Praktische Geburtshilfe für Studierende und Ärzte 9783111674636, 9783111289854


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Table of contents :
Vorwort zur 9. Auflage
Inhaltsübersicht
Schwangerschaft
Allgemeine Grandsätze für die Untersuchung Schwangerer und Kreißender
Diagnostik und Untersuchung in der Frühschwangerschaft (1.—4. Monat)
Diagnostik und Untersuchung der Schwangerschaft vom 6.—10. Monat
Normale Geburt
Mittel oder Faktoren der Geburt
Vorboten der Geburt
Anzeichen der bald einsetzenden Geburt
Beginn der Geburt
Vorbereitung der Kreißenden zur Geburt
Untersuchung der Kreißenden
Verhalten des Kopfes beim Durchtritt durch den Geburtskanal
Der Höhenstand des Kopfes im Becken und seine Feststellung (Höhendiagnose
Geburtsleitung
Geburtsdauer
Pathologische Geburt
Schlechte Herztöne
Asphyxie des Neugeborenen
Wehenschwäche
Entbindung mit dem Vakuumextraktor = Saugglocke
Übertragung
Geburtseinleitung bzw. -beschleunigung
Geburtsstillstand
Indikationen für die operative Entbindung
Vorbereitung zu geburtshilflichen Operationen
Episiotomie
Dammrisse = Scheidendammrisse
Klitoris- und Labienrisse
Zangenoperation I
Zangenoperation II
Gefahren und Prognose der Zangenoperation
Regelwidrige Kopfstände und -lagen
Beckenendlage ( = BEL)
Manualhilfe bei Beekenendlage
Manuelle Extraktion
Tiefer Seheldendammschnltt = Scheiden-Damm-Beckenbodenschnitt = Dührssen- Schuchardt-Schnitt
Querlage ( = QuL)
Intrauteriner Fruchttod
Wendung (Übersicht)
Äußere Wendung aus Querlage
Kombinierte = innere Wendung aus Querlage
Zerstückelnde Operationen I
Zwillinge
Nabelschnurvorliegen
Nabelschnurvorfall
Hydramnion
Vorliegen und Vorfall eines Armes
Pathologische Blutungen in der Schwangerschaft und unter der Geburt (Übersicht)
Fehlgeburt = Abortus
Listeriose
Toxoplasmose
Blasenmole
Chorionepitheliom und Chorionepitheliosis
Extrauteringravidität (EU)
Placenta praevia
Vorzeitige Lösung der normal sitzenden Plazenta
Kombinierte = Innere Wendung aus Kopflage
Zweifingerwendung nach Braxton Hlcks
Nachgeburtsblutung
Zervixriß
Insertio velamentosa
Enges Becken
Langes Becken (Kirchhoff)
Hydrozephalus
Uterusruptur
Zerstückelnde Operationen II
Gestosen = Schwangerschaftstoxikosen
Emesis und Hyperemesis gravidarum
Eklampsie
Anhang 1 : Mikroblutuntersuchungen am Feten nach Saling
Anhang 2: Die Spiegelentbindung
Sachregister
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Praktische Geburtshilfe für Studierende und Ärzte
 9783111674636, 9783111289854

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W.

P S C H Y R E M B E L

PRAKTISCHE

GEBURTSHILFE

PRAKTISCHE GEBURTSHILFE FÜR S T U D I E R E N D E UND ÄRZTE

VON

W. P S C H Y R E M B E L PROF. DR. MED. DR. P H I L .

9. N E U B E A R B E I T E T E MIT

533 T E I L S

UND

ERCÄNZTE

MEHRFARBICEN

AUFLAGE

ABBILDUNGEN

W A L T E R D E G R U Y T E R & CO. V O R M A L S G . J . G Ö S C H E N ' S C H E V E R L A G S H A N D L U N G . J. G U T T E N T A G VERLAGSBUCHHANDLUNG

• GEORG R E I U E R V E I T 2. Zwilling fl- Mutter Abb. 364f. Die hohen Ausschläge (M) geben die Herzaktionen der Mutter wieder, die niedrigen Ausschläge entsprechen den fetalen Herzaktionen. Daß es sich um zwei Kinder (Zwillinge I und II) handeln muß, ergibt sich aus der Verschiedenheit der Abstände (I— I —I und II —II —II) = Verschiedenheit der Frequenzen. Da die Aktionen des einen Zwillings (I) p o s i t i v , die des anderen (II) n e g a t i v sind, muß ein Kind in Kopflage, das andere in Beckenendlage liegen.

Die Lage der Zwillinge zueinander ergibt sich aus den Abb. 365—370 (in abgerundeten Prozentzahlen). Differentialdiagnose: ein großes Kind (bei großem Kind in der ersten Hälfte der Schwangerschaft an Blasenmole, in der zweiten Hälfte der Schwangerschaft an Zwillinge und H y d r a m n i o n denken!); Hydramnion; hochstehender Fundus infolge engen Beckens oder Placenta praevia (totalis). Auch bei hohem Geradstand mit nach vorn gerichtetem Bücken muß man an Zwillinge denken. Erstens fühlt sich der Kopf klein an, weil er quer palpiert wird, sodann fühlt man links und rechts kleine Teile. Besonders viele kleine Teile fühlt man bei dorsoposteriorem hohen Geradstand. 413

Schwangerschaft: Infolge der mechanischen und funktionellen Mehrbelastung kommt es bei Zwillingsmüttern viel häufiger und meist in einem viel stärkeren Grade zu Schwangerschaftsbeschwerden (Kurzatmigkeit infolge Zwerchfellhochstandes, starke Varizenbildung u.a.) und Schwangerschaftstoxikosen (Hyperemesis, Ödeme, Eklampsismus und Eklampsie). Häufige Schwangerschaftsuntersuchungen sind daher dringend erforderlich!

Die Lage der Zwillinge zueinander (Abb. 366 bis 370)

457o

6%

35%.

3°/ 0

10%

1%

Geburtsverlauf In ungefähr der Hälfte aller Fälle verlaufen Zwillingsgeburten spontan und normal. Zwilling I Eröftnnngsperiode: Meist verlängert infolge mäßiger Wehen = typische primäre Wehenschwäche infolge Uberdehnung der Uterusmuskulatui. Behandlung s. S. 187. G e b n r t s d a u e r daher h ä u f i g v e r l ä n g e r t ! 414

Austreibungsperiode: Verläuft meist kürzer als normal (kleine Frucht I). Nach der Geburt des Zwillings I tritt eine Wehenpause von 20—30 Minuten, selten länger als eine Stunde, ein. Zwilling II Meist beginnen die Wehen schon 20—30 Minuten nach Geburt des ersten Zwillings wieder von neuem, und die zweite Blase stellt sich. Eine Eröffnungsperiode gibt es nicht, da der Mm nach Geburt des I. Zwillings weit geöffnet ist. Sobald die Blase springt, wird der Zwilling II mit wenigen kräftigen Preßwehen geboren. Nachgeburtsperiode: Erst nach Ausstoßung beider Früchte kommt es zur Geburt ihrer Nachgeburtsteile. Infolge der Uberdehnung des Uterus sind Atonien häufig (s. unten). Komplikationen des Geburtsverlaufs Komplikationen sind häufig und charakteristisch. Sie werden in der Hauptsache durch zwei Faktoren bedingt: 1. Abnorme Lage und Haltung der Kinder (vgl. Abb. 365—370). 2. Starke Uberdehnnng des Uterosmnskels. ad. 1. Durch die abnorme Lage oder Haltung eines oder beider Kinder, insbesondere durch ihre gegenseitige Behinderung an der Einstellung, steht der tiefststehende Teil des vorangehenden Zwillings oft noch hoch über dem BE, so daß das untere Uterinsegment nach unten nicht richtig abgeschlossen ist. Die notwendige Folge ist der a) vorzeitige Blasensprang, ein für die Zwillingsgeburt charakteristisches Ereignis, das sehr häufig 8—14 Tage und früher vor dem eigentlichen Geburtstermin auftritt. Dadurch kommt es als weitere Folge zu der ebenso kennzeichnenden b) Frühgeburt bei Zwillingen. Nach v.Mikulicz-Radecki beginnen 35% aller Zwillingsgeburten mit vorzeitigem Blasensprung. Bei vorzeitigem Blasensprung und einem das untere Uterinsegment nicht gut abschließenden kleinen Kopf oder Steiß kann es leicht zum c) Nabelschnurvorfall kommen. Behandlung s. S. 426. d) Yerhakung der Zwillinge, s. S. 417. ad. 2. Überdehnung des Uterus. Häufige Folgen: a) Primäre Wehenschwäche, charakteristisch für den ganzen Verlauf der Eröffnungsperiode. 415

b) Lange Geburtsdauer, die häufig zu beobachten ist. G e f a h r e n : Schlechte HT, Absterben der Kinder (Asphyxie), steigende Infektionsgefahr für die Mutter (Temperatursteigerung, Fieber), Drucksymptome (Kompression der Beckenorgane: Vulvaödem, blutiger Harn), Erschöpfung der Mutter. c) Gefahr der vorzeitigen Lösung der Plazenta des zweiten Zwillings nach Geburt des ersten Zwillings = Erstickungsgefahr für den zweiten Zwilling. Nach der Geburt des ersten Zwillings fällt die Überdehnte Uteruswand zusammen, ihre Außen- und Innenwandfläche verkleinern sich. Dadurch verkleinert sich auch der Teil der Innenwand, an dem die Plazenten haften. Da außerdem der Gegendruck durch den ersten Zwilling fehlt, kommt es nicht selten zur Ablösung der ersten Plazenta, wodurch auch manchmal ein Teil der z w e i t e n P l a z e n t a m i t g e l ö s t wird.

d) Atonie des Uterus in der Nacbgeburtsperiode (s. S. 420) als Folge der Überdehnung des Uterus.

Geburtsleitung Geburt des ersten Zwillings Durch genaue äußere und rektale Untersuchung werden zunächst Lage und Haltung des vorangehenden Zwillings festgestellt. Liegt er in Längslage, so gilt der Grundsatz: Völlig konservative Geburtsleitung I Alles den Naturkräften überlassen. Geburtsverlauf beobachten und so lange ruhig abwarten und n i c h t s t u n , wie nur eben möglich! Genaue Kontrolle der HT. Die häufige primäre Wehenschwäche wird in der üblichen Weise behandelt (S. 187). Die Zwillingsgeburt soll, wenn irgend möglich, spontan ablaufen! Niemals ist das Vorhandensein von Zwillingen eine Indikation zu einem Eingriff! Ist die Lage des 1. Zwillings durch äußere und rektale Untersuchung nicht eindeutig klarzustellen, so muß vaginal untersucht werden. Eingegriffen werden darf unter allen Umständen nur beim Vorlieger einer mütterlichen oder kindlichen Indikation, aber auch nur dann. In einen Teil der Fälle findet sich der vorangehende Zwilling in Beckenendlage, in einem kleinen Prozentsatz in Querlage. In diesen Fällen wird nach den Kegdn der Geburtsleitung für BEL bzw. QuL vorgegangen. Tritt eine Indikation zur operativen Entbindung des ersten Zwillings auf, so gilt die folgende sehr wichtige Begel: 416

Bei operativer Entbindung des ersten Zwillings ist anschließend in derselben Narkose ancb der zweite Zwilling operativ zu entwickeln, auch dann, wenn es sich um eine normale Lage handelt. Diese Regel gilt vor allem deswegen, weil der zweite Zwilling erfahrungsgemäß häufig dann operativ entbunden werden muß, wenn der erste o p e r a t i v entbunden wurde. Auf diese Weise wird der Mutter eine Narkose erspart. Nach der operativen Entbindung des ersten Zwillings ist eine kurze Pause einzuschieben, bevor mit der Entwicklung des zweiten begonnen wird. Damit wird dem überdehnten und schnell entleerten Uterus etwas Zeit gelassen, sich zusammenzuziehen und sich der Entleerung anzupassen. Ich empfehle sehr, unmittelbar nach der Entbindung des ersten Kindes den Uterus leicht zu tonisieren und 1 VE eines Hinterlappenpräparates intramuskulär (niemals intravenös!) zu spritzen. Beachte: Die Nabelschnur des ersten Kindes muß auch zum Uterus hin gut abgebunden werden! Bei eineiigen Zwillingen besteht eine Kommunikation der Plazentargefäße ( = dritter Kreislauf = Zwischenkreislauf). Würde das plazentare Ende der ersten Schnur nicht fest unterbunden, so könnte sich der zweite Zwilling durch die Nabelschnur des ersten verbluten. Ob eineiige oder zweieiige Zwillinge vorliegen, kann man vorher nicht wissen. Übrigens ist auch bei zweieiigen Zwillingen gelegentlich ein Zwischenkreislauf gefunden worden (ScipiadesundBurg). Es ist Pflicht des Arztes, mit darauf zu achten, daß der erstgeborene Zwilling als solcher gekennzeichnet wird (Erstgeburtsrecht). Yerhakang: Daß ein Kind das andere am Austritt hindert, ist in verschiedenster Weise möglich, kommt aber in Wirklichkeit doch sehr selten vor. Ich habe bei dem großen Material unserer Klinik in acht Jahren einmal eine typische Yerhakung bei einer 23jährigen Erstgebärenden mit weitem Becken gesehen. Zwilling I befand sich in Beckenendlage. Zwilling II in Schädellage. Die Entwicklung der Beckenendlage ging zuerst spontan vor sich, kam dann aber bald nach Sichtbarwerden des Steißes zum Stillstand. Die vaginale Untersuchung ergab als Ursache eine Verhakung des Kopfes. Der Kopf II stand im Becken und hinderte den Kopf I am Eintritt ins Becken. Es gelang nach einigen Schwierigkeiten, beide Köpfe nach oben zu schieben und danach Kopf I an Kopf II vorbeizuleiten. 27 P s c h y r e m b e l , Prakt. Geburtshille

417

Geburt des zweiten Zwillings W a s h a t m a n n a c h G e b u r t des 1. Z w i l l i n g s zu t u n ? 1. Das Wichtigste: Dauernde und sorgfältige Kontrolle der HT des 2. Zwillings. Nach der Gebart des 1. Zwillings besteht für den zweiten eine große Gefahr, nämlich die der vorzeitigen Ablösung seiner Plazenta (8. oben, Komplikationen). Das einzige Mittel, sich von dem Wohlergehen des 2. Kindes zu überzeugen, ist das dauernde und sorgfältige Abhören seiner HT. Beim Schlechtwerden der HT sofortiges Eingreifen. 2. Feststellung durch äußere und rektale Untersuchung, ob der 2. Zwilling in Längslage liegt oder nicht. Liegt der 2. Zwilling in Längslage und sind die HT gut, so wird zunächst abgewartet Liegt er aber in Querlage, so ist jegliches Abwarten zwecklos. Es wird sofort die kombinierte = innere Wendung und anschließend die manuelle Extraktion ausgeführt. Die Wendung beim 2. Zwilling ist die leichteste, die es gibt. Viele Autoren empfehlen die Ausfuhrung der äußeren Wendung, die beim 2. Zwilling oft leicht gelingt. Ich bin kein Freund von diesem Vorgehen, weil man damit die Zwillingsgeburt im gefährlichsten Augenblick (Gefahr der vorzeitigen Lösung, Blutung, Asphyxie, Atonie) aus der Hand gibt. 3. Kontrolle, ob es stärker nach außen blutet Bedeutet einen Hinweis auf vorzeitige Plazentalösung. Entscheidend für das Wohlergehen des 2. Zwillings sind aber allein die HT (s. Punkt 1). 4. Auf die ablaufende Zeit achten! Etwa % S t u n d e nach Geburt des 1. Kindes t r e t e n neue Wehen auf und in etwa der H ä l f t e aller Fälle kommt es zur S p o n t a n g e b u r t auch des 2. Zwillings. Allerdings können auch viele Stunden und in Ausnahmefällen sogar Tage vergehen, ehe sich das 2. Kind zur Geburt stellt. Deshalb gibt jeder erfahrene Geburtshelfer, falls in etwa 20—30 Minuten nach Geburt des 1. Zwillings noch keine Wehen aufgetreten sind, Wehenmittel, und zwar wegen der Eklampsieneigung der Zwillingsmütter möglichst nur Orasthin (1—2 VE i. m., niemals i. v.). In vielen Fällen kommen daraufhin die Wehen in Gang, und jedes weitere Eingreifen wird erspart. 5. Zwischendurch muß man sich durch wiederholte äußere Untersuchung davon fiberzeugen, daß der 2. Zwilling auch wirklich noch in Längslage liegt Häufig lagert er sich in Querlage um. Dann können natürlich auch die besten Wehen keinen Erfolg haben. Über das Vorgehen bei QuL des 2. Zwillings s. oben Punkt 2. 6. Ist eine Stunde seit Geburt des 1. Zwillings vergangen, ohne daß die Blase des 2. Zwillings gesprungen ist, so wird sie jetzt v a g i n a l gesprengt, gleichgültig in welcher Höhe sich der vorangehende Teil 418

des In Längslage eingestellten 2. Zwillings befindet. Steht der vorangehende Teil noch Uber dem BE, so wird mit Hilfe der äußeren und inneren Hand versucht, ihn in das Becken hineinzubringen. Zur Unterstützung kann dabei kristellert werden. Vorsicht: Größte Gefahr des Vorfalls der Nabelschnur und kleiner Teile. Daher darf die Blase hier niemals rektovaginal gesprengt werden, weil dabei ein Nabelschnurvorfall nicht sofort erkannt werden könnte. Auf die HT des 2. Zwillings ist jetzt ganz besonders zu achten. 7. Sind 2 Standen seit Geburt des 1. Zwillings vergangen, ohne daß trotz Wehenmitteln und Blasensprengung die Geburt in Gang gebracht werden konnte, so gilt heute die allgemein anerkannte Regel, nun nicht mehr länger abzuwarten, sondern die Gebart jetzt operativ za beenden. Operatives Vorgehen: bei hochstehendem Kopf Kombinierte = innere Wendung auf den Fuß und Extraktion, bei eingetretenem Kopf

Zangenentbindung

(Kopf etwa in BM), bei reiner Steißlage Herunterholen eines Fußes und Extraktion. Bezüglich der übrigen Formen der BEL s. S. 334: Manuelle Extraktion. Am allereinfachsten ist es, den 2. Zwilling durch Spiegelentbindang zu entwickeln. Man setzt zwei große, breite Bummsche Spiegel vorn und hinten in die Scheide ein, kristellert kräftig, und innerhalb kürzester Zeit rutscht der 2. Zwilling — gleichgültig ob Kopf oder Steiß vorangeht — aus der Scheide heraus. Begründung für dieses aktive Vorgehen: Erfolgt die Geburt des 2. Zwillings nicht nach 1—2 Stunden, so zieht sie sich erfahrungsgemäß noch über viele Standen hin. Nach vielen Stunden muß dann schließlich doch noch operativ entbunden werden, jetzt aber unter viel ungünstigeren Umständen für Mutter und Kind. Dabei muß man sich stets die Gefahren der langen Geburtsdauer vor Augen halten: Steigende Infektionsgefahr für die Mutter (Fieber), schlechte HT, Absterben des Kindes (Asphyxie, S. 179), Drucksymptome (Vulvaödem, blutiger Harn), Erschöpfung der Mutter. Das Gefährlichste bei der langdauernden Geburt ist die Infektion, der die Mutter ausgeliefert wird. Merke: Offene Geburtswege = Infektionsbereitschaft Die Gefahr der anfsteigenden Infektion ist am so größer, je länger der Uteras offen bleibt! Kurz vor Beendigung jeder operativen Entbindung des zweiten Zwillings gebe ich 2—3 VE Orasthin intramuskulär. 27*

419

Zusammenfassung: Wann also ist der 2. Zwilling operativ zu entbinden? 1. wenn der 1. Zwilling operativ e n t b u n d e n werden m u ß t e , 2. wenn der 2. Zwilling sich nicht in L ä n g s l a g e , sondern im Querlage eingestellt hat, 3. wenn die Spontangeburt des 2. Zwillings länger als 2 Stunden auf sich warten läßt. Nachgeburtsperiode: In jedem Fall sind sofort nach Geburt des 2. Zwillings Wehenmittel (1—2 VE Orasthin i. v.) zu spritzen, falls nicht kurz vor der Geburt des 2. Zwillings Wehenmittel gegeben worden waren (s. o.). Der überdehnte Uterus geht sonst zu langsam in den Kontraktionszustand über. Typisch sind Atonien, wie immer, wenn ein überdehnter Uterus entleert wird (s. S. 515). Die Atoniegefahr ist besonders groß, wenn beide Kinder o p e r a t i v d. h. schnell e n t b u n d e n werden mußten. Nach Ausstoßung des 2. Zwillings stets an die drohende Atoniegefahr denken! Häufig kommen auch Lösungsschwierigkeiten der Plazenten vor. Besonders sorgfältige Kontrolle der Plazenten auf Vollständigkeit ist notwendig. Nach vollständiger Ausstoßung der Plazenta bzw. Plazenten 1 ccm Neo-Gynergen oder 1 / 2 ccm Methergin i. v. Auch nach Ausstoßung der Nachgeburten ist die Neigung des Uterus zur Erschlaffung noch sehr groß. Atoniegefahr besteht noch über mehrere Stunden nach vollständiger Aasstoßiing der Plazenta bzw. Plazenten. Während der ganzen Zeit sorgfältige Uteraskon trolle! Gefahr der „Spätatonie"! Wie unterscheidet man

Eineiige und zweieiige Zwillinge (Zw.) Man unterscheidet eineiige = erbgleiche Zwillinge und zweieiige = erbungleiche Zwillinge. Eineiige Zwillinge entstehen, indem 1 Samenfaden 1 Ei (das sich dann in 2 gleiche Embryonalanlagen teilt = Abb. 371 a) befruchtet, zweieiige, indem 2 Samenfäden 2 Eier befruchten (Abb. 371 b). Eineiige Zwillinge können nur gleichgeschlechtig, zweieiige Zwillinge können gleichoder verschiedengeschlechtig sein. Für die praktische Unterscheidung zwischen ein- und zweieiigen Zwillingen gilt folgendes: III 1. Zwillinge mit einem gemeinsamen Chorion (Abb. 372a) sind stets Hl eineiig, also natürlich auch stets gleichgeschlechtig.

