228 57 103MB
German Pages 405 [408] Year 1996
de Gruyter Lehrbuch mit Repetitorium Psychiatrie
Mit Beiträgen von H. D. Brenner, V. Dittmann, P. Falkai, W. Felber, M. M. Fichter, Ch. Frank, W. Gaebel, M. T. Gastpar, U. Giebeler, R. Hellweg, S. Herpertz, S. Kasper, E. Klieser, M. Linden, K. Mann, N. Nedopil, F. Poustka, F. M. Reischies, W. Rief, H.Saß, H.Walter, Matthias v. Aster, Michael v. Aster, B. Woggon, H. G.Zapotoczky
Psychiatrie
Herausgegeben von M. T. Gastpar, S. Kasper, M. Linden
w DE
G
Walter de Gruyter Berlin • New York 1996
Herausgeber Prof. Dr. med. M.T.Gastpar Klinik für Allgemeine Psychiatrie Universität Essen Hufelandstraße 55 D-45147 Essen Prof. Dr. med. S. Kasper Klinische Abteilung für Allgemeine Psychiatrie Universitätsklinik für Psychiatrie Währinger Gürtel 18-20 A-1090 Wien Prof. Dr. med. M. Linden Psychiatrische Klinik u. Poliklinik der Freien Universität Berlin Eschenallee 3 D-14050 Berlin
Dieses Buch enthält 37 Abbildungen und 89 Tabellen
Die Deutsche Bibliothek -
CIP-Einheitsaufnahme
Psychiatrie / hrsg. von M. T. Gastpar. . . [Mit Beitr. von H. D. Brenner. - Berlin ; New York : de Gruyter, 1996 (De-Gruyter-Lehrbuch mit Repetitorium) ISBN 3-11-011027-X NE: Gastpar, Markus [Hrsg.]
© Copyright 1996 by Verlag Walter de Gruyter & Co., D-10785 Beriin. Dieses Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Der Verlag hat für die Wiedergabe aller in diesem Buch enthaltenen Informationen (Programme, Verfahren, Mengen, Dosierungen, Applikationen etc.) mit Autoren bzw. Herausgebern große Mühe darauf verwandt, diese Angaben genau entsprechend dem Wissensstand bei Fertigstellung des Werkes abzudrucken. Trotz sorgfältiger Manuskriptherstellung und Korrektur des Satzes können Fehler nicht ganz ausgeschlossen werden. Autoren bzw. Herausgeber und Verlag übernehmen infolgedessen keine Verantwortung und keine daraus folgende oder sonstige Haftung, die auf irgendeine Art aus der Benutzung der in dem Werk enthaltenen Informationen oder Teilen davon entsteht. Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Handelsnamen, Warenbezeichnungen und dergleichen in diesem Buch berechtigt nicht zu der Annahme, daß solche Namen ohne weiteres von jedermann benutzt werden dürfen. Vielmehr handelt es sich häufig um gesetzlich geschützte, eingetragene Warenzeichen, auch wenn sie nicht eigens als solche gekennzeichnet sind. Printed in Germany Didaktisches Konzept: Dr. U. Herzfeld, Gaiberg Typografie: D. Plake, Berlin Zeichnungen: H. Holtermann, Dannenberg Umschlagentwurf: Rudolf Hübler, Berlin Satz und Druck: Appl, Wemding Bindung: Lüderitz & Bauer GmbH, Berlin
Vorwort
Die Psychiatrie hat als Wissenschaft wie als therapeutisches medizinisches Fach in den letzten Jahrzehnten wesentliche Umstrukturierungen erfahren und ist durch große medizinische Fortschritte gekennzeichnet. Hinzu kommt, daß die Psychiatrie ihrer Natur nach sicher auch eines der komplizierteren Fächer in der Medizin ist. Dies gilt nicht nur deshalb, weil das Gehirn in seiner Struktur und Funktion das komplexeste menschliche Organ ist, sondern weil ein Verständnis psychischer Störungen die gleichzeitige Berücksichtigung biologischer, psychologischer und sozialer Faktoren erforderlich macht. Wegen der Entwicklungsdynamik des Fachs sind Psychiatrie-Lehrbücher, die noch vor wenigen Jahren als Standard bezeichnet werden konnten, heute in vielen Bereichen bereits veraltet. Es besteht daher ein Bedarf für ein neues Lehrbuch, das auf der aktuellen Nomenklatur psychischer Störungen aufbaut, neue Entwicklungen der