Produktionswirtschaft: Eine Einführung für Wirtschaftsingenieure (Springer-Lehrbuch) (German Edition) 3540722173, 9783540722175

Das Buch gibt einen einfuhrenden, entscheidungstheoretisch begrundeten Uberblick uber wichtige Probleme und Modelle der

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Produktionswirtschaft: Eine Einführung für Wirtschaftsingenieure (Springer-Lehrbuch) (German Edition)
 3540722173, 9783540722175

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Springer-Lehrbuch

Harald Dyckhoff · Thomas S. Spengler

Produktionswirtschaft Eine Einführung für Wirtschaftsingenieure Zweite, verbesserte Auflage

Mit 91 Abbildungen und 10 Tabellen

123

Professor Dr. Harald Dyckhoff RWTH Aachen Lehrstuhl für Unternehmenstheorie Templergraben 64 52056 Aachen [email protected] www.lut.rwth-aachen.de Professor Dr. Thomas Stefan Spengler Technische Universität Braunschweig Lehrstuhl für Betriebswirtschaftslehre, insbesondere Produktion und Logistik Katharinenstraße 3 38106 Braunschweig [email protected] www.prodlog.tu-bs.de

ISSN 0937-7433 ISBN 978-3-540-72217-5 Springer Berlin Heidelberg New York ISBN 978-3-540-22513-3 1. Auflage Springer Berlin Heidelberg New York Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet ¨ uber http://dnb.d-nb.de abrufbar. Dieses Werk ist urheberrechtlich gesch¨ utzt. Die dadurch begr¨ undeten Rechte, insbesondere die der ¨ bersetzung, des Nachdrucks, des Vortrags, der Entnahme von Abbildungen und Tabellen, der FunkU sendung, der Mikroverfilmung oder der Vervielf¨ altigung auf anderen Wegen und der Speicherung in Datenverarbeitungsanlagen, bleiben, auch bei nur auszugsweiser Verwertung, vorbehalten. Eine Vervielf¨ altigung dieses Werkes oder von Teilen dieses Werkes ist auch im Einzelfall nur in den Grenzen der gesetzlichen Bestimmungen des Urheberrechtsgesetzes der Bundesrepublik Deutschland vom 9. September 1965 in der jeweils geltenden Fassung zul¨ assig. Sie ist grunds¨ atzlich verg¨ utungspflichtig. Zuwiderhandlungen unterliegen den Strafbestimmungen des Urheberrechtsgesetzes. Springer ist ein Unternehmen von Springer Science+Business Media springer.de © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2005, 2007 Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Handelsnamen, Warenbezeichnungen usw. in diesem Werk berechtigt auch ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme, dass solche Namen im Sinne der Warenzeichen- und Markenschutz-Gesetzgebung als frei zu betrachten w¨ aren und daher von jedermann benutzt werden d¨ urften. Herstellung: LE-TEX Jelonek, Schmidt & V¨ ockler GbR, Leipzig Umschlaggestaltung: WMX Design GmbH, Heidelberg SPIN 12056842

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Gedruckt auf s¨ aurefreiem Papier

Vorwort zur zweiten Auflage Die gute Aufnahme des Lehrbuchs macht nach kurzer Zeit eine zweite Auflage erforderlich. Neben einer gründlichen Durchsicht des Textes und der Korrektur aufgetretener Druckfehler wurden lediglich kleinere Verbesserungen und begriffliche Präzisierungen vorgenommen. Herrn Prof. Dr. Rainer Souren gilt stellvertretend unser herzlicher Dank für zahlreiche Anmerkungen. Dem Wunsch der Studierenden nach Hinweisen zu Übungsaufgaben sind wir in der vorliegenden Auflage nachgekommen. Am Ende jeder Lektion finden sich nun konkrete Angaben zu Übungsaufgaben und zugehörigen Musterlösungen, die zum großen Teil im Übungsbuch Dyckhoff/Ahn/Souren (2004) enthalten sind oder andernfalls unter der Internetadresse http://www.prodlog.tu-bs.de/lehrbuch_pw heruntergeladen werden können. Ein besonders herzlicher Dank für die sorgfältige Überarbeitung des Manuskripts gilt wiederum Frau Dr. Grit Walther sowie Herrn Dipl.-Kfm. Eberhard Schmid. Aachen und Braunschweig, im April 2007

Harald Dyckhoff Thomas Spengler

Vorwort zur ersten Auflage Das hiermit vorgelegte Lehrbuch basiert wesentlich auf dem bislang in vier Auflagen erschienenen Lehrbuch „Grundzüge der Produktionswirtschaft“ (Dyckhoff 1995, 1998, 2000 und 2003) und entwickelt die dort beschriebene Theorie betrieblicher Wertschöpfung anwendungsorientiert weiter in Richtung auf eine stärkere Integration mit den Modellen des Produktionsmanagements. Eine zentrale Rolle spielen dabei grafentheoretische Konzepte und Werkzeuge. Ein wichtiges Fundament des Buches bilden ebenfalls grundlegende Forschungsarbeiten zur Modellierung, Planung und Steuerung industrieller Produktionssysteme, die sich etwa in der Monografie „Industrielles Stoffstrommanagement“ (Spengler 1998) sowie in zahlreichen Publikationen in international anerkannten Zeitschriften niedergeschlagen haben. Die illustrierenden Beispiele beziehen sich auf unterschiedliche Branchen und profitieren von einer Reihe anwendungsorientierter und interdisziplinärer For-

VI

Vorwort

schungsprojekte an der Nahtstelle zwischen Wirtschafts- und Ingenieurwissenschaften. In seinem grundsätzlichen Aufbau entspricht unser Lehrbuch weitgehend dem Werk „Betriebliche Produktion“ (Dyckhoff 1992 und 1994), wenn man davon absieht, dass Letzteres das Produktionsmanagement nur skizziert und seinen Schwerpunkt auf die ausführliche und präzise Darstellung der damals neu vorgestellten Theorie betrieblicher Wertschöpfung gelegt hat. Außer dieser abweichenden inhaltlichen Schwerpunktsetzung ist das vorliegende Lehrbuch jedoch auch deutlich „schlanker“ in der Darstellung der Sachverhalte, so dass der präsentierte Stoff sich für eine Vorlesung von 2 Semesterwochenstunden eignet, möglichst begleitet durch eine Übung. Zielgruppe dieser „didaktischen Reduktion“ sind in erster Linie Studierende des Wirtschaftsingenieurwesens, darüber hinaus aber auch anderer Studiengänge „ohne Scheu vor Mathematik“, beispielsweise der Wirtschaftsinformatik. Nichtsdestotrotz ist der formale Anspruch möglichst gering gehalten. Erfahrungen beider Autoren aus ihrer langjährigen Lehrtätigkeit an der RWTH Aachen sowie der Universität Karlsruhe (TH) und der Technischen Universität Braunschweig sind dabei ebenso eingeflossen wie fruchtbare Anregungen von Kollegen, Mitarbeitern und Studierenden. Zu besonderem Dank sind die Autoren Frau Dipl.-Geoökologin Grit Walther verpflichtet, die wesentlich an der inhaltlichen und formalen Gestaltung des Lehrbuches mitgewirkt hat. Aachen und Braunschweig, im Juni 2004

Harald Dyckhoff Thomas Spengler

Inhaltsverzeichnis Kapitel A: Grundlagen der Produktionswirtschaft

1

1 Produktion in Theorie und Praxis

3

1.1

Gegenstand und Einordnung der Produktionswirtschaft

3

1.2

Struktur der industriellen Produktion in Deutschland

8

2 Typologie industrieller Produktionssysteme

13

2.1

Ausbringungsbezogene Produktionstypen

13

2.2

Einsatzbezogene Produktionstypen

16

2.3 Prozessbezogene Produktionstypen 2.3.1 Natur-/ingenieurwissenschaftliche Prozesscharakteristika 2.3.2 Stufigkeit und Vergenztypen 2.3.3 Repetitions- und Anordnungstypen

3 Entscheidungstheoretische Einordnung des Produktionsmanagements

19 20 21 25

29

3.1

Aufgaben des Produktionsmanagements

29

3.2

Entscheidungstheoretischer Rahmen

33

3.3

Aufbau der entscheidungsorientierten Produktionstheorie

40

Kapitel B: Entscheidungsorientierte Produktionstheorie

43

4 Objekte und Aktivitäten

45

4.1

Objekte produktionswirtschaftlichen Handelns

45

4.2

Produktionsaktivität als Input/Output-Prozess

47

4.3

Praktische Darstellungen von Produktionsaktivitäten

51

5 Techniken und Restriktionen 5.1

Techniken der Produktion

5.2 Grundlegende Technikformen 5.2.1 Größeneffekte 5.2.2 Additivität 5.2.3 Linearität und Konvexität

59 59 62 63 64 65

VIII

Inhaltsverzeichnis

5.3

Produktionsmöglichkeiten

67

5.4

Produktionsdiagramme

70

5.5

Systematische Modellierung realer Produktionssysteme – Fallstudie 5.5.1 Grey-Box-Modelle in der Systemverfahrenstechnik 5.5.2 Fallstudie zur systematischen Modellierung

6 Erfolgstheorie 6.1

Bewertung des Produktionserfolgs

73 73 77

83 85

6.2 Messung des ökonomischen Erfolgs 6.2.1 Erfolgsfunktion 6.2.2 Ökonomische Erfolgskategorien

86 87 88

6.3

90

Lineare Erfolgsfunktionen

6.4 Nichtlineare Erfolgsfunktionen 6.4.1 Kostenverlauf bei Lern- und Erfahrungskurven 6.4.2 Umsatzverlauf bei Preisdifferenzierung 6.4.3 Umsatz- und Gewinnverlauf bei linearer Preis-Absatz-Funktion

7 Produktionstheorie i.e.S.

93 93 96 97

103

7.1 Ergebnisse der Produktion 7.1.1 Beurteilung der Produktion 7.1.2 Objektkategorien verschiedener Erwünschtheit 7.1.3 Ergebnisorientierte Analyse der Produktion 7.1.4 Leistungskennzahlen

104 104 106 108 111

7.2 Produktionsfunktion 7.2.1 Effizienz der Produktion 7.2.2 Formulierung der Produktionsfunktion 7.2.3 Variabilität und Kompensationsmaße

113 113 117 119

Kapitel C: Spezielle Produktionsmodelle 8 Einstufige Techniken

125 127

8.1 Endlich generierbare Techniken 8.1.1 Technikmatrix 8.1.2 Grundaktivitäten und elementare Prozesse 8.1.3 Abstrakter Input/Output-Graf

127 128 130 132

8.2 Elementare und einstufige Techniken 8.2.1 Elementare Techniken 8.2.2 Einstufige Techniken

134 135 138

Inhaltsverzeichnis

9 Mehrstufige und zyklische Techniken

IX

145

9.1 Mehrstufige Techniken 9.1.1 Modellierungsansatz 9.1.2 Fallbeispiel zur Modellierung einer Erdölraffinerie

145 145 148

9.2 Zyklische Techniken 9.2.1 Modellierungsansatz 9.2.2 Fallbeispiel zur Modellierung geschlossener Stoffkreisläufe in der Eisen- und Stahlindustrie

152 152

10 Nicht endlich generierbare Techniken

155

159

10.1 Keine oder unendlich viele Grundaktivitäten 10.1.1 Approximation durch endlich generierbare Techniken 10.1.2 Gutenberg-Technik 10.1.3 Intensitätssplitting bei diskreten Intensitätsstufen

159 160 164 170

10.2 In Grenzen frei variierbare Produktion

172

10.3 Fallbeispiel zur empirischen Ermittlung von Verbrauchsfunktionen

174

11 Dynamische Modellierung der Produktion

179

11.1 Dynamisches Grundmodell 11.1.1 Diskreter Ansatz 11.1.2 Stetiger Ansatz

180 180 182

11.2 Dynamische Input/Output-Grafen und Petri-Netze 11.2.1 Dynamische Input/Output-Grafen 11.2.2 Petri-Netze 11.2.3 Praxisbeispiel eines Petri-Netzes in der Metallindustrie

185 185 187 191

Kapitel D: Operatives Produktionsmanagement 12 Erzeugnisprogrammplanung

195 197

12.1 Aufgaben und Ziele der Programmplanung

198

12.2 Produktionsprogrammplanung im allgemeinen Fall endlich generierbarer Techniken

203

12.3 Erzeugnisprogrammplanung bei Alternativproduktion

211

12.4 Erzeugnisprogrammplanung bei einem einzigen Kapazitätsengpass

218

X

Inhaltsverzeichnis

13 Materialwirtschaft

221

13.1 Ermittlung des Materialbedarfs 13.1.1 Darstellung von Erzeugnisstrukturen 13.1.2 Programmorientierte Ermittlung des Sekundärbedarfs

222 222 226

13.2 Losgrößenplanung 13.2.1 Statisches Grundmodell der Losgrößenplanung 13.2.2 Dynamisches Grundmodell der Losgrößenplanung

231 232 236

14 Produktionsablaufplanung und aktuelle Produktionssteuerung 241 14.1 Terminplanung 14.1.1 Vereinfachter dynamischer Input/Output-Graf 14.1.2 Netzplantechnik

242 242 243

14.2 Kapazitätsplanung 14.2.1 Kapazitätsplanung bei Projektproduktion 14.2.2 Kapazitätsplanung bei Fließproduktion

248 249 251

14.3 Reihenfolgeplanung und Feinterminierung

253

Symbol- und Abkürzungsverzeichnis

263

Literaturverzeichnis

265

Stichwortverzeichnis

271

Kapitel A

Grundlagen der Produktionswirtschaft

Die Produktionswirtschaftslehre beschäftigt sich mit der betriebswirtschaftlichen Analyse von Produktionssystemen (Theorie betrieblicher Leistungserbringung, Produktionstheorie) sowie darauf aufbauend mit der Unterstützung von Entscheidungsträgern bei der Gestaltung und dem Betrieb von Produktionssystemen (Produktionsmanagementlehre). Das vorliegende Kapitel A ist der inhaltlichen Präzisierung der Produktionswirtschaft und speziell dem Zusammenspiel der beiden genannten Aufgabenbereiche gewidmet. Hierzu werden zunächst in Lektion 1 eine begriffliche Definition und Einordnung der Produktionswirtschaft vorgenommen und die volkswirtschaftliche Bedeutung des Produzierenden Gewerbes in Deutschland kurz vorgestellt. Lektion 2 umfasst eine Typologisierung industrieller Produktionssysteme und verdeutlicht diese anhand ausgewählter Praxisbeispiele. In Lektion 3 schließlich erfolgt die Einordnung des Produktionsmanagements in die Entscheidungstheorie, und die Notwendigkeit einer Verzahnung mit der (entscheidungsorientierten) Produktionstheorie wird aufgezeigt.

1 Produktion in Theorie und Praxis

1.1 1.2

1.1

Gegenstand und Einordnung der Produktionswirtschaft Struktur der industriellen Produktion in Deutschland

Gegenstand und Einordnung der Produktionswirtschaft

Die Betriebswirtschaft(slehre) wird in der neueren Literatur üblicherweise in die Teilgebiete Produktionswirtschaft, Finanzwirtschaft, Marketing, Unternehmensführung, Unternehmensrechnung etc. eingeteilt. Diese so genannte funktionale Gliederung unterscheidet sich von der früher üblichen institutionellen Gliederung, die betriebswirtschaftliche Fragestellungen in Industriebetrieben (Industriebetriebslehre), in Handelsbetrieben (Handelsbetriebslehre), in Banken (Bankbetriebslehre) etc. branchenspezifisch voneinander unterscheidet. Bei der funktionalen Gliederung werden Betriebe in einer speziellen Perspektive betrachtet, die auf bestimmte Phänomene fokussiert und von anderen Aspekten des Betriebsgeschehens abstrahiert. Im Fokus der Produktionswirtschaft steht der Prozess der Objekttransformation zwecks Leistungserbringung. Die Produktionswirtschaft beschäftigt sich demnach mit der durch Menschen gezielt veranlassten Transformation, d.h. der qualitativen, quantitativen, räumlichen oder zeitlichen Veränderung von Objekten. Während rein räumliche und zeitliche Objektveränderungen (Transfer) logistische Prozesse wie Transport, Lagerung, Sortierung oder Umschlag kennzeichnen, ist die Produktion im engeren Sinne immer auch mit qualitativen Veränderungen der Inputobjekte verbunden. Mit diesen Veränderungen soll eine Leistung erbracht werden, d.h. es wird eine Nutzenerhöhung (Wertschöpfung) angestrebt. Realisiert wird die Wertschöpfung durch den Leistungsaustausch beim Handel. Wertschöpfungsprozesse finden üblicherweise in als „Betrieb“ bezeichneten Wirtschaftseinheiten statt. Damit ist die Produktion Kernfunktion jedes Betriebs bzw. jeder Unternehmung1 schlechthin.

1

Unter einer Unternehmung wird nach Gutenberg (1983), S. 507ff. ein in einer Marktwirtschaft autonom agierender und erwerbswirtschaftlich orientierter, d.h. auf Gewinn-

4

Kapitel A: Grundlagen der Produktionswirtschaft

Betriebliche Produktionssysteme umfassen üblicherweise eine Vielzahl verschiedener oder auch gleichartiger Produktionsprozesse, die nicht notwendigerweise am gleichen Produktionsstandort betrieben werden, sowie eine geeignete Infrastruktur zu deren Vernetzung im Hinblick auf Material- und Informationsflüsse (vgl. Bild 1.1). Natürliche Umwelt

Wirtschaftliches Umfeld Produktionssystem

Sachen Input Dienste Rechte Informationen

Sachen Dienste Rechte Informationen

Output

Leistungserbringung

Sozio-kulturelles Umfeld

Politisches Umfeld

Rechtliches Umfeld

Technisches Umfeld

Bild 1.1: Das Produktionssystem (Quelle: Dyckhoff (2006), Bild 0.2)

Die Infra- oder Innenstruktur eines Produktionssystems wird durch Subsysteme, wie Werke, Anlagen, Baustellen oder sogar einzelne Arbeitsplätze, beschrieben. Fokussiert man hierbei auf eine bestimmte Auswahl von Beziehungen zwischen den Subsystemen, so werden Teilsysteme definiert, wie etwa Materialflusssysteme oder Informationssysteme. Die Außenstruktur eines Produktionssystems ist durch seine Einbettung in das betriebliche und überbetriebliche Umfeld gegeben, das durch wirtschaftliche, technische, rechtliche, sozio-kulturelle, politische und ökologische Rahmenbedingungen gekennzeichnet ist. Zur Verdeutlichung ist in Bild 1.2 ein Produktionssystem zur Herstellung von Traktoren dargestellt. Das Produktionssystem dient der Transformation der auf den Beschaffungsmärkten erworbenen Inputobjektarten in die auf den Absatzmärkten nachgefragten Outputobjektarten, im Beispiel also Traktoren. Neben externen Produktionsstandorten zur Motoren- und Kabinenfertigung gliedert sich die Produktion in die Teilefertigung (Vorfertigung), die Fertigung der Achsen, Getriebe und Großzubehörteile (Hauptfertigung) sowie die Montage. Zeitliche Transferleistungen werden durch die vorhandenen Einkaufs- und Zwischen-

erzielung angelegter, Betrieb verstanden. Im Folgenden wird allerdings nicht weiter zwischen den Begriffen Betrieb und Unternehmung differenziert.

Lektion 1: Produktion in Theorie und Praxis

5

läger, räumliche Transferleistungen werden durch geeignete Transportsysteme erbracht. Arbeitsmarkt Kapitalmarkt …

Beschaffungsmarkt

Eingangslager

Teilefertigung

externe Fertigungsstätten

ZL

Achsenfertigung

ZL

Getriebefertigung

ZL

Großzubehörfertigung

Hauptzwischenlager

Montage

Absatzmarkt

Motoren Räder/Reifen Kabinen

Bild 1.2: Produktionssystem zur Herstellung von Traktoren (nach Schneeweiß (2002), Abbildung 1.2)

Verallgemeinernd ist damit die Produktion materieller Sachgüter2 zentral zwischen den (ebenfalls wertschöpfenden) Transaktionsprozessen der Beschaffung der Inputobjektarten und des Absatzes der Outputobjektarten angesiedelt. Schnittstellen bestehen damit zu einer ganzen Reihe betriebswirtschaftlicher Funktionen, wie -

der Logistik bezüglich der räumlichen und zeitlichen Transferleistungen, dem Marketing bezüglich der Beschaffungs- und Absatzmärkte, der Finanzwirtschaft bezüglich der Geld- und Kapitalmärkte, der Personalwirtschaft bezüglich des Arbeitsmarktes, der Informationswirtschaft bezüglich der mit dem physischen Materialfluss verbundenen Informationsflüsse, der Umweltwirtschaft bezüglich des betrieblichen Umweltschutzes, der Unternehmensrechnung bezüglich des externen und internen Rechnungswesens sowie der Unternehmensführung bezüglich der allgemeinen Unternehmenspolitik.

Darüber hinaus weist die Produktionswirtschaft enge Beziehungen zu den Nachbardisziplinen Ingenieurwissenschaften, Informatik, Operations Re2

Die Produktion nichtmaterieller Güter, wie Dienstleistungen oder Information, wird als Dienstleistungsproduktion bezeichnet. Im vorliegenden Lehrbuch wird vorrangig die Produktion von Sachgütern betrachtet. Im Allgemeinen umfasst die Produktion (als Leistungserbringung) auch die (Dienstleistungs-)Prozesse der Logistik.

6

Kapitel A: Grundlagen der Produktionswirtschaft

search, Sozialwissenschaften, Arbeitswissenschaften und Rechtswissenschaften auf. Von besonderer Bedeutung erscheinen die Ingenieurwissenschaften und die Informatik, denen im Rahmen der Sachgüterproduktion eine Schlüsselrolle zukommt. Produktionssysteme umfassen eine Vielzahl technischer Prozesse zur qualitativen, quantitativen, räumlichen und zeitlichen Transformation, deren technische Gestaltungsparameter, wie Stoff- und Energiebilanzen, Umsätze, Ausbeuten, Prozessgeschwindigkeiten etc., in den einschlägigen Ingenieurwissenschaften, wie Maschinenbau, Verfahrenstechnik, Elektrotechnik, Bauingenieurwesen etc., untersucht werden. Die Informatik leistet wichtige Dienste im Bereich der Erfassung, Verarbeitung und zielgerichteten Bereitstellung entscheidungsrelevanter Informationen. Auf dieser Basis hat die Produktionswirtschaft nun ökonomische, im engeren Sinne betriebswirtschaftliche Konsequenzen der gezielten Veränderung technischer und organisatorischer Gestaltungsparameter zu ermitteln und diese bei der Vorbereitung zu treffender Managemententscheidungen angemessen zu berücksichtigen. Die Aufgaben der Produktionswirtschaft liegen damit zum einen in der betriebswirtschaftlichen Analyse von Produktionssystemen, die dem Teilgebiet (Allgemeine) Produktionstheorie3 zugerechnet wird. Zum anderen liegen sie in der Unterstützung von Managemententscheidungen im Hinblick auf die Systemgestaltung und den Systembetrieb; diese Aufgaben werden der Produktionsmanagementlehre zugerechnet. In Bild 1.3 wird in Anlehnung an das aus der Kybernetik bekannte Regelkreismodell eine Unterscheidung eines Produktionssystems in die beiden Hauptsubsysteme Management und Leistungserbringung vorgenommen. Die Produktionstheorie behandelt demnach Fragen der Wertschöpfung durch die Leistungen erbringenden Transformationsprozesse und bezieht sich so auf das im unteren Teil des Bildes 1.3 dargestellte Leistungs(erbringungs)system. Der eigentliche Wertschöpfungsprozess zur Transformation der Inputs in die Outputs ist damit einerseits durch die zugrunde liegenden technischen Produktionsprozesse und andererseits durch die im Managementsystem formulierten Sollgrößen hinsichtlich quantitativer und qualitativer Anforderungen sowie der damit verbundenen ökonomischen oder anderweitigen Zielgrößen spezifiziert. Aufgrund des Einflusses unterschiedlicher Störgrößen, wie Lieferengpässe für benötigtes Material, Krankheit von Mitarbeitern oder Maschinenausfälle, weicht das erzielte Produktionsergebnis in der Regel von den geforderten Sollgrößen ab, weshalb die tatsächlich erreichten Istgrößen dem Managementsystem zurückgemeldet werden. Diese werden dort einem SollIst-Vergleich unterzogen und unter Berücksichtigung der durch die Unter3

Die Allgemeine Produktionstheorie umfasst verschiedene Ansätze spezieller Produktionstheorien. In diesem Buch wird ein entscheidungsorientierter Ansatz dargestellt (siehe Lektion 3; vgl. Dyckhoff (2006), Lektion 0).

Lektion 1: Produktion in Theorie und Praxis

7

nehmensleitung formulierten Oberziele (Führungsgrößen) sowie weiterer entscheidungsrelevanter Informationen, etwa hinsichtlich zukünftiger Entwicklungen auf den Absatz- und Beschaffungsmärkten, analysiert und schließlich zur Formulierung verbesserter Sollgrößen (Stellgrößen) herangezogen. Dem Managementsystem obliegt damit die Aufgabe der Planung und Steuerung der Produktion, wobei dies ihre Organisation, Personalführung, Informationsversorgung und Kontrolle umfasst. Oberziele (Führungsgrößen)

Input

MANAGEMENTSYSTEM

Information nach außen

(Planung und Steuerung)

„Ist” (Feedback)

PRODUKTIONSSYSTEM „Soll” (Stellgrößen)

LEISTUNGSSYSTEM

UMSYSTEM

UMSYSTEM

Information von außen

Output

(Wertschöpfung mittels Transformation)

Störgrößen

Bild 1.3: Regelkreisgedanke des Produktionsmanagements (nach Dyckhoff (1994), Abb. 19.1)

Die Produktionswirtschaft behandelt den Zusammenhang und das Zusammenspiel des Leistungssystems und des Managementsystems eines Produktionssystems. Beide Subsysteme bilden damit unverzichtbare Bestandteile produktionswirtschaftlicher Theorien und Lehrsätze. Wegen der Komplexität und Vielgestaltigkeit realer Produktionssysteme können verallgemeinernde Aussagen allerdings nur dann abgeleitet werden, wenn man sich auf ein geeignetes Abstraktionsniveau begibt. Zu diesem Zweck wird in der Produktionswirtschaft üblicherweise auf Produktionsmodelle zurückgegriffen, unter denen man die sinnhafte Abbildung eines oder mehrerer ähnlicher Produktionssysteme (Urbilder) auf ein anderes System (Abbild) versteht. Modelle sind stets zweckorientiert und werden durch Konzentration auf wesentliche

8

Kapitel A: Grundlagen der Produktionswirtschaft

und Weglassen unwesentlicher Aspekte der zugrunde liegenden Urbilder gebildet. Was wesentlich und was unwesentlich ist, hängt jedoch von der jeweils zu untersuchenden Fragestellung ab. Im vorliegenden Lehrbuch werden beide genannten Teilgebiete der Produktionswirtschaft behandelt. Das Zusammenspiel des Leistungssystems und des Managementsystems und damit der Zusammenhang der Produktionstheorie und der Produktionsmanagementlehre wird in Lektion 3 aus Sicht der Entscheidungstheorie ausführlicher herausgearbeitet. Zunächst wird zur Verdeutlichung der volkswirtschaftlichen Relevanz des Produktionssektors die grundlegende Struktur der industriellen Produktion in Deutschland aufgezeigt.

1.2

Struktur der industriellen Produktion in Deutschland

Die in gewerblichen Betrieben mittels geeigneter Produktionssysteme durchgeführte Erstellung materieller Sachleistungen wird üblicherweise als industrielle Produktion bezeichnet, soweit die Sachgüter nach dem Prinzip der Arbeitsteilung unter maßgeblichem Einsatz von Maschinen erzeugt und auf großen Märkten abgesetzt werden. Da der Übergang zum Handwerk fließend ist, subsumiert das Statistische Bundesamt beide unter dem Begriff Produzierendes Gewerbe, das neben Land- und Forstwirtschaft sowie Fischerei und Dienstleistungen zum Gewerbe zählt.4 Im Jahre 2001 waren in Deutschland knapp 30% aller Erwerbstätigen im Produzierenden Gewerbe beschäftigt. Dies liegt leicht über dem Durchschnitt der westlichen Industrieländer und entspricht in etwa der Größenordnung von Japan. Das Produzierende Gewerbe umfasst die Branchen Verarbeitendes Gewerbe, Bergbau und Gewinnung von Steinen und Erden, Baugewerbe und Energie- und Wasserversorgung, die bezogen auf das Jahr 2001 im Folgenden näher charakterisiert werden: (1) Verarbeitendes Gewerbe Das Verarbeitende Gewerbe ist mit insgesamt 40.000 Unternehmen, 6,3 Millionen Beschäftigten sowie einem Investitionsvolumen von knapp 50 Milliarden €/a in Deutschland die wirtschaftlich bedeutendste Branche

4

In der Volkswirtschaftslehre spricht man auch vom Primären Sektor (Land- und Forstwirtschaft sowie Fischerei), vom Sekundären Sektor (Produzierendes Gewerbe) sowie vom Tertiären Sektor (Dienstleistungen).

Lektion 1: Produktion in Theorie und Praxis

9

innerhalb des Produzierenden Gewerbes. Die zugehörigen Unternehmen werden dabei den folgenden Gruppierungen zugeordnet: -

Ernährungsgewerbe Tabakverarbeitung Textilgewerbe Bekleidungsgewerbe Ledergewerbe Holzgewerbe (ohne Herstellung von Möbeln) Papiergewerbe Verlags-, Druckgewerbe, Vervielfältigung Kokerei, Mineralölgewerbe, Herstellung von Brutstoffen Chemische Industrie Herstellung von Gummi- und Kunststoffwaren Glasgewerbe, Keramik, Herstellung von Steinen und Erden Metallerzeugung und Bearbeitung Maschinenbau Herstellung von Büromaschinen und Datenverarbeitungsgeräten Herstellung von Geräten der Elektrizitätserzeugung, -verteilung u.ä. Rundfunk-, Fernseh- und Nachrichtentechnik Medizin-, Mess-, Steuer- und Regelungstechnik, Optik Herstellung von Kraftwagen und Kraftwagenteilen Sonstiger Fahrzeugbau Herstellung von Möbeln, Schmuck, Musikinstrumenten, Sportgeräten Recycling

(2) Bergbau und Gewinnung von Steinen und Erden Diese Branche umfasst in Deutschland im Jahre 2001 knapp 800 Unternehmen mit insgesamt 140.000 Beschäftigten und getätigten Investitionen in Höhe von 1,3 Milliarden €/a. Sie gliedert sich wie folgt: -

Kohlenbergbau, Torfgewinnung Gewinnung von Erdöl und Erdgas, Erbringung verbundener Dienstleistungen Bergbau auf Uran- und Thoriumerze Erzbergbau Gewinnung von Steinen und Erden, sonstiger Bergbau

(3) Baugewerbe Das Baugewerbe in Deutschland ist im Jahre 2001 durch knapp 22.000 Unternehmen mit insgesamt 1,2 Millionen Erwerbstätigen und getätigten

10

Kapitel A: Grundlagen der Produktionswirtschaft

Investitionen von 2,8 Milliarden €/a gekennzeichnet. Es ist folgendermaßen strukturiert: Vorbereitende Baustellenarbeiten, Hoch- und Tiefbau: -

Hochbau, Brücken- und Tunnelbau u.ä. Dachdeckerei, Abdichtung und Zimmerei Straßenbau Spezialbau und sonstiger Tiefbau

Bauinstallation und sonstiges Baugewerbe: -

Elektroinstallation Klempnerei, Gas-, Wasser-, Heizungs- und Lüftungsinstallation Stukkateurgewerbe, Gipserei und Verputzerei Fußboden-, Fliesen- und Plattenlegerei, Raumausstattung Maler- und Glasergewerbe

(4) Energie- und Wasserversorgung Die ca. 1.100 Unternehmen der Energie- und Wasserversorgung in Deutschland beschäftigen im Jahre 2001 ca. 330.000 Mitarbeiter und tätigen Investitionen in Höhe von knapp 15 Milliarden €/a. Sie gliedern sich wie folgt: -

Elektrizitätsversorgung Gasversorgung Fernwärmeversorgung Wasserversorgung

Es bleibt insgesamt festzuhalten, dass dem (Sachgüter-)Produzierenden Gewerbe auch im Zeitalter der Dienstleistungsgesellschaft nach wie vor eine hohe wirtschaftliche Bedeutung zukommt. Die aufgezeigte Vielfalt der vertretenen Branchen und damit der in den Betrieben zum Einsatz kommenden Produktionssysteme stellt unter Berücksichtigung technischer, ökonomischer und organisatorischer Kriterien hohe Anforderungen an die Produktionswirtschaft. Dies gilt nicht nur für die Analyse der zugrunde liegenden Leistungsprozesse, sondern insbesondere auch für das Produktionsmanagement. Es ist daher offensichtlich, dass der Entwicklung branchenunabhängiger, allgemeingültiger Beschreibungs-, Erklärungs- und Entscheidungs-/Planungsmodelle enge Grenzen gesetzt sind, sofern sich diese noch hinreichend nah an der Realität orientieren sollen. Es wird somit vielmehr darauf ankommen, die Gemeinsamkeiten und Unterschiede der verschiedenen Branchen des Produzierenden Gewerbes systematisch herauszuarbeiten. Auf dieser Basis können realitätsnahe Modelle entwickelt werden, die die Durchführung belastbarer

Lektion 1: Produktion in Theorie und Praxis

11

Analysen der Leistungsprozesse sowie die Ableitung von Handlungsempfehlungen zur Unterstützung des Produktionsmanagements erlauben. In der nachfolgenden Lektion 2 wird daher eine Typologie industrieller Produktionssysteme herausgearbeitet, die eine wichtige Grundlage zur Einordnung und Systematisierung der vorgestellten Branchen des Produzierenden Gewerbes bildet.

Hinweise zum vertieften Studium 1) Zum Teil abweichende oder weitergehende Einführungen und Überblicke zur Produktionswirtschaft bieten die Lehrbücher von Corsten (2004), Hoitsch (1993), Kern (1992) und Schneeweiß (2002), das Handwörterbuch der Produktionswirtschaft von Kern/Schröder/Weber (1996) sowie die Kompendienbeiträge von Günther (1998), Kloock (1998) und Reese (1999). 2) Die traditionelle Einteilung der Produktionswirtschaft in die beiden Hauptgebiete der Produktionstheorie einerseits sowie der Produktionsmanagementlehre andererseits äußert sich in einer größeren Zahl entsprechender Lehrbücher, auf die in den nachfolgenden Lektionen noch hingewiesen wird. An dieser Stelle sei lediglich bezüglich der hier vorgestellten Konzeption der Produktionstheorie auf Dyckhoff (2006) verwiesen sowie hinsichtlich einer umfassenden Darstellung des Produktions- (und Logistik-) managements auf die Standardwerke von Zäpfel (1982), (2000), (2000 a). 3) Eine jüngere, kompakte Übersicht speziell über die Industrie(betriebslehre) bietet Haupt (2000). 4) Ein Überblick über die jeweils aktuellen Daten des Statistischen Bundesamtes zum Gewerbe und speziell zum Produzierenden Gewerbe in Deutschland ist unter www.destatis.de im Internet verfügbar (Homepage des Statistischen Bundesamtes Deutschland). 5) Überblicke über die Zuordnung der weltweit bedeutendsten Unternehmen sowie ihrer einschlägigen betriebswirtschaftlichen Kennzahlen sind beispielsweise unter www.wiwo.de, www.fortune.com oder www.faz.de im Internet regelmäßig verfügbar.

2 Typologie industrieller Produktionssysteme

2.1 Ausbringungsbezogene Produktionstypen 2.2 Einsatzbezogene Produktionstypen 2.3 Prozessbezogene Produktionstypen 2.3.1 Natur-/ingenieurwissenschaftliche Prozesscharakteristika 2.3.2 Stufigkeit und Vergenztypen 2.3.3 Repetitions- und Anordnungstypen

In der Produktionswirtschaft werden Unternehmungen in ihrer Funktion als Produktionssysteme betrachtet. Die in ihnen ablaufenden Transformationsprozesse der Leistungserbringung werden in der Literatur oftmals als InputOutput-Prozesse oder auch als Input-Throughput-Output-Prozesse beschrieben (vgl. Bild 2.1).

Input

Transformationsprozess (Input-Output-Prozess)

Output

Bild 2.1: Produktionssystem bzw. -prozess als Input-Throughput-Output-Prozess

Die in dieser Lektion entwickelte Typologie industrieller Produktionssysteme orientiert sich an ausbringungsbezogenen Kriterien (Output), einsatzbezogenen Kriterien (Input) sowie prozessbezogenen Kriterien (Throughput). Diese werden systematisch unterschieden und hinsichtlich der bedeutsamen Kriterienausprägungen, auch anhand von Beispielen, diskutiert. Als Lernziel sollte der Leser nach Abschluss dieser Lektion in der Lage sein, Produktionssysteme der industriellen Praxis mittels der entwickelten Typologie voneinander abzugrenzen und wesentliche Kriterienausprägungen zu benennen.

2.1

Ausbringungsbezogene Produktionstypen

Der Zweck und damit die Leistung industrieller Produktionssysteme besteht hauptsächlich in der Hervorbringung bestimmter erwünschter Outputobjekte, die als Erzeugnisse bzw. Produkte oder präziser als (erwünschte) Hauptprodukte bezeichnet werden. Alle anderen Outputobjekte, die nicht Hauptprodukte sind, stellen Nebenprodukte dar. Während Hauptprodukte per Defini-

14

Kapitel A: Grundlagen der Produktionswirtschaft

tion immer erwünscht sind, werden Nebenprodukte gemäß den Kategorien Gut, Übel und Neutrum in erwünschte, unerwünschte und neutrale Nebenprodukte unterschieden. In der produktionstheoretischen Literatur sind auch die Bezeichnungen Abprodukte für unerwünschte Nebenprodukte und Beiprodukte für neutrale Nebenprodukte verbreitet. Beispielsweise ist die Produktion von Stahlerzeugnissen, wie Blechen, Schienen, Rohren etc., in integrierten Hüttenwerken immer auch mit der Hervorbringung von Nebenprodukten verbunden. Während etwa Eisenhüttenschlacken erwünschte, d.h. gute Nebenprodukte sind, die in der Bauindustrie Erlös bringend abgesetzt werden können, bilden staub- und schlammförmige Reststoffe aus Gasreinigungsanlagen in der Regel Abprodukte. Trotz oftmals hoher Eisenanteile beinhalten diese nämlich auch Schwermetallfraktionen, wie Zink und Blei, so dass sie aufgrund umweltrechtlicher Vorschriften einerseits und technischer Prozessanforderungen andererseits zunächst verfahrenstechnisch aufbereitet werden müssen und damit zusätzlichen Aufwand verursachen, bevor sie als so genannte Sekundärrohstoffe wieder in der Eisen- und Stahlindustrie bzw. in Metallhütten der NE-Metallindustrie verwertet werden können. Bezogen auf die Hauptprodukte wird unabhängig von der Anzahl entstehender Nebenprodukte die Einproduktproduktion von der Mehrproduktproduktion unterschieden. Bei hohem Verwandtschaftsgrad der Hauptprodukte, wie er etwa beim Brauen von Bier oder der Produktion von Waschmitteln vorliegt, spricht man von Sortenproduktion, ansonsten von Artenproduktion. Lässt sich das der Betrachtung zugrunde liegende Produktionssystem in voneinander unabhängige Subsysteme zerlegen, die jeweils nur ein einziges Hauptprodukt hervorbringen, so liegt eine parallele oder auch unverbundene Produktion vor. Im entgegengesetzten Fall handelt es sich um eine verbundene Produktion. Konkurrieren nun die im Rahmen einer verbundenen Produktion getrennt voneinander herstellbaren Hauptprodukte wenigstens teilweise um knappe Ressourcen, wie Rohstoffe oder Maschinen, so bezeichnet man diese Situation als konkurrierende oder Alternativproduktion. Unabhängig von der Unterscheidung in Haupt- und Nebenprodukte fallen bei der Durchführung industrieller Produktionsprozesse üblicherweise aufgrund technisch-naturwissenschaftlicher Gesetzmäßigkeiten zwangsläufig mehrere verschiedenartige Haupt- bzw. Nebenprodukte an. Diese werden als Kuppelprodukte, der zugrunde liegende Produktionsprozess als Kuppelproduktionsprozess bezeichnet. Bekannte Beispiele sind etwa die Verhüttung von Eisenerzen im Hochofen, bei der neben dem Hauptprodukt Roheisen unvermeidbar immer auch die Nebenprodukte Hochofenschlacke, Gichtgas, Stäube und Schlämme aus der Gasreinigung sowie Abwärme und Kühlwasser anfallen und die Ursache für Umweltschädigungen sein können. Ebenso zählt die Raffination von Rohöl mit den bekannten Kuppelprodukten, wie schweres und leichtes Heizöl, Benzin etc., zu den Kuppelproduktionsprozessen. Eine

Lektion 2: Typologie industrieller Produktionssysteme

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klare Unterscheidung der Kuppelprodukte in Haupt- und Nebenprodukte ist dabei oft schwierig und im Zeitablauf aufgrund von Innovationen und Marktveränderungen auch variierend. Aus rein physikalischer Sicht ist sogar jeder Produktionsprozess aufgrund des zweiten Hauptsatzes der Thermodynamik („Entropiegesetz“) zwangsläufig mit „Nebenwirkungen“, insbesondere der Entstehung von Abwärme und damit der Erhöhung von Entropie, verbunden. Die Kuppelproduktion stellt somit eigentlich den Regelfall dar. Aus diesem Grunde bezeichnet man in der Betriebswirtschaftslehre mit dem Begriff der Kuppelproduktion im engeren Sinne lediglich Produktionsprozesse, bei denen zwangsläufig mindestens zwei verschiedene Hauptproduktarten als Output anfallen. Für die Gestaltung von Produktionssystemen sind noch weitere Merkmale des Outputs von großer Bedeutung. Nach dem Grad der Spezifizierung der Hauptprodukte durch die Kunden differenziert man kundenindividuelle Erzeugnisse und standardisierte Erzeugnisse. Während kundenindividuelle Erzeugnisse in der Regel auftragsgebunden produziert werden (Bestellproduktion, make-to-order), werden Standarderzeugnisse oftmals auf Lager produziert und dort bis zum Eingang von Kundenaufträgen auf Vorrat gehalten (Lagerproduktion, make-to-stock). Tabelle 2.1: Ausbringungsbezogene Produktionstypen

Merkmal Leistungsbezug der Outputobjekte Erwünschtheit der Nebenprodukte Anzahl Hauptproduktarten

Ausprägungen (Haupt-)Produkte gute Nebenprodukte

Nebenprodukte

Abprodukte

Beiprodukte

Einproduktproduktion

Mehrproduktproduktion

Sortenproduktion

Artenproduktion

verbundene Produktion

parallele Produktion

Art der Verbundenheit

Kuppelproduktion

Alternativproduktion

Produktspezifizierung

kundenindividuelle Produktion

Standarderzeugnisproduktion

Auslösung der Produktion (Auftragstyp)

Bestellproduktion

Lagerproduktion

Charakter der Hauptprodukte

Sachleistungsproduktion

Dienstleistungsproduktion

Verwandtschaftsgrad der Hauptproduktarten Verbundenheitsgrad

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Kapitel A: Grundlagen der Produktionswirtschaft

Die bisher genannten Unterscheidungen der Outputs wurden historisch im Hinblick auf die Erzeugung von Hauptprodukten im Rahmen einer Sachgüterproduktion entwickelt. Bei der Dienstleistungsproduktion ist die Konkretisierung der Erzeugnisse sowie die Unterscheidung in Haupt- und Nebenprodukte aufgrund ihrer immanenten Immaterialität und Vielfalt nur schwer in den Griff zu bekommen und von daher in der Literatur umstritten. Hinzu kommt, dass selbst von Industrieunternehmen am Markt angebotene Produkte heutzutage oftmals nicht mehr reine Sachgüter sind, sondern über gekoppelte Serviceleistungen auch immaterielle Komponenten umfassen (Systemverkauf). Letztlich sind sogar bewegliche Dinge, wie Automobile, Fernseher oder Kühlschränke, nicht die eigentlichen Absatzobjekte, sondern vielmehr nur materielle Vehikel (Trägermedien), um dem Käufer bestimmte immaterielle Funktionen, wie Transport, Unterhaltung oder Kühlung, als Leistungen verfügbar zu machen. Tabelle 2.1 fasst die ausbringungsbezogenen Produktionstypen übersichtlich zusammen.

2.2

Einsatzbezogene Produktionstypen

Außer der Erzeugung erwünschter Outputobjektarten kommt als Leistungsbzw. Sachziel industrieller Produktionssysteme auch die Umwandlung von Übeln in weniger üble, neutrale oder sogar erwünschte Objekte in Frage. Zweck und Leistung solcher Produktionssysteme ist demnach die Reduktion unerwünschter Objekte, die so den Input des Transformationsprozesses bilden. Häufig versucht man bei der Systemgestaltung aber auch die beiden Leistungskategorien der Reduktion und der Erzeugung miteinander zu verknüpfen, sofern dies unter stofflichen, energetischen und technischen Gesichtspunkten möglich erscheint (z.B. bei Müllheizkraftwerken). Steht bei der Leistungserbringung die Umwandlung unerwünschter Objektarten im Vordergrund, wie dies etwa bei thermischen Abfallbehandlungsanlagen der Fall ist, so werden diese Inputs als Redukte bezeichnet. Alle anderen Inputobjektarten stellen Einsatzfaktoren dar (z.B. Einsatz von Zusatzbrennstoffen zur Erhöhung des Heizwertes des Reduktes „Hausmüll“). Gleiches gilt auch im Fall der Erzeugung von Gütern (z.B. Einsatz von Erzen und Koks zur Roheisenproduktion im Hochofen). Hinsichtlich der Erwünschtheit der Einsatzfaktoren in den Erzeugungs- bzw. Reduktionsprozess können diese weiter unterschieden werden in Reduktfaktoren, sofern deren Einsatz als Übel erwünscht ist (z.B. Einsatz von Altreifen als Brennstoff in der Zementindustrie), Produktionsfaktoren, sofern deren Einsatz möglichst sparsam erfolgen soll (z.B. Eisenerz zur Erzeugung von Roheisen oder Stahlschrott zur Erzeugung von Rohstahl im Stahlwerk), oder

Lektion 2: Typologie industrieller Produktionssysteme

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Beifaktoren, sofern das Management deren Einsatz indifferent gegenübersteht (z.B. Erdaushub zum Deponiebau). Während in der Volkswirtschaftslehre ursprünglich die Produktionsfaktoren Arbeit, Boden und Kapital unterschieden wurden, sind in der Betriebswirtschaftslehre umfassendere Klassifikationen entwickelt worden. Zurückgehend auf Gutenberg (1983) können Produktionsfaktoren zunächst in den dispositiven Faktor und die Elementarfaktoren eingeteilt werden: 

Unter dem dispositiven Faktor wird originär das Management als leitende Tätigkeit (Geschäftsleitung) verstanden, welches derivativ bestimmten Managementfunktionen, wie Planung, Organisation, Kontrolle oder Personalführung, entspricht. Seine institutionellen Träger werden im vorliegenden Lehrbuch als Produzent oder allgemein als Produktionsmanager (z.B. Unternehmensvorstand, Betriebsleiter, Werksleiter, Werkstattmeister oder Anlagenführer) bezeichnet. Ihnen obliegt die zielgerichtete Planung und Steuerung des anvertrauten Leistungssystems.



Die Elementarfaktoren werden gemäß Busse von Colbe/Laßmann (1991) weiter unterteilt in Potenzial- und Repetierfaktoren: (1) Potenzialfaktoren gehen qualitativ – mehr oder weniger – unverändert aus dem Produktionsprozess hervor. Sie sind damit als so genannte Gebrauchsobjekte gleichzeitig Input und Output des Prozesses. Zu den Potenzialfaktoren gehören beispielsweise die (unmittelbar) leistungsbezogene menschliche körperliche oder geistige Arbeit, sowie die Betriebsmittel, also beispielsweise Grundstücke, Gebäude und Maschinen. Üblicherweise wird der Gebrauch der Potenzialfaktoren durch die Zeit gemessen, während der sie im Prozess eingesetzt werden, also etwa in Personenstunden für die menschliche Arbeitsleistung oder in Maschinenstunden für die genutzten Betriebsmittel. Während Maschinen und Arbeitskräfte aufgrund der Abgabe von Werkverrichtungen in den Produktionsprozess als aktive Potenzialfaktoren bezeichnet werden, spricht man bei Grundstücken, Gebäuden, allgemeinen Einrichtungsgegenständen, Spezialwissen sowie dauerhaften Rechten von passiven Potenzialfaktoren. Durch den Einsatz in der Produktion muss das Potenzial der herangezogenen Potenzialfaktoren nicht notwendigerweise abnehmen. Insbesondere bei neu eingestellten Arbeitskräften oder neu bereitgestellten Maschinen wird es aufgrund von Lernund Einfahreffekten zunächst sogar zunehmen. (2) Repetierfaktoren gehen als selbständige Objekte im Produktionsgeschehen unter oder verändern ihre Qualität derart, dass sie zu

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Kapitel A: Grundlagen der Produktionswirtschaft

Objekten einer anderen Art bzw. zum Bestandteil der Outputobjektarten werden. Sie werden daher auch als Verbrauchsfaktoren bezeichnet und lassen sich weiter differenzieren danach, ob sie substanziell in die Hauptprodukte eingehen (direkte Verbrauchsfaktoren) oder nicht (indirekte Verbrauchsfaktoren). Zur Gruppe der direkten Verbrauchsfaktoren gehören Arbeitsobjekte, wie Rohstoffe, Werkstoffe, Bauteile oder Hilfsstoffe. Zur Gruppe der indirekten Verbrauchsfaktoren gehören Betriebsstoffe, wie Schmierstoffe, Kühlmittel oder Energieträger. Tabelle 2.2: Einsatzbezogene Produktionstypen

Merkmal Leistungsbezug der Inputobjekte Erwünschtheit der Einsatzfaktoren

Ausprägungen (Haupt-)Redukte Produktionsfaktoren

Einsatzfaktoren

Reduktfaktoren

Beifaktoren

Veränderung der Qualität im Transformationsprozess

Potenzialfaktoren

Repetierfaktoren

Werkverrichtungen der Potenzialfaktoren

aktive Potenzialfaktoren

passive Potenzialfaktoren

Bezug der Repetierfaktoren zu den Hauptprodukten

direkte Verbrauchsfaktoren

indirekte Verbrauchsfaktoren

Autonomie der Disponierbarkeit

externe Faktoren

interne Faktoren

historische Gliederung Art der Elementarfaktoren

dispositive Faktoren

Elementarfaktoren

Zusatzfaktoren

leistungsbezogene Arbeit

Betriebsmittel

Arbeitsobjekte

Im Hinblick auf den Grad der Autonomie der Disponierbarkeit über die Inputobjektarten wird zwischen externen und internen Einsatzfaktoren unterschieden. Hierbei gehören externe Einsatzfaktoren, wie beispielsweise von Kunden „beigestellte“ Objekte, direkte Dienstleistungen Systemfremder oder die Beanspruchung der natürlichen Umwelt, nicht zum unmittelbaren Verfügungsbereich des Produzenten. Interne Einsatzfaktoren sind in der Regel vom Produzenten auf entsprechenden Märkten, wie Rohstoffmärkten, Investitionsgütermärkten oder Arbeitsmärkten, in der erforderlichen Ausprägung beschaffbar. Externe Faktoren, welche einerseits für die Produktion unverzichtbar sind, andererseits aber quantitativ kaum erfassbar oder abgrenzbar sind, werden nach Busse von Colbe/Lassmann (1991) auch als Zusatzfakto-

Lektion 2: Typologie industrieller Produktionssysteme

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ren bezeichnet. Dies sind insbesondere Leistungen vom Staat, von Kommunen, Verbänden, Kreditinstituten und Versicherungen, für die Steuern, Gebühren, Beiträge, Zinsen, Prämien und Honorare zu zahlen sind. Besonders bei Steuern und Beiträgen stehen der Nutzung der externen Faktoren keine unmittelbar zurechenbaren Zahlungen gegenüber. Oft handelt es sich hierbei um so genannte öffentliche Güter, deren Nutzung grundsätzlich allen Mitgliedern der Gesellschaft möglich ist (z.B. öffentliche Straßen, Gebäude, die natürliche Umwelt, Allgemeinwissen etc.). Kennzeichen vieler aus der Natur bezogener externer Einsatzfaktoren ist darüber hinaus, dass sie entgeltfrei bezogen werden können; man spricht daher auch von freien Gütern. Tabelle 2.2 fasst die einsatzbezogenen Produktionstypen zusammen.

2.3

Prozessbezogene Produktionstypen

Während einsatz- und ausbringungsbezogene Produktionstypen auf die Außenbezüge eines Produktionssystems abstellen, ergeben sich prozessbezogene Charakteristika (Throughput) in erster Linie durch interne Einflussfaktoren. Allerdings ist eine strenge Abgrenzung zu Input und Output nicht immer möglich. Dies betrifft etwa die Abgrenzung zum Output beim prozessorientierten Dienstleistungsbegriff oder die Anschaffung neuer oder die Stilllegung alter Produktionsanlagen bei längerfristiger Betrachtung. Nicht zum Input oder Output zählende Objekte des Produktionssystems sowie sonstige Einwirkungen auf die Produktion werden als Prozessfaktoren bezeichnet. Für die Charakterisierung des eigentlichen Transformationsprozesses spielt die Innenstruktur des Produktionssystems eine entscheidende Rolle. Sie ergibt sich wesentlich aus den Produktiveinheiten als Elemente des Produktionssystems. Eine Produktiveinheit ist in der Regel eine zeitlich-räumliche Einheit bestimmter Personen, Maschinen oder sonstiger Produktionsanlagen, die bestimmte Arbeitsgänge durchführt und damit zur Leistungserbringung durch die Erfüllung des Betriebszwecks des ganzen Systems beiträgt. Produktiveinheiten sind durch Beziehungen in Form von Material-, Energie- und Informationsflüssen sowie durch Personen, Maschinen und Transporteinrichtungen miteinander verbunden und haben bestimmte Produktionsaufgaben zu lösen. Sie werden üblicherweise zu so genannten Produktionssegmenten zusammengefasst, die wiederum Subsysteme des betrachteten Produktionssystems darstellen. Diese Produktionssegmente unterscheiden sich aufgrund unterschiedlicher Aufgaben und Anforderungen durch eine Reihe technischorganisatorischer Charakteristika, die als prozessbezogene Merkmale bezeichnet werden. Für die nähere Beschreibung der Innenstruktur eines Produktionssystems spielen damit die folgenden Kriterien eine wichtige Rolle:

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Kapitel A: Grundlagen der Produktionswirtschaft -

2.3.1

Natur-/ingenieurwissenschaftliche Prozesscharakteristika Struktur des Materialflusses (Vergenztyp) Anzahl und Vernetzung der Produktionsstufen (Stufigkeit) Wiederholungsgrad der Produktion (Repetitionstyp) Räumliche Anordnung der Produktiveinheiten (Anordnungstyp) Natur-/ingenieurwissenschaftliche Prozesscharakteristika

In den in Lektion 1 genannten Branchen des Produzierenden Gewerbes kommen viele unterschiedliche Produktionsprozesse zum Einsatz, die anhand naturwissenschaftlicher bzw. ingenieurwissenschaftlicher Prozesscharakteristika wie folgt eingeteilt werden können: (1) Physikalische Produktionsverfahren Physikalische Produktionsverfahren basieren auf physikalischen Wirkungsprinzipien und werden unterschieden in Verfahren der mechanischen Produktion, der kalorischen Produktion sowie der elektrotechnischen Produktion. Mechanische Produktionsverfahren umfassen formgebende Prozesse (Schmelztechnologie, Pulvertechnologie), spanlose und spangebende Umformungsprozesse (Schmieden, Ziehen, Walzen bzw. Bohren, Stanzen, Drehen, Fräsen), Oberflächenbehandlungsprozesse (Schutz gegen Verschleiß und Korrosion), Montage/Demontageprozesse (Verbindungstechniken), Zerkleinerungsprozsesse, Mischprozesse u.a.m. Kalorische Produktionsverfahren basieren auf Prozessen der thermischen Verfahrenstechnik (Wärmeübertragung, thermische Trennverfahren) und kommen etwa bei der Raffination, Rektifikation, Kristallisation, Trocknung, Destillation etc. zum Einsatz. Elektrotechnische Produktionsverfahren nutzen beispielsweise elektrische Felder zur Abscheidung stofflicher Fraktionen, wie etwa bei der Elektrolyse oder der Rauchgasreinigung mittels Elektroabscheider. (2) Chemische und biologische Produktionsverfahren Chemische Produktionsverfahren sind stoffumwandelnde Verfahren und basieren auf den Gesetzmäßigkeiten der chemischen Reaktionstechnik. Grundsätzlich können Verfahren zur Stoffzerlegung und zur Stoffverbindung voneinander unterschieden werden. Verfahren zur Stoffzerlegung kommen etwa bei der Reduktion metallischer Erze oder der Wein-/Bierproduktion zum Einsatz. Verfahren der Stoffverbindung werden beispielsweise bei der Produktion von Kunstdünger, Schwefelsäure, Ammoniak, Kunststoffen etc. angewandt. Biologische Produktionsverfahren gewinnen in jüngster Zeit immer stärker an Bedeutung. Sie beinhalten neben landwirtschaftlichen Produktionsverfahren (Tierzüchtung,

Lektion 2: Typologie industrieller Produktionssysteme

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Obst-/Gemüseanbau) und der Produktion von Bio-/Klärgasen insbesondere auch moderne biotechnologische Prozesse, etwa in der Pharmaindustrie. 2.3.2

Stufigkeit und Vergenztypen

Die Stufigkeit von Produktionssystemen wird durch die Anzahl hintereinander geschalteter Produktionsstufen, die Prozesssegmente darstellen, definiert. Es werden einstufige von mehrstufigen Produktionssystemen unterschieden. Zur Bestimmung der Stufenzahl ist der längste Weg über einzelne Prozesssegmente zu bestimmen, die durch Materialflussbeziehungen miteinander verknüpft sind. Hierbei ist zu beachten, dass die zwischen den Produktionsstufen auftretenden Zwischenprodukte gleichzeitig Output der vorgelagerten und Input der nachgelagerten Produktionsstufe darstellen. Sowohl einals auch mehrstufige Produktionssysteme werden als zyklisch bezeichnet, wenn mindestens ein Outputobjekt einer Produktionsstufe gleichzeitig auch Inputobjekt der gleichen oder einer vorgelagerten Produktionsstufe ist. Zyklische Produktionssysteme liegen insbesondere in der chemischen Industrie vor, wo Inputobjekte in der Regel unvollständig umgesetzt und als Kuppelprodukte mit ausgebracht werden. Diese werden zur Ressourceneinsparung üblicherweise vom Hauptproduktstrom abgetrennt, geeignet aufbereitet und anschließend in vorgelagerte Produktionsstufen zurückgeführt. Gleiches gilt auch für Verschnitt und Ausschuss in einer Vielzahl weiterer Industriebranchen. Unter Vergenz wird die Struktur der wesentlichen Materialflüsse innerhalb des Produktionssystems verstanden, die in durchgängig (glatt), konvergierend (synthetisch), divergierend (analytisch) und umgruppierend (austauschend) unterschieden wird (vgl. Bild 2.2). Durchgängige Produktionssysteme finden sich etwa in der Teilefertigung bei der schrittweisen Bearbeitung von Werkstücken, wie Stanzen, Bohren, Fräsen etc. Konvergierende Produktionssysteme liegen üblicherweise bei Montageprozessen im Maschinenbau, der Automobilindustrie, der Elektrotechnik oder Bauindustrie vor. So werden beispielsweise bei der Automobilproduktion die in oftmals durchgängigen Produktionssystemen hergestellten Einzelteile in aufeinanderfolgenden Vor-, Modul- und Endmontageprozessen in einem konvergierenden Produktionssystem zum Endprodukt „Automobil“ zusammengebaut (vgl. Bild 2.3). Divergierende Produktionssysteme herrschen etwa bei der Stoffzerlegung in der chemischen Industrie, der Zerlegung von Tierkörpern zur Fleischproduktion oder der Demontage komplexer Verbundprodukte (Elektro(nik)geräte,

22

Kapitel A: Grundlagen der Produktionswirtschaft

Automobile, ...) im Rahmen eines Produktrecyclings vor. Es handelt sich hierbei in der Regel um Kuppelproduktionsprozesse, die in Abhängigkeit der Einflussmöglichkeiten auf den quantitativen und qualitativen Anfall der Kuppelprodukte als starr oder flexibel bezeichnet werden. Beispielsweise kann bei der in Bild 2.4 dargestellten Demontage eines Mikrowellenherdes der Anfall der demontierten Baugruppen und Bauelemente durch Auswahl der durchzuführenden Demontageschritte gezielt beeinflusst werden. Umgruppierende Produktionssysteme sind typisch für die Prozessindustrie, in der aus mehreren Inputs in einem Reaktor gleichzeitig mehrere Outputs gewonnen und in nachfolgenden Prozessstufen zu verschiedenen Produkten weiterverarbeitet werden (z.B. Eisen- und Stahlindustrie).

durchgängig (glatt) z.B. Lackiererei

...

konvergierend (synthetisch) z.B. Montageprozesse

divergierend (analytisch) z.B. Raffinerie, Demontage, ...

umgruppierend (austauschend)

Bild 2.2: Struktur des Materialflusses

Wählt man die Systemgrenzen eines zu untersuchenden Produktionssystems groß genug, so dass verschiedene Produktionsstufen der betrachteten Wertschöpfungskette, z.B. „Rohstoffgewinnung – Rohstoffaufbereitung – Teilefertigung – Montage“, enthalten sind, so umfasst das System in der Regel sowohl divergierende als auch durchgängige und konvergierende Produktionssegmente. Im allgemeinen Fall liegen demnach umgruppierende Produktionssysteme vor, welche sich modular aus durchgängigen, divergierenden,

Lektion 2: Typologie industrieller Produktionssysteme

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konvergierenden und umgruppierenden Produktionssegmenten zusammensetzen. Jedes Produktionssegment kann dabei wiederum modular aus gleichartigen oder verschiedenen Produktiveinheiten bestehen. Sind sämtliche Produktionssegmente einer Unternehmung am gleichen Standort angesiedelt, so spricht man von einem betrieblichen Produktionssystem; im gegenteiligen Fall spricht man von einem standortübergreifenden oder überbetrieblichen Produktionssystem.

Mechanische Fertigung

Motorenmontage Aggregatmontage

Presswerk Lieferanten Rohbau

Lackiererei

Endmontage

Kunden

Vormontagen, wie Polsterei/Reifenmontage/ Kabelfertigung/KunststoffSpritzerei etc.

Bild 2.3: Durchgängige und konvergierende Prozesse in der Automobilindustrie (Quelle: Zäpfel (2001), Abb. A.1.3)

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Kapitel A: Grundlagen der Produktionswirtschaft

Bild 2.4: Explosionsdarstellung zur Demontage eines Mikrowellenherdes (Quelle: Spengler (1998), Abbildung 3-11)

Lektion 2: Typologie industrieller Produktionssysteme

2.3.3

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Repetitions- und Anordnungstypen

Repetitionstypen der Produktion unterscheiden sich hinsichtlich der Häufigkeit, mit der eine spezielle Produktart in einem gegebenen Planungszeitraum produziert wird. Üblicherweise unterscheidet man die Einzelproduktion, die Serienproduktion und die Massenproduktion. Einzelproduktion liegt vor, wenn Erzeugnisse jeweils einzeln hergestellt werden. Oft handelt es sich um Unikate, welche nach Kundenwünschen individuell produziert werden. Die Serienproduktion kennzeichnet dagegen die Herstellung größerer Stückzahlen einer Produktart, die in einem gegebenen Planungszeitraum ohne Unterbrechung hergestellt werden. Die so produzierte Stückzahl bezeichnet man als Serie oder Los, wobei zwischen zwei Losen verschiedener Produktarten in der Regel eine Umstellung des Produktionssystems, eine so genannte Umrüstung, durchgeführt werden muss. Typische Vertreter der Serienproduktion sind etwa die Automobilindustrie oder die Reifenindustrie, sofern eine Produktiveinheit gleichzeitig immer nur ein einziges oder eine begrenzte Anzahl gleichartiger Produkte herstellen kann und daher zu bestimmten Zeitpunkten immer wieder umgerüstet werden muss. Produziert man über einen längeren Zeitraum lediglich eine einzige Produktart in hohen Stückzahlen, so geht die Serienproduktion in die Massenproduktion über, die etwa bei der Herstellung standardisierter elektronischer Bauelemente oder bei der Herstellung chemischer Grundstoffe vorherrschend ist. In Abhängigkeit vom Repetitionstyp eines Produktionssegments sind zur Gewährleistung eines reibungslosen Produktionsablaufs die Produktiveinheiten räumlich geeignet anzuordnen, wobei zwischen dem Verrichtungs- und dem Objektprinzip unterschieden wird. Beim Verrichtungsprinzip werden diejenigen Produktiveinheiten, die gleichartige Arbeitsgänge durchführen können, räumlich in einer Werkstatt zusammengefasst. Diese so genannte Werkstattproduktion umfasst in der Regel mehrere verschiedene Werkstätten, z.B. zum Stanzen, Bohren, Drehen und Fräsen. Die Werkstücke müssen zur Bearbeitung in einer technisch determinierten Reihenfolge, welche durch einen so genannten Arbeitsplan vorgegeben ist, zu den einzelnen Werkstätten transportiert werden. Typische Beispiele für die Werkstattproduktion sind etwa die Teilefertigung im Maschinenbau oder die diskontinuierliche Produktion in Rührkesselreaktoren in der chemischen Industrie. Dem Vorteil der Flexibilität im Hinblick auf die Produktion einer großen Anzahl verschiedenartiger Produkte stehen gravierende Nachteile hinsichtlich der Materialflussstruktur und der Ablaufplanung zur Vermeidung unnötiger Leer- und Wartezeiten gegenüber. Die Vorteile der Werkstattproduktion kommen daher insbesondere bei der Einzel- und Kleinserienproduktion zur Geltung.

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Kapitel A: Grundlagen der Produktionswirtschaft

Das Objektprinzip orientiert sich bei der Anordnung der Produktiveinheiten an den Arbeitsplänen der zu bearbeitenden Erzeugnisse. Bei Fließproduktionssystemen sind die Produktiveinheiten entsprechend ihrer Position im Arbeitsplan linear hintereinander angeordnet. Werden die den Produktiveinheiten jeweils zur Verfügung stehenden Arbeitszeiten in Form so genannter Taktzeiten identisch vorgegeben und erfolgt eine starre Kopplung des Materialflusses, etwa durch Transportbänder, so liegt eine Fließbandproduktion oder auch Transferstraße vor. Verzichtet man stattdessen auf eine starre Kopplung und führt zwischen den einzelnen Produktiveinheiten Puffer zum kurzfristigen Ausgleich unterschiedlicher Bearbeitungszeiten vor- und nachgelagerter Produktiveinheiten (Arbeitsstationen) ein, so liegt eine Reihenproduktion vor. Produktionssegmente zur Großserien- und Massenproduktion sind oftmals als Fließproduktionssysteme ausgestaltet. Die Vorteile eines transparenten Materialflusses und einer hohen Produktivität müssen allerdings durch Nachteile im Hinblick auf hohe Anlageninvestitionen und geringe Flexibilität bei der Produktvielfalt erkauft werden. Durch die Zentrenproduktion sollen die Vorteile der Werkstattproduktion hinsichtlich einer hohen Flexibilität bei der Produktvielfalt mit den Vorteilen der Fließproduktion hinsichtlich einer hohen Produktivität kombiniert werden. Die Zentrenproduktion zeichnet sich durch räumliche Konzentration der für eine Gruppe ähnlicher Arbeitsobjekte notwendigen Produktiveinheiten aus, wodurch eine Entflechtung des Materialflusses und damit eine Erhöhung der Transparenz und Produktivität erzielt werden soll, und zwar ohne gravierende Einbußen an Flexibilität. Je nach Automatisierungsgrad werden Produktionsinseln und Flexible Fertigungssysteme (FFS) voneinander unterschieden. Produktionsinseln bestehen aus teilautonomen Arbeitsgruppen, die mit geringem Planungs- und Koordinationsaufwand auskommen. Sie werden als wesentlicher Bestandteil schlanker Produktionsstrukturen (lean production) angesehen. Im Gegensatz dazu sind Flexible Fertigungssysteme durch einen hohen Automatisierungsgrad, sowohl hinsichtlich der Produktionsprozesse als auch der eingesetzten Materialflusssysteme, gekennzeichnet. Üblicherweise werden mehrere numerisch gesteuerte Bearbeitungszentren durch Fahrerlose Transportsysteme (FTS) miteinander verbunden. Sonderfälle stellen schließlich die Werkbankproduktion und die Baustellenproduktion dar. Insbesondere bei Einzelfertigung in kleinen Handwerksbetrieben erfolgen oftmals sämtliche Arbeitsgänge an einer Werkbank, an der alle benötigten Arbeitsgeräte (Werkzeuge) verfügbar sind. Kennzeichen der Baustellenproduktion ist der feste Standort des Arbeitsobjekts, der als Baustelle bezeichnet wird. Sämtliche Arbeitsschritte finden dabei, ähnlich wie bei der Werkbankproduktion, auf der Baustelle statt, so dass alle benötigten Arbeitsgeräte dort bereitgestellt werden müssen. Die Baustellenproduktion ist vorherrschender Anordnungstyp im Hoch- und Tiefbau sowie im Anlagen-

Lektion 2: Typologie industrieller Produktionssysteme

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bau. In den zurückliegenden Jahren hat jedoch auch speziell in der Bauindustrie die industrielle Vorfertigung standardisierter Einzelteile und Module stark an Bedeutung gewonnen, so dass oftmals nur noch die „Endmontage“ von Anlagen oder anderen Bauwerken auf der Baustelle stattfindet. In der industriellen Vorfertigung kommen jedoch andere, oftmals am Objektprinzip ausgerichtete Produktionssegmente zum Einsatz. Zusammenfassend gibt Tabelle 2.3 einen Überblick über die hier vorgestellten prozessbezogenen Produktionstypen. Tabelle 2.3: Prozessbezogene Produktionstypen

Merkmal natur-/ingenieurwissenschaftliche Prozesse Struktur des Materialflusses (Vergenztyp) Anzahl und Vernetzung der Produktiveinheiten (Stufigkeit)

Ausprägungen physikalische Verfahren glatt

chemische und biologische Verfahren

konvergierend divergierend

einstufig

mehrstufig Serienproduktion

umgruppierend zyklisch

Wiederholungsgrad (Repetitionstyp)

Einzelproduktion/ Projektproduktion

Massenproduktion

räumliche Anordnung der Produktiveinheiten (Anordnungstyp)

FließWerkWerk- BaustelZentrenproduk- bankpro- lenprostattproproduktion tion duktion duktion duktion

Die dargestellte Typologie industrieller Produktionssysteme stellt eine wichtige Voraussetzung für die Analyse von Leistungsprozessen einerseits und für das darauf basierende Produktionsmanagement andererseits dar. Wie diese beiden grundlegenden Aufgaben der Produktionswirtschaft aufeinander aufbauen und wie sich diese in einen geeigneten entscheidungstheoretischen Rahmen einfügen lassen, ist Gegenstand der folgenden Lektion 3.

Hinweise zum vertieften Studium 1) Ausführliche Beschreibungen und Erörterungen von Produktionstypen aus betriebswirtschaftlicher Sicht bieten neben einschlägigen Hand(wörter)büchern die Lehrbücher von Hahn/Laßmann (1999), Kern (1992) und Corsten (1997) sowie die Monografien von Dyckhoff (1994), Große-Oetringhaus (1974) und Riebel (1963).

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Kapitel A: Grundlagen der Produktionswirtschaft

2) Zur vertieften Beschäftigung insbesondere mit den Prozesstypen sind verstärkt auch naturwissenschaftliche und technische Lehrbücher zu empfehlen, beispielsweise bezüglich der chemischen Verfahrenstechnik Vauck/Müller (1988). 3) Darüber hinaus gib es zu den einzelnen Produktionstypen eine umfangreiche Literatur; einen Einstieg findet man bspw. über folgende Quellen: -Kuppelproduktion: Riebel (1955), Oenning (1997), Baumgärtner (2000) -Dienstleistungsproduktion: Corsten (1997), Gössinger (2005) -Reduktion: Dyckhoff (1994), Spengler (1994), Souren (1996). 4) Historische Einblicke in die Entwicklung der Produktion einiger Industriezweige geben Fandel/Dyckhoff/Reese (1994).

