlag. § 4. Die geistlichen Mitglieder des Kirchenausschusses ernennen die Mitglieder der Prüfungskommission für das zweite theologische (Amts-) Examen. § 5. Disziplinarfälle, die in den einzelnen Kirchen nicht erledigt werden können, müssen dem Kirchenausschuß zur Nachprüfung vorgelegt werden. Handelt es sich um eine Disziplinarangelegenheit eines Geistlichen, so sind in Sachen, die seine Amtsführung betreffen, nur die geistlichen Mitglieder des Kirchenausschusses zuständig. Die Amtsenthebung eines Geistlichen kann nur mit vorhergehender Zustimmung des Kirchenausschusses erfolgen. Hat eine Kirche keine Beteiligung der Laien am Kirchenregiment, so darf sie sich statt an den Kirchenausschuß an das Superintendentenkollegium wenden. § 6. Alle zwei Jahre hat der Vorsitzende des Kirchenausschusses den gemeinsamen Pfarrkonvent nach Vorbereitung durch das Superintendentenkollegium einzuberufen. Dieser dient der gemeinsamen Erbauung mit Wort und Sakrament und brüderlicher Handreichung durch Verhandlung über Lehre und Leben der Kirche und ihrer Diener.
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Vereinbarungen, Zusammenschlüsse, Vereinigungen
§ 7. Die Gesamtvertretung des Bundes liegt bei dem Allgemeinen Kirchentag, der alle vier Jahre zusammentritt und vom Kirchenausschuß vorbereitet wird. Sein Zweck ist, die kirchliche Gemeinschaft und das Bewußtsein kirchlicher Zusammengehörigkeit zu beleben und zu stärken, zur Aufrechterhaltung reiner Lehre und gottgefälligen Lebens, sowie zur Förderung guter christlicher Ordnung und Sitte in den verbündeten Kirchen mitzuwirken. § 8. Als stimmberechtigte Teilnehmer gehören ihm an: a) alle Geistlichen der verbündeten Kirchen, b) alle Laien, die dem Kirchenausschuß oder dem Kirchenregiment einer konföderierten Kirche angehören, und c) aus jedem Pfarrbezirk ein Laienvertreter, der nach der jeweils geltenden Kirchenordnung zu bestimmen ist. Soweit die Seelenzahl der Pfarrbezirke 500 überschreitet, kann für jedes weitere volle oder angebrochene halbe Tausend der Mitgliederzahl je ein weiterer Vertreter entsandt werden. Die Tagesordnung des Allgemeinen Kirchentages wird vom Kirchenausschuß festgesetzt. Anträge zum Kirchentag dürfen stellen: a) der Kirchenausschuß, b) der gemeinsame Pfarrkonvent, c) das Kirchenregiment, der Pfarrkonvent und die Synode oder der Kirchentag jeder der verbündeten Kirchen. § 9. Die Beschlüsse des Allgemeinen Kirchentages sind für den Bund selbständiger evang.-luth. Kirchen in Hessen und Niedersachsen gültig, soweit sie nicht bestehenden Ordnungen einer einzelnen verbündeten Kirche widersprechen. Wo dies der Fall ist, treten die betreffenden Beschlüsse erst dann in Kraft, wenn ihnen die zuständigen Organe der in Betracht kommenden Kirchen zugestimmt haben. § 10. Es können in den verbündeten Kirchen nur solche Geistliche angestellt werden, die entweder vor der Prüfungskommission des Bundes ihr Amtsexamen oder vor den geistlichen Mitgliedern des Kirchenausschusses ein Kolloquium bestanden haben.
Bund selbständiger evangelisch-lutherischer Kirchen
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§ 11. Die Besetzung der Pfarrstellen erfolgt in den einzelnen dem Bunde angehörenden Kirchen nach Maßgabe der in ihnen bestehenden Ordnungen. Geschäftsordnung. § 1. Der Kirchenausschuß wird nach Bedürfnis einberufen. § 2. Die Einberufung des Allgemeinen Kirchentages geschieht ein halbes Jahr vor seiner Tagung durch den Vorsitzenden des Kirchenausschusses im Einvernehmen mit diesem. § 3. Gegenstände, die auf die Tagesordnung des Allgemeinen Kirchentages kommen sollen, müssen spätestens drei Monate vor der Tagung dem Kirchenausschuß gemeldet werden. Spätestens zwei Monate vor dieser hat der Kirchenausschuß die Tagesordnung allen Pfarrbezirken bekanntzugeben. § 4. Die Einberufung des Kirchentages soll in den Kirchenblättern, die Mitteilung der Tagesordnung durch direkte Zufertigung erfolgen. § 5. Der Vorsitzende des Kirchenausschusses eröffnet den Allgemeinen Kirchentag, der alsbald seinen Leiter wählt. Dieser ernennt zwei Schriftführer. Die Beschlüsse werden mit einfacher Mehrheit und, soweit sie die Aufrichtigung oder Änderung von Ordnungen betreffen, mit Zweidrittelmehrheit gefaßt. § 6. Auf dem Kirchentag haben Rederecht nur die Vertreter, Zutritt zum Kirchentag haben alle erwachsenen Glieder der beteiligten Kirchen. Andere Gäste bedürfen der Erlaubnis des Leiters.
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Der Kirchenausschuß: Sup. Martin, Marburg. Pfr. Eisenberg, Dreihausen. Sup. Böttcher, Molzen. Tischlermeister H. Klasen, Emern. Pfr. Siebert, Balhorn. Pfr. Wicke, Kassel. Pastor F. Meyer, Hermannsburg. Hofbesitzer F. Schulze, Dalldorf.
237. [167.] Die Evangelisch-lutherischen Freikirchen und die Entscheidungen von Eisenach im Juli 1948, vom 31.10.1948 * Mitten in der Hochspannung der Ereignisse im Weltgeschehen, mitten in der noch immer andauernden schweren Not des deutschen Volkes sind in Eisenach kirchliche Entscheidungen gefallen, die in ihrer Bedeutung weit über die Grenzen der evangelischen Kirchen Deutschlands hinausgehen. Die lutherischen Freikirchen haben diese Entscheidungen eindringend und sorgfältig an dem für sie allein verpflichtenden Maßstab der Heiligen Schrift und des lutherischen Bekenntnisses geprüft. Sie geben nunmehr folgende Erklärung zu der durch Eisenach geschaffenen kirchlichen Lage ab. I. Die Evangelische Kirche in Deutschland, die unbeschadet einiger noch ausstehender kirchenrechtlicher Formalitäten als durch die einstimmige Annahme der „Grundordnung“ konstituiert angesehen werden darf, ist eine Kirche. Es wird zwar behauptet, sie sei nur ein Kirchenbund. Dem Art. 1, 1 der Grundordnung: „Die Evangelische Kirche in Deutschland ist ein Bund lutherischer, reformierter und unierter Kirchen.“ widersprechen aber so zahlreiche Feststellungen und Forderungen derselben „Grundordnung“, daß er als unwirksam, ja als nicht zu Recht bestehend gelten muß. Auch die betonte Berufung der Synode einer lutherischen Landeskirche auf diesen Artikel 1, 1 ändert daran nichts. Bereits die Präambel der „Grundordnung“ macht den Anspruch der EKD, Kirche zu sein, deutlich sichtbar, indem hier ganz ähnlich wie es einst die Kirche der lutherischen Reformation und die Mehrzahl der reformierten Kirchen taten, die Symbole der Alten Kirche als Bekenntnisgrundlage aufgenommen werden; indem hier auch ein Bekenntnis zu dem Einen Herrn der *
(Sonderdruck).
Entscheidungen von Eisenach im Juli 1948
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einen heiligen allgemeinen und apostolischen Kirche abgelegt und als Grundlage der EKD das Evangelium von Jesus Christus, wie es uns in der Heiligen Schrift Alten und Neuen Testamentes gegeben ist, anerkannt wird. Nur eine Kirche, nicht aber ein Kirchenbund kann mit solchem Vollgehalt dogmatischer Setzungen, hinter denen die christliche Kirche aller Zeiten steht, reden. Der Anspruch, Kirche zu sein, ist weiter unverkennbar in allen Bestimmungen der „Grundordnung“, in denen der EKD kirchenregimentliche Befugnisse zuerkannt werden: z.B. Art. 2, 2 (gesamtkirchliche Rechtssetzung, dem die Rechtssetzung der Gliedkirchen nicht widersprechen darf); Art. 10 (Erlaß gesetzlicher Bestimmungen mit Wirkung für die Gliedkirchen); Art. 12 (Kirchengesetze der Gliedkirchen gebunden an das Plazet der EKD, deren Rat Abänderung fordern kann; Art. 17 (Verantwortung für die der EKD nach Maßgabe gesetzlicher Bestimmungen angeschlossenen evangelischen Auslandskirchen); Art. 21 (unmittelbares Verhältnis jeder Gliedkirche zur Leitung der EKD). Nicht minder stark tritt der Anspruch Kirche zu sein, in dem Namen des neu konstituierten Körpers hervor: „Evangelische Kirche in Deutschland“. Die harmlose Betrachtungsweise, als sei dieser Name lediglich Konzession an den Sprachgebrauch, daher im Grunde nicht mehr als ein Schönheitsfehler, vermögen sich die lutherischen Freikirchen nicht anzueignen. Sie erkennen vielmehr in dem Namen den zutreffenden Ausdruck für Inhalte und Zweck der Evangelischen Kirche in Deutschland. II. Wenn die Evangelische Kirche in Deutschland Kirche zu sein beansprucht, so ist sie doch nicht Kirche im Sinne von Augustana VII und der lutherischen Bekenntnisschriften überhaupt, d.h. sie ist nicht Kirche der pura doctrina (reinen Lehre). In ihr haben vielmehr solche Lehren, welche die Kirche der lutherischen Reformation als dem heiligen Gotteswort zuwider ein für allemal verworfen hat, grundsätzlich wie faktisch gleiches Recht und gleiche Geltung. Die EKD kann daher nur als Unionskirche bezeichnet werden. Dabei sind sich die lutherischen Freikirchen dessen wohl bewußt, daß zwischen der Unionsgestaltung im 19. Jahrhundert und der im 20. Jahrhundert Unterschiede obwalten, die nicht übersehen werden dürfen. Sie erkennen aber ebenso deutlich, daß das Wesensmerkmal falscher Kircheneinigung: die Aufrichtung kirchlicher Gemeinschaft ohne Übereinstimmung im Glauben und in der Lehre sich auch bei dem heutigen Unionsgebilde der EKD als das Charakteristische heraushebt. Wie stark die Unionstendenzen der EKD sind, wird zwar nicht allein, aber doch auch in der „Grundordnung“ sichtbar. Nach Art. 1, 2 bejaht die EKD mit ihren Gliedkirchen die von der ersten Bekenntnissynode in Barmen getroffenen Entscheidungen. Diese Entscheidungen sind zu einem wesentlichen Teil Lehrentscheidungen, die die Lutheraner gemeinsam mit den Reformierten und Unierten unter-
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Vereinbarungen, Zusammenschlüsse, Vereinigungen
schrieben, obwohl sie in wichtigen Stücken dem lutherischen Bekenntnis widersprechen. Wenn nun die EKD diese Entscheidungen ausdrücklich bejaht, so liegt darin der entschlossene Wille ausgedrückt, das Grundgesetz dieser Kirche nicht so sehr an den in den Bekenntnissen der Reformation bezeugten Glaubenswahrheiten, als vielmehr an der die Konfessionsgrenzen überspringenden Erlebnisgemeinschaft jener Tage zu orientieren. Es ist daher nur folgerichtig, wenn innerhalb der EKD grundsätzliche Kanzelgemeinschaft zwischen den bekenntnisverschiedenen Kirchen aufgerichtet wird (Art. 4, 2). Es ist ebenso folgerichtig, daß der aus dem lutherischen Bekenntnis erwachsene Grundsatz: lutherische Altäre für lutherische Abendmahlsgäste fallen gelassen wird zugunsten einer Abendmahlszulassung ohne Einschränkung (Art. 4, 4). Zwar deutet derselbe Art. 4, 4 an, daß in einigen Kirchen die „in vielen Gliedkirchen“ geübte und anerkannte allgemeine Abendmahlszulassung nicht statthaben soll. Wenn aber der Satz: „In keiner Gliedkirche wird einem Angehörigen eines in der Evangelischen Kirche in Deutschland geltenden Bekenntnisses der Zugang zum Tisch des Herrn verwehrt, wo seelsorgerliche Verantwortung oder gemeindliche Verhältnisse die Zulassung gebieten“
als Sicherung der vom lutherischen Bekenntnis geforderten Abendmahlszucht gelten soll, so können sich die lutherischen Freikirchen keineswegs davon überzeugen, daß dem so ist. Es läßt sich nicht leugnen, daß trotz dieses konfessionellen Rettungsversuches der Vermischung der Abendmahlsanschauungen in den Gliedkirchen der EKD Tür und Tor geöffnet ist. Von besonderem Gewicht sind in diesem Zusammenhang auch die Bestimmungen der „Grundordnung“, welche der EKD einen ganz wesentlichen Einfluß auf das Männer-, das Frauen-, das Jugendwerk der Kirche, auf die Innere und Äußere Mission sowie auf die Diasporafürsorge sichern (Art. 14, Art. 16). Denn in allen diesen Aufgabenbereichen der Kirche handelt es sich immer auch um Wortverkündigung, die nach der Lehre der lutherischen Kirche, bekenntnisgebunden sein muß. Auch Art. 2, 3: „Die Evangelische Kirche in Deutschland steht in der Ordnung der Ökumene“ kann nur im Sinne einer „Überwindung der Konfessionen“ verstanden werden. III. Ist so die Evangelische Kirche in Deutschland eine Kirche, in welcher schriftwidrige, von reformierten und unierten Kirchen vertretene Lehren nur noch als im Verhältnis zur lutherischen Lehre andersartige (und damit anerkannte), aber nicht mehr als falsche (und daher zu verwerfende) Lehren zu gelten haben, so können die lutherischen Freikirchen ein Ja zur EKD nicht sprechen, wie es die Vertreter der lutherischen Landeskirchen in Eisenach getan haben. Nicht also ihr mangelndes Gefühl für
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das, was allen christlichen Kirchen gemeinsam ist, hindert sie daran. Des Gemeinsamen sind sie sich wohl bewußt und wollen dem auch weiterhin bei der Begegnung der Kirchen Rechnung tragen. Was sie aber an einem Ja zur EKD hindert, ist die Überzeugung, daß Kircheneinigung ohne Einigkeit im Glauben und in der Lehre der Kirche Jesu Christi niemals zum Segen gereichen kann, weil damit der durch unsern Herrn und seine Apostel geoffenbarten Wahrheit Schaden getan wird. Die lutherischen Freikirchen können sich in ihrer Beurteilung der EKD auch nicht durch das beeinflussen lassen, was Art. 1, 1 ausführt: „Sie (die EKD) achtet die Bekenntnisgrundlage der Gliedkirchen und Gemeinden und setzt voraus, daß sie ihr Bekenntnis in Lehre, Leben und Ordnung der Kirche wirksam werden lassen“.
Eine Kirche, welche die Entscheidungen von Barmen bejaht, kann das gar nicht verwirklichen, selbst wenn sie es wollte. Auch hebt ein Nebeneinander von reformierter und lutherischer Konfession unter einer und in einer mit kirchlichem Charakter und Befugnissen ausgestatteten Einheit (s. Teil I.) an sich schon die Geltung der lutherischen Bekenntnisse, wie ihre Verfasser sie verstanden haben, auf. Die lutherischen Freikirchen erkennen hier etwas von den heillosen Widersprüchen und Unklarheiten, mit denen noch immer jede falsche Kircheneinigung zwischen bekenntnisverschiedenen Kirchen belastet war. Sie beklagen es tief, daß auch die lutherischen Landeskirchen sich in diese Widersprüche haben hineinziehen lassen. Wenn sie in der Verfassung der VELKD sich zu den Bekenntnisschriften der Evangelisch-lutherischen Kirche, vornehmlich zur Augsburgischen Konfession von 1530 und zum Kleinen Katechismus Martin Luthers bekennen, so wird das in dem Augenblick unwirksam, in welchem sie als Gliedkirchen der EKD laut deren „Grundordnung“ die Entscheidungen der ersten Bekenntnissynode von Barmen bejahen. Man kann nur eines oder das andere bejahen, nicht aber beides zugleich. Tut man das doch, so bedeutet es die grundsätzliche Preisgabe dessen, was die Männer der lutherischen Reformation nicht nur für sich, sondern im Blick auf die ganze Kirche Christi auf Erden an seligmachender Heilserkenntnis gegen so viele Verdunkelungen biblischer Wahrheiten erkämpft haben. Solcher Preisgabe können die lutherischen Freikirchen sich nicht mit schuldig machen. Die lutherischen Freikirchen sehen in der Zustimmung der Vertreter der lutherischen Landeskirchen zur EKD, wie überhaupt in dem in diesen Kirchen bisher offenbar gewordenen Willen zur EKD, nicht nur ein gegenwartsbedingtes Irren. Sie sind sich vielmehr bewußt, daß sich hier eine lange Entwicklung vollendet, in welcher in immer neuen Wellen bekenntnisfremde Mächte durch mancherlei Kanäle: wie die Theologie vieler Lehrstühle, die kirchliche Praxis von Gemeinden und großen kirchlichen Verbänden, auch so manche Entscheidungen der Kirchenleitungen – in diese seit der Reformation der reinen Lehre zugetanen Kirchengebiete einströmten und Kraft und Bewußtheit lutherischer Glaubenshaltung mehr und mehr zersetzten. Äußerlich steht noch manches. Das Entscheidende aber: die gewis-
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Vereinbarungen, Zusammenschlüsse, Vereinigungen
sensmäßige Bindung an den Vollgehalt des Evangeliums, die eine klare Abweisung aller dem lutherischen Bekenntnis widersprechenden Lehre einschließt, ist in dem Augenblick für die Kirche als solche dahin, in welchem die lutherischen Landeskirchen durch ihre Synoden die Entscheidung ihrer Vertreter in Eisenach gutheißen und die „Grundordnung“, wenn auch vielleicht mit gewissen Einschränkungen ratifizieren. Nur einzelne können dann noch diese Bindung festhalten – müssen freilich nun in Widerspruch zu ihren eigenen Kirchen geraten. Um so mehr erachten es die lutherischen Freikirchen als ihre Pflicht, aller falschen kirchlichen Einigung abzusagen, durch welche die in der lutherischen Reformation durch Gottes große Gnade wiederentdeckten Heilswahrheiten und Glaubensgüter aufs neue verdunkelt werden oder gar verloren gehen müssen. Nur eine Kirche, welche auch im Zeitalter „ökumenischer Haltung“ sich den Mut erbittet, mit dem Ja zur rechten Lehre das Nein zu aller falschen Lehre zu verbinden, vermag diese Glaubensgüter dem heutigen Geschlechte und unsern Nachfahren zu erhalten. Dahin unter dem Beistand des Herrn der Kirche zu wirken, sind die lutherischen Freikirchen entschlossen. Am Reformationsfest 1948. Evangelisch-lutherische Kirche im früheren Altpreußen Evangelisch-lutherische Freikirche in Sachsen u. a. St. Selbständige Evangelisch-lutherische Kirche in Hessen und Niedersachsen Evangelisch-lutherische Kirche in Baden
238. [168.] Verfassung der (alten) Selbständigen evangelischlutherischen Kirche (1947)* 1. Die unterzeichneten Kirchen schließen sich in Weiterbildung des bisher unter ihnen bestehenden Verhältnisses zu einer „Selbständigen ev.-luth. Kirche“ zusammen, um an ihrem Teil dem Willen des Herrn der Kirche, daß eine Herde und ein Hirte werde, gerecht zu werden. Auch sind sie überzeugt, in dieser Form einander besser dienen und ihre Aufgaben innerhalb der lutherischen Kirchen Deutschlands fruchtbarer erfüllen zu können.
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Die Verfassung für die Selbständige evangelisch-lutherische Kirche, Hermannsburg 1954.
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2. Die „Selbständige ev.-luth. Kirche“ bekennt sich zu der Heiligen Schrift Alten und Neuen Testaments, welche die einzige Richtschnur ist, nach der alle Lehren und Lehrer beurteilt und gerichtet werden sollen, und deshalb zu den Bekenntnisschriften der evangelisch-lutherischen Kirche, in welchen die schriftgemäße Lehre klar bezeugt ist, nämlich: den drei ökumenischen Symbolen, dem apostolischen, dem nicänischen und dem athanasianischen, der ungeänderten Augsburgischen Konfession von 1530 und deren Apologie, den Schmalkaldischen Artikeln, dem Großen und Kleinen Katechismus Luthers und der Konkordienformel, sofern die letztere auch schon zu dem bisherigen Bekenntnisstand gehört hat. Sie ist demgemäß Kirche im Sinn von Augustana VII. Sie bezeugt Jesum Christum als den alleinigen Herrn der Kirche, mit dessen Königtum jeder Herrschaftsanspruch weltlicher Gewalten auf die Kirche unvereinbar ist. 3. Die „Selbständige ev.-luth. Kirche“ weiß sich als Teil der lutherischen Gesamtkirche. Sie hält sich daher verpflichtet, mit allen lutherischen Kirchen innerhalb und außerhalb Deutschlands Kirchengemeinschaft zu pflegen. Als solche erkennt sie diejenigen Kirchen, die sich eindeutig vom lutherischen Bekenntnis in Lehre und kirchlichem Handeln bestimmen lassen. Solange die geeinte Kirche kein eigenes Missionswerk hat, bleiben ihre Diözesen als Fortsetzung der verbündeten Kirchen bei ihrer bisherigen Missionsarbeit. 4. Die bisherigen Teilkirchen bleiben in der geeinten Kirche vorläufig als Diözesen bestehen und behalten als solche ihre verfassungsmäßige und finanzielle Selbständigkeit. Es wird aber der Austausch einzelner Gemeinden nach Gesichtspunkten der Zweckmäßigkeit in Aussicht genommen. Die bisherigen Teilkirchen übertragen einen Teil ihrer kirchenregimentlichen Aufgaben auf die gemeinsame Kirchenleitung (vgl. Ziff. 5 und 6). 5. Die geistliche Leitung der Kirche liegt bei dem „Superintendenten-Kollegium“. Dieses besteht aus den Diözesansuperintendenten und dem Kirchensuperintendenten (vgl. Ziff. 7). Dem Superintendenten-Kollegium steht zur Seite der „Kirchenbeirat“. Zu ihm gehört je ein Vertreter der Diözesen, den diese nach den in ihnen geltenden Ord-
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nungen ernennen. Er kann von ihnen wieder abberufen und durch einen anderen ersetzt werden. Das Superintendenten-Kollegium muß den Kirchenbeirat mindestens einmal jährlich einberufen. Bei Beschlüssen ist Einstimmigkeit zu erstreben und Majorisierung zu vermeiden. 6. Dem Superintendenten-Kollegium liegen ob: a) die ausschließliche Vertretung der Gesamtkirche gegenüber dem Staat; b) die ausschließliche Vertretung der Gesamtkirche gegenüber den anderen Kirchen des In- und Auslandes, insonderheit auch die Gewährung und Aufhebung von Kanzel- und Abendmahlsgemeinschaft; c) Schlichtung von Streitfällen zwischen Diözesen und Gemeinden innerhalb der geeinten Kirche; d) die Einberufung und Vorbereitung des gemeinsamen Pfarrkonvents (vgl. Ziff. 8); e) die einheitliche Regelung der Ausbildung des theologischen Nachwuchses; f) die Ernennung eines Prüfungsausschusses für das zweite theologische (Amts-) Examen; g) die Genehmigung zur Ordination eines Kandidaten, die jedoch von einem Diözesansuperintendenten zu vollziehen ist, und die Erteilung der Qualifikation für ein Pfarramt innerhalb sämtlicher Diözesen; h) die Nachprüfung und Bestätigung von Disziplinarentscheidungen. Für die Behandlung und Entscheidung der unter a–b genannten Aufgaben bedarf das Superintendenten-Kollegium der Mitwirkung und Zustimmung des Kirchenbeirates. 7. Der Kirchensuperintendent wird vom Superintendenten-Kollegium aus den Geistlichen der Kirche gewählt und vom Pfarrkonvent (vgl. Ziff. 8) bestätigt. Der Kirchensuperintendent dient in seinem Amt der Gesamtkirche. Er führt die Diözesansuperintendenten in ihr Amt ein und visitiert sie in ihrer Eigenschaft als Gemeindepfarrer. Er hat das Recht, in allen Gemeinden Gottesdienste zu halten und an den Konventen und Synoden der Diözesen teilzunehmen. – Er führt den Vorsitz im Superintendenten-Kollegium und in den gemeinsamen Sitzungen des Superintendenten-Kollegiums und des Kirchenbeirates. Er vertritt die Gesamtkirche nach außen und hat das Recht, Schreiben der Kirchenleitung zu unterzeichnen. Der Kirchensuperintendent bestimmt aus den Superintendenten seinen ständigen Vertreter. In der Führung seines Pfarramts untersteht er seinem Superinten-
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denten. Ist er selber Diözesansuperintendent, so wird er von seinem ständigen Vertreter visitiert. Kommt das Superintendenten-Kollegium zu der Überzeugung, daß die Amtsführung des Kirchensuperintendenten der Kirche nicht mehr dienlich ist, so muß er sein Amt niederlegen. 8. Alle zwei Jahre findet ein gemeinsamer Pfarrkonvent statt. Ihm gehören sämtliche ordinierte Geistliche der Kirche an, soweit sie sich nicht im Ruhestand befinden. Er wird von dem Kirchensuperintendenten geleitet. Er dient der Stärkung des Zusammengehörigkeitsbewußtseins und der theologischen Förderung der Geistlichen. Zu seinem Aufgabenkreis gehören: a) die Entgegennahme des Berichtes des Superintendenten-Kollegiums und Stellungnahme dazu; b) Beratungen über den Zustand der Kirche; c) Bestätigung der Wahl des Kirchensuperintendenten; d) Begutachtung und Beschlußfassung über die die Lehre, den Kultus und die Disziplin betreffenden Vorlagen der geistlichen Leitung; e) die Vorbereitung von Anträgen auf Änderung oder Ausbau der Verfassung und Einführung von allgemein verbindlichen Ordnungen. Anträge des Pfarrkonvents müssen von den kirchlichen Vertretungen der einzelnen Diözesen entgegengenommen und beraten werden. Mit jedem Pfarrkonvent ist ein gemeinsamer Beicht- und Abendmahlsgottesdienst zu verbinden. 9. Die Besetzung der Pfarrstellen erfolgt in den einzelnen Diözesen nach den bisher für sie bestehenden Ordnungen. 10. Einzelstehende lutherische Gemeinden, die mit der „Selbständigen ev.-luth. Kirche“ im Bekenntnis einig sind, können den Anschluß an dieselbe dadurch vollziehen, daß sie sich entweder einer ihrer Diözesen eingliedern oder sich mit ihren Geistlichen der geistlichen Leitung direkt unterstellen. Der Kirchensuperintendent übernimmt damit die ephoralen Rechte und Pflichten der betreffenden Gemeinde gegenüber. Die Pfarrer solcher Gemeinden haben auf dem Pfarrkonvent gleiche Rechte und Pflichten mit den anderen Geistlichen.
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Vereinbarungen, Zusammenschlüsse, Vereinigungen
Nachsatz. Die vorstehende Verfassung ist als eine vorläufige gedacht. Sie will die Möglichkeit für einen immer engeren Zusammenschluß der in der „Selbständigen ev.-luth. Kirche“ zusammengefaßten bisherigen Teilkirchen einerseits, für den Zusammenschluß mit den anderen lutherischen Freikirchen Deutschlands andererseits offenlassen. Molzen, den 12. Februar 1947 Hannoversche ev.-luth. Freikirche LS. Jakob Böttcher, Superintendent Selbständige ev.-luth. Kirche in Hessen LS. Heinrich Martin, Superintendent Ev.-luth. Hermannsburg-Hamburger Freikirche LS. Lic. theol. Werner Srocka, Superintendent Zu den sich 1947 zusammenschließenden drei lutherischen Freikirchen in Hessen und Niedersachsen (Selbständige ev.-luth. Kirche in Hessen; Hannoversche ev.-luth. Freikirche; Ev.-luth. Hermannsburg-Hamburger Freikirche) traten später noch die „Ev.-luth. Kirche in Baden“ (1948) und die „Renitente Kirche ungeänderter Augsburger Konfession in Hessen“ (1950) unter Annahme dieser Verfassung. Daher wurde der Name der Kirche entsprechend dem Beschluß des Allgemeinen Pfarrkonvents 1949 in Dreihausen durch Streichung der geographischen Bezeichnung „in Hessen und Niedersachsen“ vereinfacht in „Selbständige evangelischlutherische Kirche“.
239. Die Evangelisch-lutherische Kirche in Baden* Die Evangelisch-Lutherische Kirche in Baden ist ein Teil der Selbständigen Evangelisch-Lutherischen Kirche, in der sie eine Diözese bildet. Die Evangelisch-Lutherische Kirche in Baden erkennt die Verfassung der Selbständigen Evangelisch-Lutherischen Kirche als für sie verbindlich an. Sie bekennt sich zu der Heiligen Schrift Alten und Neuen Testamentes als der einzigen Richtschnur, nach der alle Lehre geurteilt werden soll, und eignet sich die drei allgemeinen Bekenntnisse der Christenheit, nämlich das Apostolische, Nicänische und Athanasianische, und die besonderen Bekenntnisse der lutherischen Kirche, nämlich die ungeänderte Augsburgische Konfession und deren Apologie, die Schmalkaldischen Artikel, Luthers Großen und Kleinen Katechismus und die Konkordienformel, als diejenigen Bekenntnisse an, in welchen die reine Schriftlehre zum Ausdruck kommt. Durch dies ihr Bekenntnis weiß sie sich in Kirchengemeinschaft mit *
Kirchenordnung der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Baden, o. O., 10.10.1948, 3.
Anschluss der Renitenten Kirche ungeänderter Augsburger Konfession
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allen Kirchen und Gemeinden evangelisch-lutherischen Bekenntnisses, insbesondere mit denen in Deutschland. An der Leitung der Selbständigen Evangelisch-Lutherischen Kirche ist sie beteiligt durch ihren Superintendenten als Glied des Superintendenten-Kollegiums, ihren Vertreter im Kirchenbeirat und die Mitwirkung ihrer im Amt befindlichen Geistlichen im gemeinsamen Pfarrkonvent. Als Körperschaft öffentlichen Rechts gemäß Staatsministerialentscheidung vom 16. August 1919 gibt sie sich in Abänderung der Fassung vom 12. Dezember 1937 durch Synodalbeschluß vom 10. Oktober 1948 nunmehr die nachstehende, für die einzelnen Gemeinden verbindliche Kirchenordnung.
240. [169.] Vereinbarung über den Anschluss der Renitenten Kirche ungeänderter Augsburger Konfession an die Selbständige evangelisch-lutherische Kirche vom 7.9.1950* Die Selbständige evangelisch-lutherische Kirche, vertreten durch ihr Superintendentenkollegium, und die Renitente Kirche Ungeänderter Augsburgischer Konfession, vertreten durch ihren Pfarrkonvent, treffen die folgende Vereinbarung über den Anschluß der Renitenten Kirche Ung. Augsb. Konfession an die Selbständ. ev.luth. Kirche: § 1. Grundlage und Voraussetzung für den Anschluß ist die zwischen beiden Kirchen tatsächlich vorhandene Einheit in der Lehre (gemäß Art. 7 der Conf. Aug.). Der Zusammenschluß zu einem Kirchenkörper erfolgt auf dem Boden der schon seit Jahrzehnten bestehenden Kanzel- und Abendmahlsgemeinschaft der Renitenten Kirche mit anderen freien lutherischen Kirchen, die jetzt z.T. als Diözesen in der Selbständigen ev.-luth. Kirche vereinigt sind. Wie die freien lutherischen Kirchen die unionistische „Evangelische Kirche in Deutschland“ einmütig ablehnen, so kommt ihre Einigkeit auch zum Ausdruck durch das gemeinsame Zeugnis von Jesus Christus als dem alleinigen Herrn der Kirche, dessen Königtum immer wieder zur Abwehr jeglicher Herrschaftsansprüche weltlicher Gewalten auf die Kirche nötigt. § 2. Die unterzeichneten Vertreter der Renitenten Kirche erkennen die Bekenntnis*
Unter dem Kreuze. Kirchenblatt der Selbständigen Evangelisch-Lutherischen Kirche 64 (1950), 98.
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Vereinbarungen, Zusammenschlüsse, Vereinigungen
grundlage der Selbständ. ev.-luth. Kirche, einschließlich der Konkordienformel und demgemäß die gemeinsame Lehrverpflichtung aller ihrer Geistlichen an. § 3. Die in den Gemeinden der Renitenten Kirche herkömmlichen Bräuche und Ordnungen werden beibehalten. Dabei bleibt eine Bereicherung und Ausgestaltung des bisher Vorhandenen in Anlehnung an bewährte lutherische Ordnungen möglich. § 4. Die Renitente Kirche bildet innerhalb der Selbständ. ev.-luth. Kirche eine eigene Diözese unter dem Namen: „Niederhessische Diözese der Selbständigen evangelisch-lutherischen Kirche“. Dieser Bezeichnung kann der bisherige Name (Renitente Kirche Ung. Augsb. Konf.) als erläuternder Zusatz hinzugefügt werden, soweit dies nötig erscheint. Die Einzelgemeinden der niederhessischen Diözese behalten ihren bisherigen Namen und fügen forthin als Näherbestimmung hinzu: „Ungeänderter Augsburgischer Konfession“ (z.B. Renitente Gemeinde Ung. Augsb. Konf. in NN.). § 5. In Kassel soll eine Vereinigung der Gemeinden beider Kirchen angestrebt werden. Hierfür bleibt eine besondere Regelung hinsichtlich der kirchlichen Ordnungen und des gemeinsamen Namens vorbehalten. § 6. Mit dem Inkrafttreten dieser Vereinbarung erhält die Verfassung der Selbständigen ev.-luth. Kirche Gültigkeit auch für die niederhessische Diözese. Ihr Superintendent gehört damit dem Superintendentenkollegium, ein weiterer Vertreter dem Kirchenbeirat, die unterzeichneten Pfarrer dem allgemeinen Pfarrkonvent an. § 7. Diese Vereinbarung wird in doppelter Ausfertigung unterzeichnet und mit den beiderseitigen Kirchensiegeln versehen. Sie tritt am 1. Oktober 1950 in Kraft.
Erklärung von Superintendent Wicke
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Der Zusammenschluß wird den Gemeinden der niederhessischen Diözese durch eine Ansprache ihres Superintendenten, den übrigen Diözesen durch den Kirchensuperintendenten mitgeteilt. Das Superintendentenkollegium der Selbständigen Evangelisch-Lutherischen Kirche: gez. Heinrich Martin, Kirchensuperintendent Unshausen, 7. September 1950 Der Pfarrkonvent der Renitenten Kirche Ungeänderter Augsburger Konfession: gez. Heinrich Wicke, Superintendent Wilhelm Schmidt, Eduard Rausch, Karl Mädrich. Unshausen, 7. September 1950
241. [170.] Erklärung von Superintendent Wicke zum Anschluss der Renitenten Kirche ungeänderter Augsburger Konfession an die (alte) Selbständige evangelisch-lutherische Kirche (1950)* Seit 40 Jahren stand unsere Kirche in Kanzel- und Altargemeinschaft mit anderen staatsfreien luth. Kirchen in Deutschland, von denen sich die freien luth. Kirchen in Hessen, Hannover und Baden nach dem letzten Kriege zur Selbständigen Ev.-Luth. Kirche zusammenschlossen. Nach längeren Verhandlungen im Laufe dieses Jahres wurde nun zwischen dieser Selbst. Ev.-Luth. Kirche und unserer Kirche am 7. September dieses Jahres eine Vereinbarung getroffen, nach der am 1. Oktober 1950 auch unsere Kirche als selbständige Diözese sich ihr eingliedert. Damit stehen wir in der Geschichte unserer Kirche an einem Markstein, den zu erreichen das Sehnen schon von zwei Generationen in der Renitenz gewesen ist: das war einmal das Sehnen, daß sich die getrennten Teile der aus der gemeinsamen Renitenz der 70er Jahre hervorgegangenen Gemeinden in einer Kirche zusammenschließen möchten; und dann als weiteres Ziel, daß wir auch mit anderen freien luth. Kirchen in ein möglichst enges Verhältnis kommen möchten. Die älteren Glieder unserer Gemeinden wissen, wie ernstlich seit über 50 Jahren hierum gerungen worden ist, welche Schwierigkeiten im Wege standen und wie langsam dieser Einigungsprozeß vor sich ging. Sie wissen aber auch, wie dankbar wir jedesmal Gott dem Herrn waren, so oft wir hierbei zu einer weiteren Einigung hatten kommen können. *
Glaube und Leben. Gemeindeblatt für die Renitente Kirche Ungeänderter Augsburger Konfession – Melsunger Missionsblatt, 8/9 (1950), 1.
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Vereinbarungen, Zusammenschlüsse, Vereinigungen
Und nun dürfen wir den Schritt tun, den die anderen mit uns verbündeten Kirchen schon vor 4 Jahren taten, nämlich den Schritt aus einer Konföderation, einem „Kirchenbund“, zu einer vereinigten Kirche, die bei einheitlicher Leitung durch ihr Superintendenten-Kollegium doch den einzelnen Diözesen ihr Eigenleben wahrt. Wir tun diesen Schritt, weil wir ihn tun müssen. Gott hat durch die Gerichte unserer Zeit auch unsere Kirche und ihren theologischen Nachwuchs große Verluste erleiden lassen, so daß jetzt dem Kirchspiel Balhorn der Pfarrer fehlt und im Kirchspiel Kassel der 81jährige Pfarrer der Hilfe resp. des Ersatzes bedarf. Alle freien Kirchen sind in Nöte und Schwierigkeiten versetzt, die wir nur durch möglichst enges Zusammengehen überwinden können. Gott will aber auch, daß wir in der noch viel größeren geistlichen und kirchlichen Not und Verwirrung unserer Tage gemeinsam Zeugnis ablegen von dem, was wir in unsern selbständigen Kirchen schon über 100 Jahre von Wesen und Ordnung der Kirche und vom Königtum Jesu Christi haben erfahren dürfen. Wir tuen diesen Schritt, weil wir glauben, ihn tun zu dürfen. Und zwar mit gutem Gewissen. Denn wir stehen auf demselben Bekenntnisboden. Wir kommen aus denselben oder ganz ähnlichen kirchlichen Kämpfen her und wir haben dieselbe Aufgabe vom Herrn der Kirche erhalten: zu kämpfen für die Selbständigkeit und Freiheit der Kirche luth. Bekenntnisses. Wir tuen diesen Schritt, weil wir ihn tun wollen. Denn wir dürfen nicht in eigenwilliger Isolierung und Vereinsamung verharren wollen, wenn uns nicht schwerwiegende kirchliche Gründe dazu zwingen; und da das nicht der Fall ist, da durch die vorausgegangenen Verhandlungen unsere Bedenken uns genommen werden konnten – was hindert uns da noch, diese Vereinigung zu vollziehen? So wollen wir Gott unserm Herrn von Herzen danken, daß Er uns die Einigkeit im Geist geschenkt hat, aus der diese Vereinigung hervorgegangen ist. Daß wir gerade in diesem Jahr uns zusammenfinden, wenige Wochen bevor wir des 150. Geburtstages von August Vilmar gedenken (auf den ja das Zeugnis der freien Kirchen in Hessen zurückgeht), das ist ein besonderer Anlaß zu Freude und Dank. Und dann wollen wir mit dem rechten Vertrauen uns einander gegenübertreten, die wir zu einem Kirchenkörper vereinigt sind. Wo etwa noch Reste alten Mißtrauens von früherer Zeit her vorhanden sind, da tue man sie ab. Wir wenden unsere Blicke nicht rückwärts, sondern vorwärts. Und vorwärts gerichtet geben wir uns nicht fruchtlosen Hemmungen und Bedenklichkeiten hin, sondern brauchen neuen Eifer, neue Opferwilligkeit, neue Bereitschaft, um das alte Zeugnis unserer Kirche in einem neuen Abschnitt ihrer Geschichte festzuhalten und weiterzugeben. Das schenke uns der Herr und König Seiner Kirche durch seinen heiligen Geist! O Herr, hilf, o Herr, laß wohl gelingen! H. Wicke, Sup.
Mitteilung für die Gemeinden der hessischen Diözese
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242. [171.] Mitteilung für die Gemeinden der hessischen Diözese, zugleich Bekanntgabe für die anderen Diözesen der (alten) Selbständigen evangelisch-lutherischen Kirche über den Anschluss der Renitenten Kirche ungeänderter Augsburger Konfession (September 1950)* Den Gemeinden unserer hessischen Diözese kann heute von dem Anschluß der Renitenten Kirche Ungeänderter Augsburgischer Konfession an die Selbständige evangelisch-lutherische Kirche Kenntnis gegeben werden. Die Vereinbarung ist am 7. September in Unshausen bei Wabern unterzeichnet worden. Sie wird in der gleichen Nummer veröffentlicht. Seit dem Jahre 1910 bestand zwischen unserer damaligen Selbständigen evangelisch-lutherischen Kirche in Hessen und der Renitenten Kirche ein Konföderationsverhältnis. In dem Konföderationsstatut hieß es: „Die Vertreter der Renitenten Kirche U.A.C., welche sich zu der Deklaration von 1867 als authentischer Interpretation des niederhessischen Bekenntnisstandes und als bindend für die niederhessische Kirche bekennen, einerseits und der Selbständigen evang.-luth. Kirche in den hessischen Landen andererseits haben sich überzeugt, daß die Einigkeit der Lehre und Verwaltung der Sakramente, welche die Confessio Augustana in Art. 7 fordert, unter ihnen besteht. Ferner sind sie überzeugt, daß die Verschiedenheit der geschichtlich gewordenen kirchlichen Bräuche kein Trennungsgrund ist, da nach Art. 7 der Augsburgischen Konfession es nicht not ist zur wahren Einigkeit der Kirche, daß allenthalben gleichförmige Zeremonien, von Menschen eingesetzt, gehalten werden. Auch sind sie einig in dem Bekenntnis des alleinigen Königtums Jesu Christi in der Kirche und in der Abwehr der staatlichen Eingriffe in alle kirchlichen Einrichtungen. Demgemäß beschließen sie, hinfort einander Kanzel- und Abendmahlsgemeinschaft zu gewähren.“ Nunmehr ist in Weiterbildung des bestehenden Verhältnisses an Stelle der Konföderation der kirchliche Zusammenschluß getreten, der die Renitente Kirche als „Niederhessische Diözese“ mit der Selbständigen evangelisch-lutherischen Kirche gliedlich vereinigt. Es ist keine Veränderung, aber eine durch die heutigen Verhältnisse gebotene Verdeutlichung ihres Bekenntnisstandes, wenn die Renitente Kirche sich ausdrücklich auch zu der Konkordienformel bekennt, womit sie ihre völlige Lehreinheit mit den lutherischen Freikirchen zum Ausdruck bringt. Es erfüllt uns aufrichtiger Dank, daß das lange erstrebte Ziel der Vereinigung aller aus der Renitenz des Jahres 1873 hervorgegangenen Gemeinden der Ungeänderten Augsburgischen Konfession erreicht ist. Wenn sich diese Mitteilung in erster *
Unter dem Kreuze. Kirchenblatt der Selbständigen Evangelisch-Lutherischen Kirche 64 (1950), 98.
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Vereinbarungen, Zusammenschlüsse, Vereinigungen
Linie an unsere hessischen Gemeinden richtet, so deshalb, weil die Vereinigung für sie von besonderer Bedeutung ist. Es wird in ihnen Freude auslösen, daß sie nunmehr mit den renitenten niederhessischen Gemeinden, die ihnen durch die gemeinsame Entstehungsgeschichte und die heimatliche Nähe besonders nahestehen, kirchlich verbunden sind. Daß die Vereinigung sich innerhalb des größeren Ganzen vollzogen hat, und die Renitente Kirche als niederhessische Diözese zugleich mit unseren Diözesen in unmittelbare Verbindungen tritt, erhöht unsere Freude. Es ist unsere Hoffnung, daß unter Gottes Beistand die Eingliederung der niederhessischen Diözese dieser selbst und unserer ganzen Kirche zum Segen gereichen wird, und unsere Kirche in Glaubenseinigkeit durch das Zusammenwirken aller ihrer Glieder innerlich und äußerlich erstarkt. Dies wolle Gott in Gnaden geben. Ihm sei allein die Ehre. Marburg, im September 1950 Heinrich Martin, Kirchensuperintendent
243. [173.] Aus den Einigungssätzen zwischen der Evangelischlutherischen Kirche Altpreußens und der EvangelischLutherischen Freikirche (in Sachsen und anderen Staaten) (1947)* Einleitende Bemerkung Die Evangelisch-lutherische Kirche Altpreußens und die Evangelisch-Lutherische Freikirche (in Sa. u.a.St.) geben mit nachstehenden Einigungssätzen eine Erklärung darüber ab, daß sie zur vollen Einigkeit im Glauben und in der Lehre gelangt sind. Sie haben die Einigkeit unter Gottes Beistand errungen durch eine Vertiefung in Gottes heiliges Wort und in freudiger Bindung an die Bekenntnisse der Evangelisch-Lutherischen Kirche. In den Einigungssätzen wird von der Heiligen Schrift, der Bekehrung und Gnadenwahl, Kirche und Amt und den letzten Dingen geredet. Über die anderen Stücke unseres Glaubens zu handeln, tut nicht not, da hier keine Differenzpunkte bestanden haben.
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Gerhard Heinzelmann / Wilhelm Martin Oesch (Hrsg.), Einigunssätze zwischen der EvangelischLutherischen Kirche Altpreußens und der Evangelisch-Lutherischen Freikirche (i.Sa.u.a.St.), Vollausgabe 1948, repr. Groß Oesingen 1983, VII, 1, 3, 17, 27, 31, 34, 40, 45, 54f., 71, 84, 97, 102, 106.
Aus den Einigungssätzen
I.
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Von der Heiligen Schrift
Th I, 1 Die von Gott eingegebene Schrift, nämlich der Urtext der kanonischen Bücher Alten und Neuen Testaments, ist unter Gottes gnädiger Herablassung von Menschen zu bestimmter Zeit, in bestimmter Lage, mit bestimmten Gaben und Kräften und ihnen eigener Redeweise geschrieben worden und teilt insofern das Geschick und die Geschichte menschlicher Bücher. Th I, 2 Die Schrift ist göttlichen Ursprungs und göttlicher Art, weil Gottes Heiliger Geist die Schreiber in seinen Dienst genommen und ihnen die Schrift nach ihrem Sachgehalt (Realinspiration) und nach ihrer Wortgestaltung (Verbalinspiration) eingegeben hat. Sie enthält nicht nur Gottes Wort, so daß Menschen darüber urteilen könnten, was in ihr Gottes Wort sei oder nicht, sondern sie ist in vollem Umfang Gottes unverbrüchliches Wort – uns zum Heil und zur Seligkeit gegeben, die alleinige Quelle der Wahrheit. „die einige Regel und Richtschnur, nach welcher zugleich alle Lehrer und Lehren gerichtet und geurteilt werden sollen“ (Konkordienformel I. Teil, Summ. Begr.). Wenn in untergeordneten Punkten (historischen, naturwissenschaftlichen oder anderen Fragen) Irrtümer oder Widersprüche vorzuliegen scheinen, so ist eine Auflösung zu versuchen. Gelingt es nicht, so ist, dem Beispiel Luthers folgend, die Sache Gott anheimzustellen und die autoritäre Geltung der Schrift auch in diesen Aussagen festzuhalten. II.
Von der Bekehrung und Gnadenwahl
II A
Von der Bekehrung
Th II A, 1 Die Bekehrung besteht darin, daß der Mensch, nachdem er vom Gesetz Gottes getroffen ist und sich als einen verdammungswürdigen Sünder erkannt hat, zum Glauben an das Evangelium kommt, das ihm um Christi stellvertretender Genugtuung willen Vergebung der Sünden und die Seligkeit zusagt. Sie geschieht dann, wenn der Heilige Geist das erste Fünklein dieses Glaubens oder ein Sehnen nach der rettenden Gnade im Sünderherzen wirkt. Da nach der Schrift der Mensch seit dem Fall in Sünden tot und nur zum Bösen geneigt ist, die Botschaft vom Kreuz für Torheit hält und Gott und seinem Evangelium bitter feind ist, so ist die Bekehrung und somit der Glaube weder ganz noch zum geringsten Teil ein Werk des Men-
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Vereinbarungen, Zusammenschlüsse, Vereinigungen
schen, sondern ausschließlich ein Werk der göttlichen Gnade und „seiner mächtigen Stärke“. Die Schrift nennt deshalb die Bekehrung auch eine Erweckung von den Toten, eine Geburt aus Gott, eine Neugeburt aus dem Evangelium, eine Wirkung Gottes wie die Erschaffung des Lichts am ersten Schöpfungstage. Th II A, 2 Bei dem ganzen Werk des Heiligen Geistes ist festzustellen, daß Gott nicht anders als durch Mittel, nämlich durch Wort und Sakrament wirkt. Die Menschen sind deshalb an die Gnadenmittel gewiesen. Obwohl der Ruf des Evangeliums in jedem Fall ernst gemeint ist und voll göttlicher Kraft an die Menschen ergeht, ist gleichwohl die rettende Gnade nicht unwiderstehlich und geschieht die Bekehrung und Erhaltung nicht durch Zwang. Daß die meisten der durch das Evangelium Berufenen entweder nicht zum Glauben kommen oder wieder abfallen, liegt nicht an Gott, sondern an ihrem beharrlichen mutwilligen Widerstreben und ist ihre eigene Schuld. II B
Von der Gnadenwahl
Th II B, 1 Gottes allgemeiner Gnadenwille bezieht sich von Ewigkeit her auf alle Menschen, so gewiß Christus, der der Welt Sünde trägt, zuvor ersehen ist, ehe der Welt Grund gelegt ward, und so gewiß Christus für alle Menschen am Kreuz gestorben ist und Gott in Christo der Welt alle Sünden schon vergeben hat und will, daß durch die Verkündigung des Evangeliums allen Menschen geholfen werde und sie zur Erkenntnis der Wahrheit kommen. Th II B, 2 Gottes besonderer Gnadenratschluß, der auf dem ewigen Ratschluß der Erlösung aller Menschen ruht und ihm dient und durch nichts in den Menschen oder in den Gläubigen verursacht ist, bezieht sich auf die Gläubigen und ist eine „Ursache ihrer Seligkeit, welche er auch schaffet und, was zur selbigen gehöret, verordnet, darauf unsere Seligkeit so steif gegründet ist, daß sie die Pforten der Hölle nicht überwältigen können“ (Konkordienformel I. Teil, Art. XI § 5). Die „in Christo“ und „in der Heiligung des Geistes und im Glauben der Wahrheit“ vor der Zeit der Welt geschehene Herauswahl der Gläubigen aus der Menge der anderen ist die Gnadenwahl (Praedestination).
Aus den Einigungssätzen
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Th II B, 3 Die Frage, warum Gott beim allgemeinen völligen Verderben aller Menschen und bei seinem allgemeinen Gnadenwillen in den einen Buße und Glauben wirkt, in den anderen nicht (cur alii, alii non?), ist für dieses unser Leben auf Erden unlösbar, ein göttliches Geheimnis. Es hat bei dem Entweder-Oder zu bleiben: Wenn der Mensch verloren geht, so ist das allein seine Schuld, wenn er selig wird, allein Gottes Gnade (Hos. 13,9; Konkordienformel II. Teil, Art. XI §§ 57–64). III.
Von der Kirche und dem Predigtamt
III A
Von der Kirche
Th III A, 1 Die Kirche im eigentlichen Sinne oder die eine heilige Kirche, der Christus alle Kirchengewalt ursprünglich gegeben hat, sind die Heiligen oder Gläubigen, die durch Wort und Sakrament aus dem verlorenen Menschengeschlecht herausgerufen und Christo einverleibt sind. Th III A, 2A Im uneigentlichen Sinne wird auch die Gesamtheit der Berufenen Kirche genannt – sichtbare Kirche, christliche Ortsgemeinde – ecclesia simplex, dann auch größere Kirchenkörper – ecclesiae compositae, sofern Ortsgemeinden zusammenwirken –, worunter sich auch solche befinden, welche die Gnadenmittel nur äußerlich brauchen, ohne sich dadurch den Glauben schenken zu lassen. Th III A, 2B Die der eigentlichen Kirche ursprünglich und unmittelbar mitgeteilte Gewalt der Schlüssel, nämlich das Evangelium und die Sakramente zu verwalten und seelsorgerliche Zucht zu üben, kann natürlich nur innerhalb dieser in Erscheinung tretenden gemischten Kirche ausgeübt werden und umgrenzt die Gesamtheit ihres Auftrages. Th III A, 2C Da Christus das alleinige Haupt seiner einen Kirche ist, ist in der verfaßten Kirche darauf zu halten, daß alles, was in ihr besteht und geschieht, der Alleinherrschaft Christi im Wort untertan ist. Alle Lebensäußerungen der sichtbaren Kirche müssen
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Vereinbarungen, Zusammenschlüsse, Vereinigungen
aus dem Bekenntnis herauswachsen und sich als unmittelbare oder mittelbare Wirkungen von Wort und Sakrament erweisen. Th III, A, 3 Das Wort Gottes und die heiligen Sakramente – Same und Fundament und einziger Auftrag der Kirche – sind sowohl Kennzeichen der Kirche überhaupt als auch, in ihrer Reinheit und Lauterkeit, die Kennzeichen der wahren sichtbaren oder rechtgläubigen Kirche. III B
Vom öffentlichen Predigtamt
Th III B, 1 Das Predigtamt oder Pfarramt ist ein vom Herrn der Kirche gestiftetes Amt des Dienstes, dessen Aufrichtung der Kirche geboten und an das sie bis an das Ende der Tage gebunden ist. Th III B, 2 Obwohl die Gewalt, Sünden zu vergeben oder zu behalten, Gesetz und Evangelium zu predigen, ursprünglich und unmittelbar vom Herrn der Kirche allen Christen gegeben ist, beruft die christliche Gemeinde, um diese Gewalt ordentlicherweise öffentlich auszuüben, eine dazu geeignete Person. Diese verwaltet das Amt, die Gemeinde Gottes mit Wort und Sakrament zu weiden und zu regieren, nicht nur in menschlichem Auftrag, sondern zugleich – eben dadurch vermittelt – im Auftrage des Herrn. Die Ordination ist die feierliche Bestätigung der Berufung in das heilige Predigtamt vor der Gemeinde. Th III B, 3 Da die Kirche eine ist unter ihrem Haupt Christus, ist es Pflicht der Gemeinden, obwohl jede auch für sich Kirche ist, die Einigkeit im Geist mit der ganzen rechtgläubigen Kirche zu pflegen und, wo immer möglich, mit den anderen Gemeinden zum Bau der ganzen Kirche Christi in Liebe zusammenzuarbeiten. Bei solcher Zusammenarbeit ergibt sich von selbst die Notwendigkeit gemeinschaftlicher Leitung, da der Herr befohlen hat, alles ehrbarlich und ordentlich zugehen zu lassen. Auch bei diesem kirchlichen Zusammenwirken kommt das Weiden und Regieren mit dem Worte Gottes dem öffentlichen Predigtamt als dem eigentlichen und höchsten Amt der Kirche zu. Die Ausgestaltung und Verteilung dieser aus kirchlicher Zusammenarbeit sich ergebenden Aufgaben kann dabei jeweils verschieden sein. Alle äußerliche Ordnung in Gemeinden und Kirchenkörpern und alle Über-
Aus den Einigungssätzen
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ordnung eines Dieners am Wort über den andern bleibt menschlichen Rechts – nach Augsb. Konf. XV und XXVIII §§ 5–29; Schmalk. Art. Anhang §§ 10. II; 61–65. IV.
Von den letzten Dingen
Th IV, 1 Mit der Augsburgischen Konfession (XVII) bekennen wir, „daß unser Herr Jesus Christus am Jüngsten Tage kommen wird, zu richten, und alle Toten auferwecken, den Gläubigen und Auserwählten ewiges Leben und ewige Freude geben, die gottlosen Menschen aber und die Teufel in die Hölle und ewige Strafe verdammen wird“. Th IV, 2 Die Erwartung, daß das Judenvolk als solches in der Endzeit nach Palästina zurückkehren und in die Rechte des auserwählten Volkes des Alten Testaments wieder eingesetzt werden solle, ist eine Abart des krassesten Chiliasmus. Diese Lehre ist abzulehnen, nicht aus rassischem oder politischem Antisemitismus, sondern weil sie der Schrift und der rechten Lehre vom Reiche Christi widerspricht. – Auch der Hoffnung auf eine allgemeine Judenbekehrung der Endzeit, das ganze dann lebende Israel umfassend, liegen Missdeutungen der Schrift, sonderlich des Alten Testaments, und fleischliche Vorstellungen sowohl von der Bekehrung als auch vom Reiche Christi zugrunde. Die von manchen gehegte Hoffnung einer zahlreicheren Bekehrung Israels in der letzten Zeit widerspricht dagegen an sich nicht der Schrift, läßt sich aber auch nicht aus eindeutigen Schriftstellen erhärten. – Immer ist festzuhalten, daß ein Volk niemals aufgrund seiner Abstammung oder natürlichirdischen Art oder mittelst äußerlicher Masseneinwirkung von Gott angenommen wird, weil dies dem Evangelium, d.h. der Lehre von der Rechtfertigung allein aus Gnaden durch den Glauben, widerspricht und nach der gesetzlichen Art aller Irrlehre das Reich Christi an das Wesen dieser Welt bindet. Th IV, 3 Mit den Schmalkaldischen Artikeln (II. Teil, Art. IV § 10) bekennen wir, „daß der Papst der rechte Endechrist oder Widerchrist sei“, weil er im Tempel Gottes sitzt und sich gebärdet, als wäre er Gott (2. Thess. 2), weil er das Herzstück des Evangeliums, nämlich die Lehre von der Vergebung der Sünden allein aus Gnaden um Christi willen durch den Glauben ohne jegliches eigenes Verdienst und Würdigkeit, verdammt (Concilium Tridentinum, Sessio VI), und weil er nur diejenigen als Diener der christlichen Kirche anerkennt, welche sich ihm unterwerfen.
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Vereinbarungen, Zusammenschlüsse, Vereinigungen
244. [174.] Mitteilung für die Gemeinden der (alten) Selbständigen evangelisch-lutherischen Kirche über die gegenseitige Anerkennung der Kanzel- und Abendmahlsgemeinschaft zwischen der Evangelisch-Lutherischen Freikirche (in Sachsen und anderen Staaten) und der (alten) Selbständigen evangelisch-lutherischen Kirche (Dezember 1949)* Den Gemeinden unserer Selbständigen evangelisch-lutherischen Kirche können wir heute mit Dank gegen Gott die Mitteilung machen, daß zwischen der Evangelisch-lutherischen Freikirche (in Sachsen u.a.St.) und unserer Kirche die gegenseitige Anerkennung der Kanzel- und Abendmahlsgemeinschaft erreicht worden ist. Unsere Kirche pflegt mit allen lutherischen Kirchen innerhalb und außerhalb Deutschlands, die sich in Lehre und kirchlichem Handeln eindeutig vom lutherischen Bekenntnis bestimmen lassen, Kirchengemeinschaft. Die Evangelischlutherische Freikirche galt uns schon bisher als eine solche Kirche. Doch bestanden namentlich auf ihrer Seite noch Bedenken gegen die Kirchengemeinschaft. Die von den in unserer Kirche zusammengeschlossenen lutherischen Freikirchen festgehaltene Verbindung mit den rechtlich noch lutherischen Landeskirchen sowie Vorurteile, die auf beiden Seiten bestanden und mit der verschiedenen Entstehung und Geschichte unserer Kirchen zusammenhingen, standen der Aufrichtung der Kirchengemeinschaft hindernd im Wege. Das hat sich gewandelt. Nachdem die lutherischen Landeskirchen in die „Evangelische Kirche in Deutschland“ eingetreten sind, können wir sie nicht mehr als solche Kirchen ansehen, die sich ausschließlich nach dem lutherischen Bekenntnis richten, und deshalb das Band mit ihnen nicht in der bisherigen Weise festhalten. Andererseits haben wir uns von der Haltlosigkeit mancher Vorurteile überzeugt. Einige unserer freien evangelisch-lutherischen Kirchen haben in eingehenden Verhandlungen mit der Evangelisch-lutherischen Freikirche (in Sachsen u.a.St.) besondere Lehrsätze aufgestellt, durch die frühere Differenzen bereinigt und die Übereinstimmung in Lehre und Bekenntnis zum Ausdruck gebracht wurde. Die Hannoversche evangelisch-lutherische Freikirche und die Evangelisch-lutherische Freikirche (in Sachsen u.a.St.) waren schon im Jahr 1908 zu einem befriedigenden Ergebnis gekommen. Im Jahr 1946 haben auch die Evangelisch-lutherische Kirche im früheren Altpreußen und die Evangelisch-lutherische Freikirche (in Sachsen u.a.St.) ihren alten Lehrstreit beendet. Unser Superintendenten-Kollegium hat über die durch diese beiden Kirchen aufgestellten „Einigunsgrundsätze“ das Urteil fällen können, daß in ihnen nichts enthalten ist, was gegen Schrift und Bekenntnis verstößt oder inhaltlich darüber hinausgeht. Zwischen unserer Kirche und der Evangelisch-lutherischen Freikirche (in Sachsen u.a.St.) sind zwar keine Lehrsätze aufge*
Unter dem Kreuze. Kirchenblatt der Selbständigen Evangelisch-Lutherischen Kirche 63 (1949), 42.
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stellt worden. Wir haben uns aber in eingehenden Unterredungen davon überzeugt, daß zwischen uns keine trennenden Unterschiede in Lehre und Bekenntnis stehen, wir vielmehr im Bekenntnis eins sind. Die Einigkeit aller lutherischen Freikirchen Deutschlands kommt darin zum Ausdruck, daß alle ihre Diener ausschließlich auf die Heilige Schrift und sämtliche lutherischen Bekenntnisschriften verpflichtet werden und die Gemeinden dem freudig zustimmen. Auf Grund dieser Einigkeit im Glauben und Bekenntnis gewähren sich unsere Kirchen nach Beschlußfassung seitens der kirchlichen Organe von jetzt an Kanzelund Abendmahlsgemeinschaft. Wir bitten unsere Gemeinden, den Gemeinden der Evangelisch-lutherischen Freikirche (in Sachsen u.a.St.) und ihren Hirten Vertrauen entgegenzubringen und die kirchliche Verbindung mit ihnen zu betätigen. Marburg, in der Adventszeit. Für das Kollegium der Superintendenten: Heinr. Martin, Kirchensuperintendent.
1. Kirchensynode der SELK 23.–27.5.1973 in Radevormwald.
245. [175.] Grundordnung der Selbständigen EvangelischLutherischen Kirche (1972)* In Jesu Namen. Amen. Hiermit legen die Kirchenleitungen der Freien Evangelisch-lutherischen Kirchen in Deutschland den Synoden der Freien Evangelisch-lutherischen Kirchen die Grundordnung für die vereinigte „Selbständige Evangelisch-Lutherische Kirche“ zur Annahme vor. Sie ist in dreijähriger Arbeit von einem Verfassungsausschuß erstellt und ständig mit den Kirchenleitungen diskutiert worden. Ein erster Entwurf wurde im Sommer 1970 allen Gemeinden, Pfarrkonventen und Synoden der Freien Evan*
Gerhard Rost (Hg.), Ordnungen für die Evangelisch-lutherische (altluth.) Kirche, o.O., o.J., 145– 163.
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Vereinbarungen, Zusammenschlüsse, Vereinigungen
gelisch-Lutherischen Kirchen zur Stellungnahme vorgelegt. Daraufhin gingen zahlreiche Stellungnahmen und Änderungsanträge ein. Sie sind vom Verfassungsausschuß und den Kirchenleitungen gründlich beraten und, soweit notwendig und möglich, in den Entwurf eingearbeitet worden. Im Verlauf dieser Arbeit wurden Fragen von grundsätzlicher theologischer und kirchenrechtlicher Bedeutung behandelt und soweit geklärt, daß noch bestehende Vorbehalte beseitigt werden konnten. Die nunmehr vorliegende Grundordnung stellt die beste Lösung dar, die bei dem derzeitigen Stande der theologischen und kirchenrechtlichen Diskussion in den sich zusammenschließenden Kirchen erreichbar ist. Nach der Überzeugung der Kirchenleitungen bietet sie in der jetzigen Fassung eine voll tragfähige Grundlage für den organisatorischen Zusammenschluß der Freien Evangelisch-Lutherischen Kirchen. Mögen die Synoden die Freudigkeit gewinnen, diese Grundordnung anzunehmen und damit den Zusammenschluß unserer verbündeten Kirchen zu vollziehen. Grundordnung der Selbständigen Evangelisch-Lutherischen Kirche I.
Grundartikel
Art. 1: Selbstverständnis und Bekenntnisstand 1. Die Selbständige Evangelisch-Lutherische Kirche steht in der Einheit der heiligen, christlichen und apostolischen Kirche, die überall da ist, wo das Wort Gottes rein gepredigt wird und die Sakramente nach der Einsetzung Christi verwaltet werden. Sie bezeugt Jesus Christus als den alleinigen Herrn der Kirche und verkündigt ihn als den Heiland der Welt. 2. Sie ist gebunden an die heilige Schrift Alten und Neuen Testaments als an das unfehlbare Wort Gottes, nach dem alle Lehren und Lehrer der Kirche beurteilt werden sollen. Sie bindet sich daher an die Bekenntnisschriften der evangelisch-lutherischen Kirche, weil in ihnen die schriftgemäße Lehre bezeugt ist, nämlich an die drei ökumenischen Symbole (das Apostolische, das Nicänische und das Athanasianische Bekenntnis), an die ungeänderte Augsburgische Konfession und ihre Apologie, die Schmalkaldischen Artikel, den Kleinen und Großen Katechismus Luthers und die Konkordienformel. Art. 2: Kirchengemeinschaft 1. Die Selbständige Evangelisch-Lutherische Kirche pflegt Kirchengemeinschaft mit allen Kirchen, die Lehre und Handeln in gleicher Weise an die heilige Schrift und das lutherische Bekenntnis binden.
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2. Sie verwirft die der heiligen Schrift und den lutherischen Bekenntnissen widersprechenden Lehren und ihre Duldung sowie jede Union, die gegen Schrift und Bekenntnis verstößt. 3. Sie weiß sich darin einig mit der rechtgläubigen Kirche aller Zeiten. II.
Allgemeine Bestimmungen
Art. 3: Entstehung 1. In der Selbständigen Evangelisch-Lutherischen Kirche haben sich die bisherige Evangelisch-lutherische (altluth.) Kirche, die bisherige Selbständige Evangelisch-Lutherische Kirche und die bisherige Evangelisch-Lutherische Freikirche in der Bundesrepublik Deutschland und in West-Berlin mit ihren Gemeinden zusammengeschlossen. Sie wollen damit ihre Einigkeit im Glauben und in der Lehre, wie sie diese in der Vergangenheit errungen haben, bekräftigen und die Aufgaben einer bekenntnisgebundenen evangelisch-lutherischen Kirche wirksamer erfüllen. 2. Andere evangelisch-lutherische Kirchen und Gemeinden können in die Selbständige Evangelisch-Lutherische Kirche aufgenommen werden, wenn sie die Bestimmungen dieser Grundordnung, insbesondere diejenigen der Art. 1 und 2, als für sich bindend anerkennen. Art. 4: Rechtsstatus 1. Die Selbständige Evangelisch-Lutherische Kirche ist selbständig in der Ordnung und Verwaltung ihrer Angelegenheiten. Sie bleibt dabei gebunden an den Auftrag ihres Herrn. 2. Die Selbständige Evangelisch-Lutherische Kirche hat ihren Sitz in Hannover. Art. 5: Kirchengliedschaft 1. Die Gliedschaft in der Selbständigen Evangelisch-Lutherischen Kirche wird erlangt durch die Taufe innerhalb einer zu dieser Kirche gehörenden Gemeinde, durch Aufnahme in eine solche Gemeinde oder durch Überweisung aus einer mit der Selbständigen Evangelisch-Lutherischen Kirche in Kirchengemeinschaft stehenden Kirche. 2. Die Gliedschaft in dieser Kirche endet durch Austritt oder durch Ausschluß, in der Regel auch durch Überweisung in eine andere Kirche.
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Vereinbarungen, Zusammenschlüsse, Vereinigungen
Art. 6: Dienste der Kirche Alle Dienste der Kirche sind dazu bestimmt, der Verkündigung des Evangeliums unmittelbar oder mittelbar zu dienen. Art. 7: Predigtamt 1. Das eine, von Christus gestiftete Amt der Wortverkündigung und Sakramentsverwaltung kann nur ausüben, wer berufen und ordiniert ist. 2. Dieses Amt kann nur Männern übertragen werden. 3. Die Aufgabe der Ordination und Visitation liegt bei dem Bischof, den Pröpsten und den Superintendenten. Sie erfüllen sie in gegenseitigem Einvernehmen. 4. Die Kirche sorgt für die Ausbildung des theologischen Nachwuchses und unterhält die dazu notwendigen Ausbildungsstätten, besonders die Lutherische Theologische Hochschule. Art. 8: Mission und Diakonie 1. Die missionarischen und diakonischen Werke sind – ungeachtet ihrer Rechtsform – durch den Auftrag Gottes geforderte Lebensäußerungen der Kirche und ihrer Gemeinden. 2. Diese treiben das Werk der äußeren Mission, wie es ihnen besonders in der Mission Evangelisch-Lutherischer Freikirchen anvertraut ist. Sie sind volksmissionarisch tätig und wissen sich verantwortlich für die diakonischen Werke im Bereich der Selbständigen Evangelisch-Lutherischen Kirche. Art. 9: Beitragspflicht Die Kirche erhält sich selbst aus Beiträgen, Kollekten und Spenden ihrer Glieder. Jedes Gemeindeglied mit eigenem Einkommen ist nach Gottes Wort verpflichtet, angemessen dazu beizutragen. Art. 10: Gliederung der Kirche Die Selbständige Evangelisch-Lutherische Kirche gliedert sich in Gemeinden und Pfarrbezirke. Mehrere Pfarrbezirke bilden einen Kirchenbezirk. Jeder Kirchenbezirk gehört einem Sprengel an.
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III.
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Gemeinden und Pfarrbezirke
Art. 11: Gemeinden 1. Jede Gemeinde ist Kirche Jesu Christi an ihrem Ort. Alle Gemeinden zusammen tragen das gottesdienstliche und geistliche Leben der Selbständigen Evangelisch-Lutherischen Kirche. 2. Die Gemeinden verwalten ihre Angelegenheiten selbst im Rahmen der dafür geltenden Ordnungen und der Beschlüsse der Synoden. Art. 12: Pfarrbezirke 1. Jede Gemeinde bildet, entweder für sich allein oder zusammen mit anderen Gemeinden, einen Pfarrbezirk mit wenigstens einer Pfarrstelle. 2. Der Pfarrbezirk trägt nach Kräften zur Erfüllung der gemeinsamen Aufgaben im Kirchenbezirk und in der Gesamtkirche bei. 3. Die Gemeinden und Pfarrbezirke stehen gemäß den dafür geltenden Ordnungen unter Aufsicht des Superintendenten und der Kirchenleitung. IV.
Kirchenbezirke
Art. 13: Wesen und Aufgabe der Kirchenbezirke 1. Mehrere Pfarrbezirke bilden zusammen einen Kirchenbezirk. 2. Die Pastoren und Gemeinden eines Kirchenbezirkes sollen gemeinsame Aufgaben erfüllen und alles tun, die geistliche Gemeinschaft untereinander zu festigen. 3. Die Kirchenbezirke nehmen Aufgaben der allgemeinen kirchlichen Verwaltung wahr, soweit ihnen diese nach den bisherigen kirchlichen Ordnungen zustehen oder die gesamtkirchliche Ordnung dies – gegebenenfalls auch in Abänderung der bisherigen Ordnungen – festlegt. Art. 14: Organe der Kirchenbezirke 1. Organe des Kirchenbezirks sind: a) der Superintendent b) der Bezirkspfarrkonvent c) die Bezirkssynode d) der Bezirksbeirat 2. Der Superintendent führt die Pastoren seines Kirchenbezirks in ihr Amt ein. Er wacht über die rechte Verkündigung des Evangeliums und die stiftungsgemäße
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Vereinbarungen, Zusammenschlüsse, Vereinigungen
Verwaltung der Sakramente. Er hält regelmäßige Visitationen und ist Berater und Seelsorger der Pastoren. 3. Der Bezirkspfarrkonvent soll die Einigkeit in Lehre und Handeln fördern, das brüderliche Miteinander pflegen und zur wissenschaftlichen und praktischen Fortbildung beitragen. 4. Die Bezirkssynode faßt Beschlüsse in ihrem Zuständigkeitsbereich und gibt Anregungen für die kirchliche Arbeit. Dabei hat sie die gesamtkirchlichen Ordnungen zu beachten. 5. Der Bezirksbeirat unterstützt den Superintendenten bei der Ausübung seines Amtes und übernimmt Aufgaben der Leitung im Kirchenbezirk. V.
Sprengel
Art. 15: Wesen und Organe der Sprengel 1. Mehrere Kirchenbezirke bilden zusammen einen Sprengel. 2. Die Gliederung in Sprengel soll die geistliche Leitung der Kirche erleichtern. 3. Organe des Sprengels sind: a) der Propst b) der Sprengelpfarrkonvent Art. 16: Der Propst 1. Der Propst führt die Superintendenten seines Sprengels in ihr Amt ein. Zusammen mit ihnen wacht er über die rechte Verkündigung des Evangeliums und die stiftungsgemäße Verwaltung der Sakramente. Er hält Visitationen, besonders bei den Superintendenten und ihren Gemeinden. 2. Der Propst berät regelmäßig mit den Superintendenten seines Sprengels. Er gehört zur Kirchenleitung der Selbständigen Evangelisch-Lutherischen Kirche. Er soll an den Bezirkspfarrkonventen und den Bezirkssynoden teilnehmen und Anregungen für das geistliche Leben und für die theologische Fortbildung der Pastoren geben. Er sorgt dafür, daß die Verbindung zu den anderen Sprengeln der Kirche gepflegt wird. 3. Der Propst wird durch den Sprengelpfarrkonvent gewählt. Die Wahl bedarf der Zustimmung durch die Bezirkssynoden des Sprengels, wobei die auf den einzelnen Synoden abgegebenen Stimmen zusammenzuzählen sind. Die Beschlüsse müssen in geheimer Abstimmung gefaßt werden. 4. Die Amtszeit des Propstes ist nicht befristet, sofern der Sprengelpfarrkonvent bei der Wahl nichts anderes festgesetzt hat. Der Propst kann von seinem Amt zurücktreten. Er muß sein Amt niederlegen, wenn das Kollegium der Superintendenten und die Kirchenleitung zu der Überzeugung kommen, daß seine
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Amtsführung der Kirche nicht mehr dienlich ist. Er tritt nach der allgemeinen Pensionsregelung in den Ruhestand. 5. Der Propst bestimmt im Einvernehmen mit den Superintendenten seines Sprengels einen von ihnen zu seinem ständigen Vertreter. Dieser führt auch das Amt im Falle der Erledigung bis zur Einführung des neugewählten Propstes. Art. 17: Der Sprengelpfarrkonvent Der Sprengelpfarrkonvent soll die Gemeinschaft zwischen den Pastoren des Sprengels stärken. Er soll vor allem Fragen von allgemein theologischem und kirchlichem Interesse behandeln. VI.
Gesamtkirche
Art. 18: Organe der Kirche Organe der Selbständigen Evangelisch-Lutherischen Kirche sind: a) der Bischof b) das Kollegium der Superintendenten c) die Kirchenleitung d) der Allgemeine Pfarrkonvent e) die Kirchensynode Art. 19: Der Bischof 1. Der Bischof ist ein Pastor der Kirche, der zu ihrer hauptamtlichen Leitung berufen ist. 2. Der Bischof dient der ganzen Kirche. Er achtet darauf, daß das Wort Gottes schrift- und bekenntnisgemäß verkündigt und gelehrt wird und die Sakramente recht verwaltet werden. Zusammen mit der Kirchenleitung führt er die Aufsicht über die Ämter und Einrichtungen der Kirche. Er hat den Vorsitz im Kollegium der Superintendenten und in der Kirchenleitung. Er kann sich in Hirtenbriefen an die Gemeinden und Pastoren wenden. 3. Der Bischof dient den Pastoren als Berater und Seelsorger. Zusammen mit den Pröpsten und Superintendenten sorgt er für die Ordination zum Predigtamt. Er wirkt mit bei der Abordnung von Missionaren und bei der Einsegnung von Diakonissen. Er führt die Pröpste in ihr Amt ein. 4. Der Bischof dient den Gemeinden, indem er das Gespräch mit ihnen sucht und ihre Gemeinschaft fördert. Er hält Visitationen, besonders bei den Pröpsten und in ihren Gemeinden. Er kann mit Zustimmung des zuständigen Pastors in allen Gemeinden Wort und Sakrament verwalten, hat aber auch eine feste Predigtstätte an seinem Amtssitz.
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Vereinbarungen, Zusammenschlüsse, Vereinigungen
5. Der Bischof bemüht sich, Gemeinschaft und Verbindung mit anderen Kirchen zu pflegen und vertritt die Kirche in der Öffentlichkeit. 6. Weiter gehört es zu den Aufgaben des Bischofs, die von Schrift und Bekenntnis geforderte Stellungnahme der Kirche zu Fragen und Aufgaben der Zeit herbeizuführen und die Verbindung mit den theologischen Ausbildungsstätten der Kirche zu pflegen. 7. Der Bischof wird durch die Kirchensynode auf Vorschlag des Allgemeinen Pfarrkonvents gewählt. Der Allgemeine Pfarrkonvent hat für diese Wahl mindestens zwei Kandidaten zu benennen, die nach Möglichkeit in einem einheitlichen Wahlgang zu ermitteln sind. Die Wahl auf der Synode erfolgt in geheimer Abstimmung. Gewählt ist derjenige Kandidat, für den sich mehr als die Hälfte der anwesenden Stimmberechtigten entscheidet. Wird diese Mehrheit in zwei Wahlgängen nicht erreicht, so ist gewählt, wer im dritten Wahlgang die meisten Stimmen auf sich vereinigt. 8. Der Bischof wird durch den amtsältesten Propst in sein Amt eingeführt. 9. Die Amtszeit des Bischofs ist nicht befristet, sofern nicht ausnahmsweise bei der Wahl anderes festgelegt wird. Der Bischof kann von seinem Amt zurücktreten. Er muß zurücktreten, wenn er eine Berufung in ein anderes Amt der Kirche annimmt. Der Bischof muß sein Amt niederlegen, wenn das Kollegium der Superintendenten und die Kirchenleitung zu der Überzeugung kommen, daß seine Amtsführung der Kirche nicht mehr dienlich ist. Er tritt nach der allgemeinen Pensionsregelung in den Ruhestand. 10. Der Bischof bestimmt im Einvernehmen mit der Kirchenleitung und dem Kollegium der Superintendenten einen der Pröpste zu seinem ständigen Vertreter. Dieser führt auch das Amt im Falle der Erledigung bis zur Einführung des neugewählten Bischofs. Art. 20: Das Kollegium der Superintendenten 1. Das Kollegium der Superintendenten besteht aus allen Superintendenten, den Pröpsten und dem Bischof. Den Vorsitz im Kollegium der Superintendenten führt der Bischof oder sein Vertreter. 2. Das Kollegium der Superintendenten versammelt sich in der Regel zweimal jährlich. Eine Sitzung ist auch einzuberufen, wenn drei Superintendenten dies verlangen. 3. Das Kollegium der Superintendenten hat folgende Aufgaben: a) Es nimmt Stellung zu Fragen der Lehre und des geistlichen Lebens, die gesamtkirchliche Auswirkungen haben; b) es wertet die Kirchen- und Visitationsberichte aus; c) es berät die Vorlage neuzuverabschiedender oder abzuändernder kirchlicher Ordnungen für die Kirchensynode;
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d) es nimmt andere Gemeinden in die Selbständige Evangelisch-Lutherische Kirche auf; e) es bereitet den Allgemeinen Pfarrkonvent vor; f) es bestimmt die Mitglieder der Ausschüsse für theologische Prüfungen und Kolloquien; g) es gibt seine Zustimmung zu Ordinationen und erteilt die Qualifikation für ein Pfarramt in der Kirche. Das Kollegium der Superintendenten nimmt diese Aufgaben gemeinsam mit der Kirchenleitung als ein Gremium wahr. Art. 21: Die Kirchenleitung 1. Die Kirchenleitung besteht aus dem Bischof, den Pröpsten und den Kirchenräten. Einer der Kirchenräte führt die Geschäfte der Kirchenleitung im Hauptamt. Abgesehen vom Bischof soll die Anzahl der Laien der Anzahl der Geistlichen entsprechen. 2. Der geschäftsführende Kirchenrat wird gemeinsam von der Kirchenleitung und dem Kollegium der Superintendenten berufen und von der Kirchensynode bestätigt. Die Kirchenräte werden von der Kirchenleitung und dem Kollegium der Superintendenten oder von den Bezirkssynoden vorgeschlagen. Sie werden von der Kirchensynode gewählt. Die Amtsdauer der Kirchenräte beträgt zwei Synodalperioden. Wiederwahl ist zulässig. 3. Die Kirchenleitung übt unter dem Vorsitz des Bischofs die Leitung und Verwaltung der Kirche aus. Sie gibt sich eine Geschäftsordnung, in deren Rahmen sie eine Aufgabenverteilung vorzunehmen hat. 4. Die Kirchenleitung bereitet die Kirchensynode vor, erstattet den Bericht über die kirchliche Lage und gibt Rechenschaft über ihre Tätigkeit. 5. Sie veröffentlicht die Beschlüsse der Kirchensynode und sorgt für ihre Durchführung. Sie hat auch Vorbehalte einzelner Gemeinden gegen diese Beschlüsse zu behandeln. 6. Sie wirkt mit bei Berufungen in ein Pfarramt. 7. Die Kirchenleitung kann eines oder mehrere ihrer Mitglieder mit besonderem Auftrag in eine Gemeinde oder zu den Pfarrkonventen und Synoden der Kirchenbezirke und Sprengel entsenden. Art. 22: Unzulässige Personalunionen Die in Artikel 19 bis 21 vorgesehenen Amtsfunktionen dürfen nicht in Personalunion miteinander verbunden werden.
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Vereinbarungen, Zusammenschlüsse, Vereinigungen
Art. 23: Rechtliche Vertretung der Kirche Die Kirchenleitung vertritt die Selbständige Evangelisch-Lutherische Kirche gerichtlich und außergerichtlich, und zwar in der Weise, daß jeweils zwei ihrer Mitglieder gemeinschaftlich handeln müssen, von denen eines der Bischof oder sein ständiger Vertreter sein muß. Art. 24: Der Allgemeine Pfarrkonvent 1. Der Allgemeine Pfarrkonvent besteht aus allen ordinierten Amtsträgern der Selbständigen Evangelisch-Lutherischen Kirche. Soweit sie sich im Ruhestand befinden, können sie an dem Konvent mit beratender Stimme teilnehmen. Die Vikare sollen in der Regel eingeladen werden. Sie haben beratende Stimme. Der Allgemeine Pfarrkonvent tritt alle vier Jahre zusammen, ist aber auch außerhalb dieser Zeit einzuberufen, wenn es die Kirchenleitung oder das Kollegium der Superintendenten für notwendig halten, ebenso wenn ein Sprengelpfarrkonvent oder 20 Pastoren dies verlangen. 2. Der Allgemeine Pfarrkonvent wird vom Kollegium der Superintendenten zusammen mit der Kirchenleitung vorbereitet und vom Bischof einberufen. Er wird in der Regel vom Bischof oder dessen Vertreter geleitet. 3. Der Allgemeine Pfarrkonvent soll die Verbundenheit aller Amtsträger der Kirche untereinander fördern. Es gehört zu den Aufgaben des Allgemeinen Pfarrkonventes: a) Über Zustand, Weg und Aufgabe der Kirche zu beraten; b) über Fragen der Lehre, des Gottesdienstes und der kirchlichen Praxis zu beraten. Er kann dazu Beschlüsse fassen. Solche Beschlüsse bedürfen der Zustimmung durch die Kirchensynode, wenn sie bindende Wirkung für die Kirche haben sollen; c) der Kirchensynode Vorschläge über die Kanzel- und Abendmahlsgemeinschaft mit anderen Kirchen zu unterbreiten. Diese Vorschläge müssen mindestens mit Zweidrittelmehrheit beschlossen werden; d) Kandidaten für die Wahl des Bischofs zu benennen. 4. Der Allgemeine Pfarrkonvent soll mit einem Hauptgottesdienst eröffnet und geschlossen werden. Während seiner Dauer ist den Mitgliedern ausreichend Gelegenheit zur Einzelbeichte zu geben. Art. 25: Die Kirchensynode 1. Zur Kirchensynode gehören von amtswegen der Bischof, die Mitglieder der Kirchenleitung, die Superintendenten, ein Mitglied der Missionsleitung der Mission Evangelisch-Lutherischer Freikirchen und ein ordentlicher Dozent der Lutherischen Theologischen Hochschule. Außerdem werden aus jedem Kirchenbezirk zwei Pastoren und drei Laienvertreter entsandt. Die Kirchenleitung
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legt fest, welche gesamtkirchlichen Werke und Ausschüsse einen stimmberechtigten Vertreter in die Kirchensynode entsenden. Ihre Gesamtzahl darf acht nicht überschreiten. Die Kirchensynode tritt alle vier Jahre zusammen. Sie muß auch einberufen werden, wenn die Kirchenleitung und das Kollegium der Superintendenten oder drei Bezirkssynoden oder 20 Gemeinden dies für notwendig halten. Die Kirchensynode gibt sich eine Geschäftsordnung. Die Kirchensynode wird von der Kirchenleitung einberufen. Sie wählt sich ihr Präsidium. Bis dahin leitet ein Mitglied der Kirchenleitung die Synode. Der Bischof muß auf Verlangen jederzeit gehört werden. Zu Beginn der Synode werden die Synodalen auf Schrift und Bekenntnis verpflichtet. Wer die Verpflichtung ablehnt, kann nicht Mitglied der Synode sein. Die Synodalen sind nicht an Weisungen gebunden. Die Kirchensynode beschließt über die Anträge, die an sie gerichtet werden. Insbesondere gehört es zu ihren Aufgaben: a) Den Bericht der Kirchenleitung über Lage, Weg und Aufgabe der Kirche entgegenzunehmen und zu erörtern; b) über Fragen der Lehre, des Gottesdienstes und kirchlichen Praxis zu beraten und zu darüber gefaßten Beschlüssen des Allgemeinen Pfarrkonventes Stellung zu nehmen; c) über gesamtkirchliche Ordnungen, einschließlich Abänderungen der Grundordnung, zu beschließen; d) den Bischof zu wählen; e) die Kirchenräte zu wählen und die Berufung des geschäftsführenden Kirchenrats zu bestätigen; f) über Vorschläge des Allgemeinen Pfarrkonvents zu Kanzel- und Abendmahlsgemeinschaft mit anderen Kirchen zu beschließen; g) andere Kirchen in die Selbständige Evangelisch-Lutherische Kirche aufzunehmen und die Aufnahme von Gemeinden in die Kirche zu bestätigen; h) über Neuordnung der Kirchenbezirke und Sprengel zu entscheiden, soweit eine Regelung auf anderer Ebene nicht zustande kommt; i) über die gesamtkirchlichen Werke zu beraten; j) die Ordnung, die Grundsätze und die Richtlinien des Finanzhaushaltes der Kirche festzusetzen; k) die Abrechnung über den kirchlichen Finanzhaushalt entgegenzunehmen und Entlastung zu erteilen. Beschlüsse über Änderungen dieser Grundordnung, über die Aufnahme anderer Kirchen und die Feststellung über Kanzel- und Abendmahlsgemeinschaft bedürfen einer Mehrheit von zwei Dritteln aller Synodalen, jedoch soll dabei Einmütigkeit angestrebt werden. Alle anderen Beschlüsse können mit einfacher Mehrheit der anwesenden Synodalen gefaßt werden.
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Vereinbarungen, Zusammenschlüsse, Vereinigungen
Vorbehalte einzelner Gemeinden gegen Beschlüsse der Kirchensynode müssen spätestens drei Monate nach deren Veröffentlichung bei der Kirchenleitung geltend gemacht werden. Der Bekenntnisstand der Kirche kann nicht durch Beschluß der Kirchensynode verändert werden. Beschlüsse, welche der heiligen Schrift und dem Bekenntnis der Kirche widersprechen, sind ungültig. Verhandlungen im Plenum der Synode sind für alle Glieder der Kirche öffentlich. Jedoch kann die Synode in besonderen Fällen die Öffentlichkeit ausschließen. Beratungsgegenstände für die Kirchensynode können beantragen: a) Die Kirchenleitung und das Kollegium der Superintendenten; b) von der Kirchensynode beauftragte Kommissionen; c) die in der Grundordnung vorgesehenen Pfarrkonvente; d) die Synoden der Kirchenbezirke; e) die Gemeinden oder Pfarrbezirke; f) die Fakultät der Lutherischen Theologischen Hochschule und die Missionsleitung der Mission Evangelisch-Lutherischer Freikirchen; g) einzelne Kirchglieder, wenn ihr Antrag von mindestens 20 stimmberechtigten Kirchgliedern durch Unterschrift unterstützt wird. Die Simmberechtigung richtet sich nach den geltenden Ordnungen. Beratungsgegenstände, die nicht mindestens zwei Monate vor Beginn der Kirchensynode der Kirchenleitung vorgelegen haben, müssen bis zur nächsten Synode vertagt werden, wenn die Kirchenleitung, das Kollegium der Superintendenten oder 15 Synodale es verlangen. Die Kirchensynode sowie jeder einzelne Tag derselben sollen durch einen Abendmahlsgottesdienst eröffnet werden. Jeder Tag soll mit einem Gottesdienst beschlossen werden. Den Synodalen soll ausreichende Gelegenheit zur Einzelbeichte gegeben werden. Übergangs- und Schlußbestimmungen
Art. 26: Inkrafttreten der Grundordnung 1. Die Grundordnung tritt in Kraft, nachdem sie von der Generalsynode der Evangelisch-lutherischen (altluth.) Kirche, der Allgemeinen Synode der EvangelischLutherischen Freikirche und den Diözesansynoden und Diözesankirchenkonventen der Selbständigen Evangelisch-Lutherischen Kirche angenommen worden ist. 2. Der Zeitpunkt des Inkrafttretens wird gemeinsam von den Kirchenleitungen der sich zusammenschließenden Kirchen festgesetzt und bekanntgegeben. Mit dem Inkrafttreten der Grundordnung ist der Zusammenschluß vollzogen.
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Art. 27: Gliederung der Kirchenbezirke 1. Mit dem Inkrafttreten dieser Grundordnung werden die Diözesen und Bezirke der bisherigen Kirchen wie folgt umgegliedert: 1. Die Hannoversche Diözese der Selbständigen Evangelisch-Lutherischen Kirche (Körperschaft des öffentlichen Rechts) zum Kirchenbezirk Niedersachsen/Ost; 2. die Hermannsburg-Hamburger Diözese der Selbständigen EvangelischLutherischen Kirche (Körperschaft des öffentlichen Rechts) zum Kirchenbezirk Niedersachsen/West; 3. die Evangelisch-Lutherische Freikirche in Niedersachsen (Körperschaft des öffentlichen Rechts) zum Kirchenbezirk Niedersachsen/Süd; 4. die Hessische und die Niederhessische Diözese (Renitente Kirche ungeänderter Augsburgischer Konfession) der Selbständigen EvangelischLutherischen Kirche (Körperschaften des öffentlichen Rechts) zum Kirchenbezirk Hessen/Nord; 5. die Evangelisch-Lutherische Freikirche in Hessen (Körperschaft des öffentlichen Rechts) zum Kirchenbezirk Hessen/Süd; 6.-8.die Evangelisch-lutherische (altluth.) Kirche (Körperschaft des öffentlichen Rechts) zu den Kirchenbezirken Rheinland, Westfalen und BerlinWest; 9. die in den Ländern Bayern, Baden-Württemberg, gelegenen Gemeinden der bisherigen Kirchen bilden den Kirchenbezirk Süddeutschland. Sitz der Kirchenbezirke ist der jeweilige Amtssitz des Superintendenten. 2. Die Zugehörigkeit der einzelnen Gemeinden und Pfarrbezirke zu den Kirchenbezirken und die Zugehörigkeit der Kirchenbezirke zu den Sprengeln wird gemeinsam von den Kirchenleitungen der sich zusammenschließenden Kirchen zusammen mit dem Inkrafttreten dieser Grundordnung bekanntgegeben. Art. 28: Rechts- und Funktionsnachfolge 1. In allen Kirchenbezirken, Pfarrbezirken und Gemeinden bleiben die bisherigen kirchlichen Ordnungen in Kraft, soweit nicht Bestimmungen dieser Grundordnung entgegenstehen und solange nicht durch regionale Umgliederung neue Ordnungen geschaffen werden. 2. Die Funktionen der bisherigen Kirchenleitungen der drei zusammengeschlossenen Kirchen gehen mit Inkrafttreten dieser Grundordnung auf die neue Kirchenleitung über. Sie werden bis zu einer Neuregelung, soweit nötig, den bisherigen Ordnungen gemäß von den dazu eingerichteten Organen der bisherigen Kirchenleitungen treuhänderisch wahrgenommen. Entsprechendes gilt für die Kommissionen und Ausschüsse. Die Neuregelung und Übernahme auf die Gesamtkirche soll binnen Jahresfrist erfolgen.
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Vereinbarungen, Zusammenschlüsse, Vereinigungen
3. Die Überführung von Vermögensgegenständen und Verbindlichkeiten der bisherigen Kirchen auf die Selbständige Evangelisch-Lutherische Kirche, auch die Angleichung von Gehalts-, Besoldungs- und Versorgungsordnungen, bleibt einer Sonderregelung vorbehalten. Art. 29: Personeller Übergang 1. Bis zur Einrichtung der Kirchenleitung nach dieser Grundordnung nimmt die bisherige Vertretung der Kirchenleitungen Freier Evangelisch-Lutherischer Kirchen in Deutschland deren Aufgabe wahr. 2. Die Vorsitzenden der bisherigen Kirchenleitungen übernehmen bis zur Neuwahl kommissarisch das Amt der Pröpste. 3. Die bisherigen Superintendenten und Bezirkspräsides übernehmen das Amt der Superintendenten, sofern nicht regionale Umgliederung eine Neuwahl nötig machen. Art. 30: Schaffung der neuen Organe und Ordnungen 1. Der Allgemeine Pfarrkonvent und die Kirchensynode sind binnen Jahresfrist nach Inkrafttreten dieser Grundordnung erstmalig einzuberufen. 2. Eine gesamtkirchliche Pfarrdienstordnung, eine Lehrbeanstandungs- und Disziplinarordnung sowie eine Ordnung des gesamtkirchlichen Finanzwesens sollen der Kirchensynode bis zu ihrer zweiten Tagung vorgelegt werden. 3. Bis zur ersten Versammlung der Kirchensynode ist die Kirchenleitung ermächtigt, vorläufige Ordnungen für die Gesamtkirche zu erlassen. Bleckmar, den 9. März 1971 Die Kirchenleitungen Freier Evangelisch-Lutherischer Kirchen in Deutschland i. A. gez. Dr. Gerhard Rost, Oberkirchenrat Die Kirchenleitungen der Evangelisch-lutherischen (altluth.) Kirche, der Selbständigen Evangelisch-Lutherischen Kirche und der Evangelisch-Lutherischen Freikirche haben in ihrer gemeinsamen Vollsitzung am 29. und 30. November 1971 in Bleckmar bei Soltau folgende Feststellung getroffen: Die Grundordnung der vereinigten Selbständigen Evangelisch-Lutherischen Kirche ist von den gesetzgebenden Körperschaften der beteiligten Kirchen mit verfassungsändernder Mehrheit angenommen worden, und zwar: 1. Von der 29. Generalsynode der Evangelisch-lutherischen (altluth.) Kirche am 30. April 1971 in Wiesbaden; 2. von der 63. Synode der Hermannsburg-Hamburger Diözese der Selbständigen Evangelisch-Lutherischen Kirche am 15. Mai 1971 in Hermannsburg; 3. von der 25. Synode der Hannoverschen Diözese der Selbständigen EvangelischLutherischen Kirche am 5. Juni 1971 in Molzen;
Grundordnung der Selbständigen Evangelisch-Lutherischen Kirche (1972)
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4. vom Pfarrkonvent der Niederhessischen Diözese der Selbständigen Evangelisch-Lutherischen Kirche am 6. Juli 1971 in Kassel; 5. vom Diözesankirchenkonvent der Hessischen Diözese der Selbständigen Evangelisch-Lutherischen Kirche am 21. September 1971 in Widdershausen; 6. von der außerordentlichen (67.) Synode der Evangelisch-Lutherischen Freikirche am 9. Oktober 1971 in Wittingen. Gemäß Artikel 26 Abs. 1 der Grundordnung der Selbständigen EvangelischLutherischen Kirche tritt dieselbe somit in Kraft. Zum Zeitpunkt des Inkrafttretens gemäß Artikel 26 Abs. 2 der Grundordnung haben die genannten Kirchenleitungen in derselben Sitzung folgenden Beschluß gefaßt: Die verbündeten Kirchenleitungen nehmen als spätesten Termin für das Inkrafttreten der Grundordnung der Selbständigen Evangelisch-Lutherischen Kirche den 1. Juli 1972 in Aussicht. Angesichts rechtlich zu beachtender laufender Fristen beauftragen und ermächtigen sie die Vertretung der Kirchenleitungen Freier Evangelisch-Lutherischer Kirchen in Deutschland, den Termin für das Inkrafttreten der Grundordnung endgültig festzusetzen und bekanntzugeben. Bleckmar, den 30. November 1971 Das Oberkirchenkollegium der Evangelisch-lutherischen (altluth.) Kirche gez. Oberkirchenrat Dr. Gerhard Rost, Präsident Die Kirchenleitung der Selbständigen Evangelisch-Lutherischen Kirche gez. Horst Brügmann, Kirchensuperintendent Der Synodalrat der Evangelisch-Lutherischen Freikirche gez. Professor Dr. Hans Kirsten, Präses
1. Allgemeiner Pfarrkonvent der SELK 2.–4.5.1973 in Uelzen.
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Vereinbarungen, Zusammenschlüsse, Vereinigungen
246. Vertrag zur Vereinigung der Evangelisch-Lutherischen Bekenntniskirche (ELBK) mit der Selbständigen-EvangelischLutherischen Kirche (SELK)* (in der Fassung vom 16.6.1975 / 20.–22.6.1975) §1
Zweck
Die ELBK und SELK wollen mit ihrer Vereinigung zu einer Kirche ihrer Einigkeit im Glauben und Bekenntnis sichtbaren Ausdruck verleihen und in der Gemeinsamkeit kirchlichen Handelns alle Aufgaben einer Ev.-Luth. Kirche wahrnehmen und fördern. §2
Überleitung
1. Nach GO 3 (2) erkennt die ELBK die Grundordnung der SELK (GO) in der derzeit gültigen Fassung vom 9. März 1971 als für sich bindend an. Insbesondere Artikel 1 und 2: 1.
2.
Die Selbständige Evangelisch-Lutherische Kirche steht in der Einheit der Heiligen, christlichen und apostolischen Kirche, die überall da ist, wo das Wort Gottes rein gepredigt wird und die Sakramente nach der Einsetzung Christi verwaltet werden, sie bezeugt Jesus Christus als den alleinigen Herrn der Kirche und verkündigt ihn als den Heiland der Welt. Sie ist gebunden an die Heilige Schrift Alten und Neuen Testaments, als an das unfehlbare Wort Gottes, nach dem alle Lehren und Lehrer der Kirche beurteilt werden sollen. Sie bindet sich daher an die Bekenntnisschriften der Evangelisch-Lutherischen Kirche, weil in ihnen die schriftgemäße Lehre bezeugt ist, nämlich an die 3 ökumenischen Symbole (das apostolische, das nicänische, das athanasianische Bekenntnis), an die ungeänderte Augsburgische Konfession und ihre Apologie, die Schmalkaldischen Artikel, den Kleinen und Großen Katechismus Luthers und die Konkordienformel.
Artikel 2: Kirchengemeinschaft 1.
2.
3.
*
Die Selbständige Evangelisch-Lutherische Kirche pflegt Kirchengemeinschaft mit allen Kirchen, die Lehre und Handeln in gleicher Weise an die Heilige Schrift und das Lutherische Bekenntnis binden. Sie verwirft die der Heiligen Schrift und den Lutherischen Bekenntnisschriften widersprechenden Lehren und ihre Duldung sowie jede Union, die gegen Schrift und Bekenntnis verstößt. Sie weiß sich darin einig mit der rechtgläubigen Kirche aller Zeiten.
Ordnungen für die Selbständige Evangelisch-Lutherische Kirche (SELK). Herausgegeben von der Kirchenleitung der SELK, El 16 (2005), 600.1–3.
Vertrag zur Vereinigung
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2. Die ELBK hebt damit die „Satzung der Evangelisch-Lutherischen Bekenntniskirche e.V. Blomberg-Lippe“ auf mit allen Änderungen, wie sie letztmalig durch die Synode in Stubben am 10.6.1972 beschlossen und beim Amtsgericht in Blomberg-Lippe eingetragen worden sind. 3. Die SELK nimmt die ELBK in ihren kirchlichen Verband auf. §3
Ordnungen
1. Die ELBK unterstellt sich mit Inkrafttreten dieses Vertrages allen übrigen bis dahin geltenden gesamtkirchlichen Ordnungen der SELK. 2. Die Gemeinden der ELBK unterstellen sich den Ordnungen der jeweiligen Kirchenbezirke der SELK. 3. In den Pfarrbezirken und Gemeinden der ELBK bleiben die bisherigen Gemeindeordnugen in sinngemäßer Anwendung von GO Art 28 in Kraft. 4. Mit Inkrafttreten der Vereinigung werden alle gesamtkirchlichen Ordnungen der ELBK aufgehoben. §4
Eingliederung
1. Die Gemeinden der ELBK werden in die jeweiligen Kirchenbezirke der SELK wie folgt eingegliedert: a) In den Kirchenbezirk Niedersachsen West: die Gemeinden Bremen, Oldenburg, Rotenburg, Stellenfelde, Stubben, Varel, Walle, Wittorf, b) in den Kirchenbezirk Niedersachsen-Süd: die Gemeinden Blomberg, Hohnhorst, Rodewald/Hannover, c) in den Kirchenbezirk Süddeutschland: die Gemeinden Memmingen und München. 2. Die Kirchenbezirksbeiräte oder ihre Bevollmächtigten mit dem geschäftsführenden Kirchenrat der SELK und die bevollmächtigten Vertreter der betreffenden Gemeinden der ELBK mit dem von der ELBK benannten „Vertrauensmann“ sollen folgende Punkte abschließend regeln: a) Einordnung der Gemeinden in Pfarrbezirke b) Beantragung von Körperschaftsrechten c) Veranlagung der Gemeinden zur Etatumlage d) Überführung der Vermögenswerte e) Versorgungsfragen im Kirchenbezirk Niedersachsen-West §5
Übernahme
1. Die Pastoren der ELBK werden von der SELK mit den in ihr geltenden Rechten und Pflichten übernommen.
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Vereinbarungen, Zusammenschlüsse, Vereinigungen
2. Die bisherigen Versorgungsempfänger der ELBK werden von der SELK übernommen, ihre Bezüge regeln sich nach der zwischen der ELBK und der SELK getroffenen Vereinbarung, zu der die Versorgungsempfänger ihr Einverständnis schriftlich erklärt haben. §6
Vermögen
1. Die SELK tritt als Rechtsnachfolgerin für die Forderungen und Verpflichtungen aus Grundbesitz und Kapitalvermögen ein. Ausgeschlossen bleiben Forderungen der Wisconsin Evangelical-Lutheran Synod. 2. Vom Synodalrat der ELBK gemäß Synodalbeschluss der ELBK vom 25.5.1974 Nr. 3 beschlossene Überführungen von Eigentum der ELBK in Gemeindeeigentum werden von der SELK nach der Vereinigung anerkannt. 3. Bei allen vermögensrechtlichen Substanzveränderungen finden zwischen dem Synodalrat der ELBK und der Kirchenleitung der SELK Konsultationen statt. §7
Durchführung
Über die Vereinigung der ELBK mit der SELK entscheiden: Die 2. Kirchensynode der SELK vom 13.–17.6.1975 auf Antrag des Allgemeinen Pfarrkonvents (nach GO 25 (6) mit 2/3 Mehrheit). Die Synode der ELBK vom 20.–22.6.1975 in Hohnhorst auf Antrag des Synodalrats (nach der Satzung der ELBK Art VIII § 2 mit 3/4 Mehrheit). Der Beschluss zur Vereinigung ist für die ELBK zugleich der Beschluss zur Auflösung der Evangelisch-Lutherischen Bekenntniskirche e.V. §8
Inkrafttreten
Die Vereinigung der beiden Kirchen aufgrund dieses Vertrages tritt nach der Zustimmung beider Synoden am 1.1.1976 in Kraft. Beschlossen auf der 2. Kirchensynode der Selbständigen Evangelisch-Lutherischen Kirche in Bochum am 16. Juni 1975 und der Synode der Evangelisch-Lutherischen Bekenntniskirche vom 20.–22. Juni 1975 in Hohnhorst.
Kirchengemeinschaft
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247. Kirchengemeinschaft zwischen der Evangelisch-lutherischen Kirche in Baden und der Selbständigen EvangelischLutherischen Kirche* Betr.: Kirchengemeinschaft ELKB – SELK Antrag: Der Allgemeine Pfarrkonvent schlägt einmütig der 4. Kirchensynode folgende Entschließung vor: Es wird festgestellt, daß zwischen der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Baden und der Selbständigen Evangelisch-Lutherischen Kirche Kanzel- und Abendmahlsgemeinschaft besteht. F.d.R. gez. J. Junker (Kirchenrat) Hannover, 20.05.1982 Begründung Grundordnung Art. 24 (3) c Art. 25 (5) f
(100.12)
Voraussetzung 1. Annahme der Gemeinsamen Erklärung der ELKB und der SELK vom 13.03.1981 1.1 Die Evangelisch-Lutherische Kirche in Baden (ELKB) und die Selbständige Evangelisch-Lutherische Kirche (SELK) wissen sich gebunden an die heilige Schrift Alten und Neuen Testaments als an das unfehlbare Wort Gottes, nach dem alle Lehren und Lehrer der Kirche beurteilt werden sollen. Sie binden sich daher an die Bekenntnisschriften der Evangelisch-Lutherischen Kirche, weil in ihnen die schriftgemäße Lehre bezeugt ist, nämlich an die drei ökumenischen Symbole (das Apostolische, das Nicänische und das Athanasianische Bekenntnis), an die ungeänderte Augsburgische Konfession und ihre Apologie, die Schmalkaldischen Artikel, den kleinen und großen Katechismus Luthers und die Konkordienformel. *
4. Kirchensynode der SELK, Allendorf/Lumda 13.–18.9.1983. Anträge. 1–0100.
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Vereinbarungen, Zusammenschlüsse, Vereinigungen
1.2 Die beiden Kirchen verwerfen jede der Heiligen Schrift und dem Lutherischen Bekenntnis widersprechende Lehre und ihre Duldung. 2.1 Die ELKB und SELK üben Kirchengemeinschaft mit allen Kirchen, die sich in gleicher Weise wie sie an die Heilige Schrift und das Lutherische Bekenntnis binden. 2.2 Sie verwerfen hingegen jede schriftwidrige Union, bei der Kanzel- und Abendmahlsgemeinschaft ohne Übereinstimmung in der Lehre des Evangeliums und in der Verwaltung der Sakramente ausgeübt wird. 3.1 Die ELKB und SELK lehnen die Leuenberger Konkordie ab, weil diese kein gemeinsames Verständnis des Evangeliums zum Ausdruck bringt. 3.2 Die SELK ist daher außerstande, mit Kirchen, welche die Leuenberger Konkordie angenommen haben, Kirchengemeinschaft im Sinne von Kanzel- und Abendmahlsgemeinschaft auszuüben. 3.3 Die ELKB ihrerseits ist außerstande, Kanzel- und Abendmahlsgemeinschaft dort zu praktizieren, wo Kirchengemeinschaft im Sinne der Leuenberger Konkordie ausgeübt wird. 4. Die ELKB und SELK betrachten ihre Mitarbeit oder Mitgliedschaft in zwischenkirchlichen und ökumenischen Gruppierungen und Organisationen als cooperatio in externis und nicht im Sinne von Kanzel- und Abendmahlsgemeinschaft. Angenommen: SELK: 24.09.1981 Allgemeiner Pfarrkonvent in Farven ELKB: 20.03.1982 Synode der ELKB in Freiburg
Kirchengemeinschaft
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2. Amtliches Schreiben des Superintendenten der ELKB an das Lutherische Kirchenamt zur Klärung der Frage der Kirchengemeinschaft zwischen der ELKB und der VELKD nach Leuenberg im Sinne der Gemeinsamen Erklärung: An den Leiter des Lutherischen Kirchenamtes Richard-Wagner-Str. 26 3000 Hannover 1 20.10.1982 Sehr geehrter Herr Präsident, als 1965 die Beziehungen der VELK zur ELKB neu geordnet wurden, geschah dies in dem Wunsch, „mit dieser Neuordnung des Verhältnisses zur ELKB einen Beitrag zur Lösung der mannigfachen kirchlichen und theologischen Probleme der außerhalb der Lutherischen Landeskirchen stehenden freien lutherischen Kirchen in Deutschland zu geben“. Es hat sich freilich in der Zwischenzeit gezeigt, daß diese Neuordnung der Beziehung der Badischen Kirche zur VELKD das Verhältnis zu der durch Zusammenschluß der übrigen lutherischen Freikirchen 1972 gebildeten Selbständigen Evangelisch-Lutherischen Kirche nicht gefördert hat. Jahrelange Bemühungen, die Kirchengemeinschaft zwischen der SELK und der ELKB wieder herzustellen, führten nunmehr zu einer gemeinsamen Erklärung vom 10.3.1981. Der Allgemeine Pfarrkonvent der SELK hat am 24.9.1981 eine Empfehlung an die 1983 tagende Kirchensynode der SELK beschlossen, aufgrund dieser gemeinsamen Erklärung Kirchengemeinschaft mit der ELKB festzustellen. Die Synode unserer Kirche hat am 20.3.1982 ihrerseits der gemeinsamen Erklärung zugestimmt und den Superintendenten beauftragt, dem Lutherischen Kirchenamt hiervon Mitteilung zu machen. Ich bringe Ihnen diese gemeinsame Erklärung, die sich weitgehend selbst interpretiert, hiermit offiziell zur Kenntnis (siehe Anlage). Mit ihrer Zustimmung zur gemeinsamen Erklärung wollte die Synode ihren Beitrag leisten zur Wiederherstellung der Gemeinschaft zwischen den Lutherischen Freikirchen unseres Landes. Nach dem Willen der Synode berührt Abschnitt 3.3 der gemeinsamen Erklärung nicht die Zulassung von Lutheranern aus Kirchen, mit denen die ELKB in Kirchengemeinschaft steht; jedoch wird die ELKB niemanden nötigen, Kanzel- und Abendmahlsgemeinschaft im Sinne der Leuenberger Konkordie zu praktizieren. Abschnitt 4 stellt klar, daß die Mitarbeit oder Mitgliedschaft in zwischenkirchlichen Organisationen (z.B. in der Arbeitsgemeinschaft Christlicher Kirchen), in denen Kirchen mitarbeiten, mit denen die ELKB nicht in Kirchengemeinschaft steht, nicht als eine Form von Kirchengemeinschaft missverstanden werden darf. Unsere weiter bestehenden Beziehungen zum DNK/LWB und zur VELKD sind im Lichte dieses Briefes zu sehen.
