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German Pages 224 [236] Year 1972
PSEUDO-ARCHYTAS ÜBER D I E KATEGORIEN T E X T E ZUR G R I E C H I S C H E N
ARISTOTELES-EXEGESE
PERIPATOI PHILOLOGISCH-HISTORISCHE STUDIEN ZUM ARISTOTELISMUS
IN V E R B I N D U N G MIT H.J.DROSSAART LULOFS, L.MINIO-PALUELLO, R.WEIL
HERAUSGEGEBEN VON
PAUL MORAUX BAND 4
1972 WALTER D E GRUYTER · BERLIN · NEW YORK
PSEUDO-ARCHYTAS ÜBER D I E K A T E G O R I E N TEXTE ZUR GRIECHISCHEN ARISTOTELES-EXEGESE
HERAUSGEGEBEN, ÜBERSETZT U N D KOMMENTIERT VON
THOMAS ALEXANDER SZLEZÄK
1972 WALTER D E GRUYTER · BERLIN · NEW YORK
Gedruckt mit Unterstützung der Deutschen Forschungsgemeinschaft
D 83 ISBN 3 11 003676 2 © 1972 by Walter de Gruyter & Co., vormals G. J . Göschen'sche Verlagshandlung · J . Guttentag, Verlagsbuchhandlung Georg Reimer · Karl J . Trübner · Veit Sc Comp., Berlin 30 Alle Rechte, insbesondere das der Übersetzung in fremde Sprachen, vorbehalten. Ohne ausdrückliche Genehmigung des Verlages ist es auch nicht gestattet, dieses Buch oder Teile daraus auf photomechanischemWege (Photokopie, Mikrokopie) zu vervielfältigen. Printed in Germany Satz und Druck: Walter de Gruyter
MEINER MUTTER
VORBEMERKUNG Vorliegende Arbeit ist die in Einzelheiten vielfach verbesserte Fassung meiner Dissertation, die im Frühjahr 1969 der Philosophischen Fakultät der Technischen Universität Berlin vorgelegen hat. Herrn Prof. Dr. C. J. Classen danke ich für konstruktive Kritik an der Textgestaltung, Herrn Dr. D. Harlfinger für sachkundige Beratung hinsichtlich der Handschriften. Mein Dank gilt weiter Herrn Prof. Dr. P. Moraux, der die Arbeit in die von ihm herausgegebene Reihe aufgenommen hat, und der Deutschen Forschungsgemeinschaft, ohne deren großzügige Hilfe der Druck nicht möglich gewesen wäre. Ganz besonders möchte ich Herrn Prof. Dr. W. Burkert danken, der die Arbeit angeregt und durch vielfachen Rat unterstützt hat. Schließlich danke ich meinen Kollegen Dr. H. Schmitz und Dr. K. Thomas, die die Freundlichkeit hatten, beim Lesen der Korrekturen zu helfen. Zürich, im August 1971
Th. A. Szlezdk
INHALT EINLEITUNG Überlieferung und Ausgaben 1 Περί τοϋ καθόλου λόγου 1 Καθολικοί λόγοι δέκα 7 Entstehungszeit und Charakter der pseudo-archyteischen Kategorienschriften 13 Περί του καθόλου λόγου 13 Καθολικοί λόγοι δέκα 19 Datierung 19. Sprache 21. Κ. λ. δ. und Π. τ. κ. λ. 23. TEXTE Περί τοϋ καθόλου λόγου Testimonia 29. Text 34. Καθολικοί λόγοι δέκα
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ÜBERSETZUNG Uber das Begriffsgefüge Zehn allgemeine Begriffe
71 80
KOMMENTAR Περί τοϋ καθόλου λόγου Schlußbemerkung Καθολικοί λόγοι δέκα Nachtrag
89 153 158 184
INDEX VERBORUM
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REGISTER Stellen 211. Namen und Sachen 221.