420

• Tod! Mütterliche Mortalität: 1—3%; für das K i n d : Asphyxie: Durch Ablösung der Plazenta von ihrer Unterlage kommt es zu einer Verkleinerung ihrer Haftfläche und dadurch zu einer evtl. erheblichen Verminderung der Sauerstoffzufuhr. 488

Kindliche Mortalität: Früher 30—75%, heute (bei häufigerer Anwendung der Schnittentbindung) 10—20%.

Behandlung der Placenta praevia Behandlung in der Klinik Dem Anfänger muß zunächst mit Nachdruck gesagt werden: Die Placenta praevia ist durchaus nicht ohne weiteres eine Indikation zur Sektiot Die Erfahrung hat gezeigt, daß Placenta praevia-FäUe auch ohne stärkere Blutung und ganz spontan verlaufen können. Etwa 30—40% aller Fälle von PI. pr. können daher entweder mit vaginalen Methoden oder sogar ohne jeden Eingriff entbunden werden. Allerdings muß im Interesse des mütterlichen Lebens, vor allem aber auch aus kindlicher Indikation in mindestens 60% der Fälle von Placenta praevia die Sectio caesarea ausgeführt werden. Entscheidend dafür, ob, wann und wie eingegriffen werden muß, sind der vorangegangene Blutverlust, die Stärke der augenblicklichen Blutung, insbes. aber auch der Grad der Praevia (s. u.) und der Zustand von Mutter und Kind. Eine wichtige objektive Unterlage ist das Blutbild, insbesondere der Hb-Gehalt, der in kurzen Abständen geprüft werden muß. Anweisung für den klinischen Assistenten I. Vorgehen bei schwachen Blutungen Zunächst abwartend verhalten: Strenge Bettruhe, sterile Vorlage (Vorlagen aufbewahren lassen!), sorgsame Beobachtung. Kindliche HTI Bei Schwangeren, die wegen Pl.pr.-Blutungen längere Zeit vor dem Terrain in klinische Behandlung kommen, muß man versuchen, stärkere Blutungen zumindest solange zu unterdrücken, bis das Kind lebensfähig ist. Neben allerstrengster Bettruhe, wenn nötig, Tct. opii-Tropfen oder Dilaudid-Tabl. oder -Suppositoricn.

Niemals rektal untcrsuchcn, niemals vaginal untersuchen, niemals tamponieren,

3 x niemals!! (s. S. 487)

sondern baldigst, d. h. innerhalb der ersten 24—48 Stunden Spicgcleinstellung mit sterilen großen Spiegeln auf dem gynäkologischen Stuhl. Dabei werden lediglich die sterilen Spiegel, nicht aber die Finger, in die Scheide eingeführt! F r a g e s t e l l u n g , die allein durch das Auge beantwortet wird: Wie weit ist der Mm? Blutet es aus dem Mm oder aus einer anderen Stelle (s.S. 483) ? Sieht man im Mm Plazentargewebe? Ist also eine Placenta praevia die Ursache der Blutung? Kann man etwas über den Grad der PI. pr. aussagen? Ein ganz besonders wichtiger Zweck dieser Untersuchung ist es auch, ein Ca. portionis auszuschließen. 489

II. Vorgehen bei stärkerer Blutung Kommt es während des Klinikaufenthaltes zu einer stärkeren Blutung, so muß sofort eingegriffen werden. Auch jetzt wird man aber noch den Versuch machen, um die Sektio, falls die Blutung nicht zu stark ist und es dem Kinde gut geht, herumzukommen. Vorgehen: Die Operationsmannschaft bereitet sich zur Operation vor. Die Patientin wird narkotisiert. In dieser Operationsbereitschaft muß j e t z t vaginal und mit Spiegeln untersucht werden. Bei Präviablutung vaginal nur in Operationsbereitechaft untersuchen i Die Entscheidung darüber, wie man vorzugehen hat, bei welchem Vorgehen die Aussichten für Mutter und Kind die besten sind, hängt von der festzustellenden Geburtssituation beim Einsetzen der behandlungsbedürftigen Blutung ab, wobei es bei der Frage

Sektio oder keine Sektio? im einzelnen stets auf die folgenden sechs Punkte ankommt: 1. Blutung: Sehr stark, stark, mäßig, gering? 2. Muttermund: Geschlossen, nur wenig eröffnet,3—5 cm weit, noch weiter ? 3. Grad der Placenta praevia: PI. pr. marginalis, partialis, totalis? 4. Fruchtblase : Steht sie noch, ist sie gesprungen ? 6. Kind: Lebt und ist lebensfähig; ist abgestorben; lebt, ist aber lebensschwach oder noch nicht lebensfähig. G. Vorbedingungen für die abdominale Abb. 393. Die entscheidenden Faktoren für Sektio (S. 578) erfüllt ? Wann Blasendie Behandlung der Placenta praevia, wenn sprung ? Temperatur ? Fieber ? Außerbehandlungsbedürftige Blutungen auf- h a l b v a g i n a l u n t e rsucht? 6 treten. Frage: Sektio oder kerne Sektio? Bei starker Blutung und wenig eröffnetem Mm wird man ohne Rücksicht auf den Umfang der vorliegenden Plazenta sofort die Sectio abdominalis ausführen, sofern das Kind lebt und lebensfähig ist und die Vorbedingungen für die abdominale Sektio (S. 578) erfüllt sind. Bei lebensbedrohlichen Blutungen der Mutter und wenig eröffnetem Muttermund 490

111 wird auch bei nicht lebensfähigem oder totem Kind durch Sektio entIII bunden. Bei der PI. pr. t o t a l i s gibt es in der Klinik Uberhaupt keinen anderen Weg als die Sektio. Handelt es sich um eine geringere oder mittelstarke Blutang, ist der Mm mindestens etwa5 cm weit, liegt keine PL pr. totalis, sondern eine PL pr.marginalis oder ein ihr nahekommender Grad von partialis, vor, so wird man vaginal vorzugehen versuchen: in Operationsbereitschaft die Blase sprengen, den Kopf ins Becken hineindrücken, Wehenmittel geben und eventuell den Vakuum-Extraktor oder die Kopfschwartenzange ansetzen (Einzelheiten s. S. 492 und S. 493). Man wird also bei Pl. pr. dann vaginal entbinden, wenn dieser Weg möglich ist und das Risiko für Mutter und Kind dadurch nicht vergrößert wird. — Gelingt die Blasensprengung, so wartet man eine Zeitlang im Operationssaal und in Operationsbereitschaft die Wirkung der vaginalen Blutstillung ab. Steht die Blutung bei diesem Vorgehen nicht, so wird die Sektio ausgeführt. In der Klinik gibt es heute zur Behandlung der stark blutenden Placenta praevia nur zwei Möglichkeiten: Entweder B l a s e n s p r e n g u n g oder S e k t i o ! Wendungsverfahren oder Herunterholen eines Fußes (bei BEL) kommen heute in der Klinik als Behandlung der Pl. pr. wegen der hohen kindlichen Sterblichkeit nur noch in Frage bei totem oder nicht lebensfähigem Kind, also von m. VII—VIII abwärts.

Zusammenfassung der klinischen Placenta praevia-Therapie Bei allen starken Blutungen (schweren Anämien) und geschlossenem oder wenig eröffnetem Mm sowie bei PI. pr. t o t a l i s

sofortige

Sektio

Die (abdominale) Sektio ist unter diesen Umständen das einzige Verfahren, mit dem die Gefahren für Mutter und Kind sicher und schnell beseitigt werden. 491

Bei mäßigen (aber zum Abwarten zu starken) Blutungen, mindestens etwa 5 cm weitem Mm, leichten Graden von PL pr. (marg. und partialis), lerner auch bei nicht lebensfähigen, lebensschwachen oder toten Kindern (sofern der Zustand der Mutter nicht bedrohlich ist)

vaginale BlutStillung (Blasensprengung, Kopfeinleitung,

Wehenmittel, Spontangeburt oder Ansetzen des Vakuuni-Extraktors (S. 193) oder der Kopfschwartenzange (S. 496). Unter Umständen (starke Blutungen, hochgradige Anämie) muß aber auch bei totem, lebensschwachem oder lebensunfähigem Kind die Sektio ausgeführt werden. Entscheidend ist dabei allein der Zustand der Mutter.

Die große Ausnahme: Behandlung in der Hauspraxis Die Behandlung der PI. pr. in der Hauspraxis ist in manchen Fällen, besonders in der ländlichen Praxis, nicht zu umgehen. Begründung: S. 487, Punkt 6.—Da das Kind in der Hauspraxis bei PI. pr. stets so gut wie verloren ist, kann das Ziel hier lediglich die Rettung der Frau aus der Verblutungsgefahr sein. Jede Rücksichtnahme auf das Kind fällt also fort. Die Kindersterblichkeit ist hier dementsprechend hoch. Oberster Grundsatz für die Außenpraxis: Es kommt einzig und allein auf die Bettung der M u t t e r an! Das K i n d muß uns hier gleichgültig sein. D i e B l u t u n g m u ß g e s t i l l t werden! Es gibt im Privathaus nur e i n Mittel, aber mehrere Wege, dieses Ziel zu erreichen: Das Mittel: Das Andrücken des abgelösten Plazentalappens mit dem Kopf oder dem Steiß gegen seine Unterlage = T a m p o n a d e v e r f a h r e n , wobei das Kind als Instrument benutzt wird. Die Wege: 1. Blase sprengen, Kopf ins Becken drücken und Wehenmittel geben. (Einfachster und günstigster, aber nicht immer möglicher Weg.) 2. Wendung auf den Fuß bei Kopf- und Querlagen, meist als Zweifingerwendung nach B r a x ton H i c k s (da der Mm meist wenig eröffnet ist, s. S. 512), bzw. Herunterholen eines Fußes bei Beckenendlagen. 492

3. Kopfschwartenzange (Willet 1925, Gauß 1934). 4. Vakuum-Extraktor (Malmström), S. 193. (5. Intraovuläre Metreuryse, gefährlich und unzweckmäßig, wird nicht mehr angewandt!) Alle fünf Verfahren sind Tamponadeverfahren. Für welches der Verfahren man sich zu entscheiden hat, eigibt sich erst nach genauer äußerer und vaginaler 1 ) Untersuchung. Fragestellung: Wie groß ist der Mm? Welche Art von PI. pr. (marginalis, partialis, totalis) liegt vor? Hauptfrage: S t e h t die Blase n o c h ? Wenn j a , k o m m t man an die Blase h e r a n o d e r n i c h t ? Wenn ja, dann 1. Blasensprengung, Kopfeinleitung und Wehenmittel ( = T r i a s des Handelns). Bei PI. pr. partialis und marginalis, bei tiefem Sitz sowie überhaupt immer dann, wenn die Blase stellt und man im Bereich des 31m an sie herankommt, kann durch den denkbar einfachen Eingriff des Blasensprengens und der Kopfcinleitung sehr häufig eine schwere Blutung sofort zuni Stillstand und die Geburt außerdem gut in Gang gebracht werden. Diese frappante Wirkung beruht darauf, daß der Kopf nach Ablassen des Vorwassers sofort tiefer rückt und den gelösten Plazentalappen gegen die Innenwand des unteren Uterinsegments andrückt. T e c h n i k in drei Akten: 1. Blase sprengen, und zwar hier ausnahmslos vaginal. Denn bei PI. pr. handelt es sich stets um einen hochstehenden Teil, es droht also stets der Vorfall der Nabelschnur, der nicht genügend sicher kontrolliert werden könnte, wenn man die Blase rcktovaginal sprengen würde. 2. Kopf einleiten: Während der Geburtshelfer die Blase sprengt, läßt er die Hebamme den Kopf von oben her mit beiden Händen kräftig ins Bcckcn drücken. Bei fettleibigen Frauen kommt man mit dem Kristellern besser zum Ziel. 3. Wehenmittel verabreichen, wenn die Frau keine oder nicht genügende Wehen hat. Erst hierdurch kommt die notwendige vis a tergo(Kraft von hinten) zustande.

Die B e a c h t u n g dieser drei P u n k t e ist von g r ö ß t e r W i c h t i g k e i t ! Die Blutung wird hier also mit dem Kopf gestillt Man fragt sich nur, weshalb dieser so einfache und erfolgreiche Eingriff in der Praxis so selten angewandt wird. Antwort: Weil der P r a k t i k e r einfach g a r n i c h t d a r a n d e n k t , d a ß man eine so schwierige und g e f ä h r l i c h e g e b u r t s h i l f liche S i t u a t i o n auf eine so einfache Weise b e h a n d e l n k a n n . Also i m m e r d a r a n d e n k e n : Bei Placenta praevia marginalis und partialis (Kopflagen!) sofortige Blutstillung allein durch Blasensprengung, Kopf« einleitung und Wehenmittel I l ) Das Verhol der vaginalen Untersuchung (S. 487) gilt natürlich dann nicht mehr, wenn man sich zur Hausentbindung entschließen muß. Jetzt muß vaginal untersucht werden, weil man sich über alle Einzelheiten der Geburtssituation Klarheit verschaffen muß.

493

Zur Technik der Blasensprengung (s. S. 199): Sehr wichtig ist noch folgendes: Die Blase darf man bei PI. pr. niemals durch Druck mit dem Finger sprengen, sondern man muß dazu stets ein Instrument (Kugelzange, Pinzette) benutzen. Durch den Finger würden mit Sicherheit weitere Anteile der Plazenta abgelöst werden. Außerdem sind die Eihäute in der Nähe des Plazentaansatzes besonders fest. 2. Kombinierte oder innere W e n d u n g auf den F u ß (meist als Zweilingerwendung nach B r a x t o n H i e l t s [1860]) bei Kopf- und Querlagen. Herabholen eines Fußes bei Beckenendlagen. Für die Hauspraxis zu empfehlendes Verfahren, wenn die Blase schon gesprungen ist oder die Blasensprengung nicht zum Ziel führt oder die Blase nicht gesprengt werden kann. Das letztere ist der Fall, wenn im Bereich des Mm die Blase nicht erreichbar ist, wenn also praktisch eine PI. pr. totalis vorliegt. Z w e c k : Tamponade durch den Steiß, das heißt AnAbb.393a. Blasensprengung drücken des abgelösten Plazentalappens mit dem heruntergeholten Steiß und Oberschenkel an die blutende bei Placenta praevia Utemswand. T e c h n i k : S. 511. — Besonderheiten der Ausführung bei PI. pr.: Die Zweifingerwendung, d i e n i c h t l e i c h t i s t , wird hier noch durch die im Wege hegende Plazenta erschwert. Vor allem ganz besonders zart und vorsichtig mit den Fingern eingehen, da das untere Uterinsegment durch den falschen Sitz der Plazenta und die dadurch bedingte Vaskularisation außerordentlich zerreißlich ist. Je größer der Mm, um so leichter geht die Wendung bzw. das Herunterholen eines Fußes. Ist der Mm nur für e i n e n Finger durchgängig, so kann man trotzdem die ,,Zweifinger"-Wendung ausführen, indem man zuerst mit einem Finger eingeht, die Öffnung langsam weitet und den zweiten Finger vorsichtig nachschiebt. Alter Grundsatz: E i n f ü r e i n e n F i n g e r d u r c h g ä n g i g e r Mm k a n n s t e t s a u c h f ü r d e n z w e i t e n F i n g e r d u r c h g ä n g i g g e m a c h t w e r d e n . Hat man zwei Finger im Uterus, dann muß es auch gelingen, an einen Fuß heranzukommen. Welchen Fuß man herabholt, ist bei PI. pr. gleichgültig, da man ja niemals extrahieren, sondern nur wenden und tamponieren darf. Man nimmt daher den Fuß, an den man am leichtesten herankommen kann. Nach Wendung den Fuß anschlingen, das Band über die untere Bettkante leiten und mit etwa einem Pfund belasten. Niemals extrahieren! Spontanausstoßung abwarten I W e r nach Wendung auf den Fuß bzw. nach Herunterholen eines Fußes bei P l a c e n t a praevia e x t r a h i e r t , bringt das Leben der Frau in h ö c h s t e Gefahr! D a h e r noch e i n m a l : Bei P l a c e n t a praevia n i e m a l s extrahieren! Niemals! Auch dann auf gar keinen Fall, wenn der Mm vollständig ist und die Ausführung der Extraktion noch so lockt. Man muß der Versuchung widerstehen, auch wenn man untätig dabeistehen muß, wie das Kind zugrunde gellt, was in rund 6 0 % der Fälle eintritt ( G o e c k e 44,4%). Eloignez le stéthoscope! Legen Sie das Stethoskop beiseiteI sagen die Fran494