Übungsaufgaben (Dyckhoff/Ahn/Souren (2004)) Übungsaufgabe 1.4

3 Entscheidungstheoretische Einordnung des Produktionsmanagements

3.1 3.2 3.3

3.1

Aufgaben des Produktionsmanagements Entscheidungstheoretischer Rahmen Aufbau der entscheidungsorientierten Produktionstheorie

Aufgaben des Produktionsmanagements

Die Konkretisierung der von der Unternehmensleitung formulierten Unternehmensziele im Bereich der betrieblichen Leistungserbringung obliegt dem Produktionsmanagement, dessen zentrale Aufgabe die zielorientierte Planung und Steuerung der Produktion ist. Planung bedeutet in diesem Zusammenhang die Willensbildung im Sinne einer zielgerichteten Festlegung zukünftigen Handelns und mündet damit in einen Planentscheid als Sollvorgabe für das Produktionsgeschehen. Die Umsetzung der in der Planung ermittelten Sollvorgaben wird durch die Steuerung des Produktionssystems veranlasst und überwacht. Dazu sind die gegenwärtigen Handlungsmöglichkeiten systematisch zu identifizieren und so festzulegen, dass die gesetzten Produktionsziele erfüllt werden können. Dies umfasst die Organisation, Personalführung, Informationsversorgung und Kontrolle der Produktion. Industrielle Produktionssysteme müssen im Zeitablauf immer wieder an sich ändernde kurz- und langfristige Rahmenbedingungen hinsichtlich neuer technologischer Entwicklungen, wirtschaftlicher Marktparameter, politischer und rechtlicher Anforderungen sowie soziokultureller Werte angepasst werden. Nur so können die Voraussetzungen zum langfristigen Unternehmenserfolg dauerhaft geschaffen und erhalten werden. Neben langfristigen Erfolgszielen spielt ebenfalls die Erreichung kurzfristiger Ziele bezüglich Umsatz, Kostenentwicklung, Liquidität oder Kundenzufriedenheit eine wichtige Rolle. Dem Produktionsmanagement kommt damit in der Sprache der Kybernetik die Aufgabe eines Reglers zu, der bei Nichterreichung wichtiger von der Unternehmensleitung vorgegebener Führungsgrößen (z.B. Produktionskosten, Deckungsbeiträge, Fertigstellungstermine, ...) geeignete Stellgrößen (z.B. veränderte Produktionspläne, Kosteneinsparungspläne, ...) formuliert. Diese wirken dann auf das Leistungssystem, also den eigentlichen Wertschöpfungsprozess, der auch als Regelstrecke bezeichnet wird, in geeigneter Weise

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Kapitel A: Grundlagen der Produktionswirtschaft

ein (vgl. Bild 1.3). Vom Umsystem einwirkende Änderungen der Rahmenbedingungen werden auch Störgrößen genannt. Die vielfältigen Aufgaben, die im Rahmen der praktischen Umsetzung des skizzierten Regelkreismodells an das Produktionsmanagement gerichtet werden, können gemäß Zäpfel (2001), S. 45, hinsichtlich des jeweils zu berücksichtigenden Planungshorizonts wie folgt systematisiert werden.1 (1) Strategisches Produktionsmanagement (Planungshorizont ca. 5 Jahre) -

Ziel- und Strategiefindung für das Produktionssystem Schaffung und Erhaltung einer leistungsfähigen Produktion Aufrechterhaltung der Wettbewerbsfähigkeit trotz sich ändernder zukünftiger Rahmenbedingungen.

Als konkrete Aufgaben des strategischen Produktionsmanagements sind damit etwa die Forschung und Entwicklung im Hinblick auf neue Produkte und innovative Leistungsprozesse sowie die Planung zukünftiger Produktionsstandorte, beispielsweise im Rahmen einer globalen Produktionsstrategie zu nennen. (2) Taktisches Produktionsmanagement (Planungshorizont ca. 1-5 Jahre) -

Inhaltliche Konkretisierung der entwickelten Strategien Entscheidungen über zukünftige Leistungsfelder (Sachprodukte und Dienstleistungen) Entscheidungen über zukünftig einzusetzende Produktionstechnologien Neugestaltung der Produktionsorganisation (Layoutplanung, ...).

Konkrete Aufgaben des taktischen Produktionsmanagements liegen damit beispielsweise in der Planung des mittelfristigen Produkt- und Produktionsprogramms, der Festlegung der Fertigungstiefen, dem Technologiemanagement sowie der mittelfristigen Kapazitätsplanung.

1

Zäpfel (2001) spricht vom „Produktions- und Logistikmanagement“. Bei dem hier vertretenen Verständnis umfasst das Produktionsmanagement im weiteren Sinne (vgl. Lektion 1.1) auch das Logistikmanagement. Allerdings konzentrieren sich die Ausführungen dieses Lehrbuchs auf die Sachgütererzeugung (Produktion im engeren Sinne), so dass das Logistikmanagement nicht weiter vertieft wird.

Lektion 3: Entscheidungstheoretische Einordnung des Produktionsmanagements

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(3) Operatives Produktionsmanagement (Planungshorizont bis zu 1 Jahr) -

Kurzfristige Entscheidungen über die zu produzierenden Leistungen bei gegebenem Produktionssystem Optimaler Einsatz eines gegebenen Leistungssystems.

Die Aufgaben des operativen Produktionsmanagements liegen in der Planung des kurzfristigen Erzeugnisprogramms (Erzeugnisse nach Art und Menge), der Materialwirtschaft (Bedarfsermittlung und Materialbereitstellung), der Ablaufplanung (Termin- und Reihenfolgenplanung bei gegebenen Produktionskapazitäten) sowie der aktuellen Produktionssteuerung (Veranlassung, Überwachung und Sicherung der Produktion). Die mittel- bis langfristigen Aufgaben des taktischen und strategischen Produktionsmanagements werden auch als Gestaltungsaufgaben bezeichnet. Das operative Produktionsmanagement nimmt kurzfristige Aufgaben hinsichtlich des Einsatzes des Produktionssystems und der kurzfristigen Planung und Steuerung der Produktion wahr. Es umfasst somit die Lenkungsaufgaben der Leistungserbringung. Die Komplexität der aufgezeigten Gestaltungsund Lenkungsaufgaben kann in der Praxis nur durch deren Dekomposition in verschiedene Teilaufgaben, die arbeitsteilig gelöst werden, beherrscht werden. Üblicherweise geschieht dies durch Hierarchisierung, d.h. es werden hierarchisch angeordnete Entscheidungsebenen gebildet. Dabei beschäftigen sich die oberen Ebenen eher mit Gestaltungsaufgaben und die unteren Ebenen eher mit Lenkungsaufgaben. Während obere Ebenen das Recht haben, unteren Ebenen Vorgaben zu setzen, hängt umgekehrt der Unternehmenserfolg wesentlich vom Erfolg der unteren Ebenen ab, so dass die Ebenen vertikal interdependent sind. Jede Ebene besitzt dabei Planungs- und Steuerungsaufgaben. In der Planung wird festgelegt, wie die Produktion gestaltet und gelenkt werden soll. So muss etwa im strategischen Produktionsmanagement auch über die Organisation und Führung der darunter liegenden Managementebenen entschieden werden. Die Steuerung der jeweiligen Ebene hat dann für die Umsetzung der gefassten Entscheide durch die darunter liegenden Managementebenen bzw. den eigentlichen Wertschöpfungsprozess zu sorgen. In der Literatur wird der Begriff „Produktionssteuerung“ dagegen regelmäßig nur auf die aktuelle Steuerung des Wertschöpfungsprozesses auf der untersten Ebene der Managementhierarchie bezogen. Bild 3.1 zeigt exemplarisch die Stell- und Regelgrößen eines hierarchisch organisierten Produktionsmanagements.

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Kapitel A: Grundlagen der Produktionswirtschaft

Strategisches Produktionsmanagement Stellgrößen: • Produktkonzept • Ressourcenkonzept (Wettbewerbsausrichtung hinsichtlich Technologie, Wertschöpfungsketten, Kapazitätsdimensionierung, Standorte etc.)

Regelgrößen: Ökonomische und soziale Wirkungen von Produktionsstrategien, z.B. Kostenposition im Wettbewerb

Taktisches Produktionsmanagement Stellgrößen: • Produktsortiment • Personal- und Maschinenkapazität • Logistikstrukturen (Inhaltliche Konkretisierung des Produkt- und Ressourcenkonzepts)

Regelgrößen: Ökonomische und soziale Wirkungen der taktischen Entscheidung, z.B. permanente Kapazitätsengpässe

Operatives Produktionsmanagement Stellgrößen: • Menge an zu produzierenden Enderzeugnissen • Menge an zu produzierenden Komponenten • Menge an bereitzustellenden Einkaufsteilen sowie Abruftermine • Start- und Endtermine der Fertigungsaufträge

Regelgrößen: • Lieferservice • Durchlaufzeiten • Bestände • Kapazitätsauslastung

Physisches Leistungserbringungssystem Bild 3.1: Stell- und Regelgrößen eines hierarchisch organisierten Produktionsmanagements (nach Zäpfel (2001), Abb. A.2.15)

Lektion 3: Entscheidungstheoretische Einordnung des Produktionsmanagements

33

Neben der Hierarchisierung von Teilproblemen des Produktionsmanagements kommen grundsätzlich auch andere Strategien zur Berücksichtigung der zwischen den Teilproblemen vorliegenden Interdependenzen infrage. In jüngster Zeit sind etwa vor dem Hintergrund des betriebsübergreifenden Managements industrieller Produktionssysteme entlang der Wertschöpfungskette von Produkten, dem so genannten Supply-Chain-Management (SCM), eine Reihe dezentraler Produktionsmanagementkonzepte entwickelt worden. Erwähnenswert erscheinen beispielsweise Advanced-Planning-Systems (APS), die mittels kommerzieller Programmsysteme zunehmend Eingang in die betriebliche Praxis finden. Die vom Produktionsmanagement zu leistenden Planungsaufgaben können damit in betriebsübergreifenden Wertschöpfungsketten nicht isoliert gesehen werden, sondern stehen in engem Zusammenhang mit (1) Managemententscheidungen der Lieferanten und Kunden des betrachteten Produktionsunternehmens sowie (2) den übrigen betrieblichen Planungsaufgaben im Unternehmen, wie Finanzwirtschaft, Marketing, Logistik, Personalwirtschaft, Einkauf etc. Dies gilt umso mehr, je weitreichender der Planungshorizont der zu treffenden Entscheidungen ist, d.h. insbesondere für die Gestaltungsaufgaben der betrieblichen Leistungserbringung. Die zielgerichtete Lösung der aufgezeigten Gestaltungs- und Lenkungsaufgaben durch das Produktionsmanagement erfordert die geeignete Auswahl von Regel- und Stellgrößen. Wesentlich ist daher die Verfügbarkeit entscheidungsrelevanter Informationen über den Zustand und die Wirkungszusammenhänge des Leistungssystems, also der zugrunde liegenden Regelstrecke. Das Produktionsmanagement ist über Informationsflüsse geeignet mit dem Wertschöpfungsprozess zu verknüpfen, um die Ableitung rationaler Problemlösungen für praktische Entscheidungssituationen zu ermöglichen.

3.2

Entscheidungstheoretischer Rahmen

Die kybernetische Beschreibung der Aufgaben des Produktionsmanagements im vorangehenden Abschnitt verdeutlicht das Zusammenspiel zwischen dem eigentlichen Wertschöpfungsprozess (Regelstrecke) und dem Produktionsmanagement (Regler) durch Regel- und Stellgrößen. Offen bleibt jedoch, wie die dem Regler zugeführten Regelgrößen (Istgrößen) mit den von der Unternehmensleitung vorgegebenen Führungsgrößen (Sollgrößen) verglichen und die so ermittelten Soll-Ist-Abweichungen in die Formulierung geeigneter Stellgrößen eingehen können. Zur Erklärung der hierbei anzustellenden Über-

34

Kapitel A: Grundlagen der Produktionswirtschaft

legungen kann die betriebswirtschaftliche Entscheidungstheorie herangezogen werden. In Anlehnung an Bamberg/Coenenberg (2002), S. 1ff, können im Rahmen des Produktionsmanagements ablaufende Entscheidungsprozesse als so genannte Interaktionsprozesse zwischen dem Subjektsystem (Produktionsmanager, Managementsystem) und dem Objektsystem (Wertschöpfungsprozess, Leistungssystem) verstanden werden (vgl. Bild 3.2).2

Subjektsystem

Zielsystem Informationssystem

Aktivitäten

Informationen

Entscheidungslogik

Entscheidungsfeld Objektsystem Bild 3.2: Produktionsentscheidungen als Interaktionsprozess (nach Bamberg/Coenenberg (2002), Fig. 1.1)

Der Wertschöpfungsprozess stellt damit das Entscheidungsfeld des Produktionsmanagers dar, das durch die drei Bestandteile Aktivitätenraum (A), Zustandsraum (: ) und Ergebnisfunktion g(a  A, Z  ȍ ) charakterisiert werden kann (vgl. Bamberg/Coenenberg (2002)). Unter dem Begriff Aktivitätenraum A {a1 ,..., am } wird im Folgenden die Menge sämtlicher Aktivitäten ai (i 1,..., m) verstanden, die dem Entscheidungsträger, hier dem Produktionsmanager, zu einem bestimmten Zeitpunkt offen stehen. Der Aktivitä2

Um es leichter mit den früheren Bildern dieses Buches vergleichen zu können (insbes. Bilder 1.3 und 3.1) ist die Abbildung gegenüber dem Original bei Bamberg/Coenenberg (2002), S. 1, etwas modifiziert worden. Außerdem verwenden wir an Stelle von „Aktion“ den Begriff „Aktivität“, weil dieser in der Produktionstheorie über die Aktivitätsanalyse eingeführt und deshalb vertrauter ist.

Lektion 3: Entscheidungstheoretische Einordnung des Produktionsmanagements

35

tenraum umfasst damit den beeinflussbaren Teil des Entscheidungsfelds.3 Bei den Aktivitäten kann es sich beispielsweise um strategische, taktische oder operative Entscheidungsalternativen handeln, die dann als Stellgrößen die zukünftigen Zustände des Wertschöpfungsprozesses determinieren. So führt etwa die Entscheidungsalternative „Beschaffung eines neuen Industrieroboters“ zu einer Verkürzung der Durchlaufzeiten des Wertschöpfungsprozesses und damit zu einer Kapazitätserhöhung, die sich bei entsprechender Auftragslage gewinnsteigernd bemerkbar machen kann. Das Vorhandensein eines hierzu notwendigen Auftragsbestandes wird durch die Zustandsvariable „Höhe des Auftragsbestandes“ angezeigt, die je nach Marktlage in der betrachteten Planungsperiode verschiedene Größenordnungen Z j ( j 1,...,n) annehmen kann. Die Menge ȍ {Z1 ,..., Z n } bezeichnet alle für möglich gehaltenen Zustände (Auftragsbestände) und wird als Zustandsraum bezeichnet. Das Eintreten eines bestimmten Zustands Ȧ j  ȍ kann vom Entscheidungsträger nicht beeinflusst werden. Informationen über den innerhalb des zu betrachtenden Planungszeitraums tatsächlich eintretenden Zustand können folgendermaßen klassifiziert werden: (1) Sicherheit:

Der eintretende Zustand Z j  ȍ ist bekannt.

(2) Risiko:

Es sind entweder subjektive oder objektive Wahrscheinlichkeiten für das Eintreten der Zustände Z j  ȍ ( j 1,..., n) bekannt.

(3) Ungewissheit:

Es ist lediglich bekannt, dass irgendein Zustand Z j  ȍ ( j 1,..., n) eintreten wird.

Zur Verbesserung des Kenntnisstandes über den eintretenden Zustand kann ein Informationssystem eingeschaltet werden, das relevante Informationen über aktuelle oder zukünftig erwartete Zustände des Wertschöpfungsprozesses an den Entscheidungsträger übermittelt. Die Konsequenzen einer ausgewählten Aktivität a i  A (i 1,..., m) bei einem eintretenden Zustand Z j  ȍ ( j 1,..., n) werden durch die Ergebnisfunktion g : (a i , Z j ) o x g(a i , Z j ) ermittelt. Im Beispiel wäre dies etwa der Gewinn g(a1 ,Ȧ1 ) , der innerhalb eines Jahres durch Anschaffung des Industrieroboters (a1 ) bei ausreichendem Auftragsbestand (Z1 ) erzielbar wäre. Alternativ bezeichnet g(a 2 ,Ȧ2 ) den Gewinn, der bei Nichtanschaffung des Industrieroboters (a2 ) und zu geringem Auftragsbestand (Z 2 ) erzielt werden könnte. Die Ergebnisfunktion wird üblicherweise als Ergebnismatrix wie folgt angegeben: 3

Die Menge der möglichen Aktivitäten in A oder der Zustände in ȍ braucht nicht einmal abzählbar zu sein. Hier wird der Einfachheit halber eine endliche Menge dargestellt.

36

Kapitel A: Grundlagen der Produktionswirtschaft

Tabelle 3.1: Darstellung der Ergebnisfunktion als Ergebnismatrix

ȍ A

Z1

Z2

a1

g(a1 ,Ȧ1 )

g(a1 ,Ȧ2 )

a2

g(a2 ,Ȧ1 )

g(a2 ,Ȧ2 )

Statt des Ergebnisses „Gewinn“ sind andere Ergebnisarten denkbar, beispielsweise „Durchlaufzeit“, „Produktionskosten“ oder „Kapitalbindung“. Je nach Planungshorizont und zu lösenden Planungsaufgaben können nun geeignete Ergebnisfunktionen des Entscheidungsfeldes ausgewählt und dem Entscheidungsträger in Form von Informationen übermittelt werden. Welche Ergebnisarten im Entscheidungsfeld des Objektsystems „Wertschöpfungsprozess“ relevant sind, leitet sich aus dem Zielsystem des Subjektsystems „Produktionsmanager“ ab. Dieses umfasst sämtliche Zielgrößen des Produktionsmanagers. Sie geben damit an, welche Ergebnisfunktion g der Bewertung der verfügbaren Aktivitäten zugrunde gelegt werden soll. Die Ausprägungen der Zielgrößen sind im Objektsystem zu erfassen und dem Subjektsystem zur Verfügung zu stellen. In der Sprache der Kybernetik werden diese als Regelgrößen bezeichnet. Mögliche Ergebnisarten, welche nicht in das Zielsystem eingehen, werden damit auch nicht als Regelgrößen erfasst. Je nach Planungsaufgabe und betrachtetem Planungshorizont sollte das Zielsystem langfristige, mittelfristige sowie kurzfristige Ziele beinhalten. Zu den langfristigen Zielen gehören etwa die Erreichung angemessener Marktanteile und hoher Wachstumsraten, mittelfristige Ziele stellen die Erreichung angemessener Gewinne und Renditen dar. Kurzfristige Ziele bestehen in der Erreichung angemessener Deckungsbeiträge, niedriger Umrüst- oder Lagerhaltungskosten, niedriger (Zwischen-)Lagerbestände oder kurzer Durchlaufzeiten. Dabei werden in der betrieblichen Praxis monetäre Größen, wie Kosten, Gewinne, Renditen, von nicht-monetären Größen, wie Marktanteile, Durchlaufzeiten, Bestände, unterschieden. Die simultane Erreichung mehrerer Ziele, wie etwa die Maximierung des Gewinns bei gleichzeitiger Maximierung der Marktanteile ist in der Regel nicht möglich, so dass das Zielsystem hinsichtlich der Präferenzen des Produktionsmanagers zu strukturieren ist. Diesem Zweck dienen Präferenzrelationen bezüglich der Ausprägungen aller im Zielsystem berücksichtigten Ergebnisarten. Hierbei wird zwischen Höhen-, Arten-, Zeit- und Risikopräferenz unterschieden. x

Höhenpräferenz bezeichnet den angestrebten Funktionswert der Ergebnisfunktion, der etwa in der Maximierung, Minimierung oder Über- bzw. Unterschreitung vorgegebener Schwellenwerte liegen

Lektion 3: Entscheidungstheoretische Einordnung des Produktionsmanagements

37

kann. Beispiele wären die Gewinnmaximierung, die Kostenminimierung oder die Erreichung einer angemessenen Umsatzrendite. x

Unter Artenpräferenz wird die Einstellung des Entscheidungsträgers hinsichtlich der Wichtigkeit einzelner konfliktärer Ziele verstanden. Als konfliktär werden zwei Ziele dann bezeichnet, wenn sich die Erreichung des einen Ziels negativ auf die Erreichung des anderen Ziels auswirkt. So wird es beispielsweise in der operativen Produktionsplanung schwierig sein, die Durchlaufzeiten der herzustellenden Produkte zu minimieren und gleichzeitig die Kapazitätsauslastung der vorhandenen Produktionsanlagen zu maximieren (so genanntes „Dilemma der Ablaufplanung“). Wirkt sich die Erreichung eines Ziels hingegen positiv auf die Erreichung eines anderen Ziels aus, spricht man von komplementären Zielen.

x

Zeitpräferenz bezieht sich auf die Einstellung des Entscheidungsträgers gegenüber Aktivitäten, bei denen die gewünschten Ergebnisse zu verschiedenen Zeitpunkten erreicht werden, wie dies etwa bei strategischen, taktischen und operativen Maßnahmen der Fall ist.

x

Häufig liegen keine vollständigen Informationen über die Konsequenzen der Durchführung bestimmter Aktivitäten vor, etwa weil die im Planungszeitraum eintretenden Zustände ungewiss oder zumindest risikobehaftet sind. In diesen Fällen ist zur Auswahl einer geeigneten Aktivität die Risikopräferenz des Entscheidungsträgers von Belang. So werden beispielsweise risikofreudige Entscheidungsträger eher eine Investitionsentscheidung zur Erweiterung ihrer Produktionskapazitäten treffen, wenn trotz vorhandener Risiken die Chance auf eine deutliche Erhöhung der Auftragsbestände und damit der erzielbaren Umsätze oder Gewinne möglich erscheint. Ein risikoaverser Entscheidungsträger würde dagegen einer Kapazitätserweiterung in Anbetracht der Risiken eher zurückhaltend gegenüberstehen.

Insgesamt umfasst das Zielsystem des Produktionsmanagers somit die von ihm für relevant erachteten Zielgrößen (Regelgrößen) sowie die zugehörigen Präferenzrelationen. Zur Lösung produktionswirtschaftlicher Entscheidungsprobleme ist darüber hinaus eine Reihe weiterer Anforderungen an das Zielsystem zu stellen, wie etwa die Forderung nach Vollständigkeit des Zielsystems sowie Operationalisierbarkeit und Koordinationsgerechtigkeit der Zielsetzungen, worauf hier aber nicht näher eingegangen werden soll. Neben dem Informations- und Zielsystem benötigt der Entscheidungsträger nun eine geeignete Entscheidungslogik, mit deren Hilfe genau diejenige Ak-

38

Kapitel A: Grundlagen der Produktionswirtschaft

tivität ai  A gewählt wird, die hinsichtlich des gewählten zugrunde liegenden Zielsystems am besten abschneidet. Die zur Auswahl geeigneter Aktivitäten anzuwendende Entscheidungslogik basiert im Produktionsmanagement üblicherweise auf Entscheidungsmodellen, die einerseits sämtliche entscheidungsrelevanten Tatbestände des realen Wertschöpfungsprozesses umfassen und andererseits zur Reduktion der Problemkomplexität auf überflüssige Details verzichten. Entscheidungsmodelle dienen der Entscheidungsfindung und gehen daher weit über bloße Beschreibungs- und Erklärungsmodelle realer Zusammenhänge hinaus (vgl. Bild 3.3). Ausgehend vom Realproblem wird durch Abstraktionen ein Realmodell formuliert, das im Anschluss oftmals auf ein mathematisch beschreibbares Formalmodell reduziert wird (Relaxation). Mittels eines formalen Entscheidungsgenerators werden nun geeignete Entscheidungsalternativen vorgeschlagen, die im Fall der Akzeptanz durch das Produktionsmanagement in der Praxis implementiert werden. Zur Sicherstellung der Abbildungsgenauigkeit des Realmodells, des Entscheidungsgenerators sowie der erfolgreichen Implementierung geeigneter Entscheidungsalternativen werden auf jeder der genannten Stufen Validierungen und ggf. geeignete Modifikationen des Realmodells und des Entscheidungsgenerators durchgeführt.

Realproblem Abstraktion Ex-postValidierung

empirische Validierung

Realmodell Relaxation

Entscheidungsvalidierung

Entscheidungsgenerator

Implementierung

Ex-anteValidierungen

Bild 3.3: Prozess der Modellbildung (Quelle: Schneeweiß (2002), Abb. 3.4)

Lektion 3: Entscheidungstheoretische Einordnung des Produktionsmanagements

39

Diese auf Basis der Entscheidungsmodelle ausgewählten Aktivitäten werden dem Entscheidungsfeld in Form von Stellgrößen zur Umsetzung mitgeteilt. Beispielsweise betrifft dies im strategischen Produktionsmanagement die Entscheidung zur Errichtung eines neuen Produktionswerks an einem bestimmten Standort, im taktischen Produktionsmanagement die Entscheidung über die Anschaffung einer neuen Produktionsanlage oder im operativen Produktionsmanagement die Vorgabe eines geeigneten kurzfristigen Produktionsprogramms. Der Konstruktion von Entscheidungsmodellen kommt damit in der Produktionswirtschaft und allgemein in der quantitativen Betriebswirtschaftslehre eine erhebliche Bedeutung zu. In der Literatur werden Entscheidungsmodelle hinsichtlich verschiedener Gesichtspunkte klassifiziert, etwa hinsichtlich der Anzahl der berücksichtigten Zielsetzungen, hinsichtlich des Informationsstandes der Entscheidungsträger über den eintretenden Zustand oder hinsichtlich der zeitlichen Interdependenz der zu treffenden Entscheidungen. So werden Entscheidungsmodelle mit einer Zielsetzung von Entscheidungsmodellen mit mehreren Zielsetzungen, so genannten multikriteriellen Entscheidungsmodellen, unterschieden. Ebenso unterscheidet man zwischen Entscheidungsmodellen bei Sicherheit, Risiko oder Unsicherheit sowie statischen (zeitunabhängigen) und dynamischen (zeitinterdependenten) Entscheidungsmodellen. Im Produktionsmanagement kommt in Abhängigkeit von den betrieblichen Gestaltungs- und Lenkungsaufgaben eine Vielzahl verschiedener Entscheidungsmodelle zum Einsatz. In der Vergangenheit war der praktische Einsatz von Entscheidungsmodellen begrenzt. Dies war hauptsächlich auf die Komplexität dieser Modelle, die damit verbundenen hohen Anforderungen an die benötigte Rechnerleistung sowie auf die oftmals nicht verfügbaren Informationen zurückzuführen. Insbesondere aufgrund der in den letzten Jahren erzielten Fortschritte im Bereich der Informations- und Kommunikationstechnologie gewinnen Entscheidungsmodelle jedoch derzeit auch in der industriellen Praxis zunehmend an Bedeutung. Hierbei stellen die Verfügbarkeit und geeignete Bereitstellung entscheidungsrelevanter Informationen sowie die Akzeptanz der ermittelten Lösungsvorschläge heutzutage unerlässliche Grundlagen für den erfolgreichen Einsatz quantitativer Entscheidungsmodelle im Produktionsmanagement dar. Das vorliegende einführende Lehrbuch behandelt in Kapitel D (Lektionen 12 bis 14) ausgewählte Entscheidungsmodelle des operativen Produktionsmanagements. Im folgenden Abschnitt wird jedoch zunächst der Aufbau einer entscheidungstheoretisch begründeten Produktionstheorie, die damit die Grundlage zur Formulierung problemadäquater Entscheidungsmodelle im Produktionsmanagement darstellt, zusammenfassend erläutert. Die wesentli-

40

Kapitel A: Grundlagen der Produktionswirtschaft

chen Grundzüge und wichtige Modelle einer solchen entscheidungsorientierten Produktionstheorie sind dann Inhalt der sich anschließenden Kapitel B und C (Lektionen 4 bis 11).

3.3

Aufbau der entscheidungsorientierten Produktionstheorie

Die Produktionstheorie behandelt Fragen zu den Leistungen erbringenden Transformationsprozessen und -systemen. Als empirische Theorie besteht ihre Aufgabe nach Busse von Colbe/Laßmann (1991) darin, dem Menschen zu helfen, sich in der Vielfalt realer Produktionsprozesse zurechtzufinden und diese – soweit wie möglich – nach seinen Wünschen zu gestalten. Sie soll daher sowohl Erklärungswert besitzen (Erkenntnisinteresse) als auch Prognose- und Gestaltungsmöglichkeiten eröffnen (praktisches Interesse). Ihre Schlussfolgerungen werden auf deduktiv-logischem Weg aus den vorgegebenen Prämissen abgeleitet. Dabei soll die Anbindung an die Gesetze der Logik gewährleisten, dass die Theorie der Grundforderung jeden wissenschaftlichen Arbeitens nach Widerspruchsfreiheit genügt. Dem in diesem Buch gewählten Ansatz liegt eine systemorientierte Sichtweise zugrunde, welche es erlaubt, komplexe Strukturen schrittweise in einfache und überschaubare Teile zu zerlegen (Systemanalyse) bzw. solche Strukturen sukzessive durch die Kopplung und Vernetzung einfacher Module zu erzeugen (Systemsynthese). Den formalen Rahmen bildet die von Koopmans (1951) eingeführte und von Wittmann (1968) u.a.m. weiterentwickelte Aktivitätsanalyse. Diese ermöglicht die Formulierung einer prozessorientierten Theorie, welche große Teile der traditionellen Produktions- und Kostentheorie abdeckt. Durch die Verwendung grafentheoretischer Instrumente einerseits und mathematischer Konstrukte, etwa aus der Linearen Algebra, andererseits besitzt sie eine konstruktive Ausrichtung und ermöglicht damit die Formulierung quantitativer Entscheidungsmodelle realer Produktionsprozesse und -systeme als Grundlage für ein darauf aufbauendes Produktionsmanagement. Der von Dyckhoff (1994) konzipierte Aufbau einer entscheidungsorientierten Produktionstheorie ist in Bild 3.4 dargestellt. Die reale Produktion wird – von unten nach oben – in drei Stufen zunehmender Information über die Präferenzen des Produktionsmanagers beschrieben und analysiert. Ausgehend vom realen Produktionsprozess erfolgt auf der untersten Ebene, der technologischen Ebene, eine modellmäßige Erfassung der Input/OutputBeziehungen gemäß den Wahrnehmungen und Interessen des Produktions-

Lektion 3: Entscheidungstheoretische Einordnung des Produktionsmanagements

41

Wahrnehmung und Präferenz

managers. Grundbegriffe dieser Betrachtungsebene sind Objekte, Aktivitäten, Techniken und Restriktionen. Die Wahrnehmung und das Interesse des Produktionsmanagers äußern sich auf dieser Ebene ausschließlich darin, welche Objekte im zu konstruierenden Modell berücksichtigt werden sollen bzw. welche Objekte in Verbindung mit bestimmten Leistungszielen den Zweck der Produktion bilden. Weitergehende Präferenzinformationen liegen auf dieser Ebene noch nicht vor. Die Theorie dieser Ebene bildet insofern noch keine eigentliche ökonomische Theorie und kann daher besser als Technologie, d.h. als Lehre von der Produktionstechnik, verstanden werden. Sie bildet damit das Bindeglied zwischen den natur-/ingenieurwissenschaftlichen und empirischen Grundlagen der realen Produktionsprozesse sowie den beiden darüber liegenden produktionswirtschaftlichen Ebenen.

Erfolgstheorie Schaden/ Nutzen Realer Aufwand/Ertrag Input/Output

Produktionstheorie im engeren Sinn Technologie

Reale Produktion

Bild 3.4: Aufbau der entscheidungsorientierten Produktionstheorie im „Normalfall“ (nach Dyckhoff (1994), Abb B.1)

Die mittlere Ebene wird als Ergebnisebene bezeichnet und betrachtet die Ergebnisse der Produktion auf Basis rudimentärer Präferenzäußerungen. Der reale Aufwand und Ertrag der Produktion wird in Gestalt mehrdimensionaler Kennziffern, meist physikalische Mengengrößen, analysiert. Mit ihrer Hilfe können Ergiebigkeitsmaße sowie über den Effizienzbegriff eine verallgemeinerte Fassung des traditionellen Wirtschaftlichkeitsprinzips erarbeitet werden. Die auf dieser Ebene entwickelte Theorie wird als Produktionstheorie im engeren Sinn (i.e.S.) bezeichnet.

42

Kapitel A: Grundlagen der Produktionswirtschaft

Die Erfolgsebene als oberste produktionswirtschaftliche Ebene behandelt den Erfolg der Produktion im Sinne einer eindimensionalen Kennziffer, welche die gesamte oder auch nur einen bestimmten Teilaspekt der Wertschöpfung beschreibt. Im Allgemeinen resultiert der Erfolg aus der Abwägung der Vorund Nachteile der durch die Produktion bewirkten Veränderungen. Eine solche Nutzen-/Schadenbilanz entspricht im betriebswirtschaftlichen Normalfall dem Saldo der erzielten Erlöse und entstandenen Kosten. Demgemäß kann von einer Erfolgstheorie gesprochen werden. Neben dem so ermittelten betriebswirtschaftlichen Erfolg sind jedoch in Abhängigkeit vom zugrunde liegenden Zielsystem des Produktionsmanagements unterschiedliche Leistungs- bzw. Erfolgskennziffern denkbar, die beispielsweise nicht ausschließlich auf ökonomische, sondern auch auf ökologische oder soziale Aspekte bezogen werden können.

Hinweise zum vertieften Studium 1) Überblicke und Vertiefungen im Produktionsmanagement geben u.a. die Lehrbücher von Adam (1998), Günther/Tempelmeier (2005), Hansmann (2001), Jahnke/Biskup (1999), Kistner/Steven (2001), Schneeweiß (2002) und Zäpfel (1982, 2000, 2000a, 2001). Aktuelle Darstellungen des Supply-Chain-Managements (SCM) und von Advanced-Planning-Systems (APS) geben Stadtler/Kilger (2005). 2) Grundlegende Werke der Entscheidungstheorie haben Bamberg/Coenenberg (2002) und Eisenführ/Weber (1999) geschrieben. 3) Die entscheidungsorientierte Produktionstheorie wird ausführlich in Dyckhoff (1994) beschrieben, von Dyckhoff (2003a) entscheidungstheoretisch weiterentwickelt sowie von Dyckhoff (2003b) in die neue Konzeption einer Allgemeinen Produktionstheorie integriert (vgl. auch Dyckhoff (2006)).

Kapitel B

Entscheidungsorientierte Produktionstheorie

Wahrnehmung und Präferenz

Im vorliegenden Kapitel B wird in 4 Lektionen eine Einführung in die entscheidungsorientierte Produktionstheorie gegeben. Der Schwerpunkt liegt dabei auf der Entwicklung eines Grundverständnisses der wichtigsten Fragestellungen der drei aufgezeigten Ebenen sowie ihrer Zusammenhänge.

Erfolgstheorie (Lektion 6) Schaden/ Nutzen Realer Aufwand/Ertrag Input/Output

Produktionstheorie im engeren Sinn (Lektion 7) Technologie (Lektion 4 und 5)

Reale Produktion

Lektion 4 beschäftigt sich mit den für die Produktionstheorie grundlegenden Begriffen Objekt und Aktivität und zeigt wichtige Darstellungsformen in Theorie und Praxis auf. Techniken und Restriktionen sind Gegenstand von Lektion 5, in der neben der Definition und Analyse grundlegender Technikformen sowie der Einführung von Restriktionen der Begriff der Produktionsmöglichkeit erläutert und grafisch veranschaulicht wird. Bewertungsaspekte hinsichtlich der erzielten Produktionsergebnisse werden auf der technologischen Ebene noch nicht ermittelt. Hiermit befasst sich erst die in Lektion 6 behandelte Erfolgstheorie, die in Bild 3.4 als oberste Ebene (Erfolgsebene) der Pyramide dargestellt ist. Die Ermittlung des ökonomischen Produktionserfolgs setzt allerdings die Verfügbarkeit von (Markt-)Preisen für die ein- und ausgebrachten Input- und Outputobjektarten voraus, deren Vorhersage in der Praxis, insbesondere in frühen Planungsphasen, oftmals mit großen Unsicherheiten behaftet ist. Ohne eine monetäre Bewertung der Input- und Out-

44

Kapitel B: Entscheidungsorientierte Produktionstheorie

putobjektarten kommen die Bewertungsansätze der Produktionstheorie im engeren Sinn (i.e.S.) aus, die zur Beurteilung des Produktionsergebnisses von Effizienzüberlegungen ausgehen. Lektion 7 widmet sich daher den auf der mittleren Ebene der Pyramide (Ergebnisebene) angesiedelten Bewertungsansätzen.

4 Objekte und Aktivitäten

4.1 4.2 4.3

4.1

Objekte produktionswirtschaftlichen Handelns Produktionsaktivität als Input/Output-Prozess Praktische Darstellungen von Produktionsaktivitäten

Objekte produktionswirtschaftlichen Handelns

Als Objekte produktionswirtschaftlichen Handelns werden Sachen oder vergleichbare Bestandsgrößen verstanden, die unmittelbar auf den Transformationsprozess einwirken, an ihm beteiligt, von ihm betroffen oder von ihm hervorgerufen sind. Sie gehören damit dem Leistungssystem, d.h. dem eigentlichen Wertschöpfungsprozess an. Subjekte produktionswirtschaftlichen Handelns sind dagegen die Angehörigen des Managementsystems, also das Produktionsmanagement. An realen Produktionsprozessen ist eine unübersehbare Vielfalt von Objekten beteiligt, so dass eine vollständige Erfassung aller Objekte unmöglich erscheint. In produktionswirtschaftlichen Analysen kommt es eher darauf an, welche Objekte vom Produzenten (Produktionsmanager) wahrgenommen und damit in die Analyse des Transformationsprozesses einbezogen werden. Dies wird im Allgemeinen auch von den Zielen der Untersuchung abhängen. Für Zwecke der Produktkalkulation oder zur Beurteilung der betriebswirtschaftlichen Vorteilhaftigkeit bestimmter Vorhaben des Produktionsmanagements (Anschaffung neuer Produktionsanlagen, Erstellung eines aktualisierten Produktionsprogramms, ...) spielen üblicherweise nur diejenigen Objekte eine Rolle, die mit monetären Konsequenzen verbunden sind. Dies sind im Wesentlichen die auf den Beschaffungsmärkten erworbenen Inputobjekte einschließlich der Potenzialfaktoren und die auf den Absatzmärkten veräußerten Outputobjekte, sofern Zahlungsströme damit verbunden sind. Geht es dagegen beispielsweise um die Konzeption einer betrieblichen Umweltschutzstrategie, so spielen zusätzlich diejenigen Input- und Outputobjekte eine Rolle, die als umweltrelevant erachtet werden. Unter den als relevant erachteten Objekten zeichnen sich zwei Gruppen besonders aus. Dies sind zum einen diejenigen Objekte, zu deren Erzeugung das Produktionssystem betrieben wird (Erzeugungssystem) und zum anderen diejenigen Objekte, zu deren Entsorgung das Produktionssystem betrieben wird (Reduktionssystem). In beiden Fällen bilden diese Leistungsobjekte den

46

Kapitel B: Entscheidungsorientierte Produktionstheorie

Betriebszweck des Produktionssystems und ihre Erzeugung bzw. Entsorgung definieren die Sachziele für den Betrieb des Systems. Ein Outputobjekt heißt Hauptprodukt, wenn seine Erzeugung ein Sachziel der Produktion ist (z.B. Rohstahlerzeugung im integrierten Hüttenwerk). Es heißt Nebenprodukt oder Ausbringungsfaktor, wenn seine Erzeugung nicht Sachziel der Produktion ist (z.B. Hochofen- oder Konverterschlacke als Nebenprodukt der Rohstahlerzeugung). Ein Inputobjekt, dessen Entsorgung ein Sachziel ist, wird als Redukt, alle anderen Inputobjekte als Einsatzfaktor bezeichnet. Gemäß ihrer Erscheinungsform können Objekte grundsätzlich materieller oder immaterieller Natur sein. Bei materiellen Objekten (Sachobjekte, Sachen) handelt es sich um feste, flüssige, gasförmige Stoffe oder Energie. Zu den immateriellen Objekten zählen etwa Rechte, Informationen, Arbeiten oder Dienste, die durch ihren Potenzialcharakter, also die Möglichkeit ihrer Nutzung, gekennzeichnet sind. Ein Objekt ist durch seine Qualität sowie durch Ort und Zeit seiner Verfügbarkeit bestimmt. Die Qualität wird durch chemische, physikalische, technische, funktionelle, ästhetische oder symbolische Eigenschaften definiert. Ob zwei Objekte bei der Produktion als qualitativ gleichwertig oder verschieden anzusehen sind, hängt in erster Linie nur von den Eigenschaften ab, die für den Transformationsprozess des betrachteten Produktionssystems sowie für die vom Produktionsmanagement als relevant erachteten Fragestellungen von Bedeutung sind. Ein Automobilhersteller wird so bei langfristiger Planung nur grob zwischen verschiedenen Fahrzeugtypen unterscheiden, während bei kurzfristigen Fragestellungen sämtliche Ausstattungsvarianten in Betracht gezogen werden. Ähnliche Objekte, die im Hinblick auf eine konkrete Entscheidungssituation nicht voneinander unterschieden werden, werden zu Objektarten zusammengefasst. Die örtliche und zeitliche Verfügbarkeit sind die beiden wichtigsten Merkmale im Rahmen räumlicher und dynamischer Betrachtungen, wie etwa bei der Standort- und Transportplanung oder bei der Lagerhaltung. Eine wesentliche Prämisse der Produktionstheorie bezieht sich auf die quantitative Messbarkeit des Umfangs einer Menge von Objekten gleicher Art. Bei materiellen Objekten wird etwa zwischen Stück- und Schüttgütern unterschieden, die unmittelbar gezählt oder in geeigneten physikalischen Maßeinheiten gemessen werden können. Ähnlich wird bei Arbeitskräften und Maschinen an Stelle ihrer Anzahl in der Regel ihre Einsatzzeit angegeben (z.B. Mannstunden, Maschinenstunden), bei Transporten das Transportvolumen (z.B. Personenkilometer, Tonnenkilometer). Beispielsweise verfügt ein Lederwarenhersteller über die Inputobjektarten „Arbeit [h]“, „Nähmaschine [h]“ und „Leder [m2]“ zur Produktion der beiden Hauptprodukte „Schuhe [Anzahl der Paare]“ und „Taschen [Stückzahl]“ sowie des zwangsläufig anfallenden Nebenprodukts (Kuppelprodukt) „Lederreste [Gramm]“.

Lektion 4: Objekte und Aktivitäten

47

In der Praxis werden den Objektarten üblicherweise Artikelnummern zugeordnet, um so eine weitestgehend automatisierte Datenverwaltung zu ermöglichen und durch präzise Kennzeichnung Missverständnisse und Fehler zu vermeiden. In der Produktionstheorie ist es praktikabel, die beachteten Objektarten geeignet zu nummerieren, etwa mittels k 1,...,N , bei N verschiedenen beachteten Objektarten k. Möchte man dagegen in Inputobjektarten i und Outputobjektarten j unterscheiden, so bieten sich bei m verschiedenen Inputobjektarten und n verschiedenen Outputobjektarten etwa die Nummerierungen i 1,..., m für die Inputs und j m  1,..., m  n für die Outputs an. Diese durchgängige Nummerierung hat den Vorteil, dass jede Objektart durch genau eine Nummer eineindeutig bezeichnet ist. Mehrdimensionale Kennzeichnungen, wie (k , o, t ) , wobei k für die Qualität, o für die örtliche und t für die zeitliche Verfügbarkeit stehen, sind manchmal ebenfalls zweckmäßig.

4.2

Produktionsaktivität als Input/Output-Prozess

Die Transformation der in einen Produktionsprozess eingebrachten Inputobjektarten in die ausgebrachten Outputobjektarten benötigt Zeit. Daher ist innerhalb eines gegebenen Planungszeitraums die maximal mögliche Produktionsmenge eines Hauptprodukts oder die maximal mögliche Einsatzmenge eines Redukts durch die Produktionsgeschwindigkeit nach oben begrenzt. Zur Erhöhung der Produktionsgeschwindigkeit und damit der pro Zeiteinheit erzeugten Hauptproduktmenge (bzw. der pro Zeiteinheit umgewandelten Reduktmenge) können vom Produktionsverantwortlichen (Produzent, Produktionsmanager) in der Regel operative Anpassungsmaßnahmen, wie die Erhöhung von Drehzahlen in der spangebenden Fertigung oder die Verminderung von Vorgabezeiten für manuelle Tätigkeiten, ergriffen werden. Größere Wirkungen lassen sich jedoch durch mittelfristig wirksame taktische Maßnahmen erreichen, so etwa die Anschaffung neuer, leistungsfähigerer Produktionsanlagen oder Verbesserungen in der verfahrenstechnischen Prozessführung. Wirtschaftliche Größen werden in Abhängigkeit ihres Zeitbezugs in Bestandsgrößen und Stromgrößen (Flussgrößen) eingeteilt. Bestandsgrößen spiegeln den Bestand von Objektarten zu Beginn sowie zum Ende einer zugrunde gelegten Periode zeitpunktbezogen wider, während Stromgrößen Bestandsveränderungen während der Periode kennzeichnen. Die Produktionsgeschwindigkeit kann somit je nach Sachziel der Produktion durch den Inputstrom eines Redukts bzw. durch den Outputstrom eines Hauptprodukts gemessen werden.

48

Kapitel B: Entscheidungsorientierte Produktionstheorie

Bezeichnet bei stetiger Betrachtungsweise des Zeitablaufs 1,...,N

k

:

eine Objektart, mit k

t

:

einen Zeitpunkt innerhalb der Planungsperiode von t 0 bis t t max

sk( t )

:

den Bestand an Objekten der Art k im Produktionssystem zur Zeit t

dann kann man prinzipiell vier Arten von Stromgrößen unterscheiden, welche zu Bestandsänderungen im Produktionssystem führen: xk ( t )

:

dem Produktionssystem von außen zugeführte Quantität (Systeminput)

yk ( t )

:

vom Produktionssystem nach außen abgeführte Quantität (Systemoutput)

uk( t )

:

innerhalb des Produktionssystems erzeugte Quantität (Prozessoutput)

vk ( t )

:

innerhalb des Produktionssystems eingesetzte Quantität (Prozessinput)

Das Bild 4.1 veranschaulicht den mengenmäßigen Zusammenhang der vier Stromgrößen mit dem Systembestand.

yk( t ) Systemoutput

Systeminput xk( t )

Systembestand sk( t ) uk( t ) Prozessoutput

Prozessinput vk( t ) Transformationsprozess andere Inputs

andere Outputs Bilanzgrenze des Produktionssystems

Bild 4.1: Bestands- und Stromgrößen eines Produktionssystems

Lektion 4: Objekte und Aktivitäten

49

Der Periodenendbestand sk ( t max ) errechnet sich dann wie folgt aus dem Anfangsbestand sk ( 0 ) und den vier Stromgrößen t max

s k (t

max

) sk ( 0 ) 

³

( x k ( t )  y k ( t )  u k ( t )  v k ( t )) dt

(4.1)

0

t max

sk ( 0 ) 

t max

t max

t max

³ x ( t )dt  ³ y ( t )dt  ³ u ( t )dt  ³ v ( t )dt k

k

0

k

0

0

k

0

sk ( 0 )  xk  y k  u k  vk Dabei geben xk , yk ,uk und vk die Gesamtstromquantitäten während der Periode an. Für die Nettoproduktionsmenge zk und die Bestandsänderung ǻs k s k ( t max )  s k ( 0 ) gilt dann z k : u k  vk

ǻs k  y k  x k

Bei unverändertem Bestand, d.h. 'sk dem Nettosystemoutput zk

u k  vk

(4.2) 0 , ist der Nettoprozessoutput gleich

y k  xk

(4.3)

Von wenigen Ausnahmen abgesehen (Lektionen 9 und 13) wird in diesem Buch von der Identität (4.3) ausgegangen, so dass nachfolgend hauptsächlich auf die Stromgrößen xk , yk und z k abgestellt wird und von den Größen uk und vk weitgehend abgesehen werden kann. Im Gegensatz zu den periodenbezogenen Inputmengen xk und Outputmengen yk nehmen die Nettooutputmengen z k bei Objektarten, von denen in der betrachteten Planungsperiode mehr in das Produktionssystem eingebracht als ausgebracht wurden, negative Werte an. Wird von diesen Objektarten weniger ein- als ausgebracht, nehmen sie positive Werte an. Durch Einführung der Vektoren

x

§ x1 · ¨ ¸ ¨  ¸, y ¨x ¸ © N¹

§ y1 · ¨ ¸ ¨  ¸, z ¨y ¸ © N¹

§ z1 · ¨ ¸ ¨  ¸ ¨z ¸ © N¹

lässt sich Gleichung (4.3) auch vektoriell wie folgt darstellen:

50

Kapitel B: Entscheidungsorientierte Produktionstheorie

z

§ z1 · ¨ ¸ ¨  ¸ ¨z ¸ © N¹

§ y1  x1 · ¨ ¸ ¨  ¸ ¨y x ¸ N¹ © N

§ y1 · § x1 · ¨ ¸ ¨ ¸ ¨  ¸¨  ¸ ¨ y ¸ ¨x ¸ © N¹ © N¹

yx

(4.4)

Der Vektor z kennzeichnet den Nettoinput bzw. Nettooutput aller beachteten Objektarten bezogen auf die zugrunde liegende Periode. Er beschreibt damit das komplette Produktionsprogramm1 der Periode, soweit es für die betrachtete Fragestellung relevant ist. Dieses ist Ausdruck bzw. „Ergebnis“ der vom Produzenten gewählten Aktivität a  A und des realisierten Umfeldzustandes Z  : (so wie in Lektion 3.2 dargestellt), d.h. es gilt: z g ( a ,Z ) . An Stelle von a wird in der produktionstheoretischen Literatur das Produktionsprogramm z selber als Produktionsaktivität bezeichnet, so auch in diesem Buch. Üblicherweise gilt in der Praxis für die meisten beachteten Objektarten eines Produktionssystems, dass sie entweder Input ( xk ! 0 und yk 0 ) oder Output ( xk 0 und yk ! 0 ) des Produktionssystems darstellen. Der Fall, dass eine Objektart sowohl als Input als auch als Output ( xk ! 0 und yk ! 0 ) auftritt, kommt beispielsweise in der chemischen Industrie bei unvollständigem Umsatz der eingebrachten Inputobjektarten oder bei Zukauf und Verkauf von Handelswaren zur Vervollständigung des Sortiments vor. Ebenso kann es passieren, dass aufgrund von Kapazitätsengpässen ein teilweiser Zukauf von Zwischen- und Endprodukten erfolgt. Die im Produktionssystem tatsächlich hergestellte Menge einer Objektart k ergibt sich dann als Nettooutput zk t 0 bzw. im umgekehrten Fall als Nettoinput zk d 0 . Für die weiteren Überlegungen wird vereinfachend angenommen, dass die beachteten Objektarten k 1,...,N eindeutig in die Inputobjektarten i 1,..., m und die Outputobjektarten j m  1,..., m  n aufgeteilt werden können, d.h. eine Objektart k ist entweder Systeminput oder Systemoutput. Damit gilt:

z

1

§ z1 · ¨ ¸ ¨  ¸ ¨ z ¸ ¨ m ¸ ¨ zm 1 ¸ ¨ ¸ ¨  ¸ ¨z ¸ © m n ¹

§ 0 · § x1 · ¨ ¸ ¨ ¸ ¨  ¸ ¨  ¸ ¨ 0 ¸ ¨x ¸ ¨ ¸¨ m¸ ¨ ym  1 ¸ ¨ 0 ¸ ¨ ¸ ¨ ¸ ¨  ¸ ¨  ¸ ¨y ¸ ¨ ¸ © m n ¹ © 0 ¹

§  x1 · ¨ ¸ ¨  ¸ ¨x ¸ ¨ m ¸  IR m  n ¨ ym  1 ¸ ¨ ¸ ¨  ¸ ¨y ¸ © m n ¹

(4.5)

Der Begriff „Produktionsprogramm“ bezieht sich in der produktionswirtschaftlichen Literatur oft nur auf den Output an Hauptprodukten. In diesem Buch verwenden wir dafür die Bezeichnung Erzeugnisprogramm.

Lektion 4: Objekte und Aktivitäten

51

Die gesamten in einem Zeitraum eingesetzten Inputmengen einer Objektart i bzw. die ausgebrachten Outputmengen einer Objektart j werden auch als Durchsatz ri t 0 bzw. r j t 0 bezeichnet. Im Beispiel der Lederwarenproduktion aus Abschnitt 4.1 könnten etwa innerhalb eines Tages 40 Paar Schuhe ( y4 ), 60 Taschen ( y5 ) und als Kuppelprodukt 2.700 g Lederreste ( y6 ) produziert werden, wofür insgesamt 5.000 Arbeitsminuten ( x1 ), 2.500 Nähmaschinenminuten ( x2 ) sowie 30 m2 Leder ( x3 ) eingesetzt werden müssen. Die Produktionsaktivität des Input/Output-Prozesses Lederwarenproduktion ergibt sich damit für den Zeitraum eines Tages zu

z

4.3

0 · § 5.000 [min] · § ¸ ¸ ¨ ¨ 0 ¸ ¨ 2.500 [min] ¸ ¨ ¸ ¨ 30 [ m 2 ] ¸ ¨ 0 ¸ ¸¨ ¨ ¸ ¨ 40 [ Paar ] ¸ ¨ 0 ¸ ¸ ¨ ¨ 0 ¸ ¨ 60 [ Stück ] ¸ ¨ ¸ ¨ 2.700 [ g ] ¸ ¨ 0 ¹ ¹ © ©

§  5.000 [min] · ¸ ¨ ¨  2.500 [min] ¸ ¨  30 [ m 2 ] ¸ ¸. ¨ ¨ 40 [ Paar ] ¸ ¸ ¨ ¨ 60 [ Stück ] ¸ ¨ 2.700 [ g ] ¸ ¹ ©

Praktische Darstellungen von Produktionsaktivitäten

Neben der algebraischen Darstellung von Produktionsaktivitäten sind insbesondere in der Praxis auch Input/Output-Tabellen (I/O-Tabellen) sowie Input/Output-Grafen (I/O-Grafen) üblich (vgl. Tabelle 4.1 und Bild 4.2). Beide Darstellungsformen beinhalten eine Visualisierung derjenigen Inputund Outputobjektarten, welche bei der Modellierung eines Produktionssystems zu beachten sind, sowie die in einer gegebenen Periode eingesetzten und ausgebrachten Mengen. Tabelle 4.1: I/O-Tabelle des Lederwarenherstellers

INPUT (1) Arbeit [min] (2) Nähmaschine [min] (3) Leder [m2]

5.000 2.500 30

(4) Schuhe [Paar] (5) Taschen [Stück] (6) Lederreste [g]

OUTPUT 40 60 2.700

Tabellarische Darstellungen sind in der Fertigungsindustrie in Form von Stücklisten (vgl. Bild 4.3 und 13.1) und Arbeitsplänen (vgl. Bild 4.4) oder in der Prozessindustrie in Form von Rezepturen bzw. Stoff- und Energiebilanzen (vgl. Tabelle 4.2) gebräuchlich.

52

Kapitel B: Entscheidungsorientierte Produktionstheorie

Arbeit

Nähmaschine

40 Paar

5.000 min

2.500 min

Lederverarbeitung

2

Leder

60 Stück

2.700 g

30 m

Schuhe

Taschen

Lederreste

Bild 4.2: I/O-Graf des Lederwarenherstellers (Quelle: Dyckhoff (2006), Bild 1.4) Tabelle 4.2: Spezifische Stoff- und Energiebilanz eines Elektrostahlwerks (pro Tonne (t) Stahl) (Quelle: Spengler et al. (1998b))

INPUT

OUTPUT

Schrott [kg/t]

1.120

Fertigprodukt (gewalzt) [kg/t]

1.000

Elektrische Energie [kWh/t] Erdgas [kWh/t] Flüssiggas [kWh/t]

579,3 296,2 47,4

Elektroofenschlacke [kg/t] Pfannenschlacke [kg/t]

149,2 15,9

Sauerstoff [Nm³/t]

45,6

Feuerfestausbruch [kg/t]

6,1

Walzen-, Stranggusszunder [kg/t]

18,6

Staub [kg/t]

17,7

Eigenschrott [kg/t] (Separationsschrott)

48,7

Produktionsabwasser [m³/t] (Direkteinleitung)

5,8

Kalk [kg/t]

56

Kohle [kg/t]

12,5

Legierungsmittel [kg/t] (je nach Stahlqualität) Brunnenwasser (Kühlung, Entzunderung, ...) [m³/t]

13,9 (Grundstahl) 5,92

Feuerfestausmauerung [kg/t]

1,9-25,1

Lärm [dB(A)] im Nahbereich eines Elektroofens

125-139

Graphitelektroden [kg/t]

1,5-4,5

Abgasvolumenstrom [m³/h]

1,2 Mio.

Grafische Darstellungen umfassen beispielsweise Explosionsdarstellungen zur Planung von Montage- und Demontageprozessen in der Fertigungsindustrie (vgl. Bild 2.4), Sankey-Diagramme zur Darstellung von Energiebilanzen (vgl. Bild 4.5) oder auch Fließbilder zur Visualisierung von Stoff- und Energieflüssen in der Prozessindustrie (vgl. Bild 4.6).

Lektion 4: Objekte und Aktivitäten

STRUKTURSTÜCKLISTE

53

Seite 1

Teil: Elektromotor, Teile-Nr.: E10 Stufe Teile-Nr. Teilebezeichnung Maßeinheit Menge 1 901 Gehäuse (komplett) St 1 .2 891 Gehäuse mit Ständerbl.-paket St 1 ..3 870 Gehäuseblock (Alu) St 1 ...4 130 Aluminiumbarren kg 0,5 ..3 790 Ständerblechpaket komplett St 1 ...4 700 Ständerblechlamelle St 34 ....5 110 Elektroblechrolle 200 mm m 0,02 ...4 400 Niete 4x150 mm St 6 .2 740 Ständerwicklung St 1 ..3 120 Kupferdraht Ø 0,5 mm m 38 1 830 Welle komplett St 1 .2 770 Läuferblechpaket komplett St 1 ..3 780 Läuferblechlamelle St 34 ...4 110 Elektroblechrolle 200 mm m 0,02 ..3 130 Aluminiumbarren kg 0,2 .2 500 Kugellager St 2 .2 101 Rundstahl 37x30 mm St 250 1 860 Lagerdeckel m. Durchbruch St 2 .2 880 Lagerdeckel (Alu) St 1 ..3 130 Aluminiumbarren kg 0,3 1 750 Fußplatte 30x40 mm St 1 .2 140 Blechtafel St 37 St 1 1 510 Klemmenkastendeckel St 1 1 490 Klemmenbrett 3-polig St 1 1 470 Mutter M 4 St 1 1 460 Festkupplung Ø 14 mm St 1 1 450 Kondensator 16 µF St 1 1 440 Sechskantschraube M 4x200 St 4 1 420 Sechskantschraube M 4x10 St 2 1 410 Sechskantschraube M 8x30 St 4 Bild 4.3: Auszug aus einer Strukturstückliste (nach Kurbel (1993), S. 80)

..

54

Kapitel B: Entscheidungsorientierte Produktionstheorie

Bild 4.4: Beispiel eines Arbeitsplans (Quelle: Zäpfel (1982), S. 81)

Lektion 4: Objekte und Aktivitäten

Abfall Heizwert Feuchtegehalt Asche/Schlacke

55

1 Tonne 10000 kJ/kg 25% 25%

Bruttoenergiegehalt 2777 kWh Erdgas für Prozesse 80 kWh (mit Reststoffeinschmelzung ca. 256 kWh)

Feuerungs-ProzessVerluste 507 kWh

Dampfturbine

Dampf zur Verstromung 2350 kWh

Verluste 1565 kWh

Elektrogenerator Erzeugte elektr. Energie 785 kWh

Strom - Eigenbedarf 145 kWh Elektrische Nutzenergie an Elektrizitätswerk

640 kWh

Bild 4.5: Energiebilanz (Sankey-Diagramm) für ein modernes Rostfeuerungssystem (Quelle: Haltiner (1997), S. 36)

56

Kapitel B: Entscheidungsorientierte Produktionstheorie

Bild 4.6: Vereinfachtes Fließbild der Rohstahlproduktion in integrierten Hüttenwerken (Quelle: Spengler (1998), Abbildung 4-17)

Die in der Praxis vorliegenden grafischen und tabellarischen Darstellungen industrieller Produktionsprozesse werden oftmals bereits in der Phase der Produkt- und Prozessentwicklung von Ingenieuren erstellt und bilden damit den Ausgangspunkt einer produktionswirtschaftlichen Modellierung (I/OGrafen, I/O-Tabellen, Aktivitätsvektoren), die sich von den vorliegenden ingenieurwissenschaftlichen Modellen vor allem durch prozesstechnische Vereinfachungen und Einschränkungen der aufgeführten Stoff- und Energieflüsse auf die im Rahmen des Produktionsmanagements zu beachtenden Objektarten unterscheiden.

Lektion 4: Objekte und Aktivitäten

57

Tabelle 4.3: I/O-Tabelle bzw. Produktionsaktivität der Rohstahlproduktion aus Bild 4.6 (ohne Innenstruktur) (Quelle: Spengler (1998), Tabelle 4-5) [kg/t bzw. m³/t Rohstahl] Nr. Stoff

Input/Output

Nr.

Stoff

Input/Output

1

Erz A

-87,08

19

Sauerstoff

-51,10

2

Erz B

-112,70

20

Zuschlag F

-53,92

3

Erz C

-48,90

21

Legierungsmittel A

4

Zuschlag A

-7,90

22

Legierungsmittel B

5

Zuschlag B

-40,46

23

Rohstahl

n.a. n.a. 1.000,00

6

Koks

-23,04

26

Gichtstaub

0,00

8

Pellets A

-562,26

27

Gichtschlamm

2,74

9

Pellets B

-176,36

28

Hochofenschlacke

10 Stückerz A-C

-202,25

29

Prozessgas A

11 Wind

-935,42

30

Konverterstaub, fein

0,00

12 Koks

-357,95

31

Konverterstaub, grob

0,00

203,12 1.464,42

13 Zuschlag C

-9,56

32

Konverterschlacke

78,09

14 Zuschlag D

-16,96

33

Prozessgas B

89,28

15 Zuschlag E

-42,29

35

Walzzunder

-21,82

-62,00

36

Walzzunderschlamm

-165,87

38

Sekundärstaub

16 Öl 18 Schrott

-3,02 0,82

Die in dieser Lektion vorgestellte Modellierung von Produktionssystemen basiert auf einer so genannten Black-Box-Darstellung. Die Produktionsaktivität z  IR m  n enthält lediglich diejenigen Objektarten, die Input bzw. Output des Systems sind und damit die Systemgrenze (Bilanzhülle) überschreiten. Dem Modellierungsansatz liegt daher eine einstufige, statische Betrachtungsweise zugrunde, die dazu führt, dass im Falle mehrstufiger Prozesse auftretende Zwischenprodukte vernachlässigt werden, sofern sie vollständig innerhalb der Bilanzhülle verbleiben. Im Beispiel aus Bild 4.6 ist dies für die Zwischenprodukte Fertigsinter (k=7), Sinterstaub (k=24), Roheisen (k=17), Gießhallenstaub (k=25), Kreislaufstoffe (k=34) und Eisenschwamm (k=37) der Fall, die nicht in der zugehörigen I/O-Tabelle (vgl. Tabelle 4.3) enthalten sind. Die unmittelbar daraus ableitbare Produktionsaktivität z  IR 38 nimmt damit in den entsprechenden Komponenten k=7, 17, 24, 25, 34, 37 den Wert Null an. Durch die Black-Box-Darstellung gehen wesentliche Informationen über Prozessschritte und Zwischenprodukte sowie deren stoffliche und energetische Verflechtungen und damit die innere Struktur verloren. Der Modellierungsansatz eignet sich daher allenfalls zur Ex-post-Analyse einer abgelaufe-

58

Kapitel B: Entscheidungsorientierte Produktionstheorie

nen Berichtsperiode, aber nur sehr eingeschränkt zur Entwicklung hierauf aufbauender quantitativer Entscheidungsmodelle für das Produktionsmanagement. Hierfür ist eine deutlich detailliertere Sichtweise, d.h. ein Aufbrechen der Black-Box in verschiedene Subsysteme erforderlich, die ihrerseits nun wiederum als Black-Boxes mittels Produktionsaktivitäten modelliert werden können, so dass die innere Struktur des Systems erhalten bleibt. Das in der vorliegenden Lektion vorgestellte Konzept der Produktionsaktivität ist demgemäß entsprechend zu erweitern und in einen systematischen Modellierungsrahmen realer Produktionssysteme einzuordnen. Dies ist Gegenstand der von Koopmans (1951) entwickelten Aktivitätsanalyse, die von Wittmann (1968) auf Fragestellungen der betrieblichen Produktionswirtschaft angewendet wurde. In den folgenden Lektionen 5 sowie 8 - 11 wird dieser Modellierungsansatz konsequent entwickelt und anhand praktischer Beispiele verdeutlicht.

Hinweise zum vertieften Studium 1) Zur Relevanz von Objekten für betriebliche Analysen siehe etwa Busse von Colbe/ Laßmann (1991), Abschnitt 5, und Kosiol (1972), S. 108-124. 2) Mit der fundamentalen Mengenbilanzgleichung (4.1) setzen sich Souren/Rüdiger (1998) detailliert auseinander. 3) Praktische Darstellungen von Produktionsaktivitäten findet man beispielsweise bei Rentz (1979), Spengler (1998), Schultmann (2003).

Übungsaufgaben (Dyckhoff/Ahn/Souren (2004)) Übungsaufgaben 1.2, 1.3

5 Techniken und Restriktionen

5.1 Techniken der Produktion 5.2 Grundlegende Technikformen 5.2.1 Größeneffekte 5.2.2 Additivität 5.2.3 Linearität und Konvexität 5.3 Produktionsmöglichkeiten 5.4 Produktionsdiagramme 5.5 Systematische Modellierung realer Produktionssysteme – Fallstudie 5.5.1 Grey-Box-Modelle in der Systemverfahrenstechnik 5.5.2 Fallstudie zur systematischen Modellierung

Die Ex-ante-Planung von Produktionssystemen erfordert im Gegensatz zu einer reinen Ex-post-Analyse vertiefte Einsichten in Ursache-Wirkungszusammenhänge. Nur so können die Konsequenzen unterschiedlicher Handlungsalternativen bereits im Vorfeld ermittelt werden. In der vorliegenden Lektion wird ein auf der Aktivitätsanalyse basierender Modellierungsansatz vorgestellt. Hierzu erfolgt zunächst die Definition des Begriffs Technik und eine sich anschließende Diskussion grundlegender Technikformen. Die mit Hilfe einer gegebenen Technik in einer zugrunde gelegten Periode realisierbaren Durchsätze bzw. erzielbaren Produktionsmengen werden durch knappe Ressourcen begrenzt. Ressourcenbeschränkungen und andere Umfeldrestriktionen determinieren so die tatsächlich realisierbaren Produktionsmöglichkeiten. Abschließend wird anhand einer Fallstudie aufgezeigt, wie der entwickelte Modellierungsrahmen zur systematischen Modellierung realer Produktionssysteme in der Praxis angewendet werden kann.

5.1

Techniken der Produktion

Wie in Lektion 4 bereits aufgezeigt, lassen sich für ein als Black-Box gegebenes Produktionssystem die in einer betrachteten Periode ein- bzw. ausgebrachten Objektarten ohne explizite Berücksichtigung von Zwischenprodukten als Produktionsaktivitäten z  IR m  n darstellen. Zur Kennzeichnung sämtlicher in der Periode prinzipiell möglichen Produktionsaktivitäten werden diese um einen Index U zu z U  IRN erweitert. Die im Beispiel der Lederwarenproduktion für einen Tag ermittelte Produktionsaktivität der Tabelle 4.1 bzw. des Bildes 4.2

60

Kapitel B: Entscheidungsorientierte Produktionstheorie

z0

 5.000 ,

 2.500 ,  30 , 40 , 60 , 2.700

kann auch als Zeilenvektor z 0  IR6 angegeben werden. Sie liefert allerdings keine Aussagen über am gleichen Tag alternativ mögliche Produktionsprogramme hinsichtlich der herstellbaren Hauptprodukte Schuhe und Taschen. Zu diesem Zweck ist es notwendig, etwa durch Analyse der zugehörigen Stücklisten und Arbeitspläne, detaillierte Informationen über die Durchsätze zur Produktion eines Paars Schuhe oder alternativ einer Tasche zu ermitteln und in Form so genannter Grundaktivitäten (Basisaktivitäten) wie folgt darzustellen:

z1

 50 ,

 40 ,  0 ,15 , 1, 0 , 30 Æ ein Paar Schuhe

z2

 50 ,

 15 ,  0 ,40 , 0 , 1, 25 Æ eine Tasche

Die Grundaktivität z 1 sagt aus, dass zur Herstellung eines Paars Schuhe 50 Arbeitsminuten, 40 Nähmaschinenminuten und 0,15 m2 Leder benötigt werden. Als Output entstehen dann das gewünschte Paar Schuhe, keine Tasche, aber als Kuppelprodukt zwangsläufig 30 g Lederreste. Analog lässt sich die Grundaktivität z 2 zur Herstellung einer Tasche interpretieren. Da beide Hauptprodukte durch entsprechende Durchführung der zugehörigen Grundaktivitäten zwar unabhängig voneinander hergestellt werden können, allerdings im Fall knapper Ressourcen um diese konkurrieren, handelt es sich um eine Alternativproduktion. Auf Basis dieser beiden Grundaktivitäten ist es nun möglich, durch 40-fache Durchführung von z 1 und 60-fache Durchführung von z 2 die Produktionsaktivität z 0 zu generieren und so das zugehörige Produktionsprogramm mit den Erzeugnismengen y4 40 und y5 60 während des betrachteten Tages zu realisieren:1

z0

1

§  50 · §  50 · ¨ ¸ ¨ ¸ ¨  40 ¸ ¨  15 ¸ ¨  0,15 ¸ ¨  0,4 ¸ ¸  60 ˜ ¨ ¸ 40 ˜ z 1  60 ˜ z 2 40 ˜ ¨ ¨ 1 ¸ ¨ 0 ¸ ¨ ¸ ¨ ¸ ¨ 0 ¸ ¨ 1 ¸ ¨ 30 ¸ ¨ 25 ¸ © ¹ © ¹

Die eigentliche „Aktivität“ a  A des Produzenten bezieht sich demnach auf die DurchU führung der Grundaktivitäten, welche nachfolgend mit den Variablen O als Stellgrößen bzw. Aktivitätsniveaus modelliert sind. Der durch die Stellgrößen bestimmte Vektor z z( O1 , O2 ) beschreibt das daraus resultierende „Produktionsprogramm“, wird aber verkürzend auch als Aktivität bezeichnet.

Lektion 5: Techniken und Restriktionen

61

Bezeichnet man die Anzahl der Durchführungen einer Grundaktivität z U mit OU  IN0 (hier für U 1 und U 2 ), so lassen sich alle theoretisch möglichen Produktionsaktivitäten z  IR6 durch folgende Technik T beschreiben:

T

^z  IR

6

|z

O1 ˜ z1  O2 ˜ z 2 mit O1 , O2  IN 0

`

Für O1 40 und O2 60 ergibt sich damit z z 0 . Sämtliche Aktivitäten z  T lassen sich so als additive Kombination der beiden Grundaktivitäten darstellen. Im vorliegenden Lehrbuch werden Aktivitäten gleichbedeutend sowohl als Zeilenvektoren als auch als Spaltenvektoren angegeben, ohne jedes Mal die Transpositionszeichen streng mathematisch anzugeben, solange dadurch keine Missverständnisse auftreten können. Ausschlaggebend für die Wahl der Darstellungsweise sind lediglich der benötigte Platzbedarf sowie die Übersichtlichkeit der Darstellung. Allgemein heißt eine Menge T, die wie folgt definiert ist:

T

^z  IR

N

`

| z ist eine prinzipiell mögliche Aktivität  IRN

(5.1)

Technik oder Technologie(menge). Der Index N bezeichnet dabei die Anzahl der beachteten Objektarten. Dieser Modellierungsansatz lässt sich grundsätzlich auf alle Produktionssysteme und Industriebranchen anwenden, wobei sich die Berechnung der prinzipiell möglichen Aktivitäten unterscheidet. Gleichermaßen können Dienstleistungsprozesse aktivitätsanalytisch modelliert werden.

Zur Illustration sei an dieser Stelle ein einfaches Beispiel einer auf Cobb/ Douglas (1928) zurückgehenden Technikform skizziert, die in der Volkswirtschaftslehre besondere Bedeutung erlangt hat.2 Mittels der beiden Inputobjektarten Boden ( x1 ) und Arbeit ( x2 ) können beispielsweise Erdbeeren als Outputobjektart ( y3 ) produziert werden. Die dreidimensionale Technik ( N 3 ) sei auf Basis empirischer Untersuchungen etwa wie folgt ermittelt worden (mit a ,b , c ! 0 ):

T

­§ z1 · ½ °¨ ¸ 3 b c° ®¨ z 2 ¸  IR | z 1 , z 2 d 0, 0 d z 3 d a ˜ ( z1 ) ˜ ( z 2 ) ¾ °¨ z ¸ ° ¯© 3 ¹ ¿

Für a=5, b=1,5 und c=0,5 ergibt sich das in Bild 5.1 dargestellte dreidimensionale Ertragsgebirge, unterhalb dessen alle prinzipiell möglichen Produkti2

Das Zahlenbeispiel ist rein willkürlich gewählt und soll keinerlei empirische Aussagen über die Landwirtschaft machen.

62

Kapitel B: Entscheidungsorientierte Produktionstheorie

onsaktivitäten liegen. Zur produktionswirtschaftlichen Analyse der Technik können zweidimensionale Schnitte durch das Ertragsgebirge gezogen werden, die in der Darstellung durch fette Linien gekennzeichnet sind. Sie entsprechen jeweils dem konstanten Einsatz eines der beiden Inputobjektarten ( z1 4 bzw. z 2 1 ) oder einer konstanten Ausbringung der Outputobjektart ( z3 50 ). Hierauf wird in Abschnitt 5.4 kurz eingegangen.