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LITERATURVERZEICHNIS
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EINLEITUNG
In Holger Thesleffs Sammlung der pseudopythagoreischen Literatur1 finden sich auch zwei vollständig erhaltene Kategorienschriften, die die Anlehnung an die aristotelische Kategorienlehre, den künstlichen dorischen Dialekt und den Verfassernamen Archytas gemeinsam haben, im übrigen aber recht verschieden sind. Die eine von ihnen, Περί του καθόλου λόγου betitelt, fand in der Spätantike seit Iamblichos einige Beachtung, während die Καθολικοί λόγοι δέκα — so heißt die jüngere und kürzere von beiden — erst durch Domenico Pizzimenti im 16. Jahrhundert ans Licht gezogen wurden. Seit F. Hartensteins Dissertation De Archytae Tarentini fragmentis philosophicis (Leipzig 1833) werden sie gemeinsam geführt, wo es um 'Archytas' geht. Auch hier sollen sie gemeinsam präsentiert werden, weniger wegen des fiktiven Verfassers — als Pseudoarchytea gehören sie gerade nicht zusammen, wie wir sehen werden —, sondern als zwei wenig beachtete aber gleichwohl aufschlußreiche Zeugnisse der antiken Beschäftigung mit der aristotelischen Kategorienschrift. In der einen spiegelt sich die früheste Phase der Diskussion um die 'Kategoriai' in der Zeit unmittelbar nach der Wiederentdeckung der aristotelischen Pragmatien durch Andronikos von Rhodos. Die andere führt uns in die letzte Phase der 'Kategorien'-Kommentierung und bietet eine knappe Zusammenfassung dessen, was sich nach Jahrhunderten der Kritik und der Verteidigung als rudimentäres Wissen von den Kategorien herausgeschält hatte. Überlieferung
und
Ausgaben
a) Περί του καθόλου λόγου. Die Schrift Π. τ. κ. λ. war bis vor wenigen Jahrzehnten nur durch zum Teil recht umfangreiche Zitate bekannt, die Simplikios in seinen 1
The Pythagorean Texts of the Hellenistic Period, Abo 1965, 3ff. u. 22 if.
1 Peripatoiiv
2
Einleitung
Kommentar zu den 'Kategoriai' aufgenommen hat. Ihre Sprache ist jenes Kunstdorisch, das für die pseudopythagoreische Literatur charakteristisch ist. Die Rekonstruktion der Schrift aus diesen Fragmenten ist mehrfach versucht worden, zuerst in Hartensteins schon erwähnter Dissertation, dann 1908 von F. Schulte2 und kurz darauf von J . Nolle3, der nach Abschluß seiner Arbeit, aber noch rechtzeitig vor der Drucklegung im Jahr 1914 überraschend eine Handschrift mit einer vollständigen Fassung der pseudoarchyteischen Kategorienschrift in Koine fand. Damit ergab sich für Π. τ. κ. λ. eine ähnliche Uberlieferungslage wie für Ocellus Lucanus, zu dessen (nicht so zahlreichen) dorischen Fragmenten bei Stobaeus die lückenlose Κοίηέ-Übersetzung tritt. Während aber Ocellus in nicht weniger als 18 Handschriften erhalten ist4, ist die von Nolle gefundene Archytas-Handschrift die einzige, von der wir wissen6. Es ist dies der codex Ambrosianus 23 (A 92 sup.), ein Miscellarcodex des 15. und 16. Jahrhunderts®, der auf den Folien 123—1387 mit der Autorenangabe Άρχήτου Ταραντίνου die Schrift Περί του καθόλου λόγου enthält8. Entgegen der summarischen Datierung des Gesamtcodex durch Martini-Bassi9 wollte W. Kroll den Archytas-Teil ins 14. Jahrhundert setzen10. Martini-Bassi behalten jedoch recht gegen Kroll. Dank einem Hinweis von Dieter Harlfinger (Freie Universität Berlin) ist jetzt eine zuverlässige Datierung möglich: der Pseudo-Archytas des codex Ambrosianus ist von der gleichen Hand geschrieben wie die Brüsseler Handschrift der griechischen Ubersetzung der Institutiones
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9 10
Archytae qui ferebantur de notionibus universalibus et de oppositis libellorum reliquiae. Diss. Marburg 1908. Ps.-Archytae Fragmenta. (Diss. Münster) Tübingen 1914. Ocellus Lucanus. Text und Kommentar von Richard Harder, 1926 (=1966), III. Die Durchsicht der mir erreichbaren Handschriftenkataloge blieb erfolglos. Die Auffindung eines weiteren Exemplars ist wenig wahrscheinlich, aber doch nicht auszuschließen, nicht nur, weil nicht alle Kataloge erfaßt werden konnten, sondern auch wegen der bekannten Unzulänglichkeiten mancher älterer Verzeichnisse. Ae. Martini et D. Bassi: Catalogue Codicum Graecorum Bibliothecae Ambrosianae I, Mediolani 1906, p. 24 (zu A 92 sup.): „constat ex quinque codd. diversis mm. s. X V — X V I . " Papier; Format 22,7 X 15,5 cm. Von der Bibliotheca Ambrosiana erhielt ich diese Seiten auf Mikrofilm, wofür ich ihr auch hier noch eimal danken möchte. s. Anm. 6. Nolle 1. c. VII.