zosen. Die große Gefahr ist der fast mit Sicherheit auftretende Zervixriß und der anschließende Verblutungstod der Mutter: Ein Zervixriß ist stets eine sehr gefährliche Angelegenheit, ein Zervixriß bei Placenta praevia ist ausgesprochen lebensbedrohend, e i n Zervixriß bei Placenta praevia in der Hauspraxis bedeutet den Tod der Mutter 1 N i e m a l s darf m a n einen Zervixriß riskieren! Bei PL pr. reißt die Zervix schon beim V e r s u c h einer Extraktion der Länge nach weit auf, und zwar natürlich in dem Teil, in dem die falsch sitzende Plazenta ihren Sitz hat, also in einem weichen, schwammigen, äußerst zerreißlichen und dazu höchst blutreichen Gewebe. Schon beim Versuch einer Naht schneidet die Nadel durch und findet keinen Halt. Gelingt es, einen Faden zu legen, so wird das fast kavernöse Gewebe mit Sicherheit beim Knoten durchschnitten. Das Blut rinnt unaufhaltsam, der Puls wird immer kleiner, und der „Geburtshelfer" sitzt machtlos vor seinem Werk. Das Kind lebt, die Mutter stirbt, wenn es nicht gelingt, nach Anlegung eines Kompressorlums die Frau noch schnell in eine Klinik zu bringen. — Der praktische Arzt, der im Privathause entbinden muß, merke sich: I m Privathaus hat m a n nur die W a h l z w i s c h e n dem Leben der Mutter und dem des Kindes. Das Leben beider k a n n m a n m i t großer Wahrscheinlichkeit nicht retten, w e n n die B l a s e n sprengnng n i c h t durchführbar ist.Wendet man und tamponiert m i t dem Steiß, so hört die B l u t u n g m i t Sicherheit sofort a u f : die Mutter l e b t ! Extrahiert m a n anschließend, so hat m a n wohl ein lebendes Kind. Aber der m i t Sicherheit gesetzte lange Zervixriß m u ß der Mutter in der Hauspraxis den Tod durch Verblutung bringen. Noch eine Besonderheit bei PI. pr. totalis: Wenn man hierbei die Wendung nach B r a x t o n H i c k s ausführen will, so muß man die dicke Masse der Plazenta mit dem Finger durchbohren, was dem Anfänger meiner Erfahrung nach nicht immer ohne weiteres gelingt. Auf keinen Fall darf man die Plazenta dabei absichtlich weiter ablösen, anstatt sie zu durchbohren, nur „um besser an die Eihäute heranzukommen". Das kann eine geradezu lebensbedjohliche Blutung zur Folge haben. Schon bei richtigem Vorgehen läßt sich nicht vermeiden, daß ein Teil der Plazenta noch weiter abgeschoben wird, weshalb die Blutung im ersten Beginn der Operation so gut wie immer deutlich s t ä r k e r wird. Dadurch darf man sich aber auf keinen Fall stören lassen. Man arbeitet in größter Ruhe weiter, bis der Fuß gefaßt und heruntergeholt ist. Die Durchbohrung der PI. pr. totalis bedeutet eine Zerreißung der Plazenta, wobei auch Plazentagefäße mit zerrissen werden. Das jetzt fließende Blut stammt also zum Teil aus diesen Gefäßen, es flleOt also jetzt nleht nur mDtterliehes, sondern auch k i n d l i c h e s Blut. D i e Prognose f ü r das Kind ist größtenteils verloren. Das, was der pression der Plazenta, bedeutet den stoffzufuhr zum Kinde). D a s Kind

stets mehr als schlecht, die Kinder sind Mutter das Leben gibt, die starke KomTod für das Kind (Aufhebung der Sauersitzt sich t o t ! 495

Nachdem die Wendung (bei Kopflage) bzw. das Herabholen eines Fußes (bei BEL) beendet ist, sind sofort Wehenmittel zu geben: Die symptomatischen Tamponadeverfahren bei der Praevia habenkeinen Zweck, wenn nicht anschließend s o f o r t Wehenmittel gegeben werden! 3. Kopfschwartenzange (Willet 1925, Gauß 1934) Wird angewandt nach Blasensprengung bei partiellen und marginalen Fällen, niemals bei PI. pr. totalis. Sie ist auch ein Tamponadeverfahren. Es steht einem geübten Geburtshelfer nichts im Wege, dieses Verfahren auch in der H a u s p r a x i s anzuwenden. Das Ansetzen der Zange, einer Art Faßzange, ist ziemlich einfach. Der Kopf wird von außen ins Becken hineingedrückt und fixiert gehalten. Unter Führung von Zeigeund Mittelfinger wird die Zange an der tiefsten Stelle des Kopfes in die Kopfschwarte eingesetzt und fest geschlossen. Dauerzug mit Gewichtsbelastung. Die gesetzten Wunden sind manchmal ziemlich erhcblich, heilen aber meist gut. Ganz besonders geeignet erscheint diese Methode bei lebensunfähigen Frühgeburten. Die kleinen Köpfe schließen den BE nicht gut ab und werden durch den Zug der Kopfschwartenzange schnell und sicher in das Beckcn hineingebracht. — Großer Nachteil: Infektion des Kindes inf. Zerreißung der Kopfscbwarte in einem infcktionsgefährdeten Gebiet (Scheide).

I

Nach Ausführung jeder dieser Notoperationen empfehle ich dringcndst die Einlieferung in eine Klinik, sofern möglich, wegen der Gefahren in der Nachgeburtsperiodo (s. u.).

Zusammenfassende Frage: Was ist also das Wesen der Tamponadeverfahren (S. 492)? 1. Sie bewirken nur die B l u t s t i l l u n g (und dies auch nur vorübergehend), sie wirken also s y m p t o m a t i s c h , nicht k a u s a l , d.h. es wird nicht die Blutungsursache ( = die fortwährende Dehnung der Haftstelle der falsch sitzenden, sich ablösenden Plazenta), sondern die Blutung ausgeschaltet. (Die einzige kausale Behandlung der PI. pr. ist die Sektio, weil damit die Ursache durch sofortige Geburtsbeendigung ausgeschaltet wird.) 2. Das K i n d ist stets (mehr oder weniger) g e f ä h r d e t .