Bild 5.1: Ertragsgebirge einer dreidimensionalen Technik (nach Dyckhoff (1994), Abb. 4.4)

5.2

Grundlegende Technikformen

Die Modellierung realer Produktionssysteme durch Aktivitäten und Techniken erfordert ein hohes Maß an technisch-naturwissenschaftlichem Wissen einerseits und praktischen „Ingenieur“-Erfahrungen andererseits. Je nach Industriebranche und dort vorherrschenden prozessbezogenen Charakteristika, wie Vergenztypen, Stufigkeiten, Repetitionstypen, Anordnungstypen

Lektion 5: Techniken und Restriktionen

63

sowie natur- und ingenieurwissenschaftlichen Prozesstypen (vgl. Lektion 2), sind unterschiedliche Anforderungen an die Modellierung zu stellen. Von grundlegender Bedeutung sind dabei die folgenden Eigenschaften, die unterschiedliche Technikformen implizieren: -

5.2.1

Größenprogression, -degression und -proportionalität Additivität Linearität Konvexität. Größeneffekte

Größeneffekte betreffen die Skalenvariation, wenn für ein bestimmtes O ! 0 gilt:

z T Ÿ O ˜ z T

(5.2)

Der Skalenparameter O ! 0 definiert somit eine mögliche Veränderung des Skalenniveaus bzw. der Größe der Produktion z. Es werden hierbei sämtliche Input- und Outputquantitäten proportional verändert, d.h. für O 2 verdoppelt bzw. für O 0 ,5 halbiert. Ob Skalenvariationen technisch möglich sind, hängt von der jeweiligen Technik ab. In Abhängigkeit der erlaubten Werte des Parameters O unterscheidet man folgende drei Fälle (vgl. Bild 5.2). (1) Größenprogressive Technik:

O ! 1 , d.h. alle Niveauerhöhungen sind zulässig

(2) Größendegressive Technik:

0 d O  1 , d.h. alle Niveausenkungen sind zulässig

(3) Größenproportionale Technik:

O t 0 , d.h. alle beliebigen Niveauerhöhungen und -senkungen sind zulässig

Man spricht in den drei genannten Fällen auch von Techniken mit nicht abnehmenden, nicht zunehmenden bzw. konstanten Skalenerträgen.

64

Kapitel B: Entscheidungsorientierte Produktionstheorie

z2

z2

z2

· Tb

Ta

·

z1 (a)

z1 (b)

Tc

· z1 (c)

Bild 5.2: (a) Größenprogressive, (b) größendegressive und (c) größenproportionale Technik (Quelle: Dyckhoff (2006), Bild 2.2)

Größenproportionale Techniken werden in der Literatur auch als linearhomogen bezeichnet. Die Nicht-Produktion, d.h. der Stillstand des Produktionssystems ist mit O 0 immer Bestandteil sowohl größendegressiver als auch größenproportionaler Techniken. 5.2.2

Additivität

Additive Techniken zeichnen sich dadurch aus, dass die Summe zweier beliebiger zur Technik T gehörender Aktivitäten wiederum zur Technik T gehört:

Für alle z 1 , z 2  T gilt : z 1  z 2  T

(5.3)

Der Vektor z 1  z 2 wird als (Additiv-)Kombination der beiden Aktivitäten z 1 und z 2 bezeichnet (vgl. Bild 5.3b). Im Beispiel der Lederwarenproduktion gilt etwa:

z1  z 2

§  50 · §  50 · ¨ ¸ ¨ ¸ ¨  40 ¸ ¨  15 ¸ ¨  0 ,15 ¸ ¨  0 ,4 ¸ ¨ ¸¨ ¸ ¨ 1 ¸ ¨ 0 ¸ ¨ ¸ ¨ ¸ ¨ 0 ¸ ¨ 1 ¸ ¨ 30 ¸ ¨ 25 ¸ ¹ © ¹ ©

§  100 · ¨ ¸ ¨  55 ¸ ¨  0 ,55 ¸ ¨ ¸ T ¨ 1 ¸ ¨ ¸ ¨ 1 ¸ ¨ 55 ¸ © ¹

z 1  z 2 bezeichnet damit eine Aktivität zur Herstellung eines Paars Schuhe und einer Tasche. Diese Aktivität ließe sich nun wieder zu z 1 oder z 2 oder

Lektion 5: Techniken und Restriktionen

65

auch zu sich selbst addieren, so dass hierdurch viele verschiedene Kombinationen aus Schuhen und Taschen prinzipiell möglich sind. Dies ließe sich in der Praxis etwa durch Parallelproduktion in verschiedenen Produktionssegmenten oder zeitlich hintereinander im gleichen Produktionssegment verwirklichen. Additivität erlaubt beliebig häufige Wiederholungen bzw. parallele Ausführungen ein und derselben Aktivität. Jede O -fache Kombination O ˜ z einer Aktivität z mit sich selbst ist möglich ( O  IN ). Additive Techniken sind damit immer auch diskret größenprogressiv. 5.2.3

Linearität und Konvexität

Eine Technik, die sowohl additiv als auch größenproportional ist, heißt linear. Für eine lineare Technik gilt stets, dass auch alle nicht negativen Linearkombinationen der betreffenden Aktivitäten möglich sind: z 1  T , z 2  T , O1 t 0 , O2 t 0 Ÿ O1 ˜ z 1  O2 ˜ z 2  T

(5.4)

Bild 5.3c zeigt eine auf Basis zweier Grundaktivitäten z 1 und z 2 gebildete lineare Technik, die sämtliche Aktivitäten umfasst, die durch die beiden Prozessstrahlen O1 ˜ z 1 und O2 ˜ z 2 nach außen begrenzt werden. Die beiden Prozessstrahlen allein definieren eine größenproportionale Technik (Bild 5.3a), die zwischen ihnen liegenden Aktivitäten ergeben sich aufgrund der Additivitätseigenschaft. Man erkennt, dass lineare Techniken Kegelform besitzen, mit der Kegelspitze im Ursprung des Koordinatensystems, so dass man auch von konvexen Kegeltechniken spricht. Wird die Prämisse in (5.4) abgeschwächt, so dass diese nur für solche Parameter O1 t 0 und O2 t 0 erfüllt sein muss, die sich zum Wert eins ergänzen: O1  O2 1 , führt dies zum Begriff der konvexen Technik: z 1 , z 2  T , O1 , O2 t 0 , O1  O2

1 Ÿ O1 ˜ z 1  O2 ˜ z 2  T

(5.5)

Grafisch bedeutet Konvexität, dass die Verbindungsstrecke zweier Punkte aus T vollständig zu T gehören. Der Ausdruck O1 ˜ z 1  O2 ˜ z 2 heißt Konvexkombination der Aktivitäten z 1 und z 2 , wobei die Skalenfaktoren O1 und O2 den jeweiligen Bruchteil angeben, mit dem die Aktivitäten beteiligt sind. Die Skalenfaktoren lassen sich etwa als prozentuale Anteile an der Gesamtarbeitszeit der Periode interpretieren, innerhalb derer die beiden Aktivitäten durchgeführt werden.

66

Kapitel B: Entscheidungsorientierte Produktionstheorie

Lineare Techniken bilden somit Spezialfälle konvexer Techniken. Dies bedeutet, dass jede lineare Technik auch konvex ist, jedoch nicht notwendigerweise jede konvexe Technik auch linear ist. Die in Bild 5.2b dargestellte Technik Tb ist konvex, jedoch nicht linear; Tc in Bild 5.2c ist linear und damit auch konvex. z2 4 3 z2

2 1

z1 8

7

6

5

4

2

3

(a)

z1

1 z2 4 3

z2

2 z1

8

7

6

5

4

2

3

(b)

1 z1

1 z2 4 3

z

2

1

z1 8

7

6

5

4

3

(c)

2

2

1

z1

Bild 5.3: (a) Größenproportionale, (b) additive und (c) lineare Technik (Quelle: Dyckhoff (1994), Abb. 11.2)

Lektion 5: Techniken und Restriktionen

67

Konvexe und auch lineare Techniken spielen aufgrund ihrer mathematischen Eigenschaften, aber auch aus inhaltlichen Gründen traditionell eine wichtige Rolle in der ökonomischen Theorie. Einschränkend sei allerdings erwähnt, dass diese ebenso wie größendegressive und größenprogressive Techniken die beliebige Teilbarkeit der Aktivitätsniveaus OU und der Objektquantitäten voraussetzen, was in der Praxis oftmals nicht gegeben ist (z.B. erfordert die Produktion von Stückgütern ganzzahlige Aktivitätsniveaus). Hierauf wird in Lektion 8 eingegangen.

5.3

Produktionsmöglichkeiten

Lineare und größenproportionale Techniken unterliegen mit Ausnahme der trivialen Technik T={0} per se keinerlei Beschränkungen hinsichtlich der Input- und Outputquantitäten. Techniken stellen insofern quasi wie „Blaupausen“ lediglich die prinzipiellen Möglichkeiten dar, so wie sie sich aus dem wissenschaftlichen und technischen Know-how ableiten lassen, soweit keinerlei Beschränkungen hinsichtlich Input und Output existieren würden. Inputobjektarten sind in der Realität jedoch nur beschränkt verfügbar, und auch für die Outputobjektarten gibt es Schranken, insbesondere wegen Absatz- oder umweltrechtlich vorgegebener Emissionsgrenzen. Eine Ausnahme bilden scheinbar jene Objektarten, die als freie Güter angesehen werden und damit (vermeintlich) unbeschränkt zur Verfügung stehen, wie etwa Luft oder einem Vorfluter entnommenes Kühlwasser. Die Produktion ist jedoch üblicherweise durch eine Reihe von Engpässen gekennzeichnet. Inputseitig besteht eine Begrenzung durch knappe Ressourcen auf den Beschaffungsmärkten für Roh-, Hilfs- und Betriebsstoffe und Zulieferteile. Throughputseitig sind die Kapazitäten der im Planungszeitraum verfügbaren Produktionsanlagen und Arbeitskräfte knapp. Outputseitig ist die Produktion schließlich durch Absatzmengenbeschränkungen der produzierten Haupt- und Nebenprodukte gekennzeichnet. Darüber hinaus sind oftmals Mindestliefermengen aufgrund getroffener Liefervereinbarungen sowie maximal mögliche Schadstoffemissionen in die Umweltmedien Luft, Wasser und Boden aufgrund umweltrechtlicher Regelungen zu beachten. Sämtliche extern vorgegebenen Restriktionen in Bezug auf die Einsatz- und Ausbringungsmengen bilden das so genannte Restriktionsfeld R  IRN . Es beschreibt diejenigen Aktivitäten, die ohne Beachtung der einem Produktionssystem zugrunde liegenden Technik zulässig wären. Die Schnittmenge Z T ˆ R der Technik T und des Restriktionsfelds R bildet den so genannten Produktionsraum und umfasst damit alle diejenigen Produktionsaktivitäten, die sowohl technisch als auch unter Berücksichtigung der gegebenen Restriktionen im Planungszeitraum realisierbar sind.

68

Kapitel B: Entscheidungsorientierte Produktionstheorie

Im einfachsten Fall absoluter Schranken sind die für eine Objektart k zu berücksichtigenden Restriktionen durch Größen zkmin  IR für die untere Schranke und zkmax  IR für die obere Schranke ( zkmin d zkmax ) gegeben. Im diskreten Fall wären lediglich ganzzahlige Unter-/Obergrenzen zugelassen.

R

­ ° ®z ° ¯

§ z1 · ¨ ¸ N min max ¨  ¸  IR | zk d z k d z k , für k ¨z ¸ © N¹

½ ° 1,...,N ¾ ° ¿

(5.6)

Untere Grenzen definieren maximale Einsatzmengen für Inputobjektarten und minimale Ausbringungsmengen für Outputobjektarten. Obere Grenzen definieren minimale Einsatzmengen für Inputobjektarten und maximale Ausbringungsmengen für Outputobjektarten. Im Beispiel der Lederwarenproduktion seien folgende Restriktionen gegeben:

z min

§  5.000 · ¨ ¸ ¨  3.000 ¸ ¨  30 ¸ ¨ ¸ ¨ 20 ¸ ¨ ¸ ¨ 10 ¸ ¨ 0 ¸ © ¹

und

z max

§ f· ¨ ¸ ¨ f¸ ¨ f¸ ¨ ¸ ¨ f¸ ¨ ¸ ¨ f¸ ¨ f¸ © ¹

Die durch zmin gegebenen unteren Grenzen bedeuten, dass in der betrachteten Planungsperiode maximal 5.000 Arbeitsminuten, 3.000 Nähmaschinenminuten und 30 m2 Leder zur Verfügung stehen. Gleichzeitig sind an Kunden zugesagte Lieferverpflichtungen für mindestens 20 Paar Schuhe und 10 Taschen zu erfüllen. Für das Kuppelprodukt Lederreste ist keine Mindestproduktionsmenge vorgegeben (sie können allerdings auch nicht fremdbezogen werden; sonst müsste es zkmin f heißen). Obere Grenzen sind durch z max nicht gegeben, da der Absatz der beiden Hauptprodukte sowie des Kuppelprodukts als unbegrenzt angenommen wird und ebenfalls keine Mindesteinsatzmengen für die Inputobjektarten gefordert werden. Das Restriktionsfeld R und die bereits in Abschnitt 5.1 formulierte Technik T können damit wie folgt angegeben werden:

Lektion 5: Techniken und Restriktionen

R

­ §  5.000 · ¨ ¸ ° ¨  3.000 ¸ ° ¨  30 ¸ °° 6 ¸ ® z  IR | z t ¨ ¨ ¸ 20 ° ¨ ¸ ° 10 ¸ ¨ ° ¨ 0 ¸ °¯ © ¹

T

­ ° ° °° 6 ® z  IR | z ° ° ° °¯

Z

½ ° ° ° min ° z ¾ ° ° ° ¿°

½ §  50 · §  50 · ¨ ¸ ¨ ¸ ° ¨  40 ¸ ¨  15 ¸ ° ¨  0 ,15 ¸ ¨  0 ,4 ¸ ° ¸  O2 ˜ ¨ ¸ , mit O1 , O2  IN 0 °¾ O1 ˜ ¨ ¨ 1 ¸ ¨ 0 ¸ ° ¨ ¸ ¨ ¸ ° 0 1 ¨ ¸ ¨ ¸ ° ¨ 30 ¸ ¨ 25 ¸ °¿ © ¹ © ¹

Der Produktionsraum Z ­ ° ° °° 6 ® z  IR | z ° ° ° ¯°

69

R ˆ T ergibt sich daraus zu: ½ §  50 · §  50 · §  5.000 · ¨ ¸ ¨ ¸ ¨ ¸ ° ¨  40 ¸ ¨  15 ¸ ¨  3.000 ¸ ° ¨ ¸ ¨ ¸ ¨ ¸ °° 1 ¨  0 ,15 ¸ 2 ¨  0 ,4 ¸ ¨  30 ¸ 1 2 O ˜ t O ˜ , O , O  IN 0 ¾ ¨ 1 ¸ ¨ 0 ¸ ¨ 20 ¸ ° ¨ ¸ ¨ ¸ ¨ ¸ ° 0 1 10 ¨ ¸ ¨ ¸ ¨ ¸ ° ¨ 30 ¸ ¨ 25 ¸ ¨ 0 ¸ © ¹ © ¹ © ¹ ¿°

Die durch die Aktivitätsniveaus O1 40 und O2 vitäten festgelegte Produktionsaktivität z0

 5.000,

60 der beiden Grundakti-

 2.500,  30, 40, 60, 2.700

ist demnach realisierbar. Man erkennt, dass die Kapazität der Nähmaschine (3.000 Minuten) deren Inanspruchnahme (2.500 Minuten) um 500 Minuten übersteigt, so dass sie in der betrachteten Planungsperiode keinen Engpass darstellt. Anders ist dies allerdings im Falle der Arbeitsminuten und des Leders, die beide vollständig eingesetzt werden und damit für eine Ausweitung der Erzeugnismenge jeweils einen Engpass der Produktion darstellen können. Neben absoluten Schranken liegen in der Praxis häufig auch relative Schranken vor, etwa dann wenn zwar die gesamte Ausbringungsmenge z k einer

70

Kapitel B: Entscheidungsorientierte Produktionstheorie

Outputobjektart k nicht nach oben beschränkt ist, aber dafür die Ausbringungsmenge z s eines (Schad-)stoffes s, der in der Objektart k maximal mit der Konzentration V sk enthalten sein darf. Dies führt dann zu folgenden Restriktionen: z s d V sk ˜ z k

s 1,..., S ; k

1,...,N

(5.7)

Relative Schranken sind insbesondere in der Umweltschutzgesetzgebung, z.B. in Form von Emissionsgrenzwerten gemäß Bundes-ImmissionschutzGesetz (BImSchG) üblich. Ein Beispiel wäre etwa die höchste zulässige Konzentration V sk 50 [ mg / m 3 Rauchgas ] für staubförmige Partikel s im Rauchgas k eines fossil befeuerten Kraftwerks. Im Rahmen dieses einführenden Lehrbuchs wird im Folgenden ausschließlich von absoluten Schranken ausgegangen.

5.4

Produktionsdiagramme

Zur grafischen Darstellung von Produktionsräumen sind zunächst die den Produktionsraum definierenden algebraischen Ungleichungen zu formulieren. Im Falle einstufiger Black-Box-Modelle spielen Zwischenprodukte keine Rolle, so dass sich hier die x,y-Schreibweise anbietet, da sie im Gegensatz zur z-Schreibweise negative Zahlen vermeidet. Im Beispiel der Lederwarenproduktion stellt sich der Produktionsraum Z damit wie folgt dar: x1

50 ˜ O1

x2 x3 y4

1

y5 y6

40 ˜ O 0 ,15 ˜ O1



50 ˜ O2 2

 15 ˜ O  0 ,4 ˜ O2

O1 1

30 ˜ O



O2 25 ˜ O2

d 5.000 d 3.000 d 30 und O1 , O2  IN0 t 20 t t

10 0

Die beiden Aktivitätsniveaus O1 und O2 können durch O1 y4 und O2 y5 substituiert werden, so dass sich der Produktionsraum Z wie folgt angeben lässt:

Lektion 5: Techniken und Restriktionen

x1

50 ˜ y4

x2 x3 y4

40 ˜ y4 0 ,15 ˜ y4

y5 y6



50 ˜ y5

d 5.000

 15 ˜ y5  0 ,4 ˜ y5

d 3.000 d 30 t 20



30 y4

71

t t

25 y5

10 0

(1) (2) (3) und y4 , y5  IN0 (4) (5) (6)

Produktionsdiagramme sind zweidimensionale Diagramme zwei- oder höherdimensionaler Techniken, die mit Hilfe von Koordinatensystemen Produktionsräume grafisch darstellen. Während zweidimensionale Techniken unmittelbar angegeben werden können, sind bei höherdimensionalen Techniken lediglich zweidimensionale Projektionen oder Schnitte hinsichtlich zweier ausgewählter Objektarten darstellbar. Im Beispiel der sechsdimensionalen Technik des Lederwarenherstellers wären es etwa die Anzahl der Paar Schuhe ( y4 ) und die Anzahl der Taschen ( y5 ). Sämtliche Restriktionen können nun gemäß Bild 5.4 in Abhängigkeit des Erzeugnisprogramms dieser beiden Hauptprodukte im Koordinatensystem übersichtlich eingezeichnet werden. Die sechste Restriktion ist für nichtnegative Erzeugnismengen immer erfüllt, so dass sie nicht weiter berücksichtigt wird.

z5 = y5

100

(4)

(2)

75 50 (3) 25

(1) (5) z4 = y 4

25

50

75

100

Bild 5.4: Produktionsdiagramm der Erzeugnisprogramme des Lederwarenherstellers (nach Fandel (2005), Abb. 2.8)

72

Kapitel B: Entscheidungsorientierte Produktionstheorie

Das grau schattierte Fünfeck beschreibt die konvexe Schnittmenge der Restriktionen (1) bis (5) in Bezug auf die möglichen Erzeugnisprogramme der beiden Hauptprodukte. Da die Lederverarbeitungstechnik des Beispiels zwar additiv, aber nicht linear ist, bilden allerdings nur die ganzzahligen Gitterpunkte des Fünfeckes zulässige Erzeugnisprogramme. An Stelle vom Erzeugnisprogramm (der Hauptprodukte) spricht man in der Literatur üblicherweise auch vom „(Haupt)Produktionsprogramm“. In diesem Buch ist gemäß Lektion 4.2 mit dem Produktionsprogramm die gesamte Produktionsaktivität hinsichtlich Input, Throughput und Output gemeint. Das zweidimensionale Erzeugnisdiagramm des Bildes 5.4 ist demnach die Projektion des sechsdimensionalen Produktionsraumes der möglichen Produktionsprogramme. Der Produktionsraum linearer Techniken lässt sich bei zwei Erzeugnissen immer als konvexe Menge, die durch die Begrenzungsgeraden des zugrunde liegenden Ungleichungssystems definiert wird, darstellen. In der praktischen Anwendung sind in der Regel jedoch viele Tausend verschiedene Objektarten zu beachten, so dass Produktionsdiagramme nicht erstellt werden können und damit der algebraischen Beschreibung des Produktionsraums eine hohe Bedeutung zukommt.

z3

y3

x2

z2 (a) z-Darstellung

(b) x,y-Darstellung

Bild 5.5: Faktor/Produkt- (bzw. Input/Output-) Diagramm mit abnehmenden Grenzerträgen (Quelle: Dyckhoff (1994), Abb. 4.3)

Neben dem in Bild 5.4 gezeigten Output/Output-Diagramm sind in der Betriebswirtschaftslehre auch Input/Output- sowie Input/Input-Diagramme verbreitet. So zeigt Bild 5.5 das Input/Output-Diagramm eines zweidimensionalen Schnitts durch das bereits in Bild 5.1 gezeigte dreidimensionale Ertragsgebirge der landwirtschaftlichen Produktion. Der Schnitt wird durch Fixieren des Inputfaktors Boden ( x1 ) erzeugt und zeigt die Abhängigkeit des ausge-

Lektion 5: Techniken und Restriktionen

73

brachten Erzeugnisses Erdbeeren ( y3 ) vom eingesetzten Input des Faktors Arbeit ( x2 ). Weitere mögliche Schnitte zur Konstruktion zweidimensionaler Produktionsdiagramme sind in Bild 5.1 als fette Linien angedeutet. Derartige Untersuchungen, bei denen ein Faktor konstant gehalten und der Output in Abhängigkeit nur eines einzigen Inputfaktors untersucht wird, werden auch als partielle Faktorvariation bezeichnet. Diese haben in der Produktionstheorie eine lange Tradition. Im folgenden Abschnitt wird ein modularer Ansatz zur systematischen Modellierung realer Produktionssysteme vorgestellt, der sich eng an die in der Systemverfahrenstechnik übliche Modellierung komplexer Systeme anlehnt. Dieser wird im Rahmen einer Fallstudie konkretisiert.

5.5

Systematische Modellierung realer Produktionssysteme – Fallstudie

5.5.1

Grey-Box-Modelle in der Systemverfahrenstechnik

Die Modellierung realer Produktionssysteme ist in vielerlei Hinsicht eine komplexe und oftmals nur interdisziplinär zu bewältigende Aufgabenstellung. Die Komplexität resultiert zum einen aus der Vielzahl der zu beachtenden Objektarten und zum anderen aus der Vielfalt der zu modellierenden Produktionsprozesse, die zudem durch verschiedenste technisch-naturwissenschaftliche Prozesscharakteristika gekennzeichnet sein können. Hilfreich für die Modellentwicklung komplexer Produktionssysteme ist der Systemgedanke. Nach Abgrenzung des für die zu untersuchende Fragestellung relevanten Produktionssystems und der Identifikation seiner Außenbezüge werden innerhalb des Systems sukzessive relevante Subsysteme herausgearbeitet und immer weiter detailliert. Aus dem ursprünglichen Black-Box-Modell, das lediglich die Außenbezüge des Systems abbildet, wird so durch schrittweise Disaggregation der Subsysteme ein so genanntes White-Box-Modell, das dann sämtliche Elementarprozesse und deren Verknüpfungen über Materialund Energieströme sowie sonstige immaterielle Leistungsbeziehungen (Innenbezüge) umfasst. Eine derart detaillierte Modellierung erscheint vor dem Hintergrund einer prozesstechnischen Optimierung bzw. einer rechnergestützten Prozesssteuerung und -regelung trotz des hohen Aufwands notwendig. Zur Untersuchung produktionswirtschaftlicher Fragestellungen ist der hohe Detaillierungsgrad eines White-Box-Modells in der Regel nicht erforderlich. Es muss ein der zu untersuchenden Fragestellung angemessener Detaillierungs- bzw. Aggregationsgrad bestimmt werden, der irgendwo zwischen dem White-Box-Modell und dem Black-Box-Modell liegt. Derartige Modelle werden auch als Grey-Box-Modelle bezeichnet (vgl. Bild 5.6, Stu-

74

Kapitel B: Entscheidungsorientierte Produktionstheorie

fen B und C). Dafür enthalten produktionswirtschaftliche Modelle im Unterschied zu rein produktionstechnischen Modellen auch Informationen über weitere relevante Aspekte sozialer oder wirtschaftlicher Natur.

Stufe A

Black-Box-Modell

Stufe B Dissaggregation

Stufe C

Grey-Box-Modell

Bild 5.6: Problemadäquate Modelldetaillierung (Quelle: Penkuhn (1997), Abb. 3.2)

Zur Abbildung eines realen Produktionssystems als Grey-Box-Modell ist das Originalsystem entsprechend der Zielsetzung der Untersuchung in geeignete Subsysteme, die so genannten Modellelemente, zu strukturieren. Die Verschaltung dieser Modellelemente erfolgt durch die jeweiligen Input-/Outputströme. Bei diesen kann es sich sowohl um Material- und Energieströme als auch um Informationsströme handeln. Zusätzlich lassen sich auch weitere immaterielle Beziehungen zwischen den Subsystemen abbilden. Die Analyse der Struktur verfahrenstechnischer Systeme mit Hilfe von Grey-BoxModellen ist Gegenstand der Systemverfahrenstechnik. Die Abbildung der Innenstruktur eines Produktionssystems, also die Verschaltung der Modellelemente, wird mit Hilfe der Grafentheorie durch Strukturmodelle vorgenommen. Allgemein lässt sich die Struktur eines Produktionssystems mit Hilfe eines gerichteten Grafen D (U , K ) beschreiben, wobei innerhalb der Knotenmenge U drei verschiedene Arten von Knoten zu unterscheiden sind: -

Beschaffungsknoten für die Roh-, Hilfs- und Betriebsstoffe sowie sonstigen Inputs Produktionsknoten (Prozesseinheiten, Unit Operations) Absatzknoten für die hergestellten Haupt- und Nebenprodukte

Lektion 5: Techniken und Restriktionen

75

Die Kantenmenge K, mit K  U u U , bezeichnet die Objektströme. Grafen zur Abbildung von Produktionssystemen besitzen nach Schulze/Hassan (1981) folgende Eigenschaften: -

-

Objektströme sind immer gerichtet. Die Mächtigkeit der Knotenmenge U ist endlich. Der Graf ist zusammenhängend, da die Beschaffungs- und Absatzstellen sowie die Prozesseinheiten in Wechselwirkung zueinander stehen. Der Graf besitzt keine Schleifen, da die Innenstruktur der einzelnen Knoten (Prozesseinheiten) nicht explizit betrachtet wird. Grafen können Zyklen beinhalten, die Rückläufe und Kreislaufführungen von Objektströmen darstellen.

Wie bereits in Lektion 4 aufgezeigt, werden Produktionssysteme, speziell in der Prozessindustrie, oftmals durch Fließbilder dargestellt, die unmittelbar in einen gerichteten Grafen überführt werden können. Aus der grafentheoretischen Darstellung kann nun zur weiteren Strukturanalyse die so genannte Strukturmatrix A (Adjazenzmatrix) erstellt werden, die wie folgt definiert ist: A

aiic i,ic 1,...,u

mit

aiic

­ 1, falls i, ic  K ® ¯0, sonst

(5.8)

Die Knoten i=1,...,u bezeichnen dabei die Modellelemente (Beschaffungs-, Absatz-, Produktionsknoten). Mit Hilfe der Strukturmatrix A ist nun eine rechnergestützte Strukturanalyse, etwa zum Erkennen von Zyklen, möglich. Diese bildet daher die Grundlage zur weitergehenden Systemanalyse (vgl. Bild 5.7).

Bild 5.7: Abbildung eines Produktionssystems mit Hilfe eines gerichteten Grafen (Quelle: Penkuhn (1997), Abb. 3.3)

76

Kapitel B: Entscheidungsorientierte Produktionstheorie

Fließbilder von Produktionssystemen werden in der Verfahrenstechnik je nach Detaillierungsgrad der Darstellung in Grundfließbilder und Verfahrensfließbilder unterschieden. Zur Untersuchung produktionswirtschaftlicher Fragestellungen kann im Regelfall von Grey-Box-Modellen auf Basis von Grundfließbildern ausgegangen werden, die im Gegensatz zu Verfahrensfließbildern einzelne Unit Operations als Black-Boxes modellieren und diese nicht weiter disaggregieren. In Bild 5.7 wären dies etwa die Unit Operations „Mischer“, „Reaktor“, „Kühler“ und „Separator“. Möchte man hingegen in den Ingenieurwissenschaften komplexe Produktionssysteme konfigurieren, so reicht diese Aggregationsebene zwar für die im Basic Engineering durchzuführende Grobplanung, aber nicht für die im sich anschließenden Detail Engineering durchzuführende Feinplanung aus. Zu diesem Zweck muss die Innenstruktur der Unit Operations analysiert, modelliert und mittels computergestützer Prozesssimulationen optimiert werden. Diese Untersuchungen finden bis hinunter auf die Ebene von Molekülen und Molekülgruppen statt und setzen umfangreiche Kenntnisse der Thermodynamik und der chemischen Reaktionstechnik voraus. Der vorgestellte systemanalytische Modellierungsansatz ermöglicht es dem Planer, die Innenstruktur eines Produktionssystems zu analysieren, geeignete Grey-Box-Modelle abzuleiten und diese mit Hilfe der Grafentheorie bzw. der Strukturmatrizen in I/O-Grafen zu überführen. Diese bilden dann die Grundlage zur empirischen oder analytischen Ermittlung prinzipiell möglicher Produktionsaktivitäten und schließlich der algebraischen Formulierung der Technik. Diese geschilderte Vorgehensweise ist nicht auf bestimmte Technikformen beschränkt, sondern kann grundsätzlich immer angewendet werden. Je nach Industriezweig und damit vorherrschenden natur-/ingenieurwissenschaftlichen Prozesscharakteristika sind hierzu jedoch unterschiedliche ingenieurwissenschaftliche oder auch informationstechnische Kenntnisse notwendig. Im Falle additiver Techniken, die vorwiegend zur Modellierung von Montage- und Demontageprozessen in der Fertigungsindustrie herangezogen werden können, lässt sich diese Aufgabe allerdings relativ einfach bewerkstelligen. Zur Ermittlung der Grundaktivitäten kann hier unmittelbar auf Stücklisten und Arbeitspläne zurückgegriffen werden. Der produktionswirtschaftlichen Analyse additiver Techniken sind aufgrund ihrer großen Bedeutung in Theorie und Praxis die Lektionen 8 - 10 gewidmet. Vorab sei jedoch die hier aufgezeigte Vorgehensweise zur systematischen Modellierung realer Produktionssysteme anhand einer Fallstudie aus der Eisen- und Stahlindustrie verdeutlicht.

Lektion 5: Techniken und Restriktionen

5.5.2

77

Fallstudie zur systematischen Modellierung

Die Produktion von Rohstahl in integrierten Hüttenwerken der Eisen- und Stahlindustrie ist mit einer erheblichen Ausbringung von Kuppelprodukten verbunden, wie Eisenhüttenschlacken, Stahlschrott, Hüttensand, Konverterstäuben, Gichtstaub/-schlamm, Walzzunderschlamm etc. Bei einer jährlichen Produktionsleistung von ca. 45 Millionen Tonnen Rohstahl in Deutschland liegt der gesamte Anfall fester Kuppelprodukte in einer Größenordnung von ca. 15 Millionen Tonnen pro Jahr. Die Kuppelprodukte können jedoch zum allergrößten Teil hüttenwerksintern oder im Verbund mit einer Reihe weiterer Unternehmen unterschiedlicher Branchen einer Verwertung zugeführt werden (vgl. Bild 5.8). Anfallmengen und -qualitäten können hüttenwerksintern durch geeignete technische Maßnahmen beeinflusst werden, was jedoch der Black-Box-Darstellung aus Bild 5.8 nicht entnommen werden kann. Zu diesem Zweck wird das integrierte Hüttenwerk innerhalb der gekennzeichneten Systemgrenze (Bilanzhülle) in die Prozesseinheiten „Sinteranlage“, „Hochofen“, „Konverter“ sowie weitere Prozesse zur Aufbereitung und Kreislaufführung staub- und schlammförmiger Kuppelprodukte (Hydrozyklon, INMETCO-Anlage, Heißbrikettierung, Wälzanlage, Elektroofen, ...) disaggregiert. Die Verknüpfung dieser so gebildeten Prozesselemente erfolgt durch Stoffströme der jeweiligen Input- und Outputobjektarten (vgl. Bild 5.9).

Bild 5.8: Integrierte Hüttenwerke der Eisen- und Stahlindustrie im Verwertungsverbund (Quelle: Hähre/Spengler/Rentz (1998), Abb. 1)

78

Kapitel B: Entscheidungsorientierte Produktionstheorie

Bild 5.9: Grundfließbild zur Darstellung der Innenstruktur eines integrierten Hüttenwerks (Quelle: Spengler (1998), Abbildung 2-4)

Bild 5.10: Grundfließbild des zugrunde gelegten Untersuchungsbereichs (Quelle: Spengler (1998), Abbildung 4-17)

Lektion 5: Techniken und Restriktionen

79

Durch Kenntnis der Innenstruktur lässt sich das integrierte Hüttenwerk nun gemäß der in Lektion 2 vorgestellten Typologie als mehrstufiges, zyklisches Kuppelproduktionssystem klassifizieren. Die Produktion des abgegossenen Rohstahls erfolgt kontinuierlich, so dass von einem Fließproduktionssystem gesprochen werden kann, obwohl einzelne Prozesse, wie der Konverter, diskontinuierlich betrieben werden. Die weitere Analyse der einzelnen Kuppelproduktionsprozesse hinsichtlich der Frage, ob Einfluss auf die jeweils entstehenden Kuppelproduktanfallmengen und -qualitäten genommen werden kann, also ob flexible Kopplungskoeffizienten vorliegen, kann auf der Aggregationsebene des Grundfließbilds noch nicht eindeutig beantwortet werden. Zur Beantwortung dieser Fragestellung ist zunächst der Untersuchungsbereich weiter einzugrenzen, d.h. ausgehend von Bild 5.9 ist nun festzulegen, welche Objektarten und welche Prozesse bei der weiteren Analyse zu beachten und damit zu modellieren sind. Bild 5.10 stellt den für die weitere Analyse zugrunde gelegten Untersuchungsbereich in Form eines Grundfließbilds dar. Im nächsten Schritt ist zu entscheiden, welcher Prozess nun detaillierter untersucht werden soll. Exemplarisch sei der Hochofenprozess ausgewählt, der durch Reduktion3 des als Inputobjektart eingebrachten Fertigsinters das Zwischenprodukt Roheisen als Outputobjektart erzeugt. Als Inputobjektarten sind neben dem Fertigsinter weitere Eisenträger wie Pellets, Stückerze und Eisenschwamm, die Reduktionsmittel Koks und Öl sowie eine Reihe von Zuschlagstoffen und Heißwind zu beachten. Als Kuppelprodukte der Roheisenerzeugung fallen die Outputobjektarten Gießhallenstaub, Gichtstaub, Gichtschlamm, Hochofenschlacke sowie Gichtgas zwangsläufig an. Durch weitere Disaggregation des als Black-Box dargestellten Modellelements „Hochofenprozess“ ergibt sich der in Bild 5.11 schematisch dargestellte Grundaufbau des Modells eines Hochofens. Es sind die Modellelemente „Möllerung“, „Temperaturzonen 1, ...i“, „Winderhitzer“ und „Gasreinigung“ zu erkennen, die wiederum durch Stoff- und Energieströme miteinander verknüpft sind. Zur Analyse der in den Modellelementen ablaufenden chemisch-physikalischen Prozesse wären diese nun weiter zu disaggregieren und mittels der in der Verfahrenstechnik üblichen Darstellung durch Verfahrensfließbilder zu präzisieren. Bild 5.12 zeigt das Verfahrensfließbild eines Hochofens, der mittels des kommerziellen Flowsheeting-Systems ASPEN PLUS modelliert wurde.

3

Der Begriff „Reduktion“ ist hier im chemischen Sinn gemeint, aber nicht im Sinne der Definition dieses Lehrbuchs für die Entsorgung nicht erwünschter Objektarten (Übel).

80

Kapitel B: Entscheidungsorientierte Produktionstheorie

Bild 5.11: Schematischer Grundaufbau des Modellelements „Hochofenprozess“ (Quelle: Sieverdingbeck (2001), Abbildung 5-10)

Bild 5.12: Verfahrensfließbild eines mit ASPEN PLUS erstellten Hochofenmodells (Quelle: Sieverdingbeck (2001), Abbildung 5-11)

Lektion 5: Techniken und Restriktionen

81

Mit Hilfe dieses detaillierten Hochofenmodells ist es nun möglich, sowohl Anfallmengen als auch Zusammensetzungen der genannten Kuppelprodukte in Abhängigkeit vom Input (z.B. Eisengehalt des eingebrachten Fertigsinters) sowie in Abhängigkeit der veränderbaren Prozessparameter (z.B. Temperaturprofile, CO/CO2-Verhältnis im Gichtgas) durch verfahrenstechnische Prozesssimulation zu ermitteln. Das Verfahrensfließbild stellt damit den Ausgangspunkt einer ingenieurwissenschaftlichen Systemanalyse dar. Zur Untersuchung betriebswirtschaftlicher Fragestellungen erscheint diese Analyseebene in den meisten Fällen als zu detailliert. Es kommt hierbei vielmehr darauf an, einen der Fragestellung angemessenen Kompromiss zwischen technischer Eindringtiefe einerseits und vertretbarer Modellkomplexität andererseits zu finden. Während strategische und taktische Problemstellungen des Produktionsmanagements in der Regel umfassendere Systeme untersuchen, beziehen sich operative Problemstellungen oftmals auf deutlich engere Systemgrenzen. Im erstgenannten Fall wären somit je nach Planungsaufgabe (z.B. Errichtung eines neuen Standortes, Bau eines neuen Hochofens) die Black-Box-Darstellungen sämtlicher im System zu berücksichtigenden Modellelemente auf Basis von Grundfließbildern und daraus abgeleiteten additiven Techniken ausreichend (vgl. Bilder 5.8, 5.9, 5.10). Im zweitgenannten Fall sollte beispielsweise die produktionswirtschaftliche Bewertung einer möglichen intensitätsmäßigen Anpassung des Hochofens an Schwankungen der Roheisennachfrage auf Basis der in den Bildern 5.11 und 5.12 dargestellten Verfahrensfließbilder erfolgen können. Hierfür wären dann deutlich detailliertere Modelle und daraus abgeleitete Techniken erforderlich.

Hinweise zum vertieften Studium 1) Die Aktivitätsanalyse nach Koopmans (1951) wird ebenfalls in den Lehrbüchern von Wittmann (1968), Dyckhoff (1994), Fandel (2005) und Dinkelbach/Rosenberg (2004) zugrunde gelegt. 2) Zur Modellierung der Dienstleistungsproduktion mit der Aktivitätsanalyse siehe das Fallbeispiel bei Dyckhoff (2006) zur EDV-Schulung, das formal nahezu identisch ist mit dem Lederverarbeitungsbeispiel von Fandel (2005), S. 46ff. 3) Die Systemverfahrenstechnik wird beispielswiese beschrieben in Schulze/Hassan (1981). 4) Beispiele für die aktivitätsanalytische Modellierung realer Produktionssysteme finden sich in Penkuhn (1997), Spengler (1998), Sieverdingbeck (2001), Hähre (2000) und Schultmann (2003).

82

Kapitel B: Entscheidungsorientierte Produktionstheorie

Übungsaufgaben (Dyckhoff/Ahn/Souren (2004)) Übungsaufgaben 2.1, 2.2, 2.3, 2.4, 2.5

6 Erfolgstheorie

6.1 Bewertung des Produktionserfolgs 6.2 Messung des ökonomischen Erfolgs 6.2.1 Erfolgsfunktion 6.2.2 Ökonomische Erfolgskategorien 6.3 Lineare Erfolgsfunktionen 6.4 Nichtlineare Erfolgsfunktionen 6.4.1 Kostenverlauf bei Lern- und Erfahrungskurven 6.4.2 Umsatzverlauf bei Preisdifferenzierung 6.4.3 Umsatz- und Gewinnverlauf bei linearer Preis-Absatz-Funktion

In den zurückliegenden Lektionen 4 und 5 stand die weitgehend wertfreie Modellierung von Input- und Outputquantitäten bei der Durchführung von Produktionsprozessen im Vordergrund. Ausgangspunkt hierbei waren die Produktionsaktivitäten bzw. die zugehörigen Produktionsprogramme. Diese erfassen während einer Periode die Mengenströme aller beachteten Inputund Outputobjektarten, die die Bilanzhülle des untersuchten Produktionssystems überschreiten. Die relevanten Input- und Outputobjektarten werden als Komponenten des Aktivitätsvektors z  IRN dargestellt. Aufbauend auf empirisch ermittelten Produktionsaktivitäten wurde gezeigt, wie mittels einer Systemanalyse des zu modellierenden Produktionssystems die Menge aller möglichen Aktivitäten ermittelt und als Technik bzw. Produktionsraum des Produktionssystems formal beschrieben werden kann. Die Analyse und Klassifikation unterschiedlicher Technikformen und ihrer Bildungsgesetze schafft die Voraussetzungen dafür, dass der Produktionsmanager die in einer konkreten Situation geeignetsten Aktivitäten gezielt auswählen und durch adäquate Managemententscheidungen umsetzen kann. Über das betriebswirtschaftliche Ergebnis im Sinne einer ökonomischen Bewertung der einer Aktivität zuzurechnenden Input- und Outputquantitäten lässt sich auf Basis des bisher ermittelten Mengengerüsts jedoch noch nichts aussagen. Hierzu bedarf es der Einführung einer der untersuchten Problemstellung angemessenen Ergebnisfunktion. Diese ordnet dem vorliegenden Mengengerüst einen ökonomischen Wert zu, der in der Betriebswirtschaftslehre allgemein als Erfolg bezeichnet wird. Der Erfolg beschreibt als eindimensionale Kennzahl, inwieweit die durchgeführte Aktivität die gesteckten Ziele erreicht hat. In der Produktionswirtschaftslehre entspricht der Erfolg dem durch die Produktion geschaffenen „Mehrwert“, üblicherweise gemessen an Hand des Saldos aus Erlösen und Kosten, die jeder eingesetzten und jeder ausgebrachten Objektart einzeln oder summarisch zuzurechnen sind. Dabei

84

Kapitel B: Entscheidungsorientierte Produktionstheorie

wird der Mehrwert meistens aus der Sicht der Unternehmenseigentümer bestimmt („Shareholder value“), für die die Einkommensansprüche der Arbeitnehmer, Fremdkapitalgeber und des Staates „Kosten“ darstellen, die von der gesamten Wertschöpfung, d.h. dem Saldo aus bewerteten Leistungen und Vorleistungen, abzuziehen sind. Bei längerfristigen Fragestellungen wird der Erfolg dann anhand des „Kapitalwertes“ gemessen, während im operativen Produktionsmanagement auch mengenmäßige oder zeitliche Kennzahlen als Ersatzziele verwendet werden.

Bewertung

Die in der vorliegenden Lektion zu behandelnde Erfolgstheorie, die in Bild 6.1 als oberste Ebene der Pyramide der Produktionstheorie dargestellt ist, befasst sich insofern mit der Erfolgsebene aus der Sicht der Eigenkapitalgeber.

Erfolgstheorie Kosten/ Erlöse

Bild 6.1: Einordnung der Erfolgstheorie in die entscheidungsorientierte Produktionstheorie

Sie unterstellt die Existenz einer Erfolgsfunktion, welche jeder Aktivität in eindeutiger Weise die insgesamt bewirkte Wertveränderung als Saldo aller einzelnen Werterhöhungen (Erlöse) und -verminderungen (Kosten) zuweist und so eine vollständige Präferenzordnung sämtlicher Aktivitäten einer Technik impliziert. Die damit verknüpfte Bewertungsproblematik wird in Abschnitt 6.1 kurz angesprochen. Abschnitt 6.2 befasst sich dann mit der Messung des ökonomischen Erfolgs durch Einführung und Klassifikation von

Lektion 6: Erfolgstheorie

85

Erfolgsfunktionen. Abschließend werden in den Abschnitten 6.3 und 6.4 lineare und nichtlineare Erfolgsfunktionen als wichtige Spezialfälle diskutiert.

6.1

Bewertung des Produktionserfolgs

Basis für die Beurteilung des Erfolgs einer Produktionsaktivität bilden die in einem Produktionssystem als Führungsgrößen vorgegebenen Zielsetzungen. Die Erreichung der Ziele bestimmt, wie wertvoll die durch den Transformationsprozess hervorgerufenen Veränderungen aus Sicht des Produktionsmanagements sind. Der Erfolg einer Produktionsaktivität kann neben rein ökonomischen Zielen auch soziale oder ökologische Gesichtspunkte umfassen und muss daher zunächst ganz allgemein verstanden werden. Er bezeichnet damit den Mehrwert des bewirkten „Nutzens“ über die hervorgerufenen „Schäden“, wie auch immer diese definiert und gemessen werden. Im vorliegenden Lehrbuch stehen wie schon einleitend bemerkt ökonomisch ausgerichtete Bewertungsansätze im Vordergrund, welche auf die Einkommenserzielung der Eigenkapitalgeber abstellen. Einkommen wird als Veränderung des Reinvermögens verstanden, d.h. als Nettozugang an Objekten (Sachen, Dienstleistungen, Informationen, Verfügungsrechten) während der Periode, gemessen in Geldeinheiten. Ein positives Einkommen der Eigenkapitalgeber heißt auch Gewinn, ein negatives Verlust.1 Bewertungsansätze, die auf eine Bewertung in Geldeinheiten ausgerichtet sind, werden als monetär bezeichnet. Einen verbreiteten monetären Bewertungsansatz stellt die pagatorische Bewertung dar, weil diese unmittelbar an den mit der Produktion verbundenen Zahlungsströmen anknüpft und ausschließlich auf den tatsächlich beobachtbaren Zahlungsströmen beruht. Diese basieren üblicherweise auf Beschaffungspreisen für die Inputs und Absatzpreisen für die Outputs, die auf den entsprechenden Beschaffungs- und Absatzmärkten gebildet werden. Der wertmäßige Bewertungsansatz zielt dagegen auf eine entscheidungstheoretische Bewertung der Veränderungen bei den Objektquantitäten ab und basiert unmittelbar auf dem Nutzenkonzept. Ausschlaggebend für die Bewertung ist der Nutzenentgang, der etwa dadurch entsteht, dass man sich für eine bestimmte Produktionsaktivität entscheidet, deren Nutzen geringer ist als der maximal im Planungszeitraum erzielbare. Dieser Nutzenentgang und damit der wertmäßig richtige Ansatz für die Objektarten ist aber in der Regel Exante nicht bekannt und kann somit erst dann angegeben werden, wenn die nutzenmaximale Produktionsaktivität schon ermittelt wurde. Um diesem 1

Auf eine im Rechnungswesen übliche Unterscheidung der Begriffe Gewinn, Unternehmensergebnis, neutrales Ergebnis und Betriebsergebnis wird hier nicht eingegangen.

86

Kapitel B: Entscheidungsorientierte Produktionstheorie

Dilemma des wertmäßigen Erfolgsbegriffs zu entgehen, nimmt man üblicherweise an, dass die sich auf den Beschaffungs- und Absatzmärkten bildenden (Wieder-)Beschaffungspreise und Absatzpreise in etwa den marginalen Nutzen der Objektarten widerspiegeln. Unter dieser Annahme ist auch der wertmäßige Kostenbegriff nunmehr pagatorisch orientiert. Objektarten, für die keine Marktpreise existieren und die aus der subjektiven Sicht eines Betriebs keinen Einschränkungen unterliegen, werden demnach mit dem Preis Null bewertet und somit als wertlos angesehen. Für eine sozial oder auch ökologisch orientierte Bewertung müssen aber auch solche Objekte, die externe Effekte hervorrufen, in das Kalkül einbezogen und mit Preisen bewertet werden. Negative externe Effekte umfassen etwa den Treibhauseffekt aufgrund von CO2-Emissionen oder die Schädigung von Ökosystemen durch Einleitung toxischer Abwässer in Flüsse oder Meere. Soweit im Zielsystem des Produzenten externe Effekte keine Rolle spielen, werden diese für ihn erst dann erfolgswirksam, wenn die Rahmenbedingungen der Produktion so verändert werden, dass externe Effekte zwangsläufig internalisiert werden. Dies kann auf staatlicher Seite etwa durch Emissionssteuern und -abgaben (z.B. Ökosteuer, Abwasserabgabe) oder -zertifikate oder durch ordnungsrechtliche Restriktionen (z.B. Emissionsgrenzwerte für Schadstoffe) erreicht werden. Im Folgenden wird davon ausgegangen, dass eine monetäre Bewertung von Produktionsaktivitäten grundsätzlich möglich ist. Werden die Absatz- und Beschaffungspreise der Objektarten mit positiven Werten angesetzt, bedeutet dies, dass für die Beschaffung von Inputs Geld ausgezahlt und für den Absatz der Outputs Geld eingenommen wird. Die Finanzströme sind in diesem Fall den Objektströmen entgegengesetzt. Nehmen die Absatz- und Beschaffungspreise hingegen negative Werte an, wird bei der Beschaffung von Inputs Geld eingenommen (z.B. Annahme von Abfällen zur Verbrennung/Deponierung) bzw. beim Absatz von Outputs Geld ausgezahlt (z.B. Abgabe für Produktionsabfälle zur Entsorgung). In diesem Fall sind die Finanzströme und die Objektströme gleichgerichtet.

6.2

Messung des ökonomischen Erfolgs

Die einzelnen Aktivitäten eines Produktionssystems sind im Allgemeinen nicht gleichwertig. Die eindeutige Zuordnung eines Wertes zur Messung des Erfolgs einer Aktivität kennzeichnet das Konzept der Erfolgsfunktion.

Lektion 6: Erfolgstheorie

6.2.1

87

Erfolgsfunktion

In der Erfolgstheorie – als Teil der entscheidungsorientierten Produktionstheorie – wird generell unterstellt, dass es möglich ist, den Erfolg einer Produktion mittels einer einzelnen eindimensionalen, reellwertigen Kennzahl zu messen. Es wird von der Existenz einer Erfolgsfunktion w ausgegangen: T o IR ­ w:® ¯w( z ) w( z1 ,..., zN )  IR

(6.1)

Sie misst die Vorteilhaftigkeit einer Aktivität z  T im Hinblick auf die vorgegebenen Ziele, so dass w( z 1 ) genau dann größer (bzw. gleich oder kleiner) als w( z 2 ) ist, wenn die Aktivität z 1  T besser (bzw. gleich oder schlechter) als die Aktivität z 2  T ist. Die Erfolgsfunktion wird als stetig und u.U. auch als differenzierbar angenommen. Außerdem wird der Erfolg – als durch die Produktion bewirkte Veränderung (Mehrwert) – üblicherweise so normiert, dass w( z ) 0 die Grenze zwischen positivem Erfolg und Misserfolg markiert. Bei einkommensorientierter Bewertung im Sinne des Eigenkapitalgebers stellt dies die Grenze zwischen Gewinn und Verlust dar. In diesen Fällen wird der Erfolg in Geldeinheiten gemessen. Die Aufstellung einer Erfolgsfunktion, die die verschiedenen, z.T. konfliktären Ziele eines oder mehrerer Entscheidungsträger angemessen berücksichtigt, kann mit den Mitteln der multikriteriellen Entscheidungslehre (MultiCriteria-Decision-Making, MCDM) erfolgen. Eine besondere Bedeutung kommt hierbei denjenigen Gruppen von Erfolgsfunktionen zu, die als den Gesamterfolg der Aktivität die Summe der Erfolgsbeiträge der einzelnen beachteten Objektarten ausweisen: w( z ) w1( z1 )  ...  wN ( zN )

(6.2)

Die so konstruierten Erfolgsfunktionen werden als additiv-separabel bezeichnet und sind in der Praxis immer dann möglich, wenn alle Objektarten mit erfolgswirksamen Auswirkungen in der Erfolgsfunktion explizit beachtet werden sowie direkte Effekte einer Objektart auf die Bewertung einer anderen ausgeschlossen werden können. Additiv-separable Erfolgsfunktionen müssen nicht notwendigerweise linear sein. Einen in der Produktionswirtschaft häufig unterstellten Spezialfall stellen die linear-affinen Erfolgsfunktionen dar:

88

Kapitel B: Entscheidungsorientierte Produktionstheorie

( p1 ˜ z 1  w1fix )  ...  ( pN ˜ z N  wNfix )

w( z )

N

¦

N

pk ˜ z k 

k 1

fix k

(6.3)

k 1

N

¦p

¦w

k

˜ z k  w fix

k 1

Ohne den konstanten Summanden w fix erhält man eine lineare Erfolgsfunktion: N

w( z )

¦ pk ˜ z k

(6.4)

k 1

Die konstanten Koeffizienten p1 ,..., pN können als Gewichtungsfaktoren der einzelnen Objektarten interpretiert werden. Bei einer ökonomischen Bewertung handelt es sich hierbei um Preise, bei einer ökologischen Bewertung beispielsweise um Emissionsfaktoren für ausgewählte Schadstoffe. Unter dem Begriff Grenzerfolg einer Objektart wird die marginale Änderung des Erfolgs bei marginaler Veränderung dieser Objektquantität im Sinne einer partiellen Ableitung verstanden:

wkc

ww( z ) wzk

k

1,...,N

(6.5)

Bei einer linearen oder linear-affinen Erfolgsfunktion ist der Grenzerfolg einer Objektart k gleich dem konstanten Koeffizienten pk , so dass bei monetärer Bewertung Objektarten mit einem positiven Marktpreis auch einen positiven Grenzerfolg und Objektarten mit einem negativen Marktpreis auch einen negativen Grenzerfolg aufweisen. Der Grenzerfolg von Objektarten, deren Marktpreis den Wert Null aufweist, ist ebenfalls Null. 6.2.2

Ökonomische Erfolgskategorien

Mit w( z ) 0 als Messlatte für den Erfolg oder Misserfolg werden positive Erfolgsbeiträge als Nutzen bzw. Erlös2 bezeichnet, der Absolutbetrag negativer Erfolgsbeiträge dagegen als Schaden bzw. Kosten. Der Gesamterfolg ist 2

In der Betriebswirtschaftslehre wird auch von „Leistung“ gesprochen, z.B. bei der „Kosten- und Leistungsrechnung“ an Stelle der „Kosten- und Erlösrechnung“. Hier wird der Terminus „Erlös“ vorgezogen, um Verwechslungen mit den (Sach- oder Dienst-) Leistungen der technologischen Ebene zu vermeiden.

Lektion 6: Erfolgstheorie

89

somit auch als Differenz der Gesamterlöse L( z ) und der Gesamtkosten K( z ) definiert: w( z ) L( z )  K ( z )

L( z ), K ( z ) t 0

(6.6)

Bei ökonomischer Bewertung entspricht der Erfolg w( z ) in der Regel dem Gewinn G( z ). Andernfalls kann der Erfolg auch soziale oder ökologische Kosten- oder Erlösanteile berücksichtigen, die sich ggf. separat ausweisen lassen. Diese werden im Folgenden aber nicht weiter beachtet. Für Lvar ( 0 ) 0 , K var ( 0 ) 0 , wvar ( 0 ) 0 und L fix , K fix den Kosten und Erlöse gemäß

const . t 0 wer-

Lvar ( z )  L fix  K var ( z )  K fix

w(z)

( Lvar ( z )  K var ( z ))  ( L fix  K fix ) w var ( z )  w fix

(6.7)

definitorisch in die Kategorien der variablen Kosten K var ( z ) t 0 und variablen Erlöse Lvar ( z ) t 0 sowie der fixen Kosten K fix t 0 und der fixen Erlöse L fix t 0 aufgeteilt. Der variable Erfolgsbeitrag wvar ( z )

Lvar ( z )  K var ( z ) : D( z )

(6.8)

wird bei ökonomischer Bewertung auch als Deckungsbeitrag D( z ) bezeichnet. Setzt man formal L fix 0 (was in der Praxis meist der Fall ist; Ausnahme: Leistungspreis für Lieferbereitschaft eines Kraftwerksbetreibers oder Grundgebühr für Telefonanschluss) und bezeichnet man K fix als Fixkosten, so gilt: w fix

 K fix

(6.9)

Unter dieser Voraussetzung wird ein Verlust gerade dann vermieden, wenn der Deckungsbeitrag die Fixkosten deckt, d.h. wenn gilt: G( z ) : D( z )  K fix t 0 , oder

D( z ) t K fix

(6.10)

Die oben definierten Begriffe beziehen sich auf eine Aktivität des Produktionssystems als Ganzes. Häufig werden sie auch bestimmten Sub- und Teilsystemen, insbesondere einzelnen Objektarten, zugeordnet, soweit dies möglich ist. Beispielsweise wird oft vom Deckungsbeitrag eines bestimmten Hauptprodukts gesprochen, der sich jedoch nur dann angeben lässt, wenn nicht nur die Marktpreise bekannt sind, sondern darüber hinaus sich auch alle

90

Kapitel B: Entscheidungsorientierte Produktionstheorie

variablen Kosten und Erlöse dem Hauptprodukt zurechnen lassen. Dies ist jedoch im Falle der Kuppelproduktion nicht möglich, da eine verursachungsgerechte Aufteilung vieler Kostenarten auf mehrere zwangsläufig entstehende Kuppelprodukte nicht geleistet werden kann. Dennoch lassen sich stets prozessbezogene Deckungsbeiträge bestimmen (vgl. Lektion 12.2). Solche Kosten und Erlöse bzw. Erfolgsanteile einer Produktionsaktivität, die nur dann entstehen, wenn eine bestimmte Objektart (bzw. Gruppe von Objektarten) auftritt (als Input oder Output), sonst aber nicht, heißen Einzelkosten und Einzelerlöse bzw. Einzelerfolg dieser Objektart (bzw. Gruppe von Objektarten). Sie sind somit dieser Objektart (bzw. Gruppe von Objektarten) im Sinne eines Verursachungsprinzips eindeutig zurechenbar. Ob eine solche Zurechenbarkeit besteht oder nicht, hängt von den Eigenschaften des zugrunde liegenden Produktionsraums ab (z.B. Kuppelproduktion). Nicht eindeutig zurechenbare, jedoch mitverursachte Erfolgsanteile heißen Gemeinerfolge bzw. Gemeinkosten und Gemeinerlöse. Beispiele wären im Falle der in den nachfolgenden Lektionen vorgestellten Raffinerie im Hinblick auf die als Kuppelprodukt anfallende Objektart Dieselkraftstoff: -

-

Fixe Gemeinkosten: Fixe Einzelkosten:

Pförtnergehalt, Abschreibungen eines Spezialtanks, der eigens für die Lagerung des Dieselkraftstoffs beschafft wurde, Variable Gemeinkosten: Materialausgaben für das Rohöl, Variable Einzelkosten: Ausgaben für die Weiterverarbeitung und den Vertrieb des Dieselkraftstoffs, soweit diese von der verarbeiteten Menge abhängen.

Der variable Einzelerfolg einer Objektart entspricht bei ökonomischer Bewertung einem unmittelbar objektbezogenen Deckungsbeitrag dieser Objektart. Bei einem am Markt absetzbaren Produkt könnte es sich beispielsweise um die Differenz aus dem erzielbaren Erlös und den variablen Vertriebsausgaben, d.h. um den variablen Nettoerlös, handeln.

6.3

Lineare Erfolgsfunktionen

Bild 6.2 veranschaulicht die mit den beachteten Objektarten verbundenen Wertflüsse einer Aktivität für das Beispiel der thermischen Abfallbehandlung. Dieser Prozess wird üblicherweise in Müllverbrennungsanlagen durchgeführt. Hierbei wird das Hauptredukt Müll mit Hilfe der beiden weiteren Einsatzfaktoren, Rohwasser zur Kühlung und Luft zur Deckung des Sauerstoffbedarfs der Verbrennung, in die beiden Nebenprodukte elektrischer

Lektion 6: Erfolgstheorie

91

Strom und Fernwärme umgewandelt. Die anderen entstehenden Kuppelprodukte Schlacke, Abwasser, Abgase, Schrott und Abwärme sind unerwünscht und müssen einer weiteren Aufbereitung zugeführt oder ordnungsgemäß beseitigt werden.

470 kWh Strom 75,20 GE 970 kWh Fernwärme 97,- GE 1000 kg

330 kg

300,- GE

175,- GE

Müll

Rohwasser

Schlacke 800 l

Müllver-

20,- GE Luft

6000 m3

700 l Abwasser 35,- GE

brennung

6000 m3 Abgase 60,- GE 60 kg

890 kWh

Schrott

Fortwärme

Bild 6.2: I/O-Graf einer thermischen Abfallbehandlung mit Wertflüssen (Quelle: Dyckhoff (2006), Bild 7.1)

Der dargestellte Input/Output-Graf entspricht einer auf den Einsatz von 1.000 kg Müll normierten Grundaktivität. Für die beachteten Objektarten sind die Objektströme als durchgezogene Pfeile und die Wertströme als gestrichelte Pfeile angegeben. Pfeile, die in Richtung „Black-Box“ zeigen, bedeuten seitens der Objektströme Inputquantitäten und seitens der Wertströme Erlöse. Pfeile, die in die Gegenrichtung der „Black-Box“ zeigen, bedeuten seitens der Objektströme Outputquantitäten und seitens der Wertströme Kosten. Der Begriff Erlös umfasst hier ausschließlich Umsatzerlöse, die in Form von An-

92

Kapitel B: Entscheidungsorientierte Produktionstheorie

nahmeerlösen für das Hauptredukt Müll (300 Geldeinheiten) und in Form von Verkaufserlösen für die beiden Hauptprodukte elektrischer Strom (75,2 Geldeinheiten) und Fernwärme (97 Geldeinheiten) erzielt werden. Insgesamt beträgt damit die Summe der durch die Grundaktivität erzielten Erlöse L 472,20 Geldeinheiten. Als Gesamtkosten ergeben sich K 290 Geldeinheiten, die inputseitig für die Beschaffung des Rohwassers (20 Geldeinheiten) und outputseitig für die Aufbereitung der Schlacke (175 Geldeinheiten), die Reinigung des Abwassers (35 Geldeinheiten) sowie die Entstaubung und Entstickung der Rauchgase (60 Geldeinheiten) anzusetzen sind. Der Gesamterfolg der Grundaktivität ergibt sich damit zu w L  K 182,20 Geldeinheiten, welcher wegen der Vernachlässigung der Kosten der Potenzialfaktoren Arbeit und Betriebsmittel eher als Deckungsbeitrag denn als Gewinn einzustufen ist. Von den Annahmeerlösen zur Behandlung des angelieferten Mülls in Höhe von 300 Geldeinheiten verbleibt somit bei den hier angenommenen Preisen nach Abzug der Kosten und Gutschrift der Verkaufserlöse ein Deckungsbeitrag in Höhe von D 182,20 Geldeinheiten pro Tonne angelieferten Mülls. Das Kuppelprodukt Schrott kann zum Recycling kostenneutral an die Stahlindustrie geliefert werden. Beim Inputfaktor Luft sowie beim Kuppelprodukt Abwärme handelt es sich um freie Güter, die (in gewissen) Grenzen kostenneutral der Umwelt entnommen bzw. an diese abgegeben werden können. Grundsätzlich kann der Erfolg nur der gesamten Aktivität und damit dem Produktionsprozess insgesamt zugerechnet werden. Im vorliegenden Fall sind der so ermittelte Prozesserfolg sowie seine Bestandteile, d.h. die Prozesskosten (Aktivitätskosten) und die Prozesserlöse (Aktivitätserlöse) allerdings auch dem (einzigen!) Systemzweck der Abfallbehandlung sinnvoll zurechenbar. Hinsichtlich der anderen Input- und Outputobjektarten lässt sich beispielsweise festhalten, dass die Reinigung des Abwassers durchschnittlich 0,05 GE/l kostet, wogegen die Fernwärme durchschnittlich einen Erlös in Höhe von 0,1 GE/kWh erbringt. Ob es sich bei diesen Durchschnittswerten um die tatsächliche Höhe der spezifischen Abwasserreinigungskosten bzw. des Fernwärmepreises je Mengeneinheit handelt, ist damit nicht ausgesagt. Diese könnten durchaus mengenabhängig sein, sofern etwa Rabatte (mengenmäßige Preisstaffelungen) vorliegen. Nur im Falle linearer Erfolgsfunktionen der Form (6.4) w( z )

p1 ˜ z1  ...  pN ˜ zN

(6.11)

wäre dies gesichert. Dann würde in der Tat p1 300 GE / t für die spezifischen Annahmepreise des Hauptredukts Müll und p 5 0,05 GE / l für die spezifischen Reinigungskosten des Abwassers gelten. Dabei ist es unver-

Lektion 6: Erfolgstheorie

93

zichtbar, dass die Maßzahlen 300 bzw. 0,05 immer auf die zugehörigen Maßeinheiten bezogen werden. Betrachtet man die Wertflüsse in Bild 6.2, so zeigt sich, dass der positive Marktpreis einer Objektart ( pk ! 0 ) bei Inputs ( zk  0 ) zu Kosten und bei Outputs ( zk ! 0 ) zu Erlösen führt. Bei Objektarten mit positiven Marktpreisen sind somit Objekt- und Wertströme immer einander entgegengerichtet. Objektarten mit negativen Preisen ( pk  0 ) führen dagegen bei Inputs ( zk  0 ) zu Erlösen und bei Outputs ( zk ! 0 ) zu Kosten. In diesem Fall sind also Objekt- und Wertströme gleichgerichtet. Objektarten mit positiven Marktpreisen werden in der Literatur auch als Güter (goods), Objektarten mit negativen Preisen als Übel (bads) bezeichnet. Auf diese Klassifikation wird in Lektion 7 näher eingegangen.

6.4

Nichtlineare Erfolgsfunktionen

In dieser Einführung in die entscheidungsorientierte Produktionstheorie wird in der Regel eine lineare oder linear-affine Gestalt der Erfolgsfunktion vorausgesetzt, d.h. es wird oftmals von konstanten Preisen aller beachteten Objektarten ausgegangen. Für gestaltungsorientierte Fragestellungen des Produktionsmanagements und insbesondere auch für die Integration der Produktionstheorie mit den Theorien der anderen betriebswirtschaftlichen Teilgebiete, wie Finanzwirtschaft, Marketing oder Umweltwirtschaft, sind jedoch auch nichtlineare Erfolgsfunktionen von Bedeutung. Im vorliegenden Abschnitt wird auf drei wichtige Spezialfälle nichtlinearer Erfolgsfunktionen eingegangen. 6.4.1

Kostenverlauf bei Lern- und Erfahrungskurven

Im Folgenden bezeichnet y die insgesamt erzeugte Menge eines neu entwickelten Produkts und K( y ) die zugehörigen Kosten der Herstellung, wobei lediglich variable Kostenarten, wie Löhne, Materialverbräuche etc., betrachtet werden. Bei linearen Kostenfunktionen wären die variablen Stückkosten k ( y ) K ( y ) y konstant. Dies wird jedoch in der Praxis – insbesondere beim Neuanlauf einer Produktion – so nicht beobachtet. Im Hinblick auf eine erstmalig hergestellte Produktart besagt eine weit verbreitete, empirisch begründete Hypothese, dass mit Anwachsen der kumulierten Quantität y einer Produktart die variablen Stückkosten k( y ) hyperbelförmig sinken: k( y ) D ˜ y  E

( D ,E t 0 )

(6.12)

94

Kapitel B: Entscheidungsorientierte Produktionstheorie

Bild 6.3 skizziert im oberen Diagramm einen Kurvenverlauf für D 50 und E 0 ,234 . Im unteren Diagramm ist der gleiche Zusammenhang doppelt logarithmisch aufgetragen, so dass man einen linearen Verlauf erhält: lg( k ) lg( D )  E ˜ lg( y ) 1,699  0 ,234 ˜ lg( y )

Eine Verdopplung der gesamten Produktmenge führt im Zahlenbeispiel wegen k ( 2 y) k( y ) 2 0 , 234 0,85 zu einer Stückkostensenkung von 15%. Historisch wurden solche Verläufe der Stückkosten zuerst im Zusammenhang mit der Serienfertigung von Automobilen und Flugzeugen festgestellt und systematisch für die Produkt- und Kostenplanung genutzt. Ursächlich für den hyperbelförmigen Verlauf sind Lerneffekte bei der wiederholten Herstellung von Exemplaren oder auch nur Teilen ein und derselben Produktart. Arbeitskräfte, die einen für sie neuen Arbeitsgang durchführen, brauchen zu Beginn mehr Zeit und verursachen mehr Ausschuss. Je mehr sie sich einarbeiten, desto produktiver werden sie und umso geringer werden die Kosten der erzeugten Produkte. Dabei sind die Lernerfolge anfangs groß und nehmen dann rasch ab. Der sich so einstellende Stückkostenverlauf entsprechend Bild 6.3 wird Lernkurve genannt, wenn er sich auf einzelne Arbeitskräfte bezieht. Unter dem Stichwort Erfahrungskurve ist er aber auch auf breitere Anwendungszusammenhänge übertragen worden, so  wenn auch mit Einschränkungen  auf ganze Produktionssysteme: Werden Produkte in größerer Quantität hergestellt, so werden Erfahrungen in jeglicher Hinsicht gewonnen, die zu Einsparungen bei Faktor- und Ausschussquantitäten und damit selbst bei unveränderten Marktpreisen zu Kostensenkungen führen. Zu Beginn einer neuen Produktion werden die Einsparungen relativ groß sein, während mit zunehmender Erfahrung das Potenzial für weitere Einsparungen immer geringer wird. Außer dem individuellen oder kollektiven Zuwachs an Fähigkeiten und Wissen, einschließlich technischem Fortschritt, können auch noch andere Effekte zum Sinken der variablen Stückkosten beitragen, die im Unterschied zu den vorgenannten keinen dynamischen Charakter haben. Solche (statischen) Effekte ergeben sich bei einer strikt größenprogressiven Technik, d.h. bei zunehmenden Skalenerträgen. Selbst wenn die variablen Kosten pro Produkteinheit konstant sind, sinken die gesamten Stückkosten jedoch monoton, sobald Fixkosten existieren.

Lektion 6: Erfolgstheorie

95

k 50 40 30 20 10

0

10

0

10

1

10

2

10

3

10

4

10

5

6

10

10

7

y

lg k 2 1,669 1

0

lg y 0

1

2

3

4

5

6

7

8 7,26

Bild 6.3: Hyperbelförmiger Verlauf einer Lern- oder Erfahrungskurve (Quelle: Dyckhoff (1994), Abb. 18.4)

96

6.4.2

Kapitel B: Entscheidungsorientierte Produktionstheorie

Umsatzverlauf bei Preisdifferenzierung

Außer den Kosten bestimmen die Erlöse den Erfolg eines Produktes. In manchen Situationen sind die Kosten schon weitgehend vordisponiert, so dass sie als konstant angesehen werden. Dies ist typischerweise bei der Dienstleistungsproduktion nach der Herstellung der Leistungsbereitschaft der Fall (z.B. fahrplanmäßiger Linienbus). Der Erfolg ist dann nur über die Erlöse beeinflussbar, welche aus dem Verkauf des Produktes resultieren. Eine Messung des Erfolges allein am erzielten Umsatz als Absatzleistung kann aber auch die Konsequenz bestimmter Absatzstrategien des Marketings sein. Im Folgenden bezeichnet y wieder die Outputquantität des einzigen Produktes eines Produktionssystems. Erfolgt für dieses Produkt eine Preisdifferenzierung, ergibt sich der Umsatz(erlös) des Produktes durch Summation über alle einzelnen Verkäufe Q der jeweils abgesetzten Menge yv zu den verschiedenen Absatzpreisen eQ: L

¦e

v

v

˜y v

für

¦y

v

y mit e1 t e2 t 

(6.13)

v

Versteht man den Preis als Nettoerlös, d.h. als Kundenzahlung abzüglich zurechenbarer variabler Vertriebsausgaben, so ist es plausibel zu unterstellen, dass der Produzent die Nachfrager mit einem höheren Preis zuerst bedient. Bild 6.4 illustriert im oberen Teil einen entsprechenden Verlauf des Umsatzes L( y ), im unteren Teil den zugehörigen Grenzumsatz L' = dL/dy und den Durchschnittsumsatz l = L/y in Abhängigkeit von der Produktquantität. Der Grenzumsatz oder der Grenzerlös L'( y ) entspricht dem mit dem jeweiligen Käufer vereinbarten Preis und verläuft gemäß einer fallenden Treppenfunktion. Der Durchschnittsumsatz oder der Stückerlös l( y ) entspricht nur zu Beginn dem Grenzumsatz und fällt dann stetig gemäß einem aus Hyperbelstücken zusammengesetzten Kurvenzug. Ab einer bestimmten Produktquantität ist der Absatzmarkt erschöpft, und die überschüssigen Quantitäten müssen unter Aufwand beseitigt werden. Der dann negative Preis ergibt sich aus den Beseitigungsausgaben abzüglich eventueller Resterlöse. Bezieht man, wie in Bild 6.4 geschehen, diese Ausgaben in den gesamten Umsatz mit ein, so sinkt er ab diesem Punkt (y = 12).

Lektion 6: Erfolgstheorie

97

L 11 10

L

8

5

2

5

8

12

8

12

y

L' l 2,5

1,0 0,67 0,25 0,5

l

L'

y 2

5

Bild 6.4: Umsatzverlauf bei Preisdifferenzierung (Quelle: Dyckhoff (1994), Abb. 18.1)

6.4.3

Umsatz- und Gewinnverlauf bei linearer Preis-AbsatzFunktion

Bei Preisdifferenzierung sinkt der Grenzumsatz immer dann, wenn zur Ausweitung des Umsatzes den zusätzlichen Abnehmern ein niedrigerer Preis eingeräumt werden muss. Ist keine Preisdifferenzierung möglich oder gewollt, etwa bei Markenartikeln, so gilt für alle Kunden derselbe Preis, hier mit e bezeichnet. Dabei kann die absetzbare Produktquantität y gemäß einer Preis-Absatz-Funktion y( e ) vom Preis abhängen. Eine streng monoton fallende Funktion y( e ) kann in eine Absatz-Preis-Funktion e( y ) umgekehrt werden. Eine lineare Beziehung ist mit folgendem Beispiel beschrieben ( D , E ! 0 ):

98

Kapitel B: Entscheidungsorientierte Produktionstheorie

e( y ) E  D ˜ y

60  2 y

Für den Umsatz gilt dann: L=e( y ) ˜ y ȕ ˜ y  Į ˜ y 2 60 y  2 y 2

Bild 6.5 zeigt (oben) einen solchen, parabelförmigen Umsatzverlauf samt (unten) zugehörigem Durchschnittsumsatz l( y ) = e( y ) sowie Grenzumsatz L' ( y )= E  2D ˜ y

60  4 y

Im Unterschied zu Bild 6.4 sinkt der Grenzumsatz stetig und streng monoton, und zwar linear. Der maximale Umsatz ist dann gegeben, wenn der Grenzumsatz gleich Null ist (y* = E/2D = 15, e* = 30). Bei noch höheren Produktquantitäten sinkt der Umsatz wieder. So ist etwa der Grenzumsatz der fünfundzwanzigsten Produkteinheit aus erfolgsorientierter Sicht negativ: L'(25) = 40, obwohl der Marktpreis als für alle Kunden einheitlicher, objektiver Tauschwert zwar gesunken, aber nach wie vor positiv ist: e(25) = l(25) = 10. Der negative Grenzumsatz ist hier darauf zurückzuführen, dass die Ausweitung des Absatzes durch die damit verbundene Abnahme des Marktpreises überkompensiert wird. Ein Misserfolg im Sinne eines negativen Umsatzes L( y ) würde genau dann realisiert, wenn auch der Marktpreis e( y ) negativ wäre. Grafisch lassen sich diese Überlegungen in Bild 6.5 ebenso an Hand der Absatz-Preis-Geraden e( y ) l( y ) veranschaulichen. Ein über diese Funktion definiertes Paar (eP, yP) bestimmt den oberen rechten Eckpunkt eines Rechtecks. Die Fläche des Rechtecks beträgt eP˜yP und entspricht damit dem Umsatz L. Das Umsatzmaximum wird erreicht für y* = 15, negativ wird der Umsatz ab y = 30. Ein negativer Preis e kann dabei auch  wie zuvor  als Nettostückerlös verstanden werden. Dieser resultiert aus den noch positiven Bruttoabsatzerlösen, wenn davon die Vertriebsausgaben sowie die Entsorgungsausgaben für nicht mehr absetzbare Überschüsse abgezogen werden. Insofern werden auch bei einem Umsatzerfolgsziel unter Umständen schon gewisse Kosten berücksichtigt, in diesem Fall allerdings solche, die außerhalb des betrachteten Produktionssystems anfallen.

Lektion 6: Erfolgstheorie

99

L

y*

y

y

L' l e1 e*

l = e(y)

e2 y1

y*

y

y2

y

L'

Bild 6.5: Umsatzverlauf für eine lineare Preis-Absatz-Funktion (Quelle: Dyckhoff (1994), Abb. 18.2)

Längerfristig müssen neben den oben genannten auch die anderen, innerhalb des Produktionssystems anfallenden Kosten K berücksichtigt werden. Wie schon in Abschnitt 6.4.1 können diese eine Funktion der Produktquantität y sein, wie beispielsweise K( y )

1 3 1 2 ˜ y  ˜ y  25 ˜ y  80 60 2

Der Erfolg entspricht für die oben definierte Umsatzfunktion dann dem Gewinn: G( y ) L( y )  K ( y ) 

1 3 3 2 ˜ y  ˜ y  35 ˜ y  80 60 2

100

Kapitel B: Entscheidungsorientierte Produktionstheorie

K L K(y)

450 L(y)

80 10 l k

15

y

30

L' K'

60

K'

e * = 40

k L'

l = e(y)

y y* = 10 15

30

Bild 6.6: Gewinnverlauf für eine lineare Preis-Absatz-Funktion (Quelle: Dyckhoff (2006), Bild 7.5)

In Erweiterung und Modifikation von Bild 6.5 sind in Bild 6.6 oben neben der Umsatzfunktion L( y ) auch die Kostenfunktion K( y ) sowie unten neben der Grenzumsatzfunktion L'( y ) und der Absatz-Preis-Funktion e( y ) = l( y ) auch die Funktionen der Grenzkosten K c( y )

dK( y ) dy

0,05 ˜ y 2  y  25

und der Stückkosten k( y )

K( y ) y

1 1 80 ˜ y 2  ˜ y  25  60 2 y

Lektion 6: Erfolgstheorie

101

eingezeichnet. Das Gewinnmaximum liegt bei y* = 10. Es befindet sich im oberen Teil des Bildes 6.6 dort, wo die Umsatzkurve am weitesten oberhalb der Kostenkurve verläuft. An dieser Stelle besitzen beide Kurven dieselbe Steigung, so dass Grenzumsatz und Grenzkosten gleich hoch sind: Lc( y )

K c( y )

Der Schnittpunkt dieser beiden Kurven liegt im unteren Teil von Bild 6.6 entsprechend bei y* = 10; der zugehörige Marktpreis des Produktes beträgt e* = 40. Der dadurch bestimmte Punkt (e*, y*) auf der Absatz-Preis-Kurve heißt Cournot'scher Punkt. Die Fläche des grauen Rechtecks in Bild 6.6 unten entspricht dem maximalen Gewinn, den der Produzent als Monopolanbieter des Produktes auf einem großen Markt bei einem einheitlichen Preis für die Nachfrager erzielen kann. Dabei spielen die Fixkosten keine Rolle, d.h. sie sind nicht entscheidungsrelevant. Allerdings muss für die Praxis davon ausgegangen werden, dass es sich  zumindest zu einem erheblichen Teil  nicht um absolut fixe Kosten handelt, sondern um sprungfixe Kosten, die nur für y > 0 anfallen, für y = 0 aber verschwinden. Solche sprungfixen Kosten sind grundsätzlich relevant. Würden im Beispiel etwa sprungfixe Kosten hinzukommen, die über dem obigen Gewinnmaximum in Höhe von 103,33 liegen, so wäre es besser, überhaupt nicht zu produzieren (Stillstand).

Hinweise zum vertieften Studium 1) Für die Formulierung von Erfolgsfunktionen, die nicht alle auf Marktpreisen beruhen, sind die Erkenntnisse der betriebswirtschaftlichen Entscheidungslehre hilfreich, wie sie beispielsweise bei Bamberg/Coenenberg (2003), Eisenführ/Weber (1999) und Zimmermann/Gutsche (1991) dargestellt werden. 2) Zur Problematik der pagatorischen oder wertmäßigen Erfolgsmessung siehe Adam (1998), S. 263-276, zur Berücksichtigung externer Effekte und sozialer Kosten siehe Heinen/Picot (1974). 3) Fragen der betriebswirtschaftlichen Erfolgsmessung im Sinne der Kostenbewertung werden behandelt von Adam (1997), Ewert/Wagenhofer (2005) und Plinke/Rese (2006). 4) Kostentheoretische Betrachtungen werden von Adam (1998), Fandel (2005) und Schweizer/Küpper (1997) vertieft. Die Erfolgstheorie behandeln Dinkelbach/Rosenberg (2004) und Dyckhoff (1994). 5) Zu den behandelten Aspekten nichtlinearer Erfolgsverläufe siehe beispielsweise Ewert/Wagenhofer (2005), Fandel (2005), Steffenhagen (2004) und Zäpfel (2000).

102

Kapitel B: Entscheidungsorientierte Produktionstheorie

Übungsaufgaben (Dyckhoff/Ahn/Souren (2004)): Übungsaufgaben 7.1, 7.2, 7.3, 7.4, 7.5, 7.6

7 Produktionstheorie i.e.S.

7.1 Ergebnisse der Produktion 7.1.1 Beurteilung der Produktion 7.1.2 Objektkategorien verschiedener Erwünschtheit 7.1.3 Ergebnisorientierte Analyse der Produktion 7.1.4 Leistungskennzahlen 7.2 Produktionsfunktion 7.2.1 Effizienz der Produktion 7.2.2 Formulierung der Produktionsfunktion 7.2.3 Variabilität und Kompensationsmaße

Bewertung

Während die unterste Ebene als technologisch und die Erfolgsebene als ökonomisch angesehen werden können, spielt die Ergebnisebene als mittlere Betrachtungsebene der Produktionstheorie eine gewisse Zwitterrolle (vgl. Bild 7.1).

Realer Aufwand/Ertrag

Produktionstheorie im engeren Sinn

Bild 7.1: Ergebnisebene der entscheidungsorientierten Produktionstheorie

Einerseits orientiert sie sich stark an technischen Sachverhalten und Kennziffern, andererseits werden schon Beurteilungen vorgenommen, allerdings in einer im Vergleich zur Erfolgstheorie deutlich schwächeren Form, welche nicht die Kenntnis von Preisen voraussetzt. Die vorliegende Lektion 7 behan-

104

Kapitel B: Entscheidungsorientierte Produktionstheorie

delt die Ergebnisebene in zwei Abschnitten. Abschnitt 7.1 definiert die Ergebnisse der Produktion im Lichte unvollständiger Präferenzäußerungen des Produktionsmanagers. Diese bilden dann die Grundlage für die Formulierung verschiedener Ergiebigkeitsmaße. Abschnitt 7.2 formuliert hierauf aufbauend Dominanz- und Effizienzbeziehungen zur Bewertung von Aktivitäten, und zwar ohne die explizite Einführung einer Erfolgsfunktion, wie dies in Lektion 6 geschehen ist. Die daraus abgeleitete Definition des Begriffs der Produktionsfunktion stellt eine wichtige Voraussetzung zur Einordnung der traditionellen Produktionstheorie in die neuere Theorie dar.

7.1

Ergebnisse der Produktion

Auf der Ergebnisebene wird das betrachtete Produktionssystem unter Zugrundelegung technisch-naturwissenschaftlicher und organisatorischer Bezüge als Grey-Box-Modell beschrieben. Der hierbei anzustrebende Detaillierungsgrad sowie die zu beachtenden Objektarten hängen von der konkreten Aufgabenstellung des Produktionsmanagements ab, so dass der gewählte Modellierungsansatz als produktionswirtschaftlich zu bezeichnen ist. Wesentlich für die Entscheidungsunterstützung des Produktionsmanagements ist in erster Linie der Blickwinkel des Produktionsmanagers. Im vorliegenden Abschnitt werden daher zunächst Objektkategorien unterschiedlicher Erwünschtheit voneinander unterschieden und erste Überlegungen zur ergebnisorientierten Analyse der Produktion skizziert. Darauf aufbauend werden in der Produktionstheorie übliche Kennziffern zur Messung der Ergiebigkeit der Produktion vorgestellt. 7.1.1

Beurteilung der Produktion

Üblicherweise werden Objekte wirtschaftlichen Handelns im Rahmen ökonomischer Theorien an Hand von Marktpreisen bewertet. Es gibt jedoch mehrere Gründe, weshalb eine solche Vorgehensweise bei produktionswirtschaftlichen Analysen nicht ausreicht. Sie lassen sich in zwei Gruppen einteilen: (1) Für manche Objekte gibt es (noch) keine Marktpreise. (2) Die Marktpreise stellen keinen geeigneten Bewertungsmaßstab dar. Fehlende Marktpreise sind kennzeichnend für die freien Güter und typisch für viele öffentliche Güter, wie z.B. Sonnenlicht, Sauerstoff in der Luft oder nicht durch Patente geschützte und jedermann zugängliche Forschungserkenntnisse. Schädliche oder gefährliche Objekte, für die kein Bedarf besteht, z.B. Dioxin oder radioaktiv verseuchte Gegenstände, besitzen ebenfalls re-

Lektion 7: Produktionstheorie i.e.S.

105

gelmäßig keinen Marktpreis. Für die Produktionswirtschaft darüber hinaus von besonderer Bedeutung sind spezielle (reine) Zwischenprodukte, die innerhalb eines Produktionssystems entstehen und genutzt werden, für die aber außerhalb des Produktionssystems kein Bedarf existiert, z.B. Schablonen für Schnittmuster sowie eigengefertigte Spezialwerkzeuge und -maschinen. Aber selbst dann, wenn es im Prinzip für das Objekt einen Marktpreis gibt, so ist dieser dem Produzenten häufig zum Entscheidungszeitpunkt noch unbekannt, beispielsweise wenn die Entwicklung oder sogar die Herstellung der Hauptprodukte lange vor ihrem Absatz beginnt. Marktpreise kennzeichnen den Tauschwert der Objekte (Ware gegen Geld) und haben insoweit eher einen objektiven Charakter. Für produktionswirtschaftliche Zwecke, insbesondere bei innerbetrieblichen Fragestellungen, ist aber häufig der Gebrauchswert (Nutzwert) von ebenso großer Bedeutung. Er kann aufgrund seiner Subjektivität und seiner situativen Relativität vom Tauschwert abweichen, so etwa bei der Nutzung einer Maschine, die zwar vollständig abgeschrieben und technisch überholt ist, jedoch einen Engpass in der Produktion darstellt. In der hier entwickelten entscheidungsorientierten Produktionstheorie ist das Subjekt der Beurteilung bzw. Bewertung der Produzent. Er beurteilt im Rahmen des ihm obliegenden Managements des Produktionssystems an Hand bestimmter Zielsetzungen (Zielsystem gemäß Bild 3.2) die Nützlichkeit oder gegebenenfalls die Schädlichkeit der Objekte und der durch eine Produktionsaktivität hervorgerufenen Veränderungen. Die Ziele legen damit fest, was aus der subjektiven Sicht und in der jeweiligen Situation des Produktionssystems zu einer Wertschöpfung bzw. zu einer Schadschöpfung führt. Von einer ökonomisch motivierten Beurteilung soll gesprochen werden, wenn sie auf die Einkommenserzielung abstellt, d.h. die langfristige Existenzsicherung der Unternehmung zum Ziel hat und in der Regel im direkten oder auch nur indirekten Zusammenhang mit Tauschvorgängen auf Märkten steht. Unternehmerisches Handeln in einer demokratisch verfassten sozialen (und ökologischen) Marktwirtschaft gründet sich aber auch auf den Prinzipien der gesellschaftlichen Legitimität und ökologischen Rationalität. Danach können neben den ökonomischen Motiven, welche in einer Marktwirtschaft für Unternehmungen zwangsläufig im Vordergrund stehen müssen, wenn sie dauerhaft überleben wollen, auch soziale und ökologische Aspekte in die Beurteilung der Produktion einfließen. Diese können gegebenenfalls sogar eine Geschäftsaufgabe nahe legen. Die in der Produktionswirtschaft betrachteten Produktionssysteme sind meistens Subsysteme der Unternehmung. Deshalb handelt es sich bei den relevanten Zielen in der Regel um Führungsgrößen, die zwar aus den autorisierten Wertvorstellungen der gesamten Unternehmung abzuleiten sind, jedoch für

106

Kapitel B: Entscheidungsorientierte Produktionstheorie

praktische Zwecke einfach, messbar und operational gehalten werden müssen. Aus diesem Grunde werden in der Produktionswirtschaft an Stelle monetärer Zielgrößen vielfach physikalische Ersatzgrößen (Anzahl, Masse, Gewicht, Länge, Fläche, Volumen, Energieinhalt, Zeit etc.) verwendet, an Hand derer mittels verschiedener Kennziffern die Ergiebigkeit der Produktion gemessen und beurteilt werden soll. Solche mehrdimensionalen, hauptsächlich an physikalischen Größen orientierten und auf Kennziffern basierenden Bewertungsansätze charakterisieren die Ergebnisebene, d.h. die Produktionstheorie im engeren Sinn. 7.1.2

Objektkategorien verschiedener Erwünschtheit

Damit Objekte produktionswirtschaftlichen Handelns beachtet werden, müssen sie verfügbar und relevant sowie ihre wesentlichen Eigenschaften bekannt sein. Dabei geht es um die faktische Verfügbarkeit im Sinne ihres Besitzes (bspw. mittels Miete) oder der Möglichkeit, über die Arbeit von Arbeitskräften disponieren zu können. Eine rechtliche Verfügbarkeit im Sinne von Eigentum ist hierfür nicht unbedingt notwendig. Der Wunsch eines Subjektes, über ein Objekt verfügen zu können, beruht auf der Kenntnis bestimmter dem Objekt anhängender Nutzungsmöglichkeiten (Objekt als Nutzenbündel). Diese können dazu dienen, Bedürfnisse des Subjektes zu befriedigen. So dienen Personenkraftwagen nicht nur dem Transport oder als gelegentliche Schlafstätte (Gebrauchsnutzen), sondern darüber hinaus eventuell auch dem Vergnügen oder Prestige des Fahrers (Erlebnisnutzen). Das Beispiel des PKW und der durch ihn verursachten Umweltschäden verdeutlicht aber gleichzeitig, dass Objekten nicht nur positive, sondern auch negative Eigenschaften beigemessen werden können. Überwiegen die üblen die guten Aspekte (Objekt als Lastenbündel), wie im Falle eines schrottreifen Fahrzeugs oder häufig bei Abfall, so möchte das Subjekt, hier der Produktionsmanager, das Objekt aus seinem Verfügungs- und Verantwortungsbereich entfernen. Die Pflichten des Produktionsmanagers ergeben sich hierbei aus den Rechten anderer, die von seinen Handlungen betroffen sind. Interaktionen haben den Zweck, mit einem Objekt verbundene Rechte und Pflichten einem anderen Wirtschaftssubjekt zu übertragen (Absatz oder Fremdentsorgung). Transformationen durch ein eigenes Reduktionssubsystem verfolgen hingegen den Zweck, die Eigenschaften eines unerwünschten Objektes so zu verändern, dass es weniger schädlich wird bzw. völlig neue, nützlichere Objekte entstehen (Eigenentsorgung). Allgemein betrachtet sind wirtschaftlich relevante Objekte als Bündel von nützlichen und schädlichen Eigenschaften anzusehen. Je nachdem, ob die guten die schlechten Eigenschaften überwiegen oder umgekehrt, oder ob sich

Lektion 7: Produktionstheorie i.e.S.

107

alle Eigenschaften ausgleichen, kann man drei Kategorien beachteter Objekte unterscheiden: -

-

-

Ein Gut („good“) ist ein Objekt, über das man verfügen möchte. (Wirtschaftliche) Güter sind regelmäßig beachtete Objekte, deren Relevanz aus ihrer Eignung zur Verwirklichung bestimmter Zwecke, d.h. für Produktion oder Konsumtion, sowie aus ihrer relativen Knappheit resultiert. Sie besitzen deshalb einen positiven Gebrauchsoder Tauschwert. Ein Übel (Last, „bad“) ist ein Objekt, das man nicht haben bzw. aus seinem Verantwortungsbereich entfernen möchte. Übel sind in der Regel deshalb relevant, weil sie als störend empfunden oder sogar als schädlich eingestuft werden sowie im relativen Überschuss vorhanden sind. Sie werden daher negativ bewertet. Gegenüber einem Neutrum ist man im Rahmen gewisser Fühlbarkeitsschwellen indifferent; es wird als wertlos angesehen. Neutrale Objekte finden meistens nur deshalb überhaupt Beachtung, weil sie technisch und aufgrund gegebener Restriktionen eine nicht vernachlässigbare Rolle im Produktionssystem spielen (z.B. der Verschnitt beim Zuschneiden); wirtschaftlich bzw. gegebenenfalls auch sozial oder ökologisch würden sie ansonsten eigentlich ignoriert werden.

In der Wirtschaftswissenschaft bezieht sich die Einstufung eines Objektes in eine dieser drei Kategorien üblicherweise auf die Menschen eines bestimmten Kulturkreises und auf eine gewisse Dauer. So äußert sich der Gutscharakter von Objekten darin, dass die Menschen sie überwiegend begehren und gegebenenfalls bereit sind, ein Entgelt für ihren Erwerb zu entrichten. Umgekehrt sind Übel dadurch gekennzeichnet, dass der Besitzer sich ihrer entledigen will und gegebenenfalls bereit ist, dafür ein Entgelt zu entrichten (subjektive Sicht); bei Übeln kann eine geordnete Entsorgung auch zum Wohle der Allgemeinheit, insbesondere zum Schutz der Umwelt, geboten sein (objektive Sicht). Die subjektive Einteilung in die drei Objektkategorien ist relativ und situationsbedingt, d.h. abhängig von Ort, Zeit und sonstigen Umständen, in denen sich das betrachtete Produktionssystem befindet. Eine andere Situation kann dazu führen, dass derselbe Produzent die Objekte neu beurteilt. Zwei wesentliche situative Umstände außer Ort und Zeit sind die vorhandenen Informationen und Objektquantitäten. So sind Fluorchlorkohlenwasserstoffe (FCKW) erst dann zu Übeln geworden, als man ihre schädliche Wirkung auf die Ozonschicht und auf das Klima der Erde erkannte. Bei der Rauchgasentschwefelung anfallender Gips (REA-Gips) wäre aus Sicht des erzeugenden Kraftwerks nicht weiter störend und würde wohl als Neutrum eingestuft werden, wenn er nur in kleinen Quantitäten anfallen würde. In mittleren Quantitäten

108

Kapitel B: Entscheidungsorientierte Produktionstheorie

fände sich eventuell eine lukrative Absatzmöglichkeit auf dem lokalen Markt für Baustoffe, sodass er für das Kraftwerk ein Gut wäre. In großen Quantitäten ist er jedoch wegen der hohen Transportaufwendungen nicht mehr absetzbar und muss deponiert werden; er wird dann als Übel betrachtet. Zur Vereinfachung wird in diesem Buch als Normalfall generell vorausgesetzt, dass alle Objekte ein und derselben (beachteten) Art durchgängig genau einer der drei Kategorien zugeordnet sind. Folglich können die beachteten Objektarten ebenfalls in die drei genannten Klassen eingeteilt werden. Für das Beispiel der Müllverbrennung aus Lektion 6.3 könnte beispielsweise folgende Einteilung gelten: -

Güterarten:

-

Übelarten: neutrale Objektarten:

-

Rohwasser, Strom, Fernwärme (gewonnen aus der Restwärme) Müll, Schlacke, Abwasser, Abgase Schrott, Luft, Fortwärme.

Im Beispiel des Lederwarenherstellers der Lektionen 4 und 5 kann man außer den Lederresten alle anderen fünf beachteten Objektarten als Güter ansehen; die Lederreste seien als neutral eingestuft. In der Regel kann davon ausgegangen werden, dass Hauptprodukte als Güter und Redukte als Übel eingestuft werden. 7.1.3

Ergebnisorientierte Analyse der Produktion

Produktionsprozesse verändern über die Transformation von Input in Output zielgerichtet die Objektarten und ihre Bestände. Diese Veränderungen sind die unmittelbaren Ergebnisse der Produktion. Die negativen, d.h. nachteiligen Ergebnisse werden als realer Aufwand (auch: bonitäre Kosten, Opfer), die positiven, d.h. vorteilhaften Ergebnisse als realer Ertrag (auch: bonitäre Leistungen) bezeichnet. Im Unterschied zum Ertrags-/Aufwandsbegriff im externen Rechnungswesen sind hiermit keine monetären, sondern mengenmäßige, bonitäre Größen gemeint. Da Güter erwünschte Objekte sind, ist der Output von Gütern als Ergebnis der Produktion ebenfalls erwünscht. Die durch die Ausbringung bewirkte Erhöhung eines Güterbestandes bedeutet Ertrag. Er wird in den physischen Einheiten der jeweiligen Objektart gemessen und stellt so eine reale oder mengenmäßige Größe dar. Die Ertragsquantitäten der verschiedenen Objektarten können mangels adäquater Preisansätze nicht wie auf der Erfolgsebene ohne weiteres aggregiert werden. Ertrag ist somit hier als ein mehrdimensionales Phänomen zu verstehen.

Lektion 7: Produktionstheorie i.e.S.

109

Allgemein beinhaltet der reale Ertrag einer Produktion alle im Sinne der Ziele des Produktionssystems erwünschten Veränderungen, die durch den Transformationsprozess hervorgerufen oder bewirkt werden. Realer Ertrag bedeutet eine (Brutto-)Werterhöhung, die nicht unbedingt in Form einer eindimensionalen Zahl messbar sein muss. Eine solche Werterhöhung entsteht auch durch eine Verringerung negativer Werte bei der Vernichtung oder Umwandlung eines Übels im Rahmen eines Transformationsprozesses. Ertrag resultiert demnach nicht nur aus dem Gutoutput, sondern auch aus dem Übelinput. Die Hauptprodukte und Hauptredukte bilden den Zweckertrag. Ein Nebenertrag kann sowohl aus weiterem Gutoutput, den guten Nebenprodukten, als auch aus weiterem Übelinput, den Reduktfaktoren, resultieren. In Umkehrung des Ertragsbegriffs bedeuten der Input eines Gutes oder der Output eines Übels (realen) Aufwand. Realer Aufwand einer Produktion sind alle unerwünschten, mehrdimensional in meist physischen Größen gemessenen Veränderungen, die durch den Transformationsprozess hervorgerufen oder bewirkt werden. Sie sind aus Sicht des Produktionsmanagers deshalb unerwünscht, weil sie im Sinne der Ziele des Produktionssystems Werte vernichten (Werteverzehr). Objekte des Gutinputs heißen Produktionsfaktoren, die des Übeloutputs Abprodukte. Typische Abprodukte sind feste Abfälle, Abwässer, Abgase, Abwärme und sonstige Emissionen, sofern sie nicht als neutrale Objekte angesehen oder vollkommen ignoriert werden. Güter und Übel als Input oder Output einer Produktion sind demnach stets mit einem realen Aufwand oder Ertrag verbunden, wobei sie sich quasi mit umgedrehten Vorzeichen verhalten. Neutrale Inputs und Outputs zeichnen sich dagegen gerade durch ihre Ergebnisneutralität (Aufwands- und Ertragsneutralität) aus. Sie werden Beifaktoren bzw. Beiprodukte genannt. Tabelle 7.1 illustriert eine solche Einteilung für das Beispiel der Müllverbrennung. Die Nebenprodukte Strom und Fernwärme sind als erwünscht, Schlacke, Abwasser und Abgase als unerwünscht sowie Schrott und Fortwärme als ergebnisneutral angenommen. Analog bildet der Hauptfaktor Rohwasser einen möglichst sparsam zu verwendenden Einsatzfaktor, während die Luft als neutral eingestuft ist.

110

Kapitel B: Entscheidungsorientierte Produktionstheorie

Tabelle 7.1: Ergebnisse der Müllverbrennung

Tabelle 7.2: Ergebnistabelle der Müllverbrennung

Von eigentlichem Interesse für den Produzenten sind nur die Aufwendungen und Erträge. In einer Ergebnistabelle werden dementsprechend die neutralen Objektarten weggelassen und nur der reale Aufwand (links) dem realen Ertrag (rechts) gegenübergestellt. Tabelle 7.2 zeigt dies für das Müllver-

Lektion 7: Produktionstheorie i.e.S.

111

brennungsbeispiel, wobei oben die Güter- und unten die Übelarten aufgeführt sind. Neutrale Objekte können allerdings nicht ohne weiteres ignoriert werden. Restriktionen für neutrale Objektarten  z.B. Emissionsgrenzwerte, (vorübergehende) Engpässe bei freien Gütern oder auch Lieferverpflichtungen für ansonsten wertlose Kuppelprodukte  wirken sich im Allgemeinen indirekt auf die realisierbaren Produktionen und ihre Aufwendungen und Erträge aus. Diese Tatsache sowie die Unsicherheit darüber, ob eine Objektart früher oder später nicht doch als Gut oder Übel eingestuft werden muss, sind die wesentlichen Gründe dafür, weshalb neutrale Objektarten überhaupt beachtet werden. Eine Objektart, die, obwohl wesentlich, bei der Modellierung der Produktion regelmäßig ignoriert wird, ist die Erdgravitation. 7.1.4

Leistungskennzahlen

Zur quantitativen Analyse der Ergebnisse einer Produktionsaktivität leisten insbesondere Kennzahlen bzw. Kennzahlensysteme einen wichtigen Beitrag. Kennzahlen sind absolute oder relative Zahlen, welche quantitativ erfassbare Zusammenhänge in konzentrierter Form wiedergeben. Sie beziehen sich dabei stets auf ein System und orientieren sich am Systemzweck und den verfolgten Leistungszielen. Sie sollen es ermöglichen, komplexe Sachverhalte einfach und trotzdem weitgehend präzise darzustellen. Zur Messung der Ergiebigkeit werden Relationen von Input- und Outputquantitäten einer Produktionsaktivität gebildet. Relative Kennzahlen bestehen üblicherweise aus dem Quotienten der Quantitäten zweier ausgewählter Objektarten, so dass grundsätzlich vier Arten relativer Kennzahlen unterschieden werden: O/I-, I/O-, I/I- und O/O-Koeffizienten. Diese werden auch als Ergebniskoeffizienten bezeichnet. Hervorzuheben sind aufgrund ihrer praktischen Bedeutung insbesondere die folgenden Ergebniskoeffizienten: (1) Faktorproduktivität b ji als O/I-Koeffizient (Output j : Input i): b ji

yj xi

(7.1)

Sie berechnet sich als quantitatives Verhältnis einer Outputobjektart j und einer Inputobjektart i. Im Falle von Gütern bezeichnet sie etwa den durchschnittlichen Ertrag des Produktes j je Aufwandseinheit des Faktors i (z.B. Arbeitsproduktivität). Handelt es sich bei j jedoch um ein Übel, so wird beispielsweise von Abfall- oder Emissionskoeffizienten gesprochen.

112

Kapitel B: Entscheidungsorientierte Produktionstheorie

(2) Produktionskoeffizient aij als I/O-Koeffizient (Input i : Output j): aij

xi yj

(7.2)

Er berechnet sich als quantitatives Verhältnis einer Inputobjektart i und einer Outputobjektart j. Im Falle von Gütern bezeichnet er etwa den durchschnittlichen Aufwand eines Faktors i je Ertragseinheit eines Produkts j und entspricht damit dem Kehrwert der Faktorproduktivität. (3) Kopplungskoeffizient cki als I/I-Koeffizient (Input k : Input i) bzw. c jk als O/O-Koeffizient (Output j : Output k):

cki

xk bzw. c jk xi

yj yk

(7.3)

Er berechnet sich als quantitatives Verhältnis zweier Inputobjektarten (z.B. Mischungsverhältnis) bzw. zweier Outputobjektarten (z.B. Kopplungskoeffizient zweier Kuppelprodukte). (4) Zusammensetzungs- oder Qualitätskoeffizient q jh :

q jh

y jh yj

(7.4)

Er berechnet sich als mengenmäßiger Output einer Komponente h als Bestandteil einer Outputobjektart j, bezogen auf den gesamten mengenmäßigen Output der Objektart j. In der Praxis sind beispielsweise Massenkonzentrationen eines Schadstoffs h als Bestandteil eines Trägermediums j (z.B. SO2-Konzentration im Rauchgas eines Kohlekraftwerks) oder der Sortenreinheitsgrad eines Stoffstroms (z.B. Metallgehalt im Schrott aus Elektronik-Altgeräten) übliche Kennzahlen. Inputseitig sind ebenfalls Zusammensetzungskoeffizienten wie der prozentuale Schwefelgehalt von Braunkohle oder der Eisenanteil von Erzen gebräuchlich. Ergebniskoeffizienten stellen damit Durchschnittswerte dar, die als Quotienten zweier Objektarten gebildet werden. Sie haben von daher lediglich eine begrenzte Aussagekraft, besonders dann, wenn sie isoliert und nicht im Verbund mit den anderen Koeffizienten gesehen werden. So kann sich beispielsweise die Arbeitsproduktivität deshalb verbessern, weil aufgrund von Investitionen in automatisierte Produktionsanlagen auf den Produktionsfaktor menschliche Arbeit zunehmend verzichtet werden kann. Dies geht allerdings u.U. zu Lasten der Kapitalproduktivität oder durch gestiegenen Energieein-

Lektion 7: Produktionstheorie i.e.S.

113

satz zu Lasten der Energieproduktivität. Eine Beurteilung des Erreichungsgrads aller vorgegebenen Ziele lässt sich daher nur durch eine gesamthafte Betrachtung sämtlicher relevanten Ergebniskoeffizienten erreichen.

7.2

Produktionsfunktion

Die Beurteilung und Klassifizierung der Objekte bezüglich ihrer Erwünschtheit erlaubt schon auf der Ergebnisebene für einen Teil der Produktionsaktivitäten einer Technik bzw. eines Produktionsraums einen Vergleich ihrer Güte. Grundlage dafür ist der Dominanzbegriff, der in Abschnitt 7.2.1 vorgestellt und als Entscheidungskriterium zur Bestimmung effizienter Aktivitäten herangezogen wird. Abschnitt 7.2.2 umfasst darauf aufbauend die Formulierung der Produktionsfunktion. Ein kurzer Einblick in Variabilitätseigenschaften, wie Substitutionalität und Limitationalität von Produktionsfaktoren, sowie in einige wenige ausgewählte Kompensationsmaße schließt sich in Abschnitt 7.2.3 an. 7.2.1

Effizienz der Produktion

Die Technologie, d.h. die Lehre von den Produktionstechniken und ihren Restriktionen, kennzeichnet Aktivitäten eines Produktionssystems als technisch möglich bzw. realisierbar. Die so beschriebenen Aktivitäten werden nicht weiter differenziert. Insbesondere können mangels Informationen über die Präferenzen des Produzenten bzw. die Ziele des Produktionsmanagements keine weitergehenden Aussagen darüber gemacht werden, ob eine Produktion besser ist als eine andere. Dagegen lassen sich derartige Aussagen im Rahmen der Produktionstheorie als der Theorie der Ergebnisebene in mehr oder minder starkem Maße ableiten, wenngleich nicht so weitgehend wie in der Erfolgstheorie. Ursache dafür ist die eingeführte Beurteilung der Produktionsergebnisse hinsichtlich ihrer realen Aufwendungen und Erträge. Vergleicht man zwei verschiedene Aktivitäten einer Technik, so dominiert die eine Aktivität die andere, wenn unter ansonsten gleichen Umständen (ceteris paribus) der Güterinput oder der Übeloutput geringer bzw. der Güteroutput oder der Übelinput höher sind. Die präzise Definition lautet: Eine Produktion z1 dominiert eine andere Produktion z2 genau dann, wenn für alle beachteten Objektarten k  {1,...,N} gilt:

z k1 t z k2

für jede Güterart k

(7.5)

114

Kapitel B: Entscheidungsorientierte Produktionstheorie

z k1 d z k2

für jede Übelart k

(7.6)

und in wenigstens einem dieser Fälle eine echte Ungleichung vorliegt. Dominanz bedeutet also eine Verbesserung im Sinne der Verringerung des realen Aufwands oder der Erhöhung des realen Ertrags einzelner Objektarten, ohne dass für die anderen Objektarten die Aufwendungen steigen und/oder die Erträge sinken. Neutrale Objekte sind für die Dominanz von Produktionen irrelevant. Für Übelarten kehrt sich die Dominanzrichtung gegenüber den Güterarten um. Im Produktionsdiagramm einer zweidimensionalen Technik drückt sich dies bei der z-Darstellungsform grafisch so aus, dass bessere Aktivitäten ceteris paribus bei Güterarten weiter nördlich (oben) bzw. östlich (rechts) und bei Übelarten weiter südlich (unten) bzw. westlich (links) liegen (vgl. Bilder 7.2 und 7.3). Im Beispiel

z

1

§ 4· ¨ ¸ 2 ¨ 5¸ , z ¨ 3 ¸ © ¹

§  3· ¨ ¸ 3 ¨6 ¸ , z ¨ 3 ¸ © ¹

§  3· ¨ ¸ ¨ 7 ¸ ¨ 4 ¸ © ¹

einer dreidimensionalen Technik, bei der Objektart 1 als Übel und die Objektarten 2 und 3 als Güter angesehen werden, dominiert die Aktivität z 1 die Aktivität z 2 , nicht aber die Aktivität z 3 . Mit Hilfe des so definierten Dominanzbegriffs lassen sich nun effiziente Produktionen ermitteln. Eine Produktion heißt effizient in Bezug auf die durch die Güter-, Übel- und neutralen Objektarten definierte Präferenzrelation sowie die zugrunde liegende Technik oder den betrachteten Produktionsraum, wenn sie von keiner anderen Produktion dieser Technik bzw. dieses Produktionsraumes dominiert wird. Effizienz ist also relativ, nämlich abhängig von der jeweiligen Einteilung der Objekte in Güter, Übel und Neutra sowie von der jeweils verfügbaren Technik und eventuell zu berücksichtigenden Restriktionen. Im Folgenden werden Effizienzanalysen hauptsächlich auf die jeweilige Technik bezogen und Restriktionen weitgehend ausgeklammert. Die obige Definition liefert nur eine nominelle Einteilung in die beiden Kategorien „effizient“ und „ineffizient“ und lässt keine Zwischenabstufungen in mehr oder weniger effiziente Produktion zu. Für das Produktionsdiagramm einer reinen Gütertechnik bedeutet Effizienz grafisch, dass nordöstlich eines effizienten Produktionspunktes kein anderer Punkt der Technik liegt. Die effizienten Punkte einer Gütertechnik liegen somit immer auf dem nordöstlichen Rand. Die Menge

Lektion 7: Produktionstheorie i.e.S.

T eff

115

^z  T | z ist eine effiziente Produktion `

(7.7)

wird deshalb auch effizienter Rand von T genannt. In Bild 7.2 handelt es sich um die fett hervorgehobenen Produktionspunkte bzw. Randstücke der sechs skizzierten Gütertechniken.

TA

z2

z2

z2

z1

z1

z1

TC

TB (a)

(c)

(b)

z2

z2

z2

TF z1

z1

z1

TE

TD (d)

(e)

(f)

Bild 7.2: Effiziente Ränder zweidimensionaler Gütertechniken (Quelle: Dyckhoff (1994), Abb. 6.2)

Bei Techniken mit Übeln kehrt sich die Dominanzrichtung für die entsprechenden Objektarten um. Für die Müllverbrennung stellt Bild 7.3 das (fiktive) Beispiel einer Technik nur für die beiden beachteten Inputarten Müll und Brennstoff, z.B. Erdgas, dar. Müll ist als Übel ein Redukt, Brennstoff als Gut ein Produktionsfaktor. Der effiziente Rand liegt hier in südöstlicher Richtung, d.h. nach rechts unten. Die Feststellung, dass bestimmte Kombinationen aus Müll und Brennstoff effizient sind, ignoriert die Quantitäten aller anderen, nicht beachteten Objektarten. Aussagen über die Effizienz von Aktivitäten können nämlich grundsätzlich nur dann getroffen werden, wenn alle Güter und Übel beachtet werden. Demnach werden im obigen Beispiel die Outputarten und alle anderen Inputarten der Müllverbrennung entweder implizit als neutrale Objekte behandelt, oder ihre Quantitäten werden als konstant angenommen. Es ist unmittelbar einsichtig, dass bei Änderung der Produktionsmöglichkeiten zuvor effiziente Aktivitäten ineffizient werden können und umgekehrt.

116

Kapitel B: Entscheidungsorientierte Produktionstheorie

Das Gleiche trifft auch bei einer Änderung der unterstellten Präferenzrelation zu, etwa bei einem Wechsel von einer ökonomischen zu einer ökologischen Sichtweise. Um diese Abhängigkeit zu illustrieren, sei angenommen, dass im obigen Beispiel der Müllverbrennung besonders toxische Abfälle unter Zugabe eines Brennstoffes, z.B. Erdgas, in Output umgewandelt werden. Dieser Output ist als harmlos anzusehen und kann dementsprechend ignoriert werden. Die Reduktion einer Tonne Abfall unter Einsatz von drei Kubikmetern Erdgas wäre dann ineffizient, wenn dies auch mit nur zwei Kubikmetern Erdgas möglich wäre. Diese Beurteilung ändert sich jedoch schlagartig, wenn im Output der zweiten, brennstoffsparenden Aktivität toxische Anteile enthalten sind, etwa Dioxine. Dieser toxische Output der zweiten Aktivität muss als unerwünschte Objektart (Übel, Abprodukt) eingestuft werden. Die erste Aktivität verbraucht zwar mehr Brennstoff, erreicht dafür aber auch höhere Verbrennungstemperaturen, die die Bildung von Dioxinen verhindern. Der Rückstand der ersten Aktivität stellt daher nach wie vor eine neutrale Objektart (Neutrum, Beiprodukt) dar. Die erste Aktivität wird nicht mehr durch die zweite dominiert, weil dem geringeren Aufwand beim Brennstoffeinsatz nun auf der Outputseite ein zusätzlicher Aufwand in Form der Dioxin-Emissionen gegenübersteht. z Müll Aufwand

z Erdgas

T

Ertrag Bild 7.3: Effizienter Rand der Müllverbrennung mit den beiden beachteten Inputobjektarten Müll (Übel) und Erdgas (Gut) (Quelle: Dyckhoff (1994), Abb. 9.3)

Da die Einstufung einer Objektart als Gut, Übel oder Neutrum von den betrieblichen Zielsetzungen abhängt, macht das vorangehende Beispiel auch deutlich, dass es zwischen ökonomischer und ökologischer Effizienz einen Widerspruch geben kann. Aber schon aus rein wirtschaftlichen Gründen können sich Änderungen bei den effizienten Aktivitäten ergeben, wenn Objektar-

Lektion 7: Produktionstheorie i.e.S.

117

ten ihre Kategorie wechseln. Ein typisches Beispiel dafür sind Zuschneideprozesse: Voraussetzung für die Effizienz eines Schnittmusters ist, dass aus dem anfallenden Verschnitt kein weiterer Kundenauftrag hätte bedient werden können. Schnittmuster mit großen Reststücken sind deshalb meistens ineffizient. Das gilt nicht mehr, wenn diese Reststücke auf Lager gelegt und für den Bedarf späterer Perioden weiterverwendet werden können. Große Reststücke, die ursprünglich den Charakter von neutralen oder unerwünschten Outputobjektarten (Beiprodukte oder Abprodukte) hatten, werden dann zu erwünschten Outputobjektarten (guten Nebenprodukten). 7.2.2

Formulierung der Produktionsfunktion

Eine effiziente Aktivität zeichnet sich dadurch aus, dass eine Steigerung eines realen Ertrags oder eine Minderung eines realen Aufwands nicht möglich ist, ohne gleichzeitig anderweitig den Ertrag zu senken oder den Aufwand zu erhöhen. Es wäre unvernünftig, eine ineffiziente Aktivität zu realisieren, weil es definitionsgemäß wenigstens eine bessere Alternative gibt. Die Forderung nach Effizienz der Produktion entspricht somit einem entscheidungslogischen Rationalprinzip. Sie wird als schwaches (auch reales oder mengenmäßiges) Erfolgsprinzip bezeichnet. Bei einer rein ökonomischen Beurteilung spricht man von einem schwachen (realen, mengenmäßigen) Wirtschaftlichkeitsprinzip. Das Streben nach maximalem Erfolg, wie im Beispiel des Cournot’schen Punktes der Lektion 6, entspricht dagegen dem starken Wirtschaftlichkeits- bzw. Erfolgsprinzip der Erfolgsebene. Die in dieser Lektion angestellten, einführenden Überlegungen zur Produktionstheorie gehen idealtypisch von effizienter Produktion aus. In der Praxis werden aufgrund unvollständiger Informationen und begrenzter Managementkapazitäten jedoch in der Regel ineffiziente Produktionen realisiert. Für eine unmittelbar praxisorientierte Produktionsmanagementlehre müssten die oben genannten Gründe für Ineffizienz daher explizit beachtet werden. Gemäß dem im Folgenden zugrunde gelegten idealtypischen Erfolgsprinzip ist nur der effiziente Rand einer Technik von produktionswirtschaftlichem Interesse. Bei Betrachtung des Bildes 7.2 wird in jedem der sechs Fälle ein funktionaler Zusammenhang zwischen den effizienten Quantitäten der beiden dargestellten Güterarten deutlich: z2 = f ( z1). Einen solchen eindeutigen Zusammenhang zwischen den Objektquantitäten bei effizienter Produktion nennt man Produktionsfunktion. Ist im allgemeinen Fall einer beliebigen Anzahl von Objektarten eine Produktion effizient, dann gibt es keine andere effiziente Produktion, bei der nur die Quantität einer einzigen Güter- oder Übelart variiert worden ist, alle anderen Güter- und Übelquantitäten aber unverändert geblieben sind; ändern dürfen sich allerdings wohl die Quantitä-

118

Kapitel B: Entscheidungsorientierte Produktionstheorie

ten der neutralen Objektarten. Legt man demnach alle Güter- und Übelquantitäten bis auf eine fest, dann kann die verbliebene Gut- bzw. Übelquantität bei effizienter Produktion nur noch einen eindeutig bestimmten Betrag annehmen, vorausgesetzt, ein solcher Betrag existiert überhaupt. Die letzte Einschränkung ist wesentlich für die Tatsache, dass im Allgemeinen keine so genannte explizite Produktionsfunktion der Art zk

f ( z1 ,...,z k 1 ,z k 1 ,...,z ț )

(7.8)

existieren muss, welche die Quantität einer beliebigen Güter- oder Übelart k als mathematische Funktion der Quantitäten der restlichen N  1 Güter- und Übelarten darstellt. In der traditionellen produktionswirtschaftlichen Literatur ist allerdings eine Reihe solcher expliziter Produktionsfunktionen gängig. Besondere Bedeutung haben in der Betriebswirtschaftslehre die so genannten Leontief- sowie die Gutenberg-Produktionsfunktionen, die sich als effizienter Rand von Leontief- und Gutenberg-Techniken ergeben (vgl. Lektionen 8 und 10). Geht man beim Beispiel des Lederwarenherstellers davon aus, dass bis auf das neutrale Nebenprodukt (Beiprodukt) Lederreste alle anderen beachteten Objektarten Güter sind, so ist jede Produktion der in Lektion 5 definierten diskreten Leontief-Technik effizient, d.h. es gilt: Teff = T. Wegen y4 = O1 und y5 = O2 lassen sich beliebige nichtnegative und ganzzahlige Erzeugnisprogramme (y4, y5) an Schuhpaaren und Taschen effizient herstellen, wozu jeweils eindeutig eine einzige Faktorkombination gemäß der folgenden drei Input- oder Faktorfunktionen gehört: x1 50 y4  50 y5 x2 40 y4  15 y5 x3 0 ,15 y4  0 ,4 y5

bzw.

§ x1 · ¨ ¸ ¨ x2 ¸ ¨x ¸ © 3¹

§ 50 50 · ¸ § y4 · ¨ ¨ 40 15 ¸ ˜ ¨¨ ¸¸ ¨ 0 ,15 0 ,4 ¸ © y5 ¹ ¹ ©

Sofern die Lederreste nicht ignoriert werden, wird ihr Anfall durch folgende Output- oder Beiproduktfunktion beschrieben: y6 30 y4  25 y5

Die vier Gleichungen beschreiben damit den effizienten Rand der Lederverarbeitungstechnik, wobei gemäß der x,y-Schreibweise generell die Nichtnegativität der Variablen vorausgesetzt wird. Darüber hinaus müssen hier die beiden Variablen für die Hauptproduktquantitäten wegen der Additivität der Technik auch noch ganzzahlig sein. Wie früher schon vermerkt, sind die Nichtnegativitätsbedingungen implizit unterstellt. Auch die Ganzzahligkeits-

Lektion 7: Produktionstheorie i.e.S.

119

bedingungen werden nicht immer gesondert hervorgehoben, wenn dies aus dem jeweiligen Kontext klar hervorgeht. Das letzte Beispiel verdeutlicht, dass eine einzige (eindimensionale) explizite Produktionsfunktion im Allgemeinen nicht ausreicht, um den effizienten Rand einer Technik zu beschreiben. Wenn es überhaupt gelingt, so sind dazu in der Regel mehrere Funktionen notwendig, die zusammen auch als eine mehrdimensionale Funktion aufgefasst werden können. Im obigen Beispiel gilt demnach ( x1,x2,x3,y6 ) = f( y4,y5 ), d.h. alle anderen Objektquantitäten sind bei effizienter Produktion eindeutig durch die beiden Hauptprodukte bestimmt („limitiert“). Allerdings ist es immer möglich, den effizienten Rand durch eine eindimensionale implizite Produktionsfunktion mittels einer Produktionsgleichung darzustellen: f(z) 0 œ

z  T eff

(7.9)

Für das letzte Beispiel lautet eine entsprechende Produktionsgleichung in der x,y-Version: f( x1 , x2 , x3 , y4 , y5 , y6 )

x1  50 y4  50 y5  x2  40 y4  15 y5  x3  0,15 y4  0,4 y5  y6  30 y4  25 y5

7.2.3

0

Variabilität und Kompensationsmaße

Das Konzept der Produktionsfunktion setzt voraus, dass bei effizienter Produktion die Quantität einer nichtneutralen Objektart eindeutig bestimmt ist, falls die Quantitäten aller anderen nichtneutralen Objektarten fest vorgegeben sind. Dies bedeutet, dass die letzte Objektart durch die anderen limitiert wird. Im Beispiel der Lederverarbeitung sind dagegen schon alle anderen Objektarten limitiert, wenn nur die Hauptproduktmengen festgelegt sind. Zur Untersuchung der Variabilität der beachteten Objektarten bei effizienter Produktion werden üblicherweise Isoquanten herangezogen, die wie folgt unterschieden werden: (1) Produktisoquanten werden durch Input/Input-Diagramme dargestellt und definieren den geometrischen Ort sämtlicher Kombinationen der beachteten Inputobjektarten, die zu fest vorgegebenen Quantitäten der Outputobjektarten führen (vgl. Bild 7.4 (b, f, h)). (2) Faktorisoquanten werden durch Input/Output-Diagramme dargestellt, wobei mindestens jeweils eine Inputobjektart mengenmäßig fixiert wird und der mengenmäßige Output einer gegebenen Outputobjektart als

120

Kapitel B: Entscheidungsorientierte Produktionstheorie

Funktion der nicht fixierten Inputquantitäten dargestellt wird (vgl. Bild 7.4 (d, e)). (3) Transformationskurven werden durch Output/Output-Diagramme dargestellt, wobei sämtliche Inputquantitäten fest vorgegeben sind und konstant gehalten werden. Sie kennzeichnen damit den geometrischen Ort sämtlicher mengenmäßiger Outputkombinationen der beachteten Outputobjektarten, die bei fixierten Inputs möglich sind (vgl. Bild 7.4 (a, c, g)).

Während im Falle der Alternativproduktion die Transformationskurve die Koordinatenachsen schneidet, ist dies bei Kuppelproduktion nicht der Fall. So ist etwa bei starrer Kopplung der Kuppelprodukte technisch bedingt lediglich eine einzige Aktivität möglich; bei flexibler Kuppelproduktion kann durch Variation von Prozessparametern ein mehr oder minder großes Kurvenstück eingestellt werden, das jedoch die Achsen nicht schneidet. Mit Hilfe von Produktisoquanten kann die Variabilität des Einsatzverhältnisses der beachteten Inputobjektarten bei gegebenen Outputquantitäten untersucht werden. Besteht etwa die Produktisoquante aus nur einem einzigen Punkt, so bedeutet dies, dass für die vorgegebenen Erzeugnismengen nur eine einzige effiziente Faktorkombination existiert. Man spricht in diesem Fall von Limitationalität oder von limitationalen Produktionsfaktoren. Leontief-Produktionsfunktionen, die durch den effizienten Rand einer Leontief-Technik definiert werden, sind limitational. In der Praxis sind die Grundaktivitäten einer Leontief-Technik beispielsweise durch Stücklisten, Arbeitspläne oder Rezepturen gegeben (vgl. Beispiel zur Lederwarenproduktion). Es ist somit unmittelbar einleuchtend, dass zur Erhöhung der Produktquantitäten alle Faktorquantitäten erhöht werden müssen. Andernfalls wäre die zugehörige Produktion nicht effizient. Eingeschränkt gilt die Limitationalität ebenfalls bei den in Lektion 10 behandelten Gutenberg-Produktionsfunktionen für fest vorgegebene Intensitätsparameter U .

Lektion 7: Produktionstheorie i.e.S.

Output Gut 2

Input Gut 2

(a)

Output Übel 2

(b)

Output Gut 1

(c)

Gutoutput

Übeloutput

Input Gut 1

(d)

Output Übel 1

(e)

Übeloutput

121

Übelinput

Gutinput

(f)

Gutinput

(g)

Input Gut 2

Gutinput

(h)

Gutoutput

Input Gut 1

Bild 7.4: Beispiele substitutionaler (a,b,c,d), komplementärer (e,f,g) und limitationaler (h) Isoquanten (Quelle: Dyckhoff (1994), Abb. 8.2)

122

Kapitel B: Entscheidungsorientierte Produktionstheorie

Besteht die Isoquante nicht nur aus einem, sondern aus mehreren, oft sogar sehr vielen Punkten, so liegt eine variable Beziehung der Objektarten vor. Bei monoton fallender Isoquante spricht man von Substitutionalität, bei monoton steigender Isoquante von Komplementarität der betreffenden Objektarten. Substitutionale Produktionsfaktoren erlauben den Ersatz eines Produktionsfaktors durch einen anderen. Kann ein Faktor hierbei vollständig durch einen anderen ersetzt werden, so spricht man von vollständiger Substitution; im unvollständigen Fall von peripherer Substitution. Komplementarität liegt in der Regel bei Faktorisoquanten vor, wenn die Produktquantität eine streng monoton steigende Funktion der betrachteten Faktorquantität ist. Substitutionalität und Komplementarität stellen damit entgegengesetzte Formen der Variabilität dar. In verallgemeinerter Form gelten die angeführten Definitionen nicht nur bei Betrachtung reiner Gütertechniken, sondern insbesondere auch bei der Einbeziehung von Übeln und Neutra, sofern auf die Begrifflichkeiten des realen Aufwands und realen Ertrags (anstelle von Input und Output) abgestellt wird (vgl. Bild 7.4). Bei effizienter Produktion kann eine Ertragssteigerung oder Aufwandsminderung bei einer Objektart nur durch eine Verschlechterung bei mindestens einer anderen Objektart erreicht werden. Eine solche notwendige Kompensation des Aufwands und Ertrags von Objektquantitäten bei der Variation der Produktion entlang des effizienten Rands der Technik oder des zugrunde liegenden Produktionsraums wird wesentlich durch die Steigung und Krümmung der entsprechenden Isoquanten oder Randbereiche beschrieben. Zur quantitativen Analyse wird oftmals auf so genannte Kompensationsmaße zurückgegriffen. Partielle Kompensationsmaße, die immer nur zwei nichtneutrale Objektarten miteinander in Beziehung setzen, können etwa bei Gütertechniken wie folgt definiert werden: (1) Grenzrate der Substitution:

sij

(2) Grenzproduktivität:

f ji

(3) Produktionselastizität:

H ji



dxi dx j

(7.10)

dy j

(7.11)

dxi

dy j dxi

˜

xi yj

(7.12)

Lektion 7: Produktionstheorie i.e.S.

123

Totale Kompensationsmaße untersuchen dagegen die Auswirkungen von Veränderungen aller Objektarten. So gibt etwa die Skalenelastizität H an, um wie viel Prozent sich die Ausbringung eines einzigen Hauptprodukts einer Gütertechnik ändert, wenn alle Faktorquantitäten simultan proportional um ein Prozent erhöht werden. Gemäß dem Wicksell/Johnson-Theorem gilt im Falle eines einzigen Hauptprodukts und m Faktoren generell die Skalenelastizitätsgleichung, wonach die Skalenelastizität gleich der Summe der Produktionselastizitäten ist:

H

H 1  ...  H m

(7.13)

In der Praxis sind die durchgeführten Aktivitäten aufgrund der hohen Komplexität der zugrunde liegenden Prozesse, der unsicheren und unvollständigen Information über die Zukunft, zahlreicher zeitlicher und sachlicher Interdependenzen zwischen Planungsaufgaben unterschiedlicher vertikaler und horizontaler Verantwortungsbereiche sowie begrenzter Managementkapazitäten (und -fähigkeiten) in der Regel nicht effizient. Bild 7.5 zeigt beispielsweise für den Fall einer zweidimensionalen Gütertechnik insgesamt acht verschiedene ineffiziente Aktivitäten, die allesamt im Innern der Technik und nicht auf deren effizientem Rand liegen. z2 = y 8

8 7

6 6 5 4

4

T 3

2

2 1

z1 = x 10

8

6

4

2

Bild 7.5: Acht verschiedene ineffiziente Aktivitäten einer Gütertechnik T (Quelle: Dyckhoff (2006), Bild 5.7)

124

Kapitel B: Entscheidungsorientierte Produktionstheorie

Grundsätzlich ließe sich mittels geeigneter Abstandsmaße der Abstand einer ineffizienten Aktivität vom effizienten Rand messen, sofern dieser bekannt ist. Dies ist jedoch in der praktischen Anwendung oftmals nicht der Fall, so dass hier auf geeignete Verfahren zur Schätzung des (relativ) effizienten Rands zurückgegriffen werden muss. Die Data Envelopment Analysis (DEA) stellt hierzu eine Vielzahl verschiedener Modelle und Methoden bereit, die gerade in den letzten Jahren enorm an Bedeutung gewonnen haben.

Hinweise zum vertieften Studium 1) Die in dieser Lektion vorgestellte Produktionstheorie i.e.S. stellt nur einen Spezialfall der entscheidungsorientierten Produktionstheorie (Dyckhoff 2003a) dar, welcher als „Normalfall“ bezeichnet wird und wiederum selber als Verallgemeinerung der traditionellen Produktionstheorie angesehen werden kann, wie sie etwa von Fandel (2005) und Schweitzer/Küpper (1997) beschrieben wird. 2) Die in Kapitel B dieses Buches in ihren Grundzügen beschriebene und auf Dyckhoff (1994) zurückgehende entscheidungsorientierte Produktionstheorie kann insofern als (Einführung in) eine Produktionstheorie angesehen werden, die gemäß ihrem Aufbau (Bild 3.5) die Technologie einerseits sowie die Erfolgstheorie andererseits als Grenzfälle umfasst. Eine weitergehende Darstellung der entscheidungsorientierten Produktionstheorie findet sich in Dyckhoff (1994) und (2006). Einen ähnlichen Ansatz verfolgen Dinkelbach/Rosenberg (2004). 3) Einen kurzen historischen Überblick über die Entwicklung der Produktionstheorie bis etwa 1990 gibt Dyckhoff (1994), Abschnitt 3.2. Hinweise zu jüngeren Entwicklungen findet man bei Steven (1998). Eine Neukonzeption der Produktionstheorie schlägt Dyckhoff (2003b) vor. Diese hat zu einer Diskussion in der Zeitschrift für Betriebswirtschaft geführt (Heft 5, Mai 2004). 4) Zur weiteren Analyse der Variabilität von Produktionsfunktionen mittels geeigneter Kompensationsmaße sei auf die einschlägige Literatur zur traditionellen Produktionstheorie verwiesen (vgl. Kistner (1993), Fandel (2005)). 5) Zur Data Envelopment Analysis (DEA) siehe einführend Dyckhoff/Allen (1999), Allen (2002), Kleine (2002) sowie Dyckhoff (2006), Kap. 6.3.

Übungsaufgaben (Dyckhoff/Ahn/Souren (2004)) Übungsaufgaben 4.1, 4.2, 4.3, 5.1, 5.3, 5.5

Kapitel C

Spezielle Produktionsmodelle

Die Komplexität realer Produktionsprozesse und -systeme erlaubt allgemeingültige Aussagen nur auf einem relativ abstrakten Niveau. Um zu konkreteren Erkenntnissen zu gelangen, ist es zweckmäßig, spezifische Eigenschaften von Techniken zu analysieren, welche sich in speziellen Produktionsmodellen äußern. Diese bilden die Grundlage für die Entwicklung quantitativer Entscheidungsmodelle für das Produktionsmanagement in Kapitel D. Das Kapitel C betrachtet verschiedene Formen von Techniken, die die Eigenschaft der Additivität verbindet. Mit ihnen lässt sich schon eine große Vielfalt realer Produktionsprozesse beschreiben, wenn man sie als Elemente aus ihnen zusammengesetzter komplexer Techniken begreift (Systemsynthese), quasi in Umkehrung der Systemanalyse mittels der in Lektion 5.5 vorgestellten Grey-Box-Modellierungsmethodik. Die Lektionen 8, 9 und 10 behandeln dazu einstufige, mehrstufige und zyklische sowie nicht endlich generierbare Techniken, basierend auf einer zuvor erläuterten Klassifikation unterschiedlicher Formen additiver Techniken. Ausgewählte dynamische Modellierungsansätze zur Analyse zeitlicher Interdependenzen skizziert die Lektion 11. Das Kapitel C umfasst damit hauptsächlich Produktionsmodelle, welche auf der untersten Ebene (Technologie) der in Bild 3.5 dargestellten Pyramide der entscheidungsorientierten Produktionstheorie anzusiedeln sind. Für darauf aufbauende produktions- und erfolgstheoretische Analysen sei in dieser Einführung auf die einschlägige Literatur verwiesen, hier insbesondere auf Dyckhoff (1994), Kapitel C, sowie Dyckhoff (2006), Lektion 6 und 9. Stattdessen verdeutlicht das vorliegende Kapitel C den Praxisbezug der vorgestellten Produktionsmodelle an Hand zweier ausgewählter Fallbeispiele aus der Prozess- und der Fertigungsindustrie.

8 Einstufige Techniken

8.1 Endlich generierbare Techniken 8.1.1 Technikmatrix 8.1.2 Grundaktivitäten und elementare Prozesse 8.1.3 Abstrakter Input/Output-Graf 8.2 Elementare und einstufige Techniken 8.2.1 Elementare Techniken 8.2.2 Einstufige Techniken

Zu den wichtigsten grundlegenden Technikeigenschaften zählen die Additivität und die Linearität. Diese beiden speziellen Technikformen erfassen bereits eine Fülle realer Produktionsprozesse und sind analytisch recht einfach handhabbar, besonders im Falle der Linearität. Der wesentliche Unterschied bei der Modellierung besteht in den Ganzzahligkeitsbedingungen an die Aktivitätsniveaus bei den additiven Techniken. Diese Lektion befasst sich einführend mit der additiven und der linearen Technologie als Lehre von den additiven bzw. linearen Techniken. In Abschnitt 8.1 wird der Begriff einer endlich generierbaren Technik eingeführt und mittels der Technikmatrix bzw. dem Input/Output-Grafen dargestellt und analysiert. Elementare und einstufige additive bzw. lineare Technikformen werden darauf aufbauend als Spezialfälle endlich generierbarer Techniken in Abschnitt 8.2 untersucht.

8.1

Endlich generierbare Techniken

Bei Additivität lässt sich jede Aktivität jeder Teilmenge M {z 1 ,..., z S }  T mit sich selbst sowie mit anderen technisch möglichen Aktivitäten (additiv) kombinieren. Durch mehrfache, sukzessive Kombination ergeben sich stets wieder technisch mögliche Aktivitäten: S

z

¦ OU ˜ z U

O1 z 1  ...  OS zS  T

(8.1)

U 1

Dabei zählt OU die Häufigkeit, mit der die Aktivität z U kombiniert worden ist, wobei OU 0 besagt, dass die betreffende Aktivität nicht an der Kombination beteiligt ist.

128

Kapitel C: Spezielle Produktionsmodelle

Demnach gilt bei Additivität:

O1 ,..., OS  IN0 , d.h. O1 ,..., OS t 0 und ganzzahlig

(8.2)

Dagegen entfallen wegen der Größenproportionalität bei Linearität die Ganzzahligkeitsbedingungen, so dass die OU als Skalen- oder Größenfaktoren anzusehen sind, für die gilt:

O1 t 0 ,..., OS t 0

(8.3)

Abgesehen von den Ganzzahligkeitsbedingungen unterscheiden sich demnach additive und lineare Techniken formal nicht; OU kann deshalb allgemein auch als Skalen- oder Aktivitätsniveau der Aktivität z U bezeichnet werden. Additive aber nicht größenproportionale Techniken sind damit diskret und bestehen aus isolierten Aktivitäten mit meist nur ganzzahligen Werten für die eingesetzten und ausgebrachten Objektquantitäten. Bei Linearität sind dagegen auch alle Aktivitäten zwischen den bei Additivität isolierten Punkten technisch möglich. Mit anderen Worten: Wenn bei einer additiven Technik auch der Stillstand enthalten ist, so bildet die zugehörige lineare Technik ihre konvexe Hülle. Rein formal sind lineare Techniken leichter handhabbar als additive Techniken, so dass ein weitreichenderer Erkenntnisgewinn möglich erscheint. Dieser Vorteil wird jedoch durch den in der betrieblichen Praxis deutlich eingeschränkten Anwendungsbereich auf den Fall der beliebigen Teilbarkeit sämtlicher am Prozess beteiligter Objektarten erkauft. Während diese Eigenschaft in der Prozessindustrie oder allgemein bei der Produktion von (elektrischer) Energie, Gasen, Flüssigkeiten oder Schüttgütern gegeben ist, werden zur praxisgerechten Modellierung von Stückgüterprozessen in der Fertigungsindustrie (Maschinenbau, Elektrotechnik, Bauwesen, ...) additive Techniken benötigt. Bei großen Objektquantitäten lässt sich die Rundung nichtganzzahliger Einsatz-/Ausbringungsmengen auf die nächstliegende ganze Zahl allerdings häufig im Sinne einer Relaxation gemäß Bild 3.3 rechtfertigen. 8.1.1

Technikmatrix

Sind alle Aktivitäten einer Technik als Kombinationen aus einer endlichen Menge M technisch möglicher Aktivitäten darstellbar, so heißt die Technik endlich generierbar. Man sagt auch, dass die Technik durch die Aktivitäten in M generiert (aufgespannt) wird. Im Falle der linearen Kombinierbarkeit gilt somit:

Lektion 8: Einstufige Techniken

T

­° N ® z  IR | z °¯

129 S

OU ˜ z U | OU t 0 ¦ U 1

für

½°

U 1,..., S ¾

(8.4)

°¿

Bei additiv generierbaren Techniken müssen noch die Ganzzahligkeitsbedingungen an die Aktivitätsniveaus O1 ,..., OS ergänzt werden. Nummeriert man die generierenden Aktivitäten mit z 1 ,..., z S durch, kann man sie der Reihe nach als geordnete Menge M ( z 1 ,..., z S ) , d.h. als Liste von Vektoren aufschreiben. Zusammenfassend bilden sie die Technikmatrix M, bei zwei generierenden Aktivitäten und zwei Objektarten also beispielsweise: M

§§  2· §  3·· ¨ ¨ ¸ ,¨ ¸ ¸ ˆ ¨¨ 1 ¸ ¨ 2 ¸¸ ©© ¹ © ¹¹

§  2  3· ¸ ¨¨ 2 ¸¹ © 1

Definiert man neben der Technikmatrix M ( z 1 ,..., z S ) den Aktivitätsniveauvektor O (O1 ,..., OS ) für die einzelnen Skalenniveaus, so lässt sich T auch wie folgt darstellen:1 T

^ z  IR

N

|z

M ˜O

für O  IRS

bzw. O  IN 0S

`

(8.5)

Eine Technikmatrix heißt Basis genau dann, wenn die Anzahl der Aktivitäten in M minimal ist, d.h. wenn auf keine Aktivität von M verzichtet werden kann, um noch die gesamte Technik T aufspannen zu können. Die obige Beispielmatrix bildet eine Basis; dagegen wäre die folgende Technikmatrix nicht mehr minimal, da die hinzugekommene Produktion z 3 (5;3) aus z 1 und z 2 kombiniert werden kann und somit entbehrlich ist: M

§ 2  3  5· ¨¨ ¸ 2 3 ¸¹ © 1

Die durch die obige Basis und erweiterte Technikmatrix aufgespannte additive Technik ist in Bild 5.3 (b) dargestellt, die entsprechende lineare Technik in Bild 5.3 (c). Lineare, endlich generierbare Techniken bilden so genannte konvexe polyedrische Kegel. Jede Aktivität der Basis M erzeugt eine Kante eines solchen Kegels. In Bild 5.3 (c) sind dies die beiden Außenkanten.

1

Wie früher schon vermerkt, gehen wir in diesem Buch etwas lax mit der mathematischen Notation um. Streng genommen muss bei der Multiplikation von Matrizen und Vektoren genau zwischen Zeilen- und Spaltenvektoren unterschieden und gegebenenfalls das Transpositionszeichen verwendet werden. Bei der Darstellung z M ˜ O ergibt sich z als Spaltenvektor, wobei auch O als Spaltenvektor zu verstehen ist.

130

8.1.2

Kapitel C: Spezielle Produktionsmodelle

Grundaktivitäten und elementare Prozesse

Die in Lektion 5 definierte additive Technik der Lederwarenproduktion ist endlich generiert durch die folgende Technikmatrix M, die gleichzeitig eine Basis darstellt:

M

§  50  50 · ¨ ¸ ¨  40  15 ¸ ¨  0,15  0,4 ¸ ¨ ¸ ¨ 1 0 ¸ ¨ ¸ 1 ¸ ¨ 0 ¨ 30 25 ¸¹ ©

Die beiden Spaltenvektoren der Technikmatrix M sind dadurch ausgezeichnet, dass sie jeweils die Input- und Outputquantitäten zur Herstellung eines Paars Schuhe ( z 1 ) sowie einer Tasche ( z 2 ) angeben. Aktivitäten, die sich wie in diesem Beispiel durch eine elementare Verfahrensweise zur Herstellung einer Mengeneinheit eines bestimmten Hauptprodukts oder zur Reduktion einer Mengeneinheit eines bestimmten Hauptredukts auszeichnen, bezeichnet man als Grundaktivitäten. Praktische Beispiele bilden etwa Stücklisten zur Montage eines „Verbundprodukts“, Arbeitspläne zur Teilefertigung oder Rezepturen zur Herstellung eines Arzneimittels in der Pharmaindustrie. Betrachtet sei beispielsweise eine Papierfabrik, in der Papierrollen einer Standardbreite von 3 m mit einer gegebenen Länge der Breite nach in schmalere Rollen zur Erfüllung von Kundenaufträgen zugeschnitten werden. Für die Planungsperiode liegen Aufträge der Breiten 105 cm, 57 cm und 39 cm in noch nicht genau bestimmter Höhe vor. Eine Grundaktivität bezeichnet dann ein Schnittmuster zur Aufteilung genau einer Rolle der Standardbreite in schmalere Teilrollen, etwa je zwei Teilrollen der Auftragsbreiten 105 cm und 39 cm sowie einer Restrolle von 12 cm Breite. Unter der Voraussetzung, dass die Breite der jeweils verbleibenden Restrolle schmaler als die schmalste Auftragsbreite von 39 cm ist, ergibt sich die Technikmatrix M in diesem Beispiel zu

M

2 1 1 1 1 0 0 0 0 0 0 · § 2 ¨ ¸ 1 0 3 2 1 0 5 4 3 2 1 0 ¸ ¨ ¨ 0 2 0 2 3 5 0 1 3 4 6 7 ¸ ¨ ¸ ¨  1  1  1  1  1  1  1  1  1  1  1  1¸ © ¹

Lektion 8: Einstufige Techniken

131

Dabei gibt für jede Grundaktivität z 1 ,..., z 12 die erste Komponente des Spaltenvektors die Anzahl der Teilrollen der Breite von 105 cm, die zweite Vektorkomponente die Anzahl der Teilrollen der Breite von 57 cm und die dritte Vektorkomponente die Anzahl der Teilrollen der Breite von 39 cm an. Die vierte Komponente weist in allen Grundaktivitäten den Wert –1 auf und bezeichnet damit die Normierung auf je eine zu zerteilende Papierrolle der Standardbreite von 300 cm. Bezeichnet das Aktivitätsniveau O U  IN 0 ( U 1,...,12) die diskrete Anzahl an Rollen der Standardbreite, die gemäß Schnittmuster U zu zerteilen sind, so lässt sich die zugrunde liegende additive Technik T wie folgt angeben: T

­° 4 ® z  IR | z °¯

12

OU ˜ z U ¦ U 1

½° M ˜ O | O1 ,..., O12  IN0 ¾ °¿

Die Technikmatrix M dieses Beispiels der Papierfabrik ist bei Additivität der Technik minimal, bildet also eine Basis. Dagegen ist sie bei Linearität der Technik nicht minimal. So ergibt sich etwa die zehnte Grundaktivität als gleichgewichtete Konvexkombination der achten und der zwölften Grundaktivität: z 10 0 ,5 ˜ z 8  0 ,5 ˜ z 12 . Im Rahmen produktionstheoretischer Effizienzanalysen lässt sich die Zahl relevanter Grundaktivitäten noch weiter reduzieren. Während bei der Herstellung oder dem Einsatz diskreter Objektarten die Bestimmung von Grundaktivitäten in der Regel naheliegend ist, trifft dies bei Gasen, Flüssigkeiten oder Schüttgütern nicht mehr ohne weiteres zu. So könnte man im integrierten Hüttenwerk des Fallbeispiels aus Lektion 5.5.2 die Grundaktivitäten zur Herstellung von flüssigem Rohstahl etwa auf den Output von einer Tonne des Hauptprodukts Rohstahl oder auch auf den Input von einer Tonne des Einsatzfaktors Eisenerz beziehen. Je nach zu untersuchender Fragestellung, wie etwa nach der zukünftigen Kapazität der Sinteranlage, des Hochofens oder des Konverters erscheinen unterschiedliche Normierungen sinnvoll. In diesen Fällen der beliebigen Teilbarkeit von Objektarten erfolgt die Wahl einer geeigneten Grundaktivität z U durch Festlegung eines Aktivitätsniveaus, welches in Bezug auf eine ausgewählte Maßeinheit einem Skalenniveau von OU 1 entspricht, etwa einer einmaligen Durchführung für die Dauer einer vorgegebenen Zeiteinheit. Im diskreten Fall würde OU die Häufigkeit der Anwendungen der Grundaktivität z U angeben. Im stetigen Fall könnte OU so die Dauer der Anwendung der Grundaktivität z U bezeichnen. Bei linearen Techniken kann aufgrund der Größenproportionalität die Festlegung des Aktivitätsniveaus OU 1 willkürlich erfolgen; es kommt nur auf den durch z U bestimmten elementaren Prozess P U an:

132

Kapitel C: Spezielle Produktionsmodelle

PU

^ z  IR

N

|z

O ˜ zU

für

`

O t0

(8.6)

Grafisch gesehen bilden elementare Produktionsprozesse vom Ursprung (Prozessstillstand) ausgehende Prozessstrahlen. Bild 8.1 zeigt zwei solche Prozessstrahlen P U und P P . Dürfen die Aktivitäten beider Prozesse nicht miteinander kombiniert werden, so spricht man von reinen Prozessen, die nur alternativ ausgeführt werden dürfen (wie in Bild 5.3a). In diesem Fall wäre die Technik zwar größenproportional, aber nicht linear. Erst bei Additivität sind Kombinationen als so genannte gemischte Prozesse möglich. In Bild 8.1 entsprechen diese dem schraffierten Bereich zwischen den beiden Prozessstrahlen, die damit zu den Außenkanten der linearen Technik werden.

