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German Pages [299] Year 2011
BAUSTEINE ZUR SLAVISCHEN PHILOLOGIE UND KULTURGESCHICHTE NEUE FOLGE Begründet von HANS-BERND HARDER (†) und HANS ROTHE Herausgegeben von KARL GUTSCHMIDT, roland Marti, PETER THIERGEN, LUDGER UDOLPH und BODO ZELINSKY
Reihe A: slavistische forschungen Begründet von Reinhold Olesch (†)
Band 71
Polnische Dramen in Deutschland Übersetzungen und Aufführungen als deutsch-deutsche Rezeptionsgeschichte 1945-1995
von
Christine Fischer und Ulrich Steltner
2011 BÖH LAU V E R L A G K Ö L N WEIM AR WIEN
Gedruckt mit freundlicher Unterstützung der Deutschen Forschungsgemeinschaft, Bonn
Christine Fischer ist Privatdozentin für Slavische und Vergleichende Literaturwissenschaft an der Universität Jena. Ulrich Steltner ist emeritierter Professor für Slavische Literaturwissenschaft der Universität Jena.
Bibliographische Information der Deutschen Nationalbibliothek: Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliographie; detaillierte bibliographische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar. Umschlagabbildung: Karikatur von Jerzy Tchórzewski zum Gedicht Anioł mieszczański (Der bürgerliche Engel) von Tadeusz Różewicz, aus: Ders., Uśmiechy (Lächeln). Warschau 21957, S. 37. Die Karikatur zielt auf den Dichter Konstanty Ildefons Gałczyński, der auch die Serie satirischer Kurzdramen Die grüne Gans verfasst hat.
© 2011 by Böhlau Verlag GmbH & Cie, Köln Weimar Wien Ursulaplatz 1, D-50668 Köln, www.boehlau-verlag.com Alle Rechte vorbehalten. Dieses Werk ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist unzulässig. Gesamtherstellung: WBD Wissenschaftlicher Bücherdienst, Köln Gedruckt auf chlor- und säurefreiem Papier ISBN 978-3-412-20669-7
Inhalt
Vorwort ....................................................................................................................
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0.
Einleitung..........................................................................................................
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1.
Der Rezeptionsverlauf.................................................................................... a. Übersetzungen und Aufführungen.................................................... b. Die inneren Grenzen des Zeitraumes 1945-1995........................... c. Polnische Regieführung.......................................................................
15 15 21 33
2.
Die Gewichtungen innerhalb des polnischen Repertoires in Deutschland................................................................................................. a. Der nationale polnische Kanon bis 1918 und seine Repräsentation in Deutschland................................................. b. Die Dramen aus der Zwischenkriegszeit.......................................... c. Gegenwartsdramatik............................................................................. Jerzy Andrzejewski................................................................................ Roman Brandstaetter............................................................................ Kazimierz Moczarski............................................................................ Unterhaltungsstücke: Marek Domański, Agnieszka Osiecka und andere.............................................................................................. Bohdan Drozdowski.............................................................................
3.
4.
39 40 47 53 57 62 64 67 74
Die Prägung des Polnischen der Texte bzw. seine Übersetzung........................................................................................... a. Themen und Motive.................................................................... b. Intertextuelle Bezüge............................................................................ c. Figuren................................................................................................... d. Sprachprobleme.................................................................................... e. Realia.......................................................................................................
79 79 97 113 127 151
Fallbeispiele (Ost vs. West)............................................................................ a. Leon Kruczkowski (1900–1962)......................................................... b. Ireneusz Iredyński (1939–1985)......................................................... c. Zbigniew Herbert (1924–1998)......................................................... d. Tadeusz Różewicz (*1921)..................................................................
161 162 180 192 205
5.
6.
Die Aktualisierung der Dramen durch die deutschen Theater im Echo der Kritik und deren Begründungszusammenhang ................. a. Andersartigkeit und Anverwandlung................................................. Ost vs. West: „Theater der Zeit“ und „Theater heute“.................. Die ‚nationale Markierung‘................................................................... Der andere Weltausschnitt und seine Funktion............................... Polen vs. Deutschland (Ost und West): Die Wirkung der Dramen– bzw. Theatertradition.......................... Das Problem des ‚Naturalismus‘ auf den Bühnen der DDR (Różewicz / Mrożek)............................................................................ Das Problem des Absurden Theaters in Westdeutschland (Gombrowicz)........................................................................................ b. Das Sinnfällige der polnischen Dramen bzw. ihrer Theateraufführung............................................................. Anhang.............................................................................................................. a. Register: Autoren, Stücke, Aufführungen........................................ b. Verzeichnis der Dramentitel............................................................... Deutsch (Sorbisch) – polnisch........................................................... Polnisch – deutsch (sorbisch)............................................................. c. Namenverzeichnis................................................................................ d. Auswahlbibliographie..........................................................................
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Vorwort
Die vorliegende Publikation präsentiert die Ergebnisse eines von der Deutschen Forschungsgemeinschaft von 1999 bis 2002 geförderten Projekts am Lehrstuhl für Slavische Philologie der Friedrich-Schiller-Universität Jena. Organisatorische Probleme haben die Fertigstellung des Buches immer wieder verzögert. Die einschlägige Sekundärliteratur nach 2002 wurde aber, sofern möglich, berücksichtigt. Auch die rasche Entwicklung des Internets und seine weitreichenden Informations–Angebote in den letzten zehn Jahren konnten genutzt werden. Die Publikation beruht allerdings im Wesentlichen auf den Angaben aus deutschen Theatersammlungen und Archiven (wie z.B. dem „Deutschen Theatermuseum“ in München und dem Archiv der „Akademie der Künste“ in Berlin). Zum Teil stammen die Angaben auch von den Theatern selbst. Nicht zu allen relevanten Aufführungen ließen sich die zugehörigen Kritiken ermitteln oder beschaffen, und zwar aus ganz unterschiedlichen Gründen, wie organisatorischen Wirren der Wendezeit, Archivverlagerungen, Theaterbränden u.Ä. Die eruierten bzw. genutzten Theater–Kritiken sind also sicher nicht vollständig, wohl aber hinreichend, um ein Licht auf die deutsch-polnischen kulturellen Beziehungen auf dem Gebiet von Drama und Theater zu werfen und eine symptomatische deutsch-deutsche Gemeinsamkeit bzw. Gegensätzlichkeit zu erhellen. Die Orthographie folgt den Regeln der revidierten neuen Rechtschreibung (DUDEN, mindestens 24. Auflage). Zitate werden allerdings nicht umgeformt. In Bezug auf den Genitiv polnischer Namen auf –cz wird abweichend vom Duden ein Apostroph plus s gesetzt, also z.B. Gombrowicz's, weil die polnischen Grapheme cz ja einen Zischlaut vermitteln (deutsch etwa tsch zu notieren) und keinen s-Laut. Unser Dank gilt der Deutschen Forschungsgemeinschaft für die Unterstützung des Projektes und für den Druckkostenzuschuss zu dieser Publikation. Wir danken den Bibliotheken, Theatern und Archiven, die uns das Material zur Verfügung gestellt haben, sowie Izabela Matusiak–Möring M.A. für ihre Mitarbeit und Thomas Schmidt M.A. für die Endkorrektur des Manuskriptes. Ein besonderer Dank geht an Ludger Udolph für die Bereitschaft, unsere Monografie in der auch von ihm herausgegebenen Reihe zu veröffentlichen. Das Projekt ist von uns beiden gemeinsam betrieben worden. Trotzdem halten wir es für angebracht, die letzte Verantwortung für die schriftlich formulierten Teile zu individualisieren. Für Einleitung, Kapitel 1 und Anhang zeichnen wir beide gleichermaßen verantwortlich. Für die anderen Teile wird die Verfasserschaft am Ende des jeweiligen Kapitels oder Unterkapitels durch die Initialen CF bzw. US vermerkt. Jena, Oktober 2010 Christine Fischer Ulrich Steltner
Abkürzungen Br. DEA DNT dt. EA FAZ Kr. o.J. o.O. poln. publ. TdZ TH u.d.T. UA UT Ü verf. Wa. wörtl. ZfSl
Breslau [Wrocław] Deutsche Erstaufführung Deutsches Nationaltheater Weimar deutsch Erstaufführung Frankfurter Allgemeine Zeitung Krakau [Kraków] ohne Jahr ohne Ort polnisch publiziert Theater der Zeit Theater heute unter dem Titel Uraufführung Untertitel Übersetzung verfasst Warschau [Warszawa] wörtlich Zeitschrift für Slawistik
0. Einleitung
Die vorliegende Untersuchung versteht sich als Beitrag zu einer literaturbezogenen Kulturgeschichte, indem sie einen bestimmten Ausschnitt aus der schwierigen deutsch–deutschen bzw. deutsch–polnischen kulturellen Nachbarschaft beschreibt. Ein wichtiges erkenntnisleitendes Interesse besteht darin, einen konkreten, wenn auch komplexen Prozess aufzudecken. Es geht insbesondere um die geschichtliche Konkretheit in Abgrenzung gegen gängige generalisierende Spekulationen, die eventuell weder die geschichtlichen Verläufe noch die besondere Stellung literarischer Werke im Universum der ‚Texte‘ beachten. Dabei wird der Begriff geschichtlich in einem besonderen Sinn verstanden: aufgedeckt werden soll die Rezeptionsgeschichte der polnischen Dramen, ihr „Leben“1, in einem streng umrissenen Zeitraum und in einem ebenso definierten kulturellen bzw. politischen Rahmen, nämlich der Situation in Gesamtdeutschland zwischen 1945 und 1995 unter besonderer Berücksichtigung seiner beiden Teile (1949–1990). Einige wenige theoretische Vorbemerkungen sollen im Folgenden die Konkretheit und das notwendige erkenntniskritische Bewusstsein näher erläutern. In den einzelnen Kapiteln selbst wird die theoretische Reflexion auf das Allernotwendigeste beschränkt. Der Fokus liegt auf der Synthese der Rezeptionsgeschichte sowie der konkreten Übersetzungsprobleme. Die Untersuchung soll auch für diejenigen lesbar bleiben, die sich nicht für literaturwissenschaftliche Fragestellungen als solche interessieren. Aufgrund der ihr eigenen Plurimedialität bietet die Gattung Drama vielfältige Rezeptionsmöglichkeiten, indem sie nicht nur literarischer ‚Text‘, sondern zugleich immer auch zur Aufführung gedachtes Gebilde ist. Daher hat die Monographie zwei Schwerpunkte: Neben der Inszenierung polnischer Dramen auf deutschen Bühnen geht es um den (vorzugsweise ost– westdeutschen) Übersetzungsvergleich jener knapp 40 Dramentexte, die in mehreren deutschen Fassungen vorliegen. Aufgrund der im Drama fehlenden vermittelnden Erzählerinstanz charakterisieren sich die handelnden Figuren in hohem Maße selbst; daher sind bei einer vergleichenden Betrachtung der unterschiedlichen deutschen Versionen ein und desselben Stücks signifikante Varianten gerade in 1
Der polnische Philosoph und Literaturtheoretiker Roman Ingarden verwendet diesen bildhaften Ausdruck, um u.a. auch Rezeptionsphänomene theoretisch zu erfassen. Vgl. ders., Vom Erkennen des literarischen Kunstwerkes. Tübingen 1968. Ingardens Abstraktionen zum „literarischen Kunstwerk“ und dessen „Leben“ in der Geschichtszeit sind der theoretische Hintergrund der vorliegenden Untersuchungen, ohne dass allerdings die Theorie hier erneut diskutiert werden soll. Vgl. ders.: Das literarische Kunstwerk. Tübingen 41972.
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Polnische Dramen in Deutschland (1945–1995)
der Figurenrede zu erwarten. Die Analyse der Doppelübersetzungen polnischer Dramen rückt diese dezidiert als literarische ‚Texte‘ in den Mittelpunkt. Den anderen Kapiteln der Monographie liegen dagegen Fragestellungen zugrunde, die eher Beziehungen zwischen ‚Text‘ und ‚Kontext‘ betreffen. Dieser ‚Kontext‘ wird über ein Geflecht von Relationen greifbar. So können die Aufführungen selbst im Unterschied zu den zugrundegelegten ‚Texten‘ nicht mehr direkt beurteilt werden, sondern erschließen sich nur indirekt über die Theaterkritik. Deren Voraussetzungen bzw. deren Qualität oder auch Plausibilität lässt sich also nur relational, etwa i. S. der historischen Quellenkritik, bestimmen. Die vorgebrachten Urteile und Argumente können miteinander verglichen und zu dem Fixum des jeweiligen Werkes (‚Textes‘) in Beziehung gesetzt werden. Selbstverständlich muss aber auch das Werk erst „konkretisiert“2 werden, es ist eben nur als „Schema“ (Ingarden) mittels Sprache fixiert. Erst danach kann das der Konkretisation zugrunde liegende und als solches erkannte Schema seinerseits in Relation zu den überlieferten Konkretisationen der Kritik, d.i. deren Argumenten und mitgeteilten Seh–Erlebnissen, gestellt werden. Das im Schema verankerte „theatrale Potential“ lässt sich nur mittels komplexer Methoden erfassen.3 Es gibt sich in den vorliegenden historisch–konkreten Fällen wiederum relational im Rahmen der Rezeptionsgeschichte bzw. ihrer Beschreibung, wenn auch fragmentarisch, zu erkennen. Einen weiteren und besonders wichtigen Bezugsrahmen bilden die Kontextbedingungen, hier z.B. vor allem die politisch–historischen Abläufe nach 1945, welche die Auswahl und den möglichen Situationsbezug der Stücke mitbestimmt haben, oder der offiziöse Charakter der DDR–Theaterkritik, die ja der staatlichen Zensur unterworfen gewesen ist. Zu den Kontextbedingungen sind aber auch der Status der beteiligten Theater selbst zu zählen, weiter die Theaterkonventionen oder ggf. die ‚modisch‘ zu nennende Vorliebe für bestimmte dramatisch–theatrale Strategien, wie im verhandelten Zeitraum der Einfluss des Theaters des Absurden oder der Brechtschen Theaterauffassung, u.a.m. Allen diesen Voraussetzungen kann in praxi nur näherungsweise entsprochen werden. Es bleibt also eine gewisse Unschärfe. Nicht darum gehen kann es schließlich, verborgene Relationen, wie die gezielte Entwicklung konkreter Regiekonzepte4 oder Auseinandersetzungen ‚hin2
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Ingarden spricht vom „Werk“, das als schematisches Gebilde in der Sprache überliefert und erst durch die „Konkretisation“ als Bewusstseinsakt eines Rezipienten in ästhetische Funktion gesetzt wird. Den in aller Regel unscharfen Textbegriff benutzt er nicht. Literaturwissenschaftlich gesehen ergeben sich daraus die oben entwickelten Konsequenzen. Vgl. Totzeva, Sophia: Das theatrale Potential des dramatischen Textes. Ein Beitrag zur Theorie von Drama und Dramenübersetzung. Tübingen 1995, S. 22–24. Vgl. die allgemeinen Reflexionen von Witold Kośny anlässlich der Rezeptionsgeschichte des Dramas Verstand schafft Leiden (Gore ot uma) (1824) des russischen Autors Griboedov. Allerdings setzt Kośny gerade dort den Schlusspunkt, wo die vorliegende Untersuchung eigentlich beginnt, nämlich bei der konkreten Rezeption, wie sie sich in Äußerungen von
Einleitung
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ter den Kulissen‘, aufzudecken. Solche Auseinandersetzungen gab es im Osten wie im Westen Deutschlands. (Und über einige wird gewissermaßen nebenbei zu reden sein.) Nur die Mittel, die Adressaten und die Sanktionen waren unterschiedlich, in Abhängigkeit, wenn man so will, von den ‚gesellschaftlichen Verhältnissen‘. Dies festzustellen bedeutet nicht, unzulässig die „freiheitlich– demokratische Grundordnung“ der alten Bundesrepublik Deutschland, ihre unbestreitbare, aber nicht immer gleichermaßen vorhandene Liberalität im Umgang mit den Künsten und die entsprechenden Bedingungen des „real existierenden Sozialismus“ gleichzusetzen. Andererseits spielten Kunst und Literatur aber im gesellschaftlichen Rahmen der DDR eine viel größere Rolle als in der Bundesrepublik. Ihre Stimme hatte größeres Gewicht, und sei es nur, weil bestimmte Funktionen mit zu übernehmen waren, die im Westen publizistisch ausgefüllt wurden. Aus alledem ergaben sich Abhängigkeiten und auch Strategien beispielsweise im Umgang mit der Kulturbürokratie, die in dieser Form im Westen nicht existierten. Sie lassen sich allerdings in einer wesentlich literaturwissenschaftlich fundierten Publikation nicht aufarbeiten. Ihre Existenz soll an dieser Stelle jedoch wenigstens erwähnt werden; denn es darf keinesfalls der Eindruck entstehen, notwendig kritische Bemerkungen seien denunziatorisch gemeint. Viele Äußerungen der Zeit müssen nämlich auf Grund der zugehörigen Äußerungsbedingungen schlicht unter ‚Ideologieverdacht‘ gestellt werden. Ähnliches gilt für eine Sekundärliteratur, die sich zuweilen bis heute – und da selbstverständlich ohne Not – in verklausulierten Andeutungen ergeht. Dass auch Äußerungen westdeutscher Provenienz unter ‚Ideologieverdacht‘ gestellt werden können, ist nicht zu bestreiten. Im Westen geht es aber eher um individuelle Haltungen oder die entsprechende Ausrichtung ganzer Zeitungs– bzw. Feuilleton–Redaktionen und nicht um allgemeine und ggf. per Zensur kontrollierte offiziöse Vorgaben. Die Monographie ist folgendermaßen aufgebaut: Das 1. Kapitel widmet sich einer genaueren Auflistung der polnischen Autoren und derjenigen Dramen, die überhaupt aufgeführt worden sind. Das 2. Kapitel behandelt die qualitative Gewichtung dieser Auswahl vor dem Hintergrund des polnischen Kanons. Das umfangreiche 3. Kapitel hat die erwähnten Übersetzungsfragen zum Gegenstand. In diesem Zusammenhang werden die Dramentexte mit Hilfe von fünf Kategorien untersucht: Themen und Motive, Intertextuelle Bezüge, Figuren, Sprachprobleme sowie Realia. Aufgrund der erwähnten Plurimedialität des
Theaterkritikern manifestiert. Ders.: Rezeption und Drama. Zur Aufführung von A.S. Griboedovs Gore ot uma am Moskauer Künstlertheater 1906. In: Schmid, Herta et alii (Hgg.), Dramatische und theatralische Kommunikation. Tübingen 1992, S. 105–122.
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Polnische Dramen in Deutschland (1945–1995)
Dramas als Gattung liegt die Besonderheit einer ‚Visualisierung‘ literarischer Motive in Form von Requisiten, Kulissen, Kostümen usw. vor.5 Im Abschnitt zur Intertextualität gilt es – vor allem auf der Grundlage produktionsästhetisch orientierter Intertextualitätskonzepte6 – die Verortung der polnischen Dramen innerhalb eines gesamteuropäischen Literatur– und Kunstverständnisses zu untersuchen. Hierbei ist zum einen die Frage zentral, inwieweit die Texte als solche intertextuell geprägt sind, und zum anderen, wie mit den betreffenden allusion markers in den deutschen Übersetzungen umgegangen wird. Insbesondere die Frage nach der z.T. sehr komplexen Zitathaftigkeit bzw. nach dem Umgang der Übersetzer damit bedarf eingehenderer Erörterung. Eine besondere Bedeutung für die Figurencharakterisierung im Drama hat die Namengebung. Zum einen fungieren Namen als allusion markers, zum anderen können sie aber auch auf historische Personen verweisen. Hieraus erwächst ein enger und mitunter problematischer Zusammenhang zwischen Namengebung und Fiktionalität, der für das vorliegende Korpus genauer geklärt werden muss. Ein wesentlicher Bestandteil der Figurencharakterisierung im Drama ist die Figurenrede, welche im Hinblick auf typische mit der Übersetzung einhergehende Sprachprobleme betrachtet wird. Hierbei sind im einzelnen die drei Bereiche: „Figurenanrede“, „Standard vs. Varietäten“ und „Lautinstrumentierung“ zu nennen. Vor allem aufgrund des sich vom Deutschen stark unterscheidenden polnischen Anredesystems gibt es in den Übersetzungen hierfür keine wirklichen Äquivalente. Manche Dramen, wie z.B. jene von Różewicz, sind von Klangspielen und Rhythmisierungen geprägt, die ebenfalls besondere Anforderungen an die Übersetzer stellen und folglich hier behandelt werden sollen. Das 3. Kapitel schließt mit der Untersuchung der Bezüge zur ‚außerliterarischen Wirklichkeit‘ anhand von Realia. Diese „Ebene der Referenz“ bezeichnet Horst Turk neben Artikulation und Interpretation als grundlegende Kategorie der Übersetzungsanalyse.7 Nichtsdestoweniger ist diese Kategorie, was die Realia angeht, im vorliegenden Textkorpus relativ schwach ausgeprägt. Das 4. Kapitel besteht aus vier Fallbeispielen, die jeweils einen für besonders signifikant gehaltenen Autor in den Mittelpunkt stellen, und zwar Leon 5 6
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Vgl. Ingarden, Roman: Von den Funktionen der Sprache im Theaterschauspiel. In: Ders., Das literarische Kunstwerk. 4Tübingen 1972, S. 403–425, bes. S. 403. Hierzu z.B. Genette, Gérard: Palimpseste. Die Literatur auf zweiter Stufe, Frankfurt a.M. 1973; Pfister, Manfred: Konzepte der Intertextualität. In: Broich, Ulrich und Pfister, Manfred (Hgg.), Intertextualität. Formen, Funktionen, anglistische Fallstudien. Tübingen 1985, S. 1–30; Stierle, Karlheinz und Warning, Rainer (Hgg.): Das Gespräch, München 1984. Vgl. Turk, Horst: Soziale und theatralische Konventionen als Problem des Dramas und der Übersetzung. In: Fischer–Lichte, Erika et alii (Hgg.), Soziale und theatralische Konventionen als Problem der Dramenübersetzung. Tübingen 1988, S. 9–53, bes. S.11.
Einleitung
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Kruczkowski, Ireneusz Iredyński, Zbigniew Herbert und Tadeusz Różewicz. Kürzere Abschnitte zu anderen Einzelautoren werden an passender Stelle in den Gang der Erörterung eingefügt, wie etwa zu Witold Gombrowicz im 5. Kapitel, das sich im Wesentlichen mit ästhetischen Fragen einer ‚Aktualisierung‘ der polnischen Dramen auf den deutschen Bühnen befasst. Hier gibt es wohl Interferenzen zu genuin theaterwissenschaftlichen Fragen, insbesondere im Blick auf die Theatergeschichte bzw. bestimmte Konventionen. Als solche stehen sie allerdings nicht im Mittelpunkt, sondern sie werden lediglich als Begründungshintergrund anhand der Sekundärliteratur erfasst. Im Übrigen sind die einzelnen Kapitel je für sich als stärkere Einheit konzipiert und sollten ggf. auch je für sich gelesen werden können. Gewisse Wiederholungen ließen sich daher nicht vermeiden. Diverse Register und eine Auswahlbibliographie sollen der besseren Benutzbarkeit dienen. Schließlich noch drei Bemerkungen redaktioneller Natur: 1. Das Korpus an Dramen bzw. Theaterkritiken umfasst Gesamtdeutschland in seinen temporären beiden Teilen, d.h. dazu gehören auch polnische Dramen, die in ober– bzw. niedersorbischer Sprache aufgeführt wurden. Sie werden in der Darstellung berücksichtigt. Übersetzungsfragen sind hier selbstverständlich ausgeschlossen und bedürften einer eigenen kompetenten Erörterung. 2. Wegen der Lesbarkeit wird in aller Regel der deutsche Übersetzungstitel, ggf. in Varianten, verzeichnet. Falls notwendig, wie gelegentlich in Kapitel 3, wird auch anders verfahren. Die Originaltitel bzw. deren Übersetzungen lassen sich im Register der Dramen (deutsch/sorbisch–polnisch, polnisch– deutsch/sorbisch) verifizieren. 3. Da im 3. Kapitel der Vergleich zwischen den ost– und westdeutschen Übersetzungen im Mittelpunkt steht und auf beide Teile stetig verwiesen werden muss, werden bei den Übersetzungen bzw. den Übersetzern Kürzel verwendet, und zwar die entsprechenden Anfangsbuchstaben „[o]“ und „[w]“. Im restlichen Text erscheinen die Herkunftsangaben wegen der besseren Lesbarkeit ausgeschrieben, wie z.B. „Berlin(–Ost)“ bzw. „Berlin(–West)“. CF/US
1. Der Rezeptionsverlauf
a. Übersetzungen und Aufführungen Bei der Beschreibung der Rezeption des polnischen Dramas in Deutschland Ost und Deutschland West nach dem Zweiten Weltkrieg geht es um zwei zentrale Aspekte: zum einen um Doppelübersetzungen polnischer Dramentexte, zum anderen um deutsche Inszenierungen im Spiegel der ermittelten Theaterkritiken. Der erste Aspekt erfasst also das Drama als einen literarischen Text, der notwendigerweise ins Deutsche übertragen werden muss, um in Deutschland wirken zu können. Hier liegen feste Größen vor, nämlich Ausgangs– und Zieltext, die miteinander in interpretatorische Beziehungen gesetzt werden können. Gleichzeitig eröffnet die Verdoppelung des Zieltextes Möglichkeiten, Unterschiede herauszustellen, die eventuell auf grundsätzliche Unterschiede des Umgangs mit dem polnischen Drama im Osten wie im Westen Deutschlands schließen lassen. Der zweite Aspekt betrifft das eigentlich ‚theatrale‘ Element, die Inszenierung der Dramen, wiederum in der pointierten Gegenüberstellung zwischen Ost und West. Da Inszenierungen als ‚theatrale‘ Texte nicht überdauern und sich allenfalls mit Hilfe von Archivmaterialien rekonstruieren lassen, ohne dass die Sinnfälligkeit des Theaterschauspiels selbst wiederhergestellt werden könnte, müssen üblicherweise die vorhandenen bzw. erreichbaren Theaterkritiken herangezogen werden. Sie lassen wiederum bestimmte Strategien der Regie bzw. der einzelnen Schauspieler erkennen, geben aber Rezeption jeweils deutlich aus der Perspektive interessegeleiteten sprachlichen Handelns Dritter wieder. Diese vermittelte Rezeption ist in letzter Konsequenz geeignet, das ursprünglich wenigstens theoretisch objektivierbare künstlerische Konstrukt der Inszenierung zu verdunkeln oder vielleicht überhaupt auszublenden. Als feste Vergleichsgröße zwischen Ost und West bleibt daher zunächst allein die Verteilung der Inszenierungen selbst, die sich im Folgenden nach verschiedenen Kriterien ordnen und beschreiben lässt. Beim Überblick über die Gesamtheit des erschlossenen Materials tritt als Erstes eine gewisse Disparität zutage, die jeden Vergleich zusätzlich erschwert, die aber im Sinne des Untersuchungszieles aussagekräftig sein kann: Während innerhalb des fraglichen Zeitraums insgesamt 72 polnische Dramatiker in Deutschland aufgeführt wurden, liegen von nur 14 Dramatikern Stücke in Doppelübersetzungen vor. Zieht man die Anzahl der in Deutschland aufgeführten Dramen in
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P olnische Dramen in Deutschland (1945–1995)
Betracht, zeigt sich eine ähnliche Relation. Von den knapp 180 nach dem Zweiten Weltkrieg auf deutschen Bühnen inszenierten polnischen Dramen gibt es nur 39 in Doppelübersetzungen. In den allermeisten Fällen handelt es sich hierbei tatsächlich um ost–westdeutsche Übersetzungspaare, die im Sinne des erkenntnisleitenden Interesses von besonderem Belang sind. Als Ausnahmen haben einige Dramen zu gelten, die entweder nur im Westen oder nur im Osten doppelt übersetzt worden sind. Nur in Westdeutschland wurden übersetzt: Jarosław Abramow, Die Versteigerung1, von Ilka Boll und Heinrich Kunstmann, Witold Gombrowicz, Trauung, von Walter Tiel und Rolf Fieguth, Sławomir Mrożek, Die Polizei, von Heinrich Kunstmann und Ludwig Zimmerer sowie schließlich Stanisław Ignacy Witkiewicz's Dramen Das Wasserhuhn von Heinrich Kunstmann und Mikołaj Dutsch bzw. Die da! / Jene von Peter Lachmann sowie Georg Werner Grzyb und Horst Taubmann. Nur Die Sonnenbrucks / Die Sonnenbruchs von Leon Kruczkowski wurde zweimal ausschließlich in Ostdeutschland – von Horst Holzschuher bzw. Peter Ball – übersetzt. Die leicht variierenden Titel Die SonnenbruCKs / Die SonnenbruCHs weisen auf grundsätzliche Unterschiede der übersetzten Texte hin. Darüber wird anlässlich des Fallbeispiels Kruczkowski noch zu reden sein. Die westdeutschen Doppelübersetzungen sind wohl in erster Linie dem Buchmarkt bzw. der Theaterpraxis geschuldet. Offensichtlich waren Exklusivrechte für Übersetzungen der Texte nicht vergeben worden.2 Als Sonderfall anderer Art hat das Dokumentarspiel Gespräche mit dem Henker von Kazimierz Moczarski zu gelten. Es entstand auf der Grundlage von Moczarskis Tagebuchaufzeichnungen über seine Haftzeit nach Kriegsende bis 1956. Moczarski hatte z.B. am Warschauer Aufstand 1944 teilgenommen und saß nun wegen falscher Beschuldigungen ein, und zwar zusammen mit dem ehemaligen SS–General Jürgen Stroop, dem Zerstörer des Warschauer Ghettos 1943. Obwohl das Dokumentarspiel in einer ost– und einer westdeutschen Übersetzung vorliegt, die zudem fast gleichzeitig – 1978 bzw. 1979 – entstanden sind, lassen sich diese wegen ihrer unterschiedlichen Prätexte nicht miteinander vergleichen. Die ostdeutsche Version übersetzte Roswitha Buschmann aus der Adaption von Moczarskis Aufzeichnungen durch den polnischen Regisseur Zygmunt Hübner. Bei der westdeutschen Fassung handelt es sich um ein Theaterstück von Dieter Kühn, 1 2
Wenn nicht anders vermerkt, finden sich genaue bibliographische Angaben zu den einzelnen Titeln im Anhang. Ein Blick auf die Übersetzer liefert gewisse Indizien für den Anlass der Übersetzung, nicht unbedingt aber für das Übersetzungskonzept. So handelt es sich beispielsweise bei Kunstmann und Fieguth um Literaturwissenschaftler und Universitätsprofessoren für Slavische Philologie (Polonistik), bei Ilka Boll um eine deutlich am Theater ausgerichtete Übersetzerin und Dramaturgin, bei Peter Lachmann schließlich um einen der bekanntesten Übersetzer jeglicher Art von polnischer Literatur in der Bundesrepublik. In ähnlicher Weise ließen sich die anderen Übersetzer einordnen.
Rezeptionsverlauf
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nach dem Bericht von K. Moczarski3, wie der Untertitel verrät, also um eine eigene Adaption. Beide Fassungen sind in Deutschland aufgeführt worden, können aber aus den genannten Gründen nicht als Doppelübersetzungen im eigentlichen Sinne gelten. Dennoch darf der Sache nach und in Bezug auf die ‚theatrale‘ Rezeption ein gleichgerichtetes Interesse im Osten wie im Westen zunächst einmal unterstellt werden. Es ist ein Drama, das auch in Deutschland der Vergangenheitsbewältigung dienen konnte, obschon in einem anderen Fokus als in Polen, nämlich auf Stroop und seine unsäglichen Tiraden gerichtet, die die ‚Banalität des Bösen‘ plastisch vor Augen stellten. Man darf auch nicht vergessen, dass erst seit den Sechziger Jahren in der Bundesrepublik Prozesse wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit liefen.4 In Polen dagegen ging es um die aberwitzige Situation, dass sich nach dem Krieg Opfer (Moczarski) und Täter (Stroop) in der gleichen Gefängniszelle wiederfanden. Das Drama rechnete in seiner Weise mit dem Stalinismus bzw. der Sowjetisierung Polens ab. Ein solches Thema war für den Westen weniger interessant und für die DDR geradezu tabu. Wenn man diese sieben Sonderfälle außer Acht lässt, bleiben 32 ost–westdeutsche Übersetzungspaare übrig, die im Folgenden hinsichtlich ihrer Verteilung auf insgesamt 11 Autoren etwas näher beschrieben werden sollen. Die meisten Autoren sind nur mit einem einzigen doppelt übersetzten Drama vertreten: Bohdan Drozdowski Der Leichenzug / Der Trauerzug, Konstanty Ildefons Gałczyński Die grüne Gans, Stanisław Grochowiak Alte Jungen / Die Jungs, Zbigniew Herbert Das andere Zimmer, Leon Kruczkowski Der erste Tag der Freiheit, Sławomir Mrożek Fuchsquartett und Zofia Nałkowska Haus der Frauen / Landhaus mit Damen. Von einem der verbleibenden vier polnischen Dramatiker – Stanisław Wyspiański – liegen zwei Stücke in ost–westdeutschen Doppelübersetzungen vor: Die Novembernacht und Die Hochzeit. Bis auf Drozdowski und Grochowiak handelt es sich um Autoren, denen auch in Polen eine besondere Bedeutung zukommt. Das gilt noch stärker für die drei Autoren, auf die sich die restlichen 21 Doppelübersetzungen verteilen, nämlich Ireneusz Iredyński, Tadeusz Różewicz und Stanisław Ignacy Witkiewicz. Allerdings gehören Iredyński und Witkiewicz nicht zu den in Deutschland am meisten gespielten polnischen Dramatikern, im Unterschied zu Różewicz. Offenbar nahmen die deutschen Bühnen das Angebot, das qua Übersetzung vorgelegt wurde, nicht an. Von Iredyński wurden insgesamt acht Dramen auf deutschen Bühnen inszeniert: Die reine Liebe, Datsche / Datscha, Modernes Krippenspiel /Krippenspiel modern [Stille Nacht], Niemand / Kreation, Maria / Maria oder Die unbewusste Wiedergutmachung, Séance, Terroristen und Leb wohl, Judas. Die reine Liebe und Terroristen liegen nur in einer westdeutschen Fassung von Christa Vogel vor, die anderen sechs Dramen existieren in ost–westdeutschen Doppelübersetzungen. Allerdings ließen sich nur 3 4
Vgl. die Ausführungen zu Moczarski in Kapitel 2. Z.B. der Auschwitz–Prozess 1963–65 in Frankfurt a.M.
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im Hinblick auf Modernes Krippenspiel und Leb wohl, Judas Aufführungen im Osten und Westen Deutschlands ermitteln; so wurde das 1962 verfasste Stück Modernes Krippenspiel bereits im folgenden Jahr im West–Berliner Forum–Theater inszeniert, aber erst 1986 auch in Dresden aufgeführt. Die westdeutsche Übersetzung von Heinrich Kunstmann entstand ebenfalls bereits Anfang der Sechziger Jahre, die ostdeutsche von Dietrich Scholze hingegen erst 1983. Vergleichbares lässt sich in Bezug auf Iredyńskis bekanntestes Drama Leb wohl, Judas beobachten: Die westdeutsche Erstaufführung fand 1968 in Baden–Baden statt, während die erste ostdeutsche Inszenierung genau zwanzig Jahre später in Frankfurt/Oder folgte. Dementsprechend lag eine westdeutsche Übersetzung des Stücks (von Janusz von Pilecki) bereits seit Mitte der Sechziger Jahre vor, während das ostdeutsche Pendant von Dietrich Scholze erst 1983 publiziert wurde. Während also acht Dramen von Iredyński in Doppelübersetzungen vorliegen, wurden offenbar nur zwei davon im Osten wie im Westen Deutschlands aufgeführt. Nur ein einziges Stück – Leb wohl, Judas – wurde jeweils an mehreren Bühnen inszeniert, vorwiegend jedoch in Ostdeutschland und dort erst nach 1990. Den Rezeptionsphänomenen im Hinblick auf das dramatische Schaffen von Ireneusz Iredyński ist innerhalb dieser Untersuchung ein eigenes Unter–Kapitel gewidmet (vgl. 4.b.). Bei der Auswertung der vorhandenen Theaterkritiken fällt besonders auf, dass in seinen Dramen immer wieder eine gewisse Nähe zum Hörspiel oder auch zum Lesedrama beobachtet wird, so dass das eigentliche, visuell vermittelte ‚theatrale‘ Element in seinen Stücken nicht sehr ausgeprägt scheint. Dadurch entstehen gewisse Schwierigkeiten für die Inszenierung. Ferner wird die Frage nach der Aktualität von Iredyńskis Dramen in den ermittelten Theaterkritiken sehr unterschiedlich beantwortet. Von Stanisław Ignacy Witkiewicz wurden im Untersuchungszeitraum offenbar elf Dramen in Deutschland aufgeführt. Acht von ihnen liegen in Doppelübersetzungen vor, sieben in ost–westdeutschen Übersetzungspaaren. Hierbei handelt es sich im einzelnen um Das namenlose Werk, Gyubal Wahazar oder Auf den Passhöhen des Unsinns / Gyubal Wahazar oder im Engpass des Unsinns, Das Wasserhuhn, Die Mutter, Der Tintenfisch oder Die Hyrkanische Weltanschauung, Die da! / Jene, Die Schuster und Im kleinen Landhaus. Witkiewicz's Drama Nixen und Hexen oder Die grüne Pille5, dessen deutsche Erstaufführung 1976 in Braunschweig stattfand, wurde von Liliana Nieselska übersetzt. Das 1966 in Baden–Baden aufgeführte Stück Der Schrank ist eine Adaption von Witkiewicz's Dramas Im kleinen Landhaus, das für Baden–Baden von Horst Taubmann in Zusammenarbeit mit Tadeusz Kantor übersetzt worden war.6 Es handelt sich in beiden Fällen um besondere Gastspiele des expe5 6
Es war die deutsche Fassung der spektakulären Inszenierung durch Tadeusz Kantor in seinem Krakauer Teatr Cricot 2 1972. Vgl. Schorlemmer, Uta: Alfonso Hüppi, Dietrich Mahlow, Ute Remus und Horst Taubmann. Von einer knirschenden Knochenmühle und allzu lasziven Gouvernanten. Ein Gespräch über die Entstehung der Inszenierung Der Schrank in Baden–Baden 1966. In: Dies. (Hg.), Kunst ist ein Verbrechen. Tadeusz Kantor, Deutschland und die Schweiz.
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rimentellen Krakauer Theaters Cricot 2 bzw. seines Leiters Tadeusz Kantor, der in Westdeutschland einen großen Eindruck hinterließ.7 Wegen Kantors inszenatorischer Strategien brauchten die Stücke eigentlich nicht übersetzt zu werden. Kantor setzte absolut auf ein geradezu pantomimisches Theater; Witkiewicz's Texte inspirierten ihn sozusagen nur.8 Das Drama Der Narr und die Nonne oder Nichts Schlechtes, das nicht noch schlechter sein könnte wurde in Westdeutschland offenbar von Heinrich Kunstmann bzw. Gerda Leber–Hagenau übersetzt, doch ließen sich die entsprechenden Texte nicht beschaffen. Letztlich sind in Bezug auf die Witkiewicz–Rezeption in Deutschland zwei Beobachtungen auffällig: Witkiewicz's Dramen wurden ausschließlich in Westdeutschland inszeniert; die seit Anfang der Achtziger Jahre vorliegenden ostdeutschen Übersetzungen seiner Stücke, die zumeist aus der Feder von Henryk Bereska stammen, wurden also nicht für Aufführungen genutzt, die entsprechenden Texte als Lesedramen rezipiert. Dennoch liegen zwei Dramen nicht nur in Doppel–, sondern sogar in Dreifachübersetzungen vor: Die Mutter in zwei westdeutschen Fassungen von Mikołaj Dutsch und Irmtraud Zimmermann–Göllheim sowie in einer ostdeutschen Version von Henryk Bereska, Die Schuster in zwei westdeutschen Übersetzungen von Liliana Niesielska und Janusz von Pilecki sowie einer ostdeutschen Übersetzung, die wiederum Henryk Bereska angefertigt hat. Ferner stammen die westdeutschen Versionen von einer Vielzahl von Übersetzern, die ostdeutschen hingegen ausnahmslos von Henryk Bereska. Die ostdeutsche Rezeption von Witkiewicz–Stücken als Lesedramen wird daher zusätzlich durch einen bestimmten ‚Übersetzerstil‘ mitgeprägt. Ähnlich wie Iredyński und Witkiewicz wird auch Tadeusz Różewicz in den Theaterkritiken (vgl. insbesondere 4.d.) eine Affinität zum ‚absurden Theater‘ nachgesagt, wobei nicht selten eine auffallende Nähe zu Beckett konstatiert wird. Damit wurden ihre Dramen in der DDR gewissermaßen verdächtig und ihre Inszenierung unterlag einer besonders strengen Zensur. Dennoch sind Różewicz's Werke im Unterschied zu den anderen beiden genannten Dramatikern relativ oft im Osten zur Aufführung gelangt, im Westen Deutschlands ohnehin, da sich hier das Theater des Absurden ja etabliert hatte und z.B. Różewicz allenfalls eine gewisse Verspätung hätte angelastet werden können. Zugleich gehört Różewicz mit Lem und Gombrowicz zu den am meisten ins Deutsche übersetzten und aufgeführten polnischen Autoren. Insgesamt wurden zwölf Dramen von Różewicz in Deutsch7
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Nürnberg / Krakau 2007, S. 184–196, hier 193. Die Baden–Badener Inszenierung 1966 bezeichnet den Beginn von Kantors Anerkennung im Westen. (Zu dieser Inszenierung vgl. außer Schorlemmer 2007 auch TH 1966 Heft 4, S. 44) Die Inszenierung wurde in Baden–Baden, Bochum, Düsseldorf, Essen, Heidelberg und München gezeigt. Grodzicki, August: Regisseure des polnischen Theaters. Wa. 1979, S. 115. Der „Saarländische Rundfunk“ drehte mit dieser Inszenierung 1968 in Bled (Jugoslawien) einen Fernsehfilm unter dem Titel Säcke, Schrank und Schirm, Regie: Dietrich Mahlow, der offenbar erst 1972 aufgeführt wurde. Grodzicki 1979, S. 117 und Internet http://www.uni–leipzig.de/~theater/kantor.htm ; 23.12.2005. „Kantor spielte [...] nicht Witkiewicz, sondern mit Witkiewicz“. Grodzicki 1979, S. 119.
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land aufgeführt, die bis auf eine Ausnahme, Polnisches Begräbnis, alle in ost–westdeutschen Doppelübersetzungen vorliegen. Es gibt noch einen weiteren Unterschied zu dem in beiden Teilen Deutschlands aufgeführten Iredyński – die geringere zeitliche Phasenverschiebung zwischen West und Ost (maximal zehn Jahre) bei der Anverwandlung von Różewicz's Stücken für die deutsche Bühne. Infolgedessen kann man in der Tat von einer annähernd synchron verlaufenen Theaterrezeption dieses Dramatikers in der DDR und in der Bundesrepublik sprechen. Inszenierungen in Ost und West sind im einzelnen für folgende Stücke zu verzeichnen: Der unterbrochene Akt, Weiße Ehe, Die Laokoongruppe, Die Kartothek / Die Kartei, [Die] Falle, Die alte Frau brütet, Der komische Alte, Die Zeugen oder Unsere kleine Stabilisierung und Er ging aus dem Haus. In Bezug auf Auf allen vieren und Polnisches Begräbnis ließ sich jeweils nur die Erstaufführung ermitteln, die 1974 in Essen bzw. 1980 in Frankfurt/Oder stattfand. Am häufigsten wurden – in Ost und West – Die Zeugen oder Unsere kleine Stabilisierung und Weiße Ehe gespielt. Die Weiße Ehe löste bei ihrer westdeutschen Erstaufführung 1979 in Münster einen Theaterskandal aus mitsamt einschlägigen Zensurversuchen (vgl. 4.d). Ein Jahr zuvor war das Stück bereits in Rudolstadt inszeniert worden. Ab der Mitte der Siebziger Jahre scheint sich jedoch eine deutliche Abnahme der Präsenz von Różewicz's Stücken auf deutschen Bühnen abzuzeichnen. Einen möglichen Grund deutet der Rezensent der Frankfurter Rundschau (03.07.1997) an, der Różewicz fest „in der Gemeinde der Absurden“ verortet: „Weiße Ehe konnte da als Kritik am Stalinismus, aber auch am Sein überhaupt verstanden werden. [...] Insgesamt war das einmal ergreifend und wirkt heute etwas verstaubt.“ Diese Einschätzung erklärt in gewissem Sinne auch die ‚Rezipierbarkeit‘ von Różewicz in Ostdeutschland, denn offenbar war es möglich, seine Stücke, die häufig von ‚Nicht–zu–Ende–Sprechen‘ geprägt sind, nach Belieben ‚politisch‘ zu interpretieren, ohne dass eine solche Schlussfolgerung zwingend gewesen wäre. So war in der Sendung Atelier und Bühne des Berliner Rundfunks am 25.01.1981 zu hören: „Der polnische Dramatiker Tadeusz Różewicz setzt in grelles Licht, dass eine verlogene kleinbürgerliche Moral den Menschen verkrüppelt.“ Radio DDR I sendete am 19.02.1981 eine Rezension zur Weißen Ehe, die relativ verhalten einsetzt: „Die Theaterstücke des polnischen Dramatikers Tadeusz Różewicz erschließen sich in der Regel nicht ohne weiteres. Das liegt zum einen an ihrer starken Abstraktion, zum anderen aber auch an unterschiedlichen nationalen Theatertraditionen. [...] Die gesellschaftliche Position des Autors ist unverkennbar; es geht um das, was wir im weitesten Sinne des Wortes als die doppelte Moral des Bürgertums bezeichnen.“ Die „Doppelmoral des Bürgertums“ hat als eine Art Stereotyp der DDR–Kritik zu gelten, wodurch letzten Endes die Aufführung ganz unterschiedlicher Autoren zwar gerechtfertigt wird, sie aber dennoch über einen Kamm geschoren werden. So gerät Różewicz in eine Reihe mit Autoren wie Aleksander Fredro oder Gabriela Zapolska. Aus diesen hier nur skizzierten Gründen ist die vergleichende Auswertung von Dramentexten und Theaterkritiken in Bezug auf Tadeusz Różewicz von
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besonderem Interesse: Fast alle seine Stücke liegen in ost–westdeutschen Doppelübersetzungen vor und sind – im Gegensatz zu Iredyński und Witkiewicz – auch in beiden Teilen Deutschlands gespielt worden.9
b. Die inneren Grenzen des Zeitraumes 1945–1995 Offensichtlich lassen sich die referierten drei Phasen einer Aneignung polnischer Dramen in Deutschland nach 1945 mit Wendungen der Nachkriegspolitik in Einklang bringen. Prinzipiell hat das Theater eine Art Mittler–Funktion zwischen den literarischen Vorlagen und der jeweiligen Kommunikationssituation, die eben auch von politischen Merkmalen bestimmt ist, so dass sich das Theater in seinem Bestreben, die Texte an den Interessenshorizont der Zuschauer anzupassen, d.h. die Texte zu aktualisieren, ggf. von politischen Merkmalen leiten lässt.10 Das gilt selbst für mehr oder weniger pluralistisch verfasste Gesellschaften, wie die bundesdeutsche ab 1949, und in noch viel stärkerem Maße für Ordnungen mit einer totalitären Tendenz, wie eben in der DDR. Die DDR war insbesondere in ihrer ersten Phase bis zur Gewährung der (selbstverständlich nur vorgeblichen) „vollen Souveränität“ 1955 ziemlich offenkundig und sozusagen staatsrechtlich von den kulturpolitischen Interessen der sowjetischen Besatzungsmacht bestimmt. Die Bundesrepublik wurde ebenfalls erst 1955 im staatsrechtlichen Sinn souverän, obschon zu anderen Bedingungen. Dass es dennoch auch in der Bundesrepublik zu Zensurversuchen gekommen ist, wie im erwähnten Fall der Münsteraner Aufführung der Weißen Ehe, steht in einem anderen Zusammenhang, obwohl sich zeigen wird, dass das ungeklärte deutsch–polnische Verhältnis nach 1945 eine Rolle nicht nur atmosphärisch gespielt hat, sondern ganz offensichtlich auch zu zensurartigen Pressionen von Seiten der Vertriebenen–Verbände geführt hat. So ist also der Frage nachzugehen, inwieweit die dargelegten Fakten hinsichtlich des Verhältnisses von Übersetzungen und Aufführungen polnischer Dramen in den beiden Teilen Deutschlands mit den signifikanten politischen Wenden im Zusammenhang stehen, also der Gründung der beiden deutschen Staaten 1949, dem „polnischen Oktober“ 1956, der Einführung des Kriegsrechts in Polen 1981 und der deutschen Wiedervereinigung 1990. Auf diese Weise sollen zeitlicher Verlauf und auffällige Peripetien hinsichtlich der Rezeption des polnischen Dramas in 9
Zur Frage der Lizenzen vgl. Misterek, Susanne: Polnische Dramatik in Bühnen– und Buchverlagen der Bundesrepublik Deutschland und der DDR. Wiesbaden 2002, S. 132, passim. 10 Vgl. Steltner, Ulrich: Das polnische Drama als Politikum in Deutschland. In: Hansen– Kokoruš, R. et alii (Hgg.), Mundus narratus. Frankfurt a.M. et alii 2004, S. 375–385.
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Deutschland nach dem Zweiten Weltkrieg dargestellt werden. Auf diese Peripetien wird in der Forschung verschiedentlich hingewiesen, so dass die entsprechenden Aussagen in der vorliegenden Untersuchung anhand des erschlossenen Materials (zu dem insbesondere Aufführungsstatistiken und die Auswertung von Spielplanverzeichnissen, etwa aus dem Deutschen Bühnenjahrbuch, gehören) lediglich überprüft werden müssen. Generell wird die Rezeption des polnischen Dramas in Deutschland nach dem Zweiten Weltkrieg anhand eines Drei–Phasen–Modells beschrieben: – Die erste Phase (1945/49–1956/57) wird von dem synchronen Verlauf in der Kulturpolitik zwischen der DDR und Polen gekennzeichnet. Sie steht sozusagen im Zeichen des Sozialistischen Realismus nach sowjetischem Vorbild. Dabei habe in der DDR eine Art „Lernhaltung“ vorgeherrscht.11 In der Bundesrepublik sind zu dieser Zeit polnische Dramen so gut wie nicht rezipiert worden; bestenfalls könne man von einer „Anlaufphase“ sprechen. 12 Doris Lemmermeier und Brigitte Schultze heben in ihrer Darstellung dieses Rezeptionsmodells hervor, dass vor allem die übersetzerische Rezeption der polnischen Dramatik in der Bundesrepublik erst um 1960, also zehn Jahre später als in der DDR, eingesetzt habe. Daher weisen sie den von Heinz Kneip geprägten Begriff der „Anlaufphase“ zurück.13 – Die zweite Rezeptionsphase beginnt 1956 mit dem „polnischen Oktober“ und endet 1970 mit der Unterzeichnung des „deutsch–polnischen Vertrags“. 14 Für diesen Zeitraum sind es die ideologischen Divergenzen zwischen der DDR und Polen, auf Grund derer die Rezeption des polnischen Dramas in der DDR fast zum Erliegen kommt. So ist offenbar zwischen 1957 und 1960 keine einzige Übersetzung eines polnischen Dramas zu verzeichnen. Rezeptionshemmend wirkte nach der Abschottung der DDR durch „die Maßnahmen der Regierung der Deutschen Demokratischen Republik zum Schutz aller ihrer Grenzen“15 1961
11 Vgl. Scholze, Dietrich: Herausforderung durch ‚Exotik‘. Polnische Dramatik in der DDR. In: Kneip, Heinz und Orłowski, Hubert (Hgg.), Die Rezeption der polnischen Literatur im deutschsprachigen Raum und die der deutschsprachigen in Polen 1945–1985. Darmstadt 1988, S. 101–124, hier S. 102. 12 Kneip, Heinz: „Bollwerke gegen die Barbarei der Geschichte...“. Polnische Literatur in der Bundesrepublik. In: Kneip, Heinz / Orłowski, Hubert (Hgg.), Die Rezeption der polnischen Literatur im deutschsprachigen Raum und die der deutschsprachigen in Polen 1945–1985. Darmstadt 1988, S. 14–41, hier S. 19. 13 Vgl. Lemmermeier, Doris und Schultze, Brigitte: Polnisch–deutsche Dramenübersetzung 1830–1988. Grundzüge und Bibliographie (Teil I). Mainz 1990, S. 19. 14 Vgl. Bauer, Sibylle: ‚Gespenster und Propheten.‘ Das moderne polnische Drama auf den Bühnen der Bundesrepublik, Österreichs und der deutschsprachigen Schweiz. In: Kneip / Orłowski, S. 125–138, hier S. 126. 15 Vgl. Mittenzwei, Werner (Hg.): Theater in der Zeitenwende. Band 2. Berlin(–Ost) 1972, Kap. 1: Der Aufbau des sozialistischen Nationaltheaters in der DDR, S. 11–38, hier S. 11.
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auch die ideologische Vorgabe, eine eigene DDR–Nationalliteratur zu schaffen.16 In der Bundesrepublik ist mit der „polnischen Welle“ der Sechziger Jahre die entgegengesetzte Tendenz zu beobachten. Allerdings spiegelt sich in den Kritiken der DDR–Theaterzeitschrift Theater der Zeit eine kurze Zwischenphase zwischen 1954 und 1956, sozusagen das Tauwetter vor dem „Polnischen Oktober“ 1956, in der sich die Kritik und vor allem die Theater Freiräume schufen. Hieß es im Juliheft 1953 über die Meininger Aufführung von Anna Świrszczyńskas Streikstück à la Gor'kij Aufruf an der Mauer noch, es sei „eine der im Augenblick interessantesten Theateraufführungen“17 in der DDR, galt die Inszenierung ein gutes Jahr später als „abgespielt“, und die „Leistungsschau“ der DDR–Theater, die 1954 in Ost– Berlin unter dem Titel „Theaterernte“ veranstaltet worden war, wurde nun zu einer „Schau ohne Ernte“, die das Publikum weitgehend boykottiert hatte.18 Bevor Theater der Zeit bis 1964 zu polnischen Stücken schweigt, wird die nun anlaufende Welle polnischer Lustspiele durchweg mit dem Urteil „zuviel Klamauk“ belegt: „So schwer ist es, nach der Zeit der Entwöhnung einen handfesten Schwank wirkungssicher und werkreif und damit eben schwankgerecht auf die Bretter zu stellen.“19 – Die dritte Rezeptionsphase des polnischen Dramas in Deutschland Ost und West wird zwischen 1970 und 1989 angesiedelt; sie endet mit der deutschen Wiedervereinigung. Merkwürdig ist, dass nach diesem Drei–Phasen–Modell die Einführung des Kriegsrechts in Polen 1981 keinen Einschnitt darstellt. In Bezug auf die Bundesrepublik wird für die Periode 1970–1989 eine Stabilisierung auf niedrigerem Niveau konstatiert, während es in der DDR seit den „Tagen der Theaterkunst“ im Jahre 1975 zu einem Aufholprozess kam.20 Für die Zeit ab 1990 schließlich wird von einer doppelten Anzahl an Inszenierungen polnischer Dramen (als vorher in Bundesrepublik und DDR zusammen) ausgegangen, wobei sich die Unterschiede zwischen West und Ost zu nivellieren scheinen. Dieses Drei–Phasen–Modell soll im Folgenden eingehender geprüft und ggf. modifiziert werden. Im Hinblick auf die erste Rezeptionsphase polnischer Dramen in Deutschland (1945/49–1956/57) fällt im Jahr 1949 der besondere Erfolg von Kruczkowskis Die Sonnenbrucks (1949), später auch: Die Sonnenbruchs (1974), in der DDR (und nur 16 Vgl. Scholze, Dietrich: Zwischen Vergnügen und Schock. Polnische Dramatik des 20. Jahrhunderts. Berlin(–Ost) 1989, S. 102f. 17 Sander, H.D.: Aufruf an der Mauer. In: TdZ 53 Heft 7, S. 52. 18 Vgl. TdZ 54 Heft 11, S. 43 unter der Rubrik „Schau ohne Ernte“. 19 Kaltofen, G. Der Geburtstag des Direktors [von Skowroński / Słotwiński] (Görlitz 1955) In: TdZ 55 Heft 6, S. 42–44. (Hervorhebung von C.F./U.S. ) 20 Vgl. Lemmermeier / Schultze, S. 28; außerdem Bayerdörfer, Hans Peter: Prinzen, Prinzessinnen, Mannequins – Polnisches Theater in der Bundesrepublik Deutschland seit Beginn der siebziger Jahre. In: Bayerdörfer, Hans–Peter (Hg.), Polnisch–deutsche Theaterbeziehungen seit dem Zweiten Weltkrieg. Tübingen 1998, S. 13–45, hier S. 20.
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dort) auf. Dieses Stück, das die Problematik deutschen Verhaltens während des 2. Weltkriegs am Beispiel der Familie eines deutschen Professors beschreibt, wurde zweifellos als Möglichkeit zur Auseinandersetzung mit der jüngsten deutschen Geschichte verstanden, als Vergangenheitsbewältigung, aber auch als Angebot zur Verständigung von polnischer Seite. Das 1949 in den Kammerspielen des Deutschen Theaters Berlin(–Ost) uraufgeführte Drama wurde in den folgenden Jahren an vielen weiteren Bühnen der DDR inszeniert. Im Westen wurde Kruczkowskis berühmtestes Drama nur indirekt rezipiert, indem die Uraufführung im Oktober 1949 durch das „Deutsche Theater“ in Berlin(–Ost) gelegentlich Widerhall in der westdeutschen bzw. West–Berliner Presse fand. Es war ein merkwürdiges Spektakel, mit dem die deutsch–polnischen Theaterbeziehungen nach dem 2. Weltkrieg eröffnet wurden, und die Inszenierungen bzw. die Berichte darüber müssen zwischen ehrlichem Bemühen und reinem Agitprop angesiedelt werden (vgl. unten Kapitel 4.a.). Für den Zeitraum von 1952 bis 1956 fallen in der DDR vor allem die zahlreichen Inszenierungen der Stücke von Gabriela Zapolska (1857–1921) auf, wobei besonders häufig das 1907 entstandene Die Moral der Frau Dulski gespielt wurde. Das Stück bedient im Kontext der Jahrhundertwende einen antibürgerlichen Affekt, der in der DDR offensichtlich umgedeutet wurde. Das 1952 an den Kammerspielen des Deutschen Theaters in Berlin (Ost) erstaufgeführte Drama wurde noch im gleichen Jahr auch in Leipzig und Magdeburg inszeniert, 1953 folgten Theater, wie Altenburg, Eisenach, Meiningen, Neustrelitz, Rostock und Wittenberg. Immerhin wurde das Stück auch in der Bundesrepublik aufgeführt, wenn auch erst 1964, und zwar in Baden–Baden, Bonn, Hannover und Würzburg. Daneben lassen sich für die DDR sporadische Inszenierungen weniger bekannter polnischer Gegenwartsdramatiker verzeichnen,21 die sich je spezifisch in die oben genannte synchrone Entwicklung zwischen Polen und der DDR unter der Vorherrschaft der sowjetischen Kulturpolitik einfügten. In der Bundesrepublik wurde während dieser „Anlaufphase“ offenbar nur ein einziger polnischer Dramatiker gespielt: Roman Niewiarowicz. Seine 1934 entstandene Komödie I love you! / Ich liebe dich! erlebte zwischen 1954 und 1957 Inszenierungen in Freiburg, Hamburg, Würzburg und Karlsruhe. Seine polnische Herkunft blieb sozusagen unbemerkt, sonst wäre es vor 1956 wohl auch nicht aufgeführt worden. Insofern stellt das Stück ein Kuriosum dar. Es handelt sich um eine Übernahme aus der Vorkriegszeit. Das Stück wurde vermutlich 1936 in Freiburg i.Br. erstaufgeführt.22 21 Wie etwa Krzysztof Gruszczyński [Der] Zug nach Marseille; Jerzy Lutowski, Nachtdienst; Jerzy Pomianowski (zusammen mit Małgorzata Wolin), Die Pharisäer und der Sünder; ders., Abiturienten; Zdzisław Skowroński (zusammen mit Józef Słotwiński), Der Geburtstag des Direktors; Anna Świrszczyńska, Aufruf an der Mauer und Adam Tarn, Ortega sowie Ein gewöhnlicher Fall. 22 Vgl. Autorenverzeichnis Schauspiel 1918 bis 1944. Regensburger Stadttheater. [URL
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Für die zweite Rezeptionsphase polnischer Dramen in Deutschland Ost und West gilt, dass zwar trotz der ideologischen Divergenzen zwischen der DDR und Polen weiterhin Stücke polnischer Autoren an ostdeutschen Theatern gespielt wurden, aber in weitaus geringerem Maße und in offensichtlich anderer Auswahl. So wurden Kruczkowskis Sonnenbrucks 1959 in Parchim und 1961 in Frankfurt/Oder wiederaufgenommen. Das war angesichts der ideologischen Probleme ungefährlich. Erst nach längerer Unterbrechung folgten gegen Ende der Sechziger Jahre andere Stücke, beispielsweise 1968 in sorbischer Sprache Glück auf Zuweisung von Bronisław Broński in Lohsa und 1969 Das Opfer zeigt den Mörder von Zofia Bystrycka in Bautzen. Bereits 1966 war Kukula von Marek Domański in Potsdam erstmalig aufgeführt worden; 1968 folgte in Döbeln die deutsche Erstaufführung seines Dramas Katharina in der Klemme. Dieses Stück erlangte im Osten eine vergleichsweise große Popularität. Nach der Greifswalder Inszenierung noch im selben Jahr setzten es 1969 auch die Theater in Nordhausen, Prenzlau, Quedlinburg, Schwerin und Stendal auf ihren Spielplan. 1967 wurde Das grüne Metall in Frankfurt/Oder und 1968 in Staßfurt inszeniert. Ebenfalls 1968 wurde im Rahmen eines Gastspiels des Nationaltheaters Warschau das 1545 geschriebene Schuldrama Das Leben Josephs des großen Renaissance–Autors Mikołaj Rej gespielt. Im gleichen Jahr wurde in Potsdam das 1961 verfasste Drama Skandal in Hellberg von Jerzy Broszkiewicz inszeniert. Rej und Broszkiewicz sind Ausnahmen, die wiederum ganz gegensätzlich zu bewerten sind: Der Renaissance–Klassiker Rej als markante Größe des polnischen Literaturkanons, wenn auch in Deutschland nahezu unbekannt, gegen das Tendenz–Stück von Broszkiewicz, dessen deutsche Aktualität sich in der parteilichen Beschäftigung mit der Bundesrepublik erschöpfte. Alle anderen Autoren bedienen mehr oder weniger den Rückzug ins Private, der eigentlich ja als „bürgerlich“ verpönt war, der aber ganz im Sinne dieser ideologischen Sicht vom Eigentlichen, dem polnischen Weg aus dem sozialistischen Lager heraus, ablenken konnte und dennoch die geforderte Aufmerksamkeit gegenüber einem „Brudervolk“ bediente. Gewiss waren entsprechende ostdeutsche Stücke auch Mangelware. Aus alledem geht hervor, dass sich nur wenige Berührungspunkte mit den im gleichen Zeitraum in Westdeutschland aufgeführten polnischen Dramen ergeben. Nur zwei polnische Autoren – Broszkiewicz und Kruczkowski – werden in dieser Periode sowohl in der DDR als auch in der Bundesrepublik gespielt. Symptomatisch ist allerdings, dass sie auf den östlichen und westlichen Spielplänen jeweils mit unterschiedlichen Stücken vertreten sind: Im Fall von Broszkiewicz gingen dem Skandal in Hellberg in Potsdam 1968 drei westdeutsche Inszenierungen, alle aus dem Jahr 1965, voraus: Die Namen der Macht in Bochum und Saarbrücken, Das Ende des sechsten Buches in Düsseldorf und Lullek. Der Narr und die anderen in Celle http://www.rotherproduction.de/downloads/magisterautorenverzeichnisschauspiel.pdf ; 29.10.2009]
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und Reutlingen. Das Datum der jeweiligen westdeutschen Erstaufführung dieser drei Dramen konnte nicht ermittelt werden. Es gibt sozusagen zwei Autoren Broszkiewicz; denn im Westen wurden die Stücke gespielt, die der sog. „Abrechnungsliteratur“ zugezählt werden, in der DDR dagegen ein „antifaschistisches“ Zeitstück.23 Ähnlich verhält es sich mit Kruczkowski. Während in der DDR sein Drama Die Sonnenbrucks um 1960 noch vereinzelt auf den Spielplan gesetzt wird, entdeckt man ihn nun auch im Westen Deutschlands, wenn auch über den Umweg des Pariser Theaterfestivals 1960 und mit dem Drama Der erste Tag der Freiheit. Das Drama behandelt wie Die Sonnenbrucks die Thematik von Polen und Deutschen im Zusammmenhang mit dem Zweiten Weltkrieg. Der erste Tag der Freiheit wurde 1960 in Lüneburg erstmalig in Deutschland aufgeführt und im darauffolgenden Jahr auch in Oldenburg inszeniert. Die DDR–Erstaufführung fand erst 1974 in Frankfurt/Oder statt, ein weiteres Indiz für die Spiegelbildlichkeit der Rezeption. (Vgl. Kapitel 4.a) In der Bundesrepublik ist für diese zweite Rezeptionsphase ein breites Spektrum an aufgeführten polnischen Autoren kennzeichnend. Hierbei fallen ab 1964 besonders die zahlreichen Inszenierungen von Gombrowicz's Drama Yvonne, die Prinzessin von Burgund (später korrigiert zu Yvonne, die Burgunderprinzessin) auf, das nach der Erstaufführung in Dortmund auch in West–Berlin, München und Wuppertal aufgeführt wurde. Ab 1959 wird Mrożek in der Bundesrepublik entdeckt, und zwar im Gegensatz zu Gombrowicz mit einer ganzen Reihe von Dramen. Mrożek wird für ein Jahrzehnt der unumstrittene ‚polnische Stern‘ am deutschen Theaterhimmel: Auf die deutsche Erstaufführung von Die Polizei 1959 in Frankfurt am Main folgte 1962 die Inszenierung von Karol, 1966 jene von Eine wundersame Nacht und Zabawa, alle in West–Berlin. 1965 wurden Racket–baby in Darmstadt und Der Hirsch in West–Berlin gespielt. 1966 wurde Tango in Düsseldorf inszeniert. 1967 folgte die deutsche Erstaufführung von Auf hoher See in Nürnberg, 1968 jene von Testarium in Düsseldorf und von Nochmal von vorn in Düsseldorf. Ferner fallen in die zweite Rezeptionsphase polnischer Dramen in Westdeutschland auch die Inszenierungen der Dramen von Ireneusz Iredyński; so wurde das den Nationalsozialismus thematisierende Mysterienspiel Krippenspiel modern 1963 im West–Berliner Forum–Theater gespielt; 1968 schloss sich die deutsche Erstaufführung von Iredyńskis bekanntestem Stück Leb wohl, Judas in Baden–Baden an. In der DDR werden beide Dramen erst rund zwanzig Jahre später aufgeführt. Ebenfalls Anfang der 60er Jahre fanden in Westdeutschland die Erstaufführungen mehrerer Stücke von Tadeusz Różewicz statt. Als Beispiele sind hier die Inszenierungen von Die Kartothek 1961 in Essen, Die Laokoongruppe und Die Zeugen oder Unsere kleine Stabilisierung – beide 1963 im West–Berliner Schillertheater – so23 Vgl. Misterek, Susanne: Polnische Dramatik in den Bühnen– und Buchverlagen der Bundesrepublik Deutschland und der DDR. Wiesbaden 2002, S. 310.
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wie schließlich Der unterbrochene Akt 1965 in Ulm zu nennen. Während Różewicz später – in der dritten Rezeptionsphase, wovon noch zu reden sein wird – auch in der DDR intensiv rezipiert wird, bleiben die Inszenierungen der Dramen von Stanisław Ignacy Witkiewicz auf den Westen Deutschlands beschränkt. Zwischen 1956 und 1970 wurden dort ebenfalls mehrere seiner Stücke erstaufgeführt, wobei die theatrale Rezeption 1966 mit den Inszenierungen von Im kleinen Landhaus in Baden–Baden und von Die Mutter in Saarbrücken einzusetzen scheint. 1967 wurde Das Wasserhuhn in Köln auf den Spielplan gesetzt, 1970 folgte eine Inszenierung von Die da! /Jene in Konstanz. Ebenfalls 1970 führte das Münchner Off–Off– Theater das Drama Der Narr und die Nonne oder Nichts Schlechtes, das nicht noch schlechter sein könnte auf. Daneben begannen die westdeutschen Theater zu dieser Zeit auch unbekanntere polnische Dramatiker zu entdecken, etwa Choiński Nächtliche Erzählung (Schleswig 1965) und Drozdowski Der Käfig oder Das Familienspiel (Kiel 1964). 1966 wurde Zbigniew Herberts „Hörspiel“24 Das andere Zimmer in einer Bühnenfassung in Aachen inszeniert, ein Jahr später folgte Jarosław Abramows Die Versteigerung in West–Berlin. Im gleichen Jahr wurde Jerzy Andrzejewskis Roman Finsternis bedeckt die Erde in einer szenischen Adaption von Kazimierz Dejmek in Essen aufgeführt. Aufgrund dieser Beobachtungen lässt sich in der zweiten Rezeptionsphase (1956–1970) polnischer Dramen in Deutschland im Einklang mit der Forschungsliteratur von einem intensiven Aufholprozess im Westen sprechen, der so genannten „Polnische Welle“ der sechziger Jahre. In der DDR werden in diesem Zeitraum – wohl wegen der erwähnten ideologischen Divergenzen mit Polen – nur fünf polnische Dramatiker aufgeführt, dazu kommen drei weitere in sorbischer Übersetzung. Die Aufführungspraxis dieser Periode ist in Westdeutschland von der Vielzahl rezipierter polnischer Dramatiker geprägt, wobei auch unbekanntere Namen einbezogen werden. Vor allem aber wurde nun der Grundstein für die verstärkte Rezeption von Gombrowicz und Mrożek sowie etwas weniger Różewicz und Witkiewicz in der dritten Rezeptionsphase gelegt, die angeblich ja von 1970 bis 1989 dauert. Das Jahr 1981 wird hier nicht berücksichtigt. Es verdient eine besondere Beachtung; denn eigentlich änderte sich mit dem Kriegsrecht in Polen ja etwas Wesentliches. Genau genommen wäre zu erwarten, dass sich die DDR–Theater seit 1977 allmählich gegen Polen bzw. polnische Gegenwartsdramatik abgrenzen. Seit 1977 nahmen die polnischen innenpolitischen Querelen wieder zu, und es entsteht prinzipiell eine Situation wie bei der polnischen Entstalinisierung Mitte der 50er Jahre. Zunächst einmal bringen die „Tage der Theaterkunst“ 1975 auch in der DDR wieder polnische Dramen auf die Bühne, wenn auch nunmehr deutlich als Impuls des Theaters und nicht seiner literarischen Grundlage, des Dramas. Wenn man noch einmal die Statistik bemühen will, stehen den rund zwanzig in der Bundesre24 Im Original „Spiel für Stimmen“.
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publik aufgeführten polnischen Dramatikern etwa dreißig in der DDR gegenüber. Nur sechs Autoren wurden in dieser Periode sowohl im Osten als auch im Westen gespielt, allerdings handelt es sich hierbei meist um Inszenierungen unterschiedlicher Stücke: So wurde etwa Das letzte Stockwerk von Jerzy Przeździecki 1974 in Görlitz–Zittau in der DDR erstaufgeführt, während 1976 in Saarbrücken Przeździeckis Der Verrückte auf dem Spielplan stand. (Ob es sich um die westdeutsche Erstaufführung dieses Dramas handelt, ließ sich nicht ermitteln.) Eine gewisse Ausnahme stellt – wie bereits ausgeführt – das Dokumentarspiel Gespräche mit dem Henker dar, das 1979 sowohl in Magdeburg als auch in Düsseldorf aufgeführt wurde. In die zweite Hälfte der Siebziger Jahre fällt die Entdeckung Sławomir Mrożeks in der DDR. Sein Drama Emigranten wurde 1978 in Weimar und 1982 in Schwerin aufgeführt. (Die westdeutsche Erstaufführung hatte bereits 1975 in West–Berlin stattgefunden.) 1977 war in Schwerin Der Kynologe am Scheideweg erstmalig in der DDR inszeniert worden. Im Westen war dieses Stück dagegen schon 1969 in Lübeck aufgeführt worden. Gleichzeitig lassen sich etliche westdeutsche Erstaufführungen konstatieren, so z.B. Das Haus auf der Grenze 1975 in Konstanz, Buckel 1977 in West–Berlin, Der Schlachthof 1981 in Essen und Der Botschafter 1982 in West–Berlin. Dennoch zeigt sich hier die Bedeutung der „Tage der Theaterkunst“ 1975 in der DDR ganz deutlich: in diesem Jahr fand die ostdeutsche Erstaufführung der Mrożek–Dramen Karol in Magdeburg, Auf hoher See und Strip–tease – beide in Brandenburg – sowie von Tango in Rostock statt. Vergleichbares lässt sich auch in Bezug auf zwei Dramen von Tadeusz Różewicz beobachten: 1975 wurden Der unterbrochene Akt in Leipzig und Die Laokoongruppe in Rostock erstmalig in der DDR aufgeführt. Die westdeutschen Erstaufführungen hatten jeweils bereits rund ein Jahrzehnt früher stattgefunden. Andere Stücke von Różewicz jedoch wurden nahezu zeitgleich im Osten wie im Westen inszeniert, so etwa Weiße Ehe 1978 in Rudolstadt und 1979 in Münster bzw. Der komische Alte ebenfalls 1978 in Rudolstadt und 1980 in Fürth. Er ging aus dem Hause wurde 1978 in Münster erstmals im Westen inszeniert, die ostdeutsche Erstaufführung folgte zwei Jahre später in Leipzig. Ende der Siebziger Jahre fanden außerdem die beiden deutschen Erstaufführungen von Zofia Nałkowskas Drama Landhaus mit Damen / Haus der Frauen statt: 1978 in Göttingen und 1979 in Rostock.25 25 Die ostdeutsche Übersetzung durch Viktor Mika lag immerhin seit 1973 vor, die westdeutsche wurde erst 1977 durch Christa Vogel angefertigt. Dennoch liegt die westdeutsche Erstaufführung vor der ostdeutschen. Am 8.3.78 sendete der „Saarländische Rundfunk“ innerhalb der ARD eine Verfilmung durch ein polnisches Fernsehteam (Regie: Krzysztof Zanussi). Vgl. das elektronische Archiv der Wochenschrift „Die Zeit“ 1978 Nr. 10. (erreichbar über URL http://www.zeit.de). Alle diese Daten scheinen auf eine innere Verbindung hinzuweisen, die sich allerdings nicht klären lässt.
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1981 setzte das Leipziger Studententheater gleich zwei Dramen von Ireneusz Iredyński – Die reine Liebe und Maria – auf den Spielplan, 1985 wurde in Göttingen Terroristen erstmals in Deutschland aufgeführt. Auch bei den Inszenierungen von Dramen unbekannterer polnischer Autoren standen in der DDR wiederum die „Tage der Theaterkunst“ 1975 Pate; so gelangten in deren Folge die Adaption von Jerzy Andrzejewskis Roman Asche und Diamant in Dresden sowie Stücke von Ernest Bryll und Katarzyna Gaertner in Rostock, Bohdan Drozdowski in Greifswald, Janusz Głowacki in Plauen, Tadeusz Peiper in Magdeburg, Edward Redliński sowie von Jerzy Stefan Stawiński in Frankfurt/Oder zur Aufführung. Diese Stücke bargen allesamt ein subversives Moment, das mehr oder weniger verdeckt zur Anschauung kam bzw. von der Kritik besprochen wurde. Darauf wird noch Bezug zu nehmen sein. Die Einführung des Kriegsrechts in Polen hat eine spürbare, wenn auch phasenverschobene Abnahme von Inszenierungen polnischer Dramen in beiden Teilen Deutschlands zur Folge. Erst Mitte der Achtziger Jahre stabilisieren sich die Verhältnisse wieder. Die westdeutschen Inszenierungen im Jahr 1981 sind noch recht zahlreich: Yvonne, die Burgunderprinzessin von Witold Gombrowicz in Stuttgart, Raskolnikoff, eine Adaption von Dostoevskijs Roman Schuld und Sühne / Verbrechen und Strafe in Göttingen durch den polnischen Regisseur Adam Hanuszkiewicz, Die Kleider von Helmut Kajzar in Osnabrück, Gespräche mit dem Henker von Kazimierz Moczarski in Nürnberg und Dortmund, Eine wundersame Nacht, Emigranten, Auf hoher See, Der Schlachthof und Tango – alle von Sławomir Mrożek – in Bremerhaven, Dortmund, Essen und Mainz sowie schließlich Dummheit im Quadrat von Gabriela Zapolska in Neuss. In der DDR gab man 1981 die folgenden polnischen Dramen: Freuds Traumtheorie von Antoni Cwojdziński in Magdeburg, Gespräche mit dem Henker von Kazimierz Moczarski in Leipzig, Die reine Liebe und Maria von Ireneusz Iredyński im Leipziger Studententheater sowie Weiße Ehe von Tadeusz Różewicz in Ost–Berlin. Wenn man die Größenverhältnisse bzw. die Zahl der Theater berücksichtigt, die polnische Dramen aufgeführt haben – im Westen rund 70, im Osten rund 6026 –, ergibt sich eine gewisse Homogenität, die Spielpläne selbst aber sind höchst unterschiedlich, obwohl die Unterschiede im statistischen Sinn als unerheblich anzusehen wären. Signifikant ist allein die Vorherrschaft Mrożeks auf der westdeutschen Bühne. Im Hintergrund sind sowohl Einwirkungen des polnischen Theaters resp. seiner Regisseure zu vermuten, die in gewisser Weise ausgleichen, als auch die Bedingungen des jeweiligen Theaterbetriebes West oder Ost, die natürlich trennen. 26 Die Zahlen beruhen auf der Zahl der Theaterstädte, weil sich oft nicht klären ließ, in welchem Theater der jeweiligen Stadt das in Frage stehende Stück aufgeführt wurde. Zudem gab es in Westdeutschland ja auch viele Privat–Theater. Daher ist die Zahl der wirklich beteiligten Theater grundsätzlich höher.
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Das Kriegsrecht bewirkt einen grundsätzlichen Wandel. Im Westen spielt man plötzlich die ‚Polit–Tragödien‘ der polnischen Romantik, die sich anti–russisch deuten lassen, sicher wiederum ein Hinweis auf die Fernwirkung des polnischen Theaters: 1982 also Zygmunt Krasińskis Die ungöttliche Komödie (1834!) sowie ein Fragment der berühmten Totenfeier (1831) von Adam Mickiewicz, um dessen Aufführung durch Karol Dejmek es schon 1968 in Warschau einen Skandal gegeben hatte.27 Das Stück war seinerzeit angeblich auf Betreiben der sowjetischen Botschaft vom Spielplan genommen worden. Beide Stücke wurden übrigens im Schauspiel Essen gegeben, das dank der Aktivitäten seiner Dramaturgin Ilka Boll zu einem Zentrum von Aufführungen polnischer Autoren geworden war. Auch Mrożeks Polit–Satiren passen nun besonders gut. Jedenfalls behauptet er seine Sonderstellung: Der Botschafter 1982/83 im Berliner Schlosspark– Theater sowie in Hannover, Strip–tease, Die Polizei und Tango in Aachen, Bremerhaven, Celle, Konstanz und Mainz. Ansonsten greift man auf den ‚Surrealisten‘ Witkacy (Stanisław Ignacy Witkiewicz) aus den 30er Jahren zurück: Gyubal Wahazar oder auf den Passhöhen des Unsinns in Essen – hier geht es immerhin um einen Diktator! –, und Der Narr und die Nonne oder Nichts Schlechtes, das nicht noch schlechter sein könnte in West– Berlin. Auch das erwähnte Jahrhundertwende–Stück Die Moral der Frau Dulski von Gabriela Zapolska hat in Neuss und Göttingen wieder eine Chance. In der DDR gibt es 1982 anscheinend nur eine einzige Aufführung, und zwar ausgerechnet von Mrożeks Emigranten in Schwerin. Aber das Stück lässt sich wohl ideologisch (um)deuten, ein typischer Fall für die Wirkung des Theaters. Dass das Thema eine spezifische Aktualität hatte, darf angesichts der beginnenden Ausreisewelle aus der DDR vermutet werden.28 Ab 1985 beginnt im politischen Sinne ja das Finale der Nachkriegszeit. Es ist von einer allmählichen Intensivierung der Rezeption polnischer Dramen in beiden Teilen Deutschlands begleitet, ohne dass sich wohl sagen ließe, die gezeigten 27 „In den 60er Jahren beschäftigte sich Dejmek mit dem romantischen Repertoire. Er inszenierte Słowacki's Kordian (1965) sowie die Totenfeier von Adam Mickiewicz (1967). »Die Mickiewicz–treue Inszenierung der Totenfeier folgte genau dessen soziologischen und metaphysischen Ideen, interpretierte sie aber in einer ganz persönlichen Weise.« (Z. Raszewski, „Dejmek“, „Pamiętnik Teatralny“ 1981, Heft 3–4) Das Drama wurde von den Machthabern übel aufgenommen und am 30. Januar 1968 nach 14 Vorstellungen vom Spielplan gestrichen. Man warf ihm ‚antirussische‘ und ‚antisowjetische‘ Tendenzen sowie ‚Frömmelei‘ vor. Nach den letzten Vorstellungen war es zu Demonstrationen gekommen. »Unser Anliegen«, sagte [...] eine Teilnehmerin der Ereignisse, »war nichts Besonderes, sondern die ganz einfache Reaktion junger Leute, die sich unter dem starken Druck eines geschichtlichen Augenblicks befanden, gegen die damals schon übliche Einmischung der Zensur in das Theaterleben. („O ‚Dziadach‘ Dejmka“, „Teatr“ 1999, nr 5)“ [URL: http://www.culture.pl/pl/culture/artykuly/os_dejmek_kazimierz ; 12.12.2005] Dejmek wurde aus der Partei ausgeschlossen und verlor den Posten des Direktors des Warschauer Nationaltheaters. (Übersetzungen hier von U.S. ) 28 Martin Linzer schrieb anlässlich einer Inszenierung der Emigranten in Weimar 1978 von einem „auch für uns nicht unaktuellen Stück“. In: TdZ 1978 Heft 4, S. 1.
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Stücke seien mit diesem Prozess kausal verknüpft. Im Nachhinein wird nur eine gewisse Lockerung deutlich, wie sie etwa mit der Inszenierung des vorher in der DDR höchst umstrittenen Stückes um Franz Kafka Die Falle von Tadeusz Różewicz in Ost–Berlin belegt werden kann. Ansonsten gab es die schon bewährten Gespräche mit dem Henker von Kazimierz Moczarski in Dessau, und eben wieder Mrożek: Karol und Auf hoher See in Stendal. In der Bundesrepublik gelangten 1985 Aschenkinder von Janusz Głowacki in Frankfurt am Main, Terroristen von Ireneusz Iredyński in Göttingen zur Aufführung. Des Weiteren wird die starke Wirkung des polnischen Regietheaters sozusagen offengelegt, und zwar mit den Regie–Adaptionen Niech sczezną artyści (Die Künstler sollen krepieren) von Tadeusz Kantor in Nürnberg und Dante von Józef Szajna in Essen. Für die in der Forschung bisher kaum beachtete deutliche Zäsur, welche die Einführung des Kriegsrechts in Polen 1981 der Dramenrezeption setzt, könnte das in Westdeutschland am häufigsten gespielte polnische Drama – Yvonne, die Burgunderprinzessin von Witold Gombrowicz – ein Indiz sein. 1981 wurde dieses Stück vorläufig zum letzten Mal in Stuttgart aufgeführt, obwohl der Emigrant Gombrowicz als Klassiker der Moderne galt, der zudem in Polen selbst sowohl bei der Masse des (Lese–)Publikums als auch bei den behördlichen Hütern der polnischen Kultur auf Schwierigkeiten gestoßen war. Es handelt sich bei seiner Yvonne um das für Gombrowicz typische groteske Spiel um die zerstörerische Macht der Konvention. Möglich ist, dass sich Anfang der Achtziger Jahre kein Ansatz für eine sinnfällige ‚theatrale‘ Konkretisation finden ließ. Jedenfalls gab es erst 1990, im Jahr der deutschen Einigung, wieder Inszenierungen in München, Reutlingen, Tübingen und Ulm. (Zu Gombrowicz in Westdeutschland vgl. Kapitel 5) Abschließend soll nun noch ein Blick auf die Situation nach der deutschen Wiedervereinigung geworfen werden. Sie kann als Nivellierung der Unterschiede zwischen Ost und West beschrieben werden, während zugleich die Zahl der Inszenierungen polnischer Dramen in Gesamtdeutschland wesentlich höher ist als vorher in der DDR und der Bundesrepublik zusammengenommen. Dazu gehören auch etliche deutsche Erstaufführungen, z.B. 1990 Séance von Ireneusz Iredyński in Magdeburg und Die polnische Apokalypse von Tadeusz Konwicki in Göttingen, 1992 das Stück für Kinder Katja und der Baum29 von Andrzej Maleszka in Berlin, 29 Katja und der Baum (Ballada o Kasi i drzewie), aus dem Polnischen von Maria Förster und H. Grunddek. Vgl. die Anzeige des Henschel–Theaterverlags: „Katjas Liebe zu dem jungen Henryk wird auf eine harte Bewährungsprobe gestellt: Wegen seiner Unachtsamkeit der Natur gegenüber ist Henryk in einen Baum verwandelt worden. Mit rührender Fürsorglichkeit kümmert sich das Mädchen um das Bäumchen und verteidigt es gegen alle möglichen Gefahren. Unter Einsatz ihres eigenen Lebens gelingt es Katja, den Zauber von Henryk zu nehmen. In einer von Zerstörung bedrohten Umwelt siegen Vernunft und Liebe. Ein Märchen für Kinder ab Vorschulalter.“ (Auffindbar über URL
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1994 Der futurologische Kongress von Stanisław Lem in Hamburg und Die Sache Danton in Berlin, ein Stück aus den 20er Jahren von Stanisława Przybyszewska. Hinzu kommen viele weitere Inszenierungen auch unbekannter polnischer Dramatiker wie Stanisław Grochowiak mit seinem Altersheim–Drama Alte Jungen / Die Jungs, 1990 in Leipzig, danach ober– bzw. niedersorbisch 1994 in Bautzen und 1995 in Drachhausen, aber auch wieder Roman Niewiarowicz (1992 in Hamburg) und Krzysztof Warlikowski (1994 ebenfalls in Hamburg). Daneben werden in Deutschland zu diesem Zeitpunkt bereits bekannte polnische Dramatiker weiterhin rezipiert, insbesondere Gombrowicz, wobei sein berühmtestes Drama Yvonne, die Burgunderprinzessin nach wie vor fast ausschließlich in Westdeutschland Beachtung findet, wenn man von der vereinzelten Inszenierung in Schwedt 1993 absieht. Im Gegensatz dazu wurden mehrere Mrożek–Dramen in den ersten Jahren nach der Wiedervereinigung nun auch von ostdeutschen Theatern nachgespielt, worin sich wohl Nachholbedarf äußert: Die Polizei bereits 1990 in Eisleben, Tango 1991 in Erfurt, Strip–tease 1993 in Wittenberg sowie Auf hoher See ebenfalls 1993 in Freiberg und Wittenberg. Auch im Westen gab es zahlreiche Aufführungen dieser Dramen. Seltener als Mrożek wird nach der Wiedervereinigung Tadeusz Różewicz inszeniert, wenn auch nach wie vor im Osten und im Westen; hier sind vor allem Weiße Ehe 1992 in Aachen und 1993 in Brandenburg bzw. Dresden zu erwähnen, ferner Die Falle 1995 in Jena, Der komische Alte 1991 in Nürnberg und Die Zeugen oder Unsere kleine Stabilisierung 1995 in Stuttgart. Polnische Dramen hielten sich also auch nach der Wiedervereinigung auf dem Spielplan deutscher Bühnen. Aussagen über Relationen bis 1995 ließen sich ggf. im Blick auf andere ausländische oder ehemals zum ‚Ostblock‘ gehörende Nationalliteraturen bzw. –theater treffen. Vielleicht würde auch die Verteilung von Gegenwartsstücken im Vergleich zur ‚Klassik‘ einen nützlichen Wert ergeben. Es fehlt allerdings eine brauchbare Datengrundlage. Vermutlich bewegt sich die pure Anzahl polnischer Dramen in einem statistisch nicht signifikanten Bereich. Die Überschau über 50 Jahre belegt implizit auch diesen Sachverhalt. Aussagekräftig mag immerhin sein, dass die Zahl der deutschen Erstaufführungen deutlich zurückgegangen ist. Man greift auf Bewährtes zurück. Am häufigsten wird wieder Gombrowicz's Yvonne, die Burgunderprinzessin gespielt, gefolgt von Mrożek und Różewicz, wobei nur der letztgenannte Dramatiker im Osten wie im Westen gleichermaßen reüssiert, allerdings in relativ bescheidenem Umfang. Diese drei Autoren haben als die polnischen ‚Klassiker‘ im deutschen Repertoire zu gelten.
http://www.henschel–theater.de ; 1.9.2008) Andrzej Maleszka führte auch Regie in einer TV–Verfilmung Anfang der 1980er Jahre.
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c. Polnische Regieführung Das polnische Repertoire auf den deutschen Bühnen legt zuweilen die Vermutung nahe, als hätten das polnische Theater und seine Regisseure die wesentliche Rolle gespielt, zumindest seit Mitte der 60er Jahre, und eben nicht in erster Linie das Angebot an Dramen und somit die Literatur.30 Die westdeutsche Zeitschrift Theater heute sprach ironisch gar von einer „Invasion der ‚Originalregisseure‘ aus Osteuropa“.31 Aus dem Korpus der vorliegenden Theaterkritiken in Deutschland Ost und West ließen sich für den Untersuchungszeitraums rund 30 Dramen ermitteln, die von polnischen Regisseuren inszeniert worden waren. Hinzu kommen zahlreiche Gastspiele in polnischer Sprache. Die genannten 30 Dramen stammten von 15 polnischen Autoren. Dies entspricht zwar nur 6% der im fraglichen Zeitraum in Deutschland insgesamt aufgeführten polnischen Dramen und knapp 20% der aufgeführten polnischen Dramatiker, aber die Wirkung war angesichts des beteiligten Personals und der damit verbundenen Vorbildfunktion wesentlich größer, als es die Statistik auszudrücken vermag. Gelegentliche Hinweise in der Sekundärliteratur lassen eine gewisse Dunkelziffer vermuten. Hier wären überdies genauere (theaterwissenschaftliche) Untersuchungen vonnöten, weil beispielsweise auch Gastspiele oder die ausgedehnte Gastregie einbezogen werden müssten. Ihre Vorbild– Funktion in Bezug auf den Komplex aus Regieführung, Bühnenbild und Schauspielkunst ist wohl kaum zu unterschätzen. Z.B. trat im Dezember 1970 die „polnische Theaterlegende“ Jerzy Grotowski mit seiner Truppe im Westteil Berlins auf.32 Ebenso war Konrad Swinarski, „der Brechtschüler aus Warschau, [...] zuerst bei der Berliner Schaubühne, dann in Lübeck und schließlich im Schillertheater [Berlin(–West)]“ tätig.33 Insbesondere die Gastspiele in polnischer Sprache werden im 5. Kapitel den Ausgangspunkt der Überlegungen zur „Sinnfälligkeit“ polnischer Dramen bzw. ihrer Inszenierung bilden. Im Gegensatz zum Rezeptionsverlauf, wie er im vorigen Abschnitt thematisiert wurde, gibt es zu diesem Komplex weder umfassende Forschungsliteratur noch Thea30 Die Mainzer Dissertation von Susanne Misterek, Polnische Dramatik in Bühnen– und Buchverlagen der Bundesrepublik Deutschland und der DDR. Wiesbaden 2002, vermittelt allerdings ein anderes Bild. Danach standen im Hintergrund die Bemühungen der entsprechenden Verlage, möglichst noch vor Übersetzung und Publikation von Stücken Bühnen für diese Stücke zu interessieren. 31 Redaktioneller Vorspann zu Kritiken über Kantors Inszenierung des Spielkonzeptes Der Schrank in Baden– Baden und über Witkiewicz's Mutter in Saarbrücken, Regie: Zbigniew Stok. In: TH 1966 Heft 4, S. 44. 32 Vgl. FAZ, 9.12.1970 nach Kühn, Gertrud und Udo: Polnisches Theater. Polnische Theaterregisseure. (vgl. URL http://www.dok– pol– inf.de/pdf/theater.pdf ; 20.11.09) 33 –: Was ist ein Originalregisseur? In: TH Heft 3, S. 46.
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terstatistiken. Zudem sind die im Korpus vorhandenen Theaterkritiken nicht vollständig, sondern allenfalls repräsentativ. Unter dieser Einschränkung lassen sich in der Bundesrepublik die folgenden Inszenierungen durch polnische Regisseure nennen: Finsternis bedeckt die Erde, eine Adaption des gleichnamigen Romans von Jerzy Andrzejewski, 1967 in Essen unter der Regie von Kazimierz Dejmek, Die Trauung von Witold Gombrowicz in Frankfurt a.M. und Hamburg 1975, beide Male unter der Regie von Jerzy Jarocki, Raskolnikoff unter der Regie von Adam Hanuszkiewicz in Göttingen 1981 als eigene Adaption von Dostoevskijs berühmtem Roman Schuld und Sühne, Die Kleider von Helmut Kajzar in Osnabrück 1981 unter der Regie des Verfassers sowie dasselbe Stück 1983 in Münster unter der Regie wiederum von Adam Hanuszkiewicz, Terroristen von Ireneusz Iredyński in Göttingen 1985 unter der Regie von Jan Kulczyński sowie Gespräche mit dem Henker von Kazimierz Moczarski in München 1980 unter der Regie von Andrzej Margowski, der zu diesem Zeitpunkt allerdings wohl schon in West– Deutschland zuhause war. Auch mehrere Stücke Sławomir Mrożeks wurden von polnischen Gastregisseuren inszeniert: Buckel wurde 1977 in Göttingen unter der Regie von Jan Kulczyński aufgeführt, ebenso Der Schneider 1980 und Portrait 1989, und schließlich Tango in Dortmund 1968 unter der Regie von Jan Biczycki, in Düsseldorf 1966 bzw. in Wiesbaden 1968 unter der Regie von Erwin Axer sowie in Baden–Baden 1969 unter der Regie von Zbigniew Stok. Berühmtheit erlangte die Inszenierung des Różewicz–Dramas Weiße Ehe durch Adam Hanuszkiewicz 1979 in Münster, zweifellos auch aufgrund des bereits erwähnten Theaterskandals. Zu verzeichnen sind außerdem zwei Inszenierungen der Kartothek in polnischer Sprache – in Bremen 1976 durch Adam Hanuszkiewicz sowie in Göttingen 1985 durch Krystyna Meissner. Auf allen vieren inszenierte Jerzy Jarocki 1975 in Frankfurt a.M. und Hamburg. Die Menschenflut, eine Collage verschiedener Różewicz–Stücke, wurde 1982 in Mannheim unter der Regie von Kazimierz Braun aufgeführt, woran sich im folgenden Jahr in Kiel eine Inszenierung polnischer Schauspieler aus Breslau [Wrocław] anschloss, die mit Braun gearbeitet hatten. Die alte Frau brütet führte Helmut Kajzar 1971 in Köln und 1975 in Tübingen auf. Er ging aus dem Haus inszenierten Aleksander Bardini 1978 in Münster und Henryk Baranowski 1983 in Berlin–West. Gyubal Wahazar von Stanisław Ignacy Witkiewicz wurde 1988 in München im Rahmen eines Gastspiels des Figurentheaters Breslau [Wrocław] aufgeführt. Das Wasserhuhn inszenierte Jan Biczycki 1967 in Köln, Die Mutter Zbigniew Stok 1966 in Saarbrücken. Beide Stücke entstammen der Feder von Witkiewicz. Die Hochzeit von Stanisław Wyspiański schließlich wurde 1976 in Bremen unter der Regie von Adam Hanuszkiewicz in polnischer Sprache dargeboten. In der DDR ließen sich die folgenden Inszenierungen polnischer Gastregisseure nachweisen: Aleksander Fredros Salonstück von Anfang des 19. Jahrhunderts Mädchenschwüre wurde 1959 unter der Regie von Aleksander Rodziewicz in Rostock aufgeführt. Einen Sonderfall stellt Damen und Husaren des glei-
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chen Autors dar, weil dieses Drama zwar 1965 in der DDR – in Bautzen – von Danuta Bleicherówna inszeniert wurde, allerdings nicht in deutscher, sondern in sorbischer Sprache. Erst kurz vor der Wiedervereinigung (1988) wurde auch Ireneusz Iredyńskis berühmtes Drama Leb wohl, Judas... in Frankfurt/Oder von einem polnischen Regisseur – Antoni Baniukiewicz – inszeniert. Leon Kruczkowskis in der DDR zunächst nicht gespieltes Drama Der erste Tag der Freiheit wird im Rahmen der „Tage der Theaterkunst“ 1975 zweimal von polnischen Gastregisseuren inszeniert: von Marek Okopiński in Rostock und von Maciej Prus in Halle. Kruczkowski genoss ja in der DDR eine besondere Wertschätzung, so dass einerseits die Verspätung auffällt, andererseits sich aber die Verdoppelung erklärt. Zudem wäre er 75 Jahre alt geworden. Auf diesen Anlass wird gelegentlich hingewiesen. (Vgl. zu Kruczkowski Kapitel 4.a) Überhaupt zeigt sich die besondere Bedeutung des Jahres 1975 im Hinblick auf die Rezeption polnischer Dramen in der DDR auch an den vergleichsweise zahlreichen polnischen Regiegästen. Neben Kruczkowskis Drama gelangten z.B. Tadeusz Peipers Wenn er nicht da ist in Magdeburg durch Jerzy Wróblewski, Sławomir Mrożeks Tango in Rostock unter der Regie von Josef Gruda sowie Tadeusz Różewicz's Dramen Die Kartei in Ost–Berlin unter der Regie von Tadeusz Minc sowie Die Laokoongruppe unter der Regie von Zbigniew Bogdański – wiederum in Rostock – zur Aufführung. 1985, zehn Jahre später, sind in Berlin gleich zwei Inszenierungen von Różewicz's Drama Falle zu sehen – als Gastspiel in polnischer Sprache die Danziger Regiearbeit von Krzysztof Babicki und am Maxim– Gorki– Theater eine deutsche Inszenierung von Rolf Winkelgrund, dem Różewicz– Spezialisten unter den ostdeutschen Regisseuren. Andrzej Buszewicz, Jahrgang 1934, vertrat überraschend Andrzej Wajda bei der Inszenierung des symbolistischen und zugleich nationalbestimmten Dramas Die Novembernacht von Stanisław Wyspiański 1979 am Deutschen Nationaltheater Weimar. Der Vorgang ist interessant und symptomatisch, was auch immer sonst noch dahinter verborgen gewesen sein mag. Buszewicz ist eigentlich nie als Regisseur hervorgetreten, sondern war (Film–)Schauspieler und schließlich Senior des Ensembles an Polens ältestem und vielleicht bedeutendstem Theater, dem „Stary teatr“ in Krakau. Generell fällt an den polnischen Regisseuren auf, die in der DDR zu Gast gewesen sind, dass sie entweder recht jung waren oder doch als Regisseure nicht besonders in Erscheinung getreten sind, im Unterschied zu den Theaterkoryphäen von Axer bis Wajda, die allesamt nur im Westen gewirkt haben.34 Sicherlich darf nicht einfach von der „zweiten Garnitur“ gesprochen werden, und man müsste auch jeden Regisseur für sich bewerten, aber der Sachverhalt scheint klar zu sein. Der polnische Theaterexport bevorzugte den Westen. Der Westen wiederum bot neben den Devisen auch die größeren Möglichkeiten. Aller34 Es gibt auch im Westen vereinzelt polnische Regisseure, die in Polen wohl eher als Darsteller einen Namen haben, wie der Filmschauspieler Jan Biczycki (1931–1996), der 1967 in Köln Witkiewicz's Das Wasserhuhn inszenierte.
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dings wurde das polnische Theater spätestens in den 70er Jahren ein Exportartikel, an dem auch die DDR Anteil hatte. Und künstlerisch freier war Polen seit 1956 allemal. Interessant ist, dass 1979 in Warschau in deutscher Sprache eine Art „Who is who“ von August Grodzicki erschien.35 Grodzicki behandelt die Regisseure Axer, Dejmek, Grotowski, Grzegorzewski, Hanuszkiewicz, Jarocki, Kantor, Swinarski, Szajna und Wajda, und damit in etwa die Gruppe, die regelmäßig im Westen inszenierte. Im Vorwort heißt es sybillinisch: „Es fügt sich, daß sie alle mehr oder weniger im Ausland bekannt sind – entweder durch ihre indivduelle Regiearbeiten in verschiedenen Ländern oder dort gezeigte polnische Aufführungen, die von ihnen inszeniert wurden.“ Die Liste könne beträchtlich erweitert werden, etwa durch das Ehepaar Krystyna Skuszanka und Jerzy Krasowski, die in Nowa Huta, „einer neu errichteten Arbeiterstadt“ (Ebenda, S. 4f.), avangardistisch inszenierten. Man könnte meinen, dass über das Zauberwort Nowa Huta sozusagen der Kulturpolitik der herrschenden polnischen Kommunisten Reverenz erwiesen wurde. Immerhin durfte das Ehepaar mit seiner Inszenierung von Goldonis Diener zweier Herren Polen auf dem Goldoni–Festival 1957 in Florenz vertreten, vermutlich als Kompromiss im Streit zwischen den ‚akademischen‘ Theatern und einem Experimentiertheater, das auf eine spezifische ‚Volksnähe‘ setzte.36 Auch wenn diese Angaben die Sache nicht erschöpfen, lassen sich dennoch einige grundlegende Tendenzen erkennen: Hinsichtlich der Inszenierungen polnischer Dramen in Deutschland Ost und West durch polnische Gastregisseure gilt, dass sich in der ersten Rezeptionsphase zwischen 1945/49 und 1956/57 keine Beispiele ermitteln ließen. In der zweiten Rezeptionsphase von 1956 bis 1970 fanden Inszenierungen polnischer Gastregisseure überwiegend im Westen Deutschlands statt, von insgesamt neun Inszenierungen lagen nur zwei bei ostdeutschen Theatern. Hier zeigt sich die immer wieder zu beobachtende politisch motivierte Spiegelbildlichkeit im Umgang mit Polen bzw. mit polnischen Kulturpodukten, mit Literatur, Film, Theater usw. In der dritten Rezeptionsphase von 1970 bis 1989 ist ein starker Anstieg der Beteiligung polnischer Gastregisseure zu verzeichnen Das polnische Theater wird zum gefragten Exportartikel. Auf diese Weise kristallisieren sich zugleich bestimmte ‚Rezeptionsschwerpunkte‘ heraus. Von insgesamt 18 Theatern in der Bundesrepublik, die – soweit nachweisbar – polnische Gastregisseure eingeladen hatten, liegt Göttingen mit sechs Inszenierungen an erster Stelle, gefolgt von Münster und Bremen mit jeweils drei sowie von Frankfurt am Main, Hamburg, München, Köln und Berlin (West) mit jeweils zwei Inszenierungen. In der DDR wirkten polnische Gastregisseure demgegenüber nur in sechs Städten, vor allem in Rostock, einem der Austragungsorte des Theaterfestivals, mit fünf Inszenierungen, sowie 35 Grodzicki, August: Regisseure des polnischen Theaters. Warschau 1979. 36 Vgl. Müller–Ott, Dorothea: Das polnische Theater von 1944–1964. In: Begegnung mit Polen. 1964 Heft 5, S. 252–232, hier S. 229.
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in Bautzen, Halle, Frankfurt/Oder, Weimar und Berlin (Ost) mit je einer Inszenierung. Die Zahl der Inszenierungen durch polnische Gastregisseure geht nach 1990 deutlich zurück. Im wiedervereinigten Deutschland konnten nurmehr sechs – ausschließlich westdeutsche – Beispiele ermittelt werden: drei Inszenierungen in Bonn, jeweils eine in Fürth bzw. Nürnberg, Hamburg und Braunschweig: 1991 gab es demnach in Bonn eine Inszenierung von Ankunft Quai Vier von Janusz Wiśniewski, Regisseur, Bühnenbildner und Adept von Tadeusz Kantor. Vermutlich stammte auch der collageartige37 Text von Wiśniewski. Er war wohl im Zuge der Proben entwickelt worden.38 Ebenfalls 1991 inszenierte Andrzej Wajda in Braunschweig Wyspiańskis Die Hochzeit. Die Inszenierung war anschließend (1992) auf den Salzburger Festspielen zu sehen, und es zeigte sich leider einmal mehr, dass Wyspiańskis symbolistisches Meisterwerk einem nichtpolnischen Publikum nicht ohne Weiteres vermittelt werden kann. Dagegen lief Wajdas kongeniale Verfilmung von der Hochzeit im Jahre 1972 mit einigem Erfolg auch außerhalb Polens. Im Übrigen werden auch die beiden anderen Inszenierungen von Wyspiańskis berühmtem Drama im Westen Deutschlands durch polnische Regisseure – Adam Hanuszkiewicz 1976 und eben Andrzej Wajda 1991 – in den spärlichen Pressestimmen durchaus unterschiedlich beurteilt. Der polnische Schriftsteller im Exil Tadeusz Nowakowski äußert sich in der FAZ in Bezug auf Hanuszkiewicz deutlich positiv, indem er ihm „einige buchstäblich am laufenden Band produzierte Regieeinfälle“ attestiert.39 Andrzej Wajdas Interpretation hingegen bezeichnet Werner Burkhardt in der „Süddeutschen Zeitung“ als „Enttäuschung, die erst ratlos und dann traurig macht. [...] Hochachtung prägte den Beifall für die sehr engagierte Ensemble–Leistung. Der Regisseur zeigte sich nicht.“40 Die Falle von Tadeusz Różewicz wurde 1994 in Bonn im Rahmen eines Gastspiels des Polnischen Theaters Breslau [Wrocław] unter der Regie von Jerzy Jarocki aufgeführt, worauf sich zwei Jahre später eine Inszenierung von Sławomir Mrożeks Portrait, wiederum von Jarocki, anschloss. 1994 wurde ferner in Hamburg das Drama Ludwig – Tod eines Königs von Krzysztof Warlikowski unter der Regie des Autors auf den Spielplan gesetzt41. 1995 wurde anlässlich des 50. Jahrestages des Kriegsendes in Fürth i. B., in der Nachbarstadt Nürnberg sowie
37 Vgl. Trauth, V.: Schlicht und sinnlich. TdZ 92 Heft 1, S. 35. 38 Vgl. die Angaben bei Langemeyer, Peter: Demonstrative Sinnlichkeit. Polnische Theaterarbeit und polnische Theaterstücke in der BRD. In: Lempp, Albrecht et alii (Hgg.), Deutsch–polnische Ansichten zur Literatur und Kultur. Jahrbuch [des Deutschen Polen– Institiuts] 1989. Darmstadt 1990, S. 192–201, hier S. 194. 39 Nowakowski, T.: [Titel unleserlich]. FAZ, 22.6.1976. 40 Süddeutsche Zeitung, 19./20.11.1991. 41 Es ist eine Art Re–Import, – dem Stück liegt die Novelle Vergittertes Fenster (1937) von Klaus Mann zugrunde.
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in Nowa Huta (Krakau [Kraków]) Asche von Andrzej Sadowski unter der Regie von Katarzyna Deszcz inszeniert. Von den insgesamt rund 30 Inszenierungen fand also nur etwa ein Viertel in DDR–Theatern statt. Zudem waren die Gastregisseure offenbar nicht so prominent wie diejenigen, die gen Westen geschickt oder vom Westen eingeladen wurden. Angesichts der relativ geringen Anzahl solcher Inszenierungen in der DDR fällt umso mehr auf, dass einige Dramen (u.a. von Kruczkowski, Mrożek, Różewicz und Wyspiański) doppelt von polnischen Gastregisseuren inszeniert wurden. Dahinter verbergen sich vielleicht die Bedingungen des Theaterbetriebes in der DDR, insbesondere hinsichtlich der Freigabe bestimmter Stücke, die dann eben nicht nur einmal inszeniert wurden. CF/US
2. Die Gewichtungen innerhalb des polnischen Repertoires in Deutschland
Die Entwicklung des polnischen Dramas bzw. Theaters aus der religiösen Bindung des Mittelalters und den Jahrmarktsspielen der fahrenden Gaukler heraus vollzieht sich im Wesentlichen wohl analog zur Entwicklung westlich von Polen.1 Erst im 19. Jahrhundert nimmt Polen insofern einen Sonderweg, als es gerade im Zeitalter des aufkommenden Nationalismus nach der Französischen Revolution seine Eigenstaatlichkeit einbüßt und seit 1795 endgültig zwischen Russland, Preußen und Österreich aufgeteilt ist. Daher wird die polnische Literatur (incl. Drama und Theater) seit der Romantik und stärker noch: mit der Romantik im Verein mit der polnischen Sprache und der katholischen polnischen Kirche zum Kompensat und vorläufigen Rückzugsraum der politisch– nationalen Bestrebungen. Polen kann im 20. Jahrhundert gerade einmal 20 Jahre zwischen den Weltkriegen politisch über sein Schicksal selbst bestimmen, dann folgen die Aufteilung des polnischen Territoriums zwischen dem nationalsozialistischen Deutschen Reich und der Sowjetunion sowie insbesondere das verheerende deutsche Besatzungsregime, die Stalinisierung nach dem Krieg und alle anderen innerpolnischen Wendungen, bevor 1989/90 auch die letztlich von den drei Alliierten gemeinsam zu verantwortende Zwangsbindung Polens an den „Sowjetblock“ aufgehoben wird. So wird erklärbar, dass die Aktualisierungsstrategien des polnischen Theaters und ihre Interdependenz zur Dramenproduktion ein einigermaßen hermetisches Zeichen– und Verweisungssystem geschaffen haben, aus dem die sog. „Rezeptionsblockaden“ für polnische Stücke außerhalb Polens rühren.2 Davon wird im 5. Kapitel noch genauer die Rede sein. Hier ist dagegen der Ort, sich der Auswahl zuzuwenden, die die deutsche Bühne im Osten wie im Westen je unterschiedlich getroffen hat, und diese Auswahl mit der innerpolnischen Gewichtung zu vergleichen, und zwar in der gebotenen Verkürzung, weil die Verteilung prinzipiell ja bereits erörtert worden ist. Es geht nun auch allein um die in Deutschland aufgeführten polnischen Dramen. 1
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Diese Aussage ist insofern nicht trivial, als alle anderen slawischen Völker im Hinblick auf Nationenbildung bzw. die Herausbildung einer Nationalkultur je unterschiedliche Sonderentwicklungen durchmachen. Vgl. zum polnischen Theater Braun, Kazimierz: Kieszonkowa historia teatru polskiego. Lublin 2003. Vgl. Schultze, Brigitte: Rezeptionsblockaden des deutschsprachigen Theaters für Mickiewicz, Krasiński, Słowacki und Wypiański. In: Bayerdörfer, Hans–Peter et alii (Hgg.), Polnisch–deutsche Theaterbeziehungen seit dem Zweiten Weltkrieg. Tübingen 1998 (Theatron ; 26), S. 146–168.
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Polnische Dramen in Deutschland (1945–1995)
Die skizzierten historischen Verläufe lassen sich zu einer Periodisierung verdichten, die sowohl die Gewichte innerhalb des polnischen Dramas bzw. Theaters als auch deren Anverwandlung in Deutschland innerhalb des deutschen Horizontes zwischen 1945 und 1995 zu berücksichtigen vermag. Wenn man das Aufkommen polnischer Dramen aus polnischer Perspektive auf Deutschland projiziert, geht es also 1. um Dramen aus der Zeit bis 1918, in der sich der nationale Kanon polnischer Stücke mit allen seinen Spezifika herausbildet, 2. um Dramen aus der Periode zwischen den Weltkriegen sowie 3. um die Masse der Dramen aus den weiter oben ausführlich erörterten Wendungen der Nachkriegszeit. Die polnische Renaissance des 16. Jahrhunderts wird nur im Blick auf den nationalen Kanon relevant. Ausgelassen werden hier auch die Jahre der deutschen Besatzung 1939–1945, die in Polen zwar eine ausgeprägte kulturelle Überlebensstrategie im Untergrund, aber so gut wie keine Stücke hervorgebracht haben, sondern allenfalls Themen und Motive für Dramen, die in der Nachkriegszeit verfasst worden sind.3
a. Der nationale polnische Kanon bis 1918 und seine Repräsentation in Deutschland Die Dramen aus der 1. Periode haben in Deutschland allesamt eine Sonderfunktion, die Renaissance–Dramen darüber hinaus wohl auch in Polen. Die Aufführungen der Renaissance–Dramen sind der Passion eines Kazimierz Dejmek entsprungen, der sie nach Jahrhunderten sozusagen wiederbelebt hat,4 und zwar mit einem Erfolg, der wiederum typisch für die besondere, mit einem mystischen bis apokalyptischen Unterton gepaarte Sinnfälligkeit des polnischen Regietheaters der Nachkriegszeit ist, für seine besondere ‚Theatralität‘. Jedenfalls wurden die entsprechenden Stücke in Deutschland nur als Gastspiele gezeigt: Mikołaj aus Wilkowiecko (1524–1601) mit seinem in den Jahren 1580–82 entstandenen Stück Historya o chwalebnym zmartwychwstaniu Pańskim [wörtl.: Historia von der löblichen Auferstehung des HErrn] 1964 in Essen,5 sowie der ‚Vater der polnischen Literatur‘, Mikołaj Rej 3
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Braun periodisiert seine Theatergeschichte nach „Theater im unabhängigen Polen (XI– XVIII. Jahrhundert)“, „Theater in Polen während der Teilung 1795–1918“, „Theater der Zweiten Republik (1918–1939)“, „Theater in der Zeit der nationalen Katastrophen (1939–1956)“, „Theater in einem Land des ‚real existierenden Sozialismus‘ (1956–1980)“, „Zwanzig Jahre Sturm (1980–2000)“. Vgl. Braun, Kazimierz: Kieszonkowa historia teatru polskiego. Lublin 2003. Dejmek hat noch weitere altpolnische Stücke inszeniert, die allerdings in Deutschland nicht zu sehen waren. Ilka Boll hat (später) eine deutsche Fassung des Stückes erarbeitet, Das Spiel von der Aufer-
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(1509–1569), mit dem 1545 verfassten Das Leben Josephs, das 1968 und 1987 in Ost–Berlin im Rahmen von Gastspielen des Nationaltheaters Warschau bzw. des Warschauer „Teatr Polski“ mit Hilfe von Texten aus Dramen von Hans Sachs aufgeführt wurde. Beide Werke thematisieren biblische Motive, insofern mag die Aufführung des Letzteren in Ost–Berlin, vor allem 1968, überraschen.6 Dejmek sagte zu seiner Vorliebe für die (alt–)polnische Renaissance: Ich bin überzeugt und werde immer wieder in dieser Überzeugung bestärkt, daß die im alten Theater steckenden ästhetischen Vorschläge – neben dem Schaffen der drei Dramendichter Mickiewicz, Wyspiański und Witkiewicz – die einzigen bodenständigen nationalen Lösungen für unsere Theaterkunst sind.7
Die Adaption von Andrzejewskis Inquisitionsroman Finsternis bedeckt die Erde (1957), die Dejmek 1967 als Gastspiel in Essen aufführte, zeigt aber, dass Raum, Zeit und Motive ein vergleichendes Drittes abgeben, welches i.S. der „im alten Theater steckenden ästhetischen Vorschläge“ plausibel gemacht werden konnte, zumindest einem polnischen Publikum. Auch Szajnas Adaption der Göttlichen Komödie, die unter dem Titel Dante seit 1974 im Warschauer Theater „Studio“ gegeben wurde und per Gastregie 1985 nach Essen kam, bietet dazu in Raum, Zeit und Motiven gewisse Berührungspunkte. Grodzicki weist auch hier auf das besondere ‚polnische‘ Merkmal dieser Inszenierung hin, das Fortleben der polnischen Romantik, die – wie schon angedeutet – das Leitmotiv im Horizont der polnischen Rezeption bildet: Es gab darin etwas vom Mysterienspiel der Totenfeier von Adam Mickiewicz, etwas vom schmerzlichen Hohn der Poesie von Juliusz Słowacki, etwas von der Antinomie und Synthese von Leben und Tod bei Wyspiański. In diesem Sinne war es ein polnischer Dante.8
Über die Essener Aufführung 1985 in deutscher Sprache hieß es dagegen von einem deutschen Kritiker:
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stehung. Sie wurde jedenfalls in der Spielzeit 1971/72 in Essen aufgeführt. Vgl. Somplatzki, Herbert: Ilka Boll. Theaterbrennpunkt Essen. 1989, S. 164. In der Kritik von Seyfarth, Ingrid: Nationaltheater Warschau. Das Leben Josephs, wird das folkloristische Moment in den Vordergrund gerückt. In: TdZ 1968 Heft 22, S. 14f. Beim 2. Gastspiel Dejmeks 1987 mit dem Ensemble des „Teatr Polski“ Warschau fiel dem Rezensenten negativ auf, dass im Vergleich zu 1968, einem „Erfolg, der schon Legende ist“, die „Showelemente [...] zugunsten christlicher Moralität“ zurückgenommen seien. Linzer, Martin: Joseph redivivus. In: TdZ 1987 Heft 12, S. 44. Zitiert nach Grodzicki 1979, S. 31. Die propagierte Rückwendung zum polnischen Kanon hatte insofern etwas Subversives, als dieser Kanon bis 1956 in Polen zugunsten der Gegenwartsstücke (s.u.) zurückgedrängt und reglementiert wurde. Vgl. Braun 2003, S. 187. Nicht zufällig entzündete sich ein politischer Skandal an Dejmeks Inszenierung von Mickiewicz's Ahnenfeier [Totenfeier]‚im Jahre 1968 in Warschau. (Vgl. oben 1.c) Grodzicki 1979, S. 163
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Polnische Dramen in Deutschland (1945–1995) Mag sein, daß das polnische Original alle jene theatralischen Qualitäten hatte, die Szajna in seinen theoretischen Postulaten vom ‚neuen Theater‘ fordert. Mag sein freilich auch, daß viele des Polnischen Unkundige von der ästhetischen Drohgebärde einer Aufführung sich einschüchtern ließen, deren Textbanalitäten sie nicht wahrnahmen. In Essen jedenfalls erregt das Inferno als pathetisch–kitschiges Kunstgewerbe unfreiwillige Komik. Erklärter Anspruch und ästhetische Erlösungsabsicht kollidieren mit der Trivialität des Textes und der darstellerischen Unbedarftheit des Essener Ensembles[...].9
Auch wenn sich die vernichtende Kritik ja zum Einen auf ein deutsches Ensemble bezieht, das den Anforderungen offenbar nicht gewachsen war, steckt zum Anderen doch darin das gewissermaßen folgerichtige Unverständnis für das hermetische Verweisungssystem des altpolnisch, romantisch bzw. symbolistisch konfigurierten Theaters in Polen, für das Szajna hier prototypisch steht. Die restliche Produktion des besprochenen Zeitraums ist schnell abgehandelt und wurde insoweit in ihrem Sonderstatus auch schon erwähnt: die nationalen Heroen aus dem sogenannten ‚romantischen Kleeblatt‘ Krasiński und Mickiewicz in Essen als Reaktion auf das Kriegsrecht in Polen, Wyspiańskis Hochzeit in Braunschweig bzw. Salzburg sowie sein Stück Die Novembernacht in Weimar, ohne dass darüber viel Positives bekannt geworden wäre. 10 Ein Gleiches gilt für den Versuch, in Göttingen 1962/63 eine Adaption des im Original zudem französischen Romans Die Handschrift von Saragossa (Manuscrit trouvé à Saragosse) des Grafen Jan Potocki (1761–1815) heimisch zu machen.11 Der Voll9
Schmidt, J.: Allerweltssymbolik. Józef Szajnas Dante in Essen. In: FAZ, 6.2.1985. Die Kritik lässt nicht erkennen, wie bei der Aufführung das Polnische zum Tragen kam. Szajnas Ruhm eilte ihm nach der Florentiner (Ur–)Aufführung 1974 in polnischer Sprache im „Maggio Musicale“ voraus. Vermutlich meint Schmidt mit seiner Bemerkung Szajnas anschließendes Gastspiel mit dieser Inszenierung in polnischer Sprache in Essen (1974). Szajna hatte mit Dante sowie mit einer weiteren szenischen Collage (ohne Textvorlage), nämlich Replika, auch in Essen sehr beeindruckt. Vgl. Somplatzki 1989, S. 51f. 10 Geboten wurde am „Deutschen Nationaltheater“ Weimar die gesamte Ausstattung der Krakauer Inszenierung von Andrzej Wajda, incl. der Kostüme, die „den meisten ohnehin zu groß“ waren, allerdings mit dem Weimarer Ensemble und in der deutschen Übersetzung von Heinz Czechowski. Regie führte, ersatzweise, Andrzej Buszewicz. Offenbar war die Inszenierung ein Reinfall. Der Kritiker Martin Linzer schrieb, es sei für ihn „keine rein ästhetische Frage kulturpolitischer Wirkungsstrategie, daß der Weg echter »Aneignung« nur über die eigene »Bewältigung« führen kann, die Kopie allenfalls taktische Erfolge zeitigt.“ In: TdZ 1979 Heft 9, S. 3. Vgl. dagegen den überragenden Erfolg der Krakauer Inszenierung im Lande selbst! Dazu schreibt Braun 2003, S. 210: „Die Novembernacht (Krakau 1974) war Wajdas allergrößte Leistung“ (in seiner Regietätigkeit für das Theater). 11 1964 wurde der Roman in Polen mit dem ‚polnischen James Dean‘ Zbigniew Cybulski in der Hauptrolle unter der Regie von Wojciech Jerzy Has verfilmt (Originalfassung: Rękopis znaleziony w Saragossie). [Vgl. z.B. URL http://www2.film.at/ die_handschrift_von_saragossa/ ; 10.1.2006.] Offenbar handelt es sich um eine rein zeitliche Koinzidenz, obwohl andererseits das Göttinger Theater bei der Präsentation polnischer Stücke eine besondere Rolle spielt, welche Kausalitäten vermuten lässt. Kritikerreaktionen liegen nicht vor, wie
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ständigkeit halber soll in dieser Reihe noch der vergleichsweise unbekannte Autor Michał Bałucki (1837–1901) Erwähnung finden, dessen 1890 entstandenes Drama Der Junggesellenklub 1967 in Bautzen in sorbischer Sprache zur Aufführung gelangte. Sein Sonderstatus erklärt sich aus dem speziellen Rezipientenkreis.12 1909 schreibt Adolf Nowaczyński (1876–1944) sein Stück Der Große Friedrich, das noch im selben Jahr mit Erfolg aufgeführt wurde13. Es ist die letzte in dieser Reihe mehr sporadischer Inszenierungen in Deutschland und gelangt 1981 in Magdeburg zur Aufführung.14 Das Urteil von Martin Linzer in der Zeitschrift „Theater der Zeit“ benennt die Klippen, die es hier zu umschiffen galt. Dafür eignete sich der ‚Umweg über Polen‘ ganz besonders: Geschichts–Lektion will die Aufführung gewiss nicht sein, zum Geschichts–Verständnis kann sie beitragen, weil sie ein differenziertes Bild einer wichtigen Etappe preußisch– deutscher Geschichte gibt, frei von falscher Gloriole, aber auch frei von arroganter Besserwisserei.15
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denn die Inszenierung überhaupt nur in der polnischen Bibliographie PBL 1962/63 Nr. 4210 erwähnt ist und in den deutschen Theaterstatistiken fehlt. Allgemeiner Anlass ist sicher der 200. Geburtstag von Jan Potocki. Das sorbische Theater hat vergleichsweise viele polnische Stücke in zumeist obersorbischer Übersetzung aufgeführt: Bałucki, M., Klub nježenjencow [wörtl.: Der Junggesellenklub]. 1967 Bautzen; Bystrzycka, Z., Wopor pokaza mordarja [dt.Titel Das Opfer zeigt den Mörder]. 1969 Bautzen; Fredro, A., Damy a huzarojo. [dt.Titel Damen und Husaren]. 1965 Bautzen; Magnetyzm wutroby [dt.Titel Mädchenschwüre] 1970 Bautzen; Grochowiak, St., Chłopcy. (1964) – Golcy. (obersorbisch) Hólcy. (niedersorbisch) [dt.Titel Die Jungs]; 1994 Bautzen (obersorbisch), 1995 Drachhausen (niedersorbisch); Kmicic, B., Pěseń wo zmužitym Sprejniku [wörtl. Das Lied vom tapferen Sprejnik]. 1982 Bautzen; Osiecka, A., Apetyt na czereśnie. Romans z życia sfer normalnych. (Musical) (1968) – Apetit na wišnje. [dt. Titel Appetit auf Frühkirschen], 1971 Bautzen; Zapolska, G., Moralność pani Dulskiej. (1907) – Moralnosć knjenje Dulskeje. [dt. Titel Die Moral der Frau Dulska. [auch: Dulski]], 1954 Klix. Ob sich darin auch eine offiziell geförderte ‚spätpanslawistische‘ Ideologie äußerte, bleibe dahingestellt. Vgl. z.B. die Vorbesprechung zur Aufführung von Fredros Komödie Mädchenschwüre von J. Młynk, die sich sehr stark mit dem ‚slawischen‘ Aspekt beschäftigt und in der postuliert wird, das sorbische Theater habe bei der Aneignung des klassischen Theaters der Welt „die slawische klassische Komödie“ vernachlässigt, obwohl diese den Sorben „am meisten verwandt“ sei. Młynk, J.: A. Fredro wótc pólskeje klasiskeje komedije [A. Fredro – der Vater der klassischen polnischen Komödie], in: Nowa doba, 29.5.1970. Es war die Entdeckung des berühmten polnischen Schauspielers Ludwik Solski (1855 – 1954). Das Stück war nach dem 2. Weltkrieg erst 1976 in Łódź bzw. 1977 im Warschauer Theater „Ateneum“ unter der Regie von Kazimierz Dejmek wieder aufgeführt worden, relativ spät, aber die Verspätung ist angesichts des Titelhelden und auch der geringen Reputation des Verfassers im kommunistischen Polen nach 1945 doch erklärbar. 1981 wurde eine TV–Fassung (Regie: Józef Gruda) im polnischen Fernsehen gesendet (vgl. URL http://www.tvp.pl/_teatry/w/w63.htm ; 15.1.2006). Linzer, M.: Friedrich à la polonaise. In: TdZ 1982 Heft 3, S. 31. Für den zugehörigen weiteren Kontext mag das Faktum Bedeutung haben, dass 1980 das Denkmal des Preußen-
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Dennoch gibt es am Ende nur zwei Autoren, deren Stücke gewissermaßen Furore gemacht haben und die somit aus dem Rahmen fallen, zum Einen der ‚polnische Molière‘ Aleksander Fredro (1793–1876) und zum Anderen Gabriela Zapolska (1860–1921). Fredro wird mit einer oder zwei Ausnahmen durchweg in der DDR inszeniert: Damen und Husaren [1826] 1956 in Döbeln sowie 1965 in sorbischer Sprache in Bautzen, Herr Geldhab [1826] 1971 in Nordhausen und Mann und Frau [1826] 1956 in Zeitz sowie in den folgenden Jahren an weiteren DDR–Theatern, Mädchenschwüre [1834] 1957 in Görlitz sowie nachfolgend auch anderswo in der DDR, Die Familie Jowialski [1834] 1971 in Prenzlau und 1975 in Görlitz–Zittau, sowie schließlich Die Rache [1838] 1957 in Eisenach. Auch hier passt in die Spiegelbildlichkeit der Rezeption zwischen Ost und West, dass die einzige Inszenierung, die sich für Westdeutschland wirklich nachweisen ließ16, ein ganz anderes Stück betrifft als die vorgenannten, nämlich die 1972 in Pforzheim inszenierte Komödie Die Lebensrente [1838]. Die Pforzheimer Inszenierung gibt einen Hinweis auf die Kriterien im westdeutschen Milieu nach 1968 bei der Wahl dieses Stückes, das offenbar als deutsche Erstaufführung lief. Es ist einerseits die intertextuelle Verbindung zu Molière und seinem Stück Tartuffe sowie die Verbindung zu dem Franzosen Eugène Labiche (1815–1886), der sich bei Fredro bedient habe und der – lässt sich hinzufügen – in den 70er Jahren des 20. Jahrhunderts auch in Westdeutschland wiederentdeckt worden war.17 Damit macht sich die Kritik mit Hilfe des Programmheftes einen Vers auf das Ganze, um den Lesern das Theaterereignis zu vermitteln. Andererseits fallen zwei interessante Bemerkungen auf, die auch den westdeutschen Zeithorizont betreffen: Im Programmheft schreibt Stefan Gloßmann: »Wenn er (Fredro) sich in seinem Stück über den ach so schlechten Zustand der Welt beklagt, so ist dies Ausdruck seines Unbehagens an einer gesellschaftlichen Entwicklung. Doch er stellt lediglich dar, wie es ist. Er sucht nicht nach Gründen, Erklärungen.« Auf einer der letzten Seiten findet man dann eine Erklärung, nämlich den Absatz über die Bourgeoisie aus dem »Manifest der kommunistischen Partei« (!) von 1848. Das soll wohl nur einer der möglichen Bezüge sein, die zum Grundproblem des Stückes angeführt werden können. Oder? Es geht sicher nicht darum, den Gehalt einer 1835 geschriebenen Komödie weltanschaulich umzufunktionieren, sondern darum, hier aufzuzeigen, wie überzeitlich allgemeingültig die Aussage ist,
königs wieder Unter den Linden aufgestellt worden war. 16 Lt. Internetrecherche wurde Mann und Frau [1826] 1987 von Adam Hanuszkiewicz in Baden–Baden inszeniert. Weitere Angaben liegen nicht vor. (http://www.culture.pl/pl/culture/artykuly/os_hanuszkiewicz_adam ; 16.1.2006) 17 Vgl. G.: „O Welt, du alte Rechtsverdreherin!“ Deutsche Erstaufführung von Fredros Leibrente im Stadttheater. In: Schwarzwälder Bote, 04.10.1972.