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Vereinbarungen, Zusammenschlüsse, Vereinigungen
Die SELK erhält von uns einen Abdruck dieses Briefes. Mit freundlichen Grüßen Ihr (gez.) Gottfried Daub Superintendent
248. Schlusserklärung der Evangelisch-lutherischen Kirche in Baden und der Selbständigen Evangelisch-Lutherischen Kirche zur Kasseler Übereinkunft * Nachdem die 4. Kirchensynode der SELK am 14. September 1983 festgestellt hat, „daß zwischen der Evang.-Luth. Kirche in Baden und der Selbständigen Evang.Luth. Kirche Kanzel- und Abendmahlsgemeinschaft besteht“, haben der Synodalausschuß der ELKB und die Kirchenleitung der SELK am 19. Mai 1984 und am 22. Juni 1985 über die weitere Zusammenarbeit der beiden Kirchen beraten. Sei geben dazu folgende Erklärung ab: 1. Die Kasseler Übereinkunft in der Neufassung vom 31. Januar 1975 sollte die Stellung der Gemeinden Ispringen und Pforzheim regeln in der Zeit, in der zwischen den beiden Kirchen keine Kirchengemeinschaft bestand. Nach dem Erreichen der Kirchengemeinschaft tritt sie außer Kraft. 2. Die Pfarrer Horst Nickisch und Detlev Rost bleiben weiterhin kraft des ihnen zugebilligten Personalstatus Glieder des Allgemeinen Pfarrkonvents der SELK, sofern sie nicht von sich aus darauf verzichten. 3. Die beiden Kirchenleitungen nehmen die Schreiben der Kirchenvorstände Ispringen und Pforzheim vom 7. bzw. 8. April 1984 zur Kenntnis, wonach die Gemeinden Ispringen und Pforzheim ihren bisherigen kirchlichen Standpunkt weiterhin vertreten wollen. 4. Die beiden Kirchenleitungen wollen ihre Kontakte verstärken und mindestens einmal jährlich zusammenkommen auch dann, wenn keine aktuelle Veranlassung besteht. 5. Die beiden Kirchenleitungen sind sich einig, daß die Pfarrämter beider Kirchen den Umzug von Gemeindegliedern einander mitteilen sollen. Eine „Überweisung“ der Glieder in die Schwesterkirche kann freilich nicht gegen den Willen der Verziehenden erfolgen. Kirchglieder, die aus dem Bereich der einen Kirche in den Bereich der anderen verziehen, sollen eine entsprechende Information erhalten. Verabschiedet in Oberursel am 22. Juni 1985 Der Synodalausschuß der Ev.-Luth. Kirche in Baden *
Dokumentation zur Geschichte des Verhältnisses zwischen der Selbständigen EvangelischLutherischen Kirche (SELK) und der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Baden (ELKiB), 8. Allgemeiner Pfarrkonvent, Uelzen 2.–6.6.1997, 300, 28.
Kasseler Übereinkunft
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gez. (Gottfried Daub) Superintendent Die Kirchenleitung der Selbständigen Ev.-Luth. Kirche gez. (Dr. Gerhard Rost, LL.D.) Bischof
Klitten/Oberlausitz, Johanneskirche, Unterzeichnung der Vereinbarung über die kirchliche Vereinigung zwischen Selbständiger Evangelisch-Lutherischer Kirche (in der „alten“ Bundesrepublik bis 1990) und Evangelisch-lutherischer (altlutherischer) Kirche (in der ehemaligen DDR) durch Bischof Dr. Jobst Schöne (am Tisch links) und Kirchenrat Johannes Zellmer (am Tisch rechts). Aufnahme: 12.10.1990.
249. Vereinbarung über den Beitritt der Evangelisch-lutherischen (altlutherischen) Kirche zur Selbständigen EvangelischLutherischen Kirche* (in der Fassung vom 12.–14.10.1990 / 2.–7.7.1991) Präambel Die Evangelisch-lutherische (altlutherische) Kirche in der Deutschen Demokratischen Republik war durch die staatlichen Verhältnisse bisher gehindert, den 1972 erfolgten Zusammenschluss der mit ihr verbundenen lutherischen Kirchen in der Bundesrepublik Deutschland, nämlich der damaligen – Selbständigen Evangelisch-Lutherischen Kirche, – Evangelisch-lutherischen (altluth.) Kirche und – Evangelisch-Lutherischen Freikirche *
Ordnungen für die Selbständige Evangelisch-Lutherische Kirche (SELK). Herausgegeben von der Kirchenleitung der SELK, El 16 (2005), 601.1–4.
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Vereinbarungen, Zusammenschlüsse, Vereinigungen
zur Selbständigen Evangelisch-Lutherischen Kirche mitzuvollziehen. Nachdem die bisherigen Hindernisse entfallen sind, beabsichtigt die Evangelisch-lutherische (altlutherische) Kirche, sich dem in der Bundesrepublik Deutschland erfolgten Zusammenschluss lutherischer Kirchen anzuschließen. Sie will damit der Einigkeit im Glauben und Bekenntnis sichtbaren Ausdruck verleihen und in der Gemeinsamkeit kirchlichen Handelns alle Aufgaben einer evangelisch-lutherischen Kirche wahrnehmen und fördern. Sie macht sich damit den Beschluss der 29. Generalsynode der Evangelischlutherischen (altluth.) Kirche vom 26. bis 30. April 1971 in Wiesbaden zu Eigen, der wie folgt lautet: „Die 29. Generalsynode der Evangelisch-lutherischen (altluth.) Kirche nimmt die Vorlage der Kirchenleitungen Freier Evangelisch-Lutherischer Kirchen in Deutschland: Grundordnung der Selbständigen EvangelischLutherischen Kirche, an.“ Aus diesem Grund treffen die Evangelisch-lutherische (altluth.) Kirche – vertreten durch das Oberkirchenkollegium in Berlin – und die Selbständige Evangelisch-Lutherische Kirche – vertreten durch die Kirchenleitung in Hannover – hiermit folgende Vereinbarung: §1 1. Die Evangelisch-lutherische (altluth.) Kirche erklärt ihre Übereinstimmung mit Artikel 1 der Grundordnung (GO) der Selbständigen Evangelisch-Lutherischen Kirche, in dem der Bekenntnisstand wie folgt festgestellt ist: 1.
2.
Die Selbständige Evangelisch-Lutherische Kirche steht in der Einheit der heiligen, christlichen und apostolischen Kirche, die überall da ist, wo das Wort Gottes rein gepredigt wird und die Sakramente nach der Einsetzung Christi verwaltet werden. Sie bezeugt Jesus Christus als den alleinigen Herrn der Kirche und verkündigt ihn als den Heiland der Welt. Sie ist gebunden an die Heilige Schrift Alten und Neuen Testaments als an das unfehlbare Wort Gottes, nach dem alle Lehren und Lehrer der Kirche beurteilt werden sollen. Sie bindet sich daher an die Bekenntnisschriften der Evangelisch-Lutherischen Kirche, weil in ihnen die schriftgemäße Lehre bezeugt ist, nämlich an die drei ökumenischen Symbole (das Apostolische, das Nicänische und das Athanasianische Bekenntnis), an die ungeänderte Augsburgische Konfession und ihre Apologie, die Schmalkaldischen Artikel, den Kleinen und Großen Katechismus Luthers und die Konkordienformel.
2. Die Evangelisch-lutherische (altluth.) Kirche erkennt die Grundordnung der Selbständigen Evangelisch-Lutherischen Kirche als verbindlich an und erklärt
Kasseler Übereinkunft
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zugleich ihren Beitritt zu der Selbständigen Evangelisch-Lutherischen Kirche gem. Art 3 Abs 2 GO. §2 1. Die Selbständige Evangelisch-Lutherische Kirche stimmt dem vorstehend erklärten Beitritt zu. 2. Sie verpflichtet sich, ihre Grundordnung den sich durch den Beitritt entstehenden Gegebenheiten anzupassen. Die im Einzelnen vorgesehenen Änderungen der Grundordnung sind in der Anlage zu dieser Vereinbarung aufgeführt. Sie sind mit dem Oberkirchenkollegium abgestimmt und werden von der Kirchenleitung der Selbständigen Evangelisch-Lutherischen Kirche der für 1991 vorgesehenen Kirchensynode zur endgültigen Verabschiedung vorgelegt. §3
Kirchliche Ordnungen
1. Mit dem Inkrafttreten dieser Vereinbarung werden für die Evangelischlutherische (altluth.) Kirche und ihre Gemeinden alle derzeit geltenden Ordnungen der Selbständigen Evangelisch-Lutherischen Kirche verbindlich. Zugleich treten alle bisherigen Ordnungen der Evangelisch-lutherischen (altluth.) Kirche außer Kraft. 2. Diözesen und Gemeinden der Evangelisch-lutherischen (altluth.) Kirche verpflichten sich, bis zum Inkrafttreten dieser Vereinbarung Kirchenbezirks- und Gemeindeordnungen zu verabschieden, die den jeweiligen Ordnungen der Selbständigen Evangelisch-Lutherischen Kirche entsprechen. §4
Eingliederung
1. Mit dem Inkrafttreten dieser Vereinbarung bildet die Evangelisch-lutherische (altluth.) Kirche einen eigenen Sprengel innerhalb der Selbständigen Evangelisch-Lutherischen Kirche. 2. Die bisherigen Diözesen der Evangelisch-lutherischen (altluth.) Kirche, nämlich die – Märkische Diözese, – Sächsisch-Thüringische Diözese und – Lausitzer Diözese werden Kirchenbezirke dieses Sprengels. Der Kirchenbezirk Berlin (West) der Selbständigen Evangelisch-Lutherischen Kirche wird in den neuen Sprengel eingegliedert. Sitz der Kirchenbezirke ist der Amtssitz des jeweiligen Superintendenten.
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Vereinbarungen, Zusammenschlüsse, Vereinigungen
3. Änderungen der Zugehörigkeit von Gemeinden und Pfarrbezirken zu den Kirchenbezirken können nach den für die Selbständige Evangelisch-Lutherische Kirche geltenden Ordnungen vorgenommen werden. §5
Übernahme der Pfarrer und Versorgungsempfänger
1. Die Pfarrer und Vikare der Evangelisch-lutherischen (altluth.) Kirche werden von der Selbständigen Evangelisch-Lutherischen Kirche mit den bisher für sie geltenden Rechten und Pflichten übernommen. Mit dem Inkrafttreten dieser Vereinbarung gelten für sie das Pfarrerdienstrecht und die Besoldungsregelungen der Selbständigen Evangelisch-Lutherischen Kirche, die letzteren jedoch mit der Einschränkung, dass die Höhe der Bezüge vorerst unverändert bleibt. Die Selbständige Evangelisch-Lutherische Kirche verpflichtet sich, die Bezüge nach ihren finanziellen Möglichkeiten und unter Würdigung des Beitragsaufkommens der Gemeinden stufenweise anzuheben und möglichst innerhalb von fünf Jahren voll an die Besoldungsregelung der Selbständigen EvangelischLutherischen Kirche anzupassen. Einzelheiten hierzu können die Kirchenleitungen vor Inkrafttreten dieser Vereinbarung in gegenseitiger Abstimmung regeln. 2. Die bisherigen Versorgungsempfänger der Evangelisch-lutherischen (altluth.) Kirche werden von der Selbständigen Evangelisch-Lutherischen Kirche mit allen bestehenden Rechten und Pflichten übernommen. Die Versorgungsbezüge bleiben vorerst unverändert. Bezüglich der Anhebung der Versorgungsbezüge und der Anpassung der Leistungen an die Regelungen der Selbständigen Evangelisch-Lutherischen Kirche gilt die im vorstehenden Absatz getroffene Regelung entsprechend. §6
Vermögensregelung
1. Mit dem Inkrafttreten dieser Vereinbarung gehen alle Vermögenswerte der Evangelisch-lutherischen (altluth.) Kirche (Grundbesitz, Kapital- und Finanzwerte sowie sonstiges Vermögen) auf die Selbständige Evangelisch-Lutherische Kirche als Rechtsnachfolgerin über; die Selbständige Evangelisch-Lutherische Kirche übernimmt zugleich alle Verbindlichkeiten der Evangelischlutherischen (altluth.) Kirche. Die Einzelheiten hierzu werden von den Kirchenleitungen geregelt. 2. Vermögenswerte und Verbindlichkeiten der Gemeinden und Diözesen der Evangelisch-lutherischen (altluth.) Kirche werden von der vorstehenden Regelung nicht berührt. Sie verbleiben bei den bisherigen Rechtsträgern.
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§7
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Kirchliche Ämter
1. Die Aufgaben, Rechte und Funktionen des Oberkirchenkollegiums der Evangelisch-lutherischen (altluth.) Kirche gehen mit dem Inkrafttreten dieser Vereinbarung auf die Kirchenleitung der Selbständigen Evangelisch-Lutherischen Kirche über. 2. Der bisherige Geschäftsführende Kirchenrat im Oberkirchenkollegium übernimmt kommissarisch bis zu einer späteren Neuwahl das Amt des Propstes in dem neu entstehenden Sprengel. Er ist damit von Amts wegen Mitglied der Kirchenleitung der Selbständigen Evangelisch-Lutherischen Kirche. 3. Das Oberkirchenkollegium nominiert bis zum Inkrafttreten dieser Vereinbarung eine Person aus dem Kreis der Laien, die mit dem Inkrafttreten dieser Vereinbarung das Amt eines Kirchenrats in der Selbständigen EvangelischLutherischen Kirche übernimmt. Ihre Amtszeit endet mit der ersten Kirchensynode, die nach dem Inkrafttreten dieser Vereinbarung stattfindet. 4. Die bisherigen Superintendenten der Evangelisch-lutherischen (altluth.) Kirche führen ihr Amt als Superintendenten der zukünftigen Kirchenbezirke weiter, sofern nicht regionale Umgliederungen eine Neubesetzung notwendig machen. §8
Inkrafttreten dieser Vereinbarung
Die Vereinbarung kann nach den Ordnungen beider Kirchen erst in Kraft treten, wenn sie von der Generalsynode der Evangelisch-lutherischen (altluth.) Kirche und von der Kirchensynode der Selbständigen Evangelisch-Lutherischen Kirche verabschiedet ist. Sobald die entsprechenden Beschlüsse der Synoden vorliegen, bestimmen die Kirchenleitungen einvernehmlich den Zeitpunkt des Inkrafttretens. Verabschiedet vom Oberkirchenkollegium der Evangelisch-lutherischen (altluth.) Kirche und der Kirchenleitung der Selbständigen Evangelisch-Lutherischen Kirche am 1. September 1990 in Hannover. Von der 35. Generalsynode der Evangelischlutherischen (altluth.) Kirche in Klitten (12.–14. Oktober 1990) und der 7. Kirchensynode der Selbständigen Evangelisch-Lutherischen Kirche in Wiesbaden (2.– 7. Juli 1991) angenommen.
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Vereinbarungen, Zusammenschlüsse, Vereinigungen
7. Kirchensynode der SELK 2.–7.7.1991 in Wiesbaden.
250. Vereinbarung über eine Kooperation zwischen der Selbständigen Evangelisch-Lutherischen Kirche (SELK) und der Concordia-Gemeinde, evangelisch-lutherische Freikirche e.V. * in Celle (Concordia-Gemeinde) (in der Fassung vom 22.11.2004) 1.
Präambel
1. Die SELK und die Concordia-Gemeinde sehen sich nach ihren Verfassungen (Grundordnung und Gemeindesatzung) gebunden an die Heilige Schrift Alten und Neuen Testaments und an die Bekenntnisschriften der evangelisch-lutherischen Kirche, wie sie im Concordienbuch von 1580 zusammengefasst sind. 2. Auch wenn zwischen beiden Kirchen keine Kirchengemeinschaft besteht, wollen sie in einzelnen Bereichen miteinander kooperieren und ihre Beziehungen zueinander vertiefen. 2.
Pfarramt der Concordia-Gemeinde
1. Ist das Pfarramt der Concordia-Gemeinde vakant oder ist eine Vakanz abzusehen, wird die SELK die Concordia-Gemeinde beraten und ihr helfen, einen geeigneten lutherischen Pastor für die Pfarrstelle zu finden. Sie wird auf Wunsch der Concordia-Gemeinde mit geeignet erscheinenden Kandidaten sprechen und der Concordia-Gemeinde Vorschläge für die Besetzung der Pfarrstelle unterbreiten. Eine Verpflichtung, einen Pastor der SELK zur Verfügung zu stellen, übernimmt die SELK nicht. *
Ordnungen für die Selbständige Evangelisch-Lutherische Kirche (SELK). Herausgegeben von der Kirchenleitung der SELK, El 16 (2005), 607.1–2.
Vereinbarung über eine Kooperation
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2. Sofern der Pastor der Concordia-Gemeinde z.B. durch Krankheit oder Urlaub verhindert ist, sein Amt auszuüben, wird die Concordia-Gemeinde – soweit nötig – die SELK um eine Pfarramtsvertretung bitten. Die SELK, vertreten durch den Superintendenten des Kirchenbezirks Niedersachsen-Süd, wird für eine geeignete Vertretung sorgen. 3.
Visitationen
1. Die Concordia-Gemeinde wünscht und ist bereit, sich von der SELK visitieren zu lassen. Die SELK ist dazu bereit. Visitator soll der jeweilige Superintendent des Kirchenbezirks Niedersachsen-Süd sein. 2. Eine Visitation wird vom Kirchenvorstand der Concordia-Gemeinde beim zuständigen Superintendenten der SELK erbeten und von ihm durchgeführt. Eine Visitation kann auch beantragt werden vom Pastor oder von drei Vorstandsmitgliedern der Concordia-Gemeinde. Eine Visitation soll spätestens nach jeweils sieben Jahren stattfinden. 3. Der Visitator ist berechtigt, Einblick in alle Unterlagen der ConcordiaGemeinde zu nehmen. Im Übrigen gilt die Visitationsordnung der SELK als Orientierung in den für die Concordia-Gemeinde zutreffenden Bereichen. 4. Der Visitator wird seinen Visitationsbericht innerhalb von sechs Wochen nach dem Abschluss der Visitation dem Pastor und den anderen Mitgliedern des Vorstands der Concordia-Gemeinde zuleiten. 4.
Sonstige Zusammenarbeit
Die SELK und die Concordia-Gemeinde wollen ihre Beziehungen zueinander auf regionaler Ebene vertiefen durch: – gegenseitige Einladungen zu regionalen Veranstaltungen, z.B. Vorträgen, Jubiläen, Fortbildungsmaßnahmen, Gemeindeseminaren, Kinderbibelwochen u.ä.; – Begegnungen und Zusammenarbeit auf kirchenmusikalischem Gebiet. 5.
Verschiedenes
Soweit Vertreter der SELK nach Nr. 2 (2) oder Nr. 3. für die Concordia-Gemeinde tätig werden, wird die Concordia-Gemeinde Auslagen nach den in der SELK geltenden Regelungen erstatten und die in der SELK üblichen Aufwandsentschädigungen zahlen. 6.
Abendmahlszulassung
Bei gegenseitigen Besuchen von Abendmahlsgottesdiensten handeln Gemeinde und Pfarrer im Rahmen der in der Präambel festgestellten Gemeinsamkeit und
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Vereinbarungen, Zusammenschlüsse, Vereinigungen
nach den jeweiligen Ordnungen ihrer Kirche. Die Christus-Gemeinde Celle der SELK und die Concordia-Gemeinde Celle erklären ihre gegenseitige Gastbereitschaft am Tisch des Herrn. Diese Vereinbarung wurde am 7. Juni 2001 von Vertretern der SELK und der Concordia-Gemeinde in Celle unterzeichnet. Letzte Fassung: Ergänzung vom 22. November 2004 (Hannover/Celle).
251. Vereinbarung zwischen der Selbständigen EvangelischLutherischen Kirche und The Lutheran Church-Canada * (in der Fassung vom 30.7.1990 / 4.7.1991) Hintergrund Im Mai 1988 haben die meisten kanadischen Gemeinden, Pfarrer und Lehrer der Lutheran Church-Missouri Synod beschlossen, einen neuen Kirchenkörper zu konstituieren unter dem Namen The Lutheran Church-Canada. Dieser neue Kirchenkörper ist Rechtsnachfolger der Lutheran Church-Missouri Synod in Kanada und hat beschlossen, bei gleicher Lehre und Praxis zu bleiben, wie sie die Mutterkirche hat. Die Lutheran Church-Canada wünscht jetzt ihre eigenen Beziehungen zur Selbständigen Evangelisch-Lutherischen Kirche zu ordnen, obgleich ihre Kirchglieder schon bisher als Teil der Lutheran Church-Missouri Synod in solcher Gemeinschaft gestanden haben. I.
Die Grundlage unserer Partnerschaft
1.1 Die Selbständige Evangelisch-Lutherische Kirche (SELK) und die Lutheran Church-Canada (LC-C) stellen hierdurch fest, dass sie den Bekenntnisstand annehmen und unterschreiben, wie er in den jeweiligen Verfassungen festgelegt ist: The Lutheran Church-Canada, Constitution, Artikel II: „Die Synode, und jedes Glied der Synode, nehmen ohne Vorbehalt an: 1. Die Heilige Schrift Alten und Neuen Testaments als das geschriebene Wort Gottes und einzige Regel und Norm des Glaubens und Handelns; 2. alle symbolischen Bücher der Evangelisch-Lutherischen Kirche als rechte und unverfälschte Erklärung und Darlegung des Wortes Gottes, dies sind: die drei
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Ordnungen für die Selbständige Evangelisch-Lutherische Kirche (SELK). Herausgegeben von der Kirchenleitung der SELK, El 16 (2005), 602.1–3.
Vereinbarung
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ökumenischen Glaubensbekenntnisse (das Apostolische, das Nicänische, das Athanasianische), die ungeänderte Augsburgische Konfession, die Apologie der Augsburgischen Konfession, die Schmalkaldischen Artikel, den Großen Katechismus Luthers, den Kleinen Katechismus Luthers und die Konkordienformel.“ Die Selbständige Evangelisch-Lutherische Kirche, Grundordnung, Art 1: 1. Die Selbständige Evangelisch-Lutherische Kirche steht in der Einheit der heiligen, christlichen und apostolischen Kirche, die überall da ist, wo das Wort Gottes rein gepredigt wird und die Sakramente nach der Einsetzung Christi verwaltet werden. Sie bezeugt Jesus Christus als den alleinigen Herrn der Kirche und verkündigt ihn als den Heiland der Welt. 2. Sie ist gebunden an die Heilige Schrift Alten und Neuen Testaments als an das unfehlbare Wort Gottes, nach dem alle Lehren und Lehrer der Kirche beurteilt werden sollen. Sie bindet sich daher an die Bekenntnisschriften der Evangelisch-Lutherischen Kirche, weil in ihnen die schriftgemäße Lehre bezeugt ist, nämlich an die drei ökumenischen Symbole (das Apostolische, das Nicänische und das Athanasianische Bekenntnis), an die ungeänderte Augsburgische Konfession und ihre Apologie, die Schmalkaldischen Artikel, den Kleinen und Großen Katechismus Luthers und die Konkordienformel.
1.2 Beide Kirchen teilen den gemeinsamen Glauben an Jesus Christus, den Sohn Gottes und Menschensohn, als Herrn und Heiland. Es gibt kein Heil außer ihm. Wir bekennen freudig die Hauptlehre der Lutherischen Bekenntnisse, nämlich dass der Sünder gerechtfertigt wird vor Gott aus Gnaden, durch den Glauben an das Erlösungswerk Christi. II.
Der Ausdruck unserer Partnerschaft
2.1 Die Selbständige Evangelisch-Lutherische Kirche und die Lutheran Church-Canada erklären hiermit, dass sie untereinander in Kanzel- und Abendmahlsgemeinschaft stehen. 2.2 In Kanzel und Abendmahlsgemeinschaft zu stehen schließt Folgendes ein: Pfarrer deren Qualifikation in je einem der beiden Kirchenkörper erteilt und nicht eingeschränkt ist, können zum Dienst in den anderen Kirchenkörper berufen werden ohne theologisches Kolloquium. Theologen, die die Ausbildung abgeschlossen haben und denen die Berufbarkeit in einem der Kirchenkörper zugesprochen
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Vereinbarungen, Zusammenschlüsse, Vereinigungen
worden ist, sind auch qualifiziert für eine Berufung im jeweils anderen Kirchenkörper. (Jede der beiden Kirchen hat jedoch das Recht, noch andere Qualifikationsmerkmale festzusetzen, zum Beispiel Sprachkenntnisse.) Kirchglieder, die zu den Sakramenten zugelassen sind, sind auch willkommen an den Altären der jeweils anderen Kirche, wobei natürlich die örtliche gemeindliche Praxis der Anmeldung u.ä. zu beachten ist. Pfarrer können gemeinsam das Heilige Abendmahl zelebrieren und in der jeweils anderen Kirche predigen. Theologiestudenten können einen Teil ihrer theologischen Studien in einem Seminar der jeweils anderen Kirche absolvieren unter der Voraussetzung, dass beide beteiligten Ausbildungsstätten ihre Zustimmung geben. III.
Das Ziel unserer Partnerschaft
3.1 Auf der Grundlage unseres gemeinsamen Glaubensbekenntnisses hat unsere Partnerschaft das Ziel, die Sendung Christi zu erfüllen, die er seiner Kirche gegeben hat, nämlich „Ihr werdet meine Zeugen sein … bis an das Ende der Erde“ (Apostelgeschichte 1,8), so dass „alle Zungen bekennen sollen, dass Jesus Christus der Herr ist, zur Ehre Gottes, des Vaters“ (Phil. 2,11). Dieses Ziel soll unser vornehmliches Bemühen sein. Zu diesem Zweck versprechen wir in Partnerschaft zusammenzuarbeiten und die Mittel dafür einzusetzen, die Gott jeder der beiden Kirchen gibt. 3.2 Mit unserem Bemühen, den großen Auftrag zu erfüllen, wollen wir darnach streben zusammenzuarbeiten in: – Aktivitäten gegenseitiger Ermutigung und Unterstützung mit der Verpflichtung füreinander einzutreten vor Gott in Gebet und Fürbitte. – Missionarischem Einsatz zu Hause wie in der Heidenmission, wobei eingeschlossen sein kann, dass eine Kirche der anderen personelle Unterstützung gewährt unter gegenseitig vereinbarten Bedingungen. – Aktivitäten der Ausbildung, durch welche das Lehrangebot an den Hochschulen beider Kirchen bereichert werden kann. – Gegenseitiger Information in Bezug auf Tätigkeiten und Herausforderungen, denen die jeweiligen Kirchen gerecht werden müssen. IV.
Zwischenkirchliche Beziehungen
Aufgrund ihrer Unabhängigkeit kann jede der beiden Kirchen nach eigenem Ermessen Beziehungen aufnehmen mit anderen Kirchenkörpern, kirchlichen Verbänden und Zusammenschlüssen und dergleichen. Jedoch soll um unserer gemein-
Vereinbarung
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samen Beziehung zueinander keine Kirche solche Beziehungen förmlich aufnehmen ohne vorherige Konsultation der anderen Kirche. Überdies wird keine Kirche ohne vorherige Zustimmung der anderen Missionsarbeit aufnehmen in einem Lande, in dem die jeweils andere Kirche bereits arbeitet, oder dorthin finanzielle Unterstützung geben. V.
Kommunikation
Um der guten Ordnung willen sollen die offiziellen Verbindungen zwischen den beiden Kirchen über den Bischof der SELK und den Präses der LC-C laufen. Offizielle Kontakte durch andere Gremien oder Einrichtungen der Kirche (z.B. Hochschulen) sollen in der Weise aufgenommen werden, dass der jeweilige Bischof/Präses voll informiert werden. Abschluss Weil diese Vereinbarung zwischen beiden Kirchenkörpern als ganzen getroffen wird, schließt sie auch alle kirchlichen Einrichtungen beider Kirchen ein, z.B. alle Werke, Kommissionen, Einrichtungen und dergleichen. Diese Vereinbarung kann auf Wunsch von einem der Partner einer Überarbeitung unterzogen werden. Wir befehlen diesen gegenseitigen Ausdruck unserer Partnerschaft dem Segen Gottes und bitten Ihn, die innere Einheit von Glauben und Sendung zu vertiefen und zu stärken, die ihren äußerlichen Vereinbarungen Sinn und Wert verleiht. gez. Dr. Jobst Schöne (Bischof der SELK) 4. Juli 1991 gez. Edwin Lehman (Präses der LC-C) 30. Juli 1990 Diese Übereinkunft wurde der Convention der Lutheran Church-Canada (1990) und der 7. Kirchensynode der Selbständigen Evangelisch-Lutherischen Kirche (1991) zur Bestätigung vorgelegt. Zu diesem Zeitpunkt wurde das Dokument von dem betreffenden Bischof/Präses im Namen seiner Kirche unterzeichnet.
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Vereinbarungen, Zusammenschlüsse, Vereinigungen
Dr. Jobst Schöne, DD., *1931, Bischof der SELK 1985–1996, Aufnahme: vor 1996.
252. Partnerschaftsvereinbarung zwischen der Igreja Evangélica Luterana do Brasil und der Selbständigen EvangelischLutherischen Kirche* (in der Fassung vom 24.6.1994) Wir, die Evangelisch-Lutherische Kirche von Brasilien (Igreja Evangélica Luterana do Brasil), im Folgenden IELB genannt, vertreten durch ihren Präses Pastor Leopoldo Heimann, und die Selbständige Evangelisch-Lutherische Kirche in Deutschland, im Folgenden SELK genannt, vertreten durch ihren Bischof Dr. Jobst Schöne, wollen auf Grund unserer Einigkeit im Glauben unsere Partnerschaft nach den folgenden Grundsätzen regeln. Grundsatz eins Die Grundlage unserer Partnerschaft besteht in Annahme der Bekenntnisverpflichtung und in Zustimmung zu ihr, wie dies in der Grundordnung/Verfassung der beiden Kirchen folgendermaßen zum Ausdruck gebracht wird: Verfassung der IELB, Artikel III: „Die IELB nimmt alle kanonischen Bücher der Heiligen Schrift Alten und Neuen Testaments als unfehlbares, geoffenbartes Wort Gottes an. Sie nimmt die Symbolischen Bücher der Evangelisch-Lutherischen Kirche als einzige korrekte Darlegung der Heiligen Schrift an, wie diese im Konkordienbuch aus dem Jahre fünf*
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Partnerschaftsvereinbarung
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zehnhundertundachtzig (1580) enthalten sind, und sie wird keine Änderung dieser Lehrnorm zulassen.“ Grundordnung der SELK, Artikel 1: 1. Die Selbständige Evangelisch-Lutherische Kirche steht in der Einheit der heiligen, christlichen und apostolischen Kirche, die überall da ist, wo das Wort Gottes rein gepredigt wird und die Sakramente nach der Einsetzung Christi verwaltet werden. Sie bezeugt Jesus Christus als den alleinigen Herrn der Kirche und verkündigt ihn als den Heiland der Welt. 2. Sie ist gebunden an die Heilige Schrift Alten und Neuen Testaments als an das unfehlbare Wort Gottes, nach dem alle Lehren und Lehrer der Kirche beurteilt werden sollen. Sie bindet sich daher an die Bekenntnisschriften der Evangelisch-Lutherischen Kirche, weil in ihnen die schriftgemäße Lehre bezeugt ist, nämlich an die drei ökumenischen Symbole (das Apostolische, das Nicänische und das Athanasianische Bekenntnis), an die ungeänderte Augsburgische Konfession und ihre Apologie, die Schmalkaldischen Artikel, den Kleinen und Großen Katechismus Luthers und die Konkordienformel.“
Beide Kirchen teilen den gemeinsamen Glauben an Jesus Christus, den Gottes- und Menschensohn, als Herrn und Heiland. Außer ihm ist kein Heil. Wir bekennen fröhlich die Hauptlehre der lutherischen Bekenntnisschriften, nämlich dass der Sünder vor Gott gerechtfertigt wird aus Gnade durch den Glauben an das Versöhnungswerk Christi. Grundsatz zwei Unsere Partnerschaft kommt zum Ausdruck durch die Erklärung von Kanzel- und Abendmahlsgemeinschaft miteinander. In Kanzel- und Abendmahlsgemeinschaft zu stehen, schließt in sich: – Pfarrer, die dem Ministerium der jeweiligen Kirche zugehören, können ohne theologisches Kolloquium zum Dienst in der anderen Kirche berufen werden. Kandidaten, die die theologische Ausbildung abgeschlossen haben (Seminaristen der IELB/Pfarrvikare der SELK) und in ihrer Kirche zur Berufung qualfiziert sind, gelten auch in der anderen Kirche als wählbar. – Kommunikanten, die zum Altarsakrament zugelassen sind, werden – natürlich unter Beachtung der gemeindlichen Ordnung – auch an den Altären der jeweils anderen Kirche willkommen geheißen. Pfarrer können zusammen das Altarsakrament verwalten und in den Gemeinden wechselweise predigen. – Theologiestudenten können einen Teil ihres Studiums an einer Hochschule/Seminar der anderen Kirche absolvieren, sofern die Zustimmung der betroffenen Hochschulen/Seminare vorliegt. – Jede der beiden Kirchen ermutigt die andere und trägt sie im Gebet; ebenso soll auch jede Kirche, wenn erforderlich, in christlicher Liebe brüderliche Er-
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Vereinbarungen, Zusammenschlüsse, Vereinigungen
mahnung äußern und annehmen, damit das Band des Friedens zwischen uns gewahrt bleibe. Grundsatz drei Unsere Partnerschaft, die auf dem gemeinsamen Bekenntnis des Glaubens ruht, zielt auf die Erfüllung der Mission, die Christus Seiner Kirche gegeben hat, nämlich „Ihr werdet meine Zeugen sein … bis an das Ende der Erde“ (Apg. 1,8), dass „alle Zungen bekennen sollen, dass Jesus Christus der Herr ist, zur Ehre Gottes, des Vaters“ (Phil. 2,11). Auf dieses Ziel soll sich unser Hauptbemühen richten. Dazu verpflichten wir uns, unseren Dienst in Partnerschaft auszuüben und die Mittel, die Gott jeder unserer Kirchen geschenkt hat, entsprechend einzusetzen. In unserem Bemühen, den Auftrag Christi zu erfüllen, wollen wir zusammenarbeiten – im Dienst gegenseitiger Ermutigung und Unterstützung mit der Verpflichtung, füreinander vor Gott in Gebet und Fürbitte einzutreten. – in missionarischem Einsatz im Heimatland und in Übersee, wobei dies auch zeitweilige personelle Unterstützung umfassen kann nach gegenseitig vereinbarten Bedingungen. – im Dienst der Nachwuchsausbildung, so dass das Lehrangebot der Hochschulen/Seminare erweitert werden kann. – im Austausch von Informationen über Aufgaben und Herausforderungen, vor die beide Kirchen gestellt sind. Grundsatz vier Als selbstständige Kirchen haben wir jeweils die Freiheit, nach eigenem Wunsch Beziehungen zu anderen Kirchen, Kirchenbünden, Zusammenschlüssen und dergleichen aufzunehmen. Auf Grund unserer besonderen Verbindung zueinander soll jedoch keine Kirche derartige Beziehungen von sich aus festlegen ohne vorangehende Konsultation der anderen Kirche. Ferner wird keine der beiden Kirchen ohne vorherige Zustimmung der anderen eine Missionsarbeit oder deren finanzielle Unterstützung in einem Gebiet/Land aufnehmen, in dem die andere Kirche bereits entsprechend tätig ist. Grundsatz fünf Um guter Ordnung willen sollen alle offiziellen Kontakte zwischen den beiden Kirchen über den betreffenden Präses und Bischof laufen. Die offiziellen Kontakte anderer Werke und Einrichtungen der beiden Kirchen (wie z.B. der Hochschulen/Seminare) sollen so erfolgen, dass dabei der betreffende Präses und Bischof über alles unterrichtet sind.
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Grundsatz sechs Da diese Vereinbarung für beide Kirchen im Ganzen gilt, gilt sie auch für alle Einrichtungen der Kirche, wie kirchliche Werke, Dienststellen, Kommissionen usw. Grundsatz sieben Die Vereinbarung kann auf Verlangen einer der beiden Kirchen abgeändert werden. Grundsatz acht Wir befehlen dieses Vorhaben, mit dem wir unsere gegenseitige Partnerschaft zum Ausdruck bringen, dem Segen Gottes und rufen IHN an, ER möge die innere Einheit in Glaube und Mission, die den äußeren Abmachungen erst Sinn und Wert verleiht, vertiefen und stärken. 24.06.1994 gez. Leopoldo Heimann Präses der IELB gez. Jobst Schöne Bischof der SELK
253. Vereinbarung zwischen der Selbständigen EvangelischLutherischen Kirche (SELK) und der Freien EvangelischLutherischen Synode von Südafrika (FELSISA)* (in der Fassung vom 11.8.1995 / 11.10.1995) Die Selbständige Evangelisch-Lutherische Kirche (SELK) und die Freie Evangelisch-Lutherische Synode von Südafrika (FELSISA) ordnen auf der Grundlage der zwischen ihnen bestehenden Kirchengemeinschaft ihre Zusammenarbeit nach Maßgabe ihrer jeweiligen kirchlichen Ordnungen wie folgt: 1.
Amtshilfe
Beide Kirchen einschließlich ihrer Pfarrämter, Werke und sonstigen Einrichtungen gewähren sich gegenseitig Amtshilfe. Die Amtshilfe umfasst im Wesentlichen – die Überlassung von Arbeits- und Informationsmaterialien, – die Auskunftserteilung in rechtlichen und personellen Angelegenheiten, letzteres nur unter Wahrung datenschutzrechtlicher Bestimmungen, *
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–
2.
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die Beratung in verwaltungstechnischen und organisatorischen Angelegenheiten. Gegenseitige Anerkennung
SELK und FELSISA erkennen gegenseitig die von ihnen – abgenommenen Examina der Pastoren, – vollzogenen Ordinationen und – erteilten Qualifikationen an und verzichten daher bei einem zwischenkirchlichen Pfarrerwechsel auf ein förmliches Kolloquium. Einem von der übernehmenden Kirche erbetenen Gespräch hat der betreffende Pfarrer jedoch nachzukommen. 3.
Berufung von Pastoren
Da zwischen SELK und FELSISA kein einheitliches und uneingeschränktes Berufungsrecht besteht, die Berufung von Pfarrern und die Besetzung von Gemeinden vielmehr unterschiedlich geregelt ist, vereinbaren die beiden Kirchen folgendes Berufungsverfahren: 3.1. Will eine Gemeinde der SELK einen Pastor der FELSISA berufen, so wendet sich der für die vakante Gemeinde zuständige Superintendent der SELK über den Bischof an den Präses der FELSISA. Erhebt der Präses der FELSISA nach Anhörung des betreffenden Pastors gegenüber der Kirchenleitung der SELK keine Einwände gegen die beabsichtigte Berufung, so kann die vakante Gemeinde der SELK berufen. 3.2. Will eine Gemeinde der FELSISA einen Pastor der SELK berufen, so wendet sich der Präses der FELSISA an die Kirchenleitung der SELK. Erhebt die Kirchenleitung der SELK nach Anhörung des zuständigen Superintendenten und des betreffenden Pastors keine Bedenken gegen die beabsichtigte Berufung, so kann die vakante Gemeinde der FELSISA berufen. 3.3. Berufungen erfolgen in der Regel ohne zeitliche Begrenzung. Wird eine zeitlich begrenzte Dienstperiode vereinbart, so kann diese mit Zustimmung der Leitungsgremien beider Kirchen verlängert werden. 3.4. Mit dem Dienstantritt in der berufenden Kirche scheidet der betreffende Pastor im Fall einer zeitlich unbegrenzten Berufung aus dem Dienstverhältnis seiner bisherigen Kirche aus. Geschieht die Berufung für eine zeitlich vereinbarte Periode, wird der Pastor für diese Zeit von der abgebenden Kirche nach deren kirchlicher Ordnung beurlaubt.
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4.
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Besoldung und Altersversorgung
Bevor eine Berufung geschieht, müssen Besoldung und Altersversorgung nach den folgenden Richtlinien geregelt sein. Davon abweichende Regelungen bedürfen der ausdrücklichen Zustimmung der Kirchenleitungen beider Partnerkirchen. 4.1. Besoldung Die Besoldung (einschl. Krankenversicherung) geschieht nach den Ordnungen der Kirche, in der der Berufene seinen Dienst versieht. 4.2. Altersversorgung 4.2.1. Die Altersversorgung wird bei einer zeitlich unbegrenzten Berufung nach den Ordnungen der Kirche geregelt, in der der Berufene seinen Dienst tut. Die Kirche, in der der Pastor bisher Dienst getan hat, erstattet entweder der berufenden Kirche die anteiligen Versorgungsbeiträge oder verpflichtet sich, sich beim Eintritt des Versorgungsfalls anteilig nach den in ihr geleisteten Dienstjahren an den Versorgungsleistungen zu beteiligen. 4.2.2. Bei einer zeitlich befristeten Berufung bleibt der Pastor unter der Versorgungsregelung seiner ihn beurlaubenden Kirche. Die dieser dadurch entstehenden Beitragskosten werden ihr von der berufenden Kirche erstattet. 4.2.3. Grundlage für die Berechnung der Versorgungsanteile ist die Besoldungsund Versorgungsordnung der Kirche, die für die Versorgung zuständig ist. 5.
Umzugskosten
5.1.
Die berufende Kirche trägt die Umzugskosten für den Pastor und seine Familie. Übernommen werden die Flugkosten sowie die Transportkosten für einen 20 ft Container. Ist die Berufung zeitlich befristet, trägt die berufende Kirche nach Ablauf der Dienstperiode auch die Kosten des Rückumzugs nach Maßgabe von 5.1. Geht der Pastor vor Ablauf der vereinbarten Frist zurück, ist er selbst anteilmäßig nach der Dauer der geleisteten Dienstzeit für die Rückumzugskosten verantwortlich. Kehrt ein zeitlich unbefristet berufener Pastor in seine ehemalige Kirche zurück, so ist er für die Umzugskosten selbst verantwortlich.
5.2.
5.3.
6.
Deutschlandurlaub
Die FELSISA gewährt den aus der SELK berufenen Pastoren mit ihren Familien (Kinder bis zum vollendeten 18. Lebensjahr) für die Zeit ihres Dienstes in der FELSISA alle sechs Jahre einen sechswöchigen Deutschlandurlaub und bezahlt die Flugkosten.
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Vereinbarungen, Zusammenschlüsse, Vereinigungen
7.
Rückkehr des Pastors
7.1.
Kehrt ein auf Zeit berufener Pastor nach Ablauf der vereinbarten Dienstzeit in den Dienst seiner ehemaligen Kirche zurück, so hat er dies den Kirchenleitungen beider Kirchen mindestens ein halbes Jahr vorher mitzuteilen. Beabsichtigt ein auf Zeit berufener Pastor vor Ablauf der vereinbarten Dienstzeit in den Dienst seiner ehemaligen Kirche zurückzukehren, so hat er dies den Kirchenleitungen beider Kirchen unter Angabe von Gründen umgehend mitzuteilen. Die jeweilige Heimatkirche kann den rückkehrwilligen Pastor nur dann außerplanmäßig zurücknehmen, wenn die Partnerkirche ihr Einverständnis dazu gegeben hat. Möchte ein zeitlich unbefristet berufener Pastor wieder in seine ehemalige Kirche zurückkehren, so kann das nur geschehen, nachdem die Heimatkirche nach Rücksprache mit der Partnerkirche und auf der Grundlage ihrer kirchlichen Ordnungen entschieden hat, ob und zu welchem Zeitpunkt die Übernahme des Pastors möglich ist.
7.2.
7.3.
7.4.
8.
Schlussbestimmungen
Diese Vereinbarung tritt nach zustimmendem Beschluss der Kirchenleitung der SELK und des Synodalausschusses der FELSISA mit dem 1. Januar 1996 in Kraft. Hannover, den 11. August 1995 Dr. J. Schöne, D.D., Bischof Kirchenleitung der SELK Pretoria, den 11. Oktober 1995 P. H. F. Ahlers, Präses Synodalausschuss der FELSISA
254. International Lutheran Council – Constitution * I. Name The name of this organization shall be the International Lutheran Council (ILC). II. Confessional basis The International Lutheran Council (ILC) is a worldwide association of established *
http://www.ilc-online.org/graphics/assets/media/International Lutheran Council/ILC Constitution.pdf (Stand: 30.06.2010).
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confessional Lutheran church bodies which proclaim the Gospel of Jesus Christ on the basis of an unconditional commitment to the Holy Scriptures as the inspired and infallible Word of God and to the Lutheran Confessions contained in the Book of Concord as the true and faithful exposition of the Word of God. III. Statement of purpose The International Lutheran Council is an organization of its member church bodies which enables them, through their authorized representatives, to share information, study theological questions and concerns together, issue statements when asked to do so by its members (e.g., in addressing contemporary questions facing the church), discuss effective and coordinated means of carrying out the mission and ministry of the church, nurture and strengthen their relationships with each other, and work toward the closest possible joint expression of their faith and confession. The ILC provides a “forum” to which member churches may bring their theological and practical needs and challenges for mutual responsibility. At the same time, the resources and experiences of other members may be shared and applied to these issues for their mutual nurture and support and for the furtherance of the Lord’s mission in the world. Member churches recognize that each church may face peculiar challenges that require solutions suited to its own place and culture. In finding solutions to problems, member churches, out of fraternal love and consideration, should be mindful of how their actions might affect the unity of the group. The ILC is not a church body nor does it carry out churchly functions. It does not intend to prescribe any course of action for its member bodies, but rather seeks to assist and strengthen them in their confessional witness and mission. Although membership in the ILC does not imply or require the existence of formally declared altar and pulpit fellowship between all member church bodies, all member church bodies are pledged to exhibit mutual respect and fraternal regard for each other as fellow Christians and confessional Lutherans, and to foster, strengthen, and preserve confessional agreement which manifests itself at the altar and in the pulpit. IV. Membership There are two types of memberships in the International Lutheran Council: voting and associate. Voting members shall consist of those church bodies who accept the confessional basis of the ILC as well as this document. Each church body holding voting membership is entitled to cast one vote by its president/bishop/chairman or his representative. Associate memberships may be held by other Lutheran Church bodies who accept the confessional basis of the ILC but do not find it expedient to accept this document, and whose request for such membership has been approved
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Vereinbarungen, Zusammenschlüsse, Vereinigungen
by a majority of the voting members; such members are welcome to participate in all functions and activities of the ILC, but their representatives may not vote or hold office. A new member, whether voting or associate, may be accepted into membership by a majority of the voting members acting upon the recommendation of the Executive Committee after the Committee has reviewed the official documents, including the constitution and bylaws, of the proposed member church body and consulted with ILC member church bodies from its world area. The Executive Committee, acting upon the recommendation of a member church body, may invite any church bodies, individuals, or groups who are interested in the work of the ILC to participate as guests or observers in any of the activities, conferences, or meetings of the ILC. V. World areas For various organizational and representational purposes, the membership of the ILC is divided into the following five world areas: Asia, North America, Latin America, Europe, and Africa. VI. Officers The officers of the International Lutheran Council shall be a Chairman, ViceChairman and Secretary. The Chairman and the Secretary shall be elected by a majority of the voting members from the Presidents/Bishops/Chairmen of voting member church bodies. The Vice-Chairman, who shall come from a different world area from the Chairman, shall be elected by the Executive Committee from among the five individuals serving as world area representatives to the Executive Committee, following the triennial meeting of the ILC. The Primary responsibilities of the officers are as follows: Chairman: He shall preside over the official meetings of the ILC and its Executive Committee, and shall consult with the staff person in the preparation of the agenda for those meetings. At the request of the ILC or its Executive Committee, he may represent the ILC and communicate its policies, activities, and invitations, as appropriate. Vice-Chairman: In the absence or at the request of the Chairman, he shall carry out the responsibilities of the Chairman. Secretary: He shall keep an accurate record of all official proceedings of the ILC and its Executive Committee.
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VII. Executive committee Membership: The Executive Committee shall consist of seven persons: The Chairman and Secretary (who do not represent world areas), and one representative from each of the five world areas (one of whom serves as Vice-Chairman). The latter five representatives shall be elected on a church body basis (rather than on an individual basis) by the plenary assembly of member churches and shall serve renewable three-year terms. In addition, the staff person shall serve as an advisory member of the Executive Committee, but without vote. Responsibilities: The Executive Committee shall see to it that the objectives, purposes, and policies of the ILC as stated in this document are realized, and that all actions of the ILC are carried out. To that end, the Committee will formulate and implement policies and guidelines as necessary; such policy statements are intended only for the efficient operation of the ILC and are not binding on the member church bodies as such. In addition, the Executive Committee shall plan the program and supervise the arrangements for meetings and conferences of the ILC, issue invitations to ILC activities and events, arrange for appropriate publicity of all matters pertaining to the ILC, foster good relationships and provide for communication of information and ideas among ILC members, develop and monitor the annual budget of the ILC, supervise and support the work of the staff person, and carry out such other duties as may be necessary or assigned to it from time to time by the ILC. Meetings: In addition to meeting in connection with the triennial meeting of the ILC, the Executive Committee will ordinarily meet during each of the two years prior to this meeting. VIII. Staff services The Executive Committee shall provide for the necessary staff services, which shall be directed by a person with appropriate qualifications. This person, under the general supervision of the Executive Committee, shall be responsible for providing effective administrative and technical support for the ILC and its Executive Committee. He shall see to it that all decisions of the ILC and its Executive Committee are implemented in a timely fashion, make arrangements for meetings, manage the budget, see to it that ILC publicity and communications are prepared and distributed, and perform such other duties as may be requested by the ILC or its Executive Committee from time to time. He shall also attend meetings of the ILC and its Executive Committee in an advisory capacity, but without vote.
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IX. Vacancies If any member of the Executive Committee shall resign, retire, or fail to be reelected as head of his church body, he shall immediately cease to be a member of the Executive Committee. If the office of Chairman becomes vacant, the Vice-Chairman shall immediately succeed him as Chairman. If the office of the Vice-Chairman becomes vacant, the Executive Committee will first fill the vacancy of the world area representative, and it will then elect from its members a new Vice-Chairman. If the office of Secretary becomes vacant, the Executive Committee shall fill the newly created vacancy on the Executive Committee. The Executive Committee shall also ensure that the functions of the vacant office are carried out. If any representative of a church body head holds membership on the Executive Committee, his membership shall cease in the event that a new head of his church body comes into office, unless he is reappointed by the new head. X. Conferences Official meetings of the ILC, known as “Conferences” and attended by the official representatives of member church bodies and invited guests, are ordinarily held every three years. They are hosted by a church body whose invitation is accepted in the previous Conference. Prior to accepting an invitation, the Conference shall receive a favorable report and recommendation from the executive Committee based on the staff person’s review of all invitations. If the church body whose invitation has been accepted is unable to host the Conference, the Executive Committee shall select the site, giving consideration to any other invitations that had been submitted. In the event that no invitation is received or accepted, the Executive Committee shall select the site. The Executive Committee, subject to finances, shall arrange for conferences of theologians and seminary teachers. It may also from time to time seek to arrange for conferences of mission staffs, those involved with human care, and other such groups. Conferences shall be held in readily accessible and reasonably economical sites within each of the five world areas represented in the ILC. Although a strict rotation of Conferences from one world area to the next may not be possible or desirable, no world area will ordinarily host two Conferences in succession. In offering and accepting invitations, ILC member churches will be guided by such factors as the potential for furthering the confessional witness and the mission and ministry of the church, cost, convenience, extent of interaction with the host church, and length of time since a Conference was held in that world area. In planning the program and supervising the arrangements for a Conference, the Executive Committee and staff person will work closely with the host church.
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XI. Conference participants Each member church body, whether holding voting or associate membership, shall ordinarily be represented at ILC Conferences by its President/Bishop/Chairman. If the church body head is unable to attend an ILC Conference, he may designate a representative to represent him; such persons, however, are not eligible for election as Chairman, Vice-Chairman, or Secretary of the ILC. In addition to such official representatives, participants may include those observers and guests who have been invited by the Executive Committee upon the recommendation of a member church body. The Executive Committee may also approve and invite the attendance of others, such as interpreters, church body staff persons, and essayists. Before issuing invitations to other than official representatives, the Executive Committee shall see to it that adequate financial provisions have been made for their attendance. XII. Language The primary language for ILC meetings and materials will be English. Church body representatives who do not speak English (or another language which is readily understandable or translatable by several ILC members) may bring an interpreter to ILC meetings. In such cases, it is desirable, but not mandatory, that some or all of the interpreter’s travel and conference costs will be borne by his church body. In order to avoid unnecessary expense, the anticipated attendance of an interpreter should be cleared in advance with the staff person. XIII. Finances Each member church body is expected to contribute, on an annual basis, its fair share of the costs of operating the ILC, including travel to Conferences and meetings of the ILC and its Executive Committee (at the lowest available fare for direct travel), and all other budgeted expenses. The Executive Committee, assisted by the staff person, is responsible for developing, approving, and supervising an annual operating budget for the ILC, and for informing all member church bodies of their expected annual contributions. The amount of the annual contribution expected from each member church body shall be determined on the basis of that church body’s baptized membership at the end of the previous calendar year, and taking into account the GNP per capita of the country in which the church body is located. Member church bodies may elect to pay more than their “fair share” amount in order to assist those church bodies (and officially invited Conference guests) who cannot afford the full amount. Member church bodies may also encourage individuals within their church bodies to contribute toward a special ILC fund that would help to subsidize ILC costs and expand its programs on behalf of confessional Lutheranism worldwide.
