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German Pages 26 [28] Year 1821
Predigt am
vierten Sonntage nach Trinitatis 1820 in
der Dreifaltigkeitskirche gesprochen
von
D. F. Schleiermacher.
Berlin,
1 8 a 1.
G e d r u ck t bei er Apostelge schichte gehört, habe ich vorzüglich deshalb zur diesmaligen Neujahrsgabe gewählt, weil ich schon früher verschiedentlich um
die
worden.
öffentliche
Bekanntmachung
derselben bin ersucht
Text Apostelgeschichte 4, 13 — 21 iLslei, m. a. Fr., ist dir Verfolg der Begebenheit, deren erste Hälfte wir schon neulich jum Gegenstand unserer Betrachtung gemacht haben. So erging es damals den Aposteln Petrus und Johannes vor dkn hohen Rath ihres Volkes, es ward ihnen verboten zu lehren, und fie sprachen, jene Männer, welche ja vorzüglich das göttliche Recht und Gesetz aufrecht halten sollten, möchte» nur selbst richten, ob es recht sei ihnen mehr zu gehorchen denn Gott. Aber damit war die Sache freilich nicht zu Ende; sondern die Apostel handelten nun auch ihrem Worte gemäß; und nachdem sie mit den übrigen Gläubigen Gott kräftig gelobt und angerufen, so gaben fie „mit großer Kraft Zeugniß von dem Herrn Jesu" *), und verkündigten das Evangelium von dem Reiche Gottes in Christo, und war große Gnade bet ihnen allen. Nicht lange darauf also, als der hohe Rath meinte, der Eindruck jene- Wunders auf das Volk werde vorüber sein, wie denn allerdings solche Eindrücke ihrer Natur nach ver gänglich genug sind, legten fie die Hände an die Apo *) Ap»st«lsesch, 4, 33,
ll! *
4 fiel, und warfen sie in das gemeine Gefängniß; und als der Engel des Herrn ihnen die Thür aufthat, und sie dann gleich am Morgen wieder lehrten im Tempel, stellte der hohe Rath sie zur Rede, wie sie ohnerachtet des ernstlichen Gebots, in diesem Namen nicht weiter zu lehren, dennoch nicht aufhörten Jeru salem mit ihrer Lehre zu erfüllen. *) Aber PetruS mit den andern Aposteln hatten immer nur dieselbe Rede: Man muß Gott mehr gehorchen, denn den Men schen. Da gedachte der hohe Rath sie zu tödten; in, deß auf den Rath eines verständigen Mannes, der den andern zu bedenken gab, wie sie auS dem weiter« Verlauf der Sache, wenn sie sie nur gehen ließen, erst am besten würden ersehen können, ob es ein Werk aus Gott sei oder von Menschen, begnügten sie sich damit, die Apostel stäupen zu lassen und ihnen noch, mals, offenbar mehr um sich selbst nicht zu widerspre chen, als daß sie einen ernsthaften Erfolg davon er, wartet hätten, das Verbot einzuschärfen, daß sie nicht reden sollten im Namen Jesu. Die Apostel aber gin, gen zu den Ihrigen, fröhlich daß sie gewürdiget wa ren um Christi willen zu leiden, und hörten nicht auf alle Tage im Tempel und hin und her in den Häuften zu predigen da- Evangelium, wie ihnen denn befoh len war. Wundert euch nun nicht, m. Gel., daß ich die, ses, wie es sich uns, wenn gleich in verschiedene Zeit abschnitte vertheilt, doch als Eine Begebenheit dar, stellt, mit unter den für bas Entstehen und Bestehen der christlichen Kirche großen und entscheidenden Ereignissen aufstelle, daß nämlich die Apostel durch
6 Wort und That den Grundsaz aufstellten und für alle künftige Zeiten niederlegten: Man müsse Gott mehr gehorchen denn den Menschen. Wundert euch darüber nicht, sondern laßt es jetzt nach Anleitung der vorge lesenen Geschichte den Gegenstand unserer frommen Betrachtung sein. Ich werde juerst zeigen, Wie wich tig und nothwendig dieser Grundsatz für die erste Grün dung der christlichen Kirche war, und auch für daS Fortbestehen derselben noch immer ist und bleiben wird. Aber weil nun dieser Grundsatz, ja um seinetwillen auch das Christenthum selbst, nicht selten ist angefochten wor den, so wollen wir dann auch zweitens betrachten, Wie bei demselben der nothwendige und heilsame Gehorsam gegen die Menschen sein volles Recht behält, und da her dieser für die christliche Kirche unentbehrliche Grund satz die bürgerliche Gesellschaft und die menschliche Ord nung darin vollkommen ungefährdet läßt. I. Zuerst also m. a. Fr., wie die christliche Kirche nicht hätte gegründet und verbreitet werden können, wenn die Apostel diesen Grundsatz nicht aufgestellt und befolgt hätten, das ist wohl deutlich genug. Denn wenn sie nun wären von vorne herein klug gewesen nach menschlicher Weise, und hätten, nachdem der große göttliche Segen des Pfingsttages ste gleichsam über rascht, bei sich selbst gedacht, es liege nun ihnen ob zu verhindern, daß kein Widerspruch entstände zwischen dem Befehl Gottes und denen der Menschen, und sek es daher besser die christliche Gemeine, nachdem sie so herangewachsen, den Augen der Menschen zu entziehen: hätten sie bann wol dem Sinn und Geist jener Worte Ihres scheidenden Herrn genügt, daß fie feine Zeugen sein sollten bis an das Ende der Erden anfangend kn