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auch über und gegen den Menschen von heute, lebe er nun im »Wirtschaftswunderland« oder im »Paradies der Arbeiter und Bauern«.18
Der Kritiker der Pforzheimer Zeitung mokiert sich über den „soziologischen Zeigestock“ des Regisseurs am Schluss, als er den „zeitgenössischen Bankdirektor [...] gar zum kapitalistischen Vampir hochstilisiert, der zähnefletschend unter dämonischem Grünlicht die allesbeherrschende Geldmacht symbolisieren soll.“19 Die wenigen vorliegenden Kritikerstimmen aus der DDR schlagen dagegen einen ganz anderen Ton an. Einerseits geht es um den Nachholbedarf, quasi unter dem Stichwort: Fredro, der in Deutschland unbekannte ‚polnische Molière‘.20 Der Nachholbedarf wird zum Ersatz für die fehlende und im Unterschied zu Pforzheim nicht ‚theatral‘ hergestellte Aktualität. Das Stück bleibt historisch, und es geht folglich um die „Lebensart des Adels – speziell des polnischen – im 19. Jahrhundert“21 Andererseits wird dieser Nachholbedarf politisch–propagandistisch aktualisiert: Viele Jahrzehnte wurde in Deutschland die Meinung verbreitet, die slawischen Völker wären kulturlos – eine Auffassung, die im Westen von nationalistischen und revanchistischen Kräften erneut gefördert wird. Wir müssen deshalb unserem Volkstheater [Rostock] besonders dankbar sein, daß es mit seiner Pflege des polnischen Lustspiels und den regen Verbindungen mit dem polnischen Staatstheater Szczecin hilft, gegen diese Hetze zu kämpfen, wie sie gerade bei den Revanchistentreffen zu Pfingsten in Westdeutschland besonders kraß zum Ausdruck kam.22
Fredros Stück aus dem nunmehr polnischen Stettin wird gegen die Vertriebenen in Stellung gebracht, um implizit zu begründen, warum die Zeit der Gegenwartsstücke aus Polen erst einmal vorbei war: Kruczkowskis Sonnenbrucks, die verfilmt wurden, Rojewskis Belastungsprobe oder Adam Tarns Ein gewöhnlicher Fall und andere Stücke zeitgenössischer polnischer Autoren sind deutschen Theaterfreunden im Rahmen der kulturellen Verbindung mit unserem Nachbarland bereits bekannt geworden. Aber seien wir ehrlich – wer vom halleschen Theaterpublikum kannte bisher den Namen Aleksander Fredro und seine nette [!] dreiaktige Ko18 Ebenda. 19 H.W.: Groteske Jagd nach Geld als Zwerchfellmassage. Deutsche Erstaufführung im Goldstadt–Stadttheater mit Leibrente des Polen Aleksander Graf Fredro. In: Pforzheimer Zeitung, 2.10.1972. 20 Lt. Scholze 1989, S. 297, wurde dieses Epitheton von dem Übersetzer Viktor Mika 1954 in der Zeitschrift „Theater der Zeit“ in Umlauf gebracht. 21 Martin, F.: Heiteres Werk des ‚polnischen Molière‘. In: Neuer Weg (Halle), [8.4. oder] 12.4.1957. 22 Haiduk, Dr. M., Mädchenschwüre – Mädchenlaunen. Aleksander Rodziewicz, Direktor des Polnischen Staatstheaters Szczecin, inszenierte eine begeistert aufgenommene Komödie Fredros. In: Ostsee–Zeitung, 20.5.1959.
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Polnische Dramen in Deutschland (1945–1995) mödie, die den recht grundsätzlich allgemeingültig klingenden Titel Mann und Frau trägt [...].23
Dabei ging es doch um die politische Wendung, die Polen nach dem Oktober 1956 genommen hatte und die solchermaßen sorgfältig verschwiegen wurde. Nur selten wird der Prozess direkt benannt und z.B. als “anti–sozialistische Tendenzen im Polnischen Schriftstellerverband” negativ qualifiziert.24 Symptomatisch mag auch sein, dass zwischen 1955 und 1964 beispielsweise in der ostdeutschen Theaterzeitschrift Theater der Zeit offenbar überhaupt keine polnischen Stücke mehr besprochen wurden.25 Fast ebenso deutlich wird die Kompensation im Falle von Gabriela Zapolska und ihrer Moral der Frau Dulska (1907). Das Stück wurde in nahezu allen DDR–Theatern gespielt und konnte damit einen Erfolg verbuchen – wenigstens statistisch –, der Kruczkowskis Sonnenbrucks vergleichbar war. Auch Die Moral der Frau Dulska wurde zunächst in den Kammerspielen des Deutschen Theaters aufgeführt, und zwar schon 1952, um sozusagen an Kruczkowskis Erfolg mit einem Stück anzuknüpfen, das literarisch im polnischen Kontext wirklich Bestand gehabt hatte. Die Zapolska hielt sich auch über die ‚Wasserscheide‘ des Jahres 1956 hinaus und bestritt zusammen mit drei anderen Komödien aus ihrer Feder26 sowie mit Fredros Stücken fast ausschließlich das geschrumpfte polnische Repertoire auf den Bühnen der DDR. Dietrich Scholze schreibt dazu in seiner 1989 in Ost–Berlin erschienenen Geschichte des polnischen Dramas im 20. Jahrhundert mit der für die Zeit und den Publikationsraum DDR wohl typischen sybillinischen Unbestimmtheit: Die intensive Rezeption dieses polnischen Erbes, die mit der deutschen Nachkriegserstaufführung der Spießerkomödie [...] begann, ist teilweise als Ersatzaktion für die eigentlich erwartete sozialistische Gegenwartsdramatik angesehen worden.27
Den zahlreichen Kritikerstimmen lässt sich entnehmen, dass das Stück eben nicht nur die gewünschte ‚Botschaft‘ vermittelte. Diese Botschaft umriss Heiner Kipphardt, damals Dramaturg des Deutschen Theaters, in einer Zuschauerdiskussion mit den Worten, es sei „in Deutschland noch manches von der 23 Walkhoff, Dr. H.: Mann und Frau oder: Jeder betrügt jeden. In: Mitteldeutsche Neueste Nachrichten (Halle), 12.4.1957. 24 Vgl. Hg. M.: Das Schauspiel Nachtdienst von Jerzy Lutowski. In: Ostseezeitung, 26.10.1956. 25 Vgl. TdZ 55 Heft 12, 49f., Wilde, Erika: Die kleine Kröte von Gabriela Zapolska an den Städtischen Bühnen Karl–Marx–Stadt. / TdZ 64 Heft 4, 27f. Stephan, Erika: Abenteuer mit dem Vaterland von Leon Kruczkowski. (Dessau) 26 Die kleine Kröte [1903], 1955 in Karl–Marx–Stadt, 1961 in Erfurt; Dummheit im Quadrat [1912], 1957 in Dresden–Radebeul; Fräulein Maliczewska [1912] 1955 in Potsdam sowie in den folgenden Jahren an weiteren Theatern der DDR. 27 Scholze 1989, S. 297.
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Kleinbürgermoral vorhanden, die in diesem Stück angeklagt werde.“28 Vermutlich lag die Wirkung des Stückes darin sogar zuallerletzt, sie lag viel eher in einer vor allem in Deutschland seltenen Mischung aus spielbaren Komödiencharakteren und Hintersinn, die aus der Spannung zwischen Jahrhundertwende und Gegenwart zusätzliche Möglichkeiten gewann. In Westdeutschland wurde die Komödie erst ab 1964 und auch nur in einigen wenigen Inszenierungen gespielt: die westdeutsche Erstaufführung fand in Bonn am 5. Mai 1964 statt, im gleichen Jahr folgte Baden–Baden, später Würzburg, Hannover, Neuss und Göttingen. Der Unterschied zwischen den ost– und den westdeutschen Kritiken liegt im Grunde nur in der politischen Gewichtung, dass es sich um ein polnisches Stück handele. Natürlich wird allein in der DDR die Propagandatrommel in Bezug auf ‚gute Nachbarschaft‘, ‚Freundschaft‘ etc. gerührt. Aber im Westen wird die oben zitierte ‚Botschaft‘ ebenfalls vermerkt, sie steht als Spießerkomödie (Komedia kołtuńska) ja schon im Untertitel. So scheint das Fazit des Kritikers im Bonner General–Anzeiger über die Bonner Erstaufführung den Sachverhalt allgemeingültig zu fassen: Vieles stimmte [an der Inszenierung] nicht. Aber diese eigenartige tiefenscharfe Mischung aus satirischem Gift, grob–gängigen Späßen, aus dem Hinterhalt geschossenen Sottisen und einem poetisch–traurigen Unterton geht doch so leicht nicht verloren. Wie gesagt.29
b. Die Dramen aus der Zwischenkriegszeit Aus der 20 Jahre währenden Zwischenkriegszeit sind es eine ganze Reihe polnischer Autoren, wenn auch von ganz unterschiedlichem Gewicht, die sich nach 1945 auf den deutschen Bühnen wiederfinden: Zofia Nałkowska, Roman Niewiarowicz, Stanisława Przybyszewska, Tadeusz Peiper, Antoni Cwojdziński, Ludwik Hieronim Morstin und Stanisław Ignacy Witkiewicz (Witkacy).30 Die beiden ersten wurden mit je einem Stück im 1. Kapitel schon hinlänglich abgehandelt. Stanisława Przybyszewskas Dramen Die Sache Danton, ihr Meisterstück31, und das 28 Vgl. Kulturdienst (masch.–schriftl.), Blatt 14 v. 21.10.1952. 29 Us: Die Moral der Frau Dulski von Gabriela Zapolska. Das neue Stück im Contra–Kreis. In: General–Anzeiger, 7.5.1964; ähnlich äußerte sich Heinrich Vormweg in der Hamburger Welt vom 11.5.1964 u.d.T. Entlarvung der Spießerseele. Tragische Farce von 1906: Die Moral der Frau Dulski. 30 Witold Gombrowicz publizierte sein erstes und populärstes Stück Yvonne, Prinzessin von Burgund (1938) zwar noch vor dem 2. Weltkrieg, aber er gehört in seiner Wirkung auf dem Theater doch ganz der Nachkriegszeit an. 31 Der Bericht über die deutsche Erstaufführung beschreibt eine Art Happening im Stil des
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im Original in deutscher Sprache verfasste Thermidor wurden 1994 unter der Regie von Frank Castorf in der „Berliner Volksbühne“ gezeigt. Dazu schrieb Ernst Schumacher in der Zeitschrift „Theater der Zeit“: Die Realgeschichte der Französischen Revolution bleibt zweitrangig, bedarf der ‚Info‘ im Programmheft, aber exemplarisch, ja sinnbildlich werden strukturelle Antinomien der Geschichte deutlich: Von Freiheit und Gewalt, Volk und Herrschaft, Lebenskürze und Geschichtslänge[...].32
Die Aktualisierung, sei es durch Castorf und die „Volksbühne“, sei es durch den Kritiker, scheint klar zu sein. Es sind Themen, die Ende der 80er, Anfang der 90er Jahre besonders beschäftigt haben. Der Untergang des sozialistischen Systems, das sich in besonderem Maße mit den Attributen „revolutionär“ und „historisch“ geschmückt hatte, lag gerade einmal fünf Jahre zurück: Mit einmal tauchen hinter den lächerlich gemachten Gestalten der französischen Revolution die der Oktoberrevolution aus dem blutigen Dunst auf, gewinnen Zusammenbruch und Zerstörung der ‚Weltrevolution‘ eine neue Aktualität [...].33
Im Rahmen der wichtigen Tage der polnischen Theaterkunst 1975 inszenierte das Magdeburger Theater „im organischen Fortführen begonnener Repertoirelinien“34 das Stück Wenn er nicht da ist von Tadeusz Peiper aus dem Jahre 1933. Vorbild war die Uraufführung 1973 (!) in Breslau [Wrocław] durch Jerzy Wróblewski und die Bühnenbildnerin Lusja Kossakowska, die nun in Magdeburg als Gäste tätig waren. Peiper war einer der Theoretiker der Krakauer Avantgarde. Er stand, wie viele Künstler der Zwischenkriegszeit in Europa, politisch links, so dass die einzig vorliegende Theaterkritik der Magdeburger Inszenierung mit besonderer Vorsicht zu lesen ist, wenn es heißt: Hauses am Rosa–Luxemburg–Platz. Frank Castorf spielte, um die Premiere zu retten, selbst den Danton und zwar mit dem Textbuch in der Hand. Vgl. Schumacher, E.: Die Sache Menschheit. In: TdZ 1995 Heft 1, S. 49f. und Zieger, U.: Nach–Satz. Ebenda, S. 50. Im Blick auf die Autorin passt das Happening durchaus, obwohl sie selbst als Person auch das Vorbild für eine tragische Figur abgeben könnte. Sie war die illegitime Tochter von Stanisław Przybyszewski, dem ‚enfant terrible‘ der polnischen Literatur der Jahrhundertwende, der sich seinerzeit in Berlin auch als deutscher Schriftsteller einen Namen gemacht hat. Vgl. Kolińska, K.: Stachu, jego kobiety i jego dzieci [Stachu [ = Stanisław Przybyszewski], seine Frauen und seine Kinder]. Krakau 1978, S. 269ff. Auch dieses Drama über Danton und Robespierre wurde übrigens 1982 von Andrzej Wajda verfilmt. 32 Schumacher, E.: Die Sache Menschheit. In: TdZ 1995 Heft 1, S. 50. 33 Ebenda. 34 Kröplin, W.: Wenn er nicht da ist. In: TdZ 1976 Heft 1, S. 45. Peipers Stück Wenn er nicht da ist wird in der selben Spielzeit auch in Eisleben aufgeführt. Die besonderen „Repertoirelinien“ finden sich beispielsweise in der erwähnten Inszenierung von Nowaczyńskis Friedrich–Drama und von Cwojdzińskis Stück über Freuds Traumdeutung (s.u.) wieder.
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Der Sozialist Peiper beschränkt sich hier nicht auf rigoroses Moralisieren. Die 1933 angesichts der faschistischen Gefahr in diesem Stück vorgenommene, künstlerisch ungewöhnliche Darstellung der Bündnisfrage auf dem historischen Hintergrund des Krakauer Arbeiter–Aufstandes von 1923 erweist ihn auf der Höhe des theoretischen Verständnisses der ganzen geschichtlichen Bewegung.35
Ob das Magdeburger Theater genau das im Sinn gehabt hat, lässt sich selbstverständlich nicht entscheiden. Klar ist nur, dass Peipers „künstlerisch ungewöhnliche“ Schreibweise eher ‚modernistisch‘, denn ‚realistisch‘ genannt werden muss, und dass demzufolge der eigentliche Reiz der Aufführung beispielsweise in der „kontrastreichen Konkretisierung der Figuren“ gelegen haben mag: Angestrebte groteske Zuspitzungen entstehen durch das nuancierte Aufsuchen der Widersprüche, der Brüche und Übergänge in den Handlungen. Konflikte zwischen den Figuren werden in der Partnerbeziehung entwickelt, die Umschläge in ihren Positionen in der Abhängigkeit von den Vorgängen draußen sinnfällig gemacht. usw.36
Aus der zweiten Hälfte der Dreißiger Jahre stammen die Dramen von Morstin, Verteidigung der Xanthippe (1939), aufgeführt in der Spielzeit 1960/61 in Schleswig, und Cwojdziński, Freuds Traumtheorie (1937), ein Zwei–Personen–Stück, das erstmals 1981 wiederum in Magdeburg aufgeführt wurde. Zur für Westdeutschland recht frühen Schleswiger Inszenierung ließen sich keine Kritikerstimmen ermitteln. Das in Polen vielgespielte Stück thematisiert im Einklang mit dem Titel die Nöte einer selbstbewussten Frau (Xanthippe), die mit einem absolut unpraktischen, aber berühmten Mann (Sokrates) verheiratet ist. Magdeburg war schon mit der Inszenierung des Stückes über Friedrich den Großen (s.o.) aufgefallen und nahm sich offenbar noch in derselben Spielzeit mit Freuds Traumtheorie eines weiteren heiklen Themas an, eben der Psychoanalyse, und zwar erneut mit Hilfe des Umwegs über Polen. Martin Linzer schrieb in „Theater der Zeit“: Daß ich nicht immer ganz mitbekam, was da ernst gemeint ist und was nicht, wann da im Spiel mit dem Bewußtsein und dem Unterbewußtsein bewußt oder unterbewußt reagiert, gehandelt, geblufft wird, das sollte ich vielleicht selbst nicht so wichtig nehmen. Geschenkt also. Es soll ja wohl tatsächlich nicht mehr und nicht weniger als zwei Stündchen Spaß bereiten.37 35 Ebenda, S. 44. 36 Ebenda. 37 Linzer, Martin: Freuds Traumtheorie. TdZ 82 Heft 1, S. 3; Sigmund Freuds Lehre war für die Kommunisten ein Problem, und zwar gerade wegen der Fragen des „Bewusstseins“. Freud kollidierte beispielsweise mit der kanonisierten Auffassung des russischen Psychologen Pavlov in Bezug auf die „un–/bedingten“ Reflexe. Vgl. DDR–Handbuch innerhalb der Enzyklopädie der DDR auf CD–ROM, s.v. „Psychologie“, S. 1061 (5.251) Berlin 2000 (Digitale Bibliothek ; 32).
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Polnische Dramen in Deutschland (1945–1995)
Witkiewicz schließlich ist derjenige Dramatiker aus dieser Gruppe, der ganz einzigartige Dramen geschrieben hat und der für die polnische Literatur die surrealistische Welle repräsentiert. Der Surrealismus bekommt zwar seinen Namen in Paris und für eine bestimmte Künstlergruppe, aber seine Merkmale finden sich in der Zwischenkriegszeit cum grano salis in ganz Europa, insbesondere auch in der Dramenproduktion. Die Bezeichnung mag als Sammelname für vergleichbare Merkmale genügen, sie darf allerdings nicht vergessen lassen, dass schon seit der Jahrhundertwende je unterschiedliche Verzweigungen in Bezug auf das ‚Neue Drama‘ in Europa existieren, die sowohl parallel laufen, als auch voneinander Notiz nehmen. Der Krieg bzw. auch das antimodernistische Dogma in den europäischen Diktaturen seit den 30er Jahren bewirkt nur eine Unterbrechung. Auf der Bühne tauchen die Dramen eigentlich erst im sog. Theater des Absurden der Nachkriegszeit auf, zusammen mit zeitgenössischen Nachkriegstexten (Beckett, Ionesco etc.) und älteren sog. ‚Vorläufern‘: Jarry, Adamov u.a.38 Das Theater findet offensichtlich erst nach dem zweiten verheerenden Krieg des 20. Jahrhunderts eine Strategie, diese Dramen in einem ‚theatralen‘ Prozess sinnfällig werden zu lassen. Der Existenzialismus als philosophischer Hintergrund, der das Verständnis der grotesken Bühnendarstellung sicherte, sei lediglich der Vollständigkeit halber erwähnt. Eine wesentliche Komplikation der rezeptionellen Prozesse ergibt sich aus dem Fortwirken des antimodernistischen Dogmas unter der gängigen Bezeichnung „Sozialistischer Realismus“ im sowjetischen Herrschaftsbereich, zudem im Blick auf die DDR und Polen mit unterschiedlicher Konsequenz und von unterschiedlicher Dauer. Darauf wurde zu Anfang schon verwiesen, und damit wurde auch immer wieder argumentiert. Diese Asynchronität innerhalb des zweigeteilten Deutschlands auf der einen Seite sowie zwischen Polen und der DDR auf der anderen Seite macht ja geradezu den Kern des erkenntnisleitenden Interesses aus, das mit der vorliegenden Publikation verfolgt wird. So ist es überhaupt nicht verwunderlich, dass Witkiewicz vor der Wiedervereinigung nur in der Bundesrepublik gespielt wurde.39 Die Eigenart seiner Dramen brachte es zudem mit sich, dass sie in aller Regel von polnischen Regisseuren inszeniert und z.T. auch in polnischer Sprache aufgeführt wurden. Der eigenwilligste Regisseur, der sich Witkiewicz's angenommen hatte, war ohne Zweifel Tadeusz Kantor, zu dessen Gastspielen im Westen im 1. Kapitel schon Einiges ausgeführt worden ist. Auf jeden Fall waren Witkiewicz's Dramen auf der Bühne Theaterereignisse im eigentlichen Sinne des Wortes. Das lite38 Vgl. das Standardwerk von Martin Esslin, Das Theater des Absurden. Frankfurt a.M. 1 1967. ‚Osteuropa‘ kommt darin allerdings erst in späteren Ausgaben und nur in einer kurzen Bemerkung vor. Vgl. ders.: Dass., Reinbek 1991, S. 340–343. 39 Auch in Polen wird er erst ab 1962 wiederentdeckt. Vgl. Schmidt(–Rothkoegel), Anna: Form und Deformation. Zum kunsttheoretischen und dramatischen Werk von Stanisław Ignacy Witkiewicz. München 1992, S. 34f.
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rarische Konstrukt des Textes bildete notwendigerweise nur den Ausgangspunkt für ein Gesamtkunstwerk des Regisseurs. Witkiewicz war in der Bundesrepublik aber auch eine echte Entdeckung, wie die Kritiken belegen, die in aller Regel nicht ganz zutreffend von einem „Vorläufer des absurden Theaters“ reden: Nun präsentieren auch die Polen einen Ahnherrn des absurden Theaters: Stanisław Ignacy Witkiewicz (1885—1935) wird plötzlich nicht nur in Polen gespielt, sondern findet auch erstmalig außerhalb seiner Heimat Interesse. Drei deutschsprachige Verlage bieten von den hauptsächlich zwischen 1918 und 1927 entstandenen über fünfunddreißig Stücken die ersten an. Das Stadttheater Saarbrücken entschied sich während seiner Polnischen Theatertage für die Deutsche Erstaufführung der Tragigroteske Die Mutter, die thematisch dort endet, wo Mrożek heute mit Tango beginnt. Zweifellos ist Mrożek das Werk von Witkiewicz bekannt, so daß bei ihm Einflüsse verschiedener Ströme sich vereinen. Denn es ist erstaunlich, wie viel Witkiewicz in der 1924 uraufgeführten Mutter an Dingen vorweggenommen hat, die später durch Beckett oder Sartre mit weltweitem Nachhall behandelt wurden.40
Hier zeigten sich tatsächlich die Begrenzungen des traditionell nach Westen gerichteten Blicks, der in der DDR–Propaganda – wie oben per Zitat belegt – als Gegenstand der Anklage genutzt wurde und dem gewisse Sensationen einfach entgangen waren. Insofern öffneten Witkiewicz's Texte bzw. die polnischen Regisseure, die ihn einem westdeutschen Publikum vermittelten, die Tür zu Gombrowicz, Mrożek und Różewicz, weil nunmehr klar wurde, dass in Polen eine ganz eigene Traditionslinie des ‚Neuen Dramas‘ existierte und dass es sich mit einer exquisiten Theater– und Schauspielkunst verbunden hatte. Zur deutschen Erstaufführung des Dramas Das Wasserhuhn 1967 in der neueröffneten „Studio–Bühne“ des Kölner „Theaters am Dom“ hieß es: Dabei ist diese Aufführung ein theatergeschichtliches Ereignis. Sie macht mit dem Stück eines großen polnischen Vorläufers des modernen Theaters bekannt, das bisher nur wenigen Kennern zugänglich war. Im Rahmen von Roma Ligockas Bühnenbild, das im mathematisch Formelhaften den Nerv des Werkes trifft, hat der junge Warschauer Jan Biczycki, der aus der Schule von Erwin Axer kommt, mit sicherer Hand die Regiearbeit stilrein eingesetzt.41 Biczycki zauberte eine brillante Inszenierung, in der die Schauspieler kaum wiederzuerkennen waren. Er hielt die Stimmung hart an der Grenze zwischen Komik und Grausen. Alle Charaktere blieben schillernd und hintergründig, jederzeit zum Umschlag ins Gegenteil fähig.42
40 Ringelband, W.: Witkiewicz wird entdeckt. In: Main–Echo. (Aschaffenburg), 17.3.1966. (Polnische Sonderzeichen wurden korrigiert; U.S. ) 41 Lindemann, R.: Bodenloses Traumspiel. In: Rheinische Post. (Düsseldorf), 14.11.1967. 42 Schulze–Reimpell, W.: Witkiewicz' Wasserhuhn. In: Die Welt, 3.11.1967.
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In den Stimmungsumschwung bei den jungen Intellektuellen in der Bundesrepublik Ende der 60er Jahre geriet auch Witkiewicz, ohne dass sich seine abgrundtiefe Negation in die neue Heilsgewissheit hätte inkorporieren lassen. Ein Beispiel dafür liefert die deutsche Erstaufführung seines Dramas Der Narr und die Nonne oder Nichts Schlechtes, das nicht noch schlechter sein könnte im Münchener „Off–Off–Theater“ 1970 unter der Regie von Kelle Riedl: Dieses schillernde, sich bis ins Absurde hochjagende Theaterspäßchen trimmte Kelle Riedl wild entschlossen auf Sozialkritik. Zu Anfang läßt er Bilder von Schizophrenen sowie Porträts seiner Darsteller auf den Bühnenhintergrund projezieren, dazu einen die psychiatrischen Behandlungsmethoden kritisch durchleuchtenden Text aus der Deutschen Schwesternzeitung verlesen und versucht dann, so gut er und die Mitspieler [...] eben können, die Brüche und Volten des Stücks zu vertuschen und eine erschütternde Tragödie mit geradezu metaphysischem Ende erstehen zu lassen. Daß dabei bestenfalls die Parodie einer solchen herauskommen kann, liegt auf der Hand. Das Publikum amüsierte sich denn auch köstlich über die schon verzweifelten Anstrengungen der dem Stanisław Witkiewicz aufgesessenen Theaterleute, mit Hilfe von Narr und Nonne »eine neue Standortbestimmung« — so das Programmheft — von psychisch Kranken innerhalb unserer Gesellschaft vorzunehmen.43
Erst 1986 gab es in München eine offenbar adäquatere Inszenierung, in der das Formspiel Witkiewicz's beachtet wurde.44 Die Jahre darauf reiste das Breslauer Figurentheater (Wrocławski Teatr Lalek) mehrfach in die Bundesrepublik und hatte mit Witkiewicz's Gyubal Wahazar oder im Engpass des Unsinns einen überragenden Erfolg, der wesentlich auf der Theaterwirksamkeit der kalkuliert eingesetzten Mittel beruhte. Peter Dittmar schrieb zur Aufführung innerhalb des Festivals „Figurentheater der Nationen“ Mai 1987 in Bochum: Angesichts solch ingeniöser theatralischer Umsetzungen, durch die als unspielbar geltende Texte zum großen Bühnenerlebnis werden, sind die Differenzierungen zwischen Puppen–, Figuren–, Masken– oder was auch immer für einem –theater unerheblich. Zugleich macht dieses Beispiel einmal mehr das Elend dieses Genres in der Bundesrepublik bewußt. Hier gibt es – weil das Figurentheater nur zu oft lediglich noch als Kindervergnügen gilt, nicht aber als erwachsene Kunstform, und fast un–subventioniert bleibt – keine Bühne, die mit solchem Aufwand und soviel Akteuren agieren könnte.45 43 JvM: Aufgesessen. Das Münchner Off–Off–Theater contra Witkiewicz. In: Süddeutsche Zeitung, 7./8.3.1970. (Polnische Sonderzeichen wurden korrigiert; US) Das ‚Missverständnis‘ der Theaters wird auch in anderen Kritiken vermerkt. 44 Im Theater Aporee, einem „stimmungsvoll öden Theaterzelt“ auf dem Olympiagelände. Vgl. Thieringer, Th.: Eine irre Romanze. In: Süddeutsche Zeitung, 14.7.1986. Anders als diese positive Besprechung weiß die Kritikerin des Münchner Merkur der Inszenierung nicht viel abzugewinnen: „Und der aufs Zeltdach [...] tropfende Regen samt einsam heulendem Hund ist als Inszenierung haushoch überlegen:“ Fischbach, U.: Publikum und die Spieler hart auf die Probe gestellt. Münchner Merkur, 17.7.1986. 45 Dittmar, P.: Makabrer Puppenmord. In: Die Welt, 12.5.1987.
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Trotz aller Anerkennung ist Witkiewicz auch im Westen relativ selten aufgeführt worden. Seine höchst artifiziellen Stücke und das zu ihrer Aufführung nötige ebenso artifizielle Theater kann eben keine Breitenwirkung entfalten. Aber die Wirkung innerhalb der Theaterprofession sollte nicht unterschätzt werden. Hier führte Polen beispielsweise mit Witkiewicz in der Entwicklung des europäischen Theaters bzw. auch des ‚Theaters der Welt‘ eine ganz eigene Stimme, die in Westdeutschland, um im Bilde zu bleiben, gut zu hören war.
c. Gegenwartsdramatik Wenn man bedenkt, dass die Inszenierung ein Drama in einen Gegenwartshorizont setzen muss, um wirken zu können, haben die zur gleichen Situation46 gehörenden literarischen Texte einen besonderen Vorzug, der vielleicht aber auch ein Nachteil ist: die per se in ihnen literarisch verankerte Aktualität.47 In den 60er und 70er Jahren des 20. Jahrhunderts, als sich die Literaturwissenschaft in der Vergewisserung des formalistischen, strukturalistischen bzw. phänomenolo46 Situation meint eigentlich ‚Kommunikationssituation‘ mit allen ihren Voraussetzungen, also keinesfalls nur Themen, Motive, Gegenständlichkeiten, Figuren usw., sondern auch bestimmte Vorlieben in den Schreibweisen und Vertextungssttrategien im weitesten Sinn, und zwar auf Seiten der Rezipienten wie der Produzenten, auch wenn hier per definitionem der rezeptionelle Ansatz vorgezogen wird. 47 Im redaktionellen Vorspann der Gründungsnummer der ostdeutschen Zeitschrift „Theater der Zeit“ greift Fritz Erpenbeck dieses Problem in einer spezifischen Variante auf, indem er das „Zeittheater“ von einem „Theater der Zeit“ sondert, das „menschliche Probleme der Gegenwart“ behandeln solle, und zwar ohne Rücksicht, „ob sie im Gewand unserer Tage eingekleidet“ seien oder nicht. TdZ 1946 Heft 1, S. 1–2, wiederabgedruckt in: Kreuzer, H. et alii (Hgg.), Dramaturgie in der DDR (1945–1990). Band 1 (1945–1969). Heidelberg 1998, S. 12–16. Die Stoßrichtung von Erpenbecks Plädoyer ist allerdings nicht so ganz klar. Wie der Kommentar in der Ost–Berliner Publikation „Theater in der Zeitenwende“ erkennen lässt, ging es einerseits um die „humanistischen Quellen der deutschen Theater– und Dramenentwicklung“, die „aufzubewahren und fortzuführen“ gewesen seien, also wohl auch gegen ein bloß situationsbezogenes Agitprop–Theater. Mittenzwei, Werner (Hg.): Theater in der Zeitenwende. Zur Geschichte des Dramas und des Schauspieltheaters in der Deutschen Demokratischen Republik 1945–1968. Band 1, Berlin(–Ost) 1972, S. 67. Andererseits gibt Erpenbeck das Stichwort „Realismus“ aus: „Jedes große Kunstwerk ist gesellschaftlich wahr. Es entspricht der gesellschaftlichen Realität seiner Zeit, es ist realistisch. Realismus ist demnach das Kriterium jedes Kunstwerks.“ (Vgl. oben Kreuzer 1998, S. 14) Aber dieses „Realismus“–Postulat war seit den 30er Jahren bekanntlich zu einem Argument gegen die Moderne geworden, wie sich letztlich auch am Umgang des DDR–Theaters in der Folgezeit mit dem polnischen Repertoire belegen lässt.
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gischen Erbes der Vorkriegszeit dezidiert mit ihren Grundlagen und auch mit ihren inneren Aporien beschäftigte, ist der Unterschied zwischen den verschiedenen Zugriffen auf Texte geklärt worden. Wegen der kategorialen Geschiedenheit zwischen „Schema“ und „Konkretisation“48 sollte die Kommunikationssituation, in der der Literaturwissenschaftler argumentiert, nicht dieselbe sein, der auch der betrachtete Text angehört, weil sich sonst wegen der Situationsgebundenheit des Betrachters, des Situationsdrucks auf ihn, seiner Betroffenheit oder wie man immer sagen will, das „Schema“ nicht hinreichend objektivieren lässt. Daraus folgt der Unterschied zwischen einer Literaturwissenschaft, die historischen Abstand zu den Texten haben muss, und einer Literaturkritik, die geradezu zur Aktualität verpflichtet ist. Analog scheint es sich mit der situationsbezogenen Inszenierung eines aus der gleichen Situation stammenden Stückes zu verhalten. Die ganz verschiedenen Sinnpotenzen eines Stückes lassen sich wahrscheinlich erst aus dem Abstand erfassen, der eben auch von der Situation befreit, und lassen sich je nach neuer Situation ‚spielen‘, anders wäre z.B. die Spielführerschaft von Shakespeare auf den deutschen Bühnen der Nachkriegszeit nicht zu erklären. Die identische Situation von Text und Inszenierung engt dagegen gewissermaßen ein, bedient sich aber eines Horizontes, der als solcher fraglos ist und mit dem fraglos gerechnet werden kann, selbst wenn er subversiv ‚hinterfragt‘ werden soll. Gegenwartsdramen lassen sich zunächst einmal kalendarisch bestimmen. Alle nach 1945 geschriebenen Dramen gehören dazu. Nur Gombrowicz's Anfang der 30er Jahre geschriebene und 1938 publizierte Yvonne soll hier eine allerdings symptomatische Ausnahme bilden. Die Ausnahme rechtfertigt sich auch dadurch, dass Gombrowicz's Dramen nie die zugehörige (‚gegenwärtige‘) außerliterarische Welt gegenständlich entwerfen. Insofern beruhen seine Dramen auf abstrakten Konstruktionen, die auf der Bühne sinnfällig werden können, und der Zeitpunkt ihrer Entstehung, ob vor oder nach dem Krieg, ist unerheblich.49 Man könnte auch sagen, ihr Bühnenschicksal erst nach dem Krieg belege auch das. Gerade die Abstraktheit, die seine Konstruktionen charakterisiert, lässt sich aber vielleicht auch an ganz anderen Stücken beobachten. Sie hat vermutlich einen systematischen Status.50 Der schon erwähnte Fall des in Deutschland 48 Der Klarheit halber wird hier die Begrifflichkeit von Roman Ingarden verwendet. Vgl. Ingarden, Roman: Das literarische Kunstwerk. Tübingen 1972, S. 359ff. Ingarden fasst die in Rede stehenden Rezeptionsphänomene, wie schon gesagt, unter dem Begriff des „Lebens“ eines Werkes. (Ebenda, S. 367ff.) 49 Die Abstraktheit der Konstruktion kann dagegen durchaus als Vorliebe der Zwischenkriegszeit, insbesondere in der polnischen Literatur als Entlastung vom Dienst an der ‚nationalen Aufgabe‘ beschrieben werden. Die nationale Aufgabe war ja, wenn auch nur vorläufig, erfüllt. 50 Vgl. die Ausführungen von Ingarden beispielsweise zu den von ihm so genannten „nichtnaturalistischen Theaterschauspielen“. Ders.: Von den Funktionen der Sprache im Theaterschauspiel. Anhang zu: Ingarden 1972, S. 403–425, hier S. 424.
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sozusagen ‚doppelten‘ Autors Broszkiewicz kann auch hier ein Beispiel sein: auf der einen Seite das Drama Die Namen der Macht, in dem drei historisch motivierte Parallelsituationen entfaltet werden. Die dritte, in einem Gefängnis der Gegenwart angesiedelte Situation, bleibt hinsichtlich weiterer Attribute ziemlich unbestimmt51. Die Parallelsituationen lassen sich zwanglos emblematisch im Sinne des Titels verknüpfen. Auf der anderen Seite steht das Drama Skandal in Hellberg, in dem Zeit, Raum und Motivationsgefüge eindeutig perspektiviert werden. Wie schon vermerkt, könnte das Theater die Eindeutigkeit in gewissen Grenzen aufheben, indem z.B. das gesamte Gefüge um Hellberg emblematisch dargestellt wird. Hellberg wäre sozusagen überall. Im Drama geht es um die Bundesrepublik und ihre angeblich neofaschistischen Tendenzen, wovon jeder potenzielle Zuschauer in der DDR zur Genüge in den Medien gehört oder gelesen hatte. Der Situationsdruck hätte sich vermutlich nicht aufheben lassen. Nur wurde Broszkiewicz's letztgenanntes Stück in der DDR eben gerade eindeutig inszeniert und durch die Theaterkritik eindeutig verstanden und weitervermittelt, wenn auch mit kritischen Untertönen.52 Dennoch bestand zwischen Text, Inszenierung und Kritik eine gewissermaßen lineare Konsequenz. Man könnte weiter denken, dass wegen der gegenständlichen Situationsbindung des Textes eine ‚emblematische‘ Inszenierung nur schwerlich hätte gelingen können. Das heißt natürlich nicht, dass die eindeutige Perspektivierung im Sinne der unterstellten propagandistischen Strategie, kurz: dass die Tendenz gewirkt hat und die Zuschauer im gewünschten Sinne ‚beeinflusst‘ worden sind. Auf jeden Fall aber wurde das Theater zum politisch–propagandistischen Medium. Das kann insofern letztlich nicht überraschen, als die Anverwandlung polnischer Dramen an deutsche Horizonte ja prinzipiell unter dem Signum des Politikums erfolgt ist, im Osten wie im Westen, wenn auch mit den spezifischen und nicht zu vernachlässigenden Unterschieden. Diese Vorüberlegungen sollten die Möglichkeit schaffen, die vergleichsweise große Anzahl an polnischen Dramen aus der Nachkriegszeit zu ordnen und zu gruppieren. Es handelt sich insgesamt um mehr als 100 Dramen von rund 50 Autoren. Für die erste Zeit, da bis 1956/57 noch der erwähnte Gleichklang in der sowjetisch bestimmten Kulturpolitik zwischen Polen und der DDR herrschte, wurden, wenngleich mitunter gegen Widerstände, an die zehn Versuche unternommen, polnische Gegenwartsstücke auf heimischen Bühnen zu etablieren. Dabei handelte es sich um Produktions– oder Aufbaustücke mit einem einschichtigen Konfliktschema (z.B. Jan Ro51 Nur der Name einer virtuellen politischen Figur, nämlich „Murena“, weist in seiner Form assoziativ auf ‚NICHT–Polen‘. 52 Vgl. Linzer, Martin: Skandal in Hellberg von Jerzy Broszkiewicz: „Broszkiewiczs Stück krankt etwa daran, daß auf der einen Seite die Darstellung der konkreten Umwelt aus ungenauer Kenntnis zu ungenau ist, während auf der anderen die Verallgemeinerung nicht zwingend genug herauskommt.“ In: TdZ 1968 Heft 13, S. 30.
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Polnische Dramen in Deutschland (1945–1995) jewski, Die Belastungsprobe, Neue Bühne Berlin 1951), um Entlarvungen bürgerlicher Scheindemokratie (Adam Tarn, Ein gewöhnlicher Fall, DT Kammerspiele Berlin 1951; Leon Kruczkowski, Julius und Ethel, Dresden–Radebeul 1956) oder um zeitgenössische Komödien, die das schon damals geringe Eigenangebot in diesem Genre erweiterten (Maciej Słomczyński, Hallo Freddy, Rostock 1954; Jerzy Jurandot, Solche Zeiten, Leipzig 1955).53
Diese Gegenwartsstücke entwerfen alle einen klar bezeichneten Raum aus der unmittelbaren Gegenwart mitsamt den als zugehörig vermeinten Gegenständlichkeiten und gehorchen damit auch dem mehrfach erwähnten „Realismus“–Postulat einer „Widerspiegelung der Wirklichkeit“ (allerdings eben einer „Wirklichkeit in ihrer revolutionären Entwicklung“!)54. Sie werden alle noch im 5. Kapitel von prinzipiellem Interesse sein, wenn es um die je partiellen Übereinstimmungen zwischen Polen und Ost– bzw. Westdeutschland bei der Aktualisierung polnischer Dramen geht. Zumindest lässt sich die schematische Anverwandlung nach (behauptetem!) „Eigenen“ und „Fremden“ schon hier recht gut erkennen. Sowohl die Produktionsstücke und die Lustspiele aus dem Bereich des „Eigenen“ als auch der Entwurf westlicher „Scheindemokratie“ und „Klassen–“ oder „Terrorjustiz“ bei den „Fremden“ dienen dem gleichen Ziel. Die solchermaßen vermittelte Abgrenzung darf allerdings nicht aus der Sicht der 60er Jahre verstanden werden. Die Bundesrepublik figurierte beipielsweise Anfang der 50er auch noch als „Westen unseres Vaterlandes“. Im politisch–propagandistischen Raum geht es also auch im Osten noch immer offiziell um Deutschlands ‚besseren‘ Weg. Im ersten Kapitel wurde festgestellt, dass sich aus der Masse der polnischen Dramen in Deutschland im Blick auf die Aufführungsfrequenz am Ende ein bleibender Kern herausschält, und zwar die Dramen von Gombrowicz, Różewicz und Mrożek. Sie alle repräsentieren je für sich das Subversive ‚modernistischer‘ Schreibweisen, die gegen die zeitweise verordnete Anti–Moderne aufbegehren und sich auch in der Nachfolge des absurden Theaters inszenieren lassen, ohne doch im eigentlichen Sinn zum Theater des Absurden zu gehören. Überhaupt scheint das Fortwirken der Strategien des absurden Theaters nicht recht geklärt zu sein, genausowenig wie seine Brückenfunktion zu den surrealistischen Stücken der Zwischenkriegszeit. Diese Brückenfunktion wird gern, aber sachlich wohl unzutreffend mit dem Kennwort ‚Vorläuferschaft‘ umschrieben. Wie dem auch sei, die drei genannten Autoren repräsentieren sowohl die polni53 Scholze 1989, S. 296f.. Die anderen Stücke waren: Krzysztof Gruszczyński, [Der] Zug nach Marseille; Jerzy Lutowski, Nachtdienst; Jerzy Pomianowski (zusammen mit Małgorzata Wolin), Die Pharisäer und der Sünder; Zdzisław Skowroński, Abiturienten; ders. (zusammen mit Józef Słotwiński), Der Geburtstag des Direktors; Anna Świrszczyńska, Aufruf an der Mauer und Adam Tarn, Ortega. 54 Vgl. „Statut des Verbandes der Sowjetschriftsteller“. In: Schmitt, H.–J. et alii (Hgg.), Realismuskonzeptionen. Dokumente zum 1. Allunionskongreß der Sowjetschriftsteller. Frankfurt a.M. 1974, Dokument Nr. 32, S. 389–396, hier S. 390.
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sche Gegenwartsliteratur (nach 1945 bzw. 1956) als auch das polnische Theater der Gegenwart in einer besonderen Weise. Ihnen lassen sich andere Autoren assoziieren, wie Iredyński, Herbert und einige weitere, um damit eine Gruppe zu umreißen, die prinzipiell ins Zentrum der Aufmerksamkeit zu rücken wäre. Da Iredyński, Herbert und Różewicz per Fallbeispiel im vierten Kapitel genauer erörtert werden, ist es aus ökonomischen Gründen angebracht, gerade sie hier beiseite zu lassen. Dasselbe gilt für Gombrowicz und Mrożek. Zu ihnen wird anlässlich der Strategien einer Aktualisierung der Texte auf den deutschen Bühnen im fünften Kapitel Einiges auszuführen sein. Im Sinne der genannten Einschränkungen werden im Folgenden einzelne Aufführungen und ihre Hintergründe genauer behandelt, wie z.B. die Dramen der Abrechnungsliteratur, vor allem Andrzejewski, Brandstaetter und Moczarski. Der Betrachtung wert sind auch die Unterhaltungsstücke aus Polen, die, wie erwähnt, insbesondere in der DDR die unerwünschten politischen Entwicklungen in Polen und deren Niederschlag in der Dramenproduktion kompensieren sollten. 55 Das Kapitel wird mit der Betrachtung eines symptomatischen Einzelfalles, Bohdan Drozdowskis Kondukt (Der Leichenzug / Der Trauerzug) in Oberhausen und in Greifswald, abgeschlossen. Die Auswahl der in diesem Kapitel näher behandelten Autoren ist also auch pragmatisch zu verstehen. In Polen bedeutende Autoren, wie Konstanty Ildefons Gałczyński mit seinem der Komik dienenden Experimentiertheater Die grüne Gans oder Helmut Kajzar, der sich in Westdeutschland auch als Regisseur einen Namen gemacht hat, müssen mangels Repäsentanz auf der deutschen Bühne bzw. im Echo der Kritik beiseite gelassen werden. Auch dieser Sachverhalt ist letzten Endes aussagekräftig.
Jerzy Andrzejewski Seit der Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert verleibt sich das Theater auch Werke anderer Gattungen, zumeist Romane oder Erzählungen, über entsprechende Adaptionen ein. Die Manier stammt vielleicht vom russischen Theater. Dort wurde jedenfalls schon sehr früh insbesondere Dostoevskij der Bühne angepasst.56 Dessen Texte sind allerdings aufgrund ihrer inneren Dialogizität auch besonders geeignet, so dass gerade sie in der Folgezeit immer wieder adaptiert wurden.57 Die Umarbeitung erlaubt eine implizite Aktualisierung des Textes, 55 Vgl. Scholze 1989, S. 301f. 56 Stanislavskij adaptierte angeblich schon zwischen 1888 und 1890 Dostoevskijs Erzählung Das Dorf Stepančikovo und seine Bewohner (russ.: Selo Stepančikovo i ego obitateli) (1859); vgl. Osińska, K.: Leksykon teatru rosyjskiego XX wieku. Wa. 1997, S. 127 [s.v. Stanisławski]. 57 Schon 1911 fand auch in Paris, im „Théâtre des Arts“, die Aufführung einer Bearbeitung von Dostoevskijs Die Brüder Karamazov durch Jacques Copeau statt. Vgl. Literatur–Brock-
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Polnische Dramen in Deutschland (1945–1995)
und zwar schon in Bezug auf die gedachte Inszenierung. Auf diese Weise geraten berühmte Werke berühmter Autoren auf die Bühne, die nie für die Bühne geschrieben haben. Somit ist die Adaption von Dostoevskijs Roman Schuld und Sühne (russ.: Prestuplenie i nakazanie) per se gar nicht ungewöhnlich, die Adam Hanuszkiewicz unter dem Titel Raskolnikoff 1981 in Göttingen auf die Bühne brachte.58 Es gibt in Polen eine ganze Reihe von Adaptionen dieses Werkes. Hier handelt es sich wahrscheinlich um die Bearbeitung durch Zygmunt Hübner im Jahre 1958 mit dem polnischen Titel Zbrodnia i kara (Verbrechen und Strafe), die 1978 durch Hanuszkiewicz in Warschau uraufgeführt worden war. Jerzy Andrzejewskis Roman Asche und Diamant (1947) erlebte auf diese Weise nicht nur seine Verfilmung unter der Regie von Andrzej Wajda (1958), sondern wurde 1975 in Dresden auch auf die Bühne gebracht.59 Kazimierz Dejmek inszenierte eine eigene Adaption von Andrzejewskis Inquisitionsroman Finsternis bedeckt die Erde 1967 in Essen. Selbst Gombrowicz, der ja als Dramatiker mindestens so bekannt ist wie als Romanautor, wurde adaptiert: der Roman Trans–Atlantik (1953) für die Spielzeit 1975/76 in Heidelberg, der Roman Ferdydurke (1938) 1978 in Münster. Aber schon hier sieht man das Experiment und seine Gefahren; denn die Adaptionen blieben Einzelfälle, während sich Gombrowicz's Original–Dramen in den Vordergrund schoben. Im Übrigen bedienten sich Ost und West gleichermaßen dieser polnischen Adaptionen.60
haus in 8 Bänden. Band 2 Mannheim 1995, S. 229 [s.v. Copeau]. Berühmt ist die Adaption von Dostoevskijs Die Dämonen (1871) durch Albert Camus Die Besessenen (1959), die wiederum Andrzej Wajda 1971 seiner Verfilmung zugrunde gelegt hat. 58 Deutlich ist die innerpolnische Konkurrenz zu Wajda, der Dostoevskij auf polnischen Bühnen insgesamt sechsmal inszenierte: Die Dämonen (1963, 1971, 1975), Schuld und Sühne (1984, 1986, 1987). Vgl. Braun 2003, S. 210. 59 Die Adaption auf der Grundlage von Henryk Bereskas Roman–Übersetzung (1960) stammte von Hans–Georg Simmgen, der am Dresdener Staatsschauspiel auch die Regie führte. Obwohl es eine Reihe konkurrierender polnischer Adaptionen gab, meinte Simmgen, dem deutschen Publikum würde das Wissen um die historischen Hintergründe fehlen, das in Polen natürlich immer vorausgesetzt sei. Vgl. Harder, Klaus / Kasselt, Rainer: Asche und Diamant. Ein Gespräch mit Regisseur Hans–Georg Simmgen. In: Sächsische Zeitung, 19.5.1975. Es ging also nolens volens auch um eine Vereindeutigung der historischen Deutungsperspektive. 60 Auf die weiteren Fälle, in aller Regel adaptierte Romane, sei lediglich summarisch verwiesen: Tadeusz Konwicki, Die polnische Apokalypse (1978) 1990 in Göttingen; Tadeusz Nowak, Und wenn du König, und wenn du Henker bist (1968/1971) 1975 in Stralsund; der schon auführlicher abgehandelte Jan Potocki mit Parady (eigentlich: Manuscrit trouvé à Saragosse) 1962/63 im Jungen Theater in Göttingen; Jerzy Stawińskis Godzina szczytu (1968) unter dem Titel Fehldiagnose 1972 in Halle (Saale), anschließend als einziges Drama aus dieser Reihe an weiteren DDR–Theatern; schließlich die schon erwähnte Adaption Warlikowskis von Klaus Manns Novelle Vergittertes Fenster unter dem Titel Ludwig - Tod eines Königs 1994 in Hamburg.
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Das Echo der Kritik blieb allerdings verhalten. Als exemplarischer Fall sei Andrzejewski herausgegriffen, weil seine Texte im Osten wie im Westen – obwohl mit verschiedenen Bearbeitungen – aufgeführt worden sind, zunächst also Asche und Diamant 1975 im Staatsschauspiel Dresden. Der Kritiker der Neuen Zeit fasst die sinnstiftenden Momente des Romans wie folgt zusammen: Ein paar wenige Tage in einer kleinen Stadt, die freilich wesentlichen Tage des Kriegsendes, genügten Andrzejewski, um in einem reich gegliederten Personenensemble viele Aspekte dieses Kampfes und dieser Zerrissenheit darzustellen, alle darin wirkenden politisch–ideologischen Kräfte zu erfassen, das ganze Land widerzuspiegeln. Da sind Gewalttat und Mord und sinnlos–zufälliger Tod, ist der Sieg auch Enttäuschung, weil er nicht brachte, was man erwartete. Da sind Menschen, die sich bewährten, und Menschen, die versagten, gibt es aufrechte Kämpfer und opportunistische Karrieristen, zynische Genießer und ängstliche Kleinbürger, verblendete Fanatiker und nachdenklich Gewordene, gibt es junge Männer aus dem Widerstand, deren Idealismus nun zu Verbrechen mißbraucht wird, gibt es die Liebe und die Sehnsucht nach einem normalen Leben und tragische Irrtümer.61
Aus der latenten Dramatik der Romanvorlage werde aber kein dramatisches Geschehen herausgeholt. Statt dessen werde ein nüchterner „protokollartiger“ Report gegeben. Mit dem Film liege bereits eine gültige Interpretation vor, gegen die – könnte man ergänzen – die Bühnenfassung von Asche und Diamant in Dresden wohl prinzipiell keine Chance hatte; denn der Film kann epische Merkmale recht gut transponieren, das Theater weniger. Dabei war die zeitliche Dimension wie in einem Film per Rückblende eingebracht worden: eine Figur gibt die Vorgänge des dargestellten Attentats auf den kommunistischen Parteisekretär Szczuka am 8. Mai 1945 vor Gericht im Rückblick zu Protokoll. Die sich aus der (modernistischen) Spielleiter–Funktion ergebenden Verdoppelungen zwischen epischem Bericht und dramatischem Spiel kamen offenbar nicht an, ebensowenig die epische Distanziertheit der Inszenierung, „die Sachlichkeit der Erzählung und das unterkühlte Spiel der Darsteller“.62 Eine Beschneidung des Reichtums der Romanfiguren ist bei derartigen Dramatisierungen sicher nicht zu umgehen. Im vorliegenden Falle bietet der lakonische Text, der sich an den Gesprächsstrukturen des Romans orientiert, zuwenig genetisches Material für den Aufbau reicher Figuren.63
Vor allem war wohl die Hauptfigur des Kommunisten als solche missraten, „deren Verarmung gegenüber der Vorlage besonders auffällt. Dieser aus dem 61 Ullrich, H.: Nüchterner Report lebensvoller Literatur. In: Neue Zeit. 11.11.1975 62 Ulischberger, E.: Schwacher Abglanz eines großen Romans. In: Sächsische Neueste Nachrichten, 4./5.10.1975. 63 Ehrlich, L.: Verarmung eines großen Stoffes. In: Sächsische Zeitung, 30.9.1975.
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KZ gekommene Parteisekretär bewegt sich [...] auf nahezu verdrossene, auch gegenüber den Arbeitern kontaktschwache Art.“64 Von den Figuren des Romans bleiben Skizzen, Bruchstücke, die die Position erklären, ihre moralische Wertung begründen – aber wenig von der gesellschaftlichen Repräsentanz und der aufwühlenden Wucht ihrer individuellen Erlebnistiefe. Vermutlich sperren sich die ästhetischen Gesetze der Bühne gegen eine solche Übernahme von Romanausschnitten.65
Soweit den Kritiken zu entnehmen, litt die Aufführung also unter einem doppelten Problem, einmal systematisch – die Umsetzung der epischen Strukturen, zum anderen ideologisch.66 Andrzejewskis Text liefert in dieser Hinsicht überhaupt keine eindeutige Perspektive. Die oben zitierte Paraphrase aus der „Neuen Zeit“ vermittelt dieses Merkmal überdeutlich. Der Roman hatte seinerzeit gerade noch erscheinen können, bevor die erwähnte Sowjetisierung bzw. Stalinisierung auch das polnische Kulturleben sozusagen lahmlegte und die dogmatische Parteilichkeit, der ‚Klassenstandpunkt‘ gefordert war, den die Kritiker an der Dresdner Inszenierung insofern logischerweise vermissten. Dabei folgte der Regisseur Hans–Georg Simmgen einem Rezept, das beispielsweise in Kazimierz Dejmeks Essener Inszenierung von Andrzejewskis Finsternis bedeckt die Erde aus dem Jahre 1967 sehr gut zu erkennen ist. Aber es war eben in Deutschland kein Erfolgsrezept. Obwohl Dejmek sozusagen die Vorlage lieferte und sie mit seiner künstlerischen Autorität beglaubigte, waren die Kritikerstimmen auch hier alles andere als unvoreingenommen positiv. Zunächst einmal eignete sich Finsternis bedeckt die Erde wohl besser für eine Dramatisierung, weil es um das ‚dialektische‘ Spiel dogmatischer Positionen geht. Die beiden Gegenspieler, der alte Großinquisitor und sein junger, allerdings verhinderter Mörder, weil sein Attentat auf den Großinquisitor misslingt, entwickeln sich im Laufe des Spiels komplementär. Am Ende vertritt der ehemalige Attentäter das Dogma sehr viel härter, als es der Großinquisitor je vertreten hat, während dieser vor seinem (natürlichen) Tode das Dogma widerruft. Dejmek ließ ohne Kulissen spielen, auf der Vorbühne über dem Orchestergraben, vor dem ‚Eisernen Vorhang‘, der nach Wellblech aussah, und er führte einen ‚Spielleiter‘ ein, der für Jochen Schmidt in der „Frankfurter Rundschau“ „– anders 64 Ebenda. 65 Stephan, E.: Asche und Diamant. In: Sonntag, 12.10.1975. 66 Wenn man die Auseinandersetzungen um Brechts „Episches Theater“ bedenkt, die Anfang 1949 mit der Aufführung von Mutter Courage und ihre Kinder in Berlin(–Ost) begannen, steckt allein schon hinter der systematischen Frage ideologisch nutzbares Potenzial. Vgl. z.B. die Dokumentation: Brechts Mutter Courage als Anstoß. Formalismusdebatte 1949. In: Kreuzer, H. et alii (Hg.), Dramaturgie in der DDR (1945–1990). Band 1 Heidelberg 1998, S. 41–82. Die Auseinandersetzungen zogen sich mindestens bis 1957 hin, vgl. ebenda, passim.
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als in einem modernen Originalstück – lediglich ein dramaturgisches Hilfsmittel ist, störend, dem Stück nicht integriert.“67 Andere waren da anderer Meinung: Die großen Dialoge werden auf der Bühne inhaltlich durch einen Erzähler und Kommentator verbunden. Dejmek läßt sie in asketischer Strenge, Klarheit und Einfachheit in den Zuschauerraum ausstrahlen. Jeder Satz erhält im Räderwek tödlicher Mechanik seine Bedeutung. Dejmeks Absichten entspricht das geometrisch–kalte Bühnenbild von Iwona Zaborowska, in dem sich das wirklichkeitsentbundene Denken wie in einer Klosterzelle verkapselt.68
Das Spiel der beiden Protagonisten (Friedrich Gröndahl als Großinquisitor und Günter Lampe als junger Eiferer) wird einhellig gelobt. Hans Schwab–Felisch resümierte: Ein aufklärerisches Weihespiel, nicht ohne Pathos, nicht ohne informativen Wert. Am Ende hinterließ es sogar einigen Eindruck. Ein Theaterstück, das aus sich selbst zu leben vermag, ist es aber nicht geworden.69
Ein Problem war sicherlich auch die Aktualität im westdeutschen Horizont. Schwab–Felisch stellte historisch zutreffend fest, das Stück sei vom polnischen Publikum „im Nachklang der Ereignisse von Oktober 1956 [...] als eine aktuelle, befreiende politische Provokation verstanden worden.“70 Auch wenn die „Entlarvung jener inneren Logik, die Heilslehren mit geschlossenen Denksystemen so leicht dem Terror ausliefert“ auf der „ewigen Tagesordnung“ bleibe, so komme die Aufführung für die Bundesrepublik doch 15 Jahre zu spät, ganz abgesehen von der Schwierigkeit, „die Morde der Inquisition mit der Mordmaschine des Dritten Reiches“ zu vergleichen. Das Publikum sei ratlos gewesen, hieß es im „Mannheimer Morgen“, ob das Drama ein Gleichnis für jede Art von Gewaltherrschaft sei oder (mit Torquemadas letzten Worten) ein Bekenntnis „zum Marxismus und dessen Gottlosigkeit?“.71 Die innerdeutschen Erfahrungen der Nachkriegszeit spielten für beide Kritiker offensichtlich keine Rolle, bei anderen wurden sie immerhin angedeutet.72 Das Problem der beiden Adaptionen und ihrer Funktionalisierung im Osten und im Westen lag also in der Umsetzung des Merkmals „Abrechnungslitera67 Schmidt, J.: Mord in Christi Namen. In: Frankfurter Rundschau, 13.6.1967. 68 Leisegang, H.: Im Räderwerk tödlicher Mechanik. In: Main–Echo. (Aschaffenburg), 6.6.1967. 69 Schwab–Felisch, H.: Plakatives Theater. In: Süddeutsche Zeitung, 4.6.1967. 70 Ebenda. 71 Slk: Gleichnis oder Bekenntnis? In: Mannheimer Morgen, 6.6.1967. 72 Vgl. z.B. Biergann, A.: Die Parabel vom Mißbrauch der Macht. In: Kölnische Rundschau, 3.6.1967; Schmidt, H.: Ein bitterböses und wahres Gleichnis. In: Neue Ruhr–Zeitung, 2.6.1967.
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tur“ der polnischen Vorbilder. Im Osten wurde das Merkmal nicht aktualisiert, wenn nicht gar unterdrückt, im Westen traf es auf kein wirklich interessiertes Publikum. Das wiederholte sich im Prinzip auch mit den genuinen Dramen des polnischen Tauwetters nach 1956, wie z.B. mit Brandstaetters Schweigen oder mit den zudem noch unterschiedlichen Bearbeitungen von Moczarskis Gesprächen mit dem Henker.
Roman Brandstaetter Mit der Inszenierung von Roman Brandstaetters Schweigen begann eigentlich das westdeutsche Interesse an polnischen Dramen. Das Stück wurde im Original 1956 publiziert, wurde nach seiner Aufführung auf polnischen Bühnen in Stockholm, Graz, Wien und anderen österreichischen Orten nachgespielt und erlebte 1958 in Oberhausen seine westdeutsche Erstaufführung, der in den Jahren bis 1963 weitere Inszenierungen in Hamburg, Kaiserslautern, Lübeck, Bielefeld, Darmstadt, Saarbrücken, im Münchener „Volkstheater“ sowie auf der West–Berliner „Vagantenbühne“ folgten. In der DDR wurde es selbstverständlich nicht aufgeführt; denn es geht um einen Schriftsteller, der mit seinem Gewissen rechtet, an der stalinistischen „Verschwörung des Schweigens“ beteiligt gewesen zu sein, und der im Selbstmord endet. Die westdeutsche Kritik nahm das Stück trotz seiner Schwächen geradezu euphorisch auf. Natürlich bemerkte man, dass es sich um ein polnisches Stück handelte. Die Thematisierung der polnischen Situation wurde dagegen nicht konkretisiert. Sie stand wohl in den Inszenierungen auch nicht im Mittelpunkt. Selbst eine Kritik unter der Überschrift Ein Patriot weint über Polen zieht den Bedeutungsrahmen anders. Das Stück sei „trotz dramaturgischer Schwächen ein ebenso niederdrückendes wie genaues Zeitgemälde, das für viele Länder des Eisernen Vorhanges gelten könnte.“ Und weiter: „Man denkt etwa an das Schicksal Majakowskys, wenngleich der ,Held‘ unseres Theaterstückes in einer ziemlich erbärmlichen Rolle gezeigt wird. Sein Selbstmord ist kein Fanal des Protestes, sondern müde Resignation.“73 In manchen Theaterkritiken wird statt Majakovskij ein anderer russischer ,Held‘ evoziert: „Das Schweigen. Das wichtigste Drama seit langer Zeit. Ein Protest wie Pasternaks Dr. Schiwago“,74 oder „Eine Pasternak–Tragödie auf der Bühne“:75 73 Trippler, H.J.: Ein Patriot weint über Polen. In: Herner Zeitung, 24.11.1958; ebenso Nord–West–Zeitung [o.D.] 74 –: Das Schweigen. Das wichtigste Drama seit langer Zeit. Ein Protest wie Pasternaks Dr. Schiwago. In: Ruhrwacht, 4.3.1959. Pasternak hatte 1958 den Nobelpreis erhalten. Damit wurde ein innersowjetischer und letztlich auch internationaler Skandal ausgelöst, in dessen Folge Pasternak den Preis ablehnte. 75 Neukirchen, A.: Eine Pasternak–Tragödie auf der Bühne. In: Düsseldorfer Nachrichten, 3.12.1958.
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Wir erhalten nur selten Kenntnis davon, wenn Schriftsteller aus den Ostblockstaaten in ihren Werken von der ,fortschrittlichen‘ Parteilinie abweichen. Pasternaks Dr. Schiwago war ein solcher Ausnahmefall, und der sensationelle Verkaufserfolg des Romans im Westen rührt sicherlich zu einem wesentlichen Teil daher. Pasternak hat die Folgen zu spüren bekommen. Der Fall des Polen Roman Brandstaetter liegt indessen anders. Er schrieb ein Schauspiel Das Schweigen, das mit erstaunlicher Offenheit die politischen Auswüchse und Mißstände in seinem Lande schildert, im Jahre 1953. Es durfte, obwohl es keineswegs prinzipiell antikommunistisch ist, während der stalinistischen Ära nicht aufgeführt werden, erlebte dann aber im Jahre 1957 in Warschau seine Uraufführung und wurde danach ganz offiziell und ohne Nachteil für den Autor für das Ausland freigegeben.76
Sofern er den Polnischen Oktober 1956 bereits vergessen hatte, erfuhr der Leser der Theaterkritiken bzw. vielleicht auch der Theaterbesucher per Programmheft etwas von dem polnischen Sonderweg, ein Novum innerhalb des Horizontes politischer Annahmen über den Osten, denn dieser Horizont war im Westen sichtbar von der Sowjetunion bestimmt, wie die Hinweise auf Majakovskij und Pasternak belegen. Bemerkenswert an diesem Start des polnischen Dramas in Westdeutschland sind die Parallelen zum gleichen Vorgang neun Jahre vorher in der DDR zu Kruczkowskis Sonnenbrucks 1949. Selbst in der Personenkonstellation von Brandstaetters Drama lassen sich Parallelen zu den Sonnenbrucks entdecken. Es geht um die ideologischen Trennlinien innerhalb einer einzigen Familie und um den Verrat an einem flüchtigen Gefangenen. Aber wichtiger noch sind die Kontextfragen: Hier wie dort waren es politisch bestimmte „Zeitstücke“, wie es die Kritik nannte, deren Wahrnehmung wiederum politisch motiviert war. In beiden Fällen handelte es sich angesichts der verheerenden jüngsten Geschichte um die Vermittlung eines positiven Aspektes in Bezug auf Polen. Aber auch im Westen handelte es sich um eine Form der „Parteilichkeit“, nämlich um die Sensation eines „dissidentischen“ Stückes. Das Stück war zudem im Lande selbst gespielt worden. Zu seiner deutschsprachigen Uraufführung im österreichischen Graz hatte der Autor ausreisen und wieder nach Polen zurückkehren dürfen77. Das Schweigen war also wegen seiner politischen Ausrichtung eine Art Initialzündung und öffnete hinfort dem polnischen Drama die Türen zu den bundesdeutschen Theatern. Die deutlichen Qualitätsmängel des Stückes und der Übersetzung von Gerda Hagenau wurden vermerkt, galten aber offenbar durch die erwähnte Sensation auch beim durchweg „ergriffenen“ Publikum als kompensiert. Auch die Kritiker der Oberhausener Aufführung forderten andere bundesdeutsche Bühnen auf, das Schweigen unbedingt nachzuspielen. Im Ge76 steff.: Die Flucht ins ewige Schweigen. In: Freie Presse. (Bielefeld), 7.3.1960. (Hervorhebung v. U.S. ) 77 Vogel, M.: Das ist in Polen möglich. Sensationelle deutschsprachige Erstaufführung in Graz. In: Westdeutsche Allgemeine, 17.5.1958.
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gensatz zu dem analogen Aufruf in (Ost–)Berlin 1949 blieb dieser Effekt allerdings auf wenige Bühnen beschränkt. Die Bundesrepublik war eben vom Staatsaufbau und der zugrunde liegenden Gesellschaftsordnung her ganz anders organisiert als die DDR. Eine zentral gelenkte Kulturpolitik gab es nicht. Die Theater folgten in ihrer Spielplangestaltung anderen Prinzipien.
Kazimierz Moczarski Zwanzig Jahre später wurde Moczarski dagegen unmittelbar in einer politischen Auseinandersetzung instrumentalisiert, die beide Teile Deutschlands betraf. In beiden Teilen wurden seine Gespräche mit dem Henker aufgeführt. Davon war im 1. Kapitel schon kurz die Rede. Das Stück kam, wie erwähnt, in zwei unterschiedlichen Fassungen auf die Bühne: In der DDR als Übersetzung der polnischen Theateradaption, die von dem Regisseur Zygmunt Hübner hergestellt worden war (EA Magdeburg 1979), im Westen in einer eigenen Adaption von Moczarskis Original–Bericht durch Dieter Kühn (EA Düsseldorf 1979). Im Hintergrund steht das Prestige von Andrzej Wajda, der das Stück 1977 in Warschau auf die Bühne gebracht hatte und der eigentlich wohl auch die westdeutsche Erstaufführung im Bochumer Schauspielhaus hatte herausbringen sollen.78 Das Vorhaben wurde vom Inhaber der westdeutschen Rechte gestoppt, dem Düsseldorfer Droste–Verlag, der eben Dieter Kühns Fassung im Programm hatte. Moczarskis faktographischer Text selbst hat ein Doppelgesicht, das aus der dargestellten aberwitzigen Situation rührt. Ein in der Stalinzeit „repressierter“ polnischer Journalist, Widerstandskämpfer in den Reihen der Heimatarmee (Armia Krajowa) und damit nach 1945 auf der falschen Seite, eben Kazimierz Moczarski, sitzt in einer Zelle zusammen mit SS–General Stroop, unter dessen Kommando 1943 der Aufstand des Warschauer Jüdischen Ghettos niedergeschlagen und das Ghetto liquidiert worden war. Stroops „Lebensbeichte“, Stichwort: „die Banalität des Bösen“, bestimmt die Dialoge. Die westdeutsche Kritik hatte mit den Aufführungen in Düsseldorf, Dortmund, Nürnberg und München Probleme, die in der Spannung zwischen Authentizität und theatraler Scheinwirklichkeit gründeten.79 Offensichtlich rührten 78 Vgl. Reichenberger, S.: Gespräche mit dem Henker. Heute im Bliss–Theater. In: Münchner Merkur, 24.7.1980. Lt. Godlewska 2001, S. 158–159, war die Warschauer Inszenierung am „Teatr Powszechny“ durch Andrzej Wajda mit Zygmunt Hübner als Moczarski „nicht nur ein Theaterereignis, sondern auch ein politisches Ereignis.“ Dargestellt wurde nicht so sehr Stroop als Person, sondern „das, was von einem Menschen bleibt, wenn man ihn der allgemeinen menschlichen Moralvorstellungen enthebt.“ Die Zensur habe die Inszenierung des Stückes zwar erlaubt, aber „allzu positive Rezensionen“ drastisch gekürzt. 79 Vgl. Kalisch, E: Aspekte einer Begriffs– und Problemgeschichte von Authentizität und Darstellung. In: Fischer–Lichte, E. et alii (Hgg.), Inszenierung von Authentizität. Tübingen /
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die Probleme darüber hinaus auch aus der Untergattung „Dokumentarstück“, die sich in den 60er Jahren mit Rolf Hochhuts Stellvertreter (1963), Heiner Kipphardts In der Sache J. Robert Oppenheimer (1964)80 und Peter Weiss' Ermittlung (1965) etabliert hatte, aber nunmehr an der Grenze von den 70ern zu den 80er Jahren als theatralisches Mittel antiquiert und mit einer bestimmten Konnotation versehen war. Auch wenn diese Konnotation zu dem Gegenstandsbereich von Moczarskis Tagebuch durchaus passte, hatte sie eben doch ihre provokatorische Wirkung eingebüßt. Ein strukturelles Manko des Textes gesellte sich hinzu. Moczarski hat als Tagebuchführer und Protokollant von Stroops monströsen Reden keine eigene Stimme. Er wurde als Gegenüber durch Dieter Kühn quasi rekonstruiert. So fielen die Urteile gemischt aus. Die Düsseldorfer Erstaufführung fand keine Gnade, weil gerade die Banalität der Äußerungen des ‚wildgewordenen Kleinbürgers‘ Stroop durch Theatereffekte nicht zur Anschauung kam. Schrecken als Theatergag titelte Lothar Schmidt–Mühlisch in der „Welt“: „Wolfgang Arps spielte einen SS–Schergen aus dem Grusel–Bilderbuch, eine Karikatur, eckig, zackig, schlimmerweise komisch.“81 Die FAZ war der gleichen Ansicht und konstatierte, es gebe „Informationsbemühungen, die den falschen Effekt zeitigen. Zu ihnen könnte die Düsseldorfer Aufführung gehören“.82 Ähnlich negativ waren die Stimmen zur Nürnberger Inszenierung 1981. In Dortmund gelang die Aufführung wohl, weil die „Regie von Rudolf Seitz das allein Richtige tut: sie versucht, die Wirklichkeit soweit wie eben möglich in die Theaterwirklichkeit zu übertragen“83. Hier war Stroop eben keine Karikatur, sondern der Typus des ordentlichen Mannes, der Wahlsprüche wie Treue und Ehre immer auf einer unsichtbaren Standarte vor sich herträgt. Stroop ist sich keiner Schuld bewusst. Der
Basel 2000, S. 31–44. 80 Kipphardt hatte 1960 die DDR verlassen und galt nun als „BRD–Autor“; vgl. maschinenschriftl. Manuskript des Beitrags Aufgefallen! (innerhalb der Sendung Leipziger Abend von Radio DDR [vermutlich] II), deren Verantwortliche nur verschlüsselt erscheinen: „Sendung: 17.11.81 – Red.: Minsel – gexhr.: hom“. Hier wird im Übrigen eine Linie zwischen Kipphardts Dokumentarstück und Moczarski gezogen, schon im Titel: In der Sache J. Robert Oppenheimer und Gespräche mit dem Henker. Es geht um Aufführungen im Leipziger „Kellertheater“ und im Schauspielhaus. 81 Schmidt–Mühlisch, L.: Schrecken als Theatergag. In: Die Welt, 13.11.1979. 82 Schmidt, J.: Schulfunk, aufgedonnert. In: FAZ, 5.11.1979. Ähnlich äußerte sich Schmidt auch in der westdeutschen Theaterzeitschrift „Theater heute“, 1979 Heft 12, S. 58. Vermutlich war auch Dieter Kühns Adaption weniger authentisch als die polnische Umsetzung durch Zygmunt Hübner, die in deutscher Übersetzung in der DDR gegeben wurde. 83 Wohlgemuth, J.: Gespräche mit Henker machen betroffen. In: [Dortmunder / Westfälische?] Rundschau. (Dortmund), 20.10.1981.
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Nur die Münchner Inszenierung brachte den Aspekt deutlicher heraus, der in Polen im Vordergrund gestanden hatte: Moczarski als Opfer zweier Systeme. Der Regisseur Andrzej Margowski, Absolvent der Münchner Theaterhochschule und selbst polnischer Abstammung, hatte in diesem Sinne nicht zufällig verstanden, dass Moczarskis Bericht „eine Auseinandersetzung mit dem Nationalsozialismus und dem stalinistischen Polen“85 war. Ob dieser Ansatz dem Münchner Publikum plausibel war, lässt sich den Kritiken nicht entnehmen. Auch hier heißt es, der „theatralische Wert“ sei „nicht allzu hoch zu veranschlagen, eben weil sich solche vertrackten psychischen Vorgänge nur schwer bühnenfähig machen lassen.“86 In der DDR dagegen wurde von der offiziösen Kritik auch dieses Stück in den propagandistisch anklagenden Zeigegestus gen Westen eingebaut, hatte man sich doch in der Bundesrepublik nach langwierigen politischen Auseinandersetzungen seit Mitte der 60er Jahre erst 1979 im letzten Augenblick dazu durchgerungen, die Verjährungsfrist bei Verbrechen gegen die Menschlichkeit aufzuheben. Wie dreißig Jahre zuvor Kruczkowskis Sonnenbruchs wurden auch Moczarskis Gespräche mit dem Henker zu einer Art Agitprop, zumindest im Lichte der Kritik, und das gewissermaßen insofern folgerichtig, als es ja wiederum um das nationalsozialistische Erbe ging und damit auch um ein deutsches Thema: Die Gespräche mit dem Henker hatten eine ungewöhnliche Resonanz nach der Uraufführung in Polen, und die Aktualität liegt in der Auseinandersetzung mit dem deutschen Faschismus, die durch die wieder erschreckend anschwellende braune Welle und die Diskussionen um die Verjährung von Naziverbrechen in der BRD wieder internationaler Gesprächs– und Zündstoff wurde.87
Keine der vorliegenden Theaterkritiken aus der DDR lässt einen ähnlichen Hinweis auf die Bundesrepublik aus. In der Zeitschrift „Theater der Zeit“ wird dieser Hinweis aber deutlich zum obligaten Vorspann, nach dessen pflichtgemäßer Erledigung die Aufführungen in Magdeburg, Berlin („Volksbühne“) und Potsdam sehr differenziert besprochen werden. Dabei wird manches Deutungsmoment en passant mit Hilfe des Bezugs auf die Warschauer Urauffüh84 Ebenda. 85 Reichenberger, S.: Gespräche mit dem Henker. In: Münchner Merkur, 24.7.1980. (Hervorhebung von U.S. ) 86 Bleisch, E.G.: Gespräche mit Nazi–General Stroop. In: Münchner Merkur, 30.7.1980. 87 Manuskript einer Rundfunksendung, leider ohne nähere Angaben. Es handelt sich um eine Kritik zur Aufführung am Potsdamer „Hans–Otto–Theater“ von Anfang Juni 1979.
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rung vermittelt, wie z.B. das „eigene tragische Schicksal“ Moczarskis. Über die Berliner Inszenierung durch Peter Konwitschny heißt es: Der Zuschauer wird in eine ungewöhnliche Situation versetzt, um ihm die Ungewöhnlichkeit, ja Absurdität des Vorgangs deutlich zu machen; über den konkreten Fall hinaus zielt die Darstellung auf Verallgemeinerung, in der hier suggerierten ‚geschlossenen Gesellschaft‘ werden Gefährlichkeit und Erbärmlichkeit bestimmter Verhaltensweisen besonders signifikant.88
Die Gespräche mit dem Henker zeigen zweierlei: zum Einen die Situationsadäquatheit sowohl des Ausgangstextes als auch der Adaption, indem der Gegenstandsbereich der unmittelbaren Vergangenheit entnommen ist; zum Anderen das Problem der Adaption selbst. Wie eingangs dargelegt, verheißt die Situationsbindung einem Text aus verschiedenen Gründen ein vorerst kurzes Theaterleben. Die Umarbeitung von Erzählprosa in aufführbare Theaterstücke dagegen steht in der Tradition theaterreformerischer Bemühungen seit Beginn des 20. Jahrhunderts, die auch eine Befreiung des Theaters aus den Fesseln der literarischen Vorlagen bedeuteten. Dennoch handelt es sich insofern um Grenzfälle aus dem spannungsreichen Mit– bzw. Gegeneinander von Literatur und Theater, als auch das Regietheater auf die Kreativität professioneller Stückeschreiber nicht verzichten kann, ohne an Substanz einzubüßen oder doch bei der Pantomime zu landen. 89 Auch der mindere Erfolg von Józef Szajnas Dante in deutscher Sprache in Essen (s.o.) lässt sich damit erklären, dass nun plötzlich die Bedeutungsebene der sprachlichen Äußerungen die theatrale Zeichenhaftigkeit konterkarierte und das Spiel banal wurde; denn in Deutschland wirkt die spezielle kanonische Zeichenhaftigkeit des polnischen Theaters in Verbindung mit Sprachhandlungen anders, schlimmstenfalls als unangemessenes Pathos.
Unterhaltungsstücke: Marek Domański, Agnieszka Osiecka und andere Im Sinne der oft erwähnten Spiegelbildlichkeit der Rezeption zwischen Ost– und Westdeutschland wandten sich die DDR–Theater eben nicht den politisch aktuellen Stücken der „Abrechnungsliteratur“ mitsamt ihren subversiven modernistischen Strategien zu, sondern suchten in den 50ern und 60ern den Anteil an ‚Internationalismus‘ auf der Bühne auch mit polnischen Unterhaltungs88 Linzer, Martin: Wider den faschistischen Ungeist. In: Theater der Zeit. 1979 Heft 8, S. 31f. 89 Symptomatisch ist der Weg Becketts hin zu einem Text wie Eh Joe (1966), weil er die Reduktion eines Textes von Seiten des Dramatikers belegt. Das kommt dem Theater vielleicht nur scheinbar entgegen. Eh Joe besteht – bis auf die Nennung des Titels aus dem Off – nur aus Nebentext, den man selbstverständlich nicht aufführen muss, sondern wie ‚normale‘ Prosa lesen kann.
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stücken zu kompensieren. Natürlich haben Begriffe wie „Unterhaltungsstück“ oder „leichte Muse“ etwas Diskriminierendes, zumal in Deutschland, das ja auch mit „Lustspielen“ eigener Produktion nicht besonders gesegnet ist. Man könnte meinen, dass die DDR den zutiefst bürgerlichen Anspruch an das Theater als „moralische Anstalt“ (gegen die bloße Zerstreuung des Adels) nur in spezifischer Weise umgeformt hatte, und zwar im Sinne eines agitatorischen Theaters. Daher ist die beschriebene Wendung zur „Unterhaltung“ im doppelten Sinne ideologieverdächtig. In der offiziösen Rückschau auf das DDR–Theater aus dem Jahre 1972 „Theater in der Zeitenwende“ wird über die „Auseinandersetzung mit der spätbürgerlichen Dramatik“ ab 1946/47 geschrieben, dass diese Dramatik mit „konfektionierter Boulevard–Unterhaltung“ ein „kleinbürgerliches Unterhaltungsbedürfnis“ bediene.90 Ein kurzer Blick in das allerdings erst 1986 in Leipzig erschienene „Wörterbuch der Literaturwissenschaft“ zeigt denn auch die fortdauernden besonderen Kalamitäten der „Unterhaltungs“–Sparte im Sozialismus: [...] bekanntermaßen hob Brecht an Diderot und Lessing hervor, dass sie z.B. das «Theater als eine Stätte der Unterhaltung und Belehrung definierten» (Über experimentelles Theater, 1939). [...] Wie überhaupt, so ist insbesondere in Hinblick auf sozialistische Literaturverhältnisse der Begriff der Unterhaltung noch in der Diskussion. Nichtsdestoweniger bildet die Sache selber in der sozialistischen Gesellschaft einen vollgültigen Bestandteil des Literaturensembles, wobei die Unterhaltungsbedürfnisse der Leser innerhalb einer weiten Fächerung von Bedürfnissen auftreten (Information, Aneignung von Kenntnissen, ästhet. Formen der Weltaneignung usw.)91
Verklausuliert wird auf die Massenwirksamkeit von „Unterhaltung“ sowohl nach ihrem historischen Entstehungsgrund als auch ihrem gegenwärtigen Potenzial einer ‚Massengesellschaft‘ verwiesen, dem eigentlich ja das agitatorische Theater zu entsprechen hatte.92 Insofern ist die Wendung von den agitatorischen zu den unterhaltenden Gegenwartsstücken nicht ohne innere Logik. Der heute vergessene Marek Domański verstand es, Elemente von Unterhaltungsstücken – in den Kritiken ist von „Boulevard“ die Rede – mit dem agitatorischen Produktionsstück zu verbinden. So kam 1964 sein Drama Kukula. [Ein Neuer] heraus und wurde 1966 am „Hans–Otto–Theater“ Potsdam anläss-
90 Mittenzwei, Werner (Hg.): Theater in der Zeitenwende. Band 1 Berlin 1972, S. 138f. 91 Förster, W.: Unterhaltungsliteratur. In: Träger, C. (Hg.), Wörterbuch der Literaturwissenschaft. Leipzig 1986, S. 535. [Die lexikonüblichen Kürzel wurden stillschweigend aufgelöst.] Ein ‚Bedürfnis‘ nach bloßer Zerstreuung taucht bezeichnenderweise nicht auf. Vgl. dazu auch unten Kapitel 5. 92 Selbstverständlich liegen die Dinge sowohl historisch als auch ideologiekritisch komplizierter, z.B. gerade wenn man an Brechts episches Theater und den Begriff der Verfremdung und die dramen– und theatergeschichtlichen Folgen denkt.
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lich der feierlichen Eröffnung einer neuen Spielstätte erstaufgeführt. Das Stück wurde dann in den Folgejahren in Greifswald und Parchim nachgespielt. In einen mittleren, aber wichtigen Betrieb der Radio–Industrie, nach dem Krieg aufgebaut und seither nach eingefahrenen, konventionellen Technologien arbeitend, kommt der junge Ingenieur Karol Kukula als Technischer Direktor. Kukula hat das Studium am Technikum mit großem Erfolg absolviert und begegnet nun der Praxis, das heißt der industriellen Produktion im Prozess der technischen Revolution, mit dem „Rucksack“ des Weltniveaus. Sofort wird er natürlich in große und heftige Widersprüche verwickelt, von denen der wesentliche ist: er will (und muß, wenn er mit der technischen Revolution Schritt halten soll) konsequent die Produktion seines Betriebes rationalisieren, beachtet aber dabei die vielen, vielfältigen Probleme der beteiligten Menschen nicht. So entläßt er 37 Arbeiter, da er eine Fließfertigung eingeführt hat, und kündigt die Entlassung weiterer 200 Arbeiter an, da er die Fließfertigung zu einer Automaten–Straße ausbauen will. Diese (fast ans Brutale grenzende) Konsequenz Kukulas, der nur den technischen Fortschritt der sozialistischen Produktion vor Augen hat, stößt natürlich auf Widerstand und zwar nicht nur der des Betriebes, sondern auch vor allem der Arbeiter. Diese heftigen Auseinandersetzungen gehen verständlicherweise nicht ohne persönliche Probleme ab, zumal in unsere Geschichte auch noch eine Liebesaffäre hineinspielt und der Vater des Mädchens, ein alter verdienter Arbeiter, nicht die Qualifikation hat, die hochmodernen Maschinen zu bedienen.93
Der Erfolg dieses „ersten Versuchs, aktuelle Probleme der beginnenden technischen Revolution mit den Mitteln des Theaters zu gestalten“94 blieb aus, vermutlich im Unterschied zu Polen.95 Im „Theater der Zeit“ hieß es zur Potsdamer Erstaufführung, die Problematik habe „ständig im Widerstreit mit der Gestaltung dieses Dreiakters“ gelegen und ob Domański der „Fredro des 20. Jahrhunderts“ sei, bleibe dahingestellt.96 Interessant sind aber versteckte Hinweise, wie: Ein Stück vom Nachbarn dem Publikum des anderen Landes zu erschließen, müßte doch bedeuten: einmal dem Wesen des Originals nachzuspüren, aber auch nützliche Gedanken «aufheben», ihre Zusammenhänge zu unserer Situation transparent machen.97
93 g.a.: Kukula – ein Stück voller Zündstoff. In: Ostseezeitung. 16.2.1967. (Über die Aufführung in Greifswald). Die überarbeitete deutsche Übersetzung kam in Buchform heraus; vgl. Domański, Marek: Kukula. Stück in 4 Bildern und einer Versammlung. Berlin(–O) 1968. 94 Ebenda. 95 Das Stück stehe „seit zwei Spielzeiten mit 12 Inszenierungen in der ersten Reihe der Erfolgswerke der benachbarten Volksrepublik Polen“. J.Z.: Kukula (Ein Neuer). In: TdZ 1966 Heft 7, S. 1. 96 Gleiß, J.: Domańskis Kukula (Ein Neuer) in Potsdam. In: TdZ 1966 Heft 12, S. 9f. 97 Ebenda. (Hervorhebung v. U.S. )
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Polnische Dramen in Deutschland (1945–1995)
Die Gegenüberstellung von „Wesen des Originals“ zu „unserer Situation“ drückt etwas aus, das kryptisch bleibt und zu dem sich manches, freilich auch DDR–Konformes!, denken ließe. Es ist die typische Äußerungsart von Kritikern gerade im „Theater der Zeit“, einer Zeitschrift für Theaterprofis und Intellektuelle, die sich zwar situativ deuten, aber als Deutung nicht beweisen lässt. Wir vermißten Auseinandersetzungen zwischen den Figuren, deren Widersprüchlichkeit die Charaktere bilden, und wurden dafür Zeugen einer stabilisierten Verschwörung von kleinbürgerlichen Taktierern und Klatschbasen.98
Der Kritiker spielt fast wörtlich auf ein anderes polnisches Gegenwartsstück an, nämlich Różewicz's berühmtes Dramendebut Die Zeugen oder Unsere kleine Stabilisierung (1962), das nach seiner Erstaufführung 1965 im Leipziger Studententheater von der Bildfläche verschwunden war und erst zehn Jahre später im Rahmen der polnischen Theatertage 1975 wiederauftauchte.99 Różewicz's ‚modernistisches‘ Drama wurde ja als Ausdruck der spezifischen Situation in Polen nach 1956 verstanden. Domański hatte aber mit einem reinen Boulevard–Stück in der DDR weit größeren Erfolg als mit seiner Produktions–Klamotte, mit Katharina in der Klemme (1957 / 1960). Es hielt sich nach der Erstaufführung 1968 in Döbeln vergleichsweise lange auf den Spielplänen der DDR–Provinz (Greifswald, Nordhausen, Prenzlau, Quedlinburg, Schwerin, Stendal, Görlitz–Zittau) und wurde noch 1987 in Mageburg inszeniert.100 Die Schweriner Aufführung war eine Produktion des Mecklenburger Staatstheaters zusammen mit dem Ostseestudio Rostock des Deutschen Fernsehfunks der DDR.101 Sie wurde in Schwerin im Kontext ähnlicher Stücke, wie John Mortimer, Mittagspause und Pflichtmandat, Jochen Ziems, Nachrichten aus der Provinz, und Jerome Kilty, Geliebter Lügner, sowie einer Szenenfolge von Helmut Baierl und anderen gezeigt.102 Hier fehlt je98 Ebenda. (Hervorhebung v. U.S. ) 99 Das Leipziger Studententheater spielt bei der Anverwandlung polnischer Stücke eine bemerkenswerte Rolle; es hat hat auch andere wichtige Gegenwartsstücke erstaufgeführt, nämlich 1975 Różewicz's Der unterbrochene Akt und 1981 Iredyńskis Die reine Liebe. Andere Theater waren weniger erfolgreich, z.B. die Jenaer Studentenbühne in Bezug auf Die Falle von Różewicz, die 1985 nicht gestattet wurde und so erst 1995 in dem nach der Wende begründeten Jenaer „Theaterhaus“ zur Aufführung kam. 100 Ein drittes Stück, Richard muß dran glauben (1970) blieb auf eine einzige Inszenierung 1972 in Anklam beschränkt. 101 Regie: Gert Jurgons; vgl. Programmheft des Schweriner TIK (Theater im Kulturbund am Pfaffenteich) aus dem Jahre 1969 (Premiere: 27.12.1969). Die Inszenierung sollte angeblich im Januar 1970 gesendet werden; vgl. Gustmann, E.: Vor der Bildschirmpremiere. In: Schweriner Volkszeitung. 2.1.1970. Nachweisbar ist allerdings nur die Fernsehsendung vom 13.11.1981 (Vgl. http://www.ddr–fernsehen.de/3heitere_dramatik/pdf/autorenliste.pdf ; 7.2.2006). 102 dl: „Abstecher“ im Zimmertheater. In: NdZ (=Norddeutsche Zeitung?), 13.12.1969.
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der Hinweis auf eine Botschaft, eine Wahrheit oder Wirklichkeit. „Marek Domański (Kukula) ist bekannt für geschliffene Dialoge und knallharte Dispute“, und so ergaben sich „am laufenden Band komische Situationen“.103 Die Anverwandlung polnischer Stücke in der DDR war im Grunde damit nach rund 20 Jahren dort angekommen, wo die Bühnen der Bundesrepublik mit Roman Niewiarowicz begonnen hatten. Mit Agnieszka Osieckas Erfolgsstück104 Appetit auf Frühkirschen (1968) kam ein ganz anderes Kaliber, wenn auch im gleichen Genre, auf die Bühnen der DDR. Appetit auf Frühkirschen ist ein Zwei–Personen–Stück und eignete sich für ein intimes Theater bzw. für die an der Wende von den 60ern zu den 70ern auch in der DDR eingerichteten „Foyers“, „Probebühnen“ etc., also Spielstätten kleineren Zuschnitts, die zusätzlich zum ‚Großen Haus‘ bespielt werden konnten und die auf Grund der eingeschränkten Maschinerie zumindest potenziell dem Theaterexperiment Vorschub leisteten. Agnieszka Osiecka hat bis heute in Polen einen Namen. Ihr gelang mit diesem und offenbar auch anderen Stücken eine ‚modernistische‘ Variante des Unterhaltungstheaters. Es geht um Eheprobleme, ein paar Jahre vor Ingmar Bergmanns berühmtem Film Szenen einer Ehe (1973), und insoweit um Privatheit und Intimität. In Rückblenden und von 14 Liedeinlagen unterbrochen105 wird eine gescheiterte Ehe behandelt, zudem in eigenartiger Pointierung: In einem Eisenbahnabteil [...] treffen sich ein Mann und eine Frau. Im anfänglich mühsam in Gang gesetzten Gespräch stellt sich heraus, daß beide justament Scheidungsrichter und Ehepartner hinter sich gelassen haben. Aus den Fragen, die sich die beiden frisch Geschiedenen gegenseitig über ihre Ehe und ihr Leben stellen, entwickelt sich eine Art improvisiertes Spiel, indem sie gemeinsam Szenen als Rückblenden – sozusagen zur Demonstration – einschalten.106
Am Ende scheint es so zu sein, als seien gerade sie beide miteinander verheiratet gewesen, und es gibt im Sinne des metaphorischen Titels das genreübliche Happy–End, indem sich die beiden wieder finden.
103 Aus einem Juweliergeschäft ist „ein 15karätiger Brillant mit hohem Dollarwert, Krokodilsträne genannt“, verschwunden. (–la: Katharina in der Klemme. In: Norddeutsche Neueste Nachrichten. 30.10.1968) Es entwickelt sich ein (erotisches) Dreieck zwischen der des Diebstahls verdächtigten Angestellten des Geschäftes und „zwei Vertretern der Justiz, dem Herrn Rechtsanwalt und dem Herrn Staatsanwalt“. (Ebenda). 104 Es lief in Warschau mehrere Jahre vor vollem Haus. Vgl. Grell, O.: ‚Sie‘ und ‚Er‘ im D– Zug. In: Der Morgen, 15.2.1972. 105 In der deutschen Fassung von keiner geringeren als Sarah Kirsch übersetzt und von Tilo Medek vertont. 106 Meyer, H.: Appetit auf Frühkirschen. [Masch.–schriftl. Manuskript] Radio DDR, Funkhaus Potsdam, 2.2.1972. (Zur Potsdamer deutschen Erstaufführung)
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Das Stück wurde auf 19 Bühnen der DDR, darunter auch im Berliner „Maxim–Gorki–Theater“, gespielt.107 Die Erstaufführung fand 1971 in sorbischer Sprache in Bautzen statt, dem folgte die deutsch(sprachig)e Erstaufführung 1972 in Potsdam. Angesichts des großen Erfolges bleibt merkwürdig, dass die zahlreichen Kritiker mit keinem Wort auf die Situationsadäquatheit des Themas ‚Scheidung‘ eingehen. Nur einmal heißt es, „das Thema ist gängig, seine Moral schon von Schiller spruch(wort)reif gemacht: ‚Drum prüfe, wer sich ewig bindet..‘.“.108 Eher wird, wenn auch keineswegs durchgängig, die Privatheit der Perspektive bemängelt. So bemerkte Hannelore Gerlach in „Theater der Zeit“, dem „Grad der Herauslösung eines Problems aus wesentlichen gesellschaftlichen Zusammenhängen zu folgen, fällt gewiß nicht nur mir schwer.“109 Wenn er sich beispielsweise, vermutlich aus beruflichen Gründen, in einem kleinen Ort an den Masurischen Seen wohl fühlt, sie aber dort ein geistig unerfülltes Dasein fristet, so sind das gewiß keine rein ehelichen Fragen, schon gar nicht in einer sozialistischen Gesellschaft.110
Aber die „originelle theatralische Form“111 wird grundsätzlich als dominierendes Merkmal anerkannt: Zweifellos liegt das Imponierende dieses Spiels auch in seiner theatralisch wirksamen Anlage, die den Agierenden durch den ständigen Spielebenenwechsel schauspielerische Möglichkeiten der Verwandlung, des Heraufzauberns von Situationen, ja, ganzer Lebenswelten gibt.112
Das Stück sei „sehr polnisch in der Poesie der gebrochenen Töne, des melancholischen Tiefsinns“ und habe „etwas von der spielerischen und tiefsinnigen Eleganz guten Boulevardtheaters, in den von Sarah Kirsch einfühlsam nachgedichteten und von Tilo Medek raffiniert komponierten Liedern intelligente Chansonpoesie, ein bißchen Hauch von großstädtischer Intellektualität.“113 107 Das Stück wurde offenbar auch im Fernsehen „in einem Studiogastspiel aus dem Dresdner Kulturpalast“ gezeigt. Vgl. Krecek, W.: Zwei und ihr Anspruch auf Wärme. In: Leipziger Volkszeitung, 24.1.1973. (Zur Leipziger Inszenierung) 108 Antosch, G.: Schauspielerische Zierdeckchen. In: Union, 24.1.1973 (Zur Leipziger Inszenierung) 109 Gerlach, H.: Appetit auf Frühkirschen. In: TdZ 1972 Heft 5, S. 47. (Zur Potsdamer deutschen Erstaufführung) 110 Hannuschke, K.: Appetit auf Frühkirschen. In: Märkische Volksstimme, 2.2.1972. (Zur Potsdamer deutschen Erstaufführung) 111 Antosch, G.: Schauspielerische Zierdeckchen. In: Union, 24.1.1973 (Zur Leipziger Inszenierung) 112 Gerlach, H.: Appetit auf Frühkirschen. In: TdZ 1972 Heft 5, S. 47. (Zur Potsdamer deutschen Erstaufführung) 113 Middell, Dr. E.: Direktes Komödienspiel. In: Sächsisches Tageblatt, 24.1.73. (Zur Leipzi-
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Zu den „Tagen der polnischen Theaterkunst“ 1975 wurde das „Singspiel“, „Beat–Musical“ (!) o.ä. Auf Glas gemalt, Text von Ernest Bryll, Musik von Katarzyna Gärtner, in Bautzen (DEA in Sorbisch) / Rostock (DEA in Deutsch), Cottbus und Leipzig aufgeführt. Im Blick auf die Kategorie ‚Unterhaltung‘ sollte hier freilich eine gewisse Camouflage nicht übersehen werden, die auch im plebejischen Ansatz des Stückes lag. Es geht um eine Art Robin Hood unter den Góralen in der Tatra namens Janosik und um die Auseinandersetzung „mit den österreichischen Unterdrückern“114. Die romantische Situierung in der Teilungszeit darf angesichts des polnischen Geschichtsbewusstseins und des polnischen Nationalismus für vordergründig gehalten werden, zumal Bryll in der polnischen Abrechnungsliteratur nach 1956 eine ganz eigene Stimme führte: Denn für ihn lag das Wesen der Dinge [...] in der Enthüllung der Labilität unserer Begriffe und Maße, in der Enthüllung der schlichten sackleinenen, in ihrer ordinären und dramatischen Buntscheckigkeit so malerischen Wahrheit. Daher die sprachliche Provokation, die Einführung derber Wörter und abgerissener, gleichsam hinausgestöhnter Sätze, die häufige Verwendung der ‚Metaphorik der Mundhöhle und des Magens‘.115
Seine ‚Volkstümlichkeit‘, die in den Kritiken gepriesen wurde, hatte im Original offensichtlich einen ganz anderen Kontext, als es in der deutschen Umgebung schien. Die Verbindung zu Osiecka besteht denn auch vornehmlich im originellen Konzept der auf Musik gestützten Theatralisierung (und nicht in Thema oder gar diskursiver ‚Botschaft‘), „zu dem Vergleiche mit ähnlichen Produktionen bei uns fehlen“116 und zu dessen Bewältigung angesichts eines sogenannten Beat–Musicals doch ‚schweres Geschütz‘ aufgefahren wurde, wenn auch mit zutreffenden Argumenten: Das polnische Theater, wie wir es gegenwärtig zu den in der DDR stattfindenden Tagen unseres Nachbarlandes auch auf den Bühnen des Ostseebezirkes kennenlernen, versteht sich selbst, seinen originellen Stil als Einheit von vier Charakteristika: 1. Anteilnahme an den Problemen der Nation und der Gesellschaft, 2. poetischer Charakter, 3. enge inhaltliche und formale Bezüge zur bildenden Kunst, 4. demaskierende Ironie, Satire, Humorgefühl, Liebe zur Groteske und zur Übertretung, zu sehr klaren Formen (Roman Szydłowski). Diese Züge bildeten sich aus plebejischen Spielen und Mysterien vergangener Jahrhunderte heraus, aus bäuerlichen Volksbräuchen, Weihnachtsspielen, Faschingszügen, aus der romantischen und neoromantischen Dichtung und aus Neuerungen der Gegenwart.117
ger Inszenierung) 114 Hilmar, B.: Turbulente Heldenstory. In: Norddeutsche Neueste Nachrichten, 15.10.1975. 115 Maciąg, W.: Die polnische Gegenwartsliteratur 1939–1976. München 1979, S. 184. 116 –ian–: Auf Glas gemalt. In: Sächsisches Tageblatt, 7.10.1975. 117 Franz, H.: Janosik, Goralengeschichte und Beatrhythmen. In: Ostsee–Zeitung, 14.10.1975.
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Eigentlich war der Erfolg dieser „originellen theatralischen Form(en)“ doch geeignet, das gesamte mühselig stabilisierte ästhetische System von ‚Widerspiegelung‘ und ‚Realismus‘ aus den Angeln zu heben, um das in den Vierzigern so gerungen worden war. Aber die Zeiten waren nicht mehr diese. Wenn man die Situation ins Auge fasst, ging es nach 1968 tatsächlich wohl auch um ‚Brot und Spiele‘. Zudem hatten andere Medien dem Theater vollends den Rang abgelaufen, nämlich der Film und ganz besonders das Fernsehen. Das Theater hatte seine immer doch nur relative ‚Massenwirksamkeit‘ eingebüßt.118 In der Hinwendung des Sprechtheaters zur ‚Unterhaltung‘ liegt auch eine Reaktion, die mit Polen nur mittelbar verbunden ist. Bohdan Drozdowski In der Entdeckerfreude des westdeutschen Theaters Ende der 50er / Anfang der 60er Jahre in Bezug auf Polen blieb Bohdan Drozdowskis Erfolgsstück Der Leichenzug nicht lange unbemerkt. Der Text war im November 1960 in der polnischen Zeitschrift Dialog veröffentlicht worden und hatte sogleich für einen Skandal gesorgt, weil bestimmte Motive und Figurenkonstellationen einer Reportage aus Masuren entnommen waren, die Ryszard Kapuściński unter dem Titel Der Starre (Sztywny) in der Zeitung „Polityka“ veröffentlicht hatte. Es ging um Plagiatsvorwürfe und darum, ob Kapuściński einen literarischen oder einen journalistischen Text geschrieben habe.119 Jedenfalls ergaben sich beste Voraussetzungen für das Theater, sich des Stückes anzunehmen.120 Es wurde 1963 in Westdeutschland von Carl Horst Hiller übersetzt und im Jahr darauf in Oberhausen im Beisein des Autors erstaufgeführt. Das Drama stieß auf ziemliches Unverständnis. Und das war symptomatisch. Man hatte in Drozdowski eigentlich einen zweiten Mrożek erwartet und sah sich in gewisser Weise enttäuscht. Ein Skandal wurde wohl nur auf Grund des allgemeinen Wohlwollens auch dem jungen polnischen Autor gegenüber vermieden.121 Ein Sarg macht viel Ärger 118 Zwischen 1955 und 1965 gingen in der DDR die Zuschauerzahlen von 18 Millionen auf 12 Millionen zurück. Vgl. Hamburger, M.: Theater im Sozialismus: Shakespeare in der DDR. In: Hortmann, W., Shakespeare und das deutsche Theater im XX. Jahrhundert. Berlin 1998, S. 375–460, hier S. 385. Hamburger sieht darin auch das Indiz für eine Reaktion der Zuschauer auf ideologischen Druck – durch das Theater, wenn auch durch Dritte verordnet. 119 Vgl dazu Mariusz Szczygieł – URL http://serwisy.gazeta.pl/kapuscinski/1,23082, 472427.html ; 13.2.2006. 120 Es wurde am 25.11.1961 im schlesischen Grünberg / Zielona Góra aufgeführt (Regie: Marek Okopiński); vgl. Jarmułowicz, M.: Bohdan Drozdowski Kondukt. Pejzaż polski z trumną. In: Czechowicz, J., et alii (Hgg.), Dramat polski. Interpretacje. Band 2 Gdańsk 2001, S. 235–245. 121 „Das volle Auditorium des Studio 99 mit Frau Albertz, Vertretern der Stadt und der auswärtigen Kritik sowie der freundliche Beifall gaben einen Rahmen, den der anwesende
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titelte doppeldeutig die „Neue Ruhr–Zeitung“ (13.10.1964). In der „Aachener Volkszeitung“ war gar von einem „billigen und abstoßenden Stück“ die Rede.122 Es geht um einen – zumindest für ein westliches Publikum ungewöhnlichen – Leichentransport mit Hilfe eines altersschwachen Lastwagens, der seinen Dienst an ‚Volk und Staat‘ nächtens mitten im Wald aufkündigt. Die sozial bunt gemischten Insassen – zwei Bergarbeiter, die ihren verunglückten Kumpel in sein Heimatdorf transportieren, der abgeordnete Parteifunktionär, der Ingenieur bzw. Intelligenzler, eine unterwegs aufgelesene Tramperin und der Fahrer – haben nun ein Problem, das sich eben auch als eines der Sozialordnung entpuppt. „Als man sich entschließt, den Sarg samt Kränzen auf den Schultern ins Dorf zu tragen, kommt es dann zu todernsten Bildern von überwältigender Komik.“123 Es ist die Zeit der ‚zornigen jungen Männer‘, zwischen John Osbornes Look back in anger (1957) und Peter Handkes Publikumsbeschimpfung (1966), in die sich der junge Drozdowski unter anderem wegen der Kraftausdrücke einordnete, auch wenn Tadeusz Nowakowski diesen Zorn in Polen nicht als Attitüde, sondern als echt einschätzte.124 „Die einzig sympathische Figur in diesem Leichenzug, den K. H. Hiller mit großer Freude an groben Worten ins Deutsche übersetzte, ist der Tote in seinem Sarg – er flucht nicht, er erbricht sich nicht und muß nicht mal hinaus...“.125 „Ein Ärgernis ist die platte Sprache, die Wirklichkeitsnähe und Echtheit des Milieus durch ständige Wiederholung von Kraftworten zu erreichen vermeint.“126 Man könnte meinen, dass das Stück gerade wegen der deutschen Kraftausdrücke nicht sinnfällig wurde, weil es ja deutlich eine polnische Situation darstellte. Es blieb bloße Demonstration des mittlerweile in der Volksrepublik Polen errungenen politischen Freiraums, wurde als solche akzeptiert, hatte aber damit keine vorrangig ‚theatrale‘ ästhetische Wirkung. Das soziale Konstrukt wurde zwar bemerkt, ließ sich aber in einem Land, das von wirtschaftlicher ProsperiAutor als herzliche Demonstration empfinden durfte.“ H.K.: ‚Endstation eines Verdauungsvorgangs‘. In: Ruhrwacht, 13.10.1964. 122 Die Formulierung entstammte der Feder der schon bekannten Sonja Luyken, die den Gegenwartsstücken ja grundsätzlich nicht viel abzugewinnen wusste: Schwarzer Humor, der keiner ist. In: Aachener Volkszeitung. 17.10.1964. Allerdings äußert sich im gleichen Tenor auch Werner Tamms: Dünn und geschmacklos. In: Westdeutsche Allgemeine Zeitung, 13.10.1964. 123 H.K.: ‚Endstation eines Verdauungsvorgangs‘. In: Ruhrwacht, 13.10.1964. 124 Nowakowski, T.: Zur geistigen Situation der polnischen Kultur. Vgl. Auszug im Programmheft des Nordmark-Theaters Schleswig, Heft 8, Spielzeit 1964/65. [unpaginiert] 125 Luyken, S.: Schwarzer Humor, der keiner ist. In: Aachener Volkszeitung, 17.10.1964. (Hervorhebung von U.S. ) Zur Übersetzungsproblematik (auch in diesem Stück) vgl. unten Kapitel 3.d. 126 Calé, S.: Polnisches Allerlei. In: FAZ, 28.10.1964.
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tät sowie einer andersartigen sozialen Schichtung und vor allem Tradition geprägt war, selbstverständlich nicht konkret machen. In der DDR erschien das Stück mit der obligaten Verspätung von gut zehn Jahren in einer eigenen, sehr viel stärker ausgleichenden Übersetzung von Henryk Bereska unter dem Titel Der Trauerzug. Die Verspätung wird in „Theater der Zeit“ wenigstens mit einer rhetorischen Frage gewürdigt, warum „dieses problemorientierte, nicht sehr aufwendige Stück von unseren Theatern nahezu unbeachtet blieb“.127 Es heißt gleich zu Anfang: Eine bemerkenswerte Inszenierung. Das, was einer Anzahl von Ensembles bei der Inszenierung polnischer Stücke nur schwer gelang, die sinnfällige Verbindung von volkspolnischer Wirklichkeit und ‚hiesiger‘ Bedeutsamkeit im Spiel, wurde in Greifswald (Regie Dieter Perlwitz) erkennbar.128
Diese „Erkennbarkeit“ bedeutete dennoch keinen unbedingten Erfolg. Sie wurde eben auch nicht weiter ausgeführt, weil ja dann die offensichtliche Groteske als Satire hätte in Funktion gesetzt werden müssen, etwa in Bezug auf systembezogene Gemeinsamkeiten: Mangelwirtschaft, mangelnder Arbeitsschutz, Diskrepanz zwischen Beschreibungspathos und beschriebener Wirklichkeit etc. So resümiert der bereits zitierte Kritiker in „Theater der Zeit“ am Schluss ganz anders, als er eingesetzt hat, indem er, ganz ähnlich wie die westdeutschen Kritiker, aber geradezu mit einem gönnerhaften Unterton die Demonstration des Andersartigen beschreibt: Und es wird etwas sichtbar über den komplizierten Reifeprozeß eines Volkes, das sehr tiefe soziale Unterschiede und sehr hohe kulturelle Schranken zwischen seinen Teilen überwinden mußte und muß, um zu sozialistischer Gemeinsamkeit zu gelangen.129
Die „Ostsee–Zeitung“ meldet denn auch Zweifel an, ob das „an sich etwas spröde Stück“ bei jedem Theaterbesucher gut ankomme: „Nicht jeder möchte nach Feierabend Särge auf der Bühne sehen!“ . Es gebe doch „publikumswirksamere“ polnische Gegenwartsstücke, wie beispielsweise Fehldiagnose von Jerzy Stawiński.130 Stawińskis Stück, eine Adaption seines gleichnamigen Romans für die DDR, lief zwischen 1972 und 1976 auf sieben DDR–Bühnen. Noch erfolgreicher war, zumindest was die Frequenz betrifft, sein Stück Die Scheidung, das zwischen 1975 und 1979 an zehn Bühnen gegeben wurde. Sie sollen hier nicht näher betrachtet werden, weil sie sich in die Ausführungen zur Gegenwartsdramatik ohne weiteres einordnen und weil Stawińskis Stücken kein ‚gesamtdeutsches‘ Rezeptionsschicksal zuteil geworden ist. Jedenfalls ist Drozdowskis Trau127 Wieck, Th.: Der Trauerzug. In: TdZ 1976 Heft 2, S. 18. 128 Ebenda. 129 Ebenda. 130 – : Was ist ein Mensch wert? In: Ostsee–Zeitung, 16.2.1976.
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erzug auch in der DDR nicht nachgespielt worden. Im Westen hatte im gleichen Jahr 1964, aber eine Spielzeit früher sein Stück Der Käfig oder Das Familienspiel (1962) in Kiel seine deutsche Erstaufführung (Regie: Helmut Geng), die Drozdowskis Debut in Deutschland überhaupt bedeutete. Das Echo war positiv. Die Hamburger „Welt“ schrieb, Drozdowski gelte in Polen „als einer der bedeutendsten Vertreter der jungen Schriftstellergeneration“.131 Aber auch dieses Stück wurde nicht nachgespielt. US
131 Hanck, F.: Neuer Dramatiker aus Polen. In: Die Welt, 2.7.1964.
3. Die Prägung des Polnischen der Texte bzw. seine Übersetzung
a. Themen und Motive Der im Folgenden zu leistenden Darstellung von Themen und Motiven in polnischen Dramen liegt ein exemplarisches Textkorpus zugrunde, das 38 Dramen umfasst. Entscheidendes Auswahlkriterium war hierbei das Vorliegen der betreffenden polnischen Texte in Doppelübersetzungen, wobei es sich in den meisten Fällen um je eine ost– und eine westdeutsche Fassung handelt. Im Rahmen der vergleichenden Übersetzungsanalyse sollte herausgearbeitet werden, welche Themenschwerpunkte polnischer Dramen in Deutschland Ost und West Beachtung fanden, und auch, ob sich in den vorliegenden Doppelübersetzungen Unterschiede hinsichtlich der Behandlung zentraler Themen und Motive der Prätexte beobachten lassen. Da die Verwendung der Begriffe ‚Thema‘ und ‚Motiv‘ als literaturwissenschaftliche Termini jedoch bis heute nicht eindeutig geklärt ist, sind zunächst einige theoretische Überlegungen dahingehend nötig, wie diese Ausdrücke, die nicht selten als Synonyme gebraucht werden, voneinander unterschieden werden können. Elisabeth Frenzel beispielsweise bemüht sich in ihrer Stoff–, Motiv– und Symbolforschung um eine Abgrenzung benachbarter Begriffe wie etwa ‚Bild‘ und ‚Motiv‘: [...] Dinge und Gegenstände wie Wald, Auge, Gold oder auch Meer, Hütte, Gewitter [sind] ebensowenig Motive, wie sie Stoff sind. Zu Motiven werden sie erst in komplexeren Erscheinungsformen wie „Goldgier“ oder „Palast und Hütte“. Die Motive zeigen Personen und Sachen nicht isoliert, sondern in einen Zusammenhang, d.h. eine Situation, gestellt, z.B. „Heimkehrer“, „Nebenbuhlerschaft“ oder „heimliche Liebesbeziehung“.1
Gerade die zuletzt genannten Beispiele, wie etwa „Nebenbuhlerschaft“, lassen die Grenzen zwischen ‚Motiv‘ und ‚Thema‘ nach Frenzels Definition als fließend erscheinen. Wolfgang Gesemann weist auf die terminologische Problematik explizit hin, wobei er sich wie Lotman auf Veselovskij bezieht.2 Lotman definiert das ‚Mo-
1 2
Frenzel, Elisabeth: Stoff–, Motiv– und Symbolforschung. Stuttgart 41978 (Sammlung Metzler ; 28), S. 29. Vgl. z.B. Gesemann, Wolfgang: Stoff, Motiv etc.. Bemerkungen zur Terminologie. In: Lauer, Reinhard et alii (Hgg.), Slavisches Spektrum. Festschrift für Maximilian Braun zum 80. Geburtstag. Wiesbaden 1983 (Opera Slavica. Neue Folge ; 4), S. 120–127, hier bes. S. 120– 123.
