Physikalische Therapie: Grundlagen - Methoden - Anwendung 9783110861709, 9783110099546


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German Pages 1017 [1020] Year 1987

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Table of contents :
Vorwort
Inhalt
Einführung
I. Allgemeine Grundlagen der Physikalischen Therapie
1. Stellung der Physikalischen Medizin (Therapie) in der Heilkunde
2. Definition der Physikalischen Therapie
3. Physikalisch-therapeutische Aufgaben der Krankenbehandlung
4. Wirkprinzipien der Krankenbehandlung
5. Funktionsübung als Prinzip der Physikalischen Therapie
6. Theoretische Begründung der Physikalischen Medizin
7. Eigenheiten der Physikalischen Therapie
II. Methoden der Physikalischen Therapie
1. Massagebehandlungen
2. Bewegungstherapie (Krankengymnastik)
3. Thermotherapie und Hydrotherapie
4. Elektrotherapie
5. Aerosoltherapie
6. Lichttherapie
7. Krankenbehandlung mit Heilquellen (Angewandte Balneologie)
8. Klimatherapie
III. Umfassende Krankenbehandlung durch Anwendung physikalisch-therapeutischer Prinzipien
1. Einführung in den klinischen Teil
2. Behandlung der Atemnot bei Erkrankungen der Lunge und der Atemwege
3. Physikalisch-therapeutische Verordnungen für Herzkranke
4. Behandlung der Krankheiten des Kreislaufes
5. Physikalisch-therapeutische Behandlung von Bewegungsbehinderungen
6. Physikalisch-therapeutische Behandlungen bei Gefäßleiden der Peripherie
7. Physikalisch-therapeutische Indikationen in den einzelnen Fachgebieten
Anhang
Richtlinien für die Auswahl, Gestaltung und Dosierung physikalisch-therapeutischer Verordnungen
Literatur
Glossar physikalisch-therapeutischer Begriffe
Sachregister
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Physikalische Therapie: Grundlagen - Methoden - Anwendung
 9783110861709, 9783110099546

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Wiedemann, Physikalische Therapie

Ernst Wiedemann

Physikalische Therapie Grundlagen - Methoden - Anwendung

W DE Walter de Gruyter G Berlin • New York 1987

Prof. Dr. med. Ernst Wiedemann Babenhäuser Landstr. 49 D-6000 Frankfurt a.M. - 70

Dieses Buch enthällt 193 Abbildungen und 47 Tabellen

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der Deutschen Bibliothek

Wiedemann, Ernst: Physikalische Therapie : Grundlagen - Methoden Anwendung / Ernst Wiedemann. - Berlin ; New York : de Gruyter, 1987. ISBN 3-11-009954-3

© Copyright 1987 by Walter de Gruyter & Co., Berlin 30. Alle Rechte, insbesondere das Recht der Vervielfältigung und Verbreitung sowie der Übersetzung, vorbehalten. Kein Teil des Werkes darf in irgendeiner Form (durch Photokopie, Mikrofilm oder ein anderes Verfahren) ohne schriftliche Genehmigung des Verlages reproduziert oder unter Verwendung elektronischer Systeme verarbeitet, vervielfältigt oder verbreitet werden. Printed in Germany. Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Handelsnamen, Warenbezeichnungen und dergleichen in diesem Buch berechtigt nicht zu der Annahme, daß solche Namen ohne weiteres von jedermann benutzt werden dürfen. Vielmehr handelt es sich häufig um gesetzlich geschützte, eingetragene Warenzeichen, auch wenn sie nicht eigens also solche gekennzeichnet sind. Satz: Appl, Wemding Druck: Gerike GmbH, Berlin Bindung: Lüderitz & Bauer GmbH, Berlin Umschlagentwurf: Rudolf Hübler, Berlin.

Vorwort Mit dem Vorwort zu diesem Buch erfüllt der Verfasser seine Verpflichtung: sich vorzustellen, seine Absicht darzulegen und seinen Lehrern Dank zu sagen. Die Absichtserklärung braucht etwas mehr Raum, den sie erst in der folgenden Einleitung findet. Das Buch ist der Ertrag einer mehr als 40jährigen ärztlichen Erfahrung in der Krankenbehandlung mit konservativen Heilmethoden. Ärztliche Erfahrung allein läßt sich kaum überzeugend weitergeben; sie ist auch für andere Ärzte ohne Wert, wenn sie nicht durch theoretische Begründungen in den Rang wissenschaftlicher Erkenntnisse oder wenigstens entsprechend begründeter Vorstellungen erhoben wird. Dies war die Richtschnur für die hier vorgelegte Darstellung. Die Grundlagen einer vorurteilslos kritischen Beurteilung medikamentöser Wirkungen erlernte der Verfasser in Assistenzjahren bei Professor P. Martini 1 , dem Begründer einer Methodenlehre der therapeutisch-klinischen Forschung. Nach den Kriegswirren galt das weitere ärztliche Handeln ganz dem speziellen Interesse an der Physikalischen Medizin. Das erste Jahrzehnt dieser Zeit war erfüllt von der Aufgabe, die seinerzeit weithin noch unterbewerteten physikalischtherapeutischen Heilweisen mit den medikamentös-internistischen Behandlungen in Einklang zu bringen. Die Möglichkeit ergab sich aus der glücklichen organisatorischen und personellen Vereinigung einer Medizinischen Universitätsklinik und -poliklinik mit einem Universitätsinstitut für Physikalische Therapie. Es war das Ziel, an dem Krankengut einer Großstadtklinik den Wert und gegebenenfalls die Überlegenheit einer Krankenbehandlung, die alle sich anbietenden chemischen und physikalischen Behandlungsprinzipien kombiniert, aufeinanderfolgend oder alternierend dem Kranken zukommen läßt, kritisch zu beobachten und mit klinisch-wissenschaftlichen Untersuchungsmethoden zu belegen. Diese Aufgabe wurde in den Lehrjahren stets mit Rat und Tat gefördert von Professor M. Gänssien 2 und in physikalisch-therapeutischen Fachfragen lebhaft unterstützt von Professor W. Amelung 3 . Die Kenntnis heilklimatischer Möglichkeiten, die, wie die Bäderbehandlung ein tragender Pfeiler der Physikalischen Medizin sind, reiften während einer mehrjährigen, selbständigen ärztlichen Tätigkeit an einem heilklimatischen Kurort im südlichen Schwarzwald. Schließlich bewährte und mehrte sich die ärztliche Erfahrung in der Führung einer Spezialklinik für Physikalische Medizin, die mit ihren Fachabteilungen für Innere Medizin, Neurologie und Orthopädie nahezu das ganze Spektrum ärztlicher Aufgaben bot, die der Physikalischen Therapie ihren Inhalt geben. 1 2 3

Ordinarius für Innere Medizin in Bonn. Ordinarius für Innere Medizin in Frankfurt/Main. apl. Professor für Innere Medizin in Frankfurt/Main.

VI

Vorwort

Jahrzehntelange Vorlesungstätigkeit an der Universität Frankfurt/Main, eine ebenso lange Lehrtätigkeit an Fachschulen für die Assistenzberufe sowie in Fortbildungskursen für Ärzte, brachte die für das Fachgebiet der Physikalischen Medizin notwendige enge Verbindung zu ihren behandelnden Fachkräften und den verordnenden Ärzten. Die Anregung, die Möglichkeiten der Physikalischen Therapie aus der Sicht eines in der Krankenbehandlung erfahrenen Klinikers darzustellen, ihr so Eingang in ärztliches Denken und Handeln zu vermitteln und damit auch dazu beizutragen, daß die bewährten Heilprinzipien sich in der täglichen Praxis zu einem Ganzen vereinen, wurde von Professor J. Grober4 gegeben. Sie findet erst jetzt, nach einem abgeschlossenen beruflichen Leben, ihren Widerhall in diesem Buch. Es soll auch Ausdruck sein des Dankes an alle Förderer und Lehrer des Verfassers. Frankfurt/Main, im Frühjahr 1987

4

Ernst Wiedemann

Ordinarius für Innere Medizin in Dorpat, Ordinarius für Physikalische Therapie in Jena.

Inhalt Einführung

XVII

I

Allgemeine Grundlagen der Physikalischen Therapie

1.

Stellung der Physikalischen Medizin (Therapie) in der Heilkunde

2

2.

Definition der Physikalischen Therapie

3

3. 3.1 3.2 3.3

Physikalisch-therapeutische Aufgaben der Krankenbehandlung Krankheitsvorsorge Unmittelbare Krankenbehandlung physikalischer Art Nachsorgende physikalisch-therapeutische Rehabilitation

5 5 7 8

4.

Wirkprinzipien der Krankenbehandlung

9

5.

Funktionsübung als Prinzip der Physikalischen Therapie

15

6. 6.1 6.1.1 6.1.2 6.1.3 6.1.4 6.1.5 6.1.5.1 6.1.5.2 6.1.5.3 6.1.5.4 6.1.5.5 6.1.6 6.2 6.2.1 6.2.2

18 18 19 24 26 29 32 32 33 38 40 43 43 45 46

6.3 6.3.1 6.3.2 6.3.3 6.3.4

Theoretische Begründung der Physikalischen Therapie Heilsame Kräfte des Reiz-Reaktionsgeschehens und deren Wirkungsweise . . . Neurophysiologie physikalisch-therapeutischer Reizwirkung Wert-und Größenmaßstäbe physikalisch-therapeutischer Reize Einstellbare Reizgrößen Art der Reizgestaltung (Reizgüte) Individuelle Bedingungen für die Reizqualität Ausgangslage Tonus des vegetativen Systems — ergotrope, trophotrope Funktionslage Reaktions-(Konstitutions-)typen Aktuelle Reaktionsbereitschaft (Reaktionsfähigkeit) Reizgewöhnung — Notwendigkeit der Reizsteigerung Kombination physikalisch-therapeutischer Reize Physikalische Medizin als Regulationstherapie Bedeutung der reflektorischen Funktionswege für die Physikalische Therapie . . Informationen, Regelungen, Steuerungen unter physikalisch-therapeutischen Maßnahmen Physikalische Therapie als Adaptionsanstoß Grundbegriffe therapeutisch nutzbarer Adaption Stressorunspezifische Reaktionen in der Physikalischen Therapie Das Allgemeine (unspezifische) Adaptionssyndrom Auswahl und Gestaltung therapeutischer „Stressoren"

7.

Eigenheiten der Physikalischen Therapie

73

51 61 63 64 66 69

VIII

Inhalt

II

Methoden der Physikalischen Therapie

1. 1.1 1.2 1.3. 1.3.1 1.3.2 1.3.3 1.3.4 1.4 1.4.1 1.4.2 1.5 1.5.1 1.5.1.1 1.5.1.2 1.5.1.3 1.5.2 1.5.3 1.5.4 1.6 1.6.1 1.6.2 1.6.3 1.6.4 1.6.5 1.6.6 1.6.7 1.6.8

Massagebehandlungen Einleitung V ' Wirkungen der Massagen — allgemeine Übersicht Ansätze für Massagen Der Tonus der Muskeln Umschriebene Spannungsveränderungen in der Körperdecke Durchblutung des Gewebes als Indikation für Massagebehandlungen Reflektorische Fernwirkungen der Massagen Technik der Massagen Allgemeine Erklärungen Klassische Massagen Spezielle Massagetechniken Reflexzonenmassagen Nervenpunktmassage Periostmassagen Bindegewebsmassagen Unterwasserdruckstrahlmassagen Kolonmassagen Synkardiale Massagen Indikationen für Massagebehandlungen Allgemeine Richtlinien Massagebehandlungen bei gestörter Muskelfunktion Massagen bei Erkrankungen der Atemorgane Massagen bei Herzkranken Massagen bei Kreislaufstörungen Massagen bei Störungen an den Verdauungsorganen Massagen bei Stoffwechselstörungen Massagen bei Symptomen verschiedener Herkunft

2. 2.1 2.2

Bewegungstherapie (Krankengymnastik) 116 Einleitung 116 Neurophysiologische Grundlagen für die Behandlung gestörter Bewegungselemente 121 Suprasinale Motorik 121 Das spinal-motorische System (Alpha-Gamma-System, Reflexbögen, Regelkreise der Muskelfunktion) 122 Motoneurone im Rückenmark 123 Spindelapparate der Muskeln 125 Sehnenspindeln 130 Bahnende und hemmende Muskelreflexe — Zusammenspiel von Agonisten und Antagonisten 131 Übersicht über Störungen der Motorik 136 Praktische Anwendung neurophysiologischer Erkenntnisse in der Krankengymnastik 138 Allgemeine Richtlinien 138 Detonisierung verspannter Muskeln 141 Kräftigung geschwächter Muskeln 143 Behandlung bei Gelenkkontrakturen 151 Bewegungsbahnung in Komplexbewegungen 152

2.2.1 2.2.2 2.2.2.1 2.2.2.2 2.2.2.3 2.2.2.4 2.2.3 2.3 2.3.1 2.3.2 2.3.3 2.3.4 2.3.5

79 79 80 82 82 87 88 91 94 94 95 98 98 98 99 100 102 104 106 107 107 108 110 111 112 113 114 114

Inhalt 2.3.6 2.3.7 2.3.7.1 2.3.7.2 2.3.7.3 2.3.7.4 2.3.7.5 2.4 2.5 2.5.1 2.5.2 2.5.3 2.5.4 2.5.5 2.5.6 2.5.7 2.5.8 2.5.8.1 2.5.8.2 2.6 2.6.1 2.6.1.1 2.6.1.2 2.6.2 2.6.2.1 2.6.2.2 2.6.3 2.6.3.1 2.6.3.2 2.6.3.3 2.6.4 2.6.4.1 2.6.4.2 2.6.4.3

3. 3.1 3.2 3.3 3.3.1 3.3.2 3.3.2.1 3.3.2.2 3.3.2.3 3.3.2.4 3.3.2.5 3.3.2.6

Methodik der Bahnung nach Kabat Bewegungsbahnung bei zerebral-spastischen Hyperkinesen (Zerebralparese) . . Neurophysiologische und neuropathologische Grundlagen Die Reflexaktivitäten Bestimmung der krankengymnastischen Ausgangslage Spezielle Methodik der Behandlung nach Bobath Weitere reflexhemmende und bewegungsbahnende Methoden Das Übungsprinzip in der Krankengymnastik Bewegungstherapie bei Herzkranken Bewegungsanforderungen als Maßstab und Anpassungsreiz für das Herz . . . . Definitionen zur körperlichen Leistung Spezielle Leistungsdiagnostik des Heraens Ergometrische Untersuchungen Merkmale der Leistungsgrenzen Diagnostische Hilfen zur Dosierung nicht genormter Anforderungen Bedeutung der Herzschlagfrequenz für den therapeutischen Wert, die Dosierung und die Erfolgsbeurteilung der Bewegungstherapie Übungsprogramme für Herzpatienten Isometrische Spannungsübungen, Widerstandsübungen Gruppengymnastik Atem-Brustkorbgymnastik Atmung als Bewegungsvorgang Atemmuskeln und ihre Funktion Ventilation Funktionsstörungen der Atmung Fehlformen, Fehlhaltungen, Fehlbewegungen des Thorax als Ursache von Atemstörungen Ventilationsstörungen infolge eingeengter Atemwege Diagnostische Hilfen für die Atemtherapie Inspektion und Palpation Äußere Atemmaße Funktionelle Atemwerte Technik der Atem-Brustkorbgymnastik Übungen für Brustkorb und Atemmuskeln Ventilationsübungen Krankengymnastische Hilfen zur Befreiung der Atemwege

Thermotherapie und Hydrotherapie Zur Unterscheidung von thermischen und hydriatischen Behandlungen Physikalische Grundbegriffe und Maßeinheiten der Thermotherapie Wirkungsweise und Anwendungsbereiche der Thermotherapie Wärmebewegungen im Körper Einfluß der therapeutischen Wärme auf Organe und Körperfunktionen Einstellung der Körpertemperatur Der Blutkreislauf als Wärmeaustauschsystem Herz und Kreislauf im thermotherapeutischen Milieu Wirkung therapeutischer Wärme auf Bauchorgane und Nieren Atmung und Stoffwechsel unter äußerer Wärme Endokrine Aktivitäten und vegetative Steuerungen unter wechselnden Temperaturen

IX 153 157 157 158 162 163 167 168 171 172 175 177 178 182 184 187 194 194 196 199 200 201 204 206 206 209 211 211 213 214 220 220 221 224

227 227 228 230 234 237 237 239 243 247 250 252

X

Inhalt

3.3.3 3.4 3.4.1 3.4.2 3.4.3 3.5 3.5.1 3.5.1.1 3.5.1.2 3.5.1.3 3.5.1.4 3.5.1.5 3.5.2 3.5.3 3.5.3.1 3.5.3.2 3.5.3.3 3.5.4 3.5.4.1 3.5.4.2 3.6 3.7 3.7.1 3.7.2 3.7.3

Konsequenzen aus dem Reaktionsgeschehen für die Praxis der hydriatischen Thermotherapie Wirkungsfaktoren der Hydrotherapie Hydrostatischer Druck im Bad Auftrieb im Wasser Weitere mechanische Wirkungsfaktoren Methoden der Thermo-Hydrotherapie Hydrotherapeutisches Konzept der Kneipptherapie Waschungen und Abreibungen Begießungen Temperaturansteigende und temperaturabsteigende Teilbäder Wickel und Auflagen Packungen Heißluft-und Dampfbehandlungen Künstliche medizinische Bäder Bäder mit Heilquellenextrakten Bäder mit pflanzlichen Auszügen Bäder mit mechanischen Reizen Hyperthermie als Behandlungskonzept Überwärmungsbäder und ihre Indikationen Therapeutischer Wert der Sauna Indikationen der kombinierten Thermo-Hydrotherapie Kryotherapie Definitionen Wirkungen und Indikationen der Kryotherapie Methoden der Kryotherapie

254 263 263 267 269 270 270 272 274 279 283 287 294 297 298 299 301 304 305 310 317 321 321 321 324

4. 4.1 4.2 4.3 4.3.1 4.3.1.1 4.3.1.2 4.3.2 4.3.2.1 4.3.2.2 4.3.2.3 4.4 4.4.1 4.4.2 4.4.2.1 4.4.2.2 4.4.2.3 4.4.2.4 4.4.2.5 4.4.2.6 4.5 4.6 4.7 4.7.1

Elektrotherapie Einleitung Physikalische Grundbegriffe der Elektrotherapie Niederfrequenztherapie Physiologische Wirkungen des niederfrequenten Stromes Physikalisch-chemische Vorgänge unter Stromeinfluß Biophysikalische Wirkungen des Stromes Methoden und Indikationen der Niederfrequenztherapie Stabile Galvanisation Galvanische Durchströmung mit Hilfe von Bädern Indikationen der stabilen Galvanisation Impulsstrombehandlungen (Faradisation) Stromformen Methode und Indikationen der Impulsstrombehandlung Elektrogymnastik Selektive Reizung schlaff gelähmter Muskeln „Elektrische" Beatmung (Elektrolunge) Elektrotherapie spastisch gelähmter Muskeln Impulsstrombehandlung der glatten Muskulatur Schmerzbehandlung mit Impulsströmen Behandlung mit niederfrequenten Wechselströmen Mittelfrequenztherapie (Interferenzstrombehandlung) Hochfrequenztherapie Elektrophysikalische Grundlagen der Hochfrequenzströme

327 327 329 336 336 337 340 348 348 352 357 363 363 368 369 371 374 375 379 385 386 389 391 393

Inhalt

XI

4.7.2 4.7.2.1 4.7.2.2 4.7.2.3 4.7.2.4 4.7.2.5 4.7.2.6 4.7.3 4.7.4 4.8 4.8.1 4.8.2 4.8.3 4.9

Methodik und biophysikalische Wirkung der Hochfrequenztherapie Kondensatorfeldmethode Spulenfeldmethode Strahlenfeldmethode Elektrodentechnik im Kondensator- und Spulenfeld Elektrodentechnik im Dezimeter- und Mikrowellenbereich Tiefenwirkung bei unterschiedlicher Methodik Dosierungen Unfallvorsorge Elektrodiagnostik Galvanisch-faradische Erregbarkeitsprüfung (Entartungsrekation) Reizstärke-und Reizzeitdiagnostik (I/t-Kurve) Elektromyographie und Elektroneurographie Ultraschalltherapie

396 397 399 401 401 404 405 408 409 410 410 412 418 421

5. 5.1 5.2 5.3 5.4 5.5 5.6 5.7 5.7.1 5.7.1.1 5.7.1.2 5.7.1.3 5.7.1.4 5.7.1.5 5.7.1.6

Aerosoltherapie Einleitung Inhalationsnebel Inhalationsgeräte Raum-und Freiluftinhalation Inhalierte Nebel in den Atemwegen Inhalation mit Unterstützung maschineller Beatmung Pharmakologische Möglichkeiten und Ziele der Aerosoltherapie Medikamente zur Inhalation Sekretolytika Antiphlogistika Antibakterielle Aerosoltherapie Antiallergisch wirksame Inhalate Broncholytische Aerosoltherapie Tabellarische Übersicht über die gebräuchlichsten Pharmaka und deren Dosierung in der Aerosoltherapie

426 426 427 428 429 430 432 434 435 435 436 437 438 439

Lichttherapie Einleitung Physikalische Grundlagen der Lichttherapie Biophysikalische Besonderheiten der verschiedenen optischen Spektralbereiche Ultraviolettstrahlung (UV-Strahlung) Rot-und Ultrarotstrahlung Wirkung des gesamten (polychromatischen) Lichtspektrums Spezielle und unmittelbare Lichtwirkung an der Haut Lichterythem der Haut Pigmentierung der Haut Allgemeine Lichtwirkungen auf den Organismus Energiequellen der Lichttherapie Sonnen- und Himmelsstrahlung Künstliche Strahler Methodik der Lichtbehandlung Heliotherapie Behandlung mit künstlichen UV-Strahlern Behandlung mit Infrarotstrahlern Indikationen Kontraindikationen

444 444 444 445 447 450 450 452 452 454 455 458 459 460 462 462 464 466 467 472

6. 6.1 6.2 6.3 6.3.1 6.3.2 6.3.3 6.4 6.4.1 6.4.2 6.5 6.6 6.6.1 6.6.2 6.7 6.7.1 6.7.2 6.7.3 6.8 6.9

442

XII

Inhalt

7. Krankenbehandlung mit Heilquellen (Angewandte Balneologie) 7.1 Definition 7.2 Klassifikation der Heilwässer 7.3 Wirkungselemente der Heilbäder 7.3.1 Wasserhaushalt des Badenden 7.3.2 Physikalische Antriebe im Bad 7.3.3 Chemische Kräfte der Mineralbäder 7.3.4 Unspezifische Wirkungen der Heilbäder 7.3.5 Badekurreaktionen 7.4 Spezielle Heilbäder 7.4.1 Kohlensäurebäderund Kohlensäure-Gasbäder 7.4.2 Schwefelbäder 7.4.3 Bäder in radioaktiven Wässern 7.4.4 Solbäder 7.4.5 Bäder in jod-und eisenhaltigen Wässern 7.4.6 Wildwasserbäder 7.4.7 Künstliche Heilbäder (medizinische Bäder) 7.5 Peloide in der Krankenbehandlung (Moorbäder) 7.5.1 Definition 7.5.2 Wirkungen der Peloide 7.5.2.1 Physikalische Wirkungskräfte 7.5.2.2 Chemische (stoffliche) Wirkungsfaktoren 7.6 Trinkkuren mit Heilwässern 7.6.1 Definition 7.6.2 Wirkungsfaktoren der Trinkkuren 7.6.3 Spezielle Wirkungen einzelner Heilwässer 7.6.3.1 Chloridwässer 7.6.3.2 Hydrogenkarbonatwässer 7.6.3.3. Sulfatwässer 7.6.3.4 Eisen-und arsenhaltige Wässer 7.6.3.5 Jod-und schwefelhaltige Wässer 7.6.3.6 Radium- und radonhaltige Wässer 7.6.4 Haustrinkkuren 7.7 Indikationen und Kontraindikationen der Bade-und Trinkkuren 7.7.1 Badekuren bei Herz-und Kreislauferkrankungen 7.7.2 Badekuren bei Erkrankungen der Atemorgane 7.7.3 Kuren mit Heilquellen bei Gelenkleiden 7.7.4 Trink- und Badekuren bei Erkrankungen der Oberbauch- und Unterleibsorgane, des Stoffwechsels und der Harnorgane 7.8 Heilbäder und Kurorte

474 474 475 477 477 478 479 482 483 485 485 491 493 495 497 498 499 500 500 501 501 503 505 505 506 509 509 510 512 513 515 516 517 518 520 522 523

8. 8.1 8.2 8.3 8.3.1 8.3.2 8.4 8.4.1 8.4.2 8.4.3

535 535 537 539 540 546 548 548 551 553

Klimatherapie Einführung und Definition Medizinische Bedeutung der biotropen Atmosphäre Geophysikalische Erklärungen zu Klima und Wetter Wetter als ein klimatisch bestimmendes Geschehen Wetterformen Atmosphärische Kräfte, die auf den Menschen wirken Thermischer Wirkungskomplex Hygrischer Wirkungskomplex Gemeinsamkeiten der hygrisch-thermischen Komplexe

524 531

Inhalt 8.4.4 8.4.5 8.4.6 8.5 8.5.1 8.5.2 8.5.3 8.5.4 8.6 8.6.1 8.6.2 8.7 8.7.1 8.7.2 8.7.3 8.7.4 8.7.5 8.8 8.8.1 8.8.2 8.8.3

XIII

Photoaktinische Einflüsse Luftchemische Elemente der Atmosphäre im Reizakkord Wirkungen einzelner Klimafaktoren Therapeutisch nutzbare Klimagebiete Meeresküstenklima Hochgebirgsklima Klima der Mittelgebirge Künstliches Klima Wirkungen des Wetters auf den Menschen Wetterfühligkeit Wetter und Krankheit Spezielle Wirkungen des Klimas auf Organe und Funktionssysteme Wirkungen des Heilklimas auf die Atmung Herz und Kreislauf (Hämodynamik) unter Klimareizen Wirkungen der Klimareize auf den Stoffwechsel Organisch-funktionelle Umstellungen der Funktionskreise im klimatisch reizschwächeren Mittelgebirge Allgemeine Umstimmung als ein Ergebnis der speziellen kompensierten Organreaktionen Klimakuren Indikationen und Kontraindikationen Auswahl des Klimakurortes Gestaltung einer Klimakur

554 555 557 561 562 564 568 570 573 574 575 578 580 584 587 588 590 591 591 594 595

III

Umfassende Krankenbehandlung durch Anwendung physikalisch-therapeutischer Prinzipien

1.

Einführung in den Klinischen Teil

2. 2.1 2.2 2.3 2.3.1 2.3.2 2.3.3 2.3.4 2.3.5 2.4 2.4.1 2.4.2 2.4.3

Behandlung der Atemnot bei Erkrankungen der Lunge und der Atemwege Allgemeine Übersicht über die Krankheiten der Atemorgane Erkrankungen der oberen Luftwege Erkrankungen der tieferen Luftwege Akute Bronchitis Chronische Bronchitis Mukoviszidose (Zystische Fibrose) Bronchiektasen Asthma bronchiale Erkrankungen des Lungenparenchyms Lungenemphysem Pneumonien (Lungenentzündung) Folgeerkrankungen nach Lungenentzündungen (chronische Pneumonie, Lungenzirrhose) 2.4.4 Lungenabszeß, Lungengangrän 2.5 Lungentuberkulose 2.6 Lungentumoren 2.7 Restriktive Atemstörungen 2.7.1 Erkrankungen der Pleura 2.7.1.1 Pleuritis 2.7.1.2 Pleuraempyem

600 . . . 606 606 608 617 617 621 627 630 633 644 644 649 654 657 660 666 668 669 669 673

XIV 2.7.2

Inhalt Atemstörungen infolge Erkrankungen des knöchernen Thorax und der Atemmuskeln

674

3. 3.1 3.1.1 3.1.2 3.1.3 3.1.4 3.1.5 3.1.5.1 3.1.5.2 3.1.5.3 3.1.5.4 3.1.5.5 3.2 3.2.1 3.2.1.1 3.2.1.2 3.2.2 3.2.3 3.2.3.1 3.2.3.2 3.2.3.3 3.2.4 3.3

Physikalisch-therapeutische Verordnungen für Herzkranke Begründung physikalischer Ordinationen Mechanische Kreislaufhilfen bei Herekranken Hydro-Thermotherapie Balneotherapie Klimatherapie Bewegungstherapie Schonung und Entlastung des Herzens durch passive Bewegung Kräftigung des Herzens unter Bewegungsanforderungen Selbstregulatorische Anpassung des Herzens an Leistungsanforderungen . . . . Bewegung als Durchblutungsreiz für das Herz Kontraindikationen der Bewegungstherapie Behandlungsempfehlungen für Herzpatienten Erkrankungen des Herzmuskels Myokarditis Heizinsuffizienz Ischämische Herzkrankheiten (Koronarinsuffizienz, Heizinfarkt) Heizklappenfehler Mitralstenose Mitralinsuffizienz Aortenfehler Pulmonale Herzkrankheiten (Cor pulmonale) Funktionelle Herzstörungen

676 676 677 679 680 681 682 682 683 684 688 691 691 692 692 694 697 707 708 711 713 714 716

4. 4.1 4.2

Behandlung der Krankheiten des Kreislaufs Arterielle Hypertonie Hypotone Kreislaufregulationsstörungen

720 720 728

5. 5.1 5.2 5.2.1 5.2.2 5.2.3 5.2.4 5.3 5.3.1 5.3.2 5.4 5.5 5.5.1 5.5.1.1 5.5.1.2 5.5.1.3 5.5.1.4

Physikalisch-therapeutische Behandlung von Bewegungsbehinderungen Ziele und Aufgaben Rheumatische Bewegungsstörungen Akuter Rheumatismus, rheumatisches Fieber Chronischer Rheumatismus (Polyarthritis) Seltenere gelenkrheumatische Syndrome, Gicht und Kollagenosen Extraartikulärer Weichteilrheumatismus Wirbelsäulenbedingte Störungen der Beweglichkeit Spondylarthritis ankylopoetica Degenerative Wirbelsäulenschäden Degenerative Gelenkerkrankungen (Arthrosen) Bewegungsstörungen durch Myopathien und Neuropathien Schlaffe Lähmungen und ihre Behandlung Verletzung peripherer Nerven Neurale Muskelatrophie Polyneuropathie (Polyneuritis) Erkrankungen der motorischen Vorderhörner (Poliomyelitis, spinale Muskelatrophie) 5.5.1.5 Behandlungsfahige Myopathien 5.5.2 Therapie der spastischen Lähmungen

736 736 738 739 742 761 762 771 772 780 793 800 801 802 806 806 810 817 824

Inhalt

XV

5.5.2.1 5.5.2.2 5.5.2.3 5.5.3 5.5.3.1 5.5.3.2

Hemiplegische Syndrome (apoplektischer Insult) Multiple Sklerose Querschnittslähmungen Behandlung extrapyramidalmotorischer Störungen Parkinson-Syndrom Hyperkinetisch-dystone Bewegungsstörungen

825 837 843 845 846 850

6. 6.1 6.2 6.3 6.4 6.4.1 6.4.2 6.4.3 6.4.4 6.4.4.1

Physikalisch-therapeutische Behandlungen bei Gefäßleiden der Peripherie Arterielle Verschlußkrankheiten Diagnostik der arteriellen Durchblutungsstörungen Behandlung arterieller Störungen Erkrankungen der Venen Venöse Hämodynamik Störungen der venösen Durchblutung Diagnostik venöser Mängel Behandlung erkrankter Venen Ulcus crusis - Chronologisches Lymphödem

852 852 857 861 874 874 878 880 881 893

7. 7.1 7.2

Physikalisch-therapeutische Indikationen in den einzelnen Fachgebieten Allgemeine Übersicht Spezielle Empfehlungen

894 894 895

Anhang Richtlinien für die Auswahl, Gestaltung und Dosierung physikalisch-therapeutischer Verordnungen

914

Literatur

926

Glossar physikalisch-therapeutischer Begriffe

962

Sachregister

976

Einführung Es gibt viele gute Lehrbücher der Physikalischen Therapie. Einige sind schon vor oder bald nach der Jahrhundertwende erschienen und heute nicht mehr in Gebrauch. Dennoch sind sie immer noch lesenswert und in vielem sogar noch gültig. Sie enthalten Erfahrungsgut, das mit seinen Grundsätzen der Krankenbehandlung trotz der stürmischen Entwicklung der naturwissenschaftlichen Medizin bleibenden Wert hat. So haben sich viele Methoden der Physikalischen Therapie, die aus der Beobachtung und ärztlichen Erfahrung entstanden sind, bis heute nahezu unverändert erhalten. Ihre Prinzipien beruhen darauf, die Kräfte der Natur — Wärme und Wasser, Elektrizität, Sonne, Mineralquellen und Klima — dem kranken Menschen in heilsamer Weise zu erschließen. Auch neuere Veröffentlichungen, die schon seit Jahrzehnten bewährt und in wiederholten Auflagen aktualisiert wurden, erklären und beschreiben die Wirkungen physikalischer Behandlungsmethoden nach den Erkenntnissen der experimentellen Physiologie und klinischer Forschung. Sie belegen, daß die Physikalische Therapie nicht allein Erfahrungsmedizin ist, sondern fest auf naturwissenschaftlichen Erkenntnissen beruht. Lehrbücher aus jüngster Zeit ergänzen diese altbewährten Standardwerke, verdrängen sie aber in der Regel nicht. Angesichts dieser Situation erscheint es unnötig, den alten Wein wieder einmal in einen neuen Schlauch zu füllen [427]. Wenn dies hier dennoch geschieht, bedarf es einer Rechtfertigung. Es gibt mehrere Gründe, die ein solches Wagnis rechtfertigen. Zunächst erscheint es angebracht, auch den Lehrstoff der physikalischen Behandlungsmethoden dem angehenden Arzt in einer Form darzubieten, die der Approbationsordnung entspricht. Der sogenannte Gegenstandskatalog (im folgenden abgekürzt GK) legt fest, was der Student der Medizin zum Zeitpunkt des Examens aus einem bestimmten Fachgebiet wissen muß (sogenanntes Basiswissen) [172], Die Physikalische Medizin ist im G K 3 , der den Zweiten Abschnitt der Ärztlichen Prüfung regelt, der Inneren Medizin als Abschnitt 11 zugeordnet. Im Text des hier vorgelegten Buches finden sich an verschiedenen Stellen entsprechende Hinweise, wobei die Ziffern — ohne daß dies jeweils gesagt wird — stets diesem Abschnitt 11 entsprechen. Was nach dem Gegenstandskatalog verlangt wird, ist theroretisches Wissen. Dem werdenden Arzt sollte das nicht genügen. Praktische Kenntnisse gehören zwar zu den Grundlagen der Physiotherapie, werden aber in der Regel in der weiteren Ausbildung nach dem Examen selten vermittelt; auch dort nicht, wo sie unentbehrlich sind und auch von nichtärztlichen Mitbehandlern praktiziert werden. Das theoretische physikalisch-therapeutische Wissen ist zwar leicht zugänglich, es findet aber in dem Schrifttum, das sich speziell der Krankenbehandlung zuwen-

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Einführung

det, selten ausreichende Berücksichtigung. Deshalb erscheint es notwendig, die Grundlagen des physikalisch-therapeutischen Wissens noch einmal neu zu fassen und die behandlungspraktischen Aspekte der Physikalischen Therapie dabei stärker in den Vordergrund zu stellen. Das Interesse der Ärzte an physikalischen Behandlungspraktiken entspricht nicht ihrer Bedeutung. An vielen Krankenhäusern gibt es zwar eine Physikalischtherapeutische Abteilung mit geschultem Personal der medizinischen Assistenzberufe, selten jedoch findet sich ein Arzt, der sich für diese Abteilung verantwortlich fühlt. Auch in der freien Praxis ist für manche Erkrankung, die auf einer funktionellen Störung beruht, schnell ein Rezept für die Apotheke zur Hand, zu selten aber eine Verordnung physikalisch-therapeutischer Art, die den Organismus an eigene Leistungen heranführt und so erst die Gesundheit wiederherstellt. Diese Abwertung erklärt sich zum guten Teil dadurch, daß die Physikalische Therapie außerordentliche Neuerungen, die den jungen Arzt begeistern, kaum anzubieten hat. Sie macht nicht, wie die sogenannte Hochleistungsmedizin, fast täglich Schlagzeilen. Die moderne Medizin hat sich zwar in akuten, das Leben bedrohenden Krankheitsfallen glänzend bewährt, ist dabei aber an Grenzen gestoßen, die nicht nur finanzieller Art, sondern auch ethischer Natur sind. Sie hinterläßt oft Zustände, die das Leben zwar erhalten, aber dem Menschen mit einem chronischen Leiden schwere Lasten aufbürden, die nicht selten sogar das Maß des Zumutbaren überschreiten. Auch bei chronischen Leiden, die ein erträgliches Dasein gestatten, bringt die übertechnisierte Medizin wenig und kaum bessere Hilfen als die alte Heilkunde mit ihren bewährten Handhabungen. Umsomehr hat der Arzt Grund, sich ihrer relativ einfachen Methoden zu bedienen, insbesondere solcher, die Kräfte der Natur therapeutisch nutzen und über reaktive, physiologische Reizantworten im Organismus Fähigkeiten entwickeln oder erwecken, mit denen der Kranke selbsttätig die Krankheit überwindet bzw. ihre bedrängenden Symptome so bewältigt, daß er mit der Krankheit zu leben vermag. Die Mittel, die selbstheilende Kräfte des Organismus auf den Plan rufen, sie wirkungsvoll unterstützen oder funktionelle Kapazitäten verbessern, sind ganz überwiegend physikalischer Art. Deshalb ist es eine zwingende Notwendigkeit, diese in das Konzept einer umfassenden Krankenbehandlung einzugliedern, auch dort, wo andere, operative oder medikamentöse Prinzipien den Vorrang haben, allein aber nicht ausreichen. Aus diesem Umstand ergibt sich die Folgerung, die Physikalische Therapie in einem Gesamtkonzept behandlerischer Aktivitäten darzustellen. Physikalische Therapie kann dabei selten eine Alternative zu anderen bewährten Behandlungsmethoden sein. Die sowohl kurativen als auch rehabilitierenden Ziele physikalisch-therapeutischer Aktivitäten kommen — abgesehen von akut präventiven Aufgaben — erst zur Anwendung, wenn die anderen Mittel pharmakologisch-chemischer oder operativ-technischer Art bereits wirken. Dem erfahrenen, fürsorglichen Arzt geht es dabei darum, brachliegende, ruhende funktionelle

Einführung

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Kapazitäten des Kranken, z. B. die Leistung seines Herzens, seine Durchblutung, die volle Belüftung der Lunge, die Koordination der Muskeln, ihre Kraft und Ausdauer und anderes mehr, zu beleben. Die physikalischen Behandlungsmethoden bringen morphologische (Arbeitshypertrophie) und funktionelle Kapazitätsverbesserungen, zu denen der Organismus oft erst findet, wenn der Arzt ihm auch dazu die Wege ebnet. Hier liegt eine der Begründungen, die physikalischen Methoden den „natürlichen" Heilmitteln zuzuordnen (S.9). Daraus ergibt sich ein weiterer Grund, sowohl die modernen, mehr „künstlichen", als auch die älteren, aber nach dem Stand der Naturwissenschaften verjüngten „natürlichen" Behandlungsprinzipien zusammen in ihrem gemeinsamen Wirken darzustellen. Die Physikalische Therapie wird dabei als ein unentbehrlicher, voll eingegliederter Bestandteil einer umfassenden Krankenbehandlung gesehen. Das Buch wendet sich zwar an werdende oder fertige Ärzte, dies aber nicht ausschließlich. Es soll dazu dienen, eine bessere Verständigung zwischen den Ärzten, die physikalisch-therapeutische Verordnungen geben und den Helfern des Arztes, die diese Verordnungen zu Behandlungen machen, herzustellen. Die Assistenzberufe für den Arzt, Krankengymnastinnen und Beschäftigungstherapeuten, Masseure und medizinische Bademeister, verfügen heute über eine gründliche Ausbildung in normaler und pathologischer Physiologie und in der Krankheitslehre. So sind - um jeweils nur ein Beispiel zu nennen — die Krankengymnastinnen mit der Neurophysiologie der Bewegungsbahnung vertraut, die Masseure haben Erfahrung, welche Techniken für die Trophik bzw. den Tonus eines Muskels zuträglich sind, medizinische Bademeister wissen die periphere Durchblutung mit hydrotherapeutischen Reizen zu fördern oder zu drosseln, und alle haben gelernt, mit elektrischen Stromimpulsen Muskeln zu stimulieren oder den Kat- oder Anelektrotonus zu nutzen. Ihre Ausbildung befähigt sie, manches zu erkennen oder zu beobachten, was der diagnostischen Klärung bedarf und Rücksprache mit dem Arzt erfordert. Von fachlich erfahrenen Helfern des Arztes hört man immer wieder Klagen, daß Ärzte, die für die Hilfsberufe selbst nicht ausbildend tätig waren, die Qualität und den Umfang ihrer Ausbildung unterschätzen oder aber selbst nicht genügend vertraut sind mit der beruflichen Gedankenwelt und den Behandlungsmethoden der Heilberufe. Über diesen bedenklichen Graben will das Buch eine Brücke schlagen und dem Arzt deutlich machen, was er von seinen Mitarbeitern erwarten und verlangen kann. Den Angehörigen der Assistenzberufe mag es andererseits manchen Rat geben und ihnen auch Zusammenhänge erschließen, die aufzeigen, daß sie nur in ständigem Kontakt mit den überweisenden Ärzten ihren Patienten zuverlässige Helfer sein können. Gewiß ist es problematisch, ein Lehrbuch, das für den Arzt bestimmt ist und entsprechend hohe Ansprüche an die Vorbildung stellt, den Angehörigen eines Berufszweiges zu empfehlen, deren Tätigkeit sich auf eine andere, gewiß nicht geringere, aber weniger anspruchsvolle Ausbildung gründet. Auf keinen Fall darf

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Einführung

dies in die Dürre einer medizinischen Halbbildung und einen therapeutischen Dilletantismus führen. Das würde der praktischen Tätigkeit in einem Heilberuf mehr schaden als nützen. Die nicht ärztlichen Mitbehandler müssen sich stets ihrer Grenzen bewußt bleiben und dürfen nicht einer Selbstüberschätzung zum Opfer fallen, die hier und da vielleicht mangels ärztlicher Führung vorkommt [5]. Den überweisenden Ärzten erwächst hier eine wesentliche beratende Aufgabe. Daher wird in allen Abschnitten des Buches immer wieder darauf hingewiesen, was in jedem Behandlungsfach der Arzt und sein behandelnder Helfer gemeinsam erarbeiten, was die Krankengymnastin, der Masseur und medizinische Bademeister beachten und gegebenenfalls dem Arzt mitteilen müssen, wieweit sie im Rahmen eines vom Arzt gegebenen Dosierungsspielraumes eigenverantwortlich behandeln dürfen und wo die Grenzen des für den einzelnen Patienten Zuträglichen liegen. Es mag abschließend noch die Anmerkung erlaubt sein, daß im folgenden in der Krankengymnastik die weibliche Berufsbezeichnung der Krankengymnastinnen in diesem Berufszweig überwiegend angesprochen wird, bei den Massagen und dem medizinischen Badewesen aber die maskuline Berufsbezeichnung gewählt wird. Das Buch hat drei Teile. Der erste, theoretische Teil führt in das Wesen der Physikalischen Therapie ein und stellt sie gemäß der im Gegenstandskatalog vorgenommenen Einteilung als Reaktions-, Regulations- und Adaptionstherapie vor. Der zweite, praktische Teil führt in die Methoden der Physikalischen Therapie soweit ein, daß der Arzt, der sie nicht selbst handhabt, wenigstens ihre Grundlagen kennenlernt, ihre Anwendung überwachen und entsprechende Verordnungen geben kann. In diesem methodischen Teil sind aus didaktischen Gründen auch schon vorab einige klinische Probleme dargestellt, soweit sie für bestimmte Krankheiten, z. B. für die infantile Zerebralparese, für einige Störungen der Atemorgane und des Herzens und für die neurogen gestörte Blase wichtig erscheinen. Ansonsten entspricht die Reihenfolge der Darstellung wiederum dem Gegenstandskatalog. Allein die Massagen erscheinen hier vor der Bewegungstherapie, weil dies der historischen Entwicklung entspricht und Massagen für die krankengymnastischen Techniken oft erst den Boden bereiten. Im dritten, klinischen Teil werden für die Krankheiten und — unabhängig von der organgebundenen Klassifikation — für herausragende Symptome (z.B. Bewegungsstörungen) die sich anbietenden physikalisch-therapeutischen Verordnungen dargestellt. Die nicht der Physikalischen Therapie zugehörenden Verordnungen werden nur insoweit behandelt, wie das für einen Überblick erforderlich erscheint. Die physikalisch-therapeutischen Verordnungen dagegen bilden den eigentlichen Inhalt dieses Teiles. Dabei wird, um dem Leser die Effektivität dieser Maßnahmen vor Augen zu führen, die jeweilige Wirkungsweise der einzelnen Verordnungen auf Organe bzw. auf bestimmte Funktionen oder Symptome eingehend dargestellt. Schließlich werden zur Dosierung der physikalisch-therapeutischen Reize, die

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dem in pharmakologischem Denken ausgebildeten Arzt meist große Schwierigkeiten bereitet, hilfreiche Anweisungen gegeben. Einige Worte noch zur Benutzung des Buches: Der Lernende kann dieses Handbuch auch als Lesebuch betrachten, darin blättern, hier und dort Anregungen aufnehmen. An zahlreichen Stellen sind in Klammern Seitenzahlen angegeben, die jeweils darauf hinweisen, wo der angesprochene Gedanke ausführlicher behandelt, wo ein bestimmter Ausdruck erläutert oder eine Behandlungstechnik beschrieben wird. Erleichternd für die Lektüre des Buches sollte auch sein, daß mit wenigen, medizinhistorisch begründeten Ausnahmen, Autorennamen nicht vorkommen. Überall dort, wo eine Äußerung fast ein Zitat ist oder ein Gedankengang aus einer Originalarbeit stammt, wird durch eine Ziffer in eckigen Klammern auf die entsprechende Fundstelle im Literaturverzeichnis verwiesen. Dadurch ist die Zahl der Literaturhinweise für ein Lehrbuch verhältnismäßig groß geworden. Dem speziell interessierten Leser soll anhand der Hinweise ein Weg zu weiteren Quellen erschlossen werden. Auch verschiedene sehr alte, oft zitierte, aber schwer zu findende, weil selten näher bezeichnete Werke, sind hier für medizinhistorisch interessierte Leser aufgenommen worden. Der Text vermeidet nicht grundsätzlich alle Fremdwörter, sie kommen aber nur dort vor, wo sich zur begrifflichen Klärung ein besseres deutsches Wort nicht anbot. Medizinische Fachausdrücke dagegen, auch solche, für die es gleichwertige oder gar bessere deutsche Wörter gibt, wurden mit der Absicht verwendet, dem Leser die entsprechenden Fachtermini einzuprägen. Eine Erklärung wesentlicher Fachtermini findet sich in einem Glossar im Anhang des Buches. Wiederholungen von erklärenden Begründungen ließen sich nicht immer vermeiden. Sie sind nicht Ausdruck mangelnder Übersicht, sondern sollen dem Leser das Suchen von wichtigen Informationen, die an anderer Stelle in anderem Zusammenhang vorkommen, ersparen. Die Einführung wäre nicht vollständig, brächte sie nicht für die Lektüre des klinischen Teiles besondere Erklärungen. Sie finden sich am Beginn des Teils III, da sie voraussetzen, daß die in den beiden vorausgehenden Teilen enthaltenen Darstellungen zur Theorie und Praxis der Physikalischen Therapie im wesentlichen bekannt sind.

I Allgemeine Grundlagen der Physikalischen Therapie

1. Stellung der Physikalischen Medizin (Therapie) in der Heilkunde Die Medizin als Naturwissenschaft hat verschiedene Aufgaben. Ihr eigentlicher Auftrag liegt aber in der Krankenbehandlung. Letztlich sind alle ihre Bemühungen auf das Ziel ausgerichtet, Krankheiten zu heilen und zu verhüten. Einen breiten Raum in diesem umfangreichen Bestreben nehmen die physikalischen Behandlungsmethoden ein. Sie gehen überwiegend auf Heilerfahrungen zurück, die aus der Vergangenheit überliefert worden sind. Die moderne, experimentelle Medizin hat in Gemeinschaft mit der klinischen Forschung inzwischen die wissenschaftlichen Erklärungen nachgeliefert und damit einen wesentlichen Teil dessen, was die alten Ärzte schätzten, bestätigt, anderes als Irrtum ausgewiesen. So wurde nicht nur die Spreu vom Weizen gesondert, sondern es fanden physikalischtherapeutische Methoden, die als sogenannte natürliche Heilmethoden in der wissenschaftlichen Welt lange Zeit als paramedizinisch galten, ihre Anerkennung. In der jüngsten Vergangenheit hat die klinische Forschung ungeahnte Fortschritte gemacht. Ihre therapeutischen Erfolge haben allerdings, wie alle Entwicklungen, neue Probleme aufgeworfen: In dem Maße, wie es gelingt, Krankheiten zu beherrschen, die früher das Leben forderten, überleben heute viele Menschen dank der Errungenschaften der naturwissenschaftlichen Medizin. Damit steigt das durchschnittliche Lebensalter mehr und mehr an, und die Zahl derjenigen, die ohne die Hilfen der modernen Medizin nicht mehr auskommen und so einer dauernden behandlerischen Fürsorge bedürfen, wird immer größer. Die physikalischen Behandlungsmethoden gewinnen mit dieser Entwicklung einen Stellenwert, der dem Rang chemisch-pharmakologischer Behandlungen nicht nachsteht und diese auch auf das vorteilhafteste ergänzt. Die Physikalische Medizin stützt sich auf physikalisch meßbare Ergebnisse, die an Beweiskraft beispielsweise den Doppelblindstudien der Pharmakotherapie nicht nachstehen. Auch alle therapeutischen Verfahren leiten sich mit Ausnahme der Psychotherapie von chemischen und physikalischen Gesetzmäßigkeiten ab. Das therapeutische Gelingen gründet sich dabei auf Ergebnisse fast aller Naturwissenschaften. Ärztliches Bemühen bezieht mit der Psychologie und der Psychotherapie auch geisteswissenschaftliche Phänomene mit ein, ohne die jede Behandlung eines kranken Menschen Stückwerk bliebe. Die physikalisch-therapeutischen Methoden haben ihren Wert in allen Fachgebieten der Medizin, soweit diese praktische Behandlungsaufgaben erfüllen. Ihre zahlreichen Verfahren lassen sich didaktisch ordnen nach der Art der physikalischen Kräfte, die therapeutische Wirkungen im Organismus entfalten. Trotz ihrer so weit verzweigten Nutzanwendungen ist die Physikalische Medizin ein in sich geschlossenes Lehrfach. Ihre Einheit ergibt sich aus ihrem Wesen und ihren eigenständigen Wirkungsprinzipien. Davon wird im folgenden die Rede sein.

2. Definition der Physikalischen Therapie Die Lehre von den Heilkräften physikalischer Natur findet unter den Begriffen „Physikalische Medizin", „Physikalische Therapie" und „Physiotherapie" ihre Darstellung. Alle Bezeichnungen haben die gleiche etymologische Wurzel; sie gehen von dem griechischen Wort „physis-"Natur aus. Während der Begriff „Physikalische Therapie" betont, daß auf Naturkräfte zurückgegriffen wird, die die Physik erforscht und beschreibt, weist der Begriff „Physiotherapie" darauf hin, daß sich das therapeutische Handeln an den natürlichen Lebensvorgängen orientiert, die zu lehren Aufgabe der Physiologie ist. Es leuchtet allerdings nicht ein, wenn nur diejenigen Verfahren, die mit physikalisch-apparativen Kräften auf den Kranken einwirken, zur Physikalischen Therapie, die Balneo- und Klimatherapie oder die Hydrotherapie im Sinne von Kneipp aber zur „Physiotherapie" mit der Begründung gezählt werden, hier werde auch das Geistig-seelische angesprochen [311]. Denn alle Teilgebiete der Physikalischen Medizin fußen im somatischen Bereich auf physikalischen Kräften, die ihrerseits mit allen Methoden, auch wenn diese scheinbar „nur" physikalischen Gesetzmäßigkeiten folgen, unkörperliche und ebenfalls heilsame Ergebnisse zeitigen. Dies gilt neben den an Kurorten gepflegten Behandlungen besonders für die Bewegungstherapie einschließlich der Beschäftigungstherapie. Der Ausdruck „Physikalische Medizin" macht eine Einschränkung nötig: Nach der eigentlichen Bedeutung des Wortes gehören logischerweise zur Physikalischen Medizin auch zahlreiche physikalisch-diagnostische Techniken. Die Physikalische Diagnostik setzt aber neben einem hohen Maß an klinischem Spezialwissen technische Kenntnisse voraus, die in ihrer Fülle die Grenzen eines reinen Behandlungsfaches sprengen würden. Im vollem Sinne Physikalische Medizin ist die Strahlentherapie. Wenn sie dennoch nicht zum Lehrfach der Physikalischen Therapie gezählt wird, so hat dies neben einem ordnenden noch einen ganz prinzipiellen Sinn, der sich in dem Wort „Physiotherapie" ausdrückt. Diese spricht — ganz anders als die Strahlentherapie — unmittelbar „physiologisch" ablaufende Lebensfunktionen an. Die Behandlungen mit ionisierenden Strahlen steuern demgegenüber ein entgegengesetztes Ziel an. Sie schalten Krankheitserscheinungen aus (S.9), die Ausdruck morphologisch faßbarer Entartung sind. Sie vernichten lebendes Gewebe. Ihre heilende, lebenserhaltende bzw. ihre lebensverlängernde, einen Brandherd eindämmende Wirkung beruht also auf einem abtötenden, zelluläres Leben auslöschenden Prinzip. Dies ist ebenso segensreich wie unentbehrlich, fördert aber den Organismus nicht in seiner allgemeinen Leistungs- und Widerstandskraft, wie es ganz generell die Physiotherapie anstrebt. Das entspricht einer schon von R.Virchow [651] ausgesprochenen ärztlichen Verpflichtung: „Seitdem wir erkannt haben, daß Krankheit den Ablauf der Le-

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Allgemeine Grundlagen der Physikalischen Therapie

benserscheinungen unter veränderten Bedingungen darstellt, muß natürlich Heilen den Begriff haben, die normalen Bedingungen des Lebens zu erhalten oder wiederherzustellen." Die Physikalische Therapie tut dies primär und ausschließlich. Ihre Ziele lassen sich, ganz gleich, welche der drei Bezeichnungen wir gebrauchen, wie folgt zusammenfassen: Die physikalischen Behandlungen haben die Bewahrung der physiologischen Funktionen und deren „normale" Abstimmung auf die Erfordernisse des Lebens zur Aufgabe. Sie streben an, funktionelle Mechanismen, die krankhaft gestört sind, wieder in eine ausgewogene Harmonie zu bringen. Dabei hat die Physikalische Therapie sowohl alle lokalisierbaren Funktionsstörungen wie auch den Organismus als ein Ganzes als Behandlungsziel im Auge. In weiten Bereichen sind dazu physikalische Anstöße unentbehrlich. Sie verlangen eine ausgefeilte Methodik und gründliche Kenntnisse, da man mit physikalischen Reizen auch schaden kann. Im folgenden wird neben der jetzt in der Bundesrepublik Deutschland offiziellen Bezeichnung „Physikalische Medizin" (vgl. GK3) (in der Deutschen Demokratischen Republik ist der Ausdruck „Physiotherapie" verbindlich festgelegt) auch von „Physikalischer Therapie" gesprochen. Damit kommt zum Ausdruck, daß Behandlungen mit den noch zu beschreibenden Verfahren physikalischer Art nicht nur die Fachärzte der Physikalischen Medizin verordnen (also in der Bundesrepublik nicht allein Ärzte, die mangels der entsprechenden Fachangabe die Zusatzbezeichnung „Physikalische Therapie" führen), sondern daß jeder Arzt diese Verfahren wegen ihrer Wirkungsmöglichkeiten anwendet. Dies geschieht in allen Fachgebieten der Medizin, ganz unabhängig von ihrer Deklaration. Auch im G K 3 ist in Abschnitt 11 (Physikalische Medizin) unter Punkt 1 (Allgemeine Grundlagen) offenbar aus dieser Blickrichtung von „Physikalischer Therapie" die Rede.

3. Physikalisch-therapeutische Aufgaben der Krankenbehandlung Eine Krankenbehandlung, die alle ihre Möglichkeiten ausschöpft, gliedert sich in drei Bereiche: die Krankheitsvorsorge, die unmittelbare Krankenbehandlung und die Nachsorge (medizinische Rehabilitation). Diese drei Disziplinen können nicht streng voneinander getrennt werden, meist gehen sie im Verlauf einer Behandlung ineinander über.

3.1 Krankheitsvorsorge Ein weites Feld findet die ärztliche Tätigkeit auf dem Gebiet der Krankheitsvorsorge: der Prävention (lat.: praevenire=zuvorkommen) und der Prophylaxe (gr.: prophylassein = vor etwas Wache halten). Die Prävention setzt keine Krankheit voraus. Sie will die Gesundheit erhalten, indem sie Infektionen ausweicht (Isolierung) oder ihnen durch Immunisierung bzw. antibiotischen Schutz vorsorglich den Boden entzieht, Risikofaktoren, wie Fehlernährung, körperliche Inaktivität, Genußmittelmißbrauch und dergleichen, nicht aufkommen läßt und funktionellen Fehlentwicklungen und Abnutzungen mit schonenden Verordnungen oder funktionsübenden Behandlungen — man spricht von „primärer" Prävention — zuvorkommt. Die Prophylaxe ist darauf ausgerichtet, bei manifesten Krankheiten zu verhüten, daß mögliche und aufgrund medizinischer Kenntnisse und ärztlicher Erfahrung vorhersehbare Komplikationen den Kranken heimsuchen. Man gebraucht dafür auch den Ausdruck „sekundäre" Prävention, der aber auch rehabilitierende Bemühungen mit einbezieht. Eine ganz strenge Trennung oder Abgrenzung der beiden Begriffe ist auch hier nicht möglich. Jede Prävention ist gleichzeitig auch Prophylaxe und umgekehrt. Der Arzt, der Krankheitsvorsorge trifft, empfiehlt nicht nur eine Lebensführung, die ganz allgemein die Gesundheit nicht gefährdet, indem sie schädliche Einflüsse vermeidet, er trifft darüber hinaus auch Vorkehrungen, um all die Krankheiten auszuschließen, die den Menschen bedrohen (Schutzimpfungen, hygienische Gebote). Diese Vorsorge bliebe unvollständig, würde sie nicht ergänzt durch biophysikalische Antriebe vorbeugender Art, wie sie die Konfrontation mit den natürlichen Umweltreizen bietet. So einfache Maßnahmen wie hydrotherapeutische Abhärtungsreize oder Bewegung im Freien bei Wind und Wetter, sind unter Lebensbedingungen, bei denen eine natürliche Konfrontation mit der rauheren Umwelt

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Allgemeine Grundlagen der Physikalischen Therapie

fehlt und eine Verweichlichung oder eine Desadaptation (S. 67) überhand nimmt, für die Gesundheit unentbehrlich geworden. Die präventiven Bestrebungen der Medizin richten sich nicht allein gegen Krankheiten, die den Menschen in jedem Lebensalter treffen können. Sie finden auch bei den Verbrauchs- und Verschleißerscheinungen des Körpers ihre Anwendung. Mit zunehmendem Alter kommt es zu Funktionsminderungen, denen präventiv allein die Physikalische Therapie im Rahmen physiologischer Grenzen Widerpart bietet. Abnutzungs- und Verschleißerscheinungen engen zunächst nur die körperliche Leistungsfähigkeit und die Lebensqualität ein. Sie gestatten in der Regel, ein Leben in normalen Grenzen zu führen. Der alternde Mensch muß aber Belastungen selbst leichter, alltäglicher Art um so eher und mehr vermeiden, je weniger er sich in der Lebensphase mit abfallender körperlicher, vielleicht auch geistiger Leistungskurve ein adäquates Maß an funktionellen Reaktionsnormen bzw. Funktionsreserven erhalten hat. Sehr treffend sind die Alterserscheinungen als die Summe jener Veränderungen definiert worden, durch die der Mensch in zunehmendem Maße für Todesursachen anfälliger wird [117]. Dabei sind es aber meistens keine schicksalhaften Altersprozesse, durch die selbst das gesündeste Leben einmal ein Ende findet, sondern unzureichende physische und auch psychische Anpassungsleistungen an die Ansprüche, die das Leben an die Organe und Organsysteme täglich stellt. Diesen Geboten bis ins hohe Alter gewachsen zu bleiben, erfordert präventive Konsequenzen, denen sich jeder Arzt bei weiterhin steigender Lebenserwartung und zunehmenden Zivilisationsschäden immer häufiger gegenübergestellt sieht. Physikalische Maßnahmen, die vermeidbare Verschleißerscheinungen und Risikofaktoren (vgl. GK3-3), z.B. Bewegungsmangel, ungenügende Anpassung an Temperaturschwankungen und dergleichen bekämpfen, sind während des ganzen Lebens angezeigt. Zur Krankheitsvorsorge gehört auch die Prophylaxe. Zahlreiche Verordnungen physikalisch-therapeutischer Art sind schon im akuten Krankheitsgeschehen aus prophylaktischer Erwägung indiziert. Man denke nur an die Notwendigkeit, bei Bettlägerigen den Blutkreislauf über ein. sich leicht einschleichendes Mindestmaß hinaus aufrechtzuerhalten, weshalb die Kranken täglich mehrmals passiv und aktiv bewegt werden, um Thrombosen zu verhüten; ferner an Atemübungen, mit denen Luft auch in die tieferen Teile der Lunge strömt und die den kleinen Kreislauf unterstützen. Beides verhindert nicht nur hypostatische Pneumonien, sondern auch Muskelatrophien und Gelenkkontrakturen, die leicht unbemerkt auftreten und später den Genesenden behindern. Auch Minderungen der Funktionen von Herz und Kreislauf und des Stoffwechsels im Verlauf von Krankheiten, die diese Systeme nicht unmittelbar treffen, treten nicht auf oder bleiben zumindest in leidlich erträglichen Grenzen, wenn man laufend Funktionsansprüche an diese Systeme stellt. All dies geschieht gezielt und dosiert nur mit einer die Gesundheit erhaltenden Lebensführung oder, im Krankheitsfalle, mit Verordnungen physikalischtherapeutischer Art.

Physikalisch-therapeutische Aufgaben der Krankenbehandlung

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3.2 Unmittelbare Krankenbehandlung physikalischer Art Bei akuten und oft auch in Schüben chronischer Krankheiten steht die unmittelbare Krankenbehandlung im Vordergrund. Sie setzt nach diagnostischer Abklärung — zur Linderung von Beschwerden oder im akuten Notfall auch schon vorher — alle indizierten therapeutischen Möglichkeiten ein, um das Leben zu erhalten, von Beschwerden zu befreien und die Krankheit zu überwinden. Diese erste therapeutische Aufgabe, in der die operativen Methoden, die apparativen Hilfen der Intensivtherapie und die pharmakodynamischen Prinzipien den Vorrang haben, nimmt im ärztlichen Handeln den ersten Platz und den größten Raum ein. Die physikalisch-therapeutischen Methoden, die ebenfalls schon in der Akutphase mancher Krankheit indiziert sind, in der Phase der Besserung (Konvaleszenz; lat.: convalescere=erstarken), der anschließenden Rekonvaleszenz und bei chronischem Verlauf aber mehr in den Vordergrund treten, werden, wie es auch in der Pharmakologie üblich ist, nach dem Stoff benannt, der wirksam ist. Das ist in der Physikalischen Therapie die Energieart oder der Energieträger, z. B. elektrischer Strom, Wärme oder Wasser, wobei hier der „Stoff nicht chemisch verändert und verbraucht wird, sondern Arbeit leistet (vgl. Definition Arbeit und Energie, S.175). Die Methoden der Physikalischen Therapie werden im Teil II, ihre Eingliederung in eine umfassende Krankenbehandlung im Teil III dargestellt. Die Physikalische Therapie gliedert sich in: a) Die Mechanotherapie. Diese folgt den Gesetzen der Mechanik. Als Untergruppen unterscheidet man die Massagebehandlungen (statische Mechanotherapie), Bewegungsbehandlungen (dynamische Mechanotherapie) und manuelle Techniken, mit denen zum Beispiel blockierte Gelenke gelöst werden, b) die Elektrotherapie, die mit galvanischen und Wechselströmen arbeitet, c) die Hydrotherapie, die mit dem Wasser den thermischen Wirkungsfaktor aller Temperaturgrade nutzt, d) die Thermotherapie, das ist die unmittelbare Wärmebehandlung, e) die Lichttherapie, f) die Balneotherapie, die an Kurorte gebunden ist, an denen natürliche Heilquellen entspringen, g) die Klimatherapie, zu der ebenfalls bestimmte Orte ausgewählt werden, die nicht nur ein anerkanntes Heilklima haben, sondern auch über Kureinrichtungen verfügen müssen, h) die Aerosoltherapie, die ihrem Wesen nach eine medikamentöse Behandlung ist, aus technischen Gründen aber der Physikalischen Therapie zugeordnet wird, i) die Ultraschalltherapie. Sie beruht auf mechanischen Schwingungen, wird aber aus praktischen Gründen — die elektrotherapeutisch ausgebildeten Assistenzberufe führen sie aus — meistens im Rahmen der Elektrotherapie beschrieben. Manche Verfahren kombinieren als organisatorische Einheit ohne ärztliches

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Allgemeine Grundlagen der Physikalischen Therapie

Zutun mehrere der physikalischen Heilkräfte. So ist die Meeresheilkunde gleichzeitig Balneo-, Klima- und auch Lichttherapie. In der Klimatherapie hat ebenfalls das Licht einen mehr oder weniger großen Anteil.

3.3 Nachsorgende physikalisch-medizinische Rehabilitation Der Begriff „Rehabilitation" (lat.: re=wieder, habilis=befähigt) — neben der medizinischen gibt es eine berufliche und eine soziale Rehabilitation — umfaßt die Gesamtheit aller ärztlich-kurativen, berufsfördernden und sozial fürsorgenden Maßnahmen, die der Besserung, Wiederherstellung oder der Erhaltung der Gesundheit und der Arbeits-, Erwerbs- und Leistungsfähigkeit der Menschen dienen. Die medizinische Rehabilitation ist ein untrennbarer Bestandteil der Krankenbehandlung. Sie setzt mit therapeutischen und prophylaktischen Zielen schon zu Beginn jeder ernsteren Erkrankung ein. Einander überschneidende Aufgaben behandelnder und rehabilitierender Art stellen sich immer dann, wenn Krankheiten zu vorübergehenden oder bleibenden Funktionseinschränkungen führen, die das Problem einer, wenn nicht vollständigen, so doch bestmöglichen Wiederherstellung mit sich bringen, sei es, daß Funktionserleichterungen oder Ersatzfunktionen eingeübt werden müssen, wie es bei Bewegungsbehinderungen, bei Leistungsminderungen an Muskeln und Gelenken, von Herz, Kreislauf und Stoffwechsel der Fall ist, oder daß Glieder durch Prothesen ersetzt wurden, die zu gebrauchen der Kranke erst lernen muß. Gleiches gilt auch für Erkrankungen, die Störungen der Sinnesorgane und der geistigen Fähigkeiten zur Folge haben. All diese Erfordemisse verlangen über längere Zeit hinweg funktionsverbessernde Verordnungen. Sie beginnen, zumindest in der Planung und Vorbereitung, mit prophylaktischer Zielsetzung schon im Anfangsstadium einer Krankheit in Gestalt von kontraktionsverhütenden Lagerungen, isometrischen Spannungsübungen, die nicht nur Muskelatrophien verhindern, sondern auch den Kreislauf fördern. Wenn umfassendere physikalisch-therapeutische Behandlungen aus organisatorischen Gründen oft erst in einem späteren Stadium der Krankheit angewendet werden, dann darf dieser Mangel nicht dazu führen, die ganze physikalisch geprägte Therapie im rechtlichen und administrativen Bereich als Rehabilitation zu deklarieren und zu behaupten, wie das gelegentlich geschieht, diese Verordnungen unterlägen nicht der Kranken-, sondern der Rentenversicherung. Grundsätzlich hält die Medizin im Interesse der Kranken daran fest, daß alle Behandlungsmaßnahmen, nicht nur die operativen und medikamentösen, sondern auch die physikalischen, vom ersten Tage einer Erkrankung an Ziele verfolgen, die definitionsgemäß dem Auftrag der Rehabilitation entsprechen, als auch zur unmittelbaren Krankenbehandlung gehören. Einzelheiten zur Prävention und Rehabilitation, soweit sie in den Aufgabenbereich der physikalischen Medizin gehören (vgl. GK 3-3), werden im klinischen Teil immer wieder empfohlen.

4. Wirkprinzipien der Krankenbehandlung Schon seit dem griechischen Arzt Galen (129-201 n.Chr.) kennt die Medizin das Prinzip, Arzneien zu geben, die gegenläufig zu den Symptomen der Krankheit wirken (Allopathie, gr.: alios=anders). Eine bis heute umstrittene Auffassung, die Homöopathie, deren Grundlage das „Organon der Heilkunst" des deutschen Arztes Hahnemann (1755-1843) darstellt [200], stellt dem Grundsatz der Allopathie das Ähnlichkeitsprinzip der Homöopathie (gr.: homoios=ähnlich) gegenüber (S.611). Als Allopathie wird häufig auch die herkömmliche Heilkunst (Schulmedizin) bezeichnet. In umfassendem Sinne gehören dazu nicht nur Medikamente, sondern auch operative Methoden und — das sei hier besonders betont — die konservativ physikalisch-therapeutischen Mittel. Viele krankhaften Störungen, die meisten Akutkrankheiten leichter Art, überwindet der Organismus aus eigener Kraft (S.10). Schwerere Krankheiten, denen die Medizin ihr besonderes Interesse widmet, zwingen den Organismus, alle verfügbaren elementaren Hilfen aufzurufen. So stellt sich zum Beispiel Fieber ein, das sicher etwas mit Abwehr zu tun hat [254]; der Arzt macht es zu einer Abwehr-

Tabelle 1 Wirkprinzipien der Therapie (nach [240]) .Künstliche" Therapie (a) Direkte Wirkungen Primär-

„ Natürliche" Therapie (b) Indirekte Wirkungen Sekundär-

1 a) Ausschaltung: „Amputation" Antibiotische Therapie u.a.

1 b) Schonung: Entlastung Entstörung Abstinenz u.a.

2 a) Lenkung: Funktionskorrektur Pharmakologische Gegensteuerung Künstliche Normalisierung u.a.

2 b) Normalisierung: Selbstordnung Regularisierung Ökonomisierung Übung u.a.

3 a) Ersatz: Substitution Prothetik Funktions- u. Organersatz Passive Immunisierung

3 b) Kräftigung: Training Spezifische Leistungssteigerung durch Anpassung Immunreaktionen u.a.

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Allgemeine Grundlagen der Physikalischen Therapie

waffe gegen die Krankheit. Bei der leukozytären Phagozytose laufen komplizierte Immunreaktionen ab. Diese künstlich aus der Reserve locken zu können, ist eine der großen Leistungen der Medizin. Ferner heilen Wunden aus, Knochenbrüche werden fest, Dendriten sprossen aus und vieles andere mehr. Dem fügt die moderne Krankenbehandlung vieles hinzu. Dabei haben sich zwei Grundprinzipien herauskristallisiert [240, 255, 257], Diese sind in der Tabelle 1 in einer schematischen Übersicht gegenübergestellt. Aufgrund des Schemas ergeben sich verschiedene Leitlinien ärztlichen Handelns. Wo immer möglich strebt der Arzt an, Krankheitsursachen auszuschalten oder, gelingt dies nicht, krankheitstypische Störungen (Symptome) zu bezwingen. Die kausale Therapie ist ätiologisch (gr.: aitia = Ursache, logos = Lehre) oder pathogenetisch (gr.: genesis = Entstehung, pathos=Leiden) ausgerichtet. Der Organismus braucht einer möglichen kausalen Behandlung zunächst keine eigenen Aktivitäten hinzuzufügen, er bleibt in einer mehr passiven Rolle, wenn man von den unentbehrlichen unspezifischen Reaktionen (S. 64) absieht, ohne die auch kausal wirksame Behandlungsmethoden keine Heilung bringen. Ein Prinzip ist die Ausschaltung von Krankheitsursachen. Der Arzt entfernt operativ lokalisierbare Krankheitsherde (Amputation, Exzision, Resektion). Über einen anderen Weg verfolgt er das gleiche Ziel auf chemisch-pharmakologische Weise oder mit strahlender Energie: Krankheitserreger werden vernichtet oder zelluläre Entartungen zerstört. Auch wenn die immunologischen Entgleisungen im Organismus durch Immunosuppression (lat.: suppressus=unterdrückt) aufgehoben werden, ist dies in weitgefaßtem Sinne kausale Therapie. Die antibiotische Therapie wurde vergleichsweise sehr anschaulich als „chemische Amputation" zu den chirurgischen Verfahren in Parallele gesetzt [255]. Die Lenkung von meßbaren Größen mit Arzneien ist als Prinzip gleichfalls eine künstliche Hilfe. Der Arzt steuert funktionelle Geschehnisse pharmakodynamisch in der Weise, daß sie zur „Norm" zurückfinden. Im wesentlichen ist dies eine symptomatische, nicht eine kausale Therapie. Schließlich hat drittens die moderne Medizin - hier kommt das Ersatzprinzip zur Geltung — Methoden entwickelt, die dem Körper fehlende Wirkstoffe künstlich ersetzen (Substitution von Eisen, Insulin, Vitaminen und vielem anderem). Auch ganze Organe werden gegen künstliche (Prothetik) oder gespendete (Transplantation) ausgetauscht. Auch die passive Immunisierung ist, da sie ohne wesentliche Eigenleistungen dem Organismus das gibt, was er zur Überwindung der Krankheit braucht, im Schema dem künstlichen Ersatzprinzip zugeordnet. Diese Errungenschaften der modernen Medizin ergänzt die Krankenbehandlung seit eh und je durch Bemühungen, die unter dem Sammelbegriff „natürliche Therapie" all das enthalten, was in den meisten Krankheitsfällen ein unentbehrlicher Partner der künstlichen Heilmaßnahmen sein muß. Der Organismus trachtet danach, äußere und innere Störfaktoren auszuschalten. Er überwindet aus eigener Abwehrkraft — das Fieber, die Phagozytose und anderes wurden schon genannt — Erreger, entschärft Giftstoffe, nimmt

Wirkprinzipien der Krankenbehandlung

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auch physikalischen Kräften den Störcharakter, indem er sich ihnen durch Umstellungen anpaßt. Er vermag ferner Schädigungen zu regenerieren. Kurz: alle Störungen, mögen sie morphologisch oder biochemisch definierbar sein und die Homöostase (S.51) gefährden, versucht der Organismus selbsttätig zu korrigieren. Die körpereigenen Korrekturen (Heilkräfte) geschehen durch Aktivitäten, die jeder auf die Erhaltung der Gesundheit programmierte Organismus ständig unterhält und, je nachdem, wie sehr äußere Umwelteinflüsse oder ein inneres Milieu (S.51) ihn stören oder gar in Gefahr bringen, zur Abwehr nutzt. Das sind Phänomene, deren Wirkungsweise der Arzt und Naturforscher Paracelsus (1493-1541) den „Inwendigen Arzt" genannt hat. Der „äußere", d.h. der behandelnde Arzt sucht lediglich und findet auch die Wege, auf denen er dem Organismus auch dann beispringen kann (natura sanat, medicus curat), wenn unmittelbare kausale Möglichkeiten nicht zur Verfügung stehen oder allein nicht ausreichen. Die unterstützende Hilfe, die der Arzt hier gibt, ist naturwissenschaftlich begründete Naturheilkunde. Die Physikalische Therapie ist die Repräsentation dieser verpflichtenden ärztlichen Aufgabe. Darüber hinaus führen ihre gezielten Aktivitäten, indem sie die selbstregulierenden Fähigkeiten des Organismus nutzen (S. 45), mit normalisierenden und kräftigenden Anstößen viele funktionelle Erfordernisse der Organe und Systeme zu bestmöglichen Leistungen. Die „natürliche" Therapie läßt sich, wie die „künstliche", in die drei in der Tabelle 1 aufgeführten Wirkungsgruppen unterteilen: Die Schonung, die Normalisierung und die Kräftigung. Die Schonung (S. 537) entlastet den ganzen Organismus, durch Bettruhe. Sie gilt auch einzelnen Organen und Funktionen, z. B. einem Gelenk, einem zerbrochenen Knochen, dem Magen-Darm-Trakt, der Leber und dem Stoffwechsel. Jede Schonung erleichtert die Selbstheilungsprozesse. Schonend ist es auch, wenn der Arzt überschießende oder entgleiste Reaktionen (S.68) dämpft bzw. „normalisiert". Dies kann „künstlich" durch Lenkung bzw. durch pharmakologische Gegensteuerung geschehen, aber auch „natürlich", indem man z.B. eine Durchblutungsstörung durch thermische Reize oder durch Massagen oder Bewegungsansprüche „entstört", verspannte Muskeln lockert, verkrampfte Bewegungsfunktionen, z. B. die Atmung, erleichert oder andere, hyperkinetische Funktionen (Spasmen) dämpft oder löst. Ein zweites Wirkungsprinzip der „natürlichen" Therapie ist die Normalisierung (S. 15). „Künstlich" (vgl. Tab.l) mit pharmakologischer Substitution, Gegensteuerungen oder palliativen (lat.: palliare=zudecken, lindern) Hilfen bleibt sie passiv. Die Abhilfe endet, sobald der Organismus die Pharmaka abgebaut und aus dem Körper ausgeschieden hat. Die „natürliche" Normalisierung tritt ein, wenn es dem Organismus wieder gelingt, gestörte Funktionsabläufe aktiv selbstordnend ins Gleis zu bringen, geregelte und gesteuerte Größen (S. 52) auf den Bedarf abzustimmen oder Organleistungen zu ökonomisieren. Therapeutisch tritt hier das noch näher zu erläuternde Prinzip der Funktionsübung (S. 15) in den Vordergrund. Wie

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Allgemeine Grundlagen der Physikalischen Therapie

dies geschehen kann, wird im Abschnitt 6.2 „Die Physikalische Medizin als Regulationstherapie" (S.45) beschrieben. Das dritte Vorhaben einer Behandlung, die auf Eigenleistungen bzw. schöpferische Mithilfe des Organismus abzielt, wurde in dem in der Tabelle 1 wiedergegebenen Schema umfassend als Kräftigung eingestuft. Gemeint ist nicht nur ein muskulärer Kraftzuwachs, der den Kraftverlust infolge einer Ruhigstellung, durch Muskelübungen wieder nachholt, oder eine antrainierte Arbeitshypertrophie gesunder Muskeln, die schwache Gewebspartien stützen (muskuläres „Korsett" in der Orthopädie) oder Ersatzfunktionen für ausgefallene Muskeln übernehmen sollen. Man versteht darunter auch die zahlreichen funktionellen Kapazitätsverbesserungen, die sich in Gestalt von Anpassungsleistungen im Adaptationsgeschehen (S.61) einstellen und die, gezielt und systematisch geübt, einen großen Raum im Aufgabengebiet physikalisch-therapeutischer Bemühungen einnehmen. Eine Gegenüberstellung der in der Tabelle 1 enthaltenen Aufträge — Lenkung, Normalisierung und Kräftigung — macht die Unentbehrlichkeit physikalisch-therapeutischer Aktivitäten und ebenso die Notwendigkeit der Kombination beider Unternehmungen deutlich. Die künstliche Normalisierung durch Pharmaka (Tab. 1) ist symptomatische Therapie, d. h., sie vermag nur die Symptome funktioneller Fehlleistungen zu beherrschen. Dies geschieht in der Regel durch Gegensteuerung, aber auch nur zeitlich begrenzt. So heben oder senken Medikamente den Blutdruck, sie drücken den Blutzuckerspiegel herab, verändern die Kohlendioxydspannung des Blutes, stellen die erhöhte Körpertemperatur etwas niedriger ein und vieles andere mehr. Die Medikamente wirken hier weder kausal noch substituierend. Sie kompensieren oder korrigieren lediglich das Ergebnis (Symptom) einer Fehleinstellung. In Krisensituationen sind solche Hilfen unentbehrlich; sie wirken sofort oder sehr schnell und beherrschen unter Umständen lebensgefährdende Notlagen, die der Organismus in kurzer Zeit nicht bewältigen kann. Die Pharmaka wirken stets nur in einer Richtung. Die Fähigkeit des gesunden Organismus, lebenswichtige Regulationen jeweils selbsttätig und spontan auf die wechselnden Funktionsansprüche des Lebens einzustellen, d. h. sie einfügsam jedem augenblicklichen Bedarf anzugleichen, kann mit Medikamenten kaum gefördert werden. Ihre stets gleichgerichtete Wirkung endet nicht, wenn sich die Situation des Organismus so ändert, daß die Gegensteuerung nicht mehr sinnvoll, vielleicht sogar schädlich ist, beispielsweise bei einem zu stark gesenkten Blutdruck. Diese Unvollkommenheit jeder chemisch determinierten symptomatischen Therapie nach dem Prinzip der Gegensteuerung läßt sich zwar in der Regel meistern, macht aber deutlich, daß in den Behandlungen etwas fehlt, nämlich ein Konzept, das darauf ausgerichtet ist, dem Körper seine funktionelle, regulatorische Wendigkeit zu erhalten oder wiederzugeben. Es kommt hinzu, daß die Medikamente (mit Ausnahme der hautwirksamen) stets das ganze System verändern, also nicht gezielt nur an den Teilen wirken, die

Wirkprinzipien der Krankenbehandlung

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einer anderen Einstellung bedürfen. A m deutlichsten wird dies bei arteriellen Durchblutungsstörungen, z. B. bei der isolierten Arteriosklerose des Gehirns, der Beine, unter Umständen auch des Herzens sichtbar. Eine allgemeine Gefäßerweiterung, wie die entsprechenden Medikamente sie hervorrufen, ist hier eher unerwünscht, weil gerade aus den schlecht durchbluteten Gefäßprovinzen, deren Erweiterung ohnehin problematisch ist, leichter Blut abgezogen und in die normal durchbluteten Gegenden umgeleitet wird. Ein so entstehender Mangel ist als Steal- and Lend-Syndrom oder auch als „Abzapfsyndrom" bekannt. Dies alles sind zwingende Gründe, dem physikalisch-therapeutischen Prinzip der Funktionsübung, das die Selbstordnungskräfte des Organismus voll in Anspruch nimmt, besondere Beachtung zu schenken. In den Verfahren der Reiz-Reaktions-, Regulations- und Adaptationstherapie mit ihren rhythmisch wiederholten Reizen (Wechselreizen), dem Intervalltraining und der Langzeitbehandlung mit immer wieder gegebenen Antrieben findet dieses unentbehrliche, durch kein anderes Mittel ersetzbare Behandlungsprinzip seinen Niederschlag. Nachdem die Physikalische Therapie als „natürliche" Heilweise angesprochen wurde, erscheint abschließend noch ein Wort zur „Naturheilkunde" angebracht. Ihre Definition macht gewisse Schwierigkeiten, weil nicht immer das gleiche darunter verstanden wird. Die Auslegung, Naturheilverfahren seien diejenigen Methoden, „die . . . in der Natur vorkommende Mittel oder Erscheinungen verwenden, gleichzeitig jede Schädigung des Organismus vermeiden . . . " [86] gilt auch für manches „künstliche" Heilmittel. Bewährte Pharmaka entstammen der Natur, z. B. Digitalis, Colchizin, Atropin, Penizillin. Andere Heilweisen sind nach dem Muster der Natur entworfen, z. B. die aktive Immunisierung. Dosiert der Arzt sachgemäß und beachtet er individuelle Unverträglichkeiten, dann schaden sie ebensowenig wie andererseits Naturkräfte, z. B. die Sonne oder elektrische Stromqualitäten, die bei Verstößen gegen diese Grundsätze den Organismus erheblich schädigen können. Vertreter einer Naturheilkunde berufen sich auf Erfahrungswerte. Solche allein können aber nicht genügen, sofern die Wirkung eines Mittels nicht durch Erkenntnisse, durch Wissen und erklärende Theorie bestätigt wird. Wer allein auf Erfahrung baut — die sogenannte Erfahrungsheilkunde, soweit sie Anspruch auf Originalität stellt, tut dies weitgehend — und seine Eindrücke nicht durch empirische Methoden, wie Beobachtung, Messung und analysierendes Experiment, zu Erkenntnissen aufwertet, läuft immer wieder Gefahr, vermeintliche Erfahrungen blind zu Axiomen zu stempeln. Es wird dabei übersehen, welche ungemein schwierige Problematik mit der scheinbar so einfachen Aufgabe verknüpft ist, eine „richtige" Beobachtung zu machen und hieraus die „richtigen" Schlüsse zu ziehen [433]. Definiert man Naturheilkunde weiterhin als therapeutisches Handeln, das sich an die natürlichen Heil- und Ordnungskräfte des Körpers selbst wendet, um sie zu aktivieren, dann ist eine dahin ausgerichtete Physikalische Therapie eine Naturheilmethode, die gegenüber anderen unter diesem Namen auftretenden Außensei-

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termethoden einen besonderen Rang hat: Ihre Methoden erfüllen grundsätzlich die Forderungen, die an die wissenschaftliche Medizin gestellt werden. So ist die Physikalische Therapie auch uneingeschränkt ein Teil der Schulmedizin. Sie übernimmt dabei unentbehrliche Teilaufgaben, indem sie, naturwissenschaftliche Gesetze ausnutzend, Lebensreize wie Licht, Luft, Wärme, Bewegung u. a. zu Heilmitteln gestaltet. So werden die wissenschaftlich begründeten Behandlungsprinzipien aller Arten in einem umfassenden Therapieplan (S. 600), der die „künstlichen" wie die „natürlichen" Mittel je nach gegebener Indikation einsetzt, zu einer Einheit. Aus dieser Sicht besteht ein Gegensatz zwischen Naturheilkunde und schulmedizinischer Therapie nicht.

5. Funktionsübung als Prinzip der Physikalischen Therapie Eine funktionsübende Komponente ist in allen physikalisch-therapeutischen Konzepten enthalten. Legt man die physiologischen Wirkungen zugrunde, nach denen die Physikalische Therapie eine theoretisch begründete Ordnung erfährt, dann führt beispielsweise die Reaktionstherapie nur dann zu einer Wirkung und zu dauerhaften Funktionsverbesserungen, wenn die Organ- und Körpersysteme immer wieder übend beansprucht werden. Alles, was unter der Sammelbezeichnung „Kräftigung" in der Tabelle 1 zusammengefaßt ist, z. B. Training der Muskeln, des Herzens und des Kreislaufes, der Durchblutung der Beine (vgl. Intervalltraining), die Anpassung an Kaltreize mit dem Ziel einer reaktiven Hyperämie der Haut, der Schleimhäute (S.612f.) oder ein allgemein abhärtendes Training, steht unter dem kategorischen Imperativ der Übung. Die Physikalische Therapie ist auch als Regulationstherapie ausgewiesen mit dem Ziel der Normalisierung (vgl. Tab. 1) in dem Sinne, daß der Organismus wieder in die Lage kommt, selbstordnend regulierbare Größen, z. B. den Blutdruck, die Herzfrequenz, die periphere Durchblutung, die Thermoregulation aus der „Unordnung" krankhafter Störungen herauszulösen und wieder in die Ordnung gesunder Regulationen zurückzuführen (S. 45). Das Entlastende, Entstörende des Schonprinzips (S. 11) geht hier mit ein. Eine Ökonomisierung aller regulierbaren Funktionsabläufe als Behandlungsziel ist wiederum nur durch trainierenden Gebrauch aller Funktionssysteme zu erreichen. Schließlich müssen auch alle Anpassungsreize bzw. -reaktionen in das Konzept einer Adaptationstherapie so eingebaut werden, daß sie mit Hilfe der intermittierend und damit übend gegebenen Anstöße überschießende Reaktionen vermeiden und störungsfrei allmählich zur Anpassung führen. Die für didaktische Zwecke übliche Aufteilung der Physikalischen Therapie in eine Reaktions-, Regulations- und Adaptationstherapie (vgl. GK3-1) darf nicht als ein Entweder — Oder verstanden werden. Alle physikalischen Behandlungen, mit denen Unvollkommenheiten regulatorischer Art und krankhafte Störungen behoben werden sollen, werden stets in Reizserien gegeben. Alle drei Wirkungsarten, das Reiz-Reaktionsgeschehen, die regulatorischen Ausgleichsfunktionen und die anpassenden Umstellungen treten gleichzeitig in Aktion. Sie werden sowohl durch das animalische (somatische) wie auch das vegetative Nervensystem vermittelt. Die Folgen physikalisch-therapeutischer Reizserien verlaufen in zwei Phasen: Zunächst beobachtet man z. B. in der Hydrotherapie eine sofort einsetzende, primäre Reaktion (vgl. G K 3-1.1.2), mit der sich der Organismus auf eine plötzlich veränderte Umweltbedingung einstellt. In der Literatur findet man dafür zuweilen noch das entbehrliche Fremdwort „Immediatwirkung" (lat.: immediatur=unmit-

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Allgemeine Grundlagen der Physikalischen Therapie

telbar). Diese Primärreaktion — sie ist nicht identisch mit der in Tabelle 1 aufgeführten Primärwirkung — zeigt dem Behandler an, daß der Kranke im gewünschten Sinne anspricht und der richtige Weg zum eigentlichen Ziel der Behandlung beschritten wurde. Das ist z. B. bei Gußbehandlungen leicht sichtbar an der Hautfarbe, in der Elektrogymnastik an der Muskelkontraktion. In anderen Praktiken ist die Primärwirkung in Gestalt der Reaktionen auf das Reizgeschehen nur indirekt mit den Sinnen erfaßbar. Die noch während der Behandlung offenkundigen Erscheinungen — mögen sie normgerechte oder fehlerhafte Bilder zeigen — geben dem Arzt und dem gut ausgebildeten und erfahrenen Behandler Aufschluß darüber, ob die Verordnungen und deren Dosierung erfolgversprechend sind oder gegebenenfalls der Korrektur bedürfen. Eine Art funktioneller Diagnostik ist so mit jeder einzelnen Behandlungsmaßnahme verbunden (S. 29). Die besseren Qualitäten der Regulationen und der Anpassung treten erst als Sekundärwirkungen (vgl. Tab. 1) der wiederholt ausgelösten Primärreaktionen in Erscheinung, z. B. in Form einer dauerhaft besser ansprechenden Durchblutung, einer empfindlicher reagierenden Kontraktions- und Entspannungsfunktion der unbewußt tätigen, aber willkürlich innervierten Muskulatur (Gleichgewichtsübungen, Komplexbewegungen), eines Leistungszuwachses des Herzens, einer Arbeitshypertrophie der Muskeln. Sie stellen im funktionellen Bereich eine Änderung der Reaktionsweise dar. Jede „Kräftigung" einer funktionellen Leistung ist ein Anpassungsergebnis an rhythmisch wiederholte Anforderungen und deren herausgearbeitetes Übungsergebnis; man kann das damit verbundene, nicht meßbare Wohlbefinden cum grano salis auch „Umstimmung" (S.75) nennen. Die Endergebnisse der Reiz-Reaktionstherapie und der Regulationsübungen sind weniger als direkte Folgen der definierten Einzelreize anzusehen, sondern vielmehr als Ausdruck umfassenderer körpereigener Leistungen, die gezielt angesprochen werden. Zwei Beispiele mögen dies beleuchten: Sinnvoll dosierte Kaltreize kühlen zwar die Körperoberfläche ab, die Körpertemperatur sinkt aber nicht, weil der Organismus den Wärmeverlust jeweils sofort reaktiv thermoregulatorisch kompensiert und damit diese lebensnotwendige Fähigkeit bei übendem Gebrauch allmählich zu hoher Qualität entwickelt. Das ist der eigentliche Sinn der Verordnung, sofern man die „Abhärtung" (S.612) anstrebt. Sauerstoffmangel in der Atemluft im Hochgebirge — ebenfalls in tolerablen Grenzen — verschlechtert nicht die Sauerstoffdiffusion ins Blut, weil der Organismus mit einer größeren Ventilation (primäre Reaktion) den Mangel sogleich regulatorisch behebt, sich aber gleichzeitig (sekundäre Reaktion) nach einer gewissen Zeit einem langanhaltenden spärlichen Sauerstoffangebot in der Atemluft mit einer erhöhten Erythropoese und mehr sauerstoffbindenden Erythrozyten im strömenden Blut anpaßt. Dies wiederum ist eine „Umstimmung", die an meßbaren Werten sichtbar wird. Die Beispiele belegen abermals, daß die nach dem Übungsprinzip gestaltete rhythmische Wiederholung gegebener Reize alle drei der charakterisierten Wege (Reaktion — Regulation — Adaptation) beschreitet, die untrennbar miteinander

Funktionsübung als Prinzip der Physikalischen Therapie

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verbunden sind und gemeinsam und nacheinander zum Ziel führen: nämlich der Kultivierung unzureichender Funktionen, der ordnenden Wiederherstellung gestörter, reaktionsträger oder überschießender Funktionen und ihrer Sicherung in Form gestärkter und geweckter körpereigener Leistungen. Dies setzt aber voraus, daß sich die Wirkungen der einzelnen Behandlungen summieren, aber nicht stören. Nur so kommen die sekundären Effekte zustande, die nachhaltiger sind als die primären Reaktionen und die ein Bestandteil dessen sind, was noch näher als Anpassung zu definieren bleibt. Zum Verständnis der primären und sekundären Reaktionen auf therapeutische Reize und zur Einsicht in die Verlaufsmerkmale der Reaktionstherapie (Behandlungskrisen, Normalisierung als Ausdruck gesteigerter Regulationsleistung oder adaptiver Funktionsentlastung) bietet die Beschreibung der Physikalischen Therapie sowohl als Reiz-Reaktions-, wie auch als Regulations- und Adaptationstherapie gute Definitionshilfen. Im folgenden werden deshalb diese drei inhaltsreichen Konzeptionen einzeln besprochen.

6. Theoretische Begründung der Physikalischen Medizin 6.1 Heilsame Kräfte des Reiz-Reaktionsgeschehens und deren Wirkungsweise Die Ergebnisse physikalisch-therapeutischer Bemühungen sind die Folge von Reizen physikalischer Art. Reaktionen sind im biologischen Sinn Reizantworten des Organismus auf innere und äußere Einwirkungen oder Zustandsänderungen. Im Prinzip sind es Abwehrmechanismen, mit denen sich der Organismus gegen schädigende Einflüsse schützt. Alle physikalisch-therapeutischen Maßnahmen nutzen dies aus. Als „heilsame Störungen" entfalten sie ihre Wirkkräfte, die Reizcharakter haben und damit sowohl das Reaktions- als auch das Regulations- und Adaptationsgeschehen auslösen. Die Reaktionen können auch örtlich begrenzt bleiben, ohne den Organismus als Ganzes zu beeindrucken, beispielsweise Durchblutungsreaktionen nach Teilmassagen oder kleineren hydrotherapeutischen Anwendungen, Turgoränderungen der Haut oder der Muskeln nach Massagen. Örtliche Reaktionen werden gezielt angesteuert, z. B. die Sekretion der Schleimhäute in den Atemwegen, falls sie zu trocken sind, eine befristete Obstruktion der Bronchien, die es — etwa im Asthmaanfall — zu lösen gilt, die Peristaltik des Darmes, die angeregt werden soll. Die meisten physikalisch-therapeutischen Verfahren haben aber durch überörtliche Reaktionen eine viel breitere Wirkung, sofern das Übungsprinzip zur Geltung kommt. Dies wird im folgenden wiederholt herausgestellt werden. Der Begriff „Reiz" wurde von R.Virchow [650] definiert als Einwirkung, durch die der Organismus bzw. die Zelle zu gewissen Tätigkeiten angeregt wird. Virchow hat damit den Grundsatz des Kausalgesetzes, des Gesetzes der ursächlichen Verknüpfungen (sogenannter Kausalnexus) zwischen zwei oder mehreren Vorgängen, auf das Lebendige übertragen und dafür den Ausdruck „Reiz-Reaktionsgeschehen" gewählt. In der Sprache der modernen Neurophysiologie stellen Zustandsänderungen in der äußeren Umwelt oder im Körperinneren einen Reiz für lebende Zellen dar, wenn die Abweichungen an erregbaren Strukturen Erregungen oder Erregungsänderungen hervorrufen. Therapeutisch nutzbar wird dies dadurch, daß oft wiederholte Reize (Übungsprinzip) die Anpassungsergebnisse zeitigen. Für die Anwendung therapeutisch wirksamer Reize hat A.Bier [48] die Bezeichnung „Reiztherapie" vorgeschlagen. Jede Reiztherapie, die funktionsübende Ergebnisse haben soll, wendet sich an die „reaktiven Lebensprozesse" [179]. Dabei kommt es nicht allein auf die Reize und Reaktionen als solche an, sondern auch darauf, daß die Reaktionen, die der

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Kranke unter den therapeutischen Reizen zeigt, im Rahmen physiologischer Reizantworten ablaufen und darüber hinaus geeignet sind, Reaktionsschwächen oder -abweichungen zu beheben, die Ausdruck krankhafter Störungen sind. Die heilsame Reaktion ist nicht etwas Passives, keine einfache Ursache-Wirkungsbeziehung, wie in der unbelebten Natur, sondern eine positive Leistung des Lebendigen, wobei zwischen Reiz und Reaktion die dauernd veränderliche Reaktionsfähigkeit des Organismus eingeschaltet ist [256]. Auf diesen Umstand richtet der Physikalische Therapeut sein besonderes Augenmerk.

6.1.1 Neurophysiologie physikalisch-therapeutischer Reizwirkung Äußere Einwirkungen auf den Körper, die große Mehrzahl der physikalisch-therapeutischen Reize, aber auch Änderungen im Inneren des Körpers, werden von Endstrukturen des Nervensystems, den Rezeptoren, aufgenommen und weitergegeben. Dies geschieht durch das Hervorrufen von Erregungen, die in der Physikalischen Medizin stets gewünschte, vorhersehbare Reaktionen zur Folge haben müssen. Über die Rezeptoren setzt sich der Organismus mit der Umwelt auseinander, indem adäquate Reize über ein System von Schaltungen auf die zu regulierenden Stellgrößen (S. 54) Einfluß nehmen. Dies innerhalb physiologischer „natürlicher" Variationsbreiten geschehen zu lassen (Naturheilkunde), ist eine Kunst der Dosierung. Die höher entwickelten Organismen verfügen über reiz- (energie-)spezifische Exterorezeptoren (Fühler), die sogenannten Thermo-, Druck-, Berührungs-, Dehnungs-, Chemo- und Photorezeptoren. Sie sprechen auf adäquate Reize an, z. B. Wärmefühler auf Temperaturänderungen, wobei unsere Sinnesorgane gleiche, unverwechselbare, „spezifische" Empfindungen als Wärme- oder Kältegefühl vermitteln. Die Massagen, die Hydro-Thermotherapie und die Lichtbehandlungen finden damit Zugang zu den Organsystemen. Manche Rezeptoren nehmen auch andere, nicht adäquate Reize auf. Diese müssen dann eine wesentlich größere physikalische Energie haben. So lösen z. B. nicht nur adäquate Lichtreize aller Abstufungen Licht- oder Farbempfindungen aus, sondern in entstellter Art schaffen dies auch inadäquate, sehr grobe Druck- oder elektrische Reize (beispielsweise beim Sterne sehen nach einem Schlag auf das Auge). Ein aus dem Physiologieunterricht bekanntes Beispiel ist die sogenannte Webersche Täuschung, nach der uns ein kaltes Gewicht schwerer erscheint als eine wärmere, gleich schwere Last, weil Druckrezeptoren zusätzlich durch Kälte erregbar sind. Neben den Exterorezeptoren gibt es Enterorezeptoren (gr.: enteron = Inneres), z. B. Propriorezeptoren der Muskel- und Sehnenspindeln (lat.: proprius = eigen). In diesem Fall lösen die im Organ selbst aufgenommenen Reize einen Effekt aus, etwa eine Muskelkontraktion (vgl. Eigenreflexe, S. 131). Die krankengymnastische Bewegungstherapie bedient sich vielfach dieser Vermittler.

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Allgemeine Grundlagen der Physikalischen Therapie

Außerdem kennt man die Interorezeptoren (lat.: inter — esse=dazwischen sein). Sie liegen in den Eingeweiden, werden deshalb auch Viszerorezeptoren (lat.: viscera = Eingeweide) genannt, und in den Blutgefäßen. Sie sprechen auf Temperaturänderungen im Körper und auf innere Druckschwankungen an. Sie vermitteln unter anderem die auch für die Physikalische Therapie interessanten viszero-kutanen Reflexbeziehungen (S.47). Neben der Erregbarkeit ist die Erregungsleitung eine charakteristische Eigenschaft des Nervengewebes. Über die morphologische und funktionelle Einheit der Nervenzellen (Neurone) mit ihren die Erregung aufnehmenden und weiterleitenden Ausläufern, den Neuriten (auch Axone oder Achsenzylinder genannt) und den Dendriten (verzweigte synapsenreiche Nervenzellfortsätze), gehen Informationen (S.51) zu den Regel- oder Reflexzentren und von diesen in gleicher Weise an die entsprechenden Organe. Die Wände aller Nervenzellen wie auch aller anderen Zellen bestehen aus einer mehrschichtigen Membran. An den neuronalen Membranen, die das Zellinnere vom Zelläußeren trennen, ändert sich unter den Reizen die Ionenkonzentration zwischen außen und innen. Elektrophysiologisch zeigen sich unter diesen Änderungen transmembrane, elektrische Spannungsschwankungen. Diese elektrischen Potentialdifferenzen (Unterschiede elektrischer Kräfte bei aufgeladenen Körpern) schwellen bei Erregung an und wieder ab. Die elektrophysikalischen bzw. -chemischen Vorgänge an Nerven und Muskelzellen als Motor der Erregung und Erregungsleitung werden im Teil II, Kapitel 4 „Elektrotherapie" eingehender dargestellt (S.341). Hier interessiert zunächst, daß Reize in den Rezeptoren Potentiale erzeugen, die als Nervenimpulse (Aktionspotentiale) fortgeleitet werden. Mit anhaltenden Reizen folgen neue Potentiale. Die Erregungen der Rezeptoren und aller Nervenzellen dienen dazu, Informationen (vgl. kybernetische Definition des Begriffes Information, S.51) weiterzuleiten. Die elektrischen Signale (hier sind nicht Ströme

Reiz

Rezeptor-

jrotentialc^

Folgen von

Aktions£otentialcn_ schwach

stark

Abb. 1 Beziehung zwischen Reizstärken, Rezeptorpotentialen und entsprechenden Folgen von Aktionspotentialen.

Theoretische Begründung der Physikalischen Medizin

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gemeint) können mit komplizierten Methoden sichtbar gemacht werden; dies führt uns die Empfindlichkeit des Systems vor Augen. Ein Reiz löst zunächst ein lokales, mittels Kathodenstrahloszillograph als Impuls registrierbares Aktionspotential aus. Es wird auch Spitzenpotential oder engl. „Spike" genannt. Die Frequenz der aufeinander folgenden Impulse bestimmt den Informationswert. Ein starker nozizeptiver Reiz (S.135) löst einen heftigen Schmerz aus, ein schwacher derartiger Reiz tut nur etwas weh. Im Muskel sorgt die Dichte der Impulsfolgen für die Effektivität der Kontraktion (vgl. Abb. 2). Die Abbildung 1 stellt die Beziehung zwischen Reiz, Rezeptor- und Aktionspotential schematisiert dar. Ob und wie einzelne Glieder auf Reize ansprechen, hängt von der Reizempfindlichkeit aller Teile des Systems ab. Deshalb können therapeutische Einwirkungen physikalischer Art auf den Körper nicht allein an Hand der physikalischen Definition eines Reizes beurteilt werden. Die Behandlungen erhalten erst durch die biologischen Reizantworten ihre Qualifikation als Reiztherapie. Ist die physikalische Kraft so gering, daß der Organismus keine Reaktionen erkennen läßt, dann verliert der Ausdruck „Reiz" seinen Sinn [183]. Um eine Reaktion zu erwecken, muß eine spezifische Reizschwelle im Sinne des „Alles- oder Nichts-Gesetzes" überschritten werden. Bleibt ein Reiz unterhalb dieser Schwelle, dann geschieht „nichts", überschreitet er sie, dann sehen wir „alles" an Reaktion des innervierten Gefüges. Das „Alles" bezieht sich also auf die Tatsache, nicht auf die Art oder das Ausmaß des Reagierens, das durch die Größe des Verbandes, die Anzahl der gleichzeitig oder nacheinander innervierten Strukturen bestimmt wird. Dies hängt wiederum von den Modalitäten der Reize und von der Reaktionsfähigkeit des Kranken ab. Die Amplituden der Aktionspotentiale sind konstant, Intensitätsunterschiede übermitteln sie nicht. Eine größere oder geringere Reizintensität verändert lediglich die Anzahl der Aktionspotentiale in der Zeiteinheit (vgl. Abb. 2). Wird zum Beispiel, wie schon angedeutet, ein Druckrezeptor durch kräftigen Druck oder ein

Reiz

Rezeptorpotentiale Aktionspotentiale mit abnehmender Frequenz schwach

stark

Abb.2 Adaption von Rezeptoren: Die Rezeptorpotentiale und die entsprechenden Impulsserien der Aktionspotentiale nehmen mit der Dauer des Reizes ab.

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Allgemeine Grundlagen der Physikalischen Therapie

Temperaturfühler durch eine höhere Temperaturdifferenz stärker gereizt, dann steigt die Impulsdichte, d.h. die Zahl der Impulse pro Sekunde an. Diese lineare Beziehung nennt man proportionale Empfindlichkeit der Rezeptoren (P-Rezeptoren). Sie informieren über einen bestehenden Zustand. Ein Beispiel eines proportional reagierenden Rezeptors ist der sekundär sensible Anteil der Muskelspindel (S. 125). Die Impulsdichte, die bei der Dehnung des Muskels an die Zentren geht, ist proportional dem absoluten Längenzuwachs des Muskels. Dieses Verhältnis bestimmt die Dehnungsreize, die die Krankengymnastin anwendet. Die primär-sensiblen Muskelrezeptoren wie auch die Thermorezeptoren sprechen aber nicht nur auf die Änderung einer Größe (beim Muskel die Dehnung) an, sondern gleichzeitig auch auf einen Zeitfaktor, d. h. auf die Geschwindigkeit, mit der eine Änderung zu- oder abnimmt. Die Frequenz der informierenden Impulse ist vom zeitlichen Differentialquotienten der veränderlichen Größen abhängig. Also : Im gegebenen Bereich vom Längenzuwachs L in der Zeit t = dL/dt, oder bei thermischen Reizen von der Temperaturänderung D in der Zeit t = dD/dt. Es besteht also eine sogenannte Differentialquotientenempfindlichkeit, mit der die meisten Rezeptoren nicht allein auf den energetischen Reiz ansprechen, sondern auch auf die Änderungsgeschwindigkeit dieses Reizes. Diese Rezeptoren haben also eine gemischte, eine sogenannte PD-Empfindlichkeit. Eine Reizantwort erfolgt um so intensiver, je schneller ein Reiz oder ein Temperatursprung sich in der Zeiteinheit ändert. Praktisch bedeutet das: Zu Beginn eines Reizes sprechen die PD-Rezeptoren mit hoher Impulsfrequenz auf die Änderungsgeschwindigkeit an, dauert die gleiche Reizintensität aber länger an, bleibt die Impulsfrequenz konstant. Diese Eignung der Rezeptoren, die Geschwindigkeit von Reizänderungen zu registrieren, begründet auch deren Adaptationsfähigkeit. Bei den meisten Rezeptoren nimmt im Verlauf eines konstanten Reizes die Frequenz der Aktionspotentiale ab. Ihre graphische Darstellung sieht also anders aus als in der Abbildung 1. Die Abbildung 2 zeigt schematisiert das Bild einer Rezeptorenadaptation auf jeden einzelnen Reiz. Große praktische Bedeutung hat die Fähigkeit der die Reize aufnehmenden und weiterleitenden Strukturen, sich in gewisser Weise an Dauer- oder Serienreize zu adaptieren. Im Verlauf von Behandlungen mit Reizen gleicher Qualität geht die Zahl der Rezeptorpotentiale (Impulsdichte) zurück, der Körper wird gegen den Störcharakter weniger empfindlich, z. B. gegen Kaltreize und anderes mehr (vgl. Habituation, Adaptation, funktionelle Adaptate, S. 61 f.). Wesentlichen Anteil an diesem Geschehen haben die differentialquotientenempfindlichen Rezeptoren. Ihr Anteil — und damit die Adaptationsfähigkeit — ist bei den verschiedenen Sinnessystemen unterschiedlich groß. Bei Schmerzrezeptoren ist er am geringsten; an Schmerzen gibt es deshalb praktisch keine Adaptation. Für die Dosierung physikalisch-therapeutischer Reize hat der reizphysiologische Begriff der Anstiegssteilheit große Bedeutung (vgl. Elektrotherapie, S.366).

Theoretische Begründung der Physikalischen Medizin

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Alle Rezeptoren haben einen bestimmten Steilheitsbedarf. Steigt die Intensität eines Reizes bis zu seinem Spitzenwert zu flach an, dann bleibt die Erregung aus. Der Grund liegt darin, daß der für eine Erregung erforderliche Ionenaustausch an den Zellmembranen in diesem Fall zu langsam erfolgt. Dieses Phänomen wird bei dem Einschleichprinzip praktisch genutzt (S. 964). Zur Beurteilung physikalisch-therapeutischer Reizqualitäten für ein Organ, z. B. einen Muskel oder die Durchblutung eines größeren Gebietes, ist weiterhin bedeutsam, daß gleichartige, nah beieinander liegende Rezeptoren in der Regel recht ungleiche Reizschwellen haben. Die Reizschwelle ist definiert durch die Stärke eines Reizes, die gerade noch eine Erregung auslöst. Die Empfindlichkeitsunterschiede gleichartiger Rezeptoren in einem umschriebenen Gebiet macht es verständlich, daß alle Rezeptoren eines behandelten Gebietes nur durch starke Reize erregt werden, weil nur diese alle Schwellen, seien sie niedrig oder hoch, überschreiten. Schwächere Reize dagegen erregen nur die wenigen Rezeptoren, die eine entsprechend niedrige Reizschwelle haben, für die der schwache Reiz also zur Erregung noch ausreicht. So wird die praktische Erfahrung verständlich, daß man trotz der „Alles oder Nichts-Regel" mit schwachen Reizen eine geringe Wirkung erzielt, weil eben nur wenige Rezeptoren ansprechen. Dieses Phänomen bildet wiederum die Ebene, auf der eine individuelle Dosierung sich darstellt. Zum Verständnis der physikalisch-therapeutischen Wirkungen, insbesondere der krankengymnastischen Methoden, ist noch ein Blick auf die Funktion der Synapsen (gr.: synapsis = Verbindung) notwendig. Synapsen sind die Schalt- und Übergangsstellen der nervösen Erregungen von einem Neuron auf ein anderes oder von einem Neuron auf das Erfolgsorgan. Es gibt mehrere Arten von Synapsen. Hier interessieren besonders ihre drei hervorstechenden Eigenschaften: Einmal besitzen sie eine Ventilfunktion, d.h. sie lassen die Erregungen nur in einer Richtung passieren (S. 345). Zum anderen haben sie eine sogenannte Plastizität, d. h. sie lernen bei häufigem Gebrauch, die Erregungen leichter zu übertragen; bestimmte, eingeübte Bewegungsmuster werden so nach und nach müheloser (S.168). Schließlich erfolgt auch die Bahnung und Hemmung von Bewegungen (S.139), auf denen die Methoden der Behandlung spastischer Haltungs- und Bewegungsstörungen aufbauen, über eine Synapsenfunktion. Nach dieser letztgenannten synaptischen Funktion unterscheidet man exzitatorische (lat.: excitare=anregen, erregen) von inhibitorischen (lat.: inhibere = hemmen) Synapsen. Zwischen den verbindenden Synapsen zweier aneinandergrenzender Neurone befindet sich ein Spalt. Hier werden bestimmte chemische Überträgersubstanzen wirksam. Der synaptische Spalt wird gebildet durch eine präsynaptische Membran des ersten und die sub- oder postsynaptische Membran des zweiten Neurons. Erregungen, die an der präsynaptischen Membran ankommen, machen hier Transmittersubstanzen (lat.: transmittere=hindurchschicken) frei: Azetylcholin (cholinerge Synapse), die Katecholamine Adrenalin, Noradrenalin (adrenerge

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Allgemeine Grundlagen der Physikalischen Therapie

Synapse), deren Vorstufe Dopamin u. a. Diese Transmitter erleichtern an der erregenden Synapse kurzdauernd die Permeabilität (lat.: permeare = durchdringen) für Natriumionen (Natrium-Einstrom S.341). Die Folge ist an der postsynaptischen Membran eine Depolarisation, die als exzitatorisches postsynaptisches Potential (EPSP) bezeichnet wird. Es fördert bzw. bahnt die Erregbarkeit des Neurons. An hemmenden Synapsen sind die Transmitter noch nicht bekannt - wahrscheinlich ist Glyzin eine hemmende Substanz für Synapsen spinaler Motoneurone (S.123). Sie rufen an diesen Synapsen eine Hyperpolarisation (Kalium-Ausstrom) hervor. Dies wirkt entgegengesetzt zum EPSP. Ein inhibitorisches postsynaptisches Potential (IPSP) hemmt die Erregbarkeit des Neurons. Die Aktivierung einer einzelnen Synapse genügt nicht, eine Erregung auf das nachgeordnete Neuron überzuleiten, weil die Reizschwelle nicht erreicht wird (S.21). Erst wenn mehrere Synapsen gleichzeitig aktiviert werden, summiert sich der depolarisierende Effekt an der postsynaptischen Membran, und das Aktionspotential kann passieren; wir haben es mit einer räumlichen Bahnung zu tun. Treffen dagegen schnell nacheinander mehrere Erregungen an einer exzitatorischen Synapse ein, dann addieren sich die Depolarisationen, die Schwelle wird überschritten und ein Aktionspotential fortgeleitet. Dies ist eine zeitliche Bahnung. Die krankengymnastische Erfahrung hat gelehrt, daß man sowohl bahnende Aktivitäten als auch hemmende Mäßigungen gezielt ansprechen und nutzen kann, um die willkürliche Motorik in geordnete Bahnen zu lenken (S.163).

6.1.2 Wert- und Größenmaßstäbe physikalisch-therapeutischer Reize Die therapeutischen Reize physikalischer Natur, deren sich die Medizin bedient, sind Einwirkungen von Energie. Ihre Eigenarten beschreibt die Naturlehre nach der konventionellen Einteilung als Physik der Materie oder als Physik der elektromagnetischen Schwingungen und Wellen. Tabelle 2 Behandlungsmethoden und ihre physikalische Einordnung Behandlungsmethode

Physikalische Deutung

Thermotherapie: Kalt- und Warmreize

Wärmelehre: mechanische bzw. kinetische Energie der Moleküle

Ultraschalltherapie: thermische und mechanische Reize

Akustische Wellen, elastische Schwingungen der Materie (Reibungswärme)

Massagen: mechanische Reize

manuelle, mechanische Druck- und Zugwirkung

Bewegungstherapie: (Krankengymnastik Beschäftigungstherapie) Bewegungsreize

Synthese der physikalischen Begriffe Statik, Dynamik, Kinematik mit der Physiologie der Bewegungen

Theoretische Begründung der Physikalischen Medizin Frequenz in Hertz

Energieart

Wellenlänge in Meter

Kosmische Strahlen

io-:

Gamma-Strahlen

10"i0

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Biologischer Reiz

radioaktiv

Röntgen-Strahlen io-1 photochemisch

Ultraviolettes Licht sichtbares Licht

io-


Normotonie. Hypo-Amphotonie

fa Normotone Einstellung

Sympathikotonie (S)

Parasyrnpathikotonie (P)

a

b

f

Amphtonie

Abb. 4 Grundeinstellung des vegetativ-nervösen Tonus.

Ergebnis der Serienbehandlungen. Sie stoßen vielmehr ganz unspezifisch das vegetative System als Ganzes an, das damit wieder in eine selbstregulatorische Ordnung hineinfindet. Dies führt zu der erweiterten Vorstellung, daß an die Stelle einer alles beherrschenden Vagotonie oder Sympathikotonie eine „Hyper- oder Hypo-Amphotonie" (gr.: amphoteros = beide) tritt, das bedeutet, der ganze Waagebalken wird auf eine niedrigere oder höhere Ebene verlagert [99]. Mit anderen Worten: Eine reziproke Innervation, wie wir sie von der Muskelfunktion her kennen (S. 131), nach der vergleichsweise unter der Erregung des Sympathikus ausnahmslos der Parasympathikus gedämpft würde, gilt hier nicht als Regel; vielmehr können beide Systeme auch gleichzeitig erregt oder gedämpft sein. Derartiges wurde unter physikalischen Behandlungen nachgewiesen. Die Metapher vom Waagebalken macht die beiden theoretisch möglichen Grundeinstellungen des vegetativ-nervösen Tonus in der Abbildung 4 deutlich. Noch ein anderes Bild trägt zum besseren Verständnis der wechselhaft mehr antagonistisch oder mehr amphoton eingestellten Funktionseinheiten im Organismus bei: Auf einem zweispännigen Wagen verhält sich der Kutscher „amphoton", wenn er die Zügel gleichzeitig anzieht oder mehr frei gibt, so daß die Pferde je nach Bedarf langsamer oder schneller, immer aber im Gleichtakt laufen. In den Kurven muß das äußere Pferd zulegen, das innere verhalten, damit der Wagen ungestört und ruhig seine Bahn zieht. Hier ist also eine antagonistische Einstellung erforderlich, bis der Wagen in die gewünschte Richtung gelenkt ist. Vergleichsweise war das äußere Pferd in der Kurve (sympathikoton) übererregt, das innere ging (vagoton) gedämpfter. Daß beide Pferde (Effektoren) auf die gegebenen Hilfen des Kutschers (vegetative Innervation) ansprechen und dieser seine Hilfen (physikalisch-therapeutische Reize) dem Gelände (vgl. Reaktionsbereitschaft, S. 38) anpaßt, ist ein Problem der vegetativen Eutonie (gr.: eu- = gut, ausgeprägt), der Do-

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Allgemeine Grundlagen der Physikalischen Therapie

sierung und Auswahl adäquater Reize und der übenden Gewöhnung (Einfahren der Pferde). Die klinische Erfahrung hat gezeigt, daß der einzelne Mensch zu verschiedenen Zeiten auf mancherlei Einflüsse unterschiedlich reagiert. Die Erkenntnisse über die vegetative Innervation haben deutlich gemacht, daß die Einstellung des Systems, die sich in der vegetativen Funktionslage ausdrückt, bei der Art und dem Grad der Reizantworten wesentlich mitwirkt. Nicht nur mit dem Schlafen und Wachsein unterliegen die Funktionszustände einem rhythmischen Wechsel — der Schlaf ist das Modell des trophotropen Zustandes — auch im Tagesverlauf (vgl. tagesrhythmische Umstellung der Thermoregulation, S. 42) ist eine zeitabhängige Periodik unverkennbar. Selbst eine Jahresrhythmik, die offenbar mit der wechselnden Belichtung der Erdoberfläche zusammenhängt, geht mit periodisch wechselnden „vegetativen Gesamtumschaltungen" einher (S. 74), die den Tonus des Systems bzw. seiner beiden Schenkel bestimmen. Beim Menschen macht es keine Schwierigkeit, eine momentan vorherrschende vegetative Reaktionslage diagnostisch klar zu erfassen (S.32) und bestimmte Zustandsbilder als mehr sympathikoton oder mehr vagoton gefärbt zu unterscheiden. Die dauernde Überlegenheit eines der beiden Wettstreiter, die eine Reaktionsweise und oft auch ein Krankheitsbild prägen (z. B. Vagotonie des Asthmatikers, Sympathikotonie beim hyperdynamen Herzsyndrom) ist nicht nur sehr selten, sondern auch in der Regel kaum mit Sicherheit auszumachen. Dennoch hat eine solche Differenzierung als Ordnungsprinzip [256] nicht nur großen wissenschaftlichen Wert, sondern auch praktische Bedeutung, da schon ein nur angedeutetes Übergewicht — nicht unbedingt Über- oder Unterfunktion — die Therapie bestimhit. 6.1.5.3 Reaktions-(Konstitutions-)typen Die Gegenüberstellung von Vagotonie und Sympathikotonie legt nahe, die Existenz einer vagotonen bzw. sympathikotonen Konstitution zu postulieren. Sie kommt aber, wie im vorherigen Abschnitt dargestellt, in so eindeutigem Kontrast auch als Konstitutionstyp praktisch kaum vor. Für die Klinik hat sie mehr theoretisches Interesse. Eine entsprechende Tendenz sollte aber in der Praxis der physikalischen Behandlungen nicht übersehen werden, weil der Arzt sich damit im voraus ein gewisses Bild machen kann, welche Behandlungen und welche Reizqualitäten und -quantitäten dem Patienten zuträglich sein werden. Insgesamt ist es recht schwierig, einzelne Menschen einem bestimmten Reaktionstyp zuzuordnen. Dies liegt daran, daß die Konstitutionstypen alternierende Extreme darstellen, die große Mehrheit der Menschen aber nur zwischen den beiden Extremen, also als Mischtypen, eingeordnet werden kann. Aufgrund morphologischer Eigenheiten hat E. Kretschmer erstmals Konstitutionstypen differenziert. Zwischen leptosom-asthenischem, athletischem, und pyknischem Habitus sind spezifische Reaktionsunterschiede unverkennbar [361], wobei sich nicht nur körperbauliche Unterschiede, sondern auch Wesenszüge des

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Menschen und eine gewisse Reaktionsbereitschaft, z. B. eine Disposition zu bestimmten Krankheiten, abzeichnen. Als Erweiterung der körperbaulich determinierten Typologie wurde ein in Grenzen divergierendes bzw. kontrastierendes funktionelles Reaktionsgeschehen zur Typisierung herangezogen [377], das am deutlichsten im Verhalten auf Kaltund Warmreize sichtbar werden soll. Diese Typologie unterscheidet einen A-Reaktionstyp — man könnte ihn parasympathikoton nennen und körperbaulich dem Astheniker zuordnen, der auf definierte Reize weniger intensiv (mikrokinetisch) und vor allem langsamer antwortet — von einem B-Typ, der schnell und intensiv (makrokinetisch) reagiert und damit eine mehr sympathikotone Einstellung zeigt, die eher dem pyknischen Habitus entspricht. Noch ein anderes Merkmal, nämlich die ungleiche Wetterempfindlichkeit der Menschen wurde zum Beweggrund [98], im Rahmen einer allerdings strittigen allgemeinen Konstitutionslehre einen W-Typ, der gegenüber Warmfronten (S.544) empfindlicher sei, von einem K-Typ zu unterscheiden, der Kaltfrontbedingungen gegenüber weniger anpassungsfähig sein soll. Die typologischen Differenzierungen im reaktiven Verhalten gegenüber thermischen Umweltänderungen haben etwas Gemeinsames, das ihnen einen praktischen Wert gibt: die Reaktionsunterschiede finden durch die Wärmeisolierung des Körpers eine Erklärung. Das Unterhautfettpolster, das hinreichend durch die Relation Körpergewicht-Sollgewicht abgeschätzt werden kann, schützt mehr oder minder vor Wärmeverlust. Dünne Menschen sind eher einer zentralen Auskühlung ausgesetzt als die Dicken. Dennoch reagieren die Mageren nicht unbedingt empfindlicher auf kurze Kaltreize, wenn ihre thermoregulatorische Beweglichkeit gut funktioniert. Dauert die Kälteexposition aber länger an oder sind große Temperaturdifferenzen zwischen Hauttemperatur und Kaltreiz vorhanden, dann verlieren Dünne mehr und eher Wärme als Menschen mit dickerem Fettpolster [495]. Mit Hilfe der Bestimmung des Hautfettpolsters, meßbar an der Hautfaltendikke, ist ein Mittel gegeben, das die reaktiven Antworten auf Kalt- und Warmreize besser und leichter im voraus einigermaßen zuverlässig abzuschätzen erlaubt. Eine weitere Möglichkeit besteht darin, die akrale (gr.: akron = am äußersten Ende, also Finger, Zehen) Hauttemperatur unter einem standardisierten Kaltreiz zu messen. Menschen mit einer niedrigen akralen Hauttemperatur zeigen gegenüber Menschen mit höherer Hauttemperatur eine verzögerte Wiedererwärmung [108]. Die Bestimmung der thermischen Ausgangslage mittels Messung der Hauttemperatur ist für das praktische Handeln aber zu kompliziert, so daß sich der einfache Grundsatz täglich bewähren muß: mit Kaltreizen erst beginnen, wenn der Körper, besonders an Händen und Füßen, die maßgebliche Effektoren der physikalischen Thermoregulation sind, warm ist. In der praktischen Physikalischen Therapie ist der Arzt stets bestrebt, statt oder neben der morphologischen eine funktionelle Reaktionsdiagnostik zu betreiben, die es erlaubt, alle Behandlungen der Reaktionsfähigkeit anzugleichen. Ist die Erregbarkeit — gemessen an Dermographismus, Reflexverhalten, Pulsfrequenz u. a.

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Allgemeine Grundlagen der Physikalischen Therapie

— gegenüber der Erwartung gesteigert und die Reaktionsgeschwindigkeit erhöht, spricht dies für eine mehr sympathikotone Einstellung; sind beide herabgesetzt, dann reagiert der Kranke offensichtlich mehr parasympathikoton. Dergleichen zeigt sich unter der Behandlung an Primärreaktionen: In der Hydrotherapie an der Vasodilatation oder -konstriktion der Hautgefäße, in der Bewegungstherapie an Pulsfrequenz, Atmung, Blutdruck und Aussehen des Patienten, in der Massagetherapie am Tonus der Muskeln und dergleichen. Auch anamnestische Angaben, z.B. über die Reaktionsstärke und den Zeitpunkt einer Quaddelbildung nach Insektenstichen, zum Wetterempfinden (S. 573), über die Vorliebe für mehr wärmere oder kältere Umgebung, helfen dem Arzt konstitutionell bedingte Sensibilitätsunterschiede richtig einzuschätzen. Unabhängig von der Konstitution verändert auch das Lebensalter die Reaktionsfähigkeit bzw. -geschwindigkeit des Menschen; diese ist im Alter vermindert und verlangsamt. Die zeitbedingten Änderungen der vegetativen Grundeinstellung können den Rang eines Reaktionstypenwechsels erreichen. 6.1.5.4 Aktuelle Reaktionsbereitschaft (Reaktionsfähigkeit) Die Bereitschaft des Menschen, auf äußere Reize zu reagieren, genauer, seine nicht dem Willen unterworfene Fähigkeit, dies zu tun, ist von verschiedenen Faktoren abhängig. Soweit diese Bereitschaft durch die im vorherigen Abschnitt dargestellten konstitutionellen Gegebenheiten erkennbar geprägt ist, kann der Arzt schon in den Verordnungen einer voraussichtlichen Situation Rechnung tragen. Selbstverständlich gibt auch das Lebensalter Richtlinien für die Reizgestaltung entsprechend der Reagibilität des Patienten. Bei jedem Menschen ist darüber hinaus eine aktuelle Reaktionsweise zu beachten, die durch augenblicklich bestehende, psychisch-affektive Umstände oder durch Schwankungen der Reizempfindlichkeit aufgrund vorhandenen oder fehlenden Wohlbefindens veränderlich ist. Emotionale Belastungen ebenso wie Anstrengungen körperlicher oder geistiger Art, fehlende Entspannung, schlechter Schlaf, unmäßiger Genuß von Nikotin und Alkohol, Verstimmungen von Magen und Darm, Kopfschmerzen, allgemeine Unpäßlichkeit, Erkältungserscheinungen und vieles andere stören die organischfunktionelle Reaktionsfähigkeit. Auch das Wetter (S. 573) läßt manchen sensiblen Menschen an verschiedenen Tagen auf eine gleichbleibende Verordnung unterschiedlich ansprechen. Derartige Reaktionen verlangen in bestimmten Grenzen eine behandlerische Selbstständigkeit. Ist z. B. bei einem Patienten zu Beginn einer hydriatischen Behandlung die Wärmebilanz gerade noch erhalten, droht aber ein Wärmedefizit, erkennbar daran, daß der Patient bei abgekühlter Körperschale schon fröstelt oder auch nur kalte Füße hat, dann sollten verordnete Kaltreize, die etwa im Rahmen von gefäßtrainierenden Wechselreizen durchaus ihre Indikation haben, erst dann gegeben werden, wenn mit einem aufsteigenden Fußbad, einer heißen Dusche

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oder dergleichen die Wärmesituation in der Weise verbessert wurde, daß die die Wärmebilanz schützende Engstellung der peripheren Gefäße sich unter der Wärmegabe wieder gelöst hat. Erst jetzt ist eine Reaktionsbereitschaft entstanden, die es erlaubt, die Güsse abwechselnd kalt und warm zu geben. Nun ist durch deren thermischen Reizcharakter ein entsprechendes reaktives Gefäßspiel zu erwarten. Bei noch fehlender Reaktionsbereitschaft als Ausdruck eines unausgeglichenen Wärmehaushaltes würde es nicht gelingen, das Behandlungsziel zu erreichen, vielmehr blieben unerwünschte Rückwirkungen auf die Wärmebilanz und das Wohlbefinden nicht aus. Für die Behandlungspraxis gilt deshalb stets die Regel, daß, bei aller Sorgfalt in der individuellen Verordnung physikalisch-therapeutischer Maßnahmen durch den Arzt, dem Behandler die Aufgabe zufällt, die Verordnung auch situationsgerecht zu gestalten, indem er den Kranken beobachtet und je nach eintretender oder ausbleibender Reaktion versucht, im Rahmen des gegebenen Dosierungsspielraumes (S.916) Reiz und erwünschte Reaktion miteinander in Einklang zu bringen. Immer bleibt gültig, daß nicht technische Regeln die Qualität eines therapeutischen Reizes ausmachen, sondern der individuelle Zuschnitt auf die Besonderheiten des einzelnen Kranken, auf seine wechselhafte Reizempfindlichkeit und seine Reaktionsbereitschaft. Hier liegt eine große Verantwortung, aber auch ein beruflicher Anreiz für die Mitarbeiter aus den medizinischen Assistenzberufen, denen der verordnende Arzt die Behandlung seiner Patienten anvertraut. Die Physiologie hat mit der Erforschung der rhythmischen Schwankungen beim Menschen (Biorhythmik) Zusammenhänge aufgedeckt, die für die Therapie wichtige Einsichten in die wechselnde Reaktionsfähigkeit des Menschen ableiten lassen. So zeigt die Körpertemperatur und demzufolge auch die Hauttemperatur des Menschen einen von äußeren und inneren Wärmebedingungen unabhängigen Verlauf, der einer rhythmischen Ordnung des biologischen Tages folgt [241], Einer Phase der Aufheizung in der ersten Tageshälfte (3-15 Uhr) folgt eine Phase der Entwärmung in der zweiten Tageshälfte (15-3 Uhr) (Abb. 5). Aus diesem rhythmologischen Geschehen läßt sich ableiten, daß der Mensch zu verschiedenen Tageszeiten ungleich temperaturempfindlich und gegenüber thermischen Reizen entsprechend (in Grenzen antagonistisch) reaktionsbereit ist. In der Aufheizungsphase am Vormittag, in der unser Körper aus einer mehr vagotonen langsam in eine mehr sympathikotone Einstellung überwechselt, reagieren wir heftiger auf Kaltreize, weil jetzt jede Abkühlung gegenregulatorisch eine Verstärkung der bestehenden Aufheizungstendenz herausfordert. Sie dosiert zu gefährden, ist eine heilsame Störung, die das reaktive Geschehen anstößt. Nachmittags spricht der Organismus lebhafter auf Warmreize an, weil er zu dieser Zeit auf eine langsam aufkommende Entwärmung umgeschaltet ist; er intensiviert also seine wärmeabgebenden oder drosselt seine wärmebildenden Bemühungen (vgl. negative Rückkopplung, S.55). In der Praxis der physikalischen Behandlungen ist es organisatorisch nicht einfach, solche feineren physiologischen Einstellungen mit tagesrhythmisch wech-

42 °C

Allgemeine Grundlagen der Physikalischen Therapie 15.00 Uhr

3.00 Uhr

15.00 Uhr

Abb. 5 Rhythmischer Tagesgang der Haut- und Körpertemperatur.

selnder Richtung therapeutisch zu berücksichtigen. Grundsätzlich, wie auch im Einzelfall, muß der Arzt sich entscheiden, ob er die tageszeitlichen Schwankungen der Reizempfindlichkeit und der Reaktionsbereitschaft durch unterschiedliche Dosierung lediglich ausgleichen oder aber therapeutisch nutzen will [239]. Wirkt man der tagesrhythmischen Spontantendenz entgegen, indem man in der Entwärmungsphase am Nachmittag eine Hyperthermiebehandlung vornimmt, etwa ein Überwärmungsbad verabfolgt, einen Besuch in der Sauna verordnet, eine Wärmepackung oder dergleichen gibt, dann fordert dies den Organismus stärker, weil die therapeutische Maßnahme zu diesem Zeitpunkt der physiologischen Temperaturbewegung entgegensteht, die Ausgleichsmechanismen also stärker in Anspruch genommen werden als zu einem anderen Termin. Das gleiche gilt für abkühlende Behandlungen in der Aufheizungsphase, die mit dem Wärmeentzug gestört wird. Die beliebte kühle Dusche am Morgen fordert den Organismus also mehr als die gleiche Übung nach Feierabend. Entsprechende Überlegungen zu anderen Anforderungen regulatorischer Art an den Organismus — ob z.B. eine Gymnastikstunde abends zwischen 20 und 22 Uhr noch sinnvoll ist — dürfen die Rhythmik des biologischen Tages nicht außer acht lassen. Für eine Reiztherapie kann es aber durchaus sinnvoll sein, thermische Reize tageszeitlich so einzusetzen, daß sie spontanrhythmische Tendenzen gezielt stören. Solche Störfaktoren zwingen den Organismus, sich wärmeregulatorisch stärker zu engagieren. Im Einzelfall wird jeweils zu klären sein, ob derartiges im Sinne eines „heilsamen Stoßes ins vegetative System" (S.18) angezeigt ist.

Theoretische Begründung der Physikalischen Medizin

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6.1.5.5 Reizgewöhnung — Notwendigkeit der Reizsteigerung Es liegt im Wesen des Reiz-Reaktions-Geschehens, daß unter wiederholt gegebenen Anwendungen eine begrenzte Gewöhnung sowohl an einen Einzelreiz wie an Reizserien aufkommt, mit der sich der Reizeffekt abschwächt oder gar ganz verliert. Die physiologischen Vorgänge der Habituation, der Adaptation und der Akklimatisation (S.61), sind Arten bzw. Ergebnisse der Reizgewöhnung oder Reizanpassung. Die Gewöhnung an bestimmte Reize ist ein positiv zu wertendes Behandlungsergebnis, sofern eine Anpassung an Umweltbedingungen oder -anforderungen erwartet wird. Dies offenbart sich als Änderung der Reizempfindlichkeit, die sich z.B. elektrophysiologisch durch geringere Impulsdichte in Nervenfasern unter rhythmischer Wiederholung gleichbleibender Reize (S.22) zeigt. Sie wird auch durch eine langsam absinkende Azetylcholinkonzentration an den präsynaptischen Membranen erklärt (S. 23 u. 345), obwohl diese Deutung umstritten ist. Die Gewöhnung kann auch Ausdruck eines meßbaren Leistungsanstieges sein, der, ist er erreicht, höhere Reizintensitäten in Form von größeren Leistungsanforderungen notwendig macht, um weiterhin als Reiz wirksam zu bleiben. Ein Beispiel aus der Muskelphysiologie, das uns den Zeitbedarf für die Spätergebnisse verständlich macht, ist die unter Kontraktionsreizen langsam wachsende Muskelkraft (S. 143). Die Muskelleistung ist dabei abhängig von der Produktion und zeitgerechten Bereitstellung der chemischen Energie für die Muskelarbeit. In der Hydro- und Thermotherapie, zum Teil auch in der Elektrotherapie, werden Gewöhnungseffekte auch an Empfindungen deutlich. Sogenannte Abhärtungserscheinungen gegen Kälteeinwirkungen (S.612f.), die Parallelen auch in der Gewöhnung an sensorische Einströme anderer Art, an affektive (visuelle, akustische) Reize, haben, sind Beispiele für eine Gewöhnung an Reizqualitäten, die der verordnende Arzt wie auch der Behandler beachten müssen, damit in der Reizund Reaktionstherapie mit gegebenenfalls höher dosierten Reizen gute reaktive Ergebnisse erreicht werden. Bei den Empfindungen bleibt es allerdings jeweils fraglich, wie weit echte Adaptate vorliegen oder ob es mehr subjektive Einstellungen zur Reizart sind, die die Empfindlichkeit verändern. Bei den Schmerzreizen wurde schon darauf hingewiesen (S.22), daß es bei fehlender Differentialquotientenempfindlichkeit der Schmerzfasern eine funktionelle Adaptation kaum gibt.

6.1.6 Kombination physikalisch-therapeutischer Reize In der Physikalischen Therapie ist es vielfach notwendig, mehrere adäquate Reize zu kombinieren, weil einförmige Behandlungen, die nur einen Wirkungsfaktor enthalten, nicht immer zu einem guten funktionellen Ergebnis führen. Allerdings

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Allgemeine Grundlagen der Physikalischen Therapie

muß man darauf achten, daß verschiedene Einzelreize sich in der Kombination nicht gegenseitig stören. Dies geschieht, wenn ein nachfolgender Reiz eine vorausgehende Reaktion in ihrer vollen Entfaltung hindert oder sie übersteigert. In der Mechanotherapie ist die Verbindung von Massagen mit einer vorausgehenden Erwärmung des Gewebes die wohl häufigste kombinierte Verordnung. Massagen, die verspannte, verhärtete Muskeln weich machen sollen, haben ein besseres Ergebnis, wenn Wärme die Muskeln schon vorher lockert und besser durchblutet. Die Unterwasserdruckstrahlmassage (S. 102) ist eine solche schon vorgegebene Kombination, mit der zu den detonisierenden und hyperämisierenden mechanischen und thermischen als dritter Wirkungsfaktor noch der Auftrieb hinzukommt, der besonders die Haltemuskeln entspannt. Die höhere Kontraktionsbereitschaft, die ganz bevorzugt die Beuger unter großflächig streichenden Massagen zeigen, wird an anderer Stelle erläutert (S. 134). In der Bewegungstherapie ist die Kombination des Auftriebs im warmen Wasser mit gezielten, krankengymnastisch geführten Komplexbewegungen bei Lähmungen und Kontrakturen eine unentbehrliche Zusammenstellung (Bewegungsbad, Schmetterlingswanne). Aus der Elektrotherapie ist die Kombination von Willensimpulsen zur Muskelkontraktion nach Foerster (S.370) mit einer Stimulation des gleichen Muskels durch Stromimpulse ein bewährtes Verfahren der sinnvollen Verbindung ganz verschiedener therapeutischer Spielregeln mit sich ergänzendem Wirkungseffekt. Häufig werden physikalisch-therapeutische Ziele nicht zufriedenstellend erreicht, wenn nicht eine medikamentöse Unterstützung hinzukommt. So löst sich z.B. eine schmerzhafte Kontraktur durch Bewegungen nicht selten erst dann, wenn zuvor ein Analgetikum gegeben wurde. Hier muß nun die Kunst der vorsichtigen Dosierung der Bewegung das richtige Maß der zuträglichen Dehnung finden (S. 125 u. 752). Für die Bewegungstherapie ist die Verabreichung von kompensierenden Herzmitteln unter Umständen eine unabdingbare Voraussetzung, sofern bei einer Belastungsinsuffizienz aktive Leistungen gefordert werden müssen, um eine Remobilisierung der Kranken zu erreichen. Die Kombination von spasmolytisch wirksamen Arzneien, etwa Bronchospasmolytika in der Atemtherapie, muskelrelaxierende Substanzen in der Behandlung spastischer Muskeln (S. 141), diätetische Verordnungen in Verbindung mit physikalischen Maßnahmen zur Anregung der Darmperistaltik sind weitere Beispiele für die einander unterstützende Verbindung mehrerer Behandlungsangebote. Im klinischen Teil III wird immer wieder darauf hingewiesen werden. Manche therapeutischen Methoden bestehen aus Wirkungskomplexen, in denen eine glückliche Kombination verschiedener Faktoren den Wert der Behandlung darstellt. Dies gilt vor allem für die Klimatherapie und für die Hydrotherapie, besonders in Gestalt der Kombinationsbehandlung einer Kneippkur (S. 270), bei der der Arzt noch weitere therapeutische Methoden, z. B. Bewegungsaktivitäten oder beschützende, warmhaltende Ruhephasen in Form von Liegekuren, in der

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dunkleren Jahreszeit dosierte künstliche UV-Lichtgaben, gelegentlich auch sedierende Pharmaka hinzufügt, um das ganze aus Einzelbausteinen bestehende Mosaik der therapeutischen Reize zu einer geschlossenen Behandlungsmethode zu gestalten.

6.2 Physikalische Medizin als Regulationstherapie Die physikalischen Behandlungsmethoden finden ihre bedeutendste Legitimation in der schon mehrfach belegten Tatsache, daß sie die eigengesetzlichen Bestrebungen des Organismus, Störungen aller Art abzuwehren, wirksam unterstützen bzw. den Organismus, wenn dieser in der Krankheit entkräftet ist, wieder aufrichten. Das geschieht in weiten Bereichen über Regulationen, mit denen der Organismus gestörte funktionelle Ordnungen wiederherstellt und „normalisiert" (vgl. Tab. 1) oder zu erhalten versucht. All das, was zum Tonus des vegetativen Systems im Reiz-Reaktions-Geschehen bereits gesagt wurde ist ein Teil auch der regulatorischen Ausgleichsmechanismen. Viele der regulierenden Korrekturen, so die sogleich unter therapeutischen Reizen einsetzenden reaktiven Antworten, kommen über Reflexe zustande, zum Teil über Axonreflexe, d. h. innerhalb eines Neurons ohne Vermittlung von Synapsen (S.23), mehr noch über Reflexbögen mit einer (Eigenreflex) oder mehreren (Fremdreflex) Synapsen erregender oder hemmender Funktion. Die Reflexe vereinfachen das regulierende Geschehen im Organismus, sie reagieren auf immer wieder vorkommende Umweltreize in unveränderlicher Art und Weise schnell und ohne besonderen Aufwand. Der Begriff „Regulation" steht für die automatische Führung funktioneller Geschehnisse, die von Regelsystemen gelenkt werden. Funktionelle Steuerung ist ein Teil des Regelgeschehens (vgl. „gesteuerte" und „geregelte" Größen, S. 51 f.). Das Ziel dieser Abläufe ist die Kompensation (lat.: compensare=ausgleichen). Die biologischen Regulationen dienen dazu, die Homöostase (S. 51) aufrechtzuerhalten. Allerdings sind die kybernetischen Wege (S. 51), die viele der Regulationen gehen, noch nicht vollständig aufgedeckt worden. Dennoch ist es unzweifelhaft, daß funktionelle Einstellungen sich gegebenenfalls unter adäquaten therapeutischen Reizen auf rationellere Werte so einregulieren, daß sie einer gegebenen Situation bzw. den wechselvollen Ansprüchen des Lebens besser gerecht werden. Weitgehend geklärt sind die Regelkreismechanismen der Thermoregulation (S. 237). Die Physikalische Therapie ist als Regulationstherapie das Muster einer „natürlichen Therapie" (S.9), unter deren Anstößen sich die regulatorische Ordnung wiederherstellt. Diese macht einen wesentlichen Teil der Gesundheit aus, in jeder Krankheit ist sie mehr oder weniger gestört. Da es die Regulationseinrichtungen des Organismus sind, auf die alle physikalisch-therapeutischen Maßnahmen zielen, wurde für ihre Methoden der meist unspezifischen Reizungen mit Wärme

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oder Kälte, mit Massagen und Bewegungsansprüchen, elektrischen Impulsen oder Lichteffekten und für die Verfahren der Balneo- und Klimatherapie der Ausdruck „Regulationstherapie" geprägt [255]. Die heilsamen Folgen physikalisch-therapeutischer Maßnahmen, die z. B. gezielt die Herztätigkeit an notwendige Leistungen heranführen, die Atmung ergiebiger machen, die Muskeln kräftigen und Komplexbewegungen einschleifen, die Durchblutung bestimmter Gefäßgebiete vermehren, den Stoffwechsel anregen, erhalten ihren Wert durch die selbstregulatorische Umstellung, mit der die Organe und Systeme die Anregungen der therapeutischen Reize beantworten. Unter der Regie der Übungsbehandlungen münden die kurzfristigen Änderungen, die sich stets — sichtbar oder verborgen — einstellen, in eine beständige Erweiterung funktioneller Leistungen ein (vgl. G K 3 — 1.1.2: Primäre und sekundäre Reaktionen auf therapeutische Reize). Der Organismus paßt sich damit den Anforderungen der Umwelt wieder an. Die Umstellungen (vgl. „Umstimmung", S.75) werden zum Teil von Regelkreisen über die vegetative Innervation vermittelt (vgl. z.B. Thermoregulation, S.234f.). In der übenden Bewegungstherapie sind es auch die somatisch-reflektorischen Mechanismen des peripheren Nervensystems, auf deren Grundlage funktionelle Besserungen, vor allem der Muskeln, erarbeitet werden. Zahlreich sind die vegetativen Reflexbögen, die Beziehungen zwischen Haut, Muskeln und Eingeweiden vermitteln. Die Adaptationstherapie führt unter anderen auch über hormonale Aktivitäten zu Kapazitätsverbesserungen (S.63). Über weitere humorale Regulationen, z. B. an den Enzymsystemen, ist unter physikalischen Behandlungen noch wenig bekannt; allerdings ist die balneo logische Forschung schon zu Ergebnissen gekommen, die auch in diese Richtung weisen.

6.2.1 Bedeutung der reflektorischen Funktionswege für die Physikalische Therapie In das komplexe Geschehen der funktionellen Organisation des Lebens sind verschiedene klar definierbare Mechanismen eingebaut. Sie werden von den Umweltreizen bzw. den therapeutischen Reizen angesprochen und erklären die augenblickliche Wirkung der therapeutischen Anwendungen sowie das Langzeitergebnis ganzer Reizserien. So ist z.B. das Funktionsgeschehen der reflektorischen Antworten ein ständig verfügbares und in der Physikalischen Medizin ständig in Anspruch genommenes Attribut ineinandergreifender Ursache-Wirkungs-Beziehungen. Reflexe kann man definieren als unwillkürliche, meist nicht bewußt wahrgenommene, stereotype und in der Regel zweckmäßige Antworten lebenden Gewebes auf sensible Reize. Sie laufen von peripheren Rezeptoren über nervöse Bahnen und ihre Zentren im Rückenmark zum Erfolgsorgan (Effektor). So ist jedes mit Rezeptoren ausgestattete Organ über sensible, afferente Nerven über die Schalt-

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stellen im Rückenmark und von hier segmental über efferente, motorische Nerven mit dem Erfolgsorgan in einem Reflexbogen verbunden. Reflexe sind auch wesentlich an der Regelung und Steuerung der Motorik beteiligt; darauf wird in der neurophysiologischen Begründung der Bewegungstherapie eingegangen (S. 121). Es gibt verschiedene Reflexverbindungen zwischen sympathischen und somatischen, d. h. zum sympathischen und zum animalischen Nervensystem gehörenden Neuronen. Der einfachste somatische Reflexbogen ist der monosynaptische Dehnungsreflex, ein Eigenreflex (S.122). Die vegetativen Reflexe sind polysynaptisch (Fremdreflexe). Sie leiten sowohl somatische Impulse aus den Hautrezeptoren als auch viszerale Impulse aus den Eingeweiden. Afferente, zum Zentralnervensystem ziehende Fasern von den Rezeptoren der Haut, der Muskeln und Gelenke (somatische Afferenzen) vermitteln Reize aus der Umwelt — also auch die äußeren physikalisch-therapeutischen Reize — oder Reize aus inneren Organen (viszerale Afferenzen). Vom ZNS in die Peripherie ziehen efferente Fasern, zu den Muskeln motorische (somatische), zu den Organen vegetative (viszerale) Efferenzen. Die meisten Nerven sind gemischter Natur; so enthalten Haut-, Muskel- und Gelenknerven neben ihren somatischen auch vegetative Fasern. Zwischen den beiden Gefügen neuronaler Versorgung, dem animalen und dem vegetativen System, bestehen enge funktionelle Beziehungen. Die klinische Erfahrung weist daraufhin, daß die viszeralen und somatischen Efferenzen auf segmentaler Ebene im Rückenmark miteinander synaptisch verschaltet sind. In das Wirkungsgeschehen zahlreicher physikalisch-therapeutischer Verfahren sind vegetative Reflexbögen eingeschaltet. Verschiedene solcher Verbindungen vermitteln Symptome und auch Möglichkeiten zu deren Behandlung. Viszero-kutane Reflexe (Abb. 6 a): Sie kommen von inneren Organen und erreichen über Verschaltungen im Rückenmark und Grenzstrang Hautrezeptoren in zugeordneten Dermatonen (S.91). Hier wird gelegentlich (bei Gallenblasen- oder Blinddarmentzündung) eine Rötung sichtbar, die Hautdurchblutung ist vermehrt, die Spannung der Haut, zuweilen auch die lokale Schweißsekretion erhöht. Diagnostische Verfahren, wie z. B. Messung der elektrischen Leitfähigkeit und des Widerstandes der Haut, beruhen auf solchen reflektorischen Änderungen. Kuti-viszerale Reflexe (Abb. 6 b): Diese gehen in umgekehrter Reihenfolge von Hautrezeptoren aus und wirken auf innere Organe. Thermische Reize, besonders solche hydrotherapeutischer Art wie Wickel und Packungen, vermehren so von der Bauchhaut aus die Durchblutung intestinaler Organe. Sie lösen damit auch schmerzhafte, übermäßige Bewegungen oder Verkrampfungen (Koliken) beweglicher innerer Organe (Magen, Darm, Gallenblase, Ureter) und lindern oder entwirren die Fehlfunktion. Mehr diagnostisches Interesse finden kuti-kutane Reflexe: Die lokalen Gefäßreaktionen nach Hautreizen, z.B. der Dermographismus, erlauben gewisse Rückschlüsse auf den Grad der vegetativen Erregbarkeit (vgl. Tonus des vegetativen Systems, S. 33).

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Allgemeine Grundlagen der Physikalischen Therapie

a Viszero-kutaner Reflex Darm

Haut b Kuti-viszeraler Reflex Haut

Darm c

Viszero-motorischer Reflex Darm

Muskel d Viszero-viszeraler (intestino-intestinaler Reflex) Darm (Magen, Gallenblase)

Abb. 6 Vegetative Reflexe. Schematische Darstellung der segmentalen Verschaltung viszeraler und somatischer AfTerenzen mit vegetativen Efferenzen. (Die Interneurone und vegetativen Ganglien und ihre Synapsen sind hier nicht eingezeichnet.)

Viszero-motorische (auch vizero-somatisch genannte) Reflexe (vgl. Abb. 6 c): Diese gehen von inneren Organen, Magen, Gallenblase, Darm über sensible vegetative Fasern zu den somatischen Alpha-Motoneuronen (S. 123) des entsprechenden Segmentes und über motorische Fasern zu quergestreiften Muskeln, deren reflektorischen Tonus (S. 83) sie bei krankhaften Störungen ändern. So kommt, von Schmerzrezeptoren ausgehend, die Abwehrspannung der Bauchdecken zustande. Umgekehrt kann man, sofern es sich um funktionelle Fehleinstellungen handelt, mit lockernden Massagen der Muskelzonen (S. 92) die zugeordneten Organe entstören.

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Vizero-viszerale Reflexe (Abb.6d): In inneren Organen nehmen die hier liegenden Thermo- und Druckrezeptoren bestimmte therapeutische Reize, z.B. Hochfrequenzwärme, die in der Tiefe entsteht, oder rhythmische Druckschwankungen bei der Kolonmassage, auf und veranlassen das Organ zu erhöhter oder gedämpfter motorischer oder sekretorischer Aktivität. Definitionsgemäß sind dies, obwohl polysynaptisch verschaltet, Eigenreflexe. Es gibt auch noch eine andere Art dieser Reflexe innerhalb oder zwischen Organen, indem viszerale Afferenzen aus einem inneren Organ auf sympathische Efferenzen zu diesem überspringen. Der Reflex ist therapeutisch nicht nutzbar, er erklärt aber z. B. die gefürchtete Darmatonie nach dem „Reiz" einer Bauchoperation. Da die große Mehrzahl der physikalisch-therapeutischen Reize an der Hautoberfläche angreift, sind besonders die kuti-viszeralen Reflexe unentbehrliche und effektive Vermittler dieser Behandlungsmethoden zu tiefer liegenden Organen, ebenso wie die viszero-kutanen Reflexe neben informativen Hinweisen auch die Angriffsorte bestimmter äußerer Anwendungen zeigen. Die somatischen und vegetativen Reflexe sind aber — wie erwähnt — miteinander verwoben. Aus den Eingeweiden kommende Afferenzen und Impulse aus den Thermo- und Schmerzrezeptoren der Haut treffen in den Ganglienzellen des Grenzstranges zusammen. Hier und im Rückenmark werden die verschiedenen Impulse integriert, und über eine gemeinsame aufsteigende spinothalamische Bahn gelangen sie zum Großhirn. Lokale Empfindungen werden damit verwischt und die Information über den Ursprungsort einerStörunggehtverloren. Ein Schmerzausder Tiefe wirdz. B. auf der Haut wahrgenommen (vgl. übertragener Schmerz, S.93). Wir haben eine HeadZone vor uns (S. 92), die uns sowohl den diagnostischen Weg weist, wie sie auch — noch effektiver sind die vergleichbaren Muskelzonen — Ansätze für therapeutische Konzepte bietet. Die Abbildung 6 zeigt dies in schematischer Darstellung. Bedingte Reflexe als Grundlage erlernbarer Funktionen Eigen- und Fremdreflexe sind angeboren. Sie sind sehr beständig und kaum wandelbar. Unter therapeutischer Zielsetzung sind sie stets in gleicher Art nutzbar, d. h. sie zeigen keine Änderungen im Sinne der Reizanpassung. Demgegenüber gibt es Reflexe, die das Ergebnis eines Lernvorganges sind. Unter anhaltenden Serien von neuronalen Erregungen erlernt der Organismus im Laufe des Lebens bestimmte automatische, nervös-motorische Antworten auf sensible Reize, die vom Willen unabhängig sind. Diese erworbenen, bedingten Reflexe befähigen den Organismus, die wechselhaften Situationen der äußeren Umwelt leichter zu bewältigen. In der physikalischen Therapie werden solche reflektorischen Lerneffekte auf verschiedene Art und Weise angestrebt, insbesondere in der Bewegungs- und Beschäftigungstherapie. Die bedingten Reflexe bauen sich auf der Grundlage der angeborenen, physiologischen, unbedingten Reflexe auf, d.h. bedingte Reflexe entwickeln sich nur, wenn mit einem beliebigen Reiz anderer Art jeweils gleichzeitig auch ein angeborener Reflex ausgelöst wird.

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Diese Beziehung wird an dem bekannten, 1897 unternommenen Versuch von I. P. Pawlow ersichtlich. Er löste beim Hund den unbedingten Speichelsekretionsreflex aus, indem er ihm Nahrung vor die Nase hielt (differenter Reiz für das Riechepithel). Jedesmal gab er gleichzeitig einen akustischen (indifferenten) Reiz. Nach einiger Zeit setzte die Speichelsekretion allein auf das akustische Zeichen sofort ein, der indifferente Reiz war zu einem differenten Reiz geworden, der einen unbedingten Reflex zu einem bedingten oder konditionierten Reflex werden ließ. An der Formung bedingter Reflexe ist also das Gehirn beteiligt. Solche Reflexe bilden sich aus, wenn eine feste zeitliche Beziehung zwischen einem gleichbleibenden indifferenten Reiz und einer durch einen ebenfalls gleichbleibenden differenten Reiz wiederholt ausgelösten unbedingten reflektorischen Reizantwort des Organismus besteht. Erst nach einer längeren Reihe von Wiederholungen (Übungsprinzip) wird die, in diesem Fall erlernte, reflektorische Funktion (im Beispiel Speichelfluß) sogleich mit dem indifferenten (akustischen) Reiz eintreten, auch ohne daß der angeborene unbedingte Reflex (durch Wittern der Nahrung) ausgelöst wurde. Derartige bedingte Reflexe sind jedoch nicht konstant. Sie gehen, wenn der unbedingte Reflex längere Zeit unterbleibt oder wenn sie selbst nicht mehr genutzt werden, wieder verloren. Sie sind auch in ihrer Auslösbarkeit durch Veränderung der äußeren Bedingungen wandelbar. Damit wird verständlich, daß bedingte Reflexe, die im reaktiven Verhalten des Organismus eine große Rolle spielen, durch die Reizgestaltung und -dosierung der physikalischen Therapie modifizierbar sind und der Behandler sie auf die Reaktionsfähigkeit des Organismus abstimmen kann. Andererseits wird damit das Übungsprinzip und gegebenenfalls die Notwendigkeit von Wiederholungsbehandlungen (Kurwiederholung, S. 643) erklärbar begründet. Nun sind die Verhältnisse in der Physikalischen Therapie nicht so leicht faßbar wie in dem einfachen Versuch von Pawlow. Im Reiz-Reaktions-Geschehen des Menschen, wie es therapeutisch systematisch angesprochen wird, ist das Pawlowsche Reiz-Reaktionsschema nur vorstellbar, wenn man eine Reihe komplizierterer Arten von bedingten Reflexen unterstellt. Es gibt offenbar in unbekannt großer Zahl erworbene, unter natürlichen Lebensbedingungen erlernbare, bedingte Reflexe höherer Ordnung, die auch entstehen können, ohne daß sie definierbare unbedingte reflektorische Vorgänge voraussetzen, wie sie im Experiment von Pawlow deutlich werden. Auch die indifferenten, in der Therapie als unspezifisch bezeichneten Reize (S.73) erwecken gegebenenfalls eine Reihe bedingter Reflexabläufe. So kann man die feinere Anpassung des Organismus an die wechselnden Umweltbedingungen als Funktion zahlreicher bedingter Reflexe ansehen, deren neurophysiologische Erklärung aber zum großen Teil noch undurchsichtig ist. Der Eigenart solcher erlernbarer Reflexe entsprechend bedürfen sie „übender" Wiederholungen, damit sie sich voll ausbilden und bestehen bleiben. Hier können auch Beziehungen zu dem kritisch beleuchteten Begriff „Umstimmung" (S.75) und zu der Förderung körpereigener Abwehrleistungen gesehen werden.

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Es ist nicht bekannt, aufgrund welcher Vorgänge die Erscheinungen der erlernbaren bedingten Reflexe zustande kommen. Hypothetisch wird angenommen, daß an den neuronalen, synaptischen Membranen und den beteiligten aktivierten Neuronen biochemische Veränderungen eintreten, die solange verfügbar bleiben, wie das bedingte Reflexgeschehen immer wieder genutzt wird.

6.2.2 Informationen, Regelungen, Steuerungen unter physikalisch-therapeutischen Maßnahmen Viele Erscheinungen des Lebens, darunter auch die reaktiven Folgen äußerer Anstöße in Gestalt physikalisch-therapeutischer Reize, sind an die Vermittlung von Nachrichten gekoppelt, die den Organismus zu automatischen und sehr sinnvollen Reaktionen und Einstellungen seiner Funktionsgrößen veranlassen. Die „Nachricht" tritt als Grundbegriff neben Materie und Energie. Für Nachricht kann auch Information stehen, sofern damit nicht Belehrung oder Unterrichtung gemeint ist [374]. Die funktionelle Organisation des Lebens, für deren Erklärung die älteren Erkenntnisse der reflektorischen und stoffwechselaktiven Mechanismen allein nicht ausreichen, bekommt durch die Informationstheorie einen Erkenntnishintergrund. Diese Theorie faßt die Gesetzmäßigkeiten zusammen, die uns die Steuerungen und Regelungen verständlich machen. Die Wege, auf denen Nachrichten an ihr Ziel gelangen, sind die Nerven. Wie die „Signale" über diese Bahnen laufen, wird im Teil II, Kapitel 4: „Elektrotherapie" (S. 341) dargestellt. Die Lehre von der Informationsübertragung und ihrer Verarbeitung in Steuerungen und Regelungen nennt man Biokybernetik (gr.: bios=Leben, kybernetes=Steuermann). Umwelteinflüsse und krankhafte Verwicklungen, wie z. B. ungewohnte klimatische Bedrängnisse (vgl. Klimawechselzumutung, S. 537), überstürzter Wetterwechsel, Krankheiten aller Art (Infektionen, Toxineinwirkungen), Verletzungen stören die inneren Lebensbedingungen. Auch Änderungen in Funktionsphasen des Organismus, etwa durch Nahrungsaufnahme mit Rückwirkungen auf Regelungsgrößen (S. 53), z. B. auf den Blutzucker, stören die Homöostase. Dies nötigt den Organismus ständig, derartige Störungen wieder in Ordnung zu bringen, bzw. die Homöostase im Gleichmaß zu halten. Unter dem von W. Cannon [85] geprägten Begriff „Homöostase" (gr.: homoios=gleich, stasis=Zustand) versteht man die Beständigkeit eines immer wieder regulatorisch und gegenregulatorisch richtig gestellten und damit annähernd gleichbleibenden „inneren Milieus", wie Claude Bernard es genannt hat [44]. Dies muß garantiert sein, damit der Mensch gesund, Widerstands- und leistungsfähig bleibt. Eines für unzählige weitere Beispiele ist die Körpertemperatur: Ob es draußen kalt ist oder warm, der Organismus regelt seine Kerntemperatur (S. 239) auf einen gleichbleibenden Wert, den sogenannten Sollwert (S. 53). Kann er diesen Sollwert

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nicht erhalten, dann sinkt seine Temperatur. Geht es dagegen — ein anderes Beispiel — um einen veränderlichen Bedarf, z. B. um mehr Blut in einem bestimmten Stromgebiet mit erhöhtem Energieumsatz, dann wird die Nachfrage, für die es keinen konstanten Sollwert gibt, durch regulatorische Umstellungen befriedigt. Der Organismus steuert so weit wie möglich Blut an den Ort des Geschehens, um den zeitweise bestehenden Bedarf zu decken. Steuerungen und Regelungen können dabei als Auswirkung von Nachrichten bzw. von Information definiert werden [374], beispielsweise als Information darüber, daß Kälte an der Körperoberfläche herrscht. Der Organismus reagiert aufgrund der Information, indem sich die peripheren Gefäße enger stellen, so daß die Haut weniger durchblutet wird, das bedeutet, daß weniger Wärme konvektiv (S. 234) an der Oberfläche den Körper verläßt. Verliert der Körper trotzdem noch Wärme, weil bei anhaltender Kälte die Isolierfunktion der Körperschale nicht ausreicht (S.239), dann setzen weitere Regelmechanismen ein, die unter anderem auch die chemische Wärmebildung anfachen (S.238), wenn die Körpertemperatur bereits abzusinken beginnt. All dieses wird veranlaßt durch Informationen bzw. „Signale", die ihrerseits einen Energiestrom (Impulse an die Muskularis der Arterien) oder einen Stofftransport (z. B. humorale, vasoaktive Stoffe u. a.) nach sich ziehen und so Funktionsgrößen, im Beispiel die periphere Durchblutung, ändern, um eine Regelgröße, z. B. die Kerntemperatur, zu halten oder einzuregeln (S. 59). Die Vorstellung von den biologischen Steuerungen und Regelungen wird erleichtert durch den Vergleich mit den einfachen, aber im Prinzip gleichen Mechanismen, die in der Technik bestimmte Größen auf einen veränderten Bedarf einstellen oder sie durch automatische Regelvorgänge entgegen allen verändernden Einflüssen konstant halten. So unterscheidet man vergleichsweise auch in der Biologie bei den Realitäten, die Steuerungen und Regelungen veranlassen, Ausgangsgrößen, von denen die Notwendigkeit einer Änderung ausgeht, und Eingangsgrößen, auch Störgrößen genannt. Beispiele für Ausgangsgrößen sind die nicht passende Temperatur eines Körperabschnittes (etwa kalte Füße oder Hände), zu hoher oder zu niedriger Blutdruck und der übermäßig steigende oder zu tief sinkende Blutzuckerspiegel, Beispiele für Eingangsgrößen bzw. Störgrößen sind äußere Kälte, eine Schrecksituation, eine kohlehydratreiche Mahlzeit. Deren Folgen werden zu Ausgangsgrößen, die zu Korrekturen Anlaß geben und über Steuerungen und Regelungen eine Änderung im regelnden Sinn veranlassen. In dieser Definition sind auch alle physikalisch-therapeutischen Reize Störgrößen, von denen gesagt wurde, daß sie einen heilsamen Stoß in die Systeme darstellen. Störgröße bzw. Eingangsgröße bedeutet im kybernetischen Sinn, daß durch sie die Steuersignale veranlaßt werden, die zur selbstregulatorischen Korrektur zwingen. Es muß also ein funktioneller Zusammenhang zwischen beiden Parametern bestehen: nämlich der Störgröße und ihrer Folge, der Ausgangsgröße. Dies setzt voraus, daß die Störgröße von spezifischen Rezeptoren registriert wird und von diesen als Information an das zuständige Zentrum geht, von dem aus, wieder-

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um über entsprechende Informationen, eine Gegensteuerung erfolgt, durch die in dem mehrfach genannten Beispiel der peripheren Durchblutung eine Änderung des Gefäßtonus bewirkt wird oder durch die ein Muskel eine Änderung seiner Spannung und seiner Länge (S. 128) erfährt. Nicht nur die vegetativ innervierten Funktionen, sondern auch die spinale Motorik und anderes werden mit den Regelsystemen in Ordnung gehalten, d. h. auf die Lebensnotwendigkeiten ständig einreguliert. Der Organismus gleicht sich damit über automatische Mechanismen — Reflexe, Regelungen, Steuerungen — den schwankenden Einflüssen der Umwelt, den wechselnden inneren Milieuänderungen und den therapeutisch wirksamen Reizen an. Unter Regelung versteht man die Selbsttätigkeit eines Systems, mit der der Organismus eine biologische Größe (Regelgröße) auf einem bestimmten Wert hält. Die Biologie hat die Fachausdrücke der Regelungen von der Technik übernommen. Zu den gemeinsam gebrauchten Begriffen werden im folgenden zum besseren Verständnis jeweils einige Beispiele aus den biologischen Regelungen angeführt. Diese machen vor allem die Wirksamkeit der Thermo-Hydrotherapie und der Bewegungstherapie verständlich. Übereinstimmend in Technik und Biologie ist die folgende Terminologie gebräuchlich: - Regler sind in der Biologie Zentren im Zentralnervensystem, die das Regelgeschehen lenken. Dies sind z. B. das Wärmezentrum im Hypothalamus (S. 243), die Atemzentren in der Medulla oblongata und im Zwischen- und Mittelhirn und für die Muskeln die Alpha-Motoneurone (S. 123) in den Vorderhörnern; - Regelgrößen sind Werte, die der Organismus mit regelnden Korrekturen, entsprechend der oben gegebenen Definition, von störenden Einflüssen möglichst freizuhalten versucht (vgl. Eingangs-Ausgangsgröße, S.52). Jede Regelgröße hat ihren eigenen Regelkreis (S. 55). Regelgrößen sind all die Bereiche, für die es einen vorgegebenen Soll-Wert gibt, der gehalten werden soll, z. B. die Körpertemperatur, eine notwendige Muskellänge, der pH-Wert des Blutes. Der jeweils gegebene Wert, der Istwert, wird dem Regler übermittelt und dort mit dem Sollwert verglichen (S. 57). Für das ganze Regelungsgeschehen bzw. für alle Regelgrößen gibt es Führungsgrößen. Damit bezeichnet man die auf einen Sollwert eingestellten Erregbarkeiten, die geweckt werden, sobald ein Sollwert nicht mehr situationsgerecht ist. Die Führungsgröße, definierbar als Differenz zwischen dem Sollwert einer zu regelnden Größe und ihrem Istwert (Regelabweichung, die zur Ausgangsgröße wird), informiert den Regler über die anzustrebende Änderung. Für die Thermoregulation ist die Körperkerntemperatur die konstant zu haltende Regelgröße. Da sie, ob es draußen kalt oder warm ist, einen lediglich rhythmisch leicht schwankenden, sonst aber feststehenden Wert hat, spricht man hier auch von Festwertregelung (auch Halteregler). Für die Atmung, für Atemtiefe und -frequenz, ist der C0 2 -Gehalt des Blutes Regel- und Führungsgröße. Automatisch, d.h. durch regelnde Impulse, atmet der

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Mensch bei erhöhtem CCVWert tiefer und schneller. Dabei wird mehr C 0 2 abgeatmet. Regeltechnisch ausgedrückt: ein zu hoher Istwert wird auf den Sollwert zurückgeregelt. Dies ist ein weiteres Beispiel für eine Festwertregelung. Andererseits folgt die Atmung auch einer Folgeregelung, die einem Bedarf folgt, indem, z. B. bei schwerer körperlicher Arbeit, die vergrößerte Atmung dem Blut Gelegenheit bietet, soviel Sauerstoff aufzunehmen, wie nötig ist, um den Sauerstoffgehalt des arteriellen Blutes konstant auf seinem Sollwert zu halten, unbeschadet durch den enorm vermehrten Sauerstoffverbrauch in der Peripherie. Viele Regelgrößen, z. B. die Herzschlagfrequenz, müssen — wie die Atmung — bedarfsweise veränderlich sein. Bei körperlicher Arbeit brauchen wir einen schnelleren Pulsschlag als in Ruhe oder im Schlaf (vgl. ergo- und trophotrope Einstellung, S.33). Die Regelgröße „Frequenz" folgt spontan einer Führungsgröße, die sich am Blutbedarf in der Peripherie orientiert; dies ist ein weiteres Beispiel einer Folgeregelung. Stellgröße für die Motorik mit Sollwerten ist die unbewußt gegen die Schwerkraft eingenommene Haltung oder eine gewollte bzw. nach Anweisung der Krankengymnastin „gesollte", weil zu korrigierende Stellung oder Bewegung. Sie regelt das Zusammenspiel der antagonistischen Beuger und Strecker unter Vermittlung der Zentren in Gehirn und Rückenmark (S. 119). Stellgröße ist jede Regelgröße, die vom Sollwert abweicht und damit zu einer Ausgangsgröße (S. 52) wird, die in ihrer nunmehr angenommenen Eigenschaft als Stellgröße den Sollwert wieder einstellt. Die Stellgröße ist dabei ein vom Regler „errechneter" Wert einer Regelabweichung, der den regelnden Anstoß gibt, beispielsweise die Wärmebildung kräftig anfacht oder umgekehrt mehr Wärme nach außen befördert, bzw. bei der Regelung der Muskellänge mit einer anderen Frequenz der Aktionspotentiale in den Alpha-Motoaxonen einen passenden Muskeltonus einstellt. Solche Neueinstellungen in den Funktionskreisen laufen über die Regelstrecke. So bezeichnet man ein System, das die Veränderung eines Energie- oder Stoffflusses ermöglicht, der jeweils den Istwert korrigiert und den Sollwert konstant hält. Regelstrecke der Körpertemperatur ist der ganze Körper als „Thermostat" (S. 53), für die Muskeln der ganze Muskel mit Sehnen und Gelenkstellungen, für die Atmung die funktionelle Kapazität von Brustkorb und Atemmuskeln. Stellglieder an der Regelstrecke sind die Funktionssysteme, die Leistungsänderungen einbringen. Für die Regelung der Körpertemperatur sind das die periphere Durchblutung in ihrer Eigenschaft als Wärmetransportmittel (die thermischen Reize der Thermo-Hydrotherapie, auch des Reizklimas, stoßen ihre Reagibilität an), die Wärmebildung im Stoffwechsel und die Wärmeübergangsbedingungen innerhalb des Körpers und nach außen. Für die Muskeln sind es deren extrafusale Fasern (S.126), die den Informationen aus den Stellgrößen folgen. Stellglied für die Blutdruckregelung ist der periphere Kreislauf. Wir haben hier die nicht seltene Erscheinung vor uns, daß verschiedene Systeme, hier Wärmehaushalt und Blutdruck, ein Stellglied gemeinsam haben: den Kreislauf. So nimmt

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jede therapeutische Wärmezufuhr das Stellglied der Körpertemperatur, den Kreislauf, in Anspruch und sichert regelnd über weitgestellte Gefäße die Wärmebilanz. Mit dem vermehrten Blutstrom fließt die eindringende Wärme ab und verläßt an anderen Stellen den Körper, so daß die Wärme sich nicht aufstauen kann. Andererseits sinkt mit einer Gefäßerweiterung — wie immer sie zustande kommt — der periphere Gefäßwiderstand und somit auch der Blutdruck, wenngleich dies nur ein lediglich unterstützender Teil eines komplizierten Regelmechanismus ist. Stellglied für die Atmung ist die Atemmuskulatur. Es wurde schon dargestellt (S. 53), daß die Atmung sowohl einer Festwert- als auch einer Folgeregelung unterliegt. Bei Bettlägerigen, bei leicht somnolenten Kranken oder bei Patienten, bei denen die Atembewegungen sehr schmerzhaft sind und bewußt vermieden werden, versagen beide Regelungen; zumindest erfüllen sie nicht ganz ihren Zweck. Hier wird die Atemgymnastik über das Stellglied der Atemqualität effektiv. Eine verordnete Atmung ist deshalb immer dann indiziert, apparativ oder manuell und willkürlich (Atemgymnastik), wenn durch ungenügende Atemgrößen die atemabhängige aktuelle Reaktion des Blutes von ihrem Sollwert abweicht. Gegebenenfalls wird die Störung durch atemgymnastische Behandlung, z. B. beim Pickwickoder dem Effortsyndrom (S.215 u. 717) sogar ursächlich behoben. Verändert der Organismus gewisse Sollwerte (Festwerte) selbsttätig, dann spricht man von Sollwertverstellung. Stellt er z. B. die Körpertemperatur auf einen höheren Sollwert ein, wie es im Fieber geschieht (S. 9), dann trägt das Fieber zur unspezifischen Abwehr bei. Man muß kurzfristige Verstellungen, wie sie den Folgeregelungen zugrundeliegen, von den langanhaltenden unterscheiden, mit denen der Organismus z. B. eine Fieberkontinua unterhält oder das Tier die ausgeprägte Hypothermie während des langen Winterschlafes beibehält. Der hohe Wirkungsgrad des Regelgeschehens und seine Zuverlässigkeit ermöglicht es, mit physikalisch-therapeutischen Reizen spezifische und mehr noch unspezifische Umstellungs- und Anpassungsreaktionen zu entwickeln, wobei Regler und Regelstrecken, anders als bei linearen Steuerungen, zu einer Kreiswirkung verbunden sind, so daß jede Abweichung einer Regelgröße von ihrem Sollwert alle vorstehend erläuterten Segmente des Funktionskreises antreibt. Das System wirkt also auf sich selbst ein, jede Abweichung wird zur Ursache ihrer Beseitigung [126]. Ein weiterer, grundsätzlicher Unterschied zur stereotypen Reaktion des Reiz-Reflexerfolges besteht darin, daß der Informationsfluß in den geschlossenen Wirkungskreisen kontinuierlich stetig ist. So laufen im Regelkreis (vgl. Abb. 7) fortwährend Erregungen im Kreise. Charakteristisch für die Regelung ist, daß die Signalübertragungen nicht, wie bei den Steuerungen, nur einbahnig und rückwirkungsfrei erfolgen, sondern durch Rückkopplungen (Feedback-Mechanismus) eine Umkehr erfahren können. Die Regelgrößen nehmen so über die Regeleinrichtungen Einfluß auf die Stellgrößen, die wiederum auf die Regelgrößen zurückwirken; der Kreis schließt sich. Die im folgenden gebrauchten Begriffe „Umkehr" oder „Gegenrichtung" geben natürlich keine räumliche, sondern eine effektive Richtung an. In der Abbildung 7 zeigen

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Regler (ZNS) Führungsgröße (Sollwert)

Regelgröße, auf Sollwert zu regelnde Größe

Fühler

^Störgrößen

^

Umwelt-

innere Störungen

reize

Her Homöostase

^Stellgrößen^

Regelstrecke Abb. 7 Schema eines Regelkreises.

die Pfeile im Regelkreis den Informationswert an, nicht seinen Effekt, der sowohl positiv (mit-) wie auch umgekehrt negativ (rück-) koppelnd sein kann (S. 835). Alle Einstellungen von Regelgrößen sind in jedem Augenblick das Ergebnis von Informationen aus der Peripherie an das Regelzentrum und von Rückmeldungen wiederum aus der Peripherie über die vom Zentrum veranlaßten Korrekturen, die ihrerseits das System immer wieder anstoßen und so überschießende, noch nicht ausreichende oder nicht mehr benötigte Änderungen erneut auf den Sollwert zurückregeln. All dies dringt natürlich nicht bis an die Oberfläche des Bewußtseins. Man bezeichnet die Gegenwirkung in umgekehrter Richtung als negative Rückkopplung oder Gegenkopplung. Das bedeutet, daß eine unter den regelnden Anstößen schon über den Sollwert hinausschießende Größe durch Richtungsumkehr wieder den Sollwert erreicht und damit erneut eine Funktionsänderung einbringt, die zur „Normalisierung" (vgl. Tab.l) beiträgt. Es bestehen also — anders als bei den Steuerungen — Wechselwirkungen zwischen spezifischen zentralen Stellen und der Peripherie. Die negativen Rückkopplungen bilden die Grundlagen der Regelungen. Erst mit den negativen Rückkopplungen wird eine gewisse Unempfindlichkeit gegen Störungen erreicht. Je größer der Störeinfluß ist, umso stärker muß die negative

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Rückkopplung sein. Daraus wird das Behandlungsprinzip verständlich, therapeutische Reize als Störgrößen einzuplanen, etwa kalte Waschungen zu machen, mit denen man Wärme leicht entzieht, solange die Wärmebilanz positiv ist, die den Körper aber veranlassen, gegensteuernd den Wärmeverlust zu mindern, damit die Bilanz nicht negativ wird. Das bedeutet praktisch: Übung der Stellgliederfunktion des peripheren Kreislaufs. Als Beispiel für die Motorik: Bewegungen kommen durch antagonistisch wirkende Muskelgruppen zustande, die ein Glied im Gelenk beugen und strecken. Die jeweils gewünschte Stellung — man könnte sie als Sollwert bezeichnen — wird willkürlich eingehalten. Unbewußt und ganz unwillkürlich erfolgt aber die Regelung dieser Motorik, indem den Zentren im Rückenmark und Gehirn aus den sensiblen Endorganen in Muskeln, Sehnen und Gelenken ständig Informationen über den jeweiligen Stand des bewegten oder gehaltenen Gliedes, bzw. über den Tonus und die Länge der beteiligten Beuger und Strecker zugehen, die über Rückkopplungen auf die gewünschte Einstellung eingeregelt werden. Die schon empfindliche, regelnde Wechselwirkung zwischen den zentralen Stellen und der Peripherie ist mit dem Rückkopplungsgeschehen allein noch nicht genügend erklärt, da dies in Gestalt einfacher Reflexe viel zu zögernd verlaufen würde. Diese Schwierigkeit wird durch die hypothetische Annahme eines Reafferenzprinzips überbrückt [265]. Am Beispiel einer motorischen Innervation ist das komplizierte Funktionsgeschehen in Abbildung 8 schematisch dargestellt.

EFF Abb. 8 Schematische Darstellung des Reafferenzprinzips (leicht modifiziert nach [265]). Z\ = motorisches Zentrum; Z2, Zn = übergeordnete motorische Zentren; E = motorische Efferenz; RA = sensorische Reafferenz; EK=Efferenzkopie; M = Meldung (Information); EFF= Effektor.

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Von einem motorischen Zentrum Zi gehen zum Muskel (Effektor, EFF) Efferenzen (E). Diese erhalten aus übergeordneten motorischen Zentren Z n -Z 2 Zuströme, die z.B. Willenseingebungen berücksichtigen oder gespeicherte Programme oder extrapyramidal-motorische Korrekturen zuschalten. Dies geschieht über Kommandos (K), die in die efferente Impulsfolge eingehen und diese verändern. Gleichzeitig verbleibt im motorischen Zentrum Zi eine Kopie dieser Änderung, die Efferenzkopie (EK). Vom Effektor geht ein Erregungsabbild, die sogenannte Reafferenz (RA), zum motorischen Zentrum Zj zurück. Dort werden die beiden Informationen EK und RA miteinander verglichen oder verrechnet, wie der kybernetische Fachausdruck lautet. Bezeichnet man — wiederum nach [265] — die Efferenz und ihre im Zentrum Z\ verbliebene Kopie mit + , die Reafferenz mit —, dann würden sich die beiden Informationen, solange die Efferenz den Ansprüchen entspricht, die an den Muskel gestellt werden, gegenseitig aufheben, d. h. die Efferenz bleibt unverändert bestehen, da die Reafferenz mit der Efferenzkopie übereinstimmt, bzw. der Vergleich die Summe 0 ergibt. Entspricht aber durch irgendeine Änderung am Effektor (z. B. einen Dehnungsreflex) die Afferenz nicht mehr der jetzt änderungsbedürftigen Efferenz und damit auch nicht mehr der Efferenzkopie, dann stimmt der Vergleich nicht mehr, einer der Werte ist entweder zu groß oder zu klein. Es ergibt sich in Z\ ein Überschuß von + oder —. Dies veranlaßt eine Meldung (M), die über Abzweigungen in Z 2 an das bis dahin beherrschende Kommando geht, das nun modifiziert wird und zwar so lange, bis das System von Z 2 an abwärts wieder zu einem Gleichgewicht, zu einer sich ausgleichenden O-Summe eingeregelt ist. Die funktionelle Organisation des Lebens wird dadurch noch wendiger, daß Steuerungen schneller auf äußere und so auch auf therapeutische Reize ansprechen. Für die Steuerungen ist charakteristisch, daß im Unterschied zu den Regelungen die Ausgangsgrößen keinen direkten Einfluß auf die Eingangsgrößen und damit keine Rückwirkung (Rückkopplung) auf die von den Eingangsgrößen veranlaßten Änderungen haben. Die Steuerungen veranlassen nur einbahnig gerichtete Aktivitäten und stellen eine offene Kette dar. Es fehlt die für Regelkreise charakteristische Rückmeldung, die ein Zuviel an Änderung wieder korrigieren könnte. Steuerungen werden deshalb auch als Regelung bzw. Wirkungskette ohne Rückkoppelung bezeichnet. So hält z. B. eine lokal begrenzte, periphere Gefäßkonstriktion zuweilen noch an, obwohl längst das Gegenteil, eine Dilatation situationsgerecht wäre. Etwa wenn ein Patient nach einer Kaltanwendung die reaktive Hyperämie vermissen läßt und mit kalten, blaß-bläulich aussehenden Beinen davongeht oder wenn nach einem Besuch der Sauna oder schwerer körperlicher Arbeit, die auch einer Steuerung unterliegende periphere Durchblutung in kalter Winterluft zu lange auf eine Hyperämie eingestellt bleibt. Die funktionelle Pathologie bzw. die Krankheitslehre kennt viele solche zu einseitigen Steuerungen, z. B. bei den peripher-arteriellen Durchblutungsstörungen die Neigung zu Spasmen, vielleicht als pathogenetischen Faktor bei den Erkältun-

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gen die nicht korrigierte Fehlsteuerung der thermisch isolierenden peripheren Durchblutung, bei dem Orthostasesyndrom die fehlende Gegensteuerung des Blutdruckes. Diese Steuerungen sind nicht genau genug, so daß sie für eine endgültige Einstellung der konstant zu haltenden Größen nicht ausreichen. Dies kann nur über die Regelkreise geschehen [374, 663]. Die zeitlichen Verzögerungen, mit denen die Regelmechanismen den steuernden Korrekturen folgen, treten in den Nervenleitungen und an den Synapsen auf. Diese oft nachteilige längere Laufzeit kann gegebenenfalls durch ärztliche Verordnungen mit den Programmsteuerungen (S. 60) kompensiert werden, bis auch die Regelungen funktionsbereit sind. So finden z. B. die Gleichgewichts- und Koordinationsübungen und auch das mentale Training (S.60), das in der krankengymnastischen Bewegungstherapie wie im Leistungssport eine gleichermaßen große Bedeutung hat, ihre physiologische Erklärung und ihre Indikationen. Alle Methoden der Physikalischen Medizin erhalten ihre therapeutischen Qualitäten dadurch, daß sie die Funktionskreise, die Steuerungen und Regelungen nur so weit und nur so anhaltend beanspruchen, daß sich ihre Einwirkung auf das komplexe Geschehen unterstützend, aber nicht erschöpfend auswirkt. Es gelingt in der Regel mit physikalisch-therapeutischen Reizen funktionelle Unvollkommenheiten zu verhindern oder in positivem Sinne zu beeinflussen, indem eine sogenannte Störgrößensteuerung vorgenommen wird. Hier bezieht sich das Wort „Steuerung" nicht nur auf die funktionelle Tätigkeit (Reizantwort) des Organismus, sondern auch auf die gezielte Absicht des Behandlers. So korrigieren z. B. langsam ansteigende Warmreize — neue Eingangs- oder „Störgröße" ist die von außen angreifende Wärme — eine fehlgesteuerte Ausgangsgröße: die zu niedrige Temperatur bzw. Durchblutung eines Körperabschnitts aufgrund eines zu eng gestellten peripheren Stromgebietes. Dieses muß sich jetzt, um die von außen eindringende Wärme wegzutragen, erweitern, bevor — falls die Wärmebilanz bedroht wird — übergeordnete Regelmechanismen anspringen. Werden solche therapeutischen Störgrößensteuerungen systematisch nach dem Übungsprinzip in Form von täglich verabreichten Warmreizen oder, um das Gefäßspiel aus beiden Richtungen anzustoßen, mit wechselwarmen Teilbädern oder -güssen, die eine rhythmische Gefäßerweiterung und -Verengung zur Folge haben gestaltet, wobei der Organismus auch gesteuerte Größen ständig korrigiert, dann erwirbt das System langsam eine funktionelle Kapazitätsverbesserung (vgl. Adaptation, S.61). Die Störgrößensteuerung wird auch Vorwärtssteuerung genannt, weil sich die Eingangsgröße unmittelbar funktionell auf die Ausgangsgröße auswirkt (vgl. Vorwärtshemmung in der Regelung der Muskelfunktion, S. 132). In prophylaktischer und auch schonender Weise nehmen wir im täglichen Leben Einfluß auf die Störgrößensteuerung, wenn wir uns morgens, nach einem Blick auf das Außenthermometer, wärmer kleiden [378] und damit die Störgröße, die auf den Körper wirkende Kälte, abmildern und den Störcharakter dieses Umweltreizes verkleinern. Steigt nun im Laufe des Tages die Außentemperatur an, so

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daß es uns im Mantel zu warm wird — also eine andere Störgröße eintritt — dann entspricht unsere erste willkürlich eingestellte Störgrößensteuerung nicht mehr den Gegebenheiten. Wir können sie korrigieren, indem wir den Mantel ausziehen und damit die steuernde Störgröße, die Temperatur, die auf den ganzen Organismus als „Thermoelement" wirkt, besser auf das Ziel des thermischen Komforts (S.553) ausrichten. Der Organismus selbst besorgt vielfach solche Störgrößensteuerungen lokal an peripheren Gefäßen über Axonreflexe (S.230), wobei er gleichartig wirkende Regelmechanismen, die zentral den Wärmehaushalt aufrecht erhalten, zunächst nicht in Anspruch nimmt. All dies hat das Ziel, die Homöostase (S.51) lokal durch Störgrößensteuerung oder insgesamt durch Regelmechanismen zu erhalten. Bedeutsamer noch für das genannte Übungsprinzip sind die Programmsteuerungen. Sie können bewußte Aktionen automatisieren. Ihre Steuersignale gehen aus Erfahrungen und erlernten, eingeübten Programmen hervor, die gewissermaßen auf Abruf in einem Speicher liegen. So werden z. B. die vom Gehirn induzierten, den quergestreiften Muskeln über das pyramidale und extrapyramidale System auferlegten Willkürbewegungen, die der Mensch zum Teil erst nach der Geburt lernt, über Programmsteuerungen koordiniert und zu einer Gebrauchsbewegung komponiert, ohne daß wir bewußt darauf Einfluß nehmen. Alle gezielten Willkürbewegungen, mit denen wir etwa gehen lernen oder handwerkliche Fähigkeiten erwerben, setzen die Speicherung erlernter Programme voraus. Aus dem Speicher werden die von äußeren Einflüssen oder Willensimpulsen eingehenden Informationen in Ausgangsgrößen (Wirkungen) umgesetzt, die frühere Erfahrungen verwerten. Die so koordinierten Bewegungsfunktionen bilden sich unbewußt durch zielgerichtete Übungen aus, wobei auch bedingte Reflexe (S. 49) mitwirken. Hierin liegt eine Begründung für die krankengymnastischen und beschäftigungstherapeutischen Übungsprogramme, deren tägliche Wiederholung als Lernprozeß die programmgesteuerten Funktionen einschleift. In differenzierterem Maße lernt der Mensch auch sprechen und schreiben mit Hilfe der Programmspeicherungen und -Steuerungen; die Logopädie setzt über diese Mechanismen an. Das sogenannte mentale (lat.: mens=das Denken) Training, das in der Bewegungstherapie eine wertvolle Hilfe sein kann, stellt eine bewußte Programmsteuerung dar. Wie allerdings das Denken und Wollen in kortikale Impulsmuster umgesetzt wird, darüber ist bisher noch kaum etwas bekannt. Sind solche Programmsteuerungen gespeichert und eingeschliffen, dann findet eine Regelung als rückschauende Kontrolle nur noch in relativ langen Zeitabschnitten statt, während die Bewegungsvorgänge selbst, die schnell reagieren müssen, durch die vorbereiteten Programme gesteuert werden. Der Organismus meistert die animalischen Funktionen der Willkürmotorik und die zahlreichen vegetativen Lebensvorgänge nur dann ausgereift und harmonisch, wenn sich die steuernden und regelnden Mechanismen gegenseitig unterstützen und zu einer Einheit verbinden. All dies ist nur möglich durch die funktionelle Organisation des Lebens.

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Die Regelungstheorie verdeutlicht das dynamische Geschehen, mit dem das Leben trotz dauernder Störeinwirkungen gesichert und erhalten bleibt. „Wo der erste Regelmechanismus war, war das erste Leben" [663]. Auch das Phänomen der Adaptationen (s. u.) an fortwirkend belastende Störeinflüsse und ebenso an gezielte therapeutische Reizeinwirkungen längerer Dauer kommt über den wiederholten Gebrauch solcher Mechanismen zustande. An den funktionellen Kapazitätsverbesserungen der Regulationen und der Regelsysteme werden therapeutische Erfolge meßbar.

6.3 Physikalische Therapie als Adaptationsanstoß Die Physikalische Medizin ist ihrem Wesen nach auch als Adaptationstherapie (lat.: adaptare=anpassen) ausgewiesen, indem der Anpassung an ihre Reizkräfte heilsame Qualitäten zukommen. Im Leben des Menschen ist die physiologische Adaptation das Instrument, das ihm, wie allen Lebewesen, die Fähigkeit gibt, sich in Grenzen an die unvermeidbaren Umwelteinwirkungen physikalischer Art (Kälte, Wärme, veränderten Sauerstoffpartialdruck in der Höhe, Sonnen- und Himmelstrahlung, Anforderungen an die Muskelkraft) in der Weise zu gewöhnen, daß Schäden nicht aufkommen, die Gesundheit erhalten bleibt und die Leistung (Belastbarkeit) steigt. In dieses Geschehen greift die Physikalische Therapie fördernd, unterstützend, gegebenenfalls auch hemmend (Schonprinzip) ein. Die Grenzen, innerhalb derer sich solche natürlichen Begebenheiten abspielen, sind phylogenetisch-konstitutionell festgelegt. Sie sind aber im Rahmen physiologischer Regelgüte fließend; dadurch ergeben sich große therapeutische Möglichkeiten. Zwischen optimaler Nutzung aller funktionellen und auch morphologischen Kapazitäten, die den Menschen Widerstands- und leistungsfähig machen, und dem Nichtgebrauch dieser gegebenen Fähigkeiten, deren Folge eine Resistenz* oder Leistungsschwäche ist, finden wir den Raum abgesteckt, in dem brachliegende Abwehr- oder Leistungsreserven übend entwickelt werden können. Die methodische Architektonik der Hydro- und Thermotherapie, der Bewegungsbehandlungen, der Klimatherapie und zum Teil auch der Elektrotherapie basiert auf diesen Grundgegebenheiten des Lebens.

6.3.1 Grundbegriffe therapeutisch nutzbarer Adaptation Unter physiologischer Adaptation (vgl. GK 3-1) versteht man die Modifikation von Organen oder Funktionssystemen [73], die sich entfalten, wenn ein Reiz anhaltend bestehen bleibt oder der gleiche Reiz wiederholt einwirkt (vgl. Abb. 10).

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Allgemeine Grandlagen der Physikalischen Therapie

Modifikationen entwickeln sich langsam; sie sind beständig, solange der Reiz zur Anpassung erhalten bleibt (vgl. bedingte Reflexe, S.49), sie bilden sich zum Teil aber zurück, obwohl der auslösende Reiz fortbesteht, wenn dieser auf Grund einer Gewöhnung (vgl. Habituation, S.71; vgl. Akklimatisation, S.579) seinen Reizcharakter verloren hat. Kurzfristige Änderungen über Sinnesrezeptoren, z. B. die Adaptation der Pupille an veränderte Lichtreize, oder kurzdauernde Umstellungen, etwa ein größeres Atemvolumen während einer Höhenfahrt mit der Bergbahn, liegen auf einer anderen Ebene der physiologischen Adaptation; sie interessieren therapeutisch nicht unmittelbar. Die Reize, die unsere natürliche Umwelt bietet, werden auch Stressoren [3, 597], die Modifikationen, die sich unter den Stressoraktivitäten ausbilden, Adaptate genannt. Die möglichen Adaptate sind bei der großen Zahl von Stressoren unübersehbar. Man unterscheidet morphologische Adaptate, beim Tier z. B. den Winterpelz, der sich unter dem anhaltenden Stressor „Kälte" entwickelt, von funktionellen Adaptaten, z. B. die beständige Sollwertverstellung (S. 55) der Körpertemperatur bei Tieren, die einen Winterschlaf halten. Vielfach ist eine morphologische Modifikation das anatomische Substrat für eine funktionelle Kapazitätsverbesserung, z. B. eine breitere Nebennierenrinde für eine größere hormonelle Leistung dieses endokrinen Organs (vgl. Allgemeines Adaptationssyndrom nach Selye, S. 66). Beispiele morphologischer Modifikationen beim Menschen aufgrund von Leistungsanforderungen sind: - die Hypertrophie arbeitender Muskeln; sie ergeben das morphologische Adaptat, mit dem der Mensch mehr Kraft entwickelt, um sich an entsprechende Anforderungen anzupassen; - die Vermehrung und Vergrößerung der Mitochondrien in den Muskeln; diese sind der Energiespender für das funktionelle Adaptat erhöhter Leistungen; - die Vergrößerung stärker arbeitender in- oder exkretorischer Organe; z.B. der Nebennierenrinde oder einer Niere nach Entfernung ihres kranken Paarlings und dergleichen; - die Vermehrung der Erythrozyten bei Sauerstoffmangel; diese ergeben das funktionelle Adaptat einer ausreichenden Versorgung des Organismus mit Sauerstoff trotz verminderten Angebotes in der Atemluft. Funktionelle Modifikationen sind entweder Kapazitätsverbesserungen der Effektoren (Erfolgsorgane) oder Änderungen an Regelsystemen [74] (Tab. 4). Die Physiologie unterscheidet stressorspezifische von stressorunspezifischen Adaptaten. „Spezifisch" bedeutet hier: nur ein bestimmter, und nur dieser Stressor bewirkt das Adaptat, die Modifikation. Stressorunspezifisch ist ein Adaptat, wenn es sich in gleicher Weise unter ganz verschiedenen Stressoren bildet (S. 64). Spezifische Adaptationen sind Spezialisierungen, z. B. der schon genannte Winterpelz beim Tier, der speziell nur gegen Kälte schützt. Er bleibt dicht und wärmt, solange der Stressor „Kälte" anhält und immer wieder „reizt". Beim Menschen ist

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Tabelle 4 Funktionelle Adapte Kapazitätsverbesserungen

Änderungen an Regelsystemen

effektivere Hautdurchblutung (S. 54) vermehrte Wärmebildung (S.245) Erhöhung des Schlagvolumens (S.246) Relative Abnahme der Herzfrequenz unter Belastung (S.690)

Sollwertstellung (vgl. S. 55) Schwellenwertverschiebung

z. B. die Arbeitshypertrophie der Muskeln ein Muster dafür, daß sich ein Adaptat, der größere Querschnitt eines Muskels und damit seine größere Kraft, unter Anforderungen ausbildet, aber wieder verloren geht, wenn der Muskel nicht mehr gefordert wird, der permanente Reiz des Leistungsanspruches also unterbleibt. Die Physiologie kennt die Überlagerung zweier oder mehrerer Adaptate, die unter verschiedenen Stressoren entstehen. Eine solche Erscheinung nennt man gekreuzte Adaptation. Tierexperimentell hat sich z. B. ergeben [3], daß zwei verschiedene Stressoren, die Kälte und der Sauerstoffmangel in der Atemluft, sich auf verschiedene Modifikationen gegenseitig fördernd oder hemmend (positiv oder negativ gekreuzt) auswirken können. Beispiele für positiv gekreuzte, synergistische Adaptationen gibt es auf den ersten Blick für den Menschen nur wenige. In der Hydrotherapie nutzt man eine solche positive Kreuzadaptation. Unter abhärtenden Maßnahmen steigt die Bereitschaft zu reaktiv-regulatorischer Vasokonstriktion, die vor Wärmeverlust schützt. Genauer: das wandelbare Gefäßspiel lebt auf (1. Adaptat), gleichzeitig verbessert sich auch (2. Adaptat) die orthostatische Kreislaufregulation [300], auch wenn kein anderer als der Stressor Kältereiz gegeben wurde. Bei Tier und Mensch hat sich auch gezeigt, daß zwei Stressoren gleichzeitig zwei Adaptate heranbilden. Unter körperlichem Training (1. Stressor) und in der Kälte (2. Stressor) wächst sowohl die körperliche Leistungsfähigkeit, gleichzeitig nimmt auch die Kältetoleranz zu. Weiterhin verbessern trainierende Körperübungen im Tiefland bei normalem Sauerstoffpartialdruck sogar die Toleranz des Sauerstoffmangels [28], wie wir ihn im Hochgebirge antreffen. Dies ist ein ganz unspezifisches Adaptat (S.64), da der spezifische Stressor fehlt. Positiv gekreuzte Adaptation bedeutet bei strenger Auslegung, daß der Organismus sich nicht nur an einen spezifischen Stressor, sondern gleichzeitig auch noch an einen zweiten (oder sogar dritten?) Stressor adaptieren kann. Sehr viel häufiger beobachtet man — zumindest im Experiment — negativ gekreuzte, antagonistische Adaptationen. Das bedeutet, daß ein entstehendes Adaptat gleichzeitig die Entwicklung eines anderen, stressorspezifischen Adaptates behindert. So geht mit steigender Kälteresistenz (vgl. Disstress, S. 67) die Höhenresistenz verloren bzw. sie bildet sich nicht aus. Umgekehrt setzt aber eine bessere Höhenresistenz die Kälteresistenz herab. Offenbar kann sich der Organismus, werden konkurrierende Funktionssysteme beansprucht, doch nicht so leicht an

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Allgemeine Grundlagen der Physikalischen Therapie

mehrere Stressoren adaptieren [75], zumindest nicht stressorspezifische Adaptate ausbilden. Die für die Therapie so wichtige Frage, ob der Organismus mehrere stressorunspezifische Adaptate gleichzeitig ausbilden kann, bedarf noch der besonderen Besprechung. Zunächst spricht manches dafür, daß die physiologische Anpassung ein überwiegend stressorspezifischer Vorgang ist [3], bei dem ein Adaptat den Vorrang hat, ein anderes unterdrückt wird. Andererseits schränkt aber die Tatsache, daß es einzelne Adaptate gibt, die sich unter ganz verschiedenen Stressoren entwickeln, z. B. die Vergrößerung der Nebennierenrinde (vgl. Allgemeines Adaptationssyndrom, S. 66), mehr noch die Existenz positiv gekreuzter Adaptate, die Hypothese einer beherrschenden Spezifität im Adaptationsgeschehen ein und lenkt das Interesse auf die stressorunspezifischen Modifikationen. Sie haben für die Physikalische Therapie größere Bedeutung, weil sie offenbar den Menschen vielseitiger an die Anforderungen des Lebens anpassen.

6.3.2 Stressorunspezifische Reaktionen in der Physikalischen Therapie Nur für einige wenige Situationen ist erwiesen, daß sich der Organismus gleichzeitig spezifisch gegen mehrere Stressoren adaptieren kann (S. 63). Dies scheint aber für das tägliche Leben keine große praktische Bedeutung zu haben. Die meisten Adaptate, die der Mensch entwickelt, sind stressorunspezifisch. Im einfachen Experiment mit ein oder zwei klar definierten Stressoren erscheint es, als sei die Zahl nebeneinander beständiger Adaptate sehr begrenzt. Dies ist aber für die Therapie nicht unbedingt schlüssig, einmal weil in allen Tierexperimenten jeweils sehr starke Intensitäten gewählt wurden, wie sie in der Therapie nicht üblich sind; der Organismus würde damit über die Grenze der Belastbarkeit hinaus beansprucht (vgl. Alarmreaktion, S.67) und seine Adaptationskapazität würde überzogen. Zum anderen würden solche Bedingungen mit isolierter Einwirkung einzelner Stressoren nicht den natürlichen Gegebenheiten entsprechen [238], die praktisch immer komplexer Natur sind, z. B. das Klima und die Stressoren aller anderen Kurbehandlungen. Die Erfahrung in der Physikalischen Medizin lehrt uns, daß mehrere kombinierte, gut verträgliche therapeutische Reize ein gleiches oder auch mehrere verschiedene Adaptate erzeugen, die für sich allein betrachtet, als spezifisch interpretierbar sein mögen, die in ihrer Gesamtheit aber eine unspezifische Resistenzsteigerung bedeuten. Einige Beispiele machen dies deutlich. Die Effektoren der Thermoregulation, die peripheren Gefäße, genauer, ihre Ansprechbarkeit und damit die thermoregulatorische Funktion der Hautdurchblutung erfahren nicht allein durch thermische Reize in der Hydrotherapie, sondern auch unter Bewegungsansprüchen in Sport und Gymnastik, durch die mechani-

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sehen Reize der Massagen oder im Licht der UV-Strahlen — also durch eine Reihe von verschiedenen Stressoren — eine funktionelle Verbesserung des regulatorischen Gefäßspieles. Es handelt sich dabei um ein gleiches Adaptat. Diese Vergrößerung einer funktionellen Leistung tritt zunächst als Primärreaktion (reaktive Hyperämie) auf eine ungewohnte äußere Einwirkung auf den Plan. Später erst nimmt als Ergebnis einer ständigen Wiederholung (Übungsbehandlung — Sekundärreaktion, vgl. GK 3 — 1.1) das Adaptat die Gestalt einer funktionellen Kapazitätsverbesserung an, dies erst macht den Organismus thermoregulatorisch wendiger. Er erwirbt diese Art einer Kälteresistenz aber auch, wenn das funktionelle Adaptat des gut ansprechenden Gefäßspieles nicht durch thermische, sondern durch mechanische oder aktinische Reize zustande gekommen ist. Der Organismus erwirbt also hinsichtlich der bedarfsabhängigen Durchblutung der Peripherie eine bessere Adaptation gegen thermische Belastungen (Abhärtung), wenn sich das lebendige periphere Gefäßspiel als funktionelle Kapazitätsverbesserung unter den sehr verschiedenen, soeben genannten physikalischen Reizen, also unspezifisch entwickelt hat. Ein praktisches Beispiel dafür, wie mit verschiedenen physikalisch-therapeutischen Bemühungen unspezifischer Natur sich gleichzeitig und nebeneinander mehrere Adaptate entwickeln, bietet die komplexe physikalische Behandlung der chronischen Bronchitis. In der relativ kühlen, trockenen Luft eines Klimakurortes im Gebirge bildet sich das funktionelle 1. Adaptat einer reaktiven Hyperämie der Schleimhäute in den oberen Atemwegen (S.582). Die dynamischen Atemwerte bringen unter der atemgymnastischen Anforderung der Atemtechnik, die sich den atemgymnastischen Anforderungen anpaßt (2. Adaptat), der Atmung eine bessere Effektivität; gleichzeitig erfährt die Thermoregulation durch genutzte Abkühlungsreize des Klimas auf der ganzen Körperoberfläche im Freien einen höheren Wirkungsgrad (3.Adaptat). Das Ergebnis ist nicht allein eine Art Abhärtung (S.612f.), vielmehr kräftigen sich unter den Bewegungsansprüchen auch Herz und Kreislauf (4. Adaptat), und neben der Besserung der Krankheitssymptomatik an den Atemwegen nimmt auch die unspezifische Resistenz gegen banale Erkältungsinfekte zu (5. Adaptat). Zunächst führen, wie oben schon erwähnt, alle einzelnen Reize zu sogleich oder sehr bald eintretenden Reizantworten. Sie werden als „Immediatwirkung" (lat.: in = ohne, medium=Vermittler) den Langzeitwirkungen — das sind die Adaptate — gegenübergestellt. Akute Wirkungen macht man sich zunutze, wenn es darum geht, einen Spasmus zu lösen, Frösteln oder Schwitzen zu beheben und dergleichen mehr. Die schnell aufkommenden Wirkungen werden zum Teil über das vegetative Nervensystem als „ergotrope Umstimmung" [232] oder, wenn sie stark sind, als sympathische Aktivierung über die Nebenniere (Adrenalin-Noradrenalinausschüttung) in Gestalt der Cannonschen Notfallreaktion [85] oder, sind sie anhaltend und summieren sie sich, über eine Stimulierung des Zwischenhirn-Hypophysen* Nebennierenrinden-Systems als „Alarmreaktion" (S.67) in Erscheinung treten. Erst bei längerer Dauer mit wiederholt gegebenen, gleichen Reizen

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Allgemeine Grundlagen der Physikalischen Therapie

bilden sich die Adaptate aus; die unspezifischen finden durch das „Allgemeine Adaptationssyndrom" ihre Erklärung.

6.3.3 Das Allgemeine (unspezifische) Adaptationssyndrom Krankheit, wie auch wechselnde Ansprüche der Umwelt, zwingen den Organismus, Umstellungen vorzunehmen, die mit den Systemen der vegetativen Innervation und der hormonellen Steuerungen zustande kommen. Krankheiten haben einige unspezifische Charakteristika, mit denen sie sich vom Zustand der Gesundheit unterscheiden, z. B. Entzündung, Fieber, Leukozytose. Über die nervös gesteuerten Regulationen in der Krankheit und unter therapeutischen Reizen wurde im Abschnitt 5.2 berichtet. Ebenso bedeutsam sind die auf humoralem Wege gegebenen Reize, die Rezeptoren des Körpers erregen und damit Reizantworten veranlassen. Solche Reize können Schädigungen (Verletzungen, Infektionen, Überanstrengungen und dergleichen) oder ausgewählte, dosierte, physikalisch-therapeutische Verordnungen sein. Alle zu spezifischen und zu unspezifischen Adaptaten führenden Stressoren lösen, sofern ihre Reizstärke und -dauer groß genug ist, unter anderem auch Anpassungsreaktionen aus, indem als Vermittlerorgan die Nebennierenrinde stimuliert wird. Sie verbreitert sich, nach dem Übungsprinzip immer wieder angestoßen, unter dem Einfluß des adrenocortikotropen Hormons (ACTH) der Hypophyse und bildet damit ein morphologisches Adaptat, zugleich erhöht sie mit ihrem größeren Volumen ihre sekretorische Aktivität — ein funktionelles Adaptat. Die unspezifische Resistenz des Organismus gegen die auslösende Störung wird damit eingeleitet (S.68). H.Seyle hat diese Gesetzmäßigkeiten als Lehre vom „Allgemeinen Adaptationssyndrom" [598, 599] formuliert, die uns verständlich macht, weshalb der erkrankte oder gefährdete Organismus so einheitlich, also unspezifisch reagiert. Im Rahmen dieser „einheitlichen" Theorie der Medizin, wie Selye es genannt hat, wurde ursprünglich für die Reaktion des Körpers auf äußere oder auf innere Anlässe der englische Ausdruck „stress" übernommen, der hier die gegenseitige Beziehung zwischen einer Kraft, z. B. dem Druck und einer damit herausgeforderten Gegenkraft, beispielsweise dem Widerstand bzw. der Elastizität, kennzeichnet, mit der eine „Störung" abgewendet wird. Einen Weg, solche, die normalen Funktionsabläufe störenden Anlässe unschädlich zu machen, findet der Organismus, indem er sich ihnen mit größerer funktioneller Leistung anpaßt und ihnen damit den Störcharakter nimmt. Die Kräfte, die den Streß zur Folge haben, heißen „Stressoren". Heute ist es üblich geworden, die Begriffe Streß und Stressor synonym zu verwenden; jedermann spricht von „Streßüberflutung", von Schul- oder Arbeitsstreß und dergleichen. Streß wird allgemein — hier begrifflich wieder korrekt — als Zustand der Überforderung durch körperliche, geistige oder seelische Stressoren an-

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gesehen. Im medizinisch-somatischen Sinn kann man den Streß interpretieren als die unspezifische Antwort des Körpers auf jedwede Anforderung, die vorwiegend die vegetativ gesteuerten Funktionen in Anspruch nimmt, deren Ergebnis ein Adaptationssyndrom ist. Streß muß aber nicht ein Zustand der Überforderung sein. Er kann auch sehr nützlich, unentbehrlich sein, die allgemeine Resistenz erhöhen und damit gegen viele Krankheiten schützen [89], Es liegt nahe, dies zum therapeutischen Prinzip zu machen, das ohne Kenntnis dieser Zusammenhänge schon in der vorwissenschaftlichen Medizin angewandt wurde und woraus sich die Übungsbehandlungen der Hydrotherapie und der Krankengymnastik entwickelt haben. Jedes Zuviel an Beanspruchung, das uns schadet, wird wegen der mehrdeutigen Auslegung des Wortes „Streß" heute als „Distress", dem abhärtenden, übenden, trainierenden „Streß" oder „Eustress" (gr.: eu = wohl) gegenübergestellt [600], Die körperliche Bedeutung einer Streßsituation ist meßbar an der Höhe des Katecholaminspiegels (S.688); seine Konsequenzen machen das Maß der Streßbelastung aus. Es ist Sache des Arztes, individuell für jeden Patienten im körperlichen Bereich durch Testuntersuchungen die Grenzen der Belastbarkeit und die therapeutischen Reize so zu wählen, daß sie unterhalb der physischen Belastbarkeitsgrenze bleiben, aber die positiven, gesundheitsfördernden Ergebnisse des „Übungsstreß" zeitigen. Daß in Kurbehandlungen äußere Gegebenheiten bei sensiblen Menschen auch in einen psychisch geprägten Distress führen können, sollte der Arzt nicht übersehen. Das allgemeine Adaptationssyndrom verläuft — allerdings nicht zwangsläufig — in zwei, gegebenenfalls drei Stadien: Zuerst antwortet der Organismus mit der Alarmreaktion, in der er zwar noch keine Adaptation erreicht, die adaptierenden Reaktionen werden aber angestoßen, sofern der Arzt gegebenenfalls dafür sorgt, daß nicht die überschießenden Reaktionen die Entwicklung der Anpassung stören oder gar verhindern. Das zweite Stadium führt zur Resistenz, die Adaptation ist jetzt optimal. Der Organismus kann aber bei zu kräftigen Stressoren in ein drittes Stadium, das der Erschöpfung geraten, in dem eine schon ausgebildete Adaptation wieder verloren geht [27], ein Zustand, der auch als „Desadaptation" bezeichnet wird. Das erste und das dritte Stadium sind Folgen einer zum Distress gewordenen Beanspruchung; beide sind also in der Reiz-Reaktionstherapie Ausdruck von Fehldosierungen. Das Stadium der Resistenz dagegen repräsentiert das therapeutische Ziel. Ist es erreicht, dann bedarf es dauernd weiterer adäquater Reize, damit es erhalten bleibt (vgl. bedingte Reflexe, S.49). Zur maßvollen Alarmreaktion, die ein bindendes Glied in der physiologischen Adaptation ist, sind noch einige erläuternde Hinweise notwendig. Die Alarmreaktion ist charakterisiert durch reaktive Erscheinungen aller Art, akute Einwirkungen der Stressoren bringen sie in Gang. Die Alarmreaktion ist Ausdruck einer Störung der Homöostase (S. 51), wird aber — das ist das entscheidende therapeuti-

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sehe Mittel — in der Regel durch Gegenregulationen wiederhergestellt. Laufen diese Gegenregulationen aus dem Kurs, werden sie zu stürmisch, weil die Anstöße überdosiert sind, dann gerät der Organismus gewissermaßen in eine Verzerrung der Alarmreaktion hinein. Selye hat dafür den Sammelbegriff „systemic stress" gebraucht [600], der durch überschießende Reaktionen charakterisiert ist. Ist er bei hoher Stressorintensität sehr heftig oder bei wiederholter Überforderung anhaltend, dann vermag der Organismus die typischen stressorspezifischen Adaptate nicht mehr auszubilden; zu starke Stressorintensitäten haben also einen blockierenden Effekt auf die Anpassung [2]. Sie setzen auch die allgemeine Widerstandskraft herab und haben eine unspezifische Nebenwirkung schädlicher Art. Für die Therapie ergibt sich daraus die Konsequenz, die Verordnungen (Stressorintensitäten) so vorsorglich zu dosieren, daß die physiologische Adaptation ungestört in das Stadium der Resistenz, sowohl der reizspezifischen, als auch der unspezifischen, hineinfindet. Man beginnt vorsichtig zu behandeln und steigert langsam, wie es der überlieferten Erfahrung entspricht. Nur so vermeidet der Arzt, daß sein Patient in ein Stadium der überstürzten Alarmreaktionen oder gar in das der Erschöpfung gerät. In den Zuständen der Alarmreaktion wie auch der Resistenz gibt es eine Art Kreuzungsphänomen; es erklärt und bestätigt die alte klinische Erfahrung, daß mit kombinierten Reizen, sind sie insgesamt überdosiert, die unspezifische Abwehr geschwächt wird (Desadaptation), während eine abgewogene, wohl dosierte Abstimmung verschiedener Reizqualitäten die Abwehr fördert. Ist der Organismus gegen Kälte resistenter geworden, dann ist er auch widerstandsfähiger gegen andere Stressoren, z.B. aufgrund der Abhärtung (S.612) gegen Infekte mit Common-Cold-Viren (S.613) und selbst gegen körperliche Belastungen (vgl. positiv gekreuzte Adaptation). In der englischsprachigen Literatur wird dieses Phänomen „cross-resistance", gekreuzte Resistenz, genannt. Die Bestrebungen einer unspezifischen Therapie — sie sind eines der Grundmotive der Physiotherapie — finden da, wo sie ihre Ergebnisse als „allgemeine Umstimmung" interpretieren, unter anderem auch aus dieser Sicht eine Rechtfertigung. Im Stadium der Erschöpfung ist der Mensch gegen Anforderungen weniger resistent. Er ist gefährdet und erkrankt leicht, auch wenn er mit nur einem Stressor überfordert wurde. In der therapeutischen Praxis kann sich somit jede Überdosierung selbst einzelner Reize auch allgemein schädlich auswirken. Das gilt auch für unvermeidbare, äußere Reize. Mit dem Schonprinzip (S.9) bietet die Physikalische Medizin hier aktive Hilfen, z.B. im Schonklima, mit bewegungstherapeutischen Entlastungen und dergleichen. Aufgrund alter Erfahrungen wird für die Wirksamkeit der physikalisch-therapeutischen Maßnahmen unterstellt, daß es eine unspezifische Adaptation gibt; allein das Phänomen der allgemeinen Erholung, die so schwer zu interpretieren ist, die aber jedermann spürt, spricht für diese Tatsache. Es hat sich gezeigt, daß unter Stressoreinwirkungen nach einiger Zeit auch bei anhaltendem und wiederholtem Reizgeschehen die sekretorische Aktivität der Nebennierenrinde nachläßt und zwar in dem Maße, in dem sich spezifische Adaptate ausbilden [171]. Dies könnte

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ein Ausdruck dafür sein, daß das Übermaß des erwähnten „systemic stress" überwunden ist. Für die Physikalische Therapie ist die Frage von entscheidender Bedeutung, wie einerseits der „systemic stress", der sich möglicherweise in Mißempfindungen unter den einzelnen Reizen oder im Verlauf von Serienbehandlungen äußert, abgeschwächt werden, andererseits die Resistenz aber dennoch gefördert werden kann. Die Erfahrung lehrt, daß man eine Behandlung besser nicht unterbricht, sondern die Stressoren in Gestalt physikalischer Behandlungen im Rahmen des Kurplanes weiterwirken läßt, aber in einer Form bzw. Dosierung, die dem Patienten wohltut. Dies entspräche einer mehr unspezifischen Adaptation und bedeutet praktisch, daß der Organismus auf die weiteren, jetzt wesentlich milderen Einflüsse nicht mehr überschießend, aber auf dem Boden einer Habituation (verminderte Reflexantwort infolge Gewöhnung) angepaßt reagiert [73]. Experimentelle Untersuchungen am Menschen, die ein solches Geschehen sicher erkennen lassen, gibt es zwar noch nicht, immerhin legen aber tierexperimentelle Ergebnisse eine solche Annahme nahe. Auch die klinische Erfahrung mit den sogenannten Adaptationskrankheiten — mit Krankheiten, bei denen die Adaptationsmechanismen entgleisen — spricht in diesem Sinne. Diese können dadurch verhütet oder gebessert werden, daß der Mensch unter dosierten Reizen zwar in eine Streßsituation (Eustress) hineinsteuert, ein entsprechender Distress aber nicht aufkommt, indem der Organismus sich gewissermaßen dagegen „abhärtet". Solche Überlegungen tragen zur theoretischen Begründung der Physikalischen Medizin bei, wenngleich eine solche Interpretation noch weiterer Stützen bedarf.

6.3.4 Auswahl und Gestaltung therapeutischer „Stressoren" Stressorspezifische Adaptate bei Versuchstieren hervorzurufen bzw. ihr Wachstum in der Natur zu beobachten ist nicht schwierig. Beim Menschen ist eine Art stressorspezifischer Adaptatbildung, nämlich die Immunisierung, weitgehend erforscht und in ihrer therapeutischen Nutzung hoch entwickelt. Stressorspezifische Adaptate an physikalische Reize gibt es beim Menschen offenbar nur wenige. Das bekannteste Beispiel ist die Arbeitshypertrophie der Extremitäten oder des Herzmuskels. Es ist aber zu vermuten, daß als Einzelglieder in die Kette der allgemeinen, unspezifischen Resistenz manches noch unbekannte stressorspezifische Adaptat eingefügt ist. Eine Vorstellung davon, wie sich beim Menschen eine „Umstimmung" bzw. eine stressorunspezifische Resistenzsteigerung herausbilden könnte, gewinnt man aus den Ergebnissen tierexperimenteller Versuchsanordnungen. Offensichtlich kommt es auch hier, wie ganz generell in der Reiz-Reaktionstherapie, auf die Modalität der Reize an, z. B. auf ihre Qualität, Stärke, Dauer und die Intervalle der Einwirkung.

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Drei verschiedene Reizmodifikationen (Typen) konnten aufgrund tierexperimenteller Yersuchsanordnungen abgeleitet werden. Diese tragen auch zum Verständnis der physikalisch-therapeutischen Ergebnisse und Erfahrungen bei. In der Abbildung 9 lassen sich, modifiziert nach [75], die drei Reizmodi wie folgt darstellen. Typ 1: Ein Stressor setzt sprunghaft ein und hält unverändert an (Rechtecksprung, Abb. 9 a). Dies geschieht z. B. durch plötzlich einsetzende, beständige Kälte, wie sie Soldaten im Wintermanöver zugemutet wird oder durch längeren Aufenthalt in sauerstoffarmer Luft im Hochgebirge nach unverzüglicher Fahrt dorthin. Typ2: Eine mit der Zeit (Abb.9b) stetig ansteigende Belastung, z.B. Anpassung an sehr große Höhen mit mehreren, tagelangen Aufenthalten auf Zwischenstationen oder Anpassung an Kälte, indem z. B. Haustiere im Herbst so lang auf der Weide bleiben, bis sich in der immer kälter werdenden Umgebung der Winterpelz ausgebildet hat. Typ 3: Die Reize werden intermittierend gegeben (Abb. 9 c) und so täglich einoder mehrmals wiederholt. Dies entspricht ganz generell der Reizgestaltung artifizieller Art in der Physikalischen Therapie, der Mechano-, Thermo-, Hydro-, Elektro-, Balneo- und Lichttherapie und auch der dosierbaren Reize der Klimatherapie. Unter jedem dieser drei Reiztypen entwickelt sich — untersucht wurde dies an der Kälteresistenz der Ratte — die verbesserte Toleranz in ca. 3 - 4 Wochen zu praktisch gleicher Effizienz. Dies entspricht auch der Erfahrung beim Menschen, z. B. bei der Akklimatisation an Klimaexpositionen (S. 578 f.). Bei Typ 1 und 2 steigt die chemische Wärmebildung in der Zeiteinheit an (funktionelles Adaptat) und die Wärmeisolation (morphologisches Adaptat Pelz) wurde dichter [389], bei Typ 3 fehlte beides, d. h. spezifische, funktionelle oder morphologische Adaptate blieben aus, die Resistenz gegen Kälte entwickelte sich aber ebenso gut wie bei Typ 1 und 2. t + 0°C

+ 0°C

Wochen

Tage

sprunghaft einsetzend anhaltende Kälte

stetig steigender Kältereiz durch stetig absinkende Temperatur

täglich mehrmals kurze, kräftige Kältereize

Typl

Typ 2

Typ 3

Abb. 9 Reiztypen (modifiziert nach [74]).

Theoretische Begründung der Physikalischen Medizin

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Die Frage ist, wie kommt es hier angesichts der fehlenden meßbaren Adaptate, die zur quantitativen Verbesserung der Kälteresistenz erforderlich wären, dennoch zu einer ganz überlegenen Kältetoleranz im Vergleich zu den nicht auf diese oder andere Weise adaptierten Tieren? Es hat sich gezeigt, daß es die Ausdauer ist, also eine qualitative Steigerung, die die reaktive, kaum erhöhte Wärmebildung sehr viel länger anhalten läßt; sie erschöpft sich nur sehr verzögert. Eine Analogie könnte nach klinischer Erfahrung in manchen physikalisch-therapeutischen und klinisch therapeutischen Kurmaßnahmen gesehen werden, deren Ergebnis eine größere Qualität der körperlich funktionellen Lebensleistungen ist, die unter anderem am Verhalten des Kreislaufs sichtbar wird [15]. Die intermittierende Stressorwirkung nach Typ 3 gilt als Muster für alle physikalisch-therapeutischen Maßnahmen, und selbst in der Klimatherapie mit ihrer intermittierend gestalteten Exposition trägt das gleiche Prinzip Früchte. Sehr anschaulich wurde dies in der folgenden Formel ausgedrückt [74]: E = f ( I , t , n) Das Ergebnis (E) einer derart aufgebauten Reiztherapie ist eine Funktion der Intensität (I), der Dauer des einzelnen Reizes (t) und der Häufigkeit (n) der Reizung (Behandlung). Bei verschiedenen Verordnungen der Hydrotherapie und der Massagen geht noch die Fläche mit in die Gleichung ein (S. 27). Die Gleichung gilt natürlich nur in den Grenzen der Belastbarkeit. Zu starke oder zu lang anhaltende Reize führen in den „systemic stress" (S.68); die Adaptation wird blockiert, spezifische Adaptate bilden sich nicht. Auch die unspezifischen Ergebnisse einer Reiztherapie, mit der die allgemeine Widerstandskraft besser würde, bleiben aus oder nehmen unter Umständen sogar gegenteilige, eher schädliche Formen an (Stadium der Erschöpfung). Intermittierend gegebene Reize (Typ 3) wohldosierter Intensität, aber kurzer Dauer, verhindern überschießende Reaktionen. Sie schwächen das Reizgeschehen ab, erhöhen aber dennoch die Resistenz (im Beispiel die Kältetoleranz), ohne die Gefahr des „systemic stress" heraufzubeschwören. Durch einen einfachen Versuch mittels eines Kaltreizes, der sogenannten Cold-Pressur-Reaktion, die sich in einem systolischen Blutdruckanstieg zeigt, wenn man eine Hand für Sekunden in sehr kaltes Wasser taucht, konnte gezeigt werden, daß unter wiederholten Reizen dieser Art die Reaktionsgröße langsam abnimmt [240], der Blutdruck mit der eintretenden Gewöhnung an den gleichen, wiederholten Reiz also weniger ansteigt. Dies ist ein Beispiel für eine praktisch sehr wichtige Teilerscheinung der Anpassung: die Habituation (vgl. Reizgewöhnung, S.43), die für die Gestaltung und Dosierung der physikalisch-therapeutischen Techniken eine große Rolle spielt. Die Habituation kommt durch zentralnervöse Dämpfungsmechanismen zustande, unter denen die sympathischen Mitreaktionen, die ganz unspezifisch durch Reize aller Art aktiviert werden, relativ schnell abnehmen [177]. Das führt in der Praxis dazu, daß unter allen wiederholt gegebenen Reizen, wie am Cold-Pressure-Test

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Allgemeine Grundlagen der Physikalischen Therapie

demonstriert werden kann, die Reaktionen mit der Zeit weniger ausgeprägt in Erscheinung treten. Für die Therapie bedeutet dies eine bessere Ökonomie der Reaktionen, indem diese zunehmend auf das unbedingt notwendige Maß eingeschränkt werden. Daß dieser unspezifische Effekt in relativ kurzer Zeit reversibel ist, macht es verständlich, daß manche Reizbehandlung, z. B. die Abhärtungsmaßnahmen in Gestalt der Exposition an Wettereinflüsse (vgl. regimen refrigerans, S.617) oder einfache hydrotherapeutische Gepflogenheiten wie kaltes Duschen ständig wiederholt werden müssen, um wirksam zu bleiben. Man kann eine solche Erscheinung, die eine Art Lernprozeß ist (S. 49), besonders deutlich bei der Kneipptherapie an der subjektiven Gewöhnung an Kaltreize beobachten. Auch im Luftbad mit ungefähr gleichbleibender Temperatur, in dem die Expositionsdauer täglich länger werden kann, bevor man zu frieren beginnt, läßt sich dies feststellen. Habituation ist also gewissermaßen eine Stufenleiter, über die der Mensch langsam zu einer vollwertigen Adaptation gelangt. Die Habituation wirkt sich sowohl an vegetativ gesteuerten Funktionen, an Leistungsmaßen wie auch an endokrinen Reaktionen aus: So sinkt beispielsweise die Herzfrequenz unter regelmäßig wiederholten, gleichartigen Ansprüchen ab. Das ist ein Ausdruck dafür, daß die Adaptation an eine Anforderung in Gestalt einer größeren und ökonomischeren Leistung im Gange ist (S. 689). Die Gefäßkonstriktion wird unter gleichbleibenden Kaltreizen geringer, der initiale Blutdruckanstieg bei großflächigen kalten Güssen läßt nach und dergleichen mehr. Endokrin wird die Aktivität der Nebennierenrinde (S. 66) in dem Maße weniger beansprucht, in dem sich Adaptate ausbilden. Auch hier ist als Zwischenstufe das Phänomen der Habituation sichtbar, das besonders in der ersten Phase einer Reiztherapie zur Adaptation beiträgt, indem es gewissermaßen als Lotse durch schnelle Gewöhnung an die Einzelreize den Organismus durch das Stadium der Alarmreaktion in das der Resistenz hineinsteuert, ohne an den Klippen überschießender Reizantworten anzustoßen.

7. Eigenheiten der Physikalischen Therapie In den vorhergehenden Abschnitten wurde begründet, weshalb und auf welche Weise die physikalisch-therapeutischen Bemühungen ein bewegendes, anstoßendes Prinzip in das Reiz-Reaktions-, das Regulations- und Adaptationsgeschehen des Organismus einbringen. Daraus ergeben sich Eigenheiten, die einzig und allein die Physikalische Therapie auszeichnen, die dadurch ein spezifisches und unentbehrliches Teilstück zu einer umfassenden Krankenbehandlung beisteuert. Die meisten ihrer Behandlungskonzepte haben ein doppeltes Ergebnis. Neben speziellen Abhilfen, wie z. B. meßbar bessere funktionelle Leistungen des Herzens und Kreislaufes, der Atmung, der Beweglichkeit, örtlicher Durchblutung und manchem anderen, bringen sie noch weitere, nicht immer klar definierbare, „unspezifische", den Organismus „umstimmende", belebende Ergebnisse, wobei ihre besseren funktionellen Kapazitäten bereits ein Teil dessen sind, was noch als „Umstimmung" zu definieren bleibt (S. 75). Es entspricht aber dem Wesen des aktiv reaktiven Geschehens (Primärreaktionen) im Organismus, daß die heilsamen Anstöße physikalisch-therapeutischer Art für ihre Sekundärwirkungen (S.31), für all das, was als „Normalisierung" und als „Kräftigung" der „natürlichen" Therapie eigen ist (vgl. Tab.l), eine Zeit der Entwicklung brauchen. Dies erfordert systematische, in Serien aufeinanderfolgende Wiederholungen der treibenden Kräfte, eine Bedingung, die als Übungsprinzip in die Behandlungspraxis eingeht. Das Unspezifische in der Physikalischen Therapie wird an mehr oder weniger augenfälligen Erscheinungen sichtbar. Zwar ist die Absorption physikalischer Energien im Organismus, z.B. der Wärme, der Lichtquanten, auch chemischer Elemente oder Verbindungen in der Bädertherapie, als ein spezifischer Vorgang interpretierbar [266], dennoch ist das Ergebnis vielfach nicht oder nicht nur als spezifisch zu werten. Dies gilt beispielsweise für die lokal begrenzten Reizantworten unter erwärmenden Maßnahmen, von denen eine die Erweiterung der Gefäße ist. Sie ist als Einzelwert unspezifisch, denn die gleiche Reaktion tritt auch unter galvanischer Durchströmung ohne Wärmeeffekt ein. Auch die Massagen lösen mit den von der Haut perzipierten Druckreizen reflektorisch eine gleichartige Gefäßerweiterung aus. Ferner zeigt sich hier das unspezifische Geschehen in weiteren Folgen: der Schmerzlinderung und der Detonisierung verspannter Muskeln. Beides ist wiederum auch der Wärme und den galvanischen Strömen eigen. Das Beispiel belegt, daß diese oder jene spezielle Verordnung physikalischer Art eine oder mehrere gleichartige, angestrebte Umstellungen im Organismus bewirken kann. Die Ergebnisse sind also nicht an eine ganz bestimmte Behandlungsmaßnahme gebunden [567], Mehrere zeitigen, gegeneinander austauschbar, gleiche Folgen, die wir unspezifisch nennen.

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Allgemeine Grundlagen der Physikalischen Therapie

Das unspezifische Geschehen ist recht umfangreich. Seine Vielfalt macht nicht nur das reichhaltige Angebot an therapeutischen Hilfen physikalischer Art aus, es bringt auch eine besondere noch näher zu deutende Festigung gegenüber Fährnissen des Lebens. Die komplexen Ergebnisse physikalisch-therapeutischer Energieströme lenken den Blick auf das Gesamtresultat ihrer Anregungen, z.B. Bewegungsanforderungen, dosierte Kälteexpositionen, eines veränderten Klimas, der Bäderserien, Kneippkuren. Eine Vorstellung von der Bedeutung einer solchen Breitenwirkung vermitteln die sehr sorgfältig analysierten Konzepte der „Vegetativen Gesamtumschaltung" und des „Allgemeinen Adaptationssyndroms", die gleichfalls Reizantworten sind, deren Aufklärung zu Grundpfeilern medizinisch-naturwissenschaftlicher Erkenntnisse wurden [256, 598]. Danach setzen sehr verschiedene Reize physikalischer oder chemischer Art einheitliche, komplexe Reaktionsweisen in Gang; sie laufen gesetzmäßig ab. Im Bereich der meßbaren vegetativen Reaktionen sind es zwar kurzfristig aufkommende, nur kurze Zeit anhaltende „Umschaltungen" (Primärreaktionen), sie zeigen aber an, wie umfassend der Organismus unspezifisch zu reagieren vermag. Die sorgfältig kurgemäß aufgebauten und dosierten Serienbehandlungen bringen dazu anhaltende unspezifische Werte ein, die sich in einer besseren, ausgewogenen, entstörten physiologischen Reaktionsbereitschaft oder -fähigkeit insgesamt zeigen, z. B. als erhöhte Resistenz gegen Infekte der Erkältungsgruppe, als Besserung der nervlichen und körperlichen Belastbarkeit und dergleichen. Die Erklärung des allgemeinen Adaptationssyndroms macht manches davon verständlich. Während aber spezifische Ergebnisse der Krankenbehandlung, z. B. die nach aktiver Immunisierung sich aufbauende Infektabwehr auf dem Boden zellulärer und humoraler Qualitäten oder die verbesserte Qualität meßbarer Funktionsgrößen, leicht belegt und erklärt werden können, gelingt dies für all die Beobachtungen, die man als unspezifische Resistenzsteigerung deutet, bisher nicht in befriedigendem Maße. Lediglich die klinische Erfahrung weist darauf hin, daß, z. B. nach einer Bade-, Klima- oder Kneippkur, hinfällige Menschen gegen Infekte oder äußere Störungen anderer Art weniger empfindlich sind. Eine Feststellung, die zunächst nur als unspezifische Verbesserung der allgemeinen Widerstandskraft interpretierbar ist, obgleich dabei wahrscheinlich auch ganz spezifische Vorgänge eine Rolle spielen. So wurde z. B. nach Schwefelbadekuren ein erhöhter Properdinspiegel gefunden [635]. Auch noch andere Gründe sprechen dafür, daß die spezifische Abwehr (Immunität) durch an sich unspezifische Reize beeinflußt wird. So hemmt Kälte, wenn sie bis zur Auskühlung einwirkt, die meßbare spezifische Abwehr, Wärme fördert sie, sofern eine Hyperthermie eine gewisse Zeit anhält [367], Wie immer man aber die Wirkungen der physikalischen Behandlungen auslegen mag, die Tatsache, daß solche Behandlungen nicht nur einzelne Funktionen, sondern ganze Systeme anstoßen (den vegetativ-nervösen Tonus, das zentrale Nervensystem über die Hirnrinde und den Hirnstamm) sowie reflektorische Abläufe (bedingte Reflexe, S.49) über das periphere Nervensystem in Gang setzen und en-

Eigenheiten der Physikalischen Therapie

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dokrine Kräfte über die Hypophysen-Nebennierenrinden-Achse mobilisieren und unzweifelhaft auch psychische Haltungen meist in positivem Sinne beeinflussen, spricht für eine Breitenwirkung, die den Ausdruck „unspezifische Therapie" rechtfertigt. Die über lange Zeit oder dauernd anhaltenden Änderungen, die sowohl in der Reizbarkeit der Systeme, als auch in den Besserungen ihrer funktionellen Kapazitäten (S. 63) nach physikalisch-therapeutischen Serienreizen auftreten, sind schon früh als „Umstimmung" bezeichnet worden [179]. Der Begriff entspricht nicht mehr oder nicht mehr ganz unseren heutigen Ansprüchen; er hat etwas zu Allgemeines, obwohl er all das enthält, was in der Tabelle 1 im Therapieschema als spezielle, selbstordnende und Kräfte entwickelnde Leistung des Organismus definiert wurde. Dennoch hat der Begriff immer noch etwas Nebelhaftes an sich. In der experimentellen Literatur ist der Terminus kaum noch zu finden, weil, wie im methodischen Teil II noch weiter zu belegen sein wird, das ganze Geschehen mehr und mehr in meßbare Einzelfaktoren aufgelöst werden konnte, die sehr viel präzisere Aussagen über das physiologische Geschehen unter physikalisch-therapeutischen Reizen gestatten. Für den praktisch tätigen Arzt ist der Begriff „Umstimmung" als Sammelbezeichnung aber immer brauchbar, wenn er damit seine Bestrebungen umschreibt, den Organismus mit physikalisch-therapeutischen Verordnungen in seiner Reaktionsweise auf eine geeignetere, bessere, der rauhen Umwelt adäquatere Weise „umzustimmen". Jeder Kurarzt kennt aus eigener, fast alltäglicher balneo- oder klimatherapeutischer Erfahrung die Kurreaktionen (S.483) als Ausdruck einer allerdings unerwünschten Umstimmung, die hier die soeben gestellte Forderung nach meßbaren Belegen stets erfüllt und damit auch offenbart, daß der Begriff Umstimmung - wenn auch zunächst noch als Hilfskonstruktion - eine wirkliche Situation umschreibt. Als weitere Eigenheit der Physikalischen Therapie wurde die Notwendigkeit genannt, die Reaktionen, die durch aktive Leistungen des Organismus bzw. einzelner seiner Glieder gekennzeichnet sind, in Serien zu wiederholen, d. h. übend zu behandeln, um Trainingseffekte zu erzielen. Es leuchtet jedem Patienten ein, daß eine Kräftigung (vgl. Tab.l), z.B. bestimmter Muskeln, aber auch des Herzens und Kreislaufs, der Durchblutung der Beine (Intervalltraining, Wechselfußbäder), eine leichtere Atmung und vieles andere nur unter übender Gestaltung der Verordnungen Wirklichkeit werden kann. Das gilt natürlich auch für die „Normalisierung", deren Ziel es ist, den Organismus dahin zu bringen, daß er selbstordnend regulierbare Größen, z. B. den Blutdruck, die Herzfrequenz, die periphere Durchblutung, die Thermoregulation aus der „Unordnung" krankhafter Störungen herauslöst und wieder auf die jeweiligen Erfordernisse des Lebens einzustellen lernt (S. 45). Das Entlastende, Entstörende des Schonprinzips (S. 11) geht hier mit ein. Auch eine Ökonomisierung aller regulierbaren Funktionsabläufe als Behandlungsziel ist wiederum nur durch trainierenden Gebrauch aller Funktionssysteme erreichbar.

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Allgemeine Grundlagen der Physikalischen Therapie

Unter dem Übungsprinzip der rhythmisch wiederholt gegebenen Reize führen alle drei der charakterisierten Wege der physikalischen Therapie, die Reaktion, die Regulation und die Adaptation, gemeinsam und nacheinander zum Ziel der Kultivierung unzureichender, der ordnenden Wiederherstellung gestörter, reaktionsträger oder überschießender Funktionen und ihrer Sicherung in Gestalt gestärkter und wiedererweckter körpereigener Leistungen. Nur unter der Übung kommen die sekundären Effekte zustande, die nachhaltiger sind als die primären Reaktionen und die ein Bestandteil dessen sind, was als Anpassung, als Umstimmung, als Steigerung der körpereigenen Resistenz seit eh und je postuliert wurde und heute in vielem wissenschaftlich erwiesen ist.

II Methoden der Physikalischen Therapie

1. Massagebehandlungen 1.1 Einleitung Mechanische Kräfte wurden schon seit dem Altertum in Form von Massagen zur Krankenbehandlung wie zur Gesundheitspflege genutzt. Die Massagebehandlungen finden ihre biologische Begründung in der Tatsache, daß die Muskulatur in ihren Funktionen, ihrem Stoffwechsel und ihrer Durchblutung auf Druck- und Dehnungsreize anspricht. Auch die Haut und das subkutane Bindegewebe sind im Kontakt mit der Umwelt stets Druck- und Zugwirkungen ausgesetzt, auf die das Gewebe sich mit Anpassungsvorgängen im Rahmen physiologischer Reaktionen fortwährend einstellt. Damit wird verständlich, daß man mechanische Kräfte als therapeutisch effektive Reize nutzen kann. Der Masseur muß dabei die Techniken seines Faches beherrschen und über Kenntnisse in der Krankheitslehre verfügen. Wie der Arzt braucht er Berufserfahrung und dazu manuelles Einfühlungsvermögen. Das alles macht ihn zu einem unentbehrlichen Helfer bei der Krankenbehandlung. Gute Massagen erfordern eine sachkundige Auswahl der geeigneten Technik und deren Anpassung nicht nur an die Beschaffenheit des zu massierenden Gewebes, sondern auch an den Gesamtzustand des Kranken. Da bei Massagen die Hand des Masseurs in die Muskeln greift, lassen sich die damit übertragenen Kräfte nicht nach Maß und Zahl bestimmen. Maßstäbe für die aufzuwendende Kraft sind der Widerstand, den die massierende Hand wahrnimmt, die Kriterien des Lokalbefundes, der Tonus sowie die Schmerzempfindung des Patienten. Die dem Kranken zuträgliche Dosierung der mechanischen Einwirkung und die Dauer der einzelnen Behandlung muß der Masseur deshalb in eigenverantwortlicher Tätigkeit mit den Anweisungen des Arztes in Einklang bringen (vgl. Dosierung, S.914). Physikalisch gesehen ist die Massage eine Druck- und Zugeinwirkung auf nicht komprimierbares Gewebe. Der auf das Gewebe ausgeübte Druck setzt sich, sofern das Objekt nicht ausweichen kann (Massagebank), bis auf die feste Unterlage, z. B. den Knochen, fort. Dadurch geht die aufgewendete Energie verlustlos auf das behandelte Gewebe über. Die Massagen werden durch systematische, rhythmische Wiederholung bestimmter Griffe zu einer Behandlung, die mit dem Wechsel und der Kombination verschiedener, unterschiedlich wirkender Techniken sehr wandlungsfähig ist. Die Massagegriffe unterscheiden sich durch die Richtung der Energieeinwirkung, die Stärke, mit der die Hand das Gewebe dehnt oder drückt sowie durch die Geschwindigkeit und den Rhythmus, mit denen die auf das Gewebe einwirkenden Kräfte an- und abschwellen oder einander abwechseln.

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Methoden der Physikalischen Therapie

1.2 Wirkungen der Massagen - allgemeine Übersicht Obwohl die Massagen mit zu den ältesten Behandlungsmehtoden zählen und bis heute eine der meist verordneten physikalisch-therapeutischen Anwendungen sind, ist es nicht möglich, aus dem Effekt einer einzelnen Massage, gemessen an Kreislauf und Stoffwechsel, die therapeutische Wirkung einer Serie von Massagen abzuleiten [299]. Fehlende Erklärungsgründe sollten aber nicht dazu führen, Massagen dort, wo sie aus Erfahrung lindernde und heilsame Ergebnisse versprechen, im Therapiekonzept unberücksichtigt zu lassen. Unentbehrlich sind sie bei der Behandlung zahlreicher Symptome der Muskeln bzw. bei der Wiederherstellung des Tonus der Muskeln nach großen körperlichen Anstrengungen. Die Wirkungen der Massagen sind dabei ohne Zweifel komplexer Natur. Die örtlich ansetzenden mechanischen Druck- und Zugkräfte lösen zunächst direkte lokale Reaktionen im Gewebe aus. Darüber hinaus kommt es aber auch zu neuroreflektorischen Fernwirkungen und Reaktionen in verschiedenen Funktionssystemen (Kreislauf, Stoffaustausch) sowie zu Erregungsänderungen in nervalen Strukturen. Tabelle 5 zeigt die vielfältige Wirksamkeit der Massagen in einer Übersicht.

Tabelle 5 Übersicht über die Massagewirkungen Technik

Lokale Wirkungen

Fernwirkungen

Klassische Massage

Lockerung 1 d e s M us keltonus Erhöhung J Lösung von Muskelfehlspannungen und Myogelosen Steigerung der Durchblutung im massierten Gewebe über humorale Effekte (histamin- und azetylcholinartige Stoffe werden frei) Kreislaufanregung ohne vermehrte Herzarbeit Förderung des venösen Rückflusses

Allgemeine, unspezifische Wirkungen: Anregung, EntSpannung

Klassische und Bindegewebsmassage

Lockerung unelastischen Unterhaut-Bindegewebes Verbesserung des Gewebsturgors

Reflexzonen- und Bindegewebsmassagen

Reflektorische Wirkung auf innere Organe Steigerung der Durchblutung in entfernt gelegenen Gefäßgebieten Spasmenlösung in inneren Organen und peripheren Gefäßgebieten

Massagebehandlungen

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Mit der grundsätzlich wichtigen Unterscheidung zwischen spezifischen und unspezifischen Behandlungseffekten (vgl. S. 73) können die lokalen Massagefolgen ebenso wie die reflektorischen Vorgänge an inneren Organen als spezifisches Geschehen gedeutet werden, während die Wirkungen auf Stoffwechsel und Kreislauf mehr unspezifischer Natur sind. Insbesondere haben die großflächig verabreichten Massagen einen allgemeinen, d.h. körperlich entspannenden und psychisch belebenden Effekt, der das Wohlbefinden des Menschen hebt. Die Belastungen durch die Umwelt (Streß, S.66) und zahlreiche äußere Einwirkungen mechano- und nozizeptiver Art, wie auch optische und akustische Reize und vegetative und emotionale Beunruhigungen bringen „Verkrampfungen", das bedeutet Tonussteigerungen der Muskulatur, mit sich. Mit entspannenden Lagerungen und detonisierenden Massagegriffen müssen sie erst einmal behoben werden, um Grundvoraussetzungen für therapeutische Erfolge zu schaffen. Da jede äußere Unruhe für den sensiblen, labilen Menschen eine Irritation bedeutet, ist es verständlich, daß in den Behandlungsräumen Ruhe herrschen muß und auch die Behandler selbst Ruhe ausstrahlen sollten, damit eine entkrampfende Wirkung auf die Haltemuskulatur und die Psyche des Menschen zustande kommt. Massagebehandlungen, vor allem solche größerer Flächen, eröffnet und beendet man zweckmäßig mit Techniken, die als „nicht reizende Griffe" bezeichnet werden (vgl. S. 94). Kräftige Reizgriffe haben dagegen eine anregende, die Aktivität des Menschen steigernde Wirkung. Die Gewebe der Haut und Unterhaut nehmen unter Massagebehandlungen einen besseren Turgor an, auch die Trophik wird vollblütiger. Haut und Bindegewebe fühlen sich bald geschmeidiger und lockerer an, die Hautdrüsen entleeren sich und werden in ihrer Tätigkeit unterstützt. Im gesamten Gewebe, in das sich die Druck- und Zugkräfte der massierenden Hand und auch rhythmisch erfolgende Erschütterungen geringer Frequenz (2-10 Hz, bei apparativen Massagen bis 50 Hz) fortsetzen, bilden sich unter den mechanischen Reizen gefaßaktive Wirkstoffe mit Histamincharakter (H-Substanzen, S. 257), die die Arteriolen, Präkapillaren, Kapillaren und Venolen erweitern. Die resultierende Gewebshyperämie, die dem Gewebe mehr Sauerstoff zuführt und die „Ermüdungsstoffe" (S. 169) schneller abtransportiert, wirkt sich auch auf den Gesamtkreislauf aus. Die Erhöhung des Gewebsstoffwechsels im massierten Gewebe hat Rückwirkungen auf den ganzen Stoffwechsel und als Allgemeinwirkung der Massage einen belebenden Einfluß auf das Befinden. Bei der Massage wirken sich sowohl die Reflexvorgänge zwischen Haut und inneren Organen als auch nervös-reflektorische Einflüsse auf vegetativ gesteuerte Funktionen aus. Die Wirkungen auf den gesamten Organismus dürften umso stärker sein, je größer die behandelte Fläche ist. Deshalb sind besonders nach Ganzmassagen - die allerdings unter therapeutischer Sicht keine Indikation haben - oder nach kräftigen Massagen größerer Muskelgruppen meßbare Reizwirkungen zu erkennen. So spricht der häufig im Verlauf einer Ganzmassage auftretende Schweißausbruch

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Methoden der Physikalischen Therapie

für eine Reizwirkung auf vegetative Regulationen. Der Blutdruck sinkt, was allerdings nicht bestätigt ist [299], die Pulsfrequenz nimmt ab, die Atmung, d.h. die Ventilation, wird besser, die Diurese setzt kräftiger ein. Diese und andere Symptome [381] sind Hinweise darauf, daß unspezifische Allgemeineinwirkungen von den Massagebehandlungen ausgehen. Gleiche Beobachtungen werden auch unter den sehr reizintensiven Bindegewebsmassagen beschrieben. Dennoch sollte jede Massagebehandlung mit klar definierter Zielsetzung verordnet werden. Die Allgemeinwirkungen sind zu unsicher, als daß sie gezielt gesteuert werden könnten. So unklare Verordnungen, wie etwa „Ganzmassage zur Roborierung", sollten jedenfalls vermieden werden. Wenn man unter Roborierung expressis verbis Kräftigung versteht, dann kann man nicht erwarten, daß eine noch so angenehm empfundene Massagebehandlung zu einer Steigerung etwa der Muskelkraft oder gar der Abwehrkraft, d. h. der allgemeinen Resistenz des Organismus gegen Krankheiten, etwas Wesentliches beizutragen vermag. Versteht man unter Roborierung aber eine Erhöhung des Wohlbefindens, das eine gesteigerte Aktivität körperlicher und geistiger Art zur Folge hat, dann können auch Massagebehandlungen an einer so allgemeinen Verbesserung des Befindens einen Anteil haben. Aus der Wirkung von Massagen auf den Kreislauf ergeben sich Indikationen für die Verordnung von Massagebehandlungen bei bettlägerigen Kranken. Bei fehlender eigener Körperbewegung und mangelnder Orthostase regen vorsichtig dosierte Massagen den Kreislauf, die Bewegung von Körperflüssigkeiten und den Gesamtstoffwechsel an. Ganzmassagen haben in der Krankenbehandlung keine begründete Indikation, weil alle Kranken, die über eine Eigenbeweglichkeit verfügen, auch mit Teilbewegungen die allgemeine Muskel- und Herz-Kreislauffunktion effektiver erhalten und fördern, als dies mit einer personal- und zeitaufwendigen Ganzmassage erreicht werden könnte. Bettlägerige Patienten werden dagegen mit einer Ganzmassage, die mindestens eine Stunde dauert, eher überfordert, wenn wirklich der ganze Körper mit allen greifbaren Muskeln durchmassiert wird.

1.3 Ansätze für Massagen 1.3.1 Der Tonus der Muskeln Als Muskeltonus (gr.: tonos = Spannung) bezeichnet man den Grad einer Muskelspannung. Diese ist abhängig vom Zellturgor (lat.: turgere=geschwollen sein), dem Innendruck des Gewebes. Während der Turgor des Gewebes, z. B. der Haut, von dem darunter liegenden Fett, vom Blutkapillardruck und der intrazellulären Flüssigkeit bestimmt wird, ist der Muskeltonus abhängig von der Innervation

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(S.121). Der Turgor macht die Plastizität, die Nachgiebigkeit oder Elastizität des Gewebes gegen äußere Druckeinwirkungen aus, während der Muskeltonus Ausdruck seiner kontraktilen, durch Impulse aktiv und passiv veränderlichen Spannung ist. Mit Trophik (gr.: trophein = ernähren) bezeichnet man den Ernährungsbzw. den von der Ernährung abhängigen Wachstumszustand, z.B. atrophische oder hypertrophische Muskeln. Grundsätzlich muß man zur Beurteilung des Spannungszustandes eines Muskels unterscheiden zwischen dem Ruhetonus und dem Tonus, der unter nervalen Impulsen von diesem abweicht. Unter Ruhetonus, auch zellulärer Tonus genannt, versteht man den Spannungszustand eines Muskels, der nicht aktiv und willkürlich innerviert, also nicht verkürzt oder hyperton ist und natürlich auch keine pathologisch gesteigerte elektrische Aktivität hat (vgl. Spastik, S. 84). Im Ruhetonus besteht aber aus physiologischer Sicht ein gewisser, als tonische Grundspannung bezeichneter Tonus, der erforderlich ist, um optimale Kontraktionsbedingungen zu unterhalten, bzw. die Bereitschaft sicherzustellen, auf nervale Kontraktionsimpulse unverzüglich anzusprechen (S. 122 f.). Erst im tiefen Schlaf sinkt der Ruhetonus stark ab, in der Narkose erlischt er fast ganz. Als kontraktilen Tonus oder auch reflektorischen Tonus bezeichnet man - nicht ganz einheitlich - einmal den Tonus, der bei aufgehobener Schwerkraft (S. 268) in den Muskeln gegeben ist, zum anderen die Spannungszustände, die aufgrund unwillkürlicher physiologischer Muskelerregungen zustande kommen, die der Haltung des stillsitzenden oder stehenden Körpers dienen. Sie sind niemals so groß, daß sie Bewegungen der Gliedmaßen mit sich bringen. Beim liegenden, entspannten Menschen weicht aber der kontraktile Tonus weitgehend dem Ruhetonus, d. h. die Grundspannung läßt nach, weil die Muskeln nicht mehr gegen den Einfluß der Schwerkraft angespannt sein müssen, um die Statik der aufrechten Haltung zu sichern. Während der Massagen muß der Masseur stets danach trachten, den im Wachzustand immer vorhandenen, mehr oder weniger starken kontraktilen Tonus möglichst niedrig zu halten. Weicht der Schwerpunkt vom Unterstützungspunkt ab, dann zieht das Körpergewicht zur Seite, der Patient kann nicht entspannt liegen, d.h. der Ruhetonus, der für jede Massage unentbehrlich ist, stellt sich nicht ein, es bleibt beim kontraktilen Tonus. Auch eine unbehagliche Kälteempfindung, Schmerzen, akustische und optische Reize sowie psychische Einflüsse wie Angst oder Erwartung erhöhen den Tonus bis zu krampfartigen Verspannungen. Bequeme, entspannende Lagerung, äußere und innere Ruhe, angenehme, gegebenenfalls zusätzlich zugeführte Wärme sind deswegen Voraussetzungen für das gute Ergebnis einer Massage. Spannungsänderungen in den Muskeln haben für die Diagnostik und für die zu wählenden Massagetechniken große Bedeutung. Tonusminderungen (Hypotonus) sind entweder zentral oder peripher nerval bedingt (schlaffe Lähmungen), oder es liegt eine Erkrankung des Muskelparenchyms vor. Einen herabgesetzten Muskel-

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Methoden der Physikalischen Therapie

tonus findet man auch stets als Ausdruck einer muskulären Inaktivität mit und ohne meßbare Inaktivitätsatrophie. Die palpierende Hand des Arztes und die massierende Hand des Masseurs lernen erst mit zunehmender Erfahrung, erhöhte oder verminderte Gewebsspannungen von einem „Normalzustand" zu unterscheiden. Durch Palpation beurteilt man die Querspannung eines Muskels, die Längsspannung erfaßt man durch Dehnung des Muskels unter passiver Bewegung in den Gelenken. Eine von subjektiven Wahrnehmungen freie Methode, den kontraktilen Tonus zu messen, ist allein die Elektromyographie (S.418), mit der aber vorwiegend die Längsspannung geprüft wird. Tonuserhöhungen (Hypertonus) oder Muskelverspannungen sind sehr viel häufiger anzutreffen als Tonusminderungen. Bei Verspannungen ist eine klare begriffliche und ursächliche Klärung notwendig, insbesondere auch im Hinblick auf die einzuschlagende, befundgerechte, kombinierte physikalische Therapie. Solche hypertonen Muskeln, man spricht auch von Sperrtonus, finden sich bei schmerzhaften Organerkrankungen, reflektorisch z.B. als Défense musculaire (S. 135), bei Fehlhaltungen durch schmerzbedingte Bewegungshemmungen, z.B. bei vertebralen Syndromen. Spastik Die Spastik ist bedingt durch eine pathologische Steigerung der Dehnungsreflexe (S.125f.); die elektrische Aktivität des spastischen Muskels ist erhöht. Bei der Untersuchung mit passiven Bewegungen ist ein starker Dehnungswiderstand zu überwinden, der oft durch wiederholtes passives Durchbewegen mehr oder weniger lösbar ist. Ein Muskel wird spastisch, wenn die Pyramidenbahnen, die ihn versorgen, geschädigt oder unterbrochen sind und die aus dem Stamm- und Kleinhirn kommenden zentralen Hemmungsimpulse teilweise oder ganz ausfallen. Die Spastik kann in der Regel nur begrenzt gelöst werden ; dies erfordert eine sorgfältige Auswahl verträglicher Methoden. Im Abschnitt 1.4 „Technik der Massagen" werden die gegebenen Möglichkeiten beschrieben. Muskelkontrakturen (Verspannungen) Muskelkontrakturen können sich unter Behandlungen lösen, oft aber bleiben sie zu lange Zeit bestehen. Dann baut der Muskel sich um, die morphologische Strukturwandlung führt zur Dauerkontraktur. Hier ergibt sich eine wichtige Indikation für frühzeitige Behandlungen. Die Kontrakturen, flüchtige oder andauernde, erfassen umschriebene, einzelne Muskelbündel, oft, z. B. bei spastischen Lähmungen oder Gelenkerkrankungen, auch ganze Muskeln. Bleibende Muskelkontrakturen nicht gelähmter Muskeln treten als Folgen von Fehlhaltungen auf, wenn es nicht gelingt, die beteiligten Muskeln aus ihrer andauernden Spannung zu befreien. Häufig entstehen Kontrakturen auch, wenn Gelenke zu lange fixiert bleiben und es bei verordneten Lagerungen versäumt wird, alle

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zugänglichen Muskeln zu massieren und die Gelenke eines immobilen Kranken, sobald sein Zustand es erlaubt, immer wieder passiv oder aktiv durchzubewegen. Dies ist unerläßlich, um solche Kontrakturen, die man als degenerativ bezeichnen könnte, nicht aufkommen zu lassen. Die muskulären Kontrakturen, denen keine Innervationsstörung zugrunde liegt, unterscheiden sich von spastischen Muskelverspannungen, ihnen fehlt die erhöhte elektrische Aktivität. Die Kontrakturen sind reversibel, sofern sie nicht zu lange bestehen und schon bindegewebig durchbaut sind oder Gelenkversteifungen ihre therapeutische Dehnung unmöglich machen. Sie sind, sofern diese Einschränkung nicht vorliegt, der Behandlung gut zugänglich, bedürfen aber neben langanhaltender Dehnung durch Lagerungen einer fortgesetzten, lockernden Massage- und Bewegungstherapie. Muskelkontrakturen haben verschiedene Ursachen. Am häufigsten, sozusagen alltäglich und ohne pathologischen Anlaß, sind die Ermüdungskontrakturen. Darunter versteht man einen erhöhten Spannungsgrad in der Muskulatur, der dadurch zustande kommt, daß unter zu schwerer oder zu anhaltender Arbeit der Muskel zunehmend ermüdet und langsamer bzw. verzögert erschlafft. Der Muskel findet damit im Arbeitsablauf nicht mehr genügend Zeit, während der Erschlaffungsphase auf seinen Ruheausgangswert, seinen Ruhetonus, zurückzukommen. Dadurch fallen mit fortschreitender Ermüdung zunehmend mehr Muskelfasern für den Erschlaffungs- und damit erneut möglichen Kontraktionsvorgang aus. Ein stark ermüdeter Muskel hat somit eine erhöhte Spannung, die lange Zeit anhält, weil der Muskel mit der Ermüdung eine Sauerstoffschuld eingegangen ist, unter der sich der Vorrat an Adenosintriphosphat (ATP) verbraucht hat. Die ATP-Mangelkontraktur führt zu einer Verhärtung der Muskeln, denn eine bestimmte Konzentration von ATP muß vorhanden sein, damit ein Muskel sich erholt und weich bleibt. Die „Entmüdung" zu beschleunigen und zu erreichen, ist das Ziel der Sportmassagen. Mit entsprechenden, muskelwirksamen Massagetechniken wird mehr Sauerstoff an die Muskeln herangebracht. Dieser wird für die Endoxydation der unter Muskelarbeit angefallenen Milchsäure gebraucht (vgl. aerobe Glykolyse, S. 169) und dient auch der Resynthese von ATP, deren Verbrauch in der Energiegewinnung eine wichtige Rolle spielt. In der Bewegungstherapie bzw. auch bei sportlichen Anforderungen bewirken Massagen auf dieser Basis zusätzlich noch günstige Wirkungen, weil unverzögerte Spannungs- und Längenänderungen mit der Möglichkeit, schneller zu reagieren, die optimalen Bewegungskoordinationen sicherstellen (S.175). Muskelhartspann - Myogelosen Innerhalb großer Muskeln oder Muskelgruppen finden sich oft einzelne Muskelstränge oder Muskelfasern mit fühlbar erhöhter Spannung. In der ruhenden Muskulatur sind diese als auffällige Palpationsbefunde zu ertasten. Seit langem wird bei solchen Veränderungen zwischen reflektorischem Muskelhypertonus, auch Muskelhartspann genannt [447], und sogenannten Myogelosen

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Methoden der Physikalischen Therapie

[383] unterschieden. Die beiden Begriffe sind nicht identisch. Während der Hartspann als reflektorischer Dauertonus eines Muskels oder eines Muskelfaserbündels definiert wird, ist die Myogelose ein auf Druck schmerzhaftes, spindelförmiges, erbsen- bis bohnengroßes, im Muskel gelegenes Gebilde, das durch umschriebene kolloid-chemische Veränderungen, wahrscheinlich als Ausdruck trophischer Störungen im Muskelgewebe, zustande kommt. Für die Wahl einer geeigneten Massagetechnik ist es wichtig, die beiden verschiedenen Spannungszustände voneinander zu unterscheiden. Dazu dient die Gegenüberstellung nach [344] in Tabelle 6. Tabelle 6 Unterschiedliche Spannungszustände bei Muskelhypertonus und Myogelose Hypertonus (Hartspann)

Myogelosen

1. Relativ großes, der Spindelform des Muskels angepaßtes Gebilde

Im Muskel gelegene Gebilde mit z. T. höckriger Oberfläche, nicht spindelförmig

2. Bei Druck feinste Gegenspannung (Eigenreflex)

Bei Druck keine eigenreflektorische Gegenspannung

3. Bei längerer Vibration läßt die Härte nach oder verschwindet erst nach mehreren Behandlungen

Vibration ohne Einfluß

4. Bei kräftiger Zirkelung vermehrte Spannung, dumpfer Schmerz

Bei Zirkelungen keine tastbare Reaktion, aber starker Schmerz (sicheres diagnostisches Zeichen)

5. In Narkose verschwindet jeder Hypertonus, er erweist sich so als nervös reflektorisch bedingt

In Narkose verschwinden die Myogelosen nicht, sie sind von nervösen Regulationen unabhängig

6. Infiltrierung mit Novocain beseitigt den Hypertonus, er kehrt meist bald wieder

Infiltrationen beseitigen die Myogelosen oft nicht oder erst nach mehreren Wiederholungen

Muskelkontrakturen und Myogelosen, die oft recht schmerzhaft sind, bestehen häufig über lange Zeit. Sie kommen nicht nur als Folge von Überbeanspruchung vor, z. B. bei Fehlhaltungen, sondern auch als Ausdruck krankhafter Vorgänge im Muskel, bei rheumatischen Erkrankungen verschiedener Art, in der Umgebung erkrankter Gelenke, bei Fehlbelastungen einzelner Muskeln, bei Störungen des Muskelstoffwechsels oder der nervösen Versorgung. Die diagnostische Bedeutung solcher Verspannungen wie auch von umschriebenen Tastbefunden in der Körperdecke, die auf reflektorische Beziehungen zu inneren Organen hinweisen, wurde schon erwähnt (S. 47. Zur Behandlung derartiger umschriebener Muskelverhärtungen eignet sich besonders eine Massagetechnik, die als Zirkelung (S. 96) bezeichnet wird. Auch größere hypertone Muskelanteile bzw. ganze verhärtete Muskeln bedürfen oft der Massagebehandlung. Unter weichen, dehnenden Massagegriffen, mit

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Knetungen verschiedener Art oder auch mit Vibrationstechniken nehmen solche Muskeln wieder einen weichen, nachgiebigen, funktionstüchtigen Spannungszustand an. Muskelstarre oder Rigor Die Muskelstarre, auch Rigor, ist neurophysiologisch zu definieren als gesteigerter Grundtonus der Skelettmuskulatur mit Daueraktivität der tonischen Alpha-Motoneurone (vgl. Steigerung der tonischen Dehnungsreflexe in den Agonisten, S. 125 f.). Sie wird deshalb auch - nicht ganz glücklich - als Muskelhypertonus bezeichnet, weil sie passiven Bewegungen einen gewissen charakteristischen, nicht federnden Widerstand entgegensetzt. Die Bezeichnung ist zwar, was den erhöhten Spannungszustand angeht, zutreffend, muß aber von dem oben beschriebenen Muskelhypertonus, der zu Kontrakturen führt, streng unterschieden werden. Der Rigor ist klinisch nicht immer leicht zu erfassen. Praktisch unterscheidet er sich von den hypertonen Spannungszuständen einzelner Muskeln oder Teilen von Muskeln dadurch, daß man ihn mechanisch-therapeutisch nicht oder fast nicht lockern kann. Von der Spastik ist er leicht zu trennen; ihm fehlt die typische elektrische Aktivität, auch zeigt er keine gesteigerten Eigen- und Fremdreflexe. Er bietet passiven Bewegungen einen gleichmäßigen Widerstand, weil Agonisten und Antagonisten gleich hyperton sind. Das nicht zwingend vorhandene „Zahnradphänomen" zeigt an, daß bei passiven Bewegungen immer wieder einschießende, flüchtige Impulse den Fluß der Bewegung ruckartig bremsen. Der Rigor ist charakteristisch für bestimmte Erkrankungen des extrapyramidalmotorischen Systems (S. 845). Er ist einer medikamentösen Behandlung (Relaxanzien) besser zugänglich als die anderen muskulären Tonusänderungen. Bewegungstherapeutische Bemühungen beeinflussen den Rigor günstig, Massagen dagegen fast gar nicht.

1.3.2 Umschriebene Spannungsveränderungen in der Körperdecke Strukturelle Änderungen in der Körperdecke, der Haut und dem Unterhautgewebe offenbaren sich als fühl- und sichtbare Quellungen oder Einziehungen; man findet sie auch als eingeschränkte oder aufgehobene Verschieblichkeit der Oberhaut gegen die Unterhaut. Derartige Befunde sind recht aufschlußreich. Die Spannungsänderungen in der Körperdecke sind fast regelmäßig auch als hyperalgetische Zonen (S.91) zu bestimmen. Oft stoßen wir in solchen Zonen in den darunter liegenden Muskeln auf verhärtete Faserbündel, die dem tastenden Finger einen deutlich erhöhten Widerstand entgegensetzen. So geartete Veränderungen in der Haut und den darunter liegenden Schichten sind wichtige Ansatzflächen für verschiedene Massagetechniken. Das Ziel der Behandlungen ist es hier, mit Hautreizgriffen, Zirkelungen, auch mit Knetungen des Gewebes, den regelrechten Turgor wiederherzustellen.

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Methoden der Physikalischen Therapie

Dies erweist sich als sinnvoll, weil solche Veränderungen nicht nur schmerzhaft sind und ohne Behandlung auch bleiben, sondern weil wir darin oft ein Abbild von Organstörungen haben, die von diesen Zonen aus einer Behandlung zugänglich sind. Diese Vorstellung stützt sich auf Erfahrungen, wonach unter der manuellen Behandlung solcher Lokalbefunde das Organleiden, z. B. ein Ulcus ventriculi, abheilen [345],

1.3.3 Durchblutung des Gewebes als Indikation für Massagebehandlungen Muskeln funktionieren nur dann gut, wenn sie optimal durchblutet sind. Schon in Ruhe erfordert die Muskeldurchblutung etwa ein Viertel der Gesamtdurchblutung des Körpers. Bei Muskelarbeit steigt der Blutbedarf, der den stark erhöhten Betriebsstoffwechsel in der Muskulatur deckt, auf ein Vielfaches der Ruhedurchblutung an. Arterielle Reaktionen auf Massagen Massagen fördern die arterielle Durchblutung. Alle Techniken haben einen stark hyperämisierenden Effekt, mit dem, z. B. nach schwerer Arbeit, in den ermüdeten Muskeln ein Sauerstoffdefizit relativ schnell behoben wird (Begründung der Sportmassagen, S. 85). Ein Muskel kann längere Zeit ohne Ermüdung nur arbeiten, wenn auf jede Kontraktion eine vollständige Entspannung folgt. Während der Kontraktion komprimiert der an Umfang zunehmende Muskel die Gefäße. Die arterielle Durchblutung stockt in dieser Phase. Erst die Entspannung des Muskels bis zum Ruhetonus (S. 82) läßt das arterielle Blut wieder ungehindert fließen, womit nur in dieser Phase genügend Sauerstoff und Nährstoffe einströmen. Ist dies, z. B. bei Ermüdung nicht ausreichend, d.h. nicht dem Bedarf entsprechend, weil die Muskeln sich nicht ganz entspannen, dann werden sie hart (Ermüdungshypertonus), und der damit einsetzende und größer werdende Drosselungseffekt auf die Blutgefäße bleibt auch in der Erschlaffung noch teilweise bestehen. Bei ermüdeten wie auch bei nicht beanspruchten Muskeln öffnen sich unter Massagen nicht durchströmte Kapillaren wieder, die Perfusion steigt damit an, und die Diffusion von Sauerstoff in das Gewebe nimmt zu. Die bessere arterielle Durchblutung unter Massagen kommt durch einen doppelten Effekt zustande: Einmal stellt die Lockerung verspannter Muskeln die Voraussetzungen für eine ungehinderte Durchblutung wieder her. Zum anderen richten die Druck- und Zugwirkungen jedes Massagegriffes in rhythmischer Folge kurzdauernde Durchblutungsdrosselungen der feinen Gefäße auf. Während der kurzen Sperre unter den „Reizgriffen" müssen hypothetisch die Endprodukte des Muskelstoffwechsels (anaerobe Metabolite) ansteigen. Dies würde dann wieder-

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um einen gefäßerweiternden Reiz darstellen. Die Sperre löst sich, im Gegensatz zu dem Ermüdungshypertonus, nach jedem Handgriff sogleich auf. Die Pause zwischen den Griffen sollte deshalb nicht zu kurz sein. In dieser Zeit strömt vermehrt arterielles Blut ein, die reaktive Hyperämie zeigt sich im Verlauf der Behandlung an einer kräftigen Rötung der massierten Hautpartien. Die förderliche Wirkung von Massagen auf die Mikrozirkulation wird verständlich, wenn man bedenkt, daß die echten Netzkapillaren keine Wandmuskulatur haben. Sie sind daher durch den rhythmisch wechselnden Gewebsdruck unter den Massagen in ihren Funktionen leicht zu beeinflussen. Hier liegt eine einleuchtende Begründung für die Forderung lockernder Massagegriffe bei hypertonen Muskeln und verspannten Haut- und Unterhautbezirken, deren Lockerung erst wieder die Voraussetzungen für eine ungestörte Durchblutung schafft. Bei organischen Gefäßerkrankungen prüft der Arzt und in seinem Auftrag auch der Masseur, ob die erstrebte Vasodilatation, erkennbar an der Hyperämie, auf mechanische Reize noch anspricht. Ist dies bei ausgeprägter Gefäßstarre oder schwer lösbarer Gefäßspastik nicht der Fall, dann sind Massagebehandlungen nicht sinnvoll, weil eine bessere Durchblutung nicht erreicht wird. Venöse Rückflußförderung durch Massagen Ebenso wichtig wie der Massageeffekt auf das arterielle System sind die Einwirkungsmöglichkeiten, die Massagen auf den venösen Rückfluß des Blutes haben. Das venöse System hat seine Besonderheiten durch die großen Blutvolumina, die in ihm Aufnahme finden (S. 874 f.). Unter pathologischen Bedingungen werden sie größer, das venöse Blut fließt ungenügend ab, erhebliche Funktionsstörungen und Beschwerden sind die Folge. Mit bestimmten Massagegriffen hilft der Masseur auf Verordnung des Arztes bei Stauungserscheinungen, das venöse Blut vorsichtig zum Herzen hin zu schieben. Bei diesen Behandlungen wird der Tatsache, daß für die Strömungsrichtungen die Schwerkraft eine Rolle spielt, durch entsprechende Lagerungen Rechnung getragen, z. B. zentripetale Streichmassagen am hochliegenden Bein (S. 95). Das funktionelle Geschehen des venösen Rückflusses wird unter anderem bestimmt durch die extravasalen Druckverhältnisse, die vom Flüssigkeitsgehalt des Gewebes und durch seinen plastisch elastischen Zustand beeinflußt werden. Insbesondere haben der variable Tonus der Muskulatur, aber auch die elastische Funktion bindegewebiger Anteile Bedeutung. Massagen bei Stauungen und Ödemen Unter pathologischen Bedingungen werden nicht selten große Venengebiete in ihrer das Blut zurückführenden Funktion dadurch behindert, daß ein erhöhter, unnachgiebiger Muskeldruck auf größeren Venen lastet und damit Teilgebiete der venösen Strombahn abdrosselt. Dies führt zu Stauungen in den distalen venösen Gefäßabschnitten:

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Methoden der Physikalischen Therapie

Beispielsweise findet man häufig bei der Variköse hypertone Verspannungen in den beiden Ansätzen des Musculus vastus medialis, die den sogenannten Adduktorenschlitz bilden, durch den die Venae femorales hindurchziehen. Die resultierende venöse Stauung unterhält sich selbst, weil sie der Verkrampfung der Extremitätenmuskeln Vorschub leistet. Lockernde Massagen sind trotz der bestehenden Variköse eine naheliegende Konsequenz, weil sie den Circulus vitiosus beseitigen, wenn die Behandlung die Muskeln wieder weich und nachgiebig macht. Dazu ist natürlich eine besondere Verordnung mit entsprechenden Anweisungen an den ausführenden Masseur erforderlich und eine ärztliche Beurteilung, ob gegebenenfalls die Ausschwemmung von Ödemen, die eine gewisse Belastung des Herzens bedeuten kann, mit dem klinischen Befund zu vereinbaren ist (S.677). Sind die Ödeme eine Folge der Variköse, dann dürfte eine vorsichtige Unterstützung ihrer Ausschwemmung vorteilhaft, sogar notwendig sein, weil solche Ödeme dem Ulcus cruris den Boden bereiten. Handelt es sich dagegen um kardiale Ödeme, dann bleibt zu bedenken, daß die Flüssigkeitsablagerung in den unteren Extremitäten vom Organismus zur Entlastung des kranken, schwachen Herzens erfolgte. Eine gewaltsame Rückführung in den Kreislauf wäre deshalb nicht unbedingt sinnvoll. Allerdings wird durch die Massagen mehr eine Verschiebung der Ödemflüssigkeit in andere Gewebsabschnitte vorgenommen, also eine großräumige Verlagerung, die eine Entlastung des primär ödematös geschwollenen Gewebes bedeutet. Eine herzbelastende, vermehrte Kreislaufarbeit, wie sie die Diuretika erzwingen, ist deshalb damit nicht unbedingt verbunden. Insoweit wird man vorsichtige Massagen in manchen Fällen einsetzen können. Triebkraft für den venösen Rückfluß ist der im Kapillargebiet herrschende Druck (vis a tergo). Auch in den Venen fließt das Blut nur von Gebieten höheren Druckes zu solchen mit niedrigerem Druck (S. 875). Abgesehen von dem leichten Unterdruck im Thorax bzw. im rechten Herzen (vis a fronte), der einen abfallenden Druckgradienten von der Peripherie zum rechten Vorhof unterhält und der unter bestimmten Bedingungen steiler werden kann, ist für den Rückstrom der Außendruck ein unentbehrlicher Bestandteil für einen funktionierenden Kreislauf. Der den Rückfluß fördernde Außendruck wird in den unteren Extremitäten, in denen der Venendruck im Stehen am höchsten ist, unter anderem durch die sogenannte Muskelpumpe (S. 876) aufgebracht, die bei Bettruhe völlig fehlt. Rhythmische Massagen der großen Muskeln mit verschiedenen Techniken führen ebenso wie Bewegungsanforderungen mit Verkürzung und Verdickung der Muskeln zu einem kräftigen Druck auf die venösen, leicht komprimierbaren Gefäße; das Blut weicht so in der durch die Venenklappen vorgegebenen Richtung aus. Derartige Massagen ersetzen ein wenig den Mechanismus der Muskelpumpe. Sie leisten einen wesentlichen Beitrag zur Aufrechterhaltung des Kreislaufes bei Bettlägrigen; sie haben überwiegend präventive Ziele. Besonderes Interesse verdient eine Beobachtung, nach der Streichmassagen in einer dem Venenstrom entgegengesetzten, also zentrifugalen Richtung den Rückfluß des Blutes nicht nennenswert stören. So wurde, was zunächst überrascht, be-

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richtet [345], daß bei starken Ödemen, unter leichten zentrifugalen Streichungen des ganzen Beines vom Oberschenkel bis zum Fuß, die Ödeme nicht nur zurückgingen, sondern dies wirkte sogar nachhaltiger als zentripetale Streichungen. Zur Erklärung wird angenommen, daß durch die mechanische Streichung der Venen entgegengesetzt zur Blutströmung vor jeder Venenklappe die Venenwand gedehnt wird. Dies stellt einen reaktiven Kontraktionsreiz für die Muskeln der Venenwand an dieser Stelle dar, entsprechend der Wirkung, die auch die arterielle Pulswelle, die gleichfalls in dieser Richtung läuft, auf ihre Begleitvenen ausübt (S. 877). Intakte Venenklappen wären damit eine Voraussetzung für ein derartiges Vorgehen. Diese allerdings nicht übliche, weil nicht ganz risikolose Methode sollte nur von einem entsprechend erfahrenen Arzt ausgeübt werden.

1.3.4 Reflektorische Fernwirkungen der Massagen Die beschriebenen objektiven Tastbefunde (S. 86) und die subjektiven Hyperästhesien, die der palpierende Arzt in der Körperdecke und in den Muskeln bei Kranken mit Beschwerden verschiedener Genese häufig findet, haben interessante Wechselbeziehungen aufgezeigt zwischen der Körperoberfläche und inneren Organen. Diese sind für die Theorie der Medizin wie auch zur Deutung von Massagewirkungen auf fern vom Behandlungsort gelegene Organe wichtig. Segmentale Zusammenhänge Schon um die Jahrhundertwende fiel verschiedenen Beobachtern auf, daß Tastbefunde der beschriebenen Art nicht allein örtliche Bedeutung haben. Die Lehren von Head [218] und Mackenzie [416] interpretieren den diagnostischen Wert solcher Befunde. Zum Verständnis muß man sich daran erinnern, daß die nervöse Versorgung des Körpers mit spinalen Nerven in Segmente unterteilt ist. Unter Segmenten des Körpers versteht man bestimmte Bereiche der Haut bzw. der Körperdecke, wie auch der Muskeln und inneren Organe, die jeweils gemeinsam von je einem der segmentalen Paare der 8 Zervikal-, 12Thorakal-, 5 Lumbal- und 5 Sakralnerven ( C l - 8 , T h l - 1 2 , L l - 5 und S1-5) versorgt werden. Jedes Segment erhält zerebrospinale und vegetative Fasern. Die aus einer Rückenmarkswurzel versorgten Gebiete der Haut heißen Dermatome, die der Muskulatur Myotome. Darüber hinaus gibt es für die weiteren Gewebsdifferenzierungen Sklero-, Angio-, Viszero- und Neurotome. Sie stehen alle miteinander in nervöser Verbindung. Obwohl jeweils ein Spinalnerv mit seinen Verzweigungen ein Segment versorgt, decken sich die Dermatome und Myotome oder Viszerotome topographisch nicht. Im Verlauf der ontogenetischen Entwicklung verschieben sich die Gewebe gegeneinander, die ursprüngliche topographische Übereinstimmung geht damit verloren. So kommt es, daß die zueinander gehörenden Viszerotome und Dermatome zum Teil voneinander entfernt sind.

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Methoden der Physikalischen Therapie

Seit den Forschungen von Head weiß man, daß die tastbaren, umschriebenen Bezirke erhöhter Schmerzempfindung (hyperalgetische Zonen in der Haut), in denen es Punkte verstärkter Empfindlichkeit, die sogenannten Maximalpunkte, gibt, von Störungen an den entsprechenden inneren Organen ausgehen und unterhalten werden. Diese hyperalgetischen Hautbezirke werden „Headsche Zonen" genannt. Sie stimmen im wesentlichen mit den segmentalen Dermatomen überein. Die erhöhte Empfingung auf der Haut entsteht dadurch, daß ein Teil der Afferenzen, die aus den Organen aufsteigend den gereizten Schmerzrezeptoren der Hinterwurzel zustreben, über die Rami communicantes oder auch im Mark (S. 47) auf die Vorderwurzel umgeschaltet wird. Irritationen an einem inneren Organ machen sich so über periphere Fasern auf der Haut bemerkbar (vgl. sensibler viszero-kutaner Reflex, S.47). Folgende topographische Zuordnungen (gekürzt nach [156]) sind für die Massagebehandlungen wichtig (Tab. 7).

Tabelle 7 Headsche Zonen innerer Organe Organ

Hautsegment

Herz Lunge Magen Darm Leber Niere Blase

Thl-5 C3-4, Th3-9 Th5-9 ThlO, LI Th8-10 ThlO, LI T h l l , L3, S2-5

Werden bei Prozessen an inneren Organen Schmerzen in die Haut oder in Muskelzonen projeziert, dann spricht man auch von „übertragenen" Schmerzen. Bei unpaaren Organen, z. B. Leber, Milz, Pankreas, liegen die Dermatome und damit gegebenenfalls auch die Headschen Zonen auf der gleichen Seite, bei paarigen Organen, z. B. Lunge, Nieren, sind sie auf beiden Seiten des Körpers zu finden. Erkrankt nur eines der paarigen Organe, dann findet man die hyperalgetische Zone auf der erkrankten Seite. Mittelständige Organe, z. B. Herz oder Magen, können auf beiden Seiten hyperalgetische bzw. Tastzonen haben. Die Abbildung 10 zeigt die Maximalpunkte der Oberflächenhyperalgesie innerhalb der Dermatome (nach [218]). D entspricht hier Th. Es gibt auch Muskelreflexzonen (S.48) mit erhöhtem Tonus; Druck auf diese Zonen löst in den zugehörigen inneren Organen Schmerzen oder andere Sensationen aus und belegt so den segmentalen Zusammenhang. Gelingt es, die reflektorisch-hypertonen Muskelzonen durch Vibrationsmassage zu beseitigen, schwinden oft auch die funktionellen Organbeschwerden [340],

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-D.4 —D.6

-D.8 -D.10

D.5D.7-

D.9

D.llL.1SAC.4 SAC.2 SAC.l

-L.5

Abb. 10 Maximalpunkte der Oberflächenhyperalgesie (nach [218]).

Die empirisch gewonnene Erkenntnis, daß die tastbaren Haut- und Muskelbefunde Ansatzpunkte für die Therapie sein können, findet in den anatomischen und neurophysiologischen Beziehungen ihre Erklärung. Durch Massagebehandlungen der druckempfindlichen Gewebsveränderungen und mit der Wiederherstellung eines regelrechten Gewebstonus werden funktionelle und schmerzhafte Organstörungen gelindert, oft verschwinden sie erst mit der Behebung der Tastbefunde (S. 86).

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Methoden der Physikalischen Therapie

Analog zu den Erkenntnissen über die reflektorischen Beziehungen zwischen Körperoberfläche und inneren Organen versuchen auch die Vertreter der auf den Lehren von Riecker [522], Speransky [609] und anderen basierenden „Neuraitherapie" durch Infiltrationsanästhesie sogenannter „Störfelder" in der Körperdecke therapeutische Fernwirkungen zu erreichen. Ob auch die Wirkung der Akupunktur durch Zusammenhänge zwischen Körperoberfläche und inneren Organen und über eine Einflußnahme auf reflektorische Funktionsabläufe erklärt werden kann, oder ob sie überwiegend, wenn nicht ausschließlich, durch psychologische Deutungen verständlich wird, bedarf noch weiterer Klärung. Wahrscheinlich kommen ihre analgetischen Effekte durch Produktion körpereigener Endorphine zustande, was auch bei den Reflexzonenmassagen mitwirken kann. Für die Massagebehandlungen der genannten Gewebsveränderungen wurden verschiedene spezielle Massagetechniken empirisch entwickelt, die unter dem Begriff „Reflexzonenmassage" beschrieben werden (vgl. Abschnitt 1.5.1).

1.4 Technik der Massagen 1.4.1 Allgemeine Erläuterungen Die Technik der Massagen erlernt niemand aus ihrer Beschreibung. Die zahlreichen Griffe beherrscht der Masseur erst nach längerer Übung. Arzt und Masseur brauchen Erfahrung, um tastend die Befunde zu bewerten. Die palpierende Hand fühlt den Turgor (S.82) des Gewebes, seine Elastizität und den Widerstand der Haut. Sie beurteilt Form und Tonus der Muskeln sowie die Übergänge zwischen Muskeln, Faszien und Sehnen. Auch das Periost und seine Unebenheiten bedürfen gegebenenfalls einer Prüfung auf Druckempfindlichkeit. Die einzelnen Techniken bringen unterschiedliche Ergebnisse. In den zahlreichen Lehrbüchern wird die Technik und die Deutung ihrer Wirkungen nicht ganz einheitlich dargestellt. Der Arzt, der nicht selbst massiert, muß die Indikationen und die Wirkungen der verschiedenen Techniken wenigstens so weit kennen, daß er angemessene Verordnungen geben kann. Ein orientierender Überblick über die klassischen Massagegriffe, die mancherorts heute noch mit französischen Bezeichnungen angegeben werden, und über die Sonderformen der Massagen soll die notwendigen Kenntnisse in groben Zügen vermitteln. In manchen Lehrbüchern wird zwischen Reizgriffen und beruhigenden Griffen bzw. Griffgruppen unterschieden. Man liest auch den Ausdruck „nicht reizende" Griffe, eine Bezeichnung, die insofern der Logik entbehrt, als nach gegebener De-

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finition (S.18) eine Maßnahme, die keinen Reizcharakter mehr hat, wirkungslos ist. Die Gegenüberstellung von „reizenden" und „beruhigenden" Griffen ist ebenfalls nicht sinnvoll. Sie induziert die Vorstellung, eine Allgemeinwirkung entweder „reizender" oder „beruhigender" Art mache das Wesen der Massagebehandlungen aus und bedeute für den Arzt die Notwendigkeit, mit seiner Verordnung zwischen zwei Alternativen ganz unspezifischer Art zu wählen. Gemeint ist vielmehr, daß „Reizgriffe" (Reibungen, stärkere Knetungen, Walkungen und Klopfungen) geeignet sind, ganz spezifisch den Tonus der Muskulatur zu erhöhen, während die lockernden Techniken (Streichungen, Schüttelungen, Vibrationen, einfühlsames, vorsichtiges Zirkeln) einen erhöhten Muskeltonus herabsetzen. Ob Massagegriffe mehr tonuserhöhend oder -vermindernd wirken, ist nicht allein von der Auswahl einer bestimmten Technik abhängig; mitentscheidend ist die dosierende Ausübung, die Kombination und Aufeinanderfolge der einzelnen Griffe und die Dauer der Gesamtbehandlung. Faktoren, die natürlich auf den Zustand des Kranken abgestimmt werden müssen. Die althergebrachten klassischen Massagegriffe bestehen in Streichen, Kneten, Reiben, Klopfen und Erschüttern des Gewebes. Ihre Technik kann nur mit wenigen Andeutungen umrissen werden.

1.4.2 Klassische Massagen Streichungen (Effleurage) Streichungen führt der Masseur mit der ganzen Hand aus, die dem zu massierenden Gewebe eng anliegt. Mit geschlossenen Fingern und fließendem Griff streicht er über größere Flächen. Mit nur leichtem, gleichmäßigem Druck massiert er in Richtung zum Herzen. So fördert er den Strömungsverlauf des Blutes in den Venen und der Lymphe in den Lymphbahnen. Streichmassagen der Extremitäten beginnt man am Fuß oder an der Hand. In einhändiger, zweihändiger oder „Hand-über-Hand"-Technik wird der intermittierend und rhythmisch streichende Druck bis zum Rumpfansatz geführt. Sind Ödeme vorhanden, deren Ausschwemmung eine vorsichtige Massage durchaus fördern kann (S. 89), dann werden die Streichungen grundsätzlich etwa in der Mitte des Oberschenkels beginnend zum Gesäß bzw. zur Leistenbeuge hin geführt und fortlaufend immer weiter distal angesetzt. Eine sichtbare Hautreaktion soll hier nicht eintreten. Am Rücken massiert der Masseur mit Streichungen im Verlauf der Muskeln, oder er schiebt seine Hände quer über den Rücken hin und her. Auch andere große Flächen, z.B. die Oberschenkel, behandelt er mit dieser etwas kräftigeren Streichtechnik. Darüber hinaus führt er Streichungen auch kreisförmig, halbkreisförmig oder in ständigem Wechsel der Hände parallel gegeneinander aus.

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Methoden der Physikalischen Therapie

Zu den Streichungen werden eine Anzahl von „Hautreizgriffen" hinzugerechnet. Im einzelnen gehören dazu der Harken- oder Kammgriff, ein Hobelgriff, der durch einen sogenannten Plättgriff ergänzt wird und dergleichen mehr. Sie unterscheiden sich von den flächigen Streichungen dadurch, daß sie viel stärker mechanisch reizen und besonders die arterielle Hautdurchblutung fördern. Sie können auch tiefergreifende, dehnende Ziele verfolgen und das Unterhautgewebe, Muskelränder oder Sehnen aus Verklebungen lösen. Diese Art der Streichung ist mit der Technik der Bindegewebsmassage (S.100) verwandt. Eine milde Form der Streichmassagen, bei denen der Patient selbst praktisch kaum einen Druck ausübt, sind die Bürstenmassagen und das Frottieren, die eher Reibungen sind und ausschließlich Reize für die Hautgefäße der Oberfläche vermitteln.

Reibungen (Friktion) Mit den Hautreizgriffen geht die Streichtechnik schon in die der Reibungen über. Sie ähneln den Streichungen. Das Gewebe wird oberflächlich oder tiefer wirkend gerieben. Der dabei ausgeübte Druck ist stärker als bei den Streichungen. Die Strichführung ist ähnlich, das Tempo aber schneller, die behandelte Fläche meist kleiner. Die Reibungen wirken überwiegend hyperämisierend, auch entsteht Reibungswärme, mit der gegebenenfalls kühlere Muskeln für andere Massagetechniken oder für Aktivitäten vorbereitet werden. Eine Sonderform der Reibungen sind die Zirkelungen, die manche Fachleute auch den Knetungen zuordnen. Zirkelungen führt der Masseur meist unter kräftigem Druck mit den Kuppen des 3. oder 4. Fingers aus lockerem Handgelenk aus. Die Finger tasten sich zu den zu behandelnden Gewebsveränderungen (Myogelosen, umschriebene Spannungserhöhungen) mit kreisförmigen Bewegungen vor. Dabei gleiten sie nicht über die Haut, sie üben vielmehr mit den kreisenden Bewegungen einen Druck auf alle Schichten des Gewebes, gegebenenfalls bis zum Periost, aus. Mit der Technik der Zirkelung gewinnt man auch einen Eindruck vom Zustand des Gewebes. Die beschriebenen Gewebsbefunde (S. 85) werden unter anderem mit einer solchen Fingertechnik erfaßt.

Knetungen oder Walkungen (Petrissage) Die Knetungen haben eine gewisse Verwandtschaft zu den Reibungen, die gegenüber den Streichungen schon mit erhöhtem Druck ausgeführt werden. Sie sind Palpation und Massage zugleich. Ihre Technik setzt an tieferem, abhebbarem Gewebe der Körperdecke an, besonders aber an den Muskeln. Ziel der Knetungen ist ein kräftiges Ausdrücken der greifbaren Anteile. Der ganze Muskel wird mit großflächigen, rhythmischen Griffen durchgearbeitet; mit gezielteren Knetgriffen löst man umschriebene Verspannungen oder „Verklebungen". Die Knetungen macht

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der Masseur mit der ganzen Hand, dem Handballen oder bei kleineren Objekten mit Fingern und Daumen. Die Knetungen stellen die wichtigste, vielseitigste Form der klassischen Massagegriffe dar. Ihre Beherrschung ist ein Prüfstein für die Erfahrung des Masseurs. Knetungen oder Walkungen (lockeres, passives Hin- und Herschwingen ganzer entspannter Muskeln) vermindern den Tonus verspannter Muskeln, der zu schlaffe Muskel spannt sich. Mit den Knetungen erfährt der Muskel Druck-, Zug- und Dehnungsreize. Eine „normale" Tonisierung, Lockerung und Hyperämisierung schafft die Grundlagen für einen guten Funktionszustand. Damit sind derartige Behandlungen gegebenenfalls auch als Vorbehandlung bei der Bewegungstherapie indiziert oder als Nachbehandlung nach stärkerer Muskelanstrengung.

Klopfungen (Tapotement oder Perkussion) Die Klopfungen sind „Reizgriffe". Die Haut zeigt bald eine deutliche Hyperämie; in gleicher Weise findet man eine Tiefenwirkung auf die Muskeln. Sie werden bei lockerem Handgelenk mit den Fingern bzw. den Handkanten vorgenommen. Als eine schnell aufeinanderfolgende, kurze Druckstöße ausübende Massage lösen sie neben der besseren Durchblutung gelegentlich auch Muskelzuckungen aus. Zu der passiven Einwirkung kommt eine gewisse Aktivität des Muskels hinzu, zumindest wird sie angeregt oder erleichtert.

Erschütterungen, Vibrationen Erschütterungen teilen dem Muskel tiefe, durch mehrere Muskelschichten gehende Schwingungen mit. Erschütterungen, die, richten sie sich auf große Muskelgruppen, den Schüttelungen vergleichbar sind, haben ebenso wie die Vibration, die feinere Schwingungen hervorbringt, eine besondere muskelentspannende Wirkung. Die Technik der Vibrationen ist nicht leicht zu erlernen, ihre Ausführung unter gleichbleibender Frequenz der Vibrationsschwingung ist für die Hand des Masseurs sehr ermüdend. Deshalb nimmt man gerne für die Vibrationsmassagen elektrische Geräte, deren Vorteil in der stets gleichbleibenden Frequenz der Vibration (von ca. 50 Hz) liegt. Dosierungsänderungen können durch Einstellen einer anderen Frequenz vorgenommen werden. Die Schwingungsamplituden lassen sich ändern, indem der Masseur mit kräftigerem oder geringerem Druck die vibrierende Platte auf den zu massierenden Muskel aufsetzt. Die tabellarische Übersicht (Tab. 8) gibt sehr vereinfacht einen groben Einblick nur in die speziellen Wirkungen der verschiedenen Massagetechniken, ohne die unspezifischen Allgemeinwirkungen zu nennen. Am besten kombiniert der Masseur verschiedene Techniken. So beginnt er z. B. die Behandlung mit leichten Streichungen, geht zu kräftigeren Griffen über und beendet wieder mit großflächiger Streichung.

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Methoden der Physikalischen Therapie

Tabelle 8 Übersicht über die verschiedenen Massagetechniken Massagetechnik

Wirkungen

Indikationen

Streichungen

Hilfen für den venösen Rückstrom Förderung der arteriellen Hautdurchblutung

Venöse Stauung, ggf. Ödeme

Reibung (großflächig), Zirkelung

Hyperämie der Muskeln Lösung von Myogelosen und Hartspann

Vorbereitung auf Muskelleistung Gelosen in Muskeln

Knetung Walkung

Lockerung des erhöhten Muskeltonus, Tonisierung zu schlaffer Muskeln, Anregung des Muskelstoffwechsels, Beseitigung von Gelosen

gestörter Tonus funktionsfähiger Muskeln

Klopfungen

Hyperämie von Haut und Muskeln

Anregung guter Muskelfunktion

Erschütterungen Vibrationen

Relaxation der Muskeln

Muskelhypertonus, evtl. Spastik

1.5 Spezielle Massagetechniken 1.5.1 Reflexzonenmassagen Alle Massagearten, deren Wirkung ihre Erklärung in den beschriebenen kuti-viszeralen Beziehungen finden (S.46), lassen sich mit dem Begriff „Reflexzonenmassage" zusammenfassen. Manuelle Behandlungen mit dem Ziel, durch Reizgriffe über reflektorisch-zonale Zustandsänderungen in Haut und Muskulatur eine Normalisierung des Gewebstonus am Ort der Massage und damit als Fernwirkung funktioneller Beschwerden an segmental zugehörigen inneren Organen zu erreichen, wurden als spezielle Techniken zur „Nervenpunktmassage", „Periostmassage" und zur „Bindegewebsmassage" ausgebaut. Alle sind in ihren reflektorischen Femwirkungen symptomatisch wirksame Behandlungen, für deren lindernde Entlastung es nicht entscheidend ist, daß die Entstehungsursachen der Tastbefunde von verschiedenen Organen ausgehen. 1.5.1.1 Nervenpunktmassagen Die sogenannte Nervenpunktmassage geht auf Cornelius [97] zurück, der, nachdem zuvor Head die hyperalgetischen Zonen beschrieben hatte, als erster im Gewebe der Körperdecke, im Bereich der Headschen Zonen, Elastizitäts- und Tur-

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gorveränderungen palpieren konnte, die auf Druck schmerzten. Er nannte diese Stellen „Nervenpunkte". Solche Nervenpunkte haben natürlich nichts mit den bekannten Nervenaustrittspunkten zu tun, jenen umschriebenen Bezirken, in denen periphere Nerven durch einen knöchernen Kanal, durch ein Foramen, an die Oberfläche treten. Solche Nervenaustrittspunkte können durch hohe Schmerzempfindlichkeit unter dem Druck des palpierenden Fingers lediglich diagnostisches Interesse beanspruchen. Cornelius beobachtete schon, daß die von ihm aufgefundenen Gewebsveränderungen unter punktuellen Massagen wieder verschwinden. Gleichzeitig fand er heraus, daß damit als Fernwirkungen unter anderem Schmerzlinderungen und Besserung von asthmatischer Atemnot erreicht werden konnte. Heute kann kein Zweifel mehr daran bestehen, daß es sich bei diesen Vorgängen um ein Phänomen handelt, das aufgrund der reflektorischen Beziehungen zwischen Körperoberfläche und inneren Organen zu erklären ist (S. 47). Die Technik der Nervenpunktmassage besteht im wesentlichen in Druckreizen, die mit zwei oder drei Fingern, etwa nach Art der Zirkelungen, ausgeübt werden. 1.5.1.2 Periostmassagen Die Periostmassage ist eine Art punktförmig ausgeführte Zirkelknetung. Mit den Knöcheln der Zeige- oder Mittelfinger oder mit den Kuppen der Mittelfinger oder Daumen führt der Masseur „kleine, druckgeladene Drehungen auf dem Periost" aus [657]. Dabei muß er die über den Knochen liegenden Muskeln beiseite schieben, ohne sie selbst zu irritieren. Die Art des Schmerzes, die jeder Periostmassage eigentümlich ist, soll auch subjektiv deutlich machen, ob am Periost und nicht am darüberliegenden Gewebe gearbeitet wird. Die Wirkung beruht darauf, daß auch am Periost, entsprechend den hyperalgetischen Zonen der Körperoberfläche, im Bereich des Segmentes maximal empfindliche Druckpunkte gefunden werden, von denen aus die beschriebenen reflektorischen Wirkungen an entsprechenden inneren Organen zustande kommen. Die schmerzhaften Griffe sollen, wie die Nervenpunktmassagen und die Behandlung muskulärer Maximalpunkte, die sich - vergleichbar mit den Maximalpunkten in Dermatomen (S. 92) - auch in Myotomen finden [345], an inneren Organen schmerzstillende Folgen zeitigen. Beim Magen- oder Duodenalulkus findet man die Maximalpunkte entsprechend den Headschen Zonen im Periost der unteren Rippenbögen. Bei Angina-pectoris-Schmerzen werden Ansätze für die Periosttechnik an den gelenkigen Verbindungen zwischen Sternum und Rippen oder an seitlichen Rippenpartien angegeben, bei Gallenblasenkoliken ebenfalls am Rippenbogen. Bei Schmerzzuständen kontraktiler innerer Organe soll eine systematische Periostbehandlung auch eine prophylaktische Wirkung haben, indem sie sonst häufig auftretenden Koliken der Gallenblase, der Nieren oder Ulkusschmerzen vorbeugt. Eine Erfahrung, die auch für andere Reflexzonenmassagen zutrifft.

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Entsprechend der theoretischen Erklärung der kuti-viszeralen Beziehungen (S. 46) werden den Periostbehandlungen analog den Massagen bei Verspannungszuständen in der Körperdecke und der Muskulatur sowohl eine Verbesserung des trophischen Zustandes, z. B. beim Sudeck-Syndrom, als auch resorptive Anstöße zugesprochen. Am behandelten Knochen selbst, wie auch an den segmental zugeordneten inneren Organen soll ein nutritiver Reiz Gestalt annehmen; auch die für Massagen charakteristischen Allgemeinwirkungen (S. 81) treten unter den Techniken am Periost in Erscheinung. Wie weit bei dem ganzen Geschehen auch Phänomene der Schmerzüberdekkung, das ist die Löschung eines Primärschmerzes durch einen willkürlich ausgelösten Zweitschmerz, hier Periostschmerz, im Spiel sind oder auch suggestiven Wirkungen ein größerer Anteil zugesprochen werden muß, ist noch nicht eindeutig geklärt und bleibt weiteren Forschungen und Beobachtungen überlassen. 1.5.1.3 Bindegewebsmassagen Eine Sonderform der Reflexzonenmassage ist die sogenannte „Bindegewebsmassage". Dieses Wort hat sich eingebürgert, obwohl „Massage reflektorischer Zonen im Bindegewebe" das Verfahren treffender bezeichnet. Noch genauer wäre „Massage reflektorischer Zonen in der Körperdecke". Die Kurzbezeichnung „Bindegewebsmassage" ist aber nicht mehr zu verdrängen und soll hier auch beibehalten werden. Bei Erkrankungen innerer Organe tastet man in den segmental entsprechenden Dermatomen im Unterhautbindegewebe Veränderungen, die dem palpierend „streichenden" Finger eine erhöhte, gelegentlich auch herabgesetzte Resistenz bieten; auch leichte Anschwellungen oder Eindellungen werden dabei sieht- und tastbar. Diese „Bindegewebszonen" unterscheiden sich von den vorstehend genannten Reflexzonen insofern, als die tastbaren Veränderungen nicht nur in einem oder einigen kleinen Bereichen des Dermatoms zu finden sind, sondern seine ganze Fläche einnehmen und sogar in benachbarte Segmente übergreifen. Diese Unterscheidung konnte allerdings bisher durch neuro-anatomische Befunde noch nicht belegt werden. Die Abbildung 11 zeigt einige Maximalpunkte in den Muskeln (S. 101), einige Bindegewebszonen und die klassische Strichführung der Bindegewebsmassagen. Für die Bindegewebsmassage wurde eine eigene Technik entwickelt [631]. Mit den Kuppen der Mittelfinger und der vierten Finger oder auch mit dem Daumen in tangential zur Körperoberfläche und parallel zu den Segmentgrenzen geführten, nicht in die Tiefe dringenden, die Haut und das Unterhautgewebe vor sich herschiebenden „Strichen" wird ein Zugreiz auf das Gewebe ausgeübt. Die starke lokale Reizwirkung unter den Bindegewebsstrichen zeigt sich in einem intensiven Dermographismus, teils mit Quaddelbildung. Sogenannte „anhakende" Striche empfindet der Patient als stechend-schmerzhaft. Obwohl die Bindegewebsmassage nach ihrer theoretischen Begründung eine Segmenttherapie ist,

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Herz Magen Darm

Kopfzonen Venenzone Arteriell Beinzonen

Abb. 11 Maximalpunkte an Muskeln (a); Bindegewebszonen in der Haut (b); klassische Strichführung der Bindegewebsmassage (c).

deren Wirkung über kuto-viszerale Reflexe zustande kommt [105], hat sich aus der Praxis heraus ein besonderer Behandlungsaufbau entwickelt, der über die Bindegewebszonen hinaus größere Flächen des Körpers in die Behandlung einbezieht und mehrere oder alle Segmente am Rücken nacheinander erfaßt. In der Regel beginnt der Behandler mit einem sogenannten Grundaufbau auch „kleiner Aufbau" genannt - über dem Kreuzbein, und mit weiteren Strichfolgen bezieht er dann den ganzen Rücken, die Schultern und Achseln, den Nacken und Hals („großer Aufbau") mit ein. Im wesentlichen ist die Bindegewebsmassage eine Behandlung am Rumpf, bevorzugt am Rücken, aber auch die Flanken und die ventrale Seite des Brustkorbes, die Vorderflächen des Schultergürtels, der Leib, die Extremitäten und der Kopf lassen zusätzliche Strichführungen mit Bindegewebstechniken zu. Damit kommen auch örtliche, also nicht reflektorische Fernwirkungen zustande. Massagen des subkutanen Bindegewebes wirken wie andere Reflexzonenmassagen und auch klassische Massagen vielfältig. Auch die Bindegewebsmassagen lockern mit ihren dehnenden Strichtechniken lokale Verspannungen, Verklebungen und narbige Verhärtungen, etwa in der Haut, bzw. der Unterhaut, auf. Eine be-

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sonders intensive lokale Hyperämie folgt ihr auf dem Fuße, entsprechende Rückwirkungen auf größere und entferntere Kreislaufgebiete sind so verständlich. Dies bestätigt die Beobachtung, daß die Hauttemperatur über dem Fußrücken nach Bindegewebsmassagen im Lumbaibereich deutlich ansteigen kann [193] (S.871). Ebenso wichtige Behandlungsziele sind die reflektorischen Reaktionen an entfernt gelegenen inneren Organen. Die Indikationsliste ist damit noch wesentlich umfangreicher als die der Periostmassagen. Sie umfaßt die verschiedensten Krankheitssymptome aus dem Gebiet der Inneren Medizin, wie z. B. Erkrankungen des Herzens, der Atmungsorgane, des Magen-Darm-Kanals, der Stoffwechselorgane und der peripheren Durchblutung. Weiterhin finden sich Ansatzpunkte bei chirurgisch-orthopädischen Erkrankungen, mit lokaler Wirkung an schrumpfenden Hautnarben, Kapseln, Fasern und Sehnen, als auch mit Fernwirkungen auf die Trophik des Knochens beim reflex-dystrophischen Sudeck-Syndrom oder der Osteoporose. Bei Erkrankungen des Nervensystems, die mit Lähmungen oder Schmerzen einhergehen, bei Funktionsstörungen und schmerzhaften Sensationen im Gebiet der Gynäkologie finden sich weitere Möglichkeiten für die Bindegewebstechnik. Eine so weite Indikationsliste erweckt leicht eine skeptische Zurückhaltung. Der Arzt, der mit dieser noch etwas hintergründigen Methode Erfahrungen gesammelt hat, weiß sie aber richtig einzusetzen. Treten bei der Bindegewebsmassage am Behandlungsort dumpfe Schmerzen auf, die sich von dem zur Methode gehörenden „schneidenden" Gefühl unterscheiden, empfindet der Kranke gar Schmerzen oder ein Druckgefühl in der Brust, die an eine Angina pectoris denken lassen, bzw. klagt er im Verlauf der Behandlung über andere organbezogene Mißempfindungen oder über ein allgemeines Unwohlsein, dann sollte dies Anlaß geben, die Behandlung zu beenden.

1.5.2 Unterwasserdruckstrahlmassagen Eine besondere Art der Massagen, die man den apparativen Techniken zuordnen kann, ist die Unterwasserdruckstrahlmassage. Sie wird häufig vereinfachend, aber mißverständlich, Unterwassermassage genannt. Es wird aber hier nicht mit der Hand, sondern mit einem auf den Körper gerichteten, mit hohem Druck ausströmenden Wasserstrahl unter Wasser, d. h. im Vollbad, massiert. Der Sinn dieser Technik liegt darin, gleichzeitig verschiedene Wirkungsfaktoren zur Geltung zu bringen. Neben dem Druck des massierenden Strahles ist der Auftrieb ein ergiebiger Faktor. Er wirkt der Schwere des im Wasser liegenden Körpers entgegen (S. 267), so daß die Muskeln praktisch keine Haltearbeit mehr zu leisten brauchen. Damit entspannt sich reflektorisch fast die ganze Muskulatur (vgl. Ruhetonus, S. 84), und gute Voraussetzungen für eine tiefgreifende Massage sind so gegeben.

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Als weiteres wirksames Element kommt die gleichmäßige Erwärmung des Körpers im Bad hinzu, die ebenfalls zur Detonisierung der Muskeln beiträgt. Den Massagen mit einem Wasserstrahl ist mehr eine Druckwirkung, weniger eine Zugwirkung eigen. Lediglich hinter der tiefen Eindellung, mit der ähnlich wie bei der Bindegewebsmassage die Haut und das darunter liegende Gewebe von dem Strahl „geschoben" werden, tritt eine gewisse Zugwirkung ein. Der Druck des Wasserstrahles ist regulierbar zwischen 0,5 und 5 atü (ca. 50-500 kPa) und mehr. Die Druckangabe gilt für den Druck in der Leitung. Am Patienten ist der Druck, mit dem der Wasserstrahl auftrifft, wesentlich niedriger. Durch Einstellung des Pumpenaggregates, das im Umlaufverfahren das Wasser aus der Wanne ansaugt und mit dem eingestellten Druck in den Massageschlauch preßt, hat man die Wahl zwischen milder bis sehr kräftiger Druckwirkung. Im Gegensatz zur manuellen Massage geht auch bei bewegter Strahlführung kaum Energie durch Reibung verloren. Die am Schlauchende befindlichen Düsen sind auswechselbar. Neben der Druckregulierung am Aggregat erlauben verschiedene Querschnitte der Düsenöffnungen weitere Dosierungsänderungen. Kleine Düsenöffnungen haben eine größere Tiefenwirkung, während größere Öffnungen dem Wasserstrahl eine breitere Flächenwirkung geben. Durch Zusatz von Luft zu dem Wasserstrahl kann die Druckwirkung noch weiter abgemildert werden. Die Dosierung ist überdies noch variierbar mit der Richtung, die der Masseur dem Wasserstrahl gibt. Mit dem mehr oder weniger steilen Einfallswinkel des Strahles auf die Körperoberfläche und mit dem Abstand der Düsenöffnung stuft er die Wirkung ab. Die mit dem Strahl in Richtung des venösen Blutstromes, des Muskelverlaufes oder aber in kreisenden Bewegungen geführten und in rhythmischer Aufeinanderfolge sich wiederholenden Druckkräfte haben auf große Muskeln und Muskelgruppen, z. B. die Musculi glutaei, die Oberschenkelmuskeln oder die der manuellen Massage schwer zugänglichen langen Rückenmuskeln eine tiefgreifende Wirkung. Sie bleibt, da sie von der manuellen Kondition des Masseurs unabhängig ist, sehr gleichmäßig, sofern die technischen Bedingungen beibehalten werden. Das gegebene Gleichmaß, mit dem hier massiert wird, die individuelle Dosierbarkeit, indem Druck, Düsengröße, Abstand der Düsenöffnung und des Einfallswinkels des Wasserstrahls als exakt definierbare Größe wählbar sind, sowie die reflektorische Lockerung der Muskeln im warmen Wasser sind die besonderen Vorteile dieser Massagetechnik. Bänder, Sehnen und Gewebsanteile um prominente Gelenke wie Knie, Knöchel und dergleichen, werden besser erfaßt als mit der manuellen Massage. Nachteile sind darin zu sehen, daß der Behandler nicht mit seiner fühlenden Hand erfaßt, wo die Gewebsveränderungen liegen und welche Muskeln besonderen Anlaß zur Massage geben, er darüber hinaus auch nicht fühlt, ob er unter der Behandlung die Reizstärke besser abmildert oder vergrößert. Wann immer tastbare Veränderungen in der Muskulatur zu erwarten sind, wäre

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zu empfehlen, dem Masseur zunächst einige kurze orientierende Handgriffe zu gestatten, die ihm die Tastbefunde in die Hand geben, nach denen er Wasserdruck, Düsengröße, Abstand und Schwerpunkte der Behandlung befundgerecht auswählt. Mancherorts wird dem Druckstrahl noch ein weiterer, ein thermischer Wirkungsfaktor zugegeben, indem der Wasserstrahl heißes Wasser bis zu 60 °C abgibt. Verbrennungen kommen damit nicht vor, da der Körper gleichbleibend im warmen Wasser liegt. Dies setzt allerdings eine Temperiereinrichtung in der Wanne voraus, die durch ständigen Zulauf von kaltem Wasser die Temperatur des Badewassers konstant auf einer eingestellten Temperatur von etwa 37° -38 °C hält. Ob ein heißer Strahl auf eine zu behandelnde Oberfläche bessere Heileffekte ergibt, ist allerdings noch ungewiß. Die starken Druckwirkungen, die mit dem massierenden Wasserstrahl erreicht werden, verlangen bei jeder Behandlung besondere Vorsicht. Bestimmte hochempfindliche Körperanteile, die Mammae oder die äußeren Genitalbereiche, dürfen nicht von dem Druckstrahl erfaßt werden. Bei Behandlungen in der Nähe des Halses, etwa bei der schmerzhaften Schultersteife, muß gewährleistet sein, daß der Masseur auf der Basis einer gründlichen Ausbildung und wacher Aufmerksamkeit vermeidet, die Pressorezeptoren im Karotissinus mit dem Wasserstrahl zu reizen.

1.5.3 Kolonmassagen Eine weitere spezielle manuelle Technik ist die Kolonmassage. Sie ist ausschließlich zur Anregung der Funktion des Dickdarms entwickelt worden. Von den inneren Organen eignet sich allein das Kolon zu unmittelbaren manuellen Behandlungen, weil es in langen Strecken durch die Bauchdecken hindurch gut faßbar ist. Das Prinzip der Kolonmassage besteht darin, diesen Darmabschnitt zur Peristaltik oder besser, zu einer zeitlich regelrechten Motorik anzuregen. Das Kolon kann dadurch wieder an den sogenannten hohen Defakationsreflex herangeführt werden, der bei vielen Menschen durch zivilisatorische Störeinflüsse entwöhnt worden ist. Die Wirkung der Kolonmassagen darf man sich nicht allein so vorstellen, als würde durch die Druck- und Gleitbewegungen der im folgenden zu schildernden Technik unmittelbar eine mechanische Hilfe zum Weitertransport des Darminhaltes gegeben. Die Beobachtung, daß eine systematisch aufgebaute manuelle Kolonbehandlung die Motorik des ganzen Darmes anregt, auch Spasmen sowie Tonuserhöhungen im gesamten Magen-Darmbereich und in den Gallenwegen zu beheben vermag, wie auch gelegentlich atonische Zustände in normotone überführt, läßt tiefgreifende reflektorische Beziehungen erkennen. Die Technik der Kolonmassage muß den Masseuren sorgfaltig vermittelt werden, weil es sehr auf die richtige Handhaltung ankommt, die eine streng analwärts gerichtete Tast- und Druckbehandlung eines jeden Kolonabschnittes gewährlei-

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Flexura dextra

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Flexura sinistra

Colon ascendens Zökum

Colon descendens

Colon sigmoideum Sigmoid Symphyse

Abb. 12 Die anatomischen Ansatzpunkte der Kolonmassage.

stet, jede entgegen der physiologischen Peristaltik gerichtete Druckwirkung aber vermeidet. Die massierende Hand muß stets schräg nach unten in Peristaltikrichtung, dagegen nicht steil in die Tiefe vordringen, weil sich ein senkrechter Druck im Kolon nach beiden Richtungen fortpflanzen würde. Für eine typische Kolonmassage sind fünf anatomische Ansatzpunkte gegeben (656). Die Abbildung 12 soll dies verdeutlichen. Punkt 1 liegt über dem unteren Zökumpol. Man führt während der Ausatmung, wenn der intraabdominelle Druck absinkt, mit einem gleitenden Druck das unter der Hand liegende Gewebe, durch das sich das Zökum meist gut fühlen läßt, nach außen und oben. Punkt 2 wird am Colon ascendens aufgesucht unterhalb der Flexura hepatica. Zwischen Crista iliaca superior und unterem Rippenbogen dringt die Hand unter leichtem Ein- und Auswärtsdrehen in die Tiefe vor und führt die Bewegung, ohne unter den Rippenbogen zu greifen und die Leber zu drücken, von unten nach oben aus. Punkt 3 liegt auf der linken Seite in gleicher Höhe wie Punkt 2, unterhalb der Flexura sinistra. Von hier aus wird die Druckbewegung nach unten, also in Richtung zur Leiste, geführt. Dies muß seitlich geschehen, damit die Hand nicht in falscher Richtung den ansteigenden Teil des Querkolons bearbeitet. Punkt 4 wiederum findet man auf der Höhe von Punkt 1, dicht über dem linken Beckenkamm. Hier wird, meist gut tastbar, das Colon sigmoideum erfaßt. Die gleitende Bewegung der massierenden Hand führt hier wegen des schräg nach medial gerichteten Kolonverlaufes von lateral oben nach medial unten. Punkt 5 schließlich ist oberhalb der Symphyse gelegen. Hier trifft man auf das Sigmoid, das sich an dieser Stelle nach dorsal wendet. Um das Kolon noch zu erreichen, greift die Hand etwas tiefer durch. Selbstverständlich muß die Blase leer sein. Die Druck- und Schubwirkung der massierenden Hand erfolgt atemsynchron: Während der Patient ausatmet, führt der Masseur die flach aufliegende Hand

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sanft in die Tiefe und schiebt sie leicht in Richtung der Peristaltik vor. Während der Ausatmung geht er mit der Hand, die sich meist der Rundung des Darmes, zumindest im Aszendens- und Deszendensteil, gut anpassen kann, wieder zurück. Die Behandlung dauert an jedem Punkt ca. 5 Minuten; somit ergibt sich eine Behandlungszeit von etwa einer halben Stunde. Als Abschluß macht der Masseur eine kreisende Streichmassage der Bauchdecken im Uhrzeigersinn, wobei seine beiden Hände unter leichtem Druck jeweils einen Halbkreis beschreiben. Dieser Abschluß regt nochmals den ganzen Peristaltikablauf an. In Sonderfällen müssen Kolonmassagen auch einmal atypisch gestaltet werden, wenn etwa eine Variabilität des Kolonverlaufes oder ein spastischer Lokalbefund an einem der tiefer liegenden Punkte dies nahelegen. Begleitet, z. B. bei tief durchhängendem Colon transversum, ein Teil dieses Darmabschnittes dicht anliegend das obere Deszendens, wie in der Abbildung 12 angedeutet, dann würde eine Verwechslung mit diesem der manuellen Druckeinwirkung im Transversum eine oralwärtige Richtung geben und unter Umständen eine Retroperistaltik auslösen. Ein zur Behandlungszeit vorhandener spastischer Stopp, etwa in Höhe der linken Flexur, würde die Massage illusorisch machen. Man beginnt je nach Lage eines Spasmus nicht an Punkt 1, sondern unterhalb des Engpasses. Erst wenn sich die Verhaltung gelöst hat, wird die Massage regelrecht weitergeführt. Geschehnisse dieser Art machen offenkundig, wie sehr es auf die klinische Erfahrung des Masseurs und sein manuelles Geschick ankommt, solche Befunde richtig zu deuten. Der verordnende Arzt kann Spasmen bzw. deren Sitz nicht voraussehen; bleibende Befunde, z.B. ein durchhängendes Colon transversum, wird er dem Masseur mitteilen. Er muß die Technik der speziellen Massage kennen und seinem ausgewählten Masseur Gelegenheit geben, durch Zuweisung aller geeigneten Fälle die erforderliche Routine in dieser selten verordneten Spezialmassage zu erwerben bzw. zu erhalten.

1.5.4 Synkardiale Massage Eine rein apparativ-mechanische Druckbehandlung, die von dem Handwerk und der Kunst des Masseurs unabhängig ist, wurde mit der synkardialen Massage entwickelt [168]. Sie hat praktisch nur ein Indikationsgebiet, nämlich das der peripher-arteriellen Durchblutungsstörungen der Beine, seltener auch der Arme. Das Prinzip der Behandlung liegt in der Übertragung von rhythmisch aufeinanderfolgenden Druckimpulsen auf die zu behandelnde Extremität, was allerdings voraussetzt, daß die Anstöße auf die peripheren Gefäße durchschlagen. Über Manschetten, wie sie auch Blutdruckmeßgeräte haben, wird pneumatischer Druck auf das Bein übertragen. Dies soll die Zirkulation dadurch unterstützen, daß die kurzdauernden Druckimpulse im Takt des individuellen Herzrhythmus des Patienten, also synkardial erfolgen, und zwar jeweils dann, wenn die arterielle Pulswelle soeben unter der Manschette durchgelaufen ist. Damit baut

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sich der Druck jeweils erst auf, wenn die Pulswelle das Gefäß an dieser Stelle dilatiert hat (Volumenpuls) und die nachfolgende Gefäßkontraktion einsetzt, so daß diese also von der äußeren Druckwelle unterstützt wird. Zur Steuerung des synkardialen Mechanismus ist in den Apparat ein EKG-Gerät eingebaut. Während der Dauer der Behandlung löst jede R-Zacke des mitlaufenden EKG elektronisch den Druckimpuls aus. Da die R-Zacke bereits erscheint, wenn die Aortenklappe noch geöffnet ist und die Pulswelle die Gefäße zu dieser Zeit an der zu behandelnden Stelle noch nicht erreicht hat, muß eine Verzögerung des von der Manschette ausgehenden Druckimpulses vorgenommen werden. Mittels eines Meßinstrumentes wird die Zeitspanne bestimmt, die abläuft, bis die Pulswelle unter der Manschette erscheint. Die Meßstelle soll kurz oberhalb des zu behandelnden Gefäßabschnittes liegen. Die Verzögerungen lassen sich justieren, die Impulsfolgen können damit auf jede Pulswellengeschwindigkeit individuell eingestellt werden. Die theoretische Begründung unterstellt, daß der jeweils in der Phase der Gefäßkontraktion rhythmisch erzeugte Druck durch das Gewebe hindurch auf die Arterien, die Venen und die Lymphgefäße übertragen wird, wobei der Energieverlust unberücksichtigt bleibt. Damit wird in diesen Gefäßen die Strömung unterstützt, deren Richtung durch die Aortenklappe sowie die Venen- und Lymphgefäßklappen festgelegt ist. In den distal der Manschette gelegenen arteriellen Kapillaren kommt es zu einer verstärkten Durchströmung, indem der physiologischen Pulswelle ein weiterer Druckimpuls gegeben wird. In den venösen Kapillaren wird der Druckgradient zu den größeren Venen hin steiler, der Abfluß damit ebenfalls unterstützt. Das Prinzip der Methode liegt in der absoluten Synchronisation von Pulswelle und äußerer Druckwelle, womit am Ort der durch Gefäßveränderung behinderten Durchströmung der Pulswelle ein Strömungsimpuls aufgepfropft wird. Die Effektivität dieses vorerst noch als Modellvorstellung geltenden Mechanismus ist allerdings von verschiedenen Seiten aufgrund physikalischer Bedenken angezweifelt worden (S.871). Die Methode wird deshalb nicht überall praktiziert, obwohl über gute Behandlungsergebnisse berichtet wurde, die allerdings auch anders erklärbar sind.

1.6 Indikationen für Massagebehandlungen 1.6.1 Allgemeine Richtlinien Die Indikationen für die Verordnung von Massagen der verschiedenen Arten sind in fast allen Gebieten der Medizin so zahlreich, daß ihre Aufzählung ebenso ermüdend wie verwirrend sein würde. Bei der Darstellung der einzelnen Massagetech-

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Methoden der Physikalischen Therapie

niken sind schon eine Reihe von Indikationen erwähnt worden. Im klinischen Teil III werden weitere Empfehlungen gegeben, wo immer Massagen zur Besserung oder Behebung von Krankheitssymptomen angezeigt sind. Im Prinzip ergeben sich Indikationen, häufig Massagen in das Behandlungskonzept einzuplanen, aus deren vielfältigen Wirkungen. Der Arzt wird jeweils am erhobenen Befund oder anhand der Symptomatik prüfen, ob und welche Art von Massagen er für erfolgversprechend hält. Die Symptome können sich in subjektiven Angaben äußern, z.B. Muskelschmerzen, Muskelverkrampfungen und dergleichen. Häufiger werden die objektiv zu erhebenden Gewebsbefunde der vorstehend geschilderten Art Anlaß geben zur Verordnung einer gezielten Massagebehandlung. Solche Befunde sind sichtbar, fühlbar oder meßbar; sie ergeben sich aus der Kenntnis der Pathophysiologie der Erkrankungen innerer Organe, der Bewegungsorgane, aus chirurgisch-orthopädischen Leiden oder aus einer neurologischen Symptomatik. Kenner der Massage weisen immer wieder darauf hin, daß ein geschultes Auge schon an Unebenheiten oder Einziehungen im Relief der Körperoberfläche Veränderungen im Unterhautgewebe zu erkennen vermag. Mehr noch fühlt eine geschickte, geübte Hand die Änderungen des Gewebsturgors, die — insbesondere wenn sie hyperalgetisch sind — als Ausdruck reflektorischer Beziehungen zwischen inneren Organen und der Körperoberfläche auch diagnostischen Wert haben. In den folgenden Abschnitten wird ein Überblick über die wichtigsten Anzeigen für Massagebehandlungen gegeben und die weitreichenden Möglichkeiten die sich für die Verordnung von Massagen in der Krankenbehandlung ergeben, dargestellt.

1.6.2 Massagebehandiungen bei gestörter Muskelfunktion Hauptindikationen für Massagebehandlungen sind die Störungen der Muskelfunktion aufgrund von Erkrankungen der Gelenke oder der Muskeln selbst. Für die Verordnung, die Wahl der Methode und die Dosierung ist die Grundkrankheit maßgebend. Dabei kommt es darauf an, ob es sich primär um Störungen der Innervation, des Muskelstoffwechsels, um Verletzungsfolgen handelt, oder ob degenerative Veränderungen vorliegen. Nicht jede Krankheit, die auch Störungen der Muskelfunktion zeitigt, läßt in ihrem Gesamtverlauf eine Behandlung zu, die vom Organismus und seinen Funktionskreisen eine aktive Leistung herausfordert, auch wenn diese nur im Muskelstoffwechsel liegt. So sind bei einigen Myopathien oder bei Muskelsymptomen aufgrund von Rückenmarksleiden Massagen nur dann angezeigt, wenn sie eine klar definierte, individuell verträgliche Indikation haben. Im klinischen Teil wird dazu im einzelnen Stellung genommen.

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Muskelatrophien, seien sie Folgen von peripheren Nervenlähmungen oder -Verletzungen, seien sie dystrophischer Natur mit fortschreitenden degenerativen Veränderungen oder durch Inaktivität bedingt, nach Verletzungen oder Nichtgebrauch aus anderer Ursache, bedürfen im Rahmen der Bewegungstherapie auch der Massagen. Je nach dem Zustand des Kranken wählt man die geeignete Technik aus: Streichungen, Knetungen bis zu Klopfungen und andere Reizgriffe. Während der aktiven Bewegungstherapie, ohne die Atrophien nicht verhindert werden und eine angestrebte Arbeitshypertrophie sich nicht einstellt, unterstützen Muskelmassagen die Bemühungen wirksam, die Muskeln bleiben unter den Druck- und Zugreizen geschmeidig. Auf die Notwendigkeit, in jedem Fall die hypertonen Muskeln, gleich welcher Genese, durch Massagen geschmeidiger zu machen und damit deren Funktion zu erleichtern, wurde bei der Besprechung der Massagewirkungen schon hingewiesen. Grundsätzlich gilt: atrophische und schlaff gelähmte Muskeln bedürfen einer kräftigeren, dennoch einfühlsamen Massage, spastisch gelähmte Muskeln aber dulden Massagen nur, wenn sie sehr vorsichtig, mit „Fingerspitzengefühl" ansetzen, sonst schießt die Spastik stärker ein. Bestimmte, z. B. vibrierende Techniken, kombiniert mit anderen Verfahren der Elektrotherapie (S. 365) und der Thermotherapie (S. 230), zeitigen hier gute Ergebnisse. Ist der Muskel selbst krank, sei es eine einfach Myositis rheumatica vom sogenannten Hexenschuß bis zur entzündlich-degenerativen Myositis oder eine der Myopathien, die durch anatomische, biochemische und neuropathologische Veränderungen charakterisiert ist, stellt sich die Frage, ob Massagen symptomatische Indikationen finden. Manches Symptom läßt sich durch Massagen lindern; insbesondere bedürfen auch die nicht betroffenen Muskeln solcher Kranker einer pflegenden Massage, weil die natürliche Bewegung zu kurz kommt. Bei anderen Krankheiten, z. B. bei einem Myasthenie-Syndrom oder bei myoatrophischen und spastischen Symptomen bei Rückenmarksleiden, vertragen die Muskeln Massagen nicht oder nur in besonderer Situationen mit speziellen, z. B. spasmenlockernden Techniken. Erkrankungen der Gelenke geben vielfach Anlaß zur Verordnung von Massagen, weil stets die Muskeln, die die Bewegungen im Gelenk betätigen, mitbetroffen sind. Bestimmend ist der Befund, der an den Muskeln erhoben wird, sowie der Zustand der Sehnen und Gelenkkapseln und der Haut um das Gelenk. Nach Verletzungen, bei entzündlichen Erkrankungen, Ergüssen traumatischer und entzündlicher Art, nach längerer Ruhigstellung bei Frakturen oder operativen Eingriffen, kurz bei allen Gelenkerkrankungen findet man die zugehörigen Muskeln entweder atrophisch, oder sie zeigen Verspannungen, Verhärtungen oder Verquellungen (Myogelosen), die ebenso wie Kontrakturen des kapsulären Gewebes meist sehr schmerzhaft sind. Besonders häufig finden sich derartige Zustände in und um die Schultergelenke (sogenannte schmerzhafte Schultersteife, auch — nicht ganz zutreffend — Periarthritis humero-scapularis genannt). Stets sind vorsichtig dosierte Massagen bei der progressiv-chronischen Polyar-

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thritis indiziert. Hier finden sich regelmäßig in den gelenknahen Muskeln Verhärtungen ; die Muskeln sind schlecht durchblutet, meist befinden sie sich in einem hypertonen Verkürzungszustand, der die Achsendeviation der entzündlich destruierten Gelenke verstärkt bzw. erst bewirkt. Auch der sogenannte Weichteilrheumatismus wird durch Massagen meist gut gelindert.

1.6.3 Massagen bei Erkrankungen der Atemorgane Bei Krankheiten der Atemorgane sind Massagen immer dann angezeigt, wenn die freie Ventilation unter muskulären Verspannungen und Fehlhaltungen leidet. Dies ist dann der Fall, wenn Patienten längere Zeit oberflächlich geatmet haben oder wenn die Atembewegungen schmerzen. Da nicht selten auch dann, wenn die Schmerzen vergangen sind, die Fehlatmungen fortbestehen, ist es wichtig, sie zu beachten und durch Behandlung zu beheben. Bei entzündlich-infektiösen Erkrankungen des Lungenparenchyms, mehr noch bei bronchitischen Syndromen und besonders bei spastisch-allergischen Reaktionen der Lunge, finden sich regelmäßig hypertone Zustände der Muskeln des Thorax, des Halses, des Schultergürtels, der Rücken- und Bauchmuskeln. Besonders die Interkostalmuskeln zeigen oft eine Art Dauerspasmus. Neben den Muskeln des Thorax sind auch der Musculus erector trunci (S. 789) und der obere Anteil des Musculus rectus durch erhöhte Spannung an der Behinderung einer freien Atmung mitbeteiligt. Ziel der Massagebehandlungen ist hier ganz vorrangig die Lockerung all dieser Muskeln, damit eine freie Beweglichkeit des Thorax, auch die Betätigung der Bauchatmung und indirekt auch der Zwerchfellatmung die Ventilation ungehindert ermöglichen. Auch die Atem-Brustkorbgymnastik setzt voraus, daß alle Atemmuskeln gelockert und funktionstüchtig sind. Neben oder zusätzlich zu den Methoden der klassischen Massagen findet bei Erkrankungen der Atemorgane, besonders bei den spastisch-allergischen Syndromen, die Bindegewebsmassage ein reiches Betätigungsfeld. Bei allen Fehlfunktionen der Lunge werden Reflexzonen beschrieben; als solche werden auch die umschriebenen oder ausgedehnten hypertonen Muskelzustände der Atemmuskeln gedeutet. Ihre Beseitigung durch manuelle Behandlungstechniken ist eine lohnende therapeutische Aufgabe. Zu der notwendigen Lockerung aller an der Atembeweglichkeit des Thorax und der Zwerchfelle beteiligten Muskeln werden — was mit Vorsicht geschehen muß — unter der Massagetherapie auch die elastisch-beweglichen Systeme am Sternum, die gelenkartigen Verbindungen zwischen Sternum und Rippen und die Gelenke zwischen Sternum und Wirbelsäule in ihren Funktionen erhalten, verbessert bzw. wiederhergestellt. Dies gilt besonders für das chronische Lungenemphysem. Bei ausgeprägter Osteoporose, die nach längerer Steroidbehandlung der Asthmatiker nicht ganz selten ist, kann aber selbst eine sehr vorsichtig betriebene

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Massage im Verlauf einer Atemgymnastik Rippenfrakturen nicht immer ausschließen. Der Arzt sollte die von ihm beauftragten Behandler mit der Verordnung darauf aufmerksam machen. Dem geübten Masseur bzw. den Krankengymnastinnen macht es keine Schwierigkeiten, die sieht- und fühlbaren Symptome einer behinderten Fehlatmung aufzufinden. Der Arzt sollte aber darauf achten, daß hier kritisch geprüft wird und nicht Scheinbefunde zu Ansatzpunkten der Therapie gemacht oder zu Belegen eines therapeutischen Erfolges mißdeutet werden.

1.6.4 Massagen bei Herzkranken Bei Erkrankungen des Herzens finden Massagen mancherlei Indikationen (S. 677). Im Prinzip sind es zwei Begründungen, mit denen der Arzt hier die äußeren, mechanischen Druckeinwirkungen der Massagen verordnet: Einmal ist für die Funktion und die Pumpleistung des Herzens ein angemessener Blutrückstrom aus dem Venensystem Voraussetzung für eine ökonomische Herzarbeit (vgl. klassische Herzgesetze, S.684); der Rückstrom des venösen Blutes wird durch bestimmte Massagen gefördert. Zum anderen wird Herz und Kreislauf entlastet, wenn die arterielle Durchblutung mit dem abfallenden peripheren Gefäßwiderstand zunimmt, was durch alle kräftigeren Muskelmassagen bewirkt wird. Massagen, insbesondere Streichmassagen in zentripetaler Richtung, sind dann indiziert, wenn das Blutangebot an das rechte Herz infolge einer Kreislaufinsuffizienz nicht ausreicht. Für die Verordnung solcher Massagen kann die Blutspeicherfunktion im Gesamtkreislaufsystem berücksichtigt werden. Die im Nebenschluß liegenden Blutspeicher zweiter Ordnung, in denen das Blut langsamer fließt (im wesentlichen ist das der subpapilläre Venenplexus der Haut) und die im Hauptschluß liegenden Speicher dritter Ordnung (die größeren Venen) entleeren sich in der Regel durch Änderungen des Wandtonus, hauptsächlich durch die Aktion der Muskelpumpe, also durch Bewegung. Fällt dies, etwa bei Bettlägerigen oder auch wenig beweglichen Menschen weg, dann bringen stellvertretend die mit vorsichtig dosierten Massagen gegebenen äußeren Druckwirkungen auf venöse Provinzen eine Abhilfe für das nach mehr Zustrom verlangende Herz. Zum Verständnis dieser das Herz schon etwas fordernden, seine Arbeitsweise aber erleichternden Hilfen sei auf die Erläuterungen zur Herzinsuffizienz hingewiesen (S.686). Wenn das digitalisierte Herz wieder an Kontraktionskraft zunimmt, fehlt es unter Umständen an einem ausreichenden Blutzustrom, der die zur Kräftigung des Muskels benötigte Blutmenge heranträgt. Es ist vorteilhaft, wenn dies, solange die Kranken noch Bettruhe halten, durch mechanische Einwirkungen passiver Art geschieht, etwa täglich eine milde Streichmassage, kombiniert mit wenigen Muskel-„Reiz"-Griffen; dies erlaubt ohne größeren Energieaufwand seitens des Organismus die Umstellung des Herzens.

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Selbstverständlich haben solche Massagehilfen bei der hier notwendigen, im Vordergrund stehenden medikamentösen Herztherapie nur ergänzenden Charakter. Sie zeitigen ihre günstigen unterstützenden Wirkungen, wenn sie sinnvoll eingefügt sind in das medikamentöse Programm. Unter Glykosiden nimmt die Inotropie (Kontraktionskraft) des Herzens zu, Diuretika schwemmen jetzt eine bei der Herzinsuffizienz vorliegende renale Flüssigkeitsretention aus, und eine über das kompensierende Maß hinausgehende Hypervolämie geht nun vorüber. Jetzt sind die äußeren Anstöße der einfühlsamen Massagen eine willkommene Hilfe, die in erster Linie dem rechten Herzen zugute kommt (vgl. Kontraindikationen), aber eben auch den Kraftzuwachs möglich macht. Der zweite Beweggrund, Massagen zu verordnen, zielt auf die Entlastung des linken Herzens ab. Streichungen und Reibungen erleichtern die Kreislaufarbeit. Die Kapillaren der Haut erweitern sich; ein jederzeit sichtbarer Effekt (Hyperämie). Die Arteriolen und kleineren Arterien entspannen sich reflektorisch. Dies senkt den peripheren Gefäßwiderstand und der zentrale Druck fällt meßbar ab. Der Effekt hält offenbar einige Stunden an, so daß es zu einer Entlastung des linken Herzens kommt. Kontraindikationen für Massagen bei Herzkranken sind in besonderem Maß bei der Rechtsherzinsuffizienz gegeben, solange das Herz die notwendige Blutmenge noch nicht voll weiterbefördern kann. Bei akuter Dekompensation, bei Stauungszuständen, Halsvenenfüllung als Ausdruck eines erhöhten zentralen Venendrukkes (S. 874), schwerer Stauungsleber mit Ikterus, Aszites, ausgeprägtem Ödem, ist der Zeitpunkt, zu dem eine Vermehrung des Blutangebotes durch Streichmassagen sinnvoll ist, noch nicht gekommen; es liegt eine absolute Kontraindikation vor. Die Symptomatik der Dekompensation ist gewissermaßen ein entlastendes Stauwehr, das erst geöffnet werden darf, wenn das Herz wieder soweit kompensiert ist, daß es ein größeres Blutangebot verkraften kann. Die Linksinsuffizienz gibt nur bedingt Kontraindikationen ab. Solange keine Rückwirkungen auf das rechte Herz vorliegen (Doppelinsuffizienz), kommen die genannten erleichternden Griffe dem notleidenden linken Herzen zugute, sofern sie nicht bei schwerwiegender Symptomatik (Dyspnoe, Asthma cardiale, Lungenödem) den Kranken ganz allgemein zu sehr belasten.

1.6.5 Massagen bei Kreislaufstörungen Aufgrund der dargestellten Wirkung bestimmter Massagetechniken, unter denen einerseits der periphere Gefäßwiderstand und damit der Blutdruck absinkt, was allerdings nicht von allen Untersuchern bestätigt wird [299], andererseits der Muskelstoffwechsel durch Resynthese anaerober Metabolite zu energieliefernden Substanzen mit dem Ergebnis einer arteriellen Mehrdurchblutung ansteigt, ergibt sich die Frage, in wieweit Massagen in der Behandlung von Kreislaufregulationsstörungen indiziert sind.

Massagebehandlungen

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Die kreislaufanregende Wirkung der klassischen Massagen ist augenfällig. Sowohl bei den hypotonen Regulationsstörungen, der konstitutionellen und der chronisch-orthostatischen Hypotonie, wie auch bei den Anpassungsstörungen des Kreislaufs an die Orthostase nach langdauernder Bettruhe geht es darum, dem Herzen ausreichend venöses Blut anzubieten. Andererseits sind bei Menschen mit schlaffer, ungeübter Muskulatur Massagen verschiedener Art wirksam. Dies gilt auch bei hypertonen Zuständen, da der periphere Gefäßwiderstand sinkt, was sich nur beim Hypertoniker, nicht bei der Normo- oder Hypotonie blutdrucksenkend auswirkt. Es mag zunächst schwer verständlich sein, daß die gleiche Behandlungsart bei ganz gegensätzlicher Symptomatik einmal blutdruckhebend, ein anderes Mal blutdrucksenkend wirken soll. Dieses Phänomen erklärt sich dadurch, daß die Reaktionen des Organismus auf äußere Reize weitgehend, wie es grundsätzlich für das Reiz-Reaktionsgeschehen der Physikalischen Therapie gilt, in ihrer Richtung durch die Ausgangssituation bestimmt werden. Taktile Reize können sowohl vasokonstriktorische als auch vasodilatatorische Reaktionen auslösen. Selbstverständlich kommt es dabei auch auf die Art des gegebenen Reizes an. Mit sehr kräftigen, tiefgreifenden Massagetechniken ist die detonisierende Wirkung auf große Gefäßgebiete bei der Hypertonie angezeigt, leichtere Techniken dürften eher eine tonisierende Wirkung auf arterielle und venöse Gefäße ausüben. Bei Erkrankungen der Gefäße, bei peripheren arteriellen Durchblutungsstörungen verschiedener Genese, bei Erkrankungen der Venen, der Varikosis und bei thrombotischen Prozessen dürfen unter bestimmten Voraussetzungen Massagebehandlungen vorgenommen werden. Einzelheiten dazu finden sich im klinischen Teil III. Auf die Behandlung von Stauungen und Ödemen mit vorsichtig ausgeführten Massagen wurde schon eingegangen (S.90).

1.6.6 Massagen bei Störungen an den Verdauungsorganen Bei Erkrankungen bzw. bei chronischen, nicht akuten Funktionsstörungen der Verdauungsorgane sind bestimmte Massagetechniken recht wirksam. Im wesentlichen ist der Funktionszustand der Bauchmuskeln das Feld für Massagebehandlungen. Häufig finden sich nach akuten Erkrankungen, aber auch bei der chronischen Obstipation hypertone Muskelstränge. Noch öfter ist die ganze Bauchdeckenmuskulatur hypoton bis atrophisch. Die Wiederherstellung einer kräftigen, funktionstüchtigen Muskulatur, wobei Massagen die unerläßliche aktive Bewegungstherapie nur unterstützen, nicht ersetzen, ist ein wertvoller Bestandteil der Behandlung chronischer Störungen im Bauchraum. Die chronische Obstipation bietet für die Techniken der speziellen Kolonmassage (S.104) besondere Ansätze. Auf die Indikationen der Bindegewebsmassagen bei Erkrankungen der Bauchorgane wird im klinischen Teil III eingegangen.

114

Methoden der Physikalischen Therapie

1.6.7 Massagen bei Stoffwechselstörungen Je nach Symptomatik bieten auch Stoffwechselstörungen Anzeigen für Massagebehandlungen. Es ist verständlich, daß eine kräftige Massage größerer Körperregionen mit dem erhöhten Muskelstoffwechsel auch den Gesamtstoffwechsel vermehrt. Örtlich begrenzte mechanische Anregungen und Erleichterungen des Gewebsstoffwechsels und des Stoffaustausches, die eine Folge der Hyperämisierung des Gewebes durch Massagen sind, können in der Umgebung lokaler Gewebsernährungsstörungen indiziert sein. Auch Entlastungen gewisser Gewebsabschnitte bei Stauungen und Ödemen durch vorsichtig dosierte Massagen, die angesammelte Flüssigkeit verteilen, sind unter strenger Indikationsstellung zur Normalisierung des Gewebsstoffwechsels in diesen Bereichen, z. B. zur Behandlung eines Ulcus cruris oder von Phlegmonen, gelegentlich zu empfehlen. Die Adipositas ist sehr oft Anlaß zur Verordnung von Massagen, obwohl damit kaum eine Verkleinerung der Fettdepots erreicht werden dürfte. Sie allein kann deshalb kaum eine Indikation für Massagen sein. Zur Ergänzung der unerläßlichen Bewegungstherapie bei entsprechender Diät sind sie aber sinnvoll, weil sie mit dazu beitragen, den verlangsamten Stoffwechsel anzufachen. Aktive Muskeltätigkeit und Muskelmassagen sollen gemeinsam dazu beitragen, die eiweißreichen Muskeln zu erhalten, während das Fett bei reduzierter Ernährung, nicht aber unter der Massage schwindet. Beim Diabetes mellitus werden Muskelmassagen empfohlen, weil der damit erhöhte Muskelstoffwechsel Glukose verbraucht, so daß der Blutzuckerspiegel sinkt. Dies spart Insulin bzw. blutzuckersenkende Medikamente. Massagen sollten hier aber nicht dazu dienen, die viel effektivere aktive Muskelarbeit durch Bewegung zu ersetzen. Bei diabetischen Komplikationen, in erster Linie den peripher-arteriellen Durchblutungsstörungen gelten für die Verordnung von klassischen Massagen oder Bindegewebsmassagen die gleichen Grundsätze wie bei entsprechender Symptomatik anderer Genese.

1.6.8 Massagen bei Symptomen verschiedener Herkunft Neurologische Symptome schmerzhafter Art, Neuralgien und Neuritiden geben Indikationen zu Massagebehandlungen ab, wenn Muskeln und Haut sowie Unterhautgewebe im Ausbreitungsgebiet bestimmter Nerven druckschmerzhafte Verspannungen und Verhärtungen zeigen und diese unter Berücksichtigung der Schmerzempfindung eine solche Maßnahme erlauben. Oft lassen die Schmerzen bald nach, wenn solche sekundären Gewebsveränderungen wegmassiert werden können.

Massagebehandlungen

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Erkrankungen der Haut geben meist Kontraindikationen für Massagebehandlungen ab, auch wenn solche aus anderen Gründen indiziert sind, weil jede Massage eine starke Irritation der Haut bedeutet, die sich bei allen reizempfindlichen Hautprozessen ungünstig auswirken muß. Sekundäre Hautveränderungen wie Narben, Verwachsungen, Verklebungen vertragen dagegen Massagen nicht nur sehr gut, sie erfordern sie auch nahezu immer, da die Gewebsverziehungen sich ohne die dehnenden Techniken der Massagen nicht lösen. In frischeren Stadien halten solche Dehnungen die Narbenschrumpfung in Grenzen. Soweit Gelenkkontrakturen noch lösbar sind, geht dies kaum ohne dehnende Behandlung der verkürzten, geschrumpften Haut (vgl. dermatogene Kontraktur, S. 151) einschließlich der verkürzten Muskeln. Neuerdings werden bei der Akne rosacea die befallenen Hautstellen mit Erfolg über längere Zeit mit den Fingerkuppen kräftig massiert, kombiniert mit aktiven Bewegungsübungen der mimischen Muskulatur. Die manuelle Behandlung verbessert die Durchblutung der Haut, die mimische Starre lockert sich. Eine bemerkenswerte Indikation finden die Muskelmassagen, wenn sie die krankengymnastische Bewegungstherapie erleichtern. Diese kann erst voll wirksam werden, wenn die an einer Bewegung oder Haltung beteiligten Muskeln gut funktionsfähig sind. Dazu leisten besonders die muskellockernden Massagen ihren Beitrag.

2. Bewegungstherapie (Krankengymnastik) 2.1 Einleitung Im folgenden werden zuerst die äußeren Bewegungen behandelt. Die inneren Bewegungen des Herzens, des Kreislaufes, teilweise gehört auch die Atmung dazu, werden von äußeren Bewegungen gefördert oder, sind diese behindert, auch eingeengt. Ohne äußere Bewegung würde sich der Organismus den Ansprüchen, die das Leben an die nicht ortsgebundenen Organismen stellt, nicht lebenskräftig und handfest anpassen. Das Leben zu erhalten, in naturgegebenen Formen zu entfalten und zu führen, macht freie Bewegungen unentbehrlich [50]. Fallen bestimmte äußere Bewegungen aus, z. B. solche, die uns unbewußt atmen lassen, dann ist das Leben des Menschen gefährdet oder in schweren Fällen nur mit Kunstgriffen vor dem Tode zu bewahren. In Grenzen gilt das auch für die wichtigste innere Bewegung, die des Herzens, wenn ein Schrittmacher die Bewegungsanstöße geben muß. Der Arzt steht in der Intensivmedizin sehr oft vor der Aufgabe, für eine begrenzte Zeit apparative Hilfen geben zu müssen. Im Verlauf des Lebens sind es vor allem die Atembewegungen, deren Tätigkeit, etwa durch eine Thoraxstarre oder infolge geschwächter Atemmuskeln und -hilfsmuskeln, so eingeengt wird, daß Gesundheit und Leistungsfähigkeit erheblich leiden. Hier bewegungstherapeutisch tätig zu werden, gehört schon fast zu den alltäglichen Aufgaben des Arztes. Auch Trägheiten innerer Organbewegungen, z. B. des motorisch angetriebenen Kreislaufes, besonders des venösen Rückflusses, und der Peristaltik, bedürfen der Bewegungshilfen, um überwunden zu werden. Störungen der Fortbewegung sowie der Greif- und Haltefähigkeiten und ihrer komplexen synergistischen Funktionen gefährden das Leben nicht unmittelbar, mindern aber sehr stark die Lebensqualität, bzw. machen den Betroffenen mehr oder weniger von fremder Hilfe abhängig. Deshalb ist es eine der Aufgaben der Krankenbehandlung, sich unzulänglichen Bewegungsfunktionen zu widmen und diese soweit wie möglich wiederherzustellen. Die Medizin hat Verfahren entwickelt, mit denen sie gestörte, behinderte Bewegungsfunktionen sehr wesentlich verbessert und verlorene Funktionsfähigkeit wieder einübt oder kompensierend ersetzt (Rehabilitation). Alle diese Verfahren gründen sich auf den spezifischen Reiz der Bewegungsanforderung, unter der sich Gewebe (Muskeln, Sehnen, Gelenke, Bänder) und alle nerval gelenkten Funktionen ausbilden. Der Physiologe Roux [536] hat in seiner Entwicklungsmechanik schon Ende des vergangenen Jahrhunderts auf die Bedeutung der funktionsübenden Therapie hingewiesen In der Behandlung gestörter Bewegungen wird dem Kranken nicht, wie sonst in der Physikalischen Medizin üblich, Fremdenergie zugeführt, auf deren Reizcharakter der Organismus reagiert. Vielmehr muß der Kranke die für alle Bewegun-

Bewegungstherapie (Krankengymnastik)

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gen erforderliche Energie selbst aufbringen und sie in willkürliche Bewegungsaktivitäten umsetzen. Daß solches nicht ohne sachkundige Unterweisung und nicht ohne tätige Hilfen geht, liegt auf der Hand. Die Bewegungstherapie in Form der Krankengymnastik, auch Kinesiotherapie (gr.: kinesis=Bewegung) genannt, ist aus der Praxis heraus entstanden. Mit zunehmender Erfahrung hat sie sich als anerkanntes Lehrfach etabliert und inzwischen zu hohem Standard weiterentwickelt. Dabei haben sich zwei Behandlungsaufträge für die Krankengymnastik herausgeschält: Einmal strebt die Krankengymnastik an, gestörte Bewegungsfunktionen wiederherzustellen, zu verbessern, gegebenenfalls auch deren Gefährdung abzuwenden; auf neurologischem und orthopädischem Gebiet finden sich dazu die meisten Indikationen. Zum anderen macht sie ungestörte Bewegungen zum Mittel, Funktionen des Lebens, die nicht unbedingt auf Muskelarbeit angewiesen sind, z. B. das Herz, den Kreislauf und den Stoffwechsel, mit äußeren Bewegungen so in Anspruch zu nehmen, daß deren Leistung steigt und der Organismus sich damit an die Anforderungen des Lebens optimal anpaßt. In der inneren Medizin kann eine solche Bewegungstherapie durch nichts anderes ersetzt werden. Die krankengymnastische Behandlung gestörter Bewegungen setzt zunächst an der lokalen Symptomatik an. Sie zielt darauf ab, die einzelnen Muskel- und Gelenkfunktionen in den Griff zu bekommen, um darauf aufbauend den synergistisch koordinierten, neurophysiologisch geordneten Bewegungsablauf wiederherzustellen. Das komplizierte, sehr komplexe, aus zahlreichen ineinander verschachtelten Funktionen zusammenspielende Geschehen läßt sich nur sehr schwer verständlich in der ganzen Komplexität darstellen. Da jeweils einzelne Funktionszusammenhänge beschrieben werden, müssen dem Leser im folgenden einige Wiederholungen zugemutet werden. Die Bemühungen, mit denen die Kranken unter Anleitung einer Krankengymnastin durch sachkundige Anforderungen die gewünschten Bewegungen ausführen, setzen natürlich voraus, daß die neuromuskulären Prozesse und die Gelenkmechanismen noch über ein nicht zu geringes Maß an Funktionsresten verfügen, an denen die Bewegungsvorhaben ihre Resonanz finden. Die quergestreiften Muskeln der Extremitäten und des Rumpfes können bewußt (willkürlich) von der Hirnrinde aus aktiviert werden. Dies vermittelt über die Pyramidenbahnen das pyramidal-motorische System (vgl. Abb. 14). Zugeschaltete Impulse aus dem extrapyramidalen System fördern oder hemmen einzelne Teilbewegungen und koordinieren so über verbindende Bahnen den ganzen geplanten Bewegungsablauf. Darin enthalten sind reflektorisch korrigierende Aktivitäten des spinal-motorischen Systems, die der Krankengymnastin wertvolle Ansätze bieten. Willkürlich innervierte Muskeln bewerkstelligen die Gebrauchsbewegungen. Dabei erfüllen diese Muskeln gleichzeitig auch unwillkürlich reflektorisch wichtige Aufgaben, mit denen sie die Statik sichern oder den Zielbewegungen die Bahn freimachen. Dies geschieht unbewußt, ohne primäre Aktivierung der Hirnrinde,

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Methoden der Physikalischen Therapie

aber unter deren Kontrolle; das extrapyramidale System behält dabei die Führung. Andererseits kann der Mensch manche unwillkürlich bewegende Tätigkeit der quergestreiften Muskeln auch als Willenshandlungen bewußt in Gang setzen oder ändern, vor allem die Atmung, auch Korrekturen der Haltung und des Gleichgewichtes. Die Krankengymnastik findet hier ihre Ansatzpunkte. Untergruppen unwillkürlicher Bewegungen sind die Reflexbewegungen und die Bewegungen der inneren Organe, die mit ihren vegetativ innervierten glatten Muskeln einer Autonomie und Autorhythmie folgen und deshalb primär nur den nicht willkürlichen Innervationen zugänglich sind. Die Krankengymnastik sucht und findet andere Wege, um auch solche Organbewegungen mit Willkürbewegungen indirekt zu fördern. Die jeweilige Funktion jedes Muskels wird charakterisiert durch seine Tätigkeit als Agonist (auch Protagonist), Antagonist, Synergist oder als Fixator. Die Agonisten (gr.: agonistes = der (Wett-)kämpfer) sind die Muskeln, die sich durch Anspannung verkürzen und die für eine Bewegung nötige Kraft entwickeln. Während die Agonisten, z. B. um den Unterarm zu beugen, sich anspannen, müssen sich unwillkürlich und gleichzeitig die Antagonisten (gr.: anti = gegen, also Gegenspieler) entspannen. Im Beispiel sind es die Unterarmstrecker, die entspannt werden. Agonisten sind also Muskeln, die sich verkürzen, Antagonisten sind Muskeln, die sich im Verlauf eines Bewegungsvorganges entspannen und dehnen lassen, also verlängern. Das Wechselspiel zwischen den beiden Partnern geschieht reflektorisch (S. 131). Verlangt eine gewollte Bewegung, daß sich die Zugrichtung eines Agonisten ändert, dann treten ebenfalls unwillkürlich Synergisten (gr.: syn = zusammen, ergon = Arbeit) in Aktion, deren Tätigkeit die Bewegung in die gewünschte Richtung führt. Unter Fixatoren versteht man Muskeln, die bewegliche Teile fixieren, um den Agonisten einen hohen Wirkungsgrad zu sichern. Die Benennungen sind für manche Muskeln austauschbar, je nachdem, welche Aufgaben sie in einer bestimmten Komplexbewegung übernehmen. So werden z. B. die beugenden, sich verkürzenden Agonisten in der Streckphase eines Gelenkes zu Antagonisten, die sich verlängern und umgekehrt. Bei allen Einzelaktionen darf der Behandler nicht aus dem Auge verlieren, daß kaum ein Muskel eine zielgerechte Bewegung allein bewerkstelligt. Vielmehr wird fast jede Bewegung erst durch ein fein abgestimmtes funktionelles Zusammenspiel mehrerer Muskeln zu einer treffsicheren synergistischen Einheit, wobei freilich jedem Muskel eine bestimmte Rolle für die Gesamtbewegung zukommt. So ergänzen sich alle Muskelaktionen zu einem integrierten Gebrauchsmuster (S.152). Krankhafte Vorgänge am zentralen und peripheren Nervensystem, an den Muskelzellen oder an den Gelenken stören die Bewegungsmechanismen und deren Synergie. Krankheiten dieser Systeme äußern sich in Muskelschwächen, Muskelhärten oder -spasmen, in schlaffen oder spastischen Lähmungen, in Koordinationsstörungen und Fehlbewegungen; oder sie lassen als Folge der muskulären

Bewegungstherapie (Krankengymnastik)

119

Motocortex Thalamus Basalganglie

— Hirnstamm extrapyramidale Zuströme

Supraspinale Motorik erstes motorisches Neuron

Pyramident Vorderhorn

Motoneuron

motorischer Nerv-Motoaxon

Spinale Motorik zweites motorisches Neuron

Muskel

Abb. 13 Zentren und Bahnen der supraspinalen und spinalen Motorik.

Störungen die Gelenkbewegungen nur eingeschränkt, in selteneren Fällen auch überschießend funktionieren (Überstreckbarkeit). Die krankengymnastischen Behandlungen haben überwiegend aktiven Charakter, d. h. der Kranke vollbringt eine körperliche Leistung. Da die Bewegungsaktionen über Willensimpulse an die ausführenden Muskeln zustande kommen, muß der Kranke selbsttätig vollbringen, was der Behandler erklärend und führend von ihm fordert. Passive krankengymnastische Maßnahmen, d.h. Bewegungen in Gelenken durch die Krankengymnastin, ohne aktive Mithilfe der Kranken, sind nur in besonderen Situationen angezeigt. Sie bereiten aktive Bewegungen vor oder unterstützen sie. Den krankengymnastischen Behandlern stellen sich immer wieder neu zu bedenkende, grundsätzliche Aufgaben: einmal alle Bewegungsabsichten oder -anforderungen in Einklang zu halten mit der noch oder wieder möglichen technischen und energetischen Ausführbarkeit, zum anderen stets eine klare Vorstellung zu haben von dem systematischen, meist komplexen Programm, das zu einer besseren Bewegungsfunktion führt. Die Krankengymnastin baut ihren Behandlungsplan, den sie schrittweise verfolgt, auf Behandlungsgrundsätzen auf, die sich aus den neuro- und muskelphysiologischen Erkenntnissen ergeben. Ohne Kenntnis der Neurophysiologie der Muskelaktion können weder der Arzt noch die Krankengymnastin die Möglichkeiten und den vollen Wert der Bewegungstherapie ermessen. Die noch zu beschreibenden Behandlungswege überschneiden sich dabei zum Teil oder gehen mit fortschreitender Besserung ineinander über.

120

Methoden der Physikalischen Therapie

erstes motorisches Neuron

(extrapyramidalmotorische Zuströme) • Pyramidenbahn

T »

Segmente im Rückenmark (Motoneurone)

7 \

Kleinhirn

Abb. 14 Übersicht über die supraspinal-motorischen Strukturen.

Die Behandlungsmethoden, deren sich die Krankengymnastin bedient, setzen also neben anatomisch funktionellen Kenntnissen auch Erfahrung und Einfühlung in das komplexe Geschehen der Bewegungen voraus. Die Techniken können, wie auch die Massagegriffe, nicht aus Büchern erlernt werden. Insbesondere ist es nicht möglich, die einfühlsame Geschicklichkeit, mit der jede krankengymnastische Behandlung zu einem Teil ärztlicher Kunst wird, mit Worten zu vermitteln. Jede Krankengymnastin lernt die theoretischen Begründungen und die speziellen Methoden an einer Fachschule, eine mitlaufende und anschließend intensivierte praktische Ausbildung bringt ihr die Erfahrung, mit der sie schließlich die ihr zugewiesenen Patienten eigenverantwortlich behandelt. Der Arzt beherrscht in der Regel die Techniken nicht, weil er sie nicht selbst handhabt. Umso wichtiger ist es für ihn, Ziele, Aufgaben und Möglichkeiten der Bewegungstherapie im Prinzip zu kennen, damit er die Kranken mit klarem Auftrag an die Mitbehandler überweisen und sie auch beobachtend durch die Therapie führen kann. Dazu genügt es, die krankengymnastischen Behandlungsgrundsätze und -ziele zu erläutern. Die krankengymnastische Behandlung gestörter Bewegungsfunktionen der Gliedmaßen verfolgt im wesentlichen drei Ziele: - gestörte Funktionen einzelner Muskeln und Gelenke zu verbessern, bzw. wiederherzustellen; - Komplexbewegungen nach physiologischen Bewegungsmustern wieder zu erarbeiten (vgl. Methode Kabat, S.968); - pathologische Reflexmechanismen, die koordinierte Bewegungen stören, zu mindern oder zu verhindern (vgl. Methode Bobath, S. 963 und Methode Vojta, S.975) und damit Gebrauchsbewegungen zu bahnen.

Bewegungstherapie (Krankengymnastik)

121

2.2 Neurophysiologische Grundlagen für die Behandlung gestörter Bewegungselemente Will man eine bestimmte Bewegung machen, setzt im Organismus ein kompliziertes Geschehen ein, das die Bewegungsabsicht über Willkürimpulse in ein sinnvoll gesteuertes Zusammenspiel von Synergisten und Antagonisten umsetzt, aus dem eine fließende Zielbewegung entsteht. Darin sind sehr wesentlich auch unwillkürliche, reflektorische Phänomene beteiligt, die vor allem die unbewußt zuverlässige statische Motorik (Muskeltonus, Haltung, Gleichgewicht) besorgen und den ausgewogenen koordinierten Ablauf jeder Willkürbewegung sicherstellen. Für die Motorik gibt es mehrere Energie- bzw. Nachrichtenzentren: das pyramidale und extrapyramidale System des Gehirns, zusammengefaßt als supraspinale Motorik; im Rückenmark die Motoneurone, in den Muskeln selbst die Dehnungsund Spannungssensoren, beides zusammengefaßt als spinale Motorik (Abb. 13).

2.2.1 Supraspinale Motorik Die Willkürmotorik hat ihre Quellgebiete und ihre übergeordnete Kontrolle in verschiedenen Zentren des animalen Nervensystems. Die alte Vorstellung, in der Hirnrinde (Motocortex, im Gyrus präcentralis entstünden die Entwürfe für jede Bewegungsabsicht, gilt nicht mehr als ausreichend. Wahrscheinlich hat das tiefer liegende Limbische System die Führung; es integriert somatische, vegetative und emotionale Erregungsvorgänge. Immerhin aber liegen im Rindenareal wichtige Schaltstellen, in denen die Informationen — das sind hier Impulsserien (S. 21) — zusammengestellt werden. Über die Pyramidenbahnen laufen sie zu den Vorderhörnern in den Segmenten des Rückenmarks (erstes motorisches Neuron). Hier endet das pyramidal-motorische System. Über Synapsen (S. 23) gehen die Impulse zu den in den Vorderhörnern gelegenen Motoneuronen, mit denen die spinalmotorische Gliederung (zweites motorisches Neuron) beginnt (vgl. Abb. 13). Das pyramidal-motorische System wird ergänzt durch ein extrapyramidal-motorisches Gefüge. Dieses gewissermaßen parallel geschaltete System hat die Aufgabe, die im erstgenannten System angeregten gröberen Bewegungen feiner abzustimmen, den Tonus der Muskeln, ihre Haltefunktion und die automatische Motorik — z. B. die Mitbewegung der Arme beim Gehen — zu kontrollieren bzw. all dies so zu modifizieren, daß der Bewegungsablauf in Gestalt eines koordinierten Bewegungsmusters (S.152) regelgerecht zustande kommt. Die extrapyramidal-motorischen Bahnen gehen — wie die pyramidalen — vom Motocortex und von anderen supraspinalen Zentren aus (vgl. Abb. 14). Sie erhalten Zuströme aus den Basalganglien (Umschaltstationen): dem Striatum, dem Pallidum, den hypothalamischen Strukturen, den Nuclei ruber und niger, der Formatio reticularis (hier laufen die verschiedenen Informationen zusammen) und dem

122

Methoden der Physikalischen Therapie

Kleinhirn. Das System erhält laufend sensorische Informationen aus den Sinnesorganen. Visuelle, akustische und andere Reize nehmen so, wie die aus Eigen- und Fremdreflexen dem Rückenmark zugehenden und hier reflektorisch verarbeiteten (kontrollierende, korrigierende spinale Sensomotorik) Zuströme, bahnend oder hemmend Einfluß auf die Willkürmotorik. Die Rückenmarksbahnen des extrkpyramidalen Systems sind der Tractus reticulospinalis und der Tractus rubrospinalis. Wichtig für die Bewegung und deren Therapie sind auch die vestibulospinalen Bahnen, die vom Nucleus vestibularis ausgehen und Informationen aus dem Gleichgewichtsorgan den Neuronen des Rückenmarkes zuführen. Bei der speziellen Behandlungsmethode nach Bobath (S.163) spielen sie eine besondere Rolle. Dem extrapyramidal-motorischen System steht das Kleinhirn zur Seite. Es ist im Nebenschluß mit allen motorischen Zentren verbunden. Es erhält Informationen über Lage und Haltung des Körpers aus den Sinnesorganen und über die Willkürimpulse aus den Pyramidenbahnen. So ist es ständig über alle willkürlichen und unwillkürlichen Bewegungen informiert. Über das komplizierte Geschehen der Haltungs- und Bewegungsvorgänge gehen ihm laufend Rückmeldungen zu (vgl. Reafferenzprinzip, S.57). All dies befähigt das Kleinhirn, rechtzeitig im Bewegungsablauf die extrapyramidal-motorischen Aktivitäten zeitlich und räumlich zu modifizieren und zu korrigieren, so daß fein abgestimmte, koordinierte Zielbewegungen zustande kommen. Eine Übersicht über diese Strukturen gibt die Abbildung 14.

2.2.2 Das spinal-motorische System (Alpha-Gamma-System, Reflexbögen, Regelkreise der Muskelfunktion) Das spinal-motorische System besteht aus erregbaren Strukturen im Rückenmark, in den Muskeln und aus den beide verbindenden Fasern. Aus bewegungstherapeutischer Sicht interessieren unter anderem die im Rückenmark (Medulla spinalis) gelegenen Schaltstellen, die Motoneurone, und in den Muskeln die spezialisierten Empfindungsorgane, die Spindeln. Miteinander sind sie zu Reflexbögen verschaltet. -Afferenz

Rezeptor Muskelspindel

Effektor Muskel

Ia-Faser

mmm

Efferenz Motoaxon

Abb. 15 Schaltschemaeines Muskeleigenreflexes.

Rückenmark Motoneuron (Synapse)

»

Bewegungstherapie (Krankengymnastik) dehnungsempfindlicher Rezeptor (Spindel)

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afferente sensible Faser (Ia)

L

motorische Endplatte efferente motorische Faser ( a )

- Zentrale Synapse im Vorderhorn (Motoneuron)

Abb. 16 Nervenbahnen eines Muskeleigenreflexes. Die Reflexe gehören notwendig zu jeder geordneten, supraspinal induzierten Muskeltätigkeit. Ihr Schema besteht aus einem sensiblen Rezeptor im Muskel (Spindel). Von hieraus führt eine afferente (aufsteigende) sensible Nervenfaser zum Hinterhorn im Rückenmark. Dort wird über eine Synapse die Verbindung zum Vorderhorn (mit den Motoneuronen) hergestellt. Eine efferente (absteigende) motorische Nervenfaser leitet zum Effektor, dem Muskel, zurück. Die Abbildung 15 stellt das Schaltschema, die Abbildung 16 die Bahnen eines Muskeleigenreflexes dar. Akteure sind die Motoneurone und die Muskelspindeln. 2.2.2.1 Motoneurone im Rückenmark Im Rückenmark liegen Schaltstellen des Reflexbogens, die Motoneurone. Ihre primären Anstöße für die Willkürmotorik erhalten sie aus höheren Ebenen (ZNS) über die efferenten Rückenmarksbahnen. Dazu kommen Informationen aus der Peripherie: den Muskeln (Eigenreflexe), der Haut und den Organen (Fremdreflexe). Diese fließen über afferente, sensible Bahnen den Hinterhörnern zu und erreichen von dort über eine oder mehrere Synapsen die Motoneurone in den Vorderhörnern. Es gibt zwei Arten dieser Nervenzellen, Alpha-(a-) und Gamma-(Y-)Motoneurone. Sie schicken über efferente, motorische Fasern (Motoaxone) a- und y-Aktivitäten zu den Muskeln. Jede dieser Zellen innerviert eine mehr oder weniger große Zahl von Muskelfasern, die zusammen jeweils eine motorische Einheit bilden. Diese Einheiten liegen im Muskel nicht beieinander, sondern verstreut, so daß sich die von jedem Motoneuron ausgehende Innervation über einen weiten Bereich des Muskels verteilt (große und kleine Einheiten des zweiten motorischen Neurons). Damit wird eine Abstufung der Muskelkraft möglich (S. 140), indem nacheinander mehr Einheiten anspringen. Die Zahl der von einem Motoneuron versorgten Muskelfasern entspricht der funktionellen Aufgabe eines Muskels. Muskeln, die feinere, komplizierte funktio-

124

Methoden der Physikalischen Therapie

zentrale a-Antriebe

afferente sensible Faser — Muskel Die Ia-Faser zum a-i-Motoneuron und die II-Fasem sind weggelassen Spindel tonisch

B

Abb. 17 Vollendeter Reflexbogen der a-Innervation.

nelle Besorgungen zu erfüllen haben, z.B. die Augenmuskeln, mit denen der Mensch schnell hin und herblickt oder die Fingermuskeln, die geschickte, feingliedrige Bewegungen machen, haben für nur wenige Fasern (ca. 15) ein Motoneuron. Jedes von ihnen ist mit seinem Axon (motorischer Nerv) und den von ihm über die motorische Endplatte versorgten Muskelzellen eine motorische Einheit. Größere Muskeln, die lediglich grobe Haltearbeit oder Bewegungen ohne feinere Abstufungen leisten, haben eine motorische Vorderhornzelle für jeweils sehr viel mehr Fasern. In den oberen Extremitätenmuskeln versorgt ein Motoneuron ca. 300, in den Beinmuskeln ca. 2000 Fasern. Die Innervation der Motoneurone aus dem Motocortex ist noch ziemlich roh, da je ein Neuron der Hirnrinde viele Motoneurone im Rückenmark versorgt So bedient jedes von diesen ganze Teile eines Muskels bis zu kleinen Gruppen von Muskeln. Die Aktionen der zentralen Neurone befähigen deshalb nur zu groben Bewegungen. Feinere Ziel- und Gebrauchsbewegungen entstehen erst unter dem Einfluß der extrapyramidalen Zuströme und den aus den Muskeln über die Motoneurone einspringenden Reflexaktivitäten. In der Abbildung 17 ist ein vollendeter Reflexbogen der a-Innervation dargestellt. Für das Verständnis krankengymnastischer Methoden ist es notwendig, im aSystem noch eine feinere Unterscheidung zu erläutern. Es gibt zwei Arten von a Motoneuronen: die großen a,- und die kleineren a 2 -Motoneurone. Die größeren werden nach ihrer Funktion auch „phasisch" genannt. Phasische Motoneurone sprechen auf die Schnelligkeit der Dehnung eines Muskels an (phasischer Dehnungsreflex) und lösen eine Kontraktion aus. Ihre Stärke hängt also von der Dehnungsgeschwindigkeit ab, sie entspricht einer Differentialquotientenanzeige (S. 22). Damit ist schon ein Hinweis gegeben auf die im folgenden zu besprechende Funktion der Muskelspindeln (S.125). Die a r M o t o n e u r o n e geben ihre efferenten Impulse über a r F a s e r n an schnell reagierende distale Skelettmuskeln, die geschickte Bewegungen besorgen.

Bewegungstherapie (Krankengymnastik)

125

Die kleineren a 2 -Motoneurone — das Ergebnis ihrer Tätigkeit wird auch „tonisch" genannt, d. h. sie reagieren proportional dem Ausmaß der Dehnung (Spannung) des informierenden Muskels mit mehr oder weniger „Signalen" pro Zeiteinheit — haben insgesamt eine langsamere Entladungsfrequenz. Sie bestimmen die Spannung bzw. die reflektorisch-tonische Aktivität (kontraktiler Muskeltonus, tonischer Dehnungsreflex) proximaler, mehr haltender Muskeln des Stammes und des Schulter- und Beckengürtels. Sie stabilisieren eine eingenommene Haltung und vermitteln auch langsame Bewegungen. Ihre efferenten Impulse gehen über a 2 -Fasern an die entsprechenden Muskeln, von denen sie gemäß ihrer reflektorischen Verschaltung auch afferente Informationen erhalten. Als dritte Art von Neuronen finden wir in den Vorhörnern noch die GammaMotoneurone (Abb. 18). Die y-Motoneurone empfangen ihre Zuströme aus den kortikalen Strukturen. Die zentralen y-Antriebe bewirken, daß Muskelkontraktionen, die von den noch zu beschreibenden Spindelaktivitäten (kontraktiler Tonus) ausgehen, in Bewegungen übergehen. Ihre motorischen Neuriten zu den Muskeln sind die efferenten Ay-Fasern. Impulse über diese Fasern sprechen auch ganz bestimmte Rezeptoren in den Muskelspindeln an (S.127), die das Reflexgeschehen und die Bewegungen modulieren. Eine schematische Übersicht über die Bahnen der spinalen Motorik gibt die Abbildung 19. 2.2.2.2 Spindelapparate der Muskeln Der eigentliche Motor aller Bewegungen ist eine feinfühlig reagierende Muskulatur. Muskeln verkürzen und verlängern sich unter Spannungsänderungen in den Muskelfasern. Die Spannung baut sich auf aus der Kontraktion der Muskelfasern

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Methoden der Physikalischen Therapie

Zuströme aus zentralen Neuronen über Rückenmarksbahnen

• j f ü Motoneurone Alpha 1 und 2 Gamma a-Fasern Ay-Fasern ^ ^

Muskel

1. motorisches Neuron

2. motorisches Neuron

f f

Abb. 19 Übersicht über die Bahnen der spinalen Motorik.

und dem entgegenwirkenden, durch Kraft zu überwindenden Widerstand gegen eine Bewegung. Die Spannungsänderungen geschehen zunächst durch die über Motoneurone weitergeleiteten supraspinalen Willensimpulse. Diese und die unwillkürlichen Haltungskorrekturen werden aber durch reflektorische Vorgänge, die von den Muskeln ausgehen und das spinal-motorische System zu einer funktionellen Einheit machen, vorbereitet, moduliert, ausgefeilt. Die in jede Bewegung integrierten Einstellungen von Muskellänge und Muskelspannung sind geregelte Größen, die Fühler (Rezeptoren) ihrer Regelkreise liegen in den Muskeln selbst; hier wird wiederum das Grundschema der Motorik, der propriozeptive Eigenreflex, sichtbar. Führende Rezeptoren für das Geschehen im Muskel sind die Muskelspindeln. Sie sind von einem fibrösen Gewebe umhüllt, das ihnen die Form einer Spindel gibt. Die Spindeln sind Dehnungsrezeptoren der Muskeln. Mit ihnen wird die Dehnung eines Muskels zu einem seine Funktion anregenden Faktor (Dehnungsreflex). In den Spindeln befindet sich eine Anzahl intrafusaler (lat. intra=innerhalb, fusus=Spindel) Muskelfasern, die nur in ihren Endteilen kontraktionsfähig sind. Die schematische Abbildung 19 zeigt nur eine intrafusale Faser einer Spindel. Die eigentlichen Muskelfasern, die „Arbeitsmuskelzellen", die den Muskel unter Willkürimpulsen verkürzen, sind die extravasalen Fasern. Die Abbildung 20 zeigt die verschiedenen Muskelfasern in der Spindel. Die Muskelspindeln sind sehr komplizierte Organe. Ihre Dehnungsrezeptoren liegen im Zentrum der Spindel. Hier windet sich um die intrafusale Muskelfaser spiralig eine Nervenfaser herum, der eigentliche Rezeptor. Er wird auch annulospirale (lat.: annulus=kleiner Ring), oder primär sensible Endigung genannt. Von diesen Fühlern laufen sensible, schnell leitende Nervenfasern zum Rückenmark, sie heißen Ia- bzw. Aa-Fasern. Sie finden monosynaptisch (Eigenreflex) Anschluß an die Motoneurone im Vorderhorn (vgl. Abb. 17 und 18). Wird ein Muskel gedehnt, sei es passiv von außen durch die Krankengymnastin, oder antagonistisch durch aktive Beugung eines Agonisten, dann verlängert diese Dehnung die extrafusalen Fasern des Muskels. Die intravasalen Fasern der Spindeln werden dabei mitgedehnt; sie machen die Längenänderungen der extrafusa-

Bewegungstherapie (Krankengymnastik)

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primär sensible Ia-Faser zum Rückenmark Intrafusale Faser nicht kontraktiler Mittelteil primär dehnungssensible, anni spirale Windungen sekundär sensible Enden kontraktile Enden Endplatte der efferenten Faser Sehne des Muskels

sekundär sensible Il-Faser zum Rückenmark Ib-Faser zum Rückenmark Golgi-Apparat

Abb. 20 Schema einer Muskelspindel.

len Fasern in jeder Richtung zwangsläufig mit, weil sie parallel zu den Arbeitsfasern liegen. Diese Dehnung erregt die annulospiralen Windungen, es gehen Aktionspotentiale (Spindelafferenzen) in die Ia-Fasern, das a-Motoneuron wird aktiviert. Es reagiert mit umso höherer Entladungsfrequenz, je mehr die Spindeln gedehnt werden (vgl. P-Anteil des Rezeptors, S. 22), bzw. je weiter die Dehnung des Muskels die Windungen der Spindel auseinanderzieht. Die Entladungsfrequenz ist also dem Grad der Dehnung bzw. der Länge des Muskels proportional (vgl. Regelkreis der Muskellänge, S.128). Die als motorische Einheit angeschlossenen Muskelzellen kontrahieren sich bzw. erhöhen ihre Spannung. Der beschriebene Ruhetonus der Muskeln (S. 84) rührt daher, daß alle Muskeln in aufrechter Haltung stets etwas gedehnt sind und so aus ihnen ständig niederfrequente Spontanentladungen an einige, wenige Motoneurone gehen. Diese bewirken den sogenannten Ruhetonus (Reflextonus), der für eine Bewegung (Verkürzung) noch nicht ausreicht. Elektromyographisch ist er stets nachweisbar (S.418). Er stellt eine Voraussetzung dar für jede Muskelkontraktion, indem er eine gewisse Vorspannung unterhält, die den Muskel zu situationsgemäßer Verkürzung stimuliert. Der reflektorische Tonus „ruhender" Muskeln und die von der jeweils gegebenen Gelenkstellung mitbestimmte reflektorisch-tonische Muskelaktivität (kontraktiler Tonus) passen die Haltung des Körpers und die Stellung seiner Glieder den Außenbedingungen an und schaffen die günstigsten Ausgangsbedingungen für die Bewegungen. Der kontraktile Tonus erreicht in den Flexoren seinen höchsten Wert, wenn das zugehörige Gelenk ganz gestreckt ist, in den Extensoren erreicht er seinen höchsten Wert in Beugehaltung. Ein Gleichgewicht zwischen dem Tonus der Beuger und Strecker stellt sich ein, wenn die Kräfte, die durch den Spannungszustand der Muskeln gegeben sind, einander entsprechen. So entspannt mit sehr geringem kontraktilen Tonus der ruhig im Bad liegende Mensch alle seine Muskeln, wenn durch den Auftrieb (S. 267) die Schwerkraft aufgehoben ist.

128

Methoden der Physikalischen Therapie Muskelspindel (primär sensibler Rezeptor) la-Faser

Rückenmark (Motoneuron)

a-Faser

Muskel

Alpha-System Abb. 21 Übersicht zur primär sensiblen Spindelfunktion.

Die Krankengymnastik nutzt dies systematisch in den Programmen der bahnenden Haltungen (S. 141 f.) und Bewegungsübungen aus. Für die Praxis ist es wichtig zu wissen, daß jede mit gleicher Zugkraft wiederholte Dehnung zu einer weiteren Verlängerung des Muskels und damit zu einer höheren Bereitschaft zu reflektorischer Kontraktion führt. Das bedeutet, daß nicht zunehmende Kraft, sondern wiederholtes leichtes Dehnen Erfolg bringt (vgl. Dehnung bindegewebiger Strukturen, S.151). Die Dehnungssensibilität hat auch für die Technik krankengymnastischer Behandlungen große Bedeutung. Dehnt die Krankengymnastin sehr langsam (vgl. Einschleichprinzip, S. 964), etwa um ein Glied in eine Ausgangsstellung bzw. -haltung zu bringen (S.163), dann spricht die Spindelmitte (phasischer Dehnungsreflex) nicht an, d. h. die Spannung des Muskels erhöht sich nicht, weil bei geringer Änderungsgeschwindigkeit der D-Anteil der Rezeptoren (S.22) noch nicht reagiert. Dehnt sie dagegen schneller, dann gehen umso mehr Spindelafferenzen (PAnteil des Rezeptors) zum Rückenmark und von dort zum Muskel zurück. Der Kontraktionsreflex springt an, die Willkürbewegung wird gebahnt bzw. unterstützt. Kontrahiert sich ein Muskel, dann entdehnt dies die Spindeln in dem Maße, wie die annulospiralen Windungen mit der Verkürzung näher aneinanderrücken. Die Impulsfrequenz in den Ia-Fasern nimmt ab oder versiegt ganz, obwohl die Spannung im Gesamtmuskel zunimmt. Die Muskelspindeln signalisieren also stets die Länge des Muskels (Regelkreis der Muskellänge). Verkürzt die Krankengymnastin einen Muskel passiv, indem sie Ursprung und Ansatz einander nähert, dann entspannt auch dies, zumal jetzt die motorischen y-Impulse fehlen (vgl. Verkürzungsreaktion, S.156). Die Spindeln besitzen noch eine zweite dehnungssensible Eigenschaft, die sich als steuerbarer Vorspann für die primär sensible Spindelmitte (Regelkreis der Muskelspannung) darstellt. An den beiden Enden jeder intrafusalen Faser liegen ihre Rezeptoren (sekundär-sensible Spindelenden genannt). Unter der von den yMotoneuronen über Ay-Fasern kommenden Impulsen kontrahieren sich die im Gegensatz zur Spindelmitte kontraktionsfähigen Enden. Die intrafusalen Fasern haben also wie die extrafusalen Muskelfasern neben der sensiblen eine motorische Innervation (Abb. 21 u. 22).

Bewegungstherapie (Krankengymnastik)

129

Peripherie (Fremdreflexe)

Gehirn Rückenmark (y-Motoneurone)

(a-Motoneurone)

I

Ay-Faser • Muskelspindel (sekundär sensibler Rezeptor) (mot. Spindelinnervation) lsRS«(äs»!Rs»«||ii-

Î

Ia-Faser

dehnt passiv den primärsensiblen Spindelanteil

Abb. 22 Übersicht zur sekundär sensiblen Spindelfunktion.

in Ruhe


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Abb. 28 Kraftzunahme im Training in Abhängigkeit von der Trainingskraft.

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10

30 50 % der maximal möglichen Ausdauer

Abb. 29 Kraftzunahme im Training in Abhängigkeit von der Dauer der Muskelanspannung (Muskelspannung bis zur Erschöpfung = 100%).

Die dynamometrisch meßbare Kraft eines Muskels und sein in der Praxis nur grob zu beurteilender Querschnitt sind einander proportional. Als Wachstumsreiz für die Muskelfasern wirken Kontraktionen, die ein bestimmtes Maß der vorhandenen Maximalkraft (Trainingsspannung) beanspruchen, eine gewisse Zeit die Spannung halten (Ausdauer) und dies genügend oft (Trainingshäufigkeit) tun. Insgesamt ist dies ein dynamisches Krafttraining durch Bewegung gegen Widerstand. Die Abbildungen 28-30 (geringfügig modifiziert nach [234,235] zeigen den Effekt bei statischem Krafttraining. In der krankengymnastischen Behandlung gibt es zwei grundsätzliche therapeutische Verfahren: Übungen, die den Ablauf der Bewegungen vervollkommnen und statisches und dynamisches Training der Kraft und Ausdauer der Muskeln. Übung und Training sind nicht das gleiche. Übungen verbessern den Wirkungsgrad der Bewegungen, d. h. das Verhältnis von Aufwand zu Erfolg wird besser, die

Bewegungstherapie (Krankengymnastik)

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Anzