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German Pages 265 Year 2000
FELIX GRAF VON STOSCH
Prozeßförderung durch das Mittel der Präklusion im österreichischen und deutschen Recht de lege lata - de lege ferenda
Schriften zum Internationalen Recht
Band 116
Prozeßförderung durch das Mittel der Präklusion im österreichischen und deutschen Recht de lege lata - de lege ferenda
Von
Felix Graf von Stosch
Duncker & Humblot . Berlin
Die Deutsche Bibliothek - CIP-Einheitsaufnahme Stoscb, Felix Graf von: Prozeßförderung durch das Mittel der Präklusion im österreichischen und deutschen Recht - de lege lata - de lege ferenda / von Felix Graf von Stosch. Berlin : Duncker und Humblot, 2000 (Schriften zum Internationalen Recht; Bd. 116) Zugl.: Wien, Univ., Diss., 1997 ISBN 3-428-10045-X
Alle Rechte vorbehalten
© 2000 Duncker & Humblot GmbH, Berlin Fotoprint: Werner Hildebrand, Berlin Printed in Germany ISSN 0720-7646 ISBN 3-428-10045-X Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier entsprechend ISO 9706 8
Inhaltsverzeichnis I.
ProzeßfOrderung in erster Instanz ..................................
15
1. Einleitung .........................................................
15
2. Überblick über die Vorteile kurzer Prozeßdauer ........................ a) Konzentration der gerichtlichen Ressourcen ......................... b) Reduzierte Staatsausgaben ........................................ c) Erhöhtes Vertrauen in die Justiz ................................... d) Förderung der materiellen Gerechtigkeit ............................ e) Wirtschaftliche Vorteile der Parteien ............................... f) Soziale Vorzüge .................................................
17 17 18 18 18 18 19
3. Allgemeines zur Präklusion. .. ... .... .. .. . .. . . ... ...... ... ..... . ... .. 19 a) Säumnis ........................................................ 19 b) Präklusion ...................................................... 20 aa) Rechtstheoretischer Hintergrund ............................... 20 bb) Prozeßförderung als Last oder Pflicht .......................... 21 cc) Praktische Bedeutung des Theorienstreits ....................... 23 4. Präklusionsregelungen aus historischer Sicht ........................... a) Entwicklung in Österreich ........................................ aa) Erste einheitliche Gerichtsordnung von 1781 (AGO) ............. bb) Westgalizische Gerichtsordnung von 1796 (WGO) ............... cc) Reformbestrebungen im 19. Jahrhundert. ... .... . . . .. . ... . . ... .. dd) Österreichische Zivilprozeßordnung von 1895 ................... b) Entwicklung in Deutschland ...................................... aa) Reichsprozeßordnung von 1877 ............................... bb) Novellengesetzgebung von 1924 und 1933 ...................... cc) Reformdiskussion in den fünfziger Jahren ...................... dd) "Stuttgarter Modell" ......................................... ee) Entwürfe bis zur Vereinfachungsnovelle 1976 ...................
24 24 24 25 25 26 28 28 29 31 32 33
5. Systematische Darstellung der Präklusionsnormen ...................... a) Prozeßförderungspflichten des Gerichts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. aa) Formelle Prozeßleitungspflichten in der öZPO .................. bb) Formelle Prozeßleitungspflichten in der dZPO .................. b) Prozeßförderungspflichten der Parteien ............................. aa) Regelungen in der öZPO rür das Verfahren 1. Instanz ............ bb) Neuerungsverbot ..... ... ........ . ... ... .... ..... .. .... . ... . .. cc) Regelungen in der dZPO für das Verfahren 1. Instanz. . ... .. .....
36 36 36 38 40 40 42 42
6
Inhaltsverzeichnis (I) Präklusion bei Fristüberschreitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ..
(2) Präklusion bei Verletzung der Prozeßförderungspflicht . . . . . . .. (3) Präklusion von Zulässigkeitsrügen ......................... dd) Präklusion im Berufungsverfahren ............................. c) Stimmen aus der Literatur zur Vereinfachungsnovelle 1976 ........... d) Eigene Bewertung ............................................... aa) Geltende Rechtslage in Österreich ............................. bb) Geltende Rechtslage in Deutschland ...........................
43 44 45 45 47 48 48 51
6. Verfassungsrecht und Präklusion .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. a) Präklusion und rechtliches Gehör .................................. aa) Wurzeln und Schutzbereich des Art. 6 EMRK und 103 GG . . . . . .. bb) Anspruch auf rechtliches Gehör ............................... cc) Schranken des Art. 6 EMRK und 103 GG ...................... b) Präklusion und Gleichheitssatz ....................................
54 54 56 57 58 62
7. Angriffs- und Verteidigungsmittel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. a) Rechtslage nach der dZPO ........................................ aa) Definition gern. § 282 Abs. I dZPO ........................... bb) Angriff und Verteidigung ..................................... cc) Einreden als Angriffs- und Verteidigungsmittel .................. (I) Einrede der Anfechtung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. (2) Einrede der Aufrechnung ................................. (3) Einrede aus Prozeßvertrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. dd) Beweisantrag und sonstige Prozeßanträge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. b) Rechtslage nach der öZPO .. .... ......... ......... . ...... . . ... .. .. aa) Präklusionsfähiges Vorbringen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . .. bb) Angriff und Verteidigung ..................................... cc) Unselbständige Verteidigungsmittel ............................ dd) Aufrechnung als selbständiges Verteidigungsmittel ............... ee) Analoge Anwendung... .... ...... ... . ... ...... . ... .... ... .. .. ff) Prozeßeinreden .............................................. gg) Rechtsausführungen ..........................................
64 64 64 65 67 67 68 69 73 74 74 76 76 77 79 80 82
8. Verspätung ..................................................... . . .. a) Begriff der "Verspätung" ......................................... b) Überschreitung richterlicher oder gesetzlicher Fristen ................ aa) Präklusionsbewehrte Fristen in der dZPO ....................... bb) Analoge Anwendung des § 296 Abs. I dZPO auf andere Fristen .. cc) Präklusionsbewehrte Fristen in der öZPO ....................... (I) Reformvorschläge für Replik- und Duplikfristen ............. (2) Reformvorschläge für Fristen zwischen den Verhandlungen ... c) Verstoß gegen die allgemeine Prozeßförderungspflicht ............... aa) Rechtzeitigkeit i. S. v. §§ 296 Abs. 2 i. V. m. 282 Abs. I dZPO bb) Rechtzeitigkeit i. S. v. §§ 296 Abs. 2 i. V. m. 282 Abs. 2 dZPO ....
84 84 84 84 86 88 88 89 90 90 91
Inhaltsverzeichnis
7
cc) Rechtslage nach der öZPO ....................................
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9. Inhaltliche Anforderungen an ein Vorbringen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. a) Rechtslage nach der dZPO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. aa) §§ 277 Abs. I, 282 Abs. 1 zwischen Eventualmaxime und Prozeßtaktik ...................................................... bb) Fortgeltung der Eventualmaxime? ............................. cc) Zulässigkeit gestaffelten Vorbringens? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. (1) Entstehungsgeschichte der §§ 277 Abs. I, 282 Abs. 1 ........ (2) Ansichten in der Literatur ..... . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. (3) Eigene Bewertung ....................................... (4) Zwischenergebnis ........................................ dd) Konkretisierung des inhaltlichen Umfangs ...................... (1) Prozeßlage .............................................. (2) Förderungsbewußte Prozeßführung ......................... (3) Maxime vom "sichersten Weg" ............................ (4) Folgerungen aus diesem Prinzip ........................... (5) Wahrheits- und Vollständigkeitspflicht gem. § 138 Abs. I .... ee) Einzelne Schriftsätze im Überblick ............................ (1) Klageschrift ............................................. (2) Klageerwiderung ......................................... (3) Replik und Duplik ....................................... b) Rechtslage nach der öZPO ... .. .. .. .. .. .. .. . . .. .. . .. . . . .. .. .. . .. .. aa) Inhalt und Umfang eines Schriftsatzes .......................... (1) Anforderungen an die Klageschrift gem. § 226 .............. (2) ,.Leere" Klageerwiderungen ............................... bb) Übernahme der §§ 277 Abs. 1,282 Abs. 1 dZPO in die öZPO? ... cc) Reformvorschläge ...........................................
93 93 93 94 96 96 97 98 100 100 100 101 102 103 105 107 108 110 111 111 112 112 113 114 117
10. Verzögerung ....................................................... a) Rechtslage nach der dZPO ..... .. .. .. .. . . .. . . . .. . . . .. . . .. .. .. . .. .. aa) Verschiedene Berechnungsarten ........................•...... bb) Problem der Überbeschleunigung ............................. . cc) Meinungsstand .............................................. (1) Relative Theorie ......................................... (2) Absolute Theorie ........................................ (3) Entscheidung des BverfG ................................. dd) Eigene Bewertung ........................................... b) Rechtslage nach der öZPO .. .. . .. .. . .. .. .. . . . . .. . . . .. . . .. .. . . . . . .. aa) Rechtsprechung und Literatur ................................. bb) Reform des Verzögerungsbegriffs ..............................
119 119 120 121 121 121 123 124 125 126 127 127
11. Kausalität ... . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 128 a) Kausalität als Tatbestandsmerkmal ................................. 128 b) Richterliches Fehlverhalten als Kausalitätshindernis .................. 130
8
Inhaltsverzeichnis aa) Materielle Prozeßleitungspflichten ............................. (1) Bedeutung .............................................. (2) Inhalt und Umfang ....................................... (3) Auswirkungen auf die Anwendung der Präklusionsnormen .... bb) Formelle Prozeßleitungspflichten .............................. (I) Ordnungsgemäße Belehrung ............................... (2) Beachtung von Formvorschriften .... . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. (3) Auswirkungen auf die Anwendung der Präklusionsnormen .... c) Zumutbare Maßnahmen zur Verhinderung der Präklusion ............. d) Erfordernis der Nachfristsetzung gern. § 283 dZPO ..................
130 130 132 136 136 136 138 139 140 142
12. Verschulden ........................................................ a) Verschuldensmaßstab ............................................. b) Rechtslage nach der dZPO ........................................ aa) Fahrlässigkeit i. S. v. § 296 Abs. 1 ............................. bb) Grobe Nachlässigkeit i.S.v. § 296 Abs. 2 ...................... c) Rechtslage nach der öZPO ........................................ aa) Meinungsstand .............................................. bb) Bewertung der geltenden Rechtslage ........................... cc) Reformvorschläge ...........................................
143 143 144 145 145 146 147 148 149
13. Behauptungs- und Beweislast ........................................ a) Allgemeine Grundsätze ........................................... b) Beweislastumkehr gern. § 296 Abs. 1 dZPO ........................ c) Beweismaß .....................................................
151 151 152 153
14. Rechtsfolgen ....................................................... a) Inhalt der Entscheidung nach § 296 dZPO .......................... b) Inhalt der Entscheidung nach §§ 179 Abs.l, 275 Abs. 2, 278 Abs. 2 öZPO aa) Präklusion im Ermessen des Richters .......................... bb) Präklusion als Pflichtaufgabe des Richters ...................... cc) Abschaffung des Parteienantrags ...............................
154 154 154 154 155 156
15. Ausspruch der Präklusion ............................................ a) Kein eigener Beschluß ........................................... b) Benachrichtigung der präklusionsbedrohten Partei ................... c) Folge einer Präklusion für die Entscheidungsfindung ...... . . . . . . . . . .. d) Präklusion in einem End- und Zwischenurteil .......................
156 156 157 157 158
16. Rechtsmittel ....................................................... a) Berufung und Revision ........................................... aa) Rechtslage nach der dZPO .................................... bb) Rechtslage nach der öZPO ..... .. .. .. .. .. . .. .. . .. .. .. .. . . .. ... b) Rechtsmittel gegen eine unterlassene Präklusion ..................... c) Verfassungsbeschwerde ........................................... aa) Verfahren vor dem BverfG .................................... bb) Verfahren vor dem öVfGH bzw. EUGHMR .....................
159 159 159 160 161 161 161 164
Inhaltsverzeichnis
9
17. Beschleunigungshemmende Faktoren .................................. a) Umgehung der Präklusion in der dZPO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Flucht in die Säumnis ........................................ bb) Flucht in die Widerklage ..................................... cc) Flucht in die Klageerweiterung, -änderung und -häufung ......... dd) Flucht in die Berufung ....................................... b) Widerspruch als systemfremder Faktor in der öZPO ................. aa) Einführung des Oppositionprinzips und ihre Folgen ............. . bb) Rechtfertigung des Gesetzgebers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. cc) Wiederherstellung der ursprünglichen Rechtslage ............... .
164 164 165 167 170 172 173 173 174 176
18. Ergebnis ........................................................... a) Übersicht ...................................................... . aa) Systematik ................................................. . bb) Vorbringen ................................................. . cc) Verspätung .................................................. dd) Verzögerung ................................................ ee) Kausalität................................................... ff) Verschulden................................................. gg) Rechtsfolge ................................................. hh) Rechtsmittel ................................................ b) Reformvorschläge für die öZPO ................................... aa) Replik- und Duplikfrist ....................................... bb) Schriftsätze zwischen den Verhandlungen ....................... cc) Beweisbeschluß ............................................. dd) Inhalt und Umfang der Schriftsätze ............................ ee) Streichung des Widerspruchs ... .. . . .. .. . .. . . .. .. .. . . . . . . .. . .. . ff) Verschärfung der Präklusionstatbestände ....................... . c) Konkrete Neuformulierung des Gesetzestextes ...................... d) Reformvorschläge für die dZPO .................................. .
177 177 177 178 178 179 180 181 181 182 182 182 183 183 183 184 184 184 187
11. Neuerungsverbot .................................................. 189 1. Einleitung ......................................................... 189
2. Systematische Darstellung ........................................... a) Volle Berufung ................................................... aa) Gesetzliche Grundlagen der dZPO ............................. bb) Historische Entwicklung ..................................... . b) Beschränkte Berufung ............. ; .............................. aa) Gesetzliche Grundlagen der öZPO ............................. bb) Historische Entwicklung ......................................
191 191 191 193 195 195 197
3. Ideologische Wurzeln der dZPO und öZPO ........................... . 199 a) Klein und der Sozialstaat ........................................ . 199 b) Die dZPO und der Liberalismus ................................... 202
10
Inhaltsverzeichnis
4. Widerspruch von Schnelligkeit und Gerechtigkeit? ...................... a) Präklusion und Verwirkung ....................................... aa) Die Thesen Henckels . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Die Präklusion als eigenes prozessuales Rechtsinstitut ............ b) Kein absoluter Widerspruch beider Prozeßgrundsätze ................ c) Zwischenergebnis ................................................
205 206 206 208 211 213
5. Meinungsstreit ..................................................... a) Beschränkte Berufung ............................................ b) Volle Berufung .................................................. c) Auswirkungen in der Praxis ....................................... d) Verteidigung der beschränkten Berufung ............................ aa) Das Zusammenspiel von Parteien und Gericht in der öZPO ....... bb) Kostenaspekte und Zurückverweisung ......................... . cc) Wiederaufnahmsklage ....................................... . dd) Soziale Vorzüge der beschränkten Berufung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ee) Psychologischer Druck auf den Richter ......................... ff) Zwischenergebnis ............................................ e) Vorschläge zur Übernahme der beschränkten Berufung in die dZPO ... aa) 61. Deutscher luristentag (1996) und das Gutachten von Gottwald . bb) Entwürfe Rimmelspachers zur Einführung des Neuerungsverbots .. cc) Bericht zur Rechtsmittelreform des Bundesjustizministeriums (1999) dd) Eigene Bewertung ...........................................
213 213 214 216 217 217 222 226 230 231 231 232 232 233 234 234
6. Soziales Rechtsmittelsystem ......................................... a) Vorschläge Benders .............................................. b) ÖASGG ........................................................ c) Bewertung ..................................................... .
237 237 238 239
7. Verfassungsrechtliche Fragen .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 240 8. Ergebnis ....... . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Übersicht ....................................................... aa) Ideologische Wurzeln der Prozeßordnungen ..................... bb) Die verschiedenen Rechtsmittelsysteme ........................ cc) Modeme Entwicklungen ...................................... dd) Widerspruch von Schnelligkeit und Gerechtigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . b) Beschränkte Berufung ............................................ aa) Stärkung der ersten Instanz ................................... bb) Herbeiführung der Entscheidungsreife ......................... . cc) Nova reperta und nova producta ............................... c) Soziales Rechtsmittelsystem ......................................
244 244 244 245 246 246 247 248 248 249 249
Abkürzungsverzeichnis ................................................
11
Literaturverzeichnis ................................................... 251 Stichwortverzeichnis ................................................... 263
Abkürzungsverzeichnis a.A.
anderer Ansicht
a.a.O.
am angegebenen Ort
ABGB
Allgemeines Bürgerliches Gesetzbuch
abI.
ablehnend
Abs.
Absatz
a.F.
alte Fassung
AcP
dt. Archiv der civilrechtlichen Praxis
AK
Alternativkommentar
a.M.
anderer Meinung
Anm.
Anmerkung
AnwBl
dt. Anwaltsblätter
ArbGerG
öster. Arbeitsgerichtsgesetz
Art.
Artikel
ASGG
öster. Arbeits- und Sozialgerichtsgesetz
Aufl.
Auflage
BB
Betriebs-Berater
Bd
Band
BGB
Bürgerliches Gesetzbuch
BGBL
Bundesgesetzblatt
BGR
dt. Bundesgerichtshof
BK
Bonner Grundrechtskommentar
BR-DruckS
Bundesrats-Drucksache
BT-DruckS
Bundestags-Drucksache
BverfG
dt. Bundesverfassungsgericht
BverfGE
Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts
B-VG
öster. Bundesverfassungsgesetz
bzw.
beziehungsweise
ders.
derselbe
dies.
dieselbe
Diss.
Dissertation
12
Abkürzungsverzeichnis
d.h.
das heißt
DÖV
dt. Die öffentliche Verwaltung
DRdA
öster. Das Recht der Arbeit
DRiZ
dt. Richterzeitung
EFSlg
Ehe- und familienrechtliche Entscheidungen
EMRK
Europäische Menschenrechtskonvention
EO
öster. Exekutionsordnung
EUGH
Europäischer Gerichtshof
EuGHMR
Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte
EUGRZ
Europäische Grundrechte Zeitschrift
EvBI
Evidenzblatt der Rechtsmitte1entscheidungen
FamRZ
dt. Familienrechtszeitung
f.
folgende
ff.
fort folgende
FG
Festgabe
FN
Fußnote
FS
Festschrift
gern.
gemäß
GG
dt. Grundgesetz
h.M.
herrschende Meinung
Hrsg
Herausgeber
i.d.R.
in der Regel
insb.
insbesondere
i.V.m.
in Verbindung mit
JA
dt. Juristische Ausbildung
JBl
öster. Juristische Blätter
JR
dt. Juristische Rundschau
JuS
dt. Juristische Schulung
JZ
dt. Juristenzeitung
LB
Lehrbuch
LGZ
Landgericht für Zivilsachen
UZ
Liechtensteinische Juristenzeitung
m.E.
meines Erachtens
MDR
dt. Monatsschrift des deutschen Rechts
MietSlg
Mietrechtliche Entscheidungssammlung
Abkürzungsverzeichnis MüKo
Münchener Kommentar
m.w.N.
mit weiteren Nachweisen
n.F.
neue Fassung
NJW
dt. Neue Juristische Wochenschrift
NJW-RR
dt. NJW-Rechtsprechungsreport
NZ
öster. Notariatszeitung
OGH
Oberster Gerichtshof
OLG
Oberlandesgericht
ÖAnwBl
öster. Anwaltsblätter
ÖJZ
öster. Juristenzeitung
ÖRZ
öster. Richterzeitung
PraktZPR
Praktisches Zivilprozeßrecht (Buch)
RdW
Recht der Wirtschaft
RZ
Randzahl
S.
Seite
sog.
Sogenannt
SZ
Entscheidungen des OGH
u.a.
unter anderem
u.U.
unter Umständen
VerfGh
Verfassungsgerichtshof (der dt. Bundesländer)
VersR
dt. Versicherungsrecht
VfGH
öster. Verfassungsgerichtshof
vgl.
vergleiche
WBl
dt. Wertpapieblätter
ZöffR
öster. Zeitschrift für öffentliches Recht
ZPO
Zivilprozeßordnung
ZRP
dt. Zeitschrift für Rechtspolitik
ZZP
dt. Zeitschrift für Zivilprozeßrecht
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I. Prozeßförderung in erster Instanz 1. Einleitung
"Der Justiz steht, salopp gesprochen, das Wasser bis zum Hals." Mit diesen Worten kommentierte Wassermann 1995 den Zustand des Justizwesens in Deutschland. Obwohl Anfang der 90er Jahre zwei Rechtspflegeentlastungsgesetze in Kraft getreten sind, hat die Arbeitsbelastung der Zivilgerichte weiter zugenommen. Ursächlich hierfür ist die über die Gerichte hereingebrochene Prozeßflut der vergangenen Jahre bei gleichzeitiger Einsparung von Sach- und Personalmitteln. Diese beiden Faktoren haben entscheidend zu einer Überbelastung der Justiz und damit einer längeren Verfahrensdauer geführt. Um diesem Trend wirksam zu begegnen, sind strukturelle Reformen der Zivilprozeßordnung notwendig. Die Rechtswirklichkeit hat gezeigt, daß die in den letzten Jahren beschlossenen Vereinfachungs- und Entlastungsgesetze allein nicht dazu in der Lage sind, eine funktionstüchtige Ziviljustiz wieder herzustellen. Anstatt punktueller Entlastungsmaßnahmen ist eine transparente Neuordnung des zivilgerichtlichen Verfahrens erforderlich. Dazu bietet sich insbesondere eine grundlegende Neukonzeption des Rechtsmittelsystems an, das dem rechtsuchenden Bürger einen effektiven Rechtsschutz garantiert. Die täglichen Meldungen in den Zeitungen über den Gerichtsalltag in Deutschland bestätigen die Notwendigkeit einer derartigen strukturellen Neugestaltung. Dagegen dürfte der Weg, über einen finanziell und personell besser ausgestatteten Rechtspflegeapparat den drohenden Kollaps zu verhindern, auf Grund der angespannten Haushaltslage versperrt sein. Es ist also nötig, nach anderen Lösungen zu suchen, will man die dritte Gewalt im Staat nicht ihres Ansehens berauben. Zu diesem Zweck bietet sich ein Blick über bestehende Landesgrenzen hinweg an. Ein Vergleich mit der Situation im österreichischen Justizwesen zeigt, daß dort die Zivil gerichtsbarkeit nicht denselben Belastungen ausgesetzt ist wie in Deutschland. Klagen über die Menge an Prozessen und deren Dauer waren in der Vergangenheit nur selten zu vernehmen. Erst in jüngster Zeit ist es auch hier verstärkt zu einem Ruf nach Reformen gekommen. Dennoch scheint der österreichische Zivilprozeß auch heute noch weitgehend immun gegen solche Horrorszenarien, wie sie aus Deutschland bekannt sind. Die Ursachen dafür sind natürlich mannigfaltig. Ihr tieferer Grund liegt aber sicherlich in der auch für heutige Verhältnisse immer noch vorbildlichen Grundfassung der öZPO aus dem Jahr 1895. Darin sind
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I. Prozeßförderung in erster Instanz
bereits viele der in Deutschland heute diskutierten Probleme aufgegriffen worden. Klein, der geistige Schöpfer der öZPO, hatte schon damals immer wieder die Vorteile eines kurzen, effizienten und billigen Verfahrens betont. So ist unter seiner Leitung ein Gesamtwerk entstanden, das sich durch eine Konzentration des Verfahrens auszeichnet, ohne dabei aber die Notwendigkeit eines gerechten Urteils aus dem Blick zu verlieren. Viele seiner Ideen wurden später auch in Deutschland durch mehrere Novellen übernommen. Das Neuerungsverbot als effizientestes Mittel zur Verfahrensbeschleunigung übernahm man hingegen nicht. Unter Hinweis darauf, daß sich Schnelligkeit oftmals nur auf Kosten einer materiell gerechten Entscheidung erreichen läßt, wurde das Neuerungsverbot allgemein zurückgewiesen. Die Ablehnung war so groß, daß die vor einigen Jahren in Deutschland begonnene Diskussion um die Einführung des Neuerungsverbots auf den ersten Blick als Verrat an den Leitprinzipien der dZPO erscheinen mußte. Doch die angespannte Lage im deutschen Justizwesen bewirkte schließlich, daß man sich auf die Vorzüge des in Österreich erfolgreich angewandten Systems der "beschränkten" Berufung besann. Damit ist nunmehr der Weg frei für eine Adaption dieses Rechtsinstituts in die dZPO. So vorbildlich der österreichische Zivilprozeß anfangs auch war, so sind jedoch auch hier mittlerweile einige Defizite im Hinblick auf die Prozeßökonomie zu Tage getreten. Die Zivilgerichtsnovelle von 1983 und die Wertgrenzennovelle von 1989 haben diesen Mißständen nur bedingt abgeholfen. Was die prozeßökonomische Struktur des erstinstanzlichen Verfahrens betrifft, zeigt sich die dZPO seit der Vereinfachungsnovelle von 1976 in mancherlei Hinsicht der der öZPO überlegen. Teilweise wurden durch die Novellen in das österreichische Recht auch prozeßhemmende Elemente aufgenommen. Ein Beispiel dafür liefert die Einführung des Widerspruchs in das österreichische Recht unter Verweis auf die deutsche Rechtslage. Diese Änderungen haben mehr Schaden angerichtet als sie verbessert hätten. Angesichts dieser widersprüchlichen Ergebnisse bot es sich an, einen für beide Länder fruchtbaren Rechtsvergleich durchzuführen. Wirksamstes Mittel im Kampf gegen die Überbelastung der Gerichte und die damit einhergehende überlange Prozeßdauer ist die Straffung des erstinstanzlichen Verfahrens sowie ein eingeschränkter Rechtsmittelzugang. Deswegen sollen sie im Vordergrund dieses Rechtsvergleichs stehen. Untersucht werden die jeweiligen Prozeßförderungspflichten der Parteien und des Gerichts. Im Mittelpunkt stehen einerseits die für das erstinstanzliche Verfahren vorgesehenen Präklusionsbestimmungen, deren strenge Handhabung die Gerichte vor einem prozeßverschleppenden Taktieren seitens der Parteien schützen. Andererseits werden die unterschiedlichen Rechtsmittelsysteme der dZPO und der öZPO dargestellt, die je nach ihrer Ausgestaltung mehr oder weniger in der Lage sind, die Gesamtdauer der Verfahren zu verkürzen. So werden die Vor- und Nachteile einer zweiten Tatsacheninstanz und ihre
2. Überblick über die Vorteile kurzer Prozeßdauer
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Auswirkungen auf die Prozeßdauer untersucht. Ich hoffe, mit dieser Arbeit einige Anregungen dafür zu geben, wie man dem Problem der überlangen Prozeßdauer infolge gesteigerten Prozeßaufkommens Herr werden könnte. Dabei sollte man nicht aus dem Auge verlieren, daß das Prozeßrecht und seine Vereinfachung nicht die Wurzel des erhöhten richterlichen Arbeitsaufkommens beseitigen kann. Die neu hereingebrochene Prozeßflut ist sicherlich auch ein Resultat der zu beobachtenden Verrechtlichung von bisher rechtsfreien Räumen sowohl in Österreich als auch in Deutschland. Der Gesetzgeber verliert dabei immer öfter eine Grundkonzeption aus den Augen, sodaß ein Flickwerk an Regeln entsteht, das von besonderer Unübersichtlichkeit geprägt ist. Diesen Umstand hat nicht zuletzt Medicus in seiner Abschiedsvorlesung von der Universität München betont unter Verweis auf die immer komplizierter gewordenen Regelungen im Mietrecht. Notwendig für eine Einbremsung der Prozeßflut ist also eine gebündelte Aktion, die auch die Vereinfachung des materiellen Rechts mitumfaßt. Solange dies nicht geschieht, kann auch ein reformiertes Prozeßrecht nur einen bruchstückhaften Beitrag zur Venninderung der gerichtlichen Belastung leisten. Im Rahmen dieser Arbeit wurde die Rechtsprechung und Literatur bis zum Frühherbst 1999 berücksichtigt. Zu diesem Zeitpunkt lag dem Verfasser bereits der "Bericht zur Rechtsmittelrefonn in Zivilsachen" der vom Bundesministerium der Justiz eingesetzten Bund-Länder-Kommission vor. Die Stellungnahmen hierzu konnten allerdings nur in einem begrenzten Maße berücksichtigt werden, da sie vorwiegend nach dem redaktionellen Abschluß dieser Arbeit erfolgten.
2. Überblick über die Vorteile kurzer Prozeßdauer Der folgenden Arbeit soll eine Übersicht vorangestellt werden, die stichpunktartig die Vorteile eines konzentrierten Verfahrens aufführt. Auf diese Punkte wird im Verlaufe der Arbeit immer wieder verwiesen werden, stellen sie doch die Grundlage für etwaige Refonnvorschläge dar. Aus diesem Grunde erscheint es sinnvoll, die Prozeßökonomie und ihre Bedeutung für die am Rechtsstreit Beteiligten, d. h. die Parteien, die Justiz und die Gesellschaft insgesamt gleich zu Beginn dieser Arbeit zu verdeutlichen. a) Konzentration der gerichtlichen Ressourcen
Mit der Verkürzung der Prozeßdauer ist eine Senkung des Arbeitsaufwandes der Gerichte verbunden. Ein gut funktionierendes Zusammenspiel zwischen Gericht, Geschäftsstelle und Parteien dient einer Konzentration des 2 von Stosch
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1. Prozeßförderung in erster Instanz
Gerichts auf tatbestandlich umfangreiche und rechtlich komplexe Rechtsstreite. So werden die Gerichte gleichzeitig von langatmigen Alltagsstreitigkeiten befreit. Es findet eine Umverteilung der richterlichen Arbeitskraft statt, die letztlich auch der qualitativen Güte der Entscheidungen zugute kommt; m.a.W. die Wahrscheinlichkeit einer materiell gerechten Entscheidung erhöht sich. b) Reduzierte Staatsausgaben
Mit einer Verfahrensbeschleunigung ist eine Steigerung der Effektivität der Rechtspflege verbunden. Es kann im gleichen Zeitraum eine erhöhte Anzahl von Fällen aufgearbeitet werden. Damit wird der gesamte Rechtspflegeapparat entlastet. Rückstände können abgearbeitet werden. Dies erspart eine Aufstockung der Sach- und Personalkapazitäten. Auf diese Weise können erhöhte Staatskosten vermieden werden. c) Erhöhtes Vertrauen in die Justiz
Eine effektive Rechtspflege erhöht auch das Vertrauen der Allgemeinheit in die Durchsetzbarkeit ihrer Rechte. Dies verhindert eine Austragung von Streitigkeiten außerhalb neutraler Instanzen. Der Kampf um das Recht findet in einem geordneten Rahmen statt, was wesentlich zu einem gefestigten Rechtsfrieden beiträgt. Denn nur bei einer raschen Klärung der Rechtslage wird sichergestellt, daß der einzelne nicht im Wege der Selbsthilfe seine Ansprüche zu befriedigen sucht. d) Förderung der materiellen Gerechtigkeit
Ein kurzer Prozeß ist eher geeignet, die materielle Gerechtigkeit zu fördern als ein überlanges Verfahren. Erwähnt seien in diesem Zusammenhang beispielsweise die Abnahme der Beweiskraft, die sich bezüglich bestimmter Beweismittel durch Zeitablauf einstellt. Für die Wahrheitsfindung ist eine Prozeßverzögerung in diesen Fällen ungünstig. Die Verschleppung leistet hier Ungerechtigkeiten Vorschub. e) Wirtschaftliche Vorteile der Parteien
Nicht nur der Staat hat ein wirtschaftliches Interesse an einer kurzen Verfahrensdauer, sondern auch die Parteien. Für die Dauer des Prozesses sind die umkämpften Rechtsgüter gebunden. Investitionen oder Verfügungen werden verhindert, da sie unter Androhung einer Schadensersatzpflicht
3. Allgemeines zur Präklusion
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stehen. Umso schneller dieser Zustand aufgehoben wird, umso günstiger ist dies sowohl für den einzelnen als auch für die Volkswirtschaft. Daneben sind auch die finanziellen Belastungen zu berücksichtigen, die den Parteien im Zusammenhang mit dem Verfahren entstehen. Gerichts- und Rechtsanwaltskosten stellen ebenfalls einen nicht zu unterschätzenden Faktor dar. Ein konzentrierter Prozeß kann hier Abhilfe schaffen. j) Soziale Vorzüge
Eine kurze Verfahrensdauer hat auch eine soziale Komponente. Ist das Verfahren kurz und damit gleichzeitig billig, so werden auch sozial schwächere Schichten nicht vor einem Gang zum Gericht zurückschrecken. Der Druck, sich auf einen nachteilhaften außergerichtlichen Vergleich einzulassen, nimmt ab. Gerade gegenüber finanzstarken juristischen Personen ist dieser Trend zu beobachten. Dieser Praxis kann durch ein effektives und damit letztlich auch sozialverträgliches Rechtssystem entgegentreten werden. 3. Allgemeines zur Präklusion a) Säumnis
Bevor im einzelnen auf die Möglichkeiten des Gerichts eingegangen wird, Prozeßverschleppungen durch das Mittel der Präklusion zu begegnen, sollen noch ein paar grundSätzliche Gedanken zur Parteisäumnis und deren Folgen angeführt werden. Eine solche Einführung dient dem besseren Verständnis für die im Verlaufe dieser Arbeit zu erörternden rechtstechnischen Problemstellungen. Wann eine Partei im Prozeß als säumig gilt, ist im Gesetz nicht ausdrücklich geregelt. Hilfreich ist insofern der Formulierungsvorschlag von Rosenberg. Danach gilt eine Parteihandlung dann als versäumt, wenn ..sie innerhalb der für sie bestimmten Zeitgrenze (Termin/Frist/Zeitabschnitt) nicht oder nicht bis zu ihrer Vollendung vorgenommen wird". 1 Je nachdem, ob die Partei zur Verhandlung gar nicht erschienen ist bzw. zwar erschienen ist, jedoch ohne die von ihr verlangten Parteihandlungen vorzunehmen, spricht man von Total- oder Teilsäumnis. Ungeachtet dieser Unterschiede geht das Gesetz in § 144 öZPO bzw. § 230 dZPO davon aus, daß die Partei bei Säumnis mit ihrer Prozeßhandlung ausgeschlossen bleibt. 2 Beide I Rosenberg/Schwab/Gottwald § 69 I; ebenso Fasching 11 712; Rechberger/Simotta RZ 494. 2 Fasching a. a. 0.; ders. LB RZ 566.
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I. Prozeßförderung in erster Instanz
Bestimmungen bringen das "Prinzip der Präklusionswirkung" zum Ausdruck, welches besagt, daß ein Nachholen der versäumten Handlung ausgeschlossen ist, und der Prozeß ohne Rücksicht auf diese Handlungen fortgesetzt und beendigt wird. Neben diese - allgemeinen - Versäumnisfolgen treten die besonderen. Diese bewirken Rechtsnachteile sonstiger Art. Die bedeutendste Fallgruppe in diesem Zusammenhang ist sicherlich die des Versäumnisurteils gern. §§ 396ff. öZPO bzw. §§ 33lff. dZPO. 3 Auf Antrag des Erschienenen erläßt das Gericht - sofern alle Prozeßvoraussetzungen erfüllt sind - ein Versäumnisurteil. Diesem Urteil wird der von der erschienenen Partei vorgelegte Sachverhalt zugrunde gelegt. Ist dieses Vorbringen schlüssig, so wird der Klage stattgegeben. Neben der Unzulässigkeit eines nachträglichen Sachvortrags kommt als besondere Folge noch der Erlaß eines Urteils hinzu, auf dessen Entscheidungsgrundlage der Säumige keinen Einfluß hatte. So hat das Wegbleiben des Beklagten die Wirkung eines fiktiven Geständnisses bezüglich der Klagebehauptungen. 4 b) Präklusion
aa) Rechtstheoretischer Hintergrund Worin der Ausschluß der Parteihandlung bei Säumnis und etwaige besondere Folgen ihre Rechtfertigung finden, war zum Ende letzten und Anfang dieses Jahrhunderts sehr umstritten. Rechtsdogmatischer Ausgangspunkt war für Degenkolbs die gesetzliche Verpflichtung zum prozessualen Handeln (sog. Verbindlichkeitstheorie). Es bestehe ein Erklärungszwang der Parteien gegenüber dem Gegner; m.a.W. jedem stehe das subjektive Recht auf Einlassung des Gegners zu. Eine solche Pflicht ergebe sich aus der auf Friedensschaffung ausgerichteten Funktion des Gerichts. Um dieser zentraJ Weitere Beispiele für besondere Säumnisfolgen bei Fasching LB RZ 568 f.; Rosenberg/Schwab/Gottwald § 69 I 2. 4 Nach der öZPO ist die Sanktion eines Versäumnisurteils grundsätzlich nur beim Fernbleiben in der ersten Tagsatzung möglich; nicht dagegen im Falle der Abwesenheit bei einem weiteren Verhandlungstermin. Insofern unterscheidet sich die dZPO von der öZPO. Im Regelfall ist der Beklagte säumig. Im Gegensatz dazu ist das Fernbleiben des Klägers in der Praxis sehr selten. Denn grundsätzlich hat derjenige, der einen Prozeß anstrengt, ein Interesse an der Klärung der Auseinandersetzung. Daher wird er in der Regel vor Gericht auftreten. Hat dagegen ein außergerichtlicher Vergleich zwischen beiden Parteien stattgefunden - besteht also kein Interesse mehr an einer Streitschlichtung, so werden die Parteien darauf im Verfahren reagieren; sei es, daß der Kläger auf die Klage verzichtet oder sie zurücknimmt, sei es, daß möglicherweise beide Parteien nicht zur Verhandlung erscheinen. 5 Degenkolb (1877) S. 14ff.
3. Allgemeines zur Präklusion
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len Aufgabe nachkommen zu können, sei das Gericht auf eine ordentliche Prozeßführung beider Parteien angewiesen. Demgegenüber gelangt Bülow6 zu dem Ergebnis, daß es eine Pflicht zur Mitwirkung im geltenden Recht nicht gäbe. Es stehe der Partei frei, tätig zu werden oder nicht. Die Klagezustellung stelle nur eine bloße Aufforderung zur Antwort dar. Allenfalls enthalte die ZPO "Lasten", deren Nichtbefolgung zu Rechtsnachteilen für die Parteien führen könne. 7 Denn die ZPO weise der Partei selbst die Aufgabe zu, für ihren Erfolg oder Nichterfolg verantwortlich zu sein. Das Tätigwerden stehe weiterhin im Belieben der Partei. Die Nachteile sind Folge eines gesetzlichen Regelungsgefüges, das auf Abschichtung von Verantwortungsbereichen ausgelegt ist. Gegenüber dieser durch den Liberalismus geprägten Sichtweise stellt
KleinS entscheidend auf den Schutz des Gegners vor Prozeßverzögerung ab.
Zwar sehe das Gesetz keine Handlungspflichten vor; aber die Untätigkeit einer Partei müsse im Interesse des Gegners Rechtsnachteile nach sich ziehen können, wobei die Schutzwürdigkeit der erschienenen Partei nur dann höher zu bewerten sei als Sanktionen gegen den Säumigen, wenn dieser schuldhaft handele. In der Folgezeit entstanden keine umfangreicheren Beiträge mehr zu diesem Thema. Es schien, als wäre sich die Literatur über die von Bülow und durch Goldschmidt weiterentwickelte - Figur der "Prozeßlast" als Grund für einen Ausschluß bei Säumnis einig. Erst seit den 70er Jahren finden sich wieder einige Stimmen zu dem Problemkreis. Im Zusammenhang mit der Vereinfachungsnovelle wurde vereinzelt9 die Frage aufgeworfen, ob die Präklusionsnonnen Ausdruck der erweiterten Prozeßförderungspflicht bzw. bloßen -last der Parteien sind. bb) Prozeßförderung als Last oder Pflicht Grundlage für diese Differenzierungsversuche bildete eine Abhandlung von Lent. 1O Dieser wies überzeugend nach, daß das Gesetz sowohl Lasten als auch Pflichten kennt. Entscheidendes Kriterium für die Abgrenzung ist die Zielrichtung des Gesetzes. Ist es nach dem Sinn und Zweck einer Nonn gleichgültig, ob eine bestimmte Parteihandlung vorgenommen wird oder nicht, weil weder Staat noch Gegner ein besonderes Interesse daran haben, Bülow AcP 62 (1879) S. 1ff. Bülow (1925) S. 99 ff. 8 Klein (1885) S. 42ff. 9 Leipold ZZP 93 (1980), S. 237ff.; ders. in Stein/Jonas § 282/4f.; Stümer (1976) S. 74ff. 10 Lent ZZP 67 (1954), S. 344 (350ff.). 6
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I. Prozeßförderung in erster Instanz
so liegt eine "Last" vor. Wird ein Unterlassen aber vom Gesetz mißbilligt und ist es damit rechtswidrig, so kann von einer prozessualen "Pflicht" zum Handeln gesprochen werden. 11 Eine solche rechtliche Mißbilligung könne so Lent - aus den Präklusionsnormen herausgelesen werden. Diese Norm wende sich gegen eine bewußte Verzögerung von Verfahren. § 296 stelle nicht nur ein Verzögerungsverbot auf, sondern verpflichte die Parteien zu einem prozeßfördernden Verhalten. Henckel 12 hingegen stellt für die Differenzierung auf die Dispositionsbefugnis der Parteien ab. Werde die Einhaltung einer bestimmten Prozeßführung in ihr Belieben gestellt, so könne die gesetzliche Aufforderung nur als "Last" bezeichnet werden. Werde dagegen vom Gesetz im Interesse anderer Verfahrensbeteiligter ein bestimmtes Verhalten gefordert, liege eine "Pflicht" vor. Dies bedeutet für die Zurückweisungsvorschriften folgendes: Der Säumige will sein Vorbringen nachholen. In dem Zeitpunkt aber, in dem er das neue Prozeßmaterial an das Gericht heranträgt, wird er mit seinem Vorbringen ausgeschlossen. Die Berücksichtigung dieser Norm und ihrer Folgen steht nun nicht mehr im Belieben der Partei. Die Freiheit, über sein Vorbringen frei zu disponieren, wird der säumigen Partei abgesprochen. Für diese Ansicht spricht, daß sie zu einer logischen Differenzierung zwischen den Fällen der Total- und Teilsäumnis führt. Im ersten Fall handelt es sich nämlich um eine bloße "Last".13 Ob eine Partei in der Verhandlung erscheint oder nicht und damit ein Versäumnisurteil gegen sich hinnimmt, ist ihr überlassen. Möglicherweise ist ihre Abwesenheit Ausdruck des Wunsches, bewußt auf jede Rechtsverteidigung verzichten zu wollen, um die Kosten des Prozesses niedrig zu halten. Außerdem stehen einem solchen Verhalten, wenn kein Widerspruch (nach deutscher Terminologie Einspruch) erhoben wird, keine Interessen anderer Verfahrens beteiligter entge11 Damit verwarf Lent (a. a. 0.) den Ansatz, daß sich eine Differenzierung aus der Durchsetzbarkeit der gesetzlichen Handlungsregeln ableiten lasse. So kann wohl die Wahrheits- und Vollständigkeitspflicht (§ 178 öZPO bzw. § 138 dZPO) als "echte" Pflicht bezeichnet werden; erzwingen läßt sie sich dennoch nicht. Erstens fehlt es an einem geeigneten Instrumentarium und zweitens kann der Richter auch selbst von Amts wegen die Wahrheit erforschen, was ihm den langwierigen Umweg über die widerwillige Partei erspart. Auch Henckel (1970) S. 17 betont diese Unterschiede. Er führt als Beispiel die Prozeßlüge an. Zwar kommen Pflichten im Prozeß seltener vor als bloße ,,Lasten", jedoch ist ihre Existenz für Henckel unbestritten. ,,Die auf den Prozeßverlauf bezogene Pflicht ist kein Fremdkörper, sondern ein notwendiges Gestaltungsmittel, das neben der prozessualen Last seine Berechtigung hat, wenn der Normzweck mit jener nicht erreicht werden kann." 12 Henckel (1970) S. 15 ff. 13 Rechberger/Simotta RZ 556; Kralik ÖJZ 1950, 129.
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gen. Vielmehr trifft das Gegenteil zu. Das Verfahren endet auf Antrag des Erschienenen und erfährt somit u. U. sogar eine Verkürzung. Ganz anders hingegen bei der Teilsäumnis. Hier besteht die Gefahr, daß es durch weiteres Vorbringen zu einer Verlängerung des Verfahrens kommt, das ansonsten bereits hätte abgeschlossen werden können. Verteidigt sich die Partei, sind Gericht und Gegner auf ihre Mitwirkung angewiesen, damit es zu einem raschen Prozeßende kommt. Aus diesem Grunde ist den Parteien das Recht abzusprechen, nach ihrem Belieben den Sachvortrag zeitlich zu staffeln. Insofern kann man also durchaus von einer "Mitwirkungspflicht" der Parteien sprechen. 14 cc) Praktische Bedeutung des Theorienstreits Bedeutung gewinnt die theoretische Unterscheidung bei der Auslegung der Präklusionstatbestände. Diese müssen im Lichte der gesetzlichen Verpflichtung der Parteien zur Prozeßförderung betrachtet werden. Bedenkt man, daß das rechtzeitige Vorbringen nicht im freien Belieben der Parteien steht, sondern vom Gesetz gefordert wird, so spricht dies in Zweifelsfällen für eine strengere Auslegung der Ausschlußnormen, als wenn man die Notwendigkeit eines rechtzeitigen Vortags als bloße "Last" bezeichnen würde. Die übrigen Verfahrensbeteiligten sind vor den Nachteilen der Prozeßverschleppung zu schützen. Gerade deren Interessen gilt es zu berücksichtigen, wenn neues Vorbringen zurückgewiesen wird. In diesem Fall läßt sich aber nicht mehr behaupten, es handele sich um eine "Last", also eine eigene Angelegenheit des Säumigen. Grundsätzlich ist daher nur ein solches Verhalten prozeßfördernd, das auch den Interessen der anderen Beteiligten gerecht wird.
14 Fasching (LB RZ 134) bezeichnet solche Pflichten als "Handlungspflichten". Als Beispiele führt er die Wahrheits- und Vollständigkeitspflicht (§ 178), die Pflicht zur Verhinderung von Verschleppung und Verzögerung (§ 179) und die Pflicht zur sorgsamen Prozeßführung (§ 530 Abs. 2) an. Ähnlich Rosenberg/Schwab/Gottwald § 2 III 2; Kallweit (1983) S. 96ff.; Leipold ZZP 93 (1980), 237 (240f.); Franzki DRiZ 1977, 162. Für eine Mißbilligung und damit eine "Pflicht" zum Handeln spricht auch das Verschuldensmoment der Präklusionsnormen. Der Ausspruch der Zurückweisung ist an ein vorwerfbares Verhalten des Säumigen geknüpft; d. h., eine Präklusion ist nur bei schuldhaftem Fehlverhalten möglich. Der Gesetzgeber fordert ein vorwerfbares - d.h. von der Rechtsordnung mißbilligtes - Verhalten der Parteien. Stürner (1976) S. 76ff.; Kallweit (1983) S. 98f.
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4. Präklusionsregelungen aus historischer Sicht a) Entwicklung in Österreich aa) Erste einheitliche Gerichtsordnung von 1781 (AGO) Der Beginn einer einheitlichen österreichischen Zivilprozeßordnung liegt im Jahr 1781. Durch die "Allgemeine Gerichtsordnung" (AGO) wurde erstmals ein Regelungswerk geschaffen, das die bis zu diesem Zeitpunkt zersplitterten Prozeßordnungen einzelner Länder vereinheitlichte. Die von Kaiserin Maria Theresia eingeleiteten Reformentwürfe wurden unter Kaiser losef II zum Abschluß gebracht und in Kraft gesetzt. Federführend bei der Kodifizierung des neuen Gesetzeswerkes waren die Rechtsgelehrten v. Martini und v. Sonnenfels. Angelehnt war die neue Gerichtsordnung an das gemeine Recht, was eine Herrschaft der Parteien über den Verfahrensablauf zur Folge hatte. Es galten die Grundsätze der Schriftlichkeit, Mittelbarkeit sowie die Verhandlungs- und Eventualmaxime. 15 Bereits in § 1 legte die AGO fest, daß den Parteien nicht nur die Disposition über den Streitgegenstand zusteht, sondern auch über die Sammlung des Tatsachenstoffes. 16 Der Richter hingegen hatte kaum Einfluß auf die Erforschung der Wahrheit. Seine Tätigkeit war auf solche Maßnahmen beschränkt, die den äußeren Verfahrensablauf betrafen. Beweisaufnahmen von Amts wegen oder eine richterliche Frage- und Anleitungspflicht sah das Gesetz nicht vor. Statt dessen wurden ein kompliziertes System von Parteieiden eingeführt, das aber kaum die Chance einer materiell gerechten Entscheidung erhöhte. Die gebundene Beweiswürdigung tat ihr übriges dazu. Die starren inhaltlichen Regelungen in bezug auf den äußeren Verfahrensablauf trugen ebenfalls kaum zu einem produktiven Verfahren bei. Vielmehr waren die weitreichenden Normen bezüglich der mittelbaren Beweisaufnahme, der Zulässigkeit langer Ausschlußfristen und der abgestuften Eventualmaxime geeignet, das Verfahren auch in zeitlicher Hinsicht zu verzögern. Festgeschrieben war die Eventualmaxime in §§ 3,4,47, 53f. AGO. Die Parteien wurden danach angehalten, innerhalb bestimmter Prozeßabschnitte ihr Vorbringen in den Prozeß einzuführen. So war dem Kläger nur in der Klageschrift gestattet, seinen Anspruch zu substantiieren. Im Rahmen der Replik waren allein Ausführungen gegenüber den vom Beklagten vorgetragenen selbständigen Verteidigungsmitteln erlaubt. Diese starre Regelung verbunden mit langen Erwiderungsfristen hatte einen besonders negativen Effekt auf die Prozeßdauer. Der Schwerpunkt des Verfahrens verlagerte 15 16
Dahlmanns (1982) in Coing (Hrsg.) Bd. III/2 S. 2702. Oberhammer in Kralik/Rechberger (1993) S. 31 (3Sf.).
4. Präklusionsregelungen aus historischer Sicht
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sich zusehends von der in der AGO vorgeschriebenen mündlichen Verhandlung zu einem langatmigen Vorverfahren. Ein flexibles System an Vorschriften, die es dem Richter gestattet hätten, auf die jeweilige Prozeßlage zu reagieren, fehlte. 17 Folge der Eventualmaxime waren umfangreiche Schriftsätze, die jede zukünftige Prozeßkonstellation vorwegnahmen. Das Versäumnisverfahren beruhte auf den Grundsätzen der Präklusion und der Fiktion des Geständnisses. Die Präklusionsfolgen ließen sich allein durch die Regeln über die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beheben. Strikt war die AGO nur in bezug auf den Zugang zum Rechtsmittelgericht. 18 Unzulässig war nicht nur eine Klageänderung in der 2. Instanz, sondern auch neues Vorbringen von Tatsachen und Beweismitteln gern. § 257 AGO. Diese Vorschrift hatte folgenden Wortlaut: "In der Appellationsbeschwerde soll weder ein anderer Gerichtsumstand noch ein anderes Beweismittel angeführt werden, als jenes, worüber bei der ersten Instanz gesprochen worden ist." bb) Westgalizische Gerichtsordnung von 1796 (WGO) In der Folgezeit häuften sich die Beschwerden über die Ineffizienz der AGO. 19 Schon bald war Kaiser lose! 1I gezwungen, für Westgalizien eine eigene Prozeßordnung zu erlassen (1796), die dann später auch von den Ländern Ostgalizien, Salzburg, Tirol, Vorarlberg sowie Istrien und Dalmatien übernommen wurde. In der Westgalizischen Gerichtsordnung wurden dann einige der angemahnten Mißstände beseitigt. Nunmehr wurde einerseits die Stellung des Richters im Verfahren durch einzelne Ermessensbestimmungen aufgewertet, und andererseits eine Vereinfachung der Prozeßeinleitung und Prozeßdurchführung kodifiziert. Auch hier blieb das Vorbringen von Noven gern. § 333 weiterhin verboten. Ansonsten änderte sich inhaltlich wenig. cc) Reformbestrebungen im 19. Jahrhundert Im Laufe des 19. Jahrhunderts wurden die Prozeßordnungen für besondere Verfahrensarten weiter reformiert. So beispielsweise für das summari17 Sprung (UZ 1983, 31 (32» bewertet die damalige Situation folgendermaßen: "Der Prozeß nach der AGO war ein tumultuarisches Interessenturnier, in dem die Parteien als Regisseure wirkten, und der Richter nur ein geduldiger Mitarbeiter war, ein Hampelmann, der sich nur bewegen durfte, wenn die Parteien ihn am Schnürchen zogen." So auch Oberhammer a.a.O. S. 39. 18 Pappafava (1901) S. 1 f.; Fasching in FG-Fasching (1993), 91 (104); Dahlmanns a. a. O. S. 2703. 19 Klein/Engel (1927) S. 33.
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I. Prozeßförderung in erster Instanz
sche Verfahren bei geringfügigen Steitwerten im Summarpatent 1845.20 Diese Reformen gingen auf ZeiLler zurück, der 1808 in seinem Aufsatz "Die Grundsätze über die Haupteigenschaften einer Civil-Gerichtsordnung" zu einer Senkung der Prozeßkosten und -dauer aufrief. Nötig seien die Abschaffung der Eventualmaxime und die Hinwendung zu einem freien Parteivortrag. Dem Richter sei eine stärkere Stellung im Prozeß einzuräumen, um einem willkürlichen Verfahrensablauf entgegentreten zu können. Damit war erstmals die soziale Funktion des Zivilprozesses angesprochen worden. Zeiller schrieb diesem Institut ausdrücklich eine befriedigende Funktion ZU. 21 Eine umfassende Neukodifikation der AGO ließ trotz dieser Ansätze auf sich warten. Erst 1862 setzten die ersten Beratungen ein. Die Staaten des deutschen Bundes planten eine Neuregelung, basierend auf liberalen Vorstellungen. Kurzzeitig schien es so, als ob man zu den Grundideen der AGO zurückkehren würde, die einer Prozeßverzögerung den Weg geöffnet hatten. Schließlich war es aber Glaser, der dieser Entwicklung entgegensteuerte. 22 Er schuf eine reformierte Prozeßordnung für das Bagatellverfahren. Darin war zugunsten einer kürzeren Verfahrens dauer eine eingeschränkte Vertagungsmöglichkeit genauso enthalten wie eine Fristverkürzung und eine Abschaffung der Schriftlichkeit des Verfahrens. Die Eventualmaxime wurde aufgegeben; die Verhandlung bis zum Urteil als Einheit behandelt. Vor den Rechtsmittelgerichten war nur eine Nichtigkeitsbeschwerde möglich. Dagegen waren Berufungen aus Anlaß von Partei- oder einfachen richterlichen Fehlern nicht zugelassen. Der Grundsatz der Mündlichkeit wurde ebenso ausgebaut wie der Unmittelbarkeitsgrundsatz.23 Auf Grund seiner Modernität hatte dieses Regelungswerk eine Art Vorbildfunktion für die ca. 20 Jahre später vorgenommene Neuregelung der Zivilprozeßordnung. dd) Österreichische Zivilprozeßordnung von 1895 Der endgültige Durchbruch zu einer effizienteren Prozeßordnung wurde durch Menger eingeleitet. Dieser verwies in seinen Schriften immer wieder auf die Ungerechtigkeiten, die durch einen auf Parteibetrieb gestützten 20 Das Summarpatent enthielt folgende Neuerungen: Erstens den Wegfall einer starren Einteilung der einzelnen Prozeßstadien; ferner die Verkürzung der vom Richter zu bestimmenden Fristen und die Vereinfachung des Beweisverfahrens; zuletzt auch Normen, die die aktive Prozeßgestaltung durch den Richter ermöglichen sollten. 21 Vgl. Fasching in Forschungsband Klein (1988) S. 97 (102). 22 Sperl ZZP 51 (1927), 407 (416); Sprung LJZ 1983, 31 (33); Schoibl (1987) S.43f. 23 Vgl. Dahlmanns a.a.O. S. 2714f.
4. Präklusionsregelungen aus historischer Sicht
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Zivilprozeß entstehen. Dem Mittellosen werde der Gang vor die Gerichte einmal dadurch erschwert, daß die überlange Prozeßdauer seine finanziellen Möglichkeiten übersteige und er damit zur Aufgabe gezwungen werde. Außerdem verschlechtere sich seine Position im Prozeß durch seine minderen Kenntnisse und seine Unerfahrenheit. Nötig sei ein sozial ausgewogener Prozeß, der die wirtschaftlich schwächere Partei nicht ungleich behandele. Es war das Verdienst Mengers, auf die ökonomischen Funktionen des Zivilprozesses aufmerksam gemacht zu haben. Klein nahm die Ideen Zeillers und Mengers auf und entwarf eine neue Gerichtsordnung, die auf folgenden Bausteinen gründete: Das Verfahren sollte "einfach", "billig" und "schnell" sein. Kralik beschreibt die Zielsetzungen Kleins so: "Das Reformwerk Kleins war vorwiegend auf eine Verbesserung in der Praxis des Zivilprozesses gerichtet. Seit Hauptaugenmerk galt in erster Linie der Schnelligkeit und damit auch der Billigkeit des Verfahrens und der wirksamen und wahrheitsgemäßen Sachverhaltsermittlung.,,24
Zu diesem Zweck wurde die Stellung des Richters gestärkt, was nach
Kleins Ansicht auch für die Verfahrenskonzentration äußerst förderlich
war. 25 Schließlich wurde auch die Eventualmaxime beseitigt. An ihre Stelle trat die Einheit der mündlichen Verhandlung mit der Möglichkeit des jederzeitigen Vortrags. 26 Allerdings sah die öZPO nunmehr vor, daß bei offenkundiger Verschleppungsabsicht neue Tatsachen und Beweismittel (gern. 179 Abs. 1 S. 2) zurückzuweisen seien. Dies galt ebenso für neue Beweisangebote zu alten Tatsachenbehauptungen (gern. § 275 Abs. 2). Damit schien ein ausreichender Schutz gegen ein Taktieren der Parteien gefunden worden zu sein. Im Rahmen der Wertgrenzennovelle 1997 wurde § 179 Abs. 1 S. 2 allerdings neu gefaßt. Im Zuge dieser Novelle wurden die Anforderungen an die Verschleppungsabsicht herabgestuft mit dem Ziel, dieser Vorschrift in der Praxis einen größeren Anwendungsbereich zu eröffnen. Eine solche Reform war nach Ansicht des Gesetzgebers notwendig geworden, da die strengen subjektiven Voraussetzungen einer effizienten Prozeßbeschleunigung im Wege standen. In Fällen der Totalsäumnis sollte nach Ansicht der geistigen Urheber der ZPO allein das Restitutionsprinzip gelten; dagegen wurde das Einspruchssystem französischer Herkunft abgelehnt. Vor dem Hintergrund des davon ausgehenden prozeßbeschleunigenden Effekts wurde das Restitutionsprinzip vom Gesetzgeber in die ZPO aufgenommen. Jedoch wurde es in neuester Zeit durch das Konsumentenschutzgesetz 1979 bzw. die Zivilverfahrensno24 25 26
Kralik in Forschungsband Klein (1988) S. 89. Klein (1891) S. 21. Dahlmanns a. a. O. S. 2736.
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velle 1983 - mittels der Einführung des Widerspruchs (§ 397 a) und der wahlweisen bzw. kumulativen Möglichkeit von Rechtsbehelfen - wieder aufgeweicht. Das Novenverbot blieb hingegen bestehen, obwohl gerade dieses Rechtsinstitut von Klein nicht verteidigt worden war. Klein war vielmehr geneigt, auch in 2. Instanz sämtliches Vorbringen zuzulassen?7 Man entschied sich jedoch dagegen und ließ lediglich eine geringe Auflockerung zu. Die Parteien blieben weiter zu einem umfassenden Vorbringen in der 1. Instanz angehalten. Eine Neuverhandlung in 2. Instanz konnte trotz starken Befürwortens der Anwaltschaft nicht durchgesetzt werden. b) Entwicklung in Deutschland
aa) Reichsprozeßordnung von 1877 Historisch betrachtet läßt sich die Diskussion über das "Ob" und "Wie" der Prozeßbeschleunigung bis zu den Entwürfen einer einheitlichen Prozeßordnung im Jahr 1862 zurückverfolgen. 28 Aber erst 1867 kam es infolge der Errichtung des norddeutschen Bundes zu der Einsetzung einer Kommission mit dem Ziel der Angleichung der bis dahin bestehenden unterschiedlichen Verfahrensordnungen. Während Preußen zu einem fast völligen Verzicht jeglicher Beschränkung des Vorbringens von Angriffs-und Verteidigungsmitteln innerhalb des Verfahrens tendierte, forderte der norddeutsche Entwurf - hervorgegangen aus dem hannoverischen von 1866 - eine mit Präklusionswirkung ausgestattete Prozeßzäsur zwischen Behauptungs- und Beweisstadium. Danach sollten alle Angriffs- und Verteidigungsmittel einschließlich der Beweismittel und der gegen sie erhobenen Einwendungen in der ersten mündlichen Verhandlung über die Hauptsache, d. h. vor Erlaß des Beweisbescheides, vorgetragen werden müssen. Jedoch enthielt bereits dieser Entwurf Ausnahmen, sodaß nicht alles zum frühest möglichen Zeitpunkt in seinem ganzen Umfang vorzubringen war. 29 Im folgenden entstand ein Justizministerialentwurf (1871), der einer einheitlichen - alle Länder des mittlerweile gegründeten Deutschen Reiches umfassenden - Zivilprozeßordnung den Weg ebnen sollte. Dieser wendete sich von einer Prozeßzäsur ab und verlangte die Einheit der mündlichen Verhandlung. Danach konnten beide Parteien zu jedem Zeitpunkt des VerKlein (1900) S. 254f.; vgl. auch Fasching a.a.O. S. 109. Der preußische Entwurf wurde 1864, der hannoverische, an dem zehn Staaten des deutschen Bundes mitgearbeitet hatten, 1866 veröffentlicht. Schulte (1980) S. 19/24. 29 Schulte a. a. O. 27 28
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fahrens neue Angriffs- und Verteidigungsmittel vorbringen. Die Eventualmaxime trat - in Anlehnung an das französische Recht und den Entwurf Preußens - dabei in den Hintergrund. Einer Prozeßverschleppung wurde allein dadurch entgegengewirkt, daß die Partei, die ihr Vorbingen zurückhielt, einer Kostenpflicht unterlag, sofern sie obsiegte. Der Justizausschußentwurf von 1874, der im Reichstag am 21.12.1876 in nur redaktioneller Hinsicht veränderter Fonn angenommen wurde, war geprägt durch eine liberale Haltung, die in einem Prozeß lediglich die Austragung eines Kampfes zweier Privatsubjekte sah. 30 Die Reichsprozeßordnung überließ es den Parteien, für die Durchführug des Verfahrens zu sorgen. Auf Antrag des Klägers konnte das Gericht Verteidigungsmittel des Beklagten zurückweisen, wenn sie in Verschleppungsabsicht oder aus grober Nachlässigkeit nicht früher vorgebracht wurden, und ihre Zulassung die Erledigung des Rechtsstreites verzögern würde (§ 252 CPO). Damit wurde im großen und ganzen die Eventualmaxime entschieden abgelehnt. 3 ) Jedoch galt diese weiterhin für die prozeßhindernden Einreden; also solche, die die Zulässigkeit der Klage betreffen. 32 Diese Einreden wurden ausgeschlossen, sofern sie nicht vor der Verhandlung zur Hauptsache und gleichzeitig vorgebracht wurden, oder die Verspätung nicht entschuldigt war (§ 247 Abs. 3 CPO). Die Berufungsinstanz wurde als weitere Tatsacheninstanz ausgestaltet; die Parteien konnten danach neuen Sachvortrag auch in der zweiten Instanz einbringen. Der freie Parteivortrag galt allerdings mit der Maßgabe, daß die zunächst gem. § 252 CPO präkludierte Partei "unter dem Vorbehalt der Geltendmachung von Verteidigungsmitteln" verurteilt wurde. Diese Regelung verfolgte das Ziel, einer säumigen Partei keine materiell-rechtlichen Nachteile aufzuerlegen; führte aber in der Praxis zu noch längerer Prozeßdauer. Denn sie hatte zur Folge, daß bei Fortführung des Rechtsstreits, der weiter anhängig blieb, daß Vorbehaltsurteil wieder aufgehoben wurde (§§ 502, 503 CPO). Eine wirkliche Prozeßbeschleunigung war nur insoweit vorgesehen, als der säumige Sieger der Berufung wegen verzögernder Prozeßführung mit den Prozeßkosten belastet werden konnte (§ 251 Abs. 2 CPO). bb) Novellengesetzgebung von 1924 und 1933 Schon bald stellte sich heraus, daß die Voraussetzungen des § 252 CPO und § 503 CPO zu eng waren, um ein wirksames Mittel im Kampf gegen die Prozeßverschleppung zu sein. 33 In der Folgezeit setzte eine Refonnbe30
31 32
Böhm IUS Commune VII (1978) S. 136 (151). Leipold ZZP 93 (1980),237 (258). Bettennann ZZP 91 (1978), 365 ( 381).
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wegung ein;34 nicht zuletzt auf Grund der positiven Erfahrungen, die die Justiz durch strenge Präklusionsvorschriften im Rahmen der Schiedsgerichtsbarkeit gemacht hatte. Denn dort hatten diese Vorschriften wesentlich zu einer kürzeren Verfahrens dauer beigetragen. 35 Dies führte schließlich zur Verordnung des Jahres 1924 (sog. "Emminger-Verordnung,,).36 Diese Verordnung engte die Zulässigkeit nachträglichen Vorbringens während des laufenden Prozesses erheblich ein. 37 So umfaßte § 279 n. F. nunmehr auch Angriffsmittel und verpflichtete auch den Kläger zu rechtzeitigem Vorbringen. Der Ausschluß verspäteten Vortrages war von nun an auch nicht mehr vom Antrag des Gegners abhängig. 38 Blieb die Versäumung unentschuldigt, konnten die Angriffs- und Verteidigungsmittel ausgeschlossen werden. Im Berufungsverfahren war das zweitinstanzliche Gericht nach der neuen Verordnung in der Lage, die in erster Instanz präkludierten oder nicht geltend gemachten Angriffs- und Verteidigungsmittel zurückzuweisen, wenn sie den Prozeß verzögern würden und aus Verschleppungsabsicht oder grober Fahrlässigkeit in erster Instanz nicht vorgebracht wurden. Damit hielt der Gesetzgeber an dem Grundsatz fest, daß Angriffs- und Verteidigungsmittel, die in erster Instanz nicht vorgebracht worden waren, nachgeholt werden konnten (§ 529 Abs. 1 n. F.); sei es auch mit Einschränkungen (§ 529 Abs. 2, 3 n.F.). Diese Verordnung wurde 1933 um § 279 Abs. 2 ergänzt, der die Zurückweisung nicht rechtzeitig vorgetragener Angriffsund Verteidigungsmittel im vorbereitenden Schriftsatz anordnete. Aber auch trotz der beiden Novellen ließ sich nicht von der Einführung der reinen Eventualmaxime sprechen. 39 Jedoch bewirkten die Änderungen eine deutliche Hinwendung zu dieser Maxime, ohne sie vollständig zu übernehmen. Hierfür prägte sich der Begriff der "Konzentrationsmaxime" ein. 4o Dieser Grundsatz unterscheidet sich von der Eventualmaxime in gradueller Hinsicht. Er verpflichtet die Parteien zu einer konzentrierten Prozeßführung und verleiht dem Richter Befugnisse zur Lenkung der Parteien und des Verfahrens. 41 Damit sollen die Parteien zum raschen Vorbringen ihrer Angriffsund Verteidigungsmittel angehalten werden. 42 33 Hahn (1983) S. 130; Vollkommer (ZZP 81 (1968), 102 (122)) bezeichnet die CPO von 1877 als ideales Werkzeug der Prozeßverschleppung. 34 Damrau (1975) S. 154ff. 35 Schulte (1980) S. 50. 36 Die Verordnung trägt den Namen des damaligen Justizministers. 37 Jauemig § 28 III 2; Schulte (1980) S. 50. 38 Bettermann ZZP 91 (1978), 365 (384). 39 Blomeyer § 23 III; Damrau (1975) S. 367. 40 Jauemig § 28 III; Leipold ZZP 93 (1980), 237 ( 258); Goldschmidt (1925) S. 5 ff.
4. Präklusionsrege1ungen aus historischer Sicht
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cc) Refonndiskussion in den fünfziger Jahren Mit dieser Novellierung schien ein großer Schritt gegen die Prozeßverschleppung getan. 43 Dennoch verstummte die Diskussion nicht. Schon Anfang der fünfziger Jahre schlug Lorenz vor, das im österreichischen Recht geltende Neuerungsverbot im Berufungsverfahren auch in das deutsche Recht zu übernehmen. 44 Denn auf diese Weise, so Lorenz45 , würden die Parteien einerseits gezwungen werden, schon in der ersten Instanz alles Notwendige und Zweckdienliche vorzubringen; andererseits wurde der Schwerpunkt des Verfahrens in eine Instanz gelegt. 46 Rosenberg führte dagegen an, daß das Neuerungsverbot zur Versagung des Rechtsschutzes führe, dessen Gewährung die höchste Pflicht des Staates sei. Denn der Richter sei infolge der Nichtbeachtung neuer Tatsachen in der Wahrheitsforschung gehemmt. Auch das Mittel der Wiederaufnahmsklage gern. § 530 öZPO sei prozeßverschleppender als eine zweite Tatsacheninstanz. Denn während in diesem Fall neues Vorbringen, das erst nach dem erstinstanzlichen Urteil bekannt werde, noch in des Verfahren eingeführt werden könne, sei die Partei nach österreichischem Recht auf die Erhebung einer neuen Klage angewiesen. Dies aber führe zu einer Verdoppelung der Prozesse.47 Weiterhin wurde - ebenfalls in Anlehnung an das österreichische Recht die Einführung eines Vortennins, der Tagsatzung nicht ganz unähnlich diskutiert. 48 Diesem sog. Vortennin sollte noch ein schriftliches Vorverfahren mit einem auf max. drei Monate befristeten Schriftsatzwechsel vorangehen, in dem die Parteien den Streitstoff umfassend vortragen. Nach Ablauf dieses Vorverfahrens sollte ein neuer Vortrag ausgeschlossen sein, sofern er nicht ausreichend entschuldigt ist. Der Vortennin selbst sollte allein der Erörterung des Tatsachenmaterials dienen und dem Richter die Gelegenheit Jauemig § 28 11. Rosenberg/Schwab/Gottwald § 81 V; Bender/Belz/Wax (1977) RZ 44 suchen die Konzentrationspflicht der Parteien im Bereich zwischen Eventualmaxime und freier Prozeßtaktik. 43 Schulte (1980) S. 55. 44 Bereits im 2. Weltkrieg galt aus Gründen des Personalmange1s das Neuerungsverbot im Deutschen Reich (§ 7 der 3. Vereinfachungsnovelle von 1942 RGB!. S.333), das nach Kriegsende aber wieder aufgehoben wurde. 4S Lorenz JR 1950,524. 46 Baur ÖJZ 1962, 10 (11), der sich ebenfalls für das Neuerungsverbot einsetzt. 47 Rosenberg (ZZP 64 (1951), S. 15ff.) führt noch weitere Nachteile an, insb. das Aufblähen des Prozeßstoffes in erster Instanz. 48 Lorenz JR 1968, 47 (48f.); Baur «(1966) S. 19) weist jedoch ausdrücklich auf die Unterschiede hin. Die erste Tagsatzung diene allein den Präliminarien, und weiteres Vorbringen wie das Bestreiten des klägerischen Sachvorbringens und der Antrag auf Abweisung des Klagebegehrens gern. § 239 Abs. 4 öZPO sei von der ersten Tagsatzung ab ausgeschlossen. 41
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I. Prozeßförderung in erster Instanz
geben, auf einen Vergleich hinzuwirken. Scheitert ein Vergleich und kommt auch kein Anerkenntnis-, Versäumnis- oder Verzichtsurteil zustande, sollte nach diesem Vorschlag ein Beweisbeschluß gefällt und sodann ein Haupttermin zur Beweisaufnahme und mündlichen Verhandlung angeordnet werden. Gegen diese Vorschläge49 bestanden eJ"hebliche Bedenken. Von Seiten der Literatur wurde eingewendet, daß der - vor den Vortermin - geschaltete Schriftsatzwechsel zu uferloser Schreiberei führen werde und er damit den Beginn der sachlichen Erörterungen ungebührlich hinauszögere. 50 Es bestände die Gefahr, daß der Prozeßstoff - trotz richterlicher Anleitungspflicht - künstlich aufgebläht werde, da die Parteien mit einem Ausschluß rechnen müßten. Möglicherweise könnte dieser Prozeßstoff allerdings belanglos bleiben, wenn es im Vortermin zu einem Vergleich, Versäumnis-, Anerkenntnis- oder Verzichtsurteil käme. 51 Im Gegenzug52 wurde die Einführung eines ..frühen ersten Termins" und einer Frist zur Klagebeantwortung empfohlen. Auf diese Weise sollte das Gericht zu einer schnellen Auseinandersetzung mit dem Streitstoff gezwungen werden. Die Vorschläge von Seiten der Literatur, das Berufungsverfahren als reine Kontrollinstanz auszugestalten, wurden dagegen verworfen. dd) ..Stuttgarter Modell" Auch in den sechziger Jahren nahmen die Klagen über die Langsamkeit und Schwerfälligkeit des Prozesses nicht ab. 53 Ohne daß es zu Reformschritten des Gesetzgebers gekommen wäre, wurde unter der Führung Benders ein Konzept entwickelt, das auf der Grundlage des geltenden Rechts einen wirksamen Schritt hin zu einer Verfahrensverkürzung setzte. Ab 1968 fand dieses Konzept an den deutschen Gerichten immer weitere Verbreitung. Es trug den Titel ..Stuttgarter Modell". 49 Dieser Vorschlag wurde bereits von der Kommission zur Vorbereitung einer Reform der Zivilgerichtsbarkeit 1961 abgelehnt. Aufgabe der von Justizminister Neumayer eingesetzten Kommission war eine grundlegende Untersuchung des Verfahrensrechts zur Vorbereitung einer ..Großen Justizreform". so Bull JR 1962,41 (43); Vollkommer ZZP 81 (1968), 102 (130). SI Bull a.a.O. S2 Vollkommer a. a. O. S3 Kramer BB 1971, 577 (579f.); Lancelle NJW 1968, 1959f.; Deubner (ZZP 82 (1969), 257 (258» nennt als Hauptangriffspunkt der bestehenden Rechtslage das schleppende, tropfenweise Vorbringen von Tatsachen und Beweismitteln. Auch die späteren Gesetzentwürfe des BMJ und der Bundesregierung sahen darin eine Hauptursache. Lauterbach (JZ 1967, 137) fordert eine umfassende Neuregelung, da sich die geltenden Präklusionsnormen als "stumpfe Waffe" im Kampf gegen die Prozeßverschleppung erwiesen hätten. Vgl. auch Stötter NJW 1968, 521 ff.
