Psychiatrie der Brandstiftung: Eine psychopathologische Studie anhand von Gutachten (Monographien aus dem Gesamtgebiete der Psychiatrie, 110) (German Edition) 3798515190, 9783798515192

Die pathologische Brandstiftung ist seit über 200 Jahren Gegenstand intensiver forensisch-psychiatrischer Auseinanderset

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Psychiatrie der Brandstiftung: Eine psychopathologische Studie anhand von Gutachten (Monographien aus dem Gesamtgebiete der Psychiatrie, 110) (German Edition)
 3798515190, 9783798515192

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M O N O G R A P H I E N AUS DEM G E S A M T G E B I E T E DER PSYCHIATRIE

Mit freundlichen Empfehlungen, Novartis Neuroscience M1

111 N O V A R T I S

J9

M O N O G R A P H I E N AUS DEM G E S A M T G E B I E T E DER PSYCHIATRIE

Herausgegeben von H. Saß, Aachen · H. Sauer, Jena · F. Müller-Spahn, Basel Band 89: Borna Disease Virus Mögliche Ursache neurologischer und psychiatrischer Störungen des Menschen Von K. Bechter (ISBN 3-7985-1140-3)

Band 100: Das dopaminerge Verstärkungssystem Funktion, Interaktion mit anderen Neurotransmittersystemen und psychopathologische Korrelate Von A. Heinz (ISBN 3-7985-1248-5)

Band 90: Psychiatrische Komorbidität bei Alkoholismus und Verlauf der Abhängigkeit Von M. Driessen (ISBN 3-7985-1169-1)

Band 101: Versorgungsbedarf und subjektive Sichtweisen schizophrener Patienten in gemeindepsychiatrischer Betreuung Evaluationsstudie im Jahr nach Klinikentlassung in der Region Dresden Von Th. Kallert (ISBN 3-7985-1263-9)

Band 91: Psychopathologische und SPECT-Befunde bei der produktiven Schizophrenie Von R.D. Erkwoh (ISBN 3-7985-1187-X) Band 92: Soziokulturelle Faktoren und die Psychopathologie der Depression Empirische Untersuchungen zum pathoplastischen Einfluß soziokultureller Lebensformen bei der Melancholie Von D. Ebert (ISBN 3-7985-1185-3) Band 93: Selbstbild und Objektbeziehungen bei Depressionen Untersuchungen mit der Repertory Grid-Technik und dem Gießen-Test an 139 PatientInnen mit depressiven Erkrankungen Von H. Böker (ISBN 3-7985-1202-7) Band 94: Elektrokrampftherapie Untersuchungen zum Monitoring, zur Effektivität und zum pathischen Aspekt Von H.W. Folkerts (ISBN 3-7985-1204-3) Band 95: Der Nerve Growth Factor bei neuropsychiatrischen Erkrankungen Ein pleiotroper Modulator mit peripherer und zentralnervöser Wirkung Von R. Hellweg (ISBN 3-7985-1205-1) Band 96: Aufklärung und Einwilligung in der Psychiatrie Ein Beitrag zur Ethik in der Medizin Von J. Vollmann (ISBN 3-7985-1206-X) Band 97: Tabakabhängigkeit Biologische und psychosoziale Entstehungsbedingungen und Therapiemöglichkeiten Von A. Batra (ISBN 3-7985-1212-4) Band 98: Die psychosozialen Folgen schwerer Unfälle Von U. Schnyder (ISBN 3-7985-1213-2) Band 99: Körperliche Aktivität und psychische Gesundheit Psychische und neurobiologische Effekte von Ausdauertraining bei Patienten mit Panikstörung und Agoraphobie Von A. Brooks (ISBN 3-7985-1240-X)

Band 102: Psychopathologie von Leib und Raum Phänomenologisch-empirische Untersuchungen zu depressiven und paranoiden Erkrankungen Von Th. Fuchs (ISBN 3-7985-1281-7) Band 103: Wahrnehmung derfrühen Psychose Untersuchungen zur Eigen- und Fremdanamnese der beginnenden Schizophrenie Von M. Hambrecht (ISBN 3-7985-1292-2) Band 104: Schizophrenien prälingual Gehörloser Eine Untersuchung im lautlosen Kompartiment des „menschengemeinsamen Raums“ Von K. Schonauer (ISBN 3-7985-1348-1) Band 105: Zur Emotions/Kognitions-Kopplung bei Störungen des Affekts Neurophysiologische Untersuchungen unter Verwendung ereigniskorrelierter Potentiale Von D.E. Dietrich (ISBN 3-7985-1347-3) Band 106: Neuronale Korrelate psychopathologischer Symptome Denk- und Sprachprozesse bei Gesunden und Patienten mit Schizophrenie Von T. Kircher (ISBN 3-7985-1377-5) Band 107: Familienbefunde bei zykloiden Psychosen und manisch-depressiverErkrankung Ein Beitrag zur Nosologie bipolarer phasischer Psychosen Von B. Pfuhlmann (ISBN 3-7985-1420-8) Band 108: Geschlechtsspezifische Unterschiede der schlafendokrinen Regulation und deren Bedeutung für die Pathophysiologie der Major Depression Von I.A. Antonijevic (ISBN 3-7985-1487-9) Band 109: Serotonin und akustisch evozierte Potentiale Auf der Suche nach einem verläßlichen Indikator für das zentrale 5-HT-System Von G. Juckel (ISBN 3-7985-1513-1) Band 110: Psychiatrie der Brandstiftung Eine psychopathologische Studie anhand von Gutachten Von W. Barnett (ISBN 3-7985-1519-0)

Winfried Barnett

Psychiatrie der Brandstiftung Eine psychopathologische Studie anhand von Gutachten

STEINKOPFF DARMSTADT

Priv.-Doz. Dr. med. Dipl.-Psych. Winfried Barnett Psychiatrische Universitätsklinik Voßstraße 4 D-69115 Heidelberg

ISBN 3-7985-1519-0 Steinkopff Verlag Darmstadt Bibliografische Information der Deutschen Bibliothek Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.ddb.de abrufbar. Dieses Werk ist urheberrechtlich geschützt. Die dadurch begründeten Rechte, insbesondere die der Übersetzung, des Nachdrucks, des Vortrags, der Entnahme von Abbildungen und Tabellen, der Funksendung, der Mikroverfilmung oder der Vervielfältigung auf anderen Wegen und der Speicherung in Datenverarbeitungsanlagen, bleiben, auch bei nur auszugsweiser Verwertung, vorbehalten. Eine Vervielfältigung dieses Werkes oder von Teilen dieses Werkes ist auch im Einzelfall nur in den Grenzen der gesetzlichen Bestimmungen des Urheberrechtsgesetzes der Bundesrepublik Deutschland vom 9. September 1965 in der jeweils gültigen Fassung zulässig. Sie ist grundsätzlich vergütungspflichtig. Zuwiderhandlungen unterliegen den Strafbestimmungen des Urheberrechtsgesetzes. Steinkopff Verlag Darmstadt ein Unternehmen der Springer Science+Business Media GmbH www.steinkopff.springer.de © Steinkopff Verlag Darmstadt 2005 Printed in Germany Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Handelsnamen, Warenbezeichnungen usw. in diesem Werk berechtigt auch ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme, dass solche Namen im Sinne der Warenzeichen- und Markenschutz-Gesetzgebung als frei zu betrachten wären und daher von jedermann benutzt wer den dürften. Verlagsredaktion: Dr. Maria Magdalene Nabbe - Herstellung: Renate Münzenmayer Umschlaggestaltung: Erich Kirchner, Heidelberg SPIN 11414551

80/7231 - 5 4 3 2 1 0 - Gedruckt auf säurefreiem Papier

Danksagung*

Besonderer Dank gebiihrt Herm Prof. Dr. Ch. Mundt, der die vorliegende Arbeit in jeder Weise gefordert hat. Bei Herm Prof. Dr. V. Dittmann, Basel, bedanke ich mich fUr die tJberlassung der unveroffentlichten Basler Multiaxialen Forensisch-Psychiatrischen Dokumentation. Die Herren PD Dr. G. H. Seidler, Heidelberg, und Prof. Dr. A. Schmidtke, WUrzburg, waren so freundlich, die tiefenpsychologischen bzw. verhaltenstherapeutischen Passagen der Arbeit mit mir zu diskutieren. Frau R. Linke schrieb das Manuskript; Frau L. Eberhard besorgte das Literaturverzeichnis. Frau Dipl. rer. pol. R. Fambach war bei der Dateneingabe behilflich; Frau Dr. M. RotzoU und Herr Dr. D. Sigmund unterzogen sich den ftir die Reliabilitatsbestimmung notwendigen MUhen. Herr Dr. P. Richter war nicht nur ein in alien methodischen Fragen unentbehrlicher Berater, sondem das gesamte Forschungsvorhaben hindurch ein gleichbleibend verlasslicher Diskussionspartner. Heidelberg, im Januar 2005 Winfried Bamett

* Sofern der Wirkungsort nicht aufgefuhrt ist, gehoren die Genannten der Psychiatrischen Universitatsklinik Heidelberg an.

Inhaltsverzeichnis

1 1.1 1.2 1.3 1.4 1.5

Einleitung Brandstiftung in Dichtung und Mythologie Historisch bedeutsame Brandstiftungen Bedeutsame Gerichtsverhandlungen EntwicklungderjuristischenBewertung Entwicklung der psychiatrischen Begutachtung

1 1 3 4 8 9

2 2.1 2.2 2.3 2.3.1 2.3.2 2.3.3 2.3.4 2.3.5 2.3.6 2.3.7 2.3.8 2.3.9 2.3.10 2.3.11 2.3.12 2.3.13 2.3.14 2.3.15 2.3.16

Psychiatric dcr Brandstiftung 11 Die Pyromaniediskussion bis Jessen (1860) 11 Die Literatur bis Lewis und Yamell (1951) 27 Die Literatur seit 1951 39 Diagnosedefinitionen 40 GroBe des Problems, Statistikund Kriminologie 42 Totalerhebungen polizeilich Ermittelter und Verurteilter 44 Haftlinge 46 Begutachtete 47 Brandstifter in Einrichtungen fur psychisch kranke Straftater... 5 5 Patienten in psychiatrischen Kliniken 57 Patienten mit organischen Erkrankungen 58 Die Triade Enuresis, Tierqualerei und Brandstiftung 59 Brandstiftung und Sexualitat 60 Biologische Marker 62 Rezidive 63 Kinder und Jugendliche 65 Selbstverbrennung 67 Therapie 68 Konzeptualisierungen 71

VIII

3 3.1 3.2 3.3 3.4 3.5 3.6 3.7

Eigene Untersuchung Konzeptuelle Uberlegungen Stand der Literatur Hypothesen Material Erhebungsinstrument Gtitekriterien Statistische Auswertung

4 4.1 4.1.1 4.1.2 4.1.3 4.1.4 4.1.5 4.2 4.2.1 4.2.2 4.2.3 4.2.4 4.3

Ergebnisse Beschreibung der angefallenen Stichprobe Demografische Charakteristika Tatcharakteristika Tatmotive Tatercharakteristika Diagnosen Klassifikation Datenorientierte Klassifikation Signifikanz der Pradiktoren Schrittweise hierarchische Diskriminanzanalyse Klassifikationsanalyse Forensische Beurteilung, MaBnahmen und Prognose

5 5.1 5.2 5.3 5.4 5.5 5.6 5.7 5.7.1 5.8

Diskussion 109 Demografische Kennwerte und Taterspezifika im Vergleich ..109 Variablen und Modell im Vergleich 110 Kanonische Diskriminanzfunktionen und Pradiktoren 118 Die Klassifikation 121 Forensische Konsequenzen 127 Therapeutische Konsequenzen 132 Die Pyromaniefi*age 138 Schlussfolgemngen 148 Ausblick und Wertung 155

6

Zusammenfassung

,

75 75 77 78 79 80 82 83 85 85 85 86 87 92 93 94 94 100 101 103 104

159

Literatur

167

Anhang A

193

IX AnhangB ICD-10 F63.1 - Pathologische Brandstiftung (Pyromanie)

197 198

DSM-IV-TR 312.33 - Pyromanie

199

,

AnhangC

203

AnhangD

231

AnhangE

265

1 Einleitung 1.1 Brandstiftung in Dichtung und Mythologie Nicht nur bei der Gewinnung (Prometheus-Sage, Agni-Mythos der indischen Verden) des Feuers, sondem auch bei dem am friihesten berichteten Missbrauch desselben zur Brandstiftung waren Gotter beteiligt: Zur Strafe fiir Siinde und Laster lieB Gott Feuer und Schwefel auf Sodom und Gomorrha regnen (l.Mose 19,24); Vemichtung durch Feuer als Strafe Gottes findet sich auch bei Jeremia 17,27 - wo die Entweihung des Sabbats mit Verbrennung der Schuldigen bedroht wird. In der islandischen Frithjof-Sage steckt Konig Helge Framnas, das reiche Erbe Frithjofs, in Brand, weil er ihm die Heirat seiner Schwester Ingeborg nicht gonnt. Frithjof selbst wird spater fiir eine im Zom verursachte fahrlassige Brandstiftung, der eine Baldur-Statue und ein heiliger Hain zum Opfer fallen, vom Gott Baldur damit bestraft, fortan als Heimatloser durch die Welt ziehen zu miissen. Im Wagner'schen "Ring des Nibelungen" entziindet Briinnhilde in der "Gotterdammerung" den Scheiterhaufen, auf dem Siegfrieds Leichnam verbrannt werden soil, verursacht so den Weltenbrand und stirbt selbst in den Flammen. Brandschatzungen durch gartende Landsknechte, nicht etwa im Rahmen von Kriegshandlungen, sondem zusammen mit anderen Verbrechen aus purer Zerstorungslust und Grausamkeit an den Bauem verubt, fmden im Grimmelshausen'schen "Simplizissimus" ausgiebige Erwahnung. Die Angst der Landbevolkerung vor derartigen Brandstiftungen kristallisierte in der schwabischen Volksfantasie zu der Figur des sagenhaften Feuerreiters, der von Morike dichterisch behandelt wurde. In Schillers "Die Rauber" finden sich Brandstiftungen und Anspielungen auf sie an verschiedenen Stellen, allerdings immer als sogenannte Begehungsbrandstiftungen, also Begleiterscheinungen anderer Verbrechen: "Roller. Und jetzt sah mein Gefolge zuriick - da lag die Stadt wie Gomorrha und Sodom. Der ganze Horizont war Feuer, Schwefel und Ranch ... jetzt nutz' ich den Zeitpunkt... - da meine Begleiter wie Lots Weib zuriickschauen...". Der "Michael Kohlhaas" der von Kleist'schen Novelle ziindet zunachst mit seinen Knechten das Schloss des tyrannischen Junkers Wenzel von Tronka an, spater Wittenberg an der Elbe und sogar Leipzig. Friedrich Hebbel schildert in seiner Erzahlung "Anna" eine Magd dieses Namens, die aus Trotz und Rache fiir real erlittenes Unrecht ein fahrlassig von ihr verursachtes Feuer bewusst nicht loscht und sich, als sie das ganze AusmaB des Brandschadens sieht und begreift, in die Flammen sttirzt, ganz ahnlich wie

1 Einleitung Theodor Fontanes Hauptfigur in der Novelle "Grete Minde": Weil sie als Kind schlecht behandelt und als Erwachsene bei einer Erbschaft iibergangen wurde, entladt sich ihr lange aufgestauter Hass darin, dass sie die Stadt Tangermiinde ansteckt. Fontane schildert sie zum Tatzeitpunkt als unzurechnungsfahig: "Und sie lachte vor sich bin, ganz laut, und nur in ihrem Inneren klang es leise, bin ich irr? ... und richtete sich auf, wie von einem wirr-fantastischen Hoheitsgefuhl ergriffen. Sie war keine Bettlerin mehr, auch keine Bittende, nein, ihr gehorte diese Stadt, ihr". Brandstiftung aus Rache ist auch das Motiv der Ballade "Der Heidebrand" von Detlef von Liliencron. In Gerhard Hauptmanns an den "Biberpelz" ankniipfenden Komodie "Der rote Hahn" ist die Waschfrau Wolff mittlerweile verheiratet und stiftet ihren Ehemann an, sein Haus anzuziinden, um mit der Brandversicherungssumme einen besseren Neubau zu finanzieren. Als das Haus wieder aufgebaut ist, stirbt er jedoch und kann die Fruchte seiner Tat nicht mehr genieBen. In Brechts "Dreigroschenoper" schlieBlich wird in der Moritat am Rande erwahnt, dass Mackie Messer auch vor Brandstiftung nicht zuriickschreckt: "... und das groBe Feuer in Soho, sieben Kinder und ein Greis..."; Max Frischs "Biedermann und die Brandstifter" endlich wurde in dem hier interessierenden Zusammenhang bereits gewtirdigt (Rechlin 1990). Im nordischen Drama kommt Brandstiftung als Hauptmotiv allein bei Strindberg drei Mai vor. In "Die Brandstatte" ist ein altes Haus abgebrannt und man verdachtigt sich gegenseitig. Die Brandstatte wird symbohsch zur Statte des Lebens, in der sich alle gegenseitigen Verletzungen und Rankunen widerspiegeln. "Der Scheiterhaufen" schildert in qualvoUen Wiederholungen die emotionalen Verstrickungen innerhalb einer Familie; in einer furchtbaren Abrechnung mit den Eltem steckt der Sohn das Haus aus Verachtung gegeniiber Leben, Menschen, Gesellschaft und sich selbst an und kommt mit der ganzen Familie in den Flammen um. In "Vor'm Tode" ziindet der Vater die Wohnung an, nachdem er Gift getrunken hat; die Kinder besitzen die Versicherungspolice. Bevor er in den Flammen umkommt, rechnet er in hasserfallten Monologen mit der Ehefrau ab. In Ibsens "Baumeister SolneB" wird dieser unbeabsichtigt NutznieBer eines Brandes, in dem er die Moglichkeit erhalt, einen Neubau nach seinen Planen auszufiihren. Da er sich im Geheimen bereits gewunscht hatte, das alte Gebaude moge doch abbrennen, sogar Brandstiftungsfantasien hatte, erfasst ihn ein Verstindigungswahn und er entwickelt Beeintrachtigungsund Verfolgungsideen (iber exteme Mitbewerber der Ausschreibung des Neubaus. Am Ende stiirzt SolneB bei der Begehung des nach seinen Planen neu errichteten Turms ab.

1.2 Historisch bedeutsame Brandstiftungen

1.2 Historisch bedeutsame Brandstiftungen 356 V. Chr. wurde der Diana-Tempel zu Ephesus, der seinerzeit als eines der sieben Weltwunder gait, eingeaschert - wahrscheinlich die bekannteste Brandstiftung iiberhaupt. Bekanntlich woUte der Urheber durch seine Tat unsterbliche Bertihintheit erlangen, so dass neben seiner Hinrichtung verfugt wurde, dass es fortan bei Todesstrafe untersagt sei, seinen Namen auch nur auszusprechen. In forensisch-psychiatrischen Gutachten findet man daher "herostratisch" gelegentlich als adjektivisches Synonym ftir "aus Geltungsbediirfnis heraus". Der Brand Roms 64 n. Chr. war der groBte der gesamten Antike: Von den 14 Bezirken der damals bereits iiber eine Million Einwohner zahlenden Stadt wurden zehn fast voUstandig vemichtet. Nach Tacitus (XV, 34-44) war die offentliche Meinung dariiber, ob Nero den Brand habe legen lassen, geteilt; Sueton (Nero 38) und Cassius (Diss. LXII, 16-18) behandeln die Anstiftung durch Nero als Tatsache. Gesichert ist, dass er den Brand zum Anlass ftir die erste Christenverfolgung nahm und auf den Triimmem des bisherigen Kaiserpalastes einen bombastischen, alle gekannten AusmaBe tibersteigenden Neubau errichten lieB. Die pathografische Einordnung Neros schwankt zwischen wahnbildender Psychose und Epilepsie (Kanngiesser 1914), wobei letztere wegen der seinerzeit noch Epileptikem zugeschriebenen Neigung zur Brandstiftung in Erwagung gezogen wurde. Am 5.11.1605 flog in London die sogenannte Pulververschworung ("gunpowder plot") auf, deren Ahnlichkeit mit der liber 300 Jahre spateren Reichstagsbrandstiftung von Historikem oft hervorgehoben wird (Carswell 1934, Scott 1974, Shami 1996). Durch einen anonymen Brief waren in einem Kellergewolbe unter dem Parlamentsgebaude zwanzig Passer mit SchieBpulver, seinerzeit eine waffentechnische Innovation, die iiber einen unterirdischen Gang fiir einen Anschlag vorbereitet worden waren, entdeckt worden. Die Regierung von James I. unterstellte in einer propagandistisch inszenierten Gerichtsverhandlung einen groB angelegten Umsturzversuch der Katholiken; der Hauptakteur Guy Fawkes und eine HandvoU Mitverschworer gaben jedoch bis zu ihrer Hinrichtung keine Hintermanner preis. Von katholischer Seite wurde demgegentiber oft auf die operettenhafte Planung und Vorbereitung des Anschlags hingewiesen, die nur das Werk einzelner romantischer Dilettanten habe sein konnen. Ahnlich wie bei der Reichstagsbrandstiftung blieben die Hintergriinde ungeklart und sind bis heute Diskussionsgegenstand.

4

1 Einleitung

Am 27.2.1933 brannte das Gebaude des Deutschen Reichstages. Der Prozess gegen den gestandigen Marinus van der Lubbe und vier weitere Verdachtige fand von Oktober bis Dezember 1933 in Berlin und Leipzig statt. Das von van der Lubbe fast die gesamte Verhandlung hindurch gezeigte pseudostuporose Verhalten gab Anlass zu vielfaltigen Pressespekulationen, er leide an einer schizophrenen Psychose, sei unter Drogen bzw. Medikamente gesetzt oder gar hypnotisiert worden und anderes mehr. Die forensisch-psychiatrischen Sachverstandigen, die van der Lubbe im iibrigen eine "erstaunliche menschliche Leistung" (Bonhoeffer und Zutt 1934) attestierten, beurteilten das Zustandsbild als Haftreaktion, die sie klar gegen eine Schizophrenie einerseits und eine demonstrative Zweckreaktion andererseits abgrenzten. Weder Bonhoeffer und Zutt noch der als dritter Sachverstandiger der Verhandlung beiwohnende Leipziger Nervenarzt Richard Schiitz fanden Anhaltspunkte fur eine pharmakogene Genese des Zustandsbildes. Bis heute ist ungeklart, ob van der Lubbe, der in seinem Gestandnis darauf insistierte, allein gehandelt zu haben, Mittater hatte. Bonhoeffer und Zutt (1934) gingen auf diese Frage zwar ein, lieBen sie jedoch ausdrucklich offen. Nach Kriegsende auBerte sich Zutt in der Siiddeutschen Zeitung dahingehend, dass es gute Grunde gabe, anzunehmen, dass nationalsozialistische agents provocateurs an dem Brandanschlag beteiligt waren (Hofer et al. 1978, S. 175).

1.3 Bedeutsame Gerichtsverhandlungen Jonathan Martin (1782-1837) genieBt bei den englischen einen ebensolchen Bekanntheitsgrad wie Hauptlehrer Wagner bei den deutschen Psychiatem. Bei den erhaltenen Gerichtsprotokollen befindet sich ein ausfilihrlicher, mit Zeugenaussagen angereicherter Lebenslauf, der auch heute noch zuganglich ist (Balston 1945). Martin entwickelte mit 22 Jahren plotzlich extreme religiose Ideen, seit seinem 36. Lebensjahr gab er an, Stimmen zu horen. Mitglieder verschiedener methodistischer Gemeinden, denen er sich angeschlossen hatte, berichteten von wochen- bis monatelangen Phasen uberschieBender Aktivitat und ebenso langen Perioden stumpfen Vor-sichhin-Brutens. Wiederholt auBerte er, gottliche Eingebungen zu haben. Nachdem er bekundet hatte, ein Attentat auf den anglikanischen Bischof in der nachstgelegenen Stadt veriiben zu woUen, wurde er mit 36 Jahren in einer Einrichtung fiir gefahrliche Geisteskranke zwangsuntergebracht, aus der er vier Jahre spater floh. Einige Jahre zog er laut betend und Kirchenlieder singend durch England und behauptete, von Gott auserwahlt zu sein. Nachdem auf einen Brief von ihm an den Bischof von York, in dem er

1.3 Bedeutsame Gerichtsverhandlungen diesen eines siindigen Lebens bezichtigte und zur Umkehr aufforderte, keine Reaktion erfolgte, steckte er 1829 die Kathedrale von York in Brand; das Dach und die gesamte Inneneinrichtung einschlieBlich der Orgel wurden zerstort. In dem Gerichtsverfahren gegen ihn wurden zwei arztliche Sachverstandige (beides Chirurgen, einer von ihnen Leiter einer Anstalt fiir Geisteskranke) gehort, die iibereinstimmend eine Monomanie diagnostizierten. Die Jury kam nach kurzer Beratung zu dem Schluss "guilty but insane", der Richterspruch lautete auf "not guilty on the grounds of insanity." Martin wurde daraufhin bis zu seinem Tod in Bedlam untergebracht. Einen friihen Hohepunkt in der US-amerikanischen Auseinandersetzung um die Monomaniefrage markiert die Gerichtsverhandlung gegen William Spears (Anonymous 1858). Der Proband war sieben Jahre zuvor nach zwei als motivlos bezeichneten Brandstiftungen gerichtlicherseits fur unzurechnungsfahig befunden und in einer Einrichtung fur Geisteskranke untergebracht worden. Funf Jahre spater war er seitens der Anstalt als wahrend des gesamten Aufenthaltes unauffallig und mithin fiir gesund befunden worden. Er wurde seither als regularer Hausarbeiter beschaftigt, bis er nach einer disziplinarischen Bestrafung aus einem GroU heraus das Hauptgebaude der Anstalt, in dem 400 Insassen, die gliicklicherweise evakuiert werden konnten, untergebracht waren, anztindete. Das juristische Verfahren gestaltete sich als regelrechte Gutachterschlacht: Vier Sachverstandige empfahlen die Exkulpierung, zwei Mai wegen Pyromanie, ein Mai wegen "moral insanity" und ein Mai aufgrund von Schwachsinn. Drei Gutachter befanden den Probanden fur geistesgesund, unter ihnen der Herausgeber des "American Journal of hisanity". AUe Sachverstandigen waren sich uber das Bestehen einer Intelligenzminderung, die nach heutigen MaBstaben am ehesten als Minderbegabung oder Grenzdebilitat gewertet werden wurde, einig, sowie dariiber, dass bei dem Probanden im Querschnitt keine Anzeichen von Geisteskrankheit beobachtbar seien. Das Gericht folgte der Minderheit derjenigen Gutachter, die voile Verantwortlichkeit annahmen. Die Urteilsbegriindung liest sich streckenweise wie eine Vorwegnahme des dem DSM-IV-TR (American Psychiatric Association 2000) vorangestellten Wamhinweises: "Zur wissenschaftlichen Untersuchung und fachlichen Diskussion konnen und miissen Menschen wie der Angeklagte selbstverstandlich in Gruppen unterteilt und auf die unterschiedlichste Art und Weise klassifiziert werden. Fiir die Praxis der Geschworenengerichte sind wissenschaftliche Hypothesen jedoch so lange nicht maBgebhch, wie sic nicht bewiesen und mit dem gesunden Menschenverstand nachvoUziehbar sind... und so lange bei ansonsten fehlenden auBeren Anzeichen von Geisteskrankheit das einzige Merkmal einer solchen ein bestimmtes kriminelles Verhalten sein soil, wird man die Tater als ihres freien Willens

6

1 Einleitung

machtig und flir ihr Tun voUstandig verantwortlich ansehen" (Anonymusl858,Ubers. d.Verf.). Zwei der in Deutschland bekanntesten Massen- bzw. Serienmorder waren gleichzeitig Brandstifter: Wagner und Kiirten. Bei Wagner setzte nach einer sodomitischen Entgleisung eine ausgepragte paranoische Entwicklung ein. Er glaubte, bei dieser Handlung beobachtet worden zu sein und dass man deshalb im ganzen Ort iiber ihn rede, ihn bedrohe und verfolge. Zwolf Jahre nach der Unzuchtshandlung legte er in einem Amoklauf vier Brande und totete 13 Menschen als Vergeltung ftir die vermeintlich erlittenen Demutigungen und Nachstellungen. In seinem zehn Jahre vor der Tat begonnenen Tagebuch schildert er, wie er sich als Nero fantasiert und ganz in die Rolle des kaiserlichen Brandstifters hineindenkt. Wagner, der auch an literarischem GroBenwahn litt, schrieb sogar ein Drama mit dem Titel "Nero". Er malte sich aus, dass die Landesbibliothek in Stuttgart abbrenne und nur seine eigenen Werke erhalten bUeben: "Dann ware ich der einzige Klassiker." Urspriinglich hatte er den Plan, das ganze Dorf einzuaschem und das Ludwigsburger Schloss anzuztinden, um schlieBlich im Bett der Herzogin in den Flammen zu sterben: "Dann komme ich durch Feuer zu Tode wie es sich fiir einen Nero geziemt" (Zitate aus dem Gutachten von Gaupp 1914). Gaupp (1914, 1938) stellte die psychoreaktive Komponente der Tatgenese ganz in den Vordergrund und diagnostizierte eine auf dem Boden einer degenerativen Entartung normalpsychologisch nachvoUziehbare, quasi aus der Personlichkeit herauswachsende paranoische Entwicklung; diese Ansicht wurde von spateren Bearbeitem des Falles (Janzarik 1949, Bogerts 1997) nicht geteilt. Aufgrund des Gaupp'schen Gutachtens wurde Wagner exkulpiert und bis zu seinem Tod 25 Jahre nach der Tat psychiatrisch untergebracht. Der Serienmorder Kiirten gestand 18Morde und 31 Brandstiftungen. In der Exploration fur das Gutachten (Berg 1931) gab er an, schon als Schulkind geme bei Branden zugeschaut zu haben. Wie die Morde beging er seine Brandstiftungen, um sich sexuell zu befriedigen: "Das Geschrei der Leute und der Feuerschein taten mir immer wohl. Bei groBen Branden kam es dann immer zum Samenerguss." Conditio sine qua non fur einen Orgasmus war ftir Kiirten die Angst und Aufregung der Menschen: "... als ich die Heumieten ansteckte, blieb es zu still. Ein Schutzmann musste noch kommen, um die Leute zu wecken. Die sind noch nicht einmal aufgestanden. Deshalb legte ich am selben Abend den zweiten Brand in der Hohenzollemkolonie an. Das war schon was anderes, da kam die ganze Kolonie zusammen, und ich hatte Samenerguss." Leider wurden die verhaltensgenetischen Bedingungen der Brandstiftungen nicht so griindlich wie diejenigen der Sexualmorde erhoben: Wahrend fiir letztere eine klassische

1.3 Bedeutsame Gerichtsverhandlungen Konditionierung zumindest als Teilkomponente wahrscheinlich ist (erstmalige sexuelle Empfindungen wahrend des Zuschauens bei einer Tierschlachtung), kann derartiges fiir die Brandstiftungen nur vermutet werden. Kiirten berichtete auch, dass er spontan zum Orgasmus gekommen sei, wenn er Zeuge von Unfallen gewesen sei. Wie bei den Brandstiftungen wurde er von dem Menschenauflauf, den entsetzten Ausrufen der Zuschauer und dem Schreien der Vemngluckten sexuell erregt. Hinsichtlich der Steuemngsfahigkeit lieB sich Kiirten selbst fiir alle Delikte wie folgt ein: "Ich mochte aber betonen, dass ich auch des Triebes Herr werden konnte." Keiner der drei Gutachter (Berg, Bettburg, Sioli) empfahl eine De- Oder Exkulpierung; Kiirten wurde 1931 hingerichtet. Die Biografie von Christian R., einem der Tater des Solinger Brandanschlages, der fiinf Menschen das Leben kostete, wurde vom Sachverstandigen als paradigmatisch fiir junge Delinquenten mit auslanderfeindlichen Gewalttaten angesehen (Eggers 1996): Der zur Tatzeit 16 Jahre alte Proband war ohne Vater aufgewachsen, als Saugling weggegeben und von der iiberforderten leiblichen Mutter spater oft geschlagen und unverhaltnismaBig hart bestraft worden, so dass er sich niemals als richtig akzeptiert empfinden konnte. Diese friihen, sich wiederholenden Verletzungen bewirkten eine Art Panzerung des sich entwickelnden Charakters, so dass der Proband nicht die Erfahrung "behiiteter Hilflosigkeit" machen und so Vertrauen und Empathie fur andere entwickeln konnte. Das Resultat war eine "friihe Stoning" mit Aggressionsdurchbriichen (u. a. einer nicht polizeibekannt gewordenen friiheren Brandstiftung), narzisstischen und autistischen Ziigen mit einem ausgepragten Selbsthass. Christian R. identifizierte sich mit dem von der Mutter stets als "Verbrecher" bezeichneten Vater, sagte dem Gutachter: "Ich habe mich auch als Verbrecher gefuhlt", erlebte sich als bose und entwickelte ein Selbstbild, das mit "ich bin bose, deshalb werde ich geschlagen, und deswegen muss ich schlagen" charakterisiert werden konnte. Angesichts des real fehlenden Vaters sehnte er sich stets nach einem solchen und projizierte diese vergebliche Vatersuche auf einen fantasierten, autoritar-destruktiven Staat mit Ziigen der Gewaltherrschaft, so dass sich eine rechtsradikale Einstellung entwickelte. Um nicht standig Hassgefiihle gegen sich selbst zu verspiiren, richtete er seine negativen Emotionen gegen alles Storende, Unbekannte und Fremde, so wie er selbst fur seine Mutter storend und fremd gewesen war. Die Tat als solche war Ausfluss seines in die AuBenwelt projizierten, sich als Fremdenfeindlichkeit manifestierenden Selbsthasses. Gutachtlicherseits wurden die Voraussetzungen einer schweren anderen seelischen Abartigkeit (ausgepragte autistisch-schizoide Personlichkeitsstorung auf dem Boden multipler kindlicher psychischer Traumatisierungen) gemaB

8

1 Einleitung

§ 21 StGB angenommen (Eggers, pers. Mitteilung); der Proband erhielt mit zehn Jahren Haft die Hochststrafe.

1.4 Entwicklung der juristischen Bewertung Wahrend JRir die meisten Tatbestande im antiken Rom als "delicta privata" analog den heutigen zivilrechtlichen Regelungen lediglich eine an den Geschadigten zu zahlende GeldbuBe vorgesehen war, wurde Brandstiftung in der altesten Quelle romischen Rechts (Zwolf-Tafel-Gesetz, 450 v. Chr.) bereits als gegen die AUgemeinheit gerichtetes Kapitaldelikt mit dem Tode bedroht, wahrend auBerhalb des romischen Rechtskreises weitgehend Privatstrafrecht gait: In den in sogenannten Volksbiichem aufgezeichneten westgermanischen Stammesrechten (ca. 500 v. Chr.) wurden Brandstiftungen, sofem nicht Friedlosigkeit oder Fehde eintrat, iiberwiegend mit BuBe geahndet und dem Geschadigten nur in besonders schweren einzelnen Fallen Gewaltrechte gegeniiber dem Tater, ganz selten sogar dessen Totung, eingeraumt. In der sich anschlicBenden Zeit der Rechtsbticher (ca. 900 bis 1500) traten mit dem ausgehenden Mittelalter durch den Wandel vom (durch die Sippe geregelten) Privatstrafrecht zum (vom Staat vertretenen) peinlichen offentlichen Strafrecht Lebens- und Leibesstrafen an die Stelle der BuBen. Die vorsatzliche, jetzt als "Mordbrand" (was nicht etwa den dadurch erfolgten Tod eines Menschen bedeutete) bezeichnete Brandstiftung wurde nun fast ausnahmslos mit dem Tode bestraft, was vor allem auf die inzwischen erhohte Gefahrlichkeit eines Brandes in den meist in Holzbauweise errichteten Stadten zuriickzufiihren war. Als im 18. Jahrhundert im Rahmen der Auflklarung eine Humanisierung des Strafrechtes mit weitgehendem Ersatz der Todes- und Leibesstrafen durch Freiheitsstrafen zu verzeichnen war, blieb fiir die vorsatzliche Brandstiftung die Todesstrafe erhalten, unter Umstanden noch gescharft durch Schleifen zur Richtstatte und andere Erschwemisse; allerdings gait im 19. Jahrhundert im preuBischen Landrecht 30 Jahre lang eine Ausnahmeregelung ftir unter Pyromanie leidende Angeklagte, die zu exkulpieren waren. Das 1871 erlassene Reichsstrafgesetzbuch schlieBlich ist der direkte Vorlaufer unseres heute noch bezuglich der Brandstiftung fast unverandert geltenden Rechts, das nur wahrend der Nazi-Diktatur durch eine am Tag nach der Reichstagsbrandstiftung erlassene Notverordnung, nach der

Die Ausfuhrungen folgen Mommsen (1952) und Geerds (1962); zur Entwiclung des Schuldfahigkeitsbegriffs s. Baer (1998)

1.5

Entwicklung der psychiatrischen Begutachtung

die qualifizierte Form der aufruhrerischen Brandstiftxing statt wie bisher mit Zuchthaus jetzt mit dem Tode bestraft wurde, auBer Kraft gesetzt war. Im gegenwartigen Recht* wird bei der einfachen Brandstiftung (§ 308 StGB) Fremdbrandstiftung im Grunde als qualifizierte Form der Sachbeschadigung aufgefasst, weil nur das Individualrechtsgut "Eigentum" geschiitzt werden soil. Die Eigenbrandstiftung als eigentlicher Grundtatbestand aller Brandstiftungstatbestande stellt jedoch als Sozialdelikt die Gemeingefahrlichkeit in den Vordergrund. Weiterhin ist die Tat auf bestimmte Objekte beschrankt (Gebaude, Hiitten, Schiffe, Feld, Friichte u. a.), die 1871 fiir die AUgemeinheit von Bedeutung waren. Viele juristische Praktiker sehen heute die gesetzliche Regelung der Brandstiftung u. a. deshalb als reformbedurftig an, weil inzwischen bedeutsame Objekte nicht in der gesetzlichen Aufstellung enthalten sind und sich eine Gemeingefahrliclikeit unter verbesserten Baubedingungen nicht mehr zwanglos aus Brandstiftungen in Gebauden ergibt (s. S. 43). Die qualifizierte Form der schweren Brandstiftung (§ 306 StGB) erfasst an tiber die Aufzahlung in § 308 StGB hinausgehenden Objekten typischerweise von Menschen benutzte Aufenthaltsraume mit dem kriminalpolitischen Hintergrund der Verhinderung menschengefahrdender Brandstiftungen; die der besonders schweren Brandstiftung (§ 307 StGB) hebt auf die Verursachung des Todes von Menschen bzw. eine besonders intensive kriminelle Energie (Unbrauchbarmachen oder Entfemen von Loschgeraten, Begehungsbrande) ab.

1.5 Entwicklung der psychiatrischen Begutachtung Nachdem bereits in der Bambergischen Halsgerichtsordnung von 1507 diejenigen Tatbestande, bei denen Arzte und Wundarzte um Rat gefragt werden soUten, aufgelistet worden waren, bestimmte die 1533 erschienene peinliche Gerichtsordnung Kaiser Karls V. explizit gesetzlich, wann Arzte, Chimrgen und Hebammen als richterliche Berater tatig zu werden hatten. Es handelte sich um somatische Fragestellungen wie Todesursachenfeststellung, Bestimmung von Verletzungsfolgen usw. Mit Beginn der Aufklarung wurden religiose und spekulativ-irrationale Anschauungen iiber die Ursachen von Geistesstorungen durch medizinische Theorien abgelost und der gutachtliche Zustandigkeitsbereich der Arzte dehnte sich allmahlich auf psychische Storungen aus. Diese Entwicklung setzte sich jedoch nur langsam durch: 1740 musste J. E. Platner die Beriicksichtung arztUcher Gutachter bei rechtlichen psychiatrischen Fragen nachdrucklich anmahnen (J. E. Platner 1740) und noch 1798 vertrat Kant seine beruhmte These, *Nach AbschluB des Manuskriptes wurde die geltende gesetzliche Regelung geandert (§§ 306, 306a-306f StGB).

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1 Einleitung

dass psychische Storungen ohne begleitende korperliche Symptome ("Irrereden ohne Fieber") in den Kompetenzbereich der philosophischen Fakultat falle (Kant 1980). Die fur die medizinischen Fakultaten erfolgreiche, von Metzger (1803) und Hoffbauer (1808) vertretene Gegenmeinung stiitzte sich auf die auch fur psychische Erkrankungen ohne korperliche Symptome zu vermutende somatische Gmndlage, die Tatsache von Wechselwirkungen zwischen Korper und Seele sowie das empirische Vorgehen der Arzte im Gegensatz zum lediglich theoretischen der Philosophen. Vor diesem Hintergrund waren bis zum Anfang des 19. Jahrhunderts in fast alien deutschen Staaten gesetzliche Bestimmungen, dass bei "zweifelhaften psychischen Zustanden" richterlicherseits ein arztliches Gutachten eingeholt werden soUe, eingefiihrt (Friedreich 1852). Mit der besonders beim liberalen Biirgertum und an den Universitaten herrschenden Aufgeschlossenheit fur neue, fortschrittsverheiBende wissenschaftliche Erkenntnisse wurde auch das Bediirfnis einer starkeren Berticksichtigung psychologischer Gesichtspunkte in der Rechtspflege artikuliert (von Eckhartshausen 1791, Hoffbauer 1803, Miinch 1799, Schaumann 1792). "Gerichtliche Psychologic" wurde fester Bestandteil der seinerzeit unter Bezeichnungen wie "Staatsarzneikunde", "Gerichtliche Arzneiwissenschaft" Oder "Gerichtliche Wundarzneikunst" firmierenden Rechtsmedizin. Sie wurde von intemistischen, gynakologischen oder chimrgischen, spater psychiatrischen Lehrstuhlinhabem vertreten, wie erste Zeitschriften, beispielsweise "Kleins Annalen" (der Gesetzgebung und Rechtsgelehrsamkeit, seit 1781), "Menkes Zeitschrift" (fiir Staatsarzneikunde, seit 1815), "Kopps Jahrbuch" (fur Staatsarzneikunde, seit 1808), "Horns Archiv" (fiir medizinische Erfahrungen, seit 1829) und "Hitzigs Annalen" (der deutschen und auslandischen Criminal-Rechts-Pflege, seit 1818) zeigen, in denen Gerichtsentscheide und Gutachten mitgeteilt wurden. Die ersten Lehrbucher fiir gerichtUche Psychologic (Friedreich 1835, Marc 1843/44, Ideler 1857, Wilbrand 1858) wurden bereits von ausschhcBlich psychiatrisch tatigen Fachvertretem verfasst. Ende des 19. Jahrhunderts hatte sich in Fragen der Zurechnungsfahigkeitsbeurteilung die Bestellung arztlicher Sachverstandiger durchgesetzt und war zur gangigen Gerichtspraxis geworden; 1901 wurde Psychiatric Priifungsfach im medizinischen Staatsexamen, damit den Gerichten kompetente Gutachter in ausreichender Zahl zur Verfiigung stiinden.

2 Psychiatrie der Brandstiftung 2.1 Die Pyromaniediskussion bis Jessen (1860) In der ersten Halfte des 19. Jahrhunderts ziehen sich dieselben besonders instruktiven oder umstrittenen Kasuistiken, die immer wieder zitiert, bearbeitet und neu interpretiert wurden, wie ein roter Faden durch die wissenschaftliche Diskussion innerhalb der "Staatsarzneikunde". Gegenstand der groBten Kontroverse dieser forensisch-psychiatrischen Frixhzeit war die Brandstiftung. Den Beginn markiert der Fall der Maria Kalinowska (Criminaldeputation des Koniglich PreuBischen Kammergerichts 1794), der in nahezu alien spateren Abhandlungen des Themas auftaucht: Fine 17-jahrige Bauemmagd verspiirte nach ausgiebigem Besuch einer Tanzveranstaltung den Gedanken in sich aufsteigen, Feuer anzulegen. In den folgenden Tagen war sie erkaltet, verhielt sich dabei unauffallig, litt aber unter nicht naher bezeichneten Angst- und Unruhezustanden. SchlieBlich "wusste ich nicht, was ich that; ich konnte mich des Gedankens, Feuer anzulegen, schlechterdings nicht erwehren und beging die That, um meine Angst loszuwerden". Das Gericht folgerte, dass die ungewohnliche Erhitzung durch das Tanzen und die nachfolgende Erkaltung "nachtheilig auf die Seelenkrafte eines so jungen Madchens" gewirkt hatten und nahm an, dass sie in einem "nicht ganz (willens-) freien Zustand gehandelt" habe. "Nichts desto weniger lasst sich von ihr nicht behaupten, dass sie gar keiner Zurechnung fahig sei". In der Debatte der nachsten Jahrzehnte wurde diese Tat als "motivlos" betrachtet. Jessen (1860, S. 20), der mehr als 60 Jahre spater die gesamte Literatur zu dem Thema gesichtet hat, bemerkte zu diesem Gerichtsentscheid: "Der hypothetische Krankheitszustand, welcher jetzt unter Pyromanie verstanden wird, ist also zuerst von einem Gericht beobachtet und als das, was spater Monomanie genannt woirde, aufgefasst worden" und fugte unterschwellig tadehid hinzu, dass die Probandin seinerzeit nicht gerichtsarztlich begutachtet worden war. Knapp zwanzig Jahre nach dem Fall Kalinowska waren die Anschauungen Esquirols iiber die Monomanie, die spater von Marc auf die von ihm so genannte Pyromanie ausgeweitet vvoirden (s. S. 19), in Deutschland noch nicht rezipiert, jedoch so viele Gutachten und Gerichtsurteile iiber Brandstiftungen durch meist jugendliche landliche Dienstboten veroffentlicht worden, dass sich Henke (1817) zu einer Zusammenstellung der bemerkenswertesten Falle veranlasst sah. Er verwandte dazu sechs, im Original heute sehr schwer, in einer posthumen Neuausgabe (E. Platner 1824) leich-

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2 Psychiatrie der Brandstiftung

ter zugangliche, zwischen 1797 und 1810 von E. Plainer abgegebene Gutachten und 14Falle aus "Kleins Annalen", unter ihnen der Fall Kalinowska. Bei den 14 Fallen aus "Kleins Annalen" verzeichnete Henke 9 Mai als Hauptmotiv den Wunsch, aus dem Dienst zu kommen, oft verbunden mit der Nebenabsicht, dem Dienstherren "einen Possen zu spielen"; 4 Mai fand das zugrunde liegende Motiv in der Originalkasuistik keine Erwahnung und in einem ahnlich demjenigen der Kalinowska gelagerten Fall wurde als Motiv das Bestreben, einen nicht naher bezeichneten Unruhezustand zu beenden, angegeben. Unter den Platner'schen Gutachten sticht das mit "De amentia occulta II" betitelte (E. Platner 1824, S. 13-18) hervor, das von einem 17-jahrigen, an Epilepsie leidenden Landmadchen berichtet, das Suizidgedanken hatte und Brandstiftung in engem zeitlichen Zusammenhang mit Menstruationsbeschwerden begangen hatte, "um sich von ihrer driickenden Angst zu befreyen". Platner hatte Motivlosigkeit konstatiert, jedoch gleichwohl geschlussfolgert, dass die Probandin uneingeschrankt verantwortlich sei. Erst die Leipziger medizinische Fakultat kam zu dem Schluss, dass "es nicht mit Wahrscheinlichkeit zu behaupten sey, dass die Inquisitin... den freien Gebrauch ihres Verstandes gehabt habe" (Henke 1817), folgte damit Platners Diagnose einer amentia occulta (verborgenen Seelenstorung), nicht jedoch seiner forensisch-psychiatrischen Beurteilung, und verwandte sich fur einen Freispruch. In den librigen fiinf Platner'schen Fallen, bei denen vier Mai der Wunsch, aus dem Dienst zu kommen, verbunden mit Heimweh und/oder BoswilUgkeit eine Rolle spielten, konstatierte Platner drei Mai die sogenannte venia aetatis (kindische Einfalt und Unreife des Verstandes, seinerzeit ein Strafmilderungsgrund) und zwei Mai uneingeschrankte Verantwortlichkeit. Die innere Widerspriichlichkeit des ersten Platner'schen Gutachtens, bei dem dieser eine amentia occulta auf Grund des Mangels einer causa facinoris (Motivation) fur die Tat diagnostizierte, die Probandin jedoch fiir schuldfahig erachtete, bleibt auch in der Henke'schen Bearbeitung unaufgelost. Aus der Zusammenschau aller zwanzig Gutachten tiber die samtlich zwischen zehn und zwanzig Jahre alten Angeklagten folgerte Henke: "Ich gebe gem zu, dass bei einigen rein kindische Einfalt und Sorglosigkeit, bei anderen Rohheit und ganzlicher Mangel an religiosen und sittlichen Begriffen, bei einem oder dem anderen Rachsucht, Bosheit und wirklich verbrecherische Gesinnung die Ursache der Brandstiftung gewesen sey. Aber es ist doch unverkennbar, dass bei mehreren ein ungewohnlicher und krankhafter psychischer Zustand vorhanden war, der mit der unregelmaBigen, bald verspateten und gehemmten, bald gestorten Entwicklung, die den Eintritt der Mannbarkeit begleitete, zusammenhing. Sonach glaube ich mit Recht den Satz aufstellen zu konnen: Die bei jugendlichen Individuen

2.1 Die Pyromaniediskussion bis lessen (1860)

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haufig sich auBemde Feuerlust und Neigung zur Brandstiftung ist nicht selten eine Folge eines regelwidrigen korperlichen Zustandes, besonders einer unregelmaBigen organischen Entwicklung zur Zeit der Annaherung Oder des Eintrittes der Maimbarkeit." Moglicherweise angeregt durch die in den Originalpublikationen fur sechs der zwanzig Falle mitgeteilte, in seiner Bearbeitung nicht erwahnte depressive und suizidale Begleitsymptomatik, wahrscheinlich jedoch, weil eine derartige Erklarung in sein "organisches" Krankheitskonzept passte und dem naturphilosophischen Zeitgeist entsprach, ftihrte Henke als mogliche Ursache der jugendlichen Feuerlust und Neigung zur Brandstiftung eine Passage aus der kurz zuvor erschienenen Monografie von Osiander (1813, S. 107) iiber den Selbstmord an: "Wahrscheinlich ist die Feueroder Lichtgier in der Entweichung des arteriosen Blutes an einer, und Anhaufung des venosen Blutes an einer anderen Stelle, besonders in der Gegend der Augennerven, begriindet, gerade alsdann, wenn bei der Pubertatsentwicklung das Blut seine Richtung nach den Geschlechtstheilen nimmt. Wegen dieser, manchmal lebenslang fortdauemden korperlichen Ursache ist diese Feuerlust zuweilen so unwiderstehlich, dass auch abgestrafte Feuerstifter das Feueranlegen nicht lassen konnen, wenn sie gleich wissen, dass die Todesstrafe ihrer wartet. Aus eben diesem Grunde aber, weil sie einen unbezwinglichen Hang zum Feuerlegen bei sich fuhlen, werden sie auch zuweilen Selbstmorder." Wegen dieser eher beilaufigen Bemerkung bezeichnen die meisten einschlagigen Arbeiten der letzten 150 Jahre Osiander als Schopfer der Pyromanielehre, ein kleinerer Teil nennt Platner; die Arbeiten beider wurden jedoch erst von Henke zur Begriindung seiner Auffassung von der "Neigung zur Brandstiftung bei jugendlichen Individuen" zusammengefiihrt. Die vermeintliche physiologische Grundlage der "Feuerlust" machte es Henke leicht, sich nachdrticklich ftir eine arztliche Begutachtung einzusetzen: "Diese nicht leichte Aufgabe vermag kein Philosoph zu losen, und ware er ein Kant, Fichte, Schelling u. s. f.... nur ein tuchtiger Arzt, der zugleich Psycholog ist, ein Mann, dem ein Ernst Platner, Reimarus, Reil wurdige Vorbilder sind, ist dieser Aufgabe gewachsen." Henke gab auch Regeln an, die ftir Brandstiftung als Folge gestorter Pubertatsentwicklung sprachen:

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1. Alter zwischen 12 und 20, in Einzelfallen 10 bis 24 Jahre 2. Symptome einer disharmonischen korperlichen Entwicklung wie zu schnelles oder zu langsames Wachstum, ungewohnliche Mixdigkeit, Driisenschwellungen usw. 3. Fehlende, verspatete oder sistierende Menstruation 4. Storungen der BlutgefaBe (Wallungen, unregelmaBiger Puis, Kopfweh durch starken Blutandrang, Schwindel, Angst und Beklemmungen durch Blutanhaufung in der Brust) und des Nervensystems (Zittem, Krampfe, Zuckungen) sowie alle offensichtlichen Symptome von Geistesstorungen. Als funfte und letzte Regel fuhrte er an: 5. "Die Abwesenheit der positiven Merkmale offenbarer Geisteszerriittung, sowie Zeichen... aus denen Bewusstseyn und freier Verstandesgebrauch scheinbar erwiesen sind, dtirfen den Arzt nicht irrefiihren. Es gibt einen Zustand der (Willens-) Unfreiheit bei anscheinend nicht gestortem Verstande", womit er offensichtlich auf die sich gerade aus Frankreich ausbreitende Monomanielehre rekurrierte, ohne sie ausdriicklich zu nennen. Die Henke'sche Theorie wurde rasch aufgegriffen: Meckel (1820) veroffentlichte ein umfangreiches Gutachten uber ein 16-jahriges Madchen, das vier Mai Feuer gelegt hatte und auf den Gedanken zur ersten Brandstiftung gekommen war, nachdem es in ihrem Dorf gebrannt hatte. In Vernehmungen und Explorationen hatte nicht geklart werden konnen, ob sie zu den Taten moglicherweise angestiftet worden war. Die Genitalien der Probandin fanden die Gerichtsarzte wie bei einer Erwachsenen entwickelt, die Menstruation war jedoch noch nicht eingetreten. Aus diesem "regelwidrigen korperlichen Zustand" schloss Meckel, dass eine Stoning der korperlichen Entwicklung vorlage und fiihrte unter Berufung auf Henke den neuen Terminus des "Brandstiftungstriebes" ein, den er als "neue Entwicklungskrankheit" bezeichnete. Fiir den Fall, dass die Probandin angestiftet worden sei, sei dieser Trieb allein zur Auslosung der Taten zu schwach ausgepragt gewesen und der Anstifter habe ihn sich zur Verwirklichung seiner Absichten zunutze gemacht; sei die Probandin nicht angestiftet worden, sei der Trieb durch vorzeitige Reizung der Genitalorgane zum Ausbruch gekommen. Unter Bezugnahme auf die von Henke geschilderten Falle, bei denen oft Heimweh oder Rache als Motiv vorhanden waren, argumentierte Meckel, dass der dort in Folge von Entwicklungsstorungen vorhandene Brandstiftungstrieb sozusagen latent vorhanden