6 Jerusalem? Nein, dem Worte »ach hätten sie sich viel« leicht rechtfertigen mögen; aber den Sinn und Geist hätten sie verfehlt, und schon so den Menschen mehr gehorcht, nämlich schon der Furcht vor ihnen, als der Stimme GottrS; aber gewiß hätten sie auch in ängst licher Furcht und im verborgenen Winkel nicht eine solche Gemeine gegründet, welche die Pforten der Hölle nicht sollten überwältigen können, sondern nur eine solche, die schon dem ersten Widerspruch der Ungläubigen hätte fallen müssen, weil sie nicht gewagt an das Licht zu treten. Hätten aber nun, nachdem einmal dir Aufmerk samkeit rege geworden, die Apostel den Hohenpriestern und Aeltesten Folge geleistet nnd aufgehört im Namen Jesu zu lehren: wie würde es wol gestanden haben um die kleine Gemeine von wenig tausend Seelen die sich nur eben gesammelt hatte und deren Glaube noch schwach war? würde sie sich wol haben fort erbauen können, wenn es ihr gefehlt hätte an der Zusammenhal tung und Stärkung durch die öffentliche Lehre der Apo stel? hätte sich wol das Bild des Erlösers befestigen können ohne das Zeugniß derer, die mit ihm gewandelt waren von seiner Taufe an bis kn die Tage seiner Auf erstehung? würde nicht auch ihr Glaube erloschen sein wenn sie diejenigen, die ihn entzündet hatten, sobald hätte verlassen gesehen von dem kräftigen Geist, der jene großen Wirkungen hervorgebracht? Gewiß jeder muß es fühlen, hätten die Apostel nachgegeben, und den Menschen gehorcht, die junge Gemeine müßte sich bald zerstreut haben. Ja wenn sie auch lm voraus bei sich beschlossen hätten, dieser Gehorsam gegen die Menschen solle nur eine kurze Unterbrechung sein ihres Gehorsams gegen Gott, und sie wollten sich schon in der Folge eine günstigere Zeit
ersehen,
und die Predigt vom Glaube«
wieder anfange«, wenn die vornehmsten Gegner vom Schauplatz würden abgetreten sein, oder ihr feindseli ger Elfer fich würde abgekühlt haben: auch mit solcher Theilung ihrer Lebenszeit zwischen dem Gehorsam gegen Gott und dem gegen die Menschen hätten die Apostel nichts gewonnen.
Denn hätten sie dann wieder an
fangen wollen zu lehren von Jesu von Nazareth, so wäre schon vielen nicht mehr bekannt gewesen, welch ein Mann von Gott gesandt er gewesen
mächtig in
Thaten und Worten, und unwirksam wäre die Erinne rung gewesen an seine mildthätige Liebe und an den Verrath seines Volkes.
Ja wir müssen sagen, alles
lag daran für die Gründung des Christenthums, daß die erste Predigt der Apostel in das noch frische An denken an Jesum hineingriff und seitdem nicht wieder aufhörte; und nie würden sie nach einer solchen Unter brechung mit demselben ergreifenden Ansehen und ge segneten Erfolg unter ihrem Volk
aufgetreten
sein!
Um aber die Strenge ihres Gehorsams gegen Gott recht zu würdigen, so laßt uns nicht vergessen, wie leicht es ihnen von beiden Seiten gemacht war fich zu entschul digen«
Denn die Menschen mutheten ihnen nicht etwa
zu ihre Ueberzeugung aufzugeben oder öffentlich zu wi derrufen; dessen schämt fich wol jeder, und hält es für unwürdig, wenn er nicht zuvor eines besseren ist belehrt worden.
Sondern nur schweigen sollten sie, und schwei
gen, denkt man nur gar zu leicht, kann man wol im mer ohne Sünde, wenn es geboten wird. Und auf der andern Seite war nicht etwa an ste, wie ehedem an die Propheten, ein besonderes bestimmtes Wort Gottes ergangen, grade izt und zu einem bestimmten Behuf da find dorthin zu gehen und dies und jenes zu sagen. Sondern sie hatten nur den allgemeinen Befehl ihres
8 Herrn, seine Zeugen zu feilt von Jerusalem anhebend durch das ganz« Land. W>e leicht also wäre es ihnen gewesen, hätten sie sich klügelnd an den Buchstaben hauen woll n, sich selbst zu überreden, als ob sie gar nicht den Gehörs.m gegen Gott verletzten, wenn sie den Menschen gehorchten!
Man muß, könnten sie ge«
sagt haben, den Oberen Folge leisten in allem was keine Sünde ist, und schweigen ist keine Sünde. Der Herr hat uns zwar besonders anbefohlen zu reden, aber wir wollen ja auch nur jetzt auf eine Weile schweigen. Und wenn er selbst ausdrücklich gesagt hat, wir sollten warten, bis wir angethan würden mit Kraft aus der Höhe; so haben wir diese Kraft zwar reichlich gespürt, und in derselben auch ein gesegnetes Zeugniß abgelegt; aber vielleicht giebt unS der Herr eben durch dieses Gebot unserer Oberen ein Zeichen, daß wir diese Kraft noch eine Weile in uns verschließen sollen, und er wird uns wol einen Wink geben, wenn es Zeit ist wieder Gebrauch von ihr zu machen.