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tiv‘ als „elementare, unzerlegbare Erzähleinheit“;3 sein Hauptmerkmal sei ein „bildhaft eingliedriger Schematismus“.4 Jürgen Schutte versteht das ‚Motiv‘ zunächst relativ unspezifisch als „Schema einer typischen bzw. bedeutungsvollen Situation“; anschließend verweist er durchaus bereichernd auf die Verwendung dieses Ausdrucks in anderen Kunstgattungen. So bezeichne der Ausdruck ‚Motiv‘ in der bildenden Kunst „einen charakteristischen Ausschnitt der Wirklichkeit“, in der Musik eine „charakteristische Tonfolge“. Aufgrund dieser Überlegungen beschreibt er das ‚Motiv‘ in der Literatur als „bildhafte Vorstellung“ bzw. „Vorgangsgestalt“.5 Offenbar wohnt dem ‚Motiv‘ demzufolge ein bildhaftes, aber auch ein dynamisches Element inne, das – ähnlich wie in der Musik – in Verfahren der Wiederholung und Wiederaufnahme liegen kann, die es ja erst im eigentlichen Sinne als ‚charakteristisch‘ für ein bestimmtes Werk erscheinen lassen. Diese Ambivalenz zwischen Statik und Dynamik im Wortkunstwerk, die wohl mit am deutlichsten anhand der Problematisierung des Motivbegriffs zutage tritt, ist selbstverständlich schon von altersher bekannt; verwiesen sei in diesem Zusammenhang etwa auf den Simonides zugeschriebenen Grundsatz ut pictura poesis bzw. auf die von Leonardo da Vinci verfochtene gegensätzliche Konzeption einer Trennung beider Kunstformen aufgrund des fundamentalen Unterschieds zwischen Sukzessivität und Simultaneität, Dynamik und Statik.6 Es fällt auf, dass die bisher angeführten Definitionen des ‚Motivs‘ keine Differenzierungen hinsichtlich literarischer Gattungen enthalten. Dabei ist gerade der Zusammenhang zwischen Literatur und bildender Kunst im Drama besonders evident, da es gleichermaßen literarisches Werk und zur Aufführung gedachtes Gebilde ist: die Kommunikation findet nicht nur auf sprachlicher Ebene, sondern in hohem Maße auch mit Hilfe jener „visuellen Ansichten“ statt, „in denen die dargestellten Dinge und Personen sowie ihre Handlungen zur Erscheinung gebracht werden“.7 Roman Ingarden unterscheidet hier zwischen „Gegenständlichkeiten“, die „ausschließlich auf wahrnehmungsmäßige Weise [...] präsentiert“ werden, solchen, die „auf doppeltem Wege zur Darstellung gelangen“ – also sprachlich und außersprachlich – und schließlich jenen, „die ausschließlich mit sprachlichen Mitteln zur Darstellung gelangen“.8 Man3 4 5 6 7 8
Lotman, Jurij M.: Die Struktur literarischer Texte. München 41993, S. 330. Veselovskij, A.N.: Istoričeskaja poėtika. Leningrad 1940, S. 494; zitiert nach Lotman 1993, S. 331. Schutte, Jürgen: Einführung in die Literaturinterpretation. Stuttgart 1985, S. 112f. Hierzu z.B. Blasius, Jürgen: Einleitung. In: Bohn, Volker (Hg.), Bildlichkeit. Frankfurt a.M. 1990, S. 7–14, bes. S. 12. Ingarden, Roman: Von den Funktionen der Sprache im Theaterschauspiel. In: Ders., Das literarische Kunstwerk. Tübingen 41972, S. 403–425, hier S. 403. Ebenda, S. 405.
Prägung des Polnischen
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fred Pfister spricht von einer „Plurimedialität der Textpräsentation“, 9 da sich der dramatische Text „nicht nur sprachlicher, sondern auch außersprachlich– akustischer und optischer Codes“ bediene und somit ein „synästhetischer Text“10 sei. Seine Einteilung unterscheidet sich daher in mancher Hinsicht von jener Ingardens, der die außersprachlichen Codes – seien sie nun akustisch oder optisch (nach Pfisters Begrifflichkeit) – in ihrer Gesamtheit als „wahrnehmungsmäßig“ bezeichnet. Im Gegensatz zu Pfister differenziert Ingarden jedoch in Bezug auf den sprachlichen Code, indem bei ihm die für Pfister wesentliche „Funktion der Kommunikation“ erst an dritter Stelle genannt wird. Zuvor nennt er die „Funktion der Darstellung“ sowie die „Ausdrucksfunktion“, für die der „Ton der Rede“ entscheidend sei. 11 Die „Funktion der Darstellung“ bilde „nur eine Ergänzung in der Konstituierung der im Theaterschauspiel dargestellten Welt, da die Hauptleistung der Darstellung hier durch die konkreten Ansichten der auf der Bühne (aber im bloß dargestellten Raum) gezeigten Gegenstände erreicht wird“.12 Diese Überlegungen haben Auswirkungen auf das Verständnis des ‚Motivs‘; aus einer ‚bildhaften Vorstellung‘ im Rahmen des literarischen Kunstwerks entwickelt es sich im Rahmen der Theateraufführung zum ‚Bild‘ (als Kulisse oder, häufiger, als Requisit). Das Requisit befindet sich sozusagen an der Schnittstelle zwischen Drama und Theater, zwischen literarischem Werk und szenischer Umsetzung. Hans–Günther Schwarz bemerkt: Das Requisit ist das ureigenste theatralische Element. [...] Es vollzieht sich somit ein Übergang von der sprachlichen zur theatralischen Ebene. Damit wird die eigentliche textuelle Substanz des Werkes überschritten; die Requisiten gliedern sich in das körper– und umweltschaffende Sein der Bühne ein. Dennoch müssen sie zur Kompetenz des Dichters gerechnet und dürfen bei der Untersuchung eines dramatischen Werkes nicht übergangen werden. Sie nur der Bühnen– und Schauspielkunst zuzurechnen, verkennt, daß das wahrnehmungsmäßige Erscheinungsbild des Theaterspiels auf einer Verkettung von Text und Szene beruht.13
Wenn man von Manfred Pfisters Definition des Dramas als eines synästhetischen Textes sowie insbesondere von Ingardens Überlegungen ausgeht, wird deutlich, dass das Requisit motivische Funktion insbesondere dann haben kann, wenn es in mehreren Codes (d.h. sowohl im literarischen Text als auch in dessen szenischer Realisierung) präsent ist. Demnach ist das Requisit durchaus nicht immer nur dem optischen Code zuzuordnen, wie Pfisters Argumentation 9 10 11 12 13
Pfister, Manfred: Das Drama. München 102000, S. 24. Pfister 2000, S. 25. Ingarden 1972, S. 406–408. Ebenda, S. 407. Schwarz, Hans–Günther: Das stumme Zeichen. Der symbolische Gebrauch von Requisiten. Bonn 1974, S. 12.
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nahelegt, in der es zusammen mit dem Kostüm als einer von vielen verschiedenen visuellen Einzelcodes genannt wird.14 Als besonders plastisches Beispiel hierfür kann in Wyspiańskis Drama Wesele das Goldene Horn („złoty róg“) gelten, das symbolisch zur Befreiung Polens aufrufen soll, aber verloren geht. Ähnlich konnotiert ist das goldene Hufeisen von Wernyhoras Pferd, das im Dorf gefunden und von allen als gutes Omen interpretiert wird.15 Vergleichbare Beobachtungen lassen sich auch in Dramen mit einer gewissen Tendenz zum Epischen feststellen, so etwa in Różewicz's Pułapka (Die Falle16/Falle17), worin bestimmte Episoden aus dem Leben von Franz Kafka fiktionalisiert und szenisch umgesetzt werden. Leitmotivische Funktion, auch in Bezug auf den Dramentitel, kommt hier dem Schrank zu. Im 4. Bild des Dramas wollen Franz und seine Verlobte Felice in einem Möbelgeschäft einen Schrank kaufen, doch Franz ängstigt sich vor Schränken. Schließlich wird der Kauf von Felice allein getätigt. Im 14. – und letzten – Bild des Dramas erlangt dieser Schrank nochmals Bedeutung, als der Vater von Franz in ihn hineinklettert und gleichzeitig laut überlegt, wie vielen Menschen er Platz bieten würde. An anderer Stelle (im 10. Bild) erzählt Franz von einem Alptraum, in dem ebenfalls ein Schrank vorkommt. Hier wird das Leitmotiv des Schrankes allein über den sprachlichen Code vermittelt.18 Ein diesbezüglich besonders anschauliches Beispiel indessen ist Różewicz's Drama Grupa Laokoona (Die Laokoongruppe19/Die Laokoon–Gruppe20), in dem der abstrakte, auch philosophische Begriff der Schönheit sowie die Problematik von Original und Kopie in der Kunst anhand der antiken Skulptur der „Laokoongruppe“ innerhalb einer Familie diskutiert werden. Die in Rom in den Vatikanischen Museen aufbewahrte Skulptur ist auf der Bühne nicht präsent, von ihr (bzw. von einer Kopie, weil das Original gerade restauriert worden sei) wird vielmehr aus der Erinnerung erzählt.21 Ein Leitmotiv, dem in Bezug auf das Stück entscheidender Symbolcharakter zukommt und das zudem der bildenden Kunst entstammt, wird auffälligerweise nicht über den optischen Code vermittelt. So kann am Beispiel von Grupa Laokoona verdeutlicht werden, wie im Folgenden die Termini ‚Motiv‘ und ‚Thema‘ voneinander unterschieden werden sollen. Das ‚Motiv‘ wird hier als konkretes „Bild“ oder auch Detail verstanden, das oft Symbolcharakter aufweist und daher Rückschlüsse im Hinblick 14 Vgl. Pfister 2000, S. 25f. 15 Vgl. Wyspiański: Wesele. Kr. o.J. (Dzieła zebrane ; 4), z.B. S. 150, 212. 16 [o]Bereska, in: Różewicz, Auf allen vieren. Der Hungerkünstler geht. Die Falle. Berlin(–Ost) 1986, S. 107–199. 17 [w]Vogel, in: Różewicz, Falle. Berlin(–West) 1983 (?). [Ein unklares Erscheinungsjahr wird im Folgenden durch „(?)“ gekennzeichnet..] 18 Vgl. Różewicz: Pułapka. In: Ders., Dramaty wybrane. Kr. 1994, S. 281–360. 19 [o]Rymarowicz, in: Różewicz, Stücke. Berlin(–Ost) 1974, S. 43–95. 20 [w]Boll, in: Różewicz, Gedichte. Stücke. Herausgegeben von Karl Dedecius. Frankfurt a.M. 1983, S. 255–295. 21 Vgl. Różewicz: Grupa Laokoona. In: Ders., Teatr I. Kr. 1988, S. 125–176.
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auf das Thema zulässt. In den meisten Fällen, wie an einigen ausgewählten Beispielen gezeigt wurde, ist von einer Kombination des sprachlich–akustischen Codes (in Form der Figurenrede) und des optischen Codes (der Präsentation als Requisit, Kulisse usw.) auszugehen. Das eigentliche Thema ergibt sich aus dem Zusammenwirken der Gemeinsamkeiten aller zentralen Motive sowie ihrer Abstraktion. In Grupa Laokoona sind neben der „Laokoongruppe“ selbst (die der Vater in Kopie gesehen hat) etwa die Rosen zu nennen, welche die Mutter geschenkt bekommt und die sich als Papierblumen (d.h. als Kopien) entpuppen, oder auch Werke von Kierkegaard und Spinoza, die von den Figuren in Übersetzungen (d.h. „in Kopie“) gelesen und zitiert werden. Die künstlichen Rosen sind gleichzeitig Requisit, die philosophischen Werke nicht. Allen gemeinsam aber ist, dass es sich bei ihnen um ‚Abbilder‘, eben um Kopien, handelt.22 Von dieser konkreten Bildlichkeit und ‚Abbildhaftigkeit‘ lässt sich das Thema in der Weise abstrahieren, dass durch sie eine allgemeine und geradezu philosophische Diskussion über den Begriff der Schönheit und der Originalität an sich unter den Figuren evoziert wird: So fragt der Sohn den Vater, warum dieser die „Laokoon“–Statue für schön halte, und dieser erklärt, ihre Schönheit liege in der Harmonie des klassischen Griechentums, die sie ausstrahle, und in der Wahrheit ihrer Aussage (Leiden als Seelenstärke). Der Großvater fügt in diesem Zusammenhang noch hinzu, mit innerer Harmonie trage man das Schöne in sich. Offen bleibt, inwieweit die vom Vater in Rom gesehene Kopie der „Laokoongruppe“ mit dem Original übereinstimmt und inwieweit sich Kunst reproduzieren lässt. Offen bleibt auch, ob der Sohn unter diesen Voraussetzungen „er selbst“ (also sozusagen ein Original) werden kann. Sybille Bauer kommt zu folgender Einschätzung: Die falschen Reaktionen unserer Zeit auf ein Kunstwerk, auf die Person des Künstlers oder auf die Klassik und die daraus resultierenden grotesken Generationskonflikte zwischen Sohn, Vater und Großvater darzustellen, ist das wichtigste Anliegen dieses Stückes, welches das leere Kunstgeschwätz einer bigotten Bourgeoisie anprangert.23
Es ist somit erkennbar, dass dem Drama Grupa Laokoona ein deutlich autothematischer Aspekt inne wohnt, der in dem Sinne weit gefasst ist, dass er sich nicht auf die Literatur als eine Kunstform beschränkt, sondern auf die Kunst an sich – auf alle Kunstformen – ausgeweitet wird, wobei ja gerade im Drama der Bezug zur bildenden Kunst besonders eng ist. Gleichzeitig tritt hier ein bestimmtes, ‚intersemiotisch‘ aufgefasstes Verständnis von Intertextualität zutage, 22 Vgl. hierzu z.B. Filipowicz, Halina: A laboratory of impure forms. The plays of Tadeusz Różewicz. New York / Westport, Connecticut / London 1991, S. 60. 23 Bauer, Sybille: Theorie und Praxis des Dramas bei Tadeusz Różewicz. Regensburg 1985, S. 71.
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das im nächsten Abschnitt dieses Kapitels näher betrachtet werden soll (vgl. 3.b.). Bei der Analyse polnischer Dramen hat sich gezeigt, dass die Autothematik als einer von drei grundlegenden Themenkomplexen anzusehen ist; die beiden anderen sind Politik, sowohl in diachroner als auch in synchroner Ausprägung (d.h. als historische Dimension bzw. als Alltagssituation im Polen der Gegenwart), und Ethik (die Problematik des menschlichen Zusammenlebens unabhängig von der jeweiligen Gesellschaftsform). Diese drei Themenkomplexe liegen nicht immer isoliert voneinander, sondern mitunter auch in verschiedenen Kombinationen vor, wobei ein autothematischer Aspekt in den meisten analysierten Dramen zu beobachten ist. Einen Sonderfall stellt zweifellos Zielona Gęś von Konstanty Ildefons Gałczyński dar, weil es sich hierbei um eine Sammlung von Sketchen mit sehr unterschiedlicher thematischer Ausrichtung handelt. Die Autothematik wird oft ironisch gebrochen, z.B. im Sketch Wieczór sentymentalny24 (Ein Sentimentaler Abend25/Ein sentimentaler Abend26), indem auf einer Lyriklesung der Rezitator die Organisatorin um einen Vorschuss bittet, oder auch in Poranek Mickiewiczowski27, worin der Rezitator durch Stimmen aus dem Publikum am Vortrag der Oda do młodości gehindert wird; als er resigniert die Bühne verlässt, springt plötzlich der defekte Ventilator an. In Hamlet28 hingegen bricht der Schauspieler seinen Vortrag nach einer kurzen Passage aus eigenem Willen ab und streikt. Wohl am deutlichsten innerhalb dieser Sketchesammlung ist die Autothematik in Osiem dni stworzenia29 (Die acht Schöpfungstage30/Die acht Tage der Schöpfung31) ausgearbeitet, wobei zugleich eine deutliche Tendenz zur Episierung zu beobachten ist: Die Ereignisse der sieben Schöpfungstage werden entsprechend der Bibel nacherzählt; allerdings wird noch ein achter Schöpfungstag hinzugefügt, an dem das polnische Theater entstanden sei, was sofort zum Ende der Welt geführt habe. Explizit autothematisch sind mehrere Dramen von Tadeusz Różewicz, wofür neben der bereits erwähnten Grupa Laokoona auch Akt przerywany als Beispiel angeführt werden kann, wenngleich hier auf das Drama als Gattung sozusagen ‚ex negativo‘ Bezug genommen wird: in dem Moment, als durch eine Hochwassermeldung die bisher vorherrschende Statik durchbrochen wird, endet das Stück, das großenteils durch Reflexionen über polnische und europä24 Gałczyński: Zielona Gęś. In: Ders., Próby teatralne 3. Kr. 1958, S. 309–705, hier S. 373. 25 [w]Dedecius, in: Gałczyński: Die Grüne Gans. Das kleinste Theater der Welt, deutsch aufgeführt von Karl Dedecius.Frankfurt a.M. 1969, S. 19. 26 [o]Brätz, in: Gałczyński: Die grüne Gans. Berlin(–Ost) 1983, S. 34. 27 Gałczyński 1958, S. 422. 28 Ebenda, S. 319. 29 Ebenda, S. 416. 30 [w]Dedecius, in: Gałczyński 1969, S. 46. 31 [o]Brätz, in: Gałczyński 1983, S. 52.
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ische Dramatiker geprägt ist. In einer Vorbemerkung – Didaskalia i uwagi32 (Didaskalien und Anmerkungen33/Regie–Anweisungen und Anmerkungen34) – meldet sich der fiktionalisierte „Autor“ selbst zu Wort und bezeichnet sein Theater als einen lebendigen Organismus. Definitionsversuche im Hinblick auf Kunst an sich sowie in Bezug auf das absurde und das traditionelle Theater finden sich z.B. in Na czworakach, wobei der Protagonist Laurenty scheinbar als Koryphäe verehrt wird, in Wahrheit aber an Alzheimer leidet und sich nach und nach in ein Ausstellungsstück in seinem eigenen Museum verwandelt.35 Noch krasser wird das absurde Theater bzw. das seiner Entstehung zugrunde liegende surrealistische Kunstverständnis in einigen Dramen von Witkiewicz thematisiert: In Mątwa czyli Hyrkaniczny Światopogląd etwa wird Hyrkanien als „zwykła teatralna bujda“36 – d.h. als „reinste Theaterflause“37 bzw. „schlichtes Schmierentheater“38 – bezeichnet. Die „Reine Form“ („Czysta forma“) als Forderung für das Theater wird von Witkiewicz nicht nur in Oni, sondern auch in Szewcy, Matka und Gyubal Wahazar czyli na przełęczach bezsensu (Gyubal Wahazar oder Im Engpass des Unsinns39/Gyubal Wahazar oder Auf den Passhöhen des Unsinns40) thematisiert. Ein autothematischer Aspekt tritt in vielen weiteren der untersuchten polnischen Dramen zutage, doch wird er oft entweder mit politisch–historischen oder mit ethischen Fragestellungen kombiniert. Dies lässt sich beispielsweise in Gombrowicz's Ślub (Die Trauung) beobachten, worin die „reale“ Situation des polnischen Soldaten Henryk an der französischen Front gegenüber des in seiner Erinnerung durchlebten Vater–Sohn–Konflikts und der Suche nach der eigenen Identität in den Hintergrund tritt. Zugleich rückt in symbolistischer Manier das ‚Kompositonsprinzip‘ des Dramas in den Vordergrund; Kunst und Künstlichkeit werden im auktorialen Nebentext „Wskazówki dotyczące gry i reżyserii“ („Hinweise für Schauspieler und Regisseur“), der in einer der beiden westdeutschen Übersetzungen fehlt, zum Ausdruck gebracht: [...] Alle diese Menschen sprechen sich nicht unmittelbar aus; sie sind immer künstlich; sie 32 Różewicz: Akt przerywany. In: Ders., Teatr 1. Kr. 1988, S. 383–415, hier S. 387. 33 [o]Buschmann, in: Różewicz, Stücke. Ausgewählt von Jutta Janke. Berlin(–Ost) 1974, S. 257– 289, hier S. 261. 34 [w]Boll, in: Różewicz, Der unterbrochene Akt und andere Stücke. Frankfurt a.M. 1966, S. 7–49, hier S. 12. 35 Vgl. Różewicz: Na czworakach. In: Ders., Teatr 2. Kr. 1988, S. [51]–[103]. 36 Witkiewicz: Mątwa czyli Hyrkaniczny światopogląd. In: Ders., Dramaty II. Wa. 1998, S. 421– 463, hier S. 454. 37 [w]Kantor / Taubmann, in: Witkiewicz, Der Tintenfisch oder Die Hyrkanische Weltanschauung. Baden–Baden 1966 (?), S. 56. 38 [o]Bereska, in: Witkiewicz, Stücke. Berlin(–Ost) 1982, S. 127–159, hier S. 153. 39 [w]Boll, in: Witkiewicz, Gyubal Wahazar oder Im Engpass des Unsinns. Nicht–Euklidisches Drama in vier Akten. Frankfurt a.M. 1974. 40 [o]Bereska, in: Witkiewicz, Stücke. Berlin(–Ost) 1982, S. 63–126.
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spielen immer. [...]. Die Szenen und Situationen sollen fließend ineinander übergehen, die Gruppierungen der Personen sollen einen geheimen Sinn zum Ausdruck bringen. [...]“ (Fieguth)41 bzw. „[...] Wszyscy ci ludzie nie wypowiadają siebie bezpośrednio; zawsze są sztuczni; zawsze grają. [...] Sceny i sytuacje niech płynnie przechodzą jedna w drugą, grupy ludzkie niech wyrażają jakiś sens tajemny. [...]“ (Gombrowicz)42. Die sich überlagernden verschiedenen Ebenen der Zeit und des Ortes werden im Haupttext des Dramas durch das Motiv des „Traums“ konkretisiert, das insbesondere in der Figurenrede des Henryk oft wiederholt wird, z.B.: „Das ist wohl nur ein Traum, nur ein Traum... vielleicht sogar ein etwas einfältiger Traum, aber was macht mir das schon.“ (Tiel) bzw. „Das ist ja wohl nur ein Traum, lediglich ein Traum... vielleicht sogar ein bißchen naiv, aber was schadet mir das?“ (Fieguth) bzw. „To sen li – tylko, to sen jedynie... może nawet trochę naiwny, ale cóż mi to szkodzi.“,43 oder, noch deutlicher: „Doch vielleicht / Ist dies kein Traum, sondern ist wirklich – ich bin verrückt geworden, / Und vielleicht stehe ich gar nicht hier und spreche, sondern in Wirklichkeit liege ich in irgendeinem Spital [...]...“ (Tiel) bzw. „Aber vielleicht / Ist dies kein Traum, sondern in Wahrheit – bin ich verrückt geworden / Und vielleicht stehe ich gar nicht hier und rede, sondern in Wahrheit liege ich in einem Lazarett [...]...“ (Fieguth) bzw. „A może / To nie sen, a tylko rzeczywiście – ja zwariowałem / I może wcale tu nie stoję i nie mówię, a tylko w rzeczywistości leżę w jakimś szpitalu [...]...“.44 Auch Wyspiańskis Wesele hat „Traum“ und „Wirklichkeit“ gleichermaßen zum Thema, wobei diese beiden Ebenen durch Reflexionen über die Kunst sowie über die Situation Polens konkretisiert werden. In diesem Zusammenhang schreibt Gerard Kapolka: My contention is that Wesele is a dramatic presentation of a static situation. It shows a nation, as represented by these guests at a wedding, totally bound by their illusions of culture, history and art, and thus unable to break free from these illusions to see the present for what it really is, unable to take action in the present.45
Besonders deutlich tritt der autothematische Aspekt hier durch das Leitmotiv des (Hochzeits–)Tanzes zutage, das sowohl über optische als auch über akusti41 [w]Fieguth, in: Gombrowicz, Theaterstücke. München / Wien 1997 (Gesammelte Werke ; 5), S. 79–195, hier S. 342. 42 Gombrowicz: Teatr. Paris 1971 (Dzieła zebrane ; 5), S. 61–149, hier S. 64f. (Im Original kursiv) 43 [w]Tiel, in: Gombrowicz, Yvonne. Die Trauung. Zwei Dramen. Frankfurt a.M. 1964, S. 77– 193, hier S. 108; [w]Fieguth, in: Gombrowicz 1997, S. 109; Gombrowicz 1971, S. 89. 44 [w]Tiel, in: Gombrowicz 1964, S. 124; [w]Fieguth, in: Gombrowicz 1997, S. 123; Gombrowicz 1971, S. 99. 45 Kapolka, Gerard T.: The Three Major Transformations of Wyspiański's Wesele. In: The Polish Review. New York 1983 Bd. 28 Heft 1, S. 17–31, hier S. 17.
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sche Codes vermittelt wird. Der niemals endende Tanz zeigt sich visuell in einer Abfolge stetig wechselnder Bilder, er ist aber zugleich sichtbar gewordene Musik und bestimmt auch die Kommunikation zwischen den Figuren, die sich zu immer neuen Gruppen zusammen finden. Christa Vogel sieht in diesem „willenlosen Tanz der gleichsam schlafenden Marionetten“ das Symbol für das Scheitern des nationalen Aufstandes.46 Die Verknüpfung beider zentraler Themen – Kunst und Polen – zeigt sich etwa in einer Replik des „Dichters“ (Poeta), der ein Drama schreiben möchte und auf einmal feststellt, dass sich dieses Drama gerade vor seinen Augen vollzieht: „[...] Seltsam, / genau das habe ich heute geträumt; / als Drama.“47 bzw. „Diese Worte, welch Gefühlston, / das eben schwebte mir vor / so als Drama, als Vision.“48 bzw. „[...] A to dziwne, / bo mi się to dziś marzyło; / jako dramat, jako sen.“ 49 Hier zeigt sich besonders deutlich, wie sehr innerhalb der Fiktion verschiedene Realitätsebenen einander durchdringen. Die Verbindung zweier zentraler Themen – Kunst und Polen (bzw. polnische Geschichte) – tritt auch anhand konkreter Motive zutage, so trägt der geheimnisvolle Wernyhora, der während des Hochzeitsfestes erscheint und zum Befreiungskampf aufruft, eine Lyra am Sattel. Ähnliche Beobachtungen lassen sich in Wyspiańskis weniger bekanntem Drama Noc listopadowa (Novembernacht50/Die Novembernacht51) feststellen, in dem der konkrete historische Bezug durch Ort und Zeit der Handlung eindeutig angegeben wird: Das Stück spielt in Warschau am 29. November 1830. Die Fiktionalisierung historischer Ereignisse kommt hier auch durch das Auftreten von Figuren der klassischen griechischen Mythologie zustande, in autothematischer Hinsicht scheint zunächst bedeutsam, dass ein „Drama im Drama“ aufgeführt wird, in dem die 5. (bei Czechowski die 9.) Szene in einem Theater spielt. Ihr Titel lautet: „Im Theater Rozmaitości“52, „‚Teatr Rozmaitości‘ (Theater der Vielfalt)“53; „W Teatrze Rozmaitości“54. Zur Aufführung in dieser Szene gelangen jedoch Episoden aus dem Faust (vgl. 3.b.). Wie bei Wesele handelt es sich bei Noc listopadowa um ein Versdrama mit einer stellenweise geradezu lyrisch anmutenden Leitmotivik: der gescheiterte Aufstand ereignet sich im November, also in einer beson46 Vogel, Christa: Macht und Freiheit im modernen polnischen Drama. Berlin(–West) 1974, S. 14. 47 [w]Dedecius, in: Wyspiański, Die Hochzeit. Frankfurt a.M. 1992, S. 220. 48 [o]Bereska, in: Wyspiański, Die Hochzeit. Leipzig 1977, S. 144. 49 Wyspiański: Wesele. Kr. o.J. (Dzieła zebrane ; 4), S. 200. 50 [w]Odrowąż, in: Wyspiański, Die Warschauerin. Novembernacht. München 1918 (Dramatische Werke ; 1), S. 57–303. 51 [o]Czechowski, in: Wyspiański: Die Novembernacht. Fassung von Andrzej Wajda. Nachdichtung von Heinz Czechowski. Nach einer Interlinear–Übersetzung aus dem Polnischen von Gabriele Bock. Berlin(–Ost) 1980 (?). 52 [w]Odrowąż, in: Wypiański 1918, S. 177. 53 [o]Czechowski, in: Wyspiański 1980, S. 56. 54 Wyspiański: Noc listopadowa. Kr. o.J. (Dzieła zebrane ; 8), S. 99.
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ders tristen Jahreszeit, die man traditionell mit Sterben und Vergänglichkeit in Verbindung bringt. Genau dies wird z.B. in der Schlussszene durch entsprechende Motive versinnbildlicht: alles ist mit gefallenen Blättern bedeckt. Während in den genannten Beispielen die Themenbereiche „Kunst“ und „polnische Geschichte“ miteinander verknüpft werden, tritt in vielen weiteren Dramen der autothematische Aspekt gegenüber der jüngeren deutsch–polnischen Vergangenheit im Zusammenhang mit Nationalsozialismus und Zweitem Weltkrieg in den Hintergrund. Ein anschauliches Beispiel hierfür ist Iredyńskis Jasełka moderne (Krippenspiel modern [Stille Nacht]55/Modernes Krippenspiel56), worin zwar ebenfalls ein „Drama im Drama“ aufgeführt wird, der konkrete Zeitbezug aber dadurch in den Vordergrund rückt, dass es sich bei den Schauspielern um Häftlinge eines Konzentrationslagers handelt, die um ihr Leben spielen. Der Wächter (zugleich der Kommandant des Lagers) war früher mit dem Regisseur gemeinsam an einem Theater tätig; aus seinem Wunsch heraus, wie Gott zu sein, hat er ein Krippenspiel verfasst, das die inhaftierten Schauspieler proben sollen. Bevor es zur Aufführung kommt, werden sie alle vom Wächter erschossen, der zuletzt sich selbst richtet. Nur der Darsteller des König Herodes, der wegen Mordes inhaftiert ist, überlebt.57 Es tritt zutage, wie sehr sich in diesem Stück verschiedene Fiktionalitätsebenen gegenseitig überlagern; auch die Zeitgeschichte selbst wird in gewisser Weise fiktionalisiert, indem z.B. der Wächter gleichzeitig der Lagerkommandant ist. Dennoch wird immer wieder auf historische Tatsachen und Ereignisse – neben der Existenz von Lagertheatern als solchen – Bezug genommen. So planen die Häftlinge Henryk, Michał und Jan, welche die Heiligen Drei Könige darstellen, Herodes mit einer Zeitzünderbombe in der Aktentasche zu töten, wodurch implizit auf den 20. Juli 1944 angespielt wird. Die Themenbereiche „Kunst“ und „Krieg“ werden, obgleich weniger plakativ, auch in Różewicz's Kartoteka (Die Kartothek58/Die Kartei59) miteinander verknüpft. Die Autothematik zeigt sich besonders an der Figur des „Helden“, eines vierzigjährigen Verwaltungsdirektors der Operette, der im Bett liegt, und im Grunde austauschbar ist. Aus einem Lautsprecher ertönt plötzlich eine Stimme: „Raus! Alles raus! [...]“.60 Teilweise vergleichbare Beobachtungen lassen sich in Różewicz's bereits erwähntem Drama Pułapka feststellen, in dem Episoden aus dem Leben Franz Kafkas fiktionali55 [w]Kunstmann, in: Iredyński, Krippenspiel modern (Stille Nacht). Berlin(–West) 1963 (?). 56 [o]Scholze, in: Iredyński, Leb wohl, Judas... Zwei Dramen und zwei Kurzromane. Leipzig 1983, S. 43–84. 57 Vgl. Iredyński: Jasełka moderne. In: Ders., Dziewięć wieczorów teatralnych. Wybór utworów scenicznych. Kr. 1986, S. 5–55. 58 [w]Boll, in: Różewicz, Gedichte. Stücke. Herausgegeben von Karl Dedecius. Frankfurt a.M. 1983, S. 177–213. 59 [o]Bereska, in: Różewicz, Stücke. Ausgewählt von Jutta Janke. Berlin(–Ost) 1974, S. 5–41. 60 Różewicz: Kartoteka. In: Ders., Dramaty wybrane. Kr. 1994, S. 5–51, hier S. 27.
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siert werden. Der Themenbereich „Kunst“ erschließt sich hier allerdings mehr durch intertextuelle Bezüge als durch die Autothematik (vgl. 3.b.). Immer wieder werden Allusionen auf den Nationalsozialismus und vor allem den Holocaust eingeflochten: Im 10. Bild erzählt Franz von seinem Alptraum, in dem er die Schublade eines Schrankes geöffnet und eine Ansammlung winziger Ostjuden darin vorgefunden habe. Im 14. Bild prophezeit der Vater im Fieber, es komme eine Hundemeute, um alle zu holen, aber Franz sehe sie nicht. Die drohende Gefahr des Holocaust wird optisch vor allem durch die „Schwarze Wand“ vermittelt, hinter der mehrfach plötzlich Häscher auftauchen, die sich Menschen greifen (so im 10. Bild Franz‘ Schwester Ottla) und sie hinter diese sich öffnende und wieder schließende Wand zerren, welcher geradezu leitmotivische Funktion zukommt. In besonderer Weise werden Nationalsozialismus und die jüngste deutsch– polnische Vergangenheit in Kruczkowskis Dramen Niemcy (Die Sonnenbrucks61/Die Sonnenbruchs62) und Pierwszy dzień wolności (Der erste Tag der Freiheit) thematisiert, wobei Niemcy nahezu ausschließlich in der DDR rezipiert wurde und in zwei ostdeutschen Übersetzungen (ohne ein westdeutsches Pendant) vorliegt. Dargestellt wird die innere Spaltung einer deutschen Familie während des Zweiten Weltkrieges, wobei der Sohn Willi der SS angehört, der Vater, ein Biologieprofessor, sich innerlich kritisch, aber opportun verhält, während die Tochter Ruth einem aus dem Konzentrationslager entkommenen kommunistischen Häftling Fluchthilfe gewährt und dafür der Staatsmacht ausgeliefert wird. Die politische und ethische Problematik des Verhaltens der Protagonisten wird im Stück anhand zweier Motive – Apfel und Halskette – verdeutlicht: Der Polizist Hoppe, ehemaliger Assistent von Professor Sonnenbruch, verhört im besetzten Polen ein jüdisches Kind und schenkt ihm einen Apfel, bevor er es erschießt. Zu Gast bei Sonnenbruch in Göttingen bringt er seinen dreizehnjährigen Sohn mit, dem Sonnenbruch nun seinerseits einen Apfel schenkt. Im besetzten Norwegen empfängt Untersturmführer Willi Sonnenbruch Frau Soerensen, die für ihren verhafteten Sohn bittet. Er verschweigt ihr mit euphemistischen Umschreibungen, dass der Sohn hingerichtet wurde, und kauft ihr zum „Lohn“ für die vermeintlich gute Nachricht ihre Halskette, ein altes Erbstück, für einen Spottpreis ab. Zu Hause schenkt er diese Halskette seiner Mutter als Talisman.63 In Deutschland weniger bekannt ist Kruczkowskis anderes Drama, Pierwszy dzień wolności, in dem der erste Tag dreier polnischer Offiziere nach ihrer Entlassung aus einem Kriegsgefangenenlager geschildert wird. Ein deutscher Arzt 61 [o]Holzschuher, in: Kruczkowski, Die Sonnenbrucks. Stück in drei Akten mit einem Epilog. Leipzig 1951. 62 [o]Ball, in: Kruczkowski, Dramen. Aus dem Polnischen von Peter Ball und Viktor Mika. Berlin(–Ost) 1975, S. 5–70. 63 Vgl. Kruczkowski: Niemcy. In: Ders., Dramaty. Wa. 1981, S. 5–75.
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zieht mit seinen Töchtern zu dieser Gruppe in ein leer stehendes Haus. Es stellt sich heraus, dass seine Tochter Inga mit den Deutschen kollaboriert, worauf sie einer der polnischen Offiziere erschießt.64 Kruczkowski selbst hat das Thema dieses Stücks beschrieben: „Es geht darum, die gewonnene Freiheit an einem ungemein harten Prüfstein zu prüfen – an der Beziehung zu dem Volke, von welchem man Unrecht erlitten hat.“65 In der polnischen Forschung fand das Stück auffallend große Beachtung, wobei besonders die Thematisierung der Freiheit untersucht wird. Hierbei werden durchaus unterschiedliche Ergebnisse erzielt. So schreibt etwa Tadeusz Drewnowski: Im Ersten Tag der Freiheit dient die (authentische, auf Kriegsgefangenen-Erinnerungen basierende) Front-Anekdote Digressionen über den Begriff der 'Freiheit'. […] Inmitten der Ereignisse des ersten Tages in Freiheit beginnt er im Stück in mannigfaltigen Schattierungen von Verhaltensweisen, Einstellungen und Ansichten zu phosphoreszieren, um sich in ein reichhaltiges zeitgenössisches Spektrum aufzufächern.66 (Ü.: CF)
Zu einer recht nüchternen Einschätzung kommt demgegenüber Krzysztof Wolicki, der hervorhebt, dass der vieldeutige Begriff der Freiheit in diesem Drama keineswegs philosophisch ausgeleuchtet werde, sondern auf eine sehr konkrete Weise zu verstehen sei: Vom unterschiedlichen Verständnis der Freiheit ist in diesem Stück sehr oft die Rede. […] Bei alledem geht es um ein und dieselbe, sehr grundsätzliche und zugleich sehr primitive Freiheit: die Freiheit, sich in eine beliebige Richtung zu bewegen, die Freiheit, sich den Himmel selbst zu wählen, auf den man blickt, die Erde, über die man geht, die Menschen, mit denen man Umgang pflegt.67 (Ü.: CF)
Die deutsch–polnische Vergangenheit wird ferner in Abramows Licytacja thematisiert, wobei hier – im Gegensatz etwa zu Pierwszy dzień wolności – nun wieder ein zentrales Motiv vorliegt, durch welches das eigentliche Thema konkretisiert wird: Görings Wagen, der nach dem Krieg versteigert werden soll. Dass das Auto Göring gehört habe, wird dabei als besonderes Qualitätsmerkmal angepriesen. Die beiden namenlosen Kunden, welche sich für den Wagen interessieren, erkennen im Laufe des Verkaufsgesprächs, dass sie sich 1943 bei einem Gefecht im Wald schon einmal begegnet sind – der eine als polnischer Partisan, 64 Vgl. Kruczkowski: Pierwszy dzień wolności. Sztuka w 3 aktach. In: Ders., Dramaty. Wa.1981, S. 77–162. 65 Kruczkowski: Am deutschen Beispiel. Leon Kruczkowski und sein Stück Der erste Tag der Freiheit. In: TH 1961 Heft 7, S. 50f. 66 Drewnowski, Tadeusz: Wokół dramatów Kruczkowskiego. In: Dialog. Wa. 1959 Nr. 11, S. 98–105, hier S. 103. 67 Wolicki, Krzysztof: Dylemat Kruczkowskiego. In: Dialog. Wa. 1962 Nr. 12, S. 97–109, hier S. 106.
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der andere als Görings Fahrer. In Rückblicken werden immer wieder Bruchstücke der Kriegsereignisse dargestellt, so dass sich zwei Handlungs– und Zeitebenen überlagern.68 Während die Ereignisse des Zweiten Weltkrieges in den untersuchten polnischen Dramen relativ oft thematisiert werden, stellen demgegenüber recht wenige Stücke Episoden aus dem „real existierenden Sozialismus“ explizit dar. In diesem Zusammenhang wäre z.B. Drozdowskis Kondukt zu nennen: Bergleute fahren zusammen mit einem unterwegs aufgelesenen Mädchen einen toten Kollegen in seinem Sarg zur Beerdigung. Plötzlich bleibt das Auto für immer stehen, und mit viel Mühe wird der Sarg zu Fuß ins Dorf getragen. Kurz vor dem Ziel erfährt die erschöpfte Gruppe, dass gar keine „richtige“ (d.h. offizielle) Beerdigung stattfinden wird.69 Auch hier wird das eigentliche Thema – Pflicht und Verantwortung im „real existierenden Sozialismus“ – durch das Motiv des Sarges, der getragen werden muss, konkretisiert und zugleich unterschwellig parodiert. In diesem Zusammenhang zitiert Czerwiński den Literaturkritiker Puzyna: His [Drozdowski‘s] best play to date, The Funeral Procession, has an allegorical [parabolic] level and also a realistic level of communication, which captivates by means of its freshness of observation and language, and even by a certain rapacity of presentation. [...]70
Satirische Darstellungen des polnischen Alltags finden sich expliziter in etlichen Sketchen aus Gałczyńskis Sammlung Zielona Gęś (Die Grüne Gans), so etwa in Dwa Polacy (Zwei Polen)71, worin Skoczwiski dem von ihm verprügelten Sandwicz zu einer Kompresse rät, doch leider ist dessen Kochplatte kaputt. In Dymiący piecyk72 (Das qualmende Öfchen73/Der qualmende Ofen74) kann das Eselchen Porfirion einen defekten Ofen reparieren, der Chor der Polen glaubt aber lieber an ein Wunder und schlägt das Eselchen. In Gawęda starego kretyna75 (Das Schwätzchen des alten Kretins76/Das Geplauder eines alten Kretins77) erinnert sich der Protagonist an die Zeit, als es in Polen statt Sozialismus noch Wiener Schnitzel gab. Dies 68 Vgl. Abramow, Jarosław: Licytacja. In: Ders., Wybór sztuk jednoaktowych i drobiazgów teatralnych. Wa. 1964, S. 5–20. 69 Vgl. Drozdowski: Kondukt. In: Ders., Utwory dramatyczne. Kr. 1968, S. 107–143. 70 Czerwiński, Edward J.: Three lesser known Polish Dramatists of the Absurd – Grochowiak, Iredyński, and Drozdowski. In: The Polish Review. New York 1968 Bd. 13 Heft 1, S. 58–65, hier S. 61. 71 Gałczyński 1958, S. 325. 72 Ebenda, S. 375. 73 [w]Dedecius, in: Gałczyński 1969, S. 35. 74 [o]Brätz, in: Gałczyński 1983, S. 37. 75 Gałczyński 1958, S. 607. 76 [w]Dedecius, in: Gałczyński 1969, S. 89. 77 [o]Brätz, in: Gałczyński 1983, S. 118.
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überwältigt ihn so, dass er nicht weitersprechen kann. Gleichnishaft wird die Thematik von „Freiheit und Totalitarismus“ in Mrożeks Policja beschrieben: Der Polizeipräsident ist enttäuscht, weil er seinen letzten Häftling verliert, als dieser dem Revoluzzertum abschwört. Er erklärt daher dem als „Provokateur“ arbeitenden Sergeanten, dieser solle sich opfern und für seine „regierungsfeindlichen“ Parolen nunmehr verhaftet werden. Bei einem Besuch des Generals erkennt der Präsident in dessen Adjutanten seinen ehemaligen Häftling, der einst eine Bombe auf den General geworfen hatte. Dies ist nun Aufgabe des Sergeanten, und am Ende verhaften sich alle gegenseitig. Die Umkehrung der Ausgangssituation, die absurderweise bewirkt, dass sich die totalitäre Gesellschaftsstruktur ja gerade nicht ändert, wird durch ein über den sprachlichen Code durch Teichoskopie vermitteltes Motiv zweimal veranschaulicht: Im ersten Akt beschreibt der Häftling, dass er vom Fenster seiner Zelle aus, wenn er auf die Pritsche steige und sich auf die Zehenspitzen stelle, eine wunderschöne Wiese sehen könne. Im dritten Akt erzählt der inzwischen inhaftierte Sergeant dem Präsidenten, er könne von seiner Zelle aus, wenn er auf die Pritsche steige und noch den Kübel darauf stelle, eine Wiese sehen – doch die Schnitter seien unzufrieden.78 Ein und dasselbe Motiv ist hinsichtlich seiner Sinnbildhaftigkeit also ambivalent, wodurch im Grunde auch das Symbol im literarischen Text als solches demontiert wird, indem eben am Ende nicht mehr auszumachen ist, wofür es eigentlich steht. So wird veranschaulicht, wie sehr sich auch weltanschaulich neutrale ‚Bilder‘ im Sinne einer bestimmten Ideologie instrumentalisieren lassen. Totalitarismus wird auf sehr gleichnishafte Weise z.T. auch in Witkiewicz's „absurden Theater“ thematisiert, so vor allem in Gyubal Wahazar czyli na przełęczach bezsensu, wobei der Despot Gyubal Wahazar abhängig von seinem Arzt Rypmann ist, der Menschen mittels biologischer Experimente zu systemkonformen Marionetten „umerschafft“. Schließlich wird Wahazar von seinem eigenen Henker getötet. Der thematische Bezug zum biblischen Schöpfungsmythos, der im Stück gleichsam in sein Gegenteil verkehrt wird, zeigt sich z.B. gegen Ende des 2. Aktes, indem Wahazar befiehlt: „Niech będzie noc!“ („Es werde Nacht!“)79 Bei Witkiewicz werden tatsächlich existierende totalitäre Gesellschaftsformen so stark fiktionalisiert, dass sich ein bestimmtes politisches System in einem bestimmten Staat nicht mehr erkennen lässt. Die Abstraktion von der außerliterarischen Wirklichkeit ist hier derart extrem fortgeschritten, dass sich eine gewisse Nähe zu grundsätzlichen Fragestellungen im Hinblick auf das Zusammenleben von Menschen, wie etwa Selbstbestimmung vs. Manipulation, ergibt. Diese Beobachtungen leiten über zum dritten in den untersuchten polnischen Dramen festgestellten Themenkomplex – dem der Ethik. 78 Vgl. Mrożek: Policja. Dramat ze sfer żandarmeryjnych. In: Ders., Teatr 6. Kr. 1963 (Dzieła zebrane ; 12), S. 7–52. 79 Witkiewicz 1998, S. 247.
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Ähnlich wie bereits in Bezug auf den Themenkomplex der Politik beobachtet, werden auch ethische Fragestellungen nicht selten mit einem autothematischen Aspekt verbunden. Dies zeigt sich besonders in mehreren Dramen von Ireneusz Iredyński. In Kreacja (Kreation80/Niemand81) beispielsweise wird die Problematik von Schöpfer und Geschöpf dargestellt, wobei am Ende die Kreuzigung Christi gleichsam unter umgekehrtem Vorzeichen steht: Der Herr (Pan), despotischer Mäzen des Malers Niemand (Nikt), gestattet diesem erst dann, den Leidensweg Christi zu malen, wenn er einen Landschaftszyklus fertig gestellt habe. Am Ende des Stücks sagt Niemand zu seiner Freundin, „Niemand“ sei derjenige gewesen, der Christus ans Kreuz geschlagen habe. Im Hof entdeckt sie den ans Kreuz geschlagenen „Herrn“.82 Die Problematik von Kunst und Leben behandelt Iredyński auch in seinem Drama Seans. Die beiden namenlosen Protagonisten Er (On) und Sie (Ona) versuchen, eine frühere Beziehung von Ihr aufzuarbeiten, wobei er wiederholt in die Rolle des früheren, mittlerweile verstorbenen Freundes schlüpft, so dass sich verschiedene Zeitebenen überlagern und die Vergangenheit mit der Gegenwart verschmilzt. Eine autothematische Komponente zeigt sich hier insofern, als Er immer wieder mit Hilfe der Kunst versucht, seiner „Rolle“ gerecht zu werden; so schreibt er – als „Elf“ – z.B. ein Gedicht mit dem Titel Mein Testament (Testament mój83) und plant später sogar, ein Buch über Elf zu verfassen. Zudem wird der Zusammenhang zwischen Kunst und Leben deutlich, als Elf sich eine Flinte von dem Geld kaufen will, das er mit einem Märchenbuch für Kinder verdient hat, in dem Zauberer auf weißen Einhörnern reiten. Viel stärkeren Fabelcharakter weisen vier Einakter von Mrożek auf, die im polnischen Original unabhängig von einander sind, im Deutschen aber unter dem gemeinsamen Titel Fuchsquartett84 publiziert wurden. Wie in der eigentlich zur Prosa gehörenden Gattung der Fabel werden auch in diesen Dramen Tiere anthropomorph dargestellt, wobei sich am Ende eine ‚Moral‘ herauskristallisiert. In Lis Filozof, Polowanie na Lisa und Serenada wird in unterschiedlicher Weise das Verhältnis zwischen Jägern und Gejagten, Tätern und Opfern behandelt. So lockt der Violoncello spielende Fuchs in Serenada durch die Schönheit seiner Musik drei Hühner an, wobei ihn der misstrauische Hahn erfolglos zu vertreiben versucht. Schließlich verliert er seine Furcht vor dem Fuchs und wird gefressen. Anschließend spielt der Fuchs weiterhin 80 81 82 83 84
[w]Vogel, in: Iredyński, Kreation. Stück in sechs kurzen Akten. Berlin(–West) o.J. [o]Pitschmann, in: Iredyński, Niemand. Stück in sechs kurzen Akten. Berlin(–Ost) 1985 (?). Vgl. Iredyński: Kreacja. Sztuka w sześciu krótkich aktach. In: Dialog 5. Wa. 1984, S. 5–37. Iredyński: Seans. Sztuka w dwóch aktach. In: Dialog 12. Wa. 1985, S. 5–33, hier S. 17. Vgl. Mrożek: Fuchsquartett. Aus dem Polnischen von Witold Kośny und Christa Vogel. In: Ders., Amor und andere Stücke. Zürich 1998, S. 143–233, bzw.: Mrożek, Fuchsquartett. In: Janke, Jutta und Schumann, Hubert (Hgg.), Nachbarn. Texte aus Polen. Berlin(–Ost) 1985, S. 447–504. Die Abfolge der vier Teile variiert in den Übersetzungen jedoch: Fuchsjagd, Kandidat Fuchs, Der Fuchs als Philosoph, Serenade ([w]Kośny); Der Fuchs als Philosoph, Serenade, Fuchsjagd, Kandidat Fuchs ([o]Vogel).
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Violoncello, mit Blut auf Gesicht und Händen.85 Die Nähe zur Groteske in Mrożeks Einaktern hat Małgorzata Sugiera herausgearbeitet: „Wie es scheint, konstruiert Mrożek in seinen Einaktern eine groteske Wirklichkeit, indem er schon früher komödienhaft verkehrte literarische Welten umgedreht zeigt […]“.86 (Ü.: CF) Das Verhältnis zwischen Täter und Opfern thematisiert auch Iredyńskis bekanntestes Drama Żegnaj, Judaszu... (Leb wohl, Judas...), wobei sich hier allerdings die durch die Namengebung suggerierte Situation umkehrt und Judasz zum Opfer und gleichsam zum „verratenen Verräter“ wird. Zentrales Motiv in diesem Drama ist eine Turnhalle mit Sprossenwand, in der das ganze Stück spielt und die sich immer mehr in eine Folterkammer verwandelt. Als ‚Gegenwelt‘ entwirft Judasz in seiner Phantasie eine idyllische Landschaft, eine ‚Insel‘, von der er einem jungen Mädchen erzählt, das später seine Geliebte wird. Diese ‚Insel‘ wird im Gegensatz zur optisch auf der Bühne präsenten Turnhalle ausschließlich über den sprachlichen Code vermittelt. Judasz hat keine Möglichkeit, sein Gefängnis, eben jene Turnhalle, zu verlassen und erhängt sich schließlich, als ihn seine Freundin, die ihn ausspionieren soll, an den Kommissar ausliefert.87 Mehrere Dramen unterschiedlicher Autoren behandeln den Themenkomplex Alter, Einsamkeit und Tod. Ironisch gebrochen wird diese Thematik bei Grochowiak durch die Titelgebung: Chłopcy (Alte Jungen88/Die Jungs89). Dem entspricht die ironische Schlusspointe: der Protagonist Kalmita wird von seiner Frau, einer wesentlich jüngeren Schauspielerin, aus dem Altenheim nach Hause geholt, hält es aber bei ihr nicht lange aus. Ins Heim zurückgekehrt, muss er feststellen, dass es sein Zimmer nicht mehr gibt und er also auch dort keine Bleibe mehr hat.90 Marta Piwińska betrachtet das Stück daher als Komödie mit Merkmalen der Parodie und des Existenzdramas gleichermaßen: die „Jungs“ seien in ein vorschulisches System aus Belohnung und Bestrafung eingesponnen.91 Thematisch verwandt – obgleich ohne ironische Brechung – ist Herberts Einakter Drugi pokój (Das andere Zimmer), in dem sich ein Mann und eine Frau 85 Vgl. Mrożek: Lis Aspirant. Lis Filozof. Polowanie na Lisa. Serenada. In: Ders., Teatr 3. Wa. 1997, S. 7–72. 86 Sugiera, Małgorzata: Dramaturgia Sławomira Mrożka. Kr. 1996, S. 99. 87 Vgl. Iredyński: Żegnaj, Judaszu... In: Ders., Dziewięć wieczorów teatralnych. Wybór utworów scenicznych. Kr. 1986, S. 57–103. 88 [w]Boll, in: Grochowiak, Alte Jungen. Ein Stück aus dem Leben alter Leute. München o.J. 89 [o]Bereska, in: Szydłowski, Roman (Hg.), Sławomir Mrożek – Tango; Stanisław Grochowiak – Die Jungs; Bohdan Drozdowski – Der Trauerzug. Drei polnische Stücke. Berlin(– Ost) 1975, S. 89–130. 90 Vgl. Grochowiak: Chłopcy. Dramat z życia sfer starszych. In: Ders., Rzeczy na wersety i głosy. Wybór poezji i dramatów. Wa. 1973, S. 257–308. 91 Vgl. Piwińska, Marta: O dramatach Grochowiaka. In: Dialog 2. Wa. 1965, S. 104–111, hier S. 111.
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(beide namenlos) über das unterhalten, was „hinter der Wand“ ist: eine alte Frau, deren Tod erwartet wird, damit die beiden zusätzlich auch ihr Zimmer bekommen können. Hier ist die Handlung auf ein absolutes Mindestmaß reduziert, indem vielmehr eine als statisch empfundene Situation fast ausschließlich über den sprachlichen Code vermittelt wird, so dass sich das Stück auch als Hörspiel eignet.92 Piwińska bezieht sich in ihrer Untersuchung auf die Hörspielfassung, die sie als „poezja krzyku“ definiert.93 Im Gegensatz dazu ist das Drama Dom kobiet (Landhaus mit Damen94/Haus der Frauen95) von Zofia Nałkowska durch eine reiche motivische Ausgestaltung geprägt, obwohl auch hier keine Situationsveränderung einzutreten scheint. Geschildert wird ein Tag in einem Landhaus, in dem nur Frauen im Alter von 35 bis 82 Jahren leben, die fast alle miteinander verwandt sind und alle ihre Männer verloren haben. In der Erinnerung „leben“ die Männer nach wie vor mit ihnen. An einem scheinbar sorglosen Frühlingstag erscheint unvermutet die Geliebte des verstorbenen Mannes von Joanna und erhebt finanzielle Forderungen, die nicht erfüllt werden. Statt dessen bietet Joanna ihr an, sie ins Haus der Frauen aufzunehmen, worauf die Geliebte nicht eingeht und wegfährt. Der Grundthematik von Tod und Erinnerung steht eine deutliche Diskrepanz auf motivischer Ebene gegenüber: im Garten sind blühende Bäume zu sehen, und auch im Zimmer stehen blühende weiße Zweige (vgl. Nebentext vor dem I. und vor dem III. Akt). Außerdem ist eine Nachtigall zu hören (vgl. Figurenrede Róża bzw. Julia, III. Akt, 1./2. Szene).96 Die Thematik des einzigen berühmt gewordenen Dramas der mehr als Romanautorin bekannten Zofia Nałkowska hat Urszula Kowalska folgendermaßen umrissen: Das Haus der Frauen ist ein Drama einsamer Frauen, die kapituliert haben und für die nichts mehr existiert außer der Vergangenheit. Ihre Ratlosigkeit und Schutzlosigkeit gegenüber dem Leben bewirken, dass es sich um ein Drama über den Mann handelt. […] „Alles ist anders“, sagt die Großmutter. Niemals kann man die absolute Wahrheit über einen anderen Menschen wissen. Sie ändert sich ständig, sogar dann noch, wenn dieser Mensch schon längst nicht mehr lebt. […]97 (Ü.: CF)
Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass die Übersetzungen geringe Unterschiede in der Behandlung von Thematik und Motivik aufweisen. Dieses Er92 Vgl. Herbert, Zbigniew: Drugi pokój. In: Ders., Dramaty. Br. 1997, S. 77–102. 93 Piwińska, Marta: Zbigniew Herbert i jego dramaty. In: Dialog 8. Wa. 1963, S. 84–95, hier S. 92. 94 [w]Vogel, in: Nałkowska, Landhaus mit Damen. Berlin(–West) 1977 (?). 95 [o]Mika, in: Nałkowska, Haus der Frauen. Stück in drei Akten. Berlin(–Ost) 1973 (?). 96 Vgl. Nałkowska: Dom kobiet. Sztuka w trzech aktach. In: Dies., Utwory dramatyczne. Wa. 1990, S. 5–130. 97 Kowalska, Urszula: O dramatach Zofii Nałkowskiej. In: Annales Universitatis Mariae Curie–Szkłodowska, Volumen XVI, 8, Sectio F. Lublin 1961, S. 189–211, hier S. 198.
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gebnis ist nicht überraschend, wenn man bedenkt, dass gerade diese Kategorien den literarischen Text in besonderem Maße charakterisieren, indem sie seine Einzigartigkeit und Unverwechselbarkeit gewährleisten. Bei wesentlichen Eingriffen in Thematik und Motivik wäre eine Übersetzung nicht mehr als solche zu erkennen, sondern sie würde durch das Aufbrechen dieser engen Bezüge zu ihrem Prätext gleichsam zu einem neuen Original. Varianten lassen sich indessen im Hinblick auf die Wiedergabe von Dramentiteln beobachten. Dies verdient insofern Beachtung, als der Titel im literarischen Werk oft wesentliche Hinweise auf das Thema gibt. Wenn man von minimalen Abweichungen wie Setzen oder Weglassen des Artikels absieht, sind gelegentlich stilistische Unterschiede festzustellen: So wird der Titel von Witkiewicz's Gyubal Wahazar czyli na przełęczach bezsensu von Ilka Boll (West) mit Gyubal Wahazar oder Im Engpass des Unsinns übersetzt, von Henryk Bereska (Ost) hingegen mit Gyubal Wahazar oder Auf den Passhöhen des Unsinns wiedergegeben. Bereska hebt auf diese Weise die groteske Ironie hervor. Auffällig ist auch die Wiedergabe des Titels von Iredyńskis Kreacja durch Kreation in der Fassung von Christa Vogel (West) bzw. durch Niemand von Birgitt Pitschmann (Ost). Auf den ersten Blick ist hier nicht mehr erkennbar, dass es sich um zwei Übersetzungen ein und desselben Dramas handelt. Schließlich sei in diesem Zusammenhang noch Nałkowskas Dom kobiet erwähnt, dessen Titel Christa Vogel (West) als Landhaus mit Damen übersetzt, während sich Viktor Mika (Ost) für Haus der Frauen entscheidet. Vogel betont durch ihre freiere Lösung, die auch der Titel eines Bildes sein könnte, den impressionistischen Charakter des Stücks. Eine in ost– bzw. westdeutschen Übersetzungen allgemein zu beobachtende Tendenz lässt sich anhand der Wiedergabe von Dramentiteln allerdings nicht ableiten; die Varianten erlauben allenfalls Rückschlüsse auf den jeweiligen ‚Übersetzerstil‘. Hinsichtlich der drei betrachteten Themenschwerpunkte – Autothematik, Politik und Ethik – wurde festgestellt, dass neben allgemein menschlichen Fragestellungen (wie Alter, Einsamkeit und Tod) relativ häufig die jüngere polnisch–deutsche Vergangenheit im Zusammenhang mit dem Zweiten Weltkrieg behandelt wird. Dies geschieht einerseits im Stil des „Agitprop“ (Kruczkowski), andererseits aber auch in Różewicz's ‚epischem Theater‘ durch die Schaffung einer speziellen Symbolik (etwa der „Schwarzen Wand“ in Pułapka). Am exponiertesten ist zweifellos der autothematische Aspekt, der in fast allen untersuchten polnischen Dramen (mit Ausnahme des „Agitprop“) festgestellt wurde. Die Selbstthematisierung der Kunst ist hierbei sehr weit zu fassen, wie sich bereits am ersten in diesem Zusammenhang angeführten Beispiel – Różewicz's Grupa Laokoona – zeigt: Dem Leitmotiv der „Laokoon–Gruppe“ wohnt zusätzlich ein intertextueller Aspekt inne, der als Sonderfall von Autothematik zu betrachten ist. Durch die Beschreibung der Skulptur über den sprachlichen Code wird diese gleichsam ‚übersetzt‘ und als ‚intersemiotisches Zitat‘ präsentiert.
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b. Intertextuelle Bezüge Wie im vorhergehenden Unterkapitel – etwa im Hinblick auf das „Laokoon– Motiv“ – bereits angedeutet wurde, stehen Thematik und Intertextualität in einem engen Zusammenhang. Weiterhin ergibt sich ein komplementäres Verhältnis zwischen Autothematik als Selbsthematisierung und Intertextualität als Thematisierung anderer Texte (bzw. in einem weiteren Sinne: anderer Kunstwerke). Im Rahmen der hier zu leistenden Untersuchung ist Intertextualität vor allem im Zusammenhang mit der Frage nach dem ‚Eigenen‘ und dem ‚Fremden‘ in polnischen Dramen relevant: Welche Bezüge liegen zur polnischen Literatur vor, welche zu anderen europäischen Literaturen? Auf welche Weise schließlich wird die eigene, die polnische Literatur innerhalb der gesamteuropäischen Literatur verortet? Welcher Art sind die Wechselbeziehungen zwischen beiden Bereichen? Zunächst jedoch sind vor dem Hintergrund der einschlägigen Forschungsliteratur einige Betrachtungen zum seit den späten sechziger Jahren vielfach und recht unterschiedlich definierten Begriff der ‚Intertextualität‘ erforderlich.98 Allgemein kann er verstanden werden als künstlerisches Verfahren, welches in jener „greifbaren Anwesenheit eines Textes in einem anderen“ seinen Ausdruck findet, von der Pfister in Anlehnung an Genette spricht.99 Das im Folgenden zugrunde gelegte Raster orientiert sich im wesentlichen an Genettes 1981 vorgenommener Einteilung in fünf Typen „transtextueller Beziehungen“,100 wobei hier „intertextuell“ und „transtextuell“ als Synonyme betrachtet werden. Allerdings wird innerhalb dieser fünf Kategorien eine Hierarchie hinsichtlich ihrer Relevanz bezüglich der untersuchten Dramentexte angenommen. So scheinen Metatextualität (Formen der kommentierenden Bezugnahme) sowie Architextualität (Systemreferenz: der Bezug eines Textes zu seiner Gattung) eher von punktueller Bedeutung zu sein. Der erste Fall liegt, zumindest in fiktionalen Texten, selten vor, beim zweiten hingegen besteht das Problem, dass man bei bestimmten Gattungen eine unüberschaubar große Menge an Texten erhält, die nicht unbedingt mehr miteinander ge98 Vgl. z.B. Genette, Gérard: Palimpseste. Die Literatur auf zweiter Stufe. Frankfurt a.M. 1993; Oraić Tolić, Dubravka: Das Zitat in Literatur und Kunst. Versuch einer Theorie, Wien etc. 1995; Stierle, Karlheinz/Warning, Rainer (Hgg.): Das Gespräch. München 1984; Weise, G.: Zur Spezifik der Intertextualität in literarischen Texten. In: Klein, J. und Fix, U. (Hgg.), Textbeziehungen. Linguistische und literaturwissenschaftliche Beiträge zur Intertextualität. Tübingen 1997, S. 39–48. Vgl. auch Literaturverzeichnis. 99 Pfister, Manfred: Konzepte der Intertextualität. In: Broich, Ulrich und Pfister, Manfred (Hgg.), Intertextualität. Formen, Funktionen, anglistische Fallstudien. Tübingen 1985, S. 1–30, hier: S. 17. Vgl. auch Genette, Gérard: Palimpsestes. La littérature au second degré. Paris 1983, S. 8–12. 100 Vgl. Genette 1993, S. 10.
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mein haben als ihre Gattung. Einen speziell für das Drama relevanten Sonderfall von Systemreferenz stellt die Bezugnahme auf theatrale Konventionen und Traditionen dar. Sie bildet sozusagen die Schnittstelle zwischen Autothematik und Intertextualität, wobei zu betonen ist, dass sich diese Bezugnahmen nur teilweise im Dramentext zeigen und oft erst in der Inszenierung evident werden. Im Mittelpunkt der Untersuchung der zugrunde gelegten Dramentexte (Hypertexte) nach intertextuellen Kategorien steht die zitathafte Wiederaufnahme von Textelementen durch Zitat oder Allusion (Intertextualität). Einen Sonderstatus nimmt die Paratextualität ein, weil Titel, Untertitel und Motti nicht zum Haupttext gehören, sondern diesen vielmehr näher charakterisieren. Sie haben entweder selbst Zitatcharakter oder definieren einen Text z.B. als Übersetzung, tragen also die jeweilige intertextuelle bzw. hypertextuelle Markierung in sich. So tritt zutage, dass die Kategorie der Paratextualität als solche schwach ausgeprägt ist, da sie im wesentlichen deiktische Funktion in Bezug auf den jeweiligen Haupttext hat. Im Unterschied zu Kristevas Position, jeder Text sei ein „Mosaik aus Zitaten“,101 vor allem aber im Gegensatz zu Susanne Holthuis' rezeptionsästhetischer Konzeption102 wird in der vorliegenden Untersuchung Intertextualität einem modifizierten produktionsästhetischen Ansatz folgend als eine Eigenschaft verstanden, die allen Texten zwar grundsätzlich immanent ist, die sich aber nicht in allen Texten eindeutig markiert findet. Diese Sichtweise geht im Einklang z.B. mit Genette und Stierle davon aus, dass es eindeutige, rezipientenunabhängige intertextuelle Markierung (etwa als Übersetzung oder – graphisch – als ‚wörtliches Zitat‘, aber auch durch Wiederaufnahme eines signifikanten Motivs, z.B. „Hungerkünstler“) prinzipiell gibt. Nur solche Texte werden in die Untersuchung einbezogen. Die Leistung des Rezipienten besteht diesem methodischen Ansatz entsprechend nicht darin, die ‚Zitathaftigkeit‘ eines Textes als solche zu erkennen, sondern sich den jeweils zugrunde liegenden Hypotext sowie die Funktion des Zitats im Hypertext zu vergegenwärtigen. Nur bei einer solchen Unterscheidung kann der Begriff des ‚intertextuellen Bezugs' von jenem der subjektiven, leserabhängigen ‚Assoziation‘ deutlich abgegrenzt werden. Der Terminus der Intertextualität wird hierbei recht weit gefasst, indem, weitgehend der von Dubravka Oraić Tolić geprägten Begrifflichkeit folgend, nicht nur intrasemiotische, sondern auch intersemiotische Zitate einbezogen werden: auch „die zitathafte Wechselbeziehung zwischen Literatur – Malerei [...] oder zwischen Literatur – Musik usw.“103 wird als Teilbereich der Intertextualität betrachtet. 101 Vgl. Kristeva, Julia: Word, Dialogue and Novel. In: Moi, Toril (Hg.), The Kristeva Reader. New York 1986, S. 34–61, hier S. 37. Vgl. auch Broich, Ulrich: Formen der Markierung von Intertextualität. In: Broich/Pfister 1985, S. 31–47, hier S. 31. 102 Vgl. Holthuis, Susanne: Intertextualität. Aspekte einer rezeptionsorientierten Konzeption. Tübingen 1993, S. 31f. 103 Oraić Tolić, Dubravka: Das Zitat in Literatur und Kunst. Versuch einer Theorie. Aus dem Kroatischen übersetzt von Ulrich Dronske. Wien/Köln/Weimar 1995, S. 39f.
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Zudem stehen nicht nur die in den polnischen Originalen vorhandenen intertextuellen Bezüge im Mittelpunkt, sondern besonderes Augenmerk gilt zugleich ihrer Wiedergabe in den deutschen Übersetzungen. Im Hinblick auf die Problematik der Intertextualität in Dramenübersetzungen hat Brigitte Schultze Stücke von Witkiewicz, Gombrowicz und Mrożek vergleichend analysiert. Sie kommt zu folgendem Ergebnis: Angesichts des sehr begrenzten Textmaterials dürfen verallgemeinernde Aussagen zum Umgang der Übersetzer mit dem intertextuellen Potential nur mit großer Vorsicht formuliert werden. [...] Die hier verglichenen Übersetzungen vermitteln – freilich graduell verschieden – nicht den Eindruck, daß der markanten intertextuellen Prägung der polnischen Dramen durchgehend und konsequent besondere Aufmerksamkeit gegolten hätte. Dabei ist kein grundlegender Unterschied im Umgang mit den verschiedenen Prätexten zu erkennen. Prätexte, die zum kulturellen Repertoire der Zielkultur gehören wie Goethes Faust und Shakespeares Hamlet werden nicht unbedingt aufmerksamer behandelt als polnische Bezugstexte in der Art von Mickiewiczs Dziady. Bisweilen, jedoch nicht sehr häufig, wagen einzelne Übersetzer einen produktiven Umgang mit Textreferenzen, indem sie auf der Zielseite neue Referenzorte schaffen.104
Diese Aussagen sollen im Folgenden anhand des hier zugrunde liegenden umfangreicheren Textkorpus von 38 polnischen Dramen in deutschen Doppelübersetzungen überprüft werden. Bei der Analyse ließ sich zunächst feststellen, dass die intertextuelle Prägung der polnischen Originale meist derart vielschichtig ist, dass sie hier nicht umfassend dargestellt werden kann. Die unumgängliche Eingrenzung wurde dahingehend getroffen, dass nur in verschiedenen Dramen vorkommende, also mehrfach festzustellende intertextuelle Bezüge einbezogen werden, da diese folglich generell als besonders relevant für polnische Dramen anzusehen sind. Sie lassen sich in drei Bereiche untergliedern: 1. Verweise auf die polnische Literatur, 2. Verweise auf die europäische Literatur und 3. intersemiotische Bezugnahmen. Was zunächst die Bezüge zur polnischen Literatur betrifft, so finden sich mehrfach Allusionen auf Mickiewicz, insbesondere auf die Oda do młodości, aber auch auf Dziady.105 Dies gilt vor allem für Gałczyńskis Sketchesammlung Zielona Gęś: Im Sketch Poranek Mickiewiczowski findet diese Ode gleich zweimal Erwähnung, und im weiteren Verlauf wird in der Figurenrede von Jan W. Starzec der erste Vers sogar wörtlich zitiert: „‘Herzlos und geistlos, ein Volk von Skeletten‘ 104 Schultze, Brigitte (in Zusammenarbeit mit Fritz Paul): Zitat, Allusion und andere redegestützte und nichtverbale Referenzen in Dramenübersetzungen. In: Schultze, Brigitte et alii (Hgg.), Literatur und Theater. Traditionen und Konventionen als Problem der Dramenübersetzung. Tübingen 1990, S. 161–210, hier S. 209. 105 Vgl. Różewicz: Akt przerywany, „Didaskalia i uwagi“. In: Ders.: Teatr 1. Kr. 1988, S. 383– 415, hier S. 389. Vgl. auch Gałczyński: Zielona Gęś. In: Ders.: Próby teatralne 3. Kr. 1958, S. 309–705, hier S. 317, 607.
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[...].“106 bzw. „Herzlos, geistlos, das ist ein Volk von Skeletten!“107 bzw. „Bez serc, bez ducha, to szkieletów ludy!“.108 Der Mickiewicz–Bezug als solcher wird schon im Titel offen gelegt, so dass man von intertextuellen Markierung sprechen kann. Allerdings ist in diesem Fall davon auszugehen, dass der Referenztext, die Oda do młodości, nur für polnische Rezipienten erkennbar ist. Dies gilt insbesondere für die Theaterinszenierung. Komplizierter verhält es sich in Gałczyńskis Sketch „Hamlet“, dessen Titel ebenfalls eine intertextuelle Markierung in sich trägt, die den Rezipienten aber teilweise in die Irre führt, da in der Figurenrede des Hamlet ebenfalls aus Mickiewicz's Oda do młodości zitiert wird, diesmals allerdings nicht der Anfang, sondern aus dem 20. Vers: „Er ist sich selber Steuer [...].“109 bzw. „... sich selbst ein Steuer [...].“110 bzw. „... sam sobie sterem [...].“111 Im Hinblick auf die polnische Romantik ist festzustellen, dass die Bezüge auf Słowacki gegenüber jenen auf Mickiewicz sogar zu überwiegen scheinen. In diesem Zusammenhang sind besonders die Dramen von Tadeusz Różewicz zu nennen, in denen allerdings Verweise auf die polnische Literatur mit solchen auf die europäische Literaturtradition oft vermischt werden. Dies betrifft etwa den „Uwaga“ betitelten auktorialen Nebentext in Akt przerywany, worin Słowackis Balladyna neben Shakespeare, Goethe u.a. genannt wird. Hier sind die beiden Übersetzungen auffällig: „[...] den ‚Sommernachtstraum‘, die ‚Balladyna‘ (von Słowacki), Goldoni, Ibsen...“112 bzw. „[...] den ‚Sommernachtstraum‘, den ‚Faust‘, ‚Tristan und Isolde‘ [...].“113 bzw. „‚Sen nocy letnej‘, ‚Balladynę‘ (Słowackiego), Goldoniego, Ibsena...“114. Die westdeutsche Übersetzerin Ilka Boll hat den Słowacki–Bezug eliminiert und durch Goethes Faust ersetzt, wodurch sie einen Verweis auf die deutsche Literaturtradition schafft. Vergleichbares lässt sich auch in Różewicz's Drama Grupa Laokoona beobachten, wo Boll die Anspielung auf Balladyna ersatzlos streicht115 und auch die Allusionen auf Mazeppa und Kordian nicht wiedergibt.116
106 [w]Dedecius, in: Gałczyński: Die Grüne Gans. Das kleinste Theater der Welt, deutsch aufgeführt von Karl Dedecius.Frankfurt a.M. 1969, S. 53. 107 [o]Brätz, in: Gałczyński: Die grüne Gans. Berlin(–Ost) 1983, S. 58. 108 Gałczyński 1958, S. 423. 109 [w]Dedecius, in: Gałczyński 1969, S. 13. 110 [o]Brätz, in: Gałczyński 1983, S. 14. 111 Gałczyński 1958, S. 319. 112 [o]Buschmann, in: Różewicz, Stücke. Ausgewählt von Jutta Janke. Berlin(–Ost) 1974, S. 257–289, hier S. 279. 113 [w]Boll, in: Różewicz: Der unterbrochene Akt und andere Stücke. Frankfurt a.M. 1966, S. 7–49, hier S. 36f. 114 Różewicz 1988, S. 405. 115 In der Fassung von Rymarowicz hingegen bleibt der Balladyna-Bezug erhalten.Vgl. [o]Rymarowicz, in: Różewicz: Stücke. Berlin(–Ost) 1974, S. 43–95, hier S. 75; Różewicz, 1988, S. 157. 116 Vgl. [o]Rymarowicz, in: Różewicz 1974, S. 72 ff.; Różewicz 1988, S. 154ff.
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Die Zitate aus Słowackis Testament mój und seinem Drama Lilla Weneda hingegen finden sich in beiden Übersetzungen.117 Im Hinblick auf intertextuelle Bezüge zu nachromantischer polnischer Literatur fallen mehrfach Verweise auf Wyspiańskis Drama Wesele auf. Hier ist z.B. Gałczyńskis Sketch „Dwa Polacy“ aus der Sammlung Zielona Gęś zu nennen, worin sich in der Figurenrede von Skoczwiski ein wörtliches Zitat aus Wesele findet: „Nur die Schnur ist mir geblieben...“118 bzw. „Ostał ci się ino sznur.“119 Die west– und die ostdeutsche Übersetzung sind hier gleichlautend, wobei der Zitatcharakter dem deutschen Rezipienten allerdings verborgen bleiben dürfte. Dies gilt insbesondere für die Theateraufführung, die im Gegensatz zum literarischen Text nicht über Möglichkeiten der Kommentierung (etwa durch Anmerkungen) verfügt. So geht auch die durch den veränderten Kontext erzeugte parodistische Wirkung im Deutschen verloren. Im Prätext, d.h. in Wyspiańskis Wesele, werden diese Worte nach dem Verlust des „Goldenen Horns“, des Symbols für den Befreiungskampf, geäußert, von dem eben nur die Schnur geblieben war. Wird dieser Zusammenhang nicht mitgedacht, ergeben sich beim Rezipienten vollkommen andere Assoziationen. Besonders exponiert ist der Wyspiański–Bezug in Witkiewicz's Stück Szewcy, da dort – wie in Wesele – eine „Chochoł“ genannte Strohpuppe auftritt. Dass diese Figur von Wyspiański entlehnt ist, wird im Personenverzeichnis von Szewcy offengelegt: „STROHPUPPE: Aus der ‚Hochzeit‘ von Wyspiański“120 bzw. „‚CHOCHOL‘, Strohpuppe, Gestalt aus dem Stück ‚Die Hochzeit‘ des polnischen Autors Wyspiański.“121 bzw. „Chochol, Strohpuppe, aus dem Stück ‚Die Hochzeit‘ von Stanisław Wyspiański.“122 bzw. „CHOCHOŁ – z Wesela Wyspiańskiego“123. Im Haupttext des Dramas wird ebenfalls verschiedentlich auf Wyspiański Bezug genommen, wenn auch eher kritisch und abwertend im Hinblick auf epigonale Nachahmungen von Wesele. So sagt die Fürstin (Księżna): „Ich liebe die Wirklichkeit, und nicht die verohrdackelten Symbolismen in den Tschenstochauer Versen der Wyspianski–Epigonen [...].“124 bzw. „Ich liebe Realitäten und keine verschissenen epigonalen Reimereien und Seelenblähungen à la Wyspiański [...].“125 bzw. „Was ich liebe, ist pure Wirklichkeit und nicht die angeschimmelte 117 Vgl. [w]Boll, in: Różewicz, Gedichte. Stücke. Herausgegeben von Karl Dedecius. Frankfurt a.M. 1983, S. 255–295, hier S. 282, 285f.; [o]Rymarowicz 1974, 76, 82; Różewicz 1988, S. 158, S. 163. 118 [w]Dedecius, in: Gałczyński 1969, S. 17; [o]Brätz, in: Gałczyński 1983, S. 18. 119 Gałczyński 1958, S. 327. 120 [w]Niesielska, in: Witkiewicz, Die Schuster. München/Wien 1974 (?). 121 [w]Pilecki, in: Witkiewicz, Verrückte Lokomotive. Frankfurt a.M. 1994, S. 197–297, hier S. 200. 122 [o]Bereska, in: Witkiewicz, Stücke. Berlin(–Ost) 1982, S. 263–346, hier S. 264. 123 Witkiewicz: Szewcy. Naukowa sztuka ze „śpiewkami“ w trzech aktach. In: Ders., Dramaty wybrane. Band 2. Kr. 1997, S. 245–364, hier S. 248. 124 [w]Niesielska, in: Witkiewicz 1974 (?), S. 48. 125 [w]Pilecki, in: Witkiewicz 1994, S. 226.
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Symbolisk in braven Tschenstochauer Reimen der Wyspiański–Epigonen [...].“126 bzw. „Ja lubię rzeczywistość, a nie zagwazdrane symbolizmy w częstochowskich wierszydłach epigonów Wyspiańskiego [...].“127 Gelegentlich lassen sich durch die Wiederaufnahme bestimmter Motive auch Bezüge zwischen Dramen ein und desselben polnischen Autors feststellen; dies gilt etwa für die Różewicz's Stücke Pułapka und Odejście głodomora, die schon zum folgenden Schwerpunkt in dieser Darstellung von Intertextualität in polnischen Dramen überleiten, da sich beide auf Leben und Werk von Franz Kafka beziehen. Vergleichbares lässt sich in mehreren Dramen von Witkiewicz beobachten, in denen immer wieder die „Reine Form“ („Czysta Forma“) Erwähnung findet, der geradezu leitmotivische Funktion für diese Dramen zukommt. So beschreibt die Zweite Dame (II. Dama) in Gyubal Wahazar czyli na przełęczach bezsensu dessen Art zu herrschen als „Die reine Form seiner Macht [...].“128 bzw. „Die reine Form seiner Gewalt [...].“129 bzw. „Czysta Forma jego potęgi [...].“130. In Oni wird die „Reine Form“ zu einem künstlerischen Credo umgewandelt und in Beziehung zur europäischen Commedia dell'arte, also zu einer bestimmten Theatertradition, gesetzt. So sprechen Marianna und Tefuan wiederholt von „[...] Commedia dell'arte in Reiner Form [...].“131 bzw. „[...] Komödien dell'arte in Reiner Form [...].“132 bzw. „[...] komedię dell'arte w Czystej Formie [...].“133 Und Abloputo fordert „[...] eine Commedia dell'arte in Reiner, kristallklarer Form.“134 bzw. „[...] eine Komödie dell'arte in Reiner Form, eine Komödie reinsten Wassers [...].“135 bzw. „[...] komedię dell'arte w Czystej Formie jak krzyształ.“.136 Hier liegt also zugleich der bereits erwähnte Sonderfall von Intertextualität als Systemreferenz in Bezug auf Theatertraditionen vor. Gombrowicz nimmt in Ślub (Die Trauung) den Begriff der „Czysta Forma“ im auktorialen Nebentext „Wskazówki dotyczące gry i reżyserii“ (“Hinweise für Schauspieler und Regisseur“) auf: „[...] Aus der doppelten Deformation bildet sich etwas heraus, was Witkiewicz ‚reine Form‘ genannt hätte. Die Personen des Dramas ergötzen sich am Spiel, berauschen sich sogar am eigenen Leiden, alles ist nur ein Vorwand, 126 [o]Bereska, in: Witkiewicz 1982, S. 286. 127 Witkiewicz 1997, S. 280. 128 [w]Boll, in: Witkiewicz: Gyubal Wahazar oder Im Engpass des Unsinns. Nicht–Euklidisches Drama in vier Akten, Frankfurt a.M. 1974, S. 9. 129 [o]Bereska, in: Witkiewicz, Stücke. Herausgegeben von Henryk Bereska. Berlin(–Ost) 1982, S. 63–126, hier S. 69. 130 Witkiewicz: Gyubal Wahazar czyli na przełęczach bezsensu. Nieeuklidesowy dramat w czterech aktach. In: Ders., Dramaty 2. Wa. 1998, S. 205–281, hier S. 212. 131 [w]Grzyb/Taubmann, in: Witkiewicz, Jene. Baden–Baden 1968 (?), S. 12, 66, 90. 132 [w]Lachmann, in: Witkiewicz, Die da! In: Spectaculum XI. Sechs moderne Theaterstücke. Frankfurt a.M. 1968, S. 275–312, hier S. 278, 299, 308. 133 Witkiewicz: Oni. In: Ders., Dramaty 1. Wa. 1996, S. 403–464, hier S. 409, 442, 457. 134 [w]Grzyb/Taubmann, in: Witkiewicz 1968 (?), S. 102. 135 [w]Lachmann, in: Witkiewicz 1968, S. 312. 136 Witkiewicz 1996, S. 463.
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um sich in einem bestimmten Effekt zu vereinigen. [...]“ (Fieguth)137 bzw. „[...] Z podwójnej deformacji wytwarza się coś, co Witkiewicz nazwałby ‚czystą formą‘. Osoby dramatu rozkoszują się tą swoją grą, upajają się nawet własnym cierpieniem, wszystko jest tylko pretekstem dla zespolenia się w takim czy innym efekcie. [...]“ (Gombrowicz).138 Die Analyse der zugrunde gelegten polnischen Dramen hat weiterhin ergeben, dass die Bezüge zur europäischen Literatur deutlicher ausgeprägt sind als jene zur polnischen. Dies wurde andeutungsweise schon am Beispiel von Różewicz's Akt przerywany gezeigt, da dort Słowackis Balladyna in einem Dichter– und Werkkatalog in einem Atemzug mit dem Sommernachtstraum sowie mit Goldoni und Ibsen genannt wird.139 In diesem Fall, der zunächst natürlich nicht als repräsentativ gelten kann, wird so die polnische Literatur ganz selbstverständlich als Bestandteil der europäischen dargestellt. Was Verweise auf die europäische Literaturtradition in polnischen Dramen allgemein betrifft, hat Brigitte Schultze in ihrem bereits zitierten Aufsatz als bevorzugte Prätexte die Bibel und Shakespeares Dramen genannt.140 Diese Beobachtungen können durch die hier geleistete Untersuchung bestätigt werden, wenngleich als weitere ‚Referenzorte‘ z.B. Werke von Vergil, Dante, Goethe, Heine, Nietzsche und Kafka auszumachen sind. Während sich auf die letztgenannten Autoren vor allem Różewicz und teilweise auch Witkiewicz beziehen, finden sich Verweise auf die Bibel bei vielen polnischen Dramatikern. Diese können als Allusionen auf den Schöpfungsmythos sowie auf Episoden aus dem Leben Christi näher spezifiziert werden, wobei besonders die Passionsgeschichte eine zentrale Rolle spielt. Der Schöpfungsmythos wird vor allem von Witkiewicz thematisiert bzw. umgekehrt und dadurch ad absurdum geführt, wie etwa im Fall von Gyubal Wahazar: „Es werde Nacht!“141 bzw. „Niech będzie noc!“142 Eine Allusion auf die Genesis, die diesmal aber in der ostdeutschen Übersetzung deutlicher markiert ist, findet sich auch in Oni, indem Pan Balandaszek sagt: „Ich bin wie der Geist, der in den Zeiten des Chaos über den Wassern schwebte...“143 bzw. „Ich bin der Geist, der in den Zeiten des Chaos über den Gewässern schwebte...“144 bzw. „Jestem jak duch, który unosił się nad wodami w czasach chaosu.“145 (vgl. 1. Mose 1,2–3). In Mrożeks Lis Aspirant liegt im Monolog des Protagonisten ein wörtliches Zitat aus der Schöpfungsgeschichte vor. Die beiden Übersetzungen sind identisch (mit der kleinen Abweichung „machet“ statt „macht“ bei Christa 137 [w]Fieguth, in: Gombrowicz, Theaterstücke. München/Wien 1997, S. 79–195, hier S. 342. 138 Gombrowicz: Teatr. Paris 1971, S. 61–149, hier S. 64f. 139 Różewicz 1988, S. 405. 140 Vgl. Schultze 1990, S. 165. 141 [w]Boll, in: Witkiewicz 1974, S. 34; [o]Bereska, in: Witkiewicz 1982, S. 98. 142 Witkiewicz 1998, S. 247. 143 [w]Grzyb/Taubmann, in: Witkiewicz 1968 (?), S. 27. 144 [w]Lachmann, in: Witkiewicz 1968, S. 284. 145 Witkiewicz 1996, S. 418.
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Vogel): „Der Mensch hütet eifersüchtig sein Geheimnis. Er will der Herrscher der Welt bleiben, der Verheißung gemäß, die in der Genesis steht: ‚... und macht sie euch untertan und herrschet über die Fische im Meer und über die Vögel unter dem Himmel und über alles Getier, das auf Erden kreucht.‘“146 bzw. „Człowiek jest zazdrosny o sekret. Woli pozostać władca stworzenia, zgodnie z obietnicą daną mu w Genezis: ‚... A niech panuje nad rybami morskimi i nad ptactwem niebieskim, i nad zwierzęty, i nad wszystką ziemią, i nad wszelkim płazem płazającym się po ziemi.‘“147 (vgl. 1. Mose 1,28). Ein Zusammenhang zwischen Schöpfungsmythos und polnischem Theater wird in Różewicz's Akt przerywany (im auktorialen Nebentext „Didaskalia i uwagi“) hergestellt: „Denn am Anfang des modernen Theaters war, ist und bleibt das Wort.“148 bzw. „Denn am Anfang des zeitgenössischen Theaters steht und stand, damals wie heute und für alle Zeiten, das Wort.“149 bzw. „Gdzyż na początku teatru współ–czesnego było, jest i będzie słowo.“150 (vgl. Joh 1,1). An diesem Beispiel lässt sich die vorhin formulierte These vom engen Zusammenhang zwischen Autothematik und Intertextualität besonders anschaulich belegen. Dass solche Allusionen auf die Bibel durch die Veränderung des Kontextes bzw. auch des Zitates selbst häufig von einem dialogischen und kritischen Verhältnis zum Prätext geprägt sind, indem dessen Aussage gleichsam umgekehrt wird, zeigt sich beispielsweise auch in Różewicz's Stück Wyszedł z domu, worin sich der Fremde (Obcy) auf einen Bericht aus den Büchern Mose bezieht; im Gegensatz zum alttestamentarischen Gott (“Ich bin der ich bin“) sagt der Fremde jedoch: „Ich bin der / der ich nicht bin / und bin nicht, der ich bin.“151 bzw. „Ich, der ich bin der, / der ich nicht bin, / und nicht der bin, der ich bin.“152 bzw. „Ja który jestem / tym czym nie jestem / i nie jestem tym czym jestem“153 (vgl. 2. Mose 3,14). Hier ist der Bibelbezug bei Ilka Boll deutlicher zu erkennen als bei Henryk Bereska, allerdings auch deutlicher als im Original. Eine Allusion auf die Genesis liegt sogar in Kruczkowskis Pierwszy dzień wolności vor, indem Hieronym den Wunsch ausspricht: „Wenn‘s doch hier wenigstens zehn Gerechte gäbe, wie in Sodom.“154 bzw. „Wenn es doch wenigstens zehn Gerechte 146 [w]Kośny, in: Mrożek, Amor und andere Stücke. Zürich 1998, S. 143–233, hier S. 187; [o]Vogel, in: Janke, Jutta und Schumann, Hubert (Hgg.), Nachbarn. Texte aus Polen. Berlin(–Ost) 1985, S. 447–504, hier S. 503. 147 Mrożek: Lis Aspirant. Lis Filozof. Polowanie na Lisa. Serenada. In: Ders., Teatr 3. Wa. 1997, S. 7– 72, hier S. 14. 148 [o]Buschmann, in: Różewicz 1974, S. 266. 149 [w]Boll, in: Różewicz 1966, S. 19. 150 Różewicz 1988, S. 392. 151 [w]Boll, in: Różewicz, Er ging aus dem Hause. Berlin(–West) 1965 (?), S. 27. 152 [o]Bereska, in: Różewicz, Stücke. Ausgewählt von Jutta Janke. Berlin(–Ost) 1974, S. 199–255, hier S. 217. 153 Różewicz: Wyszedł z domu. In: Ders., Dramaty wybrane. Kr. 1994, S. 85–136, hier S. 102. 154 [w]Mika [1], in: Wirth, Andrzej (Hg.), Modernes Polnisches Theater 1. Berlin(–West) o.J., S. 139–204, hier S. 145; [w]Mika [2], in: TH 1961 Heft 7, S. I–XVI, hier S. I.
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gäbe, wie in Sodom.“155 bzw. „Ale żeby choć dziesięciu sprawiedliwych, jak w Sodomie.“156 (vgl. 1. Mose 18,32). Die eigentliche Pointe besteht hier darin, dass es im biblischen Sodom die zehn Gerechten ja gerade nicht gab und die Stadt untergehen musste. Wie bereits angedeutet, ist die Leidensgeschichte Jesu für mehrere polnische Dramen relevant. Dies zeigt sich z.B. in Iredyńskis Drama Kreacja, das einige Bibel–Zitate, darunter auch Jesu letzte Worte am Kreuz, enthält. So sagt Niemand (Nikt): „[...] verzeih ihnen, denn sie wissen nicht was sie tun.“ 157 bzw. „Vergib ihnen, denn sie wissen nicht, was sie tun.“158 bzw. „[...] przebacz im, bo nie wiedzą, co czynią.“159 (vgl. Lk 23,34). Wenig später fügt er hinzu: „‚Vater, Vater, warum hast du mich verlassen‘“160 bzw. „‚Ojcze, ojcze, czemuś mnie opuścił‘“161 (vgl. Mt 27,46). Hier lassen sich kaum Unterschiede in den Übersetzungen feststellen. Dies gilt auch für Iredyńskis Stück Żegnaj, Judaszu... (Leb wohl, Judas...),162 wobei sich die intertextuelle Markierung hier bereits im Titel findet, da die biblische Erzählung des Verrats von Judas an Christus (vgl. Mt 26,14–50) als kulturelles Allgemeingut angesehen werden kann. Weniger exponiert ist derselbe intertextuelle Bezug in Witkiewicz's Matka, worin Leon Judas als jenes Opfer betrachtet, ohne das es keine Erlösung gegeben hätte.163 In Iredyńskis Jasełka moderne werden die Weihnachtsgeschichte und die Flucht nach Ägypten „umgeschrieben“ (vgl. Mt 2,13), indem es sich bei den Akteuren um Schauspieler eines Lagertheaters handelt, die während der Proben – mit Ausnahme des Darstellers von Herodes, der wegen Mordes verhaftet wurde, – alle umkommen. Ein wörtliches Bibelzitat in Bezug auf das Leben Jesu (die Versuchung durch den Teufel in der Wüste) enthält Róże155 [o]Ball, in: Kruczkowski, Dramen. Berlin(–Ost) 1975, S. 71–147, hier S. 74. 156 Kruczkowski: Pierwszy dzień wolności. Sztuka w trzech aktach. In: Ders., Dramaty. Wa. 1981, S. 77–162, hier S. 80. 157 [w]Vogel, in: Iredyński, Kreation. Stück in sechs kurzen Akten. Berlin(–West) o.J., S. 50. 158 [o]Pitschmann, in: Iredyński, Niemand. Stück in sechs kurzen Akten. Berlin(–Ost) 1985 (?), S. 61. 159 Iredyński: Kreacja. Sztuka w sześciu krótkich aktach. In: Dialog 5. Wa. 1984, S. 5–37, hier S. 26. Vgl. Pismo Święte Starego i Nowego Testamentu. W przekładzie z języków oryginalnych. Opracował zespół biblistów polskich z inicjatywy Benedyktynów Tynieckich, Poznań/Wa. 1990, S. 1211. 160 [w]Vogel, in: Iredyński o.J., S. 51; [o]Pitschmann, in: Iredyński 1985 (?), S. 62. 161 Iredyński 1984, S. 27. Vgl. Pismo Święte 1990, S. 1156: „[...] Boże mój, Boże mój, czemuś Mnie opuścił?“ 162 [w]Pilecki, in: Wirth, Andrzej (Hg.), Modernes Polnisches Theater 2. Berlin(–West) 1964 (?), S. 191–234; [o]Scholze, in: Iredyński, Leb wohl, Judas... Zwei Dramen und zwei Kurzromane. Leipzig 1983, S. 5–42; Iredyński: Żegnaj, Judaszu... In: Ders., Dziewięć wieczorów teatralnych. Wybór utworów scenicznych. Kr. 1986, S. 57–103. 163 Vgl.[w]Zimmermann–Göllheim, in: Witkiewicz, Die Mutter. Geschmackloses Stück in 2 Akten mit Epilog. Baden–Baden 1970 (?), S. 14; [w]Dutsch, in: Witkiewicz, Die Mutter (Matka). Schauspiel in zwei Akten mit Epilog. München o.J., S. 10f.; [o]Bereska, in: Witkiewicz, Stücke. Berlin(–Ost) 1982, S. 161–215, hier S. 175; Witkiewicz: Matka. Niesmaczna sztuka w dwóch aktach z epilogiem. In: Ders., Dramaty wybrane. Band 2. Kr. 1997, S. 161–243, hier S. 183.
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wicz's Odejście Głodomora, wobei auch hier auffällt, dass die beiden Übersetzungen nahezu identisch sind und das Zitat (Mt 4,1–2) nach der Lutherbibel wiedergeben.164 Insgesamt lassen sich im Hinblick auf Bibelbezüge also nur sehr geringe Unterschiede zwischen den ost– und westdeutschen Übersetzungen feststellen. Als Bindeglied zwischen der antiken und der modernen europäischen Literatur wird häufig Dantes Divina Commedia angesehen. Wenn man zudem die seit der Renaissance besonders enge Beziehung polnischer Autoren zu Italien mitbedenkt, nimmt es nicht wunder, dass auch in modernen polnischen Dramen nicht selten auf das monumentale Epos des Trecento verwiesen wird. Auffällig ist indessen, dass sich solche Allusionen oft in Stücken finden, die dem ‚absurden Theater‘ zuzurechnen sind, so etwa in Różewicz's Dramen Śmieszny staruszek165, Świadkowie albo nasza mała stabilizacja166 und Witkiewicz's Oni, dort wiederum in Verbindung mit der Commedia dell'arte, der das Epitheton „piekielna“ beigegeben ist.167 Allerdings enthält auch Wyspiańskis Wesele eine Allusion auf das Inferno, indem die Erscheinung des geisterhaften Stańczyk sagt: „Die Hölle in unserem Lande / ist schlimmer als die von Dante.“168 bzw. „Schlimmres als Dantes Hölle / kenne ich: die Hölle des Lebens.“169 bzw. „Piekło wiem gorsze niż Dante, / piekło żywe.“170 Hinsichtlich weiterer Bezugnahmen auf weltliche europäische Literatur sind die Verweise auf Shakespeare besonders zahlreich. Dies wurde im Zusammenhang mit Gałczyńskis Sketch Hamlet aus Zielona Gęś bereits angedeutet. Zu dieser Sammlung gehört beispielsweise Hamlet & Kelnerka171 (Hamlet und die Kellnerin172); 164 Vgl. [w]Lachmann, in: Różewicz, Der Abgang des Hungerkünstlers. Berlin(–West) 1980, S. 10; [o]Bereska, in: Różewicz: Auf allen vieren. Der Hungerkünstler geht. Die Falle. Berlin(–Ost) 1986, S. 63–105, S. 70f.; Różewicz: Odejście Głodomora. In: Ders., Teatr 2. Kr. 1988, S. 289–330, hier S. 297. 165 Vgl. [w]Boll, in: Różewicz: Der komische Alte. Berlin(–West) 1964, S. 77; [o]Bereska, in: Różewicz 1974, S. 163; Różewicz 1988, S. 248. 166 Vgl. [w]Boll, in: Różewicz: Gedichte. Stücke. Herausgegeben von Karl Dedecius. Frankfurt a.M. 1983, S. 215–254, hier S. 243; [o]Bereska, in: Różewicz 1974, S. 97–133, hier S. 124; Różewicz 1988, S. 208. 167 Vgl. [w]Grzyb/Taubmann, in: Witkiewicz 1968 (?), S. 49, 73; [w]Lachmann, in: Witkiewicz 1968, S. 293, 302; Witkiewicz 1996, S. 432, 446: Das Adjektiv „piekielna“ wird hierbei nur von Lachmann zweimal mit „höllisch“ übersetzt, während sich Grzyb/Taubmann einmal für „verdammt“ und einmal für „teuflisch“ entscheiden, so dass der Wiederholungscharakter bei ihnen verloren geht. 168 [w]Dedecius, in: Wyspiański, Die Hochzeit. Frankfurt a.M. 1992, S. 110. 169 [o]Bereska, in: Wyspiański, Die Hochzeit. Leipzig 1977, S. 72. 170 Wyspiański: Wesele. Kr. o.J. (Dzieła zebrane ; 4), S. 98. Ein detailliertes Verzeichnis der Prätexte von Wesele, vor allem im Hinblick auf die Literatur der Młoda Polska enthält: Łempicka, Aniela: Wesele we wspomnieniach i krytyce, Kr. 1961. Vgl. hierzu auch: Markiewicz, Henryk/Romanowski, Andrzej: Skrzydlate słowa, Wa. 1990, S. 719–725. (52 intertextuelle Bezüge) 171 Gałczyński 1958, S. 521. 172 [w]Dedecius, in: Gałczyński 1969, S. 77; [o]Brätz, in: Gałczyński 1983, S. 76.
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auch hier findet sich die intertextuelle Markierung bereits im Titel. Im bereits zitierten Autoren– und Werkkatalog in Różewicz's Akt przerywany wird u.a. Shakespeares Sommernachtstraum genannt. Dieser Bezug bleibt in beiden Übersetzungen erhalten, obwohl, wie bereits angesprochen, Ilka Boll manche Verweise eliminiert bzw. durch Bezüge aus der deutschen Literaturtradition ersetzt.173 In Grupa Laokoona wird in der Figurenrede des Großvaters (Dziadek) ebenfalls Shakespeare erwähnt.174 In Na czworakach stellt Laurenty in einem Werkkatalog Shakespeare neben Sophokles, in dem er Antigone, Macbeth, Ödipus und Lear in einem Atemzug nennt.175 In Witkiewicz's Oni beispielsweise zitiert Tefuan aus Shakespeares Heinrich VI.176 In Białe małżeństwo ist die in Paulinas Rede zweimal vorkommende Allusion auf das Ophelia–Motiv (also auf Hamlet) auffällig, wobei die Wiederholung in der westdeutschen Fassung von Peter Lachmann verloren geht.177 Diese Besonderheit fällt auch deswegen auf, weil in diesem Stück ein ‚Drama im Drama‘ aufgeführt wird, so dass sich eine Vielzahl fingierter intertextueller Bezüge ergibt. Diese ersetzt Lachmann – und nur er – durch echte Zitate, die er in einem Literaturverzeichnis nachweist.178 Im Hinblick auf die klassische deutsche Literatur sind vor allem die Goethe– Bezüge erwähnenswert. Zunächst ist hier wieder einmal Różewicz's intertextuell stark geprägtes Drama Grupa Laokoona zu nennen, in dem ein Bezug zum Faust zunächst durch eine Allusion hergestellt wird: in dem Lied, welches das Zweite Mitglied (Członek II) singt, kommt das Motiv eines den Weg kreuzenden schwarzen Hundes vor.179 In beiden Übersetzungen geht das Wortspiel „pies“ – „bies“ verloren, so dass der intertextuelle Bezug im Deutschen abgeschwächt wird. Ein deutlich markierter Faust–Bezug liegt etwas später in der Rede des Großvaters (Dziadek) vor: das „Ewigweibliche“ (auch im polnischen Original deutsch).180 Dieses Zitat fehlt bei Boll, die in Grupa Laokoona mit intertextuellen Bezügen überhaupt auffällig freizügig umgeht, während in der ostdeutschen Fassung von Ryma173 Vgl. [o]Buschmann, in: Różewicz 1974, S. 279; [w]Boll, in: Różewicz 1966, S. 36f.; Różewicz 1988, S. 405. 174 Vgl. [w]Boll, in: Różewicz 1983, S. 288; [o]Rymarowicz, in: Różewicz 1974, S. 87f.; Różewicz 1988, S. 166ff. 175 Vgl. [w]Vogel, in: Różewicz: Auf allen Vieren. Berlin(–West) 1973 (?), S. 12; [o]Bereska, in: Różewicz 1986, S. 16; Różewicz: Teatr 2. Kr. 1988, S. 51–103, hier S. 60. 176 Vgl. [w]Grzyb/Taubmann, in: Witkiewicz 1968 (?), S. 85; [w]Lachmann, in: Witkiewicz 1968, S. 306; Witkiewicz 1996, S. 453f. 177 Vgl. [w]Lachmann, in: Różewicz, Weiße Ehe. Berlin(–West) 1976, S. 72; [o]Bereska, in: Różewicz: Weiße Ehe. Berlin(–Ost) 1976, S. 8, 62; Różewicz 1994, S. 181, 214. Vgl. zur Intertextualität in Białe małżeństwo auch Kośny, Witold: Tadeusz Różewicz's Białe małżeństwo und die Prätexte. In: ZfSl 40 (1995), S. 51–59. 178 [w]Lachmann, in: Różewicz 1976. 179 Vgl. [w]Boll, in: Różewicz 1983, S. 284; [o]Rymarowicz, in: Różewicz 1974, S. 78; Różewicz 1988, S. 160. 180 [o]Rymarowicz, in: Różewicz 1974, S. 86; Różewicz 1988, S. 166.
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rowicz alle diese Bezüge erhalten bleiben. In Na czworakach stellt sich der Pudel mit den Worten vor: „Ich bin Mefisto.“181 bzw. „Mephistopheles bin ich.“182 bzw. „Jam Mefisto.“183 Auch in Śmieszny staruszek wird im Monolog der Titelfigur auf den Faust angespielt,184 ebenso in Pułapka in der Figurenrede des Franz. 185 Die explizitesten Faust–Bezüge hingegen liegen sicherlich in Wyspiańskis Noc listopadowa vor, da dort ein ‚Drama im Drama‘ aufgeführt wird, das zahlreiche Zitate aus dem Faust enthält. Die Ortsangabe „Auerbachs Keller [...]. 186“ bzw. „W piwnicy Auerbacha!“187 fehlt jedoch in der ostdeutschen Fassung von Heinz Czechowski.188 Besonders stark intertextuell geprägt sind zweifellos die Dramen von Tadeusz Różewicz. Neben den bereits erwähnten lassen sich hierbei noch zwei weitere zentrale ‚Referenzorte‘ benennen: die Werke von Nietzsche und Kafka. Nietzsche–Bezüge treten vor allem in Odejście Głodomora als Allusionen zutage; so singt Głodomór im 6. Teil ähnlich wie Zarathustra ein „Nachtlied“, und er erzählt von sich, zwanzig Jahre in einer Höhle gelebt zu haben.189 In Stara kobieta wysiaduje konstatiert der Herr (Pan): „Nietzsche ist tot.“190 bzw. „Ich habe Nietzsche erledigt.“191 bzw. „Zalatwiłem Nietzschego.“192. Gleichzeitig verbinden die Nietzsche–Bezüge das dramatische Schaffen von Różewicz mit jenem von Witkiewicz; so steht beispielsweise dessen Stück Gyubal Wahazar czyli na przełęczach bezsensu ein Motto von Nietzsche voran.193 In Matka setzt sich Leon mit Nietzsches Konzeption des „Übermenschen“ auseinander,194 wie auch Bezdeka in Mątwa czyli Hyrka181 [w]Vogel, in: Różewicz 1973 (?), S. 17. 182 [o]Bereska, in: Różewicz 1986, S. 20. 183 Różewicz 1988, S. 64. 184 Vgl. [w]Boll, in: Różewicz, Der komische Alte. Berlin(–West) 1964 (?), S. 77; [o]Bereska, in: Różewicz 1974, S. 163; Różewicz 1988, S. 248. 185 Vgl. [w]Vogel, in: Różewicz, Falle. Berlin(–West) 1983 (?), S. 30; [o]Bereska, in: Różewicz 1986, S. 132; Różewicz 1994, S. 300. 186 [w]Odrowąż, in: Wyspiański, Die Warschauerin. Novembernacht. München 1918 (Dramatische Werke ; 1), S. 57–103, hier S. 187. 187 Wyspiański: Noc listopadowa. Kr. o.J. (Dzieła zebrane ; 8), S. 109. 188 [o]Czechowski, in: Wyspiański, Die Novembernacht. Fassung von Andrzej Wajda. Nachdichtung von Heinz Czechowski. Nach einer Interlinear–Übersetzung aus dem Polnischen von Gabriele Bock. Berlin(–Ost) 1980 (?). 189 Vgl. [w]Lachmann, in: Różewicz 1980, S. 25 ff.; [o]Bereska, in: Różewicz 1986, S. 85 ff.; Różewicz 1988, S. 311ff.. Vgl. auch Zarathustra‘s Vorrede und Nachtlied. In: Nietzsche, Friedrich, Also sprach Zarathustra I–IV. München/Berlin/New York 1988 (Sämtliche Werke. Kritische Studienausgabe in 15 Einzelbänden ; 4), S. 14 bzw. 136 ff. 190 [w], in: Różewicz, Eine alte Frau brütet. Berlin(–West) 1969 (?), S. 54. 191 [o]Kelm, in: Różewicz 1974, S. 325. 192 Różewicz 1994, S. 168. 193 Vgl. [w]Boll, in: Witkiewicz 1974, S. 3; [o]Bereska, in: Witkiewicz 1982, S. 63; Witkiewicz 1998, S. 205. 194 Vgl. [w]Zimmermann–Göllheim, in: Witkiewicz 1970, S. 15; [w]Dutsch, in: Witkiewicz o.J., S. 11; [o]Bereska, in: Witkiewicz 1982, S. 176; Witkiewicz 1997, S. 185. Zu weiteren intertextuellen Bezügen in Matka, insbesondere zu Ibsen und Strindberg, vgl. z.B.: Langemey-
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niczny Światopogląd.195 Während Nietzsche für Różewicz und Witkiewicz in ähnlicher Weise von Bedeutung ist, finden sich Bezugnahmen auf Kafka nur bei Różewicz, insbesondere in Pułapka und Odejście Głodomora. Wie in 3.a. bereits dargelegt wurde, werden in Pułapka vor allem Episoden aus dem Leben von Franz Kafka thematisiert. Dennoch finden sich auch Verweise auf sein literarisches Werk, so erwähnt Franz etwa seinen Brief an den Vater (List do Ojca). 196 Explizit deiktischen Charakter hat der Titel von Odejście Głodomora, der den Bezug auf Kafkas Erzählung Ein Hungerkünstler offenlegt. Im 3. Teil des Dramas übersetzt Różewicz (im auktorialen Nebentext) einen Abschnitt aus Kafkas Erzählung Ein Hungerkünstler und fügt ihn – bis auf ein kurzes Zitat in Deutsch – ohne besondere Markierung in seinen eigenen Text ein: Wtajemniczeni wiedzieli, że Głodomór podczas głodówki pod żadnym pozorem (nawet pod przymusem) nie przyjmuje pokarmów (“die Ehre seiner Kunst verbot dies“). Czasami zdarzali się strażnicy, którzy pełnili dyżur w sposób (celowo) niedbały. Siadali gdzieś w odległym kącie i grali zapamiętale w karty – jakby chcieli ułatwić Głodomorowi niewielką przekąskę. Takie postępowanie wyjątkowo przygnębiało Głodomora, czyniło głodowanie niezwykle ciężkim. Pokonywał wtedy osłabienie i śpiewał całymi dniami i nocami, aby pokazać tym ludziom, że ich podejrzenia i postępowanie były niesprawiedliwe, krzywdzące. Ale to nie pomagało, gruboskórni dziwili się tylko, że spryciarz potrafi jeść i śpiewać jednocześnie...197 [...] die Eingeweihten wußten wohl, daß der Hungerkünstler während der Hungerzeit niemals, unter keinen Umständen, selbst unter Zwang nicht, auch das Geringste nur gegessen hätte; die Ehre seiner Kunst verbot dies. Freilich, nicht jeder Wächter konnte das begreifen, es fanden sich manchmal nächtliche Wachgruppen, welche die Bewachung sehr lax durchführten, absichtlich in eine ferne Ecke sich zusammensetzten und dort sich ins Kartenspiel vertieften, in der offenbaren Absicht, dem Hungerkünstler eine kleine Erfrischung zu gönnen, die er ihrer Meinung nach aus irgendwelchen geheimen Vorräten hervorholen konnte. Nichts war dem Hungerkünstler quälender als solche Wächter; sie machten ihn trübselig; sie machten ihm das Hungern entsetzlich schwer; manchmal überwand er seine Schwäche und sang während dieser Wachzeit, solange er es nur aushielt, um den Leuten zu zeigen, wie uner, Peter: Verlorene Illusionen. Polnisches Theater in Deutschland. In: Deutsch–polnische Ansichten Jb. 1993. Hg. vom Deutschen Polen Institut. Darmstadt 1994, S. 224– 234; Lorenz, Sabine: „Aber bitte kein Drama à la Ibsen...“. Zur Bedeutung von Stereotypen und Klischees in der Übersetzung am Beispiel von St.I. Witkiewiczs Matka. In: Schultze, Brigitte et alii (Hgg.): Literatur und Theater. Traditionen und Konventionen als Problem der Dramenübersetzung. Tübingen 1990, S. 95–112; Schultze 1990, S. 161–210. 195 Vgl. [w]Kantor/Taubmann, in: Witkiewicz: Der Tintenfisch oder die Hyrkanische Weltanschauung, Baden–Baden 1966 (?), S. 42; [o]Bereska, in: Witkiewicz, Stücke. Berlin(–Ost) 1982, S. 127– 159, hier S. 146; Witkiewicz: Mątwa czyli Hyrkaniczny Światopogląd. In: Ders., Dramaty 2. Wa. 1998, S. 421–463, hier S. 445f. 196 Vgl. [w]Vogel, in: Różewicz 1983 (?), S. 103; [o]Bereska, in: Różewicz 1986, S. 194; Różewicz 1994, S. 348. 197 Różewicz: Teatr 2. Kr. 1988, S. 289–330, hier: S. 296f. (Im Original kursiv)
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gerecht sie ihn verdächtigten. Doch half das wenig; sie wunderten sich dann nur über seine Geschicklichkeit, selbst während des Singens zu essen.198
Hierbei lässt sich in Bezug auf die beiden deutschen Fassungen des Dramas ein Kuriosum feststellen: Lachmann übernimmt in seiner Übersetzung Kafkas Originaltext und markiert ihn mit Anführungszeichen. Bereska hingegen übersetzt Różewicz's polnische Kafka–Version zurück ins Deutsche, da er offenbar den Zitatcharakter nicht erkennt: Die Eingeweihten wußten, daß der Hungerkünstler während der Hungerzeit unter keinen Umständen (nicht einmal unter Zwang) Nahrung annehmen würde (“die Ehre seiner Kunst verbot dies“). Es fanden sich manchmal Wächter, die die Bewachung absichtlich lax durchführten, sie setzten sich in eine ferne Ecke und spielten Karten, als wollten sie dem Hungerkünstler erleichtern, eine Kleinigkeit zu essen. Ein solches Verhalten bedrückte den Hungerkünstler besonders schwer und machte ihm das Hungern quälend. Er überwand dann seine Schwäche und sang ganze Tage und Nächte, um diesen Leuten zu zeigen, daß ihre Verdächtigungen und ihr Verhalten ungerecht und unrecht waren. Aber das half nicht, die dickhäutigen Wächter wunderten sich lediglich, daß der Schlauberger es fertigbrachte, gleichzeitig zu essen und zu singen...199
Sybille Bauer resümiert im Hinblick auf die Thematik von Odejście Głodomora bzw. Ein Hungerkünstler: Im Stück Der Abgang des Hungerkünstlers stellt sich wie in der Erzählung Kafkas Ein Hungerkünstler die Frage, wie weit die beabsichtigte Wirkung des Künstlers auf sein Publikum reicht. Beide Werke vertreten denselben Standpunkt, nämlich daß der Künstler immer alleine kämpft, daß nur sein eigenes Ideal, seine Idee ihm als erstrebenswert erscheint.200
Abschließend sei nun noch ein Blick auf sogenannte ‚intersemiotische Zitate‘, d.h. auf Bezüge zu anderen Künsten, in den untersuchten polnischen Dramen geworfen. Die notwendige Eingrenzung wurde auch hier wiederum im Hinblick auf Häufigkeit und/oder Auffälligkeiten in den Übersetzungen getroffen. In Bezug auf die Musik wird mehrfach Mozart genannt, so etwa im Nebentext von Mrożeks Lis Aspirant: „Man hört die Sonate A–Dur von Mozart.“201 bzw. „Rozlega się Sonata A major (A–dur) Mozarta.“.202 In Różewicz's Kartoteka ersetzt Ilka Boll in der Figurenrede von Bohater (Dem Helden) den Heine–Bezug durch den Beginn der 198 Kafka, Franz: Das erzählerische Werk 1. Berlin(–Ost) 1983, S. 254–264, hier: S. 255. Vgl. [w]Lachmann, in: Różewicz 1980, S. 10. 199 [o]Bereska, in: Różewicz 1986, S. 70. 200 Bauer, Sybille: Theorie und Praxis des Dramas bei Tadeusz Różewicz. Regensburg 1985, S. 84. 201 [w]Kośny, in: Mrożek 1998, S. 183; [o]Vogel, in: Mrożek 1985, S. 501. 202 Mrożek 1997, S. 12.
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„Bildnisarie“ aus der Zauberflöte: „Ich muß Ihnen sagen... Du bist wie eine Blume...“203 bzw. „Ich möchte Ihnen etwas in Ihrer Sprache sagen. Nur das: ‚Dies Bild–nis ist be–zau–bernd schön.‘“204 bzw. „Muszę pani powiedzieć... du bist wie eine Blume...“.205 Ein ganz anders gearteter Bezug zur Musik schließlich liegt in Gombrowicz's Ślub (Die Trauung) vor, der im auktorialen Nebentext „Wskazówki dotyczące gry i reżyserii“ („Hinweise für Schauspieler und Regisseur“) beschrieben wird: [...] Es ist [...] wichtig, daß das „musikalische Element“ dieses Werks gut zum Vorschein gebracht wird. Seine „Themen“, Crescendi und Decrescendi, Pausen, Sforzati, Tutti und Soli müssen bearbeitet werden wie der Text einer sinfonischen Partitur. Jeder Schauspieler muß sich als Instrument in einem Orchester fühlen, und die Bewegung muß sich mit dem Wort verbinden. [...]“206
bzw. [...] Jest [...] ważne, ażeby dobrze został uwydatniony żywioł muzyczny tego utworu. Jego tematy, crescenda i decrescenda, pauzy, sforzata, tutti i sola powinny być opracowane, jak tekst partytury symfonicznej. Każdy aktor powinien czuć się instrumentem w orkiestrze, a ruch powinien łączyć się ze słowem. [...]“207
Durch die Forderung, das Stück sei wie eine sinfonische Partitur zu lesen und zu spielen, wird die literarische Gattung des Dramas mit der musikalischen Gattung der Sinfonie verglichen. Es handelt sich daher – im Gegensatz zu allen bisher angeführten Bezügen zur Musik – um einen intersemiotischen Bezug im Sinne von Systemreferenz. Hinsichtlich der bildenden Kunst wird mehrmals auf Michelangelo verwiesen, so in Różewicz's Wyszedł z domu im Nebentext auf sein Jüngstes Gericht in der Sixtinischen Kapelle.208 Der Michelangelo–Bezug in Śmieszny staruszek wurde von Ilka Boll wohl unabsichtlich eliminiert.209 ‚Intersemiotisches Zitat‘ und Allusion gleichermaßen stellt das in 3.a. bereits ausführlich behandelte Leitmotiv in Różewicz's Grupa Laokoona, die „Laokoon– Gruppe“, dar: Wie gezeigt wurde, ist darunter zunächst die in den Vatikanischen Museen ausgestellte Skulptur zu verstehen, die optisch auf der Bühne nicht präsent ist, sondern vielmehr von den Figuren beschrieben und somit ‚intersemiotisch übersetzt‘ wird. Ein Werk der bildenden Kunst wird mit den Mitteln der 203 [o]Bereska, in: Różewicz 1974, S. 29. 204 [w]Boll, in: Różewicz 1983, S. 201. 205 Różewicz 1994, S. 26. 206 [w]Fieguth, in: Gombrowicz 1997, S. 342. (Bei Tiel keine Entsprechung) 207 Gombrowicz 1971, S. 64f. (Im Original kursiv) 208 Vgl. [w]Boll, in: Różewicz 1965 (?), S. 56; [o]Bereska, in: Różewicz 1974, S. 235; Różewicz 1994, S. 119. 209 Vgl. [o]Bereska, in: Różewicz 1974, S. 163: „Im Frühling entwarf Michelangelo den Plan zu seinem schönsten Werk [...].“; [w]Boll, in Różewicz 1964 (?), S–77f.: „Im Frühling faßte [...] Michael Engel den Plan zu seinem größten Werk [...].“; Różewicz 1988, S. 248: „Na wiosnę zrobił Michał Anioł plan do swego najlepszego dzieła [...].“
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Sprache dargestellt. Zugleich jedoch werden auch literarische Vorlagen diskutiert: Sohn und Vater vergleichen die Skulptur mit der Wiedergabe des Laokoon–Mythos bei Vergil sowie mit Sophokles' Philoktet. Später dann erzählt die Mutter ihrer Freundin die Laokoon–Sage.210 Schon die polnische Literatur des frühen 19. Jahrhunderts bedient sich der „Laokoon–Gruppe“ als eines Symbols für das Verständnis von Kunst als Abbild der Natur.211 Dieser Aspekt wird in Różewicz's Drama weiterentwickelt, indem nun die Problematik von Original und Kopie, von Übersetzung und Übersetzbarkeit, in den Vordergrund rückt. Sybille Bauer nennt als weiteren Referenztext Lessings Schrift Laokoon oder Über die Grenzen der Malerei und Poesie von 1799, worin eine ästhetische Streitfrage aufgegriffen wird: Die Frage war, ob ein Gegenstand poetischer Beschreibung tatsächlich nur dann schön sei, wenn man ihn bildhaft darstellen könne. Die marmorne Laokoongruppe der rhodischen Bildhauer Agesander, Polydor und Athenodor drückt bekanntlich verhaltenen Schmerz aus: Vergil beschreibt einen vor Schmerzen schreienden Laokoon. Das Ergebnis der Überlegungen Lessings ist, daß die Dichtung den Schmerz erlaubt, in der bildenden Kunst aber durch das verzerrte Gesicht die Schönheit bzw. Ästhetik verletzt sei.212
Es konnte gezeigt werden, dass viele der untersuchten polnischen Dramen stark intertextuell geprägt sind; dies gilt insbesondere für Stücke der „Młoda Polska“ (Wyspiański) sowie des ‚absurden Theaters' (Różewicz, Witkiewicz), während sie für die Dramen des ‚Agitprop‘ keine große Bedeutung haben. Dieses Ergebnis bestätigt die zu Beginn aufgestellte These vom engen Zusammenhang zwischen Autothematik und Intertextualität, da es sich bei den intertextuell geprägten Dramen vornehmlich um Stücke handelt, die auch die Kunst als solche zum Thema haben (vgl. 3.a.). In ihnen überwiegen klar die Bezüge zur europäischen gegenüber jenen zur polnischen Literatur, wobei hinzuzufügen ist, dass sich die polnische Literatur, wie etwa am Beispiel von Różewicz dargelegt wurde, insbesondere in Autoren– bzw. Werkkatalogen ganz selbstverständlich in die europäische einfügt und offensichtlich als Bestandteil einer gesamteuropäischen Literaturtradition verstanden wird. Auf Textebene kann also bisher keine ‚Hermetik‘ der polnischen Dramen nachgewiesen werden. In seltenen Fällen werden Bezüge zur polnischen Literatur in westdeutschen Übersetzungen durch neue ‚Referenzorte‘ aus der deutschen Literaturtradition ersetzt. Zumindest in einem Fallbeispiel wurde der Austausch fingierter durch echte Zitate zweifelsfrei erkannt; auch hierin zeigt sich eine gewisse Freiheit im Umgang mit intertextuellen Bezügen in den westdeutschen Fassungen. 210 Vgl. [w]Boll, in: Różewicz 1983, S. 262, 272; [o]Rymarowicz, in: Różewicz 1974, S. 51, 61; Różewicz 1988, S. 134, 143f. 211 Vgl. Mochnacki, Maurycy: Myśli o literaturze polskiej. In: Ders., Rozprawy literackie. Br. /Wa./Kr. 2000, S. 93–132, hier S. 122. 212 Bauer, Sybille: Theorie und Praxis des Dramas bei Tadeusz Różewicz. Regensburg 1985, S. 67f. Vgl. auch Filipowicz, Halina: A laboratory of impure forms. The plays of Tadeusz Różewicz. New York/Westport/London 1991, S. 57f.