2.1 Die Pyromaniediskussion bis lessen (1860)

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gewesen und erst durch das Hinzutreffen dieser motivationalen Komponenten gewissermafien offenkundig und beobachtbar geworden sei. Seine Gutachtenprobandin habe, da sie die Brande jeweils selbst gemeldet hatte, "noch Anzeichen vemunftiger Uberlegung" geboten, so dass sie "in einem unvollkommenen Zustand des Bewusstseins", nicht jedoch "ohne Bewusstsein" gehandelt habe. Wenig spater nahm Masius (1822) den "krankhaften Brandstiftungstrieb" in sein gerichtsmedizinisches Lehrbuch auf. Bin solcher durfe im Allgemeinen angenommen werden, wenn folgende Bedingungen erfiillt seien: l.Kein anderes Motiv wie Bosheit oder Zom, Rachsucht, Arger und Heimweh 2. Symptome eines regelwidrigen Entwicklungsprozesses. Letztere konnten sich nach der Henke'schen Lehre korperlich zeigen (vor allem Wachstums- und Menstruationsanomalien), wurden sich aber besonders psychisch manifestieren. Neben "Melanchohe, Wahnsinn und ToUheit" kamen auch psychische Alterationen vor, die "so verborgen sind, dass nur ein geiibtes Auge sie zu entdecken vermag. Man bemerkt bey solchen Individuen langere Zeit vor der Brandstiftung einen schwermuthigen Gesundheitszustand, stilles und in sich gekehrtes Wesen, ungewohnUche Reizbarkeit und Heftigkeit, gedankenloses Hinstarren auf einen Fleck, besonders haufiges und langes Hinstarren ins Feuer, Weinen ohne Ursache, Klagen tiber driickende Angst, Trieb zum Selbstmord", womit Masius Passagen aus den von Henke bearbeiteten Kasuistiken wiedergab. In "hochst seltenen Fallen" allerdings auBere sich der Brandstiftungstrieb ohne alle sichtbaren Zeichen eines somatischen Leidens und "ohne dass man irgend eine Abweichung der Seelentathigkeit von ihrer Normalitat, selbst auch nicht kindischer Einfalt, wahrgenommen hatte". Als Henke (1824) seinen friiheren Zeitschriftenartikel in den Anhang zu seinem gerichtsmedizinischen Lehrbuch tibemahm, lieB er die Bedeutung der bei den meisten seiner Falle vorhandenen motivationalen Faktoren weiterhin offen, wahrend Vogel (1825, S. 161) den Brandstiftungstrieb "nicht selten durch besondere zufallige Veranlassung, als Rachsucht, Hass, boshaften Muthwillen, Schadenfreude, oder Heimweh, Unzufriedenheiten der Lage, begiinstigt und zur Ausfiihrung gebracht" sah: "Ein innerlicher unuberwindlicher Drang zum Feuerlegen ohne alle Absicht und Ursache wtxrde den Falle hauptsachlich bezeichnen, der keine Zurechnung zulieBe; obgleich aus dem Vorliegenden erhellet, dass auch bei dem zweck- und

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planmaBigen Verfahren in voller Besonnenheit die Zurechnung wegfallen kann". Hatte Henke noch von "Neigung zur Brandstiftung" gesprochen, machte Meckel daraus einen "Brandstiftungstrieb" und Masius und Vogel tibernahmen diesen Terminus. Einigkeit bestand daruber, dass eine mit der gestorten Entwicklung wahrend der Pubertat zusammenhangende somatische Grundlage vorhanden sei, die sieh allerdings durch die korperliche Untersuchung nicht immer nachweisen lasse. Uber die "fixe Idee", Feuer legen zu miissen, hinausgehende psychische Auffalligkeiten seien oft, jedoch nicht notwendigerweise vorhanden. Die RoUe normalpsychologischer Motive fur das Manifestwerden einer latenten Disposition zur Brandstiftung war umstritten. Das Phanomen der pathologischen Brandstiftung an sich war jedoch nicht in Frage gestellt worden, so dass das preuBische Justizministerium von der wissenschafthchen Deputation fur das Medizinalwesen ein Gutachten hieruber anforderte, welches nahezu wortgleich mit Henke formulierte, "dass die jugendliche Brandstiftung nicht selten Folge eines regelwidrigen korperlichen Zustandes, besonders zur Zeit der Entwicklung" sei. Als Folge dieser Stellungnahme wurden 1824 alle preuBischen Gerichte per Reskript aufgefordert, bei jeder derartigen Brandstiftung ein arztliches Gutachten einzuholen (Wilbrand 1858, S. 511-12), das von einer hoheren Medizinalbehorde liberpnift zu werden hatte (Henke 1831), womit die Henke'sche Theorie gewissermaBen legislative Bedeutung erlangt hatte. Erster Widerspruch kam von Flemming (1830), der "Neigung zur Brandstiftung" (Henke) und "krankhaften Brandstiftungstrieb" (Meckel, Masius, Vogel) synonym verwandte. Abgesehen davon, dass es weder innoch auslandische Statistiken gabe, die eine besondere Affinitat Jugendlicher zur Brandstiftung bewiesen, erklare sie sich - eine solche besondere Affinitat einmal vorausgesetzt - "aus der Unbesonnenheit und dem Leichtsinne, dem Muthwillen und der Widerspenstigkeit, der Schwache und der Freiheit der Jugend, aus der Leichtigkeit, mit der das Verbrechen der Brandstiftung begangen und verheimlicht werden kann, und dadurch, dass das selbe dem Schwachen ein so sicheres Mittel darbietet, der Rachsucht, Bosheit und Schadenfreude zu geniigen. Daraus ergibt sich, dass diese Thatsache nicht nothwendig mit der in eben diesem, wenn auch etwas engeren Zeitraum fallenden Geschlechtsentwicklung im Zusammenhang stehen muss". Flemming wies weiterhin nach, dass sich der Brandstiftungstrieb nach den Formulierungen seiner Protagonisten darauf reduzieren lieB, ein Feuer anschauen zu wollen - Feuerlust, Feuergier, Lichtgier waren die Termini - und ftihrte zwei Henke'sche Falle an, die sich sogleich nach dem Entziinden des Feuers entfemt, eine sich zu suizidieren versucht

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hatte, was nicht gut zu der angenommen "Lichtgier" passen konne. Er zog die Osiander'sche Hypothese einer mangelnden okularen Blutversorgung wahrend der Pubertat erfolgreich in Zweifel und unterzog schlieBlich alle 20Falle von Henke einer Reanalyse, wobei er 16 Mai ein eindeutiges normalpsychologisches Motiv vorliegen fand (was in der Henkeschen Arbeit als solches auch geschildert, jedoch nicht kommentiert worden war). In 3 Fallen ohne offensichtliches Motiv habe "ein zweifelhafter psychischer Zustand" vorgelegen: "Aber ich bin der Meinung, dass dieser krankhafte Seelenzustand... ebenso wohl zu jeder anderen gewaltsamen und ungesetzlichen Handlung, wie zur Brandstiftung hatte anregen konnen und dass die letztere nur eine zufallige Weise der krankhaften SeelenauBerung ist". Bei diesen drei Fallen ohne nachweisbares Motiv handelte es sich um den Fall Kalinowska, E. Platners "De amentia occulta IF' und den Fall der Magdalena Klein von Settegast und Uhich (1825, s. S. 22). In seiner Erwiderung auf Flemming verwahrte sich Henke (1831) zunachst gegen den ihm unterstellten Terminus des "krankhaften Brandstiftungstriebes" und prazisierte, dass es sich bei der von ihm so bezeichneten "Neigung zur Brandstiftung" oder "Feuerlust" um einen haufig vorkommenden Fehlentwicklungsvorgang wahrend der Pubertat handele, der meist ohne grobere Verhaltensauffalligkeiten verlaufe und sich mit haufigem Blicken ins Feuer, groBem Interesse an diesem usw. bemerkbar mache, sich jedoch mit Abschluss der Entwicklung zum Erwachsenen von selbst verliere, und der lediglich in seltenen Fallen auch einmal zu Brandstiftungen fiihren konne, besonders unter dem Einfluss begleitender somatischer oder psychischer Storungen. Selbstverstandlich seien die weitaus meisten Brandstiftungen Jugendlicher das Ergebnis normalpsychologischer bzw. krimineller Motive, es gabe jedoch unbestreitbar Einzelfalle, wo dem nicht so sei. Seien bei jugendlichen Brandstiftem offenkundige Anzeichen einer Seelenstorung zu beobachten, eriibrige sich, nach einer "entwicklungsbedingten Neigung zur Brandstiftung" zu suchen, da sich die Tat aus der beobachteten Seelenstorung erklare, sei dem aber nicht so und besttinden korperliche Symptome einer gestorten Entwicklung und andere psychische Auffalligkeiten, sei es angezeigt, nach der von ihm nunmehr so bezeichneten "krankhaften, instinctartig wirkenden, Feuerlust" zu suchen. Wo ein normalpsychologisches Motiv ermittelt worden sei und keine korperlichen oder seelischen Auffalligkeiten geftinden worden seien, sei selbstverstandlich keine Entwicklungskrankheit vorhanden. Die Ermittlung eines Motivs allein geniige allerdings noch nicht, um Zurechnungsfahigkeit zu beweisen, "denn Affecte und Leidenschaften konnen auch bei notorischen Irren wirksam werden." Henke raumte ein, dass die "instinctartige Feuergier" als Folge des erwahnten Reskripts der preuBischen Re-

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gierung moglicherweise zu haufig diagnostiziert werde und er ihre Haufigkeit moglicherweise uberschatzt habe, "gesetzt aber, es ergabe sich unter 10, 15, ja 20 nur ein einziger solcher Fall, ware darum die richtige Wiirdigung eines solchen durch leibliche und psychische Storungen bedingten unfreien Zustandes, der die Zurechnung aufhebt, weniger nothig und unerlasslich?" Noch im Jahre seines Erscheinens wurde das Hauptwerk von Esquirol (1838) ins Deutsche iibersetzt. Sein Lehrer Pinel hatte bekanntlich vier Arten von Geisteskrankheiten unterschieden: Manie (allgemeines Delirium mit Aufregung, Reizbarkeit und Neigung zur Wut), Melancholie (partielles Delirium mit Schwache, Triibsinn und Neigung zur Hoffnungslosigkeit), Demenz (Schwache der Verstandes- und Willenskrafte) sowie Idiotismus (Stumpfsinnigkeit mit Verlust jeglicher Charakterbestimmtheit und hochster Beschrankung des Denkvermogens). Esquirol modifizierte dieses System: Idiotismus und Demenz blieben erhalten, ebenso die Manie als allgemeines Delirium. Aus der Melancholie wurde die Lypemanie als partielles Delirium mit Triibsinn, der die Monomanie als partielles Delirium ohne Triibsinn mit dem Spezialfall der Monomanie ohne Delirium neu hinzugefiigt wurde. Esquirol unterschied drei Monomanieformen: 1. Intellektuelle Monomanie (mit Delirium) als vorwiegende Intelligenzstorung mit Halluzinationen und Wahn, der sich jedoch auf ein eng umgrenztes Gebiet beschranken konnte, als Beispiel fiihrte er die Erotomanie an. 2. Affektive Monomanie (ohne Delirium), synonym verwandte er den Terminus "Monomanie raisonnante". Postuliert wurde eine vorwiegende Stoning der Gefuhle, die sich in einem Wechsel des Charakters und der Neigungen und Vorheben des Patienten auBere, wobei die LiteUigenz ungestort sei, da die neuen Charaktereigenschaften und Vorlieben vom Patienten logisch, z. T. rabulistisch (daher "raisonnante") begrundet wiirden. Die von Esquirol fiir diese Gruppe aufgefuhrten Fallbeispiele (Esquirol 1838, Bd. 2, S. 26-37) lassen sich nicht in heutigen diagnostischen Kategorien fassen, am ehesten diirfte es sich noch um residuale und himorganische Bilder, auch psychogene Entwicklungen und sicherlich Patienten mit hypomanen Symptomen gehandelt haben. 3. Instinktive Monomanie (ohne Delirium) als Willenskrankheit: "Bald ist der Wille verletzt, und der Kranke wird zu Handlungen hingezogen, zu denen ihn weder Vemunft, noch Gefiihl bestimmen, und welche sein Gewissen missbilligt. Aber er hat nicht die Kraft, sie zu unterdriicken, die Handlungen geschehen unfreiwiUig, instinctartig ..." (Esquirol 1838, Bd. 2, S. 1-2). Die anschaulichsten Beispiele beziehen sich auf die

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Mordmonomanie (Esquirol 1838, Bd. 2, S. 51-69). Esquirol schildert hier gut erkennbar mehrere Zwangskranke, beispielsweise cine Mutter, die immer wieder den Gedanken bekommt, ihrem Kind etwas anzutun, ohne dies jemals auszufuhren. Esquirol erwahnt sogar, dass die Erkrankung oft im Alter zwischen acht und zehn Jahren beginne. Weiterhin werden Patienten, die unter dem Einfluss imperativer Gehorshalluzinationen gewalttatig werden und eine Patientin mit melancholischer Totungsabsicht gegenixber ihrem Kind (um diesem die Schande einer ins tiefste Ungliick gesturzten Mutter zu ersparen) geschildert. Bei einigen Fallen konnte es sich um Totungsdelikte im Initialstadium einer Schizophrenie gehandelt haben: "Die (Mord-, d. Verf.) Monomaniaci, welche ihren Versuch ausgefiihrt haben, genesen selten; ich habe wenigstens nicht einen gesehen, der, nachdem er einen Mord begangen, seinen Verstand wiedererlangt hatte" (Esquirol 1838, Bd. 2, S. 56). SchlieBlich sind eine ganze Reihe von Kasuistiken nach heutigen MaBstaben nicht einzuordnen. Was die "Brandmonomanie (Monomanie incendiaire)" betrifft, bemerkt Esquirol, selbst keine derartigen Falle beobachtet zu haben (Esquirol 1838, Bd. 2, S. 41) und referiert die entsprechenden Ausfiihrungen von Marc (1833), betitelte den entsprechenden Abschnitt auch "Pyromanie Marc's." Die von Esquirol fur viele seiner Kasuistiken benutzte Quelle findet sich auch in dem Lehrbuch von Marc (1843/44), der in einer historischen Reminiszenz bemerkte, dass Michael Ettmuller (1644-1685) als erster von "melancholia sine delirio" sprach: "Er (Ettmtiller, d. Verf.) zitiert sogar bei dieser Gelegenheit zwei Beobachtungen von Platner, von denen eine eine Mutter betrifft, welche mehrmals von dem Verlangen gequalt worden war, ihr Kind zu ermorden. In der anderen ist die Rede von einer Frau, welche oft das Verlangen empfand, Gotteslasterungen auszustoBen. Beide Personen gewannen es indes liber sich, diesen Antrieben Widerstand zu leisten" (Marc 1843/44, Bd. 1, S. 160). Li dem Abschnitt tiber Pyromanie referiert Marc im Wesentlichen die deutsche Diskussion um den Brandstiftungstrieb von Henke bis Flemming und ordnet die samtlich wiedergegebenen Falle von Henke, Meckel, Masius und Vogel der instinktiven Pyromanie zu, die er nach den Henkeschen Regeln zu diagnostizieren empfiehlt und auf dem Boden des Esquirol'schen Systems als reine Willensstorungen betrachtete. In einer FuBnote (Marc 1843/44, Bd. 1, S. 172 ) setzte er sich mit Henke auseinander, der seine "Neigung zur Brandstiftung" nicht als Resultat eines pathologisch veranderten, auf ein abnormes Ziel gerichteten Willens, sondem "wie bei jeder anderen Geisteskrankheit einer Unterdriickung der Vemunft" ansah. Im Gegensatz zu seinem Lehrer Esquirol

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nahm Marc nur zwei Monomanieformen an, "von denen die eine die instinctartige, die andere die raisonnierende ist. Die erstere treibt den Monomanen infolge seines primitiv erkrankten Willens zu instinctartigen automatischen Handlungen, denen keine Uberlegung vorangeht; die andere veranlasst Handlungen, welche die Wirkung einer Verkrtippelung von Vorstellungen ist" (Marcl843/44, Bd. 1, S. 171-72). Entladt sich die "instinctartige Monomanie" in einer Handlung, kann sie sich - die Diagnose komplizierend - mit der "rasonierenden Monomanie" verbinden: "Sobald der Instinct sich bis zu einem solchem Grade gesteigert hat, dass er unwiderstehhch geworden ist, kann die Vemunft ebenso wie bei der rasonierenden Monomanie zu seiner ErfuUung alle Kombinationen darbieten, welche ein Verbrechen charakterisieren. Verlangen, Zweck, Vorbereitungen, sogar List nach voUendeter That, um Verantwortung fiir dieselbe auszuweichen ... ftigt man hinzu, dass in manchen Fallen die Vollbringung der That eine Art Krise darstellt, auf welche eine schnelle Heilung folgt; so kann man sich leicht eine Vorstellung von den Schwierigkeiten bilden, welche zuweilen die Diagnose fast unmoglich machen" (Marc 1843/44, Bd. 1, S. 172-73). Hatten sich die deutschen Autoren iiber die RoUe normalpsychologischer Motive und geordneter, auf Uberlegung schheBen lassender Tatbegehungsumstande noch unbestimmt und gelegenthch widerspriichlich geauBert, wurde der Diagnostik einer instinktiven Monomanie mit der Marc'schen Auslegung Ttir und Tor geoffnet: Selbst bei umsichtig und liberlegt durchgefiihrten, normalpsychologisch motivierten Taten konnte es sich immer noch um das Ergebnis einer instinktartigen Monomanie handeln, welche die gesunde Personlichkeit gewissermaBen benutzt hatte, um die Tat zu begehen. Der deutsche Ubersetzer des Marc'schen Lehrbuchs, Ideler, wies darauf in einer mehrseitigen Anmerkung am Ende des Monomanie-Kapitels hin (Marc 1843/44, Bd. 2, S. 276-284). Anekdotisch sei erwahnt, dass Marc die deutsche Justiz und Gerichtsmedizin bzw. -psychiatrie ausdriicklich fur ihre Aufgeschlossenheit gegentiber dem Pyromanieproblem und ihren humanen Umgang mit diesen psychisch gestorten Delinquenten lobte, wahrend die Verhaltnisse in Frankreich noch sehr vorurteilsbeladen und rtickschrittlich seien. Wie ein Brief von Meyn (1831) an Henke als Herausgeber der Zeitschrift fiir Staatsarzneikunde zeigt, wurde die "Neigung zur Brandstiftung" bzw. der "Brandstiftungstrieb" in Deutschland mittlerweile haufig diagnostiziert: "Wie in der medicinischen, ganz so verhalt es sich in der medicinisch-forensischen Praxis. Die auBeren Erscheinungen und der dafiir geschaffene Name verftihren leicht zur Einseitigkeit und Fluchtigkeit in der Praxis, woriiber das innere Wesen, die Auffindung des leitenden Prin-

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cips, als zu umstandlich, in jedem concreten Fall leichtfertig iibergangen wird ... und gerade so in unserer Praxis bei dem Verbrechen der Brandstiftung junger Leute. Gleich stellt sich dem sonst zu sehr beschaftigten, oder auch von Indolenz beherrschten Inquirenten der Brandstiftungstrieb dar, welchen der in gleicher Lage befindliche Arzt rucksichtslos ergreift, um sich ... somit auf eine leichte Weise aus einer hochst verwickelten Angelegenheit herausziehen zu konnen". Die durch legislative MaBnahmen quasi festgeschriebene und auch in dem fuhrenden Lehrbuch (Friedreich 1842) mit vielen Beispielen belegte Lehre von der "Neigung zur Brandstiftung" rief dementsprechend Widerstand hervor. Richter (1844) stellte alle 54 in Friedreichs Lehrbuch aufgefiihrten Falle von Pyromanie anhand der Originalpublikationen aus "Hitzigs Annalen", E. Platners "Qestiones medicinae forensis", "Kopps Jahrbuch", "Henkes Zeitschrift" und weiteren verstreuten Einzelquellen tabellarisch zusammen und unterzog sie einer Reanalyse. Seine Tabellen enthalten Kategorien zur Motivation (Rache oder Zom, Schabemack, Schadenfreude, Uberdruss am Dienst, Heimweh, Verzweiflung, Furcht vor Strafe, kindisches Gelust respektive Unfugstifterei sowie Angabe eines inneren Triebes wie "ich konnte nicht anders", "es war mir danach") und geradezu tatanalytische Variablen (bewiesenes Bewusstsein, PlanmaBigkeit des Vorgehens, Rettung der eigenen Habseligkeiten u. a. m.), Angaben zur Individualitat der Tater (Landmadchen, Bauembursche, beim Viehhiiten verwendet, verklimmerte korperliche Entwicklung, Menstruationsanomalien, verkiimmerte geistige Entwicklung, vernachlassigte Erziehung, gutmiithiges Wesen, bosartiger oder finsterer Charakter, Kranklichkeit, habituelles Kopfweh, Fallsucht oder andere Krampfe) sowie zum Alter. Er schlussfolgerte: "Die bei weitem liberwiegende Mehrzahl der Thater zeigt jenes Zusammentreffen von Bewusstsein bei der That, PlanmaBigkeit, Uberlegung, Erinnerung des Vorgefallenen, mit Verhehlen und Leugnen der Urheberschaft und mangelnder Voraussicht der Folgen, wodurch die That als eine kindische charakterisiert und die Annahme eines krankhaften bewusstlos-instinctiven Antriebes, einer Monomanie, widerlegt wird. Fast alle waren dienende junge Leute auf dem Lande, welche theils durch verkummerte Korperentwicklung, theils durch Kranklichkeit und Krankheit, theils durch verkummerte geistige Entwicklung und verwahrloste Erziehung zurtickgeblieben und in einen, zu Ertragung der mancherlei Lasten und Unannehmlichkeiten des landlichen Dienstes minder geeigneten Zustand versetzt waren. Dass mehr als zwei Drittel der fraglichen Falle in das 13. bis 16. Jahr fallen, erklart sich theils aus dem Umstande, dass dies die Jahre sind, wo die Landkinder gewohnlich nach der Konfirmation, in Dienst gehen, theils daraus, weil spatere Falle den Arzten selten vorgelegt und weil, wie schon Flemming

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bemerkt hat, der Erwachsenere andere Mittel hat als die Brandstiftung, um sich dem Dienste zu entziehen oder sich zu rachen oder sonst einer Gemuthsstimmung Luft zu machen. Es bleibt sonach nur ein einziger Fall iibrig, welcher, so wie er in der Literatur vorliegt, als wirkliche "Feuerlust und Brandstiftungstrieb" angesehen werden muss" (Richter 1844, S. 105106). Bei diesem Fall handelte es sich um denjenigen der Magdalena Klein (Settegast und Ulrich 1825): Ein 15-jahriges, in Dienst gegebenes Madchen, das immer zur Zufriedenheit der jeweiligen Bauemfamilie gearbeitet hatte, redete immerzu vom "Brennen", stand viel am Herd und spielte mit Feuer. Nachdem sie ein Feuer gelegt hatte, dem mehrere Gebaude zum Opfer gefallen waren, stritt sie zunachst alles ab, gab dann an, dass ihre Menstruation (seit wann, wird nicht berichtet) sistiere: "Seitdem bin ich so toll im Kopfe und habe beinahe immer Kopfweh,... es ist, als ob der bose Feind in mir ware, es treibt mich immer zum Feuer und in der ToUheit muss ich das Feuer iiberall herumlegen, wo es nachher brennt; wenn ich alsdann das Feuer sehe, thut es mir immer leid, dass ich Schuld daran bin ... ich habe es gewiss nicht gem getan, ich habe ... so gemusst". Nachdem in der Haft "infolge einer ununterbrochenen energischen Behandlung die Menstruation wieder eingetreten war, hef sie fortan regelmaBig. Die Arzte fanden das Aussehen der Probandin seitdem verandert und sie selbst gab an, dass die verkehrten Triebe seitdem verschwunden seien. Das arztliche Gutachten nahm an, dass korperliche Krankheit (Willens-) Unfreiheit der Seele bedingt hatte. Die Geschworenen sprachen die Klein einstimmig frei". Richter (1844, S. 106-107) kommentierte diesen Fall: "Dass die Klein durch ihre Brandstiftung wieder nach Hause zu kommen suchte, lasst sich selbst aus dem Mitgeteilten behaupten; wie viel von dem Ubrigen faktisch begrixndet oder nur Vorwand der Angeklagten und ihrer Angehorigen, vielleicht Einflusterung war: dies mogen andere entscheiden, welche dem Schauplatze naher standen. Bis dahin moge dieser Fall als unicum exemplar (wie die Naturhistoriker sagen) in der psychiatrischen Literatur dastehen; denn man kann ihn nicht beseitigen, ohne in den Fehler der Gegner zu verfallen, namlich iiber die actenkundigen Thatsachen hinaus in das luftige Gebiet der Hypothesen zu schreiten". Die Falle Maria Kalinowska und "De amentia occulta IF' waren von Richter in seiner Auswertung ausdriicklich nicht berticksichtigt worden, "da im ersten Fall die Feuerlust unbewiesen ist und im zweiten eine epileptische Seelenstorung als mitwirkende Ursache weit naher liegt" (Richter 1844, S. 107). Einen sehr groBen Einfluss hatte die Arbeit von Casper (1846), der sich fur den damaligen Stil der wissenschaftlichen Argumentation vergleichsweise polemisch mit den Befiirwortem des Brandstiftungstriebes auseinandersetzte: Da die Statistik viel mehr jugendliche Diebe als Brand-

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stifter aufweise, habe man vielmehr Grund, einen Diebes- anstatt einen Brandstiftungstrieb anzunehmen. Korrekterweise konne die Zahl der jugendlichen Brandstifter nur mit der aller Brandstifter insgesamt verglichen werden und daruber, dass die uberwiegende Mehrzahl jugendlicher Brandstifter gesund seien, bestiinde auch bei den Befiirwortem der Existenz eines Brandstiftungstriebes Einigkeit. Die Angaben der Pyromanen seien in diese hineinverhort worden und verglichen mit Deutschland seien in England und Frankreich kaum Falle von Pyromanie bekannt geworden. Der soziologische Aspekt jugendlicher Brandstiftungsdelikte wurde von Casper scharf gesehen: Wenn es sich bei der Pyromanie um eine mit der Pubertat zusammenhangende Storung handele, sei nicht einzusehen, warum diese statistisch nachweisbar so viel haufiger auf dem Lande vorkame. Sofem keine eindeutige Geisteskrankheit nachweisbar sei, seien alle Brandstiftungen normalpsychologisch motiviert, wobei die meisten Tater aus Heimweh bzw. dem Wunsch, aus dem Dienstverhaltnis zu kommen Oder aus Rache gehandelt hatten. Die nachhaltigste Wirkung hatte jedoch Caspers Interpretation derjenigen Falle, bei denen ein Motiv nicht eruierbar war: "Weit schwieriger ist die Beurtheilung, wenn, wie man es oft genug gesehen hat, gar kein Motiv zur That vorlag, die jungen Verbrecher trotz alien Hinaus- und Hineinverhorens nichts, gar nichts anzugeben wussten, als "ich woUte nur ein schones Freudenfeuer machen", oder "ich habe so geme angeztindet", oder "ich dachte, es miisste hiibsch sein, wenn das Stroh brennt" usw... Aussagen dieser Art gestatteten "sehr wohl eine ausreichende psychologische Deutung, die man aber beseitigt, indem man gerade auf diese Falle die Hypothese von der Feuerlust griindet" (Casper 1846, S. 294). Nach Casper handelt es sich hierbei um den "Drang, seine Personlichkeit geltend zu machen", wie er sich bei Heranwachsenden oft in "Muthwille", bei Angetrunkenen als "Uebermuth" auBere, der dann zu den entsprechenden Taten fiihre und "deshalb noch nicht auf... instinctmaBigen, blinden, unwillkiirUchem Drang geschlossen werden darf' (Casper 1846, S. 295-96). Mit diesem Kunstgriff hatte Casper den Brandstiftungstrieb bzw. die Pyromanie durch den "Drang, seine Personlichkeit geltend zu machen", ersetzt, in forensischer Hinsicht jedoch anstatt der bisher oft getibten De- oder Exkulpierung die voile Verantworthchkeit dieser Tatergruppe nahegelegt. Nach Casper (1848, S. 253) waren die sehr strengen gesetzlichen Bestimmungen, die Brandstifter noch mit der Todesstrafe, mindestens jedoch mit lebenslanger Zuchthausstrafe bedrohten, ein nicht seltener Beweggrund der Gerichtsarzte, bei den haufig noch jugendlichen Tatem Pyromanie mit dem Ziel der De- oder Exkulpierung zu diagnostizieren.

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1851 wurde "im Gefolge eines Berichts der wissenschaftlichen Deputation fur das Medizinalwesen ... die Annahme einer auf korperlichen Ursachen begriindeten unwiderstehlichen Feuerlust als nicht haltbar verworfen" und die Bestellung von Sachverstandigen in Verfahren gegen zehn bis zwanzig Jahre alte Brandstifter nach MaBgabe des Einzelfalles wieder in das Ermessen der Gerichte gestellt (Wilbrand 1858, S. 312), "wohl in Folge der Abhandlung von Casper und unter seiner personlichen Einwirkung" (lessen 1860, S. 57). Zu einem vorlaufigen Abschluss gelangte die Pyromaniediskussion mit der Monografie von Jessen (1860), in der das Gros der bereits zu diesem Zeitpunkt kaum noch iiberschaubaren Kasuistik aufgearbeitet und in "aus Geistesstorungen resultierende" und "aus Gemuthsbewegungen hervorgegangene" Brandstiftungen eingeteilt wurde. Letztere wurden aufgegliedert in Taten "aus Rachsucht nebst Eifersucht", "Furcht" (meist vor Strafe), "Unzufriedenheit, Heimweh und Muthwillen", wobei Jessen darauf hinwies, "dass diese Affecte nicht immer strenge zu unterscheiden sind, wie Unzufriedenheit und Heimweh, oder auch verbunden vorkommen konnen, wie Muthwillen und Rachsucht. Es finden sich aber auch Falle, in welchen rein ein einzelner Affect das Motiv hergiebt. Endlich ist auch noch zu beachten, dass innerhalb des Normalzustandes, in welchem die genannten Affecte wirken, eine Menge von Abstufungen der geistigen Beschaffenheit bei den verschiedenen Uebeltathem vorkommen konnen und dann durch diese ein allmahlicher Uebergang in die geisteskranken Zustande vermittelt wird" (Jessen 1860, S. 60). Mit einem sehr instruktiven eigenen Fall von "Brandstiftung aus Rachsucht" illustrierte Jessen die Problematik mancher normalpsychologisch motivierter Taten nicht psychotischer Tater und zugleich eine der Schwache der Konzeption der instinktiven Monomanie: Hans N. war als 14-Jahrigcr bcim Betteln von cincm Briidcrpaar von dcsscn Hof gejagt und auf dcr Flucht von ihrcm Hund ins Bein gcbisscn wordcn. Scitdcm dachtc cr oft daran, sich durch Feuerlegen an den Briidcm zu rachen, wurde aber durch sein Gewissen von der Tatausfuhrung zuriickgehalten. Zwanzig Jahre spater traf cr cincn der Bruder auf der StraBc wicdcr und bcschloss, sich nunmehr zu rachen. Am selben Abend zundete cr, nachdem er sich vergewissert hatte, dass keine Menschcn zu Schaden kommen konnten, die Scheune der Bruder an. Der Tater wurde nicht ermittelt. Monate spater stellte sich der Proband der Polizei und legte ein Gestandnis ab. Jessen kommentierte: "Die That zeigt, wie vorsichtig man in Fallen sein muss, wo keine causa facinoris vorzuliegen scheint. Ware der Uebelthater auf irgend eine andere Weise entdeckt worden und hatte er selbst mit dem

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Gestandnis zuriickgehalten, so ware, da jener Vorfall von alien anderen langst vergessen war, kein Motiv zu entdecken gewesen, und man hatte daraus und aus seinem nachfolgenden auffallenden Benehmen die schonste Monomanie oder nach Belieben auch den Drang, seine Personlichkeit geltend zu machen, deducieren konnen" (lessen 1860, S. 62). Bei den "Brandstiftungen in Geisteskrankheiten" werden entsprechend dem Flemming'schen Klassifikationssystem solche bei Geistesschwache (Blodsinn, geradweise iibergehend in Dummheit; Schwachsinn mit Inkoharenz der Gedanken; Schwachsinn bei progressiver Paralyse) und solche bei Geistesverwirrung unterschieden. Letztere werden unterteilt in "Gemuthsdepression" mit den Unterformen der einfachen und gehemmten ("Starrsucht") Melancholic, verschiedene Formen der Prakordialunruhe sowie transitorische Melancholic (Flemmings friihere Dysthymic), "Gemiithsexaltationen" mit mehreren, darunter auch korperlich begrundbaren, Arten der Manic und schlicBlich "Verstandesstorungen" (partieller Wahnsinn und Verwirrtheit). Eine zentrale Stellung in der Depressionsnosologie von Flemming und Jessen nimmt die Unterform der Prakordialunruhe "Melancholic mit Angst" ein, die nach heutiger Terminologie verschiedene Krankheitsbilder cinschlieBt: Geradezu klassisch geschilderte Zwangserkrankungen mit vorwiegend Zwangsgedanken (Jessen 1860, S. 231, 233), wobci die Angst als Ursache der Zwangsgedanken gedeutet wurde und die begleitcnde depressive Verstimmung den Ausschlag zur Einordnung als Melancholic gab, hier finden sich naturgemaB keine Brandstiftungen, Daneben werden wahnhafte Depressionen mit Versiindigungs- (Jessen 1860, S. 235-238) und Verarmungswahn (Jessen 1860, S. 239-244) geschildert, beide Male im Zusammenhang mit Brandstiftungen ("um endlich sterben zu konnen" und aus unklarer Motivation heraus) und schlieBlich eine ganze Reihe von Brandstiftungen von Probandcn mit nach heutigen Klassifikationssystemen nicht sicher zuordenbaren Zustandsbildem, alle mit deutlicher depressiver Komponcnte. Die Unterformen "Prakordialunruhe mit Vcrzwciflung" und insbesondere die "Prakordialunruhe mit Vorwalten einzelner Antriebe und Wahnideen" (nach Jessen der instinktiven Monomanie von Marc Equivalent) werden nicht kasuistisch illustriert. Der noch von Richter (1844, s. o.) als "wirkliche Feuerlust und Brandstiftungstrieb" angesehene, von Casper (1846) nicht beriicksichtigte Fall der Magdalena Klein wurde als einfache Melanchohe ("Trtibsinn") eingeordnet (Jessen 1860, S. 215), der Fall der Maria Kalinowska als aufgrund nicht sachkundiger Exploration und fehlender korperlicher Untersuchung fiir nicht beurteilbar befunden; die Symptome der von E. Platner in "De amentia occulta 11" geschilderten Probandin deuteten "vielmehr auf

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eine entschiedene Geisteskrankheit hin, weirn auch deren Beschaffenheit wegen der all zu oberflachlichen Erzahlung der Krankengeschichte nicht naher zu bestimmen ist" (lessen 1860, S. 16). Damit waren samtliche Kasuistiken von Probanden mit Pyromanie bzw. Brandstiftungstrieb nach einem zeitgenossischen Diagnoseschema, das gleichwohl die instinktive Monomanie noch enthielt, in andere Diagnosekategorien eingeordnet worden. Die Flemming-Jessen'sche Prakordialunruhe "Melancholie mit Angst" ist spater noch in Griesingers (1876, S. 272-274) Konzeption der "Schwermuth mit AeuBerung von Zerstorungstrieben" erkennbar, bei der in depressivem Zustand u. a. Brandstiftungen begangen wiirden, um Entlastung von der die Melancholie begleitenden inneren Angst zu erreichen. lessen arbeitete als negative Merkmale der instinktiven Monomanie heraus, "dass bei ihr weder normale Motive oder in Frage kommende Handlungen, noch eine unverkennbare Geisteskrankheit vorhanden sein diirfen... versuchen wir dagegen, positive Kennzeichen der instinctiven Monomanie aufzufinden, so verschwinden uns dieselben augenbHcklich unter den Handen. Die rathselhaftesten Handlungen miissen doch irgendeine Ursache haben, seien es nun versteckte normale Motive oder schwer erkennbare psychische Storungen. Die wissenschaftliche Frage kann daher nur sein, welche psychischen Storungen infolge der Schwierigkeit ihrer Diagnose zu der irrthiimlichen Festhaltung einer instinctartigen Monomanie Anlass geben konnten" (Jessen 1860, S. 3). Von den grundsatzlich in Frage kommenden drei Moglichkeiten verwarf Jessen diejenige einer primaren Willenserkrankung als tautologisch, so dass "abnorme Gedankengange" und "krankhafte Stimmungen" als handlungsdeterminierende Ursachen tibrig blieben. Erstere kamen bei der Monomanie raisonnante bzw. dem partiellen Wahnsinn, einer allgemein anerkannten psychiatrischen Erkrankung mit auf einen einzigen Gesichtspunkt oder zumindest sehr wenige Bereiche beschrankten Wahnideen vor und konnten auch zu Brandstiftung fiihren, wie Jessen durch Kasuistiken belegte. Brandstiftungen aus "krankhaften Stimmungen heraus" schlieBlich seien Anlass zur Entwicklung der Lehre vom Brandstiftungstrieb gewesen, lieBen sich aber ebenfalls zwanglos in dem herkommlichen Diagnoseschema, vor allem als Prakordialunruhe (Melancholie mit Angst) unterbringen. Endlich wies Jessen nach, dass die Henke'schen Kriterien zur Diagnose einer "Neigung zur Brandstiftung" bei keinem einzigen der von Henke selbst (s. S. 11-14) verwandten zwanzig Falle gemeinsam vorgekommen waren, sondem quasi als Idealtypusbildung aus alien Kasuistiken abstrahiert worden waren, so dass Henkes "Neigung zur Brandstiftung" ein empirisch nicht gestiitztes theoretisches Kunstprodukt war.

2.2 Die Literatur bis Lewis und Yamell (1951)

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2.2 Die Literatur bis Lewis und Yarnell (1951) AuBerhalb Deutschlands wurde die Pyromaniediskussion nicht annahemd so intensiv und anhaltend gefiihrt und wenn, dann unter steter Bezugnahme auf die erwahnten deutschen Autoren. Selbst in Frankreich als dem Ursprungsland der Monomanielehre wurde im Anschluss an Marc die Existenz einer nosologisch fundierten Pyromanie lediglich noch von Legrand du SauUe (1856) in seiner vielzitierten Dissertation vertreten, in der folgende Formen unterschieden wurden: Pyromanie accidentelle bei Manie, Demenz, Schwachsinn, Pyromanie incomplete bei Erkrankungen infolge fehlgeleiteter Leidenschaften, womnter sowohl Melancholic als auch normalpsychologisch motivierte Affekttaten fielen, und schlieBlich die Fyromanie complete mit unwiderstehlichcm Impuls bei Willenserkrankungen im Sinne der alten Monomanie instinctive. Wahrend der Terminus Pyromanie in Deutschland nach dem Ende der Diskussion um die Konzeptionen von Henke und Meckel langsam aus der Mode kam, wurde er in Frankreich weiter verwandt, allerdings mit veranderter Bedeutung. Pyromanie wurde zur nosologisch unspezifischen Verhaltenscharakterisierung normalpsychologisch motivierter Gesunder und psychisch Kranker (Maradon de Montyel 1885) oder von im Gefolge der von Morel (1857) inaugurierten Degenerationslehre spater von Kraepelin so bezeichneten psychopathisch Entarteten (Gimbal 1905/06). Dieser Sprachgebrauch hat sich in Frankreich bis weit ins 20. Jahrhundert erhalten (beispielsweise Cannat 1950, Marin 1967, Laplante 1969, Grapin 1974). In England wurde Esquirols Einteilung der Geisteskrankheiten durch Prichard (1835) bekannt gemacht, der die Manie sans delire in seiner "moral insanity" aufgehen lieB, wobei "moral" in der Bedeutung von affektiv gemeint war (Sa6 1987) und Brandstiftung von nicht offensichtlich geisteskranken Tatem ohne nachvollziehbares Motiv zunachst der "moral insanity" zugerechnet wurden. Spater nahm er direkt auf die Monomanie instinctive Bezug (Prichard 1842); im entsprechenden Kapitel liber Pyromanie fielen diese Brandstiftungen nun unter den neuen Begriff der "instinctive madness" und wurden als unfreiwillig und einem unwiderstehlichen Impuls folgend angesehen, wobei jedoch offen blieb, ob es sich hierbei lediglich um eine Spielart der "moral insanity" oder eine eigenstandige diagnostische Kategorie handelte. Ansonsten wurde das Pyromaniethema in England nicht weiter verfolgt; Maudsley (1874) erwahnt es nicht, obwohl er der Mordmonomanie als monosymptomatischer Wahnerkrankung und affektiver Stoning ohne Produktivsymptomatik ganz in Esquirol'scher Tradition breite Aufmerksamkeit schenkte. In der spateren amerikanischen Neubearbeitung rechnete er die friiher der Mordmono-

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manic zugcrcchnetcn Taten und nun auch Brandstiftungen ohne ersichtliches Motiv ahnlich wie deutsche Autoren (s. u.) zum impulsiven Irresein ("impulsive madness"), welches er wiederum in einem allerdings unklar bleibendem Zusammenhang mit dcr "moral insanity" brachte (Maudsley 1896). Ganz im Gcgensatz zur cnglischen Entwicklung wurde die Pyromanie in den USA als nosologische Entitat breit diskutiert und war noch Ende des 19. Jahrhunderts, als das Thema in Europa langst ausgeschopft war, Gegenstand regcr Debatten. Die von Geller etal. (1987) referierte Kontroverse wurde von Gay (1838) cingeleitet, dcr, zunachst noch ohne den Terminus Pyromanie zu verwenden, von einer "morbid propensity to incendiarism" als Unterform der "partial moral mania" sprach, die er mit vier ohne Quellenangaben der europaischen Literatur entnommenen Fallen illustrierte, von denen einer unschwer als derjenige der Maria Kalinowska erkennbar ist. In den nachsten Jahren wurde die Auseinandersetzung vorwiegend als Rezeption samtlicher deutscher Autoren von E. Platner bis Casper gefuhrt; wesentliche Telle der Arbeit von lessen lagen bereits kurz nach ihrem Erscheinen als Ubersetzung vor (lessen 1861/62). Der bestimmende Einfluss dieser Autoren ist noch 100 Jahre spater daran erkennbar, dass von den 57 Literaturangaben der Monografie von Lewis und Yamell (1951, s.S. 35-39) 49 deutschsprachige sind. Wie Geller etal. (1987) zeigen, konsolidierte sich die Meinung der liberwiegenden Mehrheit der Fachoffentlichkeit in den USA Ende des 19. Jahrhunderts gegen die Pyromanie als eigenstandige Erkrankung. Im Gcgensatz zu Europa riss die Diskussion jedoch auch in der Folgezeit nie voUstandig ab, vor allem, well die spater neu aufkommenden psychoanalytischen Gesichtspunkte (s. u.) starkere Beachtung fanden als in der europaischen Schulpsychiatrie. In Europa wurden von den Vertretem der Mitte des 19. Jahrhunderts aufkommenden Degenerationslehre scheinbar unvermittelt begangene Brandstiftungen ohne nachvoUziehbares Motiv als Symptom des "impulsiven Irreseins" angesehen, das - oft gemeinsam mit dem "moralischen" und "periodischen" Irresein - zu den psychischen Entartungen, also Degenerationserscheinungen auf erblicher Grundlage, gerechnet wurde: "Eine forensisch auBerst wichtige Aufierungsweise psychischer Degenerationszustande ist das Auftreten von Handlungen, deren Motive nicht deutlich bewusste Vorstellungen sind, deren Mechanismus nicht nach dem Schema der Reflektion tiber verschiedene Moglichkeiten von Wollen mit Abwagung der Motive und Entscheidung fiir das am meisten gebilligte ablauft, sondem bei denen die zur Handlung treibende Vorstellung, noch ehe sic zur vollen Klarheit iiber die Schwelle des Bewusstseins emporgehoben ist, schon in eine Handlung sich umsetzt oder sich uberhaupt nie zur vollen

2.2 Die Literatur bis Lewis und Yamell (1951)

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Klarheit im Bewusstsein erhebt. Die Handlung erscheint damit dem Handelnden wie dem Beobachter unmotiviert und darum unverstandlich, die Art ihrer Ausfiihrung tragt den Charakter des zwangsmaBigen, impulsiven, instinktiven an sich, sie wirkt ixberraschend auf den Handelnden selbst, ... Die Anregung zu solchen impulsiven Akten geben in der Regel affektvoUe Stimmungen oder sinnliche Triebe, jedenfalls keine zur vollen Klarheit gelangten Vorstellungen" (von Krafft-Ebing 1857, S. 170-171). Von Krafft-Ebing war sichtlich bemiiht, das Konzept des "impulsiven Irreseins" von dem der alten instinktiven Monomanie abzuheben, und zwar durch den Nachweis positiver Merkmale der Erkrankung, wozu er das allgemeine Vorkommen aller moglichen psychischen Auffalligkeiten und Erkrankungen in der leiblichen Herkunftsfamilie und den Nachweis korperlicher Degenerationszeichen, aber auch charakterliche und affektive Anomalien der Probanden zahlte. Kraepelin (1887) rechnete das impulsive Irresein zunachst zu den Unterformen des angeborenen Schwachsinns und sprach von "geringer Widerstandsfahigkeit gegeniiber plotzlich aufsteigenden Antrieben" bei "triebhafter Ausfiihrung krankhafter Handlungen. Wahrscheinlich am haufigsten ist die Neigung zur Brandstiftung, wie sie besonders bei jugendlichen Personen weiblichen Geschlechts vor und wahrend der Pubertatsentwicklung beobachtet wird" (Kraepelin 1887, S. 525). Spater ordnete er das impulsive Irresein den psychopathischen Zustanden auf dem Boden degenerativer Entartung zu (Kraepelin 1899, S. 557-562), um es schUeBlich (Kraepelin 1915, S. 1901-1916) gemeinsam mit Nervositat, Zwangsneurose und sexueller Devianz getrennt von den psychopathischen Personlichkeiten unter die "originaren Krankheitszustande" zu subsumieren, an seiner Genese auf degenerativer Grundlage jedoch festhielt. Kraepelin unterschied nun zwei Formen pathologischer Brandstiftung bei impulsiven Irresein: Zum einen die Taten junger, in landliche Dienstverhaltnisse gegebener Madchen, fiir deren Genese er unter Bezugnahme auf Jaspers (1909) Einsamkeits- und Verlassenheitsgefiihle bei Heimweh und dem Wunsch, aus dem Dienst zu kommen, herausstellte, zum anderen Brandstiftungen aus "krankhafter Freude am flackemden Feuer und dem unbezahmbaren Wunsch, sich diesen Anbhck zu verschaffen" (Kraepelin 1915, S. 1903). Uber alle Auflagen seines Lehrbuchs hindurch behielt Kraepelin die Kennzeichnung impulsiver Brandstiftungen als Triebhandlungen bei, unter der er mit Wundt (1909, S. 223) die handlungsmaBige Umsetzung eines von einem einzigen Motiv bestimmten Willensaktes verstand, so dass eine deutliche Nahe zur instinktiven Monomanie resultierte. Die Annahme eines qualitativ abnormen, durch einen pathologisch veranderten Trieb hervorgerufenen instinktartigen Impulses spiegelt sich auch in den iibrigen

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Ausdrucksformen des Kraepelin'schen impulsiven Irreseins wider: Totung von zur Aufsicht ixbergebenen Kindem, Giftmischerei, anonymes Briefeschreiben, Kleptomanie, Kaufsucht, triebhafte Schuldenmacherei. In seiner letzten Konzeption kam fur Kraepelin (1915) impulsives Handeln im Rahmen zweier, nosologisch unterschiedlich fundierter Zustandsbilder vor: Einerseits nicht auf Erkrankung beruhend bei psychopathischen Personlichkeiten ("Triebmenschen: Verschwender, Wanderer, Periodentrinker"), andererseits als in engerem Sinn medizinisch flindierte Trieberkrankung beim impulsiven Irresein, das er zu den originaren Krankheitszustanden rechnete. MonkemoUer (1912) tabellierte von 240 Brandstiftem die Diagnose meist nach Kraepelin - und das Motiv. Sein Material bestand aus 46 eigenen Gutachten und 194 Kasuistiken aus der Literatur seit E. Platners erstem veroffentlichtem Gutachten von 1797, wobei er Falle mit strittiger Diagnose wie die von Maria Kalinowska, Magdalena Klein u. a. nicht beriicksichtigte. Berechnet man seine fiir alle 240 Falle erstellte Statistik nur fiir die 194 publizierten Kasuistiken neu, so ergibt sich ein abziiglich der erwahnten Streitfalle annahemd representatives Bild davon, anhand welcher Falle die Diskussion seit ihrem Beginn gefiihrt worden war. Es ergibt sich folgende Diagnoseverteilung: Schwachsinn aller Grade 30 %, Demetia praecox. Dementia paranoidis und Paranoia chronica zusammen 14 %, Epilepsie 12 %, AlkohoUsmus 9 %, Hysteric 8 %, Melancholic 7 %, "allgemeine ethische Entartung" 5 %, senile Demenz, Entwicklungsverzogerung, Angstzustande je 3 %, traumatische Psychosen, Neurasthenic und impulsives Irresein je 1 %, Manic, Menstmationspsychose, Schwangerschaftspsychose, Chorea Huntington und Multiple Sklerose jeweils unter 1 %. Als Motiwerteilung ergibt sich: Rache 38 %, kein Motiv 30 %, psychotisch 12 %, Feuerlust, Heimweh, Mutwillen und Unzufriedenheit je 4 %, andere 5 %. Die in den Originalkasuistiken als unmotiviert eingestuften Falle setzen sich aus solchen, bei denen das Verhaltnis von Anlass und Tat dem jeweiligen Autor nicht nachvollziehbar war und anderen, bei denen die Probanden keine Angaben machten sowie solchen, bei denen die Probanden angegeben hatten, nicht zu wissen, warum sic die Brandstiftung begangen haben, zusammen. Die Geschlechtsverteilung der Kasuistiken weist zwei Drittel als mannlich aus und raumte bei ihrer Veroffentlichung mit der bis dahin weit verbreiteten Auffassung, dass Brandstiftung ein fur heranwachscnde Madchen typisches Delikt sei, auf. Ein anderes Vorurteil wurde durch die Monkemoller'sche Arbeit jedoch teils begrtindet, teils zementiert und bis zum Beweis des Gegenteils durch Seller (1948) von nahezu alien spateren Autoren ungepriift ubemommen: "Mit der Epilepsie betreten wir ein Krankheitsgebiet, das die Brandstif-

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tung... ziichtet... das allmahlich fortschreitende Herabsinken des ganzen ethischen Niveaus ... und die fur den Epileptiker so kennzeichnende allgemeine Verdrossenheit" seien ursachlich. "Eine ganz eigentumliche Rolle in der Motivierung der Brandstiftung der Epileptiker spielen daruber hinaus Flammenvisionen. Bei diesen Gesichtstauschungen sind die rote Farbe und Feuerflammen wieder eine besonders haufige Erscheinung... In einer ganzen Reihe von Fallen haben Epileptiker angegeben, dass sie den Brand angelegt haben, well sie solche Flammenvisionen gehabt batten". SchlieBlich wurden einige der in seiner Statistik nicht beriicksichtigten klassischen Falle von MonkemoUer entsprechend der Kraepelin'schen Einteilung erneut umdiagnostiziert, so derjenige der Magdalena Klein, der, ebenso wie einige weitere, bisher als "motivlos" angesehene, nunmehr unter das Jugendirresein fiel. Der sehr bekannt gewordenen Monografie von Tobben (1917) liegen 57 Gutachten des Autors und 43 Feuerversicherungsakten zugrunde, ebenfalls aufgeschlusselt nach ihrem Motiv: 38 % Rache und Hass, 22%Habsucht und Not, 11 % psychotisch, je 7%Heimweli und das Bestreben, einer unbequemen Situation wie Haft oder Militardienst zu entkommen, 6 % im Zusammenhang mit chronischem Alkoholismus, 5 % Freude am Feuer und Mutwillen, 4 % Verschleierung eines anderen Verbrechens. Im Gegensatz zu MonkemoUer (1912) war die haufigste Diagnose "psychopathische Minderwertigkeit". Tater, die vorher als motivlos oder pyroman aufgefasst worden waren, wurden nun unter den Psychopathiebegriff, vorerst noch ohne nahere Kennzeichnung, subsumiert. Bis Mitte des 20. Jahrhunderts erschien das Thema erschopfend behandelt. Abgesehen von den tiefenpsychologischen Gesichtspunkten ergab sich kaum Neues, statt dessen wurden einige mehr theoriegeleitete Termini eingeftihrt. Kretschmer (1922, S. 188-203) schuf den Begriff der Primitivreaktion, bei der "affektive Spannungen und Stauungen unter Umgehung der Gesamtpersonlichkeit in die Tat umgesetzt" werden. Die Unterformen der Explosivreaktion (anfallsartige Affektentladung) und der Kurzschlusshandlung (Affektentladung in Form komplizierterer Handlungen) illustrierte er unter anderem mit Kasuistiken aus Jaspers' "Heimweh und Verbrechen". Vor allem Personen mit "seelischen Entwicklungshemmungen, infantile Personlichkeiten, Schwachsinnige, nerven- und willensschwache Psychopathen, durch Schadeltrauma, Alkohol oder latente Schizophrenie Geschadigte" neigten zu Primitivreaktionen, die bei entsprechender charakterologischer Verankerung unter Diagnosen wie "Entartungshysterie, impulsives Irresein, haltlose Psychopathie" usw. zu finden seien.