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Officially invited guests at ILC Conferences, other than essayists and presenters, are ordinarily expected to pay their full travel costs as well as a fair portion of Conference costs. The host church may also wish to assume some Conference costs rather than charge them to the ILC budget, but this is not mandatory. XIV. Voting Unless otherwise stated in this document, all elections and other decisions of the ILC shall require a simple majority of votes cast, with each voting church body eligible to cast one vote, and with abstentions not counted as votes. Associate members, invited guests, and others in attendance may not participate in elections or vote on other ILC business; however, if they plan to attend the next Conference, they are welcome to participate in the decision on its location. XV. Amendments Amendments to this document, including expansions and deletions, can be made by a two-thirds majority vote of ILC voting members. Adopted September 9, 1993 and revised September 24–30, 2007.
XIII. Oecumenica Werner Klän Einführung Kurz vor Abschluss der Verhandlungen, die schließlich 1972 zum Zusammenschluss eines Großteils der bekenntnisgebundenen lutherischen Kirchen Deutschlands in der Selbständigen Evangelisch-Lutherischen Kirche (SELK) führten, legten die damals noch „verbündeten“ Kirchenleitungen ein Positionspapier zur Frage der Kirchengemeinschaft vor (Dok. 255), das in erkennbarer Auseinandersetzung mit den Bestrebungen innerhalb des landeskirchlich bestimmten Protestantismus in Deutschland und darüber hinaus steht, die schließlich 1973 in die „Leuenberger Konkordie“ mündeten. Dagegen setzten die konkordienlutherischen Kirchen auf dem Weg in die SELK die Ablehnung jeder Abendmahlsgemeinschaft ohne Glaubenseinigkeit. Tatsächlich aber kann die faktische Bedeutung des an die „Leuenberger Konkordie“ anknüpfenden Prozesses, dem inzwischen auch Kirchen aus der methodistischen Tradition beigetreten sind, nicht unterschätzt werden. Die Rezeption der „Leuenberger Konkordie“ durch sämtliche Mitgliedskirchen der EKD, einschließlich der lutherischen Landeskirchen, hat diese nach der herrschenden Interpretation der „Leuenberger Konkordie“ in eine engere kirchliche Gemeinschaft geführt, die folgerichtig die Frage nach der ekklesialen Dignität der EKD neuen Antworten zugeführt hat. Nicht zufällig stellt der Text zur Frage der „Kirchengemeinschaft nach evangelischem Verständnis“, wie er vom Rat der Evangelischen Kirche in Deutschland 2001 1 veröffentlicht wurde , eine Fortschreibung jener leuenbergischen Ansätze dar, hat doch die EKD die „Leuenberger Konkordie“ 1983 in Artikel 1 ihrer Grundordnung aufgenommen und 1999 auch formell unterzeichnet. Der Bischof der Selbständigen Evangelisch-Lutherischen Kirche hat solcher Vereinnahmungsstrategie gegenüber auf der Linie der in den konkordienlutherischen Kirchen, aber nicht nur bei ihnen, in Geltung stehenden Grundsätze reagiert und v. a. die Modifikation des Begriffs von Kirchengemeinschaft, wie er in diesem Text aus der EKD gebraucht wird, als Versuch kritisiert, eine flächendeckende Unionisierung der evangelischen Landschaft in Deutschland zu legitimieren (Dok. 256). Schon 1984 hat es Stellungnahmen von Mitgliedern der Theologischen Kommission der SELK zu den Konvergenzerklärungen des ÖRK über Taufe, Eucharistie 2 und Amt gegeben. Sie lassen erkennen, wie die SELK sich über den Bereich der 1
2
Vgl. Kirchengemeinschaft nach evangelischem Verständnis. Ein Votum zum geordneten Miteinander bekenntnisverschiedener Kirchen – Ein Beitrag des Rates der Evangelischen Kirche in Deutschland (= EKD-Texte 69, 2001). Vgl. die Texte in: LuThK 8 (1984), 102–146.
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klassischen Kontroversen mit dem Problem der innerprotestantischen Union und der Auseinandersetzung mit den spezifischen Verhältnissen im Gegenüber zum deutschen Protestantismus den Einigungsbemühungen in der weltweiten Christenheit zuwandte. Mit diesen Stellungnahmen haben sich Repräsentanten der SELK erstmals in einen weltweiten ökumenischen Gesprächsprozess, an dem sie als Kirche zuvor nicht beteiligt war, eingebracht; dabei sind ihre Positionierungen als entschieden konkordienlutherische, zugleich aber ökumenisch gesprächsfähig einzuschätzen. Kirchliche Grundüberzeugungen und Verhaltensmaßstäbe, die in den zwischenkirchlichen Außenbeziehungen zur Geltung kommen, müssen um der kirchlichen und ökumenischen Wahrhaftigkeit willen freilich auch im Innenbereich Gültigkeit haben. Dementsprechend hat die Selbständige Evangelisch-Lutherische Kirche in ihrer Grundordnung (Verfassung) wie in einer Reihe kirchenrechtlicher Bestimmungen bis hin zu liturgischen Formularen, die Grundsätze der Kirchengemeinschaft auch nach innen festgestellt. Diese zielen nach innen wie nach außen darauf, in die „Kirchengemeinschaft des reinen Evangeliums und der stiftungsgemäßen Sakramentsverwaltung“, allerdings nicht schrankenlos, einzuladen. So gehören die Feststellungen über die Kirchengemeinschaft zu den Grundartikeln der Grundordnung der SELK (s. Kap. XII, Dok. 245). Diese Prinzipien finden als Soll-Bestimmungen Niederschlag in den rechtlichen Regelungen der Lebensordnung („Wegweisung“) der SELK; jedoch wird erkennbar, dass bestimmte seelsorgliche Situationen die Möglichkeit einer Sakramentszulassung, jenseits und unbeschadet dieser Grundsätze, eröffnen. Dass damit die Problematik der Ekklesiologie berührt wird, ist in den Erwägungen im Vorfeld einer verbindlichen Regelung durch den Allgemeinen Pfarrkonvent der SELK durchaus bewusst (Dok. 257); dass solches Handeln in Gewährung und Verweigerung eucharistischer Gemeinschaft ökumenische Implikationen enthält, ist aus den einschlägigen Bestimmungen über „Ökumenische Verantwortung“ ersichtlich (Dok. 258). In diesen Zusammenhang gehört auch die Tatsache, dass Kirchenleitung und Kollegium der Superintendenten auf ihrer Tagung vom 12. bis zum 14. März 1992 in Bleckmar für die Gesamtkirche beschlossen haben, „der Bundes-ACK als Vollmitglied beizutreten“. Dieser Beschluss ist dann auf der Tagung vom 22. bis zum 24. Oktober 1992 in Bleckmar „bestätigt“ worden; im Oktober folgte der Bestätigung schließlich der Protokollsatz: „Der Antrag soll baldmöglichst bei der BundesACK eingereicht werden.“ In den Außenbeziehungen der SELK zeigt sich, dass die Aufnahme von Verbindungen zu lutherischen Kirchen in Ostmittel- und Osteuropa und dem Baltikum seit Beginn der neunziger Jahre des 20. Jahrhunderts sie vor neue Herausforderungen stellte. Hier kam es zur Begegnung mit lutherischen Kirchen, die den Wegen konkordienlutherischer Kirchen mit einer gewissen Sympathie gegenüber stehen, auch wenn sie selbst historische Verbindungen und Bindungen zum Lutherischen Weltbund, nicht zuletzt seinen deutschen Mitgliedskirchen haben und pflegen. Hier
Einführung
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hat sich die SELK bemüht, behutsam neue Wege kirchlicher Kooperation zu finden, die den jeweiligen Gegebenheiten angemessen sind (Dok. 259–261). Die Besonderheiten des kirchlichen Engagements in der Lutherstadt Wittenberg brachten die Notwendigkeit mit sich, Klärungen im Verhältnis zwischen der Evangelischen Kirche der Kirchenprovinz Sachsen und der SELK herbeizuführen (Dok. 262). Die Grundüberzeugung des unauflöslichen Zusammenhangs der Übereinstimmung im Glauben, Lehren und Bekennen mit dem Vollzug gottesdienstlicher, zumal eucharistischer Gemeinschaft in kirchlicher Verbindlichkeit konnte schließlich auf der Europäischen Regionalkonferenz des Internationalen Lutherischen Rates (International Lutheran Council), die 2004 in Antwerpen stattfand, von der Selbständigen Evangelisch-Lutherischen Kirche gemeinsam mit konkordienlutherischen Kirchen aus ganz Europa, namentlich aus Ostmittel- und Osteuropa und dem Baltikum formuliert werden (Dok. 263). Hier wird festgehalten, dass Kirchengemeinschaft den Konsens im Glauben, Lehren und Bekennen zur Voraussetzung hat. Diese Überzeugung schließt die Wahrnehmung ein, dass die Fragen kirchlicher Gemeinschaft in konfessioneller Verbindlichkeit angesichts der Herausforderungen, die zumindest der europäische Einigungsprozess an die Kirchen stellt, auch aus Sicht der konkordienlutherisch geprägten Kirchen neu bedacht werden müssen. Die SELK hat, obwohl sie an dem Dialog nicht unmittelbar beteiligt war, im Prozess der Entstehung der Gemeinsamen Erklärung zur Rechtfertigungslehre zwei Stellungnahmen abgegeben; einmal zum Entwurfstext von 1998 – im März 1999 – und zur verabschiedeten und später unterzeichneten Fassung samt der Gemeinsamen Offiziellen Feststellung – im September 1999 (Dok. 264, 265). Die SELK nimmt das Bemühen der Dialogpartner um Verständigung in Sachen Rechtfertigungslehre ernst und weiß die im Dialog erreichten Fortschritte zu würdigen, hält aber auch nach GOF weitere Punkte für klärungsbedürftig: Dazu gehören die in der „Stellungnahme zur ‚Gemeinsamen offiziellen Feststellung des Lutherischen Weltbundes und der römisch-katholischen Kirche’ samt ‚Annex’“ vom September 1999 markierten Fragen nach dem Sündenverständnis, sowohl im Blick auf das „simul“ als auch hinsichtlich der Konkupiszenz, nach dem „sola fide“ unter Berücksichtigung des Verhältnisses von Rechtfertigung und Heiligung, nach dem Bewahren der Gnade, nach Gericht und Lohn sowie nach der kriteriologischen Funktion der Rechtfertigungslehre. Auch für die römisch-katholische Kirche und die orthodoxen Kirchen der östlichen Tradition in der Christenheit, ist die Übereinstimmung im Verständnis des Evangeliums die unabdingbare Voraussetzung für die Bestätigung und Betätigung (voller) kirchlicher Gemeinschaft. Die „Charta Oecumenica“ (Dok. 266) hat für den europäischen kirchlichen Kontext diesen Sachverhalt bestätigt, wenn sie formuliert: „Noch verhindern wesentliche Unterschiede im Glauben die sichtbare Einheit. Es gibt verschiedene Auffassungen, vor allem von der Kirche und ihrer Einheit, von den Sakramenten und den Ämtern.“ Zu Recht fährt dieses ökumenisch
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ehrliche Dokument fort: „Damit dürfen wir uns nicht abfinden“, und leitet daraus die Selbstverpflichtung der Kirchen ab, „uns beharrlich um ein gemeinsames Verständnis der Heilsbotschaft Christi im Evangelium zu bemühen“. Im Blick auf die Frage der Kirchengemeinschaft wird unzweideutig festgehalten: „Ohne Einheit im Glauben gibt es keine volle Kirchengemeinschaft.“ Mit der Unterzeichnung der Charta Oecumenica durch den Bischof der Selbständigen EvangelischLutherischen Kirche (Dok. 267, 268) hat die SELK diese Grundbestimmungen angenommen, weil sie seit jeher zum Grundbestand ihrer konfessionellen Selbstvergewisserung und ihrer ökumenischen Verpflichtung gehört haben. Die Vollmitgliedschaft in der Arbeitsgemeinschaft Christlicher Kirchen in Deutschland (ACK) seit 1991 führte zur Beteiligung an multikonfessionellen Vereinbarungen. Dazu zählt auch die 2007 in Magdeburg auch von der SELK auf Beschluss ihrer Kirchenleitung unterzeichnete Erklärung zur Taufanerkennung (Dok. 269, 270). Für die Grundhaltung der SELK im ökumenischen Zeitalter ist demnach festzuhalten: Konfessionelle Ortsbestimmung und ökumenische Verpflichtung bedingen einander.
255. Erklärung der Kirchenleitungen Freier evangelisch-lutherischer Kirchen in Deutschland zur Frage nach der Abendmahlsgemeinschaft (1969)* Der Ruf zur Abendmahlsgemeinschaft zwischen Gliedern bisher getrennter Kirchen geht in unserer Zeit mit großem Nachdruck durch die ganze Christenheit. Die Gemeinschaft am Tisch des Herrn wird von vielen Christen als der Weg zur vollen und endgültigen Überwindung aller sonstigen Trennungen, Spaltungen, Gegensätze und Unterschiede angesehen. Andere behaupten, die ehemals kirchentrennenden Gegensätze seien vielleicht früher einmal wichtig gewesen, aber heute gegenstandslos geworden und jedenfalls kein Hindernis mehr, gemeinsam der Abendmahlseinladung des Einen Herrn der Einen Kirche zu folgen. Gegenüber dieser Entwicklung im so genannten ökumenischen Zeitalter der Christenheit stehen unsere freien lutherischen Kirchen zusammen mit den ihnen verbundenen Kirchen in aller Welt völlig einsam, ohne Aussicht auf Verständnis für ihre Haltung, immer neuer Kritik und heftiger Polemik von allen Seiten ausgesetzt. Oft werden wir auch aus unseren eigenen Gemeinden heraus gefragt, ob es denn wirklich dem Worte Gottes gemäß sei, wenn wir Christen anderer Konfessionen die Gemeinschaft am Tisch des Herrn verweigern. Hierzu kommen neue und weit reichende Entscheidungen der lutherischen Landeskirchen innerhalb der „Evangelischen Kirche in Deutschland“, für die es allenthalben selbstverständlich ist, daß an lutherischen Altären auch reformierte und unierte Christen kommunizieren können, obwohl sie nicht in das lutherische Abendmahlsbekenntnis einstimmen. Die freien lutherischen Kirchen sind gefragt, was sie in dieser Lage ihren eigenen Gemeinden und darüber hinaus den von ihnen getrennten Christen zu sagen haben. Unsere Antwort besteht in einem dreifachen Hinweis und in der Bitte, daß man sich hierüber allenthalben in den Gemeinden durch Predigten, Bibelstunden, Unterweisungen und offene Aussprachen um völlige Klarheit und neue Gewißheit ernstlich bemühen möchte. Wir weisen hin auf das Abendmahlszeugnis der Hl. Schrift, auf das Abendmahlsbekenntnis unserer Kirche und auf die Abendmahlsgemeinschaft der Glieder am Leibe Jesu Christi. I. Wir fragen zuerst nach dem Abendmahlszeugnis der Hl. Schrift und stellen uns die Frage, ob auch heute – wie Luther sagte – diese Worte Jesu noch feststehen: „Das ist mein Leib! Das ist mein Blut!“ Die Antwort steht und fällt mit der Gewißheit, daß uns diese Worte durch apostolische Zeugen überliefert sind, von denen wir mit der Kirche aller Zeiten beken*
Kirchenblatt der Evangelisch-Lutherischen (altluth.) Kirche 119 (1969), 41–44.
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nen, daß sie ebenso wie die Verfasser der Hl. Schrift des Alten Bundes „geredet haben, getrieben vom Hl. Geist“ (2. Petr. 1,21). Was wir in den Hl. Evangelien und bei St. Paulus lesen vom Sakrament des Altars, steht für uns fest als Gottes eigenes Wort und keineswegs nur als eine nachträgliche Deutung des Hl. Abendmahls durch die sogenannte Urgemeinde. Eingebettet in das geschriebene Gotteswort des Neuen Testamentes finden wir die schöpferischen Stiftungsworte unseres Herren, wie sie von ihm selbst gesprochen wurden am Gründonnerstag, „in der Nacht, da er verraten ward“, als er den Hl. Aposteln und damit seiner Kirche den Befehl hinterließ: „Solches tut zu meinem Gedächtnis“! Das älteste biblische Zeugnis vom Hl. Abendmahl ist der 1. Korintherbrief des Apostels Paulus (Kap. 10 und 11). Auch die kritischsten Schriftforscher unserer Zeit zweifeln nicht an der Echtheit dieses Briefes und bestätigen uns immer wieder: In diesem Brief wird die wahrhaftige Gegenwart des Leibes und Blutes Jesu Christi im gesegneten Abendmahlsbrot und im gesegneten Abendmahlskelch tatsächlich gelehrt. Man kann dieses Wunder bestreiten, weil es für unseren Verstand niemals zu erklären ist. Man kann dem Schriftzeugnis widersprechen, wenn man die Bibel nicht als Gottes Wort anerkennt. Aber niemand kann leugnen, daß St. Paulus in der Gemeinde zu Korinth das Hl. Abendmahl gefeiert hat als das Sakrament des wahrhaftig im Brot und Wein gegenwärtigen Leibes und Blutes Jesu Christi und daß er davon schreiben konnte: „Ich habe es von dem Herrn empfangen, das ich euch gegeben habe.“ Auch die anderen neutestamentlichen Abendmahlstexte stimmen damit überein. Wir haben keinen Anlaß, unseren Abendmahlsglauben durch irgendwelche Zweifel in den Nebel der Ungewißheit rücken zu lassen. Der Ruf zur Abendmahlsgemeinschaft ist deshalb für uns stets der Ruf zur eindeutigen Bezeugung der Abendmahlsworte Jesu und zugleich zum Bekenntnis unseres Glaubens an diese Worte. II. Mit dem Abendmahlsbekenntnis der Lutherischen Kirche antworten wir auf die Worte unseres Herren vom Sakrament des Altars. Wir bekennen, „daß wahrer Leib und Blut Christi wahrhaftiglich unter der Gestalt des Brots und Weins im Abendmahl gegenwärtig sei und da ausgeteilt und genommen werde. Derhalben wird auch die Gegenlehre verworfen“ (Augsburgische Konfession, Art. X). In diesem Bekenntnis unseres Glaubens an Jesu Abendmahlsworte sind wir einig mit den Hl. Aposteln Jesu Christi, einig mit der rechtgläubigen und wahrhaft katholischen Kirche aller Zeiten, einig mit unserem Reformator D. Martin Luther und allen treuen Bekennern der lutherischen Kirche, einig auch mit denen, die vor uns und mit uns sich beim Hl. Abendmahl darauf verlassen haben: „Des Herren Wort ist wahrhaftig und was er zusagt, das hält er gewiß“ (Ps. 33,4). Das lutherische Abendmahlsbekenntnis trennt uns aber ebenso entschieden von allen, die vom Sakrament des Altars anders lehren, als das Wort Gottes lehrt.
Frage nach der Abendmahlsgemeinschaft (1969)
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Die römische Kirche hat das Hl. Altarsakrament ganz besonders dadurch verfälscht, daß sie es in ihrer Meßopferlehre zu einem Sühnopfer für Lebendige und Tote macht, das von Menschen Gott dargebracht wird. Unser Herr Jesus Christus aber hat das Hl. Abendmahl gestiftet, damit wir seinen Leib und sein Blut essen und trinken zur Vergebung unserer Sünden. Die römische Meßopferlehre ist auch vom 2. Vatikanischen Konzil keineswegs widerrufen worden. Die reformierte Kirche leugnet noch heute die wirkliche Gegenwart des Leibes und Blutes Christi im gesegneten Brot und Wein des Hl. Abendmahls. Das lutherische Abendmahlsbekenntnis trennt uns in gleicher Weise von den Kirchen der Union, weil dort die Gleichgültigkeit gegen Jesu Abendmahlsworte dazu geführt hat, daß rechte und falsche Lehre nebeneinander als gleichberechtigt gelten, wodurch man die Gewissen verwirrt und den Altar des Herren mit Zweifel und Ungewißheit umgibt. Leider gilt dasselbe auch fast überall von den lutherischen Landeskirchen. Sie haben keine Kraft mehr zur Verwerfung der falschen Lehre. Sie dulden deshalb auch an ihren Altären und auf ihren Kanzeln Amtsträger, die nicht mehr eindeutig einstimmen in das Abendmahlsbekenntnis der Lutherischen Kirche. Neben ihnen gibt es gewiß auch treue lutherische Pastoren, die persönlich am Bekenntnis der Kirche festhalten, von denen manche auch entschieden gegen die Irrlehre kämpfen, aber sich leider damit abzufinden scheinen, daß sie innerhalb ihrer Kirchen nur eine Gruppe neben anderen sind. Auf die wahre Einigkeit der Kirche in schriftgemäßer Evangeliumsverkündigung und Sakramentsverwaltung müssen sie verzichten. Weil aber in diesen Kirchen keine wahre Einigkeit in der Lehre mehr vorhanden ist, fehlt auch an vielen Altären die Einmütigkeit der Kommunikanten im Glauben an Jesu Abendmahlsworte, und man überläßt es den Abendmahlsgästen, sich ihre eigenen Vorstellungen vom Wesen und von der Gabe des Hl. Abendmahls zu machen. Im Gegensatz zu diesem erschreckenden Zerfall lutherischer Lehre und Ordnung rufen wir die Gemeinden unserer Kirchen dazu auf, auf die Frage: „Was ist das Sakrament des Altars?“ mit aller Klarheit und von ganzem Herzen zu bekennen: „Es ist der wahre Leib und Blut unseres Herren Jesu Christi, unter dem Brot und Wein uns Christen zu essen und zu trinken von Christo selbst eingesetzt.“ III. Das lutherische Abendmahlsbekenntnis wird immer wieder zu einem Maßstab für die rechte Abendmahlsgemeinschaft und für ihre Grenzen. Denn es trennt uns von allen, die nicht oder noch nicht mit uns in diese Worte einstimmen können. Es verbindet uns mit allen, die ebenso wie wir bekennen und sich deshalb auch kirchlich geschieden wissen von Andersgläubigen, sowie von denen, die mit ihnen in kirchlicher Gemeinschaft stehen.
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Die Verantwortung für die Abendmahlszulassung verpflichtet in jedem Fall zu Entscheidungen echter Seelsorge – um der Wahrheit willen und um der Liebe willen. Echte Seelsorge will die Wahrheit. In der Kirche Gottes gilt immer nur ein „Ja“ das wirklich ein „Ja“ ist und ebenso ein „Nein“, das wirklich ein „Nein“ ist (2. Kor. 1,19f). Die Kirche lebt nicht vom „Nein“, aber sie muß das „Nein“ sprechen und danach handeln um des „Ja“ willen. Deshalb kennt die Kirche Gottes keine Gleichberechtigung oder Koexistenz von Wahrheit und Irrtum. Sie glaubt, lehrt und bekennt – die Wahrheit. Sie verwirft und verdammt – den Irrtum. Wo immer man die Abendmahlsgemeinschaft von Lutheranern und Andersgläubigen empfiehlt, fordert oder gar zur Ordnung macht, bedeuten diese Entscheidungen gleiches Recht für Wahrheit und Irrtum, gleiche Anerkennung für das „Ja“ und für das „Nein“ gegenüber dem Wort unseres Herren. Wird aber das Abendmahlsdogma der Kirche dadurch geschwächt, daß auch ihm widersprechende Lehren in der Kirche geduldet werden, so kann dasselbe mit allen anderen Artikeln unseres Glaubens im Bekenntnis der Kirche ebenso geschehen; denn sie alle gründen sich in dem „Das ist“ der unverbrüchlich gültigen Zusage Gottes. Auch die Geburt unseres Herren aus Maria der Jungfrau, sein stellvertretender Opfertod für uns, seine wahrhaftige Auferstehung von den Toten und seine glorreiche Wiederkunft am Jüngsten Tage – das alles und d. h., die ganze Lehre des Evangeliums – kann dann in gleicher Weise in Frage gestellt, angezweifelt und schließlich bestritten werden, wie die wahrhaftige Gegenwart des Leibes und Blutes Christi im Sakrament des Altars. Luthers großer Kampf um die Erhaltung des Hl. Altarsakraments in der Kirche ging letzten Endes um die Heilsgewißheit eines jeden Christen und entsprang tiefster seelsorgerlicher Verantwortung. Wenn rechte Seelsorge um der Wahrheit willen Jesu Abendmahlsworte unverfälscht bezeugen und deshalb die entgegenstehende Irrlehre entschieden verwerfen muß, so geschieht dies ebenso um der Liebe willen. In der Verantwortung für das ewige Heil der anvertrauten Seelen bleibt das Gewissen unserer Kirche gebunden an das Wort der Schrift: „Welcher unwürdig isset und trinket, der isset und trinket ihm selber zum Gericht, damit, daß er nicht unterscheidet den Leib des Herrn“ (1. Kor. 11,29). Darum darf die lutherische Kirche niemals das Hl. Sakrament denen reichen, die nicht die sakramentale Gabe des Leibes Christi unterscheiden vom gewöhnlichen Brot, die nicht den Trank aus dem Hl. Kelch von anderem Wein unterscheiden. Daß wir denen, die nicht wissen und glauben, was ihnen am Altar des Herren gegeben wird, und wozu sie es empfangen, das Sakrament verweigern, entspricht letztlich dem Gebot der Liebe. Aber nicht nur angesichts der Grenzen der Abendmahlsgemeinschaft gilt das Gebot seelsorgerlicher Liebe, sondern noch viel stärker für den Dienst an allen uns anvertrauten Gemeinden und an den einzelnen Abendmahlsgästen. Wir müssen immer wieder dazu helfen, daß sie vor der Verachtung des Sakraments ebenso bewahrt werden, wie vor dem unwürdigen Essen und Trinken am Altar. In seelsor-
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gerlichem Liebesdienst muß unsere Kirche zum gesegneten Empfang des Leibes und Blutes Christi helfen. Kampf und Zeugnis unserer Freien Lutherischen Kirchen gegen eine Abendmahlsgemeinschaft ohne Glaubenseinigkeit werden überall dort unglaubwürdig, wo es in unseren eigenen Gemeinden an der Liebe zum Hl. Sakrament fehlt, wo wir versagen im Kampf gegen die Lieblosigkeit und Unversöhnlichkeit unter denen, die gemeinsam zum Tisch des Herrn gehen. Unser Abendmahlszeugnis wird kraftlos, wenn wir nicht in herzlicher Liebe und unablässiger Fürbitte denjenigen nachgehen, die sich in unserer Mitte vom Tisch des Herrn fernhalten. Wir können auch den Kampf gegen eine falsche und schriftwidrige Union nur dann in echter Vollmacht führen, wenn wir unter uns „fleißig sind, zu halten die Einigkeit im Geist durch das Band des Friedens“ (Eph. 4,3) und deshalb alle unnötigen Trennungen überwinden. Die Antwort unserer freien lutherischen Kirchen auf die in der Gegenwart mit so großer Gewalt neu aufgebrochene Frage nach der Gemeinschaft der Christen am Tisch des Herrn ist also diese: Um der Wahrheit willen und um der Liebe willen verwerfen wir eine schrankenlose Abendmahlsgemeinschaft ohne Einigkeit im Abendmahlsglauben und im Abendmahlsbekenntnis. Aber dieses Zeugnis nötigt uns selbst in allen Gemeinden und Familien zu aufrichtiger Selbstprüfung und stellt uns die Fragen: Steht hinter unseren kirchlichen Entscheidungen auch das Tatzeugnis lutherischer Christen und Gemeinden? Leben wir selbst aus der Gemeinschaft mit unserem Herrn Christus und mit den Gliedern seines Leibes, die er uns im Hl. Abendmahl schenkt? Gebrauchen wir selbst das Sakrament des wahren Leibes und Blutes unseres Herren und Heilandes Jesu Christi als „tägliche Weide und Fütterung, unseren schwachen Glauben dadurch zu stärken“ wie Luther im Großen Katechismus lehrt? Liebe Brüder und Schwestern, laßt uns Buße tun und in der Demut echter Umkehr auch den von uns im Bekenntnis getrennten Christen dienen mit dem Wahrheitszeugnis der Kirche Jesu Christi! Laßt uns mit Luthers Abendmahlslied für die wahre Einigung der zerrissenen Christenheit flehen: „Herr, dein heilig Geist uns nimmer laß, der uns geb zu halten rechte Maß, daß dein arm’ Christenheit leb in Fried und Einigkeit. Kyrieleis.“
In der Passionszeit 1969 Das Oberkirchenkollegium der Evangelisch-lutherischen (altluth.) Kirche Oberkirchenrat Dr. Gerhard Rost, Präsident Der Synodalrat der Evangelisch-Lutherischen Freikirche Professor Dr. Hans Kirsten, Präses Die Kirchenleitung der Selbständigen Evangelisch-Lutherischen Kirche Horst Brügmann, Kirchensuperintendent
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256. Stellungnahme von Bischof Dr. Diethardt Roth (Selbständige Evangelisch-Lutherische Kirche) zu dem Dokument „Kirchengemeinschaft nach evangelischem Verständnis“1* 1.
Vorbemerkung
Es gehört zu den Grundüberzeugungen der Kirche lutherischen Bekenntnisses, dass die Frage nach der Kirche, ihrem Wesen, ihrer Einheit, ihrem Auftrag eine Grundfrage christlicher Existenz darstellt. Dies ist nicht erst mit dem Aufkommen der Ökumenischen Bewegung im 19. Jahrhundert der Fall, sondern gilt seit Anbeginn der Christenheit. Dass sich die Frage im 21. Jahrhundert im Blick auf die Glaubwürdigkeit christlichen Zeugnisses mit vermehrter Dringlichkeit stellt, ist nicht zu übersehen. Mit großer Aufmerksamkeit hat daher die Selbständige Evangelisch-Lutherische Kirche (SELK) das Dokument: „Kirchengemeinschaft nach evangelischem Verständnis. Ein Votum zum geordneten Miteinander bekenntnisverschiedener Kirchen – Ein Beitrag des Rates der Evangelischen Kirche in Deutschland” (EKD Texte 69, 2001)
zur Kenntnis genommen. Es entspricht dem Selbstverständnis der SELK, dass sie bei der Beurteilung dieses Dokuments einen betont konfessionell-lutherischen Standpunkt einnimmt. Dieser ist als solcher in Ansatz und Anspruch von Grund auf ökumenisch, also im besten Sinn des Wortes katholisch, orthodox und evangelisch. Denn sie hält es bis heute für unwiderlegt, dass die Wahrheit, die sich in den Bekenntnissen der lutherischen Reformation ausspricht, wie sie im Konkordienbuch von 1580 zusammengefasst sind, der Lehre der heiligen Schrift entspricht und dem Glauben der Einen Christenheit gemäß ist. Von daher verstehen wir uns als bewusst lutherische Kirche in ökumenischer Verpflichtung. Im Folgenden konzentriert sich die Stellungnahme vorwiegend auf die Problematik der ‚innerprotestantischen Kirchengemeinschaft‘, also der Kirchengemeinschaft unter den evangelischen Kirchen. Zu Recht ist bemerkt worden, dass das Dokument ganz überwiegend in diesem Horizont angesiedelt ist. Die in dem Dokument unmittelbar angesprochenen Kirchen, nämlich die Römisch-katholische Kirche, die Altkatholische Kirche, die Orthodoxen Kirchen, die klassischen Freikirchen am linken Flügel der Reformation, die Anglikanische Gemeinschaft, aber auch die übrigen Mitgliedskirchen der Arbeitsgemeinschaft Christlicher Kirchen in Deutschland müssen ihre Stellungnahmen für sich selbst abgeben.
1
*
Kirchengemeinschaft nach evangelischem Verständnis. Ein Votum zum geordneten Miteinander bekenntnisverschiedener Kirchen – Ein Beitrag des Rates der Evangelischen Kirche in Deutschland (= EKD-Texte 69, 2001). http://www.selk.de/download/EKD-Texte-69.pdf (Stand: 30.06.2010).
Stellungnahme von Bischof Dr. Diethardt Roth
2.
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Grundsätzliche Anmerkungen zur Lehre von der Kirche
Lutherische Theologie und Kirche, die sich an das Konkordienbuch der Reformation gebunden wissen, lehnen eine gleichrangige Stellung von „Augsburger Bekenntnis” (1530) und „Barmer Theologischer Erklärung” (1934) ab. Ebenso ist aus unserer Sicht auch eine Gleichordnung von Botschaft und Ordnung der Kirche theologisch nicht angemessen. Das EKD-Dokument sieht die „Leuenberger Konkordie”, ihrem eigenen Wortlaut widersprechend, faktisch als entscheidend an für die Frage der Kirchengemeinschaft. Für die EKD mag das angehen. Wir fragen jedoch, inwiefern es stimmig ist, dass einerseits die Kirche „,die Gestalt ihrer Botschaft und ihrer Ordnung‘ [Hervorhebung hinzugefügt] nicht ‚ihrem Belieben oder dem Wechsel der jeweils herrschenden weltanschaulichen und politischen Überzeugungen überlassen‘” dürfe, so das EKD-Dokument (I. 2, S. 7), andererseits aber die prinzipielle Wandelbarkeit „für alle Elemente einer Ordnung der Kirche Jesu Christi” (I. 2.1, S. 7) betont wird. Wir sehen hier einen Widerspruch. Es ist hilfreich, dass das Dokument bei den „Kennzeichen der wahren Kirche” einsetzt. Zu fragen bleibt freilich, an welche Kriterien und gegebenenfalls auch Instanzen im Text gedacht ist, durch die „rechte Verkündigung des Evangeliums und evangeliumsgemäße Feier der Sakramente” festzustellen wären (I. 2.1, S. 7). Abzuweisen ist hingegen die Formulierung, dass „sich der Leib Christi (sc. durch diese Kennzeichen) auf[baue]” (ebd.), denn ihre oikodomé (Auferbauung) ist keine Selbsttätigkeit der Kirche. Die Rede vom Predigtamt (I. 2.1, S. 7) ließe hier präzisere Formulierungen zu. Verschwommen bleibt der Begriff der ,Einzelkirche’ trotz des Definitionsversuchs im Sinn einer Verbundenheit von „einzelnen Gemeinden ... in einer größeren geordneten (sc. ,ekklesialen‘) Gestalt” (I. 2.2, S. 8). Hier scheinen Reste territorial(istisch)en, landeskirchlichen Kirchendenkens vorzuliegen. Ungeklärt bleibt zudem, wie die „Einzelkirchen, welche die Kennzeichen der wahren Kirche aufweisen“ sich zu anderen Kirchen verhalten, von denen im Sinn einer „Verbundenheit aller Kirchen” die Rede ist (I. 2.2, S. 8). Was wäre von Einzelkirchen zu sagen, die die Kennzeichen der wahren Kirche nicht aufweisen? Diese Möglichkeit wird nicht bedacht. Insofern scheint hier derselbe Begriff („Einzelkirche”) für verschiedene, nicht kompatible Sachverhalte gebraucht zu werden. Zwar ist festzuhalten, dass falsche Lehre das Vorhandensein von Kirche nicht vollständig auslöscht, doch wird dadurch das Kirchesein in einer Weise beschädigt, dass bei einer öffentlich und beharrlich falsch lehrenden kirchlichen Gemeinschaft deren Kirchesein zumindest bezweifelt werden muss. (Konkordienformel Vorrede, BSLK 755f., Schmalkaldische Artikel I, BSLK 415, Schmalkaldische Artikel III, BSLK 459).
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3.
Zu Begriff und Sache der ,Kirchengemeinschaft‘
Mit deutlicher Kritik nimmt die SELK die Interpretation des Begriffs von „Kirchengemeinschaft” (II. 1., S. 9f) und seine Explikation im Horizont des Modells der „Leuenberger Konkordie“ (II. 2., S. 10f) zur Kenntnis. Obgleich zugestanden wird, dass dieser „Ausdruck [sc. „Kirchengemeinschaft”] ... vieldeutig” sei, wird er letztendlich einseitig – unter Vorgeben, es gebe „(d)as evangelische Verständnis von Kirchengemeinschaft” (II. 1., S. 9) – auf eine in der „Leuenberger Konkordie“ vorgenommene Definition hin enggeführt. Der Umgang mit diesem „Ausdruck” selbst ist im Dokument von unterschiedlichen Verwendungsweisen gekennzeichnet. Einmal meint er die Gewährung von „Gemeinschaft an Wort und Sakrament” (II. 2., S. 10) und wechselseitige Anerkennung als Kirchen, dann wiederum offenbar andere, konfessionell bzw. denominationell bestimmte kirchliche Zusammenschlüsse („andere[n] Kirchengemeinschaften”), schließlich auch zwischen- und überkonfessionelle Verbindungen kirchlicher Art. Unbeschadet dieser Differenzierungen wird aber, ohne jede Klärung, in welcher Bedeutung der Begriff Verwendung findet, unterstellt, dass „(d)ie Kirchengemeinschaft ... selbst Kirche” (II. 1., S. 9) sei, wenn auch nicht unbedingt im „kirchenrechtlichen Sinn” (II. 1., S. 9). Die Funktion dieses interpretatorischen Verfahrens ist unschwer auszumachen: Es dient einzig und allein dem Zweck, die EKD zumindest theologisch von vornherein als Kirche zu definieren, obwohl ihr Selbstverständnis seit ihrer Gründung 1948 umstritten war: Kirche oder Kirchenbund? Die einseitige Definition des Brückenbegriffs „Kirchengemeinschaft” als Kirche im theologischen Sinn macht hier nun alle Diskussionen überflüssig. In der Perspektive sind daher auch „Maßnahmen denkbar, durch die sich die Stellung der EKD zu ihren Gliedkirchen und die Stellung der Gliedkirchen zur EKD und damit die kirchlichen Ordnungen ändern” (IV. S. 14). In letzter Konsequenz bedeutet dies, wie die lutherischen Bekenntniskirchen schon 1948 bei der Gründung der EKD es befürchteten und annahmen, das Ende der lutherischen Landeskirchen in Deutschland. Zwar ist noch vereinzelter, hinhaltender Widerstand gegen die vollständige Kirchwerdung der EKD, auch gegen (Selbst-)Auflösungsvorschläge aus den eigenen Reihen, wie sie jüngst der Präsident des hannoverschen Landeskirchenamtes, zumindest für die Ebene der (nominell) noch konfessionsbestimmten kirchlichen Zusammenschlüsse, wie etwa der VELKD, unterbreitet hat, zu erkennen. Unverkennbar ist jedoch, dass die in diesem Dokument niedergelegten Tendenzen, Kirchengemeinschaft zu definieren und zu instrumentalisieren, faktisch auf eine flächendeckende Unionisierung der Landschaft des landeskirchlichen Protestantismus hinauslaufen. Die Rede von der bleibenden konfessionellen Bestimmtheit der Landeskirchen ändert daran faktisch nichts.
Abendmahlsgemeinschaft im Kontext der Ekklesiologie
4.
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Schlussbemerkung
Die SELK ist überzeugt, dass das wahrhaft katholische, orthodoxe und evangelische Erbe der lutherischen Reformation in dem genannten Dokument – auch ökumenisch – nicht mehr so zur Geltung gebracht werden kann, dass noch deutlich wird: Dieses Erbe ist für die Kirche verbindlich. Darum sehen wir für uns keine andere Möglichkeit, als weiterhin die Wege einer lutherischen Bekenntniskirche zu gehen, um das Erbe der lutherischen Reformation in kirchlicher Verbindlichkeit nach Kräften angemessen zu bewahren. Damit kommen wir unserer Verpflichtung nach, mit diesem Erbe der Einheit der Christenheit zu dienen. Hannover, im Juni 2002
257. Abendmahlsgemeinschaft im Kontext der Ekklesiologie* 1.
Grundlegendes
1.1.
Als Christ lebe ich in kirchlicher Verbundenheit
1.1.1. Als Christ glaube ich, daß ich zu Jesus Christus gekommen bin und mit ihm als meinem Herrn im Glauben verbunden bin, weil der Heilige Geist mich durch die Gnadenmittel, nämlich Gottes Wort und die Sakramente, ergriffen hat und die Verheißungen des Evangeliums beständig an mir wahr macht. Ich glaube, daß Christus mich damit zugleich als ein Glied an seinem Leib in seine Kirche eingebunden hat. Ich lebe als Christ in der Gemeinschaft derer, die aus der Kraft der Liebe Christi unter ihm leben und ihm dienen, mit ihnen herausgerufen aus der Welt unter seiner Herrschaft und in die Welt gesandt als Bote seiner Herrschaft. 1.1.2. Ich bekenne, daß mein eigenes Leben wie auch das Miteinander der Christen belastet und gefährdet bleiben durch Unglaube, Irrglaube, Lieblosigkeit, innere Widersprüche und äußere Widerstände und Leiden. Dadurch wird das christliche Zeugnis jedes einzelnen, jeder Gemeinde, jedes Kirchenwesens und der vielfach gespaltenen Christenheit überfremdet. Ich bekenne, daß nur Gott selber solche, satanischen Gegenkräfte gegen sein Reich überwinden kann, indem er weiterhin
*
Selbständige Evangelisch-Lutherische Kirche, 6. Allgemeiner Pfarrkonvent 1989 in Hofgeismar, Vorbereitungsheft II, 29–31.
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sein Wort bei mir und der ganzen Christenheit glaubenschaffend und glaubenstärkend klar zur Geltung und seine Sakramente rein zur Wirkung bringt, mich im Leben und im Sterben hält und mir mit allen Gläubigen das ewige Leben gibt. 1.1.3. Deshalb handle ich geistlich und kirchlich verantwortlich, – wenn ich die Gnadenmittel voll ihre Wirkung an mir entfalten lasse. Dazu halte ich mich zu einer Gemeinde und Kirche, in der die Verkündigung klar an das Wort der Bibel gebunden ist und Taufe und Abendmahl getreu der Einsetzung Christi verwaltet werden. – – wenn ich andern helfe, Christus in seinen Gnadenmitteln und in seiner Gemeinde zu finden. Darum lade ich sie in eine Gemeinde ein, die sie in klarer Ausrichtung auf Christus, der in seinen Gnadenmitteln gegenwärtig ist, und in brüderlicher Liebe auf ihrem Glaubensweg begleitet. – – wenn ich nach Kräften alles vermeide, was meinen Glauben und den Glauben anderer hindert oder gefährdet. Deshalb nehme ich erkannte Mißstände im Leben meiner Gemeinde und Kirche nicht einfach unentschieden, gleichgültig, unbedacht oder aus falscher Rücksichtnahme hin, sondern suche ihnen durch mein Zeugnis in Wort und Verhalten entgegenzuwirken. Überall, wo das klare Christuszeugnis beeinträchtigt ist, übe ich keine Abendmahlsgemeinschaft, um die Gabe und Verheißung des Herrenmahles nicht zweifelhaft erscheinen zu lassen. 1.2.
Die Abendmahlsgemeinschaft in der Selbständigen Evangelisch-Lutherischen Kirche
1.2.1. Die Selbständige Evangelisch-Lutherische Kirche will in ihrem Raum solches christliche Leben in kirchlicher Verbundenheit sich entfalten lassen. „Die Selbständige Evangelisch-Lutherische Kirche bezeugt Jesus Christus als den alleinigen Herrn der Kirche und verkündigt ihn als den Heiland der Welt. Sie ist gebunden an die Heilige Schrift Alten und Neuen Testaments als an das unfehlbare Wort Gottes, nach dem alle Lehre und Lehrer der Kirchen beurteilt werden sollen“ (Grundordnung Artikel l). Sie dient mithin der Einheit mit Christus und der Einheit der heiligen, christlichen und apostolischen Kirche – durch ständige Stärkung des Glaubens ihrer Gemeindeglieder, – durch deutliche Abgrenzungen gegen offenbare Irrtümer und – durch missionarische Offenheit für alle, weil Christus Heiland und Herr aller sein will.
Abendmahlsgemeinschaft im Kontext der Ekklesiologie
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1.2.2. Dementsprechend schließt die Gemeinschaft mit Christus im Abendmahl in sich – die Einmütigkeit der Gemeinde in Glaube und Liebe beim Empfang der unter Brot und Wein von Christus selbst dargereichten Gabe seines Leibes und Blutes zur Vergebung der Sünden, zu Leben und Seligkeit (l. Kor. 10, 16f), – die Absage an alles, was die Anerkennung Christi als des alleinigen Herrn hindert, und – die Bereitschaft, alle zum Glauben an Christus, der als Gottes Lamm die Sünden der ganzen Welt trägt, einzuladen. 1.2.3. Die Selbständige Evangelisch-Lutherische Kirche – leitet ihre Kirchglieder an, ihren Platz am Tisch des Herrn in ihrer Gemeinde und Kirche treu einzunehmen und sich dadurch zurüsten zu lassen zu festem Glauben, opferbereiter Liebe und gewisser Hoffnung; sie pflegt zugleich die gegenseitige Gemeinschaft am Tisch des Herrn mit solchen Kirchen und Christen, mit denen sie auf der gleichen Grundlage, der Heiligen Schrift und den lutherischen Bekenntnissen verbunden ist, um sich dadurch auch zu gemeinsamem Zeugnis und Dienst zurüsten zu lassen. – – achtet darauf, daß Unterschiede, die zwischen ihr und den anderen christlichen Gruppen und Kirchen über das Verständnis des Abendmahls und über seine kirchliche Einbindung bestehen, nicht unter Gesichtspunkten, die vielleicht menschlich gewichtig, aber von der Einsetzung Christi her nicht zu rechtfertigen sind, überspielt werden, sondern in gemeinsamem Ringen vom Wort Christi her überwunden werden; sie läßt deshalb in der Regel in ihren Gottesdiensten Gäste, die zu Gemeinden eines anderen Bekenntnisses oder einer anders geordneten Kirchengemeinschaft gehören, nicht zum Abendmahl zu. Die Entscheidung trifft der zuständige Pastor aufgrund eines Gespräches in pastoraler Verantwortung. – – lädt Menschen, die ohne feste kirchliche Bindungen sind und sich von Christus annehmen und mit seinen Gaben beschenken lassen wollen oder aber festeren Halt in Christus suchen, als sie ihn in ihrer bisherigen kirchlichen Beheimatung gefunden haben, herzlich ein, sich aufgrund kirchlicher Unterweisung zu einer festen Abendmahlsgemeinschaft mit voller Gliedschaft in einer Gemeinde dieser Kirche führen zu lassen. 2.
Zulassungsordnung
Das Heilige Abendmahl ist Gnadenmittel. Es ist zugleich Vollzug von Kirchengemeinschaft. Darum sollen Glieder der Selbständigen Evangelisch-Lutherischen Kirche grundsätzlich nur an Altären der Kirchen kommunizieren, mit denen Kir-
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Oecumenica
chengemeinschaft besteht. Entsprechend sollen Christen aus Kirchen zu denen keine Kirchengemeinschaft besteht, an Altären in der Selbständigen EvangelischLutherischen Kirche nicht kommunizieren. Es gibt aber seelsorgerliche Situationen, in denen auch Gläubigen anderer Kirchen das Abendmahl gereicht werden kann. Dabei wird vorausgesetzt, daß sie sich zu Luthers Kleinem Katechismus bekennen und Leib und Blut Christi im Brot und Wein zur Vergebung der Sünden glauben. Die Zulassung geschieht in der Zuversicht, daß sie sich durch Gottes Wort und Geist in der Kirchengemeinschaft des reinen Evangeliums und der einsetzungsgemäßen Sakramentsverwaltung festmachen lassen. Angenommen vom 6. Allgemeinen Pfarrkonvent in Hofgeismar am 10.06.1989 (Am 18. März 1988 von der Kommission beschlossene Form)
258. Kirchengemeinschaft. Bestimmungen aus der Handreichung „Ökumenische Verantwortung“ (1994)* 1.4
Kirchengemeinschaft
Kirchengemeinschaft ist Ausdruck vorhandener Lehrübereinstimmung in Verkündigung und Sakramentsspendung. Sie hat die gemeinsame Verkündigung und Mission, die wechselseitige Zulassung zu den Sakramenten und den Austausch von Pfarrern zur Folge. Darum heißt es in der Grundordnung der Selbständigen EvangelischLutherischen Kirche: „Die Selbständige Evangelisch-Lutherische Kirche pflegt Kirchengemeinschaft mit allen Kirchen, die Lehre und Handeln in gleicher Weise an die Heilige Schrift und das lutherische Bekenntnis binden. Sie verwirft die der Heiligen Schrift und den lutherischen Bekenntnissen widersprechenden Lehren und ihre Duldung sowie jede Union, die gegen Schrift und Bekenntnis verstößt. Sie weiß sich darin einig mit der rechtgläubigen Kirche aller Zeiten (Grundordnung, Artikel 2, 1).“ Kirchengemeinschaft findet demnach ihre Grenzen dort, wo uns eine Lehre und ein Verhalten begegnen, die dem Wort Gottes entgegenstehen. Dann ist die Kirche nämlich verpflichtet, dagegen Zeugnis abzulegen, notfalls unter Aufrechterhaltung einer schmerzlichen Trennung. Auch das ist Teil einer ökumenischen Verpflichtung. Im folgenden wird dargelegt, wie die Selbständige Evangelisch-Lutherische Kirche ihre gesamtkirchliche Verantwortung wahrnehmen will. *
Kirchenleitung der SELK (Hg.), Ökumenische Verantwortung. Eine Handreichung für die Selbständige Evangelisch-Lutherische Kirche, Hannover 1994, 12–14.
Bestimmungen aus der Handreichung „Ökumenische Verantwortung“
2.0
Gemeinschaft im Gottesdienst
2.1
Was Gottesdienst bedeutet
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Wenn Christen Gottesdienst halten, dann tun sie, was seit den Tagen der Apostel in der Kirche geschieht: Die Getauften kommen zusammen, um die Gnade des Dreieinigen Gottes zu empfangen und ihn zu preisen mit dem Bekenntnis des apostolischen Glaubens und ihn anzurufen mit ihrem Gebet. Solcher Gottesdienst hat vielfältige Gestalt angenommen: – Als Gebetsgottesdienst zu bestimmten Tageszeiten oder Anlässen, anfangs nach dem Vorbild der Synagoge; – als missionarische Verkündigung, die sich an alle, Juden und Heiden, wandte; – als Wortgottesdienst, zu dem auch Taufbewerber (Katechumenen) zugelassen waren; – als sonntäglicher Hauptgottesdienst in der Gemeinde, der den Verkündigungsteil umfaßte (zu dem auch die Taufbewerber Zutritt hatten) und die Feier des Altarsakraments (die allein die Getauften zusammenführte). Die lutherische Reformation führte diese gottesdienstliche Praxis fort. In ihrem Bekenntnis setzt sie voraus, daß in der Regel sonntäglich der Gottesdienst mit Wort und Sakrament gefeiert wird (Augsburgisches Bekenntnis, Artikel 24). Daneben blieben Gebets- und Wortgottesdienste bestehen. 2.2
Gottesdienst und Einheit der Kirche
Der Gottesdienst der Kirche muß der Heiligen Schrift gemäß sein. Dann schließt er uns zusammen mit allen Christen vor uns und nach uns und mit allen Christen in unserer Zeit, die Gott im Gehorsam gegen sein Wort anbeten, auf seine Stimme hören und seine Gaben empfangen. Im Gottesdienst wird für die rechte Einheit der Christen gebetet und das Bekenntnis zu der Einen Christlichen Kirche abgelegt. Insofern ist jeder schriftgemäße Gottesdienst ökumenisch. Weil aber Gottes Wort und Sakrament verfälscht, entstellt oder mißbraucht werden können, hat die Kirche große Verantwortung, ihre Verkündigung schriftgebunden und ihre Sakramentsverwaltung stiftungsgemäß auszurichten. Darauf haben wir auch dann zu achten, wenn wir Gottesdienste mit Christen anderer Konfessionen feiern wollen. Sonst gefährden wir die Einheit mit der rechtgläubigen Kirche seit den Tagen der Apostel und die Gemeinschaft mit allen rechtgläubigen Christen in unserer Zeit. 2.3
Gemeinschaft am Altar
Betrachtet man die unterschiedlichen Arten von Gottesdiensten (Gebetsgottesdienst, missionarischer und Wortgottesdienst, Hauptgottesdienst), dann wird klar:
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Oecumenica
Die Einheit der Kirche kommt am lebendigsten, deutlichsten und umfassendsten als Gemeinschaft am Altar zum Ausdruck. Dort reicht uns Christus seinen Leib und Blut zur Vergebung der Sünden und schließt uns zusammen zu einer Gemeinde. So stiftet die Abendmahlsgemeinschaft auch Kirchengemeinschaft. Aber nirgendwo ist die Einheit der Kirche auch mehr gefährdet als bei diesem Geschehen. Wir zerstören sie nämlich, wenn wir uns nicht gemeinsam zu dem bekennen, was Christus uns in seinem Wort und Sakrament schenkt, sondern unsere Unterschiede im Bekenntnis vorschnell übergehen. Die Gemeinschaft am Altar soll denen offen stehen, die das Bekenntnis zur wahren Gegenwart von Leib und Blut des Herrn im Sakrament ablegen, „für uns gegeben und vergossen zur Vergebung der Sünden“. Dieses Bekenntnis darf dabei durch Duldung entgegenstehender Lehre nicht in Frage gestellt werden. Das bedeutet praktisch: Jeder Pfarrer ist zu seelsorgerlicher Achtsamkeit verpflichtet. Christen aus solchen Kirchen, mit denen keine Kirchengemeinschaft besteht, können zum Heiligen Abendmahl nur zugelassen werden, wenn ernste seelsorgerliche Gründe dies gebieten. Die Liebe zu allen Christen legt dem Pfarrer eine große Verantwortung auf: Er soll helfen, daß jeder das Sakrament zu seinem Heil empfängt und nicht zum Gericht, indem er den Leib Christi nicht unterscheidet von anderer Speise (l. Kor. 11,29). Er steht dafür ein, daß die biblischen Aussagen über die wahre Gegenwart des Leibes und Blutes Christi nicht relativiert werden. Wenn ein Pfarrer Gläubigen aus anderen Kirchen das Sakrament reichen will, hat er zu prüfen, ob sie dem zustimmen, was Luther im Kleinen Katechismus erläutert, und ob sie ihren Glauben an die wahre Gegenwart von Leib und Blut Christi bekennen wollen. Wer das Heilige Mahl mit diesem Verständnis empfängt, gilt als aufgenommen in die Gemeinschaft der evangelisch-lutherischen Kirche in der Zuversicht, „sich durch Gottes Wort und Geist in der Kirchengemeinschaft des reinen Evangeliums und der einsetzungsgemäßen Sakramentsverwaltung festmachen zu lassen“ (Wegweisung, Seite 17). Insbesondere ist jeder Pfarrer gehalten, einen Sterbenden, der nach dem Sakrament verlangt, nicht ohne diesen Trost zu lassen. 2.4
Evangelisch-Lutherische Christen an anderen Altären
Werden evangelisch-lutherische Christen in Gemeinden solcher Kirchen zum heiligen Abendmahl eingeladen, mit denen keine Kirchengemeinschaft besteht, sollen sie wissen und bedenken, daß mit dem Abendmahlsempfang die Gemeinschaft mit der Kirche aufgenommen wird, die eingeladen hat. Sie bekennen dadurch, daß die dort vertretene Lehre und Praxis schriftgemäß sei. (…)
Vereinbarung über partnerschaftliche Beziehungen
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259. Vereinbarung über partnerschaftliche Beziehungen zwischen der Selbständigen Evangelisch-Lutherischen Kirche (SELK) und der Schlesischen Evangelischen Kirche Augsburgischen Bekenntnisses in der Tschechischen Republik (SEKAB)* (in der Fassung vom 19.4.2001) 1.