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Das besonders krasse Beispiel einer ‚Rückübersetzung‘ in Różewicz's Odejście Głodomora indessen ist wohl ein Versehen, da der ostdeutsche Übersetzer den Prätext – Kafkas Erzählung Ein Hungerkünstler – offenbar nicht erkannt hat. Diese Beobachtungen stehen weitgehend im Einklang mit den eingangs zitierten Ergebnissen, die von Brigitte Schultze in Bezug auf Dramen von Gombrowicz, Mrożek und Witkiewicz vorgelegt wurden. Dennoch ist zu betonen, dass in der Mehrzahl der hier zugrunde liegenden Dramen die relevanten intertextuellen Bezüge auch in den Doppelübersetzungen erhalten bleiben. Dies mag zum Teil in einer von Schultze etwas abweichenden Definition von Intertextualität begründet liegen, die sich weniger am Wissenshorizont des Rezipienten und mehr an der markierten ‚Zitathaftigkeit‘ des Textes orientiert. Der gelegentlich nachlässige Umgang mit intertextuellen Bezügen im Drama seitens der Übersetzer ergibt sich zweifellos aus dessen Konzeption als zur Aufführung gedachtes, plurimediales Gebilde, wodurch die Relevanz des literarischen Textes zurücktritt. Hierbei ist jedoch zu bedenken, dass gerade Różewicz's Dramen deutliche Tendenzen zur Episierung, z.B. durch umfangreiche ‚auktoriale Nebentexte‘, aufweisen. Daher ist es nicht verwunderlich, dass sich vielschichtige, zum Teil sehr komplexe Formen von Intertextualität gerade bei ihm beobachten lassen. Diese konnten hier nur ansatzweise dargestellt, aber nicht umfassend behandelt werden.
c. Figuren Von zentraler Bedeutung im Hinblick auf die Prägung des ‚Polnischen‘ der Texte und dessen Wiedergabe in den Doppelübersetzungen ist auch die Figurendarstellung. Hierbei sind zwei Aspekte wesentlich: Zum einen sollen die Eigennamen untersucht werden, da sie häufig der Charakterisierung der betreffenden Figur dienen, vor allem, wenn es sich dabei um ‚sprechende Namen‘ oder Spitznamen handelt, die aber auch – im Fall von Namenlosigkeit – mitunter eine ‚Typisierung‘ zur Folge haben.213 Zum anderen ist der Frage nach den Prototypen nachzugehen, die als historische Personen etwa für Kruczkowskis Pierwszy dzień wolności (Der erste Tag der Freiheit) und vor allem für Wyspiańskis Wesele (Die Hochzeit) in der Forschung gern in den Vordergrund gerückt werden. Die Frage nach der Funktion der Prototypen im Drama impliziert also auch die Problematik der Fiktionalität, die sich be213 Selbstverständlich werden Figuren nicht nur durch die Namengebung charakterisiert, sondern in hohem Maße z.B. auch durch ihre Redeweise. Dieser Aspekt bleibt hier ausgespart, da ihm – insbesondere in Bezug auf die Übersetzungsproblematik – in dieser Untersuchung ein eigener Abschnitt gewidmet ist (vgl. 3.d.: Sprachprobleme).
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sonders krass am Beispiel von Moczarskis zu einem Dokumentarspiel umgearbeiteten autobiographischen Roman Rozmowy z katem (Gespräche mit dem Henker) zeigt. Vor der detaillierten Darstellung der Analyseergebnisse sind zunächst einige grundsätzliche Überlegungen zum Begriff der ‚Figur‘ im Drama notwendig. Die Gesamtheit aller im Drama auftretenden Figuren bezeichnet Manfred Pfister als ‚Personal‘. Hierbei werden von ihm auch stumme Figuren und Figurenkollektiva eingeschlossen, nicht aber „jene Figuren [...], die nur in den Repliken sprachlich thematisiert, jedoch nie szenisch präsentiert werden.“214 Er gesteht diesen ‚backstage characters‘, wie er sie nennt, durchaus eine mögliche Individualisierung und handlungsbeeinflussende Funktion zu, begründet ihren gegenüber den Figuren des Personals anderen Status jedoch mit der nicht plurimedialen Präsentation. 215 Diese Überlegungen sind im Hinblick auf das dieser Untersuchung zugrunde liegende Textkorpus z.B. für Nałkowskas Drama Dom kobiet (Haus der Frauen) relevant, worin das Personal ausschließlich weibliche Figuren umfasst, welche die abwesenden, zumeist verstorbenen Männer aus der Erinnerung heraus – also rein sprachlich – beschreiben: „Bohaterki Domu kobiet żyją myślą o mężczyźnie, który zaważył na losie każdej z nich. Mężczyzna, którego nie ma, urasta do symbolu mężczyzny w ogółe.“216 Die Opposition ‚männlich‘ vs. ‚weiblich‘ bezeichnet Pfister als eines der ersten personalstrukturierenden Merkmale im Drama.217 Hinsichtlich der grundsätzlichen Frage nach der Individualisierung einer dramatischen Figur unterscheidet er die Begriffe ‚Personifikation‘, ‚Typ‘ und ‚Individuum‘. Während die Figurenkonzeption der ‚Personifikation‘ (z.B. eines Lasters) von ihm vor allem für das mittelalterliche und das barocke Drama als wesentlich angesehen wird218 und daher in dieser Untersuchung weitestgehend vernachlässigt werden kann,219 ist im modernen Drama vor allem die Unterscheidung zwischen ‚Typ‘ und ‚Individuum‘ relevant: Abstrahiert der Typ vom Individuellen, um ein überindividuelles Allgemeines repräsentieren zu können und führt dies zu einer Beschränkung der Merkmale auf typische, so steht hinter einer als Individuum konzipierten Figur die Intention, das Einmalige und Unwiederholbare hervorzukehren. Dies ist nur greifbar in einer Fülle charakterisierender Details, die die Figur
214 Pfister, Manfred: Das Drama. München 102000, S. 225. 215 Vgl. ebd. 216 Kowalska, Urszula: O dramatach Zofii Nałkowskiej. In: Annales Universitatis Mariae Curie–Szkłodowska, Vol. XVI, 8, Sectio F. Lublin 1961, S. 189–211, hier S. 196. 217 Vgl. Pfister 2000, S. 228. 218 Vgl. ebenda, S. 244. 219 Ausnahmen stellen z.B. einzelne Sketche aus Gałczyńskis Sammlung Zielona Gęś (Die grüne Gans) dar, so etwa Koniec świata (Das Ende der Welt), worin nur zwei Figuren – Pan Bóg (der Herrgott) und Biurokrata (der Bürokrat) – auftreten; kurioserweise fungieren als 'Gesprächspartner' also ein personifizierter abstrakter Begriff und ein 'Typ' ohne individuelle Merkmale. (vgl. Gałczyński 1958, S. 468).
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mehrdimensional auf vielen Ebenen – Aussehen, Sprache, Verhalten, Biographie usw. – individualisiert, über ihre soziale, psychologische und ideologische Typik hinaus spezifiziert.220
Diese Definition steht in engem, wenn auch von Pfister nicht explizit genanntem Zusammenhang mit der von ihm nachfolgend angesprochenen ‚geschlossenen‘ bzw. ‚offenen Figurenkonzeption‘,221 da ein ‚Typ‘ durch einen relativ kleinen Satz signifikanter, mitunter auch überzeichneter (karikierter) Merkmale für den Rezipienten eindeutig und vollständig definiert ist, um überhaupt als ‚Typ‘ erkennbar zu sein. Ein ‚Individuum‘ hingegen ist mit einem größeren, komplexeren Satz von Charakteristika ausgestattet, wobei wesentliche Informationen ausgespart bleiben können. Resümierend lässt sich demnach feststellen, dass der gegenüber dem ‚Individuum‘ einfacher strukturierte ‚Typ‘ in der Regel eine Tendenz zur ‚Geschlossenheit‘ aufweist, während das ‚Individuum‘ eine ‚offene‘ – d.h. mehrdeutige – Figur sein kann, jedoch nicht muss. Wie bereits kurz angesprochen wurde, vermittelt insbesondere die Namengebung in diesem Zusammenhang wesentliche Hinweise. Generell lässt sich ein gewisses Bemühen insbesondere westdeutscher Übersetzer beobachten, polnische Namen – vor allem wenn es sich z.B. um Koseformen handelt – zu vereinfachen. So lautet der Name der Leiche in Drozdowskis Kondukt (Trauerzug) bei Hiller „Maniek“, bei Bereska „Manek“ und im Original „Maniuś“.222 In Iredyńskis Jasełka moderne (Modernes Krippenspiel) übersetzt Kunstmann „Michał“ mit „Michael“ und „Henryk“ mit „Heinrich“, während Scholze die polnischen Namen übernimmt.223 In Maria gibt Christa Vogel die polnische Koseform „Joasia“ mit „Joanna“ wieder, während sie von Birgitt Pitschmann beibehalten wird.224 Entsprechend verfährt Vogel z.B. auch in Nałkowskas Dom kobiet (Haus der Frauen), während diesmal Viktor Mika im ostdeutschen Pendant die polnische Koseform „Joasia“ übernimmt.225 In Vogels Fassung fällt zudem auf, dass sie manchmal in der Figurenrede statt Namen Verwandtschaftsbezeichnungen nennt oder diese hinzufügt, offenbar um dem deutschen Rezipienten das Ver220 Pfister 2000, S. 245. 221 Vgl. ebenda, S. 246f. 222 [w]Hiller, in: Drozdowski, Der Leichenzug. Hamburg o.J., S. 11; [o]Bereska, in: Szydłowski, Roman (Hg.), Sławomir Mrożek – Tango, Stanisław Grochowiak – Die Jungs, Bohdan Drozdowski – Der Trauerzug. Drei polnische Stücke. Berlin(–Ost) 1975, S. 131–169, hier S. 136; Drozdowski: Utwory dramatyczne. Kr. 1968, S. 107–143, hier S. 112. 223 Iredyński: Dziewięć wieczorów teatralnych. Wybór utworów scenicznych. Kr. 1986, S. 5– 55; [w]Kunstmann, in: Iredyński, Krippenspiel modern (Stille Nacht). Berlin(–West) 1963 (?); [o]Scholze, in: Iredyński, Leb wohl, Judas... Zwei Dramen und zwei Kurzromane. Leipzig 1983, S. 43–84: Personenverzeichnis. 224 Iredyński: Maria. In: Dialog 7.Wa. 1974, S. 60–69, hier S. 67, 68; [w]Vogel, in: Iredyński, Maria oder Die unbewusste Wiedergutmachung. Berlin(–West) 1980 (?), S. 27, 29f.; [o]Pitschmann, in: Iredyński, Maria. Berlin(–Ost) 1978 (?), S. 28, 30. 225 [w]Vogel, in: Nałkowska, Landhaus mit Damen. Berlin(–West) 1977 (?), S. 28; [o]Mika, in: Nałkowska, Haus der Frauen. Stück in drei Akten. Berlin(–Ost) 1973 (?), S. 34; Nałkowska: Utwory dramatyczne. Wa. 1990, S. 5–130, hier S. 42.
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ständnis der Relationen zwischen den einzelnen Figuren zu erleichtern. So lautet etwa ein kurzer Dialog zwischen Zofia und Celina bei Vogel: „[...] Ah, Ihre Schwiegertochter ist auch schon auf. [...]“ – „Und meine Tochter Maria?“ 226 Mika hingegen übersetzt: „[...] Oh, auch Frau Bełska ist schon aufgestanden. [...]“ – „Und Frau Łanowa?“227 Zum Vergleich das Original: „[...] O, i pani Bełska wstała. [...]“ – „A pani Łanowa?“228 Hieraus wird deutlich, dass Vogel explizierend übersetzt, während Mika näher am polnischen Text bleibt. In Gombrowicz's Ślub (Die Trauung) behält Tiel in der Regel die polnischen Namen annähernd bei (abgesehen von orthographischen Angleichungen), während Fieguth deutsche Namen wählt, z.B. „Wladzio“ (Tiel) bzw. „Waldi“ (Fieguth) für „Władzio“.229 Fieguths Lösung ist gleichzeitig einem ‚implizit sprechenden Namen‘ angenähert, da „Waldi“ im Deutschen – im Gegensatz zu „Władzio“ im Polnischen – fast ausschließlich als Hundename verwendet wird. Auf diese Weise wird „Waldi“ von Fieguth allein durch die Namengebung als lächerlich dargestellt. Große Unterschiede in den Übersetzungen lassen sich mitunter bei der Wiedergabe von Verwandtschaftsbeziehungen und von ‚sprechenden Namen‘ feststellen. In dieser Hinsicht liegen besonders viele Beispiele in Gałczyńskis Sketchesammlung Zielona Gęś (Die grüne Gans) vor, wobei die Namengebung in direktem Zusammenhang mit der karikierenden Überzeichnung der Figuren steht. So übersetzt Dedecius „Potworny wujaszek“230 mit „Das Ungeheuerliche Onkelchen“231, Brätz hingegen mit „Der schreckliche Onkel“ 232. In der ostdeutschen Variante geht somit die groteske Wirkung verloren, die ja gerade durch die Kombination des angsteinflößenden Adjektivs mit dem Diminutiv zustande kommt. Diese unterschiedlichen Übersetzungsverfahren lassen sich bei Dedecius und Brätz auch in anderen Sketchen aus Zielona Gęś beobachten, so gibt dementsprechend Dedecius in Hamlet & Kelnerka (Hamlet und die Kellnerin) „Piekielny Piotruś“ mit das „Das Höllische Peterchen“ wieder, während sich Brätz für „Höllenpeter“ entscheidet.233 Diese Varianten sind also offenbar charakteristisch für den jeweiligen Übersetzerstil. Hinsichtlich ‚sprechender Namen‘ ist in Zielona Gęś vor allem die Figur des Gżegżółka auffällig, da dieser in vielen verschiedenen Sketchen auftritt und somit dem Zusammenhalt der einzelnen Teile der Sammlung sicherstellt, die durch ihn, 226 [w]Vogel, in: Nałkowska 1977, S. 2. 227 [o]Mika, in: Nałkowska 1973, S. 6. 228 Nałkowska 1990, S. 8. 229 [w]Tiel, in: Gombrowicz, Witold, Yvonne. Die Trauung. Zwei Dramen, Frankfurt a.M. 1964, S. 77–193; [w]Fieguth, in: Gombrowicz, Witold, Theaterstücke. München/Wien 1997, S. 79–195; Gombrowicz, Witold: Teatr. Paris 1971, S. 61–149: Personenverzeichnis. 230 Gałczyński: Próby teatralne 3, Kr. 1958, S. 309–705, hier S. 311. 231 [w]Dedecius, in: Gałczyński, Die Grüne Gans. Das kleinste Theater der Welt, deutsch aufgeführt von Karl Dedecius. Frankfurt a.M 1969, S. 7. 232 [o]Brätz, in: Gałczyński, Die grüne Gans. Berlin(–Ost) 1983, S. 9. 233 [w]Dedecius, in: Gałczyński 1969, S. 77; [o]Brätz, in: Gałczyński 1983, S. 76; Gałczyński 1958, S. 521.
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wenn auch locker, miteinander zu einer Einheit verbunden werden. Der onomatopoetische Name „Gżegżółka“ wird von Dedecius mit „Gellgelle“, von Brätz mit „Kuckuck“ wiedergegeben.234 Der lautmalende Charakter bleibt im Grunde in beiden Übersetzungen erhalten, wird jedoch von Dedecius mehr hervorgehoben, da seine Variante vom sprachlichen Standard abweicht, gerade dadurch aber dem polnischen Original mehr entspricht. Vergleichbare Tendenzen bei beiden Übersetzern lassen sich auch im Sketch Dwa Polacy (Zwei Polen) beobachten, da Brätz hier ebenfalls – diesmal englische – normsprachliche Lösungen findet, indem er die Figurennamen „Sandwicz“ und „Skoczwiski“ mit „Sandwich“ und „Scotchwhisky“ wiedergibt, während Dedecius mit „Ssändwitsch“ und „Scotschwhisky“ die vom Standard abweichenden phonetischen Besonderheiten unterstreicht.235 Allerdings gelingt es ihm nicht, für die graphische und phonetische Polonisierung dieser Anglizismen im Deutschen wirkliche Äquivalente zu finden. Die besondere Problematik ‚sprechender Namen‘ fällt auch in anderen polnischen Dramen auf, so etwa in Grochowiaks Chłopcy (Die Jungen). Hier wird „Pożarski“ von Ilka Boll mit „Pozarski“ und von Bereska mit „Brandinski“ übersetzt.236 Auch in diesem Drama bleiben beide Übersetzer ihrem einmal gewählten Konzept treu: „Smarkul“ übersetzt Boll mit „Smarkus“, Bereska hingegen mit „Rotzkul“. Somit lässt sich in den deutschen Fassungen von Chłopcy gerade eine im Vergleich zu Zielona Gęś entgegen gesetzte Tendenz beobachten: während dort der westdeutsche Übersetzer eher bemüht war, Äquivalente für polnische ‚sprechende Namen‘ zu finden, ist es diesmal der ostdeutsche. Diese Beobachtung legt nahe, dass es sich hierbei um für den jeweiligen Übersetzerstil charakteristische Verfahren und eben nicht um ost– bzw. westdeutsche Übersetzungskonzepte generell kennzeichnende Besonderheiten handelt. Einen Sonderstatus hinsichtlich der Namengebung nehmen sicher die dem ‚absurden Theater‘ verhafteten Stücke von Stanisław Ignacy Witkiewicz ein. Hier liegt oft die Besonderheit vor, dass der Symbolcharakter ‚sprechender Namen‘ eben nicht offengelegt wird, was letztlich zu einer Demontage des Symbols führt, da nicht mehr erkennbar ist, wofür es eigentlich steht. Das „Bewertungssignal“ ‚sprechender Namen‘, von dem Pfister spricht,237 kann plötzlich vom Rezipienten nicht mehr dechiffriert werden. Beispiele hierfür sind etwa in Gyubal Wahazar „Ferkelinchen Macabrescu“ (Boll) bzw. „Swinchen Macabrescu“ (Bereska) für 234 Vgl. z.B. [w]Dedecius, in: Gałczyński 1969, S. 10, 19, 47, 75; [o]Brätz, in: Gałczyński 1983, S. 11, 36, 52, 74; Gałczyński 1958, S. 316, 373, 417, 488. 235 Vgl. [o]Brätz, in: Gałczyński 1983, S. 17; [w]Dedecius, in: Gałczyński 1969, S. 15; Gałczyński 1958, S. 325. 236 Grochowiak: Rzeczy na wersety i głosy. Wybór poezji i dramatów. Wa. 1973, S. 257–308; [w]Boll, in: Grochowiak, Alte Jungen. Ein Stück aus dem Leben alter Leute. München o.J.; [o]Bereska, in: Szydłowski, Roman (Hg.), Sławomir Mrożek – Tango, Stanisław Grochowiak – Die Jungs, Bohdan Drozdowski – Der Trauerzug. Drei polnische Stücke. Berlin(– Ost) 1975, S. 89–130: Personenverzeichnis. 237 Vgl. Pfister 2000, S. 94.
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„Świntusia Macabrescu“ oder auch „Hübschling“ (Boll) bzw. „Nettchen“ (Bereska) für „Przyjemniaczek“.238 Ähnliches gilt für fast alle Witkiewicz–Dramen, wobei Matka (Die Mutter) deswegen besonders aufschlussreich ist, da es in drei deutschen Fassungen vorliegt und daher eine Fülle von Vergleichsmöglichkeiten bietet, etwa „Josephine Baronesse Stroo“ (Zimmermann–Göllheim) bzw. „Josephine Baronesse Obrock“ (Dutsch) bzw. „Josefa Baronesse Obrock“ (Bereska) für „Józefa Baronówna Obrock“ (Witkiewicz) oder auch „Joachim Kalb“ (Zimmermann– Göllheim), „Joachim Cieleciewicz“ (Dutsch), „Joachim Kalbski“ (Bereska) für „Joachim Cielęczewicz“ (Witkiewicz) und schließlich „Melchior de Beelammy– Blasenstein“ (Zimmermann–Göllheim), „Wojciech de Pokorya–Pecherzewicz“ (Dutsch), „Wojciech de Demuthski–Blasewitz“ (Bereska) für „Wojciech de Pokorya–Pęczerzewicz“ (Witkiewicz)239. Drei deutsche Übersetzungen gibt es auch von Szewcy (Die Schuster), wobei die Ergebnisse im Hinblick auf die Wiedergabe von Eigennamen im Einklang mit dem bereits Gesagten stehen: z.B. „Gnembon Puczymorda“ (Niesielska), „Quälostratos Plusterbacke“ (Pilecki) und „Piesack–Suffmaul“ (Bereska) für „Gnębon Puczymorda“ (Witkiewicz).240 Anhand der angeführten Beispiele sollten Phantasie und Einfallsreichtum der Übersetzer vor Augen geführt werden, wobei die Übersetzung ‚sprechender Namen‘ durch deutsche Äquivalente hier natürlich gerade das Absurde der Namengebung bei Witkiewicz zeigt. Diejenigen Übersetzer, die sich im Gegensatz dazu dafür entscheiden, die polnischen Namen unübersetzt zu übernehmen, unterstreichen auf diese Weise zwar nicht das ‚Absurde‘, aber das ‚Exotische‘ seines Theaters. Zur Problematik der Namengebung bei Witkiewicz hat Brigitte Schultze am Beispiel von Kurka Wodna (Das Wasserhuhn) gearbeitet. Hierbei zeigt sie das Spannungsfeld zwischen ‚sprechenden Namen‘ einerseits und Namenlosigkeit andererseits auf, wobei sie besonders jenen Punkt hervorhebt, an dem beide Verfahrensweisen aufeinander treffen: Liest man nun das Personenverzeichnis [von Kurka wodna] wie einen eigenständigen Text, so fügen sich mehrere Zeichensysteme zu erkennbaren Deutungsangeboten zusammen. Dabei 238 [w]Boll, in: Witkiewicz, Gyubal Wahazar oder Im Engpass des Unsinn. Nicht–Euklidisches Drama in vier Akten. Frankfurt a.M. 1974, S. 4; [o]Bereska, in: Ders.(Hg.), Stanisław Ignacy Witkiewicz, Stücke. Berlin(–Ost) 1982, S. 63–126, hier S. 64; Witkiewicz: Dramaty 2. Wa. 1998, S. 205–281, hier S. 206. 239 [w]Zimmermann–Göllheim, in: Witkiewicz, Die Mutter. Geschmackloses Stück in 2 Akten mit Epilog. Baden–Baden 1970 (?); [w]Dutsch, in: Witkiewicz, Die Mutter (Matka). Schauspiel in zwei Akten mit Epilog. München o.J.; [o]Bereska, in: Witkiewicz, Stücke. Berlin(–Ost) 1982, S. 161–215; Witkiewicz: Dramaty wybrane. Band 2. Kr. 1997, S. 161–243: Personenverzeichnis. 240 [w]Niesielska, in: Witkiewicz, Die Schuster. München/Wien 1974 (?), S. 39, 48; [w]Pilecki, in: Witkiewicz, Verrückte Lokomotive. Frankfurt a.M. 1994, S. 197–297, hier S. 220, 226; [o]Bereska, in: Witkiewicz, Stücke. Berlin(–Ost) 1982, S. 263–346, hier S. 281, 286; Witkiewicz 1997, S. 273, 280.
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spielt die magische „3“ eine Rolle. Als autonomes theatrales Zeichen treten Haar– und Barttracht hervor, die für jede Rollenfigur genannt sind. [...] Die drei sinistren Greise haben jeder einen ‚Typ‘ in sich: Der erste heißt TYPOWICZ, der zweite ist ein ‚assyrischer Typ‘, der dritte ein ‚typischer Hethiter‘. Die drei Greise eint überdies die Fähigkeit, sich in Windeseile unsichtbar zu machen: Der erste heißt mit Vornamen EFEMER, der zweite ist WIDMOWER – von widmo, das ‚Gespenst‘, und der dritte trägt den Familiennamen EWADER. Das sind sprechende Namen in der Tradition des 18. und 19. Jahrhunderts; zugleich geht es um die Schaffung eines neuen Zeichens im Theater der Reinen Form.241
Neben den vielen ‚sprechenden Namen‘ fällt in zahlreichen polnischen Dramen – z.B. bei Gałczyński – auch die Namenlosigkeit und die damit einher gehende ‚Typisierung‘ bestimmter Figuren auf; allerdings sind die Unterschiede in den Übersetzungen hier deutlich geringer als bei den ‚sprechenden Namen‘. Abweichende Lösungen wurden z.B. in Destrukcyjny wpływ kobiet (Der destruktive Einfluss der Frauen) in Bezug auf „Dworzanin I–III“ gefunden: Dedecius entscheidet sich hier für „Hofmann I–III“, Brätz – dem allgemeinen Sprachgebrauch angemessener – für „Höfling I–III“.242 In Koncert w Częstochowie gibt Brätz „Chór prowincjonalnych urazowiczów“ mit „Chor der gekränkten Provinzler“ wieder, während Dedecius „Landeschor der Beleidigten Leberwürste“ wählt und die groteske Wirkung durch die sprachliche Stilisierung erhöht.243 Für die insgesamt geringeren Unterschiede bei der Übersetzung von Namenlosigkeit lassen sich auch Beispiele aus anderen polnischen Dramen anführen. In Herberts Drugi pokój (Das andere Zimmer) z.B. während die beiden auftretenden Figuren lediglich als „On“ bzw. „Ona“ und in den Übersetzungen dementsprechend als „Er“ und „Sie“ bezeichnet,244 nicht immer jedoch ist das Ergebnis derart naheliegend und eindeutig. In Iredyńskis Drama Jasełka moderne (Modernes Krippenspiel) etwa wird „Strażnik“ von Scholze mit „Aufseher“ und von Kunstmann mit „Wächter“ wiedergegeben.245 Dass auch bei namenlosen Figuren Übersetzungsvarianten möglich sind, zeigt sich einmal mehr in Iredyńskis Kreacja (Kreation), worin „Pan“ von Birgitt Pitsch241 Schultze, Brigitte: Das Inventar des Theaters auf dem Prüfstand. Stanisław Ignacy Witkiewiczs Kurka Wodna (Das Wasserhuhn). In: Mennemeier, Franz Norbert und Fischer–Lichte, Erika (Hgg.), Drama und Theater der europäischen Avantgarde. Tübingen/Basel 1994, S. 29–48, hier S. 39. 242 Gałczyński 1958, S. 488; [w]Dedecius, in: Gałczyński 1969, S. 75; [o]Brätz, in: Gałczyński 1983, S. 74. 243 Gałczyński 1958, S. 655; [o]Brätz, in: Gałczyński 1983, S. 127; [w]Dedecius, in: Gałczyński 1969, S. 103. 244 Vgl. Herbert: Dramaty. Br. 1997, S. 77–102; [o]Rymarowicz, in: Polnische Dramen. Hg. von Jutta Janke, Berlin(–Ost) 1966, S. 289–303; [w]Kunstmann, in: Herbert, Das andere Zimmer. Frankfurt a.M. 1966. 245 Iredyński 1986; [o]Scholze, in: Iredyński 1983; [w]Kunstmann, in: Iredyński 1963: Personenverzeichnis.
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mann mit „Herr“, von Christa Vogel hingegen mit „Der Mann“ übersetzt wird,246 so dass sich unterschiedliche Stilebenen ergeben. Vergleichbares lässt sich auch in Iredyńskis berühmtestem Drama Żegnaj, Judaszu... (Leb wohl, Judas...) beobachten, indem „Młodziutka blada“ von Pilecki stilistisch neutral mit „Das blutjunge blasse Mädchen“ wiedergegeben wird, während sich Scholze für „Die kleine Blasse“ entscheidet und dadurch eine leicht abwertende Konnotation herstellt247. Während die ostdeutsche Fassung die polnischen Eigennamen unverändert übernimmt, werden in der westdeutschen Fassung z.T. unterschiedliche Varianten für die entsprechenden polnischen Namen gewählt, die bereits im Personenverzeichnis offen gelegt werden: „Jan, auch Johannes“ bzw. „Peter, auch Piotr oder Petrus“. 248 Durch die Beibehaltung der polnischen Namen wird einerseits das – für deutsche Rezipienten – ‚Exotische‘ des Stücks hervorgehoben, andererseits aber auch der Symbolcharakter der eigentlich biblischen Namen in den Vordergrund gerückt: Bei Johannes und Petrus handelt es sich um zwei der zwölf Apostel, zu denen auch der bereits im Titel als Protagonist genannte Judas (als Verräter Christi) gehört. Demnach liegt hier ein aufschlussreiches Beispiel dafür vor, dass nicht nur Namenlosigkeit, sondern auch eine spezielle Namenssymbolik die ‚Typisierung‘ von Figuren zur Folge haben kann. Im Fall von Żegnaj, Judaszu... allerdings setzt sich der Protagonist als „verratener Verräter“ in vieler Hinsicht von dieser Symbolik ab; der ihn verhörende Kommissar (Komisarz) charakterisiert ihn als „wierny Judasz“ (wörtl.: „gläubiger Judas“)249 und bildet auf diese Weise im Grunde ein Oxymoron. Im Einklang mit der ‚Typisierung‘ der Figuren durch die Namengebung steht indessen ihre statische Konzeption: sie durchleben keine Entwicklung.250 ‚Typisierung‘ durch Namenlosigkeit liegt besonders deutlich in Mrożeks vier in den deutschen Fassungen zu Fuchsquartett zusammengefassten Einaktern Lis Aspirant (Kandidat Fuchs), Lis Filozof (Der Fuchs als Philosoph), Polowanie na Lisa (Fuchsjagd) und Serenada (Serenade) vor, da es sich bei den Figuren – ähnlich wie in der Fabel – im wesentlichen um anthropomorph dargestellte Tiere handelt. Im Zentrum aller vier Stücke steht Lis, der Fuchs, der in Polowanie na Lisa und insbesondere in Serenada in Opposition zu Kogut, dem Hahn, tritt. Diese Darstellung entspricht der europäischen Fabeltradition und bietet auch für die Übersetzung keine Schwierigkeiten, da beide Tiere im Polnischen wie im Deutschen im Hinblick auf das gram246 Iredyński: Kreacja. Sztuka w sześciu krótkich aktach. In: Dialog 5. Wa. 1984, S. 5–37; [o]Pitschmann, in: Iredyński: Niemand. Stück in sechs kurzen Akten. Berlin(–Ost) 1985 (?); [w]Vogel, in: Kreation. Stück in sechs kurzen Akten. Berlin(–West) o.J.: Personenverzeichnis. 247 Iredyński 1986; [w]Pilecki, in: Wirth, Andrzej (Hg.), Modernes Polnisches Theater. Band 2. Berlin(–West) 1964 (?), S. 191–234; [o]Scholze, in: Iredyński 1983: Personenverzeichnis. 248 [w]Pilecki, in: Wirth 1964. 249 Iredyński 1986, S. 90. 250 Vgl. Pfister 2000, S. 241.
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matische Geschlecht maskulin sind. Komplizierter verhält es sich in Lis Aspirant, worin Lis in einem langen Monolog seine Beziehung zu der schweigenden Małpa, dem Affen – im Polnischen feminin –, analysiert. Hier stößt der Übersetzer an die Grenzen der eigenen Sprache, und dem Rezipienten erschließt sich unmittelbar, dass es sich keinesfalls um ein deutsches Stück handeln kann, in dem die Konstellation „Fuchs“ vs. „Affe“ als Opposition „männlich“ vs. „weiblich“ eben nicht möglich wäre.251 Anders verhält es sich wiederum in Serenada, worin den beiden rivalisierenden Antagonisten Lis und Kogut die Hühner Blond (Blonda), Bruna und Ruda (Rougea) als Objekte der Begierde bzw. nach dem Proppschen Schema als ‚Helferfiguren‘252 gegenüber gestellt werden. Die für das Federkleid der Hühner gewählten Farben können gleichzeitig auch die Haarfarbe von Frauen bezeichnen, was die anthropomorphe Darstellung der Tiere hervorhebt. Gerade durch die in der Tradition europäischer Fabeln stehende Symbolik der auftretenden Tierarten ergibt sich ein Informationsvorsprung des Zuschauers gegenüber den einzelnen Figuren.253 ‚Typisierung‘ durch Namenlosigkeit ist auch in Mrożeks anderem in Doppelübersetzungen vorliegenden Drama Policja (Die Polizei) relevant, wie sich etwa am Beispiel der Figuren des „Polizeikommandanten“ (Kunstmann) bzw. „Polizeipräsidenten“ (Zimmerer) für „Naczelnik Policji“ und des „Gefangenen“ (Kunstmann) bzw. „Häftlings“ (Zimmerer) für „Więzień“ zeigt.254 Hier steht die Namenlosigkeit im Einklang mit der Austauschbarkeit der Figuren. In diesem Zusammenhang bemerkt Konkowski: Die Entindividualisierung ist ein für Mrożek typischer Kunstgriff, der dem Schriftsteller hilft, seine universelle Legende zu erzählen und parodistische Wirkungen zu erlangen. Seine Helden übernehmen die Funktion von Sinnbildern, Emblemen, sie alle werden zu Parodien von Haltungen, Begriffen, Rollen oder Ideen, zu Trägern von Anspielungen, Mythen oder [...] sittlichen, literarischen und kulturellen Klischees.255
Hier fällt auf, dass Konkowski im Hinblick auf diese „Entindividualisierung“, die sich in vielen Dramen Mrożeks beobachten lässt, nicht zwischen ‚Typ‘ und ‚Personifikation‘ unterscheidet; seine weitere Argumentation – indem er etwa 251 Vgl. Mrożek: Teatr 3. Wa. 1997, S. 7–72; Mrożek: Amor und andere Stücke. Übersetzt von Witold Kośny und Christa Vogel. Zürich 1998, S. 143–233; [o]Vogel, in: Janke, Jutta und Schumann, Hubert (Hgg.), Nachbarn. Texte aus Polen. Berlin(–Ost)1985, S. 447– 504. 252 Vgl. Pfister, S. 234. 253 Vgl. ebenda, S. 81. 254 [w]Kunstmann, in: Mrożek, Die Polizei. Ein Drama aus der Sphäre der Gendarmen. In: Spectaculum IV. Sechs moderne Theaterstücke. Frankfurt a.M. 1961, S. 197–226; [?] Zimmerer, in: Mrożek: Stücke. Band 1. Berlin 1963, S. 9–77; Mrożek: Teatr 6. Kr. 1963, S. 7–52. 255 Konkowski, Andrzej: Sławomir Mrożek. In: Lam, Andrzej (Hg.), Literatur Polens 1944 bis 1985. Einzeldarstellungen. Berlin 1990, S. 564–579, hier S. 572.
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von „Parodien von Begriffen“ spricht – legt jedoch nahe, dass er Mrożeks Figuren sogar bis hin zu Personifikationen verallgemeinert sieht. Noch komplizierter verhält es sich in Różewicz's Odejście Głodomora (Der Abgang der Hungerkünstlers), da man hier nur bedingt von einer ‚Typisierung‘ der Figuren durch Namenlosigkeit sprechen kann. Namenlose ‚Typen‘ sind zweifellos die „Metzger–Wächter“ (Lachmann) bzw. „Wächter–Fleischhauer“ bzw. „Rzesznicy– Strażnicy“ (Różewicz).256 Der Gleichklang geht in beiden Übersetzungen verloren. Bereska verweist mit „Wächter–Fleischhauer“ unmittelbar auf Kafkas zugrunde liegende Erzählung Ein Hungerkünstler.257 Weniger eindeutig ist die Frage zu beantworten, ob es sich bei dem ebenfalls als namenlos präsentierten Hungerkünstler selbst um einen ‚Typ‘ oder ein ‚Individuum‘ handelt, denn er ist einerseits einzigartig in Verhalten und Lebensführung, wird aber andererseits als Sensation oder Wundertier zur Schau gestellt und gerade dadurch ‚entpersönlicht‘. Einer ‚Typisierung‘ entgegen steht auch der klare Verweis auf einen einzigen, speziellen Prätext (eben Kafkas Erzählung). Dennoch spricht sich Dąbrowski für den Gleichnischarakter des Stücks und damit für die ‚Typisierung‘ des „Hungerkünstlers“ aus: „Mit seiner Variation auf das Thema [von Kafka] gelang Różewicz ein Gleichnis, das die Bedingungen der Künstlerexistenz im massenkulturellen Ansturm des späten 20. Jahrhunderts bühnenwirksam signalisiert.“258 Beim Vergleich der beiden deutschen Übersetzungen tritt zutage, dass Lachmann „Głodomor“ immer mit „Hungerkünstler“ übersetzt, während Bereska anscheinend unmotiviert an einer Stelle abweicht: „Hungerleider“.259 Erst im 6. Teil des Dramas wird (zweimal von der „Frau“) der Name des „Hungerkünstlers“ genannt: „Ernst“ (Lachmann) bzw. „Ernest“ (Bereska, Różewicz).260 Auch in einem anderen Drama ergibt sich über die Figurendarstellung ein eindeutiger Bezug zu einem – diesmal allerdings polnischen – Prätext: In Witkiewicz's Stück Szewcy, tritt – wie in Wyspiańskis Wesele – eine „Chochoł“ genannte Strohpuppe auf (vgl. 3.b.). Diese Beobachtung leitet in gewisser Weise schon zum nächsten Abschnitt über, da sie indirekt auch die Frage nach dem Spannungsfeld zwischen historischer Person (Prototyp) und fiktionaler Figur im Drama berührt. Während die Namengebung, wie gezeigt wurde, in engem Zusammenhang mit der Übersetzungsproblematik bzw. mit verschiedenen Übersetzungskonzepten steht, ist die Frage nach den Prototypen eher für die literaturwissenschaftliche 256 [w]Lachmann, in: Różewicz: Der Abgang des Hungerkünstlers. Berlin(–West) 1980, S. 10; [o]Bereska, in: Różewicz, Auf allen vieren. Der Hungerkünstler geht. Die Falle. Berlin(–Ost) 1986, S. 63–105, hier S. 70; Różewicz: Teatr 2. Kr. 1988, S. 289–330, hier S. 296. 257 Vgl. Kafka, Franz: Das erzählerische Werk. Band 1. Berlin(–Ost) 1983, S. 254–264, hier: S. 254. 258 Dąbrowski, Mieczysław: Tadeusz Różewicz. In: Lam 1990, S. 453–471, hier S. 462. 259 [o]Bereska, in: Różewicz 1986, S. 70. 260 [w]Lachmann, in: Różewicz 1980, S. 22; [o]Bereska, in: Różewicz 1986, S. 82f.; Różewicz 1988, S. 308f.
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Analyse von Dramen relevant. In Abhängigkeit vom jeweiligen methodischen Ansatz ergeben sich unterschiedliche Antworten im Hinblick auf Relevanz und Funktion von historischen Personen im fiktionalen Dramentext. In einigen wenigen dieser Untersuchung zugrunde liegenden Dramen sind die Prototypen als bestimmte historische Personen identifizierbar. Dies gilt ausschließlich für Stücke, die geschichtliche und politische Ereignisse thematisieren (vgl. 3.a.). Neben Kruczkowskis Pierwszy dzień wolności (Der erste Tag der Freiheit) ist hier vor allem Wyspiańskis Wesele (Die Hochzeit) zu nennen. Einen Sonderstatus nimmt Moczarskis zu einem Dokumentarspiel aufbereiteter autobiographischer Roman Rozmowy z katem (Gespräche mit dem Henker) ein.261 Dieser nach dem Muster von Tagebuchaufzeichnungen verfasste Roman, in dem Moczarski neun Monate Haft beschreibt, die er in der gleichen Zelle wie der später als Kriegsverbrecher hingerichtete SS– General Jürgen Stroop verbringen musste, wurde von Zygmunt Hübner dramatisiert und von Roswitha Buschmann ins Deutsche übersetzt.262 Daneben existiert eine westdeutsche Theaterfassung von Dieter Kühn.263 Die beiden unabhängig voneinander entstandenen Theaterbearbeitungen präsentieren sich als selbständige Texte und können keinesfalls als Doppelübersetzung angesehen werden. Hinzu kommt die besondere Problematik des autobiographischen Romans – und daraus resultierend, jene des Dokumentarspiels – als einer an der Grenze der Fiktionalität angesiedelten Gattung, die ja gerade den Anspruch der Authentizität für sich geltend macht. Die aus den Erfahrungen des Nationalsozialismus heraus entstandene Tradition solcher autobiographischer Berichte und Dokumentarspiele im Nachkriegsdeutschland soll an anderer Stelle, im Zusammenhang mit der Auswertung der Theaterkritiken, näher betrachtet werden. Nationalsozialismus und Zweiter Weltkrieg werden auch in Kruczkowskis Pierwszy dzień wolności (Der erste Tag der Freiheit) thematisiert. Die Verarbeitung autobiographischer Erlebnisse in diesem Drama wurde verschiedentlich hervorgehoben, nicht zuletzt von direkt Betroffenen, die sich selbst als Prototypen der handelnden Figuren erkannten: Von jenem für die ehemaligen „Gefangenen“, die Kriegsgefangenen des Oflag II D, denkwürdigen Tag bis zu unserer gemeinsamen Rückkehr nach Warschau, zusammen mit dem späteren Autor des Ersten Tages der Freiheit, trennten wir uns fast überhaupt nicht voneinander, nicht einmal für wenige Stunden. Daher diese Skizze. Die Nacht vom 5. auf den 6. Februar, die erste Nacht der Freiheit, schliefen wir zu zweit nicht allzu bequem auf dem Ofen der bis heute existierenden Bäckerei im Dorf Zipnow (heute, wie früher, Sypniewo). Am 6. Februar marschierten wir zusammen mit den übrigen befreiten Kriegsgefangenen bis nach Jastrów, das zu jener Zeit ebenfalls einen schwach germanisierten Namen – Jastrow – trug, wo wir uns in einem von seinen 261 Moczarski: Rozmowy z katem. Wa. 1978. 262 Moczarski: Gespräche mit dem Henker. Textfassung: Zygmunt Hübner. Aus dem Polnischen von Roswitha Buschmann. Berlin [Ost] o.J. 263 Moczarski/Kühn: Gespräche mit dem Henker. Frankfurt a.M 1979.
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Bewohnern, dem Ehepaar Weichenthal, verlassenen Haus an der Berliner Straße 12 einquartierten. […] Kruczkowskis Drama gehört zur Kategorie der ‚Schlüsselwerke‘. Beachtung verdient die Tatsache, dass authentische Personen eingeführt werden, wenn auch nicht ohne bestimmte in diesem Fall unerlässliche Modifikationen. So war der Autor des Dramas vor allem gezwungen, das Alter der Töchter des Arztes anzuheben, weil er zu berücksichtigen hatte, dass die echten Arzttöchter in Jastrów noch ganz junge Mädchen gewesen waren. […].264 (Ü.: CF)
Während Dobrowolski hier einerseits die grundsätzliche Authentizität der dem Drama zugrunde liegenden Ereignisse und Erlebnisse hervorhebt, bleibt er andererseits im Hinblick auf die ‚Identifizierung‘ der Figuren mit historischen Personen relativ unbestimmt. Drewnowski scheint teilweise eine Gegenposition zu vertreten, indem er den autobiographischen Aspekt des Stücks nicht in den Mittelpunkt seiner Überlegungen rückt, sondern die handelnden Figuren innerhalb der Fiktionalität des Dramas belässt und auf dieser Ebene Vergleiche zwischen Ruth aus Niemcy (Die Sonnenbrucks) und Jan aus Pierwszy dzień wolności zieht, die er beide als widersprüchliche und mehrdeutige ‚Individuen‘ charakterisiert: Kruczkowskis Dramen schufen bisher zwei große, spontane, sich allen Formeln widersetzende Rollen: das sind Ruth aus den Sonnenbrucks und Jan aus dem Ersten Tag der Freiheit. Jan ist eine im tiefsten Innern widersprüchliche Figur, naiver Utopist und nüchterner Realist; er hegt in sich die Sehnsucht nach einer eigenen Stimme und zugleich Gespür für die Gemeinschaft. Er allein versteht die Notwendigkeit eines „Gemeinschaftszentrums“ und die Tücke der Geschichte.265 (Ü.: CF)
In Bezug auf Wyspiańskis im Vergleich zu Pierwszy dzień wolności viel komplexer strukturiertes Drama Wesele (Die Hochzeit) wurden regelrechte Verzeichnisse dahingehend erarbeitet, welcher dramatischen Figur welcher Prototyp zugrunde liege. Dies erschien umso naheliegender, da das reale und von Wyspiański selbst miterlebte Ereignis, welches ihm den Impuls zum Schreiben des Dramas lieferte, bekannt war: Im November 1900 heiratete Wyspiańskis Freund, der Dichter L. Rydel, in dem nahe Krakau gelegenen Dorf Bronowice die Bauerntochter Jadwiga Mikołajczykówna. Augenzeugen berichteten, Wyspiański, Gast der Hochzeit, habe stundenlang schweigend im Türrahmen gelehnt und dem Treiben zugeschaut. Dabei sei ihm, so erzählte er später, plötzlich die phantastische Vision gekommen, Wernyhora, der legendäre Künder künftiger polnischer Einheit, steige von der an der Wand hängenden Reproduktion des berühmten Matejko–Bil-
264 Dobrowolski, Stanisław R.: Prawda i fikcja literacka w Pierwszym dniu wolności. In: Miesięcznik literacki. Wa. 1980 Nr. 10/11, S. 70–75, hier S. 70–72. 265 Drewnowski, Tadeusz: Wokół dramatów Kruczkowskiego. In: Dialog. Wa. 1959 Nr. 11, S. 98–105, hier S. 105.
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des herab und träte unter die Feiernden. Wie würde die Nation auf diese Erscheinung und deren Verkündigung, der Augenblick der Befreiung sei da, reagieren?266
Auf Verfahren der Fiktionalisierung historischer Personen in Wesele hat z.B. Estreicher hingewiesen, wobei er – vom autobiographischen Aspekt ausgehend – besonders die ironische, karikierende Überzeichnung der Figuren hervorhebt: „[Wyspiański] hatte keineswegs die Absicht, [die Dramenfiguren] realistisch zu behandeln. Er nahm realistische Details aus dem Leben, hob bestimmte Züge aber bewusst stark hervor, karikierte sie geradezu.“267 (Ü.: CF) Eine der detailliertesten Untersuchungen der Prototypen von Wesele hat Lesław Eustachiewicz vorgelegt. Hierbei hebt er die sich durch die Figurendarstellung ergebende zweite fiktionale Ebene in Wesele hervor, die schon im Personenverzeichnis des Dramas durch graphische Opposition offengelegt wird: „Der Text der Hochzeit führt die „Personen des Dramas“ als separate Wirklichkeit an. Es sind dies Erscheinungen, und zwar Träume, Halluzinationen.“268 (Ü.: CF) Einige dieser „geisterhaften“ Figuren – Stańczyk, Zawisza Czarny und Wernyhora – werden auf Bildern von Matejko dargestellt,269 sind also gleichsam als ‚intersemiotische Zitate‘ zu verstehen, während sich z.B. bei Upiór als Prototyp Szela, der Anführer des Bauernaufstandes von 1846, ausmachen lässt.270 Eine Untergliederung der „Osoby dramatu“ hat Izabela Matusiak–Möring vorgenommen: Namen wie WERNYHORA, STAŃCZYK, HETMAN und RYCERZ CZARNY verweisen [...] auf eine andere Ebene als die Bezeichnungen der namenlosen Figuren UPIÓR, WIDMO und CHOCHOŁ, da sie sich auf historische Personen beziehen, deren Existenz außerhalb der Handlungszeit des Dramas liegt. Die drei zuletzt genannten Bezeichnungen verweisen nur darauf, daß es sich hierbei um nicht näher charakterisierte Figuren handelt, wobei sich UPIÓR von ihnen nochmals durch eine Besonderheit abgrenzt. Er selbst offenbart nämlich im II. Akt, 15. Szene DZIAD gegenüber seinen Namen [Szela]. [...] UPIÓR verwandelt sich demnach von einem zunächst namenlos erscheinenden Geist in eine Figur mit historisch relevantem Namen.271 266 Kröplin, Wolfgang: Stanisław Wyspiańskis „monumentales“ Theater. Untersuchungen über den Zusammenhang von reformatorischem Theaterprogramm und gesellschaftlicher Funktion im Epochenumbruch, Berlin(–Ost) [Diss.] 1985, S. 82. Kröplin bezieht sich hier implizit auf ein von Estreicher überliefertes Gespräch mit Wyspiański: Vgl. Estreicher, Stanisław: Narodziny Wesela. In: Płoszewski, Leon (Hg.), Wyspiański w oczach współczesnych. Kr. 1971, S. 19–31, hier S. 27f. Vgl. außerdem: Eustachiewicz, Lesław: Wesele Stanisława Wyspiańskiego. Wa. 1975, S. 9. 267 Estreicher 1971, S. 30. 268 Eustachiewicz 1975, S. 66. 269 Vgl. Eustachiewicz 1975, S. 69 und S. 75. Vgl. auch Gerstmann, Stanisław: Wesele jako dramat symboliczny. In: Łempicka, Aniela (Hg.), Wesele we wspomnieniach i krytyce. Kr. 1961, S. 357–366, hier S. 360. 270 Vgl. Eustachiewicz 1975, S. 74. 271 Möring, Izabela: Das Figurenkonzept in Wesele von Stanisław Wyspiański, (Magisterarbeit) Jena 2001, S. 33.
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In Bezug auf die den „Osoby dramatu“ gegenüberstehenden „Osoby“272 bestimmt Eustachiewicz ausnahmslos Prototypen, so identifiziert er etwa „Poeta“ mit Kazimierz Tetmajer, einem der führenden Vertreter der „Młoda Polska“.273 Während historische Personen immer ‚Individuen‘ sind, werden sie innerhalb der Fiktionalität des Dramas teilweise zu ‚Typen‘; dies zeigt sich am Beispiel von „Poeta“ gerade durch die Namenlosigkeit, die ihn als Sinnbild für viele Dichter, für den Dichter schlechthin erscheinen lässt. Eine ‚Typisierung‘ durch Namenlosigkeit liegt auch im Fall von „Żyd“ vor, in dem Eustachiewicz den Gastwirt Hersz Singer erkennt. Dessen Tochter jedoch – eigentlich Józefa (Pepa) Singer – erhält im Drama den Namen Rachel274 und tritt auf diese Weise schon allein durch die Namengebung in Opposition zu ihrem Vater. Während er als ‚Typ‘ dargestellt wird, bleibt sie ‚Individuum‘. Als einziger Hochzeitsgast ist sie weder namenlos, noch trägt sie einen polnischen Namen und wird folglich als Exotin markiert.275 In der Forschung wird Rachel mitunter als Bindeglied zwischen der ersten und der zweiten fiktionalen Ebene („Osoby“ vs. „Osoby dramatu“) in Wesele angesehen. Gerard Kapolka schreibt Rachel die Rolle einer Muse zu 276 und fährt fort: „Rachel's use of the word ‚enchanted‘ (‚zaklęta‘) shows that her concept of living poetry not only includes the experience of poetry from nature, but also from the supernatural which pervades all of nature.“277 Daraus ergibt sich ein Bezug zu Chochoł: [...] Rachel sees that the Chochoł is well suited to be a symbol for her „living, enchanted poetry“. Rachel accepts the Poet‘s comparison of the straw–covered rosebush to herself. She declares that she will be protected, by the dead straw, from the most severe frost.278
Durch die Charakterisierung der Rachel als Muse tritt vielleicht am anschaulichsten ihre Fiktionalisierung im Drama und ihre zentrale Funktion innerhalb seiner symbolistischen Gesamtkomposition zutage.279 Auf diese Weise sollte exemplarisch verdeutlicht werden, wie sehr sich eine dramatische Figur von der ihr ursprünglich zugrunde liegenden historischen Person (dem Prototyp) ‚verselbständigt‘, so dass letzterem im Drama als fiktio272 Vgl. Wyspiański: Wesele, Kr. o.J. (Dzieła zebrane ; 4), S. 5. 273 Eustachiewicz 1975, S. 54. 274 Ebenda, S. 61. 275 Vgl. Möring 2001, S. 32. 276 Kapolka Gerard T.: The Three Major Transformations of Wyspiański's Wesele. In: The Polish Review. New York 1983 Band 28 Heft 1, S. 17–31, hier S. 18. 277 Kapolka 1983, S. 22. Eine ähnliche Position vertritt Eva Plach. Vgl.: Plach, Eva, ‚Botticelli woman‘: Rachel Singer and the Jewish Theme in Stanisław Wyspiański's The Wedding. In: The Polish Review. New York 1996 Band 41 Heft 3, S. 309–327, bes. S. 315. 278 Kapolka 1983, S. 22. 279 Vgl. Möring 2001, S. 75.
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nalem Gebilde keine Funktion mehr zukommt. Äußerlich zeigt sich dies auch durch die ‚Umbenennung‘: aus Józefa wird Rachel. Zusammenfassend lässt sich sagen, dass Namengebung und Fiktionalität offenbar in engem Zusammenhang stehen. Bei einem Dokumentarspiel wie etwa Moczarskis Rozmowy z katem wäre es undenkbar, die Namen der Figuren zu verändern, da das Stück dann seinem Anspruch auf Authentizität nicht mehr gerecht werden könnte: Die historische Person, in diesem Fall der Kriegsverbrecher Stroop, soll ja gerade so ‚real‘ wie nur möglich dargestellt werden. Der krasseste Gegenpol hierzu wäre vielleicht der Tyrann Gyubal Wahazar aus Witkiewicz's gleichnamigem ‚absurden‘ Stück, zu dem sich kein Prototyp mehr ausmachen lässt. Solche gegenläufigen Tendenzen hat Esslin auf den Punkt gebracht: „»Gespielte Fiktion« könnte als eine kurze und prägnante Definition des Begriffs Drama dienen, doch würde diese das dokumentarische Drama ausschließen, das gespielte Wirklichkeit ist.“280 Daher ist verständlich, warum sich die Frage nach den Prototypen und, daraus resultierend, jene der Fiktionalität im Rahmen der hier vorgelegten Untersuchung am deutlichsten bei Dramen mit historisch–politischer Thematik stellt. Auch in dieser Hinsicht ist Wesele ein Sonderfall, da es neben der Geschichte Polens die Kunst selbst thematisiert, wie am Beispiel der Figur der Rachel verdeutlicht wurde. Bei der im ersten Teil dieses Abschnitts behandelten Frage nach der Übersetzung von Eigennamen ließ sich feststellen, dass typisch polnische Namen, insbesondere Koseformen, Diminutiva und dergl., in westdeutschen Fassungen häufiger vereinfacht bzw. dem Deutschen angepasst werden als in den ostdeutschen Pendants. Im Hinblick auf die Namengebung wird offenbar eine größere Vertrautheit des ostdeutschen Rezipienten mit der polnischen Kultur angenommen.
d. Sprachprobleme
Der folgende Abschnitt ist Problemen gewidmet, die sich speziell bei der Übersetzung polnischer Dramen ins Deutsche ergeben. Hierbei werden drei Bereiche unterschieden, von denen insbesondere die ersten beiden in engem Zusammenhang mit den vorhergehenden Gedanken zur Figurendarstellung stehen: Figurenanrede sowie sprachlicher Standard vs. Varietäten (z.B. Jargon) in der Figurenrede. Der dritte Bereich, die Lautinstrumentierung, welche etwa durch charakteristische Wortwiederholungen oder auch durch lyrische Digressionen zutage treten kann, 280 Esslin, Martin: Was ist ein Drama? Eine Einführung. München 1978, S. 12.
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bezieht sich ebenfalls in hohem Maße auf die Figurenrede, weist aber gleichzeitig über sie hinaus, indem sie gattungsgeschichtliche Fragen berührt. Diese erlangten zuletzt vor allem im Umkreis des Symbolismus wieder Bedeutung, wobei von Nietzsches Schrift Die Geburt der Tragödie aus dem Geiste der Musik wesentliche Impulse ausgingen. Darin wird ein gemeinsamer Ursprung von Musik und Dichtung angenommen, der im Chor der antiken griechischen Tragödie begründet liege.281 Aus diesen Vorüberlegungen wird deutlich, dass die nachfolgende Analyse der Figurenrede nicht nur wesentliche Hinweise auf bestimmte Übersetzungsprobleme oder –konzepte liefert, sondern darüber hinaus auch der Ergänzung der im vorhergehenden Abschnitt unternommenen Untersuchung der Figurendarstellung dient: Eine dramatische Figur charakterisiert sich selbst ganz wesentlich durch ihre Redeweise. Die „Art und Weise ihres Sprechens“ gehört nach Pfister zu den ‚implizit–figuralen Charakterisierungstechniken‘, die auch Bekleidung, Requisiten und Interieurs umfassen.282 Davon unterscheidet er den ausschließlich sprachlichen ‚Eigenkommentar‘, welcher der „expliziten Selbstcharakterisierung“ der betreffenden Figur dient.283 In Bezug auf den ersten in dieser Untersuchung relevanten Aspekt, die Figurenanrede, ist zunächst zu bemerken, dass die Übersetzungsprobleme hier auf unterschiedlichen Konventionen beruhen, so dass meist keine wirklichen Äquivalente gefunden werden können: Dem deutschen höflichen „Sie“ entspricht im Polnischen die nominale Anrede mit den Zusatzformen pan (“Herr“), pani (“Frau“), państwo (“Herrschaften“) usw. sowie einem Verb in der 3. Person Singular. Wie die höfliche Du–Anrede [...] ähnelt dieser Anredetyp einem deutschen Anredemuster des 18. Jahrhunderts. Relikte dieser Form gibt es z.B. in der Sprache von Kellnern: „Möchten die Herrschaften ein Dessert?“, „Hat (oder „Haben“) der Herr schon bestellt?“284
Auf diese Problematik, die im Folgenden anhand eines größeren Textkorpus dargelegt werden soll, wurde in der Forschung bisher vor allem anhand von Fallbeispielen Bezug genommen, wobei sich jedoch auch allgemeinere Hinweise auf ihre grundsätzliche Relevanz im Hinblick auf die Übersetzung polnischer Dramen ins Deutsche finden:
281 Vgl. Nietzsche, Friedrich: Die Geburt der Tragödie. Stuttgart 1993, S. 46. 282 Pfister, Manfred: Das Drama. Theorie und Analyse, München 102000, S. 257. 283 Ebenda, S. 251. 284 Schultze, Brigitte: Innerfamiliäre Anrede und andere Formen der Beziehungsdefinition als Problem der Dramenübersetzung – Sławomir Mrożeks Tango deutsch. In: Fischer– Lichte, Erika et alii (Hgg.), Soziale und theatralische Konventionen als Problem der Dramenübersetzung. Tübingen 1988, S. 55–80, hier S. 70.
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Als vorrangiger Ort übersetzerischer Abweichung erweisen sich [...] verschiedene im Sprechakt manifeste Beziehungsdefinitionen. Hierher gehören vor allem, begründet durch markante Asymmetrien zwischen dem polnischen und dem deutschen Anredesystem, die in dem gesellschaftlichen Mikrokosmos verwendeten Anreden.285
Horst Turk definiert das „Spiel der theatralischen Konventionen“ als „auf die soziale Konvention bezogen“286 und fährt fort: Einen ersten Zugang zur Welt der sozialen Konventionen eröffnen die Benennungen. Ihr Feld reicht vom System der Anreden und Titulaturen bis zum System der Termini, durch die soziale Ereignisse oder Tatsachen bezeichnet werden, etwa wenn das Polnische teilweise, zumindest in der mittleren und älteren Generation, noch die 3. Person in der Anrede der Kinder gegenüber den Eltern bewahrt hat [...].287
Varianten in der Figurenanrede liegen in allen untersuchten deutschen Fassungen vor, unabhängig davon, ob es sich um ost–westdeutsche, ost–ostdeutsche oder west–westdeutsche Doppelübersetzungen handelt. Dies zeigt sich z.B. in Abramows Licytacja (Die Versteigerung), wenn auch in relativ schwach ausgeprägter Form: „Wenn das nicht der Wagen vom Göring wäre, hätte ich ihn erst gar nicht gekauft.“ (Boll) bzw. „Mein Herr, wenn das nicht der Wagen vom Göring wäre, hätte ich ihn gar nicht gekauft.“ (Kunstmann) für „Panie, gdyby to nie był wóz Goeringa – to ja bym go w ogóle nie kupował.“ 288 Kunstmann übersetzt hier näher am Original, indem er die Anrede „mein Herr“ beibehält; allerdings wirkt seine Fassung gerade dadurch im Deutschen leicht archaisierend. Deutlicher treten die unterschiedlichen Anredekonventionen z.B. in Drozdowskis Kondukt (Der Trauerzug) zutage, indem Magda sagt: „Mußtet ihr euch unbedingt schlagen?“ (Hiller) bzw. „Warum mußten sich die Herren gleich schlagen?“ (Bereska) bzw. „Ale boście, panowie, miały się o co tłuc?!“ (Drozdowski)289. Hier wirkt die ostdeutsche Variante antiquiert, zudem ergibt sich eine höhere, Magda als einfachem Mädchen eigentlich nicht angemessene Stilebene als im westdeutschen Pendant und im polnischen Original. 285 Schultze 1988, S. 55. 286 Turk, Horst: Soziale und theatralische Konventionen als Problem des Dramas und der Übersetzung. In: Fischer–Lichte 1988, S. 9–53, hier S. 21. 287 Ebd., S. 37. 288 [w]Boll, in: Wirth, Andrzej, Modernes Polnisches Theater. Band 2. Berlin(–West) o.J., S. 123–137, hier S. 128; [w]Kunstmann, in: Begegnung mit Polen. Aus dem Programm der Polnischen Woche. Bremen 1963, S. 25–42, hier S. 29; Abramow, Jarosław: Licytacja. Wybór sztuk jednoaktowych i drobiazgów teatralnych. Wa. 1964, S. 5–20, hier S. 9. 289 [w]Hiller, in: Drozdowski, Der Leichenzug. Hamburg o.J., S. 23; [o]Bereska, in: Szydłowski, Roman (Hg.), Sławomir Mrożek – Tango, Stanisław Grochowiak – Die Jungs, Bohdan Drozdowski – Der Trauerzug. Drei polnische Stücke. Berlin(–Ost) 1975, S. 131–169, hier S. 142; Drozdowski: Utwory dramatyczne: Kr. 1968, S. 107–143, hier S. 118.
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Aufschlussreich sind auch die Varianten im Sketch Kominek zgasł (Der Kamin ist erloschen) aus Gałczyńskis Sammlung Zielona Gęś (Die grüne Gans), insbesondere im Hinblick auf das angeführte Zitat von Brigitte Schultze zur Redeweise von Kellnern. Hier nun fragt Wierny Służący (Der treue Diener) in analoger Weise: „Frau Baronin haben geläutet?“ (Dedecius) bzw. „Sie haben geläutet?“ (Brätz) bzw. „Pani dzwoniła?“ (Gałczyński).290 Die westdeutsche Fassung wirkt an dieser Stelle archaisierend; allerdings markiert sich der Diener gerade dadurch als Mitglied einer bestimmten sozialen Gruppe. Die ostdeutsche Fassung und das polnische Original sind stilistisch neutral. Ein ähnliches Beispiel liegt in Nałkowskas Dom kobiet (Haus der Frauen) vor, indem Zofia sagt: „Alles fertig für Sie.“ (Vogel) bzw. „[...] für die Gnädige vorbereitet.“ (Mika) bzw. „[...] przygotowane dla paniusi.“ (Nałkowska)291. Hier übernimmt der ostdeutsche Übersetzer die polnische Anredeform. Diese Problematik ist von der Forschung, wie bereits angedeutet, bisher im Hinblick auf ausgewählte Fallbeispiele berücksichtigt worden, wobei insbesondere Witkiewicz's Drama Matka (Die Mutter) zu nennen ist. Das Stück ist auch deswegen auffällig, weil es in drei Übersetzungen – zwei westdeutschen und einer ostdeutschen – vorliegt: Matka (Die Mutter) wendet sich an die Dienstbotin Dorota: „Ja denkt sie denn, Dorothee, daß ich das verstehe?“ (Zimmermann–Göllheim) bzw. „Ja denkt Dorota vielleicht, daß ich das verstehe?“ (Dutsch) bzw. „Meinst du, ich verstehe das?“ bzw. „A czy Dorota myśli, że ja to rozumiem?“ (Witkiewicz).292 Archaismen in Bezug auf Anredeformen lassen sich in deutschen Übersetzungen polnischer Dramen vereinzelt auch quasi in umgekehrter Richtung finden, wenn eine innerhalb der sozialen Hierarchie höhergestellte Figur sich an eine ihr unterstellte wendet. Diese Situation liegt in Różewicz's Białe małżeństwo (Weiße Ehe) vor, als Matka (Die Mutter) fragt: „Sind Sie krank, Mamsell?“ (Lachmann) bzw. „Was ist, ist sie krank?“ (Bereska) bzw. „Cóż to, kucharcia chora?“ (Różewicz).293 290 [w]Dedecius, in: Gałczyński; Die Grüne Gans. Das kleinste Theater der Welt, deutsch aufgeführt von Karl Dedecius: Frankfurt a.M. 1969, S. 42f., hier S. 43; [o]Brätz, in: Gałczyński, Die grüne Gans: Berlin(–Ost) 1983, S. 41f., hier S. 42; Gałczyński: Próby teatralne. Band 3. Kr. 1958, S. 385f., hier S. 386. 291 [w]Vogel, in: Nałkowska, Landhaus mit Damen. Berlin(–West) 1977 (?), S. 1; [o]Mika, in: Nałkowska, Haus der Frauen. Stück in drei Akten. Berlin(–Ost) 1973 (?), S. 5; Nałkowska: Utwory dramatyczne. Wa. 1990, S. 5–130, hier S. 7. 292 [w]Zimmermann–Göllheim, in: Witkiewicz, Die Mutter. Geschmackloses Stück in 2 Akten mit Epilog. Baden–Baden 1970 (?), S. 26; [w]Dutsch, in: Witkiewicz, Die Mutter (Matka). Schauspiel in zwei Akten mit Epilog. München o.J., S. 21; [o]Bereska, in: Witkiewicz, Stücke. Berlin(–Ost) 1982, S. 161–215, hier S. 188; Witkiewicz, Dramaty wybrane. Band 2. Kr. 1997, S. 161–243, hier S. 202. 293 [w]Lachmann, in: Różewicz, Weiße Ehe. Berlin(–West) 1976, S. 66; [o]Bereska, in: Różewicz, Weiße Ehe. Berlin(–Ost) 1976, S. 57; Różewicz: Dramaty wybrane. Kr. 1994, S. 177–
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Dass die unterschiedlichen Anredekonventionen im Polnischen gegenüber dem Deutschen in Übersetzungen sogar Auswirkungen auf Kommunikationstrukturen im Drama haben können, tritt z.B. in Grochowiaks Chłopcy (Die Jungen) zutage. In der westdeutschen Fassung von Ilka Boll sagt Jo–Jo: „[...] weil Sie vor Gewittern Angst haben, Schwester Maria.“, in der ostdeutschen von Henryk Bereska hingegen: „[...] weil Schwester Maria Angst vor Gewittern hat.“ Im Original lautet diese Stelle: „[...] a siostra Maria boi się burzy.“294 In Nałkowskas Dom kobiet erkundigt sich Julia: „[...] ob du was brauchst, Mama.“ (Vogel) bzw. „[...] vielleicht könnte Mama etwas brauchen.“ (Mika) bzw. „[...] czy mamie czego nie potrzeba.“ (Nałkowska)295 In Witkiewicz's W małym dworku (Im kleinen Landhaus) schlägt Kuzyn (Der Cousin) vor: „Könnte mich der Onkel nicht der Dame vorstellen?“ (Grzyb/Taubmann) bzw. „Onkel, Sie könnten mich der Dame vorstellen.“ (Bereska) bzw. „Mógłby mnie wuj przedstawić tej pani.“ (Witkiewicz)296 In Wyspiańskis Wesele (Die Hochzeit) behauptet Radczyni (Die Rätin): „Hanka hat schon stets erreicht, / was sie wollte.“ (Dedecius) bzw. „Du setzt immer deinen Kopf durch.“ (Bereska) bzw. „Hanka zawsze swego dopnie.“297 In Iredyńskis Dacza (Die Datsche) bemerkt Sąsiad (Der Nachbar): „Sie sind aber heute angriffslustig...“ (Vogel) bzw. „Der Herr Nachbar ist heute ausfallend...“ (Pitschmann) bzw. „Zaczepliwy dzisiaj pan sąsiad...“298 Vor besonderen Schwierigkeiten steht der Übersetzer in jenen Fällen, in denen im Polnischen die höfliche Anrede „Pan“ („Herr“) bzw. „Pani“ („Frau“) mit der 2. Person Singular kombiniert wird, wie etwa in Iredyńskis Kreacja (Kreation). Hier fordert Nikt (Niemand): „Rede, mein Herr.“ (Vogel) bzw. „Sprechen Sie, Herr.“ (Pitschmann) bzw. „Mów, mój panie.“299 232, hier S. 211. 294 [w]Boll, in: Grochowiak, Alte Jungen. Ein Stück aus dem Leben alter Leute. München o.J., S. 18; [o]Bereska, in: Szydłowski 1975, S. 89–130, hier S. 104; Grochowiak: Rzeczy na wersety i głosy. Wybór poezji i dramatów. Wa. 1973, S. 257–308, hier S. 277. 295 [w]Vogel, in: Nałkowska 1977, S. 37; [o]Mika, in: Nałkowska 1973, S. 42; Nałkowska 1990, S. 54. 296 [w]Grzyb/Taubmann, in: Witkiewicz, Im kleinen Landhaus. Baden–Baden 1971 (?), S. 21; [o]Bereska, in: Witkiewicz, Stücke. Berlin(–Ost) 1982, S. 217–261, hier S. 226; Witkiewicz: Dramaty 2. Wa. 1998, S. 5–59, hier S. 17. 297 [w]Dedecius, in: Wyspiański, Die Hochzeit. Frankfurt a.M. 1992, S. 20; [o]Bereska, in: Wyspiański, Die Hochzeit. Leipzig 1977, S. 11; Wyspiański: Wesele. Kr. o.J. (Dzieła zebrane ; 4), S. 12. 298 [w]Vogel, in: Iredyński, Datscha. Stück in drei Akten. Berlin(–West) 1979 (?), S. 10; [o]Pitschmann, in: Iredyński, Die Datsche. Stück in drei Akten. Berlin(–Ost) 1980 (?), S. 14; Iredyński: Dacza. Sztuka w trzech aktach. Wa. 1981, S. 18. 299 [w]Vogel, in: Iredyński, Kreation. Stück in sechs kurzen Akten. Berlin(–West) o.J., S. 40; [o]Pitschmann, in: Iredyński, Niemand. Stück in sechs kurzen Akten. Berlin(–Ost) 1985 (?), S. 50; Iredyński: Kreacja. Sztuka w sześciu krótkich aktach. In: Dialog 5. Wa. 1984, S. 5–37, hier S. 22.
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Analoge, teilweise noch deutlichere Beispiele bietet Różewicz's Odejście Głodomora (Der Abgang des Hungerkünstlers), wobei besonders grotesk wirkt, dass die Wächter den Hungerkünstler mit Sie („pan“) ansprechen. Dies wird in den Übersetzungen unterschiedlich wiedergegeben. So sagt Strażnik I (Wächter I) zu ihm: „Oder nimm du dir ein Beispiel am Kollegen und hau dich auf‘s Ohr.“ (Lachmann) bzw. „Herr Hungerkünstler, nehmen Sie sich an dem Kerl ein Beispiel und schlafen Sie.“ (Bereska) bzw. „Głodomór, bierz pan przykład z kolegi i prześpij się...“ (Różewicz).300 Eine vergleichbare Stelle findet sich in Witkiewicz's Bezimienne dzieło (Das namenlose Werk), indem Cynga fragt: „Czy pan wiesz, jakie są nasze cele?“. Hier weichen die Übersetzungen allerdings auf entgegengesetzte Weise als bei Różewicz voneinander ab: „Weiß der Herr, welche Ziele wir haben?“ (Vogel) bzw. „Kennen Sie unsere Ziele?“ (Bereska).301 Geradezu grotesk jedoch wirkt ein Beispiel aus Witkiewicz's Gyubal Wahazar czyli na przełęczach bezsensu (Gyubal Wahazar oder im Engpass des Unsinns), hier befiehlt der Despot Wahazar: „Fang er an, Herr Professor.“ (Boll) bzw. „Fangen Sie an, Herr Professor.“ (Bereska) bzw. „Zaczynaj pan, panie profesorze.“ (Witkiewicz).302 Keiner der beiden Übersetzer entscheidet sich für eine einigermaßen wörtliche Wiedergabe: „Fang an, Herr Professor.“ Besonders auffällig ist die Fassung von Ilka Boll, da sie die mittlerweile antiquierte Anrede von Dienstboten wählt, die man aber gegenüber einem Professor ja gerade nicht verwenden würde. Auf diese Weise wird Wahazar als von einem hierarchischen Denken geprägter Despot präsentiert. Im Polnischen ist dieser Effekt nicht so ausgeprägt; dort charakerisiert sich Wahazar durch seine unbeholfen–vertrauliche Redeweise als nicht sehr gebildet und wenig eloquent. Bereska übersetzt stilistisch neutral. Vereinzelt lassen sich in polnischen Dramen allerdings auch Beispiele für eine wörtliche Wiedergabe analoger Besonderheiten in der Figurenanrede finden, etwa in Witkiewicz's Stück Oni (Sie), das in zwei westdeutschen Fassungen vorliegt. Rosika warnt: „Herr Tefuan! Willigen Sie ja nicht in eine Scheidung ein!“ (Grzyb/Taubmann) bzw. „Herr Tefuan! Willige ja nicht in die Scheidung ein.“ (Lachmann) bzw. „Panie! Nie dawaj jej rozwodu.“ (Witkiewicz)303 300 [w]Lachmann, in: Różewicz: Der Abgang des Hungerkünstlers. Aus dem Polnischen von Peter Lachmann. Berlin(–West) 1980, S. 25; [o]Bereska, in: Różewicz, Auf allen vieren. Der Hungerkünstler geht. Die Falle. Berlin(–Ost) 1986, S. 63–105, hier S. 85; Różewicz: Teatr 2. Kr. 1988, S. 289–330, hier S. 311. 301 Witkiewicz: Dramaty 2. Wa. 1998, S. 347–420, hier S. 368; [w]Vogel, in: Witkiewicz, Das namenlose Werk. Vier Akte eines ziemlich peinlichen Alptraums. Berlin(–West) o.J., S. 22; [o]Bereska, in: Witkiewicz, Stücke. Berlin(–Ost) 1982, S. 5–62, hier S. 22. 302 [w]Boll, in: Witkiewicz, Gyubal Wahazar oder Im Engpass des Unsinns. Nicht–Euklidisches Drama in vier Akten. Frankfurt a.M. 1974, S. 52; [o]Bereska, in: Witkiewicz 1982, S. 63–126, hier S. 119; Witkiewicz 1998, S. 205–281, hier S. 273. 303 [w]Grzyb/Taubmann, in: Witkiewicz, Jene. Baden–Baden 1968 (?), S. 63; [w]Lachmann, in: Witkiewicz, Die da! In: Spectaculum VI. Sechs moderne Theaterstücke, Frankfurt a.M.
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Im Polnischen ist auch die Kombination der 2. Person Plural mit der höflichen Anrede („pan“ bzw. „pani“) möglich, was ebenfalls zu Varianten in den deutschen Übersetzungen führt: In Bezimienne dzieło behauptet Giers: „Du weißt nicht, mit wem du redest, Alter.“ (Vogel) bzw. „Ihr wißt nicht, mit wem Ihr redet, Vater.“ (Bereska) bzw. „Nie wiecie, z kim mówicie, ojcze.“ (Witkiewicz)304 Die ostdeutsche Variante ist nicht nur archaisierend, sondern auch viel höflicher, was wiederum Rückschlüsse auf die Figurencharakterisierung zulässt. Manchmal geht die Figurenanrede mit einer vom sprachlichen Standard abweichenden Stilisierung einher, die den Sprecher einer sozialen Gruppe zuweist, beispielsweise in Różewicz's Na czworakach (Auf allen vieren), als Pelasia telefoniert: „... aber ich höre den Herrn Minister, ja, Herr Minister...“ (Vogel) bzw. „Ja, ich hör Ihnen, Herr Minister, ich höre...“ (Bereska) bzw. „...ady słucham pana ministra, słucham...“ (Różewicz)305 Ein in dieser Hinsicht besonders anschauliches Beispiel liegt in Witkiewicz's Matka vor, indem Dorota Matka (der Mutter) vorwirft: „Ee – gnädige Frau haben sich heute vollgesoffen wie vom lieben Gott verlassen.“ (Zimmermann–Göllheim) bzw. „Eee – die gnädige Frau ist heute besoffen wie ein Tier.“ (Dutsch) bzw. „Ach, gnä‘ Frau haben sich wieder vollaufen lassen wie ein Loch.“ (Bereska) bzw. „Ee – urżnęła się dziś jaśnie pani jak nieboskie stworzenie.“306 Hier steht der Jargon in krassem Gegensatz zur höflichen Anrede.307 In Wyspiańskis Wesele erinnert Żyd (Der Jude): „Czepiec hat bei mir Schulden.“ (Dedecius) bzw. „Nu, Herr Czepiec, Ihr habt Schulden.“ (Bereska) bzw. „Panie Czepiec, macie dług.“308 In der ostdeutschen Fassung wird durch die vorangestellte Interjektion „Nu“ ein Anklang ans Jiddische geschaffen. Gerade im Hinblick auf die Wiedergabe der vom sprachlichen Standard abweichenden Varietäten – wie z.B. Jargon, Dialekte, Soziolekte –, durch welche sich der Sprechende als Mitglied einer sozialen oder ethnischen Gruppe markiert, lassen sich in den Übersetzungen große Abweichungen beobachten. Der Begriff ‚Jargon‘ wird im Folgenden relativ weit und unspezifisch gefasst: 1968, S. 275–312, hier S. 298; Witkiewicz: Dramaty I. Wa. 1996, S. 403–464, hier S. 440. 304 [w]Vogel, in: Witkiewicz o.J., S. 13; [o]Bereska, in: Witkiewicz 1982, S. 5–62, hier S. 16; Witkiewicz 1998, S. 347–420, hier S. 361. 305 [w]Vogel, in: Różewicz, Auf allen Vieren. Berlin(–West) 1973 (?), S. 36; [o]Bereska, in: Różewicz 1986, S. 7–61, hier S. 32; Różewicz 1988, S. 51–103, hier S. 75. 306 [w]Zimmermann–Göllheim, in: Witkiewicz 1970, S. 6; [w]Dutsch, in: Witkiewicz o.J., S. 4; [o]Bereska, in: Witkiewicz 1982, S. 161–215, hier S. 167; Witkiewicz 1997, S. 161–243, hier S. 170. 307 Hierzu Lorenz, Sabine: „Aber bitte kein Drama à la Ibsen...“. Zur Bedeutung von Stereotypen und Klischees in der Übersetzung am Beispiel von St. I. Witkiewiczs Matka. In: Schultze, Brigitte et alii (Hgg.), Literatur und Theater. Traditionen und Konventionen als Problem der Dramenübersetzung. Tübingen 1990 ( Forum Modernes Theater ; 4), S. 95–112, bes. S. 105f. 308 [w]Dedecius, in: Wyspiański 1992, S. 74; [o]Bereska, in: Wyspiański 1977, S. 48; Wyspiański o.J., S. 63.
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Im weiteren Sinne: durch speziellen gruppen– oder fachspezifischen Wortschatz gekennzeichnete Sprachform, der es an Allgmeinverständlichkeit mangelt. – Im engeren Sinne: soziale bedingte Sondersprachen, die durch auffällige Bezeichnungen für alltägliche Dinge, bildliche Ausdrucksweise, emotional gefärbte oder spielerische Verwendung des standardsprachlichen Vokabulars gekennzeichnet ist. [...]309
Pfister weist in diesem Zusammenhang darauf hin, dass „die stilistische Textur als charakterisierendes Anzeichen bereits im literarischen Textsubstrat fixiert“ ist und fährt fort: Da ist zunächst einmal die übergreifende Frage, ob die Sprache einer Figur einem regionalen oder sozialen Subcode angenähert ist, die Figur also durch die Verwendung von Hochsprache oder Dialekt, von elaboriertem oder restringiertem Code oder von einer besonderen Fachsprache (etwa einer juristischen, nautischen oder medizinischen) bereits in ihrem background charakterisiert wird.310
Diesbezügliche Varianten in den deutschen Übersetzungen finden sich insbesondere in Wyspiańskis Wesele (Die Hochzeit), einem Stück, das als Versdrama besondere Anforderungen an den Übersetzer stellt. Darüber hinaus ist es von einer sehr unterschiedlichen Redeweise der einzelnen Figuren geprägt. Generell lässt sich feststellen, dass der letztgenannte Aspekt in der ostdeutschen Fassung von Bereska viel mehr berücksichtigt wird als in der westdeutschen von Dedecius. Dabei übertrifft Bereska allerdings nicht selten das Original, etwa in der Figurenrede von Panna Młoda (der Braut): „Ihr alle seid unausgeschlafen; / [...].“ (Dedecius) bzw. „Müdigkeit aus euren Glupschen trieft –“ (Bereska) bzw. „Wyście wszyscy niewyspani, / [...].“311 Als Jasiek feststellt, dass er das Goldene Horn, mit dem er zum Freiheitskampf aufrufen sollte, verloren hat, ruft er aus: „[...] / bei Gott! Hab auf der Straße / vergessen das Horn zu blasen; / [...].“ (Dedecius) bzw. „Ach, du Himmel, Arsch und Zwirn, / sollte blasen doch ins Horn; / [...].“ (Bereska) bzw. „Aha; prawda, żywy Bóg, / przecie miałem trąbić w róg; / [...].“312 Vergleichbares zeigt sich in Drozdowskis Drama Kondukt (Trauerzug), in dem insbesondere die Rede Sadybans von Jargon geprägt ist. Dieser charakterisiert sich dadurch selbst als ungebildet, auch ungehobelt. Als das Auto, mit dem der Sarg 309 Bußmann, Hadumod: Lexikon der Sprachwissenschaft. Stuttgart 1983, S. 225. 310 Pfister 2000, S. 178. 311 [w]Dedecius, in: Wyspiański 1992, S. 225; [o]Bereska, in: Wyspiański 1977, S. 147; Wyspiański o.J., S. 204. 312 [w]Dedecius, in: Wyspiański 1992, S. 244f.; [o]Bereska, in: Wyspiański 1977, S. 160; Wyspiański o.J., S. 223. Hierzu Schultze, Brigitte: Kwadratura koła: Wesele Wyspiańskiego w przekładach niemieckich i angielskich. In: Podraza–Kwiatkowska, Maria (Hg.), Stulecie Młodej Polski. Kr. 1995, S. 361–375, hier S. 369: „Bereska stara się o pewną ilość sygnałów podwójnego kodu językowego; jako sygnalizacja mowy odbiegającej od języka literackiego służą mu niektóre cechy mowy potocznej.“
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transportiert wird, für immer stehen bleibt, ruft er entnervt: „[...] dieses Scheißding!“ (Hiller) bzw. „[...] Mistkarre!“ (Bereska) bzw. „[...] sukinsyn!“ (Drozdowski).313 Die groteske Wirkung im Original kommt hier durch den Russizismus „sukinsyn“ (wörtlich: „Hundesohn“) zustande, der gemeinhin eher auf Menschen bezogen wird und nicht auf ein Auto. Dieser Effekt geht in den deutschen Fassungen verloren. Im weiteren Verlauf des Stücks tritt zutage, dass das Ausstoßen von Flüchen eine für Sadyban charakteristische Eigenschaft ist: „Pierunje [...].“ (Hiller) bzw. „Himmeldonnerwetter!“ (Bereska) bzw. „O, jak Boga kocham [...].“314 In Różewicz's Śmieszny staruszek (Der komische Alte) beschreibt die Titelfigur ihr Leben: „Die Zeiten waren schwer, jeder kleinste Dreckhaufen konnte einen zu Fall bringen [...].“ (Boll) bzw. „Es waren damals schwere Zeiten, und man konnte über jeden Sch... stolpern [...].“ (Bereska) bzw. „Czasy były trudne i można się było potknąć na byle g... [...].“315 In Witkiewicz's Mątwa czyli Hyrkaniczny światopogląd (Der Tintenfisch oder die Hyrkanische Weltanschauung) klagt Bezdeka: „Es ist alles derart zum Kotzen [...].“ (Kantor/Taubmann) bzw. „Alles ist so widerwärtig [...].“ (Bereska) bzw. „Wszystko jest tak wstrętne [...].“316 Diesmal wird der Jargon in der westdeutschen Fassung deutlich verstärkt. Nicht nur in Bezug auf Schimpfwörter, sondern auch auf umgangssprachliche Wendungen schlechthin lassen sich in den Übersetzungen große Unterschiede feststellen, so etwa in Iredyńskis Kreacja (Kreation), als Nikt (Niemand) sagt: „[...] Ich würde ganz gerne einen zu mir nehmen.“ (Vogel) bzw. „[...] Ich würde jetzt gern einen kippen.“ (Pitschmann) bzw. „[...] Strzeliłbym jednego.“317 In Różewicz's Stara kobieta wysiaduje (Die alte Frau brütet) ruft Staruszka (Die alte Frau): „Vorsuppe!“ (Pszoniak) bzw. „Kümmre dich um deine eigene Nase.“ (Kelm) bzw. „Nos w sos.“318 Während sich Christa Vogel (West) dem deutschen Standard annähert, übersetzt Birgitt Pitschmann (Ost) sehr umgangssprachlich. Ein anschauliches Beispiel für die verstärkte Wiedergabe von Jargon in ostdeutschen 313 [w]Hiller, in: Drozdowski o.J., S. 5; [o]Bereska, in: Szydłowski 1975, S. 131–169, hier S. 133; Drozdowski 1968, S. 107–143, hier S. 109. 314 [w]Hiller, in: Drozdowski o.J., S. 17; [o]Bereska, in: Szydłowski 1975, S. 131–169, hier S. 139; Drozdowski 1968, S. 107–143, hier S. 115. 315 [w]Boll, in: Różewicz, Der komische Alte. Berlin(–West) 1964 (?), S. 53; [o]Bereska, in: Różewicz, Stücke. Ausgewählt von Jutta Janke. Berlin(–Ost) 1974, S. 135–170, hier S. 144; Różewicz: Teatr I. Kr. 1988. S. 219–255, hier S. 229. 316 [w]Kantor/Taubmann, in: Witkiewicz, Der Tintenfisch oder Die Hyrkanische Weltanschauung. Baden–Baden 1966 (?), S. 52; [o]Bereska, in: Witkiewicz, Stücke. Berlin(–Ost) 1982, S. 127–159, hier S. 151; Witkiewicz: Dramaty 2. Wa. 1998, S. 421–463, hier S. 452. 317 [w]Vogel, in: Iredyński, Kreation. Stück in sechs kurzen Akten. Berlin(–West) o.J., S. 9; [o]Pitschmann, in: Iredyński, Niemand. Stück in sechs kurzen Akten. Berlin(–Ost) 1985 (?), S. 15; Iredyński: Kreacja. Sztuka w sześciu krótkich aktach. In: Dialog 5. Wa. 1984, S. 5–37, hier S. 9. 318 [w] Pszoniak, in: Różewicz, Eine alte Frau brütet. Berlin(–West) 1969 (?), S. 15; [o]Kelm, in: Różewicz, Stücke. Ausgewählt von Jutta Janke. Berlin(–Ost) 1974, S. 289–333, hier S. 300; Różewicz: Dramaty wybrane. Kr. 1994, S. 137–175, hier S. 147.
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Übersetzungen bietet ferner Iredyńskis Stück Żegnaj, Judaszu... (Leb wohl, Judas), worin Jan konstatiert: „Eine Taube hat das Plakat verdreckt.“ (Pilecki) bzw. „Eine Taube hat auf das Plakat geschissen.“ (Scholze) bzw. „Gołąb zapaskudził plakat.“319 Jargon bzw. umgangssprachliche Wendungen sind jedoch nicht nur ein Mittel zur Selbstcharakterisierung, sondern können auch einer anschaulichen Charakterisierung anderer Figuren dienen. Ein entsprechendes Beispiel liegt etwa in Grochowiaks Chłopcy (Die Jungen) vor, indem Jo–Jo über eine Mitbewohnerin des Altenheims sagt: „Unsere Gräfin hat‘s faustdick hinter den Ohren.“ (Boll) bzw. „Aber unsere Gräfin ist auch ein Schelm.“ (Bereska) bzw. „Z naszej hrabiny de Profundis niezła szelmutka.“320 In Herberts Drugi pokój (Das andere Zimmer) wendet sich On (Er) an Ona (Sie): „Du spielst wieder verrückt.“ (Rymarowicz) bzw. „Hab dich nicht.“ (Kunstmann) bzw. „Znów wariujesz.“321 Deutliche Unterschiede liegen bei der Wiedergabe idiomatischer Redewendungen vor, etwa in Różewicz's Śmieszny staruszek (Der komische Alte): „Aber man mußte sich nach der Decke strecken.“ (Boll) bzw. „Aber am Teich steht ja immer der Deich.“ (Bereska) bzw. „Ale wedle stawu grobla.“322 In Świadkowie albo nasza mała stabilizacja (Die Zeugen oder Unsere kleine Stabilisierung) desselben Autors konstatiert Trzeci (Der Dritte): „Die Zeit heilt alle Wunden.“ (Boll) bzw. „Die Zeit ist der beste Arzt.“ (Bereska) bzw. „Czas to najlepszy lekarz.“323 In Wyszedł z domu (Er ging aus dem Haus) findet sich ein in diesem Zusammenhang aufschlussreicher kurzer Dialog zwischen Obcy (dem Fremden) und Młody (dem Jungen): „Was für ein Gras?“ – „Wir hören es wachsen.“ (Boll) bzw. „Wieso Stroh? Versteckt der Alte was im Stroh?“ – „Viel Geschrei und wenig Wolle.“ (Bereska) bzw. „Co trawa, ten stary coś ukrywa w trawie?“ – „Mowa.“324 Hier ist die westdeutsche Fassung von Ilka Boll deutlich idiomatischer als das ostdeutsche Pendant von Henryk Bereska. 319 [w]Pilecki, in: Wirth, Andrzej (Hg.), Modernes Polnisches Theater 2. Berlin(–West) 1964 (?), S. 191–234, hier S. 203; [o]Scholze, in: Iredyński, Leb wohl, Judas... Zwei Dramen und zwei Kurzromane. Leipzig 1983, S. 5–42, hier S. 14; Iredyński: Dziewięć wieczorów teatralnych. Wybór utworów scenicznych. Kr. 1986, S. 57–103, hier S. 68. 320 [w]Boll, in Grochowiak o.J., S. 7; [o]Bereska, in: Szydłowski 1975, S. 83–130, S. 94; Grochowiak 1973, S. 263. 321 [o]Rymarowicz, in: Polnische Dramen. Hg. von Jutta Janke. Berlin(–Ost) 1966, S. 289– 303, hier S. 295; [w]Kunstmann, in: Herbert, Zbigniew, Das andere Zimmer. Frankfurt a.M. 1966, S. 20; Herbert, Zbigniew: Dramaty. Br. 1997, S. 77–102, hier S. 85. 322 [w]Boll, in: Różewicz 1964, S. 55; [o]Bereska, in: Różewicz, Stücke. Ausgewählt von Jutta Janke. Berlin(–Ost) 1974, S. 135–170, hier S. 146; Różewicz: Teatr 1. Kr. 1988, S. 219– 255, hier S. 230f. 323 [w]Boll, in: Różewicz, Gedichte. Stücke. Hg. von Karl Dedecius. Frankfurt a.M. 1983, S. 215–254, hier S. 242; [o]Bereska, in: Różewicz, Stücke. Berlin(–Ost) 1974, S. 97–133, hier S. 124; Różewicz 1988, S. 177–218, hier S. 208. 324 [w]Boll, in: Różewicz, Er ging aus dem Hause. Berlin(–West) 1965 (?), S. 26; [o]Bereska, in: Różewicz 1974, S. 199–255; 217; Różewicz: Dramaty wybrane, Kr. 1994, S. 85–136, hier S. 102.
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Auch der fehlerhafte Gebrauch von Fremdwörtern dient der sprachlichen Selbstcharakterisierung von Figuren. In Drozdowskis Kondukt klagt Sołtys: „[...] mir steckt der Romantismus in den Knochen [...].“ (Hiller) bzw. „[...] mein Rematismus zerpflügt mir die Knochen [...].“ (Bereska) bzw. „[...] mnie remantyz kości porze [...].“ (Drozdowski)325 Unterschiede liegen ferner bei der Wiedergabe von fremdsprachlichen Lexemen als solchen in den Übersetzungen vor. In Iredyńskis Dacza (Die Datsche) wünscht sich Sąsiad (Der Nachbar) wiederholt: „Absolutes Relaxen...“ (Vogel) bzw. „Volle Erholung...“ (Pitschmann) bzw. „Pełny relaks...“ (Iredyński)326 Ein weiterer Aspekt der Problematik von sprachlichem Standard und Varietäten ist die Artikulation, denn auch eine von der Norm abweichende Aussprache kann für eine bestimmte Figur charakteristisch sein. In Kruczkowskis Niemcy (Die Sonnenbruchs; wörtl.: Die Deutschen) begrüßen sich Schultz und Hoppe mit: „Heil Hitler!“ (Holzschuher) bzw. „Heilitla!“ (Ball) bzw. „Ajlitla!“327 In Mrożeks Policja (Die Polizei) ruft Naczelnik policji (Der Kommissar) aus: „Mein Gott, mein Gott.“ (Kunstmann) bzw. „Ogottogott!“ (Zimmerer) bzw. „Boże, Boże...“328 Hier wird im Gegensatz zu dem eben angeführten Beispiel von Kruczkowski in einer der Übersetzungen eine im Original fehlende phonetische Besonderheit geschaffen. Während Kruczkowskis Niemcy in zwei ostdeutschen Fassungen vorliegt, existieren von Mrożeks Policja zwei westdeutsche Varianten. Die Tatsache, dass sich auch in diesen Fällen Abweichungen in den deutschen Fassungen konstatieren lassen, legt nahe, dass die Gründe hierfür nicht in allgemeinen ost– bzw. westdeutschen Übersetzungskonzepten, sondern vielmehr im jeweiligen individuellen ‚Übersetzerstil‘ zu suchen seien. Phonetische Besonderheiten der Figurenrede im Original sind in Übersetzungen naturgemäß nur sehr schwer adäquat wiederzugeben. In diesem Zusammenhang sei ein Beispiel aus Różewicz's Białe małżeństwo (Weiße Ehe) angeführt. Im Dialog mit Paulina sagt Bianka, sie berichtigend: „Alte Kamellen.“ (Lachmann) bzw. „Kamel hatten wir schon.“ (Bereska) bzw. „Nie wielblond, tylko wielbłąd... i już o wielbłądzie było.“329 Viele phonetische Stilisierungen im Haupttext, die zugleich kenn325 [w]Hiller, in: Drozdowski o.J., S. 71; [o]Bereska, in: Szydłowski 1975, S. 131–169, hier S. 168; Drozdowski 1968, S. 107–143, hier S. 142. 326 [w]Vogel, in: Iredyński 1979, S. 9; [o]Pitschmann, in: Iredyński 1980, S. 13; Iredyński 1981, S. 17. 327 [o]Holzschuher, in: Kruczkowski, Die Sonnenbrucks. Stück in drei Akten mit einem Epilog. Leipzig 1951 (?), S. 5; [o]Ball, in: Kruczkowski, Dramen. Berlin(–Ost) 1975, S. 5–70, hier S. 7; Kruczkowski:Dramaty. Wa. 1981, S. 5–75, hier S. 7. 328 [w]Kunstmann, in: Mrożek, Die Polizei. Ein Drama aus der Sphäre der Gendarmen. In: Spectaculum IV. Sechs moderne Theaterstücke. Frankfurt a.M. 1961, S. 197–226, hier S. 206; [w]Zimmerer, in: Mrożek, Stücke 1. Berlin(–West) 1963, S. 9–77, hier S. 30; Mrożek: Teatr 6. Kr. 1963 (Dzieła zebrane ; 12), S. 7–52, hier S. 24. 329 [w]Lachmann, in: Różewicz 1976, S. 9; [o]Bereska, in: Różewicz 1976, S. 11; Różewicz 1994, S. 177–232, hier S. 183.
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zeichnend für die jeweilige Figur sind, finden sich in Wyspiańskis Wesele330. So charakterisiert sich z.B. Panna Młoda (Die Braut): „Ich kann doch nichts.“ (Dedecius) bzw. „Ich kann doch nischte.“ (Bereska) bzw. „Jako, jo nie umiem nic; / [...].“331 Während sie bei Dedecius hochdeutsch spricht, lässt Bereska sie berlinern. Vergleichbares ist in Gombrowicz's Ślub (Die Trauung) in Bezug auf die Figurenrede von Ojciec (Des Vaters) zu beobachten: „[...] Ich vertraue mich Gott, dem Allerhöchsten in der heiligen Dreifaltigkeit und seiner unerschöpflichen Güte, der allerheiligsten Gnade, der allerhöchsten Obhut... [...]“ (Tiel) bzw. „[...] Ich empfehle mich Gott dem Höxten in der Heilichen Dreifaldichkeit und Seiner uhnerschöpflichen Güde, heilixten Gnade, höxten Oppuht... [...]“ (Fieguth) bzw. „[...] Ja Bogu najwyższemu polecam się w Trójcy św. i Jego dobroci niewyczerpany, łasce najświętszy, opiece najwyższy... [...].“332 Während Tiels Übersetzung im Gegensatz zum polnischen Original keine phonetischen Auffälligkeiten zeigt, versucht Fieguth, sich offenbar am Fränkischen orientierend, einen äquivalenten dialektalen Akzent zu schaffen. Gelegentlich weist die Figurenrede in polnischen Dramen fremdsprachliche Passagen auf. Insbesondere bei Różewicz liegen dafür mehrere Beispiele vor, wie in Bezug auf die intertextuellen Bezüge zu Kafka bereits an anderer Stelle angesprochen wurde. Allerdings gibt es in seinen Dramen auch deutsche Passagen ohne explizite intertextuelle Relevanz, wie sich etwa in Kartoteka (Die Kartothek) zeigt, indem Dziewczyna (Das Mädchen) sagt: „Meine Hobbies: Reisen, Bücher, Theater, Kunstgewerbe... ich suche auf diesem Wege einen frohmütigen und charakterfesten Lebensgefährten... ich bin vollschlank, keine Modepuppe...“ (Bereska; Różewicz). Bei Ilka Boll beginnt diese Stelle anders: „Rheinländerin. Meine Hobbies [...].“333 Die westdeutsche Übersetzerin setzt auf diese Weise ein Signal für einen bestimmten Dialekt, wodurch sie auch im Deutschen einen gewissen, wenn330 Hierzu Kröplin, Wolfgang: Stanisław Wyspiańskis „monumentales“ Theater. Untersuchungen über den Zusammenhang von reformatorischem Theaterprogramm und gesellschaftlicher Funktion im Epochenumbruch. [Diss.] Berlin(–Ost) 1985, S. 99: „Sprache ist auch funktionaler Klangkörper. Verschiedene Sprachstile kontrastieren: Poesie und Prosa, hoher Stil und Alltagssprache, Kürze oder Länge der Satzmelodie, Wechsel zwischen langen monologischen Phrasen und Stichomythie. Die Vielfalt der sprachlichen Ausdrucksmittel dient der Charakterisierung der Figuren sowie einer eigenständigen sinnlichen Vermittlung, die durch Kontrast und Verfremdungsfunktion über den reinen Informationswert hinausreicht.“ 331 [w]Dedecius, in: Wyspiański 1992, S. 87; [o]Bereska, in: Wyspiański 1977, S. 57; Wyspiański o.J., S. 76. 332 [w]Tiel, in: Gombrowicz, Witold, Yvonne. Die Trauung. Zwei Dramen. Frankfurt a.M. 1964, S. 77–193, hier S. 106; [w]Fieguth, in: Gombrowicz, Witold, Theaterstücke München / Wien 1997, S. 79–195, hier S. 107; Gombrowicz, Witold: Teatr. Paris 1971, S. 61– 149, hier S. 87. 333 [o]Bereska, in: Różewicz 1974, S. 5–41, hier S. 29; Różewicz 1994, S. 5–51, hier S. 26; [w]Boll, in: Różewicz 1983, S. 177–213, hier S. 200.
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gleich gegenüber dem polnischen Original abgeschwächten Verfremdungseffekt erzielt. Bei Bereska jedoch ist dieser überhaupt nicht erhalten. Ein kurzer Blick soll schließlich noch auf Neologismen geworfen werden, die insbesondere in Witkiewicz's ‚absurdem Theater‘ von Bedeutung sind (vgl. z.B. den Dramentitel Mątwa czyli Hyrkaniczny Światopogląd [Der Tintenfisch oder die Hyrkanische Weltanschauung]). In Gyubal Wahazar geht es um die Erschaffung eines Zwitterwesens namens „Feminus“ (Boll) bzw. „Frauenman“ (Bereska) bzw. „kobieton“.334 Hier wählt ausgerechnet der ostdeutsche Übersetzer einen Anglizismus (Plural: „Frauenmen“) während die westdeutsche Übersetzerin einen Latinismus ‚erfindet‘. Dieser Neologismus stellt gleichzeitig eine Wortwiederholung dar, die das gesamte Drama prägt, und leitet somit schon zum nächsten Abschnitt über. Dieser ist der Lautinstrumentierung und ihrer Wiedergabe in den deutschen Übersetzungen gewidmet. Hierbei sollen zwei Aspekte eingehender betrachtet werden: Wortwiederholungen einerseits und lyrische Digressionen andererseits. Wortwiederholungen stehen in engem Zusammenhang mit der Figurendarstellung, da sich eine dramatische Figur durch eine für sie kennzeichnende Wortwiederholung – oft eine einzige Idiosynkrasie335 – in hohem Maße selbst charakterisiert. Darüber hinaus sind Wortwiederholungen auch als spezifische Variante von Lautwiederholungen zu betrachten, als phonetische und rhythmische Entsprechungen, die sich insbesondere in der Inszenierung dem Rezipienten durch ihre Wiederkehr – und sein Wiedererkennen – einprägen. Dies trifft insbesondere für fremdsprachliche Lexeme aufgrund des Verfremdungseffektes zu: durch die nicht unmittelbare Verständlichkeit wird die Lautgestalt in den Vordergrund gerückt. In Różewicz's Grupa Laokoona (Die Laokoongruppe) wiederholt Dziadek (Der Großvater) mehrfach in Bezug auf die Statue: „Calco in gesso.“336 Solche krassen Beispiele stellen jedoch die Ausnahme dar, wie bereits im Hinblick auf Witkiewicz kurz angesprochen wurde. In Różewicz's Stara kobieta wysiaduje (Die alte Frau brütet) fordert die Titelfigur auffallend häufig: „Zuk–kerr, Zuk–kerr!“ (Pszoniak) bzw. „Zucker–zu, Zucker–zu!“ (Kelm) bzw. „Cukru, cukru!“.337 In Na czworakach (Auf allen vieren) verkündet Pelasia durch das ganze Stück hindurch: „Die Suppe ist auf dem Tisch.“ (Vogel) bzw. „Die Suppe steht auf dem Tisch!“ (Bereska) bzw. „Zupa na stole.“338 Śmieszny staruszek (Der komische Alte) behauptet im gleichnamigen Drama viermal: „Schönheit und Sauberkeit ist die erste Bürgerpflicht“ (Boll) 334 [w]Boll, in: Witkiewicz 1974, z.B. S. 17, 22, 34, 46; [o]Bereska, in: Witkiewicz 1982, S. 63– 126; z.B. S. 79, 83f., 98, 111; Witkiewicz 1998, S. 205–281, z.B. S. 223, 230, 247, 264. 335 Vgl. Pfister 2000, S. 243. 336 [w] Boll, in: Różewicz 1983, S. 255–295, hier S. 264, 267, 275; [o]Rymarowicz, in: Różewicz 1974, S. 43–95, hier S. 53, 57, 65; Różewicz: Teatr I. Kr. 1988, S. 125–176, hier S. 136, 139, 148. 337 [w], in: Różewicz 1969, S. 9, 10, 41, 52; [o]Kelm, in: Różewicz 1974, S. 289–333, hier S. 296, 297, 316, 324; Różewicz 1994, S. 137–175, hier S. 143, 144, 160, 166. 338 [w]Vogel, in: Różewicz 1973; [o]Bereska, in: Różewicz 1986, S. 7–61; Różewicz 1988, S. 51–103.
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bzw. „»Ordnung und Sauberkeit – die Pflicht eines jeden Bürgers«“ (Bereska) bzw. „»Piękność i czystość obowiązkiem każdego obywatela«“ (Różewicz).339 In Wyspiańskis Noc listopadowa (Novembernacht) dienen Wortwiederholungen zum Teil der Verstärkung appellativer Rede; so ruft Pallas beschwörend: „Zu mir! Zu mir! Zu mir!“ – „Zu mir denn, her zu mir!!“ (Odrowąż) bzw. „Kommt doch! Kommt doch! Kommt doch!“ – „He, kommt doch! Kommt doch! Kommt doch!“ (Czechowski) bzw. „Do mnie! Do mnie! Do mnie!“ – „Hej, ku mnie, ku mnie, ku mnie!“. Diese Wortwiederholung setzt sich noch weiter fort, doch sind die folgenden Passagen bei Czechowski gestrichen.340 Wortwiederholungen in Gombrowicz's Ślub (Die Trauung) heben demgegenüber den Monologcharakter der Figurenrede des Henryk hervor: „[...] / Allein / Allein / Aber vielleicht bin ich nicht allein; [...]“ (Tiel) bzw. „[...] / Ich allein / Ich allein / Aber vielleicht bin ich gar nicht allein [...]“ (Fieguth) bzw. „[...] / Ja sam / Ja sam / A może nie jestem sam [...]“341, oder auch: „[...] / Ich allein. / Ich allein. / [...] / Ich allein – betonen wir‘s nochmal –... [...]!“ (Tiel) bzw. „[...] / Ich allein / Ich allein / [...] / Ich allein / Ich allein (betonen wir das noch einmal) ... [...]!“ (Fieguth) bzw. „[...] / Ja sam / Ja sam / [...] / Ja sam / Ja sam (zaznaczmy to jeszcze raz)... [...]!“ 342 Der Vergleich dieser beiden westdeutschen Übersetzungen zeigt, dass die Wortwiederholung von Fieguth konsequenter wiedergegeben wird. Daneben lassen sich in vielen Dramen Wortwiederholungen von punktueller Relevanz beobachten, etwa in Witkiewicz's Matka (Die Mutter), worin Dorota über das Lügen philosophiert: „Heute, in unseren schweren Zeiten, da lügt einer so, zerlügt alles so vom Innersten aus, belügt so sich und die leibliche Mutter, lügt sich so in sich und die anderen, daß ihn niemand, keine Macht der Welt, wieder entlügt. Durchlügen muß er sich bis ans Ende. Und manch einer lügt sich noch um, durch und durch – auch das kommt vor.“ (Zimmermann–Göllheim) bzw. „In unseren heutigen schweren Zeiten kommt so einer derart ins Lügen, daß er alles aus sich herauslügt. Er belügt sich selbst und seine leibliche Mutter; er lügt in sich hinein und in andere, daß ihn keine Kraft mehr entlügen kann. So muß er sich bis zum Ende durchlügen. Es gibt sogar solche, die sich durch– und durchlügen – auch das kommt vor.“ (Dutsch) bzw. „In unseren schweren Zeiten wird einer so verlogen, lügt alles so von innen her, wird sich selber und seine leibliche 339 [w]Boll, in: Różewicz 1964, S. 54 (dreimal), S. 55; [o]Bereska, in: Różewicz 1974, S. 135– 170; 145 (viermal); Różewicz 1988, S. 219–255, hier S. 229f., S. 230 (dreimal). 340 [w]Odrowąż, in: Wyspiański, Die Warschauerin. Novembernacht. München 1918 (Dramatische Werke ; 1), S. 57–303, S. 62f.; [o]Czechowski, in: Wyspiański: Die Novembernacht. Fassung von Andrzej Wajda. Nachdichtung von Heinz Czechowski. Nach einer Interlinear– Übersetzung aus dem Polnischen von Gabriele Bock. Berlin(–Ost) 1980 (?), S. 5; Wyspiański: Noc listopadowa. Kr. o.J. (Dzieła zebrane ; 8), S. 10. 341 [w]Tiel, in: Gombrowicz 1964, S. 79; [w]Fieguth, in: Gombrowicz 1997, S. 81; Gombrowicz 1997, S. 69. 342 [w]Tiel, in: Gombrowicz 1964, S. 173f.; [w]Fieguth, in: Gombrowicz 1997, S. 175; Gombrowicz 1971, S. 135f.
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Mutter belügen, lügt sich so sehr in sich und andere hinein, daß ihn keine Kraft der Welt wieder herauslügt. Er bleibt verlogen ganz und gar. Und manch einer lügt sich durch und durch, das gibt's auch.“ (Bereska) bzw. „Teraz, w naszych ciężkich czasach, taki się tak zakłamie, tak wykłamie wszystko od samego środka, tak okłamie siebie i rodzoną matkę, tak się wkłamie w siebie i w innych, że go nikt, żadna siła, nie odkłamie. Dokłamać się musi do końca. A pojeden to się jeszcze przekłamie na wylot – i to bywa.“343 In Wyspiańskis Wesele (Die Hochzeit) stellt sich die geisterhafte Strohpuppe Chochoł mit einer charakteristischen Wortwiederholung vor: „Wer rief mich her, / was wollte er...“ – „Wer rief mich her, / was wollte er –“ (Dedecius) bzw. „Wer rief mich, / wer wollte was...“ – „Wer rief mich, was wollte er?“ (Bereska) bzw. „Kto mnie wołał, / czego chciał...“344 In Nałkowskas Dom kobiet (Haus der Frauen) ist die Figurenrede der Celina generell von unmittelbar aufeinanderfolgenden Wortwiederholungen geprägt, so dass sie sich fast einer Art Singsang annähert. Genau dies ist jedoch in der westdeutschen Übersetzung nicht erhalten: „Alles wird anders [...].“ (Vogel) bzw. „Alles ist anders, alles ist anders [...].“ (Mika) bzw. „Wszystko jest inne, wszystko jest inne.“345 – „Wie du willst [...].“ (Vogel) bzw. „Wie du willst, wie du willst [...].“ (Mika) bzw. „Jak chcesz, jak chcesz [...].“346 – „Trotz allem.“ (Vogel) bzw. „Trotz allem, trotz allem [...].“ (Mika) bzw. „Pomimo wszystko, pomimo wszystko.“347 Wie eingangs unter Bezugnahme auf Nietzsche bereits kurz erwähnt wurde, berühren lyrische Digressionen nicht nur die Selbstcharakterisierung von Figuren im Drama, sondern auch gattungsgeschichtliche Fragestellungen, da sie auf den Chor der antiken griechischen Tragödie verweisen: Ein modernes Äquivalent zum Chor ist der SONG, wie er in Brechts Theorie und Praxis des epischen Theaters propagiert wurde. Im Unterschied zum herkömmlichen Lied im Drama ist der Song nicht ausschließlich oder überhaupt nicht in der inneren Spielebene motiviert, sondern durchbricht er das innere Kommunikationssystem im direkten ad spectatores.348
Ferner muss im Hinblick auf eingestreute Lieder, Gedichtrezitationen u.ä. mitbedacht werden, ob es sich um ein Drama in gebundener oder in freier Rede han343 [w]Zimmermann–Göllheim, in: Witkiewicz 1970, S. 5; [w]Dutsch, in: Witkiewicz o.J., S. 3; [o]Bereska, in: Witkiewicz 1982, S. 161–215, S. 165; Witkiewicz 1997, S. 161–243, hier S. 168. 344 [w]Dedecius, in: Wyspiański 1992, S. 96; [o]Bereska, in: Wyspiański 1977, S. 62; Wyspiański o.J., S. 84 (zweimal). 345 [w]Vogel, in: Nałkowska 1977, S. 48; [o]Mika, in: Nałkowska 1973, S. 54; Nałkowska 1990, S. 70. 346 [w]Vogel, ebd., S. 70; [o]Mika, ebd. S. 78; Nałkowska, ebd. S. 96. 347 [w]Vogel, ebd., S. 93; [o]Mika, ebd., S. 101; Nałkowska, ebd., S. 125. 348 Pfister 2000, S. 116.
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delt, da dies entscheidende Auswirkungen auf Definition und Funktion solcher lyrischer Digressionen nach sich zieht. Hierzu bemerkt Pfister: [...] die poetische Funktion der metrischen Gebundenheit der Sprache [ist] in einem Versdrama nur im äußeren Kommunikationssystem gegeben und nicht im inneren, denn sonst müßten sich ja die Figuren über diese ‚unnatürliche‘ Redeweise verwundert äußern. Das heißt aber nicht, daß im inneren Kommunikationssystem prinzipiell keine poetische Funktion wirksam werden kann. Dazu bedarf es jedoch ihrer expliziten oder impliziten Thematisierung in den Repliken der Figuren: explizit dadurch, daß Sprecher oder Hörer einer Replik diese als ästhetisch stilisiert und poetisch bezeichnen [...]; implizit dadurch, daß die Repliken einer Figur in pointiertem Kontrast zu denen der übrigen Figuren durch ihre poetische Stilisierung auffallen.349
In diesem Sinne wird die Gebundenheit der eigenen Rede von Henryk, dem Protagonisten in Gombrowicz's Ślub (Die Trauung), thematisiert: Obwohl auch ohne jeden Sinn, Fließt, Reime ihr, so lieblich hin; Möge Rhythmus wie auch Reim So wie Wein berauschend sein! [...]350
bzw. Fehlt auch ein Sinn, magst fließen, Reim Reizender Träume süßer Seim Vermagst in‘s Rhythmus Dunstkreis fein Wohl auch die Krim noch einzureihn! [...]351
bzw. Choć sensu brak, niech płynie rym Czarownych złudzeń słodki dym Niech rytm i rym okręgiem swym Zatoczą koło aż po Krym! [...]352
Insbesondere in Gałczyńskis Sketchesammlung Zielona Gęś (Die grüne Gans) übernimmt der Chor manchmal eine ähnlich kommentierende Funkion wie in der Antike. Dies zeigt sich z.B. im Sketch Dymiący piecyk (Das rauchende Öfchen), worin ein Chór Polaków (Chor der Polen) auftritt: 349 Ebenda, S. 167. 350 [w]Tiel, in: Gombrowicz 1964, S. 176. 351 [w]Fieguth, in: Gombrowicz 1997, S. 178. 352 Gombrowicz 1971, S. 138.
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Das Öfchen brennt – o Wunder! – wieder prächtig, bloß dieses Eselchen – das ist verdächtig.353
bzw. Ein Wunder hat unseren Ofen repariert, doch Porphyrion ist ein verdächtiges Tier.354
bzw. Nasz piecyk cudem zreparowany, lecz Osiołek Porfirion to gość podejrzany.355
Während sich hier keine deutlichen Unterschiede in den Übersetzungen ausmachen lassen, liegt Różas Lied in Nałkowskas Dom kobiet (Haus der Frauen) in einer reimenden, metrisch gebundenen sowie einer verstechnisch freien Variante vor: Aus deiner Hand kam dieser Stoß, mein Herz hat ihn empfangen. Hinter den Lidern die Tränen, hinter den Lippen die Klagen. [...]356
bzw. Das Leid kam mir durch deine Hände Und ruht nun tief im Herzensgrund; Die Tränen fließen ohne Ende, Und nur noch Klagen kennt mein Mund. [...]357
bzw. Z rąk twoich wzięłam tę klęskę, Przyjęłam w serce moje. Łzy płyną z oczów zamkniętych, Skarżą się usta jęczące. [...]358
Das Original ist reimlos und mit Ausnahme des zweiten Verses der ersten Strophe achtsilbig–syllabisch. Während die westdeutsche Fassung von Christa Vogel ebenfalls reimlos, aber rhythmisch frei ist, besteht die ostdeutsche von Viktor Mika aus vierhebigen Jamben und Kreuzreimen. Auf diese Weise verstärkt Mika den romantisierenden Charakter. 353 [w]Dedecius, in: Gałczyński 1969, S. 36. 354 [o]Brätz, in: Gałczyński 1983, S. 38. 355 Gałczyński 1958, S. 376. 356 [w]Vogel, in: Nałkowska 1977, S. 66. 357 [o]Mika, in: Nałkowska 1973, S. 73. 358 Nałkowska 1990, S. 90f.
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Im Hinblick auf die untersuchten polnischen Dramen ist vor allem auffällig, dass lyrische Digressionen gehäuft in Stücken von Różewicz und Witkiewicz vorliegen. In Różewicz's Akt przerywany (Der unterbrochene Akt) beispielsweise singt Czerstwa Kobieta (Die altbackene Frau) ein Lied, in dem das Verrühren von Eiern nicht nur beschrieben, sondern auch graphisch sowie durch die Lautstruktur verdeutlicht wird: Ich rühre dir rühre dir aus zwei Eiern rühre dir [...]
ich rühre dir ein Zucker rühre dir aus zwei Eiern [...]359
bzw. ich schüttle dich und rüttle dich ich schüttle dich und rüttle dich kleines [...]360
bzw. Utrę ci utrę ci z dwóch jaj utrę ci [...]
utrę ci kogiel utrę ci z dwóch jaj [...]361
Die wesentliche Vereinfachung in der westdeutschen Fassung von Ilka Boll, möglicherweise wegen der leichteren Sprechbarkeit, fällt sofort ins Auge. Lyrische Digressionen finden sich in fast allen Różewicz–Dramen, wobei sich in nahezu ausnahmslos allen Fällen eine freiere Wiedergabe in den westdeutschen Übersetzungen gegenüber den ostdeutschen beobachten lässt. Ein besonders anschauliches Beispiel bietet Beniamins „Herbstlied“ aus Białe małżeństwo (Weiße Ehe): 359 [o]Buschmann, in: Różewicz 1974, S. 257–289, hier S. 281. 360 [w]Boll, in: Różewicz 1966, S. 7–49, hier S. 40. 361 Różewicz 1988, S. 383–415, hier S. 408.
Prägung des Polnischen
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Schwül weht herauf die heiße Sommernacht mit schwerem Blütenduft, die Blütenhänge hinunter geht der müde Wind, stumm, still und sacht. Verstummt der Lärm, nur fern verbuhlte Klänge und süßer Flötenton – wie taumelnd streicht ein Vogel kreischend durch des Gartens Gänge – Die Fenster offen, am Balkon verzweigt hängt wilder Wein und schattenhafte Bäume stehn schwarzverworren, Blatt und Haupt geneigt...362
bzw. O komme! O komme zur Herbstzeit in einem Kleid, weiß, duftig, leicht und spinnwebzart; Streue über dein schwarzes Haar all die wunderschönen – Tauperlen aus, funkelnd in des Regenbogens kalten Tönen... O komme zur Herbstzeit – [...]363
bzw. O przyjdź! O przyjdź, jesienią – wdziej szatę lekką, białą, zwiewną, pajęczą; Rzuć na hebanowe swoje włosy perły rosy, Lśniące zimnych barw tęczą... O przyjdź, jesienią – [...]364
Es wird deutlich, dass Peter Lachmann ein eigenes Gedicht verfasst, das mit dem polnischen Original und auch mit der sich daran orientierenden ostdeutschen Fassung von Henryk Bereska kaum noch etwas gemein hat. Verändert ist sogar die Jahreszeit: aus einem Herbst– wird in der westdeutschen Übersetzung ein Sommergedicht, das aufgrund der verlebendigten Natur (z.B. V. 3: „der müde Wind“; 362 [w]Lachmann, in: Różewicz 1976, S. 30f. 363 [o]Bereska, in: Różewicz 1976, S. 21f. 364 Różewicz 1994, S. 177–232, hier S. 193.
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V. 9: „Blatt und Haupt geneigt“) und des Reichtums an Epitheta (z.B. V. 5: „süßer Flötenton“; V. 8: „schattenhafte Bäume“) romantisch, allenfalls expressionistisch wirkt. In Kartoteka (Die Kartothek) tritt Chór starców (Der Chor der Greise) auf, der ähnlich wie Chór Polaków (Der Chor der Polen) bei Gałczyński eine kommentierende Funktion hat. Der Bezug zur Antike zeigt sich diesmal allerdings auch in Lexik und Aussage: Wer in der Wiege die Hydra enthauptet Zentauren wird er zerschmettern der Hölle entreißt er die Siege und fordert den Lorbeer der Götter365
bzw. Legt einer als Kind schon die Hydra in Ketten, wird einst vor der Hölle die Opfer er retten, wird Kentauren zu Fall er bringen, sich vom Himmel den Lorbeer erringen.366
bzw. Dzieckiem w kolebce kto łeb urwał Hydrze, Ten młody zdusi Centaury, Piekłu ofiary wydrze, Do nieba pójdzie po laury.367
Ilka Boll (West) übersetzt hier antikisierend, Henryk Bereska (Ost) hingegen ironisierend. Der freiere Umgang der westdeutschen Übersetzerin zeigt sich auch in der Veränderung der Verszahl und der Stilebene, die um einiges pathetischer ist als bei Bereska und im Original. Für die umgangssprachliche Wendung „urwać łeb“ im ersten Vers wählt sie „enthaupten“. Besonders reich an lyrischen Digressionen ist Odejście Głodomora (Der Abgang des Hungerkünstlers), was sicherlich teilweise auch an den Anklängen an Nietzsches Also sprach Zarathustra liegt (vgl. 3.b.). Hier lassen sich im Grunde dieselben Beobachtungen feststellen, die schon in Bezug auf andere Dramen formuliert wurden. Im 4. Teil singt Głodomór (Der Hungerkünstler) ein „Morgenlied“, das von Bereska (Ost) deutlich originalgetreuer übersetzt wurde als von Lachmann (West). Mitunter werden in der ostdeutschen Fassung sogar die im Deutschen unüblichen 365 [w]Boll, in: Różewicz 1983, S. 177–213, S. 179. 366 [o]Bereska, in: Różewicz 1974, S. 5–41, S. 9. 367 Różewicz 1994, S. 5–51, S. 9.
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polnischen Satzkonstruktionen bewahrt: „auf meine Nase dich setzend“ (Bereska) bzw. „du hast dich auf meine Nase gesetzt“ (Lachmann) bzw. „siadając na nosie“368. Gelegentlich greift Bereska zu archaisierenden Wendungen: „die Morgenröte / von den Bergen schreitet / gefolgt von der Moira Töchtern...“ (Bereska) bzw. „...świt / jutrzenka z gór / stąpa w orszaku / morowych cór...“. Bei Lachmann gibt es hier keine Entsprechung369. Während Bereska reimlos und relativ wörtlich übersetzt, verändert Lachmann die Vers– und Satzstruktur. Er übersetzt ebenfalls rhythmisch frei, aber mit unreinen Reimen und Assonanzen, von denen auch das Original geprägt ist370. Daher lässt sich feststellen, dass Bereska die lexikalische Treue und Lachmann die Wiedergabe der Lautinstrumentierung in den Vordergrund rückt. Zahlreiche lyrische Digressionen in den Dramen von Witkiewicz bestätigen das bisher Gesagte. In Bezimienne dzieło (Das namenlose Werk) singt Girtak als zweiter Totengräber gleich zu Beginn ein kurzes Lied: Oh ihr verwesend kleinen Werke, In die Unendlichkeit der Nacht entrückt, Oh, wie so schwach ist doch die Stärke Des Geistes, den man unterdrückt...371
bzw. Oh, ihr unsäglich kleinen Fakten zu der Unendlichkeit von geilen Katarakten, und elend jene, die da hochrecken das Haupt, sich blähn, sich ducken in den Staub...372
bzw. O wy, znikomo małe fakty, W Nieskończoności czarnych żądz, O, jakże marne są wszystkie akty, Tych, co się puszą, karki swe gnąc...373
Die westdeutsche Fassung von Christa Vogel ist deutlich freier als das ostdeutsche Pendant von Henryk Bereska, was man allerdings erst nach einem Blick auf das Original erkennt. Ohne Übersetzungsvergleich würde man Vogels Variante für 368 [o]Bereska, in: Różewicz 1986, S. 63–105, hier S. 73; [w]Lachmann, in: Różewicz 1980, S. 13; Różewicz 1988, S. 289–330; S. 299. 369 Ebenda. 370 Reimschema: abcdefghihkkaell ([w]Lachmann, in: Różewicz 1980, S. 13) bzw. abcdefghihkhllm (Różewicz 1988, S. 289–330; S. 299). Bei Bereska gibt es hierfür keine Entsprechungen. 371 [w]Vogel, in: Witkiewicz o.J., S. 3. 372 [o]Bereska, in: Witkiewicz 1982, S. 5–62, hier S. 10. 373 Witkiewicz 1998, S. 347–420, hier S. 353.
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wörtlicher halten, da sie leichter verständlich ist und eine klare Aussage enthält. Gerade dadurch entfernt sie sich aber in gewisser Weise von Witkiewicz's ‚absurdem Theater‘. In beiden Übersetzungen bleiben jedoch der appellative Charakter in den ersten beiden Versen sowie die anschließende Reflexion erhalten. Dass lyrische Digressionen selbst bei Witkiewicz im Einklang mit der Tradition nicht selten mit einer Kommentierung einhergehen, zeigt sich in W małym dworku (Im kleinen Landhaus), als Kuzyn (Der Cousin) am Ende seines Gedichtes unter Bezugnahme auf den Titel des Dramas resümiert: Und es sollte doch alles voll Heiterkeit sein Nach dem Nachtmahl, In dem kleinen, dem stillen, Hinter Bäumen verborgenen Landhaus.374
bzw. Dabei hat man gehofft auf behaglichen Abendfrieden, der hat aber diesmal das stille Landhaus gemieden...375
bzw. A taki miał być przyjemny nastrój po podwieczorku W małym, zacisznym, ukrytym w drzewach dworku.376
Die westdeutsche Fassung ist deutlich länger als das ostdeutsche Pendant sowie das polnische Original und zudem reimlos. Die ostdeutsche Übersetzung reimt, wenn auch nicht immer entsprechend der Vorlage. Ferner beschreiben die zitierten Schlussverse in der West–Variante eine idyllische Landschaft, während die Ost–Variante durch die stark umgangsprachliche Wortwahl ironisierend wirkt. Auf die grundsätzliche Problematik der Figurenrede im Versdrama hat Roman Ingarden hingewiesen: Die natürlichen Ausdrucksfunktionen der Rede werden gestört oder überhaupt im Keim erstickt, weil die Intonation der Verse ihre Entfaltung nicht erlaubt. Die Musik der Verse greift sogar oft in den Sinn der Rede ein, weil sie auf die durch die syntaktischen Funktionen geforderten Akzente nicht achtet und ihnen oft entgegenwirkt. Mit anderen Worten: Die
374 [w]Grzyb/Taubmann, in: Witkiewicz 1971, S. 59. 375 [o]Bereska, in: Witkiewicz 1982, S. 217–261, hier S. 244f. 376 Witkiewicz 1998, S. 5–59; hier S. 41.
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Satzmelodie wird oft durch die Versmelodie durchbrochen, die letztere ordnet sich der ersteren nicht unter.377
In den beiden untersuchten Versdramen von Wyspiański, Noc listopadowa (Novembernacht) und Wesele (Die Hochzeit), können lyrische Digressionen folglich nicht an der Gebundenheit der Rede erkannt werden, da diese durchgehend vorliegt und für den Rezipienten kein Unterscheidungskriterium mehr darstellt. Merkmale einer lyrischen Digression sind aber auch in diesen Dramen der Stillstand der Handlung, so dass sich die entsprechenden Passagen aus der narrativen Struktur des Ganzen herauslösen lassen, und auf die Lyrik verweisende Motive, welche zuweilen mit einer besonderen lautlichen Ausgestaltung in der Binnenstruktur (etwa durch Onomatopoetica) verbunden werden. Hierfür finden sich einige Beispiele in Noc listopadowa, etwa wenn Goszczyński visuelle und vor allem akustische Sinneswahrnehmungen mitteilt, die – wie in der Romantik – als ‚Seelenlandschaften‘ verstanden werden können: „Die Bäume klagen, – – Harfenklang – / Der Garten stöhnt – gespensterbang.“ (Odrowąż) bzw. „Die Bäume klagen – Harfenklang. / Der Garten seufzt gespenstisch bang.“ (Czechowski) bzw. „Po drzewach jakaś arfa gra / i ogród jęczy tłumem mar.“378 Hier zeigt sich eine auffallende Ähnlichkeit beider Übersetzungen. Umso größer, besonders hinsichtlich des lautmalenden Charakters, ist der Unterschied im folgenden Beispiel, in dem W. Książę (Der Großfürst) feststellt: „Rischrasch, – – rischrasch – – die Blätter träumen.“ (Odrowąż) bzw. „Shit, shit, shit – shit, shit... / Was flüstern sie?“ (Czechowski) bzw. „szit szit – – szit szit... szit, te liście marzą.“379 In Wesele schließlich ist im Einklang mit dem oben unternommenen Definitionsversuch als lyrische Digression das Lied von Pan Młody (dem Bräutigam) zu betrachten: [...] süß im Traum den trüben Sinnen meines Alltags zu entrinnen. Zu verworren war das Leben, Traum, Musik und Tanz und Mär sollen mir jetzt Tröstung geben – Traum, denn wirr ist unser Leben; [...]380
bzw. 377 Ingarden, Roman: Von den Funktionen der Sprache im Theaterschauspiel. In: Ders., Das literarische Kunstwerk. Mit einem Anhang von den Funktionen der Sprache im Theaterschauspiel. Tübingen 1972, S. 403–425, hier S. 424. 378 [w]Odrowąż, in: Wyspiański 1918, S. 57–303; 135; [o]Czechowski, in: Wyspiański 1980, S. 21; Wyspiański o.J., S. 67. 379 [w]Odrowąż, in: Wyspiański 1918, S. 57–303; 291; [o]Czechowski, in: Wyspiański: 1980, S. 99; Wyspiański o.J., S. 195. 380 [w]Dedecius, in: Wyspiański 1992, S. 55.
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[...] Schön das Spiel und schön der Schlaf, ‘s Leben war mir zu verworren, schön, in Träume zu entfliehn. Schlaf, Musik, das Märchenhafte – gerne hätt‘ ich einen Spielmann – Schlafen – ‘s Leben ist ja so verworren [...]381
bzw. [...] Granie miłe, spanie miłe, życie było zbyt zawiłe, miło snami uciec z życia, sen, muzyka, granie, bajka – zakupiłbym sobie grajka – spać, bo życie zbyt zawiłe. [...].382
So tritt klar zutage, dass Bereska (Ost) prosaisierend übersetzt, nicht nur wegen der Reimlosigkeit, sondern vor allem aufgrund der umgangssprachlich wirkenden Verkürzungen („'s Leben“; „gerne hätt' ich“). Allerdings ist auch Dedecius' Übersetzungskonzept keineswegs unproblematisch: Dedecius […] versuchte die verschiedenen poetischen Traditionen des Originals möglichst genau wiederzugeben. Er bemüht sich um eine Übertragung der verschiedenen Reime – von ganz einfachen, geradezu trivialen, bis hin zu eindeutig gewählten. Hier zeigt sich erneut das Problem der kulturellen Kompetenz des Empfängers: Der Übersetzer ist selbstverständlich nicht in der Lage, den deutschen Leser oder Zuschauer über die Funktion dieser verschiedenen Formen der Versifikation aufzuklären; beispielsweise kann er sie nicht über die Ironie aufklären, die in bestimmten trivialen Reimen implizit vorhanden ist. In den Kategorien von Drama und Theater ausgedrückt: dem Empfänger auf der Seite der Zielkultur bleibt insbesondere die innere Kommunikation verschlossen und unzugänglich.383 (Ü.: CF)
Im Hinblick auf die in diesem Abschnitt dargestellten Sprachprobleme bezüglich der Übersetzung polnischer Dramen ins Deutsche hat sich gezeigt, dass in den Doppelübersetzungen in allen drei Bereichen – Figurenanrede, Standard vs. Varietäten und Lautinstrumentierung – große Abweichungen festzustellen sind. Die Gründe hierfür sind allerdings unterschiedlich: Da das polnische Anredesystem vom deutschen abweicht, können in den Übersetzungen keine wirklichen Äquivalente gefunden werden. Die Übernahme polnischer Anredeformen wirkt im Deut381 [o]Bereska, in: Wyspiański 1977, S. 34f. 382 Wyspiański o.J., S. 45. 383 Schultze 1995, S. 370.
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schen meist archaisierend bzw. antiquiert, mitunter auch ironisch. Der konkrete Übersetzungsvergleich ergab daher viele unterschiedliche Lösungen; eine bestimmte Tendenz in Bezug auf ost– bzw. westdeutsche Übersetzungskonzepte generell ließ sich daraus aber nicht ableiten. Vielmehr kristallisierten sich individuelle ‚Übersetzerstile‘ heraus. Ähnliches gilt für die Problematik des sprachlichen Standards und seiner Varietäten, wobei hier differenziert werden muss: Jargon wird häufig in ostdeutschen Übersetzungen verstärkt wiedergegeben, während die westdeutschen Pendants oft idiomatischer sind, indem sie polnische Redewendungen nicht wörtlich übernehmen, sondern vielmehr durch deutsche Äquivalente ersetzen. Im Hinblick auf die Lautinstrumentierung zeigte sich in fast allen analysierten Dramen eine deutlich freiere Wiedergabe der westdeutschen Übersetzer. Dies trat vor allem in Peter Lachmanns Fassungen von Różewicz–Dramen wie Białe małżeństwo (Weiße Ehe) und Odejście Głodomora (Der Abgang des Hungerkünstlers) zutage, aber z.B. auch in Christa Vogels Übersetzung von Witkiewicz's W małym dworku (Im kleinen Landhaus) sowie in den Arbeiten von Ilka Boll, so dass die Gründe nicht nur in einem individuellen ‚Übersetzerstil‘ liegen können, obwohl dieser immer mit bedacht werden muss. Die westdeutschen Übersetzer bewahren häufiger Lautwiederholungen, Reime und Rhythmisierungen, wobei sie sich lexikalisch oft sehr weit vom Original entfernen, während die ostdeutschen Übersetzer zu ‚wörtlicher‘ Adäquatheit auf Kosten der Lautinstrumentierung neigen.
e. Realia Abschließend soll nun noch der Aspekt der Referenz, d.h. der Bezüge zur ‚außerliterarischen Wirklichkeit‘ in polnischen Dramen sowie ihren ost– und westdeutschen Übersetzungen betrachtet werden. Realia, nichtfiktionale Gegenständlichkeiten wie z.B. geographische Bezeichnungen, stehen in engem Zusammenhang mit dem vielbeschworenen ‚Sitz im Leben‘ des literarischen Kunstwerks. Horst Turk nennt die Ebene der Referenz neben Artikulation und Interpretation als zentrale Kategorie für die Analyse literarischer Übersetzungen.384 Ihre Relevanz speziell für das Drama erläutert er anhand eines Beispiels: Marianne in Horváths Geschichten aus dem Wiener Wald äußert den Satz: „Die Donau ist weich wie Samt –“. Der Satz hat die formale Gestalt eines Vergleichs (Ebene der Artikulation). Er verknüpft auf der Ebene der Realien zwei Bezugsobjekte, von denen das 384 Turk, Horst: Soziale und theatralische Konventionen als Problem des Dramas und der Übersetzung. In: Fischer–Lichte, Erika et alii (Hgg.), Soziale und theatralische Konventionen als Problem der Dramenübersetzung. Tübingen 1988, S. 9–53, hier S. 11.
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eine als real gegeben (Ebene der Referenz), das andere als bloß vorgestellt (Ebene der Interpretation) fingiert ist.385
Da Realia – wie die Namen von Figuren – höchst zeichenhaft sind, kann sich in ihnen ein Hindernis für eine adäquate Aufführung verbergen. Im Folgenden ist der Frage nachzugehen, ob sich in Bezug auf die Wiedergabe von Realia signifikante Unterschiede in den ostdeutschen Übersetzungen gegenüber ihren westdeutschen Pendants feststellen lassen. Die vergleichende Untersuchung der Ebene der Referenz in polnischen Dramen und ihren deutschen Übersetzungen stellt offenbar nach wie vor ein Desiderat der Forschung dar; im Gegensatz zu den bisher in diesem Kapitel analysierten Aspekten kann hier kaum auf Sekundärliteratur zu Fallbeispielen zurückgegriffen werden. Im Hinblick auf die in 3.a formulierten drei Themenschwerpunkte in den untersuchten polnischen Dramen sind in den Übersetzungen auf der Ebene der Referenz Unterschiede vor allem in Stücken anzunehmen, welche politische oder ethische Fragestellungen zum Gegenstand haben. Allerdings gibt es hier einige Ausnahmen: In Gałczyńskis satirischer Sketchesammlung Zielona Gęś (Die Grüne Gans) wird sehr häufig auf die polnische Geschichte wie auch auf die Verhältnisse im kommunistischen Polen angespielt, indem etwa in „Destrukcyjny wpływ kobiet“ („Der destruktive Einfluss der Frauen“) Jan Sobieski, polnischer König von 1674–96, und in ‚Przygoda Paderewskiego‘ czyli ‚Perfidia publiczności‘ (‚Paderewskis Abenteuer‘ oder ‚Die Hinterlist der Publikums‘) der ehemalige polnische Premierminister (1860–1941) auftreten.386 In den Übersetzungen jedoch finden sich bezüglich der Referenz kaum Unterschiede. Dieses Ergebnis kann nicht wirklich überraschen, wenn man bedenkt, dass die Bezüge zur ‚außerliterarischen Wirklichkeit‘ und vor allem deren Überzeichnung ein wesentliches Charakteristikum der Satire sind. Zur Illustrierung kann ein Beispiel aus dem Sketch Osiem dni stworzenia (Die acht Schöpfungstage) dienen: „Im Zusammenhang mit der Verstaatlichung der ‚Grünen Gans‘ waren die Künstler des Kleinsten Theaters der Welt gehalten, ihre curricula vitae nach Warschau einzureichen.“ (Dedecius) bzw. „Im Zusammenhang mit der Verstaatlichung der ‚Grünen Gans‘ wurden die Künstler des kleinsten Theaters der Welt gezwungen, ihre curricula vitae nach Warschau zu schicken.“ (Brätz) bzw. „W związku z upaństwowieniem ‚Zielonej Gęsi‘ artyści NAJMNIEJSZEGO TEATRU ŚWIATA zmuszeni byli przesłać do Warszawy swoje curricula vitae [...].“387 385 Ebenda, S. 15. 386 Vgl. Gałczyński: Próby teatralne 3, Kr. 1958, S. 309–705, hier S. 488, 596. Ders.: Die Grüne Gans. Das kleinste Theater der Welt, deutsch aufgeführt von Karl Dedecius. Frankfurt a.M. 1969, S. 75, 94. Ders.: Die grüne Gans. Übersetzt von Jolanta und Herwig Brätz, Berlin(–Ost) 1983, S. 74, 111. 387 [w]Dedecius, in: Gałczyński 1969, S. 47; [o]Brätz, in: Gałczyński 1983, S. 52; Gałczyński 1958, S. 417.
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In Gombrowicz's Ślub (Die Trauung) überlagern sich innerhalb der Fiktionalität Traum und ‚Realität‘; im Hinblick auf die ‚außerliterarische Wirklichkeit‘ wird diese Verschmelzung verschiedener Ebenen durch Bezugnahmen auf den Ersten Weltkrieg deutlich: „[...] in Nordfrankreich an der Frontlinie [...].“ (Tiel; Fieguth) bzw. „[...] w północnej Francji na linii frontu [...].“ (Gombrowicz)388 Die beiden westdeutschen Übersetzungen sind hier identisch. Kruczkowskis Niemcy (Die Sonnenbruchs) spielt 1943 zunächst im besetzten Polen, Norwegen, Frankreich und anschließend in Göttingen. Die klar auf eine historische ‚Wirklichkeit‘ außerhalb der Literatur verweisende Mehrdeutigkeit des polnischen Titels (wörtlich: „Deutschland“ oder „Die Deutschen“) bleibt in den beiden deutschen Fassungen nicht erhalten, so dass die Fiktion – die Geschichte einer fiktiven Familie – in den Vordergrund rückt.389 Diese auffällige Nähe der beiden Übersetzungen im Hinblick auf die Referenz liegt sicher an der historischen Thematik – Nationalsozialismus und deutsch–polnische Vergangenheit –, die für die ersten Rezipienten des Dramas ja beinahe noch Gegenwart war und aufgearbeitet werden musste; darüber hinaus ist auffällig, dass es sich bei den Übersetzungen um zwei ostdeutsche Fassungen handelt, die ihrerseits wiederum in Abhängigkeit von einer bestimmten politischen Situation entstanden. Noch stärker ausgeprägt als in Stücken mit so klar geschichtlich– politischer Thematik wie Niemcy sind die Bezüge zur ‚außerliterarischen Wirklichkeit‘ zweifellos im Dokumentarspiel, etwa in Moczarskis Rozmowy z katem (Gespräche mit dem Henker). Hier zeigt sich auch der enge Zusammenhang zwischen Personal und Referenz: In Moczarskis dramatisiertem autobiographischem Bericht sind die Figuren – Moczarski selbst und der SS–General Stroop als Antagonist – historische Personen, die Ereignisse aus ihrem eigenen Leben mit dem Anspruch der Authentizität schildern (vgl. 3.c.). In stark autothematischen Dramen hingegen scheinen Bezüge zur ‚außerliterarischen Wirklichkeit‘ auch in den Originalen weniger wahrscheinlich zu sein. Diese im Folgenden zu überprüfende Vorüberlegung steht im Einklang mit Beobachtungen aus der Sekundärliteratur. So bemerkt z.B. Brigitte Schultze in Bezug auf Witkiewicz's Kurka Wodna (Das Wasserhuhn): Der Verzicht auf lebensweltliche Verhältnisse in der Gestaltung von Raum und Zeit, die Verfügbarkeit verschiedener Zeichenträger, die aus ihrem eigentlichen Kontext und aus vertrauten Anordnungen gelöst, also dekontextualisiert und dehierarchisiert sind, wird be388 [w]Tiel, in: Gombrowicz, Yvonne. Die Trauung. Zwei Dramen. Frankfurt a.M. 1964, S. 77– 113, hier S. 81; [w]Fieguth, in: Gombrowicz, Witold, Theaterstücke. München/Wien: Hanser, 1997, S. 79–195, hier S. 83; Gombrowicz, Witold: Teatr. Paris 1971, S. 61–149, hier S. 71. 389 Vgl. Kruczkowski: Dramaty. Wa. 1981, S. 5–75. Ders.: Die Sonnenbrucks. Stück in drei Akten mit einem Epilog. Aus dem Polnischen übertragen von Horst Holzschuher. Leipzig 1951 (?). Kruczkowski: Die Sonnenbruchs. Niemcy. Stück in drei Akten. Übersetzt von Peter Ball. In: Kruczkowski, Dramen. Berlin(–Ost) 1975, S. 5–70.
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reits im Bühnenbild zum I. Akt deutlich. Indem es eine Reihe von Gegenständen, Elementen aus Landschaftsdarstellungen u.a.m. zitiert, verfügt dieses Bühnenbild über ästhetische Codes mehrerer Epochen und Gattungskonventionen [...].390
Dennoch liegen auch bei Witkiewicz vereinzelt Bezugnahmen auf die ‚außerliterarische Wirklichkeit‘ vor, wobei zu unterscheiden ist, ob sie bereits im polnischen Original geboten oder erst in den Übersetzungen geschaffen werden. Der letztgenannte Fall liegt etwa in Oni (Sie) vor, worin Abłoputo proklamiert: „[...] Zersetzung!“ (Grzyb/Taubmann) bzw. „[...] Entartung und Auflösung.“ (Lachmann) bzw. „[...] to degrengolada“.391 Hier wird der Bezug zur Sprache des Nationalsozialismus in einer der beiden westdeutschen Fassungen – in jener von Peter Lachmann – durch das Substantiv „Entartung“ hergestellt. Ähnlich verhält es sich in Mrożeks Policja (Die Polizei) – zumal auch dieses Drama in zwei westdeutschen Übersetzungen vorliegt –, als Więzień (Der Häftling) prophezeit: „Es ist der Tag des allerletzten Sieges [...].“ (Kunstmann) bzw. „Es ist der Tag Ihres Endsiegs [...].“ (Zimmerer) bzw. „Jest to dzień ostatecznego zwycięstwa [...].“392 In Szewcy (Die Schuster) konstatiert Scurvy: „Auch die Menschheit hat Angst vor sich selbst – die Menschheit als Ganzes wird wahnsinnig [...].“ (Niesielska) bzw. „[...] auch die Menschheit fürchtet sich vor sich selbst – sie ist als Sammelwesen samt und sonders dem Wahnsinn verfallen [...].“ (Pilecki) bzw. „[...] auch die Menschheit fürchtet sich vor sich selbst, die Menschheit als Kollektiv ist im Begriff, dem Irrsinn zu verfallen.“ (Bereska) bzw. „[...] ludzkość też boi się samej siebie – ludzkość wariuje jako zbiorowość [...].“393 Hier wählt nur der ostdeutsche Übersetzer, Henryk Bereska, dem Sprachgebrauch der DDR entsprechend, „Kollektiv“ für das polnische Substantiv „zbiorowość“. Ebenso verfährt er in Różewicz's Pułapka (Die Falle), worin Franz äußert: „Er ist der Gemeinschaftsvater [...].“ (Vogel) bzw. „[...] er ist der eine Kollektiv–Vater [...].“ (Bereska) bzw. „[...] to jeden zbiorowy ojciec [...].“394 Die Thematisierung des Nationalsozialismus in diesem Drama tritt klar zutage, in390 Schultze, Brigitte: Das Inventar des Theaters auf dem Prüfstand: Stanisław Ignacy Witkiewiczs Kurka Wodna (Das Wasserhuhn). In: Mennemeier, Franz Norbert und Fischer–Lichte, Erika (Hgg.), Drama und Theater der europäischen Avantgarde. Tübingen/Basel 1994, S. 29–48, hier S. 34. 391 [w]Grzyb/Taubmann, in: Witkiewicz, Jene. Baden–Baden 1968, S. 50 ; [w]Lachmann, in: Witkiewicz, Die da! In: Spectaculum XI. Sechs moderne Theaterstücke. Frankfurt a.M. 1968, S. 275–312, hier S. 293; Witkiewicz: Dramaty 1. Wa. 1996, S. 403–464 , hier S. 432. 392 [w]Kunstmann, in: Mrożek, Die Polizei. Ein Drama aus der Sphäre der Gendarmen. In: Spectaculum IV. Sechs moderne Theaterstücke. Frankfurt a.M. 1961, S. 197–226, hier S. 202; [w]Zimmerer, in: Mrożek, Stücke I. Berlin(–West) 1996, S. 9–77, hier S. 22; Mrożek: Teatr 6, Kr. 1963, S. 7–52, hier S. 20. 393 [w]Niesielska, in: Witkiewicz, Die Schuster, München/Wien 1974 (?), S. 38; [w]Pilecki, in: Witkiewicz, Verrückte Lokomotive. Frankfurt a.M. 1994, S. 197–297, hier S. 219; [o]Bereska, in: Witkiewicz, Die Stücke. Berlin(–Ost) 1982, S. 263–346, hier S. 281; Witkiewicz: Dramaty wybrane. Band 2. Kr. 1997, S. 245–364, hier S. 272.
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dem etwa Franz von den Gaskammern spricht.395 Die damit einhergehende Überlagerung verschiedener Zeit– und Realitätsebenen wird etwa von Mieczysław Dąbrowski beschrieben: Die Ausschnitte aus dem Dichterleben [...] geraten – auf der zweiten Ebene – zunehmend in eine totalitäre, faschistoide Realität. Von der Brutalisierung des Kleinbürgers bis zur Gaskammer von Auschwitz kommen Tatsachen, die Kafka, ein potentielles Opfer, nur erahnen konnte [...].396
Die Bezüge zum Nationalsozialismus werden in beiden Übersetzungen wiedergegeben, sind aber bei Bereska deutlicher zu erkennen, indem Ojciec (Der Vater) prophezeit: „[...] sie werden uns alle vergasen und verbrennen...“ (Bereska) bzw. „[...] sie werden uns alle erwürgen und verbrennen...“ (Vogel) bzw. „[...] oni nas wszystkich wyduszą i spalą...“.397 Auch in Różewicz's Odejście Głodomora (Der Hungerkünstler geht) hebt Bereska die Thematisierung des Nationalsozialismus stärker hervor als Lachmann im westdeutschen Pendant, der hier die Figurenrede des Impresario wörtlicher übersetzt: „da müßte in diesem Käfig schon ein Hitler sitzen“ (Lachmann) bzw. „es sei denn, in dem Käfig säße Hitler“ (Bereska) bzw. „toś w tej klatce musiałby siedzieć jakiś Hitler“.398 Iredyńskis Jasełka moderne (Modernes Krippenspiel) findet in einem Konzentrationslager statt; der Bezug zum Nationalsozialismus als ‚außerliterarischer Wirklichkeit‘ ist somit evident. Dennoch treten in den Übersetzungen schon zu Beginn des Dramas, im ersten Nebentext des 1. Aktes, in Bezug auf die Beschreibung des Schauplatzes Abweichungen zutage: „Ein Lager.“ (Kunstmann) bzw. „Es ist ein Konzentrationslager.“ (Scholze) bzw. „Jest to obóz koncentracyjny.“ 399 Während hier der ostdeutsche Übersetzer die genauere und dem Original angemessene Variante wählt, verhält es sich im weiteren Verlauf im Haupttext des 394 [w]Vogel, in: Różewicz, Falle. Berlin(–West) 1983 (?), S. 72; [o]Bereska, in: Różewicz, Auf allen vieren. Der Hungerkünstler geht. Die Falle. Berlin(–Ost) 1986, S. 107–199, hier S. 166; Różewicz: Dramaty wybrane. Kr. 1994, S. 281–360, hier S. 327. 395 Vgl. [w]Vogel, in: Różewicz 1983, S. 62; [o]Bereska, in: Różewicz 1986, S. 159; Różewicz 1994, S. 321f. 396 Dąbrowski, Mieczysław: „Tadeusz Różewicz“. In: Böttcher, Kurt und Ziegengeist, Gerhard (Hgg.), Literatur Polens – 1944 bis 1985. Einzeldarstellungen. Berlin 1990, S. 453– 471, hier S. 462. 397 [o]Bereska, in: Różewicz 1986, S. 198; [w]Vogel, in: Różewicz 1983, S. 108; Różewicz 1994, S. 351. 398 [w]Lachmann, in: Różewicz, Der Abgang des Hungerkünstlers. Aus dem Polnischen von Peter Lachmann. Berlin(–West) 1980, S. 37; [o]Bereska, in: Różewicz 1986, S. 96; Różewicz: Teatr 2. Kr. 1988, S. 289–330, hier S. 321. 399 [w]Kunstmann, in: Iredyński, Krippenspiel modern (Stille Nacht). Berlin(–West) 1963 (?), S. 1; [o]Scholze, in: Iredyński: Leb wohl, Judas... Zwei Dramen und zwei Kurzromane. Leipzig 1983, S. 43–84, hier S. 45; Iredyński: Dziewięć wieczorów teatralnych. Wybór utworów scenicznych. Kr. 1986, S. 5–55, hier S. 7.
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Stücks umgekehrt, indem Jan ausruft: „Entsetzlich, mein Führer...“ (Kunstmann) bzw. „Abscheulich, mein Feldherr.“ (Scholze) bzw. „Straszne, mój wodzu...“.400 An diesen Beispielen aus Dramen von Różewicz und Iredyński zeigt sich nun – im Unterschied zu den in Bezug auf Witkiewicz formulierten Beobachtungen –, dass auch Autothematik und Referenz mitunter eine enge Verbindung eingehen können. Signifikante Abweichungen in den Übersetzungen finden sich bei der Wiedergabe von Begriffen, die sich auf die spezifisch polnische Geschichte beziehen und für einen ausländischen Rezipienten unverständlich sein dürften. So spricht etwa in Iredyńskis Dacza (Die Datsche) Sąsiad (Der Nachbar) über seine Herkunft: „Meine Familie ist schon seit zweihundert Jahren verarmt, aber die höfischen Juwelen des Adels haben wir nicht vergessen.“ (Vogel) bzw. „Meine Familie ist schon seit zweihundert Jahren verbauert, aber das Erbe der Schlachta haben wir bewahrt.“ (Pitschmann) bzw. „Moja rodzina już od dwustu lat schłopiała, ale o klejnocie szlacheckim nie zapomnieliśmy.“.401 Indem die ostdeutsche Übersetzerin den Begriff „Szlachta“ übernimmt und nur orthographisch dem Deutschen anpasst, setzt sie eine Vertrautheit des Rezipienten mit der historischen polnischen Ständegesellschaft voraus, die in Westdeutschland zweifellos nicht gegeben wäre, so dass im Pendant explikativ „Adel“ als Äquivalent gewählt wird. Ein ähnliches Beispiel, diesmal allerdings auf die jüngste, die kommunistische Vergangenheit Polens bezogen, liegt in Iredyńskis Maria vor, als sich Aktorka (Die Schauspielerin) erinnert: „Herr Balicki war in der Arbeiterpartei [...].“ (Vogel) bzw. „Herr Balicki ein Mitglied der PPR [...].“ (Pitschmann) bzw. „[...] pan Balicki w pepeerze [...].“402 Unterschiede in den Übersetzungen sind jedoch nicht nur im Hinblick auf die Thematisierung der deutsch–polnischen Vergangenheit bzw. historischer oder politischer Ereignisse allgemein festzustellen, sondern zeigen sich auch bei der Wiedergabe von Gegebenheiten des Alltagslebens. In Witkiewicz's W małym dworku (Im kleinen Landhaus) beispielsweise erinnert sich Kozdroń: „Als der Zentner Getreide auf 148 stand.“ (Grzyb/Taubmann) bzw. „Das Pud Getreide kam damals 148.“ (Bereska) bzw. „Co to zboże było po 148 za pud.“403 Nur der ostdeutsche Übersetzer übernimmt die polnische Maßeinheit russi400 [w]Kunstmann, in: Iredyński 1963, 31; [o]Scholze, in: Iredyński 1983, S. 62; Iredyński 1986, S. 28. 401 [w]Vogel, in: Iredyński, Datscha. Stück in drei Akten. Berlin(–West) 1979 (?), S. 10; [o]Pitschmann, in: Iredyński, Die Datsche. Stück in drei Akten. Berlin(–Ost) 1980, S. 14; Iredyński: Dacza. Sztuka w trzech aktach. Wa. 1981, S. 18. 402 [w]Vogel, in: Iredyński: Maria oder Die unbewußte Wiedergutmachung. Berlin(–West) 1980 (?), S. 8; [o]Pitschmann, in: Iredyński: Maria. Berlin(–Ost) 1978 (?), S. 8; Iredyński: Maria. In: Dialog 7. Wa. 1974, S. 60–69, hier S. 61. 403 [w]Grzyb/Taubmann, in: Witkiewicz, Im kleinen Landhaus. Baden–Baden 1971 (?), S. 66; [o]Bereska, in: Witkiewicz: Stücke. Berlin(–Ost) 1982, S. 217–261, hier S. 248; Witkiewicz: Dramaty 2. Wa. 1998, S. 5–59, hier S. 44.
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scher Provenienz, da er offenbar die Vertrautheit des Rezipienten mit ihr voraussetzt. In Różewicz's Świadkowie albo nasza mała stabilizacja (Die Zeugen oder Unsere kleine Stabilisierung) wird bereits im Titel auf die ‚außerliterarische Wirklichkeit‘ Bezug genommen: Der Begriff der „Stabilisierung“ im Titel des Stücks spielt eindeutig auf die späten 50er und frühen 60er Jahre an, als in Polen eine politische und in erster Linie ökonomische Stabilisierung stattfand. Wie auch in den übrigen europäischen Ländern waren Hunger und Not, die nach dem Krieg überall anzutreffen waren, überwunden, und es setzte eine allgemeine Entwicklung zum Wohlstand ein.404
In diesem Drama bittet Kobieta (Die Frau): „Wenn du am Markt vorbeikommst, dann sieh doch bitte, ob es Hühnchen gibt.“ (Boll) bzw. „Wenn du an der Kaufhalle vorbeigehst, sieh mal nach, ob es Suppenhühner gibt.“ (Bereska) bzw. „Jak będziesz przechodził koło hali, zobacz, czy nie ma bitego drobiu.“405 Mit „Kaufhalle“ wählt Bereska einen dem ostdeutschen Rezipienten aus dem täglichen Leben vertrauten Ausdruck, dessen westdeutsches Äquivalent wohl „Supermarkt“ o.ä. lauten würde. Entsprechend verfährt er auch im weiteren Verlauf des Dramas, als Kobieta (Die Frau) in Bezug auf die indische Prinzessin Amina sagt: „Ich habe sie in der ‚Aktuellen Kamera‘ gesehen.“ (Bereska) bzw. „Ich sah sie in einer Filmzeitschrift.“ (Boll) bzw. „Widziałam ją na dodatku filmowym.“406 Während Boll hier ähnlich unbestimmt bleibt wie das polnische Original, übersetzt Bereska klar ‚einbürgernd‘, indem er die offizielle Bezeichnung der allabendlichen Nachrichtensendung des DDR–Fernsehens nennt. In Iredyńskis Kreacja (Kreation) vermutet Nikt (Niemand): „Wegen meiner verrückten Papiere würde ich sowieso nie einen Führerschein bekommen...“ (Vogel) bzw. „Ich würde sowieso keine Fahrerlaubnis bekommen, mit meinem Jagdschein.“ (Pitschmann) bzw. „I tak bym nie dostał prawa jazdy przez wariackie papiery...“.407 In Iredyńskis Seans (Séance) erinnert sich Ona (Sie): „Danach putzte er sich lange die Zähne und spülte sich den Mund mit Odol aus.“ (Vogel) 404 Bauer, Sybille: Theorie und Praxis des Dramas bei Tadeusz Różewicz, Regensburg (Magisterarbeit) 1985, S. 74. 405 [w]Boll, in: Różewicz, Gedichte. Stücke. Herausgegeben von Karl Dedecius. Frankfurt a.M. 1983, S. 215–254, hier S. 222; [o]Bereska, in: Różewicz, Stücke, Berlin(–Ost) 1974, S. 97–133, hier S. 105; Różewicz: Teatr 1. Kr. 1988, S. 177–218, hier S. 187. 406 [o]Bereska, in: Różewicz 1974, S. 109; [w]Boll, in: Różewicz 1983, 226; Różewicz 1988, S. 191. 407 [w]Vogel, in: Iredyński: Kreation. Stück in sechs kurzen Akten. Berlin(–West) o.J., S. 2; [o]Pitschmann, in: Iredyński: Niemand. Stück in sechs kurzen Akten. Berlin(–Ost) 1985 (?), S. 6; Iredyński: Kreacja. Sztuka w sześciu krótkich aktach. In: Dialog 5. Wa. 1984, S. 5– 37, hier S. 5.
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bzw. „Danach putzte er sich lange die Zähne und spülte mit Mundwasser nach.“ (Pitschmann) bzw. „Potem długo mył zęby i płukał usta odświeżającym płynem.“.408 In Maria spricht Aktorka (Die Schauspielerin) von einem „Töchterheim“ (Vogel) bzw. einer „Burse“ (Pitschmann) für polnisch „bursa“409; wenig später erinnert sie sich an Begebenheiten „[...] im sechsten Semester [...].“ (Vogel) bzw. „[...] im dritten Studienjahr [...].“ (Pitschmann) bzw. „[...] na trzecim roku studiów [...].“.410 Anhand solcher signifikanter Varianten – „Führerschein“ vs. „Fahrerlaubnis“ für „prawo jazdy“ – wird deutlich, wie sich in beiden deutschen Staaten auch im Alltagsbereich eine jeweils eigene Lexik herauszubilden begann. Im Hinblick auf die Wiedergabe geographischer Gegebenheiten wie z.B. Ortsnamen lassen sich in den Doppelübersetzungen ebenfalls Unterschiede feststellen. In Drozdowskis Kondukt (Der Trauerzug) etwa beginnt Maciej: „Als wir in der Stadt ankamen [...].“ (Hiller) bzw. „Wie wir in Zabrze ankamen [...].“ (Bereska) bzw. „Jak my przyjechali do Zabrza [...].“.411 Neben der Sprechbarkeit spielen hier sicher auch historische Gründe (Zabrze vs. Hindenburg) eine Rolle für die unterschiedlichen Lösungen in den Übersetzungen. In Iredyńskis Maria spricht Aktorka (Die Schauspielerin) von der „Kreisstadt“ (Vogel) bzw. der „Wojewodschaftsstadt“ (Pitschmann) bzw. „miasta wojewódzkiego“412. In Wyspiańskis Wesele (Die Hochzeit) tritt der Bezug zu Krakau in der ostdeutschen Fassung deutlicher zutage, indem Pan Młody (Der Bräutigam) behauptet: „[...] / wie aus den Tuchhallen–Vitrinen: / [...].“ (Dedecius) bzw. „[...] / von dem Tuchmarkt Sukiennice / [...].“ (Bereska) bzw. „[...] / w Sukiennicach, w gabilotce: / [...].“.413 Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass im Hinblick auf die Wiedergabe von ‚Realia‘ in polnischen Dramen ostdeutsche Übersetzer häufig um dem DDR–Sprachgebrauch entsprechende Äquivalente – wie etwa „Fahrerlaubis“, „Kollektiv“, „Kaufhalle“ – bemüht sind. Für die polnische Gesellschaftsstruk408 [w]Vogel, in: Iredyński: Seance. Stück in zwei Akten, Berlin(–West) 1987 (?), S. 19; [o]Pitschmann, in: Iredyński: Séance. Stück in zwei Akten, Berlin(–Ost) 1989 (?), S. 25; Iredyński: Seans. Sztuka w dwóch aktach. In: Dialog 12. Wa. 1985, S. 5–33, hier S. 15. 409 [w]Vogel, in: Iredyński 1980, 6; [o]Pitschmann, in: Iredyński 1978, 10; Iredyński, 1974, S. 61. 410 [w]Vogel, in: Iredyński 1980, 9; [o]Pitschmann, in: Iredyński 1978, 12; Iredyński 1974, S. 62. 411 [w]Hiller, in: Drozdowski, Der Leichenzug. Hamburg o.J., S. 26; [o]Bereska, in: Szydłowski, Roman (Hg.): Sławomir Mrożek – Tango, Stanisław Grochowiak – Die Jungs, Bohdan Drozdowski – Der Trauerzug. Drei polnische Stücke. Berlin(–Ost) 1975, S. 131–169, hier S. 144; Drozdowski: Utwory dramatyczne. Kr. 1968, S. 107–143, hier S. 119. 412 [w]Vogel, in: Iredyński 1980, S. 6; [o]Pitschmann, in: Iredyński 1978, S. 10; Iredyński 1974, S. 61. 413 [w]Dedecius, in: Wyspiański: Die Hochzeit. Frankfurt a.M. 1992, S. 35; [o]Bereska, in: Wyspiański, Die Hochzeit. Leipzig 1977, S. 21; Wyspiański: Wesele. Kr. o.J., S. 26.
Prägung des Polnischen
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tur charakteristische Ausdrücke wie „Szlachta“ oder „PPR“ werden in den ostdeutschen Übersetzungen beibehalten, weil man sie offenbar beim Rezipienten als bekannt voraussetzt. In den westdeutschen Pendants wird in diesen Fällen explikativ übersetzt, indem z.B. „Szlachta“ mit „Adel“ und „PPR“ mit „Arbeiterpartei“ wiedergegeben werden. Zur ‚außerliterarischen Wirklichkeit‘ im Sinne sozialer Konventionen gehören die Festtage im Jahreskreis. In diesem Zusammenhang ließ sich im hier untersuchten Textkorpus nur eine einzige signifikante Abweichung feststellen, die wiederum in Wesele vorliegt. Gospodarz (Der Gastgeber) konstatiert: „Jahr für Jahr singen wir Weihnachtslieder / vom Jesuskind, Ochs und Hirt, / [...].“ (Dedecius) bzw. „Jahr für Jahr feiern wir Feste, / [...].“ (Bereska) bzw. „[...] / rok w rok idziem po kolędzie / [...].“.414 Der religiöse Bezug wird vom ostdeutschen Übersetzer eliminiert. CF
414 [w]Dedecius, in: Wyspiański 1992, S. 77; [o]Bereska, in: Wyspiański 1977, S. 50; Wyspiański o.J., S. 66.
4. Fallbeispiele (Ost vs. West)
Im Folgenden werden vier Fallbeispiele polnischer Dramatiker und ihrer Dramen auf den deutschen Bühnen bzw. ihre je unterschiedliche Rezeption dargestellt. Es geht um die Dramen von Leon Kruczkowski, Ireneusz Iredyński, Zbigniew Herbert und Tadeusz Różewicz. Mit dieser Auswahl aus den rund 80 polnischen Dramatikern, die nach dem Krieg ins Deutsche übersetzt bzw. in Deutschland aufgeführt worden sind, sollen Stichproben vermittelt werden, die die Eigenart eines ganz bestimmten Œuvres berücksichtigen. Der Bezugsrahmen wird nun also anders gesetzt als in den vorangegangenen Erörterungen, um eine Art Gegenprobe vorzunehmen. Der Name Kruczkowski steht für den spektakulären Beginn der Auseinandersetzung mit der polnischen Dramatik nach dem Krieg im Jahre 1949. An ihm zeigt sich das Politikum des polnischen Dramas in Deutschland zuerst und in einer ganz besonderen Weise. Iredyńskis Werk fügt dem politischen Moment der Anverwandlung eine religiöse Komponente hinzu, die angesichts der innerpolnischen Rolle des Religiösen, nämlich auch Bastion des Nationalgefühls zu sein, bei der Übertragung in die ost– bzw. westdeutsche Kommunikationssituation eine interessante Modifikation erfährt. Herberts Dramen repräsentieren dagegen eine technisch–formale Eigenart, die gewissermaßen auch schon bei Iredyński beobachtet werden kann, nämlich die Tendenz zum Hörstück oder zum Hörspiel. Seine Stücke können als eine wichtige Variante im Bemühen des polnischen Dramas gesehen werden, nach 1956 wieder Anschluss an die Moderne zu finden. Różewicz schließlich vollzieht in dem Prozess der Aufarbeitung der Moderne ohne Zweifel den deutlichsten und folgenreichsten Schritt, zudem in einem umfangreichen dramatischen Werk von insgesamt rund 20 Stücken. Er gehört zusammen mit Witold Gombrowicz und Sławomir Mrożek zu dem „Kleeblatt“ der drei meistgespielten polnischen Autoren in Deutschland, die mittlerweile einen einigermaßen festen Platz im Repertoire deutscher Bühnen haben. Wie unterschiedlich die Dramen der drei Autoren auch immer sein mögen, so lässt sich doch mindestens ein gemeinsames konstitutives Merkmal erkennen: es ist das Merkmal des Grotesken. Das Groteske war auf dem westlichen Theater nach dem Krieg als Theater des Absurden funktionalisiert worden und war nun Ende der 50er Jahre in Polen besonders geeignet, gegen die seit 1947/48 dogmatisch gesetzten Vorgaben des Sozialistischen Realismus zu wirken und die spezielle Absurdität einer Nachkriegsentwicklung darzustellen, die unter dem Signum des Sozialismus abgelaufen war. Dabei darf nicht verkannt werden, dass es, wie schon gesagt, eine innerpolnische Tradition des Grotesken gibt, die sich beispielsweise mit den surrealistischen Stücken von Stanisław Ignacy Witkiewicz (kurz: Witkacy) verbindet
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und die nach 1956 gleichermaßen wiederaufgenommen wird. Da die Behandlung aller drei Dramatiker den Rahmen dieser Monographie gesprengt hätte, fiel die Wahl auf Różewicz quasi als pars pro toto. Für seine Wahl spricht darüber hinaus, dass er im Lande blieb, während Gombrowicz ein sehr spezielles Schicksal und eben auch Rezeptions–Schicksal erlitten hat, lebte er doch seit 1939 in der Emigration. Auch Mrożek lebte und wirkte lange Jahre im Ausland. Das Emigrantendasein der Autoren hat selbstverständlich mit Qualität und Wirkungsmacht der Stücke nichts zu tun, wohl aber mit der Präsenz auf den Bühnen „diesseits“ des Eisernen Vorhanges, insbesondere in der DDR. 1 Und schließlich hat Różewicz eine besondere Verbindung zum deutschen kulturellen Milieu. Das lässt ihn selbstverständlich besonders interessant werden, auch wenn sich diese Verbindung, anders als bei Kruczkowski, eher zwischen den Zeilen zeigt und nicht in dem ausgewählten Gegenstandsbereich.2
a. Leon Kruczkowski (1900–1962) Leon Kruczkowski Gerechtigkeit widerfahren zu lassen, ist schwierig. Einerseits stand er dem nach dem Krieg in Polen etablierten Machtapparat besonders nahe, wie sich an seinen Funktionen ablesen lässt: Kruczkowski war 1945– 1948 Vize–Minister für Kultur und Kunst, 1949–1956 Vorsitzender des polnischen Schriftstellerverbandes, seit 1957 bis zu seinem Tod Mitglied des Staatsrates. Der Übergang von einem Amt zum anderen fällt mit den politischen Wendungen der polnischen Nachkriegsgeschichte zusammen, die anderen – im Unterschied zu Kruczkowski – manchen Unbill brachten. Andererseits verfügte Kruczkowski wohl über eine wirkliche moralische Autorität, schließlich war er als Offizier der polnischen Armee von der deutschen Besatzungsmacht für die Kriegsjahre im Kriegsgefangenenlager festgehalten worden. Er kam also weder aus der UdSSR, noch hatte er sich im Untergrund für eine Widerstandsgruppe entscheiden müssen. Er hatte nicht zur von London aus gelenkten „Armia Krajowa (Heimatarmee)“ gehört, die die Hauptlast des militärischen Widerstandes gegen die deutsche Besatzung getragen hatte und deren Kämpfer nach dem Krieg alsbald diskriminiert und verfolgt wurden. Ebensowenig war er Mitglied der kommunistisch inspirierten „Armia Ludowa (Volksarmee)“ gewesen. Kruczkowskis Wirkung in Deutschland kann gleichsam als Lehrstück für die Anverwandlung der polnischen Dramen– bzw. Theaterkunst an den deut1 2
Zu Mrożek und Gombrowicz werden im Rahmen von Kapitel 5 einige spezielle Überlegungen vermittelt. Vgl. Ubertowska, Aleksandra: Tadeusz Różewicz a literatura niemiecka. Kraków 2001.
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schen Kontext gelten. Das vermutlich erste polnische Stück, das nach dem Krieg überhaupt auf deutschen Bühnen aufgeführt wurde, war Kruczkowskis Stück Niemcy3, wörtlich: Die Deutschen (oder, genau genommen, auch: Deutschland), deutsche Titel: Die Sonnenbrucks / Die Sonnenbruchs4. Das Stück wurde zwischen 1949 und 1952 in der DDR an rund 40 Theatern gespielt und war ein großer, wenn auch zu Teilen wohl propagandistischer Erfolg.5 Kruczkowski ist auf den deutschen Bühnen mit seinen insgesamt fünf Dramen vertreten, von denen drei jeweils nur einmal inszeniert wurden, 6 die also nur eine Art speziellen Hintergrund bilden, und zwar allein im Osten. Im Westen war Kruczkowski mit einem anderen Stück präsent, dem Ersten Tag der Freiheit aus dem Jahre 1959. Beide Dramen, Die Sonnenbrucks wie auch Der erste Tag der Freiheit, nehmen ähnliche Motive auf und machen Deutsche zum Objekt der Darstellung, so dass die besondere Aufmerksamkeit, die diesen Stücken in Deutschland zuteil wurde, zunächst keiner weiteren Erklärung bedarf. Kruczkowski hatte schon
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Erstfassung 1948; um einen Epilog erweiterte Fassung 1949, die in der DDR auf die Bühne gebracht wurde. Es kann selbstverständlich nicht ausgeschlossen werden, dass schon vorher Stücke polnischer Autoren inszeniert worden sind, notabene: zwischen 1945 und 1949!, nur fehlen die entsprechenden Belege. Z.B. heißt es im „Sonntag“, der Zeitschrift des Kulturbundes, „vor kurzem [sei] auch auf Deutsch in Weimar die Komödie Sommer in Nohant“ von Jarosław Iwaszkiewicz aufgeführt worden, i.e. Lato w Nohant (1937), ein Stück über Chopin. Vgl. Reiss, Ernst: Theater und Drama in Polen. Zur Kruczkowski–Aufführung in Berlin. In: Sonntag. Berlin(–Ost), 6.11.1949. Die Inszenierung ließ sich nicht verfizieren, wohl aber ein Indiz dafür, nämlich die Übersetzung des Stückes durch das „Deutsche Nationaltheater“. Vgl. Kuhnke, Ingrid: Polnische schöne Literatur in deutscher Übersetzung 1900–1992/93. Mainz 1995, S. 112. 1. Die Sonnenbrucks. Stück in drei Akten mit einem Epilog. Ü (Ost) Horst Holzschuher (publ. Leipzig 1949); 2. Die Sonnenbruchs. Stück in drei Akten. [Ohne Epilog!] Ü (Ost) Peter Ball (1974; publ. Berlin–Ost 1975). Die Namensform der zweiten Fassung folgt dem polnischen Original. Im Weiteren wird das Stück hier der Einfachheit halber mit dem gängigen deutschen Titel Die Sonnenbrucks zitiert. „Kruczkowski“ als Fallbeispiel bei Misterek, Susanne: Polnische Dramatik in Bühnen– und Buchverlagen der Bundesrepublik Deutschland und der DDR. Wiesbaden 2002, S. 279–283, lässt in dieser Hinsicht leider die kritische Durchdringung vermissen und verlängert somit die Propaganda–Legende, weil die offiziösen Verlautbarungen sozusagen für bare Münze genommen werden. Um das Offiziöse herauszuarbeiten und damit für das allgemeine Werturteil zu eliminieren, soll im Folgenden genauer auf die Inszenierungen in der DDR–Provinz bzw. ihr Presseecho eingegangen werden. Juliusz i Ethel (Julius und Ethel). (1954) DEA 1956 Dresden-Radebeul; Przygoda z Vaterlandem (Das Abenteuer mit dem Vaterland). (1962) DEA 1964 Dessau; Śmierć gubernatora (Der Tod des Gouverneurs). (1961) DEA 1975 Neustrelitz.
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vor dem 2. Weltkrieg ein Stück um Deutsche verfasst.7 In gewisser Weise sind die Deutschen also sein Motiv. Zunächst sollen sich die Erörterungen auf das Erfolgsstück Die Sonnenbrucks konzentrieren. Es besteht in seiner ursprünglichen und 1955 wiederhergestellten Fassung aus drei Akten; der I. Akt gliedert sich zusätzlich in drei Aufzüge (Bilder). Das Drama folgt somit äußerlich der im 19. Jahrhundert kanonisierten Drei– bzw. Fünfteilung, die gern missverständlich unter das „aristotelische Drama“ subsummiert wird, aber eigentlich damit im 20. Jahrhundert eher auf „Anti–Moderne“ verweist. Allerdings ‚stören‘, so gesehen, die drei Bilder des I. Aktes die Einheit des Ortes sowie der Zeit. Es geht um episodische Handlungsausschnitte, die im Sujet nacheinander, von der Logik der Zeit her aber parallel, die deutsche Besatzung in Polen, Norwegen und Frankreich betreffen. Die Akte II und III spielen in Göttingen, im Hause des Professors Sonnenbruck, und sind über Peripetien aufeinander bezogen. Es geht also eigentlich um ein zweiaktiges Drama (Akte II und III), dessen Sujet sich zwischen Vorgriff und Erfüllung „spannend“ entfaltet. Der I. Akt bleibt dagegen Prolog, wenn auch motivisch „im Ausland“. Die Akte II und III zeigen dazu den Kontrast „in Deutschland“. Es existieren weitere motivische Ordnungsmomente und Parallelkonstellationen der Figuren, welche die insgesamt fünf Teile motivisch zusammenfügen. Sie betreffen in summa die Ebene emotionaler Bindungen, wie sie in einem Familiendrama traditionell abgebildet werden, allerdings nach dem Merkmal des oben genannten Kontrastes „Ausland“ vs. „Deutschland“ geordnet. Die abstrahierbare Fabel, die dem Ganzen zugrunde liegt und die sich dramatisch in den Akten II und III entfaltet, stellt Professor Sonnenbruck in den Mittelpunkt. Allerdings ist Sonnenbruck ein passiver Handlungsträger. Er ist eher Patiens, während der Haupthandlungsträger eines Dramas zumindest per Konvention eher Agens zu sein hat, ein „Held“, wie die innere Form dieses Ausdrucks ja schon vermittelt. Sonnenbrucks Passivität wird allerdings zum Thema. Man würde es in den politischen deutschen Termini der Nachkriegszeit „innere Emigration“ nennen. Dieser Ausdruck wird in den Kritiken zuweilen auch verwendet. In Kruczkowskis Text wird von der „deutschen Einsamkeit“ gesprochen. Diese Einsamkeit befähigt Sonnenbruck immerhin, sozusagen kriegswichtige Forschungen zu betreiben. Er ist Professor für Biologie, woran sich je nach Phantasie des Rezipienten verschiedene Vermutungen hinsichtlich der Kriegswichtigkeit anschließen lassen.8 So gesehen ist er ein Täter, der seine Taten gar nicht kennt. Aber das gehört zu den Facetten des Themas. 7 8
Bohater naszych czasów (Daubmann). (1935); wörtlich: Ein Held unserer Zeit (Daubmann). Das Stück wurde nach dem Krieg zu Przygoda z Vaterlandem (Abenteuer mit dem Vaterland) umgearbeitet. Der Professor arbeitet an der „Transplantation von Zellkernen“, wie man am Ende erfährt.
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Die Handlung i.S. einer Ereigniskette verwirklicht sich über andere Figuren. In den geschlossenen Familienkreis, in dem jeder den anderen trotz unterschiedlicher (politischer) Anschauungen respektiert, tritt ein Fremder, der entflohene KZ–Häftling und ehemalige Assistent von Sonnenbruck Joachim Peters, der von dem Professor Hilfe erwartet. Es hilft ihm aber Ruth Sonnenbruck, weil sie die per Denunziation (aus dem Familienkreis!) herbeigerufene Polizei in die Irre führt. In der Logik der dargestellten Welt wird sie zur Verantwortung gezogen werden, ein Vorgang, der schon außerhalb der dargestellten Zeit liegt. Ansatz für die kritische oder unbedingt zustimmende Rezeption war indes zweierlei: 1. Der flüchtige Häftling ist Kommunist und durchschaut quasi als einziger die dargestellte Welt. Er ist eine Art Räsonneur, z.B.: Joachim: Weil ich zu denen gehöre, die sich dem Bösen widersetzen! Die nachts nicht Schätze in Sicherheit bringen, sondern Ketten schleppen und Waffen schmieden. [...] Ich kehre in meine Finsternis zurück, Professor, in die schreckliche deutsche Nacht, aus der ich für einen Augenblick bei Ihnen erschienen bin ... und solange mir die Kraft dazu reicht, werde ich weitergehen. Ich werde aufstehen und fallen [...] bis zur Morgendämmerung.9
2. Für die Situation der Erstaufführung 1949 wurde dem Drama, wie erwähnt, ein Epilog angefügt, „Göttingen 1948/49“. Sonnenbruck gerät in Konflikt mit der britischen Besatzungsmacht, weil er sich seinem ehemaligen Assistenten bzw. der Friedensbewegung im sowjetisch besetzten Teil Deutschlands angeschlossen hat. Er findet zur Tat und kommt „in aufrechter Haltung“ 10 seiner Entlassung zuvor, während die negativen Qualitäten seines Sohnes, des ehemaligen SS–Obersturmführers Willi auf der westlichen Seite offenbar gut verwendet werden können. Der Epilog verlieh mit seinem speziellen Situationsbezug dem Stück das Merkmal des Agitprop. Im Folgenden soll die Bühnenrezeption in der DDR einigermaßen differenziert dargestellt werden. Sie wurde offenbar wesentlich vom ad hoc eingefügten Epilog gesteuert, der damit die ursprünglichen Gewichtungen, wenn man so will: die perspektivische Ausgewogenheit des Stückes, zerstörte. Strukturell gesehen eliminiert der Epilog gerade das Moment des passiven Helden und passt das Stück damit schließlich auch in dieser Hinsicht der sozrealistischen Anti– Moderne an. Außerdem gibt es wohl zeitliche und räumliche Unterschiede in der Rezeption. Je mehr Zeit seit der Erstaufführung verging und je provinzieller die Bühne war, die sich dem Aufführungsreigen innerhalb der DDR anschloss, desto deutlicher werden die Zeugnisse einer gelenkten Rezeption, wie 9 Die Sonnenbrucks. Stück in drei Akten mit einem Epilog. Leipzig 1949, S. 62f. 10 Ebenda, S. 72.
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sie sich in der DDR–Presse manifestiert. Allerdings lassen sich weder Machart oder Qualität der Folge–Inszenierungen erkennen, noch lässt sich eruieren, was die Zuschauer wirklich bewegt hat und warum sie sich das Stück angesehen haben. Es handelt sich einerseits um den üblichen und keineswegs auf sozialistische Verhältnisse beschränkten Sachverhalt in Bezug auf Rezeptionsphänomene. Ihm steht andererseits das historische Wissen um die Lenkung des Theaterbetriebes und der Presse in den sozialistischen Ländern gegenüber, zumal während der Stalin–Zeit, so dass mit den Äußerungen der veröffentlichten Theaterkritik doppelt kritisch umgegangen werden muss. Den glanzvollen Auftakt lieferte am 29. Oktober 1949 die deutsche Erstaufführung in den Kammerspielen des „Deutschen Theaters“ Berlin,11 das sich ja im Sowjetsektor befand, dessen historische Reputation als „Theater Max Reinhardts“ allerdings geschickt genutzt wurde und das wohl auch in seinen künstlerischen Möglichkeiten dem historischen Nimbus entsprach. Die offizielle Gründung der DDR war gerade einmal drei Wochen her, die der Bundesrepublik Deutschland immerhin schon ein knappes halbes Jahr, so dass sich Kruczkowskis Deutsche, seine Sonnenbrucks, in eine Situation einfügten, die vom ‚Ringen um die deutsche Seele‘ von beiden Seiten der Parteiungen des beginnenden „Kalten Krieges“ gekennzeichnet war. Auch wenn es heißt, Kruczkowski habe zunächst der innerpolnischen Schwarz–Weiß–Malerei des Deutschenbildes entgegenwirken wollen, so darf doch nicht vergessen werden, dass Josef Stalin in seiner berühmten Siegesrede am 9. Mai 1945 die allgemeine Richtung vorgegeben hatte, als er erklärte, die Sowjetunion gedenke nicht, Deutschland zu zerstückeln oder zu vernichten.12 Dem lag selbstverständlich ein politisches Kalkül zugrunde, das eben auch in Kruczkowskis ursprünglichem und heute kanonischem Text (ohne den Epilog) als Appell wiedergefunden werden kann. Mit dem Epilog brachte sich das Stück, wie gesagt, in die spezielle zeitgenössische Auseinandersetzung ein. Das auf die Situation berechnete Schlüsselwort hieß „Komitee zur Verteidigung des Friedens“: Bennecke: Es ist notwendig, dass Sie zunächst einmal an sich selbst denken, Professor. Die britischen Behörden nehmen einen ganz präzisen Standpunkt Ihnen gegenüber ein. [...] Kurz, im Militäramt ist man der Ansicht, Sie sollten sich nicht an Aktionen 11 Regie: Martin Hellberg; mit Paul Bildt als Prof. Sonnenbruck und Wolfgang Langhoff als geflohenem KZ–Häftling und „Antifaschisten“ Joachim Peters. Hellberg führte für die Sonnenbrucks auch am Staatstheater Dresden Regie. Diese Inszenierung wurde 1951 als Gastspiel zusammen mit Lessings Emilia Galotti in Warschau gezeigt, als „weitere(n) Beitrag zur Völkerverständigung“. Vgl. TdZ 1951 Heft 17, S. 18–20. 12 Vgl. Lehmann, Hans Georg: Chronik der Bundesrepublik Deutschland. München 1983, S. 15. Schon 1942 hatte Stalin von den „Hitlers, die kommen und gehen“ gesprochen, das deutsche Volk aber bleibe. Vgl. „Befehl des Volkskommissars für Verteidigung Nr. 55“, Moskau, 23. Februar 1942. In: Stalin, J.W., Über den Großen Vaterländischen Krieg der Sowjetunion. Moskau 31946, S. 43–52, hier S. 50.
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beteiligen, die der internationalen Entwicklung zuwiderlaufen... Zum Beispiel an der Aktion der sogenannten Komitees zur Verteidigung des Friedens... [...]13
Die Sowjetunion hatte Ende der Vierziger Jahre eine Friedensbewegung ins Leben gerufen und schließlich in einem „Weltfriedensrat“ kanalisiert, der sich auf dem „I. Weltfriedenskongress“ im April 1949 zeitgleich in Paris und Prag konstituierte. Kruczkowski wurde gewissermaßen folgerichtig 1950 auf dem „II. Weltfriedenskongress“ in Warschau einer der Vizepräsidenten des „Weltfriedensrates“. Hier ist nicht der Ort, den Wendungen der Nachkriegsgeschichte nachzuspüren, wie sie sich in den Stichwörtern Berlin–Blockade, Koreakrise, (deutsche) Wiederbewaffnung, Europäische Verteidigungsgemeinschaft (EVG) etc. manifestieren. Der Hinweis auf den situativen Rahmen, in dem sich das Theater politisch entfaltete, mag genügen. Dass es nach dem verheerenden Krieg überall eine sehr konkrete Friedenssehnsucht gab, ist verständlich. Die sowjetische Politik nutzte hier nur einen bestehenden Konsens. Im erörterten Zusammenhang ist aber fast noch bedeutsamer, dass gerade auch in intellektuellen Kreisen die Überzeugung vorherrschte, die soziale Komponente des Friedens, eine wohlverstandene Gerechtigkeit, lasse sich im „Sozialismus“ am besten verwirklichen.14 Allerdings hatte sich die Sowjetunion aus verschiedenen Gründen als Sachwalter des Sozialismus in Deutschland politisch nicht empfohlen, um es zurückhaltend auszudrücken. Zudem war der gängige Ausdruck „Frieden“ dialektisch mit Inhalten zu füllen, die wiederum bis zu Fügungen wie „Friedenskrieg“ reichen konnten. Und schließlich darf nicht vergessen werden, dass das deutsche Verhältnis zu Polen absolut ungeklärt geblieben war. Der raschen offiziellen Anerkennung der „Oder–Neiße–Friedensgrenze“ durch die DDR entsprach keinesfalls eine mentale Anerkennung in breiten Bevölkerungsschichten Deutschlands, weder im Osten noch im Westen. Alles das muss bei der Einschätzung der Rezeption von Kruczkowskis Erfolgsstück zusätzlich bedacht werden. Jedenfalls überrascht nicht, dass sich am Epilog die Geister schieden. Keine der erreichbaren Theaterkritiken zur Berliner Inszenierung lässt den Bezug auf den Epilog aus, jede trägt somit seiner strukturellen bzw. künstlerischen Problematik Rechnung. Auch dabei muss wohl zwischen den Zeilen gelesen bzw. kritisch geprüft werden, ob die Zustimmung nicht, gewollt oder ungewollt, mit einem impliziten Widerspruch versehen ist: Dieses neueste Stadium der deutschen Misere überlassen die deutschen Bühnenautoren den Leitartiklern. Sie allein sagten bisher auch, daß in der Nationalen Front auch jene 13 Kruczkowski, Die Sonnenbrucks. [Epilog], S. 65. Bennecke ist in der dargestellten Welt Ministerialrat. 14 Vgl. z.B. Kielmannsegg, Peter Graf: Nach der Katastrophe. Eine Geschichte des geteilten Deutschland. Berlin 2000, S. 86–89.
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Kräfte zu Vorkämpfern für den Frieden wurden, die in der Zeit davor sich als ‚Sonnenbrucks‘ in sich selbst verkrochen [...]. Kruczkowski stellt das auf die Bühne. In einer ziemlich handlungsarmen Szene, die aber von den Spannungen vibriert und knistert, zeigt er die Situation, die sich heute einmal im Bonner Separatstaat und zum anderen in der Deutschen Demokratischen Republik manifestiert. Und für die Friedensfront hat der Pole Kruczkowski sein Stück geplant und ausgeführt, hat es zur gleichzeitigen Uraufführung in Warschau und Berlin bestimmt. [...] Wem galt der große Beifall [...]? Weniger der ausgezeichnet, fast psychologisch erfühlten schauspielerischen Leistung aller Beteiligten, als ganz und unbedingt der mitreißenden und die Menschen aktivierenden Klarheit dieses Stückes.15
Das politische Engagement dieser Zeilen legt dennoch die Randbedingungen der Rezeption, das Moment des Agitprop, ziemlich offen. Bei einem westdeutschen Kritiker steht dementsprechend statt „handlungsarm“ das Epitheton „papierknisternd und abgedroschen wie ein östlicher Leitartikel“, aber auch er sieht im „Infernalischen staatlichen Gewissenszwangs am Beispiel Deutschlands unter dem NS–Regime“ die Darstellung „eines echten Konflikts – im Epilog allerdings verbogen.“ Das Stück könne schließlich auch „ein Abbild marxistischer Diktatur“ sein.16 Ähnliches ist im „Telegraf“ und in anderen westlichen Zeitungen zu lesen,17 so dass Fritz Erpenbeck mit einigem Recht feststellte: Gewiß hatte die westlich inspirierte Presse Einwände gegen den Epilog – der Held des Stückes, ein deutscher Biologieprofessor tritt nämlich für die Einheit Deutschlands ein – aber deshalb ist dieser Epilog dennoch nicht eine dramaturgische Hinzufügung des Deutschen Theaters, sondern der vollkommen logische und organische Schluß, wie ihn der polnische Autor schrieb.18
15 Galfert, I.: Die Sonnenbrucks. In: Vorwärts. Berlin(–Ost), 31.10.1949. Dieser „Vorwärts“ war bis Ende 1949 eine Ost–Berliner Tageszeitung, wie der Untertitel „Berliner Volksblatt – Abendblatt der Hauptstadt Deutschlands“ verrät. Die polnische Uraufführung fand übrigens schon am 22.10.1949 in Krakau statt, die Warschauer Aufführung offiziell erst am 5.11.1949. Vgl. Kaczyńska, Jadwiga: Leon Kruczkowski. Monografia bibliograficzna. Br. etc. 1992, S. 98f. 16 Schäfer, E.G.: Deutsche in polnischem Schauspiel. In: Allgemeine Kölnische Rundschau. Köln, 3.11.1949. 17 Z.B. Schwiefert, F.: Der gute Deutsche. In: Telegraf. Berlin(–West), 1.11.1949. 18 Erpenbeck, F.: Die Sonnenbrucks. In: Der Rundfunk. Berlin(–Ost), 3.11.1949. Gleichzeitig teilte er dem DDR–Publikum überhaupt erst mit, dass es mit dem Epilog ein Problem geben könnte!
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Derselbe Erpenbeck war aber mit dem Stück eigentlich nicht recht zufrieden. 19 Er antwortete nämlich auf eine Umfrage der „National–Zeitung“, des Blattes der NDPD, warum es bisher noch kein „so typisches Zeitstück“ auf deutschen Bühnen gegeben habe: Nach meiner Meinung gibt es im Augenblick noch keine deutschen Theaterstücke über dieses Thema. Aber nicht nur das. Ich kenne tschechische und ungarische Schauspiele, die weitaus stärker sind, als dieses soeben uraufgeführte von Leon Kruczkowski. Die künstlerische Situation und das momentane Fehlen einer solchen Thematik in Deutschland ist im Grunde eine Widerspiegelung der vorherrschenden politischen Halbheit, genau wie wir sie im Jahre 1918 hatten. Dazu kommt, daß sich das deutsche Volk nicht selbst befreit hat und so den Abstand, auch den künstlerischen, zu den Problemen vermissen läßt.20
Im „Neuen Deutschland“ schließlich wiederholt er diese Einschätzung und begründet sie zusätzlich damit, dass in Ungarn und der Tschechoslowakei die „historisch–materialistische Kunstästhetik“ schon zu ihrem Recht gekommen sei, in (West–)Deutschland (und implizit in Polen) offenbar nicht, hier gelte noch das „formalistische“21 Prinzip, wie auch das „Deutsche Theater“ etwas nachzuholen gehabt habe. „Die harte Kritik, die an dieser Stelle im Vorjahr manchmal [an der Spielplangestaltung] geübt wurde, ist, weil sie grundsätzlich berechtigt war, fruchtbar geworden.“22 So scheint im Übrigen für einen Moment der verborgene Hintergrund auf, vor dem sich gerade das „Deutsche Theater“ dieses Stückes angenommen hatte. Erpenbeck fährt fort, Polen habe wenigstens einen anderen Seinsstatus (und folglich ein anderes Bewusstsein), weil das polnische Volk „auch die realen Kämpfe gegen den Faschismus aktiv und politisch bewußt geführt und darin gesiegt“ habe. Erpenbecks Fazit kann danach eigentlich nicht überraschen: „Berlin hat ein neues, großes künstlerisches und politisches Ereignis: dieses dramatische Dokument erwachender deutsch–polnischer Freundschaft.“ Er bedient damit die andere, eigentlich sekundäre Linie des Situationsbezuges bzw. der gelenkten Rezeption, die Hervorhebung des polnischen Ursprungs des Stückes als Ausdruck einer Bereitschaft zur Versöhnung. Da von allen Kritikern, auch den westlichen, positiv vermerkt wird, dass es sich ausgerechnet um ein Stück eines polnischen Autors handele, 19 Erpenbeck war als Mitglied der „Gruppe Ulbricht“ aus dem sowjetischen Exil nach Deutschland zurückgekehrt und hatte gerade in der Nachkriegszeit eine Reihe wichtiger Funktionen im Bereich der Kulturpolitik, darunter auch für das Theater, übernommen. Vgl. Barth, Bernd–Rainer et alii (Hgg.): Wer war Wer in der DDR. Frankfurt a.M. 1995, S. 170f. 20 [Anonym]: Ungeschrieben? – Ungespielt?. In: National–Zeitung. Berlin(–Ost), 8.11.1949. 21 Notabene: „formalistisch“ letztlich als negativ gemeinter Euphemismus für die Kunst der Moderne. 22 Erpenbeck, F–: Ein politisches und künstlerisches Ereignis. In: Neues Deutschland. Berlin(–Ost), 30.10.1949. Ebenda auch die folgenden Zitate in diesem Absatz.
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war diese Linie wohl ein genuines und eigentlich nicht bloß propagandistisches Moment der situativen Anverwandlung des Textes. Der Erpenbecksche Griff in das politische Register der „deutsch–polnischen Freundschaft“ ging dabei sicherlich zu weit. Gerade die kanonische Text–Fassung (ohne Epilog) stützt eine solche nur in Deutschland mögliche Konkretisation noch weit stärker. Doch noch einmal zurück zum „Epilog“. Nur in der „Berliner Zeitung“ wurde klipp und klar erklärt, es handele sich bei den „Sonnenbrucks“ um „eine gewaltsam konstruierte Gesamtkonzeption“; denn es gehe hier gerade nicht um den deutschen Jedermann, sondern um das Großbürgertum. Und auf den Epilog „hätte ohne Schaden verzichtet werden können.“23 Diplomatischer drückte sich das Ost–Berliner CDU–Blatt „Neue Zeit“ aus: Die „heutige Gültigkeit“ des Epilogs werde „vielleicht einmal zurücktreten gegenüber dem bleibenden Wert des Stückes.“24 Einen Monat später zitiert wiederum die „Berliner Zeitung“ aus einer vom Kulturbund veranstalteten Diskussion mit Leon Kruczkowski und dem nachmals berühmten polnischen Regisseur Erwin Axer, der bei der Warschauer Aufführung Regie geführt hatte. Es geht um Axers ‚reuevolles‘ Bekenntnis, es sei ein Fehler seiner Regie gewesen, den Epilog zu teilen und dessen erste Hälfte vor den Prolog zu stellen, – man könnte ergänzen: und ihm so die propagandistische Schlagkraft zu nehmen. Damit war der Ausgleich innerhalb der „Berliner Zeitung“ offensichtlich hergestellt.25 Ganz nebenbei bekennt Axer angeblich auch seine Überraschung in Bezug auf den „Realismus“, der auf dem „Deutschen Theater“ bereits vorherrsche. Seine Äußerung bzw. deren Zitat passt komplementär zu dem oben zitierten Urteil von Fritz Erpenbeck und wirft ein Schlaglicht auf die forcierte Umgestaltung des Kunstlebens im Sinne der geltenden marxistisch–leninistischen Kunstdoktrin stalinistischer Prägung. In diesem Sinne auch meldete die offiziöse „Allgemeine Deutsche Nachrichtenagentur“ (ADN) der DDR Kruczkowskis „bewußte Konstruktion, die wesentliche Elemente der politischen und Kriegsschuld Deutschlands in und am Rande einer einzigen Familie aufgefangen“ hat. Aber die Übersetzung sei zu literarisch und die Inszenierung teilweise zu theatralisch.26 Ebenso betonte Walter Victor in der „Weltbühne“ nur die Propagandaseite und forderte die DDR–
23 Eyle, H.U.: ‚Deutsche sind auch Menschen‘. In: Berliner Zeitung. Berlin(–Ost), 1.11.1949. Die „Berliner Zeitung“ zielte auf eine Leserschaft in ganz Berlin! 24 Stammnitz, G.: Die Sonnenbrucks. In: Neue Zeit. Berlin(–Ost), 1.11.1949. 25 Vgl. Ihering, H.: Deutsch–polnische Diskussion. Eine Unterhaltung über das Schauspiel Die Sonnenbrucks. In: Berliner Zeitung. Berlin(–Ost), 1.12.1949. Ihering war 1945 bis 1954 Erster Chefdramaturg des Berliner „Deutschen Theaters“. Vgl. Biographisches Handbuch der SBZ/DDR: s.v. „Ihering, Herbert“, S. 346. [Innerhalb der CD–ROM–Ausgabe „Enzyklopädie der DDR“, S. 12924] Berlin 2000 (Digitale Bibliothek ; 32). 26 ADN, Kulturdienst, Berlin(–Ost), 30.10.1949, unterzeichnet mit „19.05/Gei.“.
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Theater, stellvertretend „Greifswald, Plauen und Naumburg“, auf, das Stück nachzuspielen.27 Und so geschah es auch. Bevor schließlich die Folgeinszenierungen der DDR–Provinz summarisch abgehandelt werden sollen, sei kurz auf die sozusagen „andere“ Seite der publizistischen Auseinandersetzung etwas genauer eingegangen. Die westlichen Zeitungen sparten nicht mit sarkastischen Kommentaren, weil ihre Kritiker in aller Regel das Moment des Agitprop besonders stark wahrnahmen und das Stück bzw. seine Aufführung unter einen generellen Ideologieverdacht stellten. Am krassesten argumentiert der Kritiker der Zeitung „Der Abend“: Hier mein Vorschlag zu des Epilogs II. Teil: Der Professor sitzt im gleichen KZ, in dem seine Tochter unter den Nazis umkam, weil er sich – Biologe ist er – nicht zur allein seligmachenden Lehre Mitschurins bekennen wollte.28
Im „Kurier“ wird die Parallele zwischen Nationalsozialismus und Sowjetkommunismus noch verstärkt, ein Vorbote der im Westen später gängigen Totalitarismus–These: Der linientreue Autor [...] hat auch nicht bemerkt, dass sein KZ–Flüchtling ein lebendes Argument gegen das marxistische System ist. Die Tochter des Professors hat ihn – aus reiner Ritterlichkeit – mit seinem Wissen vor der Gestapo gerettet und ist ihr selbst in die Hände gefallen. Als der (noch unbekehrte) Sonnenbruck ihm vorhält, er habe einen anderen Menschen geopfert, um sich selbst zu retten, erwidert er: Er sei nicht er, sondern die Sache, und darum müsse er Menschen opfern. Diesen Ankläger wider Willen spielt Wolfgang Langhoff mit einer unheimlichen Objektivität: aufdringlich leise, ein schleichender, schäbiger Fanatiker, eine Chiffre der Unmenschlichkeit. Sein rasierter Häftlingsschädel gleicht dem Totenkopf des Systems, dem er sich verschrieben hat.29
Diese Kritiker erkennen wohl mit einer Generalklausel die Grundstruktur des Textes an (Akte I–III vs. Epilog), argumentieren aber zum Zwecke der polemischen Gegenpropaganda allein vom Epilog her. Es gibt allerdings auch andere Stimmen, die sich um eine nachvollziehbare Beschreibung bemühen, wie beispielsweise „Der Tag“, in dem die „Düsterheit“ des Familienbildes 1943 gegen die falsche „Zukunftsgläubigkeit“ des Epilogs abgewogen wird, der „das Ganze zu übler Tendenzmache“ verzerre.30 Das Urteil der Zeit und noch mehr Kruczkowskis eigene Korrektur entsprechen dieser Einschätzung. Bei der Wanderung des Stückes durch die Theater der DDR lässt sich keine Auseinandersetzung in der Presse beobachten, die den gerade beschriebenen 27 28 29 30
Victor, W.: Die Sorgen Europas. In: Die Weltbühne. Berlin(–Ost), 9.11.1949. Barthel, M.: Halbe Sache. In: Der Abend. Berlin(–West), 31.10.1949. Schneider, K.: Terror in Göttingen. In: Der Kurier. Berlin(–West), 31.10.1949. Klenzl, F.: Polnische Anklage und ein Epilog. In: Der Tag. Berlin(–West), 1.11.1949.
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unterschiedlichen Reaktionen vergleichbar wäre. Der Tenor war nun klar: Es ging um den „Friedenskampf“. Alle anderen Verbindungen zur Situation waren nachgeordnet, wurden aber erwähnt, wie etwa der polnische Autor und seltener das Realismus–Postulat oder die Frage der deutschen Einheit, die beide ja auch nur von Fritz Erpenbeck explizit herausgestellt worden waren. Vereinzelt werden Zweifel am Epilog laut, häufiger allerdings auch verdeckt, wie in der Kritik an der Inszenierung des „Mecklenburgischen Staatstheaters“ Schwerin. Es handelte sich im Übrigen um die zweite Inszenierung des Stückes in der DDR – am 8. Februar 1950 – nach der Berliner Uraufführung im Oktober 1949. Regie führte Gottfried Herrmann, „als Gast“. Er hatte die Sonnenbrucks als Hörspiel in den Deutschlandsender gebracht und wurde offenbar für befähigt gehalten, den Aufführungs–Reigen in der ‚Provinz‘ anzuführen. Auch der Hauptdarsteller Heinz Hartmann in der Rolle von Professor Sonnenbruck gastierte nurmehr in Schwerin. Ohne dass man heute die damalige Leistungsfähigkeit des „Mecklenburgischen Staatstheaters“ beurteilen könnte, lassen die beiden Gastrollen doch die Schwierigkeiten ahnen, die mit der Inszenierung generell verbunden waren. Es sei ein „Dialogstück“ und etwas „langatmig“31 bzw. „etwas schleppend angelegt“32: Auf das Gesamte bezogen, darf man sagen, dass es dem Berliner Gast Gottfried Herrmann [...] gelungen ist, im Staatstheater eine Aufführung herzustellen, die wirklich über das Provinzielle hinausgeht. [...] Dennoch gleitet die Aufführung, vor allem in den Szenen mit Professor Sonnenbruck, in eine übermäßige Dehnung, die an die Aufnahmefähigkeit des Publikums fast zu große Anforderungen stellt . [...] Bleibt, wenn man von den anderen, kleineren Rollen absieht – die alle pfleglich durchgearbeitet sind – die Gestaltung des Professors Sonnenbruck von Heinz Hartmann a. G. Ihm fällt gewiss eine der schwersten Aufgaben der Aufführung zu. Es erfordert eine immense Ausdrucksfähigkeit, den in sich zurückgezogenen, wohl klar erkennenden, dennoch passiv–abseitigen Gelehrten darzustellen, diesen Kosmopoliten und Deutschen zugleich. Hartmann versagt ihm das Sensible, jene vieles begreiflich machende flatternde Empfindlichkeit, gibt ihn zu gleichmäßig und ohne das Rückgrat einer Persönlichkeit, so dass das im Epilog gezeigte Emporwachsen schwer begreiflich wird.33
Schiffbruch erlitt offenbar die „Maxim–Gorki–Bühne“ des „Theaters der Deutsch–Sowjetischen Freundschaft“ Schwerin mit ihrer Tournee–Inszenierung für die mecklenburgischen Kleinstädte und das ‚platte Land‘, d.h. die Kultureinrichtungen der „Maschinen–Ausleih–Stationen“ auf dem Lande bzw. der Industriebetriebe. Durch „Typisierung“ und „billige Effekte“ „wurde das Publikum von dem Erfassen des wesentlichen psychologischen Vorgangs abgelenkt 31 wk: Verständnisvolle und verständliche Sprache Kruczkowskis. In: Demokrat. Schwerin, 9.2.1950. 32 [Anonym]: Ein wahrhaftes Zeitstück. In: Norddeutsche Zeitung. Schwerin, 10.2.1950. 33 wk: Verständnisvolle und verständliche Sprache Kruczkowskis. In: Demokrat. Schwerin, 9.2.1950.
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und reagierte durch Lacher an den Stellen, an denen Ergriffenheit am Platze gewesen wäre.“34 So erwies sich, „daß dieses scheinbar so ‚einfache‘ Stück außerordentlich schwer zu inszenieren und zu spielen“ war.35 Nach dem Berliner Vorbild sorgte auch in der DDR der „Kulturbund“ für die notwendige Begleitwerbung, mit öffentlichen Diskussionen davor und danach, und trug Sorge, dass nach der Premiere „auch die Folgeaufführungen gut besucht“ waren36: Leon Kruczkowski hat uns hier ein Stück geschenkt, das jedem etwas zu sagen hat. Gerade jetzt, wo im Westen unseres Vaterlandes die anglo–amerikanischen Imperialisten und ihre Helfershelfer versuchen, durch die Vorbereitung eines Dritten Weltbrandes neues Unheil heraufzubeschwören, sollte jeder Kruczkowskis Mahnung sehen und hören.37
Die Aufführung des Kreistheaters Borna in Sachsen, die auch anderswo im Kreisgebiet gezeigt wurde, bezeichnet in dieser Hinsicht einen Höhepunkt, weil hier die situativen Merkmale das Stück selbst (bzw. seinen Text) völlig in den Hintergrund treten lassen, zumindest nach Ausweis der „Leipziger Volkszeitung“ bzw. des Programmheftes. „Das Kreistheater im Zeichen des Friedenskampfes“ ist ein Bericht überschrieben, in dem dargelegt wird, wie die Schauspieler ihre Meinung zum „Friedenskampf“ auf weißen Karten dokumentiert hatten, die an den Wänden des Theaters aushingen, dass es im Foyer einen „Friedenswinkel“ gab, mit der Weltkugel auf den Farben Schwarz–Rot–Gold, der Friedenstaube und den Porträts von Wilhelm Pieck und Otto Grotewohl. Dort saß „während jeder Vorstellung ein Mitglied des Betriebsfriedenskomitees“, um „mit dem Publikum die gewaltige Bedeutung der Oktoberwahlen“ zu diskutieren.38 Es ging nämlich um die ersten Wahlen zur Volkskammer am 15.10.1950, und der Text des Programmheftes mündet denn auch in einem Wahlaufruf für die „Kandidaten des Friedens“ bzw. die Kandidaten der „Nationalen Front“. So konnte schließlich das Bornaer Theater stolz bilanzieren, es habe mit den Sonnenbrucks bei „insgesamt 20 Vorstellungen, davon
34 h.g.: Mit den Sonnenbrucks auf Tourné. In: Landeszeitung. Schwerin, 16.2.1950. Mecklenburg legte offenbar einen besonderen Eifer bei der Erledigung der propagandistischen Aufgabe an den Tag. 35 wk: Und wieder Die Sonnenbrucks. In: Demokrat. Schwerin, 15.2.1950. 36 So die unmissverständliche Forderung des Volkskorrespondenten der „Leipziger Volkszeitung“ (Ausgabe für den Kreis Borna) vom 22.9.1950 u.d.T. „Dieses Stück geht jeden an!“. 37 Ebenda. 38 inge: Kreistheater im Zeichen des Friedenskampfes. In: Leipziger Volkszeitung. (Kreisseite Borna) Leipzig, 15.9.1950.
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11 in Borna und 9 auswärts, insgesamt 5437 Besucher, davon 1772 in Borna und 3665 auswärts“ erreicht.39 Im Prinzip liefen die propagandistischen Begleitaktionen wohl überall ähnlich ab: Beispielsweise wird in Erfurt auf den Bühnenvorhang ein faksimilierter „Wahlaufruf“ projiziert,40 in Gera verliest ein Ensemble–Sprecher eine „öffentliche Solidaritätserklärung“,41 in Chemnitz hält der Chefdramaturg vor der Aufführung eine Ansprache, in der er „die humanistische Bedeutung des Werkes kennzeichnete“42 usw. Der Intendant des hallischen Thalia–Theaters muss sich rechtfertigen, weil die Schauspieler nicht an der „Friedenskundgebung des Friedenskomitees des Landestheaters“ teilgenommen hatten.43 In Plauen lag die Inszenierung offenbar ziemlich daneben, obwohl zu Ehren von Lenins 80. Geburtstag durch die „Gesellschaft für Deutsch–Sowjetische Freundschaft“ veranlasst und daher unter besonderem Erfolgsdruck.44 Gerade diese Kritiken aus der thüringisch–sächsischen Provinz vermitteln den Eindruck einer gespenstischen Propaganda, die gewiss nicht geeignet war, Zuschauer freiwillig ins Theater zu locken, selbst wenn sich diese dann letzten Endes von Kruczkowskis Stück haben wirklich beeindrucken lassen.45 Zur weiteren Verbreitung des Stückes trugen seine Adaptionen für den Rundfunk und das Kino bei.46 In Polen gehören Die Sonnenbrucks bzw. Niemcy in 39 Vgl. Kreistheater Borna, Intendant Willy Schweighöfer: Rückblick über die Spielzeit 1950/51 im Bild. [Vermutlich Borna 1951] Die Zahlen sind selbstverständlich interessant, weil dergleichen kaum überliefert ist. Ähnliches berichtete die Volksbühne Greiz / Mittweida, die als erstes Thüringer Theater Kruczkowski aufgeführt und rund 9000 Besucher erreicht hatte. (Dazu liegen nur Kopien aus einem nicht näher bezeichneten gedruckten Rückblick „über ein Jahr der Erfolge“ vor.) 40 –er.: Eröffnung der Spielzeit der Städtischen Bühnen – Die Sonnenbrucks, Schauspiel von Leon Kruczkowski. In: National–Zeitung. Berlin(–Ost), 30.9.1950. 41 –trig–: Sieg des politischen Theaters. In: Das Volk. Gera, 3.3.1951. 42 Prien, P.: Die Sonnenbrucks – Mahnung und Warnung. In: Volksstimme. Chemnitz, 7.3.1950. 43 –: Eine Zuschrift von Intendant Kendzia. In: Freiheit. Halle, 10.4.1951. 44 Hofmann, Dr.H.: Das Werk Lenins ist lebendiger denn je. In: Freie Presse. Plauen, 20.4.1950; Appelt, W.: Der Wahn vom deutschen Europa. In: Freie Presse. Plauen, 26.4.1950. 45 Hingewiesen sei auf die positive Erwähnung zweier Inszenierungen in Victor Klemperers bekannten Memoiren (ders., So sitze ich denn zwischen allen Stühlen. [1] Tagebücher 1945–1949. [2] Tagebücher 1950–1959. Berlin 1999). Sie sind Indiz für eine mögliche Betroffenheitsreaktion, die sich ansonsten nur schwer eruieren lässt. Es geht um Berlin und um Halle. Zu Halle heißt es im Übrigen „Einige Scenen sehr schlecht gespielt“. Vgl. zu Berlin [1], S. 704; zu Halle [2], S. 158. 46 Als Hörspiel: Die Sonnenbrucks. Erstsendung: 5. März 1950, Rundfunk der DDR [Deutschlandsender]. Nach den Angaben des Rundfunkarchivs der ARD, vgl. URL: http://livelx.ard.de/radio/hoerspiel_soundart ; 26.1.2005; Regie: Gottfried Herrmann; Ernst Lange als Professor Sonnenbruck. Als Kinofilm: Die Sonnenbrucks. DEFA; Regie: Georg C. Klaren; Eduard von Winterstein als Professor Sonnenbruck. UA 1.3.1951. Vgl.
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den Kanon der Schullektüre. Bemerkenswert ist die Tatsache einer Neuverfilmung 1996 als (US)amerikanisch–polnische Koproduktion47, die aber vielleicht aus einem amerikanischen Interesse entstanden ist. Die Wandlungen der innerdeutschen Politik machten schließlich in der DDR eine Neubewertung notwendig. Im Zusammenhang mit dem 25. Jahrestag seiner Uraufführung bzw. mit Kruczkowskis 75. Geburtstag erschien eine interessante Würdigung aus der Feder des Polonisten Olschowsky von der Humboldt–Universität Berlin (damals –Ost), die einerseits indirekt das Skandalon des Epilogs behandelt, andererseits die Zielrichtung des Stückes neu bestimmt. 48 Darauf sei in aller Kürze eingegangen, weil es zeigt, wie das Stück tatsächlich (politische) Stellungnahmen provoziert hat, wie es tatsächlich, wenn man so will, noch ‚lebt(e)‘, zumindest auf einem Theater zwischen Agitprop und ‚politisch–moralischer Anstalt‘ oder in dessen Rezeptionsgeschichte. Olschowsky hebt im Einklang mit den erkennbaren bzw. publizistisch dokumentierten Absichten des Autors sowie mit dem zugehörigen polnischen Kontext hervor, dass die Personnage differenziert dargestellt werde, nicht polar nach „gut“ und „böse“. Die Rezeption in der DDR um 1950 und der Epilog werden von ihm mit Hilfe des Umwegs über Kritik an einer „Handreichung“ für die Behandlung des Dramas in den DDR–Schulen einigermaßen sybillinisch korrigiert. Schließlich heißt es: Aus dem sonst pauschal behandelten Bereich der Deutschen als den ‚Anderen‘ treten jetzt scharf umrissene Figuren heraus, die eigentlich zum ‚Wir‘ dazugehören und es damit neu konstituieren – als internationale Gemeinschaft der kämpfenden Antifaschisten.49
So mündet diese Argumentation unversehens in der verstärkt seit den 60er Jahren verbreiteten offiziösen Legitimierung der DDR quasi als eines ‚Opfers‘ der Nazizeit. Von einem Stück über die deutsche Einheit ist selbstverständlich keine Rede mehr, der Epilog war ja gestrichen worden und damit dasjenige Motiv im Text selbst, das einst politisch konkretisiert worden war. Die propagandistische Deutung blieb; denn nun wird Sonnenbrucks Assistent Joachim Peters sozusagen zum Haupthandlungsträger. Im Text ist er, wie oben dargelegt, unzweifelhaft Sprachrohr einer politischen Position. Kruczkowskis rezeptionell komplementäres Drama Der erste Tag der Freiheit hatte auf dem Theaterfestival „Théâtre des Nations“ in Paris 1960 offenbar beVerzeichnis der DEFA–Spielfilme seit 1946 in: Wilkening, Albert et alii (Hgg.), Kleine Enzyklopädie. Film. Leipzig 1966, S. 759. 47 Germans. (1996) Regie: Zbigniew Kamiński; Per Oscarsson (Schweden) als Professor Sonnenbruck. Die zahlreichen polnischen Fernsehfassungen vor 1989 seien lediglich erwähnt. 48 Olschowsky, Heinrich: Tua res agitur. Zur Rezeption von Leon Kruczkowskis Die Sonnenbrucks in der DDR. In: Weimarer Beiträge. 1976 (22. Jg.), S. 41–62. 49 Ebenda, S. 47.
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eindruckt50 und so den Weg in die Bundesrepublik gefunden.51 Im Sinne der beschriebenen Spiegelbildlichkeit der Rezeption zwischen Ost– und West– Deutschland wurde der Erste Tag der Freiheit trotz Kruczkowskis ‚Popularität‘ in der DDR erst 1974 übersetzt und aufgeführt.52 In der Bundesrepublik war der Erste Tag der Freiheit nach Brandstaetters Schweigen und Mrożeks Polizei das dritte bzw. vierte53 polnische Stück, das quasi als ‚offizieller‘ polnischer Import zur Aufführung kam, wenn auch nicht ohne Weiteres. Es gab nämlich noch zwei Zwischenstationen, die Ostakademie Lüneburg und die Wiener Festwochen 1961. Noch vor der (angeblichen) Erstaufführung in deutscher Sprache in Österreich Sommer 1961 hatte sich die Ostakademie Lüneburg des Stückes angenommen, offenbar eine eigene Übersetzung verfertigt und den Text im Oktober 1960 der Wanderbühne „Der Morgenstern“ zur Aufführung überlassen. Wegen des − wenn auch geläuterten − „Kommunisten Kruczkowski“ hatte die Ost–Akademie „Bedenken, ob das Stück dem deutschen Publikum zugänglich gemacht werden solle und könne. Das Niedersächsische Vertriebenenministerium lud daher Journalisten und Ostexperten zu einer ‚Testaufführung‘ nach Lüneburg ein.“54 Das Verfahren erinnert an die Tätigkeit der Abnahmekommissionen in der DDR, der UdSSR bzw. vermutlich im gesamten Ostblock. Man könnte auch von ‚Vorzensur‘ sprechen, wenn die Ost–Akademie nicht der Dienstaufsicht des Hannoveraner Vertriebenenministeriums unterworfen gewesen wäre. Dennoch mutet das Verfahren merkwürdig an, zumal die Wanderbühne „Der Morgenstern“ doch ein veritables Theaterunternehmen und demzufolge in seiner Programmgestaltung frei war. Außerdem war gerade dieses Theater eigentlich nicht prädestiniert, „eine aktuelle Begebenheit mit psychologisierenden Differenziertheiten und gleichzeitig ein sehr gewolltes Dialogstück zu bewältigen.“55 Sein Leiter Reinhold Netolitzky hatte sich eher auf die strenge Stilisierung griechischer Dramen oder geistlicher Spiele spezialisiert.56 So war 50 Vgl. z.B. Lépi, E.: Am ersten Tag der Freiheit. Ein polnisches Stück im Pariser ‚Theater der Nationen‘. In: Hannoversche Allgemeine. Hannover, 12.5.1960. Aufführung des Danziger Theaters „Wybrzeże“, Regie: Zygmunt Hübner. 51 Pierwszy dzień wolności (Der erste Tag der Freiheit). (1959) Ü (West) Viktor Mika (1961) DEA 1960 (!) Lüneburg. Zur Übersetzung siehe oben. 52 Pierwszy dzień wolności (Der erste Tag der Freiheit). (1959) Ü (Ost) Peter Ball (1975) [Jahr der Publikation!]; EA (Ost) 1974 Frankfurt/O. 53 Fast zeitgleich mit Różewicz's Drama Kartothek, das Anfang Oktober 1961 in Essen Premiere hatte. 54 Raffert, J.M.: Der erste Tag der Freiheit. Zeitstück aus dem Kreis um Gomułka. In: Göttinger Presse, 28.10.1960. 55 Polcuch, V.: Die Freiheit läßt sich nicht horten. Ein polnisches Lehrstück mit unbequemen Denkaufgaben. In: Vorwärts, 11.11.1960. 56 Vgl. auch einen entsprechenden Bericht in der Wochenschrift „Die Zeit“, 24.4.1959 (http://www.zeit.de/1959/17/Antike–Tragoedien–in–Muenchen ; 22.7.2008) Ebenso widmete sich „Der Morgenstern“ nach 1945 der Fortführung der geistlichen „Oberuferer Spiele“, die ursprünglich zum deutschen Brauchtum aus der Umgebung von Preßburg
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die Reaktion politisch wohlwollend, in Bezug auf die inszenatorische Umsetzung aber eher zurückhaltend. Der Erfolg in Paris hatte wohl auch damit zu tun, dass das Drama in Bezug auf das Thema „Freiheit“ für „von Sartre beeinflußt“ gehalten wurde.57 Nach Lüneburg und Wien kam das Drama also dann in Oldenburg unter der (Gast–)Regie des Bremer Oberspielleiters Walter Jokisch zur eigentlichen westdeutschen Aufführung. Und dabei blieb es dann. Die Handlung des Stückes nimmt Bezug auf die Tage um das Kriegsende. Es ist ein Thesenstück58 und deshalb schwer zu paraphrasieren, wie die relativ hilflosen Bemühungen der Kritiker belegen. Die These wird an fünf just der Gefangenschaft entronnenen polnischen Offizieren und ihrem Gegenüber, einem deutschen Arzt und seinen drei jugendlichen Töchtern, dargestellt, auf die die Offiziere bei ihrem Fußmarsch nach Hause in einer verlassenen deutschen Kleinstadt treffen. Es entwickelt sich per Dialog eine Mischung aus Angst, Verantwortung, Schutzbedürfnis und Hass. Die Mischung explodiert in einer Schießerei, nachdem quasi als deus ex machina die SS in die Stadt zurückgekehrt ist und sich die Machtverhältnisse für einen Moment wieder geändert zu haben scheinen. Auch die These hinterließ letztlich Ratlosigkeit: „Sie dürfte aber lauten: Freiheit muss Menschlichkeit einschließen.“59 Der polnische Literaturwissenschaftler Jan Błoński formulierte 1980 allerdings wesentlich negativer, Kruczkowski wolle demonstrieren, dass allein der marxistische Freiheitsbegriff: die persönliche Abhängigkeit von der historischen Situation, d.i. die Einsicht in die historische Notwendigkeit, Geltung habe.60 In einem war sich die westdeutsche Kritik allerdings einig: Man lernte also kein gutes, aber ein aufschlußreiches Stück kennen. Es zeugt – wenn auch mit anderen Stilmitteln, aber aus gleicher Gesinnung wie etwa Różewiczs kürzlich in Essen herausgekommene Kartothek – von dem Willen zur Versöhnung. Eine Hand wird aus Polen gereicht, und wir sollten sie nicht übersehen.61
Diese Position wird einerseits auch in der DDR ausgedrückt und gehört dort noch deutlicher zum festen Bestand einer Legitimierung polnischer Stücke als im Westen. Wenn es etwa heißt, der polnische Gast–Regisseur Marek Okopiń-
57 58 59 60 61
[Bratislava] gehört hatten. (Vgl. http://www.kloster–rohr.de/Kloster/Nachlese/Spiele/ spiele.html ; 22.7.2008) Im Übrigen zeigt sich hier wohl die Verbindung zum Vertriebenenmilieu. Lépi, E.: Am ersten Tag der Freiheit. Ein polnisches Stück im Pariser ‚Theater der Nationen‘. In: Hannoversche Allgemeine. Hannover, 12.5.1960. Błoński, Jan: Przepis na dramat z tezą. In: Dialog. 1980 Nr. 12, S. 97–105. Berndt, H.: Die Offiziere und die Freiheit. In: Münchner Merkur [o.D. , wahrscheinlich Mitte Oktober 1961]. Ders. auch in: Weser–Kurier, 13. 10. 1961. Błoński, Jan: Przepis na dramat z tezą. In: Dialog. 1980 Nr. 12, S. 97–105., S. 104. Luyken, S.: Auch die Freiheit macht nicht frei. In: Der Mittag (Düsseldorf), 17. 10. 1961.
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ski könne in Rostock „30 Jahre nach Kriegsende [...] bei seiner Inszenierung von der festen, unverbrüchlichen Freundschaft zwischen Polen und der DDR ausgehen“62, wird darüber hinaus auch die DDR–offiziöse Perspektive dieser politischen Position mitvermittelt. Andererseits muss daran erinnert werden, dass erst Mitte der 70er Jahre bestimmte polnische Gegenwartsstücke in der DDR wieder möglich wurden. Die „Tage der polnischen Theaterkunst“ 1975, in deren Rahmen auch Kruczkowski wieder zu Ehren kam, waren der deutlichste Anlass, die Quarantäne aufzuheben, die über einen speziellen Teil des polnischen Gegenwartsdramas bzw. –theaters wegen der sogenannten „anti– sozialistischen Tendenzen“63 ab 1956 verhängt worden war. So ist bemerkenswert, dass zwei ost–deutsche Aufführungen von polnischen Gastregisseuren inszeniert wurden; 1975 in Rostock eben von Marek Okopiński (Danzig [Gdańsk]) und in Halle von Maciej Prus (Warschau [Warszawa]). Die DDR– Erstaufführung 1974 am Kleist–Theater Frankfurt/Oder (Regie: Günther Klingner)64 und die Folgeaufführung 1975 am berühmten „Berliner Ensemble“ (Regie: Jürgen Pörschmann und Günther Schmidt) wagten sich an Kruczkowski mit einer völligen Eigenproduktion. Wolfgang Kröplin schreibt in der DDR–Zeitschrift „Theater der Zeit“ über die drei Inszenierungen des Jahres 1975: Auf den ersten Blick mochte die Stück–Entscheidung wohl als eine wichtige, jedenfalls auch als eine ‚sichere‘ erscheinen, als der ‚einfachste‘ Weg. Das Ergebnis freilich weist solche Meinung als leichtfertig und oberflächlich aus. Sie unterschätzt die inhaltliche und ästhetische Potenz des Werkes, auch die ihm eigene Herausforderung der Ensembles und der Regie.65
In seiner verklausulierten Erklärung nennt Kröplin ein Geflecht von Bedingtheiten, wie den „vielschichtigen philosophischen Diskurs“, die Doppelbindung an die dargestellte Geschichtszeit 1945 und die Situation in Polen des Jahres 1956 (!), die „nicht unbeeinflusst war vom Sartreschen Existenzialismus–Gedanken“, sowie die zeitgenössische Situation des „verschärften ideologischen Klassenkampfes“ Mitte der siebziger Jahre. Historische Konkretheit und philosophischer Dialog, „letzteres überhaupt eine uns neue Aufgaben stellende Eigenart der polnischen Dramatik“, bilden laut Kröplin den Kern aller Schwierigkeiten bzw. von deren Lösung. Alles das sind Chiffren, deren Klartext sich einerseits politisch–historisch aus den genannten Daten 1945–1956–1975 ergibt. Über deren Bedeutung wird einfach nicht offen geredet. Zudem lesen sich die 62 Lorenz, H.: Der erste Tag der Freiheit. In: Ostsee–Zeitung, 31.10.1975. 63 Vgl. ebenfalls die Ostsee–Zeitung, wie oben Kapitel 2, S. 46. 64 Zu deren Schwächen vgl. Linzer, M.: Der erste Tag der Freiheit. In: TdZ (Ost–Berlin) 1974 Heft 7, S. 43–44. 65 Hier und im Folgenden Kröplin, W.: Der erste Tag der Freiheit. In: TdZ 1976 Heft 2, S. 14– 16.
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Chiffren womöglich als Kritik am Stück selbst und nicht nur an den mehr oder weniger unzureichenden Inszenierungen dieser „Eigenart der polnischen Dramatik“.66 Der „sichere Weg“, nämlich für die „Polnischen Theatertage“ das Stück eines polnischen Alt–Kommunisten zu inszenieren, vielleicht an den in den Kritiken immer wieder beschworenen Erfolg der Sonnenbrucks anzuknüpfen und damit ideologisch auf der „sicheren Seite“ zu sein, erwies sich eben als Irrweg. Merkwürdig bleibt nur, dass sich Kruczkowskis Drama sozusagen ‚linientreu‘ konkretisieren lässt, wie der obige Hinweis auf Błoński (1980) belegt, und zwar unter der Voraussetzung, es als „Thesenstück“ oder gar „Tendenzstück“ ästhetisch abzuwerten. Dennoch war das eigentliche Skandalon wohl der mögliche Bezug auf Sartre und den Existenzialismus, über den alle Kritiker schreiben, in der Provinz zudem mit stark abwertender Tendenz. Der Existenzialismus passte selbstverständlich nicht in das ‚sozialistische Menschenbild‘. Im Unterschied zu Westdeutschland wurde Kruczkowski aber in der DDR wirklich ernst genommen, wie allein schon die beteiligten Theater bezeugen. Dem Lüneburger „Morgenstern“ und dem Oldenburger Stadttheater stehen im Osten die Hauptstadt Berlin sowie die Bezirkshauptstädte Rostock, Halle und Frankfurt/Oder gegenüber, so dass man eigentlich nicht vergleichen kann. Allerdings liefert Wolfgang Kröplin auch für die Unvergleichbarkeit ja eine Erklärung mit seiner Vermutung, die Theater hätten bei der notwendigen Auswahl aus polnischen Gegenwartsstücken eine „sichere“ Entscheidung treffen wollen. Trotz des ‚Kasus Lüneburg‘ wurden in Westdeutschland Spielpläne generell nach anderen Gesichtspunkten zusammengestellt. Bundesweite ‚Theatertage‘ in dieser Form waren überdies nicht nur wegen der föderalen Struktur der westdeutschen Republik ausgeschlossen. So lässt sich denn das Fazit ziehen, dass Kruczkowskis Faible für die Deutschen als Thema seiner Stücke und seine Reputation bzw. seine Linientreue ihn zu dem ersten politischen Gegenwartsautor polnischer Zunge auf den deutschen Bühnen werden ließen, d.h. auch zum ersten polnischen Dramatiker, der nach dem Krieg überhaupt aufgeführt worden ist. Mit seinem Stück Die Sonnenbrucks setzte die Rezeption polnischer Dramen in Deutschland als großer propagandistischer Erfolg im Oktober 1949 ein, wenn auch zunächst nur im Ostteil. Erst 1958 fand Kruczkowski mit dem Drama Der erste Tag der Freiheit seinen Weg auch nach Westen, ohne dass ihm mehr denn ein Achtungserfolg beschieden war. Seine Rezeption ist ein Lehrstück für die politische Seite der Anverwandlung polnischer Dramen an das deutsche Milieu, insbesondere für deren Spiegelbildlichkeit von Ost zu West. So kam denn Der erste Tag der Freiheit wie66 Vgl. den unverblümten Verriss des Stückes mitsamt der Berliner Inszenierung als „Pflichtübung“ und „Seichtsinn“ in „Theater heute“; Müller, C.: Nie wieder Krieg. Der erste Tag der Freiheit. In: TH 1975 Heft 11, S. 45.
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derum erst 1975 auf die Bühnen der DDR und verursachte wegen seiner existenzialistisch zu verstehenden Grundthese einige Schwierigkeiten. US
b. Ireneusz Iredyński (1939–1985) Die Rezeption der Dramen von Ireneusz Iredyński in Deutschland soll im Folgenden aus verschiedenen Gründen eingehender betrachtet werden. Zunächst ist im Hinblick auf diesen Autor, der als Lyriker begann, auffällig, dass er, obwohl eine gewisse Zeit als literarisches Wunderkind betrachtet, als Dramatiker weder im Osten noch im Westen wirklich bekannt geworden ist, wenn man einmal von seinem Drama Leb wohl, Judas... von 1965 absieht. Dies scheint zunächst überraschend, da mindestens sieben seiner Dramen auf deutschen Bühnen aufgeführt worden sind; sechs liegen in ost– und westdeutschen Doppelübersetzungen vor. Nur zu vier Dramen allerdings konnten Theaterkritiken ermittelt werden, und nur zu zweien schließlich fanden sich Pressestimmen aus dem Osten und dem Westen Deutschlands, anhand derer sich die teilweise sehr unterschiedliche Rezeption ein und desselben Stücks nachweisen lässt. Im Folgenden ist zu untersuchen, inwieweit in den vorhandenen Theaterkritiken Gründe für die offensichtliche Außenseiterposition Iredyńskis genannt werden, welche thematischen Aspekte im Hinblick auf Dramen und Inszenierungen in verschiedenen Rezensionen übereinstimmend geäußert werden, und auch, welche Diskrepanzen bei der Interpretation seiner Stücke an den verschiedenen Aufführungsorten zutage treten. Dies soll vor allem am Verhältnis zwischen vergleichender Übersetzungsanalyse und Auswertung der Theaterkritiken dargestellt werden: Welche – insbesondere thematischen – Aspekte werden in die Kritiken aufgenommen, welche werden vernachlässigt oder kommen neu hinzu? Zunächst jedoch muss ein kurzer Überblick über das vorhandene Material gegeben werden: In Deutschland aufgeführt wurden folgende Dramen: Die reine Liebe 1981 im Leipziger Studententheater, Maria ebenfalls 1981 im Leipziger Studententheater sowie 1983 in Quedlinburg, Terroristen 1985 in Göttingen, Séance 1990 in Magdeburg, Kreation bzw. Niemand 1994 in Chemnitz, sowie Modernes Krippenspiel (Stille Nacht) bzw. Krippenspiel modern 1963 im West–Berliner „Forum–Theater“, aber erst 1986 in Dresden, und Leb wohl, Judas... 1988 in Frankfurt/Oder, Dresden, Halle, Karl–Marx–Stadt, 1989 in Neustrelitz, 1990 in Berlin und Eisenach, 1991 in Nürnberg und 1994 in Bautzen. Bei der anschließenden Auswertung der Kritiken wird sich zeigen, dass Modernes Krippenspiel (Stille Nacht) und Leb wohl, Judas... immer wieder in einem Atemzug genannt werden; nur zu diesen beiden Dramen liegen Theaterkritiken aus dem Osten und dem Westen Deutschlands vor, im Fall von
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Leb wohl, Judas... werden auch die Aufführungen in Salzburg und Zürich einbezogen, da diese in der deutschen Presse rezensiert worden sind. Ferner konnten Kritiken zu den Inszenierungen von Kreation / Niemand in Chemnitz und Terroristen in Göttingen ausfindig gemacht werden. So tritt zutage, dass sich das an Theaterkritiken vorhandene Material nur zu einem relativ geringen Teil mit dem Textkorpus der in Doppelübersetzungen vorliegenden Dramen von Iredyński deckt. Dieses Textkorpus umfasst folgende Stücke: Modernes Krippenspiel (Stille Nacht) (1962), Leb wohl, Judas... (1965), Maria oder Die Unbewußte Wiedergutmachung; (1974), Die Datsche (1979), Kreation / Niemand (1984) und Séance (1985). Von dem Stück Die reine Liebe liegt nur eine ostdeutsche, von Terroristen nur eine westdeutsche Übersetzung vor. Zu Die Datsche wiederum ließ sich bislang keine Theateraufführung ermitteln. So ergibt sich schon aus dem vorhandenen Material zur theatralen Rezeption selbst, dass Modernes Krippenspiel (Stille Nacht) und vor allem Leb wohl, Judas... im Mittelpunkt der nun zu leistenden detaillierteren Darstellung stehen werden. In etlichen Theaterkritiken wird zunächst versucht, Ireneusz Iredyńskis Bedeutung für die polnische Literatur und Dramatik kurz zu umreißen, wobei diese manchmal in einem gesamteuropäischen Kontext gesehen wird. So weist etwa Joachim Weise in „Blick“ (23.2.1994, S. 18) in Bezug auf die Chemnitzer Inszenierung von Kreation / Niemand (Niemand) darauf hin, Iredyński werde oft mit Jean Genet verglichen. Ein anderer Kritiker stellt in der „Chemnitzer Morgenpost“ (12.1.1994) eine Beziehung zu Bulgakovs Ivan Bezdomnyj (Iwan Hauslos) her. In seiner Besprechung der „Welturaufführung“ von Modernes Krippenspiel (Stille Nacht) in West–Berlin schreibt ein anonymer Kritiker in der „Berliner Stimme“ (14.9.1963): „Dieser junge Autor hat bisher Gedichte und Kurzromane veröffentlicht. Drei seiner Stücke wurden auch in Polen aufgeführt, aber Stille Nacht war dort verboten.“ Auf diese Weise wird zugleich eine politische Thematik des Dramas implizit suggeriert. Erst 1986 konnte Modernes Krippenspiel (Stille Nacht) auch in der DDR, am Staatstheater Dresden unter Regie von Wolfgang Engel mit Studenten der Theaterhochschule Leipzig, aufgeführt werden. Seine Besprechung im „Sächsischen Tageblatt“ (31.10.1986) beginnt Dieter Zumpe mit einer rhetorischen Frage: Wer ist Ireneusz Iredyński? Ein polnischer Autor, im vergangenen Jahr als 46jähriger zu früh verstorben, der als Enfant terrible der polnischen Nachkriegsschriftstellergeneration galt. Bei uns wurden Werke wie beispielsweise Der Mann der Epoche und Manipulation (Kurzromane) sowie die Stücke Leb wohl, Judas und Modernes Krippenspiel verlegt. Der Vorzug dieser Stücke, die in der Nachfolge von S. I. Witkiewicz zu begreifen sind, offenbaren sich in ihrer kunstvollen Überhöhung [...]. Der Autor, originell auch als Lyriker, betätigte sich außerdem als Verfasser von Hörspielen und Filmszenarien, bekannte sich aber immer wieder zum Theater [...].“
Indem der Rezensent eine Nähe von Iredyńskis Dramen zu Witkiewicz's ‚absurdem Theater‘ konstatiert, schließt er implizit zugleich jeden eindeutigen Bezug zur ‚außerliterarischen Wirklichkeit‘ aus. Er betont demgegenüber vielmehr die
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„Künstlichkeit“ dieser Stücke. Die bis dahin fehlende Rezeption von Iredyńskis Dramen in der DDR versucht E. Ulischberger in den „Sächsischen Neuesten Nachrichten“ (11./12.10.1986) folgendermaßen zu begründen: Der schon im Alter von 46 Jahren verstorbene polnische Autor ist bei uns weitgehend unbekannt. Seine Arbeiten sind aus Geschichte und Mentalität des polnischen Volkes zu begreifen, und sie bedürfen einer Aufschließung für das hiesige Publikum. So auch das Krippenspiel.
Der Kritiker der „Union“ (2.10.1986) sieht den Grund für den fehlenden festen Platz polnischer Dramatik in den Spielplänen der DDR darin, dass „die polnische Dramatik sehr eng mit der Geschichte ihres Landes verbunden ist, dem ruhelosen Kampf um die nationale Befreiung, Einigung und Identität [...].“ Dieser Hinweis auf die ‚Hermetik‘ der polnischen Literatur und insbesondere des Dramas wird jedoch im weiteren Verlauf dieser Besprechung modifiziert, denn der Verfasser (J.R.) fährt fort, dass „in den letzten Jahren eine eigenständige Dramatik“ entstanden sei, „zu der so wesentliche Autoren wie Różewicz, Mrożek, Grochowiak und Ireneusz Iredyński zählen.“ Ihre Kunstsprache zeige sich „in einer außergewöhnlichen Metaphern– und Bilderwelt, deren man sich schwerlich zu entziehen vermag.“ In einem vor der Premiere mit der „Sächsischen Zeitung“ (3.10.1986) geführten Interview äußert sich der Dramaturg Johannes Richter fast gleichlautend, spricht jedoch etwas ausführlicher über Iredyńskis schriftstellerische Bedeutung. Er verweist auf die bereits genannte Publikation je zweier Dramen und Kurzromane bei Reclam Leipzig und fährt fort: [...] Modernes Krippenspiel [verhalf] ihm auch als Dramatiker in Polen zu Popularität [...]. Iredyński war als Lyriker bereits ein Begriff, galt er doch als literarisches Wunderkind und als Idol der jungen Generation. 1956, erst siebzehnjährig, wurde er in den polnischen Schriftstellerverband aufgenommen.
Zwei Jahre später, 1988, fand die DDR–Erstaufführung von Iredyńskis bekanntestem Drama Leb wohl, Judas... in Frankfurt/Oder statt. Zu seiner Biographie und literarischen Bedeutung finden sich in den Kritiken im Grunde ähnliche Hinweise wie bereits in den Besprechungen zu Modernes Krippenspiel (Stille Nacht). So schreibt Frank Paulukat im „Neuen Tag“ (3.2.1988): Den Autor handelte man in seiner Heimat lange Zeit als Geheimtip, als eine Art ‚Wunderkind der Literatur‘, da dessen außergewöhnliches Talent sowie die hartnäckig durchgestandene Pose des rebellischen Sonderlings Polens Publikum stets aufs neue überraschte. Der Gehalt des Stücks, eigenartig–zwittrige Mischform aus Sturm– und Drang–Dramatik und Postmodernismus, schließt sich für mich erst auf, wenn ich es als Ideendrama zu verstehen suche, das sich in einer bewußt allgemein gehaltenen Kunstebene abspielt.
In dieser Rezension werden – wie zuvor schon im Hinblick auf Modernes Krippenspiel (Stille Nacht) beobachtet – konkrete Bezüge zur ‚außerliterarischen Wirklich-
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keit‘ ausgeschlossen. Auch deswegen ist es aufschlussreich, sie in einem kurzen Exkurs mit dem Presseecho zur Uraufführung des Stückes, die genau zwanzig Jahre früher (1968) in Salzburg stattfand, zu vergleichen, zumal diese auch in Westdeutschland – etwa in der FAZ (19.4.1968) – rezensiert wurde: Der neunundzwanzigjährige Ireneusz Iredyński, der mit Dramen, Romanen, Gedichten hervorgetreten ist, dessen KZ–Stück Stille Nacht vor fünf Jahren im Berliner Forum–Theater uraufgeführt wurde, soll sich in Haft befinden. In Polen muß sein Spiel Leb wohl, Judas... doppeldeutig–deutlich wirken.
Im Gegensatz zu den späteren DDR–Kritiken wird hier also die politische Thematik mit konkretem Zeitbezug in den Vordergrund gerückt. Dies geschieht auch durch den biographischen Hinweis, Iredyński befinde sich wahrscheinlich gerade in Haft. Nach der vergleichsweise späten DDR–Erstaufführung von Leb wohl, Judas... in Frankfurt/Oder folgte noch im gleichen Jahr (1988) eine Inszenierung des Dramas in Karl–Marx–Stadt. Auch in diesen Kritiken wird eine grundsätzliche Einheit zwischen Kunst und Leben proklamiert, die sich u.a. auf ein Zitat von Iredyński selbst stützt (vgl. „Sächsische Neueste Nachrichten“, 17.11.1988): Bereits zu Lebzeiten wurde er [Iredyński] ob seiner unkonventionellen, oft auch schockierenden Lebensweise zur Legende. ‚Meine Stücke sind Modelle, Kürzel ohne historische, moralische oder psychologische Einkleidung, erdachte Welten, Ereignisse, die überall und nirgends stattfinden. Alle meine Stücke handeln von Gewalt, in der einen oder anderen Weise. Das liegt in der Luft, das tragen wir in uns, dazu braucht man kein besonderes Medium zu sein...‘.
Dieses Zitat wird zum Teil noch Jahre später in anderen Kritiken zu anderen Inszenierungen aufgenommen, etwa von Dietrich Scholze in seiner Besprechung der Bautzener Aufführung (vgl. „Neue Zeit“, 7.3.1994): „Der Dramatiker Ireneusz Iredyński, der 1985, erst sechsundvierzigjährig, in Warschau starb, hat gezielt das biblische Geschehen aufgenommen, um ein Gleichnis über Gewalt zu schaffen.“ Die soeben skizzierten Beobachtungen hinsichtlich der literarischen Bedeutung und Einordnung Iredyńskis leiten bereits über zum nächsten Abschnitt, worin der Frage nachzugehen ist, welche – vorwiegend thematischen – Aspekte von Iredyńskis Dramen in den Kritiken reflektiert werden, und welche Gemeinsamkeiten und Unterschiede sich hierbei konstatieren lassen: Auf welche Weise wird das bereits formulierte ‚Grundthema‘ der Gewalt in den Kritiken zu verschiedenen Dramen an verschiedenen Aufführungsorten näher konkretisiert? Zu Terroristen liegen nur vereinzelte Pressestimmen zur Göttinger Erstaufführung aus dem Jahre 1985 vor. Matthias Hoeft, Rezensent im „Rheinischen Merkur“ (2.3.1985), hält sich bei seiner Formulierung des Themas zurück: Auf den ersten Blick ist das ein Stück über lateinamerikanische Guerilleros, geschrieben allerdings von einem polnischen Autor. Dem 45jährigen Ireneusz Iredyński geht es freilich nur
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scheinbar um Probleme in Mittel– und Südamerika. Wie fast alle seine Stücke kreist auch ‚Terroristen‘ um eine ‚Philosophie des Terrors‘, um Selbstverständnis und Moral einer gewaltsamen Weltveränderung, die ihre Mittel mit dem utopischen Material einer vollkommen gerechten Gesellschaft heiligt.
Deutlicher äußert sich Kathrin Bergmann in der „Welt“ (28.2.1985): Für polnische Verhältnisse im Jahr 1984 war das, wenn es dort ebenso subtil und unaufdringlich inszeniert worden ist wie in Göttingen, eine erregende Verkündigung von der Bühne herab. Bei uns wirkt das alles ein bißchen zu durchgekaut.
Zu Kreation / Niemand konnten einige wenige Pressestimmen ausschließlich zur Chemnitzer Inszenierung von 1994 ausfindig gemacht werden. Diese beinhalten jeweils eine knappe Paraphrase (vgl. z.B. „Chemnitzer Morgenpost“, 12.1.1994): ‚Niemand‘ ist ein sensibler Grübler [...], der aus psychischer Not Bilder malt. [...] Ein gönnerhafter Mäzen [...] will ihn zu seinem Geschöpf machen, das seine ganze Persönlichkeit aufgibt, manipuliert und benutzt den Maler fürs schnöde Mammon, bringt auch seine Geliebte auf den Geldgeschmack.
Während in dieser Rezension der persönliche Konflikt des Protagonisten als zentrales Thema gesehen wird, betont demgegenüber Joachim Weise in seiner Besprechung (vgl. „Blick“, 23.2.1994) gerade den politischen und zeitgeschichtlichen Bezug: ‚Niemand‘ behandelt die Identitätskrise (nicht nur) der polnischen Intelligenz. Der Maler Nowak wird von der offiziellen Kunstszene seines Landes gemieden. [...] Die von Iredyński angesprochenen Probleme sind nicht an ein bestimmtes gesellschaftliches System gebunden. Sieht sich der Künstler im (vorgeblichen) Sozialismus mit dem totalitären Anspruch einer Ideologie konfrontiert, so verkommt im Kapitalismus sein Werk zur Ware.