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2 Psychiatrie der Brandstiftung

Fiir Taten, die fruher als Symptom, beispielsweise von Pyromanie oder impulsivem Irresein aufgefasst worden waren, libemahm Bostroem (1928) den Begriff der Dranghandlung, der von Thiele (1926) fiir impulsive Akte bei himorganischen Residuen nach Enzephalitis lethargica entwickelt worden war. Dranghandlungen organisch Gesunder kamen besonders in der Pubertal vor, gelegentlich ausgelost durch affektive Faktoren wie Heimweh, im Erwachsenenalter fast ausschlieBlich bei psychopathischen Personlichkeiten, nicht selten unter dem Einfluss von Alkohol. Hoven (1932) ging in ihrer von K. Schneider betreuten Dissertation von 148 weiblichen Brandstiftungsfallen der Literatur und drei Fallen der Kolner Klinik aus, die sie in "unmittelbar sinnvolle Reaktionen" (91 Falle), Handlungen im Rahmen einer Psychose (37 Falle von Schizophrenie, Zyklothymie, Epilepsie, progressiver Paralyse) und "primare Entladungsreaktionen" (23 Falle) einteilte. Die letzte Gruppe enthielt im Original als impulsives Irresein, Pyromanie und Prakordialangst diagnostizierte Falle sowie Platners "De amentia occulta II" und den Fall der Maria Kalinowska, der damit ein letztes Mai umdiagnostiziert wurde. Wenig spater gebrauchte K. Schneider erstmals (1935, S. 20) die bis in die letzte Auflage seiner klinischen Psychopathologie ubemommene Formulierung von "gewissen Formen triebhaften ... Brandstiftens ... die man, wenn man nicht mit unbewussten Motiven arbeitet, sondem im Beschreibenden bleibt, als primare seelische Triebentladung auffassen muss". Methodisch identifizierte Hoven ihre "primaren Entladungsreaktionen" durch Anwendung des spater so genannten (von Baeyer 1979, S. 5-9) Jaspers-Theorems auf Handlungen nicht endogen Psychotischer. Sie illustrierte dies anhand einer in der Kolner Klinik begutachteten schwachsinnigen Probandin, die sich vermittels zweier kurz hintereinander begangener Brandstiftungen von einem durch Fieber und Menstruationsbeschwerden hervorgerufenen unangenehmen emotionalen Spannungszustand befreien woUte und gutachterlicherseits aufgrund der affektiven Ausnahmesituation als unzurechnungsfahig beurteilt worden war. Roemer (1910) hatte mit der epileptoiden Psychopathic einen charakterologischen Typus umrissen, der durch bestimmte Ziige des epileptischen Wesens ausgezeichnet sein sollte: Umstandlichkeit, Weitschweifigkeit, zahfliissiges Temperament mit Neigung zu Eigensinn, Jahzom und Gewalttatigkeit. Kleist (1926) beschrieb episodische Dammerzustande mit "triebhafter, tobsiichtiger Erregung, der Neigung zu schweren Gewalttaten und auffallig verkehrten Handlungen ohne besonders tiefe Umdammerung", die er als "epileptoid" bezeichnete, womit anfallsartig auftretend im Sinne von epilepsieahnlich gemeint war. In der Folgezeit wurden impulsive Brandstiftungen gelegentUch als epileptoid und die jeweiligen Tater als

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epileptoide Psychopathen bezeichnet (Persch 1937, Miiller-Suur 1942), ohne dass zwischen den beiden Begriffsbestimmungen unterschieden wurde. Alles in allem wurden nach der vorangegangenen exzessiven Pyromaniediskussion des 19. in der ersten Halfte des 20. Jahrhunderts deutlich weniger Arbeiten zur Brandstiftung publiziert, wie eine Literaturiibersicht (de Boor 1955) zeigt. An Stelle theoretischer Erklarungsversuche motivisch unklarer Taten und Materialaufschliisselungen nach Diagnose und Motiv behandelten die wenigen empirischen Arbeiten nun nach Diagnosen homogenisierte Kollektive, so von Alkoholkranken (Gruhle und Wetzel 1914, Tobben 1934) und Schizophrenen (Schottky 1941) oder Taten aus jeweils der selben Motivation heraus, etwa Aberglauben (Hellwig 1909), Heimweh (Jaspers 1909) oder Suizidalitat (Donahs 1949). S. Freud maB "Diebstahlen, Betriigereien und selbst Brandstiftungen" spater honoriger Personen in deren Jugendzeit keine besondere Bedeutung bei und erklarte sie mit der "Schwache der moralischen Hemmungen dieser Lebenszeit." Kamen sie bei von ihm behandelten Erwachsenen vor, seien "solche Taten vor allem darum voUzogen worden, weil sie verboten waren und mit ihrer Ausfiihrung eine seelische Erleichterung (von einem dem Odipus-Komplex entstammenden Schuldgefiihl, d. Verf.) fur den Tater verbunden war" (Freud 1916d, S. 389-390). "Die Feuerbereitung und alles, was mit ihr zusammenhangt, ist auf das innigste von Sexualsymbolik durchsetzt. Stets ist die Flamme ein mannliches Genitale, und die Feuerstelle, der Herd, ein weiblicher SchoB" (Freud 1916-17a, S. 165). Einen Zusammenhang zwischen Feuer und Urin exemplifizierte Freud bei einer Patientin, die ihm einen Feuertraum berichtete und spater, als Kind unter Enuresis noctuma gelitten zu haben (Freud 1905e, S. 234-35). Freud generalisierte: "Die Deutung der Traume vom Feuer gibt einem Verbot der Kinderstube recht, welches Kinder nicht "ziindeln" heiBt, damit sie nicht nachthcherweise das Bett nassen sollen" (Freud 1900a, S. 400). Er bezog sich damit offenkundig auf ein iii alien deutschen Regionen zu findendes Sprichwort, dass, wer mit Feuer spiele, das Bett nasse (Bachtold-Staubh 1929/30, S. 1399). Die prahistorische Domestizierung des Feuers entstand nach Freud durch den Verzicht des Urmenschen auf die infantile Lust, dieses mit dem eigenen Hamstrahl zu loschen. Da die ziingelnde Flamme einen Phallus symbolisiere, entsprache das Loschen derselben mit dem Hamstrahl einem homosexuellen Wettkampf. Durch Verzicht auf diese Lust sei der Mensch in der Lage gewesen, das Feuer zu erhalten und in seinen Besitz zu bringen - Kulturleistung durch Triebverzicht (Freud 1930a, S. 449; 1932a). Alles in allem besteht nach Freud ein enger Zusammenhang zwischen Feuer und

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Urethralerotik, die im iibrigen eine ahnlich enge Beziehung zur menschlichen Eigenschaft des Ehrgeizes wie die der Analerotik zur charakterologischen Trias von Ordentlichkeit, Sparsamkeit und Eigensinn aufwiese (Freud 1933a, S. 108-109), Stekel (1922, S. 378) folgte Freud in der Annahme einer Verbindung zwischen Urethralerotik und Brandstiftung, bestand allerdings auf einem expliziten Zusammenhang mit unbefriedigter Sexualitat, den er durch Fallschildemngen von Taten von "Onanisten, wenn sie nicht onanieren" und abgewiesenen Liebhabem zu illustrieren suchte. Adler (1912, S. 144) fiihrte die Ursache der Pyromanie auf "eine Minderwertigkeit der empfindlichen Blase und lichtempfindliche Augen, respektive auf Vorbereitungen zu deren Kompensation" zurlick, ebenso Ferenczi (1927). Schmid (1914) tabellierte 160 Gerichtsakten des Schweizer Kantons Waadt nach folgenden Rubriken: Alter, Beruf, Brandobjekt, Motiv, Sexualleben, Alkoholismus, Charakter und Diagnose, Gestandnis, StrafmaB und Katamnese. Auf eine statistische Auswertung verzichtete er zugunsten einer psychoanalytischen Neuinterpretation von Einzelfallen aus der Literatur auf dem Boden der Jung'schen Libidotheorie. Danach sei bei alien Probanden infolge einer auBeren Blockierung ein Libidostau vorhanden gewesen, so dass Regression auf eine friihere Entwicklungsstufe erfolgte und die Tat als Ersatzhandlung ausgeftihrt worden sei. Als Mittel zur Entladung der aufgestauten Libido sei Brandstiftung gewahlt worden, weil das Unbewusste im Feuer ein Symbol der nach Abfiihr drangenden Libido sahe. In jUngster Zeit wurde diese Theorie von Schuhmacher (1991) vertreten. Fenichel (1932, S. 57) hielt noch an der urethralerotischen Fixierung von Brandstiftem fest, betonte aber schon die auf frtiher gelegene Triebentwicklungsphasen hinweisenden intensiven Hass- und Rachegefiihle in ihren Sexualphantasien und den durch die Tat auf ein Objekt ausgeiibten Zwang, ihnen narzisstisch benotigte Zufuhr und Aufmerksamkeit zu gewahren (Fenichel 1945, S. 372). Spater wurden auch Brandstifter mit intrapsychischen Konflikten auf odipalem Struktumiveau beschrieben (Macht und Mack 1968). Grinstein (1952) und spater Stone (1979) unterzogen die Freud'sche Theorie der urzeitlichen Domestizierung des Feuers einer Revision und postulierten Anteile samtlicher Triebentwicklungsstadien, insbesondere oralsadistischer; entsprechende klinische Uberlegungen wurden fiir brandstiftende Kinder (Kaufman etal. 1961) und Erwachsene (Arlow 1955, Axberger 1973) angestellt und sind derzeit fur sog. Fruhgestorte aktuell (BruceJones und Coid 1992, Rechlin 1991, Rechlin und Joraschky 1992). Psy-

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choanalysen von Brandstiftem veroffentlichten Schaffler und Stekel (1922) und Karpmann (1955). Die Monografie von Lewis und Yamell (1951) imponiert allein schon von der GroBe des bearbeiteten Materials her. Aufgrund bestimmter Besonderheiten blieben ihre Ergebnisse jedoch singular und boten spateren empirisch vorgehenden Autoren keine Ankniipfungspunkte, obwohl sie fast immer respektvoU erwahnt wurde. Lewis und Yamell gingen von ca. 2000 Akten des Dachverbandes der amerikanischen Feuerversichemngsgesellschaften aus. Die Akten enthielten polizeiliche Aufzeichnungen uber Tater und Gerichtsentscheide, in einigen Fallen die im Strafverfahren erstatteten Gutachten. Auswertbar waren 1145 Falle von Tatem iiber 16 Jahre; zusatzlich wurden 283 Akten von Tatem unter 16 Jahren und 201 Taterinnen ausgewertet. Das Kemstiick der Monografie inklusive der Statistik bezieht sich auf die 1145 erstgenannten Delinquenten, die motivisch nach den Dokumentationsschemata der jeweils involviert gewesenen Feuerwehren klassifiziert wurden. Der am haufigsten verwandte Dokumentationsbogen unterschied 1) Versichemngsbetmg, 2) Rache, 3) Pyromanie mit den Untergmppen a) alkoholinduziert, b) psychisch auffallig, c) jugendlich und d) V. a. Pyromanie sowie 4) Verdeckung eines anderen Verbrechens. Die Autoren selbst definieren den Begriff "pyroman" in seiner weitesten Fassung als ohne logisch nachvollziehbares Motiv, insbesondere ohne Bereichemngsabsicht. Nach Ausschluss der Versichemngsbetriiger - die Behandlung von Tatem mit Verdeckungsabsicht bleibt offen - setzte sich das Ausgangskollektiv von 1145 Probanden aus 266 Rachetatem, 154 Psychotikem und 688 Pyromanen zusammen. Letztere wurden von Lewis und Yamell anhand der Aufzeichnungen von Feuerwehrleuten, Verhorsprotokollen und Gerichtsakten in folgende Untergmppen eingeteilt: 241 Probanden, die in irgend einem Zusammenhang mit der Feuerwehr standen oder sich durch Entdeckung des Brandes o. a. Aufmerksamkeit verschaffen wollten, wiedemm eingeteilt in zahlenmaBig wechselnd spezifizierte Subtypen: D Freiwillige Feuerwehrleute, die durch Anerkennung beim oder Freude am Loschen motiviert werden. D Tater, die ein iibersteigertes Interesse an alien mit Feuer und Feuerwehr zusammenhangenden Dingen haben und oft als sog. "firebuffs" in der Nahe von Feuerwehrstationen hemmlungem. Gelegentlich handelt es sich um von der Freiwilligen Feuerwehr als MitgUeder abgewiesene Probanden.

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D Sogenannte "would-be-heroes": Probanden, die Aufmerksamkeit und Bewunderung durch die Heldentat der Brandentdeckxing, Rettung von Personen etc. erlangen woUen. D Landstreicher, die sich Anerkennung durch die Entdeckung des Brandes und Hilfe beim Loschen verschaffen woUen. 447 "Pyromanen im engeren Sinne", davon D 98 Schwachsinnige, tiber die keine weiteren Informationen in den Akten enthalten sind. D 66 Probanden mit Mittatem. D 57 Probanden, die als Motiv ihr Bediirfnis, die Feuerwehr tatig werden zu sehen, angaben (vermutUch Minderbegabte, d. Verf.). D 40 Probanden, die beim Anblick des gelegten Brandes masturbierten. D 66 atypische Tater. D 120 Probanden, die angaben, bei der Tat einem "irresistible impulse" gefolgt zu sein. - Lewis und Yamell relativieren diese Angabe, indem sie bemerken, dass der Terminus oft nicht von den Tatem selbst stammt, sondem im Laufe des juristischen Verfahrens entstanden sei. Diese Probanden teilen sich in 50 chronische Alkoholiker und 70 Probanden "most nearly approaching true pyromania''. Objekte der von alien 688 Probanden gelegten Brande waren 145 Mai Scheunen, 46 Mai Kirchen, 42 Mai Schulen, 194 Mai Heuhaufen und sonstiges auf freiem Feld Gelagertes, 194 Mai mehr oder weniger wertvolle Waren, 278 Mai Flure und Korridore (Verurteilungen hier oft aufgrund von "First degree arson", in etwa schwerer Brandstiftung entsprechend), 77 Mai Eigentum des Taters oder enger Verwandter, 7 Mai Eigentum einer fniheren Partnerin, 46 Mai Ortlichkeiten in Mietshausem. Von den 447 Pyromanen im engeren Sinne hatten vor ihrer Verhaftung 5 % einen Brand gelegt, 50 % 2 bis 5 Brande, 33 % 5 bis 15, 11 % 15 und mehr. Von den 241 Feuerwehrleuten, "would-be-heroes" und Landstreichem hatten 9 % einen Brand, 62 % 2 bis 5, 15 % 5 bis 15 und 11 % mehr als 15 Brande gelegt. Ethnische Unterschiede fanden sich nicht; bei den 447 Pyromanen im engeren Sinne lag der Altersgipfel bei 16 Jahren, ein zweiter, kleinerer Gipfel bei 26 Jahren und ein dritter, noch kleinerer bei 40 Jahren. Soweit sich in den Akten der 688 in den Feuerwehrdokumentationsschemata als Pyromanen ausgewiesenen Probanden psychiatrische Dia-

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gnosen fanden, handelte es sich uberwiegend um Personlichkeitsstorungen, z. T. "mit psychotischen Symptomen", wie Lewis und Yamell vermerkten (Lewis und Yamell 1951, S. 423). Sie kommentieren: "Wenn einige Untersucher von Schizophrenie, andere von Hysterie, wieder andere von Zwangsneurose oder Psychopathic mit Alkoholismus sprechen, ist offensichtlich das gleiche Zustandsbild gemeint. Der durchschnittliche Brandstifter, der friiher (gemeint ist die europaische Literatur des 19. Jahrhunderts, d. Verf.) als Pyromane diagnostiziert worden ware, bietet ein Personlichkeitsprofil mit einer Mixtur von Symptomen der genannten Erkrankungen und lasst sich nicht durch eine einzelne Diagnose charakterisieren. Bleuler zahlt zu impulsiven Handlungen wie der Pyromanie neigende Patienten zu den psychopathischen Reaktionsformen, die in etwa dem impulsiven Irresein von Kraepelin entsprechen" (Lewis und Yamell S. 424, Ubers. d. Verf.). Sie kommentieren weiter, dass die offizielle DSM-I Diagnose "Psychasthenia und compulsive states; symptomatic manifestations, pyromania" selten gestellt werde, well die meisten Psychiater offenbar die Diagnose einer Psychopathic als passender empfinden, welche Lewis und Yamell selbst allerdings far Probanden mit iiberwiegender Antisozialitat reserviert sehen mochten. Die offizielle Einordnung der Pyromanie in das Zwangsspektmm wird kritisch gesehen: "Dass sich wiederholende Brandstiftungen als Symptom einer Zwangsneurose gedeutet werden, erscheint insofem logisch, als dass sie ein symbolisches Ritual mit magischer Bedeutung darstellen, das Schutz gegen schlimmere, noch starker tabuisierte Handlungen bietet. Der Proband muss das Ritual immer wiederholen, um sich seiner magischen Funktion zu versichem. Andererseits unterscheidet sich der Impuls, Feuer zu legen, von anderen Zwangen: Er tritt mehr oder weniger episodisch auf, am haufigsten in entwicklungspsychologischen oder sonstigen Krisensituationen. Im Vorfeld dieser Krisen tritt Angst auf, wahrend der sich die Probanden gegen andere, unbewusste Denkinhalte wehren. Sie bringen es jedoch kaum fertig, dem Brandstiftungsimpuls zu widerstehen und lassen ihm geradezu freien Lauf, was zu zeitweiliger psychischer Erleichterung fiihrt. Obwohl viele Pyromanen zeitweilig unter phobischen Symptomen leiden und sich exzessiv mit Fragen der Reinlichkeit und der Sexualitat beschaftigen, waren sie als Zwangscharaktere nur unvoUstandig beschrieben, da die meisten von ihnen ausgesprochen unmhige Kinder waren, oft auch Schulschwanzer und Weglaufer mit polymorph perverser Sexualitat. Zusammenfassend haben diese Delinquenten eine Zwangsneurose mit bestrafendem LFber-Ich entwickelt, das jedoch nicht so stark ist, als dass es alle antisozialen Impulse unterdriicken konnte" (Lewis und Yamell 1951, S. 224, LFbers. d. Verf.).

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2 Psychiatrie der Brandstiftung

Lewis und Yamell interpretierten ihr Material psychoanalytisch. Sie nahmen zunachst an, dass alien nicht profitorientierten Brandstiftungen ein unwiderstehlicher Impuls zugrunde liege und libemahmen damit den seinerzeit - allerdings nur in der angloamerikanischen forensischen Psychiatrie oft gebrauchten (Tollefson und Starkman 1993) - Terminus des "irresistible impulse". Daruber hinaus nahmen sie an, dass bestimmte sexuelle Wiinsche noch tabuisierter seien als Brandstiftung; alle nicht aus Rache Oder finanziell motivierten Brandstifter litten an einem ungelosten sexuellen Problem. Die dadurch freigesetzte und nach Entladung drangende emotionale Energie lose bei den Delinquenten die Furcht aus, dass sie auBer KontroUe geraten und den Partner zerstoren konne oder dass der Partner ebenso gefahrliche Energien mobilisiere. In den unbewussten Fantasien der Tater konstelliere sich also eine enge zwischenmenschliche Beziehung mit den Altemativen "Toten oder getotet werden", so dass die Energieabfuhr als Kompromissbildung mit durch Feuer ersetzter Sexualitat erfolgt. Diese im Vergleich zur seinerzeit unter Psychoanalytikem vorherrschenden Urethralerotik-Theorie der Brandstiftung geradezu objektbeziehungstheoretisch und erstaunlich modem anmutende Sichtweise ergibt sich nach Lewis und Yamell aus einer ganzen Reihe prinzipiell moglicher Beziehungsmuster in den Herkunftsfamilien der Probanden, die von ihnen ausfiihrlich dargestellt werden. In jtingerer Zeit ist die Studie von Lewis und Yamell auch kritisiert worden, etwa von Geller etal. (1986), die auf die verschiedenen, nicht disjunkten Pyromaniekategorien bei Lewis und Yamell hinweisen (Pyromaniedefinition der Feuerwehr, Pyromanie im engeren Sinne der Autoren und Probanden "most nearly approaching tme pyromania"). In der Tat verwenden Lewis und Yamell den Terminus Pyromanie sowohl fiir Brandstiftungen ohne logisch nachvollziehbares Motiv als auch fur aus einem "irresistible impulse" heraus begangene Taten und schlieBlich auch fiir samtliche nicht aus Bereicherungs-, Verdeckungsabsicht oder Rache begangenen Brandstiftungen. Harris und Rice (1984) weisen auf eine nicht abschatzbare Selektion des untersuchten KoUektivs hin, da Lewis und Yamell ihren Feuerversichemngsakten eine nicht mitgeteilte Zahl "interessanter Falle", die ihnen von Feuerwehren, Polizeidienststellen und psychiatrischen Institutionen txberlassen worden waren, hinzugefiigt hatten. Hauptproblem der Studie ist jedoch, dass aus den offensichtlich wenigen Fallen, in denen psychiatrische und psychodynamische Daten vorlagen, diese auf das Gesamtmaterial generaUsiert werden. Interpretatorische Eigenwilligkeiten wie die Uberdehnung des von den meisten Forensikem im Gefolge der Diskussion der McNaughten-Rules ohnehin abgelehnten Konstmktes des "irresistible impulse" fallen demgegeniiber kaum ins

2.3 Die Literaturseit 1951

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Gewicht, dtirften jedoch wesentlich dazu beigetragen haben, dass die Ergebnisse der Studie in der forensisch-psychiatrischen Literatur im wesentlichen ubergangen wurden, obwohl sie anhand eines Materials von unschatzbarem Wert gewonnen wurden: Kein anderes publiziertes Kollektiv von Brandstiftem enthalt auch nur annahemd so viele Serienbrandstifter - mutmaBlich eine Folge der von Harris und Rice (1984) bemangelten Selektion. Der bleibende Wert der Studie von Lewis und Yamell liegt vor allem darin, dass sie anhand eines sehr groBen Ausgangskollektivs einen Eindruck davon vermittelt, mit welchen Motiven sich iiberfiihrte Serienbrandstifter den Ermittlungsbehorden gegeniiber prasentieren. Dartiber hinaus geht die methodische Kritik an einer Lewis und Yamell sicherlich gelegenen Absicht vorbei: Detaillierte Fallschilderungen der einzelnen Pragnanztypen machen vier Funftel der Monografie aus und vermitteln sehr anschaulich, wie sich die Probanden selbst erleben, ihre zwischenmenschlichen Beziehungen gestalten und in der professionellen Beurteilungssituation verhalten. Hinsichtlich der Qualitat der Beobachtung und Ausfiihrlichkeit der Beschreibung kniipfen ihre Fallschilderungen an die europaischen Ursprungsfalle des 19. Jahrhunderts an und sind von spateren Autoren in ihrer - gerade in der Forensik unverzichtbaren - kasuistischen Dichte so nicht mehr erreicht worden.

2.3 Die Literaturseit 1951 Dieser Abschnitt ist flir das Verstandnis der empirischen Untersuchung entbehrlich. Er soil vielmehr eine Darstellung samtlicher dem Verfasser bekannt gewordenen, seit 1951 an Brandstiftem empirisch gewonnener Ergebnisse und zur Beschreibung, Klassifikation und Erklamng von Brandstiftungen entwickelter Konzeptionen geben. Der Uberblick stiitzt sich auf diejenigen in einem friiheren Sammelreferat (Bamett und Spitzer 1994) enthaltenen und seither erschienenen empirischen Untersuchungen, die eine eindeutige Stichprobenbeschreibung enthalten. Um die Lesbarkeit zu erleichtem, werden oft Prozentwerte angegeben, ohne jedes Mai die GroBe des Ausgangskollektivs mit aufzuftihren. Der Umfang der jeweils angefallenen Stichproben ist Anhang A zu entnehmen. Theoretische Konzeptuahsiemngen werden referiert, wenn sich aus ihnen zum Zeitpunkt ihres Erscheinens neue Gesichtspunkte ergaben. Bei den Spezialthemen Patienten in psychiatrischen Kliniken, Patienten mit organischen Erkrankungen, Brandstiftung und Sexualitat sowie Therapie wurden auch Kasuistiken berucksichtigt.

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2.3.1 Diagnosedefinitionen Bis zum Erscheinen von DSM III (American Psychiatric Association 1980) wurde - und wird zum Teil heute noch - der Begriff Pyromanie in verschiedenen Bedeutungen gebraucht: Ftir nach der Tat mit oder ohne Masturbation zum Orgasmus gelangende (Reinhardt 1957, Donalies 1972) oder im Sinne einer sexuellen Symbolhandlung agierende (Taylor 1966, Leonhard 1964) Tater, fxir alle nicht im engeren Sinne kriminell (Versicherungsbetrug, Straftatsverdeckung) motivierten Serienbrandstifter (MacDonald 1977, Jackson, Glass und Hope 1987) und fixr dranghaft handelnde Tater ohne ersichtliches Motiv (Mavromatis und Lion 1977). Auch die Verwendung als diagnostisch neutrale Sammelkategorie fur alle psychopathologisch auffalligen Brandstifter wurde vorgeschlagen (Robbins und Robbins 1967). Das DSM-I (American Psychiatric Association 1952) rechnete die Pyromanie als "obsessive-compulsive reaction" zu den Zwangsstorungen ("zwanghaftes Brandstiften"); im DSM-II (American Psychiatric Association 1968) taucht sie nicht auf. Seit dem Erscheinen von DSM-III (American Psychiatric Association 1980) wird sie als Stoning der ImpulskontroUe betrachtet und ist als zwei- oder mehrmaliges Feuerlegen (Kriterium A) von Personen, die Faszination, Interesse, Neugier oder Anziehung hinsichtlich Feuer und damit zusammenhangender Situationen (entsprechende Utensilien, Gebrauche, Folgen) zeigen (Kriterium C) und Spannungsgefuhl oder Erregung vor (Kriterium B) sowie Vergnugen, Befriedigung oder Entspaimung beim Feuerlegen, Zuschauen oder Beteiligt- sein an den Folgen (Kriterium D) empfinden, operationalisiert. Ausschlusskriterien sind im engeren Siime kriminell (Profit, Verdeckung), normalpsychologisch (Wut, Rache) und psychotisch motivierte Taten sowie verminderte Urteilsfahigkeit (z. B. Demenz, Oligophrenic, Substanzintoxikation) oder das Bestehen einer Stoning des Sozialverhaltens respektive einer antisozialen Personlichkeitsstorung. Die Definition lasst deutUch den Einfluss von Lewis und Yamell (1951) erkennen, trifft durch das C-Kriterium allerdings liberwiegend auf deren von ihnen nicht zu den Pyromanen im engeren Siime gezahlten Subtyp des "firebufP' zu: Unreife, oft minderbegabte Jugendliche und junge Manner mit einer Affinitat zu Feuerwehr und/oder alien mit Feuer zusammenhangenden Dingen. Als wesentliches Charakteristikum ihrer 70 Probanden "most nearly approaching true pyromania" hoben Lewis und Yamell jedoch nicht ein abnormes Feuer(wehr)interesse, sondem die Angabe, einem "irresistible impulse" gefolgt zu sein, hervor. 14 dieser Tater wurden von Lewis und Yamell kasuistisch geschildert: Selbst bei weitester Auslegung erfiillen nur 2 von ihnen das C-Kriterium (einer hatte friiher als Feuerwehrmaim gearbeitet, bei einem anderen wurden Detektivhefte in seinem Auto gefunden);

2.3 Die Literatur seit 1951

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vier Probanden erfiillen dariiber hinaus nicht das D-Kriterium, da sie den Tatort unmittelbar nach der Brandlegung verlieBen. tJber ihre Angabe eines "irresistible impulse" hinaus ist alien von Lewis und Yamell geschilderten Probanden auch nicht etwa Faszination durch Feuer und schon gar nicht ein abnormes Interesse an allem damit Zusammenhangendem, sondem anscheinend die Abreaktion eines emotionalen Spannungszustandes, wobei Feuer in einigen Fallen sogar ein eher zufallig gewahltes Mittel zum Zweck war, gemeinsam. Lewis und Yamell formulierten das so: "Ihr ganzes Leben hindurch haben sie zu impulsiven Ausbruchen geneigt, wenn ihre Probleme uberhand nahmen. Bei anderer Gelegenheit sind sie weggelaufen, einige haben gestohlen, einige haben Suizidversuche untemommen und andere haben bereits friiher Feuer gelegt" (Lewis und Yamell 1951, S. 126, Ubers. d. Verf.). Die - wenn man es so bezeichnen will - emotionale Entspannung der Probanden von Lewis und Yamell erfolgte jedoch keinesfalls stets, wie im D-Kriterium gefordert, wahrend des Feuerlegens, Zuschauens oder Beteiligtseins an den Folgen, sondem in einem Teil der Falle offenbar erst nach der Tat, ohne dass der Brand oder seine Bekampfung beobachtet worden war. Die ICD-Pyromaniedefinition (DiUing et al. 2000a) hebt gegeniiber derjenigen des DSM starker auf die europaische Tradition mit der Brandstiftung ohne Motiv ab. Das fur den "firebuff charakteristische Interesse an allem, was mit Feuer und Brand zu tun hat (Loschfahrzeuge, Gegenstande zur Brandbekampfung usw.) findet sich im einleitenden Text, ebenso wie die Formuliemng: "... anscheinend ...unmotivierte ... Brandstiftung". Die Kriterien sind denen des DSM ahnlich, aber nicht mit ihnen identisch: 1. Wiederholte Brandstiftung ohne erkennbare Motive wie materieller Gewinn, Rache oder politischer Extremismus, 2. Starkes Interesse an der Beobachtung von Branden, 3. Wachsende Spannung vor und starke Erregung nach der Handlung. Beim ersten Kriterium bleibt offen, was unter "nicht erkennbaren Motiven" verstanden werden soil: Nicht verstehbare (im Sinne von Jaspers 1973) Motive wie bei den Fallen von E. Platner (1824) und Settegast und Ulrich (1825) oder ledighch rational nicht nachvollziehbare wie oft bei Henke (1817). Das zweite Kriterium, starkes Interesse an der Beobachtung von Branden, schliefit die oben zuletzt genannten Falle von Lewis und Yamell aus; ebenso fallen die klassischen deutschen Kasuistiken von Maria Kalinowska uber "De amentia occulta 11" bis hin zu Magdalena Klein, anhand derer der Pyromaniebegriff seinerzeit entwickelt wurde, nicht in diese Kategorie. Folgerichtig beinhaltet das dritte Kriterium nur (starke) Erregung und nicht wie im DSM auch die Altemative der Entspannung nach der Handlung. In dieser Hinsicht steht die ICD-10-Pyromanie ganz in der Nahe der Osiander'schen "Feuer-

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lust" und der in der alteren Literatur geschilderten Taten aus "Freude am Feuer". In Deutschland sind die operationalisierten Diagnosemanuale durchaus differenziert betrachtet und nicht vorbehaltlos akzeptiert worden. Spitzer und Degkwitz (1986), Mundt (1995) und Mundt und Spitzer (1999) stellen neben ihren unbestreitbaren Vorteilen auch die Nachteile dar. Namentlich die Kategorie der Impulskontrollstorungen wurde kritisch beurteilt, u. a., weil die in dieser "Restkategorie" zusammengefassten Storungsbilder sehr groBe Unterschiede aufweisen und daher "eine klassifikatorische Unsicherheit dariiber besteht, ob sie uberhaupt auf der Syndromebene gesondert aufgefiihrt werden soUen, oder ob die Storungen der Impulskontrolle nicht besser als symptomatischer Ausdmck spezifischer Personlichkeitsstorungen aufzufassen seien" (Fiedler und Mundt 1997). Die drei strafrechtlich besonders relevanten Impulskontrollstorungen Kleptomanie, Pyromanie und pathologisches Spielen sind insbesondere von forensischer Seite auBerordentlich kritisch bis ablehnend rezipiert worden (Mundt 1986, Krober 1985, 1988, 1995, Miiller 1990, Rosier 1992, HoUweg 1994, Rasch 1999, Foerster 2000). Von den im Folgenden referierten Studien verwenden 21 explizit das DSM III bzw. spatere Versionen desselben. Bereits Crossley und Guzman (1985) stellten fest, dass seit Einfuhrung von DSM-III kaum noch Pyromanien - also isoliertes Feuerlegen ohne andere psychiatrische Symptomatik - diagnostiziert wurden. Die Diagnose "Pyromanie" nach DSM taucht in den hier referierten Studien nur in einer kanadischen (Bourget und Bradford 1989, 4%) und einer US-amerikanischen (Ritchie und Huff 1999, 1,3 %) Studie sowie in vier finnischen Untersuchungen (Repo et al. 1997a, b; Repo und Virkkunen 1976, 40 %, Virkkunen 1984, 42 %) auf. Die beiden letztgenannten Studien verzeichnen allerdings in iiber 50 % der Falle eine Komorbiditat mit Alkoholabhangigkeit bzw. antisozialer Personlichkeitsstorung, so dass die von den seinerzeitigen DSMVersionen gesetzten Grenzen gesprengt werden. In denjenigen flxnf Studien, die die ICD-10 verwenden, wurde die Diagnose nicht gestellt. 2.3.2 Grode des Problems, Statistik und Kriminologie Anfang der 90er Jahre beliefen sich die durch Brandstiftung verursachten volkswirtschaftlichen Schaden in den USA auf 30 % aller Feuerverluste, in Schweden, Osterreich und Deutschland auf ca. 20 % (kostenorientierte Statistik); in England, den Niederlanden und Belgien waren in etwa die Halfte aller polizeilich gemeldeten Feuer (tatorientierte Statistik) durch Brandstiftung verursacht (alle Angaben nach Prins 1994). Die Aufzahlung

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lasst bereits das Problem der intemationalen Vergleichbarkeit erkennen, das durch unterschiedliche Rechtsbegriffe fur den Tatbestand vorsatzlich gelegter Schadensfeuer noch vergroBert wird. Die englische Gesetzgebung beispielsweise ist tatwerkszeugsorientiert und bezieht sich auf alle durch Feuer verursachten Schaden (Barker 1994), das deutsche Strafgesetzbuch tatobjektorientiert (§§306-308, 310a StGB); darliber hinaus muss als qualifizierendes Merkmal dasjenige der Gemeingefahrlichkeit erfiillt sein. Das Entztinden abgestellter Autos, Mullcontainer, Heuhaufen usw. fallt daher in Deutschland im allgemeinen unter den Tatbestand der (nur auf Antrag des Geschadigten verfolgten) Sachbeschadigung. Aufgrund der seit 1871 unveranderten rechtlichen Definition der Brandstiftung* kann sogar die paradoxe Situation entstehen, dass die gleiche Tat unterschiedliche Rechtsfolgen nach sich zieht: Entziindet jemand beispielsweise im Treppenhaus eines aus Beton bestehenden Wohnhauses Altpapier, das mangels entflammbarer Umgebung von selbst wieder erlischt und lediglich einen Rauchschaden hinterlasst, liegt wegen fehlender Gemeingefahrlichkeit nur Sachbeschadigung vor. Handelt es sich dagegen um einen Altbau, in dem das Feuer mit den selben Folgen ebenfalls spontan verloscht, der holzemen Treppe wegen jedoch gute Chancen gehabt hatte, auf das ganze Haus ixberzugreifen, ist der Tatbestand der versuchten schweren Brandstiftung erfiillt (Beispiel aus Stolz 1994). Werden Wald- oder Heideflachen in Brand gesetzt, liegt im Allgemeinen lediglich ein VerstoB gegen die Waldschutzverordnung vor (Bleck 1977). Dariiber hinaus existieren in Deutschland verschiedene Brandstiftungsstatistiken: Die von den Landeskriminalamtem gefuhrte, tatwerkzeugorientierte polizeiliche Brandursachenstatistik, die nach dem Strafgesetzbuch klassifizierende und jahrlich vom Bundeskriminalamt herausgegebene polizeiliche Kriminalstatistik und schlieBlich die Brandursachenstatistik des Verbandes der Sachversicherer, die vom Dachverband der Versicherungsgesellschaften auf Bundesebene zusammengefasst und jahrlich veroffentlicht wird. Die Zahl der erfassten Brandstiftungen differiert zwischen den verschiedenen Statistiken um bis zu 100 %(Spohr 1973). Ausgehend von der polizeilichen Kriminalstatistik (Bundeskriminalamt 2001) machten im Jahr 2000 Brandstiftungen bundesweit 0,4 % aller polizeibekannt gewordenen Delikte aus. Die Aufklarungsquote lag bei 37 % (zum Vergleich: Diebstahl 25 % aller Delikte, Aufklarungsquote 18 %). In einer fur 25-jahrige Mannheimer reprasentativen Studie an 321 Probanden zum Dunkelfeld verschiedener Delikte (Schmidt et al. 2000) wurde dasjenige fiir Brandstiftung mit 1 % gefunden, d. h., 1 % der Befragten gaben an, schon einmal eine offiziell nicht bekannt gewordene Brandstiftung begangen zu haben (zum Vergleich: Schwarzfahren 50 %, Dieb*Nach AbschluB des Manuskriptes wurde die geltende gesetzliche Regelung geandert (§§ 306, 306a-306f StGB).

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stahl 25 %). Nach der polizeilichen Kriminalstatistik waren 83 % der im Jahr 2000 polizeilich uberfuhrten Brandstifter Manner, etwas mehr als die Halfte davon im Alter zwischen 18 und 25 Jahren. 25 % waren Kinder und Jugendliche. 40 % der Taten wurden auf dem Land und in Kleinstadten mit bis zu 20.000 Einwohnem veriibt, 17% in Grofistadten. Diese Zahlen stimmen sehr gut mit denen von Barker (1994) fur England und Wales berichteten uberein. Haufigstes Tatobjekt waren sowohl in England und Wales als auch in den alten Bundeslandem (Bruch 1985) Gebaude, es folgen MuUcontainer, Telefonzellen, Heuhaufen usw. Beide Male lag die haufigste Tatzeit zwischen 20 und 24 Uhr; relativ die meisten Taten wurden an den Wochenenden veriibt. Weitere Daten, insbesondere zu den Tatem, sind nur den polizeiintemen Ursachenstatistiken zu entnehmen, die fur das Land Berlin fiir die Jahre 1992/93 veroffentlicht sind. Danach ziinden Jugendliche bevorzugt leicht zugangliche Objekte wie abgestellte Autos, MuUcontainer usw. an, erwachsene Serientater in Hausfluren, Kellem und auf Dachboden Gelagertes: "Der Gelegenheitstater (z. B. Kinder und Jugendliche) nutzt eine gtinstige Tatgelegenheit, der Serientater flihrt sie selbst herbei oder sucht sie" (Stolz 1994). Ausgehend von den selben Daten beschrieb Breitfeld (1992) mit der Merkmalskombination "jiinger als 25 Jahre, ohne Schulabschluss und Berufsausbildung, alleinlebend, arbeitslos, alkoholkrank und/oder bei der Tat alkohohsiert" den aus polizeilicher Sicht haufigsten Serientatertypus, der auch fiir den psychiatrischen Sachverstandigen eine groBe Rolle spielt. 2.3.3 Totalerhebungen polizeilich Ermittelter und Verurteilter An groBen Grundgesamtheiten erhobene Datensatze ergeben trotz der oben erwahnten Unterschiede zwischen den Statistiken immer noch den besten Uberblick hinsichtlich der untersuchten Variablen. Fiir Deutschland sind dies die Studien von Wagner (1962), Berke-Miiller (1966), Breitfeld (1992) und Bamett und Richter (1995). Wagner (1962) standen die Akten aller 600 der Landesbrandkasse Kiel zwischen 1925 und 1939 bekannt gewordenen Brandstiftungen zur Verfiigung; er fand 55 % Versicherungsbetriiger, 25 % Jugendliche und 20 % Tater aus "iimeren Ursachen". Der in keiner der auch in den spateren Abschnitten referierten Studien nur annahemd erreichte Anteil fmanziell motivierter Tater durfte sich aus dem speziellen Akteimiaterial einer Versicherung ergeben. Unzurechnungsfahig wegen Geisteskrankheit waren insgesamt 10 % der Tater, davon die Halfte schwachsinnig, ein Viertel psychotisch (jeweils zur Halfte schizophren und manisch-depressiv), ein Viertel nicht endogen depressiv verstimmt. Unter

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den 20 % Tatem aus "inneren Ursachen" befanden sich "viele" Psychopathen. Berke-Miiller (1966) wertete die Polizeiakten der 500 alphabetisch ersten von insgesamt 800 zwischen 1950 und 1965 in der unter Reprasentativitatsgesichtspunkten qualitativ hochwertigen Brandstifterkartei der Kriminalpolizei Niedersachsen enthaltenen Tater aus. 12 % der Emiittelten wurden polizeilicherseits als schwachsinnig, 5 % als geisteskrank eingestuft. Die Motive waren in 33 % unklar bzw. nicht offensichtlich, in 25 % negative Affekte (Rache, Hass, Eifersucht etc.), in 12 % angenehm getonte Emotionen (tJbermut, Freude am Feuer), in 11 % der Wunsch, sich bei den Loscharbeiten hervorzutun (dieser relativ hohe Anteil diirfte mit der sozialen Bedeutung der Freiwilligen Feuerwehr auf dem Lande zusammenhangen), in 8 % Versicherungsbetrug und sonstiger Eigennutz, in 3 % sexuell. Die Brandtatenverdachtigenkartei der Berliner Kriminalpolizei umfasste zehn Jahre nach ihrer Einrichtung 2200 Personen, darunter 91 % Manner, 18 % Jugendliche. 10% der Erwachsenen befand sich in psychiatrischer Behandlung, 24%wafen Mehrfachtater (Breitfeld 1992). Letztere waren zu 68 % arbeitslos, 24 % von ihnen wurden psychiatrisch behandelt, 25 % hatten Suizidversuche in der Vorgeschichte, 24 % Sexualdelikte (inklusive Stalking und homosexuelle Prostitution). Bamett und Richter (1995) untersuchten alle 1356 zwischen 1983 und 1985 in den alten Bundeslandem wegen Brandstiftung ergangenen Gerichtsentscheide anhand von Bundeszentralregisterausztigen. 2 1 % der Tater waren schuldunfahig, knapp die Halfte bei Vollrausch, 10 %> wurden als vermindert schuldfahig verurteilt. Von den Schuldunfahigen wurden ein Drittel nach §§ 63, 64 StGB untergebracht worden, die Ubrigen Verfahren wurden eingestellt. Das Verhaltnis von Mannem zu Frauen lag in den vier Studien zwischen acht und zehn zu eins; jeweils zwischen 30 bis 40 % der Tater waren jungerals21 Jahre. Ein Vergleich mit intemationalen Studien ist aufgrund der unterschiedlichen Rechtsbegriffe fur den deutschen Tatbestand der vorsatzlichen Brandstiftung kaum moglich; als kriminologisch besonders wertvoU sei jedoch die Studie von Molnar et al. (1984) erwahnt, die alle 225 innerhalb eines definierten Zeitraumes in einem New Yorker Bezirk Festgenommenen nach allein (n = 144) und gemeinschaftlich handelnd (n = 71) verglich. 15% der AUeintater, niemand der Gemeinschaftstater war psychotisch. Das psychosoziale Funktionsniveau der allein Handelnden war wesentlich geringer als das der Gemeinschaftstater. Zieht man in Gangs aus Vandalismus handelnde Jugendliche ab, waren alle Gemeinschaftstater finanziell

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motiviert, insgesamt 37 % gegeniiber 3 % der Einzeltater, kein offenkundiges Motiv fand sich bei 3 % der gemeinsam gegenuber 13 % der allein Handelnden; bei Suizidabsichten war das Verhaltnis 1 % zu 6 %. Demnach begingen psychiatrisch auffallige Erwachsene ihre Taten ausschlieBlich allein, gemeinschaftlich von Erwachsenen ausgefuhrte Brandstiftungen waren stets jfinanziell motiviert. 2.3.4 Haftlinge Untersuchungen verurteilter Haftlinge lassen erkennen, in wie weit psychiatrische Storungen von den Gerichten nicht als solche erkannt bzw. fur die Schuldfahigkeit als nicht relevant erachtet werden. Dariiber hinaus geben sie Aufschluss tiber die emotionalen Hintergriinde vieler normalpsychologisch motivierter Tater. Studien an Untersuchungsgefangenen lassen demgegeniiber den Anteil psychiatrisch Auffalliger unter Einschluss spater fiir behandlungsbediirftig Erachteter erkennen. Robbins und Robbins (1967) fanden unter alien wegen Brandstiftung in New York in Untersuchungshaft Befindhchen eines Jahres 10% Verdeckungsbrandstifter und Versicherungsbetruger, knapp 50 % Rachetater, 30 % anderweitig emotional motivierte (als Pyromanen bezeichnete) Tater und 10 %, die jemandem einen "bosen Streich" (malicious mischief) spielen woUten. Letztere waren mit 80 % unter den Jugendlichen, bei denen andere Motive kaum eine Rolle spielten, am haufigsten. Ebenfalls in New York fand Inciardi (1970) bei auf Bewahrung entlassenen Strafhaftlingen ganz ahnliche Prozentsatze: 58 % Rachetater, 18 % emotional Motivierte, 14 % Verdeckungs- und Versicherungsbetrugstater, 7 % in Heimen und psychiatrischen Kliniken Untergebrachte, 5 % Vandalismustater. Verglichen mit nach Deliktgruppen unterteilten anderen Untersuchungshaftlingen wurde bei Brandstiftem am haufigsten eine antisoziale Personlichkeitsstorung diagnostiziert, Drogenabhangigkeit, psychotische und himorganische Erkrankungen waren demgegeniiber gleich verteilt (Schuckit etal. 1977). In dem fiir ein Drittel der englischen Bevolkerung zustandigen groBten Untersuchungsgefangnis Europas ergab eine Pravalenzstudie bei Brandstiftem 30 % Schizophrenien, 35 % nicht psychotische psychiatrische Storungen (ohne Personlichkeitsstorung als alleinige Diagnose), 35 % waren psychiatrisch unauffallig (zum Vergleich: Probanden mit TotungsdeUkten 11 %, 28 %, 58 %, mit Sachbeschadigung: 21 %, 36 %, 39 %). Die Autoren betonen, dass diese Zahlen fiir Brandstifler annahemd denjenigen aller Ermittelten entsprechen diirfte, da ein der Brandstiftung Verdachtigter in

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GroBbritaimien nur selten gegen Kaution auf freien Fu6 gesetzt werde (Taylor undGuim 1984). Ein Vergleich untersuchungsgefangener Brandstifteriimen mit wegen anderer schwerer Delikte inhaftierten Frauen ergab in beiden Gruppen ebenso haufig sexuellen Missbrauch (um 20 %) und/oder das Fehlen bedeutsamer Beziehungspersonen (um 25 %) in der Biografie; 90 % der Brandstifterinnen batten eine psychiatrische Diagnose (Stewart 1993). In der einzigen Studie an Strafgefangenen erhielten diese um so haufiger die Diagnose einer Personlichkeitsstorung, zu je langeren Haftstrafen sie verurteilt worden waren (Sapsford et al. 1978). In einem Vergleich von inhaftierten mit in einer Klinik fur psychisch kranke Straftater behandelten Brandstiftem fanden O'Sullivan und Kelleher (1987) erhebliche Uberschneidungen zwischen beiden KoUektiven: 50 % der Patienten litten an einer Psychose, aber auch 18 % der HaftUnge, 3 % der Patienten gegentiber 18 % der Haftlinge waren minderbegabt oder schwachsinnig; bei Alkoholabhangigkeit war das Verhaltnis 12 % zu 7 %. Unter den Haftlingen batten einige die Tat sogar aus wahnhafter Motivation heraus begangen. Rache und emotionale Ausnahmezustande waren in beiden Gruppen die haufigste Motivation bzw. Antezedentien der Taten; "motivlose" Taten fanden sich in beiden Gruppen statistisch nicht unterschiedlich haufig mit 18 % bzw. 10 %. Als wesenthchen Gruppenunterschied fanden die Autoren, dass die Haftlinge zu zwei Dritteln andere antisoziale Verhaltensweisen in der Vorgeschichte aufwiesen und deshalb eine ungunstige Gefahrlichkeitsprognose gestellt worden war, was allerdings auch auf ein Drittel der Patienten zutraf. 2.3.5 Begutachtete Die weitaus meisten Studien wurden an begutachteten Tatem durchgeftihrt. Auch wenn sicherlich vorhandene intemationale Unterschiede hinsichtlich der Gutachtenanforderung in Rechnung gestellt werden, resultiert aus der Zusammenschau dieser Studien fur den forensisch-psychiatrischen Sachverstandigen ein Panorama derjenigen Brandstifter, mit denen er zu tun hat. Dariiber hinaus bieten Studien an Begutachteten den Vorteil, dass die Probanden fachkompetent untersucht und ausfuhrlich dokumentiert sind, so dass auch differenziertere Fragestellungen beantwortet werden konnen. Im gesamten Gutachtenmaterial einer Institution machen Brandstifter, soweit dies angegeben wird, zwischen 3,7 (Gtinzel 1987) und 9,2 % (Juokamaa und Tuovinen 1983a) aus; die hier referierten Untersuchungen umfassen zwischen 30 (Leong 1992) und 153 (Rix 1994) Probanden.

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Ebenfalls in diesem Abschnitt berucksichtigt werden psychiatrische Routinedokumentationsbogen an Delinquenten vor ihrer Gerichtverhandlung, die zwar einen geringeren Informationsgehalt als die Gutachten selbst aufweisen, jedoch standardisiert sind und an groBeren Kollektiven durchgeftihrt wurden (bspw. Repo et al. 1997a, n = 304); der Terminus "Begutachtete" bezieht sich im Folgenden auch auf diese Probanden. Alters- und Geschlechtsverteilungen entsprechen den bisher mitgeteilten; stets wurden in mehr als 90 % psychiatrische Diagnosen gestellt. In alien Studien, die Diagnoseaufstellungen enthalten (Bradford 1982, Bradford und Dimock 1986, Fleszar-Szumigajowa 1969, Joukamaa und Tuovinen 1983a, b, Katila etal. 1968, Kirsch und Lange 1990, Laubichler und Ktihberger 1995, Laubichler etal. 1996, Leong 1992, Leong und Silva 1999, Linnoila etal. 1989, Pascoe 1983, Puri etal. 1995, Rasanen etal. 1995a, b, Rechlin und Weis 1992, Repo und Virkkunen 1997a, Rix 1994, Wagner 1974, Yesvage etal. 1983) sind - sofem Achse II-Diagnosen gestellt wurden - Personlichkeitsstomngen, Schizophrenic, Intelligenzminderung und Alkoholismus die haufigsten Diagnosen. Depressive Erkrankungen (major depressive Disorder, Dysthymia, endogene und neurotische Depression) werden nicht immer aufgefiihrt. Die mitgeteilten Haufigkeiten depressiver Storungen liegen bei 4 % (Harmon etal. 1985), 2 % (Laubichler etal. 1996, Gtinzel 1987), 14% (Rasanen etal. 1995a), 3 % (Bourget und Bradford 1989), 4 % Rix (1994), 10 % Leong und Silva (1999), 14 % (Puri et al. 1995). Taten depressiver Probanden ereignen sich fast immer in der eigenen Wohnung, bei Frauen gelegentlich im Rahmen eines Suizidversuchs unter Mitnahmeabsicht, aber auch als aggressive Durchbruchshandlung (Stumpfl 1967). ImpulskontroUstorungen (ohne Pyromanie) werden als Diagnosen aufgefiihrt in 3 % (Leong und Silva 1999) und 30 bzw. 40 % (Repo etal. 1997a, b), Angststomngen in 5 % (Bradford und Dimock 1986), Neurosen allgemein in 3 % (Joukamaa und Tuovinen 1983b) und 12 bzw. 14 % (Repo etal. 1997a, b), psychosomatische Erkrankungen wie Asthma bronchiale, endogenes Ekzem etc. in 5 % (Rechlin und Weis 1992). Einige Untersuchungen klassifizieren die Probanden unter Verzicht auf Diagnosen nach Tatmotiven (Harmon et al. 1985, Hill et al. 1982, Rasanen etal. 1995c, Wiklund 1983), die aufgrund der ad hoc Kategorienbildung untereinander nicht ohne weiteres miteinander vergleichbar sind. Mit alien daher notwendigen Einschrankungen ergibt sich fiir diese Motivauflistungen jedoch ein ahnliches Bild wie fiir diejenigen der in den diagnoseorientierten Studien mitgeteilten: Am haufigsten finden sich Beweggriinde, bei denen auf irgend cine Art und Weise eine Rachekomponente cine RoUe spielt, am zweithaufigsten sind die von diesen nahezu immer getrennt

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aufgefiihrten Emotionen (gerichtete) Wut und Verargerung. Meistens wird noch eine dritte, unterschiedlich benannte Motivkategorie definiert: (ungerichtete) Frustration, affektive Spannungsabflxhr, emotionaler Ausnahmezustand, Katharsis etc. Je mehr Probanden in diese Kategorie fallen, um so weniger werden als "ohne (offensichtliches) Motiv" klassifiziert vice versa, so dass inhaltliche Uberschneidungen angenommen werden mussen. Zusammengenommen machen diese Probanden in den meisten Studien 10 bis 30 % aus. Je mehr Jugendliche und Heranwachsende das untersuchte KoUektiv enthalt, desto ofter fmdet sich Vandalismus bzw. "sensation seeking" sowie "jemandem einen bosen Streich (malicious mischief) spielen wollen" als Motiv, in auf diese Altersgruppe beschranktem Gutachtenmaterial (Bemer und Spiel 1963, Canter und Fritzon 1998, Fineman 1980) in bis zu mehr als der Halfte. "Want to be a hero," "attention seeking" (meist durch Rettungsaktionen oder Meldung des Brandes) und - bei Feuerwehrmitgliedem - Suche nach Anerkennung beim Loscheinsatz machen zusammengenommen oft um 10% der Motive aus, ebenso wie "thrill", "excitement" bzw. Freude am Feuer und - fur Gutachtenmaterial erstaunlich - Straftatverdeckung oder Versicherungsbetrug. Selbstverbrennungsabsicht wird in der Halfte der Studien als Motiv aufgefiihrt, und zwar mit bis zu 10 %. Ausschliefilich in deutschsprachigen Arbeiten findet sich die nicht etwa dem "hero" bzw. "attention"-Motiv entsprechende Selbstwerterhohung; sie entspricht in etwa dem Casper'schen "Drang, seine Personlichkeit geltend zu machen" (s. S. 22-23): Die Probanden bemiihen sich, unentdeckt zu bleiben und triumphieren insgeheim, ein gefahrlicher Brandstifter zu sein, der alle in Unruhe versetzt (Hiob 1970, Wagner 1974, Helmer 1965). Weitere Motivkategorien treten demgegeniiber quantitativ zuriick und liegen jeweils um 5 % und darunter. Ein nicht losbares Problem der Motivauflistungen ist natiirlich, dass die Einzelmotive stets Mischungen von Probandenangaben und Untersucherinterpretationen (beispielsweise Angabe Eifersucht, Interpretation emotionale Spannungsabfuhr) sind. Dariiber hinaus finden sich in der gutachtlichen Realitat oft ganze Biindel von Motiven, die sich in den zu empirischen Zwecken aufgestellten Listen nicht abbilden. Einige Autoren (Harmon et al. 1983, Rix 1994, Wagner 1974, Wiklund 1983) weisen darauf hin, dass gelegentlich die vom Sachverstandigen als eigentlich dominierenden Bestandteile der Motivation gefundenen Komponenten nur in loser bzw. keiner Beziehung zu den von den Probanden nachtraglich angegebenen und vordergriindig schliissigen, sogar finanziellen Motiven stehen.