Überlieferung und Ausgaben
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iuris civilis, die Theophilos Antecessor zugeschrieben wird11. Diese Handschrift wurde in Venedig im Jahre 1533 von Konstantinos Mesobotes für den Humanisten Viglius d'Aytta geschrieben12. Somit ist auch die Datierung der Ps-Archytas-Handschrift in die erste Hälfte des 16. Jahrhunderts gesichert13. Unmittelbar vor PsArchytas findet sich im Ambrosianus, ebenfalls von Konstantins Hand, die Isagoge in Ptolemaei Apotelesmaticen des Porphyrios; es besteht jedoch sonst keine Uberlieferungsgemeinschaft zwischen beiden Werken14. Nolle druckte den neugefundenen Κοϊηέ-Text getrennt von den aus Simplikios gesammelten Fragmenten. Zahlreiche grobe Fehler korrigierte er aus dem dorischen Text oder, wo dieser fehlt, durch eigene Konjekturen oder solche W. Krolls. Im allgemeinen scheint er aber bestrebt gewesen zu sein, die Eigenständigkeit der Koin6-Überlieferung nicht anzutasten. Das ist angesichts der nicht unerheblichen Abweichungen von Simplikios eine berechtigte Tendenz, doch ging Nolle in seinem Konservativismus so weit, auch eindeutig falsche Lesarten trotz der Möglichkeit der Korrektur aus der Nebenüberlieferung stehenzulassen15, so daß sein Text streckenweise wie ein Mittelding zwischen einer diplomatischen und einer emendierten Ausgabe wirkt16. 11
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Bibliotheque Nationale de Belgique, Section des Manuscrits, nr. 613. Daraus ist fol. 173r abgebildet bei M. Wittek, Album de Paleographie Grecque, Gand 1967, planche 52. Wittek 1. c. 27. — Die Identifizierung des Schreibers, der nur mit Konstantinos subskribierte, gelang H. Hunger, Gnomon 40, 1968, 834; vgl. D. Harlfinger, Gymnasium 77, 1970, 430 mit Anm. 5. D. Harlfinger hatte die Handschrift bereits auf Grund des Schriftbildes in diese Zeit datiert, bevor er die Identität des Schreibers mit dem des Bruxellensis entdeckte. Die Kataloge zu den Handschriften von Porph. Isag. in Ptol. Apotel. wurden daraufhin durchgesehen. Auch im Ambrosianus muß das gemeinsame Auftreten bei gleichem Schreiber nicht unbedingt auf gemeinsame Überlieferung zurückzuführen sein; da die Formate nicht ganz die gleichen sind (Porph.: 22,6x16,6 und 21,5x15,3 cm; Arch.: 22,7x15,6 cm), ist verschiedene Entstehungszeit der beiden Teile nicht auszuschließen. ζ. B. 28,21 Th. π ο θ η τ ώ ν : παθίων Simpl.; 29,19 ττεπερασμένον: πέρα; μέν; 24,7 κείμενον: κινεόμενον; 26,6 ττεττοιηκό;: πεπονΟός; 28,8 ή ν Ισον: ήμισυ. Lücken füllt Nolle auf, sofern sie sinnstörend sind, leider auch dann nicht immer (ζ. B. 26,1). Wo aber ein lesbarer Text geblieben ist und der Verlust erst durch den Vergleich mit Simplikios sichtbar wird, behandelt er den Text des cod. Ambr. als a u t a r k (ζ. B. 22,12; 22,18; 30,17; 32,19). Nur am Rande sei erwähnt, daß manches aus der Handschrift nicht richtig
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Einleitung
An Nolles Ausgabe hatte R. Harder bemängelt, daß er versäumt habe, die indirekte mit der direkten Überlieferung ineinanderzuarbeiten17. Dieser Forderung kam der zweite Herausgeber H. Thesleff nach18, jedoch sehr einseitig. Thesleff behandelt den vollständigen Text der ΚοίηέFassung ausschließlich als Rahmen und Leitfaden für die Anordnung der dorischen Fragmente. Die relative Berechtigung dieses Verfahrens liegt darin, daß die ursprüngliche Fassung ohne Zweifel die dorische war und daß die Fragmente in der Mehrzahl der Fälle auch den besseren Text bieten. Das Ergebnis ist gleichwohl nicht befriedigend19. Thesleff setzt den dorischen Wortlaut, wo er erhalten ist, in die fortlaufende ΚοϊηέÜbersetzung ein. Daß der Text seine Einheitlichkeit einbüßt durch das häufige Umspringen des Dialektes, wird man bei solcher Prosa gewiß verschmerzen können, zumal die Nahtstellen durch Querstriche klar bezeichnet sind. Ernstere Einwände sind, daß der Übergang von Β (so nennt Thesleff den cod. Ambr.) zum simplikianischen Text zu Kontaminationen führt20 und vor allem, daß die gänzliche Unterordnung des abgelesen wurde (mehrmals erscheint das Uberlieferte sogar als Emendation im Apparat). Der Ambrosianus h a t im Titel t ( = δέκα), nicht τ ω ν ; 22,24 μαλάσσεσβαι, nicht μαλάττεσθαι; 24,2 μεγέθους, nicht μεγέθοις; 24,6 όττοίων άν τίνων, nicht όττοίαν τίνων (Nolle übersah das im codex häufige Kürzel für -ων); 27,7 έττΐ, nicht έστί; 27,12 διαθέσεως, nicht -σειος; 29,9 εχειν, nicht εχει; 29,10 ττρός, nicht καΐ. " Ocellus Luc. X X I . 18
The Pythagorean Texts of the Hellenistic Period (1965), 22—32. Die Seiten- und Zeilenzählung dieser Ausgabe ist beibehalten worden. 19 Vgl. die Rezension von W. Burkert, Gnomon 39, 1967, 553 f. 20 Die Dihaerese 25,17 bezieht sich bei Simplikios eindeutig auf κεΐσθαι, nicht auf εχει ν wie in B. Da aber die unmittelbar vorausgehenden Worte nur in Β vorliegen, ändert Thesleff im dorischen Text στάσει in κτάσει (nach κτήσει Β). Es steht also der dorische Text da, er ist aber umgemodelt nach dem Textverstandnis der Koine-Fassung, nur weil Simplikios die einleitenden Worte der Dihaerese nicht wörtlich zitiert, sondern durch eigene ersetzt hat. — Oder es werden 23,17 Wörter aus dem dorischen Text athetiert, die nie daringestanden haben, sondern nur in der Koinö-Version. Das ist noch erträglich, wenn das Athetierte in der einen wie in der anderen Fassung fehl am Platze ist; anders 26,20. Dort steht ή insofern mit Recht in eckigen Klammern, als es in der Tat nicht in den dorischen Text gehört; der Leser aber muß sich erst mühsam aus dem kritischen Apparat die Lesung von Β zusammenklauben, um festzustellen, daß dort ή durchaus sinnvoll ist, ebenso wie das parallele καθό, das nicht pinmal zum Zwecke der Athetese in Thesleffs Text erscheint. Ähnlich die Kontamination 23,21—22: nach δνευ (Simpl.) braucht man μή und αύτήν nicht zu streichen, da so nicht überliefert; m i t άμα (Β) sind sie zu halten.
Überlieferung und Ausgaben
5
Κοϊηέ-Textes darüber hinwegtäuscht, daß Β an manch einer Stelle eine gleichwertige21, mitunter sogar die bessere Lesart bietet22. Im kritischen Apparat werden die falschen Ablesungen Nolles23 weitergegeben, weitere unrichtige Angaben kommen hinzu, ζ. T. durch Mißdeutung des Nolleschen Apparates24. Eine gewisse Entschädigung für diese Mängel bietet Thesleff dem Leser durch einige erfolgreiche Änderungen25. Wegen der Einseitigkeiten sowohl der Nolleschen wie auch der Thesleffschen Edition schien es geraten, dem Kommentar eine Neugestaltung des Textes voranzuschicken. Die Edition hat von der Tatsache der doppelten Uberlieferung auszugehen. Die dorische Vorlage der Ubersetzung in Κοίηέ war nicht identisch mit dem, was Simplikios las 26 ; bei der Übersetzung27 wird sich der Abstand noch vergrößert haben, ohne daß der Anteil des Übersetzers immer klar herauszuschälen wäre28. Da die Differenzen bis in die früheste uns faßbare Schicht zurückreichen, schien es besser, Thesleffs Verquickung der beiden Überlieferungszweige rückgängig zu machen und die Fragmente den entsprechenden Stellen des fortlaufenden Textes gegenüberzustellen. Dieses Verfahren läßt klar 21 22 23 24
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27 28
Etwa 24,3; 25,15; 26,8; 26,20; 28,20; 29,5. ζ. B . 22,17; 22,19; 24,16; 25,4; 27,12; 28,9.23; 29. 4.6—7.9.13; 30,21. s. o. 3 Anm. 16. 22,15 Ισον steht nicht in B ; 26,21 καθ' αϋτά Β (nicht κ α τ ' αύτά); 29,4 χαρωττότηϊ Β (nicht χαροττότης). 23,6 ε ' ; 25,11 τό άνόμοιον; 26,10 ένδεχόμενο*; 28,5 [τε]; 30,12 γενόμενον . . . γινόμενοι». Zum dorischen Text s. u. 6 Anm. 30. Das zeigen am klarsten die beiden Lücken in Β 24,10 und 29,10: es ist extrem unwahrscheinlich, daß jeweils am Ende eines Abschnittes über den Ort jeweils ein ganzer Satz auf mechanische Weise ausgefallen sein soll. Näher liegt die Erklärung, daß nicht alle Exemplare die von Simplikios zitierten Sätze kannten (s. Komm, zu 24,10). (Auch in 22,12 und 32,19 muß nicht unbedingt mechanischer Verlust vorliegen, obschon es an diesen Stellen wahrscheinlicher ist.) — Aber auch unter den in Anm. 21 u. 22 genannten Differenzen kann man nur bei wenigen (24,3; 26,8; 22,17; 25,4; 28,23) erwägen, ob sie nicht vielleicht dem Übersetzer zuzuschreiben sind. Alle anderen standen ganz sicher in der Vorlage, mit größter Wahrscheinlichkeit auch diese. Manche Abweichung mag zu Simplikios' Lasten gehen, wobei die Ausgrenzung unsicher bleiben muß. Über ihren Zeitpunkt s. unten 19 Anm. 100. Die mißverstandenen Dialektformen wird man am ehesten dem Ubersetzer zuweisen; das eine oder andere davon kann ihm freilich schon vorgelegen haben, denn auch der dorische Text ist nicht frei von solchen Fehlern (im Titel Περί των καθόλου λόγων; 25,4 αύτών s t a t t ούτω, 25,17 τ ό έν δυν. für τ ώ έν δ., 30,18 των λόγων gegen τοΰ λόγου Β ; auch 23,2 ist wohl τ ώ άνθρώττω zu lesen).
6
Einleitung
erkennen, wo die dorische Vorlage der Übersetzung von Simplikios abwich und wo bloße Fehler vorliegen; letztere nicht aus der Parallelüberlieferung zu korrigieren, hieße die Zufälligkeiten von Β wichtiger nehmen als sie sind. Da der Begriff des Originals auf die Κοίηέ-Fassung nicht anwendbar ist29, kann die Textkonstitution nur einen Wortlaut anstreben, den es so vielleicht nie gegeben hat: sie zielt auf die optimale ΚοίηέÜbersetzung einer hypothetischen dorischen Textfassung, die man sich kritisch mit der Nebenüberlieferung verglichen (aber ihr nicht gewaltsam angeglichen) denken muß. Das ideale Ziel des dorischen Teiles wäre die Gewinnung des Wortlautes, den Simplikios gelesen hat; ein Faktor der Unsicherheit, der hierbei prinzipiell nicht zu eliminieren ist, liegt in der Möglichkeit, daß Simplikios bisweilen ungenau zitiert oder gar leicht paraphrasiert haben mag. Größere Veränderungen ergeben sich durch die Gegenüberstellung vor allem für die Κοίηέ-Fassung; der dorische Teil bleibt weitgehend unverändert gegenüber dem Simplikios-Text von Kalbfleisch30. Gleichwohl ist die Gegenüberstellung auch für diesen Zweig der Überlieferung aufschlußreich, insofern die Grenzen seiner Zuverlässigkeit sichtbar werden31. Die Dialektformen haben, wie auch bei Ocellus Lucanus32, gelegentlich zu Mißverständnissen und Entstellungen geführt, nicht nur seitens des Übersetzers, sondern auch schon bei Simplikios. Die Mehrzahl solcher
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Sonst müßte man sich fragen, ob MißVerständnisse und Flüchtigkeitsfehler oder auch eventuelle Ergänzungen und Verbesserungen des Übersetzers als original zu betrachten sind oder nicht — eine absurde Frage. Änderungen an folgenden Stellen (davon nach Thesleff: 24,18.19; 25,4; 29,2): 23,2 τώ[ν] άνθρώπω[ν]; 24,4 δεΐ[υ]; 24,10 π α ; 24,18 [τε]; 24,19 ; 25,3 τ ά δέκα; 25,4 αύτώ[ν]; 25,12 [οίον]; 26,21 δέ s t a t t τε; 28,9—10 τ ώ ήμίσεον, τ ώ δ ι π λ ά σ ι ο ν ; 29,2 γ ά ρ ; 29,3; 29,4 μs έφαμεν 9,27 Η.: 5,31 Th.). Ein anderer, sprachlich nicht gekennzeichneter Verweis blieb stehen: ούκ άντιδιτρημένως 10,1 Η. = ουκ άντιδιαιρούμενον 5,34 Th. erklärt sich aus 4,12 Η. ούδέ τ ω ζ φ ω άντιδιαιρεΐται το ζωόφυτον ούδέ γάρ εναυτίως εχει. Daraus ergibt sich, daß die Καθολικοί λόγοι δέκα aus dem Σύνταγμα herausgelöst sind und nicht etwa einen ursprünglich selbständigen Traktat darstellen, der in das Σύνταγμα eingegangen wäre 8 . Der Hauptteil des Kategorienkapitels des Σύνταγμα wurde also leicht überarbeitet, oberflächlich dorisiert und mit neuem Titel dem Archytas zugewiesen. Die Tätigkeit des Bearbeiters läßt sich nunmehr klarer abgrenzen als bisher (vgl. oben 184): er entfernte außer dem genannten Rückverweis noch ώς και toTs γραμματικοΐξ συνδοκεϊ (11,28 Η.: 7,10Th.) sowie einen ganzen Satz (11,1—3 H.: 6,24 Th.), in dem Aristoteles genannt war; er fügte 3,10—12 hinzu sowie die Überschriften zu den einzelnen Dihäresen; er änderte 3,28 έν Βυζαντίδι in έν Θήβαις; statt κατηγορία schrieb er stets λόγος 9 , statt τό ποιόν stets ή ττοιότης. Daß in PsA τά πρόξ τι zu lesen ist statt τό προς τι, muß nicht unbedingt auf ihn zurückgehen, hier bestand von jeher die Wahl zwischen Singular und Plural (vgl. Iamblichos bei Simpl. 160,15). Abweichende Formulierungen paralleler Sätze könnten vom Bearbeiter herrühren, können aber ebenso gut in der Überlieferung begründet sein. Das Verhältnis der beiden Überlieferungszweige ist nicht ganz einfach zu beurteilen. War eine Handschrift der anonymen Uberlieferung die Vorlage für die Archytas-Fälschung ? Die Antwort könnte erst der Vergleich mit den von Heiberg nicht zur Textkonstitution herangezogenen Handschriften geben (deren Heiberg selbst sieben in seiner Praeiatio aufzählt; doch ist seine Liste bei weitem nicht vollständig 10 ). Der edierte 8