In der zuletzt genannten Rezension ist vor allem die politische Interpretation der Thematik auffallend, die der Kritiker als Gegenüberstellung zweier Gesellschaftssysteme – Sozialismus und Kapitalismus – begreift. Bei näherer Betrachtung der wenigen vorhandenen Besprechungen zeigt sich ferner, dass andere thematische Aspekte (wie etwa jener der Religion) keine Erwähnung finden. Bezüge zur Passionsgeschichte treten im Dramentext vor allem im vierten Akt zutage, als Nikt (Niemand) wiederholt den Wunsch äußert, den Leidensweg Christi zu malen, und Pan (Der Herr) ihm das erst erlauben will, wenn der von ihm bestellte Landschaftszyklus vollendet sei. Zusätzlich wird dieser religiöse Bezug durch Teichoskopie intensiviert, indem Gosia berichtet, Nikt (Niemand) gehe neuerdings mit einem Kreuz auf dem Rücken im Hof umher. Auch das überraschende Dramenende – die Verkehrung von Täter– bzw. Opferrolle in ihr Gegenteil – findet
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in den Kritiken kaum Widerhall: am Schluss wird der ewig passiv duldende Nikt (Niemand) zum Rächer und Mörder, indem er Pan (Den Herrn) ans Kreuz schlägt. Verschiedene Kritiken zu unterschiedlichen Inszenierungen im Osten wie im Westen Deutschlands ließen sich lediglich zu zwei Dramen von Ireneusz Iredyński – Modernes Krippenspiel (Stille Nacht) und Leb wohl, Judas... – ermitteln, so dass sich nur hier Vergleichsmöglichkeiten im Sinne der Themenstellung unserer Untersuchung bieten. Die deutsche Erstaufführung von Modernes Krippenspiel (Stille Nacht) fand 1963 im West–Berliner Forum–Theater statt. Im Hinblick auf die Thematik dieses Dramas werden in den zugehörigen Kritiken zumeist Aspekte hervorgehoben, die auch im Rahmen der vergleichenden Übersetzungsanalyse (vgl. 3.a. Themen und Motive) genannt wurden. So bemerkt der Rezensent der „Berliner Stimme“ (14.9.1963): Der Vorgang zeigt die Weihnachtsgeschichte mit dem bethlehemitischen Kindermord auf Befehl des Herodes und der Flucht nach Ägypten, und zwar als Spiegelung der eigenen Lage, Theater im Theater. [...] Das Stück löst nichts, sondern endet nur. Der Zynismus erreicht seinen Gipfel, wenn der Kommandant sich selbst als Demiurgen (Weltenschöpfer) einsetzt.
In mehreren Rezensionen wird Modernes Krippenspiel (Stille Nacht) als „modernes Mysterienspiel“ bezeichnet (vgl. „Berliner Stimme“, 14.9.1963; „Die Welt“, 9.9.1963). In den Kritiken der Dresdner Inszenierung steht zuweilen die Figur des Lagerkommandanten im Mittelpunkt, anhand derer die Thematik des Stücks entworfen wird: „Der Lagerkommandant als Inkarnation des Herrenmenschentums hat dieses Stück verfaßt; sich selbst bestätigen wollend in seiner Gottähnlichkeit.“ (Dieter Zumpe im „Sächsischen Tageblatt“, 31.10.1986) bzw.: Der Kommandant schrieb dieses Krippenspiel selbst, die Theatergruppe ist sein Privateigentum, und so verfährt er auch mit den Leuten, als die Panzer der Befreier schon in der Ferne zu hören sind. Er liquidiert eigenhändig Spieler um Spieler. Nur einen entläßt er nach eigenem Freitod in die ungewisse Zukunft, den Herodes.“ (Annet Pohl in „Tribüne“, 4.11.1986).
Diese nicht unwichtige Beobachtung – dass ein Spieler übrig bleibt, der den Herodes dargestellt hat und der auch im „wirklichen“ Leben (d.h. außerhalb der doppelten fiktionalen Ebene des „Spiels im Spiel“) ein Verbrecher ist – findet sich nicht in allen Besprechungen der Dresdner Inszenierung: Kurz vor der Befreiung des Lagers entpuppt sich der Aufseher als der Kommandant und als Verfasser dieses Mysterienspiels. Sein Ziel war es, Gott zu sein und Menschen zu willfährigen Geschöpfen machen zu wollen. Dieser Plan geht nicht auf, und er entledigt sich seiner Werkzeuge.“ („Sächsische Zeitung“, 3.10.1986; fast gleichlautend auch in „Union“, 2.10.1986).
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Im Gegensatz zu Iredyńskis bekanntestem Drama Leb wohl, Judas... finden sich in Modernes Krippenspiel (Stille Nacht) konkrete Angaben zu Ort und Zeit der Handlung: es spielt in einem Konzentrationslager während des Nationalsozialismus. Dieser Bezug zur Geschichte und speziell zur deutsch–polnischen Vergangenheit wird in fast allen vorhandenen Kritiken widergespiegelt, und er erklärt sicher auch das Interesse deutscher Bühnen an Iredyńskis Stück. Auf die ‚außerliterarische Wirklichkeit‘ bezieht sich das Drama ferner dadurch, dass es Lagertheater tatsächlich gegeben hat. In ähnlicher Weise wie in Kruczkowskis Niemcy (Die Sonnenbrucks; wörtl.: Die Deutschen bzw. Deutschland) fließen historische Ereignisse in die Fiktion ein. Diese Problematik wird in den Besprechungen allenfalls angedeutet; verschwiegen wird z.B. auch die persönliche Beziehung zwischen dem Wächter (der gleichzeitig der Kommandant und der Verfasser des Krippenspiels ist) und dem Regisseur: Beide hatten, wie im ersten Akt durch den Regisseur in einem Rückblick offengelegt wird, vor zwanzig Jahren in dessen Kabarett zusammengearbeitet. Indem die „Zusammenarbeit“ zwischen beiden – nun freilich unter ganz anderem Vorzeichen – im Lagertheater fortgesetzt wird, wobei sich nur der Regisseur an die Vergangenheit erinnern will, zeigt sich eine gewisse Tendenz zum Absurden: Der Regisseur wird in dem Moment vom Kommandanten erschossen, als er diesen an die früheren gemeinsamen Theaterzeiten erinnert. Keinen Widerhall in den Pressestimmen findet auch das Verhalten der Häftlinge (der Schauspieler des Lagertheaters) untereinander, die sich in ihrem Überlebenskampf ständig gegenseitig verraten. Daneben fällt auf, dass nur wenige Kritiken Hinweise auf Besonderheiten der jeweiligen Inszenierung – also auf ‚theatrale‘ Elemente im engeren Sinne – enthalten. Hierbei stellen die Besprechungen der Dresdner Inszenierung eine Ausnahme dar. In Bezug auf das Dramenende schreibt Dieter Zumpe im „Sächsischen Tageblatt“ (31.10.1986): „Nur einer überlebt, ein windiger Ganove. In die Freiheit entlassen, frißt er ein großes Beefsteak mit Pommes frites (filmisch eingeblendet). Dieser profane Vorgang ist durchaus vieldeutig.“ E. Ulischberger erwähnt in den „Sächsischen Neuesten Nachrichten“ (11./12.10.1986) außerdem noch ein weiteres Detail dieser Inszenierung, das sich diesmal auf den Anfang des Stückes bezieht: „Ein Film zeigt die Heiligen Drei Könige, die über den Dresdner Theaterplatz irren, und er schließt diesen Rahmen ebenso ironisch mit Beefsteak und Pommes frites, die sich der letzte zurückgebliebene Spieler der Truppe sehnlichst am ersten Tag der Freiheit wünscht.“ Neben der Wiedergabe der durch die Darstellung auf der Bühne erzeugten ‚Plurimedialität‘ hat diese Besprechung noch andere interessante Aspekte. Zum einen tritt zutage, dass die Figur des Herodes positiv konnotiert ist, zumal ihr Name und ihre Funktion im Drama nicht genannt werden. Der Wunsch nach einem Beefsteak wird hier als durchaus nachvollziehbar interpretiert, wobei durch die Formulierung „am ersten Tag der Freiheit“ zugleich ein impliziter Bezug zu Kruczkowskis Drama Der erste Tag der Freiheit entsteht. Die ambivalente Wirkung von Modernes Krippenspiel (Stille Nacht) auf den Rezipienten drückt sich am deutlichsten in der Besprechung der
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West–Berliner Uraufführung von Günther Grack im „Tagesspiegel“ (10.9.1963) aus: Der Beifall für das seltsam künstliche, auch sprachlich zwischen biblischer Bildhaftigkeit und krudester Banalität hin und her pendelnde Stück fiel verhalten und knapp aus. Für Enthusiasmus war kein Anlaß, und Mißfallenskundgebungen verbot schon das Thema.
Die Frage nach der politischen Dimension der zentralen Themen „Gewalt“ und „Verrat“ war zweifellos im Hinblick auf die DDR–Erstaufführung von Leb wohl, Judas... 1988 in Frankfurt/Oder besonders brisant. In den vorliegenden Rezensionen zu diesem Ereignis werden unterschiedliche Antworten gegeben. So schreibt Herbert Schirmer in der „Union“ (26.2.1988): Im Stück Leb wohl, Judas von Ireneusz Iredyński (1939–1985) bleibt der Judas zunächst standhaft, scheitert aber im Verlauf der Handlung durch Verrat an sich selbst. Es sind die immerwährenden menschlichen Verhaltensmuster, die hier im Rückgriff auf biblisches Geschehen für eine konkrete soziale und politische Situation im Polen des Jahres 1956 stehen.
Allgemeiner urteilt Frank Paulukat im Neuen Tag (3.2.1988): „Schließlich stellt sich das Stück einem unabgegoltenen Thema, das humanistische Kunst immer wieder aufgreift [...].“ Sehr unterschiedliche Gründe werden – insbesondere in ostdeutschen Kritiken – dafür genannt, warum auch dieser Judas, eigentlich der Treueste der Treuen, am Ende Verrat verübt, doch wird keiner dieser Gründe im Dramentext wirklich offengelegt. Der Rezensent der „Norddeutschen Zeitung Schwerin“ (1.8.1989) erläutert: Für Judas bedeutet die Mitgliedschaft in einer im Untergrund wirkenden Bewegung den Inbegriff seines Lebens. [...] Mit voller Wucht trifft ihn deshalb der aus den eigenen Reihen kommende Vorwurf des Verrats. Als er ihn wirklich begeht, nicht aus Angst, sondern in der bitteren Erkenntnis, in den Methoden des die andere Seite vertretenden Kommissars die Identität eigener Lebensmaxime zu sehen, wird er mit dem als Lohn empfangenen Wohlstand nicht fertig.
Der Kritiker der Berliner „Neuen Zeit“ (6.7.1990) bietet folgende Erklärung an: „Und Judas – verrät. Nicht weil er die Folter fürchtet, der hat er bereits widerstanden, sondern weil er erkennt, daß die Methoden derjenigen, die sich gerade im Besitz der Macht befinden, austauschbar sind“. Madeleine Siegl–Mickisch findet in der „Bautzener Zeitung“ (16.2.1994) eine weitere Antwortvariante: „Verrat ist es, der ihn [Judas] dann doch zum Verräter werden läßt. Mitgefühl für ein blasses armes Mädchen [...]“. Der Rezensent der Dresdner Inszenierung erläutert im „Sächsischen Tageblatt“ (20.4.1988): „Judas, nunmehr durch das Blutgeld ausgesorgt, kann das inhaltslos gewordene Leben nicht mehr ertragen und erhängt sich“. Diese Interpretationsansätze, die auch als ein Weiterdenken des Stücks verstanden
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werden können, sind umso auffälliger, als Hermann Dannecker im Zusammenhang mit der Darmstädter Inszenierung bereits scharfsichtig konstatiert hatte: „Die entscheidende dramatische Schwäche des Stückes ist, daß die Wandlung des Judas, sein Entschluß zum Verrat nicht szenisch dargestellt wird. Man muß ihn sich im Nachhinein erklären, ihn analysieren.“ („Darmstädter Echo“, 11.4.1968). Darauf weist derselbe Kritiker auch im Hinblick auf die Baden–Badener Inszenierung in der „Lindauer Zeitung“ (26.9.1968) hin. Ähnlich äußert sich Erik G. Wickenburg in der „Welt“ (16.5.1968) bezüglich der Salzburger Uraufführung: [...] wie der Mann sich dann plötzlich doch zum Verrat entschließt, nachdem er ungebrochen einen Akt lang gefoltert worden war, das hätte eben auch geklärt werden müssen. Iredyński begnügt sich damit, ihn unvermittelt seine Bereitschaft zur Aussage aussprechen und auf die fast erstaunte Frage des Kommissars, was ihn umgestimmt habe, antworten zu lassen, das gehe niemanden etwas an.
Der eigentliche Hintersinn des scheinbar unmotivierten Verrats wird von den Kritikern offenbar selten erkannt; so ist nur in der FAZ (19.4.1968) zu lesen: „Das Ende ist natürlich der Verrat, kein Judas entgeht dem Judasschicksal.“ Durch den schließlich doch begangenen Verrat bleibt Judas sozusagen sich selber treu. In Bezug auf die Premiere des Stücks in Baden–Baden schreibt Jürgen Buschkiel in der „Welt“ (28.9.1968): „Judas entdeckt zuletzt, daß seine These vom leeren Wahn der Treue gegen Ideologien doch zu einfach ist. Er bleibt konsequent und geht den Weg seines Namenspatrons.“ Die soeben angeführten zahlreichen Zitate verdeutlichen, dass von fast allen Kritikern der „Verrat“ als zentrales Thema in Iredyńskis Drama Leb wohl, Judas... angesehen wird. Große Unterschiede jedoch finden sich, wie gezeigt wurde, in der Beschreibung der Motivierung dieses Verrats. Hierbei fällt generell auf, dass speziell in den ostdeutschen Kritiken Begründungen genannt werden, die sich im Dramentext so nicht finden. Dort begeht Judasz (Judas) seinen Verrat unmittelbar, nachdem er mit ansehen musste, wie Młodziutka Blada (Die kleine Blasse) gefoltert wird, allerdings legt er selbst seine Gründe nicht offen. In westdeutschen Rezensionen wird eher gerade dieses Fehlen einer Begründung in der Textgrundlage herausgearbeitet, so dass das „Nicht–zu–Ende– Sprechen“ des Protagonisten Judas in den Vordergrund tritt und die ‚Offenheit‘ – im Sinne irreduzibler Mehrdeutigkeit – dieser Figur deutlich wird. Abschließend soll nun noch betrachtet werden, welche für das Stück zentralen Motive in den Kritiken Erwähnung finden. ‚Motiv‘ ist (wie in 3.a. dargelegt) im Hinblick auf Drameninszenierungen nicht nur als akustisch vermitteltes, sondern auch als visuell dargestelltes ‚Bild‘ zu verstehen, das auf der Bühne als Requisit, Kulisse usw. präsent ist. In diesem Zusammenhang fällt vor allem auf, dass etliche Rezensionen den Hinweis enthalten, das Stück spiele in einer Turnhalle (vgl. u.a. „Allgemeine Zeitung“, 10.4.1968; FAZ, 19.4.1968; „Stuttgarter Nachrichten“, 25.9.1968; „Heilbronner Stimme“, 1.10.1968; „Union“, 26.2.1988; „Norddeutsche
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Zeitung“ (Schwerin), 1.8.1989; „Neue Zeit“ (Ost–Berlin), 6.7.1990; „Sächsische Zeitung“, 14.2.1994; „Neue Zeit“, 7.3.1994). In einzelnen Besprechungen jedoch finden auch über den sprachlichen Code vermittelte Motive Erwähnung. Die Plurimedialität des Dramas als Gattung zeigt sich in Leb wohl, Judas... vor allem am Motiv der Turnhalle, das, wie gezeigt wurde, auf der Bühne visuell dargestellt wird, das aber auch in der Figurenrede des Judas – insbesondere in einem gleichnishaften Rückblick gegen Ende – von Bedeutung ist. Darauf weist Horst Philipp in seiner Rezension der Karl–Marx–Städter Inszenierung explizit hin („Sächsisches Tageblatt“, 30.11.1988), indem er eine längere Textpassage wörtlich zitiert: ‚Als ich zur Schule ging, hatte sich unser Sportlehrer ein Spiel ausgedacht. Einer steht in der Mitte des Saals... und die anderen in zwei Reihen gegenüber. Sie strecken alle ihre Hände vor und lassen den einen nicht zur Wand durch. Der muß es bei den beiden Mannschaften versuchen. Manche haben es geschafft, die Wand zu berühren. Andere aber blieben in der Mitte, ganz allein zwischen den Parteien, die dieselbe Methode anwandten.‘ Das Entscheidungsfeld für Judas im Stück verkleinert sich mehr und mehr, der Grat, auf dem er sich treu bleiben will, wird immer schmaler. Judas kann die Wand nicht erreichen...67
Diese Interpretation weicht vom Dramentext ab oder verkürzt ihn doch zumindest wesentlich: In diesem von Judasz (Judas) erzählten Rückblick, in der Episode aus seiner Schulzeit, kann er die Wand erreichen, weil ein Mädchen ihm hilft, als er schon ganz zerschlagen ist. Mit diesem Mädchen identifiziert er nun Młodziutka Blada (Die kleine Blasse). Eine andere, kürzere Textpassage wird in zwei Kritiken der Baden–Badener Inszenierung von Dieter Schnabel (veröffentlicht in „Stuttgarter Nachrichten“, 25.9.1968 und „Heilbronner Stimme“, 1.10.1968) wiedergegeben. Hier richtet sich Judasz an Młodziutka Blada (Die kleine Blasse) mit den Worten: „‚Ich habe dir von einer Insel erzählen wollen, auf der alle Menschen glücklich sind, aber diese Insel gibt es nicht‘ [...].“68 Unter anderem mit diesem Zitat begründet der Kritiker seine zu Beginn seiner Besprechung geäußerten Zweifel, ob dieses Stück [...] überhaupt auf die Bühne gehört. Und das nicht etwa, weil das Thema, Kampf im Untergrund und Kampf der Ideologien, uninteressant ist, sondern weil die Art der Bewältigung dieses politisch–philosophischen Stoffs das Stück eher für ein Hörspiel geeignet erscheinen läßt. Es bedarf nämlich nicht der optischen Mittel der Bühne, um diese im wesentlichen undramatischen Reflexionen zu verdeutlichen.
67 Zum ‚Zitat im Zitat‘ vgl.: Iredyński, Leb wohl, Judas... [Übersetzung von Dietrich Scholze]. In: Ders.: Leb wohl, Judas... Zwei Dramen und zwei Kurzromane. Leipzig 1983, S. 5–42, hier: S. 40. 68 Vgl. Iredyński: Leb wohl, Judas. Ein Stück in drei Akten. Deutsch von Janusz von Pilecki. In: Wirth, Andrzej (Hg.), Modernes Theater 2. Berlin(–West) o.J., S. 191–234, hier S. 207.
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Gerade der in diesem Stück besonders deutlich zutage tretende Reflexionscharakter von Iredyńskis Dramatik wird in den Kritiken unterschiedlich bewertet. Er geht mit einer gewissen Handlungsarmut und Statik einher, die sich in Leb wohl, Judas... etwa darin zeigt, dass der Protagonist die Turnhalle kein einziges Mal verlässt und nur in seiner Vorstellung das Bild der ‚Insel‘ als Gegenwelt entwirft. In Bezug auf die deutsche Erstaufführung des Dramas in Baden–Baden schreibt Jürgen Buschkiel in der „Welt“ (28.9.1968): [Es] zeigte sich, daß Iredyński der spannenden Fabel zuviel zugemutet hat. [...] Mit einigen energischen Strichen würde dieser Judas dennoch Bühnenchancen gewinnen. Denn das Plädoyer gegen ideologische Metzeleien und Ideenkriege, unter welchem Titel man sie auch immer führt, ist sympathisch und konsequent – nicht nur, weil es unter strengen ideologischen Verhältnissen entstand. Günther Penzoldt [...] entdeckte unter dem antiideologischen Konzept noch einen anderen Aspekt: zarte, herbe Poesie [...].
Im Hinblick auf die rund zwanzig Jahre später erfolgte Karl–Marx–Städter Inszenierung bleiben Dr. Klaus Walther in der „Freien Presse“ (1.12.1988) „Kunstbilder von großer Intensität“ bzw. „Bilder von großer Eindringlichkeit“ in Erinnerung, doch befürchtet er: „Nicht jeder Zuschauer wird sich diesen Bildern stellen. Die Kunst des Zuschauers, hier wird sie im Mitdenken und Weiterdenken gebraucht.“ Ambivalenter äußert sich Horst Philipp im „Sächsischen Tageblatt“ (30.11.1988) über eben diese Inszenierung: Iredyńskis Schauspiel läßt viel Freiraum für eigene Assoziationen des Zuschauers. [...] 36 Manuskriptseiten [werden] auf eine Spieldauer von 165 Minuten gedehnt, und das zehrt mächtig an der Spannkraft der Aufführung. [...] die Szene gleicht einem Hörspiel [...].
Rundum ablehnend äußert sich in diesem Zusammenhang der Kritiker der „Sächsischen Neuesten Nachrichten“ (1.12.1988): Es gab ja kein Stück zu erleben, es wurde ja keine etwa anregende, nachdenklich machende, aufrüttelnde Geschichte erzählt. [...] Ich empfand – kurz gesagt – den Abend als Zumutung. [...] die wenig schlüssige Erzählweise Iredyńskis (Zeit und Ort ohnehin aussparend) bringt uns dem Thema und der gegenwärtigen Judas–Figur so keinen Schritt näher. [...] Der zurückgenommen–unterkühlte Stil, der diese Aufführung prägt, kann das Publikum nicht zum Partner werden lassen.
In der „Sächsischen Zeitung“ (14.2.1994) bemerkt Bernd Rump im Hinblick auf die Bautzener Aufführung: Es sind die Texte, die wirken, Dialoge, die den Fortgang bestimmen. Sätze, die das Eigene aufwühlen, Assoziationen freisetzen: Wer möchte schon einen Judas als Vater? [...] Das Stück heute aufzuführen, braucht Mut, auch gegen den Zeitgeist.
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Ganz ähnlich äußert sich Madeleine Siegl–Mickisch in der „Bautzener Zeitung“ (16.2.1994): „[...] entscheidend ist das gesprochene Wort, das sofort Bilder ins Gedächtnis ruft, wo ihnen im Alltag der Platz oft streitig gemacht wird. Kurze Atempause zwischen den Akten, um das Gehörte im Kopf festzuhalten.“ Die Analyse der Kritiken zu Inszenierungen insbesondere von Leb wohl, Judas... hat gezeigt, dass Iredyńskis berühmtestes Drama am kontroversesten in Ostdeutschland (vgl. die Pressestimmen aus Karl–Marx–Stadt) rezipiert worden ist. Dies liegt vor allem am mit Handlungsarmut verbundenen Reflexionscharakter dieses Stücks, in dem konkrete Hinweise auf Ort und Zeit ausgespart bleiben. Auf diese Weise tritt, wie in verschiedenen Kritiken angemerkt, die visuelle Darstellung im Bühnenraum – also das eigentliche ‚theatrale‘ Element – in den Hintergrund, während die Textebene in den Vordergrund gerückt wird. Aus diesen Gründen konstatieren manche Rezensenten eine Nähe von Leb wohl, Judas... zum Hörspiel. Die Statik des Dramas zeigt sich äußerlich beispielsweise darin, dass der Schauplatz – eine Turnhalle – immer gleich bleibt. Sie gibt den in der Figurenrede geäußerten Gedanken (und damit dem Parabelcharakter des Stücks) Raum, wird aber von den Rezensenten sehr unterschiedlich wahrgenommen, die sie als „Poesie“ einerseits und als „wenig schlüssige Erzählweise“ andererseits beschreiben. Verschiedentlich werden die grundsätzliche Handlungsarmut und der stark hervortretende Reflexionscharakter von Iredyńskis Dramen angesprochen. Dies könnte erklären, warum es seine Stücke auf (deutschen) Bühnen so schwer haben und auch, warum einige seiner in Doppelübersetzungen vorliegenden Dramen nur vereinzelt zur Aufführung gelangten. Ausnahmen sind, wie gezeigt wurde, vor allem Modernes Krippenspiel (Stille Nacht) und Leb wohl, Judas..., wobei beide Dramen – in der DDR erst rund zwanzig Jahre nach den westdeutschen Erstaufführungen inszeniert – gerade in ostdeutschen Pressestimmen (v.a. aus Dresden und Frankfurt/Oder) besonders kontrovers und vielschichtig diskutiert werden. Die Gründe für die breitere Rezeption dieser zwei Stücke liegen sicherlich zum einen in der Thematisierung der deutsch–polnischen Vergangenheit und speziell des Nationalsozialismus in Modernes Krippenspiel (Stille Nacht) und zum anderen in einer durch den Titel suggerierten Allgemeinverständlichkeit im Fall von Leb wohl, Judas.... Somit zeigt sich in diesen beiden Dramen eine gewisse thematische Gegenläufigkeit: Während Modernes Krippenspiel (Stille Nacht) zeitlich und räumlich festgelegt ist, gewinnt Leb wohl, Judas... seine Bedeutung gerade aus dem Parabelcharakter: das Stück könnte überall und zu jeder Zeit spielen, es prangert jede Gewaltherrschaft an und greift „ein altes Menschheitsthema“ wieder auf (vgl. „Rheinische Post“, 20.4.1968, „Lindauer Zeitung“, 26.9.1968); „die Macht der großen alten Bilder“ vermag „universelle soziologische und psychologische Grundsituationen zu zeigen.“ („Neue Zeit“, 7.3.1994). CF
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c. Zbigniew Herbert (1924–1998) Zbigniew Herberts Dramenwerk führt gewissermaßen ein Dasein im Schatten seiner Lyrik und Prosa. Es ist selbst in Polen relativ selten aufgeführt worden und hat ebenso vergleichsweise geringe Beachtung durch die Literaturwissenschaft gefunden.69 So mag es nicht verwundern, dass Herbert in Deutschland nur mit zwei Inszenierungen präsent ist, und zwar mit den Dramen Das andere Zimmer (Aachen 1966) und In der Höhle der Philosophen (Oberhausen 1967). Sie wurden überdies auch nur in Westdeutschland gespielt. Dennoch war Herbert in Westdeutschland populär70, sofern man diesen Ausdruck für einen Vertreter der polnischen Literatur verwenden kann, die ja in Deutschland traditionell leider nur einen begrenzten Kreis von Rezipienten erreicht, obwohl sie umfassend übersetzt worden ist und übersetzt wird. Eine schwer abzuschätzende Breitenwirkung gewann Herberts Werk nämlich durch Produktion und Ausstrahlung seiner Dramen als Hörspiele. Ihre Machart leistete dem gewissermaßen Vorschub. Das Hörspiel als literarische Sonderform der Gattung Drama war in Deutschland nach dem Zweiten Weltkrieg enorm breitenwirksam geworden, bevor sich dann das Fernsehen in den Vordergrund schob. Vermutlich war das Hörspiel auch viel stärker Stätte des Experimentellen als das Theater. Die Reduktion auf rein auditive Vermittlung war strukturgebunden und musste also auf die theatrale Balance zwischen Visualisierung des zugrundeliegenden Textes und seiner in der mentalen Vorstellung qua Sprache verbleibenden Funktionen keine Rücksicht nehmen, selbstverständlich in erster Linie eine Rücksicht auf die Sehgewohnheiten der Zuschauer. Vermutlich fand Herbert daher bei der „Hörspielgemeinde“ auf einem Großteil des gesamten deutschen Sprachgebietes Beachtung, sofern die Hörspiele über Mittelwelle (und seltener Langwelle) ausgestrahlt worden sind. Aber auch UKW erreichte wenigstens die länderbezogenen Sendegebiete, von Übernahmen der Produktionen durch andere Sender (wie z.B. durch den späteren Deutschlandfunk in Köln) ganz zu schweigen. Im Schnitt erreicht ein Hörspiel – und das wurde ermittelt wie jede andere Einschaltquote – 20.000 Zuhörer pro Sendung, mit den Wiederholungen im Austausch der ARD– Rundfunkstationen werden es schnell noch ein Vielfaches mehr. Nur wenige Theater69 Vgl. Filipowicz 1998, S. 9. Zu Herberts Rezeption in Deutschland findet sich Einiges bei Rosinek, V.: Recepcja w Niemczech. In: Czapliński, P. et alii (Hgg.), Czytanie Herberta. Posen [Poznań] 1995, S. 247–254. Dramen und Hörspiele werden allerdings hier ignoriert. 70 Vgl. Höllerer, W. (Hg.): Ein Gedicht und sein Autor. Berlin(–West) 1967; im von Höllerer veranstalteten „Literarischen Colloquium“, das in der genannten Publikation dokumentiert wird, vertreten Herbert und Różewicz quasi die polnische Literatur.
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inszenierungen können es mit solchen Publikumszahlen aufnehmen. Aufführungen von Gegenwartsdramatik so gut wie gar nicht.71
Durch die Arbeitsgemeinschaft der Rundfunkanstalten in Deutschland (ARD) ist jedenfalls Herberts gesamtes Dramenwerk auf Deutsch präsentiert worden,72 und zwar vor seinem Aufstieg (in Westdeutschland) als Lyriker und Essayist:73 Das andere Zimmer, NDR [Norddeutscher Rundfunk (Hamburg)], am 4. Februar 1959;74 Die Höhle des Philosophen, RB [Radio Bremen], am 9. November 1960;75 Rekonstruktion eines Dichters, WDR [Westdeutscher Rundfunk (Köln)], am 29. Dezember 1962;76 Die kleine Stadt, WDR, am 15. April 1964;77 Kummerkasten, SDR [Süddeutscher Rundfunk (Stuttgart)], am 14. Oktober 1973; 78 71 Irmer, Thomas: Die Primetime–Stimmen, in: TH 2004 Heft 3, S. 73. Im eigentlichen Rundfunkzeitalter mögen die Zahlen sogar höher gewesen sein, jedenfalls liefert diese allerneueste Statistik einen Anhaltspunkt. Die folgenden Daten betreffen die Erstsendung. 72 Nach den elektronischen Angaben des Deutschen Rundfunkarchivs Frankfurt a.M. Leider sind die Angaben (noch) nicht vollständig, so dass manche Fragen erst einmal offen bleiben müssen. Deswegen wird im Weiteren, z.B. bei der Zuordnung von deutschem Hörspiel–Titel und polnischem Original, gelegentlich mit begründbaren Vermutungen gearbeitet. 73 Einzelne Gedichte wurden seit 1959 in Anthologien veröffentlicht (vgl. Rosinek 1995); eine erste separate Sammlung erschien 1964 als Band 88 in der bekannten „edition suhrkamp“, vgl. Kuczyński, K.A.: Polnische Literatur in deutscher Übersetzung. Von den Anfängen bis 1985. Frankfurt a.M. 1987, S. 65 s.v. Herbert. 74 Poln. Drugi pokój, wörtl. Das zweite Zimmer; übersetzt von Heinrich Kunstmann. Hier und im Folgenden die Daten der Erstsendungen. 75 Poln. Jaskinia filozofów, wörtl. Die Höhle der Philosophen; übersetzt von Heinrich Kunstmann. Unter dem Titel Die Höhle der Philosophen findet sich eine Variante (?) der Übersetzung in: Spectaculum. Texte moderner Hörspiele. Frankfurt a.M 1963, S. 58–80. Lt. URL http://www.hoerdat.in-berlin.de/ ; 1.11.2009 auch im RIAS Berlin gesendet. 76 Poln. Rekonstrukcja poety; übersetzt von Heinrich Kunstmann. Der Text der Übersetzung ist bibliographisch nicht nachweisbar, es handelt sich hier vermutlich, wie auch in den folgenden Fällen, um eine Auftragsarbeit nur für den Rundfunk. 77 Poln. offenbar Lalek, – Eigenname, als Titel auch Der Hübsche (vgl. Maciąg W.: Die polnische Gegenwartsliteratur. 1939–1976. München.1979, S. 163.) Der Text der Übersetzung von Heinrich Kunstmann ist bibliographisch nicht nachweisbar. Der deutsche Titel lehnt sich an den polnischen Theatertitel Miasteczko zamknięte an, wörtl. Eine / Die geschlossene (kleine) Stadt, und an Thornton Wilders berühmtes Stück Our Town (1939), das in Deutschland Unsere kleine Stadt heißt. Vgl. auch Bübchen. Ein Stück für Stimmen. Übersetzt von Henryk Bereska. In: Weiße Ehe. Moderne polnische Dramen. Leipzig 1982, S. 65– 125. 78 Poln. offenbar Listy naszych czytelników, wörtl. Briefe von unseren Lesern; übersetzt von Klaus Staemmler. Der Text der Übersetzung ist bibliographisch nicht nachweisbar.
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Die Höhle der Philosophen, SDR, 14. April 1974.79 Wie schon angedeutet, sind Herberts Dramen von einer Machart, einer „Faktur“, die qua Hörspiel zwanglos in Darstellung verwandelt werden kann. Diese Besonderheit hat vor allem die Literaturwissenschaft einigermaßen irritiert. Geradezu kanonisch wurde die Ansicht von Marta Piwińska, die schon 1963 wohl als eine der ersten Herberts Dramen konzeptuell behandelt hat. Sie wird seither immer wieder zitiert: Es gibt nicht den Essayisten Herbert, den Lyriker Herbert oder den Dramatiker Herbert. Das ist immer ein und derselbe Herbert: bis in den letzten Band überträgt er frei in Verse, was Teil eines Dramas geworden war, und in einem Essay vollendet er den Gedanken, der schon als Vers entworfen wurde. Über ihn kann man sagen, er sei Autor eines einzigen Werkes, und zwar in dem Sinne, wie Balzac Autor eines einzigen Werkes gewesen ist. Deswegen lassen sich Herberts Dramen nicht „für sich“ lesen – jenseits seiner Lyrik oder jenseits seiner Essays. Gewiss gilt das mehr oder weniger für jeden Schriftsteller. Aber bei Herbert ist die nahezu organische Einheit seines Schaffens außerordentlich wichtig. Schreiben bedeutete für Herbert soviel wie eine Welt schaffen. Und diese Welt stellt eine sich in der Zeit entwickelnde Einheit dar. Um aber diese Einheit zu erfassen und um die Welt gut zu verstehen, muss man sich ihrem Ursprung zuwenden.80
Von diesem Ansatz aus liefert sie zwar eine nachvollziehbare Deutung von Herberts dramatischen Texten, aber sie befindet sich mit ihr selbstverständlich auf der Sinnebene, die allenfalls mit anderen Sinnzuweisungen, im gegebenen Rahmen etwa durch die deutsche Theaterkritik, verglichen und somit genutzt werden könnte. Sonst bleibt die Deutung, wie jede Interpretation, hermetisch und auf einen Standpunkt bezogen, mit dem nicht gestritten werden kann. Für den Blick von Außen, der nicht völlig den Usancen einer „Nationalphilologie“ unterworfen ist, zeigt sich aber das Phänomen Herbert in einem anderen Licht. Eigentlich kann gar nicht überraschen, dass Herbert zunächst als Hörspielautor seinen Weg „in die Fremde“, sprich: nach Deutschland, nimmt und erst danach als Lyriker. Lyrik sperrt sich vermutlich stärker gegen jedwede Übersetzung. Sie bleibt stärker ihrem eigenen Sprachraum verhaftet. Natürlich haben Marta Piwińska und alle, die ihr folgen 81, auch insofern Recht, als Herberts lyrische Wortkunst in seinen eigenartigen Dramen wiedergefunden werden kann. Die Reduktion auf die auditive Seite der Darstellung, wie die Umsetzung des dramatischen Textes nicht in ein Theaterschauspiel, sondern in ein Hörspiel beschrieben werden kann, setzt gerade die Möglichkeiten des genauen 79 Übersetzt von Heinrich Kunstmann. 80 Piwińska, M.: Zbigniew Herbert i jego dramaty. [1963] In: Franaszek A. (Hg.), Poznawanie Herberta. Kr. 1998, S. 307–332, hier S.307f. (Übersetzung von U.S. ) 81 Mit gewissen Modifikationen in Bezug auf die Darstellung „von Außen“ = Drama, „von Innen“ = Lyrik, Krajewska, A.: Teatralna persona. In: Czapliński, P. et alii (Hgg.), Czytanie Herberta. Posen [Poznań] 1995, S. 187.
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Sprechens und Hörens frei, um die es einem Lyriker wohl zu tun ist. Auch die eigenartige Visualität Herbertscher Stücke, die Halina Filipowicz gegen den oben zitierten Ansatz ins Feld führt82, hat letzten Endes das Sprechen / Hören und gerade nicht das Agieren / Schauen zum Vorwurf: A complex tension between the seen and the unseen is central to all of Herbert's plays; here [Drugi pokój / The Other Room], it is rendered most explicit. What happens when the usual object of the spectators‘ gaze, a character, is denied a visual presence within a play? Yet Herbert is too susceptible to the illicit charms of domestic drama 83 (and too smart a dramatist) to create a play in which the only interesting character ist the one nobody can see.84
Wer nicht sehen kann, muss eben hören, könnte man in Abwandlung eines deutschen Sprichwortes sagen, d.h. auch auf der Bühne bleibt wegen der besonderen Konstruktion der Welt die sprachbezogene bloße Vorstellung dieser Welt stärker präsent als üblich.85 Eine weitere Blickwendung in Sachen Hörspiel mag helfen, das Phänomen Herbert in den gebührenden Kontext zu rücken. Seit der Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert werden Dramen gegen die konventionelle Abbildfunktion (des Theaters) geschrieben, gegen den „Realismus“ bzw. wenig später gegen den „Naturalismus“ auf dem Theater. Erst nach dem Zweiten Weltkrieg wird mit dem Theater des Absurden gewissermaßen der Höhepunkt dieser Entwicklung erreicht, zu deren Erben auch Herbert gehört. Darüber wird noch zu reden sein. Ein Seitenzweig der skizzierten Entwicklung oder auch nur eines ihrer wesentlichen Merkmale lässt sich allerdings in der Re–Etablierung des Wortes erkennen. Die sprachliche Stilisierung rückt wieder in den Vordergrund. Wenn Herbert sein Stück Lalek trotzig nicht mehr słuchowisko, wörtl. Hörspiel, sondern sztuka na głosy (Stück für Stimmen) nennt86 und behauptet, es sei nicht bekannt, ob eine solche Gattung existiere, und falls nicht, müsse man sie eben erfinden, so scheint sich dahinter eine ironische Camouflage zu verbergen. Denn am 25.1.1954 war in der BBC London das nachmals weltberühmte „Spiel für Stimmen (A Play for Voices)“ Under Milk Wood des walisischen Autors Dylan Thomas aufgeführt worden, nachdem Thomas es am 24.10.1953 in New York in ei82 Und auch gegen die Behauptung, es handele sich dem Wesen nach um Hörspiele. 83 Gemeint ist offenbar die spezielle allegorische Tradition des polnischen Theaters resp. Dramas. Vgl. dazu Kapitel 5. 84 Filipowicz, H.: Hera‘s Glass Eyes. A Counterreading of Zbigniew Herbert‘s Plays. In: Indiana Slavic Studies 9. Bloomington [USA, Indiana] 1998, S.9–27, hier S. 20 85 Im zugehörigen Kontext sei an das Hörspiel von Samuel Beckett All that fall (Alle, die da fallen) (1957) erinnert, als dessen Protagonist ein Blinder handelt, in dem also gleichfalls (Nicht–)Sehen thematisiert und in der Faktur des Hörspiels „bloßgelegt“ wird. 86 Zitiert nach Baranowska, M.: Radio jako osoba dramatu. [1973] In: Franaszek, A. (Hg.), Poznawanie Herberta. Kr. 1998, S. 333–341, hier S. 333.
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ner szenischen Lesung selbst „stimmgewaltig dargeboten“ hatte.87 Es wurde mit dem Titel Unter dem Milchwald im Dezember 1956 am Schiller–Theater in Berlin(–West) durch Boleslaw Barlog erstmals in Deutschland inszeniert und war wohl ursprünglich eine Auftragsarbeit für die BBC, die Thomas mit gewissen Skrupeln ausführte. In einem Brief von Oktober 1951 bekennt er: [Mir kam] der Einfall, etwas zu schreiben – ein Bühnenstück, eine Impression für Stimmen, eine Unterhaltung aus dem Dunkel, ein Stück über die Kleinstadt, in der ich lebe. [...] Es wäre schlimm, wenn Sie das Ganze für Quatsch hielten. Mein Kopf ist voll davon, ich muss einfach weitermachen.88
Hier bewegt sich ein Stück von Anfang an innovatorisch zwischen Rundfunk und Bühne. Selbst wenn es zwischen Thomas' Unter dem Milchwald und Herberts Lalek auch genetische Verbindungen gäbe, wie beispielsweise der Handlungsraum der Kleinstadt und einiges Andere suggerieren, sind diese Verbindungen weniger wichtig als die Kontextbindung dieser Art von Audio–Stücken, wie sie auch Herbert schreibt. Sie stehen in der allgemeinen Tradition der Dramatik des 20. Jahrhunderts. Herbert ist ihr herausragendster polnischer Vertreter. Selbstverständlich vertritt er deswegen nicht das Theater des Absurden, sondern nutzt nur ein Vertextungs–Merkmal, die sprachliche Pointierung, die im Theater des Absurden zu einer der Dominanten wird.89 Gleichwohl darf man nicht verkennen, dass auch der anti–illusionistische Habitus seiner Stücke vielleicht doch zu einem Teil vor dem Hintergrund des zeitlich zugehörigen Theaters des Absurden erfasst werden muss. Das Theater des Absurden wird in der spezifischen polnischen Situation Mitte der Fünfziger Jahre gegen den platten und propagandistischen Illusionismus des SozRealismus ins Feld geführt und hat insofern eine ganz andere situative Funktion als etwa in Westeuropa. 90 Es geht im Übrigen ja um eine Theater–Form, der sich bestimmte Dramen nur besser einfügen als andere und für die allenfalls Dramen ganz speziell geschrieben worden sind. Im Theater des Absurden der 50er Jahre werden existenzielle Grundsituationen 87 Thomas, D.: Unter dem Milchwald. Ein Spiel für Stimmen, deutsche Nachdichtung von Erich Fried. In: Spectaculum, Sechs moderne Theaterstücke. Frankfurt a.M 1962, S. 225–266, 298– 303 (Kommentar), S. 398f. 88 Ebenda, S. 300. 89 Vgl. Esslin, Martin: Das Theater des Absurden. Frankfurt am Main. 1967, S. 421ff. Esslin spricht zwar von der „Abwertung der Sprache“, weist aber gleichzeitig auf die Nähe zu Wittgensteins „Wort–Spiel“ [eigentlich „Sprachspiel“] hin. Gemeint ist also die Abwertung der „appellativen“ Funktion oder auch „Beeinflussungsfunktion“ der Sprache, die im konventionellen Drama eine große Rolle spielt, weil danach jedes Wort eine Tat mit Konsequenzen sein soll. Vgl. Ingarden 1972, S. 416. 90 Sicher lässt sich diese Funktion an Tadeusz Różewicz's frühen Stücken noch sehr viel deutlicher belegen. Vgl. auch Kapitel 5.
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des Individuums geradezu „zelebriert“. Der Mythos von Sysyphos von Albert Camus ist Ausdruck eines Zeitgefühls für die Generation, die dem Inferno des Zweiten Weltkriegs gerade so entronnen war, und gibt seinerseits das Stichwort für entsprechende Erkundungen auf der Bühne und im gefühlsmäßig „synchronisierten“ Zuschauerraum. Mit Herberts Stück Das andere Zimmer lassen sich zweifellos Strategien des Theaters des Absurden verbinden. Weil es im Folgenden auch um die Inszenierung dieses Stückes in Aachen geht, soll es kurz paraphrasiert werden. Ein Ehepaar, das namenlos bleibt und nur mit den Pronomen „Er / Sie“ bezeichnet wird, belauert „das, was hinter der Wand ist“. Es handelt sich dennoch um keine Sache, sondern – wie man ihrem Dialog entnehmen kann – um eine alte Frau, auf deren baldiges Ableben sie warten. Das Ableben wollen sie mit allerlei Mittel befördern, wie z.B. mit Kommunikationsverweigerung, mit einer fingierten amtlichen Auszugsanordnung etc. Schließlich geht „Er“ nachschauen und kommt verstört mit der Nachricht von ihrem Tod zurück, so dass man auch denken könnte, er habe sie am Ende physisch umgebracht. In das Theater des Absurden passt beispielsweise die Situation des Wartens, wenn auch nicht imaginär „auf Godot“, sondern konkret auf das physische Ende „hinter der Wand“, aber doch auf das Ende in einem unsichtbaren Raum, über den es insgesamt nur Mutmaßungen gibt. Durchgängig waltet das Prinzip der Reduktion, und zwar von der Bezeichnung der Personen, ihrem Entwurf allein per Dialog bis hin zur Thematisierung einer existenziellen Grundsituation. Die Mutmaßungen, das (Un–)Sichtbare, das nur Hörbare etc. sind schließlich der Ausdruck eines Generalthemas, das Herberts Gesamtwerk prägt. Es geht um die Erkenntnis. Dem passen sich seine Dramen gattungsspezifisch an. Die metaphysisch–existenzielle Komponente dieses Themas gehört zum Grundbestand des Theaters des Absurden. Zudem hat das Generalthema per se etwas Subversives, weil ja eine sogenannte „wissenschaftliche Weltanschauung“ – offiziell wenigstens – das Erkenntnisproblem ein für allemal aus der Welt geschafft hatte. Das Thema Erkenntnis wird in einem zweiten Teil von Herberts Dramen91 allerdings auch diskursiv abgehandelt, z.B. in der Höhle der Philosophen. Auch dazu eine kurze Paraphrase, damit sich die Kritiken zur Oberhausener Inszenierung 1967 deutlicher vermitteln lassen. Sokrates wartet im Gefängnis auf seinen verordneten Tod per Schierlingsbecher. Er existiert aber als Philosoph weiter, nutzt sogar seine Gefangenschaft, die im Vergleich zu seiner bisherigen Stadtstreicher–Existenz recht komfortabel ist, indem er Besuche (darunter von 91 Herberts Dramen lassen sich offenbar in zwei Gruppen teilen, wie es schon Piwińska 1998, S. 330, vorgeschlagen hat, wenn auch mit Argumenten aus der existenzialistischen Metaphysik, mit denen, wie schon gesagt, gar nicht gestritten werden soll. Greifbarer bleibt dennoch die Einordnung nach der dargestellten Geschichtszeit, auf der einen Seite die Gegenwart (Drugi pokój, Lalek, Pisma naszych czytelników), auf der anderen Seite die (allegorische) Nutzung antiker Prätexte (Jaskinia filozofów, Rekonstrukcja poety).
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Platon) empfängt und mit seinen Schülern redet. Die Athener „Staatsmacht“ möchte sich mit seiner Hinrichtung eigentlich gar nicht belasten und wäre froh, wenn er fliehen würde. Sokrates aber bleibt. Er wird sterben, und das Leben außerhalb seiner Zelle wird weitergehen. Hier handelt es sich deutlich um ein anderes Muster des anti–abbildhaften Theaters bzw. Dramas. Dessen Bestimmung unter rezeptionellen Vorzeichen ist nicht ganz einfach und würde in letzter Konsequenz auch gar nicht zum Thema gehören. Die Frage nach einem Muster legitimiert sich im Übrigen aus der Grundannahme, dass die Kunst ihren eigenen inneren Zusammenhang hat, der im Universum der Texte und in den Vertextungsstrategien aufgefunden werden kann und der erst sekundär mit dem zugehörigen Kontext korrespondiert. Zbigniew Herbert als origineller dramatischer Autor wird dadurch jedenfalls in keiner Weise abgewertet. Es geht allein um allgemeine Entwicklungslinien des Theaters, die Herbert nutzt und gleichzeitig in der Situation des geistigen Umbruchs nach dem polnischen Oktober 1956 mitgestaltet. Bei Małgorzata Sugiera findet sich der interessante Hinweis auf das „literarische Theater“, eine Bezeichnung, die von dem polnischen Theaterkritiker Altendorf in Umlauf gebracht worden war. Danach gehören zum literarischen Theater z.B. Jean Giraudoux oder Friedrich Dürrenmatt. Aus heutiger Perspektive kann man sicher sagen, dass die polnische Rezeption der Dramen Dürrenmatts zwar stark durch diese Zugehörigkeit zum sog. literarischen Theater beeinflusst wurde, dass aber seine „literarische Qualität“ nicht in erster Linie als Opposition zur realistischen Poetik, sondern eher zum absurden Drama verstanden wurde.92
Im Weiteren zitiert Małgorzata Sugiera den Dramatiker Adam Tarn, zeitweise Chefredakteur der polnischen Theaterzeitschrift „Dialog“, der 1961 gesagt hatte, die polnischen Dramatiker schrieben nicht über das, „was uns wirklich angeht, und wenn schon, dann greifen wir zu Kostümen, Anspielungen, Allegorien, weil wir entweder unsere Köpfe nicht zu weit hinausstrecken wollen oder aber weil wir annehmen, dass das Thema sowieso ein Tabu ist.“93 Herberts Dramen In der Höhle der Philosophen und Rekonstruktion eines Dichters94 entwickeln das Thema Erkenntnis in historischer Verkleidung, „in Kostümen, Anspielungen, Allegorien“. Freilich darf man nicht übersehen, dass diese Art von literarischem Theater auch bei Shaw oder bei Brecht vorkommt, um Shaw willkürlich, Brecht aber gezielt herauszugreifen. Die Versetzung klassischer Prätexte in zeitgenössische Kontexte hat gerade auch im 20. Jahrhundert Methode. Schließlich 92 Sugiera, M.: Dialektische Verfahren in Dramen von Friedrich Dürrenmatt und Max Frisch – Wirkungen in der polnischen Dramatik nach 1956. In: Bayerdörfer, Hans–Peter et alii (Hgg.), Polnisch–deutsche Theaterbeziehungen seit dem Zweiten Weltkrieg. Tübingen 1998, S.98– 112, hier S. 98. 93 Ebenda, S. 99. 94 Hier geht es um Homer und das „wissenschaftliche“ Bild von Homer.
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schreibt Wyspiański 1907 Powrót Odysa (Die Heimkehr des Odysseus). Bei Brecht findet sich sogar ein Hörspiel, Das Verhör des Lukullus von 1940,95 das dergleichen Allegorese nutzt. Und in der DDR etabliert sich mit Peter Hacks' und Heiner Müllers Stücken eine ganz spezielle „Antike–Rezeption“ (vgl. unten Kapitel 5). Alle diese Erwägungen sollen nun in die Beschreibung der beiden Inszenierungen bzw. von deren kritischem Echo münden, die Herberts Dramen in Deutschland zuteil geworden sind. Herbert ist nur in Westdeutschland aufgeführt worden. Immerhin gibt es aber von seinem Stück Das andere Zimmer zwei verschiedene Übersetzungen (Ost / West), die im gleichen Jahr veröffentlicht worden sind 96. Die DDR– Übersetzung belegt ein Interesse, das freilich nie bis zu einer Inszenierung gediehen ist oder überhaupt gedeihen konnte. Dass beide nahezu zeitgleich zwischen 1965 und 1966 erschienen sind, mag Zufall gewesen sein. Grundsätzlich gilt aber für die DDR, dass „nach einer Pause zwischen 1957 und 1965 [...] der DDR Bühnenvertrieb ‚henschel Schauspiel‘ bis 1974 wieder, wie bereits früher, jährlich im Schnitt zwei vervielfältigte Bühnenmanuskripte aus dem Polnischen“ bereitstellte.97 In diesem Zusammenhang muss wohl die Sammelpublikation von Jutta Janke gesehen werden, in der auch Herberts Drama abgedruckt ist. Das westliche Interesse für die polnische Theater– und Dramenkunst wird dagegen von den internationalen Theaterfestivals im Ausland (Paris, Stockholm u.a.) angestoßen. Von hier aus gelangen häufig Stücke oder ganze Produktionen nach Westdeutschland. 95 Bekannter ist wohl die darauf aufbauende Oper Die Verurteilung des Lukullus, Musik von Paul Dessau; Uraufführung Berlin(–Ost) 1951. Brecht in Polen ist ein Sonderproblem, wie die Ausführungen von Leyko, M.: Der gewollte und der ungewollte Brecht. In: Bayerdörfer, H.–P. et alii (Hgg.): Polnisch–deutsche Theaterbeziehungen seit dem Zweiten Weltkrieg. Tübingen 1998, S. 61–76, und Sauerland, K.: Es ging um den Raum. Der erste Besuch des Berliner Ensembles und seine Folgen. In: Sugiera, M. (Hg.): Ein schwieriger Dialog. Polnisch–deutsch–österreichische Theaterkontakte nach 1945. Kr. 2000, S. 277–287, belegen. Hier soll auch nicht zwischen den einzelnen Mustern sortiert werden. Die Unterschiede zwischen Brechts „Epischem Theater“ bzw. seiner Nutzung historischer Prätexte und z.B. Dürrenmatts Stück Romulus der Große liegen auf einer anderen Ebene. In der Funktionalisierung der Prätexte sind sie dagegen vergleichbar. 96 Das andere Zimmer – 1. in Janke, J. (Hg.), Polnische Dramen. Berlin(–Ost), S. 289–303, Übersetzung von Caesar Rymarowicz; 2. in Juhre, A. (Hg.), Spiele für Stimmen. Ein Werkbuch. Wuppertal/Barmen, S. 129–139, Übersetzung von Heinrich Kunstmann, bzw. als 1966 „Theatermanuskript“ beim Suhrkamp–Verlag Frankfurt a.M., Übersetzung ebenfalls von Heinrich Kunstmann, offenbar nach einer anderen (eher für die Bühne adaptierten) polnischen Vorlage. Auch sonst gibt es Unterschiede zwischen den Übersetzungen, die aber hier nicht weiter relevant sind. Vgl. Kapitel 3. 97 Scholze, D.: Zwischen Vergnügen und Schock. Polnische Dramatik des 20. Jahrhunderts. Berlin(–Ost), S. 304
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Im November 1966 brachte das Aachener Stadttheater Herberts „Hörspiel“ – wie in den Kritiken durchgängig vermerkt wird – Das andere Zimmer auf die Bühne. Um dem Theaterabend die übliche Länge zu geben, wurde noch ein zweites Stück gespielt, und zwar Kommen und Gehen (Come and go) von Samuel Beckett. Das Symptomatische dieser Verknüpfung muss nicht weiter erläutert werden. Selbstverständlich schuf dieser Kontext eine deutliche Allusion an das Theater des Absurden. Von den vorliegenden fünf Theaterkritiken äußern sich vier positiv über das Stück, nur eine hat mit dieser Art Modernität am Stadttheater Aachen Probleme: In Aachen spielt man im Stadttheater gängige Modernismen wie anderswo, aber manchen Publikumskreisen ging's noch nicht modern genug zu auf der Bühne ihres Stadttheaters, weshalb sich Unmut breitmachte. Ihn zu verscheuchen bot die Intendanz jetzt auf der Kammerspielbühne eine deutsche Erstaufführung: „Das andere Zimmer“, ein Zweipersonenstück von dem als Lyriker (dessen Gedichte Karl Dedecius übertrug) und Essayisten mehr denn als Dramatiker bekannten Zbigniew Herbert [...].98
Da der Ausdruck „Stadttheater“ hier offenbar mit einer Konnotation verwendet wird, die quasi das Gegenteil von „Modernität“ bedeutet, könnte man auch denken, die Kritikerin habe etwas gegen die prätentiöse, aber doch letzten Endes misslungene Inszenierung. Aber sie hat vermutlich in erster Linie etwas gegen die Modernität und dagegen, dass sich ein biederes Stadttheater damit camouflieren will, statt sozusagen etwas Ordentliches, vielleicht auch politisch Relevantes, zu spielen. Für diese Deutung steht der „Lyriker Herbert“, der sich quasi an einem Drama versucht: „Es ist einfach langweilig und ziemlich geschmacklos zu finden, wie die beiden da auf den Tod der Alten warten; viele Aachener Premierenzuschauer gähnten ebenfalls.“ Becketts Stück, das „manche Leute für eine vollkommene Dichtung halten“, findet gleichfalls wenig Gegenliebe. „Einige sehr junge Zuschauer klatschten, die anderen, soweit nicht vor Schluss der Vorstellung geflohen, gingen kopfschüttelnd. Sooo modern hatte man's offenbar doch nicht gewollt...“ (Ebenda) Unvermittelt fällt ein Schlaglicht auf die Sechziger Jahre, auf die Provinz99, den sich anbahnenden Generationenkonflikt und die gefährdete Beschaulichkeit der westdeutschen Republik. Nicht zuletzt erschien die Kritik ja auch in einem Provinzblatt, als das die „Lübecker Nachrichten“ wohl zu gelten haben, jedenfalls im Vergleich zu den anderen Blättern, die das Aachener Experiment in ihrem Feuilleton würdigten, der „Welt“ (Hamburg), der „Frankfurter Rundschau“ sowie der 98 Hier und im Folgenden Luyken, S.: Aachen gibt sich modern. In: Lübecker Nachrichten, 26.11.1966. 99 Natürlich muss man in Deutschland mit der Zuweisung „Provinz“ vorsichtig sein, da es ja kein eindeutiges Zentrum gibt. Aachen hat(te) immerhin eine bedeutende Technische Hochschule, so dass vermutlich auch ein Publikum für (i.S. der Kritik) „moderne“ Stücke vorhanden war
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professionellen Theaterzeitschrift „Theater heute“. Immerhin gab es eine weitere Kritik in einem vergleichbaren Blatt, dem „Main–Echo“ (Aschaffenburg). Der nicht genannte Kritiker deutete zumindest die Reaktion des Publikums ganz anders: „Der kurze starke Beifall kam spontan.“100 Für ihn vermittelte die deutsche Erstaufführung „des Einakters Das andere Zimmer von Zbigniew Herbert [...] einen Begriff von der Wandlung zu kritischer Analyse in der polnischen Gegenwartsdramatik“. Dagegen kam in den „Lübecker Nachrichten“ der polnische Ursprung wie auch eventuelle Hintergrund des Stückes nur in der Nebenbemerkung vor, Herbert gehöre zu den „tonangebenden polnischen Gegenwartsliteraten“. Das ließ sich so oder so verstehen. Natürlich bleibt auch die „kritische Analyse“ offen, weil nicht klar ist, was eigentlich analysiert wird, aber im Kontext der Situation wurde diese Kategorie wohl zweifelsfrei politisch und im künstlerischen Sinne als gegen die Agitprop–Banalitäten des SozRealismus gerichtet verstanden. Am positivsten werden Stück und Inszenierung von Volker Canaris in „Theater heute“101 besprochen. Er hebt die „Konzentration auf die Sprache“ hervor. Herbert sei „bei uns bekannt als Autor von Gedichten und Hörspielen – von Gattungen also, die auf das Wort vertrauen“. Das Ehepaar existiere nur, weil es über die Dritte hinter der Wand spreche. „Vor allem aber entzündet sich das Sprechen [...] immer wieder am Schweigen, am Lauschen, auf die immer undeutlicher werdenden Geräusche aus dem anderen Zimmer, auf die unendliche Stille.“ Es gehe um Tod und Leben. „Und erscheint das Leben der Alten den beiden wie eine Todesdrohung, ist das Sterben der Nachbarin für sie die Hoffnung auf ein neues Leben, so zeigt der Mechanismus des Stückes das Trügerische dieser Entwicklung.“ Mit dem Tod der Alten verschwinde auch der Antrieb für die Existenz der beiden sichtbaren Protagonisten. „Die Existenz des Todes ermöglicht das Leben und verneint es zugleich.“ Der existenzialistische Jargon verdeckt die Einsicht in Herberts Ironie, obwohl die Ironie als dramatisches Konstrukt, als „Mechanismus des Stückes“, durchaus bemerkt wird. Das strenge Bühnenbild wird ikonisch gedeutet. „Dreiviertel der Bühne bleiben dunkel [...] und betonen schon durch die Größenordnung, dass das ‚andere‘ Zimmer in der Entwicklung des Stückes die Rolle des ‚eigentlichen‘ spielt.“ In der Kritik von Canaris wird Zbigniew Herbert ganz eingebürgert. Der Bezug zu Polen wird nicht benannt, kein negativer Zug natürlich, aber doch interessant, zumal da der Kritiker am Schluss ganz kurz eine inszenatorische Alternative entwirft. „Die Frage wäre, ob Eindringlichkeit und böser Witz des Stückes nicht in einer Inszenierung wirksamer würden, die realistisch die Grundsituation des Stückes ausspielte: die der bösen Schwiegermutter, auf de100 –: Mord aus Passivität, in: Main–Echo (Aschaffenburg), 18.11.1966. 101 Hier und im Folgenden Canaris, V.: Zbigniew Herbert Das andere Zimmer in Aachen. In: TH 1967 Heft 1 , S. 40.
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ren Ableben gewartet wird.“ Es scheint, als sei Canaris damit tatsächlich näher an Herberts theatralischem Potential als die schwerblütige Inszenierung in Aachen. Sie entsprach zwar der existenzialistischen Komponente des Theaters des Absurden, aber ohne dessen Hang zur entlastenden Clownerie, die z.B. bei Beckett gut beobachtet werden kann. Man könnte meinen, dass die Konstruktion des Stückes mit den Usancen des Theaters des Absurden bereits einigermaßen parodistisch umgeht, sozusagen ersatzweise für die fehlende Clownerie. Die Situation des Wartens, der Existenz auf Leben und Tod etc. wird abbildhaft motiviert: in Westdeutschland mag es dabei um die Schwiegermutter gehen, in Polen bzw. „im real existierenden Sozialismus“ würde man vielleicht eher an Wohnungsbewirtschaftung und Gemeinschaftswohnung denken. Zudem wird im Text ja recht deutlich darauf verwiesen102. Auch der Kritiker der „Frankfurter Rundschau“103 hält die Aachener Aufführung für „überinszeniert“. „Düsternis und Tiefe selbst da, wo Banalität und Alltäglichkeit besser am Platze gewesen wären.“ Aber das Stück sei deutlich ein Hörspiel, das sich „tiefsinnig [...] als politisches Parabelstück mit absurden Untertönen“, eben „Mord durch Nichtstun“, interpretieren lasse, aber dadurch kein Drama werde. Herbert wird knapp als „einer der wichtigsten polnischen Lyriker der Gegenwart“ charakterisiert. Nur Werner Schulze–Reimpell in der Zeitung „Die Welt“104 geht ausführlicher auf Zbigniew Herbert und den „‚Polnischen Frühling‘ des Jahres 1956“ ein, ohne das Stück selbst in dieser Situation zu verorten. Seine Wahrnehmung bzw. Interpretation des Gesehenen korrespondiert mit dem, was dann Canaris im Januar–Heft 1967 von „Theater heute“ zu Herberts Drama ausführte und was weiter oben schon vermittelt worden ist. Die „Sprache [...] ist die eigentliche Ebene, in ihrem Bezirk vollzieht sich die Handlung. Ihr Gegenspieler ist das Schweigen.“ Nur sei der Aufführung „das schwierige, kaum lösbare Kunststück“ nicht gelungen, „das Schweigen zum echten Widerpart zu aktivieren“. „Das Stück braucht den imaginären Raum des Hörspiels. Seine szenische Konkretisierung bringt keinen Gewinn, sondern lässt es ärmer, zweidimensional erscheinen.“ Im „Studio 99“ der Städtischen Bühnen Oberhausen wurde 1967 Die Höhle der Philosophen als zweites Stück Herberts auf deutschen Bühnen aufgeführt. Die Kritiken erschienen bis auf zwei Ausnahmen eher in Regional–Zeitungen: „Rheinische Post“ (Düsseldorf), „Remscheider General–Anzeiger“, „Aachener 102 Es geht um den fingierten Brief der „Wohnungsverwaltung“. 103 Hier und im Folgenden J. Sch.: Mord durch Nichtstun. In: Frankfurter Rundschau, 29.11.1966. 104 Hier und im Folgenden Schulze–Reimpell, W.: Lady Macbeth aus der Wohnküche. In: Die Welt, 18.11.1966. Vgl. zu der damit hergestellten intertextuellen Verbindung zu Shakespeare auch Kraszewski, Ch.: Essays On the Dramatic Works of Polish Poet Zbigniew Herbert. Lewiston [USA, New York] usw. 2002.
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Volkszeitung“, „Westdeutsche Nachrichten“ (Münster) und „Münchener Abendzeitung“. Die FAZ brachte eine kürzere Kritik, vermutlich aus der Feder des bekannten Kritikers Schwab–Fehlisch, „Die Welt“ aus Hamburg eine Kritik in der üblichen Aufmachung, allerdings „von unserem Korrespondenten“ des Namens „Eo Plunien“, also nicht von einem extra angereisten Redaktionsmitglied. Will man die kritischen Äußerungen auf einen Nenner bringen, so könnte man diesen vielleicht als „respektvolle Ratlosigkeit“ bezeichnen. Im Unterschied zum Anderen Zimmer, das zu tiefsinnigen Erörterungen anregte, beeindruckte das allegorische Konstrukt der Höhle der Philosophen weniger. Es handelte sich sozusagen um eine Aufführung in der falschen Situation. Der Text wurde in einen Kontext gestellt, in dem er theatralisch nicht funktionieren konnte und offenbar abstrakt blieb. „Das kleine Denkspiel ist nicht immer auf der Höhe seiner selbst, gerät manchmal (in der Gestalt des Plato) ins Platte, macht aber immerhin einen nicht unaktuellen Zwiespalt deutlich.“105 So äußert sich der Kritiker der FAZ und beschreibt diesen Zwiespalt folgendermaßen: Wer stets die gesamte Menschheit im Blickfeld hat, kann der Gefahr erliegen, darüber den Menschen selbst aus dem Auge zu verlieren. Dieser Umschlag in ihren Gegensatz ist einer zugespitzten, verabsolutierenden dialektischen Denkweise immanent. Man braucht kein Mystagoge oder unklarer Schwärmer zu sein, um ihn zu fürchten.106
Ein anderer meinte: „Ein Stück, das uns viele Rätsel aufgibt, dessen stilistische Brillanz aber ein Genuss ist.“107 Problematisch war vielleicht auch das Bühnenbild, auf das die meisten Kritiker eingehen und das Reinhold Lindemann in der „Rheinischen Post“ vom 17.10.1967 zu der reißerischen Überschrift anregte: „Sokrates zwischen Marx und Nietzsche“. Die Inszenierung spannte „die von Autor Herbert zwischen Sokrates und Karl Marx gezogenen (und, wenn man's genau bedenkt, gar nicht ziehbaren) Fäden, deutlich sichtbar über die Bühne, indem sie auf einen roten Balken an der Bühnenrückwand über das Porträt des Sokrates in weißer Schrift Namen und Lebensdaten dieser beiden grundverschieden denkenden Philosophen anbringen“ ließ.108 Herberts Ironie wurde solchermaßen nicht darstellbar und blieb unerkannt. Sie war selbstverständlich eine Funktion des polnischen Kontextes, Stichwort „Tauwetter“ oder „Abrechnungsliteratur“, und in Westdeutschland fehl am Platze. Die bereits im Zusammenhang mit dem Anderen Zimmer wegen ihrer Ablehnung gegenüber der Aachener Inszenierung aufgefallene Kritikerin Sonja Luyken versteigt sich zu Äußerungen, wie: 105 S. –F.: Kleines Denkspiel. In: FAZ, 27.10.1967. 106 Ebenda. 107 Tamms, W.: Höhle der Philosophen. In: Münchener Abendzeitung, 19.10.1967. 108 Luyken, S.: Philosophisches im Schauspielhaus. Sokrates – ‚Verräter seiner Klasse‘. In: Westfälische Nachrichten, 19.10.1967.
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Dass Herbert Marxist ist, versteht sich, von uns aus gesehen, fast von selbst [...] Dass er jedoch Sokrates nach dessen Tod von einem Leichenwärter als ‚Proletarier‘‚ und ‚Verräter‘ seiner Klasse, der keine andere ‚Belohnung‘‚ als die des gewaltsamen Todes verdient habe, bezeichnet und mit diesem Kommentar sein Dialogspiel enden lässt, kommt uns doch willkürlich vor. Gewiss war Sokrates von kleinbürgerlicher Herkunft, ihn aber heute schlicht als Klassenverräter abzutun und zugleich seine eminente geistige Bedeutung in Frage zu stellen, wie Herbert es tut, indem er Platon den Tod des Sokrates nicht aus Gründen der Staatsräson für notwendig erachten lässt, sondern um eine Analyse der systemlosen Philosophie des Sokrates zu verhindern, durch die des trefflichen Mannes Ruhm an Glanz verlieren würde – das alles ist, nebst Anspielungen auf die geistige Situation im heutigen Polen zumindest bestreitbar.109
Auch von anderen Kritikern wurde der thematische Kern des Spiels gesucht und nicht so sehr das ironische Spiel als solches gesehen, wenn auch im Unterschied zu Luyken positiv; – situationsneutral, wie im folgenden Beispiel: Die Verknüpfung der Tugend mit dem Wissen und die Gleichung Vernunft = Glück, der Kern und das eigentlich Neue an der Lehre des Sokrates, ist Herbert vor allem suspekt. Er sieht darin eine Vergewaltigung der Natur und die Entfesselung eines Ungeheuers. Sokrates hat nicht mehr die Zeit, es zu bändigen; er wird sein erstes Opfer.110
– oder konkret, wenn auch im Rahmen einer Theaterkritik notwendigerweise ohne genauere Beschreibung: Eine bedeutsame Aussage macht zum Schluss der öffentliche Leichenwärter. Sokrates sei Proletarier durch Geburt gewesen und habe durch geistigen Umgang mit Bürgern und Aristokraten Verrat an seiner Klasse geübt. Damit wird der Bogen sichtbar, der im Bühnenbild von Sokrates bis Karl Marx angedeutet ist. Sokrates ist keine Einzelgestalt, sondern leidet durch die Jahrtausende ewig gleich unter wechselnden Ideologien. Der polnische Dichter macht hier Zeitbezüge evident, er glaubt nicht an Fortschritt und menschliche Evolution.111
Nimmt man das Echo auf Das andere Zimmer in Aachen ein Jahr vorher und die Pressestimmen zu Oberhausen zusammen, so wird schnell klar, warum es vermutlich bei den beiden Aufführungen geblieben ist. Der Hinweis, dass es sich um inszenierte Hörspiele handele, zieht sich wie ein roter Faden durch die Kritik. Die Rezeptionsgeschichte von Herberts dramatischen Texten in West109 Ebenda. Man könnte meinen, mit Sonja Luyken äußere sich eine Stimme jener zuweilen recht naiven westdeutschen Linken, die alsbald (1968) an den Universitäten den Ton angeben sollte. Allerdings ist Sonja Luyken Jahrgang 1921; vgl. den Bericht über eine Ausstellung ihrer Bilder – erw.: In einer traumlosen Welt. In: Westfalenpost, 23.4.1975. 110 Plunien, Eo: Leider ohne Handlung. In: Die Welt, 18.10.1967. 111 Leisegang, H.: Sokrates vor seinem Tode. In: Remscheider General–Anzeiger, 23.10.1967.
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deutschland, die ja Ende der 50er mit dem Hörspiel begann, beglaubigt in gewisser Weise das Unbehagen der Theaterkritiker an den Inszenierungen. Beide Stücke wurden in ein reduktionistisches Bühnenbild gestellt. Die Schauspieler im Stück In der Höhle der Philosophen spielten in moderner Alltagskleidung, wodurch der Charakter eines Sprechstückes unterstrichen wurde. Die clowneske oder farcenhafte „Sinnfälligkeit“ des Absurden fiel unter den Tisch. Sie wurde wahrscheinlich sowieso erst richtig in den 90er Jahren des 20. Jahrhunderts entdeckt. Es gab also im Wortsinn wirklich „nichts zu sehen“. Schließlich gilt im Blick auf die historische Entwicklung wohl zweierlei: Das andere Zimmer mit seinen Anklängen an das Theater des Absurden kam zu spät, weil dessen Zeit gerade zuende ging. Der parodistische Umgang Herberts damit wurde nicht vermittelt. Das Stück In der Höhle der Philosophen wiederum traf in Westdeutschland auf eine geistige Situation, die gerade im Begriff war, sich zu radikalisieren. Es hätte allenfalls ein Menetekel sein können, aber dafür stammte es auch in seiner Subversivität zu deutlich von der anderen Seite der Mauer, die Deutschland bzw. Europa damals teilte. US
e. Tadeusz Różewicz (*1921) Różewicz hatte sich unmittelbar nach Kriegsende als Lyriker einen Namen gemacht und der polnischen Lyrik einen ganz neuen Zuschnitt verliehen. Erst im geistigen Aufbruch des Tauwetters nach Stalins Tod begann er, Erzählungen und schließlich auch Dramen zu schreiben,112 deren Zahl mittlerweile auf etwa 20 gestiegen ist. 12 davon erreichten die deutschen Bühnen: Kartothek / Die Kartei (1960), Laokoongruppe (1962), Die Zeugen oder Unsere kleine Stabilisierung (1962), Der unterbrochene Akt (1964), Der komische Alte (1964), Er ging aus dem Haus (1964), Die alte Frau brütet (1968), Auf allen vieren (1971), Polnisches Begräbnis (1971), Weiße Ehe (1974), Der Abgang des Hungerkünstlers (1976) und Die Falle (1982). Kartoteka, das erste Stück aus dem Jahre 1960, wird schon 1961 von Ilka Boll unter dem Titel Die Kartothek ins Deutsche übersetzt, um noch im gleichen Jahr in Essen aufgeführt zu werden. In der DDR entdeckt man Różewicz's Stücke erst 1974.113 Die Gründe für diese Verspätung wurden in den ersten Ka112 Nach zwei nicht akzeptierten „Vorübungen“ in den Jahren 1948/49, vgl. Drewnowski, Tadeusz: Walka o oddech – Bio–poetyka. O pisarstwie Tadeusza Różewicza. Kr. 2002, S. 192f. 113 Różewicz: Stücke. Die Kartei. Die Laokoongruppe. Die Zeugen oder Unsere kleine Stabilisierung. Der komische Alte. Polnisches Begräbnis. Er ging aus dem Haus. Der unterbrochene Akt. Die alte
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piteln zur Genüge erörtert. Jedenfalls erscheint in diesem Jahr Kartoteka als Die Kartei in der Übersetzung von Henryk Bereska, wird aber offenbar in der DDR nicht aufgeführt. Nicht nur die DDR hatte mit Różewicz Schwierigkeiten, sondern auch Polen selbst, wie an Różewicz's drittem Drama Die Zeugen oder Unsere kleine Stabilisierung ermessen werden kann. Hier fand die Theater–Welturaufführung im Juni 1963 am „Schiller–Theater“ in Berlin(–West) statt, selbstverständlich in deutscher Übersetzung, wiederum von Ilka Boll, während die polnische Erstaufführung erst später folgte, nämlich 1964 am „Teatr Ludowy“ in Warschau.114 Das Stück war allerdings am 30.1.1963 im polnischen Fernsehen unter der Regie von Adam Hanuszkiewicz, dem eigentlichen Provokateur unter den polnischen Regisseuren, gezeigt worden und hatte die entsprechenden ablehnenden Reaktionen erfahren.115 Es handelt sich wohl um das Drama von Różewicz, dessen Thema für die Zeitgenossen am deutlichsten in der zugehörigen Kommunikationssituation verankert war, wenn auch indirekt–äsopisch. Die handliche Formel ‚unsere kleine Stabilisierung‘ wurde in Polen bald zum Inbegriff für eine soziokulturelle Situation, sie erfüllte dort eine ähnliche Funktion wie Becketts Slogan–Titel Warten auf Godot in Westeuropa.116
Allerdings wäre zu fragen, ob es wirklich nur um die „soziokulturelle Situation“ ging und nicht vielmehr um die handfeste politische „Stabilisierung“ durch das Gomułka–Regime, die seit Anfang der 60er Jahre beispielsweise zu einer wieder stärkeren Repression incl. Zensur führte,117 bis diese „Stabilisierung“ in der nächsten politischen Explosion zerbrach und Gierek an die Macht kam.118 1965 gab es eine Aufführung der Zeugen im Leipziger Studententheater, die wegen „Inhumanität des Stückes“ verboten wurde und zu einer politischen Frau brütet. Ausgewählt von Jutta Janke. Aus dem Polnischen von Henryk Bereska [und anderen]. Mit einem Nachwort von Werner Mittenzwei. Berlin(–Ost) 1974. 114 Vgl. Majchrowski, Zbigniew: Różewicz. Br. 2002, S. 254. 115 Zum Datum vgl. URL http://www.e–teatr.pl/pl/realizacje/2538,szczegoly.html ; 26.3.2008; zu den Reaktionen vgl. Drewnowski 2002, S. 328. 116 Scholze, D.: Zwischen Vergnügen und Schock. Polnische Dramatik des 20. Jahrhunderts. Berlin(–Ost) 1989, S. 189. 117 Vgl. Braun, Kazimierz: Kieszonkowa historia teatru polskiego. Lublin 2003, S. 197f. Zum gesellschaftlichen Aspekt der „kleinen Stabilisierung“ als einer allgemeinen Apathie angesichts von materieller Not und genau anders gerichteter Propaganda vgl. Burkot, Stanisław: Tadeusza Różewicza opisanie świata. Kr. 2004, S. 140. 118 Im Übrigen wurde auch das darauf folgende Stück Der unterbrochene Akt zuerst im Westen aufgeführt, nämlich 1964 in Ulm. Die polnische Erstaufführung gab es erst 1966. Ähnlich verhält es sich mit der Falle, die 1982 im norwegischen Bergen uraufgeführt wurde und erst 1984 in Polen auf die Bühne kam. Hier darf als Ursache wohl das 1981 verhängte Kriegsrecht gesehen werden. Zu den Aufführungsdaten vgl. Majchrowski 2002, S. 255f.; sowie URL http://www.e–teatr.pl/pl/realizacje/27679,szczegoly.html ; 26.3.2008.
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Maßregelung der Beteiligten führte.119 Der Aufführung lag die westdeutsche Übersetzung von Ilka Boll zugrunde;120 in der DDR erschien das Stück, wiederum von Bereska übersetzt, erst 1974 in dem zitierten Band mit acht Dramen von Różewicz. Offiziell wird das Stück erst danach Teil des ostdeutschen Repertoires und wird 1975, im Zuge der beschriebenen Lockerungen, in Potsdam und in Nordhausen, 1977 in Rudolstadt, 1978 in Halle, 1985 in Ost–Berlin durch die Schauspielerinitiative „Theaterwürfel“ und schließlich 1989 in Karl– Marx–Stadt (Chemnitz) gegeben. Und schließlich sollte man nicht verkennen, dass Różewicz's Stücke zwar spektakulär waren, dass sie aber auch im Westen nicht zu absoluten ‚Rennern‘ wurden, im Unterschied etwa zu Mrożeks Dramen in den 70ern. Darauf weist schon die Anzahl der Inszenierungen hin. Soweit sich feststellen ließ, gab es im behandelten Zeitraum im Westen 17 und im Osten 26 Inszenierungen. Im Osten wird die Statistik vom Stück Die Zeugen oder Unsere kleine Stabilisierung mit allein sieben Inszenierungen dominiert (s.o.), so dass sich das Verhältnis von 17 zu 26 relativiert und nicht unbedingt bedeutet, in der DDR hätte eher der Dramatiker Różewicz und in der alten Bundesrepublik eher der Lyriker Różewicz reüssiert.121 Unbestreitbar ist allerdings, dass Różewicz im Westen zuerst als Lyriker Profil gewonnen hatte,122 dass es aber Lyrik natürlich wohl kaum an Breitenwirkung mit Theateraufführungen oder gar Hörspielen aufnehmen kann. Über die sonstigen Unterschiede zwischen Ost und West bei der Auswahl aus den Stücken wird noch zu reden sein. Man könnte also mit Fug und Recht schlussfolgern, dass Różewicz allenthalben Schwierigkeiten machte, und vermuten, dass seine Dramatik ein provokatorisches Potenzial hat, welches nicht nur mit den dogmatischen Usancen des SozRealismus kollidierte. Anhand der verfügbaren Kritikerstimmen soll nun den Gründen nachgespürt werden, welche die Rezeption seiner Dramen in 119 Vgl. Olschowsky, Heinrich: Das Erbe einer schwierigen Nachbarschaft. Polnische Literatur in der DDR. In: Dialog. Deutsch–polnisches Magazin. 2001 Jahrgang 15 Heft 57, S. 87f., hier S. 88. 120 Vgl. Misterek, Susanne: Polnische Dramatik in Bühnen– und Buchverlagen der Bundesrepublik Deutschland und der DDR. Wiesbaden 2002, S. 299f. Der Fall kursierte mitsamt dem Text auf dem „11. Plenum“ des ZK der SED 1965 als Beispiel für „ideologische Aufweichung“. (Vgl. unten Kapitel 5) 121 Gegen die Ausführungen von Kneip, Heinz: Różewicz w Niemczech. In: Odra. Miesięcznik społeczno–kulturalny. Br. 1992 Heft 6, S. 38–41. Ebenso trifft nicht zu, dass in der DDR mehr Stücke aufgeführt worden seien als in der Bundesrepublik. Die Kartothek und Auf allen vieren wurden nur im Westen, Der Abgang des Hungerkünstlers und Polnisches Begräbnis nur im Osten inszeniert, alle anderen in beiden Theaterlandschaften. Vgl. Register im Anhang. 122 Neben Herbert war auch Różewicz Teilnehmer an Höllerers Literarischem Colloquium; die Theaterkritiker nehmen deshalb in aller Regel auf den Lyriker Różewicz Bezug. Vgl. Höllerer, W. (Hg.): Ein Gedicht und sein Autor. Berlin(–West) 1967.
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Deutschland trotz des erkennbaren guten Willens von Seiten der Theater letztlich erschwert haben. Angesichts der Anzahl der Inszenierungen wie auch der vorhandenen Kritiken muss eine Auswahl getroffen werden, die sich einerseits an der Popularität der Stücke in Polen, wie z.B. im Falle Kartoteka (Kartothek / Kartei), und andererseits am differenzierten Rezeptionsschicksal nach Ausweis der verfügbaren Kritiken in Deutschland Ost und West orientiert. Für letzteres wären die erwähnten Die Zeugen oder Unsere kleine Stabilisierung sowie das Drama Weiße Ehe geeignete Beispiele. Zunächst sei also Einiges zu Różewicz's Dramendebüt Kartothek / Kartei ausgeführt. Das Stück hatte in Polen Furore gemacht und gehört nach Kazimierz Braun zu den „unvergesslichen Dramendebüts der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts“123, und zwar beispielsweise zusammen mit Gombrowicz's Yvonne (1957) und Mrożeks Polizei (1958). Die drei genannten Stücke wurden allesamt am Warschauer „Teatr Dramatyczny“ aufgeführt, das sich damit besonders profilierte.124 Dass die Kartothek bereits im Oktober 1961 in Essen in der Regie von Joachim Fontheim zur deutschen Erstaufführung kam, war der Passion der Dramaturgin und Übersetzerin Ilka Boll zu verdanken. Das Echo der Kritik war gemischt, aber zumeist wohlwollend. Seit dem Bau der Berliner Mauer waren keine zwei Monate vergangen. Różewicz geriet in eine Sondersituation, was „den Osten“ anlangte, und die eigenartige Liberalität des polnischen Kommunismus (vermutlich allerdings eher als Ausdruck der Schwäche zu begreifen) strahlte in einem besonderen Glanz: Im Reiche Ulbrichts ist ein solcher Autor einfach unvorstellbar [...] Einige von unseren Bühnen haben unter den gegenwärtigen Umständen auf ihre schon angekündigten Brecht–Inszenierungen verzichten zu müssen geglaubt, aber noch nicht gesagt, was sie statt dessen geben wollen. So sollen sie denn Różewicz spielen, und zwar im großen Haus.125
Den meisten Kritikern erschließt sich in aller Regel ohne Weiteres ein Deutungshorizont. Er wurde vielleicht – wie üblich – durch das Programmheft befördert und erreichte damit ggf. auch die Zuschauer, die ja historisch ohne Stimme sind und deren Auffassung also im Dunkeln bleibt:
123 Braun, Kazimierz: Kieszonkowa historia teatru polskiego. Lublin 2003, S. 196. (Ü v. U.S.) 124 Regisseurin der Premiere von Kartoteka 26.3.1960 war Wanda Laskowska. Vgl. Braun 2003, S. 200; sowie URL http://www.e–teatr.pl/pl/osoby/5999,karierateatr.html#start ; 17.3.2008. 125 Schön, G.: Sind Polens Helden müde? In: Kölnische Rundschau, 9.10.1961. Gespielt wurde die Kartothek auf dem Dachboden des Essener Kulturamtes, auf dem die „Studiobühne“ untergebracht war.
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Die Kartothek ist eine Art dramatisierter Bewußtseinsroman. Im Mittelpunkt steht die uns längst vertraute Figur eines negativen Helden, dessen Identität austauschbar ist, und der stellvertretend für seine Generationsgenossen spricht. Er hat Krieg, Niederlage, Aufstand und die verlorenen Siege erlebt. Nun haben ihm seine ‚Chefs‘, d.h. die ewigen Kriegstreiber von rechts und von links für die Dauer eines friedlichen ‚Sonntags‘ kriegsfrei gegeben, aber er weiß nicht, was er damit beginnen soll. Melancholisch wird er sich seiner Ohnmacht bewußt, ihn überfällt die Verzweiflung der ‚Sprachlosigkeit‘. Vater und Mutter sind ratlos, ein Chor von Greisen repetiert in stumpfsinnigem Stolz die Phrasen, mit denen man die Völker in den Untergang trieb [...] Ein alter Onkel, ein junges deutsches Mädchen und schließlich die Geliebte verkörpern karge Symbole der Hoffnung.126
Die vorliegenden Kritiken entstammen in der Mehrzahl Blättern der Region, wie dem „Essener Tageblatt“, der „Kölnischen Rundschau“, der „Herner Zeitung“, der „Neuß–Grevenbroicher“ Zeitung u.a. Auch in weiteren Regionalzeitungen, wie aus Saarbrücken, Trier, Mannheim, Darmstadt, bis hin nach Bremen und ins schweizerische Basel, erscheinen kurze Besprechungen, – für einen neuen und unbekannten Dramatiker, zudem aus dem Ausland, durchaus ein Erfolg. Fast notwendig, möchte man sagen, wird die Polskość, das Polnische, des Stückes eliminiert. Insofern gibt das Zitat den allgemeinen Deutungshorizont grundsätzlich wieder. So ähnlich äußern sich alle, sofern sie positiv urteilen. Meist wird aber der kritische Fokus überdies auf die Figur des „deutschen Mädchens“ gelegt, im Text eine junge Touristin aus dem Rheinland und selbstverständlich nur eine Episode unter anderen. Damit kommt das Polnische i.S. einer nationalen Markierung des Autors als Politikum zum Tragen, wie schon manche Überschriften vermitteln: „Stimme der Versöhnung“127 oder „Warschau ist uns näher als Leipzig“128. Nur eine, allerdings gewichtige, Stimme nimmt Anstoß an dieser Fokussierung. Ivan Nagel, später ein bekannter Theatermann, veröffentlichte in der Kölner „Deutschen Zeitung“ eine professionelle Analyse, in der es heißt: Die Einheit der Stilisierung wird nur zweimal zum Schaden des Stückes durchbrochen. Im Dialog mit einem deutschen Mädchen, das Polen besucht, werden die Verfolgungssituationen des Krieges etwas melodramatisch geschildert; und am Ende des Spiels erfährt das Ewig–Weibliche eine unleidlich sentimentale Verklärung. Von diesen Episoden abgesehen, besitzt Die Kartothek eine Art poetischer Einheit. Sie stellt das innere Abbild der äußeren Welt dar; und macht durch die Veräußerlichung, die dem Inneren in dieser Darstellung widerfährt, sichtbar, wie fremd uns die Welt selbst als unser eigenes Erlebnis, als
126 Ruhrberg, K.: Absurde Welt west–östlich gesehen. In: General–Anzeiger (Bonn), 5.10.1961. (Offenbar ders. als „K.R.“ fast identisch im „Darmstädter Echo“, 7.10.1961 und im „Trierischen Volksfreund“, 17.10.1961). 127 Vielhaber, G.: Stimme der Versöhnung. In: FAZ, 18.10.1961. 128 Schön, G. in: Saarbrücker Zeitung, 6.10.1961.
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unsere eigene Vergangenheit bleibt. Der ‚Held‘ verirrt sich in seinen Erinnerungen nicht weniger als er sich in der Wirklichkeit verirrt hat.129
Dennoch scheint genau das deutsche Motiv den Ausschlag für das Interesse gegeben zu haben, das Różewicz's Erstling und seiner (west–)deutschen Erstaufführung zuteil wurde. Wie der Rezensent der FAZ bemerkte, „entschied [die Szene mit dem deutschen Mädchen] den Erfolg dieses Einakters, der nicht auf Studiobühnen beschränkt bleiben sollte.“130 Der Text passte sich also per Aufführung in die west–deutsche Vergangenheitsbewältigung und Anti–Kriegsstimmung ein. Nicht zufällig wird ein paarmal auf Wolfgang Borcherts Anti–Kriegsstück Draußen vor der Tür verwiesen.131 Von der Komik des Absurden, die der Text ja auch vermittelt, ist im Übrigen nirgends die Rede. Sie kam offenbar nicht zur Anschauung, obwohl das Erbe des absurden Theaters wenigstens erwähnt wird, zum Teil negativ, beispielsweise, dass die Zuschauer „ratlos blieben“, den Text „erraten“ mussten,132 kurzum: „Viel Arbeit – umsonst. Das absurde Theater landete hier vollends in der Sackgasse.“133 Die Kartothek wurde nur ein einziges Mal auf der Bühne nachgespielt, und zwar 1962 in der Werkstatt des (West–)Berliner Schillertheaters. Ursache mag auch sein, dass das Stück nicht für abendfüllend gehalten wurde. In Essen gab man es zusammen mit dem Einakter Der Löwe des israelischen Autors Amos Kenan, in Berlin zusammen mit Tankred Dorsts Großer Schmährede an der Stadtmauer. Im Übrigen war das Stück 1963 in einer Funkfassung des Norddeutschen Rundfunks (NDR) als Hörspiel in den diversen Sendern der ARD gesendet worden – erwähnt werden NDR, WDR und Radio Bremen – und hatte damit selbstverständlich seinen größten Rezipientenkreis in Deutschland erreicht. Die Kritik argumentierte gegensätzlich: Zwar wurde das Stück für das Theater geschrieben, aber weil sein wesentliches Element der innere Monolog ist, eignet es sich viel besser für die Hörbühne.134
129 Nagel, I.: Baby und verlorener Sohn. In: Deutsche Zeitung (Köln), 6.10.1961. 130 Vielhaber, G.: Stimme der Versöhnung. In: FAZ, 18.10.1961. 131 Z.B. ebenda. 132 Vgl. Schab, G.: Die Zuschauer müssen das meiste erraten. In: Weser–Kurier (Bremen), 30.9.1961. 133 Luyken, S.: In die Kartothek mit dem Löwen! In: Mannheimer Morgen, 4.10.1961. Zu Luykens allgemeiner Phobie in Bezug auf das absurde Theater vgl. oben [Herbert]. 134 Tilburg, J. van: Verloren in dieser Welt. In: Ruhrnachrichten (Mülheim), 14.9.1963.
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Die Kartothek ist ein Theaterstück und lebt von der optischen Realisation. Die reine Wortdarbietung als Hörspiel verkürzt den Text notwendig um seine wichtigste Dimension. Was übrig bleibt, ist ein Wortgerüst.135
In Berlin braute sich ein kleiner Skandal zusammen, dessen Gründe letztlich im Dunkel bleiben. Einen Tag vor der geplanten Premiere wechselte die Regie von dem aus London zurückgekehrten Peter Zadek zu dem Hollywood–Regisseur William Dieterle, angeblich weil Intendant Boleslaw Barlog und der Kiepenheuer–Bühnenvertrieb der Meinung waren, Zadeks Regiekonzept verfälsche die Intentionen der Autors, sie sei „sinnentstellend“: Was sich hinter dieser harten Vokabel verbirgt, darüber wird von seiten Barlogs wie des Verlags Stillschweigen bewahrt, doch läßt sich vermuten, daß es der zu einer Fülle von Gags neigende Einfallsreichtum Zadeks ist, der ihn vor Jahren bei der Uraufführung des Balkons in London [schon] mit Genet hatte zusammenstoßen lassen.136
So wurde zwar die Premiere letztendlich gerettet, aber wohl doch eine Chance vertan; denn Dieterle konnte im Grunde nur ‚glätten‘. Das ließ die Inszenierung blass und das Stück epigonal wirken137, als „zäher Mief“138, ganz im Unterschied zum zweiten Einakter des Abends aus der Feder von Tankred Dorst, der von Zadek „sauber angelegt“ und „wortgenau“ inszeniert worden war.139 Erst Jahre später war das Theater geneigt, Regieeinfällen à la Zadek freien Lauf zu lassen. Der „Lyriker“ Różewicz hatte so gegen den „echten Dramatiker“ Dorst nichts zu bestellen.140 Dahinter verbergen sich allerdings grundsätzliche Fragen. Tankred Dorst, der sich alsbald in Deutschland ja einen Namen machte, stand mit seiner Großen Schmährede offensichtlich in der Brecht'schen Tradition, die in Polen prinzipiell wenig Anerkennung fand und auf jeden Fall mit Różewicz nicht zu verbinden war.141 Dagegen war die Kartoteka innerpolnisch eher mit dem Sur135 S. B.: Abrechnung mit den Vätern. In: Westdeutsche Allgemeine Nachrichten, 13.9.1963. 136 hdt.: Dieterle statt Zadek. In: Schwäbische Donauzeitung (Ulm), 11.1.1962 . Zu den Hintergründen wird einiges bei Susanne Misterek mitgeteilt; vgl. dies.: Polnische Dramatik in Bühnen– und Buchverlagen der Bundesrepublik Deutschland und der DDR. Wiesbaden 2002, S. 160f. Die Ausarbeitung stützt sich auf die Methode des sog. oral history, so dass zuweilen eine Art ‚Froschperspektive‘ dominiert, wie leider im vorliegenden Fall. 137 Vgl. –: Vor den Kulissen des Berliner Theaters. In: General–Anzeiger (Wuppertal), 23.1.1962. 138 Niehoff, K.: Draußen vor der Tür und vor der Mauer. In: Süddeutsche Zeitung, 23.1.1962. 139 Vgl. z.B. Schimming, W.: Naher und Ferner Osten. In: Darmstädter Tagblatt, 3.2.1962. 140 Hotzel, C.: Einakter. In: Deutsche Woche (München), 12.2.1962. 141 Leyko, M.: Der gewollte und der ungewollte Brecht. In: Bayerdörfer, H.–P. et alii (Hgg.), Polnisch–deutsche Theaterbeziehungen seit dem Zweiten Weltkrieg. Tübingen 1998, S. 61–76.
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realismus verwandt und gesamteuropäisch eben mit dem Theater des Absurden, das aber entweder die Zuschauer noch immer spaltete oder für die auf Neues Erpichten schon im Abschwung war. Für beides fanden sich in den Kritiken Belege. Sie wurden insoweit hier auch bereits angeführt. Die Nutzung des anti– illusionistischen Effektes im Sinne dieser Traditionen hatte zudem nur in Polen etwas Subversives. Das subversive Moment war gleichzeitig auch in Thema und Stimmungslage aufzufinden: der passive Held oder die Melancholie der Erinnerung gegen die Aktivitätsmuster des „positiven Helden“ und gegen den verordneten zukunftsgewissen Optimismus. Wenigstens Thema und Stimmungslage finden sich in den deutschen Kritiken wieder, ließen sich in aller Regel für die deutsche Situation aber nicht wirklich ästhetisch aktualisieren, weil das deutsche Geschichtsverständnis im Hinblick auf die jüngste Vergangenheit notwendigerweise anderen Mustern folgte und sich gewiss nicht mit jenen allfälligen Clownerien des absurden Theaters verbinden ließ, die Peter Zadek vermutlich im Schilde führte und die auch in einem Hörspiel hätten umgesetzt werden müssen.142 Auf das sinnstiftende Moment der divergierenden Geschichtsauffassung wird durch den mehrfach aufgenommenen Vergleich mit Borcherts Anti– Kriegsstück überdeutlich verwiesen, ein Vergleich, der von Polen aus weit weniger schlüssig ist. Erst ein Gastspiel des Warschauer Nationaltheaters (Teatr Narodowy) in beiden deutschen Staaten in den Jahren 1975/76 vermittelte die enorme Theaterwirksamkeit des Stückes, das zudem dabei ja in polnischer Sprache gespielt wurde und deswegen grundsätzlich auf die theatrale Plausibilität angewiesen war. Regie führte Tadeusz Minc. Zuerst war es Oktober 1975 im Osten auf der Probebühne des Berliner Ensembles zu sehen, danach Juni 1976 in Bremen (Theater am Goetheplatz), beide Male mit einhellig positivem Echo. Ein genetischer Zusammenhang beider Gastspiele lässt sich durchaus vermuten. Die DDR–Kritik hatte Mühe, den „Entwurf eines andersartigen Theaters“ und „seine radikale Polemik gegen das herkömmliche Theater“ zu rechtfertigen, das „mit den üblichen Auffassungen von Realismus wenig gemein hat, dessen ernsthafter, fordernder Wirklichkeitsbezug aber offenkundig ist“.143 Im Westen hieß es: „Man hört geradezu, wie sich Schdanow im Grabe dreht. Von allen Aufführungen dieses Stückes von Różewicz, die ich bisher gesehen habe, ist diese ohne jeden Zweifel die beste.“144 142 Statt dessen war es schwierig, die einzelnen Stimmen überhaupt zuzuordnen. Vgl. Tilburg, J. van: Verloren in dieser Welt. In: Ruhrnachrichten (Mülheim), 14.9.1963. 143 Ullrich, U.: Störungen eines müden Helden. In: Neue Zeit. (Ost–Berlin), 17.10.1975. 144 Nowakowski, T.: Anthologie des ewig Polnischen. In: FAZ, 22.6.1976. Der Name des Sekretärs des Politbüros der KPdSU Schdanow steht für die wiederholt erwähnte „Stalinisierung“ der Kulturpolitik nach 1945, zunächst (wieder) in der UdSSR und später dann im gesamten „Ostblock“, ab 1947/48 eben auch in Polen.
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Nur der Vollständigkeit halber sei angefügt, dass Minc 1978 mit einer zweiten Inszenierung, diesmal im „Teatr Polski“ Breslau [Wrocław], am Dresdner Staatsschauspiel zu Gast war und großes Lob fand,145 und dass eine weitere polnische Aufführung der Kartothek durch das Theater Thorn [Toruń] unter der Regie von Krystyna Meissner 1985 am Göttinger „Deutschen Theater“ ebenso wegen seiner Bilder von „hoher suggestiver Aussagekraft“ emphatisch gepriesen wurde.146 Die Diskrepanz zwischen polnischer und deutscher Rezeption hatte also insbesondere mit den Inszenierungen zu tun. Das polnische Theater ging mit dem Text wesentlich freier um als das deutsche und verwandelte ihn in ein sinnfälliges Spiel, ohne doch seicht zu werden und die existenzielle Tiefe des Textes zu „überspielen“. In Deutschland, Ost wie West, stand dem von vornherein das politische Moment entgegen, eine Art ‚Botschaft‘: der „polnische“ Autor, die überraschende Stimme aus „dem Osten“, der fragwürdige „Realismus“ etc.; aber vielleicht auch die ganz andere gesamtdeutsche Theatertradition. Allerdings gilt für das polnische Theater selbstverständlich die Einschränkung, dass Gastspiele ohnehin nur mit erfolgreichen Inszenierungen gegeben werden. Es ist also auch eine Frage der positiven Auswahl. Gleichsam um die Scharte auszuwetzen, versuchte es das Schillertheater 1963, also ein Jahr später, mit Różewicz's Die Zeugen oder Unsere kleine Stabilisierung. Es war, wie schon erwähnt, die Welturaufführung auf dem Theater, in der Regie von Axel Corti. Auch dieses Stück war offenbar nicht abendfüllend, sondern wurde zusammen mit Różewicz's Laokoongruppe als deutsche Erstaufführung in der Regie von Werner W. Malzacher gegeben. Leider liegen dazu nur zwei Kritikerstimmen vor,147 die allerdings übereinstimmend die Laokoongruppe preisen und die Inszenierung der Zeugen bzw. sogar das Stück selbst für weniger gelungen halten. Die Laokoongruppe wird als reine Satire auf hohle Bildungsbeflissenheit verstanden und gewürdigt. Hinsichtlich der Zeugen wird eingeräumt, dass das Stück „tiefer“ ziele, dass Różewicz aber „zu weitschweifig“ werde: „Die Moral wird mit Worten überschwemmt und so vermindert“.148 1968 wurden die Zeugen in Hannover nachgespielt, zusammen mit Becketts Letztem Band, und als „kritische Zeitdiagnose“ verbucht,149 ohne dass die Kritiker etwas Besonderes fanden. Die Kritiken wirken überhaupt wie bloße Pflichtübungen des 145 Kochta, K: Staatstheater Dresden. Gastspiel des Teatr Polski Wrocław. In: TdZ 1978 Heft 3, S. 3: „Minc schafft szenische Bilder, die in ihrer Schönheit, Poesie, Naivität, konkreten Sinnlichkeit und auch heiterer ironischer Distanz dem Zuschauer einen weiten Assoziationsraum eröffnen.“ 146 Winters, H.–C.: Eindrucksvoll. In: Göttinger Tageblatt, 24.4.1985. 147 Luft, F.: Satire ohne ideologische Grenzen. In: Die Welt, 10.6.1963; Werth, W.: Polnische Etüden. In: Deutsche Zeitung (Köln), 13.6.1963. 148 Werth (ebenda). 149 –: Zeitkritischer Versuch. In: Wetzlarer Zeitung, 12.1.1968.
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Feuilletons in der Provinz.150 Was das so wichtige Spiel angeht, die erwähnte ‚Sinnfälligkeit‘, handelte es sich um „eine statuarisch–strenge Inszenierung, die die Regieanweisungen des Autors weitgehend unbeachtet ließ.“151 Damit ist alles gesagt; denn schon der bloßen Lektüre vermittelt sich ja die Groteske in der Spannung zwischen Worttext und darzustellender Situation. Das Drama besteht aus drei Teilen ganz unterschiedlicher Länge, die allein durch das im Titel ausgedrückte Motiv thematisch zusammengehalten werden. Die Handlungsträger wechseln allerdings unmotiviert, wenn man die Maßstäbe einer logischen Vertextung anlegt. Es handelt sich um die für das Theater des Absurden typische Strategie, die Różewicz ja schon in der Kartothek verfolgt hatte. Teil 1 beinhaltet die Rezitation eines ‚epischen‘ (Rollen–)Gedichtes (polnisch: poemat) des Titels Unsere kleine Stabilisierung durch „Er“ und „Sie“, eine Art ‚Anweisung‘, einen Sinn zu stiften, z.B.: Er: Sie: Er: Sie:
[...] ich fürchte, ich könnte es verlieren was? nun eben, dies Nichts [...] unsere kleine Stabilisierung152
Teil 2 gibt den Dialog eines Ehepaares („Mann“ und „Frau“) wieder, der lange Teil 3 den Dialog zweier Männer (der „Zweite“ und der „Dritte“), die Rücken an Rücken sitzen. Zum thematischen Kern bzw. ‚roten Faden‘ wird die im Titel benannte Zeugenschaft gegenüber unerklärlichen, aber sich bedrohlich steigernden Vorgängen in der Distanz, ohne dass sich die Handlungsträger zum Eingreifen genötigt oder in der Lage fühlen, obwohl sie sich vor dem, was sie sehen, fürchten. Die Bezüge zu anderen Texten, wie etwa zu Becketts Endspiel oder Ionescos Kahler Sängerin, sind überdeutlich, so dass schon allein dadurch das Theater des Absurden auch ‚zitiert‘ und mithin gebrochen wird.153 Das westdeutsche Theater konnte mit der Mischung aus Versatzstücken des Absurden Theaters und dem satirischen Ziel, wenn auch in unbekannter Zielrichtung, nichts anfangen. Dabei wurde das Theater des Absurden von der Kritik erwähnt und abgetan bzw. im Falle Hannovers in der Kombination mit Becketts Stück Das letzte Band auch von Seiten des Theaters evoziert, ohne doch selbst im Falle Becketts offenbar erfüllt zu werden. Das Hannoversche „Landestheaterstudio“ war sichtbar überfordert. Das äsopische Moment des Stückes, das 150 W.Sch.: Niemand kam aus dem Gleichgewicht. In: Hannoversche Presse, 8.1.1968. 151 Voss, D.: Schimpf auf die Dummheit. In: Die Welt, 16.1.1968. 152 Różewicz: Die Zeugen oder Unsere kleine Stabilisierung. Deutsch von Ilka Boll. In: Spectaculum. Moderne Theaterstücke. Band 7, S. 283–309, hier S. 284. 153 Zu Beckett vgl. z.B. das Nachwort von Andrzej Wirth, ebenda, S. 366–368.
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sich in der sprichwörtlichen „kleinen Stabilisierung“ verbarg, blieb unbemerkt oder konnte gar nicht bemerkt bzw. gar theatralisch umgesetzt werden. Ähnliches ergab sich in der DDR rund zehn Jahre später, und zwar diesmal gerade weil das Theater des Absurden hier keine Rolle gespielt hatte. So hinterließ die „erste Begegnung mit der Dramatik“ von Różewicz am Hans–Otto–Theater Potsdam „zwiespältige Eindrücke“: Anderes Sehen, anderes Denken, anderes Spielen wird da gefordert, und es hängt von der Bereitschaft des einzelnen ab, ob und wie er sich den besonderen, zuerst einmal fremdartigen Botschaften dieser merkwürdigen Stücke stellen will.154
In der Ost–Berliner Zeitschrift „Theater der Zeit“ hieß es dagegen klipp und klar, Różewicz benutze die „Mittel des spätbürgerlichen Theaters [...] zu neuen, anderen Zwecken“, und zwar „um Fehlverhalten auffällig zu machen.“ „Spätbürgerlich“ meint wohl Beckett et alii; die Kritik mündet aber dennoch in einer Legitimierung von Różewicz's Schreibweise mithilfe ausgerechnet von Brecht: [Różewicz] hat die Besonderheit des Alltäglichen geschickt verknüpft mit dem Verallgemeinerbaren der Parabel, von der Brecht sagte, daß sie für zukünftige Dramatik von Bedeutung sei, weil sie die ‚Wahrheit so elegant zu servieren‘ vermöge.155
Das Etikett „kleinbürgerliches Verhalten“ lässt sich überdies auch motivisch mit Brecht und seiner Kleinbürgerhochzeit (1919) oder den Sieben Todsünden [der Kleinbürger] (zuerst 1933) verbinden. Zudem wird in den Zeugen Brecht offenbar schon in der Eröffnungsreplik zitiert, allerdings ironisch. „Er“ sagt nämlich, die Dummheit nehme Normalmaß an, – im polnischen Original: „On: Głupota przybiera rozmiary // normalne“.156 Nach einem vielzitierten Wort von Brecht wird die Dummheit auf Grund ihrer ungeheuren Ausmaße unsichtbar. Schließlich wäre die politische Verwendung des schillernden Ausdrucks „kleinbürgerlich“157 in der DDR zu beachten. Der Ausdruck bezeichnete unter anderem den Rückzug ins Private anstelle des geforderten gesellschaftlichen Engagements im Sinne der Partei. So gesehen, hatte in Polen das Schlagwort von der „kleinen Stabilisierung“ durchaus Gegenteiliges im Visier. Auch ohne nähere Analyse dürfte zudem klar sein, dass die Gattungsbezeichnung „Parabel“ auf Różewicz nicht recht passt, vor allem wenn man die Didaktik von Brechts Parabeln einbezieht, ganz zu schweigen von ihrer Machart. 154 Funke, C.: Das Ehepaar und das Kätzchen. In: Der Morgen (Ost–Berlin), 4.6.1975. 155 Pietzsch, I.: Die Zeugen oder Unsere kleine Stabilisierung. In: TdZ 1975 Heft 10, S. 59–60, hier S. 60. 156 Różewicz: Świadkowie albo Nasza mała stabilizacja. In: Ders., Teatr 1. Kr. 1988, S. 177–218, hier S. 179. 157 Ähnliches gilt, wenn auch in einer etwas anderen Perspektive, für den schon zitierten Ausdruck „spätbürgerlich“.
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Wie dem auch sei, festzuhalten bleibt, dass sich die auffallende Aufführungshäufigkeit gerade dieses Stückes von Różewicz in der DDR durch die Sinnzuweisung „anti–kleinbürgerlich“ erklären lässt. Im April 1989 wurden die Zeugen in Karl–Marx–Stadt (Chemnitz) zusammen mit Iredyńskis Leb wohl, Judas... und Becketts Letztem Band sozusagen im Dreierpack als „Abend der kleinen Form“ gezeigt. Am Konzept des Regisseurs Martin Meltke, „Inhaltsleere und Langeweile mittels Inhaltsleere und Langeweile“158 darzustellen, wurde durchweg Kritik geübt. Aufsehen erregte Beckett, der in Karl–Marx–Stadt – und nicht nur dort – bis dato nicht gespielt worden war. In Hinblick auf Różewicz zogen sich die Kritiker mit einem Zitat von Eva Strittmatter aus dem Programmheft aus der Affäre, die sybillinisch geschrieben hatte, dass Różewicz's „Werk im Weltbewußtsein vieler Menschen an vielen Orten etwas bewirkt haben wird, daß er sich mit seinem ganzen Werk der Entwürdigung des Menschen entgegenwürfe, die gewöhnlich mit billigen und willigen Worten bedeckt wird“.159 Vom kleinbürgerlichen Verhalten war jedenfalls nicht mehr die Rede, ganz anders als noch 1978, zehn Jahre zuvor, anlässlich einer Aufführung in Halle,160 insofern hatten sich die Situation per Glasnost und Perestroika auch in der DDR und damit der offiziöse Deutungshorizont geändert. Das dritte Drama von Różewicz, das hier exemplarisch behandelt werden soll, Die weiße Ehe, stammt aus dem Jahre 1974, wurde 1976 je einmal im Osten (Henryk Bereska) wie im Westen (Peter Lachmann) übersetzt und 1978 im thüringischen Rudolstadt sowie 1979 in Münster (Westfalen) aufgeführt. 1981 wurde die Weiße Ehe im „Deutschen Theater“ Berlin(–Ost) nachgespielt. Es handelt sich darüber hinaus augenscheinlich um das Stück von Różewicz, das v.a. nach der Wende ins Repertoire genommen wurde: 1989 Weimar, 1992 Aachen, 1993 Brandenburg und Dresden sowie 1995 Bautzen. Różewicz's Drama provozierte in Polen erregte Diskussionen und wurde unter Pornografie–Verdacht gestellt. Kein geringerer als der Präses der polnischen Katholiken, Kardinal Wyszyński, „verdammte“ in seiner Predigt am 9. Mai 1976 anlässlich der 900–Jahr–Feier des Heiligen Stanisław in Krakau Różewicz's Weiße Ehe (zusammen mit Jerzy Grotowskis Apokalypsis cum figuris).161 Die deutschen Kritiker fühlten sich an Wedekinds Frühlings Erwachen (geschrieben 1890/91, uraufgeführt 1906) erinnert und folgten damit einer sozusagen ‚deutschen‘ Fährte, die vielleicht dem Thema entsprach, kaum aber der grotesken 158 Regber, H.: Zwei groteske Angebote in langatmiger Gestalt. In: Sächsisches Tagblatt, 10.5.1989. 159 Mechling, A.: Kleine Form im Schauspiel. In: Sächsisches Tagblatt, 13.4.1989; identisch, aber anonym: Dreiteiliger Abend der kleinen Form. In: Union, 20.4.1989. 160 Vgl. z.B. Hilpert, K: Kleinbürgerliche Haltungen in zwei Varianten geboten. In: Freiheit, 2.5.1978. Das Stück wurde auch in Halle zusammen mit der Laokoongruppe gegeben. 161 Drewnowski 2002, S. 334.
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Machart. Für die polnische Literatur wäre dagegen neben einer Vielzahl intertextueller Bezüge162 ein anderer Prätext auszumachen, nämlich Aleksandr Fredros romantische Komödie Śluby panieńskie czyli Magnetyzm serca (Mädchenschwüre) (1834),163 die in eigenartiger Weise parodiert, ‚entromantisiert‘, wird. Fredros Komödie war, wie schon in Kapitel 2 erwähnt, in der DDR seit 1957 mehrfach inszeniert worden.164 Jetzt lief Różewicz's Parodie als solche völlig unbemerkt. Im Mittelpunkt stehen Bianca und Paulina, zwei Mädchen im Backfischalter. Von den Erwachsenen werden sie mit ihren einander durchkreuzenden erotischen Angst– und Wunschvorstellungen allein gelassen. Was sie bei ihren Eltern beobachten, bewirkt automatisch, daß ihnen natürliche Beziehungen zwischen den Geschlechtern widerlich, ekelerregend und erniedrigend erscheinen. Der Bocks–Vater steigt geil jedem Rock nach, der ihm über den Weg läuft. Die Mutter läßt aus purer Frustration keine einzige natürliche Regung mehr erkennen. Der Großvater erkauft sich intime Kleidungsstücke seiner Enkelinnen mit süßen Gaben. Auf die solchermaßen pervertierte Welt reagieren die Mädchen unterschiedlich. Während Paulina sich anpaßt und mit schnoddriger Keßheit ihren Körper auszubeuten beginnt, leidet Bianca psychische Qualen, in deren Folge sie sich versperrt und verweigert. Die erzwungene „weiße Ehe“, die dem Stück den Titel gibt, steckt voller Doppelsinn. Sie meint die unbescholtene Reinheit der Braut und die in Wahrheit nicht vollzogene, die Scheinehe.165
Von der Rudolstädter deutschen Erstaufführung liegt nur die allerdings gewichtige Kritik von Martin Linzer aus der Ost–Berliner Zeitschrift „Theater der Zeit“ vor.166 (Linzer war offenbar für die polnischen Dramen zuständig, so dass er in der Folgezeit noch mehrmals Gelegenheit hatte, sich über die Weiße Ehe zu äußern; s.u.) Der Fall Rudolstadt ist dennoch symptomatisch: Ein kleines, wenn auch durchaus fähiges Theater in der Provinz macht sich an einen umstrittenen Text. Erst danach – wenn überhaupt – wird er in einem Theater der „Hauptstadt der DDR“ nachgespielt. Im Falle von Propaganda–Aktionen à la Kruczkowski (s.o.) war es genau andersherum. Linzer hebt diesen Ehrgeiz des Rudolstädter Theaters durchaus hervor, „sich einem ‚Außenseiter‘ auf unseren Bühnen“ verschrieben zu haben.167 Er spricht von der „zögernden Aufnahme 162 Niziołek, Grzegorz: Ciało i słowo. Szkice o teatrze Tadeusza Różewicza. Kraków 2004, nennt S. 163 einige Mädchenpaare aus der polnischen Dramenliteratur und schließt daraus, dass das Schema dem Publikum bekannt (gewesen) sei. 163 Ebenda, S. 266. 164 1957 Görlitz, 1959 Rostock, 1960 Anklam, 1961 Erfurt, Stendal und Zwickau, 1970 Bautzen (sorbisch), 1978 Altenburg. 165 Kranz, D.: Weiße Ehe von Tadeusz Różewicz – Ensemble des Deutschen Theaters, Regisseur: Rolf Winkelgrund. (Ost–)Berliner Rundfunk, Manuskriptauszug aus der Sendung „Atelier und Bühne“, 25.1.1981. 166 Hier und im Folgenden Linzer, M.: Theater Rudolstadt. Weisse Ehe von Tadeusz Różewicz. In: TdZ 1979 Heft 1, S. 11. 167 In Rudolstadt waren 1977 die Zeugen gegeben worden und hatte 1978 die deutsche Erstaufführung des Stückes Der komische Alte stattgefunden, das im Westen erst 1980 im frän-
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gerade dieses Stückes in unser Repertoire“, lobt die „engagierte Haltung des Ensembles“, die „durch engherziges, initiativehemmendes Verhalten innerhalb und außerhalb des Theaters eher befördert“ worden sei und umreißt somit das Problem recht deutlich. Auch er benutzt die obligate Sprachregelung, allerdings: „Die vorgeführte Geschichte aus spätbürgerlicher Zeit ist zugleich Warnung vor neuer Verbürgerlichung.“ Die Warnung ließe sich durchaus auf das beklagte „engherzige Verhalten“ beziehen. Im Übrigen hatten sich die Rudolstädter durch die Breslauer Inszenierung von Kazimierz Braun inspirieren lassen, der auch zur Premiere nach Rudolstadt gekommen war, ein Hinweis auf die übliche Rolle des polnischen Theaters bei der Anverwandlung polnischer Stücke für die deutsche Bühne. Allerdings folgte die Rudolstädter Regie (Martin Meltke/Herbert Olschok) Brauns Inszenierung „nicht in ihren oft barocken, symbolistischen Auswucherungen, sondern arbeitet[e] das ‚Vorbild‘ unambitiös, etwas ‚deutsch‘ auf.“ Somit lässt sich diese Inszenierung geradezu als Lehrstück verstehen, unter welchen Umständen und in welcher Weise ein polnisches Gegenwartsdrama in Deutschland, ob Osten oder Westen, aufgeführt wurde. Das DDR–Typische daran gibt sich an der Vorzensur und ihrer Wirkung sowie an der erwähnten Sprachregelung bei der Kritik zu erkennen, vielleicht auch an der Spannung zwischen Hauptstadt und Provinz, die es in dieser Weise im Westen nicht gegeben hat. Jedenfalls erschien mit der Weißen Ehe erst im Jahre 1981 überhaupt ein Stück von Różewicz in deutscher Sprache auf einer Ost–Berliner Bühne. Die Aufführung am Gorki–Theater bietet zusätzlich ein paar Kuriosa in den Randbedingungen: Es spielte das Ensemble des Deutschen Theaters, dessen eigentliche Spielstätte wegen Renovierung gerade geschlossen war; Regie führte Rudolf Winkelgrund. Er war eigens aus Potsdam dafür verpflichtet worden, weil er qua Inszenierung der Zeugen Erfahrung mit dem sperrigen Różewicz hatte. Zudem hatte Winkelgrund zwei Elevinnen aus der Babelsberger Filmhochschule mitgebracht, die die beiden Mädchenrollen spielten. Sie bringen die Authentizität von Jugend ins Spiel. Sabine Unger ist mit einem Schuß frechem Phlegma das gefräßige und schon ‚erfahrene‘ Paulinchen, Petra Blossey die Bianka, mitunter noch unsicher in den wechselnden Stimmungslagen.168
Andere Kritiker äußern ihre Skepsis in Bezug auf diese Besetzung deutlicher. In einer Neuaufnahme der Inszenierung im Jahre 1984, nunmehr wirklich auf der Bühne des Deutschen Theaters, wurden nicht nur diese Rollen anders besetzt. Die eigentlichen Hintergründe sind selbstverständlich nicht bekannt, sind vielleicht angesichts der Zeitspanne auch rein pragmatischer Natur, aber der Vorkischen Fürth i.B. aufgeführt wurde. 168 Kerndl, R.: Im Irrgarten unbewältigter Neigungen. In: Neues Deutschland, 23.1.1981.
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gang mag ein weiteres Mal auf den Problemfall Różewicz verweisen. Polens „jüngster Klassiker“169 ergab sich dem deutschen Theater nicht so einfach: Die Zurückhaltung erklärt sich in erster Linie aus Różewicz's avancierter Ästhetik, mit der sich deutsche Regisseure verständlicher Weise schwertun. Sie ist polnischen Traditionen ebenso wie Surrealismus und Psychoanalyse, Autoren wie Gombrowicz, Artaud und Freud gleichermaßen verpflichtet. Ein zweiter Grund für diese Reserviertheit besteht darin, daß vergleichbare westliche Zeitgenossen, wie einige Vertreter des sogenannten absurden Theaters hüben nicht mehr so oft, drüben aber immer noch nicht gespielt werden. Schließlich bringt Różewicz's negative Poetik Werke hervor, die sich besonders durch Paradoxe und Ambivalenzen auszeichnen und somit für viele, auch konträre Deutungen offen sind.170
Nur die revidierte Inszenierung 1984 erfährt eine absolut positive Bewertung. Sie präsentiere sich in „bestechender ästhetischer, darstellerischer und damit auch konzeptioneller Einheitlichkeit, ja, sie zählt zum Besten, was man zur Zeit auf Berliner Bühnen sehen kann.“171 In Bezug auf die erste Version im Gorki– Theater regieren ansonsten wohlwollende und unverbindliche Anerkennung,172 allerdings auch strikte Ablehnung unter dem klischeehaften Etikett „spätbürgerlich“: Was soll unsere Gesellschaftsordnung mit den (bei Różewicz ganz wörtlich zu nehmenden) Bauch–, genauer: Unterleibsschmerzen jenes Spätbürgertums, als dessen erklärter Gegner sie angetreten ist? [...] die dummgeilen Böcke und hilflos vereinnahmten Frauen aus Różewicz‘ Weißer Ehe sind totes Panoptikum, mit dem sich außer dem grenzenlos ruinösen, inhumanen Charakter ihrer bürgerlichen Gesellschaft überhaupt nichts beweisen läßt.173
Dass diese Gesellschaftsordnung durchaus noch mit dem ‚Spätbürgertum‘ zu rechnen hatte, zeigte sich wiederum Ende 1989 anlässlich einer Inszenierung der Weißen Ehe am Deutschen Nationaltheater (DNT) Weimar. Die Redeweise der Kritik ist nun schon wesentlich weniger der dogmatischen political correctness unterworfen als noch in den 70er Jahren. Die Wandlungen in der ‚späten‘ DDR sind bereits mit Händen zu greifen. So kam denn die Provokation ausgerechnet am DNT mit seinem bildungsbürgerlichen Spielplan bzw. Publikum wirklich an. Zuschauer verließen vorzeitig den Raum und der Beifall war nur kurz, ob169 Cwojdrak, G.: Ein Anfang mit Różewicz. In: Weltbühne, 27.1.1981. 170 Rossmann, A.: Anmerkungen zu Tadeusz Różewicz Weiße Ehe. [Manuskript] Sender Freies Berlin – Theaterredaktion, „Galerie des Theaters“. N.F. 758, 8.2.1981. 171 Pietzsch, I.: Weiße Ehe. In: Sonntag, 8.7.1984. Ähnlich Martin Linzer in TdZ 1984 Heft 7, S. 1. 172 Symptomatisch sind die kurzen Berichte in den Theaterzeitschriften (Ost) TdZ 1981 Heft 4, S. 2 (Martin Linzer) sowie (West) TH 1981 Heft 4, S. 58 (A.R.). 173 Bellmann, G.: Spätbürgerlich, letzter Aufguß. In: BZ am Abend, 21.1.1981.