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2.3.5.1 Diagnostische Untergruppen Nur wenige der vielen Studien, die Achse-II-Diagnosen enthalten, schlusseln diese weiter auf, meist wird lediglich mitgeteilt, dass es sich vorwiegend um antisoziale Persdnlichkeitsstorungen handelt (Bradford und Dimock 1986, Herjanic etal. 1997, Pascoe 1983), wobei Bradford (1982) diskutiert, dass antisoziale Personlichkeitsstorungen bei Brandstiftem moglicherweise tiberdiagnostiziert werden. Diejenigen beiden Studien, die Achse-II-Storungen naher spezifizieren, fuhren gemischte bzw. nicht naher spezifizierbare Personlichkeitsstorungen als am haufigsten vorkommend auf (Rix 1994: 45 %, Hill et al. 1982: 33 %), beide Male gefolgt von antisozialer Personlichkeit bei Mannem und Borderline-Stoning bei Frauen. Illustrative Kasuistiken zu letzteren geben Garlipp et al. (1996) und Rechlin und Joraschky (1992). Laubichler et al. (1996) fanden allerdings 60 % Selbstunsichere, gelegentlich mit narzisstischen Ziigen, bei deren Taten meist eine vorangegangene Frustrationskomponente eine RoUe spielte. Es liegt nahe, dass antisoziale Personlichkeiten vom gerichtlichen Umfeld der Autoren als gewohnliche Kriminelle und nicht fur begutachtenswiirdig betrachtet wurden. Daruber hinaus drangt sich anhand der Arbeit von Laubichler etal. (1996) der Verdacht auf, dass es sich bei den vielen als geltungsbediirftig bezeichneten Brandstiftem der alteren deutschsprachigen Literatur (beispielsweise Hallermann 1962, Jarosch 1959, Mikorey 1953) nicht etwa um Geltungsbediirftige im Sinne von K. Schneider (1950), sondem um Probanden mit einer rein deskriptiv der heutigen selbstunsicheren oder dieser ahnlichen Personlichkeitsstorung gehandelt hat, die ihrem Geltungsbediirfnis Ausdruck verschaffen wollten. Die Haufigkeit schizophrener Psychosen liegt in Gutachtenmaterial aus deutschsprachigen Landem am niedrigsten (Giinzel 1987: 7 %, Laubichler etal. 1996: 5 %, Rechlin und Weis 1992: 7,5%), in Skandinavien im mittleren Bereich (Katila etal. 1968: 20%, Rasanen etal. 1995a: 18%, Repo und Virkkunen 1997b: 20%), in US-amerikanischen am hochsten (Harmon etal. 1985: 26%, Leong 1992: 50%, Leong und Silva 1999 33 %)). LFbereinstimmend wird berichtet, dass Brandstiftungen Schizophrener aus normalpsychologischen Motiven wie Hass und Rache haufiger vorkommen als unter dem Einfluss der Produktivsymptomatik (Due 1957, Ishigaki 1984, Kammerer et al. 1967, Marin 1963, Pascoe 1983, Rix 1994, Virkkunen 1974). Nur mittelbar im Zusammenhang mit der Erkrankung stehen Brandstiftungen, die von ehemaligen Patienten nach Entlassung aus oder SchlieBung von psychiatrischen Einrichtungen ausgefiihrt werden, um wieder in die beschiitzende Umgebung einer Institution zu gelangen (Geller 1984). Im Gutachtenmaterial von Rix (1994) machten diese Probanden 7 % aus.

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Intelligenzminderung wird abhangig vom untersuchten Koilektiv und der Definition ihres Schweregrades in 30 % (Pascoe 1983), 27 % (FleszarSzumigajova 1969), 30 % (Rechlin und Weis 1992), 23 % (Joukamaa und Tuovinen 1983b), 17% (Laubichler etal. 1996), 10% (Rix 1984) und 22%) (Yesvage etal. 1983) beobachtet. Die grundsatzliche Motivation geistig Behinderter unterscheidet sich bis auf das Fehlen von Versicherungsbetrug u. a. nicht von derjenigen normal Intelligenter (Power 1969), ihre Delikte weisen jedoch oft bestimmte Charakteristika auf: Nicht selten losen bereits geringe Enttauschungen und Zurucksetzungen impulsive, fiir die Umgebung nicht vorhersehbare Reaktionen aus, oft auf dem Boden einer Alkoholintoleranz; selbst geplante Brandstiftungen, beispielsweise aus Rache, werden oft ohne Vorsorge gegen Entdeckung ausgeftihrt (James und Snaith 1979). Oft werden Bediirfnisse ohne vorausschauendes Denken und ohne Berucksichtigung der Folgen fur die Tater selbst ganz naiv befriedigt (MacMillan 1982): Prototypisch sind Angehorige der freiwilligen Dorffeuerwehr, die sich Anerkennung durch ihren Einsatz bei den Loscharbeiten verschaffen wollen und fur die die Feuerwehr der einzige Ort ist, an dem sie trotz ihrer Behinderung sozial akzeptiert werden; beschrieben sind auch Racheakte fur Nicht-Aufnahme in die Feuerwehr oder Krankungen und Hanseleien durch Feuerwehrkameraden als auslosendes Moment (Esser 1959, Helmer 1950, von Hentig 1966, Spohr 1980). Von den 18 Feuerwehrleuten im Gutachtenmaterial von Wagner (1974) waren 7 debil und 6 grenzdebil. Eine sehr groBe Rolle nehmen schlieBlich Alkoholismus und Substanzabhdngigkeit ein, wobei allerdings oft nicht zwischen Krankheit bzw. Stoning im engeren Sinne, schadlichem Gebrauch ("Alkoholprobleme") und Intoxikation bei der Tat unterschieden wird. Von einigen Autoren diagnoseorientierter Studien werden Suchtstorungen gar nicht aufgefuhrt (Joukamaa und Tuovinen 1983b, Katila et al. 1968, Pascoe 1983, Yesvage etal. 1983); werden sie als Komorbiditat berixcksichtigt, resultieren Haufigkeiten bis zu 80 % (beispielsweise Repo et al. 1997a). Die Mehrzahl der Studien kommt auf 20 bis 40 %> Alkoholismus und um 5 %o Drogenabhangigkeit (US-amerikanische Studien, die samtlich an groBstadtischen Probanden durchgeftihrt warden, um 10 %). Sofem Alkoholisierung zum Tatzeitpunkt erhoben wurde, fand sich diese in 40 % (Giinzel 1987), 70 %> (Laubichler und Kiihberger 1995), 50 % (Molnar et al. 1984), 45 % (Rix 1994), 60% txber 1 Promille (Rechlin und Weis 1992). Allerdings wird auch die Meinung vertreten, dass der akuten Alkoholisierung gerade angesichts dieser Haufigkeiten bei Brandstiftung keine wesentHch groBere kriminogene Rolle zuzuschreiben ist als bei vielen anderen Delikten auch (Giinzel 1987, dagegen: Joukamaa und Tuovinen 1983). In einem Ver-

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gleich mit Totungsdelinquenten fanden Rasanen etal. (1995c) 84% der Brandstifter alkoholkrank gegenliber 62 % der Totungsdelinquenten (statistisch signifikanter Unterschied), bei den Taten waren in beiden Gruppen jedoch gleich viele Probanden alkoholisiert (jeweils ca. 80 %). 2.3,5.2 Kindheit, psychosoziale Situation, psycfiiatrisctie Vorerl^ranl^ungen Im Gegensatz zu Kindem und Jugendlichen ist die Datenlage zur herkunftsfamilidren Pathologie erwachsener Begutachteter relativ sparlich. Hill etal. (1982) fanden 45 % alkoholkranke Vater, 18 % alkoholkranke Mutter, 29 % vaterliche und 5 % miitterliche Gewalttatigkeit, 45 % abwesende Vater und 26 % abwesende Mutter. Die Haufigkeiten unterschieden sich nicht von denjenigen bei gewalttatigen Probanden, lagen jedoch hoher als bei Eigentumsdelinquenten. Bin Vergleich alkoholkranker Brandstifter mit alkoholkranken Gewalttatem ergab bei 90 % der Brandstifter gegenliber 50 % der Gewalttater Alkoholismus in der Familie (Linnoila et al. 1989), Repo etal. (1997b) fanden urn 50% alkoholkranke und/oder gewalttatige Vater. Bei 38 der 67 Probanden von Katila etal. (1968) fand sich mindestens ein abwesender Eltemteil und/oder hausliche Gewalttatigkeit. Sexueller Missbrauch in der Kindheit lag in der Studie von Puri et al. (1995) bei 18%) der Manner und 44% der Frauen vor, Rasanen etal. (1995b) fanden bei einem Vergleich mit Totungsdelinquenten statistisch signifikant mehr herkunftsfamiliare Pathologie, Arbeitslosigkeit und psychiatrische Vorerkrankungen bei den Brandstiftem. In der Studie von Hill et al. (1982) wurde bei 11 % der Vater und 13 % der Miitter eine psychiatrische Erkrankung ermittelt. Zuv familidren Situation fanden Bradford und Dimock (1986) keine der Brandstifteriimen und 9 % der mannlichen Tater verheiratet; zwei Vergleiche von Brandstiftem und Totungsdelinquenten ergaben in beiden Gruppen einmal 70 % Unverheiratete (Rasanen et al. 1995a), auf 60 %o Unverheiratete in jeder Gruppe kamen Hill etal. (1982). Bradford (1982) ermittelte bei einem Vergleich mit Eigentumsdelinquenten in beiden Gruppen um 60 % Arbeitslose, Yesvage et al. (1983) fanden bei psychiatrisch kranken und gesunden Brandstiftem jeweils ca. 40 % Arbeitslosigkeit; bei Rechlin und Weis (1992) waren 50 % arbeitslos, bei Laubichler et al. (1996) ebenfalls. In alien Studien dominieren bei den jeweils erganzenden Haufigkeiten der nicht Arbeitslosen ganz tiberwiegend ungelemte Beschaftigungsverhaltnisse. Eine relativ gute Ubereinstimmung iiber alle Studien hinweg fand sich ebenfalls hinsichtUch der Vorstrafenbelastung: Laubichler etal. (1996) 40 %, Rechlin und Weis (1992) 52 %, Puri et al. (1995) 53 %, Leong und

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Silva (1999) 66%, davon zur Halfte Gewaltdelinquenz, Harmon etal. (1985) 52%, davon ein Drittel Gewaltdelinquenz. Vergleichsstudien mit Totungsdelinquenten (Rasanen etal. 1995a) und Gewalttatem (Rasanen et al. 1995b) ergaben fur alle Gruppen mit um 50 % eine ahnliche Vorstrafenbelastung; Hill etal. (1982) ermittelten friihere Gewaltdelikte bei Brandstiftem in 40 %, bei Eigentumsdelinquenten in 4 % und Gewalttatem in 80 %. Haufigkeitsvergleiche hinsichtlichfriihererBrandstiftungen iiber die Studien hinweg sind weniger aussagekraftig als die Vorstrafenbelastung, da selten zwischen friiheren Verurteilungen und Ersttaten derjenigen Serie, wegen der die Probanden begutachtet wurden, unterschieden wurde. Sie reichen von 12% bei Leong und Silva (1999) bis 20% (Puri etal. 1995, Rix 1994) vorangegangenen Verurteilungen und zusatzlichen 12 % (Leong und Silva 1999) beziehungsweise 20 % (Rix 1994) nicht gerichtsbekannt gewordenen friiheren Taten bis zu 40 % unspezifizierten einschlagigen Vortaten (Repo et al. 1997b). Psychiatrische Behandlungen in der Vorgeschichte - soweit spezifiziert inklusive stationare Aufenthalte nach Suizidversuchen und Entgiftungen sind auBerordentlich haufig: Sucht- und allgemeinpsychiatrische Behandlungen waren im KHentel von Leong (1992) in 79 %, von Leong und Silva (1999) in 70%, von Bradford und Dimock (1986) in 53% vorhanden. Allgemeinpsychiatrische Vorbehandlungen ohne Sucht fanden Rix (1994) und Katila et al. (1968) in je 20 %. Die Probanden von Rechlin und Weis (1992) waren zu je 25 % wegen einer Suchterkrankung stationar oder einer allgemeinpsychiatrischen Stoning ambulant oder stationar vorbehandelt; die Studie von Puri et al. (1995) ergab insgesamt 60 % psychiatrisch Vorbehandelte, jeweils zu einem Drittel ambulant, tagesklinisch und stationar. Suizidversuche in der Vorgeschichte bei begutachteten Brandstiftem kamen im KoUektiv von Rasanen et al. (1995b) zu 44 % Prozent, in derjenigen von Rechlin und Weis (1992) zu 33 % vor. Zusammen mit vorangegangenen Selbstbeschadigungen fanden sie sich bei 53 % der Frauen und 22 % der Manner der Probanden von Bradford und Dimock (1986) und bei 38 % der Falle von Katila et al. (1968). Akute Suizidalitat war bei Brandstiftem mit 74 % statistisch signifikant haufiger gegenuber 46 % bei Gewalttatem (Rasanen et al. 1995b), ebenso wie mit 80 % bei Brandstiftem gegenixber 54% bei Totungsdelinquenten (Rasanen etal. 1995c), letztere hatten mit 28 % statistisch signifikant weniger Suizidversuche in der Vorgeschichte als die Brandstifter mit 56 %. Keinen Unterschied hinsichtlich friiherer Suizidversuche gegeniiber anderen Delinquenten fanden Hill et al. (1982), deren Brandstifter sich mit 44 % Mheren Suizidversuchen statistisch nicht signifikant von Eigentums- und Gewaltdelinquenten unterschieden. Die zu begutachtende Brandstiftung als Suizidversuch werteten

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Rasanen etal. (1995a) in 33 %, Rix (1994) in 7%, Rechlin und Weis (1992) in 5 % und Giinzel (1986) in 6 %. 2.3.5.3 Rechtliche Verantwortlichkeit Es mag paradox erscheinen, dass in den vielen Studien an Begutachteten nur wenig zur rechtlichen Verantwortlichkeit der Probanden zu finden ist. Ursachlich ist wahrscheinlich das bei Abschluss der Begutachtung noch ausstehende Gerichtsurteil mit seiner rechtlich verbindlichen Entscheidung beziiglich der Schuldfahigkeit. Die US-amerikanischen Studien enthalten keine Angaben zur rechtlichen Verantwortlichkeit; eine einzige teilt Daten zur Verhandlungsfahigkeit mit (Leong 1992): Von einem Ausgangskollektiv mit 85 % endogenen Psychosen waren 58 % verhandlungsunfahig. Bei einer englischen KUentel mit 54 % Personlichkeitsgestorten, 11 % geistig Behinderten, jeweils 8 % Alkoholkranken und endogenen Psychosen (Rix 1994) wurden 6 % im MaBregelvollzug untergebracht, 10 % erhielten eine ambulante psychiatrische Behandlung als Bewahrungsauflage und bei weiteren 10 % wurde gerichtlicherseits eine psychiatrische Behandlung unabhangig von der rechtlichen Sanktion arrangiert. In einem finnischen Vergleich von erwachsenen Brandstiftem mit Gewaltstraftatem (Rasanen et al. 1995a, c) erhielten 90 % der Brandstifter und 50 % der KontroUen eine psychiatrische Diagnose, jeweils zu zwei Dritteln diejenige einer Alkoholkrankheit. Der Unterschied hinsichtlich der rechtlichen Verantwortlichkeit zwischen Brandstiftem (33 % nicht verantwortlich, 54 % vermindert verantwortlich) und Gewalttatem (11 % nicht verantwortlich, 71 % vermindert verantwortlich) waren statistisch signifikant, offensichtlich aufgrund des durchschnittlich starkeren Berauschungsgrades der Brandstifter bei den jeweiligen Taten. Fiir finnische jugendliche und heranwachsende Brandstifter und Gewaltdelinquenten ergaben sich ganz ahnUche Zahlen (Rasanen et al. 1995b). Das osterreichische Gutachtenmaterial von Laubichler etal. (1995) weist 23 % der Probanden als schuldunfahig aus, samtlich hochgradig schwachsinnige, psychotische oder demente Probanden; die jiingste deutsche Studie (Rechlin und Weis 1992) verzeichnet 25 % Schuldunfahige (zur Halfte wegen Rauschtat, zu je einem Viertel wegen schizophrener Psychose und Schwachsinn) sowie 33 % erheblich vermindert Schuldfahige. Letztere verteilen sich zu je zwei Fiinftel auf Rauschtaten und Schwachsinnige, zu einem Fiinftel auf schwere Personlichkeitsstorungen.

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2.3.6 Brandstifter in Einrichtungen fur psychisch kranke Straftater Die deutsche MaBregelkiientel in ihrer Gesamtheit ist mit Vollerhebungen fiir die alte Bundesrepublik (Leygraf 1988) und zwei einzelnen Bundeslandem (Hohner 1993, Seifert und Leygraf 1997) demografisch dokumentiert. Empirische Studien an richterlich eingewiesenen Brandstiftem enthalten aufgrund des unproblematischen Zugangs fast immer KontroUgruppen aus psychisch kranken Straftatem mit anderen Indexdelikten (Harris und Rice 1984, Tennet et al. 1971, Jackson, Hope und Glass 1987, McKerracher und Darce 1966, Bradford 1982, Hurley und Monahan 1969) Bei 11 % aller 2800 in der Bundesrepublik Deutschland im Jahr 1984 gemaB §§ 63, 64 StGB Untergebrachten war dor Anlass fur die richterliche Einweisung Brandstiftung. Die durchschnittliche Unterbringungsdauer dieser Patienten lag mit 5,6 Jahren knapp unter der fur alle im MaBregelvollzug Behandelten ermittelten Aufenthaltsdauer von 6,3 Jahren (Leygraf 1988). 1986 galten fiir die 1700 in den drei enghschen High Security Hospitals Untergebrachte ganz ahnliche Zahlen (Prins 1994). In NordrheinWestfalen, das sich diesbeziiglich 1984 nicht von der iibrigen Bundesrepublik unterschied, sank die durchschnittliche Unterbringungsdauer aller MaBregelvollzugspatienten bis zum Jahr 1994 auf 4,8, diejenigen der Brandstifter auf 4,0 Jahre (Seifert und Leygraf 1997). Hohner (1993) fand bei einer Vollerhebung aller 1988 gemaB § 63 StGB in Rheinland-Pfalz Behandelten fiir die drei im MaBregelvoUzug hauptsachlich vertretenen Diagnosegruppen Intelligenzminderung, Personlichkeitsstorung und Psychose fiir Brandstifter keine Haufigkeitsunterschiede im Vergleich mit Totungs- und Sexualdelinquenten; Brandstiftung war bei keiner Diagnosegruppe ein ixberzufallig haufig vorkommendes Delikt (zum Vergleich: geistig Behinderte hatten ofter Sexual-, seltener Totungsdelikte begangen, bei Schizophrenen bestand die umgekehrte Relation und bei Personlichkeitsgestorten eine erhohte Neigung zu beiden Deliktarten). Soweit in den Studien Diagnoseaufstellungen mitgeteilt werden, sind Intelligenzminderung (Hohner 1993) und nicht im einzelnen aufgeschlixsselte Personlichkeitsstorungen (Tennet et al. 1971) je ein Mai, Schizophrenie zwei Mai (Koson und Dvoskin 1982, Harris und Rice 1984) als haufigste Erkrankung bei Brandstiftem vertreten. Abhangigkeitserkrankungen werden nur von Koson und Dvoskin (1982) mit 25 % aufgefiihrt, da suchtkranke Straftater meistens in speziellen Einrichtungen untergebracht werden.

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Drei Studien fuhren die Motive der zur Einweisung in den MaBregelvollzug fuhrenden Brandstiftungen auf: Hurley and Monahan (1969) fanden bei ausschlieBlich personlichkeitsgestorten Patienten am haufigsten emotionale Spannungsabfuhr (28 %), gefolgt von Rache (26 %) und als motivlos bezeichneten Taten (20 %), Tennet et al. (1971) bei ihrem aus zu 60 % Personlichkeitsgestorten bestehenden - weiblichem KoUektiv zu 90 % Rache und Verargemng. Bei ihren 20 % schizophrenen Patientinnen kamen halluzinatorisch oder wahnhaft motivierte Taten nicht vor. 45 % der Patienten von Koson und Dvoskin (1982) hatten aus Rache gehandelt, 27 % zur Erreichung eines nicht primar kriminellen Zwecks (beispielsweise Erhalt von Aufmerksamkeit oder Hilfe), 27 % waren "intrinsisch" (d. h. emotional oder psychotisch) motiviert, die Halfte von ihnen schizophren. Uber 50 % ihres GesamtkoUektivs hatten kurz vor der Tat Hilfe in Kliniken, bei gemeindepsychiatrischen oder ahnlichen Institutionen gesucht und war abgewiesen oder unzureichend betreut worden, ein weiteres Viertel befand sich zum Tatzeitpunkt in psychiatrischer Behandlung. Tennet etal. (1971) fanden bei ihren mit Patientinnen aller iibrigen Indexdeliktgruppen nach Alter und Aufenthaltsdauer gematchten Brandstifterinnen signifikant mehr inkomplette oder fehlende Herkunftsfamilien, Prostitution und Promiskuitat. Personlichkeitsgestorte Brandstifterinnen hatten im Vergleich zu Mannem mit dem selben Anlassdelikt wesentlich haufiger eine Vorgeschichte mit sexuellem (79 %) und physischem (74 %) Missbrauch, ebenso signifikant mehr Selbstverletzungen und Suizidversuche in der Anamnese. Das KoUektiv mannlicher Brandstifter von McKerracher und Darce (1966) wies wiederum signifikant mehr Suizidversuche und Selbstbeschadigungen auf als das mannliche KontroUkollektiv mit anderen Indexdelikten. Hurley und Monahan (1969) verglichen 50 personlichkeitsgestorte Brandstifter mit 100 anderen psychisch kranken Straftatem. Die Personlichkeitsstorungen der Brandstifter wurden nach ICD-7 kategorisiert: 52 % neurotisch-inadaquat (entspricht in etwa asthenisch), 30 % unreif-aggressiv (entspricht in etwa erregbar/histrionisch, nicht antisozial), 18 % schizoid. Ein signifikanter Unterschied zur Kontrollgruppe bestand nicht, die Brandstifter waren mit 44 % jedoch haufiger alkoholkrank. Suizidversuche waren bei vielen der neurotischinadaquaten und schizoiden Probanden zu finden, nicht bei den unreifaggressiven und den KontroUen. Die Brandstiftungen als solche wurden zu 35 % als Angstreaktion, zu 12 % als hysterische und zu 10 % als neurotisch-depressive Reaktionen, der verbleibende Rest als im Rahmen der jeweiUgen Personlichkeitsstorung verlibt angesehen. Brandstifter und KontroUpatienten wiesen das bekannt hohe, jedoch nicht voneinander verschiedene MaB an herkunftsfamiliarer Pathologic, mangelnder sozialer

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Integration und Isolation auf. Der statistisch signifikant groBte Gruppenunterschied bestand in der geringeren Therapiemotivation und Einsichtsfahigkeit der Brandstifter, deren im Vergleich zu den iibrigen Patienten als "vordergrundig musterhaft" charakterisiertes Verhalten offensichtlich dazu dienen soUte, Auseinandersetzungen mit der eigenen Problematik aus dem Weg zu gehen. In Gruppentherapien blieben sie schweigsam, zuriickgezogen und konfliktscheu. Schizophrene Brandstifter waren in einem videografierten RoUenspiel sozial inkompetenter und lieBen im Fragebogen eine signifikant geringere Fahigkeit zur Selbstbehauptung erkennen als Schizophrene, die andere Indexdelikte begangen hatten (Harris und Rice 1984). Der letzte Befund wurde fur personlichkeitsgestorte Brandstifter sowohl im Vergleich mit anderen personlichkeitsgestorten MaBregelvoUzugspatienten als auch mit nicht delinquenten normalen Kontrollpersonen repliziert (Jackson, Hope und Glass 1987) und gab auch Anlass zu therapeutischen Konsequenzen (s. S. 69). 2.3.7 Patienten in psychiatrischen Kliniken Geller und Bertsch (1985) fanden in den Krankenakten aller an einem Stichtag in einer Klinik hospitalisierten Patienten unter 65 Jahren bei 16 % Eintragungen iiber von Feuerspielereien mit Papier bis hin zu regelrechten Brandstiftungen reichendes Verhalten, wobei auch die in den Akten dokumentierten Voraufenthalte beriicksichtigt wurden. Die entsprechenden Patienten unterschieden sich von den iibrigen durch mehr dokumentierte Selbstverletzungen und haufigere stationare Aufnahmen. Die Befunde wurden spater an Patienten einer anderen Klinik repliziert (Geller, Fisher und Moynihan 1992). Brandstiftungen kommen bei Patienten aller Diagnosegruppen vor (Geller 1987). Gunderson (1974) kam flir Brandstiftungen von Manikem zu dem Ergebnis, dass den Taten oft eine "psychologische" Interpretation der - richtig erkannten - Manie durch das Personal vorausging: Dem Patienten wurde boser Wille unterstellt, mit Verargerung und Drohungen reagiert. Dariiber hinaus waren Wamhinweise (Ankundigungen, fehlende Feuerzeuge usw.) nicht beachtet worden. Eine vier Jahrgange umfassende Durchsicht aller Krankenakten einer 450-Betten-Klinik (Barker etal. 1991) ergab 143 als Brande bezeichnete Ereignisse, von denen die meisten harmlos waren, beispielsweise durch Zigaretten fahrlassig verursachte Papierkorbbrande, in einem Viertel der Falle musste die Feuerwehr eingreifen. Einige wenige Patienten waren ftir die Mehrzahl aller 143 Brande verantwortlich, tiber die gesamten vier Jahre hinweg drei Patienten ftir die Halfte der Brande auf der Akutaufnahmestation und elf

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Patienten fiir mehr als zwei Drittel der Zwischenfalle auf der geschlossenen Station fiir chronisch Kranke. Als "communicative arson" (Geller 1992) wird neuerdings (American Psychiatric Association 1987) ein schon von Lewis und Yamell (1951) beschriebenes Phanomen bezeichnet, bei dem entlassene Patienten mittels Brandstiftung in die Klinik zuruckgelangen wollen, oft im Gefolge der SchlieBung oder Selbstauflosung von GroBkrankenhausem in den USA (Geller 1984). Sich in Kliniken epidemieartig ausbreitende Nachahmungsbrandstiftungen beschrieben Doling und Brotman (1975), Rosenstock etal. (1980) und Morgan etal. (1995). Jedes Mai schaukelten sich vorher nicht im Zusammenhang mit Feuer auffallige Patienten nach gruppendynamischen Prozessen gegenseitig hoch, einmal jugendliche Patienten mit Stoning des Sozialverhaltens (Rosenstock etal. 1980), ein anderes Mai Patienten mit verschiedenen Diagnosen (Schizophrenic, Personlichkeitsstorung, Anorexic, bipolare Stoning), die samtlich als fremdgefahrdend bekannt waren (Morgan et al. 1995). Allen drei beschrieben "Epidemien" waren einschneidende organisatorische Veranderungen der Klinik- bzw. Stationsstruktur mit Austausch des Personals usw. vorangegangen. 2.3.8 Patienten mit organischen Erkranlcungen Obwohl von keinem Autor angenommen wird, dass Patienten mit den nachfolgend aufgefuhrten Erkrankungen iiberzufallig haufig Brandstiftungen begehen, haben - u. a. fiir Sachverstandige - die entsprechenden Kasuistiken ihren Wert. Die meisten existieren zur Epilepsie. So empfahl Mende (1960) bei einem Patienten mit epileptischer Wesensanderung, der aufgrund seiner Reizbarkeit und Explosibilitat Feuer gelegt hatte, die Exkulpierung. Carpenter und King (1989) sowie Singer etal. (1978) berichten tiber jeweils einen Patienten, der wahrend seiner Temporallappenanfalle brandstiftete, ohne die Taten jedoch der Aura oder dem Anfallskem zuordnen zu konnen. Bei den Patienten von Brook et al. (1996) und Byrne und Walsh (1989) waren die jeweils ahnhchen Episoden von Brandstiftungen zweifelsfrei der Aura psychomotorischer Anfalle zuzuordnen, wahrend der die Patienten Stimmen halluzinierten, die sie zu den Taten aufforderten. Anfalle und Brandstiflaingen sistierten unter antikonvulsiver Therapie ebenso wie bei den insgesamt fiinf Patienten der Literatur (Meinhard et al. 1988, Milrod und Urion 1992), die wahrend fotogener, durch Femsehen ausgeloster komplex-fokaler Anfalle jeweils mehrere Brandstiftungen begingen. Von drei Erwachsenen (Pontius 1995) und drei Kindem (Pontius 1999) wird angenommen, dass durch jeweils individuell verschiedene Reize iiber den Hippocampus Gedachtnisspuren an fnihere, im Zusam-

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menhang mit Feuer erlebte Emotionen aktiviert werden. Diese Emotionen triggerten einfach-fokale Anfalle, die mit autonomen Symptomen und psychotischem Erleben einhergingen, nicht jedoch mit Bewusstseinstriibung, wobei Feuer als Abwehrreaktion gegen psychotische Produktionen gelegt worden sei. Als Charakteristikum dieser "limbic psychotic trigger reactions" werden u. a. Motivlosigkeit der Taten und fehlende emotionale Beteiligung bei ihrer Begehung mit sofort nach Abklingen der Psychose folgendem Gestandnis und Schuldbekenntnis geschildert. In Gerichtsverfahren gegen Brandstifter mit Chromosomenanomalien wurden, soweit keine kinderpsychiatrische Behandlungsindikation vorlag wie bei Hoffmann (1977) und Kaler etal. (1989), unterschiedliche Zusammenhange zwischen Kariotyp und deliktischem Verhalten angenommen: Sie wurden als antisoziale Personlichkeitsstorungen mit Intelligenzminderung in Kliniken fiir psychisch kranke Straftater (Bartlett et al. 1968, Nielsen 1970), Einrichtungen fiir geistig Behinderte (Hreidarsson 1973), allgemeinpsychiatrischen Kliniken (Knol und Los 1966) oder Haftanstalten (Cowen und Mullen 1979) untergebracht. Bei Kindem mit KlinefelterSyndrom wird von erfolgreichen Behandlungen mit Sistieren des Feuerlegens unter Testosteron berichtet (Eberle 1989, Miller und Sulkes 1988). Dalton (1980) teilte drei Patientinnen mii prdmenstruellem Syndrom und zyklischem Feuerlegen mit, die erfolgreich mit Progesteron behandelt wurden; gerichtlicherseits wurde jeweils auf verminderte Schuldfahigkeit mit Haft auf Bewahrung erkannt. Einzelfdlle werden iiber Brandstiftungen bei cerebraler Thrombangiitis obliterans (Meyer 1953), Aidsdemenz (Cohen etal. 1990), Kleine-Levin-Syndrom (Powers und Gunderman 1978) und kongenitaler Balkendegeneration (Wolff 1977), Kraniopharyngiom (Tonkonogy und Geller 1992), cerebellarer Arachnoidalzyste (Heidrich etal. 1996) und Chorea Huntington (Yoshimasu 1965) berichtet. Inwieweit bei den mitgeteilten Fallen mit urologischen (Porter 1967) und intemistischen (Fukuda 1980) Diagnosen ein Zusammenhang zwischen Delikt und Erkrankung bestand, muss offen bleiben. 2.3.9 Die Triade Enuresis, Tierqualerei und Brandstiftung MacDonald (1963) beobachtete bei 100 wegen Morddrohungen Inhaftierten bei den zwei als am gefahrlichsten Eingestuften neben anderen Auffalligkeiten das gemeinsame Vorkommen von Enuresis, Tierqualerei und Brandstiftung ("Triade") in deren Kindheit und folgerte einen Zusammenhang mit spaterer Gewaltdelinquenz. Daraufhin untersuchten Hellman und Blackman (1966) 84 psychiatrisch auffallige Straftater, bei denen alle drei Elemente der Triade 21 Mai, jeweils zwei 17 Mai in der Jugend vorge-

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kommen waren. Demgegenuber fanden Felthous und Bemhard (1979) bei 133 erwachsenen Delinquenten niemals alle drei Triadenkomponenten gemeinsam, jeweils zwei fanden sich ausschlieBlich bei den gefahrlicheren. Von Justice etal. (1974) mit 779Riclitem und Bewahrungshelfem gefuhrte Interviews ergaben allerdings, dass diese anderen Merkmalen (Schlagereien, Schulproblemen, Weglaufen) groBeren pradiktiven Wert fur spateres antisoziales Verhalten zubilligten als der Triade. Heller et al. (1984) schlieBlich fanden bei 1520 erwachsenen Straftatem, dass sowohl die vollstandig ausgepragte Triade als auch das Vorkommen zweier ihrer Elemente bei gewalttatigen und nicht gewalttatigen Delinquenten gleich haufig und uberdies selten war. Wax und Haddox (1974a,b) fanden bei sechs von 46 Kindem und Jugendlichen die voUstandige Triade, stets in der als am gefahrlichsten beurteilten Subgruppe. AusschlieBlich an Kindem durchgefiihrte Studien ergaben dagegen, dass einzelne Triadenelemente immer mit weiteren Merkmalen einer Stoning des Sozialverhaltens vergesellschaftet waren (Heath etal. 1984, 1985), von denen einige, unter anderem gelegentlich Feuerlegen, manchmal persistieren (Stewart und Culver 1982, Forehand etal. 1991). Kelso und Stewart (1986) fanden die einzelnen Triadenelemente bei Kindem mit gestortem Sozialverhalten statistisch unabhangig voneinander vorkommend, Prentky und Carter (1984) keine pradiktive Validitat der Triade oder einzelner ihrer Elemente. 2.3.10 Brandstiftung und Sexualitat Dem direkten Zusammenhang wird in der Literatur mehr Aufmerksamkeit geschenkt, als ihm zahlenmaBig zukommt, wenn man von psychosexueller Tatmotivation im Sinne der Psychoanalyse und verwandter Richtungen (zum Beispiel Fras 1983, Reinhardt 1957) sowie anderen weiten Auslegungen des Sexualitatsbegriffs (beispielsweise Lange und Kirsch 1989, Laberge 1974, Gold 1962, Jaggi 1953), die auch Brandstiftungen nach sexuellen Zuriicksetzungen und Enttauschungen als sexuell motiviert werten, absieht. Im Folgenden werden unter sexuell motivierten Brandstiftungen nur solche verstanden, bei denen der Tater wahrend oder unmittelbar nach der Tat masturbiert oder spontan zum Orgasmus kommt. Die Angaben hierzu liegen in den Studien polizeilich Uberfuhrter drei Mai bei "nicht vorkommend" (Breitfeld 1992, Molnar etal. 1984, Wagner 1962), einmal bei 5 % (Berke-Miiller 1966). In den drei Untersuchungen an Haftlingen, die Motivaufstellungen enthalten (O'SuUivan und Kelleher 1987, Inciardi 1970, Robbins und Robbins 1967) wurde keine sexuelle Tatmotivation gefunden. In den diesbeztiglich verwertbaren Studien an Begutach-

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teten wurde sie 9 Mai nicht (Bradford 1982, Fleszar-Szumigajova 1969, Pascoe 1980, Laubichler etal. 1996, Wiklund 1983, Harmon etal. 1985, Rix 1994, Katila 1968, Puri et al. 1995), ansonsten in 4 % (Wagner 1974), 3 % der mannlichen Probanden (Bradford und Dimock 1986) und 6% (Hill etal. 1982) beobachtet; die einzige Studie an MaBregelvoUzugspatienten, die Motivangaben enthalt, ftihrt 15 % (Hurley und Monahan 1969) an. Streng (1978) schlieBlich eruierte aus 68 Gerichtsakten aller in einem bestimmten Zeitraum angeklagten Brandstifter bei 9 % sexuell motivierte Taten, wobei die Delinquenten z. T. Masturbation wahrend des gelegten Feuers trotz eindeutiger Zeugenaussagen abgeleugnet batten. Zum besseren Verstandnis sexuell motivierter Brandstiftungen eignen sich fiinf geniigend ausftihrliche Kasuistiken (Bourget und Bradford 1987, Lande 1980, Leonhard 1964) die drei Mai eine klassische Konditionierung des spater operant aufrecht erhaltenen Feuerlegens erkennen lassen. Drei der Probanden waren sexuell deviant (Voyeurismus, Frotteurismus, Exhibitionismus, Transvestitismus), bei drei Probanden traten die Brandstiftungen jeweils nach erotischen Zuruckweisungen auf Bei zweien sistierten die Brandstiftungen unter Behandlung mit Cyproteronacetat, in einem Fall war die Konditionierung heterosexueller Reize und verdeckte Sensibilisierung gegen Feuer erfolgreich. Sexuell motivierte Brandstiftungen sind auch bei Frauen beschrieben (Helmer 1958, von Henting 1964). Lewis (1965) empfahl in derartigen Fallen die Exculpierung. Quinsey et al. (1989) gingen der Frage eines Zusammenhangs zwischen Brandstiftung und Sexualitat mit einem kontrollierten experimentellen Versuchsplan nach: 29 Brandstiftem einer Klinik fiir psychisch kranke Straftater, unter ihnen einer mit zweifelsfrei sexuell motivierter Tat, drei Exhibitionisten, einem Sexualmorder und fiinf Probanden, die Kinder sexuell belastigt batten sowie Kontrollpersonen mit anderen Indexdelikten, wurden Geschichten sexuellen Inhalts, unter ihnen eine, die von sexueller Erregung wahrend eines Brandes handelte, dargeboten. Die phallopletysmatografischen Messungen ergaben keinen Unterschied zwischen Sexualdelinquenten und Kontrollen; auch der sexuell motivierte Brandstifter zeigte keine andere Reaktion als die iibrigen Probanden. Robbins und Robbins (1967), die iiber Jahre hinweg keinen sexuell motivierten Brandstifter gesehen batten, vermuteten angesichts der relativ hohen Prozentsatze in der alteren Literatur einen kulturellen Wandel, der mittlerweile das Ausagieren tabuisierter sexueller Wunsche starker ermogliche, so dass sexuell deviante Probanden nicht mehr Brandstiftungen als sexuelle Ersatzhandlungen ausiiben miissten.

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Frilhere Sexualdelinquenz kam bei polizeilich ermittelten Serienbrandstiftem in 25 % (Breitfeld 1992, inklusive Stalking und homosexuelle Prostitution) vor, bei Haftlingen in 3 % (Sapsford etal. 1978) und bei 13 % einer begutachteten Klientel (Hill et al. 1993). Hurley und Monahan (1969) und McKerracher und Darce (1966) verglichen die Anzahl friilierer Sexualstraftaten von Brandstiftem und Gewaltdelinquenten im MaBregelvoUzug. Beide Male wiesen die Brandstifter signifikant weniger Sexualdelikte auf als die Gewaltdelinquenten (15 vs. 31 % und 30 vs. 56 %). Zur Uberpriifung der Annahme einer ganz allgemein gestorten Sexualitdt von Brandstiftem wurden u. a. Fragebogen zur ehelichen Anpassung und sexuellen Zufriedenheit verwandt: Bei begutachteter Klientel unterschieden sich Brandstifter diesbeziiglich nicht von Eigentums- und Gewaltdelinquenten (Hill etal. 1982). Ebenfalls keinen Unterschied in der sexuellen Zufriedenheit fand Stewart (1993) zwischen Brandstifterinnen im MaBregelvoUzug und solchen in einer allgemeinpsychiatrisclien Klinik; Tennet etal. (1971) gaben maBregelvoUzugsbehandelte Brandstifterinnen signifikant groBere sexuelle Unzufriedenheit an als MaBregelvoUzugspatientinnen mit anderen Indexdelikten. Sapsford et al. (1978) fanden bei Inhaftierten unter den zu lebenslanger Freiheitsstrafe Verurteilten mehr sexuell Deviante als bei den zu kiirzeren Haftstrafen verurteilten Brandstiftem. 2.3.11 Biologische Marker Unter den mit der Biologic impulsiven Verhaltens befassten Arbeitsgmppen verwendet diejenige von Linnoila, Virkkunen, Repo und Rasanen als einzige regelmaBig meist nach impulsiv und nicht impulsiv unterteilte Versuchsgmppen von Gewaltdelinquenten und Brandstiftem. Oft werden diese Gmppen noch nach weiteren unabhangigen Variablen aufgespalten, beispielsweise Alkoholismus und Suizidahtat bei Probanden oder deren Eltem. Die Ergebnisse beziiglich dieser weiteren Subgmppen werden hier nur gestreift. Virkkunen (1984) verglich die orale Glucosetoleranz von 27 impulsiven und 32 nicht impulsiven Brandstiftem sowie 27 Gewalttatem. Impulsive Brandstifter zeigten dabei cine signifikant starkere Hypoglykamie als die beiden anderen Gmppen. Linnoila, DeJong und Virkkunen (1989) replizierten diesen Befiind und bestimmten in alien drei Gmppen zusatzlich die Liquorkonzentration von 3-Methyl-4-Hydroxymethylglykol (MHPG) und 5-Hydroxyindolessigsaure (HIAA), die bei den impulsiven Brandstiftem jeweils am niedrigsten waren. Die MHPG- und HIAA-Befimde replizierten dabei an den gleichen Gmppen gewonnene friihere Ergebnisse (Virkkunen et al. 1987). In einer prospektiven Studie wurden von 25 impulsiven und

2.3 Die Literatur seit 1951

63

16 nicht impulsiven Brandstiftem sowie insgesamt 73 Gewalttatem viereinhalb Jahre nach Haftentlassung die mit einem - nicht notwendigerweise einschlagigen - Delikt emeut auffallig Gewordenen aus dem landesweit geftihrten Strafregister ermittelt (Virkkunen et al. 1996). Die nun in einer Gruppe zusammengefassten nickfalligen 28 impulsiven Brandstifter und Gewalttater hatten vor Entlassung signifikant niedrigere HIAA- und Homovanillinmandelsaure (HVA)-Konzentrationen im Liquor gehabt. Jewells im Vergleich mit unterschiedlichen Kontrollgruppen hatten impulsive Brandstifter mit Suizidversuchen in der Vorgeschichte (Virkkunen etal. 1989), begleitender Alkoholkrankheit (Virkkunen etal. 1994), alkoholkranken Vatem (Linnoila, DeJong und Virkkunen 1989) sowie Selbstverletzungen in der Anamnese (Repo et al. 1997a) die niedrigsten HIAAund MHPG-Konzentrationen, gelegentlich auch die starkste Hypoglykamie im oralen Glucosebelastungstest. 2.3.12 Rezidive Unter Rezidiv wird im Folgenden ausschlieBlich Brandstiftung nach einer frtiheren einschlagigen Verurteilung bzw. Entlassung aus dem MaBregelvoUzug verstanden. Die Ruckfalligkeit strafunmiindiger Kinder, auf die dieser Rezidivbegriff definitionsgemaB nicht zutrifft, wird im Abschnitt iiber Therapie behandelt. Prospektive Daten erhoben Soothill und Pope (1973) und Sapsford et al. (1978). Erstere verfolgten die Delinquenzkarrieren aller 75 innerhalb eines Jahres in England von den hochsten Gerichtsinstanzen Verurteilten iiber zwanzig Jahre. Zum Katamnesezeitpunkt waren drei (4 %) einschlagig ruckfallig, 36 (50 %) anderweitig delinquent geworden. Sapsford et al. (1978) untersuchten 48 bis zu eineinhalb und 20 zu eineinhalb bis fiinf Jahren Haft Verurteilte fiinf Jahre nach Haftentlassung. Von den zu kiirzeren Haftstrafen Verurteilten waren 2 %, von den zu langeren 20 % einschlagig ruckfallig geworden. Als - wegen der geringen StichprobengroBe mit Vorbehalt zu betrachtende - Rtickfallpradiktoren erwiesen sich Vorstrafen wegen Brandstiftung, das Fehlen einer personlichen Beziehung zum Tatopfer und die Hohe des finanziellen Schadens. Weniger aufwandig, allerdings auch von geringerer Aussagekraft, sind retrospektive Studien, in denen als Indextat eine langer zunickliegende Brandstiftung definiert und die Delinquenzkarriere der Probanden zum Untersuchungszeitpunkt anhand von Strafregisterausziigen erhoben wird. Bamett et al. (1997) kamen mit dieser Methodik anhand von 470 Bundeszentralregisterausziigen fiir einen Zeitraum von zehn Jahren auf 4 % Riickfalle bei voll schuldfahigen Probanden, 10% bei solchen mit erheblich

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2 Psychiatrie der Brandstiftung

verminderter und 9 % bei schuldunfahigen Probanden, ohne dass ein signifikanter Gruppenunterschied bestand. Die Gesamtzahl an Delikten war bei den Schuldunfahigen allerdings signifikant geringer als in den iibrigen beiden Gruppen. Generell gilt fur alle Arten von Delikten, dass niedrige InteUigenz ein Riickfallpradiktor ist (Richter et al. 1996). Repo und Virkkunen (1997a) uberpriiften die Strafregisterauszuge von sieben Jahre zuvor begutachteten jugendlichen Brandstiftem (n = 45), die sie nach Vorhanden- bzw. Nichtvorhandensein einer Stoning des Sozialverhaltens aufteilten. Zum Untersuchungszeitpunkt waren sieben (16%) einschlagig riickfallig geworden, ohne dass sich der erwartete Zusammenhang mit einer Stoning des Sozialverhaltens fand; 28 (62 %) waren mit anderen Delikten auffallig geworden. Fiir 18 wegen Brandstiftung in ein allgemeinpsychiatrisches Krankenhaus eingewiesene und zehn MaBregelvollzugspatienten kamen Gibbens und Robertson (1983a, 1983b) fiir einen Zwanzig-Jahres-Zeitraum auf jeweils einen Rtickfalltater. Sehr grobe Anhaltspunkte fiir die GroBenordnung der jeweiligen Rezidivquote ergeben sich aus Querschnittsuntersuchungen, bei denen die Zahl fruherer Verurteilungen erhoben wurde: Molnar etal. (1984) kamen bei alien wahrend eines defmierten Zeitraumes Festgenommenen auf 7,5 %, Hurley und Monahan (1969) bei 50 personlichkeitsgestorten MaBregelvoUzugspatienten auf 10 %, Tennet etal. (1971) bei 56 Brandstifterinnen im MaBregelvoUzug auf 47%. O'Sullivan und Kelleher (1987), die 56 Probanden aus Haft- und MaBregelvollzugsanstalten rekrutierten, fanden 10% (sechs) einschlagig Vorbestrafte. Die Autoren betonen den grofien tJberschneidungsbereich von Inhaftierten und Hospitalisierten: 47 % der Haftlinge waren fruher psychiatrisch behandelt worden, 13 % der MaBregelvollzugspatienten Mher schon einmal im Gefangnis. Antisoziale Verhaltensweisen kamen bei 27 % der Untergebrachten und 64 % der Haftlinge vor, weshalb letztere als starker einschlagig rezidivgefahrdet eingestuft wurden. In GutachtenkoUektiven (Harmon et al. 1985, Hill et al. 1982, Leong 1992, Puri etal. 1995, Rix 1994) lag das Minimum fruherer Verurteilungen wegen Brandstiftung bei 11 % (Harmon etal. 1985), das Maximum bei 29 % (Hill et al. 1982). Mit Geller (1992) lassen sich damit die empirischen Befiande zur einschlagigen Riickfalligkeit zusammenfassen: Brandstifter haben mit groBerer Wahrscheinlichkeit als andere Probanden Brandstiftungen in ihrer Vorgeschichte; Brandstiftungen in der Anamnese sind jedoch kein ausreichender Pradiktor fiir zuktinftige Brandstiftungen.