So hatten sie denken
können: aber gewiß wären dann sie nicht die Felsen ge wesen, auf die er seine Gemeine gründen konnte. Doch nicht damals allein mußten sie den Grund satz befolgen Gott mehr zu gehorchen als den Men schen; sondern späterhin, als zuerst sie und dann auch andere Christen nicht nur vor,
nach unserer Art zu
reden, doch mehr geistliche als weltliche Oberen, son dern vor die unbestrittene höchste weltliche Obrigkeit gestellt wurden, und ihnen zugemuthet, den Glauben an den Erlöser abzuschwören, ja sogar statt des von ihm geoffenbarten Vaters der Menschen die Götter des herrschenden Volkes anzubeten, während jenes ganzen Zeiträume- als das Blut der Märtyrer in nicht geringen Strömen stoß um den Erdboden -u düngen,
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damit die Saat des göttlichen Wortes desto reichlichere und herrlichere Früchte tragen könne: hätte da nicht derselbe Grundsatz Immer gegolten, Gott mehr zu ge horchen als den Menschen, auch als Gott nicht mehr auf eine außerordentliche Weise zu den Menschen in der christlichen Kirche redete, sondern nur durch das feste prophetische Wort der Schrift, das wir noch ha ben, und durch die Stimme des Gewissens und die Gewalt des auf jenes Wort gegründeten Glaubens; wenn da nicht dieser Grundsatz der Apostel das allge meine Vereinigungswort aller Gläubigen gewesen wä re: wie bald würde nicht die christliche Kirche wieder zerstört worden seyn durch die ihr feindselige Richtung menschlicher Macht! und mit welcher lange zurückge haltenen Gewalt würde dir abergläubische Finsterniß des Heidenthums sich wieder über das menschliche Geschlecht ausgegossen haben! Auf jene Zeiten dürfen wir nur sehen, m. a. Fr., um inne zu werden wie nothwendig es war, wenn die Gemeine Jesu fortbestehen sollte, daß alle Christen über dem Saz hielten, Gott mehr zu ge horchen als den Menschen, und wie nur er die wahre Veste sei, auf welche diese Gemeine sich gründen kann. Aber möchte man vielleicht denken, das gilt von jener Zeit, wo die ersten, welche Gehorsam zu fordern hatten von den Bekennern des Glaubens, befangen wa ren von dem Buchstaben des alten Gesetzes, und nicht verstanden. daß es in Christo seine Erfüllung gefunden, und wo alles noch höhere menschliche Ansehn in dem Wahn des Heidenthumes und der Vielgötterei gefangen lag, feindselig allem was den väterlichen Gebräuchen widersprach, da war es auf der einen Seite natürlich, daß von Menschen ein Gehorsam gefodert warb wi der den Befehl Gottes das Evangelium zu verkündl-
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jttt, und auf der andern recht und nothwendig, daß denen, die selbst so im Dunkeln wandelten, diejenigen nicht gehorchten, welche die Träger des göttlichen LichtS auf Erden fein sollten, sondern daß sie sich allein an den Ruf Gottes hielten, der an sie ergangen war: überflüßig aber fei es diesen Grundsatz einzuschärfen unter christliche» Völkern; und er könne keine Anwen dung mehr finden, wo Obrigkeiten und Unterthanen demselben Worte Gottes verbunden sind, denn da könne kein Streit entstehen zwischen dem Gehorsam gegen Gott und dem gegen die Menschen. Allein m. Gel. laßt uns nicht vergessen, daß wir alle insgesammt Mit glieder der evangelischen Kirche sind, und für ein Glück achten es zu sein. Wie aber ist denn diese entstanden? Als Luther dieser trefliche Mann Gottes zuerst mit der ihm eigenthümlichen Kraft redete und schrieb gegen die Irrthümer der damaligen Zeit, ward ihm nicht von feinen geistlichen Vorgesezten zugemuthet seine Meinun gen fahren zu lassen und mit seinem Unternehmen inne zu halten? Befahl ihm nicht der römische Bischof, dem damals die ganze abendländische Kirche Gehorsam lei stete, zu widerrufen so lieb ihm sein Antheil an der christlichen Kirche sei? ward er nicht gefordert vor das höchste Oberhaupt seines Volkes den ersten Monarchen der Christenheit, und befahl ihm der nicht dasselbe? Wie nun, wenn nicht jenes Wort des Apostels auch sein Wahlspruch gewesen wäre, ohnerachtet daß es christliche Fürsten waren, vor denen er stand; wenn er nicht mit dieser unerschütterlichen Festigkeit darauf be standen hätte, er stehe in Gottes Namen und könne nicht anders, er widerrufe auch nicht, man überzeuge ihn denn aus Gottes Wort? Gewiß dieses hellere Licht des Evangeliums, für dessen Besiz und Kraft an un-
fern Seele» wir, so oft wir uns In diesen Morgenstun den hier versammeln, Gott mit gerührtem Herzen Dank sagen, würde bald wieder erloschen sein, wenn die Männer die sich damals vereinigten um die göttliche Anstalt des Christenthums von menschlichen Verderb nissen zu reinigen, nicht jenen Grundsaz festgehalten hätten; gewiß die evangelische Kirche wäre damals nicht gegründet worden, die seitdem nicht nur unter ihre», eigenen Gliedern die Erkenntniß christlicher Wahrheit reiner erhalten und gefördert, sondern auch durch ihr Dasein unsere Brüder von der römischen Kirche auf mancherlei Weise erleuchtet und grkräftiget hat. Auch damals also, mitten im Schooß des Christenthums, war es nothwendig über dem Grundsaz zu halten, daß man Gott mehr gehorchen müsse als den Menschen. Und «S sollte je minder nöthig sein? wir sollten jetzt oder jemals etwas nachlassen dürfen von dem Muthe des Glaubens, von der Festigkeit der Ueberzeugung, von dem Gefühl, daß wir dem göttlichen Geiste, der uns durch das Wort Gottes leitet, unter keiner Be dingung dürfen Widerstand leisten? Nein, gewiß nie mals dürfen wir nachlassen. AlleS in der geistigen Welt besteht nur fort und entwickelt sich durch dieselbe Kraft, durch welche es entstanden ist; und konnte die christliche Kirche nicht entstehen, wenn dieser Grundsaz nicht gehalten hätte; konnte sie sich ohne diesen nicht läutern und reinigen als sie von der Finsterniß vielfäl tigen Irrthums bedeckt und mit Aberglauben erfüllt war: so dürfen wir wol sagen, dieser Grundsaz sei ihr eingepflanzt als die nothwendige Bedingung ihres Fort bestehens, und zu keiner Zeit, zu keiner, dürfen die Chri sten sich von ihm entfernen. Auch bedarf es nur eines aufmerksamen und feste» Blickes auf alle Verhältniße
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unserer evangelischen Kirche um sich hievon zu über zeugen.