Präambel
Die SELK und die SEKAB treten in Verbindung als evangelisch-lutherische Kirchen. Ihre jeweilige Verfassung (Grundordnung) weist die Bindung beider Kirchen an die Heilige Schrift und das Bekenntnis der lutherischen Kirche in Gestalt des Konkordienbuchs von 1580 aus. Beide Kirchen teilen die Erfahrungen notvoller Bewährung schrift- und bekenntnismäßigen Handelns unter den Bedingungen der Diaspora-Situation. 2.
Ziel der Vereinbarung
Die SELK und die SEKAB erklären ihren gemeinsamen Willen zu weitreichender Zusammenarbeit im Geist geschwisterlichen Miteinanders und partnerschaftlichen Handelns. Ziel solcher Kooperation ist die gegenseitige Förderung sowie die Stärkung lutherischen Zeugnisses im kirchlichen und gesellschaftlichen Umfeld. 3.
Praktische Zusammenarbeit
Beide Kirchen vereinbaren für die Zusammenarbeit folgende praktische Maßnahmen: – regelmäßige Kontakte zwischen den Kirchenleitungen – gemeinsame theologische Arbeit in der Pfarrerschaft, z. B. in Gestalt von Pastoralkollegs und Pfarrkonventen – gegenseitige Einladungen zu theologischen Referaten – Förderung von Studierenden der SEKAB in besonderen Studienangeboten an der Lutherischen Theologischen Hochschule in Oberursel Darüber hinaus wollen beide Kirchen ihre Beziehungen vertiefen durch: – Gemeindepartnerschaften – Zusammenarbeit in der Kinder- und Jugendarbeit – Austausch von Erfahrungen und wechselseitige Unterstützung im Bereich der Diakonie – Information über und Beteiligung an missionarischen Projekten
*
Ordnungen für die Selbständige Evangelisch-Lutherische Kirche (SELK). Herausgegeben von der Kirchenleitung der SELK, El 16 (2005), 605.1–2.
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– – –
Oecumenica
Begegnungen und Zusammenarbeit auf kirchenmusikalischem Gebiet gegenseitige Einladungen zu überregionalen Veranstaltungen Information an Kirchglieder im Fall eines Umzugs ins andere Land über die SELK bzw. SEKAB
4.
Fragen der Kirchengemeinschaft
4.1.
Grundsätze
Die SELK und die SEKAB teilen die Überzeugung, dass die Einheit der Kirche als Gabe Gottes all unserem Bemühen um Klärung und Handhabung der Fragen kirchlicher Gemeinschaft vorgeordnet und vorgegeben ist. Das Bemühen um die Erkenntnis solcher Einheit bleibt den Kirchen als Voraussetzung der Bestätigung und Betätigung kirchlicher Gemeinschaft aufgetragen. 4.2.
Geschichtliche Hintergründe
Die SELK und die SEKAB haben die Ausprägung ihrer kirchlichen Eigenart unter unterschiedlichen geschichtlichen, politischen und kirchlichen Rahmenbedingungen erfahren. Diese Voraussetzungen erfordern eine gründliche Würdigung, wenn nach den schriftgemäßen und bekenntnisgebundenen Grundsätzen die Kirchengemeinschaft gesucht und praktiziert werden soll. Kirchengemeinschaft ist Ausdruck vorhandener Lehrübereinstimmung in Verkündigung und Sakramentsspendung, Gottesdienst und Seelsorge, Lehre und Dienst. Unterschiede zwischen der SELK und der SEKAB bestehen vor allem in der Ausübung kirchlicher Verbindungen im nationalen und internationalen Kontext. Die bestehenden Unterschiede der kirchlichen Ausrichtung und ihrer Umsetzung bedürfen weiterer Klärung im theologischen Gespräch zwischen der SELK und der SEKAB. 4.3.
Orientierung
Bei gegenseitigen Besuchen handeln Gemeinde und Pfarrer im Rahmen der in dieser Vereinbarung festgestellten Gemeinsamkeiten und nach den jeweiligen Ordnungen ihrer Kirchen. Hannover, den 19. April 2001 Bischof Vladislav Volný (SEKAB) Bischof Dr. Diethardt Roth (SELK)
Vereinbarung über partnerschaftliche Beziehungen
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260. Vereinbarung über partnerschaftliche Beziehungen zwischen der Selbständigen Evangelisch-Lutherischen Kirche (SELK) und der Evangelisch-Lutherischen Ingermanlandkirche in Russland (ELKIR)* (in der Fassung vom 19.5.2001) 1.
Präambel
Die SELK und die ELKIR treten in Verbindung als evangelisch-lutherische Kirchen. Ihre jeweilige Verfassung (Grundordnung) weist die Bindung beider Kirchen an die Heilige Schrift und das Bekenntnis der lutherischen Kirche in Gestalt des Konkordienbuchs von 1580 aus. Beide Kirchen teilen die Erfahrungen notvoller Bewährung schrift- und bekenntnismäßigen Handelns unter den Bedingungen der Diaspora-Situation. 2.
Ziel der Vereinbarung
Die SELK und die ELKIR erklären ihren gemeinsamen Willen zu weitreichender Zusammenarbeit im Geist geschwisterlichen Miteinanders und partnerschaftlichen Handelns. Ziel solcher Kooperation ist die gegenseitige Förderung sowie die Stärkung lutherischen Zeugnisses im kirchlichen und gesellschaftlichen Umfeld. 3.
Praktische Zusammenarbeit
Beide Kirchen vereinbaren für die Zusammenarbeit folgende praktische Maßnahmen: – regelmäßige Kontakte zwischen den Kirchenleitungen – gemeinsame theologische Arbeit in der Pfarrerschaft, z.B. in Gestalt von Pastoralkollegs und Pfarrkonventen – gegenseitige Einladungen zu theologischen Referaten – Förderung von Studierenden der ELKIR in besonderen Studienangeboten an der Lutherischen Theologischen Hochschule in Oberursel Darüber hinaus wollen beide Kirchen ihre Beziehungen vertiefen durch: – Gemeindepartnerschaften – Zusammenarbeit in der Kinder- und Jugendarbeit – Austausch von Erfahrungen und wechselseitige Unterstützung im Bereich der Diakonie – Information über und Beteiligung an missionarischen Projekten
*
Ordnungen für die Selbständige Evangelisch-Lutherische Kirche (SELK). Herausgegeben von der Kirchenleitung der SELK, El 16 (2005), 606.1–2.
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– – –
Oecumenica
Begegnungen und Zusammenarbeit auf kirchenmusikalischem Gebiet gegenseitige Einladungen zu überregionalen Veranstaltungen Information an Kirchglieder im Fall eines Umzugs ins andere Land über die SELK bzw. die ELKIR
4.
Fragen der Kirchengemeinschaft
4.1.
Grundsätze
Die SELK und die ELKIR teilen die Überzeugung, dass die Einheit der Kirche als Gabe Gottes all unserem Bemühen um Klärung und Handhabung der Fragen kirchlicher Gemeinschaft vorgeordnet und vorgegeben ist. Das Bemühen um die Erkenntnis solcher Einheit bleibt den Kirchen als Voraussetzung der Bestätigung und Betätigung kirchlicher Gemeinschaft aufgetragen. 4.2.
Geschichtliche Hintergründe
Die SELK und die ELKIR haben die Ausprägung ihrer kirchlichen Eigenart unter sehr unterschiedlichen geschichtlichen, politischen und kirchlichen Rahmenbedingungen erfahren. Diese Voraussetzungen erfordern eine gründliche Würdigung, wenn nach den schriftgemäßen und bekenntnisgebundenen Grundsätzen die Kirchengemeinschaft gesucht und praktiziert werden soll. Kirchengemeinschaft ist Ausdruck vorhandener Lehrübereinstimmung in Verkündigung und Sakramentsspendung, Gottesdienst und Seelsorge, Lehre und Dienst. Unterschiede zwischen der SELK und der ELKIR bestehen vor allem in der Ausübung kirchlicher Verbindungen im nationalen und internationalen Kontext. Die bestehenden Unterschiede der kirchlichen Ausrichtung und ihrer Umsetzung bedürfen weiterer Klärung im theologischen Gespräch zwischen der SELK und der ELKIR. 4.3.
Orientierung
Bei gegenseitigen Besuchen handeln Gemeinde und Pfarrer im Rahmen der in dieser Vereinbarung festgestellten Gemeinsamkeiten und nach den jeweiligen Ordnungen ihrer Kirchen. Hannover, den 19. Mai 2001 Bischof Aarre Kuukauppi (ELKIR) Bischof Dr. Diethardt Roth (SELK)
Vereinbarung
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261. Vereinbarung zwischen der Selbständigen EvangelischLutherischen Kirche (SELK) in Deutschland und der Evangelisch-Lutherischen Kirche Lettlands (ELKL)*1 (in der Fassung vom 25.10.2002) Die Grundordnung der Selbständigen Evangelisch-Lutherischen Kirche (SELK) in Deutschland und die Verfassung der Evangelisch-Lutherischen Kirche Lettlands (ELKL) verweisen auf die Bindung beider Kirchen an die Heiligen Schriften und die Bekenntnisse der lutherischen Kirchen in der im Konkordienbuch von 1580 vorliegenden Form. Beide Kirchen haben eine ähnliche Erfahrung darin, Schwierigkeiten zu bewältigen, um bei ihrer Tätigkeit nicht abzuweichen von der Übereinstimmung mit den Heiligen Schriften und den Glaubensbekenntnissen. SELK und ELKL bringen ihren gemeinsamen Willen zum Ausdruck, ihre Zusammenarbeit im Geiste brüderlicher Gemeinschaft und gemeinschaftlicher Zusammenarbeit zu gestalten. Ziel dieser Zusammenarbeit ist die gegenseitige Unterstützung wie auch die Ausbreitung und Stärkung des lutherischen Zeugnisses in der Kirche und der gesamten Gesellschaft. Hannover, den 25. Oktober 2002 gez. Dr. Diethardt Roth, Bischof (SELK) Jānis Vanags, D.D., Erzbischof (ELKL)
262. Vereinbarung zur Entwicklung der Kontakte zwischen der Evangelischen Kirche der Kirchenprovinz Sachsen (EKKPS) und der Selbständigen Evangelisch-Lutherischen Kirche (SELK) in Wittenberg*2 (in der Fassung vom 27.6.2008) Präambel Wie im Rahmen der Arbeitsgemeinschaft Christlicher Kirchen in Deutschland (ACK) und in der Charta Oecumenica verabredet, entwickeln die Evangelische Kirche der Kirchenprovinz Sachsen (EKKPS) und die Selbständige EvangelischLutherische Kirche (SELK) eine vertrauensvolle Zusammenarbeit. 1. Beide Kirchen vereinbaren einen regelmäßigen, mindestens jährlichen Informationsaustausch auf lokaler Ebene in Wittenberg einzurichten, um besonders *1 Ordnungen für die Selbständige Evangelisch-Lutherische Kirche (SELK). Herausgegeben von der Kirchenleitung der SELK, El 16 (2005), 608. *2 Ordnungen für die Selbständige Evangelisch-Lutherische Kirche (SELK). Herausgegeben von der Kirchenleitung der SELK, El 17 (2008), 651.1–2.
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Oecumenica
über Projekte und Vorhaben in Wittenberg zu informieren. 2. Beide Kirchen erklären, den theologischen Positionen der jeweils anderen Kirche besonders bei öffentlichen Verlautbarungen im Geist der Ökumene zu begegnen. Auf Negativdarstellungen der jeweiligen Partner wird verzichtet. Vielmehr suchen die Partner das gemeinsame theologische Gespräch im geeigneten Kontext. 3. Im Rahmen der Öffentlichkeitsarbeit und der missionarischen Bemühungen der SELK in Wittenberg verzichtet die SELK auf aktive „Werbung“ bei Christinnen und Christen anderer Kirchen und setzt sich dafür ein, dass Menschen in ihrer jeweiligen Gemeinde ihre Heimat behalten. Sollte es dennoch zu dauerhaften Kontakten kommen, so handeln die Partner nach den Grundsätzen der ACK und der Charta Oecumenica. 4. Alle Gottesdienste sind öffentlich. In der Frage der Abendmahlszulassung gilt in der SELK, dass in ihr Christen, die im Bekenntnis zur wahren Gegenwart von Leib und Blut Christi im Altarsakrament übereinstimmen, im Rahmen der seelsorgerlichen Verantwortung des Pfarrers zugelassen werden können. 5. Die SELK erklärt, dass das mit der Lutheran Church – Missouri Synod (LCMS) geplante Besucherzentrum für Gäste aller Kirchen nach Maßgabe der Möglichkeiten offen steht. 6. Die SELK wird in diesem Besucherzentrum in der Regel keine Gottesdienste gleichzeitig zu Gottesdiensten in der Stadtkirche durchführen. 7. Veranstaltungen auf dem Kirchplatz bedürfen der vorherigen gegenseitigen Absprache. 8. Die EKKPS erklärt sich einverstanden, dass Kirchengebäude im Rahmen eigener Planungen und Möglichkeiten für gelegentliche Gottesdienste der SELK gastweise zur Verfügung gestellt werden. Diese Gottesdienste können nicht in unmittelbarer zeitlicher Nähe zu sonntäglichen Hauptgottesdiensten stattfinden. Die SELK plant, alle regelmäßigen gemeindlichen Aktivitäten, besonders Gottesdienste, in der Hauskapelle des Begegnungszentrums „Alte Lateinschule“ anzusiedeln. 9. Beide Kirchen verwenden für öffentliche Ankündigungen, bei der Benennung von Einrichtungen und bei Publikationen ihren in den jeweiligen Kirchen- oder Gemeindeordnungen verankerten Namen. Magdeburg, den 27.06.2008 Evangelische Kirche der Kirchenprovinz Sachsen Axel Noack Bischof Selbständige Evangelisch-Lutherische Kirche Hans-Jörg Voigt Bischof
Thesen zur Kirchengemeinschaft
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263. Thesen zur Kirchengemeinschaft; Entschließung der Teilnehmer der European Regional ILC Conference (Antwerpen, Belgien, 11.–14.6.2004) an ihre Kirchen* 1. Die Einheit der Kirche ist Gabe des Dreieinigen Gottes. Als solche ist sie eine Wirklichkeit, die all’ unserem Bemühen um Klärung und Handhabung der Fragen kirchlicher Gemeinschaft vorgeordnet und vorgegeben ist. 2. Kirchengemeinschaft zwischen organisatorisch selbständigen Kirchenkörpern ist Ausdruck vorhandener Lehrübereinstimmung in Verkündigung und Sakramentsspendung. 3. Kirchengemeinschaft verschafft sich Ausdruck vorzüglich in der Übung gottesdienstlicher Gemeinschaft, wechselseitiger Zulassung zu den Sakramenten, und der wechselseitigen Anerkennung der Ämter (Interkommunion und Interzelebration). Überdies schließt sie geistlichen Beistand, gemeinsames Zeugnis (Mission) und gemeinsamem Dienst am Nächsten (Diakonie) ein. 4. Die lutherische Kirche steht auf Grund ihres Glaubens, ihrer Lehre und ihres Bekenntnisses im Raum der Einen, heiligen, christlichen Kirche, deren Glauben sie bekennt, und blickt auf die Gesamtheit der Kirche Jesu Christi. 5. Da die Kirche durch die Predigt des Evangeliums und die Spendung der Sakramente ihr Dasein hat, ist zur Einheit der Kirche nötig, was die Kirche zur Kirche macht: Ihr Einssein hängt am Evangelium in der Gestalt schriftgemäßer Verkündigung des Wortes Gottes und stiftungsgemäßer Spendung der Sakramente. 6. Die Bestätigung und Betätigung von Kirchengemeinschaft im Sinn von Kanzelund Abendmahlsgemeinschaft einschließlich von Interkommunion und Interzelebration hat diesem Maßstab zu entsprechen. 7. Wir sind uns einig in der Verpflichtung, lutherische Identität in kirchlich verbindlicher Gestalt erhalten und gestalten zu wollen. In diesem Zusammenhang stellen wir fest, dass Kirchengemeinschaft den Konsens im Glauben, Lehren und Bekennen unabdingbar zur Voraussetzung hat. 8. Wir sind nach wie vor davon überzeugt, dass die Differenzen des Reformationszeitalters, namentlich in der Rechtfertigungslehre und der Lehre von den Sakramenten, und die dazu gehörigen Lehrverurteilungen den Grund des Glaubens berühren. 9. Wir sind einander bereits weithin wechselseitig verpflichtet, der Stärkung des lutherischen Zeugnisses in unserem nationalen, aber auch dem europäischen kirchlichen und gesellschaftlichen Umfeld zu dienen. 10. Einmütigkeit und Übereinstimmung („magnus consensus“, CA I) in Bekenntnis, Lehre, Gottesdienst und Praxis unserer Kirchen sind und bleiben unser Ziel auf dem Weg zu voller kirchlicher Gemeinschaft. *
Lutherische Kirche. Kirchenblatt der Selbständigen Evangelisch-Lutherischen Kirche (SELK), 35 (2004), 4.
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Oecumenica
264. Stellungnahme der Selbständigen Evangelisch-Lutherischen Kirche zur „Gemeinsamen Erklärung zur Rechtfertigungslehre“ (Römisch-katholische Kirche – Lutherischer Weltbund) (März 1999)* 0.
Vorbemerkung
Die Herausforderung Seit Februar 1997 wird die „Gemeinsame Erklärung zur Rechtfertigungslehre“ (Römisch-katholische Kirche – Lutherischer Weltbund [GE]) in der kirchlichen Öffentlichkeit diskutiert. Dieses Dokument behauptet, in der Rechtfertigungslehre 2 „einen Konsens in Grundwahrheiten“ (5) gefunden zu haben, und sieht darin einen „entscheidenden Schritt zur Überwindung der Kirchenspaltung“ (44). Angesichts der zentralen Bedeutung dieses Themas sehen wir uns als lutherische Kirche zu einer kirchlich verbindlichen Stellungnahme herausgefordert. Die nachfolgende Würdigung und Kritik will verdeutlichen, daß angesichts des hohen Ranges der anstehenden Probleme die gemeinsame theologische Arbeit von Lutheranern und römischen Katholiken dringlicher denn je ist. 1.
Würdigung
Wir begrüßen ausdrücklich, daß die Rechtfertigungslehre, über deren Verständnis im 16. Jahrhundert die Einheit der abendländischen Christenheit zerbrach, zwischen dem Lutherischen Weltbund und der Römisch-katholischen Kirche in den vergangenen Jahrzehnten zum Gegenstand theologischer Bearbeitung gewählt wurde. Diese Arbeit, die in verschiedenen Dokumenten Niederschlag gefunden 3 hat , hat eine Reihe von Korrekturen überkommener Fehlurteile erbracht; dies gilt
*
2 3
Werner Klän, Einig in der Rechtfertigungslehre? Anfragen an die „Gemeinsame Erklärung zur Rechtfertigungslehre“ aus konkordienlutherischer Sicht, in: Uwe Swarat / Johannes Oeldemann / Dagmar Heller (Hrsg.), Von Gott angenommen – in Christus verwandelt. Die Rechtfertigungslehre im multilateralen ökumenischen Dialog (= ÖR.B 78), Frankfurt/M. 2006, 112–119. Die Zahlen in (.) beziehen sich auf die Zählung der Paragraphen in der GE. Der „Malta-Bericht“, in: H. Meyer/H.-J. Urban/L. Vischer/ (Hgg.): Dokumente wachsender Übereinstimmung. Sämtliche Berichte und Konsenstexte interkonfessioneller Gespräche auf Weltebene 1931–1982, Paderborn/Frankfurt/M. 1983, 248–271; „Justification by Faith“, in: H. G. Andersson/J. A.Burgess/T. A. Murphy (Hgg.): Justification by Faith (= Lutherans and Catholics in Dialogue VII), Minneapolis, MN 1985; deutsch in: G. Gaßmann/H. Meyer (Hgg.): Rechtfertigung im ökumenischen Dialog. Dokumente und Einführung (= ÖkPer Nr. 12), Frankfurt/M. 1987; „Lehrverurteilungen – kirchentrennend?“, in: K. Lehmann/W. Pannenberg (Hgg.): Lehrverurteilungen – kirchentrennend? Rechtfertigung, Sakramente und Amt im Zeitalter der Reformation und heute, Freiburg/ Göttingen 1986, 35–75; vgl. auch die „Leuenberger Konkordie“, in: A. Birmelé (Hg.):
Stellungnahme der Selbständigen Evangelisch-Lutherischen Kirche
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z. B. für das Vorurteil einer römisch-katholischen „Werkgerechtigkeit“ oder für eine angebliche „ethische Indifferenz“ der lutherischen Theologie. Sie hat darin einen nicht geringen Rang. Die GE ist darauf aus, „Bilanz zu ziehen und die Ergebnisse der Dialoge über die Rechtfertigung (...) zusammenzufassen“, damit die am Dialog beteiligten Kirchen in den Stand gesetzt werden, „sich verbindlich dazu zu äußern“ (4). Erkennbare Fortschritte Im Vergleich zu den Vorgängerdokumenten ist an der GE eine Reihe von Fortschritten zu erkennen; dazu zählen: die Voranstellung des biblischen Zeugnisses (8–12), die Behandlung der Thematik in der Form gemeinsamen Bekennens und die explizite Thematisierung von „Gesetz und Evangelium“ (31–33), die zuvor nicht Gegenstand der Bearbeitung waren. Zu begrüßen ist die christologische Rückbindung des Rechtfertigungsgeschehens: Tod und Auferstehung Christi werden als Grund und Voraussetzung der Rechtfertigung bekannt (34), und es wird von der Vereinigung mit Christus in der Taufe gesprochen (28); das Rechtfertigungsgeschehen wird in bemerkenswertem Maße als Christusgemeinschaft beschrieben (11, 15, 22, 26, 28, 37). Positiv zu werten ist die Tatsache, daß die GE klassische römisch4 katholische Positionen, etwa die Konkupiszenzlehre (30), das ethische Sündenverständnis (30) und die Verdienstlichkeit der guten Werke (38) weit offener und ehrlicher darlegt als die Vorgängerdokumente. Auch daß die Rechtfertigung für die römisch-katholische Seite nicht das Kriterium schlechthin ist, wird deutlich ausgesprochen (18). Weiterhin ist positiv zu werten, daß lutherische Positionen in vielen Punkten klar markiert werden. 2.
Unausgeräumte Differenzen aus dem 16. Jahrhundert
Nicht zu erkennen ist freilich, daß in der GE die grundlegenden Differenzen der Reformationszeit einer wirklich befriedigenden Lösung zugeführt worden sind. So fehlt in der biblischen Grundlegung der Bezug auf Röm 5, 6–11, (der Tod Christi als Sterben für Gottlose), auf Röm 4, 17 (das Rettungshandeln Gottes als Neuschöpfung von solchen, die tot waren), und auf Phil 3 (Ausschluß jeder eigenen Gerechtigkeit). So wird schon das paulinische Evangeliumsverständnis verkürzt widergegeben (10), indem nicht erfaßt ist, daß es darin um die Rettung aus dem Zorn Gottes geht (Röm 1,18).
4
Konkordie und Ökumene. Die Leuenberger Kirchengemeinschaft in der gegenwärtigen ökumenischen Situation. Texte der Konferenz von Straßburg (18. bis 24. März 1987), Frankfurt/M. 1988. Danach handelt es sich bei der Konkupiszenz um „eine aus der Sünde kommende und zur Sünde drängende Neigung im Menschen“, die selbst nicht Sünde ist (30).
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Nebenordnung statt Dialektik Die Dialektik von Gesetz und Evangelium als Grundstruktur des Rechtfertigungsgeschehens wirkt sich in der GE nicht prägend auf die Darstellung der Rechtfertigung aus. Die Vorgehensweise der GE wie die ihrer Vorgängerdokumente führt vielmehr zwangsläufig zu einer phänomenologischen und damit wiederum zu einer 5 prozessualen Darstellung des Rechtfertigungsgeschehens , die genau der Darstellungsweise des Tridentinums entspricht, dagegen eine angemessene Darstellung dieses Geschehens aus lutherischer Sicht unmöglich macht. Bezeichnend sind in diesem Zusammenhang die vielen Nebenordnungen mit „und“ in der Darstellung der GE („Rechtfertigung als Sündenvergebung und Gerechtmachung“ [22]; „daß Gott aus Gnade dem Menschen die Sünde vergibt und ihn zugleich in seinem Leben von der knechtenden Macht der Sünde befreit und ihm das neue Leben in Christus schenkt“ [22]; „rechnet ihm Gott seine Sünde nicht an und wirkt in ihm tätige Liebe durch den Heiligen Geist“ [22]; „Sündenvergebung und Gerechtmachung“ [27]; „rechtfertigt und wirklich erneuert“ [28]). Dadurch werden Aussagen miteinander verbunden, die sich unter der Dialektik von Gesetz und Evangelium eben gerade nicht als gleichrangig herausstellen würden. Dagegen betont das mehrfache 6 reformatorische „sola“ die durchgängige Alleinwirksamkeit Gottes im Rechtfertigungsgeschehen. Kennzeichnend dafür ist, daß der Konsens, auf den sich die Aussagen der GE gründen, wesentlich durch einen gemeinsamen Rückzug auf das Bekenntnis zur Gnadenhaftigkeit der iustificatio prima im tridentinischen Sinn erzielt wird (15), ohne daß die Differenz dieser zur letztgültigen Annahme (acceptatio) im Endge7 richt (DH 1531, 1534, 1535, 1574) bearbeitet wird . Dieses Defizit wird nur da8 durch verdeckt, daß der forensische Aspekt der Rechtfertigung fast völlig ausgeblendet wird: Eine Verhältnisbestimmung von Rechtfertigung und Heiligung in bezug auf den Freispruch im Endgericht findet nicht statt. Wer ist das Subjekt der Erneuerung? Entsprechend wird die tridentinische Komplementarität von vorgängiger Gottesgnade und Mitwirkung des gnadenvoll erneuerten Menschen aufrechterhalten; lutherischerseits kommt man diesem Anliegen nach, indem man nun auch von einem „vollen personalen Beteiligtsein im Glauben, das vom Wort Gottes selbst 5 6 7
8
Rechtfertigung wird dabei als ein Vorgang beschrieben, der sich durch Gottes Gnade unter persönlicher Beteiligung des Menschen vollzieht und so am Menschen als Fortschritt aufweisbar ist. sola gratia, fide – allein aus Gnaden aus Glauben; solus Christus – Christus allein. Im Sinn des Konzils von Trient muß die anfängliche gnadenhafte Rechtfertigung im Leben des Christen bewahrt, bewährt, ja vermehrt werden, damit der Mensch im Endgericht als gerecht gelten kann. Im Sinn des lutherischen Bekenntnisses besteht die Gerechtigkeit des Sünders im Urteilsspruch Gottes, der den Gottlosen um Christi willen, aus Gnaden gerecht spricht.
Stellungnahme der Selbständigen Evangelisch-Lutherischen Kirche
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gewirkt wird“, reden kann (21). Unklar bleibt, wer das Subjekt der Erneuerung des 9 Christen ist , wie es um die Verdienstlichkeit der guten Werke in diesem Zusammenhang bestellt ist und was die Beibehaltung des Konkupiszenzbegriffs römischerseits bedeutet. Wird die neue Wirklichkeit des Gerechtfertigten aber nicht eindeutig außerhalb seiner selbst in Christus gegründet, so wird der Mensch damit letztlich an seiner eigenen Beteiligung am Rechtfertigungsgeschehen gemessen. Darauf deutet außerdem hin, daß Christus wesentlich auch als Bindeglied von Rechtfertigung und Heiligung gesehen wird, als Mittler der Gnadengaben und der Erneuerung (26, vgl. 18, 22). 10 Die noch verbleibende Rede vom usus elenchthicus des Gesetzes in der lutherischen Entfaltung (32) bleibt somit im Gesamt der GE ein Fremdkörper. Diese Unklarheiten hängen auch damit zusammen, daß kein Einvernehmen darüber hergestellt werden kann, ob die Rechtfertigung articulus stantis et cadentis 11 ecclesiae oder nur „ein unverzichtbares Kriterium, das die gesamte Lehre und Praxis der Kirche unablässig auf Christus hin orientieren will“, ist, wie in der GE gemeinsam formuliert wird, oder lediglich eines unter anderen, wie sich der römisch-katholischen Entfaltung entnehmen läßt (18). 3.
Die in der GE verwendete Methode und ihre Defizite
Problematisch ist auch die Methode, mit der der in der GE behauptete Konsens erreicht wird: Mit ihren Vorgängerdokumenten erhebt sie den Anspruch auf Komplementarität der klassischen konfessionellen Lehren des Reformationsjahrhunderts; konfessionelle Differenzen werden zu „Anliegen“ neutralisiert und der Konsens formal als kleinster gemeinsamer Nenner der verschiedenen „Anliegen“ formuliert. Vom heutigen Stand der Lehre ausgehend können die Lehrverurteilungen des 16. Jahrhunderts dann als nicht länger kirchentrennend begriffen werden (13). Dagegen sind folgende Einwände geltend zu machen: Die Formulierung gemeinsamer Obersätze wird durch die Beigabe jeweils konfessionsspezifischer Interpretationen unterlaufen; dies gilt zumindest für den Fall, daß diese sich widersprechen, doch auch sonst läßt dieses Vorgehen auf ein unterschiedliches, wenn nicht gegensätzliches Verständnis der Sachverhalte schließen, wie bei dem „Sündersein des Gerechtfertigten“ (28–30) und den „guten Werke(n) des Gerechtfertigten“ (37– 39) unverkennbar ist.
9
Im Sterben des „alten Menschen“ und der Schaffung des „neuen Menschen“ in der Taufe ist nach lutherischer Lehre Gott allein am Werk; es findet ein Herrschaftswechsel und „Existenzbruch“ statt (Röm 4, 17). Hingegen wird nach römisch-katholischer Lehre in der Taufe an Möglichkeiten der (alten) menschlichen Natur angeknüpft und so der Mensch befähigt, sich Gott zuzuwenden. 10 Die anklagende, verurteilende, tötende Wirkung des Gesetzes. 11 Der (Glaubens-)Artikel, mit dem die Kirche steht und fällt.
694
Oecumenica
Sind die Kirchen wirklich Partner? Zu fragen bleibt zudem, ob sich dieses Verfahren angesichts des ekklesiologischen Ungleichgewichts im „Selbstverständnis der beteiligten Kirchen“ (5, Anm. 9) nicht von vornherein als Fiktion erweist. Zu hinterfragen ist schließlich das Geschichtsbild der GE, das unter der Hand „neue Einsichten“ als die besseren ansieht. Außerdem wird nicht benannt, was denn inhaltlich mit den „neue(n) Einsichten“ gemeint ist, die „unseren Kirchen in der Geschichte zuwachsen“ (7); dies wäre um der Durchsichtigkeit der Argumentation willen unabdingbar. Deutlich wird diese Problematik nicht zuletzt im Umgang mit der Heiligen 12 Schrift: Die Schrift wird nicht als norma normans ins Feld geführt und also nicht als „der einige Richter, Regel und Richtschnur“ (FC, Epit. Vom summarischen Begriff, BSLK 769) in Fragen des Glaubens und der Lehre begriffen. Die Auswahl und Gewichtung der Belegtexte hätte begründeter und gewissenhafter vorgenommen werden müssen: Die Texte werden etwa ohne Bezug zu ihrem Kontext angeführt; dies führt zur wechselseitigen Nivellierung der beigebrachten Schriftstellen. Begriffe wie „Rechtfertigung“, „Sünde“, „Gnade“ werden ohne inhaltliche Klärung eingeführt. So fehlt der GE in den hier anstehenden Fragen eine zureichende biblisch-theologische Grundlegung. Die Botschaft von der Rechtfertigung – Zuspruch oder Hinweis? Das zur Anwendung kommende Schriftverständnis wirkt sich unmittelbar auf die Bestimmung dessen, was Rechtfertigung sei, aus: Indem die GE zwischen „Rechtfertigung“ als „Werk des dreieinigen Gottes“ (15), „Botschaft von der Rechtfertigung“ (17) und „Lehre von der Rechtfertigung“ (18) unterscheidet, legt sie das Mißverständnis nahe: Statt selber effektiver Zuspruch der Vergebung zu sein, trägt die „Botschaft von der Rechtfertigung“ nur noch Hinweischarakter auf die „Mitte des neutestamentlichen Zeugnisses von Gottes Heilshandeln in Christus“, ist also wesentlich nur informatorischer Art: „Sie sagt uns, daß wir Sünder unser neues Leben allein der vergebenden und neuschaffenden Barmherzigkeit Gottes verdanken, die wir uns nur schenken lassen und im Glauben empfangen, aber nie (...) verdienen können.“ (17)
12 Die Hl. Schrift ist, bezogen auf Lehre und Bekenntnis der Kirche, maßgebliche Instanz im Sinn unbedingter Autorität; Lehre und Bekenntnis der Kirche sind daran ausgerichtet und davon abgeleitet („norma normata“).
Stellungnahme der Selbständigen Evangelisch-Lutherischen Kirche
4.
695
Die GE in Spannung zu sonstiger Lehre und Praxis der beteiligten Kirchen (Beispiele)
Angesichts der aufgezeigten Mängel ist darauf hinzuweisen, daß eine Überprüfung auch dessen, „was in jeder der Kirchen über Rechtfertigung“ sonst noch „gelehrt wird“ (5), unabdingbar ist. Buße, Ablaß, Rechtfertigung? Explizit wird in der GE das Bußinstitut der Römisch-katholischen Kirche („Sakrament der Versöhnung“, [30]) genannt. Hier werden die praktischen Folgen der oben benannten theologischen Weichenstellungen exemplarisch deutlich: Nach römisch-katholischer Sicht kann vom Gerechtfertigten ein Sündersein nicht mehr ausgesagt werden, es sei denn, er trenne sich willentlich von Gott; in diesem Fall tritt das Bußinstitut zur Bereinigung des Gottesverhältnisses ein, während offenbleibt, ob sonst „eine erneute Beobachtung der Gebote“ (30) das Gottesverhältnis intakt hält. Entsprechend müßten andere Bezüge zur Rechtfertigungslehre in der römischkatholischen „Hierarchie der Wahrheiten“ überprüft werden [vgl. z.B. zum Thema Ablässe das CIC 1983, 992–997; zum Bußinstitut vgl. den Katechismus der katholischen Kirche 1993, 1420–1498, besonders 1434 (als „Mittel, um Vergebung der Sünden zu erlangen“ gelten z. B. „die Bemühungen, sich mit seinem Nächsten zu versöhnen, die Tränen der Buße, die Sorge um das Heil des Nächsten, die Fürbitte der Heiligen und die tätige Nächstenliebe“), 1459–1460 (Genugtuung, um Sünden wiedergutzumachen), 1471–1479 (Die Ablässe, gewährt durch die Kirche, auch für verstorbene Gläubige)]. Hier ist auch noch einmal auf das ekklesiologische Ungleichgewicht (5, Anm. 9) zu verweisen: Was bedeutet es für die GE, daß die Kirchen der Reformation selbst nach dem II. Vatikanischen Konzil nicht als Kirchen im Vollsinn anerkannt werden? Überdies ist festzustellen, daß die GE, indem sie auf „Lehrverurteilungen – kirchentrennend?“ aufbaut, mit den Vorgängerdokumenten das Defizit teilt, daß nicht 13 alle Verwerfungen der Reformationszeit Bearbeitung gefunden haben . Können „Heiden“selig werden? Nicht berücksichtigt werden ebenso die Aussagen des II. Vatikanischen Konzils über das Verhältnis der Römisch-katholischen Kirche zu den nichtchristlichen Religionen: Die Feststellung des Konzils: „Wer nämlich das Evangelium Christi und seine Kirche ohne Schuld nicht kennt, Gott aber aus ehrlichem Herzen sucht, sei13 Vgl. D. Lange (Hg.): Überholte Verurteilungen? Die Gegensätze in der Lehre von Rechtfertigung, Abendmahl und Amt zwischen dem Konzil von Trient und der Reformation damals und heute, Göttingen 1991, 61–70.
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Oecumenica
nen im Anruf des Gewissens erkannten Willen unter dem Einfluß der Gnade in der 14 Tat zu erfüllen trachtet, kann das ewige Heil erlangen“ , stellt die vorgebliche Einigung in der GE von vornherein in Frage, ist vor allem aber mit dem Grundbekenntnis der lutherischen Kirche unvereinbar: „Weiter wird bei uns gelehrt, daß nach Adams Fall alle natürlich geborenen Menschen in Sünden empfangen und geboren werden, das heißt, daß sie alle von Mutterleib an voll böser Lust und Neigung sind und von Natur keine wahre Gottesfurcht, keinen wahren Glauben an Gott haben können, [ferner] daß auch diese angeborene Seuche und Erbsünde wirklich Sünde ist und daher alle die unter ewigen Gotteszorn verdammt, die nicht durch die Taufe 15 und den heiligen Geist wieder neu geboren werden.“ 5.
Positionsbestimmung
Kein Konsens! Die aufgezeigten Schwächen der GE lassen nur den einen Schluß zu: Der in (40) behauptete „Konsens in Grundwahrheiten der Rechtfertigungslehre“ besteht nicht; vielmehr werden zumindest einige der hier vorgelegten Lehren der Römischkatholischen Kirche von den Verwerfungen im Bekenntnis der lutherischen Reformation nach wie vor getroffen. Die Katholizität des lutherischen Bekenntnisses erfordert jedoch die Abweisung von Positionen, die sich mit der Heiligen Schrift nicht vereinbaren lassen. Heilsgewißheit!? Was hier auf dem Spiel steht, läßt sich am deutlichsten an der Frage nach der Heilsgewißheit zeigen: Der Glaube, der sich auf die Zusage der Gunst Gottes und der Vergebung der Sünden um Christi willen verläßt, wie sie Gottes freisprechendes Evangelium und die Gottes Heil austeilenden Sakramente zueignen, ist sich seines Heils gewiß. Diese Identität von Glaube und Heilsgewißheit vermag die römischkatholische Seite nicht zu bekennen. Sie muß sich mit dem Hinweis begnügen: „Dem offenbarenden Gott ist der ‚Gehorsam des Glaubens’ (...) zu leisten. Darin überantwortet sich der Mensch Gott als ganzer in Freiheit, indem er sich ‚dem 14 „Qui enim Evangelium Christi Eiusque Ecclesiam sine culpa ignorantes, Deum tamen sincero corde quaerunt, Eiusque voluntatem per conscientiae dictamen agnitam, operibus adimplere, sub gratiae influxu, conantur, aeternam salutem consequi possunt“ (LG II 16). 15 „Item docent, quod post lapsum Adae omnes homines, secundum naturam propagati, nascantur cum peccato, hoc est, sine metu Dei, sine fiducia erga Deum et cum concupiscentia, quodque hic morbus seu vitium originis vere sit peccatum, damnans et afferens nunc quoque aeternam mortem his, qui non renascuntur per baptismus et spiritum sanctum.“ (CA II 1, 2; deutscher Text nach H. Pöhlmann [Hg.]: Die Bekenntnisschriften der evangelisch-lutherischen Kirche. Ausgabe für die Gemeinde, Gütersloh 1986, 60).
Stellungnahme der Selbständigen Evangelisch-Lutherischen Kirche
697
offenbarenden Gott mit Verstand und Willen unterwirft’ und seiner Offenbarung willig zustimmt“ (DV 5; Quellenanhang zu 4.6 der GE). Dagegen muß lutherische Theologie und Kirche um ihrer biblischen Verankerung, ihrer seelsorglichen Ausrichtung und ihres ökumenischen Ansatzes und Anspruchs willen darauf bestehen: „Die Gewissen der Frommen werden keinen hinreichend starken Trost gegen die Schrecknisse der Sünde und des Todes, gegen den Teufel, der zur Verzweiflung reizt, haben, wenn sie nicht wissen, daß sie glauben sollen, daß sie umsonst um Christi willen die Sündenvergebung haben. Dieser Glaube stärkt und belebt die 16 Herzen in jenem überaus harten Kampf gegen die Verzweiflung.“ „Von der Gerechtigkeit des Glaubens vor Gott glauben, lehren und bekennen wir einhellig (...): daß ein armer sündiger Mensch vor Gott gerechtfertigt, das heißt, absolviert, los und ledig gesprochen werde von allen seinen Sünden und von dem Urteil der wohlverdienten Verdammnis, auch zur Kindschaft und Erbschaft des ewigen Lebens angenommen werde ohne jedes ‚Verdienst und Würdigkeit’ unsererseits, auch ohne alle vorhergehenden, gegenwärtigen oder auch folgenden Werke, aus lauter Gnaden, allein um des einigen Verdiensts, des ganzen Gehorsams, des bitteren Leidens, Sterbens und der Auferstehung unseres Herrn Christi willen, 17 dessen Gehorsam uns zur Gerechtigkeit zugerechnet wird.“ „Darum müssen wir dessen ganz gewiß sein und nicht zweifeln. Sonst ist alles 18 verloren“ . Abkürzungen: ApolCA: Apologie des Augsburgischen Bekenntnisses 1531 ASm: Articuli Smalcaldici = Schmalkaldische Artikel 1537 BSLK: Bekenntnisschriften der evangelisch-lutherischen Kirche, Jubiläumsausgabe 1930, Göttingen, 11. Aufl. 1992 CA: Confessio Augustana = Augsburgisches Bekenntnis 1530 CIC: Corpus Iuris Canonici = Kirchenrecht der Römisch-katholischen Kirche DH: P. Hünermann (Hg.): H. Denziger: Enchiridion symbolorum, definitionum et declarationum de rebus fidei et morum, Freiburg, 37. Aufl. 1991 DV: II. Vatikanisches Konzil, Dogmatische Konstitution über die göttliche Offenbarung „Dei Verbum“ Epit.: Epitome = Kurzfassung der FC 1577
16 „Nullam habebunt satis firmam consolationem conscientiae piorum adversus terrores peccati et mortis et adversus diabolum sollicitantem ad desperationem, si non sciant, se debere statuere, quod gratis propter Christum habeant remissionem peccatorum. Haec fides sustentat et vivificat corda in illo asperrimo certamine desperationis.“ (ApolCA XX 8, deutscher Text nach H. Pöhlmann [Anm. 15], 344f.). 17 FC, SD III 9, BSLK 917, 15–33, sprachlich geglättet. 18 ASm II 1, BSLK 416, 4f, Textfassung nach Pöhlmann (Anm. 15), 451.
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FC: LG: SD:
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Formula Concordiae = Konkordienformel 1577 II. Vatikanisches Konzil, Dogmatische Konstitution über die Kirche „Lumen Gentium“ Solida Declaratio = Ausführliche Erläuterung, Langfassung der FC 1577
265. Stellungnahme zur „Gemeinsamen offiziellen Feststellung des Lutherischen Weltbundes und der römisch-katholischen Kirche“ samt „Anhang“* Der lutherische Weltbund (LWB) und die römisch-katholische Kirche haben die Gemeinsame Erklärung zur Rechtfertigungslehre (GER) angenommen. Sie soll am Gedenktag der Reformation, dem 31. Oktober 1999, in Augsburg von den Gesprächspartnern feierlich unterzeichnet werden. Seit dem vergangenen Jahr hatte es um die Annahme dieses Dokumentes zunächst heftige Irritationen gegeben. Während die Mitgliedskirchen des LWB dem Dokument zugestimmt hatten, sah sich die römisch-katholische Kirche, vertreten durch die Kongregation für die Glaubenslehre und den Päpstlichen Rat zur Förderung der Einheit der Christen, (noch) nicht in der Lage, der Einschätzung von GER zuzustimmen, daß die Verwerfungen des 16. Jahrhunderts die Lehre der am Dialog beteiligten Kirchen nicht treffen würden. In einem erneuten Gesprächsgang, der seit dem 1. November 1998 lief, wurde von beiden Seiten eine „Gemeinsame offizielle Feststellung“ (GOF) mit einem „Anhang“ (Annex) erarbeitet, in der wesentliche der noch verbliebenen Differenzpunkte zur Sprache kamen. Diese „Gemeinsame offizielle Stellungnahme“ kommt zu dem Schluß, daß „das in dieser Erklärung dargelegte Verständnis der Rechtfertigungslehre zeigt, daß zwischen Lutheranern und Katholiken ein Grundkonsens in Grundwahrheiten der Rechtfertigungslehre besteht“. Gemeinsam wird überdies festgestellt, „daß die früheren Lehrverurteilungen die Lehre der Dialogpartner, wie sie in der Gemeinsamen Erklärung dargelegt wird, nicht treffen“. Damit scheint das selbst gesteckte Ziel erreicht zu sein: Die historischen Verurteilungen werden als den heutigen Partner und seine theologischen Positionen nicht treffend verstanden. Wir nehmen zur Kenntnis, daß Fragen, die zum Zeitpunkt der Verabschiedung von GER noch bestanden, bearbeitet und zu einem gewissen Konsens geführt worden sind. Dazu zählen vor allem: – das Nachdenken über den unterschiedlich gefaßten Sündenbegriff und das Bemühen um ein gemeinsames Verständnis des reformatorischen „simul iustus et peccator“; *
Werner Klän, Einig in der Rechtfertigungslehre? Anfragen an die „Gemeinsame Erklärung zur Rechtfertigungslehre“ aus konkordienlutherischer Sicht, in: Uwe Swarat / Johannes Oeldemann / Dagmar Heller (Hrsg.), Von Gott angenommen – in Christus verwandelt. Die Rechtfertigungslehre im multilateralen ökumenischen Dialog (= ÖR.B 78), Frankfurt/M. 2006, 120–124.
Stellungnahme
699
–
die Aufnahme der zentralen lutherischen Erkenntnis des „sola fide“ in die Aussage über den Akt der Rechtfertigung (von GER 15: „im Glauben“ zu GOF/Annex 2C: „allein durch Glauben“); – die Bekräftigung der kriteriologischen Funktion der Rechtfertigungslehre: Gemeinsam teilen sie die Auffassung: „Die Rechtfertigungslehre ist Maßstab oder Prüfstein des christlichen Glaubens.“; – die Einbeziehung der eschatologischen Dimension in das Gespräch; – schließlich die Bestätigung der Parität der Dialogpartner. Wir erkennen an, daß diese Gespräche mit dem erklärten Ziel geführt wurden, „(um) zu voller Kirchengemeinschaft, zu einer Einheit in Verschiedenheit zu gelangen, in der verbleibende Unterschiede miteinander ‚versöhnt’ würden und keine trennende Kraft mehr hätten“ (GOF 3). Diesem Ziel will ein weiterer Dialog dienen, der in GER 43 niedergelegte Fragen behandeln soll, und dies nach dem Modell einer „Kirchengemeinschaft in versöhnter Verschiedenheit“. Außerdem wird das Bemühen um ein gemeinsames Zeugnis der Rechtfertigungslehre im ökumenischen und zeitgenössischen Kontext in den Blick genommen. Die Selbständige Evangelisch-Lutherische Kirche nimmt das Bemühen der Dialogpartner ernst, wenn sie im folgenden Punkte für einen künftigen Dialog markiert, die der theologischen Aufarbeitung bedürfen: 1.
Das Sündenverständnis – oder simul iustus et peccator
Der Annex ist noch einmal auf die Unterstreichung der schon in GER erreichten „Übereinstimmung in Grundwahrheiten der Rechtfertigungslehre“ (GOF 1) hin ausgerichtet. Breiten Raum nimmt dabei die Erläuterung von GER 15 ein. In einem ersten Durchgang findet das simul iustus et peccator (2A) Bearbeitung. Hier wird der Akzent auf die Gerechtmachung des Sünders durch die Rechtfertigung gelegt. Unter diesem Aspekt könne ein bleibendes Sündersein des Gerechtfertigten nicht gelten. Ermäßigend ist im folgenden von einer „beständige(n) Gefährdung, die von der Macht der Sünde ausgeht,“ die Rede, und zwar im Modus der Erinnerung. In der Weise modifiziert, soll das reformatorische simul iustus et peccator für Lutheraner und römische Katholiken gemeinsam aussagbar sein. Dabei ist kritisch zu beachten, daß durch den Modus der „Erinnerung“ nicht ausreichend beschrieben ist, was die Wirkung des göttlichen Wortes in Gesetz und Evangelium ist: daß es nämlich bewirkt, was es zusagt, Tötung des alten und Erschaffung des neuen Menschen. Des weiteren ist nicht zu übersehen, daß in diesem Ansatz die lutherische Sichtweise des Gerechtfertigten als eines peccator in re (die personale Dimension der Sünde), dem die Rechtfertigung extra nos gilt, nicht in der Klarheit zum Ausdruck gebracht ist, wie dies vorher in GER 29 geschah.
700
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2.
Das Sündenverständnis – oder die Frage nach der Konkupiszenz
In einem zweiten Durchgang des Annex (2B) findet das Problem der „Konkupiszenz“ nähere Bearbeitung. Hier wird der Sünde tatsächlich eine Art personaler Charakter zugesprochen, die als solche von Gott trenne. Expliziert wird diese Aussage in Formulierungen, die erkennbar auf CA II anspielen („Sie ist das selbstsüchtig Begehren des alten Menschen und mangelndes Vertrauen und mangelnde Liebe zu Gott.“). Freilich umschreibt der Annex die Sünde an der Person des Gerechtfertigten als eine nur äußerliche Macht („Einfallstor“). Inwieweit jedoch von einem bleibenden Sündersein auch des Gerechtfertigten gesprochen werden muß (!), bleibt nach diesen Ausführungen offen. Die „hier eingeschlossenen Unterschiede“ bedürfen dann in der Tat einer weiteren Bearbeitung. 3.
sola fide – oder das Verhältnis von Rechtfertigung und Heiligung
Erstmals in einem lutherisch/römisch-katholischen Dialog wird in einer gemeinsam getroffenen Aussage das sola gratia durch das sola fide ergänzt (Annex 2C) und durch Röm 3, 28 gestützt. Dies ist eine Konsensaussage von wesentlicher ökumenischer Tragweite. Es wird jedoch dadurch konterkariert, daß Gottes Gnadenhandeln, das nach Röm 3, 27f jegliches menschliche Mitwirken ausschließt, in dieser Exklusivität gerade nicht beschrieben wird, sondern in diesen Zusammenhang hinein das „Handeln des Menschen“ stellt. Unbeantwortet bleibt hier die Frage, ob und welchen Stellenwert solches menschliches Handeln in loco iustificationis haben kann. Das Zitat aus FC SD II, 65 (BSLK, S. 897) spricht von der Möglichkeit der cooperatio des Menschen durch Gottes Geist gerade nach erfolgter Rechtfertigung, und zwar „aus den neuen Kräften und Gaben, so der Heilige Geist in der Bekehrung in uns angefangen hat“ (ebd., S. 898). 4.
Bewahren der Gnade – durch gute Werke?
In einem vierten Durchgang (Annex 2D) findet das „Bewahren der Gnade“ Bearbeitung. Hier wird ein gemeinsames Verständnis dieses Komplexes aus GER 38f behauptet. Der Belegtext aus ApolCA XX, 13ff eignet sich jedoch gerade nicht zur Stützung dieser Aussage, da er explizit von einem Verbleiben in der himmlischen Berufung durch den Glauben spricht, und gerade „nicht um der folgenden Werke willen“ (so BSLK, S. 316, 15f [lat.], [dt.]). Der weitere Zusammenhang der zweiten angeführten Belegstelle (FC SD IV, 35; BSLK S. 949, 10–22), bestätigt vielmehr, daß die unterschiedlichen Aussagen aus GER 38 und 39 sich nicht so ohne weiteres harmonisieren lassen: „... soll billig verworfen werden, ... daß unsere gute Werk die Seligkeit erhalten, oder daß die empfangene Gerechtigkeit des Glaubens oder auch
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der Glaube selbst durch unsere Werk entweder gänzlich oder ja zum Teil erhalten und bewahret werden.“ 5.
Das Gericht nach den Werken und der himmlische Lohn
Zu begrüßen ist, daß der topos des Lohngedankens noch einmal Bearbeitung findet! Die eschatologische Dimension der Rechtfertigung wird gemeinsam bekannt, wenn in einem fünften Bereich (Annex 2E) das Gericht nach den Werken ebenso klar herausgestellt wird wie der Gnadencharakter alles himmlischen Lohns. Wie aber das eschatologische Urteil Gottes über den Sünder im Akt der Rechtfertigung sich zu diesem Komplex verhält, was also letztlich im Endgericht rettet, bleibt unklar. Der ausgelassene Kontext der zitierten Belegstelle aus FC IV zeigt deutlich, was hier noch zu klären wäre: Wie sich nämlich das römisch-katholische Verständnis der guten Werke verhält zum dem aus Phil 3 erhobenen Sachverhalt, daß die Werke, welche der Mensch im Vertrauen darauf vollbringt, damit die Gnade Gottes zu verdienen und selig zu werden, „nicht allein unnützlich und hinderlich, sondern auch schädlich sein“ (BSLK 949, 42 – 950, 5). 6.
Die Rechtfertigungslehre als Kriterium
Der folgende Paragraph verdeutlicht die kriteriologische Funktion der Rechtfertigungslehre. Klarer als zuvor wird herausgestellt, daß „keine Lehre diesem Kriterium widersprechen“ darf (Annex 3). Die Einordnung der Rechtfertigungslehre in den „Gesamtzusammenhang des grundlegenden trinitarischen Glaubensbekenntnisses der Kirche“ ist sachgemäß und entspricht lutherischem Verständnis seit den Zeiten der Reformation. Warum, fragen wir, hat man nicht zu der Formulierung von der „Rechtfertigung als das Kriterium“ zurückfinden können? Es ist Überzeugung des Luthertums, daß die Lehre von der Rechtfertigung tatsächlich das Ganze des christlichen Glaubens umfaßt. 7.
Der Dialog und die ekklesiologische Dimension
Zuletzt wird eine Parität der Dialogpartner bekräftigt, die durch die Antwort der römisch-katholischen Kirche vom 25. Juni 1998 in Frage gestellt schien. Freilich ist das in GER, Anmerkung 9, beurkundete ekklesiologische Ungleichgewicht der Dialogpartner damit nicht aufgehoben. Wenngleich die Selbständige Evangelisch-Lutherische Kirche auf verbleibende Unterschiede und zu klärende grundlegende Sachverhalte mit dieser Stellungnahme aufmerksam machen will, gibt sie der Hoffnung Ausdruck, daß die grundlegenden biblischen Aussagen über die Rechtfertigung des Sünders vor Gott in allen
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Kirchen Mittelpunkt des theologischen Denkens und des kirchlichen Handelns werden und bleiben. Oberursel/Hannover, im September 1999
266. Charta Oecumenica* I.
Wir glauben „Die Eine, Heilige, Katholische und Apostolische Kirche“ „Bemüht euch, die Einheit des Geistes zu bewahren durch den Frieden, der euch zusammenhält. Ein Leib und ein Geist, wie euch durch eure Berufung auch eine gemeinsame Hoffnung gegeben ist; ein Herr, ein Glaube, eine Taufe, ein Gott und Vater aller, der über allem und durch alles und in allem ist“ (Epheser 4, 3–6)
1.