2.3 Die Literatur seit 1951

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2.3.13 Kinder und Jugendliche In England und Wales wurden 1978 30 % (Barker 1994), in den USA 1985 35 % (Kolko und Kazdin 1992) und in Deutschland im Jahr 2000 23 % (BKA Wiesbaden 2001) aller Brande durch strafunmundige Kinder verursacht. Auf Neuzugangen in kinderpsychiatrischen Ambulanzen und Kliniken basierende Inzidenzschatzungen belaufen sich auf 2,3 % (Vandersall und Wiener 1970), 12% (Stewart etal. 1980) und 15% (Heath etal. 1983). Die groBte Pravalenzstudie (Achenbach und Edelbrock 1981), die an 1300 in einer kinderpsychiatrischen Einrichtung ratsuchenden Eltem mit einem Fragebogen, der u. a. Items zum Verhalten ihrer Kinder im Zusammenhang mit Feuer enthielt, durchgefiihrt wurde, schatzt die Jahrespravalenz fur die Altersstufen von 4 bis 16 Jahren auf um 3 %. Als untere Altersgrenze ftir wegen Feuerlegens behandelte Kinder wurden 2 bis 3 (Nurcombe 1964), 3 bis 4 (Kafry 1980) und 4 bis 5 Jahre (Vandersall und Wiener 1970) angegeben; stets iiberwog das mannliche Geschlecht mit acht bis zehn zu eins bei weitem. Bis zum Alter von zwolf Jahren haben gesunde, unauffallige Kinder in bis zu 40 % (Block etal. 1976, Knaape und Kurth 1969) bzw. 60 % (Kafry 1980) mindestens ein Mai mit Streichholzem, Herdfeuer und dergleichen gespielt, wobei in fast der Halfte der Falle schon einmal ein - meist vom Kind selbst geloschtes - Kleinfeuer entstanden ist. Die meisten versehentlich verursachten Brande entstehen dabei durch Kinder im Alter von bis zu neun Jahren; spater nehmen die Fertigkeiten im Umgang mit Feuer zu und kindliche Experimentierfreude und Neugier ab (Kafry 1980). Im Alter von zehn Jahren schlieBlich sind normal entwickelte Kinder in der Lage, alle Konsequenzen im Umgang mit Feuer vorherzusehen und sich dementsprechend zu verhalten (Grolnick etal. 1990). Kolko und Kazdin (1994) fixhrten mit betroffenen Famihen Videorollenspiele und Interviews durch. Dabei war ein - von den Autoren als elterliche Vemachlassigung interpretierter - Zusammenhang zwischen einmaligem Feuervorkommnis und niedriger Familienkohasion sichtbar. Dariiber hinaus korrelierten wiederholte Brande signifikant positiv mit mangelnder Akzeptanz des Kindes durch die Eltem, intrafamiliaren Konflikten und elterlichem Desinteresse. Sowohl bei Kindem, die versehentlich Feuer verursachen als auch solchen mit von ihnen intendierten Branden scheinen friihere Erfahrungen mit Feuer (Jackson, Glass und Hope 1987) und Modelllemen an unvorsichtigen Eltem (Squires und Busuttil 1995) eine RoUe zu spielen; eine gestorte Interaktion in der Herkunftsfamilie ist die Kegel (Dauner 1980, Klosinski 1985). Fiir psychiatrisch behandelte Kinder von zehn Jahren an aufwarts wurde in vielen Studien ein dominierender Zusammenhang zwischen Zahl und Gefahrlichkeit der Brande einerseits und intrafamiliaren Problemen wie

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2 Psychiatrie der Brandstiftung

Alkoholismus, Scheidung, physische Gewalt andererseits gefunden (Saunders und Awad 1991, Kolko und Kazdin 1996, Thomas und Griemes 1994, Sakheim etal. 1984, Showers und Pickrell 1987). Untersuchungen von uber Jugendgerichte und Erziehungsanstalten rekrutierter kindlicher Klientel kamen zu demselben Ergebnis (Gruber et al, 1981, Regehr und Glancy 1994, Ritvo etal. 1983, Strachan 1981). Insgesamt kommt Feuerlegen bei verhaltensauffalligen Kindem bis 14 Jahren iiberwiegend bei den Schwerstgestorten, bei Jugendlichen bis 18 Jahren meist im Rahmen einer progredienten Entwicklung multipler schwerer Verhaltensauffalligkeiten vor (Patterson und Fleischman 1979). Jugendliche Brandstifter erfiillen dementsprechend auch mehr Kriterien einer Stoning des Sozialverhaltens als die meisten anderen jugendlichen Delinquenten (Forehand et al. 1991), so dass sie sich auch mit groBerer Wahrscheinlichkeit zu spateren antisozialen Personlichkeiten entwickeln (Forehand etal. 1991, Hanson etal. 1994, Virkkunen 1997). Gaynor und Hatcher (1987) schlagen vor, prognostisch gUnstige Feuerspielereien von prognostisch zweifelhaften regelrechten kindlichen Brandstiftungen anhand folgender Merkmale zu differenzieren: Vorgeschichte (ohne versus mit Feuerverursachung), Durchfiihrung (spontan versus liberlegt), Ziindmittel (gerade verfugbar versus vorher besorgtes), entziindetes Material (der eigenen Familie gehorend, meist Papier- oder Abfalleimer versus fremdes Eigentum) und Nachtatverhalten (Loschversuch oder Beteiligung beim Loschen versus Beobachtung des Feuers oder Weglaufen). Nach ihrer Literaturauswertung erhalten lediglich mit Feuer spielende bzw. experimentierende Kinder meist keine Diagnose, wahrend strafunmiindige vorsatzliche Brandstifter nicht selten an hyperkinetischer Stoning oder einer Stoning des Sozialverhaltens leiden. Die in der umfangreichen Literatur beschriebenen kind- und jugendlichen Brandstifter lassen sich nach Slavkin und Fineman (2000) unter folgende Typen subsumieren: Nicht pathologisch (Neugier und Versehen), pathologisch mit den Untertypen Hilfeschrei (bei familiaren Problemen wie Scheidung, Missbrauch, Vemachlassigung), Delinquenz (Storung des Sozialverhaltens oder hyperkinetische Storung), schwere Storung (Psychose oder sexuelle Motivation), Intelligenzminderung (Oligophrenie oder neurologische Erkrankung) sowie soziokulturelle Rahmenbedingungen (beispielsweise PeerGroup-Vandalismus). Fiir Studien an Kindem und Jugendlichen sind eine ganze Reihe standardisierter Instrumente entwickelt worden: Das Interview zur Feuerverursachung fur jungere Kinder sowie fiir altere ein Fragebogen zum Interesse an Feuer und Feuerwehr (Wooden und Berkey 1984), der Lowenstein Fire

2.3 Die Literatur seit 1951

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Raising Diagnostic Test (Lowenstein 1981), das Fire Setting Risk Interview (Kolko und Kazdin 1989a), das mit den Eltem gefiihrt wird, und das korrespondierende Erhebungsinstrument fur Kinder (Kolko und Kazdin 1989b). SchlieBlich existiert eine Checkliste zur Risikoabschatzung fiir Behandler (Sakheim und Osbom 1994), die liber die Child Welfare League of America vertrieben wird und auch Eingang in den klinischen Alltag gefunden hat. Bei den ubrigen Fragebogen und hiterviewleitfaden handelt es sich um Forschungsinstrumente, die nur von den jeweihgen Arbeitsgruppen verwendet werden. 2.3.14 Selbstverbrennung Auf Selbstverbrennungen wird eingegangen, weil die Ausfiihrenden signifikant mehr Brandstiftungen in ihrer Kindheit und Selbstverletzungen in der Anamnese haben als Suizid- und Suizidversuchsopfer anderer Methoden (Jacobson et al. 1986). AUe im Folgenden referierten Studien verstehen unter Selbstverbrennung auch Brandstiftung (beispielsweise im eigenen Haus) in suizidaler Absicht. Selbstverbrennung ist in Afrika, Asien und im Mittleren Osten eine verbreitete Suizidmethode (Ashton und Donnan 1981, Davis 1968), wahrend sie in westlichen Zivilisationen nur zwischen 1 und 2 % aller Suizide ausmacht (Copeland 1986, O'Donoghue 1998). Ihre Letalitat liegt mit 48 % in der Mitte der in absteigender Reihenfolge aufgefuhrten Methoden: Schusswaffe, Kohlenmonoxyd, Erhangen, Ertrinken, Plastiktiite, Autounfall, Verbrennen, Gift, Medikamente, Pulsaderschnitt (Mcintosh 1992). Wissenschaftlich verwertbare Informationen ergeben sich grundsatzlich aus den - soweit vorhandenen - Krankenakten und Angehorigenaussagen bei Fallen von vollendeter Selbstverbrennung sowie den Angaben Uberlebender. In eine Metaanalyse aller zwischen 1965 und 1994 in englischer Sprache veroffentUchten Untersuchungen gingen insgesamt 582 Probanden aus 27 Studien ein (Geller 1997). 17 Mai wurden Patienten von auf Verbrennungsopfer spezialisierten Intensivstationen, fixnf Mai Patienten psychiatrischer Khniken und drei Mai in gerichtsmedizinischen Instituten Sezierte untersucht. Das Geschlechterverhaltnis der Probanden betrug eins zu eins, iiber die Halfte waren jiinger als 30 Jahre. Bei 55 % war eine psychiatrische Diagnose bekannt, von diesen in 38 % diejenige einer affektiven Stoning, in 21 % Schizophrenic, in je 14 % Substanzabusus und Personlichkeitsstorung, andere Diagnosen machten weniger als 10 % aus. Von den Probanden mit bekannter psychiatrischer Diagnose hatte die Halfte Suizidversuche in der Anamnese, von diesen wiederum 3 % ebenfalls mittels Selbstverbrennung. Auf die Beweggriinde, Verbrennung als

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2 Psychiatrie der Brandstiftung

Suizidmethode zu wahlen, wird in den einzelnen Originalarbeiten der Metaanalyse nur am Rand eingegangen, Sie finden sich voUstandig als Ergebnis einer subtilen Analyse von zwolf Kasuistiken bei Helmer (1954), dem diese Aufzahlung folgt: Wahnhafte Motivation; Rache, wobei der Proband nicht nur sich, sondem auch seine Umwelt vemichten will; Brandstiftung als zusatzliches Totungsmittel (beispielsweise Erhangen nach In-Brand-Setzen des Hauses); der Betreffende ist zu nichts anderem als Brandstiftung mehr in der Lage oder Brandstiftung erscheint als momentan einfachste Methode; ein Ruckgangig-Machen des Sterbewunsches ist bei Brandstiftung in suizidaler Absicht noch moglich; der Proband hat eine Art "postmortals Sensationsbediirfnis". In den 60-er und 70-er Jahren kamen Selbstverbrennungen aus politischem Protest vor (van de Loo 1973, Bourgeois 1969, Bostic 1973), die uber einen Nachahmungseffekt auch zu Selbstverbrennungen nicht politisch engagierter Menschen gefiihrt haben (Ashton und Donnan 1979, Crosby etal. 1977). Derartige Nachahmungsselbsttotungen HeBen sich unschwer als mit der einschlagigen Berichterstattung in den Medien zusammenhangend erklaren (Barraclough etal. 1977), was zu kritischen psychiatrischen Reflexionen uber den Missbrauch der Pressefreiheit gefiuhrt hat (Sheperd und Barraclough 1978). Uber ahnliche Nachahmungsselbstverbrennungsversuche wurde auch bei Patienten psychiatrischer Kliniken berichtet (Anonymous 1977, Zemishlany 1987), flir die die mtindliche Liformationsweitergabe unter den Patienten eine vergleichbare Wirkung wie Medienberichte hatten. 2.3.15 Therapie Verglichen mit der umfangreichen Literatur zur Behandlung Feuer legender Kinder finden sich Arbeiten zur Psychotherapie erwachsener Brandstifter ausgesprochen selten. Den hinsichtlich dieser Klientel vorherrschenden therapeutischen Pessimismus fiihren Mavromatis und Lion (1977) darauf zuriick, dass die Probanden es oft ablehnten, die Verantwortung fur ihr Tun zu tibemehmen oder die Tat sogar leugneten, nicht selten alkoholabhangig und generell nicht introspektionsfahig seien. Unter institutionellen Rahmenbedingungen bietet sich eine - unterschiedlich gewichtete - Kombination von Gruppen- und Einzeltherapie an. In der einzigen Publikation einer tiefenpsychologischen Gruppentherapie (Miller 1957) wird als adjuvante Einzelbehandlung ein h)^notherapeutisches Verfahren angewendet, um den Patienten verdrangte Begleitumstande der Tat berichten zu lassen. Das Schwergewicht der Behandlung lag in der sich selbst entwickelnden gruppendynamischen Interaktion unter den

2.3 Die Literatur seit 1951

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Teilnehmem, die psychoanalytisch interpretiert wurde. Die beiden Berichte uber analytisch orientierte Einzeltherapien (Awad und Harrison 1976, Schmideberg 1953) lassen neben der um den Preis sehr langer Behandlungsdauem hoch individuell auf den Patienten zugeschnittenen Therapie naturgemaB vor allem die theoretischen Pramissen und das technische Vorgehen der Autoren erkennen und vermitteln Eindriicke, ohne in dieser Form verallgemeinert werden zu konnen. Die verhaltenstherapeutische Behandlung Erwachsener geht von den mehrfach testpsychologisch objektivierten (Harris und Rice 1984, Jackson, Glass und Hope 1987, Stewart 1993) fehlenden sozialen Fertigkeiten und mangelnder Selbstsicherheit erwachsener Brandstifter aus. Ubereinstimmend sehen die Autoren die Klientel als sozial unsicher, wenig konfliktfahige Menschen, die in Krisensituationen Auseinandersetzungen aus dem Wege gehen und statt dessen Feuer legen. Dementsprechend werden in institutionellem Rahmen bevorzugt Trainingsmodule fur soziale Fertigkeiten und Selbstbehauptungsprogramme eingesetzt, deren Ergebnisse auch evaluiert wurden (Rice und Chaplin 1979, Day 1988) und eine signifikante Verbesserung der sozialen Kompetenz erkennen lieBen. Die erwahnten gruppentherapeutischen Module werden als Basisbehandlung bei institutionalisierten Brandstiftem eingesetzt. Zielfuhrender kommen gelegentlich verhaltenstherapeutische Einzelbehandlungen dazu, die nach ausfuhrlichen Verhaltensanalysen die individuellen Defizite der Probanden aufgreifen. Einen Einblick geben zwei ausfiihrliche Kasuistiken (Neis und Salem 1980, Clare et al. 1992). In sehr strukturierten und reglementierten Umgebungen ist auch Token Economy ftir deliktaltematives Verhalten verwendet worden, die sich jedoch wegen mangelnder Generalisierbarkeit auf nicht institutionelle Bereiche nicht bewahrt hat (Royer et al. 1971). Bei der Einzelbehandlung von Kindern konnen klassische verhaltenstherapeutische Methoden ohne Beriicksichtigung kognitiver 0-Variablen eingesetzt werden. Am haufigsten wird von Sattigungsprozeduren mit S^ berichtet (Carstens 1982, Dalton etal. 1986, Jones 1981, Kolko und Ammermann 1988, Coles und Jenson 1985, Welsh 1981, Wolff 1984), samtlich mit rezidivfreien Katamnesen nach meist einem halben Jahr. Weniger erfolgreich waren erwartungsgemaB C"-Einzelfallplane (Holland 1969, Kolko 1983, Denholz 1983), mit denen nach einem Jahr Nachbeobachtung lediglich eine Reduktion des unerwiinschten Verhaltens um etwa die Halfte erreicht wurde. Am erfolgreichsten, auch mit den langsten Katamnesezeitraumen (1- bis 2 Vi Jahre) waren DRO-Behandlungsstrategien (Schaller und Schmidtke 1983) mit Substitution von S^ durch S^ (McGrath 1979, Stawar 1976). Von ihrem Selbstverstandnis her der Psychoanalyse verpflichtet, von der Methode her kognitiv-verhaltenstherapeutisch, explorier-

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2 Psychiatric dcr Brandstiftung

ten Bumpass etal. (1974) zunachst die fiir das Kind diskriminativen Stimuli fiir das Entzunden von Feuer. Bei ihrer "grapliing"-Methode zeichnet das Kind anschlieBend seine parallel zu S^ aufgetretenen Emotionen nach Intensitat und Verlauf in ein zweidimensionales Koordinatenkreuz ein und trainiert dann alternative emotionskonforme Reaktionen. In den meisten US-amerikanischen GroBstadten werden im Zusammenhang mit Feuer auffallig gewordene Kinder psychoedukativen gemeindenahen Feuerverhutungsprogrammen unterzogen. Mitte der 80er Jahre existierten bereits 50 verschiedene derartige Programme (Kolko 1988, Carrol et al. 1986), in denen Kindem ein Eindruck von der als erstrebenswert und heldenhaft geschilderten Arbeit der Feuerwehr bei der Brandbekampfung vermittelt wird, abschreckende Dias von Verbrermungen vorgefuhrt werden und uber strafbare Konsequenzen fur Brandstiftungen informiert wird. In einigen Programmen wird zusatzlich zur Psychoedukation auch psychotherapeutisch gearbeitet, vor allem mit der "graphing"Methode, wodurch die Effizienz der Programme gehoben werden konnte (Bumpass et al. 1985). Adler etal. (1994) untersuchten bei alien 138 zwischen 1988 und 1992 in ihrem Einzugsbereich mit Zundeleien aufgefallenen Kindem und Jugendlichen den Erfolg ein Jahr nach Teilnahme an einem psychoedukativen Feuerpraventionsprogramm, das aus Sicherheitstraining durch Feuerwehrleute, Eltemtraining, zielorientierter Breitspektrumgruppenverhaltenstherapie und als Einzelbehandlung durchgeftihrtem "graphing" bestand. Sie verzeichneten einen hochsignifikanten Rtickgang des unerwiinschten Zielverhaltens (15 % Rezidive) in der Versuchsgruppe, die mit unspezifisch behandelten KontroUen vergUchen wurden (48 % Rezidive). In einer eigenen Evaluation der "graphing"Technik mit Katamnesen nach ein bis zwei Jahren kamen Bumpass et al. (1985) auf 2 % Rezidive bei Behandelten gegeniiber 32 % Rezidive bei unbehandelten Kindem. Fiir verschiedene sekundare Praventionsprogramme werden bei nicht spezifizierten Katamnesedauem Behandlungserfolgsquoten zwischen 94 und 100% angegeben (Federal Emergency Management Agency 1983); Kolko und Kazdin (1992) teilen ahnUch wie Bumpass etal. (1985) fiir unbehandelte Kinder eine Riickfallquote von 35 % nach einem Jahr mit. Besonders riickfallgefahrdet sind altere, aus schwer gestorten Familien kommende Kinder, die Feuer zur emotionalen Abreaktion gelegt haben (Kolko und Kazdin 1994, Cole et al. 1993).

2.3 Die Literaturseit 1951

71

2.3.16 Konzeptualisierungen Einfachste Konzeptualisierungen sind fur die unterschiedlichsten Anwendungsbereiche konstruierte Typologien mit nicht disjunkten Kategorien. Am bekanntesten ist das fur polizeiliche Ermittlungen gedachte, von der amerikanischen Bundespolizei entwickelte Crime Classification Manual (Douglas etal. 1992), das auch ein Kapitel uber Brandstiftung enthalt. Nach einer Vorstudie (Icove und Estepp 1987) wurden als Oberkategorien definiert: Brandstiftungen aus Vandalismus, "excitement" (mit den Unterkategorien "thrill seeking, attention seeking, want to be a hero" und "sexual perversion"), Rache, Verdeckung eines Verbrechens, Profitorientierung und politischer Extremismus. Der psychiatrisch relevante Teil der "excitemenf'-Brandstiftungen wird derzeit iiberarbeitet und soil nach DSMVorbild Achsen fur Motive, Symptome und Substanzabusus enthalten (Ritchie und Huff 1999). Eine fur den juristischen Gebrauch in Deutschland entwickelte Typologie der Brandstiftungskriminalitat unterscheidet Eigennutzbrande, Verdeckungs- und Begehungsbrande, Leidenschaflsbrande (mit den vorherrschenden Motiven Rachsucht, Hass, Neid, Eifersucht, Eitelkeit, Ehrgeiz und Geltungsbediirfnis), weltanschaulich motivierte sowie rational unverstandHche Brandstiftungen (Bruch 1984). Die ausfiihrlichsteyt/r den psychiatrischen Gebrauch relevante Typologie (Prins 1994) definiert als psychiatrische und psychologische Kategorien Selbstverbrennung aus politischem Protest, Brandstiftung aus verschiedensten Motiven (beispielsweise im Rahmen einer reaktiven Depression als Hilfeschrei oder unter Alkoholeinfluss), Brandstiftungen im Rahmen einer psychiatrischen Erkrankung inklusive Oligophrenic, Rachebrandstiftungen, Brandstiftungen zur Erregung von Aufmerksamkeit oder aus sexuellen Motiven, Vandalismusbrandstiftungen Heranwachsender sowie Kinderbrandstiftungen. Eine an der deutsche Tradition orientierte psychiatrische Typologie (Hiob 1970) schlieBlich unterscheidet Taten aus infantil-aggressivem Spieltrieb, hysterisch-demonstrativ motivierte, aus Ressentiment, Geltungsbediirfnis, im Rahmen von Minderwertigkeitsgeftihlen, aus egoistisch-antisozialen Motiven, bei InteUigenzmindemng sowie von Personlichkeitsgestorten (labil und leicht verletzlich, reizbar und kontaktarm, dabei jedoch machthungrig). Die Gruppe um Linnoila, Virkkunen, Repo und Rasanen betreibt ihre Forschungen zu biologischen Markern der Impulsivitat (s. S. 62) unter anderem mit Brandstiftem, deren Deliktverhalten als Manifestation einer Impulskontrollstorung aufgefasst wird. Auf dieses ubergeordnete, Pyromanie und Kleptomanie, pathologisches Spielen und Trichotillomanie umfassende Konzept soil hier nicht weiter eingegangen und statt dessen

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2 Psychiatrie der Brandstifhing

auf die Darstellung von Herpertz (2001), hinsichtlich der forensischen Implikationen auf Nedopil (1992) verwiesen werden. Das erste lerntheoretische Konzept stammt von Vreeland und Waller (1979), die wiederholtes Feuerlegen als R-Variable der Kanfer'schen S-0R-K-C-Verhaltensformel (Kanfer und Phillips 1970) betrachten und die aus der Literatur bekannten Taterspezifika wie Enuresis, sexuelle Probleme usw. in der 0-Variablen fassen. Nach dieser Diktion wird jemand zum Serienbrandstifter, weil er die C-Variable (Menschenauflauf, Feuerwehr usw.) als angenehm erlebt (C^) und/oder aufgrund seiner Lemgeschichte zwischenmenschlichen Konflikten aus dem Weg geht (S-Variable), statt dessen seine Aggressionen (0-Variable) in Brandstiftungen auslebt. Sowohl kontingente als auch intermittierende (K-Variable) Verstarkung erhohen die Auftretenswahrscheinlichkeit des definierten Verhaltens (R-Variable). Jackson, Glass und Hope (1987) entwickelten die Verhaltensformel von Vreeland und Waller in einer eigenen funktionalen Analyse weiter und spezifizieren die FuUe von Antezedentien, Verhaltensvariablen und Konsequenzen. Zentrale Annahme ist, dass Serienbrandstifter in der zwischenmenschlichen Interaktion versagen und liber mangelndes Selbstbewusstsein verfugen. Die aufgrund ihrer Lemgeschichte ins Verhaltensrepertoire ubemommene Disposition zu Brandstiftungen kommt in Konfliktsituationen zum Tragen und hat kurzfristig positive, langfristig allerdings negative, bis zu Gefangnisstrafen reichende Konsequenzen, womit das delinquente Verhalten gleichzeitig adaptative und maladaptative Konsequenzen hat. Da Verhalten ganz iiberwiegend durch kurzfristige Konsequenzen determiniert wird, kommt es in Konfliktsituationen immer haufiger zu Brandstiftungen. Sich daraus ergebende therapeutische Konsequenzen (Selbstsicherheits- und Konfliktlosungstraining) wurden von Jackson, Hope und Glass (1987) und Swinton und Ahmed (2001) evaluiert.

2.3 Die Literatur seit 1951

73

Eine Verhaltensformel speziell fur wiederholte Brandstiftungen, unten in Gl. 2.1 am Beispiel der zweiten Brandstiftung exemplifiziert, entwickelte der forensische Psychologe Fineman (1980, 1995): FS = G1 + G2+E,

(2.1)

wobei E = C+CF + D1 +D2+D3+F1

+F2+F3+Rex^

Rin

(2.2)

FS (Brandstiftungsverhalten) = Gl (Lemgeschichte, die zu einer ganzen Reihe maladaptiver und antisozialer Verhaltensweise disponiert) + G2 (Lemgeschichte und Umgebungsfaktoren, die Feuerlegen begiinstigen) + E (Umgebungskontigenzen, die aktuelles Brandstiften begiinstigen). FS ist die abhangige Variable, Gl, G2 und E sind unabhangige Variablen. Die Kenntnis ihrer Interaktion untereinander soil Voraussagen erlauben, unter welchen Umstanden Feuerlegen auftritt. E = C (Anlass der ersten Brandstiftung) + CF (Charakteristika der ersten Brandstiftung) + Dl (seelische Beeintrachtigung vor der ersten Brandstiftung) + D2 (seelische Beeintrachtigung wahrend der ersten Brandstiftung) + D3 (seelische Beeintrachtigung nach der ersten Brandstiftung) + Fl (Emotion vor erster Brandstiftung) + F2 (Emotionen wahrend erster Brandstiftung) + F3 (Emotionen nach erster Brandstiftung) + Rex (exteme Verstarkung ftir Brandstiftung) + Rin (interne Verstarkung fur Brandstiftung). Die einzelnen in die Verhaltensft)rmel eingegangenen Variablen werden anhand einer standardisierten Liste als wenig, maBig und hoch risikotrachtig eingeschatzt; der Listensummenwert soil schlieBlich eine Beurteilung der Gefahrlichkeit der Probanden erlauben. In einer spateren, sich mit Feuer legenden Jugendlichen beschaftigenden Arbeit (Slavkin und Fineman 2000) explizieren die Autoren fakultative, der Literatur entnommene Merktnale der 0-Variablen (antisoziale Einstellung, sensation- und attention-seeking, mangelnde soziale Kompetenz) sowie filihere und aktuelle Umgebungsbedingungen (fehlende elterliche Beaufsichtigung, Lemgeschichte, Psychopathologie der Eltem und pathogene intrafamiliare Interaktionsmuster, Peer-Group-Einfliisse, life-events).

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2 Psychiatric dcr Brandstiftung

Canter und Fritzon (1998) kamen anhand von 175 Brandstiftungsfallen aus Polizeiakten, die inhaltsanalytisch nach 42 Tatbegehungsvariablen ausgewertet wurden, mittels multidimensionaler Skalierung auf zwei Dimensionen: Gerichtetheit der Tat (gegen Person oder Objekt) und Gerichtetheit der Aggression (expressiv/instrumentell), so dass vier Brandstiftungsmodi resultieren: D Expressiv/Person-orientiert, inhaltsanalytisch charakterisiert Suizidalitat, Abschiedsbriefe, multiple Brandherde.

durch

D Instrumentell/Person-orientiert, inhaltsanalytisch charakterisiert durch einen Konflikt des Taters mit dem ihm bekannten Opfer, geplante Tatbegehung mit vorangehenden Drohungen. D Instmmentell/Objekt-orientiert, inhaltsanalytisch charakterisiert durch mehrere Tater, die Eigentumsdelikte begehen. D Expressiv/Objekt-orientiert, inhaltsanal3^isch Serienbrandstiftung an offentlichen Gebauden.

charakterisiert

durch

Auf fast zwei Drittel aller Probanden trafen folgende Merkmale zu: Wohnung im Umkreis von 1,6 km vom Tatort, keine Meldung des Brandes durch den Tater, plarmiaBig gelegtes Feuer anstatt eines geworfenen Brandsatzes, personliche Bekanntschaft des Taters mit dem Eigentiimer des Brandobjektes, Tatbegehung an einem Wochentag. Die Autoren sehen den Hauptanwendungsbereich ihrer Ergebnisse in der polizeilichen Ermittlungsarbeit.

3 Eigene Untersuchung

3.1 Konzeptuelle Uberlegungen Feshbach (1964) fixhrte in der Aggressionsforschung die konzeptuelle Unterscheidung von instmmenteller und nicht instrumenteller Aggression ein. Letztere, von anderen Autoren auch als kathartisch (Barker 1994), reaktiv (Cornell etal. 1996) oder expressiv (Salfati 2000) bezeichnet, richtet sich in feindseliger Absicht meist direkt gegen eine andere Person. Resultat ist kein materieller, sondem ein intrapsychischer Gewinn fur den Tater, z. B. die Befriedigung eines Rachebedurfnisses. Auch nicht direkt gegen andere Personen gerichtete Aggressivitat, die auBer psychischer Befindensanderung kein anderes Ziel hat, beispielsweise Vandalismus, fallt unter den Begriff der nicht instrumentellen Aggressivitat. Demgegenliber ist bei der instrumentellen Aggressivitat Gewalt lediglich Mittel zum Zweck um bestimmte, per se nicht aggressive Ziele wie Geld oder Status zu erreichen. Die Schadigung anderer ist hier ein in Kauf genommenes, nicht von vomherein intendiertes Nebenprodukt. Prototyp instrumenteller Brandstiftungen sind finanziell motivierte oder zur Verdeckung eines anderen Verbrechens begangene Taten. Auch Feuerwehrleute, die Brande aus Freude am Loschen legen, handeln instrumentell motiviert, da die Brandstiftungen einem handlungsrelevanten, beobachtbaren Zweck dienen, ebenso entlassene Patienten, die vermittels Brandstiftung ihre Wiederaufnahme erreichen woUen; hier veranlasst die Tat andere zum Handeln und erfullt ebenfalls einen beobachtbaren Zweck. Wahrend sich das Merkmal Instrumentalitat zur Unterscheidung von Delinquenzkarrieren von Tdtern weniger gut eignet, da die meisten Inhaftierten in ihrer Vorgeschichte sowohl instrumentell als auch nicht instrumentell motivierte Taten aufweisen (Cornell etal. 1996), lassen sich einzelne Taten, insbesondere Brandstiftungen, sehr gut hinsichtlich ihrer InstmmentaUtat beurteilen (Canter und Fritzon 1998, Pettiway 1987). Instrumentell motivierte Brandstiftungen weisen defmitionsgemaB immer ein MindestmaB an - in Abhangigkeit von der Intelligenz des Taters nicht notwendigerweise folgerichtiger - Voriiberlegung und Planung auf Bei

76

3 Eigene Untersuchung

nicht instrumentell motivierten Brandstiftungen ist demgegeniiber die affektive Komponente ausschlaggebend. Affekte waren fur den Behaviourismus ursprungliche klassisch konditionierte Reiz-Reaktionsverbindungen, die sich im Laufe der Ontogenese aus einer kleinen Zahl angeborener Emotionen differenziert haben (Watson 1913). Spatere lemtheoretische Modellvorstellungen erklarten emotionale Reaktionsmuster als durch Kombination klassischer und operanter Konditionierung entstanden, wobei im operanten Paradigma Verhalten durch seine - vorwiegend affektiven - Konsequenzen determiniert wird (Mowrer 1960). Der Einfluss von Affekten auf die Bildung von ReizReaktionsverbindungen lasst sich auch direkt nachweisen: Mit Epinephrin vorbehandelte Ratten zeigen im Vergleich zu unmedizierten Kontrollen verbessertes (Schachter und Latane, z. n. Schachter und Singer 1962), unter Anxiolytika stehende Tiere verschlechtertes (Gray, z. n. Westen 1994) Vermeidungsverhalten. Aus der Perspektive kognitiver Bewertungstheorien treten zwischen Reiz und Reaktion Interpretationen als intervenierende Variablen; Emotionen entstehen als Folge dieser Bewertungen. In dem beriihmten Experiment von Schachter und Singer (1962) interpretierten die Versuchspersonen unter verschiedenen Experimentalbedingungen die gleiche pharmakologisch induzierte Erregung verschieden und gelangten zum Erleben differenter Emotionen. Welche Emotion erlebt wird, hangt nach Lazarus (1991a, b) entscheidend davon ab, welche konkrete Bedeutung ein Stimulus hat, die sich wiederum aus der jeweiligen individuellen Lemgeschichte ergibt. Westen (1994) gibt hierfiir ein instruktives Beispiel: Ein Schuler, der fur eine gute Klassenarbeit iiberschwanglich gelobt wird, jedoch abgeschrieben hatte, konnte in Zukunft nicht mehr abschreiben, well er sich des Lobes schamt. Ein scheinbar verstarkender Stimulus (Lob) wirkt also vermittels seiner affektiven Konsequenzen (Scham) objektiv als Bestrafling und hat im konkreten Fall fiir spateres Verhalten die affektregulatorischen Konsequenzen, nicht mehr abzuschreiben, um das Erleben von Scham zu vermeiden. Affektregulationsmechanismen wie dieser sind aus der Sicht kognitiver Bewertungstheorien erlemte mentale oder behaviourale Operationen, um einen wahrgenommenen Ist- mit einem vom Organismus erwtinschten SoU-Zustand zur Deckung zu bringen. Nach Lazarus (1991a) existieren vier Arten von Emotionsbewaltigungsmechanismen: Situationsveranderung durch Handlung, Anderung des intemen Zielzustandes, Umbewertung der Situation und schlieBlich direkte EmotionskontroUe, beispielsweise durch beobachtbare Handlungen, Gebrauch intrapsychischer Abwehrmechanismen oder psychotroper Medikation.

3.2

Stand der Literatur

77

Psychoanalytisch geprdgte Auffassungen sehen Emotionen als Resultat interpersoneller Beziehungsstrukturen an (Freud 1980). Abwehrmechanismen konnen in behaviouraler Sichtweise als durch den Erfolg, unangenehme Gefiihlszustande zu vermeiden, wirksame "operants" verstanden werden (Dollard und Miller 1950, Wachtel 1977, 1987). Bine ganze Reihe psychoanalytischer (Bowlby 1969, Horowitz 1987, Menninger et al. 1963) und kognitiv orientierter (Miller etal. 1960, Powers 1973, Scheier und Carver 1988) Autoren gehen folgerichtig von mentalen und behaviouralen Ruckkopplungsschleifen aus, die nach Vergleich von 1st- und SoUzustand auf der Ebene der Emotionen als oberstem Prinzip der Minimierung unangenehmer und Maximierung angenehmer Emotionen funktionieren. Biologisch-evolutionstheoretische Ansdtze gehen auf Darwin (1872) zuriick und betrachten Emotionen unter einem funktionalen Blickwinkel, der ZweckmaBigkeit mentaler Organisation und differenten Verhaltens im Hinblick auf das Uberleben durch Adaptation an die Umwelt hervorhebt. Gegenwartiger Hauptvertreter dieser Richtung ist Plutchik (1994). Unter affektregulatorischen Gesichtspunkten werden Verhaltensweisen beibehalten, die sich im Lauf der Evolution als erfolgreich bei der Abmilderung schlechter Stimmung oder der Beibehaltung angenehmer verhaltenssteuemder Emotionen erwiesen haben, andere nicht. Westen (1994) hat zahkeiche evolutionspsychologische, psychodynamische, kognitionspsychologische und behaviouristische Befunde in sein Affektregulationsmodell integriert. Er fasst Geftihle als Mechanismen zur Auswahl von Emotionsbewaltigungsstrategien auf. In der Vergangenheit erfolgreiche Affektregulationsstrategien werden je nach Situation wahrscheinlicher eingesetzt als nicht erfolgreiche, so dass verschiedene Personen ein durch ihre jeweiUge Lemgeschichte individuell verschiedenes Repertoire an Regulationsmechanismen entwickelt haben. Zentrales Bestimmungsstuck des Modells ist, dass alle Individuen danach streben, angenehme Affekte zu maximieren und unangenehme zu minimieren.

3.2 Stand der Literatur Grundsatzlich werden in der Literatur inklusive der Pyromaniedefinitionen von DSM und ICD Brandstifter unter zwei Gesichtspunkten behandelt: Nach Merkmalen der Tdter und solcher ihrer Taten. Psychiatrisch relevante Tdtermerkmale sind nach DSM und ICD die Anzahl der begangenen Brandstiftungen inklusive einschldgiger Vordelinquenz, die Auslosung falscher Feueralarme und ein abnormes Inter esse an allem mit Feuer Zusammenhdngendem. Nach der in Abschn. 2.1 referierten Literatur bis

78

3 Eigene Untersuchung

1860 ist darliber hinaws jugendliches Alter von Bedeutung; nach der in Abschn. 2.3 dargestellten Literatur von 1951 an unterscheiden sich psychiatrisch auffallige von psychisch ungestorten Brandstiftem und anderen Delinquenten durch psychosozial starker gestorte Herkunftsfamilien, starkcYQ fruhkindliche Entwicklungsverzogerung, Enuresis und Tierqudlerei in der Vorgeschichte, Intelligenzmdngel und den Schweregrad der psychiatrischen Beeintrdchtigung zum Tatzeitpunkt, haufigere psychiatrische Vorbehandlungen und Suizidversuche, haufigere sexuelle Auffdlligkeiten, schlechtere Schul- und Berufsausbildung sowie haufigeres Alleinleben. An in der Literatur seit 1951 bei psychiatrisch auffalligen Tatem uberzufallig haufig vorkommend beschriebenen Tatmerkmalen wurden beschrieben: Meldung des Brandes durch den Tater, Angetroffen werden am Tatort, kein akuter Konflikt zwischen Tdter und Eigentilmer des in Brand gesetzten Objektes und oft sogar fehlende Beziehung zum Eigentumer desselben ("wahllose Brandstiftung"), kein sofortiges Sichbekennen zur Tat und keine Hilfe beim Loschen sowie Masturbation am Tatort. DSM und ICD legen dariiber hinaus ein impulsives Tatverhalten nahe. SchlieBlich ergibt sich aus den DSM- und ICD-Pyromaniedefinitionen, dass die Taten dem Erleben von "Vergniigen, Befriedigung oder Entspannung wahrend oder nach dem Feuerlegen dienen" (DSM) bzw. "ohne erkennbare Motive" (ICD) ausgefuhrt werden, mithin nicht instrumentell motiviert sind.

3.3 Hypothesen Die in der klassischen Literatur und von DSM und ICD als pyroman bezeichneten Tater mussen also nicht instrumentell motiviert sein. Vorwiegend oder ausschlieBlich affektiv determiniertes Handeln kann nach dem Affektregulationsmodell von Westen (1994) zwei verschiedenen Intentionen haben: Die Steigerung eines als angenehm erlebten Affektes oder die Abschwachung eines aversiven emotionalen Zustandes. Tater mit der erstgenannten Intention miissen also eine deliktantezedente positiv getonte Emotion, solche mit der letztgenannten eine deliktantezedente negativ getonte aufweisen. Werden Brandstifter nun nach Instrumentalitdt ihrer Tat und deliktantezedenter Emotion klassifiziert, miissen sich also pyromane Probanden ausschlieBlich unter den nicht instrumentell motivierten Brandstiftem mit deliktantezedenter positiver oder negativer Emotion befinden und sich alle auf Grund der theoretischen Vorannahmen nach Instrumentalitdt der Tat und deliktantezedenter Emotion klassifizierten

3.4 Material

79

Probanden eines empirischen Materials korrekt anhand der in Abschn. 3.2 aufgefuhrten Tdter- und Tatmerkmalen den verschiedenen, sich aus der Klassifikation nach Instrumentalitat und deliktantezedenter Emotion ergebenen Tatergruppen zuordnen lassen. Die iibergreifende Hypothese lautet demgemaB, dass sich die Zugehorigkeit der Probanden zu den aus ihrer Aufspaltung nach Instrumentalitat und deliktantezedenter Emotion resultierenden Gruppen anhand ihrer Auspragung auf den der Literatur entnommenen Tater- und Tatmerkmalen vorhersagen lasst. Die Eignung jcdcs einzelnen dieser Merkmale als Prddiktor der Gruppenzugehorigkeit wird jeweils als Subhypothese mittels Signifikanztest gepriift.

3.4 Material Da nach DSM-IV-TR (American Psychiatric Association 2000) "Pyromanie offensichtlich selten" vorkommt, ware die direkte Untersuchung von Haftlingen, MaBregelvoUzugspatienten oder Gutachtenprobanden sehr aufwandig und damit unokonomisch. Daraus ergibt sich, dass auf bereits erstattete, archivierte Gutachten zunickgegriffen werden muss. Die in Abschn. 4.1 (s. u.) im Verlauf von fast 100 Jahren an der psychiatrischen Universitatsklinik Heidelberg erstellten 133 Gutachten stammen von 22 verschiedenen Sachverstandigen; ein einzelner Sachverstandiger hatte maximal zehn Expertisen erstellt. Dieser Umstand diirfte sich zwanglos daraus erklaren, dass einerseits Brandstifter wesentlich seltener begutachtet werden als beispielsweise Gewaltdelinquenten (zum Vergleich: 904 Gutachten), andererseits Brandstiftung kein so spektakulares Delikt darstellt wie beispielsweise Mord und Gutachten liber Brandstifter dem zufolge nicht ausschlieBlich von forensisch erfahrenen Facharzten erstellt werden, sondem haufig von Assistenzarzten, die allerdings qualifiziert supervidiert werden, Mit anderen Worten: Ein Gutachterleben ist offenbar zu kurz, um auf eine ausreichend groBe Zahl von Brandstiftem zu kommen. Andererseits bietet gerade die groBe Zahl der involvierten Sachverstandigen unter der Aimahme, dass sich Gutachterfehler herausmitteln, wenigstens einigermaBen eine Gewahr dafiir, dass die interindividuelle Variabilitat der Gutachter keine die Validitat der Studie entscheidend schmalemde AusmaBe erreicht.

80

3 Eigene Untersuchung

3.5 Erhebungsinstrument Da Merkmalen der Tat in der vorliegenden Studie eine wesentliche hypothesenkonstituierende Bedeutung zukommt (vgl. Abschn. 3.3), wurde aus den zur Verfugung stehenden forensisch-psychiatrischen Dokumentationssystemen die Easier Multiaxiale Forensisch-Psychiatrische Dokumentation (Dittmann 1994) ausgewahlt, die die groBte Anzahl tatanalytischer Merkmale abfragt. Das Instrument wurde in mehrfacher Hinsicht verandert: Der kriminologische Teil wurde dem deutschen Strafrecht angepasst und nach den Prinzipien von Tateinheit und Tatmehrheit gegliedert; bei den gesetzlichen Kriterien wurden die Rechtsbegriffe des §51 RStGB bzw. StGB und der §§ 20, 21 StGB verwandt. Der biografische Abschnitt wurde um einige der Literatur entnommene tdterspezifische Merkmale erganzt (vgl. Abschnitt 3.2): Auslosung falscher Feueralarme, Enuresis, Tierqualerei und Alleinlebend. Das abnorme Interesse an Feuer und allem damit Zusammenhangendem wurde aus der eigenen Erfahrung in der Begutachtung von Brandstiftem an der Abteilung Rechtsmedizin II (Forensische Psychiatrie und Nervenarztliche Begutachtung, Direktor: Prof. Dr. H. Grahmann) der Universitat Kiel unter lemgeschichtlichen Gesichtspunkten wie folgt operationalisiert und erhoben: Verursachung eines Brandes als Kind, Zeuge eines Brandes in der Lebensgeschichte und Beziehung des Taters zur Freiwilligen Feuerwehr (Mitgliedschaft, abgewiesene Mitgliedschaft oder Ausschluss). Soweit die taterspezifischen Variablen nicht intervallskaliert sind, wurden die Antwortmoglichkeiten "Nein" und "Keine Information" zusammengefasst, so dass nur die Information, ob ein Tatermerkmal positiv festgestellt wurde, verblieb (Nominalskalierung). Auf die auf Korperverletzungs- und Totungsdelikte zugeschnittenen Abschnitte wurde verzichtet, ebenso auf diejenigen, die eine direkte Untersuchung des Probanden erforderlich machen (Sozialverhalten nach Goppinger 1985, Tatertypologie nach Nedopil etal. 1989, PersonUchkeitsstorungskriterien nach ICD-10, Beeintrachtigungsschwerescore nach Schepank 1987). Der GAF-Punktwert wurde aus den Gutachten geschatzt. Auf die Darstellung der Ergebnisse der in der Basler Multiaxialen Forensisch-Psychiatrischen Dokumentation enthaltenen AMDP-Items, die sich, wie Diebold und Engel (1977) und Diebold et al. (1977) gezeigt haben, gut auf schriftlich erstellte Krankengeschichten und mithin Gutachten anwenden lassen, wurde verzichtet, da sie die Intention der vorliegenden Arbeit iiberschreiten wiirden. Die Tatanalyse-Items der Basler Multiaxialen Forensisch-Psychiatrischen Dokumentation beriicksichtigen im Wesentlichen die von Binder (1974), SaB (1983) und Rasch (1999) angegebenen sogenannten "Affektkriterien". Von diesen tatspezifischen Items wurde auf diejenigen, die

3.5 Erhebungsinstrument

81

ausschlieBlich auf intrapsychische Ablaufe oder Untersucherinterpretationen rekurrieren (besondere Ausgangssituation mit Tatbereitschaft, Missverhaltnis zwischen TatanstoB und Reaktion, Einengung der seelischen Ablaufe, aggressives Vorgestalten in der Fantasie, erhaltene Introspektionsfahigkeit bei der Tat, exakte und detailreiche Erinnerung) verzichtet, so dass nur grundsatzlich beobachtbare Merkmale verblieben. Die ubrigen, meist personenbezogen (Korperverletzung, Totung) formulierten Items wurden sachorientiert (Brandstiftung) umformuliert. Einige der Literatur entnommene Tatmerkmale (vgl. Abschnitt 3.2) wurden hinzugefiigt (Meldung des Brandes durch den Tater, Angetroffenwerden am Tatort, akuter Konflikt zwischen Tater und Eigentumer des Brandobjektes, Beziehung des Taters zum Eigentumer des Brandobjektes, sofortiges Sichbekennen zur Tat, Helfen beim Loschen und Masturbation am Tatort). Die Antwortmoglichkeiten "sicher nicht vorhanden", "eher nicht vorhanden" und "keine Information" einerseits und "eher vorhanden" und "sicher vorhanden" andererseits wurden zusammengefasst, so dass nur die Information, ob ein Tatmerkmal positiv festgestellt wurde oder nicht, verblieb. Jede Tat wurde Feshbach (1964) folgend danach beurteilt, ob aus ihr handlungsrelevante Konsequenzen fur den Tater selbst oder seine Umgebung, in letzterem Fall wiederum mit handlungsrelevanten Konsequenzen ftir den Tater, resultierten {instrumentelle Motivation). Freiwillige Feuerwehrleute, die sich bei den Loscharbeiten hervortun wollten, handeln beispielsweise instmmentell motiviert, da sich aus ihrer Tat handlungsrelevante Konsequenzen fiir sie selbst, namlich das Loschen, ergeben. Entlassene psychiatrische Patienten, die vermittels einer Brandstiftung ihre Wiederaufnahme erzwingen woUen, sind ebenfalls instmmentell motiviert, da handlungsrelevante Konsequenzen fur das Klinikpersonal entstehen, die fiir die Patienten handlungsbestimmende Auswirkungen haben, da sie sich als Ergebnis ihrer Wiederaufnahme nicht mehr selbst versorgen mussen. Tater aus Rache handehi demgegentiber nicht instmmentell motiviert: Die Brandstiftung hat zwar handlungsrelevante Konsequenzen fur das Opfer (das vielleicht fliichten oder sich um den Ersatz seiner Habe kummem muss), die sich jedoch nicht handlungsrelevant fur den Tater auswirken. Rachetatem geht es charakteristischerweise auch nicht in erster Linie damm, ihr Opfer zum Handeln zu zwingen, sondem um die intrapsychischen Auswirkungen ihrer Tat auf sie selbst, d. h., damm, ihren "Rachedurst zu stillen". Sie handeln damit nicht instmmentell motiviert. Cornell et al. (1996) folgend wurden alle nicht eindeutig instmmentell motivierten Taten als nicht instmmentell motiviert bewertet. Die jeder Tat vorangehende Emotion wurde als positiv, negativ oder unklar klassifiziert. Bei Probanden, die mehr als eine Brandstiftung be-

82

3 Eigene Untersuchung

gangen hatten, beschrankt sich die hier vorgestellte Auswertung auf ihre jeweils erste Tat, deren intrapsychisches Vorfeld wie bei den Einmaltatem fast stets sorgfaltig exploriert worden war, zumal sich ihre spateren Taten hinsichtUch intrapsychischer Verfassung und auBerer Begleitumstande kaum von der ersten Brandstiftung ihrer Serien unterschieden.

3.6 Gutekriterien Fiir alle objektiv feststellbaren Tdtermerkmale wie Alter, Anzahl der Brandstiftungen, Debihtat oder Alkohohsierung als konsteliativer Faktor bzw. forensisch relevanten AusmaBes wurde keine Reliabilitatsprtifung vorgenommen. Zur Reliabilitdtsbestimmung der ubrigen hypothesenrelevanten Tdterund Tatmerkmale warden zwei Facharzte, deren diesbezixgHche Bewertungen nicht in die vorgestellte Datenerhebung durch den Verfasser eingingen, anhand von 30 zufalUg ausgewahlten Gutachten des Datensatzes trainiert und schatzten anschlieBend anhand einer weiteren Zufallsstichprobe von 30 Gutachten des Datensatzes die Instrumentalitat der Tat, deliktantezedente Emotion und den GAF-Skalenwert zum Zeitpunkt der Tat ein. Der fur die Kategorie Instrumentalitat ermittelte K-Koeffizient lag mit 0,79 leicht unterhalb der nach den selben Gesichtspunkten ermittelten Interraterreliabihtat fur als instrumentell versus nicht instrumentell beurteilte Delikte von Cornell et al. (1996), die einen K-Koeffizienten von 0,85 berichten. Fiir die deliktantezedente Emotion ergab sich ein K-Koeffizient von 0,71. Dieser Wert liegt im Rahmen der fur verschiedene inhaltsanal3^ische Instrumente berichteten Interraterreliabilitaten (Smith 1966). Fiir unseren GAF-Summenwert fanden wir eine Interraterreliabihtat von rtt = 0,67. Damit liegt unser Wert nur unwesentlich unter der von Endicott et al. (1976) fiir die anhand von Krankengeschichten ermittelten Interraterrehabilitat von r^ = 0,69. Die Literraterreliabilitat der meisten tatanlytischen Merkmale wurde bereits von Rosier etal. (1993) bestimmt. Da sie nicht dasselbe Merkmalsglossar wie die Basler Multiaxiale Forensisch-Psychiatrische Dokumentation verwandten und letztere fiir unsere Studie noch um einige brandstiftungsspezifische Tatanalyse-Items erganzt worden war, wurde die Interraterreliabihtat samtlicher verwandten Tatanalyse-Items nach beschriebenem Frocedere emeut bestimmt. Die von uns gefundenen K-Koeffizienten liegen zwischen 0,38 und 1,0 und damit im Bereich der von Rosier etal. (1993) erhobenen Werte. Nach Baumann und Stieglitz (1983) werden K-Werte zwischen 0,4 und 0,6 als mittlere und von 0,6 an

3.7 Statistische Auswertung

83

aufwarts als gute Ubereinstimmung bewertet. Die im einzelnen fur unsere Tatanalyse-Items vorgenommenen Operationalisierungen und die damit erzielten K-Koeffizienten sind dem Anhang E (s. S. 265) zu entnehmen. Die Beurteilung der Validitdt der vorgelegten Studie ergibt sich aus der Interpretierbarkeit der mit dem vom Verfasser modifizierten Erhebungsinstrument anhand des gewahlten Materials mit dem verwandten statistischen Instrumentarium gewomienen Ergebnisse und muss dem Leser iiberlassen bleiben.

3.7 Statistische Auswertung Fiir die auf Grund theoretischer Uberlegungen anhand der Klassifizierungsvariablen Instrumentalitat der Tat und deliktantezedente Emotion aufgespaltenen disjunkten Tatergruppen wird in einem ersten Schritt univariat gepnift, welche der hypothesengeleitet ausgewahlten Tater- und Tatmerkmale zu einer Unterscheidung zwischen diesen Gruppen beitragen. Ftir intervallskalierte Merkmale werden die Unterschiedshypothesen mit Varianzanalysen, fiir nominalskalierte mit Hilfe von Fisher's Exakten Tests ftir r x c-Tabellen (Mehta und Patel 1983, SAS online Doc™) gepriift, die hinsichtlich der Zellenbesetzungen im Gegensatz zu klassischen X^-Tests voraussetzungsarm sind. AnschlieBend wird mit einer schrittweisen hierarchischen Diskriminanzanalyse multivariat gepnift, wie viel die univariat signifikant zwischen den Gruppen unterscheidenden Tater- und Tatmerkmale zur Unterscheidung zwischen den Gruppen beitragen und welche Kombination von ihnen nach dem Prinzip des sparsamsten Modells zur Vorhersage der Gruppenzugehorigkeit ausreicht. Zuletzt wird anhand einer Klassifikationsanalyse multivariat tiberprtift, wie viele Probanden der auf Grund theoretischer Erwagungen nach Listmmentalitat ihrer Tat und deren deliktantezedenter Emotion den aus ihrer Auspragung auf diesen Klassifizierungsvariablen resultierenden disjunkten Tatergruppen sich anhand der hypothesengeleitet ausgewahlten und diskriminanzanalytisch als ftir die Gruppenzuordnung relevant gefundenen Merkmalen den verschiedenen Tatergruppen korreld: zuordnen lassen. Die Klassifikationsanalyse beantwortet damit die Frage, wie gut sich die theoretisch postulierte Klassifizierung in den empirisch gewonnenen Daten abbildet.

4 Ergebnisse

4.1 Beschreibung der angefallenen Stichprobe An der Psychiatrischen Universitatsklinik Heidelberg sind bis zum Jahrl994 3143 Schuldfahigkeitsgutachten archiviert, die von Kromker (1997) nach Diagnose, Deliktart und forensischer Beurteilung ausgewertet wurden. Das alteste Gutachten stammt aus dem Jahr 1891. Nach Deliktgruppen geordnet handelt es sich in 29 % (943 Probanden) um Eigentximsdelikte (Diebstahl und Betmg), 28,8 % (904 Probanden) Gewaltdelikte (Korperverletzung und Totung), 20,5 % (644 Probanden) Sexualstraftaten und 20,7 % (652 Probanden) sonstige Delikte. Wegen der unterschiedlichen Begriffsbestimmung von Feuerlegen bei Psychiatem bzw. Brandstiftung bei Juristen (vgl. Abschnitt 2.3.2) und gelegentlich tatmehrheitlich mit anderen Delikten begangener Brandstiftungen mussten alle ca. 3200 archivierten Gutachten im Original daraufhin durchgesehen werden, ob das Legen von Feuer Gegenstand des Gutachtens war. Bis zum Jahr 2000 finden sich, beginnend 1911, 133 Gutachten liber Brandstifter, also etwa 4 %. 51 dieser Gutachten wurden vom jeweiligen Lehrstuhlinhaber oder einem Oberarzt erstellt, 74 von einem supervidierten Assistenzarzt; bei acht Gutachten war die Funktion des Sachverstandigen zum Zeitpunkt der Gutachtenerstellung nicht rekonstruierbar. Von alien Gutachten war in fiinf Fallen aus diesen nicht klar ersichtlich, ob der Proband die Tat begangen hatte; ftinf Gutachten waren zu informationsarm fur eine Auswertung mit dem Erhebungsinstrument. Ebenfalls nicht berucksichtigt wurden vier vom Verfasser erstellte Gutachten. Auf die verbleibenden, zwei davon bereits publizierten (Wilmanns 1914, de Boor 1953), 119 Gutachten beziehen sich die folgenden Ausfuhrungen. 4.1.1 Demografische Charakteristika 109 Probanden (91,6%) waren mannlichen Geschlechts; das Alter lag zwischen 14 und 76 Jahren mit einem Mittelwert von 32,9 Jahren bei einer Standardabweichung von 14,6 Jahren. 59 Probanden (49,6 %) waren ledig und hatten keinen festen Partner, 11 (9,2 %) ledig in fester Partnerschaft,

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4 Ergebnisse

26 (21,8 %) verheiratet, 22 (18,4 %) verwitwet, getrennt oder geschieden, einer (0,8 %) ohne Information iiber den Familienstand. 39 (32,8 %) batten keinen Haupt- oder LQmbohindQrtQnschulabschluss, 9 (7,6 %) einen L-Schulabschluss, 39 (32,8 %) Hauptschulabschluss, je 2 (1,7 %) Realschule mit und ohne Abschluss, je 5 (4,2 %) Gymnasium mit und ohne Abschluss, 16 (13,4 %) nicht erhoben, 2 (1,7 %) waren noch Schiller. 38 Probanden (31,9 %) hatten niemals eine Berufsausbildung begonnen, 31 (26,1 %) ihre Lehre nicht abgeschlossen, 29 (24,4 %) eine abgeschlossene Lehre, je 3 (2,5 %) Hochschule mit und ohne Abschluss, 9 (7,6 %) nicht erhoben, 6 (5,1 %) waren noch Schiiler oder Lehrling. 47 Probanden (39,5%) gingen einer ungelemten Tatigkeit nach, 26(21,8%) waren arbeitslos, 11 (9,2 %>) waren selbstandig, 10 (8,1 %) angestellt oder beamtet, 12 (10,1 %) berentet, 3 (2,5 %) dauerhaft institutionaUsiert, 2 (1,7 %) Hausfrauen und 2 (1,7 %) nicht erhoben. 42 Probanden (35,3 %) waren vorbestraft\ 29 von ihnen hatten Haftstrafen verbiiBt, die ubrigen Bewahrungsstrafen erhalten. Zehn der Vorbestraften (8,4 % aller Probanden) waren bereits mit Brandstiftung gerichtlich auffallig geworden. 4.1.2 Tatcharakteristika In 75 Fallen (63 %) wurden eine, in 22 Fallen (18,5 %) zwei und ebenfalls in 22 Fallen (18,5 %) mehr als zwei Taten angeklagt. I l l (93,3 %) Taten waren allein, 8 (6,7 %>) gemeinschaftlich begangen worden. Ort der jeweiligen ersten Tat war 2 Mai eine GroBstadt (1,7 %), 69 Mai eine mittlere Oder Kleinstadt (58 %), 42 Mai ein Dorf (35,3 %), 6 Mai die freie Landschaft oder Sonstiges (5 %>). Bei den in Brand gesetzten Objekten handelte es sich in 59 Fallen (49,6 %) um Wohnhauser, 30 Mai (25,2 %) um Stalle, Scheunen, Schuppen, 11 Mai (9,2 %>) um offentliche Gebaude (Amt, Schule, Kirche), 7 Mai (5,9 %) um Gartenhauser, Hiitten, Wohnwagen und dergleichen, 3 Mai (2,5 %) um Fahrzeuge und 9 Mai (7,6 %>) um Sonstiges. 6 Taten (5,1 %) waren tateinheitlich angeklagt, 4 Mai zusammen mit Eigentumsdelikten und 2 Mai mit Mord; 10 Taten (8,1 %) waren in Tatmehrheit, 6 Mai mit Eigentumsdelikten und je 2 Mai mit Beleidigung und Korperverletzung begangen worden. Das in Brand gesetzte Objekt gehorte in 19 Fallen (16 %) dem Tater selbst, in weiteren 9 Fallen (7,6 %) handelte es sich um gemeinsam mit der Partnerin bewohnte Raumlichkeiten. 14 Mai (11,8 %)) wurde offentliches Eigentum in Brand gesetzt, 11 Mai (9,2 %) Eigentum der Eltem des Taters, 10 Mai (8,4 %) des Arbeitgebers und je

4.1 Beschreibung der angefallenen Stichprobe

87

7 Mai (5,9 %) Eigentum von Verwandten oder einer fruheren Partnerin; 42 Mai (35 %) war keine Zuordnung moglich. Nur in 47 Fallen (39,5 %) spielte Alkohol bei der Begehung der Taten iiberhaupt keine RoUe. 31 Mai (26,1 %) waren die Tater in forensisch nicht relevantem AusmaB alkoholisiert, 33 Mai (27,6 %) wurde eine alkoholbedingte Verminderung oder Auftiebung der rechtlichen Verantwortlichkeit zumindest nicht ausgeschlossen, 8 Mai (6,8 %) eine diesbezugliche Stellungnahme auf die Hauptverhandlung verschoben.