P

U

z2

„reiner“ Prozess

„gemischter“ Prozess

U

z2 P

P

P

z2

„reiner“ Prozess

z 1P

U

z1

z1

Bild 8.1: Reine und gemischte Prozesse

8.1.3

Abstrakter Input/Output-Graf

Während die in Lektion 4 eingeführten Input/Output-Grafen einzelne Produktionsaktivitäten grafisch darstellen (vgl. Bild 4.2), beschreiben abstrakte Input/Output-Grafen alle möglichen Aktivitäten einer Technik. Ausgehend von den Grundaktivitäten einer endlich generierbaren Technik T, die durch die Technikmatrix M ( z 1 ,..., z S ) gegeben sind, lassen sich die Input- und Outputquantitäten zk  IR einer beachteten Objektart k (k 1,..., N ) durch folgendes Gleichungssystem beschreiben: S

zk

¦ OU ˜ zkU

U 1

k

1,..., N

(8.7)

Lektion 8: Einstufige Techniken

133

Es wird hier und im Folgenden als generelle Konvention vorausgesetzt, dass die Aktivitätsniveaus OU aller Grundaktivitäten z U U 1,...,S einer linearen Technik nichtnegativ und im Falle einer nur additiven Technik darüber hinaus auch ganzzahlig sind. Positive Werte zkU ! 0 bezeichnen den Output und negative Werte zkU  0 den Input, mit dem die Objektart k netto an der Grundaktivität z U beteiligt ist. Im Falle eines Outputs wird bkU : z kU als Outputkoeffizient, im Falle eines Inputs wird der Absolutbetrag akU :  zkU als Inputkoeffizient der Objektart k für Grundaktivität z U bezeichnet. Beide Koeffizienten geben so den Output bzw. den Input der Objektart k bei einem Aktivitätsniveau von OU 1 an. Wichtig ist dabei stets, die Maßeinheiten der Objektaktivitäten festzulegen. Das Gleichungssystem (8.7) kann nun wie folgt in einen abstrakten Input/Output-Grafen überführt werden: -

Jede Objektart k entspricht einem kreis- oder ellipsenförmigen Objektknoten. Jede Grundaktivität z U entspricht einem rechteckigen Prozessknoten. Jedem Inputkoeffizienten akU entspricht ein Inputpfeil vom Objektknoten k zum Prozessknoten U . Jedem Outputkoeffizienten bkU entspricht ein Outputpfeil vom Prozessknoten U zum Objektknoten k.

Dabei sind die Knoten mit dem jeweiligen Namen bzw. der Kennung der Objektart bzw. der Grundaktivität und die Pfeile mit dem jeweiligen Inputoder Outputkoeffizienten zu beschriften. Bild 8.2 zeigt den abstrakten I/OGrafen für das Beispiel der Lederwarenproduktion.

1

50

1

4

1

5

50 1 40 2

15

0,15 0,4 3

2

30 25 6

Bild 8.2: Abstrakter Input/Output-Graf zum Beispiel der Lederwarenproduktion (Quelle: Dyckhoff (2006), Bild 3.1)

134

Kapitel C: Spezielle Produktionsmodelle

Im Gegensatz zum konkreten I/O-Grafen des Bildes 4.2 ist in Bild 8.2 die Black-Box der Lederwarenproduktion durch Disaggregation in eine GreyBox überführt worden, die zusätzliche Einblicke in die Innenstruktur ermöglicht. So lassen sich etwa unmittelbar die beiden Grundaktivitäten zur Schuhbzw. Taschenherstellung ablesen und so die zugehörige Technikmatrix aus Abschnitt 8.1.2 angeben. Je nach Wahl der beiden Aktivitätsniveaus O1 und O2 können nun konkrete Produktionsaktivitäten z

§ O1 · M ˜¨ 2 ¸ ¨O ¸ © ¹

M ˜O

modelliert und deren zugehöriger konkreter I/O-Graf angegeben werden. Die Grundaktivitäten endlich generierbarer Techniken sind exogen gegebene Daten, welche die Technik über die Variation der Aktivitätsniveaus determinieren. Es sind damit also die Aktivitäten, welche die Input- und Outputquantitäten kausal festlegen, und nicht umgekehrt. Eine so formulierte Produktionstheorie lässt sich als aktivitätsanalytisch oder prozessorientiert charakterisieren. Historisch wurde der Ansatz der Aktivitätsanalyse durch den späteren Nobelpreisträger für Ökonomie Tjalling C. Koopmans (1951) für den Fall linearer Gütertechniken begründet und in der deutschen Betriebswirtschaftslehre durch das Werk von Waldemar Wittmann (1968) bekannt gemacht. Neuere Lehrbücher und Forschungsarbeiten greifen verstärkt auf diesen Ansatz zurück, da er die in Theorie und Praxis wichtigen Aspekte der Kuppelproduktion auf natürliche Weise zu modellieren vermag. Gleiches gilt für die produktionstheoretische Fundierung vieler jüngerer Entwicklungen der Betriebswirtschaftslehre, wie die Prozesskostenrechnung (activity based costing) oder die Geschäftsprozessmodellierung (business process reengineering).

8.2

Elementare und einstufige Techniken

Die Innenstruktur eines auf einer endlich generierbaren Technik fußenden Produktionssystems wird durch die Input- und Outputkoeffizienten der Grundaktivitäten in Bezug auf die beachteten Objektarten geprägt. Im Folgenden wird eine Typologie additiver und linearer Technikformen vorgestellt, die auch für noch allgemeinere Techniken von Bedeutung ist. Sie enthält in der Reihenfolge zunehmender Komplexität elementare, einstufige, mehrstufige und zyklische Techniken, welche selbst wiederum in noch speziellere Unterformen unterteilt werden können. Elementare und einstufige Techniken werden im vorliegenden Abschnitt, mehrstufige und zyklische Techniken in der nachfolgenden Lektion 9 untersucht.

Lektion 8: Einstufige Techniken

8.2.1

135

Elementare Techniken

Elementare Techniken stellen einen Sonderfall der einstufigen Techniken dar. Sie bestehen nur aus einer einzigen Grundaktivität, d.h. einem einzigen elementaren Prozess.

Sei

z

1

§  a1 · ¨ ¸ ¨  ¸ ¨a ¸ ¨ m¸ ¨ bm  1 ¸ ¨ ¸ ¨  ¸ ¨b ¸ © mn ¹

§ z1 · ¨ 1¸ ¨  ¸ ¨ 1¸ ¨ zN ¸ © ¹

Grundaktivität eines elementaren Prozesses und O t 0 zugehöriges Aktivitätsniveau, so ist die elementare Technik T im linearen Fall wie folgt definiert: T

^ z  IR

N

|z

z 1 ˜ O und

`

Ot0

(8.8)

Als Beispiel sei die Herstellung von Punsch Royal angeführt. Der I/O-Graf der zugehörigen elementaren Technik ist in Bild 8.3 dargestellt.

Rotwein d5

3

Hutzucker

1

d2

1

Arrak

1 4

d1

Orangenschalen d6

Punsch Royal

1

leere Flaschen

5

Nelken d9

Bild 8.3: Abstrakter I/O-Graf für Punsch Royal (Quelle: Dyckhoff (2006), Bild 3.2)

136

Kapitel C: Spezielle Produktionsmodelle

Die Grundaktivität z 1 zur Herstellung einer Portion entspricht unter Berücksichtigung der festgelegten Maßeinheiten der Objektarten folgendem Rezept:

z1

Flaschen Rotwein · § 3 ¸ ¨ Stück Hutzucker ¸ ¨1 ¨1 Flaschen Arrak ¸ ¸ ¨ ¨1 Orangenschalen ¸ ¸ ¨ Nelken ¸ ¨ 5 ¨ 1 Portion Punsch Royal ¸ ¸¸ ¨¨ leere Flaschen ¹ © 4

Der I/O-Graf in Bild 8.3 ist dahingehend erweitert, dass in einigen Objektknoten Restriktionen für die maximal verfügbaren Quantitäten angegeben sind, z.B. beim Rotwein die verfügbare Menge von 5 Flaschen. Man erkennt, dass der Arrak die Herstellung des Hauptprodukts Punsch Royal auf eine einzige Portion limitiert und insofern den Kapazitätsengpass bei einer Produktionsausweitung bildet. Allgemein lässt sich das algebraische Modell einer elementaren Technik in x,y-Schreibweise folgendermaßen darstellen: xi

ai ˜ O bj ˜O

yj

i=1,...,m; j=m+1,...,m+n

(8.9)

In Abhängigkeit von der Anzahl der beachteten Inputobjektarten m und der Anzahl der beachteten Outputobjektarten n können die in Bild 8.4 angegebenen Unterformen elementarer Techniken unterschieden werden. Sie kennzeichnen die folgenden Strukturtypen: (a) glatte oder durchgängige Produktion (1:1-Typ) Beispiel: Biegen von Blech (b) konvergierende oder synthetische Produktion (m:1-Typ) Beispiel: Montageprozesse, Stoffverbindung (c) divergierende oder analytische Produktion (1:n-Typ) Beispiel: Demontageprozesse, Stoffzerlegung (d) umgruppierende oder austauschende Produktion (m:n-Typ) Beispiel: Kuppelproduktion im Hochofen oder Stahlwerk (e) vernichtende Produktion (m:0-Typ) Beispiel: „rückstandsfreie“ Entsorgung von Abfällen (f) schöpfende Produktion (0:n-Typ). Beispiel: Perpetuum Mobile

Lektion 8: Einstufige Techniken

137

1

2 1

m+1

2 3

m (a)

(b) 2

1

m+1

3

2

m+2

4

3

m+3

n+1

m

m+n

1

(c)

(d)

1

1

2

2

3

3

n

m (e)

(f)

Bild 8.4: Elementare (a) - (d) und degenerierte (e) - (f) Produktionsstrukturtypen (Quelle: Dyckhoff (1994), Abb. 12.3)

Diese Strukturtypen können im Folgenden auch auf nicht elementare Techniken übertragen werden. In der Literatur werden sie üblicherweise nur auf stoffliche und energetische Inputs und Outputs angewandt, so dass auch von einem glatten, konvergierenden, divergierenden oder umgruppierenden Materialfluss gesprochen werden kann. Bei den Strukturtypen (e) und (f) handelt es sich um degenerierte Strukturtypen, da diese unter Zugrundelegung der physikalischen Massen- und Energieerhaltungssätze nur dann vorkommen können, wenn einige stoffliche oder energetische Outputs bewusst nicht beachtet werden. Dies ist häufig in volkswirtschaftlichen Produktionsfunktio-

138

Kapitel C: Spezielle Produktionsmodelle

nen der Fall, wenn Sachgüter nur mit den Produktionsfaktoren Arbeit und Kapital, jedoch ohne den Faktor Natur hergestellt werden. 8.2.2

Einstufige Techniken

Einstufige Techniken stellen eine Verallgemeinerung elementarer Techniken dar und sind dadurch gekennzeichnet, dass sich alle beachteten Objektarten eindeutig in die beiden Klassen Inputarten (i=1,...,m) und Outputarten ( j=m+1,...,m+n) einteilen lassen. Diese Kennzeichnung gilt nicht nur für endlich generierbare, sondern auch für die an späterer Stelle zu behandelnden nicht endlich generierbaren Techniken. Im Falle endlich generierbarer Techniken lässt sie sich sogar dahingehend präzisieren, dass es keine Objektart gibt, die sowohl Output einer Grundaktivität als auch Input einer anderen Grundaktivität ist. INPUT (i) 1

PROZESS (U) 4 5

2 1 2

OUTPUT ( j)

1

5

2

3 2

8

6

3

5 3 3 10

7

7

4

Bild 8.5: I/O-Graf einer einstufigen Technik (Quelle: Dyckhoff (1994), Abb. 13.1)

Das Bild 8.5 zeigt ein Beispiel einer einstufigen Technik mit m=4 Input- und n=3 Outputobjektarten für die drei Grundaktivitäten:

Lektion 8: Einstufige Techniken

z1

§ 4· ¨ ¸ ¨  1¸ ¨ 0 ¸ ¨ ¸ ¨ 0 ¸ ¨ ¸ ¨ 5 ¸ ¨ 0 ¸ ¨¨ ¸¸ © 0 ¹

z2

139

§  2· ¨ ¸ ¨  3¸ ¨  5¸ ¨ ¸ ¨ 0 ¸ ¨ ¸ ¨ 2 ¸ ¨ 8 ¸ ¨¨ ¸¸ © 0 ¹

z3

§ 0 · ¸ ¨ ¨ 0 ¸ ¨ 0 ¸ ¸ ¨ ¨  10 ¸ ¸ ¨ ¨ 0 ¸ ¨ 3 ¸ ¸¸ ¨¨ © 7 ¹

In der x,y-Schreibweise ergibt sich daraus folgendes algebraisches Modell: 4 ˜ O1

x1 x2

O1

 2 ˜ O2  3 ˜ O2 5 ˜ O2

x3 x4

10 ˜ O3 5 ˜ O1

 2 ˜ O2 8 ˜ O2



y5 y6 y7

3

3˜O 7 ˜ O3

In der z-Schreibweise kann auf die Technikmatrix M zurückgegriffen werden:

z

§ z1 · ¨ ¸ ¨ ¸ ¨z ¸ © 7¹

0 · § 4  2 ¸ ¨ 0 ¸ ¨1 3 ¨ 0 5 0 ¸ §¨ O1 ·¸ ¸ ¨ ¨ 0 0  10 ¸ ˜ ¨ O2 ¸ ¸ ¨ ¸ ¨ 2 0 ¸ ¨ O3 ¸ ¨ 5 © ¹ ¨ 0 8 3 ¸ ¸ ¨¨ 0 7 ¸¹ © 0

M ˜O

Verallgemeinert man dieses Beispiel auf S Grundaktivitäten z U ( U

zU

§  aU · ¨ 1 ¸ ¨  ¸ ¨ U¸ ¨  am ¸ , ¨ bU ¸ ¨ m 1 ¸ ¨  ¸ ¨bU ¸ © mn ¹

U 1,...,S

1,...,S )

(8.10)

140

Kapitel C: Spezielle Produktionsmodelle

so besteht das allgemeine algebraische Modell aus den folgenden m Inputbilanzen ( i 1,..., m ) und n Outputbilanzen ( j m  1,..., m  n ): ai1 ˜ O1 b1j ˜ O1

xi

   aiS ˜ OS    bSj ˜ OS

yj

(8.11)

Die z-Schreibweise ergibt sich nun wie folgt:

z

§ z1 · ¨ ¸ ¨  ¸ ¨z ¸ © m n ¹

§  a11 ¨ ¨  ¨ 1 ¨  am ¨ b1 ¨ m 1 ¨  ¨ b1 © m n

  a1S ·¸   ¸ § 1· O ¸ S ¸ ¨   am ¸˜¨  ¸ S ¸ ¨  bm  1 ¨ OS ¸ ¸ ¸   ¸ © ¹ S ¸  bm n ¹

M ˜O

Die Technikmatrix M umfasst damit die S Grundaktivitäten z U ( U als Spaltenvektoren.

(8.12)

1,...,S )

Analog zu den elementaren Techniken lassen sich für einstufige Techniken grundlegende einstufige Strukturtypen definieren, die sich für bestimmte Konstellationen der Input- und Outputkoeffizienten ergeben (vgl. Bild 8.6). (a) (b) (c) (d) (e) (f)

outputseitig determinierte Produktion inputseitig determinierte Produktion Verfahrenswahl bei der Herstellung eines Outputs Verfahrenswahl bei der Nutzung eines Inputs Transportprozesse (auch Einsammlung und Verteilung) Von weiteren Parametern U und V abhängige Prozesse

Die sechste Darstellung (f) stellt den allgemeinen, nicht unbedingt endlich generierbaren Typ einstufiger Techniken dar, der durch eine oder mehrere Stellgrößen U und Umfeldparameter V charakterisiert und exemplarisch in Lektion 10 anhand der Gutenberg-Modelle behandelt wird.

Lektion 8: Einstufige Techniken

141

1

1

m+1

1

1

m+1

i

U

j

i

U

j

m

n

m+n

m

m

m+n

(a)

(b)

1

2 1

1 m+1

i

1

S

j S n+1

m

(c)

(d) m+1

1

m+1

1

U i

j

i

j V

m+n

m

(e)

m+n

m

(f)

Bild 8.6: Strukturtypen einstufiger Techniken (Quelle: Dyckhoff (1994), Abb. 13.2)

142

Kapitel C: Spezielle Produktionsmodelle

Im Falle (a) der outputseitig determinierten Produktion besteht eine eineindeutige Beziehung zwischen den Grundaktivitäten und den Outputarten: Bei jeder Grundaktivität entsteht genau eine Outputart, und umgekehrt wird jede Outputart durch genau eine Grundaktivität erzeugt. Bei den Outputbilanzen ist also jeweils nur ein einziger Outputkoeffizient von Null verschieden. Mit den Produktionskoeffizienten aij aiU b Uj (mit U j  m ), die den Bedarf des Input i pro Einheit des Outputs j angeben, kann das allgemeine algebraische Modell nach wenigen Umformungen wie folgt spezifiziert werden, wobei das Aktivitätsniveau durch geeignete Wahl der Maßeinheiten mit der Outputmenge der hergestellten Objektart gleichgesetzt werden kann: m n

xi

¦ aij ˜y j

i=1,...,m

(8.13)

j m 1

An dieser Darstellung wird deutlich, dass die Inputquantitäten eine Funktion der Outputquantitäten sind: x = g( y ), die Produktion also outputseitig determiniert ist. Produktionsmodelle dieses Typs heißen auch (einstufige) Leontief-Modelle. Das Beispiel der Lederwarenproduktion würde dazugehören, falls die sechste Objektart (Lederreste) unbeachtet bliebe. Bei der inputseitig determinierten Produktion besteht eine eineindeutige Beziehung zwischen den Grundaktivitäten und den Inputarten. Der Fall (b) ist damit spiegelbildlich zu (a). Nunmehr ist bei den Inputbilanzen jeweils nur ein einziger Inputkoeffizient von Null verschieden. Mit den Koeffizienten b ji b Uj aiU (mit U i ), die die Erzeugung des Outputs j pro Einheit des Inputs i angeben, lautet das zugehörige algebraische Modell: m

yj

¦ b ji ˜ xi

j=m+1,...,m+n

(8.14)

i 1

Die Outputquantitäten sind eine Funktion der Inputquantitäten: y= f( x). Praktische Beispiele sind solche Produktionen, bei denen Inputstoffe nach feststehenden Relationen in bestimmte Bestandteile zerlegt werden. Die Koeffizienten bji werden je nach dem Charakter der Outputart als Ausbeute-, Rückstands- oder Emissionskoeffizienten bezeichnet. Inputseitig determinierte Produktion ist typisch für die starre Kuppelproduktion. Beim Strukturtyp (c), der Verfahrenswahl bei der Herstellung eines Outputs, gibt es S verschiedene elementare Verfahren, in denen die m Inputarten kombiniert werden können, um ein und dieselbe Outputart m+1 zu erzeugen. Die Input- und Outputbilanzen des allgemeinen Modells können hier folgendermaßen spezifiziert werden:

Lektion 8: Einstufige Techniken

143

S

¦ aijU ˜ y Uj

xi

U 1 S

i=1,...,m; j=m+1 U

¦ yj

(8.15)

yj

U 1

Dabei bezeichnen aijU aiU b Uj den prozessspezifischen Produktionskoeffizienten und y Uj b Uj ˜ OU diejenige Teilquantität des Outputs j, welche mit dem Verfahren U hergestellt wird. Praktische Beispiele für diesen Typ sind die Wahl zwischen verschiedenen Fahrweisen einer Produktionsanlage oder zwischen funktionsgleichen Maschinen mit unterschiedlichen Verbräuchen der Inputarten. Der Strukturtyp (d), die Verfahrenswahl bei der Nutzung eines Inputs, verhält sich spiegelbildlich zu (c). Hierbei geht es um die Wahl zwischen S verschiedenen elementaren Verfahren, mit denen aus der Inputart 1 die Outputarten 2 bis 1+n gewonnen werden können. Er ist typisch für Zuschneideprozesse. Mit den prozessspezifischen Ausbeute-, Rückstands- oder Emissionskoeffizienten b Uji b Uj aiU und den verfahrensbezogenen Inputteilquantitäten xiU lautet das algebraische, zu (c) spiegelbildliche Modell: S

¦ xiU

xi

U 1 S

i=1; j=2,…,n+1

U

U

¦ b ji ˜ xi

(8.16)

yj

U 1

Das Besondere des Strukturtyps (e) lässt sich an zwei Aspekten festmachen: Zum einen sind die kombinierbaren elementaren Prozesse alle vom Typ 1:1 (eine Input- und eine Outputart). Zum anderen gibt es für jedes Paar einer Inputart i und einer Outputart j genau einen solchen elementaren Prozess U = (i, j), insgesamt also m˜n Prozesse. Mit aij = aiU und bji = bjU für U = (i, j) ergibt sich folgendes algebraische Modell: mn

xi

¦ aij ˜ Oij

j m 1 m b ij i 1

¦

i=1,...,m; j=m+1,...,m+n ij

˜O

(8.17)

yj

Dieser Typ kann als ein Transportmodell angesehen werden, bei dem eine qualitativ homogene Objektart, z.B. Hausmüll, an den Ausgangsorten i vor-

144

Kapitel C: Spezielle Produktionsmodelle

handen ist und zu den Empfangsorten j gebracht werden kann. Der elementare Prozess (i, j) bedeutet einen Transport von i nach j; bei dem Aktivitätsniveau Oij = 1 werden aij Einheiten der Objektart von Ort i abgeholt und bji Einheiten an Ort j angeliefert. Üblicherweise sind die Input- und Outputkoeffizienten gleich eins. Andere Werte können dadurch bedingt sein, dass die Quantitäten an den verschiedenen Orten jeweils in unterschiedlichen Maßeinheiten gemessen werden oder dass bei identischer Maßeinheit im Falle b ij / a ij  1 auf der Strecke von i nach j Verluste auftreten, z.B. bei Erdgasoder Stromleitungen. Der Typ kann aber auch Umwandlungen darstellen, z.B. zwischen verschiedenen Energiearten, bei denen jede der Objektarten i in jede der Objektarten j transformiert werden kann und der Koeffizient bji/aij den Wirkungsgrad der Umwandlung angibt. Input- und Outputkoeffizienten ungleich eins sind bei Transportprozessen ohne Größenproportionalität von besonderer Bedeutung, wenn nämlich die Fahrzeuge auf den Strecken unterschiedliche Transportkapazitäten besitzen und nur volle Ladungen erlaubt sind.

Hinweise zum vertieften Studium 1) Die in Abschnitt 8.1 vorgestellte und in den nachfolgenden Lektionen weiterentwickelte Typologie von Produktionsprozessen geht wesentlich auf Müller-Merbach (1981) zurück. Sie werden ausführlich von Dyckhoff (1994) behandelt. 2) Der Unterschied zwischen additiven und linearen Techniken kommt besonders bei Effizienzanalysen zum Tragen. Siehe hierzu und zum Beispiel der Papierfabrik wieder Dyckhoff (2006), Abschnitt 6.2. 3) Die verschiedenen Techniktypen führen zu entsprechenden Besonderheiten und Eigenschaften der zugehörigen Erfolgsmodelle bei einer Bewertung der Objektquantitäten mit Preisen. Entsprechende Kostenmodelle werden in der betriebswirtschaftlichen Kostentheorie behandelt, so etwa bei Fandel (2005) und Schweitzer/Küpper(1997). Allerdings kommen Modelle der Kuppelproduktion dabei regelmäßig zu kurz. Dazu siehe Oenning (1997).

Übungsaufgaben (Dyckhoff/Ahn/Souren (2004)) Übungsaufgaben 3.1, 3.2, 3.3, 9.1

9 Mehrstufige und zyklische Techniken

9.1 Mehrstufige Techniken 9.1.1 Modellierungsansatz 9.1.2 Fallbeispiel zur Modellierung einer Erdölraffinerie 9.2 Zyklische Techniken 9.2.1 Modellierungsansatz 9.2.2 Fallbeispiel zur Modellierung geschlossener Stoffkreisläufe in der Eisen- und Stahlindustrie

Mehrstufige Techniken sind durch das explizite Auftreten von Objektarten gekennzeichnet, die einerseits Output bestimmter Aktivitäten und andererseits Input mindestens einer weiteren Aktivität sind. Diese werden üblicherweise als Zwischenprodukte bezeichnet. Werden Zwischenprodukte, die in nachgelagerten Produktionsprozessen erzeugt werden, als Input in vorgelagerte Produktionsprozesse eingesetzt, so spricht man von zyklischen Techniken. Mehrstufige Techniken werden in der Praxis zur Modellierung mehrstufiger inner- und überbetrieblicher Wertschöpfungsketten benötigt. Dementsprechende Modelle sind damit wichtiges Werkzeug, unabhängig von den konkret zu untersuchenden Industriebranchen. Zyklische Techniken treten dagegen besonders häufig in der Prozessindustrie oder bei der expliziten Betrachtung von Recyclingprozessen auf. Die vorliegende Lektion fokussiert auf mehrstufige und zyklische endlich generierbare Techniken und behandelt damit eine weitere Gruppe wichtiger, praxisrelevanter additiver Techniken.

9.1

Mehrstufige Techniken

9.1.1

Modellierungsansatz

Bild 9.1 zeigt exemplarisch eine zweistufige Technik mit acht beachteten Objektarten und fünf Grundaktivitäten, die auf folgender Technikmatrix basiert:

146

Kapitel C: Spezielle Produktionsmodelle

M

0 0 0 · § 1 0 ¨ ¸ 0 0 ¸ ¨ 0 1 0 ¨ 3 0 1 0 0 ¸ ¨ ¸ ¨ 1 2 0 1 0 ¸ ¨ ¸ 3 0 0  1¸ ¨ 0 ¨ 0 0 4 0 0 ¸ ¨ ¸ 0 2 4 2 ¸ ¨ 5 ¨ 0 0 0 6 3 ¸¹ ©

Originäre Faktoren

Zwischenprodukte

Endprodukte

z3

x1

1

1

1

1

3

3

1

4 2

1

2

2 3

1

5

z4

4 2

6

y6

4

4 6

7

y7

8

y8

5 1

x2

3

5

2 3

z5

Bild 9.1: I/O-Graf einer zweistufigen, inputseitig determinierten Technik (Quelle: Dyckhoff (1994), Abb. 15.3)

Bei endlicher Generierbarkeit besitzt eine mehrstufige Technik mindestens zwei Grundaktivitäten mit einer in beiden vorkommenden Objektart, welche einerseits Output der ersten und andererseits Input der zweiten Grundaktivität ist. Im Gegensatz zu den originären Faktoren (z.B. Vorprodukte oder Einzelteile), die ausschließlich Input darstellen, und den Endprodukten, die ausschließlich Output elementarer Prozesse sind, werden diese als Zwischenprodukte (z.B. Baugruppen oder Halbfabrikate) bezeichnet. Die Stufenzahl einer mehrstufigen Technik wird generell durch die längste Produktionskette bestimmt. Als solche wird dabei eine Folge unmittelbar durch Zwischenprodukte miteinander verbundener Grundaktivitäten bezeichnet, so dass jeweils eines der Erzeugnisse einer Aktivität in der nachfolgenden Aktivität eingesetzt, d.h. weiterverarbeitet wird. Jede Grundaktivität dieser Folge stellt eine Produktionsstufe innerhalb des betrachteten Produktionssystems dar. Dabei kann es sich beispielsweise um verschiedene Arbeitsstationen eines Fließproduktionssystems oder um einzelne, aufeinanderfolgende Arbeitsgänge in Werkstätten oder auch auf Baustellen handeln. Was als Produktionsstu-

Lektion 9: Mehrstufige und zyklische Techniken

147

fe infrage kommt, hängt vom gewählten Aggregationsgrad des Produktionsmodells ab. In Bild 9.1 gibt es vier zweistufige Ketten, nämlich (1,3), (1,4), (2,4) und (2,5). Die Objektarten 1 und 2 stellen originäre Faktoren, die Objektarten 3, 4, 5 Zwischenprodukte und die Objektarten 6, 7 und 8 Endprodukte dar. Anhand zeilenweiser Vergleiche der Vorzeichen lassen sich diese Informationen für jede der acht beachteten Objektarten auch unmittelbar der Technikmatrix M entnehmen. Bezeichnet rk den quantitativen Durchsatz der Objektart k, so kann das zugehörige algebraische Modell aus dem I/O-Grafen bzw. der Technikmatrix abgeleitet werden: x1 x2 x3 + 3O1 x4 + O1 + 2O2 x5 + 3O2 5O1

= = = = = 3 = 4O 3 4 5 + 2O + 4O + 2O = 6O4 + 3O5 =

r1 r2 r3 r4 r5 r6 r7 r8

= O1 = O2 = y3 O3 + 4 = y4 O + 5 + y = O 5 = y6 = y7 = y8

Die Größen zk yk  xk beschreiben im Falle zk  0 die von außen zugeführten, im Falle zk ! 0 die nach außen abgegebenen (Netto-)Quantitäten der Objektart k. Wie schon in Bild 4.1 gezeigt, bezeichnen sie als Systeminput (Eintrag; Fremdbezug) bzw. Systemoutput (Austrag, Absatz, Emission, Primärbedarf) die Außenbezüge des Produktionssystems. In Bild 9.1 ist dies durch die gestrichelt dargestellte Bilanzhülle des Systems und sämtliche die Bilanzhülle überschreitenden Einsatz- und Ausbringungsmengen ( x1 , x2 , z3 , z4 , z5 , y6 , y7 , y8 ) der beachteten Objektarten angedeutet. Die Pfeile innerhalb der Bilanzhülle kennzeichnen die Innenbezüge der Technik und beinhalten die Prozessinputs (Einsatz; Eigenverbrauch) und Prozessoutputs (Ausbringung; Eigenfertigung; Sekundärbedarf) des Produktionssystems. Bei konstanten Systembeständen summiert sich der gesamte Durchsatz einer Objektart demnach einerseits hinsichtlich seiner Herkunft aus Systeminput und Prozessoutput (Fremdbezug + Eigenfertigung), andererseits hinsichtlich seiner Verwendung aber auch aus Systemoutput und Prozessinput (Primärbedarf + Sekundärbedarf = Bruttobedarf). Eliminiert man die Variablen für die Durchsätze und berücksichtigt für die Zwischenprodukte nur den Saldo aus Output und Input, so vereinfachen sich die obigen Bilanzgleichungen zu:

148

Kapitel C: Spezielle Produktionsmodelle

x1 x2 z3 z4 z5 y6 y7 y8

= O1 = O2 1 = 3O  O3 = O1 + 2O2  O4  2 = 3O  O5 = 4O3 1 = 5O + 2O3 + 4O4 + 2O5 = 6O4 + 3O5

In reiner z-Schreibweise erhält man hieraus z bener Technikmatrix M.

M ˜ O mittels oben angege-

Im Beispiel handelt es sich um eine inputseitig determinierte Technik, da durch Vorgabe der Außenbezüge bzw. Systeminputs für die ersten fünf Objektarten alle anderen Quantitäten des Modells eindeutig festgelegt sind. Es gibt hier eine eineindeutige Beziehung zwischen jeweils einer Grundaktivität und einem originären Faktor bzw. einem Zwischenprodukt. Mehrstufige, inputseitig determinierte Techniken sind etwa bei Demontageprozessen von Altprodukten von praktischer Bedeutung. Analog lassen sich hier auch die in Lektion 8 behandelten Strukturtypen einstufiger Techniken auf mehrstufige Techniken übertragen. So verhalten sich die als Leontief-Modelle bezeichneten mehrstufigen (und zyklischen) outputseitig determinierten Techniken spiegelbildlich bezüglich Input und Output zu den inputseitig determinierten (vgl. Lektion 13.1). Darauf soll hier jedoch nicht näher eingegangen werden. Im folgenden Abschnitt wird der Modellbildungsprozess für mehrstufige Techniken anhand eines praktischen Fallbeispiels einer Erdölraffinerie verdeutlicht. 9.1.2

Fallbeispiel zur Modellierung einer Erdölraffinerie

Für eine Erdölraffinerie sollen die Einkaufs- und Absatzmengen des kommenden Jahres für die folgenden Objektarten geplant werden: -

Rohöl (RO) Leichtöl (LO) Superbenzin (SB) Leichtes Heizöl bzw. Dieselkraftstoff (LH)

Zur rechtzeitigen Bereitstellung von Entsorgungskapazitäten soll zusätzlich der Systemoutput zweier Abfallarten (A1) und (A2) ermittelt werden, die als unerwünschte Kuppelprodukte zwangsläufig anfallen. Bild 9.2 zeigt das Produkti-

Lektion 9: Mehrstufige und zyklische Techniken

149

onssystem Erdölraffinerie als Black-Box mit den zugehörigen Außenbezügen. Rohöl (RO) und Leichtöl (LO) sind primäre Einsatzfaktoren, Superbenzin (SB) und Dieselkraftstoff (LH) stellen Hauptprodukte dar. Beide Hauptprodukte können alternativ auch auf Spotmärkten zugekauft werden, um so eventuell auftretende Kapazitätsengpässe aufzufangen.

xSB xLH xLO

ySB yLH

Erdölraffinerie

yA1

xRO yA2

Bild 9.2: Erdölraffinerie als Black-Box-Modell (nach Dyckhoff (1994), Abb. 4.2)

Die weitere Analyse des Produktionssystems führt zu dem in Bild 9.3 dargestellten Grey-Box-Modell. Die Innenstruktur dieses Modells ist durch drei Gruppen von Produktionsanlagen (Destillation, Verarbeitung, Mischung), die hintereinander geschaltet sind und somit zu verschiedenen Produktionsstufen gehören, gekennzeichnet. Neben den schon genannten sechs Objektarten sind demnach weitere sieben Zwischenprodukte zu berücksichtigen: -

Light-Gas-1 (L1) Heavy-Gas (HG) Naphta (NA) Light-Gas-Oil (GO) Light-Gas-2 (L2) Full-Range (FR) Extra-Light (EL)

In weiteren Verfeinerungsschritten können nun die drei Produktionsstufen näher analysiert und realitätsnah modelliert werden (siehe Czap (1982) und Dyckhoff (1994), Abschnitt 17.2). Vereinfachend sei hier angenommen, dass es sich bei jeder Produktionsstufe um eine elementare Grundaktivität und insgesamt um eine lineare Technik handelt. Die Produktionsstufen werden wie folgt bezeichnet: -

Destillation ( U 1 ) Verarbeitung ( U 2 ) Mischung ( U 3 )

150

Kapitel C: Spezielle Produktionsmodelle

xLH xSB A

RO

xRO

B

Destillation 1

C D E F G

H

L1

I

HG

J NA

N O P Q

L2 FR EL

R

T

A2

K L

U V

ySB

SB

S Mischung 3

LO

Verarbeitung 2

xLO

yLH

LH

M

GO

A1 yA1

yA2

Bild 9.3: Grobe Innenstruktur der Erdölraffinerie (nach Dyckhoff (1994), Abb. 17.1)

Die jeweiligen Input- und Outputkoeffizienten der zugehörigen Grundaktivitäten sind gemäß Bild 9.3 mit den Großbuchstaben A, B, ...,V indiziert. Die Aktivitätsniveaus der drei Elementarprozesse werden mit O1 , O2 , O3 t 0 bezeichnet. Unter Verwendung der Durchsätze rRO , rLO , rL1 , rHG , rNA , rGO , rL 2 , rFR , rEL , rSB , rLH , rA1 , rA2 für sämtliche beachteten Objektarten lässt sich aus dem I/O-Grafen unmittelbar das folgende algebraische Modell ableiten: x RO x LO

BO1

 

y RO y LO

 

y LI y HG

 KO3  MO3

 

y NA yGO

rL 2

RO3



yL2

rFR rEL

3

 

y FR y EL

rRO rLO

3

AO

x L1 x HG

1

 CO  DO1

rLI rHG

HO IO2

x NA xGO

 EO1  FO1

rNA rGO

JO2 LO2

xL 2



NO2

x FR x EL

 

2

xSB x LH

 

x A1 x A2

 GO1 

OO PO2

UO3 VO3 QO

2

2

SO TO3

rSB rLH

y SB y LH

rA1 rA 2

y A1 y A2

Lektion 9: Mehrstufige und zyklische Techniken

151

Hierbei sind außer für die beiden Hauptprodukte Superbenzin (SB) und Dieselkraftstoff (LH) abweichend von den Bildern 9.2 und 9.3 auch für alle anderen Objektarten zusätzliche Variablen für die Systeminputs xk bzw. Systemoutputs yk ergänzt worden, deren Saldo zk = yk  xk den Netto-Systemoutput darstellt. Für diejenigen Objektarten, für die ein solcher Ein- oder Austrag nicht möglich ist, muss dann die entsprechende Größe gleich Null gesetzt werden (xk = 0 bzw. yk = 0). Alternativ zum Systemin- oder -output könnte im Rahmen einer mehrperiodigen Betrachtung der Auf- bzw. Abbau von Zwischenlagerbeständen modelliert werden. Eliminiert man nun die Durchsätze, so kann nach wenigen algebraischen Umformungen die Technikmatrix M angegeben werden. Hierbei wird die gleiche Sortierreihenfolge wie im algebraischen Modell vorausgesetzt.

U 1 U

M

2 U

§ B 0 ¨ 0 ¨ 0 ¨ C H ¨ ¨ D I ¨ ¨ E J ¨ F L ¨ N ¨ 0 ¨ 0 O ¨ P ¨ 0 ¨ 0 0 ¨ ¨ 0 0 ¨ 0 ¨ G ¨ 0 Q ©

3

0 · RO ¸  A ¸ LO 0 ¸ L1 ¸ 0 ¸ HG ¸  K ¸ NA  M ¸ GO ¸  R ¸ L2  S ¸ FR ¸  T ¸ EL U ¸¸ SB V ¸ LH ¸ 0 ¸ A1 0 ¸¹ A2

Damit ergibt sich die betrachtete dreistufige lineare Technik zu:

T

­ ° 13 ® z  IR | z ° ¯

½ § O1 · ¨ 2¸ ° M ˜ ¨ O ¸ , mit O1 , O2 , O3 t 0¾ ¨ O3 ¸ ° © ¹ ¿

152

Kapitel C: Spezielle Produktionsmodelle

Zur Berechnung des zugehörigen Produktionsraums wären zusätzlich ReU U striktionen zur Begrenzung der zulässigen Aktivitätsniveaus Omin d OU d Omax ( U 1,2 ,3 ) sowie eventuell vorliegende Beschaffungs- und Absatzrestriktionen für die beachteten Objektarten (k = RO,...,A2) zu ermitteln und als Restriktionsfeld zu berücksichtigen.

9.2

Zyklische Techniken

9.2.1

Modellierungsansatz

Mehrstufige Techniken ohne Zyklus zeichnen sich dadurch aus, dass die Grundaktivitäten so angeordnet und nummeriert werden können, dass bei jeder Produktionskette der Technik die Nummern ansteigen und nicht wieder fallen. Es gibt somit keine Rückkopplung zu einem vorangehenden elementaren Prozess. Dagegen heißt eine Technik zyklisch, wenn sie wenigstens eine geschlossene Produktionskette, d.h. einen Zyklus aufweist. In diesem Falle wären die erste und die letzte Grundaktivität der Folge identisch. Mit zunehmender Größe und Komplexität eines Produktionssystems treten Zyklen häufiger auf. Dies gilt insbesondere für stoffumwandelnde Prozesse in der chemischen Industrie, wo in der Regel aufgrund unvollständiger Umsätze Einsatzfaktoren durch Trennstufen von Produkten abgetrennt und zur Ressourcenschonung wieder in vorgelagerte Produktionsstufen rückgeführt werden müssen. Zyklen beruhen außerdem oftmals auf der innerbetrieblichen Leistungsverflechtung aufgrund eines gegenseitigen Austauschs materieller und nichtmaterieller Objekte verschiedener betrieblicher Subsysteme. So beliefert etwa ein betriebliches Heizkraftwerk die Reparaturwerkstatt mit Wärme, während umgekehrt die Werkstatt Reparaturen oder Wartungen am Kraftwerk durchführt. Die Auflösung dieser Zyklen und die Bestimmung von Verrechnungspreisen für die ausgetauschten Objektarten obliegt der innerbetrieblichen Leistungsverrechnung, die im Rahmen der Kostenstellenrechnung regelmäßig durchgeführt wird. Ein weiterer Grund für zyklische Techniken sind Recyclingprozesse. Diese gewinnen aufgrund der wachsenden Relevanz des Umweltschutzes und der damit gestiegenen umweltrechtlichen Anforderungen an Industriebetriebe zunehmend an Bedeutung. Bei einem einstufigen Zyklus, einer so genannten Schlinge, wird ein Output eines elementaren Prozesses unmittelbar wieder zum Input desselben Prozesses (z.B. anlageninterne Kreislaufführung von Stoffen). Praktische Beispiele sind etwa Destillationsanlagen in Raffinerien, bei denen ein Teil der entstandenen schweren Fraktion (Sumpf) der Anlage zusammen mit neuem Rohöl wieder zugeführt wird, oder auch Abfallpyrolyse-Reaktoren, bei denen ein

Lektion 9: Mehrstufige und zyklische Techniken

153

Teil des aus dem Abfall durch Erhitzung entstehenden Pyrolysegases für die Erzeugung der hohen Reaktortemperaturen verwendet wird. Bild 9.4 zeigt den I/O-Graf einer Technik mit fünf Objektarten, vier Grundaktivitäten und einem zweistufigen Zyklus.

2

x1

11

1

6

7

4

1

5

2

2 3

y3

3

8 1

5

x2

1

7

3

4

1

4

0,8

5

y5

0,2

Bild 9.4: Technik mit Verfahrenswahl und zweistufigem Zyklus (nach Dyckhoff (1994), Abb. 16.5)

Für die Herstellung des Endprodukts 3 und des Zwischenprodukts 4 besteht die Wahl zwischen drei elementaren Prozessen. Das Zwischenprodukt 4 wird vollständig weiterverarbeitet, wobei zum einen das Endprodukt 5 entsteht, und zum anderen die Objektart 2, welche wiederum in den drei Elementarprozessen eingesetzt wird. Die Technikmatrix M lässt sich unmittelbar aus Bild 9.4 ablesen:

M

§ 2  4  5 0 · ¨ ¸ ¨  6  5  3 0 ,2 ¸ ¨ 1 1 1 0 ¸ ¨ ¸ ¨ 7 8 7  1¸ ¨ ¸ 0 0 0 ,8 ¹ © 0

Das Vorhandensein eines zweistufigen Zyklus erkennt man an der Technikmatrix daran, dass Objektart 2 sowohl Input der zur Produktionsstufe 1 zählenden Grundaktivitäten 1, 2 und 3 als auch Output der Grundaktivität 4 ist. Die Grundaktivität 4 setzt jedoch die in der Produktionsstufe 1 erzeugte Objektart 4 als Zwischenprodukt ein, so dass sie der Produktionsstufe 2 angehört. Es gibt damit durch Vertauschen der Zeilen, d.h. durch Umnummerieren der Objektarten, keine Möglichkeit, in jeder Spalte zunächst die Inputobjekt-

154

Kapitel C: Spezielle Produktionsmodelle

arten (negatives Vorzeichen) und erst anschließend die Outputarten (positives Vorzeichen) anzuordnen, wie dies bei der Technikmatrix des Erdölraffineriebeispiels in Abschnitt 9.1.2 der Fall ist. Die zyklische Technik lässt sich demnach wie folgt angeben:

T

­ °° 5 ® z  IR | z ° °¯

½ § O1 · ¨ ¸ °° 1 4 M ˜ ¨  ¸ , für O ,..., O t 0 ¾ ¨ 4¸ ° ¨O ¸ °¿ © ¹

Das zugehörige algebraische Modell kann durch Einführung der Durchsätze r1 ,..., r5 ebenfalls unmittelbar aus dem I/O-Grafen abgeleitet werden: x1 x2

= 4 + 0,2O = 1 + 2 + 3 = O O O 1 + 2 + 3 = O 8O 7O 4 = 0,8O

r1 r2 r3 r4 r5

= O1 + 4O2 + 5O3 = 6O1 + 5O2 + 3O3 = = =

y3 4

O

y5

Solange keine Einschränkungen hinsichtlich Systeminput und Systemoutput existieren, können die Aktivitätsniveaus aller Grundaktivitäten frei gewählt werden: zk

f k ( Ȝ 1 ,...,Ȝ 4 )

k=1,...,5

Da im Beispiel jedoch keine Außenbezüge für die Objektart 4 vorgesehen sind ( z4 0 ), ist ein Freiheitsgrad bereits vergeben. Es können daher maximal noch drei Aktivitätsniveaus unabhängig voneinander frei festgelegt werden. So folgt beispielsweise aus O1 Ÿ x1

110 , x2

10 , O2

96 , y3

10 , O3

30 , r4

O4

10 : 220 , y5

176 .

Insgesamt zeigt sich, dass zyklische Techniken bei der Aufstellung des Produktionsmodells grundsätzlich keine höheren Ansprüche als mehrstufige Techniken ohne Zyklen stellen. Allerdings sind zur Lösung des algebraischen Modells unter Umständen aufwändigere Berechnungsmethoden erforderlich. Dies ist jedoch im Falle linearer Techniken heutzutage auch für praxisrelevante Größenordnungen mit mehreren Tausend Objektarten und Grundaktivitäten mittels kommerzieller Software problemlos durchführbar.

Lektion 9: Mehrstufige und zyklische Techniken

9.2.2

155

Fallbeispiel zur Modellierung geschlossener Stoffkreisläufe in der Eisen- und Stahlindustrie

Zur Konkretisierung der Vorgehensweise bei der Modellierung zyklischer Produktionssysteme sei in Fortführung der Fallstudie zur systematischen Modellierung aus Lektion 5 auf ein stark vereinfachtes Beispiel aus der Eisen- und Stahlindustrie zurückgegriffen (vgl. Bild 9.5). Systemgrenze Sinter6 staub Erz 1

8

2 Koks

1 Sinteranlage

Kreislaufstoffe

2 Sinter 3

6

Sinterstaub

Hochofen

7

Gichtstaub

3 Roheisen 4

Konverter

9

Rohstahl 5

Konverterstaub

4 Kreislaufstoffvorbereitung

Bild 9.5: Integriertes Hüttenwerk (vereinfacht) als Beispiel eines mehrstufigen, zyklischen Produktionssystems (Quelle: Spengler (1998), Abbildung 4-8)

Das dargestellte integrierte Hüttenwerk verfügt über die drei Produktionsaggregate Sinteranlage ( U 1 ), Hochofen ( U 2 ) und Konverter ( U 3 ) sowie über ein Aufbereitungsaggregat Kreislaufstoffvorbereitung ( U 4 ), dessen Aufgabe in der Konditionierung der rückzuführenden Sinterstäube und Gichtstäube liegt. Hauptprodukt des Produktionssystems ist flüssiger Rohstahl ( k 5 ), der mittels der Zwischenprodukte Sinter ( k 3 ) aus der Sinteranlage und flüssigem Roheisen ( k 4 ) aus dem Hochofen im Konverter gewonnen wird. Originäre Einsatzfaktoren sind Feinerze ( k 1 ) zum Einsatz in der Sinteranlage sowie Koks ( k 2 ) zum Einsatz im Hochofen. Nicht im Kreislauf geführte Anteile der Kuppelprodukte Sinterstäube ( k 6 ), Gichtstäube ( k 7 ) und Konverterstäube ( k 9 ) verlassen die Systemgrenzen des Hüttenwerks und sind extern zu verwerten. Die über die Kreislaufstoffvorbereitung im Kreislauf geführten Sinterstäube und Gichtstäube werden als so genannte Kreislaufstoffe ( k 8 ) in die Sinteranlage zurückgeführt und können dort als eisenhaltige Sekundärrohstoffe den originären Einsatzfaktor Feinerz substituieren.

156

Kapitel C: Spezielle Produktionsmodelle

Die in dieser Fallstudie vereinfacht dargestellte Kreislaufführung entspricht einer möglichen zukünftigen Umsetzung des Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetzes und ist im Rahmen der Vorbereitung zukünftiger Investitionsentscheidungen einerseits sowie zur kurzfristigen Planung und Steuerung hüttenwerksinterner Stoffströme andererseits ökonomisch zu bewerten und mit einer Reihe weiterer technisch möglicher Kreislaufführungen zu vergleichen. Als notwendige Voraussetzung ist in der vorliegenden Fallstudie zunächst die mehrstufige, zyklische Technik geeignet zu modellieren und hierdurch das zur ökonomischen Bewertung benötigte Mengengerüst zu ermitteln. Die funktionalen Zusammenhänge zwischen Input und Output sind in der Eisen- und Stahlindustrie, wie auch in anderen Branchen der Prozessindustrie, in der Regel nichtlinear und liegen oftmals nicht in analytischer Form vor. Zur Ermittlung ihrer Verläufe muss daher auf numerische Methoden (z.B. Prozesssimulation) zurückgegriffen werden. Geht man im Folgenden jedoch vereinfachend von einer linearen Technik aus, so sind die Komponenten der Technikmatrix M durch konstante Input- und Outputkoeffizienten gegeben. Das in Bild 9.5 dargestellte Grundfließbild des betrachteten Produktionssystems lässt sich dann mittels weniger grafischer Modifikationen in den bekannten abstrakten I/O-Grafen überführen, worauf jedoch an dieser Stelle verzichtet wird, da sich die vier Grundaktivitäten und die insgesamt neun beachteten Objektarten und damit auch die Technikmatrix M unmittelbar aus dem Fließbild ablesen lassen:

M

§  a11 ¨ ¨ 0 ¨ 1 ¨ b3 ¨ 0 ¨ ¨ 0 ¨ b1 ¨ 6 ¨ 0 ¨ 1 ¨  a8 ¨ 0 ©

0  a22

0 0

 a32 b42

0  a43

0 0

b53

b72 0

0 0

0

b93

U 1 U

0

2 U

0 ·¸ 0 ¸ ¸ 0 ¸ 0 ¸ ¸ 0 ¸  a64 ¸ ¸  a74 ¸ ¸ b84 ¸ 0 ¸¹

3 U

Erz k

1

Koks k 2 Sinter k 3 Roheisen k

4

Rohstahl k 5 Sinterstaub k 6 Gichtstaub k Kreislaufstoff k

7 8

Konverterstaub k

9

4

Formal lässt sich die betrachtete mehrstufige, zyklische lineare Technik T somit wie üblich definieren:

Lektion 9: Mehrstufige und zyklische Techniken

T

^ z  IR

9

|z

M ˜ O , mit O1 ,..., O 4  IR0

157

`

Während das lineare Produktionsmodell zur groben Abschätzung der Produktionsaktivitäten für gegebene Endproduktnachfragen im Rahmen einer strategischen Planung herangezogen werden kann, ist die Modellgüte für operative Aufgabenstellungen nicht ausreichend. Die adäquate Untersuchung operativer Planungs- und Steuerungsaufgaben in der Prozessindustrie erfordert eine deutlich höhere Abbildungsgenauigkeit nichtlinearer Produktionsprozesse und damit eine Erweiterung der bisher diskutierten endlich generierbaren Techniken. In der folgenden Lektion 10 werden daher zur expliziten Modellierung nichtlinearer Prozesse so genannte nicht endlich generierbare Techniken untersucht und es wird aufgezeigt, wie diese durch endlich generierbare Techniken geeignet approximiert werden können.

Hinweise zum vertieften Studium 1) Die Modellierung mehrstufiger und zyklischer Techniken hat im so genannten Stoffstrommanagement große Bedeutung. Siehe dazu Heijungs (1994), Spengler (1998) und Schmidt/Häuslein (1997). 2) Zur systematischen Modellierung und Analyse mehrstufiger und zyklischer Techniken siehe Dyckhoff (1994), §§15 und 16. 3) Zu den outputseitig determinierten mehrstufigen und zyklischen Techniken, auch Leontief-Techniken genannt, siehe Dyckhoff (2006), Lektion 10. 4) Die im Fallbeispiel geschilderte Vorgehensweise wird auch zur Berechnung von Stoffund Energiebilanzen im Rahmen der Ökobilanzierung ganzer Prozessketten angewendet (vgl. Heijungs (1994), Spengler (1998)).

Übungsaufgaben (Dyckhoff/Ahn/Souren (2004)) Übungsaufgaben 3.4, 3.5, 3.6

10 Nicht endlich generierbare Techniken

10.1 Keine oder unendlich viele Grundaktivitäten 10.1.1 Approximation durch endlich generierbare Techniken 10.1.2 Gutenberg-Technik 10.1.3 Intensitätssplitting bei diskreten Intensitätsstufen 10.2 In Grenzen frei variierbare Produktion 10.3 Fallbeispiel zur empirischen Ermittlung von Verbrauchsfunktionen

Additive bzw. lineare Techniken werden dann als endlich generierbar bezeichnet, wenn sie als Kombinationen einer endlichen Zahl von Grundaktivitäten darstellbar sind. Damit sind jedoch nicht alle additiven oder linearen Techniken erfasst; so können auch die beiden folgenden Fälle vorliegen: (1) Es existieren keine oder unendlich viele Grundaktivitäten. (2) Bei der Kombination endlich vieler Grundaktivitäten sind weitere technische Bedingungen einzuhalten. In beiden Fällen spricht man von nicht endlich generierbaren Techniken. In der vorliegenden Lektion werden zunächst grundlegende nicht endlich generierbare Techniken vorgestellt und darauf aufbauend Approximationsmöglichkeiten durch endlich generierbare Techniken aufgezeigt. Abschließend werden die durchgeführten Überlegungen anhand einer Fallstudie zur Ammoniakproduktion in der chemischen Industrie verdeutlicht.

10.1

Keine oder unendlich viele Grundaktivitäten

Bild 10.1 zeigt eine dreidimensionale, konvexe, kreisförmige Kegeltechnik. Jeder Strahl aus dem Ursprung auf dem Rand des Kegels kann als elementarer Prozess angesehen werden. Es ist somit unmöglich, die Technik aus einer endlichen Zahl dieser Prozesse zu generieren. Andererseits ist die dargestellte Technik linear, weil zu jedem beliebigen Punkt der Technik der ganze Strahl vom Ursprung durch diesen Punkt zur Technik gehört (Größenproportionalität) und weil die Kombination beliebiger Punkte im Kegel verbleibt (Additivität). Solche Techniken lassen sich in der Praxis dennoch häufig in ähnlicher Art wie endlich generierbare Techniken behandeln, und zwar dann, wenn eine der folgenden Voraussetzungen gegeben ist:

160

Kapitel C: Spezielle Produktionsmodelle -

Es ist möglich, die Technik durch endlich generierbare Techniken zu approximieren. Die unendliche Zahl an Grundaktivitäten kann durch eine oder mehrere Stellgrößen oder Parameter eindeutig beschrieben werden.

Bild 10.1: Dreidimensionale, konvexe kreisförmige Kegeltechnik (Quelle: Dyckhoff (1994), Abb. 11.1)

10.1.1 Approximation durch endlich generierbare Techniken

Betrachtet man die Technik T

­° 3 ® z  IR | z °¯

S

¦ z U ˜ OU , mit z U ist Grundaktivität und OU t 0 U

U 1

½° 1,...,S ¾ °¿

und wählt die Grundaktivitäten so, dass diese gleichverteilt auf dem kreisförmigen Kegelrand in Bild 10.1 liegen, so beschreiben die zugehörigen elementaren Prozesse einen konvexen, polyedrischen, innen liegenden Kegel mit S Kanten und flachen Seiten (Facetten). Mit wachsender Zahl S geeignet gewählter elementarerer Prozesse nähert sich dieser polyedrische Innenkegel

Lektion 10: Nicht endlich generierbare Techniken

161

dem kreisförmigen beliebig an. In der Praxis würde dies dem Übergang von einer diskreten zu einer kontinuierlichen Variation technischer Stellgrößen, wie Drehzahl, Prozesstemperatur oder -druck, entsprechen (z.B. diskrete Schaltstufen einer elektrischen Bohrmaschine). Bild 10.2 zeigt zwei Produktionsdiagramme dreidimensionaler, endlich generierbarer, linearer Techniken, die sich lediglich darin unterscheiden, dass im Fall (a) vier Grundaktivitäten und im Fall (b) acht Grundaktivitäten vorliegen. Die zugehörigen Technikmatrizen sind wie folgt definiert:

M Fall ( a )

4 4 4 · § 4 ¨ ¸  25  100  400  900 ¸ ¨ ¨ 200 400 800 1200 ¸¹ ©

M Fall ( b )

4 4 4 4 4 4 4 · § 4 ¨ ¸ ¨  6 ,25  25  64  100  225  400  625  900 ¸ ¨ 100 200 320 400 600 800 1000 1200 ¸¹ ©

Die Diagramme stellen jeweils einen Schnitt durch die dreidimensionale Technik für z1 4 bzw. x1 4 dar. Die vier bzw. acht hervorgehobenen Punkte entsprechen den Grundaktivitäten

z

U

§ 4 · ¨ U¸ ¨  x2 ¸ ¨ yU ¸ © 3 ¹

U 1,...,S .

Das durch sie definierte und durch ihre Konvexkombinationen entstehende, stark schattierte Viereck bzw. Achteck enthält alle mit x1 4 technisch möglichen Aktivitäten. Die zweidimensionalen Projektionen der durch die Grundaktivitäten im IR 3 festgelegten Prozessstrahlen sind als gestrichelte Linien dargestellt.

162

Kapitel C: Spezielle Produktionsmodelle

y3 1400 1200 1000 800 600 400 200

100

300

500

700

900

x2

700

900

x2

(a) y3 1400 1200 1000 800 600 400 200

100

300

500

(b) Bild 10.2: Produktionsdiagramme linearer Techniken mit vier (Fall a) bzw. acht (Fall b) Grundaktivitäten (Quelle: Dyckhoff (2006), Bild 3.9)

Lektion 10: Nicht endlich generierbare Techniken

163

Damit ist die folgende Technik definiert: T

­° 3 ® z  IR | z °¯

S

¦

½°

OU ˜ z U , mit OU t 0 für U 1,...,S ¾ °¿

U 1

Fügt man der Technikmatrix nun gezielt weitere Grundaktivitäten hinzu, die alle einem einheitlichen Bildungsgesetz gehorchen, nämlich x1U

4 , x2U t 0 , y3U

40 ˜ x2U ,

so nähert sich der fett hervorgehobene nordwestliche Rand des so erzeugten Vielecks einer Kurve an, die exakt dem Rand des in Bild 5.5 dargestellten Produktionsraums der in Lektion 5 definierten nichtlinearen landwirtschaftlichen Technik entspricht. Um jedoch den gesamten Produktionsraum des Bildes 5.5 zu approximieren, müsste die obige Technikdefinition folgendermaßen modifiziert werden: T

S ­° 3  d z IR | z OU ˜ z U , mit OU t 0 für U ® °¯ U 1

¦

½° 1,...,S und z3 t 0 ¾ °¿

In den beiden Diagrammen des Bildes 10.2 sind die durch die Ungleichungen jeweils zusätzlich hinzukommenden Produktionsaktivitäten schwach schattiert angedeutet. Sie illustrieren etwa einen unwirtschaftlichen Einsatz von x2 Arbeitsstunden zur Erzeugung von y3 Tonnen Erdbeeren auf der verfügbaren Bodenfläche von x1 4 Hektar. Die so modifizierten Techniken sind ebenfalls linear, allerdings nur in einem weiteren Sinn durch die Grundaktivitäten der jeweils zugrunde gelegten Technikmatrix endlich generiert. Es wird hierbei vorausgesetzt, dass die Verschwendung von Objekten unbegrenzt möglich ist. Die dargestellte Approximation ist nur für bestimmte Techniken möglich. Hierzu zählen etwa konvexe Techniken. Der sich durch Konvexkombination der drei in Bild 10.3 eingezeichneten Grundaktivitäten ergebende schraffierte Bereich gehört nicht zu der dargestellten nicht konvexen Technik. Während sich also im konvexen Fall die endlich generierbaren Techniken im inneren Bereich des Produktionsraums der äußeren Begrenzungslinie der Technik nähern, geschieht dies im gezeigten Fall außerhalb der Technik und damit im nicht möglichen Bereich.

164

Kapitel C: Spezielle Produktionsmodelle

y2 z 2

z

z

z3

z

z1

x1

Bild 10.3: Problematik der Approximation einer nichtkonvexen Technik

10.1.2 Gutenberg-Technik

Gibt man die Voraussetzung konstanter Input- und Outputkoeffizienten auf und ersetzt diese durch mittelbare, d.h. von Stellgrößen abhängige Input/Output-Beziehungen, so können Produktionsaktivitäten durch Variation der betrachteten Stellgrößen verändert werden. Derartige mittelbare Input/Output-Beziehungen können in Form empirisch oder analytisch ermittelter Verbrauchsfunktionen für die Inputobjektarten bzw. Ausbringungsfunktionen für die Outputobjektarten vorliegen. Zur Verdeutlichung sei auf das in Bild 10.4 dargestellte Beispiel zurückgegriffen.

1

a1 (U) Umin d U d Umax

2

b3 (U)

3

a2 (U)

Bild 10.4: Mittelbare Input/Output-Beziehungen einer Maschine mit variabler Intensität (nach Dyckhoff (1994), Abb. 14.6)

Bild 10.4 zeigt das vereinfachte Modell einer Maschine, die aus den beiden Inputobjektarten 1 und 2 eine Outputobjektart 3 herstellt. Hierbei werden

Lektion 10: Nicht endlich generierbare Techniken

165

verschiedene technisch mögliche Variationen der Produktionsintensität U ( U min d U d U max ) (z.B. die variable Drehzahl einer Werkzeugmaschine) durch intensitätsabhängige Verbrauchs- und Ausbringungsfunktionen a1 ( U ) , a2 ( U ) sowie b3 ( U ) berücksichtigt. Das Black-Box-Modell der Maschine symbolisiert damit einen komplexen Prozess, der eine Gruppe von Elementarprozessen zusammenfasst, welche auf natürliche Art und Weise zusammengehören. Im vorliegenden Beispiel ist dies deshalb gegeben, weil die Elementarprozesse verschiedene Drehzahlen einer einzigen Produktiveinheit beschreiben. Bei dem Intensitätsgrad U handelt es sich um eine Stellgröße, deren Wert vom Produktionsmanager innerhalb gegebener technischer Grenzen kontinuierlich variiert werden kann. Produktionsmodelle, die mittelbare Produktionsbeziehungen zwischen Repetierfaktoren (Roh-, Hilfs- und Betriebsstoffe) und erzeugten Produkten durch explizite Berücksichtigung einer variablen Arbeitsweise des zur Produktion eingesetzten Potenzialfaktors (z.B. Werkzeugmaschine) umfassen, werden als Gutenberg-Modelle oder in der Sprache der Aktivitätsanalyse als Gutenberg-Techniken bezeichnet. Sie gehen zurück auf Erich Gutenberg (1951) und bilden seither eine wichtige Grundlage innerhalb der betrieblichen Produktionstheorie. Neben der Intensität U , mit der eine Produktionsanlage betrieben wird, ist auch die Zeitdauer OU , innerhalb der die Anlage mit der Intensität U betrieben wird, von Bedeutung. Produziert die Anlage während der betrachteten Planungsperiode mit unterschiedlichen Intensitäten, so spricht man auch von Intensitätssplitting. Im Folgenden sei jedoch zunächst unterstellt, dass während der betrachteten Planungsperiode nur eine einzige, stets gleiche Intensität infrage kommt, so dass sich der Index U für die Produktionsdauer O erübrigt. Ferner wird angenommen, dass sich die Technik bei konstanter Intensität bzgl. der Produktionsdauer größenproportional verhält. Der gesamte Verbrauch xi für jeden der beiden Repetierfaktoren sowie die gesamte Produkterzeugung y3 ergeben sich damit gemäß Bild 10.4 zu: x1 x2 y3

a1 ( U ) ˜ O a2 ( U ) ˜ O b3 ( U ) ˜ O

Sowohl die Inputkoeffizienten a1 und a2 als auch der Outputkoeffizient b3 hängen von der Intensität U ab und stellen somit keine Konstanten, sondern Funktionen dar. Im ersten Fall heißen sie zeitspezifische Verbrauchsfunktionen, im zweiten Fall zeitspezifische Ausbringungsfunktionen. Die Ausbringungsfunktion b3 ( U ) gibt an, wie viele Produkteinheiten bei der Intensität U pro Zeiteinheit erzeugt werden. Der Kehrwert a0 ,3 : 1 b3 entspricht demnach einer produktspezifischen Gebrauchsfunktion des Potenzialfaktors „Produktionsanlage“ (i = 0). Diese bestimmt diejenige Zeitdauer, die

166

Kapitel C: Spezielle Produktionsmodelle

bei gegebener Intensität notwendig ist, um eine Produkteinheit herzustellen. Multipliziert mit den zeitspezifischen Verbräuchen ergeben sich daraus die bereits bekannten Produktionskoeffizienten ai ,3 ai b3 als produktspezifische Verbrauchsfunktionen der beiden Repetierfaktoren i=1,2. Das Ergebnis dieser produktbezogenen Sichtweise ist in der kompakteren Darstellung des I/O-Grafen in Bild 10.5 dargestellt.

a1,3 U

1

min

U

a 2,3 U

max

d Ud U

3

2 Bild 10.5: Kompakter I/O-Graf der Maschine aus Bild 10.4 (nach Dyckhoff (1994), Abb. 14.6)

Algebraisch entspricht der kompakte I/O-Graf damit der folgenden Darstellung, sofern weiterhin eine konstante Intensität U während der Produktionsdauer O y 3 b3(U ) vorausgesetzt wird: x1

x2

a1 (U ) ˜ y3 b3 (U ) a 2 (U ) b3 (U )

˜ y3

a1,3 (U ) ˜ y 3

a 2,3 (U ) ˜ y 3

Diese Gutenberg-Technik kann somit auf Basis zeitspezifischer Verbrauchsund Ausbringungsfunktionen wie folgt angegeben werden:

T

­ ° 3 ® z  IR |z ° ¯

½ §  a1 (U ) · ¨ ¸ max min max °  ˜  d d a ( U ) Ȝ, mit Ȝ [ 0 ,t ] und U U U ¨ 2 ¸ ¾ ¨ b (U ) ¸ ° © 3 ¹ ¿

Für produktspezifische Verbrauchs- und Ausbringungsfunktionen ergibt sie sich zu:

Lektion 10: Nicht endlich generierbare Techniken

T

­ ° 3 ® z  IR | z ° ¯

167

½ §  a1,3 ( U ) · ¸ ¨ min max max ° dUdU ; 0 d y3 d b3 ( U ) ˜ t ¨  a2 ,3 ( U ) ¸ ˜ y3 , mit U ¾ ¸ ¨ ° 1 ¹ © ¿

a 1,3 a 2,3

a2,3

60 50 100

a 1,3

40 30 20

40

10 1

2

5

7

U

Bild 10.6: Produktspezifische Verbrauchsfunktionen der beiden Repetierfaktoren i=1,2 (Quelle: Dyckhoff (1994), Abb. 14.7)

Ein möglicher Verlauf der beiden produktspezifischen Verbrauchsfunktionen a1,3 ( U ) und a2 ,3 ( U ) ist in Bild 10.6 skizziert. Es zeigt sich an diesen beispielhaften Verläufen, dass die intensitätsabhängigen Verbrauchsminima der beiden Repetierfaktoren bei unterschiedlichen Intensitäten erreicht werden. So nimmt a1,3 ( U ) für U 5 ihr Minimum und a2 ,3 ( U ) für U 2 ihr Minimum an. Die Bestimmung der für den Betrieb der Produktionsanlage verbrauchsoptimalen Intensität lässt sich damit immer nur in Bezug auf einen ausgewählten Repetierfaktor erreichen. Dieser so entstehende Zielkonflikt kann durch Einführung einer geeigneten Bewertungsfunktion aufgelöst werden, die die entstehenden Faktorverbräuche beispielsweise hinsichtlich technischer, ökonomischer oder ökologischer Kriterien bewertet. Im Folgenden sei zur Verdeutlichung der Vorgehensweise zur Ermittlung von Verbrauchsfunktionen das Beispiel einer elektrischen Bohrmaschine betrachtet, für deren Betrieb die Inputobjektarten Arbeit (A), Energie (E), Kühlmittel (K) und Schmiermittel (S) eingesetzt werden. Die Quantitäten der vier oben genannten Faktoren seien in eingesetzten Minuten der Arbeitskraft, in Wattminuten für verbrauchten Strom und in Gramm Kühl- bzw. Schmiermittel gemessen, die Laufzeit der Bohrmaschine in Minuten und ihre Intensität in Umdrehungen (des Bohrers) pro Minute. Die Dreh-

168

Kapitel C: Spezielle Produktionsmodelle

zahl U kann stufenlos zwischen 500 und 2000 Umdrehungen pro Minute variiert werden. Idealtypische Verläufe der zeitspezifischen Verbrauchsfunktionen der vier Faktoren sind durch folgende formale Beziehungen beschrieben, die in den linken vier Diagrammen des Bildes 10.7 grafisch veranschaulicht sind: 1 a A (U ) 1 a E (U )

2 ˜ 10 7 ˜ U 3  6 ˜ 10 4 ˜ U 2  1,5 ˜ U

a K (U ) 0 ,02 ˜ U a S (U ) 5 ˜ 10 7 ˜ U 2

Der zeitliche Gebrauch des Potenzialfaktors Arbeit ist unabhängig von der Drehzahl der Bohrmaschine (möglicherweise aber die qualitative Beanspruchung!) und gleich ihrer Laufzeit. Der Energieverbrauch pro Minute wächst mit der Drehzahl, und zwar anfangs mit abnehmender, später mit zunehmender Tendenz. Der zeitspezifische Kühlmittelverbrauch verhält sich proportional zur Zahl der Umdrehungen pro Minute, während der Schmiermittelverbrauch überproportional zunimmt. Das mit der Bohrmaschine bearbeitete Produkt sind Platten (P), in die jeweils vier Löcher zu bohren sind. Jedes Loch benötigt 200 Umdrehungen des Bohrers. Die spezifische Ausbringung, gemessen in der Anzahl bearbeiteter Platten pro Minute, bzw. ihr Kehrwert, der produktspezifische Gebrauch der Bohrmaschine, lauten danach: bP (U )

U 800

bzw.

a B,P (U )

800

U

Bei U = 1600 Umdrehungen pro Minute werden pro Minute zwei Platten gebohrt bzw. wird pro Platte eine halbe Minute benötigt. Daraus ergeben sich nachfolgende Verbräuche der vier mittelbar abhängigen Faktoren pro Platte: a A,P (U )

800

U

a E,P (U ) 0,00016 ˜ U 2  0,48 ˜ U  1200

1

Die Zahlen sind willkürlich gewählt und enthalten keine Aussage über die Verbrauchsfunktionen realer Bohrmaschinen. Im Fall des Potenzialfaktors Arbeit handelt es sich streng genommen nicht um eine (zeitspezifische) Verbrauchsfunktion, sondern um eine Gebrauchs- oder allgemein eine Faktorfunktion.