4. Präklusionsregelungen aus historischer Sicht
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Dieses Modell baute einerseits auf einem schriftlichen Vorverfahren auf, in dem es zu einer umfassenden Aufarbeitung des Prozeßstoffes kommen sollte. Dem Richter waren in diesem Prozeßstadium noch keine Aufgaben zugewiesen. Der Ein- und Ausgang der Schriftsätze wurde von der Geschäftsstelle erledigt. So gingen jedem Prozeß Klage-, Klagebeantwortungs- und Replikschriften voran. Andererseits sah das Modell eine gründlichere Vorbereitung der Hauptverhandlung vor. Der Richter sollte die Zeit zwischen Schriftwechsel und Verhandlung nützen, um etwaige Zeugen zu laden, Urkunden anzufordern usw. Ziel war es, den Rechtsstreit - so wie vom Gesetz vorgesehen - in einer einzigen, streitigen Verhandlung zum Abschluß zu bringen. Diesem Zweck diente auch die Abgabe einer richterlichen Stellungnahme zur Rechtsproblematik des Falles zusammen mit der Bekanntgabe des Verhandlungstermins. Die Verhandlung selbst war geprägt durch eine Anhörung der Parteien. Ferner war das Gericht gehalten, auch im Laufe der Verhandlung Hinweise auf sein beabsichtigtes Urteil zu geben. Auch in der Praxis stellten sich die Erfolge dieses Modells ein. 54 Das volle Ausschöpfen an formellen und materiellen Prozeßleitungspflichten trug vorläufig zu einer wesentlichen Senkung der Prozeßdauer bei. ee) Entwürfe bis zur Vereinfachungsnovelle 1976 Ungeachtet der Erfolge des Stuttgarter Modells arbeitete der Gesetzgeber weiter an einer Verschärfung der Präklusionsnormen. 55 Es kam zu neuen Entwürfen, die alle mehr oder weniger eine weitere Hinwendung zur Eventualmaxime vorsahen. 56 So schlug der erste Entwurf 1964 die Einführung einer allgemeinen Prozeßförderungspflicht vor. Danach sollte jedes schuldhaft verspätete Vorbringen - leichte Fahrlässigkeit sollte dafür bereits genügen - zur Präklusion führen (§ 280 E). Für das Berufungsverfahren galt, daß neues Vorbringen auch dann ausgeschlossen sein sollte, wenn es keine Verzögerung darstellte (§ 528 Abs. 1 E). Ausreichend für die Präklusion sollte sein, daß die Partei das rechtzeitige Vorbringen in erster Instanz entweder leicht fahrlässig unterlassen hatte oder bereits damit ausgeschlossen worden war. 57. 58 54
Vgl. die Übersicht von Lenneis ÖAnwBI 1977, 58ff.
ss Eine ausführliche Übersicht über die Länge des Zivilverfahrens in den Jahren
von 1958-1965 an Hand des OLG-Bezirks München bei Vollkommer ZZP 81 (1968),102 (125/135). Diese Studie zeigt, daß 1965 knapp 42% aller Prozesse am Amtsgericht länger als 6 Monate und nur 31 % weniger als 3 Monate dauerten, während 1958 das Verhältnis noch 29 % zu 47 % betrug. S6 Erster Referentenentwurf des BMJ 1964; Zweiter Entwurf des BMJ 1969; Regierungsentwurf zur Beschleunigungsnovelle 1970. 3 von Stosch
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I. Prozeßförderung in erster Instanz
Was die Einleitung des Verfahrens betrifft, so nahm der Regierungsentwurf von 1970 den Vorschlag der in den sechziger Jahren diskutierten wahlweisen Verfahrenseinleitung auf. Der Entwurf sah erstmals die Möglichkeit des Gerichts vor, entweder einen frühen ersten Termin anzuberaumen oder ein schriftliches Vorverfahren einzuleiten. Beide Handlungsalternativen sollten gleichberechtigt nebeneinander stehen und so dem Gericht eine freie Wahl ermöglichen. 59 S7 Schulte «1980) S. 82/84) spricht von einer "aufgelockerten" Eventualmaxime, da für die Parteien auch weiterhin nicht der Zwang besteht, "in eventualiter" den gesamten Prozeßstoff für den Fall vorzutragen, daß sie mit den primär geltend gemachten Vorbringen nicht durchdringen; a.A: Merkel (AnwBl 1969, 275 (281)),der in der neuen Regelung bereits die vollständige Wiedereinführung der Eventualmaxime sieht. S8 Auf Grund der deutlichen Kritik (Merkel a. a. 0., der insb. auf den Widerspruch zwischen dieser Regelung und dem Wahrheitsgrundsatz hinweist; ebenso der 35. Deutsche Anwaltstag AnwBI. 1968, 334ff.), die an diesem Entwurf geübt wurde, schränkte ein weiterer Entwurf § 280 E ein. Es wurde für die Präklusion Verschleppungsabsicht oder grobe Fahrlässigkeit gefordert. Doch schon der Regierungsentwurf von 1970 verfolgte wieder die entgegegesetzte Richtung. So verminderte § 280 Eden Verschuldensmaßstab auf jede Fahrlässigkeit, und bezog die entgegen § 272 E im vorbereitenden Schriftsatz nicht rechtzeitig vorgebrachten Angriffs- und Verteidigungsmittel in die Präklusion ein. S9 Während diesem Vorschlag in der Literartur (Scheuer ZRP 1970, 169 (171); Baumgärtel JZ 1971, 441 (447)) zugestimmt wurde, sah man in der Präklusionsregelung (§ 280 RegE) eine vollständige Aushöhlung des Grundsatzes von der Einheit der mündlichen Verhandlung, denn sie würde den gewissenhaften Anwalt zu unnötigem Eventualvorbringen zwingen (Baumann/Fezer ZRP 1970, 127 (128): "Die Partei, die § 272 E durchliest, tut gut daran, auch das zunächst ganz nebensächlich Erscheinende vorzutragen; denn anders läuft sie Gefahr, diesen Sachvortrag für alle Instanzen zu verlieren. So, auf Kosten der Richtigkeit der Entscheidung, kann man Prozeßbeschleunigung nicht betreiben." So auch Baumgärtel (JR 1972, 401 (402)), der betont, daß die Zurückweisungspflicht des Gerichts dazu führe, daß es dann, wenn die Partei einen Entschuldigungsgrund für die Verspätung geltend mache, zwangsläufig zu einem neuen Streit über die Rechtmäßigkeit der Nichtzulassung komme. Ob dann noch von einer Beschleunigung des Prozesses gesprochen werden könne, sei zweifelhaft. Angriffspunkt war aber auch weiterhin die Regelung der Präklusion im Berufungsverfahren. Darin wurde eine deutliche Annäherung an die öZPO mit ihrem Novenverbot erblickt. Im Mittelpunkt stand die Sorge, daß das Berufungsgericht "sehenden Auges" ein - auf einem fiktiven Sachverhalt beruhendes - unrichtiges Urteil fallen müßte; denn in den meisten Fällen dürfte der wahre Sachverhalt wegen der weitreichenden Präklusionsvorschriften vom Berufungsgericht nicht mehr erforscht werden. So u. a. Nirk AnwBl 1970, 204f. Baumgärtel (JR 1972, 401 (402)) zeigt, daß die Einschränkungen des Entwurfs bezüglich der Anführung neuer Beweismittel sogar über das strenge Novenverbot in der öZPO hinausgeht: Während nach dem Entwurf die Partei alle vorhandenen und benutzbaren Beweismittel in der ersten Instanz benennen muß (§ 277 E), ist nach der öZPO u. U. eine Wiederaufnahmsklage (§ 530) möglich.
4. Präklusionsrege1ungen aus historischer Sicht
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Nachdem in der 6. Legislaturperiode die umstrittene Novelle im Bundestag nicht mehr beraten werden konnte, kam es schließlich - nach zwei Jahren Vorarbeit - 1976 zu einem abschließenden Gesetzesentwurf unter der Kurzbezeichnung "Vereinfachungsnovelle" . Die Entwicklung der Bestimmungen zur Prozeßbeschleunigung in diesen zwei Jahren verlief allerdings wellenfönnig, d. h., es wurden abwechselnd 60 schärfere und mildere Mittel zur Verfahrenskonzentration vorgeschlagen, die sich jedoch alle im Bereich der eingeschränkten Eventualmaxime hielten. Neu ist gewesen, daß als Gegengewicht zu den Parteipflichten den Richter gesteigerte Vorbereitungs- und Aufklärungspflichten treffen. 61 So wird auch der Richter verpflichtet, in allen Prozeßabschnitten auf eine zügige Abwicklung des Verfahrens hinzuwirken. Der Regierungsentwurf von 1974 sieht Fristen vor, die der Richter setzen kann oder muß, um wahlweise den frühen ersten Tennin oder das schriftliche Vorverfahren voranzubringen. Dazu gehören neben den Klageerwiderungsfristen auch Fristen für eine Replik des Klägers. Im abschließenden Entwurf des Rechtsausschusses von 1976 wird schließlich zwischen Verstößen gegen richterliche Fristsetzungen und solchen gegen die allgemeine Prozeßförderungspflicht differenziert: Bei Versäumung einer richterlich festgesetzten Frist ist der Ausschluß zwingend auszusprechen; hingegen steht er bei Verstoß gegen die allgemeine Prozeßförderungspflicht im Ennessen des Richters und darf nur dann erfolgen, wenn die Verspätung mindestens auf grober Nachlässigkeit beruht. Die allgemeine Prozeßförderungspflicht wird damit erstmals ausdrücklich in das Gesetz aufgenommen. 62 Sie besagt, daß beide Parteien ihr Vorbringen in dem nach der Prozeßlage angezeigten Zeitpunkt und Umfang in das Verfahren einzuführen haben. 63 Für das Berufungsverfahren ist schließlich ein Komprorniß gefunden worden. Erstinstanzlieh ausgeschlossenes Vorbringen bleibt auch in der zweiten Instanz präkludiert; hat dagegen die Partei in der ersten Instanz das Vorbringen gar nicht in das Verfahren eingeführt, und konnte aus diesem Grund keine Präklusion ausgesprochen werden, so kann das Vorbringen 60 Regierungsentwurf zur Vereinfachungsnovelle 1974: BT-DruckS 7/2729; Stellungnahme des Rechtsausschusses: BT-DruckS 7/5250 und der endgültige Gesetzesbeschluß vom 12.11.1976 (BGBL I S. 328lff.). 61 Nach Deubner (NJW 1977, 921 (924» steht das dem Prozeßrecht immanente Benachteiligungsverbot einer Zurückweisung entgegen. Vgl. Schneider MDR 1977, 793 (796). 62 Kallweit «1983) S. 22) spricht insofern von einer gesetzgeberischen Neuschöpfung. Franzki DRiZ 1977, 161 (162). 63 Prütting in MüKo § 296/4.
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I. Prozeßförderung in erster Instanz
unter der Voraussetzung, daß es das Berufungsverfahren nicht verzögert, noch in den Prozeß eingebracht werden. Am 12.11.1976 wurde die Vereinfachungsnovelle verabschiedet und zum 1. 7.1977 in Kraft gesetzt. 64
5. Systematische Darstellung der Präklusionsnormen In diesem Abschnitt soll ein Überblick über die bestehende Rechtslage gegeben werden, ohne bereits auf etwaige Regelungslücken oder Streitstände einzugehen. Mit Hilfe dieser Darstellung sollen die unterschiedlichen Wege zur Prozeßbeschleunigung im österreichischen und deutschen Recht aufgezeigt werden. Dazu ist es notwendig, neben den Prozeßförderungspflichten der Parteien auch die der Richterschaft zu betrachten, da beide in einem Gesamtzusammenhang stehen und aufeinander bezogen sind. Um dieses Zusammenspiel besser zu verstehen, werden im folgenden die richterlichen Maßnahmen zur Verfahrensleitung und -führung vorab sichtbar gemacht, und dann die Präklusionsnormen näher erläutert. Dabei werden nur solche Normen zur richterlichen Prozeßleitung angesprochen, die auch der Verfahrens beschleunigung dienen.
a) Prozeßförderungspflichten des Gerichts aa) Formelle Prozeßleitungspflichten in der öZPO Die ÖZPO von 1895 war von Anfang an auf ein konzentriertes Verfahren ausgerichtet. Zu diesem Zweck wurde dem Richter eine einflußreiche Rolle auf die Prozeßgestaltung eingeräumt. So ist es ihm gestattet, mit Präklusionswirkung ausgestattete Fristsetzungen auszusprechen. Darüber hinaus war dem Richter auch eine obligatorische Mitwirkung bei der Sachverhaltsaufklärung zuerkannt worden. Konkret bedeutet dies für den Verfahrensablauf folgendes: Sobald die Klage bei Gericht anhängig geworden ist, stehen dem Vorsitzenden im Gerichtshofverfahren zwei Wege offen. Gern. § 230 kommt es zu einer Bestimmung der ersten Tagsatzung. Dies ist der gesetzliche Regelfall. Diese Einrichtung hat einen zweifachen Zweck. Erstens findet eine Vorprüfung hinsichtlich der Prozeßvoraussetzungen statt; diese Prüfung schließt sämtliche Prozeßeinreden ein. Sie ist nicht auf die in § 239 Abs. 2 genannten beschränkt. 65 Zweitens wird geklärt, ob sich der Beklagte überhaupt auf 64 Auf den genauen Inhalt dieser Novelle wird im nächsten Kapitel (I. 5.) einzugehen sein, sodaß auf eine detailliertere Darstellung an dieser Stelle verzichtet wurde. 65 Rechberger/Simotta RZ 550.
5. Systematische Darstellung der Präklusionsnormen
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den Streit einläßt, sodaß - unter der Bedingung der Zulässigkeit der Klage - das Verfahren kontradiktorisch wird. Sind sowohl die Zulässigkeit der Klage als auch das Bestreiten des Beklagten zu bejahen, setzt der Richter am Ende der ersten Tagsatzung dem Beklagten eine Klagebeantwortungsfrist gern. § 243 Abs. 1. Diese Frist soll den Umständen des Einzelfalls nach (Schwierigkeit, Umfang des Rechtsstreits, etc.) angemessen sein, vier Wochen aber nicht überschreiten dürfen. Nach dem Eingang der Klagebeantwortung hat der Vorsitzende eine mündliche Streitverhandlung anzuberaumen. In dieser soll es - so die Intention des Gesetzes66 - bereits zu einer Streitentscheidung kommen. Zwischen Anberaumung der Tagsatzung und dem Beginn der Streitverhandlung können die Parteien noch vorbereitende Schriftsätze dem Gegner über das Gericht zukommen lassen gern. § 258. Werden mehrere mündliche Tagsatzungen erforderlich, hat der Vorsitzende darauf hinzuwirken, daß es in der jeweils nächsten zu einer Urteilsfällung kommt (§ 181 Abs. 1). Der Vorsitzende kann aber auch auf eine erste Tagsatzung verzichten, und gern. § 243 Abs. 4 dem Beklagten sofort eine Erwiderungsfrist setzen. Dies ist dann möglich, wenn der Richter davon ausgehen kann, daß es zu einem Klagebestreiten kommt und dies dann sowieso eine Streitverhandlung erforderlich macht. Dabei handelt es sich um eine Ennessensentscheidung des Richters. Verteidigt sich der Beklagte, so richtet sich der weitere Verfahrensgang nach den oben dargestellten Grundsätzen. Das Verfahren vor den Bezirksgerichten unterscheidet sich vom Gerichtshofverfahren insbesondere durch das obligatorische Mahnverfahren gern. §§ 448 ff. Das Gericht hat einen unter der Bedingung eines Einspruchs stehenden Zahlungsbefehl zu erlassen, sofern die Zahlung von max. S 130.000,- begehrt wird. Erhebt der Beklagte Einspruch, so hat das Gericht nach Prüfung der Zulässigkeit und Rechtzeitigkeit des Rechtsbehelfs eine mündliche Streitverhandlung anzuordnen (§ 452 Abs. 2). Scheidet das obligatorische Mahnverfahren aus - beispielsweise bei Klagen auf Vornahme oder Unterlassung eines Tuns, so bestimmt der Richter wahlweise eine streitige oder eine erste Tagsatzung, die zugleich eine Sachverhaltserörterung umfassen kann (§ 440 Abs. 1). Ansonsten gelten grundsätzlich die Nonnen über das Verfahren an den Gerichtshöfen in ihrer Funktion als erste Instanz (§ 431 Abs. 1). Schriftsätze sind hingegen - im Unterschied zum Verfahren vor den Gerichtshöfen - weitgehend unbekannt. Der
66 So ausdrücklich im BG-Verfahren, für das § 440 Abs. 4 die Streiterledigung durch eine einzige Verhandlung nahelegt. Vgl. Materialien I 224; Sprung JBl 1985, 52 (53); ders. JBl 1981, 337 (343); ders. AnwBl 1980,419 (420); Hagen JBl 1970, 120 (122); Fucik in Rechberger § 181/1; Korn JBl 1947,477.
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I. Prozeßförderung in erster Instanz
Grundsatz der Mündlichkeit beherrscht das Verfahren (Ausnahme: Punktesachen gern. § 440 Abs. 3).67 Um eine rasche Erledigung des Verfahrens herbeiführen zu können, treffen das Gericht noch weitere Vorbereitungspflichten. Einerseits kann der Vorsitzende gern. § 183 inner- und außerhalb68 der Tagsatzungen Anordnungen zur Beweisführung treffen. Andererseits kann er gern. § 181 Abs. 2 Fristen bestimmen, innerhalb der eine Urkunde bei Gericht hinterlegt bzw. Namen und Anschriften genannter Zeugen beigebracht werden müssen. In diesem Zusammenhang ist schließlich noch § 279 zu nennen. Nach dieser Norm kann der Vortrag solcher Beweismittel befristet werden, deren Erhebung ein Hindernis von unbestimmter Dauer entgegensteht. Zuletzt ist auch die Präklusion verspätet vorgebrachter Angriffs- und Verteidigungsmittel zu nennen. Bei diesem effektivsten Mittel unter allen prozeßfördernden Maßnahmen handelt es sich um ein Instrument, das sowohl Richter als auch Parteien gleichermaßen zu einem rechtzeitigen Vorbringen verpflichtet. Hier werden alle Verfahrens beteiligten dazu angehalten, einer Verzögerung des Rechtsstreits entgegenzusteuern. 69 bb) Formelle Prozeßleitungspflichten in der dZPO Um das Ziel der Verfahrenskonzentration zu erreichen und den Rechtsstreit umfassend und rasch in einem Haupttermin abschließen zu können, muß der Streitstoff möglichst früh gesammelt und gesichtet werden. Die dZPO sieht zwei gleichwertige Wege dazu vor: So kann der Vorsitzende einen frühen ersten Termin festsetzen gern.
§ 275. Dieser hat den Zweck, den Streitstoff mit den Parteien umfassend zu
erörtern, sodaß es im nächsten Termin - dem Haupttermin - zu einer Erledigung des Rechtsstreits kommen kann. Gleichzeitig ist dieser frühe erste Termin aber auch ein echter Verhandlungstermin, da in ihm schon ein streitiges Urteil ergehen kann. Er ist in der Regel geboten bei einfach gelagerten Rechtsstreitigkeiten, bei denen sich ein Vergleich anbietet oder der
67 Nach Steininger (ÖRZ 1993, 106 (107» hat eine schriftliche Klagebeantwortung vor dem Bezirksgericht auch in den Fällen zu erfolgen, in denen ausnahmsweise vor den Bezirksgerichten Anwaltszwang besteht (vgl. § 29 Abs. 1). § 243 Abs. 4 sei hier analog anzuwenden. 68 Hagen JBL 1970, 120, (124); Schragel RZ 1978, 21 (23); Fasching 11 880; Fucik in Rechberger § 183/3. 69 Da sich ein verspätetes Vorbringen - mit der Folge der Präklusion - insbesondere für die Parteien negativ auswirkt, soll dieses Rechtsinstitut im Zusammenhang mit den Prozeßförderungspflichten der Parteien dargestellt werden (vgl. Kapitel I. 5.
b».
5. Systematische Darstellung der Präklusionsnonnen
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Beklagte voraussichtlich ohne größere Vorbereitungen mündlich zum klägerischen Vorbringen Stellung nehmen kann. 7o Im Verfahren mit einem frühen ersten Termin muß das Gericht darauf hinwirken, daß sich die Parteien rechtzeitig und vollständig erklären (§ 273 Abs. 1). Zu diesem Zweck kann es vorbereitende Anordnungen erlassen (§ 273 Abs. 2) und jeder Partei Fristen zur Erklärung über bestimmte, genau angegebene Einzelpunkte setzen (§ 273 Abs. 2 Z. 1). Ferner kann der Vorsitzende dem Beklagten eine Klageerwiderungsfrist setzen (§ 275 Abs. 1 S. 1) zur Vorbereitung des Termins. Weitere Fristsetzungen sind dem Gericht im frühen ersten Termin möglich, wenn das Verfahren darin noch nicht rechtskräftig durch Urteil oder Vergleich abgeschlossen wird. Zwingend vorgeschrieben ist eine Klageerwiderungsfrist für den Beklagten, wenn diesem vor dem Termin noch keine Frist gern. § 275 Abs. 1 S. I gesetzt worden war (§ 275 Abs. 3). Auch dem Kläger kann für seine Replik eine Frist gesetzt werden (§ 275 Abs. 4). Der Vorsitzende kann aber auch zunächst einmal ein schriftliches Vorverfahren bestimmen. Wofür er sich entscheidet, steht in seinem Ermessen. Es besteht kein Regel-Ausnahme-Verhältnis. Wo das Gericht im dunkeln tappt - wie sich der Beklagte einlassen wird, ob er etwa Widerklage erheben oder aufrechnen wird - spricht mehr für das schriftliche Vorverfahren gern. § 276, da es zu einer gründlicheren Vorbereitung der mündlichen Verhandlung führt. 71 Wählt der Richter das schriftliche Vorverfahren, so fordert er mit einer Notfrist von zwei Wochen gern. § 276 Abs. 1 S. 1 den Beklagten auf, seine Verteidigungs bereitschaft anzuzeigen. Gleichzeitig setzt der Vorsitzende dem Beklagten eine Frist von mindestens zwei weiteren Wochen zur schriftlichen Klageerwiderung gern. § 276 Abs. 1 S. 2. Erfolgt keine Verteidigungsanzeige innerhalb der Notfrist, so kann gegen ihn ohne mündliche Verhandlung auf Antrag des Klägers ein Versäumnisurteil gern. § 331 Abs. 3 erlassen werden. Geht eine solche Anzeige aber ein, so wird - auch wenn es an einer Klageerwiderung gern. § 276 Abs. 1 S. 2 fehlt - eine mündliche Verhandlung gern. § 272 Abs. 3 bestimmt. Gern. § 276 Abs. 4 kann der Vorsitzende im Falle der Klageerwiderung dem Kläger eine Frist zur Replik setzen. Ein nachträglicher Übergang von einem zum anderen Verfahren ist möglich, soweit dadurch keine Partei in ihren Rechten verletzt wird. 72
Putzo NJW 1977, 1 (2); Grunsky JZ 1977,201. Während § 276 auch im Urkundenprozeß Anwendung findet, gibt es in Eheund Kindschaftssachen die Möglichkeit eines schriftlichen Vorverfahrens nicht: Prütting in MüKo § 27617; a.A. Menne in AK-ZPO § 276/19. 72 Diese Frage ist umstritten; vgl dazu Prütting in MüKo § 272/12ff. m.w.N. 70
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I. Prozeßförderung in erster Instanz
b) Prozeßförderungspflichten der Parteien
aa) Regelungen in der öZPO für das Verfahren 1. Instanz Eine Verfahrens beschleunigung allein durch vorbereitende richterliche Maßnahmen und insbesondere Fristsetzungen wäre aber unzureichend. So müssen auch die Parteien und ihre Anwälte durch strenge Präklusionsvorschriften zu entsprechender Mitwirkung verpflichtet werden. Dies geschieht auf zweierlei Weise: Einmal dadurch, daß die Parteien bei Versäumung der oben angeführten Fristen mit ihrem Vorbringen ausgeschlossen werden. Dies ist Folge des in § 144 statuierten allgemeinen Präklusionsprinzips. Der Ausschluß wird allein durch das Unterlassen bewirkt (so bei § 243 Abs. I, 4). Eines Verschuldens bedarf es hier nicht. Auch ist es unerheblich, ob die Verspätung einen Verzögerungseffekt auf den Fortgang des Verfahrens ausübt. Auf Antrag des Klägers kann dann ein Versäumnisurteil ergehen. 73 Dagegen tritt bei Versäumung der Frist gem. § 181 Abs. 2 nicht automatisch der Ausschluß ein. Hier sind die Voraussetzungen enger; wird der Partei gegenüber ein größeres Nachsehen gewährt. Zunächst muß sich das verspätete Vorbringen der Beweismittel verzögernd auf die Fortführung der Verhandlung auswirken. Ferner wird ein Ausschluß davon abhängig gemacht, daß die Verspätung auf Verschleppungsabsicht zurückzuführen ist. Die Zurückweisung erfolgt dann auf Antrag des Gegners oder von Amts wegen. Die Entscheidung steht jedoch nicht im Ermessen des Gerichts. Auch wenn dem Wortlaut nach - ,,kann zurückweisen" - der gegenteilige Schluß möglich erscheint, so stehen einer solchen Auslegung doch die Systematik des Gesetzes und die Historie entgegen. 74 Zu den Fristen und ihren Ausschlußwirkungen kommt noch eine allgemeine Pflicht zur Prozeßförderung hinzu. Zwar geht die öZPO grundsätzlich von der Einheit der mündlichen Verhandlung aus. Die Eventualmaxime ist dem österreichischen Recht fremd; m.a. W. die Parteien können bis zum Schluß der mündlichen Verhandlung alles ihrer Ansicht nach Erforderliche vorbringen. 75 Daß eine derartige Freiheit einen weiten Spielraum für prozeßtaktische Verschleppungen läßt, erkannte bereits der Gesetzgeber von 1895. Um diesen Tendenzen vorzubeugen, wurde dem Richter das Instru73 Nach st. Rechtsprechung (OGH JBl 1991, 194) kann die Klagebeantwortung auch dann nicht nachgeholt werden, wenn es noch an einem Antrag des Klägers fehlt. Vielmehr treten die Säumnisfolgen ex lege ein. Fasching LB RZ 1275/1403 m.w.N. 74 VgJ. hierzu Kapitel I. 14. b); so auch Sprung JBl 1981, 337 (345). Nach a.A. ist eine Pflicht zur Zurückweisung hingegen vom Gesetz nicht vorgesehen. LGZ Wien EFSlg 55.019; Deixler-Hübner ÖJZ 1995, 170 (171). 75 Bajons RZ 131; Fasching LB RZ 7101778; ders 11 849; Rechberger/Simotta RZ 288.
5. Systematische Darstellung der Präklusionsnormen
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ment der Präklusion an die Hand gegeben (§§ 179 Abs. 1 S. 2, 275 Abs. 2). Damit sollte sichergestellt werden, daß die Parteien auch dann, wenn ihnen keine Frist gesetzt wurde, zügig vortragen. Das Prinzip einer allgemeinen Prozeßförderung wurde allerdings in die öZPO nur eingeschränkt aufgenommen. Der Gesetzgeber verzichtete weitgehend darauf, den Parteien eine strenge Förderungspflicht aufzuerlegen. Auf Grund der engen Voraussetzungen für eine Präklusion kam es in der Praxis nur selten zu deren Umsetzung. § 179 Abs. 1 S. 2 fordert nämlich, daß es auf Grund einer Verspätung zu einer "erheblichen Verzögerung" des Rechtsstreits gekommen sein muß. 76 Die Verspätung muß kausal für die Verzögerung sein. Darüber hinaus wurde ursprünglich eine "offenbare Verschleppungsabsicht" verlangt. Spätestens hier zeigte sich der enge Anwendungsbereich dieser Norm. Eine solche Absicht wurde von der Literatur77 - in bezug auf die alte Rechtslage beispielsweise nur für den Fall bejaht, daß eine Konkretisierung des Sachvortrags erst kurz vor Urteilsfällung erfolgte, obwohl das Gericht bereits geraume Zeit vorher auf die inhaltlichen Mängel der Klagebeantwortung hingewiesen hatte. Diese strengen Anforderungen sind mit der Wertgrenzennovelle 1997 zwar leicht entschärft worden; erforderlich ist jedoch auch weiterhin, daß "bei sorgfältiger Berücksichtigung aller Umstände kein vernünftiger Zweifel an der Verschleppung bestehen bleibt".
Erfaßt werden von § 179 Abs. 1 S. 2 sowohl Tatsachenbehauptungen als auch Beweismittel. Ergänzend treten zu § 179 Abs. 1 S. 2 noch §§ 275 Abs. 2, 278 Abs. 2 hinzu. Beides sind Spezialregelungen. Einmal für verspätete Beweisangebote der Parteien, die sich auf altes Tatsachenvorbringen beziehen (§ 275 Abs. 2). Dabei hat das Gericht zuerst die Erheblichkeit dieses Vorbringens festzustellen gern. § 275 Abs. 1, ehe es dessen Zulässigkeit gern. § 275 Abs. 2 untersucht. Danach kann die Aufnahme von Beweisen abgelehnt werden, die allein aus Verschleppungsabsicht nicht früher vorgetragen wurden. § 278 Abs. 2 dagegen soll verhindern, daß es im Rahmen eines wiederaufgenommenen Verfahrens zu Verzögerungen kommt. Zwar gilt auch hier nicht die Eventualmaxime. Dennoch soll - entsprechend § 179 Abs. 1 S. 2 - solches Vorbringen von der Verhandlung ausgeschlossen bleiben, das nicht durch die Beweiserörterung im Rechtshilfeweg veranlaßt wurde und allein in der Absicht der Verschleppung beigebracht wird. Im Gegensatz zu § 179 Abs. 1 S. 2 fehlt es bei den §§ 275 Abs. 2, 278 Abs. 2 jedoch an der Notwendigkeit einer Verzögerung des Prozesses. 76 Verspätung bedeutet Nichtvorbringen bei erster Gelegenheit (Fucik ÖRZ 1993, 218 (221); Deixler-Hübner ÖJZ 1995, 170f.). Ob eine solche Verspätung vorliegt, ergibt sich aus dem Einzelfall. Sie wird regelmäßig bei einem sukzessiven Angebot von Beweisen anzunehmen sein. 77 Vgl. Fasching II 851; Fucik in Rechberger § 17912.
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I. Prozeßförderung in erster Instanz
bb) Neuerungsverbot Das Berufungsverfahren wird geprägt durch das Neuerungsverbot. Darunter versteht man die stark eingeschränkte Zulässigkeit von neuem Vorbringen in der 2. Instanz. Neue Tatsachen und Beweise dürfen nur insofern angeboten werden, als sie zur Darlegung oder Widerlegung der geltend gemachten Berufungsgründe vorgebracht werden (vgl. § 482 Abs. 2 S. 1). Als Berufungsgründe sind nur gerichtliche Fehler aus dem erstinstanzlichen Verfahren anerkannt. Hat es die Partei selbst verabsäumt, in der Vorinstanz das Angriffs- und Verteidigungsmaterial vollständig vor Gericht zu tragen, so ist ihr ein Nachholen in 2. Instanz verwehrt. Sie kann nur den Prozeßstoff vortragen, dessen Berücksichtigung auf Grund mangelnder richterlicher Prozeßleitung wegfie1. 78 Dabei legt die Rechtsprechung 79 selbst diese engen Nachholmöglichkeiten wiederum restriktiv aus. So sind neue Tatsachen und Beweise bezüglich einer falschen erstinstanzlichen Beweiswürdigung nur gestattet, wenn sich das Neuvorbingen allein auf den gerichtlichen Fehler bezieht, und das Prozeßmaterial der 1. Instanz als solches unverändert bleibt. Dies bewirkt alles in allem eine stark reduzierte Anzahl von Berufungen, was unweigerlich zu einer kürzeren Verfahrensdauer führt. Aber auch innerhalb der Berufungsinstanz steht die Verfahrenskonzentration im Vordergrund. Ist eine Berufung möglich, so haben die Parteien ihr neues Vorbringen bereits in der Berufungsschrift bzw. Berufungsbeantwortung anzuführen gern. § 482 Abs. 2 S. 2. Hier gilt also die Eventualmaxime. 8o Etwaigen Prozeßverschleppungen wird damit von Anfang an vorgebeugt. Auf §§ 179 Abs. 1, 275 Abs. 2 braucht danach nur ausnahmsweise zurückgegriffen werden. Nämlich dort, wo das Neuerungsverbot nicht gilt und somit in 2. Instanz der Rechtsstreit neu verhandelt wird (beispielsweise Verfahren in Arbeits- oder Familienrechtssachen).81 cc) Regelungen in der dZPO Durch die Vereinfachungsnovelle ist ein umfassendes und systematisches Regelungswerk entstanden, wonach die Parteien zu einem zügigen und konzentrierten Verfahren verpflichtet sind. Damit zielen die neu eingeführten 78
Dies schließt den Fall ein, daß in erster Instanz eine Partei zu Unrecht gern.
§§ 179 Abs. 1,275 Abs. 2, 278 Abs. 2 mit ihrem Vorbringen zurückgewiesen wur-
de.
79
80 81
OGH Eclolex (1992) S. 19f. Holzhammer S. 135; Fasching LB RZ 712/714f.; Deixler-Hübner a.a.O. OGH EFSlg 44.014; EFSlg 34.385; OLG Linz EFSlg 36.702; Fasching a.a.O.
5. Systematische Darstellung der Präklusionsnormen
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Regelungen auf einen weitreichenden Ausschluß von Vorbringen bei Verstoß gegen die konkrete (§ 296 Abs. 1) und die allgemeine Prozeßförderungspflicht (§ 296 Abs. 2) ab. Bei einer Verletzung dieser Pflichten können oder müssen die Angriffs- und Verteidigungsmittel vom Gericht ausgeschlossen werden mit der Folge, daß sie im Rahmen des Endurteils unberücksichtigt bleiben. Dem Gericht obliegt die Präklusion dann als Pflichtaufgabe, wenn die Partei eine ihr gesetzte Frist versäumt hat (Abs. 1); im Ermessen des Gerichts steht die Zurückweisung dann, wenn die Partei gegen die allgemeine Prozeßförderungspflicht verstoßen hat (Abs. 2). Diese Normen finden ihr Korrelat in den §§ 527 ff. für das Berufungsverfahren. (1) Präklusion bei Fristüberschreitung § 296 Abs. 1 zwingt das Gericht - die Zurückweisung ist obligatorisch solche Angriffs- und Verteidigungsmittel auszuschließen, die wegen Überschreitung der gesetzten Frist - gemeint sind damit die in § 296 Abs. 1 genannten Fristen82 - verspätet vorgebracht wurden, sofern die Verspätung den Rechtsstreit verzögern würde. Ein Ausschluß findet nur dann nicht statt, wenn die Verspätung genügend entschuldigt wird. Neben diesen Fristen, die immer einer Bestimmung durch das Gericht bedürfen, gilt § 296 Abs. 1 auch bei der kraft Gesetzes geltenden Einspruchsfrist gegen Versäumnisurteile. Auch Angriffs- und Verteidigungsmittel, die nicht innerhalb der Einspruchsfrist vorgebracht werden, sind gern. § 340 Abs. 3 S. 3 i. V. m. § 296 Abs. I ausgeschlossen.
Innerhalb dieser Frist hat die Partei gern. § 277 Abs. I, 4 inhaltlich alles vorzubringen, was nach der Prozeßlage einer sorgfaltigen und auf Förderung des Verfahrens bedachten Prozeßführung entspricht. Einigkeit83 besteht darüber, daß bei diesem Vorbringen nicht alle möglichen Entwicklungen des Verfahrens vorausbedacht werden müssen. Sorgfaltig ist eine Prozeßführung in jedem Fall dann, wenn sie erfolgsorientiert ist; d. h. wenn das für den Prozeßsieg erforderliche Vorbringen in den Prozeß eingeführt wird. Ziel dieser inhaltlichen Anforderungen ist es, die tropfenweise Information der Gegenpartei und des Gerichts mit dem Zweck, Zeit zu gewinnen und den Gegner zu zermürben, zu verhindern. Wann eine Verzögerung des Rechtsstreits vorliegt, war lange Zeit umstritten. 84 Nach Auffassung des BGH 85 kommt es entscheidend darauf an, ob der Prozeß bei Berücksichtigung des verspäteten Vorbringens länger 82 83 84 85
Vgl. hierzu Kapitell. 8. b) aa). Im Detail ist hier allerdings einiges umstritten; vgl. hierzu Kapitel I. 9. a). Vgl. hierzu Kapitell. 10. a). Stellvertretend für viele Urteile BGH NJW 1989, 719 (720).
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I. Prozeßförderung in erster Instanz
dauert als ohne. Danach ist eine Verzögerung beispielsweise zu bejahen, wenn der Rechtsstreit bei Zurückweisung des Vorbringens sofort entscheidungsreif wäre, während dessen Zulassung eine weitere mündliche Verhandlung erforderlich machen würde. Bezüglich der Verspätung muß die Partei leicht fahrlässig gehandelt haben. Für das Verschulden spricht im Fall des § 296 Abs. 1 eine gesetzliche Vermutung. Für das Gegenteil trifft die säumige Partei sowohl die Behauptungs- als auch die Beweislast. Dagegen ist bei einem Verstoß gegen die allgemeine Prozeßförderungspflicht grobe Fahrlässigkeit für einen Ausschluß erforderlich. Diese ist von Amts wegen festzustellen.
(2) Präklusion bei Verletzung der Prozeßfärderungspflicht Ist einer Partei keine Frist gesetzt worden, so kann das Gericht verspätete Angriffs- und Verteidigungsmittel dann zurückweisen, wenn sie unter Verletzung der allgemeinen Prozeßförderungspflicht in der mündlichen Verhandlung nicht rechtzeitig gern. § 296 Abs. 2 1. Alt. vorgebracht oder entgegen § 296 Abs. 2 2. Alt. nicht rechtzeitig durch vorbereitende Schriftsätze vor der mündlichen Verhandlung angekündigt worden sind. Eine Zurückweisung nach § 296 Abs. 2 1. Alt. kann in Betracht kommen, wenn ein Angriffs- und Verteidigungsmittel in einem späteren Verhandlungstermin vorgebracht wird, obwohl es nach dem Maßstab von § 282 Abs. 1 bereits in einer früheren Verhandlung hätte geltend gemacht werden können. Dagegen greift § 296 Abs. 2 2. Alt. ein, wenn die Angriffs- und Verteidigungsmittel nicht so zeitig vor der mündlichen Verhandlung in den Prozeß eingeführt werden, daß der Gegner die erforderlichen Erkundigungen noch einzuziehen vermag. 86 Eine Zurückweisung gern. § 296 Abs. 2 verlangt ferner eine Verzögerung des Rechtsstreits und - im Gegensatz zu § 296 Abs. 1 - grobe Nachlässigkeit in bezug auf die Verspätung des Vorbringens. Die Partei muß gegen jedwede prozessuale Sorgfalt verstoßen haben. Sie muß das unbeachtet gelassen haben, was jedem, der einen Prozeß führt, hätte einleuchten müssen. 87 Im erstinstanzlichen Verfahren ist der Partei grobe Fahrlässigkeit von Amts wegen nachzuweisen; es besteht keine gesetzliche Vermutung. Die tatsächlichen Voraussetzungen der groben Fahrlässigkeit müssen zur vollen Überzeugung des Gerichts feststehen. 86 Werden z. B. von einer Partei in einem Schriftsatz umfangreiche Ausführungen zu schwierigen technischen oder medizinischen Fragen gemacht, so wird man davon ausgehen dürfen, daß der Gegner sich dazu nicht ohne Erkundigungen erklären kann. Vgl. Prütting in MüKo § 296/137. 87 BGH NJW 1987.501; Greger in ZöHer § 296/27.
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(3) Präklusion von Zulässigkeitsrügen
Handelt es sich nicht um die Präklusion von Angriffs- und Verteidigungsmitteln, sondern um Zulässigkeitsrügen, so gilt die Sondervorschrift des § 296 Abs. 3, die einen weitgehend eigenständigen Charakter hat. Danach können Rügen gegen die Zulässigkeit einer Klage nur dann vor Gericht geltend gemacht werden, wenn sie - der strengen Eventualmaxime folgend - gem. § 282 Abs. 3 gleichzeitig und vor der Verhandlung zur Hauptsache bzw. innerhalb der Klageerwiderungsfrist, sofern eine solche gesetzt wurde, vorgebracht werden. Dabei kommt es nicht darauf an, ob die verspätete Zulässigkeitsrüge die Prozeßerledigung verzögern würde. Eine spätere Geltendmachung ist nur bei genügender Entschuldigung möglich. Was die Behauptungs- und Beweislast betrifft, so gilt das zu § 296 Abs. I Gesagte auch hier. Da das Verschulden vennutet wird, hat die säumige Partei auf Verlangen des Gerichts das Gegenteil glaubhaft zu machen. Damit ist § 296 Abs. 3 die strengste Präklusionsvorschrift im Rahmen der Neuregelung. Dennoch ist der Anwendungsbereich von § 296 Abs. 3 sehr beschränkt. Diese Vorschrift gilt nur für Rügen zu den Zulässigkeitspunkten, die nicht von Amts wegen geprüft werden müssen. Dies ist aber die Ausnahme, da das Gericht in der Regel die nicht in der Dispositionsbefugnis der Parteien stehenden Voraussetzungen der Zulässigkeit von Amts wegen zu untersuchen hat. dd) Präklusion im Berufungsverfahren In der Berufungsinstanz wird konsequent die Präklusion verspätet vorgebrachter Angriffs- und Verteidigungsmittel fortgesetzt. In den §§ 527 ff. spiegelt sich § 296 wider. Die Vorschriften für das Berufungsverfahren ergänzen die erstinstanzliehe Regelung und tragen auf diese Weise zu einer umfassenden Prozeßbeschleunigung bei. Ein Nachschieben von Angriffsund Verteidigungsmitteln ist nur unter bestimmten Voraussetzungen möglich. Im Berufungsverfahren muß für die Zulassung oder Zurückweisung von Angriffs- und Verteidigungsmitteln zwischen fünf Gruppen differenziert werden: a) Neue Angriffs- und Verteidigungsmittel, die nicht in der Berufungsbegründungsfrist (§ 519) oder in einer richterlich gesetzten Frist zur Berufungserwiderung bzw. deren Replik (§ 520 Abs. 2) vorgebracht werden, sind nur unter den Voraussetzungen des § 296 Abs. 1 zuzulassen. Dadurch soll auch in zweiter Instanz eine rasche Abwicklung des Prozesses durch Fristsetzung garantiert werden. b) Neue, in der Berufungsinstanz zwar nicht fristwidrig, jedoch unter Verletzung der allgemeinen Prozeßförderungspflicht vorgetragene Angriffs-
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I. Prozeßförderung in erster Instanz
und Verteidigungsmittel, sind gern. §§ 523 i. V. m. 282, 296 Abs. 2 nur eingeschränkt zulässig. Damit ist dem Richter eine Zurückweisung, wenn im übrigen § 296 Abs. 2 erfüllt ist, auch in zweiter Instanz möglich. Die Präklusion steht jedoch in seinem Ermessen. c) Für solche Angriffs- und Verteidigungsmittel, die in erster Instanz hätten vorgebracht werden können, aber trotz Fristsetzung nicht geltend gemacht wurden (auch dies sind "neue" Angriffs- und Verteidigungsmittel, da das Gericht von ihnen bisher noch keine Kenntnis hatte), gilt § 528 Abs. 1. Es bestehen für eine Zurückweisung dieselben Anforderungen wie für § 296 Abs. 1, da § 528 Abs. 1 der erstinstanzlichen Präklusionsnorm wortgetreu nachgebildet ist. 88 d) Hat die Partei in erster Instanz nur ihre allgemeine Prozeßförderungspflicht verletzt, so sind neue Angriffs- und Verteidigungsmittel nur unter den Voraussetzungen des § 296 Abs. 2 in den Prozeß einführbar: § 528 Abs. 2 entspricht § 296 Abs. 2; jedoch mit dem Unterschied, daß die Zurückweisung in zweiter Instanz nicht in dem Ermessen des Richters steht, sondern eine "Muß"-Vorschrift ist. f) Angriffs- und Verteidigungsmittel, die bereits in erster Instanz vorgebracht und gern. § 296 Abs. 1 oder Abs. 2 präkludiert wurden, bleiben
ausgeschlossen, sofern das Berufungsgericht die Zurückweisung bestätigt (§ 528 Abs. 3). Das Gericht hat insoweit keinen Ermessensspielraum. Für diese Entscheidung ist auf die Lage des Prozesses z. Zt. der Entscheidung in erster Instanz abzustellen. Dies bedeutet, daß auch solche Angriffs- und Verteidigungsmittel unberücksichtigt bleiben, die zu keiner weiteren Verzögerung des Rechtsstreits mehr führen würden (u. U. sogar zu einer Beschleunigung).89
Die oben genannten Regelungen lassen die Konzeption der Berufungsinstanz als volle zweite Tatsacheninstanz grundsätzlich unberührt und begründen kein Novenverbot, wie es die öZPO vorsieht. Zwar zielen diese Präklu88 Eine Verzögerung des Rechtsstreits soll, so der BGH (NJW 1979, 2109 (2110», dann vorliegen, wenn das Berufungsverfahren mit neuen Angriffs- und Verteidigungsmitteln länger dauern würde also ohne. 89 Daneben gibt es noch eine Sonderregelung für die verzichtbaren Zulässigkeitsrügen; also solche, die nicht von Amts wegen geprüft werden müssen. Sind diese erst nach der letzten mündlichen Verhandlung erster Instanz entstanden, so sind diese innerhalb der Fristen gern §§ 519 Abs. 1,520 Abs. 2 anzuzeigen (§ 529 Abs. 1 S. 1). Ansonsten bleiben sie ausgeschlossen. Ausnahme: Genügende Entschuldigung für die Verspätung. Ob sich der Prozeß bei Zulassung verzögert oder nicht, ist belanglos. Auch in der zweiten Instanz folgt der Gesetzgeber der strengen Eventualmaxime. Nicht anders beurteilt sich die Rechtslage für solche Rügen, die in erster Instanz hätten vorgebracht werden können, dies jedoch unterlassen wurde. Sie sind nur zulässig, wenn die frühere Unterlassung genügend entschuldigt werden kann.
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sionsregelungen ebenfalls auf eine Beschleunigung des Berufungsverfahrens ab; jedoch beschränken sie die Parteien nicht darin, auch in der zweiten Instanz Tatsachen vorzutragen. Gerade dies verlangt aber die öZPO von den Parteien, da ein in der 1. Instanz unterlassener Vortrag generell nicht mehr nachgeholt werden kann. Diese unterschiedliche Konzeption der Berufungsverfahren bedingt auch unterschiedliche Regelungen in bezug auf die Präklusionsvorschriften. Während im Falle der öZPO solche im Hinblick auf das Novenverbot nicht erforderlich sind, enthält die dZPO insoweit ein umfassendes Regelungssystem. c) Stimmen aus der Literatur zur Vereinfachungsnovelle 1976
Das Echo in der Literatur auf diese Neuregelungen war sehr geteilt. Anstoß nahm man bereits an der Bezeichnung "Vereinfachungsnovelle".9o Nach Schmitl 1 ist vieles komplizierter geregelt worden, wobei der Gesetzgeber sogar offensichtliche Probleme ungeregelt gelassen bzw. neue geschaffen habe. Für Overrath 92 hat sich die Gefahr, daß schnell, aber falsch entschieden wird, so sehr erhöht, daß die Vorteile der Novelle dahinter zurückbleiben. 93 Im Kreuzfeuer der Kritik stand insbesondere § 528 Abs. 3. So sieht Deubner in der Einschränkung eines Vorbringens von Angriffs- und Verteidigungsmitteln, die in erster Instanz ausgeschlossen wurden, einen Angriff auf die Rechtsstaatlichkeit des Zivilprozesses. Er plädiert für eine Abschaffung von Abs. 3 und einer Angleichung dieser Fälle an § 528 Abs. I, 2. 94 90 Grunsky JZ 1977,201 (207): "Ob die Vereinfachungsnovelle ihren Namen verdient, kann mit Fug und Recht bezweifelt werden." Für Putzo (NJW 1977, 1 (10)) erscheint die Bezeichnung als "Ironie". Bettermann (ZZP 91 (1978), 365 (379)) spricht von "glattem Etikettenschwindel". 91 Schmitz AnwBI 1979, 1 (4). 92 Overrath DRiZ 1980, 253 (254). 93 Overrath (a. a. 0.) sieht zwei schwerwiegende Lücken in der neu gefaßten Präklusionsvorschrift des § 296. Der Säumige kann die strenge Ausschlußmöglichkeit erstens dadurch umgehen, daß er ein Versäumnisurteil gegen sich ergehen läßt und dann erstmals in der Einspruchsschrift seine Einwendungen vorträgt; und zweitens kann er in erster Instanz nicht vorgebrachte Angriffs- und Verteidigungsmittel im Berufungsverfahren noch vorbringen. Schließlich wird nur selten eine Verzögerung i. S.v. § 528 vorliegen, sodaß eine Präklusion ausscheidet. So auch Bettermann a. a. O. S. 383. 94 Deubner (NJW 1979, 337 (334); NJW 1978, 355 (357)) bezweifelt, daß der Gesetzgeber in näherer Zukunft eine Gesetzesänderung vornimmt. Deubner schlägt daher vor, ein Vorbringen auf Probe oder unter Vorbehalt in erster Instanz zuzulassen, um einem Ausschluß gern. § 528 Abs. 3 zu entgehen. Auf diese Weise ist das Einführen des Prozeßstoffes in zweiter Instanz unter den Voraussetzungen des § 528 Abs. 1 oder 2 möglich.
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I. Prozeßförderung in erster Instanz
Lampenscher/5 sieht in dieser Ungleichbehandlung einen Verstoß gegen Art. 3 GG. Strohs96 folgert, daß lediglich die unerfahrene Partei den
Beschleunigungseffekt spüre. Wer dagegen einen Anwalt nehme, für den bleibe fast alles beim alten.
Auf der anderen Seite gestehen selbst die Kritiker ein, daß die Neuregelung eine Reihe wirklicher Vereinfachungen und Verbesserungen mit sich gebracht hat. 97 Unterstützung fanden vor allem die Normen in bezug auf die richterlichen Pflichten zur Prozeßförderung. So hebt Franzki98 hervor, daß dem guten Richter, der sich schon immer um Prozeßkonzentration bemüht habe, wirksame Mittel zur Beschleunigung des Verfahrens an die Hand gegeben worden seien, während der weniger tatkräftige und entschlußlose Richter stärker vom Gesetz geführt werde. Letztlich, so Grunsky99, habe der Gesetzgeber der dZPO jetzt eine Fassung gegeben, die dem Richter eine einigermaßen zügige und doch gründliche Erledigung des Verfahrens ermögliche. Ob Richter und Parteien die durch die Vereinfachungsnovelle eingeführten Möglichkeiten vollständig ausschöpfen, liegt aber nach einhelliger Meinung 100 allein in der Bereitschaft und Entschlossenheit aller Verfahrensbeteiligten zur Verfahrensverkürzung. d) Eigene Bewertung
aa) Geltende Rechtslage in Österreich Die österreichische Rechtslage ist gekennzeichnet durch ein Ungleichgewicht der Prozeßbeschleunigung in der 1. und 2. Instanz. Während das Neuerungsverbot in der Berufungsinstanz jeglicher Prozeßverzögerung entgegensteht,· ist das erstinstanzliehe Verfahren für Verschleppungen recht anfällig. Zu begrüßen ist sicherlich die Einrichtung der ersten Tagsatzung. Sie ist allen schriftlichen Vorverfahren vorzuziehen; schließlich können in ihr Vorfragen geklärt werden, ohne daß es zu einem Zeitverlust auf Grund eines umfangreichen Studiums des Schriftwechsels durch den Richter kommen müßte. 101 Ebenso vorteilhaft ist die durch die Zivilverfahrensnovelle 1983 eingeführte alternative Setzung der Klagebeantwortungsfrist. Lampenscherf MDR 1978, 365 (366). Strohs JA 1981,457. 97 Putzo NJW 1977, 1 (10). 98 Franzki DRiZ 1977, 161 (169). 99 Grunsky JZ 1977,201 (207). \00 Grunsky a.a.O.; Recken DRiZ 1980, 337; Franzki DRiZ 1977, 161 (169); Bender/Be1z/Wax (1977) S. 41. 10\ A.A. Sprung 181 1981, 337 (345); Heller 181 1976, 441; vgl. auch Ballon ZZP 96,408 (477); Baur (1966) S. 19 FN 31. 95
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Dies gibt dem Richter mehr Flexibilität in der Verfahrensgestaltung, sodaß er auch die Komplexität des Einzelfalls berücksichtigen kann. Auch die bereits 1895 in das Gesetz aufgenommenen Vorbereitungspflichten gern. §§ 181 ff. erweisen sich durchaus als prozeßbeschleunigend. Allerdings sind die in diesem Bereich anfangs revolutionären Regelungen der öZPO teilweise hinter die der dZPO zurückgefallen. So gibt § 273 Abs. 2 S. 1 dZPO dem Vorsitzenden das Recht zwischen den einzelnen Tagsatzungen, den Parteien Fristen zur Erklärung über bestimmte offene Punkte zu setzen. Diese mit Präklusionswirkung versehenen Fristen halten die Parteien an, auch zwischen den Tagsatzungen an einem konzentrierten Verfahren mitzuwirken. Nur so kann das Prinzip der "Arbeitsgemeinschaft,,102 zwischen Gericht und Partei voll verwirklicht werden, das auch zwischen den einzelnen mündlichen Verhandlungen zur Geltung kommen muß. Dadurch wird sichergestellt, daß das Gericht gut vorbereitet in die Verhandlung gehen kann und vor plötzlichen Verfahrenswendungen weitestgehend geschützt ist. Negativ wirkt sich auch aus, daß es erst in der ersten streitigen Verhandlung (§ 257) zu einem Beweisbeschluß (§ 277 Abs. 1) kommen kann, und die Verhandlung dann regelmäßig vertagt werden muß. 103 Auf diese Weise hat sich vor den Gerichten im Laufe der Zeit eine gewisse Verzögerungspraxis entwickelt. Hier würde sich die Einführung einer Beschlußmöglichkeit bereits vor der Tagsatzung anbieten. Insbesondere bei dem Beweismittel des Sachverständigen oder des Augenscheins könnte dies zu einer erheblichen Verkürzung der Verfahrensdauer führen. Der Hinweis, daß es zuerst zu einer umfassenden Erörterung des Sachverhalts in der mündlichen Verhandlung kommen sollte, ehe ein Beweisbeschluß erlassen wird, trifft zwar grundSätzlich ZU. 104 Ist aber durch die vorbereitenden Schriftsätze deutlich absehbar, welche Punkte strittig sind und wo es eines Beweises bedarf, so sollte der Richter die Möglichkeit haben, diese bereits im Vorfeld zu erheben und so die Zeit besser auszunutzen. Auf die "Programmierte Prozeßverzögerung"105 durch Widersprüche gegen die auf Grund Versäumung der Klagebeantwortungsfrist ergangenen Versäumnisurteile (§§ 396, 398) wird später noch zurückzukommen sein. 106 Kritisch zu diesem Begriff Leipold in FS-Fasching (1988) S. 329 (342). Bajons RZ 94; König JBI. 1980, 419 (420); Hagen 1970, 120 (124). Auf diese Gefahren weist auch Baur (1966) S. 12 hin. Ebenso Fasching in FS-Baur (1981) S. 4oof.; ders. LB RZ 1620; Sprung JBI 1981, 337 (344). 104 Novak JBI 1949, 113 (119); Schragel ÖRZ 1978,21 (22ff.). lOS So König AnwBl 1980,419; ebenso Rechberger AnwBI. 1982, 185 (189). Zu den strukturellen Unterschieden zwischen Widersprüchen (in Ö) und Einsprüchen (in D) gegen Versäumnisurteile vgl. Fasching in FS-Baur (1981) S. 389ff. 106 Vgl. hierzu Kapitel I. 17. b). Nach h. M. ist ein Widerspruch nicht nur bei Versäumnisurteilen möglich, die auf Grund der Versäumung der Frist gern. § 243 102
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Hier nur soviel: Durch die Möglichkeit der Widerspruchserhebung - mit der Folge der Verfahrensfortsetzung lO7 - werden die zu Prozeßbeschleunigungszwecken eingeführten Fristen eigentlich wertlos. Denn das Einlegen des Widerspruchs ist nicht an ein mangelndes Verschulden gebunden; vielmehr kann dieser ohne Darlegung der Säumnisgründe erhoben werden. Damit ist der Verschleppung Tür und Tor geöffnet. Dies kann auch nur in unzureichendem Maße durch die dem Kläger eingeräumte Möglichkeit der Exekution zur Sicherstellung gern. § 371 Z. 1 EO verhindert werden. 108 Dies ist - ebenso wie der Hinweis auf etwaige Kostenfolgen - nur eine Hilfskonstruktion. Sie befreit die übrigen Verfahrensbeteiligten nicht von den Nachteilen eines schleppenden Verfahren. Der Widerspruch bewirkt damit eher eine Mehrbelastung des Gerichts sowohl in finanzieller als auch in zeitlicher Hinsicht. Vorteilhafter wäre es gewesen, gegen den Widerspruch allein die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zuzulassen (§§ 146ff.) und damit bei der alten Rechtslage zu verbleiben. Denn wenn dem Beklagten bekannt ist, daß er nur bei leichter Fahrlässigkeit eine Chance auf Wiederaufnahme des Verfahrens hat, wird er sich um eine straffe Prozeßführung bemühen. Die Einführung des Widerspruchs hat in jedem Fall den ursprünglichen Zielen der öZPO mehr geschadet als genutzt. Außer den großzügigen Mitteln gegen gesetzte Fristen ist auch die Zurückhaltung bei der Anwendung der §§ 179 Abs. 1 S. 2, 275 Abs. 2, 278 Abs. 2 auffällig. 109 Während in der Rechtsprechung und der Literatur ein Allgemeinkonsens über die strenge Einhaltung des Neuerungsverbots herrscht, um die Verfahrenskonzentration sicherzustellen, finden sich kaum Abs. 1 ergangen sind, sondern auch in den Fällen des § 243 Abs. 4. In diesem Fall sei der Beklagte ebenso schutzwürdig wie bei einer Fristsetzung nach vorhergehender erster Tagsatzung. VgI. dazu OGH SZ 56/191; EvBI 1984/50 = ÖJZ 1984, 191; JBI 1990,727; JBI 1984,560; Pimmer ÖJZ 1984, 141 (143f.); Petrasch ÖJZ 1985, 263; Reindl JBI 1985, 764; Steininger ÖRZ 1993, 106 (108); a.A. Rechberger/Simotta RZ 505; Rechberger RdW 1985, 5 (7); Mayr JBI 1984, 56; offen Strigl AnwBl 1983, 235 (240). 107 Nur solches Vorbringen bleibt ausgeschlossen, das bereits in der ersten Tagsatzung hätte mitgeteilt werden müssen, wie beispielsweise die Einrede der Unzuständigkeit (§ 397a Abs. 3). 108 Fasching JBI 1982, 120, 127f. = FG-Fasching (1993) S. 145 (176f.). Möglich ist eine Exekution überhaupt nur dann, wenn es sich um einen Titel wegen einer Geldforderung handelt. Dieser Schutz vor Prozeßverschleppung versagt daher dort, wo keine Zahlung begehrt wird. Kritisch auch Pimmer ÖJZ 1984, 141 (147); Rechberger JBI 1981, 179 (181). 109 U.a. OGH EFSlg 27.517; EFSlg 27.771; EFSlg 32.019; EFSlg 39.164; ÖRZ 76/27; ÖRZ 1976/44; Schragel ÖRZ 1978, 21 (24); Sprung LJZ 1983, 31 (39); Pimmer ÖJZ 1983, 129 (132); Fucik in Rechberger § 179/2; ders. ÖRZ 1993, 218 (221); Deixler-Hübner ÖJZ 1995,170 (171).
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Stimmen zu einer konsequenten Prozeßförderung in der 1. Instanz. 11o Hier wird sehr zaghaft agiert aus der Furcht vor materiell unrichtigen Entscheidungen. Gleichzeitig geht damit viel von dem Elan verloren, der die öZPO auszeichnete. Der eingeschränkte Zugang zu den Berufungsgerichten allein reicht aber nicht zur Prozeßverkürzung aus. Zusätzlich muß auch das erstinstanzliche Verfahren so ausgestaltet sein, daß die Parteien Rechtsschutz innerhalb angemessener Zeit erlangen können. Nur durch ein Zusammenspiel gesetzlicher Präklusionsregelungen der 1. und 2. Instanz kann dieses Ziel erreicht werden. Daher sollte man sich nicht nur zu einer konsequenten Anwendung der §§ 179 Abs. 1 S. 2, 275 Abs. 2, 278 Abs. 2 entschließen, sondern eine Verschärfung dieser - für die Beschleunigung wichtigsten Norm - fordern. Zwar gab es bereits in der siebziger Jahren einige Versuche, § 179 zu reformieren, indem man das Tatbestandsmerkmal der "Erheblichkeit" der Verzögerung streichen wollte. Doch dieser Versuch scheiterte nicht zuletzt an den ungünstigen Rahmenbedingungen. Denn für den Gesetzgeber stand das ursprüngliche Novellenziel einer kurzen Verfahrensdauer nicht mehr allein im Vordergrund. Die widersprüchlichen Regelungen, die schließlich beschlossen wurden, belegen dies. 111 So verblieb der § 179 Abs. 1 S. 2 im "Dornröschen-Schlaf'. Im Rahmen dieser Arbeit soll nun gezeigt werden, daß die Zurückhaltung bezüglich §§ 179 Abs. 1 S. 2, 275 Abs. 2, 278 Abs. 2 äußerst kontraproduktiv ist, da das Neuerungsverbot allein nicht Garant für eine kurze Verfahrensdauer sein kann. In einem Vergleich mit der deutschen Rechtslage wird darzulegen sein, daß eine Reform des § 179 Abs. 1 S. 2 an Hand des § 296 dZPO durchaus empfehlenswert ist, während das Neuerungsverbot wiederum dem komplizierten System der §§ 527 ff. dZPO überlegen ist. bb) Geltende Rechtslage in Deutschland Daß es auch nach Inkrafttreten der Vereinfachungsnovelle in Deutschland - trotz jahrelanger Vorarbeit - an Kritik nicht fehlte, zeigt deutlich, wie schwer es fallt, in zufriedenstelIender Weise das Ziel der Prozeßbeschleunigung zu erreichen. Verhindert man durch scharfe Präklusionsbestimmungen eine lange Verfahrensdauer, so könnte dies auf Kosten der materiellen Gerechtigkeit gehen, da der Richter nicht mehr den wahren Sachverhalt erforscht. Verzichtet man dagegen auf eine strenge Präklusion verspätet vorgebrachter Angriffs- und Verteidigungsmittel, so läßt sich eine erhöhte Prozeßdauer kaum vermeiden. In diesem Spannungsfeld zwischen Verfahrens110 So nur Hagen JBI 1970, 120 (122); Ballon ZZP 96 (1983), 409 (472); Strigl AnwBI 1983, 235 (240); Novak JBI 1949, 113 (118); Deixler-Hübner ÖJZ 1995, 170f. 111 Vgl. Fasching JBI 1982, 120 (131) = FG-Fasching (1993), S. 145 (183f.).
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I. Prozeßförderung in erster Instanz
beschleunigung und Gerechtigkeit muß der Gesetzgeber einen Weg finden, der beiden Zielen in höchstem Maße gerecht wird. Allerdings wird noch zu zeigen sein l12 , daß dieser Widerspruch so in seiner Absolutheit nicht gilt; daß vielmehr ein rasches Verfahren auch der materiellen Gerechtigkeit zugute kommt. Mit der Vereinfachungsnovelle ist dem Gesetzgeber diese Harmonisierung beider Verfahrensprinzipien in einem gewissen Umfang geglückt. Durch die Möglichkeit richterlicher Fristsetzung werden die Parteien zu zügiger Prozeßführung angehalten. Entsprechendes wird durch die Neueinführung einer allgemeinen Prozeßförderungspflicht erreicht. Auch wenn diese Pflicht dem Wortlaut nach recht unbestimmt ist (vgl. §§ 277 Abs. I, 282 Abs. 1), so ist sie doch einer Konkretisierung durch die Rechtsprechung zugänglich. Infolgedessen weiß die Partei oder der Anwalt dann ausreichend genau, was und zu welchem Zeitpunkt von ihm an Vorbringen erwartet wird. Außerdem kommt ein Ausschluß erst bei grober Fahrlässigkeit in Betracht. In einem solchen Fall ist eine Zurückweisung aber gerechtfertigt, auch wenn dadurch die Wahrheitsfindung bzw. die materielle Gerechtigkeit eingeschränkt werden könnte. Denn ein grob fahrlässiges Prozeßverhalten ist nicht schutzwürdig. Mißglückt ist allein die Regelung des § 528 Abs. 3. Es ist nicht recht einzusehen, wieso derjenige, der seine Angriffs- und Verteidigungsmittel in erster Instanz verspätet vorbringt und damit gern. § 296 ausgeschlossen wird, schlechter stehen soll als die Partei, die ihre Angriffs- und Verteidigungsmittel erst gar nicht vorträgt. Auf diese Weise wird eigentlich die noch nachlässigere und sorglosere Partei geschützt, da sie im Rahmen von § 528 Abs. 1, 2 grundsätzlich noch Vorbringen nachschieben kann. Eine unterschiedliche Regelung beider Fälle rechtfertigt sich in keiner Weise. Eine Umgehung dieser Vorschrift durch richterliche Rechtsfortbildung steht der eindeutige Wortlaut von § 528 Abs. 3 entgegen. So bleibt zu hoffen, daß der Gesetzgeber dieses unerwünschte Ergebnis korrigiert, wobei sich eine Streichung des § 528 Abs. 3 anbietet. Damit wäre ein in erster Instanz zurückgewiesenes Vorbringen unter den Voraussetzungen des § 528 Abs. I, 2 zulässig. Eine solche Lösung würde auch zu keiner Verlängerung des Berufungsverfahrens führen. Zwar müßte das Berufungsgericht vor einer Zurückweisung die Tatbestandsmerkmale "Verzögerung" und "Verschulden" überprüfen; aber auch nach der geltenden Rechtslage ist das Berufungsgericht nicht von der Kontrolle befreit, ob die erste Instanz zu Recht die Angriffs- und Verteidigungsmittel zurückgewiesen hat oder nicht. Somit bliebe es bei gleicher Verfahrensdauer, aber ohne eine willkürliche Differenzierung nach Vorbringen und Nichtvorbringen in erster Instanz. 112
Vgl. hierzu Kapitel 11.4.
5. Systematische Darstellung der Präklusionsnormen
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Vernünftiger erscheint es hingegen, dem in dieser Arbeit propagierten Lösungsansatz zu folgen, der die Angleichung der dZPO an das in Österreich geltende Neuerungsverbot empfiehlt. Dies hat den Vorzug, daß die Ungereimtheiten der §§ 527 ff. vermieden werden, und gleichzeitig ein Schritt zur Prozeßverkürzung getan wird. Eine einzige, voll ausgebaute Tatsacheninstanz ist nämlich sehr wohl in der Lage, materielle Gerechtigkeit zu erzeugen. Die Rechtswirklichkeit in Österreich macht deutlich, daß die weit verbreitete Formel: "Schnelligkeit = materielle Ungerechtigkeit" nicht zutrifft. Daß sich nach Inkrafttreten der Vereinfachungsnovelle die durchschnittliche Prozeßdauer gesenkt hat, ist nicht bestreitbar. So hat sich gerade in den ersten Jahren die Dauer der streitigen Verfahren vor den Amtsgerichten von durchschnittlich 188 Tagen (im Zeitraum vom 1.1.1975-30.6.1977) auf 166 Tage (im Zeitraum vom 1.7.1977-31.12.1980) reduziert. II3 Wie weit darauf allerdings die Präklusionsvorschriften von Einfluß waren, ist fraglich. Denn in der Praxis wird die Präklusion gern. § 296 Abs. 1 zurückhaltend praktiziert l14 ; die Präklusion gern § 296 Abs. 2 fast nie. 115 Außerdem läßt der BGH eine großzügige Umgehung der Verspätungsfolgen durch Flucht in die Säumnis, in die Berufung, die Klageerweiterung und die Widerklage ZU. 116 Da es keine rechtstatsächlichen Untersuchungen über die genauen Auswirkungen der Zurückweisungsvorschriften auf die Verfahrensdauer gibt, ist es nur schwer möglich, diese losgelöst von den sonstigen Neuregelungen der Vereinfachungsnovelle zu werten. Jedoch ist es nicht ausgeschlossen, daß allein die Existenz des § 296 eine Prozeßbeschleunigung infolge ihres erzieherischen Charakters bewirkt hat. Während zu Beginn der 80er Jahren die Gesamtdauer der zivilrechtlichen Verfahren im Durchschnitt weiter abgenommen hat, ist seit Anfang der 90er Jahre wieder ein umgekehrter Trend zu beobachten. 117 Allerdings beruht 113 Rottleuthner/Rottleuthner-Lutter (1990) S. 203. Dasselbe gilt auch für die landgerichtlichen Verfahren S. 199; Weitere Angaben dazu für Bayern bei Mertins DRiZ 1988, 91: Während von 1971-1977 58--61 % aller streitigen Zivilprozesse innerhalb von sechs Monaten abgeschlossen worden sind, waren es in den Jahren 1979-1985 71-77 %. Bei den bayerischen Landgerichten habe sich die Anzahl der abgeschlossenen streitigen Prozesse innerhalb eines halben Jahres ebenfalls auf 5563 % in der Zeit von 1979-1985 erhöht. Derselbe Trend ließ sich auch auf Bundesebene verfolgen, so Weth NJW 1996, 2467 (2468). 114 Greger ZZP 100 (1987), 377 (382): Über 90 % der Gerichte wenden diese Norm in weniger als einem Zehntel der Fälle an. Hierbei kommt der § 296 Abs. 1 häufiger zur Anwendung als § 296 Abs. 2; so die 1986 durchgeführte Umfrage des bayerischen Justizministeriums. 115 Greger a. a. O. 116 Mertins DRiZ 1988,91 (93). 117 Weth NJW 1996,2467; vgl. hierzu auch die Übersicht in DRiZ 1998, 133ff. und DRiZ 1997, 95ff.
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I. Prozeßförderung in erster Instanz
diese verlängerte Verfahrensdauer nicht auf der mangelnden Prozeßleitung und -förderung durch die Gerichte, sondern vielmehr auf dem dramatischen Anstieg an Neueingängen, der in den Jahren 1985 bis 1995 in den westlichen Bundesländern 9,2 % betrug. Diese seit der Wiedervereinigung zu beobachtende Prozeßflut führt dazu, daß auf Grund der im gleichen Zeitraum gesunkenen Anzahl der mit der Erledigung betrauten Richter um 9,7 % eine ständige Verlängerung der Verfahrensdauer zu verzeichnen iSt. 118 Daran haben auch das Rechtspflegevereinfachungsgesetz von 1990 und das Gesetz zur Entlastung der Rechtspflege von 1993 nichts geändert, obwohl beide Gesetze eine Beschleunigung der zivilrechtlichen Verfahren zum Ziel hatten. Eine meßbare Entlastung der Justiz ist damit allerdings nicht eingetreten, sodaß bereits im Jahre 1995 der Vorentwurf eines weiteren Rechtspflegeentlastungsgesetzes durch die Arbeitsgruppe der Justizministerkonferenz erarbeitet wurde, der bis heute jedoch nicht umgesetzt wurde. Auf Grund erheblicher Zweifel an der Wirksamkeit solcher Entlastungsgesetze wurde im Herbst 1998 eine Bund-Länder-Arbeitsgruppe unter Leitung des Bundesministeriums der Justiz eingerichtet, deren Tätigkeitsfeld in einer umfassenden Neustrukturierung des Rechtsmittelsystems liegt. Als Ergebnis bleibt somit festzuhalten, daß es durch die Novellengesetzgebung insgesamt zu einer Verkürzung der Verfahrensdauer der Zivilprozesse vor den Amtsund Landgerichten gekommen ist. Allerdings ist die Verfahrensdauer infolge der dramatischen Prozeßflut in den letzten Jahren wieder deutlich angestiegen. 6. Verfassungsrecht und Präklusion
a) Präklusion und rechtliches Gehör
Durch die Präklusion von Angriffs- und Verteidigungsmitteln wird einer Partei im Zivilprozeß die Möglichkeit genommen, sich zu dem Streitstoff zu erklären. Diese Tatsache widerspricht aber dem Anspruch auf rechtliches Gehör vor Gericht, der in der deutschen Rechtsgeschichte bis in das 13. Jahrhundert zurückverfolgt werden kann. Bereits im Sachsenspiegel galt der Grundsatz, daß ein Urteil erst nach Rede und Gegenrede beider Parteien erfolgen darf. 119 Aus dieser Zeit starrimt auch der Rechtssatz: "Auditur et altera pars". Die öZPO von 1895 berücksichtigte bereits diesen Grundsatz, ohne daß auf ihn ausdrücklich Bezug genommen worden wäre. Er stellte die Grundlage zahlreicher einfach~gesetzlicher Regelungen dar. Nicht zuletzt die umfangreichen formellen und materiellen Prozeßleitungspflich118 Vgl. hierzu u.a. Meyer-Teschendorf/Hofmann ZRP 1998, 132; DRiZ 1997, 95ff.; DRiZ 1998,493. 119 Rüping in BK Art.103/S. 29f.