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K. Praechter wies nach (Byzantinische Zeitschrift 31, 1931, 1—12), daß der Anonymus den Abschnitt über die Widerlegung von Trugschlüssen wörtlich aus Pseudo-Alexander, In Soph. El. (ed. Wallies 1898, CAG II 3) übernommen hat (43, 26—45, 26 Heiberg = 44, 1—46, 4 Wallies). Ebenso wäre es denkbar, daß eine einst selbständige Kategoriendarstellung abgeschrieben wurde; die Rückverweise wären dann nachträglich eingearbeitet worden — was nicht sehr wahrscheinlich ist. Ferner spricht gegen diese Annahme, daß die Κ. λ. δ. unvermittelt einsetzen, während das Σύνταγμα so etwas wie eine Einleitung hat. Wohl wegen Boethius' Titelangabe Καθόλου λόγοι, s. test. 4 zu Π. τ. κ. λ. und Komm, zu Κ. λ. 6.: Titel. Eine vorläufige Zusammenstellung ergab 28 Hss. einschließlich der drei von Heiberg kollationierten (die Liste beruht auf: (1) Th. Waitz, Organon I, 1844, 6; (2) V. Rose, Hermes 2, 1867, 465—467; (3) Heiberg, Praefatio V — X I X ; (4) A. Wartelle, Inventaire des manuscrits grecs d'Aristote et de ses commenta-
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Nachtrag
Text des Σύνταγμα legt eine andere Verwandtschaftsbeziehung nahe. Denn außer den textkritisch relevanten Differenzen und den mehr äußerlichen Eingriffen des Bearbeiters bestehen auch noch Unterschiede redaktioneller Art. Zwei Abschnitte fehlen in Heibergs Text: 4,8—18 und 5,23—30 Th. Der erste könnte (muß aber nicht unbedingt) ein sekundärer Zusatz sein; beim zweiten besteht zwar wegen der falschen Einordnung der gleiche Verdacht, andererseits ist er inhaltlich unentbehrlich: in beiden Texten heißt es, die Reihenfolge der sechs letzten Kategorien bestimme sich „entsprechend" derjenigen der vier ersten (5,5 Th. = 9,5 H.). Das Prinzip dieser Entsprechung ist aber nur in 5,23—25 Th. ausgesprochen. Hier scheint also der Anfang einer besser anschließenden Fassung erhalten zu sein, die im Σύνταγμα ganz verdrängt wurde. Drittens hat PsA in 7,8.19.22 drei scheinbar sinnlose Querverweise erhalten, die an einen Vorlesungstext erinnern. Vom Bearbeiter können sie nicht stammen, denn sie laufen seiner Fälschungsabsicht zuwider, er muß sie wohl übersehen haben. Daß sie im Verlauf der buchmäßigen Tradition eingefügt wurden, ist ganz unwahrscheinlich. Man muß also mit der Möglichkeit rechnen, daß sie ursprünglich zu diesem Kategorientext gehören und erst im Σύνταγμα eliminiert wurden. PsA würde dann (über Zwischenglieder) auf ein Exemplar zurückgehen, das vor der anonymen Fassung des Σύνταγμα lag. Vielleicht läßt sich eines Tages eine gemeinsame Vorlage bestimmen. teurs, Paris 1963; (5) D. Harlfinger — J . Wiesner, Scriptorium 18, 1964, 238 bis 257; (6) briefliche Mitteilung von D. Harlfinger). Von den 24 Hss. in Heibergs Praefatio enthalten 14 nur das Quadrivium; mithin waren dem Herausgeber der Anon. log. nur 10, d. h. weniger als die Hälfte der Hss. bekannt.
INDEX VERBORUM Ist die dorische Form eines Wortes überliefert, so ist sie maßgebend für die Einordnung, auch wenn sie nur einmal oder nur in einer der beiden Kategorienschriften erscheint.