Gemeinsam zur Einheit im Glauben berufen
Mit dem Evangelium Jesu Christi, wie es in der Heiligen Schrift bezeugt wird und im Ökumenischen Glaubensbekenntnis von Nizäa-Konstantinopel (381) zum Ausdruck kommt, glauben wir an den Dreieinigen Gott: den Vater, den Sohn und den Heiligen Geist. Weil wir mit diesem Credo „die eine, heilige, katholische und apostolische Kirche“ bekennen, besteht unsere unerlässliche ökumenische Aufgabe darin, diese Einheit, die immer Gottes Gabe ist, sichtbar werden zu lassen. Noch verhindern wesentliche Unterschiede im Glauben die sichtbare Einheit. Es gibt verschiedene Auffassungen, vor allem von der Kirche und ihrer Einheit, von den Sakramenten und den Ämtern. Damit dürfen wir uns nicht abfinden. Jesus Christus hat uns am Kreuz seine Liebe und das Geheimnis der Versöhnung geoffenbart; in seiner Nachfolge wollen wir alles uns Mögliche tun, die noch bestehenden kirchentrennenden Probleme und Hindernisse zu überwinden. Wir verpflichten uns, – der apostolischen Mahnung des Epheserbriefes zu folgen und uns beharrlich um ein gemeinsames Verständnis der Heilsbotschaft Christi im Evangelium zu bemühen; – in der Kraft des Heiligen Geistes auf die sichtbare Einheit der Kirche Jesu Christi in dem einen Glauben hinzuwirken, die ihren Ausdruck in der gegenseitig anerkannten Taufe und in der eucharistischen Gemeinschaft findet sowie im gemeinsamen Zeugnis und Dienst.
*
Arbeitsgemeinschaft Christlicher Kirchen in Deutschland e.V. (Hg.), Charta Oecumenica. Leitlinien für die wachsende Zusammenarbeit unter den Kirchen in Europa, Arbeitshilfe, Frankfurt/M. 2002, Text und Kommentar, 11–22.
Charta Oecumenica
II.
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Auf dem Weg zur sichtbaren Gemeinschaft der Kirchen in Europa „Daran werden alle erkennen, dass ihr meine Jünger seid: wenn ihr einander liebt“ (Johannes 13,35)
2.
Gemeinsam das Evangelium verkündigen
Die wichtigste Aufgabe der Kirchen in Europa ist es, gemeinsam das Evangelium durch Wort und Tat für das Heil aller Menschen zu verkündigen. Angesichts vielfältiger Orientierungslosigkeit, der Entfremdung von christlichen Werten, aber auch mannigfacher Suche nach Sinn sind die Christinnen und Christen besonders herausgefordert, ihren Glauben zu bezeugen. Dazu bedarf es des verstärkten Engagements und des Erfahrungsaustausches in Katechese und Seelsorge in den Ortsgemeinden. Ebenso wichtig ist es, dass das ganze Volk Gottes gemeinsam das Evangelium in die gesellschaftliche Öffentlichkeit hinein vermittelt wie auch durch sozialen Einsatz und die Wahrnehmung von politischer Verantwortung zur Geltung bringt. Wir verpflichten uns, – über unsere Initiativen zur Evangelisierung mit den anderen Kirchen zu sprechen, darüber Vereinbarungen zu treffen und so schädliche Konkurrenz sowie die Gefahr neuer Spaltungen zu vermeiden; – anzuerkennen, dass jeder Mensch seine religiöse und kirchliche Bindung in freier Gewissensentscheidung wählen kann. Niemand darf durch moralischen Druck oder materielle Anreize zur Konversion bewegt werden; ebenso darf niemand an einer aus freien Stücken erfolgenden Konversion gehindert werden. 3.
Aufeinander zugehen
Im Geiste des Evangeliums müssen wir gemeinsam die Geschichte der christlichen Kirchen aufarbeiten, die durch viele gute Erfahrungen, aber auch durch Spaltungen, Verfeindungen und sogar durch kriegerische Auseinandersetzungen geprägt ist. Menschliche Schuld, Mangel an Liebe und häufiger Missbrauch von Glaube und Kirchen für politische Interessen haben die Glaubwürdigkeit des christlichen Zeugnisses schwer beschädigt. Ökumene beginnt deshalb für die Christinnen und Christen mit der Erneuerung der Herzen und der Bereitschaft zu Buße und Umkehr. In der ökumenischen Bewegung ist Versöhnung bereits gewachsen. Wichtig ist es, die geistlichen Gaben der verschiedenen christlichen Traditionen zu erkennen, voneinander zu lernen und sich so beschenken zu lassen. Für die weitere Entfaltung der Ökumene ist es besonders erforderlich, die Erfahrungen und Erwartungen der Jugend einzubeziehen und ihre Mitwirkung nach Kräften zu fördern.
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Oecumenica
Wir verpflichten uns, Selbstgenügsamkeit zu überwinden und Vorurteile zu beseitigen, die Begegnung miteinander zu suchen und füreinander da zu sein; – ökumenische Offenheit und Zusammenarbeit in der christlichen Erziehung, in der theologischen Aus- und Fortbildung sowie auch in der Forschung zu fördern. –
4.
Gemeinsam handeln
Ökumene geschieht bereits in vielfältigen Formen gemeinsamen Handelns. Viele Christinnen und Christen aus verschiedenen Kirchen leben und wirken gemeinsam in Freundschaften, in der Nachbarschaft, im Beruf und in ihren Familien. Insbesondere konfessionsverschiedene Ehen müssen darin unterstützt werden, Ökumene in ihrem Alltag zu leben. Wir empfehlen, auf örtlicher, regionaler, nationaler und internationaler Ebene bi- und multilaterale ökumenische Gremien für die Zusammenarbeit einzurichten und zu unterhalten. Auf der europäischen Ebene ist es nötig, die Zusammenarbeit zwischen der Konferenz Europäischer Kirchen und dem Rat der Europäischen Bischofskonferenzen zu stärken und weitere Europäische Ökumenische Versammlungen durchzuführen. Bei Konflikten zwischen den Kirchen sollen Bemühungen um Vermittlung und Frieden initiiert bzw. unterstützt werden. Wir verpflichten uns, – auf allen Ebenen des kirchlichen Lebens gemeinsam zu handeln, wo die Voraussetzungen dafür gegeben sind und nicht Gründe des Glaubens oder größere Zweckmäßigkeit dem entgegenstehen; – Rechte von Minderheiten zu verteidigen und zu helfen, Missverständnisse und Vorurteile zwischen Mehrheits- und Minderheitskirchen in unseren Ländern abzubauen. 5.
Miteinander beten
Die Ökumene lebt davon, dass wir Gottes Wort gemeinsam hören und den Heiligen Geist in uns und durch uns wirken lassen. Kraft der dadurch empfangenen Gnade gibt es heute vielfältige Bestrebungen, durch Gebete und Gottesdienste die geistliche Gemeinschaft zwischen den Kirchen zu vertiefen und für die sichtbare Einheit der Kirche Christi zu beten. Ein besonders schmerzliches Zeichen für die Zerrissenheit unter vielen christlichen Kirchen ist die fehlende eucharistische Gemeinschaft. In einigen Kirchen bestehen Vorbehalte gegenüber gemeinsamen ökumenischen Gebeten. Aber weithin prägen viele ökumenische Gottesdienste, gemeinsame Lieder und Gebete, insbesondere das Vaterunser, unsere christliche Spiritualität.
Charta Oecumenica
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Wir verpflichten uns, füreinander und für die christliche Einheit zu beten; die Gottesdienste und die weiteren Formen des geistlichen Lebens anderer Kirchen kennen und schätzen zu lernen; – dem Ziel der eucharistischen Gemeinschaft entgegenzugehen. – –
6.
Dialoge fortsetzen
Unsere in Christus begründete Zusammengehörigkeit ist von fundamentaler Bedeutung gegenüber unseren unterschiedlichen theologischen und ethischen Positionen. Anders als die uns geschenkte und bereichernde Vielfalt haben jedoch Gegensätze in der Lehre, in ethischen Fragen und in kirchenrechtlichen Festlegungen auch zu Trennungen zwischen den Kirchen geführt; oft spielten dabei besondere geschichtliche Umstände und unterschiedliche kulturelle Prägungen eine entscheidende Rolle. Um die ökumenische Gemeinschaft zu vertiefen, sind die Bemühungen um einen Konsens im Glauben unbedingt fortzusetzen. Ohne Einheit im Glauben gibt es keine volle Kirchengemeinschaft. Zum Dialog gibt es keine Alternative. Wir verpflichten uns, – den Dialog zwischen unseren Kirchen auf den verschiedenen kirchlichen Ebenen gewissenhaft und intensiv fortzusetzen sowie zu prüfen, was zu den Dialogergebnissen kirchenamtlich verbindlich erklärt werden kann und soll; – bei Kontroversen, besonders wenn bei Fragen des Glaubens und der Ethik eine Spaltung droht, das Gespräch zu suchen und diese Fragen gemeinsam im Licht des Evangeliums zu erörtern. III.
Unsere gemeinsame Verantwortung in Europa „Selig, die Frieden stiften, denn sie werden Kinder Gottes genannt werden“ (Matthäus 5, 9)
7.
Europa mitgestalten
Durch die Jahrhunderte hindurch hat sich ein religiös und kulturell vorwiegend christlich geprägtes Europa entwickelt. Zugleich ist durch das Versagen der Christen in Europa und über dessen Grenzen hinaus viel Unheil angerichtet worden. Wir bekennen die Mitverantwortung an dieser Schuld und bitten Gott und die Menschen um Vergebung. Unser Glaube hilft uns, aus der Vergangenheit zu lernen und uns dafür einzusetzen, dass der christliche Glaube und die Nächstenliebe Hoffnung ausstrahlen für Moral und Ethik, für Bildung und Kultur, für Politik und Wirtschaft in Europa und in der ganzen Welt.
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Die Kirchen fördern eine Einigung des europäischen Kontinents. Ohne gemeinsame Werte ist die Einheit dauerhaft nicht zu erreichen. Wir sind überzeugt, dass das spirituelle Erbe des Christentums eine inspirierende Kraft zur Bereicherung Europas darstellt. Aufgrund unseres christlichen Glaubens setzen wir uns für ein humanes und soziales Europa ein, in dem die Menschenrechte und Grundwerte des Friedens, der Gerechtigkeit, der Freiheit, der Toleranz, der Partizipation und der Solidarität zur Geltung kommen. Wir betonen die Ehrfurcht vor dem Leben, den Wert von Ehe und Familie, den vorrangigen Einsatz für die Armen, die Bereitschaft zur Vergebung und in allem die Barmherzigkeit. Als Kirchen und als internationale Gemeinschaften müssen wir der Gefahr entgegentreten, dass Europa sich zu einem integrierten Westen und einem desintegrierten Osten entwickelt. Auch das Nord-Süd-Gefälle ist zu beachten. Zugleich ist jeder Eurozentrismus zu vermeiden und die Verantwortung Europas für die ganze Menschheit zu stärken, besonders für die Armen in der ganzen Welt. Wir verpflichten uns, – uns über Inhalte und Ziele unserer sozialen Verantwortung miteinander zu verständigen und die Anliegen und Visionen der Kirchen gegenüber den säkularen europäischen Institutionen möglichst gemeinsam zu vertreten; – die Grundwerte gegenüber allen Eingriffen zu verteidigen; – jedem Versuch zu widerstehen, Religion und Kirche für ethnische oder nationalistische Zwecke zu missbrauchen. 8.
Völker und Kulturen versöhnen
Die Vielfalt der regionalen, nationalen, kulturellen und religiösen Traditionen betrachten wir als Reichtum Europas. Angesichts zahlreicher Konflikte ist es Aufgabe der Kirchen, miteinander den Dienst der Versöhnung auch für Völker und Kulturen wahrzunehmen. Wir wissen, dass der Friede zwischen den Kirchen dafür eine ebenso wichtige Voraussetzung ist. Unsere gemeinsamen Bemühungen richten sich auf die Beurteilung und Lösung politischer und sozialer Fragen im Geist des Evangeliums. Weil wir die Person und Würde jedes Menschen als Ebenbild Gottes werten, treten wir für die absolute Gleichwertigkeit aller Menschen ein. Als Kirchen wollen wir gemeinsam den Prozess der Demokratisierung in Europa fördern. Wir engagieren uns für eine Friedensordnung auf der Grundlage gewaltfreier Konfliktlösungen. Wir verurteilen jede Form von Gewalt gegen Menschen, besonders gegen Frauen und Kinder. Zur Versöhnung gehört es, die soziale Gerechtigkeit in und unter allen Völkern zu fördern, vor allem die Kluft zwischen Arm und Reich sowie die Arbeitslosigkeit zu überwinden. Gemeinsam wollen wir dazu beitragen, dass Migranten und Migrantinnen, Flüchtlinge und Asylsuchende in Europa menschenwürdig aufgenommen werden.
Charta Oecumenica
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Wir verpflichten uns, jeder Form von Nationalismus entgegenzutreten, die zur Unterdrückung anderer Völker und nationaler Minderheiten führt und uns für gewaltfreie Lösungen einzusetzen; – die Stellung und Gleichberechtigung der Frauen in allen Lebensbereichen zu stärken sowie die gerechte Gemeinschaft von Frauen und Männern in Kirche und Gesellschaft zu fördern. –
9.
Die Schöpfung bewahren
Im Glauben an die Liebe Gottes, des Schöpfers, erkennen wir dankbar das Geschenk der Schöpfung, den Wert und die Schönheit der Natur. Aber wir sehen mit Schrecken, dass die Güter der Erde ohne Rücksicht auf ihren Eigenwert, ohne Beachtung ihrer Begrenztheit und ohne Rücksicht auf das Wohl zukünftiger Generationen ausgebeutet werden. Wir wollen uns gemeinsam für nachhaltige Lebensbedingungen für die gesamte Schöpfung einsetzen. In Verantwortung vor Gott müssen wir gemeinsam Kriterien dafür geltend machen und weiter entwickeln, was die Menschen zwar wissenschaftlich und technologisch machen können, aber ethisch nicht machen dürfen. In jedem Fall muss die einmalige Würde jedes Menschen den Vorrang vor dem technisch Machbaren haben. Wir empfehlen, einen ökumenischen Tag des Gebetes für die Bewahrung der Schöpfung in den europäischen Kirchen einzuführen. Wir verpflichten uns, – einen Lebensstil weiter zu entwickeln, bei dem wir gegen die Herrschaft von ökonomischen Zwängen und von Konsumzwängen auf verantwortbare und nachhaltige Lebensqualität Wert legen; – die kirchlichen Umweltorganisationen und ökumenischen Netzwerke bei ihrer Verantwortung für die Bewahrung der Schöpfung zu unterstützen. 10.
Gemeinschaft mit dem Judentum vertiefen
Eine einzigartige Gemeinschaft verbindet uns mit dem Volk Israel, mit dem Gott einen ewigen Bund geschlossen hat. Im Glauben wissen wir, dass unsere jüdischen Schwestern und Brüder „von Gott geliebt sind, und das um der Väter willen. Denn unwiderruflich sind Gnade und Berufung, die Gott gewährt“ (Röm. 11, 28–29). Sie haben „die Sohnschaft, die Herrlichkeit, die Bundesordnungen, ihnen ist das Gesetz gegeben, der Gottesdienst und die Verheißungen, sie haben die Väter, und dem Fleisch nach entstammt ihnen der Christus“ (Röm. 9, 4–5). Wir beklagen und verurteilen alle Manifestationen des Antisemitismus, wie Hassausbrüche und Verfolgungen. Für den christlichen Antijudaismus bitten wir Gott um Vergebung und unsere jüdischen Geschwister um Versöhnung.
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Oecumenica
Es ist dringend nötig, in Verkündigung und Unterricht, in Lehre und Leben unserer Kirchen die tiefe Verbindung des christlichen Glaubens zum Judentum bewusst zu machen und die christlich-jüdische Zusammenarbeit zu unterstützen. Wir verpflichten uns – allen Formen von Antisemitismus und Antijudaismus in Kirche und Gesellschaft entgegenzutreten; – auf allen Ebenen den Dialog mit unseren jüdischen Geschwistern zu suchen und zu intensivieren. 11.
Beziehungen zum Islam pflegen
Seit Jahrhunderten leben Muslime in Europa. Sie bilden in manchen europäischen Ländern starke Minderheiten. Dabei gab und gibt es viele gute Kontakte und Nachbarschaft zwischen Muslimen und Christen, aber auch massive Vorbehalte und Vorurteile auf beiden Seiten. Diese beruhen auf leidvollen Erfahrungen in der Geschichte und in der jüngsten Vergangenheit. Die Begegnung zwischen Christen und Muslimen sowie den christlichislamischen Dialog wollen wir auf allen Ebenen intensivieren. Insbesondere empfehlen wir, miteinander über den Glauben an den einen Gott zu sprechen und das Verständnis der Menschenrechte zu klären. Wir verpflichten uns, – den Muslimen mit Wertschätzung zu begegnen; – bei gemeinsamen Anliegen mit Muslimen zusammenzuarbeiten. 12.
Begegnung mit anderen Religionen und Weltanschauungen
Die Pluralität von religiösen und weltanschaulichen Überzeugungen und Lebensformen ist ein Merkmal der Kultur Europas geworden. Östliche Religionen und neue religiöse Gemeinschaften breiten sich aus und finden auch das Interesse vieler Christinnen und Christen. Auch gibt es immer mehr Menschen, die den christlichen Glauben ablehnen, sich ihm gegenüber gleichgültig verhalten oder anderen Weltanschauungen folgen. Wir wollen kritische Anfragen an uns ernst nehmen und uns gemeinsam um eine faire Auseinandersetzung bemühen. Dabei ist zu unterscheiden, mit welchen Gemeinschaften Dialoge und Begegnungen gesucht werden sollen und vor welchen aus christlicher Sicht zu warnen ist. Wir verpflichten uns, – die Religions- und Gewissensfreiheit von Menschen und Gemeinschaften anzuerkennen und dafür einzutreten, dass sie individuell und gemeinschaftlich, privat und öffentlich ihre Religion oder Weltanschauung im Rahmen des geltenden Rechtes praktizieren dürfen;
Beschluss zur Charta Oecumenica
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–
für das Gespräch mit allen Menschen guten Willens offen zu sein, gemeinsame Anliegen mit ihnen zu verfolgen und ihnen den christlichen Glauben zu bezeugen. Jesus Christus ist als Herr der einen Kirche unsere grösste Hoffnung auf Versöhnung und Frieden. In seinem Namen wollen wir den gemeinsamen Weg in Europa weitergehen. Wir bitten Gott um den Beistand seines Heiligen Geistes. „Der Gott der Hoffnung erfülle uns mit aller Freude und mit allem Frieden im Glauben, damit wir reich werden an Hoffnung in der Kraft des Heiligen Geistes“ (Röm. 15, 13) Als Präsidenten der Konferenz Europäischer Kirchen und des Rates der Europäischen Bischofskonferenzen empfehlen wir diese Charta Oecumenica als Basistext allen Kirchen und Bischofskonferenzen von Europa zur Annahme und Umsetzung in ihrem jeweiligen Kontext. Mit dieser Empfehlung unterschreiben wir die Charta Oecumenica im Rahmen der Europäischen Ökumenischen Begegnung am ersten Sonntag nach den gemeinsamen Ostern im Jahre 2001. Straßburg, den 22. April 2001 Metropolit Jéremie Präsident der Konferenz Europäischer Kirchen Kardinal Vlk Präsident des Rates der Europäischen Bischofskonferenzen
267. Beschluss zur Charta Oecumenica von Kirchenleitung und Kollegium der Superintendenten der Selbständigen Evangelisch-Lutherischen Kirche* „Weil die Charta Oecumenica nach ihren eigenen Worten keinen lehramtlichdogmatischen oder kirchenrechtlich setzenden Charakter hat, sondern eine grundsätzliche Vereinbarung darstellt, wie Kirchen miteinander umgehen sollen, stimmen K(irchen)l(eitung) und Koll(egium der) Sup(erintendenten) nach Zustimmung aus allen Pfarrkonventen unserer Kirche der Unterzeichnung der Charta Oecumenica zu. Wir verstehen diese Zustimmung so, dass sie im Rahmen der geltenden Ordnungen unserer Kirche steht.“
*
Beschlossen auf der Tagung von Kirchenleitung und Kollegium der Superintendenten der SELK vom 20. bis zum 22. März 2003 in Bleckmar.
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Oecumenica
Dr. Diethardt Roth, *1941, Bischof der SELK 1996–2006, Aufnahme: vor 2006.
268. Anschreiben von Bischof Dr. Diethardt Roth zur Charta Oecumenica* An die Gemeinden der Selbständigen Evangelisch-Lutherischen Kirche 19. August 2003 Charta Oecumenica Unser Zeichen: 15/00–01 Liebe Schwestern und Brüder, am 30. Mai 2003 wurde auf dem 1. Ökumenischen Kirchentag von den leitenden Geistlichen der Mitgliedskirchen der Arbeitsgemeinschaft Christlicher Kirchen (ACK) die „Charta Oecumenica“ unterzeichnet, nachdem der Text bereits 2001 von der Konferenz Europäischer Kirchen und dem Rat der Europäischen Bischofskonferenzen ratifiziert worden war. In der Presse und in den Fernsehnachrichten wurde dieser feierliche Akt Ende Mai als der „kirchenpolitische Höhepunkt“ des Kirchentages aufmerksam wahrgenommen. Auch ich habe an diesem Tag dieses Dokument für die Selbständige Evangelisch-Lutherische Kirche (SELK) unterzeichnet. Was aber ist diese „Charta Oecumenica“? Welche inhaltlichen Aussagen enthält sie? Warum hat auch unsere Kirche sie unterzeichnet? Und was bedeutet dies für uns und unsere Kirche? – Lassen Sie mich Ihnen auf diese Fragen einige Antworten geben. *
Selbständige Evangelisch-Lutherische Kirche, Rundschreiben der Kirchenleitung. RS 150 vom 1.9.2003.
Anschreiben von Bischof Dr. Diethardt Roth zur Charta Oecumenica
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Was ist die „Charta Oecumenica“? Den Begriff „Charta“ kennen Sie vermutlich aus dem politischen Bereich. Es gibt eine „Charta der Vereinten Nationen“ und eine „Charta der Grundrechte der Europäischen Union“. Darin werden jeweils ganz grundlegend Fixpunkte und Grundsätze für ein geordnetes Miteinander beschrieben, zu deren Beachtung sich die jeweiligen Staaten, die diese Dokumente unterzeichnet haben, freiwillig selbst verpflichten. Ähnlich ist es bei dieser „Charta Oecumenica“. Sie will „Leitlinien“ festhalten für das Miteinander der unterschiedlichen Kirchen in Europa. Es handelt sich dabei nicht um einen Bekenntnistext, der die Unterschiede zwischen den Kirchen überwindet und aufhebt, sondern um Regeln, wie die christlichen Kirchen trotz der Unterschiede auf der Basis dessen, was sie verbindet, miteinander umgehen können. Oder, um es mit einem Bild auszudrücken: Die „Charta Oecumenica“ ist die Hausordnung im Haus der christlichen Kirchen in Europa. Jede Kirche hat ihren Raum, eine kleine Wohnung, in diesem Haus. Die Unterzeichnung der „Charta Oecumenica“ führt nun nicht dazu, dass alle Türen aus dem Haus herausgerissen werden und jeder seine Wohnung verliert und alle Bewohner des Hauses schrankenlos in allen Räumen herumlaufen und die Stärksten den Schwächsten ihren Lebensstil aufdrängen. Sondern indem sich alle Bewohner zur Anerkennung der Hausordnung verpflichten, wird das Wohnen jedes Einzelnen geschützt. Wie in einem normalen Haus gehört dazu auch im Haus der Kirchen der Respekt vor den Überzeugungen der Bewohner. Auch im Haus der Kirchen wird manche Tür geschlossen bleiben (müssen), und wer die Hausordnung unterzeichnet hat, wird diese Entscheidungen der anderen respektieren. Doch auch wenn jeder seine eigene Wohnung, seinen geschützten Raum hat, der abgetrennt ist und bleibt von dem der anderen, gibt es doch auch im Haus der Kirchen wie in jedem Haus bestimmte Aufgaben, die gemeinsam bewältigt werden können und wollen: Selbst wenn ich mir mit meinem Nachbarn in mancher Frage uneins bin, kann ich doch abwechselnd mit ihm das gemeinsam genutzte Treppenhaus putzen und im Winter den Schnee von den Zugangswegen räumen. Hier gibt es vieles, was wir als Bewohner eines Hauses, unbeschadet aller Unterschiede, leichter und besser gemeinsam bewältigen können als jeweils allein. Welche inhaltlichen Aussagen enthält die „Charta Oecumenica“? Die „Charta Oecumenica“ besteht aus einer Einleitung und zwölf Einzelabschnitten, die drei Hauptteilen zugeordnet sind. Jeder Einzelabschnitt ist mit einem biblischen Votum überschrieben und endet mit Selbstverpflichtungen der Kirchen, die die „Charta Oecumenica“ unterzeichnet haben. Auf folgende Themenbereiche wird in den zwölf Abschnitten Bezug genommen: I. Wir glauben „Die eine, heilige, katholische und apostolische Kirche“ 1. Gemeinsam zur Einheit im Glauben berufen
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Oecumenica
II.
Auf dem Weg zur sichtbaren Gemeinschaft der Kirchen in Europa 2. Gemeinsam das Evangelium verkündigen 3. Aufeinander zugehen 4. Gemeinsam handeln 5. Miteinander beten 6. Dialoge fortsetzen III. Unsere gemeinsame Verantwortung in Europa 7. Europa mitgestalten 8. Völker und Kulturen versöhnen 9. Die Schöpfung bewahren 10. Gemeinschaft mit dem Judentum vertiefen 11. Beziehungen zum Islam pflegen 12. Begegnung mit anderen Religionen und Weltanschauungen (Der volle Wortlaut der „Charta Oecumenica“ findet sich im Internet bspw. unter http://dbk.de/schriften/dokumente/charta-oecumenica.pdf oder kann auf Anfrage bei der Konferenz Europäischer Kirchen, 150 route de Ferney, P.O. Box 21 00, 1211 Genf 2, Schweiz, bezogen werden [vgl. auch Dok. 266]). Warum hat auch die SELK die „Charta Oecumenica“ unterzeichnet? Die SELK hat die „Charta Oecumenica“ nicht im Vorübergehen unterzeichnet, sondern hat im Vorfeld in unterschiedlichen Gremien, etwa der Kirchenleitung, dem Kollegium der Superintendenten und den Bezirkspfarrkonventen, eingehend dieses Dokument beraten. Von anderen Kirchen ist uns großer Respekt entgegengebracht worden für die große Mühe, die mit diesem Rezeptionsprozess verbunden war. Natürlich ist dabei auch Kritik laut geworden. Manches, was in der „Charta Oecumenica“ zum Ausdruck gebracht ist, gehört unseres Erachtens nicht unbedingt zum Kern kirchlicher Verantwortung. An anderen Stellen hätte aus unserer Sicht auch gerne noch etwas mehr gesagt werden können. Schließlich ist aber die Kirchenleitung zu der Auffassung gelangt, dass die „Charta Oecumenica“ an keiner Stelle evangeliumswidrig ist und wir sie deshalb unterzeichnen können. So bringt unsere Kirche mit der Unterzeichnung wieder einmal neu die bleibende Bereitschaft zum Ausdruck, in der Ökumene Verantwortung zu übernehmen. Die Trennung unter den christlichen Kirchen ist und bleibt, solange sie besteht, ein Ärgernis. Und genauso wie es gilt, keine engere Gemeinschaft miteinander zu pflegen als theologisch verantwortbar ist, genauso gilt es auch, nicht weniger Gemeinschaft einzugehen als möglich. Die Unterzeichnung der „Charta Oecumenica“ schenkt uns noch einmal ganz neu die Möglichkeit, unsere Stimme in das ökumenische Gespräch einzubringen. Um das Bild von dem Haus der Kirchen wieder aufzunehmen, bedeutet das: Nur wer sich selbst an die Hausordnung bindet, kann seinerseits auch das Leben im Haus mitgestalten. Wer dagegen diese Verpflichtung selbst nicht eingeht, wird bei anderen mit der Bitte, die Musik im Nebenraum doch etwas
Anschreiben von Bischof Dr. Diethardt Roth zur Charta Oecumenica
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leiser zu stellen, auf wenig Verständnis stoßen. So ist es auch im ökumenischen Miteinander. Sosehr wir mit der Selbstbindung an die „Charta Oecumenica“ bestimmte Selbstverpflichtungen übernehmen, sosehr haben wir auf der anderen Seite auch die Möglichkeit, andere an ihre Selbstverpflichtungen, die ihnen aus dem Dokument erwachsen, zu erinnern. Gerade für eine zahlenmäßig kleine Kirche wie die unsrige, die mit anderen kleinen Kirchen in Europa verbunden ist, dürfte es im Miteinander mit anderen, größeren Kirchen eine Hilfe sein, wenn es in der „Charta Oecumenica“ etwa heißt: „Wir verpflichten uns, die Rechte von Minderheiten zu verteidigen und zu helfen, Missverständnisse und Vorurteile zwischen Mehrheits- und Minderheitskirchen in unseren Ländern abzubauen“ (II, 4). Was bedeutet die „Charta Oecumenica“ für uns und unsere Kirche? Grundlegend wichtig war allen, die in unserer Kirche mit dem Entscheidungsprozess befasst waren, dass es sich bei der „Charta Oecumenica“ nicht um ein Dokument mit lehramtlich-dogmatischem oder kirchenrechtlich-gesetzlichem Charakter handelt, sondern um eine Selbstverpflichtung im Rahmen der geltenden Ordnungen der jeweiligen Kirchen. Das bedeutet: Die „Charta Oecumenica“ kann das, was in der SELK Lehrgrundlage oder Ordnung ist, nicht außer Kraft setzen oder Glieder unserer Kirche zum Handeln gegen ihr Gewissen zwingen. Sondern die „Charta Oecumenica“ wird dazu beitragen, da bin ich ganz gewiss, die gesamtkirchliche Verantwortung, zu der wir von Christus gerufen sind, wie es in der „Wegweisung für evangelisch-lutherische Christen“ heißt, auf einer gemeinsamen Basis zu gestalten und die Zusammenarbeit in äußeren Dingen zu ordnen. Dass dies vielerorts geschehe und sich die „Charta Oecumenica“ so als ein Segen auch für unsere Kirche erweist, wünscht Ihnen und uns, Ihr Dr. Diethardt Roth, Bischof
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Oecumenica
Hans-Jörg Voigt, *1962, Bischof der SELK seit 2006, Aufnahme: 9.3. 2010.
269. Der Text der wechselseitigen Taufanerkennung im Magdeburger Dom am 29.4.200719* Die christliche Taufe Jesus Christus ist unser Heil. Durch ihn hat Gott die Gottesferne des Sünders überwunden (Römer 5,10), um uns zu Söhnen und Töchtern Gottes zu machen. Als Teilhabe am Geheimnis von Christi Tod und Auferstehung bedeutet die Taufe Neugeburt in Jesus Christus. Wer dieses Sakrament empfängt und im Glauben Gottes Liebe bejaht, wird mit Christus und zugleich mit seinem Volk aller Zeiten und Orte vereint. Als ein Zeichen der Einheit aller Christen verbindet die Taufe mit Jesus Christus, dem Fundament dieser Einheit. Trotz Unterschieden im Verständnis von Kirche besteht zwischen uns ein Grundeinverständnis über die Taufe. Deshalb erkennen wir jede nach dem Auftrag Jesu im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes mit der Zeichenhandlung des Untertauchens im Wasser bzw. des Übergießens mit Wasser vollzogene Taufe an und freuen uns über jeden Menschen, der getauft wird. Diese wechselseitige Anerkennung der Taufe ist 19 Der Text wurde von folgenden Kirchen unterzeichnet: Äthiopisch-Orthodoxe Kirche in Deutschland, Arbeitsgemeinschaft Anglikanisch-Episkopaler Gemeinden in Deutschland, ArmenischApostolische Orthodoxe Kirche in Deutschland, Evangelisch-altreformierte Kirche in Niedersachsen, Evangelische Brüder-Unität – Herrnhuter Brüdergemeine, Evangelische Kirche in Deutschland, Evangelisch-methodistische Kirche, Katholisches Bistum der Alt-Katholiken in Deutschland, Kommission der Orthodoxen Kirche in Deutschland, Römisch-katholische Kirche, Selbständige Evangelisch-Lutherische Kirche. * http://www.bistum-magdeburg.de/front_content.php?idart=3003 (Stand: 30.06.2010).
Beschluss der Kirchenleitung des SELK zur Taufanerkennung
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Ausdruck des in Jesus Christus gründenden Bandes der Einheit (Epheser 4,4–6). Die so vollzogene Taufe ist einmalig und unwiederholbar. Wir bekennen mit dem Dokument von Lima: Unsere eine Taufe in Christus ist „ein Ruf an die Kirchen, ihre Trennungen zu überwinden und ihre Gemeinschaft sichtbar zu manifestieren“ (Konvergenzerklärungen der Kommission für Glaube und Kirchenverfassung des Ökumenischen Rates der Kirchen, Taufe, Nr. 6).
270. Beschluss der Kirchenleitung des SELK zur Taufanerkennung vom 22./23.2.2007* Die Kirchenleitung beschließt einstimmig die Unterzeichnung des Papiers zur Taufanerkennung „Die christliche Taufe“.
Wechselseitige Anerkennung der Taufe 29.4.2007 im Dom zu Magdeburg, sechster von links: Bischof Hans-Jörg Voigt.
*
Selbständige Evangelisch-Lutherische Kirche (SELK), Kirchenleitung, Protokoll der Sitzung am 22./23. Februar 2007 in Hannover (Protokollauszug).
Anhang
Abkürzungsverzeichnis ACK
Arbeitskreis Christlicher Kirchen in Deutschland
ApolCA
Apologie des Augsburgischen Bekenntnisses 1531
ASm
Articuli Smalcaldici = Schmalkaldische Artikel 1537
AZJ
Arbeitskreis der Selbständigen Evangelisch-Lutherischen Kirche für Zeugnis unter den Juden
BSLK
Bekenntnisschriften der evangelisch-lutherischen Kirche, Jubiläumsausgabe 1930, Göttingen 111992
CA
Confessio Augustana = Augsburgisches Bekenntnis 1530
CIC
Corpus Iuris Canonici = Kirchenrecht der Römisch-katholischen Kirche
DH
Peter Hünermann (Hg.), Heinrich Denziger, Enchiridion symbolorum, definitionum et declarationum de rebus fidei et morum, Freiburg 371991
DJ
Diakonisches Jahr
DV
II. Vatikanisches Konzil, Dogmatische Konstitution über die göttliche Offenbarung „Dei Verbum“
DW
Diakonisches Werk
EKD
Evangelische Kirche Deutschlands
EKiD
Evangelische Kirche in Deutschland
EKKPS
Evangelische Kirche der Kirchenprovinz Sachsen
El
Ergänzungslieferung
ELAK
Evangelisch-lutherische (altlutherische) Kirche
ELBK
Evangelisch-Lutherische Bekenntniskirche
ELFK
Evangelisch-Lutherische Freikirche
ELKA
Evangelisch-lutherische Kirche Altpreußens
ELKB
Evangelisch-lutherische Kirche in Baden
ELKiB
Evangelisch-lutherische Kirche in Baden
ELKIR
Evangelisch-Lutherische Ingermanlandkirche in Russland
ELKL
Evangelisch-Lutherische Kirche Lettlands
ELKP
Evangelisch-lutherische Kirche in Preußen
ELM
Evangelisch-lutherisches Missionswerk
ELS
Evangelical Lutheran Synod
Epit.
Epitome = Kurzfassung der FC 1577
FC
Formula Concordiae = Konkordienformel 1577
FELSISA
Freie Evangelisch-Lutherische Synode in Südafrika
FSD
Freiwillige Soziale Dienste
GE
Gemeinsame Erklärung zur Rechtfertigungslehre
720
Anhang
GER
Gemeinsame Erklärung zur Rechtfertigungslehre
GO
Grundordnung
GOF
Gemeinsame offizielle Feststellung
IELB
Igreja Evangélica Luterana do Brasil
ILC
International Lutheran Council
KELK
Konfessionelle Evangelisch-Lutherische Konferenz
KKJ
Koordinator für Kirche und Judentum
LC-C
Lutheran Church-Canada
LCMS
Lutheran Church – Missouri Synod
LCSA
Lutheran Church in Southern Africa
LEKKJ
Lutherische Europäische Kommission Kirche und Judentum
LG
II. Vatikanisches Konzil, Dogmatische Konstitution über die Kirche „Lumen Gentium“
LKM
Lutherische Kirchenmission
LThH
Lutherische Theologische Hochschule
LUKISA
Lutherische Kirche im südlichen Afrika
LWB
Lutherischer Weltbund
MVG
Mitarbeitervertretungsgesetz
SD
Solida Declaratio = Ausführliche Erläuterung, Langfassung der FC 1577
SEKAB
Schlesische Evangelische Kirche Augsburgischen Bekenntnisses in der Tschechischen Republik
SelK
(alte) Selbständige evangelisch-lutherische Kirche
SELK
Selbständige Evangelisch-Lutherische Kirche
VELKD
Vereinigte Evangelisch-Lutherische Kirche Deutschlands
VselK
Vereinigung selbständiger evangelisch-lutherischer Kirchen in der DDR
WELS
Wisconsin Evangelical Lutheran Synod
Weitere Abkürzungen nach Abkürzungen Theologie und Religionswissenschaft nach RGG4, Tübingen 2007 sowie nach Duden25, Mannheim / Wien / Zürich 2009.
Verzeichnis der Veröffentlichungen, denen Quellen entnommen wurden Aktenstücke betreffend das Ausscheiden der Missionare Kempf, Näther und Mohn aus der Leipziger Mission. Im Auftrage des Missionskollegiums hg. v. Missionsdirektor v. Schwartz, Leipzig 1895. (Dok. 153) Edmund Alex, Fünfzig Jahre der Missionsthätigkeit im Königreiche Sachsen, Dresden 1869. (Dok. 141) Arbeitsgemeinschaft Christlicher Kirchen in Deutschland e.V. (Hg.), Charta Oecumenica. Leitlinien für die wachsende Zusammenarbeit unter den Kirchen in Europa, Arbeitshilfe, Frankfurt/M. 2002, Text und Kommentar. (Dok. 266) Die Beschlüsse der im August und September 1882 gehaltenen General-Synode der evangelisch-lutherischen Kirche in Preußen, Baden und Waldeck. Amtliche Zusammenstellung. Breslau 1883. (Dok. 207) Die Beschlüsse der im September und October 1864 gehaltenen General-Synode der evangelisch-lutherischen Kirche in Preußen, Nassau, Baden und Waldeck. Amtliche Zusammenstellung. Breslau 1865. (Dok. 206) Die Beschlüsse der im September und Oktober 1856 gehaltenen General-Synode der evangelisch-lutherischen Kirche in Preußen, Breslau 1857. (Dok. 183) Julius Diedrich, Wert und Wesen des Kirchenregiments, Neuruppin 1859. Greiz 21907 (hg. v. St. Vollert). (Dok. 36) ELFK-Dokumentation, Umstände, die zum Bruch der Kirchengemeinschaft mit der Ev.-luth. (altluth.) Kirche und der Selbständigen Ev.-Luth. Kirche geführt haben; erstellt im Auftrag der ELFK-Synode von M. Hoffmann, Zwickau 1991. (Dok. 100) ELFK-Synodalheft 1992, hg. im Auftrag der Ev.-Luth. Freikirche, Zwickau 1991. (Dok. 102, 103) Klaus Engelbrecht, Um Kirchentum und Kirche. Metropolitan Wilhelm Vilmar (1804–1884) als Verfechter einer eigentümlichen Kirchengeschichtsdeutung und betont hessischen Theologie, Frankfurt am Main, Bern, New York, Nancy 1984. (Dok. 116, 117, 167) Ev.-luth. (Große) Kreuzgemeinde Hermannsburg, Öffentliche Erklärung betreffend die Lossagung der Kreuzgemeinde zu Hermannsburg vom Synodalausschuß der Hannöv. Freikirche, Hermannsburg 1886. (Dok. 134) Ev.-Luth. Kirche in Baden (Beschluß der Synode vom 21. März 1998 mit den Erläuterungen zum Beschluß), in: Die Gemeinsame Erklärung zur Rechtfertigungslehre. Dokumentation der Stellungnahmen aus den Mitgliedskirchen des Deutschen Nationalkomitees des Lutherischen Weltbundes (Texte aus der VELKD 81), Hannover 1998. (Dok. 67) Evangelisch-lutherische Kirche und Mission 12 (1877). (Dok. 72, 73) Gemeinde-Ordnung für die separirt evangelisch-lutherische St. Johannis-Gemeinde ungeänderter Augsburgischer Confession zu Planitz bei Zwickau im Königreich Sachsen, Dresden 1873. (Dok. 89) Glaube und Leben. Gemeindeblatt für die Renitente Kirche Ungeänderter Augsburger Konfession – Melsunger Missionsblatt, 8/9 (1950). (Dok. 241)
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Anhang
Eduard Rudolf Grebe, Geschichte der hessischen Renitenz, Cassel 1905. (Dok. 109–111, 114, 115) Georg Haccius, Hannoversche Missionsgeschichte 2, Hermannsburg 21910. (Dok. 155, 156) Hannoversche evangelisch-lutherische Freikirche, Pastorenkonvent (Hg.), Geschichte der Hannoverschen evangelisch-lutherischen Freikirche, Celle 1924, (Dok. 126–128, 159– 161, 218, 219, 225, 226) Gerhard Heinzelmann / Wilhelm Martin Oesch (Hrsg.), Einigunssätze zwischen der Evangelisch-Lutherischen Kirche Altpreußens und der Evangelisch-Lutherischen Freikirche (i.Sa.u.a.St.), Vollausgabe 1948, repr. Groß Oesingen 1983. (Dok. 243) Hans Hermann Henrix / Wolfgang Kraus (Hrsg.), Die Kirchen und das Judentum II. Dokumente von 1986–2000, Paderborn / Gütersloh 2001. (Dok. 192–195) Hermannsburger Missionsblatt 1 (1854). (Dok. 157) Hermannsburger Missionsblatt 25 (1878). (Dok. 129, 131, 158) Friedrich Wilhelm Hoffmann (Hg.), Sendschreiben etlicher Geistlicher der renitenten Kirche Augsburgischer Confession in Niederhessen an ihre Amtsbrüder in derselben Kirche. Nebst einem Vorwort und Nachwort an sämmtliche Glieder der genannten Kirche, Homberg 1878. (Dok. 119, 120) Friedrich Wilhelm Hopf, August Vilmar. Ein Lebens- und Zeitbild 2, Marburg 1913. (Dok. 106–108) Friedrich Wilhelm Hopf (Hg.), Lutherische Kirche treibt lutherische Mission, Festschrift zum 75jährigen Jubiläum der Bleckmarer Mission, Bleckmar 1967. (Dok. 170–172) Friedrich Wilhelm Hopf, Lutherische Mitverantwortung für das christliche Zeugnis im Südlichen Afrika, Erlangen 1979. (Dok. 173) http://www.bistum-magdeburg.de/front_content.php?idart=3003 (Dok. 269) http://www.ilc-online.org/graphics/assets/media/International Constitution.pdf (Stand: 30.06.2010). (Dok. 254)
(Stand:
30.06.2010).