biologischen, psychologischen und soziologischen Wissenschaften einbezieht und die Pharmakotherapie wie Psychotherapie und Soziotherapie gleichermaßen berücksichtigt. Um diese komplexe Materie für Studenten verstehbar zu machen, sind besondere didaktische Anstrengungen erforderlich. Der de Gruyter Verlag hat sich dieser Herausforderung angenommen. Das vorliegende Lehrbuch ist einerseits ein Vielautorenbuch, d. h. es ist von Spezialisten des jeweiligen Themas geschrieben. Dies garantiert, daß der aktuelle Wissensstand Berücksichtigung findet. Gleichzeitig sind die Herausgeber mit den einzelnen Autoren in eine intensive Diskussion zu den Inhalten und zur Gestaltung der einzelnen Kapitel eingetreten. Damit konnte sichergestellt werden, daß das Lehrbuch mehr ist, als nur eine Addition von Einzelbeiträgen, sondern systematisch in das Fach einführt. Schließlich hat der Verlag dem Buch und vor allem den Kapiteln eine gemeinsame didaktische Struktur vorgegeben mit der Unterscheidung von Text und Marginalie. Dies soll ermöglichen, die inhaltlichen Schwerpunkte schneller zu erkennen und besser zu lernen. Der Leser, also der Student und unter Umständen auch der Examensprüfer, werden beurteilen, ob das Konzept dieses neuen Lehrbuchs seinem eigenen Anspruch gerecht wird. Sollte dies so sein, dann wären Autoren, Herausgeber und Verlag für eine Rückmeldung dankbar, damit das Gute auch in zukünftigen Auflagen erhalten bleibt. Sollte es aber Unzulänglichkeiten oder Grund zur Unzufriedenheit geben, dann wären alle Beteiligten für entsprechende Hinweise noch sehr viel dankbarer, da nur durch Kritik eine Weiterentwicklung und die sicherlich nötige Verbesserung des Buches möglich ist. August 1996
M. Gastpar, S. Kasper, M. Linden
Anschriftenverzeichnis der Autoren
V. Aster, Matthias, Dr. med. Bezirkskrankenhaus Landshut Kinder- u. Jugendpsychiatr. Abteilung Prof.-Buchner-Straße 22, D-84034 Landshut
Giebeler, U., Dr. med. Psychiatrische Klinik Universitätsklinik Bern Bollingenstraße I I I , CH-3072 Ostermundingen
V. Aster, Michael, Dr. med. Universitäts-Pohkhnik für Kinder- und Jugendpsychiatrie Freiestraße 15, CH-8028 Zürich Brenner, H. D., Prof. Dr. med. Psychiatrische Khnik Universitäts-Klinik Bern Bollingenstraße I I I , CH-3972 Ostermundingen Dittmann, V, Priv.-Doz. Dr. Psychiatrische Universitäts-Klinik Forensische Psychiatrie Wilhelm-Klein-Straße 27, CH-4025 Basel Falkai, R, Priv.-Doz. Dr. med. Psychiatrische Klinik Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf Bergische Landstraße 2, D-40629 Düsseldorf Felber, W., Priv.-Doz. Dr. med. Med. Akademie Carl Gustav Carus Klinik u. Poliklinik für Psychiatrie Malerstraße 31, D-01326 Dresden Fichter, M., Prof. Dr. med. Psychosomatische Klinik Roseneck A m Roseneck 6, D-83209 Prien Frank, Christel Institut für Forensische Psychiatrie Paris-Lodron-Universität Janoz-Harrer-Straße 79, A-5020 Salzburg Gaebel, W., Prof. Dr. med. Psychiatrische Klinik Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf Bergische Landstraße 2, D-40629 Düsseldorf Gastpar, M. T., Prof. Dr. med. Rhein. Landes- und Hochschulklinik Allgemeine Psychiatrie Virchowstraße 174, D-45147 Essen
Hellweg, R., Dr. Psychiatrische Klinik u. Poliklinik der FU Eschenallee 3, D-14050 Berlin Herpertz, S., Dr. Psychiatrische Klinik RWTH Aachen Pauwelsstraße 30, D-52076 Aachen Kasper, S., Prof. Dr. Klin. Abteilung für Allgemeine Psychiatrie Universitäts-Klinik für Psychiatrie Währinger Gürtel 18-20, A-1090 Wien Klieser, E., Prof. Dr. med. Ev. Krankenhaus Münkelstraße 27, D-45 879 Gelsenkirchen Linden, M. Prof. Dr. med. Psychiatrische Klinik u. Poliklinik der FU Eschenallee 3, D-14050 BerUn Mann, K. Priv.-Doz. Dr. Eberhard-Karls-Universität Tübingen Abt. f. Allgemeine Psychiatrie u. Poliklinik Osianderstraße 22, D-72076 Tübingen Nedopil, N., Prof. Dr. Forensische Psychiatrie Psychiatrische Universitäts-Klinik Nußbaumstraße 7, D-80336 München Poustka, F, Prof. Dr. Johann-Wolfgang-Goethe-Universität Kinder- und Jugendpsychiatrie Deutschordenstraße 50, D-60528 Frankfurt a.M. Reischies, F., Dr. Psychiatrische Klinik u. Poliklinik der FU Eschenallee 3, D-14050 Berlin Rief, W-, Dr. Psychosomatische Klinik Roseneck Am Roseneck 6, D-83209 Prien
VIII
Anschriftenverzeichnis der Autoren
Saß, H., Prof. Dr. med. Psychiatrische Khnik RWTH Aachen Pauwelsstraße 30, D-52076 Aachen
Waggon, Brigitte, Prof. Dr. Forschungsabteilung Psychiatrie Universitäts-Khnik Lenggstraße 31, CH-8029 Zürich
Walter, H., Univ.-Doz. Dr. Khn. Abt. für Allgemeine Psychiatrie Universitäts-Klinik für Psychiatrie Währinger Gürtel 18-20, A-1090 Wien
Zapotoczky, J., Dr. Karl-Franzens-Universität Graz Universitäts-Klinik für Psychiatrie Auenbruggerplatz 22, A-8036 Graz
nhalt
1.
Psychopathologie, Deskription und Diagnostik psychischer Erkrankungen M. Linden
1.1 1.2 1.2.1 1.2.2 1.2.3 1.2.4 1.2.5 1.2.6 1.2.7 1.2.8 1.2.9 1.2.10 1.2.11 1.2.12 1.2.13 1.2.14 1.3 1.3.1 1.3.2 1.4
Symptom, Syndrom, Diagnose Psychopathologischer Befund Allgemeiner Eindruck Bewußtseinsstörungen Orientierungsstörungen Aufmerksamkeitsstörungen Gedächtnisstörungen Formale Denkstörungen Inhaltliche Denkstörungen Sinnestäuschungen Ich-Störungen Befürchtungen und Zwänge Störungen der Affektivität Störungen des Antriebs Einstellung und Erleben Psychophysiologische Störungen Psychopathometrie Selbstbeurteilungsskalen Fremdbeurteilungsskala Leistungsuntersuchungen und neuropsychologische Testverfahren Diagnosekriterien und standardisierte diagnostische Interviews Prozeß der Anamneseerhebung, Befundbeschreibung und Diagnosefindung . . . . Anamneseerhebung Zusatzbefunde Diagnosefindung
1.5 1.6 1.6.1 1.6.2 1.6.3
2.
Organische Psychosen F. M. Reischies
2.1 2.2
Ätiologie und Pathophysiologie Schweregrad hirnorganisch-psychiatrischer Erkrankungen A k u t e organisch psychiatrische Erkrankungen Delir Organische Halluzinose Organisches dissoziatives Syndrom . . . . Organisches katatones Syndrom Organische affektive Syndrome Chronische organisch psychiatrische Symptomatik
2.3 2.3.1 2.3.2 2.3.3 2.3.4 2.3.5 2.4
1 2 3 3 3 4 4 4 5 7 7 8 8 10 10 11 11 11 12 13
2.4.1 2.4.1.1 2.4.1.2 2.4.1.3
Neuroanatomisch lokalisierte Syndrome . Frontalhirnsyndrome Parietallappensyndrome Syndrome des Hirnstamms und Zwischen-
2.4.1.4 2.4.2
Temporallappensyndrome Chronisch organisch psychiatrische Partialsyndrome Amnestisches Syndrom Leichte kognitive Störung Organisches Wahnsyndrom Organisch emotional labiles Syndrom . . Organische Wesensänderung Globale chronisch organisch psychiatrische Syndrome Postenzephalitisches Syndrom Postkontusionelles Syndrom Demenzsyndrom Demenzerkrankungen Demenz bei Pick-Krankheit Demenz bei Creutzfeldt-Jakob-Krankheit Demenz bei H u n t i n g t o n - K r a n k h e i t . . . . Demenz bei Parkinson-Krankheit .... D e m e n z bei Erkrankung durch H I V . . . Sonstige Demenzerkrankungen und Ursachen von Demenzsyndromen
2.4.2.1 2.4.2.2 2.4.2.3 2.4.2.4 2.4.2.5 2.4.3 2.4.3.1 2.4.3.2 2.4.3.3 2.5 2.5.1 2.5.2 2.5.3 2.5.4 2.5.5 2.5.6
24 24 26 26 26 26 26 28 28 29 29 30 30 30 31 32 32 33 33 34 34 35
14 15 15 16 17
18 19 20 20 22 23 23 23 24
3.
