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German Pages [52] Year 1961
SCHRIFTENREIHE ZUR MATHEMATIK‘ HERAUSGEGEBEN VON
PROF. D3. FRIEDRICH DanncanN UND DR. RICHARD STENDER
HEFT 9
Proben aus der elementaren additiven Zahlentheorie
Ein kurzgefaflles Lehr- und Arbeitsbuch zur Einfiihrung
Prof. Dr. WILHELM NESS
OTTO SALLE VERLAG FRANKFURT AM MAIN . HAMBURG
Boston-NI. 6049
1961
Sat-z, Druck und Einband: Universitfitsdruckerei Mainz GmbH Zeichnungen: Karl Schilling
INHALTSVERZEICHNIS Vorwort ................................... I. Elementare kombinatorische und abziihlende Methoden mmmmmm
§ 1 Die Zusammenstellung einer Portogebiihr ............. 2 Die Darstellung einer Zahl ale Summe von Zweierpotenzen ...... 3 Die Darstellung einer Zahl als Summe und Differenz von Dreierpotenzen 4 Die Darstellung einer Zahl ale Summe von nicht negativen ganzen Zahlen 5 Die Anzahl der Zahlen mit gegebener Quersumme .......... 6 Der Satz von den vier Quadraten . . . .............. ~
7 Der Satz von den 50 Biquadraten . . . ..............
11. Das l’rinzip der Paarung in der additiven Zahlentheorie § 8 Des Prinzip der Pmrung . . . . . . . . . . ........... § 9 Ein Satz von Sylvester ..................... . § 10 Ein Sntz von Euler ....... . . . . . . ..........
§ 11 Der Pentagonulzahlensutz von Euler . . . . . . . ......... §l2 Konjugiorto Zerfiillungen .
. . . .
. .
. . . .
. . .
.......
111. Die Eulersche Mcthodo der Potenzreihen § 13 Des Prinzip der Methode . . . ................. § 14 Die Darstellung einer Zahl als Summe von Zweierpotenzen . . . . . . §l5 Ein Satz von Euler . , ...... . . ....... . . ..... § 16 Der Pentagonalzahlensatz von Euler ............... § 17 Quotienten von Potenzreihen . . . . . . . . . .......... §18DerSatzvonderQuersumme. . . .... . . . . . . . .. § 19 Noch einmal die Portoaufgabe von § 1 . . . . ......... . . § 20 Eine Aufgabe vom Jahrmarkt .................. § 21 Eine weitere Folgerung aus dem Pentagonalzahlensatz ........
§ 22 Die Ableitung einer Potenzreihe . . ................ § 23 Eine Anwendung der logarithmischen Ableitung
. .
. .......
§ 24 Eine Beziehung zwischen 0(7),) und p" ..... v . . § 25 Eine Beziehung zwischen q", p" und 0(n) .............. §26 Noch einmal die Potenzreihenmethode und Ausblick auf den WaringI-Iilbert-Satz .......................... Literaturverzeiehnis . . .......................
25
AVorwort Die additive Zahlentheorie befaBt sich mit den Gesetzen und Beziehungen, die bei der additiven Verknfipfung der positiven (gelegentlich auch der negativen) ganzen Zahlen auftreten. Ist etwa ein Vorrat von endlich Oder unendlich vielen ganzen Zahlen n1, n2, ns, . . .gegeben (zum Beispiel die Zahlen 1, 2 und 3, die Quadratzahlen,
die Potenzen von 2 Oder 3 Oder alle positiven ganzen Zahlen), so kann man die Frage stellen, ob und wie oft sich eine beliebige natfirliche Zahl n als Summe von Zahlen des Vorrats darstellen 15,1315. Dabei gibt es eine Vielzahl von Fragestellungen, je nachdem, ob man beispielsweise die Summanden nur einfach Oder mehrfach zulaBt, ob man die ‘Anzahl der Summanden vorschreibt, beschrankt oder nicht beschrankt. Ferner kann man die Reihen-
folge der Summanden als wesentlich ansehen oder nicht. Die ersten systematischen Untersuchungen hierzu stammen wohl von
