Prinzipien des Rechtsstaates [1 ed.] 9783428522064, 9783428122066

Es gibt keine Freiheit ohne Recht und es gibt kein Recht ohne Staat. Der Rechtsstaat gehört zur Wirklichkeit der allgeme

125 25 2MB

German Pages 450 Year 2006

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Prinzipien des Rechtsstaates [1 ed.]
 9783428522064, 9783428122066

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Karl Albrecht Schachtschneider

Prinzipien des Rechtsstaates

asdfghjk Duncker & Humblot · Berlin

KARL ALBRECHT SCHACHTSCHNEIDER

Prinzipien des Rechtsstaates

Karl Albrecht Schachtschneider

Prinzipien des Rechtsstaates

asdfghjk Duncker & Humblot · Berlin

Bibliografische Information Der Deutschen Bibliothek Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über abrufbar.

Alle Rechte vorbehalten # 2006 Duncker & Humblot GmbH, Berlin Fremddatenübernahme: Klaus-Dieter Voigt, Berlin Druck: Berliner Buchdruckerei Union GmbH, Berlin Printed in Germany ISBN 3-428-12206-4 Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier ∞ entsprechend ISO 9706 *

Internet: http://www.duncker-humblot.de

Vorwort Es gibt keine Freiheit ohne Recht und es gibt kein Recht ohne Staat. Der Rechtsstaat gehört zur Wirklichkeit der allgemeinen Freiheit. Seine Prinzipien sind das Gerüst einer Republik, eines Gemeinwesens freier Menschen, das freilich auch demokratisch und sozial sein muß. In „Freiheit in der Republik“ bemühe ich mich um die Grundlegung einer republikanischen Freiheitslehre. „Prinzipien des Rechtsstaates“ ist ein Kompendium der Lehre vom Rechtsstaat, das einerseits die republikanische Freiheitslehre umsetzt und andererseits die Rechtsstaatsjudikatur vor allem des Bundesverfassungsgerichts kompiliert. Beides paßt gut zusammen. Die Prinzipien des Rechtsstaates, wie sie in Deutschland praktiziert und gelehrt werden, können für alle Gemeinwesen dieser Welt, welche den Menschenrechten verpflichtet sind, hilfreich sein. Die Mißachtung der Prinzipien des Rechtsstaates verletzt die Menschen in ihrer Würde. Als Freiheitslehrer ist ein Staatsrechtslehrer Rechtsstaatslehrer. Die Prinzipien des Rechtsstaates sind den Skripten erwachsen, die ich jahrzehntelang meinen Vorlesungen zugrunde gelegt habe. 1978 habe ich in den Juristischen Arbeitsblättern „Das Rechtsstaatsprinzip“ veröffentlicht und diese Skizze mehr und mehr ausgebaut. Als „Rechtsstaatsprinzip der Republik“ hat das Skript fünf Auflagen erfahren, dessen völlige Neubearbeitung als „Prinzipien des Rechtsstaates“ sieben Auflagen. Deren Überarbeitung stellt mein bewährter Verlag jetzt als Lehrbuch der Öffentlichkeit zur Verfügung. Dafür danke ich herzlich Norbert und Florian Simon. Ich danke Else Hirschmann, Wanja Dorner und Thomas Koch. Wanja Dorner hat nicht nur das Sachwortverzeichnis erarbeitet, sondern die Schrift auf Schwächen und Fehler hin durchgesehen, insbesondere die vielen Judikate überprüft. Außerdem hat er mit Thomas Koch das Literaturverzeichnis vorbereitet. Else Hirschmann, meine langjährige, tatkräftige Sekretärin, hat die technische Bearbeitung des Textes, des Literaturverzeichnisses und des Sachwortverzeichnisses bewerkstelligt. Der Hans-Frisch-Stiftung Nürnberg danke ich die Förderung des Buches durch die Bezahlung einer studentischen Hilfskraftstelle für ein halbes Jahr und eines Computers. Nürnberg, im Juni 2006

Karl Albrecht Schachtschneider

Inhaltsverzeichnis

1. Kapitel Einleitung

15

I.

Rechtsstaatliche Orientierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

15

II.

Rechtsstaatliche Regelungen im Grundgesetz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

16

2. Kapitel Grundlegung des Rechtsstaates

19

I.

Republik als Rechts- und Sozialstaat . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

19

II.

Gesetzlichkeit, Rechtlichkeit, Gerechtigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Gerechtigkeit durch Rechtlichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Gesetz und Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

20 20 21

III. Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

22

IV.

Materiale Rechtsstaatlichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

24

V.

Heiligkeit des Rechts, Unaufgebbarkeit des Rechtsstaatsprinzips . . . . . . . . . . .

25

3. Kapitel Würde, Freiheit, Gleichheit, Rechte, Republik

28

I.

Freiheit als Würde des Menschen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

28

II.

Autonomie des Willens als äußere und innere Freiheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

30

III. Freiheit und Gleichheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Gleichheit in der Freiheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Keine Spannung zwischen Freiheit und Gleichheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

35 35 38

IV.

40 40 41 42

Menschenrechte als Materialisierung der Menschenwürde . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Angeborene Freiheit und Rechte des Menschen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Recht der freien Rede . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Brüderlichkeit durch Selbständigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

4

V.

Inhaltsverzeichnis 4. Recht auf Leben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Menschenrechte dreier Generationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

43 44

Republik versus Parteienstaat . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Republikanität der Ordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Liberalistischer Parteienstaat . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Aspekte der Parteienherrschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

45 45 46 48

4. Kapitel Staat und Staatlichkeit

50

I.

Staatsprinzip . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Philosophie der Aufklärung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Freiheit und Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Sittliche Repräsentation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Freiheitliche Gesetzlichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Rechtlichkeit (Sittlichkeit) der Gesetze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6. Freiheitlichkeit des republikanischen Staates . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

50 50 50 52 53 54 55

II.

Existentieller Staat als territoriale Rechtsgemeinschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Existentielle Staatlichkeit und Hoheit des Volkes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Freiheitliches Gebietsprinzip . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Staatenverbünde und Gebietsänderungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Menschheitliches Recht auf ein Verfassungsgesetz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Nationale Homogenität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

58 58 59 60 62 65

III. Gemeinschaftliche Ausübung der Staatsgewalt europäischer Völker . . . . . . . . 1. Integration der Staatlichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Gemeinschaften, Verträge und Mitgliedstaaten der Europäischen Union . . 3. Einheit Europas . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Kein existentieller Unionsstaat . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Begrenzte Ermächtigungen der Gemeinschaften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6. Gemeinschaftliche Ausübung der Staatsgewalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7. „Rechtsanwendungsbefehl“ als Geltungsgrund des Gemeinschaftsrechts (?) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8. Einzelstaatlichkeit des Gemeinschaftsrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9. Ständige Freiwilligkeit des Staatenverbundes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10. Keine originäre Gemeinschaftsgewalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11. Anwendbarkeit und (begrenzter) Vorrang des Gemeinschaftsrechts . . . . .

66 66 67 68 69 71 74 75 77 79 80 82

Inhaltsverzeichnis

5

5. Kapitel Verfassungsprinzip

86

I.

Menschheitliche Verfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

86

II.

Verfassungsgesetz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

87

III. Verfassungsgesetzgebungshoheit des Volkes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

89

IV.

Kleine Einheiten als Verfassungsprinzip . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

90

V.

Verfassungsgesetzgebung und Verfassungsgesetzänderung . . . . . . . . . . . . . . . .

91

VI. Verfassungsgerichtsbarkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

92

6. Kapitel Gesetzesprinzip

94

I.

Gemeinsames gutes Leben durch Gesetzlichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 94 1. Gesetzlichkeit des gemeinsamen Lebens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 94 2. Einheit von Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit durch Gesetzlichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 97 3. Gesetzliche Bestimmtheit und Amtsprinzip . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 100 4. Rechtsgesetze und Zeitgesetze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 102 5. Gesetzliche Verwirklichung des Sozialprinzips . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 103

II.

Vorrang von Verfassung und Gesetz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Primat des Rechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Interpretation der Gesetze und Subsumtion unter das Gesetz . . . . . . . . . . 3. Verantwortlichkeit für die Rechtmäßigkeit staatlichen Handelns . . . . . . . .

105 105 107 110

III. Vorbehalt des Gesetzes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Gesetzesvorbehalt für die Eingriffsverwaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Gesetzesvorbehalt, nicht nur Haushaltsvorbehalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Bestimmtheit der Gesetze und Wesentlichkeitslehre . . . . . . . . . . . . . . . . . .

110 110 113 116

7. Kapitel

I.

Rechtsschutzprinzip

118

Erzwingbarkeit der Rechtlichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Gewalt und Zwang des Staates . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Rechtsklärung als Voraussetzung des Rechtszwanges . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Staatlicher Schutz des Rechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Begriff des objektiven Rechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Schutz des objektiven Rechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

118 118 122 123 123 128

6

Inhaltsverzeichnis 4. Rechtsschutzanspruch des Bürgers und dessen Verfall im parteienstaatlichen Integrationismus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 130

II.

Wissenschaftliche Rechtsklärung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 135 1. Wissenschaftlichkeit des Richteramtes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 135 2. Rechtliches Gehör und Begründungspflicht als Instrumente wissenschaftlicher Rechtsklärung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 137

III. Rechtsschutz gegen Rechtsverletzungen der öffentlichen Gewalt . . . . . . . . . . . 1. Rechtsweggarantie des Art. 19 Abs. 4 GG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Einschränkungen des Rechtsschutzprinzips . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Verfassungsschutz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Asyl . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

138 138 141 141 142

IV.

142 142 143 145 146

Rechtskraft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Rechtskraft der Richtersprüche als Institut der Rechtlichkeit . . . . . . . . . . . 2. Wahrheit, Richtigkeit und Irrtum im Prozeß . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Rechtskraft und Normverwerfung nach § 79 BVerfGG . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Wiederaufgreifen von Verwaltungsverfahren nach Rechtskraft . . . . . . . . .

8. Kapitel Gesetzesvollzugsprinzip

149

I.

Staatlichkeit der vollziehenden Gewalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Eigenständigkeit der vollziehenden Gewalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Republikanischer Gesetzesvollzug . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Gesetzlichkeit der vollziehenden Gewalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Pflicht zum Gesetzesvollzug . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

149 149 149 150 151

II.

Legalität, Legitimität, Opportunität und Sachlichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Legalität und Opportunität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Legalität und Legitimität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Legalität und Sachlichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

152 152 153 155

III. Gesetzlich geregelte Verwaltungsverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 156 IV.

Verwaltungsakte und anderes Verwaltungshandeln . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Verwaltungsakte für das Besondere und für das Allgemeine . . . . . . . . . . . 2. Verwaltungsverträge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Reales Verwaltungshandeln . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

157 157 160 164

V.

Beliehene Unternehmer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 165

Inhaltsverzeichnis

7

9. Kapitel Gewaltenteilung

167

I.

Teilung der Staatsgewalten und der Ausübung der Staatsgewalt . . . . . . . . . . . . 1. Horizontale Gewaltenteilung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Einheit der Staatsgewalt des Volkes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Gewaltenteilung als Rechtsstaatsprinzip . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Territoriale, föderale und vertikale Gewaltenteilung . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Pluralismus hoheitlicher Gewalten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Gewaltenteilung der Europäischen Union . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Freiheit durch kleine Einheiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Trennung von Staat und Kirche . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

167 167 167 168 169 169 170 171 171

II.

Gewaltentrennung und Gewaltenhemmung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Gewaltentrennung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Institutionelle Unabhängigkeit der Organisationen und Organe . . . . . . b) Ultra-vires-Lehre . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Inkompatibilitäten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Gewaltenhemmung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

172 172 172 173 174 175

III. Parteienoligarchie versus Gewaltenteilung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Parteienstaatliche Führerdemokratie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Neuer Dualismus des Mehrparteienstaates . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Institutionelle Sicherung der Parteienoligarchie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Freie Wahlen als Kern des demokratischen Prinzips . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Pluralistische Gegenkräfte zur Parteienoligarchie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Öffentlicher Dienst . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Medien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Unternehmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Postulat des Pluralismus (vertikale) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . e) Volksgesetzgebung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6. Rechtsprechung im Parteienstaat . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Unabhängigkeit der Richterschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Verfassungsrechtsprechung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

176 176 178 180 181 183 183 183 184 184 185 186 186 187

10. Kapitel Besondere Organe der Gesetzgebung, der vollziehenden Gewalt und der Rechtsprechung I.

191

Gesetzgebung und Rechtsetzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 191 1. Legislative als allgemeiner Gesetzgeber . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 191 2. Exekutive als Gesetzgeber . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 193

8

Inhaltsverzeichnis 3. Exekutivistische Rechtsetzung der Europäischen Union . . . . . . . . . . . . . . . 4. Verwaltungsrechtsetzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Rechtssatzhaftigkeit aller Verwaltungsakte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Verbindlichkeit der Verwaltungsvorschriften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Satzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6. Richterrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7. Gesetzgebung der Verfassungsrechtsprechung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

195 197 197 199 200 203 207

Rechtsprechung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Gerichte als Ämter der Rechtsprechung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Unabhängigkeit der Richter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Demokratische Legitimation der Richter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Neutralität und Unparteilichkeit der Richter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Verwaltungsfunktion der Judikative . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

210 210 214 215 217 218

III. Vollziehende Gewalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Staatsleitung und Vollzug der Gesetze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Bundesregierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Verwaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Bundesverwaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Landesverwaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6. Kommunalverwaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

218 218 221 224 226 226 229

IV.

238 238 240 241

II.

Privatistische Staatsunternehmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Erwerbswirtschaftliche Verwaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Verfassungswidrige Fiskusdoktrin . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Formelle Privatisierung der Staatlichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

11. Kapitel Verantwortung der Rechtsprechung für die Rechtlichkeit der Gesetze

244

I.

Normenprüfung und Normverwerfung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 244 1. Normenkontrollpflicht der Gerichte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 244 2. Normverwerfung durch das Bundesverfassungsgericht . . . . . . . . . . . . . . . . 246

II.

Verfassungskontrollinitiative der Regierungen und der Opposition . . . . . . . . . 249 1. Abstrakte Normenkontrolle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 249 2. Organstreit und Bund-Länder-Streit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 249

III. Gesetzesverfassungsbeschwerde von Bürgern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Grundrechteschutz gegen Gesetze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Subsidiarität der Gesetzesverfassungsbeschwerde . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Annahme der Verfassungsbeschwerde . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

250 250 251 251

Inhaltsverzeichnis IV.

V.

Gemeinschaftsrechtlichkeit der Gesetze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. (Begrenzter) Vorrang des Gemeinschaftsrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Vorabentscheidungsverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. (Fragwürdige) Unanwendbarkeit gemeinschaftswidriger Gesetze der Mitgliedstaaten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

9 252 252 254 255

Grundrechtsschutz gegen Gemeinschaftsrechtsakte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 255

12. Kapitel Verwaltungsverantwortung für die Rechtlichkeit des Gesetzesvollzugs I.

256

Rechtmäßigkeit und Zweckmäßigkeit des Gesetzesvollzugs . . . . . . . . . . . . . . . 1. Rechtmäßige Zweckmäßigkeit staatlichen Handelns . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Verantwortung aller Amtswalter, letztlich der Regierungen . . . . . . . . . . . . 3. Bindung der staatlichen Organe an die Rechtsakte des Staates . . . . . . . . . a) Bindung der staatlichen Organe an die eigenen Rechtsakte . . . . . . . . . b) Bindung der staatlichen Organe an die Rechtsakte der anderen Teilgewalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Verwaltungsverantwortung für die Rechtlichkeit der Gesetze . . . . . . . . . . 5. Verlust an Gesetzlichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

256 256 257 258 258

Regierungsverantwortung und Unabhängigkeiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Weisungsbefugnisse der Regierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Unabhängigkeit im Interesse der Sachlichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Bundesbank und Europäische Zentralbank . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

261 261 262 264

III. Rechtsaufsicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Bundesaufsicht und Bundeszwang . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Kommunalaufsicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Aufsicht über die privatistischen Verwaltungsunternehmen . . . . . . . . . . . . 4. Aufsicht der Kommission der Europäischen Union über die Mitgliedstaaten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

265 266 268 270

II.

259 260 261

271

13. Kapitel Bestimmtheitsprinzip

273

I.

Bedeutung der Bestimmtheit der Gesetze für die Freiheit . . . . . . . . . . . . . . . . . 273

II.

Bestimmtheit und Exekutive . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Gesetzgebung und Rechtsetzung der Exekutive . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Rechtsverordnungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Satzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

274 274 275 276

10

Inhaltsverzeichnis 4. Gesetzesbindung und Ermessen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 277 5. Offene Gesetzesbegriffe und Beurteilungsspielraum . . . . . . . . . . . . . . . . . . 280 6. Willkürfreie Verbietbarkeitsregelungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 283

III. Bestimmtheitsprinzip und Rechtsprechung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Notwendigkeit richterlicher Rechtsetzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Billigkeits- und Generalklauseln des Gesetzgebers, insb. die der guten Sitten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Bestimmung der Gesetze mittels Interpretation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Rechtsschutzrechtliches Bestimmtheitspostulat . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Bestimmtheit der Richtersprüche . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV.

283 283 285 287 292 292

Verweisung als Rechtsetzungstechnik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 293

14. Kapitel Verfahrensprinzip

295

I.

Rechtlichkeit als Verfahrenszweck . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 295 1. Gesetzlichkeit der Verfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 295 2. Sachgerechtigkeit der Verfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 296

II.

Parteienstaatliche Gesetzgebungsverfahren des Bundes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 297

III. Prinzipien der Gerichtsverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Gesetzlicher Richter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Rechtliches Gehör . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Faires Verfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Rechtsbehelfe und Rechtsmittel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

300 300 301 302 303

IV.

Strafverfahrensrechtliche Prinzipien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Richtervorbehalt bei Freiheitsentziehungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Verteidigung des Angeklagten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Nulla poena sine lege . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Ne bis in idem . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Nulla poena sine culpa . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

303 303 305 305 307 307

V.

Rechtsfolgen von Zuständigkeits- und Verfahrensfehlern . . . . . . . . . . . . . . . . . . 308

15. Kapitel Amts- und Dienstprinzip I.

310

Amt und Dienst . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 310 1. Republikanisches Amtsprinzip . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 310 2. Materielle Kompetenz der Amtswalter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 311

Inhaltsverzeichnis

11

3. Diensttarife und Dienststreik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 313 a) Diensttarife . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 313 b) Dienststreik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 314 II.

Amtswalter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Abgeordnete als Mandatsträger . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Beamte im Vollzugsdienst . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Arbeitnehmer im Vollzugsdienst . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Soldaten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Professoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

316 316 318 321 322 323

III. Verantwortung der Amtswalter für die Rechtmäßigkeit des Gesetzesvollzuges . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 323 1. Persönliche Verantwortung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 323 2. Privatmäßige Amtshaftung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 324 IV.

Unparteilichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Allgemeines Verbot der Parteilichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Pflicht der Beamten zur Unparteilichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Pflicht der Abgeordneten zur Unparteilichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Pflicht der Richter zur Unparteilichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

325 325 326 326 328

16. Kapitel Willkürverbot

329

I.

Gesetzgebungsgleichheit als Willkürverbot . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 329

II.

Allgemeinheit der Gesetze und Verbot von Einzelfallgesetzen . . . . . . . . . . . . . 335

III. Freiheitsprinzip, Willkürverbot und Verhältnismäßigkeitsprinzip . . . . . . . . . . . 337

17. Kapitel Verhältnismäßigkeitsprinzip

342

I.

Verfassungsgrundlage des Verhältnismäßigkeitsprinzips . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 342

II.

Gesetzgeberische Rechtsprechung zum Wesensgehalt der Grundrechte und zur Verhältnismäßigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Funktionale Gesetzgebung der Entfaltung der grundrechtlichen Wesensgehalte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Institutionelle Judiziabilität des Verhältnismäßigkeitsprinzips . . . . . . . . . . 3. Sittlichkeit als formales Prinzip der praktischen Vernunft . . . . . . . . . . . . . 4. Judikatur des Sozialprinzips . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

343 343 344 346 347

III. Art. 12 Abs. 1 GG und das Verhältnismäßigkeitsprinzip . . . . . . . . . . . . . . . . . . 348

12

Inhaltsverzeichnis

IV.

Kriterien der Verhältnismäßigkeit der Ausübung der Staatsgewalt . . . . . . . . . . 349 1. Gesetzlichkeit der Zwecke und der Mittel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 349 2. Die Sachgerechtigkeit des Verhältnisses der Mittel zu den Zwecken . . . . 350

V.

Gesetzesabhängiges Verhältnismäßigkeitsprinzip, insbesondere im Polizeirecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 351

VI. Vorrang der rechtlichen Gesetzlichkeit vor dem Übermaßverbot . . . . . . . . . . . 352 VII. Wirtschaftspolitische praktische Vernunft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 354 VIII. Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit im Gemeinschaftsrecht . . . . . . . . . . . . 356

18. Kapitel Vertrauensschutzprinzip

359

I.

Freiheitliche Verläßlichkeit der Gesetze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 359

II.

Prinzip der Allgemeinheit der Gesetze und der Wechsel der Lagen . . . . . . . . 361

III. Vertrauensschutzprinzip als Kompensation parteienstaatlicher Instabilität . . . 362 IV.

Unmöglichkeit der Rückwirkung von Gesetzen und Fiktion von Vergangenheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 364 1. Unmöglichkeit der Rückwirkung von Gesetzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 364 2. Fiktion von Vergangenheit und deren Neuregelung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 364

V.

Rückwirkungsverbot des Bundesverfassungsgerichts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Vertrauensschutzprinzip des Rechtsstaates und Verbot von Rückwirkungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Verbotene Rückwirkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Erlaubte Rückwirkung oder Rückanknüpfung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Änderung der Rechtsprechung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Mauerschützen ohne Vertrauensschutz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

365 365 366 367 368 369

VI. Kritik der Rückwirkungsrechtsprechung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 369 1. Sittliche Einheit von Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft . . . . . . . . . . 369 2. Sachlichkeit als maßstablose Maxime des Rückwirkungsverbots . . . . . . . 370 VII. Versagen der Rückwirkungsrechtsprechung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 371 1. Verjährungsregelung für Naziverbrechen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 371 2. Familienrechtsreform . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 371 VIII. Vertrauensschutzprinzip im Verwaltungsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Schutz des Vertrauens in den Bestand fehlerhafter Verwaltungsakte . . . . 2. Schutz vor Widerruf rechtmäßiger Verwaltungsakte . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Widerruf von Verwaltungsakten wegen „schwerer Nachteile für das Gemeinwohl“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

372 372 373 373

Inhaltsverzeichnis

13

IX. Gemeinschaftsrechtliche Aspekte des Vertrauensschutzes . . . . . . . . . . . . . . . . . 374 1. Vertrauensschutz im Gemeinschaftsverwaltungsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . 374 2. Einschränkung des deutschen Vertrauensschutzes durch das europäische Gemeinschaftsinteresse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 375 X.

Vertrauensschutzprinzip im Zivilrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 375

19. Kapitel Entschädigungsprinzip

377

Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 380 Sachwortverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 411

1. Kapitel

Einleitung I. Rechtsstaatliche Orientierung Das Grundgesetz ist das Verfassungsgesetz eines weit entwickelten Rechtsstaates. Kaum eine Vorschrift des Grundgesetzes ist ohne rechtsstaatliche Bedeutung. Katharina Sobota listet 140 Elemente des Prinzips Rechtsstaat auf1. Im Folgenden werden nur die zentralen Prinzipien des Rechtsstaates erörtert. Fundament des Rechtsstaates ist die Würde des Menschen (Art. 1 Abs. 1 S. 1 GG), die durch die Einheit von Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit ihre Wirklichkeit findet. Eine Gemeinschaft ist brüderlich, solidarisch, der Rechtsstaat folglich notwendig Sozialstaat (2. Kapitel, I, III, 6. Kapitel, I, 5). Die Republik ist die Staatsform von Menschen, die in Würde miteinander leben, also die Staatsform der Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit (3. Kapitel). Notwendigkeit der Wirklichkeit von Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit ist der existentielle Staat (die Rechtsgemeinschaft), dessen Willensbildung um der politischen Freiheit willen demokratisch sein muß (4. Kapitel). Die Verfassung der Menschheit der Menschen, nämlich ihrer Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit, gibt jedem Menschen ein Recht auf ein Verfassungsgesetz, welches die Rechtsgemeinschaft verbindlich macht. Der Rechtsstaat ist somit Verfassungsstaat (5. Kapitel). Um der Rechtlichkeit des gemeinsamen Lebens willen ist der Rechtsstaat Gesetzesstaat. Der Vorbehalt und der Vorrang der Gesetze sichert die politische Freiheit des Volkes, also die Demokratie (6. Kapitel). Der Rechtsstaat ist wesentlich Gerichtsstaat (7. Kapitel) und unvermeidlich Verwaltungsstaat (8. Kapitel). Die Ausübung der Staatsgewalt ist im Rechtsstaat um der Freiheit willen geteilt. Der oligarchische Parteienstaat unterläuft die gewaltenteilige Funktionenordnung zu Lasten des Rechtsprinzips (9. Kapitel). Die Staatsgewalt wird, wenn nicht vom Volk selbst, durch besondere Organe der Gesetzgebung, der vollziehenden Gewalt und der Rechtsprechung ausgeübt (10. Kapitel). Die Funktionen dieser besonderen Organe sind institutionell verschränkt. Nicht nur die Legislative, vielmehr auch und vor allem die Rechtsprechung (11. Kapitel) und die vollziehende Gewalt (12. Kapitel) sind für die Rechtmäßigkeit der Gesetze und die Rechtlichkeit der Lebensverhältnisse verantwortlich. Ein Schlüsselprinzip 1 Das Prinzip Rechtsstaat. Verfassungs- und verwaltungsrechtliche Aspekte, 1997, S. 27 ff., 254 ff.

16

1. Kap.: Einleitung

des Rechtsstaates ist die Bestimmtheit der Staatsakte (13. Kapitel). Sachgerechte und faire Verfahren versuchen im Rechtsstaat prozedural die Gerechtigkeit zu fördern. Zum harten Kern des Rechtsstaates gehören die Prinzipien des Strafverfahrens (14. Kapitel). Ohne einen auf die Verwirklichung des Rechts ausgerichteten öffentlichen Dienst und ein republikanisches Amtsprinzip bricht ein Rechtsstaat in sich zusammen (15. Kapitel). Elementar für den Rechtsstaat sind außer den materialen Grundrechten, die in diesem Buch nicht behandelt werden2, deren Substanz, nämlich die Prinzipien der praktischen Vernunft, das Willkürverbot (16. Kapitel), das Verhältnismäßigkeitsprinzip (17. Kapitel) und das Vertrauensschutzprinzip (18. Kapitel). Fehler des Staates, Unrecht also, das im Namen des Staates begangen wird, wird im Rechtsstaat entschädigt (19. Kapitel). Ein Gemeinwesen, welches nicht durch seine Grundrechte die Menschenrechte als elementare Materialisierung des Rechts anerkennt (Art. 1. Abs. 2 GG), ist kein Rechtsstaat. Zur Rechtsstaatlichkeit findet aber ein Gemeinwesen auch nicht, wenn das Handeln der Menschen nicht von der Ethik der Freiheit bestimmt ist. Diese Ethik gebietet die Sittlichkeit, deren Gesetz das Sittengesetz, der kategorische Imperativ, ist3. Im folgenden werden weitere fundamentale Prinzipien des Rechtsstaates genannt, die zum größten Teil in dieser Schrift erörtert werden.

II. Rechtsstaatliche Regelungen im Grundgesetz Nach Art. 20 Abs. 2 S. 1 GG geht „alle Staatsgewalt vom Volke aus“. Dieser fundamentale Grundsatz der politischen Freiheit, die sogenannte Volkssouveränität (BVerfGE 83, 60 (71); 89, 155 (189 f.))4, nämlich das auch in Art. 20 Abs. 1 GG genannte demokratische Prinzip, ist das Prinzip der allgemeinen Gesetzgebung oder das Prinzip der Bürgerlichkeit der Bürger und damit das Rechts-

2 Die Grundrechte werden, soweit sie für die Wirtschaft bedeutsam sind, in K. A. Schachtschneider, Fallstudien zum Öffentlichen Wirtschaftsrecht, 3. Aufl. 2003/2004, dargelegt, nämlich: K. A. Schachtschneider/A. Emmerich-Fritsche, Gewerbeuntersagung, S. 1 ff.; dies., Kommunaler Wettbewerb, S. 27 ff.; K. A. Schachtschneider, Produktwarnung der Bundesregierung, S. 83 ff.; ders., Streik im öffentlichen Dienst, S. 215 ff.; ders. (unter Mithilfe von P. Wollenschläger), Umweltrecht – FCKW-Verbot, S. 303 ff.; ders., Atomrecht, S. 363 ff.; ders./D. I. Siebold, Transplantationsmedizin, S. 389 ff.; ders. (unter Mithilfe von St. A. Jungheim und W. Dorner), Konkurrentenklage, S. 425 ff. 3 Dazu 3. Kap., II. 4 Dazu K. Stern, Das Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland (Staatsrecht), Bd. I, 2. Aufl. 1984, S. 592 ff., 604 ff.; ders., Staatsrecht, Bd. II, 1980, S. 20 ff.; K. A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 19 ff.

II. Rechtsstaatliche Regelungen im Grundgesetz

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prinzip selbst, das letztlich mit dem demokratischen Prinzip identisch ist; denn beide sind das Freiheitsprinzip. Art. 20 Abs. 2 S. 2 GG teilt die Staatsgewalt in die Gesetzgebung, die vollziehende Gewalt und die Rechtsprechung. Art. 20 Abs. 3 GG bindet die vollziehende Gewalt und die Rechtsprechung an „Gesetz und Recht“, die Gesetzgebung an die „verfassungsmäßige Ordnung“. Art. 20 Abs. 4 GG gibt jedem Deutschen das Recht zum Widerstand „gegen jeden, der es unternimmt, diese Ordnung zu beseitigen“, „wenn andere Abhilfe nicht möglich ist“, und berechtigt damit alle Deutschen, den Rechtsstaat zu verteidigen. Wichtige rechtsstaatliche Regelungen im Grundgesetz sind außer den Grundrechten weiterhin: Art. 19 Abs. 2 GG, das Verbot, ein Grundrecht in seinem Wesensgehalt anzutasten; Art. 19 Abs. 1 S. 1 GG, das Verbot des grundrechtseinschränkenden Einzelfallgesetzes; Art. 19 Abs. 1 S. 2 GG, das Zitiergebot; Art. 19 Abs. 4 GG, die Eröffnung des Rechtsweges gegen Rechtsverletzungen durch die öffentliche Gewalt; Art. 34 GG, die Staatshaftung; Art. 80 Abs. 1 GG, die Befugnis, in gewissen Grenzen die Exekutive zu Rechtsverordnungen zu ermächtigen; Art. 84 Abs. 3 und 4 GG, die Bundesaufsicht über die Ausführung der Bundesgesetze durch die Länder; Art. 92 GG, der Richtervorbehalt für die Rechtsprechung; Art. 92 bis 96 GG, die Einrichtung des Bundesverfassungsgerichts, dessen Aufgaben, insbesondere die abstrakte Normenkontrolle (Art. 93 Abs. 1 Nr. 2 GG) und die Verfassungsbeschwerde (Art. 93 Abs. 1 Nr. 4a GG), und der Bundesgerichte; Art. 97 und 98 GG, die richterliche Unabhängigkeit und die Rechtsstellung der Richter; Art. 100 Abs. 1 GG, die konkrete Normenkontrolle; Art. 101 Abs. 1 S. 1 GG, das Verbot von Ausnahmegerichten; Art. 101 Abs. 1 S. 2 GG, das Gebot des gesetzlichen Richters; Art. 102 GG, die Abschaffung der Todesstrafe; Art. 103 Abs. 1 GG, der Anspruch auf richterliches Gehör; Art. 103 Abs. 2 GG, der Grundsatz nulla poena sine lege; Art. 103 Abs. 3 GG, das Verbot der Mehrfachbestrafung; Art. 104 GG, die grundgesetzliche habeas-corpus-Akte (insb. der Gesetzes- und Richtervorbehalt bei Freiheitsentziehung); Art. 115a ff. GG, der Verteidigungsfall; u. a. m. Die Praxis des Bundesverfassungsgerichts hat die ungeschriebenen rechtsstaatlichen Verfassungsprinzipien verwirklicht, wie insbesondere das Willkürverbot5, das Verhältnismäßigkeitsprinzip6 und das Vertrauensschutzprinzip7, aber auch strafrechtliche Gerechtigkeitsprinzipien, wie das Schuldprinzip (nulla poena sine culpa, BVerfGE 41, 121 (125)). Die Strafe muß in einem gerechten Verhältnis zur Schwere der Tat und der Schuld stehen. Die Strafe darf nicht unangemessen und grausam sein (BVerfGE 6, 389 (439); 20, 323 (331); 25, 5 6 7

Dazu 16. Kap. Dazu 17. Kap. Dazu 18. Kap.

18

1. Kap.: Einleitung

269 (286); 27, 18 (29); 41, 121 (125); 45, 187 (228, 260); 50, 5 (10 ff.)). Die lebenslange Freiheitsstrafe für Mord ist weder unangemessen noch menschenunwürdig (BVerfGE 45, 187 (223 ff.)). Die Unschuldsvermutung (in dubio pro reo) ist rechtsstaatlich geboten (BVerfGE 19, 342 (347)).

2. Kapitel

Grundlegung des Rechtsstaates I. Republik als Rechts- und Sozialstaat Als freiheitliches Gemeinwesen, als Bürger- oder Freistaat ist die Republik der Staat des Rechts, also Rechtsstaat. Nach Art. 20 GG in Verbindung mit Art. 1 Abs. 3, 19 Abs. 4 und Art. 28 Abs. 1 S. 1 GG ist die Bundesrepublik Deutschland auch nach Auffassung des Bundesverfassungsgerichts ein Rechtsstaat und muß das genauso wie die Länder Deutschlands sein (BVerfGE 2, 380 (403); 84, 90 (121)). Deutschland wirkt nach Art. 23 Abs. 1 S. 1 GG „zur Verwirklichung eines vereinten Europas“ „bei der Entwicklung der Europäischen Union mit, die demokratischen, rechtsstaatlichen, sozialen und föderalen Grundsätzen und dem Grundsatz der Subsidiarität verpflichtet ist und einen diesem Grundgesetz im wesentlichen vergleichbaren Grundrechtsschutz gewährleistet“. Auch die Europäische Union muß folglich rechtsstaatlich sein. Demgemäß stellt Art. 6 EUV fest: „Die Union beruht auf den Grundsätzen der Freiheit, der Demokratie, der Achtung der Menschenrechte und Grundfreiheiten sowie der Rechtsstaatlichkeit, diese Grundsätze sind allen Mitgliedstaaten gemeinsam.“

Viele Einzelregelungen des Grundgesetzes formulieren Prinzipien des Rechtsstaates. Eine Republik, die politische Form des grundgesetzlichen Gemeinwesens, gebietet eine Staatlichkeit, welche die allgemeine Freiheit durch Gesetzlichkeit verwirklicht. Ein Staat der Gesetzlichkeit ist Rechtsstaat. Rechtsstaatlichkeit gebietet den Primat des Rechts bei allen Handlungen. Gesetzgebung ist Politik, aber auch Gesetzgebung muß wie jede Politik das Recht wahren. Sie muß Rechtsetzung sein. Sie muß im übrigen das ethische Prinzip des Rechts, das Sittengesetz, achten; denn Recht soll das gute Leben aller in allgemeiner, also gleicher Freiheit ermöglichen8. Aristoteles hat bereits definiert: „Der Staat ist nun eine Gemeinschaft von Ebenbürtigen zum Zwecke eines möglichst guten Lebens.“9

8 K. A. Schachtschneider, Res publica res populi. Grundlegung einer Allgemeinen Republiklehre. Ein Beitrag zur Freiheits-, Rechts- und Staatslehre, 1994, S. 350 ff.; ders., Freiheit in der Republik, Manuskript 2004, 2. Kap., VI, 5. Kap., II, III, 7. Kap. 9 Politik, 1328a, 36 f.

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2. Kap.: Grundlegung des Rechtsstaates

Rechtlichkeit ist der Zweck des Staates. Aufgabe des Staates ist es, Gesetze zu geben und zu vollziehen, welche das Recht der Menschen verwirklichen. Darum setzt Rechtsetzung durch Gesetzgebung Rechtserkenntnis voraus10. Der Staat ist aber ausweislich des Sozialprinzips auch Sozialstaat11. Das Sozialprinzip muß in Freiheitlichkeit und darum in Gesetzlichkeit verwirklicht werden (BVerfGE 1, 97 (105); 70, 278 (288))12. Der Wohlfahrtsgesetzgeber soll, weil die Gesetzgebung repräsentativ ist, das Privatheitsprinzip13, eine sittliche Maxime, wahren. Die Republik ist nicht auf den Sicherheitszweck14 begrenzt, wie die liberale, konstitutionelle Monarchie, weil das Volk das gute Leben aller auch durch gemeinsame Veranstaltungen fördern darf, etwa durch eine staatliche Energie- oder Wasserversorgung, also durch die Daseinsvorsorge des Staates, die vom Sicherheitszweck nicht gefordert ist.

II. Gesetzlichkeit, Rechtlichkeit, Gerechtigkeit 1. Gerechtigkeit durch Rechtlichkeit Der Rechtsstaat zielt auf Gerechtigkeit (BVerfGE 7, 89 (92)). Gerechtigkeit im Staat ist die Rechtlichkeit, also Gesetzlichkeit, wenn die Gesetze sittlich sind, d. h. wenn die Vertreter des ganzen Volkes, die Abgeordneten (Art. 38 Abs. 1 GG), bei der Gesetzgebung moralisch gehandelt, das Sittengesetz beachtet haben15. Gesetzlichkeit heißt, daß alle Rechtsvorschriften materieller und prozeduraler Art unverletzt bleiben. Recht ist das Richtige für das gute Leben aller in allgemeiner Freiheit auf der Grundlage der Wahrheit16. Das gute Leben aller ist die bestmögliche Wirklichkeit der Menschenrechte, sowohl der liberalen (1. Generation) als auch der sozialen (2. Generation) und der ökologischen (3. Generation). Gerechtigkeit besteht gleichrangig aus materialer Gerechtigkeit 10

K. A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 564 ff., 598 ff., 718 ff. K. A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 358, 577, 633. 12 Dazu K. A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 234 ff., insb. S. 247 ff.; ders., Das Sozialprinzip. Zu seiner Stellung im Verfassungssystem des Grundgesetzes, 1974, S. 71 ff. 13 K. A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 370 ff., insb. S. 386 ff.; ders., Freiheit in der Republik, 8. Kap., IV; ders., Der Anspruch auf materiale Privatisierung. Exemplifiziert am staatlichen und kommunalen Vermessungswesen in Bayern, 2004, i. E., S. 67 ff. 14 Dazu K. A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 545 ff. 15 K. A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 279 ff., 519 ff., 637 ff., insb. S. 707 ff.; ders., Freiheit in der Republik, 2. Kap., VII, 7. Kap., II. 16 K. A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 567 ff., insb. S. 569, 978 ff., insb. S. 980, 990 ff., insb. S. 996; ders. (O. Gast), Sozialistische Schulden nach der Revolution. Kritik der Altschuldenpolitik. Ein Beitrag zur Lehre von Recht und Unrecht, 1996, S. 9 ff.; ders., Freiheit in der Republik, 2. Kap., VI, u. ö. 11

II. Gesetzlichkeit, Rechtlichkeit, Gerechtigkeit

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und Rechtssicherheit. Beide Prinzipien haben den Verfassungsrang des Rechtsstaatsprinzips (BVerfGE 2, 380 (403); 7, 89 (92); 25, 260 (290); 49, 304 (308); 82, 6 (12)). Der Gesetzgeber habe zu entscheiden, welche Maßnahmen er um der Rechtssicherheit willen zu Lasten der materiellen Gerechtigkeit treffen wolle, pflegt das Bundesverfassungsgericht zu erklären (seit BVerfGE 2, 380 (403 ff.); 3, 225 (237); 7, 89 (92 f.); 25, 269 (290)). Materielle Gerechtigkeit und Rechtssicherheit sind Zwecke der Gesetze, die insgesamt das gute Leben in allgemeiner Freiheit verwirklichen und darum nicht relevant nach den beiden Zwecken unterschieden werden können. Rechtsstaatlichkeit ist bestmögliche materielle Gerechtigkeit. Ein wesentliches Instrument der rechtssichernden Gerechtigkeit ist die Rechtskraft, welche der Unsicherheit des materiellen Rechts mittels eines Verfahrens ein Ende setzt und dadurch gerechte Rechtssicherheit schafft. „Rechtssicherheit bedeutet für den Bürger in erster Linie Vertrauensschutz“ (BVerfGE 13, 261 (271); 14, 288 (297); 15, 313 (324); 25, 269 (290)). Der Vorwurf, das Gesetz sei nicht Recht, ist sittlich. Sittlich ist die praktische Vernünftigkeit, also die Sachlichkeit der Gesetze17. 2. Gesetz und Recht Gustav Radbruch, der dem Rechtspositivismus verpflichtet war, hat das Verhältnis von Gesetz und Gerechtigkeit wie folgt definiert: „Der Konflikt zwischen der Gerechtigkeit und der Rechtssicherheit dürfte dahin zu lösen sein, daß das positive, durch Satzung und Macht gesicherte Recht auch dann den Vorrang hat, wenn es inhaltlich ungerecht und unzweckmäßig ist, es sei denn, daß der Widerspruch des positiven Gesetzes zur Gerechtigkeit ein so unerträgliches Maß erreicht hat, daß das Gesetz als unrichtiges Recht der Gerechtigkeit zu weichen hat“ (Radbruchsche Formel).18

Diese Definition wird vom Bundesverfassungsgericht für die Bestimmung des Verhältnisses von „Gesetz und Recht“ in Art. 20 Abs. 3 GG aktiviert (BVerfGE 3, 58 (119); 3, 225 (233); 6, 132 (198); 6, 398 (414); 23, 98 (105 ff.); 54, 53 (67 f.)). Nach Auffassung des Gerichts hält die „Formel“ in Art. 20 Abs. 3 GG das Bewußtsein aufrecht, daß sich Gesetz und Recht zwar faktisch im allgemeinen, aber nicht notwendig und immer decken. Das Gericht leitet aus dem Wort „Recht“ die Befugnisse des Richters zur schöpferischen Rechtsfindung her, welche verfassungsmäßige Wertvorstellungen, die in den Texten der geschriebenen Gesetze nicht oder nur unvollkommen Ausdruck erlangt haben, ohne Willkür 17 K. A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 275 ff., 519 ff., 637 ff.; ders., Freiheit in der Republik, 7. Kap., II. 18 Gesetzliches Unrecht und übergesetzliches Recht, SJZ 1946, 105 ff.; ders., Rechtsphilosophie, 4. Aufl. 1950, 347 ff. (353), 8. Aufl. 1973, S. 339 ff. (345); BVerfGE 3, 225 (232 f.); dazu (kritisch) K. A. Schachtschneider (O. Gast), Sozialistische Schulden nach der Revolution, S. 9 ff., 15 ff.

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2. Kap.: Grundlegung des Rechtsstaates

nach den Maßstäben der praktischen Vernunft und den fundierten allgemeinen Gerechtigkeitsvorstellungen der Gemeinschaft verwirklicht (BVerfGE 9, 338 (349); 34, 269 (286 ff.)). Das Gericht lehnt damit erklärtermaßen einen „engen Gesetzespositivismus“ ab und löst damit den Richter von der Bindung an Gesetze, welche, wie Art. 97 Abs. 1 GG mißverstanden werden könnte, nicht dem Recht genügen und darum keine Verbindlichkeit begründen19. Ob das Gesetz Recht gibt, beurteilt sich nach dem Sittengesetz. Der Gesetzgeber, also die Bürgerschaft in ihrer Gesamtheit, ist sittlich verpflichtet, durch die Gesetze Recht zu geben. Das gebietet die allgemeine Freiheit, die nur durch Gesetze des Rechts Wirklichkeit findet20. Die Rechtlichkeit der Gesetze hängt von der Sittlichkeit des Gesetzgebers und diese von der Moralität der Abgeordneten ab. Der Leitsatz der Moralität ist: „Handle pflichtmäßig aus Pflicht“ (Kant)21. Der Mangel an Moral ist juridisch nicht vorwerfbar. Moralität unterliegt dem Selbstzwang (Kant)22. Allgemeine Gesetzlichkeit verwirklicht die Freiheit, aber die repräsentative Gesetzgebung genügt nur dem Allgemeinheitsprinzip, wenn sie in ihrer Materie sittlich, d. h. praktisch vernünftig, ist. Das aber ist wegen der Formalität der Sittlichkeit23 von der Moralität derer abhängig, welche das Gesetz als Recht zu erkennen und zu beschließen die Aufgabe und Befähigung haben24. Das sind die Organe der Gesetzgebung, aber wegen des grundrechtlichen Wesensgehaltsschutzes der Freiheit auch die Richter, letztlich das Bundesverfassungsgericht. Darum ist die praktische Vernünftigkeit, also die Sittlichkeit, des Gesetzes von den Gerichten zu verantworten (institutionelle Judiziabilität)25. Die Freiheitlichkeit der Lebensverhältnisse hängt letztlich von der Moralität der Verfassungsrichter ab.

III. Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit Der Rechtsstaat verwirklicht die Freiheit und verwirft jede Art von Herrschaft26. Die Freiheit ist Autonomie des Willens27. Diese ist, ganz unabhängig 19

Dazu K. A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 870 ff. K. A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 279 ff., 332 ff., 519 ff., 978 ff.; ders., Freiheit in der Republik, 2. Kap., IV, 5. Kap., II, 7. Kap., II. 21 Metaphysik der Sitten, ed. Weischedel, die Werke Kants sind durchgehend aus der von Wilhelm Weischedel herausgegebenen Ausgabe zitiert, Bd. 7, S. 521, u. ö.; dazu K. A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 288 f.; ders., Freiheit in der Republik, 2. Kap., VII. 22 Metaphysik der Sitten, S. 508 ff.; dazu K. A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 130 ff., 279 ff.; ders., Freiheit in der Republik, 2. Kap., VII. 23 K. A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 267 ff., 655 ff., 978 ff.; ders., Freiheit in der Republik, 2. Kap., VII, 7. Kap., II. 24 K. A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 560 ff., 584 ff., 637 ff., insb. S. 707 ff. 25 K. A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 978 ff.; ders., Freiheit in der Republik, 7. Kap., II, insb. 2. 20

III. Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit

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von den Fähigkeiten des einzelnen Menschen, die Würde des Menschen (Art. 1 Abs. 1 GG)28. Sie ist für alle gleich. Die Gleichheit aller in der Freiheit ist die politische Grundentscheidung29, die im Rechtsstaat Wirklichkeit findet. Die Entscheidung für den Rechtsstaat umfaßt die Entscheidung für die Freiheit aller und die Entscheidung für den staatlichen Schutz der Menschen- und Bürgerrechte (Art. 1 Abs. 2 GG). Ein Staat des Rechts ist ohne den staatlichen Schutz der Freiheit nicht denkbar. Die Begrenzung von Herrschaft durch Grundrechte macht noch keinen Rechtsstaat aus. Ein solcher Staat, wie der des monarchischliberalen Konstitutionalismus30, bedient sich rechtsstaatlicher Elemente, ist aber noch nicht Staat des Rechts; denn Recht kann nur durch Gesetze der Bürger selbst entstehen. Herrschaft kann gesetzlich sein, nicht rechtlich. Nicht jede Ordnung ist eine Rechtsordnung. Recht gibt es nur in der Republik, deren Staatsgewalt vom Volke ausgeht (Art. 20 Abs. 2 S. 1 GG), die also demokratisch ist31. Freiheit ist darum politische Freiheit, d. h. das Urrecht, nur unter eigenen Gesetzen zu leben, die freilich allgemein sein müssen, also die Gesetze aller32. In diesem Sinne umfaßt das Rechtsstaatsprinzip auch die Entscheidung für die Gleichheit der Bürger in der Freiheit. Weil das Gesetz, wenn es Recht schafft, Verwirklichung der Freiheit aller ist, ist die Gleichheit identisch mit der Allgemeinheit der Freiheit33. Freiheitlicher Gesetzlichkeit kann rechtlich Willkür34 nicht angelastet werden, aber freiheitlich ist die Gesetzgebung eben nur, wenn sie das Sittengesetz achtet. 26

K. A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 71 ff. K. A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 275 ff., 325 ff.; ders., Freiheit in der Republik, 2. Kap., VII, 5. Kap. 28 Kant, Grundlegung zur Metaphysik der Sitten, S. 69; i. d. S. BVerfGE 5, 85 (205); dazu K. A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 4 ff.; ders., Freiheit in der Republik, 2. Kap., II. 29 K. A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 4 f., 410 ff.; ders., Freiheit in der Republik, 2. Kap., III, 5. Kap., 7. Kap.; weitere Hinweise in Fn. 96, vgl. 3. Kap., II und V. 30 Vgl. E. R. Huber, Deutsche Verfassungsgeschichte seit 1789, Bd. I, 2. Aufl. 1967, S. 9 ff.; ders., Das Kaiserreich als Epoche verfassungsstaatlicher Entwicklung, HStR, Bd. I, 1987, § 2, S. 35 ff.; R. Wahl, Die Entwicklung des deutschen Verfassungsstaates bis 1866, HStR, Bd. I, 1987, § 1, S. 3 ff.; K. A. Schachtschneider, Vom liberalistischen zum republikanischen Freiheitsbegriff, in: ders. (Hrsg.), Wirtschaft, Gesellschaft und Staat im Umbruch. Festschrift der Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Fakultät der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg 75 Jahre nach Errichtung der Handelshochschule Nürnberg, 1995, S. 418 ff. 31 K. A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 14 ff.; ders., Demokratiedefizite in der Europäischen Union, FS W. Hankel, 1999, S. 119 ff. 32 K. A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 290 ff., 303 ff., 325 ff., 410 ff., 519 ff.; ders., Freiheit in der Republik, 2. Kap., III, VII, 5. Kap., II, 1, 7. Kap., I, 3. 33 K. A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 4 f., 410 ff.; ders., Freiheit in der Republik, 2. Kap., III, VI, 5. Kap., II, 7. Kap. 27

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2. Kap.: Grundlegung des Rechtsstaates

Rechtsstaatlichkeit ist ohne Verwirklichung des Sozialprinzips35, der Brüderlichkeit, nicht möglich. Sozial ist das gemeinsame Leben, die Gemeinschaftlichkeit des Gemeinwesens, die Verantwortlichkeit aller für alle. Das Sozialprinzip steht dem libertären Individualismus entgegen. Der Mensch habe, pflegt das Bundesverfassungsgericht zu formulieren, „als Person“ „einen Eigenwert“, sei aber „gemeinschaftsbezogen und gemeinschaftsgebunden“ (BVerfGE 4, 7 (15 f.); 24, 119 (144); 27, 1 (6 f.); 30, 1 (20); 45, 127 (227); 50, 290 (353); 56, 37 (49); 65, 1 (44))36. Das Sozialprinzip wird durch allgemeine Gesetze, durch Gesetze des Rechts, verwirklicht (BVerfGE 1, 97 (105); 100, 271 (283 ff.); st. Rspr.)37, die im Grundsatz die Lebensmöglichkeiten, das Eigentum, gleich verteilen. Dieses soziale Verteilungsprinzip wird durch das Leistungs-, das Bedarfsund das Marktprinzip überlagert, letzteres auch von dem Prinzip der Selbstverantwortung beeinflußt38. Das Sozialprinzip gebietet den Ausgleich zwischen arm und reich, damit jeder Bürger die hinreichende Selbständigkeit hat, um ein von jeder fremden Bevormundung unabhängiger und damit der Sittlichkeit fähiger Mitgesetzgeber sein zu können. Die Entscheidung für die Freiheit bringt das Sozialprinzip als die Pflicht des Staates mit sich, die äußeren Autonomiemöglichkeiten aller Bürger, deren Selbständigkeit, zu fördern und zu schützen39.

IV. Materiale Rechtsstaatlichkeit Das Freiheits-, das Gleichheits- und das Sozialprinzip (Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit)40, zusammengefaßt das Menschheitsprinzip, sind das materielle Rechtsstaatsprinzip. Die genannten Prinzipien sind im Grundgesetz eigenständig geregelt. Sie gelten unabhängig von dem Homogenitätsgebot des Art. 28 Abs. 1 S. 1 GG unmittelbar auch in den Ländern Deutschlands, aber wegen ihrer Menschheitlichkeit, gesichert durch das Struktursicherungsprinzip des Art. 23 Abs. 1 S. 1 GG, auch in der Europäischen Union, die zur deutschen Staatlich-

34 Zum Willkürverbot K. A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 990 ff.; ders., Freiheit in der Republik, 7. Kap., I, 2, II; ders. (O. Gast), Sozialistische Schulden nach der Revolution, S. 95 ff. 35 Zum Sozialprinzip K. A. Schachtschneider, Das Sozialprinzip, 1974; ders., Res publica res populi, S. 234 ff.; ders., Grenzen der Kapitalverkehrsfreiheit, in: ders. (Hrsg.), Rechtsfragen der Weltwirtschaft, 2001, III, 1. 36 K. A. Schachtschneider, Staatsunternehmen und Privatrecht. Kritik der Fiskustheorie, exemplifiziert an § 1 UWG, 1986, S. 99 ff. 37 K. A. Schachtschneider, Das Sozialprinzip, S. 71 ff.; ders., Res publica res populi, S. 247 ff.; dazu 6. Kap., I, 5. 38 K. A. Schachtschneider, Das Recht am und das Recht auf Eigentum, FS W. Leisner, 1999, S. 755 ff.; ders., Freiheit in der Republik, 10. Kap., IV, V. 39 K. A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 234 ff. 40 K. A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 9 ff., 234 ff.; ders., Freiheit in der Republik, 7. Kap.

V. Heiligkeit des Rechts

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keit gehört41. Das Rechtsstaatsprinzip findet somit seine Materialität in den Prinzipien, welche der Verfassung der Freiheit inhärent sind. Die Entscheidung für die Freiheit ist das bestimmende Prinzip des Grundgesetzes. Es umfaßt die Prinzipien der Gleichheit und Brüderlichkeit. Alle Prinzipien des Rechtsstaates dienen der Verwirklichung der allgemeinen Freiheit oder eben des Rechts. Materiale Prinzipien des Rechtsstaates sind die Menschenrechte (Art. 1 Abs. 2 GG). Sie sind in den Grundrechten formuliert, deren nach Art. 19 Abs. 2 GG unantastbarer Wesensgehalt der Menschenrechtsgehalt (i. d. S. BVerfGE 80, 367 (373 f.); vgl. aber BVerwGE 84, 375 (381))42 ist. Die organisatorischen und prozeduralen Regelungen der Verfassungsgesetze sind zwar Prinzipien des formellen Rechtsstaates. Alle formalen Vorschriften haben aber materiale Wirkung. Sie sind fast alle blutig erkämpft, um die Freiheit zu sichern, also um des materiellen Rechtsstaates, um der Gerechtigkeit, willen. Formelle Prinzipien haben den Vorteil der Bestimmtheit. Sie lassen sich gut durchsetzen. Sie sichern die Freiheit gegen die Herrschaft. Die materialen Prinzipien lassen sich leicht mißbrauchen. Sie sind der Erfahrung nach offen, also wenig bestimmt. Welche Politik ist sozial, welche unsozial? Materiale Prinzipien führen zur politischen Abwägung43. Alles kommt auf die Verfahren an44. Die Republik ist die Lebensform, die vornehmlich prozedural Gerechtigkeit sucht.

V. Heiligkeit des Rechts, Unaufgebbarkeit des Rechtsstaatsprinzips Weil das Rechtsstaatsprinzip in allen Strukturprinzipien des Art. 20 Abs. 1 GG, nämlich im demokratischen und im sozialen, auch im Bundesstaats-, insbesondere im Republikprinzip, aber auch in den Prinzipien des Volksstaates (Bürgerstaates) des Art. 20 Abs. 2 S. 1 GG, der Teilung der Ausübung der Staatsgewalt (der sogenannten Gewaltenteilung) des Art. 20 Abs. 2 S. 2 GG, vor allem aber in dem Gesetzes- und Rechtsprinzip des Art. 20 Abs. 3 GG veran-

41 K. A. Schachtschneider, Die existentielle Staatlichkeit der Völker Europas und die staatliche Integration der Europäischen Union. Ein Beitrag zur Lehre vom Staat nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts zum Vertrag über die Europäische Union von Maastricht, in: K. A. Schachtschneider/W. Blomeyer (Hrsg.), Die Europäische Union als Rechtsgemeinschaft, 1995, S. 75 ff., insb. S. 87 ff.; ders., Die Republik der Völker Europas, ARSP-Beiheft 71 (1997), S. 165 ff. 42 G. Dürig, in: Maunz/Dürig, GG, 1958, Art. 1, Rdn. 81; K. A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 819 ff. (827). 43 BVerfGE 39, 173 (188 ff.); dazu K. A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 800 ff., 895 ff., 900 ff.; A. Emmerich-Fritsche, Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit als Direktive und Schranke der EG-Rechtsetzung, 2000, S. 69 ff.; wie der Text K. Sobota, Das Prinzip Rechtsstaat, S. 399 ff. 44 Dazu 14. Kap.

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2. Kap.: Grundlegung des Rechtsstaates

kert ist45, darf es auch durch Verfassungsgesetzänderung nicht beseitigt werden (Art. 79 Abs. 3 GG). Das bestätigt Art. 23 Abs. 1 S. 1 GG, der Europaartikel, ebenso wie Art. 28 Abs. 1 S. 1 GG, der Länderartikel. Nur der Staat des Rechts, der Rechtsstaat, als der Staat der durch Rechtlichkeit verwirklichten Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit genügt der Würde des Menschen, die nach Art. 1 Abs. 1 S. 1 GG unantastbar ist. Mit dem Rechtsprinzip steht das Rechtsstaatsprinzip nicht zur Disposition der Politik, auch nicht zur Disposition des Verfassungsgesetzgebers (BVerfGE 84, 90 (121)). Eine Republik kann nur Rechtsstaat sein46. Das Recht (nicht das Gesetz) ist heilig (Heinrich Triepel)47. Seit Gott „tot“ ist, „unglaubwürdig“ (Friedrich Nietzsche)48, ist der Mensch das höchste Wesen, das Wesen, welches einen Willen hat. Das Recht verwirklicht die Menschheit des Menschen, ermöglicht dem Menschen, allen Menschen ein menschenwürdiges Leben in Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit. Das Recht ist praktische Vernunft. Das ist die Heiligkeit einer Menschheit ohne Gott, es sichert das Heil der Menschheit und der Menschen. Das Recht ist das höchste gemeinsame Prinzip der Menschen. Noch größer als das Recht ist die Liebe. Die Liebe ist aus einer anderen Welt, einer Welt, die des Rechts nicht bedarf, in der alles gut ist. Die Welt des Streits kann ohne Recht nicht zum Frieden finden. Die Liebe ist nicht ihr Geschick und nicht das Prinzip ihres Heils. Das Heiligtum muß allen offen sein. Die Nächstenliebe (3. Mose 19, 18), die Sittlichkeit im Sinne des kategorischen Imperatives49, die Brüderlichkeit nämlich50, ist der „gute Wille“51, die Achtung der anderen als Menschen, die Achtung des 45 A. A. Ph. Kunig, Das Rechtsstaatsprinzip. Überlegungen zu seiner Bedeutung für das Verfassungsrecht der Bundesrepublik Deutschland, 1986, S. 3 ff., 9 ff., 292 ff., 302 ff., 481 ff.; wie der Text K. Sobota, Das Prinzip Rechtsstaat, S. 399 ff.; D. Buchwald, Prinzipien des Rechtsstaats. Zur Kritik der gegenwärtigen Dogmatik des Staatsrechts anhand des allgemeinen Rechtsstaatsprinzips nach dem Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland, 1986, S. 1 ff., 158 ff., (Kritik an Kunig), S. 173 ff.; auch K. A. Schachtschneider, Das Rechtsstaatsprinzip des Grundgesetzes, JA 1978, S. 185 ff., 237 ff. 46 K. A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 14 ff., 519 ff., passim; ders., Freiheit in der Republik, passim. 47 Streitigkeiten zwischen Reich und Ländern. Beiträge zur Auslegung des Artikel 19 der Weimarer Reichsverfassung, in: FG Kahl, 1923, S. 93; dazu C. Schmitt, Verfassungslehre, 1928, 4. Aufl. 1965, S. 142. 48 Die fröhliche Wissenschaft, 1882 (1887), S. 343; dazu auch, Der Antichrist, Fluch auf das Christentum, 38; dazu G. Rohrmoser, Christliche Dekadenz, in: Der Traum aber bleibt. Alte Irrtümer in neuer Gestalt, Beiheft Nr. 63 des Monatsblatts der Evangelischen Notgemeinschaft in Deutschland e.V. „Erneuerung und Abwehr“, 1996, S. 35 ff. (43 ff.). 49 I. Kant, Grundlegung zur Metaphysik der Sitten, S. 25; ders., Kritik der praktischen Vernunft, ed. Weischedel, Bd. 6, S. 113; ders., Metaphysik der Sitten, S. 86 ff., auch S. 532 ff. 50 K. A. Schachtschneider, Freiheit in der Republik, 2. Kap., VII; scharfe Kritik an der Brüderlichkeit von F. Nietzsche, Der Antichrist, 11 („Kant wird Idiot“. „. . . die deutsche dècadence als Philosophie – das ist Kant!“).

V. Heiligkeit des Rechts

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Rechts. Die Nächstenliebe ist praktische Vernünftigkeit, das (republikanische) Prinzip der Politik; denn Politik hat nur einen Zweck und nur eine Aufgabe: die Rechtlichkeit. Politik ist „ausübende Rechtslehre“ (Kant)52. Die Nächstenliebe umfaßt alle Menschen. Die Rechtslehre ist die Lehre von der Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit, also Ethik. Das Postulat der Sittlichkeit ist ihre Logik, nämlich die der Gleichheit der Menschen im Recht53. Das zentrale Prinzip des Rechts ist der kategorische Imperativ oder eben die Nächstenliebe. Diese ist somit ein Vernunftprinzip, welches den allgemeinen Frieden möglich macht. Die Liebe dagegen ist das Glück der Einheit zweier Menschen54. Deren Trennung schmerzt. Diese Liebe ist kein transzendentales Vernunftprinzip. Sie ist Wirklichkeit, Sein, existentiell, kein Imperativ. Darum sind die Imperative der Nächstenliebe, also das Recht, machtlos gegen die Liebe. Die Wirklichkeit des tierischen Menschen hat Friedrich Nietzsche gegen die Nächstenliebe, gegen die dekadente Religion des jüdisch begründeten Christentums, vor allem in seinem Antichrist (1888) verteidigt. Die Kritik Nietzsches am paulinischen Christentum überzeugt vor allem im Hinblick auf den Theismus und das Priestertum des Christentums, aber Nietzsche verachtet den Frieden. Das Recht ist die Lehre vom Frieden unter den Menschen. Es gibt keine andere Grundlage des Rechts als die Idee der Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit. Christlich ist die Todfeindschaft gegen die Herren der Erde, gegen die „Vornehmen“, sagt Nietzsche (Antichrist, 21), ja und nein. Ja: Herrschaft und Recht sind Widersprüche55, nein: Das Christentum kennt keine „Todfeindschaft“. Alle großen Religionen lehren den kategorischen Imperativ56 und damit das Recht. Das Recht ist das Heil der Menschheit, nicht ein Gott. Darum säkularisiere (profanisiere) ich das Wort Heiligkeit. Die Rechtlichkeit ist das Heiligtum des Modernen Staates.

51 Vgl. I. Kant, Grundlegung zur Metaphysik der Sitten, S. 18, 20, 70, 80; vgl. auch K. A. Schachtschneider, Freiheit in der Republik, 2. Kap., VII. 52 Zum ewigen Frieden, ed. Weischedel, Bd. 9, S. 228 ff. 53 Gegen dieses christliche Prinzip F. Nietzsche, Der Antichrist, 43. 54 Vgl. Erich Fromm „Die Kunst des Liebens“. 55 K. A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 71 ff. 56 H. Küng, Projekt Weltethos, 1996, S. 80 ff. (84).

3. Kapitel

Würde, Freiheit, Gleichheit, Rechte, Republik I. Freiheit als Würde des Menschen Das fundamentale Prinzip der Menschheit des Menschen ist dessen Freiheit. Die Freiheit ist die Würde des Menschen (i. d. S. BVerfGE 5, 85 (204 f.); 65, 1 (41)57. Sie ist allgemein; denn alle Menschen sind gleich in ihrer Freiheit, ihrer Würde und ihren Rechten. Demgemäß haben die Vereinten Nationen im „Glauben an die Grundrechte der Menschen, an Würde und Wert der Persönlichkeit“ (Präambel der UN-Charta vom 26. Juni 1945) am 10. Dezember 1948 in Art. 1 der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte das Weltrechtsprinzip erklärt: „Alle Menschen sind frei und gleich an Würde und Rechten geboren. Sie sind mit Vernunft und Gewissen begabt und sollen einander im Geiste der Brüderlichkeit begegnen.“

Diese die Weltgemeinschaft leitende Erkenntnis ist die Grundlage jeder menschlichen Gemeinschaft, des Friedens und der Gerechtigkeit in der Welt, die in den Menschenrechten näher materialisiert wird. Das anerkennt das Grundgesetz in Art. 1 Abs. 2 GG. Die Präambel des Internationalen Paktes über bürgerliche und politische Rechte vom 12. Dezember 1966 stellt fest, daß „. . . die Anerkennung der allen Mitgliedern der menschlichen Gesellschaft innewohnenden Würde . . . die Grundlage von Freiheit, Gerechtigkeit und Frieden in der Welt bildet, in der Erkenntnis, daß sie diese Rechte aus der dem Menschen innewohnenden Würde herleiten . . .“.

Frei ist der Mensch nur als Bürger58. Darum hat die Nationalversammlung am 26. August 1789 in Paris die Rechte des Menschen und des Bürgers (déclaration de droit de l’homme et du citoyen) erklärt. Die bürgerliche Freiheit ist 57 K. A. Schachtschneider, Staatsunternehmen und Privatrecht, S. 99 ff., 138 ff.; ders., Res publica res populi, S. 4 ff.; ders., Freiheit in der Republik, 1. Kap., 2. Kap., VII, 5. Kap., II, 7. Kap.; ganz so P. Häberle, Die Menschenwürde als Grundlage der staatlichen Gemeinschaft, HStR, Bd. I, 1987, § 20, Rdn. 46 ff., 60 ff.; W. Maihofer, Prinzipien freiheitlicher Demokratie, HVerfR, 2. Aufl. 1994, S. 472 ff., 477 ff. 58 Rousseau, Vom Gesellschaftsvertrag, I, 5; vgl. Kant, Metaphysik der Sitten, S. 432 ff.; ders., Über den Gemeinspruch: Das mag in der Theorie richtig sein, taugt aber nicht für die Praxis, ed. Weischedel, Bd. 9, S. 150 f.; ders., Zum ewigen Frieden, S. 204 ff.; K. A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 207 ff., 211 ff.; ders.,

I. Freiheit als Würde des Menschen

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die politische Freiheit, die Autonomie des Willens59, nicht schon die Freiheiten der Untertanen gegenüber der Obrigkeit. Die Autonomie des Willens verwirklicht sich in der Rechtlichkeit, also in allgemeinen Gesetzen, welche die Menschheit des Menschen und darum die Menschenrechte achten. Die Gesetzlichkeit bedarf der Gesetzgebung, der vollziehenden Gewalt und der Rechtsprechung, also des durch die Organisation dieser Funktionen definierten Staates. Ein solcher Staat des Rechts ist der Staat der Freiheit, der Gleichheit und der Brüderlichkeit, ein Staat, in dem Menschenwürde Wirklichkeit hat, ein Staat der Bürger, ein Bürgerstaat, ein Freistaat, eine Republik60. Grundlage der Rechtsstaatlichkeit ist somit die Lehre von der Freiheit61 als die Lehre von der Würde des Menschen. Das Bundesverfassungsgericht hat ausgesprochen: „Achtung und Schutz der Menschenwürde gehören zu den Konstitutionsprinzipien des Grundgesetzes. Die freie menschliche Persönlichkeit und die Würde stellen den höchsten Rechtswert innerhalb der verfassungsmäßigen Ordnung dar (vgl. BVerfGE 6, 32 (41); 27, 1 (6), 30, 173 (193); 32, 98 (108)). Der Staatsgewalt ist in allen ihren Erscheinungsformen die Verpflichtung auferlegt, die Würde des Menschen zu achten und sie zu schützen. Dem liegt die Vorstellung vom Menschen als einem geistig-sittlichen Wesen zugrunde, das darauf angelegt ist, in Freiheit sich selbst zu bestimmen und sich zu entfalten. Diese Freiheit versteht das Grundgesetz nicht als diejenige eines isolierten und selbstherrlichen, sondern als die eines gemeinschaftsbezogenen und gemeinschaftsgebundenen Individuums (vgl. BVerfGE 33, 303 (334) m. w. N.). . . . Es widerspricht aber der menschlichen Würde, den Menschen zum bloßen Objekt im Staate zu machen (vgl. BVerfGE 27, 1 (6) m. w. N.). Der Satz ,der Mensch muß immer Zweck an sich selbst bleiben‘ gilt uneingeschränkt für alle Rechtsgebiete; denn die unverletzbare Würde des Menschen als Person besteht gerade darin, daß er als selbstverantwortliche Persönlichkeit anerkannt bleibt“ (BVerfGE 45, 187 (227 f.)).

Diese Sätze, insbesondere der zitierte Satzteil, sind reinster Kantianismus62. Den Begriff der Menschenwürde danken wir Immanuel Kant. In der Grundlegung zur Metaphysik der Sitten folgert Kant die Würde des Menschen aus dessen Autonomie:

Freiheit in der Republik, 2. Kap., III, 5. Kap., 7. Kap., III, u. ö.; vgl. BVerfGE 73, 40 (82); 89, 155 (171 f., 182). 59 Dazu II; insb. K. A. Schachtschneider, Freiheit in der Republik, 5. Kap. 60 K. A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 14 ff. 61 Dazu und zum Folgenden K. A. Schachtschneider, Res publica res populi. Grundlegung einer Allgemeinen Republiklehre. Ein Beitrag zur Freiheits-, Rechts- und Staatslehre, 1994, passim; ders., Die republikanische Freiheit, FS Martin Kriele, 1997, S. 829 ff.; ders., Freiheit in der Republik, passim. 62 Vgl. Kant, Grundlegung zur Metaphysik der Sitten, ed. Weischedel, Bd. 6, S. 59 ff.

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3. Kap.: Würde, Freiheit, Gleichheit, Rechte, Republik

„Autonomie ist also der Grund der Würde der menschlichen und jeder vernünftigen Natur“63.

Die Lehre von der Menschenwürde gründet somit in der praktischen Philosophie Kants, in der kantischen Ethik. Diese Ethik ist die „Wissenschaft von der Freiheit“ (Kant)64. Die Freiheit ist die politische Verfassung des Menschen und folglich aller Menschen. In dieser Freiheit sind die Menschen gleich. In gleicher Freiheit können die Menschen nur miteinander, gemeinsam leben, wenn sie sich als Brüder achten, wenn keiner des anderen Herr sein will und niemand sich zum Untertan eines anderen erniedrigt. Die Verfassung der Freiheit, die mit dem Menschen geboren oder, philosophisch gesprochen, tranzendentales Apriori ist, ist des Menschen Würde.65 Demgemäß lauten die Ideale der Französischen Revolution, der Revolution der Aufklärung: „Liberté, égalité, fraternité“

Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit sind die verbindlichen Ideale des Grundgesetzes, des Verfassungsgesetzes Deutschlands. Sie sind schon in Art. 1 Abs. 1 GG, der lautet: „Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt.“,

aber auch im Freiheits-, im Gleichheits- und im Sozialprinzip und nicht zuletzt im Republikprinzip verankert. Das Bundesverfassungsgericht praktiziert „die Würde des Menschen“ als obersten Wert im grundrechtlichen Wertesystem „und rechnet sie zu den tragenden Konstitutionsprinzipien“ (BVerfGE 6, 32 (36, 41); 45, 187 (227); 50, 166 (175); u. st.).

II. Autonomie des Willens als äußere und innere Freiheit Die äußere Freiheit ist nach Kant „die Unabhängigkeit von eines anderen nötigender Willkür“66. Die innere Freiheit ist die freie Willkür, d. i. die Willkür, welche den anderen in seiner Würde, d. h. in seiner äußeren Freiheit, in seiner Persönlichkeit, die Selbstzweck ist67, achtet. Sie ist also die Sittlichkeit68. Weil alle Handlungen des Menschen Wirkung auf alle haben, die Maximen der 63

Grundlegung zur Metaphysik der Sitten, S. 69. Grundlegung zur Metaphysik der Sitten, S. 11. 65 I. d. S. (mehr auf Hegel als auf Kant gestützt) Ch. Enders, Die Menschenwürde in der Verfassungsordnung. Zur Dogmatik des Art. 1 GG, 1997, S. 25 ff., 163 ff., 220 ff., 290 ff., 377 ff. 66 Metaphysik der Sitten, S. 345. 67 Kant, Grundlegung zur Metaphysik der Sitten, S. 61, auch S. 66 ff.; ders., Kritik der praktischen Vernunft, S. 210; K. A. Schachtschneider, Freiheit in der Republik, 2. Kap., VI. 68 K. A. Schachtschneider, Freiheit in der Republik, 2. Kap., VII. 64

II. Autonomie des Willens als äußere und innere Freiheit

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Handlungen aber in der Willkür des Menschen liegen69, müssen die Maximen derart sein, daß das Leben nach diesen Maximen niemanden verletzt. Verletzt wird nicht, wessen Rechte gewahrt werden. Das vornehmste Recht ist das der Freiheit. Daraus folgt der Satz: „Volenti non fit iniuria“ (Hobbes, Rousseau, Kant)70. Die Maximen des Handelns müssen demgemäß von allen bestimmt sein, weil sie dadurch die Willkür oder eben die Freiheit aller sind71. Das Mittel der freien Willkür aller ist das allgemeine Gesetz72. Handlungen, welche dem allgemeinen Gesetz als dem Gesetz aller genügen, können niemanden verletzen. Sie sind der allgemeine Wille, die volonté générale Rousseaus73. Das allgemeine Gesetz ist also nur freiheitlich, wenn es das Gesetz aller ist. Wenn die einen den anderen das Gesetz vorschreiben wollten, wäre das freiheitswidrige Despotie. Darum ist Freiheit Autonomie des Willens (Kant)74. Der Wille also, der die Gesetze gibt, findet aus sich heraus, ohne jede äußere Nötigung, zum Gesetz. Der Wille ist selbst gesetzgebend, d. h. frei von allen äußeren Bestimmungen, seien dies Neigungen oder seien dies Vorschriften anderer. Wenn der Wille autonom ist, kann der Wille aller nur zum allgemeinen Gesetz finden, wenn alle zu erkennen bemüht sind, was das Richtige für das gute Leben aller in allgemeiner Freiheit ist, was das Glück aller ermöglicht, was für alle gut ist. Kant erläutert: „Die Vernunft bezieht also jede Maxime des Willens als allgemein gesetzgebend auf jeden anderen Willen, und auch auf jede Handlung gegen sich selbst, und dies zwar nicht um irgend eines andern praktischen Bewegungsgrundes oder künftigen Vorteils willen, sondern aus der Idee der Würde eines vernünftigen Wesens, das keinem Gesetze gehorcht, als dem, das es zugleich selbst gibt.“75 69 Kant, Grundlegung zur Metaphysik der Sitten, S. 27, 51; ders., Kritik der praktischen Vernunft, S. 125; ders., Metaphysik der Sitten, S. 331 f., auch S. 511, 519 ff.; K. A. Schachtschneider, Freiheit in der Republik, 2. Kap., V. 70 Kant, Metaphysik der Sitten, S. 432; Hobbes, Leviathan, II, 21 (S. 189 ff., 193); Rousseau, Vom Gesellschaftsvertrag, II, 6, S. 40 ff.; so schon Aristoteles, Nikomachische Ethik, S. 1134b 13 f.; sinngemäß Digesten 47.10.1,5; K. A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 293, 436, 532. 71 K. A. Schachtschneider, Freiheit in der Republik, 2. Kap., V, VI, auch 5. Kap., II, V. 72 K. A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 279 ff., 303 ff., 410 ff., 494 ff., 519 ff.; ders., Freiheit in der Republik, 2. Kap., IV, VI, VII, 5. Kap., II, IV, auch 7. Kap. 73 Vom Gesellschaftsvertrag, II, 1; II, 3; II, 6; II, 2 (S. 27 ff., 43 ff., 31 ff., 39 ff.); Kant, Grundlegung zur Metaphysik der Sitten, S. 65 ff., 81 ff.; ders., Kritik der praktischen Vernunft, S. 125 ff., 135 ff.; ders., Metaphysik der Sitten, S. 318, 337, 432; K. A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 64, 123 (zur volonté générale) 303 ff., 340 ff., 526 ff.; ders., Freiheit in der Republik, 2. Kap., VI, 5. Kap., II, IV, 7. Kap., I, 3. 74 Grundlegung zur Metaphysik der Sitten, S. 81 ff., 88 ff.; ders., Kritik der praktischen Vernunft, S. 144; K. A. Schachtschneider, Freiheit in der Republik, 2. Kap., VII. 75 Grundlegung zur Metaphysik der Sitten, S. 67.

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3. Kap.: Würde, Freiheit, Gleichheit, Rechte, Republik

Der Weg (die Methode) der Erkenntnis ist das Gespräch aller mit allen, der Diskurs. Diskurs läßt jedoch die Erkenntnis des Richtigen nicht erwarten, wenn die einen die anderen übervorteilen oder bevormunden wollen oder eben alle die Brüderlichkeit mißachten, wenn verhandelt wird, obwohl ein Gespräch geführt werden müßte. Die Brüderlichkeit, welche die Erkenntnis des allgemeinen Gesetzes ermöglicht, ist die Sittlichkeit des gemeinsamen Lebens, die ohne Moralität keine Wirklichkeit hat76. Jedes Gesetz ist materialer Interessenausgleich77. Dieser erfordert ein Nehmen und Geben, deren Richtigkeit nicht argumentativ bestimmt werden kann. Der Ausgleich der Interessen bedarf der tätigen Nächstenliebe, der brüderlichen Praxis, der Solidarität. Darum ist der Weg zum richtigen Gesetz die Liebe unter den Menschen. Das richtige Gesetz wird demgemäß diskursiv und deliberativ gefunden78. Die gesetzgeberische Sittlichkeit hat ihr Gesetz in dem Prinzip der allgemeinen Freiheit, das, wie ausgeführt, des allgemeinen Gesetzes bedarf, welches ohne den guten Willen aller nicht erkannt werden kann. Kant definiert die gesetzgeberische Moralität wie folgt: „Moralität ist also das Verhältnis der Handlungen zur Autonomie des Willens, das ist, zur möglichen allgemeinen Gesetzgebung durch die Maximen desselben.“79

Der Gerichtshof der Sittlichkeit ist das Gewissen80, dessen Freiheit Art. 4 Abs. 1 GG als Menschenrecht und Ausdruck der Menschenwürde schützt. Gesetzgeberische Moralität ist die innere Würde des Menschen, die Bürgerlichkeit des Bürgers. Das Gesetz dieser bürgerlichen Sittlichkeit und damit das Gesetz der Würde des Menschen hat Kant in der Grundlegung zur Metaphysik der Sitten als den kategorischen Imperativ, das Sittengesetz formuliert. Dessen deontische Formel lautet: „Handle nur nach derjenigen Maxime, durch die du zugleich wollen kannst, daß sie ein allgemeines Gesetz wäre“81.

76 K. A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 560 ff., 584 ff.; ders., Freiheit in der Republik, 2. Kap., VII, 7. Kap., II. 77 Kant, Zum ewigen Frieden, S. 250 f.; ders., Kritik der praktischen Vernunft, S. 146; K. A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 617 ff.; ders., Freiheit in der Republik, 8. Kap., III, 3, 10. Kap., III, 2. 78 J. Habermas, Faktizität und Geltung, Beiträge zur Diskurstheorie des Rechts und des demokratischen Rechtsstaats, 1992, S. 109 ff., 329 ff., 516 ff.; ders., Die Einbeziehung des Anderen. Studien zur politischen Theorie, 1996, S. 277 ff., 293 ff.; K. A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 584 ff. 79 Grundlegung zur Metaphysik der Sitten, S. 73 f. 80 Metaphysik der Sitten, S. 572 ff.; K. A. Schachtschneider, Freiheit in der Republik, 2. Kap., VII, 7. Kap., II, 1. 81 Grundlegung zur Metaphysik der Sitten, S. 51, u. ö., etwa S. 67, 80; Kritik der praktischen Vernunft, S. 140; dazu K. A. Schachtschneider, Freiheit in der Republik, 2. Kap., VII.

II. Autonomie des Willens als äußere und innere Freiheit

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Demgemäß lautet das Grundrecht der allgemeinen Freiheit in Art. 2 Abs. 1 des Grundgesetzes: „Jeder hat das Recht auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit soweit er nicht die Rechte anderer verletzt und nicht gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder das Sittengesetz verstößt.“

Auch nach dem Text des Grundgesetzes ist die Würde des Menschen durch das Sittengesetz, welches die innere Freiheit als Sittlichkeit begreift, definiert. Die Freiheit erweist sich darin als politische Freiheit und kann in einer Republik als dem Gemeinwesen freier Menschen auch keine andere Freiheit sein. Die liberalistische Dogmatik jedoch, die noch immer die Praxis bestimmt, als hätte es nicht die Revolution von 1918 gegeben und als würde es nicht das Grundgesetz von 1949 geben, reduziert die Freiheit auf Freiheiten, auf Freiheitsrechte, die es dem Untertan erlauben, den Staat mehr oder weniger, im wesentlichen nach Maßgabe der Gesetze, aus ihrer Privatsphäre abzuwehren (vgl. BVerfGE 7, 198 (204); 13, 318 (325 f.); 21, 362 (372); 50, 290 (337 f.); 63, 193 (205))82. Kant hat neben der deontischen und der Naturgesetzformel auch eine Selbstzweckformel des kategorischen Imperativs formuliert, die dem Bundesverfassungsgericht als Vorbild seiner sogenannten Objektformel der Menschenwürde dient (BVerfGE 5, 85 (204); 7, 198 (205); 9, 89 (95); 27, 1 (6 f.); 50, 166 (175); 63, 133 (143); 87, 209 (228)). Sie lautet: „Handle so, daß du die Menschheit sowohl in deiner Person, als in der Person eines jeden andern, jederzeit zugleich als Zweck, niemals bloß als Mittel brauchest“83.

Dies ist die Formel, nach der der Mensch „ein gesetzgebend Glied im Reiche der Zwecke“ sein kann, dessen Bedingung Moralität ist84. Dieses Reich der Zwecke ist die Republik der Bürger, die keinem anderen Zweck dient, als der Menschheit des Menschen, also des Menschen Würde, dem Bürger also, der sich in seiner Persönlichkeit frei entfalten können soll. Kant wird in der Kritik der praktischen Vernunft noch deutlicher: „Das moralische Gesetz ist heilig (unverletzlich). Der Mensch ist zwar unheilig genug, aber die Menschheit in seiner Person muß ihm heilig sein. In der ganzen Schöpfung kann alles, was man will, und worüber man etwas vermag, auch bloß als Mittel gebraucht werden; nur der Mensch, und mit ihm jedes vernünftige Geschöpf, 82 Dazu K. A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 441 ff.; ders., Freiheit in der Republik, 5. Kap., I, 6. Kap., I; vgl. auch im Sinne des Schutzes einer „Freiheitssphäre“, eines „Freiheitsraumes“, „Freiraumes“, „Freiheitsspielraumes“ BVerfGE 30, 293 (319); 35, 79 (112); 47, 327 (367); 50, 290 (339); 53, 257 (290); 68, 193 (222); 69, 279 (300); 80, 137 (154); 83, 201 (208); 84, 212 (226); 88, 103 (114); 97, 350 (371). 83 Grundlegung zur Metaphysik der Sitten, S. 61; dazu K. A. Schachtschneider, Freiheit in der Republik, 2. Kap., VI, VII. 84 Kant, Grundlegung zur Metaphysik der Sitten, S. 68.

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3. Kap.: Würde, Freiheit, Gleichheit, Rechte, Republik

ist Zweck an sich selbst. Er ist nämlich das Subjekt des moralischen Gesetzes, welches heilig ist, vermöge der Autonomie seiner Freiheit“85.

Die Freiheit der Persönlichkeit ist die Freiheit des Vernunftwesens, des homo noumenon86. Das ist die Logik der Kausalität durch Freiheit, ohne die Freiheit nicht gedacht werden kann. Diese Freiheit ist nicht empirisch nachweisbar. Sie ist transzendental die Kausalität durch Vernunft87. Die praktische Freiheit, die praktische Vernunft, den Willen also, erfahren wir im Faktum des Sollens (Kant)88. Kausalität folgt immer einem Gesetz89. Das Gesetz der Freiheit ist das Sittengesetz90. Der Mensch ist, empirisch betrachtet, homo phaenomenon. Als solcher ist sein Handeln determiniert91. Ohne Freiheit jedoch hätte der Mensch keine Würde. „Alle Menschen denken sich dem Willen nach als frei“ (Kant)92. Kant sagt weiter: „Ein jedes Wesen, das nicht anders als unter der Idee der Freiheit handeln kann, ist eben darum, in praktischer Rücksicht, wirklich frei, d. i. es gelten für dasselbe alle Gesetze, die mit der Freiheit unzertrennlich verbunden sind, . . .“93.

Die dritte Antinomie der empirischen und der transzendentalen Betrachtung Kants94 ist keine Absurdität, sondern folgt aus der begrenzten Erkenntnisfähigkeit des Menschen. Die Determiniertheit des homo phaenomenon und die Freiheit des homo noumenon sind Erkenntnis und Idee vom Menschen, die dem Wissen der Menschen möglich sind. Frei ist somit nur der homo noumenon, das Vernunftwesen, als das der Mensch sich auch und wesentlich begreift. Der 85

Kritik der praktischen Vernunft, S. 210. K. A. Schachtschneider, Freiheit in der Republik, 1. Kap., 2. Kap. II zum homo noumenon, 2. Kap., II, VII, 7. Kap., II zum Vernunftprinzip. 87 Kant, Grundlegung zur Metaphysik der Sitten, S. 81 ff., 94 ff.; K. A. Schachtschneider, Freiheit in der Republik, 2. Kap., II. 88 Kritik der reinen Vernunft, S. 426 ff., 495 ff., 505 f., 674 ff.; ders., Grundlegung zur Metaphysik der Sitten, S. 82 ff., 89 ff., 94 ff.; ders., Kritik der praktischen Vernunft, S. 139 f., 155 ff., 218 ff., 230 ff.; ders., Metaphysik der Sitten, S. 326 ff., 347, 361; dazu K. A. Schachtschneider, Freiheit in der Republik, 2. Kap., II, auch ders., Res publica res populi, S. 435. 89 Kant, Grundlegung zur Metaphysik der Sitten, S. 81; ders., Kritik der praktischen Vernunft, S. 213; K. A. Schachtschneider, Freiheit in der Republik, 2. Kap., II. 90 Kant, Grundlegung zur Metaphysik der Sitten, S. 82; ders., Kritik der praktischen Vernunft, S. 142 ff., 157; K. A. Schachtschneider, Staatsunternehmen und Privatrecht, S. 104 ff.; ders., Res publica res populi, S. 253 ff., passim; ders., Freiheit in der Republik, 2. Kap., VII, passim. 91 Kant, Kritik der reinen Vernunft, S. 426 ff., 495 ff., 500, 505; ders., Kritik der praktischen Vernunft, S. 242 ff.; K. A. Schachtschneider, Freiheit in der Republik, 2. Kap., II. 92 Grundlegung zur Metaphysik der Sitten, S. 91. 93 Grundlegung zur Metaphysik der Sitten, S. 83; dazu K. A. Schachtschneider, Freiheit in der Republik, 2. Kap., II. 94 Kritik der reinen Vernunft, S. 426 ff.; ders., Kritik der praktischen Vernunft, S. 242 ff. 86

III. Freiheit und Gleichheit

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Mensch hat Würde in seiner Fähigkeit zur praktischen Vernunft. Das ist seine Gesetzgeberschaft95.

III. Freiheit und Gleichheit 1. Gleichheit in der Freiheit Die Identität der Allgemeinheit der Freiheit und der Gleichheit aller und damit die Richtigkeit des „uralten Naturrechtsgrundsatzes“ der Gleichheit aller in der Freiheit96 zeigt sich in der allgemeinen Gesetzlichkeit als beider Wirklichkeit im Staat. Das heißt nicht, daß die Freiheit in der Gleichheit aufgeht. Gleich ist auch eine Menge von Sklaven oder von Konsumenten97. Die Freiheit ist das Eigentliche98. Die Idee der rechtlichen Freiheit ist es, daß jeder er selbst sein und seine Vollkommenheit nach seinem Bilde anstreben darf. Der Freiheit Zweck ist jedermanns Entfaltung der eigenen Persönlichkeit (Art. 2 Abs. 1 GG) in den vielfältigen Möglichkeiten seines Lebens inmitten der anderen Menschen mit der gleichen Freiheit99. Freiheit ist die Bedingung des gemeinsamen guten Lebens, des Glücks aller100. Die Freiheit als Grundzweck, der allein menschen95 Kant, Grundlegung zur Metaphysik der Sitten, S. 74; dazu K. A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 303 ff., 494 ff., 519 ff.; ders., Freiheit in der Republik, 5. Kap., IV. 96 G. Dürig, in: Maunz/Dürig, GG, 1958, Rdn. 18, 134 zu Art. 1 Abs. 1; W. Maihofer, Prinzipien freiheitlicher Demokratie, HVerfR, S. 427 ff., insb. S. 455 ff., 499 ff., 507 ff.; M. Kriele, Freiheit und Gleichheit, HVerfR, 1983, S. 129 ff.; D. Suhr, Entfaltung des Menschen durch die Menschen, Zur Grundrechtsdogmatik der Persönlichkeitsentfaltung, der Ausübungsgemeinschaften und des Eigentums, 1976, S. 139 ff.; P. Kirchhof, Objektivität und Willkür, FS W. Geiger, 1989, S. 99 ff.; ders., Der allgemeine Gleichheitssatz, HStR, Bd. V, § 124, Rdn. 44 ff., 103 ff.; K. A. Schachtschneider, Republikanische Freiheit, FS Martin Kriele, S. 829 ff.; ders., Res publica res populi, S. 4 f., 275 ff., 325 ff., 410 ff., 422 ff., passim; ders., Freiheit in der Republik, 2. Kap., VI, VII, 5. Kap., II, 7. Kap., I, III; J. Rawls, Eine Theorie der Gerechtigkeit, 1975, S. 34 ff., 223 ff., passim, stellt seine „Theorie der Gerechtigkeit als Fairneß“ allein auf diesen Grundsatz; E. Bloch, Naturrecht und menschliche Würde, 1961, 2. Aufl. 1980 S. 83, sieht das als ein nicht mehr naturrechtliches Apriori Kants. 97 G. Dürig, in: Maunz/Dürig, GG, 1973, Rdn. 153 zu Art. 3 Abs. I, warnt (mit Hinweis auf Dostojewski) deutlich vor einem solchen materialen Gleichheitsverständnis; i. d. S. auch W. Maihofer, Prinzipien freiheitlicher Demokratie, HVerfR, S. 514 f.; ebenso P. Kirchhof, Der allgemeine Gleichheitssatz, HStR, Bd. V, § 124 Rdn., 103 ff.; zur Sklavenartigkeit des Genußlebens Aristoteles, Nikomachische Ethik, I, 3, S. 59; vgl. O. Höffe, Politische Gerechtigkeit. Grundlegung einer kritischen Philosophie von Recht und Staat, 1987, S. 286. 98 W. Maihofer, Prinzipien freiheitlicher Demokratie, HVerfR, S. 504, 508; i. d. S. auch G. Dürig, in: Maunz/Dürig, GG, Rdn. 134 ff. zu Art. 3 Abs. I („Präponderanz der Freiheit“, Rdn. 135, 153); i. d. S. auch E.-W. Böckenförde, Demokratie als Verfassungsprinzip, HStR, Bd. I, 1987, § 22, Rdn. 35 ff., S. 909 ff.; K. A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 1 ff., 71 ff., 253 ff., 410 ff., 519 ff., passim; ders., Freiheit in der Republik, 1., 2., 5., 7. Kap., passim.

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3. Kap.: Würde, Freiheit, Gleichheit, Rechte, Republik

würdig ist, ist im Prinzip Gleichheit als solchem nicht enthalten101. Kant stellt darum klar, daß die „angeborene Gleichheit“ . . . „schon im Prinzip der angeborenen Freiheit“ liege und von „ihr (als Glieder der Einteilung unter einem höheren Rechtsbegriff) nicht unterschieden“ sei102. Das wird von der Formel der Gleichheit in der Freiheit erfaßt103. „Die Gleichheit hat der Freiheit gegenüber eine dienende Funktion“ stellt Günter Dürig klar104. John Rawls gibt dem „Grundsatz der gleichen Freiheit für alle“ den Vorrang „vor dem zweiten Gerechtigkeitsgrundsatz“, der die faktische, vor allem wirtschaftliche Ungleichheit vom Vorteil jedermanns abhängig mache105. Der Staat kann Freiheit und Gleichheit aber weder nehmen noch geben; denn diese sind, wie das humanistische Abendland seit alters weiß, mit dem Menschen geboren106. Den Staat errichten die in der Freiheit gleichen Menschen, um das Recht durch Gesetze zu verwirklichen; denn die Möglichkeit von Recht folgt aus dem „Postulat der praktischen Vernunft“, ist also ein Apriori, erzwingt aber den Staat, in dem durch die staatliche Gewaltordnung Recht als die Wirk99 W. Maihofer, Prinzipien freiheitlicher Demokratie, HVerfR, S. 490 ff., insb. S. 493 ff., 519 ff. 100 Vgl. O. Höffe, Politische Gerechtigkeit, S. 262 ff., 270 ff., 276 ff., 281, zur Lehre des Aristoteles vom guten Leben in der Polis; Aristoteles, Nikomachische Ethik, 1095b 14 ff.; ders., Politik, 1328a 36 ff.; zum Prinzip des eigenen Glücks K. A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 297; ders., Freiheit in der Republik, 5. Kap., II, III; zur Selbstzweckhaftigkeit K. A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 279 ff.; ders., Freiheit in der Republik, 2. Kap., VI. 101 Darauf hat insb. G. Dürig, in: Maunz/Dürig, GG, Rdn. 120 ff. zu Art. 3 Abs. III, eindringlich hingewiesen, auch Rdn. 134 ff. zu Art. 3 Abs. I.; K. A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 410; ders., Freiheit in der Republik, 7. Kap., I. 102 Metaphysik der Sitten, S. 345 f. 103 Hinweise in Fn. 96; G. Dürig, in: Maunz/Dürig, GG, Rdn. 134 zu Art. 3 Abs. I, übernimmt diese Formel als „Freiheits-Gleichheit“, wenn auch im Widerspruch zu seiner materialen Lehre von der Spannung zwischen Freiheit und Gleichheit. 104 In: Maunz/Dürig, GG, Rdn. 135 zu Art. 3 Abs. I. 105 Eine Theorie der Gerechtigkeit, S. 274 ff.; die beiden Gerechtigkeitsgrundsätze von Rawls lauten (a. a. O., S. 81): „1. Jedermann soll gleiches Recht auf das umfangreichste System gleicher Grundfreiheiten haben, das mit dem gleichen System für alle anderen verträglich ist. 2. Soziale und wirtschaftliche Ungleichheiten sind so zu gestalten, daß (a) vernünftigerweise zu erwarten ist, daß sie zu jedermanns Vorteil dienen, und (b) sie mit Positionen und Ämtern verbunden sind, die jedem offen stehen.“ Der erste Grundsatz ist der „der gleichen Freiheit“, der zweite im zweiten Teil der „der fairen Chancengleichheit“ (S. 409). 106 Kant, Metaphysik der Sitten, S. 345 f.; ders., Zum ewigen Frieden, S. 204; vgl. Ch. Meier, Freiheit, in: Brunner/Conze/Koselleck, Geschichtliche Grundbegriffe, Historisches Lexikon zur politischen Sprache in Deutschland, 1975, Bd. 2, II, 1, 1979, S. 425 ff.; J. Rawls, Eine Theorie der Gerechtigkeit, S. 34 ff. (36); 223 ff.; W. Maihofer, Prinzipien freiheitlicher Demokratie, HVerfR, S. 490 ff.; i. d. S. auch O. Höffe, Politische Gerechtigkeit, S. 102 ff., der die Transzendentalität dieses Naturrechts, das Vernunftrecht a priori ist, herausstellt; ebenso E. Bloch, Naturrecht und menschliche Würde, 1961, 2. Aufl. 1980, S. 83; K. A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 253 ff., 325 ff.; ders., Freiheit in der Republik, 1. Kap., 5. Kap., 7. Kap., I.

III. Freiheit und Gleichheit

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lichkeit der Freiheit aller entgegen dem Naturzustand erst möglich ist, weil „Recht und die Befugnis zu zwingen einerlei bedeuten“ (Kant)107. John Rawls nennt das zustimmend die „Hobbessche These„108. Daraus folgt, daß es jedem erlaubt ist, jedermann zu „nötigen, mit ihm in eine bürgerliche Verfassung zu treten“ (Kant)109. Zweck des Staates ist es, die gleiche Freiheit aller wirklich zu machen110. Für das „gute Leben“ bedarf es einer „Gemeinschaft von Freien“ (Otfried Höffe)111, der „wohlgeordneten Gesellschaft“ (John Rawls)112. Das demokratische Prinzip wird entweder auf die Freiheit oder auf die Gleichheit oder auch auf beide Prinzipien gestützt113. Auf beide Prinzipien greift schon Aristoteles zurück114. Die Erklärung für die Kontroverse ist die oben dargelegte Identität beider Prinzipien, wenn die Freiheit politisch, republikanisch als allgemeine Freiheit verstanden wird115. Die Grundlage der Republik 107 Metaphysik der Sitten, S. 340 f.; ganz so auch J. Rawls, Eine Theorie der Gerechtigkeit, S. 271 f.; i. d. S. auch J. Habermas, Faktizität und Geltung. Beiträge zur Diskurstheorie des Rechts und des demokratischen Rechtsstaates, 1992, S. 120, 144, 148, 154 u. ö.; W. Maihofer, Prinzipien freiheitlicher Demokratie, HVerfR, S. 454; dazu 4. Kap., I, 6. 108 Eine Theorie der Gerechtigkeit, S. 271 f. 109 Metaphysik der Sitten, S. 365 f.; auch ders., Zum ewigen Frieden, S. 203; ders., Der Streit der Fakultäten, ed. Weischedel, Bd. 9, S. 364; i. d. S. auch J. Habermas, Wie ist Legitimität durch Legalität möglich?, Kritische Justiz, 1987, S. 1 ff. (7); K. A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 279 ff., 325 ff., 519 ff.; ders., Freiheit in der Republik, 2. Kap., III, 5. Kap., II. 110 So für Kant E. Bloch, Naturrecht und menschliche Würde, S. 86, und für Fichte, S. 88. 111 Politische Gerechtigkeit, S. 281. 112 Eine Theorie der Gerechtigkeit, S. 21, 493 ff., passim, die Rawls so definiert: „Wir wollen nun eine Gesellschaft wohlgeordnet nennen, wenn sie nicht nur auf das Wohl ihrer Mitglieder zugeschnitten ist, sondern auch von einer gemeinsamen Gerechtigkeitsvorstellung wirksam gesteuert wird“ (S. 21). 113 Etwa H. Kelsen, Vom Wesen und Wert der Demokratie, 2. Aufl. 1929, S. 3 ff., leitet die Idee der Demokratie aus der der Freiheit her; C. Schmitt, Verfassungslehre, 1928, 4. Aufl. 1965, S. 243 f., läßt allein die Gleichheit als politisches Formprinzip der Demokratie gelten, nicht jedoch die bloß liberale, rechtstaatliche Freiheit; ebenso M. Hättich, Demokratie als Herrschaftsordnung, 1967, S. 164; so auch J. Isensee, Der Dualismus von Staat und Gesellschaft, 1968, in: E.-W. Böckenförde (Hrsg.), Staat und Gesellschaft, 1976, S. 317 ff., S. 320; vgl. auch ders., Gemeinwohl und Staatsaufgaben im Verfassungsstaat, HStR, Bd. III, § 57, Rdn. 77, wo er allein die Freiheit als Konstituens des Gemeinwohls herausstellt; auch P. Kirchhof, Der allgemeine Gleichheitssatz, HStR, Bd. V, § 124, Rdn. 184 ff., verbindet mit der „Demokratie“ wesentlich die „formale Gleichheit“; E.-W. Böckenförde, Demokratie als Verfassungsprinzip, HStR, Bd. I, § 22, Rdn. 35 ff., 41 ff., greift Freiheit und Gleichheit auf; ebenso P. Badura, Die parlamentarische Demokratie, HStR, Bd. I, § 23, Rdn. 1 ff., 27 ff., der aber von einem Gegensatz zwischen der „politischen Freiheit und der staatsbürgerlichen Gleichheit“ ausgeht, indem er eine Spannung zwischen diesen Prinzipien feststellt; i. d. S. auch W. Maihofer, Prinzipien freiheitlicher Demokratie, HVerfR, S. 500 ff., 507 ff., auch S. 519 ff.; vgl. K. A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 14 ff., 426 f. 114 Politik, 1292a 30 ff., 1317b 39 ff., u. ö.

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3. Kap.: Würde, Freiheit, Gleichheit, Rechte, Republik

als einem demokratischen Staat ist mit der Formel von der Gleichheit in der Freiheit richtig benannt116. Martin Kriele hat erkannt: „Demokratie setzt Freiheit und deshalb den Verfassungsstaat voraus“117. Werner Maihofer lehrt: „Damit aber stehen in einer freiheitlichen Demokratie nicht Freiheit und Gleichheit nebeneinander als zwei erst nachträglich zu vermittelnde Forderungen an die Ordnung eines solchen Staates. Vielmehr geht in ihm die Forderung nach Gleichheit aus der vorgängigen Ordnung der Freiheit hervor, unter deren Vorzeichen und Vorrang die freiheitliche Demokratie westlicher Prägung, im Unterschied zu anderen als Demokratie bezeichneten Formen der Volksherrschaft steht“118.

2. Keine Spannung zwischen Freiheit und Gleichheit Die viel beschworene Spannung zwischen Freiheit und Gleichheit (BVerfGE 5, 85 (206))119 wird dem Prinzip der Republik genauso wenig gerecht wie der 115 K. A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 410 ff.; ders., Freiheit in der Republik, 7. Kap., I, III. 116 E.-W. Böckenförde, Demokratie als Verfassungsprinzip, HStR, Bd. I, § 22, Rdn. 41 ff., für die Demokratie; ebenso M. Kriele, Freiheit und Gleichheit, HVerfR, S. 131 f.; ders., Einführung in die Staatslehre, S. 278 ff. (S. 282); auch J. Habermas, etwa, Die Einbeziehung des Anderen, Studien zur politischen Theorie, 1996, S. 277 ff., 293 ff.; M. Hättich, Demokratie als Herrschaftsordnung, S. 153 („demokratische Freiheitsidee impliziert die Gleichheit“; Freiheit als Bürger heißt aber dem Sinn nach: gleiche politische Freiheit“) der allerdings weitere Freiheitsbegriffe, nämlich einen „persönlichen“ und einen der Freiheit „des Volkes in seiner Ganzheit“, aber auch noch einen Machtbegriff der Freiheit (a. a. O., S. 173 f.) kennt (a. a. O., S. 145), so daß sein Begriff der „politischen Freiheit“ den logischen Standort in seiner Herrschaftslehre einbüßt; vgl. auch W. Maihofer, Prinzipien freiheitlicher Demokratie, HVerfR, S. 455 ff., 499 ff., 507 ff. 117 Einführung in die Staatslehre, S. 282. 118 HVerfR, S. 508. 119 Insb. G. Leibholz, Strukturprinzipien des modernen Verfassungsstaates, 1963, in: ders., Verfassungsstaat – Verfassungsrecht, 1973, S. 19 f.; E.-W. Böckenförde, Die Bedeutung der Unterscheidung von Staat und Gesellschaft im demokratischen Sozialstaat der Gegenwart, 1971, in: ders. (Hrsg.), Staat und Gesellschaft, 1976, S. 421 („Dialektik von Freiheit und Gleichheit“); G. Dürig, in: Maunz/Dürig, GG, Rdn. 120 ff. zu Art. 3 Abs. I, explizit Rdn. 121, 127 ff., 139, der Freiheit und Gleichheit als Wertbegriffe und diese material verstehen muß; das zwingt zur Spannungsdogmatik, etwa H. P. Ipsen, Gleichheit, in: Naumann/Nipperdey/Scheuner (Hrsg.), Die Grundrechte, 2. Bd. 1954, S. 111 ff.; vgl. auch G. Luf, Freiheit und Gleichheit, 1978, S. 4, 7 ff.; M. Greiffenhagen, Freiheit gegen Gleichheit?, 1975, der den Gegensatz von Freiheit und Gleichheit zwar bestreitet, aber Gleichheit mit sozialer Gleichheit, also Selbständigkeit, verwechselt (S. 60); für viele typisch R. Zippelius, Allgemeine Staatslehre, 10. Aufl. 1988, S. 336 f.; P. Badura, Die parlamentarische Demokratie, HStR, Bd. I, 1987, § 23, Rdn. 32; in der Sache auch die Prinzipientheorie von R. Alexy, Theorie der Grundrechte, 1986, S. 71 ff., 380 ff., die eine Abwägung zwischen Freiheits- und Gleichheitsprinzipien (insb. S. 388) erfordert und logisch darum Materialität voraussetzt, die Alexy bis zu den Prinzipien „faktischer Freiheit“ und „fakti-

III. Freiheit und Gleichheit

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Praxis der griechischen Polis120. Gerhard Leibholz hat dagegen mit großer Wirkung für das praktizierte Konzept gelehrt: „Zwischen Freiheit und Gleichheit besteht ein inneres Spannungsverhältnis. Je mehr Gleichheit verwirklicht wird, um so fragwürdiger wird die Freiheit. Und je mehr Freiheit gesichert ist, um so problematischer wird die Gleichheit“121.

Das Bundesverfassungsgericht ist ihm, seinem Mitglied, gefolgt: „Die freiheitliche Demokratie ist von der Auffassung durchdrungen, daß es gelingen könne, Freiheit und Gleichheit der Bürger trotz der nicht zu übersehenden Spannungen zwischen diesen beiden Werten allmählich zu immer größerer Wirksamkeit zu entfalten und bis zum überhaupt erreichbaren Optimum zu steigern“ (BVerfGE 5, 85 (206)).

Ein solches Spannungsverhältnis setzt einen sowohl die Freiheit als auch die Gleichheit gewährenden Staat voraus. Der Staat ist aber eine Vereinigung in der Freiheit gleicher Menschen. Der Gesetzgeber kann die Freiheit und Gleichheit scher Gleichheit“ vorantreibt; die alle auf eine Gesetzgebungsfunktion der Gerichte (im Ergebnis zu Recht) hinauslaufenden Topoi der Abwägung reichert Alexy noch (mit vielen) um den der „sozialen Grundrechte“ an, welche wiederum die Freiheit faktisch sichern sollen (S. 395 ff., 458 ff., 465 ff.); auch (liberalistisch) W. Maihofer, Prinzipien freiheitlicher Demokratie, HVerfR, S. 499 f., 513 ff.; gegen einen Gegensatz von Freiheit und Gleichheit M. Kriele, Befreiung und politische Aufklärung. Plädoyer für die Würde des Menschen, 1980, S. S. 59 f., 206 ff.; ders., Einführung in die Staatslehre. Die geschichtliche Legitimationsgrundlage des demokratischen Verfassungsstaates, 1975, S. 331 ff., 5. Aufl. 1994, S. 206 ff.; P. Kirchhof, Der allgemeine Gleichheitssatz, HStR, Bd. V, § 124, Rdn. 103 ff., nicht ganz klar („ständige Suche nach Balance zwischen Freiheit und Gleichheit wird zu einem unendlichen Kampf“. Rdn. 106); i. S. der Identität von Freiheit und Gleichheit läßt sich auch H. Hofmann, Grundpflichten als verfassungsrechtliche Dimension, VVDStRL 41 (1983), S. 74, verstehen; D. C. Dicke, Die Intervention mit wirtschaftlichen Mitteln im Völkerrecht. Zugleich ein Beitrag zu den Fragen der wirtschaftlichen Souveränität, 1978, S. 39 ff., hat dieses Dogma, welches die Gesetzlichkeit verkennt, für das Völkerrecht, aber mit allgemeiner Bedeutung, widerlegt; kritisch K. A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 422 ff.; ders., Freiheit in der Republik, 7. Kap., I. 120 H. Arendt, Vita Activa oder Vom tätigen Leben, 5. Aufl. 1987, S. 34; i. d. S. Aristoteles, Nikomachische Ethik, S. 168 f., 1134b 2 (Identifizierung des Gerechten mit der Gleichheit), 1134b 14 f.; vgl. dazu auch Ch. Meier, Freiheit, Die griechische Polis, in: Brunner/Conze/Koselleck (Hrsg.), Geschichtliche Grundbegriffe, Bd. 2, II, 1, 1975/1979, S. 426 ff.; O. Höffe, Politische Gerechtigkeit, S. 283 f.; dagegen auch in anderer Sichtweise D. Suhr, Gleiche Freiheit. Allgemeine Grundlagen und Reziprozitätsdefizite in der Geldwirtschaft, 1988, S. 5 ff., 32; vgl. schon ders., Entfaltung des Menschen durch die Menschen. Zur Grundrechtsdogmatik der Persönlichkeitsentfaltung, der Ausübungsgemeinschaften und des Eigentums, 1976, S. 112 f., 139; G. Robbers, Gerechtigkeit als Rechtsprinzip. Über den Begriff der Gerechtigkeit in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, 1980, S. 87 ff. 121 Etwa: Strukturprinzipien des modernen Verfassungsstaates, S. 19 und ff. Leibholz begreift Freiheit als Liberalität, worauf seine Herrschaft voraussetzende Lehre beruht; kritisch zu Leibholz M. Kriele, Freiheit und Gleichheit, HVerfR, S. 133 ff.; ders., Einführung in die Staatslehre, 5. Aufl. 1994, S. 206 ff.; Leibholz eher folgend W. Maihofer, Prinzipien freiheitlicher Demokratie, HVerfR, S. 499 f., 513 ff., der insofern formale Freiheit und materiale Rechte nicht unterscheidet.

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3. Kap.: Würde, Freiheit, Gleichheit, Rechte, Republik

durch Gesetze verletzen, die nicht der allgemeinen Freiheit dienen und dadurch notwendig die Gleichheit mißachten, weil der Gesetzgeber über das Wahre und/ oder das Richtige im Irrtum ist. Martin Kriele hat „die Alternative Freiheit oder Gleichheit“ richtig als „Scheinalternative“ kritisiert, dies aber mit den Wirkungen nicht „rechter Balance“ zwischen Freiheit und Gleichheit begründet122 und damit die Formalität der republikanischen Begriffe nicht erreicht. Richtig stellt Kriele klar: „Freiheit und Gleichheit können nur auf der Grundlage einer gewaltenteiligen, demokratischen Verfassungsordnung bestehen und fortentwickelt werden“123, also nur in einer Verfassung der Republik verwirklicht werden. Das „Optimum“ an Freiheit und Gleichheit ist eine Gesetzlichkeit, die das Rechtsprinzip verwirklicht, also die sittliche Gesetzlichkeit durch Moralität unter den Menschen.

IV. Menschenrechte als Materialisierung der Menschenwürde 1. Angeborene Freiheit und Rechte des Menschen Jede Verletzung der Menschenrechte ist eine Mißachtung der Menschenwürde. Sie verletzt die Menschheit des Menschen und somit jeden Menschen in seiner Würde; denn sie verletzt das Recht, das zur Persönlichkeit jedes Menschen gehört. Kant hat aus der Freiheit als dem einzigen angeborenen Recht124 weitere Rechte des Menschen als Menschen, also Menschenrechte, gefolgert, nämlich die „angeborene Gleichheit, d. i. die Unabhängigkeit, nicht zu mehrerem von anderen verbunden zu werden, als wozu man sie wechselseitig auch verbinden kann; mithin die Qualität des Menschen, sein eigener Herr (sui iuris) zu sein, imgleichen die eines unbescholtenen Menschen (iusti), weil er, vor allem rechtlichen Akt, keinem 122 Befreiung und politische Aufklärung, S. 59 f.; ebenso ders., Freiheit und Gleichheit, HVerfR, S. 133 ff. (insb. begründet M. Kriele den materialen Willkürbegriff des Bundesverfassungsgerichts mit dem formalen, negativen Freiheitsbegriff Kants, S. 134 f., und zeigt damit, daß das Willkürverbot eigentlich in Art. 2 Abs. 1 GG geregelt ist, der auch die Gleichheit schützt, M. Kriele, a. a. O., S. 134; i. d. S. auch ders., Einführung in die Staatslehre, 5. Aufl. 1994, S. 177 ff., 206 ff.; dazu 16. Kap., I; jede Fremdbestimmung verletzt im übrigen nach Kant die Autonomie des Willens, nicht nur die unsachliche; denn: „volenti non fit iniuria“, Kant, Metaphysik der Sitten, S. 432; W. Maihofer, Prinzipien freiheitlicher Demokratie, HVerfR, S. 499 f., 513 ff., insb. S. 515, stellt sich gegen Krieles Erkenntnis und bleibt damit liberalistisch, wie in seiner Lehre von der liberalen und sozialen Demokratie überhaupt, wenn Maihofer auch die politische Freiheit republikanisch konzipiert, etwa S. 452 ff., auch S. 519 ff. in der 2. Aufl.; zu Krieles Freiheitslehre K. A. Schachtschneider, Republikanische Freiheit, FS M. Kriele, 1997, S. 829 ff. 123 Freiheit und Gleichheit, HVerfR, S. 135; i. d. S. auch P. Kirchhof, Der allgemeine Gleichheitssatz, HStR, Bd. V, § 124, Rdn. 106 124 Metaphysik der Sitten, S. 345.

IV. Menschenrechte

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Unrecht getan hat; endlich auch die Befugnis, das gegen andere zu tun, was an sich ihnen das Ihre nicht schmälert, wenn sie sich dessen nur nicht annehmen wollen; dergleichen ist, ihnen bloß seine Gedanken mitzuteilen, ihnen etwas zu erzählen oder zu versprechen, es sei wahr und aufrichtig, oder unwahr und unaufrichtig (veriloquium aut falsiloquium), weil es bloß auf ihnen beruht, ob sie ihm glauben wollen oder nicht; . . .“ 125.

Damit hat Kant das Gleichheitsprinzip, das Prinzip der Unschuldsvermutung sowie das Prinzip der allgemeinen Handlungsfreiheit126, das von dem Prinzip der politischen Freiheit zu unterscheiden ist, vor allem aber das Prinzip der Selbständigkeit und damit das Recht auf Eigentum127 und insbesondere das fundamentale Prinzip eines freiheitlichen Gemeinwesens, die Redefreiheit (vgl. BVerfGE 5, 85 (134, 199, 206 f.); 7, 198 (208, 212); 10, 118 (121); 12, 113 (125); 20, 56 (97 ff.); 44, 125 (139, 141 ff.); 57, 295 (319 ff.); 59, 231 (257 ff.); 69, 315 (342 ff.))128, aus dem Prinzip der angeborenen Freiheit abgeleitet und als Rechte des Menschen, die ihm kraft seiner Menschheit zustehen, vorgestellt. 2. Recht der freien Rede Kant hat das Recht der freien Rede, wie zitiert, denkbar weit gefaßt. Die Redefreiheit wird in Deutschland aufgrund des Art. 5 Abs. 1 S. 1 GG wegen der weitgehenden auf Absatz 2 dieser Vorschrift gestützten Praxis übermäßig eingeschränkt129. Wenn auch der bestmögliche Persönlichkeitsschutz ebenfalls um der Würde des Menschen willen geboten ist, so ist jedoch das Recht der freien Rede in der Praxis weitgehend ruiniert. Der Grund ist, daß nicht Wahrheit und Richtigkeit, also Theorien und Urteile, die Leitprinzipien der Rechtsprechung zur Meinungsäußerungsfreiheit sind130, sondern jedwede Äußerung, wenn sie irgendwie wertet, als Meinungsäußerung eingestuft wird (BVerfGE 42, 163 (170 f.); 65, 1 (41). Das führt zu ebenso weiten Einschränkungen der Redefreiheit, etwa durch überdehnte Straftatbestände. Keinesfalls ist hinreichende 125

Metaphysik der Sitten, S. 345 f. Das Bundesverfassungsgericht reduziert entgegen dem Wortlaut, entgegen der Geschichte, entgegen dem Zweck des Art. 2 Abs. 1 GG und entgegen dem Geist der Republik das Freiheitsprinzip liberalistisch auf die allgemeine Handlungsfreiheit; seit dem Elfes-Urteil, BVerfGE 6, 32 (36 ff.), ständige Rechtsprechung. 127 Dazu K. A. Schachtschneider, Das Recht am und das Recht auf Eigentum, FS W. Leisner, S. 743 ff., ders., Freiheit in der Republik, 10. Kap., III. 128 Vgl. K. A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 588 ff., 606 ff. 129 Dazu E. Schmidt-Jortzig, Meinungs- und Informationsfreiheit, HStR, Bd. VI, 1989, § 141, Rdn. 6 ff., 40 ff. 130 Vgl. K. A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 588, 604, 608 ff., 1095 ff., 1159 ff., auch S. 156 ff., 799 ff.; i. d. S. auch H. Krüger, Allgemeine Staatslehre, 2. Aufl. 1966, S. 439 f. Lügen schützt das Grundrecht der Meinungsäußerungsfreiheit jedenfalls nicht (BVerfGE 54, 208 (219 f.); 61, 1 (7 ff.)). 126

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3. Kap.: Würde, Freiheit, Gleichheit, Rechte, Republik

Rechtssicherheit erreicht. Es versteht sich, daß sich der Staat nicht auf das Menschenrecht der Redefreiheit berufen kann131. Er darf informieren, ist aber strikt der Wahrheit und Richtigkeit verpflichtet. Propaganda ist ihm verboten, Diffamierung erst recht132. Wahrheitlichkeit und Richtigkeit müssen auch die Prinzipien der Medien sein, wenn die Republik eine Chance haben soll. Das Defizit an Diskurs haben weitgehend die Medien zu verantworten, die die freie Rede durch Moralismus unterdrücken. Sie mißbrauchen die Schwächen des Publikums, insbesondere den Opportunismus, und entwickeln eine mediale Herrschaft über das (freilich verfälschte) Gewissen, genannt political correctness. Das ist nicht der Weg zur Würde der Menschheit, zur Republik freier Bürger133. 3. Brüderlichkeit durch Selbständigkeit Kant ersetzt das Ideal der Brüderlichkeit durch das der Selbständigkeit134. Nur wer sui iuris, selbständig ist, kann Bürger und darin den anderen Bürgern gleich, also deren Bruder, sein. Friedrich Schiller hat anstelle des Herrschaftsprinzips das Prinzip der Brüderlichkeit unter den Menschen postuliert und in der Ode an die Freude besungen. Nur einer könnte der Herr sein, Gott. Darum ist der kategorische Imperativ nichts anderes als die politische Formel des christlichen Liebesprinzips: „Liebe deinen Nächsten wie dich selbst; denn ich bin der Herr“ (3. Mose, 19, 18).

Der Nächste ist der Bruder, die Schwester. Selbständigkeit setzt das Eigene, das Eigentum voraus. Eigentum ist Menschenrecht (Art. 17 AEMR)135. Ohne Eigentum gibt es keine Privatheit, ein Postulat des Rechts auf Glück, das zur Freiheit gehört, ein Postulat des Menschenwürdeprinzips. Die Eigentumsgewährleistung garantiert Rechte der Privatheit136, Rechte die es erlauben, ein 131 Dazu K. A. Schachtschneider, Grundgesetzliche Aspekte der freiberuflichen Selbstverwaltung, Die Verwaltung 31 (1998), S. 145. Der Staat kann sich grundsätzlich nicht auf die Grundrechte berufen, vgl. BVerfGE 21, 362 (369 ff.); 35, 263 (271); 39, 302 (314 f.); 45, 63 (78 f.); 61, 82 (101); 62, 354 (369); 68, 163 (206); 70, 1 (15 ff.); 75, 192 (196); 85, 360 (385). 132 BVerfGE 105, 279 (294); K. A. Schachtschneider, Produktwarnung der Bundesregierung, S. 130, 131, 180. 133 Dazu K. A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 588 ff., 602 ff.; ders., Verbände, Parteien und Medien in der Republik des Grundgesetzes, in: Die Rolle der Medien im Gefüge des demokratischen Verfassungsstaates, Erlanger Medientage 1997, S. 81 ff. (101 ff.) 134 Über den Gemeinspruch, S. 145, 150 ff.; ders., Metaphysik der Sitten, S. 432 ff.; dazu K. A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 234 ff. 135 W. Leisner, Eigentum, HStR, Bd. VI, 1989, § 149, Rdn. 18 ff.; K. A. Schachtschneider, Das Recht am und das Recht auf Eigentum, FS W. Leisner, S. 751; ders., Freiheit in der Republik, 10. Kap., II, III. 136 K. A. Schachtschneider, Das Recht am und das Recht auf Eigentum, FS W. Leisner, S. 744 ff.; ders., Freiheit in der Republik, 10. Kap., I, II.

IV. Menschenrechte

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sebstbestimmtes Leben zu führen, ohne staatliche Hilfe, ohne staatliche Bevormundung. Art. 14 Abs. 1 GG schützt somit nicht nur die beati possidentes, sondern gibt jedem Menschen ein Recht auf ein Eigentum137, hinreichend, um als selbständige Persönlichkeit der Autonomie des Willens fähig zu sein. Dieses Recht wird durch das Sozialprinzip138, das das Ideal der Brüderlichkeit verbindlich macht, gestärkt. 4. Recht auf Leben Das Recht auf Leben, auch von Kant anerkannt139, der darüber hinaus eine Pflicht zu leben lehrt140, ist nicht nur in allen Menschenrechtstexten aufgeführt, es ist auch die „vitale Basis der Menschenwürde“ (BVerfGE 39, 1 (42); vgl. auch BVerfGE 88, 203 (251 f.)). Art. 2 Abs. 2 S. 3 GG erlaubt die gesetzliche Einschränkung dieses Rechts, aus guten Gründen, etwa um des Schutzes der Freiheit nach innen und außen willen. Das bedeutet aber nicht, daß der Gesetzgeber erlauben dürfte, ohne zwingenden Grund über das Leben, das eigene oder das des anderen, zu verfügen, etwa weil das ungeborene Kind stört oder weil der alte oder kranke Mensch lästig ist. Weder die lediglich sozial indizierte Abtreibung noch eine Euthanasie vor dem eigentlichen Tode, dessen Definition ich nicht wage, lassen sich mit der Würde des Menschen begründen. Die getöteten ungeborenen Kinder hätten ihrer Abtreibung kaum zugestimmt. Ihr Recht auf Autonomie des Willens, ihre Würde, kann nur dadurch gewahrt werden, daß sie leben dürfen. Der kranke oder auch nur alte Mensch, der keine oder nur wenig Lebenskraft hat, mag aus dem Leben scheiden wollen, ohne daß ihm das vorgeworfen werden kann und werden sollte. Den staatlichen Schutz des Freitods und damit die Legalität des Suizids kann er nicht erwarten. Darum bleibt die Hilfe zum Freitod illegal, wenn sie auch nicht immer bestraft werden muß. Grundsätzlich gibt es kein Leben ohne Sinn. Es ist das Geschick des Menschen zu leiden und das Glück zu suchen. Man mag das religiös oder areligiös zu ertragen bemüht sein. Das Leben des Menschen ist endlich, aber der Mensch ist nicht Herr seines Lebens; denn er hat die Menschheit in seiner Person zu achten. Das Wesen des Menschen ist das Leben. Wer die Freiheit des Menschen so enthusiastisch lehrt wie Kant, für den ist das Recht zu leben fraglos Grundlage der Menschenwürde. Auch die Organentnahme stößt, wenn sie ohne Einver-

137 K. A. Schachtschneider, Das Recht am und das Recht auf Eigentum, FS W. Leisner, S. 755 ff.; ders., Freiheit in der Republik, 10. Kap., III. 138 Dazu K. A. Schachtschneider, Das Sozialprinzip, 1974, ders., Res publica res populi, S. 234 ff.; ders., Das Recht am und das Recht auf Eigentum, FS W. Leisner, S. 755 ff. (759 ff.); ders., Freiheit in der Republik, 10. Kap., III, IV. 139 Über den Gemeinspruch, S. 155 ff., in der Fußnote. 140 Metaphysik der Sitten, S. 554 f., vgl. auch S. 534 f.

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3. Kap.: Würde, Freiheit, Gleichheit, Rechte, Republik

ständnis des sogenannten Spenders erfolgt, auf menschenrechtliche Bedenken141. 5. Menschenrechte dreier Generationen Die Menschenrechte, die auch weitere nicht aufgeführte Grundrechte umfassen, sind in sogenannter zweiter und dritter Generation zu wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Rechten bzw. Rechten an den Lebensgrundlagen, Rechten auf Entwicklung und auf das Menschheitserbe weiterentwickelt142. Es geht vor allem um ökonomische und soziale Rechte, wie das Recht auf Arbeit (Art. 6 IPwirtR), auf „soziale Sicherheit“ (Art. 9 IPwirtR), „angemessenen Lebensstandard“, „ausreichende Ernährung, Bekleidung und Unterbringung“ (Art. 11 IPwirtR), auf ein „Höchstmaß an körperlicher und geistiger Gesundheit“ (Art. 12 IPwirtR) und auf „Bildung“ (Art. 13 IPwirtR). Die Grundlage aller Rechte ist aber die Freiheit als das Recht auf Recht143. Rechtlichkeit als verwirklichte Sittlichkeit ist die Würde des Menschen; denn der Mensch selbst bestimmt die allgemeinen Gesetze, freilich mit allen anderen Menschen, mit denen er zusammenlebt, gemeinsam, sei dies in seiner Stadt, in seinem Land, in seinem Erdteil oder in der Welt, sei dies in seinem Beruf, in seiner Familie, in seiner Kirche oder in einer sonstigen Lebensgemeinschaft. Die politische Freiheit144, welche dem Menschen weitestgehend vorenthalten wird, ist das Fundament der Menschheit des Menschen. Würde die politische Freiheit der Menschen geachtet, würde sich die soziale Gerechtigkeit verwirklichen. Die Menschenrechte zweiter und dritter Generation sind aus der Not entwickelt, daß das eigentliche Menschenrecht, die politische Freiheit, deren Verwirklichung den Weg zu einem gemeinsamen Leben in Würde ebnet, nicht durchgesetzt ist.

141 K. A. Schachtschneider/D. I. Siebold, Die „erweiterte Zustimmungslösung“ des Transplantationsgesetzes im Konflikt mit dem Grundgesetz, DÖV 4/2000, 131 ff., 134 ff.; dies., Fallstudie Transplantationsmedizin, in: K. A. Schachtschneider, Fallstudien zum Öffentlichen Wirtschaftsrecht, 3. Aufl. 2003, S. 389 ff. 142 Dazu K. Stern, Idee der Menschenrechte und Positivität der Grundrechte, HStR, Bd. V, 1992, § 108, Rdn. 61. 143 K. A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 290 ff., 325 ff.; ders., Freiheit in der Republik, 2. Kap., III, 5. Kap., II, 3, 10. Kap., II. 144 K. A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 184 ff., 275 ff., 325 ff., 433 ff., 472 ff., 494 ff., 501 ff., 601 f., 685 ff., u. ö.; ders., Freiheit in der Republik, 5. Kap., IV, 6. Kap., I, 4., 7. Kap., I.

V. Republik versus Parteienstaat

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V. Republik versus Parteienstaat 1. Republikanität der Ordnung Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit als die Verfassung der Menschheit des Menschen gebieten eine Ordnung des gemeinsamen Lebens, welche der Würde des Menschen bestmöglich gerecht wird. Diese Ordnung muß das Recht auf Recht, die allgemeine Gesetzlichkeit im Recht, gewährleisten, die ohne Sittlichkeit und damit ohne Moralität aller Menschen als Bürger nicht erreicht werden kann145. Die Ordnung muß somit die Sittlichkeit vor allem im Staat bestmöglich fördern. Das gebietet nach der Erfahrung vor allem die Teilung der Ausübung der Staatsgewalt146, die vielfältig sein muß. Nicht nur Legislative, Exekutive und Judikative müssen unabhängig voneinander sein, sondern nach dem Prinzip der kleinen Einheit sind Föderalismus, Regionalismus, Kommunalismus, berufsständische Selbstverwaltung, Kirchen (einschl. anderer Religionsgemeinschaften), Universitäten, Unternehmen (usw.) geboten, alle möglichst selbständig und unabhängig voneinander. Die Aufgaben müssen, wiederum menschenrechtlich geboten, nach dem Subsidiaritätsprinzip verteilt werden, weil die kleine Einheit nicht nur die größere Sachnähe gewährleistet, sondern der politischen Freiheit des Menschen eine größere Chance schafft. Aus dem Freiheitsprinzip und aus dem eigentumsgeschützten Selbständigkeitsprinzip folgt das Privatheitsprinzip, das menschenrechtliche Subsidiaritätsprinzip, das einen Grundsatz und Vorrang der Privatheit der Lebensbewältigung begründet147. Der tendenziell totale Staat nivelliert mit den Lebensverhältnissen die Persönlichkeitsentfaltung der Menschen. Der Mensch lebt in einem freiheitlichen Gemeinwesen in vielen politischen Einheiten, in vielen Republiken. Der große Staat, der alle Aufgaben und Befugnisse an sich reißt, kann die Freiheit nicht gewährleisten. Er ist zentralistisch und geradezu unvermeidlich despotisch, weil nur wenige auf die Politik Einfluß nehmen können und darum die Vielen bevormunden, wenn es gut geht, paternalistisch in einer sanften Despotie. Den Vielen den Einfluß auf ihr Leben zu ermöglichen, setzt die Vielheit der Gemeinschaften, nach den Lebensverhältnissen geordnet, voraus. Die großen Gemeinschaften, etwa die Europäische Union, sind als „Föderalism freier Staaten“ (Kant)148, als Republik der Republiken, zu gestalten149. Die Einheit, welche letztlich mittels des Zwanges die Rechtlichkeit 145 K. A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 279 ff., 560 ff., 584 ff.; ders., Freiheit in der Republik, 2. Kap., VII, 7. Kap., II, 1, 2. 146 Dazu 9. Kap., I. 147 K. A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 370 ff. (386 ff.); ders., Freiheit in der Republik, 8. Kap., IV; ders., Der Anspruch auf materiale Privatisierung, S. 67 ff. 148 Zum ewigen Frieden, S. 208 ff.

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3. Kap.: Würde, Freiheit, Gleichheit, Rechte, Republik

des gemeinsamen Lebens nach ihren jeweiligen Gesetzen sicherstellt, ist der Staat150. Diese Einheit muß keinesfalls im Sinne des Souveränitätsprinzips des Absolutismus des großen Territorialstaates die alleinige oder auch nur wesentliche Gesetzgebungsbefugnis haben, aber alle Gesetze müssen der Wille der durch die Gesetze verpflichteten Bürgerschaften (Völker) sein (i. d. S. BVerfGE 89, 155 (184 ff. (186), 192 ff.)151; denn der Mensch ist nur an das eigene Gesetz gebunden. Freilich setzt das voraus, daß er Bürger, also Gesetzgeber ist. Der Fremde ist Gast und unterwirft sich den Gesetzen des Gastlandes. Seine Freiheit liegt in dem Recht, das Gastland jederzeit zu verlassen. Wer dauerhaft in einem Lande lebt, muß Bürger sein152. Die freiheitliche Gesetzgeberschaft der Bürgerschaft setzt aber die entwikkelte Sittlichkeit der Bürger und insbesondere ihrer Repräsentanten, der Vertreter des ganzen Volkes (Art. 38 Abs. 1 S. 2 GG), voraus153. Die Abgeordneten haben in stellvertretender Sittlichkeit für das Volk die richtigen Gesetze zu erkennen, welche aufgrund des allgemeinen Willens des Volkes verbindlich werden154. Um dieser Sittlichkeit willen sind die Abgeordneten ihrem Gewissen und nur ihrem Gewissen verpflichtet155. Das ist ein wesentlicher Baustein einer Republik, die notwendig repräsentativ ist156. Auch Plebiszite haben repräsentativen Charakter157. 2. Liberalistischer Parteienstaat Der liberalistische Staat jedoch, der den Menschen die politische Freiheit streitig macht, stellt sich in einen Gegensatz zur Gesellschaft und praktiziert der Sache nach immer noch das monarchische Prinzip, wonach die Staatsgewalt nach dem absolutistischen Satz Ludwig des XIV: „L’état c’est moi“, vom Fürsten ausgeht. Mit dem liberalistischen Freiheitsbegriff158 wird entgegen der 149 Dazu K. A. Schachtschneider, Die Republik der Völker Europas, ARSP-Beiheft 71 (1997), S. 153 ff.; dazu 4. Kap., III. 150 Dazu 4. Kap., I und II. 151 K. A. Schachtschneider, Die existentielle Staatlichkeit der Völker Europas, S. 79 ff., 87 ff.; ders., Die Republik der Völker Europas, ARSP-Beiheft 71 (1997), S. 156 f., 157 f.; dazu 4. Kap., II und III, 6. Kap., I, 1 und 2. 152 Dazu K. A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 1201 ff. 153 K. A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 666 ff., 772 ff., 810 ff. 154 K. A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. S. 637 ff. (707 ff.); vgl. auch ders., Freiheit in der Republik, 2. Kap., VI, 5. Kap., II. 155 K. A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 810 ff., auch S. 1080 ff. 156 K. A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 637 ff., 685 ff., auch S. 735 ff. (Kritik an der Repräsentationslehre von C. Schmitt und G. Leibholz). 157 H. Krüger, Allgemeine Staatslehre, S. 248; ebenso E.-W. Böckenförde, Demokratische Willensbildung und Repräsentation, HStR, Bd. II, 1987, § 30, Rdn. 4 ff., 30; K. A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 645, 707.

V. Republik versus Parteienstaat

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Würde des Menschen die Herrschaft des Staates159 dogmatisiert, der den Untertanen begrenzte Freiheiten läßt. In die Rolle der Fürsten sind die Parteienoligarchien getreten160. Das Parteienprinzip hat den staatsrechtlichen Status des monarchischen Prinzips übernommen. Die Parteien allerdings agieren, als seien sie das Volk und der Staat zugleich161. Dadurch läßt der Parteienstaat noch weniger Freiheit als der ebenso monarchische wie liberale Konstitutionalismus des 19. Jahrhunderts, der es aufgrund der Entscheidungen des Wiener Kongresses den Bürgern gestattete, in den Parlamenten ihre Freiheit und ihr Eigentum selbst zu verteidigen. Ohne Zustimmung der Parlamente konnten Gesetze, welche die Freiheit und das Eigentum betrafen, nicht verbindlich werden162. Dieser politische Schutz der Bürgerschaft war effektiv und hat zum Hochliberalismus geführt. Heute vertritt mittels der Parteien der Staat selbst die Bürger in den Parlamenten, weil die Parteien den Staat zu ihrer Sache gemacht haben. Der Staat ist nicht die Sache der Bürger geworden, obwohl die Bürger gemäß dem demokratischen Prinzip die Abgeordneten in die Parlamente wählen dürfen, freilich nach einem Wahlsystem und Wahlvorschriften, welche den größeren Parteien die Herrschaft im Staat sichern (Verhältniswahlsystem, 5% Sperrklauseln, Wahlkampfkostenerstattung, Wählertäuschungen u. a. m.)163. In der Verfassungswirklichkeit ist der Gegensatz von Staat und Gesellschaft, besser: Bürgerschaft geblieben, ja vertieft. Die Gegner der Freiheit sitzen in den Institutionen, welche der Verwirklichung der Freiheit dienen sollen, insbesondere in den Parlamenten. In der parteienstaatlichen Praxis bestimmen die parteilichen Bündnisse die Abstimmungen der Abgeordneten. Diese sind von der Parteienoligarchie abhängig164. Das verhindert die Erkenntnis der allgemeinen Gesetze, die nur in öffentlicher Diskussion in den Parlamenten im Verbund mit dem Diskurs in der Bürgerschaft gelingen kann. Ohne diesen echten Parlamentarismus165 ist die all-

158 Dazu K. A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 441 ff.; ders., Vom liberalistischen zum republikanischen Freiheitsbegriff, S. 829 ff.; ders., Freiheit in der Republik, 6. Kap. 159 Dazu (kritisch) K. A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 71 ff. 160 K. A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 772 ff., 1054 ff., 1060 ff., 1086 ff., 1113 ff., ders., Der republikwidrige Parteienstaat, FS H. Quaritsch, 2000, S. 141 ff. 161 Vgl. insbesondere G. Leibholz, Das Wesen der Repräsentation und der Gestaltwandel der Demokratie im Zwanzigsten Jahrhundert, 1929, 3. Aufl. 1968, S. 245 f.; dazu K. A. Schachtschneider (kritisch), Res publica res populi, S. 1045 ff. 162 Dazu D. Jesch, Gesetz und Verwaltung. Eine Problemstudie zum Wandel des Gesetzmäßigkeitsprinzips, 1961, 2. Aufl. 1968, S. 76 ff. (81 ff.); H. H. Rupp, Grundfragen der heutigen Verwaltungsrechtslehre, 1965, 2. Aufl. 1991, S. 2 ff., 113 ff.; ders., Die Unterscheidung von Staat und Gesellschaft, HStR, Bd. I, 1987, § 28, Rdn. 4 ff. 163 Dazu K. A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 1113 ff., 1147 ff. 164 K. A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 1060 ff. 165 K. A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 637 ff., 707 ff., 805 ff., 810 ff.

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3. Kap.: Würde, Freiheit, Gleichheit, Rechte, Republik

gemeine Freiheit verletzt und die Würde der Menschen mißachtet. Der Parteienstaat ist die Verfallserscheinung der Republik; denn die Republik ist die Staatsform der allgemeinen Freiheit, die Staatsform der Würde des Menschen. In der Republik geht nämlich alle Staatsgewalt vom Volke aus, wie das Art. 20 Abs. 2 S. 1 GG feststellt166. Demgemäß ist die Gesetzgeberschaft in die Hände der Bürger gelegt. Mit Cicero gilt: „Res publica res populi“. Kant definiert darum den „Staat (civitas)“ als „die Vereinigung einer Menge von Menschen unter Rechtsgesetzen“167. 3. Aspekte der Parteienherrschaft Der republikwidrige Parteienstaat wird ebenso herrschend wie herrschaftlich durch zwei ideologische Positionen notdürftig verteidigt: Die Ausübung der Staatsgewalt sei Herrschaft168. Dieses Dogma schließt politische Freiheit aus und leugnet die Würde des Menschen. Es bestimmt aber die Praxis. Demokratie, die Staats- und Regierungsform, welche dem Grundgesetz entgegen dem Text, der nur das Adjektiv „demokratisch“ in Art. 20 Abs. 1, Art. 23 Abs. 1 S. 1 und Art. 28 Abs. 1 S. 1 GG verwendet, unterschoben wird, sei notwendig Parteiendemokratie (BVerfGE 85, 264 (285); 91, 276 (286); 111, 382 (403 f.)), folglich, weil Demokratie und Staat identifiziert werden, sei Demokratie Herrschaft der Parteien169. Weil die Vertreter der Parteien gewählt würden, würden gar Freiheit und Herrschaft vermittelt – ein Paradoxon170. Die Wahlen, die wesentliche demokratische Institution der Republik, sichern die Freiheit angesichts des festgefügten Parteienstaates nicht, weil Parteien auch mangels innerer Demokratie keine Institutionen der Freiheit sind, jedenfalls nicht, solange sie Bündnisse sind, um Macht und Pfründen, Herrschaft und Ämter zu erkämpfen, zumal nicht, solange sie ihre Macht auf vielfältigen Rechtsbruch stützen, wie vor allem die Ämterpatronage171. Die Menschen, die zu Bürgern geboren sind, werden im Parteienstaat entmündigt und zu Untertanen herabgewürdigt. Hinreichend mit Brot und Spielen versorgt dienen sie der Habsucht, Ehrsucht und Herrschsucht der neuen Herren, der Parteiführer und deren Gefolgsleuten. Propaganda sorgt für die gewünschten Meinungen und Abstimmungen, jedenfalls 166 Dazu K. A. Schachtschneider, Die existentielle Staatlichkeit der Völker Europas, S. 76 ff., 79 ff., 87 ff.; ders., Res publica res populi, S. 14 ff., auch S. 637 ff. 167 Metaphysik der Sitten, S. 431. 168 Dazu K. A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 71 ff., 1054 ff.; ders., Freiheit in der Republik, 3. Kap. 169 Dazu (kritisch) K. A. Schachtschneider, Res publica res populi, S.1054 ff. 170 E.-W. Böckenförde, Demokratie als Verfassungsprinzip, HStR, Bd. I, 1987, § 22, Rdn. 36 ff., 49 ff.; dazu (kritisch) K. A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 124 ff. (130). 171 K. A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 1060 ff., 1086 ff., 1113 ff., 1147 ff.; weitere Hinweise in Fn. 828.

V. Republik versus Parteienstaat

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versucht sie es zunehmend. Der Parteienstaat ist strukturell despotisch und mit der Würde des Menschen unvereinbar. Aus der sanften Despotie entwickelt sich zunehmend eine harte Despotie, weil die Oligarchie der Parteien in Schwierigkeiten gerät; denn ihre eigentliche keineswegs gerechtfertigte oder rechtfertigende Legitimation, der stetig wachsende Wohlstand der gesamten Bevölkerung, geht in dem globalisierenden Kapitalismus172 und dem europäischen Integrationismus verloren173. Die Parteien haben diese Entwicklung gefördert, weil sie von den Einrichtungen des Kapitalismus, den Banken, den Versicherungen, den institutionellen Anlegern und den Industrien, und von diese bestimmenden, nicht öffentlichen Kräften abhängig sind. Für die Untertanen hält die classa politica nivellierte, tendenziell sozialistische Lebensverhältnisse bereit, die gerade nicht die bürgerliche Selbständigkeit, Voraussetzung der Willensautonomie und damit der menschlichen Würde, ermöglichen. Man ließ die Parteien herrschen, solange der Untertan sagen konnte: „Uns geht es doch gut!“. Seitdem diese (fragwürdige) Legitimation schwindet, gerät der Parteienstaat in eine Krise, die aber zugleich die Chance der Republik und damit die Chance ist, zur Würde des Menschen zu finden. Sie ist freilich auch die Gefahr verstärkter Unterdrükkung des Volkes. 1789 hat Schiller ausgerufen: „Der Menschheit Würde ist in eure Hand gegeben, bewahret sie!“

172

Dazu K. A. Schachtschneider, Grenzen der Kapitalverkehrsfreiheit, I, III, 1, c, d. K. A. Schachtschneider, Demokratiedefizite in der Europäischen Union, FS W. Hankel, S. 119 ff. 173

4. Kapitel

Staat und Staatlichkeit I. Staatsprinzip 1. Philosophie der Aufklärung Es gibt keine Freiheit ohne Recht, und es gibt kein Recht ohne Staat. Die Würde des Menschen erfordert die Staatlichkeit des gemeinsamen Lebens, also den Staat. Das ist die Freiheits-, Rechts- und Staatslehre der Aufklärung, deren vornehmste Vertreter Thomas Hobbes („Leviathan“, 1651), John Locke, („Zwei Abhandlungen über die Regierung“; 1690), Charles-Louis de Montesquieu, („Vom Geist der Gesetze“, 1748), Jean-Jacques Rousseau, („Vom Gesellschaftsvertrag oder Grundsätze des Staatsrechts“, 1769), vor allem aber Immanuel Kant mit allen seinen kritischen Schriften, insbesondere „Kritik der reinen Vernunft“ (1781/1787), „Grundlegung zur Metaphysik der Sitten“ (1785/1786), „Kritik der praktischen Vernunft“ (1788), „Zum ewigen Frieden“ (1795/1796), „Metaphysik der Sitten“ (1797/1798)174, aber durchaus auch Georg Wilhelm Friedrich Hegel, („Grundlinien der Philosophie des Rechts“, 1821) und Johann Gottlieb Fichte, („Das System der Sittenlehre nach den Prinzipien der Wissenschaftslehre“, 1798), u. a. waren. Fichte hat Irritationen hervorgerufen, Hegel folgenschwere Verirrungen. Die weitere Philosophie hat nicht groß zur Freiheits-, Rechts- und Staatslehre beigetragen, noch weniger die Rechtslehre. Der Stand der Wissenschaft ist Kant. Die neuzeitliche Aufklärung aber ist die Renaissance der griechischen Aufklärung vor allem der großen Philosophen Platon und Aristoteles, aber auch des römischen Aristotelikers Cicero. 2. Freiheit und Recht Weil die allgemeine Freiheit nur im Recht Wirklichkeit findet, hat jeder Mensch ein Recht auf Recht175. Das politische Prinzip der Freiheit ist deren 174 Die Werke Kants werden nach der von Wilhelm Weischedel 1968 besorgten Edition zitiert. 175 K. A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 290 ff., vgl. auch S. 310 f., 325 ff., 431 ff., 497 ff., 852 f., 1005; ders., Freiheit in der Republik, 2. Kap., III, 5. Kap., II, 3; ähnlich P. Kirchhof, Die Identität der Verfassung in ihren unabänderlichen Inhalten, HStR, Bd. I, 1987, § 19, Rdn. 10 ff., 27, 29 ff., 49 f., 57, 67, 80 ff.,

I. Staatsprinzip

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Allgemeinheit, die sich daraus ergibt, daß die Freiheit die Würde jedes Menschen ist. Darum ist die Freiheit das Prinzip des gemeinsamen Lebens, also das Prinzip des Politischen oder eben das Prinzip der Gemeinschaft von Menschen. Herrschaft von Menschen über Menschen ist nicht begründbar176. Herrschaft ist rechtlos, despotisch. Allein schon die Logik der Gleichheit der Menschen führt zum Prinzip der allgemeinen Freiheit177. Wegen ihrer Allgemeinheit kennt die Freiheit des Menschen nur eine Einschränkung, nämlich die der gleichen Freiheit aller Menschen178. Die Allgemeinheit der Freiheit kann sich nur in der Rechtlichkeit der allgemeinen Gesetze verwirklichen, weil die allgemeinen Gesetze die Gesetze aller und damit die Gesetze jedes einzelnen Menschen sind. Wer sich selbst das Gesetz gibt, ist frei; denn Freiheit ist die Autonomie des Willens179. Wegen ihrer Allgemeinheit machen die Gesetze das gemeinsame Leben in allgemeiner Freiheit möglich. Darum gibt es ein ursprüngliches Recht, „ein wirkliches Rechtsgesetz der Natur“ auf die allgemeine Gesetzlichkeit, also das Recht auf Recht. Diese Lehre folgt aus dem einzig möglichen Begriff der äußeren Freiheit, nämlich dem der „Unabhängigkeit von eines anderen nötigender Willkür“ (Kant)180; denn Freiheit kann nur als (transzendentale) Idee der spontanen Kausalität menschlichen Handelns gedacht werden, als Unabhängigkeit von jeder Determination181. Selbst wer der transzendentalphilosophischen Argumentation Kants nicht zu folgen vermag, muß einsehen, daß das Recht keine andere Grundlage als die Freiheit haben kann, weil die Gesetze des 87; Ch. Enders, Die Menschenwürde in der Verfassungsordnung, S. 501 ff. verbindet mit der Menschenwürde ein „Recht auf Rechte“ als „Rechtsfähigkeit des Menschen als Menschen“ (S. 503). 176 K. A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 71 ff.; ders., Freiheit in der Republik, 3. Kap. 177 K. A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 1 ff., 35 ff., 410 ff.; ders., Freiheit in der Republik, 7. Kap., I, III. 178 Zur Einschränkung Kant, Kritik der reinen Vernunft, S. 513, 680; ders., Kritik der praktischen Vernunft, S. 146; ders., Metaphysik der Sitten, S. 338; ders., Über den Gemeinspruch, S. 144 f., 148; vgl. K. A. Schachtschneider, Freiheit in der Republik, 5. Kap., II, 4; zur Gleichheit oder Allgemeinheit der Freiheit ders., Res publica res populi, S. 11 ff., 35 ff., 61 ff., 83 ff., 186 ff., 253 ff., 303 ff., 410 ff., 431 ff., 494 ff., 526 ff., u. ö.; ders., Freiheit in der Republik, 1. Kap., 2. Kap., VI, 7. Kap., 10. Kap., III. 179 Kant, Grundlegung zur Metaphysik der Sitten, S. 81 f., 88 f.; ders., Kritik der praktischen Vernunft, S. 139, 144; vgl. auch S. 125 ff., 138 ff., 141 ff., 144 ff., 191 ff., 218, u. ö.; K. A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 275 ff., 325 ff., 410 ff., 449 ff., passim; ders., Freiheit in der Republik, 2. Kap., VI, VII, 5. Kap., I, 7. Kap., I, passim. 180 Metaphysik der Sitten, S. 345. 181 Kant, Kritik der reinen Vernunft, S. 325 f., 426 ff., 492 ff., 495 ff., 671 ff., 676 ff.; ders., Kritik der praktischen Vernunft, S. 217 ff., 230 ff.; ders., Grundlegung zur Metaphysik der Sitten, S. 82 ff., 88 f., 89 ff., 91 ff., 94 ff.; ders., Metaphysik der Sitten, S. 331 ff., 347, 361; K. A. Schachtschneider, Freiheit in der Republik, 2. Kap., II.

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4. Kap.: Staat und Staatlichkeit

Rechts Sollenssätze, Imperative, sind. Wenn alles Handeln determiniert ist, kann es keine Sollenssätze geben, sondern allenfalls Erkenntnisse des Seins182. Die Idee der Freiheit erkennt Kant darum in dem „Faktum des Sollens“183. Weil die allgemeine Freiheit nur in den dem Recht verpflichteten allgemeinen Gesetzen Wirklichkeit zu finden vermag, in dem allgemeinen Willen, weil nämlich der Wille aller, die volonté générale (Rousseau)184, die Gesetze gibt. Demgemäß definiert Kant das „Allgemeine Prinzip des Rechts“ wie folgt: „Eine jede Handlung ist recht, die oder nach deren Maxime die Freiheit der Willkür eines jeden mit jedermanns Freiheit nach einem allgemeinen Gesetze zusammen bestehen kann etc.“185

3. Sittliche Repräsentation Wegen der Allgemeinheit ist die Gesetzgebung ein allgemeiner Vertrag, der jedoch, weil es praktisch unmöglich ist, daß alle mit allen über alles einen Vertrag schließen, von den Vertretern der Bürgerschaft, den Vertretern des ganzen Volkes, geschlossen, d.h. in den Gesetzgebungsorganen beschlossen wird (repräsentative Konsensualität)186, wenn nicht das Volk die Gesetze selbst (plebiszitär, unmittelbar demokratisch) beschließt. Das plebiszitäre Verfahren bricht wegen des notwendigen Mehrheitsprinzips nicht weniger mit der allgemeinen Freiheit als das Repräsentationsverfahren187. Rousseau hat die Vertretung des Volkes verworfen, weil sie die Freiheit vernichte188. Der entwickelte Parteienstaat bestätigt die Richtigkeit dieser Kritik. Dennoch gibt es wegen der Vielheit der Menschen in den Staaten keine Alternative zur repräsentativen oder plebiszitären Gesetzgebung. Das Procedere der Gesetzgebung muß jedoch so gestaltet sein, daß die bestmögliche (diskursive, deliberative) Erkenntnis des Rechts ge182 Zur Dichotomie von Sein und Sollen vgl. Kant, Kritik der praktischen Vernunft, S. 324 ff., 498 ff.; ders., Grundlegung zur Metaphysik der Sitten, S. 33 ff.; dazu K. A. Schachtschneider, Staatsunternehmen und Privatrecht, S. 101; ders., Res publica res populi, S. 138 f., 520 ff., 540 ff., u. ö.; ders., Freiheit in der Republik, 1. Kap.; O. Höffe, Politische Gerechtigkeit. Grundlegung einer kritischen Philosophie von Recht und Staat, 1987, S. 77, 102 ff., 481 f. 183 Kritik der reinen Vernunft, S. 426 ff., 495 ff., 505 f., 674 ff.; Grundlegung zur Metaphysik der Sitten, S. 82 ff., 89 ff., 94 ff.; Kritik der praktischen Vernunft, S. 139 f., 155 ff., 218 ff., 230 ff.; Metaphysik der Sitten, S. 326 ff., 347, 361; K. A. Schachtschneider, Freiheit in der Republik, 2. Kap., II. 184 Vom Gesellschaftsvertrag, II, 6, IV, 1, S. 39 ff., 112 ff. 185 Metaphysik der Sitten, S. 337; dazu K. A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 292 f. 186 K. A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 560 f., 637 ff., 707 ff. 187 Dazu K. A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 637 ff. 188 Vom Gesellschaftsvertrag, III, 15 (S. 103 ff.); so auch H. Kelsen, Vom Wesen und Wert der Demokratie, 2. Aufl. 1929, S. 84 f.; dazu K. A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 723 f.

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fördert wird189. Die Moralität der Bürger und vor allem die ihrer Vertreter in den Organen der Gesetzgebung ist die Bedingung der Sittlichkeit und damit der Rechtlichkeit der Gesetze. Diese Sittlichkeit ist die Richtigkeit der Gesetze für das gute Leben aller in allgemeiner Freiheit auf der Grundlage der Wahrheit, also die materiale Allgemeinheit der Gesetze in dem Sinne, daß jeder Bürger dem Gesetz zustimmen könnte und zustimmen müßte, der selbst die Moralität wahrt190. Anders vermag ein Gesetz nicht den allgemeinen Interessenausgleich herbeizuführen und folglich nicht zu befrieden191. Es gibt keinen Grund, warum ein Mensch sich Gesetzen unterwerfen sollte, welche nicht sittlich sind, also nicht das gute Leben aller in allgemeiner Freiheit bestmöglich zu verwirklichen bemüht sind. Durch andere Gesetze unterdrücken die einen die anderen, meist die Obrigkeit die Untertanen. Herrschaft aber entwürdigt die Menschen. Das Gesetz der Sittlichkeit ist der kategorische Imperativ, das Sittengesetz, dessen deontische und dessen Zweckformel oben zitiert sind192. Wie das Rechtsprinzip folgt der kategorische Imperativ der Logik der Allgemeinheit der Freiheit. 4. Freiheitliche Gesetzlichkeit Ohne Gesetze ist nicht gewährleistet, daß nicht der eine den anderen zu einem Handeln nötigt, welches dieser nicht will, weil es nicht seinem eigenen Gesetz entspricht. Zwar ist alles Handeln Nötigung der anderen Menschen, weil es die Welt verändert, zwar ist alles Handeln Gewaltausübung193, aber die Gesetzlichkeit (Legalität) verwirklicht die allgemeine Freiheit; denn wegen der Allgemeinheit der Gesetze hat das legale Handeln das Einverständnis aller Bürger der Rechtsgemeinschaft, des Staates. Gesetzlosigkeit führt zur Herrschaft der Starken, wie umgekehrt Herrschaft Gesetzlosigkeit im eigentlichen Sinne eines freiheitlichen Gesetzesbegriffs ist. Auch herrschaftliche Ordnungssysteme benutzen Regelungen, welche alle betreffen. Solche Regelungen werden auch Gesetze genannt, sind aber keine Gesetze im eigentlichen (freiheitlichen) Sinne, weil sich der Mensch um seiner Würde willen nur selbst verpflichten kann. Wenn dem Menschen die Freiheit genommen wird, wird ihm die Menschheit 189 J. Habermas, Faktizität und Geltung, S. 109 ff., 349 ff., 541 ff.; ders., Die Einbeziehung des Anderen, S. 241 ff., 277 ff., 293 ff.; dazu K. A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 584 ff.; ders., Freiheit in der Republik, 7. Kap., II, 2, c. 190 K. A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 519 ff., 560 ff., 584 ff., 600. 191 K. A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 617 ff.; ders., Freiheit in der Republik, 8. Kap., III, 3, 10. Kap., III, 2; i. d. S. auch Kant, Zum ewigen Frieden, S. 250 f.; ders., Kritik der praktischen Vernunft, S. 146; vgl. auch BVerfGE 87, 114 (138); 89, 1 (8); 100, 226 (240 f.). 192 Dazu 3. Kap., II (Zitate zu Fn. 81 bzw. 83). 193 K. A. Schachtschneider, Grundgesetzliche Aspekte der freiberuflichen Selbstverwaltung, Die Verwaltung 31 (1998), S. 151; ders., Der Anspruch auf materiale Privatisierung, S. 294 ff.

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4. Kap.: Staat und Staatlichkeit

abgesprochen. Nur weil das die Normalität der Lebensverhältnisse ist, ist es nicht schon rechtmäßig. Eine Herrschaftsordnung ist nicht schon eine Rechtsordnung194. Ohne allgemeine Gesetzlichkeit, ohne Legalität also, befinden sich alle im Krieg gegen alle, wie das Hobbes, Montesquieu, Rousseau und Kant herausgestellt haben195. Die Schwachen werden ausgebeutet und die Starken sind mächtig und wähnen sich „frei und reich“ (Kenichi Ohmae)196. Es entsteht schon dadurch ein Zustand allgemeiner Unfreiheit, weil jeder in seiner Freiheit durch alle anderen bedroht ist (Kant)197. 5. Rechtlichkeit (Sittlichkeit) der Gesetze Die Gesetze müssen nicht nur allgemein sein, sondern dem Recht der Menschheit des Menschen genügen. Sie dürfen die Freiheit und die aus der Freiheit folgenden Rechtsprinzipien, wie die Gewährleistung des Eigentums198, nicht aufheben, weil das die Freiheit und damit die Würde des Menschen vernichten würde. Aus dem Freiheitsprinzip folgen aber auch mit Logik die Strukturprinzipien der Republik, insbesondere das demokratische Prinzip199. Die fundamentalen Prinzipien des Art. 1 GG, nämlich das Würdeprinzip und das Menschenrechtsprinzip, und die des Art. 20 GG, das Rechtsprinzip, das Sozialprinzip und das Demokratieprinzip, zusammengefaßt das Republikprinzip, aber auch das Bundesstaatsprinzip (kleine Einheiten), sind eine unauflösliche Einheit, welche ein freiheitliches Gemeinwesen fundieren. Sie stehen daher nicht zur Disposition der Politik (i. d. S. BVerfGE 84, 90 (121). Die Unabänderlichkeitsklausel (sogenannte Ewigkeitsklausel) des Art. 79 Abs. 3 GG stellt das klar200. Allein diese Fundamentalprinzipien zeigen, daß das Grundgesetz ein

194 K. A. Schachtschneider (O. Gast), Sozialistische Schulden nach der Revolution, S. 29 ff., 50 ff., 97 ff. 195 Hobbes, Leviathan I, 14, II, 17, 18; ders., De cive, Kap. I–III, in: Hobbes über die Freiheit, hrsg. von G. Geismann/K. Herb, 1988, S. 128 f.; Rousseau, Vom Gesellschaftsvertrag, I, 8 (S. 22 f.); Kant, Metaphysik der Sitten, S. 430 f.; ders., Zum ewigen Frieden, S. 203, 208; dazu K. A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 484; ders., Freiheit in der Republik, 6. Kap., II, 2, 10. Kap., V, 2. 196 Die neue Logik der Weltwirtschaft, Zukunftsstrategien der internationalen Konzerne, 1992, S. 242 f.; dazu K. A. Schachtschneider, Eigentümer globaler Unternehmen, FS H. Steinmann, 1999, S. 429. 197 Metaphysik der Sitten, S. 430 f. 198 Kant, Metaphysik der Sitten, S. 354 ff.; K. A. Schachtschneider, Freiheit in der Republik, 10. Kap., I, I, III; ders., Das Recht am und das Recht auf Eigentum, FS W. Leisner, S. 744 ff., 767 ff. 199 K. A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 14 ff., auch S. 637 ff., 685 ff., 707 ff. 200 Vgl. zu dem Prinzip der Unabänderlichkeit der Verfassung C. Schmitt, Verfassungslehre, 1928, 8. Aufl. 1993, S. 22, 24, 87; P. Kirchhof, Die Identität der Verfassung in ihren unabänderlichen Inhalten, HStR, Bd. I, 1987, § 19, Rdn. 5, 34 ff., 47 ff.;

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Gemeinwesen der Freiheit verfaßt. Die freiheitswidrigen Fehlentwicklungen insbesondere des Parteienstaates, welche zu einer republikwidrigen pluralen Parteienoligarchie geführt haben201, widerlegen nicht die Rechtslehre, sondern zeigen den ewigen Kampf ums Recht. Die Verfassungsgemäßheit des Grundgesetzes als Verfassungsgesetz zeigt sich vor allem in Art. 2 Abs. 1 GG, der die Freiheit schützt und wie folgt definiert: „Jeder hat das Recht auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit, soweit er nicht die Rechte anderer verletzt und nicht gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder das Sittengesetz verstößt“.

Das Sittengesetz in diesem Grundrecht ist der kategorische Imperativ Kants202. Es ist der Schlüsselbegriff des Grundgesetzes. Dieses ethische Gesetz allen Handelns steht jeder vermeintlich realistischen Interpretation des Verfassungsgesetzes entgegen. Das Recht beugt sich nicht den Realitäten, sondern ist der stetige, wenn auch meist vergebliche, Versuch, der Freiheit Wirklichkeit zu geben. Praktische Vernunft, Sittlichkeit, schlicht Sachlichkeit, judiziert als Willkürverbot (16. Kapitel) und Verhältnismäßigkeitsprinzip (17. Kapitel), ist das Ideal und heilige Gesetz der Republik. Die rechtmäßige Gesetzlichkeit des gemeinsamen Lebens, also die Sittlichkeit, steht und fällt mit der Moralität der Menschen. Das Prinzip der Moralität ist: „Handle pflichtmäßig, aus Pflicht“ (Kant)203. Moralität ist ihrem Begriff nach nicht erzwingbar204, so daß alles auf die innere Freiheitlichkeit der Menschen, deren Sittlichkeit also, ankommt. Die Erfahrung lehrt, daß die Menschen sittlich versagen. Diese Erfahrung ist der Grund für den Staat, in welchem Recht und Gesetz durchgesetzt werden. 6. Freiheitlichkeit des republikanischen Staates a) Um der Freiheit willen ist „das Recht mit der Befugnis zu zwingen verbunden“ (Kant)205. K. A. Schachtschneider (O. Gast), Sozialistische Schulden nach der Revolution, S. 66 ff.; ders., Res publica res populi, S. 758 ff. 201 Dazu K. A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 772 ff., 1045 ff.; ders., Der republikwidrige Parteienstaat, FS H. Quaritsch, S. 141 ff. 202 Dazu K. A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 253 ff., passim; ders., Freiheit in der Republik, 4. Kap., passim; ders., Republikanische Freiheit, FS M. Kriele, S. 829 ff. 203 Metaphysik der Sitten, S. 521; ders., Kritik der praktischen Vernunft, S. 203; K. A. Schachtschneider, Freiheit in der Republik, 2. Kap., VII. 204 Kant, Metaphysik der Sitten, S. 508 ff., 511 ff., 520 ff.; K. A. Schachtschneider, Freiheit in der Republik, 2. Kap., VI, 2, VII, 4. Kap., I, 2, 11. Kap., II, 2. 205 Metaphysik der Sitten, S. 338, 340 f.; K. A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 545 ff., 553 ff.; ders., Die existentielle Staatlichkeit der Völker Europas, S. 81.

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4. Kap.: Staat und Staatlichkeit

„Nun ist alles, was Unrecht ist, ein Hindernis der Freiheit nach allgemeinen Gesetzen; der Zwang aber ist ein Hindernis oder Widerstand, der der Freiheit geschieht. Folglich: wenn ein gewisser Gebrauch der Freiheit selbst ein Hindernis der Freiheit nach allgemeinen Gesetzen (d.i. unrecht) ist, so ist der Zwang, der diesem entgegengesetzt wird, als Verhinderung eines Hindernisses der Freiheit mit der Freiheit nach allgemeinen Gesetzen zusammen stimmend, d.i. recht: mithin ist mit dem Rechte zugleich eine Befugnis, den, der ihm Abbruch tut, zu zwingen, nach dem Satze des Widerspruchs verknüpft“ (Kant)206.

Weil also um der Freiheit willen das Recht erzwungen werden können muß, bedarf es des Staates. Cicero hat gelehrt: „Quid est enim civitas nisi iuris societas civium?“207.

Kant definiert den Staat wie folgt: „Der Staat (civitas) ist die Vereinigung einer Menge von Menschen unter Rechtsgesetzen“208.

b) Der Staat ist die Einrichtung der Menschen eines begrenzten Gebietes (Territoriums) zur Verwirklichung der Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit, kurz der allgemeinen Freiheit, durch die allgemeine, dem Recht gemäße Gesetzlichkeit. Der Zwang findet seine letzte Rechtsgrundlage in der allgemeinen Freiheit der Bürger. Die Menschen, die sich zum gemeinsamen Leben mittels eines Verfassungsgesetzes vereinigt haben, schaffen um des Friedens und damit um der Freiheit willen Zwangsmöglichkeiten gegen die, welche die Gesetze der Freiheit mißachten. Das ist die Konsequenz dessen, daß jeder aus seiner angeborenen Freiheit ein Recht auf Recht, ein Recht auf eine „bürgerliche“ Verfassung, ein Recht auf einen Staat hat209. Weil der Zweck des Staates, das gute 206

Metaphysik der Sitten, S. 338 f. De re publica, Erstes Buch, 32, S. 144 der ed. Reclam (Büchner): „Was ist denn der Staat, wenn nicht die Rechtsgemeinschaft der Bürger“, Übersetzung Büchner, S. 145. 208 Metaphysik der Sitten, S. 431; in der Sache nicht anders Montesquieu, Vom Geist der Gesetze, S. 210 („Staat, das heißt eine mit Gesetzen ausgestattete Gesellschaft“); i. d. S. auch Locke, Über die Regierung, S. 76; das übernimmt W. Maihofer, Prinzipien freiheitlicher Demokratie, HVerfR, S. 454, 461, 465, zu Recht für die freiheitliche Demokratie des Grundgesetzes, die er als Republik, Freistaat, Bürgerstaat versteht, S. 449 ff., 462 ff., passim; in der Sache schon Aristoteles, Politik, S. 49 ff.; zu Kants Staatsbegriff W. Kersting, Wohlgeordnete Freiheit. Immanuel Kants Rechtsund Staatsphilosophie, 1984, S. 258 ff.; K. A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 519 ff. 209 Kant, Metaphysik der Sitten, Rechtslehre, § 8, auch § 44, S. 365 f. bzw. S. 430 f.; K. A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 290 ff.; ders., Freiheit in der Republik, 2. Kap., III, 5. Kap., II, 3; ders., Die existentielle Staatlichkeit der Völker Europas, S. 76 ff., 79 ff.; ähnlich P. Kirchhof, Der deutsche Staat im Prozeß der europäischen Integration, HStR, Bd. VII, 1992, § 183, Rdn. 30 („Ohne Staat kein Recht“), der aber den Staat als „Herrschaftsorganisation“ begreift (Rdn. 31), so daß er seine Rechtslehre nicht essentiell auf die Freiheit gründen kann, obwohl er die Würde des Menschen, die Gleichheit in der Freiheit und den Frieden als die Europa definie207

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Leben aller in allgemeiner Freiheit, ohne Zwang nicht verwirklicht werden kann, zugleich aber die friedliche Durchsetzung der Gesetzlichkeit die unwiderstehliche Zwangsmöglichkeit des Volkes als des (existentiellen) Staates (im weiteren Sinne) in einem Gebiet erfordert, ist allein ein Staatsbegriff freiheitlich, der auf die gesicherte Gesetzlichkeit des gemeinsamen Lebens und damit auf die grundsätzlich alleinige Zwangsbefugnis des Staates abstellt. Das begründet das Prinzip der Gebietshoheit210, das Prinzip der Einzigkeit unwiderstehlicher Gewalt211 in einem Gebiet. c) Im Rechtsprinzip sind alle Aspekte des guten Lebens aller in allgemeiner Freiheit erfaßt, auch und insbesondere die Brüderlichkeit im Sozialprinzip. Nur der Wohlfahrtsstaat ist Rechtsstaat. Die Gesetzlichkeit verwirklicht das Volk, das die Staatsgewalt innehat (Abs. 20 Abs. 2 S. 1 GG), entweder durch Abstimmungen oder mittels besonderer Organe der Gesetzgebung, der vollziehenden Gewalt und der Rechtsprechung, die vom Volk durch Wahlen legitimiert sein müssen (Art. 20 Abs. 2 S. 2 GG). Das Prinzip der Gesetzlichkeit bedarf der Gesetzgebung durch die Legislative, des Vollzugs der Gesetze durch die Exekutive und der Klärung des Rechts durch die Judikative212. Die Staatlichkeit ist ein fundamentales Prinzip des gemeinsamen Lebens in Freiheit, weil die bürgerliche Freiheit sonst nicht gesichert ist. Die Legalität (im Sinne der rechtlichen Gesetzlichkeit) des gemeinsamen Lebens erfordert die Staatlichkeit, welche als Einrichtung der die Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit verwirklichenden rechtlichen Gesetzlichkeit ihren Begriff findet. d) Wegen der freiheitlichen Willensbildung des Staates, also wegen des demokratischen Prinzips213, muß der Staat gebietlich derart begrenzt sein, daß eine Mitwirkung des Volkes an der Willensbildung des Staates Wirklichkeit hat. Sonst geht die Staatsgewalt nicht wirklich (substantiell) im Sinne von Art. 20 Abs. 2 S. 1 GG vom Volke aus. Um der Freiheit willen muß es eine tragfähige Nähe zwischen den Bürgern und den Amtswaltern des Staates geben, weil diese

renden Rechtsideen vorstellt (Rdn. 5, 29); Kirchhof legt also einen liberalistischen Freiheitsbegriff (dazu K. A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 441 ff.) zugrunde, der gerade nicht die Freiheitsidee Europas und auch nicht die des Grundgesetzes ist. 210 Zum Begriff der Gebietshoheit, der von dem der territorialen Souveränität zu unterscheiden ist, A. Verdross, Völkerrecht, 5. Aufl. 1964, S. 266 ff.; ebenso W. Graf Vitzthum, Staatsgebiet, HStR, Bd. I, 1987, § 16, Rdn. 4; J. Isensee, Staat und Verfassung, HStR, Bd. I, 1987, § 13, Rdn. 34; M. Kriele, Einführung in die Staatslehre, 6. Aufl. 2003, S. 68 ff. 211 H. Krüger, Allgemeine Staatslehre, S. 847 ff.; J. Isensee, Staat und Verfassung, HStR, Bd. I, § 13, Rdn. 34; W. Schmitt Glaeser, Private Gewalt im politischen Meinungskampf. Zugleich ein Beitrag zur Legitimität des Staates, 1990, S. 116 ff.; K. A. Schachtschneider, Die existentielle Staatlichkeit der Völker Europas, S. 81 ff. 212 Dazu unter 6. Kap., 7. Kap., 8. Kap., auch 10. Kap. 213 K. A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 14 ff., 637 ff.

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sonst nicht freiheitlich (demokratisch) legitimiert sind214. Das Prinzip der kleinen Einheit ist durch die Freiheit geboten215. Großstaaten sind keine Republiken. Sie sind obrigkeitlich und degradieren die Bürger zu Untertanen. Die Organisation des Staates muß der Verwirklichung der allgemeinen Freiheit durch die Rechtlichkeit allgemeiner Gesetze eine reale Chance geben. Darum gilt nicht nur das republikanische Prinzip der kleinen Einheit, sondern auch das ebenso republikanische Prinzip der Teilung der Ausübung der Staatsgewalt des Volkes (Gewaltenteilung)216.

II. Existentieller Staat als territoriale Rechtsgemeinschaft 1. Existentielle Staatlichkeit und Hoheit des Volkes Die verfaßte Bürgerschaft in ihrer Gesamtheit ist der Staat im weiteren Sinne, der existentielle Staat oder auch das Volk217. Die Bürgerschaft besteht aus allen Bürgern. Diese Bürgerschaft ist die meist gewachsene, wesentlich aber willentliche, also verfaßte, Schicksalsgemeinschaft, das Volk, welches die (nicht übertragbare) Hoheit hat, das Volk, von dem nach Art. 20 Abs. 2 S. 1 GG alle Staatsgewalt ausgeht218. Die Bürger in ihrer Gesamtheit sind der existentielle Staat. Die Hoheit des Volkes sind die gemeinsamen Handlungsmöglichkeiten (die Macht) der Bürger (der Bürgerschaft), die nach Maßgabe der Verfassungsgesetze und der Gesetze vom Staat im engeren Sinne ausgeübt werden219. Sie ist mit der Befugnis zu zwingen verbunden220. Richtig spricht Hermann Heller von „rechtlich organisierter politischer Macht“221. Der Staat als die 214 Dazu K. A. Schachtschneider, Demokratiedefizite in der Europäischen Union, FS W. Hankel, S. 132 ff., 133 f. 215 Rousseau, Vom Gesellschaftsvertrag, III, 4 (S. 77), III, 15 (S. 103, 105); K. A. Schachtschneider, Die Republik der Völker Europas, ARSP-Beiheft 71 (1997), S. 173; dazu 5. Kap., IV. 216 Dazu 9. Kap., I. 217 G. Jellinek, Allgemeine Staatslehre, 3. Aufl. 1914, 7. Neudruck 1960, S. 426, der lehrt, daß ein „Volk im Rechtssinne außerhalb des Staates gar nicht denkbar“ sei; i. d. S. auch BVerfGE 83, 37 (50 ff.); 83, 60 (71 f.); 89, 155 (184 ff.); K. A. Schachtschneider, Die existentielle Staatlichkeit der Völker Europas, S. 76 f.; ders., Die Republik der Völker Europas, ARSP-Beiheft 71 (1997), S. 162; ders., Deutschland nach dem Konventsentwurf einer „Verfassung für Europa“, in: W. Hankel, K. A. Schachtschneider, J. Starbatty (Hrsg.), Der Ökonom als Politiker – Europa, Geld und die soziale Frage, FS Wilhelm Nölling, 2003, S. 269 ff. 218 K. A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 14 ff., auch S. 637 ff.; ders., Die existentielle Staatlichkeit der Völker Europas, S. 75 ff. 219 Dazu R. Zippelius, Allgemeine Staatslehre, 14. Aufl. 2003,§ 9, S. 58 ff.; vgl. auch M. Kriele, Einführung in die Staatslehre, 6. Aufl. 2003, S. 66, der (wie viele) die Gebiethoheit als Herrschaft versteht, zu Unrecht; vgl. K. A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 519 ff., 545 ff.; ders., Die existentielle Staatlichkeit der Völker Europas, S. 75 ff., 79 ff.; ders., Der Anspruch auf materiale Privatisierung, S. 264 ff.

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Einrichtung der Bürgerschaft für die Verwirklichung der allgemeinen Freiheit handelt ausschließlich nach staatlichen, d. h. allgemeinen Vorschriften. Er hat keinerlei Privatheit222. 2. Freiheitliches Gebietsprinzip a) Das Verfassungsgesetz bestimmt das gemeinsame Leben von Menschen in einem bestimmten Lebensbereich, einem bestimmten Gebiet; denn in einem Gebiet und in einem Lebensbereich kann um des Friedens willen, also um konkurrierende Staatsgewalten unmöglich zu machen, nur ein Verfassungsgesetz gelten, weil die Gewaltausübung, also die Staatlichkeit, zur Verwirklichung der Freiheit auf dem Verfassungsgesetz beruht und um der Freiheit willen beruhen muß223. Das ist die Ausschließlichkeit der (begrenzten) Staatsgewalt im Staatsgebiet224. b) Die Freiheit erfordert die Zwangsbefugnis; denn der Zwang ist die „Verhinderung eines Hindernisses der Freiheit“225. Der Zwang verwirklicht die Gesetzlichkeit. Er kann aber nur Recht sein, wenn er freiheitlich begründet ist, d. h. auf allgemeinen Gesetzen beruht. Diese müssen vom Volk oder durch die Organe des Volkes gegeben werden, um allgemein zu sein226. Sie müssen somit (im freiheitlichen Sinne) demokratisch sein. Daraus folgt die republikanische Einheit der Gebietshoheit mit deren freiheitlicher Legalität, d. h.: Die Gebietshoheit darf um der Freiheit willen nur ein Staat (i. e. S.) haben, dessen Staatsgewalt vom Volk ausgeht. Staatlichkeit, die nicht demokratisch legitimiert ist, ist mit Art. 20 Abs. 2 GG unvereinbar. Die Gebietshoheit darf umgekehrt auch nur soweit reichen wie das Legalitätsgebiet227. Territoriale Grenzen der existentiellen Staatlichkeit sind darum im Begriff des existentiellen Staates genauso ange220 K. A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 545 ff.; ders., Freiheit in der Republik, 2. Kap., IX. 221 Staatslehre, 1934, S. 243. 222 K. A. Schachtschneider, Staatsunternehmen und Privatrecht, S. 173 ff., 261 ff., 322 ff., 438 ff.; ders., Res publica res populi, S. 370 ff.; ders., Der Anspruch auf materiale Privatisierung, S. 40 ff., 45 ff., 190 ff., 306 ff. 223 Ch. Link, Staatszwecke im Verfassungsstaat – nach 40 Jahren Grundgesetz, VVDStRL 48 (1990), S. 28 ff.; K. A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 545 ff.; ders., Deutschland nach dem Konventsentwurf einer „Verfassung für Europa“, FS W. Nölling, S. 279 ff., 289 ff. 224 M. Kriele, Einführung in die Staatslehre, S. 68 f. 225 Kant, Metaphysik der Sitten, S. 338 f. (Zitat in I, 6a zu Fn. 206); K. A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 545 ff. 226 K. A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 637 ff., 707 ff.; ders., Die existentielle Staatlichkeit der Völker Europas, S. 82 f. 227 I. d. S. P. Kirchhof, Europäische Einigung und Verfassungsstaat, S. 95; zum Zusammenhang der „Strukturprinzipien des modernen Staates: Einheit und Legitimität“ W. Schmitt Glaeser, Private Gewalt im politischen Meinungskampf, S. 116 ff., zum

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4. Kap.: Staat und Staatlichkeit

legt wie die Staatsangehörigkeit, solange es keinen Weltstaat gibt. Die sogenannte Drei-Elemente-Lehre des Völkerrechts definiert insofern richtig den Staat als die Einheit von Gebiet, Volk und Gewalt228. 3. Staatenverbünde und Gebietsänderungen a) Der Geltungsbereich der Gesetze kann durch die Verfassungsgesetze gebietlich unterschiedlich, etwa föderal oder kommunal, aber auch gemeinschaftsoder unionsweit, bestimmt sein. Das Gebiet der existentiellen Staatlichkeit muß nicht dasselbe sein wie der gebietliche Geltungsbereich der Gesetze, wenn die Staatlichkeit auch immer auf Gesetzen des als (existentieller) Staat verfaßten Volkes beruhen muß. Die Gebietshoheit ist das einheitliche Zwangssystem zur Durchsetzung der Gesetze229, welches die Wirkung der Gesetze sicherstellen soll. Die Wirksamkeit der Gesetze ist Sache des Volkes (existentiellen Staates), das die Hoheit innehat, mögen die Gesetze auch einen weiteren Geltungsbereich haben, d.h. auch für andere Völker gelten. Das Miteinander der als Staaten organisierten Völker wird durch das Völkerrecht geregelt, welches auch die gemeinschaftliche Ausübung der Staatsgewalt der Völker in Staatenverbünden230 organisieren kann und darf. Daraus können sich weltstaatliche Gegebenheiten entwickeln231. Um der Freiheit willen ist die rechtliche Befriedung der Staaten notwendig, weil das gemeinsame Leben global ist232. Die bestmögliche Organisation ist der „Föderalism freier Staaten“ (Kant)233, die Republik der RepubliPrinzip „Legitimität“ S. 123 ff.; K. A. Schachtschneider, Die existentielle Staatlichkeit der Völker Europas, S. 83. 228 G. Jellinek, Allgemeine Staatslehre, S. 174 ff., 394 ff.; A. Verdross/B. Simma, Universelles Völkerrecht, 1976, S. 201 ff.; O. Kimminich, Einführung in das Völkerrecht, 1976, 6. Aufl. 1997, S. 134 f.; J. Isensee, Staat und Verfassung, HStR, Bd. I, § 13, Rdn. 30 ff.; kritisch R. Smend, Verfassung und Verfassungsrecht, 1928, in: ders., Staatsrechtliche Abhandlungen und andere Aufsätze, 1955, S. 127 f.; M. Kriele, Einführung in die Staatslehre, S. 60 ff.; kritisch (Smend folgend) auch H. Krüger, Allgemeine Staatslehre, S. 145 f.; K. A. Schachtschneider, Die existentielle Staatlichkeit der Völker Europas, S. 82 f. 229 Die Gebietshoheit wird entgegen dem Freiheitsprinzip meist als Herrschaft in einem bestimmten Raum begriffen, etwa A. Verdross, Völkerrecht, 5. Aufl. 1964, S. 266 ff., 268; W. Graf Vitzthum, Staatsgebiet, HStR, Bd. I, 1987, § 16, Rdn. 4 ff.; K. Stern, Staatsrecht I, S. 235; M. Kriele, Einführung in die Staatslehre, S. 68 f.; J. Isensee, Staat und Verfassung, HStR, Bd. I, § 13, Rdn. 34. 230 BVerfGE 89, 155 (184, 186, 188 ff.); P. Kirchhof, Der deutsche Staat im Prozeß der europäischen Integration, HStR, Bd. VII, § 183, Rdn. 69; K. A. Schachtschneider, Die existentielle Staatlichkeit der Völker Europas, S. 92 f.; ders., Die Republik der Völker Europas, ARSP-Beiheft 71 (1997), S. 161 ff.; ders., Deutschland nach dem Konventsentwurf einer „Verfassung für Europa“, FS W. Nölling, S. 279 ff., 308 ff. 231 A. Emmerich-Fritsche, Vom Völkerrecht zum Weltrecht, i. E. 232 Vgl. schon Kant, Zum ewigen Frieden, S. 213 ff.; K. A. Schachtschneider, Die Republik der Völker Europas, ARSP-Beiheft 71 (1997), S. 153 ff. 233 Zum ewigen Frieden, S. 208; ders., Metaphysik der Sitten, S. 466 ff.

II. Existentieller Staat als territoriale Rechtsgemeinschaft

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ken234. Das Recht aber findet seine Verbindlichkeit auch in den Rechtsverhältnissen der Völker untereinander ausschließlich in dem Willen der Menschen, also in dem Willen der als Staaten organisierten Völker (umgekehrter Monismus)235. Es gibt kein Recht ohne Staat, weil es kein Recht gibt, das nicht auf der Freiheit beruht. Die Verwirklichung der Freiheit ist aber in (existentiellen) Staaten organisiert und durch die (existentielle) Staatlichkeit bedingt. Die Rechte der Völker (existentielle Staaten) untereinander, die gemeinsam geltenden Gesetze (Verträge) in den jeweiligen Hoheitsgebieten der Vertragspartner zur Wirksamkeit zu bringen, ist Sache des Völkerrechts. Es gilt zunächst der Grundsatz: pacta sunt servanda, aus dem das Prinzip der Gegenseitigkeit erwächst236. Wenn sich die Zusammenarbeit (die gemeinschaftliche Ausübung der Staatsgewalt237) zu Gemeinschafts- oder auch zu Weltrecht entwickelt hat238, kommen besondere Mittel der Rechtsdurchsetzung der supranationalen Organe in Betracht, beispielsweise Sanktionsinstrumente wie Geldzahlungspflichten (etwa Art. 228 Abs. 3 und 4 EGV). Insbesondere rechtfertigt ein solcher Entwicklungsstand der Gemeinschaft, der Hoheitsrechte übertragen sind (Art. 23 Abs. 1 S. 2 und Art. 24 Abs. 1 GG), so daß deren Organe in die Organisationen der Ausübung der Staatsgewalt integriert sind239, subjektive Rechte der Bürger auf Anwendung des Gemeinschafts- oder Weltrechts (unmittelbare Anwendbarkeit)240. In solchen Staatenverbünden (BVerfGE 89, 155 (184, 186 ff., 188 ff.)) transzendiert das Gebiet der funktionalen Staatlichkeit das der existentiellen Staatlichkeit. Die gemeinschaftliche Ausübung der Staatsgewalt (der verschiedenen Völker) ist von dem Willen der unterschiedlichen Völker (ausweislich deren Verfassungsgesetze) getragen (i. d. S. BVerfG, 2BvR 1481/04, Be234 K. A. Schachtschneider, Die existentielle Staatlichkeit der Völker Europas, S. 111 ff., 138 f.; ders., Die Republik der Völker Europas, ARSP-Beiheft 71 (1997), S. 165 ff.; ders., Deutschland nach dem Konventsentwurf einer „Verfassung für Europa“, FS W. Nölling, S. 279 ff., 308 ff. 235 Dazu K. A. Schachtschneider, Die existentielle Staatlichkeit der Völker Europas, S. 111; dazu Chr. Amrhein-Hofmann, Monismus und Dualismus in den Völkerrechtslehren, 2003; D. I. Siebold, Die Welthandelsorganisation und die Europäische Gemeinschaft. Ein Beitrag zur globalen wirtschaftlichen Integration, 2003, S. 201 ff., 250 ff.; das Bundesverfassungsgericht praktiziert einen Dualismus (Völkerrecht und nationales Recht sind „zwei unterschiedliche Rechtskreise“), zuletzt BVerfG, 2BvR 1481/04, Beschluß vom 14.10.2004, Rdn. 34. 236 Dazu D. I. Siebold, Die Welthandelsorganisation und die Europäische Gemeinschaft, S. 203 ff., 270 ff. 237 Dazu K. A. Schachtschneider, Die existentielle Staatlichkeit der Völker Europas, S. 87 ff.; ders., Die Republik der Völker Europas, ARSP-Beiheft 71 (1997), S. 161 ff., 165 ff. 238 Dazu A. Emmerich-Fritsche, Vom Völkerrecht zum Weltrecht, i. E. 239 K. A. Schachtschneider, Die existentielle Staatlichkeit der Völker Europas, S. 87 ff., 98 ff.; ders., Die Republik der Völker Europas, ARSP-Beiheft 71 (1997), S. 165. 240 Dazu D. I. Siebold, Die Welthandelsorganisation und die Europäische Gemeinschaft, S. 178 ff., 201 ff.

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4. Kap.: Staat und Staatlichkeit

schluß vom 14. Oktober 2004, Rnd. 31 ff.)241. Die Europäische Gemeinschaft gibt für den gebietlich unterschiedlichen Geltungs- und Wirksamkeitsbereich, der aus dem Unterschied des Bereichs der gemeinschaftlichen Staatlichkeit und den verschiedenen Gebietshoheiten der Mitgliedstaaten folgt, ein Beispiel. b) Das Territorium der (existentiellen) Staaten und der Staatlichkeit kann dadurch verändert werden, daß Menschen ihr gemeinsames Leben neu ordnen. Ein Teil des Volkes kann sich von einem anderen separieren. Das hat die SED entgegen dem Wiedervereinigungsgebot (BVerfGE 5, 85 (128); 12, 45 (51); 36, 1 (18); 77, 137 (161 f.)) des Verfassungsgesetzes der Deutschen (Präambel des Grundgesetzes von 1949)242 vergeblich versucht. Die Deutschen in dem als DDR von der Sowjetunion und deren deutschen Agenten unterdrückten Teil Deutschlands haben unter den Parolen: „Wir sind das Volk“ und „Wir sind ein Volk“ die Freiheit und Einheit Deutschlands wiederhergestellt243. Die Teilung muß wegen der Gebietshoheit gebietlich sein. Es gibt kein Recht eines gebietlichen Volksteiles, einen anderen in einen einheitlichen Staat oder zur gemeinsamen Staatlichkeit zu zwingen, wenn nur der eine dem anderen durch die Trennung nicht unerträglich schadet. In existentieller Lage sind die Länder Deutschlands, die eigene Völker (Landesvölker) existentiell zu Staaten organisieren, zur Separation von der Bundesrepublik Deutschland (ein unechter Bundesstaat) berechtigt244. 4. Menschheitliches Recht auf ein Verfassungsgesetz a) Ein Recht einer spezifisch homogenen Menge von Menschen, eines Volkes im Sinne des deutschen Nationenbegriffs245, auf einen gemeinsamen Staat ist nicht erkennbar, sondern nur ein Recht auf eine „bürgerliche Verfassung“ der Menschen, mit denen ein Mensch zusammenlebt, die also durch ihre Leben auf ihn derart einwirken können, daß die gemeinsame Freiheit oder der Frieden nur durch einen Staat im existentiellen Sinne verwirklicht werden kann. In der Freiheits-, Rechts- und Staatslehre ist der Staat mit Kant als „die Vereinigung einer Menge von Menschen unter Rechtsgesetzen“246 und demgemäß das Volk als 241 K. A. Schachtschneider, Die existentielle Staatlichkeit der Völker Europas, S. 87 ff., 98 ff.; ders., Die Republik der Völker Europas, ARSP-Beiheft 71 (1997), S. 161 ff. (165). 242 Vgl. K. A. Schachtschneider (O. Gast), Sozialistische Schulden nach der Revolution, S. 45 ff., 78 ff. (86 ff.). 243 Dazu K. A. Schachtschneider (O. Gast), Sozialistische Schulden nach der Revolution, S. 78 ff. 244 K. A. Schachtschneider, Deutschland nach dem Konventsentwurf einer „Verfassung für Europa“, FS W. Nölling, S. 283 ff. 245 Dazu K. A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 1186 ff. (auch zur Nation der Deutschen), 1194 ff.; ders. (O. Gast), Sozialistische Schulden nach der Revolution, S. 45 ff., 78 ff.

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„eine Menge von Menschen, die, im wechselseitigen Einflusse gegen einander stehend, des rechtlichen Zustandes unter einem sie vereinigenden Willen, einer Verfassung (constitutio) bedürfen, um dessen, was Rechtens ist, teilhaftig zu werden“, des „bürgerlichen“ Zustandes also247, zu begreifen. Die Autonomie des Willens, völkerrechtlich gesprochen: das Selbstbestimmungsrecht248, wirkt sich gebietlich aus; denn die Staatlichkeit beruht auf der Freiheit. Es gibt keinen von den Menschen unabhängigen Staat, der berechtigt wäre, seine Untertanen zum gemeinsamen Leben zu zwingen. Die Sorge um die ungeteilte Untertänigkeit, wie sie (noch) das monarchische Prinzip249 verlangt hat, berechtigt also nicht, den Begriff des Staates auf eine unveränderbare juristische Person Staat zu beschränken. Ein solcher Staatsbegriff konzipiert den Staat absolutistisch. Allein das Zwangselement des Rechts verlangt nach der Überlegenheit staatlicher Durchsetzungsmacht, also nach der Gebietshoheit. Das Staatsgebiet hängt vom Verfassungsgesetz ab. Die praktische Vernunft gebietet den Menschen, ihrem gemeinsamen Leben eine gute, auch eine gebietlich gute Verfassung zu geben. Die Menschen können und sollen der Geltung ihrer Gesetze die gebietlich optimale Wirkung geben, sei es die für Europa, sei es die für Deutschland, sei es die für Bayern oder sei es die für die Welt. Der Geltungsbereich der Gesetze und damit die Allgemeinheit der Vorschriften kann darum für bestimmte Lebensbereiche unterschiedlich sein. Die Gliederung der Lebensgemeinschaften nach der gebietlichen Nähe in Städte/Gemeinden, in Länder, in Staaten und in die Staatengemeinschaften zeigt das250. Gewährleistet sein muß das friedliche und damit freiheitliche gemeinsame Leben. Wer mit Wirkung auf andere handelt, ist zur gemeinsamen Gesetzgebung verpflichtet. Das gebietet das Sittengesetz/der kategorische Imperativ251. Das Subsidiaritätsprinzip (etwa Art. 5 Abs. 2 EGV, Art. 72 Abs. 2 GG) soll die Entscheidungen über den gebietlichen Geltungsbe-

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Metaphysik der Sitten, S. 431. Metaphysik der Sitten, S. 429. 248 Etwa Art. 1 Nr. 2 Charta der Vereinten Nationen; P. Kirchhof, Europäische Einigung und Verfassungsstaat, S. 90 f.; ders., Der deutsche Staat im Prozeß der europäischen Integration, HStR, Bd. VII, § 183, Rdn. 40; vgl. A. Verdross, Völkerrecht, S. 574 ff.; A. Verdross/B. Simma, Universelles Völkerrecht, S. 253 ff.; O. Kimminich, Einführung in das Völkerrecht, S. 135 ff.; vgl. auch K. A. Schachtschneider (O. Gast), Sozialistische Schulden nach der Revolution, S. 78 ff. (88 ff.); ders., Die existentielle Staatlichkeit der Völker Europas, S. 84. 249 Zum monarchischen Prinzip E. R. Huber, Das Kaiserreich als Epoche verfassungsstaatlicher Entwicklung, HStR, Bd. I, 1987, § 2, Rdn. 26 ff.; R. Wahl, Die Entwicklung des deutschen Verfassungsstaates bis 1986, HStR, Bd. I, 1987, § 1, Rdn. 13 ff.; vgl. R. Zippelius, Allgemeine Staatslehre, 12. Aufl. 1994, S. 158 ff.; P. v. Oertzen, Die soziale Funktion des staatsrechtlichen Positivismus, 1974, insb. S. 72 ff. 250 Dazu P. Häberle, Föderalismus, Regionalismus, Kleinstaaten – in Europa, Die Verwaltung 25 (1992), S. 6 ff. 247

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4. Kap.: Staat und Staatlichkeit

reich der Gesetze steuern und damit im Sinne des Vorrangs der kleinen Einheit bestimmen, auf welcher gebietlichen Ebene die Gesetze gegeben werden252. b) Die Verfassungsgesetze sind friedlich, d. h. freiheitlich/autonom, zu schaffen; aber sie müssen hervorgebracht, also notfalls erzwungen werden253. Zu den Verfassungsgesetzen im funktionalen Sinne gehören die Verträge unter den Völkern über die gemeinschaftliche Ausübung ihrer Staatsgewalt254. Die Veränderung der Lebensverhältnisse gebietet den Wandel der Verfassungsgesetze. Die Verfassungsgesetze selbst aber konservieren die Lebensverhältnisse und haben damit Einfluß auf die Lage. Sie sind ein Teil der Lebenswirklichkeit. Die Verfaßtheit eines Volkes als Staat im existentiellen Sinne ist schicksalhaft. Die Änderung des Volkes, sei es gebietlich durch Veränderung des Staatsgebietes, sei es personal durch Veränderung der Kriterien der Staatsangehörigkeit255, bedarf eines neuen Verfassungsgesetzes; denn derartige Maßnahmen ändern das Volk selbst. Auch die Veränderung des Gebietes der existentiellen Staatlichkeit ist eine Änderung des Volkes, des existentiellen Staates also, wenn und weil die Politik von einer veränderten Menge von Menschen bestimmt wird. Das Verfassungsgesetz ist um des Rechts als der Wirklichkeit der Freiheit willen zu positivieren. Vor allem darf um des Friedens willen der jeweilige gebietliche Geltungsbereich des Verfassungsgesetzes und der Gesetze nicht offen sein; denn das würde zur Geltung widersprüchlicher Verfassungsgesetzte und Gesetze in einem Gebiet, also zur Friedlosigkeit bis hin zum Bürgerkrieg, führen256. Das Prinzip der Einzigkeit der Gebietshoheit verlangt nach definierten Wirkungsgrenzen der Verfassungsgesetze, die aus der Logik des Miteinander 251 Kant, Metaphysik der Sitten, S. 365 f., 420 f.; K. A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 280 ff., 325 ff.; ders., Freiheit in der Republik, 2. Kap., III, 5. Kap., II, 3. 252 Dazu H. Lecheler, Das Subsidiaritätsprinzip: Strukturprinzip einer europäischen Union, 1993, S. 98 ff., 121 ff.; ders., Das Subsidiaritätsprinzip im Europäischen Gemeinschaftsrecht, FS W. Thieme, 1993, S. 431 ff., 442 ff.; weiter die Beiträge von M. Brunner, T. Stein und D. Merten in: D. Merten (Hrsg.), Die Subsidiarität Europas, 1993, S. 9 ff., 23 ff., 77 ff.; K. A. Schachtschneider, Die existentielle Staatlichkeit der Völker Europas, S. 85. 253 Kant, Metaphysik der Sitten, S. 365 f., 430 f. 254 I. d. S. EuGH – Rs. 224/83 (Les Verts/Parlament), Slg. 1986, 1339, 1365; W. Hallstein, Die Europäische Gemeinschaft, 1973, S. 40 ff.; H. Steinberger, Der Verfassungsstaat als Glied einer europäischen Gemeinschaft, VVDStRL 50 (1991), S. 18 f.; M. Zuleeg, Der rechtliche Zusammenhalt der Europäischen Gemeinschaft, V, S. 23 f. und VII, S. 35; dezidiert a. A. P. Kirchhof, Rechtsschutz durch Bundesverfassungsgericht und Europäischen Gerichtshof, Rechtsschutz durch Bundesverfassungsgericht und Europäischen Gerichtshof, in: D. Merten, Föderalismus und Europäische Gemeinschaften unter besonderer Berücksichtigung von Umwelt und Gesundheit, Kultur und Bildung, 1990, S. 118; dazu III, 2. 255 Dazu K. A. Schachtschneider, Die existentielle Staatlichkeit der Völker Europas, S. 83 ff. 256 Vgl. G. Jellinek, Allgemeine Staatslehre, S. 394 ff., insb. S. 396.

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der staatlichen Nachbarn des Einverständnisses derselben bedürfen. Für unterschiedliche Wirkungsbereiche (Aufgaben) können die Gebiete unterschiedlich sein. Die Gebietshoheit ist nicht mit der „Allzuständigkeit“ verbunden257. Es kann somit gestufte existentielle Staaten mit unterschiedlichen Aufgaben geben (Mehrebenenstaatsordnung). 5. Nationale Homogenität Gewachsene Völker, Nationen im deutschen Begriffssinne, erleichtern das gemeinsame Leben unter einem Verfassungsgesetz, welches das gemeinsame Leben umfassend bestimmt. Die Homogenität der Menschen sichert nach aller Erfahrung das gemeinsame Leben in Freiheit und damit den Frieden. Homogene Bürgerschaften sind der Erfahrung nach willens, in einem durch die verfaßte Gebietshoheit definierten Staat zu leben, dessen Staatlichkeit die (rechtliche) Gesetzlichkeit ist258. Irenäus Eibl-Eibesfeld hält die Unionsbürger (Art. 17 ff. EGV) für hinreichend homogen, um gemeinsam in einer Republik zu leben259. Das Bundesverfassungsgericht spricht von einem „bestehenden Maß existentieller Gemeinsamkeit“ zwischen den Staatsangehörigen der Mitgliedstaaten der Europäischen Union (BVerfGE 89, 155 (184)). Es gibt ein soziobiologisches Territorialitätsprinzip 260, dem ein Staat Europa wegen der Größe des Gebietes, der Ferne der Menschen und der Unterschiedlichkeit der Sprachen nicht gerecht werden würde. Die Voraussetzungen für die notwendige Solidarität in einer Republik wären nicht gegeben.

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M. Kriele, Einführung in die Staatslehre, S. 64 f. J. Isensee, Nachwort. Europa – die politische Erfindung eines Erdteils, in: ders., (Hrsg.), Europa als politische Idee und als rechtliche Form, 1993, S. 122 ff.; K. A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 1177 ff.; vgl. auch ders., Die Republik der Völker Europas, ARSP-Beiheft 71 (1997), S. 168 ff.; zur notwendigen „Mindesthomogenität“ P. Kirchhof, Europäische Einigung und Verfassungsstaat, S. 64, 79, 88; ders., Der deutsche Staat im Prozeß der europäischen Integration, HStR, Bd. VII, § 183, Rdn. 12, 25, 29, 61; auch U. Di Fabio, Der neue Art. 23 des Grundgesetzes, Positivierung vollzogenen Verfassungswandels oder Verfassungsneuschöpfung?, Der Staat 32 (1993), S. 191 ff., 205. 259 Zur Problematik einer multiethnischen Immigrationsgesellschaft, Zeitschrift für Ethnologie 115 (1990), S. 261 ff., 264; ders., Ist der Mensch paradiesfähig?, in: Berliner Debatte INITIAL 8/1992, S. 13; ders., Deutschlands Zukunft: Nationalstaat oder multikulturelle Gesellschaft?, in: D. Keller (Hrsg.), Nachdenken über Deutschland, 1991, S. 49; Th. Oppermann/C. D. Classen, Europäische Union: Erfüllung des Grundgesetzes, in: Aus Politik und Zeitgeschichte, B 28/93, S. 15, 19, meinen, daß es für eine „Volksherrschaft“ der EG „am homogenen europäischen Staatsvolk“ mangele; skeptisch auch H. P. Ipsen, Die Bundesrepublik Deutschland in den Europäischen Gemeinschaften, HStR, Bd. VII, 1992, § 181, Rdn. 98. 260 E. Voland, Grundriß der Soziobiologie, 2. Aufl. 2000, S. 120; Th. Tiefel, Von der Offenen in die Abstrakte Gesellschaft. Ein interdisziplinärer Entwurf, 2003, S. 206 m. w. H. 258

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4. Kap.: Staat und Staatlichkeit

III. Gemeinschaftliche Ausübung der Staatsgewalt europäischer Völker 1. Integration der Staatlichkeit Ein Volk kann sich entscheiden, seine Staatlichkeit auf das eigene Hoheitsgebiet zu beschränken, kann aber darüber hinausgehend die Staatsgewalt gemeinschaftlich mit anderen Völkern ausüben. Das ist seit 1949 der in der Präambel des Grundgesetzes und in Art. 24 Abs. 1 GG erklärte Wille des Deutschen Volkes (i. d. S. BVerfGE 89, 155 (182 f.))261. Nach der Präambel ist „das Deutsche Volk“ „von dem Willen beseelt, als gleichberechtigtes Glied in einem vereinten Europa dem Frieden der Welt zu dienen“. Abstimmen durften die Deutschen über die Integrationspolitik im Gegensatz zu den meisten anderen Völkern Europas bisher nicht. Mit dem Frieden wird in der Integrationspropaganda die Einung Europas vornehmlich gerechtfertigt. Nach den Weltkriegen 1914 bis 1918 und 1939 bis 1945 ist der Friedenswille der Völker Europas stark. Freilich gibt es Kriege und Bürgerkriege, vor allem auf dem Balkan. Auch Deutschland beteiligt sich (entgegen Art. 26 GG und Art. 2 Nr. 4 UNO-Charta) daran. Die Intensität der Integration läßt sich mit dem grundsätzlich richtigen Friedensargument nicht bestimmen. Ein existentieller Großstaat Europa jedenfalls ist durch das Friedensprinzip nicht geboten. Er birgt vielmehr die Möglichkeit und Gefahr des Angriffskrieges nach außen, wie sie sich im Rahmen der NATO bereits verwirklicht hat262 und im Verhältnis zu Rußland, zum Iran, zu China und auch zu anderen Staaten den Frieden in der Welt gefährdet, und die Gefahr von Bürgerkriegen in heterogenen Regionen, wie sie seit langem in Nordirland und im Baskenland nicht befriedet werden können. Vor allem realisiert sich die Gefahr der europaweiten organisierten Kriminalität mehr und mehr. Art. 23 GG n. F. hat 1992 die Integrationspolitik Deutschlands verstärkt und erweitert. Die Freiheit wird dadurch den Deutschen nicht genommen; denn alle Staatsgewalt geht auch insoweit vom Volke aus (Art. 20 Abs. 2 S. 1 GG), als sie mit anderen Völkern gemeinschaftlich ausgeübt wird. Eine die Hoheitsgrenzen, also 261 Dazu H. P. Ipsen, Europäisches Gemeinschaftsrecht, § 2, 55/56, S. 70 f., § 10, 7, S. 262; A. Bleckmann, Europarecht, 5. Aufl. 1990, S. 297 ff.; P. Kirchhof, Brauchen wir ein erneuertes Grundgesetz?, 1992, S. 36 ff.; K. A. Schachtschneider, Die existentielle Staatlichkeit der Völker Europas, S. 87 ff.; ders., Die Republik der Völker Europas, ARSP-Beiheft 71 (1997), S. 161 ff., 170 ff.; ders., Deutschland nach dem Konventsentwurf einer „Verfassung für Europa“, FS W. Nölling, S. 279 ff., 308 ff. 262 Dazu K. A. Schachtschneider, Verfassungswidrigkeit der geplanten Schweizerischen Armee XXI, Gutachten 2001, S. 23 ff., Zeit-Fragen, Sonderausgabe vom 1. Oktober 2001, S. 2 ff.; vgl. Kant, Zum ewigen Frieden, S. 211 ff.; dazu auch die Beiträge von B. Simma, J. Habermas, R. Merkel, D. Senghaas, U. K. Preuß, G. Meggle, K. Ipsen, O. Höffe, W. Kersting, U. Beck, in: R. Merkel (Hrsg.), Der Kosovo-Krieg und das Völkerrecht, 2000.

III. Ausübung der Staatsgewalt europäischer Völker

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die gebietlichen Grenzen des Staates im existentiellen Sinne überschreitende allgemeine Gesetzlichkeit ist wegen des weltweiten Verbundes des gemeinsamen Lebens notwendig. Diese kann durch völkerrechtliche Verträge geschaffen werden, welche die gemeinschaftliche, die Hoheitsgrenzen eines Volkes oder eben Staates im existentiellen Sinne gebietlich überschreitende, funktionale Staatlichkeit schaffen, d.h. eine gemeinschaftliche Organisation zur gemeinschaftlichen und dadurch einheitlichen und übereinstimmenden (allgemeinen) Ausübung der Staatsgewalt263. Die stabile Integration hängt von ihrer Tiefe ab. Die Europäische Integration ist in der Breite noch nicht abgeschlossen, hat aber in der Tiefe das verträgliche Maß seit dem Vertrag von Maastricht (1992) mit der Wirtschafts- und Währungsunion überschritten. 2. Gemeinschaften, Verträge und Mitgliedstaaten der Europäischen Union Die Europäische Union besteht wesentlich aus den (jetzt nur noch264) zwei Gemeinschaften der zur Zeit fünfundzwanzig durch die Römischen Verträge von 1957 (Atomgemeinschaft und Europäische Wirtschaftsgemeinschaft, letztere seit dem Maastricht-Vertrag Europäische Gemeinschaft genannt)265 und die verschiedenen Beitrittsverträge vor allem zum Gemeinsamen Markt und Binnenmarkt verbundenen, als Staaten im existentiellen Sinne verfaßten Völkern, welche durch das Abkommen über gemeinsame Organe für die Europäischen Gemeinschaften von 1957, den Fusionsvertrag von 1965, die Einheitliche Euro263 U. Di Fabio, Der neue Art. 23 des Grundgesetzes, Der Staat 32 (1993), S. 192, 197, spricht von „staatsähnlichen Organen der Europäischen Gemeinschaften“, bzw. von „Prästaatlichkeit der EG“; P. Häberle, Verfassungsrechtliche Fragen im Prozeß der europäischen Einigung, EuGRZ 1992, 429 ff., 435, hat von einer „Vorform des Bundesstaates“ gesprochen; i. d. S. schon W. Thieme, Das Grundgesetz und die öffentliche Gewalt internationaler Staatengemeinschaften, VVDStRL 18 (1960), S. 52 f. („juristische Personen . . ., die einige Züge von Bundesstaaten in sich tragen“); K. A. Schachtschneider, Die existentielle Staatlichkeit der Völker Europas, S. 87 ff., 98 ff.; ders., Die Republik der Völker Europas, ARSP-Beiheft 71 (1997), S. 165. 264 Der Pariser Montanvertrag (Kohle und Stahl) von 1951, in Kraft getreten am 23.7.1952, auf 50 Jahre geschlossen, hat am 23.7.2002 sein Geltungsende gefunden. 265 Die langzeitige Verwendung des Begriffs „Europäische Gemeinschaft“ als zusammenfassende Bezeichnung von Montanunion, Europäischer Wirtschaftsgemeinschaft und Euratom-Gemeinschaft geht zurück auf eine politische Initiative des Europäischen Parlaments (ABl. 1978 Nr. C 63, S. 36). Gleichwohl und trotz der Fusionierung der Organe existieren rechtlich die drei Gemeinschaften unabhängig voneinander fort (Art. 232 EGV; Art. 32 I Fusionsvertrag (FusV)). Erst der Vertrag über die Europäische Union von Maastricht vom 10. Dezember 1991/7. Februar 1992 (Bull. BReg. Nr. 16/S. 113 ff. v. 12. Februar 1992, EUV) hat dem Terminus „Europäische Gemeinschaft“ gemeinschafts(verfassungs)-rechtlichen Gehalt gegeben (Art. G A. EUV, jetzt Art. 8 EUV), bezieht ihn indes allein auf die bisherige Europäische Wirtschaftsgemeinschaft (EWG). Demnach bezeichnet „EGV“ im folgenden den zu einem „Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft“ revisionierten EWG-Vertrag.

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4. Kap.: Staat und Staatlichkeit

päische Akte von 1986 und die Verträge von Maastricht 1992, von Amsterdam 1997 und von Nizza 2001 ihre gegenwärtige Organisation gefunden haben. Vertragsstaaten (Mitgliedstaaten) sind (seit): Königreich Belgien (1957), Königreich Dänemark (1973), Bundesrepublik Deutschland (1957/90), Republik Finnland (1995), Republik Frankreich (1957), Republik Griechenland (1981), Republik Irland (1973), Republik Italien (1957), Großherzogtum Luxemburg (1957), Königreich der Niederlande (1957), Republik Österreich (1995), Republik Portugal (1986), Königreich Schweden (1995), Königreich Spanien (1986), Vereinigtes Königreich von Großbritannien und Nordirland (1973). Im Januar 2001 ist der Vertrag von Nizza hinzugekommen, der den Beitritt von zwölf weiteren vor allem mittel-, ost- und südosteuropäischen Staaten vorbereitet hat. Die Beitrittsländer sind: Republik Estland (2004), Republik Lettland (2004), Republik Litauen (2004), Republik Polen (2004), Republik Tschechien (2004), Republik Malta (2004), Republik Zypern (2004), Republik Slowakei (2004), Republik Ungarn (2004). Die Republiken Rumänien und Bulgarien sollen 2007 Mitglieder werden. Mit der Republik Türkei, zum Großteil asiatisch, werden Beitrittsverhandlungen geführt. Außerdem ist in der Europäischen Union durch Titel V des Vertrages von Maastricht eine Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik (jetzt Art. 11 ff. EUV) und durch Titel VI eine Zusammenarbeit in den Bereichen Justiz und Inneres institutionalisiert, die jetzt in Art. 29 ff. EUV als „polizeiliche und justitielle Zusammenarbeit in Strafsachen“ bezeichnet ist266.

3. Einheit Europas Die Europäische Union ist in der Lage Europas267, in dem gemeinsamen Leben der Europäer, vor allem im Bereich der Wirtschaft, begründet. Diese Begründung umfaßt das gesamte Europa. Die wirtschaftliche Entwicklung der Völker Europas hat diese schicksalhaft verbunden. Wenn die Völker Europas in Freiheit, also als Republiken verfaßt, leben, integrieren sich die Lebensverhältnisse. Die Menschen zu trennen kann in Europa nicht gerechtfertigt werden. Die Beschränkung der Europäischen Union auf einen Teil Europas würde die Lebensinteressen der ausgeschlossenen europäischen Völker und damit letztlich die allgemeine Friedenspflicht verletzen. Nicht wirtschaftliche Vorteile rechtfertigen die Union, sondern die Wirklichkeit des gemeinsamen Lebens, welches nicht durch Interessen behindert werden darf, die vor den weltrechtlichen Leitideen der Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit keinen Bestand haben. Die Beschränkung der Union auf Europa ist durch die Homogenität der Europäer, insbesondere durch die kulturelle Einheit Europas, begründet. Das säkularisierte 266 Zur Entwicklung der Gemeinschafts- und Unionsverträge K. A. Schachtschneider, Das Verfassungsrecht der Europäischen Union, Lehrstuhl 2004, § 1, I. 267 Zum Begriff der Lage H. Krüger, Allgemeine Staatslehre, 2. Aufl. 1966, S. 17 ff.

III. Ausübung der Staatsgewalt europäischer Völker

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Christentum in Europa gibt die Chance gemeinsamer Aufgeklärtheit, von der die Republikanität und damit die Wirklichkeit der Freiheit abhängen268. Ein hinreichendes Maß an Homogenität ist die Bedingung freiheitlicher Gemeinwesen269 und damit auch die Bedingung der gemeinschaftlichen Ausübung der Staatsgewalt, jedenfalls wenn diese die Intensität der Europäischen Union haben soll270. Der gesamteuropäische Geist der Freiheit bestimmt zumindest die Erwägungsgründe auch des Vertrages von Maastricht. 4. Kein existentieller Unionsstaat Die Europäische Union ist (bisher) kein Staat im existentiellen Sinne verfaßter Bürgerlichkeit, der um des Rechts willen die Gebietshoheit und vor allem die Verfassungshoheit oder auch nur die sogenannten drei Staatsgewalten innehätte271. Wegen dieses von der „Souveränität“ her definierten Staatsbegriffs (BVerfGE 89, 155 (188 ff.)) hält das Bundesverfassungsgericht, so scheint es, daran fest, der Europäischen Union und deren Gemeinschaften den Staatscharakter abzusprechen (BVerfGE 89, 155 (188); so ständig seit BVerfGE 22, 293 (296))272, insoweit zu Recht. Demzufolge begreift das Gericht die Europäische Union als „Union der Völker Europas“, als „Verbund demokratischer Staaten“, kurz und vor allem als „Staatenverbund“ (BVerfGE 89, 155 (184, 186, 188 ff.))273. Wenn und soweit der Staatsbegriff wegen des Prinzips der Gesetz268

K. A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 1196 ff. Dazu die Hinweise in Fn. 270. 270 I. d. S. J. Isensee, Europa – Die politische Erfindung eines Erdteils, S. 103 ff., 124 f.; zumindest wird eine europäische Verfassungshomogenität für die Europäische Union vorausgesetzt, so die Präambel, 3. Erwägung des Unionsvertrages; P. Kirchhof, Europäische Einigung und Verfassungsstaat, S. 63 ff.; J. Isensee, a. a. O., S. 124 f.; E. Klein, Der Verfassungsstaat als Glied einer europäischen Gemeinschaft, VVDStRL 50 (1991), S. 60; insb. P. Häberle, Föderalismus, Regionalismus, Kleinstaaten – in Europa, Die Verwaltung 25 (1992), S. 1 ff., im Sinne vor allem der kulturellen Homogenität; K. Doehring, Staat und Verfassung im zusammenwachsenden Europa, ZRP 1993, 103; H. P. Ipsen, Über Verfassungs-Homogenität in der Europäischen Gemeinschaft, in: Festschrift G. Dürig, 1990, S. 159 ff.; dazu II, 4 und 5. 271 K. A. Schachtschneider, Deutschland nach dem Konventsentwurf einer „Verfassung für Europa“, FS W. Nölling, S. 279 ff. (297 ff.). 272 Ebenso P. Kirchhof, Europäische Einigung und Verfassungsstaat, S. 89 ff.; der Sache nach ebenso ders., Der deutsche Staat im Prozeß der europäischen Integration, HStR, Bd. VII, § 183, Rdn. 57 ff., passim; i. d. S. schon G. Jellinek, Allgemeine Staatslehre, S. 762 ff.; vgl. K. A. Schachtschneider, Die existentielle Staatlichkeit der Völker Europas, S. 92 f.; ders., Die Republik der Völker Europas, ARSP-Beiheft 71 (1997), S. 161 f. 273 P. Kirchhof, Europäische Einigung und Verfassungsstaat, S. 94, 100 f.; ders., Der deutsche Staat im Prozeß der europäischen Integration, HStR, Bd. VII, § 183, Rdn. 69, der den „Staatenverbund“ (sein Begriff) als eine „Rechts- und Handlungsgemeinschaft von eigenständigen Staaten“ definiert; K. A. Schachtschneider, Die existentielle Staatlichkeit der Völker Europas, S. 92 ff. 269

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4. Kap.: Staat und Staatlichkeit

lichkeit mit der Befugnis und der Möglichkeit verbunden ist, die Gesetzlichkeit zu erzwingen, ist die Europäische Union und sind die Europäischen Gemeinschaften als solche kein Staat; denn jedenfalls die genannte Befugnis, aber auch die Möglichkeit ist den Mitgliedstaaten (noch) verblieben. Die gewaltsame Durchsetzung des Gesetzes kann Bürgern nach aller Erfahrung nur von deren Staat (i. e. S.) zugemutet werden. Die größtmögliche Nähe der Vollzugsbeamten zu den vom Vollzug betroffenen Bürgern gehört auch zum demokratischen Prinzip der Republik. Dogmatisch ist wesentlich, daß das Volk der Idee nach die Gewaltmöglichkeiten aller Bürger vereinigt, um als Staat jedem einzelnen Bürger an Gewalt überlegen zu sein (suprema potestas)274. Der Staat ist eine existentielle Gemeinschaft des Friedens unter den Bürgern275. Spezifisch wegen der Befriedungsmöglichkeit des Staates unterwirft sich der Bürger um des gemeinsamen Friedens, der gemeinsamen Freiheit und des gemeinsamen Rechts willen der Zwangsbefugnis seines Staates276. Der Vorbehalt der mitgliedstaatlichen Zwangsbefugnis leitet sich aus der existentiellen Staatlichkeit her, die nur dem existentiellen Staat zukommt277. Insofern und insoweit staatliche Gewalt als Befugnis und Möglichkeit zu zwingen begriffen wird278, begründen die Gemeinschaftsverträge weder eine „von der Staatsgewalt der Mitgliedstaaten deutlich geschiedene, supranationale, öffentliche Gewalt“ (BVerfGE 22, 293 (295 f.)), noch eine „einheitliche und originäre, europäische öffentliche Gewalt“ 279, noch eine „außerstaatliche Ho-

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J.-J. Rousseau, Vom Gesellschaftsvertrag, I, 6, S. 16 f. K. A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 8 f.; ders., Die existentielle Staatlichkeit der Völker Europas, S. 81; dazu 3. Kap., V, 1, 4. Kap., I und II. 276 Dazu i. d. S. Ch. Link, Staatszwecke im Verfassungsstaat – nach 40 Jahren Grundgesetz, VVDStRL 48 (1990), S. 27 ff. („Subjectio trahit protectionem“); J. Isensee, Staat und Verfassung, HStR, Bd. I, § 13, Rdn. 74, 77, 82, 83, 88; R. Zippelius, Allgemeine Staatslehre, S. 119 ff., zum „Staat als Schutz- und Friedensordnung“; M. Kriele, Einführung in die Staatslehre, S. 32 ff.; K. A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 545 ff.; ders., Die existentielle Staatlichkeit der Völker Europas, S. 81 ff. 277 Vgl. dazu H. P. Ipsen, Europäisches Gemeinschaftsrecht, § 2, 51, S. 69; vgl. Th. Oppermann, Europarecht, 2. Aufl. 1999, Rdn. 689 ff., S. 258 ff.; i. d. S. G. Jellinek, Allgemeine Staatslehre, S. 762 ff., der die Staatsgewalt als Herrschaft begreift; K. A. Schachtschneider, Die existentielle Staatlichkeit der Völker Europas, S. 93; ders., Deutschland nach dem Konventsentwurf einer „Verfassung für Europa“, FS W. Nölling, S. 279 ff., insb. S. 297 ff. 278 G. Jellinek, Allgemeine Staatslehre, S. 429 („Herrschergewalt hingegen ist unwiderstehliche Gewalt. Herrschen heißt, unbedingt befehlen und Erfüllungszwang üben zu können“), auch S. 762 ff.; vgl. K. A. Schachtschneider, Die existentielle Staatlichkeit der Völker Europas, S. 93 f. 279 So P. Badura, Bewahrung und Veränderung demokratischer und rechtsstaatlicher Verfassungsstrukturen in den internationalen Gemeinschaften, VVDStRL 23 (1966), S. 54 ff., 57, 59; i. d. S. auch H. P. Ipsen, Europäisches Gemeinschaftsrecht, § 9, 61, S. 232; gegen die Originarität der Rechtsetzungsgewalt P. Kirchhof, Der deutsche Staat im Prozeß der europäischen Integration, HStR, Bd. VII, § 183, Rdn. 38. 275

III. Ausübung der Staatsgewalt europäischer Völker

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heitsgewalt“ 280 oder eine „Gemeinschaftsgewalt“ (BVerfGE 89, 155 (187))281, aber auch keine „Hoheitsgewalt“ oder „von der Staatsgewalt der Mitgliedstaaten geschiedene öffentliche Gewalt“ (BVerfGE 89, 155 (175)). Die Verträge verschaffen der Union oder den Gemeinschaften überhaupt keine eigenständige Gewalt, sondern integrieren deren Organe in die Staatlichkeit der Mitgliedstaaten. Sie organisieren die gemeinschaftliche Ausübung der Staatsgewalt in der Weise, daß die Zwangsbefugnisse den Völkern als den existentiellen Staaten, die allein Hoheit haben, verbleiben. Die Gemeinschaftsorgane sind staatlich und im institutionellen Sinne Staatsorgane, nämlich gemeinschaftliche Organe der Mitgliedstaaten, Teil von deren staatlicher Organisation. Der Gewaltbegriff in den zitierten Formulierungen kann somit nur die hoheitlichen Funktionen meinen, welche die Union und ihre Gemeinschaften aufgrund der übertragenen Hoheitsrechte wahrnehmen, Funktionen ohne Zwangsrechte. Gemeint ist der funktionale Gewaltbegriff, der auch die Legislative und die Judikative als staatliche Gewalt versteht282. Staatsgewalt hat nur ein Volk. Eine Gebietshoheit, welche Zwangsbefugnisse einschließt, haben die Union und ihre Gemeinschaften nicht. Sie wäre notwendiges, wenn auch nicht hinreichendes Kriterium eines Staates im existentiellen Sinne. Ohne Gebietshoheit im engeren Sinne der Zwangsbefugnis ist die Rechtlichkeit des Gemeinwesens nicht sichergestellt, so daß das Gemeinwesen kein Rechtsstaat und damit kein Staat wäre283. Auch Zwangsbefugnisse können gemeinschaftlich ausgeübt werden, wie die militärische Zusammenarbeit, insbesondere die der NATO, zeigt, aber das Verteidigungsbündnis schafft keinen Staat im existentiellen Sinne, dessen Dogmatik vielmehr die normale Lage erfassen muß. Vor allem gründet die Europäische Union nicht auf einem Volk (Staatsvolk). Nur ein Volk kann existentieller Staat sein284. 5. Begrenzte Ermächtigungen der Gemeinschaften Die übertragenen Hoheitsrechte eines Staates sind nicht die Gebietshoheit, sondern bestimmte Befugnisse zur Ausübung der Staatsgewalt, die als solche 280

So Ch. Tomuschat, GG, Bonner Komm., Rdn. 8 zu Art. 24. So Th. Oppermann, Europarecht, S. 196, 295, 298; 2. Aufl. 1999, Rdn. 615 ff., S. 228 ff. („autonome Gemeinschaftsgewalt“), Rdn. 893, S. 337. 282 K. Stern, Staatsrecht I, S. 792, Staatsrecht II, S. 521 ff.; R. Zippelius, Allgemeine Staatslehre, S. 306 ff., 308 ff.; richtig hat G. Jellinek, Allgemeine Staatslehre, S. 496 ff., von der „Unteilbarkeit der Staatsgewalt“ und, S. 595 ff., von den „Funktionen des Staates“ gesprochen; dazu K. A. Schachtschneider, Die existentielle Staatlichkeit der Völker Europas, S. 92 ff. 283 I. d. S. G. Jellinek, Allgemeine Staatslehre, S. 408; K. A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 545 ff.; ders., Die existentielle Staatlichkeit der Völker Europas, S. 81 ff., 92 ff. 284 K. A. Schachtschneider, Deutschland nach dem Konventsentwurf einer „Verfassung für Europa“, FS W. Nölling, S. 279 ff., 297 ff., 308 ff., 313 ff. 281

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4. Kap.: Staat und Staatlichkeit

dem Volk als die Freiheit der Bürger verbleibt (Art. 20 Abs. 2 S. 1 GG). Die Befugnisse sind Ermächtigungen des Volkes zur vertretungsweisen Ausübung seiner Staatsgewalt, welche das Grundgesetz nach Art. 20 Abs. 2 S. 2 den Organen der Gesetzgebung, der vollziehenden Gewalt und der Rechtsprechung eingeräumt hat285 und welche Art. 23 Abs. 1 GG auf die „Europäische Union“ und Abs. 24 Abs. 1 GG auf „zwischenstaatliche Einrichtungen“ allgemein zu übertragen erlaubt286. Auch das Bundesverfassungsgericht dogmatisiert die Übertragung von Hoheitsrechten als die Ermächtigung zur Ausübung von Staatsgewalt oder, wie es formuliert, von „Hoheitsgewalt“ (BVerfGE 89, 155 (184, 186 f.)). Die übertragbaren Hoheitsrechte sind somit Vertretungsrechte/ Kompetenzen287, besser: Befugnisse. Die Staatsgewalt288 insgesamt ist die Handlungsmacht der Bürgerschaft, welche nicht übertragen werden kann, weil das Gemeinwesen freiheitlich ist, wenn die Menschen Bürger und nicht Untertanen sind289. Derartige Hoheitsrechte dürfen nach Auffassung des Bundesverfassungsgerichts um der „demokratischen Legitimation“ willen nur begrenzt und bestimmt auf die Union übertragen werden („Prinzip der begrenzten Einzelermächtigung“, 285 Dazu K. A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 637 ff., 707 ff.; ders., Die existentielle Staatlichkeit der Völker Europas, S. 95 ff.; ders., Der Anspruch auf materiale Privatisierung, S. 284 ff., 300 ff. 286 I. d. S. H. P. Ipsen, Europäisches Gemeinschaftsrecht, § 2, 10, S. 54; dazu Ch. Tomuschat, GG, Bonner Komm., Rdn. 20 ff. zu Art. 24, der von „Befugnissen“ i. S. von „Befehlsmacht und Zwangsgewalt“ gemäß der „Subordinationslehre“ spricht, Rdn. 21 mit Hinw.; so auch K. Th. Rauser, Die Übertragung von Hoheitsrechten auf ausländische Staaten, 1991, S. 20 f., 72 f.; K. A. Schachtschneider, Die existentielle Staatlichkeit der Völker Europas, S. 94 ff. 287 I. d. S. auch P. Kirchhof, Europäische Einigung und Verfassungsstaat, S. 79; ders. konzipiert wie BVerfGE 37, 271 (280); 58, 1 (28); 73, 339 (374), in: Der deutsche Staat im Prozeß der europäischen Integration, HStR, Bd. VII, § 183, Rdn. 58, den Rechtsakt „nicht eigentlich“ als „Übertragung von Hoheitsrechten“, sondern „als Öffnung der nationalen Rechtsordnung für das andere Recht“; so auch Ch. Tomuschat, Die staatliche Entscheidung für die internationale Offenheit, HStR, Bd. VII, 1992, § 172, Rdn. 41 f.; diese Dogmatik verkennt die Gemeinschaftlichkeit der Ausübung der Staatsgewalt und akzeptiert, wie explizit Tomuschat, einen eigenständigen, supranationalen Hoheitsträger, im Widerspruch zur freiheitlich verstandenen demokratischen Legitimation; wohl bewußt unklar BVerfGE 89, 155 (175, 187); vgl. K. A. Schachtschneider, Die existentielle Staatlichkeit der Völker Europas, S. 95; ders., Die Republik der Völker Europas, ARSP-Beiheft 71 (1997), S. 163. 288 Zur Staatsgewalt im Rahmen der Drei-Elemente-Lehre G. Jellinek, Allgemeine Staatslehre, S. 174 ff.; R. Zippelius, Allgemeine Staatslehre, §§ 8–12, S. 52 ff.; J. Isensee, Staat und Verfassung, § 13, Rdn. 30 ff.; R. Grawert, Staatsvolk und Staatsangehörigkeit, HStR, Bd. I, 1987, § 14, Rdn. 3; vgl. auch A. Verdross, Völkerrecht, S. 191 ff.; K. A. Schachtschneider, Die Republik der Völker Europas, ARSP-Beiheft 71 (1997), S. 167. 289 I. d. S. J.-J. Rousseau, Vom Gesellschaftsvertrag, II, 1, S. 27; K. A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 707 ff.; ders, Die existentielle Staatlichkeit der Völker Europas, S. 94 ff.; ders., Die Republik der Völker Europas, ARSP-Beiheft 71 (1997), S. 163 f.

III. Ausübung der Staatsgewalt europäischer Völker

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BVerfGE 89, 155 (181, 191 ff.))290, weil sonst die nationale Legislative, insbesondere das nationale Parlament, die Politik des Mitgliedstaates nicht verantworten würde, wie es das Grundrecht jedes Bürgers aus dem Wahlprinzip und dem damit untrennbar verbundenen Prinzip der Volksvertretung sei (BVerfGE 89, 155 (191 ff.))291. Eine Republik läßt keine Politik zu, die nicht wesentlich (vom Volk oder) von den Vertretern des Volkes beschlossen wird, weil nur die selbstgewählten Volksvertreter im Parlament Repräsentanten der Bürgerschaft sind. Eine Republik muß ein parlamentarisches Organ der Gesetzgebung haben292. Darum darf die Rechtsetzung nur zur Ausführung der national (in den Zustimmungsgesetzen zu den Gemeinschaftsverträgen) beschlossenen Politiken auf Gemeinschaftsorgane übertragen werden, die zum einen exekutorisch und zum anderen und vor allem wesentlich von anderen Völkern legitimiert sind293. Das Prinzip der begrenzten Ermächtigung von Gemeinschaftsorganen folgt aus der existentiellen Staatseigenschaft der Völker, die, jedenfalls wenn sie freiheitlich sind, in einer demokratischen Republik leben. Das freiheitlich-demokratische Prinzip der Republik führt zwingend zu dem Grundrecht auf politische Freiheit, welche wesentlich durch eine parlamentarische Gesetzgebung im echten Sinne verwirklicht wird294.

290 P. Kirchhof, Der deutsche Staat im Prozeß der europäischen Integration, HStR, Bd. VII, § 183, Rdn. 47 (sachbereichsbezogen, keine „Querschnittskompetenz“, gegen Finalität der Kompetenzbegriffe Rdn. 49); ders., Europäische Einigung und Verfassungsstaat, S. 89; E. Klein, Der Verfassungsstaat als Glied einer europäischen Gemeinschaft, VVDStRL 50 (1991), S. 61 ff.; K. A. Schachtschneider, Die Europäische Union und die Verfassung der Deutschen, Aus Politik und Zeitgeschichte, B 28/93, S. 6; ders., Die existentielle Staatlichkeit der Völker Europas, S. 96; ders./A. EmmerichFritsche/Th. C. W. Beyer, Der Vertrag über die Europäische Union und das Grundgesetz, JZ 1993, 751 f.; H. H. Rupp, Maastricht und Karlsruhe, S. 108. 291 K. A. Schachtschneider, Verfassungsbeschwerde gegen das Zustimmungsgesetz zum Vertrag über die Europäische Union vom 7. Februar 1992, vom 18. Dezember 1992 (Maastricht-Verfassungsbeschwerde), in: I. Winkelmann (Hrsg.), Das MaastrichtUrteil des Bundesverfassungsgerichts vom 12. Oktober 1993. Dokumentation des Verfahrens mit Einführung, 1994, S. 115 ff. 292 K. A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 637 ff., 707 ff.; ders./A. Emmerich-Fritsche/Th. C. W. Beyer, Der Vertrag über die Europäische Union und das Grundgesetz, JZ 1993, 755; i. d. S. auch P. Kirchhof, Europäische Einigung und Verfassungsstaat, S. 98; ders., Der deutsche Staat im Prozeß der europäischen Integration, HStR, Bd. VII, § 183, Rdn. 61. 293 K. A. Schachtschneider, Die Europäische Union und die Verfassung der Deutschen, Aus Politik und Zeitgeschichte B 28/93, S. 6 f.; ders./A. Emmerich-Fritsche/ Th. C. W. Beyer, Der Vertrag über die Europäische Union und das Grundgesetz, JZ 1993, 751 f., 755; ders., Die existentielle Staatlichkeit der Völker Europas, S. 96, 97 ff. (S. 103), auch S. 103 ff.; ders., Demokratiedefizite in der Europäischen Union, FS W. Hankel, S. 121 ff., 124 ff. 294 K. A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 14 ff.

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4. Kap.: Staat und Staatlichkeit

6. Gemeinschaftliche Ausübung der Staatsgewalt Die gemeinschaftliche Staatlichkeit ist die Staatsgewalt der Mitgliedstaaten, die gemeinschaftlich ausgeübt wird. Hans Peter Ipsen hat die Gemeinschaft als „Zweckverband funktioneller Integration“ charakterisiert295. Das Bundesverfassungsgericht spricht davon, daß die Mitgliedstaaten „die Europäische Union gegründet“ hätten, „um einen Teil ihrer Aufgaben gemeinsam wahrzunehmen und insoweit ihre Souveränität gemeinsam auszuüben“ (BVerfGE 89, 155 (188 f.))296. Die Rechtsakte der gemeinschaftlichen Organe sind darum Rechtsakte jedes Mitgliedstaates297. Die vornehmlich in den Gemeinschaftsverträgen formulierte (materiale und funktionale) „Verfassung“298 der Gemeinschaft ist Teil der Verfassungsordnung jedes einzelnen Mitgliedstaates. Das Gemeinschaftsrecht, sowohl das primäre als auch das sekundäre, ist Teil der innerstaatlichen Rechtsordnung, jedenfalls nach deutschem Verfassungsrecht, nicht etwa eine eigenständige andere Rechtsordnung299. Das Gemeinschaftsrecht hat nicht etwa eine „autonome Rechtsquelle“300, sondern ist deutsches Recht, weil dessen 295 Europäisches Gemeinschaftsrecht, § 8, 24–31, S. 196 ff.; vgl. auch ders., Die Bundesrepublik Deutschland in den Europäischen Gemeinschaften, HStR, Bd. VII, § 181, Rdn. 8; vgl. jetzt ders., Zehn Glossen zum Maastricht-Urteil, EuR 1994, 7 ff. (kritisch zum Begriff „Staatenverbund“), S. 21; dem folgend K. Stern, Staatsrecht I, S. 540 f.; E. Klein, Der Verfassungsstaat als Glied einer europäischen Gemeinschaft, VVDStRL 50 (1991) S. 60 f.; dazu K. A. Schachtschneider, Die existentielle Staatlichkeit der Völker Europas, S. 97 ff. 296 Zur „Rechtsgemeinschaft“ P. Kirchhof, Der deutsche Staat im Prozeß der europäischen Integration, HStR, Bd. VII, § 183, Rdn. 69, dessen Begriff der Rechtsgemeinschaft nicht recht klar wird, weil er in Rdn. 58 auch von der Öffnung der nationalen Rechtsordnung „für das andere Recht“ spricht. 297 K. A. Schachtschneider, Die existentielle Staatlichkeit der Völker Europas, S. 97 ff. (S. 100); ders., Die Republik der Völker Europas, ARSP-Beiheft 71 (1997), S. 163 ff. 298 Zum Verfassungscharakter der Gemeinschaftsverträge K. A. Schachtschneider, Die Verträge der Gemeinschafen und der Union, in: ders., Verfassungsrecht der Europäischen Union, § 1, II. 299 A. A. noch BVerfGE 22, 293 (296); 31, 145 (173 f.); 37, 339 (367); 58, 1 (27); G. Nicolaysen, Europarecht I, 1991, S. 30; vgl. A. Bleckmann, Europarecht, 6. Aufl. 1997, Rdn. 1090, S. 380; nicht eindeutig BVerfGE 89, 155 (175), („. . . Akte einer besonderen, von der Staatsgewalt der Mitgliedstaaten geschiedenen öffentlichen Gewalt einer supranationalen Organisation . . .“); P. Kirchhof, Der deutsche Staat im Prozeß der europäischen Integration, HStR, Bd. VII, § 183, Rdn. 69, spricht von „anderem Recht“; H. P. Ipsen, Bundesrepublik Deutschland in den Europäischen Gemeinschaften, HStR, Bd. VII, § 181, Rdn. 58, spricht von „unterschiedlichen Rechtsmassen der nationalen Rechtsordnungen und der Gemeinschaftsordnung verschiedenen Geltungsgrundes“; G. Ress, Staatszwecke im Verfassungsstaat – nach 40 Jahren Grundgesetz, VVDStRL 48 (1990), S. 81, spricht vom „Nebeneinander zweier Rechtsordnungen“; der im Text vertretenen Dogmatik der Gemeinschaftsgewalt als Ausübung deutscher Staatlichkeit öffnet sich vorsichtig H. P. Ipsen, Zehn Glossen zum MaastrichtUrteil, EuR 1994, 12; wie der Text K. A. Schachtschneider, Die existentielle Staatlichkeit der Völker Europas, S. 97 ff. (100 f.); ders., Die Republik der Völker Europas, ARSP-Beiheft 71 (1997), S. 163 ff.

III. Ausübung der Staatsgewalt europäischer Völker

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Verbindlichkeit auf dem Willen des deutschen Volkes beruht. Recht besteht aus Gesetzen, die das, was für das gute Leben aller in allgemeiner Freiheit auf der Grundlage der Wahrheit als richtig erkannt ist, namens des Volkes festlegen; denn das Volk will dieses Richtige als Recht. Die Aufgabe und Befugnis zur Erkenntnis des Richtigen ist in bestimmten Grenzen den gemeinschaftlichen Organen der Völker übertragen, weil das Richtige für die Gemeinschaft nur gemeinschaftlich erkannt werden kann. Der Rechtsetzungswille bleibt aber der der zu Staaten im existentiellen Sinne verfaßten Völker, von denen allein die Staatsgewalt ausgeht (Art. 20 Abs. 2 S. 1 GG)301. 7. „Rechtsanwendungsbefehl“ als Geltungsgrund des Gemeinschaftsrechts (?) Das Bundesverfassungsgericht dogmatisiert als mitgliedstaatlichen Geltungsgrund des Gemeinschaftsrechts einen nationalen „Rechtsanwendungsbefehl“ (BVerfGE 73, 339 (367 f., 375); 89, 155 (190))302, macht aber die Rechtsgeltung auch vom Willen des jeweiligen Volkes abhängig:

300 So aber BVerfGE 22, 293 (296); 31, 145 (173 f.); 37, 271 (277 f.); EuGH – Rs. 6/64 (Costa/ENEL), Slg. 1964, S. 1251 (1269 ff.); i. d. S. auch Th. Oppermann, Europarecht, Rdn. 616, S. 230 („autonome Gemeinschaftsgewalt“); H. Mosler, Die Übertragung von Hoheitsgewalt, HStR, Bd. VII, 1992, § 175, Rdn. 17 ff.; Ch. Tomuschat, Die staatliche Entscheidung für die internationale Offenheit, HStR, Bd. VII, § 172, Rdn. 43 ff., räumt in Rdn. 45 ein, daß eine „Autonomie der Europäischen Gemeinschaft als selbständiger Hoheitsträger nicht anerkannt wird.“; P. Kirchhof, Europäische Einigung und Verfassungsstaat, S. 88, sieht die „Grenze vom Staatenbund zum Bundesstaat überschritten, wenn die bisherigen Mitgliedstaaten unumkehrbar in die Europäische Gemeinschaft eingeordnet und dieser das Recht zur „originären Rechtsetzung und Rechtsgestaltung“ „zugewachsen wäre“; ders., Der deutsche Staat im Prozeß der europäischen Integration, HStR, Bd. VII, § 183, Rdn. 38; das Maastricht-Urteil (BVerfGE 89, 155 ff.) enthält den Begriff der „autonomen Rechtsquelle“ nicht mehr; wie der Text K. A. Schachtschneider, Die existentielle Staatlichkeit der Völker Europas, S. 100 f.; ders., Die Republik der Völker Europas, ARSP-Beiheft 71 (1997), S. 164 f. 301 K. A. Schachtschneider, Die Staatlichkeit der Europäischen Gemeinschaft, in: M. Vollkommer (Hrsg.), Auf dem Weg in ein vereintes Europa, Atzelsberger Gespräche 1992, Erlanger Forschungen Reihe A, 1994, S. 81 ff., auch veröffentlicht in: M. Brunner (Hrsg.), Kartenhaus Europa? Abkehr vom Zentralismus – Neuanfang durch Vielfalt, 1993, S. 117 ff.; ders., Die existentielle Staatlichkeit der Völker Europas, S. 97 ff.; ders., Die Republik der Völker Europas, ARSP-Beiheft 71 (1997), S. 163 ff.; ders., Deutschland nach dem Konventsentwurf einer „Verfassung für Europa“, FS W. Nölling, S. 279 ff., insb. S. 297 ff. 302 So etwa P. Kirchhof, Der deutsche Staat im Prozeß der europäischen Integration, HStR, Bd. VII, § 183, Rdn. 45; E. Klein, Der Verfassungsstaat als Glied einer europäischen Gemeinschaft, VVDStRL 50 (1991), S. 67 ff., 79; R. Bernhardt, Verfassungsrecht und völkerrechtliche Verträge, HStR, Bd. VII, 1992, § 174, Rdn. 28; kritisch K. A. Schachtschneider, Die existentielle Staatlichkeit der Völker Europas, S. 99 f.; ders., Die Republik der Völker Europas, ARSP-Beiheft 71 (1997), S. 165.

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4. Kap.: Staat und Staatlichkeit

„Die Bundesrepublik Deutschland ist somit auch nach dem Inkrafttreten des Unions-Vertrags Mitglied in einem Staatenverbund, dessen Gemeinschaftsgewalt sich von den Mitgliedstaaten ableitet und im deutschen Hoheitsbereich nur kraft des deutschen Rechtsanwendungsbefehls verbindlich wirken kann. Deutschland ist einer der ,Herren der Verträge‘, die ihre Gebundenheit an den ,auf unbegrenzte Zeit‘ geschlossenen Unions-Vertrag (Art. Q EUV) mit dem Willen zur langfristigen Mitgliedschaft begründet haben, diese Zugehörigkeit aber letztlich durch einen gegenläufigen Akt auch wieder aufheben könnten. Geltung und Anwendung von Europarecht in Deutschland hängen von dem Rechtsanwendungsbefehl des Zustimmungsgesetzes ab. Deutschland wahrt damit die Qualität eines souveränen Staates aus eigenem Recht und den Status der souveränen Gleichheit mit anderen Staaten i. S. des Art. 2 Nr. 1 der Satzung der Vereinten Nationen vom 26. Juni 1945“ (BVerfGE 89, 155 (190))303.

Die Zustimmungsgesetze geben keinen „Rechtsanwendungsbefehl“ (so aber BVerfGE 45, 142 (169); 52, 187 (199); 73, 339 (367 f., 375); und jetzt, wie zitiert, BVerfGE 89, 155 (190)), wie fast alle meinen, weil es das Bundesverfassungsgericht so dogmatisiert hat304, sondern sind nach Art. 59 Abs. 2 S. 1 GG Voraussetzung der Ratifikation der Gemeinschaftsverträge, welche den Staat im Sinne des Art. 20 Abs. 2 S. 2 GG organisieren und wegen Art. 23 und Art. 24 GG derart international/gemeinschaftlich organisieren dürfen. Das Zustimmungsgesetz ist zugleich das Gesetz, welches die Hoheitsrechte überträgt. Das Zustimmungsgesetz zum Vertrag und das Übertragungsgesetz werden uno actu beschlossen305; warum nicht, wenn auch getrennte Rechtsakte vorzuziehen wären. Ein Rechtsanwendungsbefehl (ein befremdliches Wort in einer Republik)

303 Für die ständige Freiwilligkeit der Mitgliedschaft im Staatenverbund K. A. Schachtschneider, Aussprache zum Thema: Der Verfassungsstaat als Glied der Europäischen Gemeinschaft, VVDStRL 50 (1991), S. 178; ders., Maastricht-Verfassungsbeschwerde, S. 444 ff.; ders., Die existentielle Staatlichkeit der Völker Europas, S. 101 f.; ders., Die Republik der Völker Europas, ARSP-Beiheft 71 (1997), S. 167 f.; ders./A. Emmerich-Fritsche/Th. C. W. Beyer, Der Vertrag über die Europäische Union und das Grundgesetz, JZ 1993, 758 f.; auch schon H. Krüger, Allgemeine Staatslehre, 2. Aufl. 1966, S. 767. Der Maastricht-Vertrag hatte die Integration entgegen dem Prinzip ständiger Freiwilligkeit der Mitgliedschaft in den Gemeinschaften unumkehrbar festgelegt (vgl. K. A. Schachtschneider/A. Emmerich-Fritsche/Th. C. W. Beyer, Der Vertrag über die Europäische Union und das Grundgesetz, JZ 1993, 758 f.) und ist vom Bundesverfassungsgericht auch insoweit verfassungskonform korrigiert worden; P. Kirchhof, Europäische Einigung und Verfassungsstaat, S. 88 (Zitat in Fn. 288); ders., EuGRZ 1994, 27, 35 f.; ders., Der deutsche Staat im Prozeß der europäischen Integration, HStR, Bd. VII, § 183, Rdn. 46, wo er allerdings die Vertragsauflösung durch „actus contrarius“ den Mitgliedstaaten als „Herren der Verträge“ vorbehält, im Widerspruch zur Dogmatik vom nationalen Rechtsanwendungsbefehl als Geltungsgrund der Rechtsordnung der Gemeinschaft (Rdn. 45); der Sache nach wie im Maastricht-Urteil allerdings ders., Rechtsschutz durch Bundesverfassungsgericht und Europäischen Gerichtshof, S. 109 f. 304 Vgl. die Hinweise in Fn. 302. 305 Dazu Ch. Tomuschat, GG, Bonner Komm., Zweitbearbeitung 1981/85, Art. 24, Rdn. 28; A. Randelzhofer, in: Maunz/Dürig, GG, 1992, Art. 24, Rdn. 63.

III. Ausübung der Staatsgewalt europäischer Völker

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setzt jedoch ein der Rechtsordnung fremdes („anderes“) Gesetz306 und damit den fremden, freundlich formuliert: eigenständigen Gesetzgeber voraus. Derart fremde Gesetzgeber sind die Gemeinschaften nicht; denn ihre Organe sind in die Organisation der Mitgliedstaaten integriert. Die Konsequenzen der Dogmatik sind für die europäische Rechtsgemeinschaft, insbesondere für die Rechtseinheit, immens. Eine erneut neue Formulierung hat der Zweite Senat des Bundesverfassungsgerichts im Beschluß vom 14. Oktober 2004 (2BvR 1481/04, Rdn. 36), freilich obiter dictum, gewählt, nämlich: „Selbst die weitreichende supranationale europäische Integration, die sich für den aus der Gemeinschaftsquelle herrührenden innerstaatlich unmittelbar wirkenden Normanwendungsbefehl öffnet, steht unter einem, allerdings weit zurückgenommenen Souveränitätsvorbehalt (vgl. Art. 23 Abs. 1 GG). Völkervertragsrecht gilt innerstaatlich nur dann, wenn es in die nationale Rechtsordnung formgerecht, und in Übereinstimmung mit materiellem Verfassungsrecht inkorporiert worden ist.“

Welches die „Gemeinschaftsquelle“, wenn nicht die Gemeinschaftsverträge, die aber nur aufgrund der Zustimmungsgesetze, jedenfalls in Deutschland, verbindlich sind, sein soll, ist unerfindlich. Weil nach Art. 20 Abs. 2 S. 1 GG „alle Staatsgewalt vom Volke ausgeht“, kann Recht nur der Wille des Volkes sein, also der Wille jedes Mitgliedstaates. 8. Einzelstaatlichkeit des Gemeinschaftsrechts Das Gemeinschaftsrecht ist nicht nur deutsches, sondern nicht minder französisches, italienisches, britisches usw. Recht. Es ist eben Gemeinschaftsrecht. Im Gegensatz zum Beschluß des Ersten Senats des Bundesverfassungsgerichts von 1967 (BVerfGE 22, 293 (295, 297); so auch BVerfGE 31, 145 (173 f.); 58, 1 (27)) sind Rechtsakte der Gemeinschaft „Akte der deutschen öffentlichen Gewalt“ 307. Dieser Dogmatik nähert sich das Maastricht-Urteil, welches „auch Akte einer besonderen, von der Staatsgewalt der Mitgliedstaaten geschiedenen öffentlichen Gewalt einer supranationalen Organisation“ in den Grundrechtsschutz des Bundesverfassungsgerichts, der nicht nur „gegenüber deutschen Staatsorganen“ gewährt werde, einzubeziehen ankündigt (BVerfGE 89, 155 (175))308. Logik findet diese Zuständigkeit des Bundesverfassungsgerichts nur darin, daß die Rechtsakte der Gemeinschaft deutsche (zugleich aber auch französische, italienische, usw.) Rechtsakte sind; denn sonst wäre das Bundesverfas306

Vgl. die Hinweise in Fn. 299. K. A. Schachtschneider, Die existentielle Staatlichkeit der Völker Europas, S. 100; ders., Die Republik der Völker Europas, ARSP-Beiheft 71 (1997), S. 163. 308 In expliziter Abweichung von BVerfGE 58, 1 (27); dieser Dogmatik öffnet sich H. P. Ipsen, Zehn Glossen zum Maastricht-Urteil, EuR 1994, 12. 307

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4. Kap.: Staat und Staatlichkeit

sungsgericht institutionell ein „supranationales“ Gericht. (Funktional ist jedes deutsche Gericht ein „europäisches Gericht“, richtiger: ein Gericht, welches Europarecht anzuwenden hat309.) Die „öffentliche Gewalt“ des Art. 93 Abs. 1 Ziff. 4a GG ist die vom Grundgesetz verfaßte öffentliche Gewalt, also die deutsche Staatsgewalt des Art. 20 Abs. 2 S. 1 GG310. Zu dieser gehört somit auch die Gemeinschaftsgewalt. Der Europäische Gerichtshof ist demgemäß „gesetzlicher Richter“ im Sinne des Art. 100 Abs. 1 S. 2 GG311. Jedenfalls erklärt die (richtige) Dogmatik des Maastricht-Urteils für den Grundrechtsschutz die Gemeinschaftsgewalt zu einer öffentlichen Gewalt im Sinne des Art. 93 Abs. 1 Ziff. 4a GG und damit zu einem Teil der deutschen Staatsgewalt. Das ist substantiell die Abkehr von der Dogmatik, die Rechtsordnung der Gemeinschaft sei eine eigene, gar eine „autonome“ Rechtsordnung. Recht kann in Deutschland nach dem Grundgesetz nur vom deutschen Volke ausgehen (Art. 20 Abs. 2 S. 1 GG)312. Das Selbstbestimmungsrecht des deutschen Volkes, die Willensautonomie der Bürger Deutschlands, von vielen und auch vom Bundesverfassungsgericht (monarchistisch) die „Souveränität“ Deutschlands genannt (BVerfGE 89, 155 (188 ff.); auch BVerfG, 2BvR 1481/04, Beschluß vom 14.10.2004, Rdn. 33, 36)313, ist nach dem Grundgesetz unaufhebbar und unübertragbar (argumentum ex Art. 79 Abs. 3 GG)314. 309 M. Zuleeg, Die Rolle der rechtsprechenden Gewalt in der europäischen Integration, JZ 1994, 2; dazu K. A. Schachtschneider, Gerichtsbarkeit, Verfassungsrecht der Europäischen Union, § 10, V, 4 und 5. 310 W. Löwer, Zuständigkeiten und Verfahren des Bundesverfassungsgerichts, HStR, Bd. II, 1987, § 56, Rdn. 148 f., auch Rdn. 58. 311 Diesen Schluß zieht auch H. P. Ipsen, Zehn Glossen zum Maastricht-Urteil, EuR 1994, 12, als Konsequenz des Maastricht-Urteils; vgl. zur herkömmlichen Einstufung des Gerichtshofs als gesetzlicher Richter BVerfGE 73, 339 (366 ff.); 75, 223 (233 f.); P. Kirchhof, Rechtsschutz durch Bundesverfassungsgericht und Europäischen Gerichtshof, S. 118 ff.; vgl. auch K. A. Schachtschneider, Die existentielle Staatlichkeit der Völker Europas, S. 126 ff. 312 K. A. Schachtschneider, Die existentielle Staatlichkeit der Völker Europas, S. 87 ff., 111 ff.; ders., Die Republik der Völker Europas, ARSP-Beiheft 71 (1997), S. 161 ff. (S. 163). Nur Deutsche bilden das Volk i. S. des Art. 20 Abs. 2 S. 1 GG, BVerfGE 83, 37 (50 ff.); 83, 60 (71 ff.); i. d. S. auch BVerfGE 89, 155 (188 ff.). 313 So auch P. Kirchhof, Europäische Einigung und Verfassungsstaat, S. 85, 95; H. Steinberger, Der Verfassungsstaat als Glied einer europäischen Gemeinschaft, VVDStRL 50 (1991), S. 17 ff.; zur inneren und äußeren Souveränität als Begriff etwa A. Randelzhofer, Staatsgewalt und Souveränität, HStR, Bd. I, 1987, § 15, Rdn. 1 ff., 23 ff., 35 ff.; J. Isensee, Staat und Verfassung, HStR, Bd. I, § 13, Rdn. 87 ff.; K. Doehring, Staat und Verfassung in einem zusammenwachsenden Europa, ZRP 1993, 98 ff.; kritisch H. P. Ipsen, Bundesrepublik Deutschland in den Europäischen Gemeinschaften, HStR, Bd. VII, § 181, Rdn. 19; schon J.-J. Rousseau, Vom Gesellschaftsvertrag, II, 1, S. 27, hat die Souveränität „als die Ausübung des Gemeinwillens“ definiert. 314 K. A. Schachtschneider, Die existentielle Staatlichkeit der Völker Europas, S. 87 ff. (101), 111 ff.; ders., Die Republik der Völker Europas, ARSP-Beiheft 71 (1997), S. 161 ff., 165 ff., 170 ff.; i. d. S. auch P. Kirchhof, Der deutsche Staat im

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9. Ständige Freiwilligkeit des Staatenverbundes Der Logik gehorchend, hat darum das Bundesverfassungsgericht ausweislich des obigen Zitats das Recht jedes Mitgliedstaates, die Mitgliedschaft in der Union zu beenden und damit das Prinzip der dauernden Freiwilligkeit, Staatsgewalt im Verbund mit anderen Staaten auszuüben, anerkannt (BVerfGE 89, 155 (190))315. Die Logik ist die der Freiheit der Bürger, die ihre Staatsgewalt verfassen dürfen wie sie wollen, solange sie einen Staat im existentiellen Sinne bilden. Die völkerrechtlichen Verbindlichkeiten sind dabei zu respektieren. Die engen Kündigungsrechte der Wiener Vertragsrechtskonvention316 kommen jedoch nicht zur Anwendung, weil ein unauflöslicher Staatenverbund nicht begründet ist, der als solcher mit der Freiheit unvereinbar wäre. Die Unbefristetheit des Unionsvertrages nach Art. 51 EUV und des Vertrages zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft nach Art. 312 EGV ist keine Unauflöslichkeit des Vertrages und nicht die unumkehrbare Pflicht zur Mitgliedschaft in dem Staatenverbund (i. d. S. BVerfGE 89, 155 (190))317. Sie erübrigt lediglich eine Prozeß der europäischen Integration, HStR, Bd. VII, § 183, Rdn. 58, der in Art. 24 GG die „neue Öffnung der nationalen Rechtsordnung . . . für das andere Recht“, das Europarecht, sieht, „nicht eigentlich“ die Ermächtigung zur Übertragung von Hoheitsrechten; i. d. S. wird die (originäre) Völkerrechtssubjektivität Deutschlands als durch Art. 79 Abs. 3 GG gesichert angesehen, etwa H. Mosler, Die Übertragung von Hoheitsgewalt, HStR, Bd. VII, § 175, Rdn. 28; E. Klein, Der Verfassungsstaat als Glied einer europäischen Gemeinschaft, VVDStRL 50 (1991), S. 70; Ch. Tomuschat, Bonner Komm., Rdn. 20 zu Art. 24 GG. 315 So schon K. A. Schachtschneider, VVDStRL 50 (1991), S. 178 (Aussprache); ders./A. Emmerich-Fritsche/Th. C. W. Beyer, Der Vertrag über die Europäische Union und das Grundgesetz, JZ 1993, 758 f.; ders., Die existentielle Staatlichkeit der Völker Europas, S. 101 f.; ders., Die Republik der Völker Europas, ARSP-Beiheft 71 (1997), S. 167 f.; auch schon H. Krüger, Allgemeine Staatslehre, 2. Aufl. 1966, S. 767; R. Streinz, Bundesverfassungsgerichtlicher Grundrechtsschutz und europäisches Gemeinschaftsrecht, 1989 S. 111 mit Fn. 156, der ein „Desintegrationsgesetz“ für zulässig hält, entgegen H. P. Ipsen, Europäisches Gemeinschaftsrecht, S. 58, 232; scharfe Kritik von M. Zuleeg, Die Rolle der rechtsprechenden Gewalt in der europäischen Integration, JZ 1994, 7 (These des Zweiten Senats führt . . . „zum offenen Vertragsbruch“); ähnlich auch A. Mosler, Die Übertragung von Hoheitsgewalt, HStR, Bd. VII, § 175, Rdn. 23 (Austritt „normalerweise nicht zu erwarten“), Rdn. 27 („faktisch irreversibel“), bloße Empirismen, die Rechtserkenntnisse nicht ersetzen können; H. P. Ipsen, Zehn Glossen zum Maastricht-Urteil, EuR 1994, 15 ff., lehnt das „Sezessionsrecht“ weiterhin ab, es bleibe (mit Götz) nur die „faktische Komponente der Souveränität“; V. Götz, Das Maastricht-Urteil des Bundesverfassungsgerichts, JZ 1993, 1085. 316 Für deren Relevanz etwa H. Mosler, Die Übertragung von Hoheitsgewalt, HStR, Bd. VII, § 175, Rdn. 48 ff. (aber „faktische Austrittsmöglichkeit“, Rdn. 51); M. Zuleeg, Die Rolle der rechtsprechenden Gewalt in der europäischen Integration, JZ 1994, 7; A. Randelzhofer, Staatsgewalt und Souveränität, HStR, Bd. I, § 15, Rdn. 34; dazu die Kritik von K. A. Schachtschneider/A. Emmerich-Fritsche/Th. C. W. Beyer, Der Vertrag über die Europäische Union und das Grundgesetz, JZ 1993, 58 f. 317 K. A. Schachtschneider, Die existentielle Staatlichkeit der Völker Europas, S. 101 ff.; ders., Die Republik der Völker Europas, ARSP-Beiheft 71 (1997), S. 167 f.; ders., Das Recht und die Pflicht zum Ausstieg aus der Währungsunion, in: W. Hankel

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Vertragserneuerung nach dem Ablauf einer Vertragszeit, deren Notwendigkeit dem Integrationsprinzip widerspräche. Die Erkenntnis, daß die Mitgliedschaft in einem Staatenverbund unter dem ständigen Vorbehalt des Willens des mit anderen Völkern verbundenen Volkes besteht, ist die wichtigste Erkenntnis des neuen europäischen Verfassungsrechts, welches der Maastricht-Prozeß in Deutschland geschaffen hat318. Auch darum hat das Bundesverfassungsgericht das Folgende ausgesprochen und wegen der existentiellen Staatlichkeit Deutschlands, wie schon gesagt, aussprechen müssen: „Vermitteln die Staatsvölker – wie gegenwärtig – über die nationalen Parlamente demokratische Legitimation, sind mithin der Ausdehnung der Aufgaben und Befugnisse der Europäischen Gemeinschaften vom demokratischen Prinzip her Grenzen gesetzt. Jedes der Staatsvölker ist Ausgangspunkt für eine auf es selbst bezogene Staatsgewalt“ (BVerfGE 89, 155 (186)).

Art. I-59 des Verfassungsvertrages der Europäischen Union vom 29. Oktober 2004 (noch nicht in Kraft) regelt nunmehr explizit den „freiwilligen Austritt aus der Union“. 10. Keine originäre Gemeinschaftsgewalt Rechtens kann es in Deutschland keine originäre europäische öffentliche Gewalt geben, aber auch keine europäischen Rechtsakte, die ihre Legalität nicht aus dem Verfassungsgesetz Deutschlands herleiten319, sondern über dem Recht Deutschlands stehen. Logisch ist die Gemeinschaftsverfassung der Verträge in die Verfassung der Völker, in Deutschland also in das Grundgesetz, integriert320. Eine von der Verfassung der Völker unabhängige, also insofern eigenu. a., Die Euro-Illusion. Ist Europa noch zu retten?, 2001, S. 314 ff.; ders., Die Rechtsverweigerung im Euro-Beschluß des Bundesverfassungsgerichts, daselbst, S. 274 ff.; P. Kirchhof, Europäische Einigung und Verfassungsstaat, S. 88; dazu insbesondere zur entgegengesetzten Politik des Vertrages von Maastricht selbst K. A. Schachtschneider/ A. Emmerich-Fritsche/Th. C. W. Beyer, Der Vertrag über die Europäische Union und das Grundgesetz, JZ 1993, 758 f.; das verkennt M. Zuleeg, Die Rolle der rechtsprechenden Gewalt in der europäischen Integration, JZ 1994, 7; jede Auflösung der Gemeinschaft, Austritt oder Ausschluß, hält (abwegig) für rechtswidrig G. Nicolaysen, Europarecht I, 1991, S. 72 f.; ebenso H. P. Ipsen, Zehn Glossen zum Maastricht-Urteil, EuR 1994, 15, wegen des Integrationsprinzips des Art. 23 GG n. F. 318 Bereits G. Jellinek, Allgemeine Staatslehre, S. 767, hat das Recht zur Sezession als Kriterium des „Staatenbundes“ herausgestellt. 319 E. Klein, Der Verfassungsstaat als Glied einer europäischen Gemeinschaft, VVDStRL 50 (1991) S. 59, 70 f.; P. Kirchhof, Europäische Einigung und Verfassungsstaat, S. 100 f.; i. d. S. auch ders., Der deutsche Staat im Prozeß der europäischen Integration, HStR, Bd. VII, § 183, Rdn. 46; auch J. Isensee, Europa – Die politische Erfindung eines Erdteils, in: ders., (Hrsg.), Europa als politische Idee und als rechtliche Form, 1993, S. 133; K. A. Schachtschneider, Die existentielle Staatlichkeit der Völker Europas, S. 103; ders., Die Republik der Völker Europas, ARSP-Beiheft 71 (1997), S. 165.

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ständige europäische Staatsgewalt, ein Staat Europa im existentiellen Sinne also, setzt eine europäische Verfassung voraus, welche nicht nur eine europäische Gesetzgebungs-, Verwaltungs- und Rechtsprechungshoheit, sowie eine europäische Gebietshoheit, sondern auch eine europäische Verfassungshoheit schafft und damit die deutschen Hoheiten, insbesondere die deutsche Verfassungshoheit, aufhebt321. Diese Entwicklung wird vorangetrieben. Ein Schritt zum Verfassungsstaat Europa sollte bereits die Charta der Grundrechte für die Europäische Union sein, obwohl diese bisher keine völkervertragliche Verbindlichkeit hat322. Ihre Proklamation in Nizza (7. Dezember 2000) hat ihr aber ein großes politisches Gewicht für die weitere Integration Europas verschafft – zum Unglück für die betroffenen Menschen. Ein Verfassungsgesetz der Europäischen Union würde das Grundgesetz als höchstes Gesetz Deutschlands und als das Verfassungsgesetz, das Deutschland zum Staat (im existentiellen Sinne) verfaßt, ablösen oder zumindest einschränken. Deutschland wäre entweder kein Staat (im existentiellen Sinne) mehr oder würde seine existentielle Staatseigenschaft mit der Europäischen Union teilen323. Der „Vertrag einer Verfassung für Europa“, der am 29. Oktober 2004 in Rom von den (25) Mitgliedstaaten der Europäischen Union geschlossen wurde, aber in den Mitgliedstaaten erst noch angeommen und von ihnen ratifiziert werden muß, erweitert zwar die existentielle Staatlichkeit der Europäischen Union, begründet aber nicht den dafür erforderlichen existentiellen Staat. Ein solcher Schritt ist ohne Referendum jedes europäischen Volkes rechtlich nicht möglich. Es muß zunächst ein Volk der Europäischen Union verfaßt werden. Das übersteigt die Befugnisse der Volksvertreter324. 320 K. A. Schachtschneider/A. Emmerich-Fritsche/Th. C. W. Beyer, Der Vertrag über die Europäische Union und das Grundgesetz, JZ 1993, 757 f.; K. A. Schachtschneider, Die existentielle Staatlichkeit der Völker Europas, S. 87 ff., 98 ff. (101 ff.), 103 ff.; ders., Die Republik der Völker Europas, ARSP-Beiheft 71 (1997), S. 165; i. d. S. auch P. Kirchhof, Europäische Einigung und Verfassungsstaat, S. 94 f., 99, 100 f.; so verstehe ich auch W. Löwer, Zuständigkeiten und Verfahren des Bundesverfassungsgerichts, HStR, Bd. II, § 56, Rdn. 58. 321 U. Di Fabio, Der neue Art. 23 des Grundgesetzes, Der Staat 32 (1993), S. 205; i. d. S. P. Kirchhof, Europäische Einigung und Verfassungsstaat, S. 97 ff.; ders., Der deutsche Staat im Prozeß der europäischen Integration, HStR, Bd. VII, § 183, Rdn. 62; K. A. Schachtschneider, Die existentielle Staatlichkeit der Völker Europas, S. 111 ff. (113); ders., Die Republik der Völker Europas, ARSP-Beiheft 71 (1997), S. 170 ff., 174 ff.; W. Hankel/W. Nölling/K. A. Schachtschneider/J. Starbatty, Die Euro-Klage. Warum die Währungsunion scheitern muß, 1998, S. 249 ff. 322 Dazu K. A. Schachtschneider, Eine Charta der Grundrechte für die Europäische Union, in: Aus Politik und Zeitgeschichte B 52–53/2000, S. 13 ff.; ders., Jeder Widerspruch gegen die Charta ist angezeigt, Zeit-Fragen, Sonderbeilage Oktober 2000, S. 1 ff.; ders., Eine Charta der Grundrechte für die Europäische Union, Recht und Politik, 1/2001, S. 16 ff. 323 Dazu K. A. Schachtschneider, Deutschland nach dem Konventsentwurf einer „Verfassung für Europa“, FS W. Nölling, S. 279 ff.

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Kant hat geklärt: „Das Recht der obersten Gesetzgebung im gemeinen Wesen ist kein veräußerliches, sondern das allerpersönlichste Recht. Wer es hat, kann nur durch den Gesamtwillen des Volks über das Volk, aber nicht über den Gesamtwillen selbst, der der Urgrund aller öffentlichen Verträge ist, disponieren.“325

11. Anwendbarkeit und (begrenzter) Vorrang des Gemeinschaftsrechts Auch das Gemeinschaftsrecht ist in den Mitgliedstaaten verbindlich. Die Verbindlichkeit beruht auf dem Willen der als Staaten verfaßten Völker, auf deren Verfassungsgesetzen also326. Die Völker sind die Hüter der Gemeinschaft, jedes für sich. Sie sind auch insoweit „Herren der Verträge“ (BVerfGE 89, 155 (190, 199); auch BVerfGE 75, 223 (242))327. Jedes Volk ist innerstaatlich verpflichtet, das Gemeinschaftsrecht als Teil der eigenen Rechtsordnung zu verwirklichen (Art. 10 EGV). Der Vorrang des Gemeinschaftsrechts328 hat aber Grenzen, die 324

Ebenda. Metaphysik der Sitten, Rechtslehre, § 52, S. 465; nicht anders J.-J. Rousseau, Vom Gesellschaftsvertrag, 2. Buch, 1. Kap., S. 27. 326 E. Klein, Der Verfassungsstaat als Glied einer europäischen Gemeinschaft, VVDStRL 50 (1991), S. 59, 70 f.; P. Kirchhof, Europäische Einheit und Verfassungsstaat, S. 95 ff., 100 f.; ders., Der deutsche Staat im Prozeß der europäischen Integration, HStR VII, § 183, Rdn. 46; K. A. Schachtschneider, Die existentielle Staatlichkeit der Völker Europas, S. 103 f.; ders., Die Republik der Völker Europas, ARSP-Beiheft 71 (1997), S. 165; a. A. I. Pernice, Maastricht, Staat und Demokratie, Die Verwaltung 26 (1993), S. 485 f., der die Staaten „nicht einzeln, sondern nur ,zur gesamten Hand‘ für ,Herren der Gemeinschaftsverträge‘“ hält. 327 Dazu auch H. Steinberger, Der Verfassungsstaat als Glied einer europäischen Gemeinschaft, VVDStRL 50 (1991), S. 16 f. in Fn. 21; E. Klein, Der Verfassungsstaat als Glied einer europäischen Gemeinschaft, VVDStRL 50 (1991), S. 59; P. Kirchhof, Der deutsche Staat im Prozeß der europäischen Integration, HStR, Bd. VII, § 183, Rdn. 46, 66; J. Isensee, Europa – die politische Erfindung eines Erdteils, S. 134. Daß die Mitgliedstaaten noch „Herren der Verträge seien“, hat vor allem in Frage gestellt U. Everling, Sind die Mitgliedstaaten der Europäischen Gemeinschaft noch Herren der Verträge?, 1983, in: ders., Das Europäische Gemeinschaftsrecht im Spannungsfeld von Politik und Wirtschaft, 1985, S. 86 ff.; dazu A. Randelzhofer, Staatsgewalt und Souveränität, HStR, Bd. I, § 15, Rdn. 33 f.; K. A. Schachtschneider, Die existentielle Staatlichkeit der Völker Europas, S. 103 ff.; ders., Die Republik der Völker Europas, ARSP-Beiheft 71 (1997), S. 165 f. 328 Der weitgehende Vorrang des Gemeinschaftsrechts vor dem mitgliedstaatlichen Recht ist so gut wie unangefochten; vgl. EuGH – Rs. 26/62 (Van Gend & Loos), Slg. 1963, 1 ff.; EuGH – Rs. 6/64 (Costa/ENEL), Slg. 1964, 1251 ff.; EuGH – Rs. 11/70 (Internationale Handelsgesellschaft), Slg. 1970, 1125 ff.; BVerfGE 37, 271 (279 ff.); 58, 1 (28); 73, 339 (366 ff.); vgl. auch BVerfGE 89, 155 (182 ff., 190 f., 197 ff.); P. Kirchhof, Der deutsche Staat im Prozeß der europäischen Integration, HStR, Bd. VII, § 183, Rdn, 66; E. Klein, Der Verfassungsstaat als Glied einer europäischen Gemeinschaft, VVDStRL 50 (1991), S. 64; H. P. Ipsen, Bundesrepublik Deutschland in den Europäischen Gemeinschaften, HStR, Bd. VII, § 181, Rdn. 58 ff.; vgl. auch Th. Op325

III. Ausübung der Staatsgewalt europäischer Völker

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sich aus der existentiellen Staatlichkeit der Völker ergeben. Das Maastricht-Urteil des Bundesverfassungsgerichts ergibt fünf Begrenzungen der Geltung von Gemeinschaftsrecht in Deutschland: Rechtsakte der Gemeinschaft können erstens den Wesensgehalt der Grundrechte verletzen und damit den „unabdingbaren Grundrechtsstandard“ mißachten, den das Bundesverfassungsgericht in einem „Kooperationsverhältnis“ mit dem Europäischen Gerichtshof im Grundrechtsschutz zu verantworten meint (BVerfGE 89, 155 (174 f.); 102, 147 (163), Bay.VBl. 2000, 754 f. mit Anmerkung A. Emmerich-Fritsche, S. 755 ff.)329. Der Europäische Gerichtshof soll „den Grundrechtsschutz in jedem Einzelfall für das gesamte Gebiet der Europäischen Gemeinschaften garantieren“, so daß das Bundesverfassungsgericht „sich deshalb auf eine generelle Gewährleistung des unabdingbaren Grundrechtsstandards (. . .) beschränken“ könne (BVerfGE 89, 155 (174 f.); so schon BVerfGE 73, 339 (387)). Auch 1986 hatte das Bundesverfassungsgericht in seiner Solange II-Entscheidung Vorlagen im konkreten Normenkontrollverfahren nach Art. 100 Abs. 1 GG330 für unzulässig erklärt, weil und solange der Wesensgehalt der Grundrechte durch die Rechtsprechung des Gerichtshofs der Gemeinschaften generell und im wesentlichen gleich verbürgt werde (BVerfGE 73, 339 (347 ff., 383 ff., 387); vgl. integrationierend BVerfGE 102, 147 (163))331. Zweitens sollen die Rechtsakte die Strukturprinzipermann, Europarecht, § 6, IV, Rdn. 615 ff., S. 228 ff.; A. Bleckmann, Europarecht, § 11, S. 361 ff.; K. A. Schachtschneider, Die existentielle Staatlichkeit der Völker Europas, S. 104 ff.; ders./A. Emmerich-Fritsche, Das Verhältnis des Europäischen Gemeinschaftsrechts zum nationalen Recht Deutschlands, DSWR 1999, S. 81 ff., 116 ff.; dies., Das Gemeinschaftsrecht in Deutschland, in: K. A. Schachtschneider, Das Verfassungsrecht der Europäischen Union, § 5. 329 P. Kirchhof, Gegenwartsfragen an das Grundgesetz, JZ 1989, 453; ders., Rechtsschutz durch Bundesverfassungsgericht und Europäischen Gerichtshof, S. 109 ff., 115 ff., insb. 118; ders., Deutsches Verfassungsrecht und Europäisches Gemeinschaftsrecht, EuR Beiheft 1 (1991), S. 22 ff.; E. Klein, Der Verfassungsstaat als Glied einer europäischen Gemeinschaft, VVDStRL 50 (1991), S. 80 ff.; H. P. Ipsen, Bundesrepublik Deutschland in den Europäischen Gemeinschaften, HStR, Bd. VII, § 181, Rdn. 66 ff.; R. Streinz, Bundesverfassungsgerichtlicher Grundrechtsschutz und Europäisches Gemeinschaftsrecht, S. 304 f. (kritisch); K. Stern/M. Sachs, Das Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland, Bd. III/1, 1988, S. 293 ff.; R. Zuck, Das Gerede vom gerichtlichen Kooperationsverhältnis, NJW 1994, 978 f., mit richtiger Kritik; kritisch auch H. P. Ipsen, Zehn Glossen zum Maastricht-Urteil, EuR 1994, 3 f., 9 f.; vgl. K. A. Schachtschneider, Die existentielle Staatlichkeit der Völker Europas, S. 104 ff.; ders./ A. Emmerich-Fritsche, Das Verhältnis des Europäischen Gemeinschaftsrechts zum nationalen Recht Deutschlands, DSWR 1999, S. 82 ff., 116 f.; dies., Das Gemeinschaftsrecht in Deutschland, § 5. 330 Dazu 11. Kap., I. 331 H. P. Ipsen, Bundesrepublik Deutschland in den Europäischen Gemeinschaften, HStR, Bd. VII, § 181, Rdn. 68 ff.; E. Klein, Der Verfassungsstaat als Glied einer europäischen Gemeinschaft, VVDStRL 50 (1991), S. 80; P. Kirchhof, Der deutsche Staat im Prozeß der europäischen Integration, HStR, Bd. VII, § 183, Rdn. 66, sieht auch in dieser Solange II-Dogmatik ein „Kooperationsangebot“; ebenso R. Streinz, Der Vollzug des Europäischen Gemeinschaftsrechts durch deutsche Staatsorgane, HStR, Bd. VII, 1992, § 182, Rdn. 73; vgl. schon BVerfG, EuR 1989, 270 (273); dazu K. A.

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4. Kap.: Staat und Staatlichkeit

pien der deutschen Verfassung nicht beeinträchtigen dürfen (BVerfGE 37, 271 (279); 73, 339 (376)), zumal jetzt Art. 23 Abs. 1 S. 1 und 2 GG die Übertragung von Hoheitsrechten nur für die Entwicklung einer Europäischen Union erlaubt, „die demokratischen, rechtsstaatlichen, sozialen und föderativen Grundsätzen“ und im übrigen „dem Grundsatz der Subsidiarität verpflichtet ist und einen diesem Grundgesetz im wesentlichen vergleichbaren Grundrechtsschutz gewährleistet“ (vgl. BVerfGE 89, 155 (187 f.), nicht explizit)332. Das Gericht hat im Beschluß vom 14. Oktober 2004 (BVerfGE 111, 307 (319)) vom „weit zurückgenommenen Souveränitätsvorbehalt“ nach Art. 23 Abs. 1 GG gesprochen. Es gibt vielfältige Möglichkeiten, die genannten Strukturprinzipien, etwa das weitgefächerte Rechtsstaatsprinzip, zu verletzen. Drittens dürfen die Rechtsakte nicht das Prinzip der begrenzten und bestimmbaren Ermächtigung der Union und der Gemeinschaften mißachten, also ultra vires ergehen333, so daß „die deutschen Staatsorgane aus verfassungsrechtlichen Gründen gehindert wären, diese Rechtsakte in Deutschland anzuwenden“ (BVerfGE 89, 155 (187 ff., 191 ff.)). Die Union und ihre Gemeinschaften würden die ihnen eingeräumten Hoheitsrechte überschreiten, also ihre Befugnisse verletzen, wenn sie viertens das Subsidiaritätsprinzip nach Art. 2 Abs. 2 EUV und Art. 5 Abs. 2 EGV mißachten. Das Subsidiaritätsprinzip hat das Bundesverfassungsgericht für die Union und für die Europäische Gemeinschaft als „verbindlichen Rechtsgrundsatz“ erkannt und ihm als Kompetenzausübungsschranke Verbindlichkeit beigemessen (BVerfGE 89, 155 (189, 193, 210 ff.))334. Fünftens schließlich hat das Schachtschneider/A. Emmerich-Fritsche, Das Verhältnis des Europäischen Gemeinschaftsrechts zum nationalen Recht Deutschlands, DSWR 1999, S. 82 ff. (84); dies., Das Gemeinschaftsrecht in Deutschland, § 5. 332 Vgl. P. Kirchhof, Europäische Einigung und Verfassungsstaat, S. 96 f., 97 f.; ders., Der deutsche Staat im Prozeß der europäischen Integration, HStR, Bd. VII, § 183, Rdn. 58 f., 61 ff.; M. Herdegen, Die Belastbarkeit des Verfassungsgefüges auf dem Weg zur Europäischen Union, EuGRZ 1992, 589 ff., 592 ff.; auch E. Klein, Der Verfassungsstaat als Glied einer europäischen Gemeinschaft, VVDStRL 50 (1991), S. 71, 81 f.; M. Mosler, Die Übertragung von Hoheitsgewalt, HStR, Bd. VII, § 175, Rdn. 65 ff. (zurückhaltend für das Bundesstaatsprinzip); H. P. Ipsen, Bundesrepublik Deutschland in den Europäischen Gemeinschaften, HStR, Bd. VII, § 181, Rdn. 9, 67; R. Bernhardt, Verfassungsrecht und völkerrechtliche Verträge, HStR, Bd. VII, § 174, Rdn. 26, akzeptiert als Grenze der Übertragung von Hoheitsrechten nach Art. 79 Abs. 3 GG erst die „vollständige Aufgabe deutscher Staatlichkeit“; K. A. Schachtschneider, Die existentielle Staatlichkeit der Völker Europas, S. 105 f. 333 A. Bleckmann, Europarecht, 6. Aufl. 1997, Rdn. 380 ff., S. 149 ff.; E. Klein, Der Verfassungsstaat als Glied einer europäischen Gemeinschaft, VVDStRL 50 (1991), S. 61, 66; P. Kirchhof, Der deutsche Staat im Prozeß der europäischen Integration, HStR, Bd. VII, § 183, Rdn. 47, 64; K. A. Schachtschneider/A. Emmerich-Fritsche/Th. C. W. Beyer, Der Vertrag über die Europäische Union und das Grundgesetz, JZ 1993, 751; K. A. Schachtschneider, Die existentielle Staatlichkeit der Völker Europas, S. 106; zur ultra-vires-Lehre 9. Kap., I, 3. 334 Vgl. schon E. Klein, Der Verfassungsstaat als Glied einer europäischen Gemeinschaft, VVDStRL 50 (1991), S. 72 f.; K. A. Schachtschneider, Die existentielle Staatlichkeit der Völker Europas, S. 106, 134 ff.

III. Ausübung der Staatsgewalt europäischer Völker

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Bundesverfassungsgericht das gemeinschaftsrechtliche Mehrheitsprinzip335 „gemäß dem aus der Gemeinschaftstreue folgenden Gebot wechselseitiger Rücksichtnahme“ in die Grenzen der Verfassungsprinzipien und der „elementaren Interessen der Mitgliedstaaten“ gewiesen (BVerfGE 89, 155 (184))336. Auch dieses Rechtsprinzip, das den dahingehenden Luxemburger Kompromiß von 1966 verallgemeinert und verbindlich macht, ist von den Gerichten zu beachten. Die „elementaren Interessen“ Deutschlands haben die zuständigen deutschen Organe zu definieren, vor allem also die Legislative. Wenn diese jedoch versagt oder irrt, haben die Gerichte dieses Prinzip wie alle anderen Rechtsprinzipien zu verantworten, weil Deutschland seine elementaren Interessen nicht der mehrheitlichen Disposition der Union oder deren Gemeinschaften überantworten durfte und darum rechtens derart zu handhabende Hoheitsrechte nicht übertragen hat.

335 Dazu H. P. Ipsen, Bundesrepublik Deutschland in den Europäischen Gemeinschaften, HStR, Bd. VII, § 181, Rdn. 17 f. 336 K. A. Schachtschneider, Die existentielle Staatlichkeit der Völker Europas, S. 106 f., 124 ff.; W. Hankel u. a., Die Euro-Klage, S. 270 ff.

5. Kapitel

Verfassungsprinzip I. Menschheitliche Verfassung Der Rechtsstaat ist ein bürgerlicher Verfassungsstaat337. Die Verfassung der Menschen ist die der Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit, wie das Art. 1 AEMR anerkennt338. Diese Verfassung ist mit dem Menschen geboren339. Sie ist die Menschheit der Menschen und steht nicht zur Disposition der Politik340. Zur Verfassung der Menschen gehören das Recht am und das Recht auf Eigentum341, aber auch die anderen Menschenrechte, insbesondere das Recht der freien Rede342. Die apriorische Verfassung wird durch das Verfassungsgesetz eines Volkes verwirklicht und materialisiert. Das Verfassungsgesetz ist Sache des Volkes. Das Verfassungsgesetz begründet den Staat343.

337 C. J. Friedrich, Der Verfassungsstaat der Neuzeit, 1953; M. Kriele, Einführung in die Staatslehre. Die geschichtliche Legitimationsgrundlage des demokratischen Verfassungsstaates, 1975, 5. Aufl. 1994, S. 93 ff., 206 ff.; K. Stern, Staatsrecht I, S. 787 f.; J. Isensee, Staat und Verfassung, HStR, Bd. I, § 13, Rdn. 121 ff.; K. A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 25, 144, 932 ff.; ders., Die Republik der Völker Europas, ARSP-Beiheft 71 (1997), S. 154 ff. (auch zum Folgenden). 338 Vgl. 2. Kap., III, 3. Kap., I, II, III, 1, IV, 1 und 3. 339 Kant, Metaphysik der Sitten, S. 345 f., 365 f., 374 ff.; K. A. Schachtschneider (O. Gast), Sozialistische Schulden nach der Revolution, S. 29 ff.; weitere Hinweise in Fn. 362. 340 Kant, Grundlegung zur Metaphysik der Sitten, S. 63; ders., Metaphysik der Sitten, S. 381 f., auch S. 345; K. A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 446 ff. 341 K. A. Schachtschneider, Das Recht am und das Recht auf Eigentum, FS W. Leisner, S. 743 ff., insb. S. 751 ff., 755 ff.; ders., Freiheit in der Republik, 10. Kap., II, III. 342 Kant, Metaphysik der Sitten, S. 345 f.; vgl. Art. 1 der Zusatzartikel (Bill of Rights) von 1791 zur Verfassung der USA von 1789; eher eng Art. 5 Abs. 1 GG; dazu W. Brugger, Grundrechte und Verfassungsgerichtsbarkeit in den Vereinigten Staaten von Amerika, 1987, S. 216 ff. 343 K. A. Schachtschneider (O. Gast), Sozialistische Schulden nach der Revolution, S. 30 ff., 36; i. d. S. M. Kriele, Einführung in die Staatslehre, S. 11 ff., 93 ff., 206 ff.; J. Isensee, Staat und Verfassung, HStR, Bd. I, § 13, Rdn. 1 ff.; ders., Verfassungsrecht als „politisches Recht“, HStR, Bd. VII, 1992, § 162, Rdn. 29, 98 ff.; so schon Kant, Metaphysik der Sitten, S. 429.

II. Verfassungsgesetz

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II. Verfassungsgesetz 1. Das vornehmste Merkmal der existentiellen Staatlichkeit des Volkes ist die (meist so genannte) Verfassungshoheit, der pouvoir constituant, das Recht des Volkes, sich ein Verfassungsgesetz zu geben. Das Bundesverfassungsgericht spricht im Maastricht-Urteil von der „Souveränität„344. Zur existentiellen Staatlichkeit gehören aber abgesehen von bestimmten Politiken, wie der Wirtschafts-, Währungs- und Sozialpolitik345, auch die Gesetzgebungs-, die Verwaltungs- und die Rechtsprechungshoheit und vor allem die Hoheit, die (rechtliche) Gesetzlichkeit, ultima ratio mit Zwang, durchzusetzen346. Das Verfassungsgesetz ist das höchstrangige positive Gesetz zur Verwirklichung der Freiheit der Bürger, der mit dem Menschen geborenen Verfassung. Sie ist die Grundlage der um des Rechts willen notfalls zwangsweisen Verwirklichung der Gesetze347. Nur verwirklichte Gesetzlichkeit ist wirkliche Freiheit, sofern die Gesetze durch ihre Sittlichkeit Recht schaffen348. Die staatliche Gewalt (als die Hoheit des Volkes) muß im Interesse des Friedens unüberwindlich sein. Der gemeinsame Frieden verbietet konkurrierende staatliche Gewalten auf einem Gebiet. Das Prinzip der Einzigkeit der Staatsgewalt ist ein Fundament moderner Staatlichkeit (Hobbessche These)349 und damit auch eines der Europäischen Union als einer Gemeinschaft von zu Staaten verfaßten Völkern350. 2. Das Gemeinwesen muß zur Verwirklichung der Verfassung ein Verfassungsgesetz haben351, welches die Einrichtungen und die Verfahren des Staates, also die Gesetzgebung, die Verwaltung und die Rechtsprechung, ordnet, aber auch die Menschenrechte als Grundrechte unter den Schutz des Staates stellt. 344 BVerfGE 89, 155 (186 f., 188 ff.) u. ö.; ebenso P. Kirchhof, Europäische Einigung und der Verfassungsstaat der Bundesrepublik Deutschland, in: J. Isensee (Hrsg.), Europa als politische Idee und als rechtliche Form, 1993, S. 63 ff., S. 89, 95 u. ö.; dieser Ausdruck paßt zum monarchischen Prinzip, nicht zum Paradigma der Freiheit; vgl. auch H. P. Schneider, Die verfassunggebende Gewalt, HStR, Bd. VII, 1992, § 158, Rdn. 20. 345 K. A. Schachtschneider, Die existentielle Staatlichkeit der Völker Europas, S. 129 ff., 132 ff.; W. Hankel u. a., Die Euro-Klage, S. 247 ff., 256 ff. 346 K. A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 545 ff.; ders., Die existentielle Staatlichkeit der Völker Europas, S. 81 f. 347 K. A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 545 ff.; ders., Die existentielle Staatlichkeit der Völker Europas, S. 81 f.; vgl. Kant, Metaphysik der Sitten, S. 338 f. 348 Dazu 6. Kap., I, 1 und 2; auch 2. Kap., II, 3. Kap., II, V, 1, 4. Kap., I. 349 Hobbes, Leviathan, I, 13; II, 17; H. Krüger, Allgemeine Staatslehre, 2. Aufl. 1966, § 36 I, S. 847 ff.; K. A. Schachtschneider, Die existentielle Staatlichkeit der Völker Europas, S. 81 ff. 350 Dazu K. A. Schachtschneider, Die existentielle Staatlichkeit der Völker Europas, S. 87 ff.; vgl. 4. Kap., III. 351 Zur Unterscheidung von Verfassung und Verfassungsgesetz K. A. Schachtschneider (O. Gast), Sozialistische Schulden nach der Revolution, S. 29 ff., 50 ff.

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5. Kap.: Verfassungsprinzip

Die Staats- und die Regierungsform, die Form des Politischen nach dem Grundgesetz ist die föderale Republik, die Bundesrepublik. Eine Republik ist Rechtsstaat und muß demokratisch sein; denn die Republik ist der Staat der Freiheit352. Ein Verfassungsstaat ist ein Freistaat; denn nur ein Staat, der die Rechte der Menschen sichert, insbesondere durch Teilung der Gewalt (BVerfGE 2, 1 (13); 3, 225 (247); 5, 85 (140); 18, 52 (59); 22, 106 (111); 49, 89 (124 ff.); 61, 1 (86 f.)), hat eine Verfassung, wie Art. 16 der Erklärung der Rechte der Menschen und der Bürger von 1789 klargestellt hat353. 3. Das Verfassungsgesetz ordnet den Staat. Es hat Verbindlichkeit für die Bürger und ihren Staat. Niemand im Gemeinwesen darf ex constitutione stehen. Alle Menschen, die miteinander leben, also aufeinander einwirken, sind verpflichtet, sich eine „bürgerliche Verfassung“ zu geben (Kant)354, also sich zu einem Staat zu vereinen. „Ein Staat (civitas) ist die Vereinigung einer Menge von Menschen unter Rechtsgesetzen“ (Kant)355, wie der Sache nach schon Cicero gelehrt hat356. 4. Das Verfassungsgesetz gibt der Staatlichkeit im weiteren und im engeren Sinne eine Grundordnung. Das Verfassungsgesetz bestimmt, wer Bürger ist. Grundsätzlich müssen um der allgemeinen Freiheit willen alle Menschen, die in einem Gebiet leben, Bürger sein dürfen und Bürger sein wollen. In Deutschland sind nur Deutsche (Art. 116 GG) Bürger. Bürger ist, wer (mit den anderen Bürgern) Gesetzgeber ist, sei es unmittelbar oder sei es durch Vertreter in den Gesetzgebungsorganen mittelbar. Wegen der (meist notwendigen) Repräsentativität der Gesetzgebung ist das Recht, die Abgeordneten in die Organe der Gesetzgebung zu wählen, die wesentliche Bürgerlichkeit. Wer dieses Wahlrecht hat, ist (zumindest funktional) Bürger. Ein Wahlrecht von Ausländern widerspricht dem Prinzip der Bürgerlichkeit; denn diese ist nichts anderes als die Zugehörigkeit zum Volk, die (grundsätzlich) identisch mit der Staatsangehörigkeit ist357. 352 Dazu umfassend K. A. Schachtschneider, Res publica res populi. Grundlegung einer Allgemeinen Republiklehre. Ein Beitrag zur Freiheits-, Rechts- und Staatslehre, 1994; ders., Freiheit in der Republik, 2006. 353 Vgl. Montesquieu, Vom Geist der Gesetze, XI, 6; Kant, Metaphysik der Sitten, S. 431 ff. 545; ders., Zum ewigen Frieden, ed. Weischedel, Bd. 9, S. 206 f.; W. Maihofer, Prinzipien freiheitlicher Demokratie, HVerfR, S. 437 ff., 441 ff., 454, 461 ff., 513 ff., u. ö.; M. Kriele, Einführung in die Staatslehre, S. 121 ff.; K. A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 168 ff., 560 ff., auch S. 909 ff.; ders. (O. Gast), Sozialistische Schulden nach der Revolution, S. 29 ff. 354 Metaphysik der Sitten, S. 365 f., 374; ders., Zum ewigen Frieden, S. 203; K. A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 426, 447, 551 ff., 562 f.; ders. (O. Gast), Sozialistische Schulden nach der Revolution, S. 29 ff. 355 Metaphysik der Sitten, S. 431; W. Maihofer, Prinzipien freiheitlicher Demokratie, HVerfR, S. 468; K. A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 519 ff.; ders. (O. Gast), Sozialistische Schulden nach der Revolution, S. 29 ff. 356 De re publica, Vom Gemeinwesen, ed. Büchner, 1979, S. 144; vgl. dazu Zitat zu Fn. 207.

III. Verfassungsgesetzgebungshoheit des Volkes

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III. Verfassungsgesetzgebungshoheit des Volkes Nur ein neues Verfassungsgesetz Deutschlands kann das Verfassungsprinzip der deutschen Staatlichkeit (im existentiellen Sinne) einschränken oder gar aufheben; nicht nur, weil dieses Prinzip in Art. 20 GG verankert und durch Art. 79 Abs. 3 GG geschützt ist358, sondern weil nur der existentielle Staat (als verfaßte Bürgerschaft359) willensfähig ist, so daß der Staat im engeren Sinne als funktionale Organisation des Staates im weiteren Sinne, der Bürgerschaft also, für die Verwirklichung des gemeinen Wohls (des guten Lebens aller in allgemeiner Freiheit) sich nicht selbst aufheben oder auch nur seine Kompetenzen (Aufgaben und Befugnisse) einschränken kann. Die Hoheit über das Verfassungsgesetz hat nur das Volk selbst. Es kann in der Verfassungsgesetzgebung (im Unterschied zur Änderung des Verfassungsgesetzes, vgl. Art. 79 Abs. 3 GG) nicht vertreten werden (in diesem Sinne klar Art. 44 Abs. 3 Bundesverfassung der Republik Österreich). Die Legislative hat nicht das Recht, ein neues Verfassungsgesetz vorzuschlagen oder sich an dessen Bearbeitung zu beteiligen. Das ist ausweislich Art. 79 Abs. 3 GG und Art. 146 GG nicht die Befugnis der Legislative, schon gar nicht die der Exekutive; denn deren Befugnisse sind durch das geltende Verfassungsgesetz (in Deutschland das Grundgesetz) begrenzt. Ein von den Regierungen und Parlamenten eingesetzter Verfassungskonvent der Europäischen Union ist ein verfassungswidriger Versuch eines Umsturzes. Nur das Volk kann eine Verfassungsversammlung einberufen, die ein neues Verfassungsgesetz ausarbeitet, welches vom Volk in einem Verfassungsreferendum beschlossen wird360. Die Initiative kann aus der Mitte des Volkes kommen, aber auch von Parteien, oder wegen der allgemeinen Gemeinwohlverantwortung von Organen des Staates. Die Übertragung von Hoheitsrechten auf „zwischenstaatliche Einrichtungen“ (Art. 24 Abs. 1 GG) oder auf die „Europäische Union“ (Art. 23 Abs. 1 GG) kann somit nicht die Hoheit der Deutschen aufgeben oder auch nur einschränken361, weil der Staat im engeren Sinne diese Befugnis nicht hat und in einem freiheitlichen Gemeinwesen der Bürger, einer Republik also, nicht haben kann, wenn die Republik nicht ihr Wesen, nämlich Verfassung der Bürger als Bürger 357 I. d. S. BVerfGE 83, 37 (50 ff.); 83, 60 (71 ff.); K. A. Schachtschneider, Die existentielle Staatlichkeit der Völker Europas, S. 79 ff., 136 f. 358 I. d. S. auch K. A. Schachtschneider, Die Europäische Union und die Verfassung der Deutschen, in: Aus Politik und Zeitgeschichte, B 28/93, S. 3 ff.; ders., Die existentielle Staatlichkeit der Völker Europas, S. 79 ff. 359 Dazu 4. Kap., II. 360 Dazu J. Isensee, Schlußbestimmungen des Grundgesetzes: Artikel 146, HStR, Bd. VII, 1992, § 166, Rdn. 19 ff., 62 ff., sehr restriktiv, wenig demokratisch; K. A. Schachtschneider, Das Recht und die Pflicht zum Ausstieg aus der Währungsunion, in: W. Hankel u. a., Die Euro-Illusion, S. 340 ff. 361 Dazu 4. Kap., III.

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5. Kap.: Verfassungsprinzip

zu sein, einbüßen soll. Der Staat im engeren Sinne existiert nur durch die bürgerliche Verfassung. Er ist seinem freiheitlichen Begriff nach Verfassungsstaat362. Seine Rechtsakte haben nur in den Grenzen des Verfassungsgesetzes Verbindlichkeit. Weil die bürgerliche Staatlichkeit nichts anderes ist als die (rechtliche) Gesetzlichkeit, existiert der Staat im engeren Sinne nur als Verfaßtheit und Gesetzlichkeit und vermag darüber hinaus keine Wirkung zu entfalten (ultra-vires-Lehre363); denn Rechtsakte entgegen dem Verfassungsgesetz bewirken nichts. Sie sind vielmehr nichtig. Die existentielle Staatlichkeit der Deutschen zu relativieren, haben nicht die Vertreter des Volkes (mittels verfassungsändernder Gesetze) die Befugnis, sondern nur das Volk364. Das Volk aber entscheidet sich im Verfassungsgesetz.

IV. Kleine Einheiten als Verfassungsprinzip Das größte Problem der integrierten Welt ist, welche territoriale Basis ein Staat haben soll, der aus Gründen des demokratischen Prinzips der Freiheit die letzte Rechtsverantwortung hat (i. d. S. BVerfGE 89, 155 (124 f., 178))365. Das 362 M. Kriele, Einführung in die Staatslehre, S. 206 ff., 312 ff.; K. Stern, Staatsrecht I, S. 787 ff., u. ö.; H. Steinberger, Der Verfassungsstaat als Glied einer europäischen Gemeinschaft, VVDStRL 50 (1991), S. 9 ff., insb. S. 23; P. Häberle, Föderalismus, Regionalismus, Kleinstaaten – in Europa, Die Verwaltung, 25 (1992), S. 1 ff., insb. S. 13; auch P. Kirchhof, Europäische Einigung und Verfassungsstaat, passim, insb. S. 83, 85 ff., der Staatlichkeit und Verfaßtheit jedoch nicht identifiziert; vgl. auch Staat und Verfassung differenzierend J. Isensee, Staat und Verfassung, HStR, Bd. I, § 13, Rdn. 1 ff., 26 ff., 121 ff.; K. A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 25, 29, auch S. 932 ff.; ders., Die existentielle Staatlichkeit der Völker Europas, S. 79 ff.; ders. (O. Gast), Sozialistische Schulden nach der Revolution, S. 29 ff.; grundlegend C. J. Friedrich, Der Verfassungsstaat der Neuzeit, 1953. 363 H. H. Rupp, Die Unterscheidung von Staat und Gesellschaft, HStR, Bd. I, § 28, Rdn. 31; K. A. Schachtschneider, Staatsunternehmen und Privatrecht, S. 22 f., 41 f., 256, 262; ders., Res publica res populi, S. 451 f., u. ö.; J. Burmeister, Verträge und Absprachen zwischen der Verwaltung und Privaten, VVDStRL 52 (1993), S. 210 ff.; dazu 9. Kap., I, 3. 364 Vgl. BVerfGE 37, 271 (279); 89, 155 (171 f., 182 ff., 185 ff.); in diesem Sinne Ch. Tomuschat, GG, Bonner Komm., Rdn. 31, 50 f., 79, 95 zu Art. 24; auch P. Badura, Bewahrung und Veränderung demokratischer und rechtsstaatlicher Verfassungsstrukturen in den internationalen Gemeinschaften, VVDStRL 23 (1966), S. 74; H. H. Rupp, Muß das Volk über den Vertrag von Maastricht entscheiden?, NJW 1993, 38 ff.; D. Murswiek, Maastricht und der Pouvoir Constituant, in: Der Staat 32 (1993), S. 163 ff.; K. A. Schachtschneider, Aus Politik und Zeitgeschichte B 28/93, S. 3; ders., Die existentielle Staatlichkeit der Völker Europas, S. 81; ders., Die Republik der Völker Europas, ARSP-Beiheft 71 (1997), S. 170 ff.; W. Hankel u. a., Die EuroKlage, S. 249 ff.; a. A. H. P. Ipsen, Europäisches Gemeinschaftsrecht, 1972, § 2, S. 36 f., 65 f. 365 Dazu K. A. Schachtschneider, Die existentielle Staatlichkeit der Völker Europas, S. 75 ff., 79 ff., 87 ff., 100 ff.; ders., Die Republik der Völker Europas, ARSP-Beiheft 71 (1997), S. 163, 171; ders. (O. Gast), Sozialistische Schulden nach der Revolution, S. 29 ff., 50 ff.; dazu 4. Kap., II.

V. Verfassungsgesetzgebung

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demokratische Prinzip verträgt nur kleine Einheiten366. Es verlangt zudem ein hinreichendes Maß an Homogenität der Bürger367. Darum sind jedenfalls in Europa noch immer die Nationen die geeigneten Gemeinschaften für die existentielle Staatsbildung, nicht ganz Europa368. Die Europäer leben aber zusammen, organisiert in der (den Großteil Europas erfassenden) Europäischen Union. Alle Europäer haben Anspruch auf eine Rechtsgemeinschaft, auf eine Ordnung Europas, welche die Rechtsstaatlichkeit des gemeinsamen Lebens sicherstellt. Das wird am besten durch eine europäische Republik der Republiken gewährleistet, welche, soweit das nötig ist (Subsidiaritätsprinzip, Art. 2 Abs. 2 EUV, Art. 5 Abs. 2 EGV, Art. 23 Abs. 1 S. 1 GG), die gemeinschaftliche Ausübung der Staatlichkeit der Völker organisiert369. Ein Volk (im nationalen Sinne) hat ein Recht auf einen nationalen Verfassungsstaat370.

V. Verfassungsgesetzgebung und Verfassungsgesetzänderung Das grundgesetzliche Verfassungsgesetz bewirkt und bestimmt wesentlich Sein und Werden der Bundesrepublik Deutschland. Es gilt seit dem Beitritt der DDR am 3. Oktober 1990 auch als Verfassungsgesetz der neuen Länder im (jetzigen) Osten Deutschlands371. Art. 146 GG begrenzt jedoch die zeitliche Gültigkeit des Grundgesetzes bis zu dem Tage, „an dem eine Verfassung in Kraft tritt, die von dem deutschen Volk in freier Entscheidung beschlossen worden ist“372. Eine Verfassungsgesetzgebung muß aus demokratischen Gründen 366 J.-J. Rousseau, Vom Gesellschaftsvertrag, III, 4; eindrucksvoll K. Lorenz, Der Abbau des Menschlichen, 2. Aufl. 1983, S. 222 f.; K. A. Schachtschneider, Die Republik der Völker Europas, ARSP-Beiheft 71 (1997), S. 173; G. Habermann, Nonzentralisation, Kleinstaat und Direktdemokratie, in: St. Brink/H. A. Wolff (Hrsg.), Gemeinwohl und Verantwortung, FS H. H. v. Arnim, 2004, S. 327 ff. 367 K. A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 1177 ff.; ders., Die existentielle Staatlichkeit der Völker Europas, S. 86 f.; ders., Die Republik der Völker Europas, ARSP-Beiheft 71 (1997), S. 168 ff.; ders. (O. Gast), Sozialistische Schulden nach der Revolution, S. 50 ff., insb. S. 63 f.; dazu 4. Kap., II, 5. 368 I. d. S. BVerfGE 89, 155 (171 f., 182 ff., 185 ff.); dazu K. A. Schachtschneider, Die existentielle Staatlichkeit der Völker Europas, S. 111 ff., 114 ff.; ders., Die Republik der Völker Europas, ARSP-Beiheft 71 (1997), S. 167 f., 170 ff.; dazu 4. Kap., III, 3 und 4. 369 Dazu K. A. Schachtschneider, Die existentielle Staatlichkeit der Völker Europas, S. 87 ff.; ders., Die Republik der Völker Europas, ARSP-Beiheft 71 (1997), S. 161 ff. 370 K. A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 1177 ff., 1186 ff.; ders. (O. Gast), Sozialistische Schulden nach der Revolution, S. 50 ff., 78 ff. 371 Dazu K. A. Schachtschneider (O. Gast), Sozialistische Schulden nach der Revolution, S. 29 ff., 50 ff. (S. 78 ff.). 372 Dazu J. Isensee, Schlußbestimmungen des Grundgesetzes: Art. 146, HStR, Bd. VII, 1992, § 166, S. 271 ff.; P. Badura, Verfassungsänderungen, Verfassungswandel, Verfassungsgewohnheitsrecht, HStR, Bd. VII, 1992, § 160, Rdn. 18 ff.; H.-P.

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5. Kap.: Verfassungsprinzip

des Freiheitsprinzips durch Referendum des Volkes (pouvoir constituant) erfolgen373. Jedes eigenständig entscheidbare Prinzip sollte getrennt zur Abstimmung des Volkes gestellt werden; denn sonst bestimmt die verfassungsvorbereitende Versammlung die Materie der Verfassung, und die Bürger müssen Prinzipien, die sie (mehrheitlich) nicht wollen, hinnehmen, weil über das Verfassungsgesetz nur einheitlich abgestimmt wird. Freilich sind die Prinzipien des Verfassungsgesetzes wegen der Einheit der Verfassung integriert, so daß eine abschließende Gesamtabstimmung über das Verfassungsgesetz notwendig ist. Alles kommt auf die faire Auswahl der Verfassungsversammlung an. Auf diese Versammlung sollten die Parteien keinen bestimmenden Einfluß ausüben können. Sonst wäre zu befürchten, daß das neue Verfassungsgesetz durch einen Artikel eingeleitet würde, der lautet: Deutschland ist ein Parteienstaat. Auch Verfassungsänderungen sollten durch Referenden beschlossen werden können, wie das der Freistaat Bayern in Art. 75 in Verb. mit Art. 72 Abs. 1 BV ermöglicht374, nicht nur durch die legislativen Vertretungsorgane (Art. 79 Abs. 2 GG). Verfassungsgesetzändernde Gesetze werden gemäß Art. 79 Abs. 2 GG mit zwei Dritteln der Mitglieder des Bundestages und zwei Dritteln der Stimmen des Bundesrates beschlossen (pouvoir constitué). Gesetzliche Verfassungsänderungen dürfen weder das Verfassungsgesetz in den Grundlagen (Art. 79 Abs. 3 GG) noch gar die menschheitliche Verfassung ändern375.

VI. Verfassungsgerichtsbarkeit Zum Verfassungsstaat gehört ein Verfassungsgericht mit den elementaren Verfassungsgerichtsaufgaben, nämlich der für Organstreitigkeiten und der für Normenkontrollen und im Bundesstaat der für Bund-Länder-Streitigkeiten, aber auch der für Verfassungsbeschwerden von Bürgern, wie sie u. a. Art. 93 GG vorsieht376. Einen allgemeinen Begriff der Verfassungsstreitigkeit gibt es nicht. Schneider, Verfassunggebende Gewalt, HStR, Bd. VII, 1992, § 158, Rdn. 38; K. A. Schachtschneider (O. Gast), Sozialistische Schulden nach der Revolution, S. 62, 82, 85, 88 ff., 162 f. 373 Dazu P. Kirchhof, Die Identität der Verfassung in ihren unabänderlichen Inhalten, HStR, Bd. I, 1987, § 19, Rdn. 15 ff.; H.-P. Schneider, Die verfassungsgebende Gewalt, HStR, Bd. VI, 1992, § 158, Rdn. 1 ff., 34 ff.; P. Badura, Verfassungsänderungen, Verfassungswandel, Verfassungsgewohnheitsrecht, HStR, Bd. VII, § 160, Rdn. 16 ff. 374 Dazu K. A. Schachtschneider, Popularklage und Antrag auf Klärung einer Meinungsverschiedenheit wegen Abschaffung des Bayerischen Senats vom 17. Dezember 1998, 1998. 375 Dazu P. Kirchhof, Die Identität der Verfassung in ihren unabänderlichen Inhalten, HStR, Bd. I, § 19, Rdn. 31 ff.; P. Badura, Verfassungsänderungen, Verfassungswandel, Verfassungsgewohnheitsrecht, HStR, Bd. VII, § 160, Rdn. 16 ff. 376 Dazu W. Löwer, Zuständigkeiten und Verfahren des Bundesverfassungsgerichts, HStR, Bd. II, 1987, § 56, Rdn. 3 ff., 7 ff.

VI. Verfassungsgerichtsbarkeit

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Verfassungsprozesse sind die, welche vom Verfassungsgesetz dem Verfassungsgericht zur Entscheidung aufgegeben sind (vgl. i. d. S. Art. 93 GG)377. Ohne Verfassungsgericht sind die materiellen Verfassungsbestimmungen von geringer Wirksamkeit und kommen in Gefahr, obsolet zu werden. Ein Verfassungsgericht ist eine notwendige republikanische Institution378. Die umfangreiche Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts beweist die Relevanz des Grundgesetzes für das deutsche Gemeinwesen. Verfassungs- und Verwaltungsrecht, aber auch Verfassungs- und Privatrecht sind in der Rechtspraxis eng verflochten.

377 K. A. Schachtschneider/A. Emmerich-Fritsche, Kommunaler Wettbewerb, S. 43 ff.; ders., Der Rechtsweg zum Bundesverfassungsgericht in Bund-Länder-Streitigkeiten, 1969, S. 170 ff.; i. d. S. auch W. Löwer, Zuständigkeiten und Verfahren des Bundesverfassungsgerichts, HStR, Bd. II, § 56, Rdn. 3. 378 K. A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 932 ff.; K. Stern, Staatsrecht I, S. 624, 841 f.; ders., Staatsrecht II, S. 940 ff., 951 ff.

6. Kapitel

Gesetzesprinzip I. Gemeinsames gutes Leben durch Gesetzlichkeit 1. Gesetzlichkeit des gemeinsamen Lebens a) Der Staat als Rechtsstaat, der Staat des Rechts, ist Gesetzesstaat. Rechtliche Gesetzlichkeit ist die Wirklichkeit der allgemeinen Freiheit, der Gleichheit aller in der Freiheit379. Nur der Gesetzesstaat ist demokratisch (im Sinne des Art. 20 Abs. 1 GG); denn das Volk bildet seinen Willen in Gesetzen, die der allgemeine Wille des Volkes, der Wille aller Bürger (die volonté générale) sind380. Es gibt keinen Gegensatz von Demokratie und Rechtsstaat381, vielmehr sind Rechtsstaat und Demokratie unterschiedliche Begriffe für dasselbe Prinzip des Politischen, die Wirklichkeit der allgemeinen Freiheit (in Gleichheit und Brüderlichkeit)382. Das ist die Logik der Idee der Freiheit, die jeden Menschen als Vernunftwesen anerkennt und ihm darum einen Willen zuerkennt, den Willen, der ihm das Gesetz gibt, das freilich auch das Gesetz für alle ist und darum ein allgemeines Gesetz sein muß. Das freiheitliche Postulat der allgemeinen Gesetzlichkeit ist nichts anderes als das demokratische Prinzip, aus dem die nachstehend dargelegten Prinzipien des Rechtsstaates logisch folgen. Durch die Gesetze wird insbesondere das Sozialprinzip, die Brüderlichkeit, verwirklicht383. Die politische Form des gemeinsamen Lebens in Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit ist die Republik, der Staat, wenn dieser mit Kant als „der Vereinigung einer Menge von Menschen unter Rechtsgesetzen“384 definiert wird385. 379 K. A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 275 ff., 325 ff., 410 ff., 494 ff.; ders., Freiheit in der Republik, 2. Kap., IV, 5. Kap., II, 7. Kap., I, III. 380 Dazu 3. Kap., II und V, auch 2. Kap., II; K. A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 14 ff., 279 ff., 519 ff., 637 ff.; ders., Freiheit in der Republik, 2. Kap., III, IV, 5. Kap., II, IV. 381 So aber C. Schmitt, Verfassungslehre, S. 214 ff., 238 ff. (243, 247), 258 ff.; dazu K. A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 654 ff., 735 ff. 382 I. d. S. J. Habermas, Faktizität und Geltung, S. 154; ders., Die Einbeziehung des Anderen, S. 277 ff., 293 ff.; K. A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 14 ff., 685 ff., 735 ff., passim. 383 Dazu K. A. Schachtschneider, Das Sozialprinzip, S. 71 ff.; ders., Res publica res populi, S. 247 ff. 384 Metaphysik der Sitten, S. 431.

I. Gemeinsames gutes Leben durch Gesetzlichkeit

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Nur eine Republik kann gerecht sein. Es gibt keine gerechte Herrschaft386, weil Herrschaft ihrem Begriff nach rechtlos ist387. b) Die Gesetze machen verbindlich, was die Vertreter des ganzen Volkes (Art. 38 Abs. 1 S. 2 GG) als das Richtige für das gute Leben aller in allgemeiner Freiheit diskursiv ermittelt haben388, wenn nicht das Volk unmittelbar selber durch Abstimmung (Art. 20 Abs. 2 S. 2 GG) die Gesetze beschlossen hat. Die Gesetze sollen nicht die Interessen der Mehrheit oder einer Minderheit durchsetzen, sondern die Interessen aller Bürger an dem gemeinsamen guten Leben in Freiheit. Jeder Bürger soll am Diskurs um das richtige Gesetz teilnehmen können und möglichst teilnehmen389. Der unvermeidbar mit jeder Gesetzgebung verbundene Interessenausgleich, der materiale Kompromiß390, soll alle Bürger zufriedenstellen, soll also befrieden. Verbindlich für alle entscheidet die Legislative. Die Legislative übt das Volk selbst oder üben dessen Organe der Gesetzgebung (Art. 20 Abs. 2 S. 2 GG) aus. Der Republikanismus präferiert die Repräsentation391, ohne die unmittelbare Gesetzgebung durch das Volk auszuschließen. Rousseau hat die Vertretung des Volkes in der Gesetzgebung abgelehnt, weil „der Wille nicht vertreten werden“ könne392: „Jedes Gesetz, das das Volk nicht selbst beschlossen hat, ist nichtig; es ist überhaupt kein Gesetz“; denn das „Gesetz ist nur die Bekundung des Gemeinwillens“393. Im entwickelten Parteienstaat vermag nur die plebiszitäre Gesetzgebung, jedenfalls wenn es um schicksalhafte Entscheidungen geht, demokratisch zu legitimieren. Die plurale Parteienoligarchie ist ein Führerstaat394 und neigt zur Diktatur395. So war die Einführung der europäischen Währungsunion, deren Geldzeichen der Euro 385 K. A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 14 ff., 519 ff., a. ö.; ders., Die existentielle Staatlichkeit der Völker Europas, S. 75 ff.; dazu 3. Kap., II und V, 1, 4. Kap., I, II, 4. 386 A. A. insb. W. Henke, Recht und Staat. Grundlagen der Jurisprudenz, 1988, S. 251 ff. 387 K. A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 71 ff. 388 K. A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 350 ff. ff., 573 ff., u. ö.; ders., Freiheit in der Republik, 6. Kap., I, 1, 8. Kap., I, u. ö. 389 K. A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 584 ff. 390 K. A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 617 ff. 391 Kant, Metaphysik der Sitten, S. 439, 464 f.; ders., Zum ewigen Frieden, S. 206 ff.; ders., Über den Gemeinspruch, S. 152; K. A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 637 ff. 392 Vom Gesellschaftsvertrag, II, 1, III, 15. 393 Vom Gesellschaftsvertrag, III, 15. 394 M. Weber, Wirtschaft und Gesellschaft, Grundriß der verstehenden Soziologie, ed. Winckelmann, 5. Aufl. 1972, S. 837 ff., 857 ff.; H. Kelsen, Vom Wesen und Wert der Demokratie, 1923 2. Aufl. 1929, insb. S. 78 ff.; C. Schmitt, Verfassungslehre, S. 243 f., 246 f., 314 f., 319; K. A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 50 f., 654, 1122 ff., auch S. 1060 ff., 1086 ff. 395 K. Jaspers, Wohin treibt die Bundesrepublik?, 1965, 10. Aufl. 1988, S. 141 ff.

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6. Kap.: Gesetzesprinzip

ist, in Deutschland ein Akt der Diktatur, zumal der Rechtsschutz vom Bundesverfassungsgericht verweigert wurde, obwohl die Legislative und die Exekutive bei dem Schritt in die dritte Stufe der Währungsunion klare rechtliche Verbindlichkeiten, nämlich die stabilitätsrechtlichen Konvergenzkriterien, mißachtet hatten396. Die plebiszitäre Gesetzgebung muß bestmöglich vorbereitet sein, damit die Gesetzesalternativen jeweils Richtigkeit des Gesetzes gewährleisten. Republikanisch ist nur eine Repräsentation, die für die materielle Kompetenz (Befähigung) derer Sorge trägt, welche verbindlich für alle entscheiden sollen, die somit formell kompetent (zuständig) sind397. Plebiszitäre Gesetzgebung führt nur zur Herrschaft von Führern, wenn sie nicht mit einem Verfahren der Erkenntnis richtiger Gesetze verbunden ist. Als Gegengewicht gegen den republikwidrigen Parteienstaat398 ist die Gesetzgebung in unmittelbaren demokratischen Verfahren empfehlenswert, zumal Art. 20 Abs. 2 S. 2 GG auch Abstimmungen des Volkes als Ausübung der Staatsgewalt vorsieht. c) Das Volk verwirklicht, wenn nicht unmittelbar, mittelbar durch seine Organe, wie es Art. 20 Abs. 2 GG regelt, die allgemeine Freiheit durch Gesetzgebung und Gesetzesvollzug. Im Rahmen der allgemeinen Gesetze verwirklichen die Bürger ihre Freiheit in Privatheit, insbesondere durch Verträge399. Sowohl die staatlichen Gesetze als auch die Verträge sind freiheitlich im Sinne der Autonomie des Willens. Willensautonom sind auch das gesetzesgleiche Gewohnheitsrecht und die guten Sitten400. Die guten Sitten sind Übereinkünfte der jeweiligen Gruppen über das Richtige für ihr gemeinsames Leben. Sie sind privatheitliche Gesetze. Sie haben nur Verbindlichkeit für die jeweilige Gruppe und können sich nur im Rahmen der staatlichen Gesetze entfalten. Sie binden nicht den Staat, der an keiner besonderen Gruppe beteiligt ist und sein darf401. Geltungsgrund aller rechtlichen Regelungen ist somit die Freiheit der Bürger402.

396 Vgl. BVerfGE 97, 150 (370 ff.); K. A. Schachtschneider, Der Euro-Beschluß des Bundesverfassungsgerichts, IHI-Schriften 9 (1998), S. 19 ff.; ders., Euro – der Rechtsbruch, in: W. Hankel/W. Nölling/K. A. Schachtschneider/J. Starbatty (Hrsg.), Die Euro-Illusion, S. 25 ff.; ders., Die Rechtsverweigerung im Euro-Beschluß des Bundesverfassungsgerichts, daselbst, S. 274 ff. 397 K. A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 674 ff. 398 K. A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 1045 ff.; ders., Der republikwidrige Parteienstaat, FS H. Quaritsch, S. 141 ff. 399 K. A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 370 ff., insb. S. 404 ff.; ders., Freiheit in der Republik, 8. Kap., insb. VIII. 400 K. A. Schachtschneider, Das Sittengesetz und die guten Sitten, FS W. Thieme, 1993, S. 195 ff., auch ders., Staatsunternehmen und Privatrecht, S. 363 ff. 401 K. A. Schachschneider, Staatsunternehmen und Privatrecht, S. 421 ff. 402 K. A. Schachtschneider, Staatsunternehmen und Privatrecht, S. 97 ff.; ders., Res publica res populi, S. 275 ff., 325 ff., 410 ff., 494 ff., 519 ff.; ders., Freiheit in der Republik, 2. Kap., IV, 5. Kap., II, IV, 7. Kap.

I. Gemeinsames gutes Leben durch Gesetzlichkeit

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d) Der Staat hat keine personale Existenz. Er ist lediglich die vielfältig gegliederte Einrichtung der Bürger für die Verwirklichung des guten Lebens aller Bürger durch Gesetzlichkeit403. Das allgemeine gute Leben setzt Freiheitlichkeit, Gleichheitlichkeit und Brüderlichkeit im Gemeinwesen voraus404 Staatlichkeit ist allgemeine (rechtliche) Gesetzlichkeit. Ohne Gesetze gibt es keine staatliche Aufgabe und keine staatlichen Befugnisse (ultra-vires-Lehre; Gesetzesvorbehalt, vgl. III.)405. Die Verwirklichung der Gesetze bedarf der Institutionen. Die Gesamtheit dieser Institutionen ist der Staat im engeren Sinne406. Eine dieser Institutionen ist das verfaßte Volk als unmittelbarer Gesetzgeber. Das staatliche Gesetz bindet den Staat nicht weniger als den Bürger. Die Bindung des Staates ist nichts anderes als die Bindung der Amtswalter in den Ämtern, etwa der Beamten. In jeder Weise ist das friedliche Leben der Menschen im Lande durch die Gesetzlichkeit bedingt, welche die Rechtlichkeit des Lebens, das gemeine Wohl, sichert. 2. Einheit von Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit durch Gesetzlichkeit a) In einem freiheitlichen Gemeinwesen gibt es keinen Widerspruch zwischen der Freiheit und Gleichheit407. Sowohl die Gleichheit als auch die Freiheit werden durch Gesetze verwirklicht. Beides sind formale Prinzipien, welche die Politik der Gesetzgebung übertragen, aber jeden Menschen als Gesetzgeber für sich und zugleich für alle anderen anerkennen408. Das Gesetz ist formal, weil es unabhängig von seiner Materie (jeweilige Regelung) allgemein (der allgemeine Wille) und notwendig (verbindlich, weil praktisch vernünftig) ist409. Nur das formale Gesetz, das alle (frei, gleich und brüderlich) gegeben haben, ist praktisch vernünftig und dadurch überhaupt ein Gesetz, ein Akt der Freiheit, der alle 403 K. A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 14 ff., 519 ff.; auch ders., Freiheit in der Republik, 2. Kap., III, IV (kantianisch). 404 Dazu 2. Kap., III, 3. Kap. 405 K. A. Schachtschneider, Staatsunternehmen und Privatrecht, S. 173 ff., 235 ff., 253 ff.; ders., Res publica res populi, S. 160 ff.; ders., Der Anspruch auf materiale Privatisierung, 190 ff.; zur ultra-vires-Lehre 9. Kap., I, 3. 406 K. A. Schachtschneider, Staatsunternehmen und Privatrecht, S. 173 ff.; ders., Res publica res populi, S. 14 ff., 100, 160 ff., 1048 f. 407 Dazu 3. Kap., III. 408 Dazu 3. Kap., II und III, 1, auch 4. Kap., I; K. A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 14 ff., 275 ff., 325 ff., 410 ff., 494 ff., 519 ff., 637 ff.; ders, Freiheit in der Republik, 2. Kap., III, VI, 5. Kap., II, 3, IV, 7. Kap., I, III. 409 Kant, Grundlegung zur Metaphysik der Sitten, S. 41 f., 45 f.; ders., Kritik der praktischen Vernunft, S. 135 ff.; vgl. auch ders., Metaphysik der Sitten, S. 326 ff.; dazu K. A. Schachtschneider, Staatsunternehmen und Privatrecht, S. 104 ff., 109 ff.; ders., Freiheit in der Republik, 2. Kap., IV, 1; ders., Res publica res populi, S. 273 ff., 286 ff., 443, 852.

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6. Kap.: Gesetzesprinzip

bindet, weil es (als praktische Vernunft) der Wille aller ist und darum niemandem Unrecht tun kann410. Herrschaft ist Fremdbestimmung411. Sie kann Ordnung schaffen, nicht aber Recht412. Mangels Materialität, d. h. subsumtiv erfaßbarer Gegenstände, können Freiheit und Gleichheit nicht in Widerspruch zueinander treten. Es gibt in der Republik kein Spannungsverhältnis zwischen Freiheit und Gleichheit413. Im Rahmen der Gesetze dürfen die Menschen rechtlich beliebig handeln. Dieses Recht zur äußeren Willkür ermöglicht ihnen das vernünftige, das sittliche Handeln und ist in der Sache ein Recht zur inneren, freien, also sittlichen, Willkür, wie das dem Art. 2 Abs. 1 GG entspricht414. Erst wenn die Bürger ihr Handeln dem Sittengesetz unterstellen, d. h. den kategorischen Imperativ zum Ethos ihres Handelns machen, sind sie frei415. Freiheit ist praktische Vernünftigkeit416. Diese Freiheit verwirklicht die Brüderlichkeit417. Freiheit schützt das Grundgesetz durch Art. 2 Abs. 1 GG nur zum Guten, nicht zum Bösen. Prototypisch ist § 903 BGB, der das Sacheigentum definiert. Danach darf der Eigentümer mit der Sache nach Belieben verfahren und andere von jeder Einwirkung ausschließen, soweit nicht das Gesetz oder Rechte Dritter entgegenstehen. Gegen Verletzungen seines Eigentums ist der Eigentümer vor allem durch § 823 Abs. 1 und § 1004 BGB geschützt. Diese äußere, negative Freiheit ermöglicht auch dem Eigentümer die innere, positive Freiheit418, die Sittlichkeit des Han410 J.-J. Rousseau, Vom Gesellschaftsvertrag, II, 4 (S. 35), II, 6 (S. 41); i. d. S. auch Hobbes, Leviathan, II, 18 (S. 160), II 21 (S. 189 ff.); Locke, Über die Regierung, IV, VII, XI (S. 19, 67, 101 ff.); Kant, Metaphysik der Sitten, S. 432; ders., Über den Gemeinspruch, S. 150; vgl. weiter Fn. 409. 411 K. A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 71 ff.; ders., Freiheit in der Republik, 2. Kap., VI, 3. Kap. 412 K. A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 71 ff., insb. S. 153 ff.; ders. (O. Gast), Sozialistische Schulden nach der Revolution, S. 29 ff., 50 ff. 413 A. A. BVerfGE 5, 85 (206); G. Leibholz, Strukturprinzipien des modernen Verfassungsstaates, 1963, in: ders., Verfassungsstaat – Verfassungsrecht, 1973, S. 19 ff.; wie der Text K. A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 410 ff., insb. S. 422 ff., auch S. 990 ff.; ders., Freiheit in der Republik, 7. Kap., I, auch 2. Kap., IV, 5. Kap., II, 4; dazu 3. Kap., III, 2. 414 K. A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 370 ff.; ders., Freiheit in der Republik, 8. Kap., II, III. 415 K. A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 279 ff., 325 ff., 378 ff., 427 ff.; ders., Freiheit in der Republik, 2. Kap., VII, 8. Kap., III. 416 Kant, Kritik der reinen Vernunft, S. 671 ff.; ders., Grundlegung zur Metaphysik der Sitten, S. 76 ff., 81 ff.; ders., Kritik der praktischen Vernunft, S. 138 ff.; K. Jaspers, Vom Ursprung und Ziel der Geschichte, 1949, S. 197 ff.; K. A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 274 ff.; ders., Freiheit in der Republik, 2. Kap., VII. 417 K. A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 234 ff.; ders., Freiheit in der Republik, 2. Kap., VII. 418 Vgl. K. A. Schachtschneider, Freiheit in der Republik, 2. Kap., VI, VII. Die negative Freiheit nach Kant (Metaphysik der Sitten, S. 318, 333), ist zu unterscheiden von den negativen Freiheiten in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts,

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delns gegenüber anderen Menschen. Die Sachherrschaft dient dem Eigentümer zu seinem Glück, aber er darf sein Glück nicht zu Lasten anderer suchen; denn Freiheit ist Sittlichkeit. Nach Art. 14 Abs. 2 GG soll der Gebrauch des Eigentums demgemäß „zugleich dem Wohle der Allgemeinheit dienen“, ist also um der Brüderlichkeit willen sozial, d. h. sittlich, gebunden (sozialer Eigentumsbegriff)419. b) Die Gleichheit wird durch die Gesetze verwirklicht420. Erst die Gesetze machen die gleichmäßige oder gleichheitsgemäße Behandlung der Bürger möglich. Es gibt keinen vorgesetzlichen Maßstab der Gleichheit oder Ungleichheit, welche rechtliche Relevanz beanspruchen könnte, sondern lediglich eine Unterschiedlichkeit421. Wer vergleicht, hat einen Maßstab. Der Maßstab gewinnt seine allgemeine Verbindlichkeit aus der Allgemeinheit, also aus dem Gesetz aller. Ohne Gesetz gibt es keinen materialen Maßstab der Sachlichkeit, also der Richtigkeit für das gute Leben aller in allgemeiner Freiheit. Bestimmte Differenzierungen, etwa die nach dem Geschlecht, verbietet Art. 3 Abs. 3 GG, wenn sie nicht aus der Natur der Sache zwingend erforderlich sind, als Diskriminierungen (BVerfGE 75, 40 (70); 85, 191 (206 ff.); 92, 91 (109)), obwohl diese in anderen Zeiten verbindlich waren und in anderen Völkern noch heute verbindlich sind. Erst die Gesetze ermöglichen die Rechtsanwendungsgleichheit, welche schon aus dem Begriff des Gesetzes folgt422; denn das Gesetz ist notwendig und allgemein, es ist nämlich notwendig für die Verwirklichung der Freiheit aller423. Es kommt somit für die Gleichheit und Ungleichheit darauf an, wer Gesetzgeber ist. Die freiheitliche Gleichheit gründet auf demokratischer Willensbildung, auf der im griechischen Sinne424. die Grundrechte zum Ausdruck bringen sollen, nicht zu handeln (nicht zu glauben, nicht zu koalieren); vgl. K. A. Schachtschneider, Fallstudie Streik im öffentlichen Dienst, S. 220, Fn. 21, 22. 419 K. A. Schachtschneider, Das Recht am und das Recht auf Eigentum, FS W. Leisner, S. 755 ff., insb. S. 773 ff. 420 K. A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 410 ff., 526 ff., 997 ff.; ders., Freiheit in der Republik, 7. Kap.; vgl. 3. Kap., III. 421 J.-J. Rousseau, Über den Ursprung und die Grundlagen der Ungleichheit unter den Menschen, in: ders., Kulturkritische Schriften, hrsg. v. M. Fontius, 1989, Bd. 1, S. 183 ff., insb. S. 241 ff., 274; vgl. schon Hobbes, De cive/Vom Bürger, S. 111; R. Dahrendorf, Über den Ursprung der Ungleichheit unter den Menschen, 2. Aufl. 1966, S. 26 ff.; auch J. Habermas, Faktizität und Geltung, S. 153; K. A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 997 ff., auch S. 410 ff. 422 K. A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 997 ff.; ders., Freiheit in der Republik, 7. Kap., I. 423 K. A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 330 ff., 336 ff., 357 ff., 481 ff., 495 ff., 522 ff., 550 ff., 637 ff., 834 ff., 997 ff., 1002 ff.; ders., Freiheit in der Republik, 2. Kap., III, IV, 5. Kap., II, IV, 7. Kap., I, III. 424 R. Marcic, Vom Gesetzesstaat zum Richterstaat. Recht als Maß der Macht. Gedanken über den demokratischen Rechts- und Sozialstaat, 1957, S. 181, 351; K. A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 997 ff.

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c) Weil das Gesetz selbst willkürlich differenzieren könne, soll nach der Praxis des Bundesverfassungsgerichts und nach der dieser folgenden herrschenden Meinung der Gleichheitssatz auch dem Gesetzgeber äußerste Grenzen der Differenzierung vorschreiben. Der Gesetzgeber soll einem Willkürverbot unterliegen, welches auf Art. 1 Abs. 3 GG in Verbindung mit Art. 3 Abs. 1 GG gestützt wird. Diese Rechtsetzungsgleichheit soll verletzt sein, wenn eine gesetzliche Differenzierung nicht begründbar erscheint (BVerfGE 1, 14 (52); 33, 367 (384); 54, 11 (25 f.); st. Rspr., vgl. auch BVerfGE 55, 72 (88); 71, 364 (383 f.); 74, 9 (24); 76, 256 (329); 89, 48 (51))425. Das Willkürverbot zwingt, die praktische Vernunft des Gesetzgebers, die Richtigkeit des Gesetzes also, zu überprüfen. Das letztlich verantwortliche Bundesverfassungsgericht wird dadurch funktional zum Gesetzgeber; denn eine richterliche Entscheidung über das Gesetz macht die praktische Vernunft, also die Sittlichkeit, zum Maßstab der Erkenntnis426. Das Verdikt, ein Gesetz verletze das Gleichheitsprinzip, setzt die Materialisierung des formalen Prinzips der praktischen Vernunft (der Sittlichkeit, der richtigen Politik) durch die Richter voraus; denn ein Richter muß für seine Erkenntnis einen verbindlichen Maßstab haben. Wenn er sich diesen selbst gibt (in stellvertretender Sittlichkeit für das Volk427), so handelt er funktional gesetzgeberisch. Eine derartige Richterkontrolle über den Gesetzgeber leistet eine gewisse Kompensation des moralischen Versagens des parteilichen Gesetzgebers. Sie ist insbesondere im entwickelten Parteienstaat legitim. Richtigerweise folgt das Willkürverbot und dessen Judiziabilität aus dem allgemeinen Freiheitsprinzip des Art. 2 Abs. 1 GG; denn äußere Freiheit ist die „Unabhängigkeit von eines anderen nötigender Willkür“ (Kant)428. Staatliche Willkür ist freiheitsund damit rechtswidrig. 3. Gesetzliche Bestimmtheit und Amtsprinzip a) Das Gesetz leistet instrumentell die allgemeine Wirksamkeit der politischen Entscheidung. Die Bundesgesetze gelten bundes-, die Landesgesetze landesweit, die europäischen Gemeinschaftsrechtsakte unionsweit (von Ausnahmen abgesehen). Je bestimmter die gesetzliche Vorschrift, je begriffs- und grenzschärfer diese ist, desto enger werden die Verwaltung und die Gerichte gebunden. Je offener die Gesetze sind, desto weniger vorhersehbar ist deren Vollzug. Allerdings materialisiert die Exekutive offene Gesetze durch Rechtsverordnun425 Dazu K. A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 410 ff., 990 ff., 997 ff.; ders., Freiheit in der Republik, 7. Kap., II. 426 K. A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 858 ff., 978 ff., 990 ff.; ders., Freiheit in der Republik, 7. Kap., II. 427 K. A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 644 ff., 707 ff., 943 ff., 978 ff. 428 Metaphysik der Sitten, S. 345; K. A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 978 ff., 990 ff.; ders., Freiheit in der Republik, 7. Kap., II.

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gen, wenn sie zu deren Erlaß ermächtigt ist (Art. 80 Abs. 1 GG), und durch Verwaltungsvorschriften429 und die Gerichte durch die Rechtsprechungspraxis430. Offene Regelungen geben den Beamten und Richtern funktional Rechtsetzungsmacht. Das ist nur republikgemäß, soweit ein höheres Maß an Bestimmtheit der Regelungen den Gesetzgeber überfordern würde. Das Bestimmtheitsprinzip431 ist somit freiheitliches Gebot des Rechtsstaates (BVerfGE 3, 255 (243); 6, 32 (42); 34, 165 (199 f.); 42, 263 (278); 80, 137 (161))432. Offene Regelungen ermöglichen unterschiedliche Rechtsanwendung, die bis zur Willkürlichkeit gehen kann, aber nicht darf. Das Willkürverbot433 des Gesetzesvollzuges ist Rechtsstaatsmaxime. Auch ihm dient das Gesetz. b) Ein Gesetz kann in praxi nicht derart bestimmt sein, daß die Beamten und Richter, welche es anzuwenden haben, austauschbar sind, ohne daß es zu unterschiedlichen Entscheidungen kommen kann. Soweit geht das Prinzip der funktionalen Teilung der Staatsgewalt nicht. Das Amtsprinzip434 (Art. 33 GG), das aus dem Republikprinzip des Art. 20 Abs. 1 GG erwächst435, rechtfertigt ein gewisses Maß an Offenheit der Gesetze, deren sachgerechter Vollzug Sache der Amtswalter ist. Auch die Beamten und Richter handeln im Namen des Volkes und müssen demokratisch legitimiert sein (BVerfGE 47, 253 (275); 52, 95 (112, 120, 130); 77, 1 (40); 86, 60 (72 f.))436. Ihr Dienstverhältnis ist ein „öffentlichrechtliches Dienst- und Treueverhältnis“ (Art. 33 Abs. 4 GG; BVerfGE 44, 249 (264))437. Verschiedene allgemeine Rechtsprinzipien der praktischen Vernunft sichern die Sachlichkeit des Gesetzesvollzuges, wie insbesondere das Verhältnismäßigkeitsprinzip438. 429 Zu diesen F. Ossenbühl, Rechtsquellen und Rechtsbindungen der Verwaltung, in: H.-U. Erichsen (Hrsg.); Allgemeines Verwaltungsrecht, 11. Aufl. 1998, § 6 V, Rdn. 30 ff., S. 146 ff.; dazu 10. Kap., I, 2, 4 b und 5. 430 Zum Richterrecht Hinweise in Fn. 468; dazu 10. Kap., I, 6. 431 Dazu näher 13. Kap. 432 Kant, Idee zu einer allgemeinen Geschichte in weltbürgerlicher Absicht, ed. Weischedel, Bd. 9, S. 39; K. A. Schachtschneider, Staatsunternehmen und Privatrecht, S. 380, 395 f., 411 f., 426 f., 452 f.; ders., Res publica res populi, S. 850 ff., 867 ff., 883 ff., 894 f., 1138 f. 433 Zum Willkürverbot 16. Kap., auch 2 c; K. A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 410 ff., 990 ff.; ders., Freiheit in der Republik, 7. Kap., I, 2, II. 434 Dazu auch 15. Kap. 435 H. Krüger, Allgemeine Staatslehre, S. 253 ff.; W. Henke, Recht und Staat, S. 387 ff.; ders., Republik, HStR, Bd. I, 1987, § 21, Rdn. 18, 25; K. A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 137 ff., 620 ff., 659 ff., 676 ff., 810 ff., u. ö. 436 Vgl. relativierend (Maßgeblichkeit eines bestimmten Legitimationsniveaus) BVerfGE 83, 60 (72); 89, 155 (182); 93, 37 (66 f.); K. A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 66 f., 99 ff. 437 Dazu H. Lecheler, Der öffentliche Dienst, HStR, Bd. III, 1988, § 72, Rdn. 23 ff., 91 ff.; J. Isensee, Öffentlicher Dienst, HVerfR, 2. Aufl. 1994, Rdn. 51 ff., S. 1556 ff.; K. Köpp, Öffentliches Dienstrecht, in: U. Steiner (Hrsg.), Besonderes Verwaltungsrecht, 5. Aufl. 1995, Rdn. 11 f., S. 382 f.

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Die Offenheit der Gesetze ermöglicht Unterschiedlichkeit des Gesetzesvollzugs. Diese Unterschiedlichkeit ist keine Ungleichheit, nämlich keine Willkür, kein Unrecht, soweit sie im Rahmen der bestmöglich bestimmten Gesetze verbleibt. Auch Amtlichkeit rechtfertigt das staatliche Handeln, nicht nur Gesetzlichkeit. Es gibt ein notwendiges und darum legitimes personales Element des Verwaltungs- und auch des Gerichtshandelns. Erwähnt sei die Offenheit der Strafzumessung (§§ 46 ff. StGB), aber auch die Offenheit von Prüfungsentscheidungen. Es kommt auf den Richter/den Prüfer an. Ohne das republikanische Amtsprinzip kann ein Staat seine Aufgaben nicht erfüllen. Der Gesetzgeber ist, weil er allgemein regeln muß, auf das Allgemeine beschränkt. Das Besondere ist für den Gesetzgeber allzu vielfältig. Das erweist sich im privatheitlichen Leben, in dem die Handlungen in unendlicher Vielfalt privat, oft durch Verträge, materialisiert werden. Auch das Staatliche hat große Vielfalt. Das Übermaß an Gesetzlichkeit (wegen eines überzogenen Gesetzesvorbehalts439) führt zu rigiden Regelungen, die nicht schon sachgerecht sind. Zum Rechtsstaat gehören Gesetzlichkeit und Amtlichkeit. Diese verwirklichen Freiheit und Gleichheit. Freilich darf der Vorrang der Gesetze440 nicht dadurch ausgehöhlt werden, daß die Gesetze ein Defizit an Bestimmtheit haben. Das würde das demokratische Prinzip und damit Freiheit und Gleichheit, also Grundprinzipien des Rechts, mißachten441. Es geht (wie meist) um das rechte Maß. 4. Rechtsgesetze und Zeitgesetze Wegen des Allgemeinheitsprinzips gebietet das Rechtsstaatsprinzip grundsätzlich auf Dauer angelegte Gesetze442. Erst die Dauerhaftigkeit macht aus dem Zweckgesetz das Rechtsgesetz. Der funktionale Verordnungscharakter der Zeitgesetze, welche durchaus sachgerecht sein können, wenn vorübergehende Lagen zu bewältigen sind, läßt es fragwürdig erscheinen, sie regelmäßig im formellen Gesetzgebungsverfahren zu verabschieden. Für die Zeitgesetze ist meist die exekutive Gesetzgebung durch Rechtsverordnungen im Rahmen hinreichend bestimmter legislativer Entscheidungen (vgl. Art. 80 Abs. 1 GG) geeignet. Maßgeblich ist der Legitimationsbedarf, der in unerwarteten Notlagen das Exekutivgesetz erfordern kann. Die Europäische Union differenziert die temporale Allgemeinheit der Rechtsetzung bereits institutionell. Ihre (sekundärrechtlichen) Richtlinien und Verordnungen sind exekutiv443, während das Primärrecht der 438

Dazu 17. Kap. Dazu III. 440 Dazu II. 441 K. A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 867 ff. 442 Dazu H. Krüger, Allgemeine Staatslehre, S. 298. 443 K. A. Schachtschneider, Das Europäische Parlament, § 7, Der Rat, § 8 und Die Kommission, § 9, in: ders., Das Verfassungsrecht der Europäischen Union, 2004. 439

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Verträge durch deren schwere Änderbarkeit von langer Dauer ist. Freilich ist die sekundäre Rechtsetzung der Union demokratisch defizitär444. Eine ähnliche Differenzierung zwischen legislativer Gesetzgebung und exekutiver Verwaltungsrechtsetzung (Rechtsverordnungen, Satzungen, Verwaltungsvorschriften) bewirkt die Wesentlichkeitslehre zum Prinzip des Gesetzesvorbehalts445. Die Gesetzlichkeit dient auch der Stabilität der Lebensverhältnisse. Die Allgemeinheit des Gesetzes hat auch eine zeitliche Dimension. Das vertrauensschutzrechtliche Rückwirkungsverbot dient der zeitlichen Allgemeinheit der Gesetze446. 5. Gesetzliche Verwirklichung des Sozialprinzips Die soziale Zielsetzung hat der Gesetzgeber zu realisieren, um die Gleichheit in der Freiheit material durch Brüderlichkeit zu ermöglichen447; denn diese erfordert auch die hinreichende ökonomische Homogenität der Bürger, deren wirtschaftliche Selbständigkeit also, ohne die Willensautonomie keine Realität finden kann448. Die Verwirklichung des sozialen Prinzips erfolgt durch das Gesetz (BVerfGE 1, 97 (105); 33, 303 (331 ff.); 50, 57 (108); 51, 115 (225); 59, 231 (262 f.); 65, 182 (193); 70, 278 (288); 71, 66 (80); 100, 271 (283 ff.); 102, 254 (298); st. Rspr.). Das Gesetz sichert zugleich den politischen Einfluß der Bürger auf die Wahrung der sozialen Homogenität. Die allgemeine Gesetzlichkeit ist der Garant der republikanischen Brüderlichkeit. Gleichheitliche Verteilung der Lebensmöglichkeiten, die auf der Grundlage des allgemeinen Eigentums, moderiert durch das Leistungs-, das Bedarfs- und das Marktprinzip, allein dem Sozialprinzip gemäß ist449, steht und fällt mit der gleichheitlichen, also der demokratischen und damit republikanischen Gesetzgebung450. Das Wahlrecht vermittelt stärker als die Rechte, am politischen Diskurs teilzunehmen, den Einfluß der Bürger auf die Gesetze. Wer das Wahlrecht hat, ist funktional Staatsbür444 K. A. Schachtschneider, Demokratiedefizite in der Europäischen Union, FS W. Hankel, S. 119 ff., insb. S. 139 ff. 445 Dazu III, 3. 446 Dazu 18. Kap., II, VI bis VII. 447 K. A. Schachtschneider, Das Sozialprinzip, S. 71 ff.; ders., Res publica res populi, S. 247 ff. 448 Dazu Kant, Metaphysik der Sitten, S. 432 ff.; ders., Über den Gemeinspruch, S. 150 ff.; P. Häberle, Grundrechte im Leistungsstaat, VVDStRL 30 (1972), S. 43 ff., insb. S. 80 ff.; K. A. Schachtschneider, Das Sozialprinzip, S. 40 ff.; ders., Staatsunternehmen und Privatrecht, S. 143 f.; ders., Res publica res populi, S. 234 ff.; vgl. auch H. F. Zacher, Das soziale Staatsziel, HStR, Bd. I, 1987, § 25, Rdn. 27 ff., 48 ff. 449 K. A. Schachtschneider, Das Recht am und das Recht auf Eigentum, FS W. Leisner, S. 755 ff., 775 ff., 780 ff.; ders., Freiheit in der Republik, 10. Kap., III, IV, V. 450 K. A. Schachtschneider, Das Sozialprinzip, S. 71 ff.; ders., Res publica res populi, S. 234 ff., 247 ff.; ders., Freiheit in der Republik, 10. Kap., III; ders., Das Recht am und das Recht auf Eigentum, FS W. Leisner, S. 755 ff.; H. F. Zacher, Das soziale Staatsziel, HStR, Bd. I, § 25, Rdn. 86 ff.

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ger451. Das Wahlrecht garantiert die Verwirklichung des Sozialprinzips. Ein unmittelbarer Verfassungsvollzug des Sozialprinzips scheitert nach Auffassung des Bundesverfassungsgerichts an der Offenheit dieser Zielsetzung (BVerfGE 52, 283 (298); 82, 60 (80)). Sie läßt dem Gesetzgeber einen weiten Gestaltungsspielraum (BVerfGE 3, 162 (182); 10, 354 (371); 36, 174 (189); 54, 11 (26); 70, 278 (288); 97, 169 (185); 98, 169 (204)) oder auch, etwa für den Ausgleich von Sonderbelastungen (z. B. durch Maßnahmen in der SBZ und DDR), einen „besonders weiten Regelungs- und Gestaltungsspielraum“ (BVerfGE 13, 39 (43); 27, 253 (270, 283); 102, 254 (298)). Subjektive Leistungsrechte sind unmittelbar aus dem Sozialprinzip allenfalls ausnahmsweise herzuleiten (BVerfGE 1, 97 (100, 105); 52, 283 (298); 82, 60 (80); 102, 254 (298); BSGE 10, 97 (100); 27, 197 (199); BAGE 14, 282 (290))452. Das Sozialprinzip überantwortet dem Staat die Verantwortung für die Wohlfahrt des Volkes, definiert aber weder die Aufgaben, noch gar die Befugnisse und Mittel des Staates. Wenn auch mit großer Zurückhaltung, so sind doch die Gerichte gehalten, das Sozialprinzip als Rechtsprinzip gegenüber dem Gesetzgeber zur Geltung zu bringen453. Sozialwidrigkeit ist subsumibel. Das Sozialprinzip ist, wenn auch offen, bestimmter als das formale Prinzip der praktischen Vernunft. Vorrangig ist die Verwirklichung des Sozialprinzips freilich dem Gesetzgeber überantwortet. Die Brüderlichkeit (Solidarität) ist die Sittlichkeit des gemeinsamen Lebens, die sich in freiheitlichen (allgemeinen) Gesetzen verwirklicht. Das sichert zugleich die mit der Gesetzlichkeit verbundene Rechtsstaatlichkeit454. Die Gesetzlichkeit der Brüderlichkeit aber schließt die Judiziabilität der Mißachtung des Sozialprinzips nicht aus. Wenn das Sozialprinzip verletzt wird, etwa durch eine Politik, welche das wirtschaftliche Stabilitätsprinzip mißachtet455, ist auch die allgemeine Freiheit des Art. 2 Abs. 1 GG, gegebenenfalls die Eigentumsgewährleistung des Art. 14 Abs. 1 GG, verletzt; denn die Grundrechte sowohl der Freiheit als auch des Eigentums sichern die soziale (brüderliche) Gesetzlichkeit456. 451 Kant, Metaphysik der Sitten, S. 432; H. Quaritsch, Staatsangehörigkeit und Wahlrecht. Zum Problem des Ausländer-Wahlrechts, DÖV 1983, S. 1 ff.; K. A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 1202; ders., Die existentielle Staatlichkeit der Völker Europas, S. 117 f. 452 H. F. Zacher, Das soziale Staatsziel, HStR, Bd. I, § 25, Rdn. 107. 453 K. A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 247 ff.; vgl. ders., Das Sozialprinzip, S. 35 ff.; differenzierend P. Häberle, Grundrechte im Leistungsstaat, VVDStRL 30 (1972), S. 94 ff.; vgl. H. F. Zacher, Das soziale Staatsziel, HStR, Bd. I, § 25, Rdn. 106 ff.; a. A. E. Forsthoff, Begriff und Wesen des sozialen Rechtsstaates, VVDStRL 12 (1954), S. 8 ff., 19 ff. 454 Vgl. K. A. Schachtschneider, Das Sozialprinzip, insb. S. 31 ff., 46 ff., 71 ff., 82 ff.; vgl. auch H. F. Zacher, Das soziale Staatsziel, HStR, Bd. I, § 25, Rdn. 95 ff. 455 W. Hankel u. a., Die Euro-Klage, S. 200 ff. 456 K. A. Schachtschneider, Das Recht am und das Recht auf Eigentum, FS W. Leisner, S. 755 ff.; ders., Freiheit in der Republik, 10. Kap., III, VI; auch ders., Res publica res populi, S. 234 ff., 247 ff.

II. Vorrang von Verfassung und Gesetz

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II. Vorrang von Verfassung und Gesetz 1. Primat des Rechts a) Die Prinzipien der Rechtlichkeit und der Gesetzlichkeit aus Art. 20 Abs. 3 GG dienen dem Primat des Rechts. Die Verfassung hat Vorrang vor dem Verfassungsgesetz, das Verfassungsgesetz hat Vorrang vor dem (einfachen) Gesetz und das Gesetz hat Vorrang vor anderen Vorschriften, etwa Verwaltungsvorschriften oder privaten Maximen. Legislative, Exekutive und Judikative müssen immer das sie bindende, also das rechtmäßige, Gesetz wahren. Niemals dürfen sie rechtswidrig handeln. Die Legislative muß die Verfassung und das Verfassungsgesetz, die Exekutive und die Judikative müssen die Verfassung, das Verfassungsgesetz, das einfachgesetzliche und das untergesetzliche Recht achten, wenn diese dem Recht genügen457. Die Rechtmäßigkeit der Gesetze müssen Exekutive und Judikative klären (Normenkontrollpflicht)458. Der Primat der Gesetze (in den Grenzen des Rechts) verwirklicht den Willen des Volkes, also die allgemeine Freiheit, welche weder ohne demokratisches Prinzip noch ohne das Prinzip der Gesetzlichkeit Wirklichkeit hat459. b) Zu den materiellen Gesetzen gehören die Rechtsakte der Europäischen Union460. Sie sind unmittelbar anwendbar und haben Vorrang vor den Gesetzen und im Rahmen der Verfassung auch vor den Verfassungsgesetzen der Mitgliedstaaten (ohne die Einschränkung EuGH v. 15.7.1964 – Rs. 6/64 (Costa/ENEL), Slg. 1964, 1251 (1269 ff.); EuGH v. 17.12.1970 – Rs. 11/70 (Internationale Handelsgesellschaft/Einfuhr- und Vorratsstelle Getreide), Slg. 1970, 1125 (1135))461. Voraussetzung ist, daß die Gemeinschaftsrechtsakte für den jeweiligen Mitgliedsstaat verbindlich sind, also dessen verfassungsgesetzliche Voraussetzungen der Mitgliedschaft in der jeweiligen Gemeinschaft respektieren. Sie müssen in Deutschland das Prinzip der begrenzten Ermächtigung (BVerfGE 89, 155 (187 ff., 191 ff.)), weil die Hoheitsrechte (gemäß Art. 23 Abs. 1 S. 2 GG) nur begrenzt auf die Gemeinschaften (nur Ausübung) übertragen sind, die Strukturprinzipien des Art. 23 Abs. 1 S. 1 GG (BVerfGE 37, 271 (279); 73, 339 (376)), das Subsidiaritätsprinzip (BVerfGE 89, 155 (174 f., 189, 193, 210 ff.)) 457 Dazu E. Schmidt-Aßmann, Der Rechtsstaat, HStR, Bd. I, 1987, § 24, Rdn. 26; F. Ossenbühl, Vorrang und Vorbehalt des Gesetzes, HStR, Bd. III, 1988, § 62, S. 316 ff.; K. Sobota, Das Prinzip Rechtsstaat, S. 104 ff.; K. A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 863 ff., 891, 928 f. 458 Dazu 11. Kap., II, 12. Kap., I, 4. 459 Dazu 2. Kap., II, 3. Kap., II., 4. Kap., I, auch I. 460 Dazu A. Emmerich-Fritsche, Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, S. 99 ff. 461 Dazu K. A. Schachtschneider/A. Emmerich-Fritsche, Das Verhältnis des Europäischen Gemeinschaftsrechts zum nationalen Recht Deutschlands, Teil II und III, DSWR 1999, S. 81 ff., 116 ff., m. w. H.; dies., Das Gemeinschaftsrecht in Deutschland, § 5, II, III.

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und generell den Wesensgehalt der Grundrechte (BVerfGE 89, 155 (174 f.); auch BVerfGE 73, 339 (347 ff., 383 ff., 387)) achten462. Darüber haben die deutschen Gerichte zu befinden. Insbesondere die Verfassung bewahrt ihren Vorrang auch vor den Gemeinschaftsrechtsakten. Die Verfassung verantworten die Mitgliedstaaten selbst, jedenfalls Deutschland463. Demgegenüber praktiziert der Europäische Gerichtshof den uneingeschränkten Vorrang des gesamten Gemeinschaftsrechts vor dem gesamten Recht der Mitgliedstaaten einschließlich des Verfassungsrechts464. c) Auch die Verwaltungsvorschriften sind Rechtssätze, Verwaltungsrechtssätze, allgemein regelnde Verwaltungsakte465. Die Praxis lehnt die äußere Verbindlichkeit der Verwaltungsvorschriften ab, bindet aber (im Widerspruch dazu, aber im Ergebnis zu Recht) die Verwaltung wegen des Grundsatzes der Gleichbehandlung an die durch eine Verwaltungsvorschrift geleitete Handhabung des Gesetzes (BVerwGE 8, 4 (10); 61, 15 (18); 70, 127 (136))466. Dadurch wirken die Verwaltungsvorschriften wie Gesetze, ohne deren Legitimität und insbesondere Publizität zu erreichen. Der Europäische Gerichtshof läßt Verwaltungsvorschriften nicht als Umsetzung von Richtlinien genügen, weil die Betroffenen nicht wissen würden, auf welche Rechte sie sich berufen können (EuGH – Rs. C-361/88 (Kommission/Deutschland), Slg. 1991, I-2567 (Rdn. 20))467, als wenn sie das sonst wüßten. Auch die juristische Praxis offener Rechtsbegriffe hat wegen der präjudiziellen Wirkung der Richtersprüche, insbesondere derer der höheren Gerichte, gesetzesgleiche Wirkung (Richterrecht; BVerfGE 3, 225 (243); 34, 209 (287); 66, 116 (138); 84, 212 (256); 98, 49 (59 f.); BAGE 23, 223 (320))468, welche aber wegen der Unabhängigkeit der Gerichte nicht auf den Gleichheitssatz gestützt wird, weil jedes Gericht das Recht in jedem Rechtsstreit eigenständig erkennt469. Die Präjudizien wirken faktisch, einerseits aufgrund ihrer Vorbildhaftigkeit, andererseits aufgrund der judikativen Hierarchie, 462 Dazu K. A. Schachtschneider, Die existentielle Staatlichkeit der Völker Europas, S. 104 ff.; ders./A. Emmerich-Fritsche, Das Verhältnis des Europäischen Gemeinschaftsrechts zum nationalen Recht Deutschlands, Teil III, DSWR 1999, S. 116 ff.; dies., Das Gemeinschaftsrecht in Deutschland, § 5, 2, 3, III, 2, 3. 463 K. A. Schachtschneider/A. Emmerich-Fritsche, Das Verhältnis des Europäischen Gemeinschaftsrechts zum nationalen Recht Deutschlands, Teil III, DSWR 1999, S. 116 ff.; dies., Das Gemeinschaftsrecht in Deutschland, § 5, II, III; auch K. A. Schachtschneider, Deutschland nach dem Konventsentwurf einer „Verfassung für Europa“, in: ders., Das Verfassungsrecht der Europäischen Union, § 4, III. 464 Hinweise zu und in Fußnote 461. 465 K. A. Schachtschneider, Grundbegriffe des Allgemeinen Verwaltungsrechts, S. 14 f.; dazu 10. Kap., I, 4. 466 Dazu F. Ossenbühl, Rechtsquellen und Rechtsbindungen der Verwaltung, § 6, Rdn. 42 ff., S. 151 ff. (Rdn. 49 f., S. 154 f.) 467 Dazu Th. Oppermann, Europarecht, Rdn. 552, S. 211. 468 K. A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 536 ff., 864, 892 ff. 469 K. A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 892 ff.

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in der die höheren Gerichte die Aufgabe haben, das Recht fortzubilden (BVerfGE 34, 269 (287); 51, 130 (139); 84, 273 (280); 96, 375 (394); 98 (49, 59) und zu vereinheitlichen (§§ 132, 137 GVG; § 11 VwGO; § 11 FGO; § 41, 43 SGG, § 45 ArbGG)470. Präjudizien änderen aber auch das Recht oder die Gesetze nicht. Sie schaffen keine Geltung. 2. Interpretation der Gesetze und Subsumtion unter das Gesetz a) Richter sind durch die Offenheit aller Begriffe der Gesetze genötigt, diese Begriffe interpretatorisch zu entfalten. Ihre Interpretationen bestimmen jedenfalls für den zu entscheidenden Fall das Gesetz (BVerfGE 34, 269 (287), auch BVerfGE 49, 304 (318); 65, 182 (190))471. Die Interpretation gesetzlicher Begriffe ist unumgänglich. Sie gehört zum Richteramt und ist Teil der gesetzesgebundenen Rechtsprechung. Die Bindung des Richters an das Gesetz vermittelt die Interpretationsmethode, welche sich an den klassischen Auslegungsregeln zu orientieren hat. Diese Regeln sind der Respekt vor Wortlaut und Grammatik des Textes, die Widerspruchsfreiheit der Interpretation mit den Begriffen des Gesetzes und der übrigen Rechtsordnung, also das sogenannte systematische Argument, gegebenenfalls das Studium der Geschichte des Gesetzesbegriffs und des Gesetzes, sowie die Entstehungsgeschichte derselben und, wenn ein solcher zu erkennen ist, der Zweck des Gesetzes, also die teleologische Interpretation (i. d. S. BVerfGE 11, 126 (130 f.))472. Die letztere Interpretationsmethode, welche die Entwicklung des Gemeinschaftsrechts dominiert473, überzeugt nur in engsten Grenzen. Regelmäßig behebt die systematische Interpretation Widersprüche, welche eine Abwägung oder die „Herstellung praktischer Konkordanz“ (Konrad Hesse)474 nahelegen könnten (BVerfGE 30, 173 (188 ff.)). Dennoch besteht keine Rangfolge innerhalb der klassischen Methode, so daß der Richter 470

K. A. Bettermann, Die rechtsprechende Gewalt, HStR, Bd. III, § 73, Rdn. 28. Dazu K. Engisch, Logische Studien zur Gesetzesanwendung, 3. Aufl. 1963, S. 43 ff.; H.-M. Pawlowski, Methodenlehre für Juristen. Theorie der Norm und der Gesetze. Ein Lehrbuch, 1981, S. 32 ff., 38 ff.; K. A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 886 ff. 472 Dazu H.-J. Koch/H. Rüßmann, Juristische Begründungslehre. Eine Einführung in die Grundprobleme der Rechtswissenschaft, 1982; R. Alexy, Theorie der juristischen Argumentation. Die Theorie des rationalen Diskurses als Theorie der juristischen Begründung, 1978; K. Larenz, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, 5. Aufl. 1983; K. A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 886 ff., 921 ff. 473 Dazu Th. Oppermann, Europarecht, Rdn. 685, S. 255; A. Bleckmann, Europarecht, Rdn. 547 ff., S. 205 ff. 474 Dazu K. Hesse, Grundzüge des Verfassungsrechts der Bundesrepublik Deutschland, 20. Aufl. 1995, Rdn. 317 ff.; R. Alexy, Theorie der Grundrechte, 1986, S 53 ff., 71 ff., 117 ff., dazu K. Stern (M. Sachs), Staatsrecht III/1, § 69, S. 477 ff., auch S. 890 ff.; K. A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 880 ff., 895 ff., 900 ff. 471

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ausnahmsweise gezwungen sein kann, zwischen gleichwertigen Interpretationsergebnissen abzuwägen. b) Jede abwägende Interpretation der Gesetzesbegriffe hat gesetzgeberische, also politische Funktion475. Abwägung der verschiedenen Gesichtspunkte der Wahrheitlichkeit und der Richtigkeit eines Gesetzes ist vorrangig Sache des Gesetzgebers, aber der Richter, der mittels der klassischen Interpretationsmethode den Gesetzesbegriff zu entfalten hat, ist auch für die Wahrheitlichkeit und Richtigkeit des Gesetzes, also für dessen praktische Vernünftigkeit und damit Rechtlichkeit verantwortlich und hat darum die Gesetzgebungsakte auf deren Rechtlichkeit zu überprüfen, letztverantwortlich in unterschiedlichen Verfahren das Bundesverfassungsgericht476. Freilich ist mit dem Vorwurf des Unrechts Zurückhaltung geboten (BVerfGE 36, 1 (14 f.); 35, 257 (262); 59, 360 (377), st. Rspr.)477. Das Bundesverfassungsgericht räumt der Gesetzgebung, zumal bei „der Einschätzung der wirtschaftlichen und finanziellen Lage des Staates und der Gewichtung der einzelnen Staatsaufgaben“ und bei der „Eingliederung des Beitrittsgebiets (sc.: DDR) in die Wirtschaftsordnung der Bundesrepublik“, einen zunehmend weiten, fast schon unbegrenzten, politischen Spielraum ein (etwa BVerfGE 50, 290 (338); 84, 90 (128, 131); 95, 267 (309); 97, 350 (370 ff.)). Die Deutschlandpolitik hat es der „eigenverantwortlichen pflichtgemäßen Beurteilung der Bundesregierung“ überantwortet, weil diese Politik sich „der verfassungsgerichtlichen Nachprüfung entziehe“ (BVerfGE 40, 141 (178); 66, 39 (61); 84, 90 (128); freilich nur, solange die Einschätzungen der Verhandlungssituation „noch als pflichtgemäß anzusehen“ seien (BVerfGE 94, 12 (35)). In der Euro-Sache hat es die Verantwortung dafür, daß die vertraglichen Voraussetzungen für die dritte Stufe der Währungsunion (insbesondere die Konvergenz der Volkswirtschaften der Mitgliedstaaten) erfüllt sind, zurückgewiesen, weil, im „Bereich rechtlich offener Tatbestände zwischen ökonomischer Erkenntnis und politischer Gestaltung das Grundgesetz die Entscheidungsverantwortlichkeiten Regierung und Parlament zuweist“ (BVerfGE 97, 350 (371)), also Grundrechtsschutz vor allem aus der Eigentumsgewährleistung des Art. 14 Abs. 1 GG verweigert, ein schwerer Rechtsbruch, um der (ruinösen) Integrationspolitik der pluralen Parteienoligarchie, zu der die Verfassungsrichter gehören, nicht in den Arm zu fallen478.

475 K. A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 885 ff., 895 ff. und S. 909 ff.; dazu auch K. Hesse, Grundzüge des Verfassungsrechts der Bundesrepublik Deutschland, Rdn. 317 ff., 568 ff. 476 Dazu K. A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 859 ff., 909 ff. 477 K. A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 955 ff. 478 Zu den rechtlichen Voraussetzungen der Währungsunion W. Hankel u. a., Die Euro-Klage, S. 192 ff.; zur Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfGE 97, 350 ff.) K. A. Schachtschneider, Der Euro-Beschluß des Bundesverfassungsgerichts, IHI-Schriften 9 (1998), S. 19 ff. (22 ff., 31 ff.); ders., Die Rechtsverweigerung im

II. Vorrang von Verfassung und Gesetz

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c) Die Bestimmung der Gesetzesmaterie muß der Verfassung und dem Verfassungsgesetz gemäß sein. Wenn eine Interpretation des Gesetzes zur Rechtswidrigkeit des Gesetzes führt, aber eine andere Interpretation, sei diese extensiv oder restriktiv, dem Gesetz genügen würde, muß das Gesetz verfassungskonform interpretiert werden, um dem Willen des Gesetzgebers bestmöglich zur Wirkung zu verhelfen479. Voraussetzung ist, daß die verfassungskonforme Interpretation noch mit dem Wortlaut des Gesetzes vereinbar ist (BVerfGE 72, 278 (295)). d) Der interpretatorisch bestimmte Begriff leitet die Fallentscheidung des Richters, der festzustellen hat, ob der Begriff, welcher im Verbund mit anderen Begriffen den Fall als den Lebenssachverhalt gesetzesadäquat beschreibt, mit dem Gesetzesbegriff übereinstimmt. Das ist der für jede Rechtsprechung unverzichtbare syllogistische Schluß oder die Subsumtion480. Die Beschreibung des Falles durch Begriffe ist unvermeidbar auf die Sprache angewiesen und bedarf des Vergleiches des Falles mit anderen Fällen, welche mit dem gefundenen Begriff erfaßt wurden. Anders als sprachlich kann der Gesetzgeber seine allgemeinen Regelungen nicht vermitteln. Darum muß die Wirklichkeit des Falles auf die gesetzliche Sprache hin erfaßt werden. Dabei hilft der Vergleich mit Fällen, welche in der Praxis mit dem gesetzlichen Begriff beschrieben wurden. Die Vermittlung von Erkenntnissen und Entscheidungen ist nur durch die Sprache möglich. Die Subsumtion bedient sich der Analogie481. Verbindlich jedoch ist die jeweilige begriffliche Erfassung des Falles unabhängig von dem Vergleich mit anderen gerichtlich entschiedenen Fällen. Die Begriffe der Gesetze sind in der nationalen Gemeinschaft, die sich vornehmlich als Sprachgemeinschaft konstituiert482, zu verstehen. Das setzt die Homogenität der Richter mit dem Volk voraus. Wer die Sprache des Volkes nicht spricht, kann nicht Richter im Namen des Volkes sein. Darum ist der Europäische Gerichtshof kein Gericht im eigentlichen Sinne, sondern eine gerichtsähnliche Streitschlichtungsstelle, wie sie im Rechtsverkehr der Völker üblich ist483. Euro-Beschluß des Bundesverfassungsgerichts, in: W. Hankel u. a., Die Euro-Illusion, S. 274 ff. 479 Dazu W. Löwer, Zuständigkeiten und Verfahren des Bundesverfassungsgerichts, HStR, Bd. II, § 56, Rdn. 111 f.; K. Stern, Staatsrecht I, S. 135 ff.; ders. (M. Sachs); Staatsrecht III/1, 1988, S 1316 ff.; K. A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 898, 906 (kritisch). 480 H.-M. Pawlowski, Methodenlehre für Juristen, S. 32 ff., 205 ff.; H.-J. Koch/H. Rüßmann, Juristische Begründungslehre, S. 14 ff.; C. Schmitt, Der Hüter der Verfassung, 1931, S. 36 ff., der in der Subsumtion das bestimmende Merkmal der Rechtsprechung sieht; K. A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 878, 880 f., 887. 481 H.-M. Pawlowski, Methodenlehre für Juristen, S. 32 ff., 147 ff. 482 Dazu P. Kirchhof, Deutsche Sprache, HStR, Bd. I, § 18, Rdn. 1 ff. 483 Zu den Streitbeilegungsstellen (Panel und Berufungsgremium) der WTO D. I. Siebold, Die Welthandelsorganisation und die Europäische Gemeinschaft, S. 131 ff.;

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6. Kap.: Gesetzesprinzip

3. Verantwortlichkeit für die Rechtmäßigkeit staatlichen Handelns Jede der drei Organisationen der staatlichen Gewalt hat die eigene Verantwortung für die Rechtmäßigkeit ihrer Entscheidungen und Maßnahmen unabhängig von den Kontrollmöglichkeiten durch die staatliche Rechtsaufsicht, den gerichtlichen Rechtsschutz und die parlamentarische Kontrolle484. Insbesondere verletzt es das Rechtsstaatsprinzip, wenn die Verwaltung entgegen der eigenen Rechtsüberzeugung entscheidet und den Bürger auf den Rechtsweg verweist, um die Verantwortung für die Gesetzmäßigkeit ihrer Entscheidung abzuwälzen. Nach § 38 BRRG trägt „der Beamte für die Rechtmäßigkeit seiner dienstlichen Handlungen die volle persönliche Verantwortung“. Dasselbe gilt für die Instanzentscheidungen der Gerichte. Auch die Parlamente verfehlen ihre Verantwortung für die Rechtmäßigkeit der Gesetze, wenn sie Gesetze beschließen, von deren Verfassungsmäßigkeit sie nicht überzeugt sind, weil sie annehmen, die Bürger werden die Klärung der Rechtsfrage vor den Verfassungsgerichten betreiben. So haben etwa viele Abgeordnete in Hamburg der gesetzlichen Einführung des Ausländerwahlrechts in der sicheren Erwartung zugestimmt, daß diese Wahlrechtsnovelle von den Gerichten kassiert werden werde (vgl. BVerfGE 83, 60 (71 ff.)). Legalität ist das zentrale Postulat der Ethik485. Letztlich tragen alle Bürger die Verantwortung für ihr Recht; denn Rechtlichkeit ist allgemeine Freiheitlichkeit. Darum entspricht die Popularklage gegen rechtswidrige Akte des Staates dem Republikprinzip486.

III. Vorbehalt des Gesetzes 1. Gesetzesvorbehalt für die Eingriffsverwaltung a) Zum Prinzip der Gesetzmäßigkeit gehört auch das Prinzip des Vorbehalts des Gesetzes (BVerfGE 40, 237 (248 f.); 49, 89 (126 f.))487. Der Vorrang des Gesetzes gemäß Art. 20 Abs. 3 GG würde leerlaufen, wenn keine Gesetze geA. Emmerich-Fritsche, Recht und Zwang im Völkerrecht, insbesondere im Welthandelsrecht, in: K. A. Schachtschneider (Hrsg.), Rechtsfragen der Weltwirtschaft, 2002, S. 173 ff., 176 ff. 484 Dazu näher im 9. Kap., II, 10. Kap., III, 1 und 2, 11. und 12. Kap. 485 Kant, Metaphysik der Sitten, 318, 519 ff., 525 f., 572 ff., 758; K. A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 115, 306 f., 815; ders., Freiheit in der Republik, 2. Kap., VII, 8. Kap., III. 486 K. A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 390 f., 931; ders., Grundbegriffe des Allgemeinen Verwaltungsrechts, S. 52 f. 487 Dazu E. Schmidt-Aßmann, Der Rechtsstaat, HStR, Bd. I, § 24, Rdn. 63 ff.; F. Ossenbühl, Vorrang und Vorbehalt des Gesetzes, HStR, Bd. III, § 62, S. 316 ff.; K. Sobota, Das Prinzip Rechtsstaat, S. 104 ff., 107 ff.; K. A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 490 f., 863 ff., 891, 928 f.

III. Vorbehalt des Gesetzes

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geben würden. Aber auch und vor allem aus den Grundrechten folgen Gesetzesvorbehalte, soweit die Grundrechte nur durch Gesetz oder aufgrund eines Gesetzes eingeschränkt werden dürfen (BVerfGE 49, 89 (126 f.))488. Das gilt auch und erst recht für die vorbehaltlosen Grundrechte, wie die Koalitionsfreiheit des Art. 9 Abs. 3 GG oder die Kunst- und Wissenschaftsfreiheit des Art. 5 Abs. 3 GG, die nach der Praxis des Bundesverfassungsgerichts zwar nur eingeschränkt werden dürfen, um anderen Verfassungsprinzipien („Verfassungsgütern“) Entfaltungsmöglichkeiten zu lassen (BVerfGE 17, 319 ( 333 f.); 28, 243 (260 ff.); 30, 173 (193); 50, 290 (368 f.); 57, 70 (98 f.); 57, 220 (225, 246); 58, 233 (247 f.); 81, 278 (292); 83, 130 (139 ff.); 84, 212 (228); 88, 103 (114); 92, 365 (394 f.); 93, 352 (359), 94, 268 (284); 100, 271 (283 f.))489, aber eben damit doch einem (ungeschriebenen) Gesetzesvorbehalt unterliegen (verfassungsimmanente Schranken); denn alle Gesetze verwirklichen die denkbar offenen und weiten Verfassungsprinzipien, etwa das Sozialprinzip (vgl. i. d. S. BVerfGE 100, 271 (284))490. Richtigerweise ist die allgemeine Gesetzlichkeit allen Grundrechten immanent; denn Grundrechte schützen die Freiheit gegen unterschiedliche Gefährdungen, die Freiheit aber ist immer dieselbe, die Freiheit nämlich, die durch (der Menschheit des Menschen gemäße) Gesetze verwirklicht wird, so wie sie in Art. 2 Abs. 1 GG definiert ist (a. A. BVerfGE 30, 173 (192 f.); 32, 98 (107 f.); vgl. auch BVerfGE 90, 1 (12))491. b) Die vollziehende Gewalt darf also nur tätig werden, wenn ein formelles Gesetz sie mit einer Aufgabe betraut492. Auch die Befugnisse und die Mittel, die erforderlich sind, um die Aufgabe zu erfüllen, müssen gesetzlich geregelt sein493. Insbesondere das Polizeirecht, das klassisch rechtsstaatliche Prinzipien 488 Dazu W. Krebs, Vorbehalt des Gesetzes und Grundrechte, 1975; weitere Hinweise zu und in Fn. 501. 489 K. A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 491 ff., 1002 ff., 1021 ff.; ders., Streik im öffentlichen Dienst, S. 219 ff.; kritisch Ch. Bamberger, Vorbehaltlose Grundrechte unter staatlichem Vorbehalt? Zur Auflösung eines grundrechtsdogmatischen Paradoxons?, Der Staat 39 (2000), S. 355 ff. 490 Mit anderer Tendenz BVerfGE 52, 283 (298); 59, 231 (262); 65, 182 (193 f.); dazu I, 5. 491 Grundlegend G. Dürig, in: Maunz/Dürig, GG, 1958, Art. 2 Abs. 1, Rdn. 12, 69 ff.; i. d. S. auch R. Scholz, Koalitionsfreiheit, HStR, Bd. VI, 1989, § 151, Rdn. 121; K. A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 1002 ff., insb. S. 1021 ff.; A. Enderlein, Der Begriff der Freiheit als Tatbestandsmerkmal der Grundrechte, 1995, S. 134 ff., 157 ff.; zum Freiheitsbegriff 2. Kap., III, 3. Kap., II, mit Hinweisen auf den räumlichen Freiheitsbegriff des Bundesverfassungsgerichts in Fn. 82. 492 K. A. Schachtschneider, Staatsunternehmen und Privatrecht, S. 247 ff., 253 ff., 310 ff.; ders., Der Anspruch auf materiale Privatisierung, S. 45, 308 ff. 493 V. Götz, Allgemeines Polizei- und Ordnungsrecht, 12. Aufl. 1995, Rdn. 171 ff., S. 69 ff.; W.-R. Schenke, Polizei- und Ordnungsrecht, in: U. Steiner, (Hrsg.), Besonderes Verwaltungsrecht, 5. Aufl. 1995, Rdn. 20 f., S. 188 f., Rdn. 281 ff., S. 307 ff.; vgl. auch K. H. Friauf, Polizei- und Ordnungsrecht, in: E. Schmidt-Aßmann (Hrsg.), Besonderes Verwaltungsrecht, 11. Aufl. 1999, Rdn. 119 ff., S. 172 ff.; dazu auch K. A.

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6. Kap.: Gesetzesprinzip

verwirklicht, macht diese Unterscheidung (vgl. BVerwGE 82, 76 (80 ff.); 87, 37 (39 ff.); auch BVerwGE 71, 183 (189 ff., Warnungsbefugnis); 90, 112 (122 f.)). Aus der Aufgabe selbst lassen sich die Befugnisse und die Mittel nicht schließen494. Der (machiavellistische und jesuitische495) Grundsatz, der Zweck heilige die Mittel, ist republikwidrig. Richtig definiert das Grundgesetz in Art. 1 Abs. 3 GG und in Art. 20 Abs. 2 und 3 GG die zweite Gewalt als „vollziehende Gewalt“496. Die formellen Handlungsgesetze können durch Rechtsverordnungen gemäß Art. 80 GG näher ausgestaltet werden. Die gesetzlichen Verwaltungsermächtigungen müssen um der Demokratie und um des Rechtsstaates willen derart bestimmt sein, daß noch von einem Gesetzesvollzug gesprochen werden kann (vgl. BVerfGE 20, 150 (157); 21, 73 (79); 34, 165 (192 f.); 41, 251 (262 f.); 45, 393 (399); 49, 89 (145); 52, 1 (41); 62, 169 (182 f.))497. Das schließt nicht aus, daß die Exekutive den Vollzug durch rechtsetzende Verwaltungsakte, also durch allgemeine Entscheidungen, die alle oder einen allgemeinen bestimmten Personenkreis für bestimmte oder allgemein bestimmte Fälle betreffen498, bewerkstelligt. c) Der Vorbehalt des Gesetzes ist von der Lehre für die sogenannte Eingriffsverwaltung allgemein anerkannt499. Er wird vornehmlich mit einem materiellen, liberalistischen Freiheitsprinzip begründet500, welches vor gesetzesloser staatlicher Ingerenz schütze. Die Praxis stützt den eingriffsrechtlichen Gesetzesvorbehalt auf die jeweiligen Grundrechte, in welche die Verwaltungsmaßnahme eingreift, subsidiär auf die allgemeine Handlungsfreiheit des Art. 2 Abs. 1 GG, für Rechtsverordnungen in Verbindung mit Art. 80 Abs. 1 GG (BVerfGE 20, 150 Schachtschneider, Produktwarnung, S. 167 f.; vgl. auch BVerfGE 105, 279 ff., Warnung vor „Jugendsekten“. 494 Vgl. W.-R. Schenke, Polizei- und Ordnungsrecht, Rdn. 20, S. 188, der aus der Aufgabe auf die notwendigen Befugnisse zur Aufgabenbewältigung schließt, falls im Gesetz keinerlei Befugnisse mit der Aufgabenzuweisung verbunden sind. Eine solche Schlußfolgerung wäre etwa gemeinschaftsrechtlich überaus fragwürdig, das breite Aufgaben, aber nur schmale Befugnisse zuweist (vgl. Art. 308 EGV). 495 Machiavelli, Il principe, 1532, besonders klar XVIII. Kapitel. 496 Die ursprüngliche Formulierung war „Verwaltung“, Änderung durch Gesetz vom 19.3.1956 (BGBl I, 111). 497 Dazu 13. Kap., II; vgl. K. Hesse, Grundzüge des Verfassungsrechts der Bundesrepublik Deutschland, Rdn. 314, 527 f. 498 K. A. Schachtschneider, Grundbegriffe des Allgemeinen Verwaltungsrechts, S. 9 ff.; dazu 10. Kap., I, 4 a. 499 K. Stern, Staatsrecht I, S. 808; E. Schmidt-Aßmann, Der Rechtsstaat, HStR, Bd. I, § 24, Rdn. 63 ff.; dazu (i. d. S.) F. Ossenbühl, Vorrang und Vorbehalt des Gesetzes, HStR, Bd. III, § 62, Rdn. 18 ff.; ders., Rechtsquellen und Rechtsbindungen der Verwaltung, in: H.-U. Erichsen (Hrsg.), Allgemeines Verwaltungsrecht, 11. Aufl. 1998, § 9, Rdn. 11 ff. 500 Kritik am liberalistischen Freiheitsprinzip und der damit verbundenen Eingriffsdoktrin K. A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 441 ff., insb. S. 478; ders., Freiheit in der Republik, 6. Kap.

III. Vorbehalt des Gesetzes

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(157 f.); 33, 125 (158 f.); 33, 303 (337); 34, 165 (192 f.); 49, 89 (126); 58, 257 (274); 85, 386 (403 f.); 98, 218 (252))501. Art. 80 Abs. 1 GG, der die Ermächtigung zum Erlaß von Rechtsverordnungen regelt, kommt für Satzungsermächtigungen nicht zum Tragen (BVerfGE 33, 125 (159); 45, 393 (399)). Grundrechtseinschränkungen durch Satzungen aber bedürfen bestimmter Ermächtigungen durch legislative Gesetze (BVerfGE 33, 125 (159); 45, 393 (399)). Die Praxis begrenzt den Gesetzesvorbehalt auf die Eingriffsverwaltung (BGHZ 111, 229 (234); BVerwGE 6, 282 (287 f.); 48, 305 (308); offen gelassen in BVerfGE 33, 307 (337))502 und fordert eine hinreichend enge tatbestandsmäßige Festlegung der Eingriffsgesetze. Handlungsverbote etwa müssen ihren Tatbestandsvoraussetzungen nach möglichst bestimmt sein (BVerfGE 57, 257 (274)). „Die Tätigkeit der Verwaltung“ muß „inhaltlich normiert sein“ (BVerfGE 6, 32 (42); 8, 71 (76); 8, 274 (325); 9, 83 (87); 13, 153 (160); 20, 150 (158)). So hat es das Bundesverfassungsgericht für rechtsstaatswidrig erklärt, daß das Sammlungsgesetz das Sammeln ohne nähere Differenzierung verboten, eine Genehmigung des Sammelns aber wiederum ohne tatbestandliche Differenzierung ermöglicht hat (BVerfGE 20, 150 (157 ff.)). Das Bestimmtheitsprinzip ist ein Grundprinzip des Rechts503. Je schwerwiegender die Auswirkungen einer Regelung sind, desto genauer müssen die Vorgaben des förmlichen Gesetzgebers sein (BVerfGE 49, 168 (181; 59 (104 (14); 86, 288 (311)). Für die (sogenannte) Leistungsverwaltung, insbesondere als Voraussetzung von Subventionen, lehnt die Praxis (BVerwGE 6, 282 (287); 20, 101 (102); 31, 279 (285); 48, 305 (308); BGHZ 111, 229 (234)), unterstützt von einem Teil der Lehre504, einen Vorbehalt des Gesetzes ab. 2. Gesetzesvorbehalt, nicht nur Haushaltsvorbehalt a) Weil die Gesetze die Freiheit verwirklichen, sind die Kriterien des Eingriffs und der Leistung, mittels derer die Praxis den Wirkungsbereich des Vorbehalts des Gesetzes bestimmen will, unsachlich. Sie dogmatisieren die Trennung von Staat und Gesellschaft, welche schon die Weimarer Verfassung, erst recht aber das ebenfalls republikanische Grundgesetz überwunden hat505. Jedes Gesetz verwirklicht die Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit der Bürger, und 501 Vgl. BVerwGE 47, 194 (197 f.); 48, 305 (308); dazu F. Ossenbühl, Vorrang und Vorbehalt des Gesetzes, HStR, Bd. III, § 62, Rdn. 16. 502 Vgl. aber BVerfGE 8, 15 (187 ff.), kein Gesetzesvorbehalt für Verfahren und Zuständigkeit in der Leistungsverwaltung, BVerfGE 68, 1 (109), kein Totalvorbehalt des Gesetzes; weitergehend die Wesentlichkeitspraxis (3.), etwa BVerfGE 49, 89 (126 f.); weitere Hinweise zu und in Fn. 501. 503 Zum Bestimmtheitsprinzip 13. Kap. 504 Vgl. die Hinweise in Fn. 499, 501. 505 K. A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 159 ff., 175 ff.; H. H. Rupp, Grundfragen der heutigen Verwaltungsrechtslehre, 1965, 2. Aufl. 1991, S. 113 ff.

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6. Kap.: Gesetzesprinzip

umgekehrt gebieten Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit die Republikanität des Gemeinwesens, die allgemeine Gesetzlichkeit des gemeinsamen Lebens. Eine republikanische Willensbildung kann nur demokratisch sein506. Demgemäß muß alle Staatlichkeit demokratisch und damit durch Gesetz begründet sein. Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus. Die vollziehende Gewalt muß zwar demokratisch legitimiert sein, ist aber eben nur Vollzugsgewalt. Die Wesentlichkeitslehre (3.) unterwirft sie durchgehend dem Gesetzesvorbehalt im Grundsätzlichen. Schon wegen des Privatheitsprinzips507 ist jede staatliche Ingerenz, sei es durch Eingriff oder Leistung, eine Grundrechtsbeeinträchtigung. Zudem verursacht jede Leistung Kosten, die regelmäßig durch Steuern finanziert werden müssen. Eingriffe können als Belastungen, also Nachteile, Leistungen als Begünstigungen, also Vorteile, verstanden werden. Vorteile oder Nachteile sind interessenhafte Kriterien, denen auch die Begriffe Eingriff und Leistung folgen. Sie sind ohne rechtliche Relevanz, wenn die Gesetze Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit verwirklichen. Rechtlich relevant ist der Dissens zwischen dem Bürger und der vollziehenden Gewalt. Der Dissens entsteht, wenn ein Antrag eines Bürgers von der Verwaltung abgelehnt wird oder wenn der Bürger mit einer Maßnahme der Verwaltung nicht einverstanden ist. Eine Prüfungsbewertung mit der Note ausreichend etwa kann für einen Kandidaten ein Glück, für den anderen ein Unglück bedeuten. Aus all dem folgt, daß alles Handeln der vollziehenden Gewalt einer gesetzlichen Grundlage bedarf. Der Gesetzesvorbehalt ist somit auch und wesentlich im Rechtsstaatsprinzip des Art. 20 Abs. 3 GG und im demokratischen Prinzip des Art. 20 Abs. 1 GG verankert (BVerfGE 33, 125 (158 f.); 40, 237 (248 f.); 41, 231 (243); 41, 251 (259 f.); 49, 89 (126 f.))508. Aus der Logik der demokratischen und rechtsstaatlichen Begründung des Gesetzesvorbehalts ergibt sich der umfassende, auch die Leistungsverwaltung erfassende, Gesetzesvorbehalt (totaler Gesetzesvorbehalt, a. A. (aber offen) BVerfGE 20, 150 (157 f.); 68, 1 (109))509. Das demokratische Prinzip und das Rechtsstaatsprinzip sind eine Einheit. Beide folgen logisch aus der allge-

506 K. A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 14 ff.; i. d. S. BVerfGE 80, 60 (71 ff.); 89, 155 (171 ff., 181 ff.). 507 K. A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 370 ff., insb. S. 386 ff.; ders., Freiheit in der Republik, 8. Kap., IV; ders., Der Anspruch auf materiale Privatisierung, S. 67 ff. 508 Vgl. i. d. S., wenn auch einschränkend auf „grundrechtsrelevante Bereiche“, BVerwGE 33, 125 (158 f., 163); 33, 303 (337); 34, 165 (192 f.); 47, 194 (197 f.); 48, 305 (308); K. Stern, Staatsrecht I, S. 805; F. Ossenbühl, Vorrang und Vorbehalt des Gesetzes, HStR, Bd. III, § 62, Rdn. 14, 33 ff.; K. Sobota, Das Prinzip Rechtsstaat, S. 111; a. A. BGHZ 111, 229 (234). 509 D. Jesch, Gesetz und Verwaltung, S. 145 f., 171 ff., insb. S. 175 ff.; a. A. E. Schmidt-Aßmann, Der Rechtsstaat, HStR, Bd. I, § 24, Rdn. 63; K. Stern, Staatsrecht I, S. 808; F. Ossenbühl, Vorrang und Vorbehalt des Gesetzes, HStR, Bd. III, § 62, Rdn. 17 ff.; ders., Rechtsquellen und Rechtsbindungen der Verwaltung, § 19, Rdn. 11.

III. Vorbehalt des Gesetzes

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meinen Freiheit. Eine Demokratie muß rechtsstaatlich, ein Rechtsstaat demokratisch sein510. Der umfassende Begriff ist der der Republik. b) Über die gesetzliche Definition des Staatlichen hinaus kann es keine Vollzugsaufgabe der Exekutive geben, weil Staatlichkeit die allgemeine Gesetzlichkeit ist511. Dieses Argument gilt für jede Aufgabe der Verwaltung, nicht nur für die sogenannte Eingriffsverwaltung. Entgegen der Praxis (BVerwGE 6, 282 (287); 18, 352 (353); 20, 101 (102); 31, 279 (285); 58, 45 (48)) sind etwa auch Subventionen, die nicht auf Gesetze, sondern nur auf haushaltsrechtliche Pläne gestützt werden können, verfassungswidrig. Wenn aber die Staatlichkeit Gesetzlichkeit ist, müssen die Gesetze hinreichend bestimmt sein, weil ohne begriffliche Bestimmtheit rechtliche Entscheidungen nicht vermittelt werden können. Begriffe ohne Bestimmtheit sind nicht in der Lage, rechtliche Bindungswirkung zu entfalten. c) Die Praxis läßt Haushaltstitel als hinreichend parlamentarische Leistungsermächtigungen genügen (BVerwGE 6, 282 (287 f.); 18, 352 (353); 20, 101 (102 f.); 31, 279 (285); 58, 45 (48)). Der Haushaltsplan wird zwar durch das Parlament beschlossen, begründet aber keine Rechtsverhältnisse zwischen dem Bürger und dem Staat512. Der Haushaltsplan gibt keine hinreichend bestimmte Handlungsgrundlage für die Verwaltung, wenn er auch die vollziehende Gewalt parlamentarisch ermächtigt, Haushaltsmittel für bestimmte Zwecke auszugeben (§ 3 HGrG; BVerfGE 20, 56 (90 ff.))513 . Er ist kein Gesetz, das durch Subsumibilität gekennzeichnet ist. Der Haushaltsplan ist auf seine haushalts- und finanzwirtschaftliche Funktion begrenzt. Die Verwaltung wird somit durch den Haushaltsplan nicht verpflichtet, den Bürgern Leistungen zu gewähren (§ 3 HGrG; vgl. i. d. S. BVerfGE 38, 12 (125))514. Insbesondere sind Art und Umfang der Leistungen nicht in der Weise geregelt, daß sie das Verhältnis der Bürger untereinander befrieden könnten. Die vielfältigen Wirkungen staatlicher Leistungen auf Dritte erfordern gesetzliche Regelungen. Subventionen für den einen Unternehmer sind Belastungen für den Wettbewerber, die dessen Unternehmerfreiheit 515 (zumindest mittelbar) beeinträchtigen. Folglich steht einem Unternehmer Rechtsschutz gegen eine rechtswidrige Subvention zugunsten 510 So J. Habermas, Faktizität und Geltung, S. 154, 361; ders., Die Einbeziehung des Anderen, S. 277 ff., 293 ff.; K. A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 14 ff., 685 ff., 735 ff., passim. 511 Dazu 3. Kap., II und V, 1, 4. Kap., I, 6. Kap., I, 1. 512 F. Ossenbühl, Vorrang und Vorbehalt des Gesetzes, HStR, Bd. III, § 62, Rdn. 21; G. Kisker, Staatshaushalt, HStR, Bd. IV, 1990, § 89, Rdn. 25 ff.; vgl. zum Haushaltsplan und Haushaltsgesetz BVerfGE 20, 56 (90 ff.). 513 Dazu G. Kisker, Staatshaushalt, HStR, Bd. IV, § 89, Rdn. 25 f., 28. 514 G. Kisker, Staatshaushalt, HStR, Bd. IV, § 89, Rdn. 25 f.; i. d. S. K. Stern, Staatsrecht II, S. 1203 (Haushaltsplan nur „Organgesetz“). 515 Dazu K. A. Schachtschneider, Umweltrecht, S. 334 ff.; ders., Konkurrentenklage, S. 429 ff.

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6. Kap.: Gesetzesprinzip

des Wettbewerbers zu. Richtigerweise ist die Subventionsmaßnahme auch ein Verwaltungsakt gegenüber dem (zu Lasten des) nicht subventionierten Wettbewerber(s) (BVerwGE 30, 191 (197); a. A. BVerwGE 55, 280 (285); 60, 144 (145))516. Die Rechtmäßigkeit von Leistungen muß mit Verbindlichkeit für alle Bürger geklärt sein oder werden können. Die Praxis gibt den Interessenten ein subjektives Recht auf gleichmäßige Subvention gemäß den Verwaltungsvorschriften oder auch nur gemäß der Verwaltungspraxis (BVerwGE 20, 101 (105); 31, 279 (285 f.))517. 3. Bestimmtheit der Gesetze und Wesentlichkeitslehre Wenn man den Vorbehalt des Gesetzes aufrecht erhalten will, erfaßt dieser Vorbehalt alles staatliche Handeln. Daraus folgt im Interesse der Praktikabilität, daß an die Bestimmtheit der Gesetze jeweils nur die Anforderungen gestellt werden können, welche erfüllt sein müssen, um die Politik des gemeinsamen Lebens demokratisch zu legitimieren. Die Gesetze müssen derart bestimmt sein, daß ihr Vollzug durch die Verwaltung im Allgemeinen und im Besonderen von der Legislative verantwortet werden kann (i. d. S. BVerfGE 89, 155 (191 f.)). Gesetze, welche dem Staat die Möglichkeit geben, die Volkswirtschaft zu steuern, können nicht das Maß an Bestimmtheit haben, welche die Steuergesetze (vgl. zur „Tatbestandsmäßigkeit der Besteuerung“ etwa BVerfGE 79, 106 (120)), aber vor allem die Strafgesetze gemäß Art. 103 Abs. 2 GG haben müssen (BVerfGE 14, 145 (251); 25, 269 (285); 41, 314 (355); 49, 168 (181); 75, 329 (342 f.); 78, 374 (381 f.); 84, 363 (391 f.); 92, 1 (12); vgl. auch BVerfGE 66, 337 (355); 6, 68 (97 f.), für wertausfüllungsbedürftige, generalklauselartige Begriffe). Der Staat muß adäquat, flexibel und spontan auf wirtschaftliche Lagen reagieren können. Weitgefaßte Generalklauseln, wie etwa die des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts518, sind richtig, um staatlicher Globalsteuerung der Volkswirtschaft die Richtung zu weisen. Das Bundesverfassungsgericht praktiziert demgemäß eine Wesentlichkeitslehre, welche gebietet, die Grundzüge aller wichtigen Lebensbereiche, wie etwa die des Strafvollzugs oder des Schulwesens, durch die Legislative zu ordnen (BVerfGE 33, 1 (10 f.); 33, 303 (337); 34, 165 (192 f.); 40, 237 (248 f.); 41, 251 (259 f.); 45, 400 (417); 47, 46 (78 f.); 48, 210 (291); 49, 89 (126 f.); 58, 257 (268 ff.); 89, 155 (191 f.); 98, 218 (251 ff.); auch BVerwGE 47, 194 516 Dazu K. A. Schachtschneider/A. Emmerich-Fritsche, Kommunaler Wettbewerb, S. 45 ff. 517 G. Kisker, Staatshaushalt, HStR, Bd. IV, § 89, Rdn. 26. 518 Dazu H.-M. Hänsch, Gesamtwirtschaftliche Stabilität als Verfassungsprinzip, 2002, S. 61 ff., 138 ff.; K. A. Schachtschneider, Imperative Lohnleitlinien unter dem Grundgesetz, Der Staat 16 (1977), S. 493 ff. (507, 514 f.); W. Hankel u. a., Die EuroKlage, S. 200 ff.

III. Vorbehalt des Gesetzes

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(197 ff.))519. Das soll dem Rechtsschutz eine Grundlage geben, aber auch und vor allem wegen der unentwirrbaren Einheit von Eingriff und Leistung des Staates den Prinzipien von Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit Geltung verschaffen. Als wesentlich werden insbesondere Maßnahmen eingestuft, welche Grundrechte einschränken (BVerfGE 20, 150 (157 f.); 34, 165 (192); 40, 237 (248 f.); 41, 251 (260 f.); 47, 46 (79); 49, 89 (126 f.); 95, 267 (387 f.); 98, 218 (251 f.)), ein unhaltbares Kriterium, weil alle staatlichen Maßnahmen wegen der allgemeinen Freiheit grundrechtsrelevant sind520. Das Wesentliche für die Grundrechtsausübung darf „nicht anderen Normgebern überlassen werden“ (BVerfGE 58, 257 (274); 62, 169 (182); 95, 267 (307); 98, 218 (251)), also nicht der Regierung und Ministern, die Rechtsverordnungen erlassen. Die demokratische Gesetzlichkeit der Verwaltung ist verletzt, wenn den Gesetzen die wesentlichen politischen Entscheidungen nicht entnommen werden können, unabhängig von der zweifelhaften Dichotomie von Eingriffs- und Leistungsverwaltung (BVerfGE 33, 1 (10 f.); 47, 46 (78 ff.); 49, 89 (126 ff.); 57, 295 (320 f.); 58, 257 (268 ff.); 98, 218 (251 f.)). Aber das Bundesverfassungsgericht macht in BVerfGE 98, 218 (251 f.) eine Einschränkung: „Zu berücksichtigen ist im übrigen auch, daß die in Art. 20 Abs. 2 GG als Grundsatz normierte organisatorische und funktionelle Unterscheidung und Trennung der Gewalten auch darauf zielt, daß staatliche Entscheidungen möglichst richtig, das heißt von den Organen getroffen werden, die dafür nach ihrer Organisation, Zusammensetzung, Funktion und Verfahrensweise über die besten Voraussetzungen verfügen. Dieses Ziel darf nicht durch einen Gewaltenmonismus in Form eines umfassenden Parlamentsvorbehalts unterlaufen werden (vgl. BVerfGE 68, 1 (86 f.)).“

519 Dazu (nicht unkritisch) F. Ossenbühl, Vorrang und Vorbehalt des Gesetzes, HStR, Bd. III, § 62, Rdn. 41 ff. 520 Kritisch auch F. Ossenbühl, Vorrang und Vorbehalt des Gesetzes, HStR, Bd. III, § 62, Rdn. 45 ff.

7. Kapitel

Rechtsschutzprinzip I. Erzwingbarkeit der Rechtlichkeit Der Rechtsstaat muß Rechtsschutz geben. Er ist auch Gerichtsstaat. Die rechtsprechende Gewalt ist den Richtern anvertraut (Art. 92 GG). 1. Gewalt und Zwang des Staates a) Das Recht ist mit der Befugnis zu zwingen verbunden; denn der Zwang, der dem „Unrecht“ als „Hindernis der Freiheit nach allgemeinen Gesetzen“ entgegengesetzt wird, ist als „Verhinderung eines Hindernisses der Freiheit mit der Freiheit nach allgemeinen Gesetzen zusammenstimmend, d. i. recht:“ (Kant)521. Zwangsmaßnahmen sind prinzipiell der staatlichen Gewalt vorbehalten. Die Befugnis des Staates, sich gegenüber jeder anderen Gewalt im Staat durchzusetzen, dessen (fälschlich) sogenanntes Gewaltmonopol, ist Grundprinzip des modernen Staates, der aus dem vorstaatlichen Chaos des Krieges aller gegen alle (Hobbes)522 ein politisches Gemeinwesen des Friedens (als der Wirklichkeit der Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit) zu machen versucht. Dafür bedarf der Staat auch der Möglichkeiten. Aufgaben, Befugnisse und Mittel des Staates zur Durchsetzung der Gesetze sind in den Gesetzen geregelt, insbesondere im Polizeirecht und im Strafrecht. Die Aufgaben sind zwischen Bund, Ländern, Gemeinden und den vielen Körperschaften und Anstalten des öffentlichen Rechts geteilt (Zuständigkeiten). Die Befugnisse und Mittel sind abgestuft. Sie müssen den allgemeinen Rechtsprinzipien, vor allem den Grundrechten genügen, insbesondere dem Verhältnismäßigkeitsprinzip. Nach Art. 5 Abs. 1 S. 3 GG etwa findet eine Zensur nicht statt. Die Todesstrafe ist durch Art. 102 GG abgeschafft. Sie würde auch die Würde des Menschen verletzen (BGHSt 41, 317 (325); i. d. S. auch BVerfGE 39, 1 (42); 45, 187 (228))523. Als Mittel wird auch die Folter abgelehnt, sei sie auch das einzige Mittel, um eine lebenswichtige Information zu erzwingen524. 521 Metaphysik der Sitten, S. 338 f.; K. A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 545 ff.; A. Emmerich-Fritsche, Recht und Zwang im Völkerrecht, insbesondere im Welthandelsrecht, S. 123 ff. 522 Leviathan, I, 13, S. 112 ff.; I, 17, S. 151 ff.; II, 18, S. 156 ff.

I. Erzwingbarkeit der Rechtlichkeit

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Die Folter gilt als menschenunwürdig (Art. 5 AEMR, Art. 3 EMRK). Folter ist nach dem allgemein dem Folterbegriff zugrunde gelegten Begriff der Folterkonvention der Vereinten Nationen vom 10. Dezember 1984 das Zufügen „großer körperlicher oder seelischer Schmerzen oder Leiden“ zu einem näher bestimmten Zweck (etwa um eine Aussage zu erlangen, um einzuschüchtern oder sonst zu diskriminieren), wenn diese vom Staat („öffentlichen Dienst“ . . .) verursacht werden, also nicht schon die Drohung mit Folter. Auch die Organentnahme aus hirntoten Menschen verletzt entgegen § 4 TPG das Persönlichkeitsrecht des Menschen im Todesprozeß, wenn er nicht zu Lebzeiten eingewilligt hat525. b) Jeder Mensch ist der Gewalt fähig, ja übt durch alles Handeln Gewalt aus526. Alles Handeln ist nämlich Gewaltausübung; denn es wirkt auf andere, auf alle. Der Mensch handelt, denn er ist frei. Jedenfalls lebt die Menschheit unter der Idee der Freiheit (Kant)527, also unter der Annahme, daß nicht alles Handeln determiniert sei, sondern daß Handeln die Welt verändert, also kausal sei528. Handeln ist somit Walten. Daher kommt das Wort Gewalt. Gewalt ist potestas, džnamiò. Gewalt ist nicht nur der Zwang im engeren Sinne, obwohl alles Handeln zwingt, nämlich die Wirklichkeit ändert. Der alltägliche Sprachgebrauch hat das Wortverständnis von Gewalt, aber auch das von Zwang verengt und damit folgenreiche Fehlentwicklungen in der Rechtslehre bewirkt 523 Ph. Kunig, in: v. Münch/Kunig, Grundgesetz, Kommentar, Bd. 3, 3. Aufl. 1996, Art. 102, Rdn. 18; D. Lorenz, Das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit, HStR, Bd. VI, 1989, § 128, Rdn. 26 ff., behandelt die Todesstrafe als Fall des Art. 2 Abs. 2 S. 1 GG; ebenso Ch. Enders, Die Menschenwürde in der Verfassungsordnung, 1997, S. 460 f.; einschränkend auch R. Scholz, in: Maunz/Dürig, GG, 1978, Art. 102, Rdn. 31; a. A. R. Zippelius, Bonner Kommentar, Drittbearbeitung, 1989, Art. 1, Rdn. 70. 524 E. Benda, Menschenwürde und Persönlichkeitsrecht, HVerfR, 2. Aufl. 1994, § 6, Rdn. 15, S. 168; Ph. Kunig, in: v. Münch/Kunig, Grundgesetz, Kommentar, Bd. 3, Art. 104, Rdn. 12; Ch. Enders, Die Menschenwürde in der Verfassungsordnung, S. 486, gestützt auf Art. 2 Abs. 1, Art. 19 Abs.2 GG; relativierend wegen der Schutzpflichten des Staates, nach Maßgabe des Verhältnismäßigkeitsprinzips, W. Brugger, Darf der Staat ausnahmsweise foltern?, Der Staat 35 (1996), S. 67 ff. (79 ff.); ders., Vom unbedingten Verbot der Folter zum bedingten Recht auf Folter?, JZ 2000, 165 ff. 525 K. A. Schachtschneider/D. I. Siebold, Die „erweiterte Zustimmungslösung“ des Transplantationsgesetzes im Konflikt mit dem Grundgesetz, DÖV 2000, S. 129 ff. 526 Dazu und zum Folgendem K. A. Schachtschneider, Der Anspruch auf materiale Privatisierung, S. 274 ff., 284 ff., 289 ff. (294 f.); auch ders., Res publica res populi, S. 218 ff., 318 ff., 480 f., 858 ff. 527 Kritik der reinen Vernunft S. 325 f., 426 ff., 492 ff., 495 ff., 671 ff., 676 ff.; ders., Grundlegung zur Metaphysik der Sitten, S. 82 ff., 88 ff., 94 ff.; vgl. auch ders., Kritik der praktischen Vernunft, S. 218 ff., 230 ff.; dazu K. A. Schachtschneider, Freiheit in der Republik, 2. Kap., II. 528 Kant, Kritik der reinen Vernunft, S. 426 ff., 495 ff., 505 ff., 674 ff.; ders., Grundlegung zur Metaphysik der Sitten, S. 82 ff., 94 ff. (u. ö.); ders., Kritik der praktischen Vernunft, S. 139 ff., 155 ff., 218 ff., 230 ff.; ders., Metaphysik der Sitten, S. 326 ff., 347, 361; K. A. Schachtschneider, Freiheit in der Republik, 2. Kap., II.

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7. Kap.: Rechtsschutzprinzip

(auch ein Zwang, dem es zu wehren gilt). Auch Sprechen ist Walten, Zwingen, Sprachgewalt auch Zwang. Das wird augenscheinlich beim Wandel der Sprache, etwa in der imperialistischen Verbreitung des Amerikanismus. Zwang ist vor allem die Propaganda, die vornehmlich die Sprache einsetzt. Es gibt kein Leben ohne Veränderung der Wirklichkeit, der Welt, durch Handeln, sei das Handeln privatheitlich oder sei es staatlich. Auch wenn man sagt, daß der Staat handle, handeln Menschen, deren Handeln dem Staat, d.h. dem zum Staat vereinten Volk, zugerechnet wird. Staat ist ein Wort für die Vereinigung des Volkes zu einer Rechtsgemeinschaft529, also ein Begriff für eine vielfältige „Handlungsund Wirkungseinheit“, wie Hermann Heller formuliert hat530. „Der Staat (civitas) ist die Vereinigung einer Menge von Menschen unter Rechtsgesetzen“ (Kant)531, Gewalt ist somit die Wirkung jedes Handelns. Wer frei ist, waltet und übt Gewalt aus. Darum ist das Gerede vom Gewaltmonopol des Staates irreführend. Dem Staat wird durch das Volk Macht (die Menge der Möglichkeiten zu handeln) zugestanden, sich gegenüber jeder nicht staatlichen Macht durchsetzen, weil nur so der Frieden im Lande, besser: die Rechtlichkeit als die Wirklichkeit der allgemeinen Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit (das ist der innere Frieden) gewährleistet werden kann (Hobbes)532. Die Aufgaben, Befugnisse und Mittel des Staates sind in dem Verfassungsgesetz oder in Gesetzen geregelt, die auf dem Verfassungsgesetz beruhen. Die Gewaltlichkeit ist zwar die Eigenart des Menschen; denn der Mensch kann handeln. Aber die Menschen sollen (dürfen) nur handeln, wenn sie anderen nicht schaden (Art. 4 und 5 der Erklärung der Rechte des Menschen und des Bürgers von 1789). Eine andere Freiheit hat der Mensch wegen des mit der allgemeinen Freiheit als Idee und damit als Rechtsprinzip verbundenem Sittengesetzes nicht, jedenfalls nicht im Staat (Art. 2 Abs. 1 GG)533; denn die Freiheit ist ein Vernunftprinzip. Sie ist nichts anderes als (transzendentalphilosophisch) die Vernünftigkeit des Menschen534. Ob Handeln schadet oder nicht, 529 Cicero, De re publica, ed. Reclam, S. 144 (Quid est enim civitas nisi iuris societas civium?); dazu K. A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 519 ff. 530 Staatslehre, 1934, 2. Aufl. 1961, S. 182 ff., 192 f., 228 ff. 531 Metaphysik der Sitten, S. 431; so auch Montesquieu, Vom Geist der Gesetze, XI, 3. Kap., S. 210; i. d. S. auch Locke, Über die Regierung, VIII, 99, S. 76; in der Sache schon Aristoteles, Politik, 1253a 1 ff.; vgl. K. A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 519 m. w. H. 532 Leviathan, 2. Teil, 17. Kap. S. 151 ff.; dazu K. A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 545 ff. 533 Kant, Grundlegung zur Metaphysik der Sitten, S. 41 ff.; ders., Kritik der praktischen Vernunft, S. 138 ff.; ders., Metaphysik der Sitten, S. 326 ff., 345 f.; K. A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 253 ff., 259 ff., 275 ff., 344; ders., Freiheit in der Republik, 2. Kap., II, VII, 4. Kap.; dazu 3. Kap., II. 534 I. d. S. Kant, Kritik der reinen Vernunft, S. 426 ff., 495 ff., 505 f., 674 ff.; ders., Grundlegung zur Metaphysik der Sitten, S. 82 ff.; ders., Kritik der praktischen Vernunft, S. 135 ff., passim; ders., Metaphysik der Sitten, S. 326 ff.; K. A. Schachtschnei-

I. Erzwingbarkeit der Rechtlichkeit

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hängt allein davon ab, ob die von dem Handeln betroffenen Menschen mit den Wirkungen des Handelns einverstanden sind. Das können nur die allgemeinen Gesetze, die Gesetze aller, regeln, die den allgemeinen Willen (das allgemeine Einverständnis) mit dem jeweiligen Handeln erklären535. Demgemäß ist die politische Frage der Gewalt eine Frage der Legalität. Sowohl staatliche als auch private Gewalt muß legal sein, d.h. auf Gesetzen des Rechts beruhen. c) Die in Art. 20 Abs. 2 S. 1 GG genannte Staatsgewalt umfaßt somit alles Handeln des Staates. Sie ist das Handeln des Volkes als Staat, das nur als Handeln von staatlichen Amtswaltern im Namen des Volkes, in dessen Vertretung, vorgestellt werden kann. Demgemäß wird die Staatsgewalt, wenn nicht durch das Volk selbst durch Wahlen und Abstimmungen, durch die Organe der Gesetzgebung, der vollziehenden Gewalt und der Rechtsprechung ausgeübt (Art. 20 Abs. 2 S. 2 GG). Die Organe vertreten das Volk. So wie Organe allgemein ihrem Körper dienen, so ist die organschaftliche Vertretung des Volkes Dienst am Volk536. Das ist nicht etwa Herrschaft537. Es ist vielmehr die Organisation zur Verwirklichung der allgemeinen Freiheit. d) Private Zwangsmaßnahmen im engeren Sinne sind grundsätzlich gesetzeswidrig. Festnahmen und Vollstreckungen sind im Grundsatz dem Staat vorbehalten538. Eine private Festnahme wird nach § 239 StGB als Freiheitsberaubung (Ausnahmen § 127 Abs. 1 StPO, § 229 BGB), eine private Vollstreckung einer Geldforderung mit „Gewalt“ als Nötigung (§ 240 StGB) bestraft539, selbst wenn die Forderung berechtigt ist. Der strafrechtliche Gewaltbegriff meint den Zwang im engeren Sinne (vis absoluta oder vis compulsiva)540. „In der Gerichtsbarkeit prägen sich innerstaatliches Gewaltverbot und staatliches Gewaltmonopol aus“ (BVerfGE 54, 277 (292)). Wenn aber der Staat nicht zu schützen vermag, sind auch private Zwangsmaßnahmen gerechtfertigt, etwa zur Notwehr oder Nothilfe als die „Verteidigung, welche erforderlich ist, um einen gegenwärtigen rechts-

der, Res publica res populi, S. 275 ff., 519 ff.; ders, Freiheit in der Republik, 2. Kap., II, VII, 7. Kap., II. 535 K. A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 35 ff., 279 ff., 303 ff., 332 ff., 410 ff., 494 ff., 519 ff., 536 ff.; ders., Freiheit in der Republik, 2. Kap., III, IV, 5. Kap., II, IV, 7. Kap., I, III. 536 K. A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 637 ff., insb. S. 707 ff. 537 Dazu K. A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 71 ff., 637 ff., 685 ff., 707 ff. 538 Vgl. K. A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 551 f. 539 A. Schönke/H. Schröder, Strafgesetzbuch, Kommentar, 15. Aufl. 1970, § 240, Rdn. 23; H. Tröndle/Th. Fischer, Strafgesetzbuch, Kommentar, 50. Aufl. 2001, § 240, Rdn. 41, 45, § 263, Rdn. 43. 540 Gewalt (im strafrechtliche Sinne) ist die zur Überwindung eines Widerstandes entfaltete physische Kraft, RGSt 56, 87; 64, 115; vgl. A. Schönke/H. Schröder, Strafgesetzbuch, Vorbemerkung zu den §§ 234 ff., Rdn. 6 ff., kritisch, weil dieser herkömmliche Gewaltbegriff in der Praxis weitgehend aufgelöst sei.

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7. Kap.: Rechtsschutzprinzip

widrigen Angriff von sich oder einem anderen abzuwenden“ (§ 227 BGB, § 32 StGB) oder zur Selbsthilfe, „wenn obrigkeitliche Hilfe nicht rechtzeitig zu erlangen ist und ohne sofortiges Eingreifen die Gefahr besteht, daß die Verwirklichung eines Anspruches vereitelt oder wesentlich erschwert werde“ (§ 229 BGB). e) Auch staatliche Zwangsmaßnahmen im engeren Sinne müssen eine gesetzliche Grundlage haben541. Wesentliche Rechtsgrundlagen der staatlichen Zwang sind das Strafgesetzbuch und die Polizeigesetze der Länder. Der staatliche Zwang zum Vollzug der Gesetze ist in dem Maße Verwirklichung der Freiheit, in dem die Gesetze dem Recht genügen. Der Staat gibt dem Recht (objektiv und subjektiv542) Schutz, also Rechtsschutz, in dem er das Recht und die Rechte denen gegenüber durchsetzt, die das Recht nicht von selbst, also aus Moralität (aus Pflicht), wahren und die Rechte anderer (des Staates oder von Privaten) mißachten (verletzen). Notfalls setzt der Staat Zwang im engeren Sinne, sei es unmittelbarer oder mittelbarer Zwang, ein. Das ist in der Zivilprozeßordnung (§§ 704 ff. ZPO), im Zwangsvollstreckungsgesetz, im Strafvollzugsgesetz, im Verwaltungsvollzugsgesetz und in anderen Gesetzen geregelt. Rechtsschutz ist Staatsschutz. Rechtsschutz verwirklicht die allgemeine Freiheit und die Freiheit jedes Einzelnen. 2. Rechtsklärung als Voraussetzung des Rechtszwanges Freiheitliche Erzwingung des Rechts setzt die Klärung des Rechts543 voraus, wenn dieses streitig ist. Eine befriedende Klärung können nur Gerichte leisten, die mit zur Rechtsklärung fähigen Richtern besetzt sind und die die Aufgabe haben, das Recht in einem Verfahren zu klären, welches jeder parteilichen und parteiischen Verzerrung des Rechts entgegenwirkt. Der Richterspruch ist eine Grundlage (Titel, § 704 ZPO) legalen Zwanges (im engeren Sinne; vgl. BVerfGE 54, 277 (292))544, insbesondere der Freiheitsentziehung (Art. 104 Abs. 2 GG)545, eine andere ist der Verwaltungsakt (§§ 6 ff. VwVG, § 251 Abs. 1 AO); denn auch die zweite Gewalt kann zwangsbewehrte Verbindlichkeit schaffen, die aber unter dem Vorbehalt des Gerichtsschutzes, also richterli541

K. A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 557. Zum subjektiven öffentlichen Recht H.-J. Wolff/O. Bachof/R. Stober, Verwaltungsrecht I, 10. Aufl. 1994, § 43, Rdn. 1 ff., S. 559 ff.; H. Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, 15. Aufl. 2004, § 8, Rdn. 1 ff., S. 163 ff.; H.-U. Erichsen, Das Verwaltungshandeln, § 11, Rdn. 30 ff., S. 243 ff.; K. A. Schachtschneider, Grundbegriffe des Allgemeinen Verwaltungsrechts, S. 49 ff.; weitere Hinweise in Fn. 584, 586. 543 Dazu K. A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 872 ff., 911 ff., 1137 ff. 544 H.-U. Erichsen, Das Verwaltungshandeln, § 21, Rdn. 2, S. 37b; dazu 3 und 4. 545 Dazu E. Grabitz, Freiheit der Person, HStR, Bd. VI, 1989, § 130, Rdn. 24 ff.; dazu 14. Kap., IV, 1. 542

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cher Rechtsklärung, steht (Art. 19 Abs. 4 GG)546. Auch der durch Art. 19 Abs. 4 GG und allgemein durch das Rechtsstaatsprinzip (Effektivität des Rechtsschutzes), aber auch die jeweils betroffenen Grundrechte gebotene (vgl. BVerfGE 35, 263 (274); 35, 382 (402); 46, 166 (178); 51, 268 (284); 67, 43 (58)) vorläufige Rechtsschutz, etwa einstweilige Anordnungen im Verwaltungs- (§ 123 VwGO) und Verfassungsprozeß (§ 32 BVerfGG), Arrest und einstweilige Verfügung im Zivilprozeß (§ 916 ff., 935 ff. ZPO))547, insbesondere durch Zwangsmaßnahmen, setzt richterliche Entscheidungen voraus. Vorläufiger Rechtsschutz wird aber auch anders erreicht, insbesondere durch die aufschiebende Wirkung von Widerspruch und Anfechtungsklage im Verwaltungs- und Verwaltungsgerichtsverfahren (etwa §§ 80, 80a VwGO)548. 3. Staatlicher Schutz des Rechts a) Begriff des objektiven Rechts aa) Objektives Recht ist zunächst die Verfassung der Menschheit des Menschen549, insbesondere die Prinzipien der Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit (Sozialprinzip), aber auch die Menschenrechte, die nämlich nicht zur Disposition der Politik (als ausübender Rechtslehre, Kant550) stehen, sondern durch die Politik verwirklicht werden müssen. Zur Verfassung gehören auch die freiheitsgemäßen Organisationsprinzipien (Strukturprinzipien) des Staates, nämlich das demokratische Prinzip, das Rechtsstaatsprinzip und auch das Prinzip der kleinen Einheit (nationales, föderales und kommunales Prinzip), zusammengefaßt das Republikprinzip551. bb) Objektives Recht schaffen im Rahmen der Verfassung die Verfassungsgesetze, in Deutschland das Grundgesetz für den Bund und die Landesverfassun546 Dazu H. Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 20, Rdn. 1 ff., 11, S. 505 ff. 509; P. Badura, in: H.-U. Erichsen, Allgemeines Verwaltungsrecht, 11. Aufl. 1998, § 21, Rdn. 4 ff., 7 ff., 18 ff., S. 375 ff., 378 f., 383 ff.; K. A. Schachtschneider, Grundbegriffe des Allgemeinen Verwaltungsrechts, S. 28 ff. 547 Dazu F. Hufen, Verwaltungsprozeßrecht, 2. Aufl. 1996, § 31–34, S. 531 ff.; J. Berkemann, Einstweilige Anordnung, in: D. C. Umbach/Th. Clemens, Bundesverfassungsgerichtsgesetz, Mitarbeiterkommentar und Handbuch, 1992, S. 565 ff.; A. Baumbach/W. Lauterbach/J. Albers/P. Hartmann, Zivilprozeßordnung, 55. Aufl. 1997, S. 2124 ff. 548 Dazu F. Hufen, Verwaltungsprozeßrecht, § 32, S. 539 ff. 549 Zum Unterschied der Verfassung von dem Verfassungsgesetz K. A. Schachtschneider (O. Gast), Sozialistische Schulden nach der Revolution, S. 29 ff., 50 ff.; dazu 5. Kap. 550 Zum ewigen Frieden, S. 228 ff. 551 Dazu umfassend K. A. Schachtschneider, Res publica res populi. Grundlegung einer Allgemeinen Republiklehre. Ein Beitrag zur Freiheits-, Rechts- und Staatslehre, 1994.

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gen für die Länder. Die Verfassungsgesetze haben Vorrang vor den (sogenannten) einfachen Gesetzen. Sie werden in besonderen Verfahren durch den pouvoir constituant, den Verfassungsgeber geschaffen. Verfassungsgeber kann unter Freiheitsgesichtspunkten nur das Volk sein (dazu 5. Kap., III). In begrenztem Umfang hat der Gesetzgeber als verfassungsändernder Gesetzgeber die Befugnis, das Verfassungsgesetz zu ändern (Art. 79 Abs. 1 und 2 GG). Er darf dabei weder das Verfassungsgesetz in seinen Prinzipien und Strukturen ändern, noch gar die Verfassung beeinträchtigen (dazu 5. Kap., V). In Deutschland bricht das gesamte Bundesrecht Landesrecht (Art. 31 GG). Verfassungswidrige Gesetze sind grundsätzlich nichtig (dazu 11. Kap., I, 2 a). cc) Weiterhin gehört zum objektiven Recht die Gesamtheit der Gesetze, seien diese geschrieben oder ungeschrieben wie das Gewohnheitsrecht oder die guten Sitten552, seien es Bundesgesetze oder Landesgesetze. Auch die Satzungen der Kommunen und der Körperschaften und Anstalten des öffentlichen Rechts gehören zu den Gesetzen im allgemeinen Sinne (dazu 10. Kap., I). dd) Zu den Gesetzen im Sinne des objektiven Rechts gehören auch die Gemeinschaftsverträge der Europäische Union, das primäre Gemeinschaftsrecht, und die Rechtsakte der Europäischen Union, die Richtlinien und Verordnungen, aber auch die Entscheidungen (sekundäres Gemeinschaftsrecht)553. ee) Aber auch die vielfältigen Verträge des Völkerrechts und des Weltrechts554, insbesondere die Menschenrechtspakte (Internationaler Pakt über bürgerliche und politische Rechte vom 19. Dezember 1966; Internationaler Pakt über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte vom 19. Dezember 1966; Europäische Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten vom 4. November 1950555, Europäische Sozialcharta vom 18. Oktober 1961, u. a. m.) gehören zur Rechtsordnung Deutschlands. Ihre Verbindlichkeit für die Rechtsprechung im Rahmen des Rechtsschutzes ist streitig556. Grundsätzlich sind die völkerrechtlichen Verträge Teil der Rechtsordnung eines Staates, so552 Zu den guten Sitten als Gesetz K. A. Schachtschneider, Staatsunternehmen und Privatrecht, S. 367 ff.; ders., Das Sittengesetz und die guten Sitten, FS W. Thieme, S. 195 ff. 553 Zum Verhältnis des Gemeinschaftsrechts zum Recht der Mitgliedstaaten 4. Kap., III, 11. 554 Zum Begriff A. Emmerich-Fritsche, Vom Völkerrecht zum Weltrecht, i. V. 555 Sie hat den Rang eines Bundesgesetzes, BVerfGE 74, 358 (370); 82, 106 (120); BVerfG, 2BvR 1481/04, Beschluß vom 14.10.2004, Rdn. 31 ff. („Auslegungshilfe für die Bestimmung von Inhalt und Reichweite von Grundrechten und rechtsstaatlichen Grundsätzen des Grundgesetzes“). 556 Es wird angenommen, der Internationale Pakt über die wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Rechte enthalte nur „Programmsätze“, auf die sich Einzelne vor den Gerichten nicht berufen könnten; dazu A. Verdross/B. Simma, Universelles Völkerrecht, 1984, S. 834; R. Geiger, Grundgesetz und Völkerrecht, 2. Aufl. 1994, S. 395; Denkschrift der Bundesregierung zum Sozialpakt, BT 7/658, S. 18.

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weit ihre Verbindlichkeit Wille des Volkes ist (pacta sunt servanda). Sie gelten, weil der Staat sie in Vertretung des Volkes geschlossen hat. Das folgt aus der Lehre vom umgekehrten Monismus für die Geltung des Völkerrechts557. Es gibt keine Gesetze oder Verträge, die aus einem anderen Grund Geltung beanspruchen könnten als aus dem Willen des Volkes; denn alle Staatsgewalt geht vom Volke aus (Art. 20 Abs. 2 S. 1 GG). Über die Staatsgewalt, welche die suprema potestas (Souveränität) beansprucht und um der allgemeinen Freiheit willen beanspruchen darf und muß, gibt es keine höhere Gewalt, es sei denn die von Göttern. Völkerrecht gilt, weil es Wille der Völker ist, seien es die allgemeinen Regeln des Völkerrechts, die demgemäß nach Art. 25 GG Bestandteil des Bundesrechts sind, den Gesetzen vorgehen und Rechte und Pflichten unmittelbar für die Bewohner des Bundesgebietes erzeugen558, seien es die vielfältigen völkerrechtlichen Verträge multi- oder bilateraler Art, welche mittels der Zustimmungsgesetze gemäß Art. 59 Abs. 2 GG Gegenstand des Bundesrechts (BVerfGE 73, 339 (367); 74, 358 (370); 82, 106 (120); 111, 307 (316))559 werden. Das Bundesverfassungsgericht sieht in dem jeweiligen Zustimmungsgesetz einen Rechtsanwendungsbefehl (BVerfGE 45, 142 (169); 52, 187 (199); 73,339 (367 f., 375); 89, 155 (190); 111, 307 (316 f.))560. Jedenfalls werden die Verträge durch die Zustimmungsgesetze in den allgemeinen politischen Willen des Volkes aufgenommen und gewinnen dadurch Verbindlichkeit. Die unmittelbare Anwendbarkeit jedoch, die für das europäische Gemeinschaftsrecht, das auch eine völkerrechtliche Grundlage hat (i. d. S. BVerfGE 45, 142 (169); 52, 187 (199); 73, 339 (367 f.; 375); 89, 155 (190); 111, 307 (315 ff.))561, anerkannt und praktiziert wird562, hängt von den Regelungen der

557 K. A. Schachtschneider, Die Republik der Völker Europas, ARSP-Beiheft 71 (1997), S. 159 f., 163 f.; auch ders., Die existentielle Staatlichkeit der Völker Europas, S. 75 ff., 88 f.; dazu ders./A. Emmerich-Fritsche, Das Verhältnis des Europäischen Gemeinschaftsrechts zum nationalen Recht Deutschlands, DSWR 1999, Heft 1–2, S. 19; zum Monismus und Dualismus im Völkerrecht A. Bleckmann, Europarecht, § 11, Rdn. 1045 ff., S. 361 ff.; K. Doehring, Völkerrecht, 1999, § 13, S. 294 ff.; Ch. AmrheinHofmann, Monismus und Dualismus in den Völkerrechtslehren, 2003, insb. S. 261 ff. 558 Dazu Ch. Tomuschat, Die staatsrechtliche Entscheidung für die internationale Offenheit, HStR, Bd. VII, § 172, Rdn. 3. 559 Th. Maunz, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 59, Rdn. 24 ff.; dazu Ch. Amrhein-Hofmann, Monismus und Dualismus in den Völkerrechtslehren, S. 296 ff. 560 Dazu (kritisch) K. A. Schachtschneider, Die existentielle Staatlichkeit der Völker Europas, S. 98 ff.; ders./A. Emmerich-Fritsche, Das Verhältnis des Europäischen Gemeinschaftsrechts zum nationalen Recht Deutschlands, DSWR 1999, S. 19. 561 Dazu R. Streinz, Europarecht, 4. Aufl. 1999, Rdn. 70, S. 28, Rdn. 112 ff., S. 39 ff.; Th. Oppermann, Europarecht, Rdn. 466; A. Bleckmann, Europarecht, § 11, Rdn. 1045 ff., S. 361. 562 Dazu 4. Kap., III, 11; K. A. Schachtschneider/A. Emmerich-Fritsche, Das Verhältnis des Europäischen Gemeinschaftsrechts zum nationalen Recht Deutschlands, Teil I, DSWR, 1999, S. 17 ff.

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Verträge selbst, aber auch von dem Prinzip der Gegenseitigkeit ab (Reziprozitätsprinzip)563. Wenn nämlich ein Vertragspartner den Vertrag mißachtet, gibt es keine andere Möglichkeit des verletzten Staates, als seinerseits den Vertrag nicht zu erfüllen, also die Suspension des Vertrages564. Freilich muß die Suspension angemessen und darum meist begrenzt sein. In der Welthandelsorganisation hat sich ein geordnetes Sanktionsverfahren entwickelt (Vereinbarungen über Regeln und Verfahren zur Beilegung von Streitigkeiten vom 15. April. 1994, DSU, Art. 22)565. Die Suspension ist eine Retorsion. Retorsion ist eine unfreundliche, aber mit den völkerrechtlichen Regeln vereinbare Maßnahme566, mit der der Zweck verfolgt wird, einen anderen Staat zur Beendigung eines unfreundlichen oder völkerrechtswidrigen Aktes zu bewegen567. Die zwangsweise Durchsetzung des Vertrages durch Waffengewalt ist völkerrechtlich verboten. Es gibt ein allgemeines Verbot des Angriffskrieges (so auch Art. 26 Abs. 1 GG), das auch die militärische Durchsetzung von Verträgen inkriminiert568 (sogenanntes Gewaltverbot, Art. 2 Ziff. 4 UN-Charta). In Betracht kommt auch die Repressalie, die aber den Vertragsverstoß nicht behebt569. Repressalien sind Akte, die dem Völkerrecht an sich widersprechen, aber, wenn sie verhältnismäßig sind, gerechtfertigt sind570. Die Verbindlichkeit eines völkerrechtlichen Vertrages folgt notwendig anderen Prinzipien als die der staatlichen Gesetze oder der privaten Verträge, weil es über den staatlichen Vertragspartnern keine mit Zwangsmitteln ausgestattete höhere Durchsetzungsgewalt gibt; denn allen Staaten ist der Angriffskrieg ver-

563 Dazu W. Graf Vitzthum, in: ders. (Hrsg.), Völkerrecht, S. 37; A. Emmerich-Fritsche, Vom Völkerrecht zum Weltrecht, Teil 2, A, III, 5. (i. E.); D. I. Siebold, Der Fall Bananenmarktordnung. Die Europäische Gemeinschaft im Streit mit der Welthandelsorganisation, in: K. A. Schachtschneider (Hrsg.), Rechtsfragen der Weltwirtschaft, 2002, S. 247 ff. 564 Vgl. Art. 60 ff. Wiener Vertragsrechtskonvention; W. Heintschel von Heinegg, in: K. Ipsen (Hrsg.), Völkerrecht, S. 164 ff.; vgl. D. I. Siebold, Die Welthandelsorganisation und die Europäische Gemeinschaft, S. 138 ff.; A. Emmerich-Fritsche, Recht und Zwang im Völkerrecht, insbesondere im Welthandelsrecht, S. 168. 565 Dazu D. I. Siebold, Die Welthandelsorganisation und die Europäische Gemeinschaft, S. 131 ff. 566 K. Doehring, Völkerrecht, Rdn. 1025 ff., S. 442 f. 567 H. Fischer, in: K. Ipsen, Völkerrecht, S. 953. 568 Dazu H. Fischer, in: K. Ipsen, Völkerrecht, S. 929 ff.; O. Kimminich/St. Hobe, Einführung in das Völkerrecht, 2000, S. 252 ff.; K. Doehring, Völkerrecht, Rdn. 190, S. 81 f., Rdn. 456, S. 196 f., Rdn. 1037, S. 447 ff. 569 Dazu K. Doehring, Völkerrecht, Rdn. 1025 ff., 1029 ff., S. 442 ff.; A. Emmerich-Fritsche, Recht und Zwang im Völkerrecht, insbesondere im Welthandelsrecht, S. 144 ff.. 570 K. Doehring, Völkerrecht, Rdn. 1029 ff., S. 443 ff.; H. Fischer, in: K. Ipsen, Völkerrecht, S. 953, Rdn. 45; A. Emmerich-Fritsche, Recht und Zwang im Völkerrecht, insbesondere im Welthandelsrecht, S. 145 f.

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boten571, auch den Vereinigten Staaten von Amerika, der einzigen Weltmacht572. Die völkervertragliche Verbindlichkeit unterliegt dem Prinzip der Gegenseitigkeit, das im Grundsatz das gesamte Vertragswesen bestimmt, wie §§ 273, 320 ff. BGB zeigen (Vorbehalt der Gegenseitigkeit). Verträge sind durch das Prinzip des do ut des bestimmt. Daraus folgt für den Vertragsschluß das „genetische“ und für die Vertragserfüllung das „funktionelle Synallagma“ 573. Das Reziprozitätsprinzip ist im allgemeinen Völkerrecht anerkannt574. Art. 60 WVRK erlaubt die Suspension der Vertragserfüllung575. Dieses Gegenseitigkeitsprinzip schließt nicht aus, daß ein Vertragspartner innerstaatlich gezwungen ist, den völkerrechtlichen Vertrag einzuhalten, weil er auf Klage von Bürgern dazu verpflichtet wird. Die Suspension der Vertragserfüllung durch einseitige Erklärung gegenüber dem Vertragspartner suspendiert aber auch die innerstaatlichen subjektiven Rechte576. Die Änderung der Verbindlichkeitsform wäre ein Schritt vom Völkerrecht zum Weltrecht577. Zunehmend werden gerichtsähnliche Verfahren eingerichtet, welche die Einhaltung der Verträge durch Klärung des Rechts und den „moralischen“ Druck der Weltöffentlichkeit fördern sollen. Der Weltstaat, vor allem aber das Weltrecht sind in der Entwicklung578. ff) Zum objektiven Recht gehören schließlich auch die Verträge, welche die Menschen schließen, seien es Verträge unter Privaten, seien es Verträge zwischen Privaten und dem Staat, seien es auch Verträge zwischen den staatlichen Einrichtungen. Verträge materialisieren verbindlich das Handeln der Menschen. Sie gewinnen ihre Verbindlichkeit aus dem Rechtsprinzip579, das näher durch 571 H. Fischer, in: K. Ipsen, Völkerrecht, S. 929 ff.; K. Doehring, Völkerrecht, Rdn. 190, S. 81 f., Rdn. 456, S. 196 ff.; Rdn. 1037, S. 447 f.; vgl. auch schon den BriandKellog-Pakt 1928 (RVBl. 1929 II, S. 98); Sartorius II, Nr. 47. 572 Z. Brzezinski, Die einzige Weltmacht, Amerikas Strategie der Vorherrschaft, 2. Aufl. 1999. 573 K. Larenz, Lehrbuch des Schuldrechts, I, Allgemeiner Teil, 10. Aufl. 1970, S. 152 f. 574 A. Verdross/B. Simma, Universelles Völkerrecht. Theorie und Praxis, 3. Aufl. 1984, § 64 ff., 753 ff., 811; O. Kimminich, Einführung in das Völkerrecht, 6. Aufl. 1997, S. 39 ff., 292 ff. 575 H. v. Heinegg, in: K. Ipsen, Völkerrecht, S. 164 ff. 576 Vgl. A. Emmerich-Fritsche, Recht und Zwang im Völkerrecht, insbesondere im Welthandelsrecht, S. 168 ff. 577 Dazu A. Emmerich-Fritsche, Vom Völkerrecht zum Weltrecht, i. V., 2. Teil, A, III, B, XIV, XV u. XVI, C, VI, VII u. VIII; dies., Recht und Zwang im Völkerrecht, insbesondere im Welthandelsrecht, S. 156 ff. 578 Dazu A. Emmerich-Fritsche, Vom Völkerrecht zum Weltrecht, i. V., 3. Teil und 4. Teil. 579 K. A. Schachtschneider, Freiheit in der Republik, 8. Kap., VIII, 2; C.-W. Canaris, Die Vertrauenshaftung im deutschen Privatrecht, 1971, S. 411 ff., 439 ff.; vgl. auch K. Larenz, Allgemeiner Teil des deutschen bürgerlichen Rechts, 1967, S. 80 ff., 89 ff.

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die jeweiligen Gesetze, insbesondere das Bürgerliche Gesetzbuch und die Prozeßgesetze, insbesondere die Zivilprozeßordnung, materialisiert wird. gg) Privatheitlichkeit und Staatlichkeit sind nicht wesensverschieden. Sie unterscheiden sich dadurch, daß das Besondere in Privatheit, das Allgemeine in Staatlichkeit verwirklicht wird. Alles Handeln der Menschen beruht auf Gesetzen, entweder sind dies besondere Gesetze, seien es Maximen des Einzelnen, Grundsätze, nach denen dieser zu handeln pflegt580, seien es Verträge (lex contractus) oder seien es allgemeine Gesetze als Gesetze aller. Auch allgemeine Gesetze sind, freiheitlich konzipiert, Verträge aller mit allen, gegebenenfalls vertreten durch die Vertreter des ganzen Volkes (Lehre vom repräsentativen Konsens)581. b) Schutz des objektiven Rechts aa) Die subjektiven Rechte582 geben dem Berechtigten die Möglichkeit, die Verwirklichung objektiven Rechts mit Hilfe der staatlichen Gewalt zu erzwingen, also Ansprüche, der Sache nach Rechte auf Staatsschutz. Subjektive Rechte, zumal die subjektiven öffentlichen Rechte gegen den Staat, vor allem die Grundrechte, sind eine notwendige Einrichtung im Rechtsstaat, weil ohne Recht auf Rechtsschutz das (objektive) Recht unsicher ist583. Selbst mit Rechtsschutz bleibt das Recht der Gefahr der richterlichen Willkür ausgesetzt. Subjektiv berechtigt ist außer den zuständigen staatlichen Stellen, deren subjektive Rechte Befugnisse sind, zumindest, wer durch die Mißachtung des objektiven Rechts materiell betroffen ist, d. h. materialisierbare Nachteile erleidet584. Eigentlich ist jeder Bürger betroffen, wenn das objektive Recht nicht verwirklicht wird, und müßte dessen Verwirklichung erzwingen können. Die Popularklage wird aber entgegen dem Republikprinzip verweigert585. Die Praxis akzeptiert ein subjektives Recht nur, wenn das objektive Recht Interessen des Betroffenen zu schützen bezweckt (Schutzzweckdoktrin, BVerwGE 1, 83 (83 f.); 22, 129 (132); 75, 285 (286 ff.); 77, 70 (73); 78, 40 (41))586. Die Entscheidung der Richter darüber folgt der Analogmethode587 und ist selten begrifflich begründ580 Dazu Kant, Grundlegung zur Metaphysik der Sitten, S. 27, 51; ders., Kritik der praktischen Vernunft, S. 125 ff.; ders., Metaphysik der Sitten, S. 332, 511, 519 f.; vgl. K. A. Schachtschneider, Freiheit in der Republik, 2. Kap., V. 581 K. A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 637 ff., insb. S. 707 ff. 582 Dazu Hinweise in Fn. 542, 584, 586. 583 Grundlegend H. H. Rupp, Grundfragen der heutigen Verwaltungsrechtslehre, 1965, 2. Aufl. 1991, S. 146 ff. 584 I. d. S. W. Henke, Das subjektive öffentliche Recht, 1968, S. 40 ff., 57 ff.; ders., Das subjektive Recht im System des öffentlichen Rechts, DÖV 1980, 621 ff.; K. A. Schachtschneider, Grundbegriffe des Allgemeinen Verwaltungsrechts, S. 51 f. 585 Dazu K. A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 390 f., 931; ders., Grundbegriffe des Allgemeinen Verwaltungsrechts, S. 52 ff.

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bar. Beispielsweise wird dem Nachbarn seit langem ein subjektives Recht auf Einhaltung der nachbarschützenden Bauvorschriften zugestanden (Nachbarschutzklage, BVerwGE 27, 29 (33); 32, 173, (178 f.); 52, 122 (129)). Der Rechtsstaat gibt den subjektiv Berechtigten, vor allem durch die Rechtsprechung, Rechtsschutz und ist dazu einerseits durch die Justizgewährleistungspflicht (Art. 6 Abs. 1 S. 1 EMRK, Art. 10 AEMR)588 und andererseits gegenüber der öffentlichen Gewalt durch Art. 19 Abs. 4 GG589 verpflichtet. Der Schutz der subjektiven Rechte sichert mittelbar das objektive Recht. Das objektive Recht wird auch durch die Verpflichtung aller staatlichen Amtswalter, den Primat des Rechts zu wahren, gesichert590. Über den subjektiven Rechtsschutz hinaus hält das Prozeßrecht, zum Teil grundgesetzbefohlen, Instrumente bereit, welche den Zweck haben, das objektive Recht zu klären, etwa die abstrakte Normenkontrolle nach Art. 93 Abs. 1 Nr. 2 GG, aber auch die Verfassungsbeschwerde nach Art. 93 Abs. 1 Nr. 4a GG (BVerfGE 33, 247 (258 f.); 51, 130 (139)), die freilich Elemente des subjektiven Rechtsschutzes enthält (BVerfGE 33, 247 (258 f.); 45, 63 (74); 51, 130 (139)591. bb) Auch die Polizei dient dem Schutz des objektiven Rechts. Die öffentliche Sicherheit ist die Gesetzlichkeit (die Wirklichkeit der Rechtsordnung), die öffentliche Ordnung die Wahrung der allgemeinen guten Sitten592. Beides hat die Polizei nach den Generalklauseln der Polizeigesetze zu verantworten (klassisch § 14 Abs. 1 PreußPVG von 1931; etwa Art. 2 Abs. 1 BayPAG)593. 586 H.-U. Erichsen, Das Verwaltungshandeln, § 11, Rdn. 30 ff., S. 243 ff.; H. Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 8, Rdn. 1 ff., S. 163 ff.; H. J. Wolff/O. Bachof/R. Stober, Verwaltungsrecht I, § 43, Rdn. 12, S. 564; K. Stern (M. Sachs), Staatsrecht III/ 1, S. 533 ff.; grundlegend G. Jellinek, System der subjektiven öffentlichen Rechte, 2. Aufl. 1905 (Nachdruck 1963), S. 41 ff.; O. Bühler, Die subjektiven öffentlichen Rechte und ihr Schutz in der deutschen Verwaltungsrechtsprechung, 1914, S. 21 ff., 274 ff., 294 (Schutzzwecklehre); dazu (kritisch) K. A. Schachtschneider, Grundbegriffe des Allgemeinen Verwaltungsrechts, S. 49 ff. 587 Dazu K. A. Schachtschneider, Steuerverfassungsrechtliche Probleme der Betriebsaufspaltung und der verdeckten Gewinnausschüttung. Rechtsgrundsätze versus Gerichtspraxis, S. 26 ff., 97; dazu auch 13. Kap., III, 3d. 588 Dazu H.-J. Papier, Justizgewähranspruch, HStR, Bd. VI, 1989, § 153, S. 1221 ff.; K. Stern, Staatsrecht I, S. 838 ff., 841 ff., 854; D. Kressel, Parteigerichtsbarkeit und Staatsgerichtsbarkeit, 1998, S. 22 ff. 589 Dazu H.-J. Papier, Rechtsschutzgarantie gegen die öffentliche Gewalt, HStR, Bd. VI, 1989, § 154, S. 1233 ff.; dazu 7. Kap., III. 590 Dazu 12. Kap., I, 2, 15. Kap., III. 591 W. Löwer, Zuständigkeiten und Verfahren des Bundesverfassungsgerichts, HStR, Bd. II, § 56, Rdn. 142. 592 V. Götz, Allgemeines Polizei- und Ordnungsrecht, Rdn. 89 ff. (S. 42 ff,.), Rdn. 129 ff. (S. 52 ff.); W.-R. Schenke, Polizei- und Ordnungsrecht, Rdn. 35, S. 194, Rdn. 40, S. 196 f.; K.-H. Friauf, Polizei- und Ordnungsrecht, Rdn. 33 ff. (S. 126 ff.), insb. Rdn. 38 bzw. Rdn. 39 ff (S. 129 ff.); zum Begriff der guten Sitten K. A. Schachtschneider, Staatsunternehmen und Privatrecht, S. 363 ff., 421 ff.; ders., Das Sittengesetz und die guten Sitten, FS W. Thieme, S. 195 ff. (206 ff.).

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cc) Dem Schutz des objektiven Rechts dient auch die staatliche Rechtsaufsicht, etwa die des Bundes über die Länder nach Art. 84 Abs. 3 und 4 GG (Bundesaufsicht), die der Länder über die Kommunen (Kommunalaufsicht, etwa Art. 108 ff. BayGO) und die Staatsaufsicht beider über die mittelbare Staatsverwaltung, wie die der Universität (etwa Art. 117 ff. BayHochschulG) oder die der berufsständischen Kammern (etwa Art. 16, 96 BayHeilberufe-Kammergesetz), aber auch die der Europäischen Kommission über die Mitgliedstaaten auf Einhaltung der Verträge (Kommissionsaufsicht, Art. 226 EGV). 4. Rechtsschutzanspruch des Bürgers und dessen Verfall im parteienstaatlichen Integrationismus a) Dem prinzipiellen Zwangsvorbehalt des Staates entspricht die Pflicht des Staates, in allen Streitfällen der Bürger Rechtsschutz zu geben. Man spricht vom Justizgewährungs- oder besser vom Justizgewährleistungsanspruch der Bürger (BVerfGE 69, 381 (385); 78, 123 (126); 80, 103 (107); 85, 337 (345); 88, 118 (123); 93, 99 (107); 97, 169 (185))594. Effektiven Rechtsschutz gewährleisten auch Art. 10 AEMR und Art. 6 Abs. 1 S. 1 EMRK. Nur wenn der Bürger sich seiner Rechte sicher sein kann, darf von ihm erwartet werden, daß er seine Rechte nicht unter Einsatz eigener Mittel durchsetzt. Zweck des Staates ist die Verwirklichung des guten Lebens aller in allgemeiner Freiheit. Das geschieht durch dem Recht gemäße Gesetzlichkeit595. Um seiner Freiheit willen muß der Bürger vom Staat beanspruchen können, daß das Recht und damit die Gesetze jederzeit verwirklicht werden. Es darf prinzipiell keinen Streitfall unter Bürgern geben können, der nicht der gerichtlichen Befriedung durch Klärung des Rechts und Vollstreckung des Richterspruchs zugeführt werden kann und darf596. Jeder Bürger muß sich um des allgemeinen Friedens willen mit den gerichtlichen Entscheidungen abfinden. Die Richtersprüche klären verbindlich das Recht unter den Prozeßbeteiligten (inter partes)597 und in manchen Verfahren, wie den wichtigsten des Bundesverfassungsgerichts, vor allem denen um 593 V. Götz, Allgemeines Polizei- und Ordnungsrecht, §§ 78 ff., S. 39 ff.; W.-R. Schenke, Polizei- und Ordnungsrecht, Rdn. 25 ff., S. 190 ff. 594 Dazu H.-J. Papier, Rechtsschutzgarantie gegen die öffentliche Gewalt, HStR, Bd. VI, 1989, § 154, Rdn. 12; ders., Justizgewähranspruch, HStR, Bd. IV, § 153, Rdn. 5 f.; E. Schmidt-Aßmann, Der Rechtsstaat, HStR, Bd. I, § 24, Rdn. 70 ff.; D. Kressel, Parteigerichtsbarkeit und Staatsgerichtsbarkeit, S. 22 ff., 26 f. 595 Dazu 6. Kap., I, 1 und 2. 596 E. Schmidt-Aßmann, Der Rechtsstaat, HStR, Bd. I, § 24, Rdn. 74. 597 Dazu K. A. Schachtschneider, Neubescheidung nach Rechtskraft im Sozialversicherungsrecht und im allgemeinen Verwaltungsrecht, VerwArch 63 (1972), S. 123, 286 f., 306 ff.; ders., Res publica res populi, S. 872 ff., 885, 911 ff.; i. d. S. K. A. Bettermann, Die rechtsprechende Gewalt, HStR, Bd. III, § 73, Rdn. 33, 38; R. Berenbrok, Das Recht des Notvorstandes der Aktiengesellschaft, 1991, S. 12 ff.; vgl. i. d. S. BVerfGE 7, 183 (188 ff.); 31, 43 (46); A. Baumbach/W. Lauterbach/J. Albers/P. Hart-

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die Rechtlichkeit von Gesetzen, für das ganze Gemeinwesen (inter omnes), nämlich mit Gesetzeskraft (§ 31 Abs. 2 BVerfGG)598 oder mit allgemeiner Bindungswirkung auch der tragenden Entscheidungsgründe (§ 31 Abs. 1 BVerfGG; BVerfGE 1, 14 (37); 4, 31 (38); 19, 377 (391 f.); 20, 56 (87); 24, 289 (297); 40, 83 (93); 79, 256 (264))599, der jeweiligen ratio decidendi. Die Prozeßordnungen müssen Gerichtsverfahren bereithalten, welche die befriedende Klärung des Rechts sicherstellen (Art. 6 Abs. 1 EMRK). Diese Verfahren müssen fair sein (BVerfGE 38, 105 (111); 46, 202 (210); 49, 24 (55); 57, 250 (274 f.); 63, 45 (60 f.); 66, 313 (318 f.); 69, 381 (385 f.); 78, 123 (126); 91, 176 (180))600. Dazu gehört das rechtliche Gehör der Prozeßparteien (Art. 103 Abs. 1 GG, etwa BVerfGE 34, 1 (7); 46, 315 (319); 47, 182 (187 f.); 49, 212 (215 f.); 60, 1 (5))601 und die Waffengleichheit der Parteien im Prozeß (BVerfGE 35, 263 (279); 52, 131 (144); 69, 248 (254))602. Der Rechtsstaat ist durch das Grundgesetz als Gerichtsstaat gut entwickelt. Zum Teil hat er aber hypertrophiert, etwa im Asylverfahren (Art. 16a GG; dazu BVerfGE 94, 49 (115 ff.), abweichende Meinung, S. 157 ff., 223 ff.), durch die Anerkennung eines subjektiven Rechts des Asylbewerbers auf Asyl, wenn er „politisch Verfolgter“ ist, obwohl Art. 16 Abs. 2 S. 2 GG, der das Asylrecht ursprünglich geregelt hat, ein subjektives Recht nicht begründet hatte (a. A. BVerfGE 54, 341 (356 f.); 56, 216 (235 f.); 94, 49 (66); vgl. i. d. S. schon BVerfGE 9, 174 (180 f.); 15, 249 (251))603; zum Teil ist er notleidend geworden, etwa durch die Einführung des Gerichtsbescheides (etwa § 84 VwGO) und durch die Verengung (durch Gesetz vom 1. November 1996 (BGBl I S. 1626)) des Zugangs zu Berufungs- und Revisionsinstanzen (vgl. §§ 124, 132 VwGO; § 546 ZPO (u. a. m.)). b, aa) Die Integration Deutschlands in die Europäische Union schadet, so wie sie von der pluralen Parteienoligarchie betrieben wird, dem Rechtsstaat. Zunehmend werden allgemeine Rechtsfragen von internationalen Gerichten, insbesondere dem Europäischen Gerichtshof, entschieden, die keine demokratische Legitimation haben und durch Rechtstexte nicht oder nur wenig gebunden sind. Die mann, Zivilprozeßordnung, 55. Aufl. 1997, Einführung vor §§ 322–327, Rdn. 20, zur Wirkung inter partes; dazu III, 1. 598 Dazu W. Löwer, Zuständigkeiten und Verfahren des Bundesverfassungsgerichts, HStR, Bd. II, § 56, Rdn. 91 ff. (98 f.), nicht unkritisch. 599 K. A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 953 f.; dazu W. Löwer, Zuständigkeiten und Verfahren des Bundesverfassungsgerichts, HStR, Bd. II, § 56, Rdn. 93 f. (kritisch). 600 P. J. Tettinger, Fairneß und Waffengleichheit, 1984; D. Dörr, Faires Verfahren, 1984, S. 141 ff.; dazu 14. Kap., III, 2 und 3. 601 Ch. Degenhart, Gerichtsverfahren, HStR, Bd. III, 1988, § 76, Rdn. 12 ff.; F.-L. Knemeyer, Rechtliches Gehör im Gerichtsverfahren, HStR, Bd. VI, 1989, § 155, S. 1271 ff.; dazu 14. Kap., III, 2. 602 P. J. Tettinger, Fairneß und Waffengleichheit, S. 15 ff.; dazu 14. Kap., III, 3. 603 Dazu R. Schwartz, Wirtschaftliche Grenzen und Schranken des Asylgrundrechts, 1992, S. 96 ff.; zu Art. 16a GG A. Randelzhofer, in: Maunz/Dürig, GG, 1999.

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7. Kap.: Rechtsschutzprinzip

Rechtsgrundsätze werden aus den Rechtstraditionen der Völker oder aus rechtswissenschaftlichen Überlegungen gewonnen604. Das ist an sich nicht zu beklagen, setzt aber mangels hinreichender textlicher Bindung an Gesetze eines demokratisch legitimierten Gesetzgebers eine eigene starke demokratische Legitimation voraus. Im Europäischen Gerichtshof sitzt zur Zeit (2005) eine deutsche Richterin (Ninon Colneric), die von der Bundesregierung vorgeschlagen, im Einvernehmen der Staats- und Regierungschefs der Mitgliedstaaten der Europäischen Union in das machtvolle Amt berufen wurde und nicht etwa vom Volk oder auch nur vom Bundestag (Parlament) gewählt wurde. Legitim ist nur eine eng an die Gemeinschaftsverträge gebundene Streitschlichtung des Europäischen Gerichtshofs zwischen den Mitgliedstaaten und zwischen den Gemeinschaftsorganen, welche hinreichend bestimmte Regelungen der Gemeinschaftsverträge voraussetzt605. Demgegenüber hat der Gerichtshof, gedrängt vom Bundesverfassungsgericht606, die wesentliche Grundrechteverantwortung an sich gezogen607. Der Gerichtshof hat jedoch in fünfzigjähriger Rechtsprechung lediglich einen gänzlich untypischen Akt der Gemeinschaften der Europäischen Union für grundrechtswidrig erklärt608. Weil die Rechtsetzung zunehmend Sache der Europäischen Union geworden ist (weitestgehend vor allem das Wirtschaftsrecht), ist der Grundrechteschutz in weitem Umfang verloren gegangen. Das Bundesverfassungsgericht, dessen Grundrechtejudikatur in zunehmendem Maße Apologie der Politik von Regierung und Parlament, also der Parteienoligarchie (zu der die Verfassungsrichter mehr oder weniger gehören), geworden ist, hat sich im Maastricht-Urteil lediglich vorbehalten, gegenüber Rechtsakten der Europäischen Gemeinschaften „generell den Wesensgehalt der Grundrechte“ zu verantworten. In „allen Einzelfällen“ sieht es den Grundrechteschutz als Sache des Europäischen Gerichtshofs an (BVerfGE 89, 155 (174 f.)). Diese Position hat das Bundesverfassungsgericht in dem Beschluß zur Bananenmarktord604 Dazu A. Emmerich-Fritsche, Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, S. 107 ff., 120 ff.; vgl. insb. Art. 6 Abs. 2 EUV für die Grundrechte. 605 K. A. Schachtschneider, Demokratierechtliche Grenzen der Gemeinschaftsrechtsprechung, FS H. H. v. Arnim, 2004, S. 779 ff. 606 Solange-Entscheidungen BVerfGE 37, 271 (280 f.), 73, 359 (374 ff., 386 f.); vgl. auch BVerfGE 89, 155, (174 f.); dazu K. A. Schachtschneider/A. Emmerich-Fritsche, Das Verhältnis des Europäischen Gemeinschaftsrechts zum nationalen Recht Deutschlands, Teil II und III, DSWR, 1999, S. 81 ff., 116 ff.; dies., Das Gemeinschaftsrecht in Deutschland, § 5, III, 2; A. Emmerich-Fritsche, Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, S. 384 ff. 607 Grundlegend EuGH – Rs. 4/73 (Nold/Kommission), Slg. 1974, 491 (508); Rs. 44/79 (Hauer/Land Rheinland-Pfalz), Slg. 1979, 3727 (3747); st. Rspr.; vgl. A. Emmerich-Fritsche, Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, S. 348 ff.; dazu K. A. Schachtschneider, Eine Charta der Grundrechte für die Europäische Union, in: Aus Politik und Zeitgeschichte, B 52–53/2000, S. 13 ff. 608 Es ging um eine verdeckte Einstellungsuntersuchung der Kommission (Aidsverdacht), welche gegen das Recht auf Achtung des Privatlebens (Art. 8 EMRK) verstieß, EuGH v. 5.10.1994 – Rs. C-404/92 (X/Kommission), Slg. 1994, I-4737 (I-4789 ff.).

I. Erzwingbarkeit der Rechtlichkeit

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nung nicht nur bestätigt, sondern praktisch verschärft609. Von effektivem Grundrechteschutz kann im in die Europäische Union integrierten Deutschland jedenfalls in Wirtschaftssachen nicht mehr die Rede sein610. Im Internationalismus geht das Recht verloren. Immerhin praktiziert der Europäische Gerichtshof recht wirkungsvoll Rechtsgrundsätze, vor allem den des rechten Maßes, welche in Deutschland in der Grundrechterechtsprechung zur Geltung kommen611. bb) Die in Nizza am 7. Dezember 2000 von den Staats- und Regierungschefs (den Führern Europas) „feierlich verkündete“612 Grundrechtecharta der Europäischen Union wird den Verlust an Rechtlichkeit des Lebens in Europa nicht beheben, sondern verstärken. Die Charta ist ein Rückschritt in der Menschenrechtskultur613. Sie fördert die Verlagerung der Grundrechteverantwortung auf die nicht demokratisch legitimierten Organe der Europäischen Union und wird eine Verbesserung des Grundrechteschutzes nicht bewirken. Der Verlust des Rechts ist Kennzeichen der gegenwärtigen Deregulierung und Liberalisierung der Lebensverhältnisse. Das stärkt die Starken (Versicherungen, Banken, Industrieunternehmen und Parteien) und schwächt die Schwachen, die Menschen und Bürger des Volkes. Es gibt wieder eine soziale Frage in Deutschland, aber auch in anderen Mitgliedstaaten der Europäischen Union, welche die europäische Integration zu sprengen droht614. Nicht Liberalismus führt zum Recht, sondern nur Freiheitlichkeit, die eine Einheit mit der Gleichheit und der Brüderlichkeit ist und darum jedem ein (ausreichendes) Eigentum zugesteht. 609 Dazu A. Emmerich-Fritsche, Anmerkung zum Bananenmarktbeschluß des Bundesverfassungsgerichts vom 7. Juni 2000, Akz.: 2BvL 1/97, BayVBl 2000, S. 755 ff. 610 Dazu A. Emmerich-Fritsche, Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, S. 409 f. 611 Dazu A. Emmerich-Fritsche, Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, S. 96 ff., 272 ff. 612 Eine vertragliche Grundlage hat die Charta nicht. Sie ist von der Präsidentin des Europäischen Parlaments, vom Präsidenten der Europäischen Kommission und vom Außenminister der Französischen Republik, die die Ratspräsidentschaft innehatte, unterzeichnet. Die Staats- und Regierungschefs aller Mitgliedstaaten haben sie signiert. Großbritannien, Nordirland, Schweden, Dänemark und die Niederlande haben einen völkerrechtlichen Grundrechtevertrag abgelehnt und der Charta keine rechtliche, sondern nur eine politische Verbindlichkeit zugestanden. Die Charta ist darum ohne jede rechtliche Verbindlichkeit. Sie gilt nicht, wird aber ihre Wirkung nicht verfehlen. Sie ist Teil II des Vertrages vom 29. Oktober 2004 über eine Verfassung für Europa (nicht in Kraft); dazu K. A. Schachtschneider, Verfassungsklage Dr. P. Gauweiler vom 27.5.2004, 2. Teil, E. 613 Dazu K. A. Schachtschneider, Ein Oktroi – nicht die gemeinsame Erkenntnis freier Menschen von ihrem Recht. Eine Charta der Grundrechte für die Europäische Union, FAZ v. 5.9.2000, S. 9 f.; ders., Eine Charta der Grundrechte der Europäischen Union, in: Aus Politik und Zeitgeschichte, B 52–53/2000, S. 13 ff.; ders., Eine Charta der Grundrechte für die Europäische Union, Recht und Politik, 1/2001, 16 ff.; ders., Jeder Widerspruch gegen die Charta ist angezeigt, Zeit-Fragen, Sonderbeilage 2000, III, 1; ders., Die Grundrechte in der Gemeinschaft, in: ders. Das Verfassungsrecht der Europäischen Union, 2004, § 12, VI. 614 Dazu K. A. Schachtschneider, Grenzen der Kapitalverkehrsfreiheit, S. 289 ff.

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7. Kap.: Rechtsschutzprinzip

cc) Der Europäische Gerichtshof hat seine Macht dadurch wesentlich gestärkt, daß er die sogenannten Grundfreiheiten des Binnenmarktes (Warenverkehrs-, Niederlassungs-, Dienstleistungs-, Kapitalverkehrsfreiheit und die Arbeitnehmerfreizügigkeit (Art. 28 ff., Art. 43 ff., Art. 49 ff., Art. 56 ff., Art. 39 ff. in der Fassung des Vertrages von Amsterdam), entgegen Wortlaut und Sinn des Vertrages über die Europäische (Wirtschafts-)Gemeinschaft, zu subjektiven Rechten der Unionsbürger entwickelt hat615, so daß diese Vertragsregelungen eine intensive Integrationswirkung entfaltet haben. Diese Vertragsbestimmungen haben Verpflichtungen der Mitgliedstaaten gegenüber der Gemeinschaft und gegenüber den Vertragspartnern, also den anderen Mitgliedstaaten, begründet, welche diese in völkerrechtlichem Verkehr miteinander zu verwirklichen haben (Art. 10 EGV). Insbesondere ist der Charakter der Verbindlichkeit verändert worden. Die schwachen völkerrechtlichen Verpflichtungen616 sind starke staatsrechtliche Rechte der Bürger geworden. Der Europäische Gerichtshof hat mit dieser Subjektivierung des Rechtsschutzes die Grundfreiheiten nicht nur in Grundrechte umgewandelt, sondern einen großen Schritt zum existentiellen Staat Europa gemacht, ein Akt der Selbstermächtigung, eine Machtusurpation617. Vor allem darum hat sich der Europäische Gerichtshof als Motor der Integration erwiesen, im übrigen ohne merklichen Widerspruch oder gar Widerstand aus Politik und Wissenschaft. Der Integration hat das genutzt, der Rechtsentwicklung aber geschadet. c) Ein politisch folgenreiches Manko des Gerichtsstaates ist das Parteiengerichtswesen nach § 14 ParteienG. Danach haben die politischen Parteien Parteiengerichte einzurichten, welche die Parteienstreitigkeiten und die Auseinandersetzungen um die Auslegung und Anwendung der Parteisatzungen zu entscheiden haben. Die großen Parteien haben dreiinstanzliche Parteigerichtsverfahren vorgeschrieben. Die Parteigerichte sind keine staatlichen Gerichte. Ihnen fehlt die Gerichtsqualität, weil ihre Richter gegenüber den Streitparteien nicht unabhängig sind. Diese Parteiorgane618 gewähren keinen befriedenden Rechtsschutz. 615 Rs. 41/74 (van Duyn/Home Office), Slg. 1974, 1337 (1347, Rdn. 4); in der Rs. 118/75 (Watson und Belmann), Slg. 1976, 1185 (1. LS) heißt es z. B.: „Die Artikel 48 bis 66 EGV des Vertrages und die zu ihrer Durchführung erlassenen Rechtsakte der Gemeinschaft . . . verleihen den von ihnen erfaßten Personen subjektive Rechte, die die innerstaatlichen Gerichte zu schützen haben, und gehen jeder entgegenstehenden innerstaatlichen Rechtsvorschrift vor.“ Zur Niederlassungsfreiheit vgl. Rs. 6/64 (Costa/ ENEL), Slg. 1964, 1251 (1273 f.); Rs. 2/74 (Reyners/Belgien), Slg. 1974, 631 (652, Rdn. 24/28); zur Dienstleistungsfreiheit Rs. 33/74 (van Binsbergen/Bestuur van de Bedrijfsvereniging voor de Metaalnijverheid), Slg. 1974, 1299 (1310 ff., Rdn. 18 ff., 27); zur Warenverkehrsfreiheit vgl. Rs. 13/68 (Salgoil/Außenhandelsministerium der Italienischen Republik), Slg. 1968, 679 (690 ff., 693 f.). 616 Dazu A. Emmerich-Fritsche, Vom Völkerrecht zum Weltrecht, Teil II, A, I. 617 Kritisch auch P. Pernthaler, Die Herrschaft der Richter im Recht ohne Staat. Ursprung und Legitimation der rechtsgestaltenden Funktionen des Europäischen Gerichtshofes, JBl. 2000, 691 ff.

II. Wissenschaftliche Rechtsklärung

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Die Parteigerichte judizieren nicht nur Streitigkeiten, die sich ausschließlich aus der Auslegung und Anwendung ihrer Satzungen ergeben, sondern auch Streitigkeiten, die durch die Anwendung des allgemeinen Rechts zu entscheiden sind. Die langdauernden Parteigerichtsverfahren verzögern den Rechtsschutz der allgemeinen Rechte und sind dadurch eine Verletzung des Justizgewährleistungsanspruchs619. Wenn der Streit innerhalb einer Partei um die Verletzung des allgemeinen Rechts geht, muß der Rechtsweg zu den staatlichen Gerichten unmittelbar eröffnet sein. Die Praxis läßt den Weg zu den Zivilgerichten zu, wenn die Parteigerichte die Entscheidung jedenfalls in Wahlanfechtungssachen unzumutbar verzögern. Wahlanfechtungen müssen von der ersten Parteigerichtsinstanz zumindest in einem halben Jahr entschieden sein620. Die vereinshafte Parteiengerichtsbarkeit widerspricht dem staatlichen Status der politischen Parteien621.

II. Wissenschaftliche Rechtsklärung 1. Wissenschaftlichkeit des Richteramtes a) Der Frieden im Gemeinwesen hängt von der befriedenden Rechtsklärung durch die Richter ab. Rechtsprechung ist die verbindliche Klärung strittigen Rechts, sei es objektiven Rechts oder sei es subjektiver Rechte, in besonderen Verfahren durch unabhängige, neutrale Amtswalter, die Richter (i. d. S. BVerfGE 3, 377 (381); 4, 331 (346); 14, 56 (69); 18, 241 (255); 21, 139 (145 f.); 67, 65 (68); auch BVerfGE 21, 139 (146))622. Das Bundesverfassungsgericht hat einen wenig klaren Begriff der Rechtsprechung. Es sieht etwa im Strafen Rechtsprechung, nicht aber in der Verhängung von Bußen in Ordnungswidrigkeitsverfahren (BVerfGE 22, 49 (73 ff.)). b) Sachliche Bewältigung der richterlichen Aufgabe ist allein die wissenschaftliche Bewältigung derselben. Die wissenschaftliche Befähigung zum Richteramt ist somit ein Rechtsgrundsatz, der seine verfassungsgesetzliche Grundlage in den Artikeln 92 GG und 97 Abs. 1 GG findet. Nur die Berufsrichter müssen ein rechtswissenschaftliches Studium abgeschlossen haben (§ 5 DRiG), 618 So K. A. Bettermann, Die rechtsprechende Gewalt, HStR, Bd. III, 1988, § 73, Rdn. 179; W. Henke, Bonner Kommentar, GG, Drittbearbeitung, 1991, Art. 21, Rdn. 320; K. A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 1171. 619 Dazu umfassend D. Kressel, Parteigerichtsbarkeit und Staatsgerichtsbarkeit, S. 22 ff., 131 ff., 246 ff.; auch K. A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 1169 ff. 620 BGH NJW 1967, 1268 f.; BGH NJW 1988, 3159; BAG NJW 1989, 1219. 621 K. A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 1045 ff. 622 K. A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 885 ff.; auch K. A. Bettermann, Die rechtsprechende Gewalt, HStR, Bd. III, § 73, Rdn. 18 ff., 27 ff., 38, 39 ff.; G. Barbey, Der Status des Richters, HStR, Bd. III, 1988, § 74, Rdn. 27 ff., 34, 40; R. Berenbrok, Das Recht des Notvorstandes der Aktiengesellschaft, S. 30 ff., 40.

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7. Kap.: Rechtsschutzprinzip

nicht aber die Laienrichter, die einen nicht unerheblichen Anteil an der Rechtsprechung haben. Das ist fragwürdig, aber hat lange Tradition. Die Sozialisation der Berufsrichter, aber auch der Staats- und Rechtsanwälte ist von politischer Relevanz für die grundgesetzliche Republik. Die Juristenausbildung genügt den Anforderungen an den Beruf des Richters nicht. Sie ist wegen des universitätsfernen Prüfungswesens ohne rechtswissenschaftliche Substanz. Sie ist Einübung von Fallösungstechnik an Hand von Gesetzes- und von Rechtsprechungskenntnissen. Ein rechtswissenschaftliches Studium muß, philosophisch und historisch gegründet, persönliche Auseinandersetzung mit den Grundsatzfragen des Rechts sein. Die meisten Jurastudenten studieren nicht wirklich bei Professoren, deren Lehre auf Forschung beruht, sondern lernen vornehmlich bei Repetitoren, obwohl das Gesetz ein Studium der Rechtswissenschaft vorschreibt (§ 5 DRiG). Im übrigen ist ein langjähriger Lernvorgang ohne eine wissenschaftliche Abschlußarbeit (Diplomarbeit, Doktorarbeit) nicht schon deswegen ein akademisches Studium, weil viele Studenten an dieser Ausbildung scheitern. c) Die erforderliche Autorität für ihr Amt müssen die Richter durch ihre tagtägliche Praxis aufbauen. Sie hängt vor allem davon ab, daß die Richter nicht nur äußerlich, sondern auch innerlich unabhängig sind. Die richterliche Autorität ist von Staatserheblichkeit. Gerade darum sollte das Vertrauen in die richterlichen Dienste nicht aufs Spiel gesetzt werden. Die Richter sollten soweit als möglich in ihrer Erkenntnis des Rechts gebunden sein, vor allem durch das höchstmögliche Maß an Bestimmtheit der Gesetze, aber auch durch Verfahrensvorschriften, welche nicht zur Disposition der Richter stehen. Die Richter müssen Recht und Wahrheit lieben und dürfen keine Anstrengung scheuen, die Wahrheit zu erkennen und Gesetz und Recht zu verwirklichen. Nicht anders als das Mandat des Abgeordneten verlangt das Richteramt ein republikanisches Ethos. Wenn die Richterschaft ihr Ethos verliert und das Richteramt zum einträglichen Job degradiert wird, ist die Republik in Gefahr und die Bestechlichkeit der Richter nicht mehr fern. Das freiheitliche Gemeinwesen bricht spätestens zusammen, wenn das Volk sich der Unbestechlichkeit der Richter nicht mehr sicher sein kann. d) Rechtsprechen erfordert Urteilskraft. Die Urteilskraft muß geschult sein. Sie bedarf außer der Schulung der Erfahrung. Diese wächst im Laufe des Dienstes als Richter. Aber die Richter sollten Erfahrung in Rechtssachen schon in ihr Amt einbringen, wie das in Großbritannien der Fall ist. Die Vorbereitung zum Richteramt in Deutschland genügt den Anforderungen des Berufs weder in der wissenschaftlichen noch in der persönlichen Qualifikation. Die Examina sind nicht so aussagekräftig, als daß sie die Auswahl rechtfertigen könnten, zumal sie nicht auf wissenschaftlicher Leistung beruhen. Empfehlenswert ist, daß Richter sich in einer zumindest zehnjährigen Rechtspraxis in Anwaltschaft, Wirtschaft oder Verwaltung qualifiziert haben. Danach sollten sie unter relevanter Beteiligung der Bürgerschaft in das Amt gewählt werden. Keinesfalls dürfen

II. Wissenschaftliche Rechtsklärung

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Richter einer politischen Partei angehören. Zur Zeit haben wir eine Richterschaft, die wenig rechtswissenschaftliches Rüstzeug mitbringt, dafür aber der pluralen Parteienoligarchie allzu hörig ist. 2. Rechtliches Gehör und Begründungspflicht als Instrumente wissenschaftlicher Rechtsklärung a) Die Fairneß der Prozesse sichert die Befriedungskraft der richterlichen Entscheidungen623. Die wichtigste Prozeßmaxime auch im Interesse der Wissenschaftlichkeit der Rechtsklärung, nämlich der Wahrheitlichkeit und Richtigkeit, ist der Grundsatz des rechtlichen Gehörs (Art. 103 Abs. 1 GG)624. Rechtliches Gehör hat eine Partei, wenn sie im Prozeß alles weiß, was das Gericht weiß, den Stand des Wissens des Gerichts erreicht, zumindest erreichen kann, und zu allem, was in den Prozeß eingebracht wird, Stellung nehmen kann. Keinesfalls darf der Richter mit einer Partei verhandeln, etwa per Telefon, ohne daß die andere Partei anwesend ist. Alle Schriftstücke müssen auch der Gegenpartei zugänglich gemacht werden. An Zeugeneinvernahmen müssen beide Parteien beteiligt sein. Die Richter müssen aber auch die Schriftsätze der Parteien zur Kenntnis nehmen, u. a. m. b) Im Interesse der Wissenschaftlichkeit der richterlichen Erkenntnisse besteht eine Begründungspflicht. Ohne Begründung sind Erkenntnisse nicht überprüfbar. Erst die Begründungspflicht zwingt zur Kritik gegenüber den eigenen Vorurteilen. Die Lockerung der Begründungspflicht, um die Gerichte zu entlasten, ist ein erheblicher Verlust an Rechtsstaatlichkeit der Gerichtsverfahren. So müssen die Verwaltungsgerichte im erstinstanzlichen Verfahren nach § 117 Abs. 5 VwGO ihre Entscheidungen nicht begründen, soweit sie der Begründung des Verwaltungsaktes oder des Widerspruchsbescheids folgen und dies in ihrer Entscheidung feststellen. Für die Berufungsgerichte enthält § 130b VwGO eine ähnliche Regelung. Danach kann das Oberverwaltungsgericht im Urteil über die Berufung von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe absehen, soweit es die Berufung aus den Gründen der angefochtenen Entscheidung als unbegründet zurückweist. Es ist augenscheinlich, daß diese Entlastungsregelungen wesentliche Prinzipien richterlicher Rechtserkenntnis aufheben, um den Richtern die Arbeit zu erleichtern. Auch das Bundesverfassungsgericht muß die Nichtannahme einer Verfassungsbeschwerde nach § 93d Abs. 1 S. 3 BVerfGG nicht begründen, wenn die Kammer das einstimmig entscheidet (§ 93 Abs. 3 S. 1 BVerfGG). Die Intraorgankontrolle in den Gerichten wird dabei überschätzt, die Arbeitsweise der Gerichte verkannt. Die Steuerung der Prozeßflut 623 Zum Fairneßprinzip I, 4, a mit Hinweisen zu und in Fn. 600, auch 14. Kap., III, 2 und 3. 624 Dazu I, 4 a mit Hinweisen zu und in Fn. 601, auch 14. Kap., III, 2.

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7. Kap.: Rechtsschutzprinzip

muß anders bewältigt werden. Prozesse um ungeklärtes Recht dürfen den Klägern keine prozeßfremden Vorteile bringen. Viele Prozesse werden geführt, um die Wirksamkeit belastender Verwaltungsakte zu verzögern. In Asylverfahren etwa ermöglicht die lange Prozeßdauer den Asylbewerbern, lange oder gar dauernd im Lande zu bleiben. Effektiver Rechtsschutz im Rechtsstaat zwingt den Staat grundsätzlich, seine Maßnahmen zu begründen. Das gilt für die vollziehende Gewalt, soweit das nicht wegen der Vollzugsumstände ausgeschlossen ist, vor allem aber für die rechtsprechende Gewalt. Der Gesetzgeber allerdings ist von der Begründungspflicht nicht betroffen, weil jeder Satz der Begründung beschlossen werden müßte. Eine Begründungspflicht würde es so gut wie ausschließen, daß das Parlament seine Aufgabe, das Richtige für das gute Leben aller in allgemeiner Freiheit auf der Grundlage der Wahrheit zu erkennen, erfüllt. Demgegenüber schreibt Art. 253 EGV die Begründung auch der Verordnungen, Richtlinien und Entscheidungen vor. Das hat, jedenfalls für Rechtsetzungsakte, zu formalen Begründungen in den Präambeln der Rechtstexte geführt, die nicht mehr besagen als die Regelungen selbst. Die wirklichen Gründe der Rechtsetzung bleiben meist undurchsichtig.

III. Rechtsschutz gegen Rechtsverletzungen der öffentlichen Gewalt 1. Rechtsweggarantie des Art. 19 Abs. 4 GG a) Der Rechtsstaat garantiert Rechtsschutz gegen jede Rechtsverletzung durch die öffentliche Gewalt (Art. 19 Abs. 4 GG)625 und ist dazu auch menschenrechtlich verpflichtet (Art. 6 Abs. 1 EMRK, Art. 8 und 10 AEMR). Art. 19 Abs. 4 S. 1 GG gibt ein subjektives (Grund)Recht, enthält als objektive Dimension eine „Grundsatznorm für die gesamte Rechtsordnung“ (BVerfGE 58, 1 (40)) und verwirklicht als lex specialis (BVerfGE 83, 182 (194)) zum Teil den Justizgewährleistungsanspruch des Rechtsstaatsprinzips626. „Seine Rechte“ im Sinne des Art. 19 Abs. 4 S. 1 GG sind subjektive Rechte, nicht schon bloße Interessen (BVerfGE 31, 33 (39 ff.); 51, 176 (185); 61, 82 (110 f.); 69, 1 (49); 83, 182 (194)). Den Begriff des subjektiven Rechts bestimmt das Bundesverfassungsgericht gemäß der Schutzzwecklehre danach, ob die einschlägige Vorschrift des Verfassungs- oder des Gesetzesrechts „dem Schutz des Betroffenen zu dienen 625 Dazu E. Schmidt-Aßmann, Der Rechtsstaat, HStR, Bd. I, 1987, § 24, Rdn. 72; ders., in: Maunz/Dürig, GG, 1985, Art. 19 IV, Rdn. 45 ff., 180 ff.; H.-J. Papier, Rechtsschutzgarantie gegen die öffentliche Gewalt, HStR, Bd. VI, § 154, S. 1233 ff.; K. Sobota, Das Prinzip Rechtsstaat, S. 201 ff. 626 Hinweise in Fn. 594.

III. Rechtsschutz gegen Rechtsverletzungen

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bestimmt“ ist (BVerfGE 27, 297 (307); 31, 33 (39 f.); 57, 9 (25 f.); vgl. auch BVerfGE 96, 106 (114 f.))627. Die (sogenannte) Rechtsweggarantie soll die Rechtlichkeit der Ausübung der Staatsgewalt sichern. Sie gehört damit zum Kernbestand des Rechtsstaates. Sie ist ein Grundrecht, wie ihre Regelung im Abschnitt „I. Die Grundrechte“ zeigt. Dieser Rechtsschutz muß effektiv sein (BVerfGE 37, 150 (153); 41, 23 (26); 54, 39 (41); 60, 253 (276); 69, 381 (385); 84, 34 (49); 88, 118 (123 ff.)). Dennoch garantiert Art. 19 Abs. 4 GG keinen gerichtlichen Instanzenzug (BVerfGE 65, 76 (90); 87, 48 (61); 92, 365 (410)), eben nicht den Rechtsweg gegen Richtersprüche (BVerfGE 4, 74 (96); 11, 263 (265); 15, 275 (280); 22, 106 (110); 25, 352 (375); 49, 39 (340); 65, 76 (90); 73, 339 (372 f.); 76, 93 (98)), auch nicht die Revisibilität von Richtersprüchen. Der Zugang zum Gericht und zu den höheren Instanzen darf nicht unzumutbar erschwert werden (BVerfGE 40, 272 (274 f.); 60, 253 (269); 69, 381 (385 f.); 78, 88 (99); 96, 27 (39)). So muß die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt werden, wenn eine Briefzustellung die Prozeßpartei wegen einer Reise nicht erreicht hat und dadurch eine Frist versäumt wurde (BVerfGE 41, 23 (85); 50, 397 (399); 54, 80 (84)). Das Bundesverfassungsgericht interpretiert den Begriff der öffentlichen Gewalt in Art. 19 Abs. 4 GG restriktiv und rechnet nicht nur nicht die Rechtsprechung (BVerfGE 11, 263 (265); 15, 275 (280); 49, 329 (340); 65, 76 (90); 73, 339 (372 f.); 76, 93 (98)), sondern auch die Gesetzgebung nicht dazu (BVerfGE 24, 33 (49 ff.); 24, 307 (401); 45, 297 (334))628. Das ist insoweit tragfähig, als Rechtsschutz gegen Gesetze specialiter geregelt ist, etwa durch die abstrakte und die konkrete Normenkontrolle (Art. 93 Abs. 1 Nr. 2 GG bzw. Art. 100 Abs. 1 GG), aber auch durch die Gesetzesverfassungsbeschwerde (Art. 93 Abs. 1 Nr. 4a GG in Verbindung mit §§ 90 Abs. 1 und 3 BVerfGG)629. Art. 19 Abs. 4 GG schützt aber den Rechtsschutz gegen die verfassungswidrige Untätigkeit des Gesetzgebers. Sonst wäre der rechtsschutzsuchende Bürger auf den (bloßen) Rechtsbehelf der Verfassungsbeschwerde verwiesen630. Statthaft ist aber auch die Gesetzesfeststellungsklage631. b) Der Rechtsschutz gegen rechtswidrige Gesetze ist im 11. Kapitel dargelegt. Art. 19 Abs. 4 S. 1 GG eröffnet den Rechtsweg gegen alle Maßnahmen der vollziehenden Gewalt, Regierung und Verwaltung632 (auch der sogenannten beliehenen Unternehmer633, der Parlamentsverwaltung und Untersuchungsaus627 Dazu K. A. Schachtschneider, Grundbegriffe des Allgemeinen Verwaltungsrechts, S. 49 ff.; vgl. die Hinweise in und zu Fn. 586. 628 Dazu kritisch H.-J. Papier, Rechtsschutzgarantie gegen die öffentliche Gewalt, HStR, Bd. VI, § 154, Rdn. 34 ff. 629 Dazu 11. Kap., III. 630 Vgl. i. d. S. H.-J. Papier, Rechtsschutzgarantie gegen die öffentliche Gewalt, HStR, Bd. VI, § 154, Rdn. 36. 631 Vgl. K. A. Schachtschneider, Der Anspruch auf materiale Privatisierung, S. 341 f. 632 Dazu H.-J. Papier, Rechtsschutzgarantie gegen die öffentliche Gewalt, HStR, Bd. VI, § 154, Rdn. 26 ff.

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7. Kap.: Rechtsschutzprinzip

schüsse (BVerfGE 77, 1 (52)), auch gegen Justizverwaltungsakte (BVerfGE 28, 10 (14 f.)), unabhängig davon, ob sie öffentlich-rechtlich oder privatrechtlich organisiert ist oder in Formen des öffentlichen Rechts oder (rechtswidrig634) des Privatrechts handelt, weil alles Handeln des Staates Ausübung öffentlicher Gewalt ist635. Auch die Normsetzung der Verwaltung (Rechtsverordnungen, Verwaltungsvorschriften) ist von Art. 19 Abs. 4 S. 1 GG erfaßt (BVerfGE 80, 353 (361); offengelassen BVerfGE 31, 364 (367 ff.)). Die Rechtsweggarantie eröffnet den Weg zu den Gerichten auch gegen Gnadenentscheidungen, die daraufhin überprüft werden können/müssen, ob sie den Mindestanforderungen der Gerechtigkeit und damit dem Rechtsstaatsprinzip entsprechen (BVerfGE (abweichende Meinung) 25, 352 (366); a. A. die Senatsmeinung S. 358); aber BVerfGE 30, 108 (119)). c) Auch der vorläufige Rechtsschutz ist, wenn es nicht um Kleinigkeiten geht, geboten, wenn nicht „überwiegende, besonders gewichtige Gründe“ dem entgegenstehen (BVerfGE 46, 166 (179)); 65, 1 (70 f.); 67, 44 (58); 79, 69 (74); 93. 1 (14); vgl. auch BVerfGE 94, 166 (214 ff.). Die Fristen dürfen nicht so kurz sein, daß sie den Rechtsschutz aushöhlen (BVerfGE 8, 240 (247); 77, 275 (285)). Die Verwirkung eines Rechtsmittels muß zumutbar sein (BVerfGE 32, 305 (309 f.). Das Verschulden eines Anwalts kann im Verwaltungsprozeß der Partei zugerechnet werden (BVerfGE 60, 253 (300 ff.), nicht aber bei der Wiedereinsetzung im Strafbefehlsverfahren (BVerfG (Kammer), NJW 1994, 1856 f.). Gerichtliche Entscheidungen müssen in angemessener Zeit getroffen werden (BVerfGE 54, 39 (41); 55, 349 (360); 60, 253 (269); 93, 1 (13); EGMR NJW 1979, 477 ff., EGMR EuGRZ 1988, 20 ff.)636. d) Grundsätzlich muß die Handhabung offener Rechtsbegriffe durch die Verwaltung von den Gerichten in vollem Umfang überprüft werden (vgl. BVerfGE 7, 129 (154); 64, 261 (279); 84, 34 (49)), aber die Kontrolldichte der Gerichte kann durch Prognose-, Gestaltungs-, Ermessens- und Beurteilungsspielräume reduziert werden (st. Rspr., etwa BVerfGE 61, 82 (111, 114 f.); 94, 307 (309 f.); 633 E. Schmidt-Aßmann, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 19 Abs. 4, Rdn. 56 f.; H.-J. Papier, Rechtsschutzgarantie gegen die öffentliche Gewalt, HStR, Bd. VI, § 154, Rdn. 24; zum beliehenen Unternehmer kritisch K. A. Schachtschneider, Der Anspruch auf materiale Privatisierung, S. 238 ff., 264 ff. 634 Dazu K. A. Schachtschneider, Staatsunternehmen und Privatrecht, insb. S. 261 ff., passim; ders., Res publica res populi, S. 51, 230; ders., Der Anspruch auf materiale Privatisierung, S. 183 ff., 190 ff. 635 H. D. Jarass/B. Pieroth, Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland, 5. Aufl. 2000, Art. 19, Rdn. 29; a. A. E. Schmidt-Aßmann, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 19 Abs. 4, Rdn. 65; wie der Text K. A. Schachtschneider, Staatsunternehmen und Privatrecht, S. 175 ff., 253 ff., 261 ff.; ders., Der Anspruch auf materiale Privatisierung, S. 40 ff., 45 ff., 217 ff., 308 ff. 636 H.-J. Papier, Rechtsschutzgarantie gegen die öffentliche Gewalt, HStR, Bd. VI, § 154, Rdn. 77 ff.; E. Schmidt-Aßmann, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 19 IV, Rdn. 263.

III. Rechtsschutz gegen Rechtsverletzungen

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100, 221 (225), extrem BVerfGE 97, 350 (370 ff.))637. Es gibt im Interesse des Rechtsschutzes eine Begründungspflicht für belastende Verwaltungsentscheidungen (BVerfGE 6, 32 (44 f.); 40, 276 (286); 49, 24 (67); 72, 214 (217)). 2. Einschränkungen des Rechtsschutzprinzips Verschiedene Grundgesetzänderungen haben das rechtsstaatliche Rechtsschutzprinzip eingeschränkt und gehören zum Verfall des Rechts, der mit der Internationalisierung (Denationalisierung) Deutschlands verbunden ist. a) Verfassungsschutz Art. 19 Abs. 4 S. 3 GG in Verbindung mit Art. 10 Abs. 2 S. 2 GG, eingeführt durch die Verfassungsänderung vom 24. Juni 1968, läßt es zu, daß Beschränkungen des Brief-, Post- und Fernmeldegeheimnisses „zum Schutze der freiheitlichen demokratischen Grundordnung oder des Bestandes oder der Sicherung des Bundes oder eines Landes“ beschränkt werden638. Diese Grundrechtsbeschränkung ermöglicht vor allem das Abhören der Telefone. Die Beschränkungen müssen den Betroffenen nicht mitgeteilt werden, und der Rechtsweg kann und wird durch eine Nachprüfung durch von der Volksvertretung bestellte Organe und Hilfsorgane ersetzt639. Diese Ausnahme von der Rechtsweggarantie bezweckt den Verfassungsschutz. Vor allem sollen die Verfassungsschutzangelegenheiten nicht öffentlich verhandelt werden müssen, wie es für Gerichtsverfahren Grundsatz ist. Den von den Verfassungsschutzmaßnahmen betroffenen Bürgern sollen aber auch die Maßnahmen nicht bekannt werden. Diese Ausnahme vom Rechtsschutzprinzip ist nach Auffassung des Bundesverfassungsgerichts keine verfassungswidrige Verfassungsnorm (BVerfGE 30, 1 ff., mit abweichender Meinung S. 33 ff.; BVerfGE 67, 157 (173 ff.)), weil die Kontrolle durch die Organe der Volksvertretung dem Rechtsschutz durch die Richter gleichwertig sei. Das überzeugt nicht, zumal dadurch der Rechtsschutz angesichts der parteienstaatlichen Verfassungswirklichkeit den Parteien ausgeliefert ist, gegen die sich der Rechtsschutz, vor allem der Grundrechtsschutz, im Parteienstaat gerade richten muß. Es lassen sich auch Verfahren bilden, welche die nur in engsten 637 Dazu K. A. Schachtschneider, Grundbegriffe des Allgemeinen Verwaltungsrechts, § 6, S. 54 ff.; H. Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 7, S. Rdn. 26 ff., S. 142 ff.; F. Ossenbühl, Rechtliche Gebundenheit und Ermessen der Verwaltung, in: H.-U. Erichsen (Hrsg.), Allgemeines Verwaltungsrecht, 11. Aufl. 1998, § 10, S. 201 ff.; H.-J. Papier, Rechtsschutzgarantie gegen die öffentliche Gewalt, HStR, Bd. VI, § 154, Rdn. 59 ff. (62, 63 ff.). 638 Dazu H.-J. Papier, Rechtsschutzgarantie gegen die öffentliche Gewalt, HStR, Bd. VI, § 154, Rdn. 81; E. Schmidt-Aßmann, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 19 IV, Rdn. 30. 639 Vgl. das Gesetz zu Art. 10 GG.

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7. Kap.: Rechtsschutzprinzip

Grenzen notwendige Vertraulichkeit des Verfassungsschutzes wahren, aber die Unabhängigkeit der Kontrollinstanz in jeder Weise fördern. Parlamentsausschüsse sind dafür ungeeignet. Art. 10 Abs. 2 S. 2 GG ist Ausdruck des republikwidrigen Parteienstaates, der zudem die Interessen fremder Mächte, vor allem die der Vereinigten Staaten von Amerika, mit deren Geheimdiensten die Verfassungsschutzämter zusammenarbeiten, dem Menschenrecht des Art. 10 Abs. 1 GG überordnet. Art. 10 Abs. 2 S. 2 GG erweist, daß Deutschland allenfalls begrenzt Rechtsstaat ist, sondern vor allem mittels des Verfassungsschutzes von undurchsichtigen Agenturen beherrscht wird, zumal die durch die Notstandsgesetze eingeführte Grundrechtsbeschränkung nicht nur für den Notstand gilt oder, anders formuliert, Deutschland sich immer im Notstand befindet. b) Asyl Art. 16a Abs. 2 S. 3 GG, durch verfassungsgesetzänderndes Gesetz vom 28. Juni 1993 (BGBl I, 1002) eingeführt, um das Asylrecht politisch Verfolgter (Art. 16a Abs. 1 GG, vormals Art. 16 Abs. 2 S. 2 GG) wegen des millionenfachen Mißbrauches desselben durch sogenannte Armutsflüchtlinge, die nicht im engeren Sinne politisch verfolgt sind640, einzuschränken, erlaubt „aufenthaltsbeendende Maßnahmen unabhängig von einem hiergegen eingelegten Rechtsbehelf“ zu vollziehen, wenn ein Ausländer (nicht Unionsbürger) „aus einem Mitgliedstaat der Europäischen Gemeinschaft oder aus einem anderen Drittstaat einreist, in dem die Anwendung des Abkommens über die Rechtsstellung der Flüchtlinge und der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten sichergestellt ist“, sogenannte sichere Drittstaaten (vgl. BVerfGE 94, 49 (92 ff.)). Die Betroffenen können sich nicht auf das Asylgrundrecht berufen (vgl. BVerfGE 94, 49 (95)). Die Vollziehung aufenthaltsbeendender oder einreiseverhindernder Maßnahmen darf (entgegen dem Prinzip effektiven Rechtsschutzes aus Art. 19 Abs. 4 S. 1 GG) gemäß § 34a Abs. 2 AsylVfG nicht durch verwaltungsgerichtliche Eilentscheidungen ausgesetzt werden (BVerfGE 94, 49 (100 f.).

IV. Rechtskraft 1. Rechtskraft der Richtersprüche als Institut der Rechtlichkeit Die Rechtskraft von Richtersprüchen ist formelles Prozeßinstitut und zugleich materielles Rechtsinstitut des Rechtsstaates. Das Bundesverfassungsgericht sieht 640 Dazu R. Schwartz, Wirtschaftliche Grenzen und Schranken des Asylgrundrechts, S. 28 ff., 40 ff., 54 ff., 112 ff., passim.

IV. Rechtskraft

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die Rechtskraft, gerade auch unabhängig von der materialen Richtigkeit der Entscheidung, im rechtsstaatlichen Prinzip der Rechtssicherheit verfassungskräftig verankert (BVerfGE 2, 380 (403 ff.); 22, 322 (329); 47, 146 (1612))641. Sowohl die formelle Rechtskraft, die Unanfechtbarkeit von Richtersprüchen nach Maßgabe der jeweiligen Prozeßordnungen, als auch die materielle Rechtskraft, die Verbindlichkeit der Richtersprüche für die Gerichte und die Parteien oder auch für die Allgemeinheit, ist für die vom Recht im Interesse des Rechtsfriedens und damit der Rechtssicherheit geforderte Endlichkeit gerichtlicher Verfahren unentbehrlich. Die Rechtssicherheit ist ein Element des Rechtsstaates, welches dem der Gerechtigkeit mit gleichem Rang zur Seite steht (BVerfGE 2, 380 (403 ff.); 3, 225 (237 f.); 15, 313 (319 f.); 35, 41 (47)). Effektiver Rechtsschutz verlangt die verbindliche Rechtsklärung strittigen Rechts in erträglicher Zeit. Nach Art. 6 Abs. 1 S. 1 EMRK ist es ein Menschenrecht, daß Rechtssachen in „angemessener Frist“ entschieden werden. Gerichtsverfahren dürfen nach der Praxis des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte nicht länger als 6 Jahre dauern (EGMR NJW 1997, 477 ff.; EGMR EuGRZ 1988, 20 ff.). Prozessuale Fristen sind rechtsstaatlich geboten (BVerfGE 60, 253 (269)). Die behördliche Nachprüfung von Verwaltungsakten darf aus Gründen der Rechtssicherheit nicht länger als vier Jahre in Anspruch nehmen (BSGE 72, 271 (276 ff.)). Endlichkeit des Verfahrens ist Teil der Rechtsschutzgewährung. Rechte, die immer zweifelhaft bleiben, können das gemeinsame Leben nicht befrieden. Die Rechtssicherheit ist Teil der Freiheit. Rechtskraft ist ein Prinzip der durch die Gesetzlichkeit verwirklichten Gerechtigkeit642. Das Bundesverfassungsgericht hat in BVerfGE 2, 380 (403) ausgeführt: „Das Rechtsstaatsprinzip enthält als wesentlichen Bestandteil die Gewährleistung der Rechtssicherheit; diese verlangt nicht nur einen geregelten Verlauf des Rechtsfindungsverfahrens, sondern auch einen Abschluß, dessen Rechtsbeständigkeit gesichert ist . . . Rechtsfriede und Rechtssicherheit sind von so zentraler Bedeutung für die Rechtsstaatlichkeit, daß um ihretwillen die Möglichkeit einer im Einzelfall vielleicht unrichtigen Entscheidung in Kauf genommen werden muß.“

2. Wahrheit, Richtigkeit und Irrtum im Prozeß a) Kein Gerichtswesen kann die materielle Richtigkeit der Richtersprüche sicherstellen. Die Wahrheit liebt es, verborgen zu sein (Heraklit, Fragment 123). 641 Für die Bestandskraft von Verwaltungsakten BVerfGE 20, 230 (236); 27, 297 (305 f.); 60, 253 (270); dazu P. Badura, Das Verwaltungsverfahren, in: H.-U. Erichsen (Hrsg.), Allgemeines Verwaltungsrecht, 11. Aufl. 1998, § 33, S. 541 ff. K. A. Schachtschneider, Grundbegriffe des Allgemeinen Verwaltungsrechts, § 3, S. 28 ff. 642 K. A. Schachtschneider, Neubescheidung nach Rechtskraft, VerwArch 63 (1972), S. 306 ff.

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7. Kap.: Rechtsschutzprinzip

Kein Prozeß kann sicherstellen, die Wahrheit aus der Verborgenheit in die Offenheit geführt zu haben643. Keine Wissenschaft weiß, ob ihr Wissen die Wahrheit ist. Theorien können falsifiziert, nicht verifiziert werden644. Alles Wissen ist Vermutung (Karl R. Popper)645. Das Ding an sich kennen wir nicht (Kant)646. Aber Wahrheitlichkeit ist ein Imperativ der Sittlichkeit, weil das Richtige die Wahrheit voraussetzt647. Das Prozeßwesen muß so gestaltet sein, daß Irrtümer nach Möglichkeit vermieden werden. Gerade weil der Zweifel an der Wahrheitlichkeit und Richtigkeit eines Richterspruchs im Wesen menschlichen Erkennens liegt, ist die Rechtskraft im Wesen des Rechtsklärungsprozesses angelegt. Der Richter hat seiner Erkenntnis die Theorien von der Wirklichkeit zugrundezulegen, die er den Erkenntnisverfahrensregelungen gemäß ermittelt hat, sei es, daß er sich selbst eine Theorie der Wirklichkeit bildet, sei es, daß er die Theorien von Sachverständigen zugrundezulegen hat. Praktische Wahrheit ist die bestmögliche Annäherung der Theorie an die Wirklichkeit648. Die Entscheidungen auf Theorien der Wirklichkeit zu stützen, gehört zur praktischen Vernunft649, die vom Staat und damit vom Richter verlangt werden kann. Entsprechend relativ ist die richterliche Erkenntnis des richtigen Gesetzes. b) Auch das Verständnis des Richtigen als des Gesetzlichen kann irrig sein650. Sonst bedürfte es keiner richterlichen Instanzen. Die jüngere Entschei643 K. A. Schachtschneider, Neubescheidung nach Rechtskraft, VerwArch 63 (1972), S. 309 f.; dazu ders., Res publica res populi, S. 567 ff., 598 ff.; i. d. S. auch W. Grunsky, Grundlagen des Verfahrensrechts. Eine vergleichende Darstellung von ZPO, FGG, VwGO, FGO, SGG, 1970, S. 230, 233. 644 K. R. Popper, Objektive Erkenntnis, 4. Aufl. 1984, S. 13 ff., 270 ff.; ders., Vermutungen und Widerlegungen, Das Wachstum der wissenschaftlichen Erkenntnis, Teilband I, Vermutungen, 1994, S. 46 ff., 312 ff. (323 ff.); K. A. Schachtschneider, Der Rechtsbegriff „Stand von Wissenschaft und Technik“ im Atom- und Immissionsschutzrecht, in: W. Thieme (Hrsg.), Umweltschutz im Recht, 1988, S. 100 ff.; ders., Res publica res populi, S. 567 ff., 598 ff., 1103 f.; vgl. i. d. S. BVerfGE 49, 89 (143); 53, 30 (58 f.). 645 Logik der Forschung, 4. Aufl. 1971, etwa S. 18 ff., 47, 76 ff., 198 ff.; ders., Objektive Erkenntnis, S. 13 ff., 270 ff.; ders., Vermutungen und Widerlegungen, S. 46 ff., 312 ff. (323 ff.). 646 Kritik der reinen Vernunft, S. 30 f., auch S. 75 ff. 647 K. Jaspers, Vom Ursprung und Ziel der Geschichte, S. 197 ff.; K. A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 569; ders., Der Rechtsbegriff „Stand von Wissenschaft und Technik“, S. 105 ff. 648 K. R. Popper, Objektive Erkenntnis, S. 44 ff., 332 ff.; so schon Kant, Kritik der reinen Vernunft, S. 688; dazu K. A. Schachtschneider, Der Rechtsbegriff „Stand von Wissenschaft und Technik“, S. 100 ff., 105 ff. (106). 649 K. A. Schachtschneider, Der Rechtsbegriff „Stand von Wissenschaft und Technik“, S. 105 ff., 109 ff.; ders., Res publica res populi, S. 567 ff., 598 ff., 657 f.; zum Begriff der praktischen Vernunft Kant, Kritik der praktischen Vernunft, S. 107 ff., 142, 144, 157, 174, 213. 650 Zur (insb. rousseauschen) Irrtumslehre K. A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 567 ff.

IV. Rechtskraft

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dung zu einer bestimmten Rechtsfrage kann jedoch keinen Wahrheits- und Richtigkeitsgehalt beanspruchen, welcher dem der älteren Entscheidung überlegen wäre. Die höheren Gerichte dürfen nach den Prozeßordnungen die Entscheidungen der unteren Gerichte aufheben, wenn zulässige Rechtsmittel (oder auch nur Rechtsbehelfe) sie mit der entschiedenen Sache befaßt haben. Den höheren Gerichten ist die höhere Erkenntnisautorität zugestanden, auch deswegen, weil die Kritik einer Erkenntnis die Chance mit sich bringt, Irrtümer zu korrigieren. Das schließt jedoch nicht aus, daß die höhere Instanz die Entscheidung auf neue, eigene Irrtümer stützt. Die Wahrheitlichkeit und Richtigkeit eines Richterspruches ist darum für die Rechtskraft desselben ohne Relevanz. Gerade darum muß das Prozeßverfahren so gestaltet sein, daß die Wahrheitlichkeit und Richtigkeit der Richtersprüche bestmöglich gefördert wird. Der Richterspruch ist somit unabhängig davon, ob er richtig oder falsch ist, verbindlich und damit der Rechtskraft fähig; denn die Frage nach der Richtigkeit oder Unrichtigkeit der Entscheidung ist nicht zweifelsfrei erkennbar. Gerade diese Erkenntnislehre ist die Rechtfertigung der ständigen Kritik von Richtersprüchen. Die Rechtskraft ist somit kein Opfer an materieller Richtigkeit der Richtersprüche, sondern eine Notwendigkeit der materiellen Gerechtigkeit, die es ohne Rechtsschutz nicht gibt651. Prononciert formuliert: Auch der unrichtige Richterspruch ist gerecht, wenn er rechtskräftig ist. Aber: Wenn elementare Prinzipien, welche die Verbindlichkeit des Richterspruchs zu akzeptieren erlauben, verletzt werden, so daß das Vertrauen in die Richtigkeit der Judikative erschüttert werden muß, gestatten die Prozeßgesetze die Wiederaufnahme des Verfahrens652, nämlich §§ 578–591 ZPO, § 153 VwGO, § 179 SGG, § 134 FGO, §§ 359– 373a StPO. 3. Rechtskraft und Normverwerfung nach § 79 BVerfGG Nicht einmal die Erklärung des Bundesverfassungsgerichts, daß eine Vorschrift des Bundes- oder des Landesrechts nichtig sei (§ 78 BVerfGG), auf welche ein Richterspruch gestützt ist, muß der Rechtskraft der Entscheidung die Wirkung nehmen. Nach § 79 Abs. 2 S. 1 BVerfGG bleiben „nicht mehr anfechtbare Entscheidungen, die auf einer gemäß § 78 für nichtig erklärten Norm beruhen, unberührt“. Derartige Entscheidungen dürfen allerdings nicht mehr vollstreckt werden. Wenn sie vollstreckt worden sind, schließt das Gesetz Ansprüche aus ungerechtfertigter Bereicherung aus (§ 79 Abs. 2 S. 4 BVerfGG). Wenn allerdings ein Strafurteil auf eine für nichtig erklärte Norm oder auf die Auslegung einer Norm gestützt ist, die vom Bundesverfassungsgericht für un651 K. A. Schachtschneider, Neubescheidung nach Rechtskraft, VerwArch 63 (1972), S. 306 ff. 652 Vgl. K. A. Schachtschneider, Neubescheidung nach Rechtskraft, VerwArch 63 (1972), S. 313 ff.

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7. Kap.: Rechtsschutzprinzip

vereinbar mit dem Grundgesetz erklärt worden ist, besteht nach § 79 Abs. 1 BVerfGG ein Anspruch auf Wiederaufnahme des Verfahrens. Der Gesetzgeber regelt die Wirkungen der Normverwerfung durch das Bundesverfassungsgericht auf rechtskräftige Urteile somit unterschiedlich653. Das Bundesverfassungsgericht hat das zu Recht akzeptiert (BVerfGE 2, 380 (403 ff.); 7, 194 (195 ff.); 11, 263 (265)). Selbst bestandskräftige Verwaltungsakte vermögen sich zu behaupten, wenn sie auf Normen gestützt waren, die vom Bundesverfassungsgericht für nichtig erklärt worden sind (BVerfGE 20, 230 (235 f.)). Es ist Sache des Gesetzgebers, die Wiedergutmachung wegen des Rechtsverstoßes für die Vergangenheit oder auch nur für die Zukunft oder auch gar nicht zu ermöglichen. Rechtskräftige Entscheidungen jedenfalls darf er nicht überspielen. 4. Wiederaufgreifen von Verwaltungsverfahren nach Rechtskraft a) Ein Wiederaufgreifen von Verwaltungsverfahren, der Sache nach eine Neubescheidung, kommt nicht in Betracht, wenn die Klage gegen den ablehnenden Verwaltungsakt rechtskräftig abgewiesen worden ist und die Sach- und Rechtslage sich nicht geändert hat. Wegen der Rechtskraft ist der Bürger so zu behandeln, als sei sein Anspruch gegen den Staat erloschen. Jedenfalls darf sich die Verwaltung nicht über den Rechtsspruch des Gerichts in derselben Sache hinwegsetzen (vgl. BVerwGE 70, 110 (111 ff.))654. § 48 Abs. 1 VwVfG ist restriktiv dahingehend zu interpretieren, daß „unanfechtbar“ nicht auch rechtskräftig bestätigter Verwaltungsakt heißt. § 51 VwVfG ist nicht einschlägig, weil der Gesetzgeber zu Recht das Vorliegen neuer Beweismittel der Änderung der Sach- und Rechtslage gleichstellt (BVerwGE 70, 110 (112))655. b) Der rechtskräftige Richterspruch bindet die Parteien (inter partes) oder die Beteiligten (§ 325 ZPO, § 121 VwGO). Sie können sich nicht mehr auf das vermeintlich richtige Recht berufen, jedenfalls gerichtlich die Unrichtigkeit des Richterspruches nicht mehr geltend machen. Das ist das Ergebnis der formellen Rechtskraftlehre656. Nach der materiellen Rechtskraftlehre657 ändert der Rich653 Dazu W. Löwer, Zuständigkeiten und Verfahren des Bundesverfassungsgerichts, HStR, Bd. II, § 56, Rdn. 102 f. 654 Dazu und zum folgenden K. A. Schachtschneider, Neubescheidung nach Rechtskraft, VerwArch 63 (1972), S. 112 ff., 277 ff., gegen die überwiegende Praxis und Lehre; ders., Grundbegriffe des Allgemeinen Verwaltungsrechts, S. 40 f., 48. 655 Dazu H. Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 11, Rdn. 57 ff., S. 313 ff.; H.-U. Erichsen, Das Verwaltungshandeln; in: H.-U. Erichsen (Hrsg.), Allgemeines Verwaltungshandeln, § 20, Rdn. 6 ff., S. 367 ff.; P. Badura, Das Verwaltungsverfahren, daselbst, § 38, Rdn. 52 ff. (55 ff.), S. 543 ff. (545 f.); K. A. Schachtschneider, Neubescheidung nach Rechtskraft, VerwArch 63 (1972), S. 311 ff. 656 A. Blomeyer, Zivilprozeßrecht, Erkenntnisverfahren, § 88 III, S. 441 ff.; dazu K. A. Schachtschneider, Neubescheidung nach Rechtskraft, VerwArch 63 (1972), S. 289.

IV. Rechtskraft

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terspruch die materielle Rechtslage, so daß die Frage nach der Richtigkeit der Entscheidung sich nicht mehr stellen kann. Private können auf das ihnen durch den Richterspruch Zuerkannte je nach der Verfügbarkeit des Rechts verzichten und etwa eine Forderung bezahlen, obwohl der Anspruch des vermeintlichen Gläubigers rechtskräftig aberkannt worden ist. Der Staat darf das nicht. Er darf weder zu Lasten der Gerichte auf deren Erkenntnisse des Rechts verzichten, um etwa ein neues Gerichtsverfahren zu ermöglichen, noch darf er das zugunsten des durch die klageabweisende Entscheidung belasteten Bürgers, um diesem eine zu Recht verweigerte Leistung aufgrund besserer Einsicht gewähren zu können. Das gilt selbst dann, wenn die höchstrichterliche Rechtsprechung sich zu der strittigen Rechtsfrage ändert (i. d. S. BVerfGE 2, 380 (395/403); BVerwGE 28, 122 ff.; a. A. BVerwGE 17, 256 ff.; 35, 234 (236 ff.); vgl. auch BSGE 13,181 (187); 26, 89 (91))658. Die Änderung der rechtskräftig bestätigten Verwaltungsentscheidung verletzt das Gesetzmäßigkeits- und das Gewaltteilungsprinzip, weil die Rechtsautorität der Gerichte sich in der Republik gegenüber der der Verwaltung durchsetzen muß. Die Gerichte klären die Rechtslage autoritativ. Rechtsauffassungen mögen sich ändern. Das kann mit der Änderung der Lagen zusammenhängen. Es kann aber auch daran liegen, daß Irrtümer beseitigt werden oder daß neue Irrtümer entstehen. Richtersprüche finden das Recht in einer geschichtlichen Situation, die unwiederbringlich ist. Eine veränderte Lage verpflichtet den Gesetzgeber sittlich, das richtige Gesetz zu geben. Eine Änderung der Rechtsprechung kann den Gesetzgeber wiederum sittlich verpflichten, rechtskräftig entschiedene Fälle einer neuen Regelung zuzuführen. Das würde die Rechtslage verändern, so daß die Rechtskraft des Richterspruches neuen Entscheidungen nicht entgegensteht. Für die skizzierte Rechtskraftlehre ist die Definition des Entscheidungsgegenstandes des Richterspruches wesentlich. Rechtskraft setzt dessen Identität voraus. Der Streit- und der Entscheidungsgegenstand ändern sich durch die Änderung der Sach- und der Rechtslage659. Der Entscheidungsgegenstand wird durch die strittigen Rechte im Prozeß bestimmt. Entscheidungsgegenstand der Anfechtungsklage ist der Anspruch auf Aufhebung des angegriffenen Verwaltungsaktes, der aus dessen Rechtswidrigkeit erwächst660. Der Entscheidungsgegenstand der Verpflichtungs657 A. Blomeyer, Zivilprozeßrecht, Erkenntnisverfahren, § 88 III, S. 442 ff.; W. Grunsky, Grundlagen des Verfahrensrechts, S. 429 f.; K. A. Schachtschneider, Neubescheidung nach Rechtskraft, VerwArch 63 (1972), S. 289. 658 K. A. Schachtschneider, Neubescheidung nach Rechtskraft, VerwArch 63 (1972), S. 320 ff. 659 Dazu P. Badura, Das Verwaltungsverfahren, § 39, Rdn. 58; S. 545 ff.; K. A. Schachtschneider, Neubescheidung nach Rechtskraft, VerwArch 63 (1972), S. 136 ff.; vgl. dazu auch H. Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 11, Rdn. 54 ff., S. 316 ff. (zu § 51 VwVfG). 660 W. Grunsky, Grundlagen des Verfahrensrechts, S. 35 f.; K. A. Schachtschneider, Neubescheidung nach Rechtskraft, VerwArch 63 (1972), S. 138; dazu F. Hufen, Ver-

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7. Kap.: Rechtsschutzprinzip

klage ist der Anspruch auf Erlaß des beantragten Verwaltungsaktes (BVerfGE 35, 234 (236); BSGE 13, 181 (184))661. Die Lehre vom Streit- und Entscheidungsgegenstand ist Sache des Verwaltungsprozeßrechts.

waltungsprozeßrecht, 2. Aufl. 1996, S. 168 f. („Rechtsbehauptung des Klägers, der VA (oder dessen Unterlassung) sei rechtswidrig und verletze ihn in seinen Rechten“). 661 K. A. Schachtschneider, Neubescheidung nach Rechtskraft, VerwArch 63 (1972), S. 140.

8. Kapitel

Gesetzesvollzugsprinzip I. Staatlichkeit der vollziehenden Gewalt 1. Eigenständigkeit der vollziehenden Gewalt Die vollziehende Gewalt ist eigenständige Organschaft der Ausübung der staatlichen Gewalt des Volkes mit eigenständiger demokratischer Legitimation (vgl. BVerfGE 98, 218 (251 f.); Zitat in D, III, 3). Sie ist nicht etwa, weil sie die Gesetze zu vollziehen hat, von der Legislative abhängig. Vielmehr ist die Exekutive der Legislative und der Judikative gleichrangig nebengeordnet. Die Verwaltungsakte haben demgemäß Verbindlichkeit (Bestandskraft und Bindungskraft), auch wenn sie gegen das Gesetz verstoßen. Sie können (nur) und müssen, wenn es die Rechtslage gebietet, von den Verwaltungen selbst (§ 48 Abs. 1 S. 1 VwVfG; vgl. BVerwGE 28, 122 (127); 44, 333 (336))662 oder (auf Aufhebungsklage) von den Gerichten aufgehoben werden (§§ 42, 113 VwGO). In der Praxis ist nach wie vor die Exekutive, zumal die Gubernative, die stärkste Macht im Staate; denn sie beherrscht den Staat kraft der vielfältigen Mittel, auch der Zwangsmittel. Insbesondere gehören die Polizei und das Militär zur Exekutive. Die Regierung beherrscht faktisch das Parlament aufgrund der parteienstaatlichen Gegebenheiten663. Die (verfassungswidrige und strafbare) parteiliche Ämterpatronage664 gibt den parteilichen und parteiischen Regierungen die Macht über den öffentlichen Dienst. 2. Republikanischer Gesetzesvollzug Im Rechtsstaat muß der Vollzug der Gesetze sichergestellt sein. Die Gesetzlichkeit aller Handlungen im Gemeinwesen verwirklicht das gute Leben aller in Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit, vorausgesetzt, die Gesetze genügen dem 662 K. A. Schachtschneider, Grundbegriffe des Allgemeinen Verwaltungsrechts, S. 34 f.; H. Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 11, Rdn. 47 ff., S. 312 ff. (grundsätzlich Ermessen (?)); H.-U. Erichsen, Das Verwaltungshandeln, § 20, Rdn. 4 f., S. 366 (Ermessen (?)). 663 Dazu 9. Kap., II. 664 Dazu Hinweise in Fn. 828.

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8. Kap.: Gesetzesvollzugsprinzip

Recht. Die Verwaltung definiert das Grundgesetz in Art. 1 Abs. 3 GG und Art. 20 Abs. 2, 3 GG richtig als „vollziehende Gewalt“. Die republikanische Verwaltung darf sich nicht gerieren, als gelte noch das monarchische Prinzip des Konstitutionalismus665 und der Trennung von Staat und Gesellschaft666. Der Konstitutionalismus hat die monarchische Exekutive durch Gesetze zu beschränken erlaubt, welchen das bürgerliche Parlament zur Sicherung der Freiheit und des Eigentums der Bürger zugestimmt hatte (Prinzip des Kompromisses und des kooperativen Dualismus)667. Außerhalb dieses Bereichs handelte die Exekutive des Monarchen aus eigener Gewalt; denn die monarchische Gewalt bedurfte nicht der Legitimation durch das Volk668. In der grundgesetzlichen Republik geht „alle Staatsgewalt vom Volke aus“ (Art. 20 Abs. 2 S. 1 GG). Diesem Prinzip ist nicht allein schon dadurch Genüge getan, daß alle Amtswalter durch eine ununterbrochene Kette von Berufungsakten, die vom Volke ausgeht, demokratisch legitimiert sein müssen669, sondern nur dadurch, daß außerdem jede Art der Staatlichkeit sich auf ein Gesetz des Volkes gründen muß (totaler Gesetzesvorbehalt)670. Das gilt auch für die Berufungen der Amtswalter. Diesbezügliche Regelungen sollen sicherstellen, daß die Amtswalter für das Amt geeignet, befähigt und leistungsfähig sind (Art. 33 Abs. 2 GG)671. 3. Gesetzlichkeit der vollziehenden Gewalt Jede Verwaltung, welche nicht Gesetzesvollzug ist, usurpiert Aufgaben, Befugnisse oder Mittel, welche nach dem Grundgesetz nur durch Gesetz eingeräumt werden dürfen (ultra-vires-Lehre)672. Der Staat hat keine verfassungsge665 Dazu R. Wahl, Die Entwicklung des deutschen Verfassungsstaates bis 1866, HStR, Bd. I, § 1, Rdn. 11 ff.; E. R. Huber, Das Kaiserreich als Epoche verfassungsstaatlicher Entwicklung, HStR, Bd. I, § 2, Rdn. 26 ff. 666 Dazu R. Wahl, Die Entwicklung des deutschen Verfassungsstaates bis 1866, HStR, Bd. I, § 1, Rdn. 11 ff., 27 ff.; kritisch K. A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 159 ff. ; H. H. Rupp, Die Unterscheidung von Staat und Gesellschaft, HStR, Bd. I, 1987, § 28, Rdn. 4 ff. 667 D. Jesch, Gesetz und Verwaltung, S. 76 ff. (81 ff.); H. H. Rupp, Die Unterscheidung von Staat und Gesellschaft, HStR, Bd. I, § 28, Rdn. 4 ff.; ders., Grundfragen der heutigen Verwaltungsrechtslehre, S. 2 ff.; R. Wahl, Die Entwicklung des deutschen Verfassungsstaates bis 1866, HStR, Bd. I, § 1, Rdn. 23, 37. 668 E. R. Huber, Das Kaiserreich als Epoche verfassungsstaatlicher Entwicklung, HStR, Bd. I, § 2, Rdn. 27; H. H. Rupp, Die Unterscheidung von Staat und Gesellschaft, HStR, Bd. I, § 28, Rdn. 4 ff. 669 BVerfGE 47, 253 (275 f.); 52, 95 (112, 120, 130); 77, 1 (40); 83, 60 (72); K. A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 66 ff., 99 ff., 924 ff. 670 Dazu 6. Kap., III. 671 H. Lecheler, Der öffentliche Dienst, HStR, Bd. III, § 72, Rdn. 18 f.; J. Isensee, Öffentlicher Dienst, HVerfR, § 32, Rdn. 38 ff., S. 1544 f. 672 Dazu H. Krüger, Allgemeine Staatslehre, S. 335 ff.; K. A. Schachtschneider, Staatsunternehmen und Privatrecht, S. 22 f., 41 f., 256, 262; ders., Der Anspruch auf

I. Staatlichkeit der vollziehenden Gewalt

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setzes- und gesetzesunabhängige Existenz. Er ist vielmehr eine Einrichtung der Bürger für die Verwirklichung des guten Lebens aller in gleicher Freiheit in und durch Brüderlichkeit. Die Freiheit verwirklichen die Bürger im Rahmen des Rechts durch ihre allgemeinen Gesetze. Ohne derartige Gesetze gibt es somit keine Staatlichkeit. Der Rechtsstaat als Staat der Gesetzlichkeit673 zwingt somit, den Staat als die Gesamtheit der Einrichtungen zu definieren, welche der Gesetzlichkeit des gemeinsamen Lebens dienen. Dazu gehören auch die Bürger, die die Gesetze achten (funktionale Staatlichkeit der institutionell Privaten674). Die Bürger ordnen ihre gemeinsame Staatlichkeit durch das Verfassungsgesetz. Das Verfassungsgesetz muß die Verfassung der Menschheit der Menschen achten. Es gibt keinen Staat ohne Verfassungsgesetz und keine Staatlichkeit außerhalb der Gesetze.

4. Pflicht zum Gesetzesvollzug a) Die Prinzipien des Vorbehalts und des Vorrangs des Gesetzes675 sind die die rechtsstaatliche Verwaltung definierenden Maximen. Die Verwaltung ist aber auch zum Vollzug der Gesetze verpflichtet. Sie hat die Verantwortung für die Gesetzlichkeit des Staatlichen. Grundsätzlich unterliegt die Verwaltung dem Legalitätsprinzip676. Die Aufgaben und Befugnisse sind Sache der jeweils zuständigen Verwaltung, welche andere Verwaltungen von diesen Aufgaben und Befugnissen ausschließen und der Verwaltung gegenüber den jeweiligen betroffenen Bürgern Aufgaben und Befugnisse zu handeln geben. Die Aufgaben und Befugnisse sind gewissermaßen Rechte der Verwaltung, besser: der zuständigen Amtswalter (denn Rechte setzen Personen voraus). b) Die Aufgaben und Befugnisse schaffen zugleich Pflichten der Verwaltung gegenüber dem Volk und gegenüber besonders betroffenen Bürgern, welche subjektive Rechte gegenüber der Verwaltung auf Vollzug der Gesetze haben können, nach der Praxis, wenn die Gesetze die Interessen dieser Bürger zu schützen bezwecken (BVerfGE 27, 297 (307); 31, 33 (39 f.); 57, 9 (25 f.))677, richtigerweise wenn der Bürger durch die Mißachtung des Gesetzes in seinen

materiale Privatisierung, S. 16 ff., 29 ff., 73, 122, 289 ff.; auch ders., Res publica res populi, S. 184, 202, 451 f., 467; H. H. Rupp, Die Unterscheidung von Staat und Gesellschaft, HStR, Bd. I, § 28, Rdn. 30; J. Burmeister, Verträge und Absprachen zwischen der Verwaltung und Privaten, VVDStRL 52 (1993), S. 210 ff. (244). 673 Dazu 6. Kap., I, 1, 2 und 5. 674 K. A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 370 ff., auch S. 211 ff.; ders., Der Anspruch auf materiale Privatisierung, S. 23 ff. (26 ff.). 675 Dazu 6. Kap., II und III. 676 Dazu II, auch 6. Kap., II. 677 Dazu 7. Kap., I, 3 und 4; Hinweise in und zu Fn. 586.

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8. Kap.: Gesetzesvollzugsprinzip

„eigenen Angelegenheiten“678, also materiell, betroffen ist679. Das subjektive Recht ist Ausdruck des Rechts auf Rechtsschutz, des Rechts auf staatlichen Schutz, des Rechts auf Recht in einem besonderen Fall. Maßnahmen gegen eine objektive Rechtsverletzung der Verwaltung sind dadurch dem betroffenen Bürger vorbehalten, der das besondere, materiell begründete, Rechtsschutzinteresse hat. Einen weitergehenden Rechtsschutz garantiert Art. 19 Abs. 4 GG nicht680. § 42 Abs. 2 VwGO, der die Klagebefugnis von Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen regelt, bleibt in diesem Rahmen681. Der Bürger kann die Rechtsverletzung in seinen besonderen Angelegenheiten hinnehmen. Die Verletzung bleibt dann ungeklärt, obwohl objektiv nicht nur der besonders betroffene Bürger, sondern auch die Allgemeinheit (das Volk) im Recht verletzt ist. Dieses Defizit ist Folge des subjektiven Rechtsschutzes. Republikanisch ist die Popularklage überlegen682. c) Keinesfalls steht die Gesetzlichkeit zur Disposition der Verwaltung, so daß sie verhandelbar wäre. Die Praxis hat sich jedoch in vielen Bereichen, etwa im Steuer- und Umweltrecht, in diese Richtung entwickelt683. Nur wenn ein Vertrag zwischen Staat und Bürger gesetzlich vorgesehen ist (dazu IV, 2), kommt die Verhandlung über Maßnahmen der Verwaltung in Betracht. Ein Bürger kann nicht zu Lasten der Allgemeinheit auf die Gesetzlichkeit des Verwaltungshandelns verzichten. Republikanisch ist die uneingeschränkte Gesetzlichkeit Angelegenheit aller Bürger.

II. Legalität, Legitimität, Opportunität und Sachlichkeit 1. Legalität und Opportunität Das Prinzip der Gesetzlichkeit gebietet die Legalität allen staatlichen Handelns. Die Gesetze müssen jederzeit und ohne Einschränkung verwirklicht werden. Der Staat darf die Gesetze nicht nach Opportunität nutzen. Er muß die gesetzlichen Aufgaben gemäß den gesetzlichen Befugnissen und Mitteln erfüllen. 678

W. Henke, Das subjektive öffentliche Recht, 1968, S. 61. K. A. Schachtschneider, Grundbegriffe des Allgemeinen Verwaltungsrechts, S. 49 ff., zum Begriff des subjektiven öffentlichen Rechts; dazu auch Hinweise in Fn. 542, 584 ff. 680 Dazu H.-J. Papier, Rechtsschutzgarantie gegen die öffentliche Gewalt, HStR, Bd. VI, § 154, Rdn. 39 ff. 681 Dazu K. A. Schachtschneider/A. Emmerich-Fritsche, Kommunaler Wettbewerb, S. 55 ff.; F. Hufen, Verwaltungsprozeßrecht, S. 277 ff., 330 ff. 682 Dazu 7. Kap., I, 3, b; K. A. Schachtschneider, Grundbegriffe des Allgemeinen Verwaltungsrechts, S. 52 f. 683 Dazu M. Schmidt-Preuß, Verwaltung und Verwaltungsrecht zwischen gesellschaftlicher Selbstregulierung und staatlicher Steuerung, VVDStRL 56 (1997), S. 176 ff.; U. Di Fabio, daselbst zum nämlichen Thema, S. 242 ff., 254 ff. 679

II. Legalität, Legitimität, Opportunität und Sachlichkeit

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Die Gesetze können jedoch dem Staat das Recht zur Opportunität einräumen. Ein solches Handlungsermessen gibt etwa die (gemeinrechtliche) polizeiliche Generalklausel. Es muß pflichtgemäß im Sinne der Sachlichkeit gehandhabt werden. Die Polizei hat die Aufgabe, die Gefahren für die öffentliche Sicherheit und Ordnung zu unterbinden (etwa Art. 2 Abs. 1 BayPAG684; vormals §14 Abs. 1 PVG von 1931), ist aber nicht verpflichtet, jede Störung der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung abzuwehren (Opportunitätsprinzip)685. Diese Verpflichtung kann ihr nicht aufgebürdet werden, weil das undurchführbar wäre. Die Polizei muß die Möglichkeit haben, ihre begrenzten personellen und sachlichen Ressourcen so einzusetzen, daß ein Höchstmaß an öffentlicher Sicherheit und Ordnung verwirklicht wird. Die Strafverfolgung unterliegt demgegenüber prinzipiell dem Legalitätsprinzip. Lediglich die Verfolgung von Bagatelldelikten kann der Privatklage (§ 152 Abs. 2 StPO) überlassen werden (vgl. §§ 374 ff. StPO). Entgegen der Praxis gilt das Legalitätsprinzip auch für die Grundrechtsverwirkung nach Art. 18 GG und das Parteiverbot nach Art. 21 Abs. 2 GG (a. A. BVerfGE 5, 85 (129 f.)). 2. Legalität und Legitimität Legitimität darf nicht gegen Legalität ausgespielt werden. Legitimität ist Rechtfertigung, die nicht notwendig aus der Gesetzlichkeit des Handelns folgt und auch illegales Handeln zu rechtfertigen versucht. Legalität ist das zentrale Postulat der republikanischen Ethik686. Die Sittlichkeit des Handelns im Rahmen der Gesetze, also der Legalität, ist ethische Pflicht687. Aber die Tugend ist nicht erzwingbar, sondern unterliegt dem Selbstzwang688. Wer Tugendlichkeiten zu erzwingen versucht, etwa durch medialen Zwang, ersetzt, wie der Jakobiner 684 Dazu K. H. Friauf, Polizei- und Ordnungsrecht, Rdn. 33 ff., 39 ff., S. 126 ff., 129 ff. 685 Vgl. Th. Würtenberger, Polizei- und Ordnungsrecht, in: N. Achterberg/G. Püttner (Hrsg.), Besonderes Verwaltungsrecht, Band II, 1992, Rdn. 181 ff., S. 407 ff.; K. H. Friauf, Polizei- und Ordnungsrecht, Rdn. 58 ff., S. 138 ff., auch zum möglichen Anspruch auf polizeiliches Einschreiten, etwa um Leben zu retten, Rdn. 63 ff., S. 114 ff. dazu etwa BVerwGE 11, 95 (97); 37, 112 (113); vgl. auch RGZ 99, 254 (256); 121, 225 (232 ff.); BGH VerwRspr. 5, 832; BGH VerwRspr. 11, 462, zum Amtshaftungsanspruch wegen des Unterlassens von Polizeimaßnahmen; i. d. S. § 1 Abs. 2 Musterentwurf Polizeigesetz. 686 Kant, Metaphysik der Sitten, S. 318, 521; ders., Kritik der praktischen Vernunft, S. 203; K. A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 35 ff., 211 ff., 279 ff., 303 ff., 332 ff., 360 ff., 378 ff.; ders., Freiheit in der Republik, 2. Kap., III, VII, 5.Kap., II, 6. Kap., II, 8. Kap., III. 687 Kant, Metaphysik der Sitten, S. 508 (insb. S. 512), 520 f., 523; K. A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 279 ff.; ders., Freiheit in der Republik, 2. Kap., VII. 688 Kant, Metaphysik der Sitten, S. 508, 512, auch S. 338 f.; K. A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 265, auch S. 279 ff.

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8. Kap.: Gesetzesvollzugsprinzip

Maximilien Robespierre, Tugend durch Terror689 und verwandelt die Republik in eine Despotie (der Medien). Der Republikanismus steht und fällt mit der inneren Freiheit, der Sittlichkeit, deren Gerichtshof allein das Gewissen ist690. In der Republik ist allein Legalität legitim; denn Gesetzlichkeit verwirklicht Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit, wenn sie denn dem Recht genügt. Die Legalität kann und muß erzwungen werden; denn sie sichert die allgemeine Freiheit, nämlich die Rechtlichkeit691. „Recht ist mit der Befugnis zu zwingen verbunden“ (Kant)692. Freiheitswidrige Bestrebungen und Bewegungen pflegen die Legalität hinter die Legitimität zurückzustellen. Carl Schmitt hat die „plebiszitäre Legitimität“ der „gesetzgebungsstaatlichen Legalität“, „einer Art dessen, was Recht ist“ entgegengestellt693. Gegenwärtig wird eine gewisse political correctness mit großem Propagandaaufwand eingeübt, mittels derer der Wahrnehmung von Rechten, insbesondere des Menschen- und Grundrechts der freien Rede, die Legitimität streitig gemacht wird. In der „öffentlichen Meinung“ hat Carl Schmitt die „moderne Art der Akklamation“ gesehen, in der Akklamation die identitäre Legitimation des Führers694. Der Leitspruch im nationalsozialistischen Parteistaat: „Recht ist, was dem Volke nützt“, hat die Gesetzlichkeit ruiniert und letztlich allein den Willen des Führers verbindlich gemacht695. Wer die Gesetze der Freiheit, also des Rechts, nicht achtet, fördert die Despotie, also die Herrschaft, welche durch Rechtlosigkeit charakterisiert ist696. Wer allerdings das Gesetz zu anderen Zwecken nutzt als zur Verwirklichung des guten Lebens aller in allgemeiner Freiheit, ist Despot. Das tun die Führer im entwikkelten Parteienstaat697. 689 Über Tugend und Terror, Rede, in: J. Musulin, Proklamationen der Freiheit, 1962, S. 80 ff. 690 Kant, Metaphysik der Sitten, S. 572 ff.; K. A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 215, auch S. 420 f., 665 f., 810 ff. 691 Dazu K. A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 545 ff., insb. S. 553 ff.; ders., Freiheit in der Republik, 2. Kap., III, VIII. 692 Metaphysik der Sitten, S. 338 ff., 464, 527; ders., Über den Gemeinspruch, S. 144, 169; K. A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 553 ff.; ders., Freiheit in der Republik, 2. Kap., III, 2. 693 C. Schmitt, Verfassungslehre, 1928, 8. Aufl. 1993, S. 90 f.; ders., Legalität und Legitimität, 1932, 2. Aufl. 1968, S. 62 ff., 69; ähnlich G. Leibholz, Das Wesen der Repräsentation und der Gestaltwandel der Demokratie im Zwanzigsten Jahrhundert, 1929, 3. Aufl. 1966, S. 98 ff., 228 ff., zugunsten des Parteienstaates; ders., Der moderne Parteienstaat, 1960, in: ders., Verfassungsstaat – Verfassungsrecht, 1973, S. 68 ff., insb. S. 73; kritisch K. A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 735 ff., 776 ff. 694 Verfassungslehre, S. 242 ff.; zum Zwang der öffentlichen Meinung E. NoelleNeumann, Öffentliche Meinung, in: dies./W. Schulz/J. Wilke, Fischer Lexikon Publizistik/Massenkommunikation, 2002, S. 392 ff.; zur „Herrschaft“ der öffentlichen Meinung J. Ortega y Gasset, Aufstand der Massen, 1930, rororo 1956, S. 93 ff. 695 Dazu K. A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 735 ff. (zu C. Schmitts Lehre von der Repräsentation). 696 Dazu K. A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 71 ff.

II. Legalität, Legitimität, Opportunität und Sachlichkeit

155

3. Legalität und Sachlichkeit Das Prinzip der Legalität schließt es nicht aus, daß der Gesetzgeber die Verwaltung nur mit geringer Bestimmtheit bindet698, wodurch der Verwaltung ermöglicht werden soll, sachnah und damit sachrichtig zu handeln. Solche Regelungen erlauben es der Verwaltung, nach ihrem Ermessen zu entscheiden (Ermessensspielraum insbesondere durch Kann-Bestimmungen), die Erfüllung gesetzlicher Tatbestände nur begrenzt gerichtlich überprüfbar zu beurteilen (Beurteilungsspielraum durch offene Tatbestandsmerkmale, sogenannte unbestimmte Rechtsbegriffe), maßgebliche Einschätzungen über eine Entwicklung der Lage zu treffen (Einschätzungsspielraum) und anderes mehr. Die Verwaltung darf ihre Spielräume nicht über- oder unterschreiten und nicht mißbrauchen (etwa Ermessensüberschreitung, Ermessensunterschreitung, insbesondere Ermessensnichtgebrauch, Ermessensfehlgebrauch, insbesondere Ermessensmißbrauch). Verwaltungsspielräume folgen nicht dem Opportunitätsprinzip, sondern optimieren das verfassungsbefohlene Sachlichkeitsprinzip (BVerfGE 3, 58 (135 f.); 10, 234 (246); 12, 326 (333 ); 23, 135 (143); 25, 101 (105); 55, 72 (88 ff.); 60, 16 (42); 76, 256 (329))699. Sie gehören zum Amtsprinzip, wonach die Amtswalter, die Beamten, ihre fachliche Befähigung in ihr Amt, also in den Gesetzesvollzug, einbringen und durch die Fachgerechtigkeit mit der Amtlichkeit die Rechtlichkeit verwirklichen. Die Amtlichkeit ist im Rahmen der Revidierbarkeit der Entscheidungen durch höhere Behörden oder Gerichte an die Person des Beamten gebunden. Es gibt somit ein personales Prinzip der Amtsgewalt (potestas), eine persönliche Verantwortlichkeit im öffentlichen Dienst (§ 36 S. 2 BRRG)700. Die Verwaltung hat gemäß ihrer Sicht der Sache zu entscheiden, hat also im eigentlichen Sinne keinen Entscheidungsspielraum. Vielmehr ist lediglich die richterliche Kontrolle der Verwaltung begrenzt701. Richterliche Entscheidungsbefugnisse fördern nur im Rahmen der Befähigung der Richter die Sachlichkeit, also nur bei der Rechtsklärung. 697 K. A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 772 ff., 1060 ff., 1086 ff., 1113 ff.; ders., Der republikwidrige Parteienstaat, FS H. Quaritsch, S. 141 ff. 698 Dazu und zum folgenden K. A. Schachtschneider, Grundbegriffe des Allgemeinen Verwaltungsrechts, § 6, S. 54 ff. 699 Dazu K. A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 413, 674 ff., 897 ff., 984 ff., 990 ff. 700 Dazu W. Henke, Recht und Staat, S. 387 ff., der freilich (S. 389) das „Handeln im Amt“ als „Herrschaft“, „zu Amtsgewalt und damit zu Pflicht und Befugnis gewandelt“, definiert durch „Überordnung“, durch Befehl und Gehorsam, vorstellt; dazu 15. Kap., III. 701 Dazu H. Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 7, Rdn. 1 ff., S. 132 ff.; F. Ossenbühl, Rechtliche Gebundenheit und Ermessen der Verwaltung, in: H.-U. Erichsen (Hrsg.), Allgemeines Verwaltungsrecht, 11. Aufl. 1998, § 10, Rdn. 1 ff., S. 201 ff., insb. Rdn. 7 ff., S. 203 ff.; K. A. Schachtschneider, Grundbegriffe des Allgemeinen Verwaltungsrechts, S. 54 ff.

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8. Kap.: Gesetzesvollzugsprinzip

III. Gesetzlich geregelte Verwaltungsverfahren a) Die Rechtsstaatlichkeit des Verwaltungsverfahrens sichern die Verwaltungsverfahrensgesetze allgemeiner und besonderer Art dadurch, daß sie Verfahren einrichten, welche die gesetzesgewollten Verfahrensergebnisse, den rechtmäßigen Vollzug der Gesetze, bestmöglich sicherstellen. Die vollziehende Gewalt ist aufgabenadäquat, vielfach differenziert geordnet. Allgemein gilt für den Vollzug der Bundesgesetze durch die (unmittelbaren und mittelbaren) Behörden des Bundes und subsidiär für deren Vollzug durch Landesbehörden (§ 1 VwVfG) das Verwaltungsverfahrensgesetz des Bundes vom 25. Mai 1976 (BGBl I, S. 1253) und für den Vollzug der Landesgesetze und grundsätzlich den Vollzug der Bundesgesetze durch die Länder und Gemeinden die (weitgehend) gleichlautenden Verwaltungsverfahrensgesetze der Länder702. Meist sind mit den besonderen Materien der Gesetze eigenständige Verfahrensregelungen verbunden. Für die Steuerverwaltung gilt die Abgabenordnung vom 16. März 1976 (BGBl I, S. 613), für die Sozialverwaltung nach dem Sozialgesetzbuch (SGB) gelten die besonderen Verfahrensregelungen der verschiedenen Bücher des SGB und insbesondere der Allgemeine Teil des SGB vom 11. Dezember 1975 (BGBl I, S. 1469) und das Buch über das Verwaltungsverfahren (SGB X) vom 18. August 1980 (BGBl I, S. 1469). Sie gehen den allgemeinen Verfahrensvorschriften vor, die hilfsweise (subsidiär) heranzuziehen sind (§ 1 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 und Abs. 3 VwVfG)703. Auch die Regelungen der Aufgaben, Befugnisse und Mittel dienen dem sachgerechten Vollzug der Gesetze. Republikanische Ämter sind durch ihre Aufgaben, Befugnisse (Kompetenzen), Mittel und Verfahrensweisen definiert. b) Die strikte Beachtung der gesetzlichen Ziele, Aufgaben, Befugnisse und Verfahrensregelungen, aber auch die Begrenzung auf die gesetzlich zugewiesenen Mittel ist Gebot des Rechtsstaats. Vor allem ist die föderalistische Zuständigkeitsordnung zu beachten, welche dem Bund Verwaltung nur erlaubt, wenn das im Grundgesetz vorgesehen ist (Art. 30, Art. 83 GG)704. Die Länder führen nicht nur die Landesgesetze, sondern auch die Bundesgesetze, diese entweder als eigene Angelegenheit oder im Auftrage des Bundes, aus (Art. 84, Art. 85 GG)705. Der prinzipielle Vorbehalt des Grundgesetzes zugunsten der Landesverwaltung (Art. 30 GG) wird durch die sogenannte unternehmerische Betätigung des Bundes verletzt, weil diese der Sache nach wirtschaftende Verwaltung 702 Vgl. P. Badura, Das Verwaltungshandeln, in. H.-U. Erichsen (Hrsg.), Allgemeines Verwaltungsrechts, 11. Aufl. 1998, § 33, Rdn. 12 ff., S. 469 ff.; H. Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 5, Rdn. 1 ff., S. 98 ff. 703 Vgl. H. Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 5, Rdn. 6 ff., S. 101 f.; P. Badura, Das Verwaltungshandeln, § 33, Rdn. 13 ff., S. 470 ff. 704 Vgl. P. Lerche, in: Maunz/Dürig, GG, 1983, Art. 83, Rdn. 52 ff. 705 Dazu P. Lerche, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 83, Rdn. 21 ff.

IV. Verwaltungsakte und anderes Verwaltungshandeln

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ist706. Für jede Entscheidung ist wesentlich, wer zu entscheiden hat und wie der Entscheider zu seiner Entscheidung kommt. Trotz aller Gesetzesgebundenheit der Verwaltung ermöglicht die weitgehende Offenheit der gesetzlichen Tatbestände doch, daß die Verwaltungsentscheidungen unterschiedlich ausfallen können. c) Die Bundesgesetze dienen „gleichwertigen Lebensverhältnissen im Bundesgebiet“ und „der Rechts- oder Wirtschaftseinheit im gesamtstaatlichen Interesse“ (Art. 72 Abs. 2 GG)707. Dennoch respektiert das Prinzip des Föderalismus gerade auch die Unterschiede in den einzelnen Ländern, welche sich ohne Verletzung der Gesetze ergeben können (BVerfGE 16, 6 (24); 42, 20 (27); 52, 42 (57 f.); 93, 319 (351))708. Es besteht demgemäß kein Anspruch auf unterschiedslosen Vollzug der Gesetze in den verschiedenen Ländern, soweit die Gesetze der Verwaltungsentscheidung Spielraum lassen. Die Darstellung der Verwaltungsverfahren ist Sache des allgemeinen Verwaltungsrechts709. Vor allem das allgemeine Verwaltungsrecht gilt als materialisiertes Verfassungsrecht, insbesondere als Verwirklichung des Rechtsstaatsprinzips.

IV. Verwaltungsakte und anderes Verwaltungshandeln 1. Verwaltungsakte für das Besondere und für das Allgemeine a) Der zentrale Begriff des Verwaltungshandelns ist der des Verwaltungsaktes, der in § 35 VwVfG (fragwürdig) definiert ist710. Dort heißt es: „Verwaltungsakt ist jede Verfügung, Entscheidung oder andere hoheitliche Maßnahme, die eine Behörde zur Regelung eines Einzelfalles auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts trifft und die auf unmittelbare Rechtswirkung nach außen gerichtet ist. Allgemeinverfügung ist ein Verwaltungsakt, der sich an einen nach allgemeinen Merkmalen bestimmten oder bestimmbaren Personenkreis richtet oder die öffentlich-rechtliche Eigenschaft einer Sache oder ihre Benutzung durch die Allgemeinheit betrifft.“ 706 K. A. Schachtschneider, Staatsunternehmen und Privatrecht, S. 17 f.; a. A. K. Stern, Staatsrecht II, S. 783, 831 f.; P. Lerche, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 83, Rdn. 42. 707 P. Lerche, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 83, Rdn. 10, 45. 708 Vgl. auch BVerfGE 21, 54 (68), 76, 1 (73); 79, 127 (158); BVerwGE 70, 127 (138). 709 Dazu P. Badura, Das Verwaltungsverfahren, §§ 33 ff., S. 463 ff.; H. Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 19, S. 475 ff.; vgl. K. A. Schachtschneider, Grundbegriffe des Allgemeinen Verwaltungsrechts, 1999. 710 Dazu H. J. Wolff/O. Bachof/R. Stober, Verwaltungsrecht, I, §§ 45–52, S. 606 ff.; H. Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 9, Rdn. 1 ff., S. 188 ff.; H.-U. Erichsen, Das Verwaltungshandeln, § 12 (Bedeutung und Begriff des Verwaltungsaktes), S. 265 ff.; K. A. Schachtschneider, Grundbegriffe des Allgemeinen Verwaltungsrechts, S. 2 ff.

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8. Kap.: Gesetzesvollzugsprinzip

Entgegen dieser Definition ist Verwaltungsakt nicht lediglich die Entscheidung zur Regelung eines Einzelfalles, sondern jede regelnde Entscheidung der vollziehenden Gewalt einschließlich der rechtsetzenden Regelungen, wie beispielsweise die (früheren) Diskontfestsetzungen der Bundesbank. Unter dem Grundgesetz ist nicht begründbar, daß die Rechtsetzung uneingeschränkt der Gesetzgebung vorbehalten ist. Die Verwaltung hat lediglich den Vorbehalt und den Vorrang des Gesetzes zu achten711. Der Vollzug der Gesetze kann rechtsetzend sein, wie es die Praxis tagtäglich durch die Verwaltungsvorschriften, insbesondere der im Steuerwesen (Steuerrichtlinien), beweist. b) Auch die Verwaltungsvorschriften haben entgegen der Auffassung der Praxis (BVerwGE 44, 72 (74 f.); 61, 15 (18)) regelnde Außenwirkung, und jeder Bürger kann sich in der Praxis auf die Verwaltungsvorschriften berufen. Das Bundesverwaltungsgericht stützt die Verbindlichkeit der Verwaltungsvorschriften allerdings auf das Prinzip der Rechtsanwendungsgleichheit aus Art. 3 Abs. 1 GG (BVerwGE 8, 4 (10); 34, 278 (280); 36, 323 (327); 44, 72 (74 f.); 61, 15 (18))712. Die Lehre, daß die Verwaltung nicht befugt sei, Rechtssätze mit Außenwirkung zu erlassen, beruht auf einer mißverstandenen Tradition des monarchisch-konstitutionellen Parlamentsvorbehalts allgemeiner Gesetzgebung. Die Mitwirkung der durch das Parlament vertretenen Bürger an der Gesetzgebung des Monarchen hat eine Grenzziehung zwischen den Parlamentsgesetzen, den eigentlichen Gesetzen, und den Exekutivgesetzen, den Verordnungen, notwendig gemacht713, weil die Mitwirkung der Bürgervertretung (frühkonstitutionell) dem Schutz von Freiheit und Eigentum (des allgemeinen und nicht des besonderen Gewaltverhältnisses zwischen Herrscher und Untertan) diente und darauf beschränkt war. Die Verordnungen hatten (vermeintlich) keine Außenwirkung, weil der dem Schutz von Freiheit und Eigentum dienende Gesetzesvorbehalt nicht soweit reichte. Akte, die nicht unter den Gesetzesvorbehalt fielen, wurden (überaus streitig) nicht einmal als Rechtssätze anerkannt (Nicht-Recht)714 Als Kriterium des der Legislative vorbehaltenen Gesetzes entwickelte sich schließlich (hochkonstitutionell) das der Allgemeinheit des Gesetzes, das in der Substanz richtig ist, wenn es (personal) als der allgemeine Wille aller Bürger verstanden wird715. Es wurde aber mit generell-abstrakten Rechtsvorschriften (mit Außenwirkung) identifiziert und technisiert716, weil wegen der Formalität oder

711

Dazu 16. Kap., II und III. Vgl. dazu H. Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 24, S. 623 ff. 713 G. Jellinek, Gesetz und Verordnung, 1887, passim, insb. S. 254; dazu D. Jesch, Gesetz und Verwaltung, S. 10 ff., (19 ff.); K. Stern, Staatsrecht II, S. 560 ff. (564 ff.). 714 Dazu D. Jesch, Gesetz und Verwaltung, S. 10 ff. (18 ff.); H. H. Rupp, Grundfragen der heutigen Verwaltungsrechtslehre, 1965, 2. Aufl. 1991, S. 19 ff.; H. Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 2, Rdn. 5, S. 16 f., § 3, Rdn. 5, S. 39 f., § 24, Rdn. 2 f., S. 624 f. 715 Dazu 3. Kap., II und V, 4. Kap., I und II. 712

IV. Verwaltungsakte und anderes Verwaltungshandeln

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auch der Offenheit der Freiheits- und der Offenheit des Eigentumsbegriffs schlechterdings ein materiales Differenzierungskriterium nicht definiert werden konnte. Dennoch sollte dem Herrscher vorbehalten sein, zu regeln, was allein Sache des Staates (Heer, Beamtenschaft, Außenpolitik, Staatswirtschaft) sei. Die Bürgervertretung sollte auf die Angelegenheiten der Bürger, nämlich deren Freiheit und deren Eigentum, beschränkt sein. Daraus entwickelte sich die Impermeabilitätslehre, wonach das Staatliche (im engeren Sinne der inneren Angelegenheiten der juristischen Person Staat) für die Bürgerschaft uneindringlich sein sollte717. Die Unterscheidung war, wie schon die Besteuerung erweist, nicht wirklich begründbar und schon gar nicht durchhaltbar. Die Machtfrage kumulierte in der Verfassungskrise des preußischen Budgetkonflikts von 1862 bis 1866, in dem es darum ging, ob der Preußische Landtag dem Haushalt hätte zustimmen müssen, der die Ausgaben des Königs von Preußen für das Heer erweitern sollte und Steuererhöhungen nach sich ziehen mußte718. Der Preußische Ministerpräsident Otto von Bismarck (der spätere Reichskanzler) hat jahrelang ohne Haushaltsbeschluß des Landtages regiert und damit die Budgethoheit des Parlaments mißachtet. 1866 wurde der Konflikt durch das Indemnitätsgesetz befriedet, aber nicht gelöst719. Bis in unsere Tage schwelt der Konflikt. Das Bundesverfassungsgericht weigert sich, die Steuergesetze, solange die Besteuerung nicht erdrosselnd wirkt, als Auferlegung von Geldleistungspflichten an Art. 14 Abs. 1 GG, der Eigentumsgewährleistung, zu messen (BVerfGE 4, 7 (17); 14, 221 (241); st. Rspr.; BVerfGE 50, 290 (341 f.); 78, 232 (243); 82, 159 (190); 95, 267 (300 f.)), obwohl die Besteuerung eine empfindliche Kürzung des Vermögens mit sich bringt720. Durch die republikanischen Verfassungsgesetze Deutschlands von 1919 und 1949 ist das konstitutionelle Problem des Gesetzesbegriffs der Sache nach überholt. Unter dem Grundgesetz haben Rechtsverordnungen gemäß Art. 80 GG einen anderen Status als die Verordnungen im deutschen, vom monarchischen Prinzip geprägten Konstitutionalismus. Sie sind exekutive Gesetze, die aber der Ermächtigung durch den legislativen Gesetzgeber bedürfen721. 716 Vgl. D. Jesch, Gesetz und Verwaltung, S. 13 f.; K. Stern, Staatsrecht II, S. 564 ff.; H. Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 4, Rdn. 1 ff., S. 63 ff., § 9, Rdn. 14, S. 179 f. 717 P. Laband, Das Staatsrecht des Deutschen Reiches, 5. Aufl. 1911–1914, Bd. II, S. 181; dazu H. H. Rupp, Grundfragen der heutigen Verwaltungsrechtslehre, S. 19 ff. 718 Dazu P. Laband, Das Budgetrecht nach den Bestimmungen der preußischen Verfassungsurkunde unter Berücksichtigung der Verfassung des Norddeutschen Bundes, 1871; vgl. D. Jesch, Gesetz und Verwaltung, S. 20 ff. 719 Dazu E. R. Huber, Deutsche Verfassungsgeschichte seit 1789, Bd. III, 1963, S. 275 ff., 296 ff., 305 ff., 314 ff., 324 ff., 339 ff.; R. Wahl, Die Entwicklung des deutschen Verfassungsstaates bis 1866, HStR, Bd. I, § 1, Rdn. 25 f. 720 Dazu P. Kirchhof, Besteuerung und Eigentum, VVDStRL 39 (1981), S. 227 ff., 234 ff.; K. A. Schachtschneider (O. Gast), Sozialistische Schulden nach der Revolution, S. 177 ff.

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8. Kap.: Gesetzesvollzugsprinzip

c) Der Mangel des Verwaltungsaktsbegriffs in § 35 VwVfG liegt (wiederum) darin, daß sich der Einzelfall nicht definieren läßt, schon gar nicht durch die Kriterien individuell und konkret, wenn es auch eindeutige Fälle der Einzelfallregelung gibt. Das beweist allein Satz 2 dieser Vorschrift, welcher die Allgemeinverfügung als einen Verwaltungsakt definiert, der „sich an einen nach allgemeinen Merkmalen bestimmten oder bestimmbaren Personenkreis richtet oder die öffentlich-rechtliche Eigenschaft einer Sache oder ihre Benutzung durch die Allgemeinheit betrifft“, der somit generell ist und folglich nicht einen Einzelfall betrifft; der Einzelfall läßt sich nämlich nur personell bestimmen. Abstrakt sind Verwaltungsakte wie jedes Gesetz; denn sie geben Sollenssätze, verändern aber nicht das Sein. Nur das Sein, die Wirklichkeit, ist konkret. Alle Rechtsakte der Verwaltung sind somit Verwaltungsakte722. Die Rechtsverordnungen gemäß Art. 80 GG allerdings gehören zur Gesetzgebung und werden weitgehend wie Gesetze behandelt, ohne aber Legislativgesetze zu werden. 2. Verwaltungsverträge Auch der öffentlich-rechtliche Vertrag gehört zu den Verwaltungsformen (§§ 9, 54 ff. VwVfG)723. a) Die Rechtmäßigkeit des öffentlich-rechtlichen Vertrages war lange streitig724. Die Verwaltung bedarf aber flexibler Handlungsformen, insbesondere wenn sie ihre Aufgaben in Zusammenarbeit mit den Bürgern bewältigen können soll, welche nicht durch Gesetz zu bestimmtem Handeln verpflichtet sind. Wenn der Staat etwa bestimmte unternehmerische Entwicklungen fördern will und zu diesem Zweck ein Unternehmen subventioniert, will er einen nicht gesetzlich vorgeschriebenen Zweck erreichen. Derartige Ingerenz ist, weil sie von Unternehmern angenommen wird, rechtlich tragfähig. Freilich gibt es gemeinschaftsrechtliche Grenzen der Beihilfen. Diese dürfen den Wettbewerb des Gemeinsamen Marktes nicht verfälschen oder zu verfälschen drohen (Art. 87 Abs. 1 EGV) und sind nur ausnahmsweise mit dem Gemeinsamen Markt vereinbar oder können als mit diesem vereinbar angesehen werden (Art. 87 Abs. 2 bzw. Abs. 3 EGV). Der Vertrag ist ein formales Rechtsinstitut, das größtmög-

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Dazu 10. Kap., I, 2. Dazu K. A. Schachtschneider, Grundbegriffe des Allgemeinen Verwaltungsrechts, S. 4 ff. 723 Dazu H. J. Wolff/O. Bachof/R. Stober, Verwaltungsrecht I, § 54, S. 787 ff.; H. Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 14, S. 357 ff.; H.-U. Erichsen, Das Verwaltungshandeln, in: ders. (Hrsg.), Allgemeines Verwaltungsrecht, 11. Aufl. 1998, §§ 22 ff., S. 385 ff.; K. A. Schachtschneider, Staatsunternehmen und Privatrecht, S. 339 ff. 724 H. Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 14, Rdn. 21 ff., S. 375 ff.; vgl. auch H. J. Wolff/O. Bachof/R. Stober, Verwaltungsrecht I, § 54, Rdn. 1 ff., S. 788 ff. 722

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liche Flexibilität gegenseitiger Verpflichtung ermöglicht, weil die Verbindlichkeit des Vertrages, welche aus dem Rechtsprinzip selbst folgt725, von der Materie des Vertrages unabhängig ist. Freilich muß ein Vertrag den Vorrang der Gesetze achten (§ 134 BGB). Auch der Verwaltungsvertrag darf das Prinzip der Gesetzlichkeit der Verwaltung (Vorbehalt und Vorrang des Gesetzes726) nicht relativieren727. Als erlaubt gilt darum auch der (sogenannte) Normenvollzugsvertrag, der vereinbart, was auch durch Verwaltungsakt geregelt werden könnte728, eine fragwürdige Dogmatik. b) Der Verwaltungsvertrag hat in §§ 54–62 VwVfG eine allgemeine Regelung gefunden. Soweit diese Bestimmungen nicht greifen, gelten (subsidiär) die übrigen Vorschriften des Verwaltungsverfahrensgesetzes und analog die Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuchs (§ 62 VwVfG). Die §§ 54 ff. VwVfG sind für das Sozialleistungs- und das Abgabenrecht nicht anwendbar, weil diese nicht in den Regelungsbereich des Verwaltungsverfahrensgesetzes gehören (vgl. § 2 Abs. 2 Nr. 1 und 4). §§ 53–61 SGB X stimmen jedoch mit den verwaltungsvertragsrechtlichen Regelungen des Verwaltungsverfahrensgesetzes weitestgehend überein729. Die Abgabenordnung enthält kein Vertragsrecht. § 78 AO erwähnt den „öffentlich-rechtlichen Vertrag“. Die Zulässigkeit von Verträgen der Steuerverwaltung ist streitig. Es gibt aber Billigkeitsabsprachen und Vergleichsverträge730. Es gibt zudem mancherlei spezialgesetzliche Regelungen über öffentlich-rechtliche Verträge, etwa im Baurecht (§ 133 Abs. 3 S. 5 BBauG, vgl. BVerwGE 87, 77 (82 ff.))731. c) § 54 S. 1 VwVfG regelt den Vertrag „durch den ein Rechtsverhältnis auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts begründet, geändert oder aufgehoben wird“. Der Vertragsbegriff folgt dem des Bürgerlichen Rechts (§ 62 S. 2 VwVfG i. V. m. §§ 145 ff. BGB). Der Verwaltungsvertrag bedarf aber stets der Schriftform (§ 57 VwVfG)732. §§ 54 ff. VwVfG gelten nicht für privatheitliche (pri-

725 K. A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 404 ff.; ders., Freiheit in der Republik, 8. Kap., VIII, 2. 726 Dazu 6. Kap., II und III. 727 Dazu H. Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 14, Rdn. 31 ff., S. 384; H.-U. Erichsen, Das Verwaltungshandeln, § 26, Rdn. 9 ff., S. 406 ff. 728 H. Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 14, Rdn. 31, S. 384. 729 Vgl. H. J. Wolff/O. Bachof/R. Stober, Verwaltungsrecht I, § 54, Rdn 8, S. 792. 730 Vgl. H. Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 14, Rdn. 3, S. 358 ff.; H. J. Wolff/O. Bachof/R. Stober, Verwaltungsrecht I, § 54, Rdn. 7, S. 791 f.; W. Schick, in: Hübschmann/Hepp/Spitaler, Kommentar zur Abgabenordnung und Finanzgerichtsordnung, 9. Aufl. 1991, § 201 AO, Rdn. 167 ff.; dazu auch W. Reiß, Steuer gegen Strafe. Tatsächliche Verständigung zur Gesamtbereinigung von Besteuerungs- und Strafverfahren, FS G. Grünwald, 1999, S. 495 ff.; R. Seer, Verständigungen in Steuerverfahren, 1996. 731 Vgl. H. Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 14, Rdn. 4, S. 361 f.; H. J. Wolff/O. Bachof/R. Stober, Verwaltungsrecht I, § 54, Rdn. 10, S. 793.

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vatrechtliche) Verträge, welche die Fiskusdoktrin733 dem Staat und den Gemeinden zugesteht. Die jeweilige Zuordnung macht erhebliche Schwierigkeiten734. Das zeigt erneut, daß die Fiskusdoktrin der Staatlichkeit des Staates und der Kommunalität der Gemeinden widerspricht. Selbst zwischen Privaten werden öffentlich-rechtliche Verträge für möglich gehalten735, absurd. d) Das Gesetz (vgl. § 54 S. 2, §§ 56, 56, 59 Abs. 2, 61 VwVfG) unterscheidet koordinationsrechtliche Verwaltungsverträge zwischen gleichgeordneten Vertragsparteien, etwa zwischen Gemeinden oder zwischen Ländern oder auch dem Bund und einem Land, und subordinationsrechtliche Verwaltungsverträge zwischen Parteien, welche (vermeintlich) im Verhältnis der Über-Unterordnung stehen, insbesondere Verträge zwischen dem Staat oder Gemeinden und Bürgern, aber auch zwischen einem Dienstherren und einem Beamten736. In einer Republik, die durch die Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit der Menschen und Bürger gekennzeichnet ist, gibt es keine Unterordnung der Bürger unter den Staat. Der Staat ist die Organisation der Bürgerschaft für die Verwirklichung des gemeinen Wohls, nicht aber ein Herrschaftssystem737. e) Es gibt Verpflichtungs- und Verfügungsverträge, wie sie auch aus dem Privatrecht bekannt sind738. § 55 VwVfG regelt den Vergleichsvertrag, in dem tatsächliche oder rechtliche Ungewissheit durch gegenseitiges Nachgeben befriedet wird739. f) § 56 VwVfG, die zentrale Vorschrift über den öffentlich-rechtlichen Vertrag, regelt den Austauschvertrag, durch den sich die Parteien gegenseitig zu Leistungen verpflichten740. Die Gegenleistung des Bürgers muß im Austauschvertrag für einen bestimmten Zweck vereinbart sein, der Erfüllung öffentlicher Aufgaben dienen, angemessen sein und in einem sachlichen Zusammenhang mit 732 H. Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 14, Rdn. 29, S. 382 f.; H.-U. Erichsen, Das Verwaltungshandeln, § 26, Rdn. 5, S. 404; H. J. Wolff/O. Bachof/R. Stober, Verwaltungsrecht I, § 54, Rdn. 37 f., S. 804 f. 733 Dazu 10. Kap., IV, 2. 734 Vgl. H.-U. Erichsen, Das Verwaltungshandeln, § 24, Rdn. 1 ff., S. 393 ff.; H. J. Wolff/O. Bachof/R. Stober, Verwaltungsrecht I, § 54, Rdn. 17, S. 796 f.; H. Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 14, Rdn. 8 ff., S. 364 ff. 735 H.-U. Erichsen, Das Verwaltungshandeln, § 24, Rdn. 8, S. 398; H. J. Wolff/O. Bachof/R. Stober, Verwaltungsrecht I, § 54, Rdn. 19, S. 797. 736 H. Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 14, Rdn. 12 f., S. 368 ff.; H. J. Wolff/O. Bachof/R. Stober, Verwaltungsrecht I, § 54, Rdn. 18 ff., 22 ff., S. 797 ff.; H.U. Erichsen, Das Verwaltungshandeln, §§ 25, 26, S. 400 ff. 737 Dazu 2. Kap., 3. Kap., II, V, 1, 4. Kap., I. 738 H. Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 14, Rdn. 14, S. 370 f. 739 H. Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 14, Rdn. 15 f., S. 371 f., Rdn. 33, S. 385; H. J. Wolff/O. Bachof/R. Stober, Verwaltungsrecht I, § 54, Rdn. 32, S. 803; H.-U. Erichsen, Das Verwaltungshandeln, § 26, Rdn. 21, S. 412 f. 740 H. J. Wolff/O. Bachof/R. Stober, Verwaltungsrecht I, § 54, Rdn. 28 ff., S. 801 ff.

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der vertraglichen Leistung stehen. Sie darf nicht sachfremden Zwecken dienen (Koppelungsverbot)741. Der Austauschvertrag folgt damit im Gegensatz zum Vertrag unter Privaten dem materiellen Äquivalenzprinzip, weil der Staat und die Gemeinden nicht das Recht zur Willkür haben742. Das privatrechtliche Vertragsrecht ist durch das formelle Äquivalenzprinzip bestimmt, weil die Vertragspartner das (verfassungsmäßige) Recht haben, allein zu bestimmen, welche Leistungen sie austauschen wollen, welche Leistungen somit (hinreichend) gleichheitlich sind743. Diese Privatheitlichkeit wird durch die Rechtsprechung, vor allem die zu den guten Sitten, welche § 138 BGB bei jedem Rechtsgeschäft zu beachten gebietet, zunehmend relativiert744. Der Verwaltungsvertrag ist von zustimmungsbedürftigen Verwaltungsakten, von Verwaltungsakten mit Nebenbestimmungen, aber auch von Zusagen der Verwaltung zu unterscheiden745. g) Rechtswidrige Verträge sind nicht ohne weiteres nichtig746. § 59 VwVfG regelt abschließend die Nichtigkeitsgründe, nämlich, daß 1. ein Verwaltungsakt mit entsprechendem Inhalt nichtig wäre, 2. ein Verwaltungsakt mit entsprechendem Inhalt rechtswidrig wäre, die Rechtswidrigkeit nicht auf einem Verfahrensfehler i. S. des § 46 VwVfG beruht und beide Vertragspartner die Rechtswidrigkeit kannten, 3. bei einem Vergleichsvertrag, dessen spezifische Voraussetzungen (vgl. § 55 VwVfG) nicht vorlagen, 4. bei einem Austauschvertrag dessen spezifische Voraussetzungen (§ 56 VwVfG) nicht gegeben waren.747

Auch der Verstoß gegen die guten Sitten macht einen öffentlich-rechtlichen Vertrag nichtig (§ 59 Abs. 1 Nr. 1 i. V. m. § 44 Abs. 2 Nr. 6 VwVfG)748. Die 741 H. Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 14, Rdn. 17, S. 372 f.; H. J. Wolff/ O. Bachof/R. Stober, Verwaltungsrecht I, § 54, Rdn. 29 ff., S. 801 ff.; H.-U. Erichsen, Das Verwaltungshandeln, § 26, Rdn. 12 ff., S. 408 f.; K. A. Schachtschneider, Staatsunternehmen und Privatrecht, S. 339 ff. 742 K. A. Schachtschneider, Staatsunternehmen und Privatrecht, S. 261 ff., 337 ff. (340 ff.); ders., Res publica res populi, S. 404 ff.; ders., Freiheit in der Republik, 8. Kap., VIII, 3, 4. 743 K. A. Schachtschneider, Staatsunternehmen und Privatrecht, S. 338 ff., 341 ff. 744 Zum Begriff der guten Sitten K. A. Schachtschneider, Staatsunternehmen und Privatrecht, S. 367 ff.; zu § 138 BGB Th. Mayer-Maly, Münchener Kommentar, Bürgerliches Gesetzbuch, Bd. 1, Allgemeiner Teil (§ 1–240), AGB-Gesetz, 3. Aufl. 1993, § 138, Rdn. 98 ff., auch Rdn. 117 ff. 745 H. Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 14, Rdn. 18 ff., S. 373 ff.; H. J. Wolff/O. Bachof/R. Stober, Verwaltungsrecht I, § 54, Rdn. 14 f., S. 795 f. 746 H. J. Wolff/O. Bachof/R. Stober, Verwaltungsrecht I, § 54, Rdn. 41 ff., S. 806 ff. 747 H. Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 14, Rdn. 38, S. 388 f.; H. J. Wolff/ O. Bachof/R. Stober, Verwaltungsrecht I, § 54, Rdn. 41, S. 806 f. 748 Zum Begriff der guten Sitten K. A. Schachtschneider, Staatsunternehmen und Privatrecht, S. 367 ff.; ders., Das Sittengesetz und die guten Sitten, FS W. Thieme, 1993, S. 195 ff.

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8. Kap.: Gesetzesvollzugsprinzip

Nichtigkeitsgründe des Bürgerlichen Rechts sind entsprechend anwendbar749. Das ist für § 134 BGB, wonach ein Verstoß eines Rechtsgeschäfts gegen ein gesetzliches Verbot das Rechtsgeschäft (ex tunc) vernichtet, wenn sich nicht aus dem Gesetz ein anderes ergibt, streitig. Nicht in jedem, sondern nur in qualifizierten Fällen soll die Rechtswidrigkeit die Nichtigkeit des Vertrages nach sich ziehen (BVerwGE 98, 58 (63))750. Grundsätzlich muß der Rechtsverstoß wegen Art. 20 Abs. 3 GG den Vertrag vernichten (vgl. BVerwGE 19, 58 (63 f.); 89, 7 (10); auch BVerwGE 64, 361 (363 f.); 84, 183 (185 f.), 87, 77 (82 ff.)). Auch das Gemeinschaftsrecht schafft Verbotssätze, etwa Beihilfeverbote, welche zur Nichtigkeit von Verwaltungsverträgen führen können (vgl. BVerwGE 70, 41 (44 f.); 81, 312 (316 f.))751. h) Verwaltungsverträge können, zumindest nach den Grundsätzen über die clausula rebus sic stantibus (Wegfall der Geschäftsgrundlage) gekündigt werden752. i) Zur Durchsetzung von Vertragsansprüchen werden auch Staat und Gemeinden (die Behörden) auf den Verwaltungsrechtsweg (§ 40 VwGO) verwiesen (BVerwGE 50, 171 (172 ff., 175); vgl. auch BVerwGE 59, 60 (62 ff.); 89, 345 (348 ff.)), auch für Schadensersatzansprüche aus Vertragsverletzung (§ 40 Abs. 2 VwGO)753. Das widerspricht der Staatlichkeit und der Kommunalität, weil Staat und Kommunen die Hoheit des Volkes für die Durchsetzung ihrer Rechte einzusetzen befugt sind. 3. Reales Verwaltungshandeln Verwaltungshandeln ist nicht nur der Erlaß von Rechtsakten. Es gibt auch sogenanntes schlichtes Verwaltungshandeln (Realakte)754, etwa die Versorgung mit Energie und Wasser und die Entsorgung von Abfällen, das Bauen von Stra749 H. Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 14, Rdn. 39 ff., S. 389 ff.; H. J. Wolff/O. Bachof/R. Stober, Verwaltungsrecht I, § 54, Rdn. 45, S. 808. 750 Vgl. H. Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 14, Rdn. 41 ff., S. 390 f.; enger H. J. Wolff/O. Bachof/R. Stober, Verwaltungsrecht I, § 54, Rdn. 45, S. 808 f.; vgl. auch H.-U. Erichsen, Das Verwaltungshandeln, § 26, Rdn. 24 f., S. 413 f. 751 H. Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 14, Rdn. 43a, S. 393 f.; H. J. Wolff/O. Bachof/R. Stober, Verwaltungsrecht I, § 54, Rdn. 46, S. 809; vgl. auch H.-U. Erichsen, Das Verwaltungshandeln, § 26, Rdn. 25a, S. 414. 752 H. Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 14, Rdn. 53 f., S. 400 f.; H. J. Wolff/O. Bachof/R. Stober, Verwaltungsrecht I, § 54, Rdn. 48, S. 810. 753 H. Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 14, Rdn. 55 f., S. 401 f.; H. J. Wolff/O. Bachof/R. Stober, Verwaltungsrecht I, § 54, Rdn. 49 f., S. 811; vgl. auch H.U. Erichsen, Das Verwaltungshandeln, § 26, Rdn. 5 f., S. 422, § 28, Rdn. 1, S. 422. 754 Dazu H. Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 15, S. 408 ff.; H.-U. Erichsen, Verwaltungshandeln, § 30 ff., S. 450 ff.; H. J. Wolff/O. Bachof/R. Stober, Verwaltungsrecht I, § 57, S. 844 ff.

V. Beliehene Unternehmer

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ßen und Gebäuden. Die Realakte des schlichten Verwaltungshandelns sind auf äußere Veränderungen der Wirklichkeit ausgerichtet. Sie schaffen Fakten, nicht Regelungen. Auch das reale Handeln der Verwaltung unterliegt uneingeschränkt dem Rechtsprinzip, d.h. dem Vorbehalt und dem Vorrang des Gesetzes oder im kommunalen und körperschaftlichen Bereich der Satzung (vgl. BVerfGE 33, 125 (158 ff.); 76, 171 (184 f.); BVerwGE 90, 359 (361))755. Die Verwaltung muß sich auch die Mittel verschaffen, die sie benötigt, um ihre Aufgaben zu erfüllen. Das Beschaffungswesen756 umfaßt Schreibmaterialien genauso wie Verteidigungswerkzeuge (Waffen). Auch das Beschaffungswesen hat sich nach den Gesetzen zu richten. Es nutzt meist das Rechtsinstitut des Vertrages, der entgegen der Praxis757 als Verwaltungs-, nicht als privatrechtlicher Vertrag zu behandeln ist.

V. Beliehene Unternehmer Zunehmend werden Aufgaben und Befugnisse auf private Unternehmen übertragen. Man spricht von beliehenen Unternehmern, weil die Aufgaben und Befugnisse hoheitlich bleiben würden, auch wenn sie von privaten Unternehmen wahrgenommen werden (etwa BVerwGE 29, 166 (169 f.); 61, 222 (225 ff.))758. Die (sogenannten) beliehenen Unternehmer759 sind durchaus mittels Gesetz vom Volk mit Aufgaben von allgemeinem Interesse betraut. Entgegen der Auffassung der Praxis und der dieser folgenden Lehre üben beliehene Unternehmer aber keine öffentliche Gewalt aus und sind diesen keine hoheitlichen Befugnisse übertragen (so aber BVerwGE 29, 166 (169 f.); 61, 222 (225 ff.)760. Vielmehr sind ihre Handlungen, auch wenn sie einseitig verpflichten, durch die Gesetze legalisiert761. Private handeln in keinem Fall hoheitlich. Hoheit ist die 755 Dazu K. A. Schachtschneider/A. Emmerich-Fritsche, Kommunaler Wettbewerb, S. 59 f.; H. J. Wolff/O. Bachof/R. Stober, Verwaltungsrecht I, § 57, Rdn. 17 ff., S. 825 ff. 756 Dazu M. Ronellenfitsch, Wirtschaftliche Betätigung des Staates, HStR, Bd. III, 1988, § 84, Rdn. 30. 757 Vgl. H. J. Wolff/O. Bachof/R. Stober, Verwaltungsrecht I, § 32, Rdn. 20 f., S. 233 f. 758 U. Steiner, Öffentliche Verwaltung durch Private, 1975, S. 229 ff.; H. Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 23, Rdn. 56 ff., S. 615 ff.; dazu K. A. Schachtschneider, Der Anspruch auf materiale Privatisierung, S. 240 ff., 270 ff. (kritisch). 759 H. Krüger, Allgemeine Staatslehre, S. 317 ff., 874 ff.; U. Steiner, Öffentliche Verwaltung durch Private, 1975, S. 9 ff.; K. A. Schachtschneider, Staatsunternehmen und Privatrecht, S. 204 f. mit Fn. 174, auch S. 190 ff., 198 ff. 760 So aber U. Steiner, Öffentliche Verwaltung durch Private, 1975, S. 222 ff.; R. Michaelis, Der Beliehene, 1969, S. 90 f.; W. Martens, Öffentlich als Rechtsbegriff, 1969, S. 133 ff.; H.-U. Erichsen, Das Verwaltungshandeln, § 12, Rdn. 18, S. 273 f.; H. Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 23, Rdn. 56, S. 615; vgl. (kritisch) K. A. Schachtschneider, Der Anspruch auf materiale Privatisierung, S. 240 ff.

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8. Kap.: Gesetzesvollzugsprinzip

Staatsgewalt des Volkes. Diese kann nur vom Volk selbst oder von Organen des Volkes ausgeübt werden762. Organe des Volkes sind nur Institutionen, deren Personal (Organwalter, Amtswalter) demokratisch legitimiert ist. Daran fehlt es den (sogenannten) beliehenen Unternehmern; denn sie sind nicht unmittelbar vom Volk oder mittelbar durch gewählte Vertreter des Volkes mit ihrer Aufgabe betraut763. Legalisierung privaten Handelns (privater Gewaltausübung) ist keine Form demokratischer Legitimation. Diese muß durch Wahl oder durch Berufung durch gewählte Vertreter der Volkes ad personam (BVerfGE 47, 253 (275 f.); 77, 1 (40); 83, 60 (72)) erfolgen, weil das Volk unmittelbar (Abgeordnete, Art. 38 Abs. 1 S. 1 GG) oder mittelbar (Art. 20 Abs. 2 S. 2 GG) die Verantwortung für seine Vertreter, die namens des Volkes die Staatsgewalt des Volkes ausüben, übernimmt und übernehmen können muß. In Ausnahmefällen dürfen „hoheitliche Befugnisse“ von Personen wahrgenommen werden, die nicht in einem öffentlich-rechtlichen Dienst- und Treueverhältnis stehen, also insbesondere nicht Beamte sind (argumentum: „in der Regel“ in Art. 33 Abs. 4 GG). Das setzt voraus, daß die „hoheitsrechtliche Befugnis“ anders ohne unvertretbaren Aufwand nicht „ausgeübt“ werden kann, etwa weil nur selten derartige Ausübungsfälle vorkommen, wie auf einer Schiffsreise. Typischer Fall ist der Kapitän, der auf hoher See oder in der Luft personenstandsrechtliche Maßnahmen treffen darf (§ 75 Abs. 1, 101 SeemG; § 29 Abs. 3 LuftVG). Aber auch Ausländer, die nicht in das Beamtenverhältnis übernommen werden oder wurden, weil, als das Grundgesetz geschaffen wurde, nur Deutsche (vgl. Art. 33 Abs. 1 und 2 GG) Beamte werden durften (§ 4 Abs. 1 Nr. 1 BRRG)764, konnten im Rahmen der Ausnahme des Art. 33 Abs. 4 GG mit der „Ausübung hoheitsrechtlicher Befugnisse“, auch „als ständige Aufgabe“, betraut werden765.

761 K. A. Schachtschneider, Der Anspruch auf materiale Privatisierung, S. 270 ff. (284 ff.). 762 Dazu 4. Kap., II, 1; insb. K. A. Schachtschneider, Der Anspruch auf materiale Privatisierung, S. 289 ff., 297 ff., 300 ff. 763 K. A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 66; ders., Der Anspruch auf materiale Privatisierung, S. 204 f. 764 § 4 BRRG öffnet jetzt, der Rechtsprechung des EuGH folgend, grundsätzlich und weitgehend das Beamtenverhältnis für Staatsangehörige „eines anderen Mitgliedstaates der Europäischen Gemeinschaften“. 765 Zum Funktionenvorbehalt des Art. 33 Abs. 4 GG J. Isensee, Öffentlicher Dienst, HVerfR, § 32, Rdn. 51 ff., S. 1550 ff.; H. Lecheler, Der öffentliche Dienst, HStR, Bd. III, § 72, Rdn. 23 ff.; K. Köpp, Öffentliches Dienstrecht, Rdn. 11 f., S. 382 f.

9. Kapitel

Gewaltenteilung I. Teilung der Staatsgewalten und der Ausübung der Staatsgewalt 1. Horizontale Gewaltenteilung a) Einheit der Staatsgewalt des Volkes Die freiheitliche, also republikanische oder demokratische Staatsgewalt eines Volkes ist eine Einheit; denn „alle Staatsgewalt geht vom Volke aus“ (Art. 20 Abs. 2 S. 1 GG). Das Volk ist der durch das Verfassungsgesetz organisierte Staat im weiteren Sinne. Die drei funktionalen Teile der staatlichen Gewalt766 sind im Grundgesetz in Art. 20 Abs. 2 und 3 und in Art. 1 Abs. 3, der sie an die Grundrechte bindet, genannt. Man spricht traditionell von der Legislative, der Exekutive und der Judikative. Die Exekutive teilt sich in die Regierung (Gubernative) und die Verwaltung. Nach Art. 20 Abs. 2 S. 2 GG wird die Staatsgewalt entweder „vom Volke in Wahlen und Abstimmungen“ oder eben „durch besondere Organe der Gesetzgebung, der vollziehenden Gewalt und der Rechtsprechung ausgeübt“. Alle Organe des Staates vertreten das Volk. Der Staat im engeren Sinne ist die Organisation des Volkes zur Verwirklichung des Gemeinwohls, des guten Lebens aller in Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit. Der Ausdruck Teilung der Gewaltausübung trifft das durch die Verfassung gebotene und durch das Verfassungsgesetz gestaltete Strukturprinzip der Republik besser als der überkommene Begriff der Gewaltenteilung767. 766 Zur Gewaltenteilungslehre G. Jellinek, Allgemeine Staatslehre, 3. Aufl. 1914, 7. Neudruck 1960, S. 595 ff.; C. Schmitt, Verfassungslehre, S. 182 ff.; H. Krüger, Allgemeine Staatslehre, S. 867 ff., 918 ff.; M. Kriele, Die demokratische Weltrevolution. Warum sich die Freiheit durchsetzen wird, 1987, S. 33 ff.; K. Stern, Staatsrecht I, S. 92 ff.; ders., Staatsrecht II, S. 511 ff.; R. Zippelius, Allgemeine Staatslehre, Politikwissenschaft, 14. Aufl. 2003, § 31, S. 319 ff.; H. D. Horn, Gewaltenteilige Demokratie, demokratische Gewaltenteilung. Überlegungen zu einer Organisationsmaxime des Verfassungsstaates, AöR 127 (2002), S. 427 ff.; zur Begriffsgeschichte H. Fenske, Gewaltenteilung, in: O. Brunner/W. Conze/R. Koselleck (Hrsg.), Geschichtliche Grundbegriffe, Bd. 2, 1975/1979, S. 923 ff.; parteienstaatlich relativierend E. SchüttWetschky, Gewaltenteilung zwischen Legislative und Exekutive?, in: Aus Politik und Zeitgeschichte, B 28/2000, S. 5 ff.

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9. Kap.: Gewaltenteilung

b) Gewaltenteilung als Rechtsstaatsprinzip Die horizontale Gewaltenteilung ist anerkannter Grundsatz abendländischer Rechtsstaatlichkeit768. Die Aufklärung definiert die Despotie als Mangel der Gewaltenteilung. Art. 16 der Déclaration des droits de l’homme et du citoyen vom 26. August 1789 stellt fest: „Toute société dans laquelle la garantie des droits n’est pas assurée, ni la séparation des pouvoirs déterminée, n’a point de Constitution.“

Die die Staatsgewalt teilenden Verfassungsgesetze sind das Ergebnis geschichtlicher, stets gefährdeter Entwicklung. Wenn die staatlichen Aufgaben und Befugnisse (Funktionen) in einem Organ konzentriert sind769, sind Freiheit und Recht nach aller Erfahrung in größter Gefahr. Staatspraxis in der Vergangenheit und der Gegenwart bestätigt, daß ein Organ sowohl Gesetzgeber als auch Vollzieher der Gesetze und sogar Richter sein kann. Der Herrscher im Absolutismus hat die drei Staatsfunktionen genauso in sich vereinigt770 wie der Führer im Dritten Reich771, nicht anders als die Volkskammer und damit deren Leitungsorgan, der Staatsrat, nach der sogenannten Verfassung der DDR, welche den „demokratischen Zentralismus“ zum tragenden Prinzip des Staatsaufbaus erklärt hatte772. Der Zentralismus hat schon oft in die Tyrannei geführt, immer begleitet von Korruption und Kriminalität. Gegenwärtig droht die Europäische Union diesen Weg zu gehen. Detlef Merten spricht von einem „latenten Gewaltmonismus“, der „ein untrügliches Kennzeichen jedes Totalitarismus“ sei773. Kein Mensch, kein Volk sollte darauf vertrauen, daß alle oder auch nur große Macht in sich vereinende Organisationen oder gar Organwalter, Führer nämlich, es leisten, die funktionale Gewaltunion nicht zu mißbrauchen und die 767 Vgl. K. Stern, Staatsrecht II, S. 521 f.; H. Krüger, Allgemeine Staatslehre, S. 867 f., 918; K. A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 17 ff., 169 f., 560 f., 919 ff. 768 Locke, Über die Regierung, 1690, XII ff.; Montesquieu, Vom Geist der Gesetze, 1748, XI. Buch, 6. Kapitel; Kant, Metaphysik der Sitten, 1797/8, ed. Weischedel, Bd. 7, §§ 45, 46, 49, S. 431 ff.; ders., Zum ewigen Frieden, 1795/7, ed. Weischedel, Bd. 9, S. 206 f.; H. Krüger, Allgemeine Staatslehre, S. 867 ff.; vgl. K. A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 168 ff.; R. Zippelius, Allgemeine Staatslehre, S. 323 ff.; H. D. Horn, Gewaltenteilige Demokratie, demokratische Gewaltenteilung, AöR 127 (2002), S. 428 ff. (kritisch). 769 M. Kriele, Die demokratische Weltrevolution, S. 33 ff.; R. Zippelius, Allgemeine Staatslehre, S. 319 ff.; K. A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 168 ff. 770 Dazu K. Stern, Staatsrecht II, S. 513 ff.; H. Fenske, Gewaltenteilung, S. 923 ff. 771 Beschluß des Großdeutschen Reichstages vom 26.4.1942 (RGBl I, S. 247); C. Schmitt, Der Führer schützt das Recht. Zur Reichstagsrede Adolf Hitlers vom 13. Juli 1934, Dt. Juristenzeitung 39 (1934), S. 945; H. Fenske, Gewaltenteilung, S. 956; R. Grawert, Die nationalsozialistische Herrschaft, HStR, Bd. I, 1987, § 4, Rdn. 23 ff. 772 Art. 47 in Verbindung mit Art. 48, 49, 66 Abs. 1, 74 Abs. 1, 93 Abs. 3 dieser Regelung; dazu K. A. Schachtschneider (O. Gast), Sozialistische Schulden nach der Revolution, S. 44.

I. Teilung der Staatsgewalten

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jeweiligen Funktionen funktionsgerecht wahrzunehmen. Für das Führertum wird Effizienz des Entscheidungssystems propagiert, das klassische Argument für die Diktatur. Dem Staat des Rechts, der Republik, geht es aber um die Wirklichkeit der Menschenwürde und der Menschenrechte. 2. Territoriale, föderale und vertikale Gewaltenteilung a) Pluralismus hoheitlicher Gewalten Eine wesentliche Teilung der öffentlichen Gewalt bewirken der Internationalismus, der Föderalismus und Kommunalismus (kommunal, regional, national und international, nominal oder auch nur funktional), sowie die mannigfachen Einrichtungen der Selbstverwaltung, etwa die berufsständischen Kammern und die Universitäten774 (Selbstverwaltungsprinzip, BVerfGE 11, 266 (275); 79, 127 (149))775. Im global integrierten Leben gibt es viele Gesetzgeber und viele Regierungen, aber auch viele Verwaltungen und viele Gerichte. Die Europäische Union ist ein echter Bundesstaat (a. A. BVerfGE 22, 293 (296); 89, 155 (188)), ausgestattet mit Aufgaben und Befugnissen funktionaler und existentieller Staatlichkeit776. Die (weiteren) internationalen Organisationen (UNO, NATO, WTO u. a.) üben ebenfalls Staatsgewalt aus, deren (unterschiedliche) Verbindlichkeit der vertraglich geregelte Wille der Völker ist. Die Länder haben eigenständige staatliche Gewalt (BVerfGE 1, 14 (34); 36, 342 (360 f.); 64, 301 (317))777 und sind Staaten im existentiellen Sinne778. Die Städte und Gemeinden sind zwar keine Staaten, aber „ein Stück Staat“ (BVerfGE 73, 118 (191)), jedenfalls in den „staatlichen Aufbau integriert“ (BVerfGE 83, 37 (54)). Ihre kommunale Gewalt ist hoheitlich und eigenständig demokratisch legitimiert779. Die jeweils eigenständige demokratische Legitimation der Gebietskörperschaften, insbeson773 Montesquieus Gewaltenteilungslehre und deutsche Verfassungsstaatlichkeit, in: P.-L. Weinacht (Hrsg.), Montesquieu – 250 Jahre „Geist der Gesetze“, 1999, S. 31 ff. (45). 774 R. Zippelius, Allgemeine Staatslehre, S. 319 f. 775 Dazu K. A. Schachtschneider, Grundgesetzliche Aspekte der freiberuflichen Selbstverwaltung, Die Verwaltung 31 (1998), S. 139 ff.; ders., Die Universität in der Republik, in: BAQS-Perspektive 9/2000, S. 48 ff. 776 K. A. Schachtschneider, Deutschland nach dem Konventsentwurf einer „Verfassung für Europa“, in: W. Hankel/K. A. Schachtschneider/J. Starbatty (Hrsg.), FS W. Nölling, 2003, S. 279 ff.; ders., Die existentielle Staatlichkeit der Völker Europas, S. 75 ff. 777 Dazu O. Kimminich, Der Bundesstaat, HStR, Bd. I, § 26, Rdn. 40. 778 K. A. Schachtschneider, Deutschland nach dem Konventsentwurf einer „Verfassung für Europa“, FS W. Nölling, 2003, S. 289 ff.; vgl. ders., Die existentielle Staatlichkeit der Völker Europas, S. 136 ff. (Deutschland im föderativen Einheitsstaat); kritisch O. Kimminich, Der Bundesstaat, HStR, Bd. I, 1987, § 26, Rdn. 11 ff., 49 ff. 779 Dazu 10. Kap., III, 6, S. 229 ff.

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9. Kap.: Gewaltenteilung

dere der Länder, stärkt den gewaltenteilenden Effekt der Ausübung der Staatsgewalt(en) auf verschiedenen Ebenen „durch“ Begrenzung der politischen Macht (BVerfGE 55, 274 (318 f.))780. b) Gewaltenteilung der Europäischen Union Die Gewaltausübung der Europäischen Union ist durch die Vielheit der Mitgliedstaaten, also territorial und föderal, recht wirksam geteilt. Der gemeinschaftliche Exekutivismus ist nicht gewaltmonistisch, sondern gewaltpluralistisch. Die Union integriert die Staatsgewalten der Mitgliedstaaten, soweit diese ihre Hoheitsrechte auf die Europäische Union übertragen haben, zur gemeinschaftlichen Ausübung781. Das wäre rechtsstaatlich und demokratisch tragfähig, wenn die Ermächtigungen der Union derart auf die Ausführung der Vertragspolitik begrenzt wären, daß die Parlamente der Mitgliedstaaten, welche den Gemeinschaftsverträgen zugestimmt haben, die gemeinschaftliche Rechtsetzung politisch verantworten könnten (so BVerfGE 89, 155 (187 ff., 191 ff.))782. Davon kann angesichts des faktischen Prinzips der offenen Ermächtigungen durch die weiten Vertragsklauseln und Querschnittskompetenzen783 keine Rede sein. Die klassische (horizontale) Teilung der Gewalt zwischen Gesetzgebung und vollziehender Gewalt ist in der Europäischen Union institutionell und funktionell unterentwickelt. Die Rechtsetzung durch Kommission und Rat ist trotz eines begrenzten Einflusses des Europäischen Parlaments im wesentlichen exekutiv. Das geht mit einem nicht behebbaren demokratischen Defizit einher784. Die politischen Verhältnisse sind, auch und wesentlich wegen der pluralen Parteienoligarchie, nicht mehr wirklich gewaltenteilig 785 und damit nicht mehr republikanisch. Faktisch ist das in die Europäische Union integrierte Deutschland eine führerschaftliche plurale Parteienoligarchie 786.

780 K. Hesse, Der unitarische Bundesstaat, 1962, S. 27; O. Kimminich, Der Bundesstaat, HStR, Bd. I, § 26, Rdn. 43 ff.; von der „Verletzung der vertikalen Gewaltenteilung“ im Parteienstaat spricht zu Recht H. H. v. Arnim, Fetter Bauch regiert nicht gern. Die politische Klasse – selbstbezogen und abgehoben, 1997, S. 332 ff. 781 Dazu 4. Kap., III, 66 ff. 782 Dazu 4. Kap., III, 5., S. 71 ff. 783 Dazu K. A. Schachtschneider/A. Emmerich-Fritsche/Th. C. W. Beyer, Der Vertrag über die Europäische Union und das Grundgesetz, JZ 1993, 751 ff.; Th. C. W. Beyer, Die Ermächtigung der Europäischen Union und ihrer Gemeinschaften, Der Staat 35 (1996), S. 189 ff.; K. A. Schachtschneider, Demokratiedefizite in der Europäischen Union, FS W. Hankel, S. 124 ff. 784 Dazu K. A. Schachtschneider, Demokratiedefizite in der Europäischen Union, FS W. Hankel, S. 119 ff., 139 ff. 785 E. Schütt-Wetschky, Gewaltenteilung zwischen Legislative und Exekutive?, in: Aus Politik und Zeitgeschichte 28/2000, S. 5 ff.; H. H. v. Arnim, Das System. Die Machenschaften der Macht, 2004, S. 315 f.

I. Teilung der Staatsgewalten

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c) Freiheit durch kleine Einheiten Nicht der Weltstaat und auch nicht der Staat Europa gewährleisten den Frieden unter den Menschen, sondern der „Föderalism freier Staaten“ (Kant), die Republik der Republiken787, in der die kleinen Einheiten ihr Schicksal verantworten, aber sich den anderen Menschen der einen Welt verantwortlich fühlen, d.h. das Weltrechtsprinzip der Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit aller Menschen, wie es Art. 1 der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte vom 10. Dezember 1948 nach der verheerenden Rechtlosigkeit, die das Führersystem mit sich gebracht hat, der Menschheit ins Gewissen geschrieben hat. Große Staaten aber können nicht demokratisch sein, schon gar nicht ein Weltstaat788. Ein Weltmarkt muß kein Weltstaat werden789. Die Teilung der Welt in viele Völker und Staaten ist ein wesentlicher Beitrag zur freiheitssichernden Gewaltenteilung. Kleine Einheiten schließen die Offenheit für die Welt nicht aus, für die gemeinsame Welt, in der wir leben, aber die Republikanität, also Demokratie und Rechtsstaat, bedürfen der kleinen Einheit. d) Trennung von Staat und Kirche Seit Art. 137 Abs. 1 WRV das Staatskirchentum beendet hat, gibt es die grundlegende Trennung von Staat und Kirche, also eine religiöse und weltanschauliche Gewaltenteilung (Art. 140 GG in Verb. mit Art. 137 WRV). Die Religionsfreiheit des Art. 4 Abs. 1 und 2 GG führt zur grundsätzlichen Säkularität des Staates und zur Neutralitätspflicht des Staates gegenüber den verschiedenen Religionen (BVerfGE 108, 282 (299 ff.), Kopftuch; BVerwGE 108, 282 (299 ff.))790, ein schwer lebbares Prinzip (Prinzip der Nichtidentifikation) für ein christlich geprägtes Gemeinwesen.

786 K. A. Schachtschneider, Der republikwidrige Parteienstaat, FS H. Quaritsch, S. 141 ff.; ders., Demokratiedefizite in der Europäischen Union, FS W. Hankel, S. 129 ff. 787 Kant, Zum ewigen Frieden, S. 208; ders., Metaphysik der Sitten, S. 466 ff.; K. A. Schachtschneider, Die Republik der Völker Europas, ARSP-Beiheft 71 (1997), S. 165 ff. 788 Skeptisch bleibt auch O. Höffe, Demokratie im Zeitalter der Globalisierung, 1999, insb. S. 282 ff. 789 Zur Problematik D. I. Siebold, Die Welthandelsorganisation und die Europäische Gemeinschaft. Ein Beitrag zur globalen wirtschaftlichen Integration, 2003, S. 273 ff.; richtig H.-H. Hoppe, Demokratie. Der Gott, der keiner ist, Monarchie, Demokratie und natürliche Ordnung, 2001/3, S. 223 ff. 790 Dazu A. Hollerbach, Grundlagen des Staatskirchenrechts, HStR, Bd. VI, 1989, § 138, Rdn. 110 ff.; J. Ipsen, Karlsruhe locuta, causa non finita, Das BVerfG im so genannten „Kopftuch-Streit“, NVwZ 2003, 1210 ff.; U. Battis/O. F. Bultmann, Was folgt für die Gesetzgeber aus dem Kopftuchurteil des BVerfG?, 2004.

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9. Kap.: Gewaltenteilung

II. Gewaltentrennung und Gewaltenhemmung 1. Gewaltentrennung a) Institutionelle Unabhängigkeit der Organisationen und Organe Die horizontale Gewaltenteilung ist organisatorisches Grundprinzip der freiheitlichen demokratischen Grundordnung (BVerfGE 2, 1 (13); 3, 225 (247); 5, 85 (140); 7, 183 (188); 9, 268 (279); 18, 52 (59); 22, 106 (111); 95, 1 (15), u. ö.). Das Bundesverfassungsgericht hat in BVerfGE 3, 225 (247) ausgesprochen: „Die Gewaltenteilung ist ein tragendes Organisationsprinzip des Grundgesetzes. Seine Bedeutung liegt in der politischen Machtverteilung, dem Ineinandergreifen der drei Gewalten und der daraus resultierenden Mäßigung der Staatsherrschaft. Dieses Prinzip ist jedoch nirgends rein verwirklicht. Auch in den Staatsordnungen, die das Prinzip anerkennen, sind gewisse Überschneidungen der Funktionen und Einflußnahmen der einen Gewalt auf die andere gebräuchlich“ (so auch BVerfGE 95, 1 (15)).

Die horizontale, vertikale, föderale, territoriale und auch internationale Gewaltenteilung soll helfen und hilft, das gemeinsame Leben in großen Einheiten in Rechtlichkeit zu verwirklichen (i. d. S. BVerfGE 9, 268 (279)). Das bedarf eines vielgliedrigen Systems der Organisationen, Organe, Ämter und Amtswalter, der Aufgaben, Befugnisse, Mittel und Verfahren auf mehreren Ebenen, welches die Macht, die jeweils nur einen Teil der gemeinsamen Lebensbewältigung zu gestalten und zu verantworten hat, begrenzt und die Machtentfaltung zur Herrschaft (Despotie) durch Machtkonzentration wenn nicht schon verhindert, so doch erschwert (Dekonzentration)791. Um dieser Gewaltentrennung willen muß die Republik wesentlich repräsentativ organisiert sein792, weil die Repräsentation es ermöglicht, daß die verschiedenen Staatsfunktionen von Organen wahrgenommen werden, die institutionell unabhängig voneinander sind. Die Unabhängigkeit der Organisationen, Organe und Organwalter muß durch Auswahlverfahren und Inkompatibilitäten gesichert werden. Die Staaten (einschließlich der echten und unechten Bundesstaaten793) sind Organisationen von Völkern794, deren Unabhängigkeit und Selbstbestimmtheit auf eigenständiger, möglichst demokratischer Legitimation beruht. Die internationalen Organisationen sind als Staatenbünde oder Staatenverbünde, wie die 791

R. Zippelius, Allgemeine Staatslehre, S. 319 ff. Kant, Zum ewigen Frieden, S. 206 f.; ders., Metaphysik der Sitten, S. 434 ff.; vgl. auch Rousseau, Vom Gesellschaftsvertrag, 1762, III, 1. 793 Zur Begrifflichkeit K. A. Schachtschneider, Deutschland nach dem Konventsentwurf einer „Verfassung für Europa“, FS W. Nölling, S. 279 ff. 794 Dazu 4. Kap., II, 1., S. 58 ff. 792

II. Gewaltentrennung und Gewaltenhemmung

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Europäische Union, völkervertraglich begründete Einrichtungen der Mitgliedstaaten795, was deren weitgehende Unabhängigkeit in der (gemeinschaftlichen) Gewaltausübung nicht ausschließt. b) Ultra-vires-Lehre Keine staatliche Organisation, kein staatliches Organ, kein staatlicher Amtswalter darf Aufgaben, Befugnisse und Zuständigkeiten überschreiten (BVerfGE 8, 104 (116 ff.); BVerwGE 36, 69 (73 ff.); BGHZ 20, 119 (182 ff.))796. Diese ultra-vires-Lehre folgt demokratierechtlich und damit rechtsstaatlich daraus, daß die Staatsgewalt in Vertretung der Völker ausgeübt wird. Die differenzierte Handlungsmacht der Staatsorganisationen insgesamt sind deren Hoheitsrechte, welche die Völker als existentielle Staaten, die allein Hoheit („Souveränität“) als die gemeinschaftliche im Staat organisierte Handlungsmacht haben (Art. 20 Abs. 2 S. 1 GG)797, durch Verfassungsgesetz, Gesetze und völkerrechtliche Verträge begründen. Über die Vertretungsmacht hinaus ist niemand das Volk zu verpflichten ermächtigt, darf also auch niemand namens des Volkes und für das Volk handeln. Es gibt entgegen den Hoheitsrechten aus den Gesetzen nicht nur keine Befugnisse der staatlichen Funktionsträger, sondern nicht einmal staatliche Existenz; denn Staatlichkeit ist (rechtliche) Gesetzlichkeit798. Nur Gesetzlichkeit verwirklicht die Freiheit der Bürger, freilich nur, wenn sie das Recht achtet799. Die Hoheitsrechte können nach Art. 23 Abs. 1 S. 2 GG im Interesse der Verwirklichung eines vereinten Europas zur gemeinschaftlichen Ausübung auf die Europäische Union oder nach Art. 24 Abs. 1 GG auf „zwischenstaatliche Einrichtungen“ übertragen werden800. Die Rechtsprechung hat ein besonders hohes Maß an Unabhängigkeit, welche durch Unabsetzbarkeit und Unversetzbarkeit der Richter (Art. 97 Abs. 2 GG), aber auch durch die Institute der Befähigung zum Richteramt (§§ 5 ff. DRiG)801 und der Rechtskraft (etwa §§ 322, 325 ZPO, § 121 VwGO) gestützt wird802. Allerdings mindert der Einfluß der ersten und zweiten Gewalt (etwa 795

Dazu 4. Kap., III, S. 66 ff. K. A. Schachtschneider, Staatsunternehmen und Privatrecht, S. 22 f., 41 f., 256, 262; ders., Res publica res populi, S. 184, 451 f., 473, 1143; weitere Hinweise in Fn. 363. 797 Dazu 4. Kap., II, 1, S. 58; K. A. Schachtschneider, Der Anspruch auf materiale Privatisierung, S. 264 ff. (288 ff.). 798 Dazu 4. Kap., I, 6. Kap., I, 1. 799 Dazu 6. Kap., I, 1 und 2, auch 3. Kap., II und V, 4. Kap., I. 800 K. A. Schachtschneider, Der Anspruch auf materiale Privatisierung, S. 291 ff. 801 Dazu 7. Kap., II, 1, S. 135 ff. 802 Dazu 7. Kap., IV, S. 142 ff. 796

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9. Kap.: Gewaltenteilung

Art. 95 Abs. 2 GG) auf die Richterauswahl (einschließlich der Beförderung) die Eigenständigkeit der Gerichte. c) Inkompatibilitäten Die Gewaltenteilung erfordert und gebietet um der inneren Unabhängigkeit der Amtswalter und damit der Sachlichkeit der Rechtsakte willen personelle Inkompatibilitäten, zumal die Vertreter des Volkes ihr Amt „mit voller Hingabe“ wahrzunehmen verpflichtet sind (so § 36 S. 1 BRRG, § 54 S. 1 BBG für Beamte). Vor allem wegen des parlamentarischen Regierungssystems gibt es Ausnahmen vom Grundsatz der funktionalen Inkompatibilität. aa) Mitglieder des Parlaments dürfen der Regierung angehören, weil (und insoweit) das Grundgesetz und die Landesverfassungen das nicht unterbinden803. Parlamentarische Staatssekretäre müssen sogar Mitglieder des Bundestages sein (§ 1 ParlStG) 804. Die Mitglieder der Bundesregierung gehören meist dem Bundestag an (Parlamentarierkabinett), obwohl die Bundesregierung kein Ausschuß des Parlaments, sondern ein eigenständiges Verfassungsorgan ist805. Art. 66 GG schreibt gewisse amts-, berufs- und unternehmensrechtliche Inkompatibilitäten für den Bundeskanzler und die Bundesminister vor. Diese dürfen auch einer Landesregierung nicht angehören (§ 4 BundesministerG). bb) Die Richter des Bundesverfassungsgerichts dürfen nach Art. 94 Abs. 1 S. 3 GG „weder dem Bundestage, dem Bundesrate, der Bundesregierung noch entsprechenden Organen eines Landes angehören“. Das gilt nach § 4 Abs. 1 DRiG für alle Berufsrichter, die (mit engen Ausnahmen, insbesondere für Forschung und Lehre, Gerichtsverwaltung, Prüfungen) „Aufgaben der rechtsprechenden Gewalt und Aufgaben der gesetzgebenden und der vollziehenden Gewalt nicht zugleich wahrnehmen“ dürfen. Ausnahmsweise sind aber Parlamentarier als Richter eingesetzt, etwa als Beisitzer eines Wahlprüfungsgerichts. Diesen fehlt die erforderliche richterliche Unabhängigkeit806. Der Bundesrat, der aus Mitgliedern der Regierungen der Länder besteht (Art. 51 Abs. 1 GG), agiert im Bundesaufsichtsverfahren nach Art. 84 Abs. 4 S. 1 GG als Rechtsprechungsorgan807. Nach § 7 DRiG ist jeder ordentliche Professor der Rechte an einer Universität im Geltungsbereich des Richtergesetzes zum Richteramt befä803 Vgl. K. Stern, Staatsrecht I, S. 1054 f., Staatsrecht II, S. 168 f.; H. H. Klein, Status des Abgeordneten, HStR, Bd. II, 1987, § 41, Rdn. 25; D. Th. Tsatsos, Unvereinbarkeiten zwischen Bundesmandat und anderen Funktionen, in: H.-P. Schneider/W. Zeh (Hrsg.), Parlamentsrecht und Parlamentspraxis, 1989, § 23, Rdn. 6. 804 Dazu K. Stern, Staatsrecht II, S. 289 f. 805 K. Stern, Staatsrecht I, S. 966; ders., Staatsrecht II, S. 674 ff., 684 ff. 806 K. A. Schachtschneider, Der Verfassungsgerichtshof für Berlin, JR 1975, 397 ff. (398); a. A. WPG Berlin, NJW 1976, 560 (561); wie der Text jetzt BVerfGE 103, 111 (140) zu den Abgeordneten des Landtages im Hessischen Wahlprüfungsgericht.

II. Gewaltentrennung und Gewaltenhemmung

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higt. Er darf darum, weil Universitäten funktional nicht eigentlich zur vollziehenden Gewalt gehören, als Richter tätig sein. cc) Ein besonders häufiges Problem ist die Inkompatibilität von Amt und Mandat im kommunalen Bereich808. In den Stadt- und Gemeinderäten wirken vielfach Beamte und Richter, aber auch nichtbeamtete öffentlich Bedienstete mit. Den Richtern verbietet das, richtig verstanden, § 4 DRiG; denn die Gemeindesatzungen sind (zumindest funktional) Gesetzgebung und die Verwaltungsbeschlüsse der Räte vollziehende Gewalt. Die Kompatibilitätsfragen sind in den verschiedenen Gemeindeordnungen unterschiedlich geregelt. Nach Art. 31 Abs. 4 BayGO etwa dürfen die Beamten der Gemeinde und die Mitarbeiter der Unternehmen, an denen die Gemeinde mehr als 50% der Anteile hält, nicht Mitglied des Rats dieser Gemeinde sein. Die Richter sind nicht erwähnt. Sie sind zum einen nicht Gemeindebedienstete, zum anderen greift § 4 DRiG ein und verbietet dem Richter jedes Mandat und jedes Amt in der Verwaltung, erst recht in der Gesetzgebung. dd) Art. 137 Abs. 1 GG erlaubt „die Wählbarkeit von Beamten, Angestellten des öffentlichen Dienstes, Berufssoldaten, freiwilligen Soldaten auf Zeit und Richtern im Bund, in den Ländern und den Gemeinden“ gesetzlich zu beschränken (vgl. BVerfGE 42, 312 (339); 57, 43 (62); 98, 145 (160 f.)). Das gilt (zumindest) auch für die leitenden Angestellten eines Unternehmens der Verwaltung in privater Rechtsform, wenn nicht auch die von privaten Unternehmen, welche von der öffentlichen Hand beherrscht werden (vgl. BVerfGE 38, 326 (338 ff.); 48, 64 (83 f., 87 f.)). Es kommt nicht darauf an, ob der Bedienstete im Bund, im Land oder in der Gemeinde tätig ist (BVerfGE 18, 172 (183 f.); 58, 177 (193 f.)). Der Gesetzgeber hat die funktionalen Inkompatibilitäten zum Schaden des Rechtsstaates nicht ausgedehnt, weil die Parteien, weitgehend Karriereorganisationen des öffentlichen Dienstes, sich ungern selbst beschränken. Demgemäß sind Angehörige des öffentlichen Dienstes auch in den Parlamenten von Bund und Ländern und in den Stadt- und Gemeinderäten im Übermaß vertreten. 2. Gewaltenhemmung Die Gewaltentrennung ist die Voraussetzung der Gewaltenhemmung, die durch „zahlreiche Gewaltenverschränkungen und -balancierungen“ die „gegenseitige Kontrolle, Hemmung und Mäßigung der Gewalten“ bewirkt (BVerfGE 807 Vgl. K. A. Schachtschneider, Der Rechtsweg zum Bundesverfassungsgericht in Bund-Länder-Streitigkeiten, 1969, S. 83 ff. 808 Dazu R. Stober, Kommunalrecht der Bundesrepublik Deutschland, 3. Aufl. 1996, S. 138 f.; F.-L. Knemeyer, Bayerisches Kommunalrecht, 8. Aufl. 1994, Rdn. 158 f., S. 135 f.

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9. Kap.: Gewaltenteilung

95, 1 (15)) und dem Mißbrauch der Ämter entgegenwirkt809. Der „Kernbereich der verschiedenen Gewalten ist unveränderbar“, judiziert das Bundesverfassungsgericht (BVerfGE 95, 1 (15)). Die Entscheidungen der getrennten staatlichen Organe beeinflussen sich in geregelten Beziehungen810. Die vollziehende Gewalt und die Rechtsprechung sind an Gesetz und Recht gebunden (Art. 20 Abs. 3 GG, Art. 97 Abs. 1 GG)811. Die Gerichte überprüfen in den konkreten und abstrakten Normenkontroll- und den Verfassungsbeschwerdeverfahren, orientiert an den verfassungsrechtlichen Leitentscheidungen vor allem der Grundrechte812, die praktische Vernünftigkeit der Gesetze, also deren Richtigkeit oder eben Rechtlichkeit (Art. 1 Abs. 3, Art. 20 Abs. 3, Art. 100 Abs. 1, Art. 93 Abs. 1, 2 und Nr. 4a GG)813. Die weitgehende, sei es rechtliche (§ 31 BVerfGG), sei es faktische (Präjudizien), Bindungswirkung der richterlichen Erkenntnisse hat gesetzgeberische Funktion814. Die Beamten (und sonst öffentlich Bediensteten), insbesondere die Regierungen, haben die Verantwortung für die Rechtmäßigkeit ihres Handelns (§ 38 Abs. 1 BRRG, § 56 Abs. 1 BBG)815 und damit für die Verfassungsmäßigkeit der Gesetze. Die Funktionenteilung zwischen der Gesetzgebung und der Regierung ist durch das parlamentarische Regierungssystem816 bestimmt, in dem die Regierung des Vertrauens des Parlaments bedarf (vgl. Art. 63 und 67 f. GG), aber auch durch die Befugnisse der Regierung im Gesetzgebungsverfahren, im Bund nach Art. 76 GG (vor allem die Gesetzesinitiative) und Art. 80 GG (Rechtsverordnung). Legislative und Exekutive wiederum haben in Bund und Ländern (unterschiedlichen) Einfluß auf die Wahl oder Berufung der Richter.

III. Parteienoligarchie versus Gewaltenteilung 1. Parteienstaatliche Führerdemokratie Die Gewaltenteilung wird in der Parteiendemokratie dadurch unterlaufen, daß die (plurale) Parteienoligarchie alle territorialen Gewalten und alle drei funktionalen Teilgewalten, vor allem die Legislative und die Exekutive, fest im Griff hält. Das parlamentarische Regierungssystem des Grundgesetzes erleichtert mit809

R. Zippelius, Allgemeine Staatslehre, S. 319 ff. Vgl. R. Zippelius, Allgemeine Staatslehre, S. 327 ff. 811 Zum Vorrang von Verfassung und Gesetz 6. Kap., II. 812 K. A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 819 ff., 978 ff., 990 ff.; ders., Freiheit in der Republik, 7. Kap., II, 2. 813 Dazu 7. Kap., I, 3, 11. Kap. 814 Dazu 10. Kap., I, 6, 7. 815 Zum Remonstrationsrecht § 38 Abs. 2 BRRG und § 56 Abs. 2 BBG. 816 Kritisch zum parlamentarischen Regierungssystem schon Montesquieu, Vom Geist der Gesetze, XI. Buch, 6. Kapitel. 810

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tels des Instituts des konstruktiven Mißtrauensvotums (Art. 67 GG), das den Bundeskanzler, regelmäßig zugleich ein Parteiführer, mit außerordentlicher Macht ausstattet (vgl. BVerfGE 67, 100 (129 f.)), und wegen des Verhältniswahlsystems mit der 5%igen Sperrklausel die parteienstaatliche Verzerrung der republikanischen Institutionen. Das findet in den Schlagwörtern von der Kanzler-817 und Koalitionsdemokratie 818 Ausdruck. Wegen des Verhältniswahlrechts ist die deutsche Kanzlerdemokratie zugleich eine Koalitionsdemokratie 819. Das Grundgesetz macht den Bundeskanzler und mit ihm die Bundesregierung vom Bundestag abhängig, stärkt aber den Status des Bundeskanzlers, weil dieser nur durch konstruktives Mißtrauensvotum gestürzt werden kann, d. h. durch Wahl eines Nachfolgers (Art. 67 GG mit näherer Regelung)820. Dieses Prinzip der parlamentarischen Regierung ist ein Stützpfeiler des Parteienstaates821. Der Parteienstaat hat sich, durch die politische Internationalisierung verstärkt, zur Führerdemokratie entwickelt, in der weitgehend die Parlamentsmehrheit von der Regierung, diese aber vom Regierungschef abhängig ist. Das sei die Realität, an der trotz der Entscheidung des Grundgesetzes für das „klassische Gewaltenteilungskonzept“ im parlamentarischen Regierungssystem die „Gewaltenteilung zwischen Legislative und Exekutive“ „materiell gescheitert“ sei, so daß letztere nur „formale“ Relevanz haben könne und solle, vertritt Eberhard SchüttWetschky822, der alle verfassungspolitischen Fehlentwicklungen des Parteienstaates (Geschlossenheitsmaxime, Fraktionsbindung, Dualismus von Regierungsmehrheit und Opposition) als Faktum des Verfassungslebens zugrunde legt und, geradezu exemplarisch für die Politikwissenschaft, ohne Verständnis für die Verfassung der Gleichheit in der Freiheit und damit für die Grundlagen der Republik, nämlich für Sittlichkeit und Gewissen, der pluralen Parteienoligarchie ohne jeden Ansatz von Kritik begegnet. Demokratien können sich viele Politik-, aber auch die meisten Staats- und Rechtswissenschaftler nur als Parteienstaaten vorstellen823. Wenn die Realität der Verfassung und dem Verfassungsgesetz 817 K. Stern, Staatsrecht I, S. 1011 ff.; P. Badura, Die parlamentarische Demokratie, HStR, Bd. I, 1987, § 23, Rdn. 12 ff., 55 ff.; H.-P. Schneider/W. Zeh, Koalition, Kanzlerwahl und Kabinettsbildung, in: dies. (Hrsg.), Parlamentsrecht und Parlamentspraxis in der Bundesrepublik Deutschland, 1989, S. 1316 f., 1322 ff.; K. A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 806 ff. 818 Grundlegend R. Marcic, Die Koalitionsdemokratie, 1966; weitere Hinweise in Fn. 817. 819 Grundlegend R. Marcic, Die Koalitionsdemokratie, 1966; weitere Hinweise in Fn. 817. 820 Dazu die Hinweise in Fn. 817. 821 K. A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 772 ff., 796 ff., 805 ff.; vgl. auch K. Stern, Staatsrecht I, S. 939 ff., 954, 964 ff.; P. Badura, Die parlamentarische Demokratie, HStR, Bd. I, § 23, Rdn. 10 ff., 34 ff., 55 ff. 822 Gewaltenteilung zwischen Legislative und Exekutive?, in: Aus Politik und Zeitgeschichte B 28/2000, S. 5 ff. 823 K. A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 772 ff., 1054 ff.

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nicht genügt, müssen eben letztere und damit das Recht weichen. Immer schon haben Apologeten den Mächtigen das Wort geredet. Die parteienoligarchische Fehlentwicklung nimmt der Gewaltenteilung auf allen Ebenen und in allen Funktionen die Wirkung. Faktisch ist das in die Europäische Union integrierte Deutschland eine führerschaftliche plurale Parteienoligarchie, nicht mehr wirklich gewaltenteilig und damit nicht mehr republikanisch. Der Parteienstaat ist die (typische) Verfallserscheinung der Republik. 2. Neuer Dualismus des Mehrparteienstaates Der regierenden Parlamentsmehrheit steht die parlamentarische Opposition gegenüber. Man spricht vom neuen Dualismus824. a) Der alte Dualismus825 war der Gegensatz des monarchischen Staates, gestützt auf die Beamtenschaft und das Heer, und der bürgerlichen Gesellschaft, vertreten durch die Parlamente. Der Dualismus war das Ergebnis der Restauration des Wiener Kongresses nach der Französischen Revolution und ist von Hegel in dessen Rechtsphilosophie begrifflich erfaßt (§§ 182 ff.). Der alte Dualismus ist vom monarchischen Prinzip des Art. 57 der Wiener Schlußakte des Deutschen Bundes von 1820 einerseits und dem Schutz von Freiheit und Eigentum der Bürger andererseits bestimmt. Die (sogenannten) oktroyierten Verfassungen haben die bürgerlichen Rechte durch den Gesetzesvorbehalt gewährleistet. Der konstitutionelle Staat durfte in Freiheit und Eigentum nur eingreifen, wenn die Landstände, die parlamentarischen Vertretungen der Bürger (Art. 13 Bundesakte von 1815), dem zugestimmt hatten826. Die klassische Form hatte der Dualismus zwischen Staat und Gesellschaft in der preußischen Verfassung von 1850 gefunden827. b) Der neue Dualismus hat keine reale Grundlage außer den parteilichen Interessen der Parteien, das Interesse der Parteiführungen an der Macht im Staate 824 C. Schmid, Die Opposition als Staatseinrichtung, 1955, in: H.-G. Schumann (Hrsg.), Die Rolle der Opposition in der Bundesrepublik Deutschland, 1976, S. 59 ff.; K. Stern, Staatsrecht I, S. 1022 ff.; N. Gehrig, Parlament – Regierung – Opposition, S. 65 ff., 103 ff., 140 ff., 178 ff., 203 ff.; E. Schütt-Wetschky, Gewaltenteilung zwischen Legislative und Exekutive?, in: Aus Politik und Zeitgeschichte, B 28/2000, S. 5 ff., insb. S. 10; d azu K. A. Schachtschneider, Das Hamburger Oppositionsprinzip. Zum Widerspruch des entwickelten Parteienstaates zur republikanischen Repräsentation, Der Staat 28 (1989), S. 173 ff.; ders., Res publica res populi, S. 796 ff. 825 Vgl. K. A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 175, 802 ff., 1139 f.; weitere Hinweise in Fn. 824. 826 R. Wahl, Die Entwicklung des deutschen Verfassungsstaates bis 1866, HStR, Bd. I, § 1, Rdn. 11 ff., 20 ff., 27 ff. (37). 827 Dazu R. Wahl, Die Entwicklung des deutschen Verfassungsstaates bis 1866, HStR, Bd. I, § 1, Rdn. 20 ff.; vgl. Art. 62 Verfassungsurkunde: „Die gesetzgebende Gewalt wird gemeinschaftlich durch den König und zwei Kammern ausgeübt. Die Übereinstimmung des Königs und beider Kammern ist zu jedem Gesetz erforderlich.“

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und das Interesse der Parteimitglieder an den Pfründen im Lande. Er ist auch mehr Schein als Sein; denn in weiten Bereichen des politischen Lebens teilen sich die Parteien Macht und Einfluß, vor allem die Ämter und Stellen. Das gilt insbesondere für die öffentlichen Unternehmen, die wichtigsten Beutestücke der politischen Parteien, die sie allerdings mit den Gewerkschaften teilen müssen. Die öffentlichen Unternehmen bieten den großen Vorteil, nicht in das vergleichsweise ärmliche Besoldungsgefüge des öffentlichen Dienstes eingepfercht zu sein, sondern Einkommen zu ermöglichen, welche denen der überhöht bezahlten Führungskräfte in den privaten Unternehmen nahe kommen. Für solche Pfründen gibt manch ein Parteigänger gern seine Ambition, dem Gemeinwohl zu dienen, auf. Die große Koalition, die allen Parteien Chancen auf Ämter und Pfründen verschafft828, ist die heimliche Sehnsucht der Parteigänger vor allem der des zweiten Gliedes. c) Der neue Dualismus829 der „Mehrparteiendemokratie“ 830 ist keine Gewaltenteilung im Sinne des Grundgesetzes, vielmehr wird diese horizontal, vertikal, föderal und territorial durch die Parteien unterlaufen, obwohl sie institutionell und prozedural, wenn man so will: organisatorisch formell, gewahrt bleibt. Augenfällig ist der neodualistische Funktionswandel des Bundesrates, eines unitarischen Bundesorgans der Länder (Art. 50 GG) im (unechten) Bundesstaat, das von der Bundestagsopposition, wenn deren Parteien in den Ländern die Regierungen stellen und diese im Bundesrat die Mehrheit haben, zur parteilichen Opposition bis hin zur Obstruktion genutzt (mißbraucht) wird, anstatt die spezifische Landespolitik zur Geltung zu bringen. d) Der Parlamentarismus verliert seine republikanische Substanz, wenn die Abgeordneten nicht ausschließlich ihrem Gewissen und damit ihrem Wissen verpflichtet sich mühen, das richtige Gesetz, Gesetze des Rechts, zu erkennen831. Weil aber die Abgeordneten im entwickelten Parteienstaat meist vollziehen, was die Parteiführer entschieden haben, erreichen die Gesetze nicht die freiheitliche Allgemeinheit, die das Grundgesetz, das die Bürgerlichkeit jedes 828 Dazu H. H. v. Arnim, Ämterpatronage durch politische Parteien, 1980; ders., Entmündigen die Parteien das Volk? Parteienherrschaft und Volkssouveränität, in: Aus Politik und Zeitgeschichte B 21/1990, S. 26 f.; ders., Staat ohne Diener. Was schert die Politiker das Wohl des Volkes?, 1993, S. 129 ff.; ders., Das System, 2004, S. 159 ff.; R. Wassermann, Die Zuschauerdemokratie, 1986/1989, S. 133 ff., 174 ff.; K. A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 1113 ff.; vgl. schon M. Weber, Wirtschaft und Gesellschaft. Grundriß der verstehenden Soziologie, ed. J. Winckelmann, 5. Aufl. 1972, S. 839 ff. („reine Stellenjägerorganisation“). 829 Dem alten, konstitutionellen Dualismus des monarchischen Staates zum einen und der bürgerlichen Gesellschaft zum anderen fehlt in der Republik die Grundlage, weil die Staatsgewalt Sache des Volkes, nicht Sache der Fürsten ist. 830 BVerfGE 111, 382 (403); vgl. BVerfGE 47, 198 (225); 85, 264 (297 „Mehrparteienprinzip“); 91, 276 (286, „Mehrparteiensystem“); auch BVerfGE 111, 382 (405). 831 Dazu K. A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 810 ff.

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Menschen oder eben jedes Menschen Würde, nämlich seine Selbstzweckhaftigkeit832, anerkennt (BVerfGE 45, 187 (227 ff.))833, verwirklicht sehen will834. Im entwickelten Parteienstaat übt die Exekutive, gestärkt durch den Exekutivismus der internationalen, zumal europäischen Integration, die Herrschaft aus, ohne daß die Legislative und deren Abgeordnete ein hinreichendes Gegengewicht bilden. Das Ende des parlamentarischen Gesetzgebungsstaates hat bereits Carl Schmitt angesichts des Weimarer Parteienstaates dargelegt835. Meist herrscht im Bund wegen des Bundesrates eine plurale Parteienoligarchie. Sie ist unstrukturiert, gewissermaßen akklamativ836, von der öffentlichen Meinung und damit von den Medien, nicht wirklich von den Wählern abhängig. Die Wahlen entscheiden zwar, welche Parteien die Regierung und welche die Opposition bilden. Diese Entscheidung ist aber in der pluralen Parteienoligarchie auch wegen der Koalitionen mehr und mehr hinfällig. Die Stabilität des Parteienstaates steht und fällt mit dem Wohlstand der Bevölkerung; denn das Vertrauen der Bürger in die Einrichtungen des Staates hat die Parteienoligarchie verspielt. 3. Institutionelle Sicherung der Parteienoligarchie Das Grundgesetz garantiert die Oppositionsfreiheit837. Die Chancengleichheit auch der Oppositionsparteien ist Teil der freiheitlichen demokratischen Grundordnung (BVerfGE 2, 1 (13); 5, 85 (140); 73, 40 (88 f.); 78, 350 (358); 85, 264 (297); 91, 276 (287 f.)). Dieses Prinzip der Chancengleichheit, gestützt auf Art. 21 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 3 Abs. 1 GG und auch Art. 38 Abs. 1 S. 1 GG (BVerfGE 85, 265 (296); 107, 286 (294); 111, 382 (398)) verbietet die Diskriminierung neuer Parteien, ein Mittel, das die etablierten Parteien regelmäßig nutzen, um ihre Herrschaft zu verteidigen (BVerfGE 111, 382 (397 ff.), 832 Kant, Grundlegung zur Metaphysik der Sitten, S. 59 ff., 61, 66; ders., Kritik der praktischen Vernunft, S. 210; H. Cohen, Ethik des reinen Willens, 2. Aufl. 1907, S. 303 f. 833 Dazu R. Dreier, Recht, Moral und Ideologie, Studien zur Rechtstheorie 1981, S. 299 f.; K. A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 1 ff.; ders., Freiheit in der Republik, 2. Kap., VI, VII. 834 Vgl. K. A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 1086 ff.; ders., Der republikwidrige Parteienstaat, FS H. Quaritsch, S. 141 ff. (151 ff.). 835 Etwa: Die geistesgeschichtliche Lage des heutigen Parlamentarismus, 1923, 4. Aufl. 1969, S. 5 ff., 27 ff., 41 ff.; Legalität und Legitimität, 1932, S. 7, 20 ff., 88 ff.; dazu K. A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 735 ff. 836 Dazu C. Schmitt, Verfassungslehre, 1928, 4. Aufl. 1965, S. 243, 246, 277, 315, „Das Volk kann akklamieren“, wem, „einem Führer“ (S. 243); „Es gibt keine Demokratie und keinen Staat ohne öffentliche Meinung, wie es keinen Staat ohne Akklamation gibt“ (S. 246). 837 BVerfGE 20, 56 (97 ff.); K. A. Schachtschneider, Das Hamburger Oppositionsprinzip, Der Staat 28 (1989), S. 173 ff.; ders., Res publica res populi, S. 1108 ff., zur unterdrückten innerparteilichen Oppositionsfreiheit.

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„Drei-Länder-Quorum“). Die Chancengleichheit ist durch die 5%-Sperrklauseln verletzt, welche das Bundesverfassungsgericht allerdings nicht als Verstoß gegen das Grundgesetz zu erkennen vermochte (BVerfGE 1, 208 (249, 255); 24, 300 (341); 34, 81 (99 f.); 41, 399 (421); 47, 255 (277); 51, 222 (234 ff.); 82, 322 (338)). Das Verhältniswahlsystem mit Sperrklauseln ist die wichtigste Stütze der Parteienoligarchie. Die Sperrklauseln können mit dem Argument des Gerichts in den angeführten Entscheidungen, die Funktionsfähigkeit des parlamentarischen Regierungssystems mache sie notwendig, nicht gerechtfertigt werden838. Die Stabilität der Parteienoligarchie erweist sich in der minimalen Fluktuation der führenden Parteipolitiker. Hinzu kommen die Parteienfinanzierung839, das enge Bündnis der Parteien mit wichtigen Medien840, die Abwehr vermeintlich verfassungsfeindlicher Parteien durch den Verfassungsschutz841, die machtstabilisierende Macht selbst, die Ämterpatronage, die Korruption, u. a. m. 4. Freie Wahlen als Kern des demokratischen Prinzips Solange die Wahlen wirklich (material) frei sind, besteht die Chance, daß das Volk sich der Parteienoligarchie entledigt. Die Wahlen zwingen die Parteiführungen, die Interessen der Mehrheit der Wähler zu berücksichtigen, jedenfalls das vorzutäuschen. In der Republik sind aber nicht die Interessen, sondern ist das gute Leben aller in Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit Leitprinzip aller Maximen, wenn auch jedes Gesetz unmittelbar materialer Interessenausgleich ist842. Dem kann nur Rechtlichkeit gerecht werden, die im Parteienstaat, wie dargelegt, unerreichbar ist. Die Wahlen in Deutschland sind zumindest formell frei. Wegen ihres faktischen Nominationsmonopols bestimmen freilich die Parteien, nicht die Wähler, wer Abgeordneter wird843. Die Wähler haben lediglich Einfluß auf die Zahl der Abgeordneten, die eine Partei in das Parlament entsen838 K. Jaspers, Wohin treibt die Bundesrepublik?, S. 134; K. A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 47 ff., 788 ff., 1147 ff.; H. H. v. Arnim, Das System, S. 135 ff. 839 BVerfGE 8, 51 ff.; 20, 56 ff.; 24, 300 ff.; 52, 63 ff., 73, 40 ff.; 84, 264 ff.; 111, 382 ff.; dazu H. H. v. Arnim, Die Partei, der Abgeordnete und das Geld, 1991; ders., Das System, S. 87 ff.; K. A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 1167 ff. 840 K. A. Schachtschneider, Verbände, Parteien und Medien in der Republik des Grundgesetzes, S. 81 ff. (94 ff., 101 ff.); vgl. auch H. H. v. Arnim, Das System, S. 194 ff. 841 Zu den Fragwürdigkeiten der Verfassungsschutzberichte D. Murswiek, Meinungsäußerungen als Belege für verfassungsfeindliche Zielsetzung. Zu den rechtlichen Anforderungen und zur Praxis der Verfassungsschutzberichte, in FS H. H. v. Arnim, 2004, S. 481 ff. 842 K. A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 617 ff. 843 K. A. Schachtschneider, Das Nominationsmonopol der Parteien in Berlin, JR 1975, 89 ff.; ders., Res publica res populi, S. 123, 677, 1113 ff., 1153; H. H. v. Arnim, Das System, S. 262 ff.

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det. Das demokratische Prinzip ist unverletzt, wenn man es mit K. R. Popper dahin minimiert, daß das Volk sich von einer Herrschaft befreien kann, ohne daß es einer Revolution bedarf844. Das aber ist in der pluralen Parteienoligarchie mangels substantieller Unterschiede der Programmatik der etablierten Parteien nicht möglich. In der Integrationspolitik etwa gibt es keine legitime oder auch nur legale Alternative für die Bürger, die mit der Integrationsentwicklung, insbesondere der Währungsunion, in ihrer großen Mehrheit nicht einverstanden sind. Der Oktroi des Euro war ein diktatorischer Akt, dem das Volk durch Wahlen nicht ausweichen konnte. Das nährt die Vermutung, daß die führenden Kräfte der Parteien nicht unabhängig, sondern, für das Volk undurchschaubar, fremdbestimmt sind, gestützt von opportunistischen Parteimitgliedschaften, die alle dasselbe, an sich unpolitische, Interesse haben: illegitime Vorteile. Das System der pluralen Parteienoligarchie ist nicht einmal nach dem Kriterium Poppers demokratisch. Die freien Wahlen sind der Kern der Demokratie, aber sie genügen nicht für demokratische Verhältnisse. Diese bedürfen einer republikanischen Kultur der Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit. Dem widersprechen parteiliche Parteien und deren Stabilisierung. „Selbst die Wahlen sind keine eigentlichen Wahlen, sondern Akklamationen zur Parteienoligarchie“ (Karl Jaspers)845. Die parteilichen Parteien wissen ihre Herrschaft hinreichend in dem verbreiteten Wohlstand zu verschleiern. Wenn der deutsche Wohlstand schwindet, wie wegen der (überdehnten) Integration Europas zu einer Wirtschafts-, Währungs- und (zögerlich auch) Sozialunion und wegen des ökonomischen Globalismus zu erwarten, wird die plurale Parteienoligarchie in Deutschland ihre Stabilität einbüßen. Die Gefahr ist, daß deren sanfte Despotie durch einen harten Totalitarismus der Europäischen Union abgelöst werden wird. Die Führer Europas ebnen Schritt für Schritt mit jeder Regierungskonferenz der Europäischen Union, nolens volens, der europäischen Ideologie verfallen, den Weg zur Diktatur in Europa846.

844 Bemerkungen zu Theorie und Praxis des demokratischen Staates, 1988, S. 10 ff., 14 ff., 17; vgl. K. A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 30. 845 Wohin treibt die Bundesrepublik?, S. 131; dazu H. H. v. Arnim, Das System, S. 127 ff., 262 ff. 846 W. Bukowski, Europa auf dem Weg in die Diktatur?, Teil I, Zeit-Fragen vom 13.11.2000, 8. Jg., Nr. 40, S. 1 f., Teil II, Zeit-Fragen vom 20.11.2000, 8. Jg., Nr. 41, S. 1 f.

III. Parteienoligarchie versus Gewaltenteilung

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5. Pluralistische Gegenkräfte zur Parteienoligarchie a) Öffentlicher Dienst Ihr Beruf erleichtert den öffentlich Bediensteten die Mitwirkung in den Parteien, die auch der Karriere im Parteienstaat förderlich zu sein pflegt. Richter sollten keinesfalls einer Partei angehören dürfen; denn Parteilichkeit ist mit dem richterlichen Ethos der Unparteilichkeit unvereinbar. Aber auch Beamte sollen unabhängig und unparteilich sein und passen nicht in Parteien. Fraglos gehören Beamte und Richter zum Volk, ihr aktives Wahlrecht ist unbestreitbar. Sie üben aber mit ihrem Dienst vollziehende und rechtsprechende Staatsgewalt aus, die von der Gesetzgebung, auf welche die politische Willensbildung des Volkes zielt, auch personell geschieden sein sollte. Die Parteien sind vom Grundgesetz gewissermaßen als staatliche (im weiteren Sinne)847 Einrichtungen der Auseinandersetzung um die richtigen Gesetze konzipiert; denn Politik ist im Gesetzesstaat wesentlich Rechtsetzung. Den Sachverstand hat die Ministerialbürokratie ohnehin über die Regierungen in den Gesetzgebungsprozeß einzubringen. Die Parteien betreiben jedoch in Wirklichkeit weniger politische Willensbildung, also gesetzgeberische Rechtserkenntnis, als vielmehr Ämterpatronage. Darum sind sie wesentlich Organisationen von Karrieristen. Der Grundsatz der Gewaltenteilung sollte auch personalpolitisch größtmöglich zur Geltung kommen und der Ämterhäufung der Parteigänger entgegengestellt werden. Keinesfalls darf aber auch im entwickelten Parteienstaat Deutschlands das Eigengewicht der unabhängigen Beamten und vor allem der unabhängigen Richter unterschätzt werden. Der öffentliche Dienst, die Bürokratie, bildet, soweit er nicht parteiabhängig ist, ein Gegengewicht zur Parteienherrschaft. Das ist eine reale Art von Gewaltenteilung848. b) Medien Ein öffentlicher Diskurs der gemeinsamen Angelegenheiten, der Sache der Medien ist, vermag die Parteienoligarchie, deren Herrschaft weitgehend auf Schein (Täuschung/Inszenierung der Wirklichkeit) aufbaut849, zu schwächen, weil die öffentliche Meinung die stärkste politische Macht ist850. Die Medien, oft als vierte Gewalt bezeichnet851, haben die Aufgabe und Pflicht, die (sanfte) Despotie der Parteienoligarchien durch wahrheitliche Information wenn nicht zu 847

K. A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 1045 ff. So auch R. Zippelius, Allgemeine Staatslehre, S. 333 f. 849 H. H. v. Arnim, Das System, S. 194 f., 256 ff., 292 ff., u. ö. 850 J. Ortega y Gasset, Aufstand der Massen, 1930, S. 93 ff.; vgl. auch H. H. v. Arnim, Das System, S. 194 ff. 848

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verhindern, so doch wenigstens zu behindern852. Nur wenige Medien erfüllen diese ihre Pflicht hinreichend. Die Staatlichkeit der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten853, die von Parteien dominiert werden, ist ein schweres Defizit an realer Machtteilung. Die privaten Sender sind in der Hand nur weniger Veranstalter, die um der Macht und um des Geschäfts willen eng mit den Parteienoligarchien verbündet sind. c) Unternehmen Trotz der durchaus schicksalhaften Einheit von Staat und Wirtschaft gibt es ein grundrechtliches und gemeinschaftsrechtliches Privatheitsprinzip854, das die unternehmerische Tätigkeit grundsätzlich Privaten vorbehält, an sich ein wesentliches Stück Gewaltenteilung in der ebenso liberalen wie sozialen Republik. Freilich hat die Kapitalverkehrsfreiheit des Art. 56 EGV die Macht des international agierenden Kapitals derart gestärkt, daß das Sozialprinzip beschädigt ist855. d) Postulat des Pluralismus (vertikale) Die Macht der Parteienoligarchien wird durch den realen Pluralismus856 von Gebietskörperschaften, nämlich internationalen Organisationen, Europäischer Union, Bund, Ländern, Kommunen, von opponierenden Parteien, von Interes851 Vgl. M. Bullinger, Freiheit von Presse, Rundfunk und Film, HStR, Bd. VI, 1989, § 142, Rdn. 79; dazu K. A. Schachtschneider, Verbände, Parteien und Medien in der Republik des Grundgesetzes, S. 81 ff. (101 ff.). 852 Dazu K. A. Schachtschneider, Verbände, Parteien und Medien in der Republik des Grundgesetzes, S. 81 ff. 853 I. d. S. (zur Umsatzsteuerpflicht des öffentlich-rechtlichen Rundfunks) BVerfGE 31, 314 (323 ff.); a. A. die abweichende Meinung S. 337 ff.; zur (vermeintlichen) Staatsfreiheit des öffentlich-rechtlichen Rundfunks BVerfGE 12, 205 (261 f.); 31, 314 (322); 31, 314 (323 ff., 337 ff.); 59, 231 (254); 61, 82 (102 f.); 90, 60 (87 ff.); M. Bullinger, Freiheit von Presse, Rundfunk und Film, HStR, Bd. VI, § 142, Rdn. 89 ff.; W. Hoffmann-Riem, Kommunikations- und Medienfreiheit, HVerfR, 2. Aufl. 1994, § 7, Rdn. 57, S. 226 f. 854 K. A. Schachtschneider, Der Anspruch auf materiale Privatisierung, S. 67 ff.; ders., Staatsunternehmen und Privatrecht, S. 236 ff., 261 ff.; ders., Res publica res populi, S. 386 ff.; ders., Freiheit in der Republik, 8. Kap., IV. 855 K. A. Schachtschneider, Grenzen der Kapitalverkehrsfreiheit, in: K. A. Schachtschneider (Hrsg.), Rechtsfragen der Weltwirtschaft, 2002, S. 253 ff. 856 Dazu E. Fraenkel, Deutschland und die westlichen Demokratien, 5. Aufl. 1973, S. 197 ff.; W. Steffani, Pluralistische Demokratie, 1980, insb., Vom Pluralismus zum Neopluralismus, S. 13 ff.; P. Häberle, Die Verfassung des Pluralismus – Der Pluralismus in der Verfassung, in: ders., Die Verfassung des Pluralismus, Studien zur Verfassungstheorie der offenen Gesellschaft, 1980, S. 56 ff.; kritisch M. Kriele, Einführung in die Staatslehre, S. 178 ff.; vgl. dazu K. A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 618 ff., 622 ff., 660 f., 1179.

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senverbänden, von Kirchen, von Kammern, von Vereinen, von Universitäten und insbesondere von den nationalen und noch mehr von den international agierenden Unternehmen geteilt. Der Pluralismus realer Einflüsse auf die Geschicke des gemeinsamen Lebens ist zu fördern, weil die verfassungsgewollte Teilung der Ausübung der staatlichen Gewalt jedenfalls zwischen der Legislative und der Exekutive sich im Parteienstaat als nicht hinreichend real erweist. Nicht einmal die föderalistische (vertikale) Gewaltenteilung zwischen Bund und Ländern hat den parteienstaatlichen Zentralismus verhindern können. Eine begrenzte Ausnahme macht gewissermaßen der Freistaat Bayern, weil die CSU weitgehend unabhängig von der CDU ist. Wer den Föderalismus stärken will, muß (wenn schon parteienstaatlich) dem Modell der CSU folgen. Die Behinderung realer Machtentfaltung muß durch Befugnis- und Verfahrensregeln in jeder Weise gefördert werden, also horizontal durch die organisatorische Gliederung der Ausübung der staatlichen Gewalt, vertikal durch den Föderalismus der staatlichen Gewalten von Bund und Ländern, den Kommunalismus der Städte und Gemeinden und den Korporatismus der Selbstverwaltungskörperschaften, durchaus auch durch die integrierte Gewaltausübung der Europäischen Union, zeitlich durch die Begrenzung der Amts- oder Mandatsdauer, persönlich durch Inkompatibilitäten, sachlich durch Funktionsbegrenzungen, u. a. Die Integration all dieser Gewalten in das System der pluralen Parteienoligarchie muß zurückgedrängt werden, besser noch: Die festgefügten, geschlossenen Parteien (§ 2 PartG)857 müssen durch ein System offener politischer Willensbildung des Volkes ersetzt werden, das die praktische Vernunft der Politik größtmöglich fördert, vor allem die Ämterpatronage, das Krebsübel des Parteienstaates, beseitigt. e) Volksgesetzgebung Elemente direkter Gesetzgebung durch das Volk858, wie es Art. 20 Abs. 2 S. 2 GG („Abstimmungen“) und die Länderverfassungsgesetze vorsehen (etwa Art. 74, 75 BayV) schränken zwar die gewaltenteilige Repräsentation ein, stärken aber die Gewaltenteilung zwischen dem Volk und der politischen Klasse, weil Plebiszite die Macht der republikwidrigen Parteienoligarchie schwächen. Der eigentliche Gesetzgeber ist das Volk, die Bürgerschaft; denn Verbindlichkeit begründet allein der Wille, allgemeine Verbindlichkeit also der allgemeine Wille, die volonté générale859. In den Parlamenten agieren lediglich Vertreter des Volkes (Art. 38 Abs. 1 S. 2 GG)860, die sich nicht zu den Herren des Vol857

Verfassungsgemäß nach BVerfGE 89, 266 (269 f.); 91, 276 (284); 111, 382

(409). 858 Dazu 6. Kap., I, 1, b; dazu H. H. v. Arnim, Vom schönen Schein der Demokratie. Politik ohne Verantwortung – am Volk vorbei, 2000/2002, S. 167 ff.; ders., Das System, S. 373 ff. 859 Dazu 3. Kap., II.

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kes aufschwingen dürfen. Die faktische Gesetzgebungsmacht hat jedoch im Parteienstaat die Parteienregierung, weil die Mitglieder der Regierung regelmäßig die führenden Politiker der Mehrheitsparteien des Parlaments bilden, die demokratistischen Führer. 6. Rechtsprechung im Parteienstaat a) Unabhängigkeit der Richterschaft Ob die Gerichtsbarkeit noch hinreichend eigenständig ist, wie es die richterliche Unabhängigkeit fordert, ist zweifelhaft. Die Richterschaft wird zunehmend von den politischen Parteien gegängelt. Symptomatisch ist, daß die ebenso verfassungswidrige wie strafbare861 Ämterpatronage862 der Parteien, der Kitt der Parteienoligarchie, weder angeklagt noch gar bestraft wird. Die Richterpatronage863 wird insbesondere bei hohen Richterämtern betrieben. Ein Hindernis gegen die Unterwerfung der Richterschaft unter die Parteienoligarchie ist das Institut der Befähigung zum Richteramt. Diese besondere, nicht leicht zu erreichende Befähigung gibt den Richtern eine gewisse persönliche Selbständigkeit gegenüber den politischen Parteien, aber die berufliche Stellung der Richter kann wesentlich von den Parteien beeinflußt werden. Wegen der Beförderungschancen nehmen viele Richter die Mitgliedschaft in einer Partei in Kauf. Die Befähigung zum Richteramt, die ein erfolgreiches rechtswissenschaftliches Universitätsstudium und einen erfolgreichen Vorbereitungsdienst voraussetzt (§§ 5 ff. DRiG), ist durch Art. 92 Abs. 1 GG verfassungsgeschützt. Der Richter muß seines Amtes fähig sein. Das setzt seine Fähigkeit voraus, seine richterliche Aufgabe wissenschaftlich zu bewältigen. Wissenschaftlichkeit erfordert zunächst einmal Wissen, ist aber in der Rechtswissenschaft ohne sittliche Kompetenz nicht denkbar. Die sittliche Kompetenz besteht darin, das Richteramt ausschließlich sachlich, d. h. unabhängig von parteilichen Einflüssen, auszuüben. Der Einfluß der Parlamente wie der Regierungen und damit der Parteien auf die Einstellung und Beförderung von Richtern gefährdet die Unabhängigkeit der Richterschaft und schädigt das staatserhebliche Vertrauen in die Rechtsprechung. Kein Richter darf Parteimitglied sein864. 860

Dazu K. A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 637 ff., 707 ff. W. Schmidt-Hieber/E. Kiesswetter, Parteigeist und politischer Geist in der Justiz, NJW 1992, 1790 ff. 862 Dazu K. A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 1113 ff.; weitere Hinweise in Fn. 828. 863 Dazu R. Wassermann, Die Zuschauerdemokratie, S. 137 f., 174; K. A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 970, 1131 f.; W. Schmidt-Hieber/E. Kiesswetter, Parteigeist und politischer Geist in der Justiz, NJW 1992, 1790 ff.; kritisch auch K. Stern, Staatsrecht II, S. 404. 864 R. Marcic, Vom Gesetzesstaat zum Richterstaat, S. 263 ff. 861

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b) Verfassungsrechtsprechung aa) Die Verfassungsrechtsprechung kann und soll ein Gegengewicht zur pluralen Parteienoligarchie bilden. Die Richter des Bundesverfassungsgerichts sind jedoch regelmäßig Repräsentanten der politischen Parteien, weil deren eine Hälfte vom Bundestag und die andere vom Bundesrat zu wählen ist (Art. 94 Abs. 1 GG). Beide Verfassungsorgane sind gänzlich parteibestimmt. Die Wahlverfahren der §§ 6 und 7 BVerfGG sichern die große Koalition und damit den Proporz der großen parteilichen Lager bei der Wahl der Verfassungsrichter. Im Bundestag werden die Verfassungsrichter durch zwölf Wahlmänner der Fraktionen, die nach dem d’Hondtschen Höchstzahlverfahren vom Bundestag gewählt werden, ausgewählt. Zum Richter ist gewählt, wer mindestens acht Stimmen auf sich vereinigt (§ 6 BVerfGG)865. Dieses Verfahren mißachtet im Interesse der pluralen Parteienoligarchie offen das Grundgesetz, welches die Wahl dem Bundestag überträgt, nicht einem proportionierten Ausschuß desselben866. In der Praxis haben nur sehr wenige Abgeordnete Einfluß auf die Wahl der Verfassungsrichter. Der Bundesrat wählt die Verfassungsrichter mit zwei Dritteln der Stimmen (§ 7 BVerfGG). Auch das sichert die große Koalition bei der Richterwahl, die plurale Parteienoligarchie also. Seit 1951 gibt es einen parteilichen Proporz der Mitglieder des Bundesverfassungsgerichts867. Drei Viertel der Richter gehören der CDU/CSU, der SPD oder der F.D.P. an. Die anderen stehen den Parteien nahe. Seit der rot-grünen Regierungskoalition im Bund nimmt auch die Partei Bündnis 90/Die Grünen Einfluß auf die Richterwahl. Die Politik des Bundesverfassungsgerichts ist nach aller Erfahrung von der jeweiligen Parteimitgliedschaft der Richter beeinflußt. Das Gericht übernimmt mehr und mehr die Apologie der Parteienoligarchie. Die Wahl der Richter des Bundesverfassungsgerichts je zur Hälfte durch den parteibeherrschten Bundestag und den ebenso parteibeherrschten Bundesrat nach Art. 94 Abs. 1 S. 2 GG bindet dieses Verfassungsorgan weitestgehend in die Parteienoligarchie ein868, weil die innere Unabhängigkeit der Richter wegen ihrer Herkunft aus den Parteien oder ihrer Nähe zu den Parteien, ohne die sie nicht in die unter den herrschenden Parteien verteilten Richterämter gewählt werden, nicht gewährleistet ist869. Der Eindruck verstärkt sich, daß das Bundesverfassungsgericht, zumal in Zeiten 865 Vgl. W. K. Geck, Wahl und Status der Bundesverfassungsrichter, HStR, Bd. II, 1987, § 55, Rdn. 7. 866 So auch W. K. Geck, Wahl und Status der Bundesverfassungsrichter, HStR, Bd. II, § 55, Rdn. 14 ff.; K. A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 975 ff. 867 Vgl. W. K. Geck, Wahl und Status der Bundesverfassungsrichter, HStR, Bd. II, § 55, Rdn. 13. 868 Kritisch W. K. Geck, Wahl und Status der Bundesverfassungsrichter, HStR, Bd. II, § 55, Rdn. 13 ff.; H. H. v. Arnim, Das System, S. 223 ff.; im Sinne des Parteienstaates befürwortend P. Häberle, Grundprobleme der Verfassungsgerichtsbarkeit, in: ders., Verfassungsgerichtsbarkeit (Hrsg.) 1976, S. 30; dazu kritisch K. A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 975 ff.

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des Umbruchs (Wiedervereinigung, europäische Integration, Globalisierung, Terrorismus), weniger ein Organ des Rechtsschutzes der Bürger als eines der Rechtfertigung von Regierung und Parlament und damit der Parteiführer ist, also Apologet der Parteienoligarchie, zu der die Verfassungsrichter gehören. Das Bundesverfassungsgericht hat insbesondere die Entwicklung Deutschlands zum Parteienstaat nicht behindert, sondern gefördert und damit der Freiheit, dem Recht und dem Staat geschadet870. Nur eine gewissenhafte Dogmatik, offen für den rechtswissenschaftlichen Diskurs, strikt der Logik verpflichtet, gibt der funktionengerechten richterlichen Unabhängigkeit oder eben der wirklichen Bindung an Gesetz und Recht eine Chance. Das setzt voraus, daß die besten Rechtswissenschaftler in das Gericht berufen werden. Die sind aber in den Parteien nicht zu finden; denn die Parteien sind dem ehernen Gesetz der Negativauslese unterworfen871. Das schließt Ausnahmen nicht aus, zumal auch befähigte Juristen um ihrer Karriere willen die Parteimitgliedschaft nicht scheuen. Wer jedoch dem hohen Richteramt rechtswissenschaftlich nicht gewachsen ist, der wird dem politischen Druck erliegen, der von der Parteienoligarchie ausgeht, der er das herausgehobene Amt dankt. Rechtswissenschaftliche Befähigung schafft sittliche Distanz zu dem Unrecht der Parteienherrschaft und begründet demgemäß nicht gerade die gewünschte Eignung für das apologetische Amt. bb) Nicht nur die Rechtsprechung des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts in Sachen europäische Integration (vor allem der rechtsvergessene Euro-Beschluß vom 31. März 1998, BVerfGE 97, 350 ff.872), sondern auch die des Ersten Senats in Sachen der sogenannten demokratischen Bodenreform in der Sowjetisch Besetzten Zone (Urteile vom 23. April 1991 (BVerfGE 84, 90 ff.) und vom 18. April 1996 (BVerfGE 94, 12 ff.)873, aber auch die zum Entschädigungs- und Ausgleichsleistungsgesetz vom 22. November 2000 (BVerfGE 102, 254 ff.), die alle das Menschenrecht am Eigentum mißachtet haben, wie überhaupt die Entscheidungen in Sachen Wiedervereinigung, deren fundamentaler Rechtsfehler es ist, die rechtlose und unstaatliche DDR als Staat 869 I. d. S. W. K. Geck, Wahl und Status der Bundesverfassungsrichter, HStR, Bd. II, § 55, Rdn. 13 ff. 870 Vgl. BVerfGE 24, 260 ff.; 79, 379 ff.; 91, 262 ff.; 111, 382 (409) Parteibegriff; BVerfGE 41, 399 ff., Parteien – verfassungsrechtliche Institutionen; BVerfGE 111, 382 (404), „. . . Parteien machen Demokratie letztlich möglich“; BVerfGE 20, 56 ff.; 24, 300 ff., 41, 399 ff.; 85, 264 ff.; 111, 382 ff., Wahlkampfkostenerstattung; vgl. auch H. H. v. Arnim, Das System, S. 223 ff. 871 Dazu die Hinweise in Fn. 1462. 872 Dazu K. A. Schachtschneider, Der Euro-Beschluß des Bundesverfassungsgerichts, IHI-Schriften 9 (1998), S. 19 ff.; ders., Die Rechtsverweigerung im Euro-Beschluß des Bundesverfassungsgerichts, in: W. Hankel/W. Nölling/K. A. Schachtschneider/ J. Starbatty (Hrsg.), Die Euro-Illusion, S. 276 ff. 873 Dazu Th. Schweisfurth, SBZ-Konfiskationen privaten Eigentums 1945 bis 1949. Völkerrechtliche Analyse und Konsequenzen für das deutsche Recht, 2000, S. 15 ff.

III. Parteienoligarchie versus Gewaltenteilung

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und als Rechtssystem, freilich als sozialistisches Rechtssystem (etwa BVerfGE 96, 267 ff., Altschuldenurteil), zu behandeln874, zeigen den Verfall an Rechtlichkeit in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts. Das dogmatische Defizit ist von einer zunehmenden Verweigerung des Rechtsschutzes begleitet, zum einen durch die (oft unbegründete) Verweigerung der Annahme von Verfassungsbeschwerden zur Entscheidung (§§ 93a ff. BVerfGG), zum anderen durch die stetige Ausweitung der nichtjudiziablen politischen Spielräume (Ermächtigungs-, Erkenntnis-, Beurteilungs-, Entscheidungs-, Gestaltungsspielräume der Exekutive und Legislative), die weitgehend die Entrechtlichung der Lebensverhältnisse kaschieren. Hinzu kommt der Verfall des Rechts durch die europäische und globale Integration vor allem der Wirtschaft, zumal in der Gegenwart des Umbruchs. cc) Die defizitäre Dogmatik des Bundesverfassungsgerichts und dessen parteienoligarchische Willfährigkeit hat verheerende Wirkung auf die Fachgerichte, auch auf die Obersten Bundesgerichte, die sich, mangels nachvollziehbarer Dogmatik der Rechtsprechung des Leitgerichts in Karlsruhe, der Tragfähigkeit ihrer Erkenntnisse nicht sicher, zunehmend der Grundrechtejudikatur verweigern. Eine Ausnahme macht das Bundesarbeitsgericht, das seit Jahrzehnten, mangels einschlägiger Gesetzgebung nicht durch Gesetze gebunden, die Arbeitsrechtsentwicklung bestimmt und weitestgehend vom Bundesverfassungsgericht bestätigt wurde (vgl. BVerfGE 84, 212 (226 f., 228 f.); 88, 103 (115 f.); BAGE 23, 292 (306 ff., 319 ff.); 33, 140 (159 f.) zum Richterrecht in der Arbeitsgerichtsbarkeit). Das hat dem fachkompetenten Bundesarbeitsgericht, dessen Senate mit drei Berufsrichtern und je einem Vertreter der Arbeitgeber und der Arbeitnehmer entscheiden (§ 41 Abs. 2 ArbGG), die Chance gelassen, der Rechtswissenschaft verpflichtet zu judizieren. Diese Chance hat das Gericht in Kassel (jetzt Erfurt, § 40 ArbGG)) weitgehend zufriedenstellend durch die Entwicklung eines sozialen Arbeitsrechts genutzt. Jetzt allerdings bringt der ökonomistische Globalismus die arbeitsrechtliche Befriedung in Gefahr. Die Richter des Bundesverfassungsgerichts jedenfalls haben keine hinreichende Distanz zu den politischen Parteien875. Die Berufung der Verfassungsrichter muß der Parteienoligarchie aus der Hand genommen werden, damit die Verfassungsgerichtsbarkeit nicht das letzte Vertrauen im Volk verliert. An sich ist ein Verfassungsgericht eine Notwendigkeit des Verfassungsstaates876. dd) Die Rechtsprechungsmacht teilt sich das Bundesverfassungsgericht mit dem durch die europäische Integration zunehmend mächtiger werdenden Euro874 K. A. Schachtschneider (O. Gast), Sozialistische Schulden nach der Revolution, S. 29 ff. 875 I. d. S. auch H. H. v. Arnim, Fetter Bauch regiert nicht gern, S. 352 ff.; vgl. auch die Hinweise in Fn. 828. 876 K. A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 932 ff.

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9. Kap.: Gewaltenteilung

päischen Gerichtshof, ein Gericht, das für die Entscheidung der großen Fragen des Rechts, zumal für den Grundrechtsschutz, nicht demokratisch legitimiert ist877. Mehr und mehr Einfluß gewinnt auch der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte, dessen Menschenrechtsschutz durch die jüngere Eigentumsjudikatur Vertrauen eingebüßt hat. Jedenfalls gibt es einen durchaus gewaltenteiligen Pluralismus höchster Gerichte, welcher die Macht der nationalen Parteienoligarchien einschränkt.

877 K. A. Schachtschneider, Demokratierechtliche Grenzen der Gemeinschaftsrechtsprechung, FS H. H. v. Arnim, 2004, S. 779 ff.; T. Mähner, Der Europäische Gerichtshof als Gericht, 2005, S. 18 ff., 211 ff.

10. Kapitel

Besondere Organe der Gesetzgebung, der vollziehenden Gewalt und der Rechtsprechung Die drei Funktionen der Staatsgewalt des Volkes üben, wenn nicht das Volk selbst, in Vertretung des Volkes die „besonderen Organe der Gesetzgebung, der vollziehenden Gewalt und der Rechtsprechung“ aus (Art. 20 Abs. 2 S. 2 GG).

I. Gesetzgebung und Rechtsetzung 1. Legislative als allgemeiner Gesetzgeber a) Die Gesetzgebung ist grundsätzlich der Legislative, also in der Republik außer den Völkern und Bürgerschaften in Bund, Ländern und Gemeinden (vgl. Art. 20 Abs. 2 S. 2 GG, Art. 28 Abs. 1 GG) den Parlamenten, in Deutschland im Bund dem Bundestag und in den Ländern den Landtagen, den Bürgerschaften (Hamburg, Bremen) und dem Abgeordnetenhaus (Berlin), eventuell im Zusammenwirken mit einem zweiten Organ wie im Bund dem Bundesrat (Art. 76 bis 78 GG), vorbehalten. Die Republik ist Gesetzgebungsstaat, d. h. nur Gesetzlichkeit verwirklicht die Freiheit aller, vorausgesetzt sie wahrt das Recht878. Daraus folgt jedoch nicht, daß alle Sollenssätze Legislativgesetze sein müssen. Alle staatlichen Organe wie alle Menschen überhaupt schaffen ständig Sollenssätze. Die Menschen bestimmen ihr Handeln durch Maximen879, die, wenn sie frei sein sollen, dem Sittengesetz, dem kategorischen Imperativ, genügen müssen. Die Menschen machen aber auch allein oder gemeinsam mit anderen, einschließlich der staatlichen Organe, anderen Menschen Vorschriften, welche diese nur binden, wenn sie ihnen durch allgemeines Gesetz oder Vertrag zustimmen. Vielfach lassen sich die Menschen freilich auch, ohne daß sie gebunden wären, nötigen, insbesondere durch Interessen, oder werden durch Täuschung, Drohung, Gewalt (i. S. von körperlichem Zwang) genötigt. Alle Staatlichkeit 878 Dazu K. A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 519 ff.; ders., Freiheit in der Republik, 2. Kap., IV, 5. Kap., II, 3, 8. Kap., III; dazu 6. Kap., I, 1 und 2, auch 3. Kap., II und V, 1, 4. Kap. 879 Zum Begriff der Maxime Kant, Metaphysik der Sitten, S. 332; K. A. Schachtschneider, Freiheit in der Republik, 2. Kap., V, VII.

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10. Kap.: Besondere Organe

muß gesetzlich begründet sein880, aber die Rechtsetzung ist nicht dem Gesetzgeber vorbehalten, d.h. auch die vollziehende Gewalt kann Recht setzen. Sie muß dabei den Vorrang und den Vorbehalt des Gesetzes achten881. Nach der Wesentlichkeitslehre des Bundesverfassungsgerichts müssen alle wichtigen Lebensbereiche zumindest in ihren Grundzügen durch Gesetze der Legislative geregelt werden882. Nur die Gesetze der Legislative sichern die Allgemeinheit der Rechtsetzung im Sinne der Vertretung des ganzen Volkes883. Die Freiheit als Autonomie des Willens884 erfordert gerade diese Allgemeinheit, weil sie die diskursive oder deliberative Materialisierung des Rechts durch den Parlamentarismus bezweckt885. b) Die Legislative kann durch Maßnahmegesetze Einzelfälle regeln, ohne dadurch die vollziehende Gewalt zu beeinträchtigen. Einzelfallgesetze untersagt Art. 19 Abs. 1 S. 1 GG, der „als Konkretisierung des allgemeinen Gleichheitssatzes“ (BVerfGE 13, 225 (229); 25, 371 (396, 399); 85, 360 (374); auch BVerfGE 24, 33 (52); 42, 263 (305)) das freiheitliche Allgemeinheitsprinzip, das Willkürverbot, verankert886, und zwar für alle Grundrechtsbeeinträchtigungen (a. A. BVerfGE 24, 367 (396)). Den Begriff des Maßnahmegesetzes hat das Bundesverfassungsgericht für irrelevant erklärt (BVerfGE 25, 371 (396 f.); vgl. auch BVerfGE 4, 7 (18 f.); 10, 89 (108); 15, 126 (146 f.); 24, 33 (52)). Die Allgemeinheit der Gesetze folgt der Gleichheit in der Freiheit. Wenn das Gesetz die Verwirklichung des allgemeinen Willens ist, ist die Allgemeinheit durch das Einzelfallgesetz nicht verletzt. Legislative Maßnahmen dürfen jedoch den Rechtsschutz nicht verkürzen, der sich aus dem administrativen Gesetzesvollzug ergibt. Das Bundesverfassungsgericht hat deswegen prinzipiell Legalenteignungen als Verletzung der Funktionenteilung zurückgewiesen und den Grundsatz der Administrativenteignung aufgestellt (BVerfGE 24, 367 (396 ff., 398 ff.); vgl. auch BVerfGE 45, 297 (324 ff., 330 ff.); 52, 1 (27); 74, 264 (279 ff., 284 ff.)).

880 K. A. Schachtschneider, Staatsunternehmen und Privatrecht, S. 161 ff., 189 ff.; ders., Res publica res populi, S. 370 ff. (386 ff.), 519 ff.; ders., Die existentielle Staatlichkeit der Völker Europas, S. 79 ff. (81); ders., Der Anspruch auf materiale Privatisierung, S. 40 ff., 54 ff., 217 ff., 308 ff.; ders., Freiheit in der Republik, 8. Kap., IV. 881 Dazu 6. Kap., II und III. 882 Dazu 6. Kap., III, 3. 883 Dazu K. A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 637 ff., insb. S. 707 ff. 884 K. A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 275 ff., 325 ff., 427 ff., ders., Freiheit in der Republik, 2. Kap., VI, VII, 5. Kap., II. 885 K. A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 564 ff., 584 ff., 1086 ff. 886 Dazu K. A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 414 f.; ders., Freiheit in der Republik, 7. Kap., I, II; dazu 16. Kap., I und II.

I. Gesetzgebung und Rechtsetzung

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2. Exekutive als Gesetzgeber a) Nur in engen Grenzen darf nach dem Grundgesetz die Legislative die Exekutive, vor allem die Regierungen und deren Mitglieder, ermächtigen, durch Rechtsverordnungen Gesetze zu geben. Rechtsverordnungen nach Art. 80 GG sind Gesetze des Bundes, wie die Überschrift des VII. Abschnitts des Grundgesetzes: „Die Gesetzgebung des Bundes“ ergibt. Der Erlaß dieser Rechtsverordnungen ist Gesetzgebung der Exekutive. Nach Art. 80 Abs. 1 S. 2 GG muß die Legislative ihre Ermächtigungen der Exekutive zur Gesetzgebung nach Inhalt, Zweck und Ausmaß derart bestimmen, daß Gegenstand, Programm und Tendenz der Rechtsverordnung schon aus der Ermächtigung erkennbar werden (BVerfGE 5, 71 (77); 8, 274 (379); 41, 251 (266); 56, 1 (12); 58,257 (277)). Die Eingrenzung dieser Ermächtigung kann sich auch aus der Interpretation des gesamten Gesetzes ergeben (BVerfGE 8, 274 (307) vgl. auch BVerfGE 58, 257 (277); 62, 203 (210); 85, 97 (105); BVerwGE 89, 121 (131); BFH 174, 264 (267); 176, 175 (177)). Je schwerwiegender die Auswirkungen eines Gesetzes, insbesondere durch Grundrechtsbeschränkungen, sein können, desto strengere Anforderungen sind an die Bestimmtheit der Ermächtigung zu stellen (BVerfGE 58, 257 (277 f.); 62, 203 (210); BVerwGE 65, 323 (325); 68, 69 (72); 100, 323 (326)). b) Die historische Erfahrung, auf die Art. 80 Abs. 1 S. 2 GG reagiert, ist das Ermächtigungsgesetz vom 24. März 1933, das Gesetz nämlich zur Behebung der Not von Volk und Reich (RGBl. I S. 141), das der Hitlerischen Reichsregierung unumschränkte Gesetzgebungsgewalt eingeräumt hat und der Sache nach die Abdankung des Reichstages als Gesetzgebungsorgan war. Das hat die Weimarer Reichsverfassung substantiell verletzt und war der entscheidende Schritt zur rechtlosen Führerherrschaft. Das Führerprinzip ist durch das Gesetz über das Staatsoberhaupt des Deutschen Reiches vom 1. August 1934 (RGBl I S. 747) zum „Grundgesetz“ der nationalsozialistischen Herrschaft gemacht worden887. Mit Beschluß des „Großdeutschen Reichstages“ vom 26. April 1942 (RGBl I S. 247) wurde die unbeschränkte Gewalt des Führers bestätigt. Adolf Hitler wurde (u. a.) auch „oberster Gerichtsherr“. Keinerlei Gesetzgebung im sogenannten Dritten Reich hat Recht geschaffen. Das Gesetz hatte nur noch die instrumentelle Funktion der allgemeinen Bekanntmachung der Entscheidungen, vor allem der des Führers, war aber in keiner Weise mehr die freie republikanische Institution der Verwirklichung der Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit aller. Die Maßnahmen des Hitlerismus vermochten kein Handeln zu rechtfertigen888. 887 R. Grawert, Die nationalsozialistische Herrschaft, HStR, Bd. I, 1987, § 4, Rdn. 5, 18 ff., 24 ff., 48. 888 Vgl. R. Grawert, Die nationalsozialistische Herrschaft, HStR, Bd. I, § 4, passim, Rdn. 48, 53 ff.; O. Kimminich, Deutsche Verfassungsgeschichte, 1970, S. 567 ff.; K. A. Schachtschneider (O. Gast), Sozialistische Schulden nach der Revolution, S. 59 f., 67.

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10. Kap.: Besondere Organe

c) Nur das Volk (der pouvoir constituant) kann in einem eigenständigen Verfahren ein neues Verfassungsgesetz geben,889 und das Verfassungsgesetz muß die Verfassung der Menschheit des Menschen wahren, also republikanisch und darum gewaltenteilig und somit unmittelbar oder mittelbar volksgesetzgebend sein. Beschlüsse der durch das Verfassungsgesetz geschaffenen Organe, wie der Parlamente, können das Verfassungsgesetz nicht in seiner Substanz ändern und dem Volk die Gesetzgebungsbefugnis nicht nehmen oder auch nur wesentlich schmälern (i. d. S. BVerfGE 89, 155 (171 ff., 181 ff.; vgl. auch BVerfGE 30, 1 (24); 84, 90 (121 ff.); 94, 12 (34 ff.); 95, 48 (62 f.))890. Art. 79 Abs. 3 GG, welcher Art. 1 GG und Art. 20 GG für unabänderlich erklärt, stellt die Grenze verfassungsändernder Gesetzgebung klar, die richtigerweise schon für die Weimarer Verfassung galt891. Damals hat man es jedoch genügen lassen, wenn Gesetze mit Mehrheiten beschlossen wurden, mit denen auch das Verfassungsgesetz geändert werden konnte, ohne daß auch nur dessen Text hätte geändert werden müssen (sogenannte Verfassungsdurchbrechungen)892. Auch dieser Irrtum hat dazu beigetragen, Hitler den Weg zur Führerschaft zu ebnen. d) Art. 80 Abs. 1 GG folgt somit dem Prinzip der demokratischen Republik, indem er zu unterbinden sucht, daß die Gesetzgebung den Vertretern des Volkes aus der Hand genommen wird. Insofern ist diese Vorschrift Ausdruck des Prinzips des freiheitlichen Rechts und damit des Rechtsstaates. Im Parteienstaat hat auch Art. 80 GG seine Substanz eingebüßt, weil die Allgemeinheit der Gesetze, wenn nicht durch Abstimmung des Volkes selbst, nur durch die unmittelbar vom Volk gewählten Vertreter des ganzen Volkes und deren in die allgemeine Auseinandersetzung um das Richtige für das gute Leben aller in allgemeiner Freiheit eingebettete Beschlußfassung ermöglicht wird. Wenn die Gesetze politisch von Parteioligarchien diktiert werden, ist es nur von begrenzter Relevanz, ob ihre rechtliche Verbindlichkeit durch Beschlüsse der Parlamente oder der Regierungen oder durch Entscheidungen der Minister hergestellt wird. Freilich gewinnt das legislative Verfahren der Gesetzgebung durch die Mitwirkung der zweiten Kammer (Bundesrat) Gewicht, wenn in dieser die Opposition die Mehr889 K. A. Schachtschneider (O. Gast), Sozialistische Schulden nach der Revolution, S. 51 ff. (60 f.); ders., Eine Charta der Grundrechte für die Europäische Union, Recht und Politik, 1/2001, S. 16 ff., 26 f. 890 Vgl. P. Kirchhof, Die Identität der Verfassung in ihren unabänderlichen Inhalten, HStR, Bd. I, 1987, § 19, Rdn. 1 ff., 5, 10 ff., 34 ff., 44 ff., 51 ff., 66 ff. (75); K. A. Schachtschneider, Gesetzgebung und Verfassungsänderung durch das Volk in Berlin, JR 1975, S. 221 ff. 891 C. Schmitt, Verfassungslehre, S. 11 ff., 18 ff., 20 ff., 102 ff.; ders., Der Hüter der Verfassung, 1931, S. 112, 113; ders., Legalität und Legitimität, 1932, S. 51; H. Ehmke, Grenzen der Verfassungsänderung, 1953; H. Schneider, Die Reichsverfassung vom 11. August 1919, HStR, Bd. I, 1987, § 3, Rdn. 77 ff.; K. A. Schachtschneider (O. Gast), Sozialistische Schulden nach der Revolution, S. 66 ff. 892 G. Anschütz, Die Verfassung des Deutschen Reiches, Kommentar, 14. Aufl. 1933 (Nachdruck 1965), Anm. 1–4 zu Art. 76.

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heit hat. Das führt in weiten Teilen der Politik praktisch zur großen Koalition. Die formelle Gesetzgebungsbefugnis des Parlaments hat auch im entwickelten Parteienstaat Wirkungen auf das Machtgefüge. Die Abgeordneten müssen von den Parteiführungen eingebunden werden, was aber weitestgehend durch deren Parteilichkeit (im umfassenden Sinne) schon sichergestellt ist893. Notfalls kann sich das Parlament, gegebenenfalls dem Druck der Öffentlichkeit erlegen, von den Parteiführungen emanzipieren; seine Pflicht ist das stets. 3. Exekutivistische Rechtsetzung der Europäischen Union a) Die das Leben in der Europäischen Union weitestgehend bestimmende gemeinschaftsrechtliche Rechtsetzung ist wesentlich Sache der Exekutive894; denn die Rechtsakte werden auf Vorschlag der Kommission (meist) vom Rat (der Minister) erlassen (vgl. Art. 251, 252 EGV). Dieser ist ein Gemeinschaftsorgan der Exekutiven der Mitgliedsstaaten (Art. 203 EGV). Das Europäische Parlament hat begrenzten Einfluß auf die Rechtsetzung der Gemeinschaften, aber zum einen kein (wirkliches) Gesetzesinitiativrecht und zum anderen, abgesehen von dem Vetorecht in eng begrenzten Bereichen (Art. 251 Abs. 1 EGV) nach erfolglosem Vermittlungsverfahren (Art. 251 Abs. 2 lit. b, Abs. 5 EGV) und der (ebenfalls begrenzten) Budgethoheit (Art. 272 Abs. 8 EGV), nur Mitwirkungsbefugnisse bei der Rechtsetzung (Anhörungsrechte, etwa Art. 128 Abs. 2; 130; 133 Abs. 5 EGV; Befugnisse zur Stellungnahme und Vorschlagsrechte, Art. 251, 252 EGV)895. Die Gemeinschaftsrechtsetzung ist somit nicht hinreichend parlamentarisch, um im freiheitlichen Sinne demokratisch zu sein. Sie ist nur insoweit demokratierechtlich tragfähig, als das Prinzip der begrenzten Ermächtigung der Europäischen Gemeinschaften (BVerfGE 89, 155 (187 ff., 191 ff.)) eingehalten wird896. Die Rechtsakte der Gemeinschaften müssen nach diesem nationalen wie demokratischen Staatsprinzip von den nationalen Parlamenten dadurch legitimiert worden sein, daß die Gemeinschaftspolitik aufgrund der Gemeinschaftsverträge voraussehbar und dadurch verantwortbar ist (BVerfGE 89, 155 (191 ff.). Den Gemeinschaftsverträgen nämlich haben die Legislativorgane der Mitgliedstaaten durch Gesetze zugestimmt (Zustimmungsgesetze, Art. 59 Abs. 2 GG). Wenn auch aufgrund des Internationalismus der Politik und aufgrund der parteienstaatlichen Bindung der Abgeordneten im Bundestag und der 893 Dazu K. A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 1060 ff., 1084 ff., 1113 ff. 894 Dazu und zum folgenden K. A. Schachtschneider, Die existentielle Staatlichkeit der Völker Europas, S. 94 ff.; ders., Der Rat, § 8 II. 895 Dazu K. A. Schachtschneider, Das Europäische Parlament, § 7. 896 K. A. Schachtschneider, Die existentielle Staatlichkeit der Völker Europas, S. 94 ff.; ders./A. Emmerich-Fritsche/Th. C. W. Beyer, Der Vertrag über die Europäische Union und das Grundgesetz, JZ 1993, S. 751 ff.; ders., Demokratiedefizite in der Europäischen Union, FS W. Hankel, S. 124 ff.

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Regierungen im Bundesrat, mangels Unabhängigkeit derselben von den Parteiführern also, die zugleich meist auch Staats- oder Regierungschefs sind, die mitgliedstaatlichen Legislativorgane keine materiale demokratische Legitimation verschaffen können897, so vermittelt doch das jeweilige Zustimmungsgesetz den Gemeinschaftsverträgen und mittelbar den Gemeinschaftsrechtsakten eine formale demokratische Legitimation, aber eben nur, wenn die Befugnisse der Gemeinschaft begrenzt und bestimmt sind. b) Eine eigenständige demokratische Legitimation haben die Gemeinschaftsorgane nicht, auch das Europäische Parlament nicht, weil es nicht nach Grundsätzen eines demokratischen Wahlsystems gewählt ist. Es mangelt den Wahlen zum Europäischen Parlament an der Gleichheit (vgl. Art. 190 Abs. 1 EGV), weil das Verhältnis der Abgeordneten im Europäischen Parlament zur Zahl der Bürger in den Völkern (sehr) unterschiedlich ist. Ein deutscher Abgeordneter vertritt etwa 800.000, ein luxemburgischer Abgeordneter etwa 65.000 Bürger. Das Europäische Parlament ist eine (bloße) Versammlung „aus Vertretern der Völker“ (Art. 189 Abs. 1 EGV), das in einem parlamentsartigen Verfahren beschließt. Die Bezeichnung Parlament ist euphemistisch898. Die Mitwirkung des Europäischen Parlaments an der Rechtsetzung der Gemeinschaft stützt allenfalls die demokratische Legitimation (vgl. BVerfGE 89, 155 (186)). c) In der Sache gehen die Befugnisse der Europäischen Union weit über eine von den nationalen Parlamenten verantwortbare Politik auf Grund begrenzt zur Ausübung übertragener Hoheitsrechte hinaus. Das gilt nicht nur, aber vor allem für die Befugnisse des Systems der Europäischen Zentralbanken in der Währungsunion, die auch das Bundesverfassungsgericht als nicht demokratisch legitimiert erkannt hat (BVerfGE 89, 155 (207 ff.)). Weitestgehend ist die Politik der Europäischen Union nicht demokratisch legitimiert, sondern selbstermächtigt und damit despotisch, zum Teil, wie die Währungspolitik, diktatorisch, jedenfalls exekutivistisch899. d) Freilich ist der Exekutivismus der Europäischen Union durch den integrationsbedürftigen Internationalismus (vielfach als Supranationalismus deklariert900) moderiert. Die Staats- und Regierungschefs im Europäischen Rat oder die Minister im Rat müssen mehr oder weniger zu einer Einigung finden901. Es herrscht nicht ein Führer, sondern die Herrschaft ist führerschaftlich. Die Macht der einzelnen Führer ist durch die Notwendigkeit, Mehrheiten oder gar Einstim897 K. A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 772 ff., 1060 ff.; ders., Der republikwidrige Parteienstaat, FS H. Quaritsch, S. 141 ff.; ders., Demokratiedefizite in der Europäischen Union, FS W. Hankel, S. 129 ff. 898 Zum ganzen K. A. Schachtschneider, Das Europäische Parlament, § 7. 899 K. A. Schachtschneider, Demokratiedefizite in der Europäischen Union, FS W. Hankel, S. 124 ff, 144 ff. 900 Etwa BVerfGE 89, 155 (172, 175, 178, 181, 182, 184, 187); Th. Oppermann, Europarecht, 2. Aufl. 1999, Rdn. 891 ff.; K. Stern, Staatsrecht I, § 15, S. 512 ff.

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migkeit unter den Mitgliedstaaten zu finden, beschränkt, ja weitgehend gelähmt. Diese Machtbeschränkung durch die mitgliedstaatliche Gewaltenteilung, die mit der gemeinschaftlichen Ausübung der (jeweils nationalen) Staatsgewalt902 verbunden ist und weitgehend zur Politikunfähigkeit sowohl der Mitgliedstaaten als auch der Gemeinschaft führt (Problem der unvollkommenen Staatlichkeit), mindert die Totalitarismusgefahr der Europäischen Union wesentlich, verschafft deren Politik aber keine demokratische Legitimation. 4. Verwaltungsrechtsetzung a) Rechtssatzhaftigkeit aller Verwaltungsakte Die Gesetze der Legislative haben Vorrang903. Der Legislative ist aber nicht jede Art der Rechtsetzung vorbehalten. Auch die vollziehende Gewalt regelt und setzt dadurch gewissermaßen Recht. Zum einen sind die Rechtsverordnungen Gesetze der Exekutive904, zum anderen ist jeder Verwaltungsakt ein Rechtssatz. Die Rechtssatzhaftigkeit einer Entscheidung hängt nicht davon ab, für welchen Personenkreis der Sollenssatz gilt. Die Allgemeinheit ist ein politisches Prinzip der Freiheit, aber kein Kriterium für die instrumentelle Unterscheidung von Gesetz und Verwaltungsakt. Die Abstraktheit ist ein solches Kriterium erst recht nicht, weil jedes Gesetz und weil jeder Verwaltungsakt, die ihre Entscheidung allein sprachlich vermitteln, losgelöst von der geregelten Wirklichkeit sind, wenn sie auch eine eigene Realität haben. Jede Entscheidung muß durch Handeln in die Wirklichkeit umgesetzt werden, jeder Sollenssatz gibt eine Handlungsmaxime, sei er für eine einzelne Person oder eine mehr oder weniger bestimmte Vielzahl von Personen bestimmt. Rechtssatz und Verwaltungsakt unterscheiden sich nicht dadurch, daß der Rechtssatz generell und abstrakt wäre, während der Verwaltungsakt individuell und konkret oder als Allgemeinverfügung auch generell und konkret sei. Dieser irrigen, wenn auch herrschenden und praktizierten Lehre905 folgt aber § 35 VwVfG, der den Begriff des Verwaltungsaktes als eine „Verfügung, Entscheidung oder andere hoheitliche Maß901 Zum Prinzip der Mehrheitsentscheidungen und dessen Grenzen BVerfGE 89, 155 (184); K. A. Schachtschneider, Die existentielle Staatlichkeit der Völker Europas, S. 106 f.; ders., Der Rat, § 8 II. 902 Dazu K. A. Schachtschneider, Die existentielle Staatlichkeit der Völker Europas, S. 87 ff.; ders., Die Republik der Völker Europas, ARSP-Beiheft 71 (1997), S. 163 f. 903 Dazu 6. Kap., II. 904 Dazu 2. 905 Etwa H. Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 4, Rdn. 1 ff., S. 63 ff., § 9, Rdn. 11 ff., S. 193 ff., Rdn. 31 ff., S. 204 ff.; H.-U. Erichsen, Das Verwaltungshandeln, in: ders. (Hrsg.), Allgemeines Verwaltungsrecht, § 12 II 6, Rdn. 45 ff., S. 291 ff.; kritisch K. A. Schachtschneider, Grundbegriffe des Allgemeinen Verwaltungsrechts, S. 9 ff.

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nahme, die eine Behörde zur Regelung eines Einzelfalles auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts trifft und die auf unmittelbare Rechtswirkung nach außen gerichtet ist“, definiert. Die Unterscheidung zwischen der Legislative und der Exekutive wird mit dem durchaus republikanischen Kriterium der Allgemeinheit906 versucht, welches entgegen seiner substantiell freiheitlichen Bedeutung dahin reduziert wird, daß die Entscheidung eine nicht bestimmte Vielheit von Personen in einer nicht bestimmten Vielzahl von Fällen betreffen, also im doppelten Sinne generell sein müsse907. Diese Kriterien sind nicht durchhaltbar, wie die Beispiele des Verkehrszeichens (BayVGH NJW 1978, 1988, Rechtsnorm; BVerfG NJW 1965, 2395; BVerwGE 27, 181 (182 f.); 32, 204 (205); 59, 221 (224 f.); 92, 32 (34); 97, 214 (220 f.); 97, 323 (326 ff.), Allgemeinverfügung)908, aber auch der früheren Diskontfestsetzung der Bundesbank (dazu BVerfGE 34, 307 (315); BVerwGE 41, 334 (351))909 oder der gegenwärtigen EZB-Zinssätze und Geldmarktsätze für die Geschäfte der Europäischen Zentralbank und der nationalen Zentralbanken und der Mindestreveresolls (Art. 18 bzw. Art. 19 Protokoll der Satzung des Europäischen Systems der Zentralbanken und der Europäischen Zentralbank) erweisen, aber auch nicht begründbar. Die instrumentelle Bewältigung des Gesetzesvollzuges orientiert sich an den Bedürfnissen der Praxis. Jede der „Teilgewalten“ muß aber die wesensgemäßen Kompetenzen haben. „Der Kernbereich der verschiedenen Gewalten ist unveränderbar“ (BVerfGE 95, 1 (15); vgl. auch BVerfGE 22, 106 (111); 30, 1 (27 f.); 34, 52 (59); 68, 1 (86)). Es kann richtig sein, dem einzelnen Bürger eine Verwaltungsentscheidung zu vermitteln. Es kann aber auch richtig sein, die Verwaltungsentscheidungen allgemein bekannt zu machen, damit alle, die es angeht, diese Entscheidung zur Kenntnis nehmen können. Die Verwaltung hat bei ihrer Rechtsetzung lediglich die Prinzipien des Vorrangs und des Vorbehalts des Gesetzes (Wesentlichkeitslehre) zu respektieren. Um es zu wiederholen: Auch der Verwaltungsakt, der einem einzelnen Bürger vorschreibt, wie er in einer bestimmten Lebenssituation zu handeln hat, ist ein Sollenssatz. Er hat Rechtssatzcharakter910. Als Beispiel diene die Abrißverfügung. Die Verbindlichkeit des 906 I. d. S. C. Schmitt, Verfassungslehre, S. 138 ff., zum rechtsstaatlichen Gesetzesbegriff; vgl. K. A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 147 f., 523 ff., 745 ff., auch S. 275 ff., 325 ff., 519 ff. 907 W. Jellinek, Verwaltungsrecht, 3. Aufl., Neudruck 1948, S. 4; H. Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 4, Rdn. 1 ff., S. 63 ff., § 9, Rdn. 11 ff., S. 193 ff., Rdn. 31 ff., S. 204 ff.; kritisch auch H. H. Rupp, Grundfragen der heutigen Verwaltungsrechtslehre, S. 116, 199; H. Hofmann, Das Postulat der Allgemeinheit des Gesetzes, in: C. Starck (Hrsg.), Die Allgemeinheit des Gesetzes, 1987, S. 9 ff., insb. S. 20 ff., 33 ff., zum Problem des Allgemeinheitsbegriffs; K. A. Schachtschneider, Grundbegriffe des Allgemeinen Verwaltungsrechts, S. 9 ff. 908 Dazu H.-U. Erichsen, Das Verwaltungshandeln, § 13, Rdn. 53, S. 295; H. Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 9, Rdn. 21, 36, S. 197 f., 207 f. 909 Dazu K. Stern, Staatsrecht II, S. 486; K. A. Schachtschneider, Das Recht der Globalsteuerung, Lehrstuhlskript, 1980, S. 31 ff.

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Verwaltungsaktes folgt nicht aus dem Polizeigesetz, wenn auch die Verwaltung genauso wie der Bürger verpflichtet ist, das Gesetz einzuhalten, sondern aus dem Willen des Volkes, im Namen dessen die Verwaltungsbehörde die Abrißverfügung erlassen hat. Die Verbindlichkeit des Verwaltungsaktes beruht auf der Staatsgewalt (der Hoheit) des Volkes, die logisch nicht von den Organen der Gesetzgebung abgeleitet sein kann, die auch nur die Staatsgewalt des Volkes ausüben, aber keine eigenständige Hoheit haben. Es gibt keine Hoheit der staatlichen Organe, die eben keine Gewalten sind. b) Verbindlichkeit der Verwaltungsvorschriften Die Behörden, vornehmlich die Ministerien, erlassen Verwaltungsvorschriften (Richtlinien, innerdienstliche Weisungen, Erlasse). Diese bestimmen, wie die Behörden die Gesetze zu vollziehen haben911. Das Grundgesetz regelt die Befugnisse der Bundesregierung (mit Zustimmung des Bundesrates), Verwaltungsvorschriften für die Ausführung der Bundesgesetze durch die Länder zu erlassen, etwa in Art. 84 Abs. 2 und Art. 85 Abs. 2 S. 1 GG. Ein Beispiel von Verwaltungsvorschriften sind die Steuerrichtlinien, welche die Praxis der Finanzämter bestimmen. Verwaltungsvorschriften leiten ihre Verbindlichkeit aus der Verwaltungshoheit des Volkes, vertreten durch die Organe der vollziehenden Gewalt, und im Rahmen der hierarchischen Verwaltungsorganisation aus dem Weisungsrecht der vorgesetzten Stellen gegenüber den nachgeordneten Stellen, insbesondere der Ministerien, her. Der parlamentarischen Verantwortung der Regierung912 und damit prinzipiell der gesamten Exekutive entspricht der prinzipiell hierarchische Aufbau der Verwaltung, im Föderalismus getrennt nach Bund und Ländern. Die Praxis reduziert den Begriff der Verwaltungsvorschriften auf Regelungen, welche aus sich heraus keine rechtliche Außenwirkung haben sollen (BVerwGE 8, 4 (10); 34, 278 (280); 36, 323 (327); 44, 72 (74); 61, 15 (18), 70, 127 (136); 79, 300 (320 f.)), sondern nur als „Innenrechtssätze“ im „staatlichen Innenraum“ regeln913. Vorschriften der Verwaltung können aber rechtliche Außenwirkung für die Bürger haben und haben diese meist914. Sie 910 H. Kelsen, Reine Rechtslehre, 2. Aufl. 1960, S. 228 ff.; Th. Schilling, Rang und Geltung von Normen in gestuften Rechtsordnungen, 1994, S. 91 f. 911 Dazu F. Ossenbühl, Arten der Rechtsquellen, § 6, Rdn. 30 ff., S. 146 ff.; ders., Autonome Rechtsetzung der Verwaltung, HStR, Bd. III, 1988, § 65, Rdn. 4 ff.; H. Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 24, S. 623 ff. (auch zu den verschiedenen Arten der Verwaltungsvorschriften, S. 626 ff.). 912 Dazu 9. Kap., II, 1 und 4, auch 10. Kap., III, 1 und 2. 913 H. Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 24, Rdn. 2 ff., S. 624 f.; F. Ossenbühl, Arten der Rechtsquellen, § 6, Rdn. 41 ff., S. 149 ff. 914 F. Ossenbühl, Verwaltungsvorschriften und Grundgesetz, 1968, S. 157 ff.; ders., Autonome Rechtsetzung der Verwaltung, HStR, Bd. III, § 65, Rdn. 30 ff., 37 ff.; ders., Arten der Rechtsquellen, § 6, Rdn. 42 ff., S. 157 ff.; dazu H. Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 24, Rdn. 2 ff., 27 ff., S. 624 f., 638 ff.

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sind, wenn die Bürger sich auf sie berufen können, weil sie den Willen des Volkes festlegen, entgegen der restriktiven Begrifflichkeit des § 35 VwVfG Verwaltungsakte915, eben rechtsetzende Verwaltungsakte. Ihr Wirkungsbereich ist den Vorschriften selbst zu entnehmen. Zunächst einmal ist auf die Erklärung der Vorschriften selbst über ihren Wirkungsbereich abzustellen. Keinesfalls ist es der vollziehenden Gewalt verwehrt, Verwaltungsakte mit allgemeiner Außenwirkung zu erlassen. Diese Befugnis folgt aus der Eigenständigkeit der vollziehenden Gewalt als Organisation der Ausübung der Staatsgewalt des Volkes. Ein Beispiel ist die Festsetzung der EZB-Zinssätze, der Geldmarktsätze der Europäischen Zentralbank und der Mindestreservesätze derselben. Auch die Verkehrszeichen, welche § 35 S. 2 VwVfG als Allgemeinverfügungen einstuft916, können hierher gerechnet werden. Die rechtssatzhafte Wirkung der Verwaltungsvorschriften ergibt sich aus der von der Verwaltung selbst bestimmten Verbindlichkeit. Das Bundesverwaltungsgericht stützt die Außenwirkung von Verwaltungsvorschriften mit primär innerdienstlichem Weisungsgehalt auf den Gleichheitssatz, wenn die Verwaltung sich durch die Anwendung der Verwaltungsvorschrift selbst gebunden hat, aber auch auf das Vertrauensschutzprinzip (BVerwGE 104, 220 (223)) und durch Bekanntgabe der Vorschriften begründete unmittelbare Selbstverpflichtung (BVerwGE 59, 348 (352 ff.)). Sekundär entfalten diese Vorschriften zumindest dadurch (mittelbar) rechtliche Außenwirkung (BVerwGE 8, 4 (10); 61, 15 (18, 21); 70, 127 (136); 104, 220 (223))917. Der Rechtssatzcharakter der Verwaltungsvorschriften läßt sich somit in der Praxis nicht leugnen. Der Begriff Verwaltungsvorschrift läßt sich nicht auf Regelungen ohne rechtliche Außenwirkung reduzieren, also diese Unterscheidung zum Verwaltungsakt nicht durchhalten. Differenziert ist die jeweilige Wirkung des Rechtsaktes der Verwaltung. Diese richtet sich nach der Regelung desselben selbst. Alle Rechtsakte der Verwaltung sind Verwaltungsakte. 5. Satzungen a) Die Selbstverwaltungskörperschaften erlassen Satzungen, um ihre Angelegenheiten zu regeln. Nach Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG muß den Gemeinden das Recht gewährleistet sein, alle Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft im Rahmen der Gesetze in eigener Verantwortung zu regeln. Diese Vorschrift schützt grundrechtsgleich (Art. 93 Abs. 1 Nr. 4b GG) das Recht der Gemeinde-

915 K. A. Schachtschneider, Grundbegriffe des Allgemeinen Verwaltungsrechts, S. 16 f. 916 Hinweise in und zu Fn. 908. 917 Vgl. dazu F. Ossenbühl, Arten der Rechtsquellen, § 6, Rdn. 48 ff., S. 154 ff.; ders., Autonome Rechtsetzung der Verwaltung, HStR, Bd. III, § 65, Rdn. 44 ff.; H. Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 24, Rdn. 20 ff., S. 632 ff.

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bürger, ihre Freiheit im gemeindlichen Bereich durch Gemeindegesetze zu verwirklichen (vgl. BVerfGE 1, 167 (174 ff.); 11, 266 (273 ff.); 23, 353 (365 ff.); 38, 258 (278 ff.); 50, 195 (200 ff.); 56, 298 (312 ff.); 76, 107 (118 ff.); 79, 127 (143 ff.); 83, 363 (381 ff.); 86, 90 (106 ff.)918. Diese Gesetze heißen Satzungen919. Ein Beispiel sind die Bauleitpläne, die Flächennutzungs- und die Bebauungspläne nach §§ 2 ff., 5 ff., 8 ff. Baugesetzbuch920. § 10 Abs. 1 BauGB beschränkt den Satzungscharakter auf die Bebauungspläne und spricht damit den Flächennutzungsplänen (zu Unrecht) die Außenwirkung und damit die Rechtssatzqualität ab (BVerwG NVwZ 1991, 262 (263))921. Die Verbindlichkeit der Gemeindesatzungen folgt aus der Willensautonomie der Gemeindebürger922 und bedarf prinzipiell nicht (als „abgeleitete Rechtsquelle“) der Ermächtigung durch den Staat, der Delegation staatlicher Rechtsetzungsgewalt, staatlicher Verleihung (vgl. aber BVerfGE 33, 125 (157 ff.); 56, 298 (309); 73, 118 (191); 79, 127 (143))923. Wegen der körperschaftlichen Autonomie greift für Satzungen der Selbstverwaltungskörperschaften, insbesondere der Gemeinden, das Bestimmtheitsprinzip, das Art. 80 Abs. 1 S. 2 GG für Ermächtigungen zu Rechtsverordnungen vorschreibt, nicht ein (BVerfGE 12, 319 (325); 19, 235 (267); 21, 54 (62); 32, 360 f.; 33, 125 (157 ff.). Nur wenn die Satzungen in Grundrechte der Bürger einwirken, die nur durch Gesetz oder aufgrund eines Gesetzes eingeschränkt werden dürfen, müssen die Grundrechtseingriffe eine Grundlage in einem staatlichen Gesetz haben (BVerfGE 33, 125 (157 ff.) für Ärztekammern; BVerfGE 76, 171 (184 f.) für Rechtsanwaltskammern, BVerwGE 6, 247 (250 f.); 90, 359 (362 f.) für Gemeinden). Für Gemeindesatzungen ist der Gesetzesvorbehalt wegen der originären demokratischen (freiheitlichen) Legitimation der gemeindlichen Satzungsgewalt fragwürdig, soweit nicht die Grundrechte staatliche Gesetzesvorbehalte begründen.

918 Dazu H. Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 4, Rdn. 20, S. 71 f., § 23, Rdn. 6, S. 576 f. 919 Dazu F. Ossenbühl, Arten der Rechtsquellen, § 6, Rdn. 63 ff., S. 159 ff.; ders., Satzung, HStR, Bd. III, 1988, § 66, Rdn. 1 ff.; H. Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 4, Rdn. 20 ff., S. 71 ff., der die Satzungsautonomie freilich nicht als Gesetzgebung im Sinne der Legislative akzeptiert. 920 Dazu W. Krebs, Baurecht, in: E. Schmidt-Aßmann (Hrsg.), Besonderes Verwaltungsrecht, 10. Aufl. 1995, S. 346 ff. 921 So auch OVG Lüneburg, DVBl. 1971, 322 (323); VGH Mannheim, BRS 27, Nr. 17; dazu W. Krebs, Baurecht, S. 349. 922 Dazu 10. Kap., III, 6, a; die Autonomie sieht auch F. Ossenbühl, Arten der Rechtsquellen, § 6, Rdn. 64 ff., S. 160 f., der sie aber nicht für essentiell hält; ebenso ders., Satzung, HStR, Bd. III, § 66, Rdn. 29. 923 So aber F. Ossenbühl, Arten der Rechtsquellen, § 6, Rdn. 65, S. 161; ders., Satzung, HStR, Bd. III, Rdn. 26 ff.; H. Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 4, Rdn. 22, S. 72 f.

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b) Satzungsbefugnisse haben auch andere Körperschaften des öffentlichen Rechts, wie die Hochschulen (etwa Art. 6 BayHSchG) und die berufsständischen Kammern (etwa Art. 5 Abs. 1 S. 1 BayHeilberaterkammerG). Die Körperschaften haben eigenständige Gewalt, die sie nicht vom Staat ableiten, nämlich die Gewalt ihrer Mitglieder924. Sie als mittelbare Staatsverwaltung einzustufen925, verkennt die (grundrechtlich geschützte) Eigenständigkeit der Körperschaften. Die Selbstverwaltung der Hochschulen, welche § 58 Abs. 1 HRG und dementsprechend die Hochschulgesetze der Länder (etwa Art. 4 Abs. 1 BayHSchG) als „Körperschaften des öffentlichen Rechts und zugleich staatliche Einrichtungen“ definieren, läßt sich jedenfalls auf Art. 5 Abs. 3 GG, das „Grundrecht der deutschen Universität“ (Arnold Köttgen)926 stützen, wenn und weil die Aufgabe der Hochschule Forschung und Lehre, also Wissenschaft, ist927. Die Selbständigkeit der wissenschaftlichen Hochschulen ergibt sich (korporativ) aus der Selbständigkeit der Wissenschaftler, die in der Hochschule zusammenwirken, aber ihr Grundrecht aus Art. 5 Abs. 3 GG trotz ihrer Einbindung in das Staatliche nicht aufgeben müssen oder auch nur aufgeben dürften. Die Universitäten jedenfalls sind zwar an die Gesetze des Staates gebunden, wie alles Handeln im Staat, also funktional staatlich, aber nicht Teil des Staates (im engeren Sinne), also nicht institutionell staatlich928, genausowenig wie die Kirchen929. c) Die Eigenständigkeit der berufsständischen Kammern ist in dem Grundrecht der berufsständischen Selbstverwaltung (der Koalitionsfreiheit des Art. 9 Abs. 3 GG) begründet; denn die Kammermitglieder üben einen privaten Beruf aus oder sind Unternehmer. Trotz der öffentlichen Rechtsform sind die Kammern (substantiell) privatheitliche Vereinigungen930. Es wäre mit dem demokra924 K. A. Schachtschneider, Der Anspruch auf materiale Privatisierung, S. 270 ff., insb. S. 286 ff., 289 ff., 300 ff.; ders., Grundgesetzliche Aspekte der berufsständischen Selbstverwaltung, Die Verwaltung 31 (1998), S. 151 ff.; a. A. F. Ossenbühl, Arten der Rechtsquellen, § 6, Rdn. 65 f., S. 161 f. 925 So aber (für die Praxis und der dieser folgenden Lehre) H. Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 23, Rdn. 2 ff., 30 ff., S. 574 ff., 599 ff. (mit Vorbehalten für die Gemeinden); D. Ehlers, Verwaltung und Verwaltungsrecht im demokratischen und sozialen Rechtsstaat, in: H. U. Erichsen (Hrsg.), Allgemeines Verwaltungsrecht, 11. Aufl. 1998, § 1, Rdn. 15, S. 9. 926 Das Grundrecht der deutschen Universität, 1959, vgl. Th. Oppermann, Freiheit von Forschung und Lehre, HStR, Bd. VI, 1989, § 145, Rdn. 36. 927 Dazu Th. Oppermann, Freiheit von Forschung und Lehre, HStR, Bd. VI, § 145, Rdn. 51 ff.; W. Thieme, Deutsches Hochschulrecht, 2. Aufl. 1986, S. 112 ff. 928 Zur funktionalen und institutionellen Staatlichkeit K. A. Schachtschneider, Staatsunternehmen und Privatrecht, S. 175 ff.; ders., Res publica res populi, S. 211 ff., 370 ff.; ders., Freiheit in der Republik, 8. Kap., I; ders., Der Anspruch auf materiale Privatisierung, S. 40 ff., 45 ff. 929 Dazu W. Thieme, Deutsches Hochschulrecht, 2. Aufl. 1986, S. 106 ff.; H. Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 23, Rdn. 34, S. 601 f.; A. Hollerbach, Grundlagen des Staatskirchenrechts, HStR, Bd. VI, 1989, § 138, Rdn. 124 ff.

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tischen Prinzip der Legitimation aller Staatsgewalt durch das Volk (Art. 20 Abs. 2 S. 1 GG) unvereinbar, wenn die Kammern an der vollziehenden Gewalt des Staates beteiligt wären. Die Verwaltung der berufsständischen Kammern, die Ausübung von Gewalt ist, wird durch die staatlichen Gesetze legalisiert. Diese Dogmatik wahrt den Grundrechtsschutz der Kammern und damit den der in diesen verbundenen Menschen. Die Pflichtmitgliedschaft in den Kammern hebt deren Grundrechtsschutz nicht auf931. Auch im Bereich der Selbstverwaltung bleibt die Legislative vornehmster Hüter des Gemeinwohls und damit zur Gesetzgebung im Grundsätzlichen verpflichtet (BVerfGE 33, 125 (156 ff.)). 6. Richterrecht Auch Richter setzen Recht. Sie sind weit und breit funktional Gesetzgeber. a) Richterrecht ist im Gerichtsstaat unvermeidlich und darum notwendig (BVerfGE 13, 318 (328); 18, 224 (237); 26, 327 (337); 34, 269 (287 ff.); 49, 304 (318); 65, 182 (190); 66, 126 (138); 66, 337 (355); 69, 188 (203 ff.); 84, 212 (226 f.); 98, 49 (59 f.); BAGE 23, 292 (319 f.))932. Was Recht ist, steht nicht immer in den Gesetzen. Vielmehr stehen die Gesetze unter dem Recht. Die Gesetze sollen verbindlich machen, was als Recht materialisiert (diskursiv und deliberativ) ist933. Die Richter aber haben das Recht zu klären, also auch das Recht zu erkennen934. Auch die Rechtsfortbildung gehört zu den Aufgaben der Gerichte (§ 11 Abs. 4 VwGO; § 137 GVG; § 11 FGO, §§ 41, 43 SGG, § 45 ArbGG). Dennoch sind die Richter „dem Gesetz unterworfen“ (Art. 97 Abs. 1 GG). Das Gesetz kann aber die Richter nur insoweit unterwerfen, als es einerseits Recht schafft und andererseits den Richtern vorschreibt, wie sie entscheiden sollen, sie also wirksam unterwirft. Je offener die von der Gesetzgebung benutzten Gesetzesbegriffe sind, meist „unbestimmte Rechtsbegriffe“ ge930 K. A. Schachtschneider, Grundgesetzliche Aspekte der freiberuflichen Selbstverwaltung, Die Verwaltung 31 (1998), S. 148 ff., 151 ff., 154 ff.; ders./A. EmmerichFritsche, Recht der Vertragsärzte des Sozialgesetzbuches V, Manuskript 1999/2001, S. 37 ff. (54 ff.) 931 K. A. Schachtschneider, Grundgesetzliche Aspekte der freiberuflichen Selbstverwaltung, Die Verwaltung 31 (1998), S. 156 ff.; ders./A. Emmerich-Fritsche, Recht der Vertragsärzte des Sozialgesetzbuches V, S. 37 ff., 54 ff. 932 Zum Richterrecht M. Kriele, Theorie der Rechtsgewinnung, 2. Aufl. 1976, S. 243 ff.; F. Bydlinski, Hauptpositionen zum Richterrecht, JZ 1985, 149 ff.; F. Ossenbühl, Arten der Rechtsquellen, § 6, Rdn. 77 ff., S. 167 ff.; K. A. Bettermann, Die rechtsprechende Gewalt, HStR, Bd. III, 1988, § 73, Rdn. 28; K. A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 864 f. 933 Dazu 2. Kap., II, 3. Kap., II und V, 4. Kap., I, 6. Kap., I, insb. 1, b. 934 Zur Rechtserkenntnisfunktion der Gerichte K. A. Schachtschneider, Neubescheidung nach Rechtskraft, VerwArch 63 (1972), S. 307; ders., Res publica res populi, S. 872 ff., 887 ff.; zum Rechtsprechungsbegriff K. A. Bettermann, Die rechtsprechende Gewalt, HStR, Bd. III, § 73, Rdn. 17 ff., zur Erkenntnisfähigkeit, Rdn. 33, 38.

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nannt (BVerwGE 15, 207 (208); 24, 60 (63 f.); 45, 162 (164 ff.); 88, 35 (37 ff.); 94, 307; BVerfGE 84, 34 (50))935, desto geringer ist die Bindung der Richter an das Gesetz. Die Richter müssen die Gesetze interpretieren, um erkennen zu können, welche Sollenssätze die Gesetze vorschreiben. Die Interpretation der Gesetze gehört zur Rechtsprechung, ist aber zugleich funktional (rechtserkennende) Rechtsetzung. Die richterlichen Erkenntnisse des Sollens, welche die Richter durch Interpretation der Gesetze gewinnen, entfalten, solange sie nicht zu Gewohnheitsrecht erstarkt sind936, keine allgemeine Verbindlichkeit, auch nicht durch den Gleichheitssatz937. Sie bestimmen lediglich die Entscheidung des Prozesses, den der jeweilige Richter zu entscheiden hat. Nach der Entscheidung des Prozesses ist die gesetzeshafte Erkenntnis des Richters nur noch von präjudizieller Relevanz, die keinen Richter in einem anderen Prozeß zu binden vermag. Lediglich die Vorschriften, welche mit der Rechtsfortbildung die Einheitlichkeit der Rechtsprechung zu fördern bemüht sind, geben Präjudizien gewisse Relevanz, ohne aber den prozeßentscheidenden Richter materiell zu binden. Unberührt von dieser Dogmatik der bloßen Abhängigkeit des Richters vom Gesetz haben die Richtersprüche in der Praxis erhebliche präjudizielle Wirkung, weil die Richter gleichliegende Fälle nicht anders zu entscheiden pflegen als eben diese Präjudizien. Präjudizien beeinflussen die Rechtserkenntnis von Richtern in hohem Maße938. Aufgrund dieser Erfahrung überträgt Art. 95 Abs. 3 GG den obersten Gerichten die Rechtsvereinheitlichung und die Rechtsfortbildung. Freilich sind die unteren Gerichte an die Erkenntnisse der höheren Gerichte gebunden, aber nur in derselben Sache939. Mehr und mehr werden aus Kostengründen Rechtsmittel und Rechtsbehelfe gegen Richtersprüche zurückgedrängt, etwa durch die Zulassungsberufung (§ 124 VwGO). Das stärkt die Macht jedes Richters, auch der Richter in den unteren Instanzen.

935 Etwa F. Ossenbühl, Arten der Rechtsquellen, § 6, Rdn. 23 ff., S. 210 ff.; H. Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 7, Rdn. 27 ff., 51 ff., S. 142 ff., 155 ff.; kritisch K. A. Schachtschneider, Grundbegriffe des Allgemeinen Verwaltungsrechts, S. 59 ff. 936 Gewohnheitsrecht bildet sich durch die langdauernde Übung (usus longaevius, longa consuetudo) einer Rechtspraxis in der Überzeugung, daß diese Praxis Recht sei (opinio necessitatis/opinio iuris); i. d. S. BVerfGE 9, 10 (117); 15, 225 (232 f.); 22, 114 (121); 28, 21 (28 f.); 34, 293 (303 ff.); vgl. F. Ossenbühl, Arten der Rechtsquellen, § 6 VIII, Rdn. 71 ff., S. 164 ff.; K. A. Schachtschneider, Das Sittengesetz und die guten Sitten, FS W. Thieme, 1993, S. 206 ff.; ders., Staatsunternehmen und Privatrecht, S. 429 ff.; grundsätzlich W. Fikentscher, Methoden des Rechts, Band III, 1976, S. 691 ff., 689 ff.; H. Krüger, Allgemeine Staatslehre, S. 483 ff. 937 K. A. Bettermann, Die rechtsprechende Gewalt, HStR, Bd. III, § 73, Rdn. 28. 938 Dazu M. Kriele, Theorie der Rechtsgewinnung, S. 161, 164 ff., 234 ff., 269 ff. 939 Vgl. K. A. Bettermann, Die rechtsprechende Gewalt, HStR, Bd. III, § 73, Rdn. 28; K. A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 893.

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b) Mittels der Billigkeitsklauseln (etwa §§ 319, 829, 847, 1381, 1576, 1579 BGB, u. ö.) überträgt der Gesetzgeber den Richtern explizit die Bildung der streitentscheidenden Rechtssätze, delegiert also die Gesetzgebungsfunktion an die Gerichte940. Die Fragwürdigkeit der Billigkeitsmaxime hat Kant in dem Sinnspruch erfaßt: „Summum ius, summa iniuria“, und in einem „Gerichtshof der Billigkeit einen Widerspruch“ gesehen941. Die Richter sind gehalten, sachgerecht, in Abwägung aller Umstände und Interessen, die Streitigkeiten zu entscheiden. Sie bilden dabei neues Recht, das sie meist in gleichen Streitfällen zur Grundlage ihrer Erkenntnis machen. Sie wenden in Billigkeitsentscheidungen das Gesetz an, welches sie selbst gegeben haben942. Die Einzelfallgerechtigkeit aufgrund der Billigkeitsklauseln darf sich nicht von dem Allgemeinheitsprinzip des Gesetzesstaates lösen943. Auch durch die Gute-Sitten-Klauseln, etwa in § 138 Abs. 1 und § 826 BGB (oder früher, bis zum 7. Juli 2004, in § 1 UWG), welche die Entscheidungen der Richter entweder an die Gesetze bestimmter Gruppen oder auch des ganzen Volkes (eine Art unmittelbarer Gesetzgebung durch konsensuale Bestimmungen des Richtigen) binden944 oder ihnen (für weite Bereiche des Geschäftslebens, insbesondere für den Wettbewerb) die Gesetzgebungsfunktion delegieren945, zieht sich der institutionelle Gesetzgeber, insbesondere die Legislative, aus der Verantwortung für das Recht zurück, weitestgehend unvermeidlich. Den Gerichten erwächst daraus eine weitreichende Rechtsetzungsgewalt, eine politische Macht. Wichtige Lebensbereiche sind so gut wie gar nicht gesetzlich geregelt. Insbesondere fehlt es an einem Arbeitsgesetzbuch. Das Arbeitsrecht ist weitestgehend Richterrecht946. Die Gesetzgebungsbefugnis der Gerichte ist Kennzeichen des Richterstaates947. 940 Dazu K. A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 881 f.; differenzierend K. A. Bettermann, Die rechtsprechende Gewalt, HStR, Bd. III, § 73, Rdn. 49 ff., insb. Rdn. 58 f. 941 Metaphysik der Sitten, S. 341 f. 942 Dazu K. A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 880 ff., 890 ff. 943 Dazu E. Kaufmann, Die Gleichheit vor dem Gesetz im Sinne des Art. 109 der Reichsverfassung, VVDStRL 3 (1927), S. 21. 944 So K. A. Schachtschneider, Staatsunternehmen und Privatrecht, S. 363 ff. (368 ff.), 421 ff.; ders., Das Sittengesetz und die guten Sitten, FS W. Thieme, S. 206 ff., 220 ff. 945 Dazu K. A. Schachtschneider, Staatsunternehmen und Privatrecht, S. 385 ff.; ders., Das Sittengesetz und die guten Sitten, FS W. Thieme, S. 206 ff. 946 Dazu BAGE 23, 292 (319 f.); 33, 140 (159 f.) zum gesetzesvertretenden Richterrecht für den Arbeitskampf; vgl. auch BVerfGE 84, 212 (226 f., 228 f.); 88, 103 (115 f.); K. A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 877; ders., Streik im öffentlichen Dienst, S. 234, 281, 283. 947 Dazu C. Schmitt, Das Reichsgericht als Hüter der Verfassung, 1929, in: ders., Verfassungsrechtliche Aufsätze aus den Jahren 1924 bis 1954, 1958, S. 77 ff.; R. Marcic, Vom Gesetzesstaat zum Richterstaat. Recht als Maß der Macht. Gedanken über den demokratischen Rechts- und Sozialstaat, 1957, S. 248 ff. (251).

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c) Die Funktionenteilung zwischen der Rechtsetzung (Gesetzgebung) und der Rechtsprechung ist somit nicht identisch mit der institutionellen Unterscheidung der Organe der Legislative und der Judikative. In der Praxis folgt die Legislative häufig den Entwicklungen der Rechtsprechung. Ein Beispiel ist das Gesetz zur Regelung des Rechts der allgemeinen Geschäftsbedingungen von 1976 in der Fassung der Bekanntmachung vom 29. Juni 2000 (BGBl I, S. 946)948. Die gesetzgeberische Funktion der Rechtsprechung ist angesichts der Mannigfaltigkeit der Lebensverhältnisse unvermeidlich, aber nur tragfähig, wenn die Richter in stellvertretender Sittlichkeit, also allein ihrem Gewissen verpflichtet, für das Volk das Recht zu erkennen bemüht sind, nicht anders als dies die Abgeordneten in den Parlamenten sollen (Art. 38 Abs. 1 S. 2 GG)949. „Die Richter sind unabhängig und nur dem Gesetz und ihrem Gewissen unterworfen“, hatte Art. 132 HChE formuliert950. Erich Kaufmann hat vom „Rechtsgewissen“ der „gerechten Rechtspersönlichkeit“ gesprochen951. Richter haben in Streitfällen verbindlich das Recht zu klären952. Sie sind an die Gesetze gebunden, aber sie bestimmen zum einen, welche Gesetze Recht schaffen und geben zum anderen die Gesetze selbst953. Die Richter dürfen sich durch ihre Macht des letzten Wortes in Sachen des Rechts und damit des letzten Wortes in allen streitigen staatlichen und privaten Angelegenheiten des Gemeinwesens nicht zum Herren der Menschen erheben. Die Richter müssen sich stets ihrer dienenden (diakonischen) Funktion als Organwalter des Volkes (Art. 20 Abs. 2 S. 2 GG) bewußt sein. Richter, die nicht zum Volk gehören, können demgemäß nicht namens des Volkes Recht sprechen. „Das Richtertum ist“ nicht „Platzhalter und Stellvertreter Gottes“, wie René Marcic es (im wahrsten Sinne des Wortes) verherrlicht hat954. d) Durch die Praxis der Gerichte entwickelt sich das Richterrecht, welches die Gesetze ergänzt oder auch ersetzt, aber den Richter nicht im Sinne des Art. 97 Abs.1 GG bindet, solange es nicht gesetzesgleiches Gewohnheitsrecht geworden ist955. Die Gerichte können (ohne Gleichheitsverstoß, wenn sie neue 948 Dazu H. Kötz/J. Basedow/J. W. Gerlach, in: Münchener Kommentar, Bürgerliches Gesetzbuch, Bd. 1, Allgemeiner Teil (§§ 1–240); AGB-Gesetz, 3. Aufl. 1993, S. 1787 ff. 949 H.-M. Pawlowski, Methodenlehre für Juristen, S. 352 ff., auch S. 106 ff.; K. A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 490 ff., 560 ff., 584 ff., 617 ff., 707 ff., 873, 878 f. 950 Vgl. K.-B. Doemming, Entstehungsgeschichte der Artikel des Grundgesetzes, JöR N.F., 1951, Bd. I, S. 716 ff. 951 Die Gleichheit vor dem Gesetz im Sinne des Art. 109 der Reichsverfassung, VVDStRL 3 (1927), S. 22. 952 BVerfGE 2, 380 (403 ff.); K. A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 872 f., 879, 885; dazu C. Schmitt, Der Hüter der Verfassung, S. 36 ff. 953 K. A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 870 ff. 954 Vom Gesetzesstaat zum Richterstaat, S. 248 ff. (251, 258, 260, 268); dazu K. A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 877 f.

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Erkenntnis gewinnen) ihre Materialisierung offener Gesetzesbegriffe und ihre Billigkeitspraxis ändern956, nicht aber die Gesetze der Legislative. Die gesetzgebende Rechtserkenntnis gehört zur Funktion der rechtsprechenden Gewalt957. Das Bundesverfassungsgericht räumt den Gerichten weitgehende Befugnisse zur rechtsetzenden Rechtserkenntnis, „zur schöpferischen Rechtsfindung nach den Maßstäben der praktischen Vernunft“ und den „fundierten allgemeinen Gerechtigkeitsvorstellungen der Gemeinschaft“ ein, weil die „Lückenlosigkeit der positiven staatlichen Rechtsordnung . . . praktisch unerreichbar“ sei (etwa BVerfGE 3, 225 (243 f.); 34, 269 (286 ff.); 66, 116 (138); 66, 337 (355); 69, 315 (371 ff.); 71, 354 (362 ff.)). Die Gesetze müssen die Richter soweit als möglich binden. Das gebietet die demokratisch und rechtsstaatlich begründete Funktionenteilung der staatlichen Repräsentationsorgane des Art. 20 Abs. 2 und 3 GG958. „Die Urteile“ sollen „nie mehr als ein genauer Gesetzestext“ sein (Montesquieu)959. Freilich ist die Bindungsmöglichkeit begrenzt. Darum wird die Gesetzesbindung durch das Amtsprinzip um die persönliche Verantwortung der Richter für die Rechtlichkeit ihrer Rechtserkenntnisse (Richtersprüche) ergänzt. 7. Gesetzgebung der Verfassungsrechtsprechung Die Verfassungsgerichte sind funktional wichtige und mächtige Gesetzgeber. a) Die Verfassungsrechtsprechung verantwortet die Rechtlichkeit der Gesetze. Die Gerichte haben die Gesetzgeber daraufhin zu kontrollieren, ob diese die Verfassung und die Verfassungsgesetze eingehalten haben. Das ergibt sich aus deren Vorrang vor dem Gesetz, welchen Art. 20 Abs. 3 GG bestätigt, der „die Gesetzgebung an die verfassungsmäßige Ordnung“ bindet. Nach Art. 1 Abs. 3 GG binden die Grundrechte auch die Gesetzgebung und nach Art. 19 Abs. 2 GG darf „in keinem Fall ein Grundrecht in seinem Wesensgehalt angetastet werden“960. Die verfassungsmäßige Ordnung ist durch offene Prinzipien, insbesondere das Sozialprinzip961, gekennzeichnet. Die Grundrechte sind politische 955 Dazu K. A. Schachtschneider, Das Sittengesetz und die guten Sitten, FS W. Thieme, S. 206 ff. 956 K. A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 890 f. 957 K. A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 892 ff. 958 Dazu K. A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 850, 866 ff., 882 ff., 887 ff. 959 Vom Geist der Gesetze, XI. Buch, 6. Kap. (S. 215). 960 Dazu P. Häberle, Die Wesensgehaltsgarantie des Art. 19 Abs. 2 Grundgesetz. Zugleich ein Beitrag zum institutionellen Verständnis der Grundrechte und zur Lehre vom Gesetzesvorbehalt, 1962, 3. Aufl. 1983; K. A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 819 ff.; zur Wesensgehaltsjudikatur des Europäischen Gerichtshofs A. Emmerich-Fritsche, Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, S. 348 ff. 961 Dazu 2. Kap., III, 6. Kap., I, 5.

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10. Kap.: Besondere Organe

Leitentscheidungen, die der Gesetzgeber in praktischer Vernunft zu verwirklichen hat962. Die Eigentumsgewährleistung des Art. 14 Abs. 1 GG etwa steuert mit dem Recht auf Eigentum, das gemäß dem Sozialprinzip zu entfalten ist, die Sozialordnung, also die Verteilung der Lebensmöglichkeiten963. Die allgemeine Freiheit als ein formales Prinzip wird durch Gesetze der praktischen Vernunft verwirklicht, auf die die Menschen Anspruch haben. Die Sittlichkeit, also die praktische Vernünftigkeit (Sachlichkeit, Wissenschaftlichkeit) der Gesetze, hängt von der Moralität der Vertreter des Volkes in den Organen der Gesetzgebung ab, ist aber institutionell von den Gerichten überprüfbar, weil auch Art. 2 Abs. 1 GG, das Freiheitsgrundrecht, die Gesetzgebung bindet. Im übrigen läßt die Würde des Menschen (Art. 1 Abs. 1 S. 1 GG) nur eine Gesetzgebung der praktischen Vernunft zu, weil nur eine solche der Autonomie des Willens, der Freiheit, gemäß ist, wenn die Gesetzgebung denn schon repräsentativ ist. Demgemäß verantwortet die Gerichtsbarkeit die praktische Vernunftmäßigkeit (die Sittlichkeit) der Gesetze oder eben das Recht964. Der unabdingbare Wesensgehaltsschutz der Grundrechte (Art. 19 Abs. 2 GG) überträgt den Gerichten die Verantwortung für die Politik, die sie im Interesse der gewaltenteiligen Funktionenordnung und der gebotenen Zurückhaltung gegenüber der Politik der Legislative wahrzunehmen haben (BVerfGE 36, 1 (14 f.); 35, 257 (262); 59, 300 (377))965. Weil die Politik der Republik „ausübende Rechtslehre“ (Kant)966 ist, gibt es keinen Gegensatz von Recht und Politik und in der politischen Verantwortung keinen Gegensatz von Gesetzgebung und Rechtsprechung967. Folglich haben die Gerichte, letztlich die Verfassungsgerichte, als Organe der Rechtsprechung eine gesetzgeberische Funktion968. Jede Politik ist judiziabel, auch die 962 BVerfGE 84, 130 (142); 84, 212 (228), für vorbehaltlose Grundrechte, wie Art. 9 Abs. 3 GG; K. A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 819 ff., 831 ff., 1013. 963 K. A. Schachtschneider, Das Recht am und das Recht auf Eigentum, FS W. Leisner, S. 755 ff.; ders., Freiheit in der Republik, 10. Kap., III. 964 Zum Ganzen K. A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 275 ff., 325 ff., 410 ff., insb. S. 494 ff., 519 ff., 978 ff. (zur Judiziabilität der praktischen Vernunft); ders., Freiheit in der Republik, 7. Kap., II. 965 K. Stern, Verfassungsgerichtsbarkeit zwischen Recht und Politik, 1980, S. 25 ff.; ders., Staatsrecht I, S. 135; ders., Staatsrecht II, S. 958 f.; K. A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 955 ff. 966 Zum ewigen Frieden, S. 229. 967 Dazu H. Triepel, Wesen und Entwicklung der Staatsgerichtsbarkeit, VVDStRL 5 (1929), S. 2 ff. (8, 28); C. Schmitt, Der Hüter der Verfassung, S. 36 ff., 180 ff.; K. A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 909 ff. m. Hinw.; vgl. den Status-Bericht des Bundesverfassungsgerichts, JöR N.F. Bd. 6 (1957), S. 145; G. Leibholz, Bericht des Berichterstatters an das Plenum des Bundesverfassungsgerichts zur „Status“-Frage, JöR N.F. Bd. 6 (1957), S. 120 ff.; zum Ganzen die Beiträge in: P. Häberle (Hrsg.), Verfassungsgerichtsbarkeit, 1976. 968 E. Kaufmann, Die Gleichheit vor dem Gesetz im Sinne des Art. 109 der Reichsverfassung, VVDStRL 3 (1927), S. 3 ff., 9 ff., 20 ff.; K. A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 858 ff., 909 ff.

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Außenpolitik, insbesondere die Integrationspolitik969. Die politische Verantwortung insbesondere der Verfassungsgerichte, deren Gesetzgebungsfunktion, kennzeichnet den Verfassungsstaat, der auch Verfassungsgerichtsstaat ist und um des Rechts willen sein muß, zumal solange die Gesetzgebung nicht wirklich demokratisch ist, d.h. eine plurale Parteienoligarchie der Republikanität des Gemeinwesens entgegensteht970. Die Republik ist (auch) Richterstaat971. b) Jedes Gericht ist Verfassungsgericht; denn jedes Gericht, jeder Richter, hat in jedem Prozeß die Rechtsfrage zu stellen, also die Verfassungsmäßigkeit der Gesetze zu prüfen, an Hand derer er den Streitfall zu entscheiden hat. Jedes Gericht hat die Normenprüfungspflicht (BVerfGE 47, 146 (164)972. Nur das Bundesverfassungsgericht darf aber nach Art. 100 Abs. 1 GG formelle und nachkonstitutionelle Bundesgesetze für nichtig erklären (Normenverwerfungsmonopol, BVerfGE 1, 184 (188 ff.); 48, 40 (45); 70, 126 (127, 129); st. Rspr.)973. Immerhin darf und muß jedes Gericht nach der Praxis die Gesetze verfassungskonform interpretieren, also eine an sich nach den Auslegungsmethoden gebotene Interpretation des Gesetzes verwerfen, wenn es das Gesetz in dieser Interpretation für verfassungswidrig hält und mit einer der Verfassung und dem Verfassungsgesetz gemäßen Interpretation das Gesetz anwenden, wenn diese Interpretation mit dem Wortlaut und Sinn des Gesetzes noch vereinbar ist (BVerfGE 42, 91 (95); 48, 40 (45); 70, 134 (137); 72, 278 (285))974. Das überträgt den Fachgerichten gesetzgeberische Funktion und gibt diesen eine nicht geringe politische Macht. Freilich sind auch die Rechtssätze des Grundgesetzes interpretierbar, zumal wenn sie in ihrer republikanischen Systematik begriffen werden und nicht mittels verfassungswidriger Topoi, wie dem der Herrschaftlichkeit des Staates975, die Einheit des Verfassungsgesetzes aufgehoben wird. 969 Richtig BVerfGE 89, 155 ( 171 ff., 180 ff.); dagegen überaus zurückhaltend der Euro-Beschluß BVerfGE 97, 350 (370 ff.); dazu (kritisch) K. A. Schachtschneider, Der Euro-Beschluß des Bundesverfassungsgerichts, IHI-Schriften 9 (1998), S. 19 ff.; ders., Die Rechtsverweigerung im Euro-Beschluß des Bundesverfassungsgerichts, in: W. Hankel u. a., Die Euro-Illusion, S. 274 ff. 970 Dazu K. A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 720 ff., 772 ff., 937 ff., 1945 ff.; ders., Der republikwidrige Parteienstaat, FS H. Quaritsch, S. 141 ff. 971 R. Marcic, Vom Gesetzesstaat zum Richterstaat, S. 248 ff., 258 ff., 263 ff., 275 ff. 972 BVerfGE 1, 184 (197 ff.); 6. 222 (232 ff.); 17, 208 (209 f.); W. Löwer, Zuständigkeiten und Verfahren des Bundesverfassungsgerichts, HStR, Bd. II, § 57, Rdn. 66, 73; K. A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 901 ff., 907 ff. 973 W. Löwer, Zuständigkeiten und Verfahren des Bundesverfassungsgerichts, HStR, Bd. II, § 57, Rdn. 66 f., 73 ff.; K. Stern, Staatsrecht II, S. 988 ff.; K. A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 903 ff., 1013. 974 W. Löwer, Zuständigkeiten und Verfahren des Bundesverfassungsgerichts, HStR, Bd. II, § 57, Rdn. 111 f.; kritisch K. Stern (M. Sachs), Staatsrecht III/1, S. 1316 ff.; K. A. Bettermann, Die verfassungskonforme Auslegung, Grenzen und Gefahren, 1986, ins. S. 31 f.; K. A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 906. 975 Dazu (kritisch) K. A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 71 ff.

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10. Kap.: Besondere Organe

Zu den Rechtsetzungsorganen der Bundesrepublik Deutschland im funktionalen Sinne gehören somit auch die Organe der Rechtsprechung im institutionellen Sinne, insbesondere das Bundesverfassungsgericht und die Landesverfassungsgerichte, aber auch (demokratisch fragwürdig) der Europäische Gerichtshof, dessen „Rechtsprechung“ Integrationspolitik ist, welcher seine durch den Gemeinschaftsvertrag begründete Aufgabe, „die Wahrung des Rechts bei der Auslegung und Anwendung dieses Vertrages zu sichern“ (Art. 220 EGV), durch Entwicklung von allgemeinen Rechtsgrundsätzen bis hin zu Grundrechten überschreitet976. Die Rechtsetzungsfunktion der Gerichte widerspricht nicht der Verfassung der Republik, sondern gibt dieser einen besonderen richterstaatlichen Charakter. Sie kompensiert Mängel des republikwidrigen Parteienstaates, freilich nur begrenzt, weil gerade die Verfassungsrichter zur classa politica gehören. Die praktische Vernunft ist bei den Richtern der Verfassungsgerichte immer noch besser aufgehoben als bei Parteitagsdelegierten, wenn auch die Praxis erwiesen hat, daß die Verfassungsgerichte weitgehend in die Parteienoligarchie eingebunden sind.

II. Rechtsprechung 1. Gerichte als Ämter der Rechtsprechung a) „Die rechtsprechende Gewalt ist den Richtern anvertraut; sie wird durch das Bundesverfassungsgericht, durch die in diesem Grundgesetze vorgesehenen Bundesgerichte und durch die Gerichteder Länder ausgeübt“ (Art. 92 Abs. 1 GG). Den Richtern ist durch Art. 92 GG (nur) die staatliche Rechtsprechung vorbehalten (vgl. BVerfGE 4, 74 (92); 10, 200 (213 ff.); 14, 56 (65 ff.); 18, 241 (253 ff.); 26, 186 (194 ff.); 48, 300 (315))977. Richter üben ihr Amt in Gerichten des Staates aus. Gerichte sind eigenständige Ämter mit einem oder mehreren Spruchstellen (Einzelrichter, Kammern, Senate, u. a.), deren Aufgabe insbesondere die Entscheidung von Rechtsstreitigkeiten durch verbindliche Klärung des Rechts im Streitfall durch (um der Neutralität der Rechtsprechung willen, BVerfGE 3, 377 (381); 4, 331 (346); 14, 56 (69); 18, 241 (255); 21, 139 (145 ff.); 26, 186 (198); 27, 312 (322); 60, 175 (202 ff.); 66, 66 (68))978 unabhängige Amtswalter (Richter) ist979. Bestimmte staatliche Maßnahmen sind den Gerichten vorbehalten, obwohl kein Rechtsstreit bestehen muß, wie die Bestra976 Dazu II, 1, c, auch 4. Kap., III, 11.; vgl. K. A. Schachtschneider, Rechtsschutz durch den Europäischen Gerichtshof, § 11, in: ders. (Hrsg.), Das Verfassungsrecht der Europäischen Union; mit beachtlichen Argumenten a. A. A. Emmerich-Fritsche, Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, S. 96 ff.; zur Fortentwicklung des Rechts durch Rechtsprechung (Richterrecht) 6. Kap., II, 1, c mit Fn. 468. 977 K. A. Bettermann, Die rechtsprechende Gewalt, HStR, Bd. III, § 73, Rdn. 72 ff. 978 K. A. Bettermann, Die rechtsprechende Gewalt, HStR, Bd. III, § 73, Rdn. 34.

II. Rechtsprechung

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fung (BVerfGE 8, 197 (207); 12, 264 (274); 22, 49 (79); 64, 261 (278); BGHZ 82, 34 (40))980. Das Verbot von Parteien (Art. 21 Abs. 2 S. 2 GG), der Ausspruch der Verwirkung der Grundrechte (Art. 18 S. 2 GG), die Amtsenthebung des Bundespräsidenten (Art. 61 GG) sowie die Entlassung oder Versetzung der Bundesrichter (Art. 98 Abs. 2 GG) und auch der Landesrichter (Art. 98 Abs. 4 S. 2 GG) sind Sache des Bundesverfassungsgerichts981. b) Die Gerichtsbarkeit teilt sich, abgesehen von den Gemeinschaftsgerichten und den (sonstigen) internationalen Gerichten, in die Gerichte des Bundes und der Länder: Bundesverfassungsgericht, Art. 93 f. GG, oberste Gerichtshöfe des Bundes für die Gebiete der ordentlichen, der Verwaltungs-, der Finanz-, der Arbeits- und der Sozialgerichtsbarkeit, nämlich den Bundesgerichtshof in Karlsruhe und Erfurt, das Bundesverwaltungsgericht früher in Berlin, jetzt in Leipzig, den Bundesfinanzhof in München, das Bundesarbeitsgericht in Erfurt und das Bundessozialgericht in Kassel, Art. 95 Abs. 1 GG, sowie Bundesgerichte für Angelegenheiten des gewerblichen Rechtsschutzes, die Wehrstrafgerichte und Bundesdisziplinargerichte (Art. 96 GG) und die Gerichte der Länder in den verschiedenen Gerichtsbarkeiten, nämlich der Zivil- und Strafgerichtsbarkeit (Amtsgerichte, Landgerichte, Oberlandesgerichte (Kammergericht, Berlin), die Verwaltungsgerichtsbarkeit (Verwaltungsgerichte, Oberverwaltungsgericht, Verwaltungsgerichtshof in Bayern), die Finanzgerichtsbarkeit (Finanzgerichte), die Arbeitsgerichtsbarkeit (Arbeitsgerichte, Landesarbeitsgerichte), die Sozialgerichtsbarkeit (Sozialgerichte, Landessozialgerichte) und verschiedene Sondergerichtsbarkeiten, etwa in Landwirtschaftssachen. Die Zivilgerichte, die im Gerichtsverfassungsgesetz (GVG) vom 27. Januar 1877, in der Fassung der Bekanntmachung vom 9. Mai 1975, institutionalisiert sind, verfahren (im Wesentlichen) nach der Zivilprozeßordnung (ZPO) vom 30. Januar 1877, in der Fassung vom 12. September 1950, die Strafgerichte, ebenfalls im Gerichtsverfassungsgesetz institutionalisiert, nach der Strafprozeßordnung (StPO) vom 7. April 1987, die Verwaltungsgerichte nach der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) vom 21. Januar 1960, in der Fassung der Bekanntmachung vom 19. März 1991, die Arbeitsgerichte nach dem Arbeitsgerichtsgesetz (ArbGG) vom 2. Juli 1979, die Finanzgerichte nach der Finanzgerichtsordnung (FGO) vom 6. Oktober 1965, die Sozialgerichte nach dem Sozialgerichtsgesetz (SGG) vom 3. September 1953, jeweils sowohl die Gerichte der Länder und des Bundes, das Bundes-

979 K. A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 870 ff. (872 f.); 885 ff., 1137 ff.; i. d. S. auch K. A. Bettermann, Die rechtsprechende Gewalt, HStR, Bd. III, § 73, Rdn. 33, 38; genau R. Berenbrok, Das Recht des Notvorstandes der Aktiengesellschaft, S. 10 ff. 980 Vgl. auch BVerfGE 22, 125 (130); 27, 36 (40); 45, 272 (288 f.); dazu kritisch K. A. Bettermann, Die rechtsprechende Gewalt, HStR, Bd. III, § 73, Rdn. 20 ff. 981 Dazu K. A. Bettermann, Die rechtsprechende Gewalt, HStR, Bd. III, § 73, Rdn. 67 ff.

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10. Kap.: Besondere Organe

verfassungsgericht nach dem Bundesverfassungsgerichtsgesetz (BVerfGG) von 1951, in der Fassung der Bekanntmachung vom 11. August 1993. c) Der Europäische Gerichtshof (Art. 7 Abs. 1 und Art. 220 ff. EGV) und das „Gericht erster Instanz“, das aufgrund des Art. 225 EGV dem Gerichtshof beigeordnet ist, haben die Aufgabe, „die Wahrung des Rechts bei der Auslegung und Anwendung dieses Vertrags zu sichern“ (Art. 220 EGV)982. Diese Gerichte sind gemäß Art. 23 Abs. 1 S. 1 GG in die Organisation der Ausübung der Staatsgewalt des (deutschen) Volkes nach Art. 20 Abs. 2 GG integriert983, aber nicht demokratisch legitimiert, weil allenfalls der Richter des jeweiligen Mitgliedstaates eine (überaus schwache) demokratische Legitimation des jeweiligen Volkes hat. Er wird „von den Regierungen der Mitgliedstaaten in gegenseitigem Einvernehmen auf sechs Jahre ernannt“ (Art. 223 Abs. 1 EGV), also kann jeder Mitgliedstaat jeden Richtervorschlag abweisen. Die derzeit 15 Richter kommen aus den verschiedenen Mitgliedstaaten. Art. 223 EGV schreibt nicht vor, daß alle Mitgliedstaaten bei der Vergabe der Richterstellen berücksichtigt werden müssen. Das steht aber im Vertrag von Nizza vom 26. Februar 2001, der am 1. Februar 2003 in Kraft getreten ist. Ein Gemeinschaftsorgan muß eine gewisse Schwächung der demokratischen Legitimation der Amtswalter hinnehmen, die nicht in gleicher Weise vom Volk gewählt oder berufen sein können, wie es das demokratische Prinzip an sich verlangt (vgl. BVerfGE 47, 253 (275); 83, 60 (71); 89, 155 (183 ff.))984. Aber die Legitimation der Gerichte der Europäischen Gemeinschaft unterschreitet das demokratische Minimum, zumal im Verhältnis zu ihrer politischen Macht. Sie werden ausgerechnet exekutiv von den Regierungen, nach aller Erfahrung den Widersachern der Rechtlichkeit der Politik, ernannt. Jeder Richter muß das Einvernehmen aller Regierungen haben, so daß er zwar von jedem Mitgliedstaat akzeptiert, aber doch nicht von seinem Staat allein bestimmt ist. Die Legislativen und die Judikativen sind an der Auswahl der Richter im Gegensatz zur innerstaatlichen Richterauswahl in Deutschland (vgl. etwa Art. 95 Abs. 2 GG, § 4 RiWahlG, Art. 34 ff. BayRichterG) nicht beteiligt. Die Exekutive vermag Richter nicht zu legitimieren, zumal in dem höchsten Gericht der Europäischen Union nur ein Richter aus einem Mitgliedstaat stammt und damit erwarten läßt, dessen Rechtsordnung zu kennen. Die rechtswissenschaftliche Befähigung, die Art. 223 EGV anspruchsvoll formuliert, gleicht dieses demokratische Defizit nicht aus. Der Europäische Gerichtshof und das Gericht erster Instanz sind somit keine Organe der Rechtspre982 Dazu K. A. Schachtschneider, Die Gerichtsbarkeit, § 10, und, Rechtsschutz durch den Europäischen Gerichtshof, § 11, in: ders. (Hrsg.), Das Verfassungsrecht der Europäischen Union. 983 Dazu 4. Kap., III, 1 und 6; vgl. K. A. Schachtschneider, Die existentielle Staatlichkeit der Völker Europas, S. 126 ff. 984 Dazu K. A. Schachtschneider, Demokratiedefizite in der Europäischen Union, S. 119 ff., insb. S. 137 ff.

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chung im demokratischen Sinne. Demgegenüber entscheiden sie die grundsätzlichsten und politisch weitreichendsten Rechtsfragen der Integration. Allenfalls eine enge Begrenzung auf die Auslegung und Anwendung der Gemeinschaftsverträge im Sinne des Prinzips der begrenzten Ermächtigung (BVerfGE 89, 155 (187 ff., 191 ff.)985, wie sie der Wortlaut des Art. 220 EGV vorsieht, wäre wegen des Integrationsprinzips mit dem demokratischen Prinzip vereinbar, nicht aber die umfassende Jurisdiktionsgewalt einschließlich der (geradezu aufgedrängten) Grundrechtsverantwortung (BVerfGE 37, 271 (280 ff.); 73, 339 (347 ff., 383 ff., 387); 89, 155 (174 f.);986. Die Gerichtsbarkeit der Europäischen Union ist mit der gegenwärtigen Macht ein Vorgriff auf den existentiellen Staat Europa und damit verfassungswidrig987. Die europäischen Gerichte sind keine Organe des Volkes im Sinne des Art. 20 Abs. 2 S. 2 GG, weil sie nicht hinreichend demokratisch legitimiert sind988. Sie sind dem völkerrechtlichen Gemeinschaftsvertrag nach Internationale Gerichte, deren Entscheidungsgegenstände auf den Streit zwischen den Staaten als Vertragspartner begrenzt sein müssen und deren Entscheidungen nur begrenzte Wirkung in den Staaten entfalten dürfen989. Keinesfalls steht diesen Gerichten das letzte Wort in Sachen des Rechts zu, insbesondere nicht in Sachen der Menschen- und Grundrechte. Auch die anderen Internationalen Gerichte, etwa der Europäische Gerichtshof für 985 Dazu 4. Kap., III, 5; K. A. Schachtschneider, Die existentielle Staatlichkeit der Völker Europas, S. 105 f. 986 BVerfG BayVBl 2000, S. 755 ff. (mit Anmerkung von A. Emmerich-Fritsche); K. A. Schachtschneider, Die existentielle Staatlichkeit der Völker Europas, S. 104 f.; ders./A. Emmerich-Fritsche, Das Verhältnis des Europäischen Gemeinschaftsrechts zum nationalen Recht Deutschlands, Teil II und III, DSWR 1999, S. 81 ff., 116 ff. 987 K. A. Schachtschneider, Die existentielle Staatlichkeit der Völker Europas, S. 126 ff.; ders., Eine Charta der Grundrechte für die Europäische Union, in: Aus Politik und Zeitgeschichte B 52–53/2000, S. 13 ff. (20 f.); vgl. schon ders., Verfassungsbeschwerde gegen den Vertrag von Maastricht vom 18. Dezember 1992, Schriftsatz vom 29. März 1993, in: I. Winkelmann (Hrsg.), Das Maastricht-Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 12. Oktober 1993. Dokumentation des Verfahrens mit Einführung, S. 376 ff. 988 K. A. Schachtschneider, Demokratiedefizite in der Europäischen Union, FS W. Hankel, S. 137 ff.; ders., Demokratierechtliche Grenzen der Gemeinschaftsrechtsprechung, FS H. H. v. Arnim, 2004, S. 779 ff.; ders., Verfassungsklage Dr. P. Gauweiler vom 27.5.2005, 2. Teil, F, VI, K. 989 I. d. S. für die Streitschlichtungsorgane der Welthandelsorganisation selbst der EuGH v. 18.12.1995 – Rs. 469/93 (Chiquita), Slg. 1995, I-4558, Rdn. 26 ff.; EuGH v. 5.10.1994 – Rs. C-280/93 (Deutschland/Rat), Slg. 1994, I-4973, Rdn. 103 bis 112; EuGH v. 23.11.1999 – Rs. C-149/96 (Portugal/Rat), Slg. 1999, I-8425, Rdn. 34 ff. (47 f.); anders für das Gerichtssystem des EWR EuGH v. 14.12.1991, Gutachten I/91 (Europäischer Wirtschaftsraum), Slg. 1991, I-6084, Rdn. 39 (Verbindlichkeit der Entscheidungen für die Organe der Gemeinschaft einschließlich des Gerichtshofs); anders auch EuGH v. 12.12.1972 – verb. Rs. 21–24/72 (International Fruit Company), Slg. 1972, 1219, Rdn. 19 ff.; dazu A. Emmerich-Fritsche, Recht und Zwang im Völkerrecht, insbesondere im Welthandelsrecht, S. 142 ff.; D. I. Siebold, Die Welthandelsorganisation und die Europäische Gemeinschaft, S. 201 ff.

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10. Kap.: Besondere Organe

Menschenrechte, der Internationale Völkerrechtsgerichtshof, der Internationale Strafgerichtshof und auch die Streitschlichtungsstellen der Welthandelsorganisation990, sind keine Organe, welche das Volk in der Rechtsprechung im Sinne des Art. 20 Abs. 2 S. 2 GG vertreten, also keine Gerichte im demokratischen Sinne. Die innerstaatliche Verbindlichkeit ihrer Entscheidungen steht anders als die des Europäischen Gerichtshofs und des Gerichts erster Instanz991 unter dem Vorbehalt der Gegenseitigkeit der Vertragserfüllung992. Ein Gericht muß das Vertrauen des Volkes dahinein haben, daß es Recht spricht. Das bedarf einer starken demokratischen Legitimation993. d) Private Rechtsprechung, etwa durch Schiedsgerichte, übt nicht im Namen des Volkes rechtsprechende Gewalt aus und kann durch private Gesetze (Satzungen, Verträge) nach Maßgabe des staatlichen Rechts, vor allem der §§ 1025 ff. ZPO, eingerichtet werden (BGHZ 65, 59 (61))994. Keine Schiedsgerichte sind die Parteigerichte nach § 14 ParteiG, die auch keine (staatlichen) Gerichte im eigentlichen Sinne sind, sondern parteiliche Schlichtungsstellen, deren Entscheidungen vor den staatlichen Gerichten (in der Praxis die Zivilgerichte) angefochten werden können995. Die kirchliche Gerichtsbarkeit übt Kirchenhoheit aus (Art. 137 Abs. 3 WRV in Verbindung mit Art. 140 GG)996. 2. Unabhängigkeit der Richter Staatliche Gerichte sind nur die Ämter, deren Amtswalter, die Richter nämlich, unabhängig sind (Art. 97 Abs. 1 GG)997. Sowohl die sachliche als auch die 990 Dazu 7. Kap., I, 3, a, dd; D. I. Siebold, Die Welthandelsorganisation und die Europäische Gemeinschaft, S. 162 ff., 184 ff. 991 Dazu K. A. Schachtschneider, Die Gerichtsbarkeit, § 10 II, IV, V. 992 So EuGH v. 23.11.1999 – Rs. C-149/96 (Portugal/Rat), Slg. 1999, I-8425; B. Simma, Das Reziprozitätselement im Zustandekommen völkerrechtlicher Verträge, 1972; A. Verdross/B. Simma, Universelles Völkerrecht, 3. Aufl. 1984, S. 63; O. Kimminich, Einführung in das Völkerrecht, 6. Aufl. 1997, S. 39 ff., 92 ff.; dazu D. I. Siebold, Die Welthandelsorganisation und die Europäische Gemeinschaft, S. 203 ff., 270 ff. 993 I. d. S. Montesquieu, Vom Geist der Gesetze, XI, 6 (S. 214): „Richterliche Befugnis darf nicht einem unabsetzbaren Senat verliehen werden, vielmehr muß sie von Personen ausgeübt werden, die nach einer vom Gesetz vorgeschriebenen Weise zu gewissen Zeiten im Jahr aus dem Volkskörper ausgesucht werden“. Ähnlich Kant, Metaphysik der Sitten, S. 436. 994 Dazu A. Baumbach/W. Lauterbach/J. Albers/P. Hartmann (Hrsg.), Zivilprozeßordnung, 55. Aufl. 1997, S. 2217 ff.; D. Kressel, Parteigerichtsbarkeit und Staatsgerichtsbarkeit, S. 133 ff. 995 KG NJW 1988, 3159; BGHZ 47, 172 (174); BGH NJW 1989, 1212 ff.; K. A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 1169 f.; D. Kressel, Parteigerichtsbarkeit und Staatsgerichtsbarkeit, S. 131 ff. 996 Dazu A. Hollerbach, Grundlagen des Staatskirchenrechts, HStR, Bd. VI, 1989, § 138, Rdn. 148 ff.

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persönliche Unabhängigkeit der Amtswalter gegenüber dem Staat, aber auch deren Neutralität und Distanz gegenüber den Verfahrensbeteiligten muß gewährleistet sein, damit die Richter „nur dem Gesetz unterworfen“ sind998, wie es Art. 97 Abs. 1 GG, eine zentrale Vorschrift des gewaltteilenden Rechtsstaates, vorschreibt, also Richter im rechtsstaatlichen Sinne sind (BVerfGE 3, 377 (381); 4, 331 (346); 14, 56 (59); 18, 241 (255); 21, 139 (145 f.); 27, 312 (322); 42, 64 (78); 60, 175 (214); BVerwGE 78, 216 (219)). Es genügt nicht, daß Beamte für die Richteraufgabe von Weisungen freigestellt werden (BVerfGE 4, 331 (346 f.)). Die Richter müssen auch in ihrer beruflichen Stellung unabhängig von der Verwaltung und damit von der Regierung, aber auch von dem Gesetzgeber sein. Diese Unabhängigkeit besteht erst, wenn die Richter hauptamtlich und planmäßig endgültig angestellt sind. 3. Demokratische Legitimation der Richter a) Über die Berufung der Richter der obersten Gerichtshöfe des Bundes entscheidet der zuständige Bundesminister gemeinsam mit einem Richterwahlausschuß, der aus den für das jeweilige Fachgebiet zuständigen Ministern der Länder und einer gleichen Anzahl von Mitgliedern besteht, die vom Bundestag gewählt werden (Art. 95 Abs. 2 GG). Die Länder können bestimmen, daß über die Anstellung der Richter in den Ländern der Landesjustizminister gemeinsam mit einem Richterwahlausschuß entscheidet (Art. 98 Abs. 2 GG; dazu BVerfGE 41, 1 (9 ff.)). Im Interesse der demokratischen Legitimation der rechtsprechenden Gewalt ist die Beteiligung von Abgeordneten an der Auswahl der Richter erforderlich, zumal das Volk die Richter nicht unmittelbar wählt (vgl. BVerfGE 41, 1 (9 ff.))999. Jeder Amtswalter muß in seinem Amt durch eine ununterbrochene Berufungskette, die sich auf die Wahlen des Volkes zurückführen läßt, legitimiert sein (BVerfGE 47, 253 (275)). Das überzeugt nicht und ist nur durchhaltbar, wenn die demokratischen Legitimationsprinzipien zur Substanzlosigkeit verwässert werden. Zunächst einmal darf nicht jeder Bürger zum Berufsrichter gewählt werden, sondern nur, wer die Befähigung zum Richteramt hat (§ 5 ff. DRiG). Auch die lebenslange Anstellung des Richters schließt es aus, von einer demokratischen Legitimation des Richters spezifisch durch den Einfluß des Parla997

Dazu G. Barbey, Der Status des Richters, HStR, Bd. III, 1988, § 74, Rdn. 27 ff.,

30 f. 998 Dazu G. Barbey, Der Status des Richters, HStR, Bd. III, 1988, § 74, Rdn. 32 ff.; K. A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 874 f.; weitgehend (Identität der Prinzipien der Unabhängigkeit und Gesetzesunterworfenheit der Richter) C. Schmitt, Hüter der Verfassung, S. 38 mit Fn. 2. 999 Vgl. i. d. S. Kant, Metaphysik der Sitten, S. 436.

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ments auf seine Anstellung zu sprechen. Personale demokratische Legitimation setzt die Periodizität der Wahlen voraus (vgl. BVerfGE 18, 151 (154); 44, 125 (139))1000, also die Abwählbarkeit des Amtswalters. Wer kann eine Persönlichkeitsentwicklung im Lauf von bis zu vier Jahrzehnten vorhersehen? In Deutschland haben dieselben Richter der konstitutionellen Monarchie bis 1918, der Republik (oft schlecht) bis 1933 und der (staatswidrigen) Führerherrschaft bis 1945, manchmal auch noch der Bundesrepublik gedient. Die Richter haben eine republikanische Legitimation, aber nur wenn sie in ihrer ganzen Persönlichkeit, also mit ihrem Gewissen, dem Recht verpflichtet und bestmöglich an das Gesetz gebunden sind1001, freilich nur in einer wirklichen Republik. Das Prinzip, daß alle Staatsgewalt vom Volke ausgeht (Art. 20 Abs. 2 S. 1 GG), wird durch die richterliche Bindung an das Gesetz (Art. 97 Abs. 1 GG) gestärkt, aber durch die Verantwortung der Richter für das Recht nicht schon verwirklicht. Für das republikanische und damit durch die Freiheit definierte demokratische Legitimationsniveau (vgl. BVerfGE 83, 60 (71); 89, 155 (172)) genügen die (begrenzt) demokratisch legitimierte Anstellung der Richter und ihre Gesetzesbindung nicht. Notwendig sind deren rechtswissenschaftliche Befähigung, langjährige Erfahrung in der Rechtspraxis und vor allem ein unerschütterliches Ethos der Unparteilichkeit1002, aber auch eine Stärkung der Stellung der Streitparteien, etwa des Rechts der Richterablehnung. b) In der Praxis hat das Prinzip bloß formaler demokratischer Legitimation zur pluralen Parteienoligarchie geführt, die zunehmend auch die Richterschaft parteilich ausrichtet, die Verfassungsrichter fast vollständig1003. Die Personalpolitik muß unabhängig von jeder parteipolitischen Einflußnahme sein. Es ist richtig, wenn die Auswahl der Richter wesentlich von den hinreichend objektivierten Prüfungsleistungen abhängig gemacht wird1004. Am besten würde es Art. 20 Abs. 2 S. 1 GG entsprechen, wenn die Richterwahlausschüsse unmittelbar vom Volk gewählt würden und die Parteien für die Kandidaten dieser Ausschüsse kein Vorschlagsrecht hätten; denn die Parteien haben wegen des faktischen Nominationsmonopols den wesentlichen Einfluß auf die Abgeordneten der Parlamente1005. Die Teilung der Ausübung der Staatsgewalt wird durch das Vor1000 Vgl. K. Stern, Staatsrecht I, S. 608 f.; K. A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 67, 539. 1001 Dazu K. A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 970 ff. 1002 Dazu 15. Kap., IV, 4. 1003 Dazu K. A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 49 f., 975 ff., 1113 ff.; W. Schmidt-Hieber/E. Kiesswetter, Parteigeist und politischer Geist in der Justiz, NJW 1992, 1790 ff.; U. Goll, Die Reform der Richterwahl. Ein Schritt zu mehr Transparenz und weniger Parteipolitik bei der Auswahl der Richter und Richterinnen der obersten Gerichtshöfe des Bundes, RuP 3/2001, S. 121 ff.; dazu 9. Kap., II, 2, b, c, d. 1004 Zum Prinzip der Bestenauslese (Art. 33 Abs. 2 GG) M. Sachs, Besondere Gleichheitsgarantien, HStR, Bd. V, 1992, § 126, Rdn. 144; vgl. BVerfGE 56, 146 (163); BVerwGE 24, 235 (239).

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schlagsrecht der Parteien unterminiert. Im Parteienstaat gibt es solange eine solche wirkliche Teilung nicht, als die Parteien auf alle drei Funktionen des Staates wesentlich Einfluß nehmen können1006. Dem Mißbrauch der Verfahrensregelungen, deren materielle Substanz verdrängt wird, muß durch ständige Anpassung der Verfahren an die Aufgabe entgegengewirkt werden. Gegenwärtig ist es die Aufgabe, die Herrschaft der parteilichen Parteien zurückzudrängen. In Großbritannien ist es mit dem Ethos eines Richters unvereinbar, Mitglied einer Partei zu sein. Die Republik ist die herrschaftsfreie Form der Demokratie, also die freiheitliche Demokratie1007. Die Richter sind in diesem Sinne republikanische Organe, wenn sie ihr Amt mit dem Ethos ausüben, durch die Erkenntnis des Rechts der Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit zu dienen. 4. Neutralität und Unparteilichkeit der Richter Der Richtigkeit der richterlichen Erkenntnisse dient die Neutralität der Richter gegenüber den Parteien nicht minder als die Unabhängigkeit der Richter von den Parteien. Die Richter dürfen an der Streitsache keinesfalls unmittelbar oder mittelbar beteiligt sein. Befangene Richter sind von der Amtswaltung ausgeschlossen. Sie müssen sich selbst aus dem Prozeß zurückziehen oder können als befangen abgelehnt werden (vgl. §§ 41 ff. ZPO, §§ 22 ff. StPO). Die Richter müssen sich passiv verhalten, d. h. sie haben nicht das Recht, Prozesse zu initiieren (ne eat (procedat) iudex ex officio; wo kein Kläger, da kein Richter) und den Gegenstand des Streits und der Entscheidung zu bestimmen. Der Entscheidungsgegenstand wird vielmehr durch den Antrag etwa des Klägers im Rahmen der Prozeßordnungen definiert (ne eat iudex ultra petita partium)1008. Die Neutralität der Richter in Prozessen, an denen der Staat beteiligt ist, wird durch organisatorische und persönliche Selbständigkeit der Gerichte und die persönliche Unabhängigkeit der Richter gefördert. Sie bleibt immer fragwürdig und kann ohne ein starkes richterliches Ethos der Unparteilichkeit1009 nicht erreicht werden.

1005 H. Triepel, Die Staatsverfassung und die politischen Parteien, 2. Aufl. 1930, S. 16 ff.; K. A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 123, 677, 1113; H. H. v. Arnim, Entmündigen die Parteien das Volk?, Parteienherrschaft und Volkssouveränität, in: Aus Politik und Zeitgeschichte B 21/90, S. 21. 1006 Dazu 9. Kap., II, auch 15. Kap., IV. 1007 K. A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 14 ff., 71 ff. 1008 Zur Dispositionsmaxime A. Blomeyer, Zivilprozeßrecht, Erkenntnisverfahren, 1963, S. 63 ff.; vgl. auch K. A. Bettermann, Die rechtsprechende Gewalt, HStR, Bd. III, § 73 Rdn. 35. 1009 Dazu 15. Kap., IV, 4.

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5. Verwaltungsfunktion der Judikative Die Judikative ist nicht nur mit Rechtsprechungsfunktionen betraut, sondern hat Teil an der vollziehenden Gewalt (BVerfGE 21, 139 (144); 64, 175 (179); 76, 100 (106))1010, vor allem im Bereich der freiwilligen Gerichtsbarkeit, etwa in Handels- und Familiensachen, und in der Justizverwaltung, die nicht nur Selbstverwaltung der Justiz ist (etwa die Notaraufsicht). Auch bei den Verwaltungsaufgaben bleiben die Richter unabhängig und nur dem Gesetz unterworfen (Art. 97 Abs. 1 GG); denn sie handeln als Richter (BVerfGE 22, 49 (78); 25, 336 (345 f.)).

III. Vollziehende Gewalt 1. Staatsleitung und Vollzug der Gesetze a) Die Exekutive bezeichnet das Grundgesetz als die „vollziehende Gewalt“ (Art. 1 Abs. 3, Art. 20 Abs. 2 und 3 GG). Diese Exekutive umfaßt die Regierung und die Verwaltung (BVerfGE 1, 327 (394); 95, 1 (15))1011. Im parlamentarischen Regierungssystem1012 haben sowohl die Regierung als auch das Parlament staatsleitende Verantwortung (BVerfGE 11, 77 (85); 26, 338 (395 f.); 45, 1 (46) für die Regierung). Klaus Stern spricht von der „Teilhabe des Parlaments an der Staatsleitung“1013. Das Bundesverfassungsgericht wie schon zuvor das Bundesverwaltungsgericht folgern aus der Institution der Regierung (etwa Art. 62 ff. GG) die Aufgabe der Regierung zur allgemeinen Staatsleitung und aus dieser (nicht im Grundgesetz explizierten) Aufgabe die für die Staatsleitung notwendigen Befugnisse, soweit nicht ein Gesetzesvorbehalt, insbesondere ein Gesetzesvorbehalt aus den Grundrechten, reiche (BVerfGE 105, 252 (268 ff.); BVerwGE 87, 37 (45 ff.)). Zur Staatsleitung gehöre die Befugnis zur Information der Öffentlichkeit über alle Politiken, für welche der Bund entweder die Gesetzgebungskompetenz habe oder welche die auswärtigen Angelegenheiten (insbesondere die 1010 Dazu K. A. Bettermann, Die rechtsprechende Gewalt, HStR, Bd. III, § 73, Rdn. 7; R. Berenbrok, Das Recht des Notvorstandes der Aktiengesellschaft, S. 7 ff. 1011 Dazu K. Stern, Staatsrecht I, S. 673 ff.; M. Schröder, Aufgaben der Bundesregierung, HStR, Bd. II, 1989, § 50, Rdn. 2 ff. 1012 Dazu K. Stern, Staatsrecht II, S. 677 ff.; P. Badura, Die parlamentarische Demokratie, HStR, Bd. I, 1987, § 23, Rdn. 10 ff.; H. H. Klein, Aufgaben des Bundestages, HStR, Bd. II, 1987, § 40, Rdn. 30 ff.; M. Schröder, Bildung, Bestand und parlamentarische Verantwortung der Bundesregierung, HStR, Bd. II, § 51, Rdn. 49 ff. 1013 Staatsrecht I, S. 956; so schon E. Friesenhahn, Parlament und Regierung im modernen Staat, VVDStRL 16 (1957), S. 37 f.; vgl. auch M. Schröder, Aufgaben der Bundesregierung, HStR, Bd. III, § 50, Rdn. 4; H. H. Klein, Aufgaben des Bundestages, HStR, Bd. II, § 40, Rdn. 8.

III. Vollziehende Gewalt

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Angelegenheiten der Europäischen Union) betreffe oder welche von überregionaler Bedeutung sei („gesamtstaatliche Verantwortung“), sei es auch nur deswegen, weil ein Ereignis das ganze Land in Aufregung versetzt habe („politische Krisenbewältigung“; „Effektivität der Problembewältigung“) (BVerfGE 105, 252 (268 ff., 278 f.); BVerwGE 87, 37 (47 f., 51)). Derartige Informationen sollen nicht einem grundrechtlichen Gesetzesvorbehalt unterliegen, selbst nicht, wenn sie vor bestimmten Produkten bestimmter Unternehmen oder Unternehmer warnen, wie im Beispiel des von den beiden Gerichten entschiedenen Glykol-Skandals (BVerfGE 105, 252 (264 ff., 268 ff., 272 ff.); BVerwGE 87, 37 (39 ff., 50)). Die Informationen müssen aber nicht nur die Zuständigkeit wahren, sondern auch sachlich und richtig sein (BVerfGE 105, 252 (268 ff., 272 ff.)). Derartige Informationstätigkeit der Regierung sei keine Verwaltung im Sinne der Aufgabenverteilung zwischen Bund und Ländern, welche Art. 83 ff. GG für die Ausführung der Bundesgesetze regele (BVerfGE 105. 252 (271)). Die Aufgaben und Befugnisse der Bundesregierung zur Staatsleitung würden eine „andere Regelung“ im Sinne des Art. 30 GG, der den Ländern die „Ausübung der staatlichen Befugnisse und die Erfüllung der staatlichen Aufgaben“ zuweise, „soweit dieses Grundgesetz keine andere Regelung trifft oder zuläßt“, treffen (BVerfGE 105, 252 (271); BVerwGE 87, 37 (51)). Damit haben die beiden Gerichte eine (informelle) informationelle Verfassungsordnung geschaffen, welche sich vom Grundgesetz löst, insbesondere entgegen Art. 1 Abs. 3 GG die Informationspolitik weitestgehend von der Grundrechtsbindung freistellt. Die Informationen sollen u. a. „den Bürgern zu Orientierungen verhelfen“, „Verhaltensempfehlungen“ „durch Aufklärung und Beratung“ für deren eigene Entscheidungen geben (BVerfGE 105, 252 (269 f.)). Diese skandalöse Rechtsprechung ebnet den Weg in den Propaganda- und Führerstaat und verletzt die Grundlagen von Demokratie und Rechtsstaat, vor allem das Gesetzlichkeitsprinzip, aber auch das föderalistische Prinzip. Auch die Regierung darf auf die Bürgerschaft nur einwirken, wenn ein Gesetz sie dazu ermächtigt. Die Institutionalisierung der Regierung begründet weder Aufgaben noch gar Befugnisse, zumal solche in besonderen Vorschriften eigens genannt sind. Sie hat die Öffentlichkeit über die politischen Maßnahmen, insbesondere über die Gesetzesvorhaben, bestmöglich zu informieren, weil sie für die Gesetzgebung Mitverantwortung trägt, insbesondere nach Art. 76 Abs. 1 GG das Gesetzesinitiativrecht hat. Diese öffentliche Information durch die Regierung gehört zur Gesetzgebung und ist deren demokratische Pflicht. Wenn diese Information jedoch Bürger in ihren Rechten beeinträchtigt, ist das Verwaltung, welche durch Gesetze, die den Grundrechten genügen, gerechtfertigt sein muß1014. b) Die vollziehende Gewalt hat die Gesetze zu vollziehen. Sie hat grundsätzlich keine andere Aufgabe. Allerdings ist diese Aufgabe außerordentlich vielfäl1014

Zum ganzen K. A. Schachtschneider, Produktwarnung, S. 83 ff., insb. S. 161 ff.

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10. Kap.: Besondere Organe

tig. Zu ihr gehört die Unterrichtung der Kinder und Jugendlichen, das Schulwesen, genauso wie die Verteidigung, das Wehrwesen. Prinzipiell gilt der Gesetzesvorbehalt, jedenfalls muß die Legislative das Wesentliche eines jeden Verwaltungsbereichs ordnen (Wesentlichkeitslehre)1015. Der (sogenannte) Verwaltungsvorbehalt sichert die Eigenständigkeit der Verwaltung gegenüber der Legislative, weitgehend etwa in Organisationsfragen1016, und gegenüber der Judikative, deren Sache nur die Rechtsklärung ist (BVerwGE 72, 300 (317); 76, 90 (93); 85, 323 (327 ff.)), so daß die Verwaltung Erkenntnis-, Bewertungs- und Gestaltungsspielräume hat1017. Die funktional jeweils bestgeeignete Organisation des Staates, auch legitimatorisch, soll tätig werden (BVerfGE 49, 89 (139); BVerfG DVBl 1985, 226 (228)). Ein funktionaler Kernbereich jeder staatlichen Organisation, auch der Verwaltung, ist gewährleistet (BVerfGE 30, 1 (27 f.); 34, 52 (59); 95, 1 (15 f.)). c) Exekutive Organe und Behörden der vollziehenden Gewalt, Verwaltungsträger also1018, gibt es auf den vier körperschaftlichen Ebenen des Staates, nämlich auf der Ebene der Europäischen Union, die Organe und Behörden der Europäischen Gemeinschaften, vor allem den Rat und die Kommission1019, auf der Ebene des Bundes, auf der Ebene der Länder und auf der Ebene der Gemeinden und Gemeindeverbände, also die territorialen eigenständigen Selbstverwaltungskörperschaften, insgesamt also die Gebietskörperschaften. Hinzu kommen die Sachkörperschaften, nämlich die Körperschaften, Anstalten und auch Stiftungen des öffentlichen Rechts, wie die Universitäten, die Kammern, u. a. m., die zur mittelbaren Staatsverwaltung gerechnet werden (BVerfGE 39, 302 (312); 62, 354 (369); 68, 123 (208); 70, 1 (16, 18); 73, 301 (315 ff.))1020, aber auch die Verwaltungseinheiten in privater Rechtsform, vor allem die privatistischen Unternehmen1021.

1015

Dazu 6. Kap., III, insb. 3. Vgl. H. Maurer/F. Schnapp, Der Verwaltungsvorbehalt, VVDStRL 43 (1985), S. 135 ff. bzw. 172 ff.; M. Schröder, Die Bereiche der Regierung und der Verwaltung, HStR, Bd. III, 1988, § 67, Rdn. 22 ff. 1017 K. A. Schachtschneider, Grundbegriffe des Allgemeinen Verwaltungsrechts, S. 54 ff. 1018 Dazu H. Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 21, Rdn. 1 ff., S. 522 ff. 1019 Dazu K. A. Schachtschneider, Der Rat, § 8, und Die Kommission, § 9. 1020 Vgl. O. Seewald, Kommunalrecht, in: U. Steiner (Hrsg.), Besonderes Verwaltungsrecht, 5. Aufl. 1995, Rdn. 47, S. 18, Rdn. 352, S. 138; H.-J. Wolff/O. Bachof/R. Stober, Verwaltungsrecht II, 10. Aufl. 1994, § 84, Rdn. 12 ff.; H. Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 23 Rdn. 1 ff., 30 ff., S. 573 ff., 599 ff.; kritisch K. A. Schachtschneider, Der Anspruch auf materiale Privatisierung, S. 251; ders./A. Emmerich-Fritsche, Recht der Vertragsärzte des SGB V, S. 34 f. 1021 Dazu 10. Kap. IV. 1016

III. Vollziehende Gewalt

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2. Bundesregierung a) Die Regierung des Bundes, die Bundesregierung, ist in den Artikeln 62 ff. GG geregelt1022, die der Länder in den Landesverfassungen. Der Bundeskanzler wird im Normalfall auf Vorschlag des Bundespräsidenten vom Bundestag (ohne Aussprache) mit den Stimmen der Mehrheit der Mitglieder des Bundestages gewählt (Art. 63 Abs. 1 GG). Er wird vom Bundespräsidenten ernannt (Art. 63 Abs. 2 GG). Die Bundesregierung ist vom Vertrauen des Bundestages abhängig. Der Bundeskanzler kann durch konstruktives Mißtrauensvotum des Bundestages, also durch Wahl eines Nachfolgers (woraufhin der Bundespräsident ihn auf Ersuchen des Bundestages entlassen und den Gewählten zum Bundeskanzler ernennen muß (Art. 67 Abs. 1 GG)), abgelöst werden (Art. 67 GG). Er kann auch dadurch sein Amt verlieren, daß die von ihm gestellte Vertrauensfrage nicht die Zustimmung der Mehrheit der Mitglieder des Bundestages findet und der Bundespräsident auf Vorschlag des Kanzlers den Bundestag auflöst (Art. 68 GG). Im übrigen kann der Bundeskanzler jederzeit zurücktreten, d.h. (wie jeder Amtswalter) seine Entlassung beantragen1023. Das Amt des Bundeskanzlers endigt „in jedem Falle mit dem Zusammentritt eines neuen Bundestages (Art. 69 Abs. 2 GG). „Das Amt eines Bundesministers“ im übrigen „auch mit jeder Erledigung des Amtes des Bundeskanzlers“ (Art. 69 Abs. 2 GG). Die Bundesminister werden auf Vorschlag des Bundeskanzlers vom Bundespräsidenten ernannt und entlassen (Art. 54 Abs. 1 GG). Der Bundeskanzler und die Bundesminister leisten bei der Amtsübernahme vor dem Bundestag den in Art. 56 GG vorgesehenen Eid (Art. 64 Abs. 2 GG), welcher lautet: „Ich schwöre, daß ich meine Kraft dem Wohle des deutschen Volkes widmen, seinen Nutzen mehren, Schaden von ihm wenden, das Grundgesetz und die Gesetze des Bundes wahren und verteidigen, meine Pflichten gewissenhaft erfüllen und Gerechtigkeit gegen jedermann üben werde. So wahr mir Gott helfe.“

Der Eid kann auch ohne religiöse Beteuerung geleistet werden. Gebrochen wird er so oder so ständig, offen durch den Bundeskanzler Helmut Kohl1024. b) Der Bundeskanzler und alle Bundesminister bilden die Bundesregierung, die nur als Kollegialorgan (nach einer die Information aller Minister und die Mehrheit in der Regierung sichernden Geschäftsordnung) entscheiden darf, wenn das Grundgesetz oder auch einfache Gesetze ihr Befugnisse zumessen (BVerfGE 11, 77 (84); 91, 148 (166 ff.)), etwa in Gesetzgebungsverfahren nach Art. 76 ff. GG oder beim Erlaß von Rechtsverordnungen, wenn die Bundes1022 Dazu und zum folgenden K. Stern, Staatsrecht II, S. 268 ff., 673 ff.; M. Schröder, Bildung, Bestand und parlamentarische Verantwortung der Bundesregierung, HStR, Bd. II, § 51, Rdn. 1 ff., 3 ff., 26 ff. 1023 M. Schröder, Bildung, Bestand und parlamentarische Verantwortung der Bundesregierung, HStR, Bd. II, § 51, Rdn. 43; K. Stern, Staatsrecht II, S. 295 f. 1024 Dazu F. Pflüger, Ehrenwort. Das System Kohl und der Neubeginn, 2000.

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10. Kap.: Besondere Organe

regierung ermächtigt ist. Die Regierung ist vor allem durch ihr Initiativrecht (Art. 76 Abs. 1 GG) an der Gesetzgebung beteiligt. Der Bundeskanzler oder die Bundesminister können in diesen Fällen nicht anstelle der Bundesregierung handeln, auch nicht aufgrund einer Ermächtigung derselben. Der Bundeskanzler bestimmt die Richtlinien der Politik und trägt dafür die Verantwortung (Art. 65 S. 1 GG)1025. Die Minister leiten ihren Geschäftsbereich innerhalb der Richtlinien des Bundeskanzlers selbständig und unter eigener Verantwortung (Art. 65 S. 3 GG)1026. Über Meinungsverschiedenheiten entscheidet die Bundesregierung (Art. 65 S. 4 GG). c) Dem Parlament obliegt die Kontrolle der Regierung. Das Parlament hat ein Zitierungs- und Interpellationsrecht (Art. 43 Abs. 1 GG), das Enquete- und das Untersuchungsrecht (Art. 44 GG) u. a. m. Um die Rechte des Bundestages gemäß Art. 23 GG gegenüber der Bundesregierung (Stellungnahme vor Mitwirkung der Bundesregierung an Rechtsetzungsakten der Europäischen Union, Absatz 3) wahrzunehmen, kann der Bundestag den Ausschuß für die Angelegenheiten der Europäischen Union ermächtigen (Art. 45 GG). d) Wenn die Kanzlermehrheit im Bundestag den Einspruch des Bundesrates gegen ein Gesetz wegen der Mehrheit der Opposition im Bundesrat nicht zurückweisen kann, weil letztere zwei Drittel der Stimmen im Bundesrat vereinigt (vgl. Art. 77 Abs. 4 GG), führt das funktional zu einer großen Koalition. Gesetze, denen der Bundesrat nach dem Grundgesetz zustimmen muß (wegen einer weiten Handhabung des Zustimmungserfordernisses, vgl. BVerfGE 8, 274 (294); 24, 184 (197 f.); 55, 274 (319); auch BVerfGE 37, 363 (382); 39, 1 (55); 48, 127 (180), vor allem wegen Art. 84 Abs.1 GG (70% der Zustimmungsgesetze)1027, die Mehrheit der Gesetze), können ohne Zustimmung des Bundesrates nicht zur Geltung kommen. Das so geartete Zustimmungssystem in der Gesetzgebung des Bundes stärkt die Tendenz zur pluralen Parteienoligarchie, die sich als offene oder nicht-offene große Koalition der großen Parteien auswirkt. Auch deswegen leidet die (traditionell sogenannte) Gewaltenteilung in Deutschland Not, vor allem aber wegen des Gegensatzes der parteienstaatlichen Oligarchie, des wesentlichen Teils der classa politica, zur Bürgerschaft/dem Volk1028. Auch die Ministerpräsidenten der Länder haben dadurch, zumal wegen ihrer

1025 Dazu K. Stern, Staatsrecht II, S. 292 f.; Th. Wieske, Bedarf der Erste Bürgermeister der Freien und Hansestadt Hamburg einer in der Verfassung verankerten Richtlinienkompetenz?, 1996, S. 17 ff. 1026 Dazu K. Stern, Staatsrecht II, S. 287 f.; N. Achterberg, Innere Ordnung der Bundesregierung, HStR, Bd. II, 1987, § 52, Rdn. 15 ff. (Richtlinienkompetenz des Bundeskanzlers), Rdn. 33 ff. (Ressortkompetenz der Bundesminister). 1027 Dazu F. Ossenbühl, Verfahren der Gesetzgebung, HStR, Bd. III, 1988, § 63, Rdn. 42. 1028 Dazu H. H. v. Arnim, Fetter Bauch regiert nicht gern, S. 21 ff., passim.

III. Vollziehende Gewalt

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Macht in ihren Parteien, Einfluß auf die Politik auch des Bundes (weitgehend im Bundesrat institutionalisiert). e) Der Bundeskanzler hat in der (republikwidrigen) Parteiendemokratie 1029 die Macht eines Führers. Der Bundestag kann ihm nach Art. 67 GG nur durch die Wahl eines Nachfolgers das Mißtrauen aussprechen (konstruktives Mißtrauensvotum)1030. Er ist, der Logik des Parteienstaates gemäß, regelmäßig der Vorsitzende der stärksten Partei im Bundestag. „Kanzlermacht ist somit einmal mehr Parteienmacht“ (Karl-Rudolf Korte)1031. Nur die Notwendigkeit, auf den (regelmäßigen) Koalitionspartner Rücksicht zu nehmen (Koalitionsdemokratie)1032 und gegebenenfalls den Bundesrat in die Politik einzubinden, wenn im Bundesrat die Opposition des Bundestages die Mehrheit stellt, mäßigt innerstaatlich die Macht des Bundeskanzlers. f) Die Führerschaft des Bundeskanzlers ist durch die Internationalisierung, insbesondere durch die Europäisierung der Politik einerseits gestärkt, weil die Politik weitgehend durch Absprachen der Staats- und Regierungschefs bestimmt wird, auf welche die Parlamente weder vorher noch hinterher bemerkenswerten Einfluß ausüben können. Diese Absprachen entdemokratisieren die Politik vor allem deswegen, weil die Innenpolitik dermaßen mit der Außenpolitik verschränkt ist, daß sie zu einer kaum unterscheidbaren Einheit integriert sind1033. Rechtlich verbindlich werden die Absprachen dem Prinzip nach nur durch Vertragsschlüsse der Völker, denen deren Legislativorgane zustimmen müssen, aber diese demokratische Legitimation ist fast nur noch formal, wie die Entwicklung 1029 Dazu K. A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 772 ff., 1045 ff., insb. S. 1054 ff., 1060 ff., 1086 ff., 1113 ff.; ders., Der republikwidrige Parteienstaat, FS H. Quaritsch, S. 141 ff. 1030 Dazu a. A. M. Schröder, Bildung, Bestand und parlamentarische Verantwortung der Bundesregierung, HStR, Bd. II, § 51, Rdn. 33 ff.; K. A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 806 f. 1031 Was kennzeichnet modernes Regieren? Regierungshandeln von Staats- und Regierungschefs im Vergleich, Aus Politik und Zeitgeschichte B 5/2001, S. 3 ff. (Zitat S. 7), auch S. 8. 1032 R. Marcic, Koalitionsdemokratie, 1966; dazu K. Stern, Staatsrecht I, S. 25, 591, 978, 1911 f.; K. A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 807; politologisch etwa K.-R. Korte, Was kennzeichnet modernes Regieren?, Aus Politik und Zeitgeschichte, B 5/2001, S. 6. 1033 Ch. Tomuschat, Der Verfassungsstaat im Geflecht der internationalen Beziehungen, VVDStRL 36 (1978), S. 23 ff.; K. Hailbronner, Kontrolle der auswärtigen Gewalt, VVDStRL 56 (1997), S. 9; R. Wolfrum, Kontrolle der auswärtigen Gewalt, VVDStRL 56 (1997), S. 43; P. Häberle, Der kooperative Verfassungsstaat, in: ders. (Hrsg.), Verfassung als öffentlicher Prozeß. Materialien zu einer Verfassungstheorie der offenen Gesellschaft, 2. Aufl. 1991, S. 415 ff.; D. I. Siebold, Die Welthandelsorganisation und die Europäische Gemeinschaft, S. 162 ff., zum offenen Staat im Völkerrecht; F. Decker, Mehr Demokratie wagen: Die Europäische Union braucht einen institutionellen Sprung nach vorn, Aus Politik und Zeitgeschichte B 5/2001, S. 33 ff. (34 f.).

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10. Kap.: Besondere Organe

der Europäischen Union zeigt1034. Die Proklamation der Grundrechtecharta der Europäischen Union hat auf eine vertragliche Vereinbarung in der Erwartung verzichtet, daß die Charta dennoch juridische Verbindlichkeit erlangen wird1035. Andererseits wird die Führerschaft des Bundeskanzlers durch deren Einbindung in die internationale, insbesondere die europäische Politik gemäßigt. Unter der Führung der Vereinigten Staaten von Amerika, derzeit der einzigen Weltmacht1036, gestalten die Führer Europas die Politik. Das Bündnis der Staatsund Regierungschefs übt die Macht aus, jedenfalls in Europa. Europa erleidet eine Kabinettspolitik wie im Zeitalter des Fürsten Metternich, welches ebenso nachnapoleonisch wie vormärzlich war. Die Untertanen schauen, betreten, ja verängstigt und wütend, jedenfalls ohnmächtig oder gleichgültig zu. Ihr Bürgertum hat in der Realität der international agierenden pluralen Parteienoligarchie keine Chance1037. Die Parteienstaaten haben in den Einrichtungen der Republik, die allenfalls formal beachtet, nicht aber material ihrer freiheitlichen Verfassung gemäß gelebt werden, ein System pluraler Führerschaft hervorgebracht, wie es schon Hans Kelsen in seiner freiheitsvergessenen Schrift „Vom Wesen und Wert der Demokratie“, 2. Aufl. 1929, beschrieben hat. Der Parteienstaat ist die Verfallserscheinung der Republik1038, im antiken Rom wie in der Gegenwart, jedenfalls in Deutschland. Werner Maihofer spricht von der „Deformation und Perversion von Prinzipien der Demokratie wie der Republik im Parteienstaat der Gegenwart“1039. 3. Verwaltung Die Verwaltung des Bundes und der Länder in Staat und Kommunen ist überaus vielfältig. Sie wird unter der Leitung der Regierungen und Ministerien durch mehr oder weniger selbständige Behörden des Bundes und der Länder (unmittelbare Staatsverwaltung), sowie von Körperschaften, Anstalten und Stiftungen des öffentlichen Rechts (mittelbare Staatsverwaltung)1040, aber auch (zu Unrecht) durch Einrichtungen in privater Rechtsform, etwa in Unternehmensformen wie Aktiengesellschaften und Gesellschaften mit beschränkter Haftung 1034 Dazu 4. Kap., III, auch 7. Kap., I, 4, b; i. d. S. F. Decker, Mehr Demokratie wagen, Aus Politik und Zeitgeschichte B 5/2001, S. 34 ff. 1035 Dazu 7. Kap., I, 4, b, bb. 1036 Z. Brzezinski, Die einzige Weltmacht, Amerikas Strategie der Vorherrschaft, 2. Aufl. 1999. 1037 Dazu 7. Kap., I, 4, b, auch aa, 9. Kap., II. 1038 K. A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 166 ff., 772 ff., 1045 ff.; ders., Die Republik der Völker Europas, ARSP-Beiheft 71 (1997), S. 160 f. 1039 Abschließende Äußerungen der Herausgeber, HVerfR, 2. Aufl. 1994, S. 1709 ff. 1040 Dazu H. Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 23, Rdn. 1 ff., insb. Rdn. 30 ff., S. 573 ff., insb. S. 599 ff.; W. Krebs, Verwaltungsorganisation, HStR, Bd. III, 1988, § 69, Rdn. 13.

III. Vollziehende Gewalt

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(Organisationsprivatisierung)1041 geleistet. In den Behörden sind Amtswalter tätig, insbesondere Beamte in öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnissen (im Sinne des Art. 33 Abs. 4 GG) oder (entgegen dem Amtsprinzip) Arbeitnehmer in privatrechtlichen Dienstverhältnissen (Arbeitsverhältnissen)1042. Die Verwaltung handelt nach unterschiedlichen Verfahrensgesetzen. Wenn keine speziellen Gesetze anzuwenden sind, gelten die (weitestgehend gleichlautenden) Verwaltungsverfahrensgesetze des Bundes (von 1976) und der Länder (jeweils § 1 VwVfG). Erwähnt sei für die Finanzverwaltung die Abgabenordnung (AO) von 1976, das Sozialgesetzbuch (SGB) Buch X von 1980 für die Sozialversicherungen und die Polizeiverwaltungsgesetze der Länder, etwa das Polizeiaufgabengesetz (PAG) Bayerns von 1990. Die privatistische Verwaltung handelt (aufgrund der rechtswidrigen Fiskusdoktrin1043) auch in den Formen des Privatrechts, etwa des Bürgerlichen Gesetzbuches, des Handels- und des Gesellschaftsrechts, wird aber auch dem Wettbewerbsrecht unterworfen1044. Die vollziehende Gewalt darf sich jedoch nicht durch „Flucht ins Privatrecht“ der Geltung des öffentlichen Rechts entziehen. Sie hat entgegen der Praxis kein Wahlrecht zwischen Verwaltungsformen des Privatrechts und denen des öffentlichen Rechts1045. Das materielle Verwaltungsrecht ist in unüberschaubar vielen Gesetzen, Rechtsverordnungen und Verwaltungsvorschriften des nationalen Rechts, aber auch Richtlinien und Verordnungen des europäischen Gemeinschaftsrechts (abgesehen von den Verfassungsgesetzen, den Gemeinschaftsverträgen und weiteren internationalen Verträgen) geregelt. Über allen Rechtsvorschriften steht die Verfassung der Menschheit des Menschen.

1041 Dazu (kritisch) K. A. Schachtschneider, Staatsunternehmen und Privatrecht. Kritik der Fiskustheorie, exemplifiziert an § 1 UWG, 1986; ders., Der Anspruch auf materiale Privatisierung, S. 183 ff., 190 ff.; ders./A. Emmerich-Fritsche, Kommunaler Wettbewerb, S. 36 f., 60 ff., 77 ff.; ders., Konkurrentenklage, S. 508 ff. 1042 Dazu K. A. Schachtschneider, Streik im öffentlichen Dienst, S. 216 ff., 290 ff.; J. Isensee, Öffentlicher Dienst, HVerfR, § 32, Rdn. 73 ff.; H. Lecheler, Der öffentliche Dienst, HStR, Bd. III, § 72, Rdn. 132 ff. 1043 K. A. Schachtschneider, Staatsunternehmen und Privatrecht, passim, insb. S. 5 ff., 253 ff., 261 ff.; ders., Res publica res populi, S. 230, 1119; ders., Der Anspruch auf materiale Privatisierung, S. 190 ff.; ders./A. Emmerich-Fritsche, Kommunaler Wettbewerb, S. 36 f., 77 ff. 1044 Etwa BGHZ 37, 1 (15 ff.); 82, 375 (381 ff., 391 ff.), st. Rspr.; BVerwGE 17, 306 (313); 39, 329 (337); BVerfGE 27, 364 (374); dazu K. A. Schachtschneider, Staatsunternehmen und Privatrecht, S. 6 ff., 28 ff., 281 ff., 322 ff., 333 ff., 357 ff.; ders., Der Anspruch auf materiale Privatisierung, S. 183 ff., 190 ff., 297 ff. 1045 K. A. Schachtschneider, Staatsunternehmen und Privatrecht, insb. S. 181 ff.; ders., Der Anspruch auf materiale Privatisierung, S. 209 ff.; ders./A. Emmerich-Fritsche, Kommunaler Wettbewerb, S. 36 f., 77 ff.; W. Löwer, Der Staat als Wirtschaftssubjekt und Auftraggeber, VVDStRL 60 (2001), S. 416 ff.; a. A. H. J. Wolff/O. Bachof/ R. Stober, Verwaltungsrecht I, 10. Aufl. 1994, § 23, Rdn. 29 ff., S. 238 ff.

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10. Kap.: Besondere Organe

4. Bundesverwaltung Organe und Behörden der unmittelbaren Bundesverwaltung („bundeseigene Verwaltung“, Art. 86 GG)1046 sind die Bundesregierung, der Bundeskanzler (Bundeskanzleramt), die Bundesminister (Bundesministerien) sowie die sonstigen obersten Bundesbehörden, etwa der Bundesrechnungshof, die Bundesbank, und die Bundesoberbehörden, etwa das Bundeskartellamt, das Umweltbundesamt, das Bundesaufsichtsamt für das Versicherungswesen, das Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge, und die Bundesmittel- und Bundesunterbehörden. Zu den obersten Bundesbehörden gehört auch der Bundespräsident und das Bundespräsidialamt. Bundesunmittelbare Verwaltung üben auch die bundesunmittelbaren Körperschaften des öffentlichen Rechts (Art. 87 Abs. 2 und 3 GG) aus, etwa die Bundesanstalt für Arbeit, die überregionalen Sozialversicherungsträger, aber der Sache nach auch die Bundesunternehmen in privatrechtlicher Rechtsform, wie die Luftverkehrsverwaltung (Art. 87 d Abs. 1 GG) und die Eisenbahnen des Bundes im Rahmen der Eisenbahnverkehrsverwaltung (Art. 87 e Abs. 3 GG). Dienstleistungen des Postwesens und der Telekommunikation sind gemäß Art. 87 f Abs. 2 GG in die Privatwirtschaft überführt und weitestgehend material privatisiert. 5. Landesverwaltung a) „Die Ausübung der staatlichen Befugnisse und die Erfüllung der staatlichen Aufgaben ist“ nach Art. 30 GG „Sache der Länder, soweit dieses Grundgesetz keine andere Regelung trifft oder zuläßt“. Demgemäß führen die Länder nicht nur ihre eigenen Gesetze aus (BVerfGE 21, 312 (325)1047, sondern grundsätzlich auch die Gesetze des Bundes, nämlich nach Art. 83 Abs. 1 GG entweder als eigene Angelegenheit oder, wenn das im Grundgesetz vorgesehen ist, nach Art. 85 Abs. 1 GG als Auftragsangelegenheit1048. Aber auch die Rechtsakte der Europäischen Gemeinschaften, welche unmittelbar anwendbar sind, vor allem die Verordnungen (Art. 249 Abs. 2 EGV), werden grundsätzlich (soweit nicht die Analogie zu den Bundeszuständigkeiten der Art 87 ff., 108 Abs. 1 S. 1 GG für die Bundesverwaltung spricht), von den Ländern ausgeführt1049. Weder das Grundgesetz noch das Gemeinschaftsrecht regeln den Vollzug des Gemeinschaftsrechts. 1046 Dazu P. Lerche, in: Maunz/Dürig, GG, 1989, Art. 86, Rdn. 1 ff., insb. Rdn. 43 ff.; ders., daselbst, 1983, Art. 83, Rdn. 13 ff.; H. Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 22, Rdn. 36 ff., S. 566 ff. 1047 Dazu H. Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 22, Rdn. 10, S. 554 f. 1048 Dazu P. Lerche, in: Maunz/Dürig, GG, 1983, Art. 83, Rdn. 22, 1987, Art. 85, Rdn. 4 ff. 1049 Dazu P. Lerche, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 83, Rdn. 51; H. Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 22, Rdn. 12, S. 555 ff.

III. Vollziehende Gewalt

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Art. 84 Abs. 1 GG gibt dem Bund die Möglichkeit, auf die Einrichtungen der Landesbehörden, auf deren Verwaltungsverfahren und auf den landeseigenen Vollzug der Bundesgesetze durch Bundesgesetz bzw. durch Verwaltungsvorschriften der Bundesregierung, jeweils mit Zustimmung des Bundesrates, einzuwirken. Art. 84 Abs. 3 und 4 GG regeln die Rechtsaufsicht des Bundes über die Ausführung der Bundesgesetze durch die Länder (Bundesaufsicht)1050. Über die Mängel der Ausführung entscheidet, wenn das Land sie nicht beseitigt, nachdem die Bundesregierung sie festgestellt hat (Mängelrüge), auf Antrag der Bundesregierung oder des Landes der Bundesrat (Art. 84 Abs. 4 S. 1 GG), gegen dessen Beschluß das Bundesverfassungsgericht angerufen werden kann (Art. 84 Abs. 4 S. 2 GG, Art. 93 Abs. 1 Nr. 3 GG)1051. In besonderen Fällen kann nach Art. 84 Abs. 5 GG der Bundesregierung durch Bundesgesetz mit Zustimmung des Bundesrates die Befugnis zu Einzelweisungen (an die oberste Landesbehörde, die Landesregierung also) verliehen werden. In Auftragsangelegenheiten sind die Einwirkungsbefugnisse auf die Landesverwaltung nach Art. 85 GG stärker, insbesondere erstreckt sich die Bundesaufsicht auf die Gesetzmäßigkeit und die Zweckmäßigkeit der Ausführungen (Art. 85 Abs. 4 S. 1 GG). Auftragsangelegenheit ist etwa der Vollzug des Atomgesetzes (Art. 87c GG) und die Verwaltung der Bundesfernstraßen (Bundesautobahnen und sonstigen Bundesfernstraßen) durch die Länder oder die nach Landesrecht zuständigen Selbstverwaltungskörperschaften (Art. 90 Abs. 2 GG). Der Bund trägt somit die Verantwortung für die Rechtmäßigkeit allen Handelns der Länder; denn auch das Grundgesetz ist Maßstab der Rechtsaufsicht (a. A. BVerfGE 6, 309 (329); 8, 122 (131)), wie der weite Begriff der Bundespflicht in Art. 37 Abs. 1 GG erweist, welcher Bundeszwang gegen ein Land, um dessen Erfüllung der Bundespflichten durchzusetzen, erlaubt, wenn das Land „die ihm nach dem Grundgesetz oder einem anderen Bundesgesetz obliegenden Bundespflichten nicht erfüllt“. Die wichtigste Bundespflicht eines Landes ist es, die Bundesverfassung, das Grundgesetz, zu beachten1052. b) Die Organisation der Verwaltung ist im übrigen Sache der Länder, welche in den Landesverfassungen und in den Landesgesetzen die erforderlichen Regelungen über die Behörden, die Verfahren und insbesondere (im Rahmen des Beamtenrechtsrahmengesetzes) über das Personal, den öffentlichen Dienst1053, tref1050

Dazu P. Lerche, in: Maunz/Dürig, GG, 1985, Art. 84, Rdn. 124 ff. Dazu K. A. Schachtschneider, Der Rechtsweg zum Bundesverfassungsgericht in Bund-Länder-Streitigkeiten, 1969, S. 89 ff., 119 ff.; P. Lerche, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 84, Rdn. 171 ff., 175 ff. 1052 Dazu im Sinne des Textes H. v. Mangoldt, Vom heutigen Standort der Bundesaufsicht. Sinn und Möglichkeiten einer Bundesaufsicht unter dem Grundgesetz, 1965, S. 47 ff. (74); K. A. Schachtschneider, Der Rechtsweg zum Bundesverfassungsgericht in Bund-Länder-Streitigkeiten, S. 76 ff., auch S. 119 ff.; zurückhaltend P. Lerche, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 84, Rdn. 155, auch Rdn. 133 ff. 1053 Dazu 15. Kap., II. 1051

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10. Kap.: Besondere Organe

fen. Die Länder haben die Organisationshoheit, die Finanzhoheit, die Personalhoheit und die Verfahrenshoheit. Alle Länder arbeiten nach einem weitestgehend mit dem Verwaltungsverfahrensgesetz des Bundes übereinstimmenden Verfahrensrecht (VwVfG). Sie haben Landesbeamtengesetze, die wiederum weitestgehend mit dem Bundesbeamtengesetz (BBG) und damit mit dem Beamtenrechtsrahmengesetz (BRRG) übereinstimmen. Auch die Tarifverträge für die Angestellten und Arbeiter des öffentlichen Dienstes stimmen weitestgehend mit den Tarifverträgen des Bundes überein. c) Die Finanzverwaltung (vor allem die Steuerverwaltung) hat eine eigene Regelung in Art. 108 GG gefunden, welche die bundeseigene Verwaltung, die landeseigene Verwaltung, die Bundesauftragsverwaltung und auch die Gemeindeverwaltung verbindet und verschiedene Einwirkungsbefugnisse von Bund und Ländern vorsieht. Die Steuerverwaltung arbeitet nach der Abgabenordnung. d) In Bayern wird die Landesverwaltung durch die Staatsregierung (Art. 43 Abs. 1 BV), welche aus dem Ministerpräsidenten, den Staatsministern und den Staatssekretären besteht, der Staatskanzlei (Art. 51 Abs. 1 BV), den Staatsministern1054, dem Bayerischen Obersten Rechnungshof (Art. 80 BV, Art. 88 ff. BayHO), und oberen Landesbehörden, sowie den Bezirksregierungen von Oberbayern, von Niederbayern, der Oberpfalz, von Oberfranken, von Mittelfranken, von Unterfranken und von Schwaben als zentralen staatlichen Verwaltungsbehörden (Bezirke, Behörden der Mittelstufe), von den Landkreisen (Landräten) und den Gemeinden (Art. 9 ff. BV) ausgeübt1055. Die Behörden der Mittelstufe überwachen vornehmlich die Behörden der Unterstufe in ihrem Geschäftsbereich, treffen aber auch wie letztere Entscheidungen erster Rechtsstufe. Sie sind auch Selbstverwaltungsorgane der Bezirke. Zu den Mittelbehörden gehören auch die Bezirksfinanzdirektionen, die Ministerialbeauftragten für die Gymnasien, die Oberforstdirektionen, u. a. m. Die Behörden der Unterstufe sind die Landratsämter. Diese sind als Kreisverwaltungsbehörden Staatsbehörden, welche vornehmlich Aufsichtsaufgaben über die Gemeinden haben. Als kommunale Kreisbehörden nehmen sie im wenn auch eigenen, so doch übertragenen Wirkungskreis der Landkreise die Aufgaben der Bauämter, Schulämter, Finanzämter, Vermessungsämter, Forstämter, Ämter für Landwirtschaft, staatlichen Gesundheitsämter, staatlichen Veterinärämter, Versicherungsämter, Versorgungsämter, Wasserwirtschaftsämter u. a. wahr. Die Praxis ordnet auch die Gemeinden im übertragenen Wirkungskreis (dazu 6 c) zu den Behörden der Unterstufe.

1054 Zu deren Geschäftsbereichen Th. Maunz/H.-J. Papier, Verfassungs- und Verfassungsprozeßrecht, in: Berg/Knemeyer/Papier/Steiner, Staats- und Verwaltungsrecht in Bayern, 6. Aufl. 1996, Teil A, § 17, Rdn. 157 ff., S. 53 ff. 1055 Dazu Th. Maunz/H.-J. Papier, Verfassungs- und Verfassungsprozeßrecht (in Bayern), § 17, Rdn. 149 ff., S. 50 ff.

III. Vollziehende Gewalt

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6. Kommunalverwaltung a) Die Kommunen sind als unterste Ebene zwar nicht die mächtigsten, aber wohl die wichtigsten Verwaltungsträger. Die Gemeinden (Städte und Dörfer) sind Lebensgemeinschaften in guten und in schlechten Tagen. Die Kommunen sind für das Leben der Menschen wichtiger als alle anderen politischen Einheiten, die Länder, der Bund oder gar die Europäische Union. Die Kommunen sind (noch immer) wirkliche Bürgerschaften. Die Bayerische Verfassung bezeichnet sie als „ursprüngliche Gebietskörperschaften des öffentlichen Rechts“ (Art. 11 Abs. 2 S. 1 BV)1056. In den Gemeinden besteht, wenn diese nicht Millionenstädte sind, die (im Vergleich zu den anderen territorialen Verwaltungsebenen) größte Nähe zwischen den Menschen und der Politik. In den Gemeinden können die Menschen Bürger sein. Schließlich ist der Begriff des Bürgers (civis) ein Begriff der Stadt und des Stadtrechts1057. Im großen Staat und erst recht in der übergroßen Europäischen Union bleibt den Menschen nichts anderes übrig als die Untertänigkeit, weil sie einen spürbaren Einfluß auf die Politik nicht haben (können). Die Entfernung und Fremdheit (Distanz) macht die Amtswalter, die formal Vertreter des Volkes sind und das material sein sollten, zur Obrigkeit. Die Unerreichbarkeit macht sie zu Herren. Die Idee des Konsenses verliert an Realität. Die Repräsentanten werden mit jedem Schritt, den sie sich von den Menschen entfernen, mehr zu deren Herren, zu Despoten. Diesen Verlust an Nähe vermag keine Wahl auszugleichen. Schließlich werden gänzlich unbekannte Kandidaten gewählt, nur weil sie einer Partei angehören, deren öffentliche Führung und deren Propaganda die Wähler veranlaßt, ihnen (als geringeres Übel) das Mandat zu geben. Je größer die Distanz zwischen den Wählern und den Gewählten ist, desto mehr an politischer Freiheit und demokratischer Legitimation der Politik geht verloren. Surrogat sind grundrechtsgeschützte Freiheiten (ökonomistischer Liberalismus), welche aber das gemeinsame Leben nicht republikanisieren. Die moralistische Enge welche in kleinen Gemeinschaften entstehen kann (Provinzialität) ist ein Mangel an Aufgeklärtheit, die prinzipielle Mißachtung der Sittlichkeit von Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit, der die Heterogenität der größeren Einheit entgegenwirken kann, durchaus ein Argument für den Staat aus einer gewissen Menge von Gemeinden. Die Schweizerische Eidgenossenschaft ist das Vorbild. Mit dem Prinzip der kleinen Einheit ist deren Offenheit für die Welt verbunden, das Postulat der offenen Gemeinde, des offenen Staates1058. Eigentlich politisch ist die püliò, die Stadt. Die Kommunen sind die wirklichen Republiken. Sie sind die kleinen Einheiten, in denen das 1056 Dazu U. Steiner, Kommunalrecht, in: Berg/Knemeyer/Papier/Steiner (Hrsg.), Staats- und Verwaltungsrecht in Bayern, 6. Aufl. 1996, Rdn. 2, S. 113 f.; dazu (mit historischen Aspekten) H. Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 23, Rdn. 2 ff., S. 574 ff. 1057 M. Riedel, in: O. Brunner/W. Conze/R. Koselleck, Geschichtliche Grundbegriffe, Bd. 1, 1972, S. 676 ff.

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demokratische Prinzip Wirklichkeit finden kann. Der Staat besteht aus den Gemeinden. In der Verfassungswirklichkeit sind die Kommunen durch den Staat (Bund und Länder) und noch mehr durch die Union entmachtet. Sie werden behandelt, als hätte ihnen der Staat Existenz und Status gegeben, den sie mittels des ihnen vom Staat gewährten subjektiven Rechts (nicht nur institutionelle Garantie) der Selbstverwaltung, letztlich durch Verfassungsbeschwerde wie ein untertäniger Bürger, verteidigen dürfen (vgl. Art. 93 Abs. 1 Nr. 4b GG)1059. In Wirklichkeit haben die Gemeinden als wirkliche Lebensgemeinschaften Existenz und Status, die der Staat zu achten, anzuerkennen und zu gewährleisten hat. Es ist die Freiheit der Menschen, deren Bürgerlichkeit, welche die Selbstverwaltung der Gemeinden substantialisiert. Diese Selbstverwaltung ist die gemeinschaftliche Willensautonomie der Gemeindebürger und hat damit einen starken demokratischen Stand (vgl. i. d. S. BVerfGE 79, 127 (159 ff.); vgl. auch BVerfGE 1, 167 (174 ff.); 11, 266 (273 ff.); 23, 353 (365 ff.); 38, 258 (278 ff.); 50, 195 (200 ff.); 56, 298 (312 ff.); 76, 107 (118 ff.); 83, 363 (381 ff.); 86, 90 (100 ff.); 91, 228 (236 ff., 242))1060. Demgemäß stellt Art. 11 Abs. 4 BV fest, daß „die Selbstverwaltung der Gemeinden dem Aufbau der Demokratie von unten nach oben dient“, und lautet Art. 1 S. 2 BayGO: „Die Gemeinden bilden die Grundlage des Staates und des demokratischen Lebens.“

Das ist fundamental und darf durch die kommunalrechtliche Dogmatik nicht minimalisiert werden. Das Recht der Selbstverwaltung ist nicht lediglich eine technische Berechtigung der unteren Verwaltungseinheiten in einem dezentralisierten Staat (im Sinne des Sonderverwaltungsmodells)1061. Die kleinen Einheiten an der Basis des gemeinsamen Lebens haben die stärkere freiheitliche Legitimation als die großen Einheiten, welche sich weiter und weiter von den Menschen entfernen, aber die Macht beanspruchen, die Lebensverhältnisse von oben nach unten zu reglementieren. Wie es ein Privatheitsprinzip gibt, den Grundsatz und Vorrang privater Lebensbewältigung1062, so gibt es ein Gemeindeprinzip, einen Grundsatz und Vorrang kommunaler Lebensbewältigung. Wenn der Staat Aufgaben an sich zieht, muß er das nicht nur gegenüber dem Privatheitsprinzip, sondern auch gegenüber dem Gemeindeprinzip gut begründen können. Das gebietet das Subsidiaritätsprinzip, welches kommunalverfassungsrechtlich seine ei1058 Vgl. D. I. Siebold, Die Welthandelsorganisation und die Europäische Gemeinschaft, S. 162 ff. 1059 Dazu H. Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 23, Rdn. 6, S. 576 ff.; R. Stober, Kommunalrecht der Bundesrepublik Deutschland, 3. Aufl. 1996, S. 107 ff. 1060 I. d. S. F.-L. Knemeyer, Bayerisches Kommunalrecht, 8. Aufl. 1994, S. 31 ff.; R. Stober, Kommunalrecht, S. 61; K. Stern, Staatsrecht I, S. 405 f. 1061 Dazu R. Stober, Kommunalrecht, S. 71; zur kommunalverfassungsrechtlichen Dezentralisation und Dekonzentration ders., a. a. O., S. 48 ff. 1062 K. A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 370 ff. (386 ff.); ders., Freiheit in der Republik, 8. Kap., IV; ders., Der Anspruch auf materiale Privatisierung, S. 67 ff.

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gentliche Substanz hat1063. Das Bundesverfassungsgericht und das Bundesverwaltungsgericht haben ein Regel-Ausnahmeprinzip zugunsten der Lebensbewältigung durch die Gemeinden anerkannt (BVerfGE 79, 127 (147 ff.); 83, 363 (382 ff.); vgl. BVerwGE 98, 273 (276 f.); 101, 92 (102 f.)). Die kommunale Verfassungswirklichkeit gesteht jedoch den Gemeinden den Status nicht zu, der ihrer Existenz entspricht und die Kommunalrechtswissenschaft stützt den freiheitlichen Status der Kommunen trotz einer Wende zum verstärkt demokratischen Verständnis der Kommunen seit dem Rastede-Urteil (BVerfGE 79, 127 ff.) nur wenig. Noch wird die kommunale Selbstverwaltung nicht konsequent freiheitlich und damit wirklich demokratisch konzipiert, weil die Freiheit nicht als Autonomie des Willens begriffen wird1064. Die Gemeinden schaffen, gerade wenn ihre Selbstverwaltung substantiell demokratisch verstanden wird, ein Stück vertikaler Gewaltenteilung (vgl. BVerfGE 52, 95 (111); 79, 127 (149))1065. Wesentlicher Grund der Entmachtung der Gemeinden sind die Parteienstaatlichkeit und der Internationalismus (Integrationismus) der Politik. Die plurale Parteienoligarchie ist führerschaftlich verfaßt1066 und an der Macht im gesamten Gemeinwesen interessiert, schon um alle Ämter und Pfründen zu behaupten. Auch die Länder sind von der Parteienoligarchie entmachtet und weitestgehend ihrer existentiellen Staatlichkeit beraubt1067. Der Föderalismus hat im Parteienstaat seine Substanz weitestgehend eingebüßt. Die Parteienoligarchie behandelt die kommunalen Parteieinheiten als Basis ihrer Macht, zumal diese, vornehmlich wegen des wahlrechtlichen Bezirksprinzips (Kreiswahlvorschläge der Parteien, § 21 BWahlG, § 34 BWahlO, Art. 28 BayLWahlG), die Kandidaten für die Bundestags- und die Landtagswahlen aufstellen. Die großen Parteien, die auch die Kommunalpolitik in der Hand haben, sind in hohem Maße landes- und bundespolitisch orientiert und ordnen die kommunale Selbstverwaltung weitgehend ihren Interessen unter. Das erklärt zu einem guten Teil den Erfolg der ausschließlich auf die Kommunalpolitik ausgerichteten Wählergemeinschaften und Bürgervereinigungen. Deren Einfluß bleibt aber gerade wegen der Geschlossenheit der Parteien marginal, weil die Gemeinden einzeln und insgesamt als untere 1063 Zum kommunalrechtlichen Subsidiaritätsprinzip R. Stober, Kommunalrecht, S. 62, 90 f.; F.-L. Knemeyer, Bayerisches Kommunalrecht, S. 57. 1064 Vgl. U. Steiner, Kommunalrecht, Rdn. 3 ff., S. 113 ff.; tendenziell anders durchaus F.-L. Knemeyer, Bayerisches Kommunalrecht, S. 31 ff. (34); bemerkenswert zurückhaltend etwa H. Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 23, Rdn. 4 ff., S. 575 ff., § 4, Rdn. 20, S. 71 f. 1065 Vgl. F.-L. Knemeyer, Bayerisches Kommunalrecht, S. 34; R. Stober, Kommunalrecht, S. 49, 62; H. Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 23, Rdn. 5, S. 576 f. 1066 Dazu K. A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 1060 ff., 1113 ff.; dazu 9. Kap., II. 1067 Dazu K. A. Schachtschneider, Die existentielle Staatlichkeit der Völker Europas, S. 136 ff.

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politische Einheiten in die parteienstaatliche Bundes- und insbesondere Landespolitik eingebunden sind. Die parteienstaatliche Praxis, nicht das republikanische Verfassungsrecht, hat die Kommunen geschwächt und das Kommunalverfassungsrecht der Rechtsprechung und Lehre gewissermaßen entkommunalisiert und etatisiert. Das Bundesverfassungsgericht sieht die Kommunen als „ein Stück Staat“ (BVerfGE 73, 118 (191)), als „in den staatlichen Aufbau integriert“ (BVerfGE 83, 37 (57)). Die Rechtsetzung der Kommunen wird der Verwaltung zugeordnet (BVerfGE 65, 283 (289))1068, nicht aber durchgehend als kommunale Gesetzgebung verstanden1069. Die Satzungen sind richtigerweise Willensakte der Gemeindebürger, welche zur Rechtsetzung, also zur Legislative, gehören, ganz unabhängig davon, ob und wie weit sie die bundes- und landesrechtlichen Grundrechte einzuschränken vermögen und deswegen auf besondere bundes- oder landesgesetzliche Ermächtigungen (etwa Art. 24 Abs. 1 Nr. 2 und 3 BayGO, Anschluß- und Benutzungszwang, §§ 10, 11 BauGB, Bauleitplanung) gestützt werden können müssen (vgl. BVerfGE 31, 125 (158 ff.); 76, 111 (184 f.); BVerwGE 6, 247 (251); 76, 171 (184 ff.); 90, 359 (361 f.))1070. Sie sollen einer höherrangigen Rechtsgrundlage, staatlicher Delegation, bedürfen (etwa Art. 23 BayGO)1071, obwohl die Rechtsetzungsbefugnis mit der Willensautonomie der Gemeindebürger identisch ist1072. Die Kommunen werden auch zum Erlaß von Rechtsverordnungen ermächtigt (etwa Art. 23 BayGO)1073 Wenn die Gewährleistung der Selbstverwaltung des Art. 28 Abs. 2 GG freiheitlich, bürgerlich, republikanisch begriffen wird, wird das Kommunalverfassungsrecht tiefgreifend verändert. Der Entkommunalisierung der Gemeinden durch die Länder, durch den Bund und insbesondere die Europäische Union wären deutliche Grenzen gezogen1074.

1068 So auch H. Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 4, Rdn. 21, S. 72, § 23, Rdn. 10a, S. 582 f.; R. Stober, Kommunalrecht, S. 260; E. Schmidt-Aßmann, Die kommunale Rechtsetzung im Gefüge der administrativen Handlungsformen und Rechtsquellen, 1981, S. 8 ff. 1069 Richtig aber F.-L. Knemeyer, Bayerisches Kommunalrecht, Rdn. 69 ff., S. 87 ff. 1070 Dazu F.-L. Knemeyer, Bayerisches Kommunalrecht, Rdn. 71, S. 88 f.; R. Stober, Kommunalrecht, S. 260 f.; F. Ossenbühl, Satzung, HStR, Bd. III, 1988, § 66, Rdn. 28 f. 1071 F.-L. Knemeyer, Bayerisches Kommunalrecht, Rdn. 71, S. 88; H. Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 4, Rdn. 22, S. 72; auch R. Stober, Kommunalrecht, S. 86 f., S. 258 ff (für den eigenen Wirkungskreis, Kernbereich der Selbstverwaltung). 1072 K. A. Schachtschneider/A. Emmerich-Fritsche, Kommunaler Wettbewerb, S. 59 f. 1073 R. Stober, Kommunalrecht, S. 25, 259. 1074 Vgl. B. E. Beck, Gemeindliche Unternehmen Bayerns im Spannungsfeld zwischen Selbstverwaltungsgarantie des Grundgesetzes und Wettbewerblichkeit des Gemeinschaftsrechts, 2000, S. 89 ff., 145 ff., 184 ff., 197 ff.

III. Vollziehende Gewalt

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Kommunalverfassungsrechtlich bedenklich ist die Praxis, einzelnen Gemeinden durch Gesetz den Gemeindestatus zu nehmen, sie also als selbständige Gemeinden abzuschaffen oder ihr Gebiet zu ändern (Bestands- und Gebietsänderungen), wenn das Gründe des öffentlichen Wohls für sich hat (vgl. BVerfGE 50, 195 (202 f.); 86, 90 ( 107 ff.)1075, also letztlich, wenn die hohe Politik das so will (Gebietsreform). b) So oder so entfalten sich die Rechtsetzung und Verwaltung der Kommunen im Rahmen des Art. 28 Abs. 2 GG. Die Gemeinden haben das Recht, „alle Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft im Rahmen der Gesetze in eigener Verantwortung zu regeln“ (Satz 1). Das ist das kommunalrechtliche Verfassungsprinzip der Allzuständigkeit (Art. 6 BayGO) oder Universalität (BVerfGE 11, 266 (275 ff.); 21, 117 (128 ff.); 79, 127 (146 ff.); 83, 37 (54))1076. Dieses Prinzip sichert den (sogenannten) eigenen Wirkungskreis („eigene Angelegenheiten“, Art. 7 BayGO)1077, welcher nur die Rechtsaufsicht des Staates zuläßt1078. Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft sind „diejenigen Bedürfnisse und Interessen, die in der örtlichen Gemeinschaft wurzeln oder auf sie einen spezifischen Bezug haben, die also den Gemeindeeinwohnern gerade als solchen gemeinsam sind, in dem sie das Zusammenleben und -wohnen der Menschen in der (politischen) Gemeinde betreffen“ (BVerfGE 50, 195 (201); 79, 127 (159); BVerwGE 92, 56 (62)). Das ist „kein ein für allemal feststehender Aufgabenkreis (BVerfGE 79, 127 (159 ff.); st. Rspr., vgl. BVerwGE 92, 56 (62)). Verfassungsgeschützt ist in diesem Bereich auch die Befugnis zur eigenverantwortlichen Führung der Geschäfte (BVerfGE 91, 228 ( 236)). Die Gemeinden haben insbesondere die Gebietshoheit1079, die Organisationshoheit (BVerfGE 91, 228 (236 ff.))1080, die Planungshoheit (BVerfGE 56, 298 (310, 317); BVerwGE 81, 95 (106); 84, 209 (214 f.))1081, die Haushalts-, Finanz- und Ausgabenhoheit (Art. 28 Abs. 2 S. 3 GG; vgl. BVerfGE 23, 103 (169); 26, 228 1075 Ohne Bedenken aber U. Steiner, Kommunalrecht, Rdn. 4, S. 114, Rdn. 21 ff. (24), S. 121 ff. (122 f.); R. Stober, Kommunalrecht, S. 64, 76 ff.; nicht unkritisch O. Seewald, Kommunalrecht, Rdn. 120 ff., S. 46 ff.; wie der Text B. Pieroth, in: Jarass/ Pieroth, GG, Art. 28 Rdn. 21. 1076 Vgl. K. Stern, Staatsrecht I, S. 412; U. Steiner, Kommunalrecht, Rdn. 10, S. 107; F.-L. Knemeyer, Bayerisches Kommunalrecht, S. 30 ff., 56 f.; R. Stober, Kommunalrecht, S. 62, 68; O. Seewald, Kommunalrecht, Rdn. 60 ff., S. 23 ff.; H. Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 23, Rdn. 13, S. 589 f., der das auf die „eigenen Angelegenheiten“ begrenzt. 1077 Dazu U. Steiner, Kommunalrecht, Rdn. 35, S. 126 ff.; F.-L. Knemeyer, Bayerisches Kommunalrecht, Rdn. 119 ff., S. 114 ff.; R. Stober, Kommunalrecht, S. 32 ff.; O. Seewald, Kommunalrecht, Rdn. 94 ff., S. 35 ff.; H. Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 23, Rdn. 13, S. 589 f. 1078 Dazu 12. Kap., III, 2. 1079 R. Stober, Kommunalrecht, S. 76 ff. 1080 R. Stober, Kommunalrecht, S. 78 f.; O. Seewald, Kommunalrecht, Rdn. 88 ff., S. 33 f.

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(144); 71, 25 (36); BVerwGE 104, 16 (66); 106, 280 (287))1082, die Kulturhoheit und die Personalhoheit (BVerfGE 17, 172 (182); BAGE 76, 125 (132))1083. Zu den Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft sollen allgemeinpolitische Fragen, etwa Atomwaffenstationierung, nicht gehören (BVerwGE 77, 47 (58); 87, 228 (229 ff.); 87, 237 (238 ff.)), aber auch nicht Straßenverkehrsregelungen (BVerwGE 95, 333 (335)), u. a. m. Die Formel „im Rahmen der Gesetze“ ist ein (begrenzter) Gesetzesvorrang und zugunsten der Kommunen ein Gesetzesvorbehalt (BVerfGE 56, 298 (309 f.); 79, 127 (143))1084. Die Gesetze müssen, wenn sie die Gemeindehoheit einschränken, die Verhältnismäßigkeit zum Selbstverwaltungsrecht der Gemeinden wahren (BVerfGE 26, 228 (2421); 56, 298 (313); 76, 107 (119 f.); BVerwGE 77, 47 (49))1085, aber ebenso das Willkürverbot achten (BVerfGE 26, 228 (244); 56, 298 (313); 76, 108 (119); BVerwGE 77, 47 (59); 87, 133 (135))1086. Keinesfalls darf der Kernbereich (BVerfGE 1, 167 (178 f.); 38, 258 (278); 50, 195 (201); 52, 95 (116 f.); 56, 298 (312); 91, 228 (238); BVerwGE 77, 47 (58 f.)) der kommunalen Selbstverwaltung den Gemeinden verloren gehen1087. Art. 83 BV nennt Aufgaben des eigenen Wirkungskreises, welche den Gemeinden nicht gänzlich entzogen werden dürfen (BayVerfGH 10, 113 (121); 40, 3 (56))1088. Die Gemeinden genießen, weil ihnen die allgemeine Grundrechtsfähigkeit nicht zugestanden wird1089, keinen Eigentumsschutz aus der Eigentumsgewährleistung des Art. 14 Abs. 1 GG (BVerfGE 61, 82 (108)); BVerwGE 81, 1 (10); 97, 143 (151 f.)), aber einen solchen aus Art. 28 Abs. 2 GG, wenn das Eigentum Gegenstand und Grundlage der kommunalen Betätigung ist1090. c) In dem Bereich des eigenen Wirkungskreises (Art. 6 BayGO) bestimmen die Kommunen grundsätzlich selbst, welche Aufgaben sie übernehmen1091. Man unterscheidet Pflichtaufgaben und freiwillige Aufgaben (etwa Art. 57 1081 R. Stober, Kommunalrecht, S. 88 ff.; O. Seewald, Kommunalrecht, Rdn. 66 ff., S. 25 ff. 1082 Vgl. U. Steiner, Kommunalrecht, Rdn. 5, S. 114 f.; R. Stober, Kommunalrecht, S. 62, 68; O. Seewald, Kommunalrecht, Rdn. 64 f., S. 25. 1083 R. Stober, Kommunalrecht, S. 80 f. 1084 Dazu R. Stober, Kommunalrecht, S. 99 f. 1085 Vgl. R. Stober, Kommunalrecht, S. 62, 68, 102 f.; U. Steiner, Kommunalrecht, Rdn. 10, 117; F.-L. Knemeyer, Bayerisches Kommunalrecht, S. 38. 1086 F.-L. Knemeyer, Bayerisches Kommunalrecht, S. 38; R. Stober, Kommunalrecht, S. 103. 1087 R. Stober, Kommunalrecht, S. 63, 68, 100 f.; U. Steiner, Kommunalrecht, Rdn. 10, 117; F.-L. Knemeyer, Bayerisches Kommunalrecht, S. 30 ff., 56 f. 1088 U. Steiner, Kommunalrecht, Rdn. 9, S. 116 f. 1089 Dazu R. Stober, Kommunalrecht, S. 105 f. 1090 Vgl. R. Stober, Kommunalrecht, S. 106. 1091 U. Steiner, Kommunalrecht, Rdn. 35, S. 126 f.; F.-L. Knemeyer, Bayerisches Kommunalrecht, Rdn. 122 ff., S. 117 ff.; R. Stober, Kommunalrecht, S. 32 ff., 73 f.; H. Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 23, Rdn. 13, S. 589 f.

III. Vollziehende Gewalt

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BayGO)1092. Das können die unterschiedlichsten Aufgaben der Daseinsvorsorge und auch, was der Sache nach nicht zu unterscheiden ist, unternehmerische Verwaltungen sein, etwa die Energieversorgung (vgl. BVerwGE 98, 273 (275 f.), die Wasserversorgung, Schlachthöfe, Verkehrsbetriebe, Abfallentsorgung, Kultureinrichtungen (Theater, Konzerthäuser, Museen), Sporteinrichtungen, insbesondere Sparkassen, aber auch Wirtschaftsförderungseinrichtungen (BVerwGE 84, 236 (239 f.), sowie internationale Partnerschaften (BVerfGE 87, 237 (238 f.)1093. Art. 57 BayGO kennt Pflicht- und Sollaufgaben. Die Agenda der Gemeinden lassen sich nicht nach Hoheitlichkeit, Daseinsvorsorge, Unternehmen differenzieren1094. Sie sind alle hoheitlich (im Sinne der Kommunalität), Daseinsvorsorge im Lebenssinne und unternehmerisch im ökonomischen Sinne. Die Hoheit hat nur ein Volk in seiner Gesamtheit, also auch das Gemeindevolk, die Bürgerschaft, wie es das demokratische Prinzip, wonach alle Staatsgewalt vom Volke ausgeht, erweist1095. Demgemäß muß nach Art. 28 Abs. 1 S. 2 GG das Volk auch in den Kreisen und Gemeinen „eine Vertretung haben, die aus allgemeinen, unmittelbaren, freien, gleichen und geheimen Wahlen hervorgegangen ist“1096 (vgl. auch Art 12 Abs. mit 14 Abs. 1 BV). Das schließt Verfahren der unmittelbaren Demokratie, wie das Bürgerbegehren und den Bürgerentscheid (vgl. Art. 18a BayGO) nicht aus1097. d) Es überzeugt nicht, Versorgungs- und Verkehrsunternehmen nicht zu den (wirtschaftlichen) Gemeindeunternehmen im Sinne der Art. 86 ff. BayGO zu rechnen (so aber BayVGH 10, 113)1098. Die Unternehmen gehören zum Kern (Wesensgehalt) der kommunalen Selbstverwaltung1099 und dürfen den Kommunen auch durch das Gemeinschaftsrecht nicht untersagt werden1100. Das Wettbewerbsprinzip des Gemeinschaftsrechts (Art. 4 Abs. 1, Art. 81 ff., Art. 98, Art. 105 Abs. 1 EGV) darf nicht zu Lasten der kommunalen Selbstverwaltung, welche zur Materialisierung des demokratischen Prinzips gehört, entwickelt

1092 F.-L. Knemeyer, Bayerisches Kommunalrecht, Rdn. 126 ff., 129 ff., S. 120 f.; R. Stober, Kommunalrecht, S. 35, 39 ff.; O. Seewald, Kommunalrecht, Rdn. 96 ff., 100 ff., S. 36 ff. 1093 Vgl. U. Steiner, Kommunalrecht, Rdn. 35, S. 126 f. 1094 Vgl. K. A. Schachtschneider/A. Emmerich-Fritsche, Kommunaler Wettbewerb, S. 62 ff., 72 ff. 1095 Dazu 3. Kap., V, 4. Kap., I, 1 und 6, II, 1. 1096 Dazu R. Stober, Kommunalrecht, S. 129 ff.; F.-L. Knemeyer, Bayerisches Kommunalrecht, Rdn. 155 ff., S. 133 ff.; H. Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 23, Rdn. 10a, S. 582 f. 1097 Dazu H. Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 23, Rdn. 11, S. 586 ff. 1098 U. Steiner, Kommunalrecht, Rdn. 171, S. 181; wie der Text K. A. Schachtschneider/A. Emmerich-Fritsche, Kommunaler Wettbewerb, S. 60 ff. 1099 Zu den Kommunalunternehmen B. E. Beck, Gemeindliche Unternehmen Bayerns, S. 1 ff.; vgl. auch U. Steiner, Kommunalrecht, Rdn. 171, S. 181. 1100 Dazu B. E. Beck, Gemeindliche Unternehmen Bayerns, S. 221 ff., 287 ff.

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10. Kap.: Besondere Organe

werden. Auch die Gewährträgerschaft für die Sparkassen zu übernehmen, ist durch das Selbstverwaltungsrecht geschützt (vgl. BVerfGE 75, 179 (199)). Die Gemeinden dürfen ihre Unternehmen (vgl. Art. 86 ff. BayGO), die der Sache nach Kommunalverwaltung sind, in welcher Rechtsform auch immer diese betrieben werden mögen (vgl. Art. 86 BayGO)1101, stützen, wenn sie nur der Kommunalität gerecht werden, d.h. auch, daß die Gemeinde Unternehmen nur in ihrem Gemeindegebiet betreiben darf; denn weiter geht ihre Gemeindehoheit nicht1102. Die Gemeinden genießen keine grundrechtliche Unternehmensfreiheit wie Private1103, weil sie keine privatheitlichen Vereinigungen (Gesellschaften) sind, vielmehr jeder Gemeindebürger der Gemeindehoheit und damit den politischen Kräften im Gemeinderat ausgeliefert ist. So gesehen ist die Gemeinde eine Republik, für welche die grundlegenden freiheitsrechtlichen Rechtsprinzipien gelten, insbesondere das Recht der gleichheitlichen und freiheitlichen Willensbildung und der Grundrechteschutz. Demgemäß gebietet das grundrechtliche Wesentlichkeitsprinzip1104, daß Gesetze des Parlaments Eingriffe in die staatlichen Grundrechte regeln oder zumindest ermöglichen (VerfGHNW NJW 1979, 1201)1105. Die kommunalen Eigenbetriebe (Art. 86 Nr. 1 BayGO), die Regiebetriebe, die Unternehmen in privater Rechtsform (AG, GmbH)1106 sind wie die selbständigen Kommunalunternehmen des öffentlichen Rechts (Art. 86 Nr. 2 BayGO)1107 Verwaltungseinrichtungen1108. Ihre Ordnungen (kommunale Satzungen und Unternehmenssatzungen) sind Verwaltungsgesetze, insbesondere Verwaltungsverfahrensgesetze, die sich an den kommunalrechtlichen Verfassungsprinzipien messen lassen müssen. Die kommunalen Unternehmen dürfen nur betrieben werden, wenn sie öffentliche Zwecke fördern (Art. 87 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 BayGO) und das Subsidiari1101 Dazu K. A. Schachtschneider/A. Emmerich-Fritsche, Kommunaler Wettbewerb, S. 38 ff., 60 ff.; B. E. Beck, Gemeindliche Unternehmen Bayerns, S. 51 ff.; zur Rechtsformenwahlfreiheit RGZ 158, 83 (92 f.); 161, 341 ff., 164, 273 (276 f.); BGHZ 9, 145 (147); 16, 111 (112 f.); 35, 111 (112 f.); BVerfGE 27, 364 (374); R. Stober, Kommunalrecht, S. 343 ff.; kritisch K. A. Schachtschneider, Staatsunternehmen und Privatrecht, S. 181 ff.; ders., Der Anspruch auf materiale Privatisierung, S. 208 ff. 1102 R. Stober, Kommunalrecht, S. 76 f. 1103 Zur Unternehmensfreiheit K. A. Schachtschneider, Umweltrecht, S. 334 ff.; ders., Produktwarnung, S. 114 ff., 187 ff., 201 f.; ders., Konkurrentenklage, S. 453 ff. 1104 Dazu 6. Kap., III, 3. 1105 Vgl. Stober R., Kommunalrecht, S. 261. 1106 Dazu U. Steiner, Kommunalrecht, Rdn. 72 ff., S. 102 ff., Rdn. 179, S. 184; R. Stober, Kommunalrecht, S. 345 f.; B. E. Beck, Gemeindliche Unternehmen Bayerns, S. 51 ff. 1107 U. Steiner, Kommunalrecht, Rdn. 177, S. 183; vgl. auch R. Stober, Kommunalrecht, S. 344 f.; B. E. Beck, Gemeindliche Unternehmen Bayerns, S. 64 ff. 1108 K. A. Schachtschneider/A. Emmerich-Fritsche, Kommunaler Wettbewerb, S. 60 ff. (67 f.).

III. Vollziehende Gewalt

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tätsprinzip gewahrt bleibt (Art. 87 Abs. 1 Nr. 4 BayGO)1109. Subjektive Rechte auf Schutz vor kommunaler Konkurrenz gesteht die Praxis entgegen dem Subsidiaritätsprinzip den privaten Unternehmern allenfalls in äußersten Grenzen zu (BayVGH, BayVBl. 1959, 90 f.; BayVBl. 1959, 698; BayVBl. 1976, 628 ff.; VGHBW DÖV 1995, 120; OVG Münster NVwZ 1986, 1045 ff.; vgl. BVerwGE 17, 306 (314); 39, 329 (330 ff.); tendenziell richtig OLG Hamm JZ 1998, 577 ff.; VGH Mannheim NJW 1984, 251 ff.)1110. Den Unlauterkeitsvorwurf läßt die Praxis zu (BGHZ 82, 375 ff.)1111. e) Durch die Aufgabenbewältigung im übertragenen Wirkungskreis (Art. 8, Art. 58 BayGO, Auftrags- und Weisungsverwaltung)1112, welche den Großteil (etwa drei Viertel) der Kommunalverwaltung ausmacht1113, sollen die Gemeinden „substantiell staatliche Aufgaben“ auf der unteren Verwaltungsebene erfüllen, „gemeindefremde Angelegenheiten“, „örtliche Aufgaben der inneren Verwaltung“ (so noch BVerfGE 1, 167 (175); 8, 122 (134))1114, und zwar „namens des Staates“ (Art. 8 Abs. 1 BayGO). Auch die übertragenen Aufgabenbereiche sind jedoch eigene Angelegenheiten der Gemeinden und unterfallen der Selbstverwaltungsgewährleistung des Art. 28 Abs. 2 GG (vgl. i. d. S. BayVGH BayVBl. 1955, 25 f.); denn die Gemeinden bleiben in jeder ihrer Agenden Kommune und nehmen „ihre Angelegenheiten“ (vgl. Art. 23 BayGO) wahr. Die übertragenen Aufgaben sind „Gemeindeaufgaben“ (vgl. Art. 6 BayGO)1115. Die Gemeinden werden auch im übertragenen Wirkungskreis nicht Teil des Staates. Der Staat darf den Gemeinden keine Aufgaben zuweisen, welche die Gemeinden insbesondere finanziell (vgl. Art. 8 Abs. 4 BayGO) überlasten (vgl. BVerfGE 83, 363 (385 ff.)), aber er darf die Gemeinden auch nicht zu Staatsbehörden degradieren und die Selbstverwaltung aushöhlen (BVerfGE 22, 180 1109 Dazu U. Steiner, Kommunalrecht, Rdn. 178, S. 184; R. Stober, Kommunalrecht, S. 339 ff.; K. A. Schachtschneider, Der Anspruch auf materiale Privatisierung, S. 140 ff.; ders./A. Emmerich-Fritsche, Kommunaler Wettbewerb, S. 68 ff.; B. E. Beck, Gemeindliche Unternehmen Bayerns, S. 45 ff.; zum Subsidiaritätsprinzip allgemein Hinweise in Fn. 147, auch Fn. 1381. 1110 U. Steiner, Kommunalrecht, Rdn. 180, S. 185; R. Stober, Kommunalrecht, S. 350 ff. (352); a. A. K. A. Schachtschneider, Der Anspruch auf materiale Privatisierung, S. 140 ff., 326 ff., 339 ff.; ders./A. Emmerich-Fritsche, Kommunaler Wettbewerb, S. 45 ff., 58 ff.; vgl. auch K. A. Schachtschneider, Konkurrentenklage, S. 429 ff., 493 ff. 1111 R. Stober, Kommunalrecht, S. 350; K. A. Schachtschneider, Der Anspruch auf materiale Privatisierung, S. 306 ff., 334ff. 1112 Dazu U. Steiner, Kommunalrecht, Rdn. 36, S. 127 f.; R. Stober, Kommunalrecht, S. 32 ff., 36 f., 40; F.-L. Knemeyer, Bayerisches Kommunalrecht, Rdn. 136 ff., S. 123 ff.; O. Seewald, Kommunalrecht, Rdn. 107 ff., S. 39 ff. 1113 R. Stober, Kommunalrecht, S. 37. 1114 U. Steiner, Kommunalrecht, Rdn. 36, S. 127 f., Rdn. 196, S. 191; R. Stober, Kommunalrecht, S. 36, 68; richtig dagegen F.-L. Knemeyer, Bayerisches Kommunalrecht, S. 86. 1115 F.-L. Knemeyer, Bayerisches Kommunalrecht, S. 86, 124 f.

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10. Kap.: Besondere Organe

(205); auch BVerwGE 91, 228 (239))1116. Mittels der übertragenen Aufgaben sind die Gemeinden die wesentlichen Verwaltungsträger des Gemeinwesens insgesamt. Das hat den Vorteil der Nähe der Verwaltung zu den Bürgern. Freilich hat auch der Staat Verwaltungsinstitutionen in den Gemeinden, etwa die Finanzämter, und darf das um der örtlichen Nähe willen. Im übertragenen Wirkungskreis umfaßt die Staatsaufsicht auch die Fachaufsicht, also auch die Zweckmäßigkeit des gemeinsamen Handelns (Art. 83 Abs. 4 S. 3 BV); Art. 109 Abs. 1 BayGO)1117. f) Den Gemeinden, insbesondere den (Ober)Bürgermeistern, werden durch Bundes- oder Landesgesetze Aufgaben übertragen, die keine Gemeindeangelegenheiten sein sollen, etwa Aufgaben der Ortspolizei. Man spricht von einer Organleihe1118. Diese Dogmatik ist wegen ihrer entkommunalisierenden Wirkung bedenklich.

IV. Privatistische Staatsunternehmen 1. Erwerbswirtschaftliche Verwaltung Die Verwaltung beteiligt sich auch an der Erwerbswirtschaft1119. Sie betreibt Eigengesellschaften oder beteiligt sich an privaten Unternehmen (vgl. §§ 53, 54 HGrG, § 65 BHO, Art. 65 Bay. Haushaltsord.). Der dominierende Zweck privater Unternehmungen ist die Gewinnerzielung. Die Gewinnmaxime ist dem Staat ausnahmslos verwehrt (vgl. Art. 87 Abs. 1 S. 2 BayGO; BVerfGE 61, 82 (107); BVerwGE 39, 329 (333 f.))1120. Die Beteiligung an privaten Unternehmen, welche sogenannte gemischtwirtschaftliche Unternehmen entstehen läßt, ist entgegen der Rechtsansicht der Praxis verfassungswidrig, vor allem weil Privaten als solchen (abgesehen von Vertragsverhältnissen) kein Einfluß auf die Verwaltung

1116 1117

Vgl. U. Steiner, Kommunalrecht, Rdn. 8, S. 116. U. Steiner, Kommunalrecht, Rdn. 37, S. 128, Rdn. 192, S. 189 f.; dazu 12. Kap.,

III, 2. 1118 R. Stober, Kommunalrecht, S. 37 f.; a. A. H. Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 22, Rdn. 30, S. 564, auch § 21, Rdn. 54, S. 541 f. 1119 Dazu und zum folgenden K. A. Schachtschneider, Staatsunternehmen und Privatrecht. Kritik der Fiskustheorie, exemplifiziert an § 1 UWG, 1986; ders., Der Anspruch auf materiale Privatisierung, S. 306 ff.; ders./A. Emmerich-Fritsche, Kommunaler Wettbewerb, S. 58 ff.; G. Püttner, Die öffentlichen Unternehmen, 2. Aufl. 1985; W. Löwer, Der Staat als Wirtschaftssubjekt und Auftraggeber, VVDStRL 60 (2001), S. 416 ff. 1120 K. A. Schachtschneider, Staatsunternehmen und Privatrecht, S. 310 ff.; ders., Eigentümer globaler Unternehmen, FS H. Steinmann, S. 420 ff.; ders./A. EmmerichFritsche, Kommunaler Wettbewerb, S. 65 f.; W. Löwer, Der Staat als Wirtschaftssubjekt und Auftraggeber, VVDStRL, 60 (2001), S. 416 ff.

IV. Privatistische Staatsunternehmen

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gegeben werden darf1121. Das ist mit dem Prinzip der demokratischen Legitimation des Art. 20 Abs. 2 S. 1 GG unvereinbar. Auch die erwerbswirtschaftliche Betätigung des Staates ist Verwaltung1122. Zu Unrecht spricht die Praxis von öffentlichen Unternehmen. Unternehmen im Rechtssinne setzen Privatheit voraus1123; denn sie sind die Suche nach dem eigenen, besonderen Glück, dem guten Leben des Einzelnen. Die staatliche Verwaltung ist aber durch den Gesetzesvollzug bestimmt. Die Gesetze dienen ausschließlich dem gemeinen Wohl, dem guten Leben aller in allgemeiner Freiheit. Der Staat genießt keine Vertragsfreiheit, wenn er auch das Instrument des Vertrages zur Verwirklichung der gesetzlichen Aufgaben nutzen darf (§§ 54 ff. VwVfG). Die Vertragsfreiheit ist aber die wesentliche verfassungsrechtliche Grundlage unternehmerischer Betätigung (BVerfGE 8, 274 (328); 12, 341 (347); 50, 220 (366); 65, 196 (210 f.); 75, 108 (154); 89, 48 (61); 89, 214 (232 f.); 95, 207 (303); 96, 267 (303))1124. Ein Unternehmen ist im Rechtssinne eine Einheit von gesetzlich oder vertraglich begründeten Rechten und Pflichten. Die Unternehmensfreiheit ist wesentlich die Vertragsfreiheit, die durch die verschiedenen Grundrechte gestärkt wird1125, insbesondere durch die Berufsfreiheit (BVerfGE 41, 205 (228); 50, 290 (268 ff.); 97, 228 (258); BVerwGE 71, 183 (189); 87, 37 (39))1126 und durch die Eigentumsgewährleistung (i. d. S. BGHZ 3, 270 (279); 29, 65 (69); interpretationsbedürftig i. d. S. BGHZ 78, 41 (42 ff.); 98, 341 (351))1127.

1121 K. A. Schachtschneider, Die Einwirkungsrechte des Staates auf seine privatistischen Unternehmen, Lehrstuhlpapier, 1990. 1122 K. A. Schachtschneider, Staatsunternehmen und Privatrecht, S. 357 ff.; ders./A. Emmerich-Fritsche, Kommunaler Wettbewerb, S. 60 ff. (67 f.); ders., Der Anspruch auf materiale Privatisierung, S. 145 ff.; B. E. Beck, Gemeindliche Unternehmen Bayerns im Spannungsfeld zwischen Selbstverwaltungsgarantie des Grundgesetzes und Wettbewerblichkeit des Gemeinschaftsrechts, 2000, S. 43 ff., 45 ff., 51 ff. 1123 H. Krüger, Allgemeine Staatslehre, S. 604 ff.; K. A. Schachtschneider, Staatsunternehmen und Privatrecht, S. 181 ff., 322 ff.; ders., Eigentümer globaler Unternehmen, FS H. Steinmann, S. 420 f.; ders., Der Anspruch auf materiale Privatisierung, S. 306; ders./A. Emmerich-Fritsche, Kommunaler Wettbewerb, S. 66 f. 1124 K. A. Schachtschneider, Staatsunternehmen und Privatrecht, S. 353 ff.; ders., Res publica res populi, S. 441 ff.; ders., Freiheit in der Republik, 8. Kap., VI, VIII; ders., Umweltrecht, S. 353 f. 1125 W. Höfling, Vertragsfreiheit. Eine grundrechtsdogmatische Studie, 1991; K. A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 404; ders., Freiheit in der Republik, 8. Kap., VIII, 1; i. d. S. BVerfGE 81, 242 (254 ff.) 1126 K. A. Schachtschneider, Staatsunternehmen und Privatrecht, S. 353 ff.; ders., Umweltrecht, S. 334 ff.; ders., Produktwarnung, S. 114 ff. 1127 K. A. Schachtschneider, Umweltrecht, S. 342 ff.; ders., Produktwarnung, S. 187 ff.

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10. Kap.: Besondere Organe

2. Verfassungswidrige Fiskusdoktrin a) Entgegen der Praxis darf der Staat sich niemals privatisieren1128. Die Fiskuslehre läßt es demgegenüber zu, daß staatliche Einheiten Eigengesellschaften als juristische Personen des Privatrechts begründen und tätig werden, als seien sie Private (etwa BVerfG NJW 1976, 667 ff.; BVerfGE 27, 364 (374); BGHZ 35, 311 (312 f.); 36, 91 (95 f.); 37, 1 (16 f.); BVerwGE 7, 180 (181 f.); 38, 281 (283 f.); 39, 329 ( 337); 39, 364 (374))1129. Das öffentliche Recht der Republik befindet sich aber in dem Grundgesetz als dem Verfassungsgesetz und in den staatsrechtlichen Vorschriften, nicht in den für Private und deren Gesellschaften erlassenen Vorschriften, etwa dem Aktiengesetz. Der Fiskus ist nach heutigem Sprachgebrauch der Staat als Privatrechtssubjekt (BGHZ 35, 311 (283 f.); 36, 91 (95 f.); 37, 1 (16 f.); BVerwGE 7, 180 (181 f.); 38, 281 (283 f.); 39, 364 (374); 89, 329 (337); BVerfGE 27, 364 (374 f.))1130. Ein Privatrechtssubjekt ist durch die Privatheit des Rechtsträgers gekennzeichnet. Der Staat darf sich Privatheit nicht zueignen; denn Privatheit ist durch die Besonderheit gekennzeichnet. Das Staatliche ist das Allgemeine der Bürger und darum entweder allgemeine Gesetzgebung oder Gesetzesvollzug1131. Privatrechtssubjektivität vermittelt jedoch Privatheit, weil die Vorschriften, welche für private Rechtsträger gelten, vielfach die freie Willkür regeln und damit das Recht zur freien Willkür voraussetzen1132. Willensautonom sind die Bürger bei ihrer allgemeinen Gesetzgebung, keinesfalls ist es aber eine besondere Einrichtung des Staates, etwa ein staatliches Unternehmen, im Gegensatz zu den privaten Unternehmen, in denen Bürger von ihrer Privatautonomie, vornehmlich der Vertragsfreiheit, Gebrauch machen. b) Ein Beispiel bieten §§ 3 ff. UWG1133. Das gesamte Wettbewerbsrecht setzt entgegen der Auffassung der Praxis Privatheit voraus und kann darum auf staatliches Handeln keine Anwendung finden1134. § 98 Abs. 1 GWB verkennt den 1128 K. A. Schachtschneider, Staatsunternehmen und Privatrecht, S. 5 ff., 10. ff., 17 ff., 253 ff., 261 ff.; J. Burmeister, Verträge und Absprachen zwischen Verwaltung und Privaten, VVDStRL 52 (1993), S. 210 ff.; W. Löwer, Der Staat als Wirtschaftssubjekt und Auftraggeber, VVDStRL, 60 (2001), S. 416 ff. 1129 Dazu K. A. Schachtschneider, Staatsunternehmen und Privatrecht, S. 5 ff.; ders., Der Anspruch auf materielle Privatisierung, S. 183 ff., 190 ff. 1130 K. A. Schachtschneider, Staatsunternehmen und Privatrecht, S. 5 ff., m. Hinw. 1131 K. A. Schachtschneider, Staatsunternehmen und Privatrecht, S. 253 ff.; ders., Res publica res populi, S. 279 ff., 494 ff., 519 ff.; ders., Freiheit in der Republik, 2. Kap., IV, 5. Kap., II; ders., Der Anspruch auf materiale Privatisierung, S. 40 ff., 45 ff., 190 ff. 1132 K. A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 374 ff.; ders., Freiheit in der Republik, 8. Kap., III. 1133 Dazu (noch zu § 1 UWG a. F.) K. A. Schachtschneider, Staatsunternehmen und Privatrecht, insb. S. 438 ff., passim; ders., Der Anspruch auf materiale Privatisierung, S. 306 ff., 313 ff.

IV. Privatistische Staatsunternehmen

241

Staat. Demgegenüber wird eine Doppelqualifikation sogar staatlichen Handelns in Formen des öffentlichen Rechts praktiziert, wonach dennoch das Wettbewerbsrecht maßgeblich ist, wenn der Staat wettbewerblich handelt, also als Marktteilnehmer agiert (BGHZ Gr.S. 37, 1 (16 ff.); 39, 353 (356); 66, 229 (232 ff.); 67, 81 (85); 82, 375 (381 ff.))1135. Freilich können die meisten Vorschriften, welche für Private gelten, auch dem Staat das Recht geben1136. Es handelt sich um gegenüber der Dichotomie von Staatlichkeit und Privatheit neutrale Vorschriften. Ein Beispiel bietet § 433 BGB. Auch der Staat kann in seiner Staatlichkeit kaufen und verkaufen; denn er kann den Kaufpreis bezahlen und ihm kann die Sache übergeben und die Sachherrschaft verschafft werden. Die Sachherrschaft des Staates ist allerdings kein Eigentum im Sinne des § 903 BGB, weil der Staat mit der Sache nicht nach Belieben verfahren darf (i. S. d. BVerfGE 61, 82 (105); 75, 122 (187); BVerwGE 84, 257 (269); 97, 143 (151)1137. Die (sogenannte) Sachherrschaft über die Sache, welche die Einwirkung anderer Rechtsträger auf die Sache ausschließt, ist jedoch nicht von diesem privattypischen Recht zur Beliebigkeit (besser: Recht zur freien Willkür) abhängig. Staatliche Sachherrschaft ist Gesetzesvollzug1138. 3. Formelle Privatisierung der Staatlichkeit a) Die Fiskusdoktrin ermöglicht dem Staat, ohne Rücksicht auf die staatsrechtlichen Regelungen, welche nichts anderes sind, als die Gesetze der allgemeinen Freiheit, zu agieren1139. Die Verwaltung entzieht sich als Privatrechtssubjekt nicht nur der strikten Geltung der Grundrechte, wenn auch die sogenannte Fiskalgeltung der Grundrechte weitestgehend anerkannt ist1140. Die Berufung auf die Grundrechte verwehrt das Bundesverfassungsgericht sowohl den staatlichen Eigengesellschaften als auch den gemischtwirtschaftlichen Unternehmen, welche unter wesentlichem Einfluß des Staates stehen, etwa den 1134

K. A. Schachtschneider, Staatsunternehmen und Privatrecht, S. 281 ff. Dazu (ablehnend) K. A. Schachtschneider, Staatsunternehmen und Privatrecht, S. 26 ff.; ders., Der Anspruch auf materiale Privatisierung, S. 190 ff. 1136 K. A. Schachtschneider, Staatsunternehmen und Privatrecht, S. 1, 3, 12 ff., 32 ff., 45 ff., 80 ff., 248, 253, 257, 260, 384; ders., Der Anspruch auf materiale Privatisierung, S. 190 ff. 1137 K. A. Schachtschneider, Staatsunternehmen und Privatrecht, S. 277 ff.; ders., Der Anspruch auf materiale Privatisierung, S. 140 ff., 190 ff. 1138 K. A. Schachtschneider, Staatsunternehmen und Privatrecht, S. 277 ff.; ders., Der Anspruch auf materiale Privatisierung, S. 217 ff., 308 ff.; ders./A. Emmerich-Fritsche, Kommunaler Wettbewerb, S. 66 f., 68 ff.; vgl. i. d. S. BVerfGE 61, 82 (105 ff.) 1139 K. A. Schachtschneider, Staatsunternehmen und Privatrecht, S. 246 ff., 253 ff., 261 ff.; ders., Der Anspruch auf materiale Privatisierung, S. 200 ff.; ders./A. Emmerich-Fritsche, Kommunaler Wettbewerb, S. 36 ff., 68 f. 1140 Dazu K. A. Schachtschneider, Staatsunternehmen und Privatrecht, S. 1, 17 ff., 44 ff., 54 ff., 71 ff., 77 ff., 222 f., 227 ff., 275 ff., 351 ff. 1135

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10. Kap.: Besondere Organe

Hamburger Elektrizitätswerken, eine Aktiengesellschaft, an der Hamburg durch eine Holding, die Hamburger Beteiligungsgesellschaft mbH, mit ca. 72% beteiligt war, wenn und weil sie öffentliche Aufgaben wahrnehmen (BVerfG JZ 1990, 335, Nichtannahmebeschluß der 3. Kammer des 1. Senats; vgl. schon BVerfGE 21, 362 (367), 61, 82 (105); 75, 192 (197)). Die Verwaltung überspielt als Fiskus die Kompetenzprinzipien der Verfassungsgesetze. Das verletzt die Prinzipien des Föderalismus und des Kommunalismus. Diese Prinzipien sind aber Strukturprinzipien unter dem Grundgesetz, wie Art. 20 Abs. 1 GG und Art. 28 Abs. 1 GG beweisen. Der Staat darf sich in keinem Fall seiner Staatlichkeit entkleiden, weil das die verfassungsbefohlene Rechtsordnung verdrängt und verdrängen soll. Die privatistischen Unternehmen des Staates handeln ohne demokratische Legitimation. Die Fiskuslehre erlaubt, die beamtenrechtlichen Prinzipien zurückzustellen, welche die republikanische Amtlichkeit als einem rechtsstaatlichen Essentiale sicherstellen soll. Privatistische Geschäftsführungsverträge dürfen nicht an die Stelle von Amtsernennungen treten. Die Praxis der Fiskusdoktrin verletzt somit auch die Prinzipien des Art. 33 GG1141. Die sogenannten öffentlichen Unternehmen, die Staatsunternehmen in privaten Rechtsformen, sind entweder materiell zu privatisieren, d. h. ihre Anteile müssen in private Hände gegeben werden, oder sie müssen als staatliche Verwaltungen betrieben werden. Art. 86 f. BayGO kennen Kommunalunternehmen des öffentlichen Rechts als Form einer besonderen unternehmensnahen Verwaltung1142. Die Verwirklichung der Freiheit durch rechtliche Gesetzlichkeit bindet den Staat an seine Staatlichkeit. Die Flucht in die Privatheit ist auch Verletzung des Rechtsstaatsprinzips. Der Verfassungsverstoß wird nicht dadurch behoben, daß der Staat dem Privatrecht unterstellt wird, welches eine tragfähige Rechtsordnung für privatunternehmerisches Handeln ist. Ein Wettbewerbsverhältnis des Staates mit Privaten gibt es unter dem Grundgesetz rechtens nicht; denn es würde die Privatheit des Staates voraussetzen1143. b) Art. 87d Abs. 1 S. 2 GG hat es ermöglicht, die Bundesanstalt für Flugsicherung in eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung, deren Anteile in der Hand des Bundes bleiben sollen, zu überführen (§ 31b LuftGVG), obwohl die Luftverkehrsverwaltung in „bundeseigener Verwaltung geführt“ wird (Art. 87d Abs. 1 S. 1 GG). Zweck dieser verfassungswidrigen Verfassungsnorm1144 ist es ausschließlich, privatrechtliche Arbeitsverhältnisse mit den Fluglotsen ohne die 1141

Vgl. K. A. Schachtschneider, Streik im öffentlichen Dienst, S. 263 ff. K. A. Schachtschneider/A. Emmerich-Fritsche, Kommunaler Wettbewerb, S. 60 ff.; ders., Der Anspruch auf materiale Privatisierung, S. 134 ff. 1143 K. A. Schachtschneider, Staatsunternehmen und Privatrecht, S. 26 ff., 281 ff., 322 ff., 333 ff., 357 ff.; ders., Der Anspruch auf materiale Privatisierung, S. 306 ff., 313 ff. 1144 Zu diesem Begriff K. Stern, Staatsrecht I, S. 116, 167 f.; vgl. als Beispiele der verfassungsrechtlichen Prüfung von Änderungen des Verfassungsgesetzes etwa BVerfGE 30, 1 (17 ff., 33 ff.); 84, 90 (119 ff.); 94, 12 (33ff.); 94, 49 (84 ff., 102 ff.). 1142

IV. Privatistische Staatsunternehmen

243

Bindung an Art. 33 Abs. 4 und 5 GG, insbesondere an das enge Besoldungsrecht, eingehen zu können. Das ist republikwidrig. Die materiale Privatisierung wäre möglich, nur wäre das keine „bundeseigene Verwaltung“, die aus militärischen Interessen notwendig erschienen sein mochte. Man könnte auch das staatliche Besoldungsrecht flexibilisieren. Die bloß formelle Privatisierung in Eigengesellschaften, die dadurch gekennzeichnet sind, daß der Staat alle Anteile der Gesellschaft hält, will den staats- und verwaltungsrechtlichen Regelungen ausweichen, welche die Verfassung und das Verfassungsgesetz geben und vorschreiben. Die formelle Privatisierung versucht die Flucht vor der Verfassung und dem Verfassungsgesetz. Eine formelle Privatisierung ist auch die Begründung der privatrechtlichen Arbeitsverhältnisse. Der Sache nach werden die (vermeintlich) privatrechtlichen Organisations- und Handlungsformen zu (mißlungenen) Formen des öffentlichen Rechts.

11. Kapitel

Verantwortung der Rechtsprechung für die Rechtlichkeit der Gesetze Die gewaltenteilige Funktionenordnung dient der Freiheitlichkeit, Gleichheitlichkeit und Brüderlichkeit des gemeinsamen Lebens durch Rechtlichkeit, also durch dem Recht gemäße Gesetzlichkeit. Um eine derartige Gesetzlichkeit zu verwirklichen, bedarf es des kompetenz- und verfahrensmäßigen Handelns der „besonderen Organe“, welche die Staatsgewalt ausüben. Die Funktionsgerechtigkeit des staatlichen Handelns der Organe ist sicherzustellen. Alle Bürger, das ganze Volk also, und alle Organe des Staates (im engeren Sinne), seien es die einzelstaatlichen oder seien es die gemeinschaftlichen Organe, haben die Verantwortung für die Rechtlichkeit der Gesetze, aber auch für die Gesetzlichkeit des Handelns; denn die rechtliche Gesetzlichkeit allen Handelns ist die Wirklichkeit des guten Lebens aller in allgemeiner Freiheit, also die Wirklichkeit von Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit1145. Die Einrichtungen, Aufgaben, Befugnisse und Mittel, sowie die Verfahren zur Sicherstellung der Rechtlichkeit der Gesetze und der Gesetzlichkeit des Handelns sind vielfältig und begründen unterschiedliche Verantwortlichkeiten.

I. Normenprüfung und Normverwerfung 1. Normenkontrollpflicht der Gerichte Jedes Gericht ist verpflichtet, die Verfassungs- und Verfassungsgesetzmäßigkeit der Gesetze (einschließlich der Rechtsverordnungen und Verwaltungsvorschriften), die es zur Entscheidung eines Falles anwenden will, zu überprüfen; denn ein Gericht darf nur das geltende Recht anwenden. Das folgt aus dem Vorrang des Rechts, den Art. 20 Abs. 3 GG bestätigt1146. Wenn ein Gericht ein Gesetz, auf das es für die Entscheidung des Falles ankommt, für „verfassungswidrig“, also für rechtswidrig, hält, hat es das Verfahren auszusetzen und, wenn

1145 K. A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 35 ff., 279 ff., 290 ff., 340 ff., 360 ff., 410 ff., 494 ff., 519 ff., 526 ff.; ders., Freiheit in der Republik, 2. Kap., IV, 5. Kap., II, III. 1146 Dazu 6. Kap., II.

I. Normenprüfung und Normverwerfung

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es sich um die Verletzung der Verfassung eines Landes, die Entscheidung des für Verfassungsstreitigkeiten zuständigen Gerichts des Landes, wenn es sich um die Verletzung dieses Grundgesetzes handelt, die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts einzuholen (Art. 100 Abs. 1 S. 1 GG). „Dies gilt auch, wenn es sich um die Verletzung dieses Grundgesetzes durch Landesrecht oder um die Unvereinbarkeit eines Landesgesetzes mit einem Bundesgesetz handelt“ (Art. 100 Abs. 1 S. 2 GG). Man spricht von der konkreten Normenkontrolle (§§ 13 Nr. 11, 80 ff. BVerfGG). Die Verfassungsgerichte haben das Normverwerfungsmonopol, das jedoch, jedenfalls auf Bundesebene, nur die nachkonstitutionellen, formellen Gesetze erfaßt (BVerfGE 1, 184 (188 ff.); 4, 331 (339 ff.); 48, 40 (45); 70, 126 (129); st. Rspr.)1147. Andere Rechtsvorschriften können die Gerichte außer Anwendung lassen, wenn sie diese für rechtswidrig und damit nichtig erachten1148. Die Gerichte sind zwar den Gesetzen, genauer: „dem Gesetze“, nämlich nur dem geltenden Recht, unterworfen (Art. 97 Abs. 1 GG), aber sie entscheiden nicht nur verbindlich über die Geltung der Gesetze im allgemeinen (BVerfGE 1, 184 (197 ff.); 6, 222 (232 ff.); 17, 208 (209 f.))1149, sondern vor allem verbindlich darüber, ob ein Gesetz im Streitfall anzuwenden ist. Das setzt die Interpretation der Gesetze, gegebenenfalls die verfassungskonforme Interpretation1150, voraus, welche den Gerichten eine wesentliche (funktional gesetzgeberische) Rechtssicherungsaufgabe zuweist1151. Die Gerichte bestimmen somit die Materie der Gesetze, soweit nicht „Wortlaut und Sinn“ der Gesetze der Interpretation unüberschreitbare Barrieren setzen (BVerfGE 72, 278 (295)). Die Fachgerichte, zumal die obersten Bundesgerichte, entschließen sich nur äußerst selten zum Normenkontrollverfahren nach Art. 100 Abs. 1 GG. Die Vorlage zum Verfassungsgericht muß die Rechtswidrigkeit des Gesetzes bestens begründen, um nicht vom Verfassungsgericht als unzulässig verworfen zu werden (§ 81a BVerfGG; BVerfGE 42, 91 (95); 48, 49 (45); 70, 134 (137)). Das setzt gute Kenntnisse des Verfassungsrechts voraus, an denen es den meisten Richtern fehlt, macht viel Mühe und birgt die Gefahr der Blamage durch Verwerfung der Vorlage. Die Fachrichter halten sich lieber an das Gesetz und interpretieren dieses, wie sie es für richtig halten. Sie bleiben dadurch Herren der Verfahren. Dem Bürger bleibt die Verfassungsbeschwerde, ein wenig erfolgversprechender Rechtsbehelf. Wirkung entfalten die Gesetze vor allem durch die Rechtsprechung. Die Richtersprüche erwachsen in Rechtskraft und 1147

Dazu W. Löwer, Zuständigkeiten und Verfahren des Bundesverfassungsgerichts, HStR, Bd. II, § 56, Rdn. 73 ff. 1148 K. A. Bettermann, Die rechtsprechende Gewalt, HStR, Bd. III, § 73, Rdn. 13. 1149 K. A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 905 ff.; K. A. Bettermann, Die rechtsprechende Gewalt, HStR, Bd. III, 1988, § 73, Rdn. 13. 1150 Dazu W. Löwer, Zuständigkeiten und Verfahren des Bundesverfassungsgerichts, HStR, Bd. II, § 56, Rdn. 77, 111 ff.; K. A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 898, 906. 1151 Dazu K. A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 906.

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11. Kap.: Verantwortung der Rechtsprechung

stehen darum grundsätzlich nicht zur Disposition des Gesetzgebers (BVerfGE 72, 302 (328))1152. Es ist darum unergiebig, von einer Überordnung der Legislative über die Judikative oder auch die Exekutive zu sprechen. Die staatlichen Organisationen haben je eigene Funktionen, die aber mit den Funktionen der anderen Organisationen zur Einheit der Staatsgewalt verbunden sind. Die Verfassungsrechtsprechung hat die Funktion, die Rechtlichkeit der Gesetze zu gewährleisten und kann insoweit nicht an Gesetze außer an die Verfassung und das Verfassungsgesetz gebunden sein. 2. Normverwerfung durch das Bundesverfassungsgericht a) Wenn die Gesetze gegen höherrangiges Recht verstoßen, hat das Bundesverfassungsgericht diese Rechtsverletzung festzustellen und zu entscheiden, welche Rechtsfolge dieser Rechtsverstoß hat (§ 95 BVerfGG). Es kommen dreierlei Rechtsfolgen in Betracht1153: (1) die Nichtigkeit des Gesetzes (§ 95 Abs. 3 S. 1 BVerfGG), (2) die Verpflichtung des Gesetzgebers, die Vorschrift in bestimmter Frist zu novellieren, um den Verfassungs- oder Rechtsverstoß zu beheben (etwa BVerfGE 39, 169 (194); 54, 11 (37)) und (3) die verfassungskonforme Interpretation der in ihrer nach der Rechtsprechung der Fachgerichte maßgeblichen Interpretation rechtswidrigen Vorschrift (etwa BVerfGE 2, 260 (282); 7, 120 (126); 8, 38 (41); 9, 194 (200); 32, 373 (383 f.); 33, 52 (70); 48, 40 (45 f.); 70, 134 (137); 72, 278 (295)).

Die zweite Rechtsfolge wird gewählt, wenn ein Lebensbereich nicht vorübergehend ohne gesetzliche Regelung bleiben kann, wie etwa das Rentenversicherungsrecht (BVerfGE 39, 169 (193 ff.))1154. Die dritte Rechtsfolge setzt voraus, daß eine Interpretation des Gesetzes nach den klassischen Auslegungsregelungen möglich ist, welche den Rechtsverstoß der Vorschrift aufhebt. Das Bundesverfassungsgericht darf durch die verfassungskonforme Interpretation nicht den Gesetzgeber verdrängen. In der Praxis interpretieren auch die Fachgerichte verfassungskonform, um das Bundesverfassungsgericht von den Verfahren zu entlasten, und werden vom Bundesverfassungsgericht dazu verpflichtet (BVerfGE 42, 91 (95); 48, 40 (45); 70, 134 (137))1155. Das überschreitet die Befugnisse der 1152 Dazu H. Maurer, Kontinuitätsgewähr und Vertrauensschutz, HStR, Bd. III, 1988, § 60, Rdn. 41. 1153 Dazu W. Löwer, Zuständigkeiten und Verfahren des Bundesverfassungsgerichts, HStR, Bd. II, § 56, Rdn. 79, 104 ff. 1154 Dazu W. Löwer, Zuständigkeiten und Verfahren des Bundesverfassungsgerichts, HStR, Bd. II, § 56, Rdn. 10; K. Stern (M. Sachs), Staatsrecht III/1, S. 1311 ff. 1155 W. Löwer, Zuständigkeiten und Verfahren des Bundesverfassungsgerichts, HStR, Bd. II, § 56, Rdn. 77, 111 f.

I. Normenprüfung und Normverwerfung

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gesetzesgebundenen Fachgerichte1156. Die grundsätzliche und normale Rechtsfolge ist die der Nichtigkeit der rechtswidrigen Vorschrift (BVerfGE 65, 325 (357 f.)). b) Wenn das Bundesverfassungsgericht ein Gesetz für nichtig erklärt, hat diese Entscheidung nach § 31 Abs. 2 S. 1 BVerfGG Gesetzeskraft und bindet nach Absatz 1 dieser Vorschrift „die Verfassungsorgane des Bundes und der Länder sowie alle Gerichte und Behörden“. Diese allgemeine Entscheidungswirkung ist wegen der Allgemeinheit des (für nichtig erklärten) Gesetzes selbst logisch. Das Bundesverfassungsgericht dehnt die Bindungswirkung der jeweiligen Entscheidung auf die tragenden Gründe für die Entscheidungen (rationes decidendi) aus (BVerfGE 1, 14 (Ls. 5, S. 37); 3, 261 (264 f.); 4, 31 (38); 19, 377 (391 f.); 20, 56 (87); 24, 289 (297); 36, 1 (3); 40, 83 (93); 79, 256 (264))1157 und bindet dadurch die Gesetzgeber an seine gesetzgeberischen Rechtserkenntnisse, die seiner praktischen Vernunft entspringen. Das löst jedenfalls Bedenken aus, wenn Rechtssätze für die Entscheidungsfindung nicht erheblich waren (obiter dicta). Selbst ist das Bundesverfassungsgericht nicht gebunden (BVerfGE 75,84 (103 f.))1158. Diese Praxis des Gerichts schränkt die Parlamente in ihrer Gesetzgebungsbefugnis erheblich ein. Die Alternative wäre, die Bindungswirkung richterlicher Entscheidungen auf den Tenor, den eigentlichen Entscheidungsausspruch zu beschränken1159. Der Tenor einer Entscheidung über die Verfassungsmäßigkeit eines Gesetzes spricht aus, daß das Gesetz nichtig ist oder daß der Antrag, es für nichtig zu erklären, zurückgewiesen wird, mehr nicht. Dieser Tenor erwächst in Rechtskraft1160. Die Gründe, welche zu der Erkenntnis geführt haben, sind zwar logische Voraussetzungen für die Erkenntnis, aber nicht die tenorierte Erkenntnis selbst. Die Wirkung der vielfältigen Entscheidungsgründe ist politisch kaum abschätzbar. Mit der weiten Bindungswirkung würde das Bundesverfassungsgericht mit jeder Entscheidungsbegründung zum Verfassungsgeber, lautet die Kritik1161. Die tragenden Gründe 1156 K. A. Bettermann, Die verfassungskonforme Auslegung. Grenzen und Gefahren, 1986, S. 31; K. Stern (M. Sachs), Staatsrecht III/1, S. 1316 ff.; K. A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 906; W. Löwer, Zuständigkeiten und Verfahren des Bundesverfassungsgerichts, HStR, Bd. II, § 56, Rdn. 111. 1157 Vgl. auch BVerfGE 22, 387 (405); 33, 199 (203); 39, 169 (181 f.); 77, 84 (103 f.); W. Löwer, Zuständigkeiten und Verfahren des Bundesverfassungsgerichts, HStR, Bd. II, § 56, Rdn. 93 f. (kritisch); K. Stern, Staatsrecht II, S. 1038 ff.; K. A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 951 ff. 1158 K. A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 951 ff. 1159 So für viele W. Löwer, Zuständigkeiten und Verfahren des Bundesverfassungsgerichts, HStR, Bd. II, § 56, Rdn. 91 ff.; K. A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 953 f. 1160 Vgl. K. Vogel, Rechtskraft und Gesetzeskraft der Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts, FG BVerfG I, 1976, S. 584 ff.; W. Löwer, Zuständigkeiten und Verfahren des Bundesverfassungsgerichts, HStR, Bd. II, § 56, Rdn. 90; K. A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 952.

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11. Kap.: Verantwortung der Rechtsprechung

sind Rechtserkenntnisse, deren Beachtung weiteren Rechtsstreitigkeiten um Gesetze vorbeugt und damit die Rechtlichkeit der Politik, zumal die Rechtssicherheit, stärkt. Ohnehin wäre zu erwarten, daß das Bundesverfassungsgericht an einmal ausgesprochenen Rechtserkenntnissen festhält. Es pflegt geradezu die Wiederholungen von Sentenzen, auch um deren Rechtssatzhaftigkeit zu plakatieren, wie die Hinweise in den Klammern dieses Buches erweisen. Darin findet sich ein konservatives Element, das jede Rechtsprechung um der Rechtssicherheit willen auszeichnet. Die Politik ist dadurch berechenbarer. Freilich ist dieser Effekt durch die Grundrechteverantwortung des Europäischen Gerichtshofes für das Gemeinschaftsrecht (BVerfGE 73, 339 (347 ff., 383 ff.); 89, 155 (174 f.))1162 weitestgehend verloren gegangen, zum einen weil die gemeinschaftliche Rechtslage durch die Integration der Europäischen Union grundlegend verändert ist und zum anderen, weil der Gerichtshof nicht an die Rechtserkenntnisse des Bundesverfassungsgerichts gebunden ist und sich von diesen auch nicht sehr beeindrucken läßt. Der Europäische Gerichtshof entwickelt eine eigene Rechtskultur durch eigene Standards. Dadurch ist eine erhebliche Rechtsunsicherheit Kennzeichen der Integration. Die politische Verantwortung der Rechtsprechung, deren Verantwortung für das Recht, ist ein freiheits- und friedensschützendes Gegengewicht zur Gesetzgebung, deren Moralität und damit Sittlichkeit, praktische Vernünftigkeit, nicht sicher ist. Trotz der politischen Macht eines Gerichts, das die Gesetze am Recht prüft und rechtwidrige Gesetze zu verwerfen befugt ist, oder gerade wegen dieser Macht haben sich die Väter des Grundgesetzes für die Normenkontrolle durch die Verfassungsgerichte entschieden1163. Das Grundgesetz hat die das Recht fördernde Funktionenteilung optimiert, vor allem durch seine richterstaatlichen Elemente1164.

1161 I. d. S. schon C. Schmitt, Der Hüter der Verfassung, S. 36 ff.; K. Schlaich, Die Verfassungsgerichtsbarkeit im Gefüge der Staatsfunktionen, VVDStRL 39 (1981), S. 138 ff.; W. Löwer, Zuständigkeiten und Verfahren des Bundesverfassungsgerichts, HStR, Bd. II, § 56, Rdn. 92 ff.; vgl. K. A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 953 f. 1162 Dazu K. A. Schachtschneider, Die existentielle Staatlichkeit der Völker Europas, S. 104 f.; ders./A. Emmerich-Fritsche, Das Verhältnis des Europäischen Gemeinschaftsrechts zum nationalen Recht Deutschlands, Teil I bis III, DSWR 1999, S. 17 ff., 81 ff., 116 ff.; dies., Das Gemeinschaftsrecht in Deutschland, § 5, II, III; A. Emmerich-Fritsche, Die Grundrechte in der Gemeinschaft, ebd. § 12, I, II; K. A. Schachtschneider, Demokratierechtliche Grenzen der Gemeinschaftsrechtsprechung, in: St. Brink/H. A. Wolff (Hrsg.), Gemeinwohl und Verantwortung, FS Hans Herbert v. Arnim, 2004, S. 779 ff. 1163 Vgl. zur Entstehungsgeschichte K.-B. v. Doemming, Entstehungsgeschichte der Artikel des Grundgesetzes, JöR N.F. 1 (1951), S. 669 ff., 734 ff. 1164 Dazu 9. Kap., I, 2, d.

II. Verfassungskontrollinitiative

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II. Verfassungskontrollinitiative der Regierungen und der Opposition 1. Abstrakte Normenkontrolle Nach Art. 93 Abs. 1 Nr. 2 GG kann auch die Regierung und die Regierungsopposition im Bundestag die Normenkontrolle des Bundesverfassungsgerichts initiieren. Antragsbefugt sind außer einem Drittel der Mitglieder des Bundestages die Bundesregierung und die Landesregierungen. Sie können das gesamte Bundesrecht und das gesamte Landesrecht einschließlich der Rechtsverordnungen und des vorkonstitutionellen Rechts, aber auch das nach herrschender Meinung bloß formelle Haushaltsgesetz in Verbindung mit dem Haushaltsplan (BVerfGE 20, 56 (89 ff.))1165 zur Überprüfung des Bundesverfassungsgerichts stellen. Man spricht von der abstrakten Normenkontrolle (§§ 76 ff. BVerfGG). Voraussetzung sind „Meinungsverschiedenheiten oder Zweifel über die förmliche und sachliche Vereinbarkeit von Bundesrecht oder Landesrecht mit diesem Grundgesetze oder die Vereinbarkeit von Landesrecht mit sonstigem Bundesrecht (Art. 93 Abs. 1 Nr. 2 GG, § 76 Abs. 1 BVerfGG). Dieses Rechtsklärungsverfahren wird recht häufig von der Regierungsopposition in Bund und Ländern genutzt und ist in der Praxis die bedeutendste der (sogenannten) echten Verfassungsstreitigkeiten1166. 2. Organstreit und Bund-Länder-Streit Auch das Organstreitverfahren nach Art. 93 Abs. 1 Nr. 1 GG, § 13 Nr. 5, §§ 63 ff. BVerfGG und der Bund-Länder-Streit nach Art. 93 Abs. 1 Nr. 3 GG, § 13 Nr. 7, §§ 71 ff. BVerfGG können der Klärung der Rechtlichkeit von Gesetzen dienen1167 (ohne kassatorische Maßnahmen des Bundesverfassungsgerichts, BVerfGE 1, 351 (371); 20, 119 (129); 20, 134 (140); 24, 300 (351))1168 und werden gelegentlich von der Regierungsopposition im Bund bzw. von Ländern oder auch dem Bund genutzt, um die Politik des gegnerischen Parteienlagers verfassungsgerichtlich überprüfen zu lassen. Auch die Institutionen der Verfassungsgerichtsbarkeit werden im entwickelten Parteienstaat den Interessen der Parteienoligarchie gefügig gemacht.

1165

Dazu G. Kisker, Staatshaushalt, HStR, Bd. IV, § 89, Rdn. 22 ff. Dazu W. Löwer, Zuständigkeiten und Verfahren des Bundesverfassungsgerichts, HStR, Bd. II, § 56, Rdn. 54 ff. 1167 W. Löwer, Zuständigkeiten und Verfahren des Bundesverfassungsgerichts, HStR, Bd. II, § 56, Rdn. 8 ff., 27 ff.; K. A. Schachtschneider, Der Rechtsweg zum Bundesverfassungsgericht in Bund-Länder-Streitigkeiten, S. 42 ff., 119 ff. 1168 Vgl. W. Löwer, Zuständigkeiten und Verfahren des Bundesverfassungsgerichts, HStR, Bd. II, § 56, Rdn. 15. 1166

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11. Kap.: Verantwortung der Rechtsprechung

III. Gesetzesverfassungsbeschwerde von Bürgern 1. Grundrechteschutz gegen Gesetze Nach Art. 93 Abs. 1 Nr. 4a GG, § 13 Nr. 8a, §§ 90 ff BVerfGG kann „jedermann mit der Behauptung“ Verfassungsbeschwerde zum Bundesverfassungsgericht erheben, „durch die öffentliche Gewalt in einem seiner Grundrechte oder in einem seiner in Artikel 20 Abs. 4, 33, 38, 103 und 104 enthaltenen Rechte verletzt zu sein“1169. Auch Gesetze können unmittelbar (§§ 93 Abs. 3, 95 Abs. 3 BVerfGG) oder mittelbar Gegenstand einer Verfassungsbeschwerde sein; denn die Gesetzgebung übt „öffentliche Gewalt“ aus. Ein Gesetz kann unmittelbar mittels Verfassungsbeschwerde angegriffen werden, wenn der Beschwerdeführer (abgesehen von den sonstigen Voraussetzungen) durch das Gesetz „unmittelbar, selbst und gegenwärtig „betroffen“ ist (etwa BVerfGE 1, 97 (101); 53, 30 (48); 89, 155 (179))1170. Gesetze sind mittelbar angegriffen, wenn den Verwaltungsmaßnahmen oder Richtersprüchen mittels Verfassungsbeschwerde vorgeworfen wird, gegen Grundrechte oder grundrechtsgleiche Rechte zu verstoßen, weil sie auf Gesetzen beruhen, die mit dem Recht nicht vereinbar seien. Jedes rechtswidrige Gesetz verletzt, wenn nicht besondere Grundrechte, die allgemeine (Handlungs-)Freiheit des Art. 2 Abs. 1 GG dessen, der durch das Gesetz betroffen ist (BVerfGE 1, 264 (273 f.); 6, 32 (37 f.); 9, 73 (77); 9, 338 (343); 21, 227 (243); 30, 392 (336); 58, 358 (363); 60, 215 (229); 64, 208 (213); 65, 237 (248); 95, 267 (306); st. Rspr.)1171, richtigerweise jedes Bürgers, weil die allgemeine Freiheit unteilbar ist1172. Die Bürger sind die häufigsten Initiatoren der Rechtskontrolle der Gesetze. Sie sind die eigentlichen Hüter des Rechts (vgl. i. d. S. BVerfGE 13, 132 (141))1173. Es werden jährlich gut fünftausend Verfassungsbeschwerden erhoben, die meisten freilich gegen Rechtsverletzungen der Gerichte (insbesondere wegen Versagung des rechtlichen Gehörs, Art. 103 Abs. 1 GG). Die wenigsten werden zur Entscheidung angenommen (Art. 93a ff. BVerfGG), knapp 2%, noch weitaus weniger sind erfolgreich1174. Das Bundesverfassungsgericht hat sich zum Apologeten der pluralen Parteienoligarchie entwickelt, eine Folge der parteilichen Richterauswahl, aber auch der 1169 Dazu W. Löwer, Zuständigkeiten und Verfahren des Bundesverfassungsgerichts, HStR, Bd. II, § 56, Rdn. 140 ff. 1170 W. Löwer, Zuständigkeiten und Verfahren des Bundesverfassungsgerichts, HStR, Bd. II, § 56, Rdn. 155. 1171 Vgl. K. Stern, Staatsrecht III/2, 1994, S. 1386 f.; H.-U. Erichsen, Allgemeine Handlungsfreiheit, HStR, Bd. VI, 1989, § 152, Rdn. 13, 25 ff.; K. A. Schachtschneider, Umweltrecht, S. 354. 1172 K. A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 378 f., 390 f., 448 f., 821, 930 ff.; ders., Freiheit in der Republik, 2. Kap., III, IV, 5. Kap., II, 7. Kap., I, II, III; ders., Grundbegriffe des Allgemeinen Verwaltungsrechts, S. 52 f. (Popularklage); ders./ A. Emmerich-Fritsche, Kommunaler Wettbewerb, S. 54 f. 1173 K. A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 820 ff., 932, 1169.

III. Gesetzesverfassungsbeschwerde von Bürgern

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übermäßigen Zurückhaltung des Bundesverfassungsgerichts, Rechtsschutz in außenpolitischen, also auch integrationistischen Rechtsfragen, zu geben, weil in diesen Sachen die Politik international legitimiert ist (also meist gerade nicht demokratisch). Der Internationalismus hat dazu geführt, daß Innenpolitik mit den Mitteln der Außenpolitik (völkerrechtliche Verträge) betrieben wird. Der Rechtsschutz leidet dadurch große Not, zumal der Europäische Gerichtshof in seiner Rechtsprechung von mehr als vier Jahrzehnten lediglich eine Verletzung der Grundrechte (im engeren Sinne) bei einer Einstellungsmaßnahme der Kommission (Gesundheitsprüfung) zu erkennen vermochte1175. 2. Subsidiarität der Gesetzesverfassungsbeschwerde 2. Voraussetzung der Verfassungsbeschwerde ist nach § 90 Abs. 2 BVerfGG, daß vor ihrer Erhebung der Rechtsweg ausgeschöpft wurde, es sei denn, die Verfassungsbeschwerde ist von allgemeiner Bedeutung oder dem Beschwerdeführer würde ein schwerer und unabwendbarer Nachteil entstehen, „falls er zunächst auf den Rechtsweg verwiesen würde“ (verfassungsprozessuales Subsidiaritätsprinzip, BVerfGE 31, 364 (368); 39, 276 (291); 42, 243 (247); 51, 130 (138 f.); 63, 45 (58); 63, 77 (78 f.))1176. Demgemäß werden viele Verfassungsbeschwerden, die sich eigentlich gegen Gesetze richten, erst gegen höchstinstanzliche Richtersprüche eingelegt, weil die betroffenen Bürger (in der Sicht der Praxis) erst durch die Gesetzesanwendung in ihren Rechten verletzt werden und gegen den Anwendungsakt (meist ein Verwaltungsakt) der Rechtsweg offen steht (und auch stehen muß, Art. 19 Abs. 4 GG)1177. 3. Annahme der Verfassungsbeschwerde Die (schwer erreichbare) Annahme einer Verfassungsbeschwerde zur Entscheidung hängt nach § 93a BVerfGG davon ab, ob ihr (a) „grundsätzliche verfassungsrechtliche Bedeutung zukommt“ oder ob (b) die Entscheidung „zur Durchsetzung der in § 90 Abs. 1 genannten Rechte angezeigt ist“. „Das kann auch der Fall sein, wenn dem Beschwerdeführer durch die Versagung der Entscheidung zur Sache ein besonders schwerer Nachteil entsteht“. Die Ablehnung der Annahme der Verfassungsbeschwerde entscheidet die Kammer (drei Richter des zuständigen achtköpfigen Senats) einstimmig (§ 93d Abs. 3 S. 1 BVerfGG). 1174 Vgl. BVerfG, Jahresstatistik 1999, S. 12; W. Löwer, Zuständigkeiten und Verfahren des Bundesverfassungsgerichts, HStR, Bd. II, § 56, Rdn. 140; Th. Kreuder, Praxisfragen zur Zulässigkeit der Verfassungsbeschwerde, NJW 2001, 1243 ff. 1175 Vgl. den Hinweis in Fn. 608. 1176 W. Löwer, Zuständigkeiten und Verfahren des Bundesverfassungsgerichts, HStR, Bd. II, § 56, Rdn. 157. 1177 Dazu 7. Kap., III, 1.

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11. Kap.: Verantwortung der Rechtsprechung

Die Kammer kann die Verfassungsbeschwerde zur Entscheidung annehmen, wenn sie nach Maßgabe des § 93c BVerfGG „offensichtlich begründet“ ist. Die Annahme zur Entscheidung muß letztlich der Senat entscheiden. Es genügt, wenn drei Richter der Annahme zustimmen (§ 93d Abs. 3 S. 2 BVerfGG). Die Annahme einer Verfassungsbeschwerde nach dem Kriterium, das sei „angezeigt“ (§ 93a Abs. 2 lit. a BVerfGG), grenzt an Ermächtigung zur Willkür. Die Kammern und Senate des Bundesverfassungsgerichts haben es dadurch in der Hand, ob sie Rechtsfragen klären wollen oder, gegebenenfalls aus politischer Rücksichtnahme, es lassen. Freilich ist das Gericht überlastet und muß seine Aufgabe bewältigen können. Der richtige Weg effektiven Rechtsschutzes gegen Gesetze ist noch nicht gefunden. Es bleibt notwendig, Abgeordnete in die Parlamente zu wählen, die bestmögliche Gewähr für die Rechtlichkeit ihrer Politik bieten, also die plurale Parteienoligarchie durch Veränderung des Wahlrechts, aber auch der Wahlpraxis zu überwinden1178. Der allgemeine Einfluß (unmittelbar oder mittelbar) auf die Gesetzgebung ist der beste, wenn nicht der einzige Weg der Sicherung des Rechts. Repräsentation tendiert zur Despotie, ja zur Diktatur, allemal die parteienoligarchische Repräsentation1179, wie die entdemokratisierende Integrationspolitik (europa- und weltweit) erweist1180. Eine Verfassungsbeschwerde hat nur eine Chance, wenn sie bestmöglich rechtswissenschaftlich vorgetragen (begründet) ist. Ansonsten schadet sie mehr als sie nützt, weil das Gericht eine Chance bekommt, mit unzureichender Argumentation große politische Fragen zu entscheiden. Ein Beispiel sind die Fehlentscheidungen in Sachen Bodenkonfiskation 1945 bis 1949 in der sowjetisch besetzten Zone (BVerfGE 84, 90 ff. und 94, 12 ff.). Den Richtern pflegen entgegen ihrer Amtspflicht zur Kenntnis des Rechts (iura novit curia)1181 keine Argumente zugunsten des Verfassungsbeschwerdeführers einzufallen, schon gar nicht ihren Hilfsarbeitern („Dritter Senat“).