Demenzerkrankungen R. Hellweg
3.1
Nosologische Klassifikation der dementieilen Erkrankungen im Alter Epidemiologie und Verlauf Symptomatik und Diagnose Differentialdiagnosen Klinische Erscheinungsbilder D e m e n z vom Alzheimer-Typ (DAT) . . . Vaskuläre Demenz Therapie
3.2 3.3 3.4 3.5 3.5.1 3.5.2 3.6
4.
Alkoholabhängigkeit K. Mann
4.1 4.2 4.3
Definitionen Epidemiologie Ätiologie
37 38 38 39 40 41 45 47
50 50 51
Inhalt
X 4.4 4.5 4.6 4.7
5.
5.1 5.2 5.3 5.4 5.5 5.6 5.7 5.8 5.9 5.10
6.
6.1 6.2 6.3 6.4 6.5
7.
7.1 7.1.1 7.1.2 7.1.3 7.1.4 7.1.5 7.1.6 7.1.7 7.1.8 7.1.9 7.2 7.3 7.4 7.5 7.6 7.7
Klinische Erscheinungsformen und Folgeschäden Diagnostik Therapie Verlauf und Prognose
Abhängigkeit von weiteren Substanzen M. Gastpar Geschichtliche Entwicklung und heutige Situation Grundsätze der Behandlung Opioide Zentral wirksame Sympathomimetika: Amphetamine Cannabinoide Kokain Halluzinogene Medikamentenabhängigkeit Abhängigkeit von anderen psychotropen Substanzen (F 19) Nikotinabhängigkeit
60 62 63 68 71 76 79 82 84 85
Schizophrenie, schizotype und wahnhafte Störungen W. Gaebel, P. Falkai Schizophrenie (F 20) 88 Schizotype Störung (F 21) 100 Anhaltende wahnhafte Störungen (F 22) . 102 Vorübergehende akute psychotische Störungen (F 23) 103 Schizoaffektive Störungen (F 25) 105
Affektive Störungen W. Felber Klinische Erscheinungsbilder Depressive Episode Rezidivierende depressive Störung . . . . Manische Episode Bipolare affektive Störung Manisch-depressives Mischbild Saisonal abhängige Depression (SAD) . . Rezidivierende kurze depressive Störung (RBD) Dysthyme und zyklothyme Störung . . . . Schizoaffektive Störung Differentialdiagnose Komorbidität Verlauf Epidemiologie Ätiopathogenese Therapie
8.
Angststörungen, Zwangsstörungen, Reaktionen auf schwere Belastungen und Anpassungsstörungen S. Kasper
8.1 8.2 8.3
Angststörungen Zwangsstörung Reaktionen auf schwere Belastungen und Anpassungsstörungen
52 55 57 59
9.
Funktionelle körperliche Störungen M.M. Fichter, W.Rief
9.1 9.2 9.3
Somatoforme Störungen Hypochondrische Störung Dissoziative Störungen (Konversionsstörungen) Eßstörungen Schlafstörungen nicht-organischen Ursprungs Sexuelle Funktionsstörungen (F 52) . . . .
9.4 9.5 9.6
10.
Persönlichkeits- und Verhaltensstörungen H. Saß, S. Herpertz
10.1 10.2 10.2.1 10.2.2 10.2.3 10.2.4 10.2.4.1 10.2.4.2 10.2.5 10.2.6 10.2.7
Symptomatik Klinische Erscheinungsbilder Paranoide Persönlichkeitsstörung Schizoide Persönlichkeitsstörung Dissoziale Persönlichkeitsstörung Emotional instabile Persönlichkeitsstörung Impulsiver Typus Borderline-Typus Histrionische Persönlichkeitsstörung . . . Anankastische Persönlichkeitsstörung . . Ängstliche (vermeidende) Persönlichkeitsstörung Abhängige Persönlichkeitsstörung . . . . Andere spezifische Persönlichkeitsstörungen Kombinierte Persönlichkeitsstörung . . . Differentialdiagnose Verlauf Epidemiologie Ätiologie Therapie
10.2.8 10.2.9 107 108 113 114 117 118 119 119 120 121 121 123 123 125 126 127
10.2.10 10.3 10.4 10.5 10.6 10.7
11.