Nachgeburtsperiode bei Placenta praevia Mit der Geburt des Kindes ist die Blutungsgefahr bei PI. pr. noch nicht vorüber. In der Nachgeburtsperiode sind größere Blutungen geradezu charakteristisch. Die Nachgeburtsperiode ist daher sehr genau zu überwachen. Bei der Praevia ist die Geburt des Kindes der B e g i n n einer n e u e n Gefahrenperiode: der Nachgeburtsperiode! 496

Bei vaginaler Entbindung wird die Blutstillung durch Kompression des vorliegenden Plazentalappens erreicht. Ist das Kind geboren, so hört die Kompression auf. Der Lappen löst sich wieder von der Haftfläche ab, und es muß von neuem zu Blutungen kommen. Außerdem ist beim unteren Uterinsegment, also gerade der Stelle, aus der die Blutung bei PI. pr. stammt, die durch Kontraktion der Gebärmutterwand bedingte Blutstillung am schwächsten. Deswegen besteht auch nach Sektio und vollständiger Entfernung der Plazenta erhebliche Blutungsgefahr. Vorgehen: Sofort nach Geburt des Kindes 3 VE eines Wehenmittels l a n g s a m intravenös spritzen. Lösungszeichen abwarten, wenn Blutung gering. Herausdrücken der Plazenta mit dem Cr ed Yagotonus -> Bradykardie 64G

B e h a n d l a n g der Hirndrackbradykardie: a ) D e h n u n g der Weichteile mit Hilfe der Spiegel, die zur Durchführung der Mikroblutentnahmen eingeführt wurden, dadurch Minderung bzw. Beseitigung des Druckes. b) Zusätzliche medikamentöse Behandlang mit spasmolytiscli und gering wehendämpfend wirkenden Medikamenten, dadurch Erschlaffung der Weichteile und geringes Nachlassen der Wehen z. B. Mischspritze: Dolantin-Spezial + Monzal -+- Atosil je 1 Amp. c) Intravenöse Gaben von Atropin zur Beseitigung des Yagotonus und damit der Bradykardie, 0,00025—0,0005 = 1 Amp. je nach Körpergewicht. Die Herztöne erholen sich zumeist innerhalb weniger Alinuten. Ein Mißverhältnis zwischen Kopf und Becken muß natürlich ausgeschlossen sein. Für die Praxis gelten die folgenden Indikationen f ü r Mikroblutuntersuchungen am Feten: 1. Jede Art von Alteration der kindlichen Herztöne a) Verlangsamung unter 120 Schläge/min, 2 Wehenpausen oder 6 min lang b) Verlangsamung unter 100 Schläge/min, auch nur einmalig festgestellt c) Beschleunigung über 160 Schläge/min, 2 Wehenpausen oder 6 min lang d) Frequenzwechscl um mehr als 40 Schläge/min in einer Wehenpause 2. Mekoniumabgang a) Amnioskopisch festgestellt (auch bei Steißlagen) b) Abgang unter der Geburt (bei Schiidellagen) 3. Schwere Toxikosen unter der Geburt (Blutdruck ab 160/100 aufwärts) 1 Durch Einhalten dieses Indikationsschemas kann eine drohende Asphyxie früher, als es bisher möglich war, erkannt werden. Die wichtigsten Befunde ergeben die 0 2 -Werte und die vor und nach dem Tonometrieren (s. unten) gemessenen pH-Werte. ') Ob beim isolierten Vorliegen von Toxikosesymptomen (ohne gleichzeitige Alteration der HT und ohne Mekoniumabgang) Mikroblutuntersuchungen tatsächlich indiziert sind, muß noch durch weitere klinische Beobachtungen geprüft werden. 647

Tonometrieren bedeutet Einstellen der Blutprobe auf eine bekannte CO,-Spannung (40 mm Hg) bei vollständiger 0 2 -Sättigung. Der danach gemessene pH-Wert ist unabhängig von den respiratorischen Verhältnissen, er ist Ausdruck für die von den Atemgasen unabhängige Säure-Basensituation. Mißt man die pH-Werte vor und nach dem Tonometrieren, so lassen sich mit Hilfe von Formeln oder Nomogrammen die C02-Spannung und der Gehalt an organischen Säuren voneinander differenzieren. Die Art der vorliegenden Azidose gibt Aufschluß äber die Ursache der Störung. Eine reine respiratorische Azidose (C02-Überladung), die mit reduzierten Os-Werten einhergeht, spricht f&r eine erst kurz bestehende Störung; zumeist handelt es sich dabei um eine Nabelschnurkomplikation. Ist primär eine metabolische Azidose zu beobachten (Verzögerung der Milchsäureausscheidung an die Mutter), so liegt wahrscheinlich eine plazentare Insuffizienz vor, z. B. Toxikose, Übertragung. Sekundär entsteht eine metabolische Azidose durch erhöhte Milchsäurebildung während einer länger anhaltenden Hyp- oder Anoxieperiode des Feten. Es handelt sich um die sogenannte anSrobe Glykolyse. In 02-Mangelzuständen vermag der Fet durch anäroben Abbau 25 ^.Geb- Beendigung J'nicht

erforderlich

81 20

Geb-Beendigung erforderlich

1

Mm 1-3 cm

Mm 6-8

Mm 10cm bis vollst

cm

Kopf BB

BA

t Port.

Geb.-Beendigung nicht erforderlich 720

untere Grenze ¿fe^y



tf

Geb.-Beendigung erforderlich

: S 7,io >

: 8 Mm 1-3 cm

Mm 6-8 cm

Mm 10 cm bis vollst.

Kopf BB

BA

Part.

Abb. 476. Indikation zur Geburtsbeendigung nach fetalen Blutbefunden (Text vorläufige Regeln).

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von Kohlehydraten Energie zu gewinnen, ohne dabei 0 2 zu verbrauchen. Die Endstufe dieses anäroben Stoffwechsels ist die Milchsäure. Da diese Art der Energiegewinnung unökonomisch ist, entsteht viel Milchsäure, es kommt zu einer ausgeprägten metabolischen Azidose. Eine beginnende metabolische Azidose des Feten ist als ernstes Warnzeichen anzusehen. Kindliche Indikation zur Geburtsbeendigung auf Grund von Mikroblutuntersuchungen (vorläufige Regeln): Die Geburt muß sofort (operativ) beendet werden, wenn die Blut-0 2 -Sättigung oder der nach dem Tonometrieren gemessene Blut-pH-Wert des Feten die untere Grenze des jeweiligen Normalbereiches unterschreitet und bei einer kurz darauf folgenden Messung eine sinkende Tendenz aufweist (Beispiele Abb. 475). Bei stark reduzierten, nach dem Tonometrieren gemessenen pH-Werten (unter 7,1) muß die Geburt ohne weitere Untersuchungen sofort beendet werden. Bei Werten unter 7,0 ist bereits mit einer mittelgradigen bis schweren Asphyxie zu rechnen. Die hier besprochenen neuen Untersuchungen sind für die gesamte Geburtshilfe von grundlegender Bedeutung. Wir stehen am Anfang eines wichtigen geburtshilflichen Entwicklungsabschnittes.