4.1.3 Tatmotive Die Aufschltisselung der Motive folgt bei Rache, Freude am Feuer, Versicherungsbetrug, Selbstverbrennungsabsicht, dem Wunsch, die Feuerwehr bei der Arbeit zu beobachten und einer neuen Wohnungseinrichtung bzw. einem neuen Haus fur die Mutter oder Bezahlung sowie sexueller Motivierung nach den Angaben der Probanden. Situative Frustration, Motivlosigkeit, Brandstiftung als Hilfeschrei oder Fahrlassigkeit sowie das Vorliegen einer Psychose oder eines Verwirrtheitszustandes wurden demgegeniiber nahezu wortgleich von den jeweiligen Sachverstandigen benannt. Demnach lieBen sich die Hauptmotive der jeweiligen Taten wie folgt aufschliisseln: 29 Probanden (24,4%) handelten aus Rache, 21(17,6%) waren psychotisch oder himorganisch verwirrt. 15 Mai (12,6%)) war die Tat Ausdruck einer aktuellen Frustration, ohne sich wie die Rachetaten direkt gegen jemanden Bestimmtes zu richten. Gruhle (1947) folgend haben diese Tater streng genommen keine (rational determinierten) Motive, sondem handeln aus (emotional getragenen) Beweggrunden. Typisch fur Taten aus einer situativen Frustration heraus ist ein schon langer bestehender Konflikt mit entsprechender emotionaler Beteiligung, der bei dem - oft leicht alkoholisierten - Tater unerwartet aktuahsiert wird: A. B., zwanzigjahriger Friseur, dorfliches Milieu. Tatjahr: 1924. Der Proband lag seit Wochen mit der urspriinglich befreundeten Familie Schulz im Streit, weil diese sich geweigert hatte, die Arztrechnung fur die Schwester des Probanden, die von einem Angehorigen der Familie Schulz mit dem Motorrad angefahren worden war, zu bezahlen. Im Verlauf der Auseinandersetzung war es zu Anzeigen und Gegenanzeigen gekommen; Mitglieder der Familie Schulz hatten dem Probanden mehrfach aufgelauert, um ihn zu verprugeln. Am Tattag besuchte der Proband die befreundete Familie Meier, wo in geselhger Runde Lieder gesungen und gescherzt wurde. Er trank im Verlauf des Abends 2 Glaser Wein und war zunachst gut gelaunt, bis er auf seinen Streit mit der Familie Schulz angesprochen und damit geneckt wurde. Er wurde verstimmt, verlieB die Gesellschaft, ohne sich zu verab-

4 Ergebnisse schieden und stieB unbestimmte Drohungen ("Alle soil der Teufel holen!") aus. Auf dem Heimweg ziindete er einen beliebigen Heuschuppen an, lief anschlieBend zur Polizeiwache und bekannte dort unter Tranen, den Brand gelegt zu haben. Als Motiv nannte er Aufregung und Verargerung und beteuerte, den Schaden wieder gut machen zu wollen. Wahrend der stationaren Beobachtung fur das Gutachten wurde eine Debilitat offenkundig; die sorgfaltige Anamnese hinsichtlich friiherer Erfahrungen mit Feuer war leer. Das Gutachten stellte als hervorstechendes Merkmal die emotionale Unreife des Probanden heraus und wertete die Tat als "weder mit dem Anlass des Affektes noch den sonstigen Einstellungen des Probanden in Verbindung stehende, in ihren speziellen Zusammenhangen undurchsichtige Entladung einer schweren Affektreaktion." Der Sachverstandige mochte aufgrund der Kombination von Debilitat, Affekt und leichter Alkoholisierung eine aufgehobene Zurechnungsfahigkeit im Sinne des § 51 RStGB nicht ausschlieBen. Bei acht Probanden (6,7 %) fand sich Freude am Feuer als Hauptmotiv, die sich 4 Mai bis in die Kindheit der Probanden zuruckverfolgen lieB. CD., zwanzigjahriger Backer, stadtisches Milieu. Tatjahr: 1982. Der Proband wurde auf Betreiben seiner Mutter festgenommen, nachdem er im Anschluss an einen Einbruch in einen Gebaudekomplex auf einem Firmengelande Feuer gelegt hatte; der Gesamtschaden belief sich auf 2,6 Mio. DM. Der bereits mehrfach mit Einbruchsdiebstahlen auffallig gewordene Proband gestand noch einen Lagerhallenbrand mit einem Schaden von 80.000 DM und die Inbrandsetzung eines leerstehenden Abrisshauses. Dem Gutachter sagte er, dass er schon immer Freude am Feuer gehabt habe, so lange er sich erinnem konne. Wohl als Sechsjahriger habe er begonnen, im Keller oder auf dem Hof Feuer zu machen; die Mutter habe geschimpft, die Nachbam hatten sich beschwert. Seine Freude am Feuer sei vielleicht der Grund gewesen, dass er lieber alleine als mit anderen habe spielen wollen. AuBerdem sei er wegen einer Lippen-Kiefer-Gaumenspaltenoperation entstellt und deshalb oft gehanselt worden. Er habe mit der Zeit immer haufiger Feuer gemacht, zumeist auf einem Freigelande, im Jahr vor der Tat vielleicht zwei Mai in der Woche. Meistens verbrenne er Gummi, weil das so schon qualme, aber auch Spraydosen, die dann explodierten und Funken gaben. Von den drei von ihm verursachten GroBbranden sei der Lagerhallenbrand der schonste gewesen. Er sahe eben geme Feuer, seine Form, seine Farbe, vor allem sein Glanz - das sei das richtige Wort - Glanz - begeisterten ihn, auch der Qualm, seine Form, sein Geruch faszinierten ihn. Wenn die Feuerwehr kame, sei ihm das gar nicht recht, weil diese ja das Feuer, das ihm gefalle, losche. Auf Frage gab der nicht sexuell unerfahrene Proband an, beim Sehen der Feuer kein korperliches, insbesondere kein sexuelles Gefuhl zu verspuren, lediglich eine groBe Freude, fiir ihn eben die groBte Freude, die es gabe. Ein Leben ohne Feuer konne er sich ebenso wenig vorstellen wie ein Siichtiger ein Leben ohne Drogen. Erst jetzt in der Haft habe er sich iiberlegt, ob er wegkommen konne vom Feuer, habe aber keine Alternative geftmden. Er sammele auch die Zeitungsausschnitte mit Berichten und Fotos von den von ihm verursachten Branden, um sich die von ihm genannte Freude immer wieder zu

4.1 Beschreibung der angefallenen Stichprobe vergegenwartigen. In der Haft ein Suizidversuch. Auf den Sachverstandigen wirkte der Proband "kindlich anlehnungsbediirftig" und "mit der riickhaltlos wirkenden Darstellung seiner... Feuerfreude ... ziemlich infantil". Gutachtlicherseits wurde bei dem testpsychologisch durchschnittlich intelligenten, bei alien Taten nicht alkoholisierten Probanden die Voraussetzung des § 105 JGG als fur gegeben anzusehen empfohlen, nicht jedoch diejenigen der §§ 20, 21 StGB, obwohl das Eingangskriterium der "schweren anderen seelischen Abartigkeit" als erfuUt angesehen wurde, allerdings nicht in forensisch relevantem AusmaB. Die Tatanalyse der drei angeklagten Brandstiftungen und weiterer Eigentumsdelikte hatte uberdies jedes Mai ein sehr uberlegtes und kontrolliertes Vorgehen gezeigt. In 6 Fallen (5 %) kann von einem eigentlichen Motiv nicht gesprochen werden, die Taten ereigneten sich vielmehr auf dem Boden einer hintergrundigen Verstimmung und werden - oft bei Alkoholisierung maBigen Grades - von zufalligen situativen Gegebenheiten ausgelost. E. F., 22-jahriger Arbeitsloser, freiwilliger Feuerwehrmann, kleinstadtisches Milieu, Storung des Sozialverhaltens mit Beginn nach dem zehnten Lebensjahr. Tatjahr: 1992. Mit 14 Jahren ein Suizidversuch, mit 15 Jahren ein falscher Feueralarm. Beging die erste Brandstiflung mit 16 Jahren nach einer Liebesenttauschung: Er hatte die Trennung von der ersten Freundin mehrere Wochen nicht uberwunden und ging zu deren Geburtstag, wo er feststellte, dass sie einen neuen Freund hatte. Er lieB sich nichts anmerken und verlieB den Geburtstag am spaten Nachmittag, lief abends leicht alkoholisiert durch die Gegend, um sich abzulenken, kam an einer Kleingartenkolonie vorbei, in der ein abgebranntes Gartenhaus stand und so auf die Idee, das daneben stehende Gartenhaus anzuziinden. Mit 22 Jahren hatte er wegen einer ganzen Reihe von Eigentumsdelikten und sexueller Notigung in zwei Fallen ein Jahr Haft hinter sich, wahrend der der durchschnittHch intelligente Proband den Hauptschulabschluss nachholte. Nachdem der Leitung der Freiwilligen Feuerwehr ein emeutes Ermittlungsverfahren gegen ihn wegen versuchter Vergewaltigung bekannt geworden war, wurde er als Jugendwart suspendiert, was fur ihn den Verlust eines Teils seines Lebensinhaltes bedeutete. Gleichzeitig begann sich abzuzeichnen, dass die Freundin sich von ihm trennen wiirde; Schulden wurden immer driickender. Auf dem Heimweg von der Gastwirtschaft, wo der Abend bis dahin ohne nennenswerte Vorkommnisse verlaufen war, kam er an der Kleingartenkolonie vorbei und drang in einige Gartenhauser ein; seine Gemtitsverfassung war von Enttauschung iiber die Freundin, angstlicher Unsicherheit iiber den Ausgang des Ermittlungsverfahrens und finanziellen Sorgen gekennzeichnet. Er entzundete einen vor einem der Gartenhauser stehenden Gaskocher, um besser sehen zu konnen. Der Feuerschein des Kochers habe bewirkt, dass er sich weniger einsam fiihlte. Wahrend er sich in der Hutte umschaute, ging der Kocher aus und lieB sich aus Brennstoffmangel nicht wieder in Gang setzen, woraufhin der Proband die KunststoffVerkleidung der Gartenhtitte zum Gliihen brachte, ohne sich weiter darum zu kiimmem und sich anschlieBend emeut im Gelande umsah, bis er durch den hellen Feuerschein gewahr wurde, dass

90

4 Ergebnisse

die Hutte brannte und sich "irgendwie erleichtert" fiihlte. Auf Vorhalt bei der Exploration fur das Gutachten war er sich sicher, die KunststoffVerkleidung nicht angesteckt zu haben, wenn sich der Gaskocher wieder in Gang hatte setzen lassen. Gutachtlicherseits wurden die Voraussetzungen des § 21 StGB bei ruckgerechneten 1,8 bis 2,2 Promille zum Tatzeitpunkt nicht ausgeschlossen und die Behandlung in einer sozialtherapeutischen Anstalt empfohlen. Ebenfalls in 6 Fallen (5 %) lieB sich die Tat unter das aus der Literatur bekannte Motiv des Hilfeschreis subsumieren: G. H., 63-jahrige Rentnerin, stadtisches Milieu. Tatjahr: 1956. Die Probandin hatte mehrere Aufforderungen, ihre Wohnung zu raumen, verstreichen lassen. Fiir den Tattag waren ihr der Gerichtsvollzieher und ein Mobelwagen angekiindigt worden. Am Morgen entziindete sie in drei Zimmem Papier und verlieB ihre Wohnung kurz, um bei Nachbam eine Vase unterzustellen. Bei ihrer Rtickkehr bemerkte sie starken Qualm und alarmierte die Feuerwehr. Auf mehrere Zeugen hatte sie "durcheinander", "sehr aufgeregt" und "nicht ansprechbar" gewirkt. Bei der Vemehmung raumte die Probandin nur Fahrlassigkeit ein, bestritt jedoch, absichtlich Feuer gelegt zu haben. Wahrend des stationaren Aufenthaltes fur das Gutachten wurde eine asthenische Personlichkeit diagnostiziert. Zur Tat selbst heiBt es: "Man konnte vermuten, dass bei dem Zustandekommen der Brande eine gewisse Verstimmung, ein Gefuhl der Hilflosigkeit und das Bedurfhis einer Demonstration dieser Hilflosigkeit der Umwelt gegeniiber eine RoUe gespielt haben". Da die Probandin angegeben hatte, am Abend vor der Tat vier anstatt wie sonst eine Tablette Veronal eingenommen zu haben, mochte der Sachverstandige die Voraussetzungen des § 51 Abs. 2 StGB nicht ausschlieBen. Je 4 (3,4 %) Probanden begingen die Taten aus Vandalismus (samtlich gemeinschaftlich begangene Serientaten Jugendlicher), zur Verdeckung einer anderen Straftat (zwei Mai Mord und zwei Mai Eigentumsdelikte) und aus dem Bestreben heraus, sich bei den Loscharbeiten beteiligen zu wollen. Probanden mit dem letztgenannten Motiv waren samtlich minderbegabte bis debile freiwillige Feuerwehrleute in dorflichem Milieu, die bei der Feuerwehr diejenige Anerkennung erhielten, die sie ansonsten entbehrten. Stets handelte es sich um Serientaten, bei denen Alkohol keine oder nur eine untergeordnete Rolle spielte. AUe Tater fielen dadurch auf, dass sie jedes Mai schon kurz nach dem Alarm unter den ersten am Sammelplatz Eintreffenden waren und sich bei den Loscharbeiten durch besonderen Einsatz auszeichneten. Lembehinderung (IQ von 70) oder Debilitat (IQ von 62) allein waren fiir die jeweiligen Gutachter kein Dekulpationsgrund; in einem Fall von Debilitat durch friihkindlichen Himschaden (IQ von 60) und haltschwacher Personlichkeit wurde Zurechnungsunfahigkeit angenommen und MaBregelvollzugsbehandlung empfohlen. Einem Probanden

4.1 Beschreibung der angefallenen Stichprobe

91

mit genuiner Debilitat (IQ von 59) und haltschwacher Personlichkeit wurde erheblich verminderte Steuerungsfahigkeit zugebilligt und empfohlen, von der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus nur dann abzusehen, wenn sich eine geeignete Institution fiir betreutes Wohnen fande. In 3 Fallen (2,5 %) war der Brand durch Fahrldssigkeit entstanden. Ebenfalls je 3 Mai lag als Hauptmotiv Versicherungsbetrug, Selbstverbrennungsabsicht und der Wunsch, die Feuerwehr bei der Arbeit zu beobachten, vor. I. J., 23-jahriger Arbeitsloser, stadtisches Milieu. Tatjahr: 1985. Der Proband wollte ursprunglich Arzt warden, schaffte das Gymnasium jedoch nicht und verpflichtete sich bei der Bundeswehr, wo er einer angeborenen Homhautverkrummung wegen jedoch nach zwei Monaten ausgemustert wurde. Aus dem selben Grund scheiterten auch Bewerbungen bei der Polizei und der Berufsfeuerwehr. Bei einem privaten Wachdienst fiihlte sich der Proband wohl und brachte es bis zum Schichtfuhrer. Nachdem ihm Diebstahle nachgewiesen worden waren, wurde er entlassen und entwickelte einen Alkoholmissbrauch. Aus Langeweile und, um sich gegenseitig zu imponieren, legten er und ein gleichfalls arbeitsloser Mittater in angetrunkenem Zustand mehrere Keller- und Dachstuhlbrande; beide waren fasziniert von den Loscheinsatzen, den AbsperrungsmaBnahmen der Polizei usw. und gaben tibereinstimmend den Wunsch nach "action" als Motiv an. Gutachtlicherseits wurde bei dem Probanden eine narzisstische Personlichkeitsstorung forensisch irrelevanten AusmaBes diagnostiziert und das Vorliegen dekulpierender Merkmale vemeint. Bei den beiden librigen mit dem "die Feuerwehr soil kommen" - Motiv handelte es sich um einen Lembehinderten (IQ von 72) und einen Debilen (Psychiatrische Intelligenzpriifung mit Bobertag-Bildem), die beide tatmehrheitlich auch falsche Alarme ausgelost hatten. In 2 Fallen (1,7 %) lag eine sexuelle Motivierung vor. K. L., 23-jahriger Hilfsarbeiter, dorfliches Miheu. Tatjahr: 1922. Der Proband befand sich leicht angetrunken auf dem Heimweg von der Gastwirtschaft, als er von einer Erektion iiberrascht wurde. Nach erfolglosen Masturbationsversuchen beschloss er, etwas anzuziinden und setzte die nachstbeste Scheune in Brand, kam spontan zum Orgasmus und zundete anschlieBend eine weitere Scheune an, da er "noch nicht richtig befriedigt" war, wie er spater angab; der Gesamtschaden belief sich auf 300.000 DM. In der polizeilichen Vemehmung gestand er, drei und acht Wochen vorher, ebenfalls leicht alkoholisiert, jeweils einen Heuhaufen angeziindet zu haben und dabei ohne weitere Manipulationen zum Orgasmus gekom-

92

4 Ergebnisse

men zu sein. Sobald er sexuell befriedigt war, hatte der Proband stets den Tatort verlassen, ohne sich weiter um den Brand zu kummern. Er selbst sprach von seiner "krankhaflen Veranlagung". Der Sachverstandige fand ihn intellektuell unterdurchschnittlich begabt, aber nicht schwachsinnig, "schwerfallig, wenig beweglich und gemutlich etwas stumpf, wortkarg", gelegentlich "in naiver Weise kindlich zutraulich", aber sehr gehemmt, wenn es um Fragen der Sexualitat ging. Der Proband gab dem Sachverstandigen gegeniiber an, bisher keine hetero- oder homosexuellen Kontakte gehabt zu haben. Beim Masturbieren stelle er sich diese oder jene zufallig getroffene Frau vor oder wie es sei, mit einer Katze oder einer Kuh sexuell zu verkehren. Ab und zu stelle er sich beim Masturbieren auch ein kleines Feuer vor. Wenn er zufallig Zeuge eines Feuers werde, errege ihn das sexuell nicht. Bei den selbst verursachten Scheunen- und Heuhaufenbranden sei er, wie er das von sich kenne, wenn er Alkohol getrunken habe, zuerst sehr stark sexuell erregt gewesen und habe dann angezundet, um sich zu befriedigen. Fragen zur Lemgeschichte konnte oder woUte der nicht sehr introspektionsfahige Proband nicht beantworten. Gutachtlicherseits wurde wegen abnormer sexueller Orientierung eine nicht naher bezeichnete Personlichkeitsstorung diagnostiziert, das Vorliegen der Voraussetzungen des § 51 StGB jedoch vemeint. Ebenfalls 2 Probanden (1,7 %) handelten aus Heimweh; weitere 2 Falle betrafen die selbe Tat, eine Asylantenwohncontainer-Brandstiftung, bei der sich die beiden fremdenfeindlichen Jugendlichen gegenseitig imponieren woUten. Je einmal (0,8 %) war das Motiv, fur die Entdeckung des Feuers belohnt zu werden, der Wunsch nach einer neuen Wohnungseinrichtung, der Wunsch eines Schwachsinnigen nach einem neuen Haus fur seine Mutter und Bezahlung durch den Auftraggeber der Tat.

4.1.4 Tatercharakteristika Den Probanden wiirden im Mittel 1,93 Brandstiftungen zur Last gelegt (Standardabweichung 1,76); im Schnitt lag die Belastung mit einschlagigen Vorstrafen bei 0,37 (Standardabweichung 0,92). 62 Probanden (52,1 %) waren auf irgendeine Art und Weise vor der Indextat delinquent. 84 Probanden (70,6 %) kamen aus einer schwer psychosozial gestorten Herkunftsfamilie, bei 34 (28,6 %) wurden kindliche Entwicklungsverzogerungen erhoben, in 13 Fallen (10,9%) bis ins Schulalter persistierende Enuresis. Ein Proband (0,8 %) hatte als Kind Tiere gequdlt, 9 Probanden (7,6 %) hatten bereits als Kind einen Brand verursacht. Die Triade (vgl. Abschn. 2.3.9) oder zwei ihrer Elemente kamen bei keinem Probanden gemeinsam vor. 11 Probanden (9,2 %) waren zu irgend einem Zeitpunkt in ihrer Biografie Zeuge eines Brandes gewesen; der Mittelwert fur falsche Feueralarme lag bei 0,14 bei einer Standardabweichung von 0,26. 12 Probanden (10,1 %) hatten auf irgend eine Art und Weise eine Bezie-

4.1 Beschreibung der angefallenen Stichprobe

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hung zur freiwilligen Feuerwehr, entweder waren sie Mitglieder, als Bewerber nicht aufgenommen oder aus der freiwilligen Feuerwehr ausgeschlossen worden. 54 Probanden (45,4 %) waren bereits vor der Tat in irgendeiner Weise psychiatrisch auffdllig: 39 Probanden (32,5 %) waren schon einmal stationar, 26 (18,5 %) ambulant psychiatrisch behandelt worden (Doppelkodierung moglich). 4 Probanden (3,4 %) hatten eine aujfdllige Sexualanamnese. Die Probanden hatten durchschnittlich 0,28 Suizidversuche in ihrer Vorgeschichte (Standardabweichung 0,45); der durchschnittliche aus dem Gutachten geschatzte GAF-Punktwert zum Tatzeitpunkt lag bei 60,45 (Standardabweichung 21,77). 84 Probanden (70,6 %) lebten zum Tatzeitpunkt allein. 4.1.5 Diagnosen Die Hauptdiagnosen lassen sich wie folgt aufschliisseln: 37 Falle (31,1 %) Personlichkeitsstorungen, 24 Mai (20,2 %) anlagebedingte Intelhgenzminderung, 19 Falle (16 %) hatten keine psychiatrische Diagnose, darunter 3 abnorme Erlebnisreaktionen, 16 Mai (13,4%) Alkoholmissbrauch, Alkoholismus und Alkoholfolgekrankheiten, darunter eine Alkoholhalluzinose. 13 Probanden (10,9 %) litten an einer paranoid-halluzinatorischen Psychose, 3 (2,5 %) unter seniler oder arteriosklerotischer Demenz, 2 Mai (1,7 %) lag eine progressive Paralyse vor. Je einmal (0,8 %) fand sich als Diagnose himorganisches Psychosyndrom nach Contusio cerebri, Triebaberration bei Schwachsinn, Z. n. Enzephalitis/DD: Schizophrenes Residuum, Z. n. hyperkinetischem Syndrom im Kindesalter und KlinefelterSyndrom. Werden auch Nebendiagnosen berixcksichtigt, ergibt sich folgendes Bild: 45 Probanden (37,8 %) Utten an einer Personlichkeitsstorung, 31 (26 %) an anlagebedingter InteUigenzminderung, 26 (21,8 %) an Alkoholismus und Alkoholfolgekrankheiten, 14(11,8%) an einer paranoidhalluzinatorischen Psychose inklusive dementsprechendem Residuum, 6 (5 %) an himorganischen Syndromen. Die hdufigste Komorbiditdt fand sich ftir Personlichkeitsstorungen und Alkoholmissbrauch bzw. Alkoholismus, gefolgt von anlagebedingter InteUigenzminderung und Personlichkeitsstorung. Die zusammen 45 Probanden mit einer Personlichkeitsstorung als Haupt- oder Nebendiagnose wurden mit insgesamt 56 deskriptiven Adjektiven charakterisiert, die sich wie folgt verteilen: 15 Probanden (27 %) reizbar, erregbar, emotional instabil; ebenfalls 15 Probanden (27 %) haltlos und willensschwach, 9 Probanden (16 %) geltungsbediirftig (6) und hyste-

4 Ergebnisse

94

risch (3), 5 Probanden (9 %) asthenisch, selbstunsicher, 4 Probanden (7 %) narzisstisch, egozentrisch, je 3 Probanden (5 %) unreif und gemtitskuhl, 2 Falle (4 %) schizoid, paranoid. Die haufigste Kombination war reizbar mit haltlos und geltungsbedtirftig. Das Adjektiv "unreif fand sich im psychiatrischen Befund der Gutachten wesentlich haufiger als in den die jeweils diagnostizierte Personlichkeitsstorung charakterisierenden Zusatzen.

4.2 Klassifikation 4.2.1 Datenorientierte Klassifikation Die Klassifikation der Probanden nach Instrumentalitdt und deliktantezedenter Emotion ergibt folgendes Bild: Tabelle 4.1. Datenorientierte Klassifizierung von n = 119 Probanden nach Instrumentalitat und deliktantezedenter Emotion (Haufigkeiten) Emotion

Instrumentalitat negativ

positiv

unklar

gesamt

instrumentell

12

2

10

24

nicht instrumentell

58

10

6

74

psychotisch/verwirrt

10

0

11

21

gesamt

80

12

27

119

4.2

Klassifikation

95

Fiir die weitere Auswertung wurde die Kategorie instrumentell /positive Emotion wegen zu geringer Zellenbesetzungen nicht berucksichtigt (es handelt sich hierbei um die beiden Asylantenwohncontainer-Brandstifter, die sich gegenseitig imponieren woUten). AUe psychotisch motivierten und hiraorganisch verwirrten Probanden wurden in einer Kategorie zusammengefasst. Danach ergibt sich Tabelle4.2., deren Kategorien sich klinisch gut typisieren lassen. Tabelle 4.2. Datenorientierte Klassifizierung von n = 117 Probanden nach Instrumentalitat und deUktantezedenter Emotion nebst klinischer Typisierung von n = 117 Probanden(Haufigkeiten) Instrumentalitat/Emotion

Klinische Typisierung

N

instrumentell/ negativ

tiberforderte Debile, Heimwehbrandstifter, freiwillige Feuerwehrleute

12

instrumentell/ unklar

gewinnorientierte und Verdeckungsbrandstifter

10

nicht instrumentell/ negativ

Wut- und Rachetater, situativ frustrierte und "motivlose" Tater; negativer Affekt soil minimiert werden

58

nicht instrumentell/ positiv

Tater aus Freude am Feuer; positiver Affekt soil maximiert werden

10

nicht instrumentell/ unklar

nicht auskunftsbereite oder nicht introspektionsfahige Tater, Gutachtenartefakte

psychotisch/ verwirrt

psychotische und himorganisch erkrankte Tater

gesamt

6

21

117 1

In die Kategorie instrumentell / der Tat vorangehende negative Emotion fallen zu einem Drittel minderbegabte Probanden, auch die beiden Tater aus Heimweh finden sich hier. Die Taten werden aus Verzweiflung, Verargerung oder Enttauschung in einer subjektiv unertraglichen Situation begangen, um diese zugunsten des Probanden zu verandem.

96

4 Ergebnisse

M. N., 17-jahriger Rehabilitationsfachschiiler, stadtisches Milieu. Tatjahr: 1989. Der Proband mit Sonderschulabschluss (IQ 77) war ein dreiviertel Jahr vor der Tat aus der Jugendfeuerwehr ausgeschlossen worden, nachdem er einen falschen Feueralarm ausgelost hatte (er wollte seinerzeit "sehen, wie es ist, wenn die Feuerwehr kommt und die Schlauche ausrollt"). Kurz darauf war sein Hund auf Veranlassung seiner Eltem wegen Altersschwache eingeschlafert worden. Quasi als Ersatz hatte sich der Proband mit einem Hund, der auf dem Nachbargrundstuck eine Lagerhalle bewachte, angefreundet. Die Beziehung zu dem Tier hatte bei dem ansonsten wegen seiner Beschranktheit oft gehanselten Probanden nicht zuletzt selbstwertstabilisierende Funktion. Einige Tage vor der Tat war ihm von einem in einem Wohnwagen auf dem Nachbargrundsttick campierenden Arbeiter, der sich durch das Gebell gestort fuhlte, verboten worden, weiter mit dem Hund zu spielen. Der Proband entziindete schlieBlich in der Lagerhalle befindliches Papier, lief zu dem Arbeiter und sagte ihm, dass es brenne, er solle die Feuerwehr rufen. Inzwischen hatte das Feuer jedoch bereits so um sich gegriffen, dass schlieBlich die gesamte Halle vemichtet wurde (250.000 DM Schaden). In der polizeilichen Vemehmung und bei der Exploration ftir das Gutachten gab der Proband an, dass er ftir die Entdeckung des Feuers habe gelobt werden wollen und darauf gehofft habe, als Belohnung wieder mit dem Hund spielen zu diirfen. Er bezeichnete die Tat als "Notwehr" gegen den Wohnwagenbewohner. Das Gutachten nahm eine erheblich verminderte Einsichtsfahigkeit bei Schwachsinn an und empfahl eine ambulante Einzelpsychotherapie zur Starkung des Selbstbewusstseins und Verbesserung der Frustrationstoleranz. Ebenfalls in die Kategorie mit beobachtbarer Instrumentalitat und vorangehender negativer Emotion fallen freiwillige Feuerwehrleute, die Hanseleien und Missachtungen ausgesetzt waren und die ersehnte Anerkennung durch ihr vorbildliches Engagement bei den Loscharbeiten zu erhalten suchten. Tater aus finanziellen Griinden und seiche, die vermittels der Brandstiftung ein anderes Verbrechen verdecken woUten, sind selbstverstandlich instrumentell motiviert. Die der Tat vorangehende Emotion bleibt jedoch unklar, da die Gutachter sie mangels Relevanz fur die forensischpsychiatrische Beurteilung nicht exploriert hatten. O. P., 29-jahriger Diskothekentursteher, stadtisches Milieu. Tatjahr: 1987. Der Proband war von seinem Arbeitgeber, dem hochverschuldeten Besitzer der Diskothek, gegen Bezahlung angestiftet worden, diese in Brand zu setzen. Nach seiner Uberfiihrung machte der Proband geltend, dass die Tat im Rahmen seiner Kokainsucht zu beurteilen sei. Da die mit einer elektronischen Ziindvorrichtung durchgefiihrte Tat sehr sorgfaltig vorbereitet und umsichtig durchgeflihrt worden war, fand der Sachverstandige keinerlei Anhaltspunkte ftir eine erheblich verminderte Oder gar aufgehobene Schuldfahigkeit.

4.2 Klassifikation

97

Die meisten Probanden, die ohne erkennbare Instrumentalitdt handelten, verspiirten vor der Tat negative Affekte, oft Wut, Rachegefuhle oder Enttauschung; Alkoholisiemng zum Tatzeitpunkt war haufig. Das angezundete Objekt gehorte oft, aber nicht immer, dem Kontrahenten in einem zwischenmenschlichen Konflikt; gelegentlich wurden auch wahllos irgendwelche oder dem Tater selbst gehorende Objekte angezundet. Q. R., 70-jahriger Rentner, stadtisches Milieu. Tatjahr: 1971. Der bis zu seinem 28. Lebensjahr wegen vieler impulsiv begangener Eigentumsdelikte in einem festen Haus einer Anstalt unter der Diagnose "schwachsinniger Psychopath" untergebrachte Proband war seit seiner Entlassung von dort nicht mehr mit dem Gesetz in Konflikt gekommen, bewohnte die letzten zwanzig Jahre gemeinsam mit seiner oligophrenen Partnerin ein Gartenhaus in einer Kleingartenkolonie und besserte seine Rente mit Reparatur- und Mtillverwertungsarbeiten fiir die Kleingartner auf Da er standig auf der Parzelle wohnte, hatte das zustandige Liegenschaftsamt ihm geschrieben, dass es dem Garten die Eigenschaft als Kleingarten aberkenne, diesen jedoch weiter an den Probanden vermietet, "dann eben als Lager- und Wohnplatz", wie der Proband dem Gutachter gegeniiber meinte. Am Tag der Tat inspizierte der Vorstand des Kleingartnervereins den Garten und monierte dort liegendes Geriimpel. Der Proband argumentierte, dass er vom Liegenschaftsamt einen Bescheid habe, dass seine Parzelle kein Kleingarten sei, und er sich deshalb auch nicht an die fiir Kleingartner geltenden Bestimmungen halten miisse. Es kam zu einem erregten Wortwechsel, in dessen Verlauf dem Probanden gedroht wurde, ihm seinen Garten wegzunehmen. Nachdem sich der Kleingartnervorstand entfemt hatte, brachte der Proband seine Partnerin und ihm gehorende Tiere auf benachbarte Parzellen, zerstorte sein fur die Reparaturarbeiten benotigtes Werkzeug und entztindete den Tank des in das Gartenhaus gebrachten Rasenmahers, so dass das Gartenhaus abbrannte. Bei der Exploration fiir das Gutachten gab er an, "besinnungslos wiitend" gewesen zu sein und nur gedacht zu haben: "Wenn ich's nicht behalten darf, dann sollen sie's auch nicht haben!" Der Sachverstandige fand bei einem IQ von 70 das Eingangsmerkmal der Geistesschwache erfallt und sah die Einsichts- und Steuerungsfahigkeit im Sinne des § 51 Abs. 2 StGB als erheblich vermindert an; hinsichtlich etwaiger MaBnahmen enthalt das Gutachten keine Empfehlungen. Wahrend sich hier, wie auch bei alien Wut-, Rache- und Enttauschungstatem unangenehme Emotionen in einem einmaligen "Affektknall" entluden, hatte sich bei einer ganzen Reihe von Probanden das Legen von Branden als regelrechte Affektregulationsstrategie etabliert. Diese Serientaten wurden typischerweise in leicht alkoholisiertem Zustand auf oder nach dem Heimweg von der Gastwirtschaft verubt. S. T., 29-jahriger Versicherungsvertreter, stadtisches Milieu. Tatjahr: 1975. Der Proband war im Vorschulalter Zeuge, wie eine Brauerei abbrannte und hatte

98

4 Ergebnisse

seither geme mit Feuer hantiert. Als Grundschiiler verursachte er den Brand einer Wiese, den die Feuerwehr loschen musste. Nachdem er sein ZeitsoldatenEntlassungsgeld in kurzer Zeit ausgegeben hatte, versuchte er sich als Versicherungsvertreter, kam jedoch in immer groBere finanzielle Schwierigkeiten. Seine Eltem und die Verlobte, die auf eine Betriebsgrundung mit dem Entlassungsgeld drangten, hielt er bin. Innerhalb eines dreiviertel Jahres legte der Proband jedes Mai nach dem selben Muster sechs Brande: Nachdem sich seine aufgmnd der immer verfahrener werdenden Situation missmutig-sorgenvolle Grundstimmung unter Alkohol nicht gebessert hatte, kam ihm das erste Mai auf dem Heimweg von der Gastwirtschaft, die letzten Male noch im Lokal der Gedanke, etwas anzuziinden. Er betrat dann stets Hauseingange oder Toreinfahrten und entzundete dort Lagemdes, entfernte sich, sobald es brannte und kummerte sich nicht um das weitere Geschehen. In der Exploration fur das Gutachten gab der Proband an, dass es jedes Mai "iiber mich gekommen" sei und er sich, sobald es brannte, "besser" gefiihlt habe, konnte sich seine Handlungen jedoch nicht erklaren. Zuletzt habe er manchmal schon beim Betreten der Gastwirtschaft befiirchtet, dass "wieder etwas passieren" konne. Wenn ihm noch in der Gastwirtschaft der Gedanke gekommen sei, wieder Feuer zu legen, habe er versucht, sich durch Kontaktaufiiahme mit anderen Gasten und Gesprache abzulenken, was oft erfolgreich zum Verschwinden der Gedanken, ein Feuer legen zu miissen, gefuhrt habe. In der Verhandlung errechnete der Gerichtsmediziner fiir die Taten Promillewerte zwischen eins und zwei; der psychiatrische Sachverstandige konstatierte eine Personlichkeit mit haltschwachen und geltungsbedtirftigen Ziigen, die jedoch vom AusmaB her nicht forensisch relevant i. S. der §§ 20, 21 StGB sei. Nicht instrumentell motiviert mit der Tat vorangehendem positiven Affekt sind die in der alten Literatur als „Uebermuth"- und „Freude-amFeuer"-Brandstiftungen bezeichneten Taten. Hier dient die Tat der Aufrechterhaltung bzw. Steigerung eines als angenehm erlebten Affektes. U. v., 16-jahriger Hilfsarbeiter, dorfliches Milieu. Tatjahr: 1919. Der Proband wurde ein Jahr vor den Taten Zeuge eines groBeren Brandes in einem Nachbardorf, den er wie gebannt verft)lgte undfi*eutesich noch einige Tage lang in der Erinnerung an die Flammen, bis er das Ereignis vergaB. Monate spater bekam er eine alte Zeitung in die Hande, in der eben dieser Brand geschildert wurde, was ihn in freudige Erregung versetzte und auf den Gedanken brachte, ein Feuer zu legen. Bei der Exploration fiir das Gutachten gab er an, ihm sei "zu wohl" gewesen. In einem Zustand fi*eudig erregter Untemehmungslust habe er die erste Scheune angesteckt und sich an dem Brand, nicht etwa an den Loscharbeiten, erfreut; sexuelle Empfindungen habe er nicht dabei verspiirt. Das Gutachten vermerkt ausdrucklich die Begeisterung, mit der der Proband von den Flammen, ihrer Form und Farbe, der Rauchentwicklung usw. berichtet. Durch die jeweilige Nichtentdeckung sicherer geworden, legte der Proband noch sechs weitere Scheunenbrande in immer kiirzeren Abstanden. Die jeweils nachste Tat beging er immer dann, wenn er sich in der Erinnerung an den letzten Brand nicht mehr so stark

4.2 Klassifikation

99

liber das Schauspiel der brennenden Scheune freuen konnte wie in den ersten Tagen nach dem Brand. Zuletzt habe ihm bereits der Gedanke, irgendwann wieder ein Feuer zu legen, einen angenehmen "Nervenkitzel" (der Sachverstandige) und Vorfreude auf das Feuer verursacht. Der Sachverstandige diagnostizierte eine angeborene Intelligenzminderung vom Grad einer Debilitat und schloss das Vorliegen der Voraussetzungen des § 51 RStGB aus. Bei den Probanden der Kategorie nicht instrumentell motiviert / vorangehende deliktantezedente Emotion unklar handelt es sich zum einen um Gutachtenartefakte, die, wenn der Gutachter genauer exploriert hatte, in eine der vorgenannten Kategorien gefallen waren; die dem Sinnzusammenhang nach vor der Tat vorhanden gewesene Emotion wurde im Gutachten jedoch nicht exphzit erwahnt. Zum anderen finden sich hier jedoch vorwiegend nicht auskunftsbereite Probanden und solche, die hinsichtUch ihres affektiven Zustandes vor der Tat keine Auskunft geben konnten, da ihnen ihre Gefiihle nicht zugangHch zu sein schienen oder nicht verbahsiert werden konnten. W. X., 20-jahriger Arbeiter, dorfliches Milieu, Vorstrafen wegen Sachbeschadigung und Korperverletzung. Tatjahr: 1957. Der Proband war wenige Tage vor den Taten aus der Freiwilligen Feuerwehr ausgetreten, weil es ihm "zu viel gebrannt" habe und er nur zur Brandwache und zum Aufwickeln der Schlauche, nicht zu den Loscharbeiten eingesetzt worden war. Er steckte dann zwei Mai im Abstand von wenigen Wochen leicht alkoholisiert eine beliebige Scheune an und verlieB den jeweiligen Tatort, ohne sich weiter um das Geschehen zu kiimmem. Dem Sachverstandigen gegenuber gab er an, dass "ich selbst nicht weiB, warum ich das gemacht habe. Der Gedanke ist mir einfach so in den Kopf gekommen, ich hatte keinen Grund". Alle Anstrengungen, dem intellektuell durchschnittlich begabten Probanden Naheres iiber das Vorfeld der beiden Taten und deren Motivierung zu entlocken, schlugen fehl. Der Sachverstandige charakterisierte den Probanden als willensschwache, leicht beeinflussbare Personlichkeit und schloss die Voraussetzungen des § 51 StGB aus, empfahl aufgrund der Unreife des Probanden jedoch die Anwendung des Jugendgerichtsgesetzes. Die Y^diiQgonQ psychotisch / verwirrt bedarf keiner weiteren Erlauterung. Der VoUstandigkeit halber sei eine Kasuistik mitgeteilt: Y. Z., 32-jahriger Student, stadtisches Miheu. Tatjahr: 1965. Der Proband erkrankte nach einem Vorlauf mit Negativsymptomatik akut an einer paranoidhalluzinatorischen Psychose mit Wahnstimmung, abnormem Bedeutungserleben, Beziehungsideen. Auf dem Hohepunkt der psychotischen Symptomatik hatte er das Gefuhl, die Zeit stehe still und er befande sich auBerhalb seines Korpers; die Schmerzempfindung sei aufgehoben gewesen, wie er bemerkt habe, als er einen heiBen Topf vom Herd genommen habe. Um sich wieder zu spuren, entzundete er

100

4 Ergebnisse

eine Gardine in seiner Wohnung und legte sich dann auf das Bett; er und andere Mitbewohner des Hauses konnten mit knapper Not gerettet werden. In der Klinik befragt, ob er bei seinem Versuch, sich vermittels des Feuers wieder zu spiiren, nicht an seine Mitbewohner gedacht habe, gab er zur Antwort, dass dadurch, dass er sich auBerhalb seines Korpers befiinden habe, ja doch kein Kontakt mehr zu ihnen bestanden habe, so dass er sich auch nicht bemerkbar habe machen konnen. Der Sachverstandige ging von aufgehobener Einsichtsfahigkeit aus; als MaBnahme wurde eine ambulante psychiatrische Weiterbehandlung nach Beendigung des Klinikaufenthaltes vorgeschlagen.

4.2.2 Signifikanz der Pradiktoren Die fur die Vorhersage der Gruppenzugehorigkeit hypothesengeleitet als bedeutsam angenommenen tdterbeschreibenden und tatanalytischen Merkmalen wurden, so wait das Skalenniveau es zulieB, mit Varianzanalysen, ansonsten mit Fisher's exakten Tests zweiseitig auf ihre empirische Signifikanz hin iiberpruft. Die Varianzanalysen (s. Tabelle C-1., Anhang C, S. 204) ergaben einen statistisch signifikanten Effekt fiir die Anzahl der aktuell angeklagten Brandstiftungen (p = 0,002), das Probandenalter (p = 0,000) und den GAFPunktwert (p = 0,000). Nicht signifikant war die Anzahl gerichtsbekannt gewordener einschlagiger Vortaten (p = 0,121) und falscher Alarme (p = 0,187) sowie die Anzahl bisheriger Suizidversuche (p = 0,241). Von den mit Fisher's Exakten Tests (s. Tabellen C-2. bis C-44., Anhang C, S. 206 bis 227) gepriiften Merkmalen waren diejenigen fiir folgende tdterspezifischen Variablen statistisch signifikant: Psychosozial auffallige Herkunftsfamilie (p = 0,019), Brandverursachung als Kind (p = 0,000), Zeuge mindestens eines Brandes in der Lebensgeschichte, nicht in Zusammenhang mit einer Tatigkeit bei der Freiwilligen Feuerwehr (p = 0,000), Beziehung zur Feuerwehr (p = 0,022), deuthche frtihkindliche Entwicklungsverzogerung (p = 0,002), Debilitat (p = 0,016) und fruhere Delinquenz (p = 0,004). Von den tatanalytischen Variablen uberschritten folgende die Signifikanzschranke: Meldung des Brandes (p = 0,034), akuter Konflikt mit dem Eigentiimer des Brandobjektes (p = 0,000), langdauemder Konflikt mit dem Eigentumer des Brandobjektes (p = 0,011), enger Zusammenhang zwischen Provokation und Tat (p = 0,004), Vorsorge gegen Entdeckung (p = 0,000), lang hingezogenes Tatgeschehen (p = 0,038), abrupter Tatablauf ohne Sicherungstendenzen (p = 0,000), Beziehung zum Eigentumer des Brandobjektes (p = 0,000), zielgerichtete Gestaltung des Tatablaufs (p = 0,006), erhaltene Anpassungsfahigkeit an die Situation (p = 0,005), erhaltene Reaktionsfahigkeit auf AuBenreize (p = 0,036), Fahigkeit, auf

4.2 Klassifikation

101

eine Gelegenheit zur Tat zu warten (p = 0,000), Fahigkeit, unter vergleichbaren Umstanden anders zu handeln (p = 0,006), geordnetes Verhalten nach der Tat (p = 0,002) und Trunkenheit (0,000). Kein statistisch signifikanter Wert ergab sich ftir folgende Tdtercharakteristika: Psychiatrische Vorbehandlung (p = 0,361), sexuelle Auffalligkeit (p = 0,141), allein lebend (p = 0,422), Schulbildung (p = 0,051), Berufsausbildung (p = 0,052), Enuresis (p = 0,854) und Tierqualerei im Kindesalter(p = 0,116). Von den mit Fisher's Exakten Tests gepruften tatanalytischen Variablen waren statistisch nicht signifikant: sofortiges Bekennen der Tat (p = 0,068), Hilfe beim Loschen (p = 0,108), Angetroffenwerden am Brandort (p = 0,356), Masturbation am Brandort (p = 0,056), konstellative Faktoren (p == 0,164), Anktindigung der Tat (p = 0,126), aggressive Handlungen in der Tatanlaufzeit (p = 0,293), zustimmende Kommentierung der Tat (p = 0,504), ahnliches Verhalten in der Lebensgeschichte beobachtbar (p = 0,133), Tat als Ausdruck stereotypen Verhaltens (p = 0,132), neurologische Ausfallserscheinungen (p = 0,156), vegetative, psychomotorische, psychische Begleiterscheinungen heftiger Affekte (p = 0,403), Folgeverhalten mit schwerer ErscMtterung (p = 0,312) und komplexer Handlungsablauf in Etappen (p = 0,051). 4.2.3 Schrittweise hierarchische Diskriminanzanalyse Die relative Bedeutung deqenigen Variablen, die hypothesengeleitet als in einem Zusammenhang mit der Gruppierung nach Listrumentalitat und der Tat vorangehender Emotion stehend angenommen wurden, wurde mit einer schrittweisen hierarchischen Diskriminanzanalyse, in die alle univariat signifikanten Merkmale eingingen, geprtift. Da der Pradiktorensatz sowohl stetige als auch nicht stetige (0/1-Kodierung) Variablen enthalt, sind die Voraussetzungen ftir eine Signifikanzpriifung (beispielsweise multivariate Normalverteilung der Pradiktoren) nicht gegeben, so dass sich die Frage stellt, wie der Pradiktorensatz auf ein sinnvoU interpretierbares Vorhersagemodell reduziert werden kann. Das gewahlte Vorhersagemodell stijtzt sich auf die Auswahl derjenigen Pradiktoren, die die nicht aufgeklarte Varianz maximal reduzieren. Dabei ergaben sich funf Diskriminanzfunktionen, auf die sechs Pradiktoren signifikant laden. Die Eigenwerte der kanonischen Diskriminanzfunktionen sind Tabelle 4.3. zu entnehmen.

4 Ergebnisse

102

Tabelle 4.3. Eigenwerte der kanonischen Diskriminanzfunktionen Funktion

Eigenwert

% der Varianz

kumulierte Varianz

kanonische Korrelation

1

1,559

47,1

47,1

0,781

2

0,987

29,8

76,8

0,705

3

0,403

12,2

89,0

0,536

4

0,232

7,0

96,0

0,434

5

0,132

4,0

100,0

0,342

Die standardisierten kanonischen Diskriminanzfunktionskoeffizienten der Pradiktoren zeigt Tabelle 4.4. Tabelle 4.4. Pradiktoren und standardisierte kanonische Diskriminanzfunktionskoeffizienten Funktion

Pradiktor 1

2

3

4

5

GAF-Punktwert

0,714

0,114

-0,633

-0,076

-0,203

Brandverursachung vor dem 14. Lebensjahr

0,169

0,660

0,039

-0,372

0,450

Zeuge eines Brandes in der Lebensgeschichte

0,201

0,277

0,313

0,783

0,242

Beziehung zur Freiwilligen Feuerwehr

0,280

-0,161

0,197

0,749

-0,377

Beziehung zum Eigentiimer des Brandobjekts

0,552

-0,570

0,391

0,027

0,540

Fahigkeit, auf eine Gelegenheit zur Tat zu warten

0,356

0,337

0,574

-0,214

-0,649

4.2 Klassifikation

103

Die beste Vorhersage ergibt sich mit den tdterspezifischen Variablen "GAF-Punktwert", "Brandverursachung vor dem 14. Lebensjahr", "Zeuge eines Brandes in der Lebensgeschichte" und "Beziehung TMX Feuerwehr" sowie den beiden tatanalytischen Items "Beziehung zum Eigentlimer des Brandobjektes" und "Fahigkeit, auf eine Gelegenheit zur Tat zu warten". 4.2.4 Klassifikationsanalyse Ausgehend von den Ergebnissen der Diskriminanzanalyse wurde eine Klassifikationsanalyse durchgeftihrt, in der 74,4 % der nach theoretischen Voriiberlegungen anhand der Klassifikationsmerkmale Instrumentalitat der Tat und deliktantezedente Emotion gruppierten Falle korrekt klassifiziert wurden (vgl. Tabelle 4.5.). Tabelle 4.5. Klassifizierungsergebnisse (Haufigkeiten) KlassMzierung nach Instrumentalitat und Emotion

G

7

2

3

0

0

0

12

instrumentell/unklar =B

0

8

2

0

0

0

10

nicht instrumentell/negativ =C

0

6

44

1

3

4

58

nicht instrumentell/positiv =D

0

1

3

6

0

0

10

nicht instrumentell/unklar =E

0

0

3

0

3

0

6

psychotisch/verwirrt =F

0

0

2

0

0

19

21

gesamt =G

7

17

57

7

6

23

117

1^ .SP'C

61)

fe -^ 0£

^ N fl ^ON

F

instrumentell/negativ =A

4> .-*-

'm

vorhergesagte Gruppenzugehorigkeit E D A B C

^ ^

o

K = 0,632

z= 10,361

p = 0,0001

104

4 Ergebnisse

Wie der K-Wert (Cohen 1960) zeigt, stimmt die anhand der Auspragungen auf den nach Instrumentalitat und deliktantezedenter Emotion vorgenommene, theoretisch postulierte Klassifikation sehr gut mit der empirisch vorgegebenen iiberein. Daniber hinaus handelt es sich um ein sparsames Modell, das mit wenigen Pradiktoren auskommt.

4.3 Forensische Beurteilung, MaHnahmen und Prognose Bei 37 Probanden (31,7%) wurde Schuld- bzw. Zurechnungsunfdhigkeit positiv festgestellt oder nicht ausgeschlossen, bei einem knappen Drittel (11 Probanden) von ihnen aufgrund von Alkoholisiemng. Fur 36 Probanden (30,8 %) wurde eine erheblich verminderte Schuld- bzw. Zurechnungsfdhigkeit konstatiert bzw. nicht ausgeschlossen, in zwei Dritteln (24 Probanden) davon wegen Alkoholeinflusses. 42 Probanden (36 %) waren voll zurechnungs- bzw. schuldfdhig; in 2 Fallen (1,6%) wurde die Stellungnahme auf die Hauptverhandlung verschoben. Die entsprechend ihrer Klassifizierung nach Instrumentalitat und Emotion aufgegUederten Zurechnungs- bzw. Schuldfahigkeitsempfehlungen sind in Tabelle 4.6. dargestellt.