6. Verfassungsrecht und Präklusion
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ten des Gerichts belegen dies. Verfassungsrang erlangte dieser Grundsatz allerdings erst durch Transformation der EMRK, die in Art. 6 den Anspruch auf rechtliches Gehör verbürgt, in österreichisches Recht. 120 Die gestiegene Bedeutung des Anspruchs auf rechtliches Gehör in der dZPO geht einher mit der Entwicklung dieses Grundsatzes zu einer Verfassungsnorm. Während es sich in den Verfassungen von 1871 und 1919 noch um ein bloßes verfahrensrechtliches Prinzip handelte, wurde es 1949 mit Verfassungsrang ausgestattet (Art. 103 GG).121 Das Bundesverfassungsgericht 122 bezeichnet es heute als prozessuales Grundrecht und objektives Prinzip, das für ein gerichtliches Verfahren konstitutiv und unabdingbar ist. Damit enthält Art. 103 GG ein Grundrecht,123 dessen Verletzung durch eine Partei im Wege der Verfassungsbeschwerde vor dem BverfG gern. Art. 93 Nr. 4a GG gerügt werden kann. Um zu prüfen, ob die Präklusionsregeln der dZPO einen Verstoß gegen die Verfassungsnorm des Art. 6 EMRK bzw. 103 GG darstellen, sollen vorab die Wurzeln, der Schutzbereich und etwaige Schranken des Anspruchs auf rechtliches Gehör betrachtet werden. 124 Auf diese Weise kann die Bedeutung und Reichweite dieses 120 Nach einigen Jahren der Rechtsunsicherheit über die Rechtsqualität der transformierten EMRK-Normen, wurde schließlich 1964 durch Bundesgesetz der Verfassungscharakter der EMRK bestätigt (BGBI 1964/59). Vgl. Öhlinger EUGRZ 1982, 219 (222f.); Ballon ÖJZ 1983,225 (226); Rechberger ZZP 106 (1993), 347f. 121 Eine wortgleiche Gewährleistung fand sich vorher schon in Art. 91 Abs. 1 der bayerischen Verfassung vom 2.12.1946. 122 U. a. BverfGE 55, 1 (6); 70, 180 (188). 123 Rosenberg/Schwab/Gottwald § 85 I. Die Terminologie ist allerdings nicht einheitlich: Teilweise wird von "Prozeßgrundrecht" gesprochen (so Schmidt-Aßmann in Maunz/Dürig Art 103/4; BverfGE 53, 219 (222); 58, 353 (356); Kopp AöR 106, 604 (606». Das BverfG selbst bezeichnet Art 103 GG mitunter als "grundrechtsähnliches Recht": BverfGE 61, 82 (104); Stern widerum faßt Art. 103 GG als "grundrechtsgleiches Recht" auf: Bd. III § 75 II 4 ß.; Braun JuS 1993, 353 (356) als "prozessuales Urrecht". Allgemein zur Literatur über das rechtliche Gehör vgl. Frohn S. 41 FN 74 und Stern Bd. III § 63 IV 2 FN 239. 124 Die Textstellen, die sich in der deutschen Rechtsprechung und Literatur zu Art. 103 GG finden lassen, sind auch für Art. 6 EMRK nützlich. Es ist allgemein anerkannt (Schumann in FS-Schwab (1990) S. 449 (451); Henckel in FS-Matscher (1988) S. 185 (188f.); Peukert EUGRZ 1979, (261); Piek (1966) S. 82», daß der Schutzbereich des Art. 103 GG mit dem des Art. 6 EMRK in bezug auf das rechtliche Gehör übereinstimmt. Die Übernahme des bereits ausgearbeiteten Materials zu Art. 103 GG ist nicht zuletzt deswegen sehr effektiv, da es zu diesem Verfassungsgrundsatz eine umfangreiche Rechtsprechung des BverfG gibt, vor dem gern. Art. 93 Nr. 4a GG Akte der Judikative auf ihre Verfassungskonformität überprüft werden können. In Österreich ist dies dem VfGH nicht möglich (vgl. Art.144 B-VG). So muß man auf die Urteile des EUGH zurückgreifen, die aber bezüglich des rechtlichen Gehörs in Zivilprozessen sehr spärlich sind, da die meisten bisher entschiedenen Fälle Strafprozesse betrafen. Die Fachgerichtsbarkeit wiederum, zu deren Auf-
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1. Prozeßförderung in erster Instanz
Grundrechts eingeschätzt werden, sodaß im Rahmen der Bestimmung etwaiger Schranken eine genaue Abwägung der betroffenen Interessen möglich ist. aa) Wurzeln und Schutzbereich des Art. 6 EMRK und 103 GG Der Anspruch auf rechtliches Gehör ist Teil der weiterreichenden Garantie auf ein faires Verfahren. 125 Dieser Grundsatz umfaßt den Anspruch des einzelnen auf Zugang zu einer unabhängigen und unparteiischen Institution, die verbindlich über den Rechtsstreit entscheidet. Dies muß öffentlich, in angemessener Frist und in fairer Weise geschehen. Das Urteil ist schließlich öffentlich zu verkünden. In Art. 6 EMRK wird die Würde des einzelnen bei der Durchsetzung der ihm zustehenden Rechte verbürgt. Auf Grund dieser Reichweite kann Art. 6 EMRK als Menschenrecht bezeichnet werden. 126 Ausdruck der Menschenwürde ist es, den Parteien vor einer sie betreffenden Streitentscheidung die Gelegenheit zu geben, von einer unabhängigen Institution angehört zu werden. Wird dieser Grundsatz von den Gerichten nicht beachtet, so kann dies zu willkürlichen Verfahrensergebnissen führen. Die Partei wäre dann bei ihrer Suche nach Rechtsverwirklichung zu einer bloßen Zuschauerin degradiert, während das Gericht aus seiner Schiedsrolle zum allmächtigen Richter aufgestiegen wäre. Auch das BverfG und die Mehrzahl der deutschen Autoren 127 sehen in
Art. 103 GG den Ausfluß des Schutzes der Menschenwürde gern. Art. 1 Abs. 1 GG. Dieser gern. Art. 79 Abs. 3 GG für den Verfassungsgeber unab-
änderbare Grundsatz fordert von den staatlichen Organen, den Menschen nicht bloß als Objekt zu behandeln und ihn in seiner Persönlichkeit zu respektieren (sog. "Objektsforrnel"). Dasselbe muß auch vor Gericht gelten als einem Teil der Staatsgewalt. So hat der Richter die Partei als Subjekt des Verfahrens anzuerkennen und sie zur Entfaltung kommen zu lassen. Darüber hinaus wird vertreten, daß das Recht auf Gehör seine Grundlage
gaben an sich die Kontrolle der Einhaltung des rechtlichen Gehörs durch die unterinstanzlichen Gerichte gehören würde, entzieht sich dem, in dem sie auf einfach-gesetzliche Grundsätze abstellt. 125 Im Orginalwortlaut der englischen und französischen Fassung des Art. 6 EMRK heißt es "fair hearing" bzw. "droit a ce que sa cause soit entendue ... equitablement". 126 Piek (1966) S. Ilf., Matscher ZÖffR 1980, 1 (4); Fasching LB RZ 692; Fasching in FG-Fasching (1993) S. 1 (19). 127 Leipold in Stein/Jonas v. § 128 B 11111; Schmidt-Aßmann in Maunz/Dürig Art. 103/2; BverfGE 9, 89 (95); Brüggemann JR 1969, 367; Für Kopp sind sogar Fälle denkbar, bei denen eine kumulative Anwendung von Art. 1 und 103 GG notwendig ist; dann nämlich, wenn speziell die Menschenwürde betroffen ist: AöR 106, 604 (607). Kritisch gegenüber diesem Ansatz Mauder S. 3ff.
6. Verfassungsrecht und Präklusion
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im Rechtsstaatsprinzip gern. Art. 20 GG habe. Die Idee der materiellen Gerechtigkeit sei Bestandteil des Rechtsstaatsprinzips.128 Ihre Durchsetzung erfordere ein Recht auf Anhörung vor Gericht. Denn materielle Gerechtigkeit könne es nur in einem staatlichen Verfahren zur Streitschlichtung geben, in dem beide Parteien ihre tatsächlichen und rechtlichen Ansichten umfassend vorbringen können und vom Gericht dazu auch gehört werden. So bezeichnet das BverfG I29 Art. 103 GG auch als "Folgerung aus dem Rechtsstaatsprinzip" . 130 bb) Anspruch auf rechtliches Gehör Was den Inhalt des Anspruchs auf rechtliches Gehör betrifft, so setzt sich dieser wie folgt zusammen: Jedermann hat in einem ihn betreffenden Verfahren das Recht, Tatsachenbehauptungen aufzustellen und dafür Beweise anzubieten bzw. sich zur Rechtslage zu äußern. l3l Eingeschränkt wird dieser Grundsatz allerdings insofern, als das Vorbringen zumindest potentiell sacherheblich sein muß. Querulatorisches Vorbringen kann ohne Verletzung des rechtlichen Gehörs zurückgewiesen werden. 132 Ferner steht es den Parteien zu, vom Vorbringen des Gegners unterrichtet zu werden und darauf zu erwidern 133 sowie zu den vom Gericht ermittelten Tatsachen und Beweismitteln vor der Urteilsfällung gehört zu werden l34 Gerade wenn sich der Prozeß kurz vor seinem Abschluß befindet, ist die Gefahr eines auf einem unwahren Sachverhalt beruhenden Fehlurteils besonders groß, sodaß 128
(607).
BverfGE 49, 148 (164); Isensee/Kirchof Bd. I § 24/71; Kopp AöR 106, 604
BverfGE 39, 156 (168). BverfG NJW 1996,3202; Mauder S. 10; Rosenberg/Schwab/Gottwald § 85 I; Leipold in Stein/Jonas v. § 128 B 11/12. 13l Art. 6 EMRK: OGH EUGRZ 1982, 113; Matscher ZÖffR 1980, 1 (30); Ballon ÖJZ 1983, 225 (229); Fasching 11 843f.; ders. LB RZ 701; Golsong/Karl/ MiehslerlVogler Art. 6/347; SchwabIGottwaid (1984) S. 52. Art. 103 GG: BverfGE 15, 303 (307); 36, 85 (87); 60, 175 (210); NJW-RR 1994, 188; NJW 1996, 3202; NJW 1998,2044; SächsVerfGH NJW 1998,3266; OLG Düsseldorf NJW-RR 1996, 1021; Blomeyer S. 74; ob auch der Vortrag zur eigenen Rechtsauffassung von Art. 103 GG geschützt ist, war früher umstritten, ist aber heute allgemein anerkannt: Rosenberg/Schwab/Gottwald § 85 III; BverfG 55, 1 (6). 132 Waldner (1989) RZ 66; Frowein/Peukert Art. 6/71 und 76. 133 Art. 6 EMRK: Golsong/KarllMiehslerlVogler Art. 6/342; Fasching a. a. 0.; RechbergerlSimotta RZ 291. Art. 103 GG: BverfGE 62, 392 (396); Kunig in v. Münch Art. 103/1; Schmidt-Aßmann in Maunz/Dürig Art 103/66ff.; Zeuner S. 1022. 134 Art. 6 EMRK: Fasching LB RZ a.a.O.; ders. In FS-Nakamura (1996) S. 119 (120ff.) SchwabIGottwaid a.a.O. Art. 103 GG: BverfGE 31, 297 (301); 55, 94 (98); 81, 123 (126); BGH NJW 1991, 2824 ( 2825f.); Rosenberg/Schwab/Gottwald § 85. 129
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die Partei über die richterliche Würdigung des Prozeßmaterials vor Verfahrensabschluß zu unterrichten ist. So erhält sie die Gelegenheit, neue Anträge zu stellen, um auf den Prozeß und sein Ergebnis noch Einfluß nehmen zu können. Mit diesen Rechten der Parteien korrespondiert die entsprechende Pflicht des Gerichts, die Ausführungen der Prozeßbeteiligten zur Kenntnis zu nehmen und bei der Entscheidungsfindung zu berücksichtigenYs Erst durch diese richterliche Pflicht gewinnt das Recht der Parteien, Anträge zu stellen, an Substanz. Dadurch ist sichergestellt, daß die Vorträge der Parteien nicht zur bloßen Farce werden, sondern sie die richterliche Suche nach der Wahrheit durch den Richter tatsächlich beeinflussen können. 136 cc) Schranken des Art. 6 EMRK und 103 GG Nachdem Inhalt und Umfang des Anspruchs auf rechtliches Gehör bestimmt worden sind, stellt sich die Frage, ob und inwieweit Art. 6 EMRK bzw. 103 GG vom Gesetzgeber eingeschränkt werden kann. 135 BverfGE 54, 117 (123) m. w. N.; 62, 347 (352); 70, 215 (218) und 288 (293); NJW 1993, 1319; NJW 1998, 2044; BayVerfGH NJW-RR 1994, 1136; Schwartz (1976) S. 19; Waldner (1989) S. 166/173ff. Ob darüber hinaus aus Art. 103 GG auch ein richterliches Rechtsgespräch mit den Parteien verlangt werden kann, d. h. das Gericht seine rechtliche Beurteilung des Streitfalles den Parteien kundgeben und ihnen die Stellungnahme hierzu ermöglichen muß, war früher umstritten, wird aber heute allgemein abgelehnt: BverfGE 84, 188; BverfG NJW-RR 1993, 764 (765); NJW 1994, 188. Die Literatur (Bleckmann S. 1025; Zeuner S. 1027f.; Schwartz (1976) S. 60ff.; Blomeyer S. 76; Waldner (1989) RZ 197ff.) sieht in einem solchen Rechtsgespräch nur eine Aufklärungspflicht gern. § 139 dZPO. A. A. Kubisch NJW 1965, 1315ff.; Arndt NJW 1959, 1298ff. Auch aus Art. 6 EMRK ergibt sich eine solche Pflicht nicht: Matscher ZÖffR 1980, 1 (24 FN 92); Sprung/König JBl 1976, 1 (6); Ballon ÖJZ 1983,225 (227); Fasching LB RZ 701; EUGH ÖJZ 1995, 350. Anders hingegen wird das Verbot von Überraschungsentscheidungen beurteilt. Durch § 278 Abs. 3 dZPO positiviert bedeutet es, daß das Gericht sein Urteil nicht auf Rechtserwägungen stützen darf, mit denen die Parteien nicht rechneten, und gerade dies für das Gericht erkennbar war: BverfG NJW-RR 1994, 188; OLG Düsseldorf NJW-RR 1996, 1021; so auch Rosenberg/Schwab/Gottwald § 85 III 4; Thomas/Putzo § 278/4; Greger in Zöller § 278/5; Weth (1988) S. 33; a.A. Leipold in Stein/Jonas v. § 128 B 11/41. Vgl. hierzu ausführlicher Kapitell. 10. b) aa). 136 Ebenfalls als Ausfluß des rechtlichen Gehörs ist die positive Begründungspflicht des Gerichts einzustufen, die von den Richtern verlangt, sich in den Entscheidungsgründen mit dem Vorgebrachten auseinanderzusetzen. Diese Pflicht kann als Reflex des Anspruchs auf rechtliches Gehör aufgefaßt werden, da sie den Parteien eine Kontrollmöglichkeit darüber gibt, ob das Gericht bei der Entscheidungsfindung auch das gesamte rechtserhebliche Vorbringen berücksichtigt hat. Art. 6 EMRK: Frowein/Peukert Art. 6/76. Art. 103 GG: BverfGE 70, 288 (293); BverfG NJW 1988, 1075; Waldner (1989) RZ 185ff.; Kunig in v. Münch Art. 103/10.
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Dem Wortlaut nach hat Art. 6 EMRK bzw. 103 GG keine Schranken. Daß der Grundsatz des rechtlichen Gehörs jedoch nicht absolut gilt, sondern Einschränkungen unterliegt, ist durch den EUGH bestätigt worden. Zwar enthält Art. 6 EMRK keinen Gesetzesvorbehalt, aber die Einhaltung bestimmter Fristen und Fonnen bei der Prozeßführung werden durchaus als zulässige Schranken anerkannt. 137 Auch das BverfG 138 wiederholt stereotyp, daß Art. 103 GG keinen Schutz dagegen bietet, daß das Vorbringen einer Prozeßpartei aus Gründen des fonnellen oder materiellen Rechts unberücksichtigt bleibt. Eine Begründung dafür gibt das BverfG allerdings nicht. Eine Erklärung für die Beschränkung ergibt sich möglicherweise aus der Systematik der Grundrechte. Denn solche Grundrechte, die schrankenlos gewährleistet werden, unterliegen sogenannten verfassungsimmanenten Schranken; d. h. nur kollidierende Grundrechte Dritter und andere mit Verfassungsrang ausgestattete Rechtsgüter sind imstande, auch uneinschränkbare Grundrechte in einzelnen Beziehungen zu begrenzen. 139 Immer dann, wenn eine Verletzung dieser Rechtswerte schwerer wiegen würde als eine Beschränkung des grundrechtlichen Anspruchs auf Gehör, hat dieser Anspruch zurückzutreten. Es ist jedoch darauf zu achten, daß man dadurch in den besonders sensiblen Bereich der materiellen Gerechtigkeit eingreift. Daher kann es nur in Ausnahmefällen gestattet sein, einen solchen Eingriff zuzulassen. Unter dieser Prämisse ist es nicht zu beanstanden, wenn zum Schutz wesentlicher Verfassungsgüter das rechtliche Gehör eingeschränkt wird. Als solche mit Verfassungsrang ausgestatteten Rechtswerte kommen die Effektivität der Rechtspflege bzw. das Gebot einer angemessenen Verfahrensdauer in Frage. "Effektiv" bedeutet tatsächlicher, wirklicher Rechtsschutz; also den praktischen Vollzug der Rechtsordnung, nicht aber soll mit der Partei ein "kurzer Prozeß" gemacht werden können. 140 So fordert Art. 6 EMRK ausdrücklich, daß jedennann einen Anspruch darauf hat, daß "seine Sache innerhalb einer angemessenen Frist gehört wird.,,141 Im Grundgesetz Vgl. Frowein/Peukert Art. 6/35lf. BverfGE 54, 117 (123); 60, 1 (6); 69, 248 (253). 139 Am Beispiel von Art. 4 GG: BverfGE 28, 243 (260f.); 49, 24 (56). Die verfassungsmäßige Ordnung bildet ein Sinnganzes, ein Widerstreit zwischen verfassungsrechtlich geschützten Belangen ist mithin nach Maßgabe der grundgesetzlichen Wertordnung und unter Berücksichtigung der Einheit dieses grundlegenden Wertesystems zu lösen. 140 So das BverfGE 55, 1 (6); Fasching LB RZ 708; Schmidt in AK-ZPO 1381 15; Grunsky DRiZ 1983, 390ff.; kritisch dazu Lorenz AöR 106,623 (648). 141 Im Orginalwortlaut der englischen und französischen Fassung des Art. 6 EMRK heißt es "within a reasonable time" bzw. "dans un dei ai raisonable". Der EUGH betont in st. Rechtsprechung, daß die "Angemessenheit" nicht generell, sondern nur im Einzelfall bestimmt werden kann: Fall "Obermaier" EUGRZ 137 138
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I. Prozeßförderung in erster Instanz
fehlt eine ausdrückliche Regelung. Dennoch hat auch das BverfG 142 zu erkennen gegeben, daß dieser Anspruch Verfassungsrang hat. Diese Maxime hat ihren Grund in dem grundsätzlichen Interesse aller Verfahrensbeteiligten nach einem raschen Prozeßende und der Herstellung von Rechtssicherheit. Denn so wird einerseits der aus wirtschaftlicher Sicht ungünstige Schwebezustand beendet. Auf der anderen Seite wird einer Prozeßverschleppung entgegengewirkt, die wenig hilfreich für die Rechtsverwirklichung ist. Nur wenn jeder seine Ansprüche in angemessener Zeit mittels staatlicher Gewalt klären und durchsetzen kann, entfällt die Gefahr ihres Verlusts durch Prozeßverschleppung. Gefahren bestehen insbesondere auch bei der Rechtsdurchsetzung; sei es, daß der Schuldner vermögenslos wird, sei es, daß bestimmte Rechtsgüter an Wert verlieren oder irreparable Schäden entstehen. Auch die Vorteile einer kurzen Prozeßdauer hinsichtlich der gerichtlichen Wahrheitsfindung seien hier erwähnt. 143 Auf sie wird noch an späterer Stelle zurückzukommen sein. l44 Außerdem gewährleistet das Gebot der Beschleunigung die Aufrechterhaltung einer funktionsfähigen Rechtspflege, ohne die der materiellen Gerechtigkeit nicht zum Durchbruch verholfen werden kann. Schließlich sind die Ressourcen des Staates, die für einen umfassenden Rechtsschutz bereitgestellt werden können, begrenzt. Die Qualität der Rechtspflege steigert sich aber in dem Maße, in dem sich das Gericht auf wesentliche strittige Punkte konzentrieren kann. Eine solche Qualitätssteigerung gelingt am ehesten, wenn man die Durchschnittsdauer aller Verfahren reduziert. Die oben angeführten Verfassungsgüter rechtfertigen es, Art. 6 EMRK bzw. 103 GG einzuschränken. 145 Das verfassungsrechtliche Prinzip effekti1990, 211; Fall "Deumeland" EUGRZ 1988, 20 (28f.); vgl. dazu auch: Schoibl ÖRZ 1993, 59ff./82f.; Golsong/KarllMiehsler/Vogler Art. 6/310ff.; Henckel in FS-Matscher (1988) S. 185 (186) m.w.N. 142 BverfGE 40, 272 = EUGRZ 1976, 136 (137); 88, 118 (124) = NJW 1993, 1635; Peukert EUGRZ 1979, 261 (266). 143 Die negativen Folgen der Prozeßverschleppung zeigen sich bei den sozial schwächeren Parteien am deutlichsten. So wird eine lange Prozeßdauer sie nicht allzu selten zu einem ungünstigen Vergleich bewegen. Oft werden sie sich mit einer teilweisen Zahlung des Schadensersatzes oder Schmerzensgeldes zufrieden geben. Durch eine unangemessen lange Prozeßdauer wird auch in die Chancengleichheit der Parteien vor Gericht eingegriffen. Vgl. Schwab/Gottwald (1984) S. 57. 144 Vgl. hierzu Kapitel I. 2. und 11. 4. 14S Art. 6 EMRK: Schoibl ÖRZ 1993, 58; Fasching LB RZ 706; Loebenstein in FS-Ermacora (1988) S. 280. Art. 103 GG: BverfG NJW 1993, 1635; SächsVerfGH NJW 1998, 3266 (3267); Schmidt-Aßmann in MaunzlDürig Art. 103116ff.; Isensee/Kirchhof Bd. III § 76 III; Rüping in BK Art. 103/8 und 61; Leipold ZZP 93 (1980), 237 (244). Kopp (AöR 106, 604 (628ff.)) wählt einen anderen Ansatz, indem er in Art. 103 GG nur eine Gewährleistung von Mindestanforderungen sieht (sog. "Basisgarantie"). Dagegen Leipold a. a. 0.: "Das Recht auf Gehör ist keine Minimalgarantie, sondern das zentrale verfassungsrechtliche Prinzip für die Ausge-
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ven und zeitlich angemessenen Rechtsschutzes verlangt, daß das rechtliche Gehör und die damit verbundene - möglicherweise langwierige - Suche nach der absoluten Wahrheit nicht unbegrenzt gewährt wird. Dabei sind beide Verfahrensgarantien als gleichwertig anzusehen. 146 Der Widerspruch ist so aufzulösen, daß die das rechtliche Gehör beschränkende Vorschrift gerade im Hinblick auf die Bedeutung des Gehörs ausgestaltet und ausgelegt werden muß. Es besteht also eine Wechselwirkung zwischen den beiden mit Verfassungsrang ausgestatteten Rechtswerten. Das rechtliche Gehör findet seine Grenzen dort, wo es zu Prozeßverzögerung und Ineffektivität führt, und umgekehrt darf das rechtliche Gehör zum Zwecke eines raschen Prozesses nicht zu stark beeinträchtigt bzw. ausgeschlossen werden. Einen Ausgleich zwischen diesen beiden widerstreitenden Garantien findet sich in §§ 179 Abs. 1 S. 2, 275 Abs. 2, 278 Abs. 2 öZPO bzw. §§ 296, 527 ff. dZPO. Diese Regelungen sind verfassungskonform, weil sie die unter dem Schutz der Verfassung stehenden Rechtsgüter beider Parteien in gleicher Weise berücksichtigen. Denn derjenige, der eine hinreichende Gelegenheit zum Vortrag hatte und davon schuldhaft keinen Gebrauch gemacht hat, ist nicht schutzwürdig. Auf der anderen Seite ist eine Zurückweisung ohne vorwerfbares Verhalten der präkludierten Partei mit Art. 6 EMRK bzw. 103 GG nicht vereinbar. 147 Daran fehlt es auch, wenn das schuldhafte Verhalten einer Partei nicht alleinige Ursache für die Verspätung war. War eine mangelhafte richterliche Prozeßführung für die Verspätung (mit-)verantwortlich, so ist eine Präklusion ausgeschlossen. In diesem Fall wäre eine Zurückweisung als eine unzumutbare Verfahrensbeschleunigung auf Kosten einer Partei anzusehen. Es würde an einem zurechenbaren Verhalten der Parteien fehlen, das präklusionsfahig wäre. Daß das Merkmal der Zurechenbarkeit nicht im Tatbestand geregelt ist, macht die Normen aber nicht verfassungswidrig. Vielmehr ist die Kausalität im Wege verfassungskonformer Rechtsauslegung in den Tatbestand der §§ 179 Abs. 1 S. 2 öZPO bzw. 296, 527ff. dZPO hineinzulesen. Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze sind die Einschränkungen des rechtlichen Gehörs durch die Präklusionsnormen mit den Belangen einer rechtsstaatlichen Verfahrensordnung vereinbar und stellen keine unverhältstaltung des gerichtlichen Verfahrens. Einfach-gesetzliche Schranken müssen im Hinblick auf die verfassungsrechtliche Leitidee formuliert werden." Ebenso Prütting in MüKo § 296/26. 146 Henckel in FS-Matscher (1988) S. 185 (l92f.). 147 Art. 6 EMRK: Matscher ZÖffR 1980, 1 (25/33); Henckel a.a.O. S. 188; Loeben stein in FS-Ermacora (1988) S. 279; Fasching LB RZ 693/699. Art. 103 GG: So st. Rechtsprechung: BverfGE 36, 92; 75, 183 (191); SchwabiGottwald (1984) S. 55; Leipold in Stein/Jonas v. § 128 B H/33; Henckel a. a. O. S. 193 f.; Schmidt-Aßmann DÖV 1987, 1029 (1037); Prütting in MüKo § 296/12.
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nismäßige Belastung der Parteien dar. 148 Der Gesetzgeber hat von seinem Gestaltungsspielraum, der ihm bei der Abwägung der von Verfassungs wegen geschützten Interessen zusteht, in zulässiger Weise Gebrauch gemacht und dessen Grenzen nicht überschritten. Der verfassungsrechtliche Anspruch auf Rechtsschutz und -sicherheit einerseits und das rechtliche Gehör andererseits sind damit in Einklang gebracht. 149
b) Präklusion und Gleichheitssatz Die Präklusionsnormen stehen aber nicht nur in einem Spannungsverhältnis zu Art. 6 EMRK bzw. 103 GG, sondern auch zum Gleichheitssatz gern. Art. 2 StGG, 7 B-VG bzw. 3 GG und dem darin enthaltenen Grundsatz der Waffengleichheit. 15o Dieser besagt, daß den Parteien unabhängig davon, ob sie die Stellung des Klägers oder des Beklagten innehaben, eine gleichwertige Rechtsstellung vor Gericht zukommen muß. Diese muß beiden Parteien in gleichem Umfang die Möglichkeit zum Vortrag geben. Damit korrespondiert eine Pflicht des Richters, diese Gleichwertigkeit durch eine objektive Verfahrensführung und unparteiische Ver- und Bewertung des gegenseitigen Vorbringens zu sichern. 151 So verlangt die Waffengleichheit, eine Entscheidung nur dann zu erlassen, wenn zuvor beiden Parteien Gelegenheit zum Vortrag gegeben wurde. Damit gerät aber der Grundsatz der Chancengleichheit in Konflikt mit den Präklusionsnormen, die einen solchen Vortrag vereiteln. Bevor auf etwaige Schranken des Gleichheitssatzes einzugehen wäre, stellt sich die Frage, ob Art. 2 StGG, 7 B-VG bzw. 3 GG auf dem Gebiet des Zivilprozeßrechts neben dem Anspruch auf rechtliches Gehör noch einen eigenen Anwendungsbereich hat; anders formuliert: Wird der Schutzbereich der Waffengleichheit nicht bereits von dem Anspruch auf rechtliches Gehör als 148 BGH NJW 1983, 575 prüft im Zusammenhang mit den Präklusionsvorschriften explizit den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz an, dem das BverfG in st. Rechtsprechung Verfassungsrang zubilligt. 149 Diese grundsätzliche Verfassungskonformität der Präklusionsnormen schließt es aber nicht aus, daß in der falschen richterlichen Anwendung einer Präklusionsnorm eine Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör liegt, die vor dem Bundesverfassungsgericht mit der Verfassungsbeschwerde gerügt werden kann. Wann und unter welchen Voraussetzungen eine Verfassungsbeschwerde gegen Zulassung bzw. Nicht-Zulassung von Angriffs- und Verteidigungsmitteln möglich ist, wird im Kapitel I. 15. - im Zusammenhang mit den allgemeinen Rechtsschutzmöglichkeiten gegen die fehlerhafte Anwendung von Präklusionsnormen - erörtert. 150 Dieser Grundsatz wird auch von Art. 6 EMRK mitumfaßt. Baumgärtel in FSMatscher (1988) S. 29 (32); Peukert EUGRZ 1980, (254); Schumann in FS-Schwab (1990) S. (449); SchwabIGottwald (1984) S. 61. 151 Tettinger S. 18ff.; Leipold in Stein/Jonas v. 128 B 11/63; Baumgärtel a.a.O. S.31.
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speziellere Regelung umfaßt, sodaß für erstere kein verfassungsrechtlich zu schützender Raum mehr bleibt? Diese Frage ist weitestgehend ungeklärt und wirft viele verfassungsrechtliche Fragen auf, die hier nur in Kürze behandelt werden sollen. Regelmäßig wird sich das Gebot der Waffengleichheit im Anspruch auf rechtliches Gehör erschöpfen. Der Gleichheitssatz wird vom Anspruch auf rechtliches Gehör verdrängt, soweit es um das rechtliche Gehör selbst geht. Dadurch, daß beiden Parteien das rechtliche Gehör gewährt werden muß, sind gleichzeitig die Voraussetzungen des Grundsatzes der Chancen- und Waffengleichheit erfüllt. Der Umkehrschluß ist dagegen nicht zulässig. Denn wenn beiden Parteien das rechtliche Gehör versagt würde, so wäre zwar Art. 6 EMRK bzw. 103 GG verletzt, nicht aber der Gleichheitssatz. Sämtliche Beschränkungen des Anspruchs auf rechtliches Gehör sind am Maßstab von Art. 6 EMRK bzw. 103 GG zu messen. Darunter fallen auch Eingriffe in den Parteivortrag vor Gericht durch Präklusionsnormen. 152 Nicht ausgeschlossen dagegen ist die Anwendbarkeit des Gleichheitssatzes in den Bereichen, die nicht unter den Schutz von Art. 6 EMRK bzw. 103 GG fallen. So sind Fragen der Beweislastverteilung und der Verfügbarkeit von Rechtsmitteln am Gebot der Chancen- und Waffengleichheit zu überprüfen. 153 Das BverfG hat bis auf eine Ausnahme l54 die Verfassungskonformität der Präklusionsvorschriften nur an Hand von Art. 103 GG geprüft, während es bei der Kontrolle der richterlichen Anwendung dieser Vorschriften abwechselnd Art. 103 und 3 GG als Prüfungsmaßstab heranzog. 155 Entgegen Lerche l56 ist daran festzuhalten, daß allein Art. 6 EMRK bzw. 103 GG den Anspruch auf rechtliches Gehör konkretisiert. Der Schutzbereich ist umfangreicher und bestimmter - insbesondere, was die qualitative Ausgestaltung des Anspruchs betrifft - als beim allgemeinen Gleichheitssatz in Form der Waffengleichheit. Dieser regelt bloß den gleichberechtigten Vortrag von Kläger und Beklagten vor dem Richter; ein konkret ausgestalteter Anspruch auf Gehör im Prozeß läßt sich daraus nicht ableiten. 152 RechbergerlSimotta RZ 290; Fasching LB RZ 718; Waldner RZ (1989) 18; Kopp AöR 106, 604 (6IOff.); Tettinger S. 19f.; a.A. Lerche ZZP 78 (1965), 19 FN 41. 153 Fasching in FG-Fasching (1993) S 1 (19f.); Schmidt-Aßmann in Maunz/Dürig Art. 103110; Waldner (1989) RZ 29; auch Schwartz (1976) S. 25 spricht von einer Teilidentität beider Verfassungsnormen: "Weder die Waffengleichheit noch der Gehörgrundsatz erschöpfen sich in dem Gebot gleichberechtigter Anhörung." 154 BverfGE 55, 72 (88) zu § 528 Abs. 3, wo es um die Zulässigkeit einer Differenzierung von § 528 Abs. I, 2 gegenüber Abs. 3 ging. 155 U. a. BverfGE 54, 117ff.: dort kehrte das BverfG den Spezialitätsgrundsatz um und prüfte nur Art. 3 GG. 156 Lerche ZZP 78 (1965), 1 (19).
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Damit bleibt das Gebot der Chancen- und Waffengleichheit qualitativ hinter dem Grundrecht des rechtlichen Gehörs zurück. Was die Präklusionsvorschriften angeht, so sind diese allein am Maßstab des Art. 6 EMRK bzw. 103 GG auf ihre Verfassungskonformität zu überprüfen. 157 Eine solche Sichtweise wird am ehesten dem Spezialitätsverhältnis zwischen den beiden Verfassungsgrundsätzen gerecht. Es lassen sich auf diese Weise Lösungen finden, die keine Widersprüchlichkeiten erzeugen. 7. Angriffs- und Verteidigungsmittel
a) Rechtslage nach der dZPO aa) Definition gern. § 282 Abs. 1 dZPO Die Präklusionsregelungen enthalten einheitlich den Begriff ..Angriffsund Verteidigungsmittel". Es fragt sich, ob darunter alle denkbaren Arten von Parteihandlungen im Prozeß verstanden werden, oder ob durch den verwendeten Terminus nur eine ganz bestimmte Gruppe von Handlungen erfaßt wird. Einen Hinweis gibt § 282 Abs. I, der Behauptungen, Bestreiten, Einreden, Beweismittel und -einreden als Angiffs- und Verteidigungsmittel bezeichnet. Durch den Begriff ..insbesondere" wird allerdings deutlich gemacht, daß es sich bei dieser Aufzählung um keine abschließende handelt. Vielmehr hat sie lediglich beispielhaften Charakter. Aber es ergeben sich aus ihr Anhaltspunkte für eine Konkretisierung des Begriffs. Angriffsmittel ist jedes Vorbringen, das den Anspruch begründen - u. U. auch im Wege der Widerklage - bzw. den Gegenvortrag oder Einwendun157 Eine weitere Facette des Gleichheitssatzes ist das prozessuale Willkürverbot. Vereinzelt wird in der deutschen Literatur (Prütting in MüKo § 296/33) geprüft, ob die Präklusionsvorschriften gegen diesen Verfassungsgrundsatz verstoßen. Willkürlich und damit den Gleichheitssatz verletzend handelt der Gesetzgeber dann, wenn sich kein sachlich gerechtferigter Grund für die Differenzierung bzw. die Gleichbehandlung verschiedener Sachverhalte finden läßt. Da es dem Gesetzgeber grundsätzlich offensteht, wie und nach welchen Gesichtspunkten er differenziert, ist ein Verstoß gegen Art. 3 GG nur dann anzunehmen, wenn er die äußersten Grenzen seines Ermessensspielraums überschritten hat. Das ist dann der Fall, wenn die fehlerhafte Rechtssetzung auf solchen Erwägungen beruht, die unter Würdigung der das Grundgesetz beherrschenden Gedanken nicht mehr verständlich sind und völlig sachfremd erscheinen (BverfGE 70, 93 (97». Danach ergibt sich aber kein Zweifel an der verfassungsrechtlichen Zulässigkeit der Präklusionsnormen. Der Gesetzgeber hat es in der Hand zu bestimmen, ob er auf materielle Gerechtigkeit oder auf effektiven Rechtsschutz mehr Gewicht legt. Die Präklusionsnormen halten sich innerhalb der Grenzen, die durch sachlich einleuchtende Gründe nachvollziehbar sind, sodaß ein Verstoß gegen das Willkürverbot ausgeschlossen ist. Die Grenzen seines Ermessensspielraums hat der Gesetzgeber aber nicht überschritten.
7. Angriffs- und Verteidigungsmittel
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gen des Beklagten aufueben soll, während der Begriff Verteidigungsmittel jedes Vorbringen zum Zwecke der Abwehr einer Klage oder Widerklage umfaßt. 158 Somit sind diese Tennina sehr weit zu fassen i59 , da sie für jedes Vorbringen, das die Parteien zur Begründung ihrer prozessualen Begehren dem Gericht unterbreiten, gelten. 160 Aus dieser Begriffsdefinition folgt, daß ein unerhebliches bzw. unstreitiges Vorbringen nicht als Angriffs- oder Verteidigungsmittel einzustufen ist. Im Falle der Unerheblichkeit bedarf es keiner Zuordnung unter die Präklusionsnonnen, da der Richter solches Vorbringen bei der Entscheidungsfindung nicht berücksichtigen muß, und es daher nicht zu einer Verzögerung des Rechtsstreits kommen kann. Dem unstreitigen Vorbringen fehlt es dagegen bereits am Angriffs- und Verteidigungscharakter, da ihm eine Geständniswirkung anhaftet. 161 Nicht präklusionsfähig sind auch Rechtsausführungen. Da das Gericht an diese weder gebunden ist noch sich in irgendeiner Fonn mit ihnen auseinandersetzen muß, unterliegen solche Ausführungen be-griffsnotwendig nicht dem Begriff "Angriffs- und Verteidigungsmittel". 162 bb) Angriff und Verteidigung Ob auch der Angriff oder die Verteidigung selbst unter diese Definition fallen, erscheint zweifelhaft. Sie stellen ein prozessuales Werkzeug für die Durchsetzung einzelner Mittel des Angriffs und der Verteidigung dar und haben damit einen eher verfahrenstechnischen Charakter. So sind Klage, Widerklage 163 und Rechtsmittelantrag l64 - also die Sachanträge selbst 158 Rosenberg/Schwab/GottwaId § 64 I 3; Hartmann in Baumbach/Lauterbach Einl. III/70 m. w. N. 159 So auch BGH NJW 1982, 1533 (1534); 1987,502; BGH VersR 1982, 345f. 160 Musielak RZ 357. 161 Vgl. hierzu Kapitel 1. 7. b) aa). 162 Vgl. hierzu Kapitell. 7. b) gg). 163 BGH NJW 1981, 1217; 1986,2258; BGH VersR 1982,345 (346). 164 BGH NJW 1993, 1393; Albers in Baumbach/Lauterbach § 528/4; Blomeyer § 30 11. Auch der Anschlußberufungsantrag des Berufungsbeklagten ist ein Angriffsmittel innerhalb eines vom Berufungskläger eingelegten Rechtsmittels. Dabei ist wieder zwischen dem Angriff selbst, der es ermöglicht, das Verfahren 2. Instanz mitzubestimmen, und den zu seiner Begründung vorgebrachten Tatsachen zu unterscheiden. Bis zum Schluß der letzten mündlichen Verhandlung in der Berufungsinstanz ist die Anschließung als Angriff jederzeit zulässig. Die Anschlußberufung soll dem Rechtsmittelbeklagten die Möglichkeit geben, seinen Antrag in sachgerechter Weise der Prozeßlage anzupassen (BGH ZZP 89 (1976), 199 (200f.». Das die Anschlußberufung begründende Vorbringen kann jedoch wieder gern. §§ 527 f. ausgeschlossen werden. So auch BGH JZ 1982, 512 (523); BGHZ 83, 371; Klamaris (1975) S. 205; Schneider MDR 1982,626 (627).
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keine Angriffs- und Verteidigungsmittel, sondern sie verkörpern den Angriff selbst und dienen nicht nur seiner Begründung. Sie sind bis zum Schluß der mündlichen Verhandlung zulässig und unterliegen nur den Grenzen des § 296a. 165 Die Widerklage ist ein selbständiger Gegenangriff, da sie sich auf einen neuen Streitgegenstand bezieht. Auch eine Eventualwiderklage für den Fall, daß eine Aufrechnung als verspätet zurückgewiesen wird l66 , ist zulässig. Die (Eventual-)Widerklage eröffnet einen neuen Prozeß, der nur äußerlich mit dem ursprünglichen Klagebegehren verbunden ist. Dasselbe gilt auch für eine Klageänderung, deren Wirksamkeit sich allein nach §§ 263 ff. beurteilt. Dahinter steht der Gedanke, daß dieser Sachantrag erst einen neuen Streitgegenstand begründet. Die Präklusionsnormen sollen dagegen das bereits eingeleitete Verfahren beschleunigen; nicht aber verhindern, daß ein neuer Prozeß mit neuem Streitgegenstand geführt wird. Jedoch sind innerhalb des neuen Verfahrens selbst die Präklusionsregeln wieder anwendbar. Vorbringen, das sich auf das neue Begehren bezieht, muß also ebenfalls in den Grenzen des § 296 vorgetragen werden. 167 Auch der Berufungskläger seinerseits kann neue - d. h. erstmals während der Berufungsinstanz erhobene - Sachanträge stellen mittels Klageänderung. Die Zulässigkeit der Klageänderung bestimmt sich dabei über § 523 nach den Vorschriften über das erstinstanzliche Verfahren (§§ 263 ff.). Auch die Klageerweiterung ist nach der Rechtsprechung kein Angriffsmittel. 168 Gleiches gilt für die Berufungserweiterung. 169 Zwar ist sie regel165 BOH NJW-RR 1996,961; Hartmann in Baumbach/Lauterbach § 282/6. Der BOH (NJW 1997, 870 = MDR 1997, 288) betont, daß auch eine Konkretisierung des Streitgegenstandes in der 2. Instanz, sofern es in der 1 Instanz an der notwendigen Bestimmtheit i. S.v. § 253 Abs. 2fehlte, nicht präklusionsfähig ist. Denn diese Aufgliederung des Sachvortrags stelle kein neues Vorbringen dar, sondern diene allein der Ordnung des Vortrags in einer dem § 253 Abs. 2 genügenden Weise. 166 Daß auch die Aufrechnung unter den Begriff "Angriffs- und Verteidigungsmittel" fällt, wird in Kapitel I. 7. a) cc) (2) näher dargestellt. 167 OLO NJW 1979,879 m.Anm. Deubner; BOH JZ 1982,512 (514); Hartmann (in Baumbach/Lauterbach § 282/6) weist aber darauf hin, daß eine verzögerte Klageänderung, die "Sachdienlichkeit" i.S.v. § 263 entfallen lassen kann. So auch Oreger in Zöller § 28212; Leipold (in Stein/Jonas § 296/40) betont, daß solches Vorbringen, das bezüglich des ursprünglichen Anspruchs als verspätet auszuschließen ist, bezüglich des neuen durchaus rechtzeitig sein kann. Entscheidend ist also immer der jeweilige prozessuale Anspruch. Angiffs- und Verteidigungsmittel, die sich auf einen neuen Angriff beziehen und mit diesem gleichzeitig vorgebracht werden, können daher niemals verspätet sein. So auch BOH WM 1986, 864 (867) und Schneider MDR 1982,626 (628). 168 Ein Klageantrag wird beispielsweise dann erweitert, wenn ein Kläger statt eines Teilbetrages die gesamte Schuld auf einmal fordert oder neue Ansprüche aus demselben Verpflichtungsgrund erhebt. Weitere Beispiele bei Schilken RZ 749. 169 Die h.M. (vgl. u.a. Rosenberg/Schwab/OottwaJd § 137 II 2 b) läßt auch nach Einreichung des Berufungsantrags eine Erweiterung zu; also auch nach Ablauf der
7. Angriffs- und Verteidigungsmittel
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mäßig nicht - wie die Klageänderung - von besonderen Zulässigkeitsvoraussetzungen abhängig (§ 264 Nr. 2), sofern der Klagegrund, wie er sich aus dem Klageantrag ergibt, derselbe bleibt. 17o Zwar besteht gerade in diesem Fall die erhöhte Gefahr einer Prozeßverschleppung durch immer neue Erweiterungen; allerdings ist in diesem Zusammenhang der strenge Ausnahmecharakter der Zurückweisungsvorschriften zu beachten. Diese zielen allein auf ein rasches Vorbringen der die Sachanträge begründenden Umstände ab; nicht dagegen auf rechtzeitige Erweiterung der Sachanträge. 171 Wie der Angriff so ist auch die Verteidigung selbst von einer Präklusion ausgeschlossen. Sowohl der Klageabweisungsantrag l72 als auch der Antrag auf Verwerfung eines Rechtsmittels als unzulässig bzw. auf Zurückweisung wegen Unbegründetheit fallen nicht unter den Begriff "Angriffs- und Verteidigungsmittel". Insofern gelten dieselben Grundsätze wie beim Angriff. cc) Einreden als Angriffs- und Verteidigungsmittel (1) Einrede der Anfechtung
Keine Einrede im Sinne der Präklusionsnormen ist die Anfechtung selbst. Diese wird aber dann zu einem Verteidigungsmittel, wenn sie inner- oder außerhalb der gerichtlichen Auseinandersetzung erklärt und von der anfechtungsberechtigten Partei im Prozeß geltend gemacht wird. 173 Zwar ließe sich argumentieren, daß es sich bei der Anfechtung um eine rein materiell-rechtliche Erklärung ohne prozessualen Charakter handelt, und sie damit nicht unter den Begriff "Angriffs- und Verteidigungsmittel" fällt; 174 dies steht aber im Widerspruch zu der heute nahezu unumstrittenen Theorie vom Doppeltatbestand der einseitigen Gestaltungserklärung. 175 Geht es um die materielle Frist gern. § 519. AA Grunsky in Stein-Jonas § 519/49, der eine gleichzeitige Einlegung von Berufungsantrag und -erweiterung fordert. 170 Da die Rechtsprechung, die dem zweigliedrigen Streitgegenstandsbegriff folgt, den Lebenssachverhalt, der einer Klage zugrundeliegt, sehr weit auslegt, werden die Erweiterungen nur selten eine Änderung des Klagegrundes mit den Voraussetzungen des § 263 nach sich ziehen. Musielak RZ 189. 171 BGH NJW 1986, 2258; BGH WM 1986, 864 (867) führt dazu aus: "Für eine analoge Anwendung der Präklusionsnormen auf die Klageerweiterung besteht kein Bedarf." Schumann in Stein/Jonas § 264/72. 172 A A wohl Schellhammer RZ 503, der den Klageabweisungsantrag weder den Sach- noch den Prozeßanträgen zuordnet, da er rein verneinenden Charakter habe. 173 BAG BB 1984, 345 (346); BAG NAZ 1985, 130 (131). 174 So in der Tat die Revisionsbegründung zu dem oben zitierten Entscheidung: BAG BB a. a. O. 175 Als überholt kann die prozessuale Theorie angesehen werden (Nikisch § 54 III 2,3 und 68 11 4; Wach ZZP 27 (1900), 1 (14», die davon ausging, daß die Ge-
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Rechtslage, richtet sich die Wirksamkeit der Erklärung nach bürgerlichem Recht. Eine prozessuale Funktion kommt der Erklärung jedoch insoweit zu, als mit dem Vortrag vor Gericht die Anfechtung in den Prozeß eingeführt wird. Dabei können beide Erklärungen auch zeitlich zusammenfallen, wenn die Anfechtung erstmals vor Gericht vorgebracht wird. Dann ist das jeweilige (prozessuale und materielle) Recht getrennt auf beide Erklärungen anzuwenden. Die innerprozessuale Wirkung der Geltendmachung - Anfechtung wird Prozeßstoff - tritt unabhängig davon ein, ob diese eine materiell-rechtliche Wirkung ausübt oder nicht. 176 Es handelt sich um eine Prozeßhandlung, die nur den Regeln des Prozeßrechts unterliegt. Somit ist der Beklagte gehalten, die Anfechtung rechtzeitig im Prozeß zu erklären. Die Anfechtung unterliegt daher nicht nur materiell-rechtlichen Ausschlußfristen, sondern auch den prozessualen Präklusionsfristen. Sie kann daher wegen verspäteten Vorbringens im Prozeß präkludiert werden. Das zur Anfechtung Gesagte gilt in gleicher Weise auch für sonstige einseitige Gestaltungsrechte wie z. B. Kündigung, Rücktritt oder Widerruf. (2) Einrede der Aufrechnung
Auch die Aufrechnung ist gleichzeitig Prozeßhandlung und rechts geschäftliche Willenserklärung und besitzt daher ebenfalls einen Doppeltatbestand. 177 Damit ist sie, sobald ihre prozessuale Geltendmachung erfolgt ist, als Verteidigungsmittel einzustufen. Sie hat eine reine Abwehrfunktion, da mit ihr ein Erlöschen des vom Kläger vorgebrachten Anspruchs bezweckt staltungswirkungen der Anfechtung erst durch das Urteil, nicht aber durch deren einseitige Erklärung herbeigeführt werden. Danach wäre die Erklärung auf ein richterliches Gestaltungsurteil ausgerichtet. Dagegen spricht aber, daß man eine richterliche Gestaltung von Privatrechtsverhältnissen durch Urteil nur dann annehmen kann, wenn das Gesetz ausdrücklich ein Gestaltungsurteil vorsieht ( z. B. § 133 HGB ). Ungeklärt bliebe auch, weIche Wirkung die Erklärung noch hatte, wenn der Prozeß ohne streitiges Urteil endete. Muß der Beklagte z. B. nach Klagerücknahme noch einmal die Anfechtung erklären? 176 Arens/Lüke RZ 207; Schilken RZ 121 ff.; Baumgärtel (1957) S. 153ff.; Jauernig § 30 IV; Blomeyer § 30 I 3; Rosenberg/Schwab/Gottwald § 63 VI 1 mit einer Auflistung über Unterschiede, die sich ergeben, wenn man die Anfechtung nur als Prozeßhandlung ansieht. 177 Buß JuS 1994, 147; Peters in MüKo § 145/18f.; Für die Aufrechnung gelten ebenfalls die zur Anfechtung angeführten Begründungen gegen die überwundene prozessuale Theorie. Weiteres Argument ist hier der Wortlaut von §§ 145 Abs. 3, 302 Abs. 1. In beiden Fällen sieht das Gesetz nämlich vor, daß die Aufrechnung schon vor Erlaß des Urteils verfahrensbedeutsam ist, d. h. Regelungswirkungen hervorruft mit der Folge, daß nach Erklärung der Aufrechnung über diese und die Klage getrennt verhandelt werden kann, und ein Vorbehaltsurteil bezüglich der Klage möglich ist.
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wird. 178 Wie bei den übrigen Gestaltungsrechten ist es ohne rechtliche Bedeutung, ob die Aufrechnung erstmals im Prozeß erklärt wird oder ob sich der Aufrechnende auf eine schon vorprozessual ausgesprochene Aufrechnung beruft. (3) Einrede aus Prozeßvertrag
Etwas anderes könnte sich jedoch für Prozeßeinreden aus zweiseitigen Verträgen ergeben, die eine Partei der anderen gegenüber zu einem bestimmten prozessualen Verhalten verpflichtet. Diese Prozeßverträge können etwa die Verpflichtung zum Klageverzicht oder zur Klagerücknahme 179 zum Inhalt haben. Möglich ist aber auch ein Rechtsmittelrücknahmeversprechen 180 oder einen Rechtsmittelverzicht l8l • Auch eine vertragliche Beschränkung der Beweismittel ist denkbar 182 oder der Verzicht auf Beantragung eines Versäurnnisurteils. 183 Die Einrede aus diesen Prozeßverträgen ermöglicht es der Partei, sich auf die vertraglich ausgemachten Beschränkungen der Prozeßführung zu berufen, unabhängig davon, ob der Vertrag außerprozessual oder während der Verhandlung abgeschlossen wurde. Erforderlich ist nur, daß, sofern es sich um eine außerprozessuale Vereinbarung handelt, die Partei vor Gericht ihre Einrede wiederholt und sie damit in den Prozeß einfübrt. 184 Wirksam sind solche Verträge, solange 178 Dagegen wendet sich Schreiber (ZZP 90 (1977), 395 (398ff.», der der Aufrechnung Angriffscharakter zuschreibt und sie als "unentwickelte Widerklage" ansieht. Im Unterschied zu allen sonstigen Einreden, die eine Befriedigung des Klägers verhindern sollen, führe die Aufrechnung sie herbei. Schreiber bezeichnet sie als einen Akt der "Selbstexekution" des Schuldners, der bei seiner prozessualen Durchsetzung einer Widerklage ähndelt. Bei konsequenter Fortsetzung dieser Ansicht käme man zu folgendem Ergebnis: Die Aufrechnung ist wie eine Widerklage zu behandeln; diese ist nicht bloß Verteidigungsmittel, sondern ein Gegenangriff (Musielak RZ 278). Der Angriff selbst unterliegt aber nicht den Präklusionsnormen, lediglich die einzelnen Mittel dazu. Damit wäre die Aufrechnung kein ,.Angriffsund Verteidigungsmittel". Die Bewertung der Aufrechnung als widerklageähnlich wird von Schreiber selbst wieder eingeschränkt. Diese Rechtskonstruktion soll allein Lösungsmöglichkeiten in bezug auf verschiedene Streitpunkte im Rahmen der Aufrechnung eröffnen. Schreiber gesteht ein, daß die undifferenzierte Gleichstellung der Regeln der Aufrechnung mit denen der Widerklage mit dem Gesetz nicht in Einklang steht (Schreiber a. a. 0.: "Denn eine unentwickelte Widerklage wirkt in der Tat nicht wie die echte Widerklage. "). 179 BGR NJW-RR 1987,307. 180 BGR NJW 1985, 189; FamRZ 1985,48; WM 1989,868; VersR 1993,714. 181 BGHZ 28, 45 ff. 182 BGR WM 1973, 144; Thomas/Putzo v. 284/41. 183 Schilken RZ 119; Zeiss RZ 211. 184 So Leipold in Stein/Jonas v. § 128 D X1247; a. A. Schlosser (1968) S. 53 f. Er will auf eine ausdrückliche Einrede verzichten und fordert eine Prüfung von
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I. Prozeßförderung in erster Instanz
sie nicht gegen zwingendes Prozeßrecht verstoßen. Soweit an deren Einhaltung ein öffentliches Interesse besteht, sind diese Verträge nicht abdingbar. 185 Schranken finden solche Verträge nur in den §§ 134,138 BGB. So ist Sittenwidrigkeit dann zu bejahen, wenn objektiv eine unerträgliche Knebelungswirkung vorliegt und dies für die andere Partei erkennbar gewesen wäre. 186 Für die Frage, ob es sich bei diesen Einreden um Angriffs- und Verteidigungsmittel handelt, die dem materiell-rechtlichen Anspruch entgegenstehen, sodaß § 296 Abs. I, 2 anwendbar ist, oder um Prozeßhindemisse, die die Zulässigkeit der Klage betreffen mit der Folge, daß § 296 Abs. 3 anwendbar ist, ist die Rechtsnatur dieser Verträge entscheidend. Anders als die Einreden des bürgerlichen Rechts enthalten die Prozeßverträge keinen Doppeltatbestand, der voneinander zu trennende Wirkungen im materiellen und Prozeßrecht hätte. Vielmehr ist alleiniger Zweck dieser Abreden eine bestimmte prozessuale Situation herbeizuführen. Liegt der Schwerpunkt der Vereinbarung auf dem prozessualen Gebiet, so rechtfertigt dies, vorgetragene Einreden daraus als Prozeßhandlungen zu bezeichnen. Daß sich ihr Zustandekommen nach materiellem Recht beurteilt, steht dieser Folgerung nicht entgegen, da sie zu einem bestimmten Prozeßverhalten verpflichten sollen. 187 Amts wegen, wenn das Gericht in irgendeiner Weise von der Vereinbarung Kenntnis erhält. Dies steht aber im Widerspruch zur Vertragsfreiheit der Parteien. Es steht dem Begünstigten frei, von seiner Einredebefugnis Gebrauch zu machen. Tut er dies nicht, so gibt es für das Gericht kein öffentliches Interesse an deren Berücksichtigung. Selbst ein Hinweis auf die Einredemöglichkeit würde über die gesetzliche Aufklärungspflicht gern. §§ 138, 278 Abs. 3 hinausgehen. 18S In der neueren Literatur vertritt nur noch Wieczorek die Ansicht, solche Abreden seien genereJl unwirksam: (1957) Bd. III § 514 B III b 5; dagegen Teubner MDR 1988,720 (721); Zeiss RZ 211 m.w.N. Danach sind folgende Vereinbarungen unwirksam: Solche über den Rechtsweg, die funktioneJle Zuständigkeit, Geschäftsverteilung oder die richterliche Beweiswürdigung; a. A. bezüglich des Letztgenannten Schlosser ((1968) S. 86f.), der annimmt, auch die freie Beweiswürdigung des Richters könne beschränkt werden. Dagegen wendet sich aber zu Recht Hartmann (in Baumbach/Lauterbach Anhang § 286/6), der in § 286 eine zwingende Vorschrift des öffentlichen Rechts sieht. Eine derartiger Vertrag würde gegen die gesetzlich angeordnete Arbeitsteilung von Gericht und Parteien verstoßen. So auch Teubner a. a. O. 186 Die ZPO enthält nur wenige ausdrückliche Normen bezüglich solcher Vereinbarungen. Lediglich in §§ 38, 40, 108 Abs. I, 224 Abs. 1,404 Abs. 4, 816 Abs. I, 2, 1025 f. ist von Prozeßverträgen die Rede. Beim Prorogations- und Schiedsvertrag handelt es sich aJlerdings um solche mit Verfügungswirkung; d.h. sie haben einen unmittelbaren rechtsgestaltenden Einfluß auf den Prozeß. So auch Schwab in FSBaumgärtel (1990), 503 (509); Leipold in Stein/Jonas v. § 128 D X1246. 187 Nach Ansicht von Baumgärtel ((1957) S. 206ff.) sind diese Verträge materieJlrechtlicher Natur. Er führt dazu an, daß sie lediglich verpflichtende Wirkung haben;
7. Angriffs- und Verteidigungsmittel
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Diese Klassifizierung hat zur Folge, daß der Einrede eine rein verfahrenstechnische Bedeutung zukommt. Die Klage ist durch Prozeßurteil abzuweisen. ISS Führt die Einrede zur Unzulässigkeit der Klage, so gilt für sie § 296 nicht aber durch sie unmittelbar eine bestimmte Prozeßsituation begründet wird. Diese Wirkung trete vielmehr erst durch eine Erklärung gegenüber dem Gericht ein. Ist aber der Zusammenhang zwischen dem Vetrag und der prozessualen Wirkung so locker, können nach Baumgärtels Ansicht die Einreden nicht als Prozeßhandlungen angesehen werden. Außerdem beurteilt sich ihr Zustandekommen nach den Normen des bürgerlichen Rechts, was ebenfalls für eine Einstufung als materiell-rechtliche Einrede spreche (so Baumgärtel a.a.O.; Schumann JuS 1966, 27; Teubner MDR 1988, 720 (723». Allgemein anerkannt ist dagegen, daß Rechtsmittelverzichtsverträge einen rein prozessualen Charakter haben. Im Gegensatz zu den übrigen Abreden sind Einreden daraus nur ein Mittel, eine schon bestehende Rechtslage dem Gericht zur Berücksichtigung zu unterbreiten. Denn der antizipierte Rechtsmittelverzicht begründet insofern einen unmittelbaren prozessualen Tatbestand, als die Befugnis zur Einlegung eines Rechtsmittels im Zeitpunkt des Erlasses des Urteils erlischt, ohne daß es eines weiteren Aktes der Geltendmachung bedürfte (so Baumgärtel a. a. O. S. 208; Schwab a.a.O. S. 503 (510); Rosenberg/Schwab/Gottwald § 136 II 5). Baumgärtel ist jedoch entgegenzuhalten, daß sich trotz der Anwendung privatrechtlicher Normen für den Vertragsschluß die Natur der Abrede aus einem anderen Rechtsgebiet ergeben kann. Dies beweist der öffentlich-rechtliche Vertrag gern. §§ 57ff. BVwVfG. Auch sein Abschluß richtet sich nach den Vorschriften des BGB (§ 62 BVwVfG), inhaltlich ist er aber dem öffentlichen Recht zugeordnet. Dasselbe gilt auch im vorliegenden Fall. Der Prozeßvertrag dient dazu, die Beziehungen beider Parteien in bezug auf den Prozeß zu regeln. Damit verliert der Vertrag jegliche privatrechtsgestaltende Wirkung, wenn man von etwaigen Schadensersatzansprüchen wegen Vertragsverletzung absieht. Alleiniger Bezugspunkt ist das Prozeßverhältnis. Dazu kommt noch ein weiterer Aspekt, der der Einteilung dieser Vereinbarungen als materiell-rechtlich entgegensteht. Angenommen, die Auffassung Baumgärtels würde zutreffen, so hätte der Begünstigte - abgesehen von der Möglichkeit der Einrede gegen die andere Partei, die sich zu einem Klageverzicht, -rücknahme etc. verpflichtet hat, einen Anspruch auf Vornahme oder Unterlassung der jeweiligen Handlung. Dies würde zu dem eigenartigen Ergebnis führen, daß in einem zweiten Prozeß über den Fortlauf des ersten entschieden werden müsse. Daß eine solche Verschachtelung von Prozessen der ZPO fremd ist, hat Konzen ((1976) S. 202; vgl. auch Schwab a.a.O. S. 511) nachgewiesen an Hand der Systematik des Gesetzes. Ist nach §§ 303, 512 eine Zwischenentscheidung über prozessuale Vorfragen nicht selbständig anfechtbar, so muß dies auch für einen etwaigen Zweitprozeß gelten. Verfahrensbedeutsame Parteihandlungen sind in dem jeweiligen Prozeß zu klären; nicht aber soll dafür ein neuer Rechtsstreit eröffnet werden mit vollem Instanzenzug. Nach alledem spricht mehr dafür, daß Verträge dieser Art ihren Voraussetzungen und Wirkungen nach dem Prozeßrecht unterliegen, wobei ergänzend auch auf materiell-rechtliche Grundsätze zurückzugreifen ist (so auch Zeiss RZ 211 f.; Thomasl Putzo Einl. III/6; Rosenberg/Schwab/Gottwald § 63 IV; Schwab a.a.O. S. 5IOf.; Schilken S. 70; Musielak RZ 49. 188 Schumann in Stein/Jonas § 269/5; Leipold in Stein/Jonas v. § 128 D XI 246ff.; Schwab a.a.O. S. 512; Lüke in MüKo Ein1.l289; Musielak RZ 249; BGH NJW 1984, 805; BGH NJW 1989,604. Die Vertreter der materiell-rechtlichen Theorie (Baumgärtel a. a. O. S. 263; Schumann a. a. O. S. 28) schließen sich dem an, was einen Bruch mit ihrem Ansatz be-
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I. Prozeßförderung in erster Instanz
Abs. 3 als Sonderregelung, da es sich um ein vertragliches Prozeßhindernis handelt. 189 In der Literatur finden sich zu dieser Einordnung, soweit ersichtlich, keine Angaben. Lediglich zur alten Rechtslage gibt es zwei FundsteIlen. Sowohl Zeiss l90 als auch Kempj91 hielten § 274 a. F. für Einreden aus Prozeßverträgen für anwendbar. Danach waren Einreden vor Beginn der Hauptverhandlung zur Hauptsache oder gleichzeitig mit ihr geltend zu machen. Auch nach der Vereinfachungsnovelle ist an dieser Auffassung festzuhalten. Denn die für die Verhandlung zur Sache aufgewandte Arbeit soll nicht dadurch wertlos werden, daß etwa der Beklagte in einem späteren Prozeßstadium ein Prozeßurteil herbeiführt. Eine sachliche Stellungnahme des Gerichts wäre dann überflüssig. Die bereits getätigten Bemühungen bei der Suche nach der materiellen Wahrheit würden auf diese Weise rückwirkend jeden Sinn verlieren. Diese Gefahr erlaubt es, auch die vertraglichen prozeßhindernden Einreden nach der strengen Eventualmaxime gern. § 296 Abs. 3 zu behandeln. Etwas anderes gilt für Parteivereinbarungen in bezug auf die materielle Rechtslage. Einigen sich Kläger und Beklagter beispielsweise über eine Stundung des Anspruchs oder einen Einwendungsausschluß, so ist dies allein von materiell-rechtlicher Bedeutung. Wird eine solche Einrede im Prozeß geltend gemacht, so führt dies zu einer Abweisung der Klage durch Sachurteil. 192 Eine verspätete Geltendmachung dieser Einreden im Prozeß hat zur Folge, daß eine Zurückweisung gern § 296 Abs. 1 oder 2 erfolgt. Einreden aus solchen Verträgen berühren in keinster Weise die Zulässigkeit der Klage, sondern nur deren Begründetheit.
deutet. Konsequenterweise müßten sie die Einreden im Rahmen der Begründetheit prüfen. In diesem Fall wäre bei erfolgreicher Einrede dann aber eine Klageabweisung kraft Sachurteil die Folge, denn es handelt sich ja um eine materiell-rechtliche Einrede. Diese Ungereimtheit in der Wirkungsweise der Prozeßverträge unterstreicht die Entscheidung, den Meinungsstreit zugunsten der prozessualen Theorie zu entscheiden. 189 Bei konsequenter Durchführung der materiell-rechtlichen Theorie wäre die Einrede Angriffs- und Verteidigungsmittel i. S. v. § 296 Abs. 1 und 2, da sie die Begründetheit der Klage betrifft. 190 Zeiss (1967) S. 104f. 191 Kempf ZZP 73 (1960), 342 (385f.). 192 Schumann in Stein/Jonas § 269/5; vgl. auch Schlosser (1968) S. 98; a. A. Sellert NJW 1968, 230 (233).
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dd) Beweisantrag und sonstige Prozeßanträge Es wurde bereits festgestellt, daß Sachanträge wie die Klage, Widerklage, etc. nicht unter den Begriff "Angriffs- und Verteidigungsmittel" fallen. Wie verhält es sich nun mit den Prozeßanträgen? Diese betreffen nur das jeweilige Verfahren; nicht aber Inhalt, Gegenstand und Wirkung der Endentscheidung. 193 Zu den Prozeßanträgen gehört beispielsweise der Antrag auf Anberaumung eines Termins oder auf Verweisung des Rechtsstreits an ein anderes Gericht. 194 Für diese Anträge gilt allein § 297, der keine zeitliche Einschränkung des Prozeßvortrags vorsieht. Prinzipiell ist auch der Beweisantrag den Prozeßanträgen zuzuordnen. Unter einem Beweisantrag ist zum einen die Angabe der zu beweisenden Tatsache (Beweisthema) und zum anderen die des Beweismittels zu verstehen. Dies ist verbunden mit der Aufforderung an das Gericht, diesen Beweis auch tatsächlich zu erheben. 195 Trotz der systematischen Zuordnung des Beweisantrags zu den übrigen Prozeßanträgen ist allgemein anerkannt l96 , daß der Beweisantrag präklusionsfahig iSt. 197 Dies ergibt sich aus der Überlegung, daß der Beweisantrag nicht mit den übrigen Anträgen vergleichbar ist. Während jene allein verfahrenstechnischen Charakter haben, dient der Beweisantrag der Wahrheitsfindung l98 ; d.h., er ist das Mittel, das Gericht von einer vom Gegner bestrittenen Tatsache zu überzeugen. Damit steht dieser Antrag in einem unmittelbaren Zusammenhang mit den einzelnen Beweismitteln. Können diese aber gern. §§ 296, 527 ff. zurückgewiesen werden, so muß dies auch für die Anträge gelten. 199 Damit haben die Beweisanträge eine ganz andere Zielrichtung als die Prozeßanträge. Von den Sachanträgen sind sie insoweit abzugrenzen, als sie keinen neuen Angriff oder Verteidigung enthalten, sondern lediglich das bereits Vorgebrachte stützen sollen. Der Beweisantrag kann also, ohne daß es einer Ausgliederung aus dem Oberbegriff "Prozeßantrag" bedürfte, auf Grund seiner Rosenberg/Schwab/Oottwald § 64 I I; Schilken RZ 127. Weitere Beispiele: Prütting in MüKo § 296/42. 195 Orunsky (1970) § 42 11 1. 196 Prütting in MüKo § 296/42. 197 Weth ((1988) S. 80ff.) versucht dies damit zu erklären, daß er den Beweisantrag nicht als Verfahrensantrag ansieht. Vielmehr solle es sich dabei um ein den Anspruch begründendes Vorbringen handeln. Damit vermeidet er eine willkürliche Differenzierung mit den übrigen Prozeßanträgen. Auf der anderen Seite stuft Weth den Antrag auf gegnerische Parteivernehmung (§ 445) und den Antrag auf Urkundenvorlage durch den Beklagten (§ 421) oder einen Dritten (§ 428) als "echte" Anträge ein. Diese entzieht er wiederum den Präklusionsbestimmungen. Weth unterscheidet also nach den Arten der Beweismittel. 198 Söllner (1972) S. 2. 199 BOR NJW 1984, 1964. 193
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Rechtsnatur als Angriffs- und Verteidigungsmittel bezeichnet werden und ist damit präklusionsfähig. 2OO b) Rechtslage nach der öZPO
aa) Präklusionsfähiges Vorbringen Aus dem Wortlaut des § 179 Abs. 1 S. 2 geht eindeutig hervor, daß nur tatsächliche Behauptungen und Beweismittel präklusionsfähig sind. Dabei wird unter dem Begriff "tatsächliche Behauptungen" alles zusammengefaßt, was sich auf den rechtserzeugenden Sachverhalt bezieht. 201 Daneben sind in § 179 Abs. 1 S. 2 Beweismittel erwähnt. Darunter sind solche Beweismittel zu verstehen, die gleichzeitig mit neuen Tatsachen vorgebracht werden. Will dagegen eine Partei neue Beweisangebote bezüglich alter Tatsachenbehauptungen nachschieben, so greift § 275 Abs. 2 ein. 202 Diese Norm ist insofern lex specialis. 200 So auch BGH FamRZ 1996, 1072; Schellhammer RZ 534; Hartmann in Baumbach/Lauterbach Eint. III170; Schilken RZ. 473; Leipold in Stein/Jonas § 14612. Beweise können aber nicht nur von den Parteien beantragt werden, sondern auch das Gericht hat die Möglichkeit, diese von Amts wegen zu erheben. Grundsätzlich steht es in seinem Ermessen, ob es von sich aus eine Beweisführung veranlaßt (Ausnahme ist der Zeugenbeweis, der nur von den Parteien beantragt werden kann). In diesen Fällen widerspräche es aber dem Sinn der §§ 296, 527ff., würde der Richter die Präklusionsfolgen über eine Amtsbeweiserhebung umgehen; hat der Richter verspätetes Vorbringen gern. § 296 zurückgewiesen, so dürfen die gewonnenen Zeitvorteile nicht dadurch wieder aufs Spiel gesetzt werden, daß der Richter zugunsten einer Partei die Beweisergebnisse korrigiert. Dies wäre aus prozeßökonomischer Sicht in besonderem Maße kontraproduktiv. Anders sind dagegen die Fälle gelagert, in denen das Gericht ausnahmsweise zu einer Beweiserhebung verpflichtet ist (BGHZ 78, 318 (335». Davon wird immer dann auszugehen sein, wenn dem Gericht selbst die nötige Sachkunde zur Klärung des Prozesses fehlt; z. B. keine Kenntnis vom ausländischen Recht (Leipold in SteinlJonas § 293/33 m. w.N.) oder ungenügendes Spezialwissen in technischen Bereichen (BGHZ 64, 86 (99f.); BGH VersR 1982, 146; BAG NJW 1990, 2953; Schlosser (1991) RZ 340; Peters in Müko § 144/5; auch die Auslegung eines fremdsprachigen Vertrages gehört hierzu (BGH NJW 1987, 591). Hier verwandelt sich das pflichtgemäße Ermessen in eine Erforschungspflicht, unabhängig von der Existenz eines Beweisantrags der Parteien. Das Gericht muß den erforderlichen Beweis erheben und kann nicht deshalb davon absehen, weil es den Beweisantritt für verspätet hält. Eine Präklusion wäre also in diesen Fällen mit Ausnahmecharakter ohne Bedeutung. So auch BGH NJW 1982, 2317 (2319); Leipold in Stein/Jonas § 144/3. Hartmann (in Baumbach/Lauterbach § 14417) verweist darauf, daß sich eine andere Beurteilung dieser Fälle nur dann ergibt, wenn das Gericht vor dem verspäteten Beweisantrag keine Veranlassung zur Erhebung des Beweises hatte. 201 RechbergerlSimotta RZ 449. 202 Fucik in Rechberger § 179/1.