Lutheran
Council/ILC
http://www.selk.de/download/EKD-Texte-69.pdf (Stand: 30.06.2010). (Dok. 256) Immanuel. Volksblatt für lutherische Gemeinden 11 (1874). (Dok. 42, 43) Immanuel. Volksblatt für lutherische Gemeinden 13 (1876). (Dok. 45) Immanuel. Volksblatt für lutherische Gemeinden 23 (1886). (Dok. 46) Immanuel. Volksblatt für lutherische Gemeinden 25 (1888). (Dok. 47) Immanuel. Volksblatt für lutherische Gemeinden 34 (1897). (Dok. 48) Wilhelm Iwan, Um des Glaubens willen nach Australien, Breslau 1931. (Dok. 135) Kirchenblatt der Evangelisch-Lutherischen (altluth.) Kirche 119 (1969). (Dok. 255) Kirchenblatt für die evangelisch-lutherischen Gemeinden in Preußen, Jahrgang 1857. (Dok. 53) Kirchenblatt für die evangelisch-lutherischen Gemeinden in Preußen, Jahrgang 1865. (Dok. 57, 75) Kirchenblatt für die evangelisch-lutherischen Gemeinden in Preußen 13 (1861). (Dok. 37)
Verzeichnis der Veröffentlichungen, denen Quellen entnommen wurden
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Kirchenblatt für die evangelisch-lutherischen Gemeinden in Preußen 58 (1903). (Dok. 220) Kirchenblatt für die evangelisch-lutherischen Gemeinden in Preußen 59 (1904). (Dok. 221, 222) Kirchenblatt für die evangelisch-lutherischen Gemeinden in Preußen 62 (1907). (Dok. 223) Kirchenblatt für die evangelisch-lutherischen Gemeinden in Preußen 65 (1910). (Dok. 233) Kirchenblatt für die evangelisch-lutherischen Gemeinden in Preußen 85 (1930). (Dok. 23) Kirchenblatt für die evangelisch-lutherischen Gemeinden in Preußen 88 (1933). (Dok. 191) Kirchenblatt für die evangelisch-lutherischen Gemeinden in Preußen 90 (1935). (Dok. 188, 208) Kirchen-Blatt für die evang.-lutherischen Gemeinen in Preußen, Liegnitz 1857. (Dok. 184) Kirchen-Blatt für die Gemeinen des evang.-luth. Bekenntnisses in Preußen, Breslau 1860. (Dok. 166) Kirchen-Blatt für die Gemeinen des evang.-luth. Bekenntnisses in Preußen, Breslau 1871. (Dok. 185) Kirchen-Blatt für die Gemeinen des evang.-luth. Bekenntnisses in Preußen, Breslau 1894. (Dok. 154) Kirchenblatt für evangelisch-lutherische Gemeinden 115 (1965). (Dok. 59) Kirchenleitung der SELK (Hg.), Ökumenische Verantwortung. Eine Handreichung für die Selbständige Evangelisch-Lutherische Kirche, Hannover 1994. (Dok. 258) Kirchenordnung der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Baden, o. D., 10.10.1948. (Dok. 239) Kirchen-Ordnung der vereinigten evangelisch-lutherischen Gemeinden im Großherzogthum Baden, Pforzheim 1871. (Dok. 58) Kirchenordnung für die selbständige evangelisch-lutherische Kirche in den hessischen Landen, o.O. 1902. (Dok. 124) Kirchen-Ordnung für die selbständige evangelisch-lutherische Kirche, zunächst in den hessischen Landen, Darmstadt 1876. (Dok. 123) Hans Kirsten, Einigkeit im Glauben und in der Lehre 1. Die Lehreinigung 1945 bis 1949, Groß Oesingen 1980. (Dok. 95I, 96, 229–232) Werner Klän, Einig in der Rechtfertigungslehre? Anfragen an die „Gemeinsame Erklärung zur Rechtfertigungslehre“ aus konkordienlutherischer Sicht, in: Uwe Swarat / Johannes Oeldemann / Dagmar Heller (Hrsg.), Von Gott angenommen – in Christus verwandelt. Die Rechtfertigungslehre im multilateralen ökumenischen Dialog (= ÖR.B 78), Frankfurt/M. 2006. (Dok. 264, 265) Kreuzgemeinde Hermannsburg, Ohne Kreuz keine Krone. Ordnung der Kreuzgemeinde Hermannsburg, Hermannsburg 1878. (Dok. 132) Der Lutheraner (St. Louis/Mo.) 23 (1866/67). (Dok. 79) Der Lutheraner. Zeitblatt für evangelisch-lutherische Gemeinden in Deutschland, 2 (1948). (Dok. 94) Der Lutheraner. Zeitblatt für evangelisch-lutherische Gemeinden in Deutschland, 2/3 (1946). (Dok. 211)
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Anhang
Der Lutheraner, Zeitblatt für evangelisch-lutherische Gemeinden in Deutschland, 12 (1949). (Dok. 95II) Lutherische Dorfkirchenzeitung 27 (1875). (Dok. 44) Lutherische Kirche. Kirchenblatt der Selbständigen Evangelisch-Lutherischen Kirche (SELK), 35 (2004). (Dok. 263) Lutherischer Rundblick 8 (1960). (Dok. 69, 70) Lutherischer Rundblick 17 (1969). (Dok. 71) Lutherischer Rundblick 18 (1970). (Dok. 176) Carl Manthey-Zorn, Nothgedrungene Rechtfertigung des Austritts der Missionare F. Zucker, A. Grubert, O. Willkomm, C. M. Zorn aus der Leipziger Mission, St. Louis/Mo. 1877. (Dok. 151, 152) Missionsblatt der Hannoverschen ev.-luth. Freikirche, 8 (1950). (Dok. 168) Missionsblatt. Mission Ev.-Luth. Freikirchen 79, Bleckmar 1987. (Dok. 174, 175) Karl Müller, Die Selbständige evangelisch-lutherische Kirche in den hessischen Landen, Elberfeld 1906. (Dok. 121, 122) Gottfried Nagel, Unsere Heimatkirche. Kurze Geschichte der Ev.-lutherischen Kirche in Preußen, Breslau 21924. (Dok. 20–22) Johannes Nagel, Die Kämpfe der evangelisch-lutherischen Kirche in Preußen seit Einführung der Union. I. Teil: Die evangelisch-lutherische Kirche in Preußen und der Staat, Stuttgart 1869. (Dok. 11, 17, 19) Oberkirchenkollegium (Hg.), Beschlüsse der von der evangelisch-lutherischen Kirche in Preußen im September und October 1841 zu Breslau gehaltenen Generalsynode (und folgender Generalsynoden, gesammelt in 2 Bänden: 1841–1873 und 1878–1910), Leipzig 1842 und Breslau 1844ff. (Dok. 12–16, 25–33, 41, 49, 51, 74, 139, 140, 142, 144, 146–149) Oberkirchenkollegium (Hg.), Rundbrief an unsere Pastoren 4 (1946). (Dok. 189) Ordnungen der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Baden, hg. i. A. des Synodalausschusses, Pforzheim 22001. (Dok. 61, 63) Ordnungen für die Selbständige Evangelisch-Lutherische Kirche (SELK). Herausgegeben von der Kirchenleitung der SELK, El 11 (1992). (Dok. 199) Ordnungen für die Selbständige Evangelisch-Lutherische Kirche (SELK). Herausgegeben von der Kirchenleitung der SELK, El 15 (2003). (Dok. 180) Ordnungen für die Selbständige Evangelisch-Lutherische Kirche (SELK). Herausgegeben von der Kirchenleitung der SELK, El 16 (2005). (Dok. 198, 201, 246, 249, 250–253, 259–261) Ordnungen für die Selbständige Evangelisch-Lutherische Kirche (SELK). Herausgegeben von der Kirchenleitung der SELK, El 17 (2008). (Dok. 179, 202, 204, 205, 216, 217, 262) Ordnungen und Richtlinien der Ev.-Luth. Freikirche, Zwickau 2008. (Dok. 104) Gerhard Rost (Hg.), Ordnungen für die Evangelisch-lutherische (altluth.) Kirche, o.O., o.J. (Dok. 177, 245)
Verzeichnis der Veröffentlichungen, denen Quellen entnommen wurden
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Gerhard Rost (Hg.), Synodalbeschlüsse der Evangelisch-lutherischen (altluth.) Kirche, o.O. 1971. (Dok. 169) Sächsisches Kirchen- und Schulblatt 19 (1869). (Dok. 78) Johann Gottfried Scheibel, Actenmäßige Geschichte der neuesten Unternehmung einer Union zwischen der reformirten und lutherischen Kirche vorzüglich durch gemeinschaftliche Agende in Deutschland und besonders in dem preußischen Staate. Zweiter Theil, enthaltend hundert und zwei und dreißig Acten-Stücke, Leipzig 1834. (Dok. 2, 5–9) Johann Gottfried Scheibel, Mittheilungen über die neueste Geschichte der lutherischen Kirche 1/2, Altona 1835. (Dok. 138) Der Sonntagsbote 10 (1867). (Dok. 182) Volker Stolle, Im tiefen Tal. Die Bleckmarer Mission während des Dritten Reiches (BlMS 2), Groß Oesingen 1986. (Dok. 165) Synodalausschuß der Hannoverschen Freikirche (Hg.), Beschlüsse der ordentlichen Synoden der hannoverschen lutherischen Freikirche, nach den Protocollen zusammengestellt vom Synodalausschuß im October 1885, Hermannsburg 1885. (Dok. 133) Unter dem Kreuze 17 (1892). (Dok. 162, 163) Unter dem Kreuze 58 (1933). (Dok. 190) Unter dem Kreuze. Kirchenblatt der Selbständigen Evangelisch-Lutherischen Kirche 63 (1949). (Dok. 244) Unter dem Kreuze. Kirchenblatt der Selbständigen Evangelisch-Lutherischen Kirche 64 (1950). (Dok. 240, 242) Verfassung der Evangelisch-Lutherischen Freikirche, hg. im Auftrag der EvangelischLutherischen Freikirche, Zwickau 22008. (Dok. 105) Verfassung der Synode der Evang.-Luth. Freikirche in Sachsen und andern Staaten Deutschlands, Zwickau 1880. (Dok. 93) Die Verfassung für die Selbständige evangelisch-lutherische Kirche, Hermannsburg 1954. (Dok. 238) Verhandlungen der ersten evangelisch-lutherischen Landessynode im Königreiche Sachsen, 1871, Dresden 1871. (Dok. 87, 88) Verhandlungen der 32. Jahresversammlung der Synode der evangelisch-lutherischen Freikirche in Sachsen und anderen Staaten, Berlin 1908, Zwickau o.J. (Dok. 227) Verhandlungen der 43. Jahresversammlung der Synode der evangelisch-lutherischen Freikirche in Sachsen und anderen Staaten, Brunsbrock (Hannover) 1921, Zwickau o.J. (Dok. 228) Verordnungsblatt des Evangelisch-Lutherischen Landeskonsistoriums für das Königreich Sachsen, Jahrgang 1876. (Dok. 90–92) Jakob Wilhelm Georg Vilmar, Sendschreiben an den Herrn Pastor Steinmetz in Celle, in Betreff der hessischen Verbesserungspunkte vom Jahre 1604, Melsungen 1874, (Dok. 118) Carl Ferdinand Wilhelm Walther, Briefe an seine Freunde, Synodalgenossen und Familienglieder 1, hg. von L. Fürbringer, St. Louis/Mo. 1915. (Dok. 76)
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Anhang
Hermann Theodor Wangemann, Sieben Bücher Preußischer Kirchengeschichte. Eine aktenmäßige Darstellung des Kampfes um die lutherische Kirche im XIX. Jahrhundert 1, Berlin 1859. (Dok. 1, 3, 4, 10, 18) Karl Wicke, Die hessische Renitenz, ihre Geschichte und ihr Sinn, Kassel 1930. (Dok. 112, 113) Armin Zielke (Hg.), Ordnungen für die Selbständige Evangelisch-Lutherische Kirche, o.O. 2 1984. (Dok. 178) Ernst Ziemer, Die Missionstätigkeit der Evangelisch-lutherischen Kirche in Preußen von 1830–1890, Elberfeld 1904. (Dok. 136, 137, 143, 145) Ernst Ziemer, Unsere Kirche und unser Volk, Breslau 1916. (Dok. 186)
Verzeichnis der Archive/Fundorte Archiv der Ev.-Luth. Erlöserkirchengemeinde Freiburg. (Dok. 60, 62, 68) Archiv der Kirchenleitung der Selbständigen Evangelisch-Lutherischen Kirche (SELK. (Dok. 34, 35, 64–66, 181, 196, 197, 200, 203, 247, 248, 257, 267, 268, 270) Archiv der Lutherischen Theologischen Hochschule, Oberursel. (Dok. 212–215) Bericht: 42. Jahresversammlung der Synode der evangelisch-lutherischen Freikirche in Sachsen und anderen Staaten in Niederplanitz vom 10. bis 14. Juli 1920. (Dok. 209) Bericht: 46. Jahresversammlung der Synode der Evangelisch-Lutherischen Freikirche in Sachsen und andern Staaten vom 10. bis 16. Juli 1924 in Berlin. (Dok. 210) Beschlüsse der im September 1921 gehaltenen Generalsynode der evangelisch-lutherischen Kirche in Preußen. (Dok. 150, 187) Bezirksarchiv des Sächsischen Bezirks der Ev.-luth. Freikirche, Crimmitschau. (Dok. 77, 80–86, 97–99, 101) Generallandesarchiv Karlsruhe. (Dok. 52) Landeskirchenarchiv Karlsruhe. (Dok. 50) Missionsarchiv des Ev.-Luth. Missionswerks in Niedersachsen, Hermannsburg. (Dok. 130) Nachlass Julius Diedrich, im Besitz von Baudirektor Jürgen Hahn, Bergisch-Gladbach. (Dok. 24) Pfarrarchiv der ev.-luth. Kirchengemeinde Ispringen. (Dok. 54–56) Pfarrarchiv der ev.-luth. Kirchengemeinde Jabel. (Dok. 38, 39) Pfarrarchiv der ev.-luth. Kirchengemeinde St. Martin Rothenberg/Odenwald. (Dok. 125) Pfarrarchiv der ev.-luth. Kreuzkirchengemeinde Neuruppin. (Dok. 40) Sonderdrucke. (Dok. 164, 224, 236, 237) Superintendenturarchiv des Kirchenbezirks Hessen-Nord der Selbständigen EvangelischLutherischen Kirche. (Dok. 234, 235
Personenverzeichnis Wilhelm Friedrich Besser: Pastor, Kirchenrat, *27.9.1816 in Warnstedt/Harz; bis 1847 Pastor in Wulkow/Brandenburg; 1847 Übertritt zur Ev.-luth. Kirche in Preußen; 1847– 1853 Pastor in Seefeld; 1853–1856 Kondirektor der Leipziger Mission; 1857–1864 Pastor in Waldenburg/Schlesien; seit 1863 Kirchenrat; †26.9.1884 in Niederlößnitz bei Dresden Karl Ferdinand Bingmann: Pastor, Superintendent, *22.2.1822 in Oberroßbach/ Oberhessen; 1849–1898 Pastor in Höchst/Nidda; seit 1877 Superintendent; †16.2.1898 in Höchst/Nidda Jakob Böttcher: Pastor, Superintendent, *9.12.1872 in Madras; seit 1903 Pastor und Superintendent im Pfarrbezirk Molzen; 1.5.1956 emeritiert; †1958 Friedrich August Brunn: Pastor, *15.2.1819 in Schaumburg/Lahn; 1842–1846 Hilfsgeistlicher in Runkel/Lahn; 1846–1879 Pastor in Steeden/Nassau; seit 1879 Glied der Ev.Luth. Freikirche; 1879 emeritiert; †27.3.1895 in Steeden Horst Brügmann: Pastor, Kirchensuperintendent, Propst, *20.7.1927, 1954–1973 Pastor in Wriedel, Ruhestand in Lüneburg Franz Wilhelm Julius Diedrich: Pastor, *15.7.1819 in Stettin; 1845–1847 Pastor der ev. Kirche in Zaatzke bei Wittstock/Dosse; 1847 Übertritt zur Ev.-luth. Kirche in Preußen; 1847–1874 Pastor in Jabel bei Wittstock/Dosse; 1861 Trennung vom Oberkirchenkollegium in Breslau; 1864 Mitbegründer der Immanuelsynode; 1874–1883 Pastor in Frankfurt/M.; 1883–1890 Pastor in Straßburg; †9.3.1890 in Straßburg Conrad Dreves: Pastor, *1837 in Waldeck; bis 1882 in Nordamerika; 1883–1885 zweiter Pastor an der Kreuzgemeinde Hermannsburg; seit 1886 Pastor an der Kleinen Kreuzgemeinde Hermannsburg; 1916 emeritiert; †26.3.1917 in Lüneburg Johannes Ehlers: Pastor, Superintendent, *29.4.1848 in Liegnitz; seit 1901 Superintendent der Hermannsburg-Hamburger Freikirche; 1886–1926 Pastor in Hermannsburg Große Kreuzkirche; †21.3.1929 in Hermannsburg Carl Eichhorn: Pastor, *11.7.1810 in Kembach/Baden; seit 1832 Pastor in Bofsheim/Baden; bis 1850 Pastor in Nußloch/Baden; 1850 Übertritt zur Ev.-luth. Kirche in Preußen; 1851–1867 Pastor in dieser Kirche in Ihringen/Baden; 1867–1889 Pastor in Korbach/Waldeck; †8.2.1890 bei Züschen/Waldeck Max Frommel: Pastor, Generalsuperintendent, Konsistorialrat, *15.3.1830 in Karlsruhe; 1852 Übertritt zur Ev.-luth. Kirche in Preußen; 1852-–1854 Vikar in Liegnitz/Schlesien; 1854–1858 Pastor in Reinswalde bei Sorau/Schlesien; 1858–1880 Pastor in Ispringen/Baden; 1865 Trennung von der Ev.-luth. Kirche in Preußen; 1880–1890 Generalsuperintendent und Konsistorialrat in Celle; †5.1.1890 in Celle Hartmut Günther: Professor, *20.12.1931 in Waldenburg/Schlesien, seit 1960 Lehrer für Hebräisch, Bibelkunde und Neues Testament an der Lutherischen Theologischen Hochschule in Oberursel (LThH); 1993 Promotion an der Universität Erlangen; seit 1963 Professor für Biblische Theologie an der LThH; 1996 emeritiert; †21.11.2008 in Groß Oesingen
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Adolf von Harleß: Professor, Oberhofprediger, *21.11.1806 in Nürnberg; 1830–1833 Privatdozent in Erlangen; 1833–1845 Professor in Erlangen; 1845 im „Kniebeugestreit“ suspendiert, dann Konsistorialrat in Bayreuth; 1845-–1850 Professor in Leipzig; 1850–1851 Oberhofprediger in Dresden; seit 1852 Präsident des Oberkonsistoriums in München; 1852–1879 Präsident der Leipziger Mission; 1879 emeritiert; †5.9.1978 in München Ludwig Harms: Pastor, *5.5.1808 in Walsrode; vor 1844 Hauslehrer in Lauenburg und Lüneburg; 1844–1849 Kollaborator seines Vaters in Hermannsburg; 1849–1865 Pastor in Hermannsburg; 1849 Gründung der Hermannsburger Mission; †14.11.1865 in Hermannsburg Theodor Harms: Pastor, *19.3.1819 in Hermannsburg; 1849–1857 Lehrer am Missionshaus in Hermannsburg; 1857–1865 Pastor in Müden; 1865–1885 Pastor und Missionsdirektor in Hermannsburg; 1878 Amtsentsetzung und Gründung der Hannoverschen ev.-luth. Freikirche; †16.2.1885 in Hermannsburg Friedrich Wilhelm Hoffmann: Pastor, Metropolitan, *6.5.1803 in Hartmuthsachsen; seit Ende der zwanziger Jahre Pastor in Siden an der Diemel; 1851–1864 Metropolitan der Klasse Homberg/Efze; seit 1864 Metropolitan in Felsberg; nach 1866 Mitstreiter Wilhelm Vilmars; 1869–1872 suspendiert; 1873 kurzfristig restituiert; wegen seines Widerstandes gegen die Einführung des Gesamtkonsistoriums im November 1873 des Amtes enthoben; seitdem Pastor in Homberg; in der Frage der Geltung der „mauritianischen Verbesserungspunkte“ Anführer der von Wilh. Vilmar dissentierenden Minderheiten der renitenten Pastoren („Homberger Konvent“); †30.10.1889 in Homberg Gottfried Hoffmann: Pastor, Professor, *3.7.1930 in Leipzig; seit 1957 Pastor in Oberursel/Taunus; 1963–1965 Lehrer an der Lutherischen Theologischen Hochschule (LThH); 1965–1968 Pastor in Hörpel und stellvertretender Präses der Evangelisch-Lutherischen Freikirche; 1968–1972 Lehrer für dogmatische Theologie an der LThH; 1972 Promotion an der Universität Heidelberg; seit 1972 Professor an der LThH; 1993 emeritiert Friedrich Wilhelm Hopf: Pastor, Missionsinspektor, Missionsdirektor, *31.5.1910 in Melsungen; 1936–1949 Pastor in Mühlhausen/Franken; 1950–1978 Missionsinspektor, dann Missionsdirektor der Mission ev.-luth. Freikirchen in Bleckmar; 1968 Ehrendoktor der Theologie; †19.7.1982 in Hermannsburg Georg Philipp Eduard Huschke: Professor, *26.6.1801 in Hannoversch-Münden; 1824–1827 Professor für Jura in Rostock; seit 1827 Professor in Breslau; 1830 Mitbegründer der Ev.luth. Kirche in Preußen; seit 1841 Präsident des Oberkirchenkollegiums dieser Kirche; †7.2.1886 in Breslau August Ludwig Christian Kavel: Pastor, *3.9.1798 in Berlin, seit 1826 Pastor in Klemzig Kreis Züllichau, 1835 Anschluss an die Evangelisch-lutherische Kirche in Preußen, 1838 Auswanderung nach Australien, Gründung von Siedlungen im Barossatal in Südaustralien, Begründer des Luthertums in Australien, †12.2.1860 in Tanunda (Langmeil)/Australien Hans Kirsten: Pastor, Professor, Präses, Propst, *9.3.1902 in Annaberg/Erzgebirge, 1925– 1928 Pastor in Groß Oesingen, 1928–1940 Pastor in der Bethlehems-Gemeinde der Ev.Luth. Freikirche in Hannover, 1946–1948 Leitung des Theologischen Proseminars in Groß Oesingen, 1948 Gründungsrektor und Dozent an der Lutherischen Theologischen Hochschule in Oberursel, 1952 Promotion an der Universität Heidelberg; 1959–1969
Personenverzeichnis
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Professor für Praktische Theologie an der LThH, seit 1968 Präses der Ev.-Luth. Freikirche, 1972–1976 Propst im Sprengel Süd der Selbständigen Evangelisch-Lutherischen Kirche, †1.4.1994 in Hesel/Ostfriesland Martin Kiunke: Pastor, Professor, Kirchenrat, *27.8.1898 in Breslau, 1925–1930 Pastor in Groß-Justin/Pommern, seit 1930 Pastor in Liegnitz, 1939 Promotion an der Universität Erlangen; seit 1944 Kirchenrat im Oberkirchenkollegium (OKK) der Evangelischlutherischen Kirche Altpreußens, seit 1948 Professor für Kirchengeschichte und Neues Testament an der Lutherischen Theologischen Hochschule in Oberursel, 1953 Ausscheidung aus dem Dienst der Evangelisch-lutherischen (altlutherischen) Kirche und Wechsel in ein Pfarramt der Hannoverschen Landeskirche, †13.4.1983 in Mötzingen Johannes Konrad Wilhelm Löhe: Pastor, *21.2.1808 in Fürth; bis 1837 Vikar in Bayern; seit 1837 Pastor in Neuendettelsau; seit 1842 Ausbildung von Pastoren für die lutherischen Kirchen in Nordamerika; 1854 Gründung der Diakonissenanstalt Neuendettelsau; †2.1.1872 in Neuendettelsau Ferdinand Lucius: Pastor, *2.3.1880 in Echzell; seit 1923 Pastor im Pfarrbezirk Herrenbreitungen mit Herrenbreitungen (Brotterode) und Homberg (Verna); †? Heinrich Martin: Pastor, Superintendent, Kirchensuperintendent, *10.5.1884 in Kassel, seit 1913 Pastor und seit 1925 Superintendent im Pfarrbezirk Marburg a.d. Lahn mit Marburg, Warzenbach, und Treisbach; 1947 Kirchensuperintendent der Selbständigen evangelisch-lutherischen Kirche; 1955 Ehrendoktor des Concordia-Seminars in St. Louis/USA; 1959 emeritiert; †7.7.1972 Julius Nagel: Pastor, Superintendent, Kirchenrat, *1809 in Stecklin/Pommern; bis 1842 Militärgeistlicher in Stargard; 1842–1847 Pastor in Trieglaff; 1847 Übertritt zur Ev.-luth. Kirche in Preußen; seit 1852 Superintendent und Kirchenrat in Breslau; emeritiert 1881; †17.1.1884 in Breslau Wilhelm Martin Oesch: Pastor, *9.11.1896 in Westcliffe/Colorado, 1922–1933 Pastor der Immanuels-Gemeinde der Evangelisch-Lutherischen Freikirche in Sachsen und anderen Staaten in Stuttgart, 1940–1945 Vakanzpastor in der Dreieinigkeitsgemeinde in Groß Oesingen und Lachendorf, später in Hamburg; 1948-–1968 Professor für Systematische Theologie und Symbolik an der Lutherischen Theologischen Hochschule in Oberursel, emeritiert 1968, †18.1.1982 in Oberursel Hermann Alexander Pistorius: Pastor, Kirchenrat, * 27.8.1811 in Walbeck; 1843–1848 Pastor in Süplingen; 1848–1851 Pastor der Ev.-luth. Kirche in Preußen in Wernigerode; 1851–1863 Pastor in Wollin; seit 1857 Kirchenrat in Breslau; 1863–1877 Pastor in Basedow/Mecklenburg; †24.4.1877 in Basedow Rudolf Rocholl: Pastor, Superintendent, Kirchenrat, *27.9.1822 in Rhoden/Waldeck; 1850– 1861 Pastor in Sachsenberg; 1861 Übertritt in die hannoversche lutherische Landeskirche; seit 1867 Superintendent in Göttingen; 1878 Übertritt zur Hannoverschen evangelischlutherischen Freikirche, Pastor in Hannover und Arpke, noch in demselben Jahr Übertritt zur Ev.-luth. Kirche in Preußen; 1878–1885 Pastor in Radevormwald; seit 1881 Superintendent in Breslau und Mitglied des Oberkirchenkollegiums (1886–1891 dessen Geschäftsführer); †26.11.1905 in Düsseldorf Manfred Roensch: Pastor, Professor, *16.3.1930 in Liegnitz; seit 1956–1966 Pastor im Pfarrbezirk Heidelberg und Mannheim; 1958 Promotion an der Universität Heidelberg;
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Anhang
seit 1966 Professor für Historische Theologie und Symbolik an der Lutherischen Theologischen Hochschule in Oberursel, 1995 emeritiert; †10.4.2001 in Oberursel Gerhard Rost: Professor, Bischof, *20.1.1922 in Halle/Saale; seit 1954 Dozent für Historische Theologie, Neues Testament und Homiletik an der Lutherischen Theologischen Hochschule (LThH) in Oberursel; 1960 Promotion an der Universität Münster; seit 1961 Professor an der LThH; 1963–1967 geschäftsführender Kirchenrat in Wuppertal; seit 1967 Präsident des Oberkirchenkollegiums der Evangelisch-lutherischen (altlutherischen) Kirche; seit 1973–1985 erster Bischof der Selbständigen EvangelischLutherischen Kirche; †19.5.2003 in Berlin Diethardt Roth: Pastor, Superintendent, Bischof, *24.7.1941 in Leslau a.d. Weichsel; 1970– 1996 Pastor in Melsungen; 1972 Promotion an der Universität Göttingen; 1985–1991 Superintendent im Kirchenbezirk Hessen-Nord der Selbständigen EvangelischLutherischen Kirche (SELK); 1991–1996 Propst im Sprengel Süd der SELK; 1996–2006 Bischof der SELK in Hannover; 1.7.2006 emeritiert Rudolf Rothfuchs: Pastor, Superintendent, *28.11.1904 in Rodenberg/Deister; seit 1933 Pastor der Parochie Rodenberg/Deister; seit 1956 Superintendent der hessischen Diözese; †17.1.1968 in Rodenberg/Deister Carl Friedrich Theodor Ruhland: Pastor, Präses, *26.4.1836 in Grohnde/Weser; 1857 Auswanderung nach Nordamerika; 1857–1859 Theologiestudium in St. Louis/Mo.; 1859– 1862 Pastor in Oshkosh/Wis. (Missourisynode); 1862–1866 Pastor in Wolcottsville/N.Y.; 1866–1867 Pastor in Buffalo; 1867–1871 Pastor in Pleasant Ridge/Ill.; 1872–1873 Pastor in Dresden; 1873–1879 Pastor in Planitz; 1876–1879 Präses der Ev.-Luth. Freikirche; †3.6.1879 bei Amhertsburg/Ont. Hermann Sasse: Pastor, Professor, *17.7.1895 in Sonnewalde/Thüringen; 1920 Pastor in Templin/Brandenburg; 1921–1928 Pastor in Oranienburg; 1923 Promotion an der Universität Berlin; 1927 Delegierter und Dolmetscher bei der Weltkonferenz für Glauben und Kirchenverfassung (Faith and Order) in Lausanne; Habilitation im Fach Neues Testament; seit 1928 Pastor in Berlin; 1933 Professor für Kirchen- und Dogmengeschichte sowie Konfessionskunde an der Universität Erlangen; seit 1949 Professor am Immanuel Theol. Seminary der Vereinigten Lutherischen Kirche in North Adelaide/Süd-Australien; †8.8.1976 in North Adelaide/Australien Ludwig Saul: Pastor, *24.10.1813 in Kassel-Harleshausen, 1848 Pastor in Netra, 1853 in Balhorn, †28.7.1877 in Balhorn Johann Gottfried Scheibel: Pastor, Professor, *16.9.1783 in Breslau; seit 1807 Lektor in Breslau; seit 1811 außerordentlicher Professor; seit 1817 Diakonus an St. Elisabeth in Breslau; seit 1818 ordentlicher Professor; 1830 Suspension wegen Widerstandes gegen die Einführung der Union; 1832–1833 in Dresden; 1833–1836 in Hermsdorf bei Dresden; 1836–1839 in Glauchau; seit 1839 in Nürnberg; †21.3.1843 in Nürnberg Jobst Schöne: Pastor, Superintendent, Bischof, *20.10.1931 in Naumburg/Saale; seit 1959 Pastor in Köln; 1962–1985 Pastor in Berlin-Zehlendorf und Berlin-Spandau; 1968 Promotion an der Universität Münster; 1978 Ehrendoktorwürde des Concordia Theological Seminary in Fort Wayne/Indiana; 1972–1985 Superintendent im Bezirk Berlin-West der Selbständigen Evangelisch-Lutherischen Kirche (SELK); 1985–1996 Bischof der SELK in Hannover; 1996 emeritiert
Personenverzeichnis
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Werner Srocka: Pastor, Superintendent, Kirchensuperintendent, *6.2.1900 in Swinemünde; 1926 Promotion zum Lic. theol., 1926–1931 Pastor in Mühlhausen (Thür.), seit 1931 Pastor im Pfarrbezirk Seefeld mit Seefeld, Kolberg und Zuchen; 1945–1963 Pastor in Hermannsburg Gr. Kreuzkirche, seit 1946 zugleich auch Superintendent; 1956–1963 Kirchensuperintendent der Selbständigen evangelisch-lutherischen Kirche; †2.9.1963 in Hermannsburg Heinrich Stallmann: Pastor, Präses, *5.7.1887 in Allendorf/Lumda; 1920–1923 Pastor in Wittingen; 1926–1927 Pastor der Erlösergemeinde in Bochum, 1927–1956 Pastor der Kreuz-Gemeinde in Bochum; †16.6.1969 in Wittingen Henrich Steffens: Professor, *2.5.1773 in Stavanger/Dänemark; 1796 Habilitation in Kiel; 1803 ordentlicher Professor für Naturphilosophie; Physiologie und Mineralogie in Halle; ab 1811 in Breslau; enge Freundschaft mit Scheibel; 1830 Mitbegründer der luth. Gemeinde in Breslau; ab 1832 Professor in Berlin; †13.2.1845 in Berlin Karl Georg Stöckhardt: Pastor, Professor, *17.2.1842 in Chemnitz; 1867–1870 Lehrer am Luisenstift in Tharandt; 1870 Hilfsprediger in Paris; 1871–1873 Repetent und Religionslehrer in Erlangen; 1873–1876 Diakonus in Planitz; 1876–1878 zweiter Pastor an der St. Johannis-Gemeinde der Ev.-Luth. Freikirche in Planitz; 1878–1887 Pastor und Privatdozent in St. Louis/Mo.; 1887–1913 Professor am Concordia-Seminar der Missourisynode in St. Louis; †9.1.1913 in St. Louis/USA August Friedrich Christian Vilmar: Professor, *21.11.1800 in Solz/Hessen; 1827–1833 Gymnasiallehrer in Marburg; 1833–1850 Gymnasialdirektor in Marburg; 1850–1851 Vortragender Rat im Ministerium Hassenpflug; 1851–1855 Vertreter des Generalsuperintendenten; 1855 Wahl zum Generalsuperintendenten; vom Kurfürst nicht bestätigt; 1855–1868 Professor in Marburg; †30.6.1868 in Marburg Jakob Wilhelm Georg Vilmar: Pastor, Metropolitan, *1804 in Solz/Hessen; 1830 Pastor an der Altstädter Gemeinde in Rotenburg; seit 1851 Metropolitan in Melsungen; 1866 Versetzung nach Sand; 1867 Rückkehr nach Melsungen; 1868 Absetzung als Metropolitan; 1873 Amtsentsetzung; danach Pastor an der renitenten Gemeinde in Melsungen; †7.12.1884 in Melsungen Hans-Jörg Voigt: Pastor, Superintendent, Bischof, *7.6.1962 in Dresden; 1991–2006 Pastor in Greifswald; 2001–2003 Superintendent des Kirchenbezirks Berlin-Brandenburg der Selbständigen Evangelisch-Lutherischen Kirche (SELK); 2003–2006 Leiter des Praktisch Theologischen Seminars der SELK; seit 2006 Bischof der SELK in Hannover Carl Ferdinand Wilhelm Walther: Pastor, Präses, Professor; *25.10.1811 in Langenchursdorf/Sachsen; 1834–1836 Hauslehrer; 1836–1838 Pastor in Bräunsdorf bei Penig; 1838 Auswanderung mit Martin Stephan nach Nordamerika; 1839–1841 Pastor in Perry County/Mo.; 1841–1887 Pastor der Missourisynode in St. Louis/Mo.; 1847 Mitbegründer dieser Synode; 1847–1850 und 1864–1878 Allgemeiner Präses dieser Synode; seit 1849 Professor am Concordia-Seminar in St. Louis/Mo.; †7.5.1887 in St. Louis/Mo. Johann Georg Wermelskirch: Judenmissionar, Pastor, *22.2.1803 in Bremen; 1824–1825 Judenmissionar in Warschau und der Provinz Posen 1825–1835; 1836–1842 Leiter der Dresdner (später Leipziger) Mission; 1842–1844 Pastor der Evangelisch-lutherischen Kirche in Preußen in Berlin; 1844–1872 Pastor in Erfurt; †20.12.1872 in Erfurt
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Anhang
Wilhelm Wöhling: Pastor, Präses, *4.2.1860 in Molzen/Hannover; 1886–1890 Pastor der Hermannsburger ev.-luth. Freikirche in Groß Oesingen; 1890–1925 Pastor in Uelzen; 1891–1908 Präses der Hermannsburger ev.-luth. Freikirche; 1908 Anschluss an die Ev.Luth. Freikirche; †25.8.1927 in München Ernst Ziemer: Pastor, Kirchenrat, *21.6.1872 in Stettin; seit 1897 Kirchenrat; seit 1921 Pastor im Pfarrbezirk Breslau-Süd mit Brockau und Rogau-Rosenau; †2.10.1949 in Berlin-Dahlem
Bildquellenverzeichnis Wir haben uns bemüht, nach bestem Wissen und Gewissen die Urheberrechte der in diesem Band gedruckten Abbildungen zu ermitteln. Sollten dennoch an irgendeiner Stelle Urheberrechte verletzt worden sein, so bitten wir um Entschuldigung und um eine entsprechende Mitteilung an den Verlag. Wir danken allen sehr herzlich, die freundlicherweise zur Beschaffung von Bildmaterial für dieses Buch beigetragen haben. 27:
Johann Gottfried Scheibel, Foto, Datum der Aufnahme unbekannt, © Archiv der Lutherischen Theologischen Hochschule (LThH).
28:
Georg Philipp Eduard Huschke, Foto, Datum der Aufnahme unbekannt, © Archiv der LThH.
29:
Hönigern, Kirche, Postkarte, 1934, © Wir danken Herrn Berthold Blomeyer, dass er uns freundlicherweise das genannte Bild zur Verfügung gestellt hat.
30:
Eduard Gustav Kellner, Foto, Datum der Aufnahme unbekannt, © Archiv der LThH.
76:
Das Oberkirchenkollegium der Evangelisch-lutherischen Kirche in Preußen, Foto, 1873 © Archiv der Kirchenleitung der SELK.
94:
Breslau, Katharinenstraße, Katharinenkirche, Außenansicht, Foto, 11.10.2009, © Gottfried Heyn.
94:
Breslau, Katharinenstraße, Katharinenkirche, Innenansicht, Foto, vor 1945, © Archiv der Kirchenleitung der SELK.
117: Berlin-Mitte, Annenstraße, Evangelisch-lutherische Kirche, Foto, 1981, © Archiv der Kirchenleitung der SELK. 121: Franz Wilhelm Julius Diedrich, Foto, Datum der Aufnahme unbekannt, © Archiv der LThH. 131: Die Pfarrer der Evangelisch-lutherischen Immanuelsynode, Foto, vermutlich 1867, © Archiv der Kirchenleitung der SELK. 147: Carl Eichhorn, Foto vom Gemälde: Theodor Rocholl, © Eigentum der Evangelischlutherischen Christusgemeinde Korbach. 149: Max Frommel, Foto, Datum der Aufnahme unbekannt, © Evangelisch-lutherische Stadtkirchengemeinde St. Marien Celle. 184: Friedrich August Brunn, Foto, Datum der Aufnahme unbekannt, © Archiv der LThH. 185: Carl Ferdinand Wilhelm Walther, Foto, Datum der Aufnahme unbekannt, © Archiv der LThH. 186: Karl Georg Stöckhardt, Foto, Datum der Aufnahme unbekannt, © Archiv der Kirchenleitung der SELK. 187: Zwickau-Planitz, St. Johanneskirche, Foto, Datum der Aufnahme unbekannt, © Archiv der Kirchenleitung der SELK. 199: Johannes Konrad Wilhelm Löhe, Foto, Datum der Aufnahme unbekannt, © Archiv der LThH.
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Anhang
307: August Friedrich Christian Vilmar, Foto, Datum der Aufnahme unbekannt, © Archiv der LThH. 309: Jakob Wilhelm Georg Vilmar, Foto, Datum der Aufnahme unbekannt, © Archiv der LThH. 341: Karl Ferdinand Bingmann, Foto, Datum der Aufnahme unbekannt, © Archiv der Kirchenleitung der SELK. 342: Christian Müller, Foto, Datum der Aufnahme unbekannt, © Archiv der Kirchenleitung der SELK. 363: Georg Ludwig Detlef Theodor (genannt: Louis) Harms, Foto, Datum der Aufnahme unbekannt, © Archiv der LThH. 365: Theodor Harms, Foto, Datum der Aufnahme unbekannt, © Archiv der LThH. 368: Rudolf Rocholl, Foto vom Gemälde: Theodor Rocholl, 1876, © Archiv der LThH. 400: Bleckmar, Missionshaus der Lutherischen Kirchenmission (Bleckmarer Mission), Foto, vor 2010, © Lutherische Kirchenmission. 401: Friedrich Wilhelm Karl August Christoph Hopf, Foto, 26.6.1955, © Archiv der Kirchenleitung der SELK. 417: Die aus der Leipziger Mission ausgetretenen Missionare, Foto, vermutlich 1876, © Archiv der Kirchenleitung der SELK. 442: Melsungen, Missionshaus, Foto, 1945, © Archiv der Kirchenleitung der SELK. 456: Missionare vor der Aussendung, Foto, 1967, © Lutherische Kirchenmission. 478: Johann Georg Gottfried Wermelskirch, Foto, Datum der Aufnahme unbekannt, © Archiv der Kirchenleitung der SELK. 509: Wuppertal-Elberfeld, St. Petrikirche, Postkarte, vor 1943, © Archiv der Kirchenleitung der SELK. 510: Guben, Naëmi-Wilke-Stift, vor der Pforte des Krankenhauses: Diakonissen mit Oberin Else Frey und Vorsteher Pfarrer Wilhelm Brachmann, Foto, 1954, © Archiv des NaëmiWilke-Stiftes. 530: Seminar der Evangelisch-lutherischen Kirche in Preußen, Foto, 1932, © Archiv der Kirchenleitung der SELK. 531: Breslau, Hohenzollernstraße, Christuskirche, Außenansicht, Postkarte, Zeichnung: Paul Bunke 1930, © Archiv der Kirchenleitung der SELK. 531: Breslau, Hohenzollernstraße, Christuskirche, Innenansicht, Foto, vor 1945, © Archiv der Kirchenleitung der SELK. 533: Klein-Machnow bei Berlin, ehemalige Theologische Hochschule der Evangelisch-Lutherischen Freikirche, Foto, Aufnahme aus den 1970-er Jahren, © Archiv der Kirchenleitung der SELK. 534: Oberursel, Lutherische Theologische Hochschule (LThH), Verwaltungsgebäude, Foto, 15.6.2010, © Trixi Reiter. 564: Dr. Gerhard Rost, LL.D., Foto, Mai 1992, © Archiv der Kirchenleitung der SELK. 565: Hannover, Schopenhauerstraße 7, Kirchenbüro der SELK, Foto, 23.01.2010, © Michael Schätzel.
Bildquellenverzeichnis
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619: 1. Kirchensynode der SELK 23.–27.5.1973 in Radevormwald, Foto, 1973, © Gotthard Stolle. 633: 1. Allgemeiner Pfarrkonvent der SELK 2.–4.5.1973 in Uelzen, Foto, 1973, © Archiv der Kirchenleitung der SELK. 641: Klitten/Oberlausitz, Johanneskirche, Unterzeichnung der Vereinbarung über die kirchliche Vereinigung zwischen SELK und Evangelisch-lutherischer (altlutherischer) Kirche (ElaK), Foto, 12.10.1990, © Archiv der Kirchenleitung der SELK. 646: 7. Kirchensynode der SELK 2.-7.7.1991 in Wiesbaden, Foto, 1991, © Archiv der Kirchenleitung der SELK. 652: Dr. Jobst Schöne, DD., Foto, vor 1996, © Dr. Jobst Schöne, DD. 710: Dr. Diethardt Roth, Foto, vor 2006, © Michael Schätzel. 714: Hans-Jörg Voigt, Foto, 9.3.2010, © Gottfried Heyn. 715: Wechselseitige Anerkennung der Taufe 29.4.2007 im Dom zu Magdeburg, Foto, 2007, © Bistum Magdeburg.
Verzeichnis der Mitarbeiter dieses Bandes Dr. Frank Martin Brunn ist Koordinator des Ethisch-Philosophischen Grundlagenstudiums am Dekanat der Theologischen Fakultät der Ruprecht-Karls Universität Heidelberg und Wissenschaftlicher Angestellter mit geschäftsführenden Aufgaben im Interdisziplinären Forum für Biomedizin und Kulturwissenschaften (Einführung Kap. III). Prof. Dr. Gilberto da Silva ist Professor für Historische Theologie und Rektor an der Lutherischen Theologischen Hochschule in Oberursel (Herausgeber, Einführung Kap. I, V, VI, XI) Dr. Andrea Grünhagen ist Theologin in Hannover (Einführung Kap. VII). Dr. Gottfried Herrmann ist Leiter der Concordia-Verlagsbuchhandlung der EvangelischLutherischen Freikirche in Zwickau, Dozent für Kirchengeschichte am Lutherischen Theologischen Seminar in Leipzig und zugleich dessen Rektor (Einführung Kap. IV). Gottfried Heyn ist Referent im Kirchenbüro der Selbständigen Evangelisch-Lutherischen Kirche in Hannover (Bildredaktion). Prof. Dr. Werner Klän ist Professor für Systematische Theologie an der Lutherischen Theologischen Hochschule in Oberursel (Herausgeber, Einführung Kap. II, XII, XIII). Prof. i. R. Dr. Volker Stolle ist emeritierter Professor für Neues Testament an der Lutherischen Theologischen Hochschule in Oberursel und lebt im Ruhestand in Mannheim (Einführung Kap. VIII, IX). Pfarrer Stefan Süß ist Rektor des Naëmi-Wilke-Stifts in Guben, einer diakonischen Einrichtung der Selbständigen Evangelisch-Lutherischen Kirche (Einführung Kap. X).
Namensregister Ackermann 344 Ahlers, Peter H. F. 658 Albers, Ernst-August 456 Alt, Paul 548 Altenstein, von 35, 36, 57 Amelung 336, 338 Amling 579 Andreae, Joh. Valent. 78 Anthes, Georg 349, 576, 591, 594 Appel, André 171 Arndt, Johann 376 Arnim, von 101 Augustin 282 Baist, G. 349 Barkowski 537 Barnbrock, Christoph 184 Barth, Karl 284 Baumann 334 Baumann, A. 497 Baumann, C. 334 Baumann, Ernst 334 Baumann, K. 591 Baumfelder 231, 232 Bayer 334 Becker, Karl Friedrich 478, 482, 484 Beenhausen, von 334 Berger, Karl Ferdinand 68, 91 Bernhard 483 Beseler 101 Besser, Wilhelm Friedrich 31, 76 Bethmann Hollweg, von 100 Beugel 78 Bichmann, H. 349 Biehler, Gottlieb Friedrich Eduard 68, 92 Bingmann, E. 433, 574 Bingmann, Karl Ferdinand 340, 341, 343, 349 Bismarck, von 367 Blanke, Adolf 443 Böhm, Karl Friedrich 214, 221 Böhmer, H. F. 446 Bohne 336, 338 Böhringer, August Immanuel 76
Bornn 41, 48, 50, 54 Böttcher, Jakob 438, 439, 444, 576, 579, 592, 594, 598, 606 Brachmann, Wilhelm 510 Brammer, D. 397, 433 Brandt, Wilhelm Heinrich 91 Breitenbach 101 Brügmann, Horst 170, 633, 673 Brunn, Frank Martin 147 Brunn, Friedrich August 131, 184, 193, 196, 197, 201, 202, 203, 204, 211, 401, 439, 441 Bülow, von 100 Burg 78 Burgdorf, Adolf 510 Burghardt 231 Calov 254, 255, 256 Cherney, Kenneth 295 Clauß, M. 222 Clobes, Conr. 334 Cöln 61 Cordes 418 Crome, Theodor 128, 130, 131, 202 da Silva, Gilberto 22, 24, 25, 307, 339, 530 Dankwerts 331 Darwin, Charles 275 Daub, Gottfried 170, 172, 640, 641 Delitzsch, Franz 489, 490 Demiani, C. C. 410 Denecke, A. 497 Deppe, Andreas 221 Deppe, Johann Heinrich A. 214 Diedrich, Franz Wilhelm Julius 31, 102, 120, 121, 123, 125, 127, 130, 131, 132, 135, 136, 369 Dierks, Alert 369, 579, 580 Dierks, F. 446 Dietrich 334 Draudt, L. 573, 591 Drenkhahn 125 Dreves, Konrad 368, 369, 430, 433 Dube, Isachar 456 Ebert 318
742
Anhang
Ebert, A. 231 Ehlers, Johannes 369, 370, 397, 574, 576, 577, 579, 594 Ehlers, Ludwig Otto 91, 127, 130, 131, 132, 135, 478, 484 Ehrenström, Karl Wilhelm 92 Eichhorn, Carl 89, 94, 147, 148, 149, 150, 153, 155, 156, 157 Eikmeier, Paul 537, 582 Einem, von 100 Einsiedel, Detlev von 410 Eisenberg 483, 598 Engelbrecht 591 Engelhardt, K. 177 Falkenstein, von 210, 215 Feldner 105, 161 Feldner, Ludwig 509 Franke, Dr. Emil 91 Frey, Else 510 Frick, Chn. 334 Friedrich der Große 57, 61 Friedrich Wilhelm I. 308, 309, 318, 319, 323, 326, 327, 328, 329 Friedrich Wilhelm II. 61 Friedrich Wilhelm III. 26, 27, 28, 29, 33, 34, 35, 36, 37, 38, 39, 40, 41, 42, 43, 45, 46, 47, 48, 49, 51, 52, 53, 54, 55, 56, 57, 60, 61, 62, 67, 70, 82, 95 Friedrich Wilhelm IV. 82, 88, 89, 95, 96, 102, 103, 104, 105, 131, 133 Frischmuth 202 Fritsche, Daniel Gotthart 92 Froböß, G. 573 Froböß, P. 125 Fröhlich, Heinrich 205, 207, 214, 222 Frommel, Max 147, 149, 150, 159, 160, 161, 162, 202 Gaudian, August Ferdinand Gotthilf 91 Gaudian, Ernst Wilhelm Eduard Ehregott 92 Georg II. 346 Gerber, von 230 Gerhard, Johann 78, 253 Gerhold 336, 338 Geßner, Heinrich Adolph 91 Gillhoff 537, 581 Gnauck, E. 212, 213, 214, 220, 221
Goldberg, J. P. 410 Gotthilf, Herrmann 205, 213 Grabau, Johann Andreas August 92 Grau 334, 591 Grau, E. 334 Grebe, Ditmar 334 Grempler 40, 48, 50, 54, 68 Griesbach, Georg 548 Grimme 102 Grubert, Alfred Heinrich 399, 416, 417, 418, 421 Grünhagen, Andrea 363 Günther, Hartmut 464 Guericke, Heinrich Ernst Ferdinand 92 Haag, Georg Friedrich 147, 148, 149, 150, 158 Haccius 430, 431, 432, 433 Hachibamba, Salimo 295 Haeuser, David 295 Häfner, Fritz Adolf 456 Hahn, Jürgen 102 Handmanns 417 Harbeck, M. 581 Hardeland 418 Harleß, Adolf von 133, 184, 193 Harling, Otto von 490 Harms, Carl Friedrich Theodor 331, 365, 366, 367, 368, 369, 375, 376, 377, 378, 379, 380, 381, 382, 383, 384, 387, 394, 395, 399, 428, 432 Harms, Christian Friedrich Theodor 364, 376, 377 Harms, Georg Ludwig Detlef Theodor 363, 364, 365, 366, 376, 383, 394, 395, 399, 424, 425, 426, 428, 433, 434 Harms, Hans-Otto 189 Harms, Hartwig 579, 580, 581 Harms, Louis → Harms, Georg Ludwig Detlef Theodor Harms, Theodor → Harms, Carl Friedrich Theodor Hartwig 310, 334 Hasert, Johann Rudolph Caspar 92 Hassenpflug 307 Hast 336, 338 Haugwitz, von 40, 48, 50, 54
Namensregister
Heicke, A. 368, 433 Heicke, U. 577 Heimann, Leopoldo 652, 655 Hein 203, 441 Heinemann, W. 334 Heinicke, Andreas 177 Helling, C. G. 40, 50, 54 Helling, E. G. 48 Helsig, Ludwig 568 Hengstenberg 61 Henkel, H. F. 334 Hennig, Karl Sigismund 91 Henning, E. W. 446 Henzel, Rudolf 548 Heppe 318, 333 Herrmann, Gottfried 184, 286, 569 Herwig, H. 334 Hiestermann 397 Hildebrand 376 Hinz, W. 567, 571, 572 Hitler 488 Hoffmann, Friedrich Wilhelm 310, 336, 338 Hoffmann, Gottfried 464 Hoffmann, J. 334 Hoffmann, M. 272 Hohls, Heinrich 427 Holle 101 Hopf, Friedrich Wilhelm Karl August Christoph 250, 254, 260, 312, 334, 402, 443, 446, 456, 463 Höpfner 125 Horning, Friedrich 148 Hübener 250 Hübl 222 Huschke, Georg Philipp Eduard 28, 31, 40, 48, 50, 54, 71, 76, 90, 99, 163, 204, 398, 404, 407, 536 Illyricus, Flacius 78 Jéremie 709 Jungermann, H. 334 Junker, J. 637 Kaiser 397 Kamptz, von 95 Kästner 40, 48, 50, 54 Kaul, Karl 92
743
Kavel, August Ludwig Christian 398, 404 Kellner, Eduard Gustav 29, 30, 68, 91 Kerle, A. 581, 582 Kern 537 Kienbusch, G. von 128, 130 Kindermann, Gustav Adolph 92 Kirsten, Hans 248, 249, 250, 252, 255, 264, 540, 548, 633, 673 Kittan, R. A. 231 Kiunke, Martin 251 Klän, Werner 22, 24, 120, 186, 558, 665, 690, 698 Klasen 598 Klein, Vinzenz Reinhard 92 Kluge, Eduard 91 Knippenberg 537 Koch, Otto 548 Könnemann, Ludwig 128, 130, 131 Körber, A. 334 Krämer 439 Kraus, Emil 349 Kraus, Friedrich 349 Krause, Friedrich Leberecht Ehregott 92 Kritzler 344 Kromayer 253 Küchmann, Tobias 334 Kuukauppi, Aarre 686 Landgrebe, Johs. 334 Lange 579, 580 Lasius, Friedrich 91 Latzel, Herrmann Aurelius 91 Laurentius 198 Lawrenz, John 295 Lehman, Edwin 651 Lehmann 581 Lehmann, Bruno 231 Lehmann, Karl 690 Liebich 78 Liebner 206, 207 Littwien, Enst 568 Löhe, Wilhelm 133, 184, 196, 198, 199, 202, 440, 507 Löschke, C. Tr. 410 Lucius, Eduard 349 Lucius, Ferdinand 249, 340 Lucius, Richard 349
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Anhang
Ludwig, August Wilhelm 147, 148, 149, 150, 155, 156, 157 Luthardt 419 Luther, Martin 123, 124, 195, 212, 217, 224, 235, 236, 279, 280, 283, 284, 322, 333, 337, 372, 385, 428, 440, 449, 462, 475, 487, 503, 504, 613, 669, 670, 672, 673, 682 Madaus, Heinrich 369, 370 Mädrich, Hermann 548 Mädrich, Karl 609 Mager 40, 48, 50, 54 Manthey-Zorn, Carl 399, 416, 417, 421 Mardorf I., W. 334 Mardorf, A. 334 Mardorf, H. 334 Martin, Heinrich 247, 249, 250, 251, 252, 258, 333, 598, 606, 609, 612, 619 Martius, Th. 433 Mathes 94 Matschoß 423 Meeske, Simon 131, 145 Meinel 369, 370 Meister, K. 446 Mensing, Jul. Wilh. 334 Meyer 133 Meyer, Christoph 369, 579, 580 Meyer, F. 598 Meyer, Fritz 548 Meyfarth, Just. 334 Mi(e)dsam, Friedrich 40, 48, 50, 54 Michael, J. M. 581 Mohn, Franz Eduard 399, 422 Moltke, von 101 Moritz von Hessen 310, 332, 337 Müller 253, 591 Müller, B. 581, 582 Müller, Christian 341, 342, 349 Müller, Conr. 334 Müller, Joh. Conr. 334 Münchmeyer 381, 382, 383 Münkel 133 Nagel, Gottfried 99, 101, 530, 576 Nagel, Johannes 57, 88, 95 Nagel, Julius 31, 76, 423, 483 Näther, Karl Gustav Theodor 399, 422
Nau 537, 580 Nauck, G. A. H. 231 Naumann, J. C. 410 Neander 489 Nickel 277 Nickisch, Horst 640 Noack, Axel 688 Noth, H. 231 Nuschke, Otto 115 Oepke 258 Oesch, Wilhelm Martin 248, 249, 250, 251, 252, 254, 255, 259, 264, 464, 548 Oltmann 430, 431, 432 Oster, Philipp Jakob 92, 478 Pasig, J. L. 231 Paulus 123, 255, 256, 273, 274, 280, 359, 406, 488, 670 Perthes 196 Petersen, P. H. 246, 247, 265 Petri, Ludwig Adolf 366 Pfankuch, Wilh. 334 Philipp I. von Hessen 307, 344 Philippi 489 Pistorius, Hermann Alexander 31 Plattmer 382 Plenz, Gottlob Gottfried August 92 Priegel, Friedrich 479, 487 Räthjen, Carl 128, 130, 131 Rausch, Eduard 334, 591, 609 Raven 374, 379 Reinhard, Joh. 334 Reinsch, Johann Gottlieb Heinrich 91 Rengstorf, K. H. 491 Reuber, E. 336, 338 Reusch, Wilhelm 446 Reußler, Hugo v. 569 Rhegius, Urban 376 Rheinbaben, Karl Ernst Gustav Freiherr von 76, 100 Richter, Richard 232 Riegel, Gottfried 479, 485 Riese II., Conr. 334 Ringeling, Otto 334 Rocholl, Rudolf 331, 368 Roensch, Manfred 22, 464 Rohde 149, 156, 157
Namensregister
Rost, Detlev 640 Rost, Gerhard 564, 632, 633, 641, 673 Roth, Diethardt 674, 684, 686, 687, 710, 713 Rothfuchs, Rudolf 249, 252 Rothfuchs, Wilhelm 446 Röttcher 430, 431 Rudolph II. 57, 61, 64, 66 Ruhland, Carl Friedrich Theodor 185 Ruppenthal 94 Samuel 416 Sasse, Hermann 250, 251 Saul, Ludwig 334, 478, 481 Schäffer, E. 416, 417, 418, 421 Schedtler, Heinrich 401 Scheibel, Johann Gottfried 27, 28, 34, 35, 37, 40, 41, 48, 51, 55, 61, 87, 92, 398, 405 Schenkel, M. 232 Scheuffler, H. J. 232 Schilling 334 Schleicher, J. Gottlieb 41, 48, 50, 54 Schleiermacher, Friedrich 25 Schlunk, Rudolph 334 Schmidt, Aug. 548 Schmidt, Dettmar 232 Schmidt, Ernst 548 Schmidt, Wilhelm 334, 609 Schnackenberg, J. 446 Schneider, Karl Julius 91 Schnell, Johann 446 Schöne, Jobst 278, 283, 286, 641, 651, 652, 655, 658 Schröder 427 Schröder, Johann Heinrich Ludwig 91 Schröter, H. 116 Schubach, P. 581 Schuchard, B. 334 Schütte 427 Schütze 427 Schütze, F. W. 410 Schulz 61 Schulz, Ferd. 580 Schulze, F. 598 Schwacke, E.H. 446 Schwartz, von 421 Schwarz, B. 446
745
Segoe, Frans 456 Senckel, Friedrich August 91 Siebert, K. 592, 594, 598 Slenczka 285 Speckhau 397 Spener, Ph. Jac. 78 Spitta 489 Springhorn 397 Srocka, Werner 249, 251, 252, 257, 259, 260, 606 Stähling, G. 334 Stallmann, G. 446 Stallmann, Heinrich 248, 249, 250, 252, 255, 257, 264, 538, 544, 580, 581 Starcke, C. 78 Steffens, Henrich 28, 40, 48, 50, 54 Stein 544 Steinhausen 489 Steinmetz, H. 331 Stengel, von 156 Stephan, Martin 185 Stern, Conrad 334 Stock, H. 334 Stöcker, Adolf 488 Stöckhardt, G. 462 Stöckhardt, Karl Georg 186, 232, 235 Stolle, Volker 398, 478 Stolte 427 Stromburg 368 Struve 426 Süß, Stefan 507 Sulze 234 Suschke, A. 410 Sydow 101 Thiel 40, 41 Tiedemann, Kurt-Günter 456 Timotheus 123, 488 Tirpitz, von 100 Trautmann, Johann Benjamin 91 Tswaedi, David 477 Uhden 89, 233 v. Bodelschwingh 89 v. Savigny 89 Vanags, Jānis 687 Viehweg, Willy 545