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Anhang 2 Die Spiegelentbindung Die Spiegel- oder Spekulumentbindung (Bauereisen, 1947) ist ein schonender Ersatz der Zangenentbindung. Sie ist eine ausgezeichnete Methode, die einfach darin besteht, daß man bei vorliegender Indikation zur Geburtsbeendigung zunächst, beinoch nicht vollständigem Muttermund, mit Spiegeln in denMuttermund eingeht und während der Wehe dehnende, aufziehende Bewegungen macht mit dem Ziel, den Muttermund vollständig zu eröffnen und den Kopf beschleunigt tiefer treten zu lassen. Dio Wirkung der dehnenden Spiegel ist geradezu frappierend und steht in krassem Gegensatz zu der Einfachheit der Technik dieses Eingriffes. Man muß einmal eine solche Spekulumentbindung gemacht haben oder zumindest zugesehen haben, wenn man sich ein Urteil bilden will. Man kann in sehr vielen Fällen den Muttermund in wenigen Minuten, sagen wir 6 — 10 — 20 Minuten, zur Vollständigkeit aufziehen, und zwar ohne das Gewebe der Zervix zu schädigen oder in Gefahr zu bringen. Unter dem dehnenden Zug der Spekula geht der Muttermund meist spielend leicht auf, stets zur größten Überraschung derjenigen, die einesolche Entbindungnoch nicht gemacht haben 1

I n s t r u m e n t e : Als Instrumente werden geburtshilfliche und gynäkologische Spiegel in normaler Ausführung benutzt. Man unterscheidet hintere und vordere Spiegel. Die Breite und Länge der benutzten Spiegel hängen von der Größe des Mm und vom Stand des vorangehenden Teils ab. Als hintcro Spiegel benutzen wir relativ breite Spiegel, und zwar die Bummschen geburtshilflichen Spiegel. Bei Erstgebärenden und wenig geöffnetem Mm nehmen wir den 6 cm breiten (und 11 cm langen), bei Mehrgebärenden, größerem Mm bzw. tiefstehendem vorangehendem Teil den breiteren (7 cm breiten) Bummschen Spiegel (11 cm lang). Als vordere Spiegel werden bei kleinem Mm schmale, schlanke Spiegel angewandt, wie sie bei gynäkologischen vaginalen Operationen benutzt werden (Breite etwa 3—4 cm). Nach Größerwerden des Mm werden diese vorderen Spiegel durch etwas breitere und kräftigere ersetzt. Bei allen Spiegeln sind die Blätter vorn halbkreisförmig abgerundet. Lagerung der Kreißenden: Die Kreißende wird mit dem Becken nach unten auf einer schiefen Ebene von etwa 20°/o Neigung gelagert. Durch diese Schräglagerung kommt es nicht selten zu einer Verstärkung der Wehen und zur spontanen Erweiterung des Muttermundes, bevor man mit der eigentlichen Spekulumentbindung begonnen hat. Stellung des Operateurs: Beim Einführen der Spiegel sitzt der Operateur bequem auf einem Stuhl. Auch bei Betätigung der Spiegel zur Eröffnung des Mm (Spiegeltechnik 1—3) bleibt der Operateur sitzen. Die weitere Spicgeltechnik (4—5) erfordert meist größere Kraft, die der Operateur nur im Stehen aufbringen kann.

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Einführen der Spiegel: Stets wird zuerst der hintere Spiegel und danach erst der vordere Spiegel eingeführt. Das Einführen der Spiegel darf nur während einer Wehe oder beim Mitpressen der Kreißenden erfolgen. Auf diese Weise ist das Einführen der Spiegel schmerzlos. Spiegeltechnik: Sie ist je nach Größe des Mm und Stand des vorangehenden Teils verschieden.Praktischlassensichfolgendefünf Situationen unterscheiden: 1. Spicgeltechnik bei kleinem Mm (etwa 1—6 cm): Ist der Mm nur wenig eröffnet (etwa 1—5 cm weit), so wird mit den Spiegelspitzen lediglich der Mm-Saum gedehnt. Dazu werden beide Spiegel mit leichter Kraft gegen den Kopf bzw. Steiß gestemmt, die Spiegelspitzen von innen an den MmSaum bei 6 und 12 des Uhrblattes angesetzt und dann der Mm nach dorsal und ventral über dem gegenpressenden vorangehenden Teil auseinandergezogen. Das Aufziehen des wenig geöffneten Mm zur Vollständigkeit gelingt meist auffallend schnell. Sehr zu beachten ist die Grundregel für die Betätigung der Spiegel Gedehnt wird in allen Fällen nur in der Wehe oder während des Mitpressens der Kreißenden. In der Wehenpause ( = Aktionspause) sollen die Spiegel nicht berührt werden. Zu beachten ist ferner, daß der Spekulumdruck immer gegenüberliegend am Mm-Saum erfolgen muß und daß die Zugaktionen immer gleichzeitig nach vorn und hinten bzw. in Abänderung manchmal auch etwas mehr in Richtung der schrägen Beckendurchmesser ausgeübt werden müssen. Außerdem sollen die Spiegelblätter nicht gekantet angreifen, da sonst Verletzungen entstehen. 2. Spicgeltechnik bei größerem Mm (etwa 6—8 cm): Bei dieser Größe des Mm stemmt man das hintere Spekulum wieder gegen den Kopf und läßt die Spiegelspitze von innen her (wie bei 1) am M m - S a u m angreifen. Das vordere Blatt wird zunächst ebenfalls an den Kopf geführt, dann aber läßt man seine Spitze unter zartem Abtasten der Widerstände langsam zwischen dem vorderen Mm-Saum und dcmKopf in den Zervikanal hineinrutschen, so daß schließlich das ganze vordere Blatt bis zum Griffansatz zwischen Kopf und vorderer Zervixinnenfläche liegt. Fast immer gelingt es, beide Spiegel während einer Wehe in diese Ausgangsstellung zu bringen. Der hintere Spiegel wird in keinem Fall in die Zervix eingeführt, er greift ausnahmslos nur am hinteren Mm-Saum (oder — siehe unten — am hinteren Scheidengewölbe) an. Beim Einführen des hinteren Spiegels, insbesondere beim Druck auf die hintere Zervix- bzw. Scheidenwand, kommt es oft zur Wehenverstärkung, wenn Wehen vorhanden waren. Sind keine Wehen da, so werden durch den Spiegeldruck und -zug häufig Wehen erzeugt. Sind hinteres und vorderes Spekulumblatt auf diese Weise in ihre Ausgangsstellung gebracht worden, so wartet man die nächste Wehe ab, ohne die Spiegel zu betätigen. Die Herztöne werden laufend kontrolliert.

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Tritt der vorangehende Teil bei größer werdendem Mm tiefer, so wird der schmale vordere Spiegel, der zuerst benutzt wurde, durch einen breiteeren und kräftigeren ersetzt. Der hintere Spiegel, der Bummsche 6 cm-Spiepgel, bleibt entweder bis zur Geburtsbeendigung in Verwendung oder wird, vor allem bei Mehrgebärenden, im Verlaufe des Tiefertretens des Kopfes rund Größerwerden des Mm durch den Bummschen 7 cm-Spiegel ersetzt. 3. Spiegeltechnik, wenn der Mm so weit eröffnet ist, daß das hinttero Spiegelblatt den Mm nicht mehr erreicht. In diesem Falle wird das hinteere Spekulum einfach in das hintere Scheidengewölbe hineingedrückt. Das vordtere Spekulum kommt genau wie sonst vorn in den Mm. 4. Spiegeltechnik, wenn der vorangehende Teil den Alm bereits passiiert hat, wenn er also schon in BM oder fast auf BB steht. In diesem Falle ward das hintere Blatt gegen die hintere Scheidenwand, das vordere gegen