Lektion 10: Nicht endlich generierbare Techniken

169

a K,P (U ) 16 a S,P (U ) 0 ,0004 ˜ U aA

aA,P

1

1,6 0,4 500

2000

U

aE

aE,P

2200

1000 860 840

625 5 00 aK

15500 2000

U aK,P

500

2000

500

1500 2000

500

2000

U

U

40 16 10 aS

500

2000

U aS,P

U

0,8

2

0,2

0,125 500

(a)

2000

U

500

(b)

2000

U

Bild 10.7: Zeitspezifische (a) und produktspezifische (b) Verbrauchsverläufe (Quelle: Dyckhoff (1994), Abb. 14.10)

170

Kapitel C: Spezielle Produktionsmodelle

Diese produktspezifischen Verbrauchsverläufe sind in Bild 10.7 (b) in den rechten vier Diagrammen skizziert. Der Arbeitseinsatz pro Platte sinkt mit der Intensität, während sich der plattenspezifische Kühlmittelverbrauch konstant und der Schmiermittelverbrauch proportional zunehmend zur Intensität verhalten. Demgegenüber ergibt sich für den Energieeinsatz ein minimaler Verbrauch pro Platte bei 1500 Umdrehungen pro Minute. Ansätze zur analytischen Ableitung zeit- und produktspezifischer Verbrauchsfunktionen industrieller Produktionsprozesse auf Basis natur- und ingenieurwissenschaftlicher Gesetzmäßigkeiten wurden in den Jahren 1930 bis 1970 in den USA unter dem Begriff Engineering Production Function (EPF) entwickelt. Aufgrund der hohen Komplexität vieler industrieller Produktionsprozesse ist diese Vorgehensweise in der Praxis jedoch an ihre Grenzen gestoßen, so dass die Entwicklung von Engineering Production Functions allenfalls theoretische Bedeutung erlangt hat. An ihre Stelle ist in der praktischen Anwendung in den zurückliegenden Jahren die Modellierung und Simulation von Produktionsprozessen mittels so genannter FlowsheetingSysteme, d.h. fließbildbasierter Simulationssysteme, getreten. In Abschnitt 10.3 wird hierauf im Rahmen einer Fallstudie zur Ammoniakproduktion kurz eingegangen. 10.1.3 Intensitätssplitting bei diskreten Intensitätsstufen

Hebt man die Annahme einer im Intervall [ U min , U max ] stufenlos variierbaren Intensität U auf und betrachtet dagegen den Fall S diskreter Intensitätsstufen ( U 1,...,S ), dann entspricht die Gutenberg-Technik unter bestimmten Voraussetzungen einer endlich generierten, linearen Technik. Zu diesem Zweck ermittelt man für jede diskrete Intensitätsstufe U die zugehörige Grundaktivität z U  IRN , die dann mit dem Aktivitätsniveau (d.h. der Zeitdauer) OU zu betreiben ist. Hierbei ist zu berücksichtigen, dass die gesamte Planungsperiode [0,tmax] geeignet in Teilperioden OU aufzuteilen ist, so dass gilt: S

¦ OU d t max

(10.1)

U 1

Im Falle zeitspezifischer Verbrauchs- und Ausbringungsfunktionen ergibt sich damit die Technik zu:

Lektion 10: Nicht endlich generierbare Techniken

T

­° N ® z  IR | z °¯

S

¦

z U ˜ OU , mit

U 1

171

S

¦ OU d t max und

½°

OU t 0 , U 1,...,S ¾ °¿

U 1

(10.2) Die Grundaktivität z U lautet bei m Faktorarten und einer Produktart wie folgt:

zU

§  aU · ¨ 1 ¸ ¨  ¸ ¨ U¸ ¨  am ¸ ¨bU ¸ © m 1 ¹

U 1,...,S

(10.3)

Im Falle produktspezifischer Verbrauchs- und Ausbringungsfunktionen lässt sich die Gutenberg-Technik durch folgende Technik darstellen:

T

­ ° ° N ® z  IR | z ° ° ¯

§  a1U,m1 · ¨ ¸ S ¨ ¸ U  ¨ U ¸ ˜ y m1 , mit U 1 ¨  a m ,m 1 ¸ ¨ 1 ¸¹ ©

¦

und y mU 1 t 0, U

S

y mU 1

¦ U U b 1

d t max

m 1

(10.4)

½ ° ° 1,..., S ¾ ° °¿

Diese Form des Betriebs einer Produktionsanlage wird als Intensitätssplitting bezeichnet und entspricht im Prinzip der Wahl verschiedener Elementarprozesse einer einstufigen Technik (vgl. Bild 8.6c), d.h. dem Strukturtyp der Verfahrenswahl. Der einzige Unterschied besteht darin, dass im Falle einer stufenlos variierbaren Intensität die zu wählenden Intensitätsstufen und damit die zugehörigen Elementarprozesse aus unendlich vielen Möglichkeiten geeignet gewählt werden müssen. Abschließend bleibt die Frage zu klären, ob in Bezug auf einen einzelnen Inputfaktor ein Intensitätssplitting zu mengenmäßigen Einsparungen dieses Faktors, bezogen auf die Herstellung einer Produkteinheit, führen kann. Wie man in Bild 10.8 erkennt, ist dies bei den in der Praxis üblichen konvexen Verläufen der produktspezifischen Verbrauchsfunktionen nicht möglich. Lediglich bei konkaven Verläufen ließen sich Einsparungen erzielen.

172

Kapitel C: Spezielle Produktionsmodelle

ai,m+1 a i,m+1 z

Mehrverbrauch durch Intensitätssplitting z

z

z

min ȡUmin

11 Uȡ

Uȡmax



Bild 10.8: Intensitätssplitting bei konvexer produktspezifischer Verbrauchsfunktion

10.2

In Grenzen frei variierbare Produktion

Wird eine endlich generierbare Technik durch verschiedene technische oder in der Natur eines Einsatzfaktors bzw. Produkts liegende Restriktionen eingeengt, so stellt die endlich generierbare Menge lediglich eine Obermenge der tatsächlich vorliegenden Technik dar. Diese ist nun nicht mehr endlich generierbar, sondern durch mehr oder minder starke Kopplungsbedingungen für die Kombination der gegebenen Grundaktivitäten eingeschränkt. Diese Kopplungsbedingungen führen damit zu weiteren Begrenzungen des Einsatzes und der Ausbringung der beachteten Objektarten. Beispielhaft sei auf den in Bild 10.9 dargestellten Mischungsprozess verwiesen. Der angegebene I/O-Graf beschreibt einen einstufigen elastischen Mischungsprozess, bei dem die Objektarten 3 und 4 aus den Inputobjektarten 1 und 2 erzeugt werden. Outputobjektart 3 muss mindestens zu 40% aus Inputobjektart 1 und zu 20% aus Inputobjektart 2 bestehen. Alle Objektarten enthalten einen Inhaltsstoff A, und zwar Inputobjektart 1 zu 5% sowie Inputobjektart 2 zu 2%. Während bei Outputobjektart 3 keine Anforderungen bezüglich des Inhaltsstoffes A gegeben sind, darf Outputobjektart 4 den Inhaltsstoff A höchstens zu 4% enthalten.

Lektion 10: Nicht endlich generierbare Techniken

1

173

1

t0,4

1 A: 5%

3 t 0,2

1

A: –

1 1 1 2 A: 2%

1

1

4 A d 4%

Bild 10.9: Einstufiger flexibler Mischungsprozess (nach Müller-Merbach (1981), S. 58ff.)

Das algebraische Modell des einstufigen flexiblen Mischungsprozesses hat damit folgende Gestalt: x1 = O1,3 + O1,4 x2 = O2,3 + O2,4

O1,3 + O2,3 = y3 ;  O1,3 t 0,4y3, O2,3 t 0,2y3 O1,4 + O2,4 = y4 ; 0,05O1,4 + 0,02O2,4 d 0,04y4 Damit sind zu den I/O-Bilanzen der einstufigen Technik, bestehend aus den vier dargestellten Elementarprozessen, noch die technischen Restriktionen für die Mischung hinzugekommen. Je schwächer diese Restriktionen sind, desto elastischer ist der Mischungsprozess. Ohne Restriktionen bestünde volle Flexibilität, und damit entspräche der Mischungsprozess dem endlich generierbaren Strukturtyp Transport- oder Verteilungsprozess (vgl. Bild 8.6e). Das andere Extrem ergäbe sich, wenn die Restriktionen so stark wären, dass die Mischungsverhältnisse der Inputobjektarten fixiert wären. In diesem Falle einer starren Mischung läge eine outputseitig determinierte Technik vor, die ebenfalls endlich generierbar wäre. Lediglich im Falle eines eingeschränkt flexiblen Mischungsprozesses ist die zugrunde liegende Technik aufgrund der hinzugekommenen technischen Restriktionen nicht mehr endlich generierbar. Trotzdem ist die Technik bei linearen technischen Restriktionen nach wie vor linear bzw. im Falle ganzzahliger Aktivitätsniveaus O additiv.

174

Kapitel C: Spezielle Produktionsmodelle

10.3

Fallbeispiel zur empirischen Ermittlung von Verbrauchsfunktionen

Das Bild 10.10 zeigt ein stark vereinfachtes Verfahrensfließbild des Ammoniaksynthese-Kreislaufs innerhalb des AMV-Verfahrens zur Ammoniaksynthese. Das dargestellte Produktionssystem entspricht einer von ICI Inc. in Ontario, Kanada, betriebenen Anlage mit einer Ammoniak-Produktionskapazität von 1.100 Tonnen pro Tag. Synthesegas

Ammoniakreaktor

577,8 K

Gas

422 K 75,8 bar

588 K

PurgeAufber. 310 K 82,7 bar

644,5 K

433 K

310 K

Reinigung Ammoniak Dampf

Bild 10.10: Synthesegaskreislauf des AMV-Verfahrens zur Ammoniaksynthese (Quelle: Penkuhn (1997), Abbildung 4.6)

Das in vorgelagerten Verfahrensschritten erzeugte Synthesegas wird zunächst komprimiert, gereinigt und dann in den Synthesegaskreislauf geführt. Das Gas durchläuft nun den Umlaufkompressor, der den Druckverlust im Kreislauf ausgleicht. Anschließend wird ein Teilstrom, der so genannte Purge, zur Abtrennung der Inertgase abgezogen und in der Purge-Aufbereitung zerlegt. Im Ammoniak-Reaktor läuft die bekannte Haber-Bosch-Reaktion 3 NH 2  N 2 l 2 NH 3 ab. Aufgrund des im Reaktor aus technischen Gründen maximal erzielbaren Umsatzes von 10 – 15% wird das Synthesegas im Kreislauf geführt. Die entstehende Reaktionswärme wird als Heissdampf zurückgewonnen; Ammoniak wird in einer Kompressionskälteanlage abgeschieden. Neben dem Hauptprodukt Ammoniak [kg/h] entstehen als Kuppelprodukte Brenngas [kg/h], Heissdampf [kg/h] und Kühlwasser [kg/h]. Als Inputobjektarten sind die Leistungsaufnahme des Produktabscheiders [kW], des Umlaufkompressors [kW], des Synthesegaskompressors [kW] sowie der Synthesegasstrom [kg/h] zu berücksichtigen.

Lektion 10: Nicht endlich generierbare Techniken

175

Bei Variation der pro Tag herzustellenden Ammoniakmenge [t/Tag], im Folgenden als Produktionsintensität U bezeichnet, sind die oben genannten Stoff- und Energieströme durch geeignete Wahl der Stellgrößen (z.B. Synthesedruck, Temperatur, Purgerate, Quenchparameter, Dampftemperatur u.a.m.) innerhalb der technisch zulässigen Bereiche geeignet einzustellen. Die Produktionsintensität U ist somit im betrachteten Fall selber keine unmittelbare Stellgröße, sondern hängt in ihrer Ausprägung von den genannten, eigentlichen Stellgrößen ab. Hierbei sind neben nichtlinearen Abhängigkeiten der Produktionsintensität U von den Stellgrößen insbesondere auch zahlreiche substitutionale Beziehungen zwischen den Stellgrößen zu beachten. Aufgrund dieser substitutionalen Beziehungen existiert eine Reihe unterschiedlicher Kombinationsmöglichkeiten für die Einstellung der Stellgrößen zur Erreichung der geforderten Produktionsintensität. Zur Ermittlung der technisch möglichen Kombinationen wird in der Praxis auf die Methode der fließbildbasierten Prozesssimulation mit dem kommerziellen FlowsheetingSystem ASPEN PLUS zurückgegriffen. In der Regel wird nun diejenige Kombinationsmöglichkeit gewählt, die sowohl unter technischen als auch unter ökonomischen Kriterien als vorteilhaft erachtet wird. Als ökonomische Zielgröße wird aufgrund der Kurzfristigkeit des Planungshorizonts üblicherweise der pro Tag erzielbare Deckungsbeitrag [€/Tag] gewählt.

2.540

Objective function value in DM/h

2.520 2.500 2.480 2.460 2.440 2.420 2.400 2.380 2.360 2.340

85

80

82,5

75

Pressure in bar

77,5

70

72,5

2.300

0,045 0,05 0,055 0,06 0,065 0,07 0,075 0,08 0,085 0,09

2.320

Purge rate

Bild 10.11: Deckungsbeitrag bei Variation der Stellgrößen Purgerate und Synthesedruck zur Erreichung einer vorgegebenen Produktionsintensität U 770 t/Tag (Quelle: Penkuhn et al. (1997), Fig. 5)

176

Kapitel C: Spezielle Produktionsmodelle

Bild 10.11 zeigt exemplarisch für die vorgegebene Produktionsintensität U 770 t/Tag den in Abhängigkeit der Einstellungen der beiden Stellgrößen Synthesedruck und Purgerate jeweils erzielbaren Deckungsbeitrag. In diesem Beispiel wäre zur Erreichung des maximalen Deckungsbeitrags die Stellgröße Synthesedruck auf ca. 80 bar und die Stellgröße Purgerate auf ca. 7,5% einzustellen. Mit Hilfe der skizzierten Vorgehensweise lassen sich durch Variation der jeweils einzustellenden Produktionsintensität ökonomisch voroptimierte Verbrauchs- und Ausbringungsfunktionen ermitteln. Tabelle 10.1 zeigt für die Intensitätsstufen U  ^770 , 880 , 990 , 1100, 1210` die jeweils optimierten und auf die Ausbringung einer Tonne Ammoniak normierten Input- und Outputkoeffizienten der wichtigsten Stoff- und Energieströme. Tabelle 10.1:

Produktspezifische Input-/Outputkoeffizienten zur Produktion einer Tonne Ammoniak (Quelle: Spengler (1998), Tabelle 7-2)

Produktionsintensität U [t/Tag]

Input-/Outputobjektarten 770

Synthesegasinput [t]

880

990

1100

1210

1,27

1,27

1,27

1,27

1,27

680,00

690,00

700,00

720,00

740,00

Brenngasoutput [kg]

27,86

27,74

27,58

27,34

27,12

Heißdampfoutput [t]

0,92

0,92

0,92

0,92

0,93

Kühlwasseroutput [t]

8,72

9,16

9,82

10,58

11,30

Ammoniakproduktion [t]

1,00

1,00

1,00

1,00

1,00

20,58

19,72

18,68

17,49

16,35

Energieaufnahme [kWh]

Deckungsbeitrag [€/t]

Die Spalten der Tabelle beinhalten damit insgesamt fünf verschiedene Elementarprozesse, die sich jeweils durch Einstellung der angegebenen Intensitätsstufen mittels der zugehörigen Stellgrößenwerte ergeben. Bezogen auf die Betriebszeit von einem Tag lassen sich hieraus die folgenden Grundaktivitäten angeben:

Lektion 10: Nicht endlich generierbare Techniken

zU

zU

zU

zU

zU

770

880

990

1.100

1210

177

§  977 ,9 · ¨ ¸ ¨  523.600 ¸ ¨ 21,45 ¸ ¨ ¸ ¨ 708 ,4 ¸ ¨ ¸ ¨ 6.714 ,4 ¸ ¨ 770 ¸ © ¹

Synthesegas  Input Energie  Input

[ t / Tag ] [ kWh / Tag ]

Brenngas  Output Heißdampf  Output

[ t / Tag ] [ t / Tag ]

§  1.117 ,6 · ¨ ¸ ¨  607.200 ¸ ¨ 24 ,41 ¸ ¨ ¸ ¨ 809 ,6 ¸ ¨ ¸ ¨ 8.060 ,8 ¸ ¨ 880 ¸ © ¹

Synthesegas  Input Energie  Input

[ t / Tag ] [ kWh / Tag ]

Brenngas  Output Heißdampf  Output

[ t / Tag ] [ t / Tag ]

§  1.257 ,3 · ¨ ¸ ¨  693.000 ¸ ¨ 27 ,30 ¸ ¨ ¸ ¨ 910 ,8 ¸ ¨ ¸ ¨ 9.721,8 ¸ ¨ 990 ¸ © ¹

Synthesegas  Input Energie  Input

[ t / Tag ] [ kWh / Tag ]

Brenngas  Output Heißdampf  Output

[ t / Tag ] [ t / Tag ]

Kühlwasser  Output [ t / Tag ] Ammoniak  Output [ t / Tag ]

Kühlwasser  Output [ t / Tag ] Ammoniak  Output [ t / Tag ]

Kühlwasser  Output [ t / Tag ] Ammoniak  Output [ t / Tag ]

§  1.397 · ¨ ¸ ¨  792.000 ¸ ¨ 30 ,07 ¸ ¨ ¸ ¨ 1.012 ¸ ¨ ¸ ¨ 11.638 ¸ ¨ 1.100 ¸ © ¹

Synthesegas  Input Energie  Input

[ t / Tag ] [ kWh / Tag ]

Brenngas  Output Heißdampf  Output

[ t / Tag ] [ t / Tag ]

§  1.536 ,7 · ¨ ¸ ¨  895.400 ¸ ¨ 32 ,82 ¸ ¨ ¸ ¨ 1.125 ,3 ¸ ¨ ¸ ¨ 13.673 ¸ ¨ 1.210 ¸ © ¹

Synthesegas  Input Energie  Input

[ t / Tag ] [ kWh / Tag ]

Brenngas  Output Heißdampf  Output

[ t / Tag ] [ t / Tag ]

Kühlwasser  Output [ t / Tag ] Ammoniak  Output [ t / Tag ]

Kühlwasser  Output [ t / Tag ] Ammoniak  Output [ t / Tag ]

178

Kapitel C: Spezielle Produktionsmodelle

Die jährliche Betriebszeit von 0 bis 365, während der die Ammoniaksynthese mit einer bestimmten Produktionsintensität U betrieben werden soll, wird in Kalendertagen gemessen. Zur Erreichung einer vorgegebenen Jahresproduktionsmenge [t/Jahr] kann im Rahmen eines Intensitätssplittings sowohl eine intensitätsmäßige Anpassung U  ^770 , 880 , 990 , 1.100 , 1.210` als auch eine zeitliche Anpassung (O U  [0 , 365]) durchgeführt werden. Mit Hilfe der o.a. Grundaktivitäten kann der zu modellierende Produktionsprozess der Ammoniaksynthese nun durch die folgende diskrete Gutenberg-Technik approximiert werden: T

­° 6 ® z  IR | z °¯

½° z U ˜ OU , mit OU d 365 und OU t 0 ¾ °¿ U ^770 ,...,1210` U ^770 ,...,1210`

¦

¦

Hinweise zum vertieften Studium 1) Ein Überblick über die auf natur- und ingenieurwissenschaftlichen Gesetzmäßigkeiten aufbauenden Engineering Production Functions findet sich in Fandel (2005). 2) Zur ausführlichen Lektüre des Fallbeispiels zur Ammoniaksynthese sowie zum Studium der angewandten verfahrenstechnischen Methoden zur Stoff- und Energiebilanzierung sei auf Livingstone/Pinto (1982) und Penkuhn (1997) verwiesen.

Übungsaufgaben (Dyckhoff/Ahn/Souren (2004)) Übungsaufgabe 2.6

11 Dynamische Modellierung der Produktion

11.1 Dynamisches Grundmodell 11.1.1 Diskreter Ansatz 11.1.2 Stetiger Ansatz 11.2 Dynamische Input/Output-Grafen und Petri-Netze 11.2.1 Dynamische Input/Output-Grafen 11.2.2 Petri-Netze 11.2.3 Praxisbeispiel eines Petri-Netzes in der Metallindustrie

Der statischen Betrachtungsweise industrieller Produktionssysteme in den vorangehenden Lektionen liegt mit Ausnahme des Intensitätssplittings die Annahme einer nicht weiter unterteilten Periode [0,tmax] zugrunde. Über den Ablauf des Produktionsprozesses während dieses Zeitraums sind dabei nur mehr oder minder pauschale Annahmen getroffen worden, die es erlauben, auf eine weitere Detaillierung und eine explizite Verknüpfung des Geschehens verschiedener Zeitpunkte zu verzichten. Wenn überhaupt explizite Annahmen über den Ablauf gemacht werden, dann werden bei zeit- und produktspezifischen Betrachtungen innerhalb des Planungszeitraums entweder konstante Input- und Outputströme vorausgesetzt (vgl. Lektion 10) oder es werden lediglich die Integrale t max

xk

³ xk ( t )dt

für die Inputströme und

0

t max

yk

³ yk ( t )dt für die Outputströme 0

betrachtet (vgl. Lektion 4, insbesondere Formel 4.1). Auf diesen Annahmen aufbauende statische Produktionsmodelle vereinfachen damit die Komplexität realer Produktionssysteme stark. Durch ein zeitliches Hintereinanderschalten statischer Modelle lassen sich so genannte zeitablaufbezogene Modelle entwickeln, mit denen eine Reihe wichtiger Fragestellungen des Produktionsmanagements, wie die zeitablaufbezogene Planung von Erzeugnisprogrammen oder Seriengrößen, untersucht werden können. Dynamische Modelle berücksichtigen dagegen in Erweiterung der zeitablaufbezogenen Modelle explizit zeitübergreifende Beziehungen, die als zeit-

180

Kapitel C: Spezielle Produktionsmodelle

liche Interdependenzen zwischen den abgebildeten Planungsteilperioden bezeichnet werden. Input-, Throughput- und Outputgrößen verschiedener Zeiträume müssen hierbei in ihrer Abhängigkeit voneinander dargestellt sein. Je nach Skalierung der Planungsperioden können stetige und diskrete dynamische Modelle voneinander unterschieden werden. Diskrete dynamische Modelle untergliedern sich weiter in Modelle mit äquidistanten oder zumindest ex ante festgelegten Teilperioden einerseits und in dynamische Modelle ohne explizite Vorgabe eines festen Zeitrasters aufeinanderfolgender Teilperioden andererseits. Im letzteren Fall ergeben sich die relevanten Zeitpunkte aus noch zu fixierenden Vorgängen bestimmter Dauer oder einzelnen Ereignissen.

In der vorliegenden Lektion wird zunächst ein dynamisches Grundmodell in diskreter und stetiger Betrachtungsweise entwickelt. Daran anschließend werden dynamische I/O-Grafen und die mit ihnen verwandten Petri-Netze zur Formulierung zeitdiskreter Modelle ohne Zugrundelegung eines vorgegebenen Zeitrasters vorgestellt. Abschließend werden die Einsatzpotenziale in der Industrie anhand eines Fallbeispiels erläutert.

11.1

Dynamisches Grundmodell

11.1.1 Diskreter Ansatz

In der Betriebswirtschaftslehre werden zur Darstellung dynamischer Zusammenhänge üblicherweise diskrete Zeitpunkte verwendet. Dies geschieht etwa durch Hinzufügung von Zeitindizes bei allen als zeitabhängig angesehenen Größen eines zugrunde liegenden statischen Modells. Die so dynamisierten Größen werden dann gemäß bestimmter Übergangsbeziehungen von einer Teilperiode in die nächste miteinander in Beziehung gesetzt. In diesem Abschnitt wird ein einfaches dynamisches Grundmodell vorgestellt, das sich als Erweiterung aus dem in Lektion 4 behandelten statischen Black-Box-Modell ergibt. Es wird hierbei ein endlicher Zeitraum [0, t max ] betrachtet, der mit dem Zeitpunkt t = 0 beginnt und mit dem Zeitpunkt t t max , dem so genannten Horizont, endet. Der Zeitraum wird nun in Teilperioden unterteilt, die üblicherweise, aber nicht notwendigerweise, gleich lang sind. Die Periode t beginnt mit dem Zeitpunkt t  1 und endet mit dem Zeitpunkt t. Die Struktur des so definierten diskreten dynamischen Grundmodells ist in Bild 11.1 für die beiden aufeinanderfolgenden Teilperioden t und t + 1 dargestellt.

Lektion 11: Dynamische Modellierung der Produktion

INPUT TROUGHPUT OUTPUT

INPUT TROUGHPUT OUTPUT

z1,t-1 u1,t-1

uț,t-1

z1,t

v1,t-1

1

. . .

u1,t Transformator (ȡt,ıt)

vț,t-1

ț

181

uț,t

1

. . . ț

zț,t-1

z1,t+1

v1,t

u1,t+1 Transformator

vț,t

(ȡt+1,ıt+1)

zț,t

uț,t+1

v1,t+1

1

. . .

vț,t+1

ț

zț,t+1

Zeitachse Periode t

t-1

t

Periode t+1

t+1

Bild 11.1: Struktur des dynamischen Grundmodells (nach Dyckhoff (1994), Bild 18.6)

Eine wesentliche Prämisse des Grundmodells fordert abgeschlossene Transformationsprozesse innerhalb der jeweiligen Teilperioden. Die Teilperiodenlänge muss damit hinreichend lang gewählt werden, um zeitliche Überlappungen der Prozesse zu vermeiden, und gleichzeitig hinreichend kurz sein, um die Dynamik des Geschehens während des gesamten Planungszeitraums mit ausreichender Genauigkeit abbilden zu können. Unter Zugrundelegung dieser Prämisse kann die Technik T, die im statischen Fall den gesamten Zeitraum [0, tmax] umfasst, in t max teilperiodenspezifische Techniken Tt für die verschiedenen Teilperioden t 1,...,t max der Dauer von einer Zeiteinheit separiert werden, welche durch Übergangsbeziehungen für die Objektarten je zweier aufeinanderfolgender Perioden miteinander zur Gesamttechnik T verknüpft sind. Eine Objektart ist damit durch zwei Indizes gekennzeichnet: k 1,...,N bezeichnet die Objektart und t 0 ,...,t max den Zeitpunkt ihrer Verfügbarkeit. Im Zeitpunkt t sind entsprechend zu Lektion 4 folgende verschiedenen Quantitäten einer Objektart k von Bedeutung: u k ,t vk ,t zk ,t

: : :

sk ,t

:

Prozessoutput der Vorperiode [t  1, t] Prozessinput der Nachfolgeperiode [t, t + 1] Nettosystemoutput ( zk ,t ! 0 ) bzw. Nettosysteminput ( zk ,t  0 ), der sich als Saldo zk ,t yk ,t  xk ,t zum Zeitpunkt t aus der Differenz von Systemoutput der Vorperiode und Systeminput der Nachfolgeperiode ergibt Systembestand zum Zeitpunkt t

182

Kapitel C: Spezielle Produktionsmodelle

Die Vektorgleichung beschreibt analog zu (4.1) als Mengenbilanz der Zuund Abgänge einer Periode st

st 1  ut  vt 1  xt  yt

t

1,...,t max

(11.1)

die Systembestände der Objektarten k zum Zeitpunkt t , also beim Übergang von Teilperiode t zu Teilperiode t+1. Diese Bilanzgleichung ist für jede Technik gültig, die die zuvor genannten Bedingungen hinsichtlich der Teilperiodenabgrenzung erfüllt. Die technischen Produktionsmöglichkeiten der einzelnen Teilperioden in Verbindung mit bestehenden Restriktionen bestimmen die erlaubten Aktivitäten der Perioden, welche sich in zugehörigen Vektoren des Prozessinputs vt-1 und Prozessoutputs ut äußern. Demnach muss gelten ut  vt 1  Tt

t

1,...,t max

(11.2)

Bei konstanten Systembeständen in allen Teilperioden, d.h. s t s t 1 für alle t, folgt aus (11.1) die in Lektion 4 formulierte Gleichheit des Prozessnettooutputs ut  vt 1 jeder Teilperiode mit dem Systemnettooutput zt yt  xt dieser Teilperiode, d.h. z t u t  v t 1 . Der Verlauf ( z1 ,..., zt ,..., zt max ) kann somit als Produktionspolitik des betrachteten Zeitraums bezeichnet werden. Die Produktionspolitik setzt im Vergleich zur statischen Betrachtungsweise keine konstante Technik innerhalb der gesamten betrachteten Planungsperiode voraus, sondern berücksichtigt explizit voneinander verschiedene Periodentechniken (T1 ,...,Tt max ) . Diese können sich aufgrund von Neuanschaffungen bzw. Stilllegungen von Produktionsanlagen oder auch modifizierten Betriebsweisen (z.B. Ein-/Zwei-/Dreischichtbetrieb) ergeben. 11.1.2 Stetiger Ansatz

Durch eine beliebige Verfeinerung des Zeitrasters geht die diskrete Betrachtungsweise in eine stetige Betrachtungsweise über. An die Stelle diskreter Produktionspolitiken ( z1 ,..., zt ,..., zt max ) und zugehöriger diskreter Periodentechniken (T1 ,...,Tt ,...,Tt max ) treten stetige zeitabhängige Funktionen, wie sie zu Beginn von Lektion 4 eingeführt worden sind. Die Veränderung des Systembestands der Objektart k zur Zeit t lässt sich mit z k ( t ) y k ( t )  x k ( t ) in Modifikation von (11.1) als Differentialgleichung formulieren:

Lektion 11: Dynamische Modellierung der Produktion

sk ( t )

ds k ( t ) dt

183

u k ( t )  vk ( t )  z k ( t )

(11.3)

Dabei sind u, v, z Stromgrößen, die in Mengeneinheiten je Zeiteinheit gemessen werden. Integriert über den gesamten Zeitraum [0, t max ] folgt (4.1). Problematischer ist jedoch die Formulierung erlaubter Prozessinputs vk( t ) und Prozessoutputs u k ( t ) , wenn diese Zeitverzögerungen beinhalten. Andernfalls muss in jedem Zeitpunkt analog zu (11.2) gelten: u k ( t )  vk ( t )  Tk ( t ) .

(11.4)

Dabei ist die zeitliche Verzögerung der Technik hier als exogen angenommen. Endogene Änderungen aufgrund von Verschleiß oder Investitionen sowie Innovationen sind schwieriger zu modellieren. Bild 11.2 zeigt ein stark vereinfachtes Beispiel zur kontinuierlichen Produktion von Rohstahl in einem integrierten Hüttenwerk. Zur Produktion einer Tonne Rohstahl werden die angegebenen Einsatzmengen der Inputobjektarten Eisenerz (1) und Koks (2) benötigt. Ferner werden die Zwischenprodukte Fertigsinter bzw. Roheisen in der Sinteranlage (A) bzw. im Hochofen (B) erzeugt und unmittelbar in den Hochofen (B) bzw. ins Stahlwerk (C) eingebracht. Neben dem erwünschten Hauptprodukt Rohstahl, das in der Menge y(t) nachfragesynchron produziert wird, entstehen zwangsläufig die Kuppelprodukte Schlacke (3), Gichtstaub (4) und Konverterstaub (5). Während die Schlacke in der Bauindustrie verwertet wird, werden die Gichtstäube und Konverterstäube hüttenwerksintern im Kreislauf geführt. Hierzu werden sie in der Sinteranlage eingesetzt, so dass sie die Inputobjektart Eisenerz (1) zumindest teilweise substituieren können. Koks

Schlacke

2

3 v2B uB3

v 2A

uC3

Eisenerz v 1A

1

A

Sinteranlage

vAB

B

Hochofen

v BC

C

Stahlwerk

uB4

D4(t) 4

1

Rohstahl- y(t) nachfrage

uC5 5

Gichtstaub D5(t)

Konverterstaub

Bild 11.2: Einfaches Beispiel eines kontinuierlich betriebenen Produktionssystems (nach Spengler (1998), Abbildung 6-6)

184

Kapitel C: Spezielle Produktionsmodelle

Unterstellt man vereinfachend eine lineare Technik, so lassen sich die Bestandsänderungen der beachteten Objektarten (1),...,(5) bei vorgegebener zeitabhängiger Rohstahlproduktion y( t ) mittels eines linearen Differentialgleichungssystems modellieren. Hierzu seien folgende Bezeichnungen eingeführt:

k

: :

Index der beachteten Objektarten, mit k 1,...,5 U Index der hintereinander geschalteten Produktionsstufen, mit U A, B ,C y( t ) : Rohstahlnachfrage zum Zeitpunkt t, mit t  [0, t max ] vkU : Normierte Einsatzmenge der Objektart k in Produktionsstufe U zur Produktion einer Tonne Rohstahl u Uk : Normierte Ausbringungsmenge der Objektart k aus Produktionsstufe U bei Produktion einer Tonne Rohstahl Į4( t ) : Rückgeführte Menge der Objektart (4) zum Zeitpunkt t : Rückgeführte Menge der Objektart (5) zum Zeitpunkt t Į 5( t ) : Bestand der Objektart k zum Zeitpunkt t, wobei die Ansk ( t ) fangsbestände sk ( 0 ) 0 vorgegeben seien sk ( t ) : Infinitesimale Bestandsänderung der Objektart k zum Zeitpunkt t Das Differentialgleichungssystem ergibt sich damit zu: s1( t )  v1 A ˜ y( t )  Į4( t )  Į5( t ) s 2 ( t )  (v 2 A  v 2 B ) ˜ y( t ) s3 ( t ) (u B 3  u C 3 ) ˜ y( t )

(11.5)

s4( t ) u B 4 ˜ y( t )  Į4( t ) s5( t ) uC 5 ˜ y( t )  Į5( t )

Spezifiziert man die rückzuführenden Gichtstaub- und Konverterstaubmengen und gibt den zeitlichen Verlauf der Rohstahlnachfrage exogen vor, so können nun die Bestandsverläufe der beachteten Objektarten durch Integration bestimmt werden. Durch Vorgabe der wie folgt angenommenen bestandsabhängigen rückzuführenden Mengen D 4( t ) c4 ˜ s4( t ) und D 5 ( t ) c5 ˜ s5 ( t ) ( c 4 , c 5  [0,1] ) lässt sich das oben angegebene Differentialgleichungssystem beispielsweise in nachstehendes lineares Differentialgleichungssystem mit konstanten Koeffizienten überführen:

Lektion 11: Dynamische Modellierung der Produktion

185

s1( t )  Ȟ1 A ˜ y( t )  c4 ˜ s4( t )  c5 ˜ s5( t ) s2( t )  (Ȟ2 A  Ȟ2 B ) ˜ y( t ) s3( t ) (u B 3  uC 3 ) ˜ y( t )

(11.6)

s4( t ) u B 4 ˜ y( t )  c4 ˜ s4( t ) s5( t ) uC 5 ˜ y( t )  c5 ˜ s5( t )

Dieses lineare Differentialgleichungssystem kann zur Bestimmung der Bestandsverläufe s 1( t ),...,s 5 ( t ) im Intervall [0, tmax] etwa mit Hilfe einschlägiger Integrationsverfahren gelöst werden, was jedoch im Falle nichtlinearer Differentialgleichungssysteme oder auch bei Vorliegen zeitvarianter Koeffizienten in der Regel nicht mehr ohne weiteres möglich ist.

11.2

Dynamische Input/Output-Grafen und Petri-Netze

11.2.1 Dynamische Input/Output-Grafen

Sieht man von der Vorgabe eines festen Zeitrasters aufeinanderfolgender Perioden ab, so ergibt sich eine andere Art der diskreten dynamischen Modellierung. Die relevanten Zeitpunkte ergeben sich hierbei endogen aus noch zu fixierenden Vorgängen bestimmter Dauer oder einzelner Ereignisse. Jeder Input/Output-Graf kann auf diese Weise durch die explizite Einbeziehung der Aktivitätsdauern dynamisiert werden. Zur Verdeutlichung des Prinzips genügt zunächst die Illustration für einen elementaren Produktionsprozess, etwa zur Herstellung von Punsch Royal. Bild 11.3 veranschaulicht die Herstellung von Punsch Royal (P) durch zwei Momentanaufnahmen zu den Zeitpunkten t = 0 (a) und t = 15 (b). Die Zeitspanne von W 15 Minuten wird für die einmalige Durchführung der durch den Input/Output-Grafen dargestellten Aktivität benötigt. In den jeweiligen Objektknoten sind die Bestände skt t 0 der Objektart k zum Zeitpunkt t durch so genannte Marken symbolisiert. So liegen zu Beginn der Planungsperiode fünf Flaschen Rotwein (R), zwei Stück Hutzucker (H), eine Flasche Arrak (A), sechs Orangenschalen (O) und neun Nelken (N) vor. Durch einmalige Ausführung der Aktivität verändern sich die Bestände gemäß der angegebenen Input- und Outputkoeffizienten ai und b j . Sie sinken bei den Inputobjektarten und wachsen bei den Outputobjektarten. Für die Zeit der laufenden Produktion im Zeitintervall [0,15] ist die Aktivität lediglich ein einziges Mal durchführbar. Erst nach Ablauf von 15 Minuten stehen die er-

186

Kapitel C: Spezielle Produktionsmodelle

zeugten Outputobjektarten, d.h. eine Flasche Punsch Royal (P) sowie vier leere Flaschen (F) zur weiteren Verarbeitung/Verwendung zur Verfügung.

R 3 H A O

t 0

1

P 1

1

W 15

1

4 F

5 N

(a)

R 3 H A O

t 15

1

W 15

1

4 F

5 N

P 1

1

(b)

Bild 11.3: Herstellung von Punsch Royal: (a) vor Beginn der Aktivität zum Zeitpunkt t=0 und (b) danach zum Zeitpunkt t=15 (Quelle: Dyckhoff (2006), Bild 3.11)

Die abstrakte Version eines elementaren dynamischen I/O-Grafen zeigt Bild 11.4. Die Aktivitätsdauer W eines Prozesses kann, wie in Lektion 10 aufgezeigt, von der Intensität U abhängen, mit der er betrieben wird. Dies wird sich bei Vorliegen intensitätsabhängiger Verbrauchs- und Ausbringungsfunktionen auch auf die Input- und Outputkoeffizienten auswirken, die nur im Falle einer konstanten Intensität U als Konstante anzusehen sind. Dynamische Input/Output-Grafen stellen damit eine Erweiterung der im statischen Fall bekannten Techniken der Lektionen 8 bis 10 dar.

Lektion 11: Dynamische Modellierung der Produktion

1 s1t

i sit

a1 ai am

m smt

187

b m +1

UW

bj

m+1 sm + 1,t

j sjt

bm+n m+ n sm+n,t

Bild 11.4: Elementarer dynamischer Input/Output-Graf (Quelle: Dyckhoff (2006), Bild 3.12)

11.2.2 Petri-Netze

Dynamische Input/Output-Grafen sind eng verwandt mit den so genannten Petri-Netzen, oder genauer gesagt den Stellen-Transitions-Systemen (S/T-Systeme). Der Name geht auf den Begründer der Theorie, Carl Adam Petri, zurück. Im Folgenden seien die wichtigsten Begriffe der Petri-NetzTheorie anhand eines einfachen Beispiels kurz definiert. Produktionsprozesse werden als Transitionen, Lager der beachteten Objektarten als Stellen modelliert. Bestände in diesen Lagern werden durch Marken dargestellt. Objektströme zwischen Stellen und Transitionen bzw. umgekehrt werden als Kanten abgebildet. Mit K( s ) sind die zugehörigen Kapazitäten der Stellen bezeichnet. Die Kantengewichte w( s,t ) bzw. w( t,s ) entsprechen den Input- bzw. Outputkoeffizienten der jeweiligen Produktionsprozesse. Die Anfangsmarkierung des Petri-Netzes ergibt sich als Vektor der Anfangsmarkierungen sämtlicher Stellen s  S und stellt somit den Zustand des Produktionssystems zu Beginn der betrachteten Planungsperiode dar. Die Simulation des Produktionssystems während der Planungsperiode erfolgt nun durch wiederholte Anwendung von Schaltregeln für die jeweils aktivierten Transitionen. Die Anwendung einer Schaltregel für eine aktivierte Transition überführt die aktuelle Markierung eines Petri-Netzes in eine Folgemarkierung, die sich aus den Kantengewichten sämtlicher Vorgänger- und Nachfolgerstellen der aktivierten Transition ergibt. Aus der Endmarkierung des PetriNetzes, die sich am Ende des Planungszeitraums ergibt, können die periodenbezogenen Bestandsveränderungen der beachteten Objektarten des untersuchten Produktionssystems abgeleitet werden. Die in der Planungsperiode maximal mögliche Anzahl an Schaltvorgängen wird durch das Erzeugnispro-

188

Kapitel C: Spezielle Produktionsmodelle

gramm, d.h. die Anzahl der zu produzierenden Hauptprodukte, sowie die Dauern der einzelnen Schaltvorgänge determiniert. Die Dauer W U eines Schaltvorgangs einer Transition t U entspricht der Prozessdauer der zugehörigen Grundaktivität z U ( U 1,..., S ) .

3

3 2

2 1 Produkt

zz11 Demontageaktivität

zz22

4

1 Baugruppe

2

Demontageaktivität

Bauteile

Bild 11.5: I/O-Graf zur Produktdemontage (Quelle: Spengler (1994), Abb. 5-1)

Zur Verdeutlichung der Zusammenhänge wird auf ein einfaches Beispiel zur Modellierung der Produktdemontage mittels der beiden Grundaktivitäten (Demontageaktivitäten) z1 und z2 mit den zugehörigen Prozessdauern W 1 und W 2 zurückgegriffen (vgl. Bild 11.5). Ausgehend vom Input/Output-Grafen eines zweistufigen Demontageprozesses werden die beiden Demontageaktivitäten z 1 und z 2 als Transitionen t1 und t 2 sowie die Bestände der noch zu zerlegenden Produkte 1, der bereits demontierten und nicht weiterzerlegten Baugruppen 2 sowie der demontierten Bauteile 3, 4 als Stellen s1 ,..., s4 modelliert (vgl. Bilder 11.5 und 11.6). Die Kapazitäten der Stellen werden als unbegrenzt angenommen. Die Anfangsmarkierung M 0 ( s1 ) entspricht der Anzahl der in der Planungsperiode zu demontierenden Produkte. Die Anfangsmarkierungen der anderen Stellen M 0 ( s2 ), M 0 ( s3 ), M 0 ( s4 ) kennzeichnen die Anfangsbestände der bereits in der Vorperiode demontierten aber noch nicht weiterzerlegten Baugruppen und Bauteile. Die Kantengewichte entsprechen den Input- und Outputkoeffizienten und können direkt dem I/O-Grafen entnommen werden. Ausgehend von der Anfangsmarkierung M 0 (1,0,0,0 ) ergeben sich durch wiederholtes Schalten der jeweils aktivierten Transitionen nacheinander die Markierungen (0,2,0,1), (0,1,3,3), (0,0,6,5), jeweils zu den Zeitpunkten t W 1 , t W 1  W 2 , t W 1  2W 2 .

Lektion 11: Dynamische Modellierung der Produktion

189

a) Anfangsmarkierung zum Zeitpunkt t=0

t2

s2 t1

s1

=1

w(t 1,s 2) =2

w(s 1,t 1)

s3 w(t 2,s 3) =3

w(s 2,t 2)

w(t 2,s 4) =2

=1

s4

w(t 1,s 4) =1

b) Abgeschlossener Schaltvorgang der Transition t1 zum Zeitpunkt t=IJ1 t2

s2 t1

s1

=1

w(t 1,s 2) =2

w(s 1,t 1)

s3 w(t 2,s 3) =3

w(s 2,t 2)

w(t 2,s 4) =2

=1

s4

w(t 1,s 4) =1

c) Abgeschlossener Schaltvorgang der Transition t2 zum Zeitpunkt t=IJ1+IJ2 t2

s2 t1

s1

=1

w(t 1,s 2) =2

w(s 1,t 1)

s3 w(t 2,s 3) =3

w(s 2,t 2)

w(t 2,s 4) =2

=1

s4

w(t 1,s 4) =1

d) Abgeschlossener Schaltvorgang der Transition t2 zum Zeitpunkt t=IJ1+2IJ2 t2

s2 w(s 2,t 2)

t1

s1 w(s 1,t 1)

w(t 1,s 2) =2

=1

s3 w(t 2,s 3) =3 w(t 2,s 4) =2

=1

s4

w(t 1,s 4) =1

Bild 11.6: Modellierung der Produktdemontage als S/T-System (Quelle: Spengler (1998), Abbildung 6-3)

190

Kapitel C: Spezielle Produktionsmodelle

Bezeichnet man mit

s

§ s1 · ¨ ¸ ¨ s2 ¸ ¨s ¸ ¨ 3¸ ¨s ¸ © 4¹

den Vektor der Bestände der vier beachteten Objektarten und mit

w1

§  1· ¨ ¸ ¨ 2 ¸ 2 ¨ 0 ¸ sowie w ¨ ¸ ¨ 1¸ © ¹

§0 · ¨ ¸ ¨  1¸ ¨ 3 ¸ ¨ ¸ ¨ 2 ¸ © ¹

die Vektoren der Kantengewichte der beiden Transitionen t1 und t 2 , so lässt sich der Bestandsvektor s formal wie folgt ermitteln:

s

§0 · ¨ ¸ ! 0 ¨ ¸ 1 1 2 2 M0  w ˜O  w ˜O t ¨ ¸ 0 ¨ ¸ ¨0 ¸ © ¹

Die Aktivitätsniveaus Ȝ1 , Ȝ2 bzw. die Anzahl an Schaltvorgängen der Transitionen t1 bzw. t2 können daher lediglich ganzzahlige Werte (O1 , O 2  IN 0 ) annehmen. Ferner sind lediglich Kombinationen (O1 , O2 ) zulässig, die zu einem nichtnegativen Bestandsvektor s führen. Der Bestandsvektor s nimmt bei der Zerlegung eines einzigen Produkts, also bei Vorliegen der Anfangsmarkierung M0=(1,0,0,0), in Abhängigkeit der jeweils zulässigen Kombinationen der Aktivitätsniveaus O1 und O2 sukzessive die folgenden Werte an: ­§ 1 · °¨ ¸ °¨ 0 ¸ s  ®¨ ¸, °¨ 0 ¸ °¨© 0 ¸¹ ¯

§0· ¨ ¸ ¨ 2¸ ¨ 0 ¸, ¨ ¸ ¨ 1¸ © ¹

§0 · ¨ ¸ ¨ 1¸ ¨ 3 ¸, ¨ ¸ ¨ 3¸ © ¹

§ 0 ·½ ¨ ¸° ¨ 0 ¸° ¨ 6 ¸¾ . ¨ ¸° ¨ 5 ¸° © ¹¿

Diese entsprechen der oben angegebenen Schaltfolge des Petri-Netzes zu den Zeitpunkten t 0 , t W 1 , t W 1  W 2 sowie t W 1  2W 2 .

Lektion 11: Dynamische Modellierung der Produktion

191

11.2.3 Praxisbeispiel eines Petri-Netzes in der Metallindustrie

Die grafentheoretische Modellierung vernetzter und branchenübergreifender Produktionssysteme wird in jüngster Zeit vor dem Hintergrund der Ökobilanzierung und des Stoffstrommanagements mittels so genannter Stoffstromnetze durchgeführt. Diese Stoffstromnetze basieren üblicherweise auf Petri-Netzen. Im vorliegenden Abschnitt wird ein Praxisbeispiel eines PetriNetzes zur Modellierung betriebsübergreifender Stoffströme in der Metallindustrie vorgestellt. Das Beispiel basiert auf dem in Lektion 5 bereits eingeführten Verwertungsverbund eines integrierten Hüttenwerks der Eisen- und Stahlindustrie, eines Recyclingunternehmens sowie eines Zinkherstellers (vgl. Bild 11.7). Roh-, Hilfs-, Betriebsstoffe (Eisenerz, Koks, Zuschläge, Brennstoffe, Zinkerzkonzentrate, ...)

Eisen- und Stahlindustrie (Stahlunternehmen)

Zinkindustrie (Zinkgewinnung)

Recyclingunternehmen

Sinteranlage - Wälzrohranlagen Sinter

Interne Aufbereitung

Hochofenwerk Roheisen Blasstahlwerk Stahl

- Imperial Smelting Ofen (IS-Furnace)

- Gießereiroheisenerzeugung

- Stehende Muffel

- alternative Aufbereitungsverfahren, u.a. Inmetco / Niederschachtofen / Comet / ...

- Zinkelektrolyse - ...

Elektrostahlwerk Stahl Weiterverarbeitung Walzwerk

Eigenschrott

Zink (Verzinkung)

Produkt

Abfälle zur Beseitigung Nutzung Schrott (Altprodukte)

Deponie

eisen- und zinkhaltige Stäube/ Schlämme bzw. Aufbereitungsprodukte Systemgrenze

Bild 11.7: Verwertungsverbund für Stäube und Schlämme der Eisen- und Stahlindustrie (Quelle: Hähre/Spengler/Rentz (1998), Abb. 2)

In diesem Verwertungsverbund erfolgt die seit langem in der Metallindustrie etablierte stoffliche Verwertung von Kuppelprodukten der Eisen- und Stahl-

192

Kapitel C: Spezielle Produktionsmodelle

herstellung, wie beispielsweise zinkhaltiger Stäube und Schlämme aus Gasreinigungsanlagen des Hochofenwerks oder des Stahlwerks. Verwertungslücken bestehen heutzutage allerdings bei der Verwertung von Reststoffen mit mittleren Zinkgehalten (etwa 3-15%). Der Wiedereinsatz dieser Stoffe im integrierten Hüttenwerk ist aufgrund prozesstechnischer Restriktionen unerwünscht, und ein Einsatz in der Zinkhütte ist aufgrund der zu geringen Zinkgehalte mit hohen Kosten verbunden. Recyclingunternehmen stellen für diese problematischen Fraktionen innovative Aufbereitungsverfahren zur Verfügung, deren technische, ökonomische und ökologische Eignung anhand periodenbezogener Stoff- und Energiebilanzen untersucht werden kann. Bild 11.8 zeigt das Petri-Netz-Modell eines aus Bild 11.7 abgeleiteten Stoffstromnetzes für zinkhaltige Stäube und Schlämme aus der Eisen- und Stahlindustrie. Es bedient sich der in Abschnitt 11.2.2 eingeführten Symbolik. Im dargestellten Stoffstromnetzwerk werden die im Hochofenwerk (t2) und im Blasstahlwerk (t3) anfallenden Stäube und Schlämme (s9, s14, s24) in einer Aufbereitungsanlage (Inmetco-Anlage, t4) rezykliert. Die aufbereitete zinkreiche Sekundärstaubfraktion (s12), deren Zusammensetzung sowohl von der Prozessführung in der Inmetco-Anlage (t4) als auch von der Zusammensetzung der Inputstoffe (s9, s13, s14, s24) abhängt, wird als Sekundärrohstoff in der Zinkindustrie genutzt (IS-Furnace, t5). Eine zusätzliche Kreislaufführung resultiert aus der Rückführung des in der Inmetco-Anlage (t4) produzierten Eisenschwamms (s10), der als Kühlschrottersatz im Blasstahlwerk (t3) eingesetzt wird. Die Anfangsmarkierung des Petri-Netzes ergibt sich als Vektor der zu Beginn der betrachteten Planungsperiode verfügbaren (Lager-)Bestände sämtlicher Stellen. Die Simulation des Stoffstromnetzwerks während einer Periode erfolgt nun durch wiederholte Anwendung der Schaltregeln zu diskreten Zeitpunkten für die jeweils aktivierten Transitionen, so dass die auftretenden Bestandsveränderungen der Einsatzstoffe, Zwischen- und Endprodukte sowie Abfälle durch die jeweiligen Folgemarkierungen der betroffenen Stellen gegeben sind. Aus der Endmarkierung des Petri-Netzes, die sich am Ende des Betrachtungszeitraums ergibt, kann die periodenbezogene Stoffbilanz des untersuchten Netzwerks abgeleitet werden. Zur Simulation des Petri-Netzes und damit zur Ermittlung der Bestandsverläufe der betrachteten Stoffe ist die Angabe von Schaltregeln für die Transitionen erforderlich. Dies kann in der Praxis etwa auf Basis analytisch oder empirisch ermittelter prozessspezifischer Stoff- und Energiebilanzen erfolgen.

Lektion 11: Dynamische Modellierung der Produktion

193

W(s2,t1)

Zuschläge (s2) Koks (s3)

(s1 W ) ,t 1

W(s3,t1)

Erz (s1)

Recyclingunternehmen

W(t1,s4)

Sinteranlage (t1) Zuschläge (s5)

Eisenschwamm (s10) W(s13,t4)

W(s9,t4)

Gichtschlämme (s14)

W(t4,s11)

W(t2,s15)

Roheisen (s16)

Sekundärstaub (s12)

W(s24,t4)

Schlacke (s15)

Input (IS-Furnace) (s21)

W(t4,s12)

W(s14,t4)

W(t2,s14)

Prozeßgas (s11)

W(t4,s10)

Zuschläge (s20)

(Alt-)Schrott (s17)

IS-Furnace (t5)

Konverterstäube (s24) Schlacke (s25)

weitere Outputs (Blei, ...) (s30)

W(s28,t6)

W(s27,t6)

Wälzrohranlage (t7) sonst. Input (s40)

W(t6,s34)

W(s40,t7)

Zinkindustrie (Zinkgewinnung)

W(t7,s23) W(t7,s31)

W(t6,s32)

W(t8,s37)

W(s38,t8)

Stahl (s34) W(s34,t8)

Walzwerk/Weiterverarbeitung (t8)

Schlacke (s22)

Zink (s29)

Elektrostahlwerk (t6)

W(t6,s33) W(s35,t8)

(Eigen-) Schrott (s37)

W(t5,s22)

W(t5,s30)

Wälzoxid (s23)

Energie (s28)

W(s26,t6)

W(s37,t6)

Stahl (s35)

W(s23,t5)

W(t3,s25)

W(t3,s24)

Zuschläge (s27)

(Alt-)Schrott (s26)

W(t5,s29)

W(s18,t3)

W(s20,t3)

W(s19,t3)

Wind (s18)

Blasstahlwerk (t3)

W(t3,s35)

W(s37,t3)

W(s16,t3)

W(s17,t3)

Koks (s19)

W(s21,t5)

W(s6,t2)

W(s7,t2)

W(s5,t2)

sonst. Input (s13)

Gichtstäube (s9)

W(t2,s9)

W(t2,s16)

W(s4,t2)

Hochofenwerk (t2)

Inmetco (t4)

W(s10,t3)

Koks (s7)

W(s12,t5)

Wind (s6)

Sinter (s4)

Stäube (s32)

Schlacke (s33) Energie (s38)

W(s32,t7)

Schlacke (s31) W(t7,s41)

Prozeßgas (s41)

W(s29,t8)

Stelle (s) Transition (t) Kante W(t8,s39)

Eisen- und Stahlindustrie

Produkte (s39) W(s,t) / W(t,s)

Stromführung geändert

Kantengewichte

Bild 11.8: Petri-Netz-Modell eines Stoffstromnetzes in der Metallindustrie (Quelle: Hähre/Spengler/Rentz (1998), Abb. 4)

Hinweise zum vertieften Studium 1) Auf stochastische Erweiterungen, die neben der Systemdynamik auch explizit die Unsicherheit zukünftiger Ereignisse abbilden und somit eine hohe praktische Bedeutung aufweisen, kann im Rahmen eines einführenden Lehrbuchs nicht eingegangen

194

Kapitel C: Spezielle Produktionsmodelle

werden. Zu diesem Zweck sei auf die einschlägige Literatur verwiesen (vgl. Feichtinger/Hartl (1986), Fandel (2005), Jahnke (1995)). 2) Zur Lösung nichtlinearer Differentialgleichungssysteme muss i.d.R. auf numerische Lösungsverfahren (z.B. Simulation, System Dynamics) zurückgegriffen werden. Hierauf wird jedoch im vorliegenden Lehrbuch nicht eingegangen, sondern es sei auf die einschlägige Literatur verwiesen (vgl. Föllinger (1982), Feichtinger/Hartl (1986), Sterman (2000)). 3) Zur Theorie der Petri-Netze sei auf Baumgarten (1990), Gais/Patzina/Adler (1992) und Rosenstengel/Winand (1991) verwiesen. 4) Zur Planung branchenübergreifender Recyclingkonzepte wird in der Praxis zunehmend auch auf Stoffstromnetze zurückgegriffen, für die bereits kommerzielle Softwaresysteme vorliegen. Praxisorientierte Übersichten über die hierbei anzuwendenden Vorgehensweisen finden sich in Schmidt/Häuslein (1997), Möller (2000) und Hähre (2000).

Kapitel D

Operatives Produktionsmanagement

Das operative Produktionsmanagement befasst sich, wie in Lektion 3 bereits aufgezeigt, hauptsächlich mit kurzfristigen Aufgaben der Planung und Steuerung von Produktionsprozessen. Diese können nach Zäpfel (2001), S. 56-63, wie folgt klassifiziert werden: (1) Erzeugnisprogrammplanung (Lektion 12):

Ausgehend von Absatzprognosen oder auf Basis bereits vorliegender und erwarteter Kundenaufträge sind in der operativen Erzeugnis- oder Hauptprogrammplanung kurz- bis mittelfristige Entscheidungen hinsichtlich der Art, Menge und Zeitpunkte der im Planungszeitraum herzustellenden Hauptprodukte festzulegen. Diese entsprechen dem terminierten Primärbedarf, der dann als Vorgabe in die Materialwirtschaft eingeht. Die Kapazitäten der im Planungszeitraum kurzfristig verfügbaren Produktiveinheiten können in der Regel nicht erhöht werden, so dass in der operativen Produktionsprogrammplanung üblicherweise Kapazitätsengpässe zu berücksichtigen sind. Dies geschieht durch Modellierung des Produktionssystems mittels geeigneter Produktionsmodelle und darauf aufbauend durch die Optimierung einer geeignet zu wählenden Erfolgsfunktion mittels einschlägiger Verfahren des Operations Research (OR). (2) Materialwirtschaft (Lektion 13):

Die Materialwirtschaft umfasst Planungsaufgaben zur Materialbedarfsermittlung (Mengenplanung) sowie zur Losgrößenplanung. In der Materialbedarfsermittlung werden die zu produzierenden bzw. fremd zu beschaffenden Mengen (Sekundärbedarf) aller Repetierfaktoren ermittelt, die für die Bereitstellung des vorgegebenen terminierten Primärbedarfs notwendig sind. Dies geschieht mittels vergangenheits- oder programmorientierter Methoden der Bruttobedarfsermittlung und anschließendem Abgleich mit den jeweils verfügbaren Lagerbeständen zur Ermittlung der Nettobedarfe. In der sich anschließenden Losgrößenplanung erfolgt die Bestimmung von Bestellgrößen für die fremd zu beschaffenden Repetierfaktoren sowie von Fertigungslosgrößen (Seriengrößen) für die zu produzierenden Repetierfaktoren. Als Ergebnis dieser Planungsaufgaben

196

Kapitel D: Operatives Produktionsmanagement

werden terminierte Nettobedarfe und terminierte Losgrößen berechnet, die als Vorgabe in die Ablaufplanung eingehen. (3) Produktionsablaufplanung und aktuelle Produktionssteuerung (Lektion 14):

Die Produktionsablaufplanung umfasst die Termin- und Kapazitätsplanung und ermittelt die Start- und Endtermine der Arbeitsvorgänge für die geplanten Produktions- und Bestellaufträge. Sie wird in der Industrie üblicherweise in zwei Schritten durchgeführt. In einem ersten Schritt ermittelt die Durchlaufterminierung die Start- und Endtermine unter Beachtung der technisch-organisatorisch bedingten Reihenfolgerestriktionen sowie der jeweiligen Rüst-, Bearbeitungs-, Warte- und Transportzeiten. Die im zweiten Schritt durchzuführende Kapazitätsterminierung hat die Aufgabe, eine Abstimmung zwischen dem verfügbaren Kapazitätsangebot der Produktiveinheiten und der (durch die in der Durchlaufterminierung geplanten Start- und Endtermine induzierte) Kapazitätsnachfrage durchzuführen. Zu diesem Zweck müssen für die einzelnen Arbeitsvorgänge in der Regel neue Start- und Endtermine festgelegt werden. Die Freigabe der Arbeitsvorgänge zu den geplanten Startterminen kann jedoch lediglich nach einer vorangegangenen Verfügbarkeitskontrolle der benötigten Produktiveinheiten und Repetierfaktoren erfolgen. Diese Aufgabe sowie die sich daran anschließende Kapazitätsund Auftragsüberwachung ist Bestandteil der aktuellen Produktionssteuerung, die oftmals dezentral, d.h. für jeden beteiligten Produktionsprozess separat, erfolgt. Aufgrund unerwartet auftretender Störungen sind regelmäßig Soll-Ist-Vergleiche der vom Produktionsmanagement festgelegten Regelgrößen, wie Durchlaufzeiten, Produktionsmengen, Qualitätskriterien etc., durchzuführen und geeignete Maßnahmen (Stellgrößen) zu deren kurzfristiger Beeinflussung zu veranlassen. Kapitel D beinhaltet in den folgenden drei Lektionen eine Einführung in die aufgezeigten Planungs- und Steuerungsaufgaben des operativen Produktionsmanagements. Hierbei werden die wesentlichen Bezüge zu den einschlägigen Lektionen der in Kapitel B und C behandelten Grundzüge einer entscheidungsorientierten Produktionstheorie aufgezeigt. Auf die spezielle Ausgestaltung formaler Planungsalgorithmen und auf deren spezifische Anwendung in den verschiedenen Industriebranchen kann im Rahmen dieses einführenden Lehrbuchs jedoch nur am Rande eingegangen werden. Ebenso wird auf die Darstellung kommerzieller Systeme und neuerer Konzepte, wie kapazitätsorientierte PPS-Systeme und Advanced-Planning-Systems (APS), verzichtet.

12 Erzeugnisprogrammplanung

12.1 12.2 12.3 12.4

Aufgaben und Ziele der Programmplanung Produktionsprogrammplanung im allgemeinen Fall endlich generierbarer Techniken Erzeugnisprogrammplanung bei Alternativproduktion Erzeugnisprogrammplanung bei einem einzigen Kapazitätsengpass

Das Erzeugnis- oder Leistungsprogramm umfasst als Ergebnis der Erzeugnisprogrammplanung innerhalb des zugrunde gelegten Planungszeitraums: (1) die Art der zu erstellenden Leistungen als qualitative Komponente, (2) die Menge der einzelnen zu erstellenden Leistungen als quantitative Komponente und (3) die vorgesehenen Zeitpunkte zur Erstellung der vorgesehenen Leistungen als zeitliche Komponente. Abweichend von dem sonst häufig üblichen Sprachgebrauch wird in diesem Buch unter dem Produktionsprogramm nicht nur das Erzeugnisprogramm als Output der Produktion verstanden, sondern auch der zugehörige Input (Faktorprogramm) und Throughput (Ablaufprogramm), also die gesamte Produktionsaktivität. Während die im strategischen Produktionsmanagement angesiedelte strategische Planung die Auswahl der generellen Produktfelder vornimmt, obliegt es der operativen Programmplanung, diese unter Zugrundelegung bereits festgelegter Leistungskonzeptionen und einer vorgegebenen Produktionsinfrastruktur zu konkretisieren. Als Planungshorizont der mittelfristigen Planung wird in der Regel von einem bis maximal zwei Jahren ausgegangen. Darüber hinaus gibt es in manchen Branchen auch eine kurzfristige Erzeugnisprogrammplanung, die sich auf mehrere Monate erstreckt. In Abschnitt 12.1 wird zunächst kurz auf die Aufgaben und Ziele der operativen Erzeugnisprogrammplanung sowie deren Abgrenzung zur Absatzprogrammplanung eingegangen. Formale Ansätze zur Erzeugnisprogrammplanung bei additiven und linearen Techniken werden darauf aufbauend in Abschnitt 12.2 vorgestellt, wobei ein besonderer Akzent auf die Programmplanung bei Kuppelproduktion gelegt wird. Abschnitt 12.3 ist der Erzeugnisprogrammplanung bei Alternativproduktion gewidmet. Abschließend wird in Abschnitt 12.4 ein einfacher Spezialfall bei Berücksichtigung lediglich eines einzigen Kapazitätsengpasses diskutiert.

198

12.1

Kapitel D: Operatives Produktionsmanagement

Aufgaben und Ziele der Programmplanung

Während die Entscheidungen zum Erzeugnisprogramm im Falle der Massenproduktion bereits bei der Planung der Produktionsanlagen im Rahmen des taktischen Produktionsmanagements getroffen werden, kommt der operativen Erzeugnisprogrammplanung im Falle der Einzel- und Serienproduktion eine hohe Bedeutung zu. Einzelproduktion wird häufig in Form einer Bestellproduktion („make-to-order“) durchgeführt, so dass zur Ermittlung des Absatzprogramms auf bereits vorliegende Kundenaufträge zurückgegriffen werden kann. Die Serienproduktion erfolgt zu großen Teilen unabhängig von konkreten Kundenaufträgen auf Lager („make-to-stock“), so dass in diesem Fall die Ermittlung des Absatzprogramms lediglich auf Basis von Nachfrageprognosen durchgeführt werden kann. Die Erzeugnisprogrammplanung bei Bestellproduktion benötigt somit nicht notwendigerweise die Erstellung von Nachfrageprognosen und ist damit weniger risikoanfällig. Auf Basis vorliegender Kundenaufträge wäre dann zu entscheiden, welche Aufträge angenommen werden und zu welchen Terminen diese dann fertiggestellt werden könnten. Kundenindividuelle Auftragsproduktion ist etwa in der Bauindustrie oder im Anlagenbau vorherrschend. Die Produktionsprogrammplanung bei kundenanonymer Lagerproduktion erfordert dagegen die Erstellung von Nachfrageprognosen für die absetzbaren Endprodukte sowie die Festlegung der Art, Menge und zeitlichen Verteilung der Erzeugnisse unter Berücksichtigung der durchgeführten Absatzprognosen und der verfügbaren Ressourcen. Da sie in der Regel als Serienproduktion organisiert ist, kommt der Standardisierung der Erzeugnisse eine sehr hohe Bedeutung zu. Beispiele für eine reine Lagerproduktion wären die Herstellung von Farben und Lacken oder elektronischen Haushaltsgeräten. Weit verbreitet ist auch die Kombination aus einer Serienproduktion für standardisierte Zwischenprodukte und einer sich anschließenden kundenindividuellen Montage im Rahmen des Mass Customization (z.B. Dell Computer). Hier wird der Entkopplungspunkt zwischen anonymer Lagerproduktion und auftragsspezifischer Einzelproduktion möglichst weit an das Ende der Wertschöpfungskette gelegt, um so die Vorteile beider Organisationsformen nutzen zu können. Aufgrund der hohen Bedeutung von Nachfrageprognosen für die Erzeugnisprogrammplanung sei zunächst kurz auf Ansätze zu ihrer Erstellung eingegangen. Quantitative Prognoseverfahren sind mathematisch-statistische Verfahren, die zur Vorhersage des zukünftigen Absatzes von Produkten in einem vorgegebenen Zeitabschnitt genutzt werden können. Univariate Prognoseverfahren, auch Zeitreihenanalysen genannt, basieren auf der Überlegung, dass zur Vorhersage zukünftigen Nachfrageverhaltens für ein Produkt auf den

Lektion 12: Erzeugnisprogrammplanung

199

vergangenen Nachfrageprozess zurückgegriffen werden kann, der dann in die Zukunft extrapoliert wird. Voraussetzung hierzu ist jedoch, dass sich die in der Vergangenheit gültigen Rahmenbedingungen auch in Zukunft nicht verändern; damit sind Zeitreihenanalysen in erster Linie für kurzfristige Prognosen geeignet. Multivariate Prognoseverfahren stellen dagegen auf eine kausale Erklärung des Nachfrageprozesses auf Basis mehrerer unabhängiger Variablen ab und sind damit zwar aufwändiger, aber besser geeignet zur Prognose längerfristiger Absatzentwicklungen. nt

nt f(t) =a+b·t

f(t) = a

t

t

a) Konstantes Modell

c) Lineares Modell

nt

nt f(t) = a+b·t+c·t2

f(t) =a+b·t+st

t c) Nichtlineares (speziell quadratisches) Modell

t d) Linearer Trend mit additiver Überlagerung des Grundwertes durch zyklische Schwankungen

nt f(t) =(a+b·t)·st

t e) Linearer Trend mit multiplikativer Überlagerung des Grundwertes durch zyklische Schwankungen

Bild 12.1: Zeitreihentypen (Quelle: Zäpfel (2001), Abb. B.B.3)

200

Kapitel D: Operatives Produktionsmanagement

Die Auswahl eines geeigneten univariaten Prognosemodells setzt die Analyse der zugrunde gelegten Zeitreihe voraus. Als Zeitreihe wird dabei eine Menge von Beobachtungswerten der Produktnachfrage nt zu den äquidistanten Zeitpunkten t=1,...,tmax bezeichnet. Man geht nun davon aus, dass sich diese aus einer systematischen Komponente f t und einer Zufallskomponente Mt zusammensetzt, also gilt: nt

t=1,..., tmax

f t  Mt

(12.1)

In Abhängigkeit von der Funktion f t oder deren stetiger Erweiterung f ( t ) können verschiedene Zeitreihentypen unterschieden werden (vgl. Bild 12.1). Die um die systematische Komponente f ( t ) schwankenden Punkte bezeichnen jeweils eine Realisation der Zufallskomponente Mt . Geht man vom einfachen Fall eines konstanten Modells der Form (vgl. Bild 12.1 (a)) nt

t=1,..., tmax

a  Mt

(12.2)

aus, so ist bei zum Zeitpunkt t vorliegenden N Vergangenheitswerten nt 1 ,..., nt  N das arithmetische Mittel at

1 ˜ N k

N

¦ nt  k

(12.3)

1

abweichungsminimaler Schätzer für das konstante Absatzniveau a. Bezieht man im Rahmen einer rollierenden Planung die Bildung des arithmetischen Mittels lediglich auf die jeweils letzten N Beobachtungswerte, so kommt man zur so genannten gleitenden Durchschnittsbildung, deren Vorteil in einer schnelleren Anpassungsfähigkeit der Prognosewerte an im Zeitablauf veränderte Beobachtungswerte liegt. Je kleiner N gewählt wird, desto schneller erfolgt die Anpassung, umso stärker reagiert die Prognose aber auch auf zufällige Schwankungen. Neben diesem einfachen Verfahren der gleitenden Durchschnittsbildung existiert eine Reihe weiterer univariater Prognoseverfahren, wie z.B. exponentielle Glättungen. Die exponentielle Glättung zeichnet sich gegenüber dem gleitenden Durchschnitt dadurch aus, dass sie zum einen die Vergangenheitswerte geometrisch abnehmend gewichtet, je weiter diese zurückliegen, und dass sie eine einfache Formel zur Fortschreibung der Prognosewerte besitzt: a t 1

D ˜ nt  (1  D )a t

a t  D ( nt  a t )

0dDd1

(12.4)

Lektion 12: Erzeugnisprogrammplanung

201

Dabei sind at der für den Zeitpunkt t aus den Vergangenheitswerten t  1 , t  2 ,… berechnete Prognosewert und nt die tatsächliche Beobachtung im Zeitpunkt t. Der Glättungsparameter D wird üblicherweise im Bereich 0 ,1 d D d 0 ,3 gewählt. Je größer er ist, umso mehr reagiert die Prognose auf aktuelle Veränderungen. Sind die Planungen zum Absatzprogramm abgeschlossen, so ist in der Erzeugnisprogrammplanung zu entscheiden, welche Produkte aus dem Absatzprogramm produziert (Eigenfertigung) und welche von außen beschafft (Fremdbezug) werden sollen. Für die zu produzierenden Erzeugnisse ist dann festzulegen, ob im Sinne einer Synchronisation von Produktion und Nachfrage in jeder Teilperiode des zugrunde gelegten Planungszeitraums genau die nachgefragte Stückzahl produziert werden soll. Als Alternative käme die Emanzipation von Produktion und Nachfrage in Betracht, bei der die zu produzierenden Stückzahlen von den nachgefragten abweichen dürfen und im Zeitablauf auftretende Über-/Unterdeckungen durch das Absatzlager aufgefangen werden. Aufgrund von Kapazitätsengpässen, weiteren Restriktionen bei der Beschaffung benötigter Repetierfaktoren (beispielsweise vertraglich vereinbarte Liefermengen) und Kosteneinsparungen bei der Umrüstung und dem Betrieb von Produktionsanlagen wird es in der Praxis der Serienproduktion üblicherweise zu einer mehr oder minder ausgeprägten Emanzipation kommen. Als Beispiele sind etwa die während eines Jahres mehr oder weniger konstant gehaltenen Produktionsmengen an Sommer- und Winterreifen in der Reifenindustrie oder von Kunstdünger in der chemischen Industrie anzuführen. In der Bestellproduktion liegt dagegen naturgemäß, zumindest im Hinblick auf die Fertigstellung der Enderzeugnisse, eine Synchronisation vor, sofern die Kunden keine langen Lieferfristen akzeptieren. Unter Zugrundelegung der in der Planungsperiode verfügbaren Produktionsund Beschaffungskapazitäten sowie eines bereits ermittelten Absatzprogramms ist das operative Erzeugnisprogramm nun so zu ermitteln, dass die verfügbaren Ressourcen im Hinblick auf eine zu erreichende Zielsetzung optimal eingesetzt werden. Die Bestimmung eines erfolgsmaximalen Erzeugnisprogramms kann formal durch Lösung einer geeignet formulierten mathematischen Optimierungsaufgabe, jeweils unter zusätzlicher Berücksichtigung der in der strategischen und taktischen Planung vorgegebenen Randbedingungen, erfolgen. Die Ermittlung der zugrunde zu legenden Erlös- und Kostengrößen bereitet in der Praxis deutlich größere Probleme. Die Programmentscheidung liegt in der Regel im Spannungsfeld zwischen dem Produktions- und dem Marketingmanagement und darüber hinaus dem Beschaffungs- und dem Finanzmanagement (vgl. Bild 12.2).

202

Kapitel D: Operatives Produktionsmanagement

Produktions-Management ökonomische Bereichsinteressen, z.B.

personelle Bereichsinteressen, z.B.

• angemessener Deckungsbeitrag • geringe Kosten • maximale Kapazitätsauslastung

• befriedigende Arbeitserlebnisse • Entscheidungs- und Kontrollspielräume • Sicherheit des und am Arbeitsplatz

Marketing-Management Bereichsinteressen, z.B. • Umsatzmaximierung • angemessener Deckungsbeitrag • hoher Marktanteil • kurze Lieferzeiten • vielfältige Angebotspalette • hohe Lieferbereitschaft

Artikulierte Ziele für die Unternehmung Machtbeziehungen Zielbeziehungen

Kernorgane des Betriebes

Rahmenbedingungen Autorisierte Ziele der Unternehmung Produktionsprogramm Beschaffungs-Management

Finanz-Management

Bereichsinteressen, z.B.

Bereichsinteressen, z.B.

• optimale Lieferantenwahl • kostenminimale Beschaffungsmengen • termingerechte Belieferung • genügend lange Dispositionsspielräume für Beschaffung

• große Einzahlungsüberschüsse • Wahrung der Liquidität

Bild 12.2: Spannungsfeld des operativen Produktionsmanagements (Quelle: Zäpfel (2001), Abb. B.3.1)

Es gilt daher, die Vielfalt der vorliegenden Bereichsinteressen, wie die Erzielung eines möglichst hohen Deckungsbeitrags, die Maximierung des erzielbaren Umsatzes, die Gewährleistung möglichst kurzer Lieferzeiten, die Erreichung möglichst kostengünstiger Beschaffungsmengen oder auch die Wahrung der Liquidität, im Sinne der autorisierten Wertvorstellungen der Unternehmung angemessen zu berücksichtigen. Wichtig ist dabei, lediglich solche Kosten- und Erlösarten bei der Entscheidungsfindung zu berücksichtigen, die durch die Wahl des optimalen Erzeugnisprogramms auch beeinflusst werden können. Diese werden als entscheidungsrelevante Kosten und Erlöse bezeichnet. Es ist üblich, als Erfolgsgröße der operativen Erzeugnisprogrammplanung den erzielbaren Deckungsbeitrag heranzuziehen, der sich als Differenz aus den erzielbaren Erlösen und den variablen Kosten einer Aktivität z ergibt:

Lektion 12: Erzeugnisprogrammplanung

D( z )

203

Lvar ( z )  K var ( z )

(12.5)

Positive Deckungsbeiträge werden dabei sowohl aus Sicht des Produktionsmanagements als auch aus Sicht des Marketing-, Finanz-, Beschaffungs- und Personalmanagements als erstrebenswert angesehen, da sie letztendlich zum Cash Flow des Unternehmens und damit zur Erreichung der strategischen Unternehmensziele Gewinnmaximierung bzw. Maximierung des Unternehmenswerts bzw. der Eigenkapitalrendite und so zur langfristigen Absicherung des Unternehmenserfolgs beitragen. Ferner kann der erzielte Deckungsbeitrag Informationen für den Ausgleich der verschiedenen an dessen Erzielung beteiligten Bereichsinteressen liefern, da das deckungsbeitragsmaximale Erzeugnis- bzw. Produktionsprogramm immer einen Kompromiss im Hinblick auf die Erreichung der in den betroffenen Unternehmensbereichen verfolgten Zielsetzungen darstellt.

12.2

Produktionsprogrammplanung im allgemeinen Fall endlich generierbarer Techniken

Zunächst sei für den allgemeinen Fall endlich generierbarer additiver und linearer Techniken ein einfacher, statischer Modellierungsansatz zur Bestimmung deckungsbeitragsmaximaler Produktionsprogramme vorgestellt. Dieser bezieht den in der Praxis häufig auftretenden Fall der Kuppelproduktion mit ein, da eine verursachungsgerechte Aufteilung der einer Produktionsaktivität zuzurechnenden variablen Kosten auf die einzelnen Kuppelprodukte unnötig ist. Außerdem wird nicht nur auf das Erzeugnisprogramm, sondern auf das gesamte Produktionsprogramm abgestellt. Ausgangspunkt ist eine bereits erfolgte Modellierung des zugrunde liegenden Produktionssystems als endlich generierbare lineare oder additive Technik, so wie sie in Kapitel C vorgestellt worden ist.

TLin

TAdd

­° N ® z  IR | z °¯ ­° N ® z  IR | z °¯

S

¦ OU ˜ z U ,

OU  IR0 ,

U

½° 1,...,S ¾ °¿

(12.6)

OU  IN0 ,

U

½° 1,...,S ¾ °¿

(12.7)

U 1 S

¦ OU ˜ z U ,

U 1

Ferner ist das Restriktionsfeld R bekannt, da nicht nur im strategischen und taktischen Produktionsmanagement Entscheidungen über zu installierende Produktionskapazitäten getroffen wurden, sondern auch für die Beschaffung

204

Kapitel D: Operatives Produktionsmanagement

und den Absatz (lineare) Restriktionen gegeben sind. Im betrachteten Planungszeitraum sind daher sämtliche zulässigen Aktivitäten der betrachteten linearen bzw. additiven Technik T durch den Produktionsraum Z T ˆ R determiniert. Es muss somit gelten: S

z

¦ OU ˜ z U  T ˆ R

Z

(12.8)

U 1

Des Weiteren wird vorausgesetzt, dass sich sämtliche entscheidungsrelevanten Erlöse und Kosten durch eine lineare Erfolgsfunktion der Gestalt D( z )

p1 ˜ z 1  ...  pN ˜ z N

(12.9)

bestimmen lassen, welche die Absatzpreise der Produkte und Beschaffungspreise der Faktoren sowie gegebenenfalls auch die Entsorgungspreise von Abprodukten erfasst. Es ist nun möglich, sämtliche Input- und Outputobjektarten einer Grundaktivität z U insgesamt mittels N

¦p

D( z U )

k

˜ z kU : d U

(12.10)

k 1

zu bewerten und so den mit der einmaligen Durchführung der Grundaktivität z U verbundenen Deckungsbeitrag d U ( U 1,...,S ) zu ermitteln, der als (prozess)spezifischer Deckungsbeitrag von U bezeichnet wird. Der einem zulässigen Produktionsprogramm z  Z T ˆ R zuzurechnende Deckungsbeitrag D(z) lässt sich demnach wie folgt berechnen: N

D( z )

§ S · pk ¨ OU ˜ z kU ¸ ¨U 1 ¸ 1 © ¹

¦ ¦ k

S

§

N

· pk ˜ z kU ¸ ¸ ©k 1 ¹

¦ ¦ U 1

OU ¨¨

S

OU ˜ d U ¦ U

(12.11)

1

Die Aktivitätsniveaus O1 ,...,OS , mit denen die Grundaktivitäten U 1,...,S ausgeführt werden sollen, stellen damit die Entscheidungsvariablen des folgenden Optimierungsproblems zur Bestimmung des deckungsbeitragsmaximalen Produktionsprogramms dar:

Lektion 12: Erzeugnisprogrammplanung

205 S

Max

d U ˜ OU ¦ U

D( z )

1

S

u.d .N .

z U ˜ OU  R ¦ U

z

(12.12)

1

O1 ,..., OS

t 0

und ggf . ganzzahlig

Falls die Restriktionen sich als lineare Ungleichungen bezüglich der Aktivitätsniveaus darstellen lassen, handelt es sich um eine (ganzzahlige) lineare Optimierungsaufgabe, sie lässt sich mit Hilfe einschlägiger Verfahren des Operations Research in vielen Fällen zumindest näherungsweise lösen. Praxisrelevante Größenordnungen sind heutzutage mittels kommerzieller ORPakete bei rein linearen Aufgaben ohne weiteres lösbar. Die geschilderte Vorgehensweise zur Produktionsprogrammplanung sei anhand eines einfachen Beispiels einer additiven Technik verdeutlicht: Aufgrund umweltrechtlicher Regelungen sind Produkte am Ende ihrer Lebensdauer durch die Hersteller zurückzunehmen, in ihre Bestandteile zu zerlegen und einem möglichst hochwertigen Recycling zuzuführen. Die Produktdemontage stellt einen mehrstufigen Kuppelproduktionsprozess dar und kann mittels additiver Techniken modelliert werden. Voraussetzung hierfür sind Informationen über die Produktstruktur, die verwendeten Verbindungstechniken, die enthaltenen Baugruppen, Bauteile und Werkstoffe sowie anzusetzende variable Demontagekosten und die für die demontierten Produktkomponenten (Baugruppen und Bauteile) erzielbaren Verwertungserlöse bzw. aufzuwendenden variablen Verwertungskosten. Bild 2.4 in Lektion 2 zeigt beispielsweise die Produktstruktur eines Mikrowellenherdes mit Hilfe einer in der Praxis üblichen Explosionsdarstellung. Aus der Explosionsdarstellung kann nun durch Probezerlegungen und Zeitstudien ein Arbeitsplan, der die durchzuführenden Demontageaktivitäten sowie die zugehörigen Demontagezeiten umfasst, erstellt werden. Die hierbei definierten Demontageaktivitäten sowie die jeweils zu beachtenden Objektarten können übersichtlich mit Hilfe von Demontage-Grafen dargestellt werden, deren Aufbau und Struktur den in Lektion 8 eingeführten abstrakten Input/Output-Grafen entspricht (vgl. Bild 12.3). Aus dem Demontage-Grafen lässt sich entnehmen, dass zur kompletten Zerlegung insgesamt 14 einzelne elementare Demontageprozesse, die allesamt Kuppelproduktionsprozesse darstellen, durchzuführen sind. Da einzelne Demontageprozesse bei der Zerlegung einer bestimmten Anzahl identischer Produkte jeweils nur ganzzahlig oft durchführbar sind, lässt sich die Produktdemontage im vorliegenden Beispiel als mehrstufige endlich generierbare

206

Kapitel D: Operatives Produktionsmanagement

additive (inputseitig-determinierte) Technik mit insgesamt acht Prozessstufen modellieren. Jede Prozessstufe besteht dabei wiederum aus einem oder mehreren parallelen elementaren Prozessen, welche wiederum jeweils durch eine Grundaktivität z U ( U 1,...,14 ) abgebildet werden. Insgesamt werden 57 verschiedene Objektarten beachtet, die entweder als Input (Mikrowellenherd oder weiterzerlegbare Baugruppe) in elementare Demontageprozesse eingehen (Objektarten k=1, 3, 6, 8, 9, 23, 27, 38, 52, 53, 54, 55, 56, 57) oder als Output (weiterzerlegbare Baugruppen, Bauteile) aus den Demontageprozessen hervorgehen. Die Technik ergibt sich damit zu:

T

­° 57 ® z  IR | z °¯

14

¦ OU ˜ z U , mit OU  IN0

U 1

für U

½° 1,...,14 ¾ °¿

Zur Bestimmung des Restriktionsfeldes R und damit des Produktionsraums Z T ˆ R sind nun Restriktionen hinsichtlich der Anwendbarkeit bestimmter Grundaktivitäten herauszuarbeiten und bei der Formulierung des ganzzahligen linearen Optimierungsproblems zu berücksichtigen. So kann eine bestimmte Baugruppe lediglich dann weiterzerlegt werden, wenn sie in einer vorangegangenen Prozessstufe auch als Zwischenprodukt erzeugt worden ist. Gleiches gilt für zu berücksichtigende Beschaffungsrestriktionen für die zu demontierenden Mikrowellenherde und Absatzrestriktionen für die demontierten und auf dem Absatzmarkt zu veräußernden Baugruppen und Bauteile. Auf Basis der ermittelten Demontagekosten und Recyclingerlöse/-kosten ist dann im Rahmen der Produktionsprogrammplanung zu ermitteln, welche der Grundaktivitäten z U ( U 1,...,14 ) im betrachteten Planungszeitraum wie oft ( O1 ,...,O14 ) ausgeführt werden sollen, um den insgesamt erzielbaren Deckungsbeitrag zu maximieren. So kann es etwa, je nach Marktsituation, günstiger sein, eine grundsätzlich am Markt absetzbare Baugruppe weiterzuzerlegen, sofern die hierdurch zusätzlich entstehenden Demontagekosten durch die erzielbaren Absatzerlöse der aus dem Demontageprozess hervorgehenden Bauteile kompensiert werden.

Lektion 12: Erzeugnisprogrammplanung

207

1

7

51

2

V1

51

52

10

17 29

11

2

51

51 8

8 22

V2

9 5

2

12

20

53

V3 21

10 23

13

V4 26

2

14

V5

2

51 4

24 2

51

25

51

46

30 54

39

6

31

V6

40

3 41

42

43

44

V7

3

55

V8

45

51 4

15

6

16

51

5

7

V 10

17

4

V9

56

18 19 57

27

V 11 10

3

51

51

V 12

51

4 28

36

V 13

2 29

37 2

38

32 33

34

35

V 14

50

51 47

48

49

Bild 12.3: Demontage-Graf des Mikrowellenherdes aus Bild 2.4 (Quelle: Spengler (1998), Abbildung 3-12)

208

Kapitel D: Operatives Produktionsmanagement

Die formale Ableitung des zugehörigen Optimierungsmodells sei aus didaktischen Gründen anhand des in Lektion 11 bereits eingeführten deutlich einfacheren Beispielprodukts mit vier beachteten Objektarten und zwei elementaren Demontageprozessen dargestellt (vgl. Bild 11.5). Es handelt sich hier um eine zweistufige additive Technik mit den beiden Kuppelproduktionsprozessen z 1 und z 2 sowie insgesamt vier beachteten Objektarten k 1,...,4 . Die Prozessstufe U 1 zerlegt ein Altprodukt ( k 1 ) in zwei Baugruppen der Art k 2 und ein Bauteil ( k 4 ). Die sich anschließende Prozessstufe U 2 zerlegt die Baugruppe ( k 2 ) weiter in drei Bauteile der Art k 3 sowie zwei Bauteile der Art k 4 . Die Technikmatrix M lautet damit wie folgt:

M

§1 0 · ¸ ¨ ¨ 2  1¸ ¨0 3¸ ¸ ¨ ¸ ¨ 1 2 ¹ ©

z , z 1

2

Bezeichnet OU  IN0 ( U 1,2 ) die Anzahl der Durchführungen von Demontageprozess U , so ergibt sich die zugehörige Technik T zu

T

­ ° ° 4 ® z  IR | z ° ° ¯

½ §1 0 · ¨ ¸ ° 1 § · ¨ 2  1¸ ¨ O ¸ ° 1 2 ˜ 2 , mit O ,O  IN0 ¾ ¨ 0 ¸ ¨ ¸ 3 ©O ¹ ° ¨ ¸ ¨ 1 ¸ ° 2 © ¹ ¿

Zur mathematischen Formulierung des Optimierungsproblems werden die folgenden Bezeichnungen verwendet: k

U

: :

zU

:

OU

:

cU

:

ek

:

bk

:

Index zur Bezeichnung der Objektarten ( k 1,...,N ) Index zur Bezeichnung der elementaren Demontageprozesse ( U 1,...,S ) Grundaktivität bei einmaliger Durchführung des elementaren Demontageprozesses U Aktivitätsniveau zur Angabe der Anzahl der Durchführungen eines elementaren Demontageprozesses U Variable Demontagekosten bei einmaliger Durchführung des elementaren Demontageprozesses U ( c U t 0 ) Recyclingerlöse ( ek ! 0 ) bzw. variable Recyclingkosten ( ek  0 ) bei Absatz der Objektart k Maximale Absatzmenge für Objektart k ( bk t 0 )

Lektion 12: Erzeugnisprogrammplanung

a

209

Anzahl der im Planungszeitraum zurückgenommenen Produkte Bei insgesamt a zurückgenommenen Produkten und unter Berücksichtigung der Absatzhöchstmengen b1 ,...,b4 ergibt sich somit folgendes Restriktionsfeld R:

R

:

­ §  a · § z1 · § b1  a ·½ ¸° ¨ ¸ ¨ ¸ ¨ ° ° 4 ¨ 0 ¸ ¨ z2 ¸ ¨ b2 ¸° ® z  IR | ¨ ¸ d ¨ ¸ d ¨ ¾ z b ¸ 0 ° ¨ ¸ ¨ 3 ¸ ¨ 3 ¸° ¨ 0 ¸ ¨ z ¸ ¨ b ¸° ° © ¹ © 4 ¹ © 4 ¹¿ ¯

und damit der Produktionsraum Z

Z

T ˆR

­ a ° 0 ° 4 ® z  IR 0 ° ° 0 ¯

d

T ˆ R zu:  O1

½ d b1  a ° 2 ˜ O  O d b2 ° 1 2 , mit O , O  IN0 ¾ 3 ˜ O2 d b3 ° ° O1  2 ˜ O2 d b4 ¿

z1

1

d z2 d

z3

d z4

2

Insgesamt ergibt sich damit das Optimierungsproblem zu: 4

Max

¦

D

2

ek ˜ z k 

¦ c U ˜ OU

U 1

k 1

u.d .N . a d

z1

 O1 1

d b1  a 2

0 0

d z2 d z3

2˜O  O 3 ˜ O2

0

d z4

O1  2 ˜ O2 d O1 , O2 

d d

b2 b3 b4 IN 0

Setzt man nun beispielsweise a=1, c1 5 , c 2 13 , e1 0 , e2 2 , e3 3 und e4 2 und verzichtet man auf die Berücksichtigung von Absatzobergrenzen, so ergibt sich: Max 0 ˜ z1  2 ˜ z2  3 ˜ z3  2 ˜ z4  5 ˜ O1  13 ˜ O2

210

Kapitel D: Operatives Produktionsmanagement

u.d .N .  O1

z1

1

2

t

1

t t

0 0

z2 z3

2˜O  O 3 ˜ O2

z4

O1  2 ˜ O 2 t 0 O1 , O 2  IN 0

Es ergeben sich insgesamt vier zulässige Lösungen:

O1 O1 O1 O1

O2 1 und O2 1 und O2 1 und O2

0 und

0 : Deckungsbeitrag

0

0 : Deckungsbeitrag

1

1 : Deckungsbeitrag

1

2 : Deckungsbeitrag

3

Die deckungsbeitragsmaximale Lösung lautet damit O1 1 sowie O2 0 und führt damit zum Deckungsbeitrag DB 1 [GE]. Das optimale Produktionsprogramm z * (1,2,0,1) ergibt sich durch die Wahl der optimalen Demontagetiefe für einmalige Durchführung des elementaren Demontageprozesses U 1 . Bei komplizierten Produktstrukturen, wie etwa beim angegebenen Mikrowellenherd, oder bei größeren Stückzahlen a kann die optimale Lösung des ganzzahligen linearen Optimierungsproblems nicht mehr durch vollständige Enumeration der zulässigen Produktionsprogramme gelöst werden. Es muss dann auf leistungsfähige Verfahren des Operations Research zurückgegriffen werden. Mit Hilfe dieses Beispiels konnte gezeigt werden, dass sich bei Kuppelproduktionsprozessen den einzelnen Objektarten zwar keine Deckungsbeiträge zurechnen lassen, dies aber zur Bestimmung des deckungsbeitragsmaximalen Produktionsprogramms auch gar nicht notwendig ist. Der im vorliegenden Abschnitt aufgezeigte Programmplanungsansatz ist somit immer anwendbar, sofern es gelingt, jedes zulässige Produktionsprogramm mittels einer geeigneten ökonomischen Erfolgsfunktion zu bewerten. Das optimale Produktionsprogramm entspricht dann der optimalen Produktionsaktivität und ist eindeutig durch den Vektor O* (O1 ,..., O U ,..., OS ) der im Optimum zu wählenden Aktivitätsniveaus der einzelnen Grundaktivitäten z 1 ,....z U ,..., z S definiert.

Lektion 12: Erzeugnisprogrammplanung

12.3

211

Erzeugnisprogrammplanung bei Alternativproduktion

Der im vorangegangenen Abschnitt vorgestellte Ansatz zur operativen Produktionsprogrammplanung ist für sämtliche endlich generierbaren Techniken anwendbar, also auch bei mehrstufigen und zyklischen Techniken sowie bei Vorliegen von Kuppelproduktionsprozessen. Dieser Vorteil muss jedoch durch den Nachteil einer hohen Planungskomplexität erkauft werden, insbesondere dann, wenn lediglich wenige Hauptprodukte in mehreren Produktionsstufen und mit Hilfe zahlreicher Inputobjektarten und Zwischenprodukte hergestellt werden. In der Praxis wird daher die operative Produktionsprogrammplanung in der Regel lediglich für das Erzeugnisprogramm durchgeführt, auch genannt Leistungsprogramm oder Hauptproduktionsprogramm („Master Production Schedule“, Primärbedarf), bei dem lediglich die Hauptprodukte, d.h. die primär für den Absatzmarkt bestimmten End- und Zwischenprodukte, berücksichtigt werden. Der so ermittelte Primärbedarf ist damit Ausgangspunkt zur Ermittlung des Sekundärbedarfs, also des Bedarfs an originären Faktoren und zu verarbeitenden Zwischenprodukten. Voraussetzung dafür ist allerdings das Vorliegen einer limitationalen oder durch die Hauptprodukte determinierten Technik (Leontief-Technik; vgl. Lektion 8.2.2). Diese Bedarfsermittlung wird allerdings nicht mehr im Rahmen der Erzeugnisprogrammplanung sondern im Anschluss daran in der Materialwirtschaft durchgeführt, worauf in Lektion 13 eingegangen wird. Setzt man voraus, dass die Hauptprodukte unabhängig voneinander produziert werden können und somit keine Kuppelproduktion bezüglich der Hauptprodukte vorliegt (Alternativproduktion), so lassen sich für jedes Hauptprodukt produktspezifische Deckungsbeiträge ermitteln. Mit anderen Worten ist jeder Grundaktivität eindeutig ein einziges Hauptprodukt zugeordnet. Im Falle einer einzigen Grundaktivität je Hauptprodukt (Eineindeutigkeit, Bijektion) liegt eine durch die Hauptprodukte determinierte Technik (LeontiefTechnik) vor. In diesem Spezialfall ist der (haupt-)produktspezifische Deckungsbeitrag eindeutig durch den prozessspezifischen Deckungsbeitrag der betreffenden Grundaktivität bestimmt, was am bereits bekannten Beispiel der Lederwarenproduktion verdeutlicht werden soll. Wie in Lektion 5 bereits aufgezeigt, kann das zugrunde liegende Produktionssystem der Lederwarenproduktion als einstufige Leontief-Technik durch folgendes Gleichungssystem in x,y-Darstellung formal beschrieben werden (vgl. Abschnitt 5.4):

212

Kapitel D: Operatives Produktionsmanagement

x1 x2

50 ˜ y4 40 ˜ y4

x3

0 ,15 ˜ y4

y6

30 ˜ y4

 

50 ˜ y5 15 ˜ y5

 0 ,4 ˜ y5 

25 ˜ y5

Wie man erkennt, determinieren die Hauptprodukte 4 und 5 die anderen vier beachteten Objektarten. Es handelt sich hierbei bekanntlich um Schuhpaare und Taschen, die ganzzahlig als Stückzahl gemessen werden. Alle anderen Objektarten sind beliebig teilbar. Aus den obigen Technikgleichungen lässt sich unmittelbar berechnen, dass sich aus einer Nachfrage nach 40 Mengeneinheiten von Hauptprodukt 4 und 60 Einheiten von Hauptprodukt 5 ein Bedarf von 5.000 Einheiten des Faktors 1, 2.500 Einheiten des Faktors 2 und 30 Einheiten des Faktors 3 ergibt, wobei als Kuppelprodukt 2.700 Einheiten des Nebenprodukts 6 entstehen. (An dem Beispiel ist zu erkennen, dass bestimmte Formen der Kuppelproduktion, hier starre Kuppelproduktion bezüglich Nebenprodukten, durchaus mit der dargelegten Vorgehensweise vereinbar sind.) Geht man von folgenden Preisen der sechs Objektarten aus: p = (p1, ..., p6) = (1, 2, 500, 200, 400, 0)

so lautet der für ein beliebiges Hauptproduktionsprogramm (y4, y5) erzielbare Deckungsbeitrag: D

200 ˜ y 4  400 ˜ y 5  1 ˜ x1  2 ˜ x 2  500 ˜ x 3 r 0 ˜ x6 (200  1 ˜ 50  2 ˜ 40  500 ˜ 0,15 r 0 ˜ 30) ˜ y 4  (400  1 ˜ 50  2 ˜ 15  500 ˜ 0,4 r 0 ˜ 25) ˜ y 5 (200  205) ˜ y 4  (400  280) ˜ y 5 5 ˜ y 4  120 ˜ y 5

Die variablen Stückkosten des Hauptprodukts 4 betragen 205 [GE/ME], der Stückerlös nur 200 [GE/ME] ; daraus resultiert ein negativer Stückdeckungsbeitrag von 5 [GE/ME]. Jede hergestellte und verkaufte Einheit des Erzeugnisses 4 verringert den gesamten Deckungsbeitrag und damit den Gewinn um diesen Betrag, so dass es hinsichtlich des Erfolgsziels Gewinn besser ist, das Hauptprodukt 4 nicht herzustellen. Für 60 Einheiten des Hauptprodukts 5 mit seinem positiven Stückdeckungsbeitrag von 120 [GE/ME] kann man einen Deckungsbeitrag von 7.200 [GE] erzielen. Dieser sinkt jedoch auf 7.000 [GE], wenn außerdem noch 40 Einheiten des Hauptprodukts 4 erzeugt werden. Zwar wächst der Umsatz auf L = 200˜40 + 400˜60 = 32.000 [GE]; dafür steigen die gesamten variablen Kosten aber noch stärker, nämlich auf K = 205˜40 + 280˜60 = 1˜5.000 + 2˜2.500 + 500˜30 + 0˜2.700 = 25.000 [GE].

Lektion 12: Erzeugnisprogrammplanung

213

Zur Bestimmung des optimalen Produktionsprogramms sind nun sämtliche zulässigen, d.h. im Produktionsraum Z T ˆ R liegenden Erzeugnisprogramme ( y 4 , y 5 ) mittels einer geeigneten Erfolgsfunktion (Zielfunktion), etwa dem erzielbaren Deckungsbeitrag D 5 ˜ y4  120 ˜ y5 oder alternativ (im Sinne einer Marktausweitungsstrategie) dem erzielbaren Umsatz L 200 ˜ y4  400 ˜ y5 zu bewerten. Der Produktionsraum Z wurde bereits in Lektion 5 unter Zugrundelegung der in der betrachteten Planungsperiode vorliegenden Kapazitätsrestriktionen -

maximal 5.000 Arbeitsstunden maximal 3.000 Nähmaschinenstunden maximal 30 m2 Leder

sowie der vertraglich vereinbarten Lieferverpflichtungen -

mindestens 20 Paar Schuhe mindestens 10 Taschen

ermittelt und angegeben (vgl. Bild 5.4). Das deckungsbeitragsmaximale Erzeugnisprogramm lässt sich damit durch Lösung der folgenden ganzzahligen linearen Optimierungsaufgabe bestimmen: Max D

5 ˜ y4  120 ˜ y5

u.d .N . 50 ˜ y4



50 ˜ y5

d 5.000

40 ˜ y4



15 ˜ y5

d 3.000

0,15 ˜ y4 y4

 0,4 ˜ y5

d t

30 20

y5

t

10

y4 , y5



IN0

Möchte man hingegen das umsatzmaximale Erzeugnisprogramm bestimmen, so ist bei unveränderten Restriktionen folgende ganzzahlige lineare Optimierungsaufgabe zu lösen:

214

Kapitel D: Operatives Produktionsmanagement

Max

L

200 ˜ y 4  400 ˜ y 5

u.d .N . 50 ˜ y 4 40 ˜ y 4 0,15 ˜ y 4 y4



50 ˜ y 5

d 5.000

 15 ˜ y 5  0,4 ˜ y 5

d 3.000 d 30 t 20

y5 y4 , y5

t 

10 IN 0

Die grafische Lösung dieser zweidimensionalen Optimierungsaufgaben unter Vernachlässigung der Ganzzahligkeitsbedingung ist in Bild 12.4 für den zweiten Fall dargestellt; sie ergibt sich für das Beispiel zu y*4 40 Paar Schuhe und y*5 60 Taschen. Der maximal erzielbare Umsatz beträgt dann 32.000 GE. Zu ihrer Bestimmung wird die Isoquante der Zielfunktion so lange nach rechts oben verschoben, bis sie gerade noch einen Punkt gemeinsam mit dem schraffierten Produktionsraum hat. Dieser so genannte Eckpunkt entspricht dann dem optimalen Erzeugnisprogramm. Im Beispiel ist der sich ergebende Eckpunkt (40, 60) bereits ganzzahlig, was jedoch nicht immer der Fall sein muss (und für die praktische Lösung größerer Optimierungsaufgaben auch erhebliche Schwierigkeiten verursachen kann!). y5 100 75 Erfolgsmaximum 50 L max=32.000

25

25

50

75

100

y4

Bild 12.4: Grafische Bestimmung des umsatzmaximalen Erzeugnisprogramms (Quelle: Dyckhoff (1994), Abb. 11.10)

Lektion 12: Erzeugnisprogrammplanung

215

Beim Umsatzmaximum bilden die Faktoren 1 und 3, d.h. die verfügbare Arbeit und das Rohleder, Engpässe. Im Vergleich der Bilder 5.4 und 12.4 erkennt man dies daran, dass das Umsatzmaximum im Schnittpunkt derjenigen Geraden liegt, welche den Restriktionen dieser beiden Faktoren zugeordnet sind und den Produktionsraum an dieser Stelle begrenzen. Eine Lockerung dieser Restriktionen würde eine weitere Umsatzsteigerung ermöglichen. Die durch den Engpass verhinderte Verbesserung des Erfolges definiert seine Opportunitätskosten. Die marginalen Opportunitätskosten pro Engpasseinheit werden Schattenpreis des Engpasses genannt (Grenzopportunitätskosten). Wären beispielsweise von Faktor 3 (Rohleder) nicht nur 30 m2 sondern mindestens 35 m2 verfügbar, so wäre unter sonst gleichen Bedingungen (ceteris paribus) das Erzeugnisprogramm mit y4 = 20 Paar Schuhen und y5 = 80 Taschen umsatzmaximal (neuer Engpass neben der Arbeit wäre dann die Lieferverpflichtung für die Schuhe). Dieses Erzeugnisprogramm führt zu einem Umsatz in Höhe von 36.000 GE, also 4.000 GE mehr. Der entgangene Umsatz bedeutet in der gegebenen Situation Opportunitätskosten des Faktors Rohleder in Höhe von 4.000 GE; das sind 4.000:5 = 800 GE durchschnittliche Opportunitätskosten pro fehlendem Quadratmeter Rohleder. Dies entspricht hier dem Schattenpreis, weil auch bei marginaler Betrachtung entlang der Engpassgeraden des Faktors 1 (Arbeit) genau ein weniger produziertes Paar Schuhe zu einer mehr produzierten Tasche führt (50:50) und dabei 0,4  0,15 = 0,25 m2 Rohleder mehr verbraucht werden sowie der Umsatz um 400  200 = 200 GE erhöht wird (200:0,25 = 800!). Würde bei den gegebenen Daten an Stelle des Umsatzes der Deckungsbeitrag maximiert, wäre es optimal, soweit wie möglich nur das Hauptprodukt 5 herzustellen. Vom Hauptprodukt 4 müssen allerdings aufgrund bestehender Verpflichtungen 20 Einheiten erzeugt werden, obwohl sie wegen des negativen Stückdeckungsbeitrags den Gewinn senken. Begrenzt wird die Produktion des attraktiven Erzeugnisses 5 durch die noch verfügbare Kapazität des Faktors 3 (Rohleder) in Höhe von 30  0,15˜20 = 27 m2; er bildet einen Engpass, sobald mehr als 27/0,4 = 67,5 Einheiten des Hauptprodukts 5 hergestellt werden sollen. (Bei Taschen haben natürlich nur ganzzahlige Werte Sinn. Insoweit ist eine solche Marginalanalyse bei additiven Techniken problematisch. Bei größeren Stückzahlen, also etwa 67,5 Millionen, kann jedoch vereinfachend Linearität unterstellt werden.) Stünde vom Faktor 3 eine Mengeneinheit [1m2] mehr zur Verfügung, so könnten damit 1/0,4 = 2,5 Einheiten des attraktiven Produkts 5 mehr erzeugt werden, die auf diese Weise den Deckungsbeitrag um 120˜2,5 = 300 GE erhöhen würden. So hoch ist damit der Schattenpreis des Engpasses bei Faktor 3 in Bezug auf das Erfolgsziel Deckungsbeitrag. Eine Erweiterung der Faktorkapazität durch Zukauf weite-

216

Kapitel D: Operatives Produktionsmanagement

ren Rohleders würde sich somit lohnen, wenn dafür nicht mehr als 500 [GE/m2]+ 300 [GE/m2] = 800 [GE/m2] bezahlt werden müssen. Könnte man dagegen die Verpflichtung zur Herstellung des Hauptprodukts 4 von 20 auf 19 Einheiten senken, so könnte das dadurch frei gewordene Kontingent an 0,15 Einheiten des knappen Faktors 3 genutzt werden, um 0,15/0,4 = 0,375 Einheiten des Produktes 5 mehr zu erzeugen. Der Deckungsbeitrag würde einmal um den vermiedenen negativen Stückdeckungsbeitrag des Erzeugnisses 4 und außerdem um den anteiligen Deckungsbeitrag des Erzeugnisses 5 steigen; der Schattenpreis der Herstellungspflicht beträgt demnach in dieser Situation (5)˜(1) + 120˜0,375 = 50 GE je pflichtmäßig herzustellender Einheit des Produktes 4. Eine Nichterfüllung der Lieferpflicht für 20 Paar Schuhe würde sich deshalb für den Lederwarenhersteller nur dann finanziell lohnen, wenn anderweitige Nachteile nicht mehr als 50 GE je Paar Schuhe betragen (Konventionalstrafe oder Fehlmengenkosten). Die gesamten Opportunitätskosten belaufen sich auf 50˜20 = 1.000 GE. Ohne die Lieferverpflichtung für Produkt 4 steigt der maximale Deckungsbeitrag nämlich von 5˜20 + 120˜67,5 = 8.000 GE auf 5˜0 + 120˜75 = 9.000 GE. Opportunitätskosten und Schattenpreise sind situativ bedingt, insbesondere abhängig von dem jeweils verfolgten Ziel und den Daten der Entscheidungssituation des Produzenten. Es sei nunmehr angenommen, dass der Produzent den Absatzpreis des Hauptproduktes 4 auf e4 = 265 [GE/Paar Schuhe] erhöht, den Preis e5 = 400 [GE/Tasche] des anderen Hauptprodukts aber unverändert lässt. Die Stückdeckungsbeiträge lauten dann d4 = 265  205 = 60 und d5 = 400  280 = 120. Die frühere umsatzmaximale Produktion mit 40 und 60 Einheiten der beiden Erzeugnisse ist weiterhin umsatzmaximal, wenngleich natürlich der Umsatz von 32.000 auf 34.600 GE wächst. Das umsatzmaximale Erzeugnisprogramm ist nun aber gleichzeitig auch deckungsbeitragsmaximal, wie man durch Einzeichnen der entsprechenden Deckungsbeitragsisoquanten in Bild 12.4 erkennen kann. Eine weitere Erhöhung des Preises von Erzeugnis 4 würde die optimale Produktion erst dann verändern, wenn die Erfolgsisoquanten steiler als die Restriktionsgerade des Faktors 1 werden würden. Beim Umsatzmaximum wäre das für e4 > 400, beim maximalen Deckungsbeitrag für d4 > 120, d.h. für e4 > 325, der Fall. Durch Verallgemeinerung des hier vorgestellten Beispiels kommt man zum so genannten Standardansatz der Erzeugnisprogrammplanung (Hauptproduktionsprogrammplanung), der unter Zuhilfenahme der nachstehenden Bezeichnungen wie folgt formuliert werden kann: j

:

i

:

Index zur Bezeichnung der Hauptprodukte (Erzeugnisse) (j=m+1,...,m+n) Index zur Bezeichnung der Einsatzfaktoren (i=1,...,m)

Lektion 12: Erzeugnisprogrammplanung

yj

:

dj

:

aij

:

bi lj

: :

nj

:

217

Entscheidungsvariable zur Bestimmung der von Hauptprodukt j insgesamt zu produzierenden Menge ( y j t 0 bzw. y j  IN 0 ) Stückdeckungsbeitrag bei Produktion einer Mengeneinheit von Hauptprodukt j Produktionskoeffizient zur Bestimmung des Faktorverbrauchs von Einsatzfaktor i bei Produktion einer Mengeneinheit des Hauptprodukts j Maximale Einsatzmenge des Einsatzfaktors i Minimale Absatzmenge des Hauptprodukts j aufgrund vereinbarter Lieferverpflichtungen Maximale Absatzmenge des Hauptprodukts j m n

¦d

˜ yj

(12.13)

¦ aij ˜ y j d bi

i=1,...,m (12.14)

yj t lj

j=m+1,...,m+n (12.15)

yj d nj

j=m+1,...,m+n (12.16)

­t 0, im stetigen Fall yj ® ¯ IN 0 , im diskreten Fall

j=m+1,...,m+n (12.17)

Max D

j

j m 1

u.d.N. m n

j m 1

Die Zielfunktion (12.13) umfasst den durch Produktion und Absatz der Hauptprodukte erzielbaren Deckungsbeitrag. Die für jeden Einsatzfaktor streng einzuhaltenden Kapazitätsrestriktionen sind in (12.14) angegeben. (12.15) beinhaltet die Mindestlieferverpflichtungen und (12.16) die maximalen Absatzmengen für jedes der Hauptprodukte. (12.17) legt je nach Anwendungsfall Nichtnegativitäts- bzw. Ganzzahligkeitsbedingungen für die Entscheidungsvariablen fest. Das deckungsbeitragsmaximale Erzeugnisprogramm kann nun durch Lösung der (ganzzahligen) linearen Optimierungsaufgabe (12.13) – (12.17) bestimmt werden. Die im vorangehenden Beispiel aufgezeigte grafische Lösung ist lediglich für den Spezialfall zweier Hauptprodukte durchführbar; in allen anderen Fällen muss auf einschlägige Optimierungsverfahren des Operations Research (z.B. Simplex-Algorithmus bzw. Branch & Bound Verfahren) zurückgegriffen werden. Lediglich für den Ausnahmefall eines einzigen Kapazitätsengpasses lässt sich ein einfaches Lö-

218

Kapitel D: Operatives Produktionsmanagement

sungsverfahren angeben. Hierauf wird im nächsten Abschnitt kurz eingegangen.

12.4

Erzeugnisprogrammplanung bei einem einzigen Kapazitätsengpass

Bei Absatzschranken und einem einzigen relevanten Faktorengpass können die optimalen Produktquantitäten auch unmittelbar mittels der engpassspezifischen (oder relativen) Deckungsbeiträge ermittelt werden: Im zuletzt behandelten Beispiel der Lederwarenproduktion wäre es wegen der positiven Stückdeckungsbeiträge beider Erzeugnisse (d4 = 60, d5 = 120) ohne Faktorengpässe gewinnmaximal, so viele Einheiten von beiden herzustellen, wie die oberen Absatzschranken erlauben (absatzmaximales Erzeugnisprogramm). Diese seien mit n4 = 32 und n5 = 68 gegeben (z.B. mittels Nachfrageprognose). Das wird durch einen Engpass bei Faktor 3 verhindert, da an Stelle von 0,15˜32 + 0,4˜68 = 32 nur 30 Einheiten verfügbar sind; die anderen Faktoren sind für das absatzmaximale Erzeugnisprogramm ausreichend vorhanden. Es können also mangels ausreichender Kapazität des Faktors 3 nicht alle absetzbaren Produktmengen hergestellt werden. Im Hinblick auf die Frage, von welchem der beiden Erzeugnisse weniger erzeugt und abgesetzt werden soll, kommt es nun nicht auf die Stückdeckungsbeiträge, sondern vielmehr auf die spezifischen Deckungsbeiträge der Produkte in Bezug auf den Engpass an. Mit einer Mengeneinheit des Faktors 3 sind entweder 1/0,15 Einheiten von 4 oder 1/0,4 Einheiten von Produkt ~ ~ Produkt 5 erzeugbar und damit entweder d 43 = 60/0,15 = 400 GE oder d 53 = 120/0,4 = 300 GE an zusätzlichem Deckungsbeitrag erzielbar. Obwohl Produkt 5 einen höheren Stückdeckungsbeitrag aufweist, ist es günstiger darauf zu verzichten, weil das andere Produkt den Engpass relativ weniger belastet. Wegen der fehlenden 2 Einheiten beim Engpassfaktor 3 werden somit 2/0,4 = 5 Einheiten von Produkt 5 weniger als absetzbar hergestellt, also insgesamt 32 Einheiten von Produkt 4 und 63 Einheiten von Produkt 5. Der engpassspezifische Deckungsbeitrag des nur zu einem Teil hergestellten Produktes entspricht dem Schattenpreis des Engpassfaktors, hier also 300 [GE/ME] für Faktor 3.

Literaturhinweise zum vertieften Studium 1) Zum weiterführenden Studium von Prognoseverfahren sei auf Tempelmeier (2003) und die dort angegebene Literatur verwiesen. 2) Zur vertieften Erläuterung der Zielsetzung und der Aufgaben des operativen Produktionsmanagements sei z.B. auf Zäpfel (2001), Günther/Tempelmeier (2005), Schnee-

Lektion 12: Erzeugnisprogrammplanung

219

weiß (2002), Corsten (2004), Domschke/Scholl/Voß (1997) oder Stadler/Kilger (2005) und die dort angegebene Literatur verwiesen.

3) Zu den Optimierungsverfahren des Operations Research zur Lösung von (ganzzahligen) linearen Optimierungsaufgaben der Erzeugnisprogrammplanung sei auf Domschke/Drexl (2002) und Neumann/Morlock (2002) sowie die dort angegebene Literatur verwiesen.

Übungsaufgaben (Dyckhoff/Ahn/Souren (2004)) Übungsaufgaben 8.4, 8.5, 8.6, 9.2, 9.3, 9.6, 9.7

13 Materialwirtschaft

13.1 Ermittlung des Materialbedarfs 13.1.1 Darstellung von Erzeugnisstrukturen 13.1.2 Programmorientierte Ermittlung des Sekundärbedarfs 13.2 Losgrößenplanung 13.2.1 Statisches Grundmodell der Losgrößenplanung 13.2.2 Dynamisches Grundmodell der Losgrößenplanung

Die Materialwirtschaft schließt sich in den Standardkonzepten der Produktionsplanung und -steuerung (PPS) als Planungsaufgabe des operativen Produktionsmanagements an die Erzeugnis- bzw. Hauptproduktionsprogrammplanung und damit an die Ermittlung des Primärbedarfs der Hauptprodukte an. Ihre Aufgabe liegt in der Ermittlung des für die Produktion des Primärbedarfs benötigten Sekundärbedarfs, d.h. des Bedarfs an fremdzubeziehenden bzw. eigenzufertigenden materiellen Einsatzfaktoren und Zwischenerzeugnissen, wie Einzelteilen und Baugruppen. Außer dem Primärbedarf werden zur Bestimmung des Sekundärbedarfs im Rahmen der programmorientierten Bedarfsermittlung die aus einer Leontief-Technik resultierenden Erzeugnisstrukturen der Hauptprodukte herangezogen, die üblicherweise durch Stücklisten oder Gozinto-Grafen gegeben sind. Neben der programmorientierten Bedarfsermittlung, die aufgrund ihrer Komplexität in der Regel nur für hochwertige Einzelteile und Baugruppen (A- und B-Erzeugnisse) zur Anwendung kommt, ist für geringwertige Einzelteile und Baugruppen (CErzeugnisse) die „verbrauchs-“ oder vergangenheitsorientierte Bedarfsermittlung verbreitet. Diese basiert auf stochastischen Bedarfsprognosen und erreicht daher nicht die Genauigkeit der programmorientierten Bedarfsermittlung. Durch Abgleich des aus Primär- und Sekundärbedarf ermittelten Bruttobedarfs mit verfügbaren Lagerbeständen wird der Nettobedarf der betrachteten Planungsperiode berechnet. Dies bildet dann den Ausgangspunkt der sich anschließenden Losgrößenplanung, die neben der in Abschnitt 13.1 behandelten Bedarfsermittlung ein zweites wichtiges Aufgabengebiet der Materialwirtschaft darstellt. In Abhängigkeit von fixen Beschaffungs- bzw. Umrüstkosten und anzusetzenden Lagerhaltungskosten kann es unter Kostengesichtspunkten günstiger sein, über den aktuellen Nettobedarf hinausgehende Losgrößen zu beschaffen bzw. zu produzieren. Die Bestimmung kostenminimaler Losgrößen ist Gegenstand der in Abschnitt 13.2 vorgestellten Losgrößenplanung.

222

13.1

Kapitel D: Operatives Produktionsmanagement

Ermittlung des Materialbedarfs

Die vergangenheitsorientierte Sekundärbedarfsermittlung für geringwertige Materialarten wird in der Praxis üblicherweise mit Hilfe zeitreihenbasierter Prognoseverfahren durchgeführt. Neben einer mehr oder weniger regelmäßig durchzuführenden Überwachung der verfügbaren Lagerbestände werden hierbei vergangenheitsorientierte Verbrauchsmengen durch in der Regel univariate Prognoseverfahren in die Zukunft extrapoliert. Es kommen dabei die bereits im Rahmen der Absatzprogrammplanung der Lektion 12.1 diskutierten Methoden zur Bildung gleitender Durchschnitte sowie zur exponentiellen Glättung zum Einsatz, so dass hierauf in der vorliegenden Lektion nicht näher eingegangen wird. Zur Ermittlung des Sekundärbedarfs wird daher in erster Linie auf die programmorientierte Bedarfsermittlung für hochwertige Objektarten eingegangen. 13.1.1 Darstellung von Erzeugnisstrukturen

Zur Montageplanung komplexer zusammengesetzter Produkte werden im Maschinenbau und in der Elektrotechnik üblicherweise deren Erzeugnisstrukturen herangezogen. Diese ergeben sich als Gesamtheit der nach Montagegesichtspunkten festgelegten Beziehungen zwischen den Baugruppen und Einzelteilen eines Erzeugnisses. Die kleinste aus einem oder mehreren Werkstoffen geformte Einheit mit festgelegten geometrischen Abmessungen wird als Einzelteil bezeichnet. Die Zusammensetzung mehrerer Einzelteile zu einer größeren Einheit bezeichnet man als Baugruppe, insbesondere kann eine Baugruppe auch aus anderen Baugruppen, eventuell unter Verwendung zusätzlicher Einzelteile, zusammengesetzt sein. Die Darstellung der Erzeugnisstruktur erfolgt meist tabellarisch in Form von Struktur- oder Baukastenstücklisten bzw. grafisch als Strukturbild (vgl. Bild 13.1). Die Erzeugnisstruktur zusammengesetzter Produkte entspricht mehrstufigen Leontief-Techniken. Sie ist zyklenfrei, d.h. Baugruppen nachgelagerter Montagestufen werden nicht als Input in vorgelagerte Montagestufen eingesetzt. Dies gilt i.a. jedoch nicht für die Prozessindustrie, die im Gegensatz zum Maschinen- und Anlagenbau, zur Elektrotechnik oder zur Bauindustrie durch zahlreiche Kuppelproduktionsprozesse mit zyklischen Strukturen gekennzeichnet ist. Zur grafischen Veranschaulichung der Erzeugnisstruktur und damit als Ausgangspunkt zur Sekundärbedarfsermittlung wird der so genannte Gozinto-Graf herangezogen, der durch einen bewerteten gerichteten Grafen darstellbar ist. Im Falle zyklenfreier Erzeugnisstrukturen ist auch der zugehörige Gozinto-Graf zyklenfrei. Bild 13.2 zeigt die Erzeugnisstruktur aus Bild 13.1 als Gozinto-Graf. Die Knotenmenge (Kreise) bezeichnet hierbei die Menge aller zu berücksichtigenden Produktkomponenten. Die Menge der

Lektion 13: Materialwirtschaft

223

beachteten Objektarten wird damit im Rahmen der programmorientierten Bedarfsermittlung auf die zu berücksichtigenden Einzelteile und Baugruppen eingeschränkt, die zu den A- oder B-Erzeugnissen zu rechnen sind. Auf die vergangenheitsorientiert zu ermittelnden Sekundärbedarfe der geringwertigen C-Erzeugnisse sowie nicht-materieller Produktionsfaktoren wird bei der Konstruktion des Gozinto-Grafen dagegen verzichtet. Strukturbild

Baukastenstückliste E1

E1 1

12

1

1

A

B

A

5

2

1

4

B

1

11

2

8

4 2

5

1

C

5

aus Menge 12 1 1

A Nr. B 4 C 8

aus Menge 2 2 1 1

Erzeugnis E1 besteht aus Stufe Sach2 3 4 5 Nr. Menge x x x

B

2

2

B

Nr. 1 A B

Strukturstückliste

C 1

3

x x 2

B

5

Nr. 2 5

8 2

9 10 6

C Nr. 9 10 6

aus Menge 1 3 2

x x x x

2

12

4

aus Menge 1

6 Nr. 11

aus Menge 1

6

x x x x

3

1

8

13

11

Nr. 12

Gruppe, Erzeugnis

x

x x Nr. 11

9

aus Menge 5 2

aus Menge 2

9 Nr. 13

aus Menge 3

x x

1 A B 2 5 4 11 C 9 13 10 6 11 8 12 B 2 5

12 1 2 10 4 2 2 1 1 3 3 2 2 1 2 1 5 2

Einzelteil

Bild 13.1: Darstellungsarten von Erzeugnisstrukturen (in Anlehnung an DIN (1977))

Die Pfeilmenge des Grafen enthält die strukturellen Beziehungen der Produktkomponenten untereinander. Die Bewertungsfunktion der Pfeile gibt die Anzahl der Produktkomponenten i an, die zur Montage einer Einheit der unmittelbar übergeordneten Produktkomponente ic benötigt werden (Produktionskoeffizient; hier: Direktbedarfskoeffizient). Bild 13.2 verdeutlicht diesen Zusammenhang für das in Bild 13.1 angegebene Beispiel einer zyklenfreien Erzeugnisstruktur.

224

Kapitel D: Operatives Produktionsmanagement

2

12

8

3

13

9

1 1

4 1

2

1

11

2

6

1

C

1

A

E1

3 2

10

1

5

2

B 2 5

12

1

Bild 13.2: Darstellung der Erzeugnisstruktur aus Bild 13.1 als Gozinto-Graf (Quelle: Spengler (1994), Abb. 3-2)

12 13

2 3 1

11

1

8 9 6

1 1 1

4

1

8 1

9 6 10

1 4 2 5 1

2 1 3

C

1

C

1

A

2

1 E1

5 2

A

B

1

2

B

1

12

Bild 13.3: Zum Gozinto-Grafen aus Bild 13.2 kompatibler I/O-Graf

1

E1

Lektion 13: Materialwirtschaft

225

Der Gozinto-Graf ist damit eine auf die höherwertigen Produktkomponenten eingeschränkte und gleichzeitig vereinfachte produktorientierte Darstellungsform der in Lektion 8 formal eingeführten I/O-Grafen für den Spezialfall einer Leontief-Technik. Beim I/O-Grafen handelt es sich um eine prozessorientierte Sichtweise des zur Erzeugung der betrachteten Hauptprodukte durchzuführenden mehrstufigen Produktionsprozesses. Jeder hierbei zu durchlaufende Elementarprozess kann durch eine Grundaktivität modelliert werden. Zur Transformation des Gozinto-Grafen in einen korrespondierenden I/OGrafen sind die zur Herstellung der jeweils angegebenen Produktkomponenten durchzuführenden Elementarprozesse der Strukturtypen a und b aus Bild 8.4 zu ergänzen, woraus Bild 13.3 resultiert. Die Einzelteile 1, 2, 5, 10, 11, 12, 13 können nicht durch einen Elementarprozess im betrachteten Produktionssystem erzeugt werden und stellen damit Inputobjektarten des Systems dar. Die Einzelteile 4, 6, 8, 9, die Baugruppen A, B, C sowie das Hauptprodukt E1 werden durch die gleichnamigen Elementarprozesse erzeugt. Formal lässt sich der durch den I/O-Grafen dargestellte mehrstufige Montageprozess zur Herstellung des Hauptprodukts E1 mittels folgender Technikmatrix M beschreiben:

z kU 1 2 4 5 6 8 9 10 11 12 13 A B C E1

z E1 ½ ° 0 0 0 0 0 0 0  12° 0 0 0 0 0 5 0 0 ° ° 1 0 0 0 2 0 0 0 ° 0 0 0 0 0 2 0 0 ° ° 0 1 0 0 0 0 2 0 ° 0 0 1 0 1 0 0 0 ° ° 0 0 0 1 0 0 1 0 ° ¾ 0 0 0 0 0 0 3 0 ° 1 1 0 0 0 0 0 0 ° ° 0 0 2 0 0 0 0 0 ° 0 0 0 3 0 0 0 0 ° ° 1 ° 0 0 0 0 1 0 0  1 °° 0 0 0 0 2 1 0 0 0 0 0 1 0 1 0 ° ° 0 0 0 0 0 0 0 1 ¿ z4

z6

z8

z9

zA

zB

zC

M

226

Kapitel D: Operatives Produktionsmanagement

Es handelt sich um eine outputseitig determinierte additive Technik T (Leontief-Technik), die sich formal wie folgt angeben lässt:

T

­ ° 15 ® z  IR | z °¯

½ ° z U ˜ OU , mit OU  IN0 für alle U ¾ °¿ U ^4 ,6 ,8 ,9 , A ,B ,C ,E1 `

¦

Für einen vorgegebenen Primärbedarf y E1 für das Endprodukt E1 sowie eventuellen weiteren Primärbedarf für die Zwischenprodukte kann der Sekundärbedarf für die zu beschaffenden sowie für die zu produzierenden Produktkomponenten am einfachsten unmittelbar anhand des Gozinto-Grafen oder des I/O-Grafen ermittelt werden. Es handelt sich um eine spiegelbildliche Aufgabenstellung zu der in Abschnitt 9.1.1 behandelten mehrstufigen inputseitig-determinierten Technik. Im Falle allgemeiner endlich generierbarer additiver Techniken ist die Berechnung jedoch nicht so einfach. Zwar lassen sich ohne Schwierigkeiten entsprechende Gleichungssysteme aufstellen. Sie sind aber nicht immer lösbar oder erfordern aufwendigere Matrizenoperationen. Dies gilt nicht bei Leontief-Techniken ohne Zyklen. 13.1.2 Programmorientierte Ermittlung des Sekundärbedarfs

Ist die Erzeugnisstruktur eines Produkts bereits durch Stücklisten, Rezepturen oder den zugehörigen Gozinto-Grafen gegeben, so ist zur programmorientierten Bedarfsermittlung nicht notwendigerweise der Weg über den I/O-Grafen und die zugrunde liegende additive oder lineare outputseitig determinierte Technik zu gehen. Stattdessen kann der Gozinto-Graf unmittelbar als Ausgangspunkt zur Aufstellung der quadratischen Direktbedarfsmatrix A dienen, deren Koeffizienten akk c ( k , k c 1,...,N ) angeben, wie viele Mengeneinheiten einer Produktkomponente k direkt in die Produktion einer Mengeneinheit einer unmittelbar übergeordneten Produktkomponente k c eingehen. Sie werden daher als Direktbedarfskoeffizienten bezeichnet. Die Voraussetzung einer outputseitig determinierten Technik impliziert, dass keine Kuppelproduktionsprozesse vorliegen und die zugrunde liegenden Elementarprozesse eindeutig durch die jeweils produzierte Produktkomponente identifiziert werden können. Jeder Elementarprozess produziert daher genau eine einzige Outputobjektart, und jede Outputobjektart wird von genau einem einzigen Elementarprozess produziert. Zur Verdeutlichung der Methodik wird das in Bild 13.4 angegebene Beispielprodukt, das bereits in Lektion 11 zur Erläuterung der spiegelbildlichen inputseitig determinierten Demontageprozesse eingeführt wurde, herangezogen.

Lektion 13: Materialwirtschaft

227

3

3 2

2

2 4

1

1

Bild 13.4: Gozinto-Graf eines einfachen Beispielprodukts (vgl. Bild 11.5)

Die Direktbedarfsmatrix A lässt sich unmittelbar wie folgt angeben: § a11  a14 · ¨ ¸ A ¨    ¸ ¨a ¸ © 41  a44 ¹

§0 ¨ ¨2 ¨0 ¨ ¨1 ©

0 0 0· ¸ 0 0 0¸ 3 0 0¸ ¸ 2 0 0 ¸¹

Zur Produktion einer Mengeneinheit des Produkts 1 werden also zwei Mengeneinheiten der Baugruppe 2 und eine Mengeneinheit des Einzelteils 4 benötigt. Die Produktion einer Mengeneinheit der Baugruppe 2 erfordert drei Mengeneinheiten des Einzelteils 3 und zwei Mengeneinheiten des Einzelteils 4. Bezeichnet yk den aus der Erzeugnisprogrammplanung ermittelten Primärbedarf von Produktkomponente k und vk den zur Deckung des Primärbedarfs sämtlicher übergeordneter Produktkomponenten notwendigen Sekundärbedarf der Produktkomponente k, so ergibt sich der Gesamt- oder Bruttobedarf rk der Produktkomponente k zu vk  y k

rk

k

1,...,N

(13.1)

k

1,...,N

(13.2)

Der Sekundärbedarf vk ergibt sich dabei wie folgt: N

¦ akk c ˜ rk c

vk

kc 1

Es gilt somit: § r1 · ¨ ¸ ¨¸ ¨r ¸ N¹ ©, r

§ a11  a1N · § r1 · § y1 · ¨ ¸ ¨ ¸ ¨ ¸ ¨    ¸˜¨  ¸  ¨  ¸ ¨a ¸ ¨ ¸ ¨ ¸ 1  aNN ¹ © rN ¹ © yN ¹ © N , , A

r

y

(13.3)

228

Kapitel D: Operatives Produktionsmanagement

Geht man über zur Vektordarstellung und führt die N -dimensionale Einheitsmatrix

I

§1 0  0· ¨ ¸ ¸ ¨0  ¨  0¸ ¨ ¸ ¨0  0 1¸ © ¹

ein, so ergibt sich : r

I  A ˜ r

A˜r  y œ

y

(13.4)

Die Matrix § 1  a11 ¨ ¨  a21 IA ¨  ¨ ¨ a N1 ©



 a12 

  aNN 1



 a1N · ¸  ¸  aN 1N ¸ ¸ 1  aNN ¸¹

wird als technologische Matrix bezeichnet. Im Beispiel lautet sie 0 § 1 ¨ ¨ 2 1 IA ¨ 0 3 ¨ ¨1  2 ©

0 0· ¸ 0 0¸ 1 0¸ ¸ 0 1 ¸¹

Transformiert man nun den Gozinto-Grafen aus Bild 13.4 in den zugehörigen I/O-Grafen (vgl. Bild 13.5), so entsprechen die ersten beiden Spaltenvektoren der technologischen Matrix den beiden Grundaktivitäten der Elementarprozesse zur Montage des Produkts 1 und der Baugruppe 2 und damit der Technikmatrix der zugrunde liegenden diskreten Leontief-Technik.

3 4

3 2

2

1

2

2

1

Bild 13.5: I/O-Graf zum Beispiel des Bildes 13.4

1

1

1

Lektion 13: Materialwirtschaft

229

Aus Gleichung (13.4) lässt sich nun im Falle der Invertierbarkeit der technologischen Matrix I  A und eines vorgegebenen Primärbedarfsvektors y der Brutto- oder Gesamtbedarfsvektor r berechnen:

r

I  A 1 ˜ y

(13.5)

Die Matrix G I  A 1 wird als Brutto- oder Gesamtbedarfsmatrix bezeichnet und ergibt sich für das Beispiel zu

G

§1 ¨ ¨2 ¨6 ¨ ¨5 ©

0 0 0· ¸ 1 0 0¸ 3 1 0¸ ¸ 2 0 1 ¸¹

Die Spalten der Gesamtbedarfsmatrix entsprechen den Mengenübersichtsstücklisten und umfassen den Gesamtbedarf der zur Herstellung der zugehörigen Produktkomponenten benötigten Einzelteile und Baugruppen. Die Zeilen der Gesamtbedarfsmatrix entsprechen dagegen den Teileverwendungsnachweisen. Sie geben an, wie viele Mengeneinheiten einer bestimmten Produktkomponente insgesamt in die jeweils anderen Produktkomponenten eingehen. Beide Listenarten finden in der Praxis üblicherweise Verwendung. Man erkennt hieraus beispielsweise, dass zur Produktion des Primärbedarfs y1 1 des Erzeugnisses 1 insgesamt zwei Baugruppen 2, sechs Einzelteile 3 und fünf Einzelteile 4 benötigt werden. Zur Produktion einer Baugruppe 2 werden gemäß zweiter Spalte drei Einzelteile 3 und zwei Einzelteile 4 benötigt. Die Einzelteile 3 und 4 können gemäß dritter und vierter Spalte durch den betrachteten Prozess nicht erzeugt werden. Umgekehrt lässt sich aus den Zeilen ablesen, dass die Baugruppe 2 zweimal in das Erzeugnis 1 eingeht; das Einzelteil 3 geht sechsmal in Erzeugnis 1 ein und dreimal in die Baugruppe 2. Einzelteil 4 geht dagegen fünfmal in Erzeugnis 1 und zweimal in Baugruppe 2 ein. Im vorgestellten Beispiel ergibt sich etwa für den Primärbedarfsvektor

y

§ 10 · ¨ ¸ ¨0¸ ¨0¸ ¨ ¸ ¨0¸ © ¹

der Bruttobedarfsvektor

230

Kapitel D: Operatives Produktionsmanagement

r

§1 ¨ ¨2 ¨6 ¨ ¨5 ©

0 1 3 2

0 0 1 0

0 · § 10 · ¸ ¨ ¸ 0¸ ¨ 0 ¸ ˜ 0¸ ¨ 0 ¸ ¸ ¨ ¸ 1 ¸¹ ¨© 0 ¸¹

§ 10 · ¨ ¸ ¨ 20 ¸ ¨ 60 ¸ ¨ ¸ ¨ 50 ¸ © ¹

und hieraus der Sekundärbedarfsvektor

v

§0· ¨ ¸ ¨ 20 ¸ ¨ 60 ¸ ¨ ¸ ¨ 50 ¸ © ¹

Berechnet man nun für jede Teilperiode des betrachteten Planungszeitraums ausgehend von den jeweils vorgegebenen Primärbedarfen die jeweiligen Bruttobedarfe der Produktkomponenten, so lassen sich durch Abgleich dieser terminierten Bruttobedarfe mit den in jeder Teilperiode verfügbaren Lagerbeständen die jeweiligen Nettobedarfe bestimmen. Für diese ist dann zu entscheiden, ob und zu welchen Zeitpunkten sie beschafft oder produziert werden sollen. Dies führt zum zweiten großen Themenkomplex der Materialwirtschaft, der im folgenden Abschnitt erläutert wird. Die geschilderte Vorgehensweise zur programmorientierten Ermittlung des Sekundär- bzw. Bruttobedarfs wird in der Praxis auch als Stücklistenauflösung bezeichnet. Sie stellt das Kernstück derzeitiger kommerzieller Systeme zur Produktionsplanung und -steuerung (PPS-Systeme) dar und reicht historisch unter dem Begriff Materials Requirement Planning (MRP) bis in die Anfänge EDV-gestützter Produktionsplanung zurück. Bei einfachen Produktstrukturen kann die Stücklistenauflösung auch unmittelbar am GozintoGrafen durchgeführt werden, beispielsweise mit Hilfe des so genannten Dispositionsstufenverfahrens. Hierauf wird jedoch nicht näher eingegangen. Die Stücklistenauflösung dient der Bestimmung des Mengengerüsts für die benötigten Vorprodukte und ist damit wesentliche Grundlage zur Durchführung einer Produktkostenkalkulation und damit zur ökonomischen Bewertung neu entwickelter Produkte. Die dargestellte Methodik ist dabei nicht auf zyklenfreie Gozinto-Grafen beschränkt und kann daher auch bei Vorliegen zyklischer Produktionsstrukturen, also beispielsweise in der chemischen Industrie, zum Einsatz kommen. Lediglich im Falle von Kuppelproduktionsprozessen oder auch bei variablen Direktbedarfskoeffizienten muss sie erweitert werden.

Lektion 13: Materialwirtschaft

13.2

231

Losgrößenplanung

Die Losgrößenplanung hat die Aufgabe, Entscheidungen hinsichtlich der Auflagengröße (Seriengröße, Losgröße) und Auflagenzeitpunkte so zu treffen, dass einerseits für jede Produktkomponente der benötigte Nettobedarf rechtzeitig zur Verfügung gestellt wird und andererseits die Summe der hierzu im Planungszeitraum insgesamt aufzuwendenden entscheidungsrelevanten Kosten minimal wird. Das hierbei zu lösende Optimierungsproblem entsteht aufgrund eines Zielkonflikts zwischen den entscheidungsrelevanten Kostenarten hinsichtlich der zu wählenden Losgröße. So führen niedrige Losgrößen etwa zu häufigen Bestellvorgängen (Fremdbezug) bzw. Umrüstvorgängen der Produktionsanlagen (Eigenfertigung) und damit verbundenen hohen Auflagefixkosten. Aufgrund der mit niedrigen Losgrößen verbundenen bedarfsnahen Beschaffung bzw. Produktion entstehen im Zeitablauf jedoch lediglich geringe Lagerbestände und damit verbunden niedrige Lagerhaltungskosten (Kapitalbindungskosten). Im Falle hoher Losgrößen verhalten sich die angegebenen Kostenarten genau umgekehrt. Die gesamtkostenminimale Losgröße liegt daher üblicherweise irgendwo zwischen den beiden Extremen. Die Modellierung der einem Losgrößenproblem zugrunde liegenden praktischen Problemstellung führt zu einer Reihe unterschiedlicher Losgrößenmodelle, die je nach Voraussetzungen und Annahmen sowie in Abhängigkeit vom gewählten Aggregationsgrad der Modellbildung die Realität mehr oder minder angemessen abbilden. Grundsätzlich werden mehrstufige von einstufigen, stochastische von deterministischen, statische von dynamischen sowie Einprodukt- von Mehrprodukt-Losgrößenmodellen unterschieden. Darüber hinaus sind der Umfang der Berücksichtigung von Produktions-, Beschaffungs- und Lagerkapazitätsrestriktionen sowie reihenfolgeabhängigen bzw. reihenfolgeunabhängigen Rüstzeiten und -kosten wesentliche Unterscheidungsmerkmale. Im Folgenden werden lediglich zwei einfache Losgrößenmodelle vorgestellt, die beide als Grundlage zur Entwicklung komplexerer und damit deutlich realitätsnäherer Losgrößenmodelle sowohl in der Literatur als auch in der Praxis eine hohe Bedeutung erlangt haben. Abschnitt 13.2.1 umfasst das von Harris (1913) entwickelte statische Grundmodell der Losgrößenplanung. Dieses geht von einem im Planungszeitraum konstanten Nettobedarf und der Zeitunabhängigkeit sämtlicher exogener Modellparameter aus und erfordert daher keine weitere Unterteilung des Planungszeitraums in Teilperioden. In Abschnitt 13.2.2 wird das von Wagner/Whitin (1958) entwickelte dynamische Grundmodell der Losgrößenplanung vorgestellt, das auf einer Unterteilung des Planungszeitraums in einzelne Teilperioden und damit auf zeitabhängigen Nettobedarfen und weiteren exogenen Modellparametern beruht.

232

Kapitel D: Operatives Produktionsmanagement

Beiden betrachteten Grundmodellen ist gemeinsam, dass sie von einer isolierten Planung der Losgrößen einzelner Produktkomponenten ausgehen, ohne die Erzeugnisstruktur und damit die sich hieraus ergebenden losgrößenabhängigen Nettobedarfe sämtlicher hierarchisch übergeordneter und untergeordneter Produktkomponenten zu berücksichtigen. Diese Vorgehensweise führt somit zu einer hierarchischen Bestimmung der Losgrößen. Die auf übergeordneten Hierarchiestufen der Erzeugnisstruktur gebildeten Losgrößen stellen verbindliche Vorgaben für die auf diese Weise exogen gegebenen Nettobedarfe untergeordneter Hierarchieebenen dar. Die termingerechte Bereitstellung der Nettobedarfe untergeordneter Hierarchiestufen ist somit eine unabdingbare Voraussetzung für die Produktion der bereits festgelegten Losgrößen übergeordneter Produktkomponenten. In der Praxis ist dies jedoch aufgrund von Kapazitätsrestriktionen der Produktion oder der Lieferanten oftmals nicht leistbar, so dass die gebildeten Losgrößen so nicht realisiert werden können. Dies bedingt im Rahmen der in Lektion 14 vorgestellten kurzfristigen Produktionsablaufplanung und Produktionssteuerung eine Reihe von Änderungen im Produktionsplan. Gleichermaßen können durch Vernachlässigung der sachlichen und zeitlichen Interdependenzen zwischen den Hierarchieebenen Kosteneinsparpotenziale nicht erschlossen werden. Die gebildeten „kostenminimalen“ Losgrößen bleiben daher bezogen auf die gesamte Produktionsstruktur in der Regel suboptimal. Komplexe mehrstufige dynamische Losgrößenmodelle stellen heutzutage den Stand der Technik moderner PPS-Systeme, der so genannten Advanced-Planning-Systems (APS), dar. 13.2.1 Statisches Grundmodell der Losgrößenplanung

Es wird eine einzelne Güterart betrachtet, für die während der Produktionsperiode eine im Zeitablauf gleich bleibende Nachfrage in konstanter Höhe besteht. Der Perioden(netto)bedarf beträgt n Einheiten; das bedeutet bei einer Periodendauer von W Zeiteinheiten eine Nachfragerate in Höhe von E n / W . Dabei kann es sich um die externe Nachfrage nach einem am Markt abgesetzten Endprodukt oder auch um den betriebsinternen Bedarf für einen Repetierfaktor handeln, der als Zwischenprodukt eigenproduziert oder am Beschaffungsmarkt fremdbezogen wird. Eine in einem Zusammenhang gelieferte bzw. ohne Unterbrechung produzierte Quantität heißt Los oder Auflage, Serie bzw. Bestellmenge. Dabei kommt es regelmäßig vor, dass Lose nur zu diskreten Zeitpunkten in einer  innerhalb gewisser Grenzen  disponiblen Größe bereitgestellt werden können. Bei der Eigenproduktion ist dies oft technisch unumgänglich (Chargenproduktion), etwa bei der Roheisengewinnung in einem Hochofen. Beim Fremdbezug ist die diskontinuierliche, mehr oder minder schlagartige Anlieferung meistens durch die Transportkapazität der Verkehrsträger, z.B.

Lektion 13: Materialwirtschaft

233

der Lastkraftwagen, bedingt. In Bild 13.6 ist der zeitliche Verlauf des Lagerbestandes für eine Periodendauer von 12 Zeiteinheiten eingezeichnet. Der Periodenbedarf wird hier in drei Zeitpunkten im Abstand von je t = 4 Zeiteinheiten gedeckt (Eindeckzeit), indem zu diesen Zeitpunkten ein Los in der Größe q = n/3 bereitgestellt wird. Man erkennt an dem sich wiederholenden, sägezahnförmigen Verlauf, dass sich während der Produktionsperiode im Mittel q/2 Mengeneinheiten im Lager befinden. Aktueller Lagerbestand

q

q/2 Zeit t 4

8

W = 12

Bild 13.6: Zeitlicher Verlauf des Lagerbestandes bei losweisem Zugang und gleichmäßigem Abgang (Quelle: Dyckhoff (2006), Bild 12.1)

Je größer das Los  und damit die Eindeckzeit  ist, umso größer ist der durchschnittliche Lagerbestand. Damit wachsen aber auch die Lagerhaltungskosten. Das sind zum einen die eigentlichen Lagerkosten für Löhne, Energie, Raummiete u.a.m., welche allerdings zu einem großen Teil bestandsunabhängig und damit fix sind. Zum anderen verursachen die Lagerbestände Kapitalbindungskosten dadurch, dass die Unternehmung während des Zeitraums zwischen der Auszahlung für die Bereitstellung eines Repetierfaktors und der Einzahlung des Erlöses für ein damit hergestelltes Produkt Zinsverluste auf das eingesetzte Kapital hinnehmen muss. Es wird hier angenommen, dass die bestandsabhängigen Kosten proportional zum durchschnittlichen Lagerbestand q/2 sind. Der Proportionalitätsfaktor entspricht hierbei einem Lagerhaltungskostensatz in Höhe von clag Geldeinheiten je Guts- und Zeiteinheit multipliziert mit der Periodendauer W. Bestandsfixe Kosten bleiben unberücksichtigt, da sie durch eine Variation der Losgröße nicht verändert werden können und somit die Erfolgsmaximierung nicht beeinflussen. Um die Lagerhaltungskosten zu senken, sollte die Losgröße möglichst klein sein. Dann nimmt allerdings die Häufigkeit zu, mit der Lose aufgelegt bzw. bestellt werden müssen. Bei jeder Auflage oder Bestellung eines neuen Loses

234

Kapitel D: Operatives Produktionsmanagement

ist mit einmaligen Kosten zu rechnen, die von der Größe des Loses unabhängig sind und losfixe Kosten clos genannt werden (Rüstkosten oder bestellfixe Kosten). Sie rühren zum einen aus einem dem Rüst- oder Bestellvorgang direkt zurechenbaren Aufwand an Material, Energie u.a.m. her. Zum anderen beruhen sie auf dem mit der Einschaltung oder Umstellung einer Maschine bzw. mit der Bestellung durch einen Einkäufer verbundenen Zeitaufwand. Dieser Zeitaufwand führt zu Opportunitätskosten, wenn er anderweitig nutzbar ist. Rüstkosten sind besonders für Engpassmaschinen anzusetzen, auf denen nacheinander verschiedene Erzeugnisse hergestellt werden (Wechselproduktion). Was konkret alles zu den losfixen Kosten zu zählen ist, hängt von der betrachteten Entscheidungssituation ab. Kurzfristig, bei der fallweisen Entscheidung über ein einzelnes oder einige wenige Lose, sind durch ein Los oft nur geringe Opportunitätskosten zu erwarten. Die Opportunitätskosten sind sogar gleich Null, wenn es sich um unterbeschäftigte Maschinen oder Personen handelt, die nicht anderweitig einsetzbar sind. Auf die Dauer sind nicht voll ausgelastete Kapazitäten aber gewöhnlich anders nutzbar oder sogar abbaubar, weshalb ihre Belastung wiederum zu Opportunitätskosten führt. Geht es bei der Losgrößenbestimmung also nicht um eine einzelne Disposition, sondern um eine ablauforganisatorische Maßnahme durch die dauerhafte Festlegung einer generellen Entscheidungsregel, so sind dann grundsätzlich alle durch das Los verursachten Maschinen- und Personaleinsatzzeiten relevant. Außer den losfixen Kosten Klos und den bestandsabhängigen Lagerhaltungskosten Klag gibt es im Allgemeinen noch sonstige Kosten Ksonst zur Bereitstellung von n Einheiten des Gutes während einer Periode, insbesondere Herstellungs- bzw. Beschaffungskosten. Sie werden hier exemplarisch als teils proportional zur Gesamtproduktionsmenge n und teils fix unterstellt. Die gesamten Periodenkosten ergeben sich so zu: K

K los  K lag  K sonst

c los ˜

n W ˜ q var  c ˜ n  K fix (13.6)  c lag ˜ q 2

Die beiden letzten Summanden, d.h. die sonstigen Kosten, hängen nicht von der Losgröße q ab und sind daher bei der Losgrößenbestimmung nicht relevant. Sie werden deshalb üblicherweise nicht formuliert, obwohl sie i.d.R. den größten Anteil an den Gesamtkosten haben. Ebenso werden die Erlöse als positive Erfolgskomponente außer Acht gelassen, da sie durch die Losgröße nur dann beeinflusst werden, wenn durch eine ungeschickte Losgrößenpolitik Fehlmengen auftreten würden. Dies ist hier jedoch annahmegemäß nicht der Fall (vgl. Bild 13.6), so dass durch Erlöseinbußen hervorgerufene Fehlmengen(opportunitäts)kosten nicht zu berücksichtigen sind.

Lektion 13: Materialwirtschaft

235

Das durch die zuvor beschriebenen Annahmen und die so vereinfachte Kostenfunktion zum Ausdruck gebrachte Modell heißt (einfaches) Harris-Modell. Es ist von dem US-Amerikaner Harris (1913) entwickelt worden. Die auf ihm beruhende Losgrößenformel gehört zu den bekanntesten und auch in der Praxis am weitesten verbreiteten Modellen der Betriebswirtschaftslehre. Kosten [GE/Jahr] 50000

K 40000

los

+K K

lag

lag

30000 20000 10000

K 2000

12000

6000

los

Losgröße q [Stück]

Bild 13.7: Losgrößenabhängige Kosten (Quelle: Dyckhoff (2006), Bild 12.2)

Bild 13.7 zeigt beispielhaft den Verlauf der beiden relevanten Kostenanteile sowie ihrer Summe. Dabei sind als Zeiteinheit ein Monat, als Periode ein Jahr (W = 12), als Periodenbedarf n = 18000 [Stück/Jahr], als Rüstkosten clos = 4800 [GE/Los] und als Lagerhaltungskostensatz clag = 0,4 [GE/(Stück· Monat)] unterstellt. Die Loskosten Klos fallen hyperbelförmig mit der Losgröße, die bestandsabhängigen Kosten Klag wachsen proportional mit ihr. Die gesamten losgrößenabhängigen Kosten haben ein eindeutiges Minimum, welches im Beispiel bei q = 6000 [Stück] liegt. Es ist ein besonderes, auf den speziellen Annahmen des Harris-Modells beruhendes Merkmal, dass die Loskosten im Kostenminimum genau den Bestandskosten entsprechen; sie betragen hier Klos = Klag = 14400 [GE/Jahr]. Analytisch lässt sich die optimale oder wirtschaftliche Losgröße q* bestimmen, indem die mathematische Ableitung der Kostenfunktion (13.6) nach q gleich Null gesetzt wird:

K c( q )

c los ˜

n q

2

 c lag ˜

W 2

0

(13.7)

Durch Auflösen nach q ergibt sich die Bestellmengen- oder Losgrößenformel:

236

Kapitel D: Operatives Produktionsmanagement

q*

2 ˜ n ˜ c los

2 ˜ E ˜ c los

W ˜ c lag

c lag

(13.8)

Daraus resultieren ohne Berücksichtigung der sonstigen Kosten minimale (oder indirekte) relevante Kosten K = K los + Klag in Höhe von

K( q* )

2 ˜ n ˜ c los ˜ clag ˜ W

(13.9)

13.2.2 Dynamisches Grundmodell der Losgrößenplanung

Das dynamische Grundmodell der Losgrößenplanung basiert auf den folgenden Annahmen: -

Der Planungszeitraum wird in tmax Teilperioden t=1,...,tmax eingeteilt. Die Nettobedarfe der betrachteten Produktkomponente nt in den Teilperioden t sind bekannt und betragen ( n1 ,..., nt max ). Es wird von einer einteiligen und einstufigen Produktion ausgegangen. Fehlmengen sind ausgeschlossen. Für jede Teilperiode t=1,...,tmax soll entschieden werden, ob und in welcher Höhe ein Los qt t 0 aufgelegt werden soll. Die entscheidungsrelevanten Kosten einer Teilperiode t setzen sich aus auflagenfixen Kosten K los ( qt ) und den Lagerhaltungskosten K lag ( st ) zusammen.

st bezeichnet dabei den Lagerendbestand der Teilperiode t; c lag den Lagerhaltungskostensatz pro Stück und Teilperiode; c los die losfixen Kosten pro Bestell- bzw. Umrüstvorgang. Die Gesamtkosten einer Teilperiode t ergeben sich damit zu: Kt

K los ( qt )  K lag ( st )

K los ( qt )

­°c los , falls ® °¯ 0 , sonst

K lag ( st ) c lag ˜ st st

st 1  qt  nt

t=1,...,tmax (13.10) qt ! 0

t=1,...,tmax (13.11)

t=1,...,tmax (13.12) t=1,...,tmax (13.13)

Lektion 13: Materialwirtschaft

237

Die Lagerbilanzgleichung (13.13) ist eng verwandt mit den früheren dynamischen Bilanzgleichungen (4.1) und (9.1) der Lektionen 4 und 9. Sie ist sogar nahezu identisch mit (9.1), wenn man berücksichtigt, dass es sich bei einem Los qt um eine fremd beschaffte Menge xt (Bestellmenge) oder um eine eigenproduzierte Menge ut (Serie) handeln kann und dass der Nettobedarf nt sowohl aus Primärbedarf yt als auch aus Sekundärbedarf vt resultieren kann. Die Minimierung der gesamten entscheidungsrelevanten Kosten innerhalb des betrachteten Planungszeitraums t=1,...,tmax führt damit zum folgenden dynamischen Grundmodell zur Bestimmung des gesuchten Losgrößenvektors ( q1 ,..., qt max ): t max

Min

¦

t max

(c los ˜ G t  c lag ˜ s t )

c los ˜

t 1

¦

t max

G t  c lag ˜

t 1

¦s t 1

t

u.d .N . st

(13.14)

s t 1  q t  nt (mit s0

Gt

­1, falls ® ¯0, sonst

qt t 0

0) ½ ° qt ! 0 ° ¾ t ° ° ¿

1,..., t max

Man erkennt, dass die entscheidungsrelevanten Kosten mit denen des statischen Modells (13.6) übereinstimmen, wenn in gleichen Abständen stets identische Lose qt = q aufgelegt würden und der Bedarf konstant ist: nt = E. Es handelt sich bei (13.14) um ein gemischt-ganzzahliges lineares Optimierungsproblem mit den binären Entscheidungsvariablen G t , die genau dann den Wert eins annehmen, wenn in Teilperiode t ein Los aufgelegt werden soll, d.h. wenn qt ! 0 gilt. Die kontinuierlichen Entscheidungsvariablen qt t 0 nehmen für vorgegebene ganzzahlige Nachfragemengen nt  IN0 ebenfalls ganzzahlige Werte an; gleiches gilt für die Lagerendbestände st . Das bekannteste Verfahren zur Lösung des dynamischen Grundmodells beruht auf der dynamischen Programmierung und wurde von Wagner/Whitin (1958) entwickelt. Es basiert auf einem mathematisch bewiesenen Satz, der aussagt, dass für die im dynamischen Grundmodell (13.14) angenommene Zielfunktion lediglich folgende Losgrößen qt optimal sein können:

238

Kapitel D: Operatives Produktionsmanagement

qt 0 qt

nt

qt

nt  nt  1

qt

nt  nt  1  nt  2

 qt

nt  nt  1  ...  nt max

(13.15)

Diese lassen sich mit Hilfe des in Bild 13.8 dargestellten gerichteten Grafen veranschaulichen:

1

2

3



tma x

tma x +1

Bild 13.8: Gerichteter Graf zur Lösung des dynamischen Grundmodells

Der kostenminimale Losgrößenvektor ( q1 ,..., qt max ) ergibt sich als kürzester Weg von der Quelle t = 1 zur Senke t = tmax+1 , sofern die dargestellten Pfeile des gerichteten Grafen mit den jeweils entscheidungsrelevanten Kosten der zugehörigen Losgrößenentscheidung bewertet werden. Er wird auch als optimale (Losgrößen-)Politik bezeichnet. Zur Verdeutlichung dieser Vorgehensweise sei das folgende Beispiel von Schneeweiß (2002), S. 221ff, betrachtet. Für die nächsten vier Monate liegen für ein zu produzierendes Erzeugnis die folgenden Nettobedarfe [Stück] vor: (80, 100, 125, 100). Der Anfangslagerbestand des ersten Monats beträgt s0 0 ; die auflagenfixen Kosten betragen c los 60 [Euro] und der monatliche Lagerhaltungskostensatz beträgt clag 0,4 [Euro/(Stück ˜ Monat)] . Zur Bestimmung einer optimalen Losgrößenpolitik kann nun der in Bild 13.9 dargestellte gerichtete Graf konstruiert werden.

Lektion 13: Materialwirtschaft

239

60+0,4·(100+250+300)=320 60+0,4·100+0,4·250=200 60+0,4·100=100 60+0,4·100=100

60

60 1

2

60 3

60 4

5

60+0,4·125=110 60+0,4·(125+200)=190

Bild 13.9: Gerichteter Graf zur Bestimmung einer optimalen Losgrößenpolitik

Bei der Betrachtung eines längeren Planungszeitraums bzw. einer kürzeren Teilperiode steigt der Rechenaufwand des zu konstruierenden gerichteten Grafen, so dass zur Bestimmung kürzester Wege auf geeignete Algorithmen des Operations Research zurückgegriffen werden muss. Wie sich unmittelbar ablesen lässt, beträgt der „kürzeste Weg“ von der Quelle t = 1 zur Senke t = 5 insgesamt 200 [Euro]. Die kostenminimale Losgrößenpolitik ergibt sich zu (180, 0, 225, 0). Im ersten Monat wird der Nettobedarf der ersten beiden Monate und im dritten Monat der Nettobedarf der beiden letzten Monate produziert. In den Monaten zwei und vier werden demnach keine Lose aufgelegt.

Hinweise zum vertieften Studium 1) Die programmorientierte Bedarfsrechnung mittels Gozinto-Graf und Matrizen im Falle von Leontief-Techniken ist ein traditionelles Gebiet der Produktionswirtschaftslehre und der Materiallogistik. Es wird in fast jedem Lehrbuch behandelt (siehe z.B. Dyckhoff (2006), Lektion 10). 2) Zum Dispositionsstufenverfahren siehe Zäpfel (2001), Günther/Tempelmeier (2005) und Dyckhoff (2006). 3) Geeignete Erweiterungen bei Kuppelproduktion werden in weiterführenden Monografien zur Produktionswirtschaft diskutiert (vgl. Rentz (1979), Jahnke (1986), Spengler (1998), Sieverdingbeck (2001), Altrogge (2003)). 4) Zu Lagerhaltungsmodellen siehe Domschke/Schol/Voß (1997), Günther/Tempelmeier (2005), Tempelmeier (2006).

240

Kapitel D: Operatives Produktionsmanagement

5) Zum Studium von Advanced Planning Systems (APS) sei auf weiterführende Lehrbücher zum Produktionsmanagement verwiesen (vgl. Günther/Tempelmeier (2005), Domschke/Scholl/Voß (1997), Stadtler/Kilger (2005), Tempelmeier (2006)). 6) Die meisten Lehrbücher zum Produktionsmanagement stellen den auf der dynamischen Programmierung beruhenden Lösungsalgorithmus von Wagner/Whitin (1958) ausführlich vor (vgl. Domschke/Scholl/Voß (1997), Zäpfel (2001), Schneeweiß (2002), Günther/Tempelmeier (2005)).

Übungsaufgaben (Dyckhoff/Ahn/Souren (2004)) Übungsaufgaben 10.1, 10.2, 10.3, 12.1, 12.2, 12.3, 12.4, 12.5

14 Produktionsablaufplanung und aktuelle Produktionssteuerung

14.1 Terminplanung 14.1.1 Vereinfachter dynamischer Input/Output-Graf 14.1.2 Netzplantechnik 14.2 Kapazitätsplanung 14.2.1 Kapazitätsplanung bei Projektproduktion 14.2.2 Kapazitätsplanung bei Fließproduktion 14.3 Reihenfolgeplanung und Feinterminierung

Die in Lektion 13 vorgestellten Planungsaufgaben der Materialwirtschaft fokussieren auf die im betrachteten Planungszeitraum zur Produktion des Primärbedarfs bereitzustellenden und die hierdurch verursachten Kosten. Zeitliche Aspekte der Bereitstellung der Potenzialfaktoren unter Beachtung der verfügbaren Produktions- und Beschaffungskapazitäten bleiben jedoch außen vor. Dieser Aufgabe widmet sich die Produktionsablaufplanung, die in der Literatur oftmals auch als Termin- und Kapazitätsplanung bezeichnet wird. Die Terminplanung befasst sich mit der zeitlichen Strukturierung komplexer, mehrstufiger Produktionsprozesse, wie sie etwa in der Einzelproduktion1 (Bauindustrie, Anlagenbau) vorliegen. Sie ermittelt beispielsweise den frühesten Fertigstellungstermin eines Produktes auf Basis ablaufbedingter Reihenfolgerestriktionen der durchzuführenden Arbeitsaufgaben. Die konkrete Berücksichtigung verfügbarer Kapazitäten im Rahmen eines vorgegebenen Organisationstypen der Produktion (z.B. Baustellenproduktion, Werkstattproduktion, Fließproduktion, ...) schließt sich dann als Aufgabe der Kapazitätsplanung an. Diese stellt sicher, dass ein vorgesehener Produktionsablauf kapazitätsmäßig zulässig ist. Dies ist im Einzelfall oftmals mit der zeitlichen Verschiebung einzelner Arbeitsschritte und damit des in der Terminplanung berechneten frühest möglichen Fertigstellungstermins verbunden. Neben der Baustellenproduktion wird in der vorliegenden Lektion auch exemplarisch auf den Organisationstyp der Fließproduktion zur Herstellung hoher Stückzahlen im Rahmen der Großserien-/Massenproduktion eingegangen. Der Feinplanung und aktuellen Produktionssteuerung kommt in der industriellen Praxis eine wichtige Bedeutung zu, da aufgrund unvorhersehbarer 1

Anstelle von Einzelproduktion wird in der Praxis häufig auch von Projektproduktion gesprochen.

242

Kapitel D: Operatives Produktionsmanagement

Änderungen, Störungen bzw. unsicherer und unvollständiger Planungsdaten die ermittelten Termin- und Kapazitätspläne kurzfristig revidiert und an veränderte Randbedingungen angepasst werden müssen. Zum Abschluss der Lektion werden daher wesentliche Aspekte der Feinplanung und aktuellen Produktionssteuerung kurz erläutert.

14.1

Terminplanung

Die Terminplanung komplexer, mehrstufiger Produktionsprozesse erfolgt in der Praxis häufig mit Hilfe der Netzplantechnik. Diese stellt leistungsfähige Methoden zur Durchlaufterminierung bereit und bildet gleichzeitig eine wesentliche Grundlage zur Durchführung der sich anschließenden Kapazitätsplanung. Die Ableitung von Netzplänen kann ausgehend von dynamischen I/O-Grafen oder Petri-Netzen erfolgen, die durch Berücksichtigung von Prozesszeiten und zeitlichen Reihenfolgerestriktionen aus I/O-Grafen entstehen (vgl. Lektion 11). Hierauf wird im nächsten Abschnitt kurz eingegangen. 14.1.1 Vereinfachter dynamischer Input/Output-Graf

Ausgehend von den in Lektion 11 bereits vorgestellten dynamischen I/OGrafen eines elementaren Prozesses werden dynamische I/O-Grafen mehrstufiger Produktionsprozesse analog definiert. Zu Zwecken der Terminplanung können hierbei einzelne Elementarprozesse (Grundaktivitäten) geeignet zu einer Aktivität U zusammengefasst werden. Insgesamt sollen U 1,...,S verschiedene Aktivitäten betrachtet werden. Die Aktivitätsdauern W U werden dabei als exogen gegeben und in der betrachteten Planungsperiode konstant angesehen. Des Weiteren können die Input- und Outputkoeffizienten der betrachteten Aktivitäten U vernachlässigt werden, sofern vorausgesetzt wird, dass alle zur Durchführung der Aktivität benötigten Inputobjektarten rechtzeitig bereitgestellt werden. Zur Verdeutlichung der Vorgehensweise zur Erstellung des so vereinfachten dynamischen I/O-Grafen wird das Beispiel der mehrstufigen Erzeugnisstruktur aus Bild 13.1 und der zugehörige I/O-Graf aus Bild 13.3 herangezogen. Der dynamische I/O-Graf soll für den Fall der Projektproduktion (Einzelproduktion) zur Herstellung einer einzigen Mengeneinheit des Hauptprodukts E1 konstruiert werden. Fragestellungen zur Produktion größerer Stückzahlen, die zu anderen Organisationstypen der Produktion und damit auch zu Fragen der Losbildung auf den Ebenen der Zwischenprodukte führen, werden hier nicht untersucht.

Lektion 14: Produktionsablaufplanung

243

IJ8=6 8 IJ4=3 4 IJStart=0 Start

IJ9=5 9

IJC=4 C

IJA=2 A

IJE1=1 E1

IJEnde=0 Ende

IJ6=7 6 IJB=10 B Bild 14.1: Vereinfachter dynamischer I/O-Graf zur Produktion von Erzeugnis E1

Bild 14.1 zeigt den aus Bild 13.3 abgeleiteten vereinfachten I/O-Grafen zur Produktion des Erzeugnisses E1 . Die Pfeile entsprechen den aus dem (statischen) I/O-Grafen abgeleiteten ablaufbedingten Reihenfolgerestriktionen zur Durchführung der Aktivitäten 4, 6, 8, 9, B, C, A, E1 . Diese werden als Knoten U mit den zugehörigen Aktivitätsdauern W U abgebildet. Die Knoten „Start“ und „Ende“ werden darstellungstechnisch als so genannte DummyKnoten eingeführt und weisen daher die Aktivitätsdauern W Start W Ende 0 auf. Ein Pfeil ist in Bild 14.1 nur gestrichelt abgebildet. Er ergibt sich zwar logisch so aus dem Produktionsablauf des I/O-Grafen, ist jedoch für die beabsichtigte Termin- und Kapazitätsplanung überflüssig, wie nachfolgend deutlich wird. Im Netzplan des Bildes 14.2 ist er deshalb nicht mehr enthalten. Der so erhaltene vereinfachte dynamische I/O-Graf dient nun als Ablaufstruktur des zugrunde liegenden mehrstufigen Produktionsprozesses. Im folgenden Abschnitt wird dieser in einen Netzplan überführt und zur Durchführung der Terminplanung mit einschlägigen Methoden der Netzplantechnik untersucht. 14.1.2 Netzplantechnik

Die Netzplantechnik dient der Planung und Steuerung größerer Projekte. Sie basiert auf Netzplänen, die zur grafischen Darstellung von Reihenfolgerestriktionen und zur zeitlichen Strukturierung des Projektablaufs erstellt werden. Bei einem Netzplan handelt es sich um einen gerichteten Grafen, bestehend aus Knoten und Pfeilen. Je nach dem, ob zur Abbildung von Vorgängen (Aktivitäten) Knoten oder Pfeile herangezogen werden, unterscheidet man vorgangsknoten- von vorgangspfeilorientierten Netzplänen. Weit verbreitet sind etwa die CPM-Methode (Critical-Path-Method) als Vertreter der vor-

244

Kapitel D: Operatives Produktionsmanagement

gangspfeilorientierten Netzpläne sowie die MPM-Methode (Metra-PotentialMethode) als Vertreter der vorgangsknotenorientierten Netzpläne. Bezüglich der Bestimmung von Vorgangsdauern sind neben den beiden genannten deterministischen Methoden auch stochastische Methoden, wie PERT (Program Evaluation and Review Technique) und GERT (Graphical Evaluation and Review Technique), beide als Vertreter der vorgangspfeilorientierten Netzpläne, gebräuchlich. Aufgrund der einfachen Anwendbarkeit und weiten Verbreitung in der Praxis werden im Folgenden ausschließlich MPM-Netzpläne untersucht. Zur Strukturplanung mittels MPM-Netzplänen wird auf folgende Notation zurückgegriffen: (1) Vorgang A muss vor Vorgang B ausgeführt werden:

A

B

(2) Vorgang A hat die Vorgänge B und C als Vorgänger sowie D und E als Nachfolger:

B

D A

C

E

(3) Zwischen dem Beginn von Vorgang A und dem Beginn des nachfolgenden Vorgangs B müssen mindestens t Zeiteinheiten liegen (AnfangsAnfangs-Beziehung):

A

t

B

Zur Zeitplanung mittels MPM-Netzplänen werden die den einzelnen Vorgängen entsprechenden Knoten wie folgt dargestellt:

Lektion 14: Produktionsablaufplanung

245

U

WU

FAZ U

SAZ U

FEZ U

SEZ U

Hierbei bezeichnen:

U, G WU FAZ U FEZ U SAZ U SEZ U

: : : : : :

Indizes zur Bezeichnung der Vorgangsnummer Dauer des Vorgangs U Frühester Anfangszeitpunkt des Vorgangs U Frühester Endzeitpunkt des Vorgangs U Spätester Anfangszeitpunkt des Vorgangs U Spätester Endzeitpunkt des Vorgangs U

Unter der Voraussetzung, dass der betrachtete Netzplan zyklenfrei ist und genau eine Quelle besitzt, können die genannten Zeitpunkte mit Hilfe einer Vorwärtsrechnung ( FAZ U , FEZ U ) sowie einer sich anschließenden Rückwärtsrechnung ( SAZ U , SEZ U ) rekursiv mittels folgender Gleichungen berechnet werden:

x Vorwärtsrechnung: FAZ U

FEZ U

^

max FAZG  tGU

G  P( U )

FAZ U  W U

`

(14.1) (14.2)

P( U ) bezeichnet hierbei die Menge aller unmittelbaren Vorgänger von Vorgang U ; die Zeitdauer tGU entspricht dem einzuhaltenden zeitlichen Minimalabstand zwischen dem Anfang von Vorgang G und dem Anfang von Vorgang U . Oftmals entspricht tGU der Dauer W G des vorangehenden Vorgangs G .

246

Kapitel D: Operatives Produktionsmanagement

x Rückwärtsrechnung: SAZ U

SEZ U

^

min SAZ G  t UG

G S ( U )

`

(14.3)

SAZ U  W U

(14.4)

S ( U ) bezeichnet hierbei die Menge aller unmittelbaren Nachfolger von Vorgang U ; die Zeitdauer t UG entspricht dem einzuhaltenden zeitlichen Minimalabstand zwischen dem Anfang von Vorgang U und dem Anfang von Vorgang G . Oftmals entspricht t UG der Dauer W U des vorangehenden Vorgangs U . Bild 14.2 zeigt beispielhaft die Vorgehensweise für den aus Bild 14.1 abgeleiteten MPM-Netzplan zur Produktion von Erzeugnis E1 . Dabei ist unterstellt, dass gilt: FAZ S 0 (frühester Projektstart) und SEZ E FEZ E (frühestes Projektende = spätestes Projektende). Da alle einzuhaltenden zeitlichen Minimalzustände tGU der Dauer der Vorgängeraktivität entsprechen, sind sie im Bild überflüssig und könnten auch von den Pfeilen entfernt werden.

0 0 S 0 0

0 0 0

0 0

8 0 6

6 5 11

4 0 3

3 8 11

9 0 5

5 2 7

6 0 7

7 0 7

B 0 10

10 1 11

6 3

5

C 7 11

4 7 11

4

A 11 13

2 11 13

2

E1 13 14

1 13 14

1

E 14 14

0 14 14

7 0

10 Legende:

ȡ IJȡ FAZȡ SAZȡ FEZȡ SEZȡ

Bild 14.2: Terminplanung zur Produktion von Erzeugnis E1 mittels MPM-Netzplan

Diejenigen Vorgänge (im Beispiel die Aktivitäten S, 6, C, A, E1 , E), deren früheste und späteste Anfangs- bzw. Endzeitpunkte einander entsprechen, bilden den so genannten kritischen Weg. Die Differenz des spätesten und

Lektion 14: Produktionsablaufplanung

247

frühesten Anfangs- bzw. Endzeitpunkts eines Vorgangs wird als dessen Pufferzeit bezeichnet und entspricht dem Zeitraum, um den sich der Beginn bzw. Abschluss des Vorgangs verzögern kann, ohne das Projektende nach hinten zu verschieben. Die kritischen Vorgänge weisen daher keine Pufferzeit auf, so dass jede Verzögerung eines Vorgangs entlang des kritischen Wegs zu einer entsprechenden Verzögerung des Fertigstellungstermins (Projektendes) führt. Im Beispiel liegt der früheste Fertigstellungstermin des Erzeugnisses E1 im Zeitpunkt t=14, sofern die Produktion zum frühestmöglichen Zeitpunkt t=0 gestartet wird. Die Pufferzeiten der unkritischen Vorgänge betragen Vorgang 8: Vorgang 9: Vorgang 4: Vorgang B:

-

SAZ 8  FAZ 8 SEZ 8  FEZ 8 5 Zeiteinheiten SAZ 9  FAZ 9 SEZ 9  FEZ 9 2 Zeiteinheiten SAZ 4  FAZ 4 SEZ 4  FEZ 4 8 Zeiteinheiten SAZ B  FAZ B SEZ B  FEZ B 1 Zeiteinheit .

Grafisch lassen sich die Zusammenhänge mit Hilfe eines Gantt-Chart (Balkendiagramm) darstellen (vgl. Bild 14.3). Vorgänge

E1 Fertigstellungstermin

A C B 6 4 9 8 0

1

2

3

4

5

6

7

8

9 10 11 12 13 14 15 16

t

Bild 14.3: Gantt-Chart zum MPM-Netzplan aus Bild 14.2

Der Fertigstellungstermin t=14 kann somit im Beispiel genau dann gehalten werden, wenn keine zeitlichen Verzögerungen der Vorgänge entlang des kritischen Wegs (grau markierte Vorgänge) zu verzeichnen sind und gleichzeitig eventuell auftretende Verzögerungen der unkritischen Vorgänge die jeweils verfügbaren Pufferzeiten (gestrichelte Balken) nicht übersteigen.

248

Kapitel D: Operatives Produktionsmanagement

14.2

Kapazitätsplanung

Die in der Terminplanung durchgeführte Ermittlung frühestmöglicher Fertigstellungstermine eines Erzeugnisses basiert lediglich auf ablaufbedingten Reihenfolgerestriktionen der durchzuführenden Vorgänge. Sie vernachlässigt damit den zugrunde liegenden Organisationstyp der Produktion und setzt voraus, dass sämtliche Vorgänge prinzipiell zu ihren frühestmöglichen Anfangszeitpunkten starten und damit auch zu ihren frühestmöglichen Endzeitpunkten abgeschlossen werden können. Es spielt in der Terminplanung keine Rolle, ob die zur Durchführung der eingeplanten Vorgänge notwendigen materiellen und personellen Ressourcen sowie nachgefragten Kapazitäten der einzusetzenden Produktiveinheiten überhaupt in diesen Zeiträumen in ausreichender Menge zur Verfügung stehen. Dieser Fragestellung widmet sich die Kapazitätsplanung. Sie prüft zu jedem Zeitpunkt und für jede knappe Ressource, ob die Kapazitätsnachfrage das verfügbare Kapazitätsangebot überschreitet und somit ein unzulässiger Produktionsablaufplan vorliegt. Ist dies zumindest für einen Zeitpunkt innerhalb des betrachteten Planungszeitraums der Fall, so müssen in der operativen Planung geeignete Maßnahmen zur kurzfristigen Erhöhung des Kapazitätsangebots oder zur kurzfristigen Verminderung der Kapazitätsnachfrage ergriffen werden: (1) Erhöhung des Kapazitätsangebots; z.B.: -

Zeitliche Anpassung durch Überstunden oder Zusatzschichten Intensitätsmäßige Anpassung bei Gutenberg-Techniken Quantitative Anpassung durch innerbetrieblichen Austausch von Arbeitskräften oder Inbetriebnahme von Reservemaschinen

(2) Verminderung der Kapazitätsnachfrage; z.B.: -

Zeitliches Vorziehen oder Hinausschieben von Arbeitsvorgängen Auswärtsvergabe von Arbeitsaufträgen (Fremdbezug statt Eigenproduktion) Verkleinerung von Losgrößen oder Aufteilung von Losen

Im vorliegenden Abschnitt wird beispielhaft für den Fall der Einzelproduktion (Projekt-/Werkbank-/Baustellenproduktion) sowie für den Fall der Großserien-/Massenproduktion (Fließproduktion) aufgezeigt, wie im Anschluss an eine bereits erfolgte Terminplanung kapazitätsmäßig zulässige Produktionsablaufpläne ermittelt werden können. Im Falle der Einzelproduktion (Abschnitt 14.2.1) erfolgt dies durch Anpassung der Kapazitätsnachfrage an lediglich eine einzige knappe Ressource, im gewählten Beispiel hinsichtlich des Personaleinsatzes. Im Falle der Großserien-/Massenproduktion (Abschnitt 14.2.2) wird untersucht, wie eine vorgegebene Produktionsleistung

Lektion 14: Produktionsablaufplanung

249

durch eine geeignete Verteilung der durchzuführenden Arbeitsgänge auf möglichst wenige Arbeitsstationen erreicht werden kann. In beiden Fällen wird zunächst vereinfachend davon ausgegangen, dass keine anderen Produktionsaufträge um knappe Kapazitäten konkurrieren, so dass eine Reihenfolgeplanung verschiedener zu produzierender Erzeugnisse nicht notwendig wird. Auf diesen Aspekt wird in Abschnitt 14.3 eingegangen. 14.2.1 Kapazitätsplanung bei Projektproduktion

Zur Verdeutlichung der Kapazitätsplanung bei Projektproduktion sei auf das Beispiel aus Abschnitt 14.1 zurückgegriffen. Es wird nun vorausgesetzt, dass zur Durchführung jedes im Gantt-Chart (vgl. Bild 14.3) dargestellten Arbeitsvorgangs genau ein Mitarbeiter benötigt wird. Bild 14.4 zeigt für jeden Zeitpunkt innerhalb des Planungszeitraums t  [ FAZ s , SEZ E ] [0,14] die benötigte Anzahl an Mitarbeitern sowie die im Planungszeitraum maximal verfügbare Mitarbeiterzahl. Weitere knappe Ressourcen könnten simultan mitbetrachtet werden, worauf hier jedoch aus Gründen der Übersichtlichkeit verzichtet wird. Anzahl Mitarbeiter

7 6 5

5

Anzahl verfügbarer Mitarbeiter: 4

4

4

3

3

2

2

1

1 0

1

2

3

4

5

6

7

8

9 10 11 12 13 14 15 16

t

Bild 14.4: Anzahl der benötigten und verfügbaren Mitarbeiter im Planungszeitraum

Wie sich in Bild 14.4 zeigt, übersteigt im Zeitraum t  [0,3] die nachgefragte Personalkapazität die verfügbare um eine Person; der Terminplan ist damit nicht durchführbar. Zur Erreichung eines zulässigen Ablaufplans ist nun zu prüfen, ob es gelingt, durch Verschieben einzelner Vorgänge innerhalb ihrer Pufferzeiten die vorliegenden Kapazitätsüberschreitungen zu vermeiden, ohne hierdurch den anvisierten Fertigstellungstermin zu verschieben. Wie man sofort erkennt, ist dies im vorliegenden Beispiel etwa durch Verschieben

250

Kapitel D: Operatives Produktionsmanagement

von Vorgang 8 um 3 Zeiteinheiten möglich, so dass sich der in Bild 14.5 angegebene zulässige Produktionsablaufplan ergibt.

Vorgänge

E1 Fertigstellungstermin

A C B 6 4 9 8 0

1

2

3

4

5

6

7

8

9 10 11 12 13 14 15 16

t

Anzahl Mitarbeiter

7 6 5 Anzahl verfügbarer Mitarbeiter: 4

4

4

3

3

2

2

1

1 0

1

2

3

4

5

6

7

8

9 10 11 12 13 14 15 16

t

Bild 14.5: Kapazitätsmäßig zulässiger Produktionsablaufplan für das Beispiel

Stünden jedoch lediglich drei oder weniger Mitarbeiter zur Verfügung, so ließe sich ein zulässiger Ablaufplan allerdings nur durch Verschiebung des anvisierten Fertigstellungstermins erreichen. Bei komplexen Netzplänen und insbesondere auch bei Berücksichtigung mehrerer knapper Ressourcen ist die Entscheidung, welche Vorgänge um wie viele Zeiteinheiten verschoben werden müssen, um einen zulässigen Ablaufplan bei möglichst frühzeitiger Fertigstellung des Erzeugnisses zu ermitteln, nicht trivial. Unter dem Begriff Resource Constrained Project Scheduling (RCPS) wird in der Literatur eine Reihe kombinatorischer Optimierungsmodelle vorgestellt und mittels exakter und heuristischer Verfahren des Operations Research gelöst. Diese

Lektion 14: Produktionsablaufplanung

251

Modelle haben in den letzten Jahren ebenfalls Eingang in kommerzielle Softwarepakete zum Projektmanagement gefunden. 14.2.2 Kapazitätsplanung bei Fließproduktion

Als Ergebnis der in Abschnitt 14.1 durchgeführten Terminplanung zeigt sich für das betrachtete Beispiel, dass aufgrund der Länge des kritischen Weges beim Organisationstyp der Projektproduktion mindestens 14 Zeiteinheiten zur Fertigstellung des Erzeugnisses E1 benötigt werden. Definiert man eine Zeiteinheit im Folgenden als eine Minute, so lassen sich bei einer achtstündigen Schicht pro Arbeitstag maximal 34 Erzeugnisse vom Typ E1 in sukzessiver Einzelfertigung herstellen. Zur Erhöhung der Tagesleistung könnte etwa eine Duplizierung der Arbeitsplätze angedacht werden, was jedoch insbesondere im Falle hochwertiger Produktionsanlagen mit hohen Fixkosten und in der Regel auch mit zusätzlichen Personalkosten verbunden wäre. Die Auslastung der Anlagen wäre je nach Spezialisierungsgrad gering, da sie in der Organisationsform der Projektproduktion in der Regel nur für ausgewählte Arbeitsvorgänge eingesetzt würden und ein mehr oder weniger großer Teil der Produktionszeit von 14 Minuten pro Stück ungenutzt bliebe. Aus diesem Grund wird bei Erhöhung der Seriengrößen in der Praxis üblicherweise ein anderer Organisationstyp der Produktion gewählt, etwa die Werkstatt- oder die Fließproduktion. Hierbei ist die Fließproduktion insbesondere bei großen Serien und geringer Anzahl unterschiedlicher Produkte der Werkstattproduktion überlegen. Automatisierte Fließproduktionssysteme zeichnen sich durch eine feste Verkettung hintereinander geschalteter Arbeitsstationen über stetige Transportsysteme, wie Fließbänder oder Kettenförderer, aus; man spricht daher auch von Fließbandproduktion. Jeder Arbeitsstation steht somit eine fest vorgegebene Bearbeitungsdauer, die so genannte Taktzeit, zur Verfügung, innerhalb derer sämtliche der Station zugeordneten Arbeitsvorgänge erledigt werden müssen. Bei vorgegebener Taktzeit ist die Tagesleistung [Stück/Tag] eines Fließbandproduktionssystems wie folgt festgelegt:

Produktionsleistung

Anzahl täglicher Arbeitsminuten Taktzeit

(14.5)

Im Beispiel beträgt die längste Vorgangsdauer eines einzelnen Arbeitsvorgangs 10 Minuten (Vorgang B); wenn man voraussetzt, dass jeder Vorgang in einem ununterbrochenen Fortschritt durchgeführt werden muss, d.h. nicht gesplittet werden darf, muss die kürzest mögliche Taktzeit des zu konfigurierenden Fließbandproduktionssystems ebenfalls 10 Minuten betragen. Es ergibt sich hieraus gemäß Gleichung (14.5) bei einer Schicht von 8 [Stun-

252

Kapitel D: Operatives Produktionsmanagement

den/Tag] eine maximale tägliche Produktionsleistung von 48 [Stück/Tag]. Dies entspricht verglichen mit dem Organisationstyp der Projektfertigung einer Steigerung der Produktionsleistung um mehr als 40%. Gibt man weiter vor, dass jeder Arbeitsstation genau ein Mitarbeiter zugeordnet wird, so entspricht die Summe der Vorgangsdauern der auf einer Station einzuplanenden Arbeitsvorgänge insgesamt der durch diese Station benötigten Zeitdauer. Diese darf die festgelegte Taktzeit nicht überschreiten. Die nicht zu unterschreitende Anzahl an benötigten Arbeitsstationen lässt sich in diesem Fall wie folgt berechnen: Untergrenze Stationenzahl

Summe der Vorgangsdauern Taktzeit

(14.6)

Im vorliegenden Beispiel sind somit mindestens vier Arbeitsstationen notwendig [(6+5+3+7+10+4+2+1) : 10 = 3,8]. In diesem Fall beträgt die maximal mögliche Systemauslastung 95% [ 38 : ( 4 ˜ 10 ) 0 ,95 ]. Ob die so berechnete minimale Anzahl an Arbeitsstationen jedoch tatsächlich realisiert werden kann, hängt von den ablaufbedingten Reihenfolgerestriktionen und damit dem zugrunde liegenden I/O-Grafen bzw. Netzplan ab. Im Folgenden wird mittels einer intuitiven Vorgehensweise versucht, die durchzuführenden Arbeitsvorgänge unter Beachtung der gegebenen Reihenfolgerestriktionen auf vier Arbeitsstationen zu verteilen, ohne die vorgegebene Taktzeit von 10 Minuten pro Arbeitsstation zu überschreiten: x

Station 1:

Vorgang 4 Vorgang 6

: :

3 Minuten 7 Minuten

x

Station 2:

Vorgang 9 : Vorgang C :

5 Minuten 4 Minuten

x

Station 3:

Vorgang B

:

10 Minuten

x

Station 4:

Vorgang 8 : Vorgang A : Vorgang E1 :

6 Minuten 2 Minuten 1 Minute

Summe

38 Minuten Æ 2 Minuten Leerzeit

:

Lektion 14: Produktionsablaufplanung

253

Man erkennt, dass dies für das betrachtete Beispiel tatsächlich gelingt und somit wie im Falle der Projektproduktion lediglich eine Personalkapazität von 4 Mitarbeitern vorgehalten werden muss. Die Fließproduktion ist damit unter den genannten Randbedingungen der Projektproduktion hinsichtlich ihrer Produktivität eindeutig überlegen, jedoch nicht unbedingt hinsichtlich der Motivation der Mitarbeiter. Bei komplexen Netzplänen erfolgt die Zuordnung der Arbeitsvorgänge auf möglichst wenige Arbeitsstationen durch Formulierung und Lösung kombinatorischer Optimierungsprobleme.

14.3

Reihenfolgeplanung und Feinterminierung

Die Feinterminierung und aktuelle Steuerung der Produktion wird aufgrund der Kurzfristigkeit des zugrunde liegenden Planungszeitraums von einem Arbeitstag oder auch nur einer Arbeitsschicht oftmals komplett dem Aufgabenbereich der aktuellen Produktionssteuerung zugeordnet. Die Aufgaben einer so verstandenen Produktionssteuerung ergeben sich aus dem in Lektion 3 vorgestellten Regelkreismodell des Produktionsmanagements, wobei sowohl die Regel- als auch die Stellgrößen so gewählt werden, dass eine kurzfristige Ausregelung von Störgrößen möglich wird. Störgrößen ergeben sich etwa aus unerwarteten kurzfristigen Änderungen des Kapazitätsangebots einzelner Ressourcen (Maschinenausfälle, krankheitsbedingte Fehltage von Mitarbeitern) oder auch aus einer im Vergleich zur Termin- und Kapazitätsplanung veränderten Kapazitätsnachfrage (kurzfristige Stornierung von Aufträgen, Einlastung zusätzlicher Eilaufträge). Im Rahmen der Feinterminierung werden für die einzelnen im Planungszeitraum einzulastenden Produktionsaufträge Start- und Endtermine und damit Reihenfolgen und Maschinenbelegungen als Stellgrößen der Produktionssteuerung ermittelt. Als Regelgrößen dienen dagegen die hieraus resultierenden Bestände, Durchlaufzeiten, Terminabweichungen und Kapazitätsauslastungen. Im Gegensatz zur Erzeugnisprogrammplanung und Materialwirtschaft werden in der Produktionsablaufplanung in der Regel keine ökonomischen Regelgrößen, wie Einzahlungsüberschüsse, Deckungsbeiträge oder entscheidungsrelevante Kosten erfasst. Der Grund hierfür liegt in der Kurzfristigkeit der zu treffenden Entscheidungen und damit in der weitergehenden Entkopplung der Ablaufpläne von den Ein- und Auszahlungsströmen. Stattdessen werden jedoch zur Vermeidung der bei Terminüberschreitung oftmals fällig werdenden Konventionalstrafen zugesagte Fertigstellungstermine als relevante Zielgrößen der Produktionssteuerung streng überwacht (vgl. Bild 14.6).

254

Kapitel D: Operatives Produktionsmanagement

Produktionssteuerung (Regler)

• Fertigungsaufträge • Start- und EndzeitPunkte der Arbeitsvorgänge

• Kapazitätsauslastung • Bestände • Durchlaufzeiten • Terminabweichungen

Produktionsstellen (Regelstrecke) Inputfaktoren

Marktleistungen Störgrößen

Bild 14.6: Produktionssteuerung als Regelkreis (Quelle: Zäpfel (2001), Abb. B.6.1)

Entscheidungsmodelle zur Feinterminierung unterscheiden sich hinsichtlich des zugrunde gelegten Organisationstyps der Produktion, der Anzahl der zu durchlaufenden Produktionsstufen sowie der gewählten Zielfunktion. In der Literatur werden insbesondere -

Fließfertigung mit identischer Maschinenfolge für alle Aufträge Jobshop-Probleme: Werkstattfertigung mit auftragsindividueller Maschinenfolge Openshop-Probleme: Werkstattfertigung mit beliebiger Maschinenfolge für alle Aufträge Flowshop-Probleme:

unterschieden. Weitere Spezialfälle stellen die in der Praxis eher selten anzutreffenden Ein-Maschinen-Probleme oder spezielle Belegungsprobleme im Rahmen der Zentrenproduktion (Produktionsinseln, Flexible Fertigungssysteme) dar. Die Ziele der entwickelten Entscheidungsmodelle sind in der Regel zeitbezogen, wie (1) Minimierung der Durchlaufzeit bzw. der Zykluszeit aller Aufträge (2) Einhaltung vorgegebener Fertigstellungstermine (3) Maximierung der Kapazitätsauslastung bzw. Minimierung der Leerzeiten

Lektion 14: Produktionsablaufplanung

255

gewählt. Im Folgenden wird zur Verdeutlichung der Feinterminierung lediglich der Spezialfall der Fließfertigung (Flowshop) betrachtet und anhand eines Beispiels hinsichtlich unterschiedlicher Zielfunktionen untersucht (vgl. Bild 14.7). Auftrag 1 . . . . .

Warten

Warten

Bearbeitung

Maschine 1

Warten

Transport

Warten

Bearbeitung

Maschine 2

Transport

Warten

… …

Transport

Warten Bearbeitung

Transport

Maschine ʌ

Auftrag n

Bild 14.7: S-stufiges Flowshop-System zur Bearbeitung von n verschiedenen Aufträgen

Die unterschiedlichen Zielfunktionen werden wie folgt spezifiziert: (1) Minimierung der Durchlaufzeit bzw. der Zykluszeit aller Aufträge:

Die Durchlaufzeit eines Auftrags setzt sich zusammen aus der Summe der Wartezeiten vor und nach der Bearbeitung auf einer Maschine, den Transportzeiten zwischen den Maschinen und den Bearbeitungszeiten auf den Maschinen. Wartezeiten vor einer Maschine ergeben sich dann, wenn die Maschine nach Ankunft des Auftrags noch durch einen anderen Auftrag belegt ist bzw. zur Bearbeitung des anstehenden Auftrags umgerüstet wird. Wartezeiten nach der Bearbeitung können je nach Transportsystem etwa bedingt sein durch Warten auf das Transportmittel, welches den Auftrag zur nächsten Maschine bringt. Die Transportzeit ergibt sich aufgrund der zurückzulegenden Transportentfernung. Die Bearbeitungszeiten auf den einzelnen Maschinen sind durch den zugrunde liegenden Arbeitsplan vorgegeben. Eine Verlängerung der vorgegebenen Transport-, Warte- und Bearbeitungszeiten durch unerwartete Störungen ist ebenfalls möglich, soll im Folgenden jedoch nicht betrachtet werden. Bezeichnet man mit j

U d jU w jU t jU tj

: : : : : :

Index der Aufträge ( j=1,...,n) Index der Maschinen ( U =1,...,ʌ) Bearbeitungszeit von Auftrag j auf Maschine U Wartezeit von Auftrag j vor Maschine U Transportzeit von Auftrag j zu Maschine U Durchlaufzeit von Auftrag j

256

Kapitel D: Operatives Produktionsmanagement

und setzt voraus, dass aufgrund eines stetig arbeitenden Transportsystems (z.B. Fließband) keine Wartezeiten nach der Bearbeitung eines Auftrags auf einer Maschine entstehen, so ergibt sich die Durchlaufzeit t j eines Auftrages j formal wie folgt: S

tj

(t U  w U  d U ) ¦ U j

j

j=1,...,n

j

(14.7)

1

Die Summe der Durchlaufzeiten aller Aufträge ergibt sich zu: S

n

t ges

n

(t U  w U  d U ) ¦ t ¦¦ U j

j 1

j

1

j

j

(14.8)

j 1

Nimmt man weiter an, das o.B.d.A. der Beginn des betrachteten Planungszeitraums im Zeitpunkt t=0 liegt, so entsprechen die Durchlaufzeiten t j den Fertigstellungsterminen der jeweiligen Aufträge j. Die Durchlaufzeit t Zyklus mit

t Zyklus

max { t j }

(14.9)

j 1,..., n

bezeichnet die Durchlaufzeit des langsamsten Auftrags und wird in der Literatur auch Zykluszeit (makespan) genannt. Die Minimierung der Zykluszeit ist in der Literatur die am häufigsten gewählte Zielfunktion im Rahmen der Feinplanung (Maschinenbelegungs- und Reihenfolgenplanung). (2) Einhaltung vorgegebener Fertigstellungstermine:

Liegen für die einzelnen Aufträge j zugesagte Liefertermine W j vor, so lässt sich die Einhaltung der Liefertermine durch folgende Restriktionen sicherstellen:

t j dW j

j=1,...,n (14.10)

In abgeschwächter Form kann die Termintreue auch wie folgt in die Zielfunktion aufgenommen werden: n

MIN

¦ max{ t j 1

j

 W j ,0}

(14.11)

Lektion 14: Produktionsablaufplanung

257

(3) Maximierung der Kapazitätsauslastung bzw. Minimierung der Leerzeiten:

Wartet eine Maschine U auf die Bearbeitung eines Auftrags j, der allerdings noch auf einer vorangehenden Maschine bearbeitet wird, so entsteht auf dieser Maschine eine Leerzeit (starving) LUj , mit

LUj : Leerzeit der Maschine U , bedingt durch Warten auf Auftrag j. Die Summe der Leerzeiten L, mit S

L

n

¦¦ LUj

(14.12)

U 1j 1

ist ein Maß für die durchschnittliche Kapazitätsauslastung des Produktionssystems während der Bearbeitung der im Planungszeitraum freigegebenen Aufträge. In diesem Falle werden die Wartezeiten einer Maschine vor Bearbeitung ihres ersten Auftrags und nach Bearbeitung ihres letzten Auftrags bis zum Ende der Zykluszeit nicht als Leerzeiten angegeben, da die Maschinen während dieser Zeiträume grundsätzlich zur Bearbeitung anderer Aufträge verfügbar wären. Setzt man dagegen voraus, dass auch der Zeitraum vor Bearbeitung des ersten Auftrags und nach Bearbeitung des letzten Auftrags im Intervall [0, t Zyklus ] als Leerzeit anzusehen ist, so berechnet sich die Kapazitätsauslastung KA des Produktionssystems im Intervall [0, t Zyklus ] folgendermaßen: n

S

d U ¦¦ U j

KA

j 1

1

S ˜ t Zyklus

 [0,1]

(14.13)

Zur Verdeutlichung der Feinplanung und deren Auswirkungen auf die genannten Zielfunktionen wird das folgende Beispiel herangezogen: Betrachtet wird ein dreistufiges Flowshop-Produktionssystem mit den hintereinandergeschalteten Maschinen M 1 , M 2 , M 3 . Für die nächste Schicht sind auf diesem Produktionssystem die drei Aufträge A, B, C zu produzieren, wobei für alle Aufträge die identische Maschinenfolge M 1 o M 2 o M 3 einzuhalten ist. Die maschinenspezifischen Bearbeitungszeiten [Minuten] sind durch die folgende Matrix D (d jU ) gegeben:

258

Kapitel D: Operatives Produktionsmanagement

M1

M2

M3

A B

30 90

60 60

90 30

C

60

30

90

Für jede der sechs möglichen Auftragsreihenfolgen sind jeweils die Zykluszeit t Zyklus , die Gesamtdurchlaufzeit t ges sowie die Kapazitätsauslastung KA innerhalb des Intervalls [0, t Zyklus ] gemäß der Gleichungen (14.8), (14.9), (14.13) zu ermitteln. Aus Bild 14.8 ergibt sich, dass hinsichtlich der Zykluszeit t Zyklus 300 Minuten und damit auch der im Intervall [0, 300] auftretenden Kapazitätsauslastung des Produktionssystems KA 60% die drei Ablaufpläne A o B o C , A o C o B sowie C o A o B optimal sind. Betrachtet man jedoch zusätzlich die Gesamtdurchlaufzeit der Aufträge t ges , so ist der Ablaufplan A o B o C den anderen beiden überlegen. Im Intervall [0, 300] weist in diesem Fall Auftrag B auf Maschine M 1 eine Wartezeit von 30 Minuten und Auftrag C auf Maschine M 1 eine Wartezeit von 120 Minuten auf. Weitere Wartezeiten nach Bearbeitungsbeginn der beiden Aufträge B und C treten im Gegensatz zu den beiden anderen Ablaufplänen hier nicht auf. Wartezeiten vor Beginn der Bearbeitung auf der ersten Maschine werden in der Praxis üblicherweise nicht als störend empfunden, da in diesem Fall auch die Freigabe dieser Aufträge später erfolgen kann und damit ein zusätzlicher zeitlicher Puffer bei der Bereitstellung der zur Produktion benötigten materiellen und personellen Ressourcen entsteht. Unangenehm erscheinen dagegen Wartezeiten nach Auftragsfreigabe, wenn etwa im Anschluss an die Bearbeitung auf einer Maschine vor der nachfolgenden Maschine gewartet werden muss, da diese noch mit der Bearbeitung eines anderen Auftrags beschäftigt („blockiert“) ist. Man spricht in diesem Fall auch von blocking. Beispiele wären etwa in Ablaufplan A o C o B die sechzigminütige Wartezeit von Auftrag C vor Maschine M 3 oder die dreißigminütige Wartezeit von Auftrag B vor Maschine M 3 bzw. im Ablaufplan C o A o B die jeweils dreißigminütige Wartezeit von Auftrag A vor Maschine M 3 bzw. von Auftrag B vor Maschine M 3 .

0

M3

M2

M1

0

M3

M2

M1

0

M3

M2

M1

A

A

B

A

C

A

B

tA

tB

A

tA

=180

B

A

B

C

B

C

tB=180

A

BĺAĺC

C

B

C

=180 =210

B

C

AĺCĺB

A

B

C

AĺBĺC

A tA=300

C

Bild 14.8: Übersicht über alle zulässigen Ablaufpläne und Kenngrößen des Beispiels =390

tZyklus=tC

M2

M1

0

540 46 % M3 1170 t [min]

KA

t Zyklus 390 t ges 870

0

t [min]

=300

tC tZyklus=tB

M2

M1

0

M3

t [min]

540 60 % 900

B

300

tges 750

t

Zyklus

=300

tZyklus=tC

M3

M2

M1

KA

=270

C

540 KA 60 % 900

tges 690

t Zyklus 300

C

C

B

C

C

A

B

C

A

C tC =180

B

B

C

A

B

A

A

A

tA =270

B

KA

A

t [min]

540 50 % 1080

tZyklus=tA=360

KA

t [min]

540 50 % 1080

tges 780

t Zyklus 360

t [min]

540 60 % 900

t Zyklus 300 tges 750

=360

tZyklus=tA

KA

t Zyklus 360 tges 810

tZyklus=tB=300

tC=270

tC=180 tB=240

B

CĺBĺA

A

B

C tB=180

A

CĺAĺB

B

C

BĺCĺA

Lektion 14: Produktionsablaufplanung 259

260

Kapitel D: Operatives Produktionsmanagement

Neben den unerwünschten Blocking-Situationen sollten auch Starving-Situationen, d.h. ablaufbedingte Maschinenleerzeiten, nach Bearbeitungsbeginn der Aufträge möglichst vermieden werden, da sie zu einer reduzierten Kapazitätsauslastung und tendenziell ebenfalls zu verlängerten Zykluszeiten führen. Beispiele derartiger Starving-Situationen sind etwa im Ablaufplan A o B o C die dreißigminütige Leerzeit von Maschine M 2 , im Ablaufplan A o C o B die sechzigminütige Leerzeit von Maschine M 2 und im Ablaufplan C o A o B die dreißigminütige Leerzeit von Maschine M 2 . Leerzeiten vor Bearbeitungsbeginn bzw. nach Bearbeitungsende werden in der Praxis eher tolerierbar sein, da diese Zeiträume gegebenenfalls als zeitliche Puffer zur Bearbeitung anderer Aufträge genutzt werden können. Dies ist insbesondere im Rahmen rollierender Planungssysteme der Fall. Insgesamt zeigt das Beispiel, wie wichtig eine angemessene Planung der Auftragsreihenfolge im Hinblick auf die Erreichung gesetzter ablaufplanerischer Ziele ist. Eine wesentliche Bedeutung kommt hierbei der Wahl der Zielfunktion zu. Diese ist in Abhängigkeit des Vorliegens von Lieferterminen, von Engpässen und knappen Ressourcen sowie in Abhängigkeit der Auslastung der Produktionsanlagen geeignet zu wählen. In der Literatur zum Produktionsmanagement finden sich zahlreiche Modelle und Lösungsverfahren für eine nahezu unübersehbare Vielfalt von Ablaufplanungsproblemen. Dies gilt nicht nur für den hier vorgestellten Fall der Flowshop-Probleme, sondern auch für Jobshop-Probleme und eine Reihe weiterer Organisationstypen der Produktion. Aufgrund der hohen Komplexität der jeweils zugrunde liegenden kombinatorischen Optimierungsprobleme (im Fall eines Jobshop-Problems mit n Aufträgen und ʌ Maschinen existieren ( n! )S verschiedene zulässige Auftragsreihenfolgen) kommen hier in der Regel heuristische Verfahren, wie prioritätsregelbasierte Verfahren als Eröffnungsverfahren zur Bestimmung einer guten Ausgangslösung und lokale Suchverfahren (z.B. Metaheuristiken) zu deren Verbesserung, zum Einsatz.

Hinweise zum vertieften Studium 1) Die jeweils angestellten Überlegungen können leicht auf andere Organisationstypen der Produktion übertragen werden (vgl. Domschke/Scholl/Voß (1997), Zäpfel (2001), Günther/Tempelmeier (2005), Corsten (2004)). 2) Zum vertieften Studium der CPM-Methode sei auf Domschke/Drexl (2002) verwiesen.

Lektion 14: Produktionsablaufplanung

261

3) Zur detaillierteren Analyse werden in der Literatur zur Netzplantechnik neben den oben definierten noch weitere Pufferzeiten eingeführt, worauf hier jedoch nicht näher eingegangen wird (vgl. Domschke/Drexl (2002)). 4) Zum vertieften Studium kombinatorischer Optimierungsmodelle zum RCPS sei auf Kolisch (1995), Domschke/Scholl/Voß (1997), Günther/Tempelmeier (2005) verwiesen. 5) Bei komplexen Netzplänen erfolgt die Zuordnung der Arbeitsvorgänge auf Arbeitsstationen durch Formulierung und Lösung kombinatorischer Optimierungsprobleme. Hierzu sei auf Domschke/Scholl/Voß (1997) oder Günther/Tempelmeier (2005) sowie weitere einschlägige Lehrbücher zum Produktionsmanagement verwiesen. 6) Weiterführende Literatur zu Entscheidungsmodellen der Feinterminierung liefert Neumann/Morlock (2002). Weitere Spezialfälle z.B. zu Ein-Maschinen-Problemen und Zentrenproduktion findet man in Günther/Tempelmeier (2005). 7) Zum vertieften Studium rollierender Planungssysteme sei auf Günther/Tempelmeier (2005) verwiesen. 8) Die Darstellung exakter und heuristischer Verfahren zur Lösung kombinatorischer Optimierungsprobleme der Ablaufplanung sprengt den Umfang dieses einführenden Lehrbuches in die Produktionswirtschaft (vgl. dazu Neumann/Morlock (2002), Domschke et al. (1998), Zäpfel (2001), Günther/Tempelmeier (2005)).

Symbol- und Abkürzungsverzeichnis

a

Input- oder Produktionskoeffizient, Aktivität, Direktbedarfskoeffizient bzw. sonst. Parameter A Aktivitätenraum, (Direkt-) Bedarfsmatrix, Strukturmatrix bzw. Adjazenzmatrix b Outputkoeffizient bzw. Faktorproduktivität, maximale Absatzmenge c Kostensatz, Kopplungskoeffizient d (prozess)spezifischer Deckungsbeitrag, Bearbeitungszeit D Deckungsbeitrag e spezifischer Erlös, Absatzpreis f Grenzproduktivität, systematische Komponente, Funktion g Ergebnisfunktion G Gewinn, Gesamtbedarfsmatrix i Inputart, Modellelemente I Einheitsmatrix j Outputart, Aufträge k Objektart, spezifische Kosten bzw. Stückkosten, Qualität K Kosten, Kantenmenge, Kapazität K' Grenzkosten KA Kapazitätsauslastung l spezifische Leistung, maximale Einsatzmenge, Durchschnittsumsatz L Leistung, Umsatz, Erlös, Leerzeiten L' Grenzumsatz, Grenzleistung bzw. Grenzerlös m Zahl der Inputarten M Technikmatrix

n

N o p P q r R s

S t

T u U v w x y

z Z

D

Zahl der Outputarten, minimale Absatzmenge, Produktnachfrage, Periodennettobedarf, Vergangenheitswert Anzahl der Vergangenheitswerte örtliche Verfügbarkeit Preis Prozess Losgröße, Qualitätskoeffizient Durchsatz, Bruttobedarf, Losgröße Restriktionsfeld (Lager-, System)Bestand, Grenzrate der Substitution, Schadstoff, Stelle Anzahl der Stellen Zeitpunkt, Periode, zeitliche Verfügbarkeit, Durchlaufzeit, Transportzeit, Transition Technik(menge), Anzahl der Transitionen Prozessoutput, Eigenproduktion Knotenmenge Prozessinput, Sekundärbedarf, Verkäufe Erfolg, Wartezeit, Kantengewicht Primär- oder Systeminput, Fremdbezug Primär- oder Systemoutput, Primärbedarf, Produktionsmenge, Preis-Absatz-Funktion Nettosystem-Output, Nettoproduktionsmenge, Aktivität Produktionsraum Rückführrate bzw. sonst. Parameter

264

E H M N O P S U G V W Z : lg IN IR

f

Symbol- und Abkürzungsverzeichnis

Nachfragerate bzw. sonst. Parameter Produktionselastizität Zufallskomponente Zahl beachteter Objektarten Aktivitätsniveau, -dauer, Skalenparameter Prozess Zahl der Grundaktivitäten, Maschinen Prozess, Maschine bzw. Grundaktivität, Stellgröße, Intensität, Dauer Prozess, Vorgangsnummer, binäre Entscheidungsvariable Umfeldparameter, Sicherheitsbestand, Konzentration Dauer eines Zeitintervalls, Aktivitätsdauer, Zeiteinheit Zustand Zustandsraum (dekadischer) Logarithmus Menge der natürlichen Zahlen Menge der reellen Zahlen unendlich

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Stichwortverzeichnis

A Abprodukt 109 Absatz 106 Additivkombination 64 Adjazenzmatrix 75 Advanced-Planning-Systems (APS) 33, 232 Aktivität 41, 45 ff. Aktivitätenraum 34 Aktivitätsanalyse 40, 58, 59 Aktivitätsniveau 128 Alternativproduktion 14, 60 Anpassung - intensitätsmäßige 248 - quantitative 248 - zeitliche 248 Arbeit - ausführende 17 Arbeitsplan 51 Artenpräferenz 37 Artenproduktion 14 Auflagengröße 231 Auflagenzeitpunkt 231 Aufwand - realer 108 ff. Ausbringungsfunktion 164 - zeitspezifische 165 Außenbezug 147

B Balkendiagramm 247 Basic Engineering 76 Basis 129 Basisaktivität 60 Baugewerbe 9 Baugruppe 222 Baukastenstückliste 222 Baustellenproduktion 26, 241

Bearbeitungszeit 255 Bedarf 226 ff. Bedarfsermittlung - programmorientierte 221, 226 ff. - vergangenheitsorientierte 221f. Beifaktor 17, 109 Beiprodukt 109 Beiproduktfunktion 118 Bergbau und Gewinnung von Steinen und Erden 9 Beschreibungsmodell 38 Bestandsgröße 47 Bestellmengen- bzw. Losgrößenformel 235f. Bestellproduktion 15, 198 Betriebsmittel 17 Beurteilung - ökologische 105 - ökonomische 105 - soziale 105 Bewertung - pagatorische 85 - monetäre 85 - wertmäßige 85 Bilanzhülle 57 Black-Box-Darstellung 57 Blocking 258 Bruttobedarf 227

C Cournot’scher Punkt 101 CPM-Methode 243

D Data Envelopment Analysis (DEA) 124 Deckungsbeitrag 89, 202, 215 - engpassspezifischer 218

272

Stichwortverzeichnis

- objektbezogener 90 - prozessspezifischer 204 Demontage-Graf 205 Detail Engineering 76 Dienstleistung 8 Dienstleistungsproduktion 16 Direktbedarfskoeffizient 226 Direktbedarfsmatrix 226 Dispositionsstufenverfahren 230 Dominanz 113 Dominanzrichtung 114 Durchlaufterminierung 196 Durchlaufzeit 254 Durchsatz 51, 147 Durchschnittsbildung - gleitende 200 Durchschnittsumsatz 96

E Ebene -technologische 40 Effekt - externer 86 Effizienter Rand der Technik 115 Effizienz - ökonomische 116 - ökologische 116 Eigenentsorgung 106 Eigenfertigung 201, 221 Eindeckzeit 233 Einkommenserzielung 105 Ein-Maschinen-Problem 254 Einproduktproduktion 14 Einsatzfaktor 16 - externer 18 - interner 18 Einzelproduktion 25, 241 Einzelteil 222 Elementarfaktor 17 Emanzipation 201 Energie- und Wasserversorgung 10 Engineering Production Function (EPF) 170 Engpass 215, 218 ff.

Entscheidungsfeld 34 Entscheidungsmodell 38 Entscheidungsregel 234 Entscheidungsvariable 204 Erfahrungskurve 94 Erfolg 83 ff. Erfolgsebene 42, 84 ff. Erfolgsfunktion 84, 86 ff. - additiv-separable 87 - lineare 88 ff. - linear-affine 87 - nichtlineare 93 ff. Erfolgsprinzip - schwaches 117 - starkes 117 Erfolgstheorie 42, 83 ff. Ergebnisebene 41 Ergebnisfunktion 34 Ergebniskoeffizient 111 Ergebnismatrix 35 Ergebnistabelle 110 Ergiebigkeit 106, 111 Erklärungsmodell 38 Ertrag - realer 108 ff. Erzeugnisprogramm 118 - deckungsbeitragsmaximales 203, 213 - umsatzmaximales 213 Erzeugnisprogrammplanung 211 ff. - operative 195 Erzeugnis - kundenindividuelles 15 - standardisiertes 15 Erzeugungssystem 45 Explosionsdarstellung 52, 205

F Fahrerloses Transportsystem (FTS) 26 Faktor - dispositiver 17 Faktorfunktion 118 Faktorvariation

Stichwortverzeichnis

- partielle 73 Faktorisoquante 119 Faktorproduktivität 111 Feinplanung 241 Fertigstellungstermin 254 Finanzstrom 86 Flexibilität - volle 173 Flexibles Fertigungssystem (FFS) 26 Fließbandproduktion 26, 251 Fließbild 52, 75 Fließproduktion 241 Fließproduktionssystem 26 Flowshop-Problem 254 Fremdbezug 201, 221 Fremdentsorgung 106 Führungsgröße 29, 85

G Gantt-Chart 247 Ganzzahligkeitsbedingung 214 Gebrauchswert 105 Gemeinerfolg 90 Gemeinerlös 90 Gemeinkosten 90 GERT-Methode 244 Gesamtbedarfsmatrix 229 Gestaltungsaufgabe 31 Gewerbe 8 - verarbeitendes 8 Gewichtungsfaktor 88 Gewinnmaximum 101 Gozinto-Graf 222 Grafentheorie 74 Grenzerfolg 88 Grenzerlös 96 Grenzkosten 100f. Grenzumsatz 96, 101 Grey-Box-Modell 73 Grundfließbild 76 Grundaktivität 60, 130 ff. Gut 14, 93, 107 Gutenberg-Modelle 165

273

Gutenberg-Produktionsfunktion 118 Gutenberg-Technik 164 ff. Güter - freie 19, 104 - öffentliche 19, 104 Güterart 108 Güterbestand 108 Gütertechnik - reine 114

H Harris-Modell 235 ff. Hauptprodukt 13, 46 Hauptproduktionsprogramm 211 ff. Hauptproduktionsprogrammplanung 211 ff. Hauptprogrammplanung - operative 195 Höhenpräferenz 36 Hülle - konvexe 128

I Informationssystem 35 Innenbezug 147 Inputfunktion 118 Input/Input-Koeffizient 112 Input/Output-Graf 51 - dynamischer 180, 185 ff. - abstrakter 132 Inputkoeffizient 133, 165 Input/Output-Koeffizient 112 Input/Output-Tabelle 51 Intensitätssplitting 165, 171 Interaktionsprozess 34 Interdependenz - zeitliche 179f. Isoquante 119

J Jobshop-Problem 254

274

Stichwortverzeichnis

K Kantenmenge 75 Kapazitätsangebot 248 Kapazitätsauslastung 254 Kapazitätsnachfrage 248 Kapazitätsplanung 241 Kapazitätsrestriktion 213 Kapazitätsterminierung 196 Kegel - polyedrischer 129 Kegeltechnik - konvexe 65 Kennzahl 111 Kennzahlensystem 111 Kompensation 122 Kompensationsmaß 122 Komplementarität 122 Konvexkombination 65 Kopplungsbedingung 172 Kopplungskoeffizient 112 Kosten - bestandsfixe 233 ff. - entscheidungsrelevante 202 - losfixe 234 ff. - bestandsabhängige 233 ff. Kuppelprodukt 14 Kuppelproduktion im engeren Sinne 15 Kuppelproduktionsprozess 14 - flexibler 22 - starrer 22

L Lagerhaltungskosten 233 Lagerproduktion 15 Land- und Forschwirtschaft sowie Fischerei 8 Lastenbündel 106 Leerzeit 254 Leistungssystem 6 Lenkungsaufgabe 31 Leontief-Modelle 142, 148 Leontief-Produktionsfunktion 118 Lernkurve 94

Lieferverpflichtung 213 Limitationalität 120 Los 25 Losgröße - wirtschaftliche 235 Losgrößenmodell 231 Losgrößenplanung 231 ff. - dynamisches Grundmodell 231, 236 ff. - statisches Grundmodell 231, 232 ff. Losgrößenpolitik - optimale 238

M Makespan 256 Make-to-order 198 Make-to-stock 198 Management 6 Marke 185 Marktpreis 105 Maschinenbelegung 253 Mass customization 198 Massenproduktion 25 Materialbedarfsermittlung 195, 222 ff. Materials Requirement Planning (MRP) 230 Matrix - technologische 228 Mehrproduktproduktion 14 Mehrwert 85 Mengengerüst 83, 230 Mengenübersichtsstückliste 229 Modell - diskretes 180 - dynamisches 179 ff. - stetiges 182 - zeitablaufbezogenes 179 Modellelement 74 Monopolanbieter 101 MPM-Methode 244

Stichwortverzeichnis

N Nebenprodukt 13, 46 - gutes 110 Netzplantechnik 243 ff. Neutrum 14, 107 Nutzen 88 Nutzenbündel 106

O Objektart 46 - neutrale 108 Objekt 41, 45 ff. - gefährliches 104 - immaterielles 46 - materielles 46 - neutrales 111 - schädliches 104 Objektprinzip 25 Objektstrom 86 Objektsystem 34 Ökobilanzierung 191 Openshop-Problem 254 Opportunitätskosten 215 Optimierungsproblem 204 - kombinatorisches 260 Outputfunktion 118 Output/Input-Koeffizient 111 Outputkoeffizient 133, 165 Output/Output-Koeffizient 112

P PERT-Methode 244 Petri-Netz 180, 187 ff. Planung 29 Planungssystem - rollierendes 260 Potenzialfaktor 17 - aktiver 17 - passiver 17 Präferenzrelation 36 Preis-Absatz-Funktion 97 ff. Preisdifferenzierung 96 Primärbedarf 195, 211, 227

275

Produktdemontage 188 Produktion - divergierende 136 - glatte 136 - ineffiziente 117 - inputseitig determinierte 142 - konvergierende 136 - outputseitig determinierte 142 - parallele 14 - schöpfende 136 - umgruppierende 136 - unverbundene 14 - verbundene 14 - vernichtende 136 Produktionsablaufplanung 241 Produktionsaktivität 47, 50 Produktionsfaktor 16, 109 - limitationaler 120 Produktionsfunktion 113 ff. - explizite 118 - implizite 119 Produktionsinsel 26 Produktionskette 146 Produktionskoeffizient 112, 142, 166 Produktionsmanagement 6, 29 ff. - operatives 31, 195 ff. - strategisches 30 - taktisches 30 Produktionsmöglichkeit 59, 67 ff. Produktionspolitik 182 Produktionsprogramm 50 Produktionsprogrammplanung 203 ff. Produktionsraum 67 Produktionssegment 19 Produktionssteuerung 196, 241, 253 Produktionsstufe 21 Produktionssystem - betriebliches 23 - einstufiges 21 - mehrstufiges 21 - überbetriebliches 23 - zyklisches 21

276

Stichwortverzeichnis

Produktionstheorie 41, 113 - allgemeine 6 - entscheidungsorientierte 40 - im engeren Sinn 41,113 Produktionsverfahren - biologisches 20 - chemisches 20 - elektrotechnisches 20 - kalorisches 20 - mechanisches 20 Produktisoquante 119f. Produktiveinheit 19 Produktkostenkalkulation 230 Produzierendes Gewerbe 8 Prognoseverfahren - multivariates 199 - univariates 198 Programmierung - dynamische 237 Projektmanagement 251 Projektproduktion 241f. Prozess - elementarer 131 - gemischter 132 - reiner 132 Prozessinput 147 Prozessoutput 147 Pufferzeit 247

Q Qualitätskoeffizient 112

R Redukt 16 Reduktfaktor 16, 109 Reduktion 16 Reduktionssystem 45 Regelkreismodell 253 Regler 29 Reihenfolge 253 Reihenproduktion 26 Repetierfaktor 17 Resource Constrained Project Scheduling (RCPS) 250

Restriktion 41, 67 ff. Restriktionsfeld 67 Rezeptur 51 Risiko 35 Risikopräferenz 36

S Sachgüterproduktion 16 Sankey-Diagramm 52 Schaden 88 Schadschöpfung 105 Schattenpreis 215 Schlinge 152 Sektor - primärer 8 - sekundärer 8 - tertiärer 8 Sekundärbedarf 195, 221, 227 Serienproduktion 25, 198 Sicherheit 35 Skalenelastizität 123 Skalenelastizitätsgleichung 123 Sortenproduktion 14 Starving 257 Starving-Situationen 260 Stellen-Transitions-Systeme 187 Stellgröße 29, 164 Steuerung 29 - aktuelle 31 Stoff- und Energiebilanz 51 Stoffstrommanagement 191 Stoffstromnetzwerk 191 Störgröße 253 Stromgröße (Flussgröße) 47 Strukturbild 222 Strukturmatrix 75 Strukturmodell 74 Strukturstückliste 222 Stückerlös 96 Stückliste 51 Stücklistenauflösung 230 Stufenzahl 146 Subjektsystem 34 Substitution

Stichwortverzeichnis

- periphere 122 - vollständige 122 Substitutionalität 122 Suchverfahren - lokale 260 Supply-Chain-Management (SCM) 33 Synchronisation 201 Systemanalyse 40 Systemgrenze 57 Systeminput 147 Systemoutput 147 Systemsynthese 40

T Tagesleistung 251 Taktzeit 251 Tauschwert 105 Technik 41, 59 ff. - additive 64, 127 ff. - einstufige 127, 138 ff. - elementare 135 ff. - endlich generierbare 127 ff. - größendegressive 63 - größenprogressive 63 - größenproportionale 63 - konvexe 65 - lineare 65, 127 ff. - linearhomogene 64 - mehrstufige 145 ff. - nicht endlich generierbare 157, 159 ff. - zyklische 152 ff. Technikmatrix 128 ff., 228 Technologie 41, 59 ff. Technologiemenge 61 Teileverwendungsnachweis 229 Teilperioden 180 Terminplanung 241, 242 Transformationskurve 120 Transportmodell 143 Transportzeit 255

277

U Übel 14, 93, 107 Übelart 108 Umrüstung 25 Umsatzerlös 96 Ungewissheit 35

V Variabilität 119 Verbrauchsfaktor - direkter 18 - indirekter 18 Verbrauchsfunktion 164 - produktspezifische 166 - zeitspezifische 165 Verfahren - heuristische 260 - prioritätsregelbasierte 260 Verfahrensfließbild 76 Verfahrenswahl 142, 143 Vergenz 21 - divergierende 21 - durchgängige 21 - konvergierende 21 - umgruppierende 21 Verrichtungsprinzip 25 Vorgang - unkritischer 247

W Wartezeit 255 Weg - kritischer 246 - kürzester 238 Werkbankproduktion 26 Werkstattproduktion 25 Wertschöpfung 105 Wertvorstellung - autorisierte 105 White-Box-Modell 73 Wirtschaftlichkeitsprinzip - schwaches 117 - starkes 117

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Stichwortverzeichnis

Z Zeitpräferenz 36 Zeitreihe 200 Zeitreihenanalyse 198 Zentrenproduktion 26, 254 Ziele - komplementäre 37 - konfliktäre 37

Zielsetzung 105 Zielsystem 36 Zusammensetzungskoeffizient 112 Zusatzfaktoren 18 Zustandsraum 34 Zweckertrag 109 Zwischenprodukt 21, 105, 145 Zykluszeit 254