Wohnen nicht etwa immer noch Mitglieder
derselben hie und da in kleiner Anzahl zerstreut in Ländern, deren Beherrscher sowol als der größte Theil ihrer Bewohner zu einer andern Kirche gehö ren?
und ist es etwa unmöglich daß von dieser Seite
her Zeiten der Unduldsamkeit und der Verfolgung ein trete», wie wir sie sonst schon gehabt haben? und'sol len dann unsere Brüder nicht auch nach wie vor Gott mehr gehorchen als den Menschen?
Ja finden wir
etwa in unserer evangelischen Kirche selbst eine voll« kommne Einigkeit des Herzens und des Sinnes, der Meinungen und Gedanken? Wir werden uns wol nicht rühmen können, daß diese zu finden sei, sondern werden gestehen müssen, es giebt Einige, die in ihrer ganzen Weise mehr ängstlich find, an menschlichen Buchstaben über die Gebühr hängen, sich in manchen Stücken dem Aberglauben nähern, und durch das eine oder das an dere die Freiheit der Kinder Gottes schmälern.
Es
giebt Andere, die sich in ihrer Ansicht von der christli chen Lehre und in ihrer Behandlung des christlichen Lebens der entgegengesetzten Seite des Unglaubens nä hern, wenn gleich wir nicht glauben wollen, daß das Gift desselben in ihren Herzen wohnt, sondern daß sie wider ihren Willen und ohne ihr Wissen sich demselben nähern.
Und diese beiden Denkarten stehe» nicht etwa
ruhig neben einander, sondern es giebt einen Kampf derselben gegen einander, indem sie sich gegenseitig be schuldigen und anfehden, als ob die eine uns den Ge nuß der großen Güter verkümmere, welche unsere Vä ter durch die Verbesserung der Kirche uns erworben, und als ob die andere uns den Besitz derselben gee fahrbe; wie dann solche Kampfe von je in der christli-
*5 cheir Kirche bestanden haben, und auch immer entstehen werden, wenn fie auch hie und da eine verschiedene Ge stalt annehmen.
Und zu jeder Zeit giebt es nur We
nige, die mit klarem Verstände und reinem Herzen in der Mitte stehen zwischen beiden Theilen; sondern die Meisten neigen sich auf die eine oder die andere Seite mehr oder weniger. Und das gilt denn, wie gar manche Erfahrungen es lehren, auch von denen, welche in der menschlichen Gesellschaft die Herrschaft ausüben, und das Recht haben in allem, was in das Gebiet der bür gerlichen Ordnung gehört, Gehorsam zu fordern. Wenn nun diese hier eben so eingreifen wie zu der Apostel Zelten die Hohenpriester, und in den Zeiten des Marrerthums die römischen Kaiser, und zu Luthers Zeiten der deutsche Kaiser; wenn sie in wohlmeinender Ueber zeugung, der eine Theil habe Recht und der andere Unrecht, ihre weltliche Gewalt anwenden um dem einen Theil das Uebergewicht zu verschaffen und den andern zu drücken: wie soll dann das Reich der Wahrheit in freier Entwicklung christlichen Sinnes nnd Lebens ge deihen, wenn die Ueberzeugung und das Bekenntniß sich der Gewalt beugen, und nicht auch in diesem Fall jeder weiß seinem Glauben zu leben und zu sterben?
Ja
selbst diejenigen, die in solchem Fall auf der begünstig ten Seite stehen, wie können sie, wenn sie den Grundsaz scheuen und verwerfen Gott mehr zu gehorchen alS den Menschen, wie können fie dann ihres eignen Glau bens froh werde»?
wie können fie sicher fein, ob sie
das, was fie annehmen, aus reiner Ueberzeugung wäh len, oder ob sie unter dem menschlichen Ansehn gefan gen sind? wie man ja schon immer gesagt hat, daß das Einmischen weltlicher Gewalt in die Gegenstände des Glaubens, wenn es auch nicht gradezu Heuchler
ler bildet, doch immer bas Gewissen verunreinigt und trübt,
was eben darauf beruht, daß, wer auf der»
selben Seite steht, nicht leicht mehr wissen kann, ob er Gott gehorcht oder den Menschen.
Gegen diese Ge-
fahr also können wir uns nur flcher stellen, wenn Je, der denGrundsaz festhalt, Gott mehr zu gehorchen als den Menschen.
Nur wer mit der Kraft dieses Grund,
sazrS ausgerüstet ist, kann wahrhaft seines Glaubens leben, nur der kann hoffen, daß er desselben lm stillen Gespräch des Herzens mit Gott immer fichrer werben, und daß der Geist GotteS ihn immer mehr in alle Wahrheit leiten wird. Und so hängt denn an diesem Grundsaz wie bas erste Entstehen, so auch das ruhige und gedeihliche Fortbestehen der Christenheit. II. Damit wie aber dieses desto ruhiger bei uns fest, stellen, und uns desto unbesorgter dem Apostel anschlie, ßen können; so wollen wir nun die zweite Betrachtung hinzufügen,
daß nämlich eben dieser Grundsatz nicht
im mindesten die bürgerliche Ordnung stört, noch die Ruhe der menschlichen Gesellschaft beeinträchtigt.
Ei
gentlich ist es um so thörichter hierüber noch ausführ, lich zu reden, da wir nicht mehr unter Heiden leben, sondern alle unsere Fürsten und Obrigkeiten denselben Gott wie wir anbeten und feinem Wort gehorchen. Denn wenn einer nicht sagen will, und das hat wohl noch
keine christliche Obrigkeit von fich
sagen lassen,
eS fei eben deshalb,
gesagt oder
weil die Obrigkeit
selbst Gotte gehorcht, wenn wie nur ihr gehorchen, gar nicht nöthig, daß wir auch Gott noch gehorchten, weil wir nämlich alle Befehle Gottes nur durch sie, Gott gehorsame Obrigkeit
erhielten.
die
DaS hat wie
gesagt noch niemand behauptet; und wenn da- nicht ist,
15 sondern auch wlr Gotte gehorchen müssen, wie sollt« «S wohl zugehen, daß wir dem, welchem die Obrigkeit selbst gehorcht, nicht mehr als thr gehorchen sollten? Oder welches Unheil sollte hieraus entstehen können, da sie ja doch im Gehorsam gegen Gott mit uns jtt* sammen treffen muß?