Entwicklungsstörungen und Intelligenzminderungen M. V. Aster, M. v. Aster
11.1 11.2 11.2.1
Intelligenzminderungen Tiefgreifende Entwicklungsstörungen . . . Symptomatik und klinische Erscheinungsbilder
134 152 159
166 172 174 175 179 184
188 191 192 192 193 193 194 194 195 195 196 197 197 198 198 199 201 201 202
207 209 210
XI
Inhalt Frühkindlicher Autismus Atypischer Autismus 11.2.1.3 Asperger-Syndrom Umschriebene Entwicklungsstörungen 11.3 des Sprechens und der Sprache 11.4 Umschriebene Entwicklungsstörungen schulischer Fertigkeiten 11.2.1.1 11.2.1.2
12.
12.1 12.2
12.3 12.4
12.5 12.6
12.7 12.8
12.9 12.10. 12.11 12.12 12.12.1 12.12.2 12.12.2.1 12.12.2.2
12.12.3 12.12.3.1 12.12.3.2 12.12.4 12.12.5 12.12.6
12.12.7 12.12.8
12.12.9 12.12.10
13.
210 210 210
13.5 212
219 226 231
234 238 239 244
14.
Psychopharmaka B. Waggon
14.1 14.2 14.3 14.4 14.5 14.6 14.7 14.8 14.9
Wirkungsmechanismen Antipsychotika Anxiolytika Hypnotika Antidepressiva Psychostimulantien Lithium und Carbamazepin Nootropika Psychopharmaka in Schwangerschaft und Stillzeit
15.
Psychotherapie H. G. Zapotoczky
15.1 15.2 15.3 15.4 15.5 15.6 15.7 15.8 15.9 15.10
Begriffsbestimmung Die psychoanalytische Theorie Die Individualpsychologie Adlers Die nicht-direktive Psychotherapie . . . . Verhaltenstherapie Existenzanalyse und Logotherapie . . . . Systemische Familien- und Paartherapie . Indikationsmodelle Erfolgsnachweis Nebeneffekte und Schäden durch psychotherapeutische Verfahren Abschließende Bemerkungen
247 250 255 257 259 259 262 262 263 267 267 268 270 271 272 273
15.11
16.
Soziotherapie und Rehabilitation U. Giebeler, H. D. Brenner
16.1
Das Rehabilitationsmodell bei psychischen Behinderungen Vulnerabilität-Streß-Bewältigung-Kompetenz bei psychischen Störungen Strategien der psychiatrischen Rehabilitation Soziotherapeutische Verfahren Vulnerabilitäts-Streß-Modelle Rehabilitation auf der Wohnachse . . . . Rehabilitation auf der Arbeitsachse . . . Das Kontinuum der beruflichen Rehabilitation Die administrative Seite der Rehabilitation Schlußbemerkungen
16.2 274 16.3 277 278
Rechtliche Aspekte der Psychiatrie N. Nedopil
16.4 16.5 16.6 16.7 16.7 16.8
13.1 13.2
Recht und Psychiatrie Rechtliche Grundlagen
Gutachtenkunde Rechtsgrundlagen in Österreich (unter Mitwirkung von Ch. Frank) Rechtsgrundlagen in der Schweiz (V. Dittmann)
292 296 298
215
Kinder- und Jugendpsychiatrie F. Poustka
Allgemeine Charakteristik psychischer Störungen Intelligenzminderung (Oligophrenie) . . . Organische Psychosyndrome Spezifische Entwicklungsstörungen der Sprache, der schulischen Fertigkeiten und der Motorik Lern- und Leistungsstörungen Hyperkinetische Störungen Störungen des Sozialverhaltens Emotionale Störungen mit Beginn in der Kindheit und Jugend Tiefgreifende Entwicklungsstörungen (Autismus) Psychosen des Kindes- und Jugendalters . Neurosen und Persönlichkeitsstörungen des Jugendalters Weitere spezielle Störungen des Kindesund Jugendalters Schlafstörungen Eßstörungen Psychopathologie der Fütterungs- und Gedeihstörung im frühen Kindesalter . . Anorexia nervosa und Bulimia nervosa . . Störungen der Ausscheidungsfunktionen . Enuresis Enkopresis Funktionelle Störungen Bewegungsstörungen Mutismus Störung des Kontaktverhaltens Psychische Aspekte chronischer, körperlicher Erkrankungen und Körper- und Sinnesbehinderungen Deprivation, Bindungsstörungen und Verlustereignisse Suizidale Handlungen und Reaktionen bei Kindern und Jugendlichen
13.3 13.4
281 284
16.9
303 304 308 309 310 316 316 320 320
321 322 325 326 327 329 330 330 331 332 334
336 338 339 339 341 342 343 344 345 346
Inhalt
XII 17.
17.1 17.2 17.3 17.4 17.5 17.6
18.
Weitere psychiatrische Behandlungsverfahren E. Klieser Elektrokrampftherapie (EKT) Therapeutischer Schlafentzug Lichttherapie Physiotherapie Sonstige Therapieverfahren Ergotherapie
18.7
347 350 351 353 354 355
18.7.1 18.7.2 18.7.3 18.7.4 18.7.5 18.7.6 18.7.7 18.8
19.
Notfälle in der Psychiatrie
18.1.1
18.1.2
18.1.2.1 18.1.2.2 18.1.2.3 18.1.2.4 18.2
18.3 18.4 18.5 18.6
Psychomotorische Erregungen Erregungszustände aufgrund organischer Ursachen Erregungszustände bei Schizophrenie, affektiven Störungen und Belastungs- und Anpassungsstörungen Erregungszustände bei Schizophrenie . . . Erregungszustände bei Manie Erregungszustände bei depressiven Episoden Erregungszustände bei Belastungs- und Anpassungsstörungen Bewußtseinsstörungen Suizidalität Paranoid-halluzinatorisches Syndrom . . . Depressive Syndrome/Angstsyndrome . . Psychopharmaka-induzierte Notfälle . . .
367 367 368 368 368 368 369 369 369
Geschichte der Psychiatrie H. Walter
S. Kasper 18.1
Notfälle bei schädlichem Gebrauch bzw. Mißbrauch von psychotropen Substanzen Alkhohol Opiate Cannabis Halluzinogene Psychostimulanzien Hypnotika (Barbiturate und Tranquilizer) Schnüffelstoffe Schlußbemerkungen
358 358
19.1 19.2 19.3 19.4
359 360 360
19.5 19.6 19.7
360 19.8 361 361 362 364 364 365
Entwicklung der Diagnostik Die Psychiker und die Somatiker Die Geburt der verlaufsorientierten Nosologie Sozialpsychiatrie und statistische Evaluation Psychodynamische Psychiatrie Verhaltensforschung Von den physiologischen Behandlungsmethoden zur biologischen Psychiatrie . . . . Ethik - Psychiatrie - Antipsychiatrie Biologie - Psychopathologie - Psychotherapie: Gibt es eine Synthese?
371 371 372 372 373 374 374
375
Literatur
377
Sachregister
383
1. Psychopathologie, Deskription und Diagnostik psychischer Erkrankungen
Psychopathologie, Deskription und Diagnostik psychischer Erkrankungen
M. Linden
1.1 S y m p t o m , S y n d r o m , Diagnose
Symptom, Syndrom, Diagnose
Psychopathologie ist die Lehre von der Beschreibung psychischer Erkrankungen.
Psychopathologie = Lehre von den Symptomen und Syndromen psychischer Erkrankungen
Aufgaben der Psychopathologie sind, • Symptome psychischer Erkrankungen auf eine einheithche Art zu erfassen, zu beschreiben und zu benennen, • Syndrome, d. h. Muster typischer Symptomkonstellationen zu beschreiben und • Symptome und Syndrome nosologischen Klassen, d. h. Diagnosen zuzuordnen. Symptome sind Zeichen von Erkrankungen. Sie können objektiv beobachtbar oder subjektiv erlebbar sein. Das beobachtbare Phänomen oder die Klage des Patienten werden durch Übertragung in die Fachterminologie gedeutet.
Aufgaben
Symptome • objektiv (Fremdbeobachtung) • subjektiv (Selbstbeobachtung)
So wird 2. B . der Bericht eines Patienten, daß er Stimmen höre, in das psychopathologische Symptom der „akustischen Halluzination" übersetzt.
Die Erkennung entsprechender Phänomene und ihre korrekte Zuordnung als Symptom erfordert Kenntnisse der psychopathologischen Terminologie und ein Training in der Wahrnehmung.
Erkennung erfordert - terminologische Kenntnisse - Training der Wahrnehmung
Ähnlich wie ein ungeübter Laie die verschiedenen Herztöne nicht „hören", unterscheiden und benennen kann, so kann ein Laie in aller Regel auch die psychischen Symptome nicht korrekt wahrnehmen und interpretieren.
Syndrome sind entweder kategoriale oder typologische Muster von Symptomen. Syndrome können sich aus obligaten wie auch fakultativen Symptomen zusammensetzen.
Syndrome • Muster von obligaten und/oder fakultativen Symptomen
So gehören zum „depressiven Syndrom" obligat die depressive Herabgestimmtheit und fakultativ Symptome wie Konzentrationsstörungen, vegetativ-somatische Symptome oder andere emotionale Symptome wie z.B. Angst.