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wohl es sich offenbar um eine gelungene „Freud–volle Inszenierung“174 in der Regie von Christina Emig–Könning handelte: Gleich mit der ersten Inszenierung der neuen Spielzeit zeigt das Nationaltheater Weimar Flagge: Es wird kein Zurück mehr geben in eine nichts und niemand anfechtende Beschaulichkeit des beruhigenden Theaterabends, der Erwartung und Bekanntes bestätigt.175 [...] eine Vielfalt auf künstlerischem Gebiet kann nur unserer Kultur nützen und sollte nicht von Muckern in eine Stagnation getrieben werden; denn nur Erreichtes zu erhalten, bietet noch lange keinen Ansporn zum Weiterschreiten.176
Muckertum gab es allerdings auch im deutschen Westen. In der alten Bundesrepublik wurde Różewicz's Weiße Ehe zum ersten Mal 1979 an den städtischen Bühnen Münster aufgeführt. Regie führte Adam Hanuszkiewicz, der auch in Polen für allerlei Skandale gesorgt hatte. Er war in Münster kein Unbekannter, hatte er doch 1978 bereits die deutsche Erstaufführung von Różewicz's Drama Er ging aus dem Haus aus dem Jahre 1964 mit großem Erfolg in Szene gesetzt. Seine Inszenierung der Weißen Ehe geriet in den lokalen Kontext eines schon länger schwelenden ‚ideologischen‘ Konfliktes zwischen dem katholischen Zuschauerring „Christliche Theatergemeinde“ und dem öffentlich subventionierten Stadttheater. Der Konflikt hatte 1978 mit der (Ur–)Aufführung von Jonasz Koftas Bauernkriegsdrama Das Tal der tausend Bäuche (1977) begonnen und kumulierte nun 1979 mit Różewicz's Weißer Ehe in einem handfesten Skandal und anschließender Zensur. Koftas Thema, dass „übermächtige Gesellschaftsstrukturen mit bloßen Händen zu besiegen seien“,177 war nicht nur in Münster sichtbar fehl am Platze, sondern konnte in einem „Anspielungsdrama“ in Deutschland paradoxerweise schon wegen des deutschen Bauernkriegs–Motivs nicht verstanden werden, die üblichen Rezeptionserschwernisse in Bezug auf das polnische Aufstands– und Heldenpathos gar nicht gerechnet. Bei der Weißen Ehe war das Maß dann voll. In den Westdeutschen Nachrichten empörte sich eine Leserin: Es handelt sich um ein ekelhaftes und fatales Sexstück, das an abgeschmackten Deutlichkeiten nichts zu wünschen übrigläßt. [...] Es handelt sich hier um einen Theaterskandal, der jeden Theaterbesucher, vor allem Abonnenten, die den Schmutz ja ungefragt serviert bekommen, aber auch einschlägige Komitees und vor allem den Kultur– und Finanzaus174 Antosch, G.: Desillusionierung von Glaube, Liebe und Hoffnung. In: Neue Zeit, 12.9.1989. Der Kritiker äußert indes Zweifel, ob man das Stück ausgerechnet in Weimar hatte spielen müssen. 175 [Name auf der Kopie unleserlich]: Eindringliche Bilder für eingefrorene Beziehungen. In: Das Volk, 13.9.1989. 176 Fischer, P.J.: Eigentlich eine alltägliche Geschichte. In: Thüringer Neueste Nachrichten (Erfurt), 13.9.1989. 177 Städtische Bühnen Münster, Vorschau auf die Spielzeit 1977/78, S. 43.
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schuß der Stadt angeht. [...] Text und Regie des Stückes stammen von einem polnischen Stückeschreiber und einem polnischen Regisseur, der Hauptintendant am Nationaltheater in Warschau ist. [...] Er hat hier schon früher Regie geführt. Welche personellen Konsequenzen werden gezogen?178
Hanuszkiewicz hatte sich im Übrigen den geforderten „personellen Konsequenzen“ drei Jahre später zu unterwerfen, wenn auch in Warschau und während des Kriegsrechts. Der Sache nach ging es in Münster um Blasphemie nicht nur auf dem Theaterplakat,179 sondern auch in der Inszenierung mittels musikalischer Zitate aus der Heiligen Messe180 und als drastisch und beleidigend empfundener Textpassagen. In Münster stellte sich offenbar ein Rezeptionsphänomen ein, das weniger national (deutsch vs. polnisch) als vielmehr kulturell (katholisch) verankert war und somit eine überraschende Verbindung schuf. In Weimar dagegen kollidierte die Inszenierung allein mit den Erwartungen eines bürgerlich geprägten konservativen Publikums. Im Hintergrund lässt sich allerdings ein gleichgerichtetes konservatives Interesse am Theater vermuten, das Deutschland Ost und West hier einig sein ließ; denn auch die Weimarer Inszenierung wäre noch ein paar Jahre früher wohl nicht möglich gewesen, wie den kritischen Kommentaren entnommen werden kann. In der Kritik gingen die Meinungen über Hanuszkiewicz's Münsteraner Regiearbeit auseinander, zunächst positiv: In der Inszenierung von Adam Hanuszkiewicz wird aus diesem Schauspiel, das leicht im Tiefsinn versinken könnte, eine furiose Bilderfolge, die ganz virtuos auf dem schmalen Grat zwischen Komödie und Tragödie balanciert. Jäh schlägt die Posse in den makabren Totentanz um, und umgekehrt liegen nur Augenblicke zwischen Tristesse und unbändiger Ausgelassenheit. Jeder Hinweis auf mögliche parodistische und travestierende Elemente hat der Regisseur dankbar aufgegriffen und in Gestik, Mimik und Musik umgesetzt. Mit Bravour geleitet Hanuszkiewicz die Schauspieler und das Publikum über Abgründe und Untiefen eines Stücks, das, fiele es einem weniger begabten Regisseur in die Hände, zur Katastrophe werden müßte.181
In der „Welt“ war dagegen über dasselbe zu lesen: Adam Hanuszkiewicz, der Intendant des Nationaltheaters Warschau, versuchte in Münster leider seine eigene Warschauer Inszenierung von 1975 zu kopieren. In einem düsteren, allenthalben von Phallus– und Todessymbolen besetzten Bühnenbild (Malte Marks)
178 Reismann, Dr. med. G. [Leserbrief]. In: Westdeutsche Nachrichten, 17.2.1979. 179 Dargestellt waren Adam und Eva sowie die Schlange als Adams Penis. 180 Sie wurden in den folgenden Aufführungen nach einem Podiumsgespräch „entschärft“, im Grunde ein Akt öffentlicher Zensur. 181 Wallmann, J.P.: Bianka und das Biologiebuch. In: Darmstädter Echo, 24. 2. 1979.
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veranstaltet Hanuszkiewicz eine wilde Farce, der jede grelle Farbe, jeder laute Effekt eben recht ist und die doch allenfalls als Karnevalsjokus ihre Berechtigung hätte.182
Des ungeachtet setzte sich das Stück als solches in den Grenzen durch, die nun einmal für den schwierigen Różewicz und sein „inneres Theater“ auf den deutschen Bühnen galten, und zwar im Osten wie im Westen. Der hochgelobten zweiten Ost–Berliner Fassung von 1984 folgten Aufführungen erst während oder nach der politischen Wende, wie schon erörtert: in Weimar (1989), sowie in Brandenburg, Dresden (beide 1993) und in Bautzen (1995), jeweils mit positivem Echo. Ein Gleiches gilt für die zweite westdeutsche Inszenierung am Aachener „Theater K.“ im Jahre 1992. Ihr folgte eine Inszenierung am Münchner „Residenztheater“ im Jahre 1997 und damit schon außerhalb der für diese Publikation gesetzten Grenzen. Sie sei aber wenigstens erwähnt; denn es handelte sich sozusagen um die erste gesamtdeutsche Inszenierung. Die Regie lag in den Händen der in Leipzig engagierten Regisseurin Konstanze Lauterbach, deren Herkunft in den Kritiken durchweg bemerkt wurde. 183 Es hat den Anschein, als würde bemerkt, dass die neuen Bundesländer nicht nur qua Geografie enger mit Polen verbunden wären, sondern auch in der historischen Erfahrung der letzten 50 Jahre, und als erwüchse daraus eine besondere Kompetenz, Dramen aus dem ehemaligen ‚Ostblock‘ zu inszenieren. Różewicz gehört mit Mrożek und Gombrowicz zu dem ‚Kleeblatt‘ polnischer Autoren des 20. Jahrhunderts, die das deutsche Theater besonders interessiert haben. Dabei ergaben sich Różewicz's komplexe Dramen, die sich vieler Versatzstücke aus der polnischen, aber auch der internationalen Dramen– bzw. Theatergeschichte bedienen, nicht ohne weiteres deutschen Wahrnehmungshorizonten. Wesentliche Schwierigkeiten bereitete die Assoziation an Strategien des Theaters des Absurden, und zwar im Osten wie im Westen. In der DDR fehlte wegen des Dogmas des SozRealismus die entsprechende Konvention. Auf sie konnte beispielsweise in den Kritiken auch nur höchst indirekt verwiesen werden. In der alten Bundesrepublik dagegen war das Theater des Absurden schon nicht mehr aktuell. Intellektualität, ggf. aggressiver Witz, groteske Darstellung und dennoch theatrale Sinnfälligkeit der Stücke von Różewicz waren für die deutschen Theater kraft anderer Traditionen in aller Regel nicht in ein schlüssiges Konzept zu bringen. Hier fällt die positive Funktion der polnischen Gastspiele in Deutschland Ost wie West besonders ins Auge, ebenso der Gastregie, die allerdings wohl nicht immer mit den Bedingungen des deutschen Stadttheaters (als Institution) und mit dessen Publikum zurecht kam. US 182 Ziermann, H.: Biankas verquere Ideen. In: Die Welt, 13. 2. 1979. 183 Vgl. beispielsweise das Premieren–Interview mit der Regisseurin von Susanne Dultz. Dies.: Schauspieler zum Tanzen bringen. In: Münchner Merkur, 2.7.1997.
5. Die Aktualisierung der Dramen durch die deutschen Theater im Echo der Kritik und deren Begründungszusammenhang
In den ersten vier Kapiteln wurde ein Bild der historisch nachweisbaren Rezeption entworfen, und zwar in je unterschiedlichen Zugriffen: nach quantitativen und qualitativen Gesichtspunkten, nach den vorfindbaren Übersetzungsstrategien und deren Folgen sowie nach vier Fallbeispielen, d.h. der autorbezogenen Auseinandersetzung des Theaters in Deutschland mit polnischen Dramen. Zum Abschluss soll nun der Versuch unternommen werden, eine Quersumme aus alledem zu bilden und ‚ästhetische‘ Probleme – im weitesten Sinne – zu erfassen. Dabei zeigen sich ganz unverhüllt diejenigen Schwierigkeiten, zu einer Erkenntnis zu gelangen, die selbstverständlich auch bisher schon untergründig vorhanden gewesen sind und die in der Einleitung genauer umrissen wurden. Es handelt sich im Wesentlichen um die konkreten Aufführungen, die nur höchst indirekt erfasst werden können, und zwar über Relationen zwischen den Texten bzw. ihren Übersetzungen, den Theaterkritiken und sonstigen einschlägigen Materialien, v.a. der Sekundärliteratur, sowie den beschreibbaren Kontextbedingungen, hier in erster Linie den historischen Abläufen seit 1945. Auch wenn sich die Theaterkritiker offenbar in aller Regel auf die Vorgaben der Programmhefte stützen und insofern die Intentionen von Dramaturgie und Regie einfach weitertragen, lässt sich doch in Auswahl und Anordnung der Argumente bzw. der vermittelten Informationen etwas entschlüsseln, das zum Bewertungsbereich des jeweiligen Stückes in der Zeit gehört. Die nun folgenden Generalisierungen werden im Sinne dieser Überlegungen mit aller Vorsicht getroffen. Im Einzelnen soll zunächst als übergeordnete Kategorie die Exotik der polnischen Dramen behandelt werden, der Aspekt einer generellen „Andersartigkeit“, der in die ästhetische Wahrnehmung bis zum absoluten Unverständnis mit eingeht. Ihr Gegenstück sind beobachtbare Interferenzen kontextueller Natur. Es handelt sich nicht nur um die gewissermaßen analogen Voraussetzungen der Theaterkunst in der Volksrepublik Polen und der Deutschen Demokratischen Republik wenigstens bis zum Jahre 1956, deren Wandlungen danach und deren Komplement auf den bundesdeutschen Theatern ab 1956/58, sondern auch und vor allem um die Versuche, die Inszenierungen dem Wahrnehmungshorizont des jeweiligen Publikums zwecks Überwindung der Andersartigkeit anzuverwandeln. Auch wenn es hier, logisch gesehen, um zwei verschiedene Kategorien geht, nämlich „Andersartigkeit“ und „Anverwandlung“, haben sie doch einen inneren Zusammenhang und sol-
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len zusammen dargestellt werden, um Wiederholungen möglichst zu vermeiden.1 Ebenso spielt offensichtlich eine gesamtdeutsche Theatertradition eine Rolle, die West– und Ost–Deutschland in den spielerischen Möglichkeiten und der ästhetischen Wahrnehmung verbindet und die sich von der polnischen Tradition unterscheidet. Sofern die Merkmale einer spezifisch polnischen Theatertradition den Kritikern aufgefallen sind, sollen sie schließlich unter der Rubrik einer potenziell besonderen „Sinnfälligkeit“ des polnischen Theaters hier verhandelt werden. Diese Sinnfälligkeit kam beispielsweise bei Gastspielen polnischer Theater in aller Regel besonders zum Tragen, vor allem wenn auch der Originaltext gespielt wurde und die Kritik wesentlich auf ihre Seherlebnisse angewiesen war. Es bleibt natürlich die Frage, ob diese Sinnfälligkeit in den polnischen Dramentexten selbst schon angelegt ist. Aber immerhin waren die Dramen ja mit Blick auf die Konventionen des polnischen Theaters verfasst worden. Da hier ein literaturwissenschaftlicher Ansatz zugrundegelegt wird, sind alle eigentlich theaterwissenschaftlichen Erörterungen ausgeschlossen. Sie müssen der Theaterwissenschaft vorbehalten bleiben.2 Das Fixum des Textes, sein „Schema“, bleibt der prinzipielle Bezugspunkt. Dessen sprachliche Umsetzung und anschließende Theatralisierung, soweit sie in den wiederum textlich vermittelten Zeugnissen der Theaterkritik greifbar wird, werden als bloße Relationen betrachtet, die allerdings nichts weniger denn ein historisches Faktum sind.
a. Andersartigkeit und Anverwandlung Die polnische Literatur hat es in Deutschland vergleichsweise schwer. Sie teilt dieses Schicksal mit allen ‚kleineren‘ slavischen Literaturen – d.h. mit allen außer der russischen Literatur –, obwohl die polnische Literatur als einzige der slavischen Literaturen nach Alter, historischer Entwicklung und Kontinuität sowie Umfang den gängigen westeuropäischen Literaturen ebenbürtig ist, auf die sich die deutschen Blicke normalerweise richten. Dabei ist sie in deutscher 1
2
Auf die derzeit gängige Teilung zwischen „Fremdem“ und „Eigenem“ soll hier auch terminologisch verzichtet werden, weil es im Folgenden um ästhetische Probleme vor einem konkreten historischen Hintergrund geht und die genannte Teilung zu spekulativen Abstraktionen führt. Ansätze z.B. bei Bayerdörfer, Hans–Peter: Prinzen, Prinzessinnen, Mannequins – Polnisches Theater in der Bundesrepublik Deutschland seit Beginn der siebziger Jahre. In: Ders. et alii (Hgg.), Polnisch–deutsche Theaterbeziehungen seit dem Zweiten Weltkrieg. Tübingen 1998, S. 13–45, v.a. S. 32 ff.; sowie in einigen spezielleren Aufsätzen derselben Publikation. Dort wird auch entsprechende Sekundärliteratur angeführt.
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Übersetzung hinreichend präsent.3 Über Gründe für die Schwierigkeiten mit der Rezeption soll hier nicht spekuliert werden. Einige Indizien vor allem politisch–historischer Art wurden in den vorangegangenen Kapiteln immer wieder genannt. Für die dramatische Gattung kommt hinzu, dass ihre Texte im Zuge einer Aufführung ‚aktualisiert‘ werden müssen, um sie den andersgearteten Verstehensbedingungen im Theater anzupassen. Die Stücke müssen in einen anderen literarischen und theatralen Kontext umgesetzt werden.4 Wenn man also von einem Grundproblem ausgeht, das die Rezeption polnischer literarischer Werke in Deutschland belastet, potenziert sich dieses Problem für das Theater, so dass die bemerkte „Andersartigkeit“ der polnischen Literatur besonders zutage tritt. Daraus folgt in gleicher Weise eben auch der gesteigerte Zwang zur „Anverwandlung“.
Ost vs. West: „Theater der Zeit“ und „Theater heute“ An dieser Stelle mag ein Blick auf die generelle Behandlung polnischer Stücke durch die beiden führenden deutschen Theaterzeitschriften von Belang sein, weil im Folgenden des Öfteren auf sie zurückgegriffen wird, – in der DDR seit 1946 allein „Theater der Zeit“, in der alten Bundesrepublik vor allem die 1962 gegründete Zeitschrift „Theater heute“. Beide existieren im Übrigen bis dato. „Theater heute“ beschäftigte sich im Wesentlichen mit den ‚Haupt– und Staatsaktionen‘. So finden sich im Berichtszeitraum bis 1995 mindestens 33 Besprechungen zu Gombrowicz, zumeist Aufführungskritiken, ebenso 32 zu Mrożek und 9 zu Witkiewicz. Andere werden so gut wie gar nicht erwähnt. Różewicz wird beispielsweise nur fünfmal besprochen, worin sich die oben in Kapitel 4.d benannten Schwierigkeiten des Theaters mit seinen Dramen spiegeln. Dagegen bildet „Theater der Zeit“ die Spielpläne der DDR–Bühnen in Bezug auf polnische Autoren umfassender ab. (Die Zahl der Theater in der DDR war im Übrigen nur unwesentlich kleiner als die in der Bundesrepublik). Offensichtlich und gar nicht überraschend verfolgte „Theater heute“ ein anderes journalistisches Konzept. Das überregional bzw. für Theaterprofis Mitteilenswerte war nicht per se politisch, sondern orientierte sich an anderen Kriterien. Daraus erwuchs sichtbar die Tendenz einer ganz anderen Vereinseitigung, und zwar in dem Sinne, dass „Kunst“ und „Kunstbetrieb“ einander nicht nur bedingen, 3
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Światłowska, Irena: Polnische Literatur in der Bundesrepublik Deutschland bis 1970. Breslau [Wrocław] 1996; Kuhnke, Ingrid: Polnische schöne Literatur in deutscher Übersetzung 1900–1992/93. Mainz 1995; Nosbers, Hedwig: Polnische Literatur in der Bundesrepublik Deutschland 1945/1949 bis 1990. Wiesbaden 1995; Kuczyński, Krzysztof A.: Polnische Literatur in deutscher Übersetzung von den Anfängen bis 1985. Darmstadt 1987. Es geht um eine Art Relevanzkriterium.
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sondern auch zirkulär bestimmen, eine Art „In–Group“–Referenz, wie sie in anderen Kunst–Sparten ja noch viel stärker ausgeprägt ist. Ein Korrektiv bildete hier sicherlich das gute Feuilleton der großen überregionalen bundesdeutschen Tageszeitungen mit Theaterkritiken von Hans Schwab–Fehlisch, Friedrich Luft, Günther Rühle u.v.a. Dagegen lässt sich in „Theater der Zeit“ ein deutlicheres Bemühen um den polnischen Nachbarn verzeichnen, wenn auch unter direkt politischen Kautelen. In den frühen Jahren finden sich bloße Übernahmen von Kritiken aus der Regionalpresse der DDR. Später wird die Zeitschrift professioneller und veröffentlicht sehr sorgfältig verfasste Kritiken von verschiedenen Autoren, darunter für die polnischen Dramen Kritiken von Wolfgang Kröplin und insbesondere von Martin Linzer.
Die ‚nationale Markierung‘ Die vorliegenden Kritiken vermerken in summa eine Art ‚nationaler Markierung‘. Nur in den seltensten Fällen fehlt der Hinweis auf den polnischen Ursprung des jeweiligen Stückes. Möglicherweise gilt das z.B. für die angelsächsische Dramatik auch, nur vermerkt im polnischen Fall die nationale Markierung angesichts der historischen Antagonismen von Vornherein einen Abstand, der offensichtlich bemüht überwunden werden muss und der dadurch letztlich hyperkorrekt betont wird. Während in der DDR seit 1949 von „Freundschaft“ und „sozialistischem Brudervolk“ die Rede ist, geht es in der alten Bundesrepublik ab Ende der 50er Jahre um „Versöhnung“, um die „ausgestreckte Hand“ o.ä.5 Die Wahl polnischer Stücke wurde in beiden Teilen Deutschlands also in der Regel besonders motiviert. Auch bei offensichtlich misslungenen Inszenierungen bzw. nicht akzeptablen Stücken wird häufig eine Art political correctness Polen gegenüber gewahrt. Andererseits wird in der Bundesrepublik ggf. das Dissidentische der Stücke in Bezug auf das Gesellschaftssystem bzw. die daraus rührende Kunstdoktrin bemerkt, worin sich eine spezifische Form der Anverwandlung erkennen lässt. Ebenso wird in der DDR nach 1956 bzw. 1975 offen oder verdeckt der abweichende politisch–historische Hintergrund in Polen hervorgehoben, bis hin zur gelegentlichen Aktivierung letztlich anti–polnischer Ressentiments. Gegenwarts–Stücke, die – aus welchen Gründen auch immer – als „dissidentisch“ hätten empfunden werden können, kamen erst ab 1975 auf die Bühnen der DDR und wurden im genannten Sinn zwiespältig–sybillinisch besprochen. Insoweit geht es auf der Ebene der nationalen Markierung noch einmal um die bekannte Spiegelbildlichkeit der Rezeption, diesmal aber als grundsätzliche Struktur von Wertantworten im Osten oder im Westen. 5
Symptomatisch ist die Funktion des „deutschen Motivs“, eigentlich eines Nebenmotivs, in Rożewicz's Kartothek für die positive Aufnahme durch die westdeutsche Theaterkritik. (Vgl. oben Kap. 4.d)
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Der andere Weltausschnitt und seine Funktion Bei der Überschau über die Kritiken lässt sich feststellen, dass die Andersartigkeit zunächst den Weltausschnitt betrifft, d.h. die dargestellten Gegenständlichkeiten, ihre eigenartige auf Polen verweisende ‚Ko–Präsenz‘, die Figuren und Sachen, sowie deren Interaktion. Mitsamt den darin gründenden Themen und Motiven, die sich ggf. aus der Tradition speisen, sind sie in Deutschland unvertraut und fügen sich eigentlich nur dem spezifisch polnischen Kontext, oder anders: einer spezifisch polnischen Kommunikationssituation, ein, die als solche in Deutschland nicht existiert. Treffendstes und gern zitiertes Beispiel sind die Stücke von Wyspiański, Novembernacht oder Die Hochzeit, obwohl gerade ihr deutlich symbolistisches Moment eigentlich ein anderes Rezeptionsschicksal erwarten ließe, wie ein Blick auf Ibsen, Mæterlinck, Strindberg et alii lehrt. Das symbolistische Moment wird bei Wyspiański allerdings von einer streng nationalen Thematik dominiert. Was in dieser Hinsicht polnische ‚Gegenwartsstücke‘ betrifft, liefert Drozdowskis Leichenzug / Trauerzug ein geeignetes Beispiel. (Vgl. Kapitel 2, S. 74–77) Die historische Allegorese über ein ständisches Problem, die sich hier ganz analog zur Hochzeit ergibt, wird in Deutschland Ost wie West nicht sinnfällig, weil Deutschland eine andere soziale Schichtung hat. Daher wird ein Sinn auf der politischen Ebene in der Bundesrepublik nicht herstellbar, in der DDR im Blick auf das geforderte „sozialistische Menschenbild“ eigentlich schon, wird aber von der Kritik mit Hinweis auf die historische Andersartigkeit der polnischen Gesellschaft abgeblockt. Überdies zeichnen sich beide Stücke durch eine spezifische gruppenbezogene Sprachverwendung aus (Dialekt, Jargon o.ä.), die sich schon auf der Textebene gegen eine Übertragung ins deutsche Milieu sperrt. Der erwähnte „Sinn“ ist die letzte kategoriale Instanz. In ihm mündet das Ganze der theatralen Darstellung. Der Zuschauer muss dem Stück Sinn zuweisen oder für sich Sinn erkennen, wobei ihm die Theaterkritik mehr oder weniger hilfreich zur Seite steht. Allein deren Zeugnisse sind zudem überliefert. Die angestrebte Suggestion eines bestimmten Sinns durch Regie und Ensemble gilt hier als produktionsseitige Voraussetzung und bleibt rezeptionell außer Betracht bzw. fließt über das Programmheft in die Kritiken häufig mit ein. Dieser Sinn hat nur partiell mit der Schicht der sprachlichen Bedeutung(en) zu tun und darf damit nicht verwechselt werden. Er ist in relativ weiten Grenzen variabel. Da der polnischen Literatur seit Beginn des 19. Jahrhunderts eine Tendenz zu einem besonderen nationalen Egozentrismus zugewachsen war, werden hier Sinnpotenzen in gewisser Weise im Text ‚äsopisch‘ eingeschlossen. Das literarische Gesamtgebilde verliert an Variabilität. Die ‚nationale‘ Aufführungstradition, d.h. der mit der textlich gegebenen Struktur korrespondierende Kontext, tut ein Übriges. Ein relativ einfaches Beispiel aus der Gegenwartsdramatik ist Mrożeks Haus auf der Grenze von 1967, das in Deutschland auf die aktuelle Si-
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tuation der deutschen Teilung oder überhaupt auf den Ost–West–Konflikt bezogen wurde,6 in Polen dagegen auf die historische polnische Teilung zwischen 1772ff. und 1918. Das eigentliche Motiv der ‚Teilung‘ von etwas organisch Zusammengehörendem, hier einer beliebigen Familie am Abendbrottisch, passte sich den unterschiedlichen Kommunikationssituationen einerseits zwanglos an, verstellte andererseits aber die jeweils andere Sicht. In zahlreichen Publikationen hat sich Brigitte Schultze mit dem polnischen Drama im deutschen Sprachraum beschäftigt (vgl. Literaturverzeichnis) und schließlich wesentliche Gesichtspunkte der von ihr so genannten „Rezeptionsblockaden“ in eine Art System gebracht.7 Diese „Rezeptionsblockaden“ betreffen zunächst den Kern des polnischen Kanons, eben die im Titel ihres Aufsatzes genannten Romantiker Mickiewicz, Krasiński, Słowacki und den ‚Symbolisten‘, genauer: Vertreter des „Jungen Polen“, Wyspiański bzw. bestimmte Werke aus ihrer Feder. Darüber hinaus entsteht auf Grund intertextueller Bezüge ein dicht gewobenes Netz von zitathaften Verweisen in späteren Werken, beispielsweise bei Gombrowicz, Mrożek, Różewicz usw., die eine Aufnahme in anderen als dem polnischen Kontext „blockieren“. Brigitte Schultzes System spiegelt sich in fünf die Rezeption bzw. die Übernahme polnischer Stücke auf das (deutsche) Theater „begünstigenden Faktoren“ und drei „rezeptionserschwerenden Faktoren“. Sie kommt in Bezug auf die vermittelten Fallbeispiele zu durchaus nachvollziehbaren Ergebnissen. Dennoch wäre zweierlei gegen diese Systematisierung einzuwenden. Erstens, die „Rezeptionsblockaden“ polnischer Stücke sind lediglich ein gewissermaßen spektakulärer Sonderfall der nach Ingarden durchaus üblichen logischen Beziehungen zwischen „Werk“ und seinem „Leben“ (vgl. oben Einleitung), oder in einer anderen Terminologie: der Beziehungen zwischen „Text“ und „Kontext“. Beliebige Dramen aus anderen Ländern bzw. Konventionen oder Traditionen unterliegen den gleichen Restriktionen beim Transfer und müssen „anverwandelt“ werden. Nun zeigen aber, zweitens, die äußerst positiven Reaktionen der professionellen deutschen Kritik, dass polnische Inszenierungen selbst in der Landessprache in Deutschland ästhetisch akzeptiert, vulgo also ‚verstanden‘ wurden, wenn auch sicherlich anders als in Polen. Es gab somit, streng genommen, gar keine „Rezeptionsblockaden“, sondern nur die üblichen Schwierigkeiten einer Anverwandlung fremder Texte, die mal besser, mal schlechter gelingt. Z.B. ist Deutschland kein katholisches Land bzw. hat der deutsche Katholizismus eine ganz andere Prägung als der polnische. Er bezeichnet vor allem nicht die nationale Alleinstellung, so wie in Polen historisch zwischen den Teilungsmächten Preußen (Deutschland) – gleich ‚protestantisch‘ – und Russland – gleich ‚orthodox‘. Daher wird bei6 7
Vgl. Treppmann, E.: Mensch und Mächte. In: Südkurier (Konstanz), 14.3.1975. Schultze, Brigitte: Rezeptionsblockaden des deutschsprachigen Theaters für Mickiewicz, Krasiński, Słowacki und Wyspiański. In: Bayerdörfer, Hans–Peter u.a. (Hgg), Polnisch– deutsche Theaterbeziehungen seit dem Zweiten Weltkrieg. Tübingen 1998, S. 146–168.
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spielsweise das Kreuzeszeichen8 selbstverständlich anders wahrgenommen als in Polen, dort etwa als Hinweis auf den polnischen Messianismus. Um ein eigenes Beispiel aus dem hier verhandelten Bereich im Sinne von Brigitte Schultze anzuführen, kam im westfälischen Münster 1978 Janusz Koftas Bauernkriegs– Stück Das Tal der tausend Bäuche nicht an, weil die darin thematisierten Motive „Aufstand“ und vor allem „Heldentum“ nach 1945 in Deutschland keinen ‚Sinn‘ machten, trotz des Ausschnittes aus einer deutschen Welt. Dergleichen Konkreta meint Brigitte Schultze vermutlich mit dem Ausdruck „kultureller Code“. Nur ist für das Theater damit wenig gewonnen, wie die Rezeptionsgeschichte belegt. Die „Blockade“ durch einen fremden „kulturellen Code“ lässt sich mit Hilfe geeigneter kompensatorischer Strategien überwinden. Aber dieser Prozess unterliegt eher der historischen denn der systematischen Beschreibung. Andrzej Wajdas Scheitern mit dem Drama Hochzeit von Wyspiański auf den Salzburger Festspielen 1992 (und ein Jahr später mit der revidierten Wiederaufnahme durch Peter Stein) ist zwar symptomatisch, hat aber vielleicht zu Teilen auch mit dem ‚Event‘ Salzburger Festspiele, dem speziellen Kulturbetrieb und seinen an Kunst nur in zweiter Linie interessierten Teilhabern zu tun; 9 denn die Verfilmung von Wajdas Krakauer Inszenierung fand ein an Filmkunst interessiertes Publikum auch in Deutschland, trotz der aus guten Gründen nicht vollzogenen Synchronisation des Films. Die von Brigitte Schultze verwendete Begrifflichkeit, wie „Code(s)“ oder „Epochentext“, verweist auf einen Ansatz, der die konkreten historischen Verläufe, die Rezeptionsgeschichte, das „Leben“ der Werke, in letzter Konsequenz ausblendet. Die hochkomplexe wechselseitige Abhängigkeit derjenigen Größen, die einer Erkenntnis zugrundeliegen, wie schriftlich fixiertes Werk, seine Konkretisation(en), seine Inszenierung auf der Bühne, der Quellenwert der Theaterkritik, die zugehörige(n) Situation(en) etc., wird zugunsten einer Abstraktion vernachlässigt, die statisch bleibt und allenfalls punktuell etwas erklärt. Gerade der hier untersuchte Zeitraum 1945–1995 mit seinen historischen Umbrüchen legt einen anderen Zugang nahe, um der Dynamik der Rezeption polnischer Dramen in Deutschland gerecht zu werden und etwas kulturgeschichtlich Relevantes herauszustellen. Man könnte denken, dass es für polnische Dramatiker nahezu unmöglich war, aus dieser kontextlastigen Hermetik auszubrechen, wenn sie es denn überhaupt wollten. Das gelang nur einem Dramatiker wie Gombrowicz, weil er die 8 9
Ebenda, S. 162. Darauf wird letztlich auch von Brigitte Schultze selbst bzw. von den zwei Ko–Autorinnen als Fazit der Erörterung des Falles ‚Wesele in Salzburg‘ hingewiesen. (Ein wesentlicher Grund für die „Rezeptionsblockade“ war danach im Übrigen auch die Textgrundlage, die ziemlich inadäquate Übertragung in Deutsche.) Vgl. Schultze, Brigitte / Schabenbeck–Evers, Jola / Kriese, Irene: Stanisław Wypiańskis Versdrama Wesele (Die Hochzeit) – übersetzt, inszeniert und rezensiert. In: Forum modernes Theater. 1995 Band 10 1, S. 64– 93.
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Hermetik selbst zum Thema machte und zeittypische surrealistische Strategien für eine Abstraktion nutzen konnte, die wiederum Variabilität bedingt. Mrożeks Stücke scheinen dagegen fast durchweg in der beschriebenen Weise doppelt oder – recht verstanden: doppeldeutig –, d.h. konkret: als Parabeln, aufgefasst worden zu sein. Die Wirkungspotenzen polnischer Stücke auf den deutschen Bühnen werden jedenfalls von der entworfenen Problematik wesentlich bestimmt. Der bekannte Kritiker Hans Schwab–Felisch schrieb schon 1966 dazu: Das Verschlüsselte und Allegorische, das bei Mrożek aus einleuchtenden Gründen in reichem Maße vorhanden ist, mag für seine Dramaturgie einerseits eine Barriere gewesen sein, machte ihm aber andererseits den Weg ins Allgemeine gangbarer. Indem hier angesichts einer weitergeführten Erfahrung – immerhin innerhalb ihrer Sphäre –, nicht mehr, wie bei Brecht, ein konkreter, wenn auch übertragener Sachverhalt demonstriert und enthüllt, sondern eine konstruierte Über–Situation mit postabsurden Mitteln in ihrer verschlungenen Dialektik entwickelt und zuende geführt wird, offenbart sich auch eine Skepsis, die sich bereits jenseits des Aufklärerischen weiß.10
Man könnte also den „Weltausschnitt“ zu einem Maßstab nehmen, weil, erstens, die nationale Markierung polnischer Dramen von besonderem Belang ist und weil, zweitens, angesichts des in der DDR lange vorherrschenden Dogmas des „Realismus“, d.h. einer speziellen „Abbildhaftigkeit“, der Weltausschnitt doch die Pforte ist, durch die sich die Kritik dem Geschehen nähert.11 Unter diesen Voraussetzungen lässt sich die Andersartigkeit auf einer Skala abbilden. Auf ihr können zum Zwecke der Beschreibung drei Punkte isoliert werden, nämlich an einem Ende die ganz konkrete Abbildhaftigkeit, am anderen die höchste Abstraktionsstufe,12 und figürlich sozusagen in der Mitte, wenn auch je nach Stück mehr zum einen oder mehr zum anderen Endpunkt tendierend, die hinsichtlich des Weltausschnitts per se „doppeldeutigen“ Stücke. Sie machen wohl die Masse der polnischen Stücke auf den deutschen Bühnen aus. Zuerst sollen die Grenzfälle kurz beleuchtet werden, auf der einen Seite die „Abbilder“, auf der anderen die höchste Abstraktion. Eine konkrete „polnische Welt“ entwerfen alle Gegenwartsstücke im engeren Sinne, in denen – ggf. nach den Usancen des SozRealismus – das Abbild dominiert und die in „Polen“ situiert sind. Dazu gehören insbesondere die mehrfach erwähnten Komödien aus der Tauwetter–Zeit ab 1954 bzw. nach dem Polnischen Oktober des Jahres 1956, die wegen der Interferenz in der kausalen Motivierung der Handlungen innerhalb einer sozialistischen Ordnung auch für die 10 Schwab-Felisch, H.: Tragödie zur Farce gewendet. Erwin Axer inszeniert Mrożeks Tango in Düsseldorf. In: TH 1966 Heft 2, S. 17f., hier S. 18. 11 Im Blick auf das in den 50er Jahren immer wieder herausgestellte Merkmal des „Dissidentischen“ gilt die Aussage cum grano salis auch für die westdeutsche Kritik. 12 Vgl. Ingarden, Roman: Das literarische Kunstwerk. Tübingen 1972, S. 171, zur „Angepasstheit“ von Urteilssätzen auf vorfindbare Sachverhalte.
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DDR relevant waren, wie etwa das Motiv der Bevorzugung von ‚Bonzen‘ trotz propagierter Gleichheit aller, z.B. Der Geburtstag des Direktors (1954) von Skowroński / Słotwiński oder Nachtdienst (1955) von Jerzy Lutowski, später dann Kukula (Ein Neuer) (1964) von Marek Domański u.a.m. Interessant ist aber, dass in der DDR vor allem bis 1954 polnische Gegenwartsstücke gespielt wurden, die eine andere als die polnische Welt entwarfen, sei es (West)Deutschland, wie bei Kruczkowski Die Sonnenbruchs (Fassung, 1948/49), seien es die USA, wie bei Adam Tarn, Ein gewöhnlicher Fall (1950) und Ortega (1952). Das eine beschäftigt sich mit der amerikanischen „Klassenjustiz“, das andere mit einem Dolmetscher bei den Vereinten Nationen, der ‚für den Frieden kämpft‘. Hierher gehören auch der schon erwähnte Słomczyński mit seiner „Hollywood–Komödie“ Hallo, Freddy (vermutlich 1953), Die Pharisäer und der Sünder (1948/1950) des Duos Pomianowski / Wolin, das einen Kunstskandal in den Niederlanden zur Vorlage hatte, oder Kruczkowskis Polit–Drama Julius und Ethel (1954) um das Ehepaar Rosenberg, das 1953 in den USA wegen Atom–Spionage für die UdSSR hingerichtet worden war. Die genannten Dramen sind typische propagandistische Tendenzstücke. Sie beschäftigen sich allesamt mit einer Welt quasi ‚unbeteiligter Dritter‘. In diese Reihe kann man schließlich auch noch Jerzy Broszkiewicz's – gewissermaßen verspätetes – Drama Skandal in Hellberg (1961) stellen. Bei ihm geht es um das angebliche ‚Wiedererstarken des Faschismus in Westdeutschland‘. Es war ein Stück, das agitatorisch eigentlich in die Situation der Errichtung der Berliner Mauer passte, das aber erst 1968 in Potsdam aufgeführt wurde. Martin Linzer schrieb dazu eher verhalten, die „Darstellung der konkreten Umwelt“ sei „aus ungenauer Kenntnis ungenau“ geraten. Aber das Stück mache „auf andere Zeugnisse der polnischen Dramatik neugierig“.13 Diese gewisse „Ungenauigkeit“ betraf vermutlich die Darstellung des gewählten Weltausschnitts in allen derartigen Dramen. Alle diese Dramen (diejenigen aus der Tauwetterzeit eingeschlossen) wurden in der DDR nicht gerade flächendeckend gespielt, ausgenommen natürlich Kruczkowskis Sonnenbruchs. Daran zeigt sich, dass die Theater damit eher ein Soll erfüllten oder an der Übernahme der Tauwetter–Dramen wegen der andersgearteten politischen Richtung gehindert wurden. Die Theaterkritik propagierte für die Stücke vor 1953/54 ein Relevanzkriterium, das durchweg so politisch ausgerichtet war, wie die Tendenz der Texte auch, fügte sich also ihrerseits in den sog. „Kalten Krieg“ und die Festigung der politischen Blöcke ein und bestätigte somit den „Agitprop“–Charakter des Ganzen.14 Wie für die Stücke nach 1953/54 dargelegt, galt hier das Gegenteil. Die im Weltausschnitt und seiner Thematisierung erkennbare Parallele zwischen den Ordnungsmustern in der Volksrepublik Polen und der DDR wurde unterdrückt bzw. als 13 Linzer, Martin: Skandal in Hellberg. In: TdZ 1968 Heft 13, S. 30f. 14 Vgl. oben Kap 4.a die Konkreta der DDR–weiten Rezeption von Kruczkowskis Sonnenbruchs, die durchaus paradigmatisch zu nehmen sind.
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„anti–sozialistisch“ denunziert. Polnische Stücke verschwanden eben auch deshalb vom Spielplan, obwohl sie nun gerade relevant wurden. Dass sich das westliche Interesse ähnlich positionierte, wenn auch in der Tendenz spiegelbildlich, ist insbesondere an Stücken wie dem Schweigen von Brandstaetter, an Moczarskis Gesprächen mit dem Henker oder dergleichen abzulesen. Festzuhalten bleibt, dass gerade das Abbild des genuin Polnischen trotz der nationalen Markierung nicht interessierte. Das scheint auf den ersten Blick nicht überraschend zu sein, weil das Theater ja „aktualisieren“ muss. Aber wenn man etwa zum Vergleich die russische Literatur bzw. die russischen Dramen auf deutschen Bühnen ins Auge fasst, so dürfte zu vermuten sein, dass hier häufig ganz anders von Vornherein mit dem Russischen argumentiert wird, wie gängige Stereotype à la „russische Seele“ belegen.15 Der abstrakte Pol des Weltausschnitts ließ sich dagegen sozusagen nachhaltiger aktualisieren, sofern die Spielfreude des Theaters gegeben war oder durch bestimmte Regisseure in den Vordergrund gerückt wurde. Als Kronzeuge mag Gombrowicz und insbesondere seine Yvonne, die Prinzessin von Burgund / die Burgunderprinzessin gelten. Die abstrakte bzw. abstrakt verstandene „Welt“ eröffnete die Möglichkeit variabler Sinnzuweisungen. Darüber wird weiter unten noch zu reden sein. Hierher gehören aber auch die vielgerühmten Theaterkreationen von Tadeusz Kantor und seinen Adepten, die sich ihrerseits literarischer Stücke nur bedienen, sie also sensu stricto nicht inszenieren, wie Kantor mit Witkiewicz, oder die überhaupt eigene Texte über das Spiel erfinden, wie z.B. Wiśniewskis Der schwarze Zug (1988) und Ankunft Quai Vier (1991) oder Sadowskis Asche (1995).16 Ihre Inszenierungen sind absolute Theaterereignisse, die sich mit Literatur nur noch am Rande verbinden lassen. Dennoch gehören sie insofern hierher, als sich in ihnen die besondere Sinnfälligkeit des polnischen Theaters manifestiert. Der Sinn verbleibt ganz wesentlich im Irrationalen der ästhetischen Auffassung. Im Übrigen wurden sie nur in Westdeutschland rezipiert. Die Masse der Dramen, deren Weltausschnitt quasi doppelt zu verstehen war, lässt sich in der Überschau viel weniger stringent erfassen. Hier seien nur einige Hinweise gegeben. In den vorangehenden Kapiteln war außerdem von diesen Stücken ja immer wieder die Rede. Klar dürfte sein, dass bestimmte Themen 15 Der Vergleich entspringt allein dem slawistischen Blickwinkel sowie der historischen Erfahrung eines von der UdSSR 1945/48 – 1989 dominierten sog. „Ostblocks“. In Westdeutschland wurden ja polnische Dramen durchaus im Rahmen des „Ostblocks“ wahrgenommen, wie auch in der vorliegenden Publikation mehrfach gezeigt werden konnte. Aber gerade deswegen sei betont, dass der Sache nach die polnische Literatur mit der russischen letztlich nicht mehr zu tun hat als mit einer beliebigen anderen europäischen Nationalliteratur. 16 Vgl. Bayerdörfer, Hans–Peter: Prinzen, Prinzessinnen, Mannequins – Polnisches Theater in der Bundesrepublik Deutschland seit Beginn der siebziger Jahre. In: Bayerdörfer, Hans–Peter et alii (Hgg.), Polnisch–deutsche Theaterbeziehungen seit dem Zweiten Weltkrieg. Tübingen 1998, S. 13–45.
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und zugehörige Konflikte im Sinne des Relevanzkriteriums übertragbar waren, obwohl Elemente der dargestellten Welt auf Polen verwiesen, seien es ‚allgemein–menschliche Schwächen‘ und / oder situative Sinnzuweisungen eher politischer Art, wie der erwähnte Fall von Mrożeks Emigranten. Hierzu gehören für die DDR z.B. die ‚Ehedramen‘ Appetit auf Frühkirschen von Agnieszka Osiecka oder Die Scheidung (beide 1968) von Jerzy Stefan Stawiński. Für Gabriela Zapolskas Erfolgsstück Die Moral der Frau Dulski (1907) gilt Ähnliches. Es ist ‚gut gemacht‘ und hat menschliche Schwächen zum Gegenstand, die sicherlich nicht nur dem Bürgertum anhaften. Dennoch ließ es sich in der DDR–Kritik unter dem Stichwort ‚spätbürgerliches Verhalten‘ zusätzlich propagandistisch vermarkten, war aber auch in Westdeutschland erfolgreich. Sławomir Mrożeks Dramen hatten in beiden deutschen Teilen Erfolg, weil sie parabolisch angelegt sind und insofern eine abstrakte Seite einfach ‚haben‘,17 die sich politisch–historisch deuten ließ. Różewicz war trotz der ebenfalls auffindbaren Parabolik weit schwieriger zu inszenieren und vom Publikum zu würdigen, weil die spezielle Nutzung moderner Theaterstrategien, die z.B. in den frühen Stücken Kartothek (1960) und Die Zeugen oder unsere kleine Stabilisierung (1962) mit der Aufhebung der kausal–temporalen Ordnung verbunden sind, ein Zusatzproblem schuf. Im Westen trafen sie auf den Abschwung des Absurden Theaters, im Osten waren genau andersherum dergleichen Strategien absolut neu, gewöhnungsbedürftig und vor allem bis dato offiziell tabuisiert.
Polen vs. Deutschland (Ost und West): Die Wirkung der Dramen– bzw. Theatertradition Ein zweiter Aspekt der Andersartigkeit betrifft die unterschiedlichen Dramen– bzw. Theatertraditionen. Hier wird das Terrain besonders unübersichtlich, weil eine spezifisch ‚deutsch‘ zu nennende Tradition, die der polnischen gegenübergestellt werden kann und aus der die Differenz entsteht, in beiden deutschen Teilen wirkte. Martin Esslin beschreibt anlässlich von Brechts Innovationen die deutsche Tradition mit dem kritischen Blick von außen folgendermaßen: Brecht war ein Rebell: seine Ästhetik kann nur verstanden werden als Auflehnung gegen das Theater, das er um 1920 in Deutschland vorfand, und wie es heute noch in Deutschland und in anderen Teilen der Welt besteht: ein Theater, in dem hochtrabende, aber innerlich tote Klassikeraufführungen abgelöst werden von ebenso leblosen, photographisch getreuen Abbildungen des Alltagslebens, ob es sich dabei nun um melodramatische Reportage handelt oder um sogenannte Salonkomödie; ein Theater also, das zwischen den Polen moralisierender Salbaderei und alberner Unterhaltung liegt. 17 Vgl. Schmid, Herta: Mrożek auf deutschsprachigen Bühnen. Schwierigkeiten im deutsch– polnischen Dialog. In: Bayerdörfer et alii (Hgg.) 1998, S. 181–203.
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Polnische Dramen in Deutschland (1945–1995) Dazu kam, und kommt, besonders in Deutschland, die soziale Rolle des Theaters als einer gesellschaftlichen Verpflichtung, durch die ein Großteil des Publikums seinen Anspruch auf Bildung unter Beweis stellen zu können glaubt. Die Stadt hat ein Stadttheater, weil eine gebildete Stadt eben ein Stadttheater haben muß; und das Publikum geht ins Theater, weil man als gebildeter Mensch eben ins Theater gehen muß. So wird, was ein künstlerisches Erlebnis sein sollte, zu einem leeren, äußerlichen Ritual, einer symbolischen Kulthandlung, deren innere Rechtfertigung verlorengegangen ist.18
Die Zustandsbeschreibung trifft vermutlich auf Westdeutschland spätestens ab Ende der 1960er Jahre nicht mehr so ganz zu. Das belegen auch die Kritiken über Aufführungen polnischer Autoren. Zudem hat ja das wesentlich von Esslin zum ersten Mal theoretisch erfasste Theater des Absurden auf den westdeutschen Bühnen eine bedeutende Rolle gespielt, das vermutlich in seinen besten Zeiten doch eine neuartige „innere Rechtfertigung“ mit sich brachte; denn in Westdeutschland wurde recht schnell die Moderne zurückgeholt bzw. wurde versucht, die Folgen der anti–modernen nationalistischen und rassistischen Kulturpolitik der Nazi–Zeit zu überwinden. Peter Simhandl spricht in seiner Theatergeschichte von „restaurativen Tendenzen“, die er als solche – wie es üblicherweise geschieht – nicht unplausibel mit dem Geist der Adenauer–Zeit verbindet. Dennoch führt dieser Begriff in die Irre, weil es ja um die „Restauration“ einer gesamteuropäischen Kunstentwicklung ging, wie Simhandl anschließend mit seinen Hinweisen auf die zahlreichen Inszenierungen von Stücken ausländischer Dramatiker selbst belegt: es waren nämlich Pirandello, García Lorca, Anouilh, Beckett et alii, die auf den westdeutschen Bühnen der 50er und 60er Jahre dominierten.19 Hier fügten sich die neuentdeckten polnischen Dramatiker, so gesehen, zwanglos ein. Dass damit gleichzeitig der Verdrängung konkreter historischer bzw. politischer Probleme in Nachkriegsdeutschland Vorschub geleistet wurde, sei nicht bestritten. In der DDR wurde unter dem Signum des dogmatisch zu verstehenden Realismuspostulats die Moderne dagegen weiterhin ausgeblendet. Von diesem Realismus war der sog. Sozialistische Realismus nur eine spezielle Abart. Allerdings bildet Brechts verfremdende Dramatik bzw. seine Theatertheorie hier einen Sonderfall. Erst relativ spät, und zwar nach der kulturpolitischen Wende Anfang der Siebziger Jahre,20 war man in der Lage oder war es erlaubt, auch andere Möglichkeiten auszuprobieren. Vermutlich hatten gerade die polnischen Stücke bzw. das polnische Theater darauf einen gewissen praktischen Einfluss, der im kritischen Echo auf die „Polnischen Theatertage 1975“ auch manifest 18 Esslin, Martin: Brecht. Das Paradox des politischen Dichters. Frankfurt a. M. 1962, S. 178f. 19 Simhandl, Peter: Theatergeschichte in einem Band. Berlin 2007, S. 288–298. Ähnlich Schnell, Ralf: Geschichte der deutschsprachigen Literatur seit 1945. Stuttgart / Weimar 2003, S. 171ff.. 20 Als Wendepunkt kann der VII. Schriftstellerkongress der DDR 1973 gelten.
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wird. Aus der nominellen ‚Volksdemokratie‘ Polen kamen eben keine ‚spätbürgerlichen‘ Produkte, auch wenn sie solchen ähnlich oder von solchen beeinflusst waren, – eine merkwürdige Folge des ‚sozialistischen Bruderkultes‘. Wie dem auch sei, in den 60er Jahren setzt die Politisierung des westdeutschen Theaters ein, die sich auch gegen die von Esslin beschriebene ‚pseudoklassische‘ Tradition richtete, allerdings wohl auch gegen das Theater des Absurden mit seinem abstrakten Existenzialismus. Es wurde nunmehr durch engagiertes Theater in einem Horizont unmittelbarer Gegenwart abgelöst.21 Diese Verallgemeinerung gilt als solche selbstverständlich genausowenig wie Esslins globales Urteil. Da es hier nur um Tendenzen und Symptome gehen kann, sei als ein symptomatisches Beispiel an die Aufführung von Witkiewicz's Narr und Nonne im Münchener „Off–Off–Theater“ unter der Regie von Kelle Riedl im Jahre 1970 erinnert (vgl. Kapitel 2, S. 52), die eine groteske (surrealistische) Konstruktion in eine gesellschaftlich relevante Thematik zu bringen versuchte. Einerseits wurde in der DDR der positive Bildungs–Ansatz der Arbeiterbewegung wiederaufgenommen, führte aber zusammen mit der weiterwirkenden Tradition zu letztlich bildungsbürgerlichen Attitüden im Sinne von Esslins Zitat. Auch das lässt sich aus dem hier verwendeten Korpus von Kritiken belegen, in denen die Stichworte „spätbürgerlich“ oder „kleinbürgerlich“ geradezu emblematisch auftauchen, selbst wenn andere damit gemeint waren. Bezeichnend ist in diesem Sinne auch das Ausweichen auf thematisch und motivisch ‚unpolitische‘ Unterhaltung polnischer Provenienz ab Mitte der 50er Jahre. Andererseits setzte eine Institution wie das Weimarer „Deutsche Nationaltheater“ offensichtlich die von Esslin bemerkte Tradition auch ganz ungebrochen fort. Insofern hat Dietrich Scholze wohl Recht, wenn er wiederholt vom DDR–Zuschauer aus argumentiert,22 der sich zu dieser oder jener Rezeption erst allmählich bereit gefunden habe. Dennoch darf man nicht vergessen, dass auf der anderen Seite ja die engherzige Kulturbürokratie stand, die eine Auseinandersetzung mit bestimmten Seh–Erlebnissen gar nicht erst zuließ. Im politischen Zusammenhang mit dem sog. „11. Plenum“ des ZK der SED im Dezember 1965, auf dem sich eine Parteifraktion ersatzweise auf die Künstler stürzte,23 schreibt Werner Mittenzwei vom Ausbrechen „aus einer vormundschaftlichen Ästhetik“: 21 Schnell, Ralf: Geschichte der deutschsprachigen Literatur seit 1945. Stuttgart / Weimar 2003, S. 256ff. 22 Z.B. über die polnischen Theatertage, die geholfen hätten, „den Sinn für groteske und absurde Kunstmittel [...] bei den Zuschauern zu entwickeln.“ Scholze, Dietrich: Herausforderung durch Exotik. In: Kneip, Heinz et alii (Hgg.), Die Rezeption der polnischen Literatur im deutschsprachigen Raum und die der deutschsprachigen in Polen 1945-1985. Darmstadt 1988, S. 101-124, hier S. 117. 23 Es ging eigentlich gegen Ulbrichts „Neues ökonomisches System der Planung und Leitung“ (NÖSPL); vgl. Wolf, Christa: Jetzt musst du sprechen!. In: Die Zeit, 2.4.2009: (URL http://www.zeit.de/2009/15/D–Elftes–Plenum?page=1 ; 29.6.2009).
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Polnische Dramen in Deutschland (1945–1995) Der Ausweg aus dem Strafraum der Kritik führte über die Antikerezeption, markiert durch den furiosen Auftakt von Hacks‘ Aristophanes–Adaption Der Frieden (1962). Es folgten die Stücke Amphitryon (1967), Omphale (1969/70). Heiner Müller schrieb Stücke nach antiken Stoffen: Philoktet (1962/64), Ödipus Tyrann (1966), Herakles 5 (1964/66), Prometheus (1967/8), Der Horatier (1968). Die neue ästhetische Orientierung brachte einen Gewinn an Poesie, an theatralischem Reiz und Virtuosität. Gesellschaftliche Zusammenhänge und Widersprüche wurden auf großer historischer Ebene ausgetragen. Die Historizität verbarg nicht die Aktualität; sie erlangte durch die Verfremdung sogar eine schärfere Ausdruckskraft. Das Publikum fühlte sich von dieser Art mehr angesprochen als durch die direkte Darstellung von Gegenwartsproblemen. Die Antikerezeption brachte der jungen DDR–Dramatik den internationalen Durchbruch. Hacks und Müller wurden Dramatiker von Rang, Erfolgsautoren, der eine früher, der andere etwas später. Die Antikerezeption war der erste größere Ausbruch aus einer dogmatischen Ästhetik, ohne Anleihen bei westlichen literarischen Strömungen zu nehmen. Hacks und Müller suchten einen eigenen Weg, wichen nicht zum international etablierten absurden Theater aus.24
In den vorigen Kapiteln wurde über die Einzelfälle wohl hinreichend dargelegt, dass das polnische Drama bzw. das polnische Theater nach 1956 einen ganz anderen Weg gegangen ist, um einen Gegenwartsbezug herzustellen, und zwar etablierte sich eine spezifische Symbiose zwischen eigener zurückgeholter moderner Tradition (‚Symbolismus‘, ‚Surrealismus‘), deren Spiegelung im Theater des Absurden westlicher Provenienz und deren Verknüpfung mit der äsopischen Tradition der polnischen Literatur (seit der in Polen allmächtigen Romantik). Das äsopische Moment lässt sich seiner Funktion nach durchaus mit dem Ausweichen auf die Antike–Rezeption der DDR vergleichen, gewinnt aber durch die beiden anderen Komponenten einen ganz anderen Zuschnitt. Diese Mischung war weder in der Bundesrepublik noch in der DDR heimisch oder gar vertraut. Interessant mag in diesem Zusammenhang sein, dass beispielsweise Herberts Höhle des Philosophen in der DDR nicht gedruckt und nicht aufgeführt worden ist, obwohl das Stück doch einigermaßen in die Antikerezeption gepasst hätte. Im Westen (Oberhausen) kam ihm dagegen überhaupt nur ein Achtungserfolg zu. (Vgl. oben Kapitel 4.c)
Das Problem des ‚Naturalismus‘ auf den Bühnen der DDR (Różewicz / Mrożek) Seit Mitte der 70er Jahre taucht in den Kritiken vor allem in „Theater der Zeit“ das Stichwort „naturalistisch“ auf, das sich in aller Regel kritisch auf die Inszenierung bzw. das Spiel bestimmter polnischer Stücke bezieht und nicht etwa, wie noch bei Erpenbeck 1952 in Bezug auf Gabriela Zapolska, den Epochenstil 24 Mittenzwei, Werner: Die Intellektuellen. Literatur und Politik in Ostdeutschland von 1945 bis 2000. Leipzig 2001, S.238.
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bezeichnet.25 Offenbar wird damit ex negativo ein Verfremdungs–Effekt gemeint, der als „V–Effekt“ eigentlich Teil der Brechtschen Ästhetik war und der beispielsweise im obigen Zitat von Mittenzwei in Bezug auf die Antikerezeption verwendet wird. Der Ausdruck „naturalistisch“ vertritt also in gewisser Weise den Ausdruck „realistisch“ im Gegensatz etwa zu „grotesk“ oder – für das Theater passender: „absurd“ –, um den ideologischen Fallstricken des Realismuspostulates mitsamt der dahinter lauernden „Widerspiegelungstheorie“ zu entgehen. Wenn man den Sachverhalt an einem Ausdruck deutscher Provenienz erhellen wollte, könnte man an dieser Stelle statt „naturalistisch“ (oder eben „realistisch“) auch „abbildhaft“ sagen, um das Phänomen zu fassen. Mittenzwei spricht oben von „direkter Darstellung von Gegenwartsproblemen“. So findet also die „indirekte“, nicht–„abbildhafte“ Darstellung noch immer unter dem Dogma des „Realismus“ Platz und lassen sich Autoren wie Mrożek oder Różewicz in ihrer Manier rechtfertigen, ohne das „spätbürgerliche“ Theater des Absurden überhaupt zu erwähnen. Die DDR–Bühnen taten sich angesichts einer dreißig Jahre währenden „realistischen“ Tradition verständlicherweise schwer, diese Art von Verfremdung, die mit Brechts „V–Effekt“ ja nur den Namen oder doch nur die allgemeinste Wirkungspotenz gemein hat, auf die Bühne zu bringen und sinnfällig werden zu lassen: „Diese polnischen Autoren verlangen unseren von anderer Tradition bestimmten Theatern ungewohnte Schritte ab.“26 Das sei mit ein paar einschlägigen Zitaten belegt. In Rudolstadt gab es 1978 unter dem Titel Spektrum 78 ein kleines Theaterfestival, anlässlich dessen auch Różewicz's Der komische Alte gezeigt wurde. Dazu heißt es in „Theater der Zeit“: Die (eigentlich moderne) Inszenierung zeige noch „naturalistische Tendenzen anstelle der geforderten Groteske bzw. Komik. [...] An Erfahrungen im Umgang mit Różewicz ist unsere Theaterlandschaft nicht allzu reich gesegnet. Seine Dramatik muß noch immer als Herausforderung an unser Theater verstanden werden.“27 In Bezug auf die Inszenierung von Mrożeks Tango in Rudolstadt (Regie: Martin Meltke), verkehrt Wolfgang Kröplin das gängige Realismus–Postulat geradezu in sein Gegenteil: „Das Ganze bekommt durch die bewußte Abkehr von vordergründiger Lebensähnlichkeit einen Grad von Wahrhaftigkeit, der der Sache gut tut.“28 Ebenso bemerkt Kröplin zum „Umgang mit Różewicz anlässlich der Tage der Kultur DDR – VR Polen 1980“ über Róże25 Erpenbeck, Fritz: Die Moral der Frau Dulski von Gabriela Zapolska in den Kammerspielen [...]. In: TdZ 1952 Heft 21, S.26–30. 26 [Redaktionelle Vorbemerkung]: Erstaufgeführt. Mrożek und Różewicz auf unseren Bühnen. In: TdZ 76 Heft 1, S.40. 27 Fischer, H.: „Biografien im Umfeld“. ‚Spektrum 78‘ in Rudolstadt. In: TdZ 78 Heft 7, S.46–48. 28 Kröplin, Wolfgang: Freudiges Ereignis mit Satyrspiel. Tango und Ein freudiges Ereignis in Rudolstadt. In: TdZ 1979 Heft 8, S.29f.
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wicz's Er ging aus dem Haus im Leipziger „Kellertheater“: „Die Intimität des Miteinanders drängt nicht zur naturalistisch–glaubwürdigen Aufbröselung der Vorgänge. [...] Die häufige Neigung zu Naturalismen im Spiel verweist noch auf Unfertiges.“29 Ähnliches gilt für Edward Redlińskis Satire Aufschwung oder das Paradies 1980 in Schwedt: Nach den (ganz anderen) Erstaufführungen 1975 in Frankfurt/O. bzw. Schwerin30 sei „die Zeit [...] jetzt reif für diese volksstückhafte Farce aus Polen [...] Das sichtbare Bemühen um Schaffung metaphernreicher Bilder wurde freilich gemindert durch eine teilweise naturalistische, ungestische Spielweise und [...] konzeptionell unklare Arrangements.“31 Über die Inszenierung von Różewicz's Weißer Ehe durch das „Deutsche Theater“ in Berlin(–Ost) schreibt Linzer vorsichtig, dessen „Alpträume“ seien „eher handfest–realistisch inszeniert“,32 um ein Jahr später angesichts der für mangelhaft gehaltenen Versuche einer Inszenierung von Mrożeks Stücken im Theater „Das Ei“ gleichsam resigniert festzustellen: Da Kontinuität in der Auseinandersetzung mit spezifischen Elementen des Grotesken und Absurden in der polnischen Dramatik nicht durchgesetzt werden konnte, Versuche nur punktuell unternommen werden, stehen die Macher (bei Mrożek mehr noch als bei Różewicz) jedoch immer wieder am Anfang.33
1982 lobt Linzer den Regisseur Herbert Olschok für seine Inszenierung der Emigranten von Sławomir Mrożek am Mecklenburgischen Staatstheater Schwerin: Sie sei grotesk, falle aber nicht „aus dem Rahmen gewohnter ästhetischer Kategorien“. Das Spiel finde eine „groteske Zuspitzung [...] ohne naturalistischen Illusionismus“.34 An Mrożeks Emigranten zeigt sich recht anschaulich das Problem der Anverwandlung an eine andere Theatertradition in seiner ganzen Schärfe. Einerseits gibt es dank der Funktionalisierung der Groteske einen nur indirekten Gegenwartsbezug, der von Linzer nicht benannt, aber aus der Situation der ‚späten DDR‘ und der anschwellenden Ausreisewelle ihrer Bewohner verständlich wird.35 Andererseits sei das Stück von einer bei Mrożek „überraschenden Konkretheit“, mit der die „Ent–Fremdung“ der Protagonisten, ihr „Verlust an na29 Kröplin, Wolfgang: Er ging aus dem Haus. In: TdZ 1980 Heft 6, S.20. 30 Dort verlangte die Kritik noch „andere Fähigkeiten zur realistischen Menschengestaltung“. Vgl. Wieck, Thomas: Aufschwung oder das Paradies (Frankfurt / O.; Schwerin 1975). In: TdZ 1976 Heft 2, S. 17. 31 Knauth, Ingeborg: Der Aufschwung oder das Paradies. In: TdZ 80 Heft 6, S. 1. 32 Linzer, Martin: Weiße Ehe. In: TdZ 81 Heft 4, S.2. 33 Linzer, Martin: Auf hoher See / Striptease. In: TdZ 81 Heft 4, S.2. „Das Ei“ war ein kleines Ost–Berliner Theater im Friedrichstadtpalast. Die inkrimierte Aufführung fand als Gastspiel im 3. Stock der „Volksbühne“ statt. 34 Linzer, Martin: Die Emigranten. In: TdZ 82 Heft 6, S.4. 35 Vgl. dazu auch oben Kapitel 1, S.30.
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tionaler und sozialer [...] Identität“ dargestellt werde. Die Konkretheit habe vermutlich „mit den Lebenserfahrungen des Autors“ zu tun. (Mrożek lebte seit den 60er Jahren im Ausland, seit 1968 explizit ‚in der Emigration‘.) Die „gewohnten ästhetischen Kategorien“ betreffen genau diese Konkretheit bzw. Abbildhaftigkeit als verdeckte und von Linzer nicht offen benannte Relevanz des Dargestellten, wodurch die ungewohnte Groteske ihren Sinn erhält und als solche nicht dominiert. Im Westen wurden die Emigranten im Übrigen als Stück über ‚Gastarbeiter‘ aktualisiert.36 Im Oktober 1990 schreibt Linzer, nun bereits in einer ganz anderen Situation, anlässlich der erstmaligen Aufführungen von Mrożeks Tango am „Berliner Ensemble“, Regie wiederum Herbert Olschok, und Die Polizei am „Gorki– Theater“, Regie: Bernd Weißig: Er könne „sich gut vorstellen, dass bei Repertoire–Überlegungen [...] die osteuropäischen Autoren eine größere Rolle spielen könnten, die Erscheinungsweisen und individuelle Reflexionen des Stalinismus nicht in der Abbildung von Realgeschichten, sondern in gesellschaftlichen Parabeln abgearbeitet haben, deren poetische Modelle dann auch mit unseren (realen) Erfahrungen ausgefüllt werden können.“37 So könnten Mrożek oder Havel wichtiger werden „als die trotz aller nationaler Verbundenheit in einer ‚anderen‘ Welt großgewordenen westdeutschen und österreichischen Autoren, wie Botho Strauß oder Peter Handke, Tankred Dorst oder Thomas Bernhard [...]“. Es ist ein nostalgischer Abgesang auf verpasste Gelegenheiten, die freilich Linzer nicht persönlich zu verantworten hat, und ein Hinweis auf Interferenzen zwischen Polen und der DDR, Interferenzen, die ja in den 40 Jahren seit 1949 nur im meist negativen Subtext der Kritiken, Stichwort: „anti–sozialistische Tendenzen“, „zutiefst Polnisches, hierzulande nicht Verständliches“ etc., auftauchen.
Das Problem des Absurden Theaters in Westdeutschland (Gombrowicz) Wie in den vorangegangenen Kapiteln immer wieder herausgestellt, wurden die Stücke von Mrożek oder Różewicz im Westen in die Tradition des Absurden Theaters gerückt, das allerdings in den 60er Jahren zunehmend an Einfluss verlor. Die Modernität der polnischen Stücke wurde zwar im Blick auf die im restlichen „Ostblock“ üblichen Usancen gepriesen, aber in dieser Form war sie für Westdeutschland schon passé. Dem entsprach der alsbaldige Abschwung von Mrożeks Popularität. Ebenso gehört die Sperrigkeit von Różewicz's Dramen für das (gesamt)deutsche Theater hierher. Die Andersartigkeit der Funktionalisierung des Absurden in Polen und der Tschechoslowakei, wie sie Esslin in sei36 Misterek, Susanne: Polnische Dramatik in Bühnen– und Buchverlagen der Bundesrepublik Deutschland und der DDR. Wiesbaden 2002, S. 226f. 37 Linzer, M.: Mrożek in Berlin. In: TdZ 1990 Heft 10, S. 28.
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nem geradezu programmatischen Artikel in „Theater heute“ schon 1966 herausgestellt hatte,38 ließ sich ästhetisch nicht nachvollziehen, es sei denn über das oft erwähnte Merkmal des ‚Dissidentischen‘, das aber doch wegen der quasi–didaktischen Zeigegeste auf Situationen jenseits des eigenen westdeutschen Horizontes nicht sinnfällig wurde. Dieses Moment funktionierte genau spiegelbildlich zu dem, was Linzer oben zu den parabolischen Stücken und ihrer möglichen Funktion für Ostdeutschland bzw. die vergangene DDR angemerkt hatte. Auf dem westdeutschen Theater entfaltete von den polnischen Gegenwartsautoren nur Gombrowicz mit seinem Drama Yvonne, die Prinzessin von Burgund / die Burgunderprinzessin ein wirkliches und dauerndes ästhetisches Eigenleben. Da es zu Gombrowicz eine vergleichsweise genaue Literatur gibt,39 sei nur die ‚Aktualisierung‘ im Sinne des Generalthemas geprüft. Dazu gehört auch die Eigenart seiner späten Entdeckung bzw. deren historischer Ablauf in Westeuropa bzw. Westdeutschland seit Mitte der 1960er Jahre. Diese Historie ist bei keinem polnischen Autor so gut zu dokumentieren wie bei Gombrowicz. Er wird zudem von Anfang seiner Entdeckung an in einer besonderen Weise beachtet, worin sich das von seinen Stücken ausgehende besondere Faszinosum zeigt. Dabei spielte die Zeitschrift „Theater heute“ einen wichtigen Part. Sie druckte beispielsweise eine Reihe theoretischer Erörterungen über Gombrowicz ab, um ihn auf diese Weise wenigstens theoretisch ‚anzuverwandeln‘.40 Wie schon gesagt, findet sich die nationale Markierung bei Gombrowicz allenfalls in der Faktur der Stücke wieder, d.h. in der Konfliktlage sublimiert und motivisch abstrahiert, so dass diese Faktur dem Theater die Möglichkeit eröffnet, sich selbst sozusagen ‚in Reinkultur‘ zu spielen: Das ‚Theatral(isch)e‘ ist selbst zum Thema geworden,41 das mit kontextuellen Sinnzuweisungen gefüllt werden kann. Hinsichtlich des Weltausschnitts rücken Gombrowicz's Stücke in die dritte Kategorie bzw. den Endpunkt der oben entworfenen Skala. Es sind 38 Esslin, Martin: Politisches Theater – absurd. Eindrücke von neuen Stücken aus Polen und der CSSR. In: TH 1966 Heft 1, S.8ff. 39 Vgl. Conrad, Jan: Zur Gombrowicz–Rezeption in Deutschland: Yvonne, die Burgunderprinzessin in Inszenierung und Übersetzung. In: Sugiera, Małgorzata (Hg.)., Ein schwieriger Dialog. Polnisch–deutsch–österreichische Theaterkontakte nach 1945. Krakau 2000, S.127–148. Marx, Agnieszka: Die Rezeption Witold Gombrowiczs im Spiegel der deutschsprachigen Literatur– und Theaterkritik. Göttingen 2005. (Elektronisch publizierte Dissertation, URL http://webdoc.sub.gwdg.de/diss/2007/marx/) 40 Kott, Jan: Die Psychomanie des Witold Gombrowicz (TH 68 Heft 2, S.28); Strauß, Botho: Den Traum alleine tragen. Versuch über Die Trauung von Witold Gombrowicz und die deutsche Erstaufführung am Schiller–Theater Berlin (TH 68 Heft 2, S.24–29) und Bondy, François: Das Anstößige stößt alle Entwicklung an. (TH 71 Heft 4, 1f.) sowie ders.: Der barfüßige Witold. Über Gombrowicz' nachgelassenes Fragment Geschichte – eine Operette. (TH 77 6, 20–26). 41 Vgl. Bondy, François: Das Anstößige stößt alle Entwicklung an. In: TH 71 Heft 4, 1f.
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Stücke, in denen das Abbild, streng genommen, fehlt. So sieht Agnieszka Marx in ihrer Dissertation zwar ganz richtig, dass „sich das Innovatorische seiner Dramen durch die Universalität der angesprochenen Problematik“ auszeichne: „Die sich bei Gombrowicz in Polen abspielenden Ereignisse können genauso gut woanders vonstatten gehen und auch woanders die gleiche Wirkung erzielen.“42 Aber wichtiger noch scheint zu sein, dass hinsichtlich der Theatertradition Gombrowicz als einziger der polnischen Autoren genau(so) die Moderne repräsentiert, wie westeuropäische Autoren vom Schlage eines Samuel Beckett, in dessen Stücken man letzten Endes vielleicht auch ein auf Irland verweisendes ‚sublimiertes‘ Moment entdecken könnte. In der Situations–Abstraktheit, in der Modernität und in der Thematisierung des Theatralischen liegt ganz sicher das Geheimnis von Gombrowicz's nachhaltiger Wirkung in Deutschland, seine Absenz in Ostdeutschland vor 1990 eingeschlossen. 1964 taucht Gombrowicz zum ersten Mal in „Theater heute“ auf. Im Jahrbuch „Chronik und Bilanz des Bühnenjahres 1964“ schreibt Bernard Dort über die positiven Besonderheiten der Pariser Uraufführung von Gombrowicz's Trauung (Regie: Jorge Lavelli) vor dem Hintergrund der negativ beurteilten Pariser Theatertradition.43 Im selben Heft geht es um die Vorankündigung des Spielplans der Münchner Kammerspiele, auf den auch Die Trauung gesetzt war. Ivan Nagel schreibt geradezu euphorisch: „Gombrowicz‘ Trauung ist ein Exempel jenes modernsten Theaters, das auf den Spuren Artauds [...] die Dynamik gesellschaftlicher und gedanklicher Kämpfe in einem ritusähnlichen Zeremoniell der Bühne zu verkörpern sucht.“44 In Heft 9 des Jahrgangs 1964 avisiert Henning Rischbieter die Herausgabe von Gombrowicz's Dramen Yvonne und Die Trauung im Frankfurter S.–Fischer–Verlag.45 Er hält Die Trauung für „das erstaunlichste, weil kräftigste Stück“. Es sei vor Ionesco geschrieben, habe die „paroxystische Kraft von dessen besten Stücken“, sei aber „reicher instrumentiert“. Hinsichtlich der Bewertung gab die Rezeptionsgeschichte Rischbieter nicht Recht. Yvonne, die Prinzessin von Burgund / die Burgunderprinzessin wurde zu 42 Vgl. Marx 2005, S. 115; allerdings verweisen auf „Polen“ allein die Namen der Protagonisten und im Original ggf. die Assoziationen der Ethno–Sprache, d.h. „Polnisch“ entwirft eine „polnische Welt“, so dass zu fragen wäre, ob dergleichen im Blick auf den ins Deutsche übersetzten Text für die Bestimmung des Weltausschnittes wirklich hinreicht. 43 Dort, Bernard, in: TH 64 Heft 13, [Rubrik „Kritiker bezeichnen Höhepunkte der Saison“] S. 109. 44 Nagel, Ivan: Kammerspiele München. In: TH 64 Heft 13, [im Rahmen einer Übersicht über Planungen ausgewählter deutschsprachiger Theater für die Spielzeit 1964/65, S.2– 10] S.8. 45 Gombrowicz, Witold: Yvonne [in der Übersetzung von Heinrich Kunstmann und Walter Tiel]. Frankfurt a.M. 1964. Dazu Rischbieter, Henning: Wie es umtreibt. Zu Buchausgaben der Stücke von Julius Hay, Witold Gombrowicz, Elias Canetti [...]. In: TH 64 Heft 9, S.54–56.
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Gombrowicz's in (West)Deutschland meistgespieltem Stück und nicht Die Trauung. Aus der Inszenierung der Trauung durch Fritz Kortner 1964 in den Münchner Kammerspielen wurde angeblich wegen der Erkrankung des Hauptdarstellers Helmuth Lohner nichts, wie im Juni 1966 die Münchner „Abendzeitung“ berichtete.46 So gibt es denn die erste deutsche Inszenierung eines Gombrowicz im Dezember 1964 in Dortmund. Es ist Yvonne, die Prinzessin von Burgund (Regie: Walter Czaschke). Sie lief im Dortmunder Stadttheater allerdings am falschen Ort und vor falschem Publikum, worüber sich die Kritik ziemlich einig war.47 Das Publikum verließ scharenweise den Raum, wohl auch von einer gewissen Langatmigkeit der Inszenierung vertrieben. (Kuhn, Vielhaber) „Dabei ist das Stück ebenso amüsant wie bösartig, von hohem dichterischem Rang, eine tragische Farce aus dem Jahre 1938, die viele Elemente des absurden Theaters vorwegnimmt.“ (Schwab–Felisch) Es sei ein Stück der „kalten, leeren Konventionen“, „ein modernes Märchen in unserer Welt, ‚phantastischer Realismus‘, in dem auch das Zeitalter der Morde schon angeklagt wird.“ (Ders.) Nur die Ironie komme zu kurz. (Kuhn) Erst Jorge Lavelli zeigte mit dem Gastspiel seiner Pariser Uraufführung der Trauung in Walter Höllerers Veranstaltungsreihe „Modernes Theater auf kleinen Bühnen“ 1965 in der „Berliner Akademie der Künste“ eine gültigere Variante, wie Gombrowicz zu spielen sei.48 1966 folgte im Berliner „Forum–Theater“ eine Inszenierung der Yvonne durch den polnischen Regisseur Jan Biczycki, der „die Schauspieler in übertrieben, fast albern bunten Kostümen auftreten [ließ], mit farbigen Wollperücken, den König mit überlangen Frackschößen, die Königin mit einem kastenartigen Vorbau am Busen. Die Hofgesellschaft muss dauernd ‚Hihihi‘ und ‚Hahaha‘ machen – das alles wirkt so forciert, daß die Lustigkeit verlorengeht.“49 Immerhin wurde Gombrowicz aus dem drohenden philosophischen Tiefsinn in den sinnfälligen Klamauk transponiert, um die beiden Inszenierungs–Pole des deutschen Theaters – nach Esslin – leicht modifiziert hier anzuwenden. Die Transponierung geschah wohl nicht ganz zufällig durch einen polnischen Regisseur. Volker Klotz schrieb in „Theater heute“:
46 [Anonym]: Geplatzte Trauung. In: Abendzeitung. (München), 1.6.1966. 47 Hier und im Folgenden vgl. Schwab–Felisch, Hans: Yvonne, Prinzessin von Burgund. In: Süddeutsche Zeitung, 28.12.1964; ASV: Literarisches Märchen für die Großstadt. In: FAZ, 23.12.1964; Kuhn, Otto: Die Prinzessin. In: Christ und Welt, 25.12.1964. Vielhaber, Gerd: Das absurde Zeremoniell. In: Frankfurter Rundschau, 2.1.1965. Einzelheiten siehe auch bei Marx 2005, S. 119ff. 48 [Anonym]: Traumspiel mit modernen Schimären. In: Die Welt, 15.1.1965. Vgl. Marx 2005, S. 177. 49 Ahrendt, H.: Yvonne von Witold Gombrowicz. Premiere des frühsurrealistischen Dramas am Kurfürstendamm. In: Nordwest–Zeitung, 1.6.1966.
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Die Inszenierung ist großartig. Durch den zügellos einfallsreichen Swinarski und den werknäheren Axer war in Deutschland schon Gelegenheit, polnischen Bühnenstil kennenzulernen: die Neigung zu grotesker Theatralik, die dem Auge nichts zu wünschen übrig läßt und dabei freilich durch raffinierte Verzerrungen keinen leichtfertigen Kulinarismus aufkommen läßt; die streng stilisiert, doch nicht, um zu verdünnen, sondern um zu intensivieren; die auch Elemente des psychologischen Kammerspiels nicht verschmäht, doch zu einer neuen, schrägen Ordnung verrückt.50
Nach diesen Vorspielen kam es zu den Inszenierungen am Berliner „Schillertheater“, und zwar im Jahre 1968 die vielbeachtete Trauung, 1970 Yvonne und 1972 Operette, allesamt unter der Regie von Ernst Schröder. Schröder verfügte damit als einziger über die „intellektuelle und visionäre Besessenheit“,51 alle drei kanonischen Stücke von Gombrowicz auf die deutsche Bühne zu bringen. Im Übrigen haben sich viele namhafte Regisseure auf Gombrowicz eingelassen: in München ohne Erfolg 1964 Fritz Kortner und 1970 Bernhard Wicki (jeweils Die Trauung),52 mit Erfolg erst 1980 Ingmar Bergmann (Yvonne); 1971 Jorge Lavelli (Operette) in Bochum, 1971 Wilfried Minks (Yvonne) in Bremen, 1972 Oscar Fritz Schuh (Yvonne) in Wiesbaden, 1975 Hans Neuenfels (Operette) in Frankfurt am Main, 1977 Kazimierz Dejmek (Operette) in Essen, 1980 Luc Bondy (Yvonne) in Köln, 1990 Jerzy Jarocki (Die Trauung) in Berlin (Theater an der „Hochschule der Künste“). Jan Conrad hat am Beispiel des Kritiker–Echos auf die Inszenierungen der Yvonne die „kulturelle Re–Kontextualisierung“ des Stückes bzw. der Protagonistin verfolgt.53 Es geht um Sinnzuweisungen des im Text entworfenen Kontrastes „Yvonne vs. Hofgesellschaft“ im Kontext des deutschen Theaters. Die Zuweisungen reichen von „individualpsychologisch“, „sozialkritisch“, (auf das Theater bezogen:) „selbstreflexiv“ bis hin zu „soziologisch“ oder „biologisch“, Letzteres in der Nachfolge von Gombrowicz's eigenen Äußerungen. Außerdem seien im Laufe der Zeit die Assoziationen an das Theater des Absurden von Hinweisen auf das Gesamtwerk von Gombrowicz bzw. wenigstens auf seine Dramen abgelöst worden. Ohne an Conrads plausiblen Analysen irgendwelche 50 Klotz, Volker: Tödliche Polonaise. In: TH 1966 Heft 7, S. 48. 51 Michaelis, R.: Kleiner Totentanz. Ernst Schröder inszenierte Yvonne, Prinzessin von Burgund von Gombrowicz im Schiller–Theater. In: TH 1970 Heft 4, S.24. 52 Beide Inszenierungen kamen am „Residenztheater des Bayrischen Staatsschauspiels“ nicht zustande. Vgl. zu Kortner oben; zu Wicki ders.: Sinnlos vertane Steuergelder. / Henrichs, H. [Intendant]: Die Krankengeschichte der Trauung. In: TH 1972 Heft 4, S.6. Am „Werkraumtheater“ der Münchner Kammerspiele hatte es 1969 allerdings ein Gastspiel aus Zürich mit der deutschsprachigen Erstaufführung der Yvonne unter der Regie von Gombrowicz's ‚Hausregisseur‘ Jorge Lavelli gegeben. 53 Conrad, Jan: Zur Gombrowicz–Rezeption in Deutschland. Yvonne, die Burgunderprinzessin in Inszenierung und Übersetzung. In: Sugiera, Małgorzata (Hg.), Ein schwieriger Dialog. Polnisch–deutsch–österreichische Theaterkontakte nach 1945. Krakau 2000, S. 127–148, hier S. 131–140.
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Zweifel anmelden zu wollen, zeigen sie doch die Crux, Rezeption über Kritikeräußerungen zu objektivieren. Die „kulturelle Re–Kontextualisierung“ wird als Sinnzuweisung auf der Bedeutungsebene verstanden. Der Anteil des ‚Sinnfälligen‘ an dem Prozess der ästhetischen Anverwandlung fällt notwendigerweise unter den Tisch, vom Ausgangspunkt, dem sichtbaren Kontrast „Yvonne vs. Hofgesellschaft“, einmal abgesehen. Stimmen, wie die von Hans Ahrendt und Volker Klotz zur Inszenierung der Yvonne durch Jan Biczycki (Berlin 1966; vgl. oben), zeigen aber trotz des gegensätzlichen Werturteils deutlich, dass es einen Mehrwert gibt, der möglichst auch berücksichtigt werden sollte. Zudem finden sich die genannten Merkmale der „Re–Kontextualisierung“ gar nicht in der suggerierten strengen zeitlichen Abfolge, sondern sind mal mehr, mal weniger von Anfang an in den Kritikermeinungen anzutreffen. Das Absurde war zunächst also eine motivierende Folie, die über die merkwürdigen Stücke von Gombrowicz gelegt wurde, bis die Eigenart von Gombrowicz's Gesamtwerk ins Bewusstsein drang. (Sein Unwillen, sich in Deutschland als ‚Absurder‘ vermarktet zu sehen, wurde dagegen so recht erst 2002 publik.54) Das heißt aber nicht, dass die Assoziation ‚absurd‘ nicht bestehen bliebe. Schließlich lässt sich die Theatergeschichte ja nicht abschaffen. Die Assoziation des Absurden Theaters wird nur unwichtig, taucht aber in bestimmten Situationen als kurzgefasste Verständnishilfe wieder auf.55 Die oben benannte genuin polnische Traditionslinie hatte im Westen selbstverständlich keinen Einfluss, auch wenn sie zuweilen – wohl nach den Programmheften – angeführt wird. Sie blieb im Wortsinn unsichtbar. In der Frequenz der drei Stücke von Gombrowicz auf dem deutschen Theater gibt es gewaltige Unterschiede. Die Trauung und Operette sind in Westdeutschland im Berichtszeitraum je achtmal inszeniert worden, Yvonne dagegen 36mal.56 Sicher gibt es dafür pragmatische Gründe. Operette sprengt vermutlich die normalen Besetzungsmöglichkeiten deutscher Theater. Das Stück ist demzufolge nur auf vergleichsweise großen Bühnen inszeniert worden. Die Hemmnisse, auf die Bernhard Wicki bei dem Versuch gestoßen war, Die Trauung im Münchner „Residenztheater“ zu inszenieren, weisen in die gleiche Richtung. Nur Yvonne lässt sich ggf. offenbar ohne Verlust quasi auf Kammerspiel–Format reduzieren. Beim Blick auf Struktur, Thema und vollzogenen ‚theatralen‘ Konkretisationen der Stücke selbst zeigt sich, dass Yvonne über die größte Abstraktion in Be54 Misterek 2002, S. 179; die Verfasserin zitiert aus einer brieflichen Äußerung Gombrowicz's gegenüber dem S.–Fischer–Verlag. 55 Vgl. z.B. Bröder, F.J.: Tod der „Sündenziege“. In: Nordbayerischer Kurier, 27.4.1994. (Inszenierung in Nürnberg) 56 Vgl. Register im Anhang. Selbst wenn sich nicht alle Inszenierungen aufspüren ließen, stimmt doch die Relation. In Ostdeutschland wurden nur die Trauung sowie Yvonne zwischen 1990 und 1995 je einmal inszeniert.
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zug auf den Weltausschnitt verfügt und sich demzufolge unterschiedlichen Inszenierungsstrategien zwanglos anpassen lässt. Zu diesem Schluss kommt auch Agnieszka Marx,57 allerdings sind die von ihr behaupteten Situationsbezüge, in denen die beiden anderen Dramen angeblich funktioniert haben, wie die „Studentenbewegung“ oder die Gender–Problematik, weniger überzeugend. Sie lassen sich vor allem nicht über die Kritikerstimmen verifizieren, obwohl die westdeutschen Kritiker ja – anders als in der DDR – nicht indirekt (‚sybillinisch‘) argumentierten und es also keinen Grund für etwaiges ‚beredtes Schweigen‘ gegeben hat. Die Trauung hatte es nach dem furiosen Auftakt der deutschen Erstaufführung 1968 am Berliner „Schillertheater“ offensichtlich schwer, zu einer Erfolgsgeschichte zu werden, weil in ihr zu viele widersprüchliche Züge gleichzeitig zu konkretisieren waren, während sich die abstrakte und simple Grundsituation der Yvonne vielfältig nutzen ließ. So paradox es erscheinen mag, zeigt sich die Widersprüchlichkeit in den zahlreichen positiven Einlassungen der Kritik zur deutschen Erstaufführung der Trauung, deren ausführliche Rekapitulation in der oben genannten Dissertation von Agnieszka Marx nachgelesen werden kann. Hier sollen lediglich ein paar Stichwörter genannt werden, die eine Vorstellung von der Bandbreite der Sinnzuweisungen vermitteln können. Am umfassendsten verweist auf den Aspekt einer grundsätzlichen und in sich nicht widerspruchsfreien Vieldeutbarkeit wohl die Kritik von Dieter E. Zimmer. Er schrieb in der Wochenschrift „Die Zeit“: Was in diesem Stück vor sich geht, wäre besser im Konjunktiv zu sagen; denn nicht zuletzt Gombrowicz selber würde sich wehren, seine nächtlichen, flutenden und wuchernden und mit einer Vielzahl von Sinnmöglichkeiten ausgestatteten Bilder allzu eindeutig festzulegen auf eine notwendigerweise verkleinernde handliche These. [...] Damit aber ist erst das äußere Thema bezeichnet, und es ist von einer weitläufigen Ausdeutbarkeit: als Mysterienspiel, als König–Ubu–Groteske, als Heimkehrerstück, als satirisch–politische Parabel, als Königsdrama. Das innere Thema jedoch ist ein anderes und heikleres (und daß beide sich nicht mit völliger Notwendigkeit bedingen, erschiene mir als einer der möglichen Einwände gegen das Stück). Es ist die ständige Überführung des Möglichen ins Wirkliche, die Verwandlung des Ungeformten in Form, die Beziehung zwischen Verhalten und den Verhältnissen — und somit auch die Frage nach der Verantwortlichkeit.58
Immer wieder wird Die Trauung „Traum–Spiel“ oder „Traum–Stück“ genannt. Das Stück wird damit in eine allgemeine Dramentradition gestellt, zu der etwa Franz Grillparzers Der Traum ein Leben (1828), das Traumspiel von August Strindberg (1902) oder das viel ältere und zudem in Polen situierte Das Leben 57 Marx 2005, S. 183–192. 58 Zimmer, Dieter E.: Witold Gombrowicz' monströses Schauspiel Die Trauung. In: Die Zeit, 19.01.1968 (URL http://www.zeit.de/1968/03/Witold–Gombrowicz–monstroeses–Schauspiel–Die–Trauu ; 18.8.2009) (Hervorhebungen v. U.S.).
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[ist] ein Traum von Pedro Calderón (1636) gehören, so dass vermutlich deswegen und wegen des stets präsenten Ubu Roi (1896), in dem bekanntlich ebenfalls ein fiktives „Polen“ entworfen wird, eine Kritikerin zu dem Schluss kam: „Polen ist seit eh und je – überspitzt gesagt – eine zeremoniöse Erfindung von irrationalem Genie.“59 Hier trifft sich die nationale Markierung mit dem Intertext in Bezug auf Drama und Theater zu einer durchaus nachvollziehbaren ‚Fremdsetzung‘. Günter Rühle deutete im selben Geiste die nationale Markierung des Stückes: „Politisch? Berlin liegt Gombrowiczs Polen näher. Und vielleicht ist hier das Gespür deutlicher für das, was Gombrowicz an Polnischem in das Stück eingebracht hat: Und das heißt an Politischem.“ 60 Häufig wird Hamlet bemüht, auch das Heimkehrerdrama Draußen vor der Tür von Wolfgang Borchert dient der Erläuterung eines ansonsten augenscheinlich für eine „schmale intellektuelle Schicht“61 gedachten Stückes. Volker Klotz befand angesichts eines „unruhigen Publikums“, das „in der Pause scharenweise weglief“, die Handlungen von Gombrowiczs Dramen seien „lediglich Mittel, um sichtbar zu machen, wovon sie eigentlich handeln: vom Dramatischen selber, das auf dramatische Weise gegen seine Unmöglichkeit kämpft“. Er verwies somit auch hier auf den Aspekt des Meta–Theaters, der ansonsten für Yvonne geltend gemacht worden ist. Die Thematisierung des Meta–Theaters sei in der Inszenierung von Lavelli gelungen, hier dagegen nicht.62 Der Kritiker der Wochenschrift „Christ und Welt“ meinte gar: „Mit dieser Inszenierung der Trauung von Witold Gombrowicz hat das Schillertheater – zum ersten Mal seit der Uraufführung des „Marat/de Sade“–Stücks von Peter Weiss im Mai 1964 – dem zeitgenössischen Theater auf eine beispielhafte Weise zu einem wesentlichen Sieg verholfen.“63 Im Übrigen gilt, dass die Kritik desto negativer ausfiel, je provinzieller die Zeitung war, kein gutes Omen für eine Breitenwirkung, die dann ja auch ausblieb. Dieter E. Zimmer resümierte hellsichtig: Das aus dem Jahre 1953 stammende Stück sei „nicht gealtert“, sondern „immer noch voraus.“ (Vgl. Anm. 58) Die Operette schließlich verfügt wohl vordergründig über die aufdringlichsten politischen Deutungsmöglichkeiten zwischen ‚Restauration‘, ‚Kommunismus‘, ‚Faschismus‘ etc., verfügt also über die stärkste Assoziation von Abbildern, die immer wieder zu Lasten der sinnfälligen hintergründigen Parodie des Operetten–Schemas hervorgehoben wurden. Operette wurde sozusagen als echtes Zeit–Stück konkretisiert.64 Das Stück positionierte sich auch außerhalb der nationalen Markierung, obwohl es doch gerade im Lichte seines Prä–Textes 59 60 61 62 63 64
Niehoff, K.: Feierliche Irrealität. In: Süddeutsche Zeitung, 11.1.1968. Rühle, G.: Ein Traum, ein König und kein Reich. In: FAZ, 11.1.1968. W.S. : Ein Traumspiel voller Rätsel. In: Theater–Rundschau, 1.2.1968. Klotz, V.: Trauung ohne Priester. In: Frankfurter Rundschau, 18.1.1968. Stone, M.: Berliner Hoch. In: Christ und Welt, 19.1.1968. Vgl. Marx 2005, S. 169–179.
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Geschichte – eine Operette (1951) stark markiert zu sein scheint. 65 Zu seinen Inszenierungen wird weiter unten anläßlich der „Sinnfälligkeit“ des polnischen Theaters noch etwas nachzutragen sein. Gombrowicz's Wendung gegen die Zuordnung zum Theater des Absurden wird vom Rezeptionsschicksal seiner Stücke auf den (west)deutschen Bühnen zumindest in Bezug auf Yvonne bestätigt. Die beiden anderen bleiben dagegen unbestimmt. Ihre vergleichsweise geringe Wirkung könnte doch genau mit dem Abschwung des Absurden zu tun haben. Der (alp)traumhafte Wechsel der Situationen in der Trauung und das ähnlich zu verstehende Wiedergängertum des Gleichen trotz geschichtlichen Wandels in der Operette sind typische Strukturen, deren sich das Absurde Theater bedient, auch wenn das Existenzialistische dieser Prozesse im Sinne des einstmals gängigen Philosophems weniger thematisiert zu sein scheint. Zum Absurden Theater passen auf jeden Fall auch die allfälligen Clownerien als Parodie theaterwirksamer Mittel bzw. die Thematisierung des Theaters selbst. Hier hätte z.B. die Gattung „Operette“ als strukturgebendes Moment der Operette ihren Platz. Die anfängliche explizite Zuordnung zum Absurden Theater war überdies auch grundsätzlich plausibel: Es handelt sich bei Gombrowicz's Dramen um literarische Texte, die sich der Groteske bedienen und die anti–illusionistisch sind. Summa summarum ist die Rezeption von Gombrowicz in Deutschland ein treffendes Beispiel, wie über Theateraufführungen die Stücke eines Dramatikers in eine andere Konvention geraten, in der seine Dramen wahrgenommen werden, und diese Konvention ihrerseits verändern. So ließe sich also sagen, die besondere Funktionalisierung der polskość, d.h. von Merkmalen des Polentums, bei Gombrowicz habe sich, als solche unbemerkt, in eine allgemeine bzw. deutsche Theaterkonvention eingefügt.
b. Das Sinnfällige der polnischen Dramen bzw. ihrer Theateraufführung Wie eingangs erwähnt, soll mit „Sinnfälligkeit“ etwas erfasst werden, das polnische Theateraufführungen oder Aufführungen polnischer Dramen nach dem Ausweis der Kritiker offenbar ausgezeichnet hat und das zumindest in Teilen jenseits des Komplexes sprachlicher Bedeutungen liegt, wie beispielsweise an dem Erfolg von Gastspielen in polnischer Sprache abgelesen werden kann, einer Sprache, deren die Kritiker in aller Regel nicht mächtig waren. So heißt es 65 Vgl. Bondy, François / Jelenski, Constantin: Witold Gombrowicz. München 1978, S. 65– 82.
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über das Gastspiel des Polnischen Nationaltheaters Warschau mit Mikołaj Rejs Schuldrama Das Leben Josephs in Ost–Berlin 1968: Wie geschaffen ist diese große theatralische Verschmelzung von Wort, Gesang, Musik, Tanz und bildender Kunst mit ihrer reizvollen optischen Wirkung für den ausländischen Betrachter. Und doch teilen sich uns die wunderbare Sprache, die Verse dieses ersten Dramas in polnischer Sprache als ein wesentlicher Faktor nicht nur des logischen, sondern vor allem gesamt–ästhetischen Genusses leider nicht mit. Wie also – kann sich der begeisterte Zuschauer vorstellen – muß sich erst die große Wirkung der Aufführung in ihrer Gänze und noch dazu im nationalen Kolorit des Landes, aus dem, für das es geschaffen wurde, noch vervielfachen.66
Zu einem analogen Urteil kommt Peter Langemeyer viele Jahre später in seiner Überschau über bemerkenswerte polnische Inszenierungen der Spielzeit 1988/89 auf den westdeutschen Theatern.67 Es geht also offenbar um die spezielle Theaterkonvention, der allerdings das sprachliche Fixum der Dramen gewissermaßen komplementär entsprechen muss, sonst ließe sich dem Ganzen der Aufführung kein Sinn zuweisen. Natürlich muss eingeräumt werden, dass Kazimierz Dejmek ein besonderer Magier auf dem Gebiete der Herstellung eines polnischen ‚Gesamtkunstwerks‘ gewesen ist.68 (Vgl. oben Kapitel 2, S. 40f.) Gerade bei ihm zeigt sich deshalb die spezielle Tradition aber überdeutlich. Ähnlich äußerte sich Martin Linzer zum ersten Gastspiel des ältesten polnischen Theaters, des Krakauer „Stary teatr“, in der DDR, das mit Wyspiańskis Novembernacht sowie mit einer Adaption von Albert Camus' Besessenen (ihrerseits eine Dramatisierung von Dostoevskijs Roman Schuld und Sühne), beide in der Regie von Andrzej Wajda, zu sehen war: Trotz mangelhafter historischer Kenntnisse und trotz Sprachunkundigkeit „bleibt der kaum auslöschbare Eindruck einer Aufführung voll Leidenschaft und die Grenzen der Phantasie fast sprengender Bildhaftigkeit.“69 Darüberhinaus hatte sich die polnische Kunst generell, wenn man so sagen will, als eine Kunst der effektvollen Verbildlichung, ob Plakat, Buchkunst, Film 66 Seyfarth, I.: Nationaltheater Warschau – Das Leben Josefs von Mikolaj Rey von Naglowice. In: TdZ 1968 Heft 22, S. 15. 67 Langemeyer, Peter: Demonstrative Sinnlichkeit. Polnische Theaterarbeit und polnische Theaterstücke in der BRD. In: Lempp, Albrecht u.a. (Hgg.), Deutsch–polnische Ansichten zur Literatur und Kultur. Jahrbuch [des Deutschen Polen–Instituts] 1989. Darmstadt 1990, S. 192–201, hier S.201. 68 So fiel denn auch an Dejmeks Essener Inszenierung einer Adaption von Jerzy Andrzejewskis Inquisitionsroman Finsternis bedeckt die Erde die „Dramaturgie des Intellekts“ und das Fehlen der sonst bei Dejmek üblichen „Poesie und sinnlichen Fülle“ den Kritikern durchweg auf. Vgl. als Beispiel epl.: Inquisition aus Polen. In: Die Welt, 6.12.1967. 69 Linzer, M.: Gäste aus Bruderländern. Eindrücke von den XXI. Berliner Festtagen. In: TdZ 1977 Heft 12, S.56.
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oder Bühne, seit Ende der 50er Jahre einen Namen gemacht. So schreibt beispielsweise Rolf Michaelis zur Verfilmung von Zofia Nałkowskas Drama Haus der Frauen (Regie: Krzysztof Zanussi), die im bundesdeutschen Fernsehen (ARD) am 8.3.1978 gezeigt worden war: Polen haben diesen Film gemacht. Vom ersten Bild an ein Schwelgen in Farben, Tönen, Landschaftsbildern, stimmungsvollen Porträtaufnahmen im Gegenlicht; auch der sanfte symbolische Fingerzeig fehlt nicht: Während Pferde, mit gesenktem Kopf, ruhig grasen, prescht eines in der anderen Richtung davon, mit fliegender Mähne, aus der Enge, aber auch Sicherheit des gerahmten Bildes – in die Freiheit?70
Michaelis benennt allerdings auch gleich die mögliche Kehrseite der Medaille, indem er meint, Zanussi und sein Team seien „den Verführungen, die der Film bietet“, so sehr erlegen, „daß darüber der Kern des Dramas, das sie vorführen, angeknackt wird.“71 Die Visualisierung der dargestellten Gegenständlichkeiten lief offenbar teilweise gegen die sprachlich fundierten komplexen Bedeutungen des Stückes, oder aber sie lenkten den in der deutschen Tradition befangenen Kritiker nach seiner Ansicht zu sehr vom ‚Eigentlichen‘ ab. Ganz ähnlich argumentierte Jerzy Kelner in Bezug auf das Produktionsstück Kukula (Ein Neuer) von Marek Domański in einem Vergleich der Inszenierungen in Krakau, Potsdam und Greifswald. Nachdem er zur Übersetzung bemerkt hatte, dass „typisch Polnisches, nur dort Begreifbares, hier Mißverständliches [...] beseitigt werden und durch adäquate, für hiesige Verhältnisse aktuelle Sachverhalte und Motivierungen ersetzt werden“ musste, – wozu man sich doch allerlei denken kann!72 –, hob er die Greifswalder Inszenierung hervor, weil dort der Klamauk zurückgenommen und v.a. der Haupthandlungsträger stärker in „kritische Distanz“ gerückt worden sei: Der „Provokationswert des Stückes sollte bewußt gestärkt werden, ohne augenzwinkerndes Ausweichen auf nebensächliche Komik [...].“ So habe es in Greifswald eher Sprechtheater gegeben. Man „scheute die großen Diskussionen auf der Bühne nicht“, andererseits wurde das Publikum in Form einer fingierten großen Belegschaftsversammlung einbezogen. In Krakau dagegen „durfte sich ein charmanter Superheld ziemlich mühelos und daher ohne sonderliche innere Anteilnahme des Publikums grandios gegen einen Klüngel von Karikaturen durchsetzen“.73 Auch 70 Michaelis, Rolf: Tränen aus Polen. In: Die Zeit Nr. 10, 3.3.1978. (Hervorhebung, U.S.) Es handelt sich um einen von einem polnischen Team in Westdeutschland mit deutschen Schauspielerinnen (Karin Baal, Lina Carstens, Brigitta Furgler, Joana Maria Gorvin, Brigitte Horney, Eva Maria Meinecke, Edith Schultze–Westrum und Cordula Trantow) realisierten Film. 71 Ebenda. 72 Vgl. die Ausführungen bei Misterek 2002, S.303ff. 73 Kelner, Jerzy: Neuer Start für Kukula. In: TdZ 1967 Heft 7, S.30. (Hervorhebung von U.S.) Vgl. zu diesem Stück auch oben Kapitel 2, S.68-70.
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wenn Kelner vielleicht Recht hatte, symptomatisch bleibt der herausgestellte Gegensatz allemal. So wurde eine leichtfüßige polnische Gegenwarts–Komödie zu einer schwerfälligen deutschen Publikumsbelehrung. Ein auf den ersten Blick vergleichbarer Dissens zwischen Erwartung und Ausführung lässt sich in Bezug auf die deutsche Erstaufführung von Gombrowicz's Operette 1971 in Bochum konstatieren. Obwohl das Stück von Gombrowicz's ‚Hausregisseur‘ Jorge Lavelli inszeniert worden war, fand die Inszenierung vor den Augen des Kritikers und späteren bekannten Theaterregisseurs Ernst Wendt keine Gnade. Lavelli lasse die Entlarvung der gesellschaftlichen Verhältnisse vermissen, gerade weil er die „Operette“ von Anfang an parodiere, statt sie ernst zu nehmen. Denn eigentlich gelte doch: „Hinter dem ‚holden Schwachsinn‘ der Operette werden plötzlich die ziemlich unholden Verhältnisse, von denen sie nichts wahrhaben möchte, sichtbar, und der Schwachsinn fällt auf die Standesfiguren zurück, die noch nicht gemerkt haben, daß ihre Herrschaft nur noch ein Operetten–Regime ist.“74 Sechs Jahre später lieferte Dejmek – wiederum in Essen – eine „aufsehenerregende Inszenierung“, deren sinnliche Seite dank „gesanglicher und choreografischer Mittel“ überzeugte. Ihr eigentlicher Reiz werde nicht aus der Parodie auf die Operette, sondern aus deren exakter Ausfüllung mit funktional lediglich „kleinen, irritierenden Übertreibungen“ gewonnen. Das sei ganz im Sinne von Gombrowicz. Allerdings passe der Schluss nicht, aber das sei ein Makel des Stückes.75 Einerseits ist die Behandlung des Operetten–Schemas wohl tatsächlich das zentrale ästhetische Problem jeder Inszenierung von Gombrowicz's Stück. Andererseits möchten offenbar beide Kritiker dem Stück gegen die komplexe Text–Bedeutung einen (und nur einen) Sinn zuweisen, – Ernst Wendt argumentiert im politischen Kontext Anfang der 70er Jahre, da die Frage nach der sog. „gesellschaftlichen Relevanz“ auch in der alten Bundesrepublik die Kunstbetrachtung zu präformieren begann, – Joachim Burkhardt erkennt zwar die sinnliche Opulenz der Inszenierung an, reduziert aber seinerseits den Sinn auf ein Gesellschaftsproblem. Es gehe um die „operettenhafte Haltung der Gesellschaft, die vor den Tatsachen des Lebens und den Veränderungen der Verhältnisse in Allüren und Aventüren, in die Mode und in partyhaftes Geschwätz flüchtet.“76 Gombrowicz's über François Bondy und vermutlich per Programmheft vermittelte Selbstdeutung, „Traum von der Unreife“, wird explizit abgetan. Sie ließe sich im Übrigen wohl mit Hilfe beider Varianten der Behandlung des Operetten–Schemas darstellen. Wie auch immer, wesentlich bleibt letzten Endes die Irritation angesichts zweier ‚farbenreicher‘ dynamischer In74 Wendt, E.: Theaterwelten, unzerstörbar. In: TH 1971 Heft 4, S.36. 75 Burkhardt, J.: Unterbrechung des Gewöhnlichen? Report über das Schauspiel an den Bühnen in Essen. In: TH 1977 Heft 8, S. 22. 76 Ebenda.
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szenierungen außerhalb der deutschen Tradition und die komplementäre Suche nach einer handfesten gesellschaftlichen ‚Moral‘. Die Attribute „poetisch“, „sinnlich“, „bildmächtig“ etc. werden polnischen Inszenierungen quer durch die Zeit und gleichermaßen im Osten wie im Westen verliehen. Weiter oben, v.a. in den Kapitel 2 und 4, waren entsprechende Kritikerzitate gelegentlich schon vermittelt worden, wenn auch in anderen Zusammenhängen. In der kurzen „Tauwetter“–Periode, besser: der kurzen Periode einer politischen Schwäche des DDR–Regimes nach dem 17. Juni 1953, tauchen Urteile über die besondere Theaterwirksamkeit polnischer Stücke in ostdeutschen Kritikeräußerungen zum ersten Mal auf, lange bevor in Westdeutschland das polnische Drama bzw. Theater überhaupt wahrgenommen wurde. Es sind Urteile, die die sinnlich wahrnehmbare, ‚theatrale‘ Seite des Spiels gegen die sprachgebundene propagandistische Didaktik hervorheben. Ein erstes Zeichen war die Kritik von Ilse Galfert an der Inszenierung von Maciej Słomczyńskis „Hollywood–Komödie“ Hallo, Freddy 1954 am Volkstheater Rostock (Regie: Hanns Anselm Perten). Das Drama thematisiert die Utilitarisierung der Kunst „im Kapitalismus“ und im Engeren die Zwänge, denen die Filmproduktion unterworfen ist. Weiter oben wurde es deswegen auch in die Sparte jener in aller Regel propagandistischen Gegenwartsstücke eingeordnet, die einen Ausschnitt aus der Welt unbeteiligter Dritter zeigen, und scheint nicht recht unter die Kategorie „Sinnfälligkeit“ zu passen. Galfert schreibt aber, das Stück sei in Prag in einer „szenisch besonderen Aufführung“ zu sehen gewesen, und zwar ohne den 3. Akt mitsamt seiner „märchentreuherzigen Moral“, durch die die Wirkung völlig zerstört werde und den man deshalb eliminieren müsse.77 Im selben Geiste ist die Kritik von Günter Kaltofen zur Inszenierung des Lustspiels Der Geburtstag des Direktors von Skowroński / Słotwiński in Görlitz 1955 (Regie: Georg Leopold) gehalten. Es geht um eine „Tauwetter“–Komödie quasi im Wortsinn, die wie in Il'ja Ehrenburgs programmatischem Roman Tauwetter (1954) einen „zum Bonzen gewordenen Direktor“ eines Staatsbetriebes aufs Korn nimmt. Für den Geschmack des Kritikers gerät die Görlitzer Inszenierung zu sehr zum Klamauk, aber er resümiert: „So schwer ist es, nach der Zeit der Entwöhnung einen handfesten Schwank wirkungssicher und werkreif und damit eben schwankgerecht auf die Bretter zu stellen.“ 78 Die „Zeit der Entwöhnung“ machte sich offenbar auch bei der Inszenierung von Gabriela Zapolskas Komödie Die kleine Kröte aus der Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert bemerkbar. Sie wurde an den Städtischen Theatern Karl–Marx–Stadt (Chemnitz) unter der Regie von Adolf Loose gegeben und in „Theater der 77 Galfert, I.: Hallo, Freddy von Maciej Slomczynski im Volkstheater Rostock. In: TdZ 1954 Heft 5, S.38–40. 78 Kaltofen, G.: Der Geburtstag des Direktors von Z. Skowroński und J. Słotwiński im Gerhart–Hauptmann–Theater Görlitz. In: TdZ 1955 Heft 6, S.42–44. (Hervorhebung von U.S.)
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Zeit“ als völlig inakzeptables Regiekonzept verrissen. Zapolska sei am französischen Boulevardstück geschult, dessen Doppelbödigkeit eher geeignet sei, „Unbehagen als Gelächter hervorzurufen“ und das nicht bloß als „unterhaltsame, schwankhafte Satire“ inszeniert werden könne.79 Auch wenn die Zeitschrift „Theater der Zeit“ die folgenden Jahre bis 1964 offenbar über kein polnisches Theaterstück mehr berichtet, weil in der DDR eben auch nur ganz wenige noch gespielt wurden, markieren die zitierten Kritiken doch den Anfang der schon mehrmals vermerkten Welle polnischer Lustspiele aus dem 19. und 20. Jahrhundert auf den Bühnen der DDR zwischen 1964 und 1975. Diese Welle polnischer Lustspiele erlangt somit eine gewisse Folgerichtigkeit, die mit der ganz anderen Spielfreude des polnischen Theaters bzw. der dafür geschriebenen Stücke, einem Aspekt seiner besonderen „Sinnfälligkeit“, zu tun hat. Insofern entsprang sie nicht nur einer Verlegenheitslösung, einerseits sozusagen das Soll an Stücken von den „Nachbarn und Freunden“ zu erfüllen, andererseits aber deren Aufstand gegen den verordneten Realismus der traditionellen Illusionsbühne möglichst zu ignorieren. Schließlich zeigen die im 1. Kapitel (S. 32ff.) behandelten polnischen Gastregisseure im Osten wie im Westen, dass einerseits wohl Bedarf bestand, die polnischen Dramen sozusagen aus der Innensicht zu verstehen, um sie aber andererseits so zu inszenieren, dass sie bei einem deutschen Publikum eine Chance hatten. Versteht man die Kodierung als eine irgendwie festgelegte Sinnzuweisung in Bezug auf Weltausschnitt, Themen, Motive, Figuren, Handlungszüge, Handlungs– und Konfliktmuster etc., so ist diese – selbst in ihrer äsopischen Funktion (s.o.) – doch sekundär. Primär wirkt die generelle Zeichenhaftigkeit des Spiels in allen seinen Elementen und Momenten, die es überhaupt erst erlaubt, von „Codes“ zu sprechen. Genau diese letztlich kategorial anti–illusionistische Zeichenhaftigkeit ist es, die von den polnischen Gästen mit Erfolg auf den deutschen Bühnen umgesetzt wurde, eine Zeichenhaftigkeit, die das ‚als ob‘ des Spiels selbst in wirklich „realistischen“, d.h. zur Epoche des Realismus (in Polen: Positivismus) gehörenden Stücken hätte sichtbar machen können, wenn es solche (von Rang) in Polen gegeben hätte. 80 Und darin liegt vielleicht ein weiteres Moment der Dramen– bzw. Theatergeschichte, das Polen von Deutschland trennt und das polnische Dramen bzw. ihre ‚adäquate‘ Aufführung durch polnische Gastregisseure und zuweilen ganze polnische Regie–Teams so neu und so interessant erscheinen ließ. Wie mehrfach betont, galt in der DDR lange Zeit das Dogma eines starren „Realismus“, und in der alten Bundesrepublik hatte sich auf jeden Fall kein 79 Wilde, E.: Die kleine Kröte von Gabriela Zapolska an den Städtischen Theatern Karl-Marx-Stadt. In: TdZ 1955 Heft 12, S.49f. 80 Der einzige, der aus dieser Zeit auch in Deutschland, und zwar in sorbischer Sprache, aufgeführt wurde, ist Michał Bałucki mit seinem Stück Der Junggesellenklub. Es stammt allerdings erst aus dem Jahre 1890.
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Theaterstil durchgesetzt, der mit dem polnischen Theater nach Ende des Stalinismus vergleichbar gewesen wäre.81 Um diesen generellen Unterschied zu Polen aus einem anderen Blickwinkel zu erhellen, soll noch einmal Martin Esslin zu Wort kommen: Dem Theater sei bis Mitte des 19. Jahrhunderts per se das Moment der Verfremdung eigen gewesen, im oben verwendeten Sinne also die besondere Zeichenhaftigkeit all dessen, was auf der Bühne sichtbar oder hörbar geschah. Sie sei im Laufe des Jahrhunderts, insbesondere seit der Meininger Reform, Stück für Stück durch die immer perfektere „Illusionsbühne“ abgelöst worden.82 Man könnte denken, dass das polnische Theater diesen Wechsel im 19. Jahrhundert aus politischen Gründen nicht mitgemacht hat, und zwar wegen der Zensur und der zunehmenden Unterdrückung aller nationalen Regungen, wodurch die realistische Abbildhaftigkeit, das Moment der perfektionierten Illusion, nicht zum Zuge kam. Das kulturelle Leben der Zeit war in seinen Äußerungsmöglichkeiten der oft erwähnten äsopischen Tendenz unterworfen. Kazimierz Braun schreibt in seiner „Kleinen Geschichte des polnischen Theaters“ über die Zeit zwischen den 30er Jahren des 19. Jahrhunderts und der Jahrhundertwende als eine Zeit der Teilung des kulturellen Lebens und gleichermaßen des Theaters: „Freiheit und Offenheit“ in der Emigration und dessen Gegenteil im Lande selbst, „der Zensur unterworfen und von Repressionen bedroht, in letzter Konsequenz verschwörerisch, sich des Symbols, der Allusion, der Metapher und des Scheins bedienend“.83 So rückten nach 1864 überhaupt erst die Romantiker in das Theater ein und wurden stilbildend; sie retteten sozusagen den anti–illusionistischen Stil in die neue Zeit, die anderswo in Europa unter „realistischen“ Vorzeichen der Illusionsbühne begann. Bezeichnend ist beispielsweise auch, dass ein Gastspiel der Meininger 1885 in Krakau zwar hinsichtlich der neuartigen Dekorationskunst Anerkennung fand, nicht aber hinsichtlich des Spiels der Akteure.84 Genau auf diesen eigentlich komplexen historisch begründeten Sachverhalt baut Brigitte Schultze offenbar ihren „kulturellen Code“. Brechts Verfremdungstheorie, die Esslin in seiner Äußerung ja zum eigentlichen Thema hat, richtet sich in ihren Ursprüngen zwar gegen das naturalistische Illusionstheater, aber es ist wegen seiner direkten Lehrhaftigkeit dennoch 81 Als Symptom sei die Stimme des Regisseurs Peter Zadek zitiert, der 1958 von Großbritannien nach (West)Deutschland remigirierte und sich über das ‚stramme Aufsagetheater‘ von Schauspielern wunderte, die „sich wegen ihres Körpers“ genierten und „am glücklichsten“ seien, „wenn sie hölzern auf der ansonsten leeren Bühne an der Rampe stehen und deklamieren.“ Rischbieter, Henning: Das Äußerste im Normalen. Peter Zadeks Weg von London über Ulm, Bremen und Bochum ins Zentrum des deutschen Nachkriegstheaters. In: TH 2009 10, S. 15–19, Zitat S. 15. Zadek hat wohl einen großen Anteil an der allmählichen Wandlung des Inszenierungsstils in Deutschland. 82 Esslin, Martin: Brecht. Das Paradox des politischen Dichters. Frankfurt a.M. 1962, S. 179. 83 Braun, Kazimierz: Kieszonkowa historia teatru polskiego. Lublin 2003, S. 71. 84 Scholze, Dietrich: Zwischen Vergnügen und Schock. Berlin(–Ost) 1989, S. 25.
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ein Sprechtheater. Dagegen hält auf der polnischen Bühne nach 1956 die im 19. Jahrhundert offenbar nicht abgerissene bzw. nicht durch die Illusionsbühne ‚verderbte‘ Tradition des „sinnenfrohen“ Spiels wieder Einzug. Das „sinnenfrohe“ Spiel hatte sich in Deutschland laut Esslin in den Zirkus bzw. das Varieté zurückgezogen, war demzufolge mit diesem Merkmal behaftet und galt als kleinbürgerlicher „Klamauk“. Der „sinnenfrohe“ polnische Theaterstil war zumindest in seinen gelungenen Inszenierungen geeignet, dank der Qualität der literarischen Vorlagen und ihrer existenziell oder historisch relevanten Themen und Motive diese Wahrnehmung zu funktionalisieren bzw. den drohenden „Klamauk“ zu neutralisieren. Die deutschen Kritiken vermittelten hier allerdings ein gemischtes Bild, bei dem nicht immer abzuschätzen ist, was auf das Konto des Theaters und seiner ggf. nicht geglückten Inszenierungen und was auf das Konto der Vorlieben des jeweiligen Kritikers geht. Dieses kurze Bedenken hat allerdings nur als eine grobe historische Abschätzung zu gelten, um die in den Kritiken vorfindbaren Urteile mit einem Begründungshintergrund zu versehen. Der „Naturalismus“ war wohl das wirkungsmächtigste Moment des deutschen Theaters. Der Anti–Naturalismus Brechts ist auch dafür ein bedeutendes Zeugnis. Brechts späte Wendung zu einer spezifischen „Unterhaltung“ bedeutet dennoch nicht die Re–Etablierung des „sinnenfrohen“ Spiels: „Die Unterhaltung, und wie er es formuliert, ‚der Spaß‘, den der Zuschauer aus seinem Theaterbesuch gewinnen soll, ist das Gefühl der Freude über eine neue Erkenntnis, über eine Erweiterung seines Wissens.“85 Brechts Verfremdung hat also mit dem polnischen verfremdenden Dramen– und Theaterstil und seiner speziellen „Sinnfälligkeit“ wenig gemein.86 So verwundert es nicht, dass beispielsweise die sinnenfrohe Inszenierung der Dreigroschenoper (Regie: Jerzy Grzegorzewski) als Gastspiel des Warschauer Theaters „Teatr Studio“ im Rahmen der westdeutschen (!) „Mühlheimer Theatertage“ 1989 auf ein geteiltes Echo stieß: „Die Rezensenten lobten zwar die musikalischen und tänzerischen Leistungen des Ensembles, kritisierten aber, daß die »nostalgische« Inszenierung »statt gesellschaftlicher Aufklärung« nur »kulinarischen Genuß« vermittelte.“87 * Als Fazit lässt sich sagen, dass sich die Andersartigkeit polnischer Stücke im jeweiligen Weltausschnitt der Dramen und seiner Thematisierung zeigte. Deren Aktualisierung, d.h. Anverwandlung an einen deutschen Kontext, war in den 85 Esslin 1962, S. 186f. (Hervorhebung von U.S.) 86 Vgl. zur Differenzqualität von Brecht in Polen Leyko, Małgorzata: Der gewollte und der ungewollte Brecht. In: Bayerdörfer, Hans–Peter et alii (Hgg.), Polnisch–deutsche Theaterbeziehungen seit dem Zweiten Weltkrieg. Tübingen 1998, S. 61–76. 87 Langemeyer 1990, S. 196.