Darum m. gel. Fr. hege ich
auch dagegen gar keinen Zweifel bei mir selbst,
daß
wenn wir hier um uns her versammeln könnten alle Kaiser und Könige und Fürsten, und wie sonst noch die Odrigkeiken christlicher Völker heißen mögen,
die
jede an ihrem Ort das höchste Recht haben Gehorsam 1» fordern in menschlichen Dingen, und denen alle un tergeordnet sind die sonst noch am Regimente Theil nehmen, wenn wir diese hier vor uns hätten, und, könnten sie als Brüder in Christo, ln dessen Name» wir hier versammelt find,
befragen,
ihr althergebrachtes Ansehn, verliehene Gewalt,
ob sie wohl für
für die ihnen von Gott
für die ungestörte Erfüllung der
ihnen obliegenden Pflicht das wahre Wohl der Menschen zu fördern irgend eine Gefahr befürchten würden, wenn alle ihre Unterthanen ohne Ausnahme alS gute Christen auf dem Grundsatz fest hielten Gott mehr j« gehor chen alS den Menschen: o wie wir,
gewiß sie Christen sind
und dieses ju seyn für thr höchste- Gut
halten; so gewiß sie dasselbe Gesetz des Geistes in ih rem innern Menschen fühlen wie wir,
und ihr Leben
an demselben in ihrem Munde und Herzen wohnenden Worte Gottes prüfen wie wir, so würden sie sagen. So wahr es für uns selbst daS höchste ist Gott unserm Herrn zu gehorchen, so begehren wir auch «lchtS lieber als daß ihr alle überall Gott am meisten gehorchen möget; und so gewiß wir hier mit euch im Bekennt« niß desselben Herrn und Meisters vereinigt sind,
so
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hoffen wir, daß euer Gehorsam gegen uns immer wird mit eurem Gehorsam gegen Gott bestehen kön nen. So und nicht anders würden sie sagen, und um ihretwillen also wäre nicht nöthig hierüber weiter zu reden. Aber es giebt Andere, um derentwillen haltet wir ein wenig Thorheit zu gut, wenn ich euch aus einander setze was ihr ohnstreitig alle eben so fühlt als ich« Diese andere sind theils solche, welche zwar sonst jedes Wort Gottes ehren wie wir, dieses aber scheuen sie und wissen es nicht anzufassen, sondern meinen, es sei besser davon zu schweigen, daß es noch etwas höheres gebe als den Gehorsam gegen die Men schen, damit es nicht auf Rechnung des christlichen Glaubens komme, wenn irgendwo der ordentliche Lauf menschlicher Dinge gestört würde. Theils auch sind es solche, die das göttliche Wort nicht ehren wie wir, sondern meinen, die göttliche Kraft des Glaubens, die heiligen Ordnungen deS Christenthums, und die brü derliche Verbindung der Gläubigen, dies alles sei ei gentlich an und für sich nichts, aber gar herrliche Mittel wären es um die natürlichen Begierden der Menschen zu zügeln, ihnen Ehrfurcht und Gehorsam einzuflößen und sie zu allen nothwendigen Entsagun gen willig zu machen; darum ehren und pflege« sie das Christenthum äußerlich, wiewohl es ihnen inner lich mehr zuwider ist. Wenn sie aber sehen, daß An dere in der Einfalt ihre- heilsbedürftigen Herzens es ernsthafter nehmen, daß die Freudigkeit des Glau bens das Herz schwillt und den Muth stärkt, wettn sie sehen, daß die Liebe zum Erlöser eine fromme Be geisterung wird, die sein großes Werk, die Menschen zur wahren Freiheit der Kinder Gottes zu erheben, immer weiter fördern möchte: dann wibd ihnen «nheim-
*7 heimlich, als möchte der gewaltige kräftige Griff auch ihre Werke ans Licht zieh», und ihre kteinllche Selbst sucht, ihr starrer Eigenflnn, ihre frevelnde Willkühr oder womit fle sonst verborgenes Spiel treiben, das möchte in seiner Blöße erscheinen. Und wenn üe dann lauern, wie sie etwas auf dieses lebendige Christen thum brächten: so entgeht ihnen freilich nicht, daß ih rer Klugheit, welche den Glauben an das Göttliche möchte menschlichen Absichten dienstbar machen, und aus den Kräften der neuen Welt menschlicher Willkühr ein Werkzeug schmieden/ nichts mehr zuwider ist als dieser Grunbsaz: man müsse Gott mehr gehorchen als den Menschen. Darum ziehen sie gegen diesen zu Felde; und weil sie es gern dahin bringen möchten, daß die Frommen Gott gehorchten nur den irrdisch gesinnten Menschen zum Nuz, und daß die Wohlthaten des Evan geliums ganz so behandelt werden möchten wie mensch liche nüzliche Anstalten, die nur so dürfen gebraucht werden wie Menschengebot es gestattet: so schmähen sie den Grunds«; Gott mehr zu gehorchen als den Men schen, als sei er höchst gefährlich und drohe aller mensch lichen Ordnung Verderben. Um nun diese zum Schwei, gen zu bringen und jene zu beruhigen, so laßt uns se hen, wie leer und eitel solche Desorgniß sei. Derselbe Apostel, der hier nicht Einmal, sondern gleichsam in einem Athem mehrmals sagt, man müsse Gott mehr gehorchen als den Menschen, was sagt der in jenem schönen apostolischen Briefe, den wir, Gott fei Dank dafür, in unsern heiligen Büchern lesen? Schreibt er nicht, Seid Unterthan aller menschlichen Ordnung um des Herrn willen; ehret den König und seine Hauptlrute, daß ihr mit Wohlthun verstopfet die Unwissenheit der thörichten Menschen; hütet «uch, daß
B
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ihr nicht um Missethat willen leidet,
so ihr aber um
Wohlthat willen leidet, so ist es Gnade? *)
Wenn
nun dieses der heilige Geist gesprochen hat und jenes: kann auch der heilige Geist sich selbst widersprechen? Wenn auch das Gottes Befehl ist, Ordnung zu gehorchen;
der menschlichen
kann dann wol der Gehorsam
gegen Gott den Gehorsam gegen die menschliche Ord nung aufheben? — Ja, sagt man, wenn eS nicht so Niel« unselige Beispiele gäbe,
daß einzelne Menschen
sich einbilden, einen besonderen Befehl Gottes erhal ten zu haben!