Syndrome dienen primär dazu, die aktuelle Schwere der Erkrankung zu bestimmen. Syndrome sind quantifizierbar durch Selbstbeurteilungsskalen, die der Patient ausfüllen kann, und durch Fremdbeurteilungsskalen, die von einem psychopathologisch geschulten Beobachter ausgefüllt werden müssen (s. auch 2.3 „Psychopathometrie"). Syndrome alleine erlauben in aller Regel keine differentialdiagnostische Aussage.
bestimmen die Schwere der Erkrankung meßbar mit Fremd- und Selbstbeurteilungsskalen erlauben keine Differentialdiagnose
Ein Angstsyndrom kann beispielsweise bei verschiedenen Angsterkrankungen, bei depressiven Erkrankungen, bei schizophrenen Erkrankungen oder bei Anpassungsstörungen beobachtet werden.
Diagnosen sind Krankheitsbezeichnungen. Sie sind wissenschaftstheoretisch, in der Psychiatrie wie in der Medizin allgemein, als hypothetische Konstrukte zu verstehen. Sie sind vor allem unter dem Kriterium der Opera-
Diagnosen • Bezeichnung von Krankheiten i.S. hypothetischer Konstrukte
I. Psychopathologie, Deskription und Diagnostik psychischer Erkrankungen
Schlußfolgerungen aus - Symptomen - Syndromen - Ätiologie - Verlauf erlauben Vorhersagen über - Krankheitsverlauf - Prognose - Behandlung
tionalisierbarkeit und der prognostischen Utilität zu beurteilen. Diagnosen sind in diesem Sinne Schlußfolgerungen auf der Basis beobachteter Symptome, Syndrome, ätiologischer Faktoren oder des bisherigen Verlaufs. Es werden also Querschnitt- wie Längsschnitt-Daten berücksichtigt. Diagnosen erlauben, Patienten mit ähnlichen Krankheitszeichen in Klassen zusammenzufassen. Sie dienen vor allem dazu, aus vorliegenden Informationen Vorhersagen auf zukünftige Ereignisse zu machen, d. h. beispielsweise den Verlauf die Prognose oder die Therapie vorherzusagen. Die Systematik der Diagnosen ist in der Medizin damit immer auch abhängig von den aktuell zur Verfügung stehenden wissenschaftlichen Kenntnissen sowie diagnostischen und therapeutischen Möglichkeiten.
internationale, operationalisierte diagnostische Klassifikationssysteme - DSM-IV - ICD-10
Psychopathologie-Glossare Beschreibung wichtiger psychopathologischer Termini
AMDP-System
Eine Sammlung von diagnostischen Kriterien und Operationalisierungen für psychiatrische Krankheiten findet sich im amerikanischen DSM-IV (Diagnostisches und Statistisches Manual Psychischer Störungen, vierte Fassung) oder der ICD-10 {Internationale Klassifikation psychischer Störungen der Weltgesundheitsorganisation, 10. Fassung). Diese Diagnose- und Klassifikationssysteme unterliegen ständigen Modifikationen und Weiterentwicklungen. Das methodische Schwergewicht bei der derzeitigen Klassifikation psychischer Störungen liegt zum einen auf einer guten Operationalisierbarkeit im Sinne eines primär deskriptiven Ansatzes, der möglichst wenig ätiologische Vermutungen verlangt, und zum zweiten in der Berücksichtigung von Verlaufsfaktoren. Die deskriptive Psychopathologie, die vor allem die europäische Psychiatrie seit Beginn des Jahrhunderts charakterisiert hat, ist heute mit der Entwicklung der eben genannten modernen Klassifikationssysteme aktueller und wichtiger denn je, da sie die Grundlage bildet, auf der die diagnostischen Algorithmen aufbauen. So findet sich im DSM-IV im Anhang ein „ Glossar der Fachausdrücke", in dem wichtige psychopathologische Termini kurz beschrieben werden. Eine umfassende Darstellung der Psychopathologischen Symptome findet sich im „Manual zur Dokumentation psychiatrischer Befunde der Arbeitsgemeinschaft für Methodik und Dokumentation in der Psychiatrie", dem sog. AMDP-System.
umfassende Darstellung der Psychopathologie
Psychopathologischer Befund
1.2 Psychopathologischer Befund
Beschreibung elementarer psychischer Fähigkeiten und Funktionen
Psychische Symptome, die den psychopathologischen Befund konstituieren, befassen sich mit dem „ Wie" des psychischen Funktionierens und weniger mit dem „ Was".
entscheidend ist das „wie" des psychischen Funktionierens
Es ist in der psychiatrischen Untersuchung weniger relevant, an „was" jemand sich erinnert, als vielmehr, ob er sich erinnern kann. Es ist weniger von Bedeutung, ob jemand sich aktuell schlecht fühlt als vielmehr, ob er sich je nach Situation schlecht oder gut fühlen kann.