4.3 Forensische Beurteilung, MaBnahmen und Prognose

105

Tabelle 4.6. Voile Schuld- bzw. Zurechnungsfahigkeit versus Klassifizierung nach Instrumentalitat und deliktantezedenter Emotion (Haufigkeiten) Instrumentalitat Emotion

Voile Schuldfahigkeit Nein

Ja, alle Taten

Ja, einige Taten

gesamt

instrumentell/ negativ

7

5

12

instrumentell/ unklar

1

9

10

nicht instrumentell/ negativ

38

19

nicht instrumentell/ positiv

2

8

10

nicht instrumentell/ unklar

2

4

6

psychotisch/ verwirrt

21

gesamt

71

1

58

21 45

1

117

Zurechnungs- bzw. schuldunfahig waren erwartungsgemaB alle zum Zeitpunkt der Tat psychotischen oder himorganisch verwirrten Probanden. Haufig de- und exkulpiert wurden Tater mit deliktantezedenter negativer Emotion (65,5 % der nicht instrumentell und 58,3 % der instrumentell motivierten), gefolgt von Probanden mit nicht instrumenteller Tatmotivation und unklar gebliebener vorangehender Emotion (33 %). In der Gruppe der nicht instrumentell handelnden Tater mit vorangehendem positiven Affekt wurden 20 % dekulpiert, keiner exkulpiert. Die niedrigste De- und Exkulpationsrate findet sich bei den instrumentell motivierten Probanden mit unklar gebliebener vorangehender Emotion; hier wurden 10 % dekulpiert, keiner exkulpiert. Die von den Sachverstandigen abgegebene deliktspezifische Prognose ohne MaBregelvollzugsbehandlung ist aus Tabelle 4.7 ersichtlich.

4 Ergebnisse

106

Tabelle 4.7. Deliktspezifische Prognose versus Klassifizierung nach Instrumentalitat und deliktantezedenter Emotion (Haufigkeiten) Instrumentalitat Emotion

Deliktspezifische Prognose eher gtinstig eher ungiinstig keine Stellungnahme

gesamt

instrumentell/ negativ

1

4

7

12

instrumentell/ unklar

1

1

8

10

nicht instrumentell/ negativ

5

15

38

58

nicht instrumentell/ positiv

1

5

4

10

nicht instrumentell/ unklar

1

5

6

psychotisch/ verwirrt

2

8

11

21

11

33

73

117

gesamt

Eine eher ungiinstige Prognose gestellt erhielten demnach 50 % der nicht instrumentell motivierten Probanden mit der Tat vorangehender positiver Emotion, gefolgt von 38 % der bei der Tat psychotischen oder himorganisch verwirrten Probanden. Von den Tatem mit deliktantezedenter negativer Emotion wairde in 33 % (instrumentell) hzw. 26 % (nicht instrumentell) eine eher ungiinstige Prognose angenommen, von den iibrigen in 10 % und v^eniger. Fur den Fall von MaBregelvoUzugsbehandlung (hier nicht tabellarisch dargestelltes Item "Prognose mit Behandlung") vmrde die Prognose der zum Tatzeitpunkt psychotischen oder himorganisch verwirrten Tater nur noch in einem Fall als eher ungunstig angesehen, bei den meisten iibrigen Fallen haben sich die Sachverstandigen zugleich mit der Empfehlung einer MaBregel einer prognostischen Stellungnahme enthalten. Die empfohlenen MaBnahmen sind Tabelle 4.8. zu entnehmen. Insgesamt ist die Aussagekraft der Ergebnisse zur Prognose dadurch eingeschrankt, dass eine solche nur in w^eniger als 50 % der Falle abgegeben wurde.

4.3 Forensische Beurteilung, MaBnahmen und Prognose

107

Tabelle 4.8. Empfohlene MaBnahme versus Klassifizierung nach Instrumentalitat und deliktantezedenter Emotion (Haufigkeiten) Instrumentalitat Emotion

Empfohlene MaBnahme kerne

Unterbringung Psychiatrie

instrumentell/ negativ

9

3

instrumentell/ unklar

10

nicht instrumentell/ negativ

47

5

nicht instrumentell/ positiv

9

1

nicht instrumentell/ unklar

6

psychotisch/ verwirrt

9

12

90

21

gesamt

Unterbringung Entziehungsanstalt

gesamt

12

10

6

58

10

6

21 6

117

Die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus wurde bei 57 % der zum Tatzeitpunkt psychotischen oder himorganisch verw^irrten Probanden empfohlen, bei 25 % der Tater mit instrumenteller Motivation und vorangehendem negativen Affekt und bei 10 % der Probanden mit positiver deliktantezedenter Emotion und nicht instrumenteller Motivation. Bei den nicht instrumentell Motivierten mit der Tat vorangehendem negativen Affekt wurde in 8,6 % die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus, in 10,3 % die Behandlung in einer Entziehungsanstalt angeregt.

5 Diskussion 5.1 Demografische Kennwerte und Taterspezifika im Vergleich Mit vier Prozent machen Brandstifter an der Psychiatrischen Universitatsklinik Heidelberg einen etwas geringeren Anteil der begutachteten Gesamtklientel aus als an den meisten Institutionen, aus denen Studien liber Begutachtete stammen, die auf bis zu 10 % kommen (vgl. Abschnitt 2.3.5). Alters- und Geschlechtsverteilung entsprechen mit rund 90 % Mannem und dem Uberwiegen der jtingeren Jahrgange denen anderer Untersuchungen begutachteter Brandstifter, ebenso der mit 78 % hohe Anteil Unverheirateter. Probanden, die jiinger als 18 Jahre waren, wurden absichtlich nicht aus unserem Material ausgeschlossen, um die aus der klassischen Literatur bekannten Heimweh- und Uberforderungstater abbilden zu konnen. Schulbildung und herkunftsfamiliare Auffalligkeiten wurden in den anderen Erhebungen begutachteter Brandstifter nicht bzw. auf andere Art und Weise erhoben als in der vorgelegten Untersuchung, so dass ein Vergleich nicht moglich ist. Arbeitslosigkeit war mit 28 % geringer als in den ubrigen Studien, wo sie, wenn mitgeteilt, zwischen 40 und 50 % lag. Unsere Probanden wiesen mit 35 % auch eine geringere Vorstrafenbelastung als diejenigen anderer Untersuchungen auf, wo sich, so weit angegeben, meist uber 50 % Vorbestrafte fanden. Fruhere Verurteilungen wegen Brandstiftung waren mit 8 % ebenfalls tendenziell weniger haufig als ansonsten gefunden (zwischen 12 und 20 %). Psychiatrische Vorbehandlung fand sich bei unserer Klientel in 45 %; sie liegt damit im unteren Drittel derjenigen Studien, die diesbeziigliche Daten (bis zu 79 %) mitteilen. Fruhere Suizidversuche waren mit 28 % seltener als sonst (33 bis 74 %). Wahrend in alien anderen Studien an Begutachteten bei iiber 90 % der Probanden eine psychiatrische Diagnose gestellt wurde, war dies bei unserer Klientel in 84 % der Fall. Mit bei Berucksichtigung von Komorbiditat 38 % Personlichkeitsstorungen liegen unsere Probanden ziemlich genau im Mittel der ubrigen Erhebungen; gleiches gilt fiir 26 % Litelligenzgeminderte. 22 % an AlkohoUsmus und Alkoholfolgekrankheiten Erkrankte liegen im unteren Drittel vergleichbarer Studien, zwolf Prozent paranoid-halluzinatorische Psychosen deutlich im unteren Drittel aller, jedoch oberhalb des hochsten aus deutschsprachigen Landem mitgeteilten Prozentwertes von 7,5 % (Rechlin und Weis 1992). Wie in den meisten iibrigen Studien an Begutachteten fanden sich keine depressiven und neurotischen Probanden. Die Motivverteilung mit Rache als haufigstem und situativer Frustration

110

5 Diskussion

als zweithaufigstem nicht psychotischen Motiv entspricht derjenigen der meisten Untersuchungen; entsprechend dem geringen Anteil Jugendlicher in unserem Material ist Vandalismus mit 3 % unterreprasentiert. Auch eher seltene Beweggrtinde wie sexuelle Motive oder Selbstverbrennungsabsicht kamen vor. Hinsichtlich der rechtlichen Verantwortlichkeit ahnelt die Verteilung der Prozentwerte derjenigen der jungsten deutschen Studie (Rechlin imd Weis 1992): 32 % schuldunfahig (versus 25 %), 31 % erheblich vermindert schuldfahig (versus 33 %) und unterscheidet sich nicht substanziell von den finnischen Daten von Rasanen et al. (1995c): 33 % nicht verantwortlich, 54 % vermindert verantwortlich); englische und US-amerikanische Studien teilen keine Daten zur rechtlichen Verantwortlichkeit mit, Zusammenfassend unterscheidet sich unsere angefallene Stichprobe von den in anderen Untersuchungen begutachteter Klientel bearbeiteten Kollektiven durch etwas geringere Arbeitslosigkeit und Vorstrafenbelastung, etwas weniger haufige frlihere Verurteilungen wegen Brandstiftung, geringgradig weniger haufige psychiatrische Vorbehandlungen und Suizidversuche. Alkohohsmus und Alkoholfolgekrankheiten waren etwas seltener als bei anderen Untersuchungen. In ihrer Gesamtheit scheinen unsere Brandstifter demnach etwas weniger schwer gestort bzw. psychosozial belastet zu sein als diejenigen der iibrigen Gutachtenstudien. Verglichen mit Totalerhebungen polizeilich Ermittelter enthalt unsere angefallene Stichprobe weniger Kinder und Jugendliche und weniger Gemeinschaftstater. Der Anteil Schuldunfahiger (32% versus 21 %) und vermindert Schuldfahiger (31 % versus 10 %) war nicht so verschieden von den von Bamett und Richter (1995) ermittelten Prozentwerten einer Vollerhebung aller wahrend dreier Jahre in den alten Bundeslandem anhangigen einschlagigen Gerichtsverfahren. Dass unser KoUektiv weniger psychisch Gestorte enthalt als Studien an Patienten in Einrichtungen fur psychisch kranke Straftater oder psychiatrischen Kliniken ist selbstverstandlich; geringere Unterschiede hinsichtlich der Haufigkeit psychischer Storungen bestehen demgegeniiber zu empirisch untersuchten HaftlingskoUektiven.

5.2 Variablen und Modell im Vergleich Von Kasuistiken mit ihren je nach Praferenz des Autors verschiedenen theoretischen Positionen abgesehen, sind Brandstifter unter polizeilichen (Berke-Miiller 1966, Breitfeld 1992, Douglas et al. 1992, Icove und Estepp 1987, Stolz 1994), kriminologischen (Bleck 1977, Bruch 1983, Canter und Fritzon 1998, Grapin 1974, Hurley und Monahan 1969, Inciardi 1970,

5.2 Variablen und Modell im Vergleich

111

Marin 1963, Molnar etal. 1984, Pettiway 1987), tiefenpsychologischen (Axberger 1973, Fras 1983, Kaufman et al. 1963, Lewis und Yamell 1951, Schmid 1914, Schuhmacher 1991, Stone 1979), verhaltensdiagnostischen (Jackson, Glass und Hope 1987, Fineman 1995, Vreeland und Waller 1979), klassisch-psychiatrischen (Bradford 1982, Geller 1987, Gold 1992, Hanson etal. 1994, Hiob 1970, Monkemoller 1912, O'Sullivan und Kelleher 1987, Rix 1994, Puri etal. 1995, Ritchie und Huff 1999, WillersJessen 1860), biologisch-psychiatrischen (Virkkunen etal. 1987, Linnoila etal. 1989, Repo etal. 1997a) und gutachtlichen (Fleszar-Szumigajowa 1969, Gtxnzel 1987, Harris und Rice 1984, Joukamaa und Tuovinen 1983a, Kammerer etal. 1967, Koson und Dvoskin 1982, Laubichler etal. 1996, Leong 1992, Rasanen, Hakko und Vaisanen 1995, Rechlin und Weis 1992, Tobben 1917) Gesichtspunkten betrachtet worden. Der fiir die vorliegende Untersuchung eingenommenen Perspektive entsprechend wurde zur Basisdokumentation ein Untersuchungsinstrument gewahlt, das die fiir die forensisch-psychiatrische Begutachtung relevanten Variablen abbildet (Dittmann 1994). Das Instrument wurde dem Deutschen Strafrecht, dem verwendeten Material (Gutachten) und der Fragestellung entsprechend hypothesengeleitet modifiziert und erganzt. Auf Variablen, die sich nur mittels direkter Untersuchung der Probanden erheben lassen, wurde ebenso wie auf fiir Korperverletzungs-, Totungs- und Sexualdelikte spezifische Tatmerkmale verzichtet. Erstmalig in einer Studie uber Brandstifter wurden tatanalytische Variablen erhoben. Um den subjektiven Bias der Gutachter zu minimieren, wurden tatanalytische Variablen, die sich ausschlicBlich aus intrapsychischen Geschehensablaufen des Taters oder Interpretationen des Untersuchers ergeben, nicht beriicksichtigt, so dass nur grundsatzlich beobachtbare Tatmerkmale verblieben. Hinzugefiigt wurden einige iiber die tatanalytischen Merkmalskataloge von Binder (1974), SaB (1983) und Rasch (1999) hinaus gehende, speziell fiir die vorliegende Studie konstruierten TatanalyseItems, die aus der Literatur extrahiert wurden (Meldung des Brandes durch den Tater, Angetroffenwerden am Tatort, akuter Konflikt zwischen Tater und Eigentiimer des Brandobjektes, sofortiges Sichbekennen zur Tat, Helfen beim Loschen, Masturbation am Tatort). Als taterspezifische Variablen wurden samtliche der in den in Abschnitt 2.3 referierten kontrollierten Studien enthaltenen objektivierbaren Merkmale zusammengestellt, die jemals als bei psychiatrisch auffalligen Brandstiftem gegenuber wechselnd zusammengesetzten Vergleichsgruppen iiberzufallig haufig vorkommend gefunden wurden. Zusatzlich aufgenommen wurden die gelegentlich fiir bedeutsam erachteten Tatermerkmale Enuresis und Tierqualerei. Erstmalig fand die feuerspezifische Lemgeschichte (Verursachung eines Brandes als

112

5 Diskussion

Kind, Zeuge eines Brandes in der Lebensgeschichte, Mitgliedschaft oder abgewiesenes Aufnahmebegehren bei der freiwilligen Feuerwehr, Ausschluss aus der freiwilligen Feuerwehr) anhand verschiedener Tatermerkmale Beriicksichtigung. Psychiatrische oder psychologische Direktuntersuchungen von Brandstiftem existieren nur fur vergleichsweise leicht zugangliche KoUektive von Haftlingen (Stewart 1993, O'Sullivan und Kelleher 1987) und Ma6regelvollzugspatienten (Bradford 1982, Harris und Rice 1984, Hurley und Monahan 1969, Jackson, Hope und Glass 1987, McKerracher und Darce 1966, Tennet etal. 1971). Bei den biologischen Studien an vor ihrem Gerichtsverfahren untersuchter Klientel von Linnoila, Repo und Virkkunen wurden die psychosozialen Daten den Akten entnommen (Linnoila, DeJong und Virkkunen 1989, Virkkunen etal. 1989, 1994, 1996); Repo und Virkkxinen (1997a) und Repo, Virkkunen, Rawlings und Linnoila (1997a, b) erhoben einen Teil der Daten mit Routinedokumentationsbogen, den Rest aus den Akten. Mit den ubrigen Studien an Begutachteten teilt die vorgelegte Untersuchung die Schwache, dass die Merkmale retrospektiv aus den Akten erhoben wurden. Gmndsatzlich wunschenswert sind demgegenuber direkt von den Probanden erhobene Angaben, z. B. mit standardisierten Interviews, vor allem hinsichtlich des Personlichkeitsbereiches. Derartig gewonnene Daten werfen im forensisch-psychiatrischen Bereich allerdings schnell die Frage nach ihrer Validitat auf, da die Probanden in der Begutachtungssituation gemeinhin dazu neigen, einen moglichst guten Eindruck machen zu woUen und fiir sie problematische Fragen oft ausweichend oder unehrlich beantworten. Fiir die Uberpriifung eines theoretisch postulierten Modells wie in der vorgelegten Studie bieten retrospektiv aus Gutachten erhobene Daten demgegeniiber den Vorteil, dass keine hypothesenkonformen Angaben in die Probanden hineinexploriert werden konnen. SchlieBlich sind Brandstifter in alien institutionellen Zusammenhangen nicht sehr haufig: Im deutschen MaBregelvoUzug ist Brandstiftung bei 11 % der Patienten das Indexdelikt (Leygraf 1988), bei polizeihcherseits als tatverdachtig Ermittelten liegt der Prozentsatz infolge eines Anteils von 0,4 % an der Gesamtkriminalitat (Bundeskriminalamt 2001) noch deutlich niedriger. Im Gutachtenmaterial von Instituten und Kliniken machen sie einen Anteil zwischen 3,7% (Giinzel 1987) und 9,2% (Joukamaa und Tuovinen 1983a) aus. Dementsprechend ist die Probandenzahl bei Direktuntersuchungen relativ klein; mit 50 Probanden die weitaus groBte Zahl erreichten Hurley und Monahan (1969). GroBere Probandenzahlen haben sich bisher nur unter Riickgriff auf bereits erstattete Gutachten erzielen lassen.

5.2 Variablen und Modell im Vergleich

113

Ausgangspunkt der vorliegenden Studie ist das seit iiber 200 Jahren ungeklarte (vgl. Abschn. 2) Problem der Brandstiftung ohne logisch nachvollziehbare Motive, die von den Klassikem (Kraepelin 1915, S. 1901-1902; Bleuler 1983, S. 525-528; K.Schneider 1992, S. 79; Kretschmer 1971, S. 129-131) als Triebhandlung aufgefasst wurden. Die den jeweiligen Taten zugrundeliegenden Beweggriinde der Probanden wurden daher zunachst nach einem der Aggressionsforschung entnommenen Konstrukt (Feshbach 1964) als instrumentell oder nicht instrumentell klassifiziert. Canter und Fritzon (1998) sowie Pettiway (1987) haben bereits gezeigt, dass sich Brandstiftungen anhand von Aktenmaterial als instrumentell oder nicht instrumentell motiviert klassifizieren lassen. Instrumentell motivierte Taten sind immer logisch nachvollziehbar; bei ihnen ist die Brandstiftung lediglich Mittel zum Zweck, etwa zum Versicherungsbetrug oder zur Verdeckung eines anderen Verbrechens. Nicht instrumentell motivierte Taten verfolgen demgegenuber keinen beobachtbaren Zweck und werden aus rein intrapsychischen Griinden begangen. Die Bandbreite logischer NachvoUziehbarkeit reicht hier von unproblematisch, bspw. bei Rachetatem, iiber problematisch, dem einfuhlenden Verstehen jedoch mehr (z. B. bei als Hilfeschrei zu interpretierenden Taten) oder weniger (beispielsweise Taten nach einem objektiv nichtigen Frustrationserlebnis oder aus "Freude am Feuer") zuganglich bis hin zu voUig unverstehbaren Handlungen "ohne Motiv" nicht psychotischer Probanden. Allen nicht instrumentell motivierten Taten gemeinsam ist die affektive Genese, fiir die nach dem biologisch-evolutionstheoretische, psychoanalytische, kognitionspsychologische und behaviouristische Gesichtspunkte integrierenden Affektregulationsmodell von Westen (1994) zwei verschiedene intrapsychische Mechanismen in Frage kommen: Die Minimierung eines der Tat vorangehenden unangenehmen oder die Maximierung eines deliktantezedenten angenehmen Affektes. Die in den Gutachten enthaltenen Angaben tiber die den jeweiligen Taten vorangehenden Affekte wurden dementsprechend als "positiv" oder "negativ" kategorisiert; enthielt das Gutachten keine diesbeziiglichen Angaben, wurde die antezedente Emotion als "unklar" gewertet. Die Klassifizierung der Probanden nach Instrumentalitat ihrer Tat und der tatantezedenten Emotion ergab insgesamt eine klinisch-forensisch sinnvolle Typologie (vgl. Tabelle 4.2., S. 95) unter Einschluss selbst derjenigen Tater, deren Emotion als "unklar" eingestuft worden war, was die Utilitat der verwandten Klassifizierungsvariablen unterstreicht. Bei der Klassifizierung der deliktantezedenten Emotion zeigte sich, dass in der tiberwiegenden Mehrzahl der Falle (92 von 119, vgl. Tabelle 4.1., S. 94) die in den Gutachten niedergelegten Informationen eine Kategorisierung als "positiv" oder "negativ"

114

5 Diskussion

erlaubten, worin sich der Umstand widerspiegelt, dass die psychische Befindlichkeit der Probanden unmittelbar vor ihrer Tat von den Sachverstandigen im allgemeinen sorgfaltig erhoben wurde, wie es auch von der gutachtlichen Aufgabe her, dem Gericht ein Bild von Tatzeitpersonlichkeit und tathemmenden und tatbahnenden Einflussen auf diese zu vermitteln, zu erwarten ist. Als "unklar" gewertet und mithin nicht erhoben wurden die der Tat vorangehenden Emotionen tiberwiegend bei instrumentell motivierten Tatem, bei denen der Zweck der Handlung ohnedies klar war. Bei nicht instrumentell motivierten (nicht psychotischen) Probanden war der pradeliktische intrapsychische Zustand in der Regel um so differenzierter erhoben worden, je weniger die Tat logisch nachvoUziehbar und dem einfuhlenden Verstandnis zuganglich war. Brandstifter lassen sich also anhand des vorliegenden Materials nach den ihren Taten vorangehenden Affekten klassifizieren. Damit kann die Frage, ob sich das Affektregulationsmodell von Westen (1994) zur Differenzierung der insbesondere interessierenden nicht instrumentell motivierten Tater eignet, positiv beantwortet werden, womit sich ein substanzieller Erkenntnisgewinn hinsichtlich der seit der Pyromaniedebatte des 19. Jahrhunderts immer wieder diskutierten, dem einfuhlenden Verstehen nur schwer oder nicht zuganglichen Delikte nicht psychotischer Probanden ergibt: Sie sind in deliktisches Handeln umgesetzte Konsequenz eines intrapsychischen Selbstregulationsmechanismus. Die Probanden begehen die Taten, um negative Affekte abzuschwachen (Affektherabregulation, bei "motivlosen" Taten wie im Fall E. F., S. 89, und solchen aus aktueller Frustration heraus wie bei Fall A. B, S. 87, geschildert) oder um positive Affekte zu steigem (Affektheraufregulation bei Taten aus "Freude am Feuer", Fall C. D., S. 88). Die Anwendung des Affektregulationsmodells auf Brandstifter stellt damit einen wesentlichen Fortschritt gegenixber den bisherigen deskriptiven Untersuchungen dar, da es Verhalten nicht nur beschreibt, sondem erklart. Die bisherige Forschung war ganz uberwiegend psychiatrisch-deskriptiv, motiv- und diagnoseorientiert und hat zur Aufstellung immer neuer Motivlisten und je nach untersuchter Population und verwandtem Diagnoseschema unterschiedlichen Diagnoseverteilungen gefiihrt, aus denen jedoch kein iibergeordnetes Prinzip hervorgegangen ist, das ein besseres Verstandnis aller und insbesondere pathologischer Brandstiftungen erlauben wiirde. Mit Ausnahme psychoanal34ischer und verhaltenstherapeutischer Ansatze sind verhaltenserklarende Modelle bisher nicht entwickelt worden. Die Auffassungen der Klassiker, es handele sich um Triebhandlungen, muten nur vordergriindig modellhaft an; realiter handelt es sich um Etikettierungen, die unverstandliche Brandstiftungen nicht Psychotischer per definitionem nosologisch

5.2 Variablen und Modell im Vergleich

115

einordnen. Daruber hinaus ist das Affektregulationsmodell unabhangig von zeitgebundenen diagnostischen Konventionen und interindividuellen gutachtlichen Unterschieden, so dass es sich sehr gut fur eine epochenubergreifende Gutachtenstudie wie die vorliegende eignet. Die meisten psychoanalytischen Arbeiten legen ihr Schwergewicht auf die Herausarbeitung des Struktumiveaus der Probanden und bleiben damit auf der Ebene der Deskription. Beschrieben bzw. postuliert wurden phallisch-urethrale (Freud 1933a, S. 108-109; Stekel 1922, S. 378; Fenichel 1932, S. 57), odipale (Macht und Mack 1968) und orale (Grinstein 1952, Stone 1979) Fixiemngen. Lewis und Yamell (1951), Schmid (1914) und Schumacher (1991) vertreten demgegenuber ein pathogenetisches Modell: Brandstiftung dient zur Abfuhr von infolge eines sexuellen Konfliktes aufgestauter Libido im Sinne einer neurotischen Kompromisslosung, in der Feuer symbohsch fur SexuaHtat steht, bei Schmid (1914) und Schumacher (1991) nach Regression auf eine frlihere Entwicklungsstufe. Dem entgegen steht, dass offenkundig sexuell motivierte Brandstiftungen selten sind (vgl. Abschnitt 2.3.10) und dass die Frage eines Zusammenhangs zwischen Brandstiftung und manifest gestorter Sexualitat empirisch haufiger vemeint (Hill et al. 1982, Quinsey, Chaplin und Upfold 1989, Rasanen etal. 1995, Robbins, Herman und Robbins 1963, Stewart 1993) als bejaht (Sapsford etal. 1978, Tennet etal. 1971) worden ist. Symptombildung als neurotische Kompromisslosung setzt iiberdies den Gebrauch von reifen Abwehrmechanismen voraus. Das Bild, das Lewis und Yamell (1951) von den meisten ihrer Probanden zeichnen, weist demgegeniiber ganz eindeutig auf schwere strukturelle Storungen mit frlihen Traumatisierungen hin, von denen bezweifelt werden kann, ob ihnen reife Abwehrmechanismen ausreichend zur Verfugung gestanden haben und deren Taten sich tiefenpsychologisch mindestens ebenso plausibel als Affektdurchbruch interpretieren lassen wie als neurotischer Kompromiss. Daruber hinaus ist die Datenbasis, anhand der die psychoanalytischen Modelle entwickelt wurden, problematisch: Schmid (1914) interpretierte der Literatur entnommene Kasuistiken psychoanalytisch um; Lewis und Yamell (1951) stiitzten sich auf Feuerwehraufzeichnungen, polizeiliche Verhorprotokolle und Gerichtsakten. Anhand welcher Ausgangsdaten sie ihr Modell generierten, bleibt unklar; dem Gesamtzusammenhang ihrer Monografie ist jedoch zu entnehmen, dass nur wenige ihrer 1145 Probanden psychiatrisch oder gar psychoanalytisch untersucht wurden. Schumacher (1991) stiitzt sich auf zwei von ihm selbst unter tiefenpsychologischen Gesichtspunkten explorierte Einzelfalle. Aus heutiger Sicht fehlen fiir die bisher entwickelten psychoanalytischen Modellvorstellungen Angaben zur intersubjektiven NachvoUziehbarkeit, d. h., Interraterreliabilita-

116

5 Diskussion

ten. Hauptschwachpunkt ist jedoch, dass anhand von Einzelfallen gewonnene Erkenntnisse unhinterfragt auf alle pathologischen Brandstifter generalisiert werden. Ftir das Affektregulationsmodell konnen demgegenuber Interraterreliabilitaten der modellkonstituierenden Variablen Instrumentalitat und der Tat vorangehende Emotion sowie fur diejenigen Pradiktoren, bei denen es sich nicht um "harte" Variablen (Alter, Zahl der Brandstiftungen usw.) handelt, mitgeteilt werden; vor allem werden die Daten samtlicher in die Studie eingegangener Probanden theoriegeleitet miteinander verkniipft und eine Generalisierung von Einzelfallbefunden unterbleibt. Ein dem psychoanalytischen Vorgehen und der affektregulatorischen Sichtweise gemeinsamer Vorteil gegeniiber der Vielzahl herkommlicher psychiatrisch-deskriptiver Studien ist ihre Diagnosenunabhangigkeit, so dass sowohl Aussagen ixber psychiatrisch ungestorte Probanden als auch eine epocheniibergreifende Sichtweise unabhangig von zeitgebundenen diagnostischen Konventionen moglich sind. Im Gegensatz zum nomothetischen Anspruch der psychoanalytischen Modelle und des Affektregulationsparadigmas sind die verhaltenstherapeutischen Konzeptualisierungen ideografisch, d. h., es handelt sich gewissermaBen um Gebrauchsanweisungen, welche verhaltensgenerierenden Variablen im Einzelfall zu erheben sind. Vreeland und Waller (1979) betrachten Brandstiftungen unter dem Blickwinkel des SORCK-Modells; Jackson, Glass und Hope (1978) modifizierten dieses ftir Rezidivtater und machen hinsichtlich der 0-Variablen die theoretische Vorannahme, dass sich die Probanden durch ein zwischenmenschliches Kommunikationsdefizit und mangelndes Selbstwertgeftihl auszeichnen. Fineman (1980, 1995) entwickelte eine eigene, eigens flir die Behandlung jugendlicher Brandstifter konzipierte Verhahensformel (s. S. 73), in die neben anderen Variablen, die sich nur anhand direkter Untersuchung der Probanden erheben lassen, die der jeweihgen Tat vorangehende Emotion (Fl) und die Instrumentalitat der Tat (Rex = exteme Verstarkung fur Brandstiftung, entspricht instrumenteller Tat; Rin = interne Verstarkung, entspricht nicht instrumenteller Tat) eingehen. Den affektregulatorischen Konsequenzen nicht instrumentell motivierter Taten wird dadurch Rechnung getragen, dass auch die der Tat folgende Emotion (F3) erhoben wird. Seine unabhangig von den theoretischen Konzeptionen von Feshbach (1964) zur Instrumentalitat von Aggressionshandlungen und von Westen (1994) zur intrapsychischen Regulation von Affekten in ganz anderem Zusammenhang, namlich der Therapie und Rezidivprophylaxe von jugendlichen Brandstiftem entwickelte Verhahensformel enthalt also die selben verhaltensdeterminierenden Variablen wie das aus der Kombination der Theorien von Feshbach (1964) und Westen (1994) abgeleitete Affektregulations-

5.2

Variablen und Modell im Vergleich

117

modell. Die in der vorliegenden Studie anhand mehrerer Variablen erhobene feuerspezifische Lemgeschichte ist in der Verhaltensformel von Fineman (1980,1995) ebenfalls enthalten. Damit wird das nomothetische Affektregulationsmodell mittels der Fineman'schen Verhaltensformel ideografisch umgesetzt vice versa. Das biologische Modell der Impulsivitdt schlieBt ein breites Spektrum von Verhaltens- und Erlebensweisen ein: Suizidalitat (Asberg et al. 1976, Traskman etal. 1981), selbstverletzendes Verhalten (Herpertz, SaB und Favazza 1997, Simeon etal. 1992), antisoziales Verhalten (O'Keane etal. 1992, Coccaro und Kavoussi 1997), Typ-2-AlkohoHsmus (Virkkunen und Linnoila 1993, Virkkunen et al. 1994), Gewaltdelinquenz (Virkkunen et al. 1989, Virkkunen etal. 1996) sowie impulsives Brandstiften (Virkkunen et al. 1987, Virkkunen et al. 1989). In KoUektiven von Probanden mit den genannten Verhaltensauffalligkeiten wurde eine verringerte 5-Hydroxyindolessigsaurekonzentration im Liquor und/oder eine Verringerung von Imipraminbindungsstellen der Thrombozyten und/oder eine emiedrigte Prolaktinserumkonzentration nach Stimulation mit dem Serotoninagonisten d-Fenfluoramin gefunden. Diese Befunde legen eine Unterfunktion des serotonergen Systems nahe; wesentlich fur impulsives Verhalten ist danach der Wegfall von verhaltenshemmenden und -modulierenden Wirkungen des serotonergen Systems, wobei dies durch die bisher nur unzureichend bekannte Interaktion der verschiedenen Transmittersysteme untereinander nur naherungsweise gilt (Markowitz und Coccaro 1995, Coscina 1997). Nicht erklart wird durch das biologische Modell der Impulsivitat natiirlich die Symptomwahl, d. h., dass einige Menschen mit einer Unterfunktion des serotonergen Systems suizidal werden, andere selbstverletzendes, andere antisoziales Verhalten entwickeln, wieder andere alkoholabhangig werden, emeut andere Gewaltdelikte begehen und schlieBlich eine wiederum von alien anderen verschiedene Gruppe zu impulsiven Brandstiftungen neigt. Das Affektregulationsmodell ist mit einer psychoanalytischen, verhaltenstherapeutischen und biologischen Sichtweise kompatibel, was insofem nicht uberraschen kann, als es in klinisch-psychologischem Zusammenhang aus der Integration biologischer, tiefenpsychologischer und kognitivbehavioraler Befunde entstanden ist (Westen 1991, 1994, 2000, Westen und Gabbard 2002). Affektregulation ist in psychoanalytischer Perspektive eine Ich-Funktion, die sich im Laufe der psychosexuellen Entwicklungsphasen anhand der Beziehung zu signifikanten Anderen ausbildet; in verhaltenstherapeutischer Terminologie ist sie eine Funktion der 0-Variablen, die im Lauf der Ontogenese durch Konditionierungsvorgange und Modelllemen erworben wird. Das biologische Paradigma impulsiven Verhaltens

118

5 Diskussion

steht mitnichten in Konkurrenz zum Affektregulationsmodell; moglicherweise ist bei impulsiven Brandstiftungen die serotonerge Dysfunktion die biologische, die Affektregulationsstorung die psychologische Entsprechung desselben Vorgangs. In diesem Zusammenhang insbesondere "von Interesse sind Beflmde, die dafur sprechen, dass das serotonerge System an regulierenden Prozessen insgesamt beteiligt ist, also nicht nur an der Verhaltensregulierung, sondem auch an der Regulierung von Stimmungslage und Affekt" (Herpertz 2001, S. 34-35), beispielsweise die Befunde zur stimmungsregulierenden Wirkung des Tryptophans (Delgado etal. 1990, Benkelfat etal. 1994) oder diejenigen zu anxiolytischen Effekten verschiedener serotonerger Substanzen (van Praag etal. 1987, Coccaro und Sieverl995).

5.3 Kanonische Diskriminanzfunktionen und Pradiktoren Die erste Diskriminanzfunktion (vgl. Tabelle 4.4., S. 102) lasst sich problemlos interpretieren: Es handelt sich um Probanden, die psychiatrisch eher gesund sind (hohe positive Ladung auf GAF) und eine Beziehung zum Eigentiimer des in Brand gesetzten Objektes haben (hohe positive Ladung auf dem entsprechenden Tatanalyse-Item); prototypisch sind normalpsychologisch motivierte Rachetater, also nicht instrumentell motivierte Probanden mit der Tat vorangehender negativer Emotion. Die zweite Diskriminanzfunktion bildet Tater ab, die bereits als Kind Brande verursacht haben (hohe positive Ladung auf dem Item "Brandverursachung vor dem 14. Lebensjahr") und deren aktuelle Tat "wahllos", ohne den Eigentiimer des Brandobjektes zu kennen, ausgefiihrt wurde (hohe negative Ladung auf dem Item "Beziehung zum Eigentiimer des Brandobjektes"). Diese Charakterisierung trifft sehr gut auf Tater zu, die als Motiv "Freude am Feuer" angeben, also nicht instrumentell motivierte Probanden mit deliktantezedenter positiver Emotion. Die dritte Diskriminanzfunktion ist nicht sinnvoll interpretierbar. Eine hohe negative Ladung auf GAF weist auf psychiatrisch stark gestorte Probanden, eine hohe positive Ladung auf dem Tatanalyse-Item "Fahigkeit, auf eine Gelegenheit zur Tat zu warten" jedoch auf eine kontrolliert und iiberlegt ausgeftihrte Brandstiftung hin, wie man sie von psychiatrisch stark alterierten Probanden nicht erwarten wiirde. Die vierte Diskriminanzfunktion ist demgegenuber wieder gut interpretierbar: Sehr hohe Ladungen auf den Variablen "Zeuge eines Brandes in der Lebensgeschichte" (nicht in Zusammenhang mit einer Tatigkeit bei der Feuerwehr erworben) und "Kontakt zur freiwilligen Feuerwehr" weisen

5.3 Kanonische Diskriminanzfunktionen und Pradiktoren

119

auf die tiberragende Rolle der feuerspezifischen Lemgeschichte bei diesen Probanden bin, die im Gegensatz zu den Tatem aus "Freude am Feuer" jedoch nicht bereits in der Kindheit eingesetzt hat. Unter dem Gesichtspunkt von Instrumentalitat und Affektregulation handelt es sich um Probanden mit der Tat vorangehender negativer Emotion, die ihre Delikte nicht instrumentell ''ohne Motiv" oder schwach motiviert begangen haben, um sich von ihrem negativen Affekt zu befreien, sowie instrumentell motivierte freiwillige Feuerwehrleute, die wieder an einem Loscheinsatz beteiligt sein wollen. DiQ funfte Diskriminanzfunktion schlieBlich zeigt eine hohe negative Ladung auf der tatanalytischen Variablen "Fahigkeit, auf eine Gelegenheit zur Tat zu warten", also mangelnde Verhaltenskontrolle bei der Begehung des Deliktes und eine hohe positive Ladung auf der tatanalytischen Variablen "Beziehung zum Eigentiimer des Brandobjektes". Naheliegenderweise handelt es sich um nicht instrumentell motivierte, ajfektiv akzentuierte Delikte nach Provokation in einem zwischenmenschlichen Konflikt. In der schrittweisen hierarchischen kanonischen Diskriminanzanalyse werden nach dem Prinzip des sparsamsten Modells aus einer Vielzahl von Pradiktoren moglichst wenige ausgewahlt, anhand derer sich unter Vermeidung von Redundanz die theoretisch postulierten Gruppen optimal trennen lassen. Die Gruppenzugehorigkeit eines Probanden ergibt sich im vorhegenden Fall aus der Listrumentalitat seiner Tat und der deliktantezedenten Emotion (vgl. Tabelle 4.2., S. 95). Die Strukturmatrix (vgl. Tabelle 45 im Anhang C, S. 228) verdeuthcht, dass die sechs in das statistische Modell aufgenommenen Pradiktoren deutlich mehr zur optimalen Trennung der Gruppen beitragen als die nicht aufgenommenen. Das Redundanzproblem hat demgegeniiber bei der Auswahl der Pradiktoren nur eine untergeordnete Rolle gespielt; samtliche Pradiktoren interkorrelieren relativ gering untereinander: Von den aus Platzgrunden nicht wiedergegebenen 276 Korrelationskoeffizienten waren 43 signifikant; die liberwiegende Mehrzahl der signifikanten Koeffizienten lag groBenordnungsmaBig unterhalb von 0,3Hinsichtlich derjenigen sechs Pradiktoren, die am meisten zur diskriminanzanalytischen Trennung der theoretisch postuherten Gruppen beitrugen, sind zwei Umstande bemerkenswert: Vier von ihnen wurden eigens fur die vorliegende Untersuchung in operationalisierter Form konzipiert (Brandverursachung vor dem 14. Lebensjahr, Zeuge eines - nicht selbst verursachten - Brandes in der Lebensgeschichte, Beziehung zur freiwilligen Feuerwehr, Beziehung zum Eigentiimer des Brandobjektes), drei davon (Brandverursachung vor dem 14. Lebensjahr, Zeuge eines Brandes

120

5 Diskussion

in der Lebensgeschichte, Beziehung zur Freiwilligen Feuerwehr) beschreiben die feuerspezifische Lemgeschichte. Damit wird auch deutlich, warum die Ftille der bisherigen deskriptiv-psychiatrischen Studien relativ ergebnisarm bleiben musste: Sie sind zum einen atheoretisch, zum anderen hinsichtlich der erhobenen Variablen zu wenig spezifisch auf Brandstifter zugeschnitten. Meistens wurden allgemeinpsychiatrische (Axberger 1973, Barker et al. 1991, Bradford 1982, Fleszar-Szumigajova 1969, Geller und Bertsch 1985, Geller 1987, Geller, Fischer und Bertsch 1992, Gtinzel 1987, Helmer 1965, Kirsch und Lange 1990, Koson und Dvoskin 1982, Laubichler etal. 1996, Leong 1992, Leong und Silva 1999, MonkemoUer 1912, O'Sullivan und Kelleher 1987, Puri etal. 1995, Rechlin und Weis 1992, Richie und Huff 1999, Rix 1994, Stewart 1993, Tennet et al. 1971, Tobben 1917), gelegentlich fiir psychisch kranke Straftater in ihrer Gesamtheit entwickelte (Hanson etal. 1994, Harmon etal. 1984, Harris und Rice 1984, Hill et al. 1982, Hurley und Monahan 1969, Icove und Estepp 1987, Joukamaa und Tuovinen 1983a, b, Katila etal. 1968, McKerracher und Dacre 1966, Sapsford et al. 1978) Konzeptionen oder Instrumentarien verwandt. Speziell fiir die Unterscheidung von Brandstiftem sowohl untereinander als auch von anderen Delinquenten geeignete Merkmale sind in diesen Konzeptionen jedoch nicht enthalten. Relativ haufig wurden Brandstifter in verschiedene Gruppen eingeteilt, meistens nach der der Tat zugrunde liegenden Motivation. Diese Einteilungen verbleiben jedoch im rein Deskriptiven; Merkmale, anhand derer sich die Probanden den jeweils gewahlten Gruppen zuordnen lassen, wurden bisher nicht beschrieben. Bis auf die Einzelfallkonzeption von Fineman (1980, 1995) fmdet die feuerspezifische Lemgeschichte in keiner Studie Beriicksichtigung. Dieser Umstand ist um so erstaunlicher, als dass geradezu der gesunde Menschenverstand die Bedeutung derselben nahe legt, und die vorliegende Untersuchung zeigt, dass sie seit mehr als 100 Jahren von nicht verhaltenstherapeutisch ausgebildeten Sachverstandigen durchaus erhoben wird. In der Tat liegt es fiir den forensisch-psychiatrischen Gutachter um so naher, Vorerfahrungen mit Feuer, ihre Bedeutung fur den Probanden und deren Zustandekommen zu explorieren, je weniger die Tat instrumentell motiviert und dem einfUhlenden Verstehen zuganglich ist, um dem Gericht die spezielle Tatgenese zu verdeutlichen und damit zu beantworten, warum in der gegebenen Situation ausgerechnet eine Brandstiftung und kein anderes Delikt begangen oder Verhalten gezeigt worden ist. Bei den freiwilligen Feuerwehrleuten ergibt sich die feuerspezifische Lemgeschichte von selbst und braucht nicht erfragt zu werden; in anderen Fallen (Zeuge eines nicht selbst verursachten - Brandes in der Lebensgeschichte, Brandverursachung vor dem 14. Lebensjahr) ist Exploration notwendig. Einzelfalle

5.4 Die Klassifikation

121

in unserem Material belegen, dass der feuerspezifischen Lemgeschichte zahlenmaBig eine noch groBere Bedeutung zukommt als sich in der vorliegenden Untersuchung abbildet, weil einige individuelle Lemerfahrungen so speziell waren, dass sie von den fur das Erhebungsinstrument konstruierten Items nicht erfasst wurden: Bin Proband beispielsweise war auf die Idee gekommen, zur emotionalen Spannungsabfiihr Autos mit nicht verschlieBbarem Tankdeckel mittels in den Tank gelegter benzingetrankter Lappen anzuziinden, nachdem er ein Video mit explodierenden Autos gesehen hatte; ein anderer war von den Erzahlungen eines Berufsfeuerwehrmannes zu seinen Taten angeregt worden. SchlieBlich ist natiirlich davon auszugehen, dass in einigen Fallen die deliktspezifische Lemgeschichte nicht erhoben wurde, und zwar um so wahrscheinlicher, je instmmenteller die Tat motiviert und demzufolge logisch nachvollziehbar war. Die prinzipiell mogliche und sogar wahrscheinliche individuelle Vielfalt der feuerspezifischen Lemgeschichte scheint jedenfalls ein moglicher Gmnd zu sein, wamm bisher nicht der Versuch gemacht worden ist, sie systematisch zu erheben.

5.4 Die Klassifikation Wahrend in der Diskriminanzanalyse diejenige Linearkombination von Pradiktoren gesucht wurde, die am besten zwischen den theoretisch postulierten Gmppen trennt, wurde in der anschlieBenden Klassifikationsanalyse gepriift, wie gut sich die einzelnen Probanden anhand ihres Merkmalsprofils auf den diskriminanzanalytisch ausgewahlten Pradiktoren den theoretisch postulierten Gmppen zuordnen lassen. In der Klassifikationsanalyse zeigt sich also, wie gut sich die einzelnen Probanden anhand der modellkonstituierenden Variablen Instmmentalitat der Tat und der deliktantezedenten Emotion abbilden lassen; sie ist somit ein MaB fur die Angemessenheit des theoretisch postulierten Modells fur das empirisch vorliegende Datenmaterial. Insgesamt wurden 74,4 % aller urspriinglich empirisch gmppierten Falle korrekt anhand des theoretischen Modells klassifiziert. Der K-Wert als MaB fur die Ubereinstimmung von urspriinglicher empirischer und theoretisch postulierter Gmppiemng von 0,632 ist hoch signifikant (p;-y^-y>^\-:m-^:->,->-:^^^

nein

ja

gesamt

1 instrumentell/negativ

10

2

12

1 instrumentell/unklar

9

1

10

1 nicht instrumentell/negativ

42

16

58

1 nicht instrumentell/positiv

10

10

1 nicht instrumentell/unklar

6

6

1 psychotisch/verwirrt

19

2

21

1 gesamt

96

21

117

Fishers exakter Test (fur r x c-Tabellen), p = 0,126

Tabelle C-37. Gruppe versus AANLAUF (Aggressive Handlungen in der Tatanlaufzeit), Haufigkeiten Aggressive Handlaitgen in der Tatanlaufzeit

Gruppe nein

ja

gesamt

instrumentell/negativ

9

3

12

instrumentell/unklar

10

nicht instrumentell/negativ

43

15

58

nicht instrumentell/positiv

9

1

10

nicht instrumentell/unklar

6

10

6

psychotisch/verwirrt

17

4

21

gesamt

94

23

117

Fishers exakter Test (fiir r x c-Tabellen), p = 0,293

1

Anhatig C

224 TabelleC-38. Gruppe versus AKOMMENT (Zustimmende Kommentierung des Tatgeschehens), Haufigkeiten

Gruppe nein

ja 1

gesamt 12

instrumentell/negativ

11

instrumentell/unklar

10

nicht instrumentell/negativ

47

11

58

nicht instrumentell/positiv

8

2

10

nicht instrumentell/unklar

6

10

6

psychotisch/verwirrt

17

4

21

gesamt

99

18

117

1

Fishers exakter Test (fiir r x c-Tabellen), p = 0,504

Tabelle C-39. Gruppe versus A A H N L I C H (Ahnliche Handlungsbereitschaft in der Lebensgeschichten beobachtbar), Haufig keiten

Gruppe

Ahnliche Handlungsbereitschaft in der Lebensgeschichten beobachtbar nein

ja

gesamt

instrumentell/negativ

11

1

12

instrumentell/unklar

8

2

10

1

nicht instrumentell/negativ

41

17

58

1

nicht instrumentell/positiv

5

5

10

nicht instrumentell/unklar

5

1

6

1

psychotisch/verwirrt

19

2

21

1

gesamt

89

28

117

Fishers exakter Test (fiir r x c-Tabellen), p = 0,113

225 Tabelle C-40. Gruppe versus ASTEREO (Tat ist Ausdruck stereotypen Verhaltens), Haufigkeiten Gruppe

Tat ist Ausdruck stereotypen Verhalteus nein

ja

gesamt

instmmentell/negativ

12

instmmentell/unklar

9

1

10

nicht instmmentell/negativ

51

7

58

nicht instmmentell/positiv

7

3

10

nicht instmmentell/unklar

5

1

6

psychotisch/verwirrt gesamt

12

21 105

21 12

117

1

Fishers exakter Test (fur r x c-Tabellen), p = 0,132

Tabelle C-41. Gmppe versus ANEUROL (Neurologische Ausfallserscheinungen: Motorik, Koordination, Sprache, Gleichgewicht), Haufigkeiten

Gruppe

Neurologische Ausfallserscheinungen: Motorik, Koordination^ Sprache, Gleichgewicht nein

ja

gesamt

instrumentell/negativ

11

1

12

instmmentell/unklar

9

1

10

nicht instrumentell/negativ

40

18

58

nicht instmmentell/positiv

10

nicht instmmentell/unklar

5

1

6

psychotisch/verwirrt

15

6

21

gesamt

90

27

117

Fishers exakter Test (ftir r x c-Tabellen), p = 0,156

1

10

1

Anhang C

226

TabelleC-42. Gruppe versus AVEG (Vegetative/psychomotorische/psychische Begleiterscheinimgen heftiger Affekte), Haufigkeiten

Gruppe

Vegetative/psychomotorische/psychische Begleiterscheinimgen heftiger Affekte nein

ja

gesamt 12

instmmentell/negativ

11

instrumentell/unklar

10

nicht instrumentell/negativ

50

nicht instrumentell/positiv

10

10

nicht instrumentell/unklar

6

6

psychotisch/verwirrt gesamt

1

10 8

58

17

4

21

104

13

117

Fishers exakter Test (fur r x c-Tabellen), p = 0,403

Tabelle C-43. Gruppe versus AERSCH (Folgeverhalten mit schwerer Erschiitterung), Haufigkeiten Gruppe

Folgeverhalten mit schwerer Irschutterung nein

ja

gesamt

instrumentell/negativ

10

2

12

instrumentell/unklar

10

nicht instrumentell/negativ

49

nicht instrumentell/positiv

10

10

nicht instrumentell/unklar

6

6

psychotisch/verwirrt gesamt

10 9

58

20

1

21

105

12

117

Fishers exakter Test (ftir r x c-Tabellen), p = 0,312

1

1

227

TabelleC-44 Gruppe versus AKOMPLEX (Komplexer Handlungsablauf in Etappen), Haufigkeiten Gruppe

Komplexer Handlungsablattf in Etappen nein

ja

gesamt

instrumentell/negativ

9

3

12

instrumentell/imklar

6

4

10

nicht instrumentell/negativ

54

4

58

nicht instrumentell/positiv

9

1

10

nicht instrumentell/unklar

6

psychotisch/verwirrt gesamt

6

17

4

21

101

16

117

Fishers exakter Test (fiir r x c-Tabellen), p = 0,510

1

1

Anhang C

228

Tabelle C-45. Stmkturmatrix Funktion

Diskriminanzvariable

4

1

2

GAF GAF-Skala

,709

,067

-,671

-,006

-,117

AKONFL langer Konflikt Q/nf

,222

-,163

,125

-,144

,098

-,156

,016

-,127

,147

-,145

FEUSPIEL Brandverursachung vor 14. Lebensjahr (j/n)

,183

,720

,041

-,118

,396

AKONST Beziehung zum Eigentiimer (j/n)

,539

-,574

,395

-,221

,419

BRANDE Anzahl der aktuell angeklagten Brandstiftungen ^

,009

,357

-,069

,287

,063

AAKON akuter Konflikt (j/n) ^

,073

-,204

,112

-,082

,081

AWARTEN Fahigkeit, zu warten (j/n)

,306

,184

,657

-,364

-,520

-,037

,044

,275

-,032

-,185

,081

,082

J 86

,125

-,007

-,002

,027

,179

-,008

,011

,065

,009

,158

-,068

,013

-,044

,041

-,141

-,035

,054

ENTWVERZ Entwicklungsverzogerung (j/n) ^

AZIELGE zielgerichtetes Verhalten (j/n) ^ AANPAS Anpassungsfahigkeit (j/n) ^ AREAKT Reaktionsfahigkeit (j/n) ^ AANDERS Fahigkeit, anders zu handeln (j/n) ^ PSSITFAM Kemfamilie auffallig (j/n) ^

3

5

229

Tabelle C-45. (Fortsetzung) IQ debilO'/n)"

,064

,038

-,109

,054

,062

ZEUGE Zeuge eines Brandes (j/n) ^

,088

,446

,166

,597

,380

FWMT Feuerwehrkontakt (j/n)

,139

-,029

-,047

,556

-,376

AMELDET Brandmeldung (j/n) ^

,121

,125

-,113

,223

,122

ALT Alter zum Tatzeitpunkt ^

-,072

-,055

,071

-,143

,051

AGEORDN geordnetes Verhalten (j/n)

,121

,042

,044

,129

-,013

VORSTRAF Mhere Delinquenz ^

-,100

-,012

,010

-,118

,025

AABRUFT abrupter Tatablauf (j/n) ^

-,055

-,189

-,049

-,086

,360

APROVO Provokation (j/n) ^

-,004

-,127

-,055

-,047

,203

,065

,061

,175

,109

-,17B

AVORSOR Entdeckungsvorsorge (j/n) ^

Gemeinsame Korrelationen innerhalb der Gruppen zwischen Diskriminanzvariablen und standardisierten kanonischen Diskriminanzfiinktionen. Schattiert: groBte absolute Korrelation zwischen jeder Variablen und einer Diskriminanzfunktion. ^ Diese Variable wird in der Analyse nicht verwendet.

Anhang D

Erhebungsinstrument I.