und wie oft ist nicht frommer Wahn
auf das verderblichste und schändlichste verfallen? Und schüzen dann nicht solche Menschen auch-.bei dem ab scheulichsten Verbrechen den Grunds«; vor, man muß Gott mehr gehorchen als den Menschen? — An dem Grundsaz wenigstens liegt das nicht, Denn Petrus hatte nicht innerlich,
antworte ich.
sondern aus dem
Munde seines und unseres Meisters den Befehl em pfangen sein Zeuge zu fein; und der Sohn ist es durch welchen zu uns allen der Vater geredet hat. Dieses Wort Gottes haben wir aus seinem und seiner Jünger Munde aufbehalten in der heiligen Schrift;
und in
dieser soll daher jeder, der dem Grundsaz des Apostels folgen will, die Gegenstände feines Gehorsams gegen Gott nachweisen.
Darum hält unsere evangelische Kir
che, für die ich hier allein rede, soviel darauf, daß der Unterricht aus diesem gemeinsamen Wort GotteS fort gehe von einem Geschlecht auf daS anderer darum ist sie von Anfang an so fest ja hart aufgetreten gegen alle Schwarmgeister, nicht genug
welche an diesem gemeinsamen Wort
habend
sich auf ei» besonderes inneres
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Wort beriefen, und wir thun Keinem Vorschub, der solchem Wahne folgend Gott zu gehorchen glaubt. Sondern kommt er mit demselben ans Licht, und will ihn mittheilen und verbreiten, so wird er für die Diener des Wortes ein Gegenstand der Belehrung insgeheim und öffentlich; und Gott sei Dank das Werk derselben ist nlcht ungesegnet an der immer nur geringen Zahl derer, die von solchem Wahne befallen sind. Wenn aber dennoch einer seinem Wahn Folge giebt, und kraft dessen thut, was menschlicher Ordnung zuwider ist: werden wir etwa hindern daß die Obrigkeit ihm Ein» halt thue auf alle Weise? Nein, sondern wie sehr wir ihn auch menschlichrrweife bedauern möchten, wenn er dem Schwerbt der Obrigkeit anheimfällt, so sagen wir doch eben um so mehr, als wir den Menschen, also auch der Liebe zu Menschen weniger gehorchen als Gott, daß die Obrigkeit Recht thut Einhalt zu thun und zu züchti gen, indem sie dadurch nur ihren eigenen Gehorsam bewei set gegen das Wort Gottes, baß „sie gesezt ist zu Lobe der Frommen"*), daß sie aber auch „das Schwerbt trägt eine Rächerin zur Strafe über den der Böses thut" **). Und so bewährt sich in allen diesen Fallen der Grund» saz unseres Textes in Uebereinstimmung mit dem Briefe des Apostels und als die festeste Stüze der menschlichen Ordnung und des gesetzlichen Anschns. Aber, sagt man wol weiter, damit ist noch nlcht ge, helfen, wenn man die Menschen auf das gemeinsame Wort der heiligen Schrift verweiset, daß nur dessen lebendige Ausübung der rechte Gehorsams gegen Gott sein soll. Denn wie ganz verschiedenen Deutungen ist nicht *) i Petr. 2, 19. **) Stern, 13, 4.
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auch dieses in einzelnen Stellen ausgesetzt, und erfahrt sie auch, zumal in unserer evangelischen Kirche, wo das Wort Gottes jedem offen daliegt, und jeder durch die Liebe zu demselben sich im Verständniß göttlicher Dinge selbst üben soll!
Und wie oft finden wir nicht leider,
ro. gei. Fr., daß nicht nur wohlgesinnte Brüder tut engen und beschränkten Auslegungen einzelner Schriftstellen hängen, sondern auch daß wirklich Verkehrtes und Gemeinschädliches sich durch solche Auslegungen rechtfertigen will.
Das können wir nicht läugnen, m.
Brr.; aber gewiß sind wir doch darüber einig, daß mit jenen Wahngläubigen, von denen ich vorher redete, der nicht verglichen werden kann, der wenigstens den.red lichen Willen hat, das was er für Recht erkennt auS der Schrift nachzuweisen;
denn
«ine reine Liebe zu
Gottes Wort kann nicht auf Abwege fähren, welche der menschlichen Gesellschaft zum wahren Nachtheil ge reichen.
Wir wissen alle, daß wir irren können in
der Erklärung des göttlichen Wortes, und daß unter Bei stand des göttlichen Geistes unser Verständniß desselben noch immer reiner und vollkommner werden soll.
DaS
ist das gemeinsame Bestreben aller evangelischen Chri sten und auch aller christlichen Obrigkeiten, welchen es immer eine heilige Pflicht gewesen ist, alle Veranstal tungen zu diesem Zwecke zu begünstigen und zu beschüzen.