746
Anhang
Vilmar, August Friedrich Christian 307, 308, 309, 312, 317, 320, 369, 462, 610 Vilmar, Jakob Wilhelm Georg 309, 310, 311, 317, 325, 330, 334, 401 Vlk 709 Vogt, John 295 Voigt, Hans-Jörg 477, 688, 714, 715 Volkmann 579 Volný, Vladislav 684 Wachler, Gottfried 286 Wagner, Alfons 483 Wagner, Christian Theodor Ludwig 91 Wagner, Immanuel 568 Wagner, Konrad 568 Walther 366, 376 Walther, Carl Ferdinand Wilhelm 184, 185, 204, 257 Walz, Karl 548 Wangemann, Hermann Theodor 33, 36, 55, 90 Weber, Arthur 571 Weber, Chr. H. W. 446 Weber, E. 232 Weber, Wilhelm 456 Wedel, von 94 Wedemann, Johann Heinrich Caspar 91, 478 Wehrhan, Norbert 92 Wehrhan, Otto Friedrich 92 Weltner III.,Wilh. 334 Wenderoth, G. 334 Wermelskirch, Johann George Gottfried 91, 410, 478, 484 Wetje 369, 579, 580, 581 Weusthoff 397
Wicke, Aug. 334 Wicke, E. 334 Wicke, Heinrich 598, 609, 610 Wicke, Joh. 334 Wiegand, W. 334 Wieke 591 Wiesinger, L. 446 Wiggers, Julius 196, 197 Wilde, G. 272, 286 Wilhelm I. 131, 132, 133 Wilhelm II. 99, 100 Wilhelmi 199, 201 Wilke, Friedrich 510 Willisch, J. 41, 48, 50, 54 Willkomm, Friedrich 548 Willkomm, Otto Heinrich Theodor 399, 416, 417, 418, 421, 537, 538, 580, 581 Winkelmann 397 Winkler, Ernst 548 Wirsing, C. Freih. v. 410 Witzel 334 Wöhling, Wilhelm 369, 370, 400, 579, 580, 581 Wolff, G. H. 232 Wolff, Karl Friedrich August 91 Wolff, W. 334, 336, 338, 434 Wolfram 334 Wollenhaupt, J. 334 Zellmer, Johannes 641 Ziemer, Ernst 246, 479 Zöller, Albert 128, 130, 131 Zucker, Friedrich 399, 416, 417, 418, 421 Zülch 334
Ortsregister Afrika 258, 292, 399, 404, 416, 429, 430, 431, 433, 434, 439, 448, 660 Allendorf/Lumda 151 Altpreußen 30, 98, 105, 187, 205, 246, 540 Amelinghausen 379 Amerika 205, 211, 404 Angermünde 118 Anspach 203, 204 Antwerpen 667, 689 Asien 292, 660 Auersbach 568 Auschwitz 492, 494 Australien 398 Babelsberg 323 Bad Homburg 549 Baden 121, 147, 148, 149, 150, 155, 158, 159, 160, 163, 169, 170, 172, 173, 174, 175, 179, 188, 202, 247, 248, 311, 341, 441, 558, 568, 606, 609 Baden-Baden 150, 568 Baden-Württemberg 176 badisches Oberland 148 Balhorn 478, 481, 591, 592, 594, 598, 610 Baltikum 666, 667 Bammenthal 568 Barmen 405 Basel 405, 409 Baunatal 510 Baunatal-Großenritte 516 Bautzen 206, 207, 208 Bayern 133 Beckedorf 430 Beenhausen 334 Beerfelden 342 Berge 334 Bergen 375, 381, 431, 467 Berghausen 148 Berlin 26, 36, 56, 90, 91, 94, 101, 102, 115, 117, 119, 148, 190, 246, 247, 297, 405, 478, 510, 532, 533, 573, 580, 643 Berlin-Steglitz 265
Berlin-Zehlendorf 544 Bernstadt 90, 91 Besse 334 Bischhausen 334 Bleckmar 368, 400, 434, 446, 456, 463, 465, 467, 469, 524, 557, 632, 633, 666 Blomberg-Lippe 635 Bochum 248, 249, 255, 257, 264, 544, 636 Bockwa 231 Bofsheim 147 Börln b. Grimma 232 Botswana 475 Brandenburg 90, 125, 510 Bräunsdorf 185 Bremen 581, 635 Brese 368 Breslau 27, 28, 31, 35, 37, 41, 48, 51, 55, 57, 61, 68, 69, 71, 72, 76, 82, 83, 87, 90, 91, 94, 95, 99, 101, 102, 125, 126, 128, 131, 132, 150, 158, 159, 161, 162, 202, 204, 368, 399, 406, 441, 482, 530, 531, 535, 558, 567, 570, 571, 572, 576 Bretten 569 Bromberg 90 Brötzingen 568 Brunsbrock 368, 369, 579 Budapest 172 Büchenbronn 162, 568 Bulgarien 192 Cainsdorf 232 Californien 205 Cammin 90 Cassel → Kassel Celle 149, 331, 364, 366, 469 Chemnitz 254, 255, 256 Cleveland/Ohio 417 Crimmitschau 212, 214, 215, 221, 222, 267, 270, 285, 286, 417 Culitzsch 231 Curitiba 172 Dahlinghausen 580, 581
748
Anhang
Dalldorf 598 Dänemark 151, 191 Danzig 90, 91 Darmsbach 568 Darmstadt 339, 344 Deutsche Demokratische Republik (DDR) 32, 190, 191, 267, 511, 563 Deutschland 32, 57, 78, 95, 112, 122, 133, 151, 158, 163, 179, 186, 187, 188, 189, 191, 194, 198, 202, 204, 235, 254, 265, 289, 339, 405, 408, 448, 458, 487, 489, 490, 509, 511, 532, 533, 558, 562, 563, 564, 575, 598, 600, 603, 607, 621, 632, 665, 669, 674, 676, 687 Diedelsheim 569 Dietlingen 162, 568 Dossenheim 568 Dreihausen 341, 401, 485, 598, 606 Dresden 61, 185, 205, 206, 207, 210, 212, 213, 214, 215, 220, 221, 222, 230, 233, 408, 409 Düren 162 Durlach 147, 149, 156 Eisenach 135, 136, 598, 600 Eisingen 162, 568 Ellmendingen 162, 568 Erbach-Fürstenau 342 Erfurt 90, 91 Erlangen 133, 250, 257 Ettlingen 569 Europa 67, 292, 404, 667, 703, 704, 705, 706, 708, 709, 711, 712, 713 Eutingen 568 Farven 173, 638 Felsberg 310 Finnland 191 Fort-Wayne/Indiana 204, 417, 439 Frankfurt am Main 78, 121, 186, 250, 349, 415, 540, 581, 582 Frankreich 26, 191, 339 Freiburg 149, 151, 156, 569, 570, 638, 697 Freistadt 90, 91 Fürstenau 340, 342, 349 Fürstenwalde 510 Gaberone/Botswana 477
Gemünden 203 Gistenbeck 369 Glogau 49 Göbrichen 162, 568 Goldschmieden 90, 91 Gotha 196 Göttingen 224, 331, 364, 368, 697 Greifswald 118 Gröditz 231 Groß Oesingen 369, 533, 539, 579, 581 Guben 510, 511 Gütersloh 509 Guntershausen 320, 335, 336 Haifa 496 Hamburg 196, 248, 369, 370, 558, 580, 581 Hanau 310, 322 Hannover 98, 106, 108, 110, 114, 251, 311, 341, 363, 366, 368, 372, 377, 380, 385, 386, 387, 423, 425, 497, 516, 565, 580, 581, 609, 621, 637, 639, 648, 658, 677, 684, 686, 687, 702 Hartenstein 266, 270, 289 Heidelberg 147, 175, 568 Heimsen 579, 581 Herdain 41, 48, 50, 54 Hermannsburg 114, 188, 247, 248, 249, 250, 254, 257, 259, 331, 363, 364, 365, 367, 370, 373, 376, 377, 379, 380, 381, 382, 384, 385, 386, 387, 388, 393, 394, 397, 399, 400, 423, 425, 426, 430, 433, 577, 579, 581, 594, 598, 632 Hermannsdorf 68 Herrnhut 409 Hersfeld 334 Hesel 510, 517 Hessen 188, 247, 248, 249, 307, 311, 331, 332, 333, 339, 341, 345, 346, 347, 348, 369, 415, 441, 478, 485, 544, 553, 562, 594, 606, 609 Hessen-Darmstadt 310/311, 339, 340, 341, 344 Hessen-Kassel 307, 308, 309, 317 Hessen-Nassau 309 Höchst an der Nidder 340, 341, 343, 349
Ortsregister
Hofgeismar 286, 680 Hohnhorst 635, 636 Holland 78 Holzminden 444 Homberg 310, 334 Hombressen 334 Hong Kong 295 Hönigern 29, 30, 68 Höperhöfen 579 Hörpel 368, 369, 579, 580 Hosterwitz 232 Ihringen 147, 148, 149, 569 Indien 398, 399, 416, 417 Ispringen 148, 149, 150, 159, 160, 161, 162, 170, 568, 640 Israel 497 Itshelejuba 446 Jabel 120, 121, 125, 127, 128, 132, 134 Jerusalem 496 Jesberg 308, 309, 316 Johannesburg/Südafrika 479 Kammin → Cammin Karl-Marx-Stadt 270, 286, 287 Karlsruhe 147, 148, 149, 152, 156, 177, 568, 569 Kassel 169, 170, 307, 308, 310, 318, 319, 320, 322, 323, 329, 330, 333, 334, 598, 610, 633 Kaulwitz 68 Kerspenhausen 334 Kiew 295, 296 Klein-Machnow 532, 533, 539 Klein-Oesingen 539, 540 Klitten 271, 641, 645 Kohren 232 Korbach 147, 150, 517 Korinth 670 Krempendorf 125 Kurhessen → Hessen-Kassel Lachendorf 579, 581 Lateinamerika 660 Lauenburg 364 Lawalde b. Löbau 232 Leimen 568 Leipzig 61, 78, 118, 119, 206, 207, 208, 218, 399, 413, 478, 490, 497, 538 Lettland 192
749
Lichtenau 334 Liegnitz 90, 91, 127, 132, 134, 149 Lima 295 Lörrach 568 Louisiana 205 Lüne 379 Lüneburg 364, 431 Lusaka 295 Lutterloh 378 Luzine 145 Madagaskar 151 Magdeburg 127, 128, 131, 132, 571, 668, 688, 715 Mannheim 568 Marburg 249, 257, 307, 308, 309, 310, 312, 322, 323, 333, 341, 369, 598, 612, 619 Melsungen 309, 310, 325, 330, 331, 334, 401, 441, 442, 521 Memmingen 635 Mendota/Illinois 309 Mequon 295 Merxhausen 334 Michelstadt 592 Militsch 90, 91 Molzen 369, 437, 444, 576, 579, 592, 594, 598, 606, 632 Mörshausen 334 Müden a. d. Oerze 377 Mühlhausen 250, 260, 334, 401 Mühlheim a.d. Ruhr 579 Müllheim 569 München 635 Münster 40, 42, 363, 496 Namslau 68 Nassau 121, 155, 158, 184, 186, 196, 198, 202, 203, 439, 440, 441, 558 Nestau 369, 370 Nettelkamp 368, 386, 387, 430, 577 Neuendettelsau 133, 199 Neu-Hannover 431 Neukirchen b. Werdau 231 Neuruppin 131 Neuseeland 400 Neustadt im Schwarzwald 569 New Delhi 280 New York 205
750
Anhang
Niederaula 334 Niederhessen → Hessen-Kassel Niederplanitz 187, 221 Niedersachsen 188, 247, 248, 249, 363, 594, 606 Nordamerika 78, 199, 264, 292, 309, 398, 401, 439, 440, 441, 442, 660 Norwegen 192 Nöttingen 568 Nürnberg 27, 61, 87 Nußbaum 569 Nußloch 147, 148, 153, 155, 568 Oberheidelberg 153 Obermelsungen 325 Ober-Rieden 334 Oberursel 175, 190, 246, 247, 248, 249, 250, 251, 252, 254, 255, 259, 264, 342, 464, 505, 533, 534, 545, 546, 548, 549, 552, 640, 702 Oberwesel 192, 292 Oldenburg 635 Ortmannsdorf 231, 232 Ostafrika 398, 399, 426 Ostfriesland 378 Ostmittel- und Osteuropa 666, 667 Ostpreußen 186 Penig/Sachsen 185 Perry County 185 Pforzheim 148, 149, 160, 161, 162, 170, 171, 172, 510, 568, 582, 640 Planitz 186, 213, 214, 223, 224, 229, 230, 232, 235, 417 Pommern 90, 148, 562 Portugal 192 Posen 90, 478 Potsdam 26, 34, 126 Pretoria 658 Preußen 25, 26, 27, 28, 29, 30, 31, 32, 34, 55, 67, 71, 72, 73, 74, 76, 82, 88, 90, 95, 97, 98, 99, 103, 105, 106, 112, 113, 114, 115, 120, 121, 122, 125, 132, 134, 148, 149, 150, 158, 162, 203, 207, 309, 340, 441, 478, 558, 562 Prittisch 90, 91 Prökelwitz 100 Puerto Rico 293
Radevormwald 128, 368, 506, 529 Ratibor 90, 91 Reichelsheim 339/340, 349, 576, 594 Reinswalde bei Sorau 149 Remchingen 149, 510 Rengshausen 334 Riesa-Leutewitz 232 Rodenberg (Deister) 249 Rodewald/Hannover 635 Rodheim 349 Rogasen 90, 91, 128 Rom 124 Roodepoort/Ventersdorp 456 Rostock 28, 133 Rotenburg a. d. Fulda 309, 334, 635 Rothenberg 249, 340, 349, 511 Rottmannsdorf 231 Saarbrücken 202 Saatzke → Zaatzke Sachsen 27, 90, 184, 185, 186, 205, 208, 213, 214, 223, 235, 399, 562 Sachsenberg 368 Sand 310, 334 Sangerhausen 118 Scharnebeck 368, 386, 387 Schemmern 334 Schlesien 27, 29, 38, 47, 57, 59, 61, 64, 65, 67, 90, 102, 149, 562 Schneeberg 231 Schönfeld 306 Schweden 78, 192 Schwirz 30, 90, 91 Sheboygan/Wisconsin 417 Siebenhöfen 579, 581 Singen 568 Söllingen 148, 157, 568 Soltau 368, 369, 632 Solz bei Bebra 308 Sottrum 368 Sperlingshof 149, 401, 581 St. Louis/Missouri 185, 186, 204, 288, 439 Stammheim 340 Steeden 184, 202, 203, 204, 211, 401 Stein 568 Steinen 183 Stellenfelde 635
Ortsregister
Stolp 148, 149 Straßburg 121, 148, 691, 709 Stubben 635 Südafrika 400, 402, 444, 446, 457, 458, 459, 460, 475 Südamerika 292 Süddeutschland 186 Süderdithmarschen 378 Sülze 382 Swaziland 475 Taizé 283 Ternopil 295 Texas 205 Thiel 41 Thorn 90, 91 Thüringen 186 Tokio-Narita 294 Tranquebar 417 Tschechien 192 Ubedel 90 Uelzen 400, 579, 581 Ukraine 192 Ulfa 349 Umkirch 569 Unshausen 334, 609 Unterlüß 373 USA 532 Usenborn 340, 349 Varel 635 Virginia 205 Volkartshain 349 Waldeck 150 Waldenburg 90, 91 Waldkappel 310
751
Walle 635 Walsrode 363 Warschau 478 Warzenbach 341 Weigersdorf 118 Weil 568 Weiler 162 Wernigerode 128 West-Berlin 621 Westdeutschland → Bundesrepublik Deutschland Widdershausen 633 Wiesbaden 199, 203, 266, 513, 527, 544, 545, 581, 582, 632, 642, 645 Wiesbaden-Nordenstadt 203 Wilferdingen 568 Wilhelmsdorf 579 Williamsburgh/New York 417 Wimmer (Dahlingshausen) 579 Wittenberg 667, 687 Wittingen 368, 369, 540, 579, 580, 581, 633 Wittorf 635 Woiselwitz 90, 91 Wollin 128 Wriedel 368, 386, 387, 434 Wuppertal-Eberfeld 509 Zaatzke 125, 126, 127 Zarben 579 Züllichau 90, 91 Zürich 568 Zwickau 205, 213, 214, 215, 221, 231, 270, 271, 272 Zwickau-Planitz 187, 190, 270
Sachregister Abendmahl 26, 34, 36, 45, 81, 97, 108, 135, 137, 150, 154, 176, 177, 185, 206, 208, 209, 210, 214, 215, 216, 217, 218, 219, 220, 221, 222, 225, 231, 232, 233, 234, 235, 283, 284, 286, 321, 337, 355, 372, 389, 390, 399, 404, 406, 410, 411, 413, 448, 525, 568, 650, 653, 666, 670, 671, 678, 679, 680, 682, 688 Abendmahls- und Kanzelgemeinschaft 109, 110, 111, 113, 114, 132, 137, 138, 139, 151, 171, 188, 189, 191, 206, 209, 215, 218, 219, 237, 247, 248, 249, 258, 260, 264, 265, 270, 271, 278, 297, 299, 339, 368, 388, 389, 399, 422, 429, 445, 476, 558, 560, 561, 563, 566, 567, 569, 578, 585, 588, 591, 592, 600, 607, 611, 618, 628, 629, 637, 638, 639, 640, 649, 653, 659, 665, 669, 670, 671, 672, 673, 677, 678, 679, 682, 689 Abendmahlsgottesdienst 647 Abendmahlslehre 27 Abendmahlsritus 39 Abendmahlszulassung 339, 450, 600, 672, 688 Absolution 284 ACK → Arbeitsgemeinschaft Christlicher Kirchen ACK-BW → Arbeitsgemeinschaft Christlicher Kirchen in BadenWürttemberg Aeltesten-Verfassung 78 Agende 26, 27, 29, 36, 38, 39, 44, 45, 47, 55, 59, 61, 63, 81, 83, 95, 97, 148, 154, 205, 242, 354, 367 Alleinherrschaft Christi 615 Allgemeine evang.-luth. Conferenz 106 Allgemeine Synode 82, 630 Allgemeiner Pfarrkonvent 626, 627, 628, 632, 633, 636, 637, 638, 639, 640, 666, 680
Altar- und Kanzelgemeinschaft → Abendmahls- und Kanzelgemeinschaft Altarsakrament → Abendmahl Altes Testament 225, 273, 494 Altkatholische Kirche 674 altkirchliche Glaubensbekenntnisse → ökumenische Symbole Altlutheraner 370, 563 Altlutherische Kirche 31, 271, 272 Altpreußen 205 Altranstädter Convention 61 American Lutheran Church (ALC) 288 Amt 78, 120, 123, 128, 138, 140, 143, 144, 145, 152, 164, 165, 173, 192, 226, 242, 253, 255, 257, 278, 286, 308, 313, 314, 315, 320, 321, 325, 328, 329, 330, 331, 332, 334, 335, 336, 369, 375, 382, 394, 485, 489, 556, 560, 575, 588, 589, 604, 612, 616, 622, 625, 626, 627, 646, 647, 665, 689, 702 Amt der Schlüssel → Amt Amtshandlung 88, 89, 133, 180 Amtslehre 395 Amtsträger 182, 269, 628 Anglikanische Gemeinschaft 674 Antijudaismus → Antisemitismus Antisemitismus 492, 494, 496, 503, 617, 708 Apartheid 402, 456, 460, 462 Apartheidsystem → Apartheid Apologie → Apologie der Augsburgischen Konfession Apologie der Augsburgischen Konfession 46, 83, 128, 162, 163, 179, 225, 234, 237, 253, 267, 297, 320, 337, 348, 350, 447, 449, 475, 476, 553, 603, 607, 620, 634, 637, 642, 649, 653, 697 Apostel 670, 681 Apostolicum → Apostolisches Bekenntnis
Sachregister
Apostolisches Bekenntnis 179, 225, 237, 267, 297, 320, 337, 386, 388, 447, 449, 459, 475, 476, 553, 603, 606, 620, 634, 637, 642, 649, 653 Apostolisches Symbolum → Apostolisches Bekenntnis Arbeitsgemeinschaft AnglikanischEpiskopaler Gemeinden in Deutschland 714 Arbeitsgemeinschaft Christlicher Kirchen 176, 528, 529, 639, 666, 668, 674, 687, 688, 702, 710 Arbeitsgemeinschaft Christlicher Kirchen in Baden-Württemberg 177 Arbeitskreis der Selbständigen Evangelisch-Lutherischen Kirche für Zeugnis unter den Juden 479, 497, 498, 499, 500, 501, 503 Arierparagraph 487, 488, 489 Armenisch-Apostolische Orthodoxe Kirche in Deutschland 714 Artikel des Glaubens 45 Athanasianisches Bekenntnis 179, 225, 237, 267, 297, 320, 337, 447, 449, 475, 476, 553, 603, 606, 620, 634, 637, 642, 649, 653 Athanasianisches Symbolum → Athanasianisches Bekenntnis Athanasianum → Athanasianisches Bekenntnis Äthiopisch-Orthodoxe Kirche in Deutschland 714 Aufklärung 25 Augsburger Bekenntnis 35, 43, 45, 46, 51, 54, 57, 59, 63, 64, 65, 77, 83, 108, 128, 136, 137, 159, 162, 163, 179, 218, 223, 224, 225, 235, 237, 246, 253, 254, 255, 262, 267, 282, 297, 312, 313, 314, 316, 318, 320, 326, 333, 336, 337, 344, 348, 349, 350, 373, 386, 441, 445, 449, 475, 476, 485, 540, 553, 566, 567, 591, 601, 603, 607, 617, 620, 634, 637, 642, 649, 653, 670, 675, 681, 697 Augsburger Konfession → Augsburger Bekenntnis
753
Augsburgische Confessions-Verwandte 48 Augustana → Augsburger Bekenntnis AZJ → Arbeitskreis der Selbständigen Evangelisch-Lutherischen Kirche für Zeugnis unter den Juden Badische Diözese 189 Badische Evangelisch-Lutherische Freikirche 151 Barmer Theologische Erklärung 261, 262, 599, 601, 675 Begegnung von Christen und Juden 479 Bekenntnis, Bekenntnisse 25, 26, 27, 31, 33, 36, 41, 43, 44, 45, 52, 53, 54, 56, 58, 59, 60, 63, 66, 70, 77, 78, 83, 84, 85, 95, 98, 103, 104, 106, 107, 109, 110, 111, 113, 115, 118, 119, 124, 128, 129, 132, 133, 135, 136, 137, 138, 147, 153, 154, 159, 163, 164, 165, 169, 171, 175, 179, 180, 181, 186, 187, 188, 189, 193, 194, 195, 197, 199, 200, 201, 205, 209, 211, 213, 215, 216, 218, 219, 220, 222, 223, 224, 225, 226, 227, 228, 231, 234, 235, 237, 243, 246, 249, 254, 255, 258, 259, 260, 261, 263, 265, 266, 268, 272, 277, 278, 280, 282, 283, 286, 287, 288, 289, 290, 298, 299, 300, 302, 305, 308, 310, 319, 321, 322, 323, 327, 328, 330, 331, 333, 337, 339, 344, 345, 346, 347, 348, 349, 350, 351, 352, 353, 356, 377, 384, 386, 388, 390, 395, 396, 398, 400, 405, 406, 409, 411, 416, 417, 419, 420, 422, 423, 425, 429, 450, 452, 460, 463, 475, 476, 483, 493, 497, 498, 501, 525, 526, 528, 542, 556, 558, 559, 567, 568, 569, 570, 573, 574, 575, 582, 584, 598, 600, 601, 602, 606, 607, 610, 611, 612, 616, 618, 619, 620, 621, 626, 630, 634, 638, 642, 649, 652, 659, 667, 669, 670, 672, 673, 674, 679, 680, 681, 682, 683, 685, 687, 688, 689, 692, 694, 696, 711 Bekenntnisbindung 445, 450
754
Anhang
Bekenntnisgrundlage 562, 598, 607/608 Bekenntniskirche 575, 677 Bekenntnisschriften 27, 44, 46, 55, 56, 73, 79, 82, 87, 133, 146, 165, 179, 211, 212, 223, 225, 242, 250, 266, 267, 278, 297, 339, 382, 386, 404, 408, 445, 447, 449, 453, 455, 475, 476, 540, 553, 560, 599, 601, 603, 619, 620, 634, 637, 642, 646, 649, 653, 697 Bekenntnisse der Christenheit → Bekenntnis, Bekenntnisse Bekenntnisse der EvangelischLutherischen Kirche 312, → Bekenntnisschriften Bekenntnisstand 31, 107, 111, 153, 187, 208, 237, 260, 261, 262, 263, 288, 317, 320, 324, 332, 333, 334, 337, 345, 441, 498, 558, 560, 591, 592, 611, 630, 648 Bekenntnissynode von Barmen → Barmer Theologische Erklärung Bekenntnisverpflichtung 652 Bibel 52, 191, 272, 275, 285, 287, 290, 299, 494, 670 Bilderverbote 337 Bischof 314, 360, 448, 452, 454, 469, 525, 555, 564, 625, 626, 627, 628, 651, 654, 655, 656, 660, 663, 665, 668, 684, 686, 687, 688, 710, 713, 714, 715 Bishop → Bischof Bleckmarer Mission 261, 370, 402, 475 Book of Concord → Konkordienbuch Breslauer Missionsgesellschaft 407 Breslauer Missionsverein 398, 405 Breslauer Partei → EvangelischLutherische Kirche in Preußen Breslauer Synodalverband → Evangelisch-Lutherische Kirche in Preußen Brüdergemeine 35 BSLK → Bekenntnisschriften CA → Augsburger Bekenntnis Calenbergischen Kirchenordnung 386, 388
Calvinismus 322, 337 Calvinisten 219 calvinistische Kirche 316 canonische Bücher 224 Chairman 660, 663 Chalcedonensische Glaubensbekenntnis 337 Charta Oecumenica 479, 667, 668, 687, 688, 702, 709, 710, 711, 713 Chiliasmus 483 Christus-Gemeinde Celle 648 Concordia-Gemeinde, EvangelischLutherische Freikirche e.V. in Celle 564, 646 Concordienbuch → Konkordienbuch Concordienformel → Konkordienformel Confessio Augustana → Augsburger Bekenntnis Confessio Sigismundi 333 Confessionsschriften → Bekenntnisschriften DEK → Deutsche Evangelische Kirche Deutsche Evangelische Kirche 532 Diakon 357, 512 Diakonie 507, 508, 512, 513, 514, 518, 527, 528, 689 Diakonisches Werk der EKD 511, 517 Diakonisches Werk der SELK 508, 511, 516, 520, 521 Diözesankirchenkonvent 633 Diözese 253 Dogma 284 Dokument von Lima 715 Dresdener Mission 398, 405 Dresdner Evangelisch-Lutherische Missionsgesellschaft 408 Eglise Evangélique Lutherienne-Synode de France et de Belgique 465 Einigungssätze 118, 187, 189, 190, 249, 250, 253, 254, 255, 265, 266, 271, 275, 279, 562, 563, 612, 618 EKD → Evangelische Kirche in Deutschland EKKPS → Evangelische Kirche der Kirchenprovinz Sachsen ELBK → Evangelisch-Lutherische Bekenntniskirche
Sachregister ELFK → Evangelisch-Lutherische Freikirche (in Sachsen und anderen Staaten) ELKA → Evangelisch-Lutherische Kirche Altpreußens ELKB → Evangelisch-Lutherische Kirche in Baden ELKiB → Evangelisch-Lutherische Kirche in Baden ELKIR → Evangelisch-Lutherische Ingermanlandkirche in Russland ELKL → Evangelisch-Lutherische Kirche Lettlands ELKP → Evangelisch-Lutherische Kirche in Preußen ELS → Evangelical Lutheran Synod Ephesinische Glaubensbekenntnis 337 Ephesinum Chalcedonense 320 Erweckung 363 Erweckungsbewegung 365, 398 Eucharistie → Abendmahl eucharistische Gemeinschaft → Abendmahls- und Kanzelgemeinschaft Evangelical Lutheran Synod 192, 289 Evangelisch protestantische Landeskirche in Baden 160 Evangelisch-altreformierte Kirche in Niedersachsen 714 evangelische Brüdergemeinde 85 Evangelische Brüder-Unität – Herrnhuter Brüdergemeine 714 Evangelische Kirche 95, 674 Evangelische Kirche Augsburgischer Konfession 347 Evangelische Kirche Berlin Brandenburg Schlesische Oberlausitz (EKBO) 510 Evangelische Kirche der Kirchenprovinz Sachsen 667, 687, 688 Evangelische Kirche in Deutschland 187, 188, 252, 258, 261, 262, 263, 402, 521, 563, 598, 599, 600, 601, 607, 618, 665, 669, 675, 676, 714 Evangelische Landeskirche 83, 97, 103, 187, 349 Evangelische Landeskirche in Baden 163, 174
755
Evangelische Landeskirche Preußens 97 Evangelische Lutherische Mission 416 evangelischer Kirchenausschuß 113 Evangelisch-Lutherische (altluth.) Kirche 30, 32, 106, 108, 110, 115, 116, 117, 118, 119, 187, 189, 190, 191, 266, 267, 270, 272, 288, 511, 563, 564, 621, 631, 632, 641, 642, 643, 644, 645, 673 Evangelisch-Lutherische Bekenntniskirche 264, 564, 634, 635, 636 Evangelisch-Lutherische Buffalosynode 400 Evangelisch-Lutherische Freikirche (in Sachsen und anderen Staaten) 32, 117, 118, 184, 185, 186, 187, 188, 189, 190, 191, 192, 215, 220, 221, 222, 235, 246, 247, 249, 250, 251, 252, 254, 265, 266, 267, 270, 272, 277, 279, 281, 286, 288, 289, 296, 297, 305, 306, 370, 399, 400, 402, 417, 420, 444, 463, 532, 533, 540, 543, 558, 559, 560, 562, 563, 564, 579, 582, 585, 588, 589, 598, 602, 612, 618, 621, 630, 631, 632, 641, 673 Evangelisch-Lutherische Freikirche in Hessen 388, 631 Evangelisch-Lutherische Freikirche in Polen 186, 564 Evangelisch-Lutherische Gemeinde Ispringen 162 Evangelisch-Lutherische Hermannsburger Freikirche 186, 188, 261, 370, 559, 561, 562, 574, 576, 577, 578, 579, 593, 594, 595, 606 Evangelisch-Lutherische Immanuelsynode 31, 120, 121, 122, 127, 131, 132, 133, 134, 137, 138, 139, 140, 141, 143, 145, 150, 184, 202, 369, 559, 562, 570, 571 Evangelisch-Lutherische Ingermanlandkirche in Russland 685, 686
756
Anhang
Evangelisch-Lutherische Kirche 49, 57, 82, 98, 146, 153, 154, 194, 214, 223, 239, 344, 346, 405, 423, 479, 485, 506, 634, 682 Evangelisch-Lutherische Kirche Altpreußens 98, 249, 251, 253, 254, 443, 487, 510, 531, 532, 533, 612 Evangelisch-Lutherische Kirche des Landes Hessen 345, 347 Evangelisch-Lutherische Kirche im früheren Altpreußen 246, 265, 602, 618 Evangelisch-Lutherische Kirche im Südlichen Afrika 447, 448 Evangelisch-Lutherische Kirche in Baden 121, 149, 151, 152, 155, 156, 158, 159, 160, 163, 169, 170, 171, 172, 173, 174, 175, 176, 177, 178, 179, 180, 181, 182, 189, 286, 341, 562, 564, 602, 606, 637, 639, 640 Evangelisch-Lutherische Kirche in Bayern 401 Evangelisch-Lutherische Kirche in Preußen 30, 32, 71, 76, 91, 95, 97, 98, 99, 101, 102, 103, 105, 107, 109, 110, 111, 112, 113, 114, 120, 121, 122, 125, 126, 131, 132, 133, 134, 138, 139, 145, 148, 149, 150, 155, 158, 160, 161, 162, 184, 201, 202, 203, 204, 341, 368, 369, 398, 399, 400, 410, 411, 412, 413, 478, 479, 484, 530, 531, 558, 560, 562, 566, 567, 568, 570, 573, 574 Evangelisch-Lutherische Kirche in Schlesien 61 Evangelisch-Lutherische Kirche Lettlands 687 Evangelisch-Lutherische Kirche von Brasilien → Igreja Evangélica Luterana do Brasil Evangelisch-Lutherische Landeskirche Hannover 149, 258 Evangelisch-Lutherische Landeskirche Sachsen 185, 207 Evangelisch-Lutherische Synodalkonferenz 288
Evangelisch-Lutherische Synodalkonferenz von Nordamerika 264 Evangelisch-Lutherische Synode 568 Evangelisch-Lutherische Synode in Baden 567, 574 Evangelisch-Lutherische Synode in Südafrika 465 Evangelisch-Lutherische Zentralverein für Mission unter Israel 479, 485 Evangelisch-Lutherische Zentralverein für Zeugnis und Dienst unter Juden und Christen 491, 497 Evangelisch-Lutherische Zionsgemeinde in Hamburg 558 Evangelisch-Lutherischen Zentralverein für Begegnung von Christen und Juden 505 Evangelisch-Lutherisches Missionswerk in Niedersachsen 363, 401 Evangelisch-methodistische Kirche 714 FELSISA → Freie EvangelischLutherische Synode in Südafrika Flüchtlingsmissionskirche 264 Frankfurter Erklärung 463 Frankfurter Missionsverein 414 Freie Evangelisch-Lutherische Synode in Südafrika 400, 443, 447, 461, 565, 655, 658 Freie Lutherische Kirchen 388, 607, 639, 669, 673 Freikirche 114, 136, 158, 188, 202, 251, 262, 363, 369, 432, 558, 674 freikirchliches Luthertum 112, 114 Fürstenauer Kirchenbibliothek 341 Gastbereitschaft 649 Geistliche 87, 88, 93, 99, 133, 324, 596, 604 Gemeinde, Gemeinden 27, 34, 36, 37, 38, 39, 41, 42, 43, 45, 48, 49, 50, 51, 55, 60, 76, 77, 78, 80, 85, 88, 93, 99, 114, 127, 128, 130, 133, 141, 143, 156, 158, 162, 164, 166, 168, 173, 179, 180, 181, 182, 193, 194, 195, 197, 200, 201, 212, 218, 223, 224, 225, 226, 227, 229, 236, 240, 241, 242, 245, 250, 253, 271, 277, 279,
Sachregister
287, 297, 298, 299, 300, 301, 315, 316, 322, 337, 339, 343, 351, 355, 356, 361, 369, 376, 381, 384, 386, 388, 390, 394, 396, 410, 426, 427, 428, 432, 438, 440, 443, 444, 448, 451, 452, 464, 507, 518, 559, 569, 581, 582, 589, 609, 612, 616, 618, 619, 621, 622, 623, 625, 629, 631, 635, 643, 644, 648, 670, 671, 672, 673, 678, 679, 681, 682, 684, 686 Gemeindeordnung 80 Gemeinsame Erklärung zur Rechtfertigungslehre 152, 177, 667, 690, 698 Generalkonzession 88, 89, 90, 91, 92, 93, 96, 98, 99, 100, 101, 102, 115, 121, 126, 131, 132 Generalsynode 71, 72, 74, 95, 101, 103, 104, 105, 106, 107, 108, 109, 110, 111, 112, 114, 118, 121, 122, 132, 134, 145, 146, 148, 189, 201, 203, 351, 353, 406, 407, 410, 411, 412, 413, 414, 441, 482, 484, 530, 535, 536, 566, 632, 645 Gericht Gottes 457 Gertrudenstift 510 Gesamtkonsistorium 327, 328, 329, 336 Gesellschaft für innere und äußere Mission im Sinne der lutherischen Kirche 199 Glaube 49, 52 Glaubensbekenntnis 336 Gnadenmittel 145, 225, 507, 587, 614, 677, 678, 679 Gnadenwahl 404 Gottes Wort → Heilige Schrift Gottesdienst 26, 27, 34, 38, 39, 41, 42, 43, 46, 49, 51, 54, 55, 56, 58, 59, 60, 63, 81, 82, 83, 84, 85, 86, 89, 95, 156, 157, 159, 164, 176, 180, 226, 227, 237, 239, 277, 279, 286, 314, 341, 342, 377, 461, 463, 564, 594, 604, 623, 628, 629, 679, 681, 688, 689, 704, 705 Große Kreuzgemeinde 369, 370, 400 Großer Katechismus 83, 162, 163, 179, 225, 268, 337, 350, 447, 449, 475,
757
476, 553, 603, 606, 620, 634, 637, 642, 649, 653, 673 Hamburgische Landeskirche 558 Hannoversche Diözese 443 Hannoversche Evangelisch-Lutherische Freikirche 32, 114, 254, 261, 263, 311, 341, 365, 368, 369, 386, 387, 388, 391, 393, 394, 396, 399, 400, 402, 430, 434, 435, 438, 444, 447, 469, 558, 559, 560, 561, 562, 566, 567, 574, 576, 577, 578, 579, 580, 582, 585, 588, 589, 592, 593, 594, 606, 618 Hannoversche Freikirchenbildungen 114 Hannoversche Landeskirche 31, 108, 110, 111, 114, 249, 252, 258, 261, 262, 263, 264, 366, 367, 376, 383, 385, 430, 432, 558, 561, 578 Hannöversche Lutherische Kirchengemeinschaft 319 Hannoversche Synode 443 Heiden 406 Heilige Schrift 35, 44, 45, 46, 50, 55, 60, 70, 77, 78, 79, 103, 109, 110, 113, 115, 118, 119, 124, 128, 137, 143, 144, 146, 159, 162, 163, 164, 165, 169, 171, 175, 178, 179, 180, 190, 193, 201, 216, 217, 220, 222, 223, 225, 226, 227, 228, 231, 233, 234, 235, 237, 238, 246, 254, 255, 263, 266, 267, 268, 272, 274, 275, 276, 277, 278, 279, 281, 282, 284, 285, 286, 287, 288, 289, 290, 297, 298, 302, 308, 314, 315, 337, 339, 350, 352, 365, 372, 375, 380, 382, 385, 395, 396, 416, 422, 423, 427, 445, 447, 449, 450, 454, 456, 459, 460, 476, 483, 484, 485, 486, 498, 501, 508, 525, 528, 540, 542, 553, 554, 555, 559, 570, 572, 574, 576, 582, 583, 584, 585, 586, 587, 588, 589, 595, 598, 599, 603, 606, 612, 613, 614, 615, 616, 617, 618, 620, 621, 622, 625, 626, 629, 634, 637, 638, 642, 646, 648, 649, 652, 653, 659, 669, 670, 672, 674, 676, 677, 678,
758
Anhang
679, 680, 681, 682, 685, 687, 694, 702, 704 Heilswahrheiten 52 Helvetische Confession 318 Hermannsburger Erweckung 364, 365 Hermannsburger EvangelischLutherische Freikirche → Evangelisch-Lutherische Hermannsburger Freikirche Hermannsburger Mission 188, 189, 247, 249, 251, 258, 259, 261, 262, 263, 264, 363, 365, 369, 370, 399, 400, 401, 425, 428, 430, 434, 561, 578 Hermannsburger Missionsausschusses 400 Hermannsburger Missionshaus 364 Hermannsburger Synode 581 Hermannsburg-Hamburger Diözesansynode 257 Hermannsburg-Hamburger Diözese 247, 251, 252, 261, 262, 263, 264 Hermannsburg-Hamburger Synode 114 herrnhutisch 406 Hessendarmstädtische Lutherische Landeskirche 107, 339 Hessische Diözese 250, 251, 254, 361 hessische Kirche 310, 441 Hessische Kirchen- und PresbyterialOrdnungen 323 hessische Landeskirche 332, 333 hessische Provinzialkirche 324, 412 Hirten 134 Hochschule 651 Holocaust 503 Holy Scriptures → Heilige Schrift Homberger Konvent 335, 336, 341, 560 IELB → Igreja Evangélica Luterana do Brasil Igreja Evangélica Luterana do Brasil 565, 652 II. Vatikanisches Konzil 695 ILC → Internationaler Lutherischer Rat Immanuelsynode → EvangelischLutherische Immanuelsynode Indifferentismus 33, 49, 218, 220, 585 Institutum Judaicum (Delitzschianum) 490, 496
International Lutheran Council → Internationaler Lutherischer Rat Internationaler Lutherischer Rat 565, 658, 659, 660, 661, 663, 664, 667 Iowa-Synode 309, 442 Israel 480, 481, 482, 484, 491, 505, 617, 707 Israeliten 35, 67, 406, 478, 479, 480, 482, 483, 484, 487, 488, 490, 491, 492, 494, 495, 497, 498, 501, 502, 503, 504, 505 Jänicke’schen Missions-Institute 409 Juden → Israeliten Judenchristen 487 Judenmission 478, 481, 483, 484, 491, 493 Judenmissionsverein 398 Judentum 478, 488, 492, 495, 496, 498, 504, 506, 708 Katechismen Luthers 128, 237 Katechismusstreit 366 Katholiken 57 katholisch 65, 404, 406 katholische Kirche 62 Katholisches Bistum der Alt-Katholiken in Deutschland 714 Katholizismus 25 Katholizität 696 KELK → Konfessionelle EvangelischLutherische Konferenz Kirche, Kirchen 25, 28, 33, 35, 37, 38, 44, 45, 46, 48, 54, 55, 58, 59, 60, 62, 63, 67, 68, 76, 78, 79, 85, 95, 96, 103, 104, 108, 111, 115, 118, 120, 123, 124, 125, 129, 134, 135, 137, 143, 144, 145, 170, 172, 175, 179, 191, 192, 193, 194, 196, 198, 201, 203, 217, 227, 236, 255, 263, 265, 276, 278, 279, 281, 282, 284, 288, 289, 298, 300, 301, 303, 307, 308, 309, 310, 312, 313, 314, 316, 319, 326, 328, 332, 336, 337, 346, 348, 349, 365, 367, 374, 375, 376, 382, 385, 389, 396, 398, 404, 405, 406, 407, 409, 414, 435, 441, 445, 448, 449, 451, 452, 457, 459, 463, 464, 469, 477, 478, 483, 485, 487, 488, 489,
Sachregister
490, 495, 496, 505, 508, 513, 516, 518, 524, 527, 540, 553, 560, 566, 573, 583, 584, 585, 586, 587, 588, 589, 595, 598, 599, 601, 603, 605, 607, 609, 610, 612, 615, 616, 617, 618, 621, 622, 623, 625, 626, 628, 634, 642, 649, 650, 651, 653, 654, 655, 656, 658, 666, 667, 668, 669, 671, 672, 673, 674, 675, 676, 677, 678, 680, 681, 682, 687, 688, 689, 694, 695, 697, 701, 702, 703, 704, 705, 706, 708, 709, 710, 711, 712, 713, 715 Kirche in Niederhessen 337 Kirche ungeänderter Augsburger Konfession 310 Kirchenältesten 77 Kirchenamt 129 Kirchenbücher 87 Kirchen-Collegium 73, 90, 91 Kirchengemeinden 85 Kirchengemeinschaft 31, 108, 110, 111, 117, 121, 122, 134, 135, 137, 139, 151, 163, 169, 173, 174, 175, 177, 179, 189, 191, 206, 215, 218, 237, 246, 248, 254, 265, 266, 268, 270, 271, 272, 278, 287, 288, 289, 291, 294, 295, 298, 318, 319, 341, 369, 370, 385, 420, 446, 450, 451, 476, 521, 559, 562, 563, 566, 584, 603, 606, 618, 620, 621, 634, 637, 638, 639, 640, 646, 655, 666, 667, 668, 674, 675, 676, 679, 680, 682, 684, 686, 689, 699, 705 Kirchenkampf 562 Kirchenleitung 169, 194, 369, 471, 645, 656, 657, 658, 666, 683, 685, 709, 712, 715 Kirchenmusik 364 Kirchenordnung 80, 128, 134, 143, 144, 151, 152, 159, 162, 180, 223, 224, 226, 257, 317, 318, 319, 320, 322, 326, 327, 328, 330, 331, 339, 340, 346, 348, 349, 351, 353, 354, 356, 372, 384
759
Kirchenregiment 120, 123, 124, 125, 129, 131, 134, 138, 139, 143, 145, 158, 163, 339, 347 Kirchensuperintendent 169 Kirchensynode 300, 301, 302, 303, 479, 506, 626, 627, 628, 629, 630, 632, 636, 639, 640, 645, 651 Kirchenverfassung 120, 339, 342, 345, 346 Kirchenvorstand 86, 121, 165, 166, 167, 180, 181, 230, 343, 373, 380, 428 Kirchenvorsteher 77, 165, 166, 181, 225, 229, 324 Kirchenzucht 226, 228, 241 Kleine Kreuzgemeinde 369 Kleiner Katechismus 83, 159, 162, 163, 179, 225, 268, 298, 337, 350, 447, 449, 475, 476, 553, 601, 603, 606, 620, 634, 637, 642, 649, 653, 680 Kollegium der Superintendenten 466 Kommission der Orthodoxen Kirche in Deutschland 714 Konferenz Europäischer Kirchen 709, 710 Konfession, Konfessionen → Bekenntnis, Bekenntnisse konfessionell 442, 667, 668, 674, 676, 693 Konfessionelle Evangelisch-Lutherische Konferenz 192, 289, 292, 293, 294, 296 konfessionelle Haltung 367 Konfessionslosigkeit 347 Konfessionsstand 411 Konfirmation 88, 92 königliches Amt Christi 336 Königsherrschaft Jesu Christi 463 Königtum Jesu Christi 309, 560, 591, 592, 603, 607, 611 Konkordienbuch 205, 225, 237, 290, 297, 542, 556, 646, 652, 674, 675, 683, 685, 687 Konkordienformel 46, 83, 128, 162, 163, 178, 179, 225, 237, 246, 253, 255, 262, 268, 350, 384, 386, 388, 445, 447, 449, 475, 476, 540, 562, 570,
760
Anhang
576, 603, 608, 611, 613, 614, 615, 634, 637, 642, 649, 653, 675, 698 konkordienlutherisch 122 Konsens 690, 696, 698, 700 Konsistorium 331 Kreis der Freunde und Förderer der Lutherischen Theologischen Hochschule in Oberursel 549 Kreuzgemeinde Hermannsburg 384, 386, 387, 393, 394, 397 Kryptocalvinismus 322 Kulturkampf 367 Landeskirche 31, 96, 98, 107, 108, 110, 111, 114, 120, 135, 136, 137, 138, 147, 148, 150, 152, 169, 188, 189, 195, 197, 200, 209, 261, 307, 308, 334, 340, 346, 347, 368, 372, 373, 376, 381, 383, 428, 432, 601, 675, 676 Landessynode 110 LC-C → Lutheran Church – Canada LC-MS → Lutheran Church – Missouri Synod LCSA → Lutheran Church in Southern Africa Lehre 25, 52, 60, 63, 85, 97, 133, 197, 210, 212, 218, 238, 279, 282, 283, 298, 300, 302, 314, 315, 356, 451, 587, 628, 629 Lehrnorm 282 Leipziger Erklärung 479 Leipziger Mission 186, 399, 410, 411, 412, 413, 414, 416, 417, 418, 423, 444 Leipziger Missionsleitung 415 Leipziger Missionsverein 404 Leuenberger Konkordie 151, 152, 171, 638, 639, 665, 676, 676 Liberalismus 366 LKM → Lutherische Kirchenmission (Bleckmarer Mission) LThH → Lutherische Theologische Hochschule Oberursel Lüneburgische Kirchenordnung 380, 384, 386, 388, 395, 426 Lutheran Church – Canada 565, 648, 651
Lutheran Church – Missouri Synod 121, 138, 139, 185, 191, 211, 281, 288, 369, 399, 417, 440, 532, 533, 534, 648, 688 Lutheran Church in Southern Africa 402, 449, 450, 451, 453, 465, 475, 476 Lutheraner 81, 88, 97, 458, 699 Lutheraner-Verein 212, 213, 214, 221, 222 lutherisch 406, 691, 700, 701 Lutherische Bekenntniskirche 676 Lutherische Europäische Kommission Kirche und Judentum 491 Lutherische Freikirche 109, 112, 136, 169, 187, 189, 253, 261, 265, 274, 438, 531, 559, 561, 562, 563, 573, 599, 600, 601, 602, 639 Lutherische Gesamtkirche 107 Lutherische Kirche 55, 60, 62, 65, 66, 67, 68, 77, 83, 84, 86, 95, 96, 97, 99, 103, 104, 110, 128, 156, 163, 196, 197, 198, 205, 211, 212, 216, 217, 222, 291, 299, 334, 337, 339, 365, 377, 396, 409, 411, 429, 440, 485, 489, 503, 504, 535, 574, 585, 602, 666, 670, 672, 689, 696 Lutherische Kirche – Missouri Synode → Lutheran Church – Missouri Synod Lutherische Kirche Hannovers 426 Lutherische Kirche im Südlichen Afrika → Lutheran Church in Southern Africa Lutherische Kirche Preußens 106, 406, 482, 571 Lutherische Kirchen Sachsens 215 Lutherische Kirchenmission (Bleckmarer Mission) 400, 402, 403, 469, 473, 475, 476, 505 lutherische Konfession 97, 120 Lutherische Landeskirche 98, 105, 106, 108, 111, 113, 135, 136, 187, 189, 206, 208, 365, 426, 561, 600, 639, 665, 676 lutherische Landeskirche Hannovers 372/373
Sachregister
lutherische Reformation 133 lutherische Symbole → Bekenntnisse der Evangelisch-Lutherischen Kirche Lutherische Theologische Hochschule Oberursel 175, 342, 505, 533, 534, 540, 541, 542, 543, 544, 545, 546, 548, 549, 552, 553, 554, 556, 557, 622, 628, 630, 683, 685 Lutherischer Weltbund 152, 170, 172, 177, 286, 288, 666, 690, 698 Lutherisch-Evangelische Kirche 404 Luthertum 25, 120, 339 LWB → Lutherischer Weltbund Majestätsbriefe 66 Marburger Missionsverein 412 mauritianische Verbesserungspunkte 310, 318, 332, 333, 337, 341 Melsunger Konvent 310, 311, 341 Melsunger Missionshaus 441 Mennoniten 35 methodistisch 406 Mission 80, 186, 188, 238, 249, 258, 261, 262, 279, 398, 400, 401, 402, 403, 404, 405, 407, 409, 412, 416, 420, 423, 427, 429, 432, 435, 437, 438, 439, 442, 443, 444, 445, 446, 447, 449, 459, 464, 465, 468, 477, 480, 481, 482, 593, 622, 654, 680, 689 Mission der Hannoverschen EvangelischLutherischen Freikirche 464 Mission Evangelisch-Lutherischer Freikirchen 444, 446, 449, 463, 464, 466, 622, 630 Mission in Tranquebar 398 Mission unter Israel 479 Mission zu Leipzig 416 Missionare 456, 465, 472, 474, 483 Missionshaus 377 Missionsleitung der Mission EvangelischLutherischer Freikirchen 628 Missionstätigkeit 408 Missionswerk 377 Missouri Synode → Lutheran Church – Missouri Synod Moritzschen Kirchenumwühlung → mauritanische Verbesserungspunkte
761
Muslime 708 Naëmi-Wilke-Stift 119, 510 Nassauische Landeskirche 184, 197, 199 nassauische Lutheraner 201 nassauische lutherische Gemeinden 202 Nationalkirche 135, 136, 339 Nationalsozialismus 479, 561 Neues Testament 78, 225, 273, 284, 459, 495 Nicaenum → Nizänisches Bekenntnis Nicänisches Bekenntnis → Nizänisches Bekenntnis Nicänisches Symbolum → Nizänisches Bekenntnis Niederhessen 337 niederhessische Kirche 320, 326, 327, 335, 337, 591 niederhessische Pastoralkonferenz 331 Nizänisches Bekenntnis 179, 225, 237, 267, 297, 320, 337, 447, 449, 475, 476, 553, 603, 606, 620, 634, 637, 642, 649, 653 Norddeutscher Bund 205, 207 Oberbehörde 85 Oberkirchenkollegium 28, 31, 68, 69, 71, 72, 73, 74, 75, 76, 80, 81, 82, 90, 91, 92, 93, 95, 99, 101, 102, 105, 106, 107, 108, 109, 111, 112, 113, 114, 117, 119, 120, 125, 126, 128, 131, 132, 135, 138, 139, 145, 146, 149, 150, 160, 161, 184, 202, 203, 204, 399, 406, 407, 408, 410, 412, 413, 415, 479, 530, 531, 532, 535, 540, 558, 563, 567, 570, 571, 572, 642, 643, 645 Oecumenica → Ökumene, ökumenisch OKC → Oberkirchenkollegium Ökumene, ökumenisch 191, 276, 281, 283, 667, 669, 674, 680, 688, 697, 702, 703, 704, 705, 707, 710, 712, 713 Ökumenische Glaubensbekenntnis von Nizäa-Konstantinopel → Nizänisches Bekenntnis ökumenische Symbole 83, 106, 113, 162, 200, 267, 376, 584, 598, 603 ökumenischer Gottesdienst 280
762
Anhang
Ökumenischer Rat der Kirchen 280 Ordination 181, 182, 253, 254, 256, 266, 314, 328, 335, 339, 357, 359, 406, 415, 426, 428, 447, 452, 589, 604, 616, 622, 625, 627, 628, 656 Ordination von Frauen 172, 173, 174 Orthodoxer Kirchen 667, 674 Pastor 80, 86, 98, 109, 118, 129, 141, 143, 173, 185, 202, 238, 240, 242, 243, 287, 297, 299, 301, 315, 350, 351, 366, 374, 376, 377, 379, 381, 385, 386, 388, 389, 390, 391, 394, 396, 427, 429, 432, 438, 440, 443, 449, 455, 460, 466, 476, 488, 489, 542, 569, 570, 623, 625, 628, 635, 646, 647, 656, 657, 658 Pastorenkonvent 388, 453, 456 Pfarrer 81, 87, 165, 166, 167, 168, 180, 181, 196, 339, 356, 357, 361, 363, 369, 472, 519, 525, 526, 605, 610, 644, 648, 650, 653, 680, 682, 684, 686 Pfarrerdienstordnung 473 Pfarrkonvent 357, 593, 595, 604, 605, 606, 607, 619, 633 Pietismus 25, 212 Pluralismus 283, 288, 297 Präses 651, 654, 656 Prediger 87, 240, 242 Predigt 38, 337, 462 Predigtamt →Amt Presbyterial- und Synodalordnung 318, 319, 325 Presbyterialverfassung 310 President 660, 663 preußischer Staat 82 Protestantismus 666, 676 Rasse 487 Rassismus 402, 459, 460, 461, 462, 486, 489 Rat der Europäischen Bischofskonferenzen 709, 710 Rationalismus 363, 366 Realpräsenz 27 Rechtfertigung 282, 404, 496, 689, 690, 691, 692, 693, 694, 695, 696, 698, 699, 700
Reform 113 Reformation 56, 57, 77, 79, 171, 195, 307, 319, 331, 332, 333, 334, 341, 487, 503, 599, 601, 674, 675, 677, 681, 689, 691, 693, 695, 701 Reformatoren 79 reformierte Kirche 25, 33, 34, 43, 44, 47, 49, 57, 58, 62, 65, 66, 77, 95, 97, 103, 104, 108, 137, 196, 216, 217, 219, 317, 372, 378, 404, 405, 406, 585, 669, 671 Religionsfrieden von 1555 63 Renitente Kirche ungeänderter Augsburger Konfession 248, 307, 309, 310, 311, 332, 335, 336, 341, 368, 443, 558, 560, 561, 562, 566, 567, 574, 591, 592, 593, 594, 595, 606, 607, 609, 631 renitente Pfarrer 344 Renitenz → Renitente Kirche ungeänderter Augsburger Konfession Römisch-Katholische Kirche 96, 131, 137, 152, 177, 179, 197, 667, 671, 674, 690, 691, 695, 696, 699, 700, 701, 714 Sächsische Freikirche → EvangelischLutherische Freikirche (in Sachsen und anderen Staaten) Sächsische Visitationsartikel 225 Sakrament, Sakramente 38, 42, 49, 60, 81, 113, 119, 137, 139, 143, 164, 165, 171, 180, 208, 216, 218, 219, 228, 235, 246, 255, 267, 279, 314, 315, 321, 351, 356, 365, 385, 396, 406, 429, 445, 450, 451, 482, 485, 567, 572, 585, 586, 587, 591, 592, 595, 614, 615, 616, 620, 624, 625, 634, 638, 642, 649, 650, 653, 666, 667, 670, 672, 673, 675, 676, 677, 678, 680, 681, 682, 689, 695, 702, 714 Sakramentsgemeinschaft → Abendmahls- und Kanzelgemeinschaft Samariteranstalten Fürstenwalde 510 Sander Konvent 311 Schlesische Evangelische Kirche Augsburgischen Bekenntnisses 683
Sachregister
Schlesische Evangelische Kirche Augsburgischen Bekenntnisses in der Tschechischen Republik 684 Schmalkaldische Artikel 46, 83, 128, 136, 162, 163, 179, 225, 235, 237, 253, 268, 297, 337, 350, 396, 447, 449, 475, 476, 603, 606, 617, 620, 634, 637, 642, 649, 653, 675, 697 Seelsorge 80 SEKAB → Schlesische Evangelische Kirche Augsburgischen Bekenntnisses Selbständige Evangelisch-Lutherische Kirche 117, 118, 121, 152, 169, 170, 173, 174, 189, 190, 191, 246, 247, 248, 251, 252, 254, 264, 265, 272, 273, 275, 277, 278, 281, 282, 283, 284, 286, 311, 341, 342, 356, 370, 398, 401, 402, 464, 466, 470, 471, 472, 473, 475, 476, 479, 497, 499, 500, 504, 507, 508, 509, 510, 511, 512, 513, 514, 515, 518, 520, 521, 522, 524, 525, 526, 527, 528, 529, 534, 549, 553, 555, 557, 559, 560, 562, 563, 564, 565, 602, 603, 605, 606, 607, 608, 609, 618, 619, 620, 621, 624, 627, 628, 630, 631, 632, 633, 634, 635, 636, 637, 639, 640, 641, 642, 643, 644, 645, 646, 647, 648, 649, 651, 652, 653, 655, 657, 658, 665, 666, 667, 668, 673, 674, 676, 677, 678, 679, 680, 683, 684, 685, 686, 687, 688, 690, 699, 701, 709, 710, 712, 713, 714, 715 Selbständige Evangelisch-Lutherische Kirche (alte SelK) 188, 190, 249, 257, 261, 262, 265, 564 Selbständige Evangelisch-Lutherische Kirche in den hessischen Landen 311, 341, 349, 573, 574, 591 Selbständige Evangelisch-Lutherische Kirche in Hessen 339, 340, 342, 400, 443, 485, 558, 562, 566, 567, 593, 594, 595, 606 selbstständige evangelisch-lutherische Gemeinden 308
763
Selbstständige Lutherische Gemeinden in Baden 149 Selbstständige Lutherische Kirchen 31, 121, 187, 188, 189, 190, 191, 340, 341, 562 Selbstständigkeit 42, 97 SELK → Selbständige EvangelischLutherische Kirche Senioren 357 Separation 372, 400 Separatismus 81, 135, 588 Separierte 136, 138 Sonntagsheiligung 364 Sozinianer 404 St. Anschar 248 Staat 46, 88, 93, 96, 98, 99, 101, 105, 115, 190, 198, 307, 309, 314, 316, 346, 347, 367, 375, 376, 385, 462, 486, 604 Staatskirche 384, 585 Süddeutsche Evangelisch-Lutherische Freikirche 560 Superintendent 356, 358 Symbole → ökumenische Sybole Symbole der Alten Kirche → ökumenische Symbole Symbole der Evangelisch-Lutherischen Kirche → Bekenntnis, Bekenntnisse symbolische Bücher → Bekenntnis, Bekenntnisse Symbolum Apostolicum → Apostolisches Bekenntnis Synodalausschuss 658 Synodalbeschlüsse 69, 202 Synodalverband 127, 130, 136 Synode, Synoden 68, 69, 70, 74, 80, 82, 85, 121, 128, 135, 155, 167, 172, 268, 270, 308, 317, 323, 324, 339, 340, 386, 387, 388, 391, 415, 416, 435, 444, 449, 453, 455, 456, 604, 619, 623, 630, 632, 633, 638 Taufanerkennung 668, 714, 715 Taufe 88, 92, 225, 230, 232, 233, 234, 235, 321, 621, 665, 678, 702, 714, 715 Toleranz 67 Tractatus 250
764
Anhang
Trauformular 375 Trauordnung 371, 372, 374 Trauung 88, 89, 92, 98, 230, 232, 233, 285, 286, 367, 372, 373, 374, 375, 376, 379, 380, 381, 382, 383, 385 Tridentinum 195, 692 unierte Kirche 25, 26, 27, 28, 30, 31, 33, 35, 36, 39, 43, 44, 45, 49, 52, 54, 55, 58, 59, 60, 61, 62, 63, 66, 76, 84, 94, 95, 98, 103, 108, 113, 135, 137, 147, 153, 154, 155, 156, 163, 175, 185, 193, 198, 205, 206, 207, 209, 210, 215, 216, 217, 219, 220, 237, 263, 310, 322, 339, 345, 366, 368, 372, 380, 385, 398, 410, 411, 412, 413, 414, 429, 433, 485, 487, 558, 562, 571, 585, 599, 607, 621, 634, 638, 666, 669, 671, 680 Unionisierung 665, 676 Unionismus 219, 278, 297, 317, 318, 446 unionistisch-pietistische 217 Unveränderte Augsburgische Konfession → Augsburger Bekenntnis VELKD → Vereinigte EvangelischLutherische Kirche Deutschlands Verbalinspiration 191, 422 Verbesserungspunkte → mauritianische Verbesserungspunkte Verein der evangelisch-altlutherischen Kirchengemeinden 99 Vereinigte Evangelisch-Lutherische Kirche Deutschlands 169, 171, 174, 189, 261, 262, 491, 563, 601, 639, 676
Vereinigung 25, 26, 32, 33, 562 Vereinigung ev.-luth. Freikirchen in Deutschland 594 Vereinigung selbständiger evangelischlutherischer Kirchen 190 Vereinigung von Freunden Israels 484 Vereinsrecht 98 Verfassung 58, 59, 60, 63, 77, 78, 79, 84, 95, 136, 205, 209, 245, 267, 297, 300, 305, 324, 339, 349, 456, 485, 558, 562, 606, 648, 652, 666, 685 Verfolgung 79 Visitation 647 Vorstand 88, 90 Vorsteher 79, 80, 226, 227 Vorsteheramt 80 Vorsteher-Collegium 226 Waldeckischer Missionsverein 398 Waltherscher Katechismus 366 WELS → Wisconsin Evangelical Lutheran Synod Westfälischer Frieden 57, 61, 66, 95, 103, 133 Widerstand 457 Wisconsin Evangelical Lutheran Synod 192, 264, 289, 636 Wittenberger Agende 34, 55, 61, 83 Word of God → Heilige Schrift Wort Gottes → Heilige Schrift Zentralverein 479, 489, 492, 496