Zum Verfahren, Gutachtendurchfuhrung

AUFTRAG [1] 1 = Staatsanwaltschaft 2 = Amtsgericht 3 = Landgericht 4 = Verteidiger/Beschuldigter 5 = Strafvollstreckungskammer 6 = andere 9 = keine Information HERKUNFT [Klartext] STAND Stand des Verfahrens [1] 1 = Ermittlungsverfahren 2 = Erkenntnisverfahren 3 = laufende Hauptverhandlung 4 = Strafvollstreckung 5 = anderer 9 = keine Information THEMA Gutachtenauftrag [1] 1 = Schuld- bzw. Zuwendungsfahigkeit und ggf. Unterbringung 2 = nur Unterbringung im MaBregelvoUzug 3 = Sicherungsverwahrung 4 = Entlassung aus MaBregelvoUzug 5 = Lockerung im MaBregelvoUzug 6 = Entlassung aus Sicherungsverwahrung 7 = Lockerung in der Sicherungsverwahrung 9 = keine Information INST Gutachtenerstellende Institution [Klartext] NUMMER Gutachtennummer [6] Institutionsnummer ubemehmen FALL Fallnummer [4] vergeben ERSTGA Erster Gutachter [Klartext]

232

Anhang D

FUNKTl Funktion erster Gutachter [1] 1 = Ass.-Arzt 2 = Psychologe 3 = Oberarzt 4 = Direktor 9 = nicht erhoben ZWEITGA Zweiter Gutachter [Klartext] FUNKT2 Funktion zweiter Gutachter [1] 1 = Ass.-Arzt 2 = Psychologe 3 = Oberarzt 4 = Direktor 9 = keine Information PSYCHZGA Psychologisches Zusatzgutachten [1] 0 = nein 1 = ja 9 = keine Liformation BEDING Durchfuhrung des Gutachtens liberwiegend unter den Bedingungen [1] 1 = ambulant 2 = in Haft 3 = stationar, Klinik 4 = stationar,Ma6regelvollzug 8 = reines Aktengutachten 9 = keine Information EXPLOR Anzahl Explorationen [1] 7 = 7 und mehr 8 = reines Aktengutachten 9 = keine Information SEITENZ Seitenzahl des Gutachtens [3] TATJAHR Jahrgang der Tat [4] 9999 = keine Information ZEITRAUM Zeit zwischen Tat und Beginn der Begutachtung in Monaten [2] 99 = keine Information

233

II.

Kriminologie: Vor- und Begleittat(en) seit letzter Gerichtsverhandlung

Generelle Kodierung: 0 = nein 1-97 = Zahl der Delikte 98 = Zahl unklar 99 = keine Information

Zu begutachtende Brandstiftung(en) in Tatmehrheit (TM) mit TMTOVS Totung versucht [2] TMTOVO Totung vollendet [2] TMKV Korperverletzung [2] TMVGSN Vergewaltigung, sexuelle Notigung [2] TMSKM sexueller Kindesmissbrauch [2] TMSSEX sonst. Sexualdelikt [2] TMRE Raub, Erpressung [2] TMHBU Hehlerei, Begiinstigung, Unterschlagung [2] TMBETRBetrug[2] TMURKF Urkundenfalschung [2] TMAUS Aussagedelikte [2] TMVMWI sonst. Vermogens- und Wirtschaftsdelikte [2] TMSACH Sachbeschadigung [2] TMWID Widerstand [2] TMHLB Haus- und Landfriedensbruch [2] TMDRBEL Drohung, Beleidigung [2]

234 TMDIEB Diebstahl [2] TMDIEBG Diebstahl geringwertiger Sachen [2] TMVOLL Vollrausch [2] TMTRST Trunkenheit am Steuer [2] TMVERK Sonstiges Verkehrsdelikt [2] TMFA Missbrauch von Notrufen [2] TMTQ Tierqualerei [2] TMBTM Betaubungsmittelgesetz [2] TMAND Andere [2]

Erste Brandstiftung in Tateinheit (TE) mit ATETOVS Totung, versucht [2] ATETOVO Totung, vollendet [2] ATEKV Korperverletzung [2] ATEVGSN Vergewaltigung, sexuelle Notigung [2] ATESKM sexueller Kindesmissbrauch [2] ATESSEX sonst. Sexualdelikt [2] ATERE Raub, Erpressung [2] ATEHBU Hehlerei, Begunstigung, Unterschlagung [2] ATEBETRBetrug[2] ATEURKF Urkundenfalschung [2]

Anhang D

235 ATEAUS Aussagedelikte [2] ATEVMWI sonst. Vermogens- und Wirtschaftsdelikte [2] ATESACH SachbescMdigung [2] ATEWID Widerstand [2] ATEHLB Haus- und Landfriedensbruch [2] ATEDRBEL Drohung, Beleidigung [2] ATEDIEB Diebstahl [2] ATEDIEBG Diebstahl geringwertiger Sachen [2] ATEVOLL Vollrausch [2] ATETRST Trunkenheit am Steuer [2] ATEVERK sonst. Verkehrsdelikt [2] ATEFA Missbrauch von Notrufen [2] ATETQ Tierqualerei [2] ATEBTM Betaubungsmittelgesetz [2] ATEAND Andere [2]

236

AnhangD

III. Kriminologie: Brandstiftung(en) BRANDE Zahl der aktuell angeklagten Brandstiftungen [2] 1-97 Brandstiftungen 98 = Zahl unklar 99 = keine Information ART Art der Brandstiftung(en) [2] 1 = einzel 2 = einzel+spree 3 = einzel+mass 4 = einzel+spree+mass 5 = spree 6 = serial 7 = mass 8 = spree+serial 9 = spree+mass 10 = serial+mass 11 = spree+serial+mass AALLEIN AUeintaterschaft [1] 0 = nein (d. h. Gemeinschaftstater) 1 = ja 9 = keine Information ATATORTTatort[l] 1 = GroBstadt 2 = Mittel-, Kleinstadt 3 = Dorf 4 = einzelne Hauser 5 = freie Landschaft 6 = sonstiges 9 = keine Information AOBJEKT Tatobjekt [2] 01 = offentl. Gebaude (Amt, Schule, Gaststatte etc.) 02 = Gehoft 03 = Wohnhaus 04 = Gartenhaus, Hiitte, Wohnwagen 05 = Stall, Scheune, Schuppen 06 = frei Gelagertes 07 = Heuhaufen etc. 08 = Papierkorb, Miillcontainer 09 = Fahrzeug 10 = freie Flache, Wald etc. 11= anderes 99 = keine Information AEIGENT Eigentum Tatobjekt [1] 1 = Tater 2 = Tater+Partnerin 3 = (ehem.) Partnerin 4 = Eltem 5 = Verwandte 6 = Freunde, Bekannte, Arbeitskollegen, Nachbam 7 = Arbeitgeber 8 = sonstiges 9 = keine Information ASCHADEN Schadenssumme [7] 1-9999998 Schaden in Mark, 9999999 = keine Information AMOTIVl Hauptmotiv [Klartext] AMOTIV2 Nebenmotiv [Klartext]

237

ASIMIP Sicherheit Identifikation Hauptmotiv Proband [1] 1 = vom Probanden angegeben 2 = vom Probanden vermutet 3 = vom Probanden als moglich angesehen 4 = vom Probanden vemeint 5 = vom Probanden nicht kommentiert 9 = keine Information ASIMIG Sicherheit Identifikation Motiv Gutachter [1] 1 = vom Gutachter sicher erschlossen 2 = vom Gutachter vermutet 3 = vom Gutachter als mogUch angesehen 4 = vom Gutachter vemeint 5 = vom Gutachter nicht kommentiert 9 = keine Information ASIM2P Sicherheit Identifikation Nebenmotiv Proband [1] 1 = vom Probanden angegeben 2 = vom Probanden vermutet 3 = vom Probanden als moghch angesehen 4 = vom Probanden vemeint 5 = vom Probanden nicht kommentiert 9 = keine Information ASIM2G Sicherheit Identifikation Nebenmotiv Gutachter [1] 1 = vom Gutachter sicher erschlossen 2 = vom Gutachter vermutet 3 = vom Gutachter als moglich angesehen 4 = vom Gutachter vemeint 5 = vom Gutachter nicht kommentiert 9 = keine Information Bei mehreren Brandstiftungen (spree, mass, serial und Kombinationen) wiederholen sich die Variablen fur die 2. bis 9. Brandstiftung von *ATETOVS* bis *ASIM2G* jeweils mit *BTETOVS* bis *BSIM2G* fur die 2. bis *ITETOVS* bis * ISIM2G* fiir die 9. Brandstifhing. Bei mehr als einer Brandstiftung Abstande zwischen den Taten: Generelle Kodiemng: 999 = keine Information ABTAT12 Zeitlicher Abstand von Tat 1 zu Tat 2 in Tagen [3 ABTAT23 Zeitlicher Abstand von Tat 2 zu Tat 3 in Tagen [3 ABTAT34 Zeitlicher Abstand von Tat 3 zu Tat 4 in Tagen [3 ABTAT45 Zeitlicher Abstand von Tat 4 zu Tat 5 in Tagen [3 ABTAT56 Zeitlicher Abstand von Tat 5 zu Tat 6 in Tagen [3 ABTAT67 Zeitlicher Abstand von Tat 6 zu Tat 7 in Tagen [3 ABTAT78 Zeitlicher Abstand von Tat 7 zu Tat 8 in Tagen [3 ABTAT89 Zeitlicher Abstand von Tat 8 zu Tat 9 in Tagen [3

238

AnhangD

IV. Kriminologie: Friihere Delinquenz Generelle Kodierung: 0 = nein 1-97 = Zahl der Taten bzw. Vemrteilungen 98 = Zahl der Taten bzw. Vemrteilungen unklar 99 = keine Information TTOVSZ Totung versucht, Anzahl [2] TTOVSV Totung versucht, Vemrteilungen [2] TTOVOZ Totung vollendet, Anzahl [2] TTOVOV Totung vollendet, Vemrteilungen [2] TKVZ Korperverletzung, Anzahl [2] T K W Korperverletzung, Vemrteilungen [2] TVGSNZ Vergewaltigung/sexuelle Notigung, Anzahl [2] TVGSNV Vergewaltigung/sexuelle Notigung, Vemrteilungen [2] TSKMZ sexueller Kindesmissbrauch, Anzahl [2] TSKMV sexueller Kindesmissbrauch, Vemrteilungen [2] TSSEXZ sonstiges Sexualdelikt, Anzahl [2] TSSEXV sonstiges Sexualdelikt, Vemrteilungen [2] TREZ Raub/Erpressung, Anzahl [2] TREV Raub/Erpressung, Vemrteilungen [2] THBUZ Hehlerei/Begiinstigung/Unterschlagung, Anzahl [2] THBUV Hehlerei/Begtinstigung/Unterschlagung, Vemrteilungen [2] TBETRZ Betmg, Anzahl [2] TBETRV Betmg, Vemrteilungen [2]

239 TURKFZ Urkundenfalschung, Anzahl [2] TURKFV Urkundenfalschung, Verurteilungen [2] TAUSZ Aussagedelikte, Anzahl [2] TAUSV Aussagedelikte, Verurteilungen [2] TVMWIZ sonst. Vermogens- und Wirtschaftsdelikte, Anzahl [2] TVMWIV sonst. Vermogens- und Wirtschaftsdelikte, Verurteilungen [2] TSACHZ Sachbeschadigung, Anzahl [2] TSACHV Sachbeschadigung, Verurteilungen [2] TWIDZ Widerstand, Anzahl [2] TWIDV Widerstand, Verurteilungen [2] THLBZ Haus- und Landfriedensbruch, Anzahl [2] THLBV Haus- und Landfriedensbruch, Verurteilungen [2] TDRBELZ Drohung/Beleidigung, Anzahl [2] TDRBELV Drohung/Beleidigung, Verurteilungen [2] TDIEBZ Diebstahl, Anzahl [2] TDIEBV Diebstahl, Verurteilungen [2] TDIEBGZ Diebstahl geringwertiger Sachen, Anzahl [2] TDIEBGV Diebstahl geringwertiger Sachen, Verurteilungen [2] TVOLLZ VoUrausch, Anzahl [2] TVOLLV VoUrausch, Verurteilungen [2]

240

Anhang D

TTRSTZ Trunkenheit am Steuer, Anzahl [2] TTRSTV Trunkenheit am Steuer, Verurteilungen [2] TVERKZ sonst. Verkehrsdelikte, Anzahl [2] TVERKV sonst. VerkehrsdeUkte, Verurteilungen [2] TFAZ Missbrauch von Notrufen, Anzahl [2] TFAV Missbrauch von Notrufen, Verurteilungen [2] TTQZ Tierqualerei, Anzahl [2] TTQV Tierqualerei, Verurteilungen [2] TBTMZ VerstoB gegen das Betaubungsmittelgesetz, Anzahl [2] TBTMV VerstoB gegen das Betaubungsmittelgesetz, Verurteilungen [2] TANDZ Andere und nicht spezifizierte Delikte, Anzahl [2] TANDY Andere und nicht spezifizierte Delikte, Verurteilungen [2] BRANDZ Brandstiftungen, Anzahl [2] BRANDV Brandstiftungen, Verurteilungen [2] ARTBRAND Art der Brandstiftung(en) [2] 1 = einzel 2 = einzel+spree 3 = einzel+mass 4 = einzel+spree+mass 5 = spree 6 = serial 7 = mass 8 = spree+serial 9 = spree+mass 10 = serial+mass 11= spree+serial+mass 99 = keine Information VORSTRAF Vorstrafen [1] 0 = keine 1 = ohne Haft 2 = Bewahrung 4 = Haft 9 = keine Information HAFT Bisherige Gesamthaftzeit in Monaten [3] 0 = keine 999 = keine Information

241 V.

Biografie: Herkunftsfamilie, Kindheit

AUFGEW Aufgewachsen iiberwiegend bei [2] 1 = beiden Eltem 2 = einem Eltemteil 3 = einem Eltemteil und eltemahnlicher Pflegeperson 4 = GroBeltem 5 = sonstige Verwandte 6 = Pflegefamilie 7 = Heim 8 = Intemat 9 = sonstiges 99 = keine Information PSSITFAM iiberwiegende psychosoziale Situation in Kindheit und Jugend [1] 0 = ungestortes harmonisches Milieu 1 = haufige schwere Konflikte 2 = ausgepragter materieller Mangel 3 = ungentigende emotionale Beziehungen 4 = sehr inkonsequente oder verwohnende Erziehung 5 = unverhaltnismaBige Strafen, Gewalttatigkeit 6 = anhaltende Kriminalitat von Familienmitgliedem 7 = sonstige ausgepragte Belastungen 8 = Kombination mehrerer Belastungsfaktoren 9 = keine Information SCHICHT Schichtzugehorigkeit der Primarfamilie nach Kleining und Moore [1] 1 = untere Unterschicht (Hilfsarbeiter, sozial Verachtete) 2 = obere Unterschicht (Facharbeiter) 3 = untere Mittelschicht (Beamte im mittleren Dienst, Angestellte, Meister) 4 = obere Mittelschicht (Arzte, Lehrer, selbstandige Handwerker) 5 = Oberschicht (Untemehmer, ltd. Manager) 9 = keine Information AUFKIJU Auffalligkeiten in Kindheit und Jugend [1] 0 = keine 1 = Sozialverhalten allgemein 2 = besondere Aggressivitat 3 = iiberangepasst, mangelnde Durchsetzungsfahigkeit 4 = Entwicklungsstorung 5 = emotionale Stoning 6 = Erziehungsprobleme 7 = sonstiges 8 = mehrere Problembereiche 9 = keine Information

242 VI. Biografie: Spezielle Faktoren Generelle Kodierung: 0 = nein 1 = ja 9 = keine Information ENUR Enuresis [1] FALARM Falsche Alarme [ 1 ] FEUSPIEL Brandverursachung vor dem 14. Lebensjahr [1] TIERQU Tierqualen vor dem 14. Lebensjahr [1] ZEUGE Zeuge eines Brandes/mehrerer Brande (nicht als Feuerwehrmann) [1] FWMT Feuerwehrkontakt (Mitglied der freiwilligen Feuerwehr, aus der freiwilligen Feuerwehr ausgeschlossen oder ausgetreten, als Mitgliedsbewerber abgewiesen) [1]

Anhang D

243

VII. Biografie: Ausbildung, Beruf SBIL Schulbildung [2] 0 = L-Schule ohne Abschluss 1 = L-Schule mit Abschluss 2 = Hauptschule ohne Abschluss 3 = Hauptschulabschluss 4 = Realschule ohne Abschluss 5 = Realschulabschluss 6 = Gymnasium ohne Abschluss 7 = Abitur 8 = sonstige weiterfuhrende Schule mit Abschluss 9 = keine Information 10 = derzeit L-Schtiler 11= derzeit Hauptschiiler 12 = derzeit Realschiiler 13 = derzeit Gymnasiast 99 = keine Liformation BERBIL Berufsausbildung [2] 0 = nie begonnen 1 = Lehre ohne Abschluss 2 = Lehre abgeschlossen 3 = Fachschule ohne Abschluss 4 = Fachschule abgeschlossen 5 = Hochschule ohne Abschluss 6 = Hochschule abgeschlossen 7 = sonstige Ausbildung ohne Abschluss 8 = sonstige Ausbildung abgeschlossen 9 = keine Information 10 = derzeit Lehrling 11= derzeit Fachschtiler 12 = derzeit Hochschiiler 13 = derzeit in sonstiger Berufsausbildung 14 = entfallt, derzeit Schtiler 99 = keine Information BERTAT Berufstatigkeit [2] 0 = Schiller 1 = Lehrling 2 = Fachschtiler u. a. 3 = Student 4 = Umschtiler in sonstiger Ausbildung 5 = arbeitslos 6 = Hausfrau/Hausmann 7 = ungelemt 8 = entfallt, Heimbewohner o. a. 9 = keine Information 10 = Angestellte oder Beamte im einfachen Dienst, gewohnlicher Facharbeiter und Handwerker 11= mittlerer Beamter und Angestellter, quahfizierter Facharbeiter 12 = leitender Beamter oder Angestellter 13 = kleinste Selbstandige 14 = kleine Gewerbetreibende 15 = selbstandige Handwerker, Landwirte, Kleinbetriebe 16 = Akademiker, selbstandig 17 = Akademiker, angestellt 18 = groBere Untemehmer 19 = sonstige 99 = keine Information KONSTARB Konstanz am Arbeitsplatz [1] 1 = iiberwiegend stabile, mehr als einjahrige Arbeitsverhaltnisse 2 = haufiger Stellenwechsel, Anstellungen oft unter einem Jahr 8 = nicht zutreffend, Schtiler, Hausfrau etc. 9 = keine Information

244

Anhang D

VIII. Soziale Situation ALT Alter zur Tatzeit in Jahren [2] 99 = keine Information SEXGeschlecht[l] 1 = mannlich 2 = weiblich FAMSTD Familienstand [1] 1 = ledig alleinlebend 2 = ledig in Partnerschaft 3 = verheiratet 4 = verwitwet 5 = getrennt 6 = geschieden alleinlebend 7 = verwitwet/getrennt/geschieden in neuer Partnerschaft 9 = keine Information KULTUR Kultureller Hintergrund der Primarfamilie [1] 1 = Deutschland 2 = sonstiges Mittel- und Nordeuropa 3 = Stideuropa, Mittelmeerraum 4 = Osteuropa 5 = Tiirkei/Islam 6 = Asien 7 = sonstiger 9 = keine Information GAF GAF-Skala (DSM-IV Achse V) [2] 99 = keine Information IV Psychosoziale Belastung Achse IV DSM-IV [1] 1 = keine 2 = leicht 3 = mittel 4 = schwer 5 = sehr schwer 6 = katastrophal 9 = keine Information

245 IX. Anamnese: Somatisch SOMERKR Schwere somatische Erkrankung in der Vorgeschichte [1] 0 = nein 1 = ja 9 = keine Information PATHSCHW Pathologische Schwangerschaftsoder Geburtsanamnese [1] 0 = nein 1 = ja 9 = keine Information ENTWVERZ Deutliche fruhkindliche Entwicklungsverzogerung [1] 0 = nein 1 = ja 9 = keine Information SHT Friiheres Schadel-Him-Trauma[l] 0 = nein 1 = ja 9 = keine Information

246 X.

Anhang D Anamnese: Psychiatrisch

PSYFAMAN Psychische Erkrankungen in der Familie [1] 0 = nein 1 = ja 9 = keine Information ARTERKR Art der Erkrankung [1] 0 = keine 1 = schizophren/schizoaffektiv 2 = affektiv 3 = Sucht 4 = organisch 5 = schizophren/schizoaffektiv+Sucht 6 = affektiv+Sucht 7 = schizophren/schizoaffektiv und affektiv 8 = mehrere und sonstige 9 = keine Information SVIEIG Suizidversuche, gesamtzahl [2] 99 = keine Information PSYSTAT Stat, psychiatrische Behandlungen, Anzahl [2] 0 = keine 99 = keine Information AUFNGR Uberwiegender Aufnahmegrund, Art der Stoning [1] 0 = entfallt 1 = organisch 2 = Sucht 3 = schizophren/schizoaffektiv 4 = affektiv 5 = Personlichkeits-storung/Neurose 6 = Suizidalitat 7 = psychosoziale Krise 8 = sonstige 9 = keine Information GRAMB Grund fiir ambulante psychiatrische Behandlung, Art der Stoning [1] 0 = keine 1 = organisch 2 = Sucht 3 = schizophren/schizoaffektiv 4 = affektiv 5 = Personlichkeitsstorung/Neurose 6 = Suizidalitat 7 = psychosoziale Krise 8 = sonstiges 9 = keine Information

247

XI. Anamnese: Sexualitat SEXANAM Sexualanamnese/sexuelle Auffalligkeiten [2] 0 = keine 1 = Funktionsstorung 2 = Sadomasochismus 3 = Voyeurismus 4 = sex. Aggression 5 = Padophilie 6 = Exhibitionismus 7 = Inzesttater 8 = Prostitution 9 = keine Information 10 = sonstige, Kombination OPFSEX Selbst Opfer von Sexualdelikten [1] 0 = nein 1 = ja 9 = keine Information SEXAUS Sexuelle Ausrichtung [1] 1 = homosexuell 2 = heterosexuell 3 = bisexuell 9 = keine Information PARTAN Partnerbeziehungen, anamnestisch, allgemein [1] 0 = keine 1 = iiberwiegend zufriedenstellend 2 = iiberwiegend nicht zufriedenstellend 9 = keine Information SEXBEZ Sexuelle Partnerbeziehung zur Tatzeit [1] 0 = keine 1 = iiberwiegend zufriedenstellend 2 = iiberwiegend nicht zufriedenstellend 9 = keine Information

248

XII. Psychopathologie zum Tatzeitpunkt 1 Generelle Kodierung: 0 = nicht vorhanden 1 = leicht 2 = mittel 3 = schwer 8 = fraglich 9 = keine Information ABEWSTRG Bewusstseinsstorung [1] AORSTRG Orientierungsstorung [1] AAUFSTRG Aufmerksamkeitsstorung [1] AGEDSTRG Gedachtnisstorung [1] AFDKSTRG Formale Denkstorung [1] ABEFU Beffirchtungen [1] AZWANGZwange[l] AWAHNWahn[l] ASINN Sinnestauschungen [1] AICHSTRG Ich-Stomngen [1] AAFFSTRG Affektive Storungen [1] AANTSTRG Antriebsstomngen [1] APMSTRG Psychomotorische Storungen [1] Fiir weitere Taten Wiederholung der Variablen *ABEWSTRG* bis *APMSTRG* bis maximal 9 Taten als *IBEWSTRG* bis *IPMSTRG*.

Anhang D

249 XIII. Befunde zum Untersuchungszeitpunkt, Psychopathologie nach AMDP Generelle Kodierung: 0 = nicht vorhanden, 1 = leicht 2 = mittel 3 = schwer 8 = fraglich 9 = keine Information UBEWSTRG Bewusstseinsstorung [1] UORSTRG Orientierungsstorung [1] UAUFSTRG Aufmerksamkeitsstorung [1] UGEDSTRG Gedachtnisstorung [1] UFDKSTRG Formale Denkstorung [ 1 ] UBEFU Befurchtungen [1] UZWANGZwange[l] UWAHNWahn[l] USINN Sinnestauschungen [1] UICHSTRG Ich-Storungen [1] UAFFSTRG Affektive Storungen [1] UANTSTRG Antriebsstorungen [1] UPMSTRG Psychomotorische Storungen [1] IQ Intelligenz [2] 1 = debil (IQ unter 69 geschatzt) 2 = debil psychiatrisch gepriift 3 = debil gemessen 4 = grenzdebil (IQ 70-84 geschatzt) 5 = grenzdebil gepruft 6 = grenzdebil gemessen 7 = durchschnittlich (IQ 85-115 geschatzt) 8 = durchschnittlich psychiatrisch gepruft 9 = keine Information 10 = durchschnittlich gemessen 11= Uberdurchschnittlich (IQ liber 115 geschatzt) 12 = tiberdurchschnittlich psychiatrisch gepruft 13 = uberdurchschnittlich gemessen 99 = keine Information

250

Anhang D

HO Himorganiktests [1] 0 = nicht durchgefuhrt 1 = im wesentlichen im Normbereich 2 = leichte bis maBige Abweichungen 3 = erhebliche Normabweichungen 9 = keine Information PK Personlichkeitsfragebogen [1] 0 = nicht durchgefuhrt 1 = im wesentlichen im Normbereich 2 = leichte bis maBige Normabweichungen 3 = erhebliche Normabweichungen 9 = keine Information FT Projektive Tests [1] 0 = nicht durchgeftihrt 1 = im wesentlichen im Normbereich 2 = leichte bis maBige Abweichungen 3 = erhebliche Normabweichungen 9 = keine Information KORP Korperliche einschlieBlich neurologische Untersuchung [1] 0 = nicht durchgefiihrt 1 = im wesentlichen normal 2 = leichte bis maBige Abweichungen 3 = erhebliche Abweichungen 9 = keine Information LABOR Labor [1] 0 = nicht durchgeftihrt 1 = im wesentlichen im Normbereich 2 = leichte bis maBige Abweichungen 3 = erhebliche Normabweichungen 9 = keine Information EEGEEG[1] 0 = nicht durchgefiihrtl = im wesentlichen im Normbereich 2 = leichte bis maBige Abweichungen 3 = erhebliche Normabweichungen 9 = keine Information BILD Bildgebende Verfahren [1] 0 = nicht durchgeftihrt 1 = im wesentlichen im Normbereich 2 = leichte bis maBige Abweichungen 3 = erhebliche Normabweichungen 9 = keine Information

251

XIV. Psychotrope Substanzen bei der Tat Generelle Kodierung: 0 = kein Einfluss 1 = Substanz vom Pdn. angegeben 2 = Substanzaufnahme von Zeugen bestatigt 3 = laborchemischer Nachweis 9 = keine Information

Bei Tat 1: AOPIAT Opiate [1] AHASCH Cannabis [1] ABENZO Benzodiazepine [1] ASED/HYP Sonstige Sedativa/Hypontika [1] AKOKSKokain[l] AAMPHE Amphetamine [1] ASSTIM Sonstige Stimulantien [1] AHALLU Halluzinogene [1] ACHLOME Chlomethiazoi [1] APSYPHAR Psychopharmaka (auBer Benzodiazepine und andere Sedativa, Chlomethiazoi) [1] ADESIGN Designerdrogen [1] AALKAlkohol[l] ASONS Sonstiges [1]

252 AALKAP Alkoholisiemng nach Angaben des Probanden [1] 0 = nein 1 = angetmnken 2 = betrunken 3 = voUtrunken 8 = Proband macht keine Angaben 9 = keine Information AALKAZ Alkoholisiemng nach Zeugenaussagen [1] 0 = nein 1 = angetmnken 2 = betmnken 3 = volltmnken 8 = entfallt, keine Zeugen 9 = keine Information AALKAG Alkoholisiemng nach Gutachter inhaltlich [1] 0 = nein 1 = angetmnken 2 = betmnken 3 = volltmnken 9 = keine Information AALKGSCH Alkoholisiemng gutachthch geschatzt [1] 0 = nein 1 = bis 1 Promille 2 = bis 2 Promille 3 = bis 3 Promille 4 = iiber 3 Promille 8 = keine Schatzung moghch 9 = keine Schatzung abgegeben AALKGEM Alkoholisiemng gemessen [1] 0 = nein 1 = bis 1 Promille 2 = bis 2 Promille 3 = bis 3 Promille 4 = iiber 3 Promille 8 = keine Berechnung vorgenommen 9 = keine Messung durchgefixhrt

Fur weitere Taten: Wiederholung der Variablen *AOPIAT* bis *AALKGEM* bis maximal 9 Taten als *IOPIAT* bis *IALKGEM*.

Anhang D

253 XV. Psychotrope Substanzen, Konsum im letzten Jahr vor der Tat Generelle Kodierung 0 = nein 1 = ja 9 = keine Information KOPIAT Opiate [1] KHASCH Cannabis [1] KBENZO Benzodiazepine [1] KSED/HYP sonst. Sedativa/Hypnotika [1] KKOKSKokain[l] KAMPHE Amphetamine [1] KSSTIM sonst. Stimulantien [1] KHALLU Halluzinogene [1] KCHLOME Chlomethiazol [1] KPSYPHARM Psychopharmaka (auBer Benzodiazepine und andere Sedativa, Chlomethiazol) [1] KDESIGN Designerdrogen [1] KALKAlkohol[l] KSONS Sonstiges [1]

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Anhang D

XVI. Psychotrope Substanzen: Konsumverhalten Generelle Kodierung: 0 = nicht zutreffend 1 = ja 8 = nicht sicher beurteilbar 9 = keine Information SCHADEN tatsachliche korperliche oder psychische Schadigung durch den Substanzkonsum [1] WUNSCH starker Wunsch, Zwang zum Konsum [1] KONTROLL KontroUverlust [1] TOLERANZ Toleranzentwicklung [1] VERNACHL Vemachlassigung anderer Vergnugungen oder Interessen zu Gunsten des Konsums [1] ANHALTK Anhaltender Konsum trotz eindeutiger schadlicher Folgen (korperlich, psychisch) [1] EINGEENT Eingeengtes Verhaltensmuster im Umgang mit der Substanz, normabweichender Konsum [1]

255 XVII. Forensisch-psychiatrische Tatanalyse Generelle Kodierung: 0 = sicher nicht vorhanden 1 = eher nicht vorhanden 2 = eher vorhanden 3 = sicher vorhanden 9 = keine Information

Bei Tat 1: AMELDET Meldet den Brand [1] ABEKENNT Bekennt die Tat sofort von sich aus [1] AAMORT Am Tatort angetroffen bzw. unter den Zuschauem [1] AHILFT Hilft beim Loschen [1] AMASTBEI Masturbiert am Tatort [1] AKONFL In der Vorgeschichte langdauemder Konflikt zwischen Tater und Eigentiimer des Brandobjekts [1] AAKON Akuter Konflikt zwischen Tater und Eigentumer des Brandobjekts [1] AKOFA Konstellative Faktoren [1] APROVO Enger Zusammenhang Provokation/Tat [1] AABRUFT Abrupter, impulsiver Tatablauf ohne Sicherungstendenzen [1] AVEG Vegetative, psychomotorische und psychische Begieiterscheinungen heftiger Affekte [1] AERSCH Foigeverhaiten mit schwerer Erschtitterung [1] AANK Ankundigung der Tat [1] AANLAUF Aggressive Handlungen in der Tatanlaufzeit [1] AVORBER Vorbereitungshandlungen fiir die Tat [1]

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Anhang D

AKONST Beziehung zum Eigenttimer des Brandobjektes [1] AREAKT erhaltene Reaktionsfahigkeit [1] ALANGHIN lang hingezogenes Tatgeschehen [1] AZIELGER Zielgerichtete Gestaltung des Tatablaufs, plamnaBiges Vorgehen [1] AKOMPLEX Komplexer Handlungsablauf in Etappen [1] AKOMMENT Zustimmende Kommentierung des Tatgeschehens [1] AAHNLICH Ahnliche Handlungsbereitschaft in der Lebensgeschichte beobachtbar [ 1 ] AGEORDN Geordnetes Verhalten nach der Tat [1] AANPASS Erhaltene Anpassungsfahigkeit an wechselnde Erfordemisse der Situation [1] AWARTEN Fahigkeit, auf Gelegenheit zur Tat zu warten [1] AVORSORG Vorsorge gegen Entdeckung [1] AANDERS Anamnestisch unter vergleichbaren Umstanden Fahigkeit zu anderem Verhalten [1] ASTEREO Tat ist Ausdruck stereotypen Verhaltens [1] ANEUROL Neurologische Ausfallserscheinungen (Motorik, Koordination, Sprache, Gleichgewicht) [1] INSTRU Instrumentalitat [1] AANTEM Antezendente Emotion [Klartext] Fur weitere Taten: Wiederholung der Variablen *AMELDET* bis *AANTEM* bis maximal 9 Taten als *IMELDET* bis *IANTEM*

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XVIII. Verhalten bei der Exploration AUSEXPL Kooperation bei der Exploration [1] 0 = Exploration abgelehnt 1 = schlechte Kooperation, sehr liickenhafte Angaben 2 = maBige Kooperation, unvoUstandige Angaben 3 = gute Kooperation, unvoUstandige Angaben 4 = gute Kooperation, voUstandige Angaben 9 = keine Information

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Anhang D

XIX. Forensische Beurteilung des Einflusses psychotroper Substanzen

BeiTat 1: FBEPSl Forensisch relevanter Einfluss bei Tat 1 [1] 0 = kein Einfluss 1 = Einfluss j a, aber forensisch irrelevant 2 = Zurechnungs-ZSchuldfahigkeit aufgehoben 3 = aufgehobene Zurechnungs-ZSchuldfahigkeit nicht ausgeschlossen 4 = Zurechnungs-ZSchuldfahigkeit erheblich vermindert 5 = erheblich verminderte Zurechnungs-ZSchuldfahigkeit nicht ausgeschl. 6 = Zurechnungs-ZSchuldfahigkeit unspezifisch alteriert 7 = Zurechnungs-ZSchuldfahigkeit unspezifisch alteriert nicht ausgeschl. 8 = Stellungnahme auf Hauptverhandlung verschoben 9 = keine Information SFBPSIG Sicherheit der forensischen Beurteilung des Einflusses psychotroper Substanzen aus der Gutachterperspektive [1] 1 = sehr sicher, Gutachter hat keine Zweifel 2 = maBig sicher, Gutachter zweifelt 3 = unsicher 9 = keine Information SFBPSIR Sicherheit der forensischen Beurteilung des Einflusses psychotroper Substanzen aus der Raterperspektive [1] 1 = gut nachvoUziehbar 2 = maBig nachvoUziehbar 3 = nicht nachvoUziehbar 8 = entfallt, keine Stellungnahme bzw. kein Einfluss

Fur weitere Taten: Wiederholung der Variablen *FBEPS1* bis *SFBPS1R* bis maximal 9 Taten als *FBEPS9* bis *SFBPS9R*.

259 XX. Vollstandigkeit und Qualitat des forensisch-psychiatrischen Gutachtens GESBEW gesamtbewertung der Datenbasis fur die forensisch-psychiatrische Begutachtung [1] 0 = weder ausreichende subjektive noch objektive Angaben 1 = im wesentlichen nur subjektive Angaben des Probanden 2 = subjektive Angaben und Tatzeugen 3 = keine subjektiven Angaben, nur Tatzeugen 4 = widerspriichliche Angaben, unsichere Datenbasis, ausreichend umfassende Datenbasis 8 = nicht beurteilbar Kodierung fiir die folgenden Variablen: 0 = nicht vorhanden 1 = kursorisch/unvollstandig 2 = ausreichend 3 = umfassend 8 = nicht beurteilbar AKTAUSZ Aktenauszug [1] ANAMN Anamnese, somatisch [1] FAMANAM FamiUenanamnese [1] SEXANAMN Sexualanamnese [1] ALLGMB AUgemeimnedizinischer Befund [1] NEUROLB Neurologischer Befund [1] PSYCHB Psychischer Befund [1] VOREIN Hinweise fiir Voreingenommenheit gegen den Probanden und/oder Perzeption von ProzessroUen durch den Gutachter [1] 0 = nein 1 = teilweise 2 = ja 8 = nicht beurteilbar IDENT Hinweise fiir Identifikation fiir den Probanden und/oder Einnahme einer Therapeutenrolle durch den Gutachter [1] 0 = nein 1 = teilweise 2 = ja 8 = nicht beurteilbar SCHLtJSS Schliissigkeit des Gutachtens [1] 0 = nein, widerspriichhch 1 = im groBen und ganzen ja 2 = uneingeschrankt ja 8 = nicht beurteilbar

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Anhang D

XXI. Psychiatrische Diagnosen DIAGl Diagnose 1 [Klartext] DIAGIICD Diagnose 1 nach ICD-10 [4] BDIAGl Bedeutung von Diagnose 1 fiir die forensische Beurteilung [1] 1 = entscheidend 2 = wichtig 3 = unwichtig 8 = nicht beurteilbar DIAG2 Diagnose 2 [Klartext] DIAG2ICD Diagnose 2 nach ICD-10 [4] BDIAG2 Bedeutung von Diagnose 2 fiir die forensische Beurteilung [1] 1 = entscheidend 2 = wichtig 3 = unwichtig 8 = nicht beurteilbar DIAG3 Diagnose 3 [Klartext] DIAG3ICD Diagnose 3 nach ICD-10 [4] BDIAG3 Bedeutung von Diagnose 3 fur die forensische Beurteilung [1] 1 = entscheidend 2 = wichtig 3 = unwichtig 8 = nicht beurteilbar

261 XXII. Somatische Diagnosen SDIAGl Somatische Diagnose 1 [Klartext] SDIAG2 Somatische Diagnose 2 [Klartext] SDIAG3 Somatische Diagnose 3 [Klartext]

XXIII. Sicherheit der forensisch-psychiatrischen Einordnung und Beurteilung SDGDiagnose(n)[l] 1 = sehr sicher, Gutachter hat keine Zweifel 2 = maBig sicher, Gutachter hat Zweifel, es tiberwiegen jedoch Anhaltspunkte fiir die diagnostische Zuordnung 3 = unsicher 8 = nicht beurteilbar SDRATER Raterbeurteilung der Diagnosen [1] 1 = gut nachvoUziehbar 2 = maBig nachvoUziehbar 3 = nicht nachvoUziehbar SDSR Schuld- bzw. Zurechnungsfahigkeit [1] 1 = sehr sicher, Gutachter hat keine Zweifel 2 = maBig sicher, es tiberwiegen jedoch Anhaltspunkte fiir die getroffene Zuordnung 3 = unsicher 8 = nicht beurteilbar SSRATER Raterbeurteilung der Schuld bzw. Zurechnungsfahigkeit durch den Gutachter [1] 1 = gut nachvoUziehbar 2 = maBig nachvoUziehbar 3 = nicht nachvoUziehbar

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Anhang D

XXIV. Gesetzliche Kriterien Generelle Kodierung: 0 = nein 1 = ja, alle Taten 2 = ja, einige Taten 8 = entfallt, nicht zutreffend 9 = keine Information Vor 1933 entfallt die Kategorie "erheblich verminderte Zurechnungs- bzw. Schuldfahigkeit", bis 1975 entfallen die Begrifflichkeiten der §§ 20,21, nach 1975 diejenigen des § 51 StGB BEWST51 Bewusstseinsstorung (§51) [1] KSTG51 Krankhafte Stoning der Geistestatigkeit (§51) [1] GSCHW51 Geistesschwache (§51) [1] KRSST20 Krankhafte seelische Stoning (§§ 20,21) [1] TBEWST20 Tiefgreifende Bewusstseinsstorung (§§ 20,21) [1] SCHS20 Schwachsinn (§§ 20,21) [1] SCHASA20 Schwere andere seelische Abartigkeit (§§ 20,21) [1] EA Einsichtsfahigkeit aufgehoben (§51 Abs. 1, §20) [1] EANA Aufgehobene Einsichtsfahigkeit (§51 Abs. 1, §20) nicht ausgeschlossen [1] STA Steuemngsfahigkeit aufgehoben (§51 Abs. 1, §20) [1] STANA Aufgehobene Steuemngsfahigkeit (§51 Abs. 1, §20) nicht ausgeschlossen [1] AOS Zurechnungs-bzw. Schuldunfahigkeit (§51 Abs. 1, §20) ohne Spezifizierung [1] AOSNA Zurechnungs-bzw. Schuldunfahigkeit (§51 Abs. 1, §20) ohne Spezifizierung nicht ausgeschlossen [1] EEV Einsichtsfahigkeit erheblich vermindert (§51 Abs. 2, §21) [1]

263 EEVNA Erheblich verminderte Einsichtsfahigkeit (§51 Abs.2, §20) nicht ausgeschlossen [1] STEV Steuerungsfahigkeit erheblich vermindert (§51 Abs.2, §21) [1] STEVNA Erheblich verminderte Steuerungsfahigkeit (§51 Abs.2, §21) nicht ausgeschlossen [1] EVOS Zurechnungs- bzw. Schuldfahigkeit (§51 Abs.2, §21) ohne Spezifizierung erheblich vermindert [1] EVOSNA Erheblich verminderte Zurechnungs- bzw. Schuldfahigkeit (§51 Abs.2, §20) ohne Spezifizierung nicht ausgeschlossen [1] KEINEEIN Keine Einschrankung der Schuld- bzw. Zurechnungsfahigkeit [1] HAUPTV Stellungnahme auf die Hauptverhandlung verschoben [1] STLG105 Reifebeurteilung 0 = nein 1 = Jugendlichem gleichzustellen 2 = nicht gleichzustellen

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Anhang D

XXV. MaHnahmeempfehlung MASSN Art der MaBnahme [1] 0 = keine 1 = Unterbringung psychiatrisches KLrankenhaus 2 = Unterbringung Entziehungsanstalt 3 = ambulante Behandlung 4 = Sicherungsverwahrung 8 = entfallt, voll zurechnungs- bzw. schuldfahig 9 = keine Information THERSCH Therapeutischer Schwerpunkt [1] 0 = nicht spezifiziert 1 = Psychopharmaka 2 = spezifische Psychotherapie 3 = stiitzende Psychotherapie 4 = Psychotherapie nicht spezifiziert 5 = Soziotherapie 6 = padagogische MaBnahmen, Ausbildung 7 = spezifische Suchttherapie 8 = entfallt, keine Therapie empfohlen 9 = keine Information

XXVI. Prognose Generelle Kodierung: 1 = eher giinstig 2 = eher ungiinstig 7 = ungewiss 8 = nicht beurteilbar 9 = keine Information PROGOB Prognose ohne Behandlung [1] PROGMB Prognose mit Behandlung [1] FROGUNSP Prognose unspezifiziert [1]

Anhang E

Forensisch-psychiatrische Tatanalyse-ltems Bewertung: sicher nicht vorhanden bedeutet, dass es gar keine Hinweise auf das Vorliegen des Merkmals gibt; eher nicht vorhanden bedeutet, dass es nur wenig oder diskrete Hinweise auf das Vorhandensein des Merkmals gibt, jedoch mehr fur das Nichtvorhandensein des Merkmals spricht, eher vorhanden bedeutet, dass einige Hinweise fur das Vorhandensein des Merkmals sprechen, jedoch eine gewisse Unsicherheit bleibt, da die Kriterien nur teilweise erfiillt sind; sicher vorhanden bedeutet, dass die wesentlichen Kriterien fiir das Vorhandensein des Merkmals erfiillt sind.

AMELDET Meldet den Brand K = 1,0 Proband informiert Feuerwehr oder Polizei femmiindlich iiber den Brand oder macht Anwohner auf das Feuer aufmerksam. ABEKENNT Bekennt die Tat von sich aus K = 0,91 Proband begibt sich aus eigenem Antrieb zu Ermittlungsbeamten, Feuerwehrleuten, Umstehenden usw. und gibt sich als Verursacher des Brandes zu erkennen. Nicht zu kodieren, wenn Proband auf Frage von Ermittlungsbeamten oder anderen die Tat sofort zugibt. AAMORT Am Tatort K = 1,0 Proband wird wahrend des Brandes am Tatort angetroffen. Nicht zu kodieren, wenn sich der Proband eigenen Einlassungen zufolge unbeobachtet am Tatort aufhielt und sich aus den Akten kein Hinweis darauf ergibt, dass er gesehen wurde.

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Anhang E

AHILFT Hilft beim Loschen K = 1,0 Proband beteiligt sich aktiv an den Loscharbeiten, nicht zu kodieren, wenn der Proband in dienstlicher Funktion als Mitglied der freiwilligen Feuerwehr tatig wird. AMASTBEI Masturbiert am Tatort K = 1,0 Proband wurde masturbierenderweise am Tatort angetroffen oder gibt in polizeilichen Vemehmungen oder bei der Exploration an, masturbiert zu haben. AKONFL Langer Konflikt K = 0,52 In der Vorgeschichte langdauemder Konflikt zwischen Tater und Eigentiimer des Brandobjekts. Es bestehen Wochen bis Jahre dauemde, schwere innere und auBere Konflikte mit dem Eigentumer des in Brand gesetzten Objektes, das Erleben des Taters wird immer starker durch die Konflikte und durch das gleichzeitige Bemiihen bestimmt, die ansteigende Spannung zu beherrschen. Der Akt der Beherrschung bringt jedoch keine Losung der Situation, sondem wird zur Hauptursache fiir die zunehmende Stoning des Motivationsgefiiges. AAKON Akuter Konflikt zwischen Tater und Opfer K = 0,64 Es besteht ein Stunden bis maximal Tage zurtickliegender Konflikt zwischen Tater und Eigenttimer des in Brand gesetzten Objekts. Nicht zu kodieren, wenn "lang dauemder Konflikt" [s. o.] oder "enger Zusammenhang Provokation/Tat" [s. u.] vorliegen. APROVO Enger Zusammenhang Provokation/Tat K = 0,64 Erkennbarer inhaltlicher und zeitlicher Zusammenhang zwischen einer Provokation und darauf folgender Erregung. Kriterium fiir die Provokation ist die nachvoUziehbare Wirkung auf den Tater, unabhangig von einer Absicht des Opfers. Als nachvoUziehbar kann eine Provokation auch dann gelten, wenn sie "den letzten Tropfen" darstellt, der das Pass zum Uberlaufen bringt oder ein "Kodewort" die Provokation darstellt. Die Reaktion in Form der Brandstiftung muss in der durch die Provokation entstandenen emotionalen Aufwallung erfolgen, der Abstand zwischen Provokation, affektiver Erregung und Tat darf nur kurz sein.

267 AKOFA Konstellative Faktoren K = 0,44 Zusatzliche Faktoren, die das psychische Geschehen modifizieren, ohne selbst den Grad einer krankhaften Stoning zu erreichen, wie Einfluss psychotroper Substanzen, Erschopfling, Ubermiidung, vegetative Regulationsstorungen infolge vorausgegangener Labilisiemng in der Konfliktphase. AABRUPT Impulsiver Tatablauf ohne Sicherungstendenzen K = 0,68 Die Tat erfolgt mit groBer Energie und Schnelligkeit, elementarer Wucht. Der later nimmt wenig Rticksicht auf die eigene Person, auf Schmerz und Verletzungen, wie auch auf die auBere Situation, lasst Sicherungstendenzen, wie etwa die Bereitstellung von FluchtmogUchkeiten und den Schutz vor Entdeckung auBer Acht. AVEG Beschleiterscheinungen K = 0,56 Vegetative, psychomotorische und psychische Begleiterscheinungen heftiger Affekte. Starke vegetative Fehlsteuerungen wie Zittem, auffallende Blasse, Gesichtsrotung, orthostatische Fehkegulation, stark gesteigerte Psychomotorik, Derealisations- und Depersonalisationsphanomene, hier jedoch nicht psychologisch einfiihlbare Neigung des Taters, sich vom DeUkt mit der AuBerung zu distanzieren, er sei es "nicht selbst" gewesen. AERSCH Folgeverhalten mit schwerer Erschiitterung K = 0,75 Fassungsloses Erstaunen, Weinen, seehscher "Zusammenbruch" bis hin zu Suizidhandlungen des Taters nach der Tat. AANK Anklindigung der Tat K = 1,0 Die Tat wird in miindhcher oder schrifthcher Form gegeniiber dem Eigentiimer des in Brand gesetzten Objektes oder gegeniiber Dritten oder auch nur in personlichen Notizen angekiindigt. AANLAUF Aggressive Handlungen in der Tatanlaufzeit K = 0,38 Gemeint sind aggressive Handlungen, die in der Handlungskontinuitat noch von der spateren Tat abgegrenzt werden konnen, unabhangig von der Intensitat der Aggressionshandlung [z. B. Proband schlagt seine Ehefrau, nach einem darauf folgenden Streit setzt er das gemeinsame Haus in Brand].

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Anhang E

AVORBER Vorbereitungshandlungen fur die Tat K - 0,68 Vorbereitungshandlungen wie Erstehen oder Mitnehmen eines Brandbeschleunigers, Sicherungshandlungen gegen Beobachtung etc. AKONST Beziehung K = 0,79 Es besteht eine Beziehung zwischen dem Eigenttimer des in Brand gesetzten Objektes und dem Tater, beispielsweise Ehe, Arbeitsverhaltnis etc. Nicht zu kodieren, wenn "wahllos" etwas angeziindet wurde, beispielsweise der Keller eines Nachbarhauses, wobei angenommen werden kann, dass der Tater seine Nachbam kennt, jedoch keine direkte Schadigungsabsicht gegentiber den Nachbam besteht. AZIELGER Zielgerichtete Tatgestaltung K = 0,64 Zielgerichtete Gestaltung des Tatablaufes, planmaBiges Vorgehen. Proband geht geordnet und zielgerichtet vor, handelt eventuell sogar nach einem vorgefassten Plan. Nicht zu kodieren, wenn der Tater rasch und ohne erkennbare Uberlegung reagiert, wenn fehlende Ubersicht oder "reflexahnliche" Reaktionen des Taters sichtbar wurden. ALANGHIN Lang hingezogenes Tatgeschehen K = 0,56 Zwischen erkennbarem Beginn der potenziellen Tatbereitschaft [z. B. Tatplanerstellung] und der Beendigung der Tat [ohne Tatnachfolgehandlungen wie Spurenbeseitigung] verging langere Zeit, mindestens einige Stunden. AKOMPLEX Komplexer Handlungsablauf in Etappen K = 0,44 Die Tat lasst sich in mehrere Etappen aufgliedem, wobei es zu wechselnden Situationen und z. B. dem Zusammenwirken mit anderen Tatem oder dem Bedienen komplizierter Gerate kam, auch anspruchsvoUe motorische und Koordinationsleistungen, Handlungsunterbrechungen. AKOMMENT Zustimmende Kommentierung des Tatgeschehens K = 0,75 Der Proband druckt direkt oder indirekt vor, wahrend oder unmittelbar nach der Tat seine Zustimmung aus ["jetzt brennt es endlich!"] oder zum Ergebnis der Brandstiftung aus.

269 AAHNLICH Ahnliche Handlungsweise in der Lebensgeschichte K = 0,64 Bereits frtxher war eine ahnliche Handlungsbereitschaft erkennbar (z. B. angekundigte Brandstiftungen). Kodiert werden ebenfalls fruhere Brandstiftungen, die poUzeibekannt sind oder vom Probanden bei der Exploration eingeraumt wurden. AGEOIIDN Geordnetes Verhalten nach der Tat K = 0,56 Der Tater verlasst den Tatort nicht in panikartiger Flucht, er trifft MaBnahmen, einen unauffalligen Riickzug zu ermoglichen oder seine Taterschaft zu verschleiem. AANPASS Anpassungsfahigkeit K = 0,64 Erhaltene Anpassungsfahigkeit an wechselnde Erfordemisse der Situation: Der Tater ist in der Lage, bei unerwartet auftauchenden Hindemissen oder nicht vorhersehbaren Schwierigkeiten bei der Durchfuhrung der Tat sich an die neue Situation anzupassen, einen bereits gefassten Plan entsprechend zu modifizieren. AWARTEN Fahigkeit, auf die Gelegenheit der Tat zu warten K = 0,73 Bei einem langer vorbereiteten Plan ist der Tater in der Lage, auf eine gtinstige Gelegenheit zu warten, die ihm beispielsweise ermoglicht, den gewiinschten Erfolg der Tat mit besonderer Sicherheit und ohne groBeres eigenes Risiko herbeizufuhren. AVORSORG Vorsorge gegen Entdeckung K = 0,68 Der Tater verhalt sich vor und wahrend der Tat so, dass die Ermittlung seiner Taterschaft erschwert wird, beispielsweise, indem er sich iiberzeugt, keine Zeugen zu haben bzw. davon, nicht iiberrascht werden zu konnen, Tragen von Handschuhen zur Vermeidung von Fingerabdrucken, dafur Sorge Tragen, dass ermittlungsrelevante Gegenstande verbrennen usw. AANDERS Fahigkeit, anders zu handeln K = 0,42 Anamnestisch unter vergleichbaren Umstanden Fahigkeit zu anderem Verhalten: Der Tater hat sich bereits mehrfach in vergleichbaren Situationen befunden, ohne dass es zu einem Delikt wie der aktuellen Brandstiftung kam, beispielsweise ahnliche konfliktreiche Beziehungen zu einem anderen Partner.

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Anhang E

ASTEREO Tat ist Ausdruck stereotypen Verhaltens K = 0,49 Im Verhalten des Taters lassen sich bei ahnlicher auBerer Konstellation immer gleich ablaufende Verhaltensweisen erkeimen, z. B. Keller- oder Papierkorbbrandstiftungen nach alkoholisiertem Verlassen des Wirtshauses auf dem Heimweg. ANEUROL Neurologische Ausfallserscheinungen zur Tatzeit K = 0,68 Durch Zeugenaussagen belegte Beeintrachtigung neurologischer Grundflinktionen, wie motorische oder koordinative Unsicherheit, verwaschene Sprache, gestorter Gleichgewichtssinn etc. zum Tatzeitpunkt. AREAKT Erhaltene Reaktionsfahigkeit auf AuBenreize K = 0,56 Der Tater ist in der Lage, auch auf nicht unmittelbar tatrelevante AuBenreize zu reagieren, wie beispielsweise auf hinzukommende Dritte oder er kann sonstige Veranderungen der Situation registrieren.