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Augen der Kritiker grundsätzlich einer ‚nationalen Markierung‘ unterworfen und demzufolge fast durchweg mit einem Distanzmerkmal versehen. Ungeachtet dessen lassen sich viele Spielarten von Texten und ihrer Aktualisierung beobachten, die letztlich als Komplex aus Thema und Konflikt, Machart der Stücke, Inszenierungsweise, Kritikeräußerungen, Situationsbezug etc. erfasst und in ihrer historischen Dynamik über 50 Jahre hinweg beschrieben werden können. In der DDR lässt sich z.B. ab Mitte der 70er Jahre anhand von Kritiken zu polnischen Dramen eine wachsende Auflehnung gegen den verordneten abbildhaften „Realismus“ bzw. das lehrhafte Sprechtheater nachweisen. Im Westen etablierte sich mit Gombrowicz ein akzeptierter Teilhaber am kanonischen Repertoire, und zwar der einzige, der sich mit einer polnischen Konvention verbinden lässt. Eine wichtige Rolle bei der „Andersartigkeit“ spielte d.w. die unterschiedliche Theatertradition. Das deutsche Theater und sein Publikum bzw. die Theaterkritik im Osten wie im Westen waren aus diversen Gründen des „sinnenfrohen“ Stils entwöhnt, der polnische Inszenierungen auszeichnete. Dieses Inszenierungsmuster ist den zugrundeliegenden Texten insofern zugeordnet, als – überspitzt gesagt – dadurch Sinnzuweisungen erst plausibel wurden. Besondere Testfälle sind hier in aller Regel Gastspiele in polnischer Sprache, die von der Kritik trotz Sprachunkundigkeit durchweg gerühmt wurden. Solche Inszenierungen sowie diejenigen polnischer Gastregisseure oder ganzer polnischer Regie–Teams auf den deutschen Bühnen waren offensichtlich an dem Erstarken eines neuen spielerischen Umgangs mit den Möglichkeiten des Theaters in Deutschland beteiligt. US
6. Anhang
a. Register: Autoren, Stücke, Inszenierungen Das Register verzeichnet entweder Doppelübersetzungen oder aber Übersetzungen, die in Deutschland wirklich aufgeführt worden sind. Es stützt sich auf verschiedene Quellen, wie das Verzeichnis deutsch–polnischer Dramenübersetzungen von Lemmermeier/Schultze (1990)1 und die diversen Übersetzungsverzeichnisse zur polnischen Literatur in Deutschland, wie Światłowska (1996), Kuhnke (1995), Nosbers (1995) oder Kuczyński (1987). Hier kann mit einer großen Treffsicherheit gerechnet werden. Schwieriger herauszubekommen waren genaue Angaben zu den Inszenierungen. Die Grundlage bilden spezielle Publikationen, wie beispielsweise für den Zeitraum 1947–1975 Hadamczik (1978), daran anschließend „Was spielten die Theater?“ (1981/82–1989/90) und „Wer spielte was?“ für die DDR (1977–90) bzw. für den gesamten deutschen Sprachraum (1991ff.); weiter die Ausgaben des „Deutschen Bühnenjahrbuchs“, der Jahrbücher der „Deutschen Bühne“, seit 1962 die Zusammenstellungen der westdeutschen Zeitschrift „Theater heute“ insbesondere im Jahrbuch, die Angaben zu den ostdeutschen Inszenierungen bei Scholze (1989), gelegentliche Hinweise in der polnischen Bibliografie („Polska Bibliografia Literacka“) und in den polnischen Autorenlexika sowie nicht zuletzt Hinweise, die dem Korpus der Theaterkritiken, den Angaben einzelner Theater selbst sowie der einschlägigen Sekundärliteratur entnommen werden konnten. Bestimmte Ergänzungen entstammen dem Internet, v.a. die aktuellen Sterbedaten, aber auch Daten zu einzelnen Inszenierungen oder Titeln o.ä. Hier wurde, wenn möglich, in den gedruckten Medien nachgeprüft. Trotz alledem muss angenommen werden, dass letztlich nicht alle Inszenierungen eruiert werden konnten, wie insbesondere die Inszenierungen der zahlreichen kleineren Privattheater in Westdeutschland. Zuweilen ließ sich auch der Unterschied zwischen Gastspielen und Inszenierungen durch ein polnisches Regieteam nicht klar erkennen. Nur letztere werden in aller Regel verzeichnet. Die Zuordnung der Übersetzungen bzw. Inszenierungen nach Ost und West wurde zeichenhaft verkürzt, d.h. der Stern (*) verweist auf Ostdeutschland (im Sinne der Sprachregelung nach 1990), die Tilde (~) ebenso auf Westdeutschland. Bei Aufführungen waren die zugrundeliegenden Übersetzungen, d.h. eben auch die Zuordnung nach Ost oder West, nicht immer eindeutig zu klären. Auch deshalb wird nur bei mehreren Übersetzungen oder bei möglichen Missverständnissen näher bezeichnet, welchem territorialen Teil die Übersetzung zuzuordnen ist. Ansonsten wird unterstellt, dass Erstaufführung (EA) und Übersetzung (Ü) der gleichen territorialen Provenienz sind. Nicht immer war selbst den Theatern bzw. den Kritikern klar, wem das Attribut (deutsche) „Erstaufführung“ zukommt, zumal oft auch Österreich und 1
Genaue Angaben vgl. Auswahlbibliographie.
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die deutschsprachige Schweiz stillschweigend einbezogen wurden. So kann es sein, dass die Erstaufführung trotz folgender „anderer“ Aufführung(en) als „nicht bekannt“ gekennzeichnet ist. In solchen Fällen sollte in den „anderen“ Aufführungen eigentlich die Erstaufführung enthalten sein. Zuweilen wird hinter dem Namen der Theaterstadt das genaue Theater in Klammern benannt, z.B. für Berlin, sowie vor allem für die Bezeichnung der Privattheater. In aller Regel handelt es sich bei den beteiligten Theatern aber um öffentlich–rechtliche Staats–, Landes– oder Stadttheater. ABRAMOW(–NEWERLY), JAROSŁAW (*1933) Licytacja. (1961); Die Versteigerung. Ü Boll, Ilka (1965)/ Ü Kunstmann, Heinrich (1963; als Hörspiel); EA: 1967 ~Berlin; andere: nicht bekannt. ANDRZEJEWSKI, JERZY (1909–1983) Ciemności kryją ziemię. (1957); Finsternis bedeckt die Erde. [Eigentlich: Roman, 1957; szenische Adaption von Kazimierz Dejmek, 1957] Ü Tauschinski, Oskar Jan (1967); EA: 1967 ~Essen; andere: nicht bekannt. Popiół i diament. (1975); Asche und Diamant. [Eigentlich: Roman, 1947; szenische Adaption Hans–Georg Simmgen] Ü Bereska, Henryk (1960); EA: 1975 *Dresden; andere: nicht bekannt. BAŁUCKI, MICHAŁ (1837–1901) Klub Kawalerów. (1890); Klub nježenjencow [Der Junggesellenklub]. Ü (sorbisch) Nawka, Anton; EA: 1967 *Bautzen (sorbisch); andere: nicht bekannt. BRANDSTAETTER, ROMAN (1906–1987) Milczenie. (1956); Das Schweigen. Ü Hagenau, Gerda (1961); EA: 1958 ~ Oberhausen; andere: 1959 ~Hamburg, ~Kaiserslautern, ~Lübeck; 1960 ~Bielefeld, ~Darmstadt, ~München (Volkstheater), ~Saarbrücken, 1963 ~Berlin (Vagantenbühne). BROŃSKI, BRONISŁAW (1907–1970) Metraż szczęścia. (1965); Zbožo na připokaz [Glück auf Zuweisung.]. Ü (sorbisch) Hendrich, Gerhard; EA: 1968 *Lohsa (sorbisch); andere: nicht bekannt. BROSZKIEWICZ, JERZY (1922–1993) Dwie przygody Lemuela Gullivera (1961); Zwei Abenteuer des Lemuel Gulliver. Ü Hiller, Karl Horst (1967). EA: nicht bekannt;
andere: 1994 ~Heidelberg. Imiona władzy (1957); Die Namen der Macht. Ü Hiller, Karl Horst (1962); EA: nicht bekannt; andere: 1965 ~Bochum, ~Saarbrücken. Koniec księgi szóstej (1963); Das Ende des sechsten Buches. Ü Tauschinski, Jan Oskar (1965); EA: nicht bekannt; andere: 1965 ~Düsseldorf. Skandal w Hellbergu. (1961); Skandal in Hellberg. Ü Ball, Peter (1966); EA: 1968 *Potsdam; andere: nicht bekannt. Wariat i inni (Głupiec i inni). (UA 1960 / Publ. 1962); Lullek. Der Narr und die anderen. Ü Hiller, Carl Horst (um 1962); EA: nicht bekannt; andere: 1965 ~Celle; ~Reutlingen (Theater in der Tonne). BRYLL, ERNEST (*1935)/ GAERTNER, KATARZYNA (*1947) [Komponistin] Na szkle malowane. (1970); [„Beat–Musical”] Auf Glas gemalt. Ü nicht bekannt; EA: 1975 *Rostock; andere: 1975 *Bautzen, *Cottbus. BYSTRZYCKA, ZOFIA (*1922) Ofiara wskaże mordercę. (1959); Wopor pokaza mordarja [Das Opfer zeigt den Mörder]. Ü (sorbisch) Nawka, Anton; EA: 1969 *Bautzen (sorbisch); andere: nicht bekannt. CHOIŃSKI, KRZYSZTOF (*1940) Nocna opowieść. (1963); Nächtliche Erzählung. Ü ~Hiller, Carl Horst, bearb.v.H.Rippert (1964); Erzählung einer Nacht. Ü *Hocke, Manfred (o.J.); EA: 1965 ~Schleswig; andere: nicht bekannt. Otwórz drzwi. (1976); Öffne die Tür. Ü Pitschmann, Birgitt (1977); EA: 1979 *Magdeburg; andere: 1982 ~Celle; 1986 *Gör-
Anhang litz-Zittau. CWOJDZIŃSKI, ANTONI (1896–1972) Freuda teoria snów. (1937); Freuds Traumtheorie. Ü nicht bekannt; EA: 1981 *Magdeburg; andere: nicht bekannt. DOMAŃSKI, MAREK (*1921) Kobieta w trudnej sytuacji. (1957/U 1960); Katharina in der Klemme. Ü Mika, Viktor (1968); EA: 1968 *Döbeln; andere: 1968 *Greifswald; 1969 *Nordhausen, *Prenzlau, *Quedlinburg, *Schwerin, *Stendal; 1972 *Görlitz–Zittau; 1987 *Magdeburg. Ktoś nowy. (1964); Kukula. [auch mit dem Zusatz: Ein Neuer] Ü Mika, Viktor, bearb. v. Wolfgang Köppe (1966); EA: 1966 *Potsdam; andere: 1967 *Greifswald; 1968 *Parchim. Trutnie i kobiety. (1970); Richard muß dran glauben. Ü Mika, Viktor (1971); EA: 1972 *Anklam; andere: nicht bekannt. DROZDOWSKI, BOHDAN (*1931) Klatka czyli Zabawa rodzinna. (1962); Der Käfig oder Das Familienspiel. Ü Hiller, Carl Horst (1962); EA: 1964 ~Kiel; andere: nicht bekannt. Kondukt. (1960); Der Leichenzug. Ü ~Hiller, Carl Horst (1963) / Der Trauerzug. Ü *Bereska, Henryk (1975); EA: 1964 ~Oberhausen, 1975 *Greifswald; andere: nicht bekannt. FREDRO, ALEKSANDER (1793–1876) Damy i huzary. (1826); Damen und Husaren. Ü Zimmermann, I.F.S. (1833) / Ü Mika, Viktor (1954) / Damy a huzarojo. Ü (sorbisch) Nawka, Anton; EA: 1956 *Döbeln [DEA 1834 Potsdam]; andere: 1965 *Bautzen (sorbisch); 1972 *Annaberg. Dożywocie. (1838); Die Lebensrente. Ü Mika, Viktor (1970); EA: 1972 ~Pforzheim; andere: nicht bekannt. Mąż i żona. (1826); Mann und Frau. Ü Mika, Viktor (1955); EA: 1955 *Rostock; andere: 1956 *Zeitz; 1957 *Halle; 1958 *Cottbus; 1960 *Greifswald; 1963 *Anklam. Pan Geldhab. (1826); Herr Geldhab. Ü Mika, Viktor (1956); EA: 1971 *Nordhausen; andere: nicht bekannt. Pan Jowialski. (1834); Die Familie Jowialski. Ü
259 Mika, Viktor (1969); EA: 1971 *Prenzlau; andere: 1975 *Görlitz-Zittau. Śluby panieńskie czyli Magnetyzm serca. (1834); Mädchenschwüre. Ü Päumann, A. (um 1860) / Ü Mika, Viktor (1955) / Magnetyzm wutroby . Ü (sorbisch) Nawka, Anton; EA: 1957 *Görlitz; 1970 *Bautzen (sorbisch); andere: 1959 *Rostock; 1960 *Anklam; 1961 *Erfurt, *Stendal, *Zwickau; 1970 *Bautzen (sorbisch); 1978 *Altenburg. Zemsta. (1838); Die Rache. Ü Zipper, Albert (1897) / Die Rache des Verschmähten. Ü Mika, Viktor (1954); EA: 1957 *Eisenach; andere: nicht bekannt. GAŁCZYŃSKI, KONSTANTY ILDEFONS (1905– 1953) Zielona gęś. Najmnieszy teatr świata. (1946ff.) [Teatrzyk Zielona Gęś ma zaszczyt przedstawić...]; Die grüne Gans. Pseudostücke. Ü *Brätz, Jolanta u. Henning (1983) / Die grüne Gans. Das kleinste Theater der Welt. Ü ~Dedecius, Karl (1969); EA: nicht bekannt; andere: nicht bekannt. GŁOWACKI, JANUSZ (*1938) Antygona w Nowym Jorku. (1992); Antigone in New York. Ü [aus dem Englischen] Walser, Alissa (1994); EA: 1995 Bonn; andere: nicht bekannt. Cudzołóstwo ukarane. (1972); Bestrafter Ehebruch. Ü Pitschmann, Birgitt (1974); EA: 1975 *Plauen; andere: nicht bekannt. Kopciuch. (1979); Aschenkinder. Ü Bielicki, Julian Siegmund (1985); EA: 1985 ~Frankfurt am Main; andere: nicht bekannt. GOMBROWICZ, WITOLD (1904–1969) Ferdydurke (1938) [Eigentlich: Roman]; Ferdydurke. Ü Tiel, Walter (1960); EA: 1978 ~Münster; andere: nicht bekannt. Historia. (1951/D 1975) [Fragment]; Geschichte, eine Operette. Ü Bondy, François / Jeleński, Constantin (1976); EA: 1977 ~München (Residenztheater [Marstall]); andere: nicht bekannt. Iwona, księżniczka Burgunda. (1938); Yvonne, Prinzessin von Burgund. (auch: Yvonne, die Burgunderprinzessin); Ü Kunstmann, Heinrich (1964); EA: 1964 ~Dortmund;
260 andere: 1966 ~Berlin (Forum–Theater); 1969 ~München (Werkraumtheater), ~Wuppertal; 1970 ~Berlin (Schillertheater); 1971 ~Bremen; 1974 ~Freiburg; 1975 ~Aachen, ~Augsburg, ~Celle, ~Hof; 1976 ~Detmold, ~Hannover; 1978 ~Kiel; 1980 ~Köln, ~München; 1981 ~Stuttgart; 1990 ~München, ~Reutlingen, ~Tübingen, ~Ulm; 1991 ~Frankfurt a.M., ~Gießen, ~Konstanz, ~Mannheim, ~Marburg; 1992 ~Heidelberg; 1993 ~Kassel, *Schwedt, ~Trier; 1994 ~Bremen, ~Nürnberg, ~Wilhelmshaven; 1995 ~Berlin (Theater Stadthirsch), ~Bonn, ~Bochum, ~Bremen, ~Darmstadt. Operetka. (1966); Operette. Ü Tiel, Walter (1970); EA: 1971 ~Bochum; andere: 1972 ~Berlin (Schillertheater); 1973 ~München; 1975 ~Frankfurt a.M.; 1977 ~Essen; 1987 ~Berlin (Hebbel–Theater); 1991 ~Göttingen; 1992 ~Bochum; 1993 ~Osnabrück; . Ślub (1953); Die Trauung. Ü Tiel, Walter (1963); EA: 1968 ~Berlin (Schillertheater); andere: 1972 ~Ulm, ~Wiesbaden; 1973 ~Essen; 1974 ~Stuttgart; 1985 ~Hamburg; 1990 *Dresden, ~Berlin (Hochschule der Künste); 1992 ~Köln. Trans–Atlantyk (1953); Trans–Atlantik. [Eigentlich: Roman] Ü Tiel, Walter (1964); EA: 1975/76 ~Heidelberg; andere: nicht bekannt. GROCHOWIAK, STANISŁAW (1934–1976) Chłopcy. (1964); Die Jungs. Ein Drama aus der Lebenssphäre der Älteren. Ü *Bereska, Henryk (1974) /Alte Jungen. Ü ~Boll, Ilka (1975) / Golcy. Ü (obersorbisch) Nawka, Anton / Hólcy. Ü (niedersorbisch) Jahnowa, Erika; EA: nicht bekannt; andere: 1990 *Leipzig; 1994 *Bautzen (obersorbisch); 1995 *Drachhausen (niedersorbisch). GRUSZCZYŃSKI, KRZYSZTOF (1925–1992) Pociąg do Marsylii. (1951); [Der] Zug nach Marseille. Ü Lorentz, Alexander; Bühnenfassung: Lau, Krista–Sigrid (1952); EA: 1953 *Görlitz; andere: nicht bekannt.
Polnische Dramen in Deutschland (1945–1995) HANUSZKIEWICZ, ADAM (*1923) / HÜBNER, ZYGMUNT (1930–1989) Zbrodnia i kara. (1958) [UA: Warszawa 1979]; Raskolnikoff. Ü Vogel, Christa (1980); EA: 1981 ~Göttingen; andere: nicht bekannt. HERBERT, ZBIGNIEW (1924–1998) Drugi pokój. (Hörspiel 1958, publ. als Drama 1970 – UA: Kielce 1958); Das andere Zimmer. Ü *Rymarowicz, Caesar (1966); Ü ~Kunstmann, Heinrich (1966); EA: 1966 ~Aachen; andere: nicht bekannt. Jaskinia filozofów. (1956); Die Höhle der Philosophen. Ü Kunstmann, Heinrich (1966); EA: 1967 ~Oberhausen; andere: nicht bekannt. IREDYŃSKI, IRENEUSZ (1939–1985) Czysta miłość. Nowela filmowa. (1972); Die reine Liebe. Ü ~Staemmler, Klaus (1975); ~Vogel, Christa (als Hörspiel) (o.J.); EA: 1981 *Leipzig (Studententheater) [Ü ~Staemmler]; andere: nicht bekannt. Dacza. (1979); Datscha. Ü ~Vogel, Christa (1979) / Die Datsche. Ü *Pitschmann, Birgitt (1980); EA: nicht bekannt; andere: nicht bekannt. Jasełka moderne. (1962); Krippenspiel modern. (Stille Nacht). Ü ~Kunstmann, Heinrich (1963/1974) / Modernes Krippenspiel. Ü *Scholze, Dietrich (1983); EA: 1963 ~Berlin (Forum–Theater), 1986 *Dresden; andere: nicht bekannt. Kreacja. (1984); Niemand. Ü *Pitschmann, Birgitt (1985) / Kreation. Ü ~Vogel, Christa (o.J.); EA: nicht bekannt; andere: 1994 *Chemnitz. Maria albo Mimowolne odkupienie. (1974); Maria. [auch: Marija] Ü *Pitschmann, Birgitt (1978) / Maria oder Die unbewußte Wiedergutmachung. Ü ~Vogel, Christa (1980); EA: 1981 *Leipzig (Studentheater); andere: 1983 *Quedlinburg. Seans. (1985); Séance. Ü ~Vogel, Christa (1987) / Ü *Pitschmann, Birgitt (1989); EA: nicht bekannt; andere: 1990 *Magdeburg; 1993 ~Gelsenkirchen (Teatr Reduta '90) Terroryści. (1982); Terroristen. Ü Vogel, Christa (1984); EA: 1985 ~Göttingen; andere:
Anhang nicht bekannt. Żegnaj, Judaszu. (1965); Ü ~Pilecki, Janusz v. (1964) / Leb wohl, Judas. Ü *Scholze, Dietrich (1983); EA: 1968 ~Baden–Baden; 1988 *Frankfurt/O; andere: 1988 *Dresden, *Frankfurt/O., *Halle, *Karl– Marx–Stadt; 1989 *Neustrelitz; 1990 *Berlin (bat–Studiotheater), *Eisenach; 1991 ~Nürnberg; 1994 *Bautzen. IWASZKIEWICZ, JAROSŁAW (1894–1980) Lato w Nohant. (1937); Ein Sommer in Nohant. Ü *Deutsches Nationaltheater Weimar (1949); EA: [*Weimar ?]; andere: nicht bekannt. JANICKI, JERZY (*1928) Kończmy tę wojnę czyli Ballada o rybaku Karpie Antonim. (1968); Die Ballade vom Fischer Antonim Karpfen. Ü Ball, Peter (1970); EA: 1970 *Berlin; andere: nicht bekannt. JASIEŃSKI, BRUNO (1901–1939) Bal manekinów. [auch: Bal lalek] (publ. 1957); Ball der Puppen. Ü ~Niesielska, Liliana (1977); Ball der Mannequins. Ü [Teilü.] ~Leber–Hagenau, Gerda (o.J.); EA: nicht bekannt; andere: nicht bekannt. JESIONOWSKI, JERZY (1919–1992) Wyprawa po zielony metal czyli Baśń o nowym bohaterze. (o.J.); Das grüne Metall. Ü Hocke, Manfred, bearb. v. Preißler, Helmut (1967); EA: 1967 *Frankfurt/O; andere: 1968 *Staßfurt; 1971 *Schwerin, *Wismar; 1973 *Gera. JURANDOT, JERZY (1911–1979) Dziewiąty sprawedliwy. (1962); Der neunte Gerechte. [auch: Operation Sodom oder Der neunte Gerechte] Ü Mika, Viktor (1966); EA: 1977 *Frankfurt/O; andere: 1980 *Wittenberg. Takie czasy. (1954); Solche Zeiten. Ü Mika, Viktor (1954); EA: 1955 *Leipzig; andere: 1957 *Frankfurt/O. JURKOWSKI, HENRYK (Keine Daten bekannt) Lalkarz. (1981); Der Puppenspieler. Ü Kelm, Kurt; EA: 1988 *Leipzig; andere: nicht bekannt. KAJZAR, HELMUT (1941–1982) Gwiazda. (1971); Die Kleider. (Der Star). Ü Lachmann, Peter (o.J.); EA: 1981 ~Osnabrück; andere: 1983 ~Münster; 1991
261 ~Saarbrücken. Król Dawid [Fragment] (geschr. vor 1982; publ. 1984); Ü nicht bekannt [ggf. im Original aufgeführt]; EA: 1986 ~Berlin (Transformtheater) [Uraufführung]; andere: nicht bekannt. KANN, MARIA (1916–1995) Baśń o zaklętym jaworze. (1957); Märchen vom verzauberten Ahorn. Ü Kelm, Kurt / Brasch, Thomas (1975); EA: 1976 *Halle; andere: 1978 *Dresden; 1984 *Rudolstadt; 1985 *Schwedt; 1987 *Döbeln; 1988 *Stralsund. KANTOR, TADEUSZ (1915–1990) Niech sczezną artyści (1985); Die Künstler sollen krepieren. Ü nicht bekannt; EA: 1985 ~Nürnberg (ehemalige Fabrikhalle) [Uraufführung]; andere: nicht bekannt. Szafa (1966); Der Schrank. [Nach Witkiewicz, Stanisław Ignacy: W małym dworku] Ü ~Kantor, Tadeusz / Taubmann, Horst; EA: 1966 ~Baden–Baden; andere: [Gastspiele in München, Heidelberg, Bochum, Essen]. KMICIC, BARBARA (Keine Daten bekannt) [O tym jak Staszek niebiesówdlaśpiących rycerzy zbójował] Pěseń wo zmužitym Sprejniku [Das Lied vom tapferen Sprejnik]. Ü Nawka, Tomasz (1974/75) (sorbisch) / Dyrlich, Benedykt (1982) (sorbisch); EA: 1982 Bautzen (sorbisch); andere: nicht bekannt. KOFTA, JONASZ (1942–1988) Wojna chłopska. (1977); Das Tal der tausend Bäuche. Ü Geerk, Frank (1978); EA: 1978 ~Münster; andere: nicht bekannt. KOŁAKOWSKI, LESZEK (1927–2009) Rozmowy z diabłem (1965); Gespräche mit dem Teufel. Acht Diskurse über das Böse. Ü Pilecki, Janusz v. (1968); EA: nicht bekannt; andere: 1986 ~Bremen. KONWICKI, TADEUSZ (*1926) / MEISSNER, KRYSTYNA (*1933) Mała apokalypsa (1978) [Eigentlich: Roman]; Die polnische Apokalypse. Ü Krystyna Meissner [Theateradaption: K. Zalewski (1989)]; EA: 1990 ~Göttingen; andere: nicht bekannt. KRASIŃSKI, ZYGMUNT (1812–1859)
262 Nie- boska komedia. (1835); Die ungöttliche Komödie. [auch: Die nicht göttliche Komödie.] Ü Batornicki, K. [Lewestam, F.H.] (1841), Schweminski, J. (1852), Bienenstock, J. Max (1912), Hollander, K. v. (1917), Csokor, Franz Theodor (1936); Ü ~Boll, Ilka (o.J.); EA: 1982 ~Essen [Ü Boll]; andere: nicht bekannt. KRUCZKOWSKI, LEON (1900–1962) Juliusz i Ethel. (1954); Julius und Ethel. Ü Bereska, Henryk (1954); EA: 1956 *Dresden-Radebeul; andere: nicht bekannt. Niemcy. (1949); Die Sonnenbruchs. Ü *Holzschuher (1949/51) / Die Sonnenbrucks. Ü *Ball, Peter (1975); EA: 1949 *Berlin (Deutsches Theater, Kammerspiele); andere: 1950 *Altenburg, *Bautzen, *Borna, *Chemnitz, *Chemnitz–Rochlitz, *Cottbus, *Crimmitschau, *Döbeln, *Dresden, *Eisenach, *Erfurt, *Freiberg, *Görlitz, *Greifswald, *Greiz, *Halberstadt, *Köthen, *Ludwigslust, *Magdeburg, *Meiningen, *Meißen, *Neustrelitz, *Plauen, *Potsdam, *Schwerin, *Stralsund, *Zeitz, *Zittau, *Zwickau; 1951 *Annaberg-Buchholz, *Brandenburg, *Dessau, *Gera, *Halle, *Nordhausen, *Staßfurt, *Wittenberg; 1952 *Senftenberg; 1959 *Parchim; 1961 *Frankfurt/O. Pierwszy dzień wolności. (1959); Der erste Tag der Freiheit. Ü [Teilübersetzung] Weintraub, Katja (1959) in: Polen (DDR–Ausgabe) 1959 Nr.3, S. 1–8 / Ü ~Mika, Viktor (1961) / Ü *Ball, Peter (1975); EA: 1960 ~Lüneburg; 1974 *Frankfurt/O.; andere: 1961 ~Oldenburg; 1975 *Halle, *Berlin (BE), *Rostock. Przygoda z Vaterlandem. (1962); Das Abenteuer mit dem Vaterland. Ü Mika, Viktor (1963); EA: 1964 *Dessau; andere: nicht bekannt. Śmierć gubernatora. (1961); Der Tod des Gouverneurs. Ü [Teilübersetzung] anonym (1960) in: Polen (DDR–Ausgabe) 1960 Nr.12, S. 10–12 / Ü *Mika, Viktor (1975); EA: 1975 *Neustrelitz; andere: nicht bekannt. LEM, STANISŁAW (*1921–2006)
Polnische Dramen in Deutschland (1945–1995) Cyberiada (1965); Kyberiade. Fabeln zum kybernetischen Zeitalter. Ü ~Reuter, Jens u.a. (1983); EA: 1986 ~Wuppertal; andere: nicht bekannt. Kongres futurologiczny. (1970); Der futurologische Kongreß. [Eigentlich: Erzählprosa] Ü~ Zimmermann-Göllheim, Irmtraud (1974); EA: 1994 ~Hamburg; andere: nicht bekannt. Wierny robot. (1963); Der getreue Roboter. Ü *Janke, Jutta (1977); EA: 1977 *Frankfurt/O; andere: nicht bekannt. Wyprawa profesora Tarantogi. (1963); Die Forschungsreise des Professors Tarantoga. Ü Eckert, Charlotte (1975); EA: 1977 *Erfurt; andere: 1980 *Brandenburg; 1981 *Eisenach. LENART, JÓZEF (*1931) Sumienie. (1963) [Eigentlich: Erzählung]; Das Gewissen. Ü *Bereska, Henryk (1972); EA: 1979 *Berlin (Volksbühne); andere: nicht bekannt. LUTOWSKI, JERZY (1923–1984) Ostry dyżur. (1955); Nachtdienst. Ü Mika, Viktor (1956); EA: Greifswald *1956; andere: 1955 *Staßfurt [EA?]. MALESZKA, ANDRZEJ (*1955) Ballada o Kasi i drzewie. (1981); Katja und der Baum. Ü Förster, Maria (1991); EA: 1992 Berlin (Theater nicht bekannt); andere: 1993 *Halle. MIKOŁAJ Z WILKOWIECKA (1524–1601) Historya o chwalebnym zmartwychwstaniu Pańskim (1580–82); Das Spiel von der Auferstehung. Ü ~Boll, Ilka; EA:1972 ~Essen; andere: nicht bekannt. MOCZARSKI, KAZIMIERZ (1907–1975) Rozmowy z katem. [Nach einer Erzählung adaptiert von Zygmunt Hübner] Gespräche mit dem Henker. Ü *Buschmann, Roswitha (1978); Ü ~Kühn, Dieter [UT: Theaterstück von Dieter Kühn, nach dem Bericht von K. Moczarski] (1979); EA: 1979 *Magdeburg, ~Düsseldorf [Kühn]; andere: 1979 Berlin (Volksbühne), *Potsdam; 1980 *Dresden-Radebeul, ~München(Bliss–Th.), *Parchim, *Schwerin | [Kühn] ~Paderborn; 1981 *Leipzig | [Kühn] ~Nürnberg, ~Dort-
Anhang mund; 1982 *Dessau; 1983 *Schwedt, *Stendal; 1988 *Magdeburg, *Meiningen [Bearbeitung Christa Wolf]; 1991 ~Kiel (Ü Buschmann). MORSTIN, LUDWIK HIERONIM (1881–1966) Obrona Ksantypy (1939); Verteidigung der Xantippe. Ü Guttry, Alexander v.; bearb. V. Csokor, Franz Theodor (1960); EA: nicht bekannt; andere: (1960/61) ~Schleswig. MROŻEK, SŁAWOMIR (*1930) Ambasador. (1981); Der Botschafter. Ü Molnar, M.C.A (1981); EA: 1982 ~Berlin (Schloßpark–Theater); andere: 1982/83 ~Hannover. Czarowna noc. (1963); Eine wundersame Nacht. Ü Zimmerer, Ludwig (1964); EA: 1966 ~Berlin (Vagantenbühne); 1980 *Frankfurt/O.; andere: 1967 ~Nürnberg, 1975 ~Düsseldorf, 1979 ~Ingolstadt; 1981 ~Bremerhaven; 1986 ~München (Theater rechts der Isar); 1990 ~Mainz. Dom na granicy. (1967); Das Haus auf der Grenze. Ü Zwart, Sebastian (o.J.); EA: 1975 ~Konstanz; andere: nicht bekannt. Drugie danie. (1968); Nochmal von vorn. Ü Zimmerer, Ludwig (1968); EA: 1968 ~Düsseldorf ; andere: nicht bekannt. Emigranci. (1974); Emigranten. Ü Vogel, Christa (1975); EA: 1975 ~Berlin (Schloßpark–Theater); 1978 *Weimar; andere: 1975 ~Krefeld, ~München (Marstall–Theater), ~Osnabrück, ~Saarbrücken; 1976 ~Aachen, ~Münster, ~Hildesheim; 1977 ~Oldenburg; 1978 ~Göttingen; 1979 ~Ingolstadt; 1980 ~Lübeck; 1981 ~Dortmund; 1982 *Schwerin; 1983 ~München (Theaterwerkstatt); 1988 ~München (Blackbox am Münchner Gasteig); 1989 ~Stuttgart, *Berlin (Volksbühne); 1990 ~Berlin (Schiller–Theater), *Schwedt; 1992 ~Frankfurt a.M., ~Marburg, ~Neuss; 1993 Berlin (Freies Schauspiel), ~Bremen, ~Detmold. Garbus. (1975); Buckel. Ü Vogel, Christa (1976); EA: 1977 ~Berlin (Schloßpark– Theater); andere: 1977 ~Göttingen, ~Wuppertal; 1979 ~Würzburg.
263 Indyk. (1960); Der Truthahn. Ü Zimmerer, Ludwig (1968); EA: 1969 ~Düsseldorf; andere: nicht bekannt. Jeleń. (1963); Der Hirsch. Ü Zimmerer, Ludwig. (1963); EA: 1965 ~Berlin (Vagantenbühne). [=UA!]; andere: nicht bekannt. Karol. (1961); Karol. [auch: Karl] Ü Zimmerer, Ludwig (1965); EA: 1962 ~Berlin (Tribüne), 1975 *Magdeburg; andere: 1975 *Halle; 1979/80 ~Würzburg; 1985 *Stendal; 1987 *Bautzen; 1988 ~Pforzheim. Kontrakt. (1986); Ein Vertrag. [auch: Der Vertrag] Ü Molnar, M.C.A. (1986); EA: 1986 ~Norderney (Landesbühne Niedersachsen Nord); andere: 1987 ~Wilhelmshaven; 1990 Berlin (Vaganten Bühne); 1991 ~München. Krawiec. (1977); Der Schneider. Ü Kośny, Witold (1978); EA: 1980 ~Göttingen; andere: nicht bekannt. Kynolog w rozterce. (1967); Der Kynologe am Scheideweg. Ü Noçon, Peter Maria (1969); EA: 1969 ~Lübeck, 1977 *Schwerin; andere: nicht bekannt. Letni dzień. (1983); Ein Sommertag. Ü Molnar, M.C.A. (1984); EA: 1986 ~Aachen; andere: 1993 ~Kiel (Polnisches Theater). Lis. (1977); Fuchsquartett. Ü ~Kośny, Witold (1978); Ü ~Vogel, Christa (1985); EA: 1989 *Berlin (Deutsches Theater, Kammerspiele); andere: 1989 *Rostock. Na pełnym morzu. (1961); Auf hoher See. Ü ~Zimmerer, Ludwig (1963); EA: 1967 ~Nürnberg; 1975 *Brandenburg; andere: 1975 ~Düsseldorf; 1979/80 ~Würzburg; 1981 *Berlin (Das Ei), ~Bremerhaven; 1985 *Stendal; 1986 *Karl–Marx–Stadt (Puppentheater); 1987 *Bautzen; 1988 ~Pforzheim; 1989 *Dresden; 1991 ~Nürnberg; 1992 ~Berlin (Schloßpark– Theater); 1993 *Freiberg, *Wittenberg; 1994 ~Frankfurt a.M.; 1995 ~Köln, *Potsdam. Pieszo. (1980); Zu Fuß. Ü Molnar, M.C.A. (1981); EA: 1982 ~Lübeck; andere: nicht bekannt. Policja. (1958); Die Polizei. Drama a.d.Sphäre
264 d. Gendarmen. Ü Kunstmann, Heinrich (1959) / Die Polizei. Drama a.d. Gendarmenmilieu. Ü Zimmerer, Ludwig (1965); EA: 1959 ~Frankfurt am Main (Kleines Theater am Zoo); 1989 *Altenburg; andere: 1960 ~Berlin(Berliner Theater), ~Hamburg, ~Kassel, ~Pforzheim; 1961 ~Bremen, ~Bielefeld, ~Düsseldorf, ~Göttingen,~Mannheim, ~Münster, ~Rheydt, ~Stuttgart; 1962 ~Flensburg, ~Heidelberg, ~Hildesheim, ~Hof, ~Karlsruhe, ~München (Theater 44), ~Tübingen; 1963 ~Köln, ~Nürnberg; 1965 ~Rendsburg; 1967 ~Bremerhaven, ~Marburg, ~München (Theater 44); 1968 ~Ulm, ~Wuppertal; 1969 ~Kempten, ~Memmingen; 1975 ~Tübingen; 1976 ~Lüneburg (1976/77); 1979 ~Kiel, ~Neuwied; 1982 ~Aachen; 1989 *Karl–Marx–Stadt; 1990 *Eisleben, *Schwedt. Portret. (1987); Porträt. Ü Molnar, M.C.A. (1989); EA: 1989 ~Göttingen, 1990 *Berlin (Maxim–Gorki–Theater); andere: 1990 ~Mannheim. Racket- baby. (1963); Racket Baby. Ü Zimmerer, Ludwig (1965); EA: 1965 ~Darmstadt; andere: nicht bekannt. Rzeźnia. (1973); Der Schlachthof. Ü [Bühnen–Bearbeitung des Hörspiels] Vogel, Christa (1981); EA: 1981 ~Essen; andere: nicht bekannt. Strip- tease. (1961); Striptease. Ü Zimmerer, Ludwig (1965); EA: 1975 *Brandenburg; andere: 1981 *Berlin (Das Ei), ~Bremerhaven; 1986 *Karl–Marx–Stadt (Puppenbühne); 1987 *Bautzen; 1991 *Berlin (bat–Studiotheater), *Neustrelitz; 1993 *Wittenberg; 1994 ~Regensburg. Szczęśliwe wydarzenie. (1971); Ein freudiges Ereignis. Ü Vogel, Christa (1971); EA: 1971 ~Düsseldorf, 1979 *Rudolstadt; andere: 1974 ~Ingolstadt; 1975 ~Braunschweig, ~München (Intimes Theater im Künstlerhaus); 1976 ~Karlsruhe (1976/77); 1989 ~Kiel (Polnisches Theater); 1994 ~Göttingen. Tango. (1964); Tango. Ü Zimmerer, Ludwig (1965); EA: 1966 ~Düsseldorf, 1975
Polnische Dramen in Deutschland (1945–1995) *Rostock; andere: 1966 ~Augsburg, ~Frankfurt (Kammerspiele), ~Hannover, ~München (Werkraumtheater); 1967 ~Gießen, ~Hamburg, ~Herford, ~Hof, ~Köln, ~Marburg, ~Stuttgart, ~Tübingen, ~Würzburg; 1968 ~Bielefeld, ~Bremerhaven, ~Detmold, ~Dortmund, ~München (Werkraumtheater), ~Münster, ~Wiesbaden, ~Wuppertal, ~Würzburg; 1969 ~Baden–Baden, ~Bochum, ~Bonn, ~Lübeck, ~Ratzeburg; 1974 ~Kassel; 1976 ~Bonn; 1977 ~Kaiserslautern, ~Münster, ~Saarbrücken; 1979 *Rudolstadt; 1980 ~Köln; 1981 ~Mainz; 1982 ~Celle, ~Konstanz; 1983 ~Bamberg; 1984 ~Gießen; 1988 *Frankfurt/O., ~Ulm; 1990 *Berlin (BE), ~Lübeck, ~Pforzheim; 1991 *Erfurt, ~Frankfurt a.M.; 1992 ~Detmold, *Greifswald, *Magdeburg; 1993 Berlin (Theater Facit); 1994 ~Göttingen, ~Kaiserslautern, ~Nürnberg, *Plauen, ~Wiesbaden, ~Würzburg. Testarium. (auch: Profeci) (1967); Die Propheten. Ü Fieguth, Rolf (1968); EA: 1968 ~Düsseldorf; andere: nicht bekannt Vatzlav. (1970); Watzlaff. Ü Zimmerer, Ludwig (1970); EA: 1971 ~Hamburg; andere: nicht bekannt. Zabawa. (1962); Zabawa. Ü Zimmerer, Ludwig (1965); EA: 1966 ~Berlin (Vagantenbühne); andere: nicht bekannt. NAŁKOWSKA, ZOFIA (1884–1954) Dom kobiet. (1930); Haus der Frauen. Ü *Mika, Viktor (1973) / Landhaus mit Damen. Ü ~Vogel, Christa (1977); EA: 1978 ~Göttingen, 1979 *Rostock; andere: nicht bekannt. NIEWIAROWICZ, ROMAN (1902–1972) Kochanek – to ja! (1934); Ich liebe dich! [auch: I love you!]; Ü Horst, Julius (1937); EA: 1936 Freiburg; andere: 1954 ~Freiburg; 1955 ~Hamburg; 1956 ~Würzburg; 1957 ~Karlsruhe; 1959 ~Hamburg; 1961 ~Gießen, ~Memmingen; 1964 ~Mannheim; 1976 ~Hamburg; 1992 ~Hamburg. NOWACZYŃSKI, ADOLF (1876–1944) Wielki Fryderyk. (1910); Der Große Friedrich.
Anhang Ü nicht bekannt; EA: 1981 *Magdeburg; andere: nicht bekannt. NOWAK, TADEUSZ (*1930–1991) A jak królem, a jak katem będziesz. (Dramatisierung des Romans v. 1968; UA: 1971) Und wenn du König, und wenn du Henker bist. Ü Buschmann, Roswitha (1975); (Theateradaption von M. Nyczak); EA: 1975 *Stralsund ; andere: nicht bekannt. OSIECKA, AGNIESZKA (*1936–1997) Apetyt na czereśnie. Romans z życia sfer normalnych. [Musical] (1968); Appetit auf Frühkirschen. Deutsche Fassung von W. Heinitz nach der Übersetzung von W. Hein. Ü Hein, Waldemar; Kirsch, Sarah (1971) / Apetit na wišnje. Ü (sorbisch) Lorenc, Kito; EA: 1971 *Bautzen (sorbisch), 1972 *Potsdam (deutsch); andere: 1972 *Erfurt, *Greifswald, *Halle-Merseburg, *Magdeburg, *Meiningen, *Schwerin, *Wismar, *Zwickau; 1973 *Anklam, Berlin (Maxim–Gorki–Theater), *Eisenach, *Leipzig, *Prenzlau, *Weimar; 1974 *Nordhausen, *Quedlinburg; 1975 *Zeitz. PEIPER, TADEUSZ (1891–1969) Skoro go nie ma. (1933); Wenn er nicht da ist. Ü Buschmann, Roswitha (1975); EA: 1975 *Magdeburg; andere: 1975 *Eisleben. POMIANOWSKI, JERZY (*1921) [Ohne Originaltitel; russ.: Benja krik = poln.: Benia Krzyk. Opowieść filmowa wg Isaaka Babela]. (1966); Benja der König. Stück, frei nach Isaak Babel. Ü Pilecki, Janusz v. / Drozdzynski, Alexander (1975); EA: 1976 ~Düsseldorf ; andere: nicht bekannt. POMIANOWSKI, JERZY (*1921) / WOLIN, MAŁGORZATA (Keine Daten bekannt) Faryzeusze i grzesznik (1948/1950); Die Pharisäer und der Sünder. Ü Lau, Karin–Sigrid; EA: 1952 *Görlitz; andere: nicht bekannt. POTOCKI, JAN (1761–1815) Parady [Eigentlich: Roman]; Ü nicht bekannt; EA: nicht bekannt; andere: (1962/63) ~Göttingen (Junges Theater). PRZEZDZIECKI, JERZY (GEORGE PREDEKI)
265 (*1927) Ostatnie piętro. (1969); Das letzte Stockwerk. Ü Hocke, Manfred (1973); EA: 1974 *Görlitz-Zittau; andere: 1975 *Dessau, *Prenzlau, *Weimar. Wariat. (o.J.); Der Verrückte. Ü Tucholka, Jaro v. (1974); EA: nicht bekannt; andere: (1976) ~Saarbrücken. PRZYBYSZEWSKA, STANISŁAWA (1901–1935) Sprawa Dantona. (Um 1929); Danton Ü [Die Sache Danton, Mischal, J.H. (Um 1931)]; EA: 1994 Berlin (Volksbühne); andere: nicht bekannt. Thermidor (Um 1925); [Original deutsch, polnische Ü Helsztyński, Stanisław, 1971]; EA: 1994 Berlin (Volksbühne); andere: nicht bekannt. REDLIŃSKI, EDWARD (*1940) Awans. (1974); Aufschwung oder Das Paradies. Fassung von Friedhold Bauer. Ü Bereska, Henryk (1975); EA: 1975 *Frankfurt/O; andere: 1975 *Schwerin; 1980 *Schwedt. ROJEWSKI, JAN (1915–2005) Tysiąc walecznych. (1951); Die tausend Tapferen. (auch: Die Belastungsprobe.) Ü Harrer, Kurt (1953); EA: 1951 *Berlin (Neue Bühne); andere: nicht bekannt. RÓŻEWICZ, TADEUSZ (*1921) Akt przerywany. (1964); Der unterbrochene Akt. Ü ~ Boll, Ilka (1965); Ü *Buschmann, Roswitha (1974); EA: 1965 ~Ulm; 1975 *Leipzig (Studentenheater); andere: 1966 ~Heidelberg, ~Mannheim; 1967 ~Kassel. Białe małżeństwo. (1974); Weiße Ehe. Ü *Bereska, Henryk (1976); Ü ~Lachmann, Peter (1976); EA: 1978 *Rudolstadt, 1979 ~Münster; andere: 1981 *Berlin (DeutschesTheater); 1989 *Weimar; 1992 ~Aachen(Ü?); 1993 *Brandenburg (Ü?), *Dresden (Ü Lachmann); 1995 *Bautzen. Grupa Laokoona. (1961); Die Laokoongruppe. Ü ~Boll, Ilka (1962); Ü *Rymarowicz, Caesar (1974); EA: 1963 ~Berlin(Schillertheater); 1975 *Rostock; andere: 1963 ~Essen; 1975 *Halle. Kartoteka. (1960); Die Kartothek. Ü ~Boll, Ilka (1961); Die Kartei. Ü *Bereska, Hen-
266 ryk (1974); EA: 1961 ~Essen; 1989 *Potsdam; andere: 1962 ~Berlin (Schiller–Theater). Na czworakach. (1971); Auf allen vieren. Ü ~Vogel, Christa (1973); Ü *Bereska, Henryk (1980); EA: 1974 ~Essen; andere: nicht bekannt. Odejście głodomora. (1976); Abgang des Hungerkünstlers. Ü ~Lachmann, Peter (1977); Der Hungerkünstler geht. Ü *Bereska, Henryk (1978); EA: 1980 *Potsdam; andere: nicht bekannt. Pogrzeb po polsku. (1988); Polnisches Begräbnis. Ü Lichtenfeld, Kristiane (1974); EA: 1980 *Frankfurt/O; andere: nicht bekannt. Pułapka. (1982); Die Falle. Ü *Bereska, Henryk (1983); Falle. Ü ~Vogel, Christa (1983); EA: 1985 *Berlin (Maxim– Gorki–Theater); [?]1985 ~Berlin [Titel 1!]; andere: 1985 *Berlin(Gastspiel Theater Gdańsk / Danzig); 1995 *Jena. Śmieszny staruszek. (1964); Der komische Alte. Ü ~Boll, Ilka (1964); Ü *Bereska, Henryk (1974); EA: 1978 *Rudolstadt, 1980 ~Fürth; andere: 1986 *Berlin (Volksbühne); 1988 *Anklam; 1991 ~Nürnberg; 1993 Berlin (Theater Raumspiel/Spielraum). Stara kobieta wysiaduje. (1968); Die alte Frau brütet. Ü ~Pszoniak, Paul (1969); Ü *Kelm, Kurt (1974); EA: 1971 ~Köln, 1987 *Leipzig; andere: 1991 *Berlin (Maxim–Gorki–Theater). Świadkowie albo Nasza mała stabilizacja. (1962); Die Zeugen oder Unsere kleine Stabilisierung. Ü ~Boll, Ilka (1962); Ü *Bereska, Henryk (1974); EA: 1963 ~Berlin (Schiller–Theater, Werkstatt), 1965 *Leipzig (Studententheater); andere: 1968 ~Hannover; 1975 *Potsdam, *Nordhausen; 1977 *Rudolstadt; 1978 *Halle, ~Saarbrücken; 1985 Berlin (Theaterwürfel) (Ü?); 1989 *Karl–Marx–Stadt; 1993 Berlin (Wörtermeertheater); 1995 ~Stuttgart (Ü?). Wyszedł z domu. (1964); Er ging aus dem Haus. Ü ~Boll, Ilka (1965); Ü *Bereska, Henryk (1974); EA: 1978 ~Münster,
Polnische Dramen in Deutschland (1945–1995) 1980 *Leipzig; andere: nicht bekannt. SADOWSKI, ANDRZEJ (*1926) Popioły. Asche. [zweisprachig] Ü nicht bekannt; EA: 1995 ~Fürth (Koproduktion: Czurda–Tanztheater / Teatr Mandala Krakau); andere: nicht bekannt. SKOWROŃSKI, ZDZISŁAW (1909–1969) Kuglarze. (1961); Lebenskünstler. Lustspiel frei nach „Der dunkle Punkt“ von G. Kadelburg und R. Presber. [1909] Ü Müller-Ott, Dorothea (1961); EA: 1964 ~Karlsruhe; andere: nicht bekannt. Maturzyści. (1955); Abiturienten. Ü Maciejewska, Małgorzata / Mika, Viktor (1956); EA: 1957 *Rostock; andere: nicht bekannt. SKOWROŃSKI, ZDZISŁAW (1909–1969) / SŁOTWIŃSKI, JÓZEF (1908–2005) Imienyny pana dyrektora. (1954); Der Geburtstag des Direktors. Ü Mika, Viktor (1955); EA: 1955 *Görlitz; andere: 1955 *Magdeburg; 1956 *Meiningen; 1957 *Zittau. SŁOMCZYŃSKI, MACIEJ (1920–1998) Hallo, Freddie. (o.J.); Hallo, Freddy! Ü Mika, Viktor (1954); EA: 1954 *Rostock; andere: 1955 *Karl–Marx–Stadt. STAROPOLSKI, MACIEJ (Keine Daten bekannt) Straszny smok (o.J.); [wörtl. Der schreckliche Drache] Ü nicht bekannt; EA: nicht bekannt; andere: 1986 *Wittenberg (Elbe– Elster–Theater). STAWIŃSKI, JERZY STEFAN (1921–2010) Godzina szczytu. [Eigentlich: Roman, 1968]; Fehldiagnose. Eingerichtet für das Theater von Peter Kleinert und Peter Schroth. Ü Bereska, Henryk (1972); EA: 1972 *Halle; andere: 1973 *Cottbus, *Greifswald; 1974 *Plauen, *Anklam, *Freiberg, *Wittenberg; 1976 *Stendal. Rozwód. (1968); Die Scheidung. Ü Bereska, Henryk (1973); EA: 1975 *Frankfurt/O; andere: 1975 *Annaberg, *Parchim, *Prenzlau, *Rudolstadt, *Stralsund; 1976 *Freiberg, *Zwickau; 1977 *Quedlinburg; 1979 *Stendal. SZAJNA, JÓZEF (1922–2008) Dante. (1974); Dante. Ü Vogel, Christa (1985); EA: 1985 ~Essen; andere: nicht bekannt.
Anhang SZAJNA, JÓZEF (1922–2008) / CZANERLE, MARIA (*1916) Gulgutiera. (1973); Gulgutiera... bis wir den Atem verlieren. Ü Vogel, Christa (1974); EA: 1974 ~Berlin (Forum–Theater); andere: nicht bekannt. ŚWIRSZCZYŃSKA, ANNA (1909–1986) Odezwa na murze. (1951); Aufruf an der Mauer. Ü Dedecius, Karl (1952); EA: 1953 *Meiningen; andere: nicht bekannt. TARN, ADAM (1902–1975) Ortega. (1952); Ortega. Ü Guttry, Aleksander (1952); EA: 1953 *Görlitz; andere: nicht bekannt. Zwykła sprawa. (1950); Ein gewöhnlicher Fall. Ü *Willimczik, Kurt (1951) / Ü * Holzschuher, Horst (1951); EA: 1951 *Berlin (Deutsches Theater, Kammerspiele) [Ü Holzschuher]; andere: 1952 *Eisenach, *Leipzig. WARLIKOWSKI, KRZYSZTOF (*1962) [Originaltitel nicht bekannt] Ludwig - Tod eines Königs. (o.J.) [Nach Klaus Mann, Vergittertes Fenster (1937)]; Ü Krzywicka, Dorota; EA: 1994 ~Hamburg (Kammerspiele); andere: nicht bekannt. WARMIŃSKI, JANUSZ (1922–1996) Człowiek z głową. (1963); Ein Mann mit Köpfchen. Ü Hiller, Carl Horst (um 1963); EA: nicht bekannt; andere: 1964 ~Wilhelmshaven [unter dem Titel: Die Schule der Karriere]. WIŚNIEWSKI, JANUSZ (*1954) [Originaltitel nicht bekannt] [Spielvorlage] Ankunft Quai Vier. (o.J.) Ü Korpanty, Jerzy; EA: 1991 ~Bonn; andere: nicht bekannt. Czarny pociąg [Spielvorlage] Der schwarze Zug. (1988); Ü Korpanty, Jerzy; EA: 1988 ~Kassel; andere: nicht bekannt. WITKIEWICZ, STANISŁAW IGNACY (WITKACY) (1885–1939) Bezimienne dzieło. (publ. 1962); Das namenlose Werk. Ü ~Vogel, Christa (1972); Ü *Bereska, Henryk (1982); EA: nicht bekannt; andere: nicht bekannt. Gyubal Wahazar czyli Na przełęczach bezsensu. (publ. 1962); Gyubal Wahazar oder Auf den Passhöhen des Unsinns. Ü *Bereska, Henryk (1982); Gyubal Wahazar oder Im
267 Engpass des Unsinns. Ü ~Boll, Ilka (1974); EA: 1982 ~Essen; andere: [1988 ~Bochum (Gastspiel Breslau [Wrocław]), ~München (dass. )]. Kurka wodna. (verf. 1921 /publ. 1962); Das Wasserhuhn. Ü ~Kunstmann, Heinrich (1965); Ü ~Dutsch, Mikołaj (o.J.); Ü ~Leber–Hagenau, Gerda (o.J.); EA: 1967 ~Köln [Ü Kunstmann]; andere: nicht bekannt. Matka. (publ. 1962); Die Mutter. Ü ~Dutsch, Mikołaj (o.J.); Ü ~Zimmermann-Göllheim, Irmtraud (1970); Ü *Bereska, Henryk (1982); EA: 1966 ~Saarbrücken (Ü Zimmermann-Göllheim); andere: 1971 ~Düsseldorf ; 1975 ~München (Kammerspiele); 1993 Berlin (Volksbühne) [zusammen mit Majakovskij, Vl.: Vladimir Majakovskij – eine Tragödie, als Epilog]. Mątwa czyli Hyrkaniczny światopogląd. (1923); Der Tintenfisch oder Die Hyrkanische Weltanschauung. Ü ~Kantor, Tadeusz / Taubmann, Horst (1966); Ü *Bereska, Henryk (1982); EA: nicht bekannt; andere: nicht bekannt. Nadobnisie i koczkodany (1922); Nixen und Hexen oder Die grüne Pille. Ü Niesielska, Liliana (1974); EA: 1976 ~Braunschweig [Tadeusz Kantor]; andere: nicht bekannt. Oni. (publ. 1962); Die da! Ü ~Lachmann, Peter (1968); Jene. Ü ~Grzyb, Georg Werner / Taubmann, Horst (1968); EA: 1970 ~Konstanz [Ü Lachmann]; andere: nicht bekannt. Szalona lokomotywa (1923); Rasende Lokomotive. Ü ~Vogel, Christa (1985); Ü Henryk Bereska (1994); EA: 1985 ~Gießen (Studententheater); andere: 1994 Berlin (Zan Pollo Theater); 1995 ~Tübingen. Szewcy. (1948); Die Schuster. Ü ~Niesielska, Liliana (1974); Ü ~Pilecki, Janusz von (1976); Ü *Bereska, Henryk (1982); EA: 1975 ~Dortmund; andere: 1977 ~Köln: 1992 Berlin (Theater Syndikat). W małym dworku. (1948); Im kleinen Landhaus. Ü *Bereska, Henryk (1982); Ü ~Grzyb, Georg Werner / Taubmann, Horst (1971); EA: [Bearbeitung 1966 ~Baden-Baden vgl. Kantor, Tadeusz:
268 Szafa]; andere: nicht bekannt. Wariat i zakonnica czyli Nie ma złego co by na jeszcze gorsze nie wyszło. (1925); Der Narr und die Nonne oder Nichts Schlechtes, das nicht noch schlechter sein könnte. Ü ~Kunstmann, Heinrich (1965); Ü ~Leber-Hagenau, Gerda (1979); EA: 1970 ~München (Off–Off–Theater); andere: 1982 ~Berlin (Werkstatt der Staatlichen Schauspielbühnen) [Ü Leber–Hagenau]; 1986 ~München (Theater Aporée); 1995 ~Stuttgart. WOJTYŁA, KAROL (1920–2008) [Pseud.: JAWIEŃ, ANDRZEJ] Przed sklepem jubilera. (1960); Der Laden des Goldschmieds. Ü Mechtenberg, Theodor (1979); EA: 1980 ~Münster; andere: nicht bekannt. WOJTYSZKO, MACIEJ (*1946) [Polnischer Originaltitel nicht bekannt]; Prinzessin Bluejeanella oder Was der Drache zum Fressen gern hat. Ü Marchwinski, Janusz; EA: 1993 ~Mannheim; andere: nicht bekannt. WYDRZYŃSKI, ANDRZEJ (1921–1992) Słońce krąży wokół ziemi (1958); [wörtl. Die Sonne dreht sich um die Erde]; Ü Tucholka, Jaro v. (1963); EA: 1963 ~Berlin (Kellertheater an der Spree); andere: nicht bekannt. WYSPIAŃSKI, STANISŁAW (1869–1907) Noc listopadowa. (1904); Die Novembernacht. Ü Odrowąż–Wysocki, Stefan (1918/ [West] 1958); Ü [Fassung von Andrzej Wajda] *Bock, Gabriele / Czechowski, Heinz (1980); EA: 1979 *Weimar; andere: nicht bekannt. Wesele. (1901); Die Hochzeit. Ü *Bereska, Henryk (1977); Ü ~Dedecius, Karl (1992); EA: 1991 ~Braunschweig; andere: nicht bekannt. ZANUSSI, KRZYSZTOF (*1939) / ŻEBROWSKI, EDWARD (*1935)
Polnische Dramen in Deutschland (1945–1995) Miłosierdzie płatne zgóry [Teil von Markiza de Villers] Die Marquise de Villers. Ü Vogel, Christa (1985); EA: 1985 ~Baden-Baden; andere: nicht bekannt. ZAPOLSKA, GABRIELA (1860–1921) Ich czworo. (1912); Dummheit im Quadrat. Ü Mika, Viktor (1956); EA: 1956 *Döbeln; andere: 1957 *Dresden-Radebeul; 1981 ~Neuss. Moralność pani Dulskiej. (1907); Die Moral der Frau Dulska. [auch: Dulski] Ü Goldbaum, Julie (1912); Harrer, Kurt / Mochmann, Paul (1952); Moralnosć knjenje Dulskeje. Ü (sorbisch) Nawka, Anton; Erstaufführung: 1952 *Berlin (Deutsches Theater – Kammerspiele), 1954 Klix (sorbisch), 1964 ~Baden–Baden oder ~Bonn; andere: 1952 *Leipzig, *Magdeburg; 1953 *Altenburg, *Anklam, *Annaberg, *Eisenach, *Meiningen, *Neustrelitz ,*Rostock, *Staßfurt, *Wittenberg, *Zwickau; 1954 *Dresden-Radebeul, *Eisleben, *Meißen, *Nordhausen, *Potsdam, *Weimar, *Zeitz; 1955 *Cottbus, *Quedlinburg, *Stralsund; 1956 *Bautzen, *Borna, *Brandenburg, *Erfurt, *Freiberg, *Halle, *Parchim, *Stendal; 1957 *Greiz; 1959 *Güstrow; 1960 *Schwerin, *Wismar; 1962 *Anklam, *Potsdam; 1965 *Putbus, ~Würzburg; 1968 ~Hannover, *Prenzlau; 1970 *Neustrelitz; 1975 *Zeitz; 1976 *Quedlinburg; 1979 *Döbeln; 1982 ~Neuss, ~Göttingen. Panna Maliczewska. (1912); Fräulein Maliczewska. [auch: Das bezaubernde Fräulein.] Ü Mika, Viktor (1955); EA: 1955 *Potsdam; andere: 1956 *Meißen; 1957 *Anklam, *Cottbus. Żabusia. (1903); Die kleine Kröte. Ü Mika, Viktor (1955); EA: 1955 *Karl-Marx-Stadt; andere: 1961 *Erfurt.
Anhang
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b. Verzeichnis der Dramentitel2 Deutsch (Sorbisch) – polnisch Abgang des Hungerkünstlers. / Der Hungerkünstler geht. Odejście głodomora. [Tadeusz Różewicz] Abiturienten. Maturzyści. [Zdzisław Skowroński] Ahnenfeier. / Totenfeier. Dziady [Adam Mickiewicz] Alte Jungen. / Die Jungs. Ein Drama aus der Lebenssphäre der Älteren. / Golcy. (obersorbisch) / Hólcy. (niedersorbisch) Chłopcy. [Stanisław Grochowiak] Antigone in New York. Antygona w Nowym Jorku. [Janusz Głowacki] Appetit auf Frühkirschen. / Apetit na wišnje. (sorbisch) Apetyt na czereśnie. Romans z życia sfer normalnych. [Agnieszka Osiecka] Asche. Popioły. [Andrzej Sadowski] Asche und Diamant. Popiół i diament. [Jerzy Andrzejewski] Aschenkinder. Kopciuch. [Janusz Głowacki] Auf allen vieren. Na czworakach. [Tadeusz Różewicz] Auf Glas gemalt. Na szkle malowane. [Ernest Bryll und Katarzyna Gaertner [Komponistin]] Auf hoher See. Na pełnym morzu. [Sławomir Mrożek] Aufruf an der Mauer. Odezwa na murze. [Anna Świrszczyńska] Aufschwung oder Das Paradies. Awans. [Edward Redliński] Ball der Puppen. / Ball der Mannequins. Bal manekinów. (auch: Bal lalek) [Bruno Jasieński] Benja der König. Stück, frei nach Isaak Babel. Benia Krzyk. Opowieść filmowa wg Isaaka Babela. [Jerzy Pomianowski] Bestrafter Ehebruch. Cudzołóstwo ukarane. [Janusz Głowacki] Buckel. Garbus. [Sławomir Mrożek] Damen und Husaren. Damy i huzary. [Aleksander Fredro] Dante. Dante. [Józef Szajna] Danton (auch: Die Sache Danton) Sprawa Dantona. [Stanisława Przybyszewska] Das Abenteuer mit dem Vaterland. Przygoda z Vaterlandem. [Leon Kruczkowski] Das andere Zimmer. Drugi pokój. [Zbigniew Herbert] Das bezaubernde Fräulein. → Fräulein Maliczewska. Das Ende des sechsten Buches. Koniec księgi szóstej. [Jerzy Broszkiewicz] Das Gastmahl der Schmarotzer. Manekiny. [Zbigniew Rudziński] Das Gewissen. Sumienie. [Józef Lenart] Das grüne Metall. Wyprawa po zielony metal czyli Baśń o nowym bohaterze. [Jerzy Jesionowski] Das Haus auf der Grenze. Dom na granicy. [Sławomir Mrożek] Das Leben Josephs. Żywot Józefa [...] [Mikołaj Rej] Das letzte Stockwerk. Ostatnie piętro. [Jerzy Przeździecki (George Predeki)] Das namenlose Werk. Bezimienne dzieło. [Stanisław Ignacy Witkiewicz (Witkacy)] Das Schweigen. Milczenie. [Roman Brandstaetter] Das Spiel von der Auferstehung. Historya o chwalebnym zmartwychwstaniu Pańskim. [Mikołaj z Wilkowiecka] Das Tal der tausend Bäuche. Wojna chłopska. (auch: Dolina tysiący brzuchów) [Jonasz Kofta] Das Wasserhuhn. Kurka wodna. [Stanisław Ignacy Witkiewicz (Witkacy)] 2
Doppelübersetzungen werden durch Schrägstrich voneinander getrennt, bei unterschiedlichen Titeln von prinzipiell identischen Übersetzungen wird die Variante in runde Klammern mit dem Hinweis „auch:“ gesetzt.
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Polnische Dramen in Deutschland (1945–1995)
Der Botschafter. Ambasador. [Sławomir Mrożek] Der erste Tag der Freiheit. Pierwszy dzień wolności. [Leon Kruczkowski] Der futurologische Kongreß. Kongres futurologiczny. [Stanisław Lem] Der Geburtstag des Direktors. Imieniny pana dyrektora. [Zdzisław Skowroński / Józef Słotwiński] Der getreue Roboter. Wierny robot. [Stanisław Lem] Der Große Friedrich. Wielki Fryderyk. [Adolf Nowaczyński] Der Hirsch. Jeleń. [Sławomir Mrożek] Der Hungerkünstler geht. → Abgang des Hungerkünstlers. Der Käfig oder Das Familienspiel. Klatka czyli Zabawa rodzinna. [Bohdan Drozdowski] Der komische Alte. Śmieszny staruszek. [Tadeusz Różewicz] Der Kynologe am Scheideweg. / Racket Baby. Kynolog w rozterce. [Sławomir Mrożek] Der Laden des Goldschmieds. Przed sklepem jubilera. [Karol Wojtyła (Pseud.: Andrzej Jawień)] Der Leichenzug. / Der Trauerzug. Kondukt. [Bohdan Drozdowski] Der Narr und die Nonne oder Nichts Schlechtes, das nicht noch schlechter sein könnte. Wariat i zakonnica czyli Nie ma złego co by na jeszcze gorsze nie wyszło. [Stanisław Ignacy Witkiewicz (Witkacy)] Der neunte Gerechte. (auch: Operation Sodom oder Der neunte Gerechte) Dziewiąty sprawiedliwy. [Jerzy Jurandot] Der Puppenspieler. Lalkarz. [Henryk Jurkowski] Der Schlachthof. Rzeźnia. [Sławomir Mrożek] Der Schrank. Szafa . (Bearbeitung von W małym dworku.) [Stanisław Ignacy Witkiewicz (Witkacy) / Tadeusz Kantor] Der Schneider. Krawiec. [Sławomir Mrożek] Der Tintenfisch oder Die Hyrkanische Weltanschauung. Mątwa czyli Hyrkaniczny światopogląd. [Stanisław Ignacy Witkiewicz (Witkacy)] Der Tod des Gouverneurs. Śmierć gubernatora. [Leon Kruczkowski] Der Trauerzug → Der Leichenzug. Der Truthahn. Indyk. [Sławomir Mrożek] Der unterbrochene Akt. Akt przerywany. [Tadeusz Różewicz] Der Verrückte. Wariat. [Jerzy Przeździecki (George Predeki)] (Der) Zug nach Marseille. Pociąg do Marsylii. [Krzysztof Gruszczyński] Die alte Frau brütet. Stara kobieta wysiaduje. [Tadeusz Różewicz] Die Ballade vom Fischer Antonim Karpfen. Kończmy tę wojnę czyli Ballada o rybaku Karpie Antonim. [Jerzy Janicki ] Die Belastungsprobe. → Die tausend Tapferen. Die da! / Jene. Oni. [Stanisław Ignacy Witkiewicz (Witkacy)] Die Datsche. Dacza.[Ireneusz Iredyński] Die Falle. / Falle. Pułapka. [Tadeusz Różewicz] Die Familie Jowialski. Pan Jowialski. [Aleksander Fredro] Die Forschungsreise des Professors Tarantoga. Wyprawa profesora Tarantogi. [Stanisław Lem] Die grüne Gans. Pseudostücke. / Die grüne Gans. Das kleinste Theater der Welt. Zielona gęś. Najmnieszy teatr świata. [Konstanty Ildefons Gałczyński] Die Hochzeit. Wesele. [Stanisław Wyspiański] Die Höhle der Philosophen. Jaskinia filozofów. [Zbigniew Herbert] Die Jungs. → Alte Jungen. Die Kartei. / Die Kartothek. Kartoteka. [Tadeusz Różewicz] Die Kleider. (Der Star). Gwiazda. [Helmut Kajzar] Die kleine Kröte. Żabusia. [Gabriela Zapolska]
Anhang
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Die Künstler sollen krepieren. Niech sczezną artyści. [Tadeusz Kantor] Die Laokoongruppe. Grupa Laokoona. [Tadeusz Różewicz] Die Lebensrente. Dożywocie. [Aleksander Fredro] Die Marquise de Villers. Miłosierdzie płatne zgóry [Teil von Markiza de Villers] [Krzysztof Zanussi / Edward Żebrowski] Die Moral der Frau Dulska. (auch: ...Dulski) / Moralnosć knjenje Dulskeje. (sorbisch) Moralność pani Dulskiej. [Gabriela Zapolska] Die Mutter. Matka. [Stanisław Ignacy Witkiewicz (Witkacy)] Die Namen der Macht. Imiona władzy. [Jerzy Broszkiewicz] Die Novembernacht. Noc listopadowa. [Stanisław Wyspiański] Die Pharisäer und der Sünder. Faryzeusze i grzesznik. [Jerzy Pomianowski / Małgorzata Wolin] Die Polizei. Drama aus der Sphäre der Gendarmen. / Die Polizei. Drama aus dem Gendarmenmilieu. Policja. [Sławomir Mrożek] Die polnische Apokalypse. Mała apokalipsa. [Tadeusz Konwicki / Krystyna Meissner] Die Propheten. Testarium. (auch: Profeci) [Sławomir Mrożek] Die Rache. / Die Rache des Verschmähten. Zemsta. [Aleksander Fredro] Die reine Liebe. Czysta miłość. Nowela filmowa. [Ireneusz Iredyński] Die Sache Danton. → Danton. Die Scheidung. Rozwód. [Jerzy Stefan Stawiński] Die Schuster. Szewcy. [Stanisław Ignacy Witkiewicz (Witkacy)] Die Sonnenbruchs. / Die Sonnenbrucks. Niemcy. [Leon Kruczkowski] Die tausend Tapferen. (auch: Die Belastungsprobe.) Tysiąc walecznych. [Jan Rojewski] Die Totenfeier. Dziady. [Adam Mickiewicz] Die Trauung. Ślub. [Witold Gombrowicz] Die ungöttliche Komödie. (auch: Die nicht göttliche Komödie.) Nie-boska komedia. [Zygmunt Krasiński] Die Versteigerung. Licytacja. [Jarosław Abramow] Die Zeugen oder Unsere kleine Stabilisierung. Świadkowie albo Nasza mała stabilizacja. [Tadeusz Różewicz] Dummheit im Quadrat. Ich czworo. [Gabriela Zapolska] Ein freudiges Ereignis. Szczęśliwe wydarzenie. [Sławomir Mrożek] Ein gewöhnlicher Fall. Zwykła sprawa. [Adam Tarn] Ein Mann mit Köpfchen. Człowiek z głową. [Janusz Warmiński] Ein Sommertag. Letni dzień. [Sławomir Mrożek] Ein Vertrag. (auch: Der Vertrag) Kontrakt. [Sławomir Mrożek] Eine wundersame Nacht. Czarowna noc. [Sławomir Mrożek] Emigranten. Emigranci. [Sławomir Mrożek] Er ging aus dem Haus. Wyszedł z domu. [Tadeusz Różewicz] Falle. → Die Falle. Fehldiagnose. Godzina szczytu. [Jerzy Stefan Stawiński] Ferdydurke. Ferdydurke. [Witold Gombrowicz] Finsternis bedeckt die Erde. Ciemności kryją ziemię. [Jerzy Andrzejewski] Fräulein Maliczewska. (auch: Das bezaubernde Fräulein.) Panna Maliczewska. [Gabriela Zapolska] Freuds Traumtheorie. Freuda teoria snów. [Antoni Cwojdziński] Fuchsquartett. Lis. [Sławomir Mrożek] Geschichte. Historia. [Witold Gombrowicz] Gespräche mit dem Henker. Rozmowy z katem. [Kazimierz Moczarski] Gespräche mit dem Teufel. Acht Diskurse über das Böse. Rozmowy z diabłem. [Leszek
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Polnische Dramen in Deutschland (1945–1995)
Kołakowski] Golcy. (obersorbisch) → Alte Jungen. Gulgutiera... bis wir den Atem verlieren. Gulgutiera. [Józef Szajna / Maria Czanerle] Gyubal Wahazar oder Auf den Passhöhen des Unsinns. / Gyubal Wahazar oder Im Engpass des Unsinns. Gyubal Wahazar czyli Na przełęczach bezsensu. [Stanisław Ignacy Witkiewicz (Witkacy)] Hallo, Freddy! Hallo, Freddie. [Maciej Słomczyński] Haus der Frauen. / Landhaus mit Damen. Dom kobiet. [Zofia Nałkowska] Herr Geldhab. Pan Geldhab. [Aleksander Fredro] Hólcy. (niedersorbisch) → Alte Jungen. Ich liebe dich! (auch: I love you!) Kochanek – to ja! [Roman Niewiarowicz] Im kleinen Landhaus. W małym dworku. [Stanisław Ignacy Witkiewicz (Witkacy)] Jene. → Die da! Julius und Ethel. Juliusz i Ethel. [Leon Kruczkowski] Karol. (auch: Karl) Karol. [Sławomir Mrożek] Katharina in der Klemme. Kobieta w trudnej sytuacji. [Marek Domański] Katja und der Baum. Ballada o Kasi i drzewie. [Andrzej Maleszka] Klub nježenjencow (sorbisch) [wörtl. Der Junggesellenklub]. Klub Kawalerów. [Michał Bałucki] Kreation. → Niemand. Krippenspiel modern. (Stille Nacht). → Modernes Krippenspiel. Kukula. [Auch mit dem Zusatz: Ein Neuer] Ktoś nowy. [Marek Domański] Kyberiade. Cyberiada. [Stanisław Lem] Landhaus mit Damen. → Haus der Frauen. Leb wohl, Judas. Żegnaj, Judaszu. [Ireneusz Iredyński] Lebenskünstler. Lustspiel frei nach „Der dunkle Punkt“ von G. Kadelburg und R. Presber. Kuglarze. [Zdzisław Skowroński] Lullek. Der Narr und die anderen. Wariat i inni (auch: Głupiec i inni) [Jerzy Broszkiewicz] Mädchenschwüre. Śluby panieńskie czyli Magnetyzm serca. [Aleksander Fredro] Mann und Frau. Mąż i żona. [Aleksander Fredro] Märchen vom verzauberten Ahorn. Baśń o zaklętym jaworze. [Maria Kann] Maria. (auch: Marija / Maria oder Die unbewußte Wiedergutmachung) Maria albo Mimowolne odkupienie. [Ireneusz Iredyński] Modernes Krippenspiel. / Krippenspiel modern. (Stille Nacht). Jasełka moderne. [Ireneusz Iredyński] Moralnosć knjenje Dulskeje. (sorbisch) → Die Moral der Frau Dulska. (auch: ...Dulski) Nachtdienst. Ostry dyżur. [Jerzy Lutowski] Nächtliche Erzählung. Nocna opowieść. [Krzysztof Choiński] Niemand. / Kreation. Kreacja. [Ireneusz Iredyński] Nixen und Hexen oder Die grüne Pille. Nadobisnie i koczkodany. [Stanisław Ignacy Witkiewicz (Witkacy)] Nochmal von vorn. Drugie danie. [Sławomir Mrożek] Öffne die Tür. Otwórz drzwi. [Krzysztof Choiński] Operation Sodom oder Der neunte Gerechte. → Der neunte Gerechte. Operette. Operetka. [Witold Gombrowicz] Ortega. Ortega. [Adam Tarn] Polnisches Begräbnis. Pogrzeb po polsku. [Tadeusz Różewicz] Porträt. Portret. [Sławomir Mrożek] Racket Baby. → Der Kynologe am Scheideweg. Raskolnikoff. Zbrodnia i kara. [Adam Hanuszkiewicz / Zygmunt Hübner]
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Richard muß dran glauben. Trutnie i kobiety. [Marek Domański] Séance. Seans. [Ireneusz Iredyński] Skandal in Hellberg. Skandal w Hellbergu. [Jerzy Broszkiewicz] Solche Zeiten. Takie czasy. [Jerzy Jurandot] Striptease. Strip- tease. [Sławomir Mrożek] Tango. Tango. [Sławomir Mrożek] Terroristen. Terroryści. [Ireneusz Iredyński] Thermidor [Original dt.] Thermidor. [Stanisława Przybyszewska] Totenfeier → Ahnenfeier Trans–Atlantik. Trans–Atlantyk. [Witold Gombrowicz] Und wenn du König, und wenn du Henker bist. A jak królem, a jak katem będziesz. [Tadeusz Nowak] Verteidigung der Xantippe. Obrona Ksantypy. [Ludwik Hieronim Morstin] Watzlaff. Vatzlav. [Sławomir Mrożek] Weiße Ehe. Białe małżeństwo. [Tadeusz Różewicz] Wenn er nicht da ist. Skoro go nie ma. [Tadeusz Peiper] Wopor pokaza mordarja. (sorbisch) [wörtl. Das Opfer zeigt den Mörder]. Ofiara wskaże mordercę. [Zofia Bystrzycka] Yvonne, Prinzessin von Burgund. (auch: Yvonne, die Burgunderprinzessin). Iwona, księżniczka Burgunda. [Witold Gombrowicz] Zabawa. Zabawa. [Sławomir Mrożek] Zanksucht und Rechthaberei. Zrzędność i przekora. [Aleksander Fredro] Zbožo na připokaz. (sorbisch) [wörtl. Glück auf Zuweisung.] Metraż szczęścia. [Bronisław Broński] Zu Fuß. Pieszo. [Sławomir Mrożek]
Stücke, von denen kein polnischer Titel eruiert werden konnte oder keiner existiert Ankunft Quai Vier. [Janusz Wiśniewski] Der Teufel schläft nicht. [Antoni Marianowicz] Ludwig – Tod eines Königs. [Nach Klaus Mann, Vergittertes Fenster (1937)] [Krzysztof Warlikowski] Man liest kein fremdes Tagebuch. [Maurycy Janowski] Pěseń wo zmužitym Sprejniku. (sorbisch) [wörtl. Das Lied vom tapferen Sprejnik]. [Barbara Kmicic] [vermutlich O tym jak Staszek niebiesówdlaśpiących rycerzy zbójował] Prinzessin Bluejeanella oder Was der Drache zum Fressen gern hat. [Maciej Wojtyszko]
Polnisch – deutsch (sorbisch) A jak królem, a jak katem będziesz. Und wenn du König, und wenn du Henker bist. [Tadeusz Nowak] Akt przerywany. Der unterbrochene Akt. [Tadeusz Różewicz] Ambasador. Der Botschafter. [Sławomir Mrożek] Antygona w Nowym Jorku. Antigone in New York. [Janusz Głowacki] Apetyt na czereśnie. Romans z życia sfer normalnych. Appetit auf Frühkirschen. / Apetit na wišnje. (sorbisch) [Agnieszka Osiecka] Awans. Aufschwung oder Das Paradies. [Edward Redliński] Bal manekinów. (auch: Bal lalek) Ball der Puppen. / Ball der Mannequins. [Bruno Jasieński]
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Polnische Dramen in Deutschland (1945–1995)
Ballada o Kasi i drzewie. Katja und der Baum. [Andrzej Maleszka] Baśń o zaklętym jaworze. Märchen vom verzauberten Ahorn. [Maria Kann] Benia Krzyk. Opowieść filmowa wg Isaaka Babela. Benja der König. Stück, frei nach Isaak Babel. [Jerzy Pomianowski] Bezimienne dzieło. Das namenlose Werk. [Stanisław Ignacy Witkiewicz (Witkacy)] Białe małżeństwo. Weiße Ehe. [Tadeusz Różewicz] Chłopcy. Alte Jungen. / Die Jungs. Ein Drama aus der Lebenssphäre der Älteren. / Golcy. (obersorbisch) / Hólcy. (niedersorbisch) [Stanisław Grochowiak] Ciemności kryją ziemię Finsternis bedeckt die Erde. [Jerzy Andrzejewski] Cudzołóstwo ukarane. Bestrafter Ehebruch. [Janusz Głowacki] Cyberiada. Kyberiade. [Stanisław Lem] Czarowna noc. Eine wundersame Nacht. [Sławomir Mrożek] Człowiek z głową. Ein Mann mit Köpfchen. [Janusz Warmiński] Czysta miłość. Nowela filmowa. Die reine Liebe. [Ireneusz Iredyński] Dacza. Die Datsche. [Ireneusz Iredyński] Damy i huzary. Damen und Husaren. [Aleksander Fredro] Dante. Dante. [Józef Szajna] Dolina tysiący brzuchów. → Wojna chłopska. Dom kobiet. Haus der Frauen. [Zofia Nałkowska] Dom na granicy. Das Haus auf der Grenze. [Sławomir Mrożek] Dożywocie. Die Lebensrente. [Aleksander Fredro] Drugi pokój. Das andere Zimmer. [Zbigniew Herbert] Drugie danie. Nochmal von vorn. [Sławomir Mrożek] Dziady. Ahnenfeier. / Totenfeier. [Adam Mickiewicz] Dziewiąty sprawiedliwy. Der neunte Gerechte. (auch: Operation Sodom oder Der neunte Gerechte) [Jerzy Jurandot] Emigranci. Emigranten. [Sławomir Mrożek] Faryzeusze i grzesznik . Die Pharisäer und der Sünder. [Jerzy Pomianowski / Małgorzata Wolin] Ferdydurke. Ferdydurke. [Witold Gombrowicz] Freuda teoria snów. Freuds Traumtheorie. [Antoni Cwojdziński] Garbus. Buckel. [Sławomir Mrożek] Godzina szczytu. Fehldiagnose. [Jerzy Stefan Stawiński] Grupa Laokoona. Die Laokoongruppe. [Tadeusz Różewicz] Gulgutiera. Gulgutiera... bis wir den Atem verlieren. [Józef Szajna / Maria Czanerle] Gwiazda. Die Kleider. (Der Star). [Helmut Kajzar] Gyubal Wahazar czyli Na przełęczach bezsensu. Gyubal Wahazar oder Auf den Passhöhen des Unsinns. / Gyubal Wahazar oder Im Engpass des Unsinns. [Stanisław Ignacy Witkiewicz (Witkacy)] Hallo, Freddie. Hallo, Freddy! [Maciej Słomczyński] Historia. Geschichte. [Witold Gombrowicz] Historya o chwalebnym zmartwychwstaniu Pańskim. Das Spiel von der Auferstehung [Mikołaj z Wilkowiecka] Ich czworo. Dummheit im Quadrat. [Gabriela Zapolska] Imieniny pana dyrektora. Der Geburtstag des Direktors. [Zdzisław Skowroński / Józef Słotwiński] Imiona władzy. Die Namen der Macht. [Jerzy Broszkiewicz] Indyk. Der Truthahn. [Sławomir Mrożek] Iwona, księżniczka Burgunda. Yvonne, Prinzessin von Burgund. (auch: Yvonne., die Burgunderprinzessin) [Witold Gombrowicz]
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Jasełka moderne. Modernes Krippenspiel. / Krippenspiel modern. (Stille Nacht). [Ireneusz Iredyński] Jaskinia filozofów. Die Höhle der Philosophen. [Zbigniew Herbert] Jeleń. Der Hirsch. [Sławomir Mrożek] Juliusz i Ethel. Julius und Ethel. [Leon Kruczkowski] Karol. Karol. (auch: Karl) [Sławomir Mrożek] Kartoteka. Die Kartei. / Die Kartothek. [Tadeusz Różewicz] Klatka czyli Zabawa rodzinna. Der Käfig oder Das Familienspiel. [Bohdan Drozdowski] Klub Kawalerów. Klub nježenjencow (sorbisch) [wörtl. Der Junggesellenklub]. [Michał Bałucki] Kobieta w trudniej sytuacji. Katharina in der Klemme. [Marek Domański] Kochanek – to ja! Ich liebe dich! (auch: I love you!) [Roman Niewiarowicz] Kończmy tę wojnę czyli Ballada o rybaku Karpie Antonim. Die Ballade vom Fischer Antonim Karpfen. [Jerzy Janicki ] Kondukt. Der Leichenzug. / Der Trauerzug. [Bohdan Drozdowski] Kongres futurologiczny. Der futurologische Kongreß. [Stanisław Lem] Koniec księgi szóstej. Das Ende des sechsten Buches. [Jerzy Broszkiewicz] Kontrakt. Ein Vertrag. (auch: Der Vertrag) [Sławomir Mrożek] Kopciuch. Aschenkinder. [Janusz Głowacki] Krawiec. Der Schneider. [Sławomir Mrożek] Kreacja. Niemand. / Kreation. [Ireneusz Iredyński] Ktoś nowy. Kukula. (Auch mit dem Zusatz: Ein Neuer) [Marek Domański] [Kuglarze.] Lebenskünstler. Lustspiel frei nach „Der dunkle Punkt“ von G. Kadelburg und R. Presber. [Zdzisław Skowroński] Kurka wodna. Das Wasserhuhn. [Stanisław Ignacy Witkiewicz (Witkacy)] Kynolog w rozterce. Der Kynologe am Scheideweg. / Racket Baby. [Sławomir Mrożek] Lalkarz. Der Puppenspieler. [Henryk Jurkowski] Letni dzień. Ein Sommertag. [Sławomir Mrożek] Licytacja Die Versteigerung. [Jarosław Abramow] Lis. Fuchsquartett. [Sławomir Mrożek] Mała apokalipsa. Die polnische Apokalypse. [Tadeusz Konwicki / Krystyna Meissner] Manekiny. Das Gastmahl der Schmarotzer. [Zbigniew Rudziński] Maria albo Mimowolne odkupienie. Maria. (auch: Marija) / Maria oder Die unbewußte Wiedergutmachung] [Ireneusz Iredyński] Matka. Die Mutter. [Stanisław Ignacy Witkiewicz (Witkacy)] Maturzyści. Abiturienten. [Zdzisław Skowroński] Mątwa czyli Hyrkaniczny światopogląd. Der Tintenfisch oder Die Hyrkanische Weltanschauung. [Stanisław Ignacy Witkiewicz (Witkacy)] Mąż i żona. Mann und Frau. [Aleksander Fredro] Metraż szczęścia. Zbožo na připokaz (sorbisch) [wörtl. Glück auf Zuweisung.]. [Bronisław Broński] Milczenie. Das Schweigen. [Roman Brandstaetter] Miłosierdzie płatne zgóry [Teil von Markiza de Villers] / Die Marquise de Villers. [Krzysztof Zanussi / Edward Żebrowski] Moralność pani Dulskiej. Die Moral der Frau Dulska. (auch: ... Dulski) / Moralnosć knjenje Dulskeje. (sorbisch) ] [Gabriela Zapolska] Na czworakach. Auf allen vieren. [Tadeusz Różewicz] Na pełnym morzu. Auf hoher See. [Sławomir Mrożek] Na szkle malowane. Auf Glas gemalt. [Ernest Bryll und Katarzyna Gaertner [Komponistin]] Nadobisnie i koczkodany. Nixen und Hexen oder Die grüne Pille. [Stanisław Ignacy
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Polnische Dramen in Deutschland (1945–1995)
Witkiewicz (Witkacy)] Nie- boska komedia. Die ungöttliche Komödie. (auch: Die nicht göttliche Komödie.) [Zygmunt Krasiński] Niech sczezną artyści. Die Künstler sollen krepieren [Tadeusz Kantor] Niemcy. Die Sonnenbruchs. / Die Sonnenbrucks. [Leon Kruczkowski] Noc listopadowa. Die Novembernacht. [Stanisław Wyspiański] Nocna opowieść. Nächtliche Erzählung. [Krzysztof Choiński] Obrona Ksantypy. Verteidigung der Xantippe. [Ludwik Hieronim Morstin] Odejście głodomora. Der Hungerkünstler geht. / Abgang des Hungerkünstlers. [Tadeusz Różewicz] Odezwa na murze. Aufruf an der Mauer. [Anna Świrszczyńska] Ofiara wskaże mordercę. Wopor pokaza mordarja (sorbisch) [wörtl. Das Opfer zeigt den Mörder]. [Zofia Bystrzycka] Oni. Die da! / Jene. [Stanisław Ignacy Witkiewicz (Witkacy)] Operetka. Operette. [Witold Gombrowicz] Ortega. Ortega. [Adam Tarn] Ostatnie piętro. Das letzte Stockwerk. [Jerzy Przeździecki (George Predeki)] Ostry dyżur. Nachtdienst. [Jerzy Lutowski] Otwórz drzwi. Öffne die Tür. [Krzysztof Choiński] Pan Geldhab. Herr Geldhab. [Aleksander Fredro] Pan Jowialski. Die Familie Jowialski. [Aleksander Fredro] Panna Maliczewska. Fräulein Maliczewska. (auch: Das bezaubernde Fräulein.) [Gabriela Zapolska] Pierwszy dzień wolności. Der erste Tag der Freiheit. [Leon Kruczkowski] Pieszo. Zu Fuß. [Sławomir Mrożek] Pociąg do Marsylii. [Der] Zug nach Marseille. [Krzysztof Gruszczyński] Pogrzeb po polsku. Polnisches Begräbnis. [Tadeusz Różewicz] Policja. Die Polizei. Drama aus der Sphäre der Gendarmen. / Die Polizei. Drama aus dem Gendarmenmilieu. [Sławomir Mrożek] Popiół i diament. Asche und Diamant. [Jerzy Andrzejewski] Popioły. Asche. [Andrzej Sadowski] Portret. Porträt. [Sławomir Mrożek] Profeci. → Testarium. Przed sklepem jubilera. Der Laden des Goldschmieds. [Karol Wojtyła (Pseud.: Andrzej Jawień)] Przygoda z Vaterlandem. Das Abenteuer mit dem Vaterland. [Leon Kruczkowski] Pułapka. Die Falle. / Falle. [Tadeusz Różewicz] Racket- baby. [vgl. Kynolog w rozterce] Racket Baby. [Sławomir Mrożek] Rozmowy z diabłem. Gespräche mit dem Teufel. Acht Diskurse über das Böse. [Leszek Kołakowski] Rozmowy z katem. Gespräche mit dem Henker. [Kazimierz Moczarski] Rozwód. Die Scheidung. [Jerzy Stefan Stawiński] Rzeźnia. Der Schlachthof. [Sławomir Mrożek] Seans. Séance. [Ireneusz Iredyński] Skandal w Hellbergu. Skandal in Hellberg. [Jerzy Broszkiewicz] Skoro go nie ma. Wenn er nicht da ist. [Tadeusz Peiper] Ślub. Die Trauung. [Witold Gombrowicz] Śluby panieńskie czyli Magnetyzm serca. Mädchenschwüre. [Aleksander Fredro] Śmierć gubernatora. Der Tod des Gouverneurs. [Leon Kruczkowski] Śmieszny staruszek. Der komische Alte. [Tadeusz Różewicz]
Anhang
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Sprawa Dantona. Danton (auch: Die Sache Danton) [Stanisława Przybyszewska] Stara kobieta wysiaduje. Die alte Frau brütet. [Tadeusz Różewicz] Strip- tease. Striptease. [Sławomir Mrożek] Sumienie. Das Gewissen. [Józef Lenart] Świadkowie albo Nasza mała stabilizacja. Die Zeugen oder Unsere kleine Stabilisierung. [Tadeusz Różewicz] Szafa . Der Schrank. (Bearbeitung von W małym dworku.) [Stanisław Ignacy Witkiewicz (Witkacy) / Tadeusz Kantor] Szczęśliwe wydarzenie. Ein freudiges Ereignis. [Sławomir Mrożek] Szewcy. Die Schuster. [Stanisław Ignacy Witkiewicz (Witkacy)] Takie czasy. Solche Zeiten. [Jerzy Jurandot] Tango. Tango. [Sławomir Mrożek] Terroryści. Terroristen. [Ireneusz Iredyński] Testarium. (auch: Profeci) Die Propheten. [Sławomir Mrożek] Thermidor. Thermidor [Original dt.] [Stanisława Przybyszewska] Trans–Atlantyk. Trans–Atlantik. [Witold Gombrowicz] Trutnie i kobiety. Richard muß dran glauben. [Marek Domański] Tysiąc walecznych. Die tausend Tapferen. (auch: Die Belastungsprobe.) [Jan Rojewski] Vatzlav. Watzlaff. [Sławomir Mrożek] W małym dworku. Im kleinen Landhaus. [Stanisław Ignacy Witkiewicz (Witkacy)] Wariat. Der Verrückte. [Jerzy Przeździecki (George Predeki)] Wariat i inni (auch: Głupiec i inni) Lullek. Der Narr und die anderen. [Jerzy Broszkiewicz] Wariat i zakonnica czyli Nie ma złego co by na jeszcze gorsze nie wyszło. Der Narr und die Nonne oder Nichts Schlechtes, das nicht noch schlechter sein könnte. [Stanisław Ignacy Witkiewicz (Witkacy)] Wesele. Die Hochzeit. [Stanisław Wyspiański] Wielki Fryderyk. Der Große Friedrich. [Adolf Nowaczyński] Wierny robot. Der getreue Roboter. [Stanisław Lem] Wojna chłopska. (auch: Dolina tysiący brzuchów) Das Tal der tausend Bäuche. [Jonasz Kofta] Wyprawa po zielony metal czyli Baśń o nowym bohaterze. Das grüne Metall. [Jerzy Jesionowski] Wyprawa profesora Tarantogi. Die Forschungsreise des Professors Tarantoga. [Stanisław Lem] Wyszedł z domu. Er ging aus dem Haus. [Tadeusz Różewicz] Zabawa. Zabawa. [Sławomir Mrożek] Żabusia. Die kleine Kröte. [Gabriela Zapolska] Zbrodnia i kara. Raskolnikoff. [Adam Hanuszkiewicz / Zygmunt Hübner] Żegnaj, Judaszu. Leb wohl, Judas. [Ireneusz Iredyński] Zemsta. Die Rache. / Die Rache des Verschmähten. [Aleksander Fredro] Zielona gęś. Najmnieszy teatr świata. Die grüne Gans. Pseudostücke. / Die grüne Gans. Das kleinste Theater der Welt. [Konstanty Ildefons Gałczyński] Zrzędność i przekora. Zanksucht und Rechthaberei. [Aleksander Fredro] Zwykła sprawa. Ein gewöhnlicher Fall. [Adam Tarn] Żywot Józefa [...] Das Leben Josephs. [Mikołaj Rej]
Stücke, von denen kein Übersetzungstitel eruiert werden konnte oder keiner existiert Król Dawid [wörtl. König David] [Fragment] [Helmut Kajzar] Parady [wörtl. Paraden] [Jan Potocki] Słońce krąży wokół ziemi. [wörtl. Die Sonne dreht sich um die Erde] [Andrzej Wydrzyński] Straszny smok. [wörtl. Der schreckliche Drache] [M. Staropolski]
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Polnische Dramen in Deutschland (1945–1995)
c. Namenverzeichnis Abramow, Jarosław 16, 27, 90, 129 Adamov, Arthur 50 Adenauer, Konrad 234 Ahrendt, Hans 242, 244 Altendorf, E. 198 Andrzejewski, Jerzy 27, 29, 34, 41, 57–60, 248 Anouilh, Jean 234 Antosch, G. 72, 220 Appelt, W. 174 Aristophanes 236 Arps, Wolfgang 65 Axer, Erwin 34–36, 51, 170 Baal, Karin 249 Babicki, Krzysztof 35 Baierl, Helmut 70 Ball, Peter 16, 89, 105, 137, 153, 163, 176 Bałucki, Michał 43, 252 Baranowska, M. 195 Baranowski, Henryk 34 Bardini, Aleksander 34 Barlog, Boleslaw 196, 211 Barth, Bernd–Rainer 169 Barthel, M. 171 Bauer, Sibylle 22, 83, 110, 112, 124f., 156f. Bayerdörfer, Hans–Peter 23, 39, 211, 224, 228, 232, 254 Beckett, Samuel 19, 50f., 67, 195, 200, 202, 206, 213–216, 234, 241 Bellmann, G. 217 Bereska, Henryk 19, 58, 76, 82, 85, 87f., 94, 96, 102–110, 115, 117f., 122, 129, 131– 141, 146–148, 150, 154f., 157–159, 206f., 216 Bergmann, Ingmar 71, 243 Bergmann, Kathrin 184 Berndt, H. 177 Bernhard, Thomas 239, 243f. Biczycki, Jan 35, 51, 242, 244 Biergann, A. 61 Bildt, Paul 166 Bleicherówna, Danuta 34 Bleisch, E.G. 66 Błoński, Jan 177, 179 Blossey, Petra 218 Bock, Gabriele 108
Boll, Ilka 16, 30, 40, 82, 85, 88, 94, 96, 100, 102, 104, 106–108, 111f., 117f., 129, 131f., 135–137, 139f., 144–146, 151, 157, 205– 208, 214 Bondy, François 240, 247 Bondy, Luc 243 Borchert, Wolfgang 210, 246 Brandstaetter, Roman 57, 62f. Brätz, Jolanta / Herwig 84, 91, 100, 107, 116f., 119, 130, 143, 152 Braun, Kazimierz 34, 37, 41f., 58, 206, 208, 218, 253 Brecht, Bertolt 60, 68, 142, 198f., 208, 211, 215, 230, 233f., 237, 253f. Broich, Ulrich 12 Bröder, F.J. 244 Broński, Bronisław 25 Broszkiewicz, Jerzy 25, 55, 231 Bryll, Ernest 73 Bulgakov, Michail 181 Burkhardt, J. 37, 250 Burkot, Stanisław 206 Buschkiel, Jürgen 188, 190 Buschmann, Roswitha 16, 85, 100, 104, 107, 144 Bußmann, Hadumod 134 Buszewicz, Andrzej 42 Bystrzycka, Zofia 43 Calderón, Pedro 245 Calé, S. 75 Camus, Albert 58, 197 Canaris, Volker 201f. Carstens, Lina 249 Castorf, Frank 48 Conrad, Jan 240, 243 Copeau, Jaques 57 Corti, Axel 213 Cwojdrak, G. 219 Cwojdziński, Antoni 48f. Cybulski, Zbigniew 42 Czapliński, P. 192, 194 Czaschke, Walter 242 Czechowicz, J. 74 Czechowski, Heinz 42, 87, 1068 140, 149 Czerwiński, Edward J. 91
Anhang da Vinci, Leonardo 80 Dąbrowski, Mieczysław 122, 155 Dannecker, Hermann 188 Dante Alighieri 41, 67, 103, 106 Dedecius, Karl 82, 84, 87f., 91, 100, 106, 116f., 119, 130f., 133f., 138, 141, 143, 149f., 152, 157–150, 200 Dejmek, Kazimierz 27, 30, 34, 40f., 43, 58, 60f., 243, 248, 250 Dessau, Paul 199 Deszcz, Katarzyna 37 Diderot, Denis 68 Dieterle, William 211 Dittmar, Peter 52 Dobrowolski, Stanisław R. 124 Domański, Marek 67–71, 231, 249 Dorst, Tankred 210f., 239 Dostoevskij, Fedor 29, 34, 57f. Drewnowski, Tadeusz 90, 124, 205f., 216 Drozdowski, Bohdan 17, 27, 29, 57, 74–77, 91, 115, 129, 135, 137, 158, 227 Dultz, Susanne 222 Dürrenmatt, Friedrich 198f. Dutsch, Mikołaj 16, 19, 109, 118, 130, 133, 141 Ehrenburg, Il'ja 251 Ehrlich, L. 59 Emig–Könning, Christina 220 Engel, Wolfgang 181 Eo Plunien 203f. Erpenbeck, Fritz 53, 168–170, 172, 237 Esslin, Martin 50, 127, 196, 233–235, 239, 242, 253f. Estreicher, Stanisław 125 Eustachiewicz, Lesław 125f. Eyle, H.U. 170 Fieguth, Rolf 16, 86, 103, 116, 138, 140, 142, 153 Filipowicz, Halina 83, 112, 192, 195 Fischbach, U. 52 Fischer–Lichte, Erika 12, 64, 128, 151, 154 Fischer, Hannelore 237 Fischer, P.J. 220 Fix, U. 97 Fontheim, Joachim 208 Förster, Maria 31 Förster, W. 68 Franz, H. 73 Fredro, Aleksander 20, 34, 43–46, 69, 217
279 Frenzel, Elisabeth 79 Freud, Sigmund 48f., 219f. Fried, Erich 196 Funke, C. 215 Gałczyński, Konstanty Ildefons 17, 57, 84, 91, 99–101, 106f., 114, 116, 119, 130, 143, 146, 152 Galfert, Ilse 168, 251f. Gärtner, Katarzyna 73 Genet, Jean 181, 211 Genette, Gérard 12, 97f. Geng, Helmut 77 Gerlach, H. 72 Gerstmann, Stanisław 125 Gesemann, Wolfgang 79 Gierek, Edward 206 Giraudoux, Jean 198 Gleiß, J. 69 Gloßmann, Stefan 44 Godlewska, Joanna 64 Goethe, Johann Wolfgang 99f., 103, 107 Goldoni, Carlo 36, 100, 103 Gombrowicz, Witold 13, 16, 26, 31, 47, 51, 54, 56–58, 85f., 99, 102f., 111, 113, 116, 138, 140, 142f., 153, 161f., 208, 219, 222, 225, 228f., 232, 239–247, 250, 255 Gomułka, Władysław 176, 206 Gor'kij, Maksim 23 Gorvin, Joana Maria 249 Grack, Günther 187 Grell, O. 71 Griboedov, A.S. 11 Grillparzer, Franz 245 Grochowiak, Stanisław 17, 32, 43, 94, 117, 131, 136 Grodzicki, August 19, 36, 41 Gröndahl, Friedrich 61 Grotewohl, Otto 173 Grotowski, Jerzy 33, 36, 216 Gruda, Józef 35, 43 Grunddek, H. 31 Gruszczyński, Krzysztof 24, 56 Grzegorzewski, Jerzy 36, 254 Grzyb, Georg Werner 16, 102, 106f., 131, 133, 154, 156 Gustmann, E. 70 Hacks, Peter 236 Hadamczik, Dieter 251 Haiduk, Dr. M. 45
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Polnische Dramen in Deutschland (1945–1995)
Hamburger, Maik 74 Hanck, F. 77 Handke, Peter 75, 239 Hannuschke, K. 72 Hansen–Kokoruš, Renate 21 Hanuszkiewicz, Adam 29, 34, 36f., 44, 58, 206, 221f. Harder, Klaus 58 Hartmann, Heinz 172 Has, Jerzy 42 Havel, Václav 239 Heine, Heinrich 103, 111 Hellberg, Martin 166 Henrichs, Benjamin 243 Herbert, Zbigniew 13, 17, 27, 57, 94f., 119, 136, 161, 187, 192–205, 207, 218 Herrmann, Gottfried 172, 174 Hiller, Karl Horst 74f., 115, 129, 135, 137, 158 Hilmar, B. 73 Hilpert, K. 216 Hochhut, Rolf 65 Hoeft, Matthias 183 Hofmann, Dr.H 174 Höllerer, Walter 192, 207, 242 Holthuis, Susanne 98 Holzschuher, Horst 16, 89, 137, 153, 163 Homer 198 Horney, Brigitte 249 Hortmann, W. 74 Horváth, Ödön von 152 Hotzel, C. 211 Hübner, Zygmunt 16, 58, 64f., 123, 176 Ibsen, Henrik 100, 103, 227 Ihering, Herbert 170 Ingarden, Roman 10, 54, 80f., 148, 196, 228, 230 Ionesco, Eugéne 50, 241 Iredyński, Ireneusz 13, 17–21, 26, 28f., 31, 34, 57, 88, 93f., 96, 105, 115, 119f., 131, 135– 137, 155–158, 161, 180–188, 190f., 216 Irmer, Thomas 193 Iwaszkiewicz, Jarosław 163 Janke, Jutta 88, 93, 100, 104, 121, 136, 199, 206 Jarmułowicz, M. 74 Jarocki, Jerzy 34, 36f., 243 Jarry, Alfred 50 Jelenski, Constantin 247 Juhre, A. 199
Jurandot, Jerzy 56 Jurgons, Gert 70 Kaczyńska, Jadwiga 168 Kafka, Franz 82, 88, 102f., 108–110, 113, 122, 138, 155 Kajzar, Helmut 29, 34, 57 Kalisch, E. 64 Kaltofen, G. 23, 251 Kamiński, Zbigniew 175 Kantor, Tadeusz 18f., 31, 33, 36f., 50, 85, 109, 135, 232 Kapolka, Gerard T. 86, 126 Kapuściński, Ryszard 74 Kelm, Kurt 108, 136, 140 Kelner, Jerzy 249 Kenan, Amos 210 Kerndl, R. 218 Kielmannsegg, Peter Graf 167 Kierkegaard, Søren 83 Kilty, Jerome 70 Kipphardt, Heiner 46, 65 Kirsch, Sarah 72 Klaren, Georg C. 174 Klein, J. 97 Klemperer, Victor 174 Klenzl, F. 171 Klingner, Günther 178 Klotz, Volker 242f., 246 Kmicic, Barbara 43 Knauth, Ingeborg 238 Kneip, Heinz 22, 207, 235 Kochta, K. 213 Kofta, Jonasz 220, 229 Kolińska, K. 48 Konkowski, Andrzej 121f. Konwicki, Tadeusz 58 Konwitschny, Peter 67 Kortner, Fritz 242f. Kośny, Witold 10, 93, 104, 107, 110, 121 Kossakowska, Lusja 48 Kott, Jan 240 Kowalska, Urszula 95, 114 Krajewska, A. 194 Kranz, D. 217 Krasiński, Zygmunt 29, 42, 228 Kraszewski, Ch. 202 Krecek, W. 72 Kreuzer, Helmut 53, 60 Kriese, Irene 229
Anhang Kristeva, Julia 98 Kröplin, Wolfgang 48, 125, 138, 178f., 226, 237 Kruczkowski, Leon 13, 16f., 23–26, 35, 38, 45f., 56, 63, 66, 89f., 96, 104f., 113, 123, 137, 153, 161–164, 166–171, 173–179, 186, 217, 231 Kuczyński, K.A. 193, 225 Kuhn, Otto 242 Kühn, Dieter 16, 64f., 123 Kühn, Gertrud / Udo 34 Kuhnke, Ingrid 163, 225, 251 Kunstmann, Heinrich 16, 18f., 88, 115, 120f., 129, 136f., 154f., 193f., 199, 241 Lachmann, Peter 16, 102f., 106–108, 110, 122, 131–133, 138, 146f., 154f., 216 Lam, Andrzej 122 Lampe, Günther 61 Lange, Ernst 174 Langemeyer, Peter 37, 109, 248, 254 Langhoff, Wolfgang 166 Laskowska, Wanda 208 Lauer, Reinhard 79 Lauterbach, Konstanze 222 Lavelli, Jorge 241–243, 246, 250 Lehmann, Hans–Georg 166 Leisegang, H. 61, 204 Lem, Stanisław 19, 22, 31 Lemmermeier, Doris 22f., 257 Łempicka, Aniela 125 Lempp, Albrecht 37, 248 Leopold, Georg 251 Lépi, E. 176f. Lessing, Gotthold Ephraim 68, 112, 166 Leyko, Małgorzata 199, 211, 254 Ligocka, Roma 51 Lindemann, R. 51, 203 Linzer, Martin 30, 41, 43, 49, 55, 67, 178, 217, 219, 226, 231, 238–240, 248 Lohner, Helmuth 242 Loose, Adolf 251 Lorca, Federico García 234 Lorenz, Sabine 109, 178 Lotman, Jurij M. 79f. Luft, Friedrich 226 Lutowski, Jerzy 56, 231 Luyken, Sonja 75, 177, 200, 203f., 210 Mahlow, Dietrich 19 Maleszka, Andrzej 31
281 Maciąg, Włodzimierz 73, 193 Mæterlinck, Maurice 227 Majakovskij (Majakowsky), Vladimir 62f. Majchrowski, Zbigniew 206 Malzacher, Werner W. 213 Mann, Klaus 37, 58 Margowski, Andrzej 66 Markiewicz, Henryk 106 Marks, Malte 219 Martin, F. 45 Marx, Agnieszka 241, 245 Marx, Karl 203f. Matejko, Jan 125 Mechling, A. 216 Medek, Tilo 71f. Meinecke, Eva Maria 249 Meissner, Krystyna 34, 213 Meltke, Martin 218, 237 Mennemeier, Franz Norbert 154 Meyer, H. 71 Michaelis, Rolf 243, 248f. Michelangelo (Michelangelo di Lodovico Buonarroti Simoni) 111 Mickiewicz, Adam 30, 41f., 84, 99f., 228 Middell, Dr. E. 72 Mika, Viktor 28, 45, 89, 96, 105, 115f., 130f., 141, 144f., 176 Mikołaj z Wilkowiecka 40 Minc, Tadeusz 35, 212f. Minks, Wilfried 239 Misterek, Susanne 21, 26, 33, 163, 207, 211, 239, 244, 249 Mittenzwei, Werner 22, 68, 206, 235–237 Młynk, J. 43 Mochnacki, Maurycy 112 Moczarski, Kazimierz 17, 31, 34, 57, 62, 64– 67, 114, 123, 127, 153, 232 Molière, Jean–Baptiste 44f. Möring (Matusiak–Möring), Izabela 126 Morstin, Ludwik Hieronim 47, 49 Mortimer, John 70 Mozart, Wolfgang Amadeus 110f. Mrożek, Sławomir 16f., 26f., 28–32, 34f., 37f., 51, 56f., 74, 92–94, 99, 104, 110, 113, 120–122, 137, 154, 161f., 176, 182, 207f., 222, 225, 227f., 230, 233–239 Müller, C. 179 Müller, Heiner 239 Müller–Ott, Dorothea 36
282 Nagel, Ivan 210, 241 Nałkowska, Zofia 17, 28, 47, 95f., 114–116, 130f., 141, 143, 248 Netolitzky, Reinhold 176 Neuenfels, Hans 243 Neukirchen, A. 62 Niehoff, K. 211, 246 Nieselska, Liliana 18, 118, 154 Nietzsche, Friedrich 103, 108f., 128, 141, 147 Niewiarowicz, Roman 24, 32, 47, 71 Niziołek, Grzegorz 217 Nosbers, Hedwig 222, 255 Nowaczyński, Adolf 48 Nowak, Tadeusz 58 Nowakowski, Tadeusz 37, 75, 212 Odrowąż(–Wysocki), Stefan 87, 108, 140, 149 Okopiński, Marek 35, 74, 177f. Olschok, Herbert 218, 238 Olschowsky, Heinrich 175, 207 Oraić Tolić, Dubravka 97f. Orłowski, Hubert 22 Osborne, John 75 Oscarsson, Per 175 Osiecka, Agnieszka 43, 67, 71, 73, 233 Osińska, K. 57 Paderewski, Ignacy Jan 152 Pasternak, Boris 62f. Paul, Fritz 99 Paulukat, Frank 182, 187 Pavlov, Ivan P. 49 Peiper, Tadeusz 47–49 Perlwitz, Dieter 76 Perten, Hanns Anselm 251 Pfister, Manfred 12, 80f., 97, 114f., 118, 120f., 128, 134, 139, 142 Philipp, Horst 189f. Pieck, Wilhelm 173 Pietzsch, I. 215, 219 Pilecki, Janusz von 18f., 105, 118, 120, 136, 154, 189 Pirandello, Luigi 234 Pitschmann, Birgitt 93, 96, 105, 115, 120, 131f., 137, 156–158 Piwińska, Marta 94f., 194, 197 Plach, Eva 126 Podraza–Kwiatkowska, Maria 135 Pohl, Annet 185 Polcuch, V. 176 Pomianowski, Jerzy 24, 56, 231
Polnische Dramen in Deutschland (1945–1995) Pörschmann, Jürgen 178 Potocki, Jan 42, 58 Prien, P. 174 Prus, Maciej 178 Przezdziecki, Jerzy 28 Przybyszewska; Stanisława 31, 47f. Przybyszewski, Stanisław 48 Pszoniak, Paul 136 Puzyna, Konstanty 91 Raffert, J.M. 176 Raszewski, Z. 30 Regber, H. 216 Reichenberger, S. 64, 66 Reinhardt, Max 166 Reismann, Dr. G. 221 Reiss, Ernst 163 Rej, Mikołaj 25, 40 Richter, Johannes 182 Riedl, Kelle 52, 235 Ringelband, W. 51 Rischbieter, Henning 241, 253 Robespierre, Maximilien de 48 Rojewski, Jan 45, 55 Romanowski, Andrzej 106 Rosenberg, Julius 228 Rosinek, V. 193 Rossmann, A. 219 Różewicz, Tadeusz 12f., 17, 19f., 26–28, 32, 35, 51, 56f., 69f., 82, 84, 88, 96, 100, 102f., 106–113, 122, 130–133, 135f., 138–140, 144–147, 151, 154–157, 161f., 176f., 182, 192, 196, 205–208, 210–220, 222, 225, 228, 233, 237–239 Rühle, Günther 226, 246 Ruhrberg, K. 209 Rydel, Lucjan 124 Rymarowicz, Caesar 82, 101, 108, 112, 136, 139, 199 Sachs, Hans 41 Sander, H.D. 23 Sartre, Jean–Paul 51, 177f. Sauerland, K. 199 Schab, G. 210 Schabenbeck–Evers, Jola 229 Schäfer, E.G. 168 Schdanow (Ždanov), A.A. 212 Schiller, Friedrich 72 Schimming, W. 211 Schirmer, Herbert 187
Anhang Schmid, Herta 11, 233 Schmid, Jochen 60 Schmidt–Mühlisch, L. 65 Schmidt, Günther 178 Schmidt, H. 61 Schmidt, J. 42, 61, 65 Schmidt(–Rothkoegel), Anna 50 Schmitt, H.–J. 56 Schnabel, Dieter 189 Schneider, K. 171 Schnell, Ralf 234f. Scholze, Dietrich 18, 22, 45f., 56f., 88, 115, 120, 136, 155f., 183, 189, 199, 206, 235, 251, 253 Schön, G. 208f. Schorlemmer, Uta 18f. Schröder, Ernst 243 Schuh, Oscar Fritz 243 Schultze, Brigitte 22f., 39, 99, 103, 109, 113, 118, 128–130, 134, 150, 153f., 228f., 253, 257 Schultze–Westrum, Edith 249 Schulze–Reimpell, W. 51, 202 Schumacher, Ernst 48 Schumann, Hubert 93, 104, 121 Schutte, Jürgen 80 Schwab–Felisch, Hans 61, 203, 226, 230, 242, Schwarz, Hans–Günther 81 Schweighöfer, Willy 174 Schwiefert, F. 168 Seitz, Rudolf 65 Seyfarth, Ingrid 41, 248 Shakespeare, William 54, 99f., 103, 106f., 202 Shaw, George Bernard 198 Siegl–Mickisch, Madeleine 187, 191 Simhandl, Peter 234 Simmgen, Hans–Georg 58, 60 Skowroński, Zdzisław 24, 231, 251 Skuszanka, Krystyna 36 Słomczyński, Maciej 56, 231, 251 Słotwiński, Józef 24, 231, 251 Słowacki, Juliusz 30, 41, 100f., 103, 228 Sobieski, Jan 152 Sokrates 197f., 203f. Solski,.Ludwik 43 Somplatzki, Herbert 41f. Sophokles 107, 112 Spinoza, Benedictus de 83 Staemmler, Klaus 193
283 Stalin, Josef W. 166, 205 Stammnitz, G. 170 Stanislavskij, Konstantin S. 57 Stawiński, Jerzy Stefan 58, 76, 233 Stein, Peter 229 Steltner, Ulrich 21 Stephan, Erika 46, 60 Stierle, Karlheinz 12, 97f. Stok, Zbigniew 33 Stone, M. 246 Strauß, Botho 239f. Strindberg, August 227, 245 Stroop, Jürgen 16f., 64f., 123, 127, 153 Sugiera, Małgorzata 94, 198f., 240, 243 Światłowska, Irena 225, 257 Swinarski, Konrad 36 Świrszczyńska, Anna 23, 56 Szajna, Józef 31, 36, 41f., 67 Szczygieł, Mariusz 74 Szydłowski, Roman 94, 115, 129, 131, 135 Tamms, Werner 75, 203 Tarn, Adam 24, 45, 56, 231 Taubmann, Horst 16, 18, 85, 102, 106f., 109, 131, 133, 135, 154, 156 Thieringer, Th. 52 Thomas, Dylan 195f. Tiel, Walter 16, 86, 116, 138, 140, 142, 153, 241 Tilburg, J.van 210, 212 Totzeva, Sophia 19 Träger, Claus 68 Trantow, Cordula 249 Trauth, V. 37 Treppmann, E. 228 Trippler, H.J. 62 Turk, Horst 12, 127, 151 Ubertowska, Aleksandra 162 Ulbricht, Walter 208, 235 Ulischberger, E. 59, 182, 186 Ullrich, H. 59, 212 Unger, Sabine 218 Vergil 103, 112 Veselovskij, A.N. 79f. Victor, W. 171 Vielhaber, G. 209, 242 Vogel, Christa 17, 28, 63, 82, 87, 93, 96, 104f., 107–109, 115f., 120f., 130–133, 135–137, 140f., 144f., 151, 155–158 Vormweg, Heinrich 47
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Polnische Dramen in Deutschland (1945–1995)
Wajda, Andrzej 35–37, 42, 48, 58, 64, 87, 108, 140, 229, 248 Walkhoff, Dr.H. 46 Wallmann, J.P. 221 Warlikowski, Krzysztof 32, 37, 58 Warning, Rainer 12, 97 Weise, G. 97 Weise, Joachim 184 Weiss, Peter 65, 246 Weißig, Bernd 239 Wendt, Ernst 250 Wickenburg, Erik G. 188 Wicki, Bernhard 243f. Wieck, Thomas 76, 238 Wilde, Erika 46, 252 Wilder, Thornton 193 Wilkening, Albert 175 Winkelgrund, Rolf 35, 217f. Winters, H.C. 213 Winterstein, Eduard von 174 Wirth, Andrzej 102f., 105, 120, 129, 136, 189, 214 Wiśniewski, Janusz 37, 232 Witkiewicz, Stanisław Ignacy (Witkacy) 16–19, 21, 27, 30, 33f., 41, 47, 50–53, 85, 92, 96, 99, 101–103, 105–109, 112f., 117f., 122,
127, 130–133, 135, 139f., 144, 147f., 151, 153f., 156, 162, 182, 225, 232, 235 Wittgenstein, Ludwig 196 Wohlgemuth, J. 65 Wolf, Christa 235 Wolicki, Krzysztof 90 Wolin, Małgorzata 24, 56, 231 Wróblewski, Jerzy 35, 48 Wyspiański, Stanisław 17, 34f., 37, 41f., 82, 86f., 101f., 106, 108, 112, 114, 122–125, 131, 133f., 138, 140f., 149f., 158f., 199, 227–229, 244 Wyszyński, Stefan 216 Zaborowska, Iwona 61 Zadek, Peter 211f., 253 Zanussi, Krzysztof 28, 249 Zapolska, Gabriela 20, 24, 29f., 43f., 46, 233, 236, 251 Zieger, U. 48 Ziems, Jochen 70 Ziermann, H. 222 Zimmer, Dieter E. 245f. Zimmerer, Ludwig 16, 121, 137, 154 Zimmermann–Göllheim, Irmtraut 19, 105, 109, 118, 130, 133, 141 Zumpe, Dieter 181, 185f.
d. Auswahlbibliographie Balk, Claudia: Jarockis Münchener Inszenierung von Stanisław Ignacy Witkiewicz' Die Mutter (1975) und ihre Rezeption. In: Polnisch–deutsche Theaterbeziehungen seit dem Zweiten Weltkrieg. Hrsg. von Hans–Peter Bayerdörfer et alii. Tübingen 1998, S. 169–180. Baranowska, Małgorzata: Radio jako osoba dramatu. In: Poznawanie Herberta. Hrsg. von A. Franaszek. Kr. 1998, S. 333–341. Bauer, Sybille: ‚Gespenster und Propheten‘. Das moderne polnische Drama auf den Bühnen der Bundesrepublik, Österreichs und der deutschsprachigen Schweiz. In: Die Rezeption der polnischen Literatur im deutschsprachigen Raum und die der deutschsprachigen in Polen 1945–1985. Hrsg. von Heinz Kneip und Hubert Orłowski. Darmstadt 1988, S. 125–138. Bauer, Sybille: Theorie und Praxis des Dramas bei Tadeusz Różewicz. (Magisterarbeit) Regensburg 1985.
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Polnische Dramen in Deutschland (1945–1995)
Wajda, Andrzej 35–37, 42, 48, 58, 64, 87, 108, 140, 229, 248 Walkhoff, Dr.H. 46 Wallmann, J.P. 221 Warlikowski, Krzysztof 32, 37, 58 Warning, Rainer 12, 97 Weise, G. 97 Weise, Joachim 184 Weiss, Peter 65, 246 Weißig, Bernd 239 Wendt, Ernst 250 Wickenburg, Erik G. 188 Wicki, Bernhard 243f. Wieck, Thomas 76, 238 Wilde, Erika 46, 252 Wilder, Thornton 193 Wilkening, Albert 175 Winkelgrund, Rolf 35, 217f. Winters, H.C. 213 Winterstein, Eduard von 174 Wirth, Andrzej 102f., 105, 120, 129, 136, 189, 214 Wiśniewski, Janusz 37, 232 Witkiewicz, Stanisław Ignacy (Witkacy) 16–19, 21, 27, 30, 33f., 41, 47, 50–53, 85, 92, 96, 99, 101–103, 105–109, 112f., 117f., 122,
127, 130–133, 135, 139f., 144, 147f., 151, 153f., 156, 162, 182, 225, 232, 235 Wittgenstein, Ludwig 196 Wohlgemuth, J. 65 Wolf, Christa 235 Wolicki, Krzysztof 90 Wolin, Małgorzata 24, 56, 231 Wróblewski, Jerzy 35, 48 Wyspiański, Stanisław 17, 34f., 37, 41f., 82, 86f., 101f., 106, 108, 112, 114, 122–125, 131, 133f., 138, 140f., 149f., 158f., 199, 227–229, 244 Wyszyński, Stefan 216 Zaborowska, Iwona 61 Zadek, Peter 211f., 253 Zanussi, Krzysztof 28, 249 Zapolska, Gabriela 20, 24, 29f., 43f., 46, 233, 236, 251 Zieger, U. 48 Ziems, Jochen 70 Ziermann, H. 222 Zimmer, Dieter E. 245f. Zimmerer, Ludwig 16, 121, 137, 154 Zimmermann–Göllheim, Irmtraut 19, 105, 109, 118, 130, 133, 141 Zumpe, Dieter 181, 185f.
d. Auswahlbibliographie Balk, Claudia: Jarockis Münchener Inszenierung von Stanisław Ignacy Witkiewicz' Die Mutter (1975) und ihre Rezeption. In: Polnisch–deutsche Theaterbeziehungen seit dem Zweiten Weltkrieg. Hrsg. von Hans–Peter Bayerdörfer et alii. Tübingen 1998, S. 169–180. Baranowska, Małgorzata: Radio jako osoba dramatu. In: Poznawanie Herberta. Hrsg. von A. Franaszek. Kr. 1998, S. 333–341. Bauer, Sybille: ‚Gespenster und Propheten‘. Das moderne polnische Drama auf den Bühnen der Bundesrepublik, Österreichs und der deutschsprachigen Schweiz. In: Die Rezeption der polnischen Literatur im deutschsprachigen Raum und die der deutschsprachigen in Polen 1945–1985. Hrsg. von Heinz Kneip und Hubert Orłowski. Darmstadt 1988, S. 125–138. Bauer, Sybille: Theorie und Praxis des Dramas bei Tadeusz Różewicz. (Magisterarbeit) Regensburg 1985.
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