Leonardo von Pisa (l3. Jahrhundert). Spater hat Euler (1707 bis 1783) mit Hilfe einer von ihm selbst eingefiihrten Methode, auf die wir im dritten Abschnitt eingehen, eine Fiille von Sialtzen bewiesen. Die weiteren Fortschritte erreichen erst in neuester Zeit wieder einen Hfihepunkt durch die Arbeiten von Hilbert (1862 bis 1943), Hardy und Littlewood, Winogradofi, Schnirelmann. Im vorliegenden Heft kiinnen natiirlich aus dieser Fiille nur einige charakteristische Fragen herausgegtiffen werden, die sich ohne schwierige Hilfsmittel behandeln lassen. Dabei wird es auch vorkommen, daB ein und derselbe Satz
zweimal bewiesen wird, und zwar auf ganz verschiedene Art. In diesem Zusummenhang sei an einen Brief vOn Gaul? an Bolyai vom 2. September 1808 erinnert: ”Wahrlich, es ist nicht das Wissen, sondern das Lernen, nicht das Besitzen, sondern das Erwerbcn, nicht daa Da-sein, sondern das Hinkommen, was
den gro'fiten Gena/i gewa'hrt. Wenn ich cine Sacha ganz ins Klare gebracht and erschop/t habe, so wende ich mich davon weg, um wieder ins Daniele zu gehen, so sonderbar ist der nimmersatte Mensch, hat er ein Gebdude vollendet, so ist es nicht,
um ruhig darin zu wohnen, sondern um ein anderes anznfangen.“
Hiemach ist der Beweis eines Satzes wichtiger als der Satz selbst, und zwei verschiedene Beweise des gleichen Satzes kfinnen nur von Vorteil sein. Nichts-
destoweniger fiben aber auch die Fragestellungen und die Ergebnisse der additiven Zahlentheorie einen auBerordentlichen Reiz aus, wie der Leser sehen Wird.
Herm Oberschulrat Dr. Sengenhorst, der als ausgezeichneter Sachkenner das Manuskript gelesen hat, verdanke ich manche Anregungen und Verbesserungen. Mein Dank gilt auch den Herausgebem der Schriftenreihe, Herrn Prof. Dr. Drenckhahn und Herrn Oberstudienrat Dr. Stender fiir t Interesse, das
sie der vorliegenden Schrift entgegenbrachten. Nicht zuletzt gilt mein Dank auch dem Otto Salle Verlag fiir sein freundliches Entgegenkommen.
I. Elementare kombinatorische und abziihlende Methoden § 1. Die Zusammenstellung einer Portogebiihr
Eine Portogebiihr von n Pfennigen soll dutch Ein-, Zwei- und Vierpfennigmarken zusammengestellt werden. Solche Zusammenstellungen, die sich nur durch die Reihenfolge der benutzten Marken unterscheiden, sollen als identiseh angesehen werden. Dann ist, wenn n gerade ist, die Anzahl der mfiglichen Zusammenstellungen die zu (n1— 4)2 nachst gelegene ganze Zahl. Ist n ungerade‘ n+ so ist es die zu ( 3 )2 nichst gelegene ganze Zahl. In beiden Fillen hundelt 4
es sich um die grBBte ganze Zahl, die g (”1-4)2
bzw.
g (11.14%)!
ist. Beweis: Ala Vorbetmchtung beantworten wir die Frage: Auf wiem‘el Arten 112,8! sich der Betrag van m Pfennigen durck Ein- und Zweip/ennigmarken darstellen? Ist m gerade, so kann man keine, eine, zwei, . . . oder 1;- Zweipfennig-
marken verwenden und jeweils den Rest durch Einpfennigmarken darstellen. Das ergibt m;- 2 Méglichkeiten. Ist m ungerade, so kann man keine, eine,
zwei, . . . Oder
m—l
2
Zweipfennigmarken verwenden und den Rest jeweils
durch Einpfenm'gmarken darstellen. Das ergibt m_2-1 + l = m;- 1 Mfig-
lichkeiten. In unserer Aufgabe unterscheiden wir nun zwei Fille. 1. n sei gerade: n = 4x + r, wo r = O oder 2 ist. Die mfiglichen Zusammen-
stellungen werden nun in Klassen eingeteilt, je nachdem Wir keine Vierermarke, eine Vierermarke, zwei Vierermarken, . . . x Vierermarken verwenden. Der Restbetrag wird jewefls dutch Einer- und Zweiermarken zusammengestellt.
Die Zahl der Mfiglichkeiten in den einzelnen Klassen ist gemz'iB unserer Vor-
betrachtung
' n+2
2
n—4+2
’
2
n—8+2
’
2
r+2
’ '''
2
'
Diese Zahlen bilden eine arithmetische Folge mit der Gliederz-ahl _ n —— r + 4
a: + l — T
und der Summe
n+4 2
r”
(T) ——1§.
Hieraus ist die Behauptung fiir jedes gerade n (das heiBt r = 0 Oder 2) abzulesen.
2. n sei ungerade: n = 4a: + r, we r = l oder 3 ist. Wie im Fall des geraden n nehmen Wir wieder eine Klasseneinteilung vor, je nachdem, Wie Viele Vierermarken verwendet warden. Diesmal ist die Zahl der Mfiglichkeiten in den einzelnen Klassen n+1 n—4+l n—8+l r+l 2 , 2 , 2 , ... 2 . Auch diese Zahlen bilden eine arithmetische Reihe mit der Gliederzahl n—r+4
x+1———4—.
DieSummeist (n+3)’
16
(r—l')
_
16
'
Hieraus ist wieder die Behauptung fiir ungerades n (das heiBt r = 1 oder 3)
abzulesen. Wir wollen noch eine mehr in geometrischer Form gehaltene Lésung der
gleichen Aufgabe geben. Es handelt sich um die Darstellung der Zahl n durch die Summanden l, 2 und 4 oder um die Lfisung der Diophantischen Gleichung x+2y+4z=n.
Diese kann bei gegebenem n als Gleichung einer Ebene im rechtwinkligen Cartesischen Koordinatensystem aufgefaBt werden. Die Ebene schneidet auf der 2:, y- und z-Achse die Abschnitte n, g- und % ab (Abb. 1). Die Aufgabe lfluft damuf hinaus, die Anzuhl der Gitterpunkte zu bestimmen, die auf dem im ersten Oktanten gelegenen Teil der Ebene liegen. Wir nehmen n zunfichs‘t als durch 4 teilbare Zahl an: n = 4k. Wir zéhlen zuerst die Gitterpunkte auf dcr
Schnittgeraden der Ebene mit der 2:, y-Ebene (Abb. 2). Hier liegen auf der Ver01234
Abb. 1
Abb. 2
bindungsstrecke der Punkte (n, 0) und (0, ;) ofi'enbar genau g- + 1 Gitter-
punkte, indem jeder ganzzahlige Wert von 3; auf einen Gitterpunkt der Schnittgeraden fiihrt. Fiir alle diese Gitterpunkte ist z = O. Nun bestimmen Wir die Anzahl der Gitterpunkte, fiir die z = 1 ist. Sie liegen auf der Verbindungsgeraden der beiden Punkte (n — 4, O, l) und (0 , n E 4 , 1) . 6
n—4 2
Ihre Anzahl ist ofi'enbar
+ l = %_ I. Ebenso gibt es %—3 Gitter-
punkte mit z = 2 usw. Mit z = % gibt es nur den einen Gitterpunkt (0, 0, £1) . Die Gesamtzahl ist also: 12. n _ n+4 2 1+3+5+--;+(7—1)+(§+1)—( 4 ). Hat n die Form 4k + 1, so ist n ungerade. Es muB in diesem Fall mindestens
eine Einermarke verwendet werden. Man erhalt also alle Mfiglichkeiten fiir n Pfennige, indem man alle Méglichkeiten fiir n — l Pfennige noch durch eine Einermarke erganzt. In diesem Fall ist die gesuchte Anzahl also 11 — 1 + 4 2 __
n+ 3 2
(—4 ) — (—4 ) -
Wir gehen zum Falln = 410 + 2 fiber. Die Darstellungen von n Pfennigen
werden hier in zwei Klassen eingeteilt, je nachdem mindestens eine Einermarke benutzt wird oder nicht. Alle Durstellungen der ersten Klasse bekommen wir also, indem wir alle Darstellungen von n — l Pfennigen noch durch eine Einermarke ergiinzen. Wie soeben gezeigt, ist die Anzahl dicser Darstellungen
(T) - (—4—) . n— l + 3 2 _
n+2 2
Bei den Darstellungen der zweiten Klasse werden nur Zweier- und Vierermarken benutzt. Die Anzahl dieser Darstellungen ist ofi‘enbar die gleiche, als wenn man den Betrag von ; Pfennigen durch Einer- und Zweiermarken darstellt. Da 3%- = 2 la + l ungemde ist, so ist nach obigem die Anzahl der Darstellun-
gen in der zweiten Klasse $- (-72‘— + 1). Fiir den Fall n = 4/6 + 2 ist also die Gesamtzahl der Darstellungen
(n+2)2
1
n
_(n+4)2
1
T+?(?+ l)___16—__-I' Es bleibt der Fall n = 470 + 3. Da. dies eine ungerade Zahl ist, muB bei jeder Darstellung mindestens eine Einermarke verwendet werden. Man bekommt also Wieder alle Darstellungen von n Pfennigen, indem man alle Darstellungen von n — 1 Pfennigen durch eine Einermarke erganzt. Die Anzahl dieser Darstellungen ist aber, wie soeben festgestellt wurde,
w_i=fl_i Aufgaben: 16 4 16 4 i 1. Auf wieviel Arten kann der Betrag von n Pfennigen in Ein-, Zwei- und Fi'mfpfennigstiicken ausgezahlt werden? Ergebnis: Die gesuchte Anzahl ist die zu 2i0 (n + 4)1 nachst gelegene gauze Zahl.