7. Angriffs- und Verteidigungsmittel
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Bei dem Vorbringen muß es sich um Noven handeln; werden lediglich schon früher angeführte Tatsachen und Beweismittel wiederholt, so sind diese im Rahmen der Prozeßleitung gern. § 180 Abs. 3 als überflüssig zurückzuweisen. Dasselbe gilt für unerhebliches Vorbringen. Für eine Entscheidung erheblich sind alle Tatsachen, die die Tatbestandsmerkmale eines geltend gemachten Anspruchs bzw. seiner Abweisung ausfüllen (Haupttatsachen) oder die Feststellung dieser Haupttatsachen unterstützen (Hilfstatsachen).203 Unerhebliches kann der Richter bereits kraft seiner Prozeßleitungsbefugnisse gern. §§ 180ff. aussondern. Eines Filters bedarf es nur für solches Vorbringen, das eine weitere Bearbeitung durch den Richter erforderlich machen würde und so zur Verschleppung beitragen könnte. In § 275 Abs. 1 ist dies für Beweismittel ausdrücklich gesetzlich geregelt. Ist für das Gericht voraussehbar, daß das Vorbringen unter keinem möglichen Gesichtspunkt entscheidungserheblich werden kann, so erübrigt sich eine Präklusion. Ist beispielsweise der Klagevortrag trotz richterlicher Hinweise unschlüssig204, so ist die Klage abzuweisen, ohne daß es einer weiteren rechtlichen Prüfung bedürfte. Dasselbe gilt auch, wenn die Klageerwiderung des Beklagten unsubstantiiert ist. Dann handelt es sich in der Regel um ein unwirksames Bestreiten. Der vom Kläger vorgebrachte Tatsachenstoff gilt dann als zugestanden. 205 Eine Zurückweisung wegen verspäteten Vorbringens wird in beiden Fällen überflüssig, da der Richter gar nicht erst auf den Inhalt eingehen muß; er kann den Vortrag bei der Entscheidungsfindung unberücksichtigt lassen. Damit fehlt es in beiden genannten Fällen am Angriffs- bzw. Verteidigungscharakter des Vorbringens. Ebenso wie unerhebliches Vorbringen kann auch unstreitiges nicht präkludiert werden. Die Begründungen dafür schwanken. Teilweise206 wird dazu angeführt, daß unstreitiges Vorbringen den Rechtsstreit nicht verzögern kann. Andere dagegen wollen einen unstreitigen Vortrag gar nicht erst unter den Begriff "Angriffs- und Verteidigungsmittel" subsumieren. Der zweiten Ansicht ist zuzustimmen. Unstreitig kann der Vortrag durch ein ausdrückliches oder konkludentes Geständnis werden. Dadurch stimmt die Partei regelmäßig einem für sie ungünstigen Umstand zu. Wenn sie durch ihr Zugeständnis Nachteile erfährt, verliert ihr Vorbringen den AngriffsRechberger in Rechberger v. § 266/30. Unschlüssigkeit liegt dann vor, wenn auch nur eine Anspruchsvoraussetzung nicht belegt ist oder sich aus dem Klagevortrag eine Gegennorm ergibt, die den Anspruch verhindert, zerstört oder hemmt. So Schellhammer RZ 360. 205 Zur dZPO: OLG Düsseldorf NJW 1987, 507 (508); Leipold in Stein/Jonas § 138/27; Ob auch boßes Bestreiten genügt ist eine Frage des Einzelfalls. Kennt die Partei die maßgebenden Tatsachen und sind ihr nähere Angaben darüber zumutbar, dann muß sie substantiiert bestreiten. So Thomas/Putzo § 138/12. 206 Zur dZPO: Schellhammer RZ 464; BverfG NJW 1989, 705; KG Berlin NJW 1983,580; OLG Naumburg NJW-RR 1994,704. 203
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bzw. Verteidigungscharakter. Denn dieses hat gerade den Zweck, ein für die Partei günstiges Gerichtsurteil herbeizuführen. 207 Auf Grund seiner Rechtswirkungen bleibt solches Vorbringen, das vom Gegner unbestritten bleibt, von einer Präklusion ausgeschlossen. 20 8 bb) Angriff und Verteidigung Von den Präklusionsnormen nicht umfaßt werden sowohl der Angriff als auch die Verteidigung selbst. Das für die dZPO Gesagte gilt auch hier. Die Widerklage ist ein selbständiger Gegenangriff des Beklagten. Sie unterliegt eigenen Zulässigkeitsvoraussetzungen (§ 96 JN). Im Gegensatz zum Angriff zielen die Präklusionstatbestände darauf ab, die Parteien zu einem rechtzeitigen Vorbringen ihres Materials, das den Angriff bzw. die Verteidigung stützt, zu bewegen. Ein neuer Angriff bleibt davon unberührt. Gleiches gilt für die Klageänderung gern. § 235 Abs. 1. Die Zulässigkeit ergibt sich allein aus § 235 Abs. 2, 3. Beide Absätze sichern in ausreichender Weise die Interessen der anderen Verfahrensbeteiligten an einem effektiven und prozeßökonomischen Verfahren. Eines anderweitigen Schutzes bedarf es nicht. Besonderheiten für die Klageerweiterung gelten im österreichischen Recht nicht. Anders als § 264 Z. 2 dZPO wird die Zulässigkeit einer Erweiterung der Klage immer den Voraussetzungen des § 235 Abs. 2, 3 unterworfen. Für sie verbleibt es daher bei den für die Klageänderung geltenden Vorschriften. cc) Unselbständige Verteidigungsmittel Ungeklärt ist, ob die Anfechtung bzw. sonstige Gestaltungsrechte als unselbständige Verteidigungsmittel von der Pflicht zum rechtzeitigen Vortrag ausgenommen bleiben oder von ihr mitumfaßt werden. Das LGZ Wien 209 tendiert zu ersterem. Das Landgericht betont, daß zum Zwecke der vollständigen Stoffsammlung die Erhebung neuer Gegenansprüche und neuer Einwendungen bis zum Schluß der mündlichen Verhandlung möglich sein müsse. Von dieser Vorstellung gehe auch der Gesetzgeber in § 179 Abs. 1 aus. Nach dieser Entscheidung wären sämtliche materiell-rechtlichen Gestaltungsrechte vom Geltungsbereich des § 179 Abs. 1 S. 2 ausgenommen. Dies hätte zur Folge, daß sowohl die selbständige Verteidigung (AufA.A. Leipold ZZP 102 (1989), 486 (488). Diese Ausführungen gelten allerdings nicht in bezug auf Erklärungen zu Rechtsfragen; denn insofern fehlt es bereits an der Dispositionsfreiheit der Parteien, sodaß schon aus diesem Grund ein Ausschluß ausscheidet (vgl. hierzu Kapitel I. 6. b) gg». 209 LGZ Wien MietSLg. 45.649. 207
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rechnungseinrede) wie auch die unselbständigen Abwehrmittel (Einwendungen aus Gewährleistung, Anfechtung oder Einreden wie die Verjährung, Stundung, etc.) nicht präkludiert werden dürften. Eine derart enge Auslegung entspricht aber nicht dem Sinn und Zweck des Gesetzes. Würde man eine Zurückweisung auf die Fälle der passiven Verteidigung - also nur bei Bestreiten des gegnerischen Tatsachenvortrags 210 - beschränken, so hätte man in erheblichem Umfang Angriffs- und Verteidigungsmittel von der Prozeßförderungspflicht ausgenommen. Richtig dürfte vielmehr sein, zwischen unselbständigen und selbständigen Verteidigungsmitteln zu unterscheiden. Im ersten Fall trägt der Beklagte rechtshemmende oder -vernichtende Tatsachen vor, die einer Durchsetzbarkeit des Anspruchs entgegenstehen bzw. ihn untergehen lassen. Als Prozeßhandlung werden sie erst durch Erklärung gegenüber dem Gericht wirksam (sog. doppelfunktionelle Handlung).211 Diese Verteidigungsmittel stellen - im Gegensatz zur Aufrechnung - keinen eigenen Gegenanspruch dar. Sie werden durch Tatsachen- und Beweisvortrag gestützt. Sie sind daher dem reinen Sachvortrag gleichzustellen und unter § 179 Abs. 1 S. 2, sofern sich neue Beweisangebote auf sie beziehen, unter § 275 Abs. 2 zu fassen. dd) Aufrechnung als selbständiges Verteidigungsmittel Bei der Aufrechnung handelt es sich um ein selbständiges Verteidigungsmittel. Auch sie ist eine doppelfunktionelle Handlung; dennoch ist sie mit den genannten Verteidigungsmitteln nicht vergleichbar. Mit ihr wird eine konnexe oder inkonnexe Gegenforderung geltend gemacht. Der Beklagte begehrt eine Entscheidung darüber, daß die Klageforderung durch Aufrechnung teilweise oder ganz erloschen ist. Zu ihrer Geltendmachung im Verfahren müssen alle Prozeßvoraussetzungen erfüllt sein. 212 Der Urteils spruch über die Gegenforderung ist auch der Rechtskraft fähig. Da es sich hierbei 2\0 Zum Begriff der "aktiven" und "passiven" Verteidigung: Fasching LB RZ 1279ff. 211 Lehre vom Doppeltatbestand: RechbergerlSimotta RZ 458/482; Fasching III 12; Ballon RZ 144ff.; Rechberger in Rechberger § 392/11; abw. Holzhammer S. 149. Die früher vertretene Auffassung von der Doppelnatur solcher Prozeßhandlungen wird heute kaum mehr vertreten (so noch Deixler PraktZPR S. 238). Danach hatte der Mangel der Prozeß- bzw. der materiellen Erklärung immer die Unwirksamkeit der anderen zur Folge. Man konnte insofern von einem gemeinsamen rechtlichen Schicksal der beiden Funktionen sprechen. 212 Rechberger in Rechberger § 392/12 , RechbergerlSimotta RZ 483; Fasching LB RZ 1290. Dieser Grundsatz gilt allerdings nicht für die Unzuständigkeit des Gerichts hinsichtlich der Gegenforderung (so auch OGH SZ 37/1). Auch wenn eine andere Verfahrensart einschlägig wäre, soll dies einer einheitlichen Entscheidung nicht entgegenstehen. Einschränkend Holzhammer S. 222.
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also um einen eigenen Sachentscheidungsantrag handelt, kann der selbständige Gegenanspruch nicht den unselbständigen Verteidigungsmitteln gleichgestellt werden. 213 Daß es durch das verspätete Vorbringen von Gegenforderungen unter Umständen zu Verschleppungen des Verfahrens kommen kann, läßt sich nicht bestreiten. Als Schutz davor bietet sich das Teilurteil gern. § 391 Abs. 3 an. Dadurch wird die Verhandlung über die Gegenforderung von der Entscheidung über den Klageanspruch abgetrennt. Sie wird unabhängig von dem Teilurteil weitergeführt. Der Kläger wird dadurch in seinem Interesse an rascher Streitklärung geschützt. Er erlangt nämlich - ohne Rücksicht auf den Ausgang der Entscheidung über die Gegenforderung - ein Urteil, das gern. § 392 selbständig exekutierbar ist. 214 Diese sofortige Exekutierbarkeit forciert den Beklagten zum zügigen Vorbringen. Allerdings ist der Ausspruch eines Teilurteils auf die Fälle begrenzt, in denen die Gegenforderung in keinem sachlichen Zusammenhang mit dem Klageanspruch steht. Ist dagegen der vom Beklagten vorgetragene Sachverhalt auch für den Klageanspruch entscheidungserheblich, so ist eine Trennung in zwei Verfahren unmöglich, da die Gefahr eines' Widerspruchs zwischen beiden Teilurteilen besteht. Würde man die beiden Streitigkeiten dennoch trennen wollen, so müßte der Sachverhalt in beiden Fällen eigens geprüft werden; einmal unter Berücksichtigung des verspäteten Vorbringens und einmal auf Grundlage des ursprünglich gegenüber dem Klageanspruch eingeführten Vortrags. Dies aber würde zu einer mehrfachen Belastung des Gerichts führen, und unter Umständen käme es zu widersprüchlichen Ergebnissen bei abweichender Beweiswürdigung. Man würde also das genaue Gegenteil einer Prozeßbeschleunigung erreichen. Liegt ein einheitlicher Lebenssachverhalt vor - wofür nach der Rechtsprechung 215 bereits ein inniger wirtschaftlicher Zusammenhang zwischen bei den Forderungen genügt, scheidet das Teilurteil als Schutzmittel vor einer Verschleppung aus. 216
213 In dieser Richtung auch Fasching LB RZ 715; a.A. Holzhammer S. 150; ders. in PraktZPR S. 175. 214 Allerdings soll der Beklagte nach st. Rechtsprechung gern. § 42 Abs. 1 S. 1 EO die Aufschiebung der Exekution beantragen können: SZ 591103. Zulässig sollte dies jedoch nur bei entsprechender Sicherheitsleistung des Beklagten sein. 215 OGH JBI 1980, 33 (34f.). 216 Vgl. Fasching 11 851: "Wenn Forderung und Gegenforderung nicht in rechtlichem Zusamenhang stehen, ist ein Teilurteil möglich und daher die Aufrechnungseinrede kaum geeignet. eine erhebliche Verzögerung des Verfahrens herbeizuführen."
7. Angriffs- und Verteidigungsmittel
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ee) Analoge Anwendung Wie im vorangegangenen Kapitel gezeigt wurde, gehört die Aufrechnung nicht zu den unselbständigen Verteidigungsmitteln und unterliegt damit nicht den Präklusionsnormen. Darüber hinaus steht sowohl der eindeutige Wortlaut als auch die Systematik der Präklusionsnormen einer analogen Anwendung entgegen. In Betracht käme also allein eine Gesetzesreform, die die Aufrechnung in den Kanon der präklusionsfähigen Verteidigungsmittel aufnimmt. Allerdings ist es zweifelhaft, ob eine solche Gesetzesänderung zu einer Prozeßförderung beiträgt. Auf den ersten Blick erscheint dies möglich. Doch bei näherer Betrachtung zeigt sich, daß der Beklagte oftmals eine Widerklage erheben kann und damit einer Präklusion seines Verteidigungsmittels entkommt. Denn die Vorbereitung der Widerklage wird oftmals so zeitintensiv sein, daß die Berücksichtigung des verspäteten Vorbringens keinen verzögernden Charakter mehr hat. Daher müßte man zur wirksamen Bekämpfung der Verschleppung auch die Widerklage in die zu präkludierenden Verteidigungsmittel einbeziehen. Die Widerklage als eigenständiger Angriff sollte jedoch in jedem Stadium des Verfahrens zulässig bleiben. Ihr Vorteil ist es nämlich, zwei Prozesse zusammenzufassen mit dem Effekt, daß man zwei eigenständige Klagen verhindert. Sie verhilft dem Gericht dazu, über bestimmte Fragen gleichzeitig entscheiden zu können und kann von daher sehr zeitsparend sein. Zusammengefaßt läßt sich sagen, daß sich durch eine Reform das Problem von der Ebene der Aufrechung auf das der Widerklage verlagern könnte. Ordnet man nämlich die Aufrechnung den Präklusionsregeln zu, so besteht die Gefahr einer risikolosen "Flucht in die Widerklage". Die Möglichkeit, durch diesen "Notausgang" den einschneidenden Rechtsfolgen der Präklusionsbestimmungen zu entgehen, wurde in Deutschland schon kurz nach Inkrafttreten der Vereinfachungsnovelle praktiziert. Vor dem Hintergrund dieser Fluchtgefahr217 erscheint Aufnahme der Aufrechnung in den § 179 Abs. 1 S. 2 wohl kaum zu einer erhöhten Prozeßbeschleunigung beizutragen. Um Verschleppungen im Bereich der Aufrechnung entgegenzutreten, sollte daher verstärkt auf Kostensanktionen zurückgegriffen werden. 218
Vgl. hierzu KapitelL 17. a) bb). So ausdrücklich BT-DS 7/2729. Der dt. Gesetzgeber ging davon aus, daß das Teilurteil genügend Schutz gegen Verschleppungen biete. Das Problem der eingeschränkten Zulässigkeit von Teilurteilen erkannte er nicht. 217 218
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I. Prozeßförderung in erster Instanz
ff) Prozeßeinreden Prozeßverträge sind dem österreichischen Recht nicht unbekannt. So werden außergerichtliche Vereinbarungen, die die Vornahme bestimmter Prozeßhandlungen zum Inhalt haben, als zulässig erachtet. Bei diesen Vereinbarungen handelt es sich allerdings nicht um Prozeßverträge mit Verfügungswirkung (so etwa der Schiedsvertrag); vielmehr stellen sie materiellrechtliche Verpflichtungsgeschäfte dar, die keine unmittelbaren Rechtswirkungen auf den Prozeß haben. Dies folgt aus dem in der öZPO enthaltenen Numerus-clausus-Prinzip. Danach sind nur die dort enumerativ aufgezählten Prozeßverträge als solche mit Verfügungs wirkung anzuerkennen. Dagegen werden - anders als nach deutschem Recht - Beweismittelverträge einhellig als mit der richterlichen Aufklärungspflicht bzw. § 178 unvereinbar abgelehnt. Auch ein Vertrag über ein eingeschränktes Vorbringen von Tatsachen im Rechtsstreit wird für ungültig und wirkungslos befunden.2 19 Das erste Verbot läßt sich aus den amtswegigen Pflichten zur Beweisaufnahme erklären. Denn der Richter kann alle Beweismittel zur Sachverhaltserforschung kraft seiner Aufklärungspflicht ohne einen Antrag der Parteien aufnehmen. 22o Wieso aber außergerichtliche Übereinkünfte über bestimmte Tatsachenbehauptungen nicht gestattet sein sollen, ist unverständlich. Gern. § 266 sind Geständnisse - mit einer Bindungswirkung für das Gericht - zulässig. In Abs. 3 wird ausdrücklich auch auf die Möglichkeit eines außergerichtlichen Geständnisses hingewiesen. Dies könnte dafür sprechen, daß die öZPO den Grundsatz der vollständigen und wahrheitsgemäßen Sachverhaltsaufarbeitung einschränkt. Auf der anderen Seite läßt sich argumentieren, daß die gesetzgeberische Rechtfertigung für solche Geständnisse in der Vermutung ihrer Richtigkeit liegt. Denn wer ein Vorbringen des Gegners als zugestanden erklärt, wird dies in den wenigsten Fällen wider besseren Wissens tun. Der Zweck des § 266 dürfte kaum die bewußte Aushöhlung des Vollständigkeits- und Wahrheitsgebots sein. Dennoch sollte man solche Verträge nicht als ungültig verwerfen, sondern sie
219 Fasching III 237; ders. LB RZ 823; zur dZPO: OLG Koblenz NJW 1993, 3144 (3145f.). 220 In der dZPO ist ihm dies hingegen im Rahmen des Zeugenbeweises untersagt. Daraus wird in der dt. Literatur (Prütting in MüKo § 286/152; Leipold in Stein/ Jonas § 286/133; Baumgärtel (1957) S. 254) gefolgert, daß Beweismiuelverträge nur in diesem Bereich Bedeutung erlangen, da sie in allen anderen Fällen das Gericht nicht zu binden vermögen. Auch nach deutschem Recht ist - auf Grund dieser Reduzierung auf den Zeugenbeweis - die Wirksamkeit solcher Verträge stark eingeschränkt. Da dieser Ausnahmefall im österreichischen Recht aber nicht gilt, kann man diese Verträge zu Recht als unzulässig bezeichnen.
7. Angriffs- und Verteidigungsmiuel
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als zulässigen Ausdruck eines übereinstimmenden Partei willens respektieren. 221 Ob solche vertraglichen Erklärungen auf eine Einrede der begünstigten Partei hin vom Gericht berücksichtigt werden müssen oder können, ist fraglich. Geht man vom gesetzlich fixierten Grundsatz aus, daß etwa ein Rechtsmittelverzicht nur durch Erklärung in das Verhandlungsprotokoll erfolgen kann gern. § 208 Abs. 1 S. 1, so ist eine einredeweise Geltendmachung eines solchen vertraglichen Verzichts nicht zulässig. Zu einem anderen Ergebnis käme man nur dann, wenn die Prozeßverträge im Rahmen der Einrede aus Treu und Glauben vom Gericht zu berücksichtigen wären. Dazu müßte dieser Grundsatz in der ZPO immanent enthalten sein. In diesem Fall nämlich könnte die Einrede als zulässiges Prozeßinstitut angesehen werden, das ebenso wie die direkten Erklärungen gegenüber dem Gericht Rechtswirkungen hervorrufen könnte. Dieser Frage kann hier im einzelnen nicht nachgegangen werden; jedoch erscheint die Annahme eines solchen - gesetzlich nicht geregelten - Prozeßinstituts sehr fraglich. 222 Nur wenn die Wirksamkeit solcher Vereinbarungen und ihre einredeweise Geltendmachung im Prozeß - möglicherweise unter Rückgriff auf den Grundsatz von Treu und Glauben - bejaht wird, stellt sich die Frage nach dem Zeitpunkt ihres Vorbringens. Weder in der Rechtsprechung noch Literatur gibt es eine Antwort auf dieses Problem. Möglicherweise lassen sich aber Rückschlüsse aus der Einrede des Schiedsvertrages ziehen. Diese ist als Einrede der sachlichen Unzuständigkeit zu bewerten. 223 Dabei handelt es sich um eine Prozeßeinrede, die gern. § 239 Abs. 2 bereits in der ersten Tagsatzung bzw. im Fall des § 243 Abs. 4 in der Klagebeantwortung zu erheben ist. Bei Verfahren vor den Bezirksgerichten ist die erste mündliche Verhandlung entscheidend. Die Einrede muß also immer vor Einlassung in die Verhandlung über die Hauptsache erfolgen; bei jedem späteren Vorbringen bleibt die Partei damit ausgeschlossen. 224 Nun wurde allerdings festgestellt, daß die hier in Frage stehenden Verträge keine solchen mit Verfügungswirkung sind, da sie einen anderen Rechtscharakter haben. Sie sind nach SperP25 und Faschini 26 den "echten" Prozeßverträgen auch nicht angenähert. Nach ihrer Ansicht handelt es sich um materiell-rechtliche Ver221 Fasching a. a. O. begründet seine Ansicht mit dem Verstoß gegen das in Österreich absolut geltende Verbot des Konventionalprozesses. 222 Fasching LB RZ 125311703; Holzhammer S. 198/317. 223 OGH SZ 55189; SZ 571136; Fasching (Schiedsgericht (1973)) S. 34; ders. LB RZ 2184; Ballon RZ 492; Rechberger/Simotta RZ 956; abw. Dolinar (1974) S. 70; Holzhammer S. 363. 224 OGH JBL 1989, 594; Dolinar in PraktZPR S. 425. 225 Sperl LB S. 292. 226 Fasching LB RZ 124411253. 6 von Stosch
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I. Prozeßförderung in erster Instanz
träge?27 Allerdings ist zu berücksichtigen, daß diese Verträge die Parteien zu einem bestimmten Prozeßverhalten verpflichten sollen. Damit liegt ihr Schwerpunkt im prozessualen Bereich. Aus diesem Grund sind derartige Vereinbarungen den Prozeßverträgen zuzuordnen und deren Regeln analog auf sie anwendbar. 228 Als Einreden wären sie noch vor Einlassung des Gegners in den Rechtsstreit geltend zu machen. gg) Rechtsausführungen Bisher war nur von Behauptungen und Erklärungen tatsächlicher Art die Rede. Nicht berührt wurde die Frage, ob auch Rechtsausführungen einer Partei zurückgewiesen werden können oder müssen. Zur Beantwortung dieser Frage ist auf die Strukturen des Zivilprozesses zurückzugreifen. Danach ist es allein Aufgabe der Gerichte, das geltende Recht richtig anzuwenden. Es gilt der römische Rechtssatz: "Da mihi factum, dabo tibi ius,,229 bzw. ,,Iura novit curia". Zwar kann das Gericht aus dem Parteivortrag rechtliche Schlüsse ziehen; es ist dabei aber nicht an die Rechtsansicht der Parteien gebunden. 23o Damit fehlt es den Rechtsausführungen an einem Angriffs- bzw. Verteidigungscharakter. 231 Daß die Parteien in der Praxis dennoch sehr häufig Rechtsausführungen machen, hat seinen Grund allein darin, daß man mit überzeugenden Rechtsansichten möglicherweise die Meinungsbildung des Gerichts beeinflussen kann. Ist es aber allein Sache des Gerichts, das Recht korrekt anzuwenden, können solche Ausführungen nicht als Angriffs- und Verteidigungsmittel bezeichnet werden. Entgegen der Ansicht von Hartmann 232 gibt es keinen Grund solche Ausführungen als Mittel anzusehen, seine Ansprüche durchzusetzen oder sich zu verteidigen. Schließlich stehen die Rechtsanwendung bzw. die zu prüfenden Normen nicht zur Disposition der Parteien?33 Das Anders allerdings für den Rechtsmittelverzicht Fasching LB RZ 1703. Vgl. hierzu Kapitell. 7. a) ce) (3). 229 Blomeyer § 18 I mit historischen Nachweisen. 230 Nachweise zur dZPO: BGH NJW 1978, 1255; Zeiss RZ 177; Arens/Lüke RZ 15; Bender/Belz/Wax (1977) RZ 51; Schellhammer RZ 344; Michel (1984) S. 88. 231 Deixler-Hübner a. a. o. weist darauf hin, daß etwas anderes dann gelten müsse, wenn durch neue Rechtsausführungen auch zusätzliche Tatsachenbehauptungen notwendig werden. 232 Hartmann in Baumbach/Lauterbach § 282/5 und 15. Eine Erklärung für diese Ansicht fehlt allerdings. 233 So für die dZPO auch Deubner NJW 1977, 921; Deppe-Hilgenberg in AKZPO § 282/2; Weth (1988) S. 90ff.; Greger in Zöller § 296/4; Leipold in Stein 1 Jonas § 146/2 und 6. Zur Anwendbarkeit der Präklusionsbestimmungen könnte man dann gelangen, wenn man - wie dies von Grunsky (ZZP 81 (1968),49 (61» und Baur (in FS-Bötti227 228
7. Angriffs- und Verteidigungsmittel
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Gericht hat sich die zur Lösung des Rechtsstreits erheblichen Rechtskenntnisse selbst zu verschaffen. Ausfluß dieses Grundsatzes war der - durch Zivilverfahrensnovelle 1983 abgemilderte - § 78 Abs. 2, der ein umfassendes Verbot von Rechtsausführungen in vorbereitenden Schriftsätzen vorsah. 234 Dieses strikte Verbot verfehlte allerdings den angestrebten Zweck. Denn die Erklärungen der Parteien zur jeweiligen Rechtslage haben nicht nur eine bloße Anregungsfunktion. 235 Es kann im Einzelfall durchaus erforderlich sein, im Sachvortrag seine Rechtsansichten zu äußern, um auf diese Weise die Zielrichtung des eigenen Tatsachenvortrags hinreichend deutlich zu machen. Darüber hinaus ist eine Präklusion von Rechtsausführungen aber noch aus einem anderen Grund nicht sachdienlich. Nicht selten kann schließlich durch die Angabe der Rechtsansichten die Arbeit der Gerichte erleichtert werden. Insofern fehlt jeglicher Verzögerungseffekt. cher (1969) S. Hf.) vertreten wird - der Auffassung ist, daß das Gericht an eine von den Parteien übereinstimmend vorgetragene Rechtsauffassung gebunden ist. Dann nämlich könnte man sich das Vorbringen als dem Angriff oder der Verteidigung einer Partei dienlich vorstellen. Der Schutzzweck der materiell-rechtlichen Normen, so Würthwein (1976) S. 118, rechtfertigt zwar eine Begrenzung der Parteiherrschaft bei der Rechtssetzung, nicht aber bei der Rechtsdurchsetzung, wenn sich die Parteien einig sind. Ausnahmen läßt er nur bei zwingenden Normen zum Schutz der Sittenordnung oder bei Verstößen gegen Verbotsgestze LS.v. § 134 dBGB zu; also wenn der rechts geschäftliche Erfolg schlechthin untersagt ist. Eine solche Dispositionsbefugnis entspräche dem Parteiwillen bzw. dem Zweck des Zivilprozesses, der auf eine Lösung des Konflikts im Sinne der obsiegenden Partei hinzielt (Würthwein a. a. 0.). Abgesehen davon, daß unstreitiges Vorbringen nicht präklusionsfähig ist (vgl. hierzu Kapitel I. 7. b) aa», ist der oben dargestellten Meinung schon im Kern zu widersprechen. Die Privatautonomie muß dort ihre Grenzen haben, wo man sich der Staatsgewalt zur Durchsetzung seiner Ziele bedient. Der Richter als Teil dieser Gewalt darf nicht "sehenden Auges" gezwungen werden, ein Urteil zu erlassen, das mit dem zugrundeliegenden Tatsachenvortrag nicht in Einklang steht. Gern Art. 20 Abs. 3 GG ist die Rechtsprechung an Recht und Gesetz gebunden. Ihre Aufgabe ist es, die entscheidungsrelevante Vorschrift aufzufinden, den Tatsachenvortrag der Parteien unter diese Norm zu subsumieren und eine Entscheidung zu treffen (vgl. Stern (1984) Bd. 11 S. 895). Diesem Verfassungsgrundsatz würde es widersprechen, würde man das Gericht zu jeder willkürlichen Rechtsanwendung , so wie die Parteien sie gemeinsam für angebracht halten, verpflichten können. Ablehnend auch Häsemeyer ZZP 85, 207 (219) und Rosenberg/Schwab/Gottwald § 78 11. 234 Nunmehr ist allerdings ein solcher Vortrag sowohl in der mündlichen Verhandlung (§ 177 Abs. 1) als auch im vorbereitenden Schriftsatz (§ 78 Abs. 3) zulässig, sofern dieser außer den Rechtsausführungen noch einen weiteres Vorbringen enthält. Die Zulässigkeit ist aber ohne Einfluß auf die Pflichten des Gerichts. Auch § 137 Abs. 2 dZPO sieht ausdrücklich vor, daß ein Rechtsvortrag der Parteien zulässig ist. 235 Fasching LB RZ 835; Sprung/König JBI 1976, 1 ff.; Deixler-Hübner ÖJZ 1995, 170 (174): "Das Gericht hat ja ohnehin den festgestellten Sachverhalt ohne Rücksicht auf die Rechtsausführungen der Parteien nach allen rechtlichen Gesichtspunkten zu untersuchen."
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I. Prozeßförderung in erster Instanz
8. Verspätung a) Begriff der" Verspätung"
Die Präklusionsvorschriften fordern für eine Präklusion ein verspätetes Vorbringen von Angriffs- und Verteidigungsmitteln. Verspätung bedeutet, daß eine Partei erst nach Überschreitung bestimmter zeitlicher Grenzen, ihre Mittel vorbringt. Damit verstößt sie gegen die ihr vom Gesetzgeber zugewiesene Prozeßförderungspflicht. Dies kann auf zweierlei Weise geschehen: Einmal dadurch, daß die Partei nicht innerhalb der ihr vom Gericht gesetzten Fristen vorträgt. Diese Fristbestimmungen sind Teil der richterlichen Prozeßförderungspflicht und korrespondieren mit denen der Parteien. Beachtet eine Partei eine derartige - ordnungsgemäß festgelegte Frist nicht, ist ihr Vorbringen verspätet. Dasselbe gilt andererseits auch, wenn die Partei den Prozeßstoff nicht in dem Zeitpunkt in den Prozeß einführt, in dem es nach der jeweiligen Prozeßlage erforderlich wäre (vgl. § 296 Abs. 2 dZPO). In diesem Fall spricht man von einem Verstoß gegen die allgemeine Prozeßförderungspflicht. Im Gegensatz zu den Fristen fällt es bei dieser Pflicht sehr schwer, den Zeitpunkt zu fixieren, ab dem ein Vorbringen verspätet ist. Oft wird es eine Frage des Einzelfalls sein, ob ein Vortrag noch nicht oder schon verspätet ist; jedoch lassen sich einige Richtlinien durchaus erstellen. In diesem Abschnitt soll nunmehr versucht werden, dem Begriff der Rechtzeitigkeit einen konkreten Inhalt zu geben. b) Überschreitung richterlicher oder gesetzlicher Fristen
aa) Präklusionsbewehrte Fristen in der dZPO § 296 Abs. 1 umfaßt folgende Fristen:
a) Gern. § 273 Abs. 2 S. 1 kann der Vorsitzende einer Partei (sowohl dem Kläger als auch dem Beklagten) eine Frist zur Erklärung über bestimmte Punkte tatsächlicher Art setzen. Nach Ablauf der Frist ist das Vorbringen zu solchen Punkten präklusionsfähig, auf das sich die Aufforderung des Vorsitzenden bezog; d. h., der Zurückweisung unterliegen nicht schlechthin alle Angriffs- und Verteidigungsmittel, sondern nur solche, die in der "hierfür" gesetzten Frist vorzutragen waren. Der Vorsitzende selbst konkretisiert also durch seine Aufforderung gegenüber der Partei den Umfang des präklusionsfähigen Vortrags. 236 236 Huber in Musielak § 296/8; Deubner NJW 1977,921 (922); Schröder ZZP 91 (1978), 306; Hartmann in Baumbach/Lauterbach § 296/34. Fordert der Vorsitzende beispielsweise den Beklagten zu einer substantiierten Behauptung über eine geltend gemachte Einrede (Erfüllung) auf, so ist dieser bei Fristüberschreitung nur mit die-
8. Verspätung
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b) Gern. § 275 Abs. I S. I kann der Vorsitzende dem Beklagten zur Vorbereitung des frühen ersten Termins eine Klageerwiderungsfrist setzen. Im Gegensatz zu § 273 Abs. 2 S. I umfaßt der Ausschluß sämtliche Angriffs- und Verteidigungsmittel, da der Fristzwang nicht auf bestimmte Punkte beschränkt ist. 237 Diese Frist muß mindestens 2 Wochen betragen ab Klagezustellung. 238 c) Gern. § 275 Abs. 3 fordert das Gericht (anders als bei Abs. I nicht der Vorsitzende) den Beklagten zur Klageerwiderung innerhalb einer bestimmten Frist im frühen ersten Termin auf, sofern der Vorsitzende nicht bereits von seiner Fristsetzungsbefugnis gern. § 275 Abs. I S. I Gebrauch gemacht hat. Die Mindestfrlst von 2 Wochen beginnt mit Verkündung im Termin. 239 d) Wählt der Vorsitzende das schriftliche Vorverfahren statt eines frühen ersten Termins, so hat er dem Beklagten gegenüber ebenfalls eine Klageerwiderungsfrist festzulegen gern. § 276 Abs. I S. 2. Diese Frist beträgt mindestens vier Wochen. Sie wird addiert aus der Notfrist von 2 Wochen240 für die Verteidigungsanzeige plus mindestens 2 weiteren Wochen für die Erklärung zur Klage. e) Gern. § 275 Abs. 4 kann auch der Kläger im frühen ersten Termin oder nach Klageerwiderung zur Stellungnahme zu dieser durch das Gericht aufgefordert werden. f) Gern. § 276 Abs. 3 gilt dasselbe auch für eine Stellungnahme des Klä-
gers zum Vorbringen des Beklagten im schriftlichen Vorverfahren.
ser einen Einrede auszuschließen; dagegen ist er nicht gehindert, eine andere Einrede (Verjährung) vorzutragen, da ja insofern keine Frist lief. 237 Dies gilt auch für alle weiteren unter c)-g) genannten Fristen. 238 Prütting in MüKo § 277110. Teilweise wird eine Präklusion gern. § 275 Abs. I S. I im frühen ersten Termin abgelehnt. Angriffspunkt ist aber nicht die Fristsetzung als solche (denn diese ist dem eindeutigen Wortlaut des Gesetzes nach durchaus zulässig), sondern es wird angeführt, daß es regelmäßig an einer Verzögerung des Prozesses fehlen würde. Schließlich sei der frühe erste Termin wie das schriftliche Vorverfahren noch gar nicht auf die endgültige Erledigung des Prozesses ausgerichtet. Ein Haupttermin hätte sowieso stattzufinden. Nur, wenn dieser weiter herausgeschoben oder vor dem Haupttermin eine weitere Verhandlung anberaumt werden müßte, könne man von "Verzögerung" sprechen (OLG München NJW 1983, 402f.; OLG Karlsruhe NJW 1980, 296; Thomas/Putzo § 296/8; Leipold ZZP 97 (1984), 395 (410». Die h.M. (vgl. Greger in Zöller § 296/5) differenziert danach, ob der frühe erste Termin für die Parteien erkennbar nur der Vorbereitung eines Haupttermins dient oder bereits als Haupttermin ausgestaltet ist. Nur im zweiten Fall ist danach eine Präklusion gern. § 296 Abs. I denkbar. 239 MüKo a. a. 0.; vgl. zum Beginn der Fristen auch eingehend Borgmann/Haug S.214. 240 Bender/Belz/Wax (1977) S. 33/57.
I. Prozeßförderung in erster Instanz
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g) Über § 340 Abs. 3 findet § 296 Abs. 1 auch im Versäumnisverfahren Anwendung. Die säumige Partei (das kann Kläger oder Beklagter sein gern. § 330f.) hat innerhalb von 2 Wochen nach Zustellung des Versäumnisurteils Einspruch zu erheben und ihr Vorbringen nachzuholen. Dabei handelt es sich um eine gesetzliche Frist im Gegensatz zu den oben angeführten richterlichen Fristen;241 d. h. ihre Dauer bestimmt sich nicht nach freiem richterlichen Ermessen (mindestens 2 Wochen), sondern ist auf 2 Wochen festgelegt, allerdings ist diese Frist auf Antrag verlängerbar. 242 bb) Analoge Anwendung des § 296 Abs. 1 dZPO auf andere Fristen Verschiedentlich wird gefordert die strengen Präklusionsvorschriften auch auf andere - gesetzliche oder richterliche Fristen - auszudehnen, bei denen sich kein ausdrücklicher Hinweis auf die Anwendbarkeit des § 296 Abs. 1 findet. 243 So insbesondere auf § 697 Abs. 1. 244 Begründet wird die Anwendung des § 296 Abs. 1 auf § 697 Abs. 1 einerseits damit, daß die Auflistung der in § 296 Abs. 1 genannten Fristen nicht abschließend sei;245 andererseits mit dem Sinn und Zweck des § 296 Abs. 1, der nicht als Strafvorschrift anzusehen sei. 246 Einer analogen Anwendung auf andere Fristen steht aber der Ausnahmecharakter der Präklusionsnormen entgegen. Diese stellen einen schweren Eingriff in das rechtliche Gehör auf Kosten der materiellen Gerechtigkeit dar. Ein solcher Eingriff ist nur unter engen Voraussetzungen zulässig. Es 241
Eine Unterscheidung zwischen diesen beiden Arten von Fristen ist nur i.R.v.
§ 224 Abs. 2 von Bedeutung. 242 Ferner ist § 296 Abs. 1 auf die Fristen des § 411 Abs. 4 (Einwendungen und Fragen bezüglich eines schriftlichen Gutachtens), § 697 Abs. 3 2. HS. (Anspruchs-
begründungsfrist im Mahnverfahren nach Widerspruch des Antragsgegners) und § 700 Abs. 5 2.HS. (Anspruchsbegründungsfrist, wenn der Antragsgegner erst gegen den Vollstreckungsbescheid Einspruch erhoben hat). Diese Normen enthalten eine ausdrückliche Verweisung auf § 296 Abs. 1. 243 Mischke NJW 1981, 564 f. 244 § 697 Abs. 1 sieht eine gesetzliche Frist zur Anspruchsbegründung von 2 Wochen durch die Geschäftsstelle des Gerichts vor, wenn der Antragsgegner zuvor Widerspruch erhoben hat. Der Unterschied zu § 697 Abs. 3 besteht darin: Abs. 3 regelt einen Ausschluß wegen Zurückweisung erst dann, wenn die Anspruchsbegründung nicht innerhalb der Frist des § 697 Abs. 1 eingeht und der Antragsgegner daraufhin eine streitige Verhandlung beantragt. Ein solches Abwarten auf den Antrag hat den Zweck, das Gericht freizuhalten von Prozessen, die möglicherweise auch außerprozessual geklärt werden können (Hartmann in Baumbach/Lauterbach § 697 118). 245 Kramer NJW 1978, 1411 (1414 FN 38). 246 Mischke NJW 1981, 564f.
8. Verspätung
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darf nicht durch Rechtsfortbildung zu einer willkürlichen Erweiterung der Anwendungsfalle kommen mit der Folge, daß der Partei ohne gesetzliche Grundlage ihr Vorbringen beschnitten wird?47 So hat es auch das BverfG248 abgelehnt, § 296 Abs. 1 auf die Schriftsatzfrist gern. § 283 anzuwenden. Auch eine Zurückweisung nach Ablauf der Auslagenvorschußfrist gern. § 379 wurde vom BGH249 verworfen, zumal diese Norm ihre eigenen Sanktionen enthält und diese abschließend sind. Unstreitig ist auch das verspätete Vorbringen im schriftlichen Verfahren nach Fristende gern. § 128 Abs. 2 S. 2 nicht präklusionsfahig. Selbst die Anhänger SO einer weitreichenden analogen Anwendung geben zu, daß § 128 Abs. 3 lediglich einen Endzeitpunkt festlegt. Sie dient nicht der Vorbereitung einer mündlichen Verhandlung und zielt daher nicht auf ein rasches Vorbringen innerhalb eines Prozesses ab. Damit verfolgt diese richterliche Frist aber einen anderen Zweck als die in § 296 Abs. 1 genannten. Auch wenn § 296 Abs. 1 auf andere Fristen nicht analog anwendbar ist, so ist dadurch nicht ausgeschlossen, daß eine Zurückweisung des Vorbringens nach Maßgabe des § 296 Abs. 2 erfolgen kann. Denn die Parteien sind auf Grund ihrer allgemeinen Prozeßförderungspflicht angehalten, ständig je nach Prozeßlage alles Erforderliche mitzuteilen, um einer Prozeßverschleppung entgegenzuwirken. 2S 1
247 I. Erg. ebenso BGH NJW 1982, 1533; OLG Köln NJW 1981, 2265; Deubner NJW 1979, 337 (338); Huber in Musielak § 296/2; Thomas/Putzo § 296/26 m.w.N. 248 BverfG NJW 1992, 679; BverfG FamRZ 1991, 1283: Dort hatte das AG § 275 Abs. 4 und § 283 verwechselt. Da es keinen weiteren Haupuennin mehr anordnen wollte, wäre nur eine Nachfristsetzung gern. § 283 zulässig gewesen. Wird diese Frist aber versäumt, so steht der Ausschluß des Vorbringens im Ennessen des Gerichts gern. § 283 S. 2 (im Gegensatz zu §§ 296 Abs. 1 i. v. m. 275 Abs. 4). Daher ist auf diese Vorschrift § 296 Abs. 1 nicht anwendbar, die das Gericht bei Fristüberschreitung zum Ausschluß verpflichtet. 249 BGH NJW 1980,343 (344); BGH NJW 1982,2559; Hartmann in Baumbachl Lauterbach § 296/32. 250 Kramer NJW 1978, 1411 (l414f.). Durchaus möglich ist allerdings, daß den Parteien vom Gericht - unabhängig von der Frist des § 128 Abs. 3 S. 2 - Fristen gern. §§ 273ff. gesetzt werden. Denn es ist kein Grund ersichtlich, wieso die Mittel zur Beschleunigung des Prozesses nicht auch i. R.d. schriftlichen Verfahrens Anwendung finden sollten. Fristen mit Präklusionswirkung dienen dem effektiven Rechtsschutz. Dieser ist in beiden Verfahrensarten gefordert. So auch die Begründung zum Regierungsentwurf BT-Drucks. 71 2729 S. 55; Leipold in Stein/Jonas § 128/84; Kramer a.a.O. 251 BGH NJW 1980, 343 (344); Huber in Musielak § 296/10; Hartmann in Baumbach/Lauterbach § 296/32; Thomas/Putzo § 296/26; Schellhammer RZ 461; Deubner NJW 1979,337 (338); Grunsky (1983) S. 80; Kramer a.a.O.
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I. Prozeßförderung in erster Instanz
cc) Präklusionsbewehrte Fristen in der öZPO Auch das österreichische Recht kennt Fristen zur Verfahrensbeschleunigung. So entsprechen die Klagebeantwortungsfristen gern. § 243 Abs. 1, 4 ihrer Zielrichtung nach weitgehend den §§ 275 Abs. 1 S. 1, 3 und 276 Abs. 1 S. 2 dZPO. Zwar ergeben sich Differenzen auf Grund der unterschiedlichen Methodik bei der Prozeßeinleitung. Was aber ihre Funktion als Instrument der Durchsetzung der Prozeßförderungspflicht angeht, sind sich diese Fristen ähnlich. Allerdings ist zu beachten, daß die öZPO an die Versäumung von Klagebeantwortungsfristen andere Präklusionsfolgen knüpft als die dZPO. Dadurch, daß die Fristen zur Klagebeantwortung dem Beklagten die erste Gelegenheit zum Vortrag überhaupt geben, steht deren Versäumen der Totalsäumnis gleich. Denn in der ersten Tagsatzung selbst wird schließlich kein streitiges Vorbringen erörtert. Aus diesem Grund gilt für die verspätete Klagebeantwortung nicht § 179, sondern §§ 396ff.; es wird also keine Präklusion der einzelnen Angriffs- und Verteidigungsmittel im Urteil ausgesprochen. Vielmehr wird auf Antrag des Klägers ein Versäumnisurteil erlassen, das der Beklagte wahlweise mit dem Widerspruch, einem Wiedereinsetzungsantrag oder der Berufung anfechten kann. 252 Etwas anderes gilt nur für die Frist gern. § 181 Abs. 2, die sich auf verspätet vorgelegte Urkunden bei Gericht bzw. verspätete Zeugenangaben bezieht. Diese Frist dient der effektiven Vorbereitung einer verlegten Tagsatzung. Im Falle der Verspätung wird die Präklusion des Vorbringens wie bei den Fristen der dZPO - im Urteil ausgesprochen. Die Regelungen bezüglich des Versäumnisurteils gelten insofern nicht, da bereits ein streitiges Vorbringen der Parteien vorliegt. ( 1) Reformvorschläge für Replik- und Duplikjristen
Eine Replikfrist gern. §§ 275 Abs. 2, 276 Abs. 3 sieht die öZPO hingegen nicht vor. Grund dafür könnte die Furcht sein, jeder weitere Schriftsatz vor Beginn der mündlichen Verhandlung würde das Gericht unnötig belasten. Allerdings geht das Gesetz selbst gern. § 258 von der Zulässigkeit weiterer vorbereitender Schriftsätze aus. Auch § 399 unterstellt, daß es vor der ersten streitigen Tagsatzung einen Austausch solcher Schriftsätze geben kann. Nur so läßt sich erklären, wieso es zu einer Ergänzung des Vorbringens im ersten Schriftsatz durch eine spätere Erklärung außerhalb der streitigen Verhandlung kommen kann.
252
Vgl. hierzu Kapitel I. 17. b).
8. Verspätung
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Die vorbereitenden Schriftsätze haben den Zweck, Gegner und Gericht über das künftige Vorgehen der Partei aufzuklären, sodaß Überraschungen in der Verhandlung möglichst vermieden werden. Damit sind die Rahmenbedingungen für eine eingehende Vorbereitung aller Verfahrens beteiligten geschaffen; gleichzeitig bedeutet dies, daß eine erhöhte Wahrscheinlichkeit besteht, den Rechtsstreit in einer einzigen Tagsatzung zu erledigen. Allerdings ist zu beachten, daß der Richter von einer solchen Anregung zu weiterem Vorbringen nur dann Gebrauch machen sollte, wenn nach seiner Ansicht in umfangreichem Maße Fragen offen geblieben sind. Um diesen Schriftwechsel zu kanalisieren, bietet sich die Einführung einer Replik- und Duplikfrist an. Zum einen behält das Gericht einen besseren Überblick über die einzelnen Schriftsätze, wenn diese in zeitlich geordneter Reihenfolge eingehen. Es kommt auf diese Weise zu einer besseren Sachverhaltserforschung, da jede Partei auf das Vorbringen des Gegners eingehen kann. Widersprüchlichkeiten und mühsames Zusammensuchen der jeweils relevanten Vortragsinhalte durch das Gericht treten nicht auf. Von größter Bedeutung erscheint aber auch die Tatsache, daß sich durch ein fristgebundenes Vorbringen etwaige Vertagungen verhindern lassen. Geht nämlich ein vorbereitender Schriftsatz erst kurz vor der mündlichen Verhandlung bei Gericht ein mit der Folge, daß dem Gegner keine Gelegenheit zur Erwiderung bleibt, muß auch diesem nochmals genügend Zeit zur Beantwortung eingeräumt werden. Dies folgt aus dem Anspruch auf rechtliches Gehör bzw. dem Grundsatz der Chancen- und Waffengleichhheit. Kann der Richter allerdings Fristen zur Replik und Duplik setzen, so wird eine solche Prozeßverzögerung ausgeschlossen. Für den Fall der Versäumung dieser Fristen sollte der Richter zu einer Zurückweisung des Vorbringens gern § 179 Abs. 1 verpflichtet sein. Nur mit diesem Druck wird das Zusammenwirken aller Beteiligter zugunsten einer raschen Verfahrensdurchführung garantiert. Die Regeln über die Totalsäumnis sind insofern nicht anwendbar, da beide Parteien schon streitigen Sachvortrag in den Prozeß eingeführt haben.
(2) Reformvorschläge für Fristen zwischen den Verhandlungen
Auch zwischen den einzelnen Tagsatzungen kann es immer wieder zu Verschleppungen kommen. Wird das Prozeßmaterial nämlich während dieses Zeitraums nicht gründlich gesichtet, so sinkt die Wahrscheinlichkeit einer Streiterledigung in der nächsten Verhandlung. Daher muß das Gericht auch in dieser Zeit Anordnungen treffen können, die ein rasches Verfahrensende möglich machen. In diese Richtung weist bereits § 181 Abs. 2. Dabei ist der Richter auch auf die Mitarbeit der Parteien zur Stoffsamm-
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lung angewiesen. Bereits an anderer Stelle wurde ausgeführt,253 daß die Einführung einer Fristsetzung über klärungsbedürftige Punkte gem. § 273 Abs. 2 Z. 1 dZPO empfehlenswert ist. Auf diese Weise wird nämlich auch die Zeit zwischen den Verhandlungen optimal genutzt. Schließlich kann sich der Richter ein besseres Bild über das Vorbringen machen. Damit vorbereitende Maßnahmen durch das Gericht wirkungsvoll und zeitgerecht vorgenommen werden können, haben die Erklärungen der Parteien auch rechtzeitig bei Gericht einzugehen. Dieses Ziel läßt sich am besten durch Fristen erreichen, deren Ablauf mit einer Präklusion gem. § 179 Abs. 1 bedroht ist. 254 Hält eine Partei also einen über die Replik und Duplik hinausgehenden Schriftsatz für nötig, so sollte ihr das nur bis eine Woche vor der anberaumten mündlichen Verhandlung, der Gegenschriftsatz wiederum nur bis zu drei Tagen vorher gestattet sein. Bezüglich der konkreten Gesetzesvorschläge wird auf Kapitel I. 18. verwiesen, wo die neu formulierten Gesetzestexte im Wortlaut aufgeführt sind.
c) Verstoß gegen die allgemeine Prozeßfärderungspflicht aa) Rechtzeitigkeit i. S. v. §§ 296 Abs. 2 i. V.m. 282 Abs. 1 dZPO
§ 282 Abs. 1 betrifft das rechtzeitige Vorbringen in der mündlichen Verhandlung. Danach wäre der frühe erste Termin der frühest mögliche Zeitpunkt, in dem ein Ausschluß in Betracht käme. § 282 Abs. 1 stellt auf einen verspäteten Vortrag während der mündlichen Verhandlung ab. Der frühe erste Termin bietet aber überhaupt erst die Möglichkeit zum Vorbringen. Somit ist § 282 Abs. 1 auf diesen Termin nicht anwendbar?55 Es Vgl. hierzu Kapitell. 5. d) aa). Ebenso wie die richterliche Fristsetzung zur Sachverhaltsaufklärung ist auch der Austausch weiterer Schriftsätze der effizienteren Vorbereitung des Gerichts und der Parteien zweckdienlich. Nach h.M. (Rechberger in Rechberger § 258/4; Rechberger/Simotta RZ 566; Hagen JBI 1970, 120 (122); Novak JBI 1949, 113 (117); Klang in FS-ZPO (1948) S. (89); Schragel ÖRZ 1978, 21 (23); spricht von der Gefahr eines "Schriftsatzunwesens". AA nur König (AnwBI 1980,419 (420 FN 14); ders. JBI 1985, 52f.) läßt § 258 nach der ersten streitigen Verhandlung vorbereitende Schriftsätze nicht mehr zu. Einerseits werde durch die Zulassung solcher Schriftsätze das Prinzip der Mündlichkeit in Frage gestellt; andererseits werde der Richter durch das Aktenstudium noch weiter belastet. Ob diese Belastung schwerer wiegt als die Vorteile einer gründlichen Vorbereitung, die möglicherweise Schutz vor einem Vertagungsunwesen bietet, kann hier nicht abschließend beurteilt werden. Die versuchsweise Einführung solcher Schriftsätze in einem Gerichtssprengel könnte allerdings Klarheit verschaffen. m Eine Präklusion im frühen ersten Termin ist allein auf Grund des §§ 296 Abs. 2 i. V. m. 282 Abs. 2 möglich, der eine Verfahrenskonzentration vor der rnünd2S3
254
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würde auch zu weit führen, nach Zeitabschnitten innerhalb des jeweiligen frühen ersten Tennins zu differenzieren, und einen Vortrag, der kurz vor Schluß dieses Tennins eingebracht wird, wegen Verspätung auszuschließen. 256 Dies würde dem Sinn des frühen ersten Tennins entgegenstehen, der oftmals nur auf die Vorbereitung eines Haupttennins angelegt ist. Hat die Verhandlung ihrem Zweck nach sowieso nur aufklärenden Charakter, wäre eine Zurückweisung in ihm als Überbeschleunigung anzusehen. § 282 Abs. 1 ist nur dort anwendbar, wo sich die Verhandlung durch Vertagung über mehrere Termine erstreckt (§§ 227, 278 Abs. 4); sei es, daß es zu einem Vortrag erst auf den dem frühen ersten Tennin folgenden Haupttermin kommt, sei es; daß das Vorbringen in einem späteren Haupttennin eingeführt wird. 257 Diese zeitlichen Grenzen gelten grundsätzlich nur im Anwaltsprozeß. Im Parteienprozeß finden sie nur im Falle einer Anordnung gern. § 129 Abs. 2 Anwendung; d.h., wenn der Richter der Partei aufgegeben hat, die mündliche Verhandlung durch Schriftsätze oder durch Erklärungen zu Protokoll vorzubereiten. bb) Rechtzeitigkeit i. S. v. §§ 296 Abs. 2 i. V.m. 282 Abs. 2 dZPO § 282 Abs. 2 regelt die rechtzeitige schriftliche Mitteilung von Angriffsund Verteidigungsmitteln vor einer mündlichen Verhandlung. Gleichgültig ist, ob es sich bei dieser um einen frühen ersten Tennin, einem Haupttermin oder einen weiteren Verhandlungstennin handelt. 258 Voraussetzung ist jedoch das Vorliegen eines Anwaltsprozesses. Nur dann besteht gern. § 129 Abs. 1 die Pflicht, die mündliche Verhandlung durch Schriftsätze vorzubereiten. In Parteiprozessen ist dies nur ausnahmsweise dann der Fall, wenn gern. § 129 Abs. 2 eine besondere richterliche Anordnung ergeht. 259
Die Schriftsätze sind so frühzeitig mitzuteilen, daß der Gegner die erforderlichen Erkundigungen noch einzuziehen vennag, die für einen siegreichen Angriff bzw. Abwehr erforderlich sind. Je nachdem, wie komplex das Dargebotene ist und in welchem Maße es noch der Klärung bedarf, be mißt lichen Verhandlung verfolgt. A. A. scheinbar Hartmann in Baumbach/Lauterbach § 282/14.
So aber Kallweit (1983) S. 129f.; Fuhrmann (1989) S. 23. BGH NJW 1992, 1965; Deubner NJW 1987, 1583 (1585); Greger in Zöller § 28211; Prütting in MüKo § 2961133. 258 Hartmann in Baumbach/Lauterbach § 282114. 259 Im Rahmen eines Parteienprozesses sollte das Gericht - ähnlich der Belehrungspflicht für Fristversäumungen gern. § 277 Abs. 2 - die Partei auf die Folgen eines Verstoßes gegen § 282 aufmerksam machen. Ansonsten dürfte eine Präklusion mangels Verschulden ausgeschlossen sein, da die Partei kein vorwerfbares Fehlverhalten trifft. 256 257
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I. Prozeßförderung in erster Instanz
sich der zeitliche Rahmen des Vortrags. Einen Anhaltspunkt zur Konkretisierung der zeitlichen Grenzen könnte § 132 geben. Diese Vorschrift bestimmt eine Zwischenfrist260, innerhalb der eine Partei ihr Vorbringen entweder gänzlich neues gern. Abs. I oder eine Gegenerklärung gern. Abs. 2 - durch vorbereitenden Schriftsatz in den Prozeß eingeführt haben muß. Nach Ablauf dieser Frist kann gegenüber der anderen Partei kein Versäumnisurteil beantragt werden (§ 335 Abs. I Z. 3); jedoch können der säumigen Partei Kosten auferlegt werden (§ 95 ZPO und § 34 GKG). Dagegen wiegen die Rechtsnachteile, die durch Präklusion entstehen, wesentlich schwerer. Dies rechtfertigt es, im Einzelfall nicht an den starren Grenzen des § 132 festzuhalten, wenn im Einzelfall eine längere (oder auch kürzere) Vorbereitungszeit angemessen wäre. Schiebt beispielsweise der Kläger umfangreiche Behauptungen wissenschaftlicher Art nach, so ist für ihn erkennbar, daß der Gegner voraussichtlich nicht sofort darauf erwidern kann; vielmehr selbst erst Informationen von Dritten herbeischaffen muß. Ein solcher Umstand kann eine Zustellung bereits zwei oder drei Wochen vor der ersten mündlichen Verhandlung erforderlich machen. 261 Somit ist immer im Hinblick auf die sachlichen und persönlichen Informationsschwierigkeiten des Gegners im Einzelfall die Rechtzeitigkeit zu prüfen. 262 Maßstab für die Prognose muß eine gewissenhafte, auf Prozeßförderung bedachte Durchschnittspartei sein. cc) Rechtslage nach der öZPO Die öZPO enthält im Gegensatz zur dZPO keine Konkretisierung zeitlicher Grenzen eines Vorbringens im erstinstanzlichen Verfahren. Der Hintergrund hierfür liegt in der Ablehnung der Eventualmaxime. Die öZPO geht von der Einheit der mündlichen Verhandlung aus und kennt von daher keine einzelnen Zeitabschnitte. Aus diesem Grunde wurde in die öZPO keine dem § 282 dZPO nachgebildete Vorschrift aufgenommen. Vielmehr betont § 179 Abs. I S. I die Freiheit des Vorbringens bis zum Schluß der mündlichen Verhandlung. Daß die Parteien zeitliche Grenzen innerhalb ihres Vorbringens zu beachten haben, macht jedoch § 179 Abs. 1 S. 2 deutlich. Diese Vorschrift stellt unmißverständlich klar, daß ein Verstoß gegen die allgemeine Prozeßförderungspflicht mit einer Präklusion bedroht ist. 260 Rosenberg/Schwab/Gottwald § 72 IV 2: "Unter Zwischenfristen sind solche Fristen zu verstehen, die zwischen der Zustellung des Schriftsatzes an den Gegner und dem anberaumten Termin laufen." 261 BGH NJW 1997, 2244 führt dazu aus: ,,Die mit § 282 korrespondierende Schriftsatzfrist des § 132, deren bloße Nichteinhaltung allein jedoch nach dem klaren Wortlaut des Gesetzes die Zurückweisung nicht rechtfertigen kann, ... " Ebenso BGH NJW 1989, 716f.; VersR 1982,346. 262 AA Bender/Belz/Wax (1977) RZ 59, der sich für § 282 Abs. 2 streng an § 132 orientiert.
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Genaue zeitliche Grenzen werden darin allerdings nicht aufgeführt. Da die zeitlichen und inhaltlichen Komponenten eines Vorbringens in engem Bezug zueinander stehen, wird im Rahmen des nächsten Kapitels zu zeigen sein, welches Vorbringen nach der öZPO de lege lata und de lege ferenda einen Verstoß gegen die allgemeine Prozeßförderungspflicht darstellt und welches nicht. 263
9. Inhaltliche Anforderungen an ein Vorbringen War bisher nur vom zeitlichen Rahmen des Vorbringens die Rede, so stellt sich nun die Frage, welchen Inhalt dieses haben muß. Ist es notwendig, daß die Partei auf Grund der Prozeßförderungspflicht ihren gesamten Vortrag erschöpfend zu Beginn des Verfahrens in den Prozeß einführt? Oder ist auch ein gestaffeltes Vorbringen ausreichend? D. h., die Partei bringt rechtzeitig einen Teil ihres Prozeßstoffes in das Verfahren ein, während sie die übrigen Vortragsinhalte stückweise nachreicht. Jede der beiden Alternativen hat ihre Nachteile. Im ersten Fall trägt die Partei bereits zu Prozeßanfang nicht nur das ihrer Meinung nach für den Prozeßerfolg Erforderliche vor, sondern wird es auch an Hilfsbegründungen und -beweisen nicht fehlen lassen. Schließlich besteht in jedem sich nun anschließenden Verfahrensabschnitt die Gefahr einer Präklusion. Dies würde zu einer Aufblähung des Stoffmaterials führen, das möglicherweise für die Streitentscheidung gänzlich irrelevant ist. Im zweiten Fall dagegen würde man das ursprüngliche Ziel der Vereinfachungsnovelle verfehlen. Kläger und Beklagter könnten sich bereits durch einen Vortrag, der gemessen an ihrem ganzen Material nur ein Bruchstück ausmacht, einer Präklusion entziehen. Wäre eine solche Prozeßführung zulässig, würden die Präklusionsnormen in der Praxis leerlaufen. Ein Vorbringen, das die Klage bzw. deren Abwehr unter einem einzigen Aspekt begründet, würde damit bereits die Präklusion späterer Erklärungen ausschließen. a) Rechtslage nach der dZPO
aa) §§ 277 Abs. 1, 282 Abs. 1 zwischen Eventualmaxime und Prozeßtaktik Der Gesetzgeber hat zur Konkretisierung der inhaltlichen Anforderungen in den §§ 277 Abs. 1, 282 Abs. 1264 folgende Formulierung gewählt: Das Vgl. hierzu Kapitell. 9. b). Beide Nonnen werden hier gleichzeitig erörtert. Sie gleichen sich nicht nur dem Wortlaut nach, sondern verfolgen - den Motiven des Gesetzgebers entsprechend - in gleicher Weise das Ziel der Prozeßbeschleunigung. 263
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I. Prozeßförderung in erster Instanz
Vorbringen ist so zeitig in das Verfahren einzuführen, "wie es nach der Prozeßlage einer sorgfältigen und auf Förderung des Verfahrens bedachten Prozeßführung entspricht". Abzustellen ist nach dem Gesetzestext auf die jeweilige Prozeßlage sowie eine auf ein konzentriertes Verfahren ausgerichtete Prozeßführung. Für den inhaltlichen Umfang kommt es danach entscheidend auf objektive Kriterien an. 265 Eine Sonderstellung nimmt in diesem Zusammenhang allerdings das Tatbestandsmerkmal "sorgfältig" ein. Auf der einen Seite ist es subjektiver Natur und daher systematisch im Rahmen des Verschuldens einzuordnen. Andererseits hat es aber auch Bedeutung für die Konkretisierung des Umfangs der Prozeßförderungspflicht. Denn diese bestimmt sich nach dem Sorgfaltsmaßstab eines objektiven Dritten. Somit enthält dieses Tatbestandsmerkmal auch objektive Kriterien. In der Literatur266 ist der Gesetzestext als inhaltslose Generalklausei bezeichnet worden. Hahn 267 spricht von einem "Gummiparagraph", der recht bezugslos Prozeßlage und Prozeßführungssorgfalt in Beziehung zueinander setze. Schneide?68 räumt ein, daß es wohl unmöglich sei, eine Norm zu schaffen, unter die sich alle denkbaren Fälle subsumieren ließen. Es müsse vielmehr Aufgabe der Gerichte sein, durch Fallsammlungen allgemeine Kriterien zur Konkretisierung der Prozeßförderungspflicht zu entwikkeIn. Damit wären die Parteien vor überraschenden Präklusionen geschützt. Richtig ist, daß - bedingt durch die Vielzahl der möglichen Prozeßsituationen und die Komplexität der Fälle - jeweils im Einzelfall zu prüfen ist, ob der Vortrag die inhaltlichen Anforderungen des § 277 Abs. 1, 282 Abs. 1 erfüllt. Dennoch soll hier der Versuch unternommen werden, den im jeweiligen Verfahrenszeitpunkt nötigen Umfang des Vortrags zu präzisieren.
bb) Fortgeltung der Eventualmaxime? Bereits in der Einleitung zu diesem Kapitel ist darauf hingewiesen worden, daß es eine sinnlose Anhäufung von Prozeßstoff bedeuten würde, schon zu Beginn des Verfahrens von den Parteien den Vortrag sämtlicher Angriffs- und Verteidigungsmittel zu verlangen. Damit wäre die Eventualmaxime in die dZPO eingeführt, wonach die Parteien angehalten sind, in einem bestimmten Prozeßabschnitt vorsorglich alle in Betracht kommenden Vgl. auch Fuhrmann (1988) S. 35. Schneider MDR 1977, 793 (794); Prütting in MüKo § 282/9 und § 296170. 267 Hahn (1983) S. 162; so auch der Dt. Anwaltstag zum Gesetzesentwurf in AnwBI. 1970, 149. 268 Schneider a.a.O.; so auch Kallweit (1983) S. 31. 265
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Angriffs- und Verteidigungsmittel einzubringen, weil sie mit Übergang in ein neues Verfahrensstadium damit ausgeschlossen wären. Auf diese Weise käme es neben einer "Haupt-"Begründung zu einer Reihe von Hilfsbegründungen für den Fall, daß der Kläger oder Beklagter mit der ersteren nicht durchdringt. Daß der Gesetzgeber bei Schaffung der §§ 277 Abs. 1, 282 Abs. 1 nicht an die Einführung eines vorsorglich erschöpfenden Vortrags für alle Eventualitäten dachte, ergibt sich bereits aus dem Wortlaut. Danach ist für den inhaltlichen Umfang die ,jeweilige Prozeßlage" entscheidend. Der Gesetzgeber ging davon aus, daß es jeder Partei möglich sein müsse, in einem späteren Verfahrens stadium auf die Erklärungen des Gegners reagieren zu können. Für dieses Ergebnis sprechen auch die Motive. 269 Der Bundestag führte dazu aus: "Der Hinweis auf das nach der Prozeßlage Gebotene reicht aus, um zu verhindern, daß auch unerhebliche oder nebensächliche Tatsachenbehauptungen vorgetragen werden.'.270 Dies bedeutet für die Parteien folgendes: Derjenige, der ein Recht beansprucht, muß in seinem Sachverhaltsvortrag keine Angaben vorsorglich zu solchen Punkten machen, auf die der Gegner voraussichtlich seine Verteidigung stützen wird. Der Kläger muß den Gegner nicht in die Lage versetzen, sich möglichst eingehend auf die Klagebehauptungen einzulassen.27I Auf der anderen Seite ist kein Beklagter verpflichtet, sich vorsorglich gegenüber einem nicht den Gegenstand des Rechtsstreits bildenden Sachverhalt zu verteidigen. 272 Der Beklagte braucht den vom Gegner vorgetragenen Sachverhalt auch nicht selbständig zu ergänzen; etwa eine Aufrechnung gegenüber einem vom Kläger noch nicht geltend gemachten Anspruch aus abgetretenem Recht. 273 Sowohl Kläger als auch Beklagter sind zu einem konzentrierten Vorbringen verpflichtet; nicht aber zu einem solchen, das die Gegendarstellungen der anderen Seite vorwegnimmt. Dies hätte eher einen "Bumerangeffekt". Das Gericht würde - auf Grund der Ausweitung des Prozeßstoffs - zu einer langwierigen Suche nach dem 269 BT-DruckS 7/2729: "Eine Rückkehr zur strengen Eventualmaxime auch für das materielle Vorbringen lehnt der Entwurf ab." Vgl. auch BT-DruckS 7/5499. 270 Daraus folgerte ein Teil der Literatur eine "Hinwendung zur Eventualmaxime": so Hahn (1983) S. 165; Schulte (1980) S. 82f.; Jauernig § 28 III; Leipold 93 (1980), 237 (258). 271 BGH NJW 1984,2888 (2889); Bender/Belz/Wax (1977) RZ 55 m.w.N. Daß eine Partei in der Praxis dennoch oft auf zukünftiges Vorbringen des Gegners bereits in ihrem Schriftsatz eingeht, ist nicht ausgeschlossen und kann sogar prozeßtaktisch anzuraten sein. Eine Verpflichtung dazu besteht allerdings nicht. So wohl auch Pullak RZ 66/66a. 272 BverfG NJW 1991,2276. 273 BverfG NJW 1980, 1737; Schlosser (1991) RZ 320; Rosenberg/Schwab/Gottwald § 69 II 2; Prütting in MüKo § 282/12.