Aber nur die gegenwärtige Erkenntniß, zu
welcher jeder gelangt ist durch redliches Streben, ist und bleibt das, wonach er auch allein gerichtet werden kann.
Und auch das gilt wie von uns allen, so auch
von christlicher Obrigkeit, die sich ja in demselben Spie gel beschaut und nach demselben Maaßstabe prüft. Da her sehen wir auch mit Freuden und rühmen es, wie viel Geduld und Nachsicht unsere Fürsten und Obrig-
stiftn beweisen,
wenn abweichende Auslegungen und
irrige Anwendungen des göttlichen Wortes vorkommen in Beziehung auf Gegenstände des bürgerlichen Lebens. Unsere Obrigkeit jum Beispiel verlangt bei manchen Gelegenheiten, daß wir die Wahrheit, die wir ihr schul, dig find, eidlich bekräftigen sollen.
Wer nun in dieser
noch immer bestehenden Einrichtung nichts dem Worte Gottes Zuwiderlaufendes findet,
der schwört.
Aber
wie viele kleine Häuflein von Christen giebt es nicht, die sich streng an das halten: eure Rede sei ja ja und nein nein, was darüber ist, das ist vom Uebel *) Diese nun, wenn sie aufgefobert werden zu schwören, so sa gen sie, sie wären gebunden in ihrem Gewissen und könnten nicht, weil sie nämlich Gott mehr gehorchen müßten als den Menschen.
Niemals aber haben christ
liche Obrigkeiten ihnen das als eine Widerfezlichkeit ge, deutet, oder sie zwingen wollen unter den gemeinen Ge brauch unserer Kirche, der jedem gestattet nach de« Verlangen der Obrigkeit zu schwören; sondern weit ent fernt einen Zwang gegen diese Christen zu gebrauchen, oder sie an ihren bürgerlichen Rechten zu verkürzen, begnügt sich die Obrigkeit mit ihrem Ja und Nein, wenn sie sich nur zu der Ueberzeugung bekennen, daß sie der Obrigkeit die Wahrheit schuldig find; weil man nämlich nicht glaubt, daß diejenigen, welche sich mit einfältigem Herzen an das Worte Gottes halten, nur sollten Ausflüchte
suchen wollen zum Schaden ihres
Nächsten. Ja giebt es nicht noch immer Christen, welche glauben es fei gegen Gottes Gebot, such wenn eineChristen Vaterland angegriffen würde, auf Befehl der Obrigkeit das Echwerdt zu ziehen gegen den Feind;
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und (in solches Gott mehr gehorchen als den Men schen ist schon weit bedenklicher als jenes. Aber hat es wol je die Sicherheit des Regimentes gefährdet? Nein! sondern weil christliche Obrigkeiten wol wissen, daß diese irrige Auslegung nur bei einer kleinen Zahl Beifall finden kann, und die größere Anzahl immer richtiger fühlt, was für Pflichten zu Schu; und Truz zusammenzuhalten ihr dadurch aufgelegt sind, daß „Gott zuvor versehen und Ziel gesetzt, wie lange und weit der Menschen Geschlechter auf dem Erdboden wohnen sollen *): so haben sie auch gegen bas Gewissen dieser Brüder Geduld geübt, und billig mit ihnen gehandelt, ohne daß auch ihre Mitunterthanen zu dieser Güte scheel gesehen hatten; sondern Schlimmeres kann ihnen nie begegnen, als daß, wenn die Gleichheit so sehr vcrlezt werden sollte durch ihre Weigerung, man ihnen freistellt sich ihren Plaz auf der Erde da zu suchen, wo keine Gefahr ist, daß eine menschliche Gesellschaft durch ungerechte Angriffe gestört würde. So zeigt sich überall in der christlichen Welt eine zarte und heilende Ehrfurcht der Regenten vor dem Grundsatz, man muß Gott mehr gehorchen alS den Menschen, aber nirgends finden wir, daß sie von demselben Gefahr besorgen. Ja selbst wenn bisweilen solche unglückliche Zeiten eingetreten find, wo die Obrigkeit, wie denn irren menschlich ist, aus wolmeinendem aber mißleitetem Ei, fcr ihre Macht nicht bloß gebrauchte zum Schuz der Guten und zur Strafe der Dösen, sondern auch trach, tete durch dieselbe die Gewissen zu beherrschen, oder Im einzelnen etwas gebot was gegen Gottes Gesez war, selbst in diesem schlimmsten Falle, hat etwa der bürger. *) Ap. Besch. 17, 26.
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lichen Ordnung irgend eine Gefahr davon gedroht, wenn bann die Christen fest bet dem Grundsatz beharrten Gott mehr zu gehorchen als den Menschen? Mit Nichten! Sondern, wie überhaupt, wenn die Obrigkeit verbietet was sie für schädlich hält, sie dennoch durch Anwendung ihrer Gewalt nicht immer verhindern kann, baß das verbotene nicht geschehe, und wie auch da, durch an sich ihr Ansehn nicht leidet, sondern nur wenn das verbotene unbestraft bleibt; wer aber die Strafe erduldet, eben dadurch das Ansehn der Obrtg, kelt verkündigt und beschüzt: so geht es dann auch hier. Den Aposteln ward verboten im Namen Jesa zu lehren; das konnten sie nicht lassen, weil sie Gott gehorchen mußten, aber als sie gestäupt wurden, wa ren sie froh, daß sie gewürdtget waren um Christi willen zu leiden, und so war das Ansehn der Obrig keit gerettet, und die menschllche Ordnung aufrecht erhalten. Den Christen in den ersten Jahrhunderten ward befohlen, ihren Glauben zu verläugnen und Men, scheu göttliche Ehre zu erweisen. Das konnten sie nicht; aber indem sie auf den Befehl der Obrigkeit ihr Leben willig hergaben, bewiesen sie sich Unterthan der Obrigkeit um deS Herrn Wille». Ja selbst als sie schon so zahlreich waren, daß die, welche sich über die Oberherrschaft stritten, um die Gunst der Christe« wetteiferten, haben diese nie gewaltthätig das Band der bürgerlichen Ordnung zerrissen. Und so hat in al» len ähnlichen Fällen bas Wort und das Beispiel des Apostels die Christen nur gelehrt, Gott zu gehorchen auf der einen Seite, und indem sie um Wohlthat wll, len litten, den Menschen zu gehorchen auf der andrer; und das können wir immer um so getroster, als wir uns verlassen auf das feste profetifche Wort, baß die
-4 Gemeine deS Herrn nicht kann Denn das ist gewiß,
ansgerottet
werden.
daß ein menschliches Ansehn,
welches seine Grenzen überschreitet, und indem es die Gewissen zu beherrschen sucht, einen Streit hervorru fen will zwischen dem Gehorsam gegen Gott und dem gegen die Menschen,
daß
ein solches nicht bestehn
kann; aber Gott hat dazu andere Mittel, und es be darf nicht, daß die Gläubigen in einen solchen Streit wirklich gerathen, und indem sie sich sträflicher Verlezungen des von Gott geordneten sehns schuldig
machen,
den
menschlichen An-
Gehorsam
selbst auf das gröblichste verlezrn.
gegen Gott
Pilatus, ohnerach-
tet er wußte, daß er nicht zu richten habe über solche Beschuldigungen, als die Feinde Jesu vorbrachten, lieh ihnen sein Ansehn und überschritt seine Vollmacht, da mit sie ihm nicht einen schlimmen Dienst leisten möch ten bei feinem Herrn.
Wohl! Christus widersezte sich
nicht, und seine Diener kämpften auch nicht mit dem Schwerdt des Aufruhrs über seinem Reich; latus hatte deß doch keinen Gewinn.
aber Pi
Die Hohenprie
ster, denen eigentlich nur oblag das Gefez Mosts zu schüzen, die sich aber vermaßen, das Wohl des Vol kes sicher stellen zu wollen,
welches ihnen schon lange
nicht mehr anvertraut war, und die deshalb Christum übergaben, hatten deß auch keinen Gewinn; sondern das Verderben, das ste entfernen wollten, kam nur desto schneller über sie; aber nicht durch die Hand der Chri sten, die auch,
nachdem Stephanus und Jakobus ge
fallen waren,
sich doch weder von den Gottesdiensten
ihres Volkes trennten, furcht
aufkündigten.
von welchem herab
noch dessen Oberen ihre Ehr Und
jener glänzendste Thron,
der größte Theil der gesitteten
Welt durch jene römischen Kaiser beherrscht
ward, die
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ft» Uebermuth ihres Herzens göttliche Ehre begehrter» von ihren Unterthanen,
und deshalb das Blut der
weigernden Christen stromweise vergossen; nichts retten,
ihn konnte
auch nicht baß er selbst ergriffen ward
von der Gewalt des Christenthums; aber nicht aufrüh rerische Christen haben ihn gestürzt,
sondern immer
tieferes eigenes Verderben, immer schmählichere Ent weihung machte ihn zur leichten Beute der Völker. Und jener große deutsche Kaiser,
der unserm Luther
zumuthete seine Lehre zu widerrufen,
der seine ganze
Macht aufbot das Entstehen der evangelischen Kirche zn hindern, der die Fürsten schon besiegt hatte in dem von den Lehrern der Kirche abgerathenen,
aber als
Widerstand unvermeidlich geworbenen Kriege,
jener
Kaiser hat sein Leben geendet in nachdenklicher Ein samkeit ; aber nicht gezwungen von unsern Glaubensge nossen, die vielmehr, ohnerachtet sie Gott mehr gehor chen mußten als ihm, ehrten,
sein kaiserliches Ansehn immer
sondern er selbst nahm die Krone von dem
müden Haupte herab. Aber
auch
solche traurige Beispiele
einer
ihre
Grenzen überschreitenden und dadurch sich selbst stra fenden
und
zerstörenden menschlichen Macht müsse«
immer seltner werden, je mehr jener große Grundsaj des Apostels auch von denen anerkannt wirb, welche Gott würdigt sie zu Herrschern über christliche Völker zu erheben. Denn fühlen sie dies mit uns als die heiligste Pflicht der Christen:
dann werden sie,
geistliches nur geistlich kann
gerichte
weit
über
entfernt,
ihre Hand
wissend,
baß
werden,
and
das zu erstrecke»
was Gott sich vorbehalten hat, ihr von ihm geheilig tes Ansetzn rein und unbefleckt erhalten.
T
26
Go ist Christus auch in bftftt Hinsicht der wahre Fürst des Friedens! Das Schwerdt kommt nur un» tet die Menschen, wenn sie ihn verkennen und sein Wort mißverstehen. Von ihm geht kein Hader und Streit aus, sondern die Liebe, zu welcher er alle ver einigt, die er zu sich gejogen hat, schlichtet allen scheinbaren Streit der Rechte und Pflichten. Möch ten immer mehr alle Christen, die gebietenden und die gehorchenden, sowol die richtige Einsicht in das, was Ihnen obliegt, alS die Kraft eS zu erfüllen nur suchen in dem Lichte feines Wortes und in der Gemeinschaft seiner Gläubigen; dann würde mit dem Gehorsam ge gen Gott auch die Treue und Liebe christlicher Obrig keiten und Völker gegen einander immer herrlicher Fch entfalten, die Macht des Gewissens in dem Reiche Gottes und die Macht des GefejeS in der menfchlt. che« Gesellschaft würde« nie gegen einander gehe«, «nd das Himmlische und Irdische immer mehr Eins Verden, wie es sei« heiliger Wille ist. Amen«
(Die sonst gewöhnlich -er jut Neujahrsgabe bestimmten Predig! angehängt« Tabelle über die Ordnung de» Gottesdienste« wird baldigst nachfolgen.)