IV. Gemeinschaftsrechtlichkeit der Gesetze 1. (Begrenzter) Vorrang des Gemeinschaftsrechts In die Rechtsordnung ist das Europäische Gemeinschaftsrecht integriert. Es ist in den Mitgliedstaaten vorrangig und unmittelbar anwendbar (EuGH – Rs. 1178

Dazu K. A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 1147 ff. K. Jaspers, Wohin treibt die Bundesrepublik?, S. 141 ff., 146 ff., 194 ff.; K. A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 686. 1180 Vgl. K. A. Schachtschneider, Demokratiedefizite in der Europäischen Union, FS W. Hankel, S. 119 ff.; ders., Demokratierechtliche Grenzen der Gemeinschaftsrechtsprechung, FS H. H. v. Arnim, S. 779 ff.; ders., Verfassungsklage Dr. Peter Gauweiler in Sachen Zustimmungsgesetz zum Vertrag über eine Verfassung für Europa vom 25.4.2005 und 27.05.2005. 1181 A. Blomeyer, Zivilprozeßrecht. Erkenntnisverfahren, 1963, S. 84, 251, 331, 565. 1179

IV. Gemeinschaftsrechtlichkeit der Gesetze

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26/62 (van Gend & Loos), Slg. 1963, 1 ff.; Rs. 6/64 (Costa/ENEL), Slg. 1964, 1251 ff.; Rs. 11/70 (Internationale Handelsgesellschaft), Slg. 1970, 1125 ff.; Rs. 106/77 (Simmenthal), Slg. 1978, 629 ff.; Rs. 237/78 (Schaffleisch), Slg. 1979, 2729 ff.)1182, soweit es nicht die Verfassung der Menschheit des Menschen (Strukturprinzipien des Grundgesetzes, Wesensgehalt der Grundrechte) mißachtet und sich nicht im Rahmen der begrenzten Ermächtigungen hält (BVerfGE 89, 155 (187 ff., 191 ff.)1183. Zum einen muß das Gemeinschaftsrecht geklärt werden, zum anderen kann die Unvereinbarkeit und die Anwendbarkeit der nationalen Gesetze zweifelhaft sein. Das sind, abgesehen von den verfassungsrechtlichen Grenzen des Gemeinschaftsrechts, neben den einzelnen staatsrechtlichen auch und vor allem gemeinschaftsrechtliche Fragen. Diese hat jede Behörde und hat jedes Gericht zu berücksichtigen. Behörden und Gerichte haben das Gemeinschaftsrecht so anzuwenden, wie sie es verantworten können und gemäß ihren Bedingungen (Weisungen, verbindlichen Vorgaben) verantworten dürfen. Jeder Amtswalter (Beamte und Richter) hat die persönliche Verantwortung für die Rechtmäßigkeit seiner Amtsführung (§ 38 BRRG, Art. 97 Abs. 1 GG). Die Behörden unterliegen freilich nicht nur der Aufsicht der nationalen Aufsichtsorgane (Kommunalaufsicht, staatliche Rechtsaufsicht über juristische Personen, Bundesaufsicht über die Länder), sondern auch und insbesondere der Kommissionsaufsicht der Gemeinschaft über die Mitgliedstaaten nach Art. 211, 226 EGV1184. Auch ein Mitgliedstaat kann nach Art. 227 EGV den Gerichtshof anrufen, „wenn er der Auffassung ist, daß ein anderer Mitgliedstaat gegen eine Verpflichtung aus diesem Vertrag verstoßen hat“. Dazu gehört auch die Mißachtung des Gemeinschaftsrechts (Art. 10 EGV)1185. Die Aufsicht der Kommission und der Vertragsstaaten erstreckt sich wegen der Unabhängigkeit der Richter (Art. 97 Abs. 1 GG), ein fundamentales Prinzip des Rechtsstaates1186, nicht auf die Gerichte. Die Mißachtung des Gemeinschaftsrechts durch Gerichte kann nur durch Rechtsmittel und Rechtsbehelfe abgewehrt werden1187. 1182 Th. Oppermann, Europarecht, 2. Aufl. 1999, S. 229 ff.; A. Bleckmann, Europarecht, 6. Aufl. 1997, S. 361 ff. (406 ff.); R. Streinz, Europarecht, 4. Aufl. 1999, S. 59 ff.; K. A. Schachtschneider/A. Emmerich-Fritsche, Das Verhältnis des Europäischen Gemeinschaftsrechts zum nationalen Recht Deutschlands, DSWR 1999, S. 17 ff., 81 ff., 116 ff.; dies., Das Gemeinschaftsrecht in Deutschland, § 5, II, III. 1183 K. A. Schachtschneider, Die existentielle Staatlichkeit der Völker Europas, S. 103 ff.; ders./A. Emmerich-Fritsche, Das Verhältnis des Europäischen Gemeinschaftsrechts zum nationalen Recht Deutschlands, Teil I bis III, DSWR 1999, S. 17 ff., 81 ff., 116 ff.; dies., Das Gemeinschaftsrecht in Deutschland, § 5, II, 2, d, 3. 1184 Zur Rechtsaufsicht 12. Kap., III. 1185 K. A. Schachtschneider/A. Emmerich-Fritsche, Rechtsschutz durch den Europäischen Gerichtshof, § 11, II, 3. 1186 Dazu 10. Kap., II, 2, auch 15. Kap., IV, 4. 1187 Dazu K. A. Schachtschneider/A. Emmerich-Fritsche, Rechtsschutz durch den Europäischen Gerichtshof, § 11, III, 1 b, dd; P. Wollenschläger, Die Gemeinschaftsaufsicht über die Rechtsprechung der Mitgliedstaaten, Diss. 2004, S. 240 ff.

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11. Kap.: Verantwortung der Rechtsprechung

2. Vorabentscheidungsverfahren Wenn Gemeinschaftsrechtsfragen, insbesondere „über die Auslegung dieses Vertrages“, aber auch über „die Gültigkeit und die Auslegung der Handlungen (also vor allem der Rechtsakte) der Organe der Gemeinschaft und der EZB“, „einem Gericht eines Mitgliedstaates gestellt werden und dieses Gericht eine Entscheidung darüber zum Erlaß seines Urteils für erforderlich hält, so kann es diese Frage dem Gerichtshof zur Entscheidung vorlegen“ (Art. 234 Abs. 2 EGV). Eine letztentscheidende einzelstaatliche Gerichtsinstanz ist verpflichtet, die Vorabentscheidung des Europäischen Gerichtshofs herbeizuführen (Art. 234 Abs. 3 EGV), es sei denn, die Rechtsfrage ist durch den Gerichtshof geklärt (acte-clair-Doktrin; EuGH-Rs. 283/81 (C.I.L.F.I.T./Ministro della sanitei), Slg. 1982, 3415 (3430)). Entgegen dem Wortlaut des Art. 234 Abs. 2 und 3 EGV sieht die Praxis das Gericht nicht durch die von einer Prozeßpartei vertretene Gemeinschaftsrechtslage zur Vorlage der Frage an den Europäischen Gerichtshof verpflichtet1188, sondern überantwortet die Vorlageentscheidung dem Klärungsbedürfnis des Gerichts. Es müsse nicht dem Gericht die Frage gestellt werden, sondern erforderlich sei, daß sich dem Gericht die Frage stelle (EuGH – Rs. 283/81 (C.I.L.F.I.T./Ministro della sanitei), Slg. 1982, 3415 (3428, Rdn. 9)). Wenn die Vorlage unterbleibt, ist das Grundrecht auf den gesetzlichen Richter des Art. 101 Abs. 1 S. 2 GG, ein Rechtsstaatsgrundsatz, verletzt (BVerfGE 73, 339 (366 ff.); 75, 223 (233 ff.))1189. Als „Gerichte, deren Entscheidungen nicht mehr mit Rechtsmitteln des innerstaatlichen Rechts angefochten werden können“ (Art. 234 Abs. 3 EGV), wurden lange nur die obersten Gerichtshöfe des Bundes und der Länder angesehen (BVerfGE 75, 223 (233 f.)), zu Unrecht, weil auch untere Gerichte in der Sache letzte Gerichtsinstanz sein können (konkrete Sicht, so EuGH – Rs. 283/81 (C.I.L.F.I.T.), Slg. 1982, 3415 ff.)1190. Der Europäische Gerichtshof ist nicht befugt, einzelstaatliche Rechtsakte zu vernichten (EuGH – Rs. 38/77 (Enka BV/Inspecteur der Invoerrechten en Accijnzen), Slg. 1977, 2203 (2213))1191, sondern lediglich, die gemeinschaftsrechtliche Rechtslage zu klären, etwa dahingehend, daß ein Gesetz derart, wie es im Prozeß des vorlegenden Gerichts angewandt werden soll, mit dem Gemeinschaftsrecht unvereinbar sei. Aus dieser bindenden Klärung des Gemeinschaftsrechts hat das einzelstaatliche Gericht die rechtlichen Konsequenzen zu ziehen. 1188 So aber K. A. Schachtschneider/A. Emmerich-Fritsche, Rechtsschutz durch den Europäischen Gerichtshof, § 11, 1, b, bb. 1189 K. A. Schachtschneider/A. Emmerich-Fritsche, Rechtsschutz durch den Europäischen Gerichtshof, § 11, III, 1, b, ff. 1190 So Th. Oppermann, Europarecht, 2. Aufl. 1999, Rdn. 761, S. 287; dazu und zum Vorstehenden und Nachfolgenden K. A. Schachtschneider/A. Emmerich-Fritsche, Rechtsschutz durch den Europäischen Gerichtshof, § 11, III, 1, b. 1191 K. A. Schachtschneider/A. Emmerich-Fritsche, Rechtsschutz durch den Europäischen Gerichtshof, § 11, III, 1, a und c, cc.

V. Grundrechtsschutz gegen Gemeinschaftsrechtsakte

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3. (Fragwürdige) Unanwendbarkeit gemeinschaftswidriger Gesetze der Mitgliedstaaten Nach der Praxis darf ein einzelstaatliches Gericht gemeinschaftsrechtswidrige Gesetze des Bundes oder eines Landes wegen des Vorranges des Gemeinschaftsrechts nicht anwenden (EuGH v. 9.3.1978 – Rs. 106/77 (Staatliche Finanzverwaltung/Simmenthal), Slg. 1978, 629 (630, Ls. 4)). Das widerspricht dem Prinzip des Art. 100 Abs. 1 GG, der die Verwerfung von formellen und nachkonstitutionellen Gesetzen dem Bundesverfassungsgericht und den Landesverfassungsgerichten vorbehält1192. Dieses Normverwerfungsmonopol respektiert die Verantwortung der demokratischen Legislative für die Rechtlichkeit der Gesetze. Nur den gerichtlichen Verfassungsorganen ist in der verfassungsstaatlichen Funktionenordnung die Befugnis zugestanden, die Rechtserkenntnisse der legislativen Verfassungsorgane, die mit jeder Gesetzgebung verbunden sind, zu verwerfen. Die sonstigen Gerichte haben die Normprüfungspflicht, aber nicht das Normverwerfungsrecht (BVerfGE 1, 184 (197 ff.); 6, 222 (232 ff.); 17, 200 (209 f.))1193. Diese verfassungsstaatliche Machtverteilung ist zu verallgemeinern und auch auf die Fälle des Widerspruchs einzelstaatlicher Gesetze zum Gemeinschaftsrecht auszudehnen. Demgemäß ist Art. 100 Abs. 1 GG auf diese Fälle analog anzuwenden1194. Zwar ist im Regelfall die Gemeinschaftsrechtslage höchstrichterlich, nämlich durch den Europäischen Gerichtshof, also durch ein verfassungsrangiges Organ, geklärt, aber dem einzelstaatlichen Fachgericht verbleibt zum einen die Interpretation des einzelstaatlichen Gesetzes, dessen Vereinbarkeit der Europäische Gerichtshof nur in dieser Interpretation klärt. Das legt vielfach eine gemeinschaftsrechtskonforme Interpretation des einzelstaatlichen Gesetzes nahe. Zum anderen verbleibt es Sache des einzelstaatlichen Fachgerichts, den möglichen Widerspruch des einzelstaatlichen Gesetzes zum Gemeinschaftsrecht festzustellen, was erst das Vorabentscheidungsverfahren nach Art. 234 EGV veranlaßt.

V. Grundrechtsschutz gegen Gemeinschaftsrechtsakte Vgl. 4. Kap., III, 8, 11, S. 77 ff., 82 ff.

1192

Dazu I, 1 und 2. K. A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 903 ff., 1013; dazu I, 1. 1194 K. A. Schachtschneider/A. Emmerich-Fritsche, Das Verhältnis des Europäischen Gemeinschaftsrechts zum nationalen Recht Deutschlands, DSWR 1999, S. 82; dies., Rechtsschutz durch den Europäischen Gerichtshof, § 11, 1, b, dd. 1193

12. Kapitel

Verwaltungsverantwortung für die Rechtlichkeit des Gesetzesvollzugs I. Rechtmäßigkeit und Zweckmäßigkeit des Gesetzesvollzugs 1. Rechtmäßige Zweckmäßigkeit staatlichen Handelns Die vollziehende Gewalt hat in eigener Verantwortung die dem Recht gemäße Gesetzlichkeit der Verwaltung sicherzustellen1195. Im Rahmen des Rechts ist die vollziehende Gewalt zur Zweckmäßigkeit des Verwaltungshandelns verpflichtet; denn jede Ausübung von Staatsgewalt muß sachlich sein. Die Zweckmäßigkeit ist ein Prinzip der praktischen Vernunft. Kriterien der Zweckmäßigkeit erstarken im Verhältnismäßigkeitsprinzip zu rechtlichen Maßstäben; denn nur Maßnahmen, die zu Erreichung des angestrebten Erfolges geeignet und notwendig sind, sind verhältnismäßig. Sie dürfen zudem nicht übermäßig sein1196. Ohnehin sind, weil der Staat stets einen Zweck verfolgt, alle Gesetze einem Zweckmäßigkeitsprinzip unterworfen. Der Zweck des Staates ist das gute Leben aller in allgemeiner Freiheit oder eben in Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit, das gemeine Wohl also, die salus publica1197. Es ist eine Frage der Organisation, welche Einrichtungen des Staates jeweils über die Zweckmäßigkeit des Handelns zu entscheiden haben. Zweckmäßigkeitserwägungen können der Verantwortung jeweils anderer staatlicher Stellen unterworfen werden. Soweit die Zweckmäßigkeit als Verhältnismäßigkeit staatlicher Maßnahmen Rechtsprinzip ist, verantworten sie die Gerichte, welche um der allgemeinen Freiheit willen die praktische Vernünftigkeit der Maßnahmen des Staates zu gewährleisten haben1198. Grundsätzlich hat die Regierung die Verantwortung für die Zweckmäßigkeit aller Verwaltung, für das Gemeinwohl nämlich. Das folgt aus ihrer Verantwortung für die Verwirklichung des Zwecks des Staates, welche sie 1195

Dazu 8. Kap., I auch II. Dazu 17. Kap., IV, 2; umfassend A. Emmerich-Fritsche, Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, insb. S. 195 ff., 247 ff. 1197 Dazu 2. Kap., III, 3. Kap., V, 1, 4. Kap., I, 1 und 2, 6. Kap., I, 1 und 2. 1198 K. A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 978 ff.; ders., Freiheit in der Republik, 7. Kap., II. 1196

I. Rechtmäßigkeit des Gesetzesvollzugs

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gemeinsam mit dem Parlament trägt1199. Die Verwaltung ist dabei gemäß dem Primat des Rechts an die Gesetze gebunden, deren Rechtlichkeit sie eigenständig verantwortet1200. Das Gemeinwohl ist in den Gesetzen materialisiert, wenn diese das Recht achten1201. Der Begriff des Gemeinwohls selbst ist formal. Zweckmäßigkeit staatlichen Handelns ist somit vorrangig dessen (rechtliche) Gesetzlichkeit. Der Vorrang des Gesetzes ist die Logik der allgemeinen Freiheit, weil wegen der Allgemeinheit der Gesetze jeder Mensch nur seinem eigenen Gesetz gehorcht1202. Daraus folgt der demokratierechtliche (freiheitliche) Vorbehalt der Gesetze für wesentliche Politik1203. Über die weitere Zweckmäßigkeit staatlichen Handelns haben die Behörden zu entscheiden, welche nach Maßgabe der Gesetze von anderen Behörden nicht nur auf die Rechtmäßigkeit, sondern auch auf die Zweckmäßigkeit ihrer Handlungen überprüft werden können. Das gilt etwa für die Kommunalaufsicht im Bereich der vom Staat (den Ländern) den Kommunen übertragenen Aufgaben (etwa Art. 109 Abs. 2 BayGO), aber auch für die Aufsicht des Bundes über die Länder im Bereich der Bundesauftragsverwaltung nach Art. 85 Abs. 4 S. 1 GG1204. 2. Verantwortung aller Amtswalter, letztlich der Regierungen a) Die vollziehende Gewalt hat bei all ihrem Handeln eine eigenständige Verantwortung für die Gesetzmäßigkeit und Rechtmäßigkeit des Handelns. Das folgt aus Art. 20 Abs. 3 GG; denn die vollziehende Gewalt ist an Gesetz und Recht gebunden. Es gibt schlechthin keinen Grund, aus dem heraus die vollziehende Gewalt das Gesetz mißachten dürfte. Nach § 38 BRRG „trägt der Beamte für die Rechtmäßigkeit seiner dienstlichen Handlungen die volle persönliche Verantwortung“. Das gilt auch für die Angestellten und Arbeiter des öffentlichen Dienstes (§ 8 BAT). Rechtswidriges Handeln des Beamten ist regelmäßig Amtspflichtverletzung, durch die der Beamte nach § 839 BGB schadensersatzpflichtig wird1205. Zwar hat grundsätzlich der Dienstherr nach Art. 34 S. 1 GG den Schadensersatz zu leisten, aber bei Vorsatz oder grober Fahrlässigkeit des öffentlich Bediensteten bleibt ihm der Rückgriff gegen diesen vorbehalten (vgl. § 46 Abs. 1 S. 1 BRRG). Die Verletzung des Gesetzmäßigkeitsprinzips ist im 1199

Dazu 10. Kap., III, 1 und 2. Dazu 6. Kap., II, 8. Kap., I. 1201 Dazu 2. Kap., II, 4. Kap., I, 4 und 5, auch 6. Kap., 1, 2 und 5. 1202 Dazu 3. Kap., II und V, 1, 4. Kap., I, 6. Kap., I, 1 und 2, II. 1203 Dazu 6. Kap., III, insb. 3. 1204 Dazu P. Lerche, in: Maunz/Dürig, GG, 1987, Art. 85, Rdn. 70 ff. 1205 Dazu H. Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 26, Rdn. 16 f., S. 633; W. Rüfner, Amtshaftung und Beamtenhaftung, in: H. U. Erichsen, Allgemeines Verwaltungsrecht, 11. Aufl. 1998, § 47, Rdn. 15 ff., S. 679 ff. 1200

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12. Kap.: Verwaltungsverantwortung für Gesetzesvollzug

übrigen dienstwidrig und kann darum Disziplinarmaßnahmen gegen den Beamten nach der Bundesdisziplinarordnung (BDO) wegen Verstoßes gegen § 38 BRRG, § 56 BBG oder (etwa) Art. 65 BayBeamtenG zur Folge haben. Das Rechtlichkeitsprinzip ist somit dienstrechtlich gestützt. b) Der Beamte ist prinzipiell weisungsgebunden (§ 37 BRRG)1206. Wenn er aber Bedenken gegen die Rechtmäßigkeit dienstlicher Anordnungen hat, so hat er diese nach § 38 Abs. 2 BRRG unverzüglich auf dem Dienstwege geltend zu machen. Bestätigt ein höherer Vorgesetzter die Anordnung, so muß der Beamte sie ausführen und ist von der eigenen Verantwortung für das Unrecht befreit, es sei denn, daß das dem Beamten aufgetragene Verhalten strafbar oder ordnungswidrig und die Strafbarkeit oder Ordnungswidrigkeit für ihn erkennbar ist oder daß das ihm aufgetragene Verhalten die Würde des Menschen verletzt (§ 38 Abs. 2 S. 2 BRRG). Diese Remonstration1207 transportiert die Rechtsfrage gegebenenfalls bis zum Minister und damit in die Regierung, die, wenn sie Zweifel an der Rechtmäßigkeit eines Gesetzes hat, die abstrakte Normenkontrolle nach Art. 93 Abs. 1 Nr. 2 GG zur Klärung der Rechtsfrage einleiten kann und muß1208. Dadurch ist der Weg zur Klärung rechtlich zweifelhafter Gesetze durch das Bundesverfassungsgericht geebnet. 3. Bindung der staatlichen Organe an die Rechtsakte des Staates a) Bindung der staatlichen Organe an die eigenen Rechtsakte Jede staatliche Organisation ist grundsätzlich auch an die Entscheidungen gebunden, die sie selbst getroffen hat. Der Gesetzgeber darf die Gesetze nur in dem im Verfassungsgesetz vorgeschriebenen Verfahren aufheben oder ändern. Die Gerichte sind an die Richtersprüche im Rahmen der Rechtskraft gebunden1209. Gerichte dürfen Urteile, die sie selbst gesprochen haben, nicht aufheben, es sei denn im Wiederaufnahmeverfahren1210. Die Verwaltung darf die belastenden Verwaltungsakte aufheben oder ändern, wenn die Sach- oder Rechtslage sich geändert hat (§ 51 Abs. 1 Nr. 1 VwVfG) oder zurücknehmen, wenn sie die Verwaltungsakte als rechtswidrig erkennt (§ 48 Abs. 1 S. 1 VwVfG)1211. 1206

Dazu II, 1. Dazu W. Loschelder, Weisungshierarchie und persönliche Verantwortung in der Exekutive, HStR, Bd. III, § 68, Rdn. 97 ff.; K. Köpp, Öffentliches Dienstrecht, Rdn. 51, 115, S. 407, 440 f. 1208 Dazu W. Löwer, Zuständigkeiten und Verfahren des Bundesverfassungsgerichts, HStR, Bd. II, § 56, Rdn. 54 ff.; dazu 11. Kap., II. 1209 Dazu 7. Kap., IV, 1 und 4. 1210 Dazu K. A. Bettermann, Die rechtsprechende Gewalt, HStR, Bd. III, § 73, Rdn. 38. 1207

I. Rechtmäßigkeit des Gesetzesvollzugs

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Das gilt nicht, wenn die Rechtmäßigkeit des Verwaltungsaktes durch Richterspruch bestätigt wurde1212. Begünstigende Verwaltungsakte darf die Verwaltung nur aufheben oder ändern, wenn sie diese als rechtswidrig erkennt und die Aufhebung oder Änderung das schutzwürdige Vertrauen des Begünstigten nicht übermäßig beeinträchtigt (vgl. §§ 43, 48 VwVfG)1213. Rechtmäßige begünstigende Verwaltungsakte dürfen nur unter engsten Voraussetzungen widerrufen werden (§ 49 Abs. 2 und 3 VwVfG)1214. Die Detailregelungen sind Fragen des allgemeinen Prozeß- und Verwaltungsrechts. b) Bindung der staatlichen Organe an die Rechtsakte der anderen Teilgewalt Die drei Organisationen, welche die staatliche Gewalt des Volkes ausüben, sind an die Entscheidungen der jeweils anderen Organisationen gebunden. Die Gesetzgebung und die vollziehende Gewalt sind im Rahmen der Rechtskraft an die Richtersprüche gebunden1215. Die Rechtsprechung und die Gesetzgebung (und auch andere Verwaltungsbehörden) wiederum sind (jedenfalls im Grundsatz) an die bestandskräftigen Verwaltungs- und Regierungsakte gebunden (sogenannte Tatbestandswirkung; dazu BGHZ 90, 17 (23); 112, 362 (365); 113, 17 (18 ff.))1216. Die Rechtsprechung und die vollziehende Gewalt sind an die Gesetze gebunden (Vorrang der Gesetze)1217. Das wird auch für die Entscheidungen der Kommission der Europäischen Union praktiziert, welche die Gerichte der Mitgliedstaaten ihren Erkenntnissen zugrundezulegen haben (EuGH-Urteil v. 14.12.2000 – Rs. C-344/98 (Masterfoods Ltd./HB Ice Cream Ltd. und HB Ice Cream Ltd./Masterfoods Ltd.), EuzW 2001, 113 ff., Rdn. 52, 60). Die Bindung folgt daraus, daß die jeweiligen Organisationen des Staates prinzipiell nicht berechtigt sind, die Rechtsakte der jeweils anderen Organisation aufzuheben. Eine solche Möglichkeit haben die Organisationen jeweils nur im Rahmen 1211 Dazu K. A. Schachtschneider, Grundbegriffe des Allgemeinen Verwaltungsrechts, S. 33 ff. 1212 Vgl. K. A. Schachtschneider, Neubescheidung nach Rechtskraft, VerwArch 63 (1972), S. 112 ff., 277 ff.; ders., Grundbegriffe des Allgemeinen Verwaltungsrechts, S. 40 f.; a. A. BSGE 13, 181 (186); 19, 38 (43); BVerwGE 70, 110 ff. 1213 Dazu H. Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 11, Rdn. 21 ff., S. 290 ff.; K. A. Schachtschneider, Grundbegriffe des Allgemeinen Verwaltungsrechts, S. 34 f. 1214 Dazu H. Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 11, Rdn. 39 ff., S. 306 ff.; K. A. Schachtschneider, Grundbegriffe des Allgemeinen Verwaltungsrechts, S. 35 ff. 1215 Dazu 7. Kap., IV, 4, 11. Kap., I, 2; K. A. Schachtschneider, Grundbegriffe des Allgemeinen Verwaltungsrechts, § 4, S. 41 ff. 1216 Dazu H.-U. Erichsen, Das Verwaltungshandeln, § 13, Rdn. 4 f., S. 297 f.; H. Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 11, Rdn. 8, S. 281 f., § 26, Rdn. 47a, S. 681 f.; K. A. Schachtschneider, Grundbegriffe des Allgemeinen Verwaltungsrechts, S. 28 ff., insb. S. 33 ff., S. 38 ff. 1217 Dazu 6. Kap., II.

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12. Kap.: Verwaltungsverantwortung für Gesetzesvollzug

ihrer gesetzlich geregelten Befugnisse. Ein Zivilgericht darf einen Verwaltungsakt nicht aufheben, wenn und weil dieser nur vor dem Verwaltungsgericht angefochten werden darf1218. Umstritten ist, ob das Zivilgericht einen Verwaltungsakt, den es für rechtswidrig hält, wegen dessen Bestandskraft seiner Entscheidung zugrunde legen muß oder ob es das Verfahren aussetzen kann oder muß, damit die Verwaltungsgerichte über die Rechtmäßigkeit des Verwaltungsaktes entscheiden können. Richtigerweise bedarf die verwaltungsgerichtliche Aufhebung eines Verwaltungsaktes des Antrags des klagebefugten Bürgers, der nicht notwendig an dem Zivilprozeß beteiligt ist, in dem der Verwaltungsakt bedeutsam ist. Die Zivilrechtsprechung pflegt Amtspflichtverletzungen auch festzustellen, wenn diese im Erlaß eines Verwaltungsaktes bestehen, der noch bestandskräftig ist (BGHZ 9, 129 (131); 86, 356 (359); 90, 17 (22 f.); 113, 17 (18 ff.); 127, 223 (225)), nicht aber wenn ein Urteil den Verwaltungsakt rechtskräftig bestätigt hat (BGHZ 113, 17 (20))1219. Das verstößt gegen die Eigenständigkeit der verschiedenen Organisationen, deren Rechtsakte eigens demokratisch legitimierte Verbindlichkeit haben, und auch gegen die begrenzte Erkenntniskompetenz der Zivilgerichte. Der Gesetzgeber kann Richtersprüchen und Verwaltungsakten die gesetzliche Grundlage entziehen. Das ändert die Rechtslage, so daß die Rechtskraft oder die Bindungswirkung einem neuen Richterspruch oder einem neuen Verwaltungsakt nicht entgegensteht, weil der Streit- bzw. der Entscheidungsgegenstand ein neuer ist1220. Dabei muß der Gesetzgeber das Prinzip der Allgemeinheit der Gesetze wahren1221. Er darf nicht besondere Richtersprüche und besondere Verwaltungsakte aufheben, weil das funktional selbst Richtersprüche oder Verwaltungsakte wären. 4. Verwaltungsverantwortung für die Rechtlichkeit der Gesetze Häufig sind Initiativen von Regierungen zur verfassungsgerichtlichen Überprüfung von Gesetzen nicht. Sie sind aber, weil meist wohlerwogen, von großer politischer Bedeutung. Die Normenkontrollinitiative unterliegt nicht der Opportunität der Regierung; denn sonst wäre die Regierung berechtigt, Gesetze, deren Rechtmäßigkeit ihr zweifelhaft ist, entweder zu praktizieren und damit gegebenenfalls rechtswidrig zu verfahren oder aus Opportunität nicht zu praktizieren 1218 K. A. Bettermann, Die rechtsprechende Gewalt, HStR, Bd. III, § 73, Rdn. 14; H.-U. Erichsen, Das Verwaltungshandeln, § 13, Rdn. 5, S. 298. 1219 Dazu H. Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 26, Rdn. 47a, S. 681 f.; W. Rüfner, Amtshaftung und Beamtenhaftung, § 47, Rdn. 31, S. 690 in Fn. 117; H.-U. Erichsen, Das Verwaltungshandeln, § 13, Rdn. 5, S. 298; K. A. Bettermann, Die rechtsprechende Gewalt, HStR, Bd. III, § 73, Rdn. 14. 1220 Vgl. F. Kopp/W. Schenke, VwGO, Verwaltungsgerichtsordnung mit Erläuterungen, 11. Aufl. 1998, § 121, Rdn. 28; vgl. auch K. A. Schachtschneider, Neubescheidung nach Rechtskraft, VerwArch 63 (1972), S. 127 ff., 326 f. 1221 Dazu 16. Kap., II.

II. Regierungsverantwortung und Unabhängigkeiten

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und damit das Prinzip der Gesetzlichkeit zu desavouieren. Die Rechtsfrage muß geklärt werden. Nach Art. 100 Abs. 1 GG müssen die Richter die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts herbeiführen, wenn sie ein Gesetz, das sie anwenden müßten, für rechtswidrig halten1222. Das muß erst recht für die vollziehende Gewalt gelten. Die Exekutive darf nicht darauf warten, daß das Bundesverfassungsgericht die Vorschriften in einem anderen Verfahren zu prüfen hat, weil die Rechtmäßigkeit des Verwaltungshandelns nicht im Zweifel gelassen werden darf (a. A. BVerfGE 12, 180 (186 f.)). Bis zur Klärung der Rechtsfrage ist das Verwaltungsverfahren analog Art. 100 Abs. 1 S. 1 GG auszusetzen; die Verwaltung kann notwendige einstweilige Regelungen treffen. Vorkonstitutionelle und nicht formelle Gesetze kann die Exekutive nicht anders als die Judikative außer Anwendung lassen, wenn sie diese für rechtswidrig hält. Die Entscheidung der Exekutive darüber fällt in die Regierungsverantwortung1223. Das folgt aus der Remonstrationspflicht der Beamten. Jeder Bürger, der sich durch derartige Verfahren in seinen Rechten verletzt fühlt, kann den Rechtsweg zu den Gerichten, welche über die Geltung der strittigen Gesetze eigenständig zu entscheiden haben, beschreiten (Art. 19 Abs. 4 GG). 5. Verlust an Gesetzlichkeit Die Legalität des Handelns behauptet in der Praxis zunehmend weniger den ethischen Primat der Verwaltung. Das wirkt sich verheerend aus, wenn subjektiver Rechtsschutz nicht möglich, nicht effizient oder (noch) nicht statthaft ist, wie gegen rechtswidrige Personalentscheidungen (insbesondere Ämterpatronage) bzw. gegen rechtswidrige Subventionen, aber auch und vor allem gegen rechtswidrige Beschaffungsentscheidungen u. a. m., gegen die Korruption insgesamt. Der Verfall der Rechtlichkeit der Gesetze durch die Parteienstaatlichkeit einerseits und durch den Internationalismus andererseits ist im 7. Kapitel zu I, 4, b, aa) angesprochen.

II. Regierungsverantwortung und Unabhängigkeiten 1. Weisungsbefugnisse der Regierung Aus dem Prinzip der parlamentarischen Verantwortlichkeit der Regierung folgt, daß die Regierung grundsätzlich die Verantwortung für das Verwaltungshandeln trägt1224. Diese Verantwortung kann die Regierung nur übernehmen, 1222

Dazu 11. Kap., I, 1. W. Loschelder, Weisungshierarchie und persönliche Verantwortung in der Exekutive, HStR, Bd. III, § 68, Rdn. 27 ff. auch Rdn. 39 ff., 88 ff. 1224 Dazu P. Kirchhof, Mittel staatlichen Handelns, HStR, Bd. III, 1988, § 59, Rdn. 101; K. Stern, Staatsrecht II, S. 310 ff. 1223

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12. Kap.: Verwaltungsverantwortung für Gesetzesvollzug

wenn sie die Recht- und gegebenenfalls auch die Zweckmäßigkeit des Verwaltungshandelns der verschiedenen Behörden der vollziehenden Gewalt erzwingen kann. Prinzipiell hat die Regierung dahingehende Weisungsbefugnisse, welche jedoch näherer gesetzlicher Regelung unterliegen. Weisungen der Regierung können aber nur Wirkung entfalten, wenn die angewiesenen Behörden ihrerseits nicht an Entscheidungen anderer Stellen gebunden sind, welche die Regierung wegen deren Unabhängigkeit nicht zu weisen befugt ist. Beispielsweise darf die Regierung ihre Entscheidungsfunktion nicht durch weisungsunabhängige Personalvertreter einbüßen (BVerfGE 9, 268 (281 ff.)). Die Regierung muß schon um der demokratischen Legitimation aller Amtswalter willen (vorbehaltlich des Budgetrechts des Parlaments) die Personalhoheit behaupten (BVerfGE 9, 268 (282 f.); vgl. BVerfGE 67, 382 ff.)1225. Wenn auch die Personalvertreter selbst öffentlich Bedienstete sind, so sind sie doch in ihrer Funktion als Personalvertreter nicht demokratisch, sondern durch das Dienstpersonal legitimiert. Sie vertreten das Personal der Dienststelle, nicht das Volk. 2. Unabhängigkeit im Interesse der Sachlichkeit Das Prinzip der parlamentarischen Verantwortlichkeit der Regierung1226 und damit das der Verantwortlichkeit der Regierung gegenüber dem von ihr vertretenen Volk gilt nicht ausnahmslos. Es gibt sogenannte ministerialfreie Räume (BVerfGE 9, 268 (282))1227 und regierungsunabhängige Ausschüsse, etwa die Personalausschüsse, welche (neben anderen Aufgaben) Ausnahmen von Laufbahnregelungen auf Betreiben eines Ministers zustimmen müssen, um die Ämterpatronage entgegen der Eignung abzuwehren (vgl. § 98 Abs. 1 Nr. 1–5 BBG, Art. 105 ff., Art. 31 Abs. 2 BayBeamtenG)1228. Es gibt aber auch Fachausschüsse, welche um der Sachlichkeit ihrer Erkenntnisse willen unabhängig von der Regierung sind; denn Sachlichkeit, jedenfalls wenn diese Wissenschaftlichkeit erfordert, verträgt keine Weisungen. Die Wissenschaft ist wegen ihres Gegenstandes unabhängig. Regelmäßig haben derartige Fachausschüsse wegen der parlamentarischen Verantwortung der Regierung nur beratende Funktion. Ein Beispiel ist der Sachverständigenrat (Die sechs Weisen) nach dem Gesetz über die Bildung eines Sachverständigenrates zur Begutachtung der gesamtwirt1225 Dazu P. Kirchhof, Mittel staatlichen Handelns, HStR, Bd. III, § 59, Rdn. 68; W. Loschelder, Weisungshierarchie und persönliche Verantwortung in der Exekutive, HStR, Bd. III, § 68, Rdn. 50, 68 ff.; H. Lecheler, Der öffentliche Dienst, HStR, Bd. III, § 72, Rdn. 71 ff.; ders., Die Personalgewalt öffentlicher Dienstherren, 1977. 1226 Dazu 10. Kap., III, 1 und 2, auch 9. Kap., II, 1 und 4. 1227 Dazu E. Klein, Die verfassungsrechtliche Problematik des ministerialfreien Raumes, 1974; W. Krebs, Verwaltungsorganisation, HStR, Bd. III, 1988, § 69, Rdn. 82 f.; P. Kirchhof, Mittel staatlichen Handelns, HStR, Bd. III, § 59, Rdn. 101. 1228 Dazu W. Loschelder, Weisungshierarchie und persönliche Verantwortung in der Exekutive, HStR, Bd. III, § 68, Rdn. 58 f.

II. Regierungsverantwortung und Unabhängigkeiten

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schaftlichen Entwicklung vom 14. August 1963 in der Fassung vom 8. November 1966. Der Sachverständigenrat legt jährlich im Frühjahr das Jahresgutachten über die gesamtwirtschaftliche Entwicklung vor, das Grundlage des Jahreswirtschaftsberichts der Bundesregierung an den Bundestag und den Bundesrat ist (§ 2 StWG). Das republikanische Prinzip relativiert das Prinzip der parlamentarischen Verantwortlichkeit der Regierung. Dieses ist nicht als solches im Grundgesetz formuliert, sondern wird daraus gefolgert, daß der Bundestag dem Bundeskanzler (konstruktiv) das Mißtrauen aussprechen (Art. 67 GG) oder das vom Bundeskanzler beantragte Vertrauen verweigern kann (Art. 68 GG)1229. Die Verantwortlichkeit der vollziehenden Gewalt ist somit differenziert geregelt. Wenn die Sachlichkeit der Verwaltung die Unabhängigkeit der Erkenntnis notwendig macht, findet das Prinzip der parlamentarischen Verantwortung der Regierung eine durch das Republikprinzip begründete Grenze. Das folgt auch aus der Eigenständigkeit der vollziehenden Gewalt1230, die nicht auf die Bundesregierung und die ihr nachgeordneten Ämter beschränkt ist. Freilich muß eine von der Regierung unabhängige Verwaltung eine Grundlage im Grundgesetz finden, wie beispielsweise in Art. 88 GG die Bundesbank1231 oder in Art. 5 Abs. 3 GG die akademische Selbstverwaltung1232. Das republikanische Prinzip des Art. 20 Abs. 1 GG allein rechtfertigt es nicht, Verwaltungsbehörden von Weisungen der Regierungen unabhängig zu stellen, weil sonst die demokratische Legitimation des staatlichen Handelns durch das Volk unterbrochen wäre. Eine Republik aber muß demokratisch sein; denn sie ist das Gemeinwesen der allgemeinen Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit1233. Auch die personale demokratische Legitimation aller Amtswalter allein rechtfertigt ihre Unabhängigkeit gegenüber der Regierung nicht, weil die demokratische Legitimation der Sachentscheidungen sichergestellt werden muß. Die Weisungsbefugnisse der Regierungen sind selbst demokratisch begründet. Es kommt auf das demokratische Legitimationsniveau insgesamt an (vgl. BVerfGE 83, 60 (71 f.); 89, 155 (182); 93, 37 (66f.)). Dennoch gibt es zu Recht ministerialfreie Räume, die wegen ihres demokratischen Defizits durch besondere Verfassungsprinzipien gerechtfertigt sein müssen. Die wichtigste Rechtfertigung der Unabhängigkeit ist die Wissenschaftlichkeit der Handlungen, die aus dem Prinzip der Sachlichkeit folgt und eine Begründung 1229

Dazu 10. Kap., III, 2, a. Dazu 8. Kap., I, 1. 1231 BVerwGE 41, 334 (356 ff.); R. Schmidt, Geld und Währung, HStR, Bd. III, 1988, § 82, Rdn. 24; K. Stern, Staatsrecht II, S. 506 ff.; vgl. auch BVerfGE 89, 155 (208 f.). 1232 Dazu Th. Oppermann, Schule und berufliche Ausbildung, HStR, Bd. VI, 1989, § 135, Rdn. 52 ff., insb. Rdn. 54; R. Scholz, in: Maunz/Dürig, GG, Rdn. 131, 137 zu Art. 5 Abs. 3. 1233 2. Kap., III, 6. Kap., I, 2; K. A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 14 ff., auch S. 637 ff. 1230

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12. Kap.: Verwaltungsverantwortung für Gesetzesvollzug

im Republikprinzip findet, wie überhaupt die bestmögliche Sachlichkeit, die das republikanische Amtsprinzip1234 trägt. Diese Unabhängigkeit, die auch in den Erkenntnis- und Entscheidungsspielräumen der vollziehenden Gewalt zur Geltung kommt1235, kann institutionalisiert sein, muß aber immer das gebotene demokratische Legitimationsniveau wahren, das wesentlich durch Gesetzlichkeit und Amtlichkeit demokratisch legitimierter Beamten verwirklicht wird, aber durch Weisungsrechte der stärker demokratisch legitimierten Regierungen gestärkt wird. Die Republik bezweckt bestmögliche Sachlichkeit. Die Sache, der Staatszweck, ist das gute Leben aller in Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit1236. Gerade diesen Zweck sichert bestmöglich das „moderierte“ (BVerfGE 89, 155 (207 ff.) demokratische Prinzip. Es gibt keinen Gegensatz von Demokratie und Sachlichkeit, wenn die Demokratie nicht zur führerschaftlichen Parteienoligarchie pervertiert, der Verfallserscheinung der Republik1237. Das wichtigste Beispiel notwendiger Unabhängigkeit von Amtswaltern in der demokratischen Republik sind die Richter (Art. 97 Abs. 1 GG)1238. Die Verantwortlichkeit der Verwaltung in den Ländern richtet sich im Rahmen dieser Prinzipien nach den Landesverfassungen. 3. Bundesbank und Europäische Zentralbank a) Unabhängig von Weisungen der Bundesregierung ist insbesondere die Deutsche Bundesbank (§ 12 S. 2 BBankG), welche allerdings nach Satz 1 dieser Vorschrift die „allgemeine Wirtschaftspolitik der Bundesregierung zu unterstützen“ hat. Die Unabhängigkeit der Bundesbank ist dadurch in Art. 88 S. 1 GG: „Der Bund errichtet eine Währungs- und Notenbank als Bundesbank“

verankert, daß die Unabhängigkeit der Bundesbank die Sachlichkeit der Währungs- und Notenpolitik sichert. Die Bundesbank war bis zum Maastricht-Vertrag 1992, der die europäische Währungsunion vereinbart hat, nur gegenüber der Bundesregierung, nicht gegenüber dem Bundesgesetzgeber unabhängig. Der Gesetzgeber konnte die Aufgaben, Befugnisse und Mittel der Bundesbank ausgestalten und nach herrschender Meinung sogar deren Unabhängigkeit aufheben (BVerwGE 41, 334 (354 ff.))1239. Seit dem Maastricht-Vertrag ist die Unabhän1234

Dazu 15. Kap., I. Dazu K. A. Schachtschneider, Grundbegriffe des Allgemeinen Verwaltungsrechts, S. 54 ff.; H. Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 7, S. 132 ff.; F. Ossenbühl, Rechtliche Gebundenheit und Ermessen, in: H.-U. Erichsen (Hrsg.), Allgemeines Verwaltungsrecht, 11. Aufl. 1998, § 10, S. 201 ff. 1236 Dazu 2. Kap., III, 3. Kap., II, III, 1 und V, 1, 6. Kap., I, 1 und 2. 1237 Dazu 9. Kap., II. 1238 Dazu 10. Kap., II, 2, a. 1239 K. Stern, Staatsrecht II, S. 491 ff.; H. H. Hahn, Währungsrecht, 1990, S. 261 ff.; vgl. auch BVerfGE 62, 169 (183); 89, 155 (208 f.); R. Schmidt, Geld und 1235

III. Rechtsaufsicht

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gigkeit der Zentralbanken der Mitgliedstaaten in Art. 108 EGV vorgeschrieben. Die Deutsche Bundesbank gehört seitdem zum Europäischen System der Zentralbanken (ESZB, Art. 105 ff. EGV, Art. 7 des 3. Protokolls über die Satzung des Europäischen Systems der Zentralbanken und der Europäischen Zentralbank). b) Die Unabhängigkeit der Europäischen Zentralbank selbst ist (gemäß Art. 88 S. 2 GG) ebenfalls in Art. 108 EGV festgelegt. Sie steht nicht zur Disposition der Gesetzgeber in der Europäischen Union. Die Unabhängigkeit besteht nämlich gegenüber den Rechtsetzungsorganen der Europäischen Gemeinschaft (Kommission, Rat und Parlament) und den nationalen Gesetzgebern, erst recht gegenüber allen Regierungen. Diese Unabhängigkeit soll eine Geld- und Währungspolitik der Preisstabilität sichern (BVerfGE 89, 155 (207 ff.). Die Europäische Gemeinschaft kann die Aufgaben, Befugnisse und Mittel der Europäischen Zentralbank ändern (Art. 107 Abs. 5 EGV, Art. 41 3. Protokoll). Die Europäische Zentralbank ist jedoch in keiner Weise demokratisch legitimiert und darum verfassungswidrig. Das Bundesverfassungsgericht rechtfertigt die „Modifikation“ des Demokratieprinzips mit den Besonderheiten der Geld- und Währungspolitik (BVerfGE 89, 155 (207 ff.)). Sachlich muß jede Politik in der Republik sein, gerade darum soll sie bestmöglich demokratisch legitimiert sein1240.

III. Rechtsaufsicht Die Gesetzlichkeit des Gesetzesvollzuges soll im Bereich der vollziehenden Gewalt durch Rechtsaufsicht sichergestellt werden. Die Rechtsaufsicht besteht neben dem gerichtlichen Rechtsschutz. Auch die Rechtsaufsicht ist ein Instrument des Rechtsschutzes, aber nicht wie prinzipiell der gerichtliche Rechtsschutz eines der subjektiven Rechte, sondern eines des (jedenfalls prinzipiell) objektiven Rechts1241. Die Aufgaben, Befugnisse und Mittel der Aufsicht über die Rechtmäßigkeit und die Zweckmäßigkeit des Verwaltungshandelns ist im Einzelnen in den Gesetzen geregelt. Der Rechtsaufsicht des Landes unterliegen die Kommunen (etwa Art. 109 BayGO), die Universitäten (etwa Art. 9, 16 BayHSchG), die berufsständischen Kammern (etwa Art. 117, 118 BayHeilberufeKammerG) usw.

Währung, HStR, Bd. III, § 82, Rdn. 21 ff., 24; K. A. Schachtschneider, Demokratiedefizite in der Europäischen Union, FS W. Hankel, S. 146. 1240 K. A. Schachtschneider, Die existentielle Staatlichkeit der Völker Europas, S. 130 ff.; ders., Demokratiedefizite in der Europäischen Union, FS W. Hankel, S. 147 f. 1241 Vgl. O. Seewald, Kommunalrecht, Rdn. 372 f., S. 148 f., für die Kommunalaufsicht.

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12. Kap.: Verwaltungsverantwortung für Gesetzesvollzug

1. Bundesaufsicht und Bundeszwang a) Die Ausführung der Bundesgesetze durch die Länder, sei es als eigene Angelegenheit (Art. 84 GG), sei es als Auftragsangelegenheit des Bundes (Art. 85 GG), unterliegt der Rechtsaufsicht des Bundes, welche Bundesaufsicht genannt wird (Art. 84 Abs. 3 bis 5, Art. 85 GG). Maßnahmen der Bundesaufsicht hat die Bundesregierung grundsätzlich an die jeweilige Landesregierung zu richten1242. Die Landesregierung hat die Verantwortung für die Verwaltung ihres Landes. Es darf somit kein Handeln der vollziehenden Gewalt geben, welches nicht der Rechtsaufsicht der Landesregierungen unterliegt. Im übrigen umfaßt die Bundesaufsicht auch die Gesetzgebung der Länder, zumindest weil grundgesetzwidrige Landesgesetzgebung Bundespflichten verletzt und darum den Bundeszwang nach Art. 37 Abs. 1 GG auslösen kann1243. Dem müssen aber Bundesaufsichtsmaßnahmen vorangehen1244. Allerdings kann die Bundesregierung (wie auch jede Landesregierung sowie ein Drittel der Mitglieder des Bundestages) nach Art. 93 Abs. 1 Nr. 2 GG die Vereinbarkeit von Landesrecht mit dem Grundgesetz oder mit sonstigem Bundesrecht vom Bundesverfassungsgericht prüfen lassen (abstrakte Normenkontrolle)1245. Das erübrigt in der Praxis Bundesaufsichts- oder gar Bundeszwangsmaßnahmen gegen bundesrechtswidrige Landesgesetze. Das Verfassungsgerichtsverfahren setzt aber Gesetze der Länder voraus, also deren Verabschiedung. Bundesaufsichtsmaßnahmen können auch schon Gesetzesvorhaben betreffen1246. Weil die Länder auch bei der Ausführung des Landesrechts wegen des Rechtsstaatsprinzips der Rechtsaufsicht der Bundesregierung unterliegen (a. A. BVerfGE 6, 309 (329))1247, ist die Bundesregierung dafür verantwortlich, daß alles Verwaltungshandeln in Deutschland das Grundgesetz, die Bundesgesetze, aber (wegen Art. 10 EGV) auch das Gemeinschaftsrecht beachtet1248. Im Bereich der Bundesauftragsverwaltung der Länder erstreckt sich die Bundesaufsicht auch auf die Zweckmäßigkeit der Ausführung 1242

P. Lerche, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 84, Rdn. 161; vgl. auch BVerfGE 8, 122

(137). 1243 Dazu K. A. Schachtschneider, Der Rechtsweg zum Bundesverfassungsgericht in Bund-Länder-Streitigkeiten, 1969, S. 97 ff. 1244 Dazu P. Lerche, in: Maunz/Dürig, GG, Rdn. 151 zu Art. 84; K. A. Schachtschneider, Der Rechtsweg zum Bundesverfassungsgericht in Bund-Länder-Streitigkeiten, S. 97 ff.; H. v. Mangoldt, Die Bundesaufsicht, S. 55 ff., 73 f. 1245 Dazu 11. Kap., II. 1246 Für die Aufsicht allen Handelns der Länder, auch der Gesetzgebung, am Maßstab des Grundgesetzes richtig H. v. Mangoldt, Die Bundesaufsicht, S. 47 (74); vgl. P. Lerche, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 84, Rdn. 147, der Landesgesetze aus der Bundesaufsicht herausnimmt (i. d. S. auch BVerfGE 6, 309 (329)), aber, Rdn. 145, Aufsichtsmaßnahmen gegen bloß angekündigte Landesvorhaben für möglich hält. 1247 Streitig; so H. v. Mangoldt, Die Bundesaufsicht, S. 47 ff.; K. A. Schachtschneider, Der Rechtsweg zum Bundesverfassungsgericht in Bund-Länder-Streitigkeiten, S. 97 ff.; vgl. differenzierend P. Lerche, in: Maunz/Dürig, GG, Rdn. 148 ff. (aber restriktiv Rdn. 147) zu Art. 84.

III. Rechtsaufsicht

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der Gesetze (Art. 85 Abs. 4 GG). Von der Bundesaufsicht ausgenommen sind Richtersprüche. Deren Rechtskraft ist auch für die Regierung unumstößlich, weil den Richtersprüchen nur im Rechtsweg Verletzung der Gesetze vorgeworfen werden darf1249. Die Bundesaufsicht läßt an der Eigenstaatlichkeit der Länder zweifeln, hat aber föderalistische Tradition. Die Reichsaufsicht nach Art. 4 der (Bismarck’schen) Verfassung des Deutschen Reiches vom 16. April 1871 (RV 1871) sicherte die Einheit des „ewigen Bundes zum Schutze des Bundesgebietes und des innerhalb desselben gültigen Rechts, sowie zur Pflege der Wohlfahrt des Deutschen Volkes“ (Präambel) durch die „selbständige Reichsaufsicht“1250. Die Weimarer Verfassung (Verfassung des Deutschen Reiches vom 11. August 1919) regelte die Reichsaufsicht über die Länder nicht wesentlich anders als jetzt das Grundgesetz die Bundesaufsicht1251. Bundesaufsichtsmaßnahmen sind bisher nicht getroffen worden, weil die Gesetzlichkeit des Verwaltungshandelns sowohl der Länder als auch des Bundes durch den fast lückenlosen gerichtlichen Rechtsschutz besser als durch Regierungsaufsicht, nämlich gerichtlich überprüfbar ist. Die politische Abhängigkeit der Bundesregierung von den Ländern im Bundesrat, vor allem aber von den Landesverbänden der Parteien, welche die Bundesregierung tragen, ist eine Barriere für die Bundesaufsicht. Aufsichtsmaßnahmen der Bundesregierung gegenüber einem Land, die zu einem Prozeß darüber, ob das Land das Recht verletzt habe, im Bundesrat und in zweiter Instanz vor dem Bundesverfassungsgericht führen können (Art. 84 Abs. 4 GG)1252, sind ein nicht nur staatliches, sondern parteiliches Politikum. Letzteres wiegt im entwickelten Parteienstaat schwerer. b) Das Grundgesetz überträgt dem Bund die Befugnis, ein Land, welches „die ihm nach dem Grundgesetz oder einem anderen Bundesgesetze obliegenden Bundespflichten“ in irgendeiner Weise mißachtet, mit den notwendigen Maßnahmen zu zwingen, seine Pflichten zu erfüllen (Art. 37 GG). Die Bundesregierung bedarf für Bundeszwangsmaßnahmen der Zustimmung des Bundesrates. Der Bundeszwang kann so weit gehen, daß die Regierung eines Landes 1248 M. Bullinger, Der Anwendungsbereich der Bundesaufsicht, Zum Konkordatsurteil des Bundesverfassungsgerichts, AöR 83 (1958), S. 279 ff. (284 ff.); zurückhaltend P. Lerche in: Maunz/Dürig, GG, Rdn. 147 zu Art. 84, für Europarecht als Maßstab Rdn. 158. 1249 H. Triepel, Die Reichsaufsicht. Untersuchungen zum Staatsrecht des Deutschen Reiches, 1917, S. 494 ff.; R. Anschütz, WRV, Kommentar, Anm. 2 zu Art. 15, S. 116 f.; K. A. Schachtschneider, Der Rechtsweg zum Bundesverfassungsgericht in Bund-Länder-Streitigkeiten, S. 100; P. Wollenschläger, Die Gemeinschaftsaufsicht über die Rechtsprechung der Mitgliedstaaten, 4. Kap., II, 2. 1250 Dazu umfassend H. Triepel, Die Reichsaufsicht, 1917, insb. S. 411 ff.; vgl. P. Lerche, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 84, Rdn. 131. 1251 Vgl. P. Lerche, in: Maunz/Dürig, Art. 84, Rdn. 132 ff. 1252 Dazu K. A. Schachtschneider, Der Rechtsweg zum Bundesverfassungsgericht in Bund-Länder-Streitigkeiten, S. 83 ff., 89 ff.; P. Lerche, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 84, Rdn. 173 „gerichtsähnliches“, nicht „gerichtliches“ Verfahren.

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12. Kap.: Verwaltungsverantwortung für Gesetzesvollzug

durch einen Bundesbeauftragten ersetzt wird1253. Eine derartige Sequestration der preußischen Staatsregierung durch den Reichskanzler von Papen als Reichskommissar am Ende der Weimarer Zeit, der sogenannte Preußenschlag vom 20. Juli 1932, und das Versagen des Staatsgerichtshofs für das Deutsche Reich im Verfassungsstreit Preußen contra Reich (Urteil vom 25. Oktober 1932, RGZ 138 Anh. S. 1 ff.) haben wesentlich zur Destabilisierung der Weimarer Republik beigetragen1254. 2. Kommunalaufsicht a) Die Verantwortlichkeit der Kommunalverwaltung nach den kommunalverfassungsrechtlichen Regelungen (etwa Art. 1 BayGO) folgt den Besonderheiten kommunaler Legitimation gemäß Art. 28 Abs. 2 GG, welcher das Prinzip der eigenverantwortlichen kommunalen Selbstverwaltung der Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft im Rahmen der Gesetze verankert (etwa BVerfGE 79, 127 (147 ff.); 83, 37 (54); 83, 363 (383); BVerwGE 98, 273 (276 f.); 101, 99 (102 f.))1255. b) Die kommunale Selbstverwaltung unterliegt der sogenannten Staatsaufsicht der Länder (etwa Art. 108 BayBO)1256. Diese Aufsicht teilt sich in die Rechtsaufsicht und die Fachaufsicht, deren Grenze wegen der offenen Gesetzesbegriffe1257 in der Praxis fließend ist. Die Rechtsaufsicht umfaßt die gesamte Tätigkeit der Kommunen, also sowohl die Angelegenheiten des eigenen Wirkungskreises (vgl. Art. 109 ff., Art. 7 BayGO), als auch die des übertragenen Wirkungskreises, die Auftragsangelegenheiten (etwa Art. 108 ff., Art. 8 BayGO). Die Fachaufsicht überwacht (mit gewissen Einschränkungen) auch die Zweckmäßigkeit der gemeindlichen Maßnahmen und ist (in gewissen Grenzen) mit dem Weisungsrecht der Aufsichtsbehörden verbunden (vgl. Art. 109 Abs. 2 BayGO)1258. Der fiskalische Bereich der privatistischen Unternehmen soll von der Kommunalaufsicht nicht erfaßt sein1259, zu Unrecht. 1253

Th. Maunz, in: Maunz/Dürig, GG, 1960, Art 37, Rdn. 50. Dazu E. R. Huber, Deutsche Verfassungsgeschichte seit 1789, Bd. VII, 1984, S. 1120; H. Schneider, Die Reichsverfassung vom 11. August 1919, HStR, Bd. I, 1987, § 3, Rdn. 68. 1255 Dazu O. Seewald, Kommunalrecht, in: U. Steiner (Hrsg.), Besonderes Verwaltungsrecht, 5. Aufl. 1995, Rdn. 43 ff., S. 17 ff. 1256 U. Steiner, Kommunalrecht, in: Berg/Knemeyer/Papier/Steiner (Hrsg.), Staatsund Verwaltungsrecht in Bayern, 6. Aufl. 1996, Rdn. 182 ff., S. 196 ff.; O. Seewald, Kommunalrecht, Rdn. 352 ff., S. 138 ff.; R. Stober, Kommunalrecht der Bundesrepublik Deutschland, 3. Aufl. 1996, S. 148 ff. 1257 Dazu 13. Kap., II, 4 und 5. 1258 O. Seewald, Kommunalrecht, Rdn. 352 ff., S. 138 ff.; F.-L. Knemeyer, Bayerisches Kommunalrecht, 8. Aufl. 1994, S. 245; U. Steiner, Kommunalrecht, Rdn. 184 ff., 192 ff., S. 187 ff., 189 ff.; R. Stober, Kommunalrecht, S. 156 ff. 1254

III. Rechtsaufsicht

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c) Aufsichtsmaßnahmen können sein: Beanstandung, Ersatzvornahme, Beauftragung eines Kommissars, Auflösung der Gemeindevertretung1260. Verwaltungsrechtsschutz wird den Gemeinden gegen Maßnahmen der Fachaufsicht nur gegeben, wenn die Maßnahme in deren Selbstverwaltungsrecht „übergreift“ (vgl. BVerwG BayVBl. 1995, 156 (157); BayVBl. 1995, 474)1261. Das ist zu eng, weil alle Aufsichtsmaßnahmen die Gemeinde in ihrer Eigenständigkeit, welche Art. 28 Abs. 2 GG schützt, treffen. Die Rechtmäßigkeitsfrage der Aufsichtsmaßnahmen soll aber mit der allgemeinen Leistungsklage vor Gericht gebracht werden können1262. Dem Gemeindebürger wird ein subjektives Recht (Anspruch) auf Aufsichtsmaßnahmen nicht zugestanden1263. Er ist wegen seiner Rechte auf die Verwaltungsverfahren der Gemeinde selbst und auf den Rechtsschutz der Verwaltungsgerichte gegen die Gemeinden verwiesen. Als Amtspflichtverletzung wird die Vernachlässigung der Aufsichtspflicht nur ausnahmsweise angesehen (keine Drittbezogenheit der Aufsichtspflichten, vgl. BGHZ 35, 44 (50 f.))1264. Auch die Rechtsaufsicht über die Kommunen leistet es nicht, die Gesetzlichkeit des kommunalen Handelns in jeder Weise sicherzustellen. Das zu erwarten, würde die Vielfalt der gesetzlichen Anforderungen verkennen. d) Die Rechtsaufsicht über die Städte und Gemeinden üben in Bayern nach näheren Zuständigkeitsregelungen die Landratsämter, die Regierungen (der Bezirke) und das Staatsministerium des Innern aus (Art. 110, Art. 115 f. BayGO). e) Auch bei der Kommunalaufsicht ,entlastet‘ der gerichtliche Rechtsschutz die Rechtsaufsicht in doppelter Weise. Er sichert zum einen durch den subjektiven Rechtsschutz auch das objektive Recht. Er unterminiert zum anderen aber auch die Verantwortlichkeit der Verwaltung für die Gesetzlichkeit des Verwaltungshandelns, weil die in ihren Rechten betroffenen Bürger von den Gerichten Rechtsschutz erwarten dürfen. Der von den Aufsichtsbehörden hingenommene Rechtsbruch erscheint nicht durch Endgültigkeit unerträglich. Diese entlastende Wirkung hat die innere Verantwortlichkeit der vollziehenden Gewalt für die Gesetzmäßigkeit ihres Handelns geschwächt. Das letzte Wort des Rechts haben die Gerichte, die freilich nur im Rahmen des Rechtsschutzes tätig werden können. Dieser hängt davon ab, inwieweit die Gerichte den Bürgern durch subjektive 1259

U. Steiner, Kommunalrecht, Rdn. 184, S. 87. U. Steiner, Kommunalrecht, Rdn. 185 ff., S. 187 ff.; O. Seewald, Kommunalrecht, Rdn. 358 ff., S. 141 f.; R. Stober, Kommunalrecht, S. 151 ff. 1261 U. Steiner, Kommunalrecht, Rdn. 194 ff., S. 190 ff.; vgl. R. Stober, Das Kommunalrecht, S. 157 f. 1262 U. Steiner, Kommunalrecht, Rdn. 196, S. 191 f.; R. Stober, Kommunalrecht, S. 158. 1263 U. Steiner, Kommunalrecht, Rdn. 183, S. 186; R. Stober, Kommunalrecht, S. 151. 1264 O. Seewald, Kommunalrecht, Rdn. 372 f., S. 148 f. 1260

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Rechte Rechtsschutz zugestehen1265. Dem Subsidiaritäts- oder dem Privatheitsprinzip (vgl. Art. 87 BayGO)1266 etwa verweigern die Gerichte weitestgehend den Rechtsschutz (Bay VGH BayVBl. 1959, 90 ff.; 1976, 628; OVG Münster, NVwZ 1986, 1045 ff.; tendenziell anders OLG Hamm, JZ 1998, 577; OVG Mannheim, NJW 1984, 251 ff.)1267. Die Folge ist die ständige und weitgehende Mißachtung des Privatheitsprinzips in der Praxis1268. Die letzte Verantwortung, nämlich die Lasten der Rechtlosigkeit, tragen die Bürger. 3. Aufsicht über die privatistischen Verwaltungsunternehmen Auch die unternehmensartige Tätigkeit des Staates und der Kommunen in privater Rechtsform ist Verwaltung1269, so daß die gesetzlichen Regelungen, welche von diesen unternehmerischen Verwaltungen zu beachten sind, Gegenstand der Rechtsaufsicht sind. Die Durchsetzung der Gesetze muß sich den privattypischen Formen dieser Unternehmen anpassen. Die formelle Privatisierung dieser Verwaltungen verändert die materielle Rechtslage für dieses Verwaltungshandeln mit erheblicher Konsequenz für die Effektivität der Rechtsaufsicht. Rechtsaufsicht vermag die Einhaltung des privattypischen Wettbewerbsrechts durch diese unternehmerischen Verwaltungen nicht sicherzustellen. Der Staat, dem die Rechtsaufsicht obliegt, überläßt es den privaten Konkurrenten, das sie schützende Wettbewerbsrecht durchzusetzen, aber auch den spezifisch für den Schutz des Prinzips Wettbewerb vorgesehenen Ämtern, also den Kartellämtern. Welches privattypische Recht für die unternehmerischen Verwaltungen anzuwenden ist, ist strittig. Die Praxis etwa sieht die unternehmerischen Verwaltungen an das Wettbewerbsrecht gebunden1270. Wer die Fiskusdoktrin, also die formelle Privatisierung des Staatlichen, als verfassungswidrig zurück1265 Dazu K. A. Schachtschneider, Grundbegriffe des Allgemeinen Verwaltungsrechts, S. 49 ff.; K. A. Schachtschneider/A. Emmerich-Fritsche, Kommunaler Wettbewerb, S. 50 ff. 1266 K. A. Schachtschneider, Der Anspruch auf materiale Privatisierung, S. 130 ff., 153 ff.; ders./A. Emmerich-Fritsche, Kommunaler Wettbewerb, S. 60 ff., 68 ff., 78 ff. 1267 Dazu (kritisch) K. A. Schachtschneider, Der Anspruch auf materiale Privatisierung, S. 147 ff., 153 ff.; O. Seewald, Kommunalrecht, Rdn. 295 ff. (298 f. ), S. 120 f.; ohne Kritik H. J. Wolff/O. Bachof/R. Stober, Verwaltungsrecht II, 5. Aufl. 1987, § 104a, Rdn. 38, S. 449 f. 1268 Vgl. K. A. Schachtschneider/A. Emmerich-Fritsche, Kommunaler Wettbewerb, S. 60 ff., 68 ff., 78 ff.; ders., Der Anspruch auf materiale Privatisierung, S. 53 ff., 130 ff., 153 ff., 334 ff. 1269 H. Krüger, Das Staatsunternehmen – Ort und Rolle in der Marktwirtschaft, ZHR 1979, 157 ff.; K. A. Schachtschneider, Anspruch auf materiale Privatisierung, S. 300 ff., auch S. 130 ff.; ders., Staatsunternehmen und Privatrecht, S. 357 ff.; ders., Res publica res populi, S. 1119; ders., Eigentümer globaler Unternehmen, FS H. Steinmann, S. 420 f.; ders./A. Emmerich-Fritsche, Kommunaler Wettbewerb, S. 60 ff., 67 f. 1270 Dazu 10. Kap., IV, 2 b; Hinweise zu und in Fn. 1135.

III. Rechtsaufsicht

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weist1271, wird konsequent das Wettbewerbsrecht für staatliches Handeln für unanwendbar halten, weil es privattypisch ist1272. Die staatlichen und kommunalen Unternehmen auch in privater Rechtsform haben manche Sondergesetze vor allem haushaltsrechtlicher und gemeinderechtlicher Art zu beachten. Auch darüber wacht die Rechtsaufsicht1273. 4. Aufsicht der Kommission der Europäischen Union über die Mitgliedstaaten Die Kommission der Europäischen Union kann den Europäischen Gerichtshof anrufen, wenn „ein Mitgliedstaat gegen eine Verpflichtung aus diesem Vertrag verstoßen“ hat und ihrer Stellungnahme nicht nachkommt (Art. 226 EGV), d.h. der Vertragsrüge der Kommission nicht folgt und den Vertragsverstoß nicht behebt. Jede Mißachtung des primären und sekundären Gemeinschaftsrechts ist ein Vertragsverstoß (Art. 10 EGV)1274. Die Befugnis der Kommission, Vertragsverstöße durch den Gerichtshof klären zu lassen1275, gibt ihr die vorrangige Aufgabe und Befugnis, die Mitgliedstaaten zu beaufsichtigen (Aufsichtsklage). Gegenstand der Aufsicht ist an sich alles Handeln der Mitgliedstaaten, jedenfalls (und vor allem) die Gesetzgebung, aber auch ihre vollziehende Gewalt. Maßstab der Aufsicht ist das Gemeinschaftsrecht. Die Rechtsprechung der Mitgliedstaaten kann nicht der Kommissionsaufsicht unterworfen sein, weil die Gerichte unabhängig sind und in ihrer Unabhängigkeit das Recht einschließlich des Gemeinschaftsrechts (gegebenenfalls nach Vorabentscheidungsverfahren gemäß Art. 234 EGV1276) anzuwenden haben. Erkenntnisfehler der Gerichte müssen im Rahmen der Gerichtsbarkeit korrigiert werden. Die Rechtskraft der Richtersprüche darf nicht relativiert werden1277. Der Mitgliedstaat hätte keine Handhabe, auf die Rechtsprechung einzuwirken, wenn der Europäische Gerichtshof 1271 K. A. Schachtschneider, Staatsunternehmen und Privatrecht, passim, insb. S. 261 ff., 281 ff.; ders./A. Emmerich-Fritsche, Kommunaler Wettbewerb, S. 36 f.; ders., Der Anspruch auf materiale Privatisierung, S. 190 ff. 1272 K. A. Schachtschneider, Staatsunternehmen und Privatrecht, passim, insb. S. 281 ff., 357 ff.; ders., Der Anspruch auf materiale Privatisierung, S. 306 ff., 313 ff.; ebenso W. Löwer, Der Staat als Wirtschaftssubjekt und Auftraggeber, VVDStRL 60 (2001), S. 416 ff. 1273 Vgl. K. A. Schachtschneider, Die Einwirkungsrechte des Staates auf seine privatistischen Unternehmen, Lehrstuhlpapier 1988, S. 42 ff. 1274 K. A. Schachtschneider/A. Emmerich/Fritsche, Rechtsschutz durch den Europäischen Gerichtshof, § 11, III, 2, a; etwa EuGH – Rs. 31/69 (Kommission/Italienische Republik), Slg. 1970, 25, 33. 1275 Dazu K. A. Schachtschneider/A. Emmerich-Fritsche, Rechtsschutz durch den Europäischen Gerichtshof, § 11, 2 und 4 (auch zum Folgenden). 1276 Dazu K. A. Schachtschneider/A. Emmerich-Fritsche, Rechtsschutz durch den Europäischen Gerichtshof, § 11, III, 1. 1277 Zur Rechtskraft 7. Kap., IV, 1 und 4.

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12. Kap.: Verwaltungsverantwortung für Gesetzesvollzug

feststellen sollte, daß Gerichte der Mitgliedstaaten durch Mißachtung (etwa unrichtige Interpretation) des Gemeinschaftsrechts Verpflichtungen aus dem Gemeinschaftsvertrag verletzen1278. Die Aufsichtsbefugnis haben wegen der Klagemöglichkeit gegen Vertragsverstöße nach Art. 227 EGV im übrigen alle Mitgliedstaaten gegenüber allen Mitgliedstaaten. Funktional ist das nichts anderes als die Beobachtung der Vertragsloyalität, die jedem Vertragspartner zusteht. Die Rechtsklärung durch den Europäischen Gerichtshof nach Art. 227, 228 EGV ist völkerrechtsgemäßer Vertragsrechtsschutz.

1278 Zum Ganzen P. Wollenschläger, Die Gemeinschaftsaufsicht über die Rechtsprechung der Mitgliedstaaten, 2006.

13. Kapitel

Bestimmtheitsprinzip I. Bedeutung der Bestimmtheit der Gesetze für die Freiheit Die Republik als Verwirklichung der Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit durch Gesetzlichkeit steht und fällt mit der Bestimmtheit der Gesetze (vgl. BVerfGE 3, 225 (243); 6, 32 (42); 8, 274 (325 ff.); 9, 137 (147, 149); 13, 153 (160f.); 20, 150 (157 ff.); 21, 245 (261); 27, (8); 34, 165 (199f.); 35, 348 (359); 41, 251 (266); 42, 263 (278); 49, 168 (181); 59, 104 (114); 64, 261 (280); 69,1 (43); 71, 354 (362); 80, 137 (161); 87,234 (263); 93, 213 (238); 102, 254 (337); u. ö.)1279. Gesetze, welche nicht hinreichend bestimmt sind, können den Willen des Volkes, erkannt und beschlossen unmittelbar durch das Volk oder mittelbar durch die Vertreter des Volkes, verbindlich, weil das Volk das von seinen Vertretern als richtig Erkannte und Beschlossene will1280, nicht vermitteln. „Die Rechtsunterworfenen müssen in zumutbarer Weise feststellen können, ob die tatsächlichen Voraussetzungen für die in der Rechtsnorm ausgesprochene Rechtsfolge vorliegen“ (BVerfGE 102, 254 (337); i. d. S. auch BVerfGE 37, 132 (142); 59, 104 (114)).

In dem Maße der Offenheit der gesetzlichen Begriffe1281 wächst die Möglichkeit der Amtswalter zur Herrschaft. Weder das Gesetzesprinzip noch das Rechtsschutzprinzip noch gar das Gesetzesvollzugsprinzip lassen sich in die Praxis umsetzen, wenn die Gesetze nicht hinreichend bestimmt sind. Ohne Bestimmtheit der Gesetze ist die Freiheit nicht gesichert und hat die Gleichheit keine Gestalt. Vor allem das Prinzip der Teilung der Ausübung der staatlichen Gewalt1282 wirkt nur, wenn die Gesetze bestimmt sind1283; denn die gewaltenteilige Funktionenordnung ist zugleich ein von der Verfassung wohl definiertes Verhältnis der Zuordnung und, wenn man so will, der Abhängigkeit der ver1279 K. A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 850 ff., 866 ff., 882 ff., 887 ff., 1138; Ph. Kunig, Das Rechtsstaatsprinzip, S. 396 ff.; K. Sobota, Das Prinzip Rechtsstaat, S. 132 ff. 1280 Dazu 4. Kap., I, 3. 1281 Dazu K. A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 819 ff., 831 ff. 1282 Dazu 9. Kap., I, auch 10. Kap. 1283 K. A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 866 ff.

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13. Kap.: Bestimmtheitsprinzip

schiedenen staatlichen Organe. Der Vorrang des Gesetzes, unter den Art. 20 Abs. 3 GG die vollziehende Gewalt und die Rechtsprechung stellt1284, bewirkt wenig, wenn die Gesetze nicht durch Bestimmtheit bestimmen. Die Unterwerfung der Richter unter das Gesetz durch Art. 97 GG besteht nur in dem Maße, in dem die Gesetze bestimmt sind1285; ansonsten sind die Richter allenfalls von den Präjudizien der höchstrichterlichen Rechtsprechung abhängig. Wenn nicht die Gesetze Verbindlichkeit schaffen, entsteht entweder ein Richter- oder ein Exekutivstaat. Eine Republik, wie sie das Grundgesetz verfaßt, ist ein Gesetzesstaat1286. Dieser ist demokratisch im Sinne der Freiheit, der Unabhängigkeit von Herrschaft1287. Eine Republik ist aber auch ein Verfassungsstaat und muß um der Verfassung der Menschheit der Menschen willen auch ein Verfassungsstaat sein. Zu einem Verfassungsstaat gehört eine Verfassungsrechtsprechung, der die Mitverantwortung für das Recht, die richtigen Gesetze also, übertragen ist1288.

II. Bestimmtheit und Exekutive 1. Gesetzgebung und Rechtsetzung der Exekutive Der Gesetzgeber darf seine Aufgabe der Gesetzgebung nicht dadurch der vollziehenden Gewalt und der Rechtsprechung überlassen, daß er es aufgibt, die Lebensverhältnisse durch tatbestandliche Begriffe zu regeln, welche fähig sind, mittels des syllogistischen Schlusses, durch Subsumtion also, die Entscheidungen der vollziehenden Gewalt und der Rechtsprechung im Einzelfall zu bestimmen1289. Der verhängnisvollste Fall einer Delegation der Gesetzgebung auf die Exekutive ist das Gesetz zur Behebung der Not von Volk und Reich vom 24. März 1933, das sogenannte Ermächtigungsgesetz, welches den Gesetzgebungsstaat der Weimarer Reichsverfassung in den Führerstaat Hitlers umgewandelt hat, der eigentliche Akt des Umsturzes. Artikel 1 und 2 dieses Gesetzes lautete: Art. 1 „Reichsgesetze können außer in dem in der Reichsverfassung vorgesehenen Verfahren auch durch die Reichsregierung beschlossen werden. < . . . >“ Art. 2 „Die von der Regierung beschlossenen Reichsgesetze können von der Reichsverfassung abweichen, soweit sie nicht die Einrichtung des Reichstags und des Reichsrats 1284

Dazu 6. Kap., II. K. A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 882 ff., 886 ff., 894 ff. 1286 Dazu 2. Kap., II, 3. Kap., II und V, 1, 4. Kap., I, 6. Kap., I, 1 und 2. 1287 Dazu 2. Kap., III, 3. Kap., II und V, 1, 4. Kap., I; K. A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 71 ff. 1288 Dazu 10. Kap., I, 7., 11. Kap. 1289 K. A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 850 ff., 866 ff., 882 ff., 886 ff. 1285

II. Bestimmtheit und Exekutive

275

als solche zum Gegenstand haben. Die Rechte des Reichspräsidenten bleiben unberührt.“

Republikanische Gesetzlichkeit muß der entgegengesetzten Maxime folgen. Sie muß das größtmögliche Maß an Bestimmtheit anstreben. Die Erfahrung lehrt, daß es unmöglich ist, das gemeinsame Leben durchgehend durch Gesetze zu regeln, welche gesetzgeberische Funktionen der Verwaltung und der Rechtsprechung ausschließen1290. Auch der Gesetzgebungsstaat ist auf Generalklauseln, ja auf Ermächtigungen der zweiten und dritten Gewalt zur Rechtsetzung angewiesen1291. Die Rechtsetzungsfunktion der vollziehenden Gewalt ist1292 weniger problematisch als die der Rechtsprechung, weil der Richter ohne Gesetze nur eine schwache demokratische Legitimation hat. Dennoch steht das Bestimmtheitsprinzip unter dem Vorbehalt des Möglichen. Die vollziehende Gewalt darf demgegenüber mit Rechtsetzungs-, ja sogar mit Gesetzgebungsaufgaben betraut werden. Letzteres beweist Art. 80 GG, wonach die Exekutive (Bundesregierung, Landesregierungen, Bundesminister) zum Erlaß von Rechtsverordnungen ermächtigt werden darf1293. Verwaltungsrechtssätze1294 sind eine Notwendigkeit der modernen intensiven Staatlichkeit. 2. Rechtsverordnungen Art. 80 GG läßt die Ermächtigung der Bundesregierung, der Landesregierungen und der Bundesminister zum Erlaß von Rechtsverordnungen nur in engen Grenzen zu. „Inhalt, Zweck und Ausmaß der erteilten Ermächtigung müssen im Gesetz bestimmt werden“ (Art. 80 Abs. 1 S. 2 GG; dazu BVerfGE 2, 303 (334); 5, 71 (77); 8, 274 (307 ff.); 23, 62 (72); 26, 16 (27); 29, 198 (210); 55, 207 (226); 58, 257 (277); 69, 162 (167); BVerwGE 68, 277 (280); 80, 1 (20))1295. Der Gesetzgeber muß das Programm der Rechtsverordnung bestimmen. Diese muß voraussehbar sein und vom Gesetzgeber verantwortet werden können (BVerfGE 1, 14 (60); 5, 71 (77); 8, 274 (307 ff.); 26, 16 (27); 29, 198 (210); 41, 251 (266); 56, 1 (12); 58, 257 (277); 69, 162 (167); BVerwGE 68, 277 (280); 80, 1 (20)). Mit dieser Regelung soll der Selbstentmachtung der Legisla1290

K. A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 858 ff. K. A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 887, 890 ff.; vgl. ders., Staatsunternehmen und Privatrecht, S. 375 ff., 385 ff., 393 ff. 1292 Dazu 10. Kap., I, 2, 3, 4 und 5. 1293 Dazu F. Ossenbühl, Arten der Rechtsquellen, in: H.-U. Erichsen (Hrsg.), Allgemeines Verwaltungsrecht, 11. Aufl. 1998, § 6, Rdn. 12 ff. (17 ff.), S. 140 ff. (143 ff.). 1294 Dazu 10. Kap., I, 4; F. Ossenbühl, Arten der Rechtsquellen, § 6, Rdn. 30, S. 146 ff.; ders., Autonome Rechtsetzung der Verwaltung, HStR, Bd. III, 1988, § 65, S. 425 ff. 1295 Dazu F. Ossenbühl, Arten der Rechtsquellen, § 6, Rdn. 17, S. 143; ders., Rechtsverordnung, HStR, Bd. III, 1988, § 64, Rdn. 17 ff. 1291

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13. Kap.: Bestimmtheitsprinzip

tive vorgebeugt werden. Art. 80 GG ist die Reaktion auf das oben zitierte Ermächtigungsgesetz vom 24. März 1933, aber auch eine unverzichtbare Konsequenz der Teilung der staatlichen Gewalt. Der entwickelte Parteienstaat unterläuft diese Teilung1296. Die Parlamente sind durch die parteilichen Gegebenheiten derart abhängig von der in der Regierung versammelten Parteiführung der Mehrheitsparteien, daß ihr materieller Einfluß auf die Gesetze sehr geschmälert ist, obwohl die Gesetzgebungsbefugnisse der Parlamente (vgl. Art 76 f. GG) formell unangetastet sind. Im Parteienstaat hat die Regierung den maßgeblichen Einfluß auf die Gesetzgebung. Allerdings ist die Bindung der Regierung an die Gesetze ohne Einschränkung akzeptiert. Die europäische Integration verstärkt die Gesetzgebungsmacht der Regierungen, freilich in der gemeinschaftlichen Rechtsetzung im Rat der Europäischen Union1297. Der Mehrparteienstaat erlaubt es allerdings, die Parlamentsmehrheit und damit die Regierung durch Wahlen zu verändern. Das ist der wesentliche Unterschied zur Einparteien- oder Blockparteienherrschaft. Auch Art. 80 GG würde seine eigentliche Relevanz erst entfalten, wenn die Abgeordneten die ihnen von Art. 38 Abs. 1 S. 2 GG vorgeschriebene Unabhängigkeit von den Parteien leben würden. Das funktionenrechtliche Bestimmtheitsprinzip des Art. 80 Abs. 1 S. 2 GG läuft somit im Parteienstaat weitgehend leer. 3. Satzungen Ermächtigungen zu kommunalen Satzungen müssen den Bestimmtheitskriterien des Art. 80 Abs. 1 S. 2 GG nicht genügen, weil sie eine eigene kommunale Legitimation gemäß Art. 28 Abs. 2 GG haben (BVerfGE 33, 125 (156 ff.); 49, 343 (362); BVerwGE 45, 277 (278); BGHZ 126, 16 (24); BSGE 79, 23 (26)). Das gilt auch für die Satzungen der Selbstverwaltungsträger, wie die der Universitäten und der Berufskammern (BVerfGE 33, 125 (156 ff.)). Grundsätzlich äußert das Bundesverfassungsgericht in der Facharztentscheidung BVerfGE 33, 125 (158): „Trotzdem bleibt auch im Rahmen einer an sich zulässigen Autonomiegewährung der Grundsatz bestehen, daß der Gesetzgeber sich seiner Rechtsetzungsbefugnis nicht völlig entäußern und seinen Einfluß auf den Inhalt der von den körperschaftlichen Organen zu erlassenden Normen nicht gänzlich preisgeben darf. Das folgt sowohl aus dem Prinzip des Rechtsstaats wie aus dem der Demokratie. Fordert das eine, die öffentliche Gewalt in allen ihren Äußerungen auch durch klare Kompetenzordnung und Funktionentrennung rechtlich zu binden, so daß Machtmißbrauch verhütet und die Freiheit des Einzelnen gewahrt wird, so gebietet das andere, daß jede Ordnung eines Lebensbereichs durch Sätze objektiven Rechts auf eine Willensentschließung der vom Volk bestellten Gesetzgebungsorgane muß zurückgeführt 1296 1297

Dazu 9. Kap., II. Dazu 10. Kap., I, 3, III, 2 f.

II. Bestimmtheit und Exekutive

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werden können. Der Gesetzgeber darf seine vornehmste Aufgabe nicht anderen Stellen innerhalb oder außerhalb der Staatsorganisation zur freien Verfügung überlassen. Das gilt besonders, wenn der Akt der Autonomieverleihung dem autonomen Verband nicht nur allgemein das Recht zu eigenverantwortlicher Wahrnehmung der übertragenen Aufgaben und zum Erlaß der erforderlichen Organisationsnormen einräumt, sondern ihn zugleich zu Eingriffen in den Grundrechtsbereich berechtigt. Dem staatlichen Gesetzgeber erwächst hier eine gesteigerte Verantwortung: Der verstärkten Geltungskraft der Grundrechte entspricht die besondere Bedeutung aller Akte der staatlichen Gewaltausübung, welche die Verwirklichung und Begrenzung von Grundrechten zum Gegenstand haben.“

Die (sogenannte) Autonomie; besser: das Recht zur Selbstverwaltung, der Kommunen wie der Universitäten und Kammern erwächst der Willensautonomie, der Freiheit der Menschen, die in der Gemeinde leben1298, in der Universität forschen, lehren und studieren und in der Kammer gemeinsam die beruflichen Angelegenheiten wahrnehmen. Ihre freiheitlichen Rechte sind grundrechtlich geschützt, nämlich durch die kommunale politische Freiheit (Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 28 Abs. 2 GG), durch die Wissenschaftsfreiheit (Art. 5 Abs. 3 GG) und die Berufsfreiheit (Art. 12 Abs. 1 GG) bzw. durch die Vereinigungsfreiheiten, insbesondere die Koalitionsfreiheit (Art. 9 Abs. 1 und Abs. 3 GG) und durch die Berufsfreiheit. Die „Autonomie“ ist somit nicht verliehen, sondern anerkannt. Die Grundrechtsverantwortung des staatlichen Gesetzgebers bleibt, wenn und insoweit die Grundrechte nur durch staatliches Gesetz eingeschränkt werden dürfen1299. 4. Gesetzesbindung und Ermessen Die rechtsstaatlichen Prinzipien der gewaltenteiligen Funktionenordnung1300 des Vorbehalts und Vorrangs des Gesetzes1301 und insbesondere des Rechtsschutzes gegenüber der öffentlichen Gewalt1302 drängen zu einer größtmöglichen Bindung der Verwaltung, die aber eigenständig ist, eine eigene demokratische Legitimation hat1303, über größere Sachkunde als die Gesetzgebung und Rechtsprechung verfügt und durch das Amtsprinzip zu bestmöglichem Dienst am gemeinen Wohl verpflichtet ist1304. Diese Funktionenlage bestimmt die Praxis und Lehre vom Ermessen und vom Beurteilungsspielraum.

1298 1299 1300 1301 1302 1303 1304

Dazu 10. Kap., III, 6, a. Dazu 6. Kap., III, 1 und 3. 9. Kap., I, auch 10. Kap. 6. Kap., II und III. 7. Kap., III. 8. Kap., I. 15. Kap., I.

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13. Kap.: Bestimmtheitsprinzip

Gesetzliche Ermächtigungen zum Erlaß von Verwaltungsakten, insbesondere wenn diese belastend sind, müssen „nach Inhalt, Gegenstand, Zweck und Ausmaß hinreichend bestimmt und begrenzt sein, so daß die Eingriffe meßbar und in gewissem Umfange für den Staatsbürger voraussehbar und berechenbar werden“ (BVerfGE 8, 276 (325 f.); 9, 137 (147 ff.); 20, 150 (157 ff.); 56, 1 (12); BVerwGE 100, 230 (236 f.)). Der Steuerpflichtige muß auf Grund der Steuergesetze die auf ihn entfallende Steuerschuld vorausberechnen können (BVerfGE 19, 253 (267); 49, 343 (362); 73, 388 (400)). Das rechtsstaatliche Bestimmtheitsprinzip verbietet es nicht, daß der Verwaltung Ermessen eingeräumt wird, so daß sie nach Zweckmäßigkeit (Opportunität) ihre gesetzlich vorgesehenen Aufgaben erfüllen und ihre Befugnisse nutzen kann, solange das der Verwaltung nicht erlaubt, willkürlich gegen die Bürger vorzugehen (BVerfGE 9, 137 (147 ff.); 80, 137 (161); BVerwGE 105, 144 (147)). Ermessensbefugnisse ermächtigen die Verwaltung, eine oder eine von mehreren vom Gesetz ermöglichte Maßnahme zu treffen oder das auch zu lassen (Entschließungs- bzw. Auswahlermessen)1305. Die Befugnis, nach Ermessen zu entscheiden, wird insbesondere mit den Worten „kann“, „darf“, „ist befugt“, im Gegensatz zu den zur Maßnahme verpflichtenden Worten „muß“, „ist zu“, „darf nicht“, zum Ausdruck gebracht. Das Wort „soll“ begründet eine grundsätzliche Handlungspflicht, die aber Ausnahmen in begründeten Fällen zuläßt1306. Insbesondere kann das Wort „kann“ auch eine Befugnis der Verwaltung zum Ausdruck bringen, die aber zum Handeln verpflichtet. Die Befugnisse der Verwaltung sind eine Frage der Auslegung des jeweiligen Gesetzes. Für das Verwaltungshandeln ist der Zweck, der mit dem Gesetz verfolgt wird, wesentlich (zur gesetzlichen Intention BVerwGE 72, 1 (6)), sonst ist ihre Maßnahme wegen Ermessensfehlgebrauchs rechtswidrig (etwa BVerwGE 26, 135 (140); 64, 7 (10 ff.); 95, 15 (19 ff.))1307. Der Gesetzgeber muß „im Bereich der Grundrechtsausübung die der staatlichen Eingriffsmöglichkeit offenliegende Rechtssphäre selbst abgrenzen und darf dies nicht dem Ermessen der Verwaltungsbehörde überlassen“ (BVerfGE 20, 150 (158)). Das gebietet ihm auch die Wesentlichkeitslehre1308. Auch die Handlungsspielräume der Verwaltung, insbesondere das der Verwaltung eingeräumte Ermessen und die ihr ermöglichten Beurteilungen1309 (dazu 1305 H. Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 7, Rdn. 7, S. 134 f.; F. Ossenbühl, Rechtliche Gebundenheit und Ermessen der Verwaltung, in: H.-U. Erichsen (Hrsg.), Allgemeines Verwaltungsrecht, 11. Aufl. 1998, § 10, Rdn. 10 ff., S. 204 f. 1306 H. Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 7, Rdn. 9 ff., S. 135 ff.; F. Ossenbühl, Rechtliche Gebundenheit und Ermessen der Verwaltung, § 10, Rdn. 12, S. 205. 1307 H. Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 7, Rdn. 22, S. 141 f. 1308 Dazu 6. Kap., III, 3. 1309 Dazu H. J. Wolff/O. Bachof/R. Stober, Verwaltungsrecht I, 10. Aufl. 1994, § 31, S. 359 ff., insb. Rdn. 8 ff., S. 362 ff. (Beurteilungsspielraum), Rdn. 31 ff., S. 373 ff. (Ermessen); F. Ossenbühl, Rechtliche Gebundenheit und Ermessen der Verwaltung, § 10, S. 201 f.; H. Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 7, S. 132 ff.,

II. Bestimmtheit und Exekutive

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zu 5.) dienen situationsgemäßer Einzelfallgerechtigkeit (Prinzip der einzig richtigen Entscheidung), also republikanischer Sachlichkeit (i. d. S. BVerfGE 21, 73 (79); 37, 132 (142); 49, 89 (133))1310. In dem Maße, in dem der Gesetzgeber durch nähere Bestimmungen überfordert wäre, ist die Ermächtigung der Verwaltung zur näheren Regelung, sei es durch Rechtsverordnung (Art. 80 GG), sei es durch Verwaltungsrechtssätze, sachgerecht1311. Es kommt auf die Regelungsfähigkeit der Materie an (BVerfGE 48, 210 (217); 56, 1 (3)). Die Prinzipien des Vorbehalts und des Vorrangs des Gesetzes sind gewahrt, wenn der Gesetzgeber das Wesentliche der jeweiligen Politik geregelt hat1312. Die Verwaltung darf die Beurteilungsspielräume oder das Ermessen nicht unterschreiten (etwa BVerwGE 15 ( 196 (199); 31, 212 (213 ff.)), nicht überschreiten und nicht mißbrauchen1313. Sie hat vielmehr pflichtgemäß, d. h. nach Maßgabe der praktischen Vernunft, also sachlich, zu entscheiden (pflichtmäßiges Ermessen)1314. Die Gerichte sind befugt, die Verwaltung daraufhin zu überprüfen, ob die Grenzen des Sachlichen überschritten sind. § 40 VwVfG lautet: „Ist die Behörde ermächtigt, nach ihrem Ermessen zu handeln, hat sie ihr Ermessen entsprechend dem Zweck der Ermächtigung auszuüben und die gesetzlichen Grenzen des Ermessens einzuhalten.“

§ 114 VwGO lautet demgemäß: „Soweit die Verwaltungsbehörde ermächtigt ist, nach ihrem Ermessen zu handeln, prüft das Gericht auch, ob der Verwaltungsakt oder die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsaktes rechtswidrig ist, weil die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten sind oder von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht ist.“

Wenn die Verwaltung nicht durch subsumible Tatbestände des Gesetzes gebunden ist, hat sie dennoch die allgemeinen Rechtsgrundsätze zu wahren, wie den Gleichheitssatz, das Verhältnismäßigkeitsprinzip, den objektiven Rechtsgehalt der Grundrechte, u. a. m. (BVerfGE 9, 137 (147); u. ö.)1315. Der Gleichheits-

Rdn. 55, S. 156 ff., kritische Stellungnahme; K. A. Schachtschneider, Grundbegriffe des Allgemeinen Verwaltungsrecht, S. 54 ff. 1310 F. Ossenbühl, Rechtliche Gebundenheit und Ermessen der Verwaltung, § 10, Rdn. 2, 7, S. 201 f., 207, Rdn. 27, S. 211; H. Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 7, Rdn. 13 f., S. 137 f. 1311 E. Schmidt-Aßmann, Der Rechtsstaat, HStR, Bd. I, § 24, Rdn 60. 1312 Dazu 6. Kap., II und III, insb. 3. 1313 F. Ossenbühl, Rechtliche Gebundenheit und Ermessen der Verwaltung, § 10, Rdn. 15, S. 207 ff., Rdn. 27, S. 211; H. Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 7, Rdn. 19 ff., S. 140 ff. 1314 Dazu K. A. Schachtschneider, Grundbegriffe des Allgemeinen Verwaltungsrecht, S. 59 ff.; F. Ossenbühl, Rechtliche Gebundenheit und Ermessen der Verwaltung, § 10, Rdn. 18, S. 208; H. Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 7, Rdn. 17, S. 139. 1315 F. Ossenbühl, Rechtliche Gebundenheit und Ermessen der Verwaltung, § 10, Rdn. 18, S. 208.

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13. Kap.: Bestimmtheitsprinzip

satz kann zur Selbstbindung der Verwaltung, insbesondere durch Verwaltungsvorschriften1316, führen1317 und das Ermessen kann durch die Lage des Einzelfalles auf „Null reduziert“ sein (Ermessensschrumpfung, BVerwGE 11, 95 (97); 47, 280 (283); 69, 90 (94))1318. Der Betroffene hat, jedenfalls wenn die Ermessensvorschrift auch seinem Interesse dient, Anspruch auf fehlerfreie Ermessensentscheidung (BVerwGE 11, 95 (96 ff.); 37, 112 (113))1319. 5. Offene Gesetzesbegriffe und Beurteilungsspielraum Die Begriffe eines Gesetzes müssen bestimmt sein. Unbestimmte Rechtsbegriffe sind eine contradictio in adiecto, aber ein rechtssprachlich eingeführter Begriff1320. Besser ist es, von offenen Gesetzesbegriffen1321 zu sprechen. Beispiele sind: Öffentliches Interesse, Gemeinwohl, Belange der Bundesrepublik Deutschland, wichtiger Grund, Verfahrensinteresse, Härtefall, sittliche Gefährdung, und und und. Sie sind nicht unzulässig, wenn sie den Grundsätzen der Normenklarheit und der Judiziabilität genügen (BVerfGE 3, 225 (243); 4, 352 (357 f.); 27, 1 (8); 78, 205 (212); 80, 103 (108); 87, 234 (263 f.); u. ö.). Tatbestandsmerkmale wie die der „außergewöhnlichen Belastung“, der „besonderen Härte“ oder der „ordnungsgemäßen Buchführung“ hat das Gericht als hinreichend bestimmt akzeptiert (BVerfGE 7, 129 (154); 21, 1 (3 f.)). Offene Gesetzesbegriffe lassen wegen ihrer Abstraktheit einen Beurteilungsspielraum, der aus unterschiedlichen Gründen (persönliche Beurteilungen, künstlerische oder pädagogische Bewertungen, makroökonomische Einschätzungen, Prognosen, Risikoabschätzungen, u. a.) nicht vom Gesetzgeber determinierte Entscheidungen der vollziehenden Gewalt oder der Rechtsprechung möglich macht1322. Die Beurteilung von Sachverhalten, um deren Subsumibilität unter den Tatbestand (die Begriffe) eines Gesetzes feststellen zu können, kann nicht gänzlich vom Gesetzgeber gesteuert werden; denn sie setzt einerseits Kenntnis der Sachlage (Theorie von der Wirklichkeit, die Wahrheit)1323 und andererseits normative Maßstäbe 1316

Dazu 10. Kap., I, 4, b. F. Ossenbühl, Rechtliche Gebundenheit und Ermessen der Verwaltung, § 10, Rdn. 19, ff., S. 208 f.; H. Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 7, Rdn. 14 ff., S. 138 f. 1318 F. Ossenbühl, Rechtliche Gebundenheit und Ermessen der Verwaltung, § 10, Rdn. 21; H. Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 7, Rdn. 24, S. 142. 1319 F. Ossenbühl, Rechtliche Gebundenheit und Ermessen der Verwaltung, § 10, Rdn. 22, S. 203 f. 1320 Auch BVerfGE 102, 347 (361). 1321 Vgl. K. A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 819 ff., 832 ff. 1322 Dazu H. Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 7, Rdn. 31 ff., S. 144 ff.; F. Ossenbühl, Rechtliche Gebundenheit und Ermessen der Verwaltung, § 10, Rdn. 23 ff., S. 210 ff.; K. A. Schachtschneider, Grundbegriffe des Allgemeinen Verwaltungsrechts, S. 59 ff. 1317

II. Bestimmtheit und Exekutive

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(Maximen des Richtigen) voraus, welche der Gesetzgeber nur annähernd setzen, also bestimmen, kann, weil die Sachlage nicht hinreichend bekannt ist und im übrigen Begriffe notwendig offen sind, d.h. die Vielfalt des Lebens nicht widerspiegeln können. Die nähere Materialisierung der Maßstäbe hat wiederum Rückwirkung auf die Relevanz der Tatsachen für die gesetzlich geregelten Sachverhalte. Gesetzliche Tatbestände (Begriffe) reduzieren die Komplexität der Lebensverhältnisse notwendig1324. Sonst müßte der Gesetzgeber jeden Einzelfall entscheiden und er bedürfte keiner Verwaltung, nicht nur eine Unmöglichkeit, sondern auch eine Verletzung der Teilung der Ausübung der Staatsgewalt (i. d. S. BVerfGE 8, 274 (325))1325. Bei jeder einzelnen Gesetzesbestimmung ist zu entscheiden, ob das Gesetz der vollziehenden Gewalt einen unüberprüfbaren Beurteilungsspielraum läßt oder nicht1326. Grundsätzlich wird die Verwirklichung offener Rechtsbegriffe von den Gerichten uneingeschränkt überprüft (BVerwGE 15, 207 (208); 24, 60 (63 f.); 45, 162 (164 ff.); 81, 12 (17); 88, 35 (37 ff.); BVerfGE 7, 129 (154); 11, 168 (191 f.); 15, 275 (282); 61, 82 (111); 64, 261 (279); 83, 130 (148); 84, 34 (49)). Die Gerichte, nicht die Verwaltung, entscheiden somit verbindlich, ob der gesetzliche Tatbestand verwirklicht ist (vgl. BVerwGE 61, 82 (111))1327. Nur in Ausnahmefällen, wenn ganz besondere Voraussetzungen gegeben sind, wird in Grenzen ein Beurteilungsspielraum bejaht, etwa bei Prüfungsentscheidungen (BVerfGE 84, 34 (49 ff.); 84, 59 (77 ff.))1328 und prüfungsähnlichen Entscheidungen (BVerwGE 8, 272 (273 ff.); 75, 275 (278 ff.)), bei beamtenrechtlichen Beurteilungen (so etwa BVerwGE 21, 127 (129 f.); 60, 245 (245 ff.); 61, 176 (185 f.); 80, 224 (226))1329, bei wertenden Entscheidungen durch weisungsfreie, mit Sachverständigen oder Interessenvertretern besetzte 1323 Dazu K. A. Schachtschneider, Der Rechtsbegriff „Stand von Wissenschaft und Technik“, S. 100 ff., 110 ff. 1324 Dazu die Systemtheorie N. Luhmanns, Legitimation durch Verfahren, 1969, S. 22, 141 ff. (143). 1325 So Rousseau, Vom Gesellschaftsvertrag, III, 1; I. Kant, Metaphysik der Sitten, S. 434 ff. (§§ 48, 49); vgl. auch E. Schmidt-Aßmann, Der Rechtsstaat, HStR, Bd. I, § 24, Rdn. 56 ff., 60. 1326 Dazu F. Ossenbühl, Rechtliche Gebundenheit und Ermessen der Verwaltung, § 10, Rdn. 23 ff. (31 ff.), S. 210 (214 ff.); H. Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 7, Rdn. 35 ff., 55 ff., S. 147 ff., 156 ff.; K. A. Schachtschneider, Grundbegriffe des Allgemeinen Verwaltungsrechts, S. 59 ff. 1327 Vgl. F. Ossenbühl, Rechtliche Gebundenheit und Ermessen der Verwaltung, § 10, Rdn. 25 ff., S. 211 ff., Rdn. 31 ff., S. 214 ff.; H. Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 7, Rdn. 35 ff., S. 147 ff. 1328 Dazu F. Ossenbühl, Rechtliche Gebundenheit und Ermessen der Verwaltung, § 10, Rdn. 35, S. 216; H. Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 7, Rdn. 37 f., S. 148, Rdn. 43 f., S. 150 ff. 1329 Dazu F. Ossenbühl, Rechtliche Gebundenheit und Ermessen der Verwaltung, § 10, Rdn. 36, S. 216 f.; H. Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 7, Rdn. 39, S. 149.

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13. Kap.: Bestimmtheitsprinzip

Ausschüsse (BVerwGE 12, 20 (28); 59, 213 (215 ff.); 62, 350 (337 ff.); 91, 211 (216); 94, 307 (309 ff.); vgl. auch BVerfGE 83, 130 (148))1330 und Prognoseentscheidungen, also Wahrscheinlichkeitsurteilen über künftige Sachlagen1331 und Risikobewertungen1332 im Wirtschafts- und Umweltrecht (z. B. BVerwGE 51, 185 (190 ff.); 72, 300 (316 f.); 79, 208 (213 ff.); 82, 295 (299 ff.)). Einen unüberprüfbaren Beurteilungsspielraum räumt nach der Praxis etwa § 7 Abs. 2 Nr. 3 AtomG mit dem Begriff „Stand von Wissenschaft und Technik“ ein. Die Errichtung und der Betrieb von Kernkraftwerken darf nämlich nur genehmigt werden, „wenn die nach dem Stand von Wissenschaft und Technik erforderliche Vorsorge gegen Schäden durch die Errichtung und den Betrieb der Anlage getroffen ist“. Daraus erwächst kein Beurteilungsspielraum (anders die Praxis, etwa BVerwGE 72, 300 (315 ff.)). Der jeweilige Stand der Wissenschaft und Technik1333 ist nicht offen, sondern entwickelt sich und ist ermittelbar (Gutachten von Sachverständigen). Dieser Stand ist nach dem Rechtssatz in dubio pro securitate den atomrechtlichen Verwaltungsentscheidungen zugrunde zu legen1334. Das Planungswesen wirft besondere Probleme der Offenheit der Entwicklung auf (BVerwGE 34, 301 (304 ff.); 45, 309 (311 ff.); 48, 56 (58 ff.); 52, 237 (243); 71, 166 (167 ff.); 75, 214 (230 ff.); 90, 329 (331))1335. In engsten Grenzen sind auch im Strafrecht Begriffe mit Beurteilungsspielräumen hinzunehmen, weil sie unentbehrlich sind. Auch im Steuerrecht, dessen Tatbestandsmäßigkeit die Vorausberechenbarkeit der Steuerlast ermöglichen muß (BVerfGE 19, 253 (267); 49, 343 (362); 73, 388 (400))1336, genügt wegen der Kompliziertheit der zu erfassenden Wirtschaftsvorgänge hinreichende Genauigkeit (BVerfGE 13, 143 (161 ff.); u. ö.).

1330 Dazu F. Ossenbühl, Rechtliche Gebundenheit und Ermessen der Verwaltung, § 10, Rdn. 37, S. 217; H. Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 7, Rdn. 40, S. 149, Rdn. 45, S. 152. 1331 Dazu F. Ossenbühl, Rechtliche Gebundenheit und Ermessen der Verwaltung, § 10, Rdn. 38 ff., S. 217 f. 1332 F. Ossenbühl, Rechtliche Gebundenheit und Ermessen der Verwaltung, § 10, Rdn. 41, S. 219. 1333 Dazu K. A. Schachtschneider, Der Rechtsbegriff „Stand von Wissenschaft und Technik“, S. 81 ff., insb. 124 ff. 1334 K. A. Schachtschneider, Der Rechtsbegriff „Stand von Wissenschaft und Technik“, S. 120 f. 1335 Dazu F. Ossenbühl, Rechtliche Gebundenheit und Ermessen der Verwaltung, § 10, Rdn. 43, S. 220; H. Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 7, Rdn. 63, S. 160 f. 1336 Dazu D. Birk, Steuerrecht, 1998, Rdn. 145, S. 46.

III. Bestimmtheitsprinzip und Rechtsprechung

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6. Willkürfreie Verbietbarkeitsregelungen Wenn etwa ein Handeln von einer Genehmigung abhängig gemacht wird, muß der Gesetzgeber die Genehmigungsvoraussetzungen hinreichend bestimmt regeln. Das formelle Verbot darf der Verwaltung keine materielle Verbietbarkeit ohne gesetzlich geregelte Tatbestandsvoraussetzungen eines materiellen Verbots ermöglichen (BVerfGE 20, 150 (157 ff.)). Die Verwaltungsermächtigungen dürfen nicht so weit oder unklar sein, daß die Exekutive willkürlich entscheiden kann. „Der Staatsbürger, dessen Grundrecht durch einen Genehmigungsvorbehalt berührt wird, muß daher einen Rechtsanspruch auf Genehmigung haben, wenn kein gesetzlich vorgesehener Versagungsgrund vorliegt“ (BVerfGE 8, 71 (76); u. ö.). „Sind die Vollmachten der Exekutive nicht hinreichend bestimmt, so führt sie nicht mehr das Gesetz aus und handelt nicht mehr nach den Richtlinien des Gesetzgebers, sondern entscheidet an dessen Stelle. Das verletzt den Gewaltenteilungsgrundsatz.“ . . . „Eine vage Generalklausel, die es dem Ermessen der Exekutive überläßt, die Grenzen der Freiheit im einzelnen zu bestimmen, ist mit dem Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung nicht vereinbar“ (BVerfGE 8, 274 (325)).

III. Bestimmtheitsprinzip und Rechtsprechung 1. Notwendigkeit richterlicher Rechtsetzung a) Richterrecht der Gesetzesrichter ist nicht zu vermeiden (BVerfGE 3, 225 (242 ff.); 8, 374 (326); st. Rspr., etwa BVerfGE 65, 182 (190); 87, 234 (263); 93, 213 (238); 98, 49 (59 f.))1337. Während die Verwaltung durch die parlamentarische Verantwortung der Regierung hinreichend vom Parlament abhängig ist, welches die stärkste demokratische Legitimation (außer dem Volk selbst) hat, sind die Richter unabhängig vom Parlament und damit auch, wenn sie ihr Richteramt innehaben, unabhängig vom Volke (Art. 97 Abs. 1 GG)1338. Die Richter werden durch die Gesetze an den gesetzgeberisch erkannten und beschlossenen Willen des Volkes gebunden, je bestimmter die Gesetze sind, desto enger. Soweit die Gesetze die Richter nicht binden, haben sie in eigener Sittlichkeit (praktischer Vernünftigkeit) das Recht zu erkennen1339. Dadurch entwickelt sich ein Richterstaat. Der Richterstaat ist der Staat, in dem Richter die Politik (die Lebensverhältnisse) bestimmen, die nicht durch Gesetze gebunden sind. Ein Staat kann mehr oder weniger Gesetzes-, Verwaltungs- oder Richterstaat sein. Der Staat des Grundgesetzes soll möglichst Gesetzesstaat sein; denn nur da1337

K. A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 885 ff., 895 ff. Dazu 10. Kap., II, 2 und 3. 1339 K. A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 863 ff., 870 ff., 885 ff., 895 ff., 996 ff., 970 ff. 1338

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13. Kap.: Bestimmtheitsprinzip

durch ist er stark demokratisch legitimiert. Weil das nicht uneingeschränkt verwirklicht werden kann, ist es nicht schon gerechtfertigt, der Gesetzesrechtsprechung mehr und mehr Gesetzgebungsfunktion zu delegieren. Dahinter verbirgt sich das politische Versagen des Parteienstaates, der um der Wahlchancen willen unpopuläre Gesetzgebung zu vermeiden sucht. Die Funktion der Verfassungsrechtsprechung ist eine andere, nämlich auch und wesentlich eine gesetzgeberische1340. b) Im Urteil zum Gleichberechtigungsgrundsatz des Art. 3 Abs. 2 GG in BVerfGE 3, 225 (242 ff.) hat das Bundesverfassungsgericht die Notwendigkeit „rechtsfindender Lückenfüllung“ durch die Richter anerkannt und ausgeführt: „Richtig ist, daß es sich bei Art. 3 Abs. 2 GG um eine allgemeine Rechtsregel handelt, deren Anwendung vom Richter – anders als die einer Spezialnorm – nicht nur oder doch überwiegend Beweiswürdigung und Subsumtion des Tatbestandes verlangt. Eine solche Norm stellt vielmehr besondere Anforderungen an die Kraft richterlicher Interpretation und Gesetzesergänzung. Doch ist diese Art rechtsfindender Lückenfüllung im modernen Rechtsstaat mehr und mehr zur echten richterlichen Aufgabe geworden. Die manchmal erhobene Forderung, das Gesetz müsse so speziell sein, daß die rechtliche Lösung des Einzelfalles nahezu mit Sicherheit vorausgesehen werde könne, ist, wie geschichtliche Beispiele lehren, unerfüllbar. Die Berechenbarkeit der Lösung ist naturgemäß bei der Anwendung von Spezialnormen dem Grad nach höher als bei der Anwendung von Blankettbegriffen und allgemeinen Rechtsregeln. Gleichwohl verwendet der moderne Gesetzgeber vielerorts unbestimmte Rechtsbegriffe und allgemeine Regeln, weil es unmöglich ist, mit Spezialnormen der Vielfalt der Lebensverhältnisse Herr zu werden und zugleich einen Weg zu der rechtlichen Differenzierung zu eröffnen, die im Einzelfall eine gerechte Entscheidung oft erst ermöglicht. Art. 3 Abs. 2 GG unterscheidet sich von anderen Generalklauseln auch nicht dadurch, daß nur er den Richter nötige, eine Gesetzeslücke in schöpferischer Rechtsfindung zu schließen. Auch solche schöpferische Füllung weiter Lücken auf der Grundlage einer richtungsweisenden Klausel ist eine herkömmliche und stets bewältigte richterliche Aufgabe. So ist etwa aus der Generalklausel Treu und Glauben in Verbindung mit anderen allgemeinen Rechtserwägungen eine Fülle einzelner Rechtssätze, ja ganzer Rechtsinstitute von der Rechtsprechung entwickelt worden (z. B. Aufwertung, Verwirkung, Wegfall der Geschäftsgrundlage, Verschulden bei Vertragsschluß u. a.).“

Die Generalklausel des Art. 3 Abs. 2 GG verpflichtete die Rechtsprechung immerhin, das gesamte Familienrecht auf den Grundsatz der Gleichberechtigung von Mann und Frau auszurichten, weil der Gesetzgeber seiner Pflicht, bis zum 31. März 1953 das diesem Grundsatz entgegenstehende bürgerliche Recht auf dem Gebiet von Ehe und Familie dem Art. 3 Abs. 2 GG anzupassen, nicht gefolgt war, ein schwerwiegendes Versagen des Gesetzgebers, welches das 1340

K. A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 858 ff.; dazu 10. Kap., I, 7.

III. Bestimmtheitsprinzip und Rechtsprechung

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Kräfteverhältnis der ersten zur dritten Gewalt nachhaltig verändert hat. Im Urteil zum Preisgesetz in BVerfGE 8, 274 (326) hat das Bundesverfassungsgericht die „Generalklauseln und unbestimmten Begriffe“ gestützt und ausgeführt: „Diese Grundsätze (sc. des Rechtsstaates) verwehren es dem Gesetzgeber nicht, in gewissem Umfang Generalklauseln und unbestimmte Begriffe zu verwenden. Sie machen es auch nicht unmöglich, den Verwaltungsbehörden einen gewissen Ermessensspielraum einzuräumen. Die Vielheit der Verwaltungsaufgaben läßt sich nicht immer in klar umrissene Begriffe einfangen. Das gilt insbesondere für Eingriffsermächtigungen im Bereich der Wirtschaftsverwaltung. In diesem Bereich wird der Gesetzgeber nicht ohne Generalklauseln auskommen können. Er wird sich abstrakter und unbestimmter Formulierungen bedienen müssen, um die Verwaltungsbehörden in die Lage zu versetzen, ihren Aufgaben, den besonderen Umständen des einzelnen Falles und den schnell wechselnden Situationen des wirtschaftlichen Lebens gerecht zu werden.“

Die Notwendigkeit richterlicher Rechtsetzung1341 hat das Gericht, wie zu a) zitiert, immer wieder eingeräumt und insbesondere auf die Rechtsschutzpflicht der Gerichte, auch wenn es an dem rechtsetzenden Gesetz mangele, gestützt. Auch dem Europäischen Gerichtshof hat das Bundesverfassungsgericht die Rechtsetzungsfunktion durch Rechtsfortbildung zuerkannt (BVerfGE 75, 233 (240 ff.)1342. 2. Billigkeits- und Generalklauseln des Gesetzgebers, insb. die der guten Sitten a) Zunehmend benutzt der Gesetzgeber Billigkeitsklauseln, wie im familienrechtlichen Unterhaltsrecht (§ 1381 BGB), und schiebt damit seine Gesetzgebungsaufgabe auf die Richter ab1343. Generalklauseln können richtig sein, wie die polizeiliche Generalklausel (etwa Art. 11 BayPAG), welche ihre Bestimmtheit durch die Bestimmtheit der von der Polizei geschützten Gesetze erfährt. Die Aufgabe der Polizei ist exakt definiert. Das Bundesverfassungsgericht hat die Rechtsetzung durch Generalklauseln stets akzeptiert (BVerfGE 8, 274 (326); 13, 153 (161); 56, 1 (12); vgl. auch BAGE 32, 381 (396); BVerwG NJW 1987, 1435)) und den Richtern die „Aufgaben und Befugnisse schöpferischer Rechtsfindung“ zugemessen, weil die „Lückenlosigkeit der positiven staatlichen Rechtsordnung praktisch unerreichbar“ sei (BVerfGE 3, 225 (242 ff.); 8, 274 (326); 9, 338 (349); 34, 269 (287); 49, 304 (318); 65, 182 (190); 87, 234 (263); 93, 213 (238); 98, 49 (59 f.))1344. Der Prototyp der Generalklauseln scheint der 1341 Zur Rechtsetzungsfunktion des Bundesverfassungsgerichts und der Fachgerichte K. A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 895 ff., auch S. ff., S. 858 ff., S. 978 ff., S. 990 ff., S. 1027 ff. 1342 Dazu A. Emmerich-Fritsche, Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, S. 133 ff. 1343 K. A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 881 ff., 890 ff.

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13. Kap.: Bestimmtheitsprinzip

Begriff der guten Sitten zu sein, welcher die Rechtsordnung umfassend und tiefgreifend beeinflußt. Ein Rechtsgeschäft, welches den guten Sitten widerspricht, ist unwirksam (§ 138 BGB). Unlautere Wettbewerbshandlungen (§§ 3 ff. UWG vom 3. Juli 2004) waren fast hundert Jahe lang durch den Verstoß gegen die guten Sitten gekennzeichnet. Das neue Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb ist an der alten Praxis orientiert. Unlautere Wettbewerbshandlungen sind zu unterlassen und verpflichten bei Verschulden zum Schadensersatz (§§ 8, 9 UWG). Ebenso ist nach § 826 BGB zum Schadensersatz verpflichtet, wer einem anderen vorsätzlich entgegen den guten Sitten Schaden zufügt. Die Klauseln von den guten Sitten werden als Delegation von Rechtsetzungsfunktionen an die Richter verstanden1345; denn die Standarddefinitionen der Praxis, gute Sitten seien die Vorstellungen aller gerecht und billig Denkenden bzw. die der durchschnittlichen Gewerbetreibenden darüber, wie man sich im Verkehr verhalten solle (etwa RGZ 48, 114 (124); 58, 214 (217); BGHZ 10, 228 (232); 13, 71 (72); 34, 169 (176); 81, 291 (295 f.); 97, 253 (255))1346 sind, wenn sie material verstanden werden, derartig offen und damit der begrifflichen Erfassung unzugänglich, daß sie als Ermächtigung zur Rechtsetzung wirken. Sie wird auch zur richterlichen Wirtschafts-, und insbesondere Wettbewerbspolitik eingesetzt1347. Mittels der Gute-Sitten-Klausel machen die Richter Preis- und Zinspolitik, Miet-, Familien- und Vereinspolitik, Medien- und Parteipolitik, u. a. m.1348 Das Bundesverfassungsgericht hatte § 1 UWG für verfassungsrechtlich unbedenklich erklärt (BVerfGE 32, 311 (317); 102, 347 (360 f.)). b) Richtigerweise spricht der Begriff gute Sitten die Gesetze an, welche sich das Volk oder Teile des Volkes unmittelbar geben. Gute Sitten sind Handlungsregelungen, welche sich konsensual bilden. Wegen der Verbindlichkeit dieser Regelungen vermitteln die gesetzlichen Gute-Sitten-Klauseln diesen richterlichen Rechtsschutz. Diese Klauseln sind, formal verstanden, nur insofern Generalklauseln, als sie eine Fülle von Gesetzen mit einem Begriff erfassen und in das staatliche Rechtsschutzsystem transformieren. Diese Generalklauseln schaf1344

K. A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 887 ff. B. Rebe, Privatrecht und Wirtschaftsordnung. Zur vertragsrechtlichen Relevanz der Ordnungsfunktionen dezentraler Interessenkoordination in einer Wettbewerbswirtschaft, 1978, S. 160; C. Ott, Systemwandel im Wettbewerbsrecht, Die Generalklausel des § 1 UWG und ihre Rückwirkungen auf Rechtsprechung und Dogmatik, FS L. Raiser, 1974, S. 417 ff.; vgl. K. A. Schachtschneider, Staatsunternehmen und Privatrecht, S. 375 ff., 385 ff., 393 ff.; ders., Res publica res populi, S. 889 ff.; kritisch C. Schmitt, Der Hüter der Verfassung, S. 39. 1346 Dazu K. A. Schachtschneider, Staatsunternehmen und Privatrecht, S. 375 ff. 1347 Dazu W. Hefermehl, Wettbewerbsrecht, 19. Aufl. 1996, ein sogenannter Kurzkommentar, der die Praxis vor allem der vielfältigen Fallgruppen des unlauteren Wettbewerbs auf 709 kleingedruckten Seiten abhandelt. 1348 Vgl. Th. Mayer-Maly, Münchener Kommentar Bürgerliches Gesetzbuch, Bd. 1, Allgemeiner Teil (§§ 1–240), AGB-Gesetz, 3. Aufl. 1993, § 138, Rdn. 100 ff. zu wucherähnlichen Geschäften, Rdn. 120 ff. zum Wucher. 1345

III. Bestimmtheitsprinzip und Rechtsprechung

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fen die praktizierte Unbestimmtheit nicht. Die richterliche Praxis hat eigene Vorstellungen richtigen Handelns mittels der richterlichen Entscheidungsbefugnis für die Menschen verbindlich gemacht. Das ist usurpierte Rechtsetzungsmacht. Nicht zu bestreiten ist, daß die lang dauernde Praxis zum Begriff der guten Sitten Handlungsstandards entwickelt hat, welche hinreichend bestimmt sind und vielfach den Status von Gewohnheitsrecht gewonnen haben1349. 3. Bestimmung der Gesetze mittels Interpretation a) Soweit also die Gesetze die vollziehende Gewalt und die Rechtsprechung nicht binden, erlangen die zweite und die dritte Gewalt unvermeidbar Möglichkeiten zur Rechtsetzung, wenn Entscheidungen auf Begriffe gestützt werden, welche nicht mit den anerkannten, den klassischen, Methoden der Interpretation dem Gesetz entnommen werden können (BVerfGE 21, 209 (215); 34, 269 (287); 35, 263 (279); 49, 304 (318); 65, 182 (190); 79, 106 (120); 102, 254 (337)). Die Auslegung der offenen Tatbestände der Gesetze müssen die vollziehende Gewalt und die Rechtsprechung demgemäß nach den anerkannten Methoden leisten1350. In BVerfGE 11, 126 (130) hat sich das Bundesverfassungsgericht gegen die subjektive und für die objektive Methode der Auslegung ausgesprochen. Die subjektive Auslegungsmethode stellt vornehmlich auf den historischen Willen des Gesetzesverfassers, auf dessen Motive in ihrem geschichtlichen Zusammenhang, ab, während der objektive Wille des Gesetzgebers „aus dem Wortlaut der Norm (grammatische Auslegung), aus ihrem Zusammenhang (systematische Auslegung), aus ihrem Zweck (teleologische Auslegung) und aus den Gesetzesmaterialien und der Entstehungsgeschichte (historische Auslegung)“ zu erfassen sei. Diese Auslegungsmethoden „schließen einander nicht aus, sondern ergänzen sich gegenseitig“. „Es ist Sache der Verwaltungsbehörden und Gerichte, die bei der Gesetzesanwendung mangels ausdrücklicher Regelungen auftauchenden Zweifelsfragen mit Hilfe der anerkann1349 Dazu K. A. Schachtschneider, Staatsunternehmen und Privatrecht, S. 365 ff., insb. S. 421 ff.; ders., Das Sittengesetz und die guten Sitten, FS W. Thieme S. 195 ff., insb. 206 ff.; ders., Res publica res populi, S. 222 ff., 272 ff., 860 ff. 1350 Zur Methodenlehre H.-M. Pawlowski, Methodenlehre für Juristen, 1981; F. Bydlinski, Juristische Methodenlehre und Rechtsbegriff, 1982; F. Müller, Juristische Methodik, 2. Aufl. 1976; ders., Strukturierende Rechtslehre, 1984; W. Fikentscher, Methoden des Rechts, insb. Bd. IV, 1977; K. Larenz, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, 5. Aufl. 1983; R. Alexy, Theorie der juristischen Argumentation, 1978, 1983; R. Gröschner, Dialogik und Jurisprudenz, 1982; ders. Stichwort „Rechtsfindung“ in: Luchterhand, Lexikon des Rechts, 2/430 ff. mit w. Hinw.; K. Engisch, Logische Studien zur Gesetzesanwendung, 3. Aufl. 1963; M. Kriele, Theorie der Rechtsgewinnung, 2. Aufl. 1976; N. Achterberg, Das Wesen des Richtens, FG A. Troller, 1987, S. 3 ff.; R. Zippelius, Juristische Methodenlehre, 4. Aufl. 1985; auch H.-J. Koch/H. Rüßmann, Juristische Begründungslehre, 1982; R. Christensen, Was heißt Gesetzesbindung? Eine rechtslinguistische Untersuchung, 1989.

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13. Kap.: Bestimmtheitsprinzip

ten Auslegungsmethoden zu beantworten. Eine solche Auslegungsbedürftigkeit nimmt einer gesetzlichen Regelung noch nicht die rechtsstaatlich gebotene Bestimmtheit“ (BVerfGE 19, 17 (30); 21, 209 (215); 35, 348 (359); 58, 257 (277); 69, 203 (209 f.); 79, 106 (120); 80, 1 (20 f.); 82, 209 (224); 102, 254 (337); u. ö.). Hervorzuheben ist, daß das Bundesverfassungsgericht die Hilfe anerkannter Auslegungsmethoden fordert, wenn die Gesetze und deren Auslegung dem Rechtsstaatsprinzip genügen sollen. b) Die Interpretationsmethoden dürfen nicht derart offen sein, daß jeder Beamte oder Richter zu anderen Rechtserkenntnissen kommt, auch wenn er gute Arbeit leistet. Dabei muß er die Hilfe der Rechtswissenschaft in Anspruch nehmen. Wenn die Amtswalter sich für alle Argumente öffnen und bestmögliche rechtswissenschaftliche Arbeit leisten, sollten ihre Fallnormen1351, auf Grund derer sie den jeweiligen Fall entscheiden, austauschbar sein; denn sie sind immer nur Vertreter des Volkes, dessen Wille das Gesetz ist. Dieser Wille aber ist dem Prinzip nach eindeutig. Es versteht sich, daß dieser Imperativ nur eine regulative Idee sein kann, weil die Amtswalter als Menschen unterschiedlich sind und, wie es das Prinzip des gesetzlichen Richters (Art. 101 Abs. 1 S. 2 GG)1352 zeigt, ihre Persönlichkeit in ihr Amt einbringen und einzubringen demokratisch und vor allem republikanisch legitimiert sind. Dieses Prinzip der Eindeutigkeit kann in der Not der Praxis immer nur annähernd verwirklicht werden. Ohne ein republikanisches Ethos aller Bürger, vor allem aber aller Vertreter des Volkes, der Amtswalter also, kann der Staat nicht zum Recht finden und eine Republik nicht Wirklichkeit sein. c) Richtig sind grundsätzlich die klassischen Interpretationsmethoden (BVerfGE 21, 209 (215); 35, 348 (359))1353. Die Abwägung als Methode der Rechtsfindung ist richtig, wenn der Richter das fallentscheidende Gesetz erst bestimmen muß, weil die Vorschriften des Gesetzes offen sind1354. Der Richter, aber auch der Beamte werden dadurch funktional zum Gesetzgeber1355. Die Offenheit der Rechtsfindung verlangt nach einer starken demokratischen Legitimation der Richter und der Beamten, weil die Gesetzesbindung allein den Willen des Volkes nicht zu vermitteln vermag, wenn und soweit die Gesetzesbegriffe offen sind. Die Amtswalter müssen das uneingeschränkte Vertrauen des Volkes 1351 Zur Fallnorm W. Fikentscher, Methoden des Rechts, Bd. III, 1977, S. 269; R. Christensen, Was heißt Gesetzesbindung?, S. 182 ff.; F. Müller, Strukturierende Rechtslehre, S. 263 ff. u. ö. 1352 Dazu 14. Kap., III, 1. 1353 K. A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 886 f., 921 ff. 1354 K. A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 895 ff. 1355 Dazu K. A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 895 ff.; auch S. 858 ff., 978 ff., 990 ff., 1027 ff.; vgl. auch ders., Staatsunternehmen und Privatrecht, S. 388 ff. (kritisch); R. Alexy, Theorie der Grundrechte, S. 71 ff., 143 ff.; A. Emmerich-Fritsche, Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, S. 70.

III. Bestimmtheitsprinzip und Rechtsprechung

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genießen1356. Die Abwägungsmethode darf nicht zur bloßen Rechtsfindung im Einzelfall werden (Einzelfallgerechtigkeit1357), die ohne ein Gesetz, sei dieses auch nur ein Richtergesetz, auszukommen meint1358. Die Rechtsfindung ohne hinreichend bestimmte Gesetzesbindung im Einzelfall, aus der Lage des Einzelfalles, vermag nicht nur den Willen des Volkes und damit die allgemeine Freiheit als Autonomie des Willens aller Bürger nicht zu verwirklichen, sondern ist die Politik der letztentscheidenden Amtswalter, gegebenenfalls die Politik der Richter des Bundesverfassungsgerichts. Die Einzelfalljudikatur beläßt die betroffenen Menschen in unzumutbarer Rechtsunsicherheit, welche zumal in Fällen mit Öffentlichkeit wegen der Gefahr, ins Unrecht zu geraten (etwa durch politische Äußerungen, denen die Medien vorwerfen könnten, dem (meist oktroyierten) Zeitgeist (political correctness) nicht zu genügen, oft ein unternehmerisch, beruflich, politisch ruinöser Vorwurf), das Handeln lähmt und damit der Teilhabe an der politischen Willensbildung ein Übermaß an Mut (Zivilcourage) abverlangt. Mangelnde Bestimmtheit der Gesetze wird durch Einzelfallgerechtigkeit der Richter nicht kompensiert1359. Sie unterminiert insbesondere das demokratische Prinzip der Republik. Das Bundesverfassungsgericht soll auf verfassungsmäßige, also rechtsstaatliche und damit auch und vor allem bestimmte Gesetze hinwirken, nicht aber die Einzelfallentscheidungen an sich ziehen. Die Gesetze müssen so bestimmt wie möglich sein. d) Wenn sich Tatbestandsmerkmale, also Begriffe, eines Gesetzes wegen ihrer Offenheit nur im Begriffskern, aber nicht im Begriffshof interpretieren lassen, müssen sie nicht wegen Unbestimmtheit rechtsstaatswidrig sein, so daß das Gesetz verfassungswidrig und nichtig ist. Der Gesetzgeber kann die Rechtsanwendung auch durch Typusbegriffe leiten, deren Charakteristikum ist, daß sie nicht interpretativ bis an die subsumtionsfähigen Grenzen entfaltet werden können, sondern durch die vergleichende Entwicklung von Fallgruppen oder Typenreihen1360. Ein solcher Typusbegriff ist der des Gewerbebetriebes, dessen 1356

Dazu 4. Kap., I, 3, 10. Kap., II, 3. So aber das Bundesverfassungsgericht vor allem in Sachen des Persönlichkeitsschutzes gegenüber der Presse, dem Rundfunk und den Künstlern, vgl. BVerfGE 34, 269 (276 ff.); 35, 202 (224 ff.); 43, 130 (139); 61, 1 (8); 66, 116 (139); 71, 206 (219 ff.); 85, 1 (21 f.); 97, 228 (268 ff.), zur Presse und zum Rundfunk; BVerfGE 30, 173 (191 ff., 197 ff.); 44, 37 (49 f.); 67, 213, (228); 83, 130 (138 ff., 143 ff.), zur Kunst; kritisch K. A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 1015 ff.; dazu D. Grimm, Die Meinungsfreiheit in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, NJW 1995, 1697 ff. (1702 ff.). 1358 Dazu K. A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 880 ff., S. 895 ff., 1017 ff. (kritisch). 1359 K. A. Schachtschneider, Staatsunternehmen und Privatrecht, S. 395 f., 411 f.; vgl. auch ders., Res publica res populi, S. 1015 ff. 1360 Grundlegend K. Engisch, Die Idee der Konkretisierung in Recht und Rechtswissenschaft unserer Zeit, 2. Aufl. 1969, S. 237 ff.; K. Larenz, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, S. 194 ff., 443 ff.; D. Leenen, Typus und Rechtsfindung, 1971; W. Fi1357

290

13. Kap.: Bestimmtheitsprinzip

Kennzeichen es geradezu ist, Fallgruppen der Typusreihen nach ihrer Typizität zu ordnen, ohne daß der Gesetzgeber grenzscharfe Begriffe nutzt, eben weil diese ihm nicht zur Verfügung stehen. Der Kern auch des Typusbegriffs ist durch Merkmale beschrieben, so daß eine hinreichend bestimmte Vergleichsgruppe von Fällen gesetzlich definiert ist1361. Die Typologik ist keinesfalls eine Rechtserkenntnismethode der Beliebigkeit, sondern die der größtmöglichen Sachlichkeit durch Zuordnung nach dem Kriterium von Nähe und Ferne zur typischen Fallgruppe1362. Sie arbeitet mit dem Mittel der Sachnähe. Die typischen Fälle des Gewerbes im Sinne des Gewerberechts, aber auch im Sinne des Gewerbe- und Einkommensteuerrechts, kann man anhand der gewerberechtlichen Merkmale des Begriffs und der Lebenserfahrung ohne Schwierigkeiten an der Produktion von Waren und Leistungen für den Markt und deren Distribution am Markt erkennen und bestimmen1363. Die Grenzfälle sind mit dem typischen Fall eines Gewerbes zu vergleichen. Die Nähe oder Ferne des kritischen Falles zum typischen Fall entscheidet darüber, ob eine Betätigung wegen ihrer Eigenart und ihrer Umstände ein Gewerbe ist. Diese Rechtserkenntnismethode des Vergleichs (typologisches Vergleichsverfahren)1364, die auf den syllogistikentscher, Methoden des Rechts in vergleichender Darstellung, Bd. IV, 1977, S. 202 ff., 269 ff. (Lehre von der Fallnorm); H.-M. Pawlowski, Methodenlehre für Juristen. Theorie der Norm und des Gesetzes, 1981, Rdn. 145 ff., S. 75 ff.; F. Bydlinski, Juristische Methodenlehre und Rechtsbegriff, 2. Aufl. 1991, S. 543 ff.; J. Isensee, Die typisierende Verwaltung, 1976, S. 68 ff.; R. Zippelius, Der Typusvergleich als Instrument der Gesetzesauslegung, Jb für Rechtssoziologie und Rechtstheorie II (1972), S. 48 ff.; vgl. auch W. Hassemer, Tatbestand und Typus, 1968; H. Sodan, Freie Berufe als Leistungserbringer im Recht der gesetzlichen Krankenversicherung, 1997, S. 63 ff.; K. A. Schachtschneider, Steuerverfassungsrechtliche Probleme der Betriebsaufspaltung und der verdeckten Gewinnausschüttung. Rechtsgrundsätze versus Gerichtspraxis, 2004, S. 23, 26 ff.; H.-J. Koch/H. Rüßmann, Juristische Begründungslehre, 1982, S. 73 ff., 209 ff. (kritisch). 1361 St. Altfelder, Gewerblicher Grundstückshandel im Wandel, FR 2000, 354; auch A. Schmidt-Liebig, Einkommensteuerrechtliche Einordnung von Einnahmen aus einer Fahrgemeinschaft, FR 1995, 103 („Merkmale des Normaltypus“). 1362 K. Larenz, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, S. 451; D. Leenen, Typus und Rechtsfindung, S. 171, 179 f.; H.-M. Pawlowski, Methodenlehre für Juristen, Rdn. 145; F. Bydlinski, Juristische Methodenlehre und Rechtsbegriff, S. 550; kritisch J. M. Mössner, Typusbegriff im Steuerrecht, in: W. Drenseck/R. Seer (Hrsg.), Festschrift H. W. Kruse zum 70. Geburtstag, 2001, S. 169 f. 1363 P. Fischer, Besteuerung unternehmerischer Tätigkeit, Grundstückshandel, Wertpapiere und Beteiligungshandel, „private equity“, FR 2002, 602 („Produktion und Handel“). Zur Marktlichkeit gewerblicher Tätigkeit K. A. Schachtschneider, Steuerverfassungsrechtliche Probleme der Betriebsaufspaltung und der verdeckten Gewinnausschüttung, S. 36 ff. 1364 F. Bydlinski, Juristische Methodenlehre und Rechtsbegriff, S. 543 ff., 542 ff. („Typusvergleich“); R. Zippelius, Jb Rechtssoziologie und Rechtstheorie II (1972), S. 485 (490); H. Sodan, Freie Berufe als Leistungserbringer im Recht der gesetzlichen Krankenversicherung, S. 64 f.; A. Schmidt-Liebig, FR 1996, 63 („Annäherungsvergleich“); P. Fischer, Besteuerung unternehmerischer Tätigkeit, FR 2002, 600 f. mit Fn. 23; K. A. Schachtschneider, Steuerverfassungsrechtliche Probleme der Betriebsauf-

III. Bestimmtheitsprinzip und Rechtsprechung

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schen Schluß mangels hinreichender („abstrakter“ „Klassen“-)Begriffe in den Grenzbereichen verzichten muß1365, ist in vielen Rechtsfragen unverzichtbar, etwa auch für die Bestimmung der freien Berufe1366, die nach § 15 Abs. 2 S. 1 EStG nicht zu den Gewerbebetrieben gehören (negatives Merkmal)1367. Der Gesetzgeber typisiert, soweit er nicht zu definieren vermag. Wenn diese Rechtsetzungsmethode notwendig ist, ist sie auch im Rechtsstaat tragfähig1368. Der Richter hat das lediglich typisierende Gesetz durch „Konkretisierung“, wie Karl Larenz lehrt1369, zu entfalten. Sein Erkenntnismittel ist, wie gesagt, der Vergleich. Dabei muß der Richter die Prinzipien der Verfassung und des Verfassungsgesetzes, aber auch, soweit als möglich, die allgemeinen Auslegungsmethoden, nämlich Wortlaut und Grammatik der Vorschrift, Systematik des Gesetzes und der Rechtsordnung, und, soweit erkennbar, den Zweck des Gesetzes beachten1370. Vor allem muß der Richter bei seiner vom Typus, etwa dem Gewerbe, geleiteten Rechtserkenntnis die Grundrechte wahren. Rechtserkenntnis ist, wenn Typusbegriffe angewandt werden, die Zuordnung eines Falles zu einer typisierten Fallgruppe, zu einer Typusreihe. Es übersteigt die Befugnis der Richter zur Rechtsfortbildung, wenn sie einen Ausnahmetatbestand oder, wenn man so will, einen Ausnahmetypus schaffen, den der Gesetzgeber nicht genannt hat. Die Grenzen der Entfaltung einer Fallgruppe, die dem Typus entspricht, sind damit überschritten. Es werden nicht neuartige Fälle einem Typus, etwa im Gewerbe- und Gewerbesteuerrecht dem

spaltung und der verdeckten Gewinnausschüttung, S. 26 ff., 28 f. So argumentiert auch EuGH v. 20.6.1996 – Rs. 155/94 (Wellcome Trust), Slg. 1996, I-3013 (3023, Rdn. 19) für den Begriff der „wirtschaftlichen Tätigkeit“ im Sinne der Sechsten Mehrwertsteuerrichtlinie. 1365 K. Larenz, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, S. 194 ff., 443 ff.; H.-M. Pawlowski, Methodenlehre für Juristen, Rdn. 145 ff.; P. Fischer, Besteuerung unternehmerischer Tätigkeit, FR 2002, 600 ff. 1366 H. Sodan, Freie Berufe als Leistungserbringer im Recht der gesetzlichen Krankenversicherung, S. 13 ff., 63 ff.; auch K. Schmidt, Handelsrecht, 4. Aufl. 1984, S. 288. 1367 Vgl. K. A. Schachtschneider/A. Emmerich-Fritsche/D. I. Siebold, Grundlagen des Gewerberechts, Lehrstuhl 2004, S. 18 ff. 1368 K. Larenz, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, S. 194 ff., 443 ff.; H.-M. Pawlowski, Methodenlehre für Juristen, Rdn. 145 ff.; F. Bydlinski, Juristische Methodenlehre und Rechtsbegriff, S. 543 ff.; P. Fischer, Besteuerung unternehmerischer Tätigkeit, FR 2002, 599 ff.; H. Sodan, Freie Berufe als Leistungserbringer im Recht der gesetzlichen Krankenversicherung, S. 65 f.; a. A. H. Weber-Grellet, Der Typus des Typus. Handelsbilanzen und Steuerbilanzen, in: W. Budde u. a. (Hrsg.), FS H. Beisse, 1997, S. 568 ff.; J. M. Mössner, FS H. W. Kruse, S. 168 ff., 179 ff. 1369 Methodenlehre der Rechtswissenschaft, S. 194 ff., 443 ff.; K. Engisch, Die Idee der Konkretisierung, S. 238; dazu kritisch J. M. Mössner, FS H. W. Kruse, S. 168, u. ö.. 1370 Vgl. BVerfGE 21, 209 (215); 35, 348 (359); K. A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 886 f., 921 ff.

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13. Kap.: Bestimmtheitsprinzip

der Verwaltung eigenen Vermögens, zugeordnet, und zwar dem Typus, der die größte Nähe hat, sondern eine Fallgruppe wie die der Betriebsaufspaltung1371 wird einem Gegentypus, dem des Gewerbes, zugeordnet. 4. Rechtsschutzrechtliches Bestimmtheitspostulat Die Bestimmtheit der Gesetze wird auch um des Rechtsschutzes willen postuliert1372. „Das folgt schließlich aus der rechtsstaatlichen Forderung nach möglichst lückenlosem gerichtlichen Schutz gegen die Verletzung der Rechtssphäre des Einzelnen durch Eingriffe der öffentlichen Gewalt, wie er heute durch Art. 19 Abs. 4 GG gewährleistet ist. Der durch diese Vorschrift den Gerichten erteilte Rechtsschutzauftrag kann nur dann verwirklicht werden, wenn die Anwendung der Norm durch die in die Rechtssphäre des Staates eingreifende Exekutive von den Gerichten nachprüfbar ist. Die Eingriffsermächtigung muß auch aus diesem Grund hinreichend bestimmt sein“ (BVerfGE 8, 274 (325 f.)).

Diese Sätze stehen in dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts zu § 2 PreisG, welchen das Bundesverfassungsgericht in restriktiver Interpretation für verfassungsgemäß erklärt hat, wenn nämlich die Ermächtigung dieses Gesetzes, alle Preise, ausgenommen Löhne, festzusetzen oder von Genehmigungen abhängig zu machen, lediglich genutzt wird, um den Preisstand aufrecht zu erhalten (BVerfGE 8, 274 (325 f.)). Überzeugender läßt sich das Bestimmtheitsprinzip aus dem demokratischen Prinzip der Freiheit ableiten, weil nur durch bestimmte Gesetze der allgemeine Wille des Volkes zur Geltung gebracht werden kann. Demokratie und Rechtsstaat sind zwei Aspekte desselben fundamentalen Prinzips, der allgemeinen Freiheit nämlich1373. Der Rechtsschutz dient der Rechtlichkeit des gemeinsamen Lebens, die um der allgemeinen Freiheit willen der Gesetzgeberschaft aller Bürger, des ganzen Volkes, bedarf (demokratisches Prinzip)1374. 5. Bestimmtheit der Richtersprüche Hinreichend klar und bestmöglich bestimmt müssen alle staatlichen Entscheidungen sein, nicht nur die Gesetze. Das gilt vor allem für die Richtersprüche. Nicht hinreichend bestimmte Richtersprüche können wegen Unklarheit unwirksam sein. Urteile und Beschlüsse müssen prinzipiell derart bestimmt sein, daß 1371 Dazu K. A. Schachtschenider, Steuerverfassungsrechtliche Probleme der Betriebsaufspaltung und der verdeckten Gewinnausschüttung. Rechtsgrundsätze versus Gerichtspraxis, 2004, S. 15 ff. 1372 Vgl. E. Schmidt-Aßmann, Der Rechtsstaat, HStR, Bd. I, § 24, Rdn. 85. 1373 Dazu 3. Kap., II und V, 1, 4. Kap., I. 1374 Dazu 3. Kap., II und V, 1, 4. Kap., I.

IV. Verweisung als Rechtsetzungstechnik

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sie (gegebenenfalls auch von Gerichtsvollziehern) vollstreckt werden können. Aber auch richterliche Durchsuchungsbefehle müssen nach Personen, Räumen, Zwecken, Zielen und Umfang der Durchsuchung je nach den Umständen möglichst konkret und genau bezeichnet und dadurch begrenzt sein (BVerfGE 20, 162 (224 ff.); 42, 212 ff.).

IV. Verweisung als Rechtsetzungstechnik Die Verweisung auf andere Normen hält das Bundesverfassungsgericht für angängig, wenn diese hinreichend klar und mit hinreichender Sicherheit den Regelungsgehalt ohne Zuhilfenahme spezieller Kenntnisse erkennen läßt (BVerfGE 5, 25 (31 f.); 8, 274 (302); 22, 230 (346); BAGE 38, 166 (174)). Unter dieser Voraussetzung darf auch auf eine nicht mehr in Kraft befindliche Norm verwiesen werden (BVerfGE 8, 274 (302 f.)). Sogar Verweisungen auf fremdes Recht, selbst dynamischer Art, sind grundsätzlich zulässig (BVerfGE 47, 285 (311 ff.); 64, 208 (214); 67, 348 (363)). Sogar die mittelbare Verweisung auf die gemeinsame Erklärung der Regierung der Bundesrepublik Deutschland und der Regierung der Deutschen Demokratischen Republik zur Regelung offener Vermögensfragen vom 15. Juni 1990, eine politische Erklärung, durch Art. 143 Abs. 3 GG in Verbindung mit Art. 41 Abs. 1 EV (Einigungsvertrag vom 31. August 1990, BGBl II, S. 889), hat das Gericht trotz Art. 79 Abs. 1 GG (Prinzip der Textklarheit) hingenommen (BVerfGE 84, 90 (119)). Dynamische Verweisungen auf nichtstaatliche Normen, welche die Freiheiten beschränken, hält die Praxis auch aus Gründen des Demokratieprinzips für bedenklich (BVerfGE 47, 285 (311 f.); 64, 208 (214 f.); 73, 261 (272). Der Gesetzgeber muß die Beschränkungen im Wesentlichen selbst festlegen (BVerfGE 64, 208 (214 f.); 78, 32 (36), Wesentlichkeitslehre1375). Besondere Probleme wirft die Verweisung auf technische Normen auf, welche nicht vom Staat erlassen, sondern von mehr oder weniger sachverständigen Gremien, etwa dem Deutschen Institut für Normung (DIN), festgestellt werden. Diese Verweisungen auf die technischen Normen bilden das Grundproblem des Rechts der Technik1376. Die (privatheitlichen) technischen Normen werden verbindlich, weil das Gesetz das vorschreibt, auch wenn die Verweisung nicht statisch nur schon bestehende technische Normen einbezieht, sondern dynamisch ist und auch technische Normen erfaßt, die erst noch geschaffen werden. Die Verweisungen werfen kein demokratierechtliches Problem auf, wenn die Verfahrensregelungen allen interessierten Kreisen die Beteiligung an der Normierung ermöglichen. Die Normen sind darum in besonderer Weise republikanisch 1375

Dazu 6. Kap., II, 3. Dazu umfassend Th. Zubke-von Thünen, Technische Normung in Europa. Mit einem Ausblick auf grundlegende Reformen der Legislative, 1999. 1376

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13. Kap.: Bestimmtheitsprinzip

legitimiert1377. Das als technisch richtig Erkannte, welches in diesen Normen Ausdruck findet, wird verbindlich, weil der Gesetzgeber Sachlichkeit will und zu wollen verpflichtet ist. Das ist praktisch vernünftig und damit durch das Republikprinzip gerechtfertigt.

1377

Th. Zubke-von Thünen, Technische Normung in Europa, S. 832 ff.

14. Kapitel

Verfahrensprinzip I. Rechtlichkeit als Verfahrenszweck 1. Gesetzlichkeit der Verfahren Verfahren sind Essentiale des Rechtsstaates1378. „Die Form ist die geschworene Feindin der Willkür, die Zwillingsschwester der Freiheit“ (Rudolf v. Ihering)1379. Sowohl die Gesetzgebungs- und die Verwaltungs- als auch und vor allem die Gerichtsverfahren müssen gesetzlich, die Gesetzgebungsverfahren darüber hinaus im wesentlichen verfassungsgesetzlich festgelegt sein. Die Gesetze müssen vor allem die Zuständigkeiten der Behörden und Gerichte festlegen. Dabei müssen die föderalen, die funktionalen, die legitimatorischen, die instantiellen und die fachlichen Prinzipien beachtet werden. Die Teilung der Aufgaben und Befugnisse zwischen Bund und Ländern ist verfassungsgesetzlich durch das Grundgesetz (Art. 30 GG in Verbindung mit Art. 70 ff. GG, Art. 83 ff. GG, Art. 92 GG), die zwischen der Europäischen Union und den Mitgliedstaaten völkervertraglich durch die Gemeinschaftsverträge geregelt1380. Beide Kompetenzordnungen sind durch das Subsidiaritätsprinzip bestimmt (Art. 72 Abs. 2 GG, Art. 2 Abs. 2 EUV, Art. 5 Abs. 2 EGV),1381 das aber bisher keine normative Wirkung zu entfalten vermochte. Die

1378 P. Badura, Das Verwaltungsverfahren, in: H.-U. Erichsen, Allgemeines Verwaltungsrecht, 11. Aufl. 1998, § 33, Rdn. 1 ff., S. 463 ff. 1379 Geist des Römischen Rechts, unveränderter Neudruck der 6. Aufl., Leipzig 1907. 1380 Dazu K. A. Schachtschneider, Ermächtigungen der Union und der Gemeinschaften, in: ders., Das Verfassungsrecht der Europäischen Union, § 6. 1381 Zum gemeinschaftsrechtlichen Subsidiaritätsprinzip H. Lecheler, Das Subsidiaritätsprinzip: Strukturprinzip einer europäischen Union, 1993, S. 98 ff., 121 ff.; ders., Das Subsidiaritätsprinzip im Europäischen Gemeinschaftsrecht, FS W. Thieme, 1993, S. 431 ff., 442 ff.; weiter die Beiträge von M. Brunner, T. Stein und D. Merten, in: D. Merten (Hrsg.), Die Subsidiarität Europas, 1993, S. 9 ff., 23 ff., 77 ff.; W. Möschel, Zum Subsidiaritätsprinzip im Vertrag von Maastricht, NJW 1993, 3025 ff.; H.-J. Lambers, Subsidiarität in Europa – Allheilmittel oder juristische Leerformel?, EuR 1993, 229 ff.; W. Kahl, Möglichkeiten und Grenzen des Subsidiaritätsprinzips nach Art. 3b EG-Vertrag, AöR 118 (1993), S. 414 ff.; H. D. Jarass, EG-Kompetenzen und das Prinzip der Subsidiarität nach Schaffung der Europäischen Union, EuGRZ 1994,

296

14. Kap.: Verfahrensprinzip

Aufgaben und Befugnisse werden politisch zugeteilt und müssen möglichst bestimmt sein. Ein gemeinschaftsrechtlicher Baustein ist das Prinzip der begrenzten Ermächtigung (Art. 5 Abs. 1 EGV, BVerfGE 89, 155 (181, 191 ff.))1382. Dieses Prinzip soll um der demokratischen Legitimation des Gemeinschaftsrechts willen, die wesentlich von den Mitgliedstaaten ausgeht, gewährleisten, daß die nationalen Parlamente die Rechtsakte verantworten können (BVerfGE 89, 155 (191 ff.))1383. Verfahren verwirklichen somit das demokratische Prinzip; denn die Rechtsakte haben nur als Willen des Volkes Verbindlichkeit1384. Demgemäß müssen die Zuständigkeiten und Verfahren die Vertreter des Volkes in den Organen und Ämtern (Parlamente, Behörden, Gerichte) und das Volk bestmöglich vermitteln, insbesondere durch Wahlen und Berufungen (BVerfGE 47, 253 (275) vgl. auch BVerfGE 83, 60 (71 ff.); 89, 155 (182)), wenn nicht das Volk unmittelbar entscheidet (unmittelbare oder direkte Demokratie). Der Rechtsstaat ist die Wirklichkeit der Demokratie, in der die Freiheit der Menschen durch gesetzliche Rechtlichkeit verwirklicht wird1385. Das Procedere ist angesichts der materialen Offenheit richtiger Politik für die Verwirklichung des Rechtsprinzips wesentlich. Verfahren dürfen darum nicht beliebig sein. Die Gesetzlichkeit der Verfahren sichert die Gerechtigkeit der Verfahrensergebnisse (prozedurale Gerechtigkeit). Nur richtige Verfahren gewährleisten richtige Ergebnisse. 2. Sachgerechtigkeit der Verfahren a) Die Verfahren sind so zu gestalten, daß sie zum gesetzesgemäßen Verfahrensergebnis, zur materiellen Gesetzlichkeit, führen. Dabei sind die Prozeßordnungen auf die Erkenntnis des Rechts hin gestaltet, die Verwaltungsverfahrensgesetze zusätzlich darauf, daß der Verwaltungszweck bestmöglich und effizient erreicht wird. Jedenfalls sind das die Ordnungsmaximen der Verfahrensgesetze. Die Verfahren sind gesetzlich so zu gestalten, daß sie die gesetzlichen Zwecke sachgerecht zu erreichen erlauben, aber ohne die rechtsstaatlichen Prinzipien der Gesetzlichkeit, also insbesondere das Bestimmtheitsprinzip1386, zu verlet209 ff.; D. Grimm, Effektivität und Effektivierung des Subsidiaritätsprinzips, KritV 1/ 1994, S. 6 ff. 1382 Dazu K. A. Schachtschneider, Existentielle Staatlichkeit der Völker Europas, S. 96; dazu 4. Kap., III, 5. 1383 Dazu K. A. Schachtschneider, Existentielle Staatlichkeit der Völker Europas, S. 96. 1384 K. A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 519 ff., 637 ff. (718 ff.); ders. Existentielle Staatlichkeit der Völker Europas, S. 75 ff.; vgl. schon Kant, Metaphysik der Sitten, § 46, S. 432; dazu 3. Kap., II und V, 1, 4. Kap., I. 1385 So J. Habermas, Faktizität und Geltung, S. 154 f.; ders., Die Einbeziehung des Anderen, S. 277 ff., S. 293 ff.; vgl. auch K. A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 14 ff., S. 685 ff.; dazu 3. Kap., II und V, 1, 4. Kap., I, 6. Kap., I, 1 und 2.

II. Parteienstaatliche Gesetzgebungsverfahren des Bundes

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zen. Die Verfahrensregelungen müssen willkürfrei gehandhabt werden, soweit sie Handlungsspielräume geben, und genutzt werden, um ein sachgerechtes Verfahrensergebnis zu erzielen. Das atomrechtliche Genehmigungsverfahren etwa hat sicherzustellen, daß von einem Atomkraftwerk, wenn es betrieben wird, keine Schäden verursacht werden können. Dafür muß der gesamte relevante Sachverstand nach dem Stand von Wissenschaft und Technik (§ 7 Abs. 2 Nr. 3 AtomG) einbezogen werden (BVerfGE 49, 89 (136 ff.))1387. Solche Verfahren sind langwierig und kostspielig, aber notwendig. Die Fragepflicht aus § 139 ZPO1388 etwa muß im Versteigerungsverfahren erfüllt werden, um einen Zuschlag weit unter Wert zu verhindern (BVerfGE 42, 64 (72 ff.)). b) Es gilt der Grundsatz: Formelle Kompetenz setzt materielle Kompetenz voraus. Das ist das Amtsbesetzungsprinzip des Art. 33 Abs. 2 GG1389. Wegen dieses Prinzips dürfen Aufgaben nicht auf Stellen übertragen werden, deren Mitarbeiter die Aufgabe nicht bewältigen können. Es dürfen aber auch nicht Befugnisse auf Stellen übertragen werden, deren Amtswalter die Befugnisse nicht sachgerecht nutzen können. Professoren etwa dürfen nicht mit Schlagstökken bewaffnet werden, um das Hausrecht in den Vorlesungen (ein wirkliches Problem während der Studentenunruhen 1968 ff.), eine Polizeiaufgabe, wahrnehmen zu können. Wenn Polizeimaßnahmen in der Universität vollzogen werden müssen, muß die Universität die Amtshilfe der Vollzugspolizei anfordern1390. Einige Aspekte des Verwaltungsverfahrens sind im 8. Kapitel zu III behandelt.

II. Parteienstaatliche Gesetzgebungsverfahren des Bundes a) Das Verfahren der Gesetzgebung ist nach dem Grundgesetz die von dem Diskurs des ganzen Volkes vorbereitete legislative, insbesondere parlamentarische, Erörterung des Gesetzesvorhabens1391 und die schließliche Beschlußfassung im Bundestag und Bundesrat (Art. 76 f. GG). Die formelle Gesetzesinitiative ist Sache der Bundesregierung, des Bundesrates oder der Abgeordneten des Deutschen Bundestages (Art. 76 Abs. 1 GG). Das Volk hat, typisch für den entwickelten Parteienstaat, entgegen Art. 20 Abs. 2 S. 2 GG nicht einmal ein

1386

Dazu 13. Kap. Dazu K. A. Schachtschneider, Der Rechtsbegriff „Stand von Wissenschaft und Technik“, S. 115 ff., 117 ff. 1388 A. Baumbach/W. Lauterbach/J. Albers/P. Hartmann, Zivilprozeßordnung, 55. Aufl. 1997, § 139, S. 590 ff. 1389 Dazu 15. Kap., I, 2. 1390 Vgl. F.-L. Knemeyer, Polizei- und Ordnungsrecht, 8. Aufl. 2000, Rdn. 105 ff. 1391 Dazu K. A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 560 ff., 584 ff. 1387

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14. Kap.: Verfahrensprinzip

Gesetzesinitiativrecht1392. Im entwickelten Parteienstaat werden die Gesetze selten substantiell im Parlament erörtert. Es gibt eine eher zufällige öffentliche Erörterung von Gesetzesvorhaben und parteiliche Entscheidungswege zu den Gesetzen, aber auch regelmäßige Erörterungen in den parlamentarischen Ausschüssen1393. Das ist nicht das Verfahren, welches das Grundgesetz ausweislich Art. 38 Abs. 1 S. 2 GG vorschreibt. Art. 76, 77 GG regeln das Gesetzgebungsverfahren nur institutionell. „Die Bundesgesetze werden vom Bundestag beschlossen“, lautet Art. 77 Abs. 1 S. 1 GG. Im übrigen wird das Zusammenwirken des Bundestages mit der Bundesregierung, welche ein Gesetzesinitiativrecht hat, und mit dem Bundesrat, insbesondere das Vermittlungsverfahren (Vermittlungsausschuß, Art. 77 Abs. 2 und 2a GG), geregelt (Art. 76 Abs. 2 und 3, Art. 77 GG). Bundesgesetze sind entweder Einspruchs- oder Zustimmungsgesetze (Art. 77 Abs. 3 und 4 GG). Der Einspruch des Bundesrates kann durch einen Beschluß der Mehrheit der Mitglieder des Bundestages zurückgewiesen werden. Hat der Bundesrat den Einspruch mit einer Mehrheit von mindestens zwei Dritteln seiner Stimmen beschlossen, so bedarf die Zurückweisung durch den Bundestag einer Mehrheit von zwei Dritteln, mindestens der Mehrheit der Mitglieder des Bundestages (Art. 77 Abs. 4 GG). Wenn der Bundesrat einem zustimmungsbedürftigen Gesetz nicht zustimmt, können der Bundesrat, der Bundestag oder die Bundesregierung den Vermittlungsausschuß nach Art. 77 Abs. 2 GG einberufen lassen. Art. 78 GG definiert, unter welchen Voraussetzungen ein vom Bundestag beschlossenes Gesetz nach Mitwirkung des Bundesrates zustande kommt. Die Zustimmungsbedürftigkeit eines Bundesgesetzes regelt das Grundgesetz. Weil alle Gesetze, welche die Einrichtung der Behörden und das Verwaltungsverfahren regeln, nach Art. 84 Abs. 1 GG der Zustimmung des Bundesrates bedürfen, sind sehr viele Bundesgesetze zustimmungsbedürftig; denn die Praxis wendet Art. 84 Abs. 1 GG auch an, wenn nur eine Bestimmung eines Gesetzes der Zustimmung bedarf (vgl. BVerfGE 8, 274 (294 ff.); 22,180 (209 f.); 24, 184 (195); 37, 363 (380 f., 383 f.); 48, 127 (177 f.); 55, 274 (318 ff.); 75, 108 (150 ff.); 77, 288 (298 f.)). Diese Praxis hat den politischen Einfluß des Bundesrates und damit der Länder erheblich gestärkt. b) Wegen der parteienstaatlichen Verfälschung der Verfahren gewährleistet die Gesetzgebung im Parteienstaat die Richtigkeit der Gesetze nicht in der 1392 Dazu K. A. Schachtschneider, Abstimmung des Deutschen Volkes über den Ausstieg aus der Währungsunion, in: W. Hankel u. a., Die Euro-Illusion, 2001, S. 340 ff.; vgl. auch P. Krause, Verfassungsrechtliche Möglichkeiten unmittelbarer Demokratie, HStR, Bd. II, 1987, §. 39, Rdn. 13 ff. (restriktiv); dazu 9. Kap., I, 2, d. 1393 Dazu W. Zeh/P. Dach/M. Melzer/S. S. Schüttemeyer, Die Ausschüsse, in: H.-P. Schneider/W. Zeh (Hrsg.), Parlamentsrecht und Parlamentspraxis, 1989, §§ 39–42, S. 1087 ff., 1103 ff., 1131 ff., 1145 ff.; W. Zeh, Parlamentarisches Verfahren, HStR, Bd. II, 1987, § 43, Rdn. 57 ff.

II. Parteienstaatliche Gesetzgebungsverfahren des Bundes

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Weise, wie sie das Grundgesetz vorschreibt. Es ist ein augenscheinlicher Unterschied, ob die Erkenntnis dessen, was für das gute Leben aller in allgemeiner Freiheit richtig ist1394, von einem Parteitag beschlossen oder gar nur von einer Parteizentrale erarbeitet und mit den parteilich gebundenen Stimmen im Parlament durchgesetzt wird, oder ob das Parlament in seiner Gesamtheit in den Erkenntnisprozeß einbezogen ist. Im Parteienstaat pflegt die Regierungsmehrheit die Argumente der Opposition nicht zu hören, es sei denn, die Opposition verfügt über die Mehrheit der Stimmen im Bundesrat1395. Sie benutzt die oppositionellen Äußerungen allenfalls für den ständigen Wahlkampf. In den Ausschüssen, die freilich in der Regel geheim tagen (§ 69 Abs. 1 GeschOBtag)1396, mag es argumentative Erörterungen der Gesetzesvorhaben geben, in die auch die oppositionellen Ausschußmitglieder eingebunden sind. Einer öffentlichen Kontrolle entzieht sich dieses Verfahren der Gesetzgebung jedenfalls. In das Verfahren zum Vertrag über die Deutsche Einheit wurde die Bürgerschaft nur bei Randfragen in die Überlegungen dessen, was für Deutschland richtig ist, einbezogen. Das Vertragsdiktat war Ausdruck der republikwidrigen Parteienoligarchie, welche das Volk über existentielle Entwicklungen im Unklaren läßt, um die Wahlchancen nicht zu verderben. Geradezu diktatorisch ist die Einführung des Euro als Währung in Deutschland durchgesetzt worden. Die Beschlüsse im Bundestag und Bundesrat waren lediglich formal. Die Abgeordneten des Bundestages und die Regierungsvertreter im Bundesrat (abgesehen von denen des Freistaates Sachsen) waren durch die Parteienoligarchie gebunden. Rechtsschutz hat das Bundesverfassungsgericht trotz der offenkundigen Vertragswidrigkeit des Schrittes zur dritten Stufe der Währungsunion mit dem Argument verweigert, soweit gehe der Grundrechtsschutz aus Art. 14 Abs. 1 GG (Eigentumsgewährleistung) und Art. 2 Abs. 1 GG (allgemeine Handlungsfreiheit) nicht, daß in derart von ökonomischen Einschätzungen und derart von der (Außen-)Politik bestimmten Entscheidungen der Bürger eine bestimmte (gefordert war vertragsgemäße) Stabilitätspolitik beanspruchen könne (BVerfGE 97, 350 (370 ff.))1397. c) Die Lebensverhältnisse der Menschen in der Europäischen Union werden wesentlich durch die Unionsverträge geregelt, welche weite und offene Ermächtigungen für die Unionsorgane schaffen. Diese werden durch Sekundärrecht dieser nicht ausreichend demokratisch legitimierten Organe und durch die Judikatur des nicht demokratisch legitimierten Europäischen Gerichtshofs materiali1394

Zu diesem Staatszweck 3. Kap., 4. Kap., I, 6, 6. Kap., I, 1 und 2. Dazu K. A. Schachtschneider, Das Hamburger Oppositionsprinzip. Zum Widerspruch des entwickelten Parteienstaates zur republikanischen Repräsentation, Der Staat 28 (1989), S. 173 ff.; vgl. auch ders., Res publica res populi, S. 796 ff. 1396 Vgl. W. Zeh, Parlamentarisches Verfahren, HStR, Bd. II, § 43, Rdn. 60. 1397 Dazu K. A. Schachtschneider, Der Euro-Beschluß des Bundesverfassungsgerichts, IHI-Schriften 9 (1998), S. 12 ff. (22 ff.); ders., Die Rechtsverweigerung im Euro-Beschluß des Bundesverfassungsgerichts, in: W. Hankel u. a., Die Euro-Illusion, S. 274 ff.; vgl. W. Hankel u. a., Die Euro-Klage, 1998, S. 274 ff., S. 280 ff. 1395

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14. Kap.: Verfahrensprinzip

siert. Den Verträgen müssen die Gesetzgebungsorgane (Bundestag und Bundesrat, meist mit zwei-drittel-Mehrheit, Art. 23 Abs. 1 S. 3 GG) nach Art. 59 Abs. 2 GG zustimmen. Beide Organe sind von der Parteienoligarchie bevormundet. Sie pflegen die erwartete Zustimmung zu den Verträgen, so sehr diese auch gegen die Interessen jedenfalls der Deutschen gerichtet sein mögen und so sehr diese auch das demokratische Defizit der Politik vergrößern und damit den Rechtsstaat und den Sozialstaat belasten mögen, in freudiger Ergebenheit zu beschließen. Die meisten Abgeordneten kennen die Vertragstexte nicht, geschweige denn daß sie diese verstehen. Sie verlassen sich auf ihre „Vorgesetzten“, auch in der verständlichen Annahme, auf den unter den vielen Mitgliedstaaten ausgehandelten Text ohne Einfluß zu sein. Ohne die parteienstaatliche Entdemokratisierung der Politik wäre diese Art der Rechtsetzung, genauer der Enrechtlichung, nicht möglich1398.

III. Prinzipien der Gerichtsverfahren Die Prozeßgesetze müssen gerichtliche Verfahren gestalten, welche die Richtigkeit der Rechtsfindung bestmöglich gewährleisten, wenn diese auch durch kein Verfahren sichergestellt werden kann. Das Grundgesetz regelt in Art. 101, 103 GG elementare Prinzipien des Gerichtsverfahrens, nämlich: „Niemand darf seinem gesetzlichen Richter entzogen werden“ (Art. 101 Abs. 1 S. 2 GG)1399 und vor allem: „Vor Gericht hat jedermann Anspruch auf rechtliches Gehör“ (Art.103 Abs. 1 GG)1400. Der Rechtsstaat darf nur in fairem Verfahren prozedieren. Die Rechtswege, Klagearten, Rechtsmittel und Rechtsbehelfe sind gesetzlich zu regeln. 1. Gesetzlicher Richter Die Sicherung des gesetzlichen Richters soll „der Gefahr vorbeugen, daß die Justiz durch eine Manipulation der rechtsprechenden Organe sachfremden Einflüssen ausgesetzt wird“ (BVerfGE 17, 294 (299); 20, 336 (344); 97, 322 (327)). Sie ist eine Ausprägung der Rechtsstaatlichkeit, die auch und wesentlich die Rechtssicherheit gewährleisten muß (BVerfGE 20, 336 (344)), aber auch des rechtsstaatlichen Objektivitätsgebots (BVerfGE 82, 159 (194)). Welches Gericht und welcher Richter in welcher Sache entscheidet, muß somit vor dem Rechts1398 Dazu K. A. Schachtschneider, Verfassungsklage Dr. Peter Gauweiler in Sachen Zustimmungsgesetz zum Vertrag vom 29.10.2004 über eine Verfassung für Europa vom 27.05.2005. 1399 Dazu H. Hill, Verfassungsrechtliche Gewährleistungen gegenüber der staatlichen Strafgewalt, HStR, Bd. VI, § 156, Rdn. 50 ff. 1400 Dazu F.-L. Knemeyer, Rechtliches Gehör im Gerichtsverfahren, HStR, Bd. VI, 1989, § 155.

III. Prinzipien der Gerichtsverfahren

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streit gesetzlich (generell-abstrakt) geregelt sein (BVerfGE 2, 307 (319 f.); 6, 45 (50 f.); 17, 294 (298 f.); 19, 52 (60); 40, 356 (361); 64, 77 (79 ); 82, 286 (298); 95, 322 (327 f.)). Die Gesetze können durch Geschäftsverteilungspläne näher ausgeführt werden (BVerfGE 17, 294 (298 f.); 19, 52 (60); 19, 52 (59 f.); 95, 322 (328); BVerwGE 50, 11 (16); BAGE 68, 248 (253 f.)). So „kann auch die konstitutive Bestimmung eines für das weitere Verfahren zuständigen Spruchkörpers durch das übergeordnete Gericht gerechtfertigt sein“ (BVerfGE 20, 336 (344). Das Grundrecht auf den gesetzlichen Richter gibt auch einen Anspruch auf Vorabentscheidungsverfahren des Europäischen Gerichtshofs, wenn die Voraussetzungen vorliegen1401 (BVerfGE 82, 159 (195 f.)). 2. Rechtliches Gehör Rechtliches Gehör ist das Grundprinzip eines fairen Verfahrens, welches Ausdruck des Rechtsstaatsprinzips ist (BVerfGE 9, 89 (95); 26, 66 (71); 30, 1 (27); 38, 105 (111); 39, 156 (163, 168); 63, 45 (61 ff.); 68, 237 (255); 74, 220 (224), ein prozessuales „Urrecht“ (BVerfGE 55, 1 (6))1402. Für die Strafverfahren, die zur Freiheitsstrafe führen können, läßt sich das Recht auf faires Verfahren auch in Art. 2 Abs. 2 S. 2 GG („Die Freiheit der Person ist unverletzlich“) verankern. Rechtliches Gehör ist gewährt, wenn alle, die von Entscheidungen einer Behörde (§ 28 Abs. 1 VwVfG) oder eines Gerichts (Art. 103 Abs. 1 GG) materiell betroffen sind oder sein können, in dem zur Entscheidung führenden Verfahren die Möglichkeit haben, ihre Meinungen zum „Sachverhalt und zur Rechtslage“ (BVerfGE 60, 173 (210) zur Geltung zu bringen. Die Äußerungen müssen zur Kenntnis genommen und berücksichtigt werden (BVerfGE 45, 182 (187); 59, 330 (333)). Das Recht auf rechtliches Gehör umfaßt den Informationsanspruch (BVerfGE 7, 275 (280 f.), das Recht zur Akteneinsicht (§ 29 VwVfG; § 100 VwGO) und das Recht der Stellungnahme (§ 28 Abs. 1 VwVfG), einschließlich des Rechts, Anträge zu stellen1403. Zum rechtlichen Gehör gehört das Recht, sich in (grundsätzlich) jedem Verwaltungs- und Gerichtsverfahren durch einen Bevollmächtigten, im Zweifel durch einen Anwalt oder durch einen Rechtsleher an einer deutschen Hochschule1404, vertreten zu lassen (§ 14 VwVfG; § 67 Abs. 2 VwGO; § 22 Abs. 1 S. 1 BVerfGG; § 11 ArbGG; § 147 1401 K. A. Schachtschneider/A. Emmerich-Fritsche, Rechtsschutz durch den Europäischen Gerichtshof, § 11, III, 1. 1402 F.-L. Knemeyer, Rechtliches Gehör im Gerichtsverfahren, HStR, Bd. VI, § 155, S. 1271 ff. 1403 F.-L. Knemeyer, Rechtliches Gehör im Gerichtsverfahren, HStR, Bd. VI, § 155, Rdn. 29 ff. 1404 Zu diesem Begriff K. A. Schachtschneider, Lehrer des Rechts an Fachhochschulen als Rechtslehrer an deutschen Hochschulen. Zugleich eine Auseinandersetzung

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14. Kap.: Verfahrensprinzip

Abs. 1 StPO)1405. In bestimmten Gerichtsverfahren besteht sogenannter Anwaltszwang, d. h. die Verfahrensbeteiligten (Parteien) müssen sich durch einen Rechtsanwalt oder einen Rechtslehrer an einer deutschen Hochschule vertreten lassen, etwa vor dem Bundesverwaltungsgericht und den Oberverwaltungsgerichten (§ 67 Abs. 1 S. 1 VwGO), vor dem Bundesverfasungsgericht in der mündlichen Verhandlung (§ 22 Abs. 1 S. 1 BVerfGG), vor den Landgerichten, Oberlandesgerichten, dem Bundesgerichtshof (Zivilsachen) und in bestimmten Familiensachen, ebenso vor den Landesarbeitsgerichten und dem Bundesarbeitsgericht (auch Verbandsvertreter, § 11 Abs. 2 ArbGG) durch Anwälte (§ 78 ZPO, in bestimmten Strafsachen notwendige Verteidigung, §§ 140 ff. StPO). Der Anspruch auf rechtliches Gehör vor Gericht aus Art. 103 Abs. 1 GG hat zu einer umfangreichen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts geführt (etwa BVerfGE 7, 53 (57); 7, 25 (279); 38, 35 (38); 41, 323 (326)). Selten vermeidet es eine Verfassungsbeschwerde, die Verletzung des rechtlichen Gehörs zu rügen, weil jeder vermeintliche richterliche Fehler darauf beruhen soll, daß der Vortrag der unterlegenen Partei nicht berücksichtigt worden sei. Das drängt den Vorwurf auf, das rechtliche Gehör sei verletzt worden. Regelmäßig sind diese Verfassungsbeschwerden ohne Erfolg. 3. Faires Verfahren Das Recht auf faires Verfahren (BVerfGE 39, 105 (111); 46, 202 (210); 57, 250 (274 f.); 66, 313 (318 f.); 78, 123 (126); 91, 176 (180))1406 ist wie das Rechtsstaatsprinzip überhaupt Ausdruck der Unantastbarkeit der Menschenwürde, welche Art. 1 Abs. 1 GG garantiert (BGHZ 7, 118 (312, 321)). Es entspricht der berühmten Regel des due process of law1407. Zum fairen Verfahren gehört auch das Gebot der Waffengleichheit, bei dem auch der Gleichheitssatz zu beachten ist (BVerfGE 52, 131 (144, 156 f.); 69, 248 (254); 74, 78 (95)); auch BVerfGE 38, 105 (111); 63, 45 (61) für das Strafverfahren). Die Gerichtsverfahren müssen effektiven Rechtsschutz gewährleisten (BVerfGE 80, 103 (107); 85, 337 (345); 88, 118 (123 ); 97, 169 (185)) Der Justizgewähranspruch muß gesetzlich ausgestaltet werden (BVerfGE 85, 337 (345 f.); 88,118 (123);

mit dem Beschluß des V. Senats des Bundesverwaltungsgerichts vom 26.11.1974 (NJW 1975, 1899), JA 1977, S. 121 ff. 1405 A. A. BVerfGE 39, 156 (168) „Art. 103 Abs. 1 GG gewährleistet das rechtliche Gehör jedoch grundsätzlich nur als solches, nicht gerade durch die Vermittlung eines Rechtsanwalts“; auch BVerfGE 38, 105 (118), st. Rspr. 1406 Dazu P. J. Tettinger, Fairneß und Waffengleichheit, 1984; D. Dörr, Faires Verfahren, 1984, insb. S. 141 ff. 1407 Zu den US-amerikanischen Verfassungsklauseln der Amendments 5 und 14, Sect. 1 W. Brugger, Grundrechte und Verfassungsgerichtsbarkeit in den Vereinigten Staaten von Amerika, 1987, S. 43 ff.

IV. Strafverfahrensrechtliche Prinzipien

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93, 99 (197)). Wenn Rechtsstreitigkeiten nicht in angemessener Zeit entschieden werden, ist das rechtsstaats- (BVerfGE 88, 118 (124); 93, 99 (107)), ja menschenrechtswidrig (Art. 6 Abs. 1 S. 1 EMRK). Ein Anspruch auf eine zweite gerichtliche Instanz wird jedoch vom Bundesverfassungsgericht nicht zugestanden (BVerfGE 49, 239 (342 f.); 54, 277 (291); 89, 381 (390); 107, 395 (402)). 4. Rechtsbehelfe und Rechtsmittel Nicht nur die Rechtswege (§ 40 Abs. 1 VwGO, § 13 GVG, § 35 FGO, §§ 2, 2a ArbGG, § 8 SGG), die Klagearten, etwa die Anfechtungs- und Verpflichtungsklage (§ 42 Abs. 1 VwGO, § 40 FGO, § 54 Abs. 1 SGG) und die Feststellungsklage (§ 43 Abs. 1 VwGO, § 41 Abs. 1 FGO, § 55 SGG) sowie die Leistungsklage (§ 43 Abs. 2 VwGO, § 41 Abs. 2 FGO), und sonstige Rechtsbehelfe, etwa die Beschwerden (etwa §§ 146 ff. VwGO, §§ 567 ff. ZPO), auch die Verfassungsbeschwerde (§§ 90 ff. BVerfGG, Art. 93 Abs. 1 Nr. 4a GG), sondern auch die Voraussetzungen der Rechtsmittel sind in den Gesetzen zu regeln. Die typischen Rechtsmittel sind die Berufung, die Revision und die Beschwerde. Alle Prozeßgesetze treffen darüber Regelungen (vgl. §§ 511 ff., 545 ff., 567 ff. ZPO; §§ 124 ff., 132 ff., 146 ff. VwGO; §§ 115 ff., 128 ff. FGO; §§ 64 ff., 72 ff., 78 ArbGG; §§ 304 ff., 312 ff., 333 ff. StPO). Die Rechtsmittel- und die Rechtsbehelfsfristen müssen sachgerecht geregelt sein. Vorschriften über die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand müssen es ermöglichen, daß es nicht zum Nachteil der Beteiligten gereicht, wenn sie unverschuldet Fristen versäumen (BVerfGE 41, 323 (326 f.); 43, 95 (98 f.); 93, 99 (113 ff.); vgl. auch BVerfGE 79, 372 (375 ff.); 88, 118 (127 f.)). Fristen sind ein notwendiges Mittel der Rechtssicherheit und damit des Rechtsstaates (BVerfGE 60, 253 (266 ff.)). Die Regelung der Revisionszulassung ist Sache des Gesetzgebers, muß aber hinreichend bestimmt sein (1. Kammer des Ersten Senats vom 9.3.2004, NJW 2004, 1729 f.).

IV. Strafverfahrensrechtliche Prinzipien Insbesondere die Strafprozeßordnung verwirklicht weitgehend rechtsstaatliche Prinzipien. 1. Richtervorbehalt bei Freiheitsentziehungen Für Freiheitsentziehungen ordnet Art. 104 GG, die Habeas-corpus-Akte des Grundgesetzes, den Richtervorbehalt an1408. Art. 104 GG lautet: 1408

Dazu K. Stern, Staatsrecht III, S. 1201.

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14. Kap.: Verfahrensprinzip

(1) Die Freiheit der Person kann nur auf Grund eines förmlichen Gesetzes und nur unter Beachtung der darin vorgeschriebenen Formen beschränkt werden. Festgehaltene Personen dürfen weder seelisch noch körperlich mißhandelt werden. (2) Über die Zulässigkeit und Fortdauer einer Freiheitsentziehung hat nur der Richter zu entscheiden. Bei jeder nicht auf richterlicher Anordnung beruhenden Freiheitsentziehung ist unverzüglich eine richterliche Entscheidung herbeizuführen. Die Polizei darf aus eigener Machtvollkommenheit niemanden länger als bis zum Ende des Tages nach dem Ergreifen in eigenem Gewahrsam halten. Das Nähere ist gesetzlich zu regeln. (3) Jeder wegen des Verdachtes einer strafbaren Handlung vorläufig Festgenommene ist spätestens am Tage nach der Festnahme dem Richter vorzuführen, der ihm die Gründe der Festnahme mitzuteilen, ihn zu vernehmen und ihm Gelegenheit zu Einwendungen zu geben hat. Der Richter hat unverzüglich entweder einen mit Gründen versehenen schriftlichen Haftbefehl zu erlassen oder die Freilassung anzuordnen. (4) Von jeder richterlichen Entscheidung über die Anordnung oder Fortdauer einer Freiheitsentziehung ist unverzüglich ein Angehöriger des Festgehaltenen oder eine Person seines Vertrauens zu benachrichtigen.

Art. 104 GG ist wie die anderen gerichtsverfassungs- und gerichtsverfahrensrechtlichen Bestimmungen der Art. 101 GG und Art. 103 GG ein grundrechtsähnliches Recht, das nach Art. 93 Abs. 1 Ziff. 4a GG verfassungsbeschwerdefähig ist. Art. 104 GG verstärkt den Freiheitsschutz des Art. 2 Abs. 2 S. 1 GG. Freiheitsbeschränkungen im Sinne des Art. 104 GG sind Eingriffe in die körperliche Bewegungsfreiheit (BVerfGE 94, 166 (198); 96, 10 (21)), insbesondere Freiheitsstrafen (BVerfGE 14, 174 (186); 90, 145 (172)), Verhaftungen, Festnahmen, nicht die Vorladung zum Verkehrsunterricht (BVerfGE 22, 21 (26); BVerwGE 6, 354 (355)) oder die zwangsweise Vorführung beim Amtsarzt (BGHZ 84, 361 (264 f.)). Der Gesetzgeber muß die Grundzüge der Freiheitsentziehung regeln; für das Nähere genügen Rechtsverordnungen (BVerfGE 14, 174 (187); 51, 66 (70 f.); 75, 329 (342 f.); 78, 374 (383)). Dem Bestimmtheitsprinzip kommt besonderes Gewicht zu (BVerfGE 75, 329 (342)). Die Freiheitsentziehung muß von einem Richter, der hauptamtlich und planmäßig angestellt ist (BVerfGE 14, 156 (162)), angeordnet werden. Auch dafür bedarf es einer gesetzlichen Grundlage, die aber Analogie zuläßt (BVerfGE 83, 24 (32)). Die Freiheitsentziehung ohne vorherige richterliche Entscheidung ist nur als vorläufige Maßnahme und nur, wenn der verfassungsrechtlich zulässige Zweck nicht anders erreicht werden kann, zulässig (BVerfGE 22, 211 (317 f.)). „Unverzüglich“ ist die richterliche Entscheidung herbeizuführen, d.h. (vgl. § 121 Abs. 1 BGB) „ohne schuldhaftes Zögern“ (BVerfGE 45, 51 (63)). Der Betroffene muß dem Richter persönlich gegenübergestellt werden, so daß der Richter ihn anhören kann (BVerfGE 58, 208 (221)), es sei denn, der Betroffene ist bettlägerig.

IV. Strafverfahrensrechtliche Prinzipien

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Strafen ist überhaupt den Richtern vorbehalten. Das stützt das Bundesverfassungsgericht auf Art. 92 GG (BVerfGE 22, 49 (79); 27, 18 (28 f.); 27, 36 (40); 45, 272 (288 f.)). 2. Verteidigung des Angeklagten Im Rechtsstaat muß bei schweren Vorwürfen strafbarer Handlungen die Verteidigung des Angeklagten sichergestellt sein (BVerfGE 39, 238 (243); 65, 171 (174 f.); 66, 313 (319 ff.); 68, 237 (255); 70, 297 (322 f.)). Das regelt § 140 Abs. 1 StPO. Es besteht auch ein Anspruch auf Verteidigung durch einen Vertrauensanwalt (BVerfGE 34, 293 (302); 38, 105 (111 f.)), gleiches gilt im Disziplinarverfahren (BVerfGE 39, 156 (163)). Wenn der Angeklagte der deutschen Sprache nicht mächtig ist, müssen ihm die wesentlichen Verfahrensvorgänge verdeutlicht werden (Dolmetscher) und er muß sich im Verfahren verständlich machen können (BVerfGE 64, 135 (136)). Die Rechtsprechung hat ein allgemeines strafverfahrensrechtliches Fair-trial-Prinzip entwickelt (BVerfGE 26, 66 (71); 38, 105 (111); 39, 237 (243); 40, 95 (99); 41, 246 (249); 46, 202 (218); 57, 250 (273 ff.)). 3. Nulla poena sine lege Jede Bestrafung muß eine Grundlage im Gesetz haben (Art. 103 Abs. 2 GG, § 1 StGB, nulla poena sine lege), ein fundamentales Prinzip des Rechtsstaates (BVerfGE 7, 89 (92); 47, 109 (120); 71, 108 (114); 75, 329 (341); 78, 374 (382); 95, 96 (130 ff.))1409, welches schon in Art. 20 Abs. 3 GG verankert ist (6. Kap. III). Strafbarkeit umfaßt den Straftatbestand mit den materiell-rechtlichen Voraussetzungen der Strafbarkeit (BVerfGE 25, 269 (286); BGHSt 39, 1 (27); 39, 54 (71)) und der Strafandrohung als Rechtsfolge (BVerfGE 45, 363 (371); 86, 288 (311)). Ob die Maßregeln der Sicherung und Besserung dazugehören, hat das Bundesverfassungsgericht offengelassen (BVerfGE 74, 102 (126); 83, 119 (128)). Nicht von Art. 103 Abs. 2 GG sollen die Strafverfolgungsregelungen, wie vor allem die Verjährung des staatlichen Strafverfolgungsrechts (§§ 78 ff. StGB), erfaßt sein (BVerfGE 25, 269 (284 ff.); 81, 132 (135); BGHSt 48, 113 (118)). Das überzeugt nicht, weil die Verjährung der Strafverfolgungsbefugnis des Staates material wirkt, nach dem Satz: Zeit heilt Wunden. Im übrigen wird die Strafverfolgung im Laufe der Zeit rechtsstaatlich bedenklich, weil die Überführung des Täters fragwürdig wird (Zeugen erinnern sich nicht, sind von Hörensagen, von Medien, insbesondere Spielfilmen, beeinflußt, u. a. m.). 1409 Dazu H. Hill, Verfassungsrechtliche Gewährleistungen gegenüber der staatlichen Strafgewalt, HStR, Bd. VI, § 156, Rdn. 58 ff.; grundlegend H. H. Jeschek, Lehrbuch des Strafrechts, Allgemeiner Teil, 3. Aufl. 1978, S. 105 ff., der den Grundsatz unterteilt in nullum crimen sine lege scripta, certa, stricta, praevia.

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14. Kap.: Verfahrensprinzip

Die Strafverfolgungsverjährung darf aus menschenrechtlichen Gründen (Art. 6 EMRK) über gewisse Zeiten hinaus nicht durch Verjährungsunterbrechung verlängert werden (§ 78c Abs. 3 S. 2 StGB). Auch für die Strafaussetzung bei lebenslanger Freiheitsstrafe soll Art. 103 Abs. 2 GG nicht eingreifen (BVerfGE 86, 288 (311, a. A. abweichende Meinung S. 340, 342). Das Gesetz, welches die Strafbarkeit vorschreibt, muß ein Parlamentsgesetz sein (BVerfGE 71, 108 (114); 75, 329 (341); 78, 374 (382); 82, 236 (269); 85, 69 (72); 87, 363 (361 f.); 89, 399 (411); 95, 96 (131)). Verweise auf andere Rechtsakte sind zur Materialisierung der Strafnorm erlaubt (BVerfGE 14, 245 (252); 37, 201 (208 f.); 75, 329 (342); 78, 374 (382); BGHSt 37, 266 (272); 42, 219 (221 f.)). Aus Art. 103 Abs. 2 GG folgt ein Analogieverbot (BVerfGE 71, 108 (115); 73, 206 (235); 92, 1 (12); BGHSt 37, 226 (230); 38, 144 (151)). So darf der Gewaltbegriff des § 240 Abs. 2 StGB (Nötigung) nicht „erweitert“ ausgelegt werden (BVerfGE 92, 1 (14 ff.)). Grundsätzlich können aber auch Strafgesetze ausgelegt werden (BVerfGE 14, 245 (251); 25, 269 (285); 41, 314 (319); 50, 142 (164 f.); 57, 250 (262); 82, 236 (269 ff.)). Der Bestimmtheitsgrundsatz1410 wird im Rahmen des Art. 103 Abs. 2 GG besonders streng gehandhabt (BVerfGE 25, 269 (288); 57, 250 (262); 78, 374 (381 f.); 87, 363 (391 f.); 92, 1 (12); 95, 96 (131)), ohne daß dadurch offene Rechtsbegriffe und Generalklauseln ausgeschlossen wären (BVerfGE 66, 337 (355); 99, 1 (12); 96, 98 (97 f.)). „Die Tatbestandsmerkmale sind so konkret zu umreißen und genau zu bestimmen, daß Tragweite und Anwendungsbereich der Straftatbestände zu erkennen sind und sich durch Auslegung ermitteln lassen. Jedermann soll vorhersehen können, welches Handeln mit welcher Strafe bedroht ist, um sein Verhalten dementsprechend einrichten zu können“ (BVerfGE 57, 250 (262); auch BVerfGE 14, 245 (251); 25, 269 (285); 41, 314 (319); 50, 142 (164 f.); 95, 96 (131)). Das „Rückwirkungsverbot des Strafrechts“ „erfüllt seine rechtsstaatliche und grundrechtliche Gewährleistungsfunktion durch eine strikte Formalisierung“ (BVerfGE 95, 96 (131)). Die Strafnorm muß umso bestimmter sein, je schwerer die angedrohte Strafe ist (BVerfGE 14, 245 (251); 41, 314 (320); 75, 329 (341); 96, 68 (98); vgl. auch BVerfGE 66, 337 (355); BVerwGE 93, 269 (274) zum Disziplinarstrafrecht). Die Änderung der Rechtsprechung soll nicht unter das Rückwirkungsverbot fallen (BayOLG, NJW 1990, 2833 f.). Das ist jedenfalls bei offenen Tatbeständen wegen der Vorhersehbarkeit der Strafbarkeit fragwürdig1411. Menschenrechtswidrige Rechtfertigungen strafbarer Handlungen durch „einen anderen Staat“ (sc.: DDR, Mauerschützen) genießen den Rückwirkungsschutz des Art. 103 Abs. 2 GG jedoch nicht, wenn (und weil) „der Träger der Staats1410

Dazu 13. Kap. Kritisch B. Pieroth, in: Jarass/Pieroth, Grundgesetz, 5. Aufl. 2000, Art. 103, Rdn. 53. 1411

IV. Strafverfahrensrechtliche Prinzipien

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macht extremes staatliches Unrecht“ gesetzt hat, „das sich nur solange behaupten kann, wie die dafür verantwortliche Staatsmacht faktisch besteht“ (BVerfGE 95, 96 (133)1412, vgl. BGHSt 39, 1 (14 ff.); 39, 168 (181 ff.); 40, 241 (250); 41, 104 (111 f.)). Insbesondere die Spionagetätigkeit von DDR-Agenten ist strafbar (BVerfGE 92, 277 (323 f.). 4. Ne bis in idem Eine Tat darf nicht doppelt bestraft werden, Grundsatz des ne bis in idem, Art. 103 Abs. 3 GG (BVerfGE 56, 22 (32 ff.))1413. Das schließt eine Disziplinarstrafe neben einer Kriminalstrafe nicht aus (vgl. BVerfGE 21, 378 (388 ff.); 27, 180 (187); 28, 264 (277); 43, 101 (105); 66, 337 (352)). Sperrwirkung entfalten nicht nur rechtskräftig verurteilende, sondern auch freisprechende Urteile (BVerfGE 12, 62 (66); 65, 377 (381)). Grundsätzlich schützt auch die Rechtskraft eines Strafbefehls vor erneuter Bestrafung (BVerfGE 65, 377 (382 ff.)), es sei denn, daß neue Umstände die Verurteilung wegen eines Verbrechens rechtfertigen würden (§ 373a StPO). Nur die Entscheidung eines deutschen Gerichts führt zu einem Verbrauch der Strafklage (BVerfGE 12, 62 (66); 75, 1 (15)). DDR-Gerichte werden nicht als ausländische Gerichte behandelt (Art. 18 Abs. 1 Einigungs-Vertrag), auch nicht der Europäische Gerichtshof (BGHSt 24, 54 (57). Schon die Einleitung von neuen Verfahren ist nach einem Strafurteil verboten (BGHSt 33, 60 (61); 38, 54 (57); 44, 1 (3)). Das Problem des Grundsatzes ne bis in idem ist der Begriff der Tat. Es wird auf die Lebensauffassung abgestellt (BVerfGE 23, 191 (202); 56, 22 (28); BGHSt 43, 96 (98 f.); 43, 252 (255 ff.)). Der Tatbegriff ist nicht nur, aber wesentlich von strafrechtlicher Dogmatik bestimmt (§§ 52 53 StGB, BVerfGE 45, 434 (435); 56, 22 (29 f., 32 ff.); BGHSt 35, 60 (61)). 5. Nulla poena sine culpa Aus Art. 1, Art. 2 Abs. 1 GG und dem Rechtsstaatsprinzip folgt das Schuldprinzip. Jede Strafe setzt Schuld voraus (BVerfGE 20, 393 (331); 57, 250 (275); 58, 159 (163); 80, 244 (255)), auch die Geldstrafe (BVerfGE 20, 323 (333)), nicht aber sonstige Rechtsfolgen unrechten Handelns (BVerfGE 91, 1 (27)). Die Strafe muß schuldangemessen sein und der Schuld gerecht werden (BVerfGE 50, 5 (12); 73, 206 (253 f.)); 86, 288 (313); 95, 245 (249)). Bei generalpräventiven Maßnahmen sind die Verhältnismäßigkeit und das Übermaßverbot streng zu prüfen (BVerfGE 50, 166 (176); 92, 277 (326 ff.)). Die Unschuldsvermu1412

A. A. B. Pieroth, in: Jarass/Pieroth, Grundgesetz, Art. 103, Rdn. 54. H. Hill, Verfassungsrechtliche Gewährleistungen gegenüber der staatlichen Strafgewalt, HStR, Bd. VI, § 156, Rdn. 68 ff. 1413

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14. Kap.: Verfahrensprinzip

tung, die schon Kant postuliert hat1414 und die auch Art. 11 Abs. 1 AEMR und Art. 6 Abs. 2 EMRK zum Menschenrecht erklären, ist auch im Rechtsstaatsprinzip verankert (BVerfGE 19, 342 (347); 38, 105 (115); 82, 106 (114)). Der Vorwurf der Schuld im Rechtsverkehr setzt den rechtskräftigen Nachweis der Schuld voraus (BVerfGE 74, 358 (371)).

V. Rechtsfolgen von Zuständigkeits- und Verfahrensfehlern Die Zuständigkeiten und der Verfahrensgang müssen kontrollierbar sein. Zuständigkeits- oder Verfahrensfehler führen allerdings nicht notwendig zur Rechtswidrigkeit der Verfahrensergebnisse, also der Gesetze, der Richtersprüche oder der Verwaltungsakte. Diese Folge haben sie nur, wenn die Fehler entscheidungserheblich sein konnten1415. Das gilt auch für die Wahlverfahren. Ohne Mandatsrelevanz sind Wahlverfahrensmängel jedenfalls nach Bundesrecht (vgl. Art. 41 GG, Wahlprüfungsgesetz von 1951)1416 ohne Rechtsfolgen (BVerfGE 1, 430 (433); 4, 370 (372 ff.); 22, 277 (280); 35, 300 (302); 37, 84 (89); 48, 271 (280); 58, 175 (175 f.); 59, 119 (123))1417. Die Unverbindlichkeit (Nichtigkeit) der Rechtsakte durch Zuständigkeitsoder Verfahrensfehler wird differenziert gehandhabt. Die Unzuständigkeit des Gesetzgebers hat die Nichtigkeit der Gesetze zur Folge (etwa BVerfGE 55, 274 (318))1418. Schwere Zuständigkeitsfehler führen nach § 44 Abs. 2 Nr. 3 VwVfG zur Nichtigkeit von Verwaltungsakten1419. Schwere Verfahrensfehler sind meist auch offensichtlich und führen deswegen nach § 44 Abs. 1 VwVfG zur Nichtigkeit1420. § 46 VwVfG greift jedoch das Relevanzprinzip wie folgt auf: „Die Aufhebung eines Verwaltungsaktes, der nicht nach § 44 nichtig ist, kann nicht allein deshalb beansprucht werden, weil er unter Verletzung von Vorschriften über das Verfahren, die Form oder die örtliche Zuständigkeit zustandegekommen ist, wenn offensichtlich ist, daß die Verletzung die Entscheidung in der Sache nicht beeinflußt hat“.

1414

Metaphysik der Sitten, S. 345 f. Dazu H.-J. Papier, Der verfahrensfehlerhafte Staatsakt, 1973. 1416 Anders das Berliner Wahlprüfungsrecht 1975, vgl. OVGE 13, 244 ff. (Verfahrensbevollmächtigter K. A. Schachtschneider). 1417 Dazu L.-A. Versteyl, in: I. v. Münch/Ph. Kunig, Grundgesetz-Kommentar, Bd. 2, 2. Aufl. 1983, Art. 41, Rdn. 3. 1418 Zur Nichtigkeit von gesetzwidrigen Normen F. Ossenbühl, Vorrang und Vorbehalt des Gesetzes, HStR, Bd, IV, 1988, § 62, Rdn. 6. 1419 Dazu F. O. Kopp/H. Ramsauer, Verwaltungsverfahrensgesetz, 7. Aufl. 2000, § 44, Rdn. 14 ff. 1420 Vgl. F. O. Kopp/H. Ramsauer, Verwaltungsverfahrensgesetz, § 44, Rdn. 18 ff. 1415

V. Rechtsfolgen von Zuständigkeits- und Verfahrensfehlern

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Ob eine andere Entscheidung in der Sache hätte getroffen werden müssen, hängt davon ab, daß die Verwaltung Entscheidungsspielräume, die Ermessensbefugnis etwa, hatte oder daß sie in jeder Weise rechtlich gebunden war1421.

1421 Vgl. F. O. Kopp/H. Ramsauer, Verwaltungsverfahrensgesetz, § 46, Rdn. 32; P. Badura, Das Verwaltungsverfahren, in: H.-U. Erichsen (Hrsg.), Allgemeines Verwaltungsrecht, 11. Aufl. 1998, § 38, Rdn. 34, S. 533 f.

15. Kapitel

Amts- und Dienstprinzip I. Amt und Dienst 1. Republikanisches Amtsprinzip Die Gesetzgebung, die vollziehende Gewalt und die Rechtsprechung müssen so eingerichtet sein, daß sie ihre Aufgaben der Gesetzgebung, des Gesetzesvollzuges und der Rechtsprechung erfüllen können. Das verlangt nach der Einrichtung von Ämtern, in denen Abgeordnete (Mandatsträger), Beamte und Richter ihres Amtes walten. Das republikanische Amtsprinzip dient der Rechtlichkeit und der Gesetzlichkeit und ist darum im Rechtsstaat unverzichtbar. Der Vollzug der Gesetze und die Rechtsprechung sind „in der Regel den Angehörigen des öffentlichen Dienstes zu übertragen, die in einem öffentlich-rechtlichen Dienstund Treueverhältnis stehen“; denn sie sind „Ausübung hoheitsrechtlicher Befugnisse“ (Art. 33 Abs. 4 GG). Die Praxis und die dieser folgende Lehre subsumiert nur den Vollzugsdienst, also die Beamten, unter Art. 33 Abs. 4 GG (vgl. BVerfGE 6, 376 (385); 35, 79 (147); 88, 103 (124))1422. Fraglos gelten die anderen Absätze des Art. 33 GG auch für die Richter (BVerfGE 38, 139 (151) für Abs. 5; vgl. auch BVerfGE 56, 146 (165 f.)). Auf Abgeordnete und sonstige Wahlämter wird Art. 33 GG entgegen dem Wortlaut nicht angewandt, zu Unrecht, soweit sich aus der Periodizität der Wahlen und aus den Mandatsprinzipien nicht Besonderheiten ergeben, wie sie etwa Art. 38 GG regelt; denn auch und vor allem die Auslese der Mandatsträger (Abgeordneten) unterliegt in der Republik dem Prinzip der Bestenauslese des Art. 33 Abs. 2 GG1423. Das Amtsprinzip des Art. 33 GG ist im Republikprinzip des Art. 20 Abs. 1 und Art. 28 Abs. 1 S. 1 GG verankert1424. Es ist notwendig, wenn Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit Wirklichkeit sein sollen; denn Freiheit verwirklicht sich im 1422 Vgl. J. Isensee, Öffentlicher Dienst, HVerfR, § 32, Rdn. 50 ff.; H. Lecheler, Der öffentliche Dienst, HStR, Bd. III, § 72, Rdn. 26 ff. 1423 K. A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 662 ff., 679 ff., 1064 ff. 1424 H. Krüger, Allgemeine Staatslehre, S. 253 ff.; W. Henke, Die Republik, HStR, Bd. I, 1987, § 21, Rdn. 18, 25; ders., Recht und Staat, S. 387 ff.; J. Isensee, Gemeinwohl und Staatsaufgaben im Verfassungsstaat, HStR, Bd. III, 1989, § 57, Rdn. 60 ff., 100 ff.; K. A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 57, 152, 226 f., 612, 620 ff., 659 ff., 674 ff., 810 ff., 1077, 1159, 1175.

I. Amt und Dienst

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Recht und Recht bedarf des Staates. Staatlichkeit im institutionellen Sinne ist Amtlichkeit. Die strikte Einhaltung zumal dezentraler Amtszuständigkeiten schafft nicht nur bürokratisch Ordnung, sondern dient der funktionalen Begrenzung der Amtsgewalt, welche die Freiheit gegen Amtsmacht schützt. Die Zentralisierung von Befugnissen in den Händen weniger Amtswalter stärkt die Herrschaftsmöglichkeiten der Amtswalter. Im übrigen ist jeder Mißbrauch des Amtes zur Herrschaft ein Verbrechen gegen die Freiheit. Das republikanische Amtsprinzip legt aber auch aus Gründen der materiellen Kompetenz, der Fähigkeit der Amtswalter zur Aufgabenbewältigung also, die vielfältige Teilung der Aufgaben nahe. Art. 33 Abs. 4 GG wird dadurch verletzt, daß der größere Teil des öffentlichen Dienstes nicht im Beamten-, sondern im privatistischen Angestelltenverhältnis tätig wird. Das ist durch die Worte „in der Regel“ nicht gerechtfertigt, welche in Ausnahmefällen die Übertragung staatlicher Befugnisse auf Personen erlauben will, die nicht „Angehörige des öffentlichen Dienstes“ sind. Dafür gibt es praktische Gründe. Hinzuweisen ist auf Schiffs- und Flugkapitäne, denen wegen der besonderen Situation „hoheitsrechtliche Befugnisse“ durch Gesetze überantwortet sind (§§ 70 Nr. 3 PStG, §§ 45 ff. VO zur Ausführung des Personenstandsgesetzes i. d. F. vom 25.2.1977 (BGBL III/FNA 211-1-1)). Art. 137 Abs. 1 GG kennt die „Angestellten des öffentlichen Dienstes“, rechtfertigt aber nicht privatrechtliche Dienstverhältnisse. Angestelltenverhältnisse können auch öffentlich-rechtlich, also amtsgemäß, gestaltet werden. Dem republikanischen Amtsprinzip gemäß ordnet das Grundgesetz in Art. 33 Abs. 5 GG an, daß der öffentliche Dienst „unter Berücksichtigung der hergebrachten Grundsätze des Berufsbeamtentums zu regeln“ sei. Diese Bestimmung will das Bundesverfassungsgericht für die privatrechtlichen Arbeitsverhältnisse im öffentlichen Dienst nicht gelten lassen (BVerfGE 3, 102 (186)), im übrigen auch nicht für die Berufssoldaten (BVerfGE 3, 288 (334); u. ö.). 2. Materielle Kompetenz der Amtswalter Der Gesetzesvollzug und die Rechtsprechung, aber auch und insbesondere die Gesetzgebung müssen sachkundig bewältigt werden1425. Die Befähigung der Amtswalter muß deren Aufgaben genügen. Das setzt wie bei den Aufgaben der Berufsrichter1426 vielfach die wissenschaftliche Befähigung der Amtswalter voraus. Wenn auch prinzipiell „jeder Deutsche gleichen Zugang zu jedem öffentlichen Amt“ hat1427 („ohne Rücksicht auf Geschlecht, Abstammung, Rasse, Glauben, religiöse oder persönliche Anschauungen, Herkunft oder Beziehungen“, § 7 1425 1426 1427

Dazu K. A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 674 ff. Dazu 7. Kap., II, 1. J. Isensee, Öffentlicher Dienst, HVerfR, § 32, Rdn. 41 f., S. 1545 f.

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15. Kap.: Amts- und Dienstprinzip

BRRG), so beschränkt das Grundgesetz in Art. 33 Abs. 2 dieses Prinzip doch republikanisch dahin, daß ein Amt nur ausüben darf, wer dazu geeignet und befähigt ist und die fachliche Leistung zu erbringen verspricht (Leistungsgrundsatz)1428. Vor allem dieses Prinzip wird im demokratistischen Parteienstaat, dessen wichtigstes Herrschaftsmittel die Ämterpatronage1429 ist, mißachtet. Mit dem Amtsprinzip der Republik ist das Kompetenzprinzip verbunden. Das plebejische Prinzip fragt nicht nach der fachlichen Befähigung von Mandatsträgern oder Amtswaltern, sondern hält jeden Bürger für amtsfähig. Dieses Prinzip ist durch das passive allgemeine Wahlrecht Praxis. Jeder Deutsche darf, abgesehen von engen Ausnahmen (etwa § 15 BWahlG) nach dem einfachgesetzlichen Wahlrecht Abgeordneter werden1430. Jeder darf sogar, gänzlich unabhängig von seiner Befähigung, einer Regierung angehören. Das republikanische Amtsprinzip, das in Art. 33 Abs. 2 GG materialisiert ist, macht die Amtsfähigkeit der Bürger demgegenüber von deren „Eignung, Befähigung und fachlicher Leistung“ abhängig1431. Prinzipiell sollen die Besten die Ämter ausüben1432. Art. 33 Abs. 2 GG sollte auch auf das Amt des Abgeordneten und auch das des Regierungsmitgliedes angewandt werden. In der Demokratie vertraut man auf die Bestenauslese durch Wahlen. Das ist richtig, wenn das Auswahlverfahren der Bestenauslese eine reale Chance läßt. Die Kandidatenaufstellung der Parteien führt jedoch zur strukturellen Negativauslese der Abgeordneten1433. Auch die Nomination muß Sache des ganzen Volkes sein und muß der Parteienoligarchie, welche durch das verfassungswidrige faktische Nominationsmonopol1434, aber auch durch das Verhältniswahlsystem1435 privilegiert und stabilisiert ist, aus der Hand genommen werden1436. Eine Republik muß und darf kein Parteienstaat sein1437.

1428 Dazu H. Lecheler, Der öffentliche Dienst, HStR, Bd. III, § 72, Rdn. 58; J. Isensee, Öffentlicher Dienst, HVerfR, § 32, Rdn. 34, 38 ff., S. 1542 f., 1544 f.; K. Köpp, Öffentliches Dienstrecht, Rdn. 64 ff., S. 413 ff. 1429 Hinweise in Fn. 828. 1430 Zur passiven Wahlgleichheit H. Mayer, Wahlgrundsätze und Wahlsystem, HStR, Bd. II, 1987, § 38, Rdn. 25. 1431 BVerfGE 96, 152 (163); dazu H. Lecheler, Der öffentliche Dienst, HStR, Bd. III, § 72, Rdn. 18 ff.; J. Isensee, Öffentlicher Dienst, HVerfR, § 32, Rdn. 34 ff. 1432 K. A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 662 ff., 679 ff., 1064 ff. 1433 K. A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 1064 ff., 1115; R. Wassermann, Die Zuschauerdemokratie, S. 112 ff.; weitere Hinweise in Fn. 1462. 1434 Dazu K. A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 123, 677, 1113 ff.; zum rechtlichen Nominationsmonopol BVerfGE 41, 399 (412 ff.); K. A. Schachtschneider, Das Nominationsmonopol der Parteien in Berlin, JR 1975, 89 ff.; Wahlprüfungsgericht Berlin NJW 1976, 560 ff. 1435 K. A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 1147 ff. 1436 K. A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 679 ff.

I. Amt und Dienst

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Für die Ämter der Rechtsprechung und weitgehend für die der vollziehenden Gewalt ist das Prinzip der Bestenauslese Rechtspraxis1438. Ein Bewerber hat ein subjektives Recht auf Bestenauslese1439. Die Befähigung zum Richteramt erreicht ein Bürger, abgesehen von seiner Ausstattung und seiner Sozialisation durch Schule und Studium, weitgehend durch eigenen Einsatz. Um der Freiheit willen müssen strengste Anforderungen in den rechtswissenschaftlichen Prüfungen (die zu juristischen Prüfungen abgesunken sind1440) gestellt werden, damit nicht Bürger Richter werden können, die der staatserheblichen Aufgabe ethisch nicht gewachsen sind. Die Befähigung zum Vollzugsdienst setzt gemäß den Laufbahnregelungen regelmäßig eine spezifische Ausbildung, für den gehobenen und höheren Dienst meist ein Studium (Fachhochschule bzw. Universität), voraus (vgl. § 4 BRRG). Wenn der Staat nicht über das Personal verfügt, welches die erforderlichen Fähigkeiten besitzt, muß er sich die Leistungen am Markt beschaffen. Ist der Staat etwa zur Bewältigung der Aufgaben gemäß dem Stand von Wissenschaft und Technik verpflichtet, wie im Verfahren der Genehmigung von gefährlichen Anlagen, insbesondere nach § 7 AtomG, so muß er sich Kenntnisse über die Theorien der relevanten Wissenschaften als dem Stand der Wissenschaft und von der technischen Praxis als dem Stand der Technik von den Fachwissenschaftlern und Fachleuten vermitteln lassen1441. Er darf sich nicht mit dem Wissensstand seiner Beamten und Angestellten begnügen. 3. Diensttarife und Dienststreik a) Diensttarife Auch öffentlich Bedienstete, seien es Beamte oder (öffentlich-rechtlich) Angestellte, haben das Recht, die Dienstverhältnisse durch Tarifverträge zu regeln, also die Tarifautonomie; denn alle Dienstnehmer können sich auf die Koalitionsfreiheit des Art. 9 Abs. 3 GG berufen („jedermann“ und „alle Berufe“)1442. Die Praxis regelt die Dienstverhältnisse der Beamten durch Gesetz, insbeson1437 Dazu K. A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 772 ff., 1054 ff.; ders., Der republikwidrige Parteienstaat, FS H. Quaritsch, S. 141 ff. 1438 BVerwGE 24, 235 (239); OVG Schleswig, NJW 2001, 3495 ff.; vgl. J. Isensee, Öffentlicher Dienst, HVerfR, § 32, Rdn. 35; vgl. auch BVerfGE 11, 203 (215 f.). 1439 OVG Schleswig, NJW 2001, 3495 (3498 ff.). 1440 Dazu E. Kaufmann, Die Gleichheit vor dem Gesetz im Sinne des Art. 109 der Reichsverfassung, VVDStRL 3 (1927), S. 22: „Die bloße technische Rechtswissenschaft ist eine Hure, die für alle und zu allem zu haben ist.“; vgl. auch Kant, Metaphysik der Sitten, S. 336, zur „bloß empirischen Rechtslehre“; dazu K. A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 974 f. 1441 Dazu K. A. Schachtschneider, Der Rechtsbegriff „Stand von Wissenschaft und Technik“, S. 126 ff., 137 f.

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15. Kap.: Amts- und Dienstprinzip

dere durch Bundesgesetze (Beamtenrechtsrahmengesetz, Bundesbeamtengesetz, Bundesbesoldungsgesetz, Bundesdisziplinarordnung, Landesbeamtengesetze). In Ausnahmefällen sind im Rahmen der Gesetze individuelle Dienstverträge vorgesehen, etwa mit Universitätsprofessoren aufgrund von Berufungsverhandlungen, für Mitglieder des Direktoriums der Deutschen Bundesbank (§ 7 Abs. 4 S. 2 BBankG). Tarifverträge gibt es für Beamte nicht. Die Dienstverhältnisse der privatheitlich beschäftigten Arbeitnehmer des öffentlichen Dienstes sind demgegenüber weitestgehend durch Tarifverträge geregelt (etwa Bundesangestelltentarif, Landesangestelltentarife). Wesensgehalt der Koalitionsfreiheit ist die Unantastbarkeit der Tarifautonomie in deren Kern (vgl. BVerfGE 4, 96 (110); st. Rspr.; BVerfGE 50, 290 (368 f.); 84, 212 (225); 88, 212 (228); 93, 352 (358 ff.); 94, 268 (283); 100, 217 (282 ff.))1443. Die Tarifautonomie ist ein Menschenrecht (Art. 8 Abs. 1 lit. c und d IPwirtR). Sie darf den Beamten nicht vorenthalten werden. Das menschenrechtliche Grundrecht des Art. 9 Abs. 3 GG ist als Leitentscheidung der Dienstrechtsordnung stärker als die Pflicht des Gesetzgebers, bei der Regelung des Rechts des öffentlichen Dienstes die „hergebrachten Grundsätze des Berufsbeamtentums“ zu berücksichtigen (Art. 33 Abs. 5 GG). Es gibt außer der Tradition keinen Grund, den öffentlichen Dienst in zwei Gruppen zu teilen und diese in vielerlei Hinsicht unterschiedlich zu behandeln (a. A. im Ergebnis BVerfGE 44, 249 (262 f.))1444. Die dienstrechtliche Tradition hat gemäß Art. 33 Abs. 5 GG nur relative Relevanz. b) Dienststreik Den (privatheitlichen) Arbeitnehmern des öffentlichen Dienstes wird erlaubt, um der Diensttarife willen in den Streik zu treten (BVerfGE 88, 103 (144))1445. Beamten wird in der Praxis und überwiegend in der Lehre ein Streikrecht nicht zugestanden (RGSt 56, 419 (422); 59, 149 (151); BVerfGE 8, 1 (17); 44, 249 (264); auch BVerfGE 88, 103 (144))1446. Ein Streik des öffentlichen Dienstes 1442 BVerfGE 19, 303 (322); 88, 103 (114); BVerwGE 59, 48 (54); J. Isensee, Öffentlicher Dienst, HVerfR, § 32, Rdn. 82; K. A. Schachtschneider, Streik im öffentlichen Dienst, S. 260 ff. (265 f.). 1443 Dazu K. A. Schachtschneider, Streik im öffentlichen Dienst, S. 221 ff. 1444 K. A. Schachtschneider, Streik im öffentlichen Dienst, S. 216 ff., 260 ff. 1445 W. Däubler, Der Streik im öffentlichen Dienst, 2. Aufl. 1971, S. 21 ff., 94 ff.; vgl. K. A. Schachtschneider, Streik im öffentlichen Dienst, S. 269 ff. mit weiteren Hinweisen. 1446 J. Isensee, Öffentlicher Dienst, HVerfR, § 32, Rdn. 51, 63 ff., 71; ders., Beamtenstreik, 1971, passim, insb. S. 83 ff.; H. Lecheler, Der öffentliche Dienst, HStR, Bd. III, § 72, Rdn. 87; K. Köpp, Öffentliches Dienstrecht, Rdn. 42 ff., S. 402 ff.; kritisch F. Farthmann/M. Coen, Tarifautonomie, Unternehmensverfassung und Mitbestimmung, HVerfR, 2. Aufl. 1994, § 19, Rdn. 158 ff.; W. Däubler, Der Streik im öffentlichen Dienst, S. 66 ff.; dazu K. A. Schachtschneider, Streik im öffentlichen Dienst, S. 274 f., auch zum folgenden.

I. Amt und Dienst

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verletzt die stetige Verpflichtung der Verwaltung, den Vollzug der Gesetze sicherzustellen. Obwohl auch die öffentlich Bediensteten sich auf die Koalitionsfreiheit des Art. 9 Abs. 3 GG berufen können (BVerfGE 19, 303 (322); 88, 103 (119)), darf ihnen der staatliche Dienstherr ein Streikrecht nicht zubilligen. Ein solches Streikrecht würde der Gesetzesvollzugspflicht des Grundgesetzes, aber auch den „hergebrachten Grundsätzen des Berufsbeamtentums“, die bei der Regelung des Rechts des öffentlichen Dienstes zu berücksichtigen sind, widersprechen1447. Wenn Aufgaben, die der Staat übernommen hat, für das gemeinsame Leben nicht wichtig genug sind, als daß sie jederzeit erfüllt werden müßten, gebietet das Privatheitsprinzip, daß sie materiell privatisiert werden1448. Der Arbeitskampf kommt nur für privatheitliche Tarifverhältnisse in Betracht. Der Arbeitskampf des öffentlichen Dienstes ist staatswidrig. Keinesfalls darf der Staat Aufgaben übernehmen, um den Dienstnehmern wünschenswerte Dienstverhältnisse zu schaffen. Derartige Maßnahmen widersprechen dem Wirtschaftlichkeitsprinzip des Steuerstaates (Art. 114 Abs. 2 S. 1 GG)1449. Allein das Wohl der Allgemeinheit rechtfertigt die Übernahme von Aufgaben durch den Staat, nicht das besondere Interesse des Personals. Das Prinzip der Gesetzlichkeit verbietet es dem Staat es zuzulassen, daß der Gesetzesvollzug um der Durchsetzung tariflicher Interessen willen ausgesetzt wird. Der (zulässige) Einsatz von Beamten im Falle eines Streiks im öffentlichen Dienst (BVerwGE 69, 208 ff.) genügt nicht, um den ordnungsgemäßen Gesetzesvollzug sicherzustellen; denn die Beamten werden an anderer Stelle benötigt. Schließlich haben sie Planstellen mit bestimmten Aufgaben. Die Streikfreiheit, welche durch Art. 9 Abs. 3 GG geschützt wird1450, gibt nicht schon ein Streikrecht. Das Streikrecht beruht auf den Tarifverträgen. Es folgt aus dem Ende der tarifvertraglichen Bindung und damit der Friedenspflicht durch Fristablauf oder Kündigung des Tarifvertrages. Dadurch entsteht ein offener Dissens (§ 154 BGB), der die Hauptleistungspflichten des Arbeitsvertrages bis zum Abschluß eines neuen Tarifvertrages suspendiert. Freilich darf aus der Logik des Tarifvertragssystems, das einen neuen Tarifvertag erfordert, den nur die Tarifpartner schließen können, auch der Dissens nur kollektiv von der Gewerkschaft geltend gemacht werden, also nur durch kollektive Maßnahmen, insbesondere Streik, die von der Gewerkschaft organisierte gemeinschaftliche Arbeitsniederlegung. Während des Interims ist der alte Tarifvertrag anzuwenden (§ 4 Abs. 5 1447 I. d. S. R. Scholz, Koalitionsfreiheit, HStR, Bd. VI, 1989, § 151, Rdn. 110, J. Isensee, Öffentlicher Dienst, HVerfR, § 32, Rdn. 76 f.; H. Lecheler, Der öffentliche Dienst, HStR, Bd. III, § 72, Rdn. 137; K. A. Schachtschneider, Streik im öffentlichen Dienst, S. 269 ff., 274 f. 1448 Dazu K. A. Schachtschneider, Der Anspruch auf materiale Privatisierung, S. 67 ff., passim. 1449 Dazu K. Vogel, Der Finanz- und Steuerstaat, HStR, Bd. I, 1987, § 27, Rdn. 51 ff., 69 ff.; G. Kisker, Staatshaushalt, HStR, Bd. IV, § 89, Rdn. 53, 102, 111. 1450 K. A. Schachtschneider, Streik im öffentlichen Dienst, S. 244 ff.

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15. Kap.: Amts- und Dienstprinzip

TVG)1451. Der Staat darf sich nicht auf Tarifverträge einlassen, welche das Prinzip der Gesetzlichkeit einschränken. Er darf also den privatrechtlich Bediensteten kein Streikrecht einräumen1452. Seine Tarifverträge müssen verbindliche Schlichtungsverfahren einrichten.

II. Amtswalter Der Status der Amtswalter einschließlich der Mandatsträger muß ihren besonderen Funktionen bei der Ausübung der Staatsgewalt entsprechen. Die Richter sind im 10. Kapitel zu II behandelt. 1. Abgeordnete als Mandatsträger a) Art. 38 Abs. 1 S. 2 GG definiert die Abgeordneten des Bundestages als „Vertreter des ganzen Volkes, an Aufträge und Weisungen nicht gebunden und nur ihrem Gewissen unterworfen“1453. Die Abgeordneten sind somit nicht Vertreter von Parteien oder Verbänden. Die parteienstaatliche Entwicklung, die im sogenannten neuen Dualismus von Regierungsmehrheit und Opposition und in den Fraktionen ihren institutionellen Ausdruck findet1454, ist mit Art. 38 Abs. 1 S. 2 GG unvereinbar. Sie wird auch nicht durch Art. 21 Abs. 1 S. 1 GG gerechtfertigt (a. A. BVerfGE 1, 208 (224 ff.), 4, 144 (149 ff.), st. Rspr., BVerfGE 80, 188 (217 ff.)); denn das Grundgesetz gesteht den Parteien lediglich zu, „bei der politischen Willensbildung des Volkes mitzuwirken“, mehr nicht1455. Der entwickelte Parteienstaat steht im Widerspruch zur freiheitlichen Staatsform der Republik und verletzt das Grundgesetz1456. b) Das Parlament und damit alle Abgeordneten haben die Aufgabe, zu erkennen, welche Gesetze für das gute Leben aller in allgemeiner Freiheit auf der Grundlage der Wahrheit richtig sind1457. Sie sollen stellvertretend für das Volk Vernunft walten lassen. Das erfordert um der Sittlichkeit (praktischen Vernunft) der Politik willen die Moralität der Abgeordneten, welche durch die parteiliche 1451

Zum Ganzen K. A. Schachtschneider, Streik im öffentlichen Dienst, S. 255 ff. K. A. Schachtschneider, Streik im öffentlichen Dienst, S. 269 f., 274 f. 1453 Dazu K. A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 637 ff., 707 ff., 772 ff.; K. Stern, Staatsrecht I, S. 1069 ff.; H. H. Klein, Status des Abgeordneten, HStR, Bd. II, 1987, § 41, Rdn. 2 f. 1454 Dazu 9. Kap., II, 3. 1455 K. A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 772 ff., 1045 ff., 1054 ff. 1456 K. A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 592 ff., 772 ff., 1060 ff., 1086 ff., 1113 ff.; ders., Der republikwidrige Parteienstaat, FS H. Quaritsch, S. 141 ff., auch zum folgenden; E. K. Scheuch, Von der Demokratie zum Parteienstaat, in: R. v. Schrenck-Notzing (Hrsg.), Freiheit braucht Mut, 1997, S. 69 ff. 1457 K. A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 644 ff., 666 ff., 707 ff. 1452

II. Amtswalter

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Bindung untergraben wird. Gewissensbindung und Parteilichkeit sind unvereinbar; denn das Gewissen ist der Gerichtshof der Sittlichkeit1458. Die richtigen Gesetze, also die Gesetze des Rechts, oder eben die Politik der praktischen Vernunft können die Abgeordneten nur ermitteln, wenn sie darüber öffentlich diskutieren. Diskussion und Öffentlichkeit sind die Prinzipien, welche es erlauben, das politisch Richtige zu erkennen1459. Moralität ist nicht erzwingbar1460. Gerade weil die Moralität nicht erzwingbar ist, haben die Abgeordneten die Möglichkeit, sich fremdbestimmen zu lassen. Sie mißbrauchen verfassungswidrig ihr Mandat1461. Ihre durch die Parteilichkeit verformten Persönlichkeiten lassen sie es ertragen, sich von ihren Parteiführern abhängig zu machen, welche ihnen Mandate und Ämter vermitteln können. Es gibt jedoch nur einen Weg zur Republik: die Moralität der Bürger und der Vertreter des ganzen Volkes. Solange sich die Bürger um die Abgeordneten, die sie in die Parlamente entsenden, nicht kümmern, sondern ihre Wahl nach Interessen ausrichten, welche Parteiführer zu bedienen versprechen, ist nicht zu erwarten, daß Persönlichkeiten mit aufrechtem Gang in den Parlamenten zu finden sind. Die Negativauslese parteienstaatlicher Abgeordneter ist ein Teil des ehernen Gesetzes der Oligarchie, welches Robert Michels bereits 1911 beschrieben hat1462. Dennoch formuliert Art. 38 Abs. 1 S. 2 GG bestmöglich das Prinzip des republikanischen Parlamentarismus1463. Wenn die Abgeordneten Vertreter des ganzen Volkes werden sollen, ist es notwendig, den Parteien das faktische Monopol der Kandidatenaufstellung zu nehmen und Mandatsträgern die wiederholte Mitgliedschaft im Parlament zu verweigern1464. Auch die Indemnität und die Immunität, welche Art. 46 GG den Abgeordneten im Interesse der Funktionsfähigkeit des Parla1458

Kant, Metaphysik der Sitten, Tugendlehre, S. 517 ff. K. A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 560 ff., 584 ff.; vgl. C. Schmitt, Die geistesgeschichtliche Lage des heutigen Parlamentarismus, 1923, 4. Aufl. 1969, S. 7 ff., 41 ff., 61 ff.; ders., Legalität und Legitimität, 1932, 2. Aufl. 1968, S. 7 ff., 20 ff., 88 ff.; ders. Verfassungslehre, 1928, 4. Aufl. 1965, S. 315. 1460 Kant, Metaphysik der Sitten, S. 508, 512, auch S. 338 f.; K. A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 214, 231, 265, 309, vgl. auch S. 978 ff.; ders., Freiheit in der Republik, 2. Kap., VII, 7. Kap., II; ders., Staatsunternehmen und Privatrecht, S. 127. 1461 Dazu K. A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 592 ff., 772 ff. (810 ff.), 1060 ff., 1084 ff., 1193 ff. 1462 Zur Soziologie des Parteienwesens in der modernen Demokratie, S. 439; ebenso M. Weber, Wirtschaft und Gesellschaft. Grundriß der verstehenden Soziologie, ed. Johannes Winkelmann, 5. Aufl. 1972, S. 838 ff.; C. Schmitt, Die geistesgeschichtliche Lage des heutigen Parlamentarismus, S. 8; K. Jaspers, Wohin treibt die Bundesrepublik?, S. 213; R. Wassermann, Die Zuschauerdemokratie, S. 112 ff.; E. K. Scheuch, Cliquen, Klüngel und Karrieren. Über den Verfall der politischen Parteien. Eine Studie, 1992, S. 109 ff., 116 ff., 122 ff., 126 ff., 148 ff.; K. A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 802, 1064 ff., 1078, 1080, 1115 ff., 1150, 1154, 1156. 1463 Dazu K. A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 772 ff., insb. S. 810 ff. 1464 Vgl. K. A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 1147 ff. 1459

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15. Kap.: Amts- und Dienstprinzip

ments gewährt1465, verlieren ihren Sinn, wenn die Abgeordneten Parteibeauftragte sind. 2. Beamte im Vollzugsdienst a) „Die Ausführung hoheitsrechtlicher Befugnisse ist als ständige Aufgabe in der Regel Angehörigen des öffentlichen Dienstes zu übertragen, die in einem öffentlich-rechtlichen Dienst- und Treueverhältnis stehen“, schreibt Art. 33 Abs. 4 GG vor (Funktionsvorbehalt)1466. „Das Recht des öffentlichen Dienstes ist unter Berücksichtigung der hergebrachten Grundsätze des Berufsbeamtentums zu regeln“, fügt Absatz 5 dieser Vorschrift hinzu1467. Diese Regelungen des Amtsprinzips sind durch das Republikprinzip des Art. 20 Abs. 1 GG geboten und gesichert1468. Die in diesen Regelungen gemeinte Aufgabe ist vor allem der Gesetzesvollzug. Der sachgerechte, d.h. der gesetzesgemäße, aber auch rechtmäßige Gesetzesvollzug muß sichergestellt werden. Dementsprechend müssen die Dienstverhältnisse der Amtswalter, die mit dieser Aufgabe betraut sind, ausgestaltet sein. b) Das Grundgesetz hat das herkömmliche Beamtenverhältnis zum Vorbild der Ordnung des öffentlichen Dienstes gemacht, weil Beamte den Gesetzesvollzug am besten gewährleisten. Die Amtsverhältnisse sind an der republikanischen Aufgabe des rechtmäßigen Gesetzesvollzuges ausgerichtet und sollen deswegen die hergebrachten Grundsätze des Berufsbeamtentums berücksichtigen. Diese Grundsätze gehen aber nicht den Grundrechten, auf die sich auch die öffentlich Bediensteten berufen können, vor. Auch Beamte können darum die Tarifautonomie, die Art. 9 Abs. 3 GG im Kern schützt, in Anspruch nehmen (a. A. BVerfGE 4, 96 (107); 8, 1 (16) auch BVerfGE 88, 103 (114))1469, freilich ohne das Streikrecht (vgl. I 3 b). Vor allem muß das öffentliche Dienstrecht die Unabhängigkeit des öffentlichen Dienstes von Parteien, Verbänden, Unternehmen usw. sicherstellen (Prinzip der Nicht-Identifikation, Neutralitätsprinzip)1470. Das erfordert prinzipiell die lebenszeitige Anstellung der Beamten, wenn diese 1465

Dazu H. H. Klein, Status des Abgeordneten, HStR, Bd. II, 1987, § 41, Rdn.

37 ff. 1466 Dazu H. Lecheler, Der öffentliche Dienst, HStR, Bd. III, § 72, Rdn. 23 ff.; J. Isensee, Öffentlicher Dienst, HVerfR, § 32, Rdn. 51 ff.; K. Köpp, Öffentliches Dienstrecht, Rdn. 11 f., S. 382 f. 1467 Dazu H. Lecheler, Der öffentliche Dienst, HStR, Bd. II, § 72, Rdn. 49 ff.; J. Isensee, Öffentlicher Dienst, HVerfR, § 32, Rdn. 62 ff.; K. Köpp, Öffentliches Dienstrecht, Rdn. 13 ff., S. 384 ff. 1468 Dazu I, 1. 1469 K. A. Schachtschneider, Streik im öffentlichen Dienst, S. 260 ff., 274 ff.; wie hier W. Däubler, Der Streik im öffentlichen Dienst, 2. Aufl. 1971, S. 143 ff.; a. A. J. Isensee, Öffentlicher Dienst, HVerfR, § 32, Rdn. 67; H. Lecheler, Der öffentliche Dienst, HStR, Bd. III, § 72, Rdn. 87.

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auch die Leistungsbereitschaft nicht notwendig fördert. Die Hauptaufgabe des Dienstrechtes ist die Abwehr der Korruption1471. Ein korrupter öffentlicher Dienst ist der Ruin der Gesetzlichkeit. Diese Aufgabe rechtfertigt es, den Beamten ein lebenszeitiges Dienstverhältnis einzuräumen, welches zudem amtsangemessen alimentiert ist (BVerfGE 8, 1 (14 ff.); 16, 94 (115); 21, 329 (345); 37, 167 (173); 44, 249 (265); 56, 146 (164); 71, 39 (62 f.); 76, 256 (295 ff.); 83, 89 (98); BVerwGE 101, 116 (121 f.))1472. Die negative Entwicklung der Besoldung des öffentlichen Dienstes gegenüber den Angestellten in den Unternehmen und gegenüber den Freiberuflern ist eine Gefahr für die Leistungsfähigkeit der vollziehenden Gewalt. Der öffentliche Dienst wird (abgesehen von Ausnahmen) nicht mehr verfassungsgemäß alimentiert. Ein Beispiel ist die Luftverkehrssicherheit. Es fanden sich zunehmend weniger Menschen, welche diese Aufgabe im Rahmen der beamtenmäßigen Alimentation des gehobenen Dienstes übernehmen wollten. Das Besoldungsrecht mußte flexibler gestaltet werden. Die Flugsicherung ist durch §§ 27a ff. des Zehnten Gesetzes zur Änderung des Luftverkehrsgesetzes vom 27.7.1992 (BGBl I 1370) privatisiert worden1473. Die Gehälter der Fluglotsen wurden in etwa verdoppelt. c) Jeder Angehörige des öffentlichen Dienstes muß erwarten lassen, daß er das Prinzip der Gesetzlichkeit wahren wird. Darum kann nur in das Beamtenverhältnis berufen werden, wer die Gewähr dafür bietet, daß er jederzeit für die freiheitliche demokratische Grundordnung im Sinne des Grundgesetzes eintritt (BVerfGE 39, 344 (346 ff.); BVerwGE 47, 330 ff.; 47, 365 ff.; 61, 176 (179 ff.); 62, 267 (270); 73, 263 (286); 76, 157 (171); 86, 99 (124); BGHZ 73, 46 (51))1474, und im übrigen die für seine Laufbahn vorgeschriebene Vorbildung besitzt (§ 4 BRRG). Die Verfassungstreue ist eine demokratische Anforderung 1470 Dazu H. Krüger, Allgemeine Staatslehre, S. 178 ff., 205 f., 251 f. u. ö.; K. Schlaich, Neutralität als verfassungsrechtliches Prinzip, 1972, S. 236 ff.; J. Rawls, Eine Theorie der Gerechtigkeit, 1975, S. 34 ff. (Schleier des Nichtwissens); K. A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 626 ff., 661 f. 1471 Vgl. zur (zunehmenden) Korruption im europäisierten und globalisierten Deutschland B. Kumar/J. Graf/H. Zeiss, Multinationale Unternehmen und internationale Korruption: Steuerungsdefizite des rechtlichen Rahmens und betriebswirtschaftliche Preisinterventionsmaßnahmen, in: K. A. Schachtschneider u. a. (Hrsg.), Transport – Wirtschaft – Recht, GS J. G. Helm, 2001, S. 489 ff.; dazu auch die Beiträge im Kursbuch Korruption, Rowohlt, Juni 1995, Heft 120, insb. W. Stenke, Staatsdiener, S. 29 ff.; A. Martiny, Korruption – wuchernder Krebsschaden in der Gesellschaft, in: Aus Politik und Zeitgeschichte, B 32–33/2001, S. 3 ff.; M. Röber, Das Parteibuch – Schattenwirtschaft der besonderen Art?, ebenda, S. 6 ff.; M. H. Wiehen, Kontrollinstrumentarien der Korruptionsprävention und -bekämpfung in Deutschland, ebenda, S. 15 ff.; K. Renken/W. Jenke, Wirtschaftskriminalität im Einigungsprozeß, ebenda, S. 23 ff.; W. Hetzer, Organisierte Kriminalität und Korruption, ebenda, S. 30 ff. 1472 J. Isensee, Öffentlicher Dienst, HVerfR, § 32, Rdn. 68; H. Lecheler, Der öffentliche Dienst, HStR, Bd. III, § 72, Rdn. 54. 1473 Dazu H.-P. Trampler, Verfassungs- und unternehmensrechtliche Probleme der bundesdeutschen Flugsicherung, 1993, insb. S. 52 ff.

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15. Kap.: Amts- und Dienstprinzip

an die Angehörigen des öffentlichen Dienstes, weil der Gesetzesvollzug nicht sichergestellt ist, wenn nicht jeder einzelne Staatsdiener mit allen Kräften bemüht ist, seiner Aufgabe zu genügen. Das Volk muß als seine Vertreter nicht Menschen dulden, welche die Verfassung und damit das grundlegende Prinzip der Gesetzlichkeit ablehnen. Vollmacht setzt Vertrauen voraus. Das Kriterium des Vertrauens ist die Verfassungstreue. Klassisch formulieren §§ 35, 36, 37, 38 Abs. 1 BRRG die Grundpflichten des Beamten: § 35 (1) Der Beamte dient dem ganzen Volk, nicht einer Partei. Er hat seine Aufgabe unparteiisch und gerecht zu erfüllen und bei seiner Amtsführung auf das Wohl der Allgemeinheit Bedacht zu nehmen. Er muß sich durch sein gesamtes Verhalten zu der freiheitlichen demokratischen Grundordnung im Sinne des Grundgesetzes bekennen und für deren Einhaltung eintreten. (2) Der Beamte hat bei politischer Betätigung diejenige Mäßigung und Zurückhaltung zu wahren, die sich aus seiner Stellung gegenüber der Gesamtheit und aus der Rücksicht auf die Pflichten seines Amtes ergibt. § 36 Der Beamte hat sich mit voller Hingabe seinem Beruf zu widmen. Er hat sein Amt uneigennützig nach bestem Gewissen zu verwalten. Sein Verhalten innerhalb und außerhalb des Dienstes muß der Achtung und dem Vertrauen gerecht werden, die sein Beruf erfordert. § 37 Der Beamte hat seine Vorgesetzten zu beraten und zu unterstützen. Er ist verpflichtet, die von ihnen erlassenen Anordnungen auszuführen und ihre allgemeinen Richtlinien zu befolgen. Das gilt nicht für Beamte, die nach besonderer gesetzlicher Vorschrift an Weisungen nicht gebunden und nur dem Gesetz unterworfen sind. § 38 (1) Der Beamte trägt für die Rechtmäßigkeit seiner dienstlichen Handlungen die volle persönliche Verantwortung.

Diese Grundpflichten der Beamten, die zugleich Dienst- und Amtspflichten sind, bringen die Prinzipien des öffentlichen Dienstes zum Ausdruck, welche der Sache nach auch für die Abgeordneten gelten. Die Abgeordneten dürfen erst recht nicht parteiisch sein1475, weil sie die Gesetze geben, die nicht in dem Maße wie die Handlungen der Beamten gerichtlich überprüfbar sind. An die Stelle der Gesetzesbindung der Beamten tritt (weitgehend) die Gewissensbindung der Abgeordneten, d.h. deren Bindung an das Sittengesetz1476. d) Grundsätzlich dürfen in Deutschland nur Deutsche Beamte und Richter sein (Art. 33 Abs. 2 GG; § 4 Abs. 1 und 2 Nr. 1 BRRG; § 9 Nr. 1 DRiG)1477. Dieser Grundsatz ist im Interesse der Freizügigkeit der Unionsbürger für Beamte, nicht für Richter, weitgehend aufgelöst (§ 4 Abs. 1 Nr. 1 BRRG). Der 1474 Dazu J. Isensee, Öffentlicher Dienst, HVerfR, § 32, Rdn. 65; H. Lecheler, Der öffentliche Dienst, HStR, Bd. III, § 72, Rdn. 96 ff.; K. Köpp, Öffentliches Dienstrecht, Rdn. 37 ff., S. 399 ff. 1475 Dazu IV, 3. 1476 K. A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 810 ff., 637 ff., 707 ff. 1477 Dazu J. Isensee, Öffentlicher Dienst, HVerfR, § 32, Rdn. 41.

II. Amtswalter

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Europäische Gerichtshof sieht zum einen auch Beamte als Arbeitnehmer im Sinne der Arbeitnehmerfreizügigkeit des Art. 39 EGV an und reduziert zum anderen die Anwendungsausnahme des Absatz 4 dieser Vorschrift für die öffentliche Verwaltung auf Beamte, deren Stellen die „unmittelbare oder mittelbare Teilnahme an der Ausübung hoheitlicher Befugnisse und an der Wahrnehmung solcher Aufgaben mit sich bringen, die auf die Wahrung der allgemeinen Belange des Staates oder anderer öffentlicher Körperschaften gerichtet sind“ (EuGH v. 17.12.1980 – Rs. 149/79 (Kommission/Belgien), Slg. 1980, 3881; EuGH v. 2.7.1996 – Rs. C-473/93 (Kommission/Luxemburg), Slg. 1996, I-3207 (3250, Rdn. 2), u. ö.), etwa Bürgermeister, Landräte, Oberstudiendirektoren1478. Diese praktizistische Differenzierung ist abwegig. Der gesamte öffentliche Dienst ist hoheitlich tätig1479. Die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs ist ebenso vertrags- wie staatswidrig. 3. Arbeitnehmer im Vollzugsdienst Den skizzierten Prinzipien muß der gesamte Gesetzesvollzug unterliegen, die Verwaltung ohne jede Ausnahme, weil wegen des prinzipiell totalen Gesetzesvorbehalts die Exekutive durchgehend Gesetzesvollzug ist1480. Entgegen der Praxis und entgegen der Auffassung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfGE 3, 162 (186); i. d. S. auch BVerfGE 44, 249 (262 f.)) gilt Art. 33 Abs. 5 GG darum für den gesamten öffentlichen Dienst einschließlich der Bediensteten in vermeintlichen Privatrechtsverhältnissen, also der (privatistisch beschäftigten) Angestellten und Arbeiter des öffentlichen Dienstes1481. Die beamtenrechtlichen Prinzipien sind darauf ausgerichtet, daß die Gesetze sachgerecht vollzogen werden können. Es gibt keinen Grund, sie nicht durchgehend für den öffentlichen Dienst anzuwenden1482. Demgemäß sind die Pflichten der privatrechtlich Bediensteten des öffentlichen Dienstes weitgehend denen der Beamten angepaßt1483. In der Praxis gibt es längst mehr privatrechtlich beschäftigte Angestellte und Arbeiter im öffentlichen Dienst als Beamte (2002: 1.2008 Mio. Angestellte, 0,3976 Mio. Arbeiter, 1.2999 Mio. Beamte). Das Recht des öffent1478 Dazu H. Lecheler, Die Interpretation des Art. 48 Abs. 4 EWGV und ihre Konsequenzen für die Bediensteten im (nationalen) öffentlichen Dienst, 1990; J. Isensee, Öffentlicher Dienst, HVerfR, § 32, Rdn. 92 ff.; A. Emmerich-Fritsche, Einführung in das Wirtschaftsrecht der Europäischen Gemeinschaft, Lehrstuhlskript 2004, Die Personenfreizügigkeit, 3, h, cc, S. 79 ff. 1479 Dazu I, 1, II, 3, a, auch 10. Kap., IV, 2 und 3. 1480 Dazu 8. Kap., I, auch V, 10. Kap., IV. 1481 K. A. Schachtschneider, Streik im öffentlichen Dienst, S. 260 ff.; i. d. S. auch J. Isensee, Öffentlicher Dienst, HVerfR, § 32, Rdn. 73 ff.; a. A. K. Köpp, Öffentliches Dienstrecht, Rdn. 12, S. 383 (Sorge um „Über-Verbeamtung“(?)). 1482 K. A. Schachtschneider, Streik im öffentlichen Dienst, S. 260 ff. 1483 Vgl. K. Köpp, Öffentliches Dienstrecht, Rdn. 22 ff. (24), S. 391 ff.

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15. Kap.: Amts- und Dienstprinzip

lichen Dienstes zu vereinheitlichen, ist ein verbindliches Postulat der republikanischen Verfassung1484. Der Hauptzweck der Privatisierung des öffentlichen Dienstes ist es, im Interesse der Gewerkschaften des öffentlichen Dienstes den privatrechtlich beschäftigten Mitarbeitern des Staates den Arbeitskampf zu ermöglichen. Es ist Praxis, findet aber auch Widerspruch, daß Arbeiter und Angestellte des öffentlichen Dienstes streiken dürfen (BVerwGE 69, 208 (213 f.)), während umgekehrt die Praxis und die überwiegende Lehre den Beamten das Streikrecht versagt (BVerfGE 8, 1 (17))1485. 4. Soldaten Auch der Soldat ist im öffentlichen Dienst. „Staat und Soldaten sind durch gegenseitige Treue miteinander verbunden“ (§ 1 Abs. 1 S. 2 SoldatenG). Die Aufgabe des Soldaten definieren §§ 7, 8 SoldatenG: „Der Soldat hat die Pflicht, der Bundesrepublik Deutschland treu zu dienen und das Recht und die Freiheit des deutschen Volkes tapfer zu verteidigen“. „Der Soldat muß die freiheitliche demokratische Grundordnung im Sinne des Grundgesetzes anerkennen und durch sein gesamtes Verhalten für ihre Erhaltung eintreten.“

Das aufgabenspezifische Charakteristikum des Soldatenverhältnisses ist die Gehorsamspflicht des Soldaten1486, die ihre Grenze gegenüber Befehlen findet, welche die Menschenwürde verletzen, nicht zu dienstlichen Zwecken erteilt wurden oder durch deren Befolgung eine Straftat begangen werden würde (§ 11 SoldatenG). Ein Remonstrationsrecht besteht nicht. Der Vorgesetzte trägt die Verantwortung für seine Befehle (BVerwGE 46, 108 (114 f.)). § 15 Abs. 1 SoldatenG schreibt dem Soldaten strikte parteipolitische Neutralität vor: „Im Dienst darf sich der Soldat nicht zugunsten oder zuungunsten einer bestimmten politischen Richtung betätigen.“

Aber: „Das Recht des Soldaten, im Gespräch mit Kameraden seine eigene Meinung zu äußern, bleibt unberührt.“

Jede Meinungsäußerung ist freilich politisch; denn der Begriff der Meinung ist durch den Beitrag zur Wahrheit oder zur Richtigkeit definiert1487. Die herrschende Meinung vertritt freilich einen weiteren Meinungsbegriff, der alle Äußerungen zu Tatsachen und Werten umfaßt, aber Lügen ausschließt (BVerfGE 54, 208 (219 f.); 61, 1, (8 f.); vgl. auch BVerfGE 66, 116 (136, 149)).

1484 I. d. S. auch J. Isensee, Öffentlicher Dienst, HVerfR, § 32, Rdn. 73 ff., insb. Rdn. 79. 1485 Dazu I, 3 mit Hinweisen zu und in Fn. 1446. 1486 Dazu F. Kirchhof, Bundeswehr, HStR, Bd. III, 1988, § 78, Rdn. 37. 1487 K. A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 588, 608, 743, 1096.

III. Verantwortung der Amtswalter

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5. Professoren Die Dienstverhältnisse in den Hochschulen sind so zu gestalten, daß die Professoren das Grundrecht der Freiheit von Forschung und Lehre des Art. 5 Abs. 3 S. 1 GG wahrnehmen können (§ 3 Abs. 1 HRG). Die Wissenschaftsfreiheit jedenfalls der Universitätsprofessoren schließt dienstliche Weisungen aus, welche sich auf die Forschung und Lehre beziehen (vgl. BVerfGE 35, 79 (112); 47, 327 (367); 55, 37 (68); 57, 70 (94 f.); 90, 1 (11); BVerwGE 89, 346 (353); 102, 304 (309)). § 3 Abs. 2, 3 HRG formuliert das näher. Die Aufgaben der Universitätsprofessoren, nämlich die Forschung und Lehre1488, sind nicht typische Verwaltungsaufgaben. Die Unabhängigkeit gehört zum Begriff des Wissenschaftlers. Art. 5 Abs. 3 GG schützt die Freiheit der Wissenschaft, der Forschung und Lehre (vgl. BVerfGE 35, 79 (113), gerade auch der öffentlich bediensteten Universitätsprofessoren (BVerfGE 35, 79 (112); 95, 193 (209)1489. Diese sind folglich keine Beamten im engeren Sinne (i. d. S. BVerwGE 61, 200 (206)), sondern haben ein andersartiges öffentliches Amt, das außer Forschung und Lehre auch Prüfungen, Beratung und Verwaltung umfaßt (§ 43 HRG). Das Beamtenrecht ist mit einigen Besonderheiten auf die Professoren anwendbar (etwa Art. 12 BayHSchLG).

III. Verantwortung der Amtswalter für die Rechtmäßigkeit des Gesetzesvollzuges 1. Persönliche Verantwortung Die Verantwortung für die Rechtmäßigkeit des Gesetzesvollzuges haben ausweislich § 38 Abs. 1 BRRG, § 56 Abs. 1 BBG und den entsprechenden Landesbeamtengesetzen die Beamten (auch) persönlich1490. Wenn der Beamte Bedenken gegen die Rechtmäßigkeit dienstlicher Anordnungen hat, so hat er gemäß § 38 Abs. 2 BRRG, § 56 Abs. 2 BBG zu remonstrieren, d. h. er muß eine Weisung des Vorgesetzten einholen, deren Befolgung ihn von der Verantwortung für die Rechtmäßigkeit der Handlung befreit, es sei denn, daß das aufgetragene Verhalten für ihn erkennbar strafbar, ordnungswidrig oder menschenunwürdig ist. Die Remonstrationspflicht bewirkt, daß die letzte Verantwortung für die Rechtmäßigkeit des Gesetzesvollzuges der zuständige Minister trägt1491. Bei 1488 Dazu W. Thieme, Deutsches Hochschulrecht, 3. Aufl. 2004, S. 251 ff., 336 ff.; K. A. Schachtschneider, Die Universität in der Republik, in: BAQS-Perspektive 9/ 2000, S. 48 ff. 1489 Zur begrenzten Wissenschaftsfreiheit der Fachhochschulen BVerfGE 61, 210 (244); 64, 323 (358). 1490 Dazu J. Isensee, Öffentlicher Dienst, HVerfR, § 32, Rdn. 65. 1491 Ph. Kunig, Das Recht des öffentlichen Dienstes, in: E. Schmidt-Aßmann (Hrsg.), Besonderes Verwaltungsrecht, 11. Aufl. 1999, Rdn. 130 f., S. 694 f.

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15. Kap.: Amts- und Dienstprinzip

Meinungsverschiedenheiten zwischen den Bundesministern entscheidet die Bundesregierung (Art. 65 S. 3 GG). 2. Privatmäßige Amtshaftung Ein Amtswalter, der nicht die Gesetze vollzieht, sondern, wenn auch amtlich, so doch rechtswidrig handelt, handelt nach der (problematischen) Dogmatik, welche dem Amtshaftungsrecht des Bürgerlichen Gesetzbuches zugrunde liegt, privatim, in „einer materiell privatrechtlichen Beziehung“ (vgl. BVerfGE 61, 149 (178 f.), 185). Darum ist nach § 839 BGB er, der Amtswalter, nicht der Staat, sein Dienstherr, zum Schadensersatz verpflichtet. Er haftet auch gemäß den allgemeinen Prinzipien des bürgerlichen Schadensersatzrechts nur, wenn er die Rechtsverletzung, die Amtspflichtverletzung, verschuldet hat, wenn ihn ein Vorwurf trifft, der ihn für den Schaden, den ein anderer erleidet, verantwortlich zu machen erlaubt (Verschuldensprinzip1492). Das paßt nicht zur Verantwortlichkeit des Staates, der Schäden, die Bürger durch Handeln in seinem Namen erleiden, schon aus Gleichheitsgründen wiedergutmachen muß (Staatshaftung, Folgenbeseitigung u. a. m.)1493. Die Praxis hat das tatbestandlich geforderte Verschulden weitgehend entsubjektiviert. In der Rechtswidrigkeit wird das Verschulden gesehen, wenn die Rechtslage nicht streitig oder zweifelhaft war (BGHZ 27, 338 (343); 73, 161 (164); 119, 365 (369 f.))1494 Die Verletzung der Gesetze durch Amtswalter ist nicht Verwirklichung der Freiheit, ist nicht im eigentlichen Sinne staatlich, sondern Verletzung der Freiheit bzw. der Staatlichkeit. Nach dieser Logik kommt eine Staatshaftung im eigentlichen Sinne nicht in Betracht, sondern nur eine Haftung der Amtswalter, die den Staat nicht so vertreten haben, wie es ihres Amtes ist. Ihre Verantwortlichkeit überträgt Art. 34 GG auf den Dienstherrn (BVerfGE 61, 149 (198), hauptsächlich, um die Amtswalter wirtschaftlich von den Folgen ihrer Amtspflichtverletzungen zu entlasten, aber auch, um den Geschädigten einen wirtschaftlich sicheren Ersatzpflichtigen zu stellen (BVerfGE 61, 149 (184)). Dieses Prinzip ist 1909 in Preußen und 1910 im Deutschen Reich eingeführt worden (vgl. BVerfGE 61, 149 (184)). Es schützt auch die Handlungsbereitschaft des öffentlichen Dienstes. Eine Staatshaftung, welche auch das Unrecht, das im Namen des Staates, genauer: in Ausführung des Amtes, durch Amtswalter Bürgern zugefügt wird, dem Staat zurechnet, sollte durch ein Staatshaftungsgesetz (vom 26. Juni 1981) eingeführt werden. Das Staatshaftungsgesetz ist vom Bundesverfassungsgericht für nichtig erklärt worden, weil dem Bund in wesentlichen Teilen die erforderliche Gesetz1492 Dazu allgemein K. Larenz, Lehrbuch des Schuldrechts, I. Bd., Allgemeiner Teil, 10. Aufl. 1970, S. 203 ff. 1493 Zum Entschädigungsprinzip 19. Kap. 1494 W. Rüfner, Amtshaftung und Beamtenhaftung, § 47, Rdn. 27, S. 687 f.; H. Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 26, Rdn. 24, S. 668 f.

IV. Unparteilichkeit

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gebungsbefugnis fehlte (BVerfGE 61, 149 (173 ff.)). Eine Dogmatik der Staatshaftung berücksichtigt, daß der Staat nur durch Menschen, die ihn vertreten, handeln kann und löst sich (zu Recht) vom privatheitlichen Verschuldensprinzip (§ 1 StHG)1495. Bund und Länder könnten eine (unmittelbare) Staatshaftung für ihren Bereich einführen. Art. 34 GG steht dem nicht entgegen (BVerfGE 61, 149 (198 ff.). Bei Vorsatz oder grober Fahrlässigkeit kann der Dienstherr Rückgriff gegen den Beamten nehmen, der die Amtspflicht verletzt hat (Art. 34 S. 2 GG, § 46 BRRG).

IV. Unparteilichkeit 1. Allgemeines Verbot der Parteilichkeit Der Primat des Rechts verbietet die Parteilichkeit. Dieses Verbot ergibt sich aus dem Prinzip der Gleichheit in der Freiheit, aus dem das der Rechtsanwendungsgleichheit folgt1496. Weder die Gesetzgebung noch der Gesetzesvollzug dürfen parteilich, schon gar nicht parteiisch sein. Politik muß sich von allen besonderen Interessen freimachen. Kant definiert Politik als „ausübende Rechtslehre“1497. Herbert Krüger hat das Prinzip der Nichtidentifikation entwickelt1498. Politik hat der Moral zu huldigen (Kant)1499. Nur Moralität führt zur Sittlichkeit, welche der kategorische Imperativ aufgibt1500. „Diese Idee der Unparteilichkeit bildet den Kern der praktischen Vernunft“ (Jürgen Habermas)1501. Parteilichkeit ist ein Widerspruch zur Rechtlichkeit1502. Ein Rechtsstaat ist somit unparteilich und unparteiisch. Die politischen Parteien verfehlen ihren politischen Zweck, wenn sie parteiliche Interessen durchzusetzen versuchen. Sie sind ausschließlich berechtigt, das Richtige für die Allgemeinheit zu fördern. Ihre Bemühungen müssen auf das Ganze gerichtet sein. Darin sind sie Parteien, nämlich Teil des Ganzen1503. Die Parteien müssen dem Republikprinzip gemäß begriffen und republikanisiert werden1504. Dem widerspricht die Maxime der 1495 Dazu W. Rüfner, Amtshaftung und Beamtenhaftung, § 47, Rdn. 26, Rdn. 24 f., S. 668 ff.; H. Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 26, Rdn. 24 f., S. 688 ff. 1496 K. A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 997 ff.; ders., Freiheit in der Republik, 7. Kap., I, II 1497 Zum ewigen Frieden, S. 229. 1498 Allgemeine Staatslehre, S. 178 ff. 1499 Zum ewigen Frieden, S. 228 ff. 1500 K. A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 279 ff., 978 ff.; ders., Freiheit in der Republik, 2. Kap., VII. 1501 Wie ist Legitimität durch Legalität möglich? Kritische Justiz 1987, 1 ff. (12 und ff.) 1502 K. A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 1060 ff., insb. S. 1083 f., auch S. 772 ff.; ders., Der republikwidrige Parteienstaat, FS H. Quaritsch, S. 141 ff. 1503 K. A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 1045 ff.

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15. Kap.: Amts- und Dienstprinzip

Geschlossenheit festgefügter Parteien (als politische Meinungsverbände)1505. Diese Maxime führt zum parteilichen Führerprinzip1506. Dem steht bereits das Verfassungsgebot der inneren Demokratie in den Parteien (Art. 21 Abs. 1 S. 3 GG) entgegen1507. Die Diskriminierungs- und Privilegierungsverbote des Art. 3 Abs. 3 GG materialisieren das Gebot der Unparteilichkeit. Nicht nur dem Richter, sondern auch der vollziehenden Gewalt, aber auch dem Gesetzgeber ist die Neutralität gegenüber den besonderen Interessen der Menschen geboten. 2. Pflicht der Beamten zur Unparteilichkeit Das Prinzip staatlicher Neutralität verbietet, daß die staatlichen Amtswalter sich mit besonderen, privaten Interessen identifizieren1508. Ihre Bemühungen haben allein der Verwirklichung des Gemeinwohls zu dienen. Das Gemeinwohl wird durch die allgemeinen Gesetze, die Gesetze aller, definiert, soweit diese das Recht verwirklichen. „Der Beamte dient dem ganzen Volk, nicht einer Partei. Er hat seine Aufgaben unparteiisch und gerecht zu erfüllen und bei seiner Amtsführung auf das Wohl der Allgemeinheit Bedacht zu nehmen“ (§ 35 Abs. 1 S. 1, 2 BRRG, § 52 Abs. 1 BBG).

Ein öffentlich Bediensteter kann wegen Besorgnis der Befangenheit nicht an der Amtsausübung mitwirken, wenn ein Grund besteht, der Mißtrauen gegen seine unparteiische Amtsausübung zu rechtfertigen geeignet ist (§ 21 Abs. 1 VwVfG). Die Mitgliedschaft von öffentlich Bediensteten in den politischen Parteien gefährdet die verfassungsgebotene Neutralität und unterliegt verfassungsrechtlichen Bedenken. 3. Pflicht der Abgeordneten zur Unparteilichkeit Die Unabhängigkeit der Abgeordneten des Deutschen Bundestages ordnet Art. 38 Abs. 1 S. 2 GG an. Die „Vertreter des ganzen Volkes“ sind „an Auf1504

K. A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 1147 ff., auch S. 805 ff.,

810 ff. 1505 A. A. W. Henke, GG, Bonner Kommentar, Drittbearbeitung, 1991, Art. 21, Rdn. 268, 272, 275, 279; dazu kritisch K. A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 1069 ff. 1506 K. A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 1069 ff., 1122 ff., auch S. 792 ff. 1507 D. Grimm, Die politischen Parteien, HVerfR, 2. Aufl. 1994, § 14, Rdn. 36 ff., S. 622 ff.; K. A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 792 ff., 1060 ff.; ders., Der republikwidrige Parteienstaat, FS H. Quaritsch, S. 141 ff. 1508 H. Krüger, Allgemeine Staatslehre, S 178 ff.; K. Schlaich, Neutralität als verfassungsrechtliches Prinzip, vornehmlich im Kulturverfassungs- und Staatskirchenrecht, 1972, S. 236 ff.; K. A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 626 ff., 661, 1198.

IV. Unparteilichkeit

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träge und Weisungen nicht gebunden und nur ihrem Gewissen unterworfen“, damit sie ihre Aufgabe richtiger Gesetzgebung ausschließlich am Sittengesetz ausrichten können1509. Die bloße Gewissensbindung ermöglicht den Abgeordneten, der Pflicht zur Sittlichkeit zu genügen; denn das Gewissen ist der Gerichtshof der Sittlichkeit (Kant)1510. Der Fraktionszwang, die rechtliche Verbindlichkeit von Fraktionsbeschlüssen für die Fraktionsmitglieder, aber entgegen der Praxis auch die Fraktionsdisziplin verletzen die Unabhängigkeit der Abgeordneten. Die Fraktionsdisziplin ist Ausdruck des republikwidrigen entwickelten Parteienstaates1511. Sie ruiniert den Parlamentarismus, ohne den eine freiheitliche Vertretung des ganzen Volkes und damit die Rechtlichkeit der Gesetze nicht möglich sind1512. Wenn die Politik von Parteiführungen, etwa von Parteitagen, beschlossen wird und die parteilichen Abgeordneten im Parlament diese Politik lediglich, weil das Verfassungsgesetz dieses Verfahren vorschreibt, durch Gesetzesbeschlüsse verbindlich machen, ohne für die Materie der Gesetze mit ihrem Gewissen einzustehen, unterliegt das Volk der Herrschaft der pluralen Parteienoligarchie 1513 und ist nicht frei im politischen, also republikanischen Sinne. Art. 21 Abs. 1 GG, der den Parteien die „Mitwirkung an der politischen Willensbildung des Volkes“ zugesteht1514, rechtfertigt es nicht, den Parlamentarismus als eine zentrale Einrichtung der Republik zu einem bloßen Verfahren, in dem der politische Wille der Parteienoligarchie vollzogen wird, zu degradieren. Solange die verfassungsgewollte Relevanz des Parlaments von den Parteien untergraben wird, weicht die Verfassungswirklichkeit von dem Verfassungsrecht ab. Der Parteienstaat ist die demokratistische, plebejische Form der Herrschaft, nicht die demokratisch-republikanische Form der Freiheit1515. Der entwickelte Parteienstaat ist die Verfallserscheinung der Republik. Die plurale Parteienoligarchie, die (despotische) Wirklichkeit in Deutschland und Europa, ist keine Demokratie im Sinne des Art. 6 Abs. 1 EUV und auch nicht demokratisch im Sinne des Art. 20 Abs. 1, 28 Abs.1 S. 1 und Art. 23 1509

Dazu K. A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 772 ff., insb. S. 810 ff. Metaphysik der Sitten, Tugendlehre, S. 572 ff. 1511 K. A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 812 ff., 1086 ff., i. d. S. H. Hamm-Brücher, Abgeordneter und Fraktion, in: H.-P. Schneider/W. Zeh (Hrsg.), Parlamentsrecht und Parlamentspraxis in der Bundesrepublik Deutschland, 1989, S. 680 ff., 690 ff. 1512 K. A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 637 ff., 772 ff. 1513 Dazu K. A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 796 ff., auch S. 1060 ff., 1086 ff.; ders., Der republikwidrige Parteienstaat, FS H. Quaritsch, S. 141 ff. 1514 Dazu K. A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 772 ff., 1045 ff., 1054 ff. 1515 Vgl. C. Schmitt, Legalität und Legitimität, S. 86 ff.; G. Leibholz, Der moderne Parteienstaat, 1960, in: ders., Verfassungsstaat – Verfassungsrecht, 1973, S. 68 ff.; dazu K. A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 772 ff., 1060 ff., 1086 ff., 1113 ff.; ders., Der republikwidrige Parteienstaat, FS H. Quaritsch, S. 141 ff. 1510

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15. Kap.: Amts- und Dienstprinzip

Abs. 1 S. 1 GG; denn das demokratische Prinzip ist republikanisch zu begreifen und zu entfalten. Die Parteienoligarchie unterläuft die Teilung der Staatsgewalt1516 und ruiniert das Amtsprinzip, beides Stützpfeiler der Republik. Die Ämterpatronage der Parteien bewirkt die Negativauslese der Amtswalter und verhindert die republikanische Bestenauslese (u. a. m.1517). 4. Pflicht der Richter zur Unparteilichkeit „Die Richter sind unabhängig und nur dem Gesetz unterworfen“ (Art. 97 Abs. 1 GG). Die richterliche Unparteilichkeit ist kein wertfreies Prinzip, sondern an den Grundwerten der Verfassung orientiert, meint das Bundesverfassungsgericht. Die Richter hätten „willkürfrei, im Interesse sachgerechter Entscheidungen im Rahmen der Gesetze unter dem Blickpunkt materialer, wertorientierter Gerechtigkeit“ zu urteilen ((BVerfGE 42, 64 (78)). Die Unparteilichkeit der Richter ist um der Gesetzlichkeit und Rechtlichkeit ihrer Entscheidungen willen notwendig. Wenn die Richter mit der gebotenen Methode die Rechtmäßigkeit der Gesetze prüfen und die Gesetze anwenden, sind sie unparteilich und unparteiisch. Die hinreichende Bestimmtheit der Gesetze1518 wiederum sichert die Unparteilichkeit der Richter, welche durch deren äußere Unabhängigkeit (Art. 97 Abs. 2 und Art. 98 GG) aber auch in ständiger Gefahr ist. Die innere Unabhängigkeit der Richter, das Ethos der Unparteilichkeit ist durch deren republikwidrige Mitgliedschaft in Parteien (um der Beförderung willen) und durch Defizite rechtswissenschaftlicher Befähigung notleidend1519. Die lebenszeitige Anstellung ermöglicht den Richtern aber auch, sich vom Volk, in dessen Namen sie Recht sprechen, zu distanzieren. Die schmale demokratische Legitimation der Richter schwindet zudem im Laufe ihrer Dienstzeit.

1516 K. A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 1129 ff.; ders., Der republikwidrige Parteienstaat, FS H. Quaritsch, S. 141 ff. 1517 K. A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 662 ff., 1064 ff. 1518 Dazu 13. Kap. 1519 Dazu 7. Kap., II, 1, 10. Kap., II, 2, 3 und 4.

16. Kapitel

Willkürverbot I. Gesetzgebungsgleichheit als Willkürverbot Das Bundesverfassungsgericht praktiziert in ständiger Rechtsprechung ein Willkürverbot1520. Gemäß dem tradierten Verständnis des Art. 3 Abs. 1 GG: „Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich“1521, setzt dieses Grundrecht, der Gleichheitssatz, ein Gesetz voraus, das tatbestandsgemäß anzuwenden dieser Gleichheitssatz gebietet1522. Dieses Gesetzmäßigkeitsprinzip, diese Rechtsanwendungsgleichheit, darf der Gesetzgeber nicht relativieren; denn er ist durch Art. 1 Abs. 3 GG an die Grundrechte gebunden1523. Wenn die Unterschiede, die der Gesetzgeber macht, nicht einleuchten, kann ihm der Vorwurf der Unsachlichkeit, der Ungleichbehandlung, der Willkür gemacht werden. Das Willkürverbot ist die Logik der äußeren Freiheit als der „Unabhängigkeit von eines 1520 Etwa BVerfGE 102, 254 (299, 302); dazu und zum Folgenden K. A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 990 ff., auch S. 410 ff.; ders., Freiheit in der Republik, 7. Kap., I, 2, II. 1521 Diese Formel entstammt Art. 3 der Menschen- und Bürgerrechtserklärung der Französischen Verfassung von 1793. Diese sogenannte Jakobinerverfassung ist nicht in Kraft getreten. Die Formel ist von Art. 137 Abs. 3 der Reichsverfassung von 1849 und von Art. 109 Abs. 1 WRV für „alle Deutschen“ übernommen worden; Art. 4 S. 1 der Preußischen Verfassungsurkunde lautete: „Alle Preußen sind vor dem Gesetz gleich“. Art 20 Abs. 1 S. 3 Verfassung der DDR von 1968 lautete: „Alle Bürger sind vor dem Gesetz gleich“; vgl. dazu v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, Bd. 1, 3. Aufl. 1985, Rdn. 1 zu Art. 3 Abs. 1. 1522 G. Anschütz, WRV-Komm., 14. Aufl. 1933, Anm. 1, 2 zu Art. 109; H. P. Ipsen, Gleichheit, in: Die Grundrechte, hrsg. von Neumann/Nipperdey/Scheuner, Bd. 2, 1954, S. 115 f.; G. Dürig, in: Maunz/Dürig, GG, 1973, Rdn. 8 ff. zu Art. 3 Abs. I; K. Schweiger, Zur Geschichte und Bewertung des Willkürverbots, in: FS 25 Jahre BayVGH, 1972, S. 57 ff.; N. Luhmann, Grundrechte als Institution, 2. Aufl. 1974, S. 167 ff.; E. Eyermann, Gleichheitssatz. Wurzel des Willkürverbotes?, in: FS 25 Jahre BayVGH, 1972, S. 45 ff.; E. Forsthoff, Der Staat der Industriegesellschaft, 2. Aufl. 1971, S. 134 ff.; v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, Rdn. 1 zu Art. 3 Abs. 1; vgl. R. Alexy, Theorie der Grundrechte, S. 357 ff., der die unzureichende Kritik an diesem Verständnis skizziert. 1523 Art. 1 Abs. 3 GG zwingt nicht, ein Prinzip der Gesetzgebungsgleichheit in Art. 3 Abs. 1 GG hineinzulesen, wie die umfangreiche Kommentierung der Rechtsanwendungsgleichheit von G. Dürig, in: Maunz/Dürig, GG, Rdn. 21 ff. zu Art. 3 Abs. I erweist; das verkennt wie viele R. Alexy, Theorie der Grundrechte, S. 357; auch v. Mangoldt/Klein/Stark, GG, Rdn. 20 zu Art. 3 Abs. 1 GG.

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16. Kap.: Willkürverbot

anderen nötigender Willkür“ (Kant, Metaphysik der Sitten, S. 345, dazu III). Das Prinzip der Gesetzesanwendungsgleichheit des Art. 3 Abs. 1 GG verpflichtet den Gesetzgeber jedoch als solches nicht, gleichheitliche Gesetze zu geben. Die Gleichheit findet im freiheitlichen Gesetzlichkeitsprinzip ihre Wirklichkeit, weil das Gesetz allgemein sein muß, um das Gesetz aller und damit im Sinne der Republik überhaupt ein Gesetz zu sein. Art. 6 der Erklärung der Rechte des Menschen und Bürgers von 1789 lautete: „Das Gesetz ist der Ausdruck des allgemeinen Willens. Alle Staatsbürger sind befugt, zur Feststellung desselben persönlich oder durch ihre Repräsentanten mitzuwirken. Es soll für alle das gleiche sein, es mag beschützen oder bestrafen. Da alle Bürger vor seinen Augen gleich sind, so können sie gleichmäßig zu allen Würden, Stellen und öffentlichen Ämtern zugelassen werden und auf Grund ihrer Fähigkeiten und ohne anderen Unterschied, als den ihrer Tugenden und ihrer Talente.“

Darin ist das Willkürverbot enthalten. Die alte Formel „vor dem Gesetz“ gibt eine Verpflichtung zur Gleichheitlichkeit der Gesetze, die material sein muß, als solche nicht her, wenn sie auch einer Interpretation des Gleichheitssatzes in diesem Sinne nicht entgegensteht1524. Die Judikative hat darum nicht spezifisch wegen Art. 3 Abs. 1 GG zu verantworten, ob der Gesetzgeber die Rechtsetzungsgleichheit gewahrt habe, sei dieser Gleichheitssatz das Willkürverbot oder nach der sogenannten neuen Formel des Bundesverfassungsgerichts ein Begründbarkeitsgebot (BVerfGE 55, 72 (88), seither st. Rspr.)1525. 1524 Dazu P. Kirchhof, Der allgemeine Gleichheitssatz, HStR, Bd. V, 1992, § 124, Rdn. 86 ff., insb. 91 f. 1525 So aber die Praxis und die herrschende Meinung; zum Willkürverbot etwa BVerfGE 1, 14 (52); 12, 341 (348); 18, 38 (46); 27, 364 (371 f.); die praktizierte Lehre stammt von H. Triepel, Goldbilanzverordnung und Vorzugsaktien, 1924, S. 26 ff., und ist von G. Leibholz, Die Gleichheit vor dem Gesetz, 1925, 2. Aufl. 1959 (erweitert), S. 34 ff., dogmatisiert worden; dazu G. Dürig in: Maunz/Dürig, GG Rdn. 303 ff., 331 ff. zu Art. 3 Abs. I GG; v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, Rdn. 1, 2 zu Art. 3 Abs. 1; W. Rüfner, GG, Bonner Komm, Zweitbearbeitung 1992, Rdn. 21 ff., 25 ff., u. ö., zu Art. 3; dazu auch R. Zippelius, Der Gleichheitssatz, VVDStRL 47 (1989), S. 8 ff.; R. Alexy, Theorie der Grundrechte, S. 357 ff., 364 ff.; vgl. auch die Aussprache der Vereinigung der Deutschen Staatsrechtslehrer, VVDStRL 47 (1989), S. 63 ff., die sich vorwiegend um die neue Formel bemühte, insb. E.-W. Böckenförde, S. 95 f.; J. P. Müller, Die Verfassungsgerichtsbarkeit im Gefüge der Staatsfunktionen, VVDStRL 39 (1981), S. 75 ff., weist zu Recht darauf hin, daß das Willkürverbot nicht nur aus dem Gleichheitssatz folge, sondern auch „aus dem klassischen Recht des Widerstandes gegen willkürliche Staatsmacht“ und somit Eigenstand habe; K. Schweiger, Zur Geschichte und Bewertung des Willkürverbots, FS BayVerfGH 1972, 55 ff., leitet das Willkürverbot aus dem Rechtsstaatsprinzip ab; so auch BVerfGE 23, 12 (24 f.), „allgemeiner Rechtsgrundsatz“, „Wesen des Rechtsstaats“, „Prinzip der allgemeinen Gerechtigkeit“; ebenso BVerfGE 84, 90 (121), sogar für einen Verfassungsgeber bindend; auch P. Kirchhof, Der allgemeine Gleichheitssatz, HStR, Bd. V, § 124, Rdn, 86 ff., 235 ff. (Objektivitätsgebot als Teil des Rechtsstaatsprinzips); ders., Objektivität und Willkür, FS W. Geiger, 1989, S. 82 ff.; vgl. zum Willkürverbot für richterliche Entscheidungen BVerfGE 62, 189 (192); 80, 48 (51); 83, 82 (85 ff.); 86, 59 (62 ff.); BVerfG EuGRZ 1993, 143 ff.

I. Gesetzgebungsgleichheit als Willkürverbot

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Das als Willkürverbot praktizierte Prinzip der Gesetzgebungsgleichheit (etwa, mit divergierenden Formeln, BVerfGE 3, 58 (135 f.); 4, 144 (155); 9, 124 (129 f.); 10, 234 (246); 12, 341 (348); 15, 167 (201); 23, 12 (24 f.); 25, 101 (105); 25, 269 (292 f.); 42, 374 (388); 48, 227 (235); 49, 192 (209); 50, 177 (186); 51, 295 (300 f.); 57, 107 (115); 60, 16 (42); 71, 202 (205); 76, 256 (329); 89, 48 (51); 97, 298 (315); st. Rspr. des Zweiten Senats)1526 erfaßt wie das formale Freiheitsprinzip alle denkbaren Politiken; denn jede Politik muß „willkürfrei“ (Belege wie soeben), „sachlich“ (BVerfGE 3, 58 (135 f.); 10, 234 (246); 12, 341 (348); 12, 326 (333); 23, 135 (143); 25, 101 (105); 25, 269 (292 f.); 55, 72 (88 ff.); 60, 16 (42); 76, 256 (329)), „vernünftig“ (BVerfGE 10, 234 (246); 23, 135 (143); 42, 374 (388); 49, 192 (209); 51, 225 (300 f.); 71, 39 (58); 76, 256 (329); 84, 90 (121); 102, 254 (302)) begründet sein1527. Der Vorwurf des gleichheitswidrigen Gesetzes bestreitet dem Gesetz die praktische Vernünftigkeit, also die Rechtlichkeit. Das Bundesverfassungsgericht bestimmt den Gleichheitsverstoß seit BVerfGE 1, 14 (52) insbesondere nach folgender Formel: „Der Gleichheitssatz ist verletzt, wenn sich ein vernünftiger, sich aus der Natur der Sache ergebender oder sonstwie sachlich einleuchtender Grund für die gesetzliche Differenzierung oder Gleichbehandlung nicht finden läßt, kurzum, wenn die Bestimmung als willkürlich bezeichnet werden muß“ (etwa auch BVerfGE 33, 367 (384); 54, 11 (25 f.); 102, 254 (299, 302))1528.

Die neue Formel des Ersten Senats seit BVerfGE 55, 72 (88) aus dem Jahre 1980 lautet: „Die Verfassungsnorm (sc. Art. 3 Abs. 1 GG) gebietet, alle Menschen vor dem Gesetz gleich zu behandeln. Demgemäß ist dieses Grundrecht vor allem dann verletzt, wenn eine Gruppe von Normadressaten im Vergleich zu anderen Normadressaten anders behandelt wird, obwohl zwischen beiden Gruppen keine Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, daß sie die ungleiche Behandlung rechtfertigen könnten“ (ebenso u. a. BVerfGE 58, 369 (374); 60, 329 (346); 70, 230 (239 f.); 71, 146 (154 f.); 74, 9 (24); 75, 108 (157); 75, 284 (300); 75, 348 (357); 75, 382 (393); 78, 249 (287); vgl. aber auch Zweiter Senat, etwa BVerfGE 71, 39 (58 f.) m. H.))1529.

1526 Gestützt auf G. Leibholz, Die Gleichheit vor dem Gesetz, 1925, 2. erw. Aufl. 1959, S. 95 f., 216 ff. u. ö. 1527 Vgl. v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, Rdn. 11 zu Art. 3 Abs. 1, S. 265 f.; G. Dürig, in: Maunz/Dürig, GG, Rdn. 309 ff., 331 ff., 339 ff. zu Art. 3 Abs. I; W. Rüfner, GG, Bonner Komm., Rdn. 29 ff. zu Art. 3 Abs. 1; P. Kirchhof, Der allgemeine Gleichheitssatz, HStR, Bd. V, § 124, Rdn. 205 ff. 1528 Vgl. K. Hesse, Grundzüge des Verfassungsrechts der Bundesrepublik Deutschland, 16. Aufl. 1988, Rdn. 438 f., S. 170; v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, Rdn. 10 zu Art. 3 Abs. 1, S. 265; W. Rüfner, GG, Bonner Komm., Rdn. 16 ff., 21 ff., 29 ff. zu Art. 3 Abs. 1; R. Alexy, Theorie der Grundrechte, S. 364 ff.; P. Kirchhof, Der allgemeine Gleichheitssatz, HStR, Bd. V, § 124, Rdn. 22 ff., 86 ff., 235 ff.

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16. Kap.: Willkürverbot

Das Bundesverfassungsgericht hält eine „am Gerechtigkeitsgedanken orientierte Betrachtungsweise“ für geboten (BVerfGE 1, 264 (275 f.); 2, 118 (119 f.); 9, 124 (129 f.); 9, 334 (337); vgl. auch BVerfGE 15, 167 (201); 23, 12 (24 f.); 25, 269 (293); 47, 168 (178); 48, 227 (235); 50, 177 (186); 57, 107 (115); 65, 325 (354); 71, 39 (58); 71, 202 (205); 76, 256 (329); 80, 48 (51); 102, 254 (299))1530. Eine Pflicht des Gesetzgebers, Differenzierungen der Tatbestände zu begründen, läßt sich rechtfertigen1531. Diese folgt jedoch schon aus dem Sachlichkeitsprinzip des Modernen Staates1532, der sich der Wissenschaft zu bedienen hat. Wissenschaft muß begründen, um kritisierbar zu sein1533. Ob jedoch der Gesetzgeber seine Gesetze, die der republikanischen Idee nach entweder diskursiv oder deliberativ ermittelte Erkenntnisse bzw. Beschlüsse des Richtigen für das gute Leben aller in allgemeiner Freiheit auf der Grundlage 1529 P. Kirchhof, Der allgemeine Gleichheitssatz, HStR, Bd. V, § 124, Rdn. 215 ff.; W. Rüfner, GG, Bonner Komm., Rdn. 25 ff. zu Art. 3 Abs. 1; so schon E. Kaufmann, Die Gleichheit vor dem Gesetz im Sinne des Art. 109 der Reichsverfassung, VVDStRL 3 (1927), S. 9 f. 1530 Vgl. v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, Rdn. 10 zu Art. 3 Abs. 1, S. 265; K. Hesse, Grundzüge des Verfassungsrechts, Rdn. 438, S. 170; W. Rüfner, GG, Bonner Komm., Rdn. 4 zu Art. 3 Abs. 1; dazu R. Alexy, Theorie der Grundrechte, S. 373 ff.; P. Kirchhof, Der allgemeine Gleichheitssatz, HStR, Bd. V, § 124, Rdn. 22 ff., 82 ff., 235 ff. 1531 R. Alexy, Theorie der Grundrechte, S. 357 ff., 377 ff., materialisiert auch den Gleichheitssatz bis hin zu einem Grundrecht auf „faktische Gleichheit“. Dem Abwägungsgesetz R. Alexys, a. a. O., S. 71 ff., 143 ff., passim, beugt sich jedes Prinzip, weil es über eine Pflicht zur Begründung der Entscheidung (a. a. O. S. 145 ff., 380 u. ö.) nicht hinausführt und sich damit vom Willkürverbot nicht unterscheidet. Im übrigen verschwinden unter dem Abwägungsgesetz auch die Unterschiede der Prinzipien „faktischer Gleichheit“ und „faktischer Freiheit“ (a. a. O. S. 458 ff.); denn diese Prinzipien verlieren sich in der Pflicht zur Rationalität durch Abwägung (a. a. O. S. 71 ff., 145 ff. u. ö.). Funktional ist sie Gesetzgebung, die auch R. Alexy den Verfassungsrichtern zuweist, um sie der „einfachen Mehrheit“ zu nehmen (a. a. O. S. 407 ff., 223, 466 u. ö.); nicht die Mehrheit wird spezifisch vom Bundesverfassungsgericht überprüft, sondern der Gesetzgeber, aber die verfassungsgerichtliche Normenkontrolle hat auch parteienstaatliche Kompensationswirkung. Zum Abwägungsprinzip K. Stern, Staatsrecht III/2, § 84 IV., S. 814 ff.; kritisch W. Leisner, Der Abwägungsstaat, Verhältnismäßigkeit als Gerechtigkeit?, 1997; vgl. K. A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 895 ff.; auch 17. Kap., IV, 2 mit Fn. 1618. 1532 K. A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 419, 674 ff., 897 ff., 984 ff., 990 ff.; ders., Freiheit in der Republik, 7. Kap., I, II; P. Kirchhof, Der allgemeine Gleichheitssatz, HStR, Bd. V, § 124, Rdn. 235 ff., spricht vom „Objektivitätsgebot“, dessen Gehalt die Sachlichkeit ist, insb. Rdn. 184 ff., 235 ff., 253 ff.; vgl. auch W. Rüfner, GG, Bonner Komm., Rdn. 29 ff. zu Art. 3 Abs. 1. 1533 Vgl. K. R. Popper, Objektive Erkenntnis, S. 270 ff. (u. ö.); auch K. A. Schachtschneider, Der Rechtsbegriff „Stand von Wissenschaft und Technik“, S. 111 ff.; ders., Res publica res populi, S. 419; ders., Freiheit in der Republik, 7. Kap., II; zur Begründbarkeit als Vernunftaspekt auch G. Dürig, in: Maunz/Dürig, Rdn. 339 zu Art. 3 Abs. I GG; i. d. S. auch das Abwägungsgesetz von R. Alexy, Theorie der Grundrechte, S. 71 ff., 380 u. ö.; zur Begründungspflicht des Gesetzgebers J. Lücke, Begründungszwang und Verfassung, 1987, S. 11 ff., 33 ff., 37 ff.

I. Gesetzgebungsgleichheit als Willkürverbot

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der Wahrheit sind1534, gerichtskontrollierbar zu begründen verpflichtet ist, ist nicht nur zweifelhaft, weil derartige Begründungen im Parlament abgestimmt werden müßten1535, sondern widerspricht dem Prinzip des Art. 38 Abs. 1 S. 2 GG, wonach die Abgeordneten „nur ihrem Gewissen unterworfen“ sind1536. Jeder Abgeordnete kann allenfalls seine Begründung für das Gesetz bekannt machen und sollte das tun. Ein Willkürverbot und ein Begründbarkeitsgebot sind nichts anderes als das Sachlichkeitsgebot, die Pflicht zur praktischen Vernunft also, oder eben die Pflicht des Gesetzgebers zur das Volk vertretenden Sittlichkeit. Das Gesetz, welches die Freiheit aller verwirklicht, das allgemeine Gesetz also, ist gleichheitlich1537, weil es seinem Begriff nach sittlich, praktisch vernünftig ist. Ohne Gesetz gibt es keinen Maßstab für Gleichheit und Ungleichheit. Demgemäß unterwirft es das Bundesverfassungsgericht der Entscheidung des Gesetzgebers, „welche Sachverhaltselemente so wichtig sind, daß ihre Verschiedenheit eine Ungleichbehandlung rechtfertigt“ (BVerfGE 102, 254 (299)). „Im Rahmen seines Beurteilungs- und Gestaltungsermessens ist der Gesetzgeber weitgehend frei, aus der Vielzahl der Lebenssachverhalte diejenigen auszuwählen, die für eine Gleich- und Ungleichbehandlung maßgebend sein sollen“ (BVerfGE 71, 39 (53); 102, 254 (302)).

Mit dem Willkürvorwurf gegen den Gesetzgeber praktiziert das Bundesverfassungsgericht nicht anders als mit dem Begründbarkeitsgebot seine Befugnis der funktional gesetzgebenden Rechtserkenntnis, die es als das Volk vertretender Hüter des Rechts hat1538. Allerdings ist die Rechtsgrundlage dieser Befugnis (Aufgabe und Pflicht) Art. 2 Abs. 1 GG vor allem in Verbindung mit Art. 1 1534 Dazu 4. Kap., I, 6, auch 4. Kap., II, 6. Kap., I, 1 und 2; K. A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 299 ff., 350 ff., 573 ff., 625 ff.; ders., Freiheit in der Republik, 2. Kap., VI, 3, 3. Kap., III, 3, VIII, 3, 7. Kap., I, 2, u. ö. 1535 Diese Bedenken teilt J. Lücke, Begründungszwang und Verfassung, S. 36. 1536 Demgegenüber kennt Art. 253 EGV eine Begründungspflicht, die auch auf die Rechtsetzung angewandt wird (dazu EuGH – Rs. 2/56 (Geitling), Slg. 1957, 9 (37); Rs. 18/57 (Nold), Slg. 1958/59, 89 (114); Rs. 106/81 (Kind KG), Slg. 1982, 2855 (2918); Rs. 203/85 (GZT), Slg. 1986, 2049 (2058); diese Rechtsetzung ist freilich trotz aller Beteiligung des Europäischen Parlaments exekutivistisch (vgl. K. A. Schachtschneider, Das Europäische Parlament, § 7, Der Rat, § 8, Die Kommission, § 9; ders., Demokratiedefizite in der Europäischen Union, FS W. Hankel, S. 187 ff.; dazu 10. Kap., I, 3. 1537 K. A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 410 ff., 993 ff.; ders., Freiheit in der Republik, 7. Kap., I, 3, II; so auch v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, Rdn. 1 zu Art. 3 Abs. 1 GG; G. Dürig, in: Maunz/Dürig, GG, Rdn. 8 ff. zu Art. 3 Abs. I. 1538 Ganz so P. Kirchhof, Der allgemeine Gleichheitssatz, HStR, Bd. V, § 124, Rdn. 92, der die Reduzierung der Unrichtigkeitskontrolle auf den Willkürvorwurf (nur ein „gradueller Unterschied“) damit begründet, daß sonst der „Oberste Gerichtshof“ zum „eigentlichen Gesetzgeber“ würde; nichts anderes ergibt Kirchhofs Objektivitätsgebot, das gegen grobes Unrecht eingewandt werden dürfe, a. a. O., Rdn. 235; K. A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 858 ff.

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16. Kap.: Willkürverbot

Abs. 3 und Art. 19 Abs. 2 GG und den Normenkontrollkompetenzen des Gerichts. Der Gleichheitssatz hat für die Verwirklichung der praktischen Vernunft nur eine dienende Funktion, nämlich die, die Gesetzlichkeit des Gesetzesvollzuges zu sichern. Die Sittlichkeit des Gesetzes ist zwar eine Gewissenssache der Abgeordneten, aber weil es um die Erkenntnis des Rechts geht, institutionell von der Rechtsprechung überprüfbar1539. Das gleichheitsrechtliche Willkürverbot hat Gerhard Leibholz genauso etabliert wie das Dogma der plebiszitär-demokratischen Repräsentation im Parteienstaat1540. Beide Irrtümer bilden eine Einheit; denn Leibholz stützt die Demokratie auf die Gleichheit, nicht auf die Freiheit, die er nicht als politische Freiheit begreift. Folglich kann er das Sachlichkeitsprinzip nicht mit der freiheitlichen Pflicht zur praktischen Vernunft begründen. Daß das Willkürverbot auf den Gleichheitssatz gestützt wird, hat nach wie vor seinen Grund in der herrschaftsideologischen Konzeption des Politischen, die sich mit der gleichheitlichen Konzeption der herrschaftlich begriffenen Demokratie verbindet, die Lehre vor allem Carl Schmitts und Gerhard Leibholzens1541. Die freiheitliche Lehre, aus der das Willkürverbot logisch folgt, hat sich im Liberalismus nicht durchsetzen können. Art. 3 Abs. 1 GG bietet keinen spezifischen Ansatzpunkt 1539 K. A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 978 ff.; ders., Freiheit in der Republik, 7. Kap., II, 2. 1540 Die Gleichheit vor dem Gesetz, 1925, 2. erw. Aufl. 1959, insb. S. 34 ff.; ders., Das Wesen der Repräsentation und der Gestaltwandel der Demokratie im Zwanzigsten Jahrhundert, 1929, 2. Aufl. 1960, 3. Aufl. 1966 unter dem Titel: Die Repräsentation der Demokratie; auch ders., Die Reform des Wahlrechts, VVDStRL 7 (1932), S. 164 ff.; ders., Zum Begriff und Wesen der Demokratie, in: Strukturprobleme der modernen Demokratie, 3. Aufl. 1967/1974, auch in vielen weiteren Schriften; auf die Konsequenzen solchen Gleichheitsverständnisses für den Gesetzgebungsstaat hat schon C. Schmitt Freiheitsrechte und institutionelle Garantien der Reichsverfassung, 1931, in: ders., Verfassungsrechtliche Aufsätze aus den Jahren 1924–1954, 1958, S. 165, mit Bezug auf H. Triepel, den Vater des Gedankens (Goldbilanzverordnung und Vorzugsaktien, 1924, S. 26 ff.), und G. Leibholz, verwiesen; ders., so auch, Grundrechte und Grundpflichten, 1932, daselbst, S. 211 („allgemeines, den Gesetzgeber beschränkendes Gerechtigkeitsprinzip“); ders. auch, Das Reichsgericht als Hüter der Verfassung, 1929, daselbst, S. 63 ff. (S. 93), der zu Leibholzens auf Triepel zurückgehende Konzeption des Gleichheitssatzes eine im Ergebnis nicht ganz klare Stellung bezogen hat; so auch E. Kaufmann, Die Gleichheit vor dem Gesetz im Sinne des Art. 109 der Reichsverfassung, VVDStRL 3 (1927), S. 9 ff.; vgl. auch weitgehend so die Diskussionsbeiträge der Staatsrechtslehrer 1926, daselbst S. 43 ff.; auch H. Nawiasky, Die Gleichheit vor dem Gesetz im Sinne des Art. 109 der Reichsverfassung, daselbst S. 40; zur Leibholzschen Lehre P. Kirchhof, Der allgemeine Gleichheitssatz, HStR, Bd. V, § 124, Rdn. 86 ff. 1541 C. Schmitt, Verfassungslehre, S. 223 ff., insb. S. 224 f.; G. Leibholz, Das Wesen der Repräsentation, S. 218 ff.; ders., Die politischen und juristischen Hauptformen der Demokratie, 1956, in: ders., Verfassungsstaat – Verfassungsrecht, 1972, S. 59 f.; vgl. insb. K. Stern, Staatsrecht I, S. 594 f.; R. Herzog, in: Maunz/Dürig, GG, 1980, Rdn. 6 ff. zu Art. 20 Abs. II.; dazu K. A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 735 ff., 763 ff.

II. Verbot von Einzelfallgesetzen

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für ein Prinzip der Gesetzgebungsgleichheit1542, weil dieses Grundrecht die Allgemeinheit der Gesetzlichkeit aus der Logik der Allgemeinheit der Freiheit formuliert. Wenn das politische System auf die Gleichheit gestellt wird, ist es konsequent, im Gleichheitsprinzip das Sachlichkeitsprinzip zu verankern, welches der Willkür des herrschaftlichen Staates als eine widerstandsrechtliche Position der Bürger entgegengestellt wird.

II. Allgemeinheit der Gesetze und Verbot von Einzelfallgesetzen Das Gesetz, welches „allgemein und nicht für den Einzelfall“ gilt, fördert die Gleichheit als Allgemeinheit der Freiheit1543. „Eine Norm hat den Charakter eines für eine unbestimmte Vielzahl von Fällen geltenden generellen Rechtssatzes – und ist also kein Einzelfallgesetz –, wenn sich wegen der abstrakten Fassung des gesetzlichen Tatbestandes nicht genau übersehen läßt, auf wie viele und welche Fälle das Gesetz Anwendung findet, wenn also nicht nur ein einmaliger Eintritt der vorgesehenen Rechtsfolge möglich ist“ (BVerfGE 25, 371 (396); ebenso BVerfGE 10, 234 (242); 13, 225 (229); vgl. auch BVerfGE 24, 33 (52)).

Diese Allgemeinheit des Gesetzes soll Art. 19 Abs. 1 S. 1 GG nach seinem Wortlaut für die Gesetze fördern, welche einschränkbare Grundrechte einschränken. Der Sache nach sind alle Grundrechte außer der allgemeinen Freiheit und der allgemeinen Gleichheit wegen deren Formalität bis zum Wesensgehalt material einschränkbar, besser: zu größerer Bestimmtheit materialisierbar oder, wie meist (begriffswidrig) gesagt wird, konkretisierbar1544, so daß Art. 19 Abs. 1 1542 A. A. die herrschende Meinung, etwa v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, Rdn. 1 f. zu Art. 3 Abs. 1, S. 259 f., der entstehungsgeschichtlich argumentiert, aber die vom Allgemeinen Redaktionsausschuß vorgelegte Fassung: „Der Gesetzgeber muß Gleiches gleich, Verschiedenes nach seiner Eigenart behandeln“ (Matz, JöR, Bd. 1 (1951), S. 68), ist nicht in den Text des Grundgesetzes aufgenommen worden, sondern die übersetzte Formel der Französischen Verfassung von 1793 („devant la loi“); diese Formel kann die Gesetzgebungsgleichheit nicht meinen, weil die Allgemeinheit des Gesetzes als der „volonté générale“ (Art. 6 S. 1 der Deklaration von 1789) die Freiheit und damit die aus der Freiheit folgende Gleichheit verwirklicht. Das folgt bereits aus Art. 6 S. 3 und 4 der Deklaration von 1789 (vgl. i. d. S. Starck, a. a. O. selbst); im übrigen bleibt der Art. 3 Abs. 1 GG bei der Formulierung des Art. 109 Abs. 1 WRV (abgesehen von der Erweiterung von einem Deutschen- zu einem Jedermanns-Recht); herrschend wurde aber der Weimarer Gleichheitssatz auf die Rechtsanwendungsgleichheit begrenzt, vgl. G. Anschütz, WRV, Komm., Literaturübersicht und Anm. 1 und 2 zu Art. 109; vgl. die Erörterung der Deutschen Staatsrechtslehrer, 1926, mit den Referaten von E. Kaufmann und F. Nawiasky, Die Gleichheit vor dem Gesetz im Sinne des Art. 109 der Reichsverfassung, VVDStRL 3 (1927), S. 2 ff. bzw. 25 ff.; vgl. auch schon Art. 14 preußische Verfassung von 1850: „Alle Preußen sind vor dem Gesetz gleich.“ 1543 Dazu K. A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 414 ff.; ders., Freiheit in der Republik, 7. Kap., I, 3.

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16. Kap.: Willkürverbot

S. 1 GG für alle materialen, also besonderen Grundrechte praktisch wird (vgl. BVerfGE 25, 371 (399))1545. Außer dem skizzierten formalen kann es in der Republik des Grundgesetzes kein Prinzip der Gesetzgebungsgleichheit geben, weil ein solches eines verbindlichen Maßstabes bedürfte, den aber nur der Gesetzgeber selbst bilden könnte. Die besonderen Grundrechte geben derartige verbindliche, wenn auch offene Leitlinien der gesetzgeberischen Politik1546, nicht aber der formale Gleichheitssatz. Das Gesetz fördert, wie gesagt, die Gleichheit durch seine gegenständliche Allgemeinheit. Vor allem aber die praktische Vernünftigkeit der gesetzgeberischen Erkenntnisse sichert die Gleichheit als personale Allgemeinheit. Diese personale Allgemeinheit ist die Sittlichkeit der Gesetzgebung, verwirklicht durch die Vertretung des Volkes in der praktischen Vernunft1547. Die gelungene personale Allgemeinheit erfüllt zugleich das Gebot des Art. 19 Abs. 1 S. 1 GG, die gegenständliche Allgemeinheit zu wahren; denn sie differenziert praktisch vernünftig, richtig. Sie schafft Recht. Die Gesetzgebung mittels der Vertreter des Volkes kann die personale Allgemeinheit verfehlen, aber die Hüter des Rechts sollen über diese Richtigkeit der Gesetze wachen, vor allem das Bundesverfassungsgericht1548. Die Verbindlichkeit eines Gesetzes von der unmittelbaren (d.h. nicht repräsentativen) Zustimmung (wirklich) aller Bürger abhängig zu machen, um die Allgemeinheit des Gesetzes zu sichern, wäre nicht praktisch. Das sagt nichts gegen die unmittelbare Gesetzgebung des Volkes, die aber unvermeidlich schon wegen der Mehrheitsregel repräsentativ ist1549. Die Gesetze müssen Handlungen oder Lebensumstände von Menschen tatbestandsmäßig derart beschreiben, daß nicht nur bestimmte Menschen die Tatbestandsmerkmale erfüllen können, sofern die Regelung der Gesetze der Sache nach allgemein ist. Die Gesetze müssen für alle verbindlich sein können. Sie dürfen nicht nur für (explizit oder implizit) benannte Personen gelten. Daraus folgt das Verbot des Einzelpersonengesetzes1550. Die gegenständliche Allge1544 Die formale Prinzipien schützenden Grundrechte der Art. 2 Abs. 1 und Art. 3 Abs. 1 GG erfordern ebenfalls die gesetzliche Materialisierung des Rechts, ohne aber durch die Gesetze eingeschränkt zu werden. Die Freiheit und die Gleichheit werden vielmehr durch die Gesetze verwirklicht. 1545 Dazu W. Krebs, in: v. Münch/Kunig, GGK, 4. Aufl. 1992, Rdn. 5 zu Art 19; R. Herzog, in: Maunz/Dürig, GG, 1981, Rdn. 18 ff., insb. Rdn. 21 zu Art. 19 Abs. I; Ch.-F. Menger, GG, Bonner Komm., Zweitbearbeitung 1979, Rdn. 83 ff., insb. Rdn. 87 zu Art. 19 Abs. 1 S. 1; K. Stern, Staatsrecht III/2, S. 729 ff., insb. S. 732.; vgl. P. Lerche, Grundrechtsschranken, HStR, Bd. V, § 122, Rdn. 33 ff., der auf die notwendige Allgemeinheit grundrechtsprägender Gesetze hinweist. 1546 Dazu K. A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 819 ff. 1547 Vgl. K. A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 637 ff., insb. S. 707 ff.; ganz so M. Kriele, Einführung in die Staatslehre, 5. Aufl. 1995, S. 210. 1548 K. A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 987 ff.; ders., Freiheit in der Republik, 7. Kap., II, 2. 1549 Dazu 4. Kap., I, 3.

III. Freiheitsprinzip, Willkürverbot und Verhältnismäßigkeitsprinzip

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meinheit der Tatbestandsmerkmale ist überprüfbar, das verdeckte Individualgesetz feststellbar, der Mißbrauch der Formulierung zur Umgehung des Verbots des Einzelfallgesetzes also justitiabel (vgl. BVerfGE 10, 234 (244))1551. Art. 19 Abs. 1 S. 1 GG ist das grundgesetzliche Instrument gegen gesetzgeberische Willkür zu Lasten bestimmter Personen, also ein Instrument zur Verwirklichung der Gleichheit aller in der Freiheit im repräsentativen Gesetzgebungsstaat1552, wenn man so will, ein „Unterfall des allgemeinen Willkürverbots“ (i. d. S. BVerfGE 25, 371 (399); 31, 255 (263); 36, 383 (400); 42, 263 (325))1553. Art. 19 Abs. 1 S. 1 GG verbietet es, „aus einer Reihe gleichartiger Sachverhalte willkürlich einen Fall herauszugreifen und zum Gegenstand einer Ausnahmeregelung zu machen“ (BVerfGE 25, 371 (399)). Der Form des Gesetzes genügt im übrigen nur eine Vorschrift, die allgemein verbindlich ist, welche also ihre Gesetzlichkeit nicht selbst aufhebt.

III. Freiheitsprinzip, Willkürverbot und Verhältnismäßigkeitsprinzip Freiheit ist die „Unabhängigkeit von eines anderen nötigender Willkür“ (Kant)1554. Die nötigende Willkür ist die Willkür, welche einen Anderen nötigt, also alles Handeln; denn alles Handeln hat Wirkung auf Alle1555. Sie nimmt Anderen, eigentlich Allen, die Freiheit; denn sie können nicht ihrer Willkür (ihren Maximen)1556 nach handeln, sondern müssen sich einer Lage fügen, wel1550 So E. Denninger, in: R. Wassermann (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland. Alternativkommentar, GG-AK, 2. Aufl. 1989, Rdn. 10 ff. zu Art. 19 Abs. 1; R. Herzog, in: Maunz/Dürig, GG, Rdn. 32 ff., 35 zu Art. 19 Abs. I; Ch.-F. Menger, GG, Bonner Komm., Rdn. 93 ff. zu Art. 19 Abs. 1; A. v. Mutius, Rechtsnorm und Verwaltungsakt, in: FS H. J. Wolff, 1973, S. 171; F. Ossenbühl, Gesetz und Recht – Die Rechtsquellen im demokratischen Rechtsstaat, HStR, Bd. III, 1988, § 61, Rdn. 71 f.; K. Stern, Staatsrecht III/2, S. 737 ff., der (S. 743) das Verbot richtig auf privilegierende oder diskriminierende Einzelpersonengesetze begrenzt; vgl. P. Lerche, Grundrechtsschranken, HStR, Bd. V, § 122, Rdn. 35 f. 1551 Vgl. E. Denninger, GG, AK, Rdn. 12 zu Art. 19 Abs. 1. 1552 I. d. S. grundsätzlich H. Krüger, Allgemeine Staatslehre, S. 296 ff., der im Allgemeinheitsprinzip die Richtigkeit, Vernünftigkeit gesichert sieht, weil Gesetze verallgemeinerbar sein müßten (S. 306 f.); vgl. zur Allgemeinheit des Gesetzes im Gesetzgebungsstaat auch C. Schmitt, Legalität und Legitimität 1932, 2. Aufl. 1968, S. 8 f.; K. Stern, Staatsrecht III/2, S. 736 f., der Unterschiede zwischen Art. 3 Abs. 1 und Art. 19 Abs. 1 S. 1 für den „singulären Fall“ sieht. 1553 So E. Denninger, AK-GG, Rdn. 14 zu Art. 19 Abs. 1; weitergehend P. Lerche, Grundrechtsschranken, HStR, Bd. V, § 122, Rdn. 35. 1554 Metaphysik der Sitten, S. 345; K. A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 273 ff., 325 ff., 410 ff.; ders., Freiheit in der Republik, 2. Kap., VI, 5. Kap., II; dazu 3. Kap., II, 2. 1555 K. A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 218 ff., 222 ff., 318 ff., 480 f., 858 ff.; ders., Freiheit in der Republik, 8. Kap., I; ders., Der Anspruch auf materiale Privatisierung, S. 276 ff.; dazu 7. Kap., I, 1, b.

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16. Kap.: Willkürverbot

che aufgrund der Willkür eines Anderen geschaffen wurde. Demgemäß muß alles Handeln auf dem Einverständnis Aller beruhen, d.h. auf allgemeinen Gesetzen. Allgemeine Freiheit gibt es nur durch allgemeine Gesetzlichkeit1557. Die allgemeine Gesetzlichkeit verwirklicht die Freiheit aller, weil jeder nach seinem Gesetz, das zugleich Gesetz aller ist, lebt. Die nötigende Willkür von Menschen gegen Menschen ist dadurch ausgeschlossen. Niemand nötigt einen anderen durch seine Willkür, niemand tut einem anderen Unrecht, der seinem eigenen Gesetz, der Maxime seiner Willkür, seinem Willen, folgt, wenn jeder seine Maximen am Prinzip der allgemeinen Gesetzlichkeit, der inneren Freiheit, der Sittlichkeit, deren Gesetz der kategorische Imperativ, das Sittengesetz, ist und die ihre Wirklichkeit in den allgemeinen Gesetzen (des Rechts) hat, ausrichtet1558. Nötigend ist allein das Sittengesetz, der kategorische Imperativ (Kant)1559, das/ der verpflichtet, die Willkür einem allgemeinen Gesetz als einem Gesetz aller zu unterwerfen1560. Das Verbot, andere zu einem Handeln zu nötigen, das nicht auch ihrem, also dem allgemeinen Gesetz entspricht, ist das Willkürverbot. Dieses Willkürverbot ist die Logik der allgemeinen Freiheit. Man kann auch den Wesensgehalt des Art. 2 Abs. 1 GG das Willkürverbot nennen, welches das Bundesverfassungsgericht jedoch nicht aus Art. 2 Abs. 1 GG, sondern aus Art. 3 Abs. 1 GG, aus dem Gleichheitssatz, herleitet1561. Logisch bleibt der Maßstab der Verfassung formal, d.h. er wird allseits verbindlich erst vom Bundesverfassungsgericht funktional gesetzgebend materialisiert1562. Das liberalistische Verständnis des Art. 2 Abs. 1 GG als allgemeine Handlungsfreiheit, welche durch Gesetze eingeschränkt werde, läßt es nicht zu, das Willkürverbot aus dem Freiheitsprinzip herzuleiten, weil das Freiheitsprinzip nicht als Gesetzlichkeitsprinzip dogmatisiert wird, sondern als ein materiales Prinzip, 1556 Die Willkür bestimmt die Maximen, Kant, Metaphysik der Sitten, S. 332; K. A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 288 f., 298 ff.; ders., Freiheit in der Republik, 2. Kap., V. 1557 Dazu 2. Kap., II und III, 3. Kap., II, 4. Kap., I; K. A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 279 ff., 325 ff., 410 ff., 427 ff., 494 ff., 519 ff.; ders., Freiheit in der Republik, 2. Kap., III, IV, VI, 5. Kap., II, 3, IV, 7. Kap., I, 3, III. 1558 K. A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 279 ff., 303 ff., 325 ff., 410 ff., 494 ff., 978 ff.; ders., Freiheit in der Republik, 2. Kap., VI, VII, 5. Kap., II, 7. Kap., I, II. 1559 Grundlegung zur Metaphysik der Sitten, S. 41 ff.; ders., Metaphysik der Sitten, S. 327 ff. 1560 K. A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 279 ff., 303 ff., 325 ff., 410 ff., 494 ff., 519 ff., 637 ff., 978 ff.; ders., Freiheit in der Republik, 2. Kap., III, 5. Kap., II, 7. Kap., I, II. 1561 Dazu I, vgl. die Hinweise in und zu Fn. 1520 ff.; dazu R. Alexy, Theorie der Grundrechte, S. 364 ff.; P. Kirchhof, Der allgemeine Gleichheitssatz, HStR, Bd. V, 1992, § 124, Rdn. 86 ff., 205 ff., 235 ff., der selbst das Willkürverbot in der positiven Form des Objektivitätsgebots wesentlich auf das Rechtsstaatsprinzip stützt, etwa Rdn. 249. 1562 Dazu 10. Kap., I, 7.

III. Freiheitsprinzip, Willkürverbot und Verhältnismäßigkeitsprinzip

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welches dem Gesetzgeber mehr oder weniger bestimmte Grenzen ziehe. Das Willkürverbot ist ein Prinzip der praktischen Vernunft und darum im Autonomieprinzip zu verankern. Wegen der Schrankendogmatik1563, welche für die allgemeine Handlungsfreiheit praktiziert wird, wird das Sachlichkeitsprinzip, das mit Art. 2 Abs. 1 GG untrennbar verbunden ist, als Verhältnismäßigkeitsprinzip begriffen1564. Die Begriffe Willkürverbot und Verhältnismäßigkeitsprinzip1565 wandeln die Prinzipien der praktischen Vernunft, die der Sachlichkeit und der Zweckmäßigkeit, der Sittlichkeit eben, in juridische Prinzipien, wenn man so will, in Rechtsprinzipien1566, die aber formal bleiben und ihre Erkenntnismethode in der Abwägung haben1567. Ihre Judiziabilität gewinnen diese Prinzipien ausschließlich aus der Wesensgehaltsgarantie des Art. 19 Abs. 2 i. V. m. Art. 1 Abs. 3 GG, die zu materialisieren Aufgabe der Hüter des Rechts ist. Das Willkürverbot und das Verhältnismäßigkeitsprinzip unterscheiden sich jedoch in ihrer Maßstäblichkeit nicht1568. Beide Begriffe juridifizieren mit dem Prinzip der praktischen Vernunft die Pflicht des Gesetzgebers zur Sittlichkeit. Beide formulieren das Prinzip des rechten Maßes1569. „Alle subjektive Willkür ist eine Sünde wider den heiligen Geist des Rechts“ hat Heinrich Triepel deklariert1570. Spezifisch die Gleichheitsjudikatur ist ihrer Logik nach Ausdruck der Gesetzgebungsfunktion des Bundesverfassungsgerichts trotz aller Zurückhaltung desselben mit dem Willkürvorwurf gänzlicher Unsachlichkeit1571. Das Gericht hat die 1563 Dazu K. A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 441 ff., 454 ff., 478 ff.; ders., Freiheit in der Republik, 6. Kap., I. 1564 Dazu 17. Kap., I und IV. 1565 Zur Nähe von „Gleichmaß und Übermaßverbot“ P. Kirchhof, Der allgemeine Gleichheitssatz, HStR, Bd. V, § 124, Rdn. 161 ff., 193, 291; ders., Objektivität und Willkür, S. 85, 101 f. 1566 I. d. S. K. A. Bettermann, Die rechtsprechende Gewalt, HStR, Bd. III, § 73, Rdn. 51 f. 1567 Dazu I mit Hinweisen in Fn. 1531, auch Fn. 1618. 1568 Ganz so P. Kirchhof, Der allgemeine Gleichheitssatz, HStR, Bd. V, § 124, Rdn. 161 ff., 250 ff.; ders., Objektivität und Willkür, S. 101 ff.; i. d. S. schon H. Triepel, Goldbilanzverordnung und Vorzugsaktien, S. 29 f.; A. Emmerich-Fritsche, Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, S.213, 248. 1569 Aristoteles, Nikomachische Ethik, 2. Buch, 1106 a 11; dazu A. Emmerich-Fritsche, Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, S. 50 ff.; vgl. P. Kirchhof, Der allgemeine Gleichheitssatz, HStR, Bd. V, § 124, Rdn. 161 ff., 250 ff.; i. d. S. schon K. A. Schachtschneider, Das Sozialprinzip, S. 64, 69; ders., Res publica res populi, S. 987; ders., Freiheit in der Republik, 7. Kap., III, 3; vgl. N. Luhmann, Rechtssoziologie, Bd. 1, 1972, S. 188 f.; K. Stern, Staatsrecht III/2, S. 772, 811. 1570 H. Triepel, Goldbilanzverordnung und Vorzugsaktien, S. 30. 1571 Klar i. d. S. Ch. Starck, Die Bindung des Richters an Gesetz und Verfassung, VVDStRL 34 (1976), S. 74 ff.; vgl. auch v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, Rdn. 12 ff. zu Art. 3 Abs. 1 GG, S. 266 ff.; vgl. auch R. Alexy, Theorie der Grundrechte, S. 373 ff.; P. Kirchhof, Der allgemeine Gleichheitssatz, HStR, Bd. V, § 124, Rdn. 92, 253 ff.; so der ewige Vorwurf gegen die Gleichheitsjudikatur, vgl. die Erörterung der deutschen Staatsrechtslehrer 1926, E. Kaufmann, Die Gleichheit vor dem Gesetz im

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16. Kap.: Willkürverbot

letzte ordentliche Verantwortung für die Gerechtigkeit1572. Gerechtigkeit wird in der Republik durch rechtliche Gesetzlichkeit substituiert1573. Gesetzlichkeit ist Gerechtigkeit, wenn das Gesetz Recht schafft. Das aber ist ausschließlich abhängig von der Sittlichkeit des Gesetzgebers, sei dieser ein Parlament oder ein Gericht1574, und damit abhängig von der Moralität der Abgeordneten bzw. der Richter. Philip Kunig hat in seiner Untersuchung der praktizierten und gelehrten Prinzipien des Rechtsstaates das Fazit gezogen, daß das „Rechtsstaatsprinzip als Willkürverbot“, durchaus „wandelbar“, dogmatisiert werde1575. Kunig beklagt das Willkürverbot als „Leerformel“1576. Es ist jedoch formal und findet seine Materialität durch sittliche Rechtserkenntnis, also durch die Autonomie des Willens des Gesetzgebers, also des Volkes. Den subjektiven Schutz der Rechtsstaatlichkeit hat aber auch das Bundesverfassungsgericht bislang auf Art. 2 Abs. 1 GG (BVerfGE 74, 129 (151 ff.), wo Art. 2 Abs. 1 und Art. 20 Abs. 3 GG als ein Grundrecht genannt werden, vgl. auch BVerfGE 9, 83 (88); 17, 306 (313 f.); 19, 206 (215); 19, 253 (257); grundlegend BVerfGE 6, 32 (40 f.))1577 gestützt, der damit bereits in der Praxis eine Rechtsgrundlage des WillkürverSinne des Art. 109 der Reichsverfassung, VVDStRL 3 (1927), S. 2 ff., 25 ff., 43 ff.; i. d. S. auch C. Schmitt, Grundrechte und Grundpflichten, S. 211; ders., Freiheitsrechte und institutionelle Garantien, S. 165. 1572 Für das Gleichheitsprinzip als Gerechtigkeitsprinzip grundlegend E. Kaufmann, Die Gleichheit vor dem Gesetz im Sinne des Art. 109 der Reichsverfassung, VVDStRL 3 (1927), S. 9 ff.; K. Hesse, Grundzüge des Verfassungsrechts, Rdn. 438 ff., S. 169 ff.; P. Kirchhof, Objektivität und Willkür, S. 82 ff.; ders., Der allgemeine Gleichheitsgrundsatz, HStR, Bd. V, § 124, Rdn. 193 ff.; dazu für die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts G. Robbers, Gerechtigkeit als Rechtsprinzip. Über den Begriff der Gerechtigkeit in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, 1980, S. 87 ff.; vgl. auch V. Hösle, Moral und Politik. Grundlagen einer Politischen Ethik für das 21. Jahrhundert, 1997, S. 372 ff.; dazu K. A. Schachtschneider, Das Sozialprinzip, 1974, S. 45 ff. 1573 I. d. S. K. A. Schachtschneider, Neubescheidung nach Rechtskraft, VerwArch 63 (1972), S. 306 f., 308 mit Hinw. in Fn. 386; ders., Das Sozialprinzip, S. 58; ders., Staatsunternehmen und Privatrecht, S. 339; so auch G. Roellecke, Die Bindung des Richters an Gesetz und Verfassung, VVDStRL 34 (1976), S. 32, 39; R. Christensen, Was heißt Gesetzesbindung?, S. 291 ff.; das ist die Logik jeder prozeduralen Gerechtigkeitslehre, vgl. dazu A. Kaufmann, Prozedurale Theorien der Gerechtigkeit, 1989; K. A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 584 ff.; i. d. S. auch K. Eichenberger, Gesetzgebung im Rechtsstaat, VVDStRL 40 (1982), S. 8 ff., insb. S. 10. 1574 I. d. S. auch E. Kaufmann, Die Gleichheit vor dem Gesetz im Sinne des Art. 109 der Reichsverfassung, VVDStRL 3 (1927), S. 9 ff., 19 ff., der zwar das Recht durch materiale Gerechtigkeitsprinzipien bestimmt, aber letztlich durch die „Gesamtpersönlichkeit und ihre Lauterkeit“ gewährleistet sieht. 1575 Das Rechtsstaatsprinzip, S. 302 ff.; vgl. i. d. S. auch die Hinweise in Fn. 1525. 1576 Das Rechtsstaatsprinzip, S. 305. 1577 Kritisch zur „Versubjektivierung des Art. 20 Abs. 3 GG“ mittels der allgemeinen Handlungsfreiheit H.-U. Erichsen, Allgemeine Handlungsfreiheit, HStR, Bd. VI, § 152, Rdn. 18, S. 1192 f.

III. Freiheitsprinzip, Willkürverbot und Verhältnismäßigkeitsprinzip

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bots ist, jedenfalls war1578. Bekanntlich reduziert das Bundesverfassungsgericht das Grundrecht des Art. 2 Abs. 1 GG nicht auf die „allgemeine Handlungsfreiheit“, sondern hat es auch als den „grundrechtlichen Anspruch, durch die Staatsgewalt nicht mit einem Nachteil belastet zu werden, der nicht in der verfassungsrechtlichen Ordnung begründet ist“, insbesondere als „Freiheit von unberechtigten – also auch von nicht rechtsstaatlichen – Eingriffen der Staatsgewalt“ praktiziert (BVerfGE 9, 83 (88); so auch BVerfGE 19, 206 (215); 19, 253 (257))1579. Diese Praxis entspricht der republikanischen Autonomielehre, welche die Freiheit als Recht auf Recht dogmatisiert1580.

1578 Ob diese Rechtsprechung fortgeführt werden wird, ist seit dem Euro-Beschluß vom 30.3.1998, BVerfGE 93, 350 (377), zweifelhaft; dazu kritisch K. A. Schachtschneider, Der Euro-Beschluß des Bundesverfassungsgerichts, IHI-Schriften 9 (1998), S. 19 ff.; ders., Die Rechtsverweigerung im Euro-Beschluß des Bundesverfassungsgerichts, in: W. Hankel u. a., Die Euro-Illusion, 2001, S. 274 ff. (295 f.) 1579 Beide Urteile zum Anspruch auf Rechtsstaatlichkeit der Besteuerung; folgend BVerwGE 30, 191 (198) zur (fragwürdigen) Begründung einer Wettbewerbsfreiheit. 1580 Dazu 3. Kap., II und IV, 4. Kap., I, insb. 2; K. A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 290 ff., 325 ff., 494 ff.; ders., Freiheit in der Republik, 2. Kap., III, 5. Kap., II, 3, 7. Kap., I, II.

17. Kapitel

Verhältnismäßigkeitsprinzip I. Verfassungsgrundlage des Verhältnismäßigkeitsprinzips Das Verhältnismäßigkeitsprinzip gibt dem Bundesverfassungsgericht einen Kontrollmaßstab allen staatlichen Handelns, auch und vor allem der Gesetzgebung, der dem Prinzip der praktischen Vernunft entspricht. Wegen der notwendig repräsentativen Verwirklichung der allgemeinen Freiheit übertragen Art. 2 Abs. 1 und Art. 1 Abs. 3, aber auch Art. 19 Abs. 2 GG in Verbindung mit dem Rechtsschutzprinzip, den Gerichten die Mitverantwortung für die richtigen Gesetze, also für das Recht, die praktische Vernunft der Politik1581. Das Bundesverfassungsgericht ist der wichtigste stellvertretende Hüter der praktischen Vernunft, der alle staatlichen Organe verpflichtet sind1582. Das Bundesverfassungsgericht verbindet das Verhältnismäßigkeitsprinzip demgemäß sowohl mit dem Gerechtigkeits- als auch mit dem Freiheitsprinzip und sieht es als ein ungeschriebenes Verfassungsprinzip des materiellen Rechtsstaates (BVerfGE 19, 342 (348 f.); 43, 242 (288 f.); 61, 126 (134); 69, 1 (35); 76, 256 (359); 80, 109 (120)). Es folgert das Verhältnismäßigkeitsprinzip jedoch auch und zunehmend aus den besonderen Grundrechten, etwa, wie schon gesagt, aus der Berufsfreiheit des Art. 12 Abs. 1 GG oder auch aus der Eigentumsgewährleistung des Art. 14 Abs. 1 GG (BVerfGE 7, 377 (405 f.); 17, 306 (313 f.); 19, 342 (348 f.); 24, 367 (404); 27, 344 (350 ff.); 38, 281 (298); 69, 315 (354); 42, 212 (220); 43, 242 (298); 51, 97 (113); 61, 126 (134); 76, 1 (50 f.); 77, 308 (334); 81, 310 (338); st. Rspr.)1583. In BVerfGE 19, 342 (348 f.) schreibt das Gericht: „In der Bundesrepublik Deutschland hat der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit verfassungsrechtlichen Rang. Er ergibt sich aus dem Rechtsstaatsprinzip, im Grunde bereits aus dem Wesen der Grundrechte selbst, die als Ausdruck des allgemeinen Freiheitsanspruchs des Bürgers gegenüber dem Staat von der öffentlichen Gewalt 1581 K. A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 978 ff.; ders., Freiheit in der Republik, 7. Kap., II, 2. 1582 K. A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 932 ff., 963 ff., 978 ff.; ders., Freiheit in der Republik, 7. Kap., II, 2. 1583 Dazu grundlegend P. Lerche, Übermaß und Verfassungsrecht, 1961; K. Stern, Staatsrecht III/2, S. 761 ff.; Ph. Kunig, Das Rechtsstaatsprinzip, S. 350 ff., 357 ff.; K. A. Schachtschneider, Freiheit in der Republik, 7. Kap., II, 3; umfassend A. Emmerich-Fritsche, Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, S. 140 ff.; F. Ossenbühl, Maßhalten mit dem Übermaßverbot, FS P. Lerche, 1993, S. 151 ff.

II. Gesetzgeberische Rechtsprechung

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jeweils nur so weit beschränkt werden dürfen, als es zum Schutz öffentlicher Interessen unerläßlich ist“.

Diese Argumentation ist der Trennung von Staat und Gesellschaft verhaftet, die im monarchisch-liberalen Konstitutionalismus bestand, aber eine Verfassung der Republik verkennt1584. Die Fundstellen zum Verhältnismäßigkeitsprinzip in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts sind zahllos. Die Grundrechte hat das Bundesverfassungsgericht weitgehend als das Verhältnismäßigkeitsprinzip zur Geltung gebracht, unabhängig davon, ob die Grundrechte nach ihrem Text einschränkbar sind oder nicht. Dabei sind die Grundrechte als die politischen Leitentscheidungen durch Gesetze, die Recht schaffen, zu entfalten. Über die Rechtlichkeit der Gesetze wachen das Volk und seine Organe, vor allem die der Rechtsprechung1585.

II. Gesetzgeberische Rechtsprechung zum Wesensgehalt der Grundrechte und zur Verhältnismäßigkeit Das Grundgesetz selbst benennt das Verhältnismäßigkeitsprinzip nicht. Das Verhältnismäßigkeitsprinzip ist nichts anderes als das Zweckmäßigkeitsprinzip jeder Sachlichkeit, jeder praktischen Vernunft. Politische Befugnisse berechtigen in der Republik ausschließlich zur praktischen Vernünftigkeit oder eben zur Sittlichkeit. Sachwidrigkeit kann nicht praktisch vernünftig, nicht sittlich sein. Maßgeblich ist nur, wer bestimmt, was sachlich ist. 1. Funktionale Gesetzgebung der Entfaltung der grundrechtlichen Wesensgehalte Mittels des Verhältnismäßigkeitsprinzips verschafft das Bundesverfassungsgericht seinen Vorstellungen vom Sachlichen Verbindlichkeit gegenüber dem Gesetzgeber. Das Bundesverfassungsgericht hat die Aufgabe und Befugnis, seine Maximen des praktisch Vernünftigen, orientiert an grundrechtlichen Leitentscheidungen, verbindlich zu machen. Diese Kompetenz erwächst ihm aus der Wesensgehaltsgarantie des Art. 19 Abs. 2 GG, wenn nicht schon aus Art. 1 Abs. 3 GG, der auch die Gesetzgebung an die Grundrechte bindet. Diese Bindung muß substantiell sein. Damit die Gesetze des Gesetzgebers die Grund1584 Vgl. Ph. Kunig, Das Rechtsstaatsprinzip, S. 350 ff., der das Verhältnismäßigkeitsprinzip selbst als grundrechtliches Prinzip begreift, S. 357 ff.; kritisch zur Unterscheidung von Staat und Gesellschaft K. A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 159 ff.; dazu 3. Kap., V, 2. 1585 K. A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 637 ff., 819 ff., 978 ff., 1002 ff.; ders., Freiheit in der Republik, 7. Kap., I, 3, II, 2.

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17. Kap.: Verhältnismäßigkeitsprinzip

rechte nicht aushöhlen, muß die Bindung überprüft werden können. Das ist Aufgabe der Verfassungsrechtsprechung. Die letzte ordentliche Instanz für die Entscheidungen über die Verfassungsmäßigkeit und damit die praktische Vernünftigkeit der Gesetze ist das Bundesverfassungsgericht1586. Die materialen Entscheidungen der Grundrechte sind offen. Ihr Wesensgehalt ist nicht interpretativ definierbar1587. Folglich ist die Rechtserkenntnis des Wesensgehalts funktional gesetzgeberisch. Dennoch gibt der Wesensgehalt eines jeden Grundrechts dem Gesetzgeber eine verbindliche Grenze, so daß auch die Wesensgehaltserkenntnisse des Bundesverfassungsgerichts den Gesetzgeber und darüber hinaus alle staatlichen Organe binden (§ 31 Abs. 1 BVerfGG). Vor allem das Verhältnismäßigkeitsprinzip erweist in der Praxis das Bundesverfassungsgericht als funktionalen Gesetzgeber1588. Der Wesensgehalt der Grundrechte realisiert sich in der Praktizierung des Verhältnismäßigkeitsprinzips (i. d. S. BVerwGE 84, 375 (381); vorsichtig BVerfGE 22, 180 (219 f.); 30, 47 (53 f.); 34, 330 (353); 58, 300 (348); 80, 367 (373))1589, soweit nicht die Grundrechte materiale Orientierung geben. Solche Orientierung ist etwa die an der Idee des Eigentums, die an der Idee der Kunst, die an der Idee der Wissenschaft, usw.1590 Diese verbindlichen Ideen, die der Materialisierung durch Gesetze bedürfen, sind zugleich verbindliche Werte des Gemeinwesens, die der staatlichen Entfaltung bedürfen, schon weil sie derart offen sind, daß sie die Verwaltung und die fachliche Rechtsprechung nicht hinreichend binden. 2. Institutionelle Judiziabilität des Verhältnismäßigkeitsprinzips Das Verhältnismäßigkeitsprinzip ermöglicht also dem Bundesverfassungsgericht die Überprüfung der Sachlichkeit als der praktischen Vernünftigkeit der Gesetze. Die Verantwortung dafür hat jedoch primär der am stärksten demokratisch legitimierte Gesetzgeber selbst. Die Kriterien gesetzgeberischer Vernünftigkeit sind im Sinne einer Subsumibilität vorgegebener Begriffe nicht judizia1586 K. A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 978 ff.; ders., Freiheit in der Republik, 7. Kap., II, 2. 1587 K. A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 819 ff., 831 ff., 978 ff., 1002 ff.; ders. Freiheit in der Republik, 7. Kap. I, II. 1588 K. A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 858 ff. 1589 So G. Dürig, Der Grundsatz der Menschenwürde, AöR 81 (1956), S. 146 ff.; Th. Maunz, in: Maunz/Dürig, GG, 1977, Art. 19 Abs. II, Rdn. 16 ff.; R. Alexy, Theorie der Grundrechte, 1975, S. 267 ff., 269 ff.; dazu (kritisch) H. D. Jarass, in: Jarass/ Pieroth, Grundgesetz, 5. Aufl. 2000, Art. 19, Rdn. 7; A. Emmerich-Fritsche, Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, S. 328 f., 350 ff.; zur Wesensgehaltsdogmatik grundlegend P. Häberle, Die Wesensgehaltsgarantie des Art. 19 Abs. 2 Grundgesetz, 1962, 3. Aufl. 1983; K. A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 819 ff. (830); P. Lerche, Grundrechtsschranken, HStR, Bd. V, 1992, § 122, Rdn. 25 ff. 1590 K. A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 831 f., 1002 ff., 1023 ff.; ders., Freiheit in der Republik, 9. Kap.

II. Gesetzgeberische Rechtsprechung

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bel; denn die grundgesetzlichen, vor allem die grundrechtlichen Begriffe sind material offen1591, wenn nicht formal, wie der Begriff der Freiheit1592. Die Judiziabilität ist nur institutionell1593, d. h. das Verfassungsgericht ist ermächtigt, seine Erkenntnisse richtigen Rechts auch dem Gesetzgeber verbindlich zu machen. Das wirft einen Vorwurf gegen die Moralität des Gesetzgebers nicht auf, sondern schafft eine Hierarchie verbindlicher Rechtserkenntnis; denn auch die Gesetzgebung ist Erkenntnis des Rechts, soll es jedenfalls sein. Das Verhältnismäßigkeitsprinzip dient damit der gerichtsstaatlichen Verwirklichung der Autonomie des Willens. Nach dem Grundgesetz ist es vor allem Sache des Bundesverfassungsgerichts, die Richtigkeit eines Gesetzes unter Abwägung aller Umstände, insbesondere der Politik des Grundgesetzes, die in den Grundrechten textlich erfaßt ist, einzuschätzen, um der praktischen Vernünftigkeit Verbindlichkeit zu verschaffen, die als Wirklichkeit der allgemeinen Freiheit allein die Verbindlichkeit eines Gesetzes in der Republik zu rechtfertigen vermag. Die Verfassungsmäßigkeit von Gesetzen hängt somit davon ab, daß das Bundesverfassungsgericht diese Gesetze akzeptiert. Aufgabe dieses Gerichts ist nicht nur die Anwendung von Gesetzen, sondern die funktional gesetzgebende Rechtserkenntnis, die alle staatlichen Stellen, auch den Gesetzgeber, bindet, nur das Bundesverfassungsgericht selbst nicht, weil sonst die Entwicklung des Rechts erstarren würde (BVerfGE 4, 31 (38 f.); 20, 56 (86 f.); 33, 199 (203); 77, 84 (104); 78, 320 (328)1594. Das Bundesverfassungsgericht ist nur der Verfassung unterworfen, soweit es um die Normenkontrolle geht, ändert aber durch seine Erkenntnisse selbst nicht die Verfassung1595, zumal das eine Änderung des Wortlauts der Verfassung voraussetzen würde (argumentum aus Art. 79 Abs. 1 S. 1 GG). Grundgesetzliches Verfassungsprinzip ist aber auch die Pflicht zur praktischen Vernünftigkeit aller staatlichen Organe, die sich vor allem aus der sittlichen Bindung der Freiheit ergibt, die Art. 2 Abs. 1 GG formuliert. Für die Rechtserkenntnispraxis des Bundesverfassungsgerichts ist die Akzeptanz der Politik in der Bürgerschaft, die in der öffentlichen Meinung Ausdruck findet, nicht verbindlich, aber wegweisend1596; denn das Gericht hat die Aufgabe, das 1591

K. A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 819 ff., 831 ff. K. A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 267 ff., 313 ff., 978 ff.; ders., Freiheit in der Republik, 2. Kap., VI, VII, 4. Kap., II, 5. Kap., II, IV, 1, 7. Kap., I, II. 1593 K. A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 978 ff.; ders., Freiheit in der Republik, 7. Kap., II, 2. 1594 K. Stern, Staatsrecht II, S. 1038, 1042 f.; W. Löwer, Zuständigkeiten und Verfahren des Bundesverfassungsrechts, HStR, Bd. II, § 56, Rdn. 96; K. A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 951 f. 1595 K. A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 952; zu weitgehend K. Stern, Staatsrecht II, S. 950; W. Löwer, Zuständigkeiten und Verfahren des Bundesverfassungsrechts, HStR, Bd. II, § 56, Rdn. 91 ff.; richtig G. Roellecke, Aufgabe und Stellung des Bundesverfassungsgerichts im Verfassungsgefüge, HStR, Bd. II, 1987, § 54, Rdn. 17 ff. 1592

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17. Kap.: Verhältnismäßigkeitsprinzip

Gemeinwesen zu befrieden. Der Frieden im Gemeinwesen ist das Ergebnis, aber auch der Ausweis gelungener Rechtsetzung und Rechtsprechung. Gesetze verlangen nicht etwa Opfer an Freiheit, sondern verwirklichen die Freiheit, jedenfalls wenn es republikanische Gesetze sind1597. Das Bundesverfassungsgericht allerdings konzipiert das Verhältnismäßigkeitsprinzip liberalistisch als Schrankenschranke und damit zugleich monarchisch-konstitutionell, also herrschaftlich, weil es die Grundrechte wesentlich durch die Gesetze eingeschränkt sieht1598 und diese Einschränkung mittels des Verhältnismäßigkeitsprinzips begrenzen will. Die praktischen Konsequenzen der unterschiedlichen Dogmatik sind angesichts der materialen Offenheit der Rechtserkenntnisse unerheblich, wenn auch die unterschiedlichen Freiheitsbegriffe für die Verfassungslehre insgesamt folgenreich sind. 3. Sittlichkeit als formales Prinzip der praktischen Vernunft Ein Gesetz, welches der Gesetzgeber in Moralität als richtig für das gute Leben aller in allgemeiner Freiheit erkennt, kann nicht unzweckmäßig sein und einem Verhältnismäßigkeitsprinzip widersprechen; denn es ist praktisch vernünftig. Die Moralität des Gesetzgebers und damit die Wahrheitlichkeit und Richtigkeit seiner Erkenntnisse bleiben jedoch dem Begriff der Moralität gemäß zweifelhaft. Das rechtfertigt die genannte institutionelle Normenkontrolle, welche der Moralität des einen Organs gegenüber der Moralität eines anderen Organs den Vorzug gibt. Logisch höherrangig ist nach dem Grundgesetz die Moralität der Richter, weil sie institutionell über das Gesetz und damit über die Moralität des Gesetzgebers zu Gericht sitzen. Die Erfahrungen mit dem Gesetzgeber, vor allem mit parteienstaatlichen Gesetzgebern, rechtfertigen diese Gerichtsbarkeit über die Gesetze1599. Auch das Verhältnismäßigkeitsprinzip versucht, die parteienstaatlichen Mängel des Parlamentarismus zu kompensieren. Der Gesetzgeber darf nach Art. 20 Abs. 3 GG die verfassungsmäßige Ordnung nicht verletzen. Zu dieser gehört das Prinzip der praktischen Vernünftigkeit der Gesetze; denn diese ist die Sittlichkeit des Gesetzgebers, der alle Parlamentarier ausweislich ihrer Gewissensbindung nach Art. 38 Abs. 1 S. 2 GG verpflichtet sind. Die praktische Vernunft ist das Prinzip der Freiheit, des Rechts und des Staates. 1596

Dazu K. A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 602 ff., 956 ff. K. A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 14 ff., 153 ff., 253 ff., 325 ff., 441 ff., 494 ff., 519 ff., 637 ff.; ders., Freiheit in der Republik, 2. Kap., III, IV, 5. Kap., II, V, 7. Kap., I, II. 1598 Dazu K. A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 441 ff.; ders., Freiheit in der Republik, 6. Kap., I; zur Lehre von den Schrankenschranken K. Stern, Staatsrecht III/2, S. 692 ff. 1599 K. A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 772 ff., 957 ff., 943 ff., 963 ff. 1597

II. Gesetzgeberische Rechtsprechung

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Dieses Prinzip ist sittlich und rechtlich, obwohl das Grundgesetz einen subsumiblen Maßstab praktischer Vernünftigkeit allgemein nicht bereithält und nicht bereithalten kann, weil die praktische Vernunft ein formales Prinzip ist. Das Grundgesetz gibt aber vor allem in den Grundrechten materiale Leitentscheidungen, die jedoch wegen ihrer Offenheit nur eine Orientierungswirkung haben1600. Bestimmte Maßstäbe der alltäglichen Lebenspraxis können nur die Gesetze geben, jedenfalls wenn das Gemeinwesen eine Republik sein soll, gerade weil die Sittlichkeit ein formales Prinzip ist. Deswegen hat auch die Verfassungsrechtsprechung ihre funktional gesetzgeberische Befugnis in Moralität zu bewältigen. Die Gerichte, vor allem das Bundesverfassungsgericht, sind dadurch eine sittliche Instanz über den parlamentarischen Gesetzgebern. Eine sittliche Instanz ist politisch, aber auch die gesetzesabhängige Rechtsprechung ist Politik, nämlich Verwirklichung der Freiheit. Rechtsprechung ist folglich nicht ausschließlich gesetzesunterworfen1601. Art. 97 Abs. 1 GG, der die Richter den Gesetzen unterwirft, gilt nur für die Gesetzesrechtsprechung, nicht für die Verfassungsrechtsprechung, weil und soweit das Grundgesetz keine bindenden, also hinreichend bestimmten Gesetze vorgibt und dennoch Erkenntniskompetenzen der Verfassungsrechtsprechung schafft1602. Freilich kann auch die Sittlichkeit der Gesetzgebung, zumal die der Verfassungsrichter, die zur parteiengesetzlichen classa politica gehören, nicht sichergestellt werden. Vielfach pervertieren die Verfassungsgerichte zur apologetischen Instanz der Macht. 4. Judikatur des Sozialprinzips Das Sozialprinzip wirft ähnliche Probleme auf wie das Verhältnismäßigkeitsprinzip. Das Bundesverfassungsgericht pflegt keine unmittelbaren Rechtsfolgen aus dem Sozial(staats)prinzip herzuleiten (vgl. etwa BVerfGE 1, 97 (105); 33, 303 (331 ff.); 43, 213 (226); 50, 57 (108); 53, 164 (184); 65, 182 (193); 69, 272 (314); 70, 278 (288); 100, 271 (284 f.), st. Rspr.)1603; Diese Zurückhaltung ist angesichts der extensiven Praxis des Verhältnismäßigkeitsprinzips fragwürdig. In jüngerer Zeit gewinnt das Sozialprinzip jedoch bestimmende Bedeutung für die Erkenntnisse des Gerichts. Insbesondere hat es die Tarifautonomie in die (verfassungsimmanenten) Schranken des Sozialprinzips gewiesen (BVerfGE 100, 271 (284 f.); 103, 293 (306 ff.))1604. Die Gesetze müssen praktisch vernünftig sein und folglich dem Sozialprinzip genügen. Selbst wenn dieses Prin1600

K. A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 819 ff., 831 ff. K. A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 870 ff., 901 ff. 1602 K. A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 901 ff. 1603 K. A. Schachtschneider, Das Sozialprinzip, 1974, S. 71 ff.; ders., Res publica res populi, S. 247 ff. 1604 Dazu K. A. Schachtschneider, Streik im öffentlichen Dienst, S. 221 ff.; ders./A. Emmerich-Fritsche, Recht der Vertragsärzte des SGB V, S. 78 ff.; vgl. schon ders., 1601

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17. Kap.: Verhältnismäßigkeitsprinzip

zip für eine Begründung der Entscheidung nicht herangezogen wird, so wird es doch bedacht. Allerdings ist das Bundesverfassungsgericht gut beraten, wenn es vor allem wegen der finanziellen Wirkungen sozialer Gestaltungen die Sozialpolitik weitestgehend dem Gesetzgeber, der auch die haushaltsrechtliche Verantwortung hat, überläßt. Dennoch hat das Gericht in letzter Zeit finanzwirksame Rechtserkenntnisse beschlossen. Zu erwähnen ist die familienorientierte Sozialrechtsprechung (BVerfGE 99, 246 (259 ff.)).

III. Art. 12 Abs. 1 GG und das Verhältnismäßigkeitsprinzip Exemplarisch ist die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zu Art. 12 Abs. 1 GG, das Grundrecht der Berufsfreiheit. Das Bundesverfassungsgericht hat im Apothekenurteil 1958 (BVerfGE 7, 377 ff.) den Berufsbegriff derart erweitert, daß er seine Konturen gänzlich verloren hat. Weiterhin hat das Gericht die verfassungsgesetzliche Unterscheidung der Berufswahl und der Berufsausübung eingeebnet und damit gerechtfertigt, daß entgegen dem Wortlaut des Grundrechts auch die Berufswahlfreiheit durch Gesetze einschränkbar sei (BVerfGE 7, 377 (400 ff.); st. Rspr.; etwa BVerfGE 11, 30 (42 f.); 33, 303 (329 f.); 46, 120 (138 ff.); 50, 290 (362 ff.); 54, 237 (245 f.); 80, 269 (278 f.); 82, 209 (228 f.))1605. Zwar müssen sich die Gesetze strikt am Verhältnismäßigkeitsprinzip orientieren (Drei-Stufen-Lehre, BVerfGE 7, 377 (405 ff.); 19, 330 (336 f.); 30, 392 (396); 46, 120 (138))1606; das Verhältnismäßigkeitsprinzip gibt jedoch nur eine Orientierungsmöglichkeit und ermöglicht jede Politik, wenn diese Politik auch dem Bundesverfassungsgericht richtig erscheint. Diese Politik soll praktisch vernünftig sein. Die praktische Vernunft aber ist ein formales Prinzip, welches die Dynamik der Entwicklung ermöglicht. Art. 12 Abs. 1 GG schreibt die Orientierung an möglichster Privatheit1607 der beruflichen Entscheidungen vor, weil das Berufliche zentrales Anliegen der Persönlichkeit ist. Die berufliche Selbständigkeit ist ein Wert des Grundgesetzes, den der Gesetzgeber und die Rechtsprechung, aber auch die Verwaltung zu verwirklichen haben, in welcher Weise, bestimmen die Gesetze, die, wenn sie angegriffen worden sind, auch vom Bundesverfassungsgericht akzeptiert sein müssen. Imperative Lohnleitlinien unter dem Grundgesetz, Der Staat 16 (1977), S. 493 ff. (504 ff., 513 ff.). 1605 R. Scholz, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 12, Rdn. 295; K. A. Schachtschneider, Umweltrecht, S. 334 ff.; ders., Produktwarnung, S. 114 ff. 1606 Dazu R. Breuer, Freiheit des Berufs, HStR, Bd. VI, 1989, § 147, Rdn. 59; ders., Die staatliche Berufsregelung und Wirtschaftslenkung, HStR, Bd. VI, § 148, Rdn. 6 ff. 1607 Zum Privatheitsprinzip K. A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 370 ff.; ders., Freiheit in der Republik, 8. Kap., IV; ders., Der Anspruch auf materiale Privatisierung, S. 67 ff.

IV. Verhältnismäßigkeit der Ausübung der Staatsgewalt

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Die fragwürdige Stufenlehre des Bundesverfassungsgerichts, welche objektive von subjektiven Zulassungsschranken meint unterscheiden zu können und von diesen wiederum Berufsausübungsregeln abzugrenzen versucht hat, ist wenig hilfreich1608. Weder diese Differenzierung konnte durchgehalten werden, noch die daran angeknüpfte Stufenfolge der Wichtigkeit der Gemeinwohlbelange, welche es rechtfertigen soll, Einschränkungen der Berufsfreiheit auf der jeweiligen Stufe vorzunehmen. Es gibt kein materielles Kriterium für die Wichtigkeit von Belangen des Gemeinwohls, sondern nur eine jeweilige Politik. Die jedoch kommt in den Gesetzen zum Ausdruck. Das numerus-clausus-Urteil (BVerfGE 33, 303 ff.) beweist, daß diese Rechtsprechung die Verfassung nicht respektiert. Die Bürger dürfen eben nicht den Beruf frei wählen, etwa nicht den des Arztes, wenn die Ausbildungskapazitäten nicht genügen. Die Ausbildungskapazitäten zu erweitern ist eine Frage des Einsatzes der Ressourcen. Nichts ist so wesentlich für die Persönlichkeit eines Menschen wie sein Beruf. Das Verhältnismäßigkeitsprinzip hat es ermöglicht, daß die berufliche Entfaltung eines Menschen hinter finanziellen Belangen zurückstehen muß, die er selbst nicht beeinflussen kann. Im übrigen besteht die Sorge, daß die Ausbildungskapazitäten nur um des Schutzes vor Konkurrenz willen nicht erweitert werden.

IV. Kriterien der Verhältnismäßigkeit der Ausübung der Staatsgewalt 1. Gesetzlichkeit der Zwecke und der Mittel Das Verhältnismäßigkeitsprinzip verbietet ungeeignete, unnötige und übermäßige, also unzumutbare Maßnahmen des Staates zur Erreichung seiner Zwecke1609. Diese Kriterien beziehen sich auf das Verhältnis der vom Staat eingesetzten Mittel zu den vom Staat verfolgten Zwecken. Die Zweck-Mittel-Relation ist nur bedeutsam, wenn der Zweck als solcher, aber auch das Mittel als solches rechtmäßig sind (vgl. BVerfGE 18, 121 (132))1610. Die Zwecke müssen gesetzlich bestimmt sein, um rechtmäßig zu sein; denn die allgemeine Freiheit wird durch Gesetze verwirklicht. Es gibt Zwecke, welche das Grundgesetz verbietet, wie etwa die Vorbereitung eines Angriffskrieges (Art. 26 Abs. 1 GG). Es

1608 Dazu A. Emmerich-Fritsche, Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, S. 399 ff.; R. Breuer, Die staatliche Berufslenkung und Wirtschaftslenkung, HStR, Bd. VI, § 148, Rdn. 6 f.; K. A. Schachtschneider, Umweltrecht, S. 334 ff.; ders., Produktwarnung, S. 114 ff. 1609 A. Emmerich-Fritsche, Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, S. 150 ff.; P. Lerche, Grundrechtsschranken, HStR, Bd. V, § 122, Rdn. 16 ff.; vgl. BVerfG, 2. Kammer des Ersten Senats, BayVBl. 2002, 560 ff. (561 f.). 1610 A. Emmerich-Fritsche, Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, S. 150 ff.; M. Gentz, Verhältnismäßigkeit, NJW 1968, S. 1601 f.

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17. Kap.: Verhältnismäßigkeitsprinzip

gibt aber auch Mittel, die einzusetzen das Grundgesetz verbietet, wie etwa das der Folter oder das der Todesstrafe, weil diese die Menschenwürde verletzen1611. Keinesfalls rechtfertigt im übrigen der Zweck als solcher schon die Mittel (dazu 2). Die Mittel müssen selbst gesetzlich geregelt sein. 2. Die Sachgerechtigkeit des Verhältnisses der Mittel zu den Zwecken Trotz ihrer gesetzlichen Grundlage müssen die Mittel nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts dem Verhältnismäßigkeitsprinzip genügen. Die Mittel dürfen nicht ungeeignet1612 (BVerfGE 7, 377 (410); 13, 230 (241); 30, 292 (316); 33, 171 (187); 39, 210 (230); 40, 196 (222); 63, 88 (115); 67, 157 (173); 78, 77 (85); 78, 249 (278); 96, 10 (23)) und müssen erforderlich sein, den Zweck zu erreichen, d.h. es darf nicht (gleichwirksame) Mittel geben, die den Zweck auch mit einem geringeren Opfer an Freiheit zu erreichen erlauben (BVerfGE 25, 1 (17); 30, 222 (316); 33, 171 (187); 53, 135 (145 f.); 67, 157 (177); 68, 192 (219); 69, 1 (35); 69, 315 (353); 77, 84 (106, 109); 78, 77 (85); 79, 29 (40 ff.); 92, 262 (273))1613. Drittens dürfen die Mittel den Bürgern nicht übermäßige Opfer abverlangen, nämlich nicht größere, als es der angestrebte Zweck rechtfertigt. Das Mittel muß für den angestrebten Zweck objektiv angemessen, proportioniert sein (BVerfGE 7, 377 (405 f.); st. Rspr., etwa BVerfGE 13, 237 (241); 21, 150 (155); 33, 240 (244, 246 f.); 48, 396 (402); 61, 126 (134); 63, 131 (144); 65, 1 (54); 67, 157 (173); 76, 1 (51); 78, 77 (85); 79, 29 (40 f.); 80, 137 (153); 83, 1 (19); 90, 145 (173); 92, 277 (327))1614. Den Zweck zu verfolgen muß also aufgegeben werden, wenn kein milderes Mittel geeignet ist. Das Bundesverfassungsgericht hat etwa die Liquorentnahme nach § 81a StPO als einen Verstoß gegen das Verhältnismäßigkeitsprinzip eingestuft, wenn sie erfolgt, um die Zurechnungsfähigkeit eines wegen eines Bagatelldelikts Beschuldigten festzustellen (BVerfGE 16, 194 (201 ff.)). Auch Durchsuchungen und Beschlagnahmen müssen im angemessenen Verhältnis zur Schwere der verfolgten Tat und zur Stärke des Tatverdachtes stehen (BVerfGE 16, 194 (202); 20 162 (186 f.); u. ö.). Das Bundesverfassungsgericht räumt dem Gesetzgeber einen (zunehmend größeren) Prognose-, Beurteilungs-, Einschätzungsund Ermessensspielraum (gesetzgeberischen Spielraum) für die Geeignetheit und Erforderlichkeit ein (BVerfGE 40, 196 (222); 50, 290 (322 f.); 57, 139 1611

Dazu 7. Kap., I, 1, a mit Hinweisen in Fn. 523, 524. P. Lerche, Grundrechtsschranken, HStR, Bd. V, § 122, Rdn. 16; Fritsche, Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, S. 151, auch S. 60 ff. 1613 P. Lerche, Grundrechtsschranken, HStR, Bd. V, § 122, Rdn. 16; Fritsche, Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, S. 151, auch S. 62 ff. 1614 P. Lerche, Grundrechtsschranken, HStR, Bd. V, § 122, Rdn. 16; Fritsche, Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, S. 153 ff.; M. Gentz, ßigkeit, NJW 1968, 1604. 1612

A. EmmerichA. EmmerichA. EmmerichVerhältnismä-

V. Gesetzesabhängiges Verhältnismäßigkeitsprinzip

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(159); 61, 1 (50); 73, 301 (317); 88, 87 (96 f.); 90, 145 (173); 91, 389 (401))1615. Zumal „auf dem Gebiet der Arbeitsmarkt-, Sozial- und Wirtschaftsordnung“ gebühre „dem Gesetzgeber ein besonders weitgehender Einschätzungs- und Prognosevorrang“ (BVerfGE 25, 1 (17), 37, 1 (20); 50, 20 (338); 87, 363 (383); BVerfG, 2. Kammer des Ersten Senats, Beschluß vom 7.12.2001, BayVBl. 2002, 560 ff. (561)). Das Gericht stuft seine Prüfung der Prognoseentscheidungen von der Evidenz (BVerfGE 36, 1 (17); 37, 1 (20); 40, 126 (223)), über die Vertretbarkeits- (BVerfGE 25, 1 (12 f., 17); 30, 250 (263)) bis zur intensiven inhaltlichen Kontrolle (BVerfGE 7, 377 (415); 11, 30 (45); 17, 269 (276 ff.); 39, 1 (46, 51 f.); 45, 107 (238); 50, 331 (334))1616. Die Maßnahmen des Staates müssen für die betroffenen Bürger zumutbar sein (BVerfGE 7, 377 (405 f.); 11, 30 (42); 13, 237 (241); 21, 150 (155); 30, 292 (316); 33, 171 (187); 46, 246 (256 f.); 58, 137 (149); 60, 193 (218); 67, 157 (178); 68, 193 (219); 81, 70 (92); 83, 1 (19); 90, 145 (173); 92, 26 (45); 94, 268 (287, 293); 98, 17 (41); st. Rspr.)1617. Das Gericht sucht durch Abwägen aller Umstände das rechte Maß, die Gerechtigkeit (BVerfGE 17, 306 (314); 20, 150 (159); 30, 232 (316); 50, 290 (340 f.); 68, 193 (219); 74, 129 (154); 83, 1 (19); 90, 145 (173))1618. Das Bundesverfassungsgericht reduziert den Grundrechtsschutz weitgehend auf die Abwehr von Maßnahmen, welche für die Betroffenen unzumutbar erscheinen (BVerfGE 30, 292 (316); 33, 171 (187); 46, 246 (256 f.); 60, 193 (218); 67, 157 (178); 68, 193 (219); 81, 70 (92); 83, 1 (19); 90, 145 (173); 92, 26 (45); 94, 268 (287, 293); 95, 267 (303 ff.); 98, 17 (41)).

V. Gesetzesabhängiges Verhältnismäßigkeitsprinzip, insbesondere im Polizeirecht Das gesetzesabhängige Verhältnismäßigkeitsprinzip hat eine lange Tradition, vor allem im Polizeirecht. Polizeiliche Maßnahmen müssen geeignet und notwendig sein, um eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung abzuwenden. Sie dürfen nicht unverhältnismäßig (übermäßig) sein, das heißt nicht 1615 Dazu P. Lerche, Grundrechtsschranken, HStR, Bd. V, § 122, Rdn. 19; A. Emmerich-Fritsche, Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, S. 152; R. Alexy, Verfassungsrecht und einfaches Recht – Verfassungsgerichtsbarkeit und Fachgerichtsbarkeit, VVDStRL 61 (2002), S. 15 ff. 1616 Vgl. P. Lerche, Grundrechtsschranken, HStR, Bd. V, § 122, Rdn. 19; A. Emmerich-Fritsche, Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, S. 152. 1617 Dazu A. Emmerich-Fritsche, Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, S. 153. 1618 Vgl. A. Emmerich-Fritsche, Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, S. 155 ff., auch S. 66 ff.; kritisch P. Lerche, Übermaß und Verfassungsrecht S. 122 ff., 244 f.; W. Leisner, Der Abwägungsstaat, S. 13 ff., 152 ff. passim; grundlegend; R. Alexy, Theorie der Grundrechte, 1986, S. 53 ff., 71 ff., 117 ff.; vgl. K. A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 880 ff., 895 ff.; Hinweise zum Abwägungsprinzip auch in Fn. 1531.

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17. Kap.: Verhältnismäßigkeitsprinzip

mehr Opfer (an Rechten) abverlangen, als es die Gefahrenabwehr rechtfertigt1619. Weil der Gesetzgeber Fälle, in denen Polizeimaßnahmen notwendig sind, schlechterdings nicht im einzelnen regeln kann, muß er sich einer Generalklausel, der sogenannten polizeilichen Generalklausel, bedienen. Art. 2 des Bayerischen PolizeiaufgabenG lautet: „(1) Die Polizei hat die Aufgabe, die allgemein oder im Einzelfall bestehenden Gefahren für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung abzuwehren. (2) Der Schutz privater Rechte obliegt der Polizei nach diesem Gesetz nur dann, wenn gerichtlicher Schutz nicht rechtzeitig zu erlangen ist und wenn ohne polizeiliche Hilfe die Verwirklichung des Rechts vereitelt oder wesentlich erschwert werden würde“.

Weil so die Polizei selbst die polizeilichen Maßnahmen zu bestimmen hat, muß ein Rechtsprinzip vorschreiben, daß die Maßnahmen geeignet und notwendig sind, den polizeilichen Zweck zu erreichen. Die gerichtliche Überprüfbarkeit dieser Kriterien folgt daraus, daß sonst der Rechtsschutz gegen Polizeimaßnahmen entwertet würde. Trotz des Rechtsschutzes besteht ein nicht gerichtlich überprüfbarer Spielraum für die Polizei, die Geeignetheit und Notwendigkeit der polizeilichen Maßnahmen zu beurteilen1620. In gewissen Grenzen haben somit die Verwaltungsgerichte die Sachlichkeit und praktische Vernünftigkeit der Polizeimaßnahmen zu überprüfen. Der Rechtsschutz gegenüber der Verwaltung, welcher durch Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG garantiert wird, folgt anderen Prinzipien als der Schutz der Verfassung vor dem Gesetzgeber, weil die Verwaltung als vollziehende Gewalt den Vorrang und den Vorbehalt des Gesetzes zu achten hat. In dem Maße, in dem die Gesetze der Verwaltung Entscheidungsspielräume lassen, ist das Verhältnismäßigkeitsprinzip juridisches Kriterium der Rechtmäßigkeit des Verwaltungshandelns (BVerwGE 67, 177 (182))1621.

VI. Vorrang der rechtlichen Gesetzlichkeit vor dem Übermaßverbot Ein verwaltungsrechtliches Übermaßverbot bedeutet nicht, daß die Gesetzlichkeit des gemeinsamen Lebens Einbußen erleiden muß, weil die Durchset1619 Dazu V. Götz, Allgemeines Polizei- und Ordnungsrecht, 12. Aufl. 1995, S. 123 ff.; F.-L. Knemeyer, Der Schutz der Allgemeinheit und der individuellen Rechte durch die polizei- und ordnungsrechtlichen Handlungsvollmachten der Exekutive, VVDStRL 35 (1977), S. 242 ff., 245 ff. 1620 V. Götz, Allgemeines Polizei- und Ordnungsrecht, S. 129 ff.; F.-L. Knemeyer, Der Schutz der Allgemeinheit und der individuellen Rechte durch die polizei- und ordnungsrechtlichen Handlungsvollmachten der Exekutive, VVDStRL 35 (1977), S. 233 ff., 245 ff. 1621 Dazu F. Ossenbühl, Rechtliche Gebundenheit und Ermessen der Verwaltung, in: H.-U. Erichsen (Hrsg.), Allgemeines Verwaltungsrecht, 11. Aufl. 1998, § 10, Rdn. 18, S. 208; H. Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 7, Rdn. 23, S. 141 f.

VI. Vorrang der Gesetzlichkeit vor dem Übermaßverbot

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zung der Gesetze einen opferreichen Mitteleinsatz erfordert. Eine Wertung von Rechtsgütern kommt nicht in Betracht, wenn es um die Verwirklichung der Gesetze geht. Diese abwägende Wertung ist Sache des Gesetzgebers selbst (und, wie ausgeführt, der Verfassungsrechtsprechung), der im übrigen der Verwaltung auch die Mittel vorschreibt. Die Verwaltung darf, wie gesagt, für die Verwirklichung der Gesetze auch nur die Mittel einsetzen, die ihr die Gesetze zur Verfügung stellen. Der Polizei ist es erlaubt zu töten, um bestimmte Gefahren, etwa eine gegenwärtige Lebensgefahr oder die gegenwärtige Gefahr einer schwerwiegenden Verletzung der körperlichen Unversehrtheit von Geiseln, abzuwenden (vgl. Art. 66 Abs. 2 S. 2 BayPAG)1622. Sollten die Gesetze der Polizei dieses Mittel nehmen, weil der Gesetzgeber den Schutz des Lebens der Geiselnehmer so hoch bewertet, daß er die Polizei zwingt, die Lebensgefahr für die Geiseln hinzunehmen, so wäre der Polizei die Tötung der Geiselnehmer verboten, entgegen dem Rechtsprinzip, das Verbrechen wirksam zu unterbinden gebietet1623. Die zivilrechtliche und die strafrechliche Nothilfe für die Geisel nach § 227 BGB bzw. § 32 StGB, die ultima ratio auch zur Tötung des Geiselnehmers führen kann und darf, bleibt davon unberührt. Wer das Prinzip der Gesetzlichkeit aufrechterhalten will, darf das Leben als Wert nicht über die Gesetzlichkeit stellen. Wenn freilich andere wirksame Mittel zur Befreiung von Geiseln verfügbar sind, wird die Tötung des Geiselnehmers rechtswidrig. Ein Übermaßverbot, das so weit geht, daß gesetzmäßige Maßnahmen zur Verwirklichung der Gesetze überhaupt unterbleiben, gibt es in der Rechtsordnung nicht. Verbindlich sind die Kriterien der Geeignetheit und Notwendigkeit, die schon das Preußische Oberverwaltungsgericht im 19. Jahrhundert praktiziert hat1624. Nicht notwendig ist es, jeden Rechtsverstoß unmittelbar zu verhindern. Es kann genügen, einen Rechtsverstoß vorübergehend hinzunehmen, um weniger hart treffende Mittel einsetzen zu können. Die dauerhafte Duldung von Rechtsverstößen wird dadurch nicht gerechtfertigt. Das Rechtsinstrument der Duldung1625, etwa von Fremden, denen ein Aufenthaltsrecht bindend oder gar rechtskräftig aberkannt ist, ist nichts anderes als die Durchlöcherung des Ge-

1622 V. Götz, Allgemeines Polizei- und Ordnungsrecht, S. 149 f.; F.-L. Knemeyer, Der Schutz der Allgemeinheit und der individuellen Rechte durch die polizei- und ordnungsrechtlichen Handlungsvollmachten der Exekutive, VVDStRL 35 (1977), S. 256 ff. 1623 Zu den Schutzpflichten des Staates J. Isensee, Das Grundrecht als Abwehrrecht und als staatliche Schutzpflicht, HStR, Bd. V, 1992, § 111, Rdn. 1 ff., 86 ff.; K. A. Schachtschneider, Umweltrecht, S. 304 ff. 1624 Vgl. schon G.-H. v. Berg, Handbuch des deutschen Polizeirechts, 1802, S. 89 ff.; vgl. auch A. Emmerich-Fritsche, Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, S. 63. 1625 Dazu V. Götz, Allgemeines Polizei- und Ordnungsrecht, S. 131.

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17. Kap.: Verhältnismäßigkeitsprinzip

setzmäßigkeitsprinzips, für die allerdings § 17 AuslG eine (gänzlich offene) Rechtsgrundlage geschaffen hat. All diese Fragen gehören in das Verwaltungsrecht, insbesondere in das Polizeirecht. Ein erheblicher Teil des Verwaltungsrechts, der wichtigste, ist jedoch Polizeirecht, auch wenn er das Wort Polizei nicht im Namen trägt. Das Wort Polizei kommt aber genauso von dem Wort püliò wie das Politische. Polizei ist politisch, denn ihre Aufgabe ist die Verwirklichung der Freiheit. Die öffentliche Sicherheit und Ordnung ist nichts anderes als die allgemeine staatliche und private Gesetzlichkeit1626.

VII. Wirtschaftspolitische praktische Vernunft Nicht nur die Haushaltswirtschaft von Bund und Ländern ist nach Art. 109 Abs. 2 GG dem gesamtwirtschaftlichen Gleichgewicht verpflichtet1627, sondern alle wirtschaftspolitischen Maßnahmen des Staates müssen geeignet und notwendig sein, um diese gesamtwirtschaftliche Stabilität, das gesamtwirtschaftliche Gleichgewicht als ein wesentliches Gebot des Sozialprinzips, aber auch der Eigentumsgewährleistung1628 zu erreichen. Das ist schwer einzuschätzen und erfordert wirtschaftswissenschaftlichen Sachverstand, den die Gerichte nicht haben. Fehleinschätzungen der wirtschaftlichen Entwicklung führen somit nicht ohne weiteres zur Verfassungswidrigkeit oder Gesetzwidrigkeit der Maßnahmen. Die praktische Vernunft ist aber der Verantwortung der Gerichte nicht schon deswegen entzogen, weil ihrer Verwirklichung eine Wissenschaft dient, die den Richtern wenig zugänglich ist, nämlich die Wirtschaftswissenschaft. Alle Tatsachen, welche die Gerichte ihren rechtlichen Erkenntnissen zugrundelegen, sind als Elemente der Wirklichkeit wissenschaftlicher Erkenntnis, der Theorie nämlich, zugänglich1629. Die Richtersprüche müssen wie alle Staats1626 V. Götz, Allgemeines Polizei- und Ordnungsrecht, S. 42 ff., 52 ff.; dazu (kritisch) F.-L. Knemeyer, Der Schutz der Allgemeinheit und der individuellen Rechte durch die polizei- und ordnungsrechtlichen Handlungsvollmachten der Exekutive, VVDStRL 35 (1977), S. 177 ff. 1627 Dazu W. Hankel u. a., Die Euro-Klage, S. 200 ff., 206 ff.; K. A. Schachtschneider, Wirtschaftliche Stabilität als Rechtsprinzip, in: W. Hankel u. a., Die Euro-Illusion, S. 314 ff.; ders., Imperative Lohnleitlinien unter dem Grundgesetz, Der Staat 16 (1977), S. 493 ff. (507, 514 f.); H.-M. Hänsch, Gesamtwirtschaftliche Stabilität als Verfassungsprinzip, S. 109 ff. 1628 W. Hankel u. a., Die Euro-Klage, S. 200 ff., 206 ff., K. A. Schachtschneider, Wirtschaftliche Stabilität als Rechtsprinzip, in: W. Hankel u. a., Die Euro-Illusion, S. 314 ff., 318 ff.; ders., Euro-Verfassungsbeschwerde vom 12.1.1998, S. 42 ff.; H.-J. Papier, Eigentumsgarantie und Geldentwertung, AöR 98 (1973), S. 528 ff., 541 ff.; ders., in: Maunz/Dürig, GG, 1994, Art. 14, Rdn. 184 ff.; H.-M. Hänsch, Gesamtwirtschaftliche Stabilität als Verfassungsprinzip, S. 92 ff. 1629 Dazu K. A. Schachtschneider, Der Rechtsbegriff „Stand von Wissenschaft und Technik“, S. 95 ff., 100 ff.; ders., Res publica res populi, S. 567 ff.

VII. Wirtschaftspolitische praktische Vernunft

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akte, insbesondere Gesetze, auf Wahrheit beruhen1630. Die Wahrheit ist die bestmögliche Annäherung der Theorie an die Wirklichkeit (vgl. BVerfGE 49, 89 (143))1631. Es gibt auch eine ökonomische Wahrheit und auch wirtschaftliche Entwicklungen können wissenschaftlich eingeschätzt werden. Das geschieht schon jetzt durch Ämter, Institute, Fachleute in aller Welt jeden Tag und wird (weitgehend) ernst genommen und in den unternehmerischen, politischen und persönlichen Entscheidungen berücksichtigt. Die Ökonomik, um die sich viele Fakultäten bemühen, ist hochentwickelt. Der wissenschaftliche Sachverstand steht wie in anderen Fachgebieten, deren Erkenntnisse durchaus Gerichtsentscheidungen zugrundegelegt werden, etwa im Bereich der Medizin und der Technik, zur Verfügung. Folglich sind auch wirtschaftliche Gegebenheiten und Entwicklungen judiziabel, soweit Theorien bestehen. Diese können die Gerichte durch Sachverständige (Wirtschaftswissenschaftler) ermitteln1632. Staatliche Entscheidungen, welche die Ökonomik ignorieren, sind rechtswidrig. Die jeweiligen, oft kontroversen Theorien sind nach spezifischen Rechtssätzen bei den Rechtserkenntnissen zu berücksichtigen. Wenn eine Politik etwa die Stabilität gefährdet, ist der Rechtssatz in dubio pro stabilitate (securitate) maßgeblich1633, wenn nicht andere rechtlich gestützte Notwendigkeiten, etwa die Verteidigung des Landes, die Politik rechtfertigen. Das erfordert Abwägungen, die aber begründet werden müssen und darum gerichtlich nachprüfbar sind. Die Politik darf nicht der Willkür der Ämter überlassen werden, nur weil sie gerichtsfremden Sachverstand erfordert. Die Euro-Politik etwa, welche die gesamtwirtschaftliche Stabilität gefährdet1634, wird betrieben, um den existentiellen Staat Europa herbeizuzwingen, der als solcher keine Rechtsgrundlage hat1635, ist aber auch aus anderen Gründen außengesteuert oder aber fremdbestimmt, eben rechtswidrig. Das Bundesverfassungsgericht hat die Verantwortung für die Rechtmäßigkeit der Stabilitätspolitik, jedenfalls bei der Einführung des Euro, Parlament und Regierung überantwortet und Rechtsschutz zurückgewiesen, obwohl „klare 1630 Dazu K. A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 567 ff.; ders., Der Rechtsbegriff „Stand von Wissenschaft und Technik“, S. 105 ff. 1631 K. R. Popper, Objektive Erkenntnis, 4. Aufl. 1984, S. 44 ff., 332 ff.; i. d. S. schon Kant, Kritik der reinen Vernunft, S. 688; K. A. Schachtschneider, Der Rechtsbegriff „Stand von Wissenschaft und Technik“, S. 100 ff. (106), 111 ff.; ders., Res publica res populi, S. 569. 1632 Vgl. K. A. Schachtschneider, Der Rechtsbegriff „Stand von Wissenschaft und Technik“, S. 115 ff., 117 ff. 1633 Vgl. K. A. Schachtschneider, Der Rechtsbegriff „Stand von Wissenschaft und Technik“, S. 120 ff. 1634 W. Hankel u. a., Die Euro-Klage, S. 39 ff., 63 ff., 163 ff., auch S. 214 ff.; J. Starbatty, Euro – Der Stabilitätsbruch, in: W. Hankel u. a., Die Euro-Illusion, S. 53 ff.; K. A. Schachtschneider, Rechtsbruch mangels gesamtwirtschaftlicher Konvergenz, daselbst, S. 27 ff.; W. Hankel, Euro – der Integrationsbruch, daselbst, S. 191 ff. 1635 Dazu 4. Kap., III, 1, 4 und 9; W. Hankel u. a., Die Euro-Klage, S. 249 ff.; K. A. Schachtschneider, Die existentielle Staatlichkeit der Völker Europas, S. 111 ff.

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17. Kap.: Verhältnismäßigkeitsprinzip

rechtliche Vorgaben“, insbesondere quantitative Kriterien, zu prüfen waren (BVerfGE 97, 350 (370 ff.)). Diese Rechtsschutzverweigerung war verfassungswidrig1636. Es gibt eigenständige Ämter für die Sachlichkeit der Wirtschaftspolitik. Vorbildlich war die Bundesbank, welche ihre währungs- und kreditpolitischen Maßnahmen sachverständig getroffen hat, ohne daß die Richtigkeit dieser Maßnahmen judiziabel gewesen wäre. Wenn aber die Bundesbank Instrumente eingesetzt hätte, die das Bundesbankgesetz nicht zugelassen hatte, wären diese Maßnahmen rechtswidrig gewesen. Die sachliche Prognose, nicht die richtige Prognose, kann von Verfassungs wegen gefordert werden (BVerfGE 30, 250 (263); 38, 61 (88)). Von den Gerichten kann jedenfalls entschieden werden, ob die Zuständigkeits- und Verfahrensvorschriften, welche etwa durch das Gesetz über die Stabilität und das Wachstum der Wirtschaft von 1967 vorgeschrieben sind, eingehalten wurden. Das genannte Gesetz versucht, die Verwirklichung kollektiver, praktischer Vernunft zu organisieren.

VIII. Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit im Gemeinschaftsrecht Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit ist vom Europäischen Gerichtshof von Anfang an als wichtiger allgemeiner Rechtsgrundsatz, der das Handeln der Gemeinschaftsorgane bindet, anerkannt worden1637. Seit dem Maastricht-Vertrag ist er auch textlich in Art. 5 Abs. 3 EGV verankert. Er ist vom Subsidiaritätsgrundsatz (Art. 5 Abs. 2 EGV)1638 zu unterscheiden, der nur eine Regel für die Frage ist, ob die Gemeinschaft oder die Mitgliedstaaten tätig werden sollen,

1636 Vgl. K. A. Schachtschneider, Der Euro-Beschluß des Bundesverfassungsgerichts, IHI-Schriften 9/1998, S. 19 f.; ders., Die Rechtsverweigerung im Euro-Beschluß des Bundesverfassungsgerichts, in: W. Hankel u. a., Die Euro-Illusion, S. 274 ff.; auch ders., Euro – der Rechtsbruch, daselbst, S. 27 ff. 1637 Etwa EuGH – Rs. 8/55 (Federation Charbonniere de Belgique/Hohe Behörde der EGKS), Slg. 1955–1956, 297 (311); Rs. 15/57 (Compagnie des hauts fourneaux de Chasse/Hohe Behörde), Slg. 1958, 159 (196 f.); Rs. 17 und 20/61 (Klöckner und Hösch/Hohe Behörde der EGKS), Slg. 1962, 653 (686); Rs. 5/73 (Balkan-Import-Export/Hauptzollamt Berlin-Packhof), Slg. 1973, 1091 (1110, Rdn. 19); Rs. 29/75 (Kaufhof/Kommission), Slg. 1976, 431 (443, Rdn. 6); Rs. 116/76 (Granaria/Hoofdproduktschap voor Akkerbouwprodukten), Slg. 1977, 1247 (1264, Rdn. 15/16); Rs. 122/ 78 (Buitoni/FORMA), Slg. 1979, 677 (684, Rdn. 16/18); Rs. 66/82 (Fromancais/ FORMA), Slg. 1983, 395 (404, Rdn. 8); Rs. 15/83 (Denkavit/Nederland/Hoofdproduktschap voor Akkerbouwprodukten), Slg. 1984, 2171 (2185, Rdn. 25); ausdrücklich: EuGH – verb. Rs. 41, 121 und 796/79 (Testa u. a./Bundesanstalt für Arbeit), Slg. 1980, 1979 (1997, Rdn. 21); Rs. 265/87 (Schräder/Hauptzollamt Gronau), Slg. 1989, 2237 (2269, Rdn. 21); vgl. A. Emmerich-Fritsche, Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, S. 105 ff. 1638 Dazu Hinweise in Fn. 252, 1381.

VIII. Verhältnismäßigkeit im Gemeinschaftsrecht

357

sich aber nicht auf die Mittelauswahl bezieht1639. Der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz gilt in der Gemeinschaftsrechtsordnung entsprechend dem deutschen Vorbild mit den Teilelementen Geeignetheit, Erforderlichkeit und Angemessenheit1640 sowohl als Direktive und Schranke der Gemeinschaftsrechtsetzung als auch als Verwaltungsgrundsatz. Sowohl die Mitgliedstaaten (ausweislich Art. 5 Abs. 3 EGV)1641 als auch die Einzelnen können sich auf ihn berufen. Zum Schutz Einzelner hat er besonders im Bereich der Grundrechte1642 und der Marktfreiheiten1643, folgend aus deren jeweiligem Prinzipiencharakter, eine ausgleichende Funktion. Anders als im deutschen Recht können Individuen den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz gegenüber Rechtsakten der Gemeinschaft aber auch unabhängig von subjektiven Rechten geltend machen1644. Die Intensität der Prüfung von Gemeinschaftshandeln durch den Europäischen Gerichtshof, auch zum Schutz der Grundrechte, reicht nicht an den deutschen Standard heran, sondern beschränkt sich oft auf eine Willkürkontrolle, allenfalls eine Evidenzkontrolle1645. Namentlich der Grundsatz der Angemessenheit kommt selten und dann allenfalls in der objektiven Proportionalität zum Tragen1646. Den Gemeinschaftsorganen wird ein übergroßer Entscheidungsspielraum zugestanden1647. Die dirigierende Funktion der Grundrechte, die besonders für die Angemessenheit der Rechtsakte eine Rolle spielt, kommt zu kurz1648. Demgegenüber verleiht der Gerichtshof den Marktfreiheiten, welche 1639

Dazu A. Emmerich-Fritsche, Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, S. 255 ff.,

289 ff. 1640

A. Emmerich-Fritsche, Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, S. 195 ff. EuGH – Rs. C-84/94 (Vereinigtes Königreich/Rat), Slg. 1996, I-5755 (5811, Rdn. 57); Rs. C-233/94 (Deutschland/Europäisches Parlament, Rat), Slg. 1997, I2464 ff.; vgl. auch A. Emmerich-Fritsche, Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, S. 272 ff. 1642 Dazu A. Emmerich-Fritsche, Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, S. 328 ff. 1643 Dazu A. Emmerich-Fritsche, Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, S. 410 ff. 1644 Etwa Rs. 5/73 (Balkan-Import-Export/Hauptzollamt Berlin-Packhof), Slg. 1973, 1091 (1110 ff., Rdn. 19 ff.); Rs. 114/76 (Bela-Mühle/Grows Farm), Slg. 1977, 1211 (1221, Rdn. 7); Rs. 116/76 (Granaria/Hoofdproduktschap voor Akkerbowprodukten), Slg. 1977, 1247 (1264, Rdn. 21/25); Rs. 15/83 (Denkavit Nerderland/Hoofdproduktschap voor Akkerbouwprodukten), Slg. 1984, 2171 (2186, Rn. 26); Rs. 181/84 (The Queen & Man (Sugar)/IBAP), Slg. 1985, 2889 (2903 ff.); Rs. C-319/90 (Pressler/ BALM), Slg. 1992, I-203 (insbes. 217 f.); Rs. C 44/94 (The Queen/Minister of Agriculture and Food u. Attorney General), Slg. 1996, I-569 (610, Rn. 27); EuGH v. 9. 7. 1997 – Rs. T-455/93 (Hedley Lomas u. a./Kommission), Tätigkeiten Nr. 21/97, S. 24 (27); Rs. C-248/95 u. C-249/95 (SAM Schiffahrt u. Stapf/Deutschland), Slg. 1998, I4475 (4512 f.); vgl. A. Emmerich-Fritsche, Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, S. 316 ff. 1645 Vgl. dazu die Untersuchung der Rechtsprechung von A. Emmerich-Fritsche, Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, S. 365 ff., 405 ff. 1646 A. Emmerich-Fritsche, Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, S. 213 ff. 1647 A. Emmerich-Fritsche, Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, S. 232 ff. 1648 A. Emmerich-Fritsche, Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, S. 405 ff. 1641

358

17. Kap.: Verhältnismäßigkeitsprinzip

meist Maßstab für mitgliedstaatliches Handeln sind, infolge einer sehr genauen und strengen Verhältnismäßigkeitsprüfung, welche den mitgliedstaatlichen Organen einen vergleichsweise kleinen Entscheidungsspielraum läßt, eine große Wirkung1649. Diese Unterschiede in der Prüfungsintensität sind nicht zu rechtfertigen.

1649

436 ff.

Dazu A. Emmerich-Fritsche, Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, S. 420 ff.,

18. Kapitel

Vertrauensschutzprinzip I. Freiheitliche Verläßlichkeit der Gesetze Den Frieden unter den Menschen sichern die Gesetze. Diese Gesetze schaffen Recht, wenn sie die Freiheit und damit die Gleichheit und Brüderlichkeit verwirklichen. Der Staat des Rechts, der Rechtsstaat also, als Verwirklichung der Freiheit durch Gesetzlichkeit, muß die Verwirklichung des Rechts sicherstellen1650. Dem dient vor allem der gerichtliche Rechtsschutz1651. Die Menschen müssen sich auf die Gesetze des gemeinsamen Lebens einrichten können. Die Verläßlichkeit der Gesetze ist Bedingung des guten Lebens. Sie ist vor allem notwendig, wenn der Mensch Zwecke verwirklichen will, weil er dafür planen muß. Der Mensch ist um Sicherheit in seiner Lebenswelt bemüht. Gesetze und Verträge sind erforderlich, um ein gesichertes gemeinsames Leben zu ermöglichen, nicht nur weil sie die Menschen voreinander schützen, sondern auch, weil sie zu erwarten erlauben, daß die Gegebenheiten, auf die sich der Mensch eingestellt hat, nicht ständig verändert werden. Frei ist der Mensch, der sich, um sein Glück zu suchen, Zwecke so setzen kann und darf, wie er will1652. Freilich dürfen seine Handlungen andere nicht schädigen. Freiheit ist darum Autonomie des Willens, d. h. die allgemeine Gesetzlichkeit des gemeinsamen Lebens1653. Die Freiheit der Zwecksetzung hängt aber davon ab, daß der Mensch die selbst gesetzten Zwecke verwirklichen kann. Wenn die Zwecksetzungen ohne Stabilität sind, sind die Vorkehrungen des Menschen, mittels derer er seine Zwecke erreichen will, vergebens und damit ist seine Zweckfreiheit ausgehöhlt. Die Gesetze müssen darum derart stabil sein, daß die Menschen ihr Leben darauf nach eigenen Zwecken aufbauen können. Das verlangt nach hinreichender Dauerhaftigkeit der Gesetze. Die Menschen müssen somit auf den Bestand der Gesetze vertrauen dürfen. Das Vertrauensschutzprinzip ist ein fester Bestandteil der

1650

Dazu 2. Kap., I, II, 3. Kap., II und V, 1, 4. Kap., I. Dazu 7. Kap. 1652 K. A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 297 ff.; ders., Freiheit in der Republik, 2. Kap., V, 5. Kap., III, 1. 1653 Dazu 3. Kap., III und V, 1, auch 4. Kap., I; K. A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 35 ff., 279 ff., 410 ff., 519 ff.; ders., Freiheit in der Republik, 2. Kap., III, IV, 5. Kap. II, 3, 7. Kap., III. 1651

360

18. Kap.: Vertrauensschutzprinzip

Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, ohne daß dieses Prinzip explizit im Grundgesetz angesprochen wäre. Das Gericht sieht in der Verläßlichkeit der Rechtsordnung „eine Grundbedingung freiheitlicher Verfassungen. Es würde den Einzelnen in seiner Freiheit erheblich gefährden, dürfte die öffentliche Gewalt an sein Verhalten oder an ihn betreffende Umstände ohne weiteres im nachhinein stärker belastende Rechtsfolgen knüpfen, als sie zur Zeit des Ablaufs dieses Verhaltens oder des Eintritts dieser Umstände von dem damals geltenden Recht angeordnet waren“ (BVerfGE 72, 200 (257 f.)). Zu beachten ist das „Rechtsstaatsprinzip, hinter dem letztlich der Gedanke der Freiheitsgewähr steht; denn Verläßlichkeit der Rechtsordnung ist wesentliche Voraussetzung für Freiheit, d. h. die Selbstbestimmung über den eigenen Lebensentwurf und seinen Vollzug“ (BVerfGE 76, 256 (347 f.)). Das Vertrauensschutzprinzip ist ein Grundprinzip des Rechts, das in allen Rechtsgebieten zum Tragen kommt1654. Es folgt aus dem Freiheitsprinzip, das sein Gesetz im kategorischen Imperativ hat1655. Wer das Vertrauen eines anderen enttäuscht, das er begründet hat, muß den Vertrauensschaden ausgleichen (vgl. § 122 BGB). Ohne eine hinreichende Stabilität der Erwartungen, die das Vertrauen in die Verläßlichkeit der gegenseitigen oder allseitigen Versprechen, zu denen im weiteren Sinne auch die Ordnungen des gemeinsamen Lebens gehören, also vor allem die Gesetze, können die Menschen nicht miteinander leben. Verträge beruhen auf Gegenseitigkeit (Prinzip des ,do ut des‘), Gesetze auf Allseitigkeit (Prinzip des Konsenses). Versprechen sind Fakten, auf welche die Menschen ihr Handeln einrichten. Wenn die Versprechen nicht gehalten werden, ist das eine Schädigung derer, die auf das Versprechen vertraut haben, also deren Verletzung entgegen dem Grundsatz: ,neminem laedere‘. Das aber verbietet das Prinzip der allgemeinen Freiheit; denn Freiheit ist die „Unabhängigkeit von eines anderen nötigender Willkür“ (Kant)1656. Letztlich ist das Vertrauens1654 Zum Vertrauensschutzprinzip C.-W. Canaris, Die Vertrauenshaftung im deutschen Privatrecht, 1971; K.-H. Lenz (unter Mitarbeit von K. A. Schachtschneider), Das Vertrauensschutzprinzip. Zugleich eine notwendige Besinnung auf die Grundlagen unserer Rechtsordnung, 1968; K. Stern, Staatsrecht I, S. 283 ff.; W. Leisner, Das Gesetzesvertrauen des Bürgers. Zur Theorie der Rechtsstaatlichkeit und der Rückwirkung der Gesetze, in: FS F. Berber, 1973, S. 273 ff.; Ph. Kunig, Das Rechtsstaatsprinzip, S. 208 ff., 273 ff.; auch B. Pieroth, Die neuere Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zum Grundsatz des Vertrauensschutzes, JZ 1990, 279 ff.; V. Götz, Bundesverfassungsgericht und Vertrauensschutz, FS BVerfG, 1976, Bd. II, S. 421 f.; H. Maurer, Kontinuitätsgewähr und Vertrauensschutz, HStR, Bd. III, 1988, § 60, S. 211 ff.; G. Kisker/G. Püttner, Vertrauensschutz im Verwaltungsrecht, VVDStRL 32 (1974), S. 149 ff., 200 ff. 1655 Dazu 3. Kap., II, 2; K. A. Schachtschneider, Staatsunternehmen und Privatrecht, S. 97 ff.; ders., Res publica res populi, S. 259 ff., 279 ff., 325 ff.; ders., Freiheit in der Republik, 2. Kap., IV, VII, 4. Kap., 5. Kap., II, 7. Kap., I, II, III. 1656 Metaphysik der Sitten, S. 345.

II. Prinzip der Allgemeinheit der Gesetze

361

schutzprinzip das Rechtsprinzip; denn zur Gesetzlichkeit des Rechts gehört die Beständigkeit der Rechtsakte oder eben der Willensakte. Unbeständigkeit der Gesetze stellt deren Notwendigkeit und Allgemeinheit in Frage. Gesetze, die jederzeit zur Disposition stehen, sind keine Gesetze, sondern Maßnahmen1657, die, um dem Rechtsprinzip der Freiheit zu genügen, der gesetzlichen Grundlage bedürfen1658. Auch die Verbindlichkeit der Verträge gründet im Rechtsprinzip selbst1659. Das Vertrauensschutzprinzip ist somit ein Lebensprinzip der Menschen. Es gehört zur Menschheit des Menschen. Es ist wie das Rechtsprinzip die Logik der allgemeinen und gegenseitigen Freiheit.

II. Prinzip der Allgemeinheit der Gesetze und der Wechsel der Lagen Recht hat Allgemeinheit, auch in der zeitlichen Dimension. Freiheitsrechtlich geht der Vertrauensschutzgedanke im Prinzip der Allgemeinheit der Gesetze auf. Weil die Gesetze verbindlich machen sollen, was für das gute Leben aller in allgemeiner Freiheit auf der Grundlage der Wahrheit richtig ist1660, und der republikanische Parlamentarismus als das bestmögliche Verfahren zur Erkenntnis von Wahrheit und Richtigkeit konzipiert ist1661, sichert der Idee nach die Allgemeinheit der Gesetze die Rechtlichkeit. Nur wenn die Sachlage sich ändert, dürfen, ja müssen auch die Gesetze geändert werden, falls sie von der richtig erkannten Lage ausgegangen sind und das Richtige für das gute Leben aller in allgemeiner Freiheit erkannt haben. Wenn die Lage sich ändert, kann sich niemand billigerweise auf Gesetze berufen, welche der Lage nicht mehr gerecht werden. Das Bundesverfassungsgericht hat „die unabdingbare Notwendigkeit“ betont, „die Rechtsordnung zu ändern, etwa Konjunktur-, Sozial-, Bildungs- und Gesellschaftspolitik betreiben zu können, um den Staat handlungsfähig und die Rechtsordnung anpassungsfähig zu erhalten“ (BVerfGE 76, 256 (347 f.)). Das Vertrauen in die unrichtig gewordenen Gesetze ist nicht schutzwürdig.

1657 Zum Maßnahmegesetz als Problem BVerfGE 24, 33 (52); 25, 371 (396 f.); K. Huber, Maßnahmegesetz und Rechtsgesetz, 1963; H. Krüger, Allgemeine Staatslehre, S. 740 ff.; Ch.-F. Menger/H. Werhahn, Das Gesetz als Norm und Maßnahme, VVDStRL 15 (1957), S. 3 ff., 35 ff.; wegweisend C. Schmitt, Die Diktatur des Reichspräsidenten, VVDStRL 1 (1924), S. 63 ff., 95 ff. 1658 Zum Gesetzesvorbehalt 6. Kap., III. 1659 K. A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 404 ff.; ders., Freiheit in der Republik, 8. Kap., VIII, 2. 1660 K. A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 350 ff., 573 ff.; ders., Freiheit in der Republik, 2. Kap., VI, 3, 3. Kap., III, 3, VIII, 3, 7. Kap., I, 2, u. ö. 1661 K. A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 536 ff., 637 ff., 707 ff., 810 ff.

362

18. Kap.: Vertrauensschutzprinzip

Das Prinzip der Allgemeinheit der Gesetze wäre mißachtet, wenn Änderungen der Gesetze für Lagen zugelassen würden, welche sich nicht verändert haben. Das Gericht hat zwar den „vollen Schutz zugunsten des Fortbestands der bisherigen Gesetzeslage“ zurückgwiesen, weil das „den dem Gesamtwohl verpflichteten demokratischen Gesetzgeber in wichtigen Bereichen gegenüber den Einzelinteressen lähmen, das Gesamtwohl schwerwiegend gefährden und die Versteinerung der Gesetzgebung bedeuten“ würde, „was den eines Ausgleichs bedürftigen Widerstreit zwischen der Verläßlichkeit der Rechtsordnung und der Notwendigkeit ihrer Änderung im Blick auf den Wandel der Lebensverhältnisse in nicht mehr vertretbarer Weise zu Lasten der Anpassungsfähigkeit der Rechtsordnung lösen würde“, aber dem Gesetzgeber nur zugestanden, „Normen, die in erheblichem Umfang an in der Vergangenheit liegende Tatbestände anknüpfen, zu erlassen und unter Änderung der künftigen Rechtsfolgen dieser Tatbestände auf veränderte Gegebenheiten mit einer Änderung seines Normenwerks zu reagieren oder durch eine solche Änderung erst bestimmte soziale Gegebenheiten in einem gewissen Sinn zu beeinflussen“ (BVerfGE 76, 256 (348)). Die Erkenntnis des Wahren und Richtigen des früheren Gesetzgebers wird durch eine Gesetzesänderung, die auf „veränderte Gegebenheiten reagiert, nicht in Frage gestellt, sofern diese Gegebenheiten“ nicht lediglich neue Erkenntnisse sind. Die Entwicklung zur deutschen Einheit gab und gibt ein gutes Beispiel für eine derartige Änderung der Lage. Gesetze, welche lange Zeit für die Bundesrepublik Deutschland richtig waren, waren und sind es angesichts der Notlage des Teiles Deutschlands, der nicht unter der grundgesetzlichen Verfassung leben konnte, nicht mehr. Das gilt vor allem für die Sozial- und die Steuergesetze. Eine beliebige Machbarkeit ist jedoch mit dem Prinzip des Rechts unvereinbar. In § 14 der Einleitung des Preußischen Allgemeinen Landrechts von 1794 heißt es: „Neue Gesetze können auf vorhin vorgefallene Handlungen und Begebenheiten nicht angewendet werden.“

III. Vertrauensschutzprinzip als Kompensation parteienstaatlicher Instabilität In der Praxis des entwickelten Parteienstaates1662 werden Gesetze vielfach aus anderen Gründen als dem der Veränderung der Lage geändert, etwa weil ein Wechsel der parteilichen Mehrheiten eine andere Politik ermöglicht. Das beweist nur, daß entweder die alte oder die neue Gesetzgebung oder sowohl die alte als auch die neue Gesetzgebung es nicht vermocht hat, das Richtige zu erkennen und verbindlich zu machen. Die veränderten parteilichen Mehrheiten 1662

Dazu 9. Kap., II; K. A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 1045 ff.

III. Kompensation parteienstaatlicher Instabilität

363

rechtfertigen eine Änderung der Gesetze nicht, weil republikanisch nicht die Mehrheit des Volkes oder gar die der Parteivertreter im Parlament das Gesetz trägt, sondern das ganze Volk und deren Vertreter, also das gesamte Parlament (argumentum ex Art. 20 Abs. 2 S. 1 und Art. 38 Abs. 1 S. 2 GG). Das Gesetz ist der Wille des Volkes, als richtig erkannt von den Vertretern des Volkes, nicht ein Machtakt einer Mehrheit, die realiter regelmäßig eine Minderheit ist1663. Die häufige Novellierung der Gesetze ist ein Beweis der Unfähigkeit des Parteienstaates zur freiheitlichen Gesetzgebung. Darin offenbart sich, daß der Parteienstaat den Parlamentarismus ruiniert hat1664. Gesetze der Parteien verfolgen parteiliche Zwecke. Folglich stehen sie ständig zur parteilichen Disposition. Das Vertrauensschutzprinzip hat kompensatorische Wirkung angesichts der Mißstände parteienstaatlicher Gesetzgebung. Eine bürgerliche Gesetzgebung, welche vom Sittengesetz bestimmt ist, bedarf keines vom Verfassungsgericht praktizierten Vertrauensschutzprinzips; denn der Gesetzgeber hätte das Vertrauen des Volkes. Das Gesetz wäre Recht. Die Sittlichkeit des Rechts hängt von der Moralität des Gesetzgebers ab, des Volkes und seiner Vertreter1665. Ein Vertrauensschutzprinzip ist das Surrogat für das im Parteienstaat verfallene Vertrauen des Volkes zum Gesetzgeber. Wesentliche Verfassungsinstitute, welche das Bundesverfassungsgericht mit dem Rechtsstaatsprinzip verbindet, transformieren die Verantwortung für die praktische Vernunft des gemeinsamen Lebens von dem insoweit mangels Sittlichkeit notwendig versagenden parteienstaatlichen Gesetzgeber auf das Bundesverfassungsgericht, den Notgesetzgeber im Parteienstaat1666. Ein Indiz für derartige kompensatorische Verfassungsentwicklung ist es, wenn Verfassungsinstitute im Verfassungstext nicht zu finden sind. In einer vollendeten Republik bedürfte es im Bereich der Gesetzgebung keines Vertrauensschutzgrundsatzes. Die Übergangsregelungen bei Änderung der Sachlage würden dieser gerecht werden. Der Republik genügt die Gesetzlichkeit des gemeinsamen Lebens, weil republikanische Gesetze Recht schaffen.

1663

K. A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 106 ff., 637 ff., 707 ff. Dazu 9. Kap., II, auch 10. Kap., I, 3; K. A. Schachtschneider, S. 772 ff., 943 ff., 963 ff., 1060 ff., 1086 ff., 1113 ff., 1147 ff.; ders., Der republikwidrige Parteienstaat, FS H. Quaritsch, S. 141 ff. 1665 K. A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 564 ff., 584 ff.; ders., Freiheit in der Republik, 2. Kap., VII; ders., Sittlichkeit und Moralität – Fundamente von Ethik und Politik in der Republik, in: ders., Freiheit – Recht – Staat, D. I. Siebold/A. Emmerich-Fritsche (Hrsg.), 2005, S. 41 ff. 1666 Vgl. K. A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 536 ff., 858 ff., 909 ff., 937 ff., 943 ff., 963 ff. 1664

364

18. Kap.: Vertrauensschutzprinzip

IV. Unmöglichkeit der Rückwirkung von Gesetzen und Fiktion von Vergangenheit 1. Unmöglichkeit der Rückwirkung von Gesetzen a) Handeln kann aus der Logik des Rechts nicht nachträglich rechtswidrig werden, weil das Recht das Handeln des Menschen bestimmen will, nicht aber Handlungen als Gegebenheiten in der Welt, losgelöst vom handelnden Menschen, bewertet. Wenn und weil der Mensch aber schon gehandelt hat, läßt sich sein Handeln nicht mehr steuern. Eine rückwirkende rechtliche Regelung menschlichen Handelns widerspricht somit der Lebenswirklichkeit und darum dem Begriff des Rechts. Sie kann dem Rechtsstaat nicht genügen. Richtigerweise gibt es darum keine rückwirkenden Gesetze. Die Vergangenheit ist Geschichte und kann durch keinen Menschen mehr beeinflußt werden. Auch die sogenannten rückwirkenden Gesetze schaffen immer nur Rechte und Pflichten für die Zukunft. Steuergesetze etwa, welche an vergangene Ereignisse anknüpfen, begründen Steuerzahlungspflichten schlechterdings nicht in der Vergangenheit, sondern in der Zukunft. Auch das Bundesverfassungsgericht anerkennt, daß Handeln nicht durch rückwirkende Regelungen, etwa disziplinar- oder schadensersatzrechtlich, ins Unrecht gesetzt werden darf (vgl. BVerfGE 63, 343 (357 ff.); 97, 67 (78 ff.)). b) Im strafrechtlichen Rückwirkungsverbot des Art. 103 Abs. 2 GG (nulla poena sine lege)1667 kommt nicht spezifisch der Vertrauensschutzgedanke zum Ausdruck (so aber BVerfGE 25, 269 (289 ff.)), etwa in dem Sinne, daß man sich darauf verlassen können müsse, Handlungen seien nicht strafbar, wenn sie nicht mit Strafe bedroht waren, als sie ausgeführt wurden. Vielmehr ist die republikanische Logik dieser Regelung, daß Rechte und Pflichten unabweisbar einer gesetzlichen oder vertraglichen Grundlage bedürfen. Solange solche Grundlagen nicht bestehen, hat der Mensch das Recht zur freien Willkür1668. Ist er nicht zu einem Handeln verbunden, gibt es für sein Handeln keine verbindlichen Maximen außer dem Sittengesetz. Das Handeln ist somit rechtmäßig. 2. Fiktion von Vergangenheit und deren Neuregelung Allenfalls kann die Vergangenheit so definiert werden, als wäre sie eine andere gewesen, als sie es tatsächlich war. Das sind Fiktionen, mit denen die Rechtsordnung häufig arbeitet. Im Falle von BVerfGE 72, 302 (318 ff.) sollten formnichtige Grundstückskaufverträge durch das Gesetz zur Änderung und Er1667

Dazu 14. Kap., IV, 3. K. A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 374 ff.; ders., Freiheit in der Republik, 2. Kap., V, VI, 8. Kap., II. 1668

V. Rückwirkungsverbot des Bundesverfassungsgerichts

365

gänzung beurkundungsrechtlicher Vorschriften vom 20. Februar 1980 von Inkrafttreten des Gesetzes an als gültig behandelt werden, nachdem der Bundesgerichtshof diese Verträge 1979 wegen Verstoßes gegen § 313 BGB in Änderung langjähriger Rechtsprechung als nichtig erkannt hatte. Das ist eine Fiktion von Verträgen, welche die Vertragsfreiheit in bestimmter, mehr als fragwürdiger Weise regelt. Das Prinzip der Allgemeinheit der Gesetze war nicht beachtet; denn ein Rechtssatz mit dem allgemeinen Inhalt, alle Verträge sollen vom Gesetzgeber für gültig erklärt werden, wenn sie aufgrund einer Änderung der Rechtsprechung von den Gerichten als nichtig erkannt wurden, hebt die Verbindlichkeit von Gesetzen der Vergangenheit für die Zukunft auf, wenn eine langdauernde Rechtsprechung geändert wird. Sie desavouiert eine Änderung der Rechtsprechung und mißachtet damit die gewaltenteilige Funktionenordnung1669. Allgemeine Maxime des Gesetzgebers könnte es sein, Abwicklungsschwierigkeiten zu erleichtern. Das entspräche der Praxis fehlerhafter Arbeitsoder Gesellschaftsverträge, deren Fehlerhaftigkeit nur zur Vernichtbarkeit der Verträge ex nunc, nicht ex tunc führt (fehlerhafte oder faktische Rechtsverhältnisse)1670. Ein wirksamer Vertragsschluß aber sollte nicht fingiert werden. Die Allgemeinheit und Richtigkeit eines Gesetzes verantwortet der Gesetzgeber. Er ist freilich auf die praktische Vernünftigkeit seiner Erkenntnisse von den Gerichten überprüfbar1671.

V. Rückwirkungsverbot des Bundesverfassungsgerichts 1. Vertrauensschutzprinzip des Rechtsstaates und Verbot von Rückwirkungen Das Bundesverfassungsgericht praktiziert auf der Grundlage eines verfassungsrangigen (BVerfGE 99, 128 (164 ff.)) Vertrauensschutzprinzips ein differenziertes Verbot der Rückwirkung von Gesetzen, dessen Wirkung von der Abwägung zwischen einem schutzwürdigen Vertrauen auf das Fortgelten der bestehenden Lage und einem Interesse der Allgemeinheit an dessen Änderung abhängt (BVerfGE 14, 288 (300); 25, 142 (154); 43, 242 (286); 53, 224 (253 f.); 63, 152 (175); 72, 175 (196); 105, 17 (40); 105, 48 (58); 109, 133 (181 f., 186)). Das Gericht hat sein Vertrauensschutzprinzip in umfangreicher Rechtsprechung aus dem der Freiheit dienenden Rechtsstaatsprinzip abgeleitet 1669

Dazu 9. Kap., auch 12. Kap., I, 3, b. Dazu G. Schaub, Arbeitsrechtshandbuch, 7. Aufl. 1992, S. 174 ff.; K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, 3. Aufl. 1997, S. 143 ff.; P. Ulmer, Münchener Kommentar, Bürgerliches Gesetzbuch, Schuldrecht, Besonderer Teil III, 3. Aufl. 1997, § 705, Rdn. 243 ff. (263 f.). 1671 Dazu 16. Kap., III, 17. Kap., II und IV; K. A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 978 ff.; ders., Freiheit in der Republik, 7. Kap., II, 2. 1670

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18. Kap.: Vertrauensschutzprinzip

(seit BVerfGE 13, 261 (271); 25, 269 (290 ff.); 72, 200 (257 f.); 75, 246 (280); 76, 256 (347 f.); 102, 68 (96 ff.); 108, 370 (396 f.); 109, 133 (180 f.)), genauer aus dem Prinzip materieller Rechtssicherheit (BVerfGE 25, 269 (290); 45, 142 (167); 63, 152 (175); 72, 175 (196); 88, 384 (403); 105, 48 (57))1672, aber zunehmend auch aus speziellen Grundrechten, wie vor allem Art. 12 Abs. 1, Art. 9 Abs. 1 GG, aber auch Art. 14 Abs. 1 und Art. 33 Abs. 5 GG (vgl. BVerfGE 72, 200 (242); 92, 277 (344); 95, 64 (86); 97, 69 (79); 101, 239 (262); 103, 332 (349); 109, 133 (180 f.))1673. 2. Verbotene Rückwirkung Das Bundesverfassungsgericht unterscheidet die echte, die retroaktive, von der unechten, der retrospektiven, Rückwirkung der Gesetze. Aus dem Vertrauensschutzprinzip als einem materiellen Kern des Prinzips der Rechtssicherheit leitet das Gericht ein grundsätzliches Verbot der echten Rückwirkung belastender Gesetze her (BVerfGE 7, 129 (152); 13, 261 (270 f.); 25, 269 (290); 30, 392 (401); 31, 111 (122); 39, 128 (243); 45, 142 (167 f.); 63, 343 (353); 72, 200 (242, 253 f.); 83, 89 (109 f.); 87, 48 (61 ); 97, 67 (79); 101, 239 (262); 109, 133 (180 f.); st. Rspr.; vgl. auch BVerfGE 102, 68 (96 ff.)). „Grundsätzlich soll sich der Bürger darauf verlassen können, daß der Gesetzgeber an abgeschlossene Tatbestände nicht ungünstigere Folgen knüpft, als im Zeitpunkt der Vollendung dieser Tatbestände voraussehbar waren“ (BVerfGE 13, 261 (272); 15, 313 (324); 18, 429 (439); 25, 269 (290); 25, 371 (404); i. d. S. auch BVerfGE 72, 200 (257 ff.); 72, 302 (321 ff.); 76, 256 (347 ff.); 87, 48 (61); 88, 384 (404); 95, 64 (86 f.); 97, 67 (78 ff.)). Das Gericht definiert: „Echte (retroaktive) Rückwirkung eines Gesetzes liegt nur vor, wenn das Gesetz nachträglich ändernd in abgewickelte, der Vergangenheit angehörende Tatbestände eingreift“ (BVerfGE 11, 139 (145 f.); 25, 371 (404); 63, 152 (175); 72, 175 (196); 95, 64 (86); 101, 239 (263)). Das ist jedoch nicht möglich, weil sich die Vergangenheit nicht ändern läßt. Das Gericht scheint eine Differenzierung zur retrospektiven Rückwirkung ausdrücken zu wollen, welche es darin sieht, daß ein Gesetz „nur auf gegenwärtige, noch nicht abgeschlossene Sachverhalte und Rechtsbeziehungen für die Zukunft einwirkt“ (BVerfGE 11, 139 (146); 25, 269 (290); 63, 152 (175); 72, 175 (196); 95, 64 (86); 101, 239 (263)). Der Zweite Senat des Bundesverfassungsgerichts nennt die vom ersten Senat genannte echte Rückwirkung schlicht „Rückwirkung“ (etwa BVerfGE 63, 343 (353); 72, 200 (242 ff., 258 ff.); 72, 302 (311, 328); 97, 67 (78 f.); 109, 133 1672 Vgl. dazu B. Pieroth, Die neuere Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zum Grundsatz des Vertrauensschutzes, JZ 1990, 279 ff. 1673 Vgl. H. Maurer, Kontinuitätsgewähr und Vertrauensschutz, HStR, Bd. III, 1988, § 60, Rdn. 23 ff., 44 ff.; ders., Staatsrecht, 4. Aufl. 2005, § 17, Rdn. 111 ff., S. 604 ff.

V. Rückwirkungsverbot des Bundesverfassungsgerichts

367

(180 f.)) und spricht bei der sogenannten unechten Rückwirkung nur von „tatbestandlicher Rückanknüpfung“ (BVerfGE 72, 200 (243 f.); 95, 64 (86 f.); 96, 330 (340); 97, 67 (78 f.); 109, 133 (181)). Von der Rückwirkung als ,Rückbewirkung von Rechtsfolgen‘ geht der Zweite Senat aus, „wenn der Beginn ihres zeitlichen Anwendungsbereichs normativ auf einen Zeitpunkt festgelegt ist, der vor dem Zeitpunkt liegt, zu dem die Norm rechtlich existent, d. h. gültig geworden ist“ (BVerfGE 63, 343 (353); 72, 200 (241); 87, 48 (61); 97, 67 (78 f.); 109, 133 (181)). Obwohl das Gericht die echte Rückwirkung für grundsätzlich unzulässig erklärt (BVerfGE 25, 371 (403 f.); 109, 133 (181)), hält es diese für tragfähig, wenn zwingende Gründe des Gemeinwohls sie rechtfertigen (BVerfGE 13, 261 (270 ff.); 72, 200 (257 ff.); 72, 302 (321 ff.); 88, 384 (404); 97, 67 (79 ff.); 102, 68 (97 f.); 109, 133 (181)). 3. Erlaubte Rückwirkung oder Rückanknüpfung Das Gericht hält die echte Rückwirkung für erlaubt, wenn der Bürger in dem Zeitpunkt, auf den die Rechtsfolge zurückbezogen wird, mit der Regelung rechnen mußte, wenn eine verfassungswidrige Lücke geschlossen werden mußte, wenn das korrigierte geltende Recht „unklar und verworren ist“ oder wenn der Bürger sich auf den durch eine ungültige Norm erzeugten Rechtsschein nicht verlassen durfte (BVerfGE 13, 161 (172); 18, 429 (439); 63, 152 (175); 68, 297 (307); 72, 200 (257 ff.); 72, 302 (321 ff.); 87, 48 (61); 88, 384 (404); 95, 64 (86 f.); 97, 67 (78 ff.); 105, 17 (44 f.); 109, 133 (186)) oder eben, wenn sie sonst aus „zwingenden“ (oder „überragenden“) „Gründen des gemeinen Wohls“ geboten ist (BVerfGE 13, 261 (272); 72, 200 (258 ff.); 88, 384 (404); 97, 67 (79 ff.); 101, 239 (263 f.); 102, 68 (97 f.); 109, 133 (181))1674. Mit Gesetzen sei namentlich zu rechnen, wenn sie bereits im Bundestag beschlossen seien, grundsätzlich aber nicht schon dann, wenn sie erst im Ausschuß beraten würden oder erst ein Regierungsentwurf vorliege (BVerfGE 13, 261 (273), u. ö.). Die unechte Rückwirkung hält das Gericht für zulässig, wenn der Vertrauensschaden des Bürgers, der auf den Bestand der geänderten Regelung vertraut hat, geringer zu veranschlagen ist als die Bedeutung des gesetzgeberischen Vorhabens für das Wohl der Allgemeinheit (etwa BVerfGE 14, 288 (300); 25, 142 (154); 43, 242 (286); 43, 291 (391); 75, 246 (280); 95, 61 (86); 101, 239 (263); 105, 17 (40); 105, 48 (58 f.); 109, 133 (181 f., 186)). Das Ausmaß des Vertrauensschadens und das Wohl der Allgemeinheit seien gegeneinander abzuwägen (BVerfGE 14, 288 (300); 30, 392 (402); 43, 242 (286); 70, 69 (84 f.); 87, 48 (60 f.); 88, 384 (404); 95, 64 (86 ff.); 97, 67 (78 ff.); 101, 239 (262); 105, 17 (40); 105, 48 (58); 109, 133 (181 f., 186)). Dem einzelnen müsse nicht jede Enttäuschung erspart werden (BVerfGE 22, 241 (252), u. ö.). „Der Staatsbürger 1674

Vgl. H. Maurer, Staatsrecht, § 17, Rdn. 119 f., S. 607 f.

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18. Kap.: Vertrauensschutzprinzip

kann sich auf Vertrauensschutz als Ausprägung des Rechtsstaatsprinzips nicht berufen, wenn sein Vertrauen auf den Fortbestand einer bestimmten gesetzlichen Regelung eine Rücksichtnahme durch den Gesetzgeber billigerweise nicht beanspruchen kann“ (BVerfGE 14, 288 (300); 25, 269 (291); 63, 152 (172); 68, 287 (307); 109, 133 (186)), „. . . wo das Vertrauen auf eine bestimmte Rechtslage sachlich nicht gerechtfertigt wäre“ (BVerfGE 13, 261 (271); 25, 269 (291)), so wenn eine Frage in der Vergangenheit noch nicht geregelt war, dann aber geregelt wird (BVerfGE 103, 271 (287); 109, 96 (121 f.). Das gilt insbesondere, „. . . wenn durch die Rückwirkung nur ein ganz unerheblicher Schaden verursacht würde“ (BVerfGE 95, 64 (87)). Die unechte Rückwirkung wird unzulässig, wenn das Verhältnismäßigkeitsprinzip mißachtet wird (BVerfGE 101, 239 (263)). Die Kriterien sind gesetzgeberisch, wie sich schon darin zeigt, daß das Bundesverfassungsgericht zwischen Interessen des einzelnen Bürgers und dem Wohl der Allgemeinheit abwägen muß. Das Wohl der Allgemeinheit ist das Interesse aller Bürger, also auch das jedes einzelnen. Wenn Richter meinen, Bürger vor Enttäuschungen bewahren oder nicht bewahren zu müssen, ist jede mögliche rechtliche Begrifflichkeit verlassen. Im übrigen liegt eine Rückwirkung darin, daß die Gesetze Erwartungen der Bürger enttäuschen. Gesetze enttäuschen immer Erwartungen irgendwelcher Bürger, auch wenn sie erst nach Jahren in Kraft treten sollen. Manche Bürger planen eben langfristig. Die Kriterien des Gerichts zeigen, daß die Bürger besser beraten sind, dafür Sorge zu tragen, daß sie ihrem Gesetzgeber vertrauen können, als sich auf ein Vertrauensschutzprinzip in den Händen von Verfassungsrichtern zu verlassen.

4. Änderung der Rechtsprechung Das vermeintlich rechtsstaatliche Rückwirkungsverbot für den Gesetzgeber hindert die Rechtsprechung nicht, für Fälle, die notwendigerweise in der Vergangenheit liegen, Rechtserkenntnisse anzuwenden, mit denen die Parteien nicht gerechnet haben, weil Fälle vergleichbarer Art bis dahin nach anderen richterlichen Erkenntnissen entschieden wurden. Ein Rückwirkungsverbot für richterliche Erkenntnisse hat vom Bundesverfassungsgericht Unterstützung erfahren. Die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand dürfe nicht überraschend von verschärften Kriterien abhängig gemacht werden (BVerfGE 79, 372 (376 f.)). Das widerspricht dem Prinzip, daß der Richter in jedem Fall eigenständig in Bindung an die Gesetze das Recht zu erkennen hat (Art. 97 Abs. 1 GG). Die Änderung der Rechtsprechung kommt mit dem Grundsatz des Vertrauensschutzes nicht in Konflikt, weil die Erkenntnis des Rechts prinzipiell gesetzesgebunden ist. Obwohl Rechtsprechung funktional rechtsetzend sein kann, so daß sich Richterrecht bildet, bleibt ein Richterspruch eine einmalige, zeitbe-

VI. Kritik der Rückwirkungsrechtsprechung

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dingte Fallentscheidung, welche nicht an die Rechtserkenntnisse früherer Gerichte gebunden ist1675, soweit nicht die Rechtskraft eingreift. 5. Mauerschützen ohne Vertrauensschutz Nach Art. 103 Abs. 2 GG darf „eine Tat nur bestraft werden, wenn die Strafbarkeit gesetzlich bestimmt war, bevor die Tat begangen wurde“. Dieser rechtsstaatliche Grundsatz ,nulla poena sine lege‘ (praevia) fundiert den Gebrauch der Freiheitsrechte1676, indem er Rechtssicherheit gewährt, die Staatsgewalt an das Gesetz bindet und Vertrauen schützt (BVerfGE 95, 96 (130 ff.)). Das Bundesverfassungsgericht hat das Rückwirkungsverbot des Strafrechts für absolut erklärt (BVerfGE 30, 367 (385); 95, 96 (133)) und die strikte Formalisierung, durch welche die rechtsstaatliche und grundrechtliche Gewährleistungsfunktion (als Spezifikum unter den Garantien der Rechtsstaatlichkeit) erfüllt werde, hervorgehoben (BVerfGE 95, 96 (131)). Für Tötungshandlungen an der Grenze der DDR hat das Gericht den Grundsatz dennoch relativiert, weil die Erlaubnis zum Töten dort nicht „unter den Bedingungen der Demokratie, der Gewaltenteilung und der Verpflichtung auf die Grundrechte zustandegekommen“ (BVerfGE 95, 96 (132)) sei und den durch Art. 103 Abs. 2 GG gewährten absoluten und strikten Vertrauensschutz aus Gründen der materiellen Gerechtigkeit auch nicht verdiene, weil „der Träger der Staatsmacht extremes staatliches Unrecht“ gesetzt habe, „das sich nur solange behaupten“ könne, wie die dafür „verantwortliche Staatsmacht“ bestehe (BVerfGE 95, 96 (133)). Rechtlichkeit setzt somit Freiheitlichkeit voraus. Ein Unrechtsstaat, besser: ein Unstaat bringt kein Recht hervor, das rechtliche Sicherheit für den Menschen schafft1677.

VI. Kritik der Rückwirkungsrechtsprechung 1. Sittliche Einheit von Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft „Gesetze, die dem Bürger rückwirkend eine öffentlich-rechtliche Leistungspflicht gegenüber dem Staat auferlegen oder erhöhen, sind grundsätzlich unzulässig. Sie zerstören das Vertrauen in die bestehende Rechtsordnung“ (BVerfGE 19, 187 (195), u. ö.). Pflichten können nur für die Zukunft geregelt werden. Wenn Ereignisse der Vergangenheit Anknüpfungspunkt für gesetzliche Regelun1675 Dazu K. A. Schachtschneider, Neubescheidung nach Rechtskraft im Sozialversicherungsrecht und im Allgemeinen Verwaltungsrecht, VerwArch 63 (1972), S. 322 ff. 1676 Dazu näher 14. Kap., IV, 3. 1677 K. A. Schachtschneider (O. Gast), Sozialistische Schulden nach der Revolution, S. 29 ff.; dazu auch 2. Kap., 4. Kap., I.

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18. Kap.: Vertrauensschutzprinzip

gen sind, dann nur, weil sie noch in die Gegenwart hineinwirken, wie das Gesetz selbst beweist. Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft sind eine politische Einheit, die der Gesetzgeber berücksichtigen muß, wenn er richtige, d. h. gerechte Gesetze geben will. Man denke nur an Handlungen in Deutschland aus der Zeit von 1933 bis 1945 oder in der SBZ von 1945 bis 1949 oder der DDR aus der Zeit von 1949 bis 1989. Es ist eine Frage der Politik, ob an Handlungen aus den genannten Zeiten Rechtsfolgen geknüpft werden, obwohl nicht wenige Menschen während der Herrschaft der NSDAP damit gerechnet haben, daß deren „Drittes Reich“ tausend Jahre währen würde, und bis zum Herbst 1989 auch kaum jemand damit gerechnet hat, daß die Herrschaft der SED und ihrer Blockparteien so bald ihr Ende finden werde. Richtig ist, daß der Einzelne sich möglichst für längere Zeit einrichten können muß. Das freilich hat der Gesetzgeber als Vertreter des ganzen Volkes zu beachten. In welchem Maße er dieses Interesse schützt, ist jedoch eine Frage der Politik und damit der Sittlichkeit. 2. Sachlichkeit als maßstablose Maxime des Rückwirkungsverbots Steuergesetze, meint das Bundesverfassungsgericht, würden nur Tatbestände erfassen dürfen, die nach der Verkündung des Gesetzes eintreten oder sich vollenden würden (BVerfGE 13, 261 (271), u. ö.). Seien die Handlungen, die dann besteuert werden sollten, jedoch bereits begonnen, so müsse sich die Besteuerung in maßvollen Grenzen halten (BVerfGE 13, 274 (278); u. ö.). Die Erhöhung der Körperschaftsteuer von 50% auf 60% in der Mitte des Jahres mit Wirkung vom 1. Januar 1951 beispielweise hat das Bundesverfassungsgericht akzeptiert (BVerfGE 13, 274 ff.). Das Vertrauen in den dauernden Bestand steuerlicher oder sozialer Vergünstigungen (zinslicher im Wohnungsbau) war nicht geschützt (BVerfGE 18, 135 (144); 72, 175 (196); u. ö.). Maßgeblich war jeweils, ob das Vertrauen auf den Bestand rechtlicher Regelungen „sachlich“ gerechtfertigt war (BVerfGE 13, 261 (271 ff.), u. ö.). Sachlichkeit ist das Gebot aller Gesetzgebung, aber erst die Gesetze stellen fest, was sachlich ist. Die Sachlichkeit des Gesetzes ist nichts anderes als die praktische Vernunft des Gesetzgebers. Sie ist eine Frage der Sittlichkeit und damit der Moralität1678. Einen juridischen Maßstab der Sachlichkeit gibt das Gesetz, das aber von den Gerichten auf seine Sachlichkeit hin (in gewissen Grenzen) überprüft werden kann1679.

1678 Dazu 3. Kap., II, 4. Kap., I, 3, auch 16. Kap., III, 17. Kap., II und IV; K. A. Schachtschneider, Sittlichkeit und Moralität – Fundamente von Ethik und Politik in der Republik, S. 26 ff., 41 ff.; ders., Freiheit in der Republik, 2. Kap., V, VII, 7. Kap., I, II. 1679 K. A. Schachtschneider, Freiheit in der Republik, 7. Kap., II.

VII. Versagen der Rückwirkungsrechtsprechung

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VII. Versagen der Rückwirkungsrechtsprechung 1. Verjährungsregelung für Naziverbrechen Die Verlängerung der Verjährungsfristen für Straftaten (1965), die mit lebenslangem Zuchthaus bedroht waren, hat das Bundesverfassungsgericht, obwohl diese Straftaten lange zurücklagen, weder als Verletzung des Rückwirkungsverbots aus dem Vertrauensschutzprinzip noch als Verletzung des Gleichheitssatzes und erst recht nicht als Verletzung des Art. 103 Abs. 2 GG angesehen, weil dieses Grundrecht nur die Verschärfung des materiellen Strafrechts verbiete, nicht aber die Änderung der Strafverfolgungsvorschriften (BVerfGE 25, 269 (289 ff.))1680. Die Verjährungsvorschriften sind aber entgegen der Auffassung des Bundesverfassungsgerichts material. „Zeit heilt Wunden“, sagt der Volksmund. An der Strafverfolgung steinalter Täter wegen der manchmal mehr als ein halbes Jahrhundert zurückliegenden Verbrechen besteht der spezifische Strafzweck der Resozialisierung (§ 2 S. 1 StVollzG) durch Spezialprävention nicht, aber auch nicht der der Generalprävention (§ 2 S. 2 StVollzG), weil die Wiederholung der verbrecherischen Hitlerischen Tyrannis nicht zu erwarten war und ist. Die Verfahren dienen allenfalls einer Erziehung der Allgemeinheit. Dementsprechend werden die Strafverfahren wenig ernsthaft betrieben, etwa leichthin wegen Krankheit des Strafverfolgten eingestellt oder mit Strafen, die dem schweren Verbrechen nicht gerecht werden, geahndet. Anlaß der Maßnahme waren die außergewöhnlichen Verbrechen während des „Dritten Reiches“, aber die Verjährungsfristen sind für alle mit lebenslanger Freiheitsstrafe zu ahndenden Straftaten verlängert worden1681. Verbrechen nach § 211 StGB (Mord) verjähren überhaupt nicht mehr. 2. Familienrechtsreform Der Übergang vom Verschuldens- zum Zerrüttungsprinzip im Scheidungsrecht durch die Familienrechtsreform von 1976 hat das Vertrauen vieler Eheleute in den lebenslangen Bestand ihrer Ehe erschüttert. Gegenüber dieser Reform hätte sich ein Vertrauensschutzprinzip bewähren müssen. Der Wille zur Scheidungsreform hat sich durchgesetzt. Nicht einmal die durch Art. 6 Abs. 2 GG hochrangig geschützten Rechte der Kinder auf ihre Eltern, welche durch das Zerrüttungsprinzip gegenüber familienunwilligen Eltern wertlos geworden sind, haben den Gesetzgeber zur Zurückhaltung gegenüber einem rigiden Zerrüttungsprinzip zu veranlassen vermocht. Das Bundesverfassungsgericht hat in der Entscheidung, in der es die Verfassungsmäßigkeit des Zerrüttungsprinzips 1680

Grundlegend E. Benda, Rede vor dem Deutschen Bundestag vom 10.03.1965. § 1 Gesetz über die Ordnung strafrechtlicher Verjährungsfristen vom 13.04. 1965 (BGBl I, S. 315), geändert durch Gesetz vom 26.06.1969 (BGBl I, S. 645). 1681

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18. Kap.: Vertrauensschutzprinzip

bestätigt hat (BVerfGE 53, 224 ff.), die Rechte der Kinder nicht einmal erwähnt, auch nicht das berechtigte Vertrauen der Kinder darauf, daß ihnen ihre Eltern und die Familie erhalten bleiben. Zur Zeit (2005) wachsen in Nürnberg mehr als 30% der Kinder bei nur einem Elternteil (meist alleinerziehende Mütter) auf, eine Konsequenz auch des Zerrüttungsprinzips. Das Gericht, welches über mehrere Seiten vertrauensschutzrechtlich argumentiert, hat im Ergebnis die Reform der Politik des Gesetzgebers überlassen. Das ist nicht zu rügen, zeigt aber die Wirkungslosigkeit des Vertrauensschutzes gegenüber dem Gesetzgeber, der die öffentliche Meinung, jedenfalls die Medien, hinter sich weiß. Das Gericht leitet seine Überlegungen mit den folgenden Sätzen ein (BVerfGE 53, 224 (253 f.)): „Abzuwägen ist zwischen dem Vertrauen auf den Fortbestand des Rechtszustandes nach der bisherigen gesetzlichen Regelung und der Bedeutung des gesetzgeberischen Anliegens für das Wohl der Allgemeinheit. Der Nachprüfung durch das Bundesverfassungsgericht unterliegt nur, ob der Gesetzgeber bei einer Gesamtabwägung zwischen der Schwere des Eingriffs und dem Gewicht und der Dringlichkeit der ihn rechtfertigenden Gründe unter Berücksichtigung aller Umstände die Grenze der Zumutbarkeit überschritten hat.“

Daß derartige Nachprüfung nicht mehr Rechtsanwendung ist, ergibt sich aus den in diesen Sätzen benutzten Begriffen. Erhellend sind die Worte „Schwere“, „Gewicht“ und „Grenze“, alles Worte ohne subsumiblen Begriffsgehalt. Das Gericht ist zur stellvertretenden Sittlichkeit (praktischen Vernunft) aufgerufen1682, um die Rechte der Menschen zu verteidigen, verschließt sich aber seiner sittlichen Aufgabe, wenn die Medien, die sogenannte vierte Gewalt, eine bestimmte Politik propagieren.

VIII. Vertrauensschutzprinzip im Verwaltungsrecht 1. Schutz des Vertrauens in den Bestand fehlerhafter Verwaltungsakte Das Vertrauensschutzprinzip ist ein Prinzip des Verwaltungsrechts und hat dort eine grundsätzliche Regelung in §§ 48, 49 VwVfG gefunden1683. Nach § 48 VwVfG wird unter bestimmten Umständen das Vertrauen in den Bestand eines rechtswidrigen Verwaltungsaktes geschützt. Die prinzipielle Rechtsfolge 1682 K. A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 978 ff.; ders., Freiheit in der Republik, 7. Kap., II, 2. 1683 Dazu H.-U. Erichsen, Das Verwaltungshandeln, in: ders., Allgemeines Verwaltungsrecht, 11. Aufl. 1998, § 17–20, S. 329 ff.; H. Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 11, Rdn. 10 ff., S. 282 ff.; H. J. Wolff/O. Bachof/R. Stober, Verwaltungsrecht I, 10. Aufl. 1994, § 51, Rdn. 5 ff., 66 ff., u. ö., S. 727 ff., 744 ff.; K. A. Schachtschneider, Grundbegriffe des Allgemeinen Verwaltungsrechts, § 2, II 1, S. 34 ff.

VIII. Vertrauensschutzprinzip im Verwaltungsrecht

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schützenswerten, aber gestörten Vertrauens ist ein Anspruch auf Ausgleich des Vermögensnachteils1684. Der Sache nach handelt es sich um einen Schadensersatzanspruch für Fehlverhalten der Verwaltung, welche den Schein eines rechtmäßigen Verwaltungsaktes zu verantworten hat. § 48 VwVfG ist somit eine Parallele zum zivilrechtlichen Vertrauensschutzprinzip1685. Beide Prinzipien haben keine Gemeinsamkeit mit dem gesetzgeberischen Vertrauensschutzprinzip, welches nicht auf Fehlverhalten des Gesetzgebers reagiert, sondern diesem eine gerechte Rechtsetzung aufgibt. 2. Schutz vor Widerruf rechtmäßiger Verwaltungsakte § 49 Abs. 6 VwVfG gibt auch einen Anspruch auf Entschädigung des Vermögensnachteils, wenn ein rechtmäßiger begünstigender Verwaltungsakt gemäß § 49 Abs. 6 Nr. 3 bis 5 VwVfG widerrufen wurde, vorausgesetzt, daß der Betroffene auf den Bestand dieses Verwaltungsaktes vertraut hat und sein Vertrauen schutzwürdig ist1686. Nur unter engen Voraussetzungen dürfen derartige Verwaltungsakte widerrufen werden. Dieses Vertrauensschutzprinzip ist mit dem gesetzgeberischen verwandt. Es ist in dem Falle des § 49 Abs. 2 Nr. 4 VwVfG als Moderierung einer Gesetzesänderung gerechtfertigt. Im Falle der Nr. 3 dieser Vorschrift, in dem nachträglich eingetretene Tatsachen die Verwaltung berechtigen würden, den Verwaltungsakt nicht zu erlassen, liegt kein Fall getäuschten Vertrauens vor, weil niemand darauf vertrauen darf, daß die Tatsachen sich nicht verändern. 3. Widerruf von Verwaltungsakten wegen „schwerer Nachteile für das Gemeinwohl“ Nr. 5 des § 49 Abs. 2 VwVfG erlaubt es, daß die Verwaltung einen rechtmäßigen begünstigenden Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, widerruft, um „schwere Nachteile für das Gemeinwohl zu verhüten oder zu beseitigen“1687. Diese Vorschrift entbehrt der Logik. Freiheitliche Gesetze, die Verwaltungsakten, welche schwere Nachteile für das Gemeinwohl mit sich bringen, eine Grundlage geben, kann es in der Republik rechtens nicht geben, weil die Gesetze der Freiheit das Allgemeinwohl definieren. Die kritisierte Klausel 1684

K.-H. Lenz, Das Vertrauensschutzprinzip, S. 12 ff. Dazu umfassend C.-W. Canaris, Die Vertrauenshaftung im deutschen Privatrecht, S. 9 ff.; K.-H. Lenz, Das Vertrauensschutzprinzip, S. 12 ff. (32). 1686 Vgl. H. Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 11, Rdn. 45, S. 311 f.; H.-U. Erichsen, Das Verwaltungshandeln, § 18, Rdn. 16, S. 357 f. 1687 Dazu H. Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 11, Rdn. 44a, S. 310 („ultima ratio für Extremfälle“); H.-U. Erichsen, Das Verwaltungshandeln, § 18, Rdn. 11, S. 354 („das frühere ius eminens“). 1685

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18. Kap.: Vertrauensschutzprinzip

ist ein Angstvorbehalt, welcher auch in seiner Unbestimmtheit die Unsicherheit der Verwaltungsrechtsdogmatik offenbart. Das Gemeinwohl, von dem schwerer Nachteil abgewendet werden soll, muß hinreichend durch Gesetze bestimmt werden, das Gemeinwohl hat aber seine Materialisierung bereits in dem Gesetz gefunden, das dem rechtmäßigen Verwaltungsakt zugrunde liegt. Ein offener materialer Gemeinwohlbegriff öffnet dem Unrecht Tür und Tor. Rechtsstaatlichkeit verlangt größtmöglich bestimmte Tatbestände in Gesetzen (BVerfGE 3, 225 (243); 20, 150 (157 ff.); 80, 137 (161); 87, 234 (263); 93, 213 (238); 102, 254 (337); st. Rspr.)1688. Wenn das Gemeinwohl es wegen der Änderung der Lage erfordert, kann und muß durch Gesetz die Änderung der Verwaltungsmaßnahmen im Rahmen der Grundrechte, insbesondere des Eigentumsschutzes, ermöglicht werden (dazu II).

IX. Gemeinschaftsrechtliche Aspekte des Vertrauensschutzes 1. Vertrauensschutz im Gemeinschaftsverwaltungsrecht Auch der Europäische Gerichtshof praktiziert ein Vertrauensschutzprinzip (EuGH Rs. 1/73 (Westzucker), Slg. 1973, 723 (729); Rs. 170/86 (von Deetzen), Slg. 1988, 2355 (2372 f.)1689, sowohl gegenüber den gesetzlichen Rechtsakten (EuGH Rs. 74/74 (CNTA), Slg. 1975, 533 (549); Rs. 148/78 (Ratti), Slg. 1979, 1629 (1645, Rdn. 39 f.); Rs. 170/86 (von Deetzen), Slg. 1988, 2355 (2372 f.)) als auch gegenüber verwaltungsmäßigen Entscheidungen (EuGH verb. Rs. 7/56 und 3-7/57 (Algera), Slg. 1957, 83 (117 ff.); verb. Rs. 42 und 59 (SNUPAT), Slg. 1961, 109 ff. (142 ff.). Individuelle Entscheidungen geben nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs eine gesicherte Rechtsposition, wenn diese Entscheidungen rechtmäßig und vorbehaltlos ergangen und nicht nur vorübergehender Natur sind (EuGH verb. Rs. 7/56 und 3-7 (Algera), Slg. 1957, 83 ff. (118). Rechtswidrig begünstigende Entscheidungen können danach keine gesicherten Rechtspositionen begründen, wenn das öffentliche Interesse an der Rechtmäßigkeit überwiegt (EuGH verb. Rs. 42 und 49/59 (SNUPAT), Slg. 1961, 109, Leitsatz 10a, b; Rs 14/81 (Alpha Steel), Slg. 1982, 749, 2. Leitsatz). Das gilt auch für Entscheidungen, die unter einer Auflage oder Bedingung ergehen.

1688 Schachtschneider, Res publica res populi, S. 850 ff., 866 ff., 882 ff., 887 ff., 1138; dazu 13. Kap. 1689 Ausführlich J. Borchardt, Der Grundsatz des Vertrauensschutzes im Europäischen Gemeinschaftsrecht, 1988, S. 6 ff.

X. Vertrauensschutzprinzip im Zivilrecht

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2. Einschränkung des deutschen Vertrauensschutzes durch das europäische Gemeinschaftsinteresse Das Gemeinschaftsrecht nimmt auf den deutschen Verwaltungsvollzug durch die sogenannten Grundsätze des europäischen Verwaltungsrechts Einfluß. Der nationale Vollzug des Gemeinschaftsrechts darf Erfordernissen der einheitlichen Anwendung des Gemeinschaftsrechts nicht widersprechen (Grundlegend: EuGH, verb. Rs. 205–215/82 (Milchkontor), Slg. 1983, 2633 (Rdn. 17)). Vertrauensrechtlich begründeter Bestandsschutz von Verwaltungsakten nach dem Verwaltungsverfahrensrecht vermag sich darum gegen das gemeinschaftsrechtliche Interesse an der gleichmäßigen Anwendung des Wirtschaftsrechts der Gemeinschaft nicht zu behaupten. In der Alcan-Sache wurde Deutschland (Rheinland-Pfalz) durch den Europäischen Gerichtshof verpflichtet, Beihilfen zurückzufordern, obwohl der Verwaltungsakt der Beihilfegewährung, die mit dem wettbewerblichen Beihilferecht der Gemeinschaft (Art. 87 EGV) unvereinbar und darum wegen des Vorrangs des Gemeinschaftsrechts (BVerfGE 31, 145 (173 ff.); 37, 271 (279 ff.); 58, 1 (28); 73, 339 (366 ff., 377); 75, 223 (244); 89, 155 (182 ff., 190 f., 197 ff.))1690 rechtswidrig war, nach § 48 Abs. 4 S. 1 VwVfG wegen Fristablaufs (ein Jahr) nicht mehr zurückgenommen werden durfte (EuGH Rs. C-24/95 (Land Rheinland-Pfalz/Alcan Deutschland GmbH), Slg. 1997, I-1951 (I-1617 ff.); Rs. 94/87 (Kommission/Deutschland, Alcan), Slg. 1989, 175 ff. (190 ff.)). Das deutsche Vertrauensschutzrecht mußte hinter das vorrangige Gemeinschaftsrecht (Art. 88 Abs. 3 EGV) zurücktreten, zumal Alcan, der Beihilfeempfänger, hätte erkennen müssen, daß die Beihilfe ohne die erforderliche abschließende Äußerung der Kommission gewährt worden war (EuGH a. a. O.). Das Gemeinschaftsinteresse am unverfälschten Wettbewerb schränkt somit das rechtsstaatliche Vertrauensschutzprinzip ein (hingenommen von BVerfG, Beschluß vom 17.02.2000, EuZW 2000, 445 ff.) und vermöchte selbst der Rechtsklarheit dienende Fristvorschriften zu überwinden (BVerwGE 92, 81 (85 f.)). Das Bundesverwaltungsgericht und das Bundesverfassungsgericht haben sich der Relativierung des Vertrauensschutzprinzips durch den Europäischen Gerichtshof gefügt (BVerwGE 106, 328 ff.; BVerfG EuZW 2000, 445 ff., vgl. auch BVerfGE 59, 128 (166)).

X. Vertrauensschutzprinzip im Zivilrecht Das zivilrechtliche Vertrauensschutzprinzip, welches in vielen Vorschriften zum Ausdruck kommt, etwa in §§ 122, 179, 307 BGB, schützt das Vertrauen

1690 Dazu K. A. Schachtschneider/A. Emmerich-Fritsche, Das Verhältnis des Europäischen Gemeinschaftsrechts zum nationalen Recht Deutschlands, Teil I–III, DSWR, 1999, S. 17 ff., 81 ff., 116 ff.; dies., Das Gemeinschaftsrecht in Deutschland, § 5.

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18. Kap.: Vertrauensschutzprinzip

im Rechtsverkehr auf den Schein einer Wirklichkeit, wenn jemand für den Schein verantwortlich gemacht werden kann und das Vertrauen in den Schein schutzwürdig ist. Sachgerechter für dieses Institut ist der Begriff Rechtsscheinsprinzip1691.

1691 Dazu umfassend C.-W. Canaris, Die Vertrauenshaftung im deutschen Privatrecht, S. 9 ff.; K.-H. Lenz, Das Vertrauensschutzprinzip, S.12 ff. (32).

19. Kapitel

Entschädigungsprinzip Älter als das Rechtsschutzprinzip1692 ist das Prinzip der Entschädigung für rechtswidrige Eingriffe des Staates, insbesondere Eingriffe in das Eigentum des Bürgers. Für den bürgerlich-liberalen Rechtsstaat ist der Satz kennzeichnend: Dulde und liquidiere, der schon im Preußischen Allgemeinen Landrecht von 1794 in den Art. 74, 75 der Einleitung zum Ausdruck kommt. Diese lauten: Art. 74: Einzelne Rechte und Vorteile der Mitglieder des Staates müssen den Rechten und Pflichten zur Beförderung des gemeinschaftlichen Wohls, wenn zwischen beiden ein wirklicher Widerspruch (Kollision) eintritt, nachstehen. Art. 75: Dagegen ist der Staat demjenigen, welcher seine besonderen Rechte und Vorteile dem Wohl des gemeinen Wesens aufzuopfern genötigt wird, zu entschädigen gehalten.

Die Haftung ist die rechtsstaatliche Konsequenz des Unrechts. Die Rechtsordnung muß dafür Sorge tragen, daß die Gesetzlichkeit erzwungen werden kann. Die Zwangsmittel müssen gesetzlich geregelt sein und als solche in einem vernünftigen Verhältnis zum freiheitlichen Interesse an der Gesetzlichkeit stehen. Die Verhältnismäßigkeit hat der Gesetzgeber zu bestimmen. Außerhalb der Verhältnismäßigkeit ist in jedem Fall die Todesstrafe. Das Grundgesetz hat sie durch Art. 102 GG abgeschafft, der Vertrag über eine Verfassung für Europa macht sie durch die verbindliche Erklärung zu Art. II-62 Abs. 2 wieder möglich – menschenverachtend. Wenn das Recht nicht vollständig verwirklicht wurde, das primäre Postulat, so muß durch Ausgleichsansprüche sekundär größtmögliche Nähe zum Recht bestmöglich gesucht werden. Das gebietet das menschheitlich und rechtlich fundamentale Gleichheitsprinzip (Rechtsverwirklichungsgleichheit). Die Haftung auf Schadensersatz etwa hat nicht nur Sanktionsfunktion im Sinne der Prävention gegen Unrecht. Sie hat auch und vor allem Ausgleichsfunktion für den Schaden, den jemand durch Unrecht erleidet. Der Staat kann seinem Begriff nach kein Unrecht tun; denn die Staatlichkeit ist die Gesetzlichkeit, nicht die Ungesetzlichkeit. Rechtswidriges Handeln der Amtswalter wird vielmehr durch Art. 34 GG dem Staat zugerechnet (vgl. BVerfGE 61, 149 (198 f.)). Darum begründet § 839 BGB die Haftung der Amtswalter, nicht des Staates, für Amtspflichtverletzungen, welche einem Dritten Schaden zufügen. Der Gesetzgeber geht richtig davon aus, daß die Amtspflichtverlet1692

Dazu 7. Kap.

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19. Kap.: Entschädigungsprinzip

zung der Amtswalter, nicht der Staat begangen hat. Nach Art. 34 GG hat jedoch der Staat, der Dienstherr des Amtswalters ist, die Verantwortlichkeit für die Amtspflichtverletzung des Bediensteten. Den Schaden muß also der Staat ersetzen1693. Der Dienstherr kann bei Vorsatz oder grober Fahrlässigkeit Rückgriff gegen den Amtswalter nehmen (Art. 34 S. 2 GG, § 46 ff. BRRG, § 78 BBG). Die vielfältigen Regelungen über öffentlich-rechtliche Ansprüche auf Schadensersatz, auf Entschädigung oder auf Ausgleich können hier nicht ausgebreitet werden1694. Erwähnt sei der Anspruch auf Enteignungsentschädigung aus Art. 14 Abs. 3 GG1695. Erwähnt seien auch die nach Auffassung des Bundesgerichtshofs gewohnheitsrechtlichen Ansprüche aus enteignendem und enteignungsgleichem Eingriff in das Eigentum oder aus Aufopferung sonstiger Güter, welche auf den schon erwähnten Art. 75 der Einleitung des Preußischen Allgemeinen Landrechts zurückgeführt werden (BGHZ 90, 17 (29 ff.); 91, 20 (26 ff.)), aber seit dem Naßauskiesungsurteil des Bundesverfassungsgerichts zur Enteignung (BVerfGE 58, 300 ff.) eine zweifelhafte, wenn auch von der herrschenden Meinung anerkannte Existenz haben (vgl. BVerfG NJW 1992, 36 f., Kammerbeschluß)1696. Der Grundsatz dulde und liquidiere ist nämlich nicht das Prinzip des Grundgesetzes (BVerfGE 58, 300 (324)). Das Grundgesetz will vielmehr die Verwirklichung des Gesetzes und stützt dessen Verbindlichkeit vor allem durch einen amtshaftungsrechtlichen Schadensersatzanspruch. Es gibt auch öffentlich-rechtliche Ansprüche aus Geschäftsführung ohne Auftrag1697 und auf Ersatz einer ungerechtfertigten Bereicherung (Erstattungsanspruch)1698, aber auch einen Schadensersatzanspruch aus verwaltungsrechtlichen Schuldverhältnissen1699. Es gibt weiterhin einen Folgenbeseitigungsanspruch, wenn unrechtmäßige Verwaltungsakte nach ihrer Aufhebung belastende Folgen zurückgelassen haben1700. Der Folgenbeseitigungsanspruch wird wie eigentlich alle Aus1693 Dazu H.-J. Papier, Staatshaftung, HStR, Bd. VI, 1989, § 157, Rdn. 4 ff., ders., in: Maunz/Dürig, GG, 1998, Art. 34, Rdn. 289 ff.; H. Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 26, S. 650 ff.; W. Rüfner, Das Recht der öffentlich-rechtlichen Schadensersatz- und Entschädigungsleistungen, in: H.-U. Erichsen (Hrsg.), Allgemeines Verwaltungsrecht, 11. Aufl. 1998, § 47, Rdn. 7 ff., S. 673 ff. 1694 Dazu H. Maurer, Das Recht der staatlichen Ersatzleistungen, Allgemeines Verwaltungsrecht, §§ 25–30, S. 625 ff.; H.-J. Papier, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 34, Rdn. 34 ff.; W. Rüfner, Das Recht der öffentlich-rechtlichen Schadensersatz- und Entschädigungsleistungen, §§ 46–50, S. 668 ff. 1695 Dazu H. Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 27, Rdn. 37 ff., 61 ff., S. 715 ff, 730 ff. 1696 Dazu H.-J. Papier, Staatshaftung, HStR, Bd. VI, § 157, Rdn. 57 ff.; H. Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 27, Rdn. 87 ff., S. 107 ff., S. 746 ff., 760 ff.; W. Rüfner, Das Recht der öffentlich-rechtlichen Schadensersatz- und Entschädigungsleistungen, §§ 46, Rdn. 55 ff., S. 720 ff. 1697 Dazu H. Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 29, Rdn. 10 ff., S. 785 ff. 1698 Dazu H. Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 29, Rdn. 20 ff., S. 792 ff. 1699 Dazu H. Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 29, Rdn. 2 ff., S. 780 ff.

19. Kap.: Entschädigungsprinzip

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gleichsansprüche am besten auf das Rechtsprinzip gestützt1701, u. a. m. Die Rechtsprechung zu all diesen Rechtsinstituten ist uferlos1702. Der Rechtsstaat muß jedenfalls ein angemessenes Entschädigungsrecht für Unrecht der Organe und Behörden bereithalten, auch für Unrecht des Gesetzgebers (a. A. für Amtshaftung BGHZ 56, 40 (44 ff.), für enteignungsgleiche Eingriffe durch Gesetz mangels gesetzlicher Grundlage BGHZ 100, 146 (145 ff.); 102, 350 (359); 125, 27 (39); aber bei Rechtsverordnungen BGHZ 111, 349 (352 f.))1703. Das Staatshaftungsgesetz vom 26. 6. 1981 (BGBl I, S. 553), welches eine Staatshaftung für jedes Unrecht des Staates, prinzipiell unabhängig vom Verschulden der Amtswalter, einführen wollte, ist am Mangel der Kompetenz des Bundesgesetzgebers gescheitert (BVerfGE 61, 149 ff.). Die Reform des Staatshaftungsrechts steht aus1704.

1700 Dazu H.-J. Papier, Staatshaftung, HStR, Bd. VI, § 157, Rdn. 72 ff.; H. J. Wolff/ O. Bachof/R. Stober, Verwaltungsrecht I, § 52, Rdn. 1 ff., S. 768 ff.; H. Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 30, Rdn. 1 ff., S. 810 ff. 1701 Ch. Claßen, Nichtumsetzung von Gemeinschaftsrichtlinien. Von der unmittelbaren Wirkung bis zum Schadensersatzanspruch, 1999, S. 185 ff., 198 ff.; vgl. H. J. Wolff/O. Bachof/R. Stober, Verwaltungsrecht I, § 52, Rdn. 16, S. 769 f. 1702 Vgl. etwa H. Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 26 ff., S. 655 ff.; H. J. Papier, Staatshaftung, HStR, Bd. VI, § 157, S. 1353 ff.; ders., in: Maunz/Dürig, GG, Art. 34, Rdn. 101–304. 1703 Dazu W. Rüfner, Das Recht der öffentlich-rechtlichen Schadensersatz- und Entschädigungsleistungen, §§ 47, Rdn. 22, 36, S. 685 f., 693 f. (EU-Richtlinie), § 48, Rdn. 62 f., S. 723 f., mit richtiger Kritik; H. Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 27 ff., Rdn. 91, S. 748 f. 1704 Dazu H. Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 25, Rdn. 4 ff., S. 650 ff.

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Sachwortverzeichnis* (Zahlen in kursiv stehen für f. oder ff.) Abfallentsorgung 235 Abgabenordnung 225, 228 Abgeordnetenhaus 191 Abgeordneter 20, 252, 310, 316 – Gewissensbindung 320 – Moralität 316 – Unabhängigkeit 326, 327 Abhängigkeit, politische 267 Abschlußarbeit, wissenschaftliche 136 Abschreckung 371 Absolutismus 46, 168 Abstimmung 92 Abstraktheit 197 Abtreibung, indizierte 43 Abwägungsmethode 289 acte-clair-Doktrin 254 Administrativenteignung 192 Agenda 237 Akklamation 154, 182 Aktiengesellschaft 242 Aktiengesetz 240 Alcan-Sache 375 Alimentation, beamtenmäßige 319 Allgemeinheit 197, 198, 371 – personale 336 Allgemeinheitsprinzip 192 Allgemeinverfügung 160, 197, 200 Allgemeinwille 31 Allgemeinwohl 367 Allseitigkeit (Prinzip des Konsenses) 360 Allzuständigkeit, kommunalrechtliche 233 Amt und Mandat, Inkompatibilität 175 * Bearbeitet von Wanja Dorner.

Ämterpatronage 48, 181, 183, 185, 186, 261, 262, 328 – parteiliche 149 Amtlichkeit 102, 311 Amts- und Dienstprinzip 310 Amtsausübung 326 Amtsbesetzungsprinzip 297 Amtsernennung 242 Amtsgericht 211 Amtsgewalt 155 – funktionale Begrenzung 311 Amtshaftung, privatmäßige 324 Amtspflichtverletzung 257, 260, 269, 324, 378 – Verantwortlichkeit 378 Amtsprinzip 100, 101, 155, 207, 225, 277, 312, 318, 328 – republikanisches 16, 310 Amtsübernahme 221 Amtswalter 121, 150, 166, 210, 214, 215, 221, 229, 253, 316, 324 – Dienstverhältnis 318 – Haftung 324, 377 – materielle Kompetenz 311 – Negativauslese 328 – personale demokratische Legitimation 263 – Status 316 – Verantwortung 257, 323 Amtszuständigkeit 311 Analogie 109 Analogieverbot 306 Analogmethode 128

412

Sachwortverzeichnis

Anfechtungsklage 147 – aufschiebende Wirkung 123 Angeklagter, Verteidigung 305 Angelegenheit – eigene 156, 226, 233 – gemeindefremde 237 Angemessenheit, Grundsatz 357 Angestelltenverhältnis 311 Angestellter, öffentlich-rechtlicher 313 Angriffskrieg, Verbot 126 Anhörungsrechte 195 Anordnung – dienstliche 258, 323 – einstweilige 123 Anschlußzwang 232 Anspruch, öffentlich-rechtlicher 378 Anstalt, des öffentlichen Rechts 220 Antinomie, dritte 34 Anwaltszwang 302 Anwendungsakt 251 Apologie, Parteienoligarchie 187, 250 Apothekenurteil 1958 348 Apriori 36 – tranzendentales 30 Äquivalenzprinzip – formelles 163 – materielles 163 Arbeitnehmerfreizügigkeit 321 Arbeitsgerichtsbarkeit 211 Arbeitsgerichtsgesetz 211 Arbeitsgesetzbuch 205 Arbeitsrecht 205 – soziales 189 Arbeitsverhältnis 225 Argument, systematisches 107 Arrest 123 Ärztekammer 201 Asyl 142 Atomgemeinschaft 67 Atomwaffenstationierung 234 Aufgabe – freiwillige 234

– substantiell staatliche 237 aufgabenadäquat 156 Aufgabenteilung, zwischen Bund und Ländern 295 Aufgeklärtheit, Mangel an 229 Aufhebungsklage 149 Aufklärung 50 – griechische 50 – neuzeitliche 50 Aufopferung, sonstiger Güter 378 Aufsichtsbefugnis 272 Aufsichtsbehörde 269 – Weisungsrecht 268 Aufsichtsklage 271 Aufsichtsmaßnahme 269 Aufsichtsorgan, nationales 253 Aufsichtspflicht, Drittbezogenheit 269 Auftrags- und Weisungsverwaltung 237 Auftragsangelegenheit 226, 227, 268 – des Bundes 266 Ausbildungskapazität 349 Ausgabenhoheit 233 Ausgleichsanspruch 373, 377, 378, 379 Ausgleichsfunktion 377 Ausländerwahlrecht 88 Auslegung 254 – grammatische 287 – historische 287 – teleologische 287 Auslegungsbedürftigkeit 288 Auslegungsmethode 209, 291 – objektive 287 – subjektive 287 Auslegungsregeln 107 – klassische 246 Ausnahmegericht, Verbot 17 Ausnahmeregelung 337 Ausnahmetatbestand 291 Ausnahmetypus 291 Ausschuß – proportionierter 187 – regierungsunabhängiger 262

Sachwortverzeichnis Außenpolitik 209, 223, 251 Außenwirkung 158 – rechtliche 199, 200 Austauschvertrag 162 Auswahlverfahren 172 Autonomie 29 Autonomie, körperschaftliche 201 Autonomielehre, republikanische 30, 341 Autonomieprinzip 30, 339 Autorität, der Richter 136 Balance, rechte 40 Bananenmarktordnung 133 Baskenland 66 Bauamt 228 Bauleitplan 201 Bauleitplanung 232 Bayerischer Oberster Rechnungshof 228 Beamte 176, 258, 310, 318 – Gesetzesbindung 320 – Grundpflichten 320 – Remonstrationspflicht 261 Beamtenrecht 323 Beamtenrechtsrahmengesetz 227, 228 Beamtenverhältnis 318, 319 Beanstandung 269 beati possidentes 43 Bebauungsplan 201 Bedenken, menschenrechtliche 44 Bediensteter – öffentlich 257, 262, 313 – privatrechtlich 321 Befähigung 173 – rechtswissenschaftliche 188, 212 – wissenschaftliche 311 Befähigung zum Richteramt 186 Befangenheit, Besorgnis 326 Befriedung – arbeitsrechtliche 189 – der Staaten 60 Befriedungskraft 137 Befriedungsmöglichkeit 70

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Befugnis 17, 72 – hoheitsrechtliche 166, 310, 311 – staatliche, Übertragung 311 – Zentralisierung 311 Befugnisregeln 185 Befugnisse und Mittel 118 Befugnisteilung, zwischen Bund und Ländern 295 Begriff – gesetzlicher, Offenheit 273 – tatbestandlicher 274 – unbestimmter 285 Begründbarkeitsgebot 330 Begründungspflicht 137 Behörde 253, 262 – Zuständigkeit 295 Beihilferecht, gemeinschaftsrechtliches 160, 375 Beihilfeverbot 164 Beitrittsland 68 Beitrittsvertrag 67 Benutzungszwang 232 Bereicherung, ungerechtfertigte, Ersatz 378 Berufsausübung 348 Berufsausübungsregel 349 Berufsbeamtentum, Grundsätze 311 Berufsbegriff 348 Berufsfreiheit 239, 277 – Grundrecht 348 Berufskammer 276 Berufsrichter 135, 174 Berufswahl 348 Berufswahlfreiheit 348 Berufung 303 Berufungskette, ununterbrochene 215 Berufungsverhandlung 314 Beschaffungsentscheidung 261 Beschlagnahme 350 Beschluß 292 Beschwerde 303 Beschwerdeführer 250, 251 Besoldung 319

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Sachwortverzeichnis

Besoldungsrecht 243, 319 Besserungsmaßnahme 305 Bestandsänderung 233 Bestandskraft 149, 260 Bestenauslese 312 – Prinzip 310 Besteuerung 370 Bestimmtheit 16, 25, 273 – Bedeutung 273 – gesetzliche 100, 273 – größtmögliches Maß 275 – und Exekutive 274 Bestimmtheitsgrundsatz 306 Bestimmtheitskriterien, des Art. 80 Abs. 1 S. 2 GG 276 Bestimmtheitspostulat, rechtsschutzrechtliches 292 Bestimmtheitsprinzip 101, 201, 273, 275, 278, 283, 296 – funktionenrechtliches 276 Bestrafung 211 Beteuerung, religiöse 221 Beurkundungsrecht 365 Beurteilung 278 Beurteilungsspielraum 155, 278, 280, 350 Beurteilungsspielraum, unüberprüfbarer 281 Bezirk, Selbstverwaltungsorgan 228 Bezirksfinanzdirektion 228 Bezirksprinzip 231 Bezirksregierung 228, 269 Bildung, Recht auf 44 Billigkeit, Gerichtshof 205 Billigkeitsentscheidung 205 Billigkeitsklausel 205, 285 Billigkeitsmaxime 205 Billigkeitspraxis 207 Bindung, parteiliche 317 Bindungskraft 149 Bindungswirkung 131, 247 Binnenmarkt, Grundfreiheiten 134 Bodenreform 252

Brüderlichkeit 57, 104 – durch Selbständigkeit 42 – Prinzip 42 Budgethoheit 195 Budgetkonflikt, preußischer 159 Bund – Auftrag 156 – Rechtsaufsicht 227 – unternehmerische Betätigung 156 Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge 226 Bundesanstalt für Arbeit 226 Bundesanstalt für Flugsicherung 242 Bundesarbeitsgericht 189, 211 Bundesaufsicht 17, 130, 227, 253, 266 Bundesaufsichtsamt für das Versicherungswesen 226 Bundesaufsichtsmaßnahme 266 Bundesauftragsverwaltung 228, 257, 266 Bundesbank 226, 263, 264, 356 – Diskontfestsetzung 198 – Unabhängigkeit 264 Bundesbankgesetz 356 Bundesbeamtengesetz 228 Bundesbeauftragter 268 Bundesbehörde, sonstige obere 226 Bundesdisziplinargericht 211 Bundesdisziplinarordnung 258 Bundeseisenbahn 226 Bundesfinanzhof 211 Bundesgericht 210, 211 – oberstes 245 Bundesgerichtshof, oberster 211 Bundesgesetz 193, 266 – Ausführung 266 – formelles 209 – nachkonstitutionelles 209 – Zustimmungsbedürftigkeit 298 Bundesgesetzgeber 264 Bundeskanzler 221, 226, 263 Bundeskanzleramt 226 Bundeskartellamt 226 Bundesminister 215, 221, 226

Sachwortverzeichnis Bundesministerium 226 Bundesmittelbehörde 226 Bundesoberbehörde 226 Bundespflicht 227, 266 Bundespräsident 226 – Amtsenthebung 211 – Vorschlagsrecht des Bundeskanzlers 221 Bundespräsidialamt 226 Bundesrat 174, 179, 191 Bundesrechnungshof 226 Bundesrecht 249 Bundesregierung 221, 226, 263, 264, 266 Bundesrichter – Entlassung 211 – Versetzung 211 Bundessozialgericht 211 Bundesstaat, echter 169 Bundesstaaten, unechte 172 Bundesstaatsprinzip 54 Bundestag 221, 249, 263 Bundesunterbehörde 226 Bundesunternehmen 226 Bundesverfassungsgericht 210, 246, 258, 261 – Einrichtung 17 – Politik des 187 – Wesentlichkeitslehre 192 Bundesverfassungsgerichtsgesetz 212 Bundesverwaltung 226 – unmittelbare 226 Bundesverwaltungsgericht 211 Bundeszwang 266, 267 Bundeszwangsmaßnahme 267 Bund-Länder-Streit 92, 249 Bürger – Begriff 229 – Homogenität 91 Bürgerbegehren 235 Bürgerentscheid 235 Bürgerliches Gesetzbuch 225 – Amtshaftungsrecht 324 Bürgerlichkeitsprinzip 16

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Bürgermeister 238 Bürgerschaft 58, 191, 229 – homogene 65 – verfaßte 58 – Willensautonomie 58 Bürgerstaat 19, 224 Bürgervereinigung 231 Chancengleichheit 180 Charakter, richterstaatlicher 210 Charta 224 Christentum 27 – säkularisiertes 69 classa politica 49, 222 clausula rebus sic stantibus 164 Costa/ENEL 253 Daseinsvorsorge 235 – Aufgabe 235 Dauerhaftigkeit, der Gesetze 102 DDR 370 déclaration du droit de l’homme et du citoyen 28 Defizit, demokratisches 170, 212 Dekonzentration 172 Delegation, staatliche 232 deliberativ 32, 203 Demokratie 15, 48 – innere, Verfassungsgebot 326 – mittelbare 296 – unmittelbare 296 Demokratieprinzip 37 – Deformation und Perversion 224 – „Modifikation“ 266 Demokratisches Prinzip, moderiertes 264 Deregulierung 133 Despotie 154, 168, 172 – freiheitswidrige 31 – harte 49 – sanfte 45, 49, 182 Determination 51 Determiniertheit 34

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Sachwortverzeichnis

Deutsche Einheit, Entwicklung 362 Deutscher Bund 178 Deutsches Institut für Normung 293 Deutsches Reich 193 – Verfassung 267 Deutschland – elementare Interessen 85 – Freiheit und Einheit 62 d’Hondtsches Höchstzahlverfahren 187 Dienst- und Amtspflicht 310, 320 Dienst- und Treueverhältnis, öffentlichrechtliches 310 Dienstherr 257, 315, 324, 378 Dienstnehmer 313 Dienstrecht, öffentliches 318 Dienstrechtsordnung, Leitentscheidung 314 Dienststreik 314 Diensttarif 313 Dienstverhältnis 313 – in den Hochschulen 323 – öffentlich-rechtliches 225 – privatrechtliches 225, 311 Dienstvertrag 314 Dienstweg 258 Diffamierung 42 Differenzierungskriterium, materiales 159 Diplomarbeit 136 Diskriminierung 180 Diskriminierungsverbot 326 Diskurs 32, 42, 47 diskursiv 32, 203 Diskussion 317 Dissens 114 Distribution 290 Disziplinarmaßnahme 257 Disziplinarstrafe 307 Disziplinarverfahren 305 Dogmatik – des Bundesverfassungsgerichts 189 – kommunalrechtliche 230 – liberalistische 33 Doktorarbeit 136

Dolmetscher 305 Doppelqualifikation 241 Drei-Elemente-Lehre 60 Drei-Stufen-Lehre 348 Dritter Senat 252 Drittes Reich 193 Drittstaaten, sichere 142 Dualismus – alter 178 – kooperativer 150 – neuer 178, 316 Dulde und liquidiere 377, 378 Duldung, Rechtsinstrument 353 Durchsetzungsmacht, staatliche 63 Durchsuchung 350 Durchsuchungsbefehl 293 Eid 221 Eigenbetrieb, kommunaler 236 Eigengesellschaft 238, 240 – staatliche 241 Eigenständigkeit 260, 269 – der vollziehenden Gewalt 149 Eigentum 42 – im Sinne des § 903 BGB 241 – Menschenrecht 42 Eigentumsbegriff, sozialer 99 Eigentumsgewährleistung 42, 234, 239 Eigentumsschutz 234 Eindeutigkeit, Prinzip 288 Eingriff – enteignender, Ausgleich 378 – enteignungsgleicher, Ausgleich 378 Eingriffsmöglichkeit, staatliche 278 Eingriffsverwaltung 110 Einheit – große, Heterogenität 229 – kleine, Prinzip 45, 58, 171, 229 – sittliche, von Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft 369 Einheit der Staatsgewalt 167 Einheitliche Europäische Akte 68

Sachwortverzeichnis Einrichtungen, zwischenstaatliche 72 Einschätzungsspielraum 155, 350 Einschränkung, gesetzliche 43 Einspruchsgesetz 298 Einwirkungsbefugnis 227, 228 Einzelermächtigung, begrenzte 72 Einzelfallgerechtigkeit 205, 279, 289 Einzelfallgesetz 192, 335 – Verbot 17, 335 Einzelfalljudikatur 289 Einzelpersonengesetz, Verbot 336 Einzelrichter 210 Einzelweisung 227 Einzigkeit, Prinzip der 87 Eisenbahnverkehrsverwaltung 226 Element – konservatives 248 – richterstaatliches 248 empirisch 34 Energieversorgung 235 Enge, moralische 229 Enqueterecht 222 Entkommunalisierung 232 Entlastungsregelung 137 Entschädigungsanspruch 378 Entschädigungsprinzip 377 Entschädigungsrecht 379 Entscheidung 258, 259 – anderer Stellen 262 – erster Rechtsstufe 228 – Revidierbarkeit 155 – richtige, Prinzip 279 – vorherige richterliche 304 Entscheidungsbefugnis, richterliche 287 Entscheidungsfunktion 262 Entscheidungsgegenstand 217, 260 Entscheidungsgrund, tragender 131 Entscheidungsspielraum 264, 309, 352 Entscheidungswirkung, allgemeine 247 Entwicklung, Offenheit 282 Erforderlichkeit 350 Erkenntnis, Methode 32

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Erkenntnisprozeß 299 Erkenntnisspielraum 264 Erlaß 199 Ermächtigung 193 – begrenzte 253 – begrenzte, der Gemeinschaft 71 – begrenzte, Prinzip 195, 213, 296 – Bestimmtheit 193 – faktisches Prinzip der offenen 170 Ermächtigungen der Union 170 Ermächtigungsgesetz 193, 274 Ermessen 277 – pflichtgemäßes 279 – und Beurteilungsspielraum 277 Ermessensbefugnis 278, 309 Ermessensentscheidung, fehlerfreie, Anspruch 280 Ermessensfehlgebrauch 155, 278 Ermessensmißbrauch 155 Ermessensschrumpfung 280 Ermessensspielraum 155, 350 Ermessensüberschreitung 155 Ermessensunterschreitung 155 Erörterung, argumentative 299 Ersatzvornahme 269 Erstattungsanspruch 378 Erwartung, Stabilität 360 Erwerbswirtschaft 238 Essentiale, rechtsstaatliches 242 ESZB 265 Ethik 16 – kantische 30 Ethos 217 – republikanisches 136, 288 Euro, Oktroi des 182 Europa – Einheit 68 – Großstaat, existentieller 66 – kulturelle Einheit 68 – Sowjetisierung 182 – Völker 68 Europäer, Homogenität der 68

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Sachwortverzeichnis

Europäische Gemeinschaft 67 – Rechtsakte 226 Europäische Integration 67, 133 Europäische Union 19, 67, 68, 69, 72, 265 – Ausschuß für Angelegenheiten der 222 – Gemeinschaften 67 – Gewaltenteilung der 170 – Integration Deutschlands in die 131 – Kommission 259 Europäische Währungsunion 264 Europäische Wirtschaftsgemeinschaft 67 Europäische Zentralbank 264 – System 196 – Unabhängigkeit 265 Europäischer Gerichtshof 78, 83, 131, 210, 212, 251, 254, 271, 374 – Grundrechteverantwortung 248 – Streitschlichtung 132 Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte 214 Europäischer Rat 196 Europäisches Parlament 196 Europäisierung 223 Euro-Politik 355 Euthanasie 43 Evidenz 351 Evidenzkontrolle 357 Ewigkeitsklausel 54 ex constitutione 88 Exekutive 45, 149, 167, 195, 199, 212, 261 – Gesetzgebung 193 – monarchische 150 Exekutivgesetz 158 Exekutivismus 180, 196 – gemeinschaftlicher 170 Existenz, staatliche 173 EZB-Zinssätze 198 – Festsetzung 200 Facharztentscheidung 276 Fachaufsicht 238, 268

Fachausschuß 262 Fachgericht 209, 245 Fachleute 313 Fachwissenschaftler 313 Fahrlässigkeit, grobe 257, 325, 378 Fair-trial-Prinzip, strafverfahrensrechtliches 305 Faktum des Sollens 34, 52 Fallnorm 288 Familienrechtsreform 371 Fehlentscheidung 252 Fiktion 364 Finanzamt 228, 238 Finanzgerichtsbarkeit 211 Finanzgerichtsordnung 211 Finanzhoheit 228, 233 Finanzverwaltung 225, 228 Fiskusdoktrin 162, 225, 240, 241, 242, 270 Flächennutzungplan 201 Flugsicherung 319 Föderalism freier Staaten 45, 60 Föderalismus 45, 157, 169, 185, 199, 231 – Prinzip 242 Folgenbeseitigung 324 Folgenbeseitigungsanspruch 378 Folter 118 Formel, deontische 32 Forschung und Lehre 202, 323 – Freiheit von 323 Forstamt 228 Fragen, allgemeinpolitische 234 Fraktionsbindung 177 Fraktionsdisziplin 327 Fraktionszwang 327 Französische Revolution 30, 178 Freie Berufe 291 Freie Wahlen 181 Freiheit 22, 28, 30, 35, 51 – allgemeine 19, 50, 250 – allgemeine, Logik der 257 – Allgemeinheit der 23, 51

Sachwortverzeichnis – angeborene 40, 41 – äußere 30 – innere 30 – kommunale, politische 277 – Notwendigkeit 50 – politische 41, 44, 50 – positive 98 – rechtliche 35 – und Recht 50 – Zweck 35 Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit 22, 97, 167, 181, 229 Freiheit der Zwecksetzung 359 Freiheit und Eigentum 178 Freiheit und Gleichheit – keine Spannung 38 – Optimum an 40 – Spannung zwischen 38 – Einheit 15 Freiheitlichkeit 133 Freiheitlichkeit, innere, der Menschen 55 Freiheits-, Rechts- und Staatslehre 50 Freiheitsbegriff, liberalistischer 46 Freiheitsberaubung 121 Freiheitsentziehung 122 – Richtervorbehalt bei 303 Freiheitsgrundrecht 208 Freiheitsprinzip 17, 337, 342 – formales 208 Freiheitsstrafe, lebenslange 18 Freistaat 19, 88 Freitod 43 Freitod, Hilfe 43 Freiwilligkeit, Prinzip der dauernden 79 Freizeit, Prinzip 197 Frieden unter den Bürgern, existentielle Gemeinschaft 70 Friedensprinzip 66 Fristen 303 Führer 168 Führerdemokratie 177 – parteienstaatliche 176 Führerherrschaft 193

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Führerprinzip 193 Führerschaft 223 Führerstaat 274 Fundamentalprinzip 54 Funktion – diakonische 206 – gesetzgeberische 206, 208 – haushaltswirtschaftliche 115 funktional staatlich 202 Funktionenlage 277 Funktionenordnung – gewaltenteilige 208, 244, 273 – verfassungsstaatliche 255 Funktionenteilung 206 – Verletzung 192 Funktionsgerechtigkeit, des staatlichen Handelns 244 Funktionsträger, staatliche 173 Funktionsvorbehalt 318 Fürsten 47 Fusionsvertrag 67 Gebietsänderung 60, 233 Gebietshoheit 57, 59, 60, 63, 69, 233 – europäische 81 – Prinzip der Einzigkeit 64 Gebietskörperschaft 220 – des öffentlichen Rechts 229 Gebietsprinzip, freiheitliches 59 Gebietsreform 233 Gebot der Waffengleichheit 302 Gebot wechselseitiger Rücksichtnahme 85 Geeignetheit 350 – Kriterien 353 Gefahrenabwehr 352 Gegenseitigkeit – do ut des 360 – Prinzip 61, 126, 360 – Vorbehalt 127 Gegentypus 292 Gehör – Anspruch auf richterliches 17

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Sachwortverzeichnis

– rechtliches 131, 137, 250, 301 Geiselnehmer, Tötung 353 Geist, gesamteuropäischer 69 Geld- und Währungspolitik – Besonderheiten 265 – Preisstabilität 265 Geldmarktsätze 198 Geltungsbereich 60 Gemeinde 169, 200, 228, 229 – Agenda 235 – Verwaltungsverfahren 269 Gemeindeaufgabe 237 Gemeindebedienstete 175 Gemeindebürger 201, 269 – gemeinschaftliche Willensautonomie 230 Gemeindegesetz 201 Gemeindeprinzip 230 Gemeindesatzung 175, 201 Gemeindestatus 233 Gemeindeunternehmen, wirtschaftliches 235 Gemeindevertretung, Auflösung 269 Gemeindeverwaltung 228 Gemeindevolk 235 Gemeinschaft – allgemeine Gerechtigkeitsvorstellungen 22 – örtliche, Angelegenheit 233, 268 – Rechtsetzung 196 – Verfassung 74 Gemeinschaftsgericht 211 Gemeinschaftsgewalt 71, 78 – originäre 80 Gemeinschaftshandeln, Prüfung 357 Gemeinschaftsinteresse, vertrauensschutzrechtliche Relevanz 375 Gemeinschaftsorgane 73, 196 Gemeinschaftspolitik 195 Gemeinschaftsrecht 77, 82, 235, 248, 266, 271, 357, 375 – Anwendbarkeit und begrenzter Vorrang 82

– Einzelstaatlichkeit 77 – europäisches 252 – Geltungsgrund 75 – primäres 74, 124 – sekundäres 74, 124 – Vollzug 375 – Vorrang 82, 255, 375 Gemeinschaftsrechtsakt 196 Gemeinschaftsrechtsfragen 254 Gemeinschaftsrechtslage 255 Gemeinschaftstreue 85 Gemeinschaftsverfassung 80 Gemeinschaftsvertrag 196 – Auslegung und Anwendung 213 – Verpflichtungen 272 – völkerrechtlicher 213 – Voraussetzung der Ratifikation 76 Gemeinwesen 87 – freiheitliches, Prinzip 41 – Verwaltungsträger 238 Gemeinwohl 256, 257, 326, 374 – Begriff 257 – schwere Nachteile 373 – Verwirklichung 326 Gemeinwohlbelange, Stufenfolge 349 Genehmigungsverfahren, atomrechtliches 297 Genehmigungsvorbehalt 283 Generalklausel 129, 275, 284, 285, 306, 352 – polizeiliche 153, 352 – Prototyp 285 – Rechtsetzung 285 Gerechtigkeit 20, 25 – materiale 20 – prozeduale 296 Gerechtigkeitsgrundsatz, zweiter 36 Gerechtigkeitsprinzip 342 Gerechtigkeitsvorstellung, der Menschen 207 Gericht 203, 210, 253 – Erkenntnisfehler 271 – internationales 211, 213

Sachwortverzeichnis – Rechtsweg 261 – staatliches 214 Gericht erster Instanz 212 Gerichtsbarkeit 208, 211 – freiwillige 218 – kirchliche 214 Gerichtsbescheid 131 Gerichtshof 253 Gerichtsinstanz – einzelstaatliche 254 – letzte 254 Gerichtsschutz, Vorbehalt 122 Gerichtsstaat 15, 203 Gerichtsverfahren 295 – Prinzipien 300 Gerichtsverfassungsgesetz 211 Geschäftsbedingungen, allgemeine 206 Geschäftsbereich 222, 228 Geschäftsführung ohne Auftrag 378 Geschäftsführungsvertrag, privatistischer 242 Geschäftsordnung 221 Geschäftsverteilungsplan 301 Geschlossenheitsmaxime 177, 326 Gesellschaftsrecht 225 Gesellschaftsvertrag 50 Gesetz 32, 53, 250, 346 – allgemeines, Rechtlichkeit 51 – Allgemeinheit 158, 257, 335 – Bestand 359 – Bestimmtheit 116, 273, 328 – Bestimmung mittels Interpretation 287 – Dauerhaftigkeit 359 – formelles 261 – freiheitliche Verläßlichkeit 359 – gebietlicher Geltungsbereich 60, 63 – Gemeinschaftsrechtlichkeit 252 – Gerichtsbarkeit 346 – Gleichheitlichkeit 330 – Materie 245 – materielles 105 – nachkonstitutionelles, formelles 245

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– Nichtigkeit 246, 308 – Novellierung 363 – Prinzip der Allgemeinheit 260, 361, 365 – Prinzip des Vorbehalts und des Vorrangs 151 – privates 214 – Rechtlichkeit 54, 207, 260 – Rechtmäßigkeit 15 – Rechtskontrolle 250 – rückwirkendes 364 – Sachlichkeit 21 – und Recht 21 – verfassungsänderndes 92 – Verfassungsgesetzmäßigkeit 244 – Vorbehalt und Vorrang 161 – vorkonstitutionelles 261 Gesetz zur Behebung der Not von Volk und Reich 274 Gesetzesanwendung 251 Gesetzesbegriff 203, 280 – offener 207, 268, 280 Gesetzesbindung 207, 277 Gesetzesfeststellungsklage 139 Gesetzesinitiative, formelle 297 Gesetzesinitiativrecht 195, 298 Gesetzesinterpretation 204, 209, 245 Gesetzesmaterie, Bestimmung 109 Gesetzespositivismus, enger 22 Gesetzesprinzip 94 Gesetzesrichter, Richterrecht 283 Gesetzesrückwirkung, Unmöglichkeit 364 Gesetzesstaat 15, 274 – Allgemeinheitsprinzip 205 Gesetzestatbestand, subsumibler 279 Gesetzesverfassungsbeschwerde 139 – von Bürgern 250 Gesetzesvollzug 218, 239, 311, 315, 318, 321 – administrativer 192 – Gesetzlichkeit 265 – instrumentelle Bewältigung 198

422 – – – –

Sachwortverzeichnis

Pflicht 151 Rechtlichkeit 256 Rechtmäßigkeit 323 Rechtmäßigkeit und Zweckmäßigkeit 256 – republikanischer 149 – Unterschiedlichkeit 102 – Verantwortung für die Rechtmäßigkeit 323 Gesetzesvollzugspflicht 315 Gesetzesvollzugsprinzip 149 Gesetzesvorbehalt 110, 113, 178, 192, 201, 220, 234, 257 – totaler 114, 150 Gesetzesvorhaben 266 – öffentliche Erörterung 298 Gesetzesvorrang 192, 234, 257, 259 Gesetzgeber – Exekutive 193 – funktionaler 203 – institutioneller 205 – Moralität 346 – nationaler 265 – Politik 372 – Richterspruchdisposition 245 – Unzuständigkeit 308 – Vertrauensverfall 363 Gesetzgeberschaft 35 Gesetzgebung 19, 52, 191, 252, 259, 274, 311 – bürgerliche 363 – Einfluß 276 – exekutive 102 – kommunale 232 – legislatives Verfahren 194 – plebiszitäre 95 – Procedere 52 – Repräsentativität 88 – unmittelbare 336 Gesetzgebungsbefugnis 194, 247 Gesetzgebungsdelegation 274 Gesetzgebungsfunktion 205 Gesetzgebungsgleichheit

– Prinzip 331, 336 – Willkürverbot 329 Gesetzgebungshoheit 81 Gesetzgebungsprinzip, allgemeines 16 Gesetzgebungsstaat 191 Gesetzgebungsverfahren 221, 295 – institutionelle Regelung 298 – parteienstaatliche, des Bundes 297 Gesetzlichkeit 20, 53, 87, 130, 173, 244, 340 – allgemeine 338 – demokratische 117 – der Zwecke und der Mittel 349 – des gemeinsamen Lebens 94 – freiheitliche 53 – friedliche Durchsetzung 57 – materielle 296 – Prinzip 296, 315, 319, 330, 338, 353 – rechtlicher, Vorrang 352 – Verlust 261 Gesetzlosigkeit 53 Gesetzmäßigkeit 227, 257 Gesetzmäßigkeitsprinzip 329 – Verletzung 257 Gesundheit, körperliche und geistige 44 Gesundheitsamt 228 Gesundheitsprüfung 251 Gewährleistungsfunktion – grundrechtliche 369 – rechtsstaatliche 369 Gewalt 119, 191 – deutsche öffentliche, Akte 77 – europäische öffentliche 70, 80 – öffentliche 17, 71, 250 – rechtsprechende 210 – staatliche 70 – supranationale, öffentliche 70 – vollziehende 218, 219, 256, 257, 259, 264 – vollziehende, Eigenständigkeit 200, 263 – vollziehende, Leistungsfähigkeit 319 Gewaltausübung 53, 119

Sachwortverzeichnis – Teilung 167 Gewaltbegriff 71 – funktionaler 71 Gewalten, Kernbereich 198 Gewaltenhemmung 172, 175 Gewaltenmonismus 117 Gewaltenteilung 167, 222 – als Rechtsstaatsprinzip 168 – Begriff 167 – föderale 169 – föderalistische 185 – horizontale 167 – mitgliedstaatliche 197 – staatliche, Konsequenz der 276 – territoriale 169 – vertikale 169, 231 Gewaltenteilungskompetenz, klassische 177 Gewaltentrennung 172 Gewaltlichkeit 120 Gewaltmonismus 168 Gewaltmonopol 118 Gewaltordnung, staatliche 36 Gewaltverbot 121, 126 Gewerkschaft 179 Gewinnerzielung 238 Gewinnmaxime 238 Gewissen 32, 42, 154 Gewohnheitsrecht 204, 206, 287 Gleichberechtigungsgrundsatz, Urteil 284 Gleichgewicht, gesamtwirtschaftliches 116, 354 Gleichheit 28, 35, 99 Gleichheit, Logik 51 Gleichheit in der Freiheit 23, 35 Gleichheitsjudikatur 339 Gleichheitsprinzip 41, 377 Gleichheitssatz 204, 329, 338 – allgemeiner, Konkretisierung 192 – Verletzung 371 Gliederung, organisatorische 185 Globalismus

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– ökonomischer 182 – ökonomistischer 189 Globalsteuerung, staatliche 116 Gnadenentscheidung 140 griechische Polis 39 Großdeutscher Reichstag 193 Großstaaten 58 Gründe, tragende 247 Grundgesetz 15, 266 – Konstitution 29 – Präambel 62, 66 – rechtsstaatliche Regelungen 16 – zeitliche Gültigkeit 91 Grundlegung zur Metaphysik der Sitten 29, 32, 50 Grundordnung 88 – freiheitlich demokratische 319 Grundrechte 16, 207, 250 – dirigierende Funktion 357 – Fiskalgeltung 241 – Verwirkung 211 – Wesensgehalt 253, 343 – Wesensgehaltsschutz 208 Grundrechtecharta 81, 133 – Proklamation 224 Grundrechteverantwortung 132, 213 Grundrechtsbeschränkung 193 Grundrechtsfähigkeit, allgemeine 234 Grundrechtsschutz 236 Grundrechtsverwirkung 153 Grundzweck, freiheitlicher 35 Gubernative 149 Gültigkeit 254 gute Leben aller 167 Gute Sitten 96, 124, 163, 285 – Begriff 286 Gutes Leben, durch Gesetzlichkeit 94 Gutes Leben aller 20 Gutes Leben aller in allgemeiner Freiheit 19 Gute-Sitten-Klauseln 205 Gymnasium, Ministerialbeauftragter 228

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Sachwortverzeichnis

Habeas-corpus-Akte 303 – grundgesetzliche 17 Haftung 377 Handeln – Determination 34 – legales 53 – staatliches, Rechtsmäßigkeit 110 Handelsgesellschaft, internationale 253 Handelsrecht 225 Handlung, Maxime 31 Handlungsbereitschaft, des öffentlichen Dienstes 324 Handlungseinheit 120 Handlungsermessen 153 Handlungsfreiheit, allgemeine 41, 338 Handlungsmaxime 197 Handlungsspielraum 278 Handlungsstandard 287 Haushaltsgesetz 249 Haushaltshoheit 233 Haushaltsplan 115, 249 Haushaltstitel 115 Haushaltsvorbehalt 113 Haushaltswirtschaft, von Bund und Ländern 354 Herren der Verfahren 245 Herren der Verträge 82 Herrschaft 22, 48, 51, 98, 172 – mediale 42 Herrschaftsordnung 54 Herrschaftsprinzip 42 Herrscher 168 Hirntote, Organentnahme 119 Hitlerismus 193 Hobbessche These 37 Hochliberalismus 47 Hochschule 202 Hoheit 165, 173, 199 Hoheitlichkeit 235 Hoheitsgewalt 70 – außerstaatliche 70 Hoheitsgrenzen 66 Hoheitsrechte 173, 196

– übertragene 71 – Übertragung 72, 84 Holding 242 homo noumenon 34 homo phaenomenon 34 Homogenität – der Menschen 65 – nationale 65 – soziale 103 Homogenitätsgebot 24 Hüter der Gemeinschaft 82 Hüter des Rechts 250 Identität, der Allgemeinheit der Freiheit und der Gleichheit 35 Immunität 317 Imperative 52 Impermeabilitätslehre 159 in dubio pro securitate 282, 355 in dubito pro stabilitate 355 Indemnität 317 Indemnitätsgesetz 159 Individualgesetz 337 Informationsanspruch 301 Ingerenz 160 – staatliche 114 Initiativrecht 222 Inkompatibilitäten 172, 174 Innenpolitik 223, 251 Innenraum, staatlicher 199 Innenrechtssätze 199 Instanz – sittliche 347 – zweite gerichtliche, Anspruch auf 303 Instanzenzug, gerichtlicher 139 Institution, republikanische 93 institutionell staatlich 202 Integration 248 – europäische und globale 189 – Intensität 66 Integrationismus 231 – europäischer 49

Sachwortverzeichnis Integrationspolitik 66, 182, 209, 210 Integrationsprinzip 80, 213 Integrationspropaganda 66 Intention 278 inter omnes 131 inter partes 130 Interesse, gemeinschaftsrechtliches 375 Interessenausgleich 181 – allgemeiner 53 – materialer 32 Internationaler Pakt, Präambel 28 Internationaler Strafgerichtshof 214 Internationaler Völkergerichtshof 214 Internationalisierung 141, 177, 223 Internationalismus 133, 169, 195, 196, 231, 251, 261 Interpellationsrecht 222 Interpretation 193, 272 – der Gesetze 107 – gemeinschatsrechtskonforme 255 – teleologische 107 – verfassungskonforme 245, 246 Interpretationsmethode 288 – klassische 288 Intraorgankontrolle 137 Irrtum 143 Iura novit curia 252 Jahresgutachten, gesamtwirtschaftliche Entwicklung 263 Judikative 45, 149, 167, 218, 261 – Verwaltungsfunktion 218 Judiziabilität 345 – Grundsätze 280 – institutionelle 22 Jurisdiktionsgewalt 213 Juristenausbildung 136 Justiz, Selbstverwaltung 218 Justizgewährleistungsanspruch 130, 138 Justizgewährleistungspflicht 129 Justizgewährungsanspruch 302 Justizverwaltung 218

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Kabinettspolitik 224 Kammer 210 – berufsständische 202 – Grundrechtsschutz 203 Kammergericht 211 Kandidatenaufstellung, Monopol 317 Kant, transzendentalphilosophische Argumentation 51 Kantianismus 29 Kanzlerdemokratie 177 Kanzlermacht 223 Kanzlermehrheit 222 Kapitalismus, globalisierender 49 Kapitalverkehrsfreiheit 184 Kartellamt 270 Kategorischer Imperativ 27, 32, 42, 53, 338 Kausalität 34 – Logik der, durch Freiheit 34 – spontane, transzendentale Idee 51 Kernbereich 234 – funktionaler 220 Kernbereich der Gewalten 176 Kirche 45 Kirchenhoheit 214 Klagemöglichkeit 272 Klassen-Begriff 291 Koalition, große 222 Koalitionsdemokratie 177, 223 Koalitionsfreiheit 202, 277, 313, 315 Koalitionspartner 223 Kollegialorgan 221 Kommissar, Beauftragung 269 Kommission 195, 265 – der Europäischen Union 271 Kommissionsaufsicht 130, 253, 271 Kommunalaufsicht 130, 253, 257, 268 Kommunalismus 45, 169, 185 – Prinzip 242 Kommunalität 164 Kommunalpolitik 231 Kommunalrechtswissenschaft 231

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Sachwortverzeichnis

Kommunalunternehmen, des öffentlichen Rechts 236, 242 Kommunalverfassungsrecht 232 Kommunalverwaltung 229, 236, 237 – Verantwortlichkeit 268 Kommune 229, 268 Kompetenz 156 – formelle 297 – materielle 297, 311 – sittliche 186 Kompetenzausübungsschranke 84 Kompetenzordnung 295 Kompetenzprinzip 312 Kompromiss, Prinzip 150 Konkordanz, praktische 107 konkrete Sicht 254 Konkretisierung 291 Konkurrenz, kommunale 237 Konsens – Idee 229 – repräsentativer 128 Konsensualität, repräsentative 52 Konstitutionalismus 150 – monarchisch-liberaler 23, 343 Konsument 35 Kontrolldichte 140 Kontrolle, inhaltliche 351 Kontrollinstanz 142 Konzerthaus 235 Kooperationsverhältnis 83 Koppelungsverbot 163 Körperschaft – des öffentlichen Rechts 202, 220, 226 – Eigenschaft 202 Körperschaftssteuer, Erhöhung 370 Korruption 181, 261, 319 Kreisbehörde, kommunale 228 Kreisverwaltungsbehörde 228 Kriminalität, organisierte 66 Kriminalstrafe 307 Kritik der praktischen Vernunft 33, 50 Kritik der reinen Vernunft 50

Kultur, republikanische 182 Kultureinrichtung 235 Kulturhoheit 234 Kündigungsrechte 79 Laienrichter 136 Länder 169 – Eigenstaatlichkeit 267 – Staatsaufsicht 268 Landesarbeitsgericht 211 Landesbeamtengesetz 228 Landesbehörde – Einrichtungen 227 – obere 228 Landesgesetz, bundesrechtswidriges 266 Landesgesetzgebung 266 Landesjustizminister 215 Landesrecht 249 Landesregierung 266 Landesrichter 211 Landessozialgericht 211 Landesverfassungsgericht 210 Landesverwaltung 226, 228 Landgericht 210, 211 Landkreis 228 Landrat 228 Landratsamt 228, 269 Landtag 191 Landwirtschaftsamt 228 Landwirtschaftssache 211 Laufbahnregelung 262, 313 Leben des Menschen 43 Lebensbewältigung, Vorrang der Privatheit 45 Lebensgemeinschaft 229 – Gliederung 63 Lebensgrundlagen, Rechte 44 Lebensstandard, Recht auf angemessenen 44 Lebensverhältnisse 68 – Normalität 54 – Rechtlichkeit 15 Legalenteignung 192

Sachwortverzeichnis Legalität 57, 152 – des Handelns 261 – freiheitliche 59 – und Legitimität 153 – und Opportunität 152 – und Sachlichkeit 155 Legalitätsgebiet 59 Legalitätsprinzip 151 Legislative 45, 149, 167, 191, 232 – Selbstentmachtung 276 Legislativorgan, mitgliedstaatliche 196 Legitimation – demokratische 196, 277 – eigene, kommunale 276 – personale demokratische 216 – republikanische 216 Legitimationsbedarf 102 Legitimationsniveau, demokratisches 216, 263 Legitimität 152 – plebiszitäre 154 Lehre, freiheitliche 334 Leistungsgrundsatz 312 Leistungsklage, allgemeine 269 Leistungsrecht, subjektives 104 Leistungsverwaltung 113, 114 Leitentscheidung – materiale 347 – politische 208 Leitentscheidungen, verfassungsrechtliche 176 L’état c’est moi 46 Leviathan 50 lex contractus 128 Liberalisierung 133 Liberalismus 133, 334 – ökonomistischer 229 Liberté, égalité, fraternité 30 Liebe 26 Liebesprinzip 42 Liquorentscheidung, des Bundesverfassungsgerichts 350 longa consuetudo 204

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Lückenfüllung, rechtsfindliche 284 Luftverkehrssicherheit 319 Luftverkehrsverwaltung 226, 242 Luxemburger Kompromiß 85 Maastricht-Prozeß 80 Maastricht-Urteil 66, 77, 83, 87, 132 Maastricht-Vertrag 67, 264, 356 Macht 120 – politische 209 Machtbeschränkung 197 Machtkonzentration 172 Machtusurpation 134 Machtverteilung, verfassungsstaatliche 255 Mandat 229 Mandatsprinzip 310 Mandatsrelevanz 308 Mandatsträger 310, 316 – Abgeordnete 316 – Auslese 310 Mängelrüge 227 Marktfreiheit 357 Marktteilnehmer 241 Maß, rechtes, Prinzip 339 Maßnahme 361 – generalpräventive 307 – kassatorische 249 – polizeiliche 351 – staatliche 210 – vorläufige 304 – wirtschaftspolitische 354 Maßnahmegesetz 192 Maßstäbe, Materialisierung 281 Masterfoods 259 Materialisierung – deliberative 192 – diskursive 192 Medien 42, 181, 183 Mehrfachbestrafung, Verbot 17 Mehrheitsprinzip 52 Mehrheitsregel 336

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Sachwortverzeichnis

Mehrparteienstaat 178 Meinung, öffentliche 154, 180 Meinungsäußerung 41, 322 Meinungsäußerungsfreiheit 41 Meinungsbegriff 322 Meinungsverschiedenheiten 222 Menschenrechte 16, 25, 28, 40 – als Materialisierung der Menschenwürde 40 – liberale 20 – ökologische 20 – soziale 20 – Verletzung der 40 – zweiter und dritter Generation 44 Menschenrechtserklärung 88 Menschenrechtspakte 124 Menschenwürde 15, 29, 40, 208 – Freiheit 28 – vitale Basis 43 Menschenwürdeprinzip, Postulat 42 Menschheitserbe, Recht 44 Menschheitsprinzip 24 Metaphysik der Sitten 50 Militär 149 Mindestreservesätze 200 Mindestreservesoll 198 Minister 258 Ministerialbürokratie 183 Ministerpräsident 222, 228 Ministerrat 195 – Befugnisse zur Stellungnahme 195 Mißtrauensvotum, konstruktives 177, 221, 223 Mitgliedstaat 71, 212, 252, 271 – Legislativorgane 195 – Staatsgewalt 74 Mittel 353 Mitteleinsatz 353 Mittelstufe, Behörden 228 Monarchie, konstitutionelle 216 Monismus, umgekehrter 61, 125 Moralismus 42 Moralität 22, 53, 208, 248, 317

– der Bürger 53 – gesetzgeberische 32 Museum 235 Nachbarschutzklage 129 Nächstenliebe 26 Naßauskiesungsurteil, des Bundesverfassungsgerichts 378 Nationen 65, 91 Nationenbegriff 62 NATO 66, 71 Naturgesetzformel 33 Naturzustand 37 Naziverbrechen 371 ne bis in idem 307 ne eat (procedat) iudex ex officio 217 ne eat iudex ultra petita partium 217 Negativauslese 312, 317 Neue Formel 331 Neutralität 215, 326 – parteipolitische 322 – staatliche 326 Neutralitätsprinzip 318 Nichtidentifikation, Prinzip 318, 325 Nominationsmonopol, faktisches 216 Nordirland 66 Norm, technische, Verweisung 293 Normenklarheit, Grundsätze 280 Normenkontrolle 248, 249 – abstrakte 17, 129, 139, 249, 258, 266 – institutionelle 346 – konkrete 17, 139, 245 Normenkontrollinitiative 260 Normenprüfung 244 Normenprüfungspflicht 209 Normenvollzugsvertrag 161 Normprüfungspflicht 255 Normsetzung 140 Normverwerfung 145, 244, 246 Normverwerfungsmonopol 209, 245, 255 Notaraufsicht 218 Notenpolitik 264

Sachwortverzeichnis Notgesetzgeber, Bundesverfassungsgericht 363 Nothilfe 121 – strafrechtliche 353 – zivilrechtliche 353 Nötigung 121 Notstandsgesetz 142 Notwehr 121 Notwendigkeit, Kriterien der 353 nulla poena sine culpa 17, 307 nulla poena sine lege 17, 305 numerus-clausus-Urteil 349 Oberforstdirektion 228 Oberlandesgericht 211 Oberverwaltungsgericht 211 Objektformel, der Menschenwürde 33 Objektivitätsgebot, rechtsstaatliches 300 Offene Tatbestände, Auslegung 287 Offenheit, materiale 296 Offenheit der Gesetzesbegriffe 289 Öffentlich rechtlicher Vertrag – Nichtigkeit 163 – Rechtswidrigkeit 163 Öffentlicher Dienst 149, 183, 227, 321 – Angehörige 310 – Besoldungsgefüge 179 – persönliche Verantwortung 155 – Prinzipien 320 – Streik 314 – Unabhängigkeit 318 Öffentlichkeit 317 Ökonomik 355 Oligarchie 317 – parteienstaatliche 222 opinio iuris 204 opinio necessitatis 204 Opportunismus 42 Opportunität 152 Opportunitätsprinzip 153 Opposition 177, 178, 222, 299 Oppositionsfreiheit 180

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Ordnung – des gemeinsamen Lebens 45 – öffentliche 129 Ordnungssystem, herrschaftliches 53 Ordnungswidrigkeit 258 Organ – besonderes 191, 244 – supranationales 61 – verfassungsrangiges 255 Organe des Staates 167 Organentnahme 43 Organisation 256 – staatliche 258 Organisationen 259 Organisationshoheit 228, 233 Organisationsprinzipien 123 Organisationsprivatisierung 225 Organleihe 238 Organschaft, eigenständige 149 Organstreitverfahren 92, 249 Organwalter 166, 206 Orientierung, rechtsstaatliche 15 Ortspolizei 238 pacta sunt servanda 61, 125 Parlament 218, 222, 252, 265, 316 – Budgetrecht 262 – formelle Gesetzgebungsbefugnis 195 – Verantwortung 188 – verfassungsgewollte Relevanz 327 Parlamentarierkabinett 174 Parlamentarismus 47, 179, 192 Parlamentsausschuß 142 Parlamentsgesetz 158, 306 Parlamentsvorbehalt, monarchisch-konstitutioneller 158 Partei 47, 175, 327 – Kandidatenaufstellung 312 – Kreiswahlvorschläge 231 – Landesverbände 267 – verfassungsfeindliche 181 – Vorschlagsrecht 217

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Sachwortverzeichnis

– Waffengleichheit 131 Parteiendemokratie 48, 176, 223 Parteieneinheit, kommunale 231 Parteienfinanzierung 181 Parteiengerichtswesen 134 Parteienherrschaft, Aspekte 48 Parteienmacht 223 Parteienoligarchie 47, 49, 176 – institutionelle Sicherung 180 – plurale 170, 209, 327 – pluralistische Gegenkräfte 183 Parteienprinzip 47 Parteienstaat 45, 177, 194, 224 – liberalistischer 46 Parteienstaatlichkeit 261 Parteigänger 179 – Ämterhäufung 183 Parteigericht 214 Parteigerichtsverfahren 134 Parteilichkeit 325 – allgemeines Verbot 325 Parteimitgliedschaft 187 Parteipolitiker, führende, minimale Fluktuation 181 Parteitagsdelegierter 210 Parteiverbot 153, 211 Partnerschaft, internationale 235 Personal 227 Personalausschuß 262 Personalentscheidung 261 Personalhoheit 228, 234, 262 Personalpolitik 216 Personalvertreter, weisungsabhängiger 262 Persönlichkeitsschutz 41 Pflicht zu leben 43 Pflichtaufgabe 234, 235 Pflichtmitgliedschaft 203 Planstelle 315 Planungshoheit 233 Planungswesen 282 Plebiszit 46 plebiszitär 52

Pluralismus 184 – hoheitlicher Gewalten 169 political correctness 42, 54, 289 Politik 27, 249 – Disposition 26, 54 – Rechtlichkeit 212 – Richtlinien 222 Polizei 129, 149, 352 Polizeiaufgabengesetz 225 Polizeigesetz 129, 199 Polizeimaßnahme 352 – Rechtsschutz 352 Polizeirecht 111, 354 Polizeiverwaltungsgesetz 225 Popularklage 110, 128, 152 Postwesen 226 pouvoir constituant 87, 92, 194 pouvoir constitué 92 Präjudizien 106, 176, 204, 274 Praktische Vernunft, wirtschaftspolitisch 354 Praxis, parteienstaatliche 47 Preußenschlag 268 Preußisches Allgemeines Landrecht 377 Priestertum 27 Primat der Verwaltung, ethischer 261 Primat des Rechts 19, 105, 257, 325 Prinzip – beamtenrechtliches 321 – demokratisches 16, 292 – ethisches 19 – formelles 25 – juridisches 339 – monarchisches 47, 178 – offenes 207 – plebejisches 312 – republikanisches 263 Prinzip der praktischen Vernunft 342 Prinzipien, strafverfahrensrechtliche 303 Privatheit 42 – Flucht in die 242 – möglichste, Orientierung an 348

Sachwortverzeichnis Privatheitlichkeit 128 Privatheitsprinzip 20, 45, 114, 184, 230, 270, 315 – Mißachtung 270 Privatisierung – formelle 243 – formelle, des Staatlichen 270 – Hauptzweck 322 Privatklage 153 Privatrechtssubjekt 241 Privatrechtssubjektivität 240 Privatsphäre 33 Privatwirtschaft 226 Privilegierungsverbot 326 Produktion von Waren und Leistungen 290 Professor 323 Professor der Rechte 174 Prognoseentscheidung 351 Prognosespielraum 350 Propaganda 42, 48, 120, 229 Proportionalität, objektive, der Angemessenheit 357 Proporz, parteilicher 187 Provinzialität 229 Prozeßflut, Steuerung 137 Prozeßgesetze 300 Prozeßinstitut, formelles 142 Prozeßordnung 217 Prozeßrecht 129 Prüfungsintensität 358 Prüfungsleistung 216 Querschnittskompetenzen 170 Radbruchsche Formel 21 Rastede-Urteil 231 Rat 265 Räume, ministerialfreie 262 Realakte 164 Recht 20, 28 – Allgemeinheit in zeitlicher Dimension 361

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– freiheitliches, Prinzip 194 – grundrechtsähnliches 304 – grundrechtsgleiches 250 – Heiligkeit 25 – höherrangiges 246 – Kampf ums 55 – objektives 123, 265 – objektives, Schutz 128 – ökonomisches 44 – soziales 44 – subjektives 128, 151, 237, 265, 269 – subjektives, Begriff 138 – vorkonstitutionelles 249 – Vorrang 244 – Zwangselement 63 Recht auf Arbeit 44 Recht auf Eigentum 41, 43, 208 Recht auf Entwicklung 44 Recht auf Glück, Postulat 42 Recht auf Leben 43 Recht der Stellungnahme 301 Recht zum Widerstand 17 Recht zur Akteneinsicht 301 Rechtlichkeit 20, 27, 29, 44, 244, 252 – als Verfahrenszweck 295 – Erzwingbarkeit 118 – Gerechtigkeit durch 20 – Verfall 261 Rechtlichkeitsprinzip 258 Rechtmäßigkeit 257, 260 – der Amtsführung 253 – öffentliches Interesse 374 Rechts- und Sozialstaat, Republik 19 Rechtsakt 74, 259 – Angemessenheit 357 – Beständigkeit 361 – einzelstaatlicher 254 – europäischer 80 Rechtsanwaltskammer 201 Rechtsanwendungsbefehl 75, 125 – als Geltungsgrund des Gemeinschaftsrechts 75

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Sachwortverzeichnis

Rechtsanwendungsgleichheit 325, 329 – Prinzip 158 Rechtsaufsicht 265, 268 – Effektivität 270 – Gegenstand 270 – staatliche 130, 253 Rechtsautorität 147 Rechtsbegriff – offener 106, 140, 281, 306 – unbestimmter 155, 203, 280 Rechtsbehelf 204, 245, 253, 303 Rechtsbehelfsfristen 303 Rechtserkenntnis 20, 204, 288 – deliberative 52 – diskursive 52 – finanzwirksame 348 – funktional gesetzgebende 345 – gesetzgeberische 247 – Hierarchie verbindlicher 345 – sittliche 340 Rechtsetzung 19, 191, 233 – Allgemeinheit 192 – Ermächtigung 286 – exekutivische 195 – funktionale (rechtserkennende) 204 – gemeinschaftliche 195 – Mitwirkungsbefugnisse 195 – Möglichkeiten 287 – richterliche 283 – richterliche, Notwendigkeit 285 – temporale Allgemeinheit 102 Rechtsetzungsbefugnis 232 Rechtsetzungsermächtigung, der zweiten und dritten Gewalt 275 Rechtsetzungsfunktion 210 – Delegation 286 Rechtsetzungsgewalt 205 – Delegation der staatlichen 201 Rechtsetzungsgleichheit 100, 330 Rechtsetzungsorgan 210 Rechtsfindung – Befugnisse zur schöpferischen 21

– nach praktischer Vernunft 207 – Offenheit 288 – schöpferische 285 Rechtsfolge 246 – Rückbewirkung 367 Rechtsform, private, Einrichtungen 224 Rechtsfortbildung 203, 204 Rechtsfrage 260 – integrationistische 251 – Klärung 261 Rechtsgemeinschaft 15 – territoriale 58 Rechtsgesetz 52, 102 Rechtsgewissen 206 Rechtsgrundsatz, allgemeiner 279 Rechtsinstitut – formales 160 – materielles 142 Rechtsklärung 122, 272 – wissenschaftliche 135 Rechtsklärungsprozeß 144 Rechtsklärungsverfahren 249 Rechtskraft 21, 142, 145, 173, 245, 259 – formelle 143 – materielle 143 Rechtskraftlehre – formelle 146 – materielle 146 Rechtslage, materielle 270 Rechtslehre 27, 50 – ausübende 208 Rechtsmittel 204, 253, 303 – Voraussetzungen 303 Rechtsmittelfristen 303 Rechtsordnung 54, 74, 212, 252 – positive staatliche 285 – staatliche, Lückenlosigkeit 207 – Verläßlichkeit 360 Rechtspersönlichkeit, gerechte 206 Rechtsphilosophie 50 Rechtsposition, gesicherte 374 Rechtspositivismus 21

Sachwortverzeichnis Rechtspraxis 136 Rechtsprechung 173, 204, 210, 259, 283, 311 – Ämter 210, 313 – Änderung 368 – Einheitlichkeit 204 – gesetzgeberische 343 – Leitlinien 41 – politische Verantwortung 248 – private 214 – Verantwortung für die Rechtlichkeit der Gesetze 244 Rechtsprechung im Parteienstaat 186 Rechtsprechungsfunktion 218 Rechtsprechungshoheit 81 Rechtsprinzip 27, 54, 57, 127, 339 – allgemeines 52 Rechtsquelle – abgeleitete 201 – autonome 74 Rechtssatz 197 – abstrakter 197 – genereller 197 – streitentscheidender 205 Rechtssatzcharakter 198, 200 Rechtssatzhaftigkeit 248 Rechtssatzqualität 201 Rechtsscheinsprinzip 376 Rechtsschutz 122, 251, 292 – effektiver 252 – Effektivität 123 – gerichtlicher 265, 267, 359 – subjektiver 261 – Subjektivierung 134 – Verweigerung 189 – vorläufiger 123, 140 Rechtsschutzanspruch 130 Rechtsschutzinteresse 152 Rechtsschutzprinzip 118 – Einschränkungen 141 Rechtssicherheit 21, 248, 300, 363, 369 – materielle, Prinzip 366 Rechtssicherungsaufgabe 245

Rechtsstaat 19, 20, 57, 86 – Essentiale 295 – Grundlegung 19 – materiale Prinzipien 25 – zentrale Prinzipien 15 Rechtsstaatlichkeit 21, 24 – materiale 24 Rechtsstaatsprinzip 15, 23, 266, 307 – materielles 24 – Unaufgebbarkeit 25 Rechtsstreitigkeit 210 Rechtsunsicherheit 248, 289 Rechtsvereinheitlichung 204 Rechtsverhältnis – faktisches 365 – fehlerhaftes 365 Rechtsverkehr – Schuldvorwurf 308 – Vertrauen 376 Rechtsverletzung 246, 324 – Eröffnung des Rechtsweges 17 – Rechtsschutz 138 Rechtsverordnung 17, 140, 193, 197, 232, 244, 249, 275 – Erlaß 221 – Ermächtigungen 201 – Programm 275 Rechtsverstoß, Duldung 353 Rechtsverwirklichungsgleichheit 377 Rechtsvorschrift 20, 245 – generell-abstrakte 158 Rechtsweg 251 Rechtsweggarantie 138 Rechtswidrigkeit 324 Redefreiheit 41 – Einschränkungen 41 Reform 372 Regel des due process of law 302 Regelung – einstweilige 261 – offene 101 Regelungsfähigkeit, der Materie 279

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Sachwortverzeichnis

Regiebetrieb 236 Regierung 218, 249, 256, 258 – Gesetzesbindung 276 – Informationstätigkeit 219 – Opportunität 260 – parlamentarische Verantwortlichkeit 261 – Weisungsbefugnisse 262 Regierungsakt, bestandskräftiger 259 Regierungsform 88 Regierungsinitiativen 260 Regierungskontrolle 222 Regierungsmehrheit 177 Regierungsopposition 249 Regierungssystem, parlamentarisches 174, 176, 218 Regierungsverantwortung 261 Regionalismus 45 Reich der Zwecke 33 Reichsaufsicht 267 Reichsregierung 193 Reichstag 193 Relevanz, präjudizielle 204 Relevanzprinzip 308 Religion 27 Religionsgemeinschaft, andere 45 Remonstration 258 Remonstrationspflicht 323 Remonstrationsrecht 322 remonstrieren 323 Rentenversicherungsrecht 246 Repetitoren 136 Repräsentant 229 Repräsentation – plebiszitär-demokratische, Dogma 334 – sittliche 52 Repräsentationsorgan, staatliches, Funktionenteilung 207 Repräsentationsverfahren 52 Repressalie 126 Republik 15, 28, 45 – demokratische, Prinzip 194 – föderale 88

– heiliges Gesetz 55 – Strukturprinzip 54, 167 Republik der Republiken 45, 61, 171 – europäische 91 Republikanismus 154 Republikanität der Ordnung 45 Republikprinzip 54, 123 res publica res populi 48 Restauration 178 Retorsion 126 Revision 303 Revolution 33, 182 Reziprozitätsprinzip 126 Richter 183, 203, 210, 264, 283, 286, 310 – Abhängigkeit 204 – Befangenheit 217 – Berufung 215 – demokratische Legitmation 215 – Gebot des gesetzlichen 17 – Gesetzesbindung 204 – gesetzlicher 300 – gesetzlicher, Grundrecht 254 – Neutralität 217 – Rechtsstellung 17 – Unabhängigkeit 214 – Unparteilichkeit 217 – Unterwerfung, unter das Gesetz 274 – Verantwortung 207 Richter des Bundesverfassungsgerichts 174 Richterablehnung 216 Richteramt 174 – Befähigung 135, 215, 313 – Wissenschaftlichkeit 135 Richterauswahl 212, 250 – Beteiligung der Abgeordneten 215 Richterpatronage 186 Richterrecht 106, 203 Richterschaft 186 Richterspruch 122, 204, 245, 250, 259, 267 – höchstinstanzlicher 251

Sachwortverzeichnis – Rechtskraft 142, 271 – Revisibilität 139 – Wahrheitlichkeit und Richtigkeit 145 Richtersprüche, Bestimmtheit 292 Richterstaat 205, 283 Richterstelle 212 Richtervorbehalt 17 Richtervorschlag 212 Richterwahlausschuß 215, 216 Richtiges, konsensuale Bestimmung 205 Richtigkeit 143 Richtlinie 199 Römische Verträge 67 Rückanknüpfung 367 – tatbestandliche 367 Rückgriff 257, 325 Rücksichtnahme, wechselseitige 85 Rückwirkung – echte 366 – erlaubte 367 – retroaktive 366 – retrospektive 366 – unechte 366 Rückwirkungsrechtsprechung – Kritik 369 – Versagen 371 Rückwirkungsverbot 365, 368, 369 – belastender Gesetze 366 – des Strafrechts 306 – für richterliche Erkenntnisse 368 – Verletzung 371 – vertrauensschutzrechtliches 365 Rundfunkanstalten 184 Sacheigentum 98 Sachgerechtigkeit, Zweck/Mittel 350 Sachherrschaft 241 Sachkunde 277 Sachlichkeit 55, 152, 208, 262, 294 – juridischer Maßstab 370 – Prinzip 263 – Überprüfung 344

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Sachlichkeitsgebot 333, 370 Sachlichkeitsprinzip 155, 339 – des Modernen Staates 332 Sachnähe 45, 290 Sachverhalt, Beurteilung 280 Sachverstand, wissenschaftlicher 355 Sachverständigenrat 262 Sachverständiger (Wirtschaftswissenschaftler) 355 Sachwidrigkeit 343 salus publica 256 Sanktionsfunktion 377 Satzung 200, 214, 232, 276 – kommunale 236, 276 Satzungscharakter 201 Satzungsermächtigung 113 Satzungsgewalt, gemeindliche 201 SBZ 370 Schadensersatz 257, 324 – Haftung 377 Schadensersatzanspruch 373 – öffentlich-rechtlicher 378 Schadensersatzrecht, allgemeines Prinzip des bürgerlichen 324 Schaffleisch 253 Scheidungsrecht, Verschuldungs- und Zerrüttungsprinzip 371 Scheidungsreform 371 Schiedsgericht 214 Schlachthof 235 Schlichtungsstelle, parteiliche 214 Schluß, syllogistischer 274 Schranke, verfassungsimmanente 347 Schrankendogmatik 339 Schriften, kritische 50 Schulamt 228 schuldangemessen 307 Schuldnachweis 308 Schuldprinzip 307 Schuldverhältnis, verwaltungsrechtliches 378 Schulwesen 220 Schutz, staatlicher 123

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Sachwortverzeichnis

Schutzzweckdoktrin 128 Schutzzwecklehre 138 Schweizerische Eidgenossenschaft 229 SED 62 Selbständigkeit 42 – organisatorische, der Gerichte 217 – persönliche, der Gerichte 217 – Prinzip 41, 45 Selbstbestimmungsrecht 63 – des deutschen Volkes 78 Selbstermächtigung 134 Selbsthilfe 122 Selbstverwaltung 169, 202, 232, 237 – akademische 263 – berufsständische 45 – kommunale 231, 234, 268 – Recht 277 Selbstverwaltungsgewährleistung 237 Selbstverwaltungskörperschaft 200, 201 – Korporatismus 185 – territorial eigenständige 220 Selbstverwaltungsrecht 269 Selbstverwaltungsträger, Satzung 276 Selbstzwang 153 Selbstzweck 30 Selbstzweckformel 33 Selbstzweckhaftigkeit 180 Senat 210, 252 Sentenzen 248 Separation 62 Sequestration 268 Sicherheit – öffentliche 129 – soziale, Recht 44 Sicherheit und Ordnung, öffentliche 354 Sicherheitszweck 20 Sicherungsmaßnahme 305 Simmenthal 253 Sinn, funktionaler 210 Sittengesetz 19, 20, 55, 191, 338 – Bindung 320 Sittenlehre, System 50

Sittlichkeit 16, 22, 26, 30, 44, 53, 208, 248, 343 – Gerichtshof 32 – Gesetz 53 – gesetzgeberische 32 – Imperativ 144 – Pflicht des Gesetzgebers 339 – Postulat 27 – stellvertretende 46 Sklaven 35 Solange II-Entscheidung 83 Soldat 322 – Gehorsamspflicht 322 Soldatenverhältnis 322 Solidarität 32, 104 Sollaufgabe 235 Sollenssatz 52, 160, 191, 197, 204 Sondergerichtsbarkeit 211 Sondergesetz 271 Sonderverwaltungsmodell 230 Souveränität 69, 78, 87, 173 Souveränitätsprinzip 46 Sowjetisch besetzte Zone 252 Sozialgericht 211 Sozialgerichtsbarkeit 211 Sozialgerichtsgesetz 211 Sozialgesetzbuch 225 Sozialpolitik 348 Sozialprinzip 20, 24, 43, 57, 103, 207, 347 Sozialrechtsprechung, familienorientierte 348 Sozialstaat 15, 20 Sozialversicherung 225 Sozialversicherungsträger, überregionaler 226 Spannungsverhältnis, inneres 39 Sparkasse 235 – Gewährträgerschaft 236 Sperrklausel 181 Sperrwirkung 307 Spielraum, gesetzgeberischer 350 Spielräume, politische 189

Sachwortverzeichnis Spionagetätigkeit 307 Sporteinrichtung 235 Sprache 120 Sprachgemeinschaft 109 Spruchstelle 210 Staat 39, 50, 56, 58 – als Privatrechtssubjekt 240 – Einrichtungen 256 – existentieller 15, 58, 67 – Gewalt und Zwang 118 – Herrschaft 47 – Herrschaftlichkeit 209 – konstitutioneller 178 – moderner, Heiligtum 27 – Rechtsaufsicht 233 – rechtswidrige Eingriffe 377 – republikanischer, Freiheitlichkeit 55 – Strafverfolgungsbefugnis 305 – totaler 45 – und Bürger, Vertrag 152 – Verantwortlichkeit 324 – vier körperschaftliche Ebenen 220 – Zwangsbefugnis 57 Staat im engeren Sinne 167 Staat im weiteren Sinne 167 Staatenbünde 172 Staatenverbund 60, 69, 79 – ständige Freiwilligkeit 79 Staatenverbünde 172 Staatlichkeit 19, 50, 57, 60, 128 – der vollziehenden Gewalt 149 – deutsche, Verfassungsprinzip 89 – existentielle 58, 60 – formelle Privatisierung 241 – funktionale 66, 67, 151 – Gebiet 59 – gemeinschaftliche 74 – Integration 66 – intensive 275 – moderne 87 – Privatheit, Dichotomie 241 – territoriale Grenzen 59

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– Territorium 62 Staatsangehörigkeit 60, 88 – Kriterien 64 Staatsaufgabe 20 Staatsaufsicht 130, 238 Staatsbehörde 228, 237 Staatscharakter 69 Staatsform 88 Staatsgerichtshof, für das Deutsche Reich 268 Staatsgewalt 57, 121, 197, 199 – Ausschließlichkeit 59 – Ausübung 256 – Befugnisse zur Ausübung 71 – Ermächtigung zur Ausübung 72 – europäische 81 – Funktionen 191 – gemeinschaftliche Ausübung 66, 74 – Teilung der Ausübung 45, 273, 328 Staatshaftung 17, 324 – Dogmatik 325 – unmittelbare 325 Staatshaftungsgesetz 324, 379 Staatshaftungsrecht, Reform 379 Staatskanzlei 228 Staatskirchentum 171 Staatsleitung 218 Staatsmacht, Träger 369 Staatsminister 228 Staatsministerium, des Inneren 269 Staatsoberhaupt, Gesetz 193 Staatsorgan, Bindung an Rechtsakte 258 Staatsprinzip 50 Staatsrat 168 Staatsrecht 50 Staatsregierung 228 Staatsschutz 122 Staatssekretär 228 Staatssekretäre, parlamentarische 174 Staatsunternehmen, privatistische 238 Staatsverwaltung – mittelbare 130, 202, 220, 224

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Sachwortverzeichnis

– unmittelbare 224 Staatszweck 20, 264 Stabilität, gesamtwirtschaftliche 354 Stabilitätspolitik, Rechtmäßigkeit der 355 Stand, voriger, Wiedereinsetzung 139 Stand der Wissenschaft 50 Stand von Wissenschaft und Technik 282, 297, 313 Steuergesetz 370 Steuerrichtlinien 158, 199 Steuerverwaltung 228 – Verträge 161 Stiftung des öffentlichen Rechts 220 Strafandrohung 305 Strafaussetzung 306 Strafbarkeit 258, 305 – Voraussetzungen 305 Strafbefehl, Rechtsakt 307 Strafe 17 Strafgericht 211 Strafgerichtsbarkeit 211 Strafklage, Verbrauch 307 Strafnorm, Materialisierung 306 Strafprozeßordnung 211, 303 Strafrecht, materielles, Verschärfung 371 Straftat, Verlängerung der Verjährungsfrist 371 Straftatbestand 41, 305 Strafverfahren 371 – Prinzipien 16 Strafverfolgung 371 Strafverfolgungsregel 305 Strafverfolgungsvorschrift, Änderung 371 Straßenverkehrsregelung 234 Streik 314 Streikfreiheit 315 Streikrecht 314, 315 Streitgegenstand 148, 260 Streitpartei 216 Strukturprinzip 25, 84, 123, 253 Struktursicherungsprinzip 24

Studium, rechtswissenschaftliches 136 Subsidiaritätsprinzip 45, 63, 84, 230, 237, 270, 295, 356 – menschenrechtliches 45 – verfassungsprozessuales 251 Subsumibilität – unter den Tatbestand 280 – vorgegebener Begriffe 344 Subsumtion 107, 109, 274 Subvention 115, 261 Suizid, Legalität 43 summum ius, summa iniuria 205 Supranationalismus 196 suprema potestas 125 syllogistischer Schluß 109 Synallagma – funktionelles 127 – genetisches 127 Systematik, republikanische 209 Tarifautonomie 313, 318, 347 – Unantastbarkeit 314 Tarifverhältnis, privatheitliches 315 Tarifvertrag 228, 313 Tatbegriff 307 Tatbestand 370 – Differenzierung 332 – gesetzlicher 281 Tatbestandsmerkmal 280, 306, 336 – gegenständliche Allgemeinheit 337 – offenes 155 Tatbestandsvoraussetzungen 113 Tatbestandswirkung 259 Tätigkeit, unternehmensartige 270 Teilung 62 Teilung der Staatsgewalten 167 Telekommunikation 226 Tenor 247 Territorialitätsprinzip, soziobiologisches 65 Territorialstaat 46 Territorium 56, 62 Terror 153

Sachwortverzeichnis Textklarheit 293 Theater 235 Theismus 27 Theorien und Urteile 41 Todesstrafe 118, 377 – Abschaffung 17 Totalitarismus 168, 182 Tradition, föderalistische 267 transzendental 34 Trennung von Staat und Kirche 171 Typologik 290 Typusbegriffe 289 Tyrannei 168 Übermäßigkeit 307 Übermaßverbot 353 – verwaltungsrechtliches 352 Übung, langdauernde 204 ultima ratio 353 ultra-vires-Lehre 84, 150, 173 Umweltbundesamt 226 Unabänderlichkeitsklausel 54 Unabhängigkeit 51, 173, 261 – im Interesse der Sachlichkeit 262 – institutionelle 172 – persönliche 215 – Rechtfertigung 263 – richterliche 17 – sachliche 214 unanfechtbar 146 UN-Charta, Präambel 28 Union, Mitgliedschaft 79 Union der Völker Europas 69 Unionsbürger – Freizügigkeit 320 – Homogenität 65 Unionsstaat, kein existentieller 69 Unionsvertrag, Unbefristetheit 79 Universalität 233 Universität 45, 276 Universitätsstudium, rechtswissenschaftliches 186

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Unlauterkeitsvorwurf 237 unmittelbar demokratisch 52 Unparteilichkeit 183, 325 – Abgeordnetenpflicht 326 – Beamtenpflicht 326 – Ethos 216, 217, 328 – Gebot 326 – Idee 325 – richterliche 328 – Richterpflicht 328 Unrecht, staatliches 369 Unrechtsstaat 369 Unschuldsvermutung 18, 308 – Prinzip 41 Unstaat 369 Unternehmen 45, 184, 235, 239 – fiskalischer Bereich 268 – gemischtwirtschaftliches 238, 241 – kommunales 236 – öffentliche 179, 239 – privates 238 – privatistisches 220 – privatrechtliches 236 – privattypische Form 270 Unternehmensfreiheit 236, 239 Unternehmenssatzung 236 Unternehmer, beliehener 139, 165 Unterstufe, Behörde 228 Untersuchungsrecht 222 Untertan 47 unverzüglich 304 Urteil 260, 292 Urteilskraft 136 usus longaevius 204 van Gend & Loos 253 Verantwortlichkeit 244 Verantwortung – persönliche 253 – politische 208 Verbietbarkeitsregelung, willkürfreie 283 Verbindlichkeit 82, 124, 274

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Sachwortverzeichnis

– juridische 224 – völkerrechtliche 79 – völkervertragliche 81 Verbot, formelles 283 Verbund demokratischer Staaten 69 Vereinigte Staaten von Amerika 224 Vereinigung, privatheitliche 202, 236 Vereinigungsfreiheit 277 Vereinte Nationen 28 Verfahren – faires 302 – faires, Grundprinzip 301 – gerichtliches, Endlichkeit 143 – Gesetzlichkeit 295 – plebiszitäres 52 – Sachgerechtigkeit 296 Verfahrensbeteiligte (Parteien) 302 Verfahrensergebnis – Gerechtigkeit 296 – Rechtswidrigkeit 308 Verfahrensfehler 308 – Rechtsfolgen 308 Verfahrensgang 308 Verfahrensgesetz 225 – Ordnungsmaximen 296 Verfahrenshoheit 228 Verfahrensprinzip 295 Verfahrensregeln 185 Verfahrensregelung 297 Verfall des Rechts 189 Verfassung 86, 207 – apriorische 86 – bürgerliche 56, 62, 88 – Flucht vor der 243 – menschheitliche 86 – Verwirklichung 87 Verfassung (constitutio) 63 Verfassungsänderung 92 Verfassungsbeschwerde 17, 92, 129, 245 – Ablehnung der Annahme 251 – allgemeine Bedeutung 251 – Ausnahme 252

– Gegenstand 250 – verfassungsrechtliche Bedeutung 251 – Voraussetzung 251 Verfassungsentwicklung, kompensatorische 363 Verfassungsgericht 92, 245 Verfassungsgerichtsbarkeit 92 – Institutionen 249 Verfassungsgerichtsstaat 209 Verfassungsgerichtsverfahren 266 Verfassungsgesetz 15, 64, 81, 86, 87, 88, 91, 194, 207 – gebietlicher Geltungsbereich 64 – Hoheit 89 – Kompetenzprinzipien 242 – menschheitliches 62 – Wirkungsgrenzen 64 Verfassungsgesetzänderung 25, 91 Verfassungsgesetzgeber 26 Verfassungsgesetzgebung 91 Verfassungshoheit 69, 87 – europäische 81 Verfassungskontrollinitiative, der Regierungen und der Opposition 249 Verfassungskonvent 89 Verfassungsnorm, verfassungswidrige 242 Verfassungsprinzip 86 – kleine Einheiten 90 – kommunalrechtliches 236 – ungeschriebenes 342 Verfassungsprozeß 93 Verfassungsrecht 327 – materialisiertes 157 Verfassungsrechtsprechung 187 – Erkenntniskompetenzen 347 – Gesetzgebung der 207 Verfassungsreferendum 89 Verfassungsrichter, Wahl 187 Verfassungsschutz 141 Verfassungsstaat 15, 88, 92, 209 – bürgerlicher 86 – nationaler, Recht auf einen 91

Sachwortverzeichnis Verfassungsstreit 268 Verfassungsstreitigkeit 92 Verfassungstreue 319 Verfassungsversammlung 89, 92 Verfassungswirklichkeit 47, 230, 327 – kommunale 231 Verfügung, einstweilige 123 Vergangenheit, Fiktion 364 Vergleichsgruppe von Fällen 290 Vergleichsverfahren, typologisches 290 Vergleichsvertrag 162 Vergünstigung – soziale 370 – steuerliche 370 Verhalten – ordnungswidriges 258 – strafbares 258 Verhältnis von Gesetz und Gerechtigkeit 21 Verhältnismäßigkeit 307, 343, 349 Verhältnismäßigkeitsgrundsatz, im Gemeinschaftsrecht 356 Verhältnismäßigkeitsprinzip 16, 118, 256, 337, 342, 343, 349 – gesetzesabhängiges 351 – juridisches Kriterium 352 – Praktizierung 344 – Schrankenschranke 346 – und Art. 12 Abs. 1 GG 348 – Verfassungsgrundlage 342 Verhältniswahlsystem 177, 181 Verjährung 305 Verjährungsmanipulation 371 Verjährungsvorschrift 371 Verkehrsbetrieb 235 Verkehrszeichen 198, 200 Vermessungsamt 228 Vermittlungsausschuss 298 Vermittlungsverfahren 195 Vermögensnachteil, Entschädigung 373 Vernunft – praktische 208, 210 – praktische, Gesetzgebung 208

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– praktische, Pflicht 333 – praktische, Postulat 36 – praktische, Prinzip 256 Vernünftigkeit 120 – praktische 21, 208, 248, 256 Vernunftmäßigkeit, praktische 208 Vernunftprinzip 27 – transzendales 27 Vernunftwesen 34 – Freiheit 34 Verpflichtungs- und Verfügungsverträge 162 Verpflichtungsklage 148 Versammlung, verfassungsvorbereitende 92 Verschulden 324 Verschuldensprinzip 324 Versicherungsamt 228 Versorgungs- und Verkehrsunternehmen 235 Versorgungsamt 228 Versprechen, gegenseitiges 360 Verteidigung 220 Verteidigungsbündnis 71 Verteidigungsfall 17 Verteilungsprinzip, soziales 24 Vertrag 71, 96, 127, 214 – allgemeiner 52 – Fiktion 365 – öffentlich-rechtlicher 160 – privatheitlicher 162 – Suspension 126 – Unauflöslichkeit 79 – Verbindlichkeit 361 – Vernichtbarkeit ex nunc 365 – Vernichtbarkeit ex tunc 365 – völkerrechtlicher 67, 251 Vertrag von Amsterdam 68 Vertrag von Maastricht 68 Vertrag von Nizza 68, 212 Vertragserneuerung 80 Vertragsfreiheit 239 Vertragsloyalität 272

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Sachwortverzeichnis

Vertragsrechtsschutz, völkerrechtsgemäßer 272 Vertragsrüge, der Kommission 271 Vertragsstaaten 68 Vertragsverstoß, i. S. d. Art. 10 EGV 271 Vertrauen, schutzwürdiges 259 Vertrauensanwalt 305 Vertrauensfrage 221 Vertrauensschaden 360, 367 Vertrauensschutz 369 – fehlerhafte Verwaltungsakte 372 – Grundsatz 368 – im Gemeinschaftsrecht 374 Vertrauensschutzgedanke 361 Vertrauensschutzprinzip 16, 359 – Kompensation parteienstaatlicher Instabilität 362 – verwaltungsrechtliches 372 – zivilrechtliches 375 Vertrauensschutzrecht 375 Vertretbarkeitskontrolle 351 Vertretungsmacht 173 Vertretungsrechte/Kompetenzen 72 Verwaltung 218, 224, 233 – Bindung 277 – bundeseigene 226, 228 – Erkenntnis-, Bewertungs- und Gestaltungsspielräume 220 – erwerbswirtschaftliche 238 – Gesetzlichkeit 256 – innere, örtliche Aufgaben 237 – landeseigene 228 – Organisation 227 – privatistische 225 – republikanische 150 – unternehmerische 235 – wirtschaftende 156 Verwaltungsakt 122, 157, 197, 251 – Abstraktheit 160 – Begriff 197 – begünstigender 259 – belastender 258

– – – – – – – – – – – –

bestandskräftiger 146, 259 Bestandsschutz 375 Ermächtigung zum Erlaß 278 individueller 197 konkreter 197 Nichtigkeit des 308 rechtmäßiger begünstigender 373 Rechtmäßigkeit 258 rechtsetzender 200 Rechtssatzhaftigkeit 197 Schutz vor Widerruf 373 verwaltungsgerichtliche Aufhebung 260 – Widerruf 373 Verwaltungsaufgabe 218 – Vielheit 285 Verwaltungsbehörde 263 – andere 259 Verwaltungsebene, territoriale 229 Verwaltungseinheit 220 Verwaltungseinrichtung 236 Verwaltungsermächtigungen 112 Verwaltungsform 225 Verwaltungsgericht 211, 260 – Rechtsschutz 269 Verwaltungsgerichtsbarkeit 211 Verwaltungsgerichtshof 211 Verwaltungsgerichtsordnung 211 Verwaltungsgesetz 236 Verwaltungsgrundsatz 357 Verwaltungshandeln 157, 261 – Aufgaben, Befugnisse und Mittel 265 – reales 164 – Recht- und Zweckmäßigkeit 262 – Rechtmäßigkeit 261 – schlichtes 164 – Zweckmäßigkeit 256 Verwaltungshoheit 81, 199 Verwaltungsinstitution 238 Verwaltungsmaßnahme 250 Verwaltungsorganisation 199

Sachwortverzeichnis Verwaltungsrecht – allgemeines 157 – europäisches 375 – materielles 225 Verwaltungsrechtsetzung 197 Verwaltungsrechtssatz 275 Verwaltungsrechtsschutz 269 Verwaltungsstaat 15 Verwaltungsträger 220, 229 Verwaltungsunternehmen, privatistische, Aufsicht 270 Verwaltungsverantwortung 256 Verwaltungsverfahren 156, 227, 261, 295 – Wiederaufgreifen 146 Verwaltungsverfahrensgesetz 225, 228, 236 Verwaltungsverfahrensrecht 375 Verwaltungsvertrag 160 – koordinationsrechtlicher 162 – subordinationsrechtlicher 162 Verwaltungsvollzug 375 Verwaltungsvorbehalt 220 Verwaltungsvorschrift 106, 140, 158, 199, 244 – Verbindlichkeit 199 Verweisung, als Rechtsetzungstechnik 293 Verweisungen, dynamische 293 Veterinäramt, staatliches 228 Vetorecht 195 vis absoluta 121 vis compulsiva 121 volenti non fit iniuria 31, 40 Volk 58, 62 – Ermächtigungen 72 – europäisches, Lebensinteressen 68 – Hoheit 58 – Organe 213 – Verfassungsgesetzgebungshoheit 89 – Verträge 64 Volk und Reich, Behebung der Not von 193

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Völker 65 Völkerrecht 60 Volksgesetzgebung 185 Volksherrschaft 38 Volkssouveränität 16 Volksvertreter 196 vollziehende Gewalt, Gesetzlichkeit 150 Vollzug, landeseigener 227 Vollzugsdienst 310 – Arbeitnehmer 321 – Beamte 318 – Befähigung 313 volonté générale 31, 52, 185 Vom Geist der Gesetze 50 Vorabentscheidung, des Europäischen Gerichtshofs 254 Vorabentscheidungsverfahren 255, 271, 301 Vorbereitungsdienst 186 Vorbildung 319 Vorgaben, verbindliche 253 Vorlage 254 – Verwerfung 245 Vorrang von Verfassung und Gesetz 105 Vorsatz 257, 325, 378 Vorschlagsrecht 195, 216 Vorschriften, Allgemeinheit 63 Wahl, Periodizität 216, 310 Wahlanfechtungssachen 135 Wählbarkeit von Beamten 175 Wählergemeinschaft 231 Wahlmann 187 Wahlsystem, demokratisches, Grundzüge 196 Wahlverfahren 308 Wahrheit 143 – ökonomische 355 – praktische 144 Wahrheit und Richtigkeit 41 Währungspolitik 196, 264 Währungsunion 182, 196 Walten 119

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Sachwortverzeichnis

Wasserversorgung 235 Wasserwirtschaftsamt 228 Wehrstrafgericht 211 Wehrwesen 220 Weimarer Reichsverfassung 193 – Gesetzgebungsstaat 274 Weimarer Republik 268 Weimarer Verfassung 194, 267 Weisung 253 – dienstliche 323 – innerdienstliche 199 Weisungsbefugnis 262, 263 Weisungsrecht 199 Welt, integrierte 90 Welthandelsorganisation, Streitschlichtungsstellen 214 Weltrecht 61, 127 Weltrechtsprinzip 28, 171 Weltstaat 127, 171 Wesensgehalt 17, 25, 235 – des Art. 2 Abs. 1 GG 338 Wesensgehaltsgarantie, des Art. 19 Abs. 2 GG 343 Wesentlichkeitslehre 114, 116, 198, 220, 278, 293 Wesentlichkeitsprinzip 236 Wettbewerbsprinzip 235 Wettbewerbsrecht 225, 240, 270 – privattypisches 270 Wettbewerbsverhältnis 242 Widerspruch, aufschiebende Wirkung 123 Wiederaufnahmeverfahren 258 Wiedereinsetzung, in den vorigen Stand 303, 368 Wiedervereinigung 188 Wiedervereinigungsgebot 62 Wiener Kongreß 47, 178 Wiener Schlußakte 178 Wiener Vertragsrechtskonvention 79 Wille, guter 26 Willensakt, der Gemeindebürger 232

Willensautonomie 22, 29, 30, 51, 208, 232 – Freiheit 192 Willensbildung 15, 57 – politische 327 Willkür 98 – Ermächtigung 252 – freie 30, 240 Willkürkontrolle 357 Willkürverbot 16, 100, 192, 234, 329, 337 – allgemeines 337 Willkürvorwurf 333 Wirklichkeit, Theorie 280 Wirkungsbereich 200 Wirkungseinheit 120 Wirkungskreis – eigener, Angelegenheit 234, 268 – übertragener 228, 237, 268 Wirtschaftlichkeitsprinzip 315 Wirtschafts- und Währungsunion 67 Wirtschaftsförderungseinrichtung 235 Wirtschaftspolitik – allgemeine 264 – Sachlichkeit 356 Wirtschaftswissenschaft 354 Wissenschaft 202, 262 Wissenschaftlichkeit 186, 208, 262 Wissenschaftsfreiheit 277, 323 Wissenschaftslehre, Prinzipien 50 Wohlfahrtsgesetzgeber 20 Wohlfahrtsstaat 57 Wortlaut und Sinn 245 Würde 28 Zeitgesetz 102 Zentralismus – demokratischer 168 – parteienstaatlicher 185 Zitiergebot 17 Zitierungsrecht 222 Zivilgericht 214, 259 – begrenzte Erkenntniskompetenz 260

Sachwortverzeichnis Zivilgerichtsbarkeit 211 Zivilprozeßordnung 211 Zögern, ohne schuldhaftes 304 Zulassungsschranke – objektive 349 – subjektive 349 Zum ewigen Frieden 50 Zurechnungsfähigkeit 350 Zuständigkeit 308 Zuständigkeitsfehler 308 Zuständigkeitsregelung 269 Zustimmungserfordernis 222 Zustimmungsgesetz 76, 125, 195, 196, 298 Zustimmungssystem 222 Zwang 55, 59, 118 Zwangsbefugnis 59, 71 – mitgliedstaatliche 70 Zwangsmaßnahmen 118, 123

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– private 121 – staatliche 122 Zwangsmittel 377 Zwangsmöglichkeiten 56 Zwangsvorbehalt 130 Zweck – öffentlicher 236 – polizeilicher 352 Zwecke 359 Zweckgesetz 102 Zweckmäßigkeit 227, 238, 266, 268, 278 – staatlichen Handelns 256, 257 Zweck-Mittel-Relation 349 Zweckverband funktioneller Integration 74 Zwei Abhandlungen über die Regierung 50