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streitentscheidenden Material gezwungen werden. Eine weitere Verzögerung des Verfahrens wäre die Folge. Letztlich stände die Eventualmaxime auch im Widerspruch zum Beibringungsgrundsatz. Dieser besagt nämlich, daß es grundsätzlich im Belieben der Parteien steht, die Tatsachen in den Prozeß einzubringen, welche sie für entscheidungserheblich hält und welche sie im Fall des Bestreitens beweisen Will. 274 Während die Eventualmaxime von den Parteien ausnahmslos verlangt, das gesamte - auch eventuelles - Vorbringen in einem bestimmten Verfahrensstadium dem Gericht zu unterbreiten, bleiben sie durch §§ 277 Abs. 1, 282 Abs. 1 nur zu einem der jeweiligen Prozeßlage nach erforderlichen Vorbringen verpflichtet. Sie können also auf veränderte Prozeßsituationen durchaus reagieren. Der Beibringungsgrundsatz bleibt davon unberührt. Die Parteien werden nur zu einem zügigen Vortrag angeleitet, der ihnen aber nicht die Möglichkeit nimmt, den Umfang des Prozeßstoffes gegebenenfalls zu beeinflussen.275 cc) Zulässigkeit gestaffelten Vorbringens? (1) Entstehungsgeschichte der §§ 277 Abs. 1, 282 Abs. 1
Gilt die Eventualmaxime nicht, so könnte dies für die Zulässigkeit der Staffelung der Angriffs- und Verteidigungsmittel im Laufe des Prozesses sprechen. Immer wieder ist zur Beantwortung dieser Frage auf die Entstehungsgeschichte der §§ 277 Abs. 1, 282 Abs. 1 hingewiesen worden. 276 So sah der ursprüngliche Entwurf des Rechtsausschusses des Bundestages folgende Ergänzung zu § 282 Abs. 1 vor: 277 "Beziehen sich auf denselben Anspruch mehrere Angriffs- und Verteidigungsmittel, so kann sich die Partei auf das Vorbringen einzelner beschränken, solange sie nach dem Sach- und Streitstand davon ausgehen darf, daß diese Mittel für ihre Rechtsverfolgung oder -verteidigung ausreichen." Damit sollte es den Parteien gestattet sein - etwa aus Gründen der Prozeßtaktik, Teilstücke ihres Vorbringens zu Beginn des Prozesses noch zurückzuhalten. 278 Erlaubt war also ein tropfenweiser Vortrag. Daß dies im Widerspruch zu den Zielen der Vereinfachungsnovelle steht, erkannte der Bundesrat und verwarf schließZettel (1977) S. 30. So i. Erg. BverfGE 67, 39 (42); Hartmann in Baumbach/Lauterbach § 282/7; Leipold ZZP 93 (1980), 237 (263); Greger (in Zöller § 27711), der allerdings zu Unrecht in diesem Zusammenhang auf die Dispositionsmaxime abstellt. Vgl. zu den Abgrenzungsproblemen beider Prinzipien Hahn JA 1991, 319ff. 276 Vgl. Hahn (1983) S. 153ff. und S. 159ff. 277 BT-DruckS 7/5250 S. 4, 9, 36. 278 Schulte (1980) S. 99. 274 275
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lieh Satz 2. 279 Er sprach insoweit von einer "Verwässerung" der Prozeßbeschleunigung und von einer Verleitung der Parteien zur "Bummelei". Dieser Ansicht schloß sich auch der Vermittlungsausschuß an 280 und Satz 2 wurde endgültig gestrichen. Damit erschien ein gestaffeltes Vorbringen als mit §§ 277 Abs. 1, 282 Abs. 1 unvereinbar. Gleichzeitig räumte der Bundesrat aber ein, daß es in Einzelflillen durchaus zulässig sein mag, sich auf das Vorbringen einzelner Angriffs- und Verteidigungsmittel zu beschränken. Ein Widerspruch zu dem Grundsatz, das nach der Prozeßlage Gebotene vorzutragen, bestände nicht. Aus dieser Aussage wurden in der Literatur verschiedene Schlüsse gezogen. (2) Ansichten in der Literatur
Für Hartmann 281 ist eine Staffelung aus prozeßtaktischen Gründen erlaubt, solange der Anspruch des Klägers nicht schlüssig dargelegt und bewiesen wurde und eine andere Einwendung oder Einrede des Beklagten nicht zum Erfolg geführt hat. So sei eine Hilfsaufrechnung erst dann vorzutragen, wenn die Beweisbarkeit der zunächst geltend gemachten Erfüllung objektiv fraglich werde. Auch andere Autoren lassen in gewissen Grenzen einen eingeschränkten Vortrag aus prozeßtaktischen Erwägungen zu. Ein Zurückhalten sei dann zulässig, so Gottwald282 , wenn es dafür "vernünftige Gründe" gäbe. Fuhrmann 283 dagegen stellt darauf ab, ob nach dem Urteil einer förderungsbewußten Partei das primäre Vorbringen höchstwahrscheinlich erfolgreich sein werde. Entscheidend sei eine Prognose auf Grund objektiver Kriterien zur Zeit des ersten Vortrags. Er folgert aus der Gesetzesgeschichte, daß das Zurückhalten nicht untersagt ist, sondern nur einen BR-DruckS 386/76 = BT-DruckS 7/5499 S. 2. BT-DruckS 7/5565. 281 Hartmann in Baumbach/Lauterbach § 282/8, 10: "Keine Partei braucht sich von vornherein selbst ans Messer zu liefern." So auch Kallweit (1983) S. 33; differenzierend in bezug auf das Zurückhalten der Verjährungseinrede Schilken RZ 387. 282 Rosenberg/Schwab/Gottwald § 69 11 2; ähnlich auch Arens/Lüke RZ 189 und Bender/Belz/Wax (1977) RZ 42. 283 Fuhrmann (1988) S. 39ff.; ähnlich Grunsky JZ 1977, 201 (204); auch für Deppe-Hilgenberg (in AK-ZPO § 282/6) sind die Erfolgsaussichten eines Angriffsund Verteidigungsmittels entscheidend. Jedoch soll es dabei nicht auf den Maßstab einer objektiven, förderungsbewußten Prozeßführung ankommen, sondern auf das subjektive Empfinden der Partei: "Die Partei kann ihre Mittel beschränken, falls und solange sie berechtigterweise davon ausgehen darf, sie werde damit Erfolg haben." Dagegen wieder Fuhrmann «(1988) S. 40) mit dem Hinweis, daß eine solche Prognose mit vielen Unsicherheiten behaftet sei, und gerade diese subjektive Komponente in der ursprünglichen Gesetzesfassung enthalten gewesen sei, die dann schließlich wieder gestrichen worden sei. 279
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Ausnahmecharakter haben soll. Thomas 284 schließlich verlangt, daß grundsätzlich jede Partei alle Angriffs- und Verteidigungsmittel, auf die sie sich berufen will, in ihrem ersten Vortrag zu berücksichtigen hat. So müsse der Beklagte in der Klageerwiderung alle Gegenrechte geltend machen, gleichgültig ob es sich dabei um rechts vernichtende oder -hemmende handele. Dies gelte auch für die dazu nötigen Beweismittel. Einigkeit besteht nur insofern, als ein gestaffeltes Vorbringen zumindest dann verboten ist, wenn es auf die Verschleppung des Prozesses abzielt. Hält eine Partei ihr Vorbringen zurück, um Zeit zu gewinnen (etwa um bessere Beweismittel zu erlangen), so verstößt sie damit zweifelslos gegen ihre Prozeßförderungspflicht. 285 Ebenso verhält es sich, wenn der Gegner durch die Staffelung zermürbt werden soll.286 (3) Eigene Bewertung
Diese Meinungsvielfalt zeigt deutlich, wie schwer es fällt, zuverlässige Angaben über die inhaltlichen Anforderungen des rechtzeitigen Vorbringens zu machen. Aus der zu Anfang dieses Kapitels erwähnten Gesetzesgeschichte lassen sich kaum stichhaltige Folgerungen ziehen. Zu widersprüchlich sind die Bemerkungen des Bundesrates zu der Streichung des § 282 Abs. 1 S. 2 E. 287 Wenn Leipold288 meint, daß mit der endgültigen Fassung der §§ 277 Abs. 1, 282 Abs. 1 nun die Entscheidung zugunsten des Vorbringens sämtlicher Angriffs- und Verteidigungsmittel gefallen sei, so berücksichtigt er nicht genügend, daß der Bundesrat selbst von Ausnahmefällen sprach, in denen ein Zurückhalten weiterhin gestattet sein sollte. Aufschlußreichere Hinweise können sich daher schon eher aus dem Sinn und Zweck der beiden Normen ergeben. Ziel der neuen Regelungen war es, den Rechtsstreit in allen Phasen zu beschleunigen. Dieses Ziel läßt sich nur durch eine umfassende Darstellung der Tatsachen und der Beweismittel in Klage und Klageerwiderung erreichen. Auf der anderen Seite besteht sicherlich ein nicht zu vernachlässigendes Interesse der Parteien an individueller Prozeßführung, die gewisse taktische Elemente enthält. Wägt man beide Positionen gegeneinander ab, so spricht einiges zugunsten der ersteren. Schließlich ist die Verfahrensverkürzung nicht nur Selbstzweck, sondern garantiert beiden Parteien auch, einen mög284 Thomas/Putzo § 277/6; Schneider MDR 1977, 793 (795f.); Hahn (1983) S. 159ff.; Weth (1988) S. 147, 172ff.; Greger in Zöller § 282/3; Commichau (1985) RZ 89; Prütting in MüKo § 282/15. 285 Leipold ZZP 93 (1980), 237 (240). 286 Hartmann in Baumbach/Lauterbach § 282/9. 287 So auch Weth (1988) S. 147: "Die Ausführungen des Bundesrates lassen mehrere Deutungen zu." 288 Leipold ZZP 93 (1980), 237 (259f.).
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lichst wirksamen Angriff bzw. Verteidigung durchzuführen. Beide erhalten vom Vorbringen des Gegners Kenntnis und können sich daran bei ihrer Prozeßführung orientieren. Diese Vorteile sind aber nur dann sichergestellt, wenn jede Partei in umfassender Weise vom Gegner informiert wird. Diese Vorgehensweise ermöglicht einen flüssigen Prozeßverlauf, der sowohl den Parteien als aber auch der Förderung des Verfahrens zugute kommt. Denn der Richter gewinnt einen Überblick über noch offene Punkte und kann auf deren Klärung über eine Fristbestimmung gern. § 273 Abs. 2 oder einen Hinweis im Rahmen der §§ 139, 278 Abs. 3 hinwirken. Dagegen ist das Interesse einer Partei an individueller Prozeßstrategie durch gestaffeltes Vorbringen weniger schützenswert. Der einzelne hat sich in diesem Fall dem öffentlichen Interesse an kürzerer Verfahrensdauer unterzuordnen, wodurch er mittelbar auch in den Genuß der angesprochenen Vorteile kommt. Deshalb ist die Auffassung Hartmanns, der den Parteien einen weiten Spielraum für Prozeßtaktik läßt, zu verwerfen. Diese widerspricht dem Telos der §§ 277 Abs. 1,282 Abs. 1. Um Zweifel bezüglich der Zulässigkeit des Zurückhaltens in Ausnahmefällen zu vermeiden, sollten generell sämtliche Angriffs- und Verteidigungsmittel auf einmal vorzubringen sein. Nur so sind den Parteien klare Leitlinien vorgegeben, die ihr den Umfang des Vortrags erkennbar machen. Das von Fuhrmann bevorzugte Regel-Ausnahme-Verhältnis sollte zugunsten der Rechtssicherheit und -klarheit aufgegeben werden. Zwar ist Fuhrmann Recht zu geben, daß es durchaus Fälle gibt, bei denen ein umfassendes Vorbringen zu Beginn des Prozesses nicht nur überflüssig, sondern sogar prozeßunökonomisch sein kann. Denn wenn der Rechtsstreit mit Material überladen wird, so kann dies einen negativen Effekt auf die Prozeßdauer haben. Aber welche Partei kann schon von einem "höchstwahrscheinlichen,,289 Erfolg ihrer "Hauptkampflinie,,290 ausgehen, sodaß die Notwendigkeit verzögernder Nachträge gering ist. Diese Begriffe sind viel zu unbestimmt, als daß sie den Parteien ein deutliches Signal geben könnten, wann ein Zurückhalten von Angriffs- und Verteidigungsmitteln ausnahmsweise zulässig ist und wann nicht. Mag auch die Ansicht Fuhrmanns mit der historischen Auslegung in Einklang stehen; es besteht doch die Gefahr, daß die Parteien sich immer auf den Ausnahmefall berufen werden. Es würde so zu einer allmählichen Verwässerung der Prozeßbeschleunigung kommen. Sinn und Zweck der Vereinfachungsnovelle war es aber gerade, das "tropfenweise" Vorbringen zu verhindern. Will man die Verfahrensdauer durch die harte Sanktion der Präklusion verkürzen, so sollte diese Forderung auch strikt eingehalten werden. Die Möglichkeit einer ausufernden Ausnahme-
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Fuhrmann (1988) S. 37. So Grunsky JZ 1977,201 (204).
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rechtsprechung würde dieses Ziel beträchtlich bedrohen. 291 So streng die hier vertretene Ansicht auf den ersten Blick erscheinen mag, sie erfährt doch Einschränkungen. Darauf wird im folgenden einzugehen sein. (4) Zwischenergebnis
a) Ein vorsorglich erschöpfender Vortag ist nicht erforderlich. Auf ein eventuelles Vorbringen des Gegners muß die Partei vorab nicht eingehen, da sie für den Gegner nicht den Prozeß zu führen hat. b) Ihre eigenen Angriffs- und Verteidigungsmittel hat jede Partei geschlossen vorzubringen. Eine Beschränkung auf einzelne Klagegrunde (bei der Klageschrift) oder einzelne Gegenrechte (bei der Klageerwiderung) ist nicht gestattet. dd) Konkretisierung des inhaltlichen Umfangs ( 1) Prozeßlage
Eine erste Einschränkung von dem Grundsatz, daß jede Partei sämtliche eigene Angriffs- und Verteidigungsmittel vorzubringen hat, findet sich im Tatbestand der §§ 277 Abs. 1, 282 Abs. 1. Danach bestimmt sich das Vorbringen nämlich "nach der Prozeßlage". Entscheidend ist also, in welchem Stadium sich der Rechtsstreit gerade befindet. 292 Dies bedeutet zugleich, daß die Anforderungen an den Inhalt während des Prozesses in dem Maße steigen, in dem dieser fortdauert. Denn in jedem weiteren Verfahrensabschnitt erhält die Partei von ihrem Gegner mehr Aufschluß über dessen eingebrachtes Prozeßmaterial. Dies zwingt sie dann - infolge ihrer Prozeßförderungspflicht - zur sofortigen Gegenausführung. Es entsteht also ein Wechselspiel zwischen Kläger und Beklagten, in dessen Verlauf die Erklä291 OLG Hamm NJW-RR 1993, 1150. Lediglich bei besonders kränkenden und kompromittierenden Tatsachenbehauptungen dürfte ein Zurückhalten zulässig sein. Dies aber nicht aus prozeßtaktischen Gründen, sondern weil der Gegner auch im Prozeß von einem - zwar gerechtferigten - aber unnötigen Eingriff in sein Persönlichkeitsrecht verschont bleiben sollte. Eine solche, den Gegner schützende, Prozeßführung dürfte wohl als Ausnahmetatbestand anzuerkennen sein. So auch Rosenberg/Schwab/Gottwald § 69 11 2; Deppe-Hilgenberg in AK-ZPO § 282/6; einschränkend Bender/Belz/Wax (1977) RZ 54 und Fuhrmann (1988) S. 42; a.A. Pukall RZ 205. 292 Abzulehnen ist Hahns Ansicht «1983) S. 164 FN 263), der das Tatbestandsmerkmal "soweit es der Prozeßlage entspricht" als überflüssig ansieht und allein auf die ordnungsgemäße Prozeßführung abstellt. Richtig ist, daß die Anforderungen an die Prozeßführung sich je nach Prozeßlage verändern. Der Prozeß läßt sich in mehrere Verhandlungsstadien zerlegen. Innerhalb dieser treffen die Parteien dann bestimmte Verhaltenspflichten.
9. Inhaltliche Anforderungen an ein Vorbringen
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rungen der Parteien immer detaillierter werden müssen. Schließlich weiß jede Partei nun immer genauer, was ihr entgegengehalten wird und worauf sie zu reagieren hat. Die Prozeßlage konkretisiert sich so durch das bereits vorliegende Vorbringen des Gegners. 293 Aus diesem ergibt sich, welche Qualität wiederum der eigene Vortrag haben muß. Aber noch ein weiterer Aspekt ist im Rahmen der jeweiligen Prozeßlage mitzuberücksichtigen. Hinsichtlich einzelner Tatsachen und Beweismittel kann qmso mehr verlangt werden, je länger die richterlichen Fristen sind. Dasselbe gilt, wenn das Gericht Hinweise gern. §§ 139, 278 Abs. 3 bezüglich bestimmter, klärungsbedürftiger Punkte gibt. Im ersten Fall hat die Partei mehr Zeit für die Informationsbeschaffung, im zweiten weiß sie, welche bisherigen Ausführungen unzureichend waren. Diese Prozeßsituationen beeinflussen damit auch den Umfang des Vortrags. (2) Förderungsbewußte Prozeßführung
Das Vorbringen bestimmt sich ferner danach, wie eine auf Förderung des Verfahrens bedachte Partei den Prozeß geführt hätte. Maßstab ist eine gewissenhafte, durchschnittliche Partei bzw. deren Rechtsanwalt, wobei sich die Anforderungen an eine ordnungsgemäße, förderungs bewußte Prozeßführung danach unterscheiden, ob die Partei selbst vor dem Amtsgericht auftritt oder ob sie anwaltlich vertreten wird. Im Sinne einer sozialen Zivilprozeßordnung sollten die Anforderungen in Prozessen ohne Rechtsbeistand stark verkürzt werden. 294 Hier obliegt es zuvorderst dem Amtsrichter, im Rahmen seiner Aufklärungs- und Hinweispflicht die Parteien auf eine mangelhafte oder verzögernde Führung des Rechtsstreits aufmerksam zu machen. Von einer unerfahrenen Partei kann nicht erwartet werden, daß sie sich bereits im Vorfeld des Prozesses Kenntnisse verschafft. Anders stellt sich die Situation nur nach ausdrücklichen Verweisen des Amtsrichters im Laufe des Verfahrens dar oder wenn eine Partei selbst Rechtsanwalt ist. Hier besteht keine Schutzwürdigkeit mehr. Jedoch ist zu berücksichtigen, daß im Parteienprozeß die allgemeine Prozeßförderungspflicht außerhalb der mündlichen Verhandlung nur dann gilt, wenn die Partei gern § 129 Abs. 2 zu einer schriftlichen Verhandlungsvorbereitung von Seiten des Gerichts aufgefordert wurde. Auf Grund dieser Einschränkung soll im folLeipold in Stein/Jonas § 282/l8. Deppe-Hilgenberg in AK-ZPO § 282/4; Fischer DRiZ 1995, 264 (265). Leipold (ZZP 93 (1980), 237 (254ff.» dagegen vertritt die Ansicht, daß § 282 Abs. 1 nur bei Anwaltsprozessen gelten sollte. Damit wäre aber wohl im Ergebnis eine Anwendung des § 296 in Parteienprozessen gänzlich ausgeschlossen. Dies dürfte wohl zu weit führen. Ausreichend ist eine Verminderung der Anforderungen, wie sie Deppe-Hilgenberg (a. a. 0.) vorschlägt. 293
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genden allein die Prozeßführung eines pflichtgemäß handelnden Rechtsanwalts untersucht werden. Denn diese Fallgruppe steht aus den oben genannten Gründen bei der hier zu untersuchenden Frage nach dem inhaltlichen Unfang von Schriftsätzen zahlenmäßig im Vordergrund des Gerichtsalltags. (3) Maxime vom "sichersten Weg" Ein pflichtgemäßer Rechtsanwalt muß während eines Rechtsstreits solche Handlungen vornehmen, die für ihn nach der jeweiligen Prozeßlage vernünftig und sachgemäß erscheinen und ihm auch zumutbar sind. 295 Ist mit dieser Definition noch nicht viel gewonnen, so mag zur Konkretisierung die vom BGH für Anwaltshaftpflichtprozesse aufgestellte Formel vom "sichersten Weg" weiterhelfen. Danach muß der pflichtgemäße Anwalt den sichersten und gefahrlosesten Weg bei Vertretung seines Mandanten begehen, um den erstrebten Prozeßerfolg zu erreichen?96 Die vom BGH entschiedenen Fälle betrafen zwar Pflichtverletzungen im Rahmen eines Anwaltsvertragsverhältnisses; jedoch gibt diese Formel allgemein Aufschluß über die Anforderungen an eine ordnungsgemäße Prozeßführung, die auch ein förderungsbewußtes Handeln des Anwalts mitumfaßt. Verschleppt ein Rechtsanwalt durch zögerliches Verhalten den Prozeß, so handelt es pflichtwidrig. Er macht sich dadurch schadensersatzpflichtig, da eine solche Verzögerung nicht als ordnungsgemäße Prozeßführung angesehen werden kann. 297 Denn gleichzeitig ist auch §§ 277 Abs. 1, 282 Abs. 1 verletzt. Den Voraussetzungen dieser Regelungen entspricht nur ein Rechtsanwalt, der unter mehreren möglichen Wegen den gefahrlosesten geht. Tut er dies nicht, verstößt er damit unter anderem auch gegen die Prozeßförderungspflicht. Das Vorbringen ist dann präklusionsfähig, und der Anwalt ist für Rechtsnachteile der Partei haftbar. Um der Formel vom "sichersten" Weg einen konkreten Inhalt zu geben, werden im folgenden drei Fallgruppen herausgearbeitet. Diese Fallgruppen sollen verdeutlichen, welches Prozeßverhalten vom Anwalt erwartet wird, um inhaltlich der allgemeinen Prozeßförderungspflicht zu genügen. Borgmann/Haug S. 120. BGH JZ 1994, 524; NJW 1993, 2045f.; NJW 1991, 2080; NJW-RR 1990, 1241 (1242); WM 1990, 1917; WM 1988, 382 (385); Rinsche RZ 132; Pukall RZ 295
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61.
297 Die ordnungsgemäße Prozeßführung (Maßstab ist ein durchschnittlicher Anwalt) schließt bereits die objektive Pflichtwidrigkeit aus. Im Rahmen des Verschuldens ist dagegen auf die individuellen Fähigkeiten des Rechtsanwalts in der konkreten Situation des Verfahrens abzustellen. Dies dient lediglich als Korrektiv für die hohen Anforderungen, die im objektiven Tatbestand aufgestellt werden. So auch Hartstang (1991) S. 545ff.; Vollkommer (1991) S. 146ff.
9. Inhaltliche Anforderungen an ein Vorbringen
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a) Ein Rechtsanwalt darf nicht in der Hoffnung darauf, daß die gegnerische Klageschrift als unschlüssig oder unsubstantiiert zurückgewiesen wird, sein eigenes Vorbringen unterlassen oder inhaltlich verkürzen. Pflichtgemäß ist nur die Prozeßführung, die dem Risiko einer Zulassung des fremden Vortrags durch das Gericht entgeht. 298 b) Pflichtwidrig handelt der Rechtsanwalt, der keine tatsächlichen Ausführungen zu gewissen Punkten macht, sondern darauf vertraut, daß das Gericht einer bestimmten Rechtsansicht folgt, obwohl es hierfür an einer höchstrichterlichen Rechtsprechung fehlt. 299 Spätere Ausführungen dazu sind dann präklusionsfähig. c) Dagegen fehlt es an einer Pflichtwidrigkeit, wenn der Rechtsanwalt auf gerichtliche Veranlassung sein Vorbringen teilweise zurückgehalten hat. Hat das Gericht ihn zu einer bestimmten Prozeßführung verleitet, so können spätere Ergänzungen nicht präkludiert werden. Der Rechtsanwalt handelt insoweit ordnungsgemäß. (4) Folgerungen aus diesem Prinzip
Aus den oben genannten Fallgruppen ergeben sich für die Bestimmung des Umfangs eines Schriftsatzes folgende Ergebnisse: a) Der Rechtsanwalt darf sich nicht auf die Unschlüssigkeit des gegnerischen Vortrags verlassen. Zwar wurde im Kapitel über Angriffs- und Verteidigungsmittel300 erklärt, daß man auf einen unschlüssigen Vortrag des Klägers nicht reagieren muß. Schließlich fehlt es in diesem Fall bereits an einem erheblichen Angriffsmittel, gegenüber dem keine Verteidigung erforderlich ist. Denn ist der Anspruch schon aus eigenem Vortrag des Klägers nicht begründet, so endet bereits hier die richterliche Prüfung. Auf etwaige Gegenrechte braucht das Gericht dann nicht mehr einzugehen. Diese Aussage steht aber nicht im Widerspruch zu der hier vertretenen Notwendigkeit einer Verteidigung. Denn welcher Rechtsanwalt kann mit höchster Wahrscheinlichkeit vorhersagen, daß es zu einer Zurückweisung des Klagevorbringens kommt? Eine solche Prognose dürfte wohl nur bei ganz offensichtlicher Unschlüssigkeit möglich sein. Ansonsten kann der Anwalt nicht sicher sein, wie das Gericht entscheiden wird; ob es das Vorbringen zurückweist, einen gerichtlichen 298 Rinsche RZ 132; Vollkommer (1991) S. 99; OLG Düsseldorf NJW-RR 1989, 927 betraf den Fall, daß sich aus dem Schriftsatz des Gegners nicht ergab, welche Gegenrechte dieser geltend machen will. Hier hätte der Anwalt des Klägers sich in jedem Fall vorsorglich mit jedem möglichen Gegenrecht befassen müssen. 299 BGH WM 1986, 199 (202). 300 Vgl. hierzu Kapitell. 7. a) aa) und I. 7. b) aa).
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I. Prozeßförderung in erster Instanz
Hinweis gern. § 139 zur Vortragsergänzung gibt oder das Vorbringen als solches als ausreichend erachtet. Um das Risiko eines Ausschlusses wegen verspäteten Vorbringens zu venneiden, weil der Klagevortrag wider Erwarten zugelassen wird und es damit für eine wirksame Verteidigung auf die Gegenrechte ankommt, sollte der Anwalt des Beklagten in seiner Klageerwiderung nichts zurückhalten. Nur dann begeht er den "sichersten Weg,,?OI Natürlich sind an den Umfang des Vorbringens insofern geringere Anforderungen zu stellen, als der Anwalt sich nur gegen das zu verteidigen hat, was aus der Klageschrift als Angriff ersichtlich ist. Dasselbe gilt, wenn der Rechtsanwalt den gegnerischen Vortrag für unsubstantiiert hält, d. h., es an einzelnen tatsächlichen Angaben fehlt, die das geltend gemachte Recht begründen bzw. entfallen lassen können. In diesem Fall wird das Gericht der Partei in der Regel einen Hinweis gern. § 139 geben,302 um auf Lücken im Vortrag aufmerksam zu machen. Dann handelt es sich aber um einen wirksamen Angriff, der lediglich einer Ergänzung bedarf. Darauf muß der Anwalt ebenfalls umfassend erwidern. b) Zur Verdeutlichung der Frage, wann und unter welchen Voraussetzungen der Rechtsanwalt bei ungeklärter Rechtslage hierzu tatsächliche Ausführungen im ersten Schriftsatz vorbringen muß, soll folgendes Beispiee03 dienen: Die Klägerin hatte von einem Dritten ein Eigenheim errichten lassen. In diesem Vertrag wurde isoliert die Gewährleistungsregelung der Verdingungsordnung für Bauleistungen Teil B (VOB/B) übernommen. Danach betrug die Verjährungsfrist 2 Jahre. Der BGH sah bereits eine Pflichtverletzung darin, der Rechtsanwalt von der fünfjährigen Verjährungsfrist gern. § 638 I BGB ausging und somit die Unwirksamkeit der isolierten Einbeziehung der VOB/B unterstellte. Er hätte sicherheitshalber, so der BGH, von der zweijährigen Frist ausgehen müssen, da es zur Frage der Wirksamkeit solcher Abreden zum damaligen Zeitpunkt keine höchstrichterliche Rechtsprechung gegeben hat. Auf eine solche der Oberlandesgerichte, die noch dazu umstritten war, durfte er sich nicht stützen. Er hätte gleich zu Beginn des Verfahrens alles vorbringen müssen, was bezüglich der Verjährungseinrede von Relevanz hätte werden können. Nur so wird er der Maxime des "sichersten Weges" 301 A.A. Fuhnnann (1988) S. 50f.; Künzle (Diss. 1991) S. 139ff.; zum Begriff der "Schlüssigkeit" BGH NJW 1991,2707; NJW-RR 1995, 722. 302 OLG Düsse1dorf NJW 1993, 2543. Ein abweichende Entscheidung des BGH nennt Stümer JZ 1985, 185 (186); kritisch gegenüber einer Hinweispflicht des Gerichts bei substanzlosem - also nicht bloß ergänzungsbedürftigen - Vorbringen Fischer DRiZ 1995, 264 (265): ,,Jedenfalls kann einer anwaltlich vertretenen Partei die Verantwortung für eine sachgemäße Prozeßführung nicht völlig abgenommen werden." 303 BGH NJW 1993, 734 f.
9. Inhaltliche Anforderungen an ein Vorbringen
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gerecht. Dasselbe gilt, wenn von verschiedenen Kollegialgerichten unterschiedliche Rechtsauffassungen existieren. 304 Im Gegensatz dazu ist eine Pflichtwidrigkeit zu verneinen, wenn eine höchstrichterlich gefestigte Rechtsprechung besteht. Verlangt der BGH eine strikte Befolgung seiner Rechtsprechung, so muß ein Rechtsanwalt auch von deren Fortbestand ausgehen können. 305 Hier muß der Rechtsanwalt auf eine Weitergeltung vertrauen dürfen. Schließlich kommt dieser Rechtsprechung Präjudizwirkung zu; d. h. es besteht eine faktische Bindung der unteren Gerichte. 306 Weitere Ausführungen sind dann entbehrlich, auch wenn die höchstrichterliche Rechssprechung in der Literatur angezweifelt wird. 307 c) Die Anforderungen an den Umfang des Vortrags nehmen auch dann ab, wenn das Gericht den Rechtsanwalt zu einem verkürzten Vortrag veranlaßt hat. In diesem Fall mangelt es bereits an einer Pflichtwidrigkeit des Anwalts, sodaß auf eine fehlende Kausalität für die Verspätung gar nicht mehr einzugehen ist. Auf richterliche Hinweise besteht ein Vertrauensschutz. Es wäre rechtsmißbräuchlich, würde das Gericht dem Anwalt zunächst ein tropfenweises Vorbringen nahelegen, ihm später aber gerade dies zum Vorwurf machen und mit dem Schwert der Präklusion drohen. Eine solche Widersprüchlichkeit kann dem Anwalt nicht angelastet werden. 308 Dasselbe gilt, wenn eine in erster Instanz siegreiche Partei ohne entsprechenden Hinweis des Berufungsgerichts eine nach dessen abweichender Ansicht erforderliche Vortragsergänzung nicht vorgenommen hat. 309 Diesen Fällen ist gemeinsam, daß das Gericht selbst den Anwalt auf einen prozeßförderungsfeindlichen Weg gebracht hat.
(5) Wahrheits- und Vollständigkeitspflicht gern. § 138 Abs. 1
Im Rahmen der bisherigen Ausführungen wurde versucht, an Hand der Tatbestandsmerkmale der §§ 277 Abs. 1, 282 Abs. 1 den inhaltlichen Umfang eines - der Prozeßförderungspflicht entsprechenden - Vorbringens zu klären. Man könnte nunmehr auf den Gedanken kommen, auch die BGH NJW-RR 1986, 1281; Borgmann/Haug RZ 116. BGH NJW 1993, 3323 (3324); Borgmann/Haug RZ 53 mit Nachweisen zu Ausnahmefällen, bei denen dieser Grundsatz nicht gilt. Einen weiteren Hinweis liefert BGH JZ 1994, 524f.: Danach sind Hinweise des obersten Gerichts auf etwaige zukünftige Änderungen der Rechtsprechung zu berücksichtigen. Ebenso die Auswirkung neuer Gesetze auf eine zur alten Rechtslage ergangene Judikatur. Der BGH betont allerdings, daß dies "eng umgrenzte AusnahmeflilIe sind". 306 Vgl. zu diesem Problemkreis Olzen JZ 1985, 155 (157). 307 Vgl. dazu eingehend Fuhrmann (1988) S. 48ff. 308 BverfGE 83, 190; Pukall RZ 202a. 309 BGH NJW 1981, 1378. 304 305
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I. Prozeßförderung in erster Instanz
Wahrheits- und Vollständigkeitspflicht gern. § 138 Abs. 1 zur näheren Konkretisierung heranzuziehen. Danach dürfen die Parteien keine Tatsachen verschweigen, auch solche nicht, die ihren eigenen Angriff bzw. Verteidigung erschüttern. So verstößt es beispielsweise gegen § 138 Abs. 1, wenn der Kläger auf vollen Schadensersatz klagt, dabei aber verschweigt, daß er bereits eine Teilzahlung erhalten hat. 310 Ist der Kläger selbst davon überzeugt, daß dieses Gegenrecht seinem Anspruch entgegensteht, so hat er dieses gern. § 138 Abs. 1 mitzuteilen. Das Gesetz erwartet also eine aktive Teilnahme der Parteien an der Sachverhaltsaufklärung. Dabei kann durch einen unvollständigen Vortrag die Darstellung ebenso unwahr werden wie durch bewußt falsche Ausführungen. Das Unterlassen steht dem Tun insofern gleich. 311 Damit hat jede Partei sämtliche Gegenrechte in ihrem Vortrag anzugeben. Äußerst fraglich ist jedoch, ob das oben bezüglich § 138 Abs. 1 Gesagte auch für die Prozeßförderungspflicht i. S. v. §§ 277 Abs. 1, 282 Abs. 1 Anwendung finden kann. § 138 Abs. 1 zielt auf eine weitgehende Rekonstruktion des Geschehenen ab; die Suche nach der materiellen Wahrheit steht hier im Vordergrund. Denn das Urteil soll auf Grundlage des tatsächlichen Sachverhalts ergehen. Das Gesetz verlangt von beiden Parteien dazu beizutragen. Einmal dadurch, daß die Partei, die die Behauptungslast trifft, umfassend wahr und vollständig vorträgt. Andererseits dadurch, daß die gegnerische Partei sich im Rahmen ihrer Aufklärungspflicht an der Wahrheitsfindung beteiligt. Die Präklusionsbestimmungen bezwecken dagegen nicht die umfassende Klärung des Sachverhalts, sondern die Konzentration des Verfahrens. Ihre Zielrichtung ist also eine ganz andere als die des § 138 Abs. 1. Die Prozeßförderungspflichten dienen nur der Prozeßbeschleunigung. Mit Einführung der §§ 277 Abs. 1, 282 Abs. 1 sollte nicht ein weitreichendes Regelwerk allgemeiner Pflichten geschaffen werden. Leipold3 !2 warnt zu Recht vor einer Vermengung der Wahrheits- und Vollständigkeitspflicht auf der einen und der Prozeßförderungspflicht auf der anderen Seite. Hahn übersieht dies, wenn er § 138 Abs. 1 auf §§ 277 Abs. 1, 282 Abs. 1 anwendet. Der Wahrheits- und Vollständigkeitspflicht geht es nicht um Prozeßförderung. Dieser Pflicht entspricht es zwar, wenn sich der Beklagte "nicht ausschließlich an der Klageschrift orientiert, sondern darüber hinausgeht, sofern die Einführung seines Vorbringens noch mittelbare Bezüge zu dem des Klägers hat"; mit Prozeßförderung hat dies aber nichts zu tun?!3 310 Rosenberg/Schwab/Gottwald § 65 VIII 3; Peters in MüKo § 138/6; Leipold in SteinlJonas § 138/7 b; a. A. Blomeyer § 30 VII; Thomas/Putzo § 138/4; Schellhammer RZ 364. 311 Jauernig § 26 IV; Menne in AK-ZPO § 138/9. 312 Leipold ZZP 93 (1980), 237 (239f.); Leipold in Stein/Jonas § 282/4. 313 So aber Hahn S. 159.
9. Inhaltliche Anforderungen an ein Vorbringen
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Daß in bezug auf §§ 277 Abs. 1, 282 Abs. 1 nicht dasselbe an inhaltlichem Umfang verlangt werden kann wie in bezug auf § 138 Abs. 1, ergibt sich auch aus den Sanktionen, die das Gesetz für die Verletzung des § 138 Abs. 1 vorsieht. Der Verstoß gegen die Wahrheits- und Vollständigkeitspflicht zieht lediglich eine nachteilige Beweiswürdigung nach sich, da der Verstoß die Glaubwürdigkeit der Partei in Zweifel zieht. Darüber hinausgehende prozessuale Folgen sieht das Gesetz nicht vor. 314 Bleibt die Verletzung der Wahrheits- und Vollständigkeitspflicht aber somit weitgehend sanktionslos, so lassen sich deren Anforderungen nicht auf §§ 277 Abs. 1, 282 Abs. 1 übertragen mit ihren harten Präklusionsfolgen. Dies zeigt, daß auch von der Rechtsfolgenseite her § 138 Abs. 1 nicht geeignet ist, die inhaltlichen Anforderungen an einen prozeßförderndes Vorbringen i. S. v. §§ 277 Abs. 1, 282 Abs. 1 zu konkretisieren. ee) Einzelne Schriftsätze im Überblick Sind in den vorherigen Kapiteln allgemeine Maßstäbe für den Inhalt und Umfang des Vorbringens gefunden worden, so sollen daraus nunmehr konkrete Schlüsse für die einzelnen Schriftsätze gezogen werden. Dazu wird im folgenden zu differenzieren sein, ob es sich um einen Klageantrag,315 Von Mettenheim (1970) S. 23. Daß auch die Klageschrift unter die Prozeßförderungspflicht fällt, wird zwar allgemein unterstellt (PukalI RZ 66; a.A. Weth (1988) S. 153ff.), ist aber aus dem Gesetzestext nicht eindeutig zu entnehmen. § 282 Abs. I betrifft nur das Vorbringen in der mündlichen Verhandlung; § 282 Abs. 2 setzt dagegen voraus, daß bereits eine mündliche Verhandlung anberaumt ist. Die Klageschrift setzt aber die gerichtliche Terminvorbereitung überhaupt erst in Gang; erfolgt daher begriffsnotwendig außerhalb der mündlichen Verhandlung. Die durch die Vereinfachungsnovelle eingeführte Prozeßförderungspflicht ist jedoch auf eine umfassende Konzentration des Verfahrens ausgerichtet. Dem würde es widersprechen, würde man die Klageschrift von der Gesamtregelung ausnehmen wollen. Bereits bei Einleitung des Prozesses sollen die Parteien zu einem förderungsbewußten Verhalten angehalten werden. Für dieses Ergebnis spricht ferner der Grundsatz der Waffengleichheit aus Art. 3 GG. Beide Parteien sind in gleicher Weise zu einer Verfahrensbeschleunigung verpflichtet. Muß sich der Beklagte in seiner Klageerwiderung in prozeßfördernder Weise verteidigen, so dürfen an den Angriff keine geringeren Anforderungen gestellt werden. Da § 282 Abs. I die allgemeine Verpflichtung zur Förderung des Prozesses regelt, ist diese Norm wohl insofern analog auf Klageschriften anzuwenden (§ 282 Abs. 2 konkretisiert nur die zeitlichen Grenzen bei schriftsätzlicher Vorbereitung). Weth verteidigt sein abweichendes Ergebnis mit dem Hinweis auf die mangelnde Analogiefähigkeit der Präklusionsregeln. Daß der Gesetzgeber die Klageschrift nicht ausdrücklich der Prozeßförderung unterstellt hat, beruht aber wohl eher auf einem gesetzgeberischen Versehen. Ein Grund für eine Bevorzugung des Klägers ist nicht ersichtlich und ergibt sich auch nicht aus der Entstehungsgeschichte der Präklusionsregeln. I. Erg. auch Hahn (1983) S. 138. 314 315
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I. ProzeßfOrderung in erster Instanz
-erwiderung, Replik oder Duplik handelt. Denn je nach Verfahrens stadium sind unterschiedliche Ansprüche an das Vorbringen zu stellen. ( 1) Klageschrift
In der Klageschrift hat der Kläger gleich zu Beginn des Verfahrens neben dem gesetzlich fixierten Mindestinhalt gern. § 253 Abs. 2316 seine Ansprüche zu substantiieren; d. h., der Anspruch ist mit konkreten tatsächlichen Behauptungen abzustützen. Der Kläger hat den Sachverhalt so genau vorzutragen, daß das Gericht allein auf dieser Grundlage die Subsumtion vornehmen kann. 317 Die Darstellung der Tatsachen und des Beweismaterials muß zunächst einmal so umfassend sein, daß der Anspruch schlüssig dargetan ist. Ferner muß das Streitverhältnis eingehend konkretisiert sein und darf sich nicht lediglich in der Beschreibung des Streitgegenstandes erschöpfen. Nötig ist also eine gewisse Zergliederung des Sachverhalts einschließlich der Beweismittel in Einzelheiten. 318 Hier gilt es, den richtigen Mittelweg zu finden. Einerseits dürfen keine überstrengen Anforderungen gestellt werden,319 die für die Parteien unvorhersehbar sind und zu einer sinnlosen Anhäufung von Prozeßmaterial führen könnten. Andererseits sollten die Parteien immer ihre Prozeßförderungspflicht vor Augen haben. Wie schwer es fällt, diesen Mittelweg zu bestimmen, zeigen auch die sehr unterschiedli316 Dem § 253 Abs. 2 kommt allein eine Ordnungsfunktion zu. Im Interesse der Rechtssicherheit und -klarheit sollen für Gericht und Beklagten der Streitgegenstand erkennbar sein (so die heute fast unumstrittene verbesserte Individualisierungstheorie). Um dies sicherzustellen, sieht § 253 Abs. 2 einige Mindestvoraussetzungen für die Klageschrift vor, die teilweise verpflichtend sind, teilweise nur ..Soll-"Charakter haben. Dadurch wird einerseits das Gericht in die Lage versetzt, das Verfahren gern. §§ 272ff. sachgerecht und effektiv einzuleiten. Andererseits erlangt der Beklagte vom Gegenstand des Prozesses Kenntnis und ihm wird so eine Verteidigung ennöglicht (Lüke in MüKo § 253/4). Enthält der § 253 Abs. 2 aber nur eine ordnungspolitische Komponente, so sagt dies noch nichts darüber aus, ob zum Zwecke der Prozeßbeschleunigung der Kläger über diese Angaben hinaus weitere Ausführungen machen muß. 317 Grunsky (1983) S. 65; Rinsche RZ 96. 318 BGH ZIP 1982,876. Zu eng sieht das OLG Hamburg NJW-RR 1990,63: Danach handelt es sich bei den Einzelheiten um Indiztatsachen, die erst im Rahmen der Beweiswürdigung Bedeutung gewinnen. Würde aber für die Klageschrift ein reiner Schlüssigkeitsvortrag als ausreichend anerkannt (so das OLG), stände dies im Widerspruch zur Prozeßbeschleunigung. Der Kläger soll vielmehr gleich zu Beginn des Verfahrens zu einem umfassenden Vorbringen angehalten werden. So auch PukalI RZ 66: ..Um den Verspätungssanktionen nach § 296 zu entgehen, sollte die Klage vollständig und substantiiert begründet werden." 319 BGH NJW 1992, 3106; NJW 1988, 818; NJW 1993, 734: ,,Die Klage darf nicht wegen lückenhaften Vortrags zum geltend gemachten Schaden abgewiesen werden, solange für diesen greifbare Anhaltspunkte vorhanden sind."
9. Inhaltliche Anforderungen an ein Vorbringen
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chen Anforderungen, die innerhalb der Rechtsprechung an die Substantiierung gestellt werden. 32o Jede Klageschrift sollte folgenden Inhalt haben: Der Kläger muß seine Angriffsmittel gesammelt in der Klageschrift aufführen; er darf das Vorbringen nicht vom Erfolg oder Nichterfolg eines einzelnen oder mehrerer anderer Mittel abhängig machen. Zu weit würde es führen, dem Kläger zusätzlich die Verpflichtung aufzuerlegen, auch für ihn ungünstige Umstände mitteilen zu müssen. 321 Zwar entspräche eine solche Verpflichtung dem Wahrheits- und Vollständigkeitsgebot gern. § 138 Abs. 1. In der Praxis jedoch läßt das Weglassen ungünstiger Umstände durch den Kläger keine Verzögerung erwarten. Denn jede Partei wird daran interessiert sein, das für sie Günstige vorzutragen. 322 Dazu hat der Beklagte im schriftlichen Vorverfahren bzw. im frühen ersten Termin hinreichend Gelegenheit. Führt der Beklagte gleich im ersten Schriftsatz seine Gegenrechte auf, so ist eine Prozeßverschleppung ausgeschlossen. Darüber hinaus ist zu beachten, daß im Rahmen von §§ 277 Abs. I, 282 Abs. 1 das Wahrheits- und Vollständigkeitsgebot keine Bedeutung hat. Wenn der Kläger durch den vorprozessualen Schriftwechsel bereits Kenntnis von den Gegenrechten des Beklagten hat, die dieser ihm im Prozeß entgegenhalten wird, so braucht er darauf in der Klageschrift noch nicht einzugehen. Der Kläger ist aus prozeßfördemden Gründen nicht gezwungen, für die Gegenpartei den Prozeß zu führen. Auf solche Rechte muß der Kläger erst dann reagieren, wenn der Vortrag des Beklagten dazu Anlaß bietet. 323 Bringt dieser dann später tatsächlich seine Gegenrechte in den Prozeß ein - kündigt er sie also nicht bloß an und stellt sie auch nicht unter Vorbehalt, dann hat der Kläger im Rahmen der Replik eine Stellungnahme abzugeben. Er muß dann seinen Vortrag ergänzen dürfen. Dies gilt beispielsweise dann, wenn infolge der Einlassung des Gegners die Klageschrift unklar wird. 324
320 Vgl. dazu BGH JZ 1985, 183 mit Anm. Stümer; BGH NJW 1992, 1967; BGH MDR 1993,417 m.Anm. Baumgärtel. 321 So aber Hahn (1983) S. 137f. 322 So auch von Mettenheim (1970) S. 21. 323 BverfG NJW 1992,2428; Pullak RZ 66; Commichau (1985) RZ 97. 324 BGH NJW 1984, 2888 (2889); Rinsche RZ 95; Commichau «(1985) RZ 78) rät zur ,,zurückhaltung", was die Darstellung eines künftigen Vortrags des Gegners betrifft. Da der Kläger ja bereits mit den Gegenrechten rechnen mußte, ist die Replikfrist gern. §§ 275 Abs. 4, 276 Abs. 3 kurz zu halten. Mit dieser Vorgehensweise wird einer Prozeßverschleppung wirksam vorgebaut. Das Gericht braucht sich auf diese Weise nicht durch einen unüberschaubaren Prozeßstoff mit möglicherweise unbeachtlichen Gegenrechten durchzuarbeiten. Es kann aber andererseits zügig auf deren Geltendmachung reagieren.
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I. Prozeßförderung in erster Instanz
(2) Klageerwiderung
Aus den bisherigen Ausführungen ergibt sich, daß sich die Klageerwiderung nach dem Umfang der Klageschrift bemißt. An diese sind nun erhöhte Anforderungen zu stellen. Der Beklagte weiß aus der Klage, was der Kläger will und warum er es will. 325 Der Beklagte hat nunmehr deutlich zu machen, worauf sich seine Verteidigung bezieht. Er kann den Tatsachenvortrag des Klägers ganz oder teilweise bestreiten; aus ihm andere Rechtsfolgen herleiten oder Einwendungen geltend machen. Um der Prozeßförderungspflicht zu genügen, hat der Beklagte genau anzugeben, welche Behauptungen er bestreitet. Erforderlich ist ein motiviertes Bestreiten; d. h. die Klageerwiderung muß eine eigene Tatsachenschilderung enthalten und damit substantiiert sein;326 es sei denn, einfaches Bestreiten oder Bestreiten mit Nichtwissen gern. § 138 Abs. 4 reicht ausnahmsweise aus. 327 Der Beklagte hat alle Einwendungen und Einreden in der Klageerwiderung anzugeben einschließlich der dazu nötigen Beweismittel. Eine Staffelung der Gegenrechte ist nicht erlaubt; sie sind vielmehr gleichzeitig in der Klageerwiderung anzuführen. 328 Nur ein solcher Vortrag verhindert, daß es durch immer neues Vorbringen zu immer neuen Beweiserhebungen und damit zu Vertagungen kommt. Für ein taktisches Hinhalten des Prozesses bleibt insofern kein Raum. Dies ergibt sich nicht zuletzt auch aus dem Prinzip des "sichersten Weges", das der Rechtsanwalt im Rahmen seiner Prozeßförderungspflicht zu berücksichtigen hat und ihm ein gefahrloses Vorgehen gebietet. Gerade taktisches "Geplänkel" ist aber regelmäßig mit Risiken behaftet. Für ihn ungünstige Umstände, beispielsweise die fehlende schriftliche Fixierung einer Stundungsvereinbarung, braucht der Beklagte jedoch nicht anzugeben. Wie für den Kläger gilt auch hier, daß jede Partei ihre eigenen Angriffs- und Verteidigungsmittel umfassend mitzuteilen hat; nicht aber die der Gegenpartei. Die Klageerwiderung muß ferner Gegenbe-
Schellhammer RZ 448. Schneider MDR 1977,793 (795); Michel a.a.O.; Allerdings darf der Beklagte pauschale Klagebehauptungen ebenso pauschal bestreiten, wenn sich aus der Klage wenig Substantielles entnehmen läßt (Schlosser (1991) RZ 160a). Dann weiß der Beklagte gerade nicht, worauf der Kläger hinauswill. In diesem Fall reicht eine verkürzte Klageerwiderung aus. Es gilt auch hier der Grundsatz, daß sich der Umfang des Vorbringens einer Partei nach dem der anderen richtet. 327 Bender/Belz/Wax (1977) RZ 44f.; Bloßes Bestreiten ist ausreichend, wenn es sich um einfache Vorgänge handelt, bei denen es nur ein Entweder/Oder gibt; z. B. "Ob es geregnet hat oder Glatteis war", so Michel (1984) S. 104; § 138 Abs. 4 gilt nur dann, wenn die Partei den Geschehnissen fernsteht, auf die sich der klägerische Vortrag bezieht, so BOR NJW-RR 1986,60; vgl auch Oelkers (1994) S. 73. 328 Commichau (1985) RZ 89. 325
326
9. Inhaltliche Anforderungen an ein Vorbringen
IlJ
weise enthalten, sofern der Beklagte sich gegen Beweisangebote des Klägers wenden will. (3) Replik und Duplik
Das zur Klageschrift und Klageerwiderung Gesagte gilt auch für Replik und Duplik. Mit anderen Worten jede Partei hat nunmehr auf das Vorbringen des Gegners konkret zu antworten. 329 Die inhaltlichen Anforderungen an das Vorbringen haben sich in diesem fortgeschrittenen Stadium des Prozesses wesentlich erhöht, da beide Parteien die Angriffs- bzw. Verteidigungslinie des anderen kennen. Der Vortrag muß also umso substantiierter sein, da seine Bedeutung für die Urteilsfindung bekannt ist. So muß der Kläger beispielsweise, wenn er im Rahmen seiner Replik die Wirksamkeit einer Stundungsvereinbarung anzweifelt, genaue Angaben (Zeit, Ort, Zeugen, etc.) über deren vermeintliches Nichtzustandekommen machen. b) Rechtslage nach der öZPO
In Österreich finden sich nur vereinzelt Anmerkungen zu diesem Problemkreis. Und wenn solche vorliegen, so werden in ihnen vielfach die notwendigen Vortragsinhalte im Rahmen der Verschleppungsabsicht gern. § 179 Abs. 1 S. 2 erörtert. So folgert das LG Wien 330 eine solche Absicht, wenn der Beklagte einen entscheidungserheblichen Sachverhalt bis zur 3. Streitverhandlung zurückhält und gleichzeitig die Anschrift eines Zeugen nicht mitteilt, der zu Beweiszwecken angeführt wurde. Bei systematischer Vorgehensweise hätte das LG Wien zunächst die Verspätung feststellen müssen, ehe es zur Prüfung der subjektiven Tatbestandvoraussetzungen gekommen wäre. So aber wurde beides vermischt, was für die nähere Bestimmung des Merkmals der "Verspätung" nicht förderlich war. Betont wird allgemein,331 daß das österreichische Recht die Eventualmaxime nicht kenne. Daher lasse sich jeder Vortrag bis zum Ende der mündlichen Verhandlung präzisieren bzw. ergänzen, sofern damit keine Klageänderung gern. § 235 einhergehe. Eine Verspätung innerhalb der 1. Instanz sei nur in Ausnahmefällen möglich. So sagt das Gesetz in § 179 Abs. 1 S. 2, daß Tatsachenbehauptungen und Beweismittel zurückgewiesen werden können, falls sie "nicht früher vorgebracht wurden". Damit wird vorausgesetzt, daß es zu einem früheren Zeitpunkt die Möglichkeit zur StellungBruns (1979) RZ 155. LGZ Wien EFSlg 64.051. 331 Fucik in Rechberger § 17911; Fasching III 36; Bajons RZ lJ6; Deixler-Hübner ÖJZ 1995, 170f. 329 330
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I. Prozeßförderung in erster Instanz
nahme gegeben haben muß. Eine solche Möglichkeit bieten auch die Klageschrift selbst und die Klagebeantwortung. Beide Schriftsätze versetzen die jeweilige Partei in die Lage, sich umfassend zu äußern. Diese Chance sollte man nicht ungenützt verstreichen lassen. Jeder weitere Schriftsatz oder spätere Vortrag in der mündlichen Verhandlung verlängert das Verfahren. Je später die Angriffs- bzw. Verteidigungslinie einer Partei erkennbar wird, desto länger zögern sich wiederum die Gegendarstellungen hinaus, sodaß das gesamte bisherige Vorbringen möglicherweise nunmehr überflüssig wird. Auch für das Gericht bedeutet ein derartiges Hinhalten Mehrarbeit. Schließlich bewirkt eine verzögerte Sachverhaltsaufarbeitung einen zusätzlichen Einsatz an Arbeitsaufwand, um den Sachverhalt zu erforschen. aa) Inhalt und Umfang eines Schriftsatzes Zu untersuchen ist nunmehr, inwieweit die öZPO eine inhaltlich vollständige Klage bzw. Klagebeantwortung zum Zwecke einer wirksamen Verfahrensvorbereitung verlangt. (1) Anforderungen an die Klageschrift gern. § 226 Dabei ist zunächst auf § 226 hinzuweisen. Nach herrschender Meinung verpflichtet § 226 den Kläger, schon in der Klageschrift den Klagegrund vollständig anzugeben. Unter Klagegrund versteht man das Vorbringen der Tatsachenbehauptungen, aus denen der Kläger sein Klagebegehren ableitet. 332 Dazu zählen auch die Beweismittel, die zum Nachweis der behaupteten Tatsachen vom Kläger verwendet werden. 333 Diese müssen nach § 226 so umfassend sein, daß sich das Klagebegehren als schlüssig erweist; d. h. der angegebene Sachverhalt muß sich unter den Tatbestand eines vom Gericht herangezogenen Rechtssatzes subsumieren lassen, und die Rechtsfolge dieses Rechtssatzes muß dem Klagebegehren entsprechen. 334 Damit geht § 226 Abs. 1 über § 253 Abs. 2 dZPO hinaus. In Österreich wird die sog. "Substantiierungstheorie" vertreten im Gegensatz zur der in Deutschland anerkannten sog. "verbesserten Individualisierungstheorie", die die Angabe des Tatsachenkomplexes als ausreichend erachtet, aus dem sich die behauptete Rechtsfolge herleitet. Dies bedeutet ein Weniger im Vergleich zur Schlüssigkeit. 335 Diese minderen Anforderungen lassen sich aus der rein ordnungspolitischen Funktion des § 253 Abs. 2 dZPO heraus versteRechbergerlSimotta RZ 384; Fasching LB RZ 1038. Bajons RZ 107; Ballon RZ 173f.; Fasching LB RZ 1040; a.A. Deixler/Roth S. 31; Rechberger in Rechberger § 226/9. 334 RechbergerlSimotta RZ 385. 335 Schumann in Stein/Jonas § 253/127ff.; Lüke in MüKo § 253/74ff. 332 333
9. Inhaltliche Anforderungen an ein Vorbringen
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hen. § 226 spricht sich dagegen für einen Tatsachenvortrag in kurzer, aber vollständiger Weise aus. Schon der Wortlaut des § 226 macht deutlich, daß sich der Vortrag nicht in einer bloßen Herausarbeitung des Streitgegenstandes erschöpfen soll, wie dies bei § 253 Abs. 2 dZPO der Fall ist. 336 § 226 enthält somit eine prozeßfördemde Komponente. 337 Auf der anderen Seite werden von § 226 auch keine übertriebenen Anforderungen gestellt. So weist Fasching 338 darauf hin, daß vom Kläger nicht verlangt werde, bereits in der Klage zu voraussichtlichen Gegenausführungen des Beklagten Stellung zu nehmen und diese zu widerlegen. Dies stimmt mit dem überein, was oben herausgearbeitet wurde. Nämlich, daß ein vorsorglich erschöpfender Vortrag nicht zu verlangen ist. (2) "Leere" Klageerwiderungen
Im Gegensatz zur Klage läßt die österreichische Rechtsprechung 339 und Literatur340 dem Beklagten viel Spielraum bei der Ausgestaltung der Klageerwiderung. Anschaulich wird dies an einem vom OLG Graz 341 entschiedenen Fall: In der Urteilsbegründung heißt es u. a.: "Um alle Säumnisfolgen auszuschließen, genügt es also, daß der Schriftsatz die notwendigen Formerfordemisse und die Bezeichnung Klageerwiderung enthält." Zur Begründung wird angeführt: Zwar bestimme § 243 Abs. 2, daß der Beklagte im Falle des Bestreitens oder bei Geltendmachung von Einreden Tatsachenbehauptungen und Beweismittel bereits in die Klagebeantwortung aufnehmen müsse; allerdings sehe das Gesetz keine Sanktion bei Verstößen gegen § 243 Abs. 2 vor. Säumnisfolgen gern. §§ 396, 398 schieden aus, da eine Totalsäumnis nicht vorliege. Schließlich habe sich der Beklagte nicht BGH MDR 1976, 1005; Thomas/Putzo § 253110. Nachteilhaft wirkt sich allerdings aus, daß bei Verletzung des § 226 nach h.M. (Konecny JBL 1984, 13 (17f.); Gitschthaler in Rechberger § 85/8; Fasching JBI 1982, 120f. = FG-Fasching (1993) S. 164f.) ein Verbesserungsauftrag gern. §§ 84f. zu erteilen ist. Je nach Schwere der inhaltlichen Mängel soll es nach erfolglosem Verbesserungsversuch zu einer Zurückweisung des Klageantrags kommen oder ein Sachurteil - nach einem nochmaligem richterlichen Hinweis zur Ausbesserung gern. §§ 182, 432 - gefällt werden. In beiden Fällen ist eine erhebliche Prozeßverzögerung die Folge. Vgl auch OGH EvBI 19981104 = ÖJZ 1998,562. 338 Fasching III 36. 339 OGH ÖRZ 1981/49. 340 Fasching LB RZ 1267; ders. III 178; Ballon DRiZ 1984, 301 (302f.); Petrasch ÖJZ 1985, 257 (261); Konecny JBI 1984, 61 (64f.). Etwas enger: Ballon RZ 206f.; Rechberger/Simotta RZ 562; Holzhammer S. 204f., die ein bestimmtes Begehren als notwendigen Inhalt der Klagebeantwortung verlangen, d. h. der Gegenantrag muß so bestimmt sein, daß aus ihm erkennbar wird, welcher Teil der Klage bestritten wird. 341 OLG Graz JBI 1981, 383. 336 337
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I. Prozeßförderung in erster Instanz
vollständig passiv verhalten. Dieser Argumentation hat sich der größte Teil der Literatur angeschlossen. Die "höchst unbefriedigenden,,342 Konsequenzen in bezug auf die Verfahrensdauer wurden nicht geleugnet, aber als unvermeidliche Folge der bestehenden Rechtslage angesehen. Infolgedessen droht dem Verfahren eine Verzögerung gleich in mehrfacher Hinsicht. Wird vom Beklagten ein Schriftsatz allein mit der Aufschrift "Klagebeantwortung" vorgelegt, so erteilt das Gericht gern. § 84 Abs. 3 zunächst einen befristeten Verbesserungsauftrag. Kommt es auch nach Ablauf dieser Frist, die gern. § 85 Abs. 2 a. E. nicht verlängerbar ist, zu keiner Substantiierung des Schriftsatzes, so hat unter Anleitung des Richters in der ersten streitigen Verhandlung gern. §§ 182, 432 ein neuerlicher Verbesserungsversuch zu erfolgen. Erst wenn dieser negativ ausgefallen ist, ergeht ein Sachurteil zugunsten des Klägers. 343 Selbst wenn man auf einen Verbesserungsauftrag verzichtet zugunsten einer Korrektur in der mündlichen Verhandlung,344 bleiben doch die zeitlichen Nachteile, die durch den "leeren" Schriftsatz entstanden sind, bestehen. Um in krassen Fällen vor einer Prozeßverschleppung durch den Beklagten geschützt zu sein, wurde von Fasching 345 vorgeschlagen, die Kostensanktionen gern. §§ 44 Abs. 2, 48 Abs. 1 und die Präklusionsnormen konsequent anzuwenden. Mit deren Hilfe ließe sich das Gebot zur raschen Verfahrensdurchführung wirksam durchsetzen. Rund 20 Jahre später mußte Fasching 346 allerdings eingestehen, daß beide Mittel keine entscheidende Durchschlagskraft besitzen. Da §§ 179 Abs. 1 S. 2, 275 Abs. 2 a. F. offenbare Verschleppungsabsicht fordern, scheide dieses wirksamste Prozeßförderungsmittel regelmäßig infolge des engen Tatbestandes aus. Damit verbleibe die Kostenfolge als einzige Sanktionsmöglichkeit; von dieser aber werde in der Praxis kaum Gebrauch gemacht. bb) Übernahme der §§ 277 Abs. I, 282 Abs. 1 dZPO in die öZPO? Offenbar hat eine gewisse Resignation eingesetzt, was die zügige Stoffaufarbeitung im Vorfeld der ersten streitigen Verhandlung betrifft. Die weitreichenden Prozeßleitungspflichten des Gerichts erweisen sich insoweit als nutzloses Werkzeug im Kampf gegen die Verschleppung. Denn was vermag ein Richter gern. §§ 180ff. zu leisten, wenn nicht auch die Parteien von
342 343 344 345 346
So Petrasch ÖJZ 1985,257 (261). Fasching JBI 1982, 120ff. = FG-Fasching (1993) S. 164f. Konecny JBI 1984,61 (64f.). Fasching III 179; im Anschluß daran auch Rechberger JBI 1981, 383 f. Fasching LB RZ 1269.
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Anfang an bewußt an der Sachverhaltserforschung mitwirken?347 Sinn und Zweck des § 182 ist es, auf fehlendes Vorbringen aufmerksam zu machen. Die Parteien sollen ihren Vortrag ergänzen bzw. konkretisieren dürfen. Darauf soll der Richter bei der ersten sich ihm bietenden Gelegenheit hinwirken. Diese Gelegenheit verschafft ihm die erste streitige Verhandlung. Sicherlich entspricht es aber nicht den Intentionen Kleins, diese Verhandlung überhaupt erst zum Tatsachen- und Beweismittelvortrag zu nutzen. Dem Richter selbst sind jedoch die Hände gebunden. Er kann erst dann zu Verbesserungszwecken eingreifen, wenn er die Schriftsätze vorliegen hat. Er ist in die Rolle eines Korrektors gedrängt, der nur auf Fehler der Parteien reagieren kann. Damit es nicht erst in der ersten streitigen Verhandlung zu einem ausführlichen Vortrag kommt, sollten die Parteien bereits im Rahmen ihrer Klage bzw. Klagebeantwortung und möglichen weiteren vorbereitenden Schriftsätzen verpflichtet werden, alles das, worauf sie ihre Prozeßführung stützen wollen, vorzutragen. Damit blieben die Bemühungen zur zügigen Sachverhaltserarbeitung nicht einlastig dem Gericht überlassen. Zu diesem Zweck bietet sich die sinngemäße Übernahme der §§ 277 Abs. 1, 282 Abs. 1 dZPO an. Dies stände auch nicht im Widerspruch zu den Leitgedanken der öZPO. Schließlich ist die öZPO, wie bereits mehrfach betont wurde, ihrem Grundaufbau nach auf Konzentration des Verfahrens aus gerichtet. 348 Was spricht also dagegen, die entsprechenden Regelungen zu übernehmen? Man mag einwenden, daß sich §§ 277 Abs. 1, 282 Abs. 1 dZPO nicht mit dem in der öZPO herrschenden Prinzip der Einheit der mündlichen 347 Dies übersieht Fasching (LB RZ 715), der die Aufklärungs- und Anleitungspflicht des Gerichts (§§ 180ff.) und die Wahrheits- und Vollständigkeitspflicht der Parteien (§ 178) als ausreichendes Mittel gegen ein tropfen weises Vorbringen ansieht. Der Grund für die Verfahrensverzögerung (= mangelhafte Schriftsätze) liegt nämlich immer schon in dem Zeitpunkt vor, in dem der Richter überhaupt erstmals eingreifen kann. Dann geht es aber nur noch um Schadensbegrenzung. Die Verschleppung, die durch das nachgeschobene Vorbringen in dem Verfahren entsteht, läßt sich nicht mehr rückgängig machen. In der Praxis wird es regelmäßig zu einer Vertagung kommen, da weder Gericht noch Gegner genügend vorbereitet sind. Das Ideal einer Streiterledigung in einer einzigen Verhandlung, von dem auch die öZPO ausgeht, rückt in immer weitere Feme. Der Hinweis auf § 178 greift ebenfalls nicht. Wie soll eine Norm, die selbst keine unmittelbaren Möglichkeiten zur Sanktion enthält, zu einer wirksamen Beschleunigung geeignet sein? Zu einer effektiven Durchsetzung der Maxime der Prozeßökonomie bedarf es harter Sanktionen, gegenüber denen die etwaigen Eigeninteressen der Parteien an langer Prozeßdauer zurücktreten müssen. Nur so läßt sich das Ziel kurzer Verfahren erreichen. 348 Diesem Zwecke dienen u. a. die präklusionsbewehrten Fristen, die erste Tagsatzung, die eingeschränkte Änderung und Erweiterung der Klage während des Prozesses.
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Verhandlung vertrage; m.a.W. die Übernahme führe zu einem versteckten Eintritt der Eventualmaxime in die öZPO. Bereits in Kapitel I. 9. a) aa) wurde jedoch dargelegt, daß §§ 277 Abs. 1, 282 Abs. 1 dZPO in ihrer geltenden Fassung nicht die Wiedereinführung der strengen Eventualmaxime mit allen ihren Nachteilen bedeutet. Die Eventualmaxime erhält durch einen Vortrag, der der jeweiligen Prozeßlage entsprechend umfassend sein muß, nicht Einzug in die öZPO. Die neue Rechtslage könnte wohl eher als "Mittelweg" zwischen dem Prinzip des freien und dem des streng gestaffelten Vorbringens bezeichnet werden. Dadurch wären die Vorteile beider Prinzipien gebündelt, während die negativen Ausflüsse - Überbelastung des Gerichts auf der einen und Verschleppung des Verfahrens auf der anderen Seite - vermieden würden. Gegen eine Reform im oben genannten Sinne könnten auch die Nachteile sprechen, die einer Partei durch die Säumnisse eines "schlechten" Rechtsanwalts widerfahren. Dessen Fehlleistungen hätten unmittelbare Rechtsnachteile für die Partei. Somit träfen die strengen Folgen einer Verletzung der Prozeßförderungspflicht eigentlich die Falschen, nämlich die Parteien. Dem ist jedoch entgegenzuhalten, daß die Auswahl des Rechtsanwalts in den Risikobereich der Parteien fällt. Schließlich haben sie grundsätzlich die Wahl unter mehreren Anwälten. Außerdem ist zu beachten, daß sich dessen Versäumnisse im materiell-rechtlichen Bereich - etwa durch Verstreichenlassen einer Ausschlußfrist des ABGB - ebenso negativ auswirken, ohne daß die Zurechnung dieser Nachteile gegenüber der Partei in Zweifel gezogen würde. Das Risiko der "schlechten" Vertretung wird letztlich auch dadurch abgemildert, daß der Partei Regreßansprüche gegen den Anwalt aus Verletzung des Anwaltsvertrages zustehen. Das Druckmittel eines Regreßprozesses wird die Anwälte weiter zu einer konsequenten Anwendung der neu einzuführenden Regelungen bewegen. Dabei ist allerdings einzuräumen, daß solche Regreßprozesse nicht immer den eingetretenen Rechtsverlust auszugleichen vermögen. Einmal bestehen praktische Schwierigkeiten bei der Durchsetzung von derartigen Ansprüchen gegenüber ortsbekannten Anwälten; denn insofern besteht oftmals eine Scheu anderer Anwälte, einen Prozeß gegen ihren Kollegen zu übernehmen. Auch mag das Gericht in diesen Fällen voreingenommen sein und den Kläger als Querulanten ansehen. Viel wichtiger ist aber, daß bei den Verfahren, bei denen es nicht um Geldersatz geht, nur ein unzureichender Ausgleich erstritten werden kann. Wird etwa im Erstprozeß auf Vornahme oder Unterlassung eines Tuns geklagt, so ist dieser Anspruch im Falle einer Niederlage endgültig verloren. Der Anspruch auf Schadensersatz vermag dann nur noch die erlittenen Rechtsnachteile abzumilde~. Insofern verhilft der Regreßprozeß nicht zur vollständigen Wiedergutmachung. Auf der anderen Seite sind diese negativen Konsequenzen als Folgen des Anwaltszwanges gern. § 27
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Abs. 1, 2 anzusehen, den der Gesetzgeber auch aus Gründen des Parteienschutzes in das Gesetz aufgenommen hat und dessen rechtstatsächlichen Vorteile unbestritten sind. Dagegen hätte eine Reform in dem oben genannten Sinne auf den Parteienprozeß keine Auswirkungen. Denn in den Verfahren vor den Bezirksgerichten sind Schriftsätze gern. § 440 Abs. 2 unbekannt. Sofern im Rahmen dieses Verfahrens ausnahmsweise Schriftsätze zugelassen sind, ist dies nur bei anwaltlicher Vertretung gern. § 440 Abs. 3 möglich. Ist eine nicht anwaltlich vertretene Partei zu einer schriftlichen Klagebeantwortung durch das Landgericht aufgefordert worden, dann kann diese wiederum nur mit Zustimmung eines Rechtsanwalts gern. § 37 Abs. 2 erfolgen. cc) Reformvorschläge Die Untersuchungen haben ergeben, daß es für die effiziente Durchführung eines Prozesses nicht allein genügt, innerhalb bestimmter zeitlicher Schranken das jeweilige Vorbringen in den Prozeß einzuführen; vielmehr sind an einen Vortrag auch bestimmte inhaltliche Anforderungen zu stellen. Nur wenn beide Parteien ihre Angriffs- und Verteidigungsmittel gebündelt zum frühest möglichen Zeitpunkt in das Verfahren einführen, ist ein prozeßökonomisches Verfahren gewährleistet. Ein umfassender Vortrag gleich zu Beginn des Rechtsstreits ermöglicht es sowohl dem Gericht als auch der gegnerischen Partei, sich frühzeitig ein Bild vom Prozeßablauf zu machen und sich dementsprechend darauf einzustellen. Dies erspart allen Verfahrensbeteiligten langatmige und letztlich sinnlose Erörterungen irrelevanter Punkte. Eine solche konsequente Prozeßförderung wird natürlich Widerstände in der Anwaltschaft wecken. Im Sinne eines konzentrierten Verfahrens sind sie jedoch zu begrüßen. Um die oben angesprochenen Ziele umzusetzen, bietet es sich an, die Prozeßförderungspflicht ausdrücklich im Gesetz zu verankern. Dies ließe sich durch eine Neufassung des § 179 Abs. 1 S. 1 erreichen. Anstelle des dort angeführten allgemeinen Grundsatzes der Einheitlichkeit der mündlichen Verhandlung tritt die Verpflichtung der Parteien ihr Vorbringen nach dem Grundsatz der Prozeßförderunng auszurichten. § 179 Abs. 1 S. 1 könnte dann wie folgt lauten: "Tatsächliche Behauptungen, Beweismittel, Beweiseinreden sowie unselbständige Verteidigungsmittel sind in der mündlichen Verhandlung so zeitig und umfassend vorzutragen, wie es nach der Prozeßlage einer sorgfältigen und auf Förderung des Verfahrens bedachten Prozeßführung entspricht."
Mit dieser Änderung des Gesetzestextes wird den Parteien ihr Beitrag zu einem prozeßökonomischen Verfahrensablauf hinreichend deutlich gemacht.
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1. Prozeßförderung in erster Instanz
Ihnen wird einerseits angezeigt, welchen inhaltlichen Anforderungen ein Vorbringen von Gesetzes wegen zu genügen hat. Andererseits enthält diese Formulierung auch eine zeitliche Komponente. Die gesetzliche Fixierung des Zusammenspiels von Zeit und Vortragsumfang leitet die Parteien zu einer aktiven Teilnahme am Prozeß an. Die Durchsetzung dieser Mitwirkungspflicht wird durch § 179 Abs. 1 garantiert, der das Gericht zu einer Präklusion verspäteter Vorträge verpflichtet. Da hier allein der inhaltliche Umfang des Parteivorbringens im Mittelpunkt stand, beschränken sich die Ausführungen an dieser Stelle allein auf diesen Punkt. Die richterlichen Prozeßförderungspflichten, die in einer Wechselwirkung zu den hier dargestellten Prozeßförderungspflichten der Parteien stehen, werden später erörtert?49 Der oben vorgeschlagene Gesetzeswortlaut läßt sich in folgender Weise konkretisieren (dabei wird zur besseren Übersicht auf das jeweilige Stadium des Prozesses abgestellt, an Hand dessen der Umfang eines Vorbringens aufgezeigt wird): a) Der Kläger hat in seiner Klageschrift den dem Antrag zugrundeliegenden Sachverhalt vollständig vorzutragen. Dies folgt bereits aus § 226 Abs. 1. Nicht gefordert wird, daß der Kläger bereits in der Klageschrift vorsorglich auf eine mögliche Verteidigung des Beklagten eingeht. b) Ausgangspunkt für das Vorbringen des Beklagten ist der Umfang des klägerischen Vortrags. Der Beklagte hat im Gegenzug sämtliche Verteidigungsmittel offenzulegen; er darf nicht die Erfolglosigkeit einzelner Mittel abwarten, ehe er weitere nachschiebt. Eine solche Staffelung ist verboten. Bestreitet der Beklagte tatsächliche Behauptungen des Klägers, so kann dies regelmäßig nur durch motiviertes Bestreiten geschehen; d. h., der Beklagte muß eine eigene Schilderung des Sachverhalts den Tatsachenausführungen des Klägers entgegensetzen. c) Für jedes weitere Vorbringen gilt: Aus dem Wechselspiel zwischen klägerischem und gegnerischem Vortrag ergibt sich für die jeweilige Partei der Umfang des eigenen Vorbringens. Hier sind hohe Anforderungen zu stellen, da jeder die Strategie der anderen Partei kennt. Daher haben beide Parteien detailliert zum gegnerischen Vorbringen Stellung zu nehmen. Diese oben vorgeschlagene Gesetzesänderung bedeutet keine Rückkehr zur Eventualmaxime. Der Grundsatz der Einheitlichkeit der mündlichen Verhandlung gilt weiterhin, auch wenn dies durch Änderung des § 179 Abs. 1 S. 1 nicht mehr so offenkundig wird. Die Parteien müssen nicht innerhalb bestimmter Tatsachen- bzw. Beweisstationen ihr gesamtes Vorbringen dem Gericht liefern. Verlangt wird nur ein solcher Vortrag, der die 349
Vgl hierzu Kapitel I. 11.
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jeweilige Prozeßlage berücksichtigt. Etwaige zukünftige Prozeßgeschehnisse brauchen die Parteien hingegen nicht vorwegzunehmen. Damit ist auch die Gefahr gebannt, daß das Gericht mit der Durchsicht überflüssigen Prozeßmaterials belastet wird. Eine Konkretisierung der Prozeßförderungspflicht wurde somit an Hand der oben dargestellten Fallgruppen erreicht. Damit ist sichergestellt, daß der neu aufgenommene Passus nicht zur inhaltslosen Generalklausei verkommt. Durch die vorgeschlagene Formulierung wird den Parteien ein Leitfaden für den umfassenden Prozeßvortrag an die Hand gegeben. 10. Verzögerung
a) Rechtslage nach der dZPO
Erörtert wurden bisher nur das verspätete Vorbringen von Angriffs- und Verteidigungsmitteln. Überschreitet eine Partei mit ihrem Vortrag bestimmte zeitliche Grenzen, so reicht dies allein für eine Präklusion noch nicht aus. Dazukommen muß vielmehr, daß "nach der freien Überzeugung des Gerichts die Zulassung die Erledigung des Rechtsstreits verzögern würde". Gerade das Tatbestandsmerkmal der "Verzögerung" war in den ersten Jahren nach dem Inkrafttreten der Vereinfachungsnovelle heftig umstritten. Gegenüber standen sich der "absolute" und "relative" Verzögerungsbegriff. 35o Mit dem Urteil vom 5.5.1987 hat das BverfG351 eine Lösung gefunden, die Aspekte der beiden ursprünglichen Auffassungen in sich vereinigt. 352 Mit diesem Mittelweg scheint sich auch die Mehrzahl der Autoren abgefunden zu haben, die ehemals noch für die eine oder andere Ansicht stritt. Zumindest hat die Zahl der Veröffentlichungen zu diesem Thema merklich nachgelassen. Dies läßt den Schluß zu, daß scheinbar ein Komprorniß erreicht wurde, der die Nachteile beider Meinungen ausgleicht. Daher soll kurz auf die Argumente der beiden in Rechtsprechung und Literatur bereits ausführlich diskutierten Verzögerungsbegriffe eingegangen werden; im Anschluß daran wird zu prüfen sein, ob die neuere Rechtsprechung einen Schluß strich unter den Meinungsstreit gesetzt hat und wenn ja, inwieweit dieser Rechtsprechung zu folgen ist.
Siehe zur Terminologie Lüke JuS 1981,504. BverfGE 75, 302 = NJW 1987,2733 = JZ 1988, 90ff. 352 A. A. nur Prütting (in MüKo § 296/77ff.), der in diesem Urteil keinen Bruch mit der bisherigen Rechtsprechung sieht und das strikte Festhalten des BverfG an der absoluten Theorie betont. 350 351
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I. Prozeßförderung in erster Instanz
aa) Verschiedene Berechnungsarten Die Anhänger der absoluten Theorie353 berechnen die Verzögerung wie folgt: Das Gericht hat zu prüfen, ob sich der Rechtsstreit bei Zulassung des verspäteten Vorbringens verlängern würde. Entscheidend ist, ob der Prozeß durch die Zurückweisung früher beendet werden könnte als ohne. Sind beispielsweise kurz vor dem zu erwartenden Prozeßende auf Grund eines bisher zurückgehaltenen Tatsachenvortrages neue Beweismittel erforderlich geworden, so führt dies regelmäßig zu einer Vertagung des Tennins. Hätte ohne diesen neuerlichen Vortrag ein Urteil bereits zu einem früheren Zeitpunkt gefällt werden können, so besteht kein Zweifel, daß das Verfahren durch die Zulassung länger dauert als bei Ausschluß des Vorbringens. Einen anderen Ansatz verfolgt die relative Theorie354 : Sie vergleicht die zu erwartende Prozeßdauer bei Berücksichtigung des verspäteten Vorbringens mit der Prozeßdauer, die bei rechtzeitigem Vorbringen eingetreten wäre. Es werden die voraussichtliche und die hypothetische Verfahrensdauer gegenübergestellt. Kommt das Gericht zu dem Ergebnis, daß der Prozeß im Falle eines rechtzeitigen Vortrags früher beendet gewesen wäre als dies bei einer nachträglichen Zulassung der Angriffs- und Verteidigungsmittel der Fall sein würde, ist eine "Verzögerung" zu bejahen. Danach wäre im oben erwähnten Beispiel zunächst zu fragen, wie lange sich der Prozeß nun tatsächlich noch hinziehen wird: dauert er bei Abweisung des neuen Prozeßstoffs kürzer als bei Zulassung? Dieser Prüfungsschritt ist identisch mit der von der absoluten Theorie favorisierten Vorgangsweise. 355 Als Korrektiv folgt nun noch ein zweiter Schritt: Gefragt wird, wie lange der Prozeß im Falle eines rechtzeitigen Tatsachenvortrags gedauert hätte. Dies bedeutet im Ergebnis, daß sowohl die Voraussetzungen der absoluten Theorie als auch zusätzlich hypothetische Elemente zu untersuchen sind.
353 Auch "Restdauertheorie" genannt. Seit BGHZ 75, 138 st. Rechtsprechung; ferner: Spahn Jura 1985, 633 (634); Weth (1988) S. 216ff.; Lampenscherf MDR 1978, 365 (366); Hartmann NJW 1978, 1456 (1461); Strohs JA 1981, 457 (460); Walchshöfer ZZP 93 (1980), 184ff.; Hermisson NJW 1983,2229 (2231). 354 Auch "Gesamtdauertheorie" genannt. OLG Hamm NJW 1979, 1717; OLG HH NJW 1979, 1718; OLG Frankfurt/M. NJW 1979, 375; OLG München NJW 1979, 376; OLG Karlsruhe NJW 1980, 296; Knörringer NJW 1977, 2336 (2337); Leipold ZZP 93 (1980), 237 (249f.); Waldner ZZP 98 (1985), 451 f.; Schwarz JA 1984,458 (461); Pieper in FS-Wassermann (1985) S. 773ff. Vermittelnd Lüke JuS 1981, 503 (504). 355 Kallweit (1983) S. 48f.
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bb) Problem der Überbeschleunigung Auf den ersten Blick scheint es nicht recht einsehbar, wieso eine so komplizierte Zwei-Stufen-Prüfung notwendig sein soll, wo doch die absolute Theorie offenbar wesentlich einfacher zu handhaben ist. Die Schwierigkeiten dieser Theorie werden aber im folgenden Beispiel sichtbar: Angenommen die beweis belastete Partei benennt verspätet einen Zeugen, der auf Grund seiner geschäftlichen Verpflichtungen nur schwer erreichbar ist. Nach der absoluten Theorie würde eine Ladung des Zeugen in jedem Fall den Rechtsstreit verzögern, wenn der Prozeß ansonsten spruchreif wäre. Die relative Theorie kommt zu demselben Ergebnis nur dann, wenn der Zeuge im Laufe des bisherigen Verfahrens hätte im Prozeß aussagen können. War dem Zeugen aber bisher eine Teilnahme unmöglich - ist etwa sein Fernbleiben gern. § 381 genügend entschuldigt, so hätte der Prozeß auch bei rechtzeitigem Vorbringen nicht früher beendet werden können. In diesem Fall wirkt sich also die Verspätung nicht auf die Verfahrensdauer aus. Insofern spricht man von "der Gefahr der Überbeschleunigung" ?56 cc) Meinungsstand (1) Relative Theorie
Diese Überbeschleunigung war auch der Hauptangriffspunkt gegen die absolute Theorie. Es wurde eingewendet, daß diese Ansicht dem Sinn und Zweck der Vereinfachungsnovelle widerspräche. Danach sollte mit dieser Novelle eine Verfahrensdauer erreicht werden, die durch ein sorgfältiges, prozeßförderndes Verhalten beider Parteien gekennzeichnet sein sollte. Der Überbeschleunigungs-Effekt führe aber zu einer nicht gerechtfertigten Verkürzung des Prozesses. Die absolute Theorie schieße über das Ziel hinaus, wenn sie nicht die hypothetische Verfahrensdauer im Falle eines rechtzeitigen Vorbringens mitberücksichtige. 357 Dies zeige sich auch in den Fällen eines Ausschlusses von Angriffs- und Verteidigungsmitteln im frühen ersten Termin ganz deutlich. Nach der absoluten Theorie sei jedes nicht rechtzeitig vor diesem Termin mitgeteilte Vorbringen zurückweisbar. Denn dessen Berücksichtigung würde die Anberaumung eines Haupttermins und damit eine Verlängerung des Verfahrens notwendig machen. Es könnte dann also im frühen ersten Termin zu keinem Abschluß des Rechtsstreits mehr kommen. 358 So erstmals Deubner NJW 1977,923; Schwarz JA 1984,458 (461). Schneider NJW 1979, 2615; ders. NJW 1980, 947; Kallweit (1983) S. 53ff.; Schwarz a. a. O. 356 357
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Allerdings bleibe dabei unberücksichtigt, daß der frühe erste Tennin in der Praxis oftmals nur auf eine kurze Aufarbeitung des Prozeßstoffes angelegt sei. 359 Schließlich würden im Gerichtsalltag bis zu 50 Streitsachen auf einen Tennin gelegt. In dieser Situation, in der von vornherein aus Zeitnot jede endgültige Streitschlichtung ausscheide, sei eine Präklusion ungerechtfertigt. Eine Präklusion, die allein der Entlastung des Gerichts auf Kosten einer Partei diene, werde hingegen durch die relative Theorie vennieden. 360 Ergäbe sich nämlich durch eine Gegenüberstellung von realem und hypothetischem Verfahrensablauf, daß bei rechtzeitigem Vorbringen die Anberaumung eines Haupttennins zwingend erforderlich gewesen sei, so würde eine Zurückweisung ausscheiden. Da der frühe erste Termin in den seltensten Fällen genügend Zeit für eine umfassende Aufarbeitung biete, sei auch regelmäßig eine Präklusion ausgeschlossen. Etwas anderes könne nur bei sehr einfach strukturierten Fällen gelten. 361 Die Auslegung des Verzögerungsbegriffs im Sinne der ersteren Auffassung verstoße aber nicht nur gegen den Telos der einfach-gesetzlichen Nonn des § 296, sondern gleichzeitig auch gegen den in Art. 20 Abs. 3 GG (Rechtsstaatsprinzip) verankerten Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Danach müsse das Mittel (Präklusion) zu dem angestrebten Zweck (Prozeßbeschleunigung) geeignet, erforderlich und angemessen sein. An der Erforderlichkeit fehle es aber, da die Verkürzung der Prozeßdauer auch ohne die Gefahr der Überbeschleunigung durch die relative Theorie erreicht werden könne. Damit stelle die absolute Theorie nicht mehr das mildeste 358 Der frühe erste Termin ist ein vollwertiger Termin, der nicht nur vorbereitenden Charakter hat, sondern auch zu einem streitigen Urteil führen kann. So BGHZ 86, 31 (36). 359 Nach Waldner (ZZP 98 (1985), 45lff.) hat die Klärung des Rechtsstreits im Regelfall erst in einem Haupttermin zu erfolgen. Eine abschließende Streitschlichtung im frühen ersten Termin sei hingegen der Ausnahmefall. 360 Hermisson NJW 1983, 2229 (2231); Leipold ZZP 93 (1980), 237 (248f.); ders. ZZP 97 (1984), 395 (410), Deubner NJW 1983, 1026; ders. NJW 1985, 1140 (1142). 361 Die Anhänger der absoluten Theorie hingegen greifen auf den "Rechtsmißbrauch"-Gedanken zurück, um die offensichtlichen - oben dargelegten - Fehlergebnisse zu korrigieren. Für sie ist eine Präklusion im frühen ersten Termin rechtsmißbräuchlich, weil es an einer entsprechenden richterlichen Verfahrensvorbereitung für eine Erledigung des Rechtsstreits in diesem Prozeßstadium fehle. Dem Richter dürfe die Erledigung nicht "in den Schoß fallen". So BverfG NJW 1985, 1149; BGHZ 86, 31 (39); OLG Karlsruhe NJW 1983,403; Lange DRiZ 1980,408 (410). Einige Vertreter der absoluten Theorie behelfen sich in diesem Fall folgendermaßen: Sie unterscheiden danach, ob für die Partei erkennbar war, daß ein bloßer ,,Durchruftermin" stattfindet oder ob eine endgültige Klärung durch das Gericht bereits im frühen ersten Termin erwartet werden kann. Im ersten Fall sei eine Präklusion unzulässig, im zweiten Fall dagegen nicht.
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Mittel dar und sei daher nicht erforderlich. 362 Denn unter mehreren möglichen Auslegungen sei diejenige zu wählen, die der Verfassungsnorm (Art. 103 GG) die stärkste Wirkung verleihe. Man müsse sich gegen Beschleunigung um jeden Preis und für den Schutz durch Art. 103 GG entscheiden. 363 Im Zentrum der Kritik stand also die Gefahr der Überbeschleunigung. 364 Dagegen ergeben sich weder aus dem Wortlaut noch dem historischen Vergleich mit der alten Rechtslage (§ 279 a. P.) Argumente für die relative Theorie. 365 Ihre Berechtigung sieht die relative Theorie vornehmlich darin, daß sie dem grundsätzlich vorrangigen Gebot der materiellen Gerechtigkeit entspreche. Hätte der Gesetzgeber dieses Prinzip zugunsten einer überbeschleunigten Verfahrenskonzentration zurückstellen wollen, so wäre ein eindeutiger Hinweis im Gesetz nötig gewesen. 366 So sei aber eine restriktive Interpretation des § 296 geboten. 367 (2) Absolute Theorie
Daß der absoluten Theorie die Gefahr der Überbeschleunigung innewohnt, wurde auch von deren Vertretern nicht bestrltten. 368 Jedoch betonten sie die Praktikabilität ihrer Ansicht. Der Richter müsse sich nicht mit einem hypothetischen Verfahrensablauf auseinandersetzen, der voll von Unabwägbarkeiten sei. Wie das Verfahren im Falle eines rechtzeitigen Vorbringens 362 Fuhnnann (1988) S. 99; so i. Erg. auch Waldner ZZP 98 (1985), 451 (455); Pieper in FS-Wassennann (1985) S. 773 (777). 363 Pieper a. a. O. S. 786; Leipold ZZP 97 (1984), 395 (397). 364 Daß auch die relative Theorie zu einer Überbeschleunigung führen kann, hat Weth (S. 216f.) nachgewiesen. Dazu folgendes Beispiel: Der Prozeß dauert schon 6 Monate. Auf Grund eines neuen Beweisantrags einer Partei würde sich das Prozeßende tatsächlich um ein Jahr verschieben; bei rechtzeitigem Vortrag wäre der Prozeß bereits nach einem Jahr zu Ende gegangen. Nach Vergleich beider Prozeßabläufe kommt man zu folgendem Ergebnis: Da die voraussichtliche Dauer länger ist als die hypothetische ist der Beweisantrag abzulehnen. Das Urteil kann nun sofort nach 6 Monaten gefällt werden. Bei rechtzeitigem Vortrag wäre dies frühestens nach einem Jahr möglich gewesen. 365 OLG HH NJW 1977, 1718; Fuhnnann (1988) S. 80; Pieper a.a.O. S. 775. 366 OLG Hamm NJW 1977, 1717. 367 Pieper a. a. O. Dieses Ergebnis wird auch aus den Materialien zur Gesetzesgeschichte hergeleitet. Dort heißt es (BT-DS 7/2729 S. 38f.) u.a.: "Das Ziel einer materiell gerechten Entscheidungsfindung ist nicht stärker als im Interesse der Verfahrenskonzentration notwendig einzuschränken." Diese Vorgabe des Gesetzgebers wird nach Ansicht der Vertreter der relativen Theorie nur mit dem hypothetischen Verzögerungsbegriff erreicht (Schneider NJW 1980,947). 368 BGHZ 76, 133 (136): "Daß die Zurückweisung wegen der Überbeschleunigung u. U. zu einem materiell nicht befriedigenden Prozeßergebnis führt, hat der Gesetzgeber hingenommen". Walchshöfer ZZP 93 (1980), 184 (186).
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verlaufen wäre, sei praktisch nicht feststellbar. Zu viele Faktoren seien darauf von Einfluß , als daß man zu einem einigermaßen sicheren Ergebnis kommen könne. 369 Das Gebot der Rechtsklarheit verlange aber, daß die Voraussetzungen der Präklusion für die Partei klar erkennbar seien, und nicht mit Unsicherheiten behaftet. Die Beurteilung des Gerichts könne damit willkürlich ausfallen. Dazu käme, daß eine derartige Prüfung des Gerichts viel Zeit in Anspruch nähme. Sie erfordere u. a. eine Rückfrage bei der gegnerischen Partei, wie diese sich bei rechtzeitigem Vortrag verhalten hätte. Die Vorteile der Präklusion würden so durch die Mehrarbeit des Gerichts wieder aufgezehrt werden. Angezweifelt wurde somit vor allem die praktische Umsetzbarkeit der relativen Theorie. Der BGH370 beruft sich trotz der Neuregelung der Zurückweisungsvorschriften weiter auf seine Rechtsprechung zur alten Rechtslage. Darin ist das oberste Gericht von einem absoluten Verzögerungsbegriff ausgegangen, an dem sich durch die Verschärfung nichts geändert habe. (3) Entscheidung des BverfG
In seiner Entscheidung vom 5.5.1987 371 hatte sich das BverfG erneut mit dem Begriff der Verzögerung zu befassen. Zunächst betonte das BverfG, daß es für ein Abrücken von der absoluten Theorie keinen Grund gäbe. Diese stehe mit der Verfassung in Einklang, auch wenn es dabei zu einer schnelleren Beendigung des Prozesses als bei korrektem Alternativverhalten komme. Entgegen dieser in ständiger Rechtsprechung wiederholten Rechtsansicht schränkt das BverfG diesen Grundsatz aber nunmehr ein. Die Überbeschleunigung sei dann verfassungsrechtlich untragbar, wenn sich "ohne weitere Erwägungen aufdrängt, daß dieselbe Verzögerung auch bei rechtzeitigem Vortrag eingetreten wäre." Damit werden vom BverfG erstmals auch hypothetische Umstände angesprochen. Ist ohne jeden Aufwand für das Gericht erkennbar, daß die Zurückweisung von Angriffs- und Verteidigungsmitteln eine Überbeschleunigung bewirken würde, so sei eine Präklusion rechtsmißbräuchlich und verstieße gegen den Grundsatz der Verhältnis-
369 BGHZ 86, 31 = NJW 1983, 577; zustimmend Walchshöfer a.a.O. S. 185; Spahn Jura 1985,633 (634). 370 BGH NJW 1979, 1988; 1980, 946: Auch wenn die Präklusion früher im Ermessen des Gerichts getanden habe und nunmehr im Falle des § 296 Abs. 1 zwingend sei, gebiete dies keine andere Auslegung des Begriffs. Der Gesetzgeber habe durch die Möglichkeit der Präklusion bewußt in Kauf genommen, daß die materielle Gerechtigkeit im Interesse der Prozeßbeschleunigung zurückgedrängt werde. (BGH a.a.O.); so auch Strohs JA 1981, 457 (460); a.A. Leipold ZZP 93 (1980), 237 (250). 371 BverfGE 75, 302 = NJW 1987,2733 = JZ 1988,90.
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mäßigkeit. 372 Denn in diesem Fall würde die materielle Gerechtigkeit zu stark benachteiligt. Das BverfG wehrte sich allerdings dagegen, darin die Übernahme des hypothetischen Verzögerungsbegriffs zu sehen. Vielmehr folge diese Einschränkung aus Art. 103 GG. Der Richter dürfe nicht Verfahrensverkürzung um ihrer selbst willen betreiben. 373 dd) Eigene Bewertung Im Ergebnis ist das Urteil des BverfG begrüßenswert. Es stellt ein RegelAusnahme-Verhältnis her, um im Einzelfall grobe Unbilligkeiten vermeiden zu können. Daß dies nur über einen Vergleich mit dem hypothetischen Verfahrensverlauf gelingt, mußte auch das BverfG zugeben. Dem BverfG ist Recht zu geben, wenn es die Anwendung des § 296 in offenkundigen Fällen von Überbeschleunigung als verfehlt ansieht. 374 Auf der anderen Seite will das BverfG aber nicht soweit gehen, dem Gericht generell eine Prüfung hypothetischer Elemente aufzuerlegen. Der Unterschied zur relativen Theorie liegt also im Prüfungsumfang. Würde man nämlich der relativen Theorie konsequent folgen, müßte der mit vielen Unsicherheiten behaftete Vergleich in jedem Einzelfall durchgeführt werden. Welcher Richter kann aber schon im nachhinein sicher sagen, wie sich die Gegenpartei verhalten hätte bei Zulassung des verspäteten Vorbringens? Möglicherweise hätte sie das Vorbringen gar nicht bestritten; vielleicht jedoch neue Tatsachen entgegengehalten oder neue Beweismittelanträge gestellt. Eine zweifelsfreie Beurteilung dieses Ablaufs wäre ex post wohl kaum möglich. Daher sollte man nur bei eindeutigen Indizien für eine Überbeschleunigung eine solche Prüfung verlangen. Diese äußeren Umstände müssen so stichhaltig sein, daß es keiner detaillierten Untersuchung mit Beweisaufnahmen mehr bedarf. Nur wenn der Richter "sehenden Auges" die Überbeschleunigung billigt, handelt er rechtsmißbräuchlich. Damit lassen sich gerechte Ergebnisse erzielen. 372 Vgl. zum Grundsatz der Verhältnismäßigkeit Deubner NJW 1983, 1026 (1029). 373 Die Fachgerichte haben inzwischen diese Ansicht des BverfG übernommen: OLG Hamm NJW 1989, 895; OLGZ München 1989,479 = NJW 1990, 1371; OLG Frankfurt/M. NJW 1989,722 (723); OLG Frankfurt/M. NJW-RR 1993,62; Rosenberg/Schwab/Gottwald § 69 11; Jauernig § 28 III. 374 Daß diese Einschränkung der absoluten Theorie sowohl im Verfahren mit einem frühen ersten Termin als auch bei schriftlichen Vorverfahren zu gelten hat, übersieht das OLG München (OLGZ München 1989, 479 = NJW 1990, 1371 m.Anm. Deubner; ebenso Thomas/Putzo § 296/14). Deubner weist überzeugend nach, daß eine rechtsmißbräuchliche Anwendung der Präklusionsvorschriften gleichermaßen in beiden Verfahrensarten möglich ist. Die Verfassungswidrigkeit hängt nicht von dem vom Richter frei zu bestimmenden Gang des Verfahrens ab. Aus dem Urteil des BverfG läßt sich nicht ableiten, daß nur im frühen ersten Termin die absolute Theorie zu korrigieren sei.
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I. Prozeßförderung in erster Instanz
Unklar ist, wieso das BverfG dem Grundsatz nach starr am absoluten Verzögerungsbegriff festhält. Trotz der Einschränkungen, die es vornimmt, vermeiden es die Verfassungsrichter, von der absoluten Theorie terminologisch abzuweichen. Überzeugender wäre es gewesen, das BverfG selbst hätte in seinem Urteil von einer Art "gemischten Theorie" gesprochen, die Elemente der beiden dargestellten Positionen enthält. Die neue Rechtsprechung kann nunmehr zu Recht als eigener "Mittelweg" bezeichnet werden. 375 Es ist auch aus verfassungsrechtlicher Sicht zu begrüßen, daß von der absoluten Theorie Abstand genommen worden ist. Gerade der Vorwurf,376 daß eine Präklusion ohne Rücksicht auf hypothetische Elemente gegen den aus Art. 20 Abs. 3 GG abzuleitenden Grundsatz der Verhältnismäßigkeit verstößt, hatte einiges für sich. Das BverfG stellt allerdings auf Art. 103 GG als einschlägige Norm ab, die eine rechtsmißbräuchliche Anwendung der Präklusionsregeln verbietet. Ob aus Art. 103 GG selbst eine Entscheidung zugunsten des absoluten oder relativen Verzögerungsbegriffs folgt, erscheint jedoch äußerst fraglich. Der Rechtsmißbrauchsgedanke, den das BverfG anführt, ist wohl eher im Rahmen des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes zu prüfen. Denn wenn die Präklusion erkennbar nicht der Beschleunigung des Prozesses dient, so ist sie auch nicht erforderlich. Nicht zuletzt der BGH hat immer wieder betont, daß es von Verfassungs wegen geboten sei, die Präklusionsnormen restriktiv zu handhaben, da sie Ausnahmecharakter hätten. Das muß aber auch für die einzelnen Tatbestandsmerkmale gelten. Das gegnerische und das öffentliche Interesse an einer Prozeßbeschleunigung sollte daher dort zurücktreten, wo es in offensichtlicher Weise die materielle Gerechtigkeit beeinträchtigen könnte. Ansonsten steht das Mittel zu dem verfolgten Zweck (kürzere Verfahrensdauer) außer Verhältnis. b) Rechtslage nach der öZPO
Auf Grund der geringen Anzahl von gerichtlichen Entscheidungen, die die Präklusionsnormen betreffen, sind Aussagen darüber, wie der Begriff 375 Leipold JZ 1988, 93 (95); Greger in Zöller § 296/22; Borgmann AnwBL 1986, 284 (286). Nicht überzeugend in diesem Zusammenhang ist Prüttings Ansicht (in MüKo § 296179), der in dem Urteil des BverfG keine Veränderung der bisherigen Rechtsprechung sieht. Dieses betreffe vielmehr nur die eigens zu prüfende Kausalität, nicht aber den Begriff der Verzögerung selbst. Diese Ansicht ist jedoch zu eng. Schließlich hat das BverfG diese kausalen Umstände, die die relative Theorie schon immer im Rahmen der Verzögerung geprüft hat, gerade in bezug auf dieses Tatbestandsmerkmal untersucht. Dadurch ist sie der relativen Theorie sehr nahe gerückt. Die abweichende Ansicht Prüttings entspricht wohl eher dem Wunsch, die alte Terminologie nicht aufheben zu müssen. 376 Schilken RZ 389; Rosenberg/Schwab/Gottwald § 69 11; wohl auch Zeuner NJW 1992, 2876.
10. Verzögerung
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der "erheblichen Verzögerung" in Österreich auszulegen ist, schwierig. Dieser Begriff findet sich lediglich bei § 179 Abs. 1 S. 2, nicht hingegen bei den beiden Ausschlußtatbeständen gern. §§ 275 Abs. 2, 278 Abs. 2. aa) Rechtsprechung und Literatur Der OGH 377 bejahte eine "erhebliche Verzögerung" in einem Fall, in dem eine beklagte Versicherungsgesellschaft neun Monate nach Verhandlungsbeginn erstmals eine Leistungsbefreiung auf Grund von § 61 Vers VG behauptete. Durch diesen Nachtrag wäre im Falle seiner Zulassung ein zeitintensives Obmannsgutachten hinfällig geworden, das kurz vor seinem Abschluß stand. In diesem Falle sei, so der OGH, von einer "erheblichen Verzögerung" auszugehen. Daß der Antrag der Versicherungsgesellschaft möglicherweise nur eventualiter gestellt worden sei, ändere an dem Ergebnis nichts. Das Verteidigungsvorbringen habe geschlossen vorgetragen werden müssen. Insgesamt neigt der OGH eher zum hypothetischen Verzögerungsbegriff, ohne daß dies allerdings einmal in einer Entscheidung ausdrücklich angesprochen worden wäre. Auch die Ausführungen Pimmers 378 helfen nur wenig bei einer Konkretisierung. Daß das Gericht im Rahmen seines Geschäftsganges dazu angehalten ist, anwesende Zeugen zu vernehmen, um einer Verzögerung entgegenzutreten, ist eine Frage der Kausalität und nicht der Verzögerung. Im nächsten Kapitel wird zu zeigen sein, daß das Gericht derartige Ausgleichsrnaßnahmen treffen muß. Das objektive Vorliegen einer Verzögerung als solches bleibt davon jedoch unberührt. Sicherlich müssen die Verzögerungen von gewissem Gewicht sein, damit sie "erheblich" sind. Während die dZPO bereits einen kurzfristigen Zeitaufschub als Verzögerung ansieht, setzt § 179 Abs. 1 S. 2 also mehr voraus. Sicherlich muß man die Erstreckung einer Tagsatzung gern. § 134 als wesentliche Verzögerung betrachten. Ob allerdings bereits jede Mehrarbeit innerhalb der Tagsatzung ausreicht, die zu Verschiebungen anderer Verhandlungen führt, ist sehr fraglich. bb) Reform des Verzögerungsbegriffs Da der Begriff der "Erheblichkeit" der Verzögerung so unpraZlse ist, hätte der Gesetzgeber gut daran getan, ihn im Zuge der Zivilverfahrensnovelle 1983 zu streichen. Vorschläge dahingehend gab es, sie gingen allerdings später wieder unter?79 Sollte es zu einer Reform der Präklusionsre377 378 379
OGH SZ 51/32; vgl. auch LGZ Wien MietSlg 41.553. Pimmer JBI 1983, 129 (131). Sprung UZ 1983,31 (38f.).
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I. Prozeßförderung in erster Instanz
geln im Sinne einer allgemeinen Verschärfung der Tatbestandsvoraussetzungen kommen, so wird sich auch in Österreich die in Deutschland eingehend diskutierte Differenzierung zwischen dem absoluten und hypothetischen Verzögerungsbegriff stellen. Wünschenswert wäre dann eine deutliche gesetzliche Regelung, die diesen Begriff nach dem oben ausgearbeiteten interessengerechten Lösungsmodell definiert. § 179 Abs. 1 S. 2 könnte dann etwa wie folgt lauten, wobei auf die allgemeine Prozeßförderungspflicht des reformierten Abs. 1 S. 1 Bezug genommen wird. 38o "Dieses Vorbringen ist vom Gericht zurückzuweisen, wenn es entgegen Satz 1 grob fahrlässig nicht rechtzeitig in den Prozeß eingeführt wurde und seine Zulassung die Erledigung des Rechtsstreits verzögern würde; es sei denn, daß sich dem Gericht Umstände aufdrängen. die darauf hindeuten. daß auch bei einem rechtzeitigen Vorbringen das Verfahren nicht hätte früher beendet werden können."
11. Kausalität a) Kausalität als Tatbestandsmerkmal
Ausgehend von dem hier vertretenen Verzögerungsbegriff soll nunmehr untersucht werden, inwieweit eine Kausalität zwischen Verspätung und Verzögerung bestehen muß, damit es zu einer Präklusion kommen kann. Das Gesetz macht hierzu keine eindeutigen Angaben. Zur Klärung dieser Frage wird zunächst nochmals auf die Entscheidung des BverfG vom 5.5.1987 381 verwiesen. Darin führt das BverfG aus: "Die Präklusionsvorschriften sind unanwendbar, wenn ohne jeden Aufwand erkennbar ist, daß die Pflichtwidrigkeit - also die Verspätung allein - nicht kausal für die Verzögerung ist." In ähnlicher Weise argumentiert auch der BGH382 : "Führt nicht ausschließlich die Verspätung, sondern daneben mitwirkend eine unzulängliche Verfahrensleitung oder eine Verletzung der gerichtlichen Fürsorgepflicht zur Annahme einer Verzögerung, stellt die Präklusion einen Verstoß gegen Art. 103 GG dar." Diese Erklärungen geben Aufschluß darüber, in welchen Fällen die Rechtsprechung eine Präklusion verneint. Ist die Verletzung der Prozeßförderungspflicht von Seiten der Parteien nicht oder nur partiell kausal für die Verzögerung, so ist eine Präklusion unstatthaft. Das Zurechenbarkeitskriterium dient dazu. die Präklusion auf solche Fälle zu beschränken, bei denen die Verzögerung des Verfahrens allein in dem vorwerfbaren Verhalten einer Partei ihre Ursache hat. Art. 6 EMRK bzw. 103 GG gestattet die Präklusion nur, wenn eine Partei von einer bestehenden Mitteilungsmöglichkeit aus 380
381 382
Vgl. hierzu Kapitel I. 9. b) cc). BverfGE 75.302 =NJW 1987.2733 BGH NJW 1989.706.
=JZ 1988.90.
11. Kausalität
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von ihr zu vertretenen Gründen keinen Gebrauch gemacht hat. 383 Ansonsten ist die harte Sanktion der Präklusion nicht gerechtfertigt. 384 Hat das Gericht beispielsweise eine zu kurze Klagebeantwortungsfrist gesetzt, so beruht die Verzögerung nicht allein auf einem Parteifehler, und das Abschneiden des rechtlichen Gehörs stellt einen Verstoß gegen Art. 6 EMRK bzw. 103 GG dar. Soweit es den Gericht zumutbar ist, hat es auch bereits eingetretene Verletzungen der Prozeßförderungspflicht nachträglich auszugleichen. Daß die Partei die Kausalkette möglicherweise in Gang gesetzt hat, steht dem nicht entgegen. Auch dies folgt aus Art. 6 EMRK bzw. 103 GG, dessen Schutzgehalt im Verfahren zu jeder Zeit berücksichtigt werden muß. 385 Nur wenn die Präklusion auf Verhinderung einer allein auf das schuldhafte Verhalten einer Partei - zurückzuführenden Verzögerung ausgerichtet ist, wird sie durch Art. 6 EMRK bzw. 103 GG gedeckt. Die Partei darf nicht einseitig mit Prozeßnachteilen belastet werden, wenn auch das Gericht die Verzögerung (mit)verursacht hat. Das Ziel effektiven Rechtsschutzes durch kurze Prozeßdauer würde in unzulässiger Weise auf Kosten einer Partei erreicht. Außer den verfassungsrechtlichen Gründen, die die Notwendigkeit eines Kausalzusammenhangs statuieren, läßt sich auch der Wortlaut des § 179 Abs. 1 öZPO für die Existenz dieses Kriteriums heranziehen. In § 179 Abs. 1 öZPO heißt es: "Angaben und Beweise können als unstatthaft erklärt werden, wenn deren Zulassung die Erledigung des Rechtsstreits erheblich verzögern würde." Ähnlich drückt sich auch § 296 Abs. 1, 2 dZPO aus. Daraus kann gefolgert werden, daß eine Präklusion nicht erlaubt sein soll, wenn es auch ohne die Zulassung des verspäteten Vorbringens zu einer Verzögerung käme. Das Gesetz geht somit davon aus, daß die Verspätung des Parteivorbringens monokausal für die Verzögerung sein muß. Fehlt es an dieser Kausalität, kommt eine Präklusion nicht in Frage. 386 383 BverfGE 69, 145 (149); BverfG NJW 1990, 2373 (2374); BverfG NJW 1998, 2044 beruft sich zur Begründung des Präklusionsverbots auf den Grundsatz fairer Verfahrensführung, der aus Art. 2 Abs. 1 GG i. V. m. dem Rechtsstaatsprinzip abgeleitet wird. Dieses "allgemeine Prozeßgrundrecht" verpflichtet das Gericht - so das BverfG - zur Rücksichtnahme gegenüber den Verfahrensbeteiligten in ihrer konkreten Situation. Im entschiedenen Fall begründete das Abhandenkommen des Einspruchsschreibens aus den Gerichtsakten nach Ansicht des BverfG eine gesteigerte Prozeßförderungs- und Fürsorgepflicht. 384 BverfG NJW 1987, 2003; 1992, 680; NJW-RR 1995, 1417; NJW 1998, 2044; BayVerfGH NJW-RR 1992,895. 385 Bevor es also zu einer Präklusion kommt, ist von Amts wegen immer zu prüfen, ob die Grundsätze rechtsstaatlicher Verfahrensgestaltung eingehalten worden sind. So auch BverfG NJW 1990,2373 (2374); NJW 1992,678 (679). 386 So OLG Saarbrücken NJW-RR 1994,573; OLG Hamm NJW-RR 1994, 958. Der rechtsdogmatische Grund, wieso ein prozessual offenkundig unzulässiges Verhalten des Gerichts die Zurückweisung unwirksam macht, wurde früher unterschied9 von Stosc:h
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1. Prozeßförderung in erster Instanz
b) Richterliches Fehlverhalten als Kausalitätshindemis
Es sollen nunmehr Beispiele für ein Fehlverhalten des Gerichts gegeben werden, die eine Präklusion ausschließen. Von Interesse sind dabei Fehler des Gerichts im Bereich der Verfahrens durchführung sowie der Aufklärung und Anleitung der Parteien (sog. formelle und materielle Prozeßleitungspflicht).387 In diesem Zusammenhang sollen zunächst die materiellen Prozeßleitungspflichten ihrer Bedeutung und Umfang nach näher dargestellt werden. Sie sind für die Prozeßökonomie ebenso wichtig wie die Präklusionsnormen. 388 Die Aufklärung und Anleitung der Parteien trägt ebenso wie die Maßnahmen der formellen Prozeßleitung dazu bei, die Beschleunigung des Verfahrens zu forcieren. Damit werden dem Richter - neben den Möglichkeiten der Fristsetzung - weitere Pflichten zur Abwehr der Prozeßverschleppung zur Verfügung gestellt. Auf Grund ihrer besonderen Bedeutung für die Prozeßförderung soll diesen materiellen Pflichten im Rahmen eines Exkurses ein eigenes Kapitel gewidmet werden. Aus systematischen Gründen erscheint es sinnvoll, diese Ausführungen dem Kapitel über die Kausalität als Präklusionshindemis voranzustellen. Denn erst, wenn der Inhalt und Umfang der richterlichen Pflichten geklärt ist, können Verstöße aufgezeigt werden, die die Zulässigkeit einer Präklusion entfallen lassen. Dabei wird keine kapitelmäßige Trennung zwischen dem österreichischen und deutschen Recht vorgenommen. Denn beide Rechtsordnungen sind hinsichtlich Inhalt und Umfang richterlicher Aufklärung und Anleitung weitgehend deckungsgleich. aa) Materielle Prozeßleitungspflichten (1) Bedeutung
Die materiellen Prozeßleitungspflichten, die bereits in der öZPO von
1895 enthalten waren, sind das Zentralstück eines sozialen Zivilprozesses.
Sie tragen wesentlich zu einem konzentrierten Verfahren bei, dessen Ziel lich beurteilt. Teilweise wurde auf ein mangelndes Verschulden der Partei abgestellt (so Bischof RZ 169; Bendcr/Belz/Wax (1977) RZ 78; Schneider MDR 1984, 726). Deubner (NJW 1980, 295) wiederum behalf sich mit der Konstruktion eines "prozessualen Benachteiligungsverbotes". VgI. auch Kallweit (1983) S. 73ff.; Leipold in Stein/Jonas § 296170; Mackh (1993) S. 28f.; Pieper FS-Wassermann (1985) S. 773 (780). 387 VgI. zu beiden Begriffen Fasching 11 86lf. 388 Fucik ÖRZ 1993,218 (221).
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eine materiell gerechte Entscheidung ist. 389 Damit wird sichergestellt, daß eine Prozeßbeschleunigung nicht einseitig auf dem Rücken der Parteien vollzogen wird, sondern auch die· Richter dazu beitragen müssen. Denn die Beschleunigung unter gleichzeitiger Sicherstellung einer größt möglichen materiellen Gerechtigkeit läßt sich nur durch ein Ineinandergreifen von Pflichten des Richters und der Parteien erreichen, die von bei den Seiten befolgt werden. Andernfalls würden die durch Präklusion gewonnenen Zeitvorteile infolge richterlicher Verschleppungen wieder verlorengehen. Daher müssen alle am Prozeß Beteiligten zu einer konsequenten Verfahrensdurchführung angehalten werden. Die Suche nach einer materiell gerechten Entscheidung auf der Grundlage eines wahren Sachverhalts und innerhalb einer kurzen Verfahrensdauer muß von allen Beteiligten forciert werden. Ergänzt werden die Prozeßleitungspflichten des Gerichts durch die Wahrheits- und Vollständigkeitspflicht der Parteien (§ 178 öZPO bzw. § 138 Abs. 1 dZPO). Nur alle diese Pflichten zusammen vermögen eine materiell gerechtes Urteil zu garantieren. 39o Die Pflichten basieren auf dem auf Kooperation gestützten Gesamtsystem der öZPO, das auch in die dZPO im Zuge mehrerer Novellen integriert worden iSt. 391 Beide Prozeßordnungen gehen nunmehr von der Notwendigkeit einer "Arbeitsgemeinschaft" zwischen den Parteien und dem Gericht aus. 392 Andererseits erfüllen diese richterlichen Pflichten auch eine soziale Funktion. 393 Denn durch diese Pflichten wird das Prinzip der Chancen- und Waffengleichheit vor Gericht verwirklicht. Unabhängig von der Stellung der Parteien, ihrer Erfahrenheit, ihren Rechtskenntnissen oder ihrer wirtschaftlichen Stärke hat der Richter sowohl dem Kläger als auch dem Fasching a. a. O. Fasching Landesreferate (1974) S. 75 (77f.) erklärt dies so: "Das Hinwirken des Richters auf vollständige Erklärungen der Parteien über die entscheidungserheblichen Tatsachen hat nur dann Aussichten auf Erfolg, wenn die Parteien zur wahrheitsgemäßen Antwort verpflichtet sind." Rechberger (in 100 Jahre ZPO (1998) S. 53 (57» weist darauf hin, daß die Ideen Kleins zur gegenseitigen Unterstützung der Prozeßparteien nur unvollständig in der öZPO umgesetzt worden seien. Fucik in 100 Jahre ZPO (1998) S. 191 (196ff.). 391 Die richterliche Hinweispflicht gern § 139 dZPO ist im Rahmen der Novelle vom 13.2.1924 in der dZPO festgeschrieben worden; die Pflicht des Gerichts mit den Parteien das Sach- und Streitverhältnis auch in rechtlicher Hinsicht zu erörtern, ist mit der Vereinfachungsnovelle 1976 in die dZPO eingeführt worden durch § 278 AbS.3. 392 So bereits Klein Pro Futuro (1891) S. 23; Klein/Engel (1927) S. 185; Holzhammer S. 127f.; Oberhammer in Kralik/Rechberger (1993) S. 31 (50); Schima JBI 1967, 545 (546f.); Bajons RZ 130; Fucik a.a.O. Zur dZPO: Bettermann ZZP 91 (1978), 365 (391); Schmidt in AK-ZPO § 139/2; Wassermann (1978) S. 109. 393 Böhm in Bydlinski/Krejci (1983) S. 210 (238f.); Fasching Landesreferate (1974) S. 75ff.; Bajons RZ 7f. 389
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Beklagten dieselben Ausgangschancen für den erfolgreichen Abschluß des Verfahrens einzuräumen. Nur wenn der Prozeß frei von externen Einflüssen durchgeführt wird, ist er sozial ausgeglichen. Auf die Wurzeln und rechtsdogmatischen Hintergründe der Prozeßleitungspflichten wird im Kapitel über das Neuerungsverbot im zweiten Teil dieser Arbeit noch näher einzugehen sein. 394 An dieser Stelle sollen dagegen der Umfang und die Grenzen dieser richterlichen Pflichten näher bestimmt werden. (2) Inhalt und Umfang
Die materiellen Prozeßleitungspflichten zielen auf Sammlung, Gliederung und Aufarbeitung des Prozeßstoffes ab. § 182 öZPO, der dem § 139 dZPO im wesentlichen entspricht, gebietet, mittels eines Diskurses zwischen dem Gericht und den Parteien, den Sachverhalt in umfassender Weise zu rekonstruieren und dessen rechtliche Aspekte herauszuarbeiten. 395 Dabei handelt es sich um eine "Muß"-Vorschrift; die Hilfestellung steht also nicht im Ermessen des Gerichts. 396 Das Gericht hat die Partei bei der Verbesserung formeller und etwaiger inhaltlicher Fehler ihrer Schriftsätze zu unterstützen. Einzige Voraussetzung ist, daß die Zielrichtung des Vorbringens . schon hinreichend erkennbar geworden ist, und die Hilfestellung nicht auf eine qualitative oder quantitative Änderung des Schriftsatzes hinauslaufen würde. 397 Schließlich hat sich die richterliche Anleitungspflicht im Rahmen des behaupteten Anspruchs zu bewegen und darf nicht zu einer Veränderung des Streitgegenstandes führen. Sind einzelne Tatsachen bereits angedeutet oder lediglich unklar, bedarf es eines Hinweises auf ergänzende Substantiierung. 398 Auf fehlerVgl. hierzu Kapitel 11. 3. a). ZU § 139 dZPO: Rimmelspacher FS-Henckel (1995) S. 691 (696). 396 Fasching II 871; ders. (Landesreferate) S. 75 (83f.); LGZ Wien EvBL 53/ 119. Zu §§ 139, 278 Abs. 3 dZPO: BverfG NJW 1983, 1308; Pieckenbrock NJW 1999, 1360 (1361). 397 Böhrn a.a.O. S. 240; Fasching a.a.O. S. 81; Schragl ÖRZ 1978,21 (23): "Es wird daher mit Recht die Auffassung vertreten, daß das Gericht ein Begehren erst dann wegen Unschlüssigkeit zurückweisen kann, wenn auch noch nach Erfüllung der Prozeßleitungspflicht der Vortrag rechtserzeugender Tatsachen nicht ausreicht." Zu § 139 dZPO: Bischof RZ 73ff./8lff. 398 OGH EvBI 1998/59 = SZ 70/199; BGH NJW 1996, 961; OLG München NJW-RR 1997, 944; OLG München NJW-RR 1997, 1425; OLG Düsseldorf NJW 1993, 2543: "Eine Hinweispflicht aus § 139 kann allenfalls dann entfallen, wenn es sich um nicht nur ergänzungsbedürftiges, sondern substanzloses Vorbringen handelt." Oelkers (1994) S. 3.; Fischer DRiZ 1995, 264 (265); Rimmelspacher ZRP 1999, 177 ff. 394
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hafte bzw. offensichtlich übersehene Beweisanträge ist ebenfalls aufmerksam zu machen. Diese Hinweise sind konkret zu fassen, dagegen sind allgemeine und pauschale Hinweise nicht ausreichend. 399 Im Gegensatz zu den oben erwähnten Fallgruppen dürfte eine Anregung zu einem neuen Beweisantritt nach gescheitertem Beweis oder erfolgreichem Gegenbeweis über das gesetzlich vorgesehene Maß an richterlicher Fürsorgepflicht in der Regel hinausgehen. 4OO Fehlt jede Andeutung auf eine Einredetatsache, so ist ein Hinweis darauf gegenüber dem Beklagten ebenfalls nicht mehr durch § 182 öZPO bzw. § 139 dZPO gedeckt. Unsicher ist auch, ob die Wahrheitserforschungspflicht des Richters soweit reicht, daß sie auch "überschießende Beweiserhebungen" zuläßt. Seine äußerste Grenze sollte die Wahrheitserforschung dort haben, wo diese nicht mehr durch das Vorbringen der Parteien veranlaßt wird. Es sollte zumindest noch ein äußerer Zusammenhang zwischen dem Tatsachenvorbringen bzw. Beweismittelangebot der Parteien und dem gerichtlichen (Folge-)Beweis bestehen. Nicht ausgeschlossen sind hingegen Hinweise auf mangelhaftes Vorbringen, das dann u. U. einen eigenen Vortrag der Partei bewirkt. Daraufhin sind dann Beweiserhebungen zulässig. Hat aber die durch neue gerichtliche Beweismittel begünstigte Partei offenbar kein Interesse an einem weiteren Vorbringen, so sollte ihr dieses durch das Gericht nicht aufgedrängt werden. 401 399 BGH NJW 1999, 418 (422); NJW 1999, 1264. Die Hinweise der gegnerischen Partei können dagegen nicht die richterlichen Hinweise ersetzen. So auch Pieckenbrock NJW 1999, 1360 (1361). 400 Bedenken gegen diese richterlichen Pflichten wegen Verstoßes gegen die Verhandlungsmaxime (= auch Beibringungsgrundsatz genannt) greifen nicht durch. Es würde ein zu starres Festhalten an allgemeinen Grundsätzen bedeuten, würde man die oben angesprochenen Vorteile einer richterlichen Mitverantwortung am Verfahrensverlauf nicht anerkennen (keit. bezüglich der Allgemeingültigkeit von Prozeßmaximen Wassermann (1978) S. 102ff.). Schließlich kommen diese der redlichen Partei mittelbar auch zugute. Der Prozeß ist schnell abgeschlossen, und es besteht eine hohe Wahrscheinlichkeit eines materiell richtigen Urteils. Die Unterstellung, der Richter könne kraft § 182 eine Partei zu einer bestimmten Prozeßführung anleiten, ist falsch. Vielmehr sind dem Richter Grenzen gezogen. Abgesehen von den Befangenheitsregeln auch durch § 182 selbst, der dem Richter nur ein anregendes Element an die Hand gibt (im Detail ist allerdings vieles umstritten: vgl. dazu Stürner (1982) RZ 23ff.). Das Gericht ist auf "Interpretation" des Parteivortrags beschränkt; unzulässig ist die "Anleitung zu neuen Aktivitäten". So auch Fasching a.a.O. S. 81; Henckel (1970) S. 127ff.; Trepte (1994) S. I42ff.; Bettermann ZZP 91 (1978), 365 (391): "Die Mitwirkung des Gerichts besteht darin, daß es die Verhandlung über den Prozeßstoff, dessen Beibringung und Beweis provoziert und initiiert, dirigiert und konzentriert, notfalls korrigiert." Zu den Ausnahmen von der richterlichen Aufklärungs- und Hinweispflicht vgl. Fischer DRiZ 1995, 264ff. 401 OGH SZ 41/87; EvBL 1971/179; LGZ Wien EFSlg. 55.020; a.A. Fasching III 231; ders. LB RZ 661; Holzhammer S. 128.
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Neben der oben beschriebenen allgemeinen Hinweispflicht ist in die dZPO durch die Vereinfachungsnovelle von 1976 § 278 Abs. 3 dZPO aufgenommen worden. Diese Norm kann als Ergänzung verstanden werden. Während § 139 dZPO Hinweise zu Tatsachen erfaßt, betrifft § 278 Abs. 3 die Aufklärungspflicht bezüglich rechtlicher Gesichtspunkte. Diese Norm soll die Parteien vor überraschenden Entscheidungen schützen. Danach sind den Parteien die rechtlichen Gesichtspunkte, die das Gericht der Entscheidung zugrundelegen will, frühzeitig mitzuteilen. Denn die Parteien sind immer dann schutzwürdig, wenn der Richter von dem abweichen will, was nach Ansicht der Parteien entscheidungsrelevant ist. Dies gilt sowohl in tatsächlicher als auch rechtlicher Hinsicht. 402 Dagegen ist in der österreichischen Literatur umstritten, ob und inwieweit eine solche richterliche Hinweispflicht besteht.403 Daß die genannten Pflichten sowohl im Anwalts- als auch im Parteienprozeß gelten, steht außer Zweifel. Dafür spricht die systematische Stellung des §§ 182f. öZPO bzw. § 139 dZPO bei den allgemeinen Verfahrensvorschriften. Weiteres Indiz innerhalb der öZPO ist ein Vergleich mit § 432 öZPO. Während nämlich für das Verfahren vor dem Bezirksgericht zwischen vertretenen und unvertretenen Parteien unterschieden wird, fehlt es bei §§ 182f. an einer solchen Differenzierung. Lediglich was den Umfang und Intensität der Pflichten anbelangt, sind Abstriche zu machen. Auch ein Rechtsanwalt kann bei der Prozeßführung bestimmte Gesichtspunkte übersehen. In dieser Situation darf der Richter den Dingen nicht freien Lauf lassen. Er hat vielmehr zu überprüfen, ob diese Fehler auf einem offensichtlichen Irrtum des Rechtsanwalts beruhen. Entscheidend ist, inwiefern - aus der Sicht des Richters - den rechtskundig vertretenen Parteien ein sachgemäßes Verhalten zumutbar war. 404
402 Vgl. BverfG NJW 1996, 3202; OLG Düsseldorf NJW 1996, 1021; OLG Hamm MDR 1993, 270; Rimmelspacher ZRP 1999, 177ff.; Bischof MDR 1993, 615. 403 Ob sich aus der öZPO auch eine solche Pflicht zum Rechtsgespräch ergibt, ohne daß diese ausdrücklich geregelt wäre, ist umstritten. Der OGH (EvBI 1998/59 = SZ 701199) betont, daß eine solche Pflicht nur in bestimmten Grenzen existiert. Vgl. auch OGH SZ 50/35; MietSIG 34.718; OLG Wien EFSlg. 69.845; Schragel ÖRZ 1978 21 (23); Hagen JBI 1970, 120 (125); vgl. auch Sprung/König JBI 1976, 1ff.; Fucik in Rechberger § 182/4; Fasching LB RZ 647/701. 404 OGH MietSlg. 34.719; 45.650; 45.651; EFSlg. 72.952; Böhm a.a.O. S. 240f.; Oberhammer a.a.O. S. 58f.; Schragl ÖRZ 1978,21 (23); Novak JBI 1964, 57 (67); Fasching II 870; Fucik in Rechberger § 18211; OGH JBI 1990,802. Zu §§ 139, 278 Abs. 3 dZPO: BGH NJW 1999, 418 (422); NJW 1999, 1264; NJW 1989, 718 m. w.N.; OLG Saarbrücken NJW-RR 1994, 573 (574); Henckel in FS-Schima (1969) S. 206 (S. 21Of.); Mackh (1993) S. 164; Fischer DRiZ 1995, 264 (265); Pieckenbrock NJW 1999, 1360 (1362); a.A. Zuck JZ 1993, 500 (505); Renk
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Im Parteienprozeß werden die richterlichen Prozeßleitungspflichten erweitert (sog. Manuduktionspflicht). Während dies in §§ 432, 435 öZPO ausdrücklich geregelt wird, ist eine solche gesteigerte Hinweispflicht für die dZPO in ständiger Rechtsprechung anerkannt. 405 Der Richter ist nicht mehr bloß auf eine verbessernde Rolle beschränkt, sondern hilft der Partei bei der Verfahrensführung; insbesondere hat er sie auf die Bedeutung ihres Verhaltens für den Prozeßverlauf zu unterrichten. 406 Die Anleitungs- und Informationspflicht umfaßt Hinweise zum Inhalt der Klage, der Behauptungsund Beweislast sowie über die Folgen von Versäumnissen. Eine Anregung dazu, welches Vorgehen am erfolgträchtigsten wäre, ist dem Gericht allerdings versagt. 407 Zur Durchsetzung der beschriebenen Anleitungs- und Aufklärungspflichten stehen dem Richter das Instrumentarium des § 183 öZPO bzw. § 273 dZPO zur Seite. Dadurch wird ihm die Förderung des Prozesses sowie die Suche nach materieller Gerechtigkeit erleichtert. Er ist nicht auf die Mitwirkung der Parteien angewiesen, sondern kann deren persönliches Erscheinen, die Vorlage von Urkunden sowie die Ladung von Zeugen oder die Vornahme des Augenscheins anordnen. Damit kann der Richter sich ein besseres Bild über das Tatgeschehen machen, was einerseits die Effektivität seiner Hinweise im Laufe des Verfahrens steigert. Andererseits verbessern diese Möglichkeiten die Chancen einer wahrheitsgemäßen Sachverhaltsrekonstruktion. Einschränkungen dieser Rechte bestehen in der öZPO nur insofern, als die Vorlage einer Urkunde von mindestens einer Partei beantragt worden sein muß (§ 183 Abs. 1 Z. 3 öZPO) bzw. der Urkunden- und Zeugenbeweis dann ausgeschlossen ist, wenn beide Parteien sich gegen ihn aussprechen (§ 183 Abs. 2 ÖZPO).408 DRiZ 1996, 102; Schmidt in FS-Schneider (1997) S. 193 (206); ausführlich hierzu auch Trepte (1994) S. 157ff. 405 Einschränkend in jüngster Zeit jedoch BGH (1997, 1989 unter Verweis auf BverfG NJW 1995,3175), der betont, daß sich der Umfang der richterlichen Fürsorgepflicht bei juristisch nicht geschulten Parteien nicht nur am Interesse des Rechtssuchenden zu orientieren habe, sondern auch das Interesse der Justiz an ihrer aIlgemeinen Funktionsfähigkeit zu berücksichtigen sei. 406 Böhm a.a.O. S. 240. Zum Verhältnis von § 182 zu § 432 vgl. OGH EvBI 1998/59 = SZ 70/199; Fasching a.a.O. S. 79ff. m.w.N.; Oberhammer in Kralik/ Rechberger (1993) S. 30 (57f.); Fucik in Rechberger § 432/1 ff.; ders. JBI 1985, 437. 407 LGZ Wien EFSlg. 67.028. 408 Diese Schranken entsprachen nicht den VorsteIlungen Kleins; wurden aber vom Gesetzgeber 1895 für notwendig erachtet (Oberhammer a.a.O. S. 50). In der Praxis wird aber die zweite Fallgruppe nur selten einer richterlichen Beweiserhebung im Wege stehen. Denn grundsätzlich kommt die Aktivität des Richters einer
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(3) Auswirkungen auf die Anwendung der Präklusionsnormen
Die Verletzung der im vorangegangenen Kapitel angeführten richterlichen Prozeßleitungspflichten bewirkt, daß die Verspätung der Partei nicht mehr (allein) zurechenbar ist. Hat das Gericht die Partei zu einem bestimmten Prozeßverhalten angeleitet oder eine in ihrer Pflicht stehende Anleitung unterlassen, so wäre eine Präklusion rechts mißbräuchlich. Denn der strenge Ausnahmecharakter der Präklusionsnormen fordert, daß die Präklusion nur bei einer Verspätung ausgesprochen wird, die allein auf dem Verhalten einer Partei beruht; hat dagegen auch das Gericht einen kausalen Beitrag zu der Verspätung geleistet, ist eine Prozeßbeschleunigung auf Kosten der Partei unzulässig. Wie bereits mehrfach im Verlauf dieser Arbeit betont wurde, handelt es sich bei dem Zivilprozeß um eine Arbeitsgemeinschaft zwischen Gericht und Parteien. Diese Verbundenheit zwischen den einzelnen Verfahrens beteiligten rechtfertigt es, Sanktionen gegen eine Partei nur dann auszusprechen, wenn die Verspätung allein auf ihre Säumnis zurückzuführen ist. bb) Formelle Prozeßleitungspflichten Während im letzten Kapitel die materielle richterliche Prozeßleitung im Mittelpunkt stand, wird nunmehr auf die formellen Prozeßleitungspflichten einzugehen sein. An Hand von einzelnen Fallgruppen werden Verstöße gegen die formellen Prozeßleitungspflichten aufgezeigt und auf ihre Bedeutung in bezug auf die Präklusionsnormen untersucht. (1) Ordnungsgemäße Belehrung § 145 öZPO bestimmt, daß eine Belehrung über die Folgen der Säumnis nur im Falle einer gesetzlichen Regelung vorzunehmen ist. § 131 Abs. 2 öZPO sieht ausdrücklich eine solche Belehrung über die Folgen der Fristversäumung für den Beklagten vor. Diese Regelung gilt jedoch nur für die erste Ladung zur mündlichen Verhandlung, wenn diese gegenüber der Partei selbst erfolgt. Denkbar wäre eine Belehrung über die Fristversäumung auch im Falle des § 243 Abs. 4 öZPO. Insofern sieht das Gesetz jedoch keine ausdrückliche Belehrung vor und auch das Formbuch der öZPO enthält keinen Formulierungsvorschlag. Jedoch darf das Gericht im Anwaltsprozeß davon ausgehen, daß der Prozeßbevollmächtigte über die schwerwiegenden Folgen einer Fristsäumnis Kenntnis besitzt, sodaß eine Partei zugute, sodaß die Zurückweisung für zumindest eine Partei rechtlich nachteilhaft wäre.
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Belehrung hier nicht notwendig erscheint. Es gibt auch keine Anzeichen dafür, daß der Gesetzgeber eine Belehrungspflicht für den Fall, daß eine Partei bereits bei Fristsetzung anwaltlich vertreten wird, als erforderlich angesehen hätte. Vielmehr ist das Gegenteil der Fall. § 131 Abs. 2 öZPO sieht vor, daß eine Belehrung im Anwaltsprozeß nur bei der ersten Ladung zu erfolgen hat. Denn in diesem Fall kann die Partei noch unvertreten sein. Der Passus "sofern dieselbe (Ladung) nicht bereits an einen Rechtsanwalt ergeht" stellt klar, daß diese Vorschrift nur für eine unvertretene Partei Bedeutung hat. 409 Dagegen ist vor dem Bezirksgericht eine Belehrung gesetzessystematisch ausgeschlossen, da die öZPO im Parteienprozeß grundSätzlich keine vorbereitenden Schriftsatzwechsel kennt. Die dZPO sieht in § 277 Abs. 2 ebenfalls eine Belehrungspflicht vor. DieselBelehrung hat sowohl im schriftlichen Vorverfahren § 276 Abs. 1 S. 2 dZPO als auch im frühen ersten Termin § 275 Abs. 1 S. 1, Abs. 3 dZpO zu erfolgen. 410 Unzweifelhaft gilt diese Belehrungspflicht sowohl im Parteienals auch im Anwaltsprozeß. Allerdings bestimmen sich Inhalt und Umfang der Belehrung danach, ob die Partei durch einen Anwalt vertreten ist oder nicht. Tritt eine Partei selbst vor Gericht auf, so kommt der Belehrung eine besondere Wamfunktion zu. Die Partei ist wegen ihrer Unerfahrenheit über die Gefahren einer Verspätung aufzuklären. Schellhammel 11 fordert für den Parteienprozeß eine so ausformulierte Belehrung, daß auch "der Laie sie versteht". Präziser drückt sich Bender412 aus, der folgende Formulierung vorschlägt: "Achtung! Die Versäumung der Frist kann dazu führen, daß sie den Prozeß verlieren, obwohl sie im Recht sind." Der BGH413 führt dazu aus, daß die Belehrung "sinnfällig vor Augen zu führen und klarzustellen
Gitschthaler in Rechberger § 13111; Fasching II S. 688/719. Daß eine Belehrung auch gegenüber dem Kläger erforderlich ist, wenn diesem eine Frist zur Replik gesetzt worden ist (§ 275 Abs. 4, 276 Abs. 3), ist seit dem Rechtspflege-Vereinfachungsgesetz vom 17.12.1990 ausdrücklich geregelt. Die zum alten Recht entstandenen Streitfragen sind somit hinfällig (Die Ansicht von Thomas/Putzo § 296/31, die auch noch nach Änderung der Rechtslage eine Belehrung des Klägers ablehnt, läßt sich nun nicht mehr aufrechterhalten.). Ungeklärt ist, ob eine Belehrung auch i.R.d. Fristen gern. § 273 Abs. 2 Z. 1 notwendig ist. Soweit es dazu Stimmen aus der Literatur gibt, wird dies abgelehnt (so BGHZ 88, 180 (184); Bischof NJW 1977, 1897 (1899». Eine solche Auffassung ist aber inkonsequent. Die Folgen einer Präklusion bestimmter Punkte kann genauso einschneidende Wirkungen haben wie der Ausschluß aller Angriffs- und Verteidigungsmittel. Besteht für eine Partei die Gefahr des Rechtsverlusts, so ist sie darüber aufzuklären. So auch Grunsky JZ 1978, 81 (83): ,,Im Regelfall dürfte eine Belehrung zu empfehlen sein." 411 Schellhammer RZ 460; ähnlich Ricken DRiZ 1980, 336 FN 2. 412 Bender/Belz/Wax (1977) RZ 51. 413 BGHZ 86, 218 (225f.); 88, 180 (183f.); BGH NJW 1991,2773. 409 410
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hat", was die Folgen einer Fristversäumung sind. Eine bloße Wiederholung des Gesetzeswortlautes sei in jedem Fall nicht ausreichend. Richtig ist, daß die Gefahr eines Rechtsverlustes zu einer deutlichen Sprache zwingt. Dem Vorschlag Benders ist insoweit zu folgen. Dieser stellt so klar die Sanktion heraus, daß auch die in Rechtssachen unwissende Partei genügend gewarnt wird. Im Anwaltsprozeß dagegen kann man wohl das bloße Wiederholen des Wortlautes der Präklusionsnorm als ausreichend ansehen. 414 (2) Beachtung von Formvorschriften
Neben der Belehrung sind an eine ordnungsgemäße Fristsetzung noch weitere Anforderungen zu stellen. Damit über Beginn und Ende der jeweiligen Frist absolute Gewißheit bei den Parteien (und auch bei Gericht) besteht, bedarf die fristsetzende Verfügung einer förmlichen Zustellung. Sie erfolgt von Amts wegen zu eigenen Handen zusammen mit der Klage gern. § 106 öZPO bzw. § 329 Abs. 2 S. 2 dZPO. 415 Sie hat unter Beachtung der Zuständigkeitsvorschriften zu erfolgen und eine Unterschrift mit vollem Namen zu enthalten; eine Paraphe genügt diesen Anforderungen nicht. Ferner muß die Frist klar - d. h., es dürfen bei den Parteien keine Fehlvorstellungen über die Dauer der Frist aufkommen dürfen - und angemessen lang sein. Auf keinen Fall kann man die im Gesetz angeführten Fristen als Regelfristen ansehen. Sie sollen lediglich ein absolutes Maximum (so die Fristen der öZPO) bzw. Minimum (so die Fristen der dZPO) anzeigen. 416 Welche Maßstäbe an die Fristdauer zu stellen sind, läßt sich jedoch nicht einheitlich beantworten. Vielmehr kommt es auf die jeweilige Klä414 BGH NJW 1991,493; Thomas/Putzo § 296/31; Hartmann in Baumbach/Lauterbach § 277/6. Die für den Parteienprozeß aufgestellten Anforderungen haben aber auch im Amtsgerichtsprozeß mit anwaltlicher Vertretung zu gelten. Grund ist, daß das Amtsgericht nicht sicher sein kann, ob der Beklagte bei Fristsetzung bereits einen Rechtsanwalt hinzugezogen hat oder nicht. Ließe man die bloße Wiederholung des Gesetzeswortlautes ausreichen, so wäre eine wirksame Belehrung erst im Zeitpunkt anwaltlichen Beistandes zu bejahen. Der Fristlauf begänne ex-nunc mit der Anwaltsbestellung; nicht bereits mit der Zustellung der gerichtlichen Anordnung. Eine solche Bestimmung des Fristbeginns ist jedoch wegen ihrer Unsicherheiten zu unbestimmt. Im Hinblick auf die einschneidenden Wirkungen der Fristüberschreitung dürfen an den Voraussetzungen der Präklusion keine Zweifel bestehen. Dies rechtfertigt im Zweifelsfall eine besonders strikte Anwendung der Belehrungspflicht. Nicht zuletzt aus dem Gebot der Rechtssicherheit- und -klarheit folgt daher eine weitreichende Belehrung. Der einfache Wortlaut der Präklusionsnorm reicht dagegen nicht aus. 415 Fasching LB RZ 1180; RechbergerlSimotta RZ 327; BGHZ 76, 236 (238); BGH NJW 1990, 2389; Rinsche RZ 248.
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rungsbedürftigkeit der strittigen Punkte an. Insbesondere die Komplexität des Sachverhalts und der zu beschaffenden Beweise geben einen Anhaltspunkt. Rechtsmißbräuchlich und damit unwirksam ist eine Frist, die sehr knapp bemessen ist, obwohl die mündliche Verhandlung erst geraume Zeit später stattfindet. Eine derartige Fristsetzung würde dem Zweck der Prozeßbeschleunigung nicht gerecht. Ist die Angemessenheit der Frist zweifelhaft, sollte eine Präklusion zugunsten des Säumigen ausgeschlossen sein. 417 • 418 (3) Auswirkungen auf die Anwendung der Präklusionsnormen
Die Präklusionstatbestände führen zum Ausschluß von Angriffs- und Verteidigungsmiueln bei Fristüberschreitung. Diese harte Sanktion ist aber nur dann gerechtfertigt, wenn der Partei in rechtlich einwandfreier Weise eine Frist gesetzt worden ist. Dieses Ergebnis folgt aus dem Gebot der Rechtssicherheit und -klarheit, das im Bereich der Präklusionsnormen in strengstem Maße einzuhalten iSt. 419 Nur wenn für die Partei die Folgen einer Versäumung vorhersehbar sind, muß sie sich die Prozeßnachteile selbst zuschreiben lassen, die auf Grund ihrer eigenen sorglosen Prozeßführung eingetreten sind. Ein Verstoß gegen die Förmlichkeiten macht die Fristsetzung jedoch unwirksam und somit die Präklusionsnorm unanwendbar. 42o Hat das Gericht rechtsfehlerhaft nicht über die Wirkungen der Fristüberschreitung belehrt oder enthält die Aufforderung formelle Mängel, so ist die Partei schutzwürdig, da sie nicht allein verantwortlich ist für die Verspätung. Ob die Formerfordemisse bei der Fristsetzung eingehalten worden sind, ist - vor einer etwaigen Präklusion - vom Gericht von Amts wegen zu überprüfen. Auf die Wirksamkeit der Frist hat das Gericht kraft seiner richterlichen Verantwortung für den Verfahrens gang zu achten. Fehler auf 416 Leipold ZZP 93 (1980), 237 (247f.); BGHZ 124, 71; BGH NJW 1994, 736 (737): In seinem Urteil betont der BGH, daß auch die Frage, ob eine Partei rechtskundig vertreten wurde oder nicht, für die Dauer der Frist von Einfluß ist. 417 BGH NJW 1994,736; Arens/Lüke RZ 193. 418 Einen weiteren Formfehler stellt die Fristsetzung gern. § 276 Abs. 3 zur Replik dar, wenn zu diesem Zeitpunkt überhaupt noch keine Klageerwiderung des Beklagten eingegangen ist. Eine solche - vorzeitige - Fristsetzung würde zu einer Überbeschleunigung des Verfahrens führen und dem Grundsatz der Chancen- und Waffengleichheit zuwiderlaufen. Denn der Kläger hat ein schutzwürdiges und gleichberechtigtes Interesse daran, die (Gegen-)Ausführungen des Beklagten anzugreifen. Gerade in der Praxis wird gegen diese Reihenfolge der Fristsetzungen aber häufig verstoßen. So BGHZ 76, 133 (136); Rinsche RZ 247; Baur/Grunsky RZ 51a; Schilken RZ 389. 419 BGH NJW 1991,2773; 1990,2389 (2390). 420 Holzhammer S. 159; Fasching LB RZ 576/1180; BGHZ 86, 218; Rinsche RZ 247/249; Borgmann/Haug S. 214; Schneider MDR 1985,287.
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I. Prozeßförderung in erster Instanz
diesem Gebiet sind ihm allein anzulasten. Es wäre unzumutbar, den Parteien die Beweislast für Mängel der Form aufzubürden, die ihren Grund im gerichtlichen Bereich haben. c) Zumutbare Maßnahmen zur Verhinderung der Präklusion
Im Gegensatz zu den Fällen eines Verstoßes gegen die materielle oder formelle Prozeßleitungspflicht geht es im folgenden Kapitel um solche Fälle, in denen allein ein Parteiverhalten für die Verspätung kausal war, deren verzögernder Effekt aber durch Maßnahmen des Gerichts ausgeglichen werden kann. Sicher ist, daß die richterlichen Pflichten nicht soweit gehen, jede Verspätung der Parteien durch eigene Maßnahmen auszuglei chen. Damit hätten die Parteien dem Gericht die Verantwortung über Erfolg oder Mißerfolg der Verfahrenverkürzung zugeschoben. Das Gesetz ist darauf ausgerichtet, sowohl das Gericht als auch die Parteien zur Prozeßförderung anzuhalten. Ist es auf der einen Seite unzulässig, allein den Parteien diese Verpflichtung aufzuerlegen, so kann umgekehrt nichts anderes gelten. Für eine allgemeine "Präklusionsverhinderungspflicht" des Gerichts gibt auch das Gesetz keine Anhaltspunkte. Das BverfG präzisiert diese Ausgleichspflichten mittels folgender Formulierung: "Ist eine Verfahrensverzögerung durch eine zumutbare und damit prozeßtechnisch gebotene Maßnahme vermeidbar, dient die Zurückweisung verspäteten Vorbringens nicht mehr der Verhinderung der Folgen des säumigen Verhaltens.,,421 An anderer Stelle heißt es: "Die Verspätungsfolgen müssen nach Maßgabe des Zumutbaren abgewendet werden. ,,422 Eine solche Zumutbarkeit besteht nach Ansicht des BverfG immer dann, wenn sich das verspätete Vorbringen auf einzelne, deutlich abgrenzbare Streitpunkte bezieht, über die in der mündlichen Verhandlung Beweis erhoben werden kann. 423 BverfG NJW 1995, 377f.; so auch BGH NJW 1999,585. BverfG NJW 1990, 2373. 423 Diese Rechtsprechung ist bei Fuhrmann «(1988) S. 160ff.) und Wolf (ZZP 94 (1981), 310 (315» auf eingehende Kritik gestoßen. Sie verweisen darauf, daß eine gegenständlich eingeschränkte Vorbereitungspflicht zwar von der alten Rechtslage gedeckt war (§ 272b a.F.); nunmehr aber dem Gericht umfangreiche Möglichkeiten an die Hand gegeben worden seien, auch außerhalb der mündlichen Verhandlung prozeßfördernde Aktivitäten (z. B. Sachverständigengutachten und Augenschein können vorab eingeholt werden) zu entfalten. Würde man aber der Rechtsprechung folgen, so könne oftmals die Verzögerung nicht mehr verhindert werden, da in der mündlichen Verhandlung die zur Stützung des Tatsachenvortrags erforderlichen Beweismittel nicht mehr eingeholt werden könnten. M. E. interpretieren die beiden Autoren die Aussagen der Rechtsprechung falsch. Unzutreffend ist die Annahme, daß sich die Gerichte auf einzelne, eng umgrenzte 421
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11. Kausalität
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Entscheidend muß im konkreten Fall immer sein, ob das Eingreifen des Gerichts die Korrektivfunktion der richterlichen Pflichten überspannen würde. Die Zumutbarkeit findet ihre Grenzen im "normalen" Geschäftsgang des Gerichts; d. h., das Gericht ist nur insoweit zur Verhinderung der Verspätungsfolgen verpflichtet, als dazu keine übermäßigen Anstrengungen notwendig werden. Würde man das Gericht etwa zu einer Vertagung des Haupttermins verpflichten, um der Partei eine Nachholmöglichkeit ihres Vortrags zu bieten, so wäre dieser Rahmen sicherlich überschritten. 424 Denn damit würde sich das Gericht über § 180 Abs. 3 öZPO bzw. § 272 Abs. 3 dZPO hinwegsetzen, wonach die mündliche Verhandlung "so früh wie möglich" stattzufinden hat. Die Festsetzung der Hauptverhandlung hat allein im Hinblick auf die allgemeine Belastung des Gerichts zu erfolgen. Die Terminierung selbst bleibt von der Verspätung unbeeinflußt. Jedoch hat das Gericht den Termin umfassend vorzubereiten. Umso länger der Termin wegen des Geschäftsanfalles des Gerichts hinausgeschoben werden muß, umso eher kann ein "Mehr" an Vorbereitung erwartet werden. Die "Präklusionsverhinderungspflicht" erhöht sich danach in dem Maße, in dem das verspätete Vorbringen und der Termin auseinanderfallen. 425 Dies kann dazu führen, daß das Gericht auch noch umfangreiches verspätetes Vorbringen im Vorfeld berücksichtigen und Beweise erheben muß sowie die Beweisaufnahme vorzubereiten hat, sofern ihm nur genügend Zeit dazu verbleibt, ohne den allgemeinen Geschäftsgang zu gefährden. 426 Für die Verhandlung selbst ist eine angemessene Prozeßdauer einzuplanen. 427 Das Gericht darf einen Termintag nicht so mit Rechtsstreitigkeiten Ausgleichsrnaßnahmen beschränken könnten. Das BverfG selbst betont, daß die konkreten Prozeßförderungspflichten des Gerichts sich an den Umständen des Einzelfalls orientieren müssen. Daß § 273 Abs. 1 S. 2 die Gerichte anhält, in jeder Lage des Verfahrens auf eine rechtzeitige und vollständige Erklärung der Parteien hinzuwirken, wird vom BverfG nicht verkannt. Die in manchen Entscheidungen anklingende "gegenständlich eingeschränkte Vorbereitungspflicht" besagt nur, daß die Zumutbarkeit richterlicher Maßnahmen bei einzelnen, klar definierten Streitpunkten regelmäßig zu bejahen sein dürfte. Denn diese Maßnahmen können noch während der mündlichen Verhandlung durchgeführt werden. Dies schließt aber nicht aus, daß auch umfangreiches Neuvorbringen vom Gericht noch im Vorfeld der Verhandlung aufgearbeitet und ohne Venögerung in den Prozeß aufgenommen werden kann. Dies übersieht auch Thomas/Putzo § 273/4 und § 296/9. 424 BGR NJW 1999, 585; BverfG NJW 1992, 299; Greger in Zöller § 296/14a; Weth (1988) S. 263. 425 BverfG NJW 1992,299; Greger a.a.O. Auf Eilanordnungen braucht sich das Gericht allerdings nicht einzulassen, da es keine "Präklusionsverhinderungspflicht" um jeden Preis gibt. So BGR NJW 1980, 1102 (1104); Schneider MDR 1986, 896. 426 Kritisch dazu Renckel in FS-Schima (1969) S. 206 (214f.). 427 BverfG NJW 1992, 299. Die Angemessenheit bemißt sich wiederum nach der voraussichtlichen Klärungsbedürftigkeit des Falles. Eine Terminierung vor Beendigung des schriftlichen Vorverfahrens wäre danach unzulässig, da das Gericht zu die-
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1. Prozeßförderung in erster Instanz
überhäufen, daß jede unvorhersehbare Abweichung von zu erwartenden Vortragsinhalten unberücksichtigt bleiben müßte. Zuzugeben ist, daß der Maßstab des "normalen Geschäftsganges" nicht sehr präzise ist. Er kann aber auch nur als Leitbild fungieren auf einem Gebiet, das allgemeinen Grundsätzen nicht zugänglich ist. Entscheidend ist in diesem Zusammenhang vielmehr, daß interessengerechte Ergebnisse auch für den Einzelfall gefunden werden. 428 d) Erfordernis der Nachfristsetzung gern. § 283 dZPO
Eine Besonderheit im deutschen Recht ist die Möglichkeit einer Nachfristsetzung gern. § 283. Das Gericht kann einer Partei aufgeben, sich noch schriftlich zu einem Streitpunkt zu äußern. Eine Wiederaufnahme des Verfahrens ist damit nur ausnahmsweise verbunden. Der Schriftsatz wirp lediglich noch nachträglich bei der Entscheidungsfindung berücksichtigt. Die öZPO dagegen sieht eine solche Nachfrist nicht vor. Sie wird als schwerer Verstoß gegen den Grundsatz der Mündlichkeit empfunden. 429 Verneint das Gericht die Rechtzeitigkeit des Vorbringens, so sind die Angriffs- und Verteidigungsmittel gern. § 296 Abs. 2 dZPO ausschließbar. Bevor es aber dazu kommt, kann das Gericht auf Antrag im Termin eine Frist zur Nachreichung eines Schriftsatzes gern. § 283 dZPO setzen verbunden mit der Festsetzung des Verkündungstermins. Damit wird der anderen Partei Gelegenheit gegeben, sich zu den Ausführungen des Säumigen zu äußern. Stellt sich dabei heraus, daß auf Grund dieser Gegendarstellungen (weil beispielsweise die Behauptungen des Säumigen bestritten werden) die Sache im Verkündungstermin noch nicht entscheidungsreif ist und eine Vertagung notwendig macht, so ist der verspätete Vortrag nun zu präkludieren. Wird dagegen das Vorbringen unstreitig, so tritt keine Verzögerung ein. Schließlich brauchen keine Beweise erhoben zu werden. 430 Das bloße Hinsem Zeitpunkt noch keine Kenntnis vom Umfang der zu klärenden Punkte hat. So auch Fuhrmann (1988) S. 165. 428 Pieper in FS-Wassermann (1985) S. 773 (779f.). 429 Insofern sieht die öZPO allein die Wiederaufnahme des Verfahrens gern. § 194 öZPO vor. 430 LG Frankfurt NJW-RR 1995, 1211f.: "Diese Notwendigkeit (der Nachfristsetzung) bedeutet noch keine Verzögerung i. S. v. § 296, denn die nachgeholte Erklärung dient erst der Vorbereitung der Entscheidung, ob der Rechtsstreit durch die Berücksichtigung des verspäteten Vorbringens verzögert würde." BGHZ 94, 195 (213); BAG NJW 1989, 2213; OLG Düsseldorf MDR 1995, 752; Greger in Zöller § 2821 3a; Pukall RZ 208; Arens/Lüke RZ 189; Rosenberg/Schwab/Gottwald § 69 11 1 a; a.A. Hartmann (in Baumbach/Lauterbach § 296/44), der bereits in der Gewährung einer Nachfrist gern. § 283 eine Verzögerung sieht. Dagegen aber die h. M. vgl. BverfG NJW 89. 705 m. w. N.
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ausschieben der Verkündung des Urteils verursacht keine Verzögerung, auch wenn das Gericht an einem Stuhlurteil im Termin gehindert ist. 431
12. Verschulden a) Verschuldensmaßstab
Eine Korrektur erfahren die strengen Präklusionsnormen dadurch, daß eine Zurückweisung nur im Falle schuldhafter Verspätung ausgesprochen werden darf; m.a.W. trat die Verspätung ohne ein schuldhaftes Zutun des Säumigen ein, dann bleibt dieser zum nachträglichen Vorbringen berechtigt. Dabei steht dem Verschulden der Partei das Verschulden des gesetzlichen Vertreters sowie des Prozeßbevollmächtigten gern. § 39 öZPO bzw. §§ 51 Abs. 2, 85 Abs. 2 dZPO. gleich. Während die öZPO bezüglich der Verspätung fordert, daß "bei sorgfaltiger Berücksichtigung aller Umstände kein vernünftiger Zweifel darüber besteht, daß durch die neuen Angaben und Beweise der Prozeß verschleppt werden soll" (§ 179 Abs. 1), unterscheiden sich die Verschuldensmaßstäbe in der dZPO je nachdem, ob die Partei eine Frist zum Vortragen nicht eingehalten hat (§ 296 Abs. 1) oder gegen die allgemeine Prozeßförderungspflicht verstoßen hat (§ 296 Abs. 2). Unberücksichtigt bleiben in diesem Kapitel die Fälle, in denen (auch) das Gericht einen kausalen Beitrag zur Verspätung geleistet hat. Insofern fehlt es bereits an der Kausalität, sodaß es auf ein Verschulden der säumigen Partei nicht mehr ankommt. Wenn etwa ein Vortrag auf Grund einer eindeuEine Frist zur Nachreichung eines Schriftsatzes wird nur auf Antrag des Gegners gesetzt. Kann dieser also, wenn er keinen Antrag stellt, dem Gericht eine Präklusion in der mündlichen Verhandlung aufzwingen? Greger (in Zöller § 283/3) schlägt vor, in diesem Fall das verspätete Vorbringen als vom Gegner zugestanden anzusehen gem. § 138 Abs. 2, 3. Dagegen soll nach Hensen (NJW 1984, 1672) das Gericht von Amts wegen verpflichtet sein, eine Erklärungsfrist gem. § 283 zu setzen. Dem steht aber der eindeutige Wortlaut der Norm entgegen, nach der der Gegner einen Antrag stellen muß. Vielmehr trifft den Gegner die Geständnisfiktion des § 138 Abs. 3. Denn wer seinerseits nicht das für ihn Günstige vorträgt, muß sich die Nachteile aus diesem Prozeßverhalten zurechnen lassen. Gibt der Gegner also im Termin keine sofortige Stellungnahme ab und beantragt er auch keine nachträgliche Schriftsatzfrist, so ist entweder sofort oder in einem zu bestimmenden Termin das Urteil zu verkünden und zwar auf Grundlage des unbestrittenen Vortrags. Die Verspätung bleibt dann unberücksichtigt (so BverfG NJW 1989, 705; BGHZ 94, 195 (213f.); BGH NJW 1985, 1556; OLG Naumburg NJW-RR 1994,958; a.A. Grunsky JZ 1977, 201 (204), der jeglichen Nachteil für den Gegner verneint, wenn dieser keinen Antrag gem. § 283 stellt.). 431 BGHZ 94, 195 (213); VerfGH Berlin JR 1996, 234; Greger in Zöller § 296/ 15; Hensen NJW 1984, 1672.
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I. Prozeßförderung in erster Instanz
tig zu kurz bemessenen Frist nicht rechtzeitig erfolgt, so hat dies mit mangelndem Verschulden nichts zu tun. Gleiches gilt, wenn ein Vorbringen unterlassen wurde, weil das Gericht trotz seiner Aufklärungs- und Anleitungspflicht nicht auf die Notwendigkeit eines entsprechenden Vortrags hingewiesen hat. b) Rechtslage nach der dZPO Während gern. Abs. 1 bei Überschreitung einer Frist bereits einfache Fahrlässigkeit für die Präklusion ausreicht, verlangt Abs. 2 bei Verstoß gegen die allgemeine Prozeßförderungspflicht grobe Nachlässigkeit. Diese Divergenzen folgen aus der verschiedenartigen Struktur der beiden Absätze. Ist einer Partei eine klar bestimmte Frist gesetzt worden, so ist ihr genauestens bekannt, innerhalb welchen Zeitraums sie sich zu äußern hat. Es besteht eine genaue zeitliche Grenze. Daran fehlt es hingegen bei Abs. 2 i. V. m. § 282, der nur allgemein die Prozeßabschnitte festlegt, bis zu deren Ablauf das Vorbringen erfolgt sein muß. Diese Ungenauigkeiten rechtfertigen es, hier auf eine Verschärfung i. S. v. Abs. 1 zu verzichten. Nur bei eklatanten Verstößen gegen eine sorgfältige, auf Prozeßförderung ausgerichtete Verfahrensführung erscheint eine Präklusion angebracht. Eine Angleichung des Verschuldensmaßstabes auf das Niveau des Abs. 1 würde auf die Schwierigkeiten, die sich für die Parteien bei der Konkretisierung des Vortragszeitpunktes aus § 282 Abs. 1, 2 im Einzelfall ergeben, zu wenig Bedacht nehmen. Wann ein Vorbringen i. S. v. § 282 Abs. 1,2 ,,rechtzeitig" ist, liegt nicht immer klar auf der Hand. Daher ist es sinnvoll, Verstöße gegen diese Norm nur bei eindeutigen Zeichen schuldhafter Verspätung zu ahnden. 432 Was die inhaltlichen Anforderungen an das Vorbringen betrifft, so wurde bereits an anderer Stelle ausgeführt433 , daß bei nicht rechtskundig vertretenen Parteien in der Regel die bloße Einhaltung des zeitlichen Rahmens genügt. 434 Der Nachweis fehlenden Verschuldens bezieht sich bei ihnen nur auf die zeitliche Komponente. Im Gegensatz dazu haben Rechtsanwälte den jeweiligen Verschuldensmaßstab nicht nur in bezug auf die Zeitüberschreitung, sondern auch in bezug auf den inhaltlichen Umfang des Vorbringens zu beachten. Waren etwa gewisse Informationen bis zur Ausfertigung der Klagebeantwortung tatsächlich nicht zu erlangen, so ist ein verkürzter Inhalt ausreichend. Ein Nachreichen dieses Prozeßmaterials ist zweifelslos gestatA.A. scheinbar Rimmelspacher in FS-Henckel (1995) S. 693 (696f.). Vgl. hierzu Kapitel I. 9. a) dd) (2). 434 Etwas anderes könnte allerdings dann gelten, wenn ein richterlicher Hinweis ergangen ist, und die Partei daher weiß, zu welchem Zeitpunkt welches Vorbringen von ihr erwartet wird. 432
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tet. Umgekehrt handelt derjenige Rechtsanwalt sorgfaltswidrig, der inhaltlich unvollständig vorträgt, auch wenn er dabei die zeitlichen Grenzen einhält. aa) Fahrlässigkeit i. S. v. § 296 Abs. I Gern. Abs. 1 schließt bereits leichte Fahrlässigkeit die Entschuldigung aus. 435 Dabei gelten dieselben Grundsätze wie im Bereich des § 233 für die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand. Entscheidend ist also nicht, wie sich ein objektiver Dritter in dieser Prozeßsituation verhalten hätte [so der Verschuldensmaßstab des Zivilrechts), sondern was von der konkreten Partei in der konkreten Prozeßlage erwartet werden konnte. Die individuellen Fähigkeiten sind dabei rnitzuberücksichtigen. 436 War eine Partei geistig nicht in der Lage, die Belehrung über Säumnisfolgen richtig zu verstehen, obwohl dies einer Durchschnittspartei möglich gewesen wäre, so fehlt es an einem dieser Partei vorwerfbaren Verhalten. Die Schwere eines Rechtsverlustes durch Präklusion zwingt dazu, nur bei einem individuellen Vorwurf den Ausschluß zuzulassen. Verkehrsschutzgesichtspunkte, die im Zivilrecht den objektiven Fahrlässigkeitsmaßstab verlangen, greifen im Prozeßrecht nicht durch. 437 Ebenso wie für die Parteien wird auch der Verschuldensmaßstab, der für die Rechtsanwälte angelegt wird, subjektiviert. Zwar wird in der Regel ein Verschulden anzunehmen sein, wenn die übliche, einen ordentlichen Rechtsanwalt treffende Sorgfaltspflicht nicht eingehalten wurde. Allerdings ist immer zu beachten, ob der Rechtsanwalt auch im konkreten Verfahrenszeitpunkt zum korrekten Vorbringen in der Lage war. Dabei sind immer gewisse Rechtskenntnisse als vorhanden vorauszusetzen - anders als bei der Partei selbst, aber die jeweiligen Umstände des Einzelfalles sind dennoch mitzuberücksichtigen (Schwierigkeitsgrad, Komplexität etc.). bb) Grobe Nachlässigkeit i. S. v. § 296 Abs. 2 Während gern. Abs. 1 schon leichte Fahrlässigkeit schadet, fordert Abs. 2 grobe Nachlässigkeit in bezug auf die Verspätung. Diese ist dann gegeben, wenn die Partei die Prozeßförderungspflicht in besonders schwerer Weise verletzt; sie also jedwede Sorgfalt vermissen läßt, die von ihr mit Rücksicht auf den Gegner oder das Gericht erwartet werden kann. 438 Daran fehlt es, 435 Thomas/Putzo § 296/28; Rosenberg/Schwab/Gottwald § 69 II 1; Musielak RZ 372; Zimmermann § 296/22; Kallweit (1983) S. 66. 436 Bork JZ 1993,53 (58); Leipold in Stein/Jonas § 296/85; Deubner NJW 1977, 921 (924); Bender/Belz/Wax (1977) RZ 80; Kallweit (1983) S. 55; Musielak a.a.O.; Zimmermann a.a.O.; Bischof RZ 168; a.A. Vollkommer JR 1987, 225 (228). 437 Fuhrmann (1988) S. 115f.; Leipold ZZP 93 (1980), 237 (254f.). 10 von Stosch
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wenn die Partei ihr bisheriges Vorbringen für ausreichend hält439 oder sie die Bedeutung des Vorbringens nicht erkennen konnte. Anders verhält es sich aber, wenn die beweisbelastete Partei auch nach der ersten streitigen Verhandlung nicht den erforderlichen Beweis antritt440 oder trotz richterlicher Hinweise an einer irrigen Rechtsansicht festhält bzw. fehlendes Vorbringen nicht ergänzt. 441 All das stellt sich als Nichtbeachtung der Sorgfalt dar, die sich jedem Außenstehenden als prozessual erforderlich aufgedrängt hätte. Eine Verschleppungsabsicht verlangt das Gesetz hingegen nicht. 442 Wie für Abs. I gilt auch für Abs. 2: Die Anforderungen an einen Rechtsanwalt sind gegenüber denen an eine Partei wesentlich erhöht. Die falsche Beurteilung der Rechtserheblichkeit neuen Vorbringens kann in dem einen Fall als Entschuldigung ausreichen, während für einen Rechtsanwalt strengere Maßstäbe anzulegen sind. 443 c) Rechtslage nach der öZPO
Während nach der dZPO fahrlässige bzw. grob fahrlässige Säumnis für die Präklusion ausreicht, verlangte die öZPO in ihrer Fassung von 1895 eine darüber in qualitativer Hinsicht hinausgehende "offenkundige Verschleppungsabsicht". Wann eine solche Absicht zu bejahen war, wurde vom LGZ Wien in seiner Entscheidung vom 16.3.1990444 näher konkretisiert: Wenn unmittelbar vor Schluß der mündlichen Verhandlung 1. Instanz ohne weitere Begründung neue Beweise angeboten werden, die zur Widerlegung einer Tatsachenerklärung dienen sollen, die während des gesamten Verfahrens als außer Streit stehend unterstellt wurde, so sei von einer "offenkundigen Verschleppungsabsicht" auszugehen. Einen ähnlich krassen Fall führte das LGZ Wien in seiner Entscheidung vom 31.5.199044s an. Darin sah das Gericht ein schuldhaftes Verhalten als gegeben an, weil der Beklagte sich erstmals in der dritten mündlichen Verhandlung zu einem 438 BGH NIW 1997, 2244; MDR 1989, 49; NIW 1987, 501 (504); BverfGE 69, 126 (137); Prütting in MüKo § 296/145; Hartmann in Baumbach/Lauterbach
§ 296/61.
Rosenberg/Schwab/Gottwald § 69 II 2. OLG Celle VersR 1983, 187. Wird nur ein Zeuge benannt, und erst nach sichtbarer Unverwertbarkeit von dessen Aussage ein weiterer angegeben, so ist dies ebenfalls grob nachlässig. So auch Rosenberg/Schwab/Gottwald § 69 II 2. 441 Weitere Beispiele: Thomas/Putzo § 296/38; Hartmann in Baumbach/Lauterbach § 296/65ff. 442 Greger in Zöller § 296/23. 443 Leipold in Stein/Jonas § 296/85; Hartmann in Baumbach/Lauterbach § 2961 53; Greger a. a. o. 444 WR LGZ Wien Nr. 433. 445 LGZ Wien EFSlg 64.051. 439 440
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ihm bekannten Sachverhalt äußerte und es darüber hinaus unterließ, in dieser Verhandlung den Namen des zu Beweiszwecken genannten Zeugen anzugeben. 446 Diese restriktive Rechtsprechung war wohl der Anlaß für eine Reform des §§ 179 Abs. I, 275 Abs. 2. Im Zuge der Wertgrenzennovelle 1997 wurde an Stelle der "offenkundigen Verschleppungsabsicht" ein neuer Passus in das Gesetz aufgenommen. Danach kann ein Vorbringen zurückgewiesen werden, wenn "bei sorgfältiger Berücksichtigung aller Umstände kein vernünftiger Zweifel darüber besteht, daß durch die neuen Angaben und Beweise der Prozeß verschleppt werden soll". Ob und inwieweit durch die Neuformulierung des Gesetzestextes eine Senkung des Verschuldensmaßstabes erreicht wurde, ist nicht klar abzusehen. Zwar soll die Novellierung nach dem Willen des Gesetzgebers dazu beitragen, daß die restriktive Rechtsprechung zur alten Rechtslage überwunden werden kann; es ist jedoch zu berücksichtigen, daß auch die neue gesetzliche Formulierung sehr eng gefaßt ist. Ihrem Wortlaut nach unterscheidet sie sich kaum von der ursprünglichen Gesetzeslage. Soweit von §§ 179, 275 nunmehr gefordert wird, daß an der Verschleppungsabsicht "kein vernünftiger Zweifel" bestehen bleiben darf, ist dies im wesentlichen deckungsgleich mit einer "offenkundigen" Verschleppungsabsicht. Auf Grund dieser Ähnlichkeiten werden im folgenden für die Auslegung der geltenden Rechtslage auch die zur alten Fassung entwickelten Grundsätze herangezogen. aa) Meinungsstand Pimmer447 hat den Versuch unternommen, an Hand bestimmter Kriterien
Fallgruppen zu entwickeln, die einer weiteren Konkretisierung des Begriffs der "Verschleppungsabsicht" dienen. Nach Ansicht Pimmers soll eine absichtliche Verschleppung regelmäßig nur dann vorliegen, wenn das neue Vorbringen im Widerspruch zu den bisherigen Ausführungen steht oder es trotz richterlicher Anleitung gern. § 182 zu keiner Konkretisierung des Vorbringens gekommen ist. Im Gegensatz zur Rechtsprechung will Pimmer allerdings nicht die bereits zurückgelegte Verfahrensdauer aWentscheidendes Kriterium für die Annahme oder Ablehnung einer Verschleppungsabsicht heranziehen, da auch weiterhin der Grundsatz der Einheit der mündlichen Verhandlung gelte. Außerdem sei einer Partei das Verschulden ihres Rechtsbeistandes nur dann zurechenbar, wenn sie sich selbst als am Prozeß 446 Tautologisch liest sich die Entscheidung des LGZ Wien MietSlg 41.553: "Für die Annahme einer offenkundigen Verschleppungsabsicht müssen Umstände vorliegen, aus denen deutlich diese Absicht einer Partei zutage tritt." Vgl. auch OGH SZ 51132; EFSlg 32.019; EFSLg 10.526; LGZ Wien EFSlg 72.976; Fucik in Rechberger 179/2. 447 Pimmer JBI 1983, 129 (130f.); weitere Beispiele bei Fasching II 851.
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desinteressiert zeige. Erscheine sie vor Gericht selbst nicht, so soll dies auf eine mangelnde Schutzwürdigkeit hindeuten. bb) Bewertung der geltenden Rechtslage Sowohl aus der Rechtsprechung als auch aus den Äußerungen Pimmers läßt sich die Intention herauslesen, nur im Falle schikanösen Zurückhaltens vorzubringender Erklärungen die Präklusion auszusprechen. Ansonsten solle sich das Gericht vor einer extensiven Anwendung der Präklusionsnormen hüten. Folge einer solchen selbst auferlegten Restriktion ist notwendigerweise ein sehr spärlicher Gebrauch des wohl wirksamsten Konzentrationsmittels. Fucik448 weist darauf hin, daß gerade am subjektiven Moment eine Zurückweisung oftmals scheitern wird. Auf Grund der Gesetzeslage und der sich aus ihr entwickelten Rechtsprechung blieben Verschleppungen regelmäßig ungeahndet. Richtig ist, daß bei offensichtlich widersprüchlicher Prozeßführung auf eine Verschleppungsabsicht geschlossen werden kann. Erteilt das Gericht Hinweise und reagiert die Partei darauf nicht, verhält es sich ebenso. Betont werden muß allerdings, daß sich die Verschuldensmaßstäbe danach unterscheiden müssen, ob die Partei selbst vor Gericht aufgetreten ist oder ein Rechtsanwalt. Im zweiten Fall werden bereits geringere Indizien auf eine Verschleppungsabsicht schließen lassen. Ein Rechtsanwalt weiß, daß er in konzentrierter Weise sein Vorbringen in das Verfahren einzuführen hat. Auf Unerfahrenheit kann er sich nicht berufen. Daher sollte bei ihm eine Verschleppungsabsicht schon in den Fällen angenommen werden, bei denen es objektiv einen - im Vergleich zu den unvertretenen Parteien - geringeren Anlaß gegeben hat. Wird etwa ein Vorbringen teilweise unsubstantiiert vorgetragen, so kann der Anwalt keinen umfassenden richterlichen Hinweis erwarten. Verschleppungsabsicht kann bei ganz offenkundigen Lücken dann regelmäßig auch ohne entsprechenden Hinweis gefolgert werden. Bei einer unvertretenen Partei wäre dies nicht möglich. Auch kann man widersprüchliches Vorbringen bei solchen Parteien eher auf einen Irrtum, der bloß auf Fahrlässigkeit beruht, zurückführen als bei Rechtsanwälten. Zweifelhaft ist auch, ob die Zurechnung eines Fremdverschuldens je nach dem vorgezeigten Prozeßinteresse erfolgen soll, wie es Pimmer vorschlägt. § 39 geht davon aus, daß der Partei die Prozeßhandlungen des Anwalts grundsätzlich als eigene zugerechnet werden. Dies muß auch für unterlassene Ausführungen gelten. 449 Die Gefahr, daß die Partei durch den von ihr ausgesuchten 448
Fucik ÖRZ 1993, 218 (221); ähnlich auch Deix1er-Hübner ÖJZ 1995, 170
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OLG Wien EFSlg 44.012; Frauenberger ÖJZ 1991,113 (115).
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12. Verschulden
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Anwalt Rechtsnachteile erfährt, muß sie selbst tragen. Dagegen wiegen die Interessen der Gegenpartei und des Staates an einer schnellen Beendigung des Rechtsstreites schwerer. Außerdem wird die geschädigte Partei durch die Möglichkeit eines Regreßprozesses geschützt. 45o ce) Reformvorschläge Trotz der oben dargestellten Differenzierungen bleibt festzuhalten, daß die Präklusionsnormen auf Grund ihres engen Verschuldensbegriffs nur unzureichend zu einer Verfahrensbeschleunigung beitragen können. Daran ändert wohl auch die neue Gesetzesfassung nichts. Der praktische Anwendungsbereich der §§ 179 Abs. 1, 275 Abs. 2 wird sich, sofern man sich nicht über den Wortlaut der Neufassung hinwegsetzen will, nicht wesentlich erweitern lassen. Um § 179 Abs. 1 Durchschlagskraft zu verleihen, wird eine deutliche Absenkung des Verschuldensmaßstabes nicht zu umgehen sein. Von daher erscheint es vernünftig, die geltende Regelung weiter zu verschärfen. Die Einwände Pimmers,451 daß eine solche Verschärfung zu einem Verlust an materieller Sicherheit führen könnte, überzeugen dagegen nicht. Einmal kann ein rasches Verfahren u. U. ein "Mehr" an materieller Gerechtigkeit bieten als dies bei verschleppender Prozeßführung einer Partei der Fall ist; so verspricht etwa ein rasch durchgeführtes Beweisverfahren richtigere Ergebnisse, als wenn es erst Monate später zu einer Nachprüfung kommt. Auf der anderen Seite greifen diese Einwände aber auch nicht unter dem Gesichtspunkt der Erhaltung der materiellen Gerechtigkeit durch. Wie noch anderer Stelle zu zeigen sein wird,452 ist der Ansatzpunkt für den Ausschluß das vorwerfbare Verhalten einer Partei im Prozeß, das es im Interesse des Gegners und des Staates zu sanktionieren gilt. Wer sich aber selbst um seine Chancen bei der Rechtsverwirklichung bringt, darf auf keine Nachsicht auf Kosten der anderen Verfahrensbeteiligten hoffen. Dies ist beim Rechtsinstitut der beschränkten Berufung anerkannt und es hat auch im erstinstanzlichen Verfahren zu gelten. Auch die Bemerkung PimVgl. hierzu Kapitell. 9. b) bb). Pimmer a.a.O.; LGZ Wien EFSlg 55.019: Daß auch den Kläger eine Pflicht zum rechtzeitigen Vortrag trifft, steht außer Zweifel und bedarf keines besonderen Verweises. Bereits im Kapitel über die inhaltlichen Anforderungen an Schriftsätze (I. 8. a) dd) (l»wurde betont, daß eine konsequente Prozeßförderung bereits mit der Einreichung der Klageschrift beginnt. Auch kann es selbstverständlich im Interesse des Klägers liegen, einen Prozeß zu verzögern. Man denke nur an einen für den Kläger unerwartet negativen Prozeßverlauf. Hier kann sich eine Verschleppung als durchaus günstig herausstellen. Somit kann auch beim Kläger eine Verschleppungsabsicht gegeben sein. 451 Pimmer a.a.O. S. 132f. 452 Vgl. hierzu Kapitel 11. 4. 450
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I. Prozeßförderung in erster Instanz
mers, rechtstatsächliche Erfolge der seit 1976 bestehenden verschärften deutschen Präklusionsregelungen hätten sich kaum eingestellt - Reformen seien daher kaum zur Verfahrensverkürzung geeignet, ist nur bedingt richtig. Erstens ist nicht überprüfbar, inwiefern allein die Existenz dieser Regeln die Parteien zu einem rechtzeitigen Vortrag angehalten und sie damit einen psychologischen Druck auf die Parteien ausgeübt haben. Außerdem ist bekannt, daß neue Regelungen immer nur so gut sein können wie die Richter, die sie anwenden. Auch die Einwände Rimmelspachers453 gegen eine allgemeine Verschärfung von Präklusionsbestimmungen unter Hinweis auf die kurze Verfahrensdauer in Österreich greifen nicht durch. Richtig ist, daß auf Grund der konsequenten Anwendung der Prozeßleitungspflichten von Seiten der österreichischen Richterschaft eine - im Vergleich zu Deutschland - kürzere erstinstanzliche Verfahrensdauer erreicht wurde. Aber auch in Österreich hat die Einsparung von Sach- und Personalmitteln bei gleichzeitigem Anstieg der Prozeßzahlen zu einer Verlängerung der durchschnittlichen Prozeßdauer geführt. Auf mittlere Sicht wird es den Gerichten unmöglich werden, allein für die Prozeßförderung zu sorgen. Vielmehr werden sich auch die Parteien an dieser Aufgabe beteiligen müssen. Nur eine "Arbeitsgemeinschaft" aller Verfahrensbeteiligten ist in der Lage, einer Prozeßverschleppung wirksam entgegenzutreten.
Sinnvoll erscheint daher eine Verschärfung des Verschuldensmaßstabes. Dieser sollte allgemein auf grobe Fahrlässigkeit abgestuft werden. In Betracht kommt auch eine Beweislastumkehr für das subjektive Verschuldenselement. Man könnte den neuen Tatbestand so fassen, daß er eine gesetzliche Vermutung für das Vorliegen grober Fahrlässigkeit aufstellt. Das Gericht könnte sich dann auf die Prüfung der objektiven Voraussetzungen beschränken, während den Parteien der Beweis dafür obliegen würde, nicht schuldhaft gehandelt zu haben. Eine solche Regelung würde aber den allgemeinen Grundsatz, wonach die Tatbestandsvoraussetzungen prozessualer Befugnisnormen von Amts wegen festgestellt werden müssen, durchbrechen. Aus dogmatischer Sicht sollte daher auf eine derartige Beweislastumkehr verzichtet werden. Auf den ersten Blick erscheint eine weitere Verschärfung des Verschuldensmaßstabes hin zur leichten Fahrlässigkeit in den Fällen, in denen die Parteien die ihr gesetzten Fristen versäumt haben, als zu streng. Wenn man allerdings bedenkt, daß bis zur Zivilverfahrensnovelle 1983 im Bereich der Wiedereinsetzung der sehr restriktive Verschuldensmaßstab des § 146 S. 2 a. F. galt, nach dem bereits leichteste Fahrlässigkeit geeignet war, das Vorbringen auszuschließen,454 so wird man bei Fristsäumnis ebenfalls eine 453 454
Rimmelspacher ZRP 1999, 177 (179). Zur alten Rechtslage Stiegler (Diss. 1993) S. 3 ff.
13. Behauptungs- und Beweislast
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Minderung des Maßstabes auf leichte Fahrlässigkeit erwägen können. Im Gegensatz zur allgemeinen Prozeßförderungspflicht ist den Parteien bei Fristsetzungen der Zeitpunkt, ab dem eine mögliche Präklusion erfolgen kann, sehr genau bekannt. Hier sind daher auch strengere Maßstäbe an das Maß des Verschuldens zu stellen. Der Anwaltsprozeß läßt jedoch taktische Lücken offen. Der Anwalt kann sich darauf berufen, nicht umfassend von seinem Mandanten infonniert worden zu sein und nur aus diesem Grunde nicht früher vorgetragen zu haben. Die Partei selbst wird dann angeben, von der Erheblichkeit des neuen Vorbringens für den Prozeß keine Kenntnis gehabt zu haben. Auf diese Weise könnten sich der Rechtsanwalt und die Partei gleichennaßen vom Vorwurf schuldhaften Handeins entlasten. Das mit der Verschärfung des Verschuldensmaßstabes angestrebte Ziel, säumige Parteien mit ihrem Vorbringen zu präkludieren, würde dann nicht mehr erreicht werden. Allerdings wird es im Regelfall für das Gericht erkennbar sein, ob dem Anwalt Anhaltspunkte für einen löchrigen Vortrag der Partei vorlagen. In diesem Fall ist der Anwalt schließlich verpflichtet, weitere Angaben von seinem Mandanten einzufordern. Im Falle des Unterlassens handelt der Anwalt schuldhaft und die Partei muß sich dieses Verschulden zurechnen lassen. Folgender Wortlaut bietet sich für eine Neufonnulierung des § 179 Abs. 1 an, dem die Refonnvorschläge zum inhaltlichen Umfang des Vorbringens 455 und zum Verzögerungsbegrifr56 zugrundegelegt werden: "Tatsächliche Behauptungen, Beweismittel, Beweiseinreden sowie unselbständige Verteidigungsmittel sind in der mündlichen Verhandlung so zeitig und umfassend vorzutragen, wie es nach der Prozeßlage einer sorgfaltigen und auf Förderung des Verfahrens bedachten Prozeßführung entspricht. Dieses Vorbringen ist vom Gericht zurückzuweisen, wenn es entgegen Satz 1 grob fahrlässig nicht rechtzeitig in den Prozeß eingeführt wurde und seine Zulassung den Rechtsstreit verzögern würde; es sei denn, daß sich dem Gericht Umstände aufdrängen, die darauf hindeuten, daß auch im Falle eines rechtzeitigen Vortrags der Prozeß nicht früher hätte beendet werden können."
13. Behauptungs- und Beweislast a) Allgemeine Grundsätze Grundsätzlich ist davon auszugehen,457 daß das Gericht sämtliche Präklusionsvoraussetzungen von Amts wegen feststellen muß. Es gilt der all geVgl. hierzu Kapitell. 9. b) cc). Vgl. hierzu Kapitel I. 10. b) bb). 4S7 Beide Begriffe werden in bezug auf § 296 Abs. 1 gleichzeitig untersucht, da sich die Behauptungslast grundsätzlich nach Gegenstand und Umfang mit der Be4SS
456
152
I. Prozeßförderung in erster Instanz
meine Grundsatz,458 daß prozessuale Befugnisnonnen vom Gericht nur angewendet werden dürfen, wenn deren Voraussetzungen zur vollen Über. zeugung des Gerichts feststehen. Bestehen Zweifel, verbietet sich die Vornahme der richterlichen Prozeßhandlung. b) Beweislastumkehr gern. § 296 Abs. 1 dZPO
Von diesem Grundsatz macht § 296 Abs. 1 ZPO eine Ausnahme. Bezüglich des fehlenden Parteiverschuldens ist das Gericht ganz von eigenen Feststellungen befreit. Es obliegt vielmehr der Partei, Tatsachen und Beweismittel vorzutragen, die ihre Verspätung entschuldigen.459 Dies ergibt sich zweifelsfrei aus dem Wortlaut des Abs. 1. Dieser belegt, daß mit Abs. I a. E. eine Umkehr der Behauptungs- und Beweislast bezweckt wird. Diese Umkehr beschränkt sich allerdings auf das Merkmal der "Fahrlässigkeit"; die übrigen Voraussetzungen bleiben hingegen davon unberührt. Die Partei hat also nachzuweisen, daß sie kein Verschulden trifft bzw. ihr keines ihres Vertreters oder Anwalts zuzurechnen ist. 460 Ausreichend dafür ist die Glaubhaftmachung gern. § 296 Abs. 4. Diese ist bei überwiegender Wahrscheinlichkeit zu bejahen. 461 Es muß also mehr für das Vorliegen eines Entschuldigungsgrundes sprechen als dagegen. Die Schuldlosigkeit muß damit nicht zur vollen Überzeugung des Gerichts feststehen. Ergeben sich aus der Prozeßführung Anzeichen für ein fehlendes Verschulden, so kann das Gericht sogar ganz auf neue Tatsachen- und Beweisvorträge verzichten. Dem Gericht ist für die Entscheidung, ob von den Parteien eine Glaubhaftmachung verlangt wird oder nicht, ein Ennessensspielraum eröffnet. Eine abweichende Regelung von Abs. 1 enthält Abs. 2. Die "grobe Nachlässigkeit" i. S. v. Abs. 2 ist vom Gericht von Amts wegen zu überprüfen. 462 Sie muß zur vollen Überzeugung des Gerichts gern. § 286 feststehen.
weislast deckt. Auch i. R. v. § 296 Abs. 2 ergeben sich insofern keine Unterschiede. Rosenberg/Schwab/Gottwald § 118 IV I; üelkers (1994) S. 7. 4S8 Prütting (1975) Beweislast S. 41. 4S9 Weth (1988) S. 278; Leipold in Stein/Jonas § 296/88; Schneider MDR 1987, 900. 460 A. A. Fuhrmann (1988) S. 11lff. 461 überhein (1992) S. 456f.; Weiss RZ 400; Bender/Belz/Wax (1977) RZ 80; a. A. Schilken RZ 478. 462 Bischof RZ 172; Schwarz JA 1984, 458 (462). A.A. Weth (1988) S. 279f., der der Auffassung ist, daß es dem Gericht nicht möglich ist, Lebensvorgänge, die sich im internen Bereich der säumigen Partei abspielen, ermitteln zu können. Er kommt damit für § 296 Abs. 2 zu einer Behauptungs- und Beweislastumkehr. Der Idee nach handelt es sich dabei um eine Verteilung der Beweislast nach den Grundsätzen über die Abschichtung von Kenntnisbereichen.
14. Rechtsfolgen
153
c) Beweismaß
Die Feststellung der Verzögerung ist in "die freie Überzeugung des Gerichts" gestellt. Damit ist eine Senkung des Beweismaßes verbunden; es ist nicht das für die übrigen Tatbestandsvoraussetzungen des § 296 geltende Regelbeweismaß einschlägig. Der BGH463 führt dazu aus: "Der Richter darf sich mit einem für das praktische Leben brauchbaren Grad an Gewißheit begnügen, der den Zweifeln Schweigen gebietet, ohne sie völlig auszuschließen." Es handelt sich somit um eine Prognoseentscheidung, bei der das Gericht das Vorliegen einer Verzögerung nach dem aktuellen Stand des Verfahrens frei abschätzen kann. Dieser weite Entscheidungsspielraum findet seine Grenze im willkürlichen Handeln. Damit hat der Gesetzgeber eine Lockerung herbeigeführt, die das Gericht von langwierigen Beweisaufnahmen entlastet. Die verminderten Anforderungen an die Überzeugung des Gerichts ersparen wertvolle Zeit. Sie garantieren eine Entscheidung über die Zurückweisung innerhalb eines Termins. Denn eine eigene Beweisaufnahme darf nicht erfolgen. 464 Vertagungen werden dadurch vermieden. Ist das Vorliegen der Verzögerung unsicher, so darf dies nicht zu Lasten der Partei gehen. Im Falle eines non-liquet hat eine Präklusion zu unterbleiben. Die Schärfe des Eingriffs in die Prozeßführung einer Partei ist nur bei eindeutigen Indizien angezeigt. Jedoch kann die säumige Partei im Wege des Gegenbeweises die Feststellungen des Gerichts angreifen, wenn ihrer Meinung nach zu Unrecht das Vorliegen einer Verzögerung unterstellt wurde. Bejaht das Gericht beispielsweise eine Verzögerung, weil es für eine gegenteilige Entscheidung keine offensichtlichen Anhaltspunkte gibt, so kann es der Partei nicht verboten sein, das Gericht vom Nichtvorliegen dieses Tatbestandsmerkmals zu überzeugen. Allerdings muß dieser Gegenbeweis im selben Termin, spätestens in dem darauf folgenden vorgenommen werden. 465 Damit soll jede weitere verzögernde Beweiserhebung verhindert werden. Die Auseinandersetzung über das "Ob" der Präklusion ist so kurz wie möglich zu halten, um die gewonnenen Zeitersparnisse nicht wieder auf das Spiel zu setzen.
463
BGHZ 61, 165 (169) = NJW 1973, 1925; Hartmann in Baumbach/Lauterbach
§ 296/38 spricht von einem "weiten Ermessensspielraum" des Gerichts.
BT-DruckS 7/2729 S. 38f.; BGHZ 75,138 (141); Thomas/Putzo § 296/29. BGH MDR 1986, 1002 verlangt die Setzung einer kurzen Frist. Kallweit (1983) S. 71; Thomas/Putzo § 296/28; Schneider MDR 1987,900. 464
465
154
I. Prozeßförderung in erster Instanz
14. Rechtsfolgen
a) Inhalt der Entscheidung nach § 296 dZPO
Das Gesetz unterscheidet vom Wortlaut her zwischen einer für das Gericht verbindlich vorgeschriebenen Zurückweisung gern. Abs. 1 und einer in ihr freies Ermessen gestellten Zurückweisung gern. Abs. 2. Hat die Partei eine der in § 296 Abs. 1 genannten richterlichen oder gesetzlich bestimmten Fristen versäumt, so muß das verspätete Vorbringen präkludiert werden. Dagegen wird dem Gericht vom Gesetz bei Verstößen gegen die allgemeine Prozeßförderungspflicht gern. § 296 Abs. 2 auf der Rechtsfolgenseite ein Ermessen zuerkannt. Anerkannt ist, daß dieses Ermessen pflichtgemäß ausgeübt werden muß. 466 Entscheidend für die Zulässigkeit des Ausschlusses sind u. a. die Bedeutung des Rechtsstreites für die einzelne betroffene Partei oder die bereits zurückgelegte Prozeßdauer.467
b) Inhalt der Entscheidung nach §§ 179 Abs. I, 275 Abs. 2, 278 Abs. 2 öZPO
aa) Präklusion im Ermessen des Richters Dem Wortlaut des Gesetzes nach scheint die Präklusion gern. § 179 Abs. 1 S. 2, 275 Abs. 2 und § 278 Abs. 2 im Ermessen des Gerichts zu stehen. Dafür spricht zunächst die Ausformulierung dieser Normen als "Kann"-Vorschriften. Diese Auslegung wird auch dadurch gestützt, daß die Parteien die Prüfung der Zurückweisungsnormen auf ihren Antrag hin begehren können. Wäre das Gericht bereits von Amts wegen verpflichtet, das etwaige Vorliegen eines Präklusionstatbestandes zu kontrollieren, würde die Antragsmöglichkeit der Parteien keinen Sinn ergeben. Diese verhilft den Parteien vielmehr, das Gericht zu einer Prüfung der Voraussetzungen zu bewegen. 468
466 Strohs JA 1981,458 (459); Bettermann ZZP 91 (1978), 365 (382); a.A. Weth «(1988) S. 290ff.), der eine verfassungskonforme Auslegung des § 296 Abs. 2 in eine "Muß"-Vorschrift fordert. Es gäbe keine Gründe dafür, je nach Fallkonstellation sich für eine Präklusion auszusprechen oder nicht. Jeder differenzierte Maßstab, wie er von Teilen der Literatur für die Ermessensausübung vertreten wird, würde zu willkürlichen Ergebnissen führen. 467 Bender/Belz/Wax (1977) RZ 83; Leipold in Stein/Jonas § 296/1lOf. 468 So auch LGZ Wien EFSlg 55.019.
14. Rechtsfolgen
155
bb) Präklusion als Pflichtaufgabe des Richters Nach abweichender Ansicht469 soll das Gericht zu einer Präklusion verpflichtet sein; danach wären die Präklusionstatbestände als "Muß"-Vorschriften anzusehen. Zwar läßt sich aus den oben angeführten Gründen eine solche Auslegung auf den ersten Blick nicht mit der geltenden Rechtslage vereinbaren. Jedoch erlaubt die historische Auslegung auch einen anderen Schluß. Der Gesetzgeber von 1895 verstand die Präklusionsnormen als notwendiges Mittel im Kampf gegen den bewußten Mißbrauch der Gerichte. Um den sozialen Aufgaben der Zivilgerichtsbarkeit gerecht zu werden, war ein effizienter Ablauf des Verfahrens Voraussetzung. Dieser konnte schließlich nur durch konsequent ausgeübte richterliche Prozeßleitungspflichten garantiert werden. Die Auslegung der §§ 179 Abs. 1 S. 2, 275 Abs. 2, 278 Abs. 2 in eine "Muß"-Vorschrift entspräche auch dem Telos dieser Regelungen. Sie würde insbesondere helfen, die Ungerechtigkeiten zu vermeiden, die im Zusammenhang mit der unterschiedlichen Auslegung des Ermessensspielraums durch die Richterschaft entstehen. Das richterliche Ermessen bei der Frage der Zurückweisung steht im Widerspruch zu dem Grundsatz, daß Präklusionsnormen wegen ihres Eingriffs in das rechtliche Gehör eng auszulegen sind. Gerade auf Grund ihrer Bedeutung für die Parteien sind eindeutige Maßstäbe bei der Rechtsanwendung der Präklusionsregelungen zu fordern. Demgegenüber kann die in das Ermessen des Richters gestellte Zurückweisung verspäteten Vorbringens zu unvorhersehbaren Ergebnissen führen. Dies hat seinen Grund darin, daß es an vernünftigen Maßstäben für eine pflichtgemäße Ermessensausübung fehlt. Die von der Literatur zu § 296 dZPO entwickelten Abwägungskriterien470 sind kaum in der Lage, für gerechte Ergebnisse zu sorgen. Insbesondere der Hinweis darauf, daß ein Ausschluß unterbleiben solle, wenn sich dem Richter der mögliche Verstoß gegen die materielle Rechtslage geradezu aufdränge, ist zur Differenzierung einzelner Fälle ungeeignet. Ursache für eine Präklusion ist das vorwerfbare Verhalten einer Partei bei ihrer Prozeßführung. Allein aus der Verletzung dieser Prozeßförderungspflicht heraus rechtfertigt sich eine Präklusion. Ob der Richter eine etwaige Verfehlung eines richtigen Urteils ahnt oder nicht, ist dagegen bedeutungslos. Die Partei selbst hat sich im Falle der Präklusion den möglichen Verlust ihrer Rechte zuzuschreiben. Dann aber darf der Richter nicht als "Feuerwehrmann" agieren, der den Eintritt der drohenden Rechtsnachteile in "letzter Minute" noch vereiteln soll. Auch eine Differenzierung nach den 469 470
Sprung JBI 1981 337 (345); Deixler-Hübner ÖJZ 95, 170 (171). Vgl. hierzu die Übersicht bei Weth (1988) S. 290ff.
156
I. Prozeßförderung in erster Instanz
wirtschaftlichen Nachteilen, die sich für eine Partei im Falle der Präklusion ergeben könnten, ist unsachgemäß und kann zu willkürlichen Ergebnissen führen. Insgesamt spricht danach viel dafür, dem Gericht bei Vorliegen der Präklusionsvoraussetzungen die Zurückweisung als Pflichtaufgabe aufzuerlegen. Auf diese Weise ließe sich eine einheitliche Präklusionspraxis erzielen, die auch dem Grundsatz der Chancen- und Waffengleichheit gerecht würde. cc) Abschaffung des Parteienantrags Gleichzeitig könnte man auch die Antragsmöglichkeit der Parteien als eines der letzten Relikte des Parteibetriebes in der öZPO beseitigen. Die Verfahrensdurchführung hat in einem modernen Zivilprozeß allein in den Händen des Richters zu liegen. Im Sinne eines raschen, billigen und einfachen Prozesses sollte es dem Gericht obliegen, über die geeigneten Schritte für die Umsetzung dieser Ziele zu entscheiden. Eine Abschaffung dieser richterlichen Beschränkungen ist auch für § 279 Abs. 1 zu wünschen. Hat das Gericht das Gefühl, daß der Beweisaufnahme ein Hindernis von unbestimmter Dauer entgegensteht, so sollte es dieses Beweismittel für das laufende Verfahren präkludieren können und dazu nicht auf den Antrag einer Partei angewiesen sein. Mit der Prozeßökonomie ist eine solche Regelung nicht vereinbar. Ganz abgesehen davon würde eine solche Antragsmöglichkeit bei Einführung einer Ausschlußpflicht aus den im vorigen Kapitel dargelegten Gründen gegenstandslos werden. 15. Ausspruch der Präklusion a) Kein eigener Beschluß
Die Präklusion verspäteten Vorbringens ist in den Urteilsgründen auszusprechen. 471 Die Präklusion ist unabhängig vom Urteilsspruch eigens anzuführen. Ein eigener Beschluß ist dafür nicht vorgesehen. Vielmehr hat das Gericht im Rahmen eines Urteils einerseits darzulegen, welche Tatsachen und Beweismittel präkludiert wurden und auf Grund welcher rechtlichen Würdigung es das Vorliegen der Präklusionsvoraussetzungen bejaht. 472 Die Begründung muß in diesem Fall so umfangreich sein, daß für das Berufungsgericht die Zurückweisung nachvollziehbar ist; ansonsten ist die Präklusion als verfahrensfehlerhaft aufzuheben. Wie im Zusammenhang mit 471 Dies folgt aus § 417 Abs. 3 öZPO. Vgl.: Fasching 11 852; ders. III 854; Rechberger/Simotta RZ 654. Zur dZPO vgl.: BOR FamRZ 1984, 38 m. w.N.; BOR VersR 1979, 773; Zimmermann § 296/36f. 472 BOR NJW-RR 1996,961; Bender/Belz/Wax (1977) RZ 86.
15. Ausspruch der Präklusion
157
Art. 6 EMRK bzw. 103 GG bereits dargelegt wurde, ist diese Begründungspflicht Ausfluß des Anspruchs auf rechtliches Gehör. Die Parteien sollen darüber informiert sein, welches Prozeßmaterial vom Gericht als Urteilsgrundlage verwendet wurde. Nur auf diese Weise wird für die präkludierten Parteien die Entscheidungsfindung transparent. Man kann diese Begründungspflicht als "Reflex" des Art. 6 EMRK bzw. Art. 103 GG bezeichnen.
b) Benachrichtigung der präklusionsbedrohten Partei
Kommt eine Zurückweisung verspäteten Vorbringens in Betracht, so hat das Gericht die Parteien darauf hinzuweisen. 473 Kraft seiner Prozeßleitungspflicht ist das Gericht angehalten, in der mündlichen Verhandlung auf die drohende Präklusion aufmerksam zu machen und zwar unabhängig davon, ob die Zurückweisung zwingend vorgeschrieben ist oder nicht. Der Partei ist insbesondere im Rahmen der Beweislastumkehr von § 296 Abs. 1 dZPO (leichte Fahrlässigkeit) die Gelegenheit zu eröffnen, das mangelnde Verschulden glaubhaft zu machen. 474 Kommt der Hinweis für die Partei unerwartet, so ist ihr eine kurze Frist zu setzen, innerhalb der sie sich äußern kann. Dieser Zeitaufschub ist durch den verfassungsrechtlich garantierten Anspruch auf rechtliches Gehör dringend geboten. 475 Eine sofortige Präklusion würde die Partei nämlich um ihr Recht bringen, die mangelnde Vorwertbarkeit ihrer Verspätung darlegen zu können. Läßt die Partei aber diese Gelegenheit ungenutzt verstreichen, ist sie nicht weiter schutzwürdig. Der Anspruch auf rechtliches Gehör gilt dann - im untechnischen Sinne - als "verwirkt".476 c) Folge einer Präklusion für die Entscheidungsfindung
Die Präklusion hat zur Folge, daß das verspätete Vorbringen als nicht vorgetragen gilt. Eigene Behauptungen oder Gegenausführungen bleiben 473 BverfG NJW 1998, 2044; NJW 1987, 485; Pieckenbrock NJW 1999, 1360 (1362); Hartmann in Baumbach/Lauterbach § 296/23; a.A. OLG Düsseldorf MDR 1985,417. 474 BGH NJW 1982, 2559; NJW 1989, 717. Danach dürfen auch bezüglich der groben Nachlässigkeit von der säumigen Partei Gegenbeweise angeboten werden. Dasselbe gilt für das Nichtvorliegen einer Verzögerung oder der Kausalität, deren Prüfung das Gericht gern. § 296 Abs. 1, 2 dZPO unter vereinfachten Voraussetzungen vornehmen kann. Hier reicht schließlich bereits die "freie Überzeugung des Gerichts" aus, um diese Tatbestandsvoraussetzungen als gegeben annehmen zu können. Der Partei muß es in diesem Fall möglich sein, das Gericht vom Gegenteil zu überzeugen. Ebenso Huber in Musielak § 296/32. 475 BverfGE 55, 95 (98); BGH NJW 1986, 3193 (3194); Schneider MDR 1985, 287. 476 War sich die Partei dagegen ihrer Verspätung bewußt oder konnte sie auf Grund deutlicher Hinweise des Gerichts jederzeit mit einer Präklusion rechnen, ist die Ansetzung eines neuen Termins entbehrlich.
158
I. Prozeßförderung in erster Instanz
unbeachtet. Der OGH betont, daß ein einmal präkludiertes Vorbringen auch dann nicht mehr Berücksichtigung findet, wenn es von der Partei in einer späteren Verhandlungstagsatzung wiederholt wird. 477 Die präkludierte Partei wird im Laufe des Rechtsstreits so behandelt, als hätte sie niemals den Prozeßstoff vorgetragen. Dies kann zu einer Geständnisfiktion führen. 478 Da das Urteil in materielle Rechtskraft erwächst, kann ein neuer Prozeß, in dem das präkludierte Vorbringen nunmehr zu berücksichtigen wäre, nicht angestrengt werden. 479 Die Partei bleibt also mit ihrem Vorbringen sowohl im anhängigen Prozeß als auch späterhin für immer ausgeschlossen. 48o d) Präklusion in einem End- und Zwischenurteil
Eine Präklusion kann aber nicht nur in einem Endurteil, sondern auch im Grundurteil erfolgen (= Zwischenurteil über den Grund).481 In diesem Urteil wird verbindlich das vollständige oder teilweise Bestehen des Zur öZPO: OGH SZ 51132; zur dZPO: BGH NJW-RR 1996,961. Zimmermann § 296/37. Ansprüche, die allein auf verspätetes Vorbringen gestützt werden, erkennt das Gericht durch Urteil ab. So BGH NJW 1961, 117. 479 Auch die Erhebung einer Oppositionsklage (= Vollstreckungsabwehrklage gern. § 767 dZPO) gern. § 35 EO - gestützt auf das präkludierte Vorbringen - ist unmöglich. Danach kann ein Exekutionstitel nur mit solchen Einwendungen angegriffen werden, die nach dem Schluß der mündlichen Verhandlung entstanden sind bzw. erst dann geltend gemacht werden konnten. Bei präkludiertem Vorbringen trifft aber weder das eine noch das andere zu. 480 Besonderheiten ergeben sich allerdings für die Aufrechnungseinrede, die nach der dZPO zu den Angriffs- und Verteidigungsmitteln zählt (vgl. hierzu Kapitel I. 7. a) cc) (2». Erfolgt die Geltendmachung der Aufrechnungseinrede im Prozeß - sog. Prozeßaufrechnung - verspätet, so wird diese als solche, wenn die Voraussetzungen des § 296 dZPO erfüllt sind, zurückgewiesen. Sie kann dann zwar nicht mehr im laufenden Verfahren angeführt werden, jedoch bleibt ein späterer Prozeß bezüglich der Gegenforderung zulässig. Denn infolge der Präklusion ist es nicht zu einer rechtskräftigen Entscheidung über den Gegenanspruch gekommen (vgl. § 322 Abs. 2 dZPO), sodaß dieser in einem eigenen Verfahren zum Streitgegenstand werden kann. Die Präklusion hat in diesem Fall keine abschließende Ausschlußwirkung für die Zukunft. Etwas anderes gilt nur dann, wenn die Aufrechnung vor- oder außerprozessual erklärt wurde, die Partei sich jedoch darauf verspätet beruft. Die Einordnung der Aufrechnung als Angriffs- und Verteidigungsmittel verlangt dann die endgültige Präklusion. Dasselbe gilt, wenn die Partei einzelne - die Aufrechnung stützende Tatsachen und Beweismittel nicht rechtzeitig vorbringt. In beiden Fällen ergeht ein rechtskräftiges Urteil über die zur Aufrechnung gestellte Forderung (§ 322 Abs. 2 dZPO). So auch Rosenberg/Schwab/Gottwald § 105 III. Gegen diese Differenzierung Leipold (in Stein/Jonas § 145/56ff.), nach dessen Ansicht einer erneuten Geltendmachung der Gegenforderung in keinem Fall die Rechtskraft des Urteils entgegenstehen soll. 481 BOHZ 77,306 (309f.); Rosenberg/Schwab/Gottwald § 6911 1; Huber in Musielak § 296/21. 477
478
16. Rechtsmittel
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Anspruchsgrundes festgehalten, während der Rechtsstreit über die Höhe des Anspruchs weiterläuft. Alle Einwendungen gegen den Anspruchsgrund sind ab der Fällung des Grundurteils ausgeschlossen. Diese Zweiteilung - also nach Grund und Höhe des Anspruchs - bewirkt, daß mit Abschluß des Rechtsstreits über den Grund dieser Verfahrensabschnitt im ganzen beendet wird. Sofern also Angriffs- und Verteidigungsmittel den Anspruchsgrund betreffen, sind sie vor Erlaß des Grundurteils vorzutragen. Im Gegensatz zum Grundurteil ist der Ausspruch einer Präklusion in einem Teilurteil nicht möglich. Die Gründe hierfür werden im Rahmen des Kapitels über etwaige Fluchtmöglichkeiten vor der Präklusion näher dargelegt. 482 Daher wird an dieser Stelle auf eine eingehendere Auseinandersetzung verzichtet. In den Entscheidungsgründen müssen alle Voraussetzungen der angewendeten Präklusionsnorm im einzelnen sorgfaltig erörtert werden; und zwar in Zusammenhang mit der Norm, auf die sich der verspätete Tatsachenvortrag bezieht.483 16. Rechtsmittel
Zuletzt soll noch auf die Rechtsmittel eingegangen werden, die einer Partei gegen eine Präklusion zustehen. Dabei ist danach zu unterscheiden, ob die Zurückweisung unzulässig war oder ob das verspätete Vorbringen unter Verstoß gegen die Präklusionsnormen in das erstinstanzliche Verfahren eingeführt wurde; also die Präklusion zu Unrecht unterlassen wurde. a) Berufung und Revision
aa) Rechtslage nach der dZPO Die präkludierte Partei kann gegen das erstinstanzliche Urteil Berufung einlegen. Das Berufungsgericht überprüft dann umfassend die Rechtmäßigkeit der in der Vorinstanz ausgespochenen Zurückweisung. 484 Wurde das Vorbringen zu Unrecht präkludiert, wird das Verfahren regelmäßig gern. § 539 zurückverwiesen. Im umgekehrten Fall ergeht ein abweisendes Berufungsurteil. Gegen dieses Urteil ist wiederum die Revision an den BGH unter den Voraussetzungen des § 546 möglich. 485 Dies gilt sowohl im Falle 482 Vgl. hierzu für die dZPO: Kapitel I. 17. a) bb) und für die öZPO: Kapitel I. 7. b) dd). 483 Huber in Musielak § 296/35. 484 BGH NJW 1981, 928; Schilken RZ 907f.; Rosenberg/Schwab/Gottwald § 69 11 6. 485 Greger in Zöller § 296/36.
160
I. Prozeßförderung in erster Instanz
einer Bestätigung als auch bei einer abweichenden Entscheidung des Berufungsgerichts bezüglich der erstinstanzlichen Präklusion. Unzulässig ist jedoch die Ersetzung eines fehlerhaft in der Erstinstanz angenommenen Präklusionsgrundes durch einen anderen. 486 bb) Rechtslage nach der öZPO Gegen eine vom Gericht ausgesprochene Präklusion ist kein abgesondertes Rechtsmittel zulässig. Dies folgt aus §§ 186 Abs. 2 und 291 Abs. 1. Jedoch kann ein solcher Zurückweisungsbeschluß zusammen mit dem Urteil mittels Berufung angegriffen werden. 487 Dabei wird das Gericht der zweiten Instanz in zweierlei Funktion tätig. Bezüglich des Präklusionsbeschlusses entscheidet das Gericht als Rekursgericht; im übrigen wird es als Berufungsgericht tätig. Diese nach außen hin kaum wahrnehmbare Aufspaltung der Funktionsbereiche führt zu folgenden Ergebnissen: Bestätigt das als Rekursgericht agierende Gericht zweiter Instanz den Präklusionsbeschluß der Vorinstanz, so ist ein weiteres Vorgehen hiergegen nach Ansicht des OGH488 ausgeschlossen. Denn die öZPO eröffne nur die Möglichkeit, Mängel des zweitinstanzlichen Verfahrens vor einer Revisionsinstanz geltend zu machen. Nicht überprüfbar sei hingegen ein vermeintlicher Mangel der ersten Instanz, dessen Vorliegen von der zweiten Instanz verneint werde. Begründet wurde diese Ansicht früher mit dem Grundsatz, Fehler eines Gerichts könnten immer nur vor der jeweils nächsten Instanz gerügt werden. Zum selben Ergebnis kommt der OGH489 nunmehr über einen A maiore ad minus-Schluß. Werde nämlich die Nichtigkeit eines erstinstanzlichen Urteils vorgetragen und diese vom Gericht zweiter Instanz abgelehnt, so sei gegen diesen Beschluß gern. § 519 ein Revisionsrekurs nicht zulässig. Diese Unanfechtbarkeit im Falle von Nichtigkeitsgründen müsse dann aber erst recht bei einfachen Verfahrensmängeln gelten. 49o Anders stellt sich die Situation im Falle einer Autbebung des Präklusionsbeschlusses der Vorinstanz dar. Fällt das Berufungsgericht also in bezug auf die Präklusion eine vom Erstgericht abweichende - weil autbebende - Entscheidung, so kann dieser Beschluß für sich vor dem Revisionsgericht angefochten werden. Schließlich handelt es sich bei dem PräkluBGH NJW 1992, 1965. Fucik in Rechberger § 179/4; Rechberger in Rechberger § 275/5: eine Wiederaufnahrnsklage gern. §§ 530 I Z 7 oder 531 ist ausgeschlossen. Fasching 11 854. Zur dZPO: Schilken RZ 908; Rosenberg/Schwab/Gottwald § 69116. 488 OGH SZ 221106; EvBL 1959/361; vgl. auch Fasching 11 854. 489 OGH JBI 1990,535; JBI 1991,44. 490 Die Rechtsprechung des OGH war starker Kritik ausgesetzt; vgl. hierzu Ballon in FS-Matscher (1988) S. 15 (21 ff.). 486 487
16. Rechtsmittel
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sionsbeschluß nicht um einen Teil des Berufungsverfahrens. Der OGH491 läßt einen Revisionsrekurs zu, da der Aufbebungsbeschluß seiner Natur nach rekurs gerichtlich sei. Denn dieser Beschluß erfolge unabhängig von der Entscheidung in der Sache selbst. Daß die beiden Entscheidungen nicht deutlich erkennbar im Urteil getrennt werden, ändere an dieser Teilbarkeit nichts. Dieser Beschluß unterfalle auch nicht den Zulässigkeitsbeschränkungen des § 519. Diese Norm wird insoweit für unanwendbar erklärt, da sie nur erstmals im Berufungsverfahren gefaßte Beschlüsse erfasse. Hier ist aber das Gericht der zweiten Instanz als Rekursgericht tätig geworden, sodaß die Einschränkungen des § 519 keine Wirksamkeit entfalten. 492
b) Rechtsmittel gegen eine unterlassene Präklusion Hätte das Erstgericht allerdings nach Meinung des Gegners eine Präklusion aussprechen müssen, ist weder einer Berufung noch einer Revision stattzugeben. 493 Die Präklusionsnormen begründen keinen Anspruch auf Zurückweisung. Zweck dieser Vorschriften ist allein die Beschleunigung des Prozesses. Mit Abschluß des erstinstanzlichen Verfahrens kann dieses Ziel nicht mehr erreicht werden. Die Verzögerung ist nämlich bereits durch die Zulassung des verspäteten Vorbringens eingetreten. Die Verwertung der Angriffs- und Verteidigungsmittel ist zwar ein Verfahrensfehler, der aber mit Urteilsfallung gleichsam "geheilt" wird. 494 Ebenso verhält es sich, wenn das Berufungsgericht rechtswidriger Weise das verspätete Vorbringen zugelassen hat. Dann ist diese Entscheidung mit der Revision nicht angreifbar. 495 c) Verfassungsbeschwerde
aa) Verfahren vor dem BverfG Als Schutz vor einer unzulässigen Präklusion kommt eine Verfassungsbeschwerde vor dem BverfG in Betracht. Gern. Art. 93 Abs. 1 Z. 4a GG kann jeder mit der Behauptung Verfassungsbeschwerde erheben, daß er sich in OGH SZ 51/32; SZ 31/61. OGH ÖRZ 1976/27; Novak JBl 1953,57 (63); Fasching 11 854. 493 BGH NJW 1984, 1808; NJW 1985, 743f.; NJW 1991, 1896f.; Zeiss RZ 208; Putzo NJW 1977, 1 (8); Schumann RZ 430. 494 Darüber hinaus hat Weth «1988) S. 284) darauf hingewiesen, daß ein nachträgliches Fallenlassen erstinstanzlichen Prozeßstoffes den Berufungsrichter dazu zwinge, "sehenden Auges" Unrecht zu sprechen. Dies könne aber nur solange gerechtfertigt sein, als man damit andere bedeutsame Verfahrensziele verfolge. Im vorliegenden Fall kann aber der mit § 296 dZPO verbundene Zweck nicht nachträglich durchgesetzt werden. Daher erscheint es auch aus diesem Grund richtig, ausnahmsweise diesen Verfahrensmangel nicht rügen zu können. Ebenso Franzki DRiZ 1977, 161 (166); Bender/Belz/Wax (1977) RZ 85. 495 Rosenberg/Schwab/Gottwald § 69 11. 491
492
1I von Stosch
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I. Prozeßförderung in erster Instanz
seinen Grundrechten oder grundrechts gleichen Rechten verletzt fühlt. Zu diesen Rechten gehört ebenso der Anspruch auf rechtliches Gehör gern. Art. 103 GG. Damit sind auch Gerichtsurteile auf die korrekte Gewährleistung des prozessualen Gehörs hin überprüfbar. Dieser Schutz vor der Judikative, der in Österreich allein der Fachgerichtsbarkeit übertragen ist, sichert in besonderer Weise die grundrechtlichen Verbürgungen. Problematisch ist aber, ob bereits jede fehlerhafte Anwendung der Präklusionsnormen durch das Gericht einen Verstoß gegen den Anspruch auf rechtliches Gehör darstellt. Dies würde in der Praxis zu einer unübersehbaren Flut von Verfassungsbeschwerden führen. Damit wäre der Weg frei für ein BverfG als "letzte Präklusionsinstanz.,,496 Eine so weitgehende Kontrolle der Fachgerichtsbarkeit stände im Widerspruch zu der Stellung des BverfG als "Hüterin der Verfassung". Die Kontrolle über die rechtsfehlerfreie Auslegung und Anwendung des einfachen Rechts steht eigentlich dem Berufungs- und eingeschränkt dem Revisionsgericht zu. In diesem Bereich ist für das BverfG als "Superrevisionsinstanz" kein Platz. Die in diesem Zusammenhang notwendige Abgrenzung von Verfassungsgerichtsbarkeit einerseits und Fachgerichtsbarkeit andererseits wirft die Frage auf, wann die richterliche Verletzung von Präklusionsnormen nicht nur rechtsfehlerhaft ist, sondern gleichzeitig auch einen Verstoß gegen Art. 103 GG darstellt. Es geht dabei um die Bestimmung der Kognitionsgrenzen. Das BverfG vertritt die Auffassung, daß auf Grund ihrer einschneidenden Folgen für die säumige Partei und ihres strengen Ausnahmecharakters die fachgerichtliche Auslegung und Anwendung der Präklusionsnormen einer strengeren verfassungsrechtlichen Kontrolle zu unterziehen sei, als dies üblicherweise bei einfachem Recht geschehe. In ihrer Prüfungsintensität gehe diese Kontrolle über eine reine Willkürkontrolle hinaus. 497 Sofern die von Verfassungs wegen geforderte Anhörung nicht stattgefunden habe, sei eine Verfassungsbeschwerde begründet. Damit differenziert das BverfG zwischen einer verfassungsrechtlich gebotenen Anhörung und einem einfachgesetzlichen Anhörungsrecht. Erstere umfaßt nur den unantastbaren Bereich, der jeder Einschränkung unzugänglich ist. Die Verletzung einfachen Rechts führt danach nur dann zu einem Verfassungsverstoß, wenn die Rechtsanwendung "offenkundig unrichtig" war498 oder auf einem "richterlichen Fehlverhalten beruht, das offenkundig rechtsmißbräuchlich war".499 Schmidt-Aßmann (DÖV 1987, 1029) spricht von "Pannenhilfe". BverfG NJW 1989,3212. 498 BverfG NJW 1987, 1621. 499 BverfG NJW 1987, 2003; NJW 1994, 849; BayVerfGH in bezug auf Art. 91 Abs. 1 BV: FamRZ 1990, 76; SächsVerfGH in bezug auf Art. 78 Abs. 1 SächsVerf: NJW 1998, 3266. 496 497
16. Rechtsmittel
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Es ist jedoch zweifelhaft, ob diese Kriterien dazu geeignet sind, der Belastung des BverfG mit Präklusionsfallen Einhalt zu gebieten. Auch andere Formulierungen - wie etwa "Abwehr groben prozessualen Unrechts" oder "schlechthin unvertretbare Ergebnisse" (vgl. BverfGE 70, 93), die eine Verfassungsbeschwerde rechtfertigen sollen, bringen nur wenig Licht in die Festlegung der Kognitionsgrenzen (kritisch auch Deubner NJW 1987,2736). In der Literatur gibt es verschiedene Ansätze, das BverfG von der Kontrolle einfachen Rechts zu befreien. Der Hinweis, daß es eine Frage des Einzelfalls sei, wann ein Verfassungs verstoß anzunehmen sei, hilft nicht viel weiter (Schumann NJW 1987, 3049). Konkreter ist der Vorschlag zwischen einem Kernbereich des Art. 103 GG und einem einfachen Schutzbereich zu unterscheiden (Prütting in MüKo § 296/ 25 f.). Ein Eingriff in den Kernbereich soll dann vorliegen, wenn die Partei keinerlei Chance zur Äußerung hatte, sie kein Verschulden an der Säumnis traf oder wenn ohne weiteres erkennbar war, daß die Pflichtwidrigkeit nicht monokausal für die Verzögerung war. Andere (Bender (1991) S. 379; Leipold JZ 1988, 93; Borgmann AnwBL 1989, 284f.) bevorzugen eine Prüfung in zwei Schritten: Zuerst hat das BverfG die Rechtswidrigkeit bei Auslegung bzw. Anwendung der Präklusionsnormen zu prüfen. Bejaht es diese, ist ferner dieser Verstoß gegen das einfache Recht auf seine verfassungsrechtliche Relevanz im konkreten Einzelfall hin zu gewichten. Beide Auffassungen gehen davon aus, daß nur dann, wenn das funktionale Zusammenspiel von Gericht und Parteien nachhaltig gestört ist, von einem Verstoß gegen Art. 103 GG gesprochen werden kann. Diese "Garantie eines Wirkungszusammenhangs" (so Schmidt-Aßmann in Maunz/Dürig Art. 103/136f.) wird durch ein Normgefüge von Normen sichergestellt, die den verfassungsrechtlich zu schützenden Kernbereich garantieren und über ihn einfach-gesetzlich mehr oder minder hinausgehen (BverfGE 60, 305 (310); Schmidt-Aßmann a.a.O.). Da Präklusionsregeln in besonderer Nähe zu dieser Garantie stehen, ist bei deren Verletzung eine erhöhte Prüfungsintensität nötig (Bender (1991) S. 383). Ein Verfassungsverstoß liegt danach dann vor, wenn in den Zusammenhang von parteilichen und richterlichen Prozeßförderungspflichten eingeriffen wird; d. h. wenn eine Partei sich ohne Verschulden nicht hinreichend äußern konnte oder das Gericht seinerseits durch eine unzulängliche Verfahrensleitung zur Verletzung beigetragen hat (Schmidt-Aßmann in Maunz/Dürig a. a. 0.). Einen methodisch anderen Ansatz vertreten Waldner und Mauder. Waldner (NJW 1984, 2925 f.; ZZP 98 (1985), 200 (213)) grenzt zwischen Subsumtionsfehlern, die immer auch eine Verletzung des Art. 103 GG bedeuten, und Interpretationsfehlern, wo dies nur in Ausnahmefallen der Fall ist, ab. Der Anspruch auf rechtliches Gehör sei bei falscher Auslegung der Rechtsbegriffe grundSätzlich nicht berührt. Mauder (S. 64/69f.) hingegen geht einen pragmatischen Weg. Seine Vorschläge stehen unter der Prämisse, daß das Abgrenzungsproblem dogmatisch nicht gelöst werden kann. Daher bevorzugt er verfahrenstechnische Mittel, um das BverfG zu entlasten: Entweder seien Gehörsrügen ganz auszuklammern oder aber arbeitstechnische Entlastungsmaßnahmen vorzunehmen (etwa Schaffung eines dritten Senats bei verringerter Anzahl von Richtern oder Erweiterung der Zuständigkeit des Vorprüfungsausschusses). Die Ansicht Mauders stellt eine Kapitulation vor der näheren Bestimmung der Kognitionsgrenzen dar. Es ist Mauder sicherlich zuzustimmen, daß die derzeitige Entscheidungspraxis des BverfG unbefriedigend ist. Es überzeugt jedoch noch weniger, allein auf arbeitstechnische Entlastungsmaßnahmen zurückzugreifen. Eine Trennung zwischen spezifischen Verfassungsrecht und einfach-gesetzlichen Normen
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I. Prozeßförderung in erster Instanz
bb) Verfahren vor dem öVfGH bzw. EUGHMR Eine Verfassungs beschwerde vor dem VfGH, der die Kontrolle des OGH auf Verstöße gegen Art. 6 Abs. 1 EMRK zum Inhalt hat, ist unstatthaft. Gern. Art. 144 Abs. 1 B-VG sind Akte der Judikative nicht durch den VfGH überprüfbar. Es ist allein Aufgabe der Fachgerichtsbarkeit, die durch Art 6 Abs. I EMRK geschützten Verfahrensgarantien zu beachten. Einer darüber hinausgehenden Einzelfallkontrolle bedürfe es nicht, so eine weit verbreitete Auffassung,500 da die in der ZPO enthaltenen Rechtsmittel genügend Schutz gegen Verletzungen des rechtlichen Gehörs böten. Möglich ist allerdings eine Menschenrechtsbeschwerde zum Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EUGHMR) gern. Art. 25 EMRK. Sie ist zulässig, sobald der innerstaatliche Rechtsweg erschöpft ist (Art. 26 EMRK). Dies bedeutet, daß es im Regelfall (anders nur bei § 502) zu einer Revisionsverhandlung vor dem OGH gekommen sein muß, ehe der Weg zum EUGHMR offen ist. 501
17. Beschleunigungshemmende Faktoren
a) Umgehung der Präklusion in der dZPO Schon bald nach Inkrafttreten der Vereinfachungsnovelle hat sich gezeigt, daß den Parteien verschiedene Wege offenstehen, um einer drohenden Präklusion zu entgehen. Zu diesen ,,Notausgängen,,502 zählen insbesondere die Flucht in die Säumnis, in die Widerklage, in die Klageerweiterung sowie in die Berufung. Allen diesen Fluchtmöglichkeiten ist gemeinsam, daß sie den Parteien die Chance bieten, unter Vermeidung einer Präklusion ihr Vorbringen über Umwege doch noch in den Rechtsstreit einzuführen. Auf diese Weise vermeiden die Parteien den möglichen Ausschluß ihrer Angriffs- und Verteidigungsmittel durch das erstinstanzliehe Gericht, der auch in einer kann nur von folgendem Ansatzpunkt her erfolgen: Einfach-gesetzliche Normen konkretisieren den Anspruch auf rechtliches Gehör; d. h., sie enthalten in sich die Basisgarantie des Art. 103 GG und verstärken den Schutz noch je nach Norm mehr oder weniger. Der unantastbare Gewährleistungsbereich des Anspruchs auf rechtliches Gehör ist in den einzelnen Vorschriften der ZPO auffindbar. Eine Verletzung des einfachen Rechts ermächtigt nur dann zur Verfassungsbeschwerde, wenn bei der Anwendung der Norm gleichzeitig auch der Kernbereich angetastet wurde, so wie er oben in Kapitel I. 6. a) bb) bestimmt wurde. Sofern es sich lediglich um einen Verstoß gegen den über diesen Rahmen hinaus einfach-gesetzlich geschützten Bereich handelt, ist der Gang vor das BverfG ausgeschlossen. 500 U.a. Ballon ÖJZ 1983, 225; a.A. Ermacora (1970) S. 390; Boigner (Diss. 1991) S. 119; Schoibl ÖRZ 1993,82 (83f.). 501 Schumann in Stein/Jonas v. § 578/56ff. 502 So Gounalakis DRiZ 1997, 294ff.; vgl. auch Gottwald in Verhandlungen des 61. Dt. Juristentages (1996) A 22f.
17. Beschleunigungshemmende Faktoren
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höheren Instanz nicht mehr überwunden werden kann. Im folgenden werden einerseits die oben genannten Fluchtwege einzeln dargelegt; andererseits werden die Fluchtwege auf ihre Erfolgsaussichten untersucht und Möglichkeiten aufgezeigt, wie einer Umgehung wirksam de lege lata entgegengetreten werden kann. aa) Flucht in die Säumnis Eine Möglichkeit, der Präklusion zu entkommen, stellt die Flucht in die Säumnis dar. Fürchtet eine Partei, daß ihr verspätetes Vorbringen ausgeschlossen wird, so kann die Partei auf ihr Erscheinen in der mündlichen Verhandlung verzichten bzw. keinen Antrag stellen und bewirkt auf diese Weise, daß gegen sie ein Versäumnisurteil gern. §§ 330ff. ergeht. Trägt die Partei nunmehr ihr Vorbringen im Rahmen der Einspruchsschrift vor, bleibt das Vorbringen, das im Zeitpunkt der Terminsäumnis verspätet war, zwar auf Grund der Wirkung des § 342 weiterhin verspätet;S03 jedoch ist das Gericht verpflichtet, den Einspruchstermin gern. § 341a so vorzubereiten, daß die Fristversäumung ausgeglichen werden kann. Die Möglichkeiten der termin vorbereitenden Maßnahmen sind auch bei einem verspäteten Vorbringen auszuschöpfen. Seine Grenze findet diese Terminvorbereitung allein darin, daß dem Gericht eine Verschiebung des Termins zur mündlichen Verhandlung - allein zum Zwecke der Berücksichtigung des verspäteten Vorbringens - nicht zugemutet werden kann. Auf diese Weise können die verspäteten Angriffs- und Verteidigungsmittel oftmals noch im Einspruchstermin berücksichtigt werden, da sie keine verzögernde Wirkung haben. Die Flucht in die Säumnis stellt sich insofern als risikolose Umgehung der Präklusionsbestimmungen dar. Diese Gefahren wurden auch von einigen Gerichten erkannt. s04 Um der Flucht in ein künstlich herbeigeführtes Versäumnisverfahren zuvorzukommen, schlossen sie die Einführung des verspäteten Vorbringens mit Hinweis auf die Rechtsfolgen des § 342 aus. Da gemäß § 342 der Prozeß nach Erhebung des Einspruchs in die Lage zurückzuversetzen ist, in der er sich vor Eintritt der Säumnis befand, sollte im Zeitpunkt der Terminsäumnis verspätetes Vorbringen auch nach Erhebung des Einspruchs als verspätet gelten. Dagegen ist eingewandt worden, daß eine derartige Auslegung der Präklusionsnormen die Säumnis als solche sanktionieren wolle; und zwar ohne Rücksicht darauf, ob die Zurückweisung tatsächlich zu einer Prozeßverkür503 Leipold ZZP 93 (1980), 237 (251); Pieper in AK-ZPO § 340/9; Kallweit (1983) S. 176ff.; Gounalakis a.a.O. 504 OLG Zweibrücken MDR 1979, 321; LG Münster NJW 1978, 2528; LG Berlin NJW 1979, 374.
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I. Prozeßförderung in erster Instanz
zung führe oder nicht. Denn wenn von Gesetzes wegen ein neuer mündlicher Verhandlungstermin zwingend vorgeschrieben sei, könne - sofern daraufhin nicht weitere mündliche Verhandlungen erforderlich werden - keine Prozeßverzögerung eintreten. 505 Über diese Widersprüchlichkeiten hinaus spreche gegen die oben angeführte Auffassung die Regelung des § 340 Abs. 3. Diese gehe dem § 296 als lex specialis vor. Der Sinn dieser Regelung sei es sicherzustellen, daß durch das im Einspruchsverfahren rechtzeitig eingebrachte Vorbringen der Einspruchstermin gemäß § 34la ohne Verzögerung durchgeführt werden könne. Denn eine Beschränkung des § 340 Abs. 3 auf solche Angaben, die zur Entschuldigung der Säumnis vorgetragen werden, lasse sich aus dem Gesetz nicht herauslesen. 506 Einer extensiven Umgehung der Präklusionsnormen sei dadurch Einhalt geboten, daß der Säumige die Kostennachteile gern. § 344 trage507 und gegen ihn ein vorläufig vollstreckbares Urteil gern. § 708 Z. 2 ergehen könne. 508 Allerdings sind diese Gefahren in der Praxis nicht so schwerwiegend, wie man dies auf den ersten Blick vermuten könnte. Denn die Gegenpartei ist in der Lage, mittels verschiedener prozeßtaktischer Maßnahmen einer solchen Vorgehensweise des Säumigen entgegenzutreten und die Einführung des verspäteten Vorbringens zu vermeiden. Dafür bieten sich ihm zwei Wege an: Einerseits kann die Gegenpartei auf den in der Einspruchsschrift vorgetragenen Sachverhalt durch einen umfassenden Gegenvortrag unter gleichzeitiger Einführung von neuen Beweismitteln reagieren. Auf diese Weise gewinnt das verspätete Vorbringen des Säumigen doch noch einen verzögernden Charakter, denn es kann im Einspruchstermin nicht mehr abschließend berücksichtigt werden, sondern erfordert die Erhebung von Gegenund Folgebeweisen und somit von weiteren mündlichen Verhandlungsterminen. Diese mittelbaren Verzögerungen, die nach der Rechtsprechung für die Bejahung des § 296 ausreichend sind,509 verhindern die gefahrlose Flucht in die Säumnis. Zwar hat das verspätete Vorbringen des Säumigen in diesem Fall selbst keinen verzögernden Charakter, jedoch kommt es auf Grund des Vortrags der gegnerischen Partei zu einer Verzögerung und damit zur Anwendbarkeit der Präklusionsregeln. 510 Insbesondere die von einem Anwalt vertretene Partei wird von dieser Verzögerungstaktik SOS OLO München NJW 1979, 2619; Fastrich NJW 1979, 2598; Mertins DRiZ 1985, 343f. 506 OLO München a.a.O.; a.A. Deubner NJW 1979,337 (342). 507 Schneider MDR 1979, 710 (712); Lüke JuS 1981, 503 (505); Pukall RZ 207a. 508 Prütting/Weth ZZP 98 (1985), 131 (137); Lüke a.a.O.; Pukall a.a.O. 509 BOHZ 83, 310 (312); OLO Düsseldorf NJW-RR 1992, 1239; a.A. Leipold in Stein/Jonas § 296/68 f. 510 BOHZ a.a.O.; OLO Köln MDR 1985,772; Oottwald JZ 1983,523 (527).
17. Beschleunigungshemmende Faktoren
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Gebrauch machen und so die Umgehung der Präklusionsbestimmungen verhindern können. Daneben steht der Gegenpartei auch die Möglichkeit offen, anstatt eines Versäumnisurteils eine Entscheidung nach Aktenlage gern. §§ 331a, 251a Abs. 2 zu beantragen. Einzige Voraussetzung hierfür ist, daß die Parteien bereits zuvor mündlich verhandelt haben. In diesem Fall erläßt das Gericht auf Grundlage des ihm zu diesem Zeitpunkt vorliegenden Sachverhalts ein kontradiktorisches Urteil, das nur mit der Berufung angefochten werden kann. Die Chancen auf eine erfolgreiche Flucht in die Säumnis werden auch durch die eingeschränkten Pflichten des Gerichts zur Terminvorbereitung begrenzt. 511 Zwar ist das Gericht gehalten, den Einspruchstermin umfassend vorzubereiten; allerdings nur im Rahmen des normalen Geschäftsganges. 512 Dagegen würde das Hinausschieben des Einspruchtermins mit dem Ziel, dem verspäteten Vortrag den verzögernden Effekt zu nehmen, § 272 Abs. 3 zuwiderlaufen. Denn diese Vorschrift verlangt eine konzentrierte Verfahrensduchführung. Andererseits ist das Gericht nicht verpflichtet, Eilanordnungen zu treffen. Da es die Gegenpartei oftmals selbst in der Hand hat, die erfolgreiche Flucht in die Säumnis zu unterbinden, und sie daran ein natürliches Interesse hat, ist dieser Fluchtweg insbesondere bei konsequenter Präklusion in Fällen mittelbarer Verzögerung verschlossen. Dazu kommen die bereits oben erwähnten Kostennachteile sowie die vorläufige Vollstreckbarkeit des Versäumnisurteils als weitere Nachteile hinzu. Vor diesem Hintergrund erscheint auch die Streichung des neugefaßten § 296 Abs. 4 aus dem Entwurf des Rechtspflegeentlastungsgesetzes von 1995, der die Flucht in die Säumnis abwenden sollte, nicht als kontraproduktiv. Da die Flucht in die Säumnis nur in den seltensten Fällen Erfolg verspricht,513 bedarf es keiner extensiven Auslegung der Präklusions- oder Säumnisvorschriften, um einen Mißbrauch zu verhindern. 514 bb) Flucht in die Widerklage Während die Flucht in die Säumnis beiden Parteien offensteht, bietet sich die Widerklage für den Beklagten als Fluchtmittel an, um einer Präklusion zu entgehen. Durch die Erhebung einer Widerklage kann der Beklagte eine Prozeßverlängerung herbeiführen und so seinem verspäteten Vorbringen den 511 512
(505). 513 514
Vgl. hierzu Kapitel I. 11. c). BOR NJW 1981,286; Pieper in FS Wassermann S. 785; Lüke JuS 1981,503 Prütting in MüKo § 340/22ff.und ZZP 98 (1985), 131 (134ff.). So aber Oounalakis DRiZ 1997, 294ff.
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verzögernden Charakter nehmen. Im Ergebnis hat das Vorgehen des Beklagten den gleichen Effekt wie bei einer Flucht in die Säumnis. Auch hier ist das Gericht angehalten, den infolge der Widerklage anzuberaumenden Verhandlungstermin umfassend vorzubereiten. Das Gericht hat dann im Rahmen des normalen Geschäftsganges alles Zumutbare vorzunehmen, um eine mögliche Präklusion zu verhindern. Der Beklagte hat es also in der Hand, mittels eines umfangreichen neuen Vortrags zur Widerklage den Rechtsstreit so in die Länge zu ziehen, daß auch sein ursprüngliches Vorbringen zur Klage noch berücksichtigt werden muß. Diese Taktik des Beklagten erscheint zunächst sehr erfolgsversprechend. Denn die Widerklage selbst kann nicht mit Hinweis auf ihr verspätetes Vorbringen zurückgewiesen werden. Sie ist kein Angriffs- und Verteidigungsmittel, sondern stellt einen eigenen Angriff dar, der nicht den Präklusionsbestimmungen unterliegt. 515 Vielmehr ist sie bis zum Schluß der letzten mündlichen Verhandlung jederzeit zulässig. 516 Einer Umgehung dieser Bestimmungen ließe sich aber möglicherweise durch Erlaß eines Teilurteils entgegentreten. Wäre das Gericht in der Lage, über Klage und Widerklage getrennt zu entscheiden und damit gleichzeitig ein vollstreckungsfähiges Teilurteil über den Klageanspruch unter Außerachtlassung des verspäteten Vortrags zu erlassen, so bliebe die Flucht in die Widerklage ohne Erfolg. Die Verzögerungstaktik des Beklagten wäre in diesem Fall gescheitert. Allerdings hat sich der BGH517 gegen die Zulässigkeit eines solchen Teilurteils ausgesprochen. Verzögernd im Sinne der Präklusionsvorschriften wirke nämlich nur ein Vorbringen, das die Entscheidungsreife des gesamten Rechtsstreits hinausziehe. Werde aber nur der Erlaß eines Teilurteils verhindert, so sei darin keine Verzögerung zu sehen. In einer weiteren Entscheidung beruft sich der BGH518 zur Begründung seiner Auffassung auf die Gefahren widersprüchlicher Urteile bei getrennter Entscheidung über Klage und Widerklage. Dies gelte insbesondere in den Fällen, in denen das verspätete Vorbringen des Beklagten sowohl die Klage als auch die Widerklage betreffe. Dagegen bejaht die Literatur519 weitgehend die Möglichkeit, durch Erlaß eines Teilurteils diesen Fluchtweg zu schließen; allerdings begrenzt auf solche Fälle, in denen sich das im Zuge der Widerklage eingeführte verspätete Vorbringen allein auf den Klageanspruch bezieht und somit die Gefahr divergierender Entscheidungen wegfällt. Ist das Vorbrinm Vgl. hierzu Kapitell. 7. a) bb). BGH NJW-RR 1992, 1085; NJW 1981,1217. 517 BGHZ 107, 236 (246f.); BGHZ 77, 306 (308); NJW 1989, 786; NJW 1986, 2257. 518 BGH NJW 1981, 1217. 519 Hermisson NJW 1983, 2229; Deubner NJW 1980, 2356; Fenge in AK-ZPO § 30117. 516
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gen allerdings für die Klage und Widerklage rechtlich von Bedeutung, so entfalle ein prozeßbeschleunigender Effekt durch die Präklusion. Schließlich sei das Vorbringen im Rahmen der Widerklage ohnehin zu berücksichtigen. 52o Tatsächlich lassen sich aus § 296 keine Rückschlüsse dahingehend ziehen, daß zur Präklusion eine Verzögerung des gesamten Rechtsstreits erforderlich wäre. Weder der Wortlaut noch die Materialien des Gesetzestextes fordern eine Auslegung der Präklusionsregeln in der einen oder anderen Weise. 521 Soweit sich der BGH allerdings auf § 301 zur Begründung seiner Auffassung stützt, ist ihm zu folgen. Denn die materielle Gerechtigkeit gebietet die Widerspruchslosigkeit zwischen den einzelnen Teilentscheidungen. Dieses Gebot ist als ungeschriebenes Tatbestandsmerkmal in § 301 enthalten. Ein Verstoß hiergegen führt zu mangelnder Entscheidungsreife des Teilrechtsstreits. Sofern die einzelnen Angriffs- und Verteidigungsmiuel in einem rechtlichen Zusammenhang sowohl mit der Klage als auch der Widerklage stehen, fehIt es an der Entscheidungsreife des Teilurteils. 522 Dagegen wendet sich Prütting. Er begründet die Zulässigkeit eines Teilurteils mit Verweis darauf, daß durch eine Präklusion gerade die Entscheidungsreife herbeigeführt werde. 523 Seiner Ansicht nach stellen Klage und Widerklage zwei getrennte Rechtsstreite dar, die jeweils die Anwendbarkeit des § 296 zuließen. Gegen diese Auffassung spricht jedoch nicht nur die Widersprüchlichkeit und Vollstreckungsfähigkeit der divergierenden Teilurteile, sondern auch der Sinn und Zweck des Teilurteils. Dieses Urteil soll den Rechtsstreit vereinfachen und beschleunigen. Dieser Effekt kann aber dann nicht erreicht werden, wenn das verspätete Vorbringen noch im Rahmen der Widerklage zu berücksichtigen ist, und somit der Erlaß eines Teilurteils keine beschleunigende Wirkung hat. Dagegen sollte ein Teilurteil in den Fällen zulässig sein, in denen das mit der Widerklage vorgebrachte - verspätete - Vorbringen allein den Klageanspruch betrifft. Die Ansicht des BGH, auch insofern den Erlaß eines Teilurteils - mit Verweis auf die Notwendigkeit einer Verzögerung des gesamten Rechtsstreits abzulehnen, ist weder durch § 296 noch § 301 geboten. Damit ist die Umgehung der Präklusionsvorschriften durch einen Vortrag, der nicht nur bezüglich der Klage, sondern auch der Widerklage rechtlich relevant ist, möglich. Eine gut vertretene Partei wird danach die Widerklage so gestalten, daß der in bezug auf die Klage verspätete Vortrag auch im Rahmen der Widerklage entscheidungsrelevant wird. Eine derartige Vor520 521 522 523
Greger in Zöller § 296/12; a.A. Mertins DRiZ 1985,344. A.A. Fuhrmann (1984) S. 102; Deubner NJW 1980,2356. Rosenberg/Schwab/Gottwald § 59 II 2 a. Prütting ZZP 98 (1985), 131 ff.
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gehensweise sollte das Gericht jedoch in offenkundigen Fällen als "rechtsmißbräuchlich" zurückweisen. Wer die Widerklage allein zu unlauteren Zwecken erhebt, sollte damit ausgeschlossen bleiben. Schließlich ist auch im Zivilprozeß das Recht zur Ausnutzung prozessualer Möglichkeiten durch den Grundsatz von Treu und Glauben begrenzt. 524 Dieser Grundsatz ist für Scheinprozesse allgemein anerkannt. 525 Eine "rechtsmißbräuchliche" Erhebung der Widerklage ist zu bejahen, wenn sich auf Grund des objektiven Verhaltens einer Partei Umstände aufdrängen, die auf eine zweckfremde Verwendung der Widerklage schließen lassen. Dabei sind auch subjektive Elemente zu berücksichtigen. 526 Im Falle der "Rechtsmißbräuchlichkeit" ist die Widerklage wegen fehlenden Rechtsschutzbedürfnisses zurückzuweisen und in bezug auf den Klageanspruch ein Endurteil zu erlassen, in dem das verspätete Vorbringen präkludiert ist. cc) Flucht in die Klageerweiterung, -änderung und -häufung Die Klageerweiterung ist gern § 264 Z. 2 an keine besonderen Zulässigkeitsvoraussetzungen gebunden. Der Kläger kann durch eine quantitative oder qualitative - sofern nicht der Streitgegenstand geändert wird - Veränderung des Klageantrags seine Ansprüche im Verlauf des Prozesses erweitern. Damit eröffnet sich ihm wie in den Fällen der Säumnis und der Widerklage die Möglichkeit, die Präklusionsbestimmungen zu umgehen. Denn die Klageerweiterung ist ebenfalls nicht als Angriffs- und Verteidigungsmittel anzusehen, sondern als eigener Angriff, der nicht präklusionsfahig ist. 527 Sie ist vielmehr bis zum Schluß der letzten mündlichen Verhandlung erlaubt. Der Kläger kann also, um einer Präklusion zu entgehen, den Klageanspruch um eine Nebenforderung ergänzen oder um einen Mehrbetrag erhöhen. Trägt der Kläger insofern umfangreichen neuen Sachverhalt - möglicherweise unter Einschluß neuer Beweismittel - vor, so führt dies automatisch zu einer Prozeßverlängerung. Auf diese Weise kann das verspätete Vorbringen seine verzögernde Wirkung verlieren. Denn es kann oftmals ohne Verzögerung in dem auf Grund der Klageerweiterung nunmehr neu anzuberaumenden Verhandlungstermin berücksichtigt werden. Der BGH528 lehnt konsequenterweise auch in dieser Fallkonstellation den Erlaß eines Teilurteils ab. Ähnlich wie bei der Widerklage besteht auch hier die Gefahr divergierender Entscheidungen. Darüber hinaus setzt der 524 Schumann in SteinlJonas Einl. IV RZ 242; Renekel (1970) S. 114ff.; Schellhammer RZ 1271. 525 BOHZ 118,47; NJW-RR 1992, 367; Baumgärtel ZZP 69 (1956), 89 (102). 526 Zeiss (1967) S. 165; Baumgärtel a.a.O. 527 Vgl. hierzu Kapitel I. 7. a) bb). 528 BOR NJW 1986, 2257 (2258).
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Erlaß eines Teilurteils begriffsnotwendig die Teilbarkeit des Klageanspruchs voraus,529 an der es bei einer quantitativen Klageerweiterung fehlen wird. Im Ergebnis ist auf die zur Widerklage entwickelten Grundsätze zurückzugreifen. Ist ein Teilurteil wegen mangelnder Teilbarkeit unzulässig oder sind widersprüchliche Entscheidungen zu befürchten, so ist einer unlauteren Prozeßtaktik unter dem Gesichtspunkt des "Rechtsrnißbrauchs" entgegenzuwirken. Ist für das Gericht erkennbar, daß die Prozeßhandlung nur zum Zwecke der Umgehung der Präklusionsregeln vorgenommen wird, ist die Klageerweiterung als unzulässig zurückzuweisen. Auf diese Weise kann wirksam einer Flucht in die Klageerweiterung begegnet werden. Steht dagegen das verspätete Vorbringen in keinem rechtlichen Zusammenhang mit der Klageerweiterung und ist der Anspruch teilbar, kann dieser Fluchtweg durch Erlaß eines Teilurteils abgeschnitten werden. Dagegen stellen sowohl die Klageänderung als auch die Klagehäufung keine geeigneten Fluchtwege dar. Zwar unterliegen beide Rechtsinstitute nicht den Präklusionsregeln und können somit bis zum Schluß der mündlichen Verhandlung in den Prozeß eingeführt werden.53o Die Klageänderung ist jedoch mit einem Austausch des Streitgegenstandes verbunden und ab der ersten mündlichen Verhandlung nur noch unter den Voraussetzungen des § 263 zulässig; d. h. der Gegner muß der Klageänderung zustimmen oder sie muß sachdienlich sein. Denselben Anforderungen unterliegt auch eine im Verlauf des Prozesses erhobene Klagehäufung, deren Zulässigkeit sich ebenfalls nach § 263 beurteilt. 531 Der Versuch, durch Änderung oder Einführung eines neuen Streitgegenstandes das Prozeßende hinauszuschieben und so die verzögernde Wirkung des verspäteten Vorbringens zu vereiteln, wird jedoch regelmäßig an den Voraussetzungen des § 263 scheitern. Denn der Gegner wird kaum in ein solches Vorgehen einwilligen, wenn er die Intention des Klägers erkannt hat. Und auch an der Sachdienlichkeit wird es grundsätzlich fehlen. Schließlich ist diese nur dann zu bejahen, wenn das Verfahren nicht unnötig verzögert wird. Ist der Prozeß bezüglich des ersten Klageanspruchs aber bereits entscheidungsreif, so kann die nachträglich erhobene Klage mangels Sachdienlichkeit zurückgewiesen werden. 532 Auch eine Trennung der mit mehreren Klagen erhobenen Ansprüche gern. § 145 ist in den Fällen der Klagehäufung möglich. Auch auf diese Weise kann einer Verschleppung des Rechtsstreits entgegengetreten werden. Im Hinblick auf die Klageänderung ergibt sich noch ein weite529 BOR NJW 1992, 1769 (1770); Rosenberg/Schwab/Oottwald § 59 11 1 a; Fenge in AK-ZPO § 301/9. 530 Vgl. hierzu Kapitell. 7. a) bb). 531 So die h.M.: BOR NJW 1985, 1841 (1842); NJW-RR 1987,58; a.A. Schellhammer RZ 1672. 532 BOR NJW 1975, 1229; Wassermann in AK-ZPO § 263/13.
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res Problem. Im Gegensatz zur Klageerweiterung wird der Kläger hier gezwungen, einen neuen Streitgegenstand in das Verfahren einzuführen und den alten fallenzulassen. Eine Änderung des Streitgegenstandes in der Weise, daß das verspätete Vorbringen dieselbe rechtliche Relevanz wie in bezug auf die ursprüngliche Klage hat, ist praktisch aber kaum denkbar. Vielmehr wird oftmals mit einer Klageänderung auch die rechtliche Bedeutung des verspäteten Vorbringens entfallen. dd) Flucht in die Berufung Als weiterer Fluchtweg bietet sich auch der Gang in die Berufung an. In diesem Fall führt die präklusionsbedrohte Partei entweder ihr Vorbringen nicht mehr in der 1. Instanz ein oder sie läßt ihr bereits eingebrachtes Vorbringen wieder fallen. Gegen das folgende Urteil legt die Partei dann Berufung ein und trägt ihre Angriffs- und Verteidigungsmittel im Rahmen der Berufungsbegründungsschrift vor. Auf diese Weise gewinnt der Berufungskläger Zeit und kann so seinem verspäteten Vortrag den verzögernden Charakter nehmen. Denn gerade die Zeitspanne zwischen dem Einreichen der Berufungsbegründung und der mündlichen Berufungsverhandlung wird regelmäßig relativ lang sein. Damit scheidet eine Zurückweisung gern. § 528 Abs. 1 und 2 aus, wonach der Ausschluß eines in der 1. Instanz nicht rechtzeitig eingebrachten Vorbringens eine Verzögerung des weiteren Prozesses verlangt. Dieser Fluchtweg kann auch nicht durch § 528 Abs. 3 ausgeschlossen werden. Grund hierfür ist, daß § 528 Abs. 3 nur auf in 1. Instanz präkludiertes Vorbringen Anwendung findet; nicht dagegen auf solches Vorbringen, das bewußt zurückgehalten wurde und somit einer Zurückweisung im Urteil entging. Insofern verbietet sich auch eine analoge Anwendung des § 528 Abs. 3. 533 Einer Flucht in die Berufung kann der Gegner - wie bei der Flucht in die Säumnis - wirksam dadurch entgegentreten, daß er seine Berufungserwiderung so ausgestaltet, daß die Durchsicht weiteren Tatsachenmaterials oder die Erhebung von Gegenbeweisen erforderlich wird. Wie bereits im Zusammenhang mit der Flucht in die Säumnis gezeigt wurde, kann der Gegner auf diese Weise den verzögernden Effekt des verspäteten Vortrags wieder herstellen. Allerdings ist einzuräumen, daß die Erfolgsaussichten dieses Vorgehens im Rahmen der Berufung geringer sind. Denn hier steht dem Gericht mehr Zeit für eine sorgsame Vorbereitung des Verhandlungstermins zur Verfügung. Daher hilft in Fällen offenkundiger Umgehungsversuche nur ein Rückgriff auf das Institut des "Rechtsmißbrauchs", um diesen Fluchtweg abzuschneiden. Insofern wird auf die Ausführungen zur Flucht 533
Vgl. hierzu Kapitell. 5. d) bb); BGH NJW 1979,2109 (2110).
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173
in die Säumnis verwiesen. 534 Im Ergebnis stellt sich danach die Flucht in die Berufung als effizientester Umgehungstatbestand dar. Vor diesem Hintergrund erscheint es daher geboten, das im zweiten Abschnitt dieser Arbeit näher dargestellte Neuerungsverbot in die dZPO aufzunehmen. Ist nämlich in der 2. Instanz ein weiterer Tatsachenvortrag ausgeschlossen, entfällt auch die Möglichkeit einer Flucht in die Berufung. b) Widerspruch als systemfremder Faktor in der öZPO
Besonderheiten gelten bei der Versäumung schriftlicher Klagebeantwortungsfristen gern. § 243 Abs.l, 4. Hier greifen nicht die Präklusionsbestimmungen ein, sondern es ergeht ein Versäumnisurteil auf Antrag des Gegners. Gegen dieses Urteil bietet ein kompliziertes System an verschiedenen Rechtsbehelfen Schutz. Neben das früher allein geltende Restitutionsprinzip (§§ 146ff.) tritt nunmehr auch die Möglichkeit einer Widerspruchseinlegung (§ 397a). Die Folgen dieser Novellierung sollen an dieser Stelle erörtert werden, da sie einen beschleunigungshemmenden Charakter haben. Im Mittelpunkt steht die Frage, wie die Präklusionsnormen und der Rechtsschutz gegen sie im Falle ihrer Anwendung aufeinander abgestimmt werden müssen, damit die erlangten Zeitvorteile nicht wieder verloren gehen. aa) Einführung des Oppositionprinzips und ihre Folgen Die Einführung des Oppositionsprinzips mit der Möglichkeit eines Widerspruchs hat sich in Österreich insgesamt negativ auf die Prozeßdauer ausgewirkt. 535 Der Rechtsbehelf des Widerspruchs gegen Versäumnisurteile, die infolge einer fehlenden Klagebeantwortung gern. § 243 Abs. I, 4 auf Antrag des Klägers ergehen, war der öZPO ursprünglich fremd. Erst mit dem Konsumentenschutzgesetz 1979536 wurde erstmals dieses Rechtsinstitut in die öZPO aufgenommen. Bis dahin galt allein das Restitutionsprinzip; d. h., gegen ein ergangenes Versäumnis urteil konnte nur Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gern. §§ 146ff. begehrt werden. Unter engen Voraussetzungen war auch die Einlegung des Rechtsmittels der Berufung möglich. Dabei ging der Gesetzgeber nach eigenen Worten von dem Modell der dZPO aus, das "sich als Vorbild anbot".537 Nunmehr steht es dem Beklagten, gegen den ein Versäumnisurteil ergeht, frei, ob er Widerspruch erhebt
534 535 536 537
Vgl. hierzu Kapitel I. 17. a) aa). Rechberger in 100 Jahre ZPO (1998) S. 53 (64). BOBI 1979/140. Vgl. Rechberger JBl 1981, 179 FN 6.
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I. Prozeßförderung in erster Instanz
oder Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragt. Beide Möglichkeiten stehen ihm wahlweise zur Verfügung (§§ 397a i.V.m 396 Abs. 1 S. 1 a. E.). Es ist hier nicht der Platz, um über die Komplikationen zu diskutieren, die sich aus der Anhäufung der Rechtsschutzmöglichkeiten ergeben. 538 Von Interesse ist hier allein der Gesichtspunkt der Prozeßökonomie. Diese aber wird durch die Neuordnung schwer bedroht. Grund dafür ist, daß der Widerspruch ohne Rücksicht auf die Ursachen der Säumnis eingelegt werden kann. Ausreichend für die Wiederherstellung des alten Verfahrenszustandes ist allein die formell ordnungsgemäße Einlegung des Rechtsbehelfs. Ob die Klagebeantwortungsfrist verschuldet oder unverschuldet nicht eingehalten wurde, ist unerheblich. Es stehen dem Beklagten also keine Hürden entgegen, um die Fortführung des Prozesses zu erreichen. Dies steht ganz im Gegensatz zu den strengen Anforderungen des § 146, der nur bei einem minderen Grad des Versehens die Wiedereinsetzung zuläßt (§ 146 S. 2). Teilweise hat die_Rechtsprechung vor Einfügung des Satz 2 im Rahmen der Zivilverfahrensnovelle 1983 sogar noch schärfere Anforderungen an den Grad der Schuldlosigkeit gestellt. 539 Somit stellt die Säumnis heute kaum mehr eine Gefahr für den Beklagten dar. Das Gericht darf beim Widerspruch weder Säumnisgründe fordern noch sie prüfen. Fehlt es an einer Sanktion für die Säumnis, so wird sich die Bereitschaft des Beklagten zu raschem Handeln in Grenzen halten. Mit der Einführung des Widerspruchs hat sich der Gesetzgeber weit von den Zielen Kleins entfernt, der immer die Konzentration des Verfahrens bei der Ausgestaltung der öZPO im Auge hatte. bb) Rechtfertigung des Gesetzgebers Daß der Widerspruch einen prozeßverzögernden Charakter hat, gestand auch der Gesetzgeber ein. Er sah aber die Gefahr der Verschleppung durch §§ 398 Abs. 1 i. V. m. 397a Abs. 1 S. 2 als gebannt an. 540 Danach hat die Widerspruchs schrift den inhaltlichen Anforderungen einer Klagebeantwortung gern. § 243 Abs. 2 zu genügen. Mit dieser Gleichstellung sei garantiert, so der Gesetzgeber, daß sich der Prozeß nur um max. 2 Wochen verzögern könne. Denn die Widerspruchsfrist ist eine Notfrist, deren Versäumung nicht wiederum mit dem Widerspruch angefochten werden kann. Eine solche Verzögerung schien auf den ersten Blick hinnehmbar. Allerdings war man davon ausgegangen, daß die Widerspruchsschrift bereits einen umfassenden Sachvortrag enthält. In der Praxis näherte man sich 538 539 540
Vgl. dazu Fasching in FS-Baur (1981), 387 (392ff.). Vgl. hierzu Kapitel I. 12. c) cc). König AnwBI 1980,419.
17. Beschleunigungshemmende Faktoren
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allerdings schon sehr bald den inhaltlichen Anforderungen an, wie sie von der Rechtsprechung für die Klagebeantwortungen gern. § 243 Abs. 2 aufgestellt worden waren. Bereits an anderer Stelle541 wurde dargelegt, daß die Rechtsprechung von der Zulässigkeit "leerer Klagebeantwortungen" ausgeht. Von § 243 Abs. 2 werde kein Mehr an Inhalt gefordert als das abstrakte Bestreiten des Klagebegehrens. Sinngemäß muß diese Auslegung des § 243 Abs. 2 auch für § 397a Abs. 1 S. 2 gelten, auf den wiederum § 398 Abs. 1 verweist. 542 Erschöpft sich der Widerspruch in einem Klageabweisungsantrag, ohne daß dieser näher begründet wäre, so reicht dies bereits für die Beseitigung der Säumnisfolgen aus. Das Gericht wird in diesem Fall einen Verbesserungsauftrag gern. § 84 Abs. 3 erteilen,543 unabhängig davon, ob die Partei rechtskundig vertreten war oder nicht. Dies bedingt schließlich eine weitere Verzögerung. Bleibt auch nach diesem Auftrag der Schriftsatz verbesserungsbedürftig, so darf zwar kein erneuter Auftrag erfolgen, der Richter hat die Parteien jedoch gern. § 182 in der mündlichen Verhandlung zu einem neuen Vorbringen anzuhalten. 544 Damit ist letztlich jede zügige Verhandlungsvorbereitung zu Fall gebracht. Einen Schutz vor Verzögerung bietet §§ 397a Abs. 1 S. 2 i. V. m. 243 Abs. 2 auf jeden Fall nicht. Ebenso unzureichend ist der Verweis auf die Kostenregelung gern.
§§ 398 Abs. 1 i. V. m. 397a Abs. 4. Danach hat der Säumige die Kosten des
Widerspruchsverfahrens und die der mündlichen Verhandlung zu tragen. Allerdings sind diese Kosten ebensowenig geeignet, die Parteien von einer prozeßunökonomischen Führung des Prozesses abzuhalten. Diese Kosten werden nämlich regelmäßig sehr gering ausfallen. Denn gern. §§ 397 Abs. 3 i. V. m. 244 wird lediglich eine erneute erste Tagsatzung anberaumt, in der über den Rechtsstreit - nach Aufhebung des Versäumnisurteils - weiterverhandelt wird. Ähnliches gilt für die Kostensanktionen der §§ 44, 48. Hier wie dort handelt es sich um unwirksame Mittel im Kampf gegen die VerVgl. hierzu Kapitel I. 9. b) aa) (2). OLG Graz JBl 1981, 383 m.Anm. Rechberger. 543 Pimmer ÖJZ 1984, 141 (145f.); Konecny JBl 1984,61 (64). 544 Einige Autoren (RechbergerlSimotta RZ 563; König ÖJZ 1978, 281 (284); Ballon DRiZ 1984,302 (304); Holzhammer S. 204f.; Maier ÖJZ 1981,51 (61)) treten dafür ein, daß es nach einem erfolglosen Verbesserungsversuch zu einer Zurückweisung des Schriftsatzes kommt. Dieser müsse zumindest ein bestimmtes Klagebegehren enthalten, um verbesserungswürdig zu sein. Dagegen wird eingewandt, daß § 243 Abs. 2 keine Sanktionsfolgen kenne und von daher ein Ausschluß unzulässig sei (so LGZ Wien MietSlg 32.699; LGZ Wien MietSlg 34.751; JBl 1981, 549 = ÖRZ 198118; Petrasch ÖJZ 1985,257 (261)). Fasching (LB RZ 591; ders. III 178) verweist als Schutz vor leeren Schriftsätzen auf die Kostenfolgen des § 48 öZPO. Vor den Verschleppungsgefahren, die sich durch den Verbesserungsauftrag bei inhaltlichen Mängeln ergeben, warnen auch Konecny JBl 1984, 13 (20); König JBl 1982,406 (411); Ballon ZZP 96 (1983), 409 (479). 541
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schleppung, da sie nicht einschneidend genug sind. Auch die Exekution zu Sicherstellung gern. §§ 371 Z. 1, 373 EO, die durch die Zivilverfahrensnovelle 1983 bewußt zum Zwecke der Venneidung nachlässigen Verhaltens eingerichtet wurde, sowie die venninderte Schadensersatzpflicht des Exekutionsgläubigers gern. § 376 Abs. 2 EO sind nur Hilfskonstruktionen, die aber nicht die wahre Wurzel der Verzögerung beseitigen können. Zwar ist eine Sicherheitsleistung nicht zu entrichten, dennoch bleiben die Rechtsgüter während des wiederaufgenommenen Verfahrens gebunden. Eine freie Disposition über die wirtschaftlichen Werte ist nicht möglich. Dieser Schwebezustand ist daher nur sehr bedingt in der Lage, den Kläger zufriedenzustellen. Unzulässig ist auch der Vergleich mit der dZPO als Rechtfertigung für die Einführung eines Widerspruchs. 545 Das deutsche Säumnissystem ist anders aufgebaut und kann nicht für die Veränderungen in der öZPO herhalten. So ist eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gern. § 233 dZPO nur bei Versäumung der Notfristen bzw. Rechtsmittelfristen möglich; § 233 dZPO hat also einen viel engeren Anwendungsbereich. Daher ist ein Verweis auf die dZPO hinfällig, geht sie doch grundsätzlich vom Oppositionsprinzip aus. Die Regeln über die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand finden nur ausnahmsweise Anwendung. Den Einspruch (nach österreichischer Tenninologie Widerspruch) kennt die dZPO nur gegen Versäumnisurteile bei Totalsäumnis in einer mündlichen Verhandlung oder bei Versäumung der Frist zur Verteidigungsanzeige gern. § 276 Abs. 1 S. 1 dZPO. 546 Bei der unreflektierten Übernahme des Oppositionsprinzips in das österreichische Recht wurden zu wenig die Eigenheiten der deutschen Rechtsordnung beachtet. Somit läßt sich feststellen, daß der Widerspruch auf der einen Seite einen Fremdkörper in der öZPO darstellt, auf der anderen Seite zu einer erheblichen Prozeßverzögerung beigetragen hat. cc) Wiederherstellung der ursprünglichen Rechtslage Bereits zu Anfang dieser Arbeit wurde vorgeschlagen, im Falle der Nichtbeantwortung innerhalb der Frist gern. § 243 Abs. 1, 4 nur die Regeln Vgl. Rechberger JBI 1981, 179. § 243 Abs. 2 ist auch mit § 276 Abs. 1 S. 2 dZPO nicht vergleichbar. Verzichtet das Gericht auf eine erste Tagsatzung und bestimmt sofort eine Klagebeantwortungsfrist, so geschieht dies, weil der Vorsitzende eine Streiteinlassung vermutet. Im Fall des § 243 Abs. 1 weiß das Gericht bereits, daß sich der Beklagte in den Streit eingelassen hat. Im Gegensatz dazu hat das Gericht bei Durchführung eines schriftlichen Vorverfahrens gern. § 276 dZPO regelmäßig noch keine Vorstellung über das Verteidigungsverhalten des Beklagten. Geht also bei Gericht nicht einmal eine Verteidigungsanzeige ein, so rechtfertigt dies die Anwendung der Regeln über die Totalsäumnis. 545
546
18. Ergebnis
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über die Wiedereinsetzung gern. §§ 146ff. anzuwenden. Der Widerspruch sollte hingegen gestrichen werden. Wird eine ordnungsgemäß gesetzte Frist versäumt, so sollte der Beklagte vom Vorbringen ausgeschlossen bleiben, sofern er sich nicht exkulpieren kann. Der nunmehr ebenfalls hinsichtlich des Verschuldensmaßstabes geänderte § 146 S. 2 dürfte insofern zu interessengerechten Ergebnissen führen. 18. Ergebnis Das Ziel des ersten Abschnitts dieser Arbeit war es zu untersuchen, inwieweit die Präklusion ein geeignetes Mittel zur erstinstanzlichen Prozeßförderung ist. Im Vordergrund der Darstellungen stand der Grundsatz der Prozeßökonomie und seine Umsetzung in den geltenden Zivilverfahrensordnungen der öZPO und dZPO. Im Rahmen dieses Rechtsvergleichs wurden die im Jahr 1976 novellierten Präklusionsbestimmungen der dZPO mit denen der öZPO verglichen. Außerdem wurden auch formelle Prozeßleitungspflichten des Richters dargestellt, sofern sie mit dem Grundsatz der Prozeßökonomie in Zusammenhang stehen. Erörtert wurde einerseits die jeweils geltende Gesetzesfassung und ihre Auswirkungen auf die Praxis. Andererseits wurden Vorschläge zu einer Reform der österreichischen Rechtslage unterbreitet. Die im ersten Kapitel 547 aufgezeigten Vorteile eines effizient durchgeführten Verfahrens bildeten dabei den Leitfaden. a) Übersicht
Im folgenden sollen nun zunächst die Ergebnisse zusammengefaßt werden, welche in bezug auf die geltende Rechtslage gefunden worden sind. Erst im Anschluß daran werden die erörterten Reformvorschläge noch einmal gebündelt vorgestellt. aa) Systematik In der öZPO finden sich an mehreren Stellen Normen, die den Ausschluß verspäteten Vorbringens regeln. § 179 Abs. 1 kommt dabei die größte Bedeutung zu, da von dieser Vorschrift alle innerhalb der ersten Instanz verspätet vorgebrachten tatsächlichen Behauptungen und Beweismittel erfaßt werden. Spezialregelungen dazu stellen die §§ 275 Abs. 2, 278 Abs. 2 dar, die das Beweisverfahren betreffen.
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Vgl. hierzu Kapitel I. 2.
12 von Stosch
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1. Prozeßförderung in erster Instanz
In der dZPO ist insofern § 296 einschlägig. Diese im Rahmen der Vereinfachungsnovelle von 1976 neu gefaßte Norm verfolgt dieselben Ziele wie §§ 179 Abs. 1, 275 Abs. 2 öZPO. Zu diesem Zweck wird danach differenziert, ob das Vorbringen unter Verstoß gegen richterliche Fristen (§ 296 Abs. 1) oder unter Verletzung der allgemeinen Prozeßförderungspflicht (§ 296 Abs. 2) verspätet in das Verfahren eingeführt wurde. Eine Sonderregelung gilt für Zulässigkeitsrügen (§ 296 Abs. 3). bb) Vorbringen Präklusionsfähig sind nur Tatsachen, die neu, erheblich und strittig sind. Bloße Rechtsausführungen unterliegen nicht der Präklusion. Sie stellen nur Anregungen für das Gericht dar, das die rechtlichen Erwägungen für seine Entscheidung selbst herausarbeiten muß. Darüber hinaus werden Beweismittel und Beweiseinreden von den Präklusionsnormen erfaßt. Gleiches gilt auch für unselbständige Verteidigungsmittel. Auch die Prozeßeinreden, die den Parteien auf Grund außergerichtlicher Vereinbarungen zustehen, unterfallen den Präklusionsbestimmungen. Wird eine Gegenforderung im Wege der Aufrechnung geltend gemacht, so ist ein Ausschluß wegen verspäteten Vorbringens nach der öZPO jedoch nicht möglich. Denn hier wird eine eigene Sachentscheidung angestrebt, die der Rechtskraft fahig ist. Damit ist die Aufrechnung den unselbständigen Angriffs- und Verteidigungsmitteln von ihren Rechtswirkungen her nicht vergleichbar. Die analoge Anwendung des § 179 Abs. 1 öZPO scheidet ebenfalls aus. Demgegenüber ist die Aufrechnung nach der dZPO präklusionsfahig. Dies ergibt sich aus § 296 dZPO. Der Angriff und die Verteidigung unter Einschluß von Klageänderungen, -erweiterungen sowie Widerklagen können nicht mit Verweis auf ihr verspätetes Vorbringen präkludiert werden. Dies gilt sowohl nach der öZPO als auch nach der dZPO. cc) Verspätung Die öZPO kennt im Gegensatz zur dZPO keine richterlich oder gesetzlich fixierten Fristen, die mit der Präklusion gern. §§ 179 Abs. 1,275 Abs. 2 und 278 Abs. 2 bedroht wären. Eine Ausnahme bildet § 181 Abs. 2, der eine Zurückweisung von Urkunden für den Fall vorsieht, daß diese unter Verletzung einer richterlich gesetzten Frist nicht rechtzeitig vorgetragen wurden. Bei Überschreitung der Klagebeantwortungsfrist ergeht auf Antrag des Gegners ein Versäumnisurteil. Diese Sanktion kann jedoch durch die säumige Partei wahlweise mit dem Widerspruch, dem Wiedereinsetzungsantrag oder der Berufung angegriffen werden. Hinweise dazu, unter welchen
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Voraussetzungen ein Vorbringen bei Verstoß gegen die allgemeine Prozeßförderungspflicht als verspätet betrachtet werden kann, enthält die öZPO nicht. Die in der Rechtsprechung und Literatur zu dieser Frage entwickelten Grundsätze zeigen, daß nur in Extremfällen von einer Verspätung ausgegangen werden kann. Ausgehend von dem Grundsatz der Einheit der mündlichen Verhandlung sind danach nur solches Vorbringen präklusionsfähig, das in zeitlicher und inhaltlicher Hinsicht ganz offensichtlich früher hätte vorgetragen werden können. Im Gegensatz zur öZPO enthält die dZPO in §§ 277 Abs. 1, 282 Abs. 1 allgemeine inhaltliche Anforderungen an ein Vorbringen. Zwar handelt es sich dabei auf den ersten Blick um Generalklauseln, die den Parteien nur einen ungenügenden Anhaltspunkt dafür geben, ob ihr Vorbringen in zeitlicher und inhaltlicher Hinsicht rechtzeitig ist oder nicht; jedoch sind diese Vorschriften einer Konkretisierung zugänglich, sodaß für die Parteien klar erkennbar ist, welcher Umfang an Vorbringen von ihnen zu welchem Verfahrenszeitpunkt verlangt wird. Gefordert wird ein umfassender Vortrag sämtlicher Angriffs- und Verteidigungsmittel. Dagegen ist ein vorsorglich erschöpfender Vortrag, der etwaige gegnerische Einwendungen vorwegnimmt, nicht erforderlich. Der Umfang des jeweiligen Vorbringens hat sich nach der jeweiligen Prozeßlage auszurichten. Unter Zugrundelegung dieser Grundsätze ergibt sich ein recht deutliches Bild, ab wann ein Vortrag in zeitlicher und rechtlicher Hinsicht verspätet ist. Sofern der Partei Fristen gesetzt worden sind i. S. v. § 296 Abs. 1 dZPO, ergeben sich im Hinblick auf die zeitliche Komponente keine Schwierigkeiten. Insoweit sind die Parteien genauestens über die zeitlichen Anforderungen an ihr Vorbringen unterrichtet. dd) Verzögerung Die österreichische Rechtsprechung neigt wohl zum hypothetischen Verzögerungsbegriff. Dies bedeutet, daß ein verspätetes Vorbringen nicht präkludiert werden kann, wenn auch bei rechtzeitigem - hypothetisch gedachten - Vortrag der Prozeß solange gedauert hätte wie er nunmehr tatsächlich bei verspätetem Vortrag dauert. Entscheidend ist also der Vergleich von tatsächlicher und hypothetischer Verfahrensdauer. Eine "erhebliche" Verzögerung liegt vor, wenn der zeitliche Aufschub von einigem Gewicht ist; wie beispielsweise bei einer Erstreckung der Tagsatzung. Nachdem in der deutschen Literatur und Rechtsprechung die Berechnung der Verzögerung in den ersten Jahren nach Inkrafttreten der Vereinfachungsnovelle umstritten war, ist nunmehr durch eine Entscheidung des BverfG Klarheit geschaffen worden. Ausgegangen wird von dem absoluten Verzögerungsbegriff. Danach wird die Verfahrensdauer unter Einschluß des
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I. Prozeßförderung in erster Instanz
verspäteten Vorbringens mit derjenigen verglichen, die ohne Berücksichtigung dieses Vorbringens eintreten würde. Ist allerdings für das Gericht erkennbar, daß auch bei einem rechtzeitigen - also unter Beachtung der Prozeßförderungspflicht eingebrachten - Vortrag das Verfahren nicht früher hätte beendet werden können, so sind auch hypothetische Elemente im Rahmen der Feststellung der Verzögerung zu berücksichtigen. Insofern kann man von einem Mittelweg zwischen den ursprünglich vertretenen Positionen von absoluter und relativer Theorie sprechen. Bezüglich der Verzögerung gilt ein vennindertes Beweismaß. Bereits die überwiegende Wahrscheinlichkeit des Eintritts einer Verzögerung reicht aus, damit dieses Tatbestandsmerkmal von Seiten des Gerichts bejaht werden kann. ee) Kausalität Eine Präklusion ist nur dann gerechtfertigt, wenn die Verzögerung allein auf das Verhalten einer Partei zurückzuführen ist. Hat hingegen das Gericht ebenfalls einen Kausalbeitrag zur Prozeßverschleppung geleistet, so sind die harten Präklusionsfolgen von Verfassungs wegen nicht mehr geboten. Es würde einen Verstoß gegen den Anspruch auf rechtliches Gehör darstellen, wenn das Gericht auf Grund mangelhafter Prozeßleitung die Verzögerung (mit-)herbeigeführt hat. Die Präklusion wäre dann rechtsmißbräuchlich, da der Prozeß schon auf Grund richterlichen Verhaltens eine Verschleppung erfährt. Die Gefahr einer infolge der Präklusion materiell ungerechten Entscheidung ist nur dann zugunsten der Prozeßökonomie hinnehmbar, wenn das Verfahren auch tatsächlich durch eine Präklusion des Vorbringens gefördert wird. Die richterliche (Mit-)Verursachung der Verzögerung kann zum einen darauf beruhen, daß der Vorsitzende keine materiellen Hinweise gern. § 182 bzw. §§ 139, 278 Abs. 3 gegeben hat. Im Rahmen seiner richterlichen Aufklärungspflicht hat der Vorsitzende darauf hinzuwirken, daß die Parteien ihre Anträge substantiieren. Will das Gericht seine Entscheidung auf eine bisher im Prozeß unerwähnte Rechtsgrundlage stützen, so hat es die Parteien ebenfalls darüber zu unterrichten. Unterläßt der Vorsitzende einen solchen Hinweis, so ist insofern auch späteres Vorbringen zuzulassen. Dies gilt insbesondere im Parteienprozeß. Zum anderen scheidet eine Präklusion aus, wenn das Gericht gegen fonnelle Verfahrensregeln verstoßen hat. Ebenso unzulässig ist eine Präklusion, wenn das Gericht keine zumutbaren Maßnahmen ergreift, um eine drohende Verzögerung abzuwenden. Das Gericht ist angehalten, im Rahmen des nonnalen Geschäftsganges alles zu unternehmen, was eine Zurückweisung des Vorbringens venneiden könnte. Auf der anderen Seite ist das Gericht nicht verpflichtet, seinen vorgegebe-
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nen Terminplan so umzugestalten, daß eine Berücksichtigung des verspäteten Vorbringens in jedem Fall noch möglich wäre. ff) Verschulden Das bis zur Wertgrenzennovelle 1997 gern. § 179 Abs. 1 öZPO geltende Tatbestandsmerkmal der "offenkundigen Verschleppungsabsicht" wurde von der Rechtsprechung sehr eng ausgelegt. Nur wenn die Verschleppung allein aus prozeßtaktischen Erwägungen erfolgt war, sollte ein Verschulden der Partei anzunehmen sein. So sollte eine absichtliche Verschleppung dann indiziert sein, wenn sich die Partei nach mehreren streitigen Verhandlungen plötzlich in Widerspruch zu ihren eigenen früheren Ausführungen setzt. Gleiches galt, wenn das Gericht auf Lücken im Parteienvortrag hingewiesen hatte und eine weitere Substantiierung für erforderlich hielt. Dann oblag es der Partei, sich um einen Nachtrag bei der nächsten Streitverhandlung zu bemühen. Tat sie das nicht, so war von einer absichtlichen Verschleppung auszugehen. An dieser Auslegung des Verschuldensmaßstabes hat sich durch die Wertgrenzennovelle 1997 wohl wenig geändert. Denn der neue Tatbestand ist ebenfalls sehr eng gefaßt und läßt nur wenig Spielraum für eine extensivere Auslegung des Verschuldens. Die inhaltlichen Anforderungen der Verschleppungsabsicht unterscheiden sich je nachdem, ob eine Partei selbst vor Gericht auftritt oder ein Rechtsanwalt. Im ersten Fall wird man nur ausnahmsweise eine Verschleppungsabsicht bejahen können, da ein verspäteter Vortrag der Parteien generell auf Unerfahrenheit beruht, und nur selten prozeßtaktische Gesichtspunkte dahinter stehen. Rechtsanwälte hingegen sind eher in der Lage, ihr Prozeßmaterial zu sichten. Deshalb sind hier verspätete Vorträge eher auf absichtliches Verhalten zurückzuführen. Das Verschulden des Prozeßbevollmächtigten wird gern. § 39 der Partei zugerechnet. Die dZPO differenziert danach, ob das Vorbringen unter Verstoß gegen eine Frist oder unter Verletzung der allgemeinen Prozeßförderungspflicht nicht rechtzeitig in das Verfahren eingeführt wurde. Im ersten Fall genügt bereits leichte Fahrlässigkeit für eine Präklusion, deren Nichtvorliegen von der Partei zu beweisen ist; im zweiten Fall hingegen ist von Amts wegen der Partei grobe Fahrlässigkeit in bezug auf den verspäteten Vortrag nachzuweisen. gg) Rechtsfolge Nach Auffassung der österreichischen Rechtsprechung steht die Zurückweisung verspäteten Vorbringens gern. §§ 179 Abs. 1, 275 Abs. 2 und 278 Abs. 2 öZPO im Ermessen des Gerichts. Die historische und systematische
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Auslegung ergibt jedoch, daß der Richter zum Ausspruch der Präklusion bei Vorliegen der Tatbestandsvoraussetzungen verpflichtet ist. Nur auf diese Weise wird man dem Willen des Gesetzgebers nach einer effizienten Prozeßleitung gerecht. Die Parteien bleiben als Folge der Präklusion sowohl im anhängigen als auch bei etwaigen zukünftigen Prozessen mit dem zurückgewiesenen Vorbringen ausgeschlossen. Daran ändert auch eine übereinstimmende Erklärung bei der Parteien, das Vorbringen noch zuzulassen, nichts. Die Präklusion steht nicht zur Disposition der Parteien. Nach der dZPO wird wiederum zwischen einer Verspätung wegen Fristüberschreitung und einer solchen wegen Verstoßes gegen die allgemeine Prozeßförderungspflicht differenziert. Im ersten Fall ist die Präklusion Pflichtaufgabe des Richters (§ 296 Abs. 1); im zweiten Fall steht sie in seinem Ermessen (§ 296 Abs. 2). hh) Rechtsmittel Wird eine Präklusion nicht ausgesprochen, obwohl dies nach Meinung einer Partei geboten gewesen wäre, so handelt es sich um einen nicht angreifbaren Verfahrensmangel. Wird umgekehrt eine Partei in der ersten Instanz mit ihrem Vorbringen präkludiert, so kann sie gegen das Urteil Berufung einlegen. Hebt das Berufungsgericht den Präklusionsbeschluß des Erstgerichts auf, so ist dagegen ein Revisionsrekurs zulässig. Wird der Präklusionsbeschluß aber bestätigt, so scheidet eine Überprüfung aus. Dies ergibt sich aus einem Größenschluß; sind Nichtigkeitsmängel wegen § 519 nicht angreifbar, so muß dies auch für sonstige, einfache Verfahrensmängel gelten. Nach der dZPO ist auch im zweiten Fall eine Revision zulässig. b) Refonnvorschläge für die öZPO
Im folgenden werden nunmehr die Reformvorschläge zusammengefaßt, welche einerseits die Verschärfung der Präklusionstatbestände und andererseits die Erweiterung der formellen Prozeßleitungspflichten des Gerichts betreffen. aa) Replik- und Duplikfrist Zur besseren Vorbereitung der ersten streitigen Verhandlung bietet sich im Gerichtshofverfahren die Einführung einer Replik- bzw. Duplikfrist an. Hat der Vorsitzende noch Klärungsbedarf, so sollte es ihm offenstehen, diesen durch weitere Schriftsätze der Parteien zu decken. Dadurch wird
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nicht das Prinzip der Mündlichkeit in Frage gestellt, sondern lediglich ein besserer Informationsstand des Gerichts gewährleistet. Dadurch kann die erste streitige Verhandlung effizienter genützt werden. Um den Schriftwechsel zu kanalisieren und damit auch eine etwaige Duplik des Beklagten zeitgerecht anzufordern, sind Fristen notwendig. Deren Überschreitung sollte mit einer Präklusion bedroht sein, um die Parteien zu einem rechtzeitigen Vorbringen anzuhalten. bb) Schriftsätze zwischen den Verhandlungen Auch zwischen den einzelnen Verhandlungen sollte es dem Vorsitzenden im Verfahren vor dem Gerichtshof erlaubt sein, Schriftsätze anzufordern. Benötigt er weiteres Material über bestimmte klärungsbedürftige Punkte, so sollte er die Parteien dazu unter Fristsetzung auffordern können. Dieser Schriftsatz wird dann sogleich vom Gericht der gegnerischen Seite zugestellt. Damit wird nicht nur dem Gericht zu einer besseren Übersicht verholfen, sondern auch den Parteien selbst, die vor überraschenden Wendungen im Prozeß geschützt sind. Bei Versäumung der Schriftsatzfrist wäre das verspätete Vorbringen wie im Falle der Replik- und Duplikfrist auszuschließen. cc) Beweisbeschluß Günstig auf ein prozeßökonomisches Verfahren würde sich auch die Möglichkeit eines Beweisbeschlusses vor der ersten streitigen Verhandlung auswirken. Eine solche Anordnung durch den Vorsitzenden würde es ersparen, die erste Verhandlung de facto allein zum Zwecke eines Beweisbeschlusses zu verwenden. dd) Inhalt und Umfang der Schriftsätze Ferner sind an ein Vorbringen bestimmte inhaltliche Anforderungen zu stellen. Aus diesem Grund empfiehlt sich die Übernahme der in §§ 277 Abs. 1, 282 Abs. 1 dZPO konkretisierten allgemeinen Prozeßförderungspflicht in die öZPO. Sie stellt eine Generalklausei dar, die von beiden Parteien in jeder Lage des Verfahrens zu beachten ist. Die Parteien haben daran ihre Prozeßführung auszurichten. Dies gilt insbesondere auch für soche Schriftsätze, die vor und zwischen den Verhandlungen ausgetauscht werden. Geht ein Schriftsatz rechtzeitig ein, ist der Vortrag aber nicht inhaltlich umfassend, so sind spätere Ergänzungen zu präkludieren. Auf diese Weise wird der Gefahr "leerer Schriftsätze" begegnet. Ein formelhafter Schriftsatz genügt dann nicht mehr, um den Präklusionsfolgen zu entgehen.
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ee) Streichung des Widerspruchs Eine weitere Beschleunigung des Verfahrens ließe sich erreichen durch die Streichung der Möglichkeit eines Widerspruchs gegen ein Versäumnisurteil, das auf Grund einer verspäteten schriftsätzlichen Klagebeantwortung ergangen ist. Einzig zulässiger Rechtsbehelf gegen ein solches Urteil sollte die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand sein. Auf Grund der hohen Anforderungen an den Verschuldensmaßstab wäre ein Fortgang des Verfahrens dann nur noch ausnahmsweise geboten. ff) Verschärfung der Präklusionstatbestände Auch die Präklusionstatbestände gern. §§ 179 Abs. 1, 275 Abs. 2, 278 Abs. 2 sollten verschärft werden. Erstens ist der Begriff der Verzögerung unter Streichung des Merkmals der Erheblichkeit neu zu formulieren. Außerdem sollte eine Verzögerung nur zu bejahen sein, wenn die Berücksichtigung des Vorbringens den Rechtsstreit im Zeitpunkt des Beschlusses verlängern würde. Allerdings hat eine Verzögerung für den Fall auszuscheiden, daß offensichtlich auch bei rechtzeitigem Vorbringen die Verlängerung eingetreten wäre. Es sind also auch hypothetische Elemente zu beachten. Zweitens sollte bereits bei grob fahrlässiger Verspätung eine Präklusion ausgesprochen werden. Die Praxis hat gezeigt, daß nicht zuletzt wegen des hohen Verschuldensmaßstabes eine Präklusion nach der geltenden Rechtslage regelmäßig unmöglich wird. Um dies zu verhindern, bietet sich eine Senkung des Verschuldensmaßstabes an. Sofern im Anwaltsprozeß Schriftsatzfristen gesetzt worden sind, erscheint eine weitere Absenkung auf einfache Fahrlässigkeit empfehlenswert. Die Rechtsanwälte trifft die Pflicht, an der zügigen Durchführung des Verfahrens mitzuwirken. Sind ihnen genaue Fristen gesetzt, so kann erwartet werden, daß sie sich an diese halten. Eine etwaige Arbeitsüberlastung, die zum Versäumen einer Frist führt, fällt in ihren Risikobereich und entschuldigt ein verspätetes Vorbringen nicht. Drittens sollte - zur Klarstellung - auch die Möglichkeit eines Parteienantrages, gerichtet auf einen Präklusionsbeschluß des Gerichts, beseitigt werden. Ein solcher Antrag ist mit den Prozeßleitungspflichten des Gerichts nicht mehr vereinbar. c) Konkrete Neuformulierung des Gesetzestextes
Zum Abschluß dieser Untersuchungen sollen nunmehr auch konkrete Gesetzesformulierungen angeboten werden für eine Reform des § 179 Abs. 1 öZPO sowie für weitere neu zu entwerfende Präklusionstatbestände,
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mit deren Hilfe sich sicherlich eine effiziente Verfahrensdurchführung erreichen ließe. Diese vennögen u. U. den Anstoß zu einer Diskussion über die wirksame Förderung erstinstanzlicher Verfahren liefern. Eine solche Auseinandersetzung ist bisher unterblieben mit dem Verweis auf den Grundsatz der Einheit der mündlichen Verhandlung. Eine Verschärfung bedeutet aber keine Rückkehr zur Eventualmaxime, da die Parteien immer nur das nach der jeweiligen Prozeßlage Erforderliche vortragen müssen. Vielleicht können diese Bedenken nunmehr mit Hilfe der hier vorgestellten Refonnentwürfe beseitigt werden: § 179
(1) Tatsächliche Behauptungen, Beweismittel, Beweiseinreden sowie unselbständige Verteidigungsmittel sind in der mündlichen Verhandlung so zeitig und umfassend vorzutragen, wie es nach der Prozeßlage einer sorgfältigen und auf Förderung des Verfahrens bedachten Prozeßführung entspricht. Dieses Vorbringen ist vom Gericht zurückzuweisen, wenn es entgegen Satz 1 grob fahrlässig nicht rechtzeitig in den Prozeß eingeführt wurde und seine Zulassung die Erledigung des Rechtsstreits verzögern würde; es sei denn, daß sich dem Gericht Umstände aufdrängen, die darauf hindeuten, daß auch im Falle eines rechtzeitigen Vortrags der Prozeß nicht früher hätte beendet werden können. § 243
(2) Die Beantwortung hat mittels vorbereitenden Schriftsatzes zu geschehen. Sie hat den inhaltlichen Anforderungen des § 179 Abs. 1 S. 1 zu genügen; insbesondere hat sie ein bestimmtes Begehren zu enthalten und, wenn der Klageanspruch bestritten wird, die Tatsachen, auf welche sich die Einwendungen des Beklagten gründen, im einzelnen kurz und vollständig anzugeben und ebenso die Beweismittel im einzelnen genau zu bezeichnen, deren sich der Beklagte zum Nachweise seiner tatsächlichen Behauptungen bei der Verhandlung zu bedienen beabsichtigt ... (5) Erfüllt die Beantwortung der Klage die inhaltlichen Anforderungen des Abs. 2 nicht, so sind spätere Vorträge entsprechend § 179 Abs. 1 zurückzuweisen. Dies gilt bereits dann, wenn die Verspätung auf Fahrlässigkeit beruht. § 244 ( 1) Der Vorsitzende des Senats, dem die Rechtssache zugewiesen ist, kann dem Kläger eine Frist zur schriftlichen Stellungnahme auf die Beantwortung der Klage setzen (Replikjrist). Nach Überreichung des Schriftsatzes an das Gericht kann der Vorsitzende zusammen mit dessen Zustellung dem Beklagten wiederum eine Frist zur Stellungnahme auf die Replik
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setzen (Duplikfrist). Die Dauer dieser Fristen sollte auf zwei Wochen ab Zustellung der Fristsetzung begrenzt sein. Auf Antrag kann der Vorsitzende die Fristen verlängern, wenn dadurch keine Verzögerung des Prozesses eintritt. (2) Versäumt es eine Partei, ihr Vorbringen rechtzeitig innerhalb der in Satz 1 genannten Fristen und inhaltlich vollständig in den Prozeß einzuführen, so sind spätere Vorträge entsprechend § 179 Abs. 1 zurückzuweisen. Dies gilt bereits dann, wenn die Verspätung auf Fahrlässigkeit beruht. § 398
(1) Wurde vom Beklagten die Klagebeantwortung gem. § 243 Abs. 1 und 4 nicht rechtzeitig überreicht, so kann der Kläger die Erlassung des Versäumungsurteils in der Hauptsache (§ 396) beantragen, auch wenn der Beklagte bei der ersten Tagsatzung nicht durch einen Rechtsanwalt vertreten war. Der Vorsitzende des Senats hat darüber als Einzelrichter binnen acht Tagen ohne Anberaumung einer Verhandlung zu erkennen.
(2) Dem Beklagten, gegen den ein Versäumungsurteil im Sinne von Satz 1 erlassen worden ist, steht gegen dieses Urteil das Recht auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand (§§ 146ff.) zu. Der Antrag auf Wiedereinsetzung ist nur innerhalb von zwei Wochen zulässig; diese Frist beginnt mit dem Tag nach Zustellung des Versäumungsurteils. (3) Der Wiedereinsetzungsantrag hat inhaltlich den Anforderungen einer ordnungsgemäßen Klagebeantwortung gem. § 243 Abs. 2 zu entsprechen. Späteres Vorbringen ist entsprechend § 179 Abs. 1 zurückzuweisen. Dies gilt bereits dann, wenn die Verspätung auf Fahrlässigkeit beruht. Im übrigen gilt § 397a Abs. 3,4,5 für den Wiedereinsetzungsantrag sinngemäß. § 183 (1) Behufs Erfüllung der dem Vorsitzenden nach § 182 obliegenden Verpflichtungen kann der Vorsitzende insbesondere ...
(3) Der Vorsitzende kann bereits vor der ersten mündlichen Verhandlung Maßnahmen im Sinne von Absatz 1 treffen. Sofern die Parteien zu einer Stellungnahme aufgefordert werden, hat dies unter Angabe der klärungsbedürftigen Punkte zu geschehen. Dasselbe gilt, wenn der Vorsitzende vor der ersten oder zwischen den einzelnen mündlichen Streitverhandlungen noch weitere Schriftsätze für erforderlich hält. Er hat eine Frist zu bestimmen, innerhalb der eine Erklärung der Partei beim Gericht einzugehen hat. Versäumt es die Partei, sich rechtzeitig und inhaltlich vollständig zu erklären, so werden ihre späteren Vorträge entsprechend § 179 Abs. 1 zurückgewiesen. Dies gilt bereits dann, wenn die Verspätung auf Fahrlässigkeit beruht.
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In der Zeit zwischen der Anberaumung und dem Beginn der Streitverhandlung sowie zwischen denselben können einander die Parteien bisher noch nicht vorgetragene Anträge, Angriffs- und Verteidigungsmittel Behauptungen und Beweise, welche sie in der nächsten Streitverhandlung geltend machen wollen, durch besonderen vorbereitenden Schriftsatz geltend machen. Dieser ist spätestens eine Woche vor der mündlichen Verhandlung einzureichen. Schriftsätze, die nicht rechtzeitig dem Gericht zugehen oder inhaltlich unvollständig sind, sind entsprechend § 179 Abs. 1 zurückzuweisen. Während dieser Zeit können die Parteien auch noch Anträge im Sinne des § 229 mittels Schriftsatz oder zu gerichtlichem Protokoll stellen. Der Vorsitzende hat hierüber die ihm nötig scheinenden Anordnungen ohne Aufschub zu erlassen.
d) Reformvorschläge für die dZPO Die in der dZPO enthaltenen verfahrensbeschleunigenden Maßnahmen sind insgesamt als positiv zu bewerten. Sie beziehen alle Verfahrensbeteiligten ein und zielen auf einen kurzen, effizienten und kostengünstigen Prozeß ab. Weitere Verschärfungen in diesem Bereich könnten eher einen gegenteiligen Effekt erzielen. Eine zu enge Bindung des Richters an eine gesetzliche Reglementierung erlaubt nämlich keine ausreichende Anpassung an die jeweiligen Umstände des Einzelfalls. Ein gewisser Freiraum muß dem Richter aber zustehen, um den besonderen Begebenheiten bestimmter Prozeßsituationen entsprechen zu können. Nur auf diese Weise läßt sich ein reibungsloser Verfahrensablauf garantieren. Die geltenden Regelungen werden dieser Zielsetzung gerecht. Sie tragen in ausreichender Weise dazu bei, daß der Richter das Verfahren effizient führen kann. Zu beachten ist auch, daß die aktive Mitwirkung des Richters am Verfahren letztlich von seinem eigenen Einsatz abhängt. Wer dem Richter immer weitere Prozeßleitungspflichten auferlegen will, läuft Gefahr, daß dieser damit überfordert wird. Die im Laufe dieses Jahrhunderts eingeführten formellen und materiellen Prozeßleitungspflichten haben sich in der Praxis bewährt und sollten nicht wieder geändert werden. Das gesetzliche Instrumentarium für ein effizientes Verfahren besteht; es kommt nur darauf an, daß dieses Instrumentarium auch von den Richtern angewendet wird. Darauf hat der Gesetzgeber jedoch keinen Einfluß. Soweit im Rahmen des 61. Deutschen Juristentages (1996) von Gottwald gefordert wurde,548 daß das Gericht auch gegenüber dem Beweisgegner zur Vorlage von Urkunden berechtigt sein müsse und alle Parteien eine Aufklä548
Gottwald in Verhandlungen des 61. Dt. luristentages (1996) A I ff.
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rungs- und Vorlagepflicht treffen solle, ist dies auf den ersten Blick zu unterstützen. Denn es ist nicht recht einzusehen, wieso jede Partei nach der geltenden Rechtslage gern. § 138 den Wahrheits- und Vollständigkeitspflicht unterliegen soll; gleichzeitig aber Urkunden zurückhalten darf, die einen wertvollen Beitrag zur Wahrheitssuche leisten. Diese Widersprüchlichkeiten werden durch eine Angleichung des § 138 und der Vorlagepflicht beseitigt. Andererseits ist zu berücksichtigen, daß eine solche Reform den im Zivilprozeß herrschenden Verhandlungsgrundsatz verletzt. Außerdem ist damit ein Eingriff in die sich nach dem materiellen Recht beurteilenden Fragen der Beweislastverteilung verbunden. Sofern das Prozeßrecht nunmehr eine solche allgemeine Vorlagepflicht einführt, sind Divergenzen zwischen dem materiellen und prozessualen Recht nicht mehr auszuschließen. Diese schwerwiegenden Konsequenzen lassen eine Reform im Sinne GottwaIds als rechtlich fragwürdig erscheinen. Denn ob sich ein derart einschneidender Eingriff mit Verweis auf die Verfahrensbeschleunigung rechtfertigen läßt, kann nur unter Abwägung mit den betroffenen Rechtsinstituten beantwortet werden. Gerade deren mögliche Verletzung führt hier aber zu dem Schluß, daß auf die Einführung einer allgemeinen Vorlagepflicht verzichtet werden sollte.
11. Neuerungsverbot 1. Einleitung War bisher immer nur von Prozeßförderung innerhalb einer Instanz die Rede, so geht es nunmehr um die Verkürzung der Verfahrensdauer durch beschränkte Rechtsmittelmöglichkeiten. Im Blickpunkt des Interesses steht die Frage, in welchem Umfang eine zweite Instanz'