Καθολικοί λόγοι δέκα άγάλλεσθαι άγαλλίασίξ άγγεϊον άγέννατο; άγορά άγρόξ άδελφό; άδιαίρετοϊ άδονά αδυναμία άδύνατον άεί
4,10.13 4,12 8,17 τό θείον ά.-ον 3,14
Αεικίνητος άετόξ άβάνατο^ Άθηναι αίθήρ αϊσθασις αίσθατόξ αίσχυντηλόξ αΐτία αίτιον
(ό χρόνος) 5,27 7,1 5,35 4,1 7,17 6,22 5,32.33
άκίνατοί Ακολασία άχολούθω; öncpißcös άκρο? άκρωτήρια άλγεΐν άλήθεια
6,13.14 6,25 5,5
Περί τοΰ καθόλου λόγου
22,30 8,19 (ό ένεστώς χρόνο$) 7,21 6,18.35 7,1.2
25,12; 27,11; όμάδελφος 27,13 29,19; (τό νϋν) 30,16 26,3 23,21 (ά. ή ν καΐ έσσεϊται τό νϋν) 30,9; (ά. συνάτττει τό νϋν) 29,17
25,5—9; 26,3.4 22,31; 25,5—9 27,4 28,17.19.23 άλλάλων αίτια 28,7.16; αίτιον 28,9; 25,7 ούσία ά. 31,5 22,10
3,21; 8,4 τά ά. τοΰ σώματος δέκα 32,19 4,18 (ού) κατά ά. 26,14; 30,16; ή των δντων ά. 32,1
190
Index verborum Καθολικοί λόγοι δέκα
άληθήϊ άλλαλοι άλλοιοϋν άλλοίωσίξ άλλο? άλογο* άμα άμβλυγώυιο; άμείβειν άμερήξ
4,2; 6,32 6,30 Ä.-cos 8,8 5,35
άμέριστον
τό καθ' έαυτό ά. ποιεί τάν ποότητα 4,27
άμυδρώξ αμφιβολία αμφότεροι ανάγκα άναιρεϊν άναίσθητον άνακεϊσθαι άνάκλισίξ αναλλοίωτο; άναιττδναι άναφέρειν άνδριαντοττοιός άνδριάξ άνεγείρειν
8,7 τάν ούσίαν ούκ ά. 3,26
4,10; 7,19 8,5 5,33 4,3; 8,8 (τοϋ κεϊσθαι θέσΐξ) 5,11; 8,2.8 4,7 ά. άνθρώττω αδύνατον 7,1
άνεπίδεκτο$ ανθρωπινοί
5,14; 6,36
άνθρωττοζ
3,23; 5,13.36; 7,1
άνισον ν. ίσον άνόμοιον ν. όμοιον ανοπλο; 4,4 άντιδιαιρεΐν 5,34; 6,1 άντιδιαστέλλειν 3,16 αντικείμενα συνεισάγειν τά ά. 5,18
Περί τοϋ καθόλου λόγου ά. κατάφαση 31,24; το ά. καΐ τό ψεύδος έν τ η καταφάσει καΐ άποφ. 31,26 ά.'-ώς 32,20 22,20.21; 27,13; ά.-ων αίτια 28,7.16 τό νϋν ά. καΐ &. 29,18; 30,9 26,1 28,7.16; 29,16 29,12.19; τό νϋν ά. καΐ αδιαίρετου 30,16; ούσία ά. 31,5 ά. έστιν ό χρόνος 30,14 27,12 (Simpl.: αναφέρω ν Β ) 28,8.15; 29,8; 30,21 28,13—15
27,12 (Β) 28,19.20 28,20 ό θυμόζ έφ° έτέρω τινί ττέφυκεν ά.-εσθαι 28,22 ά.-η πραξις 26,15; τα θεία των πραγμάτων καΐ τά ά. 32,4 ό ά. έρμηνεϋξ γίνεται των πραγμάτων 22,9; έκπληροϊ τά τοϋ λόγου σύσταμα 30,18; αύτό? ό ά. ορρ. ό τί$ δ. 30,20. 23; ό ά. ττρόί δύο συνέστη 32,14; κανών έστι της όντω; έτπστήμη