Gliederung des psychopathologischen Befundes:
D e r psychopathologische Befund gliedert sich in die Abschnitte: Allgemeiner Eindruck, Bewußseinsstörungen, Orientierungsstörungen, Aufmerksamkeitsstörungen, Gedächtnisstörungen, formale Denkstörungen, inhaltliche Denkstörungen, Sinnestäuschungen, Ich-Störungen, Befürchtungen und Zwänge, Affektstörungen, Antriebsstörungen, Störungen der Einstellung und des Erlebens und Psychovegetative Störungen.
1.2 Psychopathologischer Befund
1.2.1 Allgemeiner Eindruck
Allgemeiner Eindruck
Psychisch gesunde Menschen haben in ihrem Äußeren einen persönlichen Stil, der zur Person und Situation paßt und der sich in Kleidung, Körperpflege und Kontaktaufnahme niederschlägt.
persönlicher Stil bei psychisch gesunden Menschen
Verwahrlosung in Kleidung und Körperpflege. Kleidung und Körperpflege können verwahrlost sein, d. h. in Details nicht mehr dem erkennbaren „eigentlichen Stil der Person" entsprechen (z.B. verfleckte Anzugjacke des ehemaligen Bankdirektors).
• Verwahrlosung in Kleidung und Körperpflege
Bizarrheit in der Kleidung. Die Kleidung kann auffällig oder bizarr verändert sein, wobei kein kohärenter Stil zu erkennen ist.
Bizarrheit in Kleidung und Erscheinung
Kontaktaufnahme. Die Kontaktaufnahme kann erschwert sein. Im Extrem verweigert der Patient jeden Kontakt, in leichteren Formen hat der Untersucher das Gefühl, als ob ihn eine Glaswand vom Patienten trennt.
Kontaktaufnahme
1.2.2 Bewußtseinsstörungen
Bewußtseinsstörungen
Der Grad der Wachheit wird als Vigilanz bezeichnet. Ein gesunder Mensch muß wach sein können und auf Außenreize koordiniert reagieren können, selbst wenn er schläft.
Vigilanz. Wachheitsgrad
Benommenheit. Leichtester Grad von Bewußtseinstrübung, der sich in einer Erschwerung der Auffassung, des Denkablaufs, der Ansprechbarkeit und einer Dösigkeit äußert.
Benommenheit leichtester Grad von Bewußtseinstrübung
Somnolenz. Ausgeprägtere Benommenheit. Der Patient ist apathisch, schläfrig, schläft immer wieder ein, ist aber weckbar.
Somnolenz ausgeprägte Benommenheit
Sopor. Die Wachheit ist deutlich eingeschränkt. Auf Versuche, den Patienten zu wecken, reagiert er mit kurzzeitigen Anstrengungen, sich zu reorientieren. Eine geordnete Handlung ist nicht mehr möglich.
-Sopor schwer wecl-A Wochen; Benzodiazepine bereits in der ersten Woche) auf. In jüngster Zeit wurden auch Untersuchungen über die therapeutische Wirksamkeit der selektiven Serotonin-Wiederaufnahmehemmern Fluvoxamin und Fluoxetin bei Angststörungen vorgelegt.
Diazepam Oxazepam (Lorazepam)
Antidepressiva Trizyklika selektive SerotoninWiederaufnahmehemmer MAO-Hemmer
Es konnte z. B. gezeigt werden, daß Fluvoxamin im Vergleich zu dem NoradrenalinWiederaufnahmehemmer Maprotilin ein günstigeres Ansprechen bei Panikstörungen entfaltet, was einen Hinweis auf die Bedeutung des serotonergen Systems bei der Ätiopathogenese der Panikstörung gibt.
Von den Monoaminooxidase (MAO)-Henimern wurden für die Indikation einer Angststörungen bis jetzt vorwiegend die irreversiblen MAO-Hemmer und dabei insbesondere Phenelzin systematisch untersucht. Mit dieser Medikation konnte auch bei schweren chronischen Fällen einer Angsterkran-
MAO-Hemmer irreversible M A O - H e m m e r Diätvorschriften
strenge
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8. Angststörungen, Zwangsstörungen, Reaktionen auf schwere Belastungen
- reversible MAO-Hemmer sind neu am Marl