2. Auf wieviel Arten liiBt sich die natiirliche Zahl n 3.13 Summe von Summanden darstellen, die nur die Werte l, 2, 3 annehmen? Darstellungen, die sich nur durch die Reihenfolge der Summanden unterscheiden, werden nur einfach gezfihlt.
Ergebnis: Die Anzahl der Darstellungen ist die zu 1—12—01, + 3)a nachst gelegene ganze Zahl.
§ 2. Die Darstellung einer Zahl als Summe von Zweierpotenzen Wir wollen nunmehr die Zahlen
,
1,2,4,8...2",...
(l)
als Summanden zulassen und fragen, wie oft sich eine beliebige natiirliche Zahl n als Summe dutch diese Summanden zusammensetzen lfiflt, wobei jeder Summand hochstens einmal auftreten soll. Es sei 2“ die grfiBte Zahl in (1), die g n ist. Gilt das Gleichheitszeichen, so
ist n bereits dargestellt, und zwar durch einen einzigen Summanden. Gilt nicht das Gleichheitszeichen, so folgt ans 2“ < n < 2“+1 durch Subtraktion von 2“
O < n — 2“ < 2“. Wir bestimmen nun die hochste Potenz 2b, welche n — 2“ nicht iibertrifi‘t. Nach der letzten Ungleichung ist b < a.
Gilt nun in der Ungleichung 2b§n_2a d . . . Du. es aber nur endlich viel ganze nicht negative Zahlen g a gibt, muB bei unserem Verfahren einmal das
Gleichheitszeichen auftreten. Damit ist die Moglichkeit der Darstellung bew1esen. Wenn dies Verfahren auch in jedem Fall zu einer wohlbestimmten Zerlegung
der Zahl n in Zweierpotenzen fiihrt, so folgt daraus noch keineswegs die Eindeutigkeit. Sie muB besonders bewiesen werden. Wir tun dies indirekt und nehmen an, es gibe fiir ein bestimmtes n zwei verschiedene Zerlegungen 2ul+2b1+---=2“I+2”I+...,
wobei a1 > b1 > . . . und (12 > b2 > . . . Dabei denken wit uns von vomherein die Potenzen gestrichen, die auf beiden Seiten der Gleichung auftreten, so daB
in der obigen Gleichung fiberhaupt alle Summanden verschieden sind, insbesondere die beiden ersten. Wir nehmen ohne Beschrfinkung der Allgemein- heit a1 > a2 an. Der Werl: der linken Seite ist dann mindestens 201, der Wort der rechten Seite hochstens gal-1+ 2a1—2+ . . . + 1 =2a1_1_ Hiermit ist ein Widerspruch hergeleitet. 8
Eine andere M6g1ichkeit fiir den Beweis der eindeutigen Darstellung besteht
in der vollstindjgen Induktion, wobei wir die Eindeutigkeit gleich mit einbeziehen. Fiir n = 1 fat 1 = 1 die triviale und einzig méigliche Darstellung. Wir nehmen an, alle Zahlen g n seien eindeutig als Summe verschiedenelj Zweierpotenzen dars’oellbar. Um nun die Zahl (n + l) in Zweierpotenzen zu zerlegen, suchen wir zuerst die hfichste Potenz von 2, die g (n + 1) ist, also
2a g (n + 1) < 2a+1. Wir stellen fest, daB die Zahl (n + 1) ohne den Summanden 2“ fiberhaupt nicht darstellbar ist, da '
1+2+4+---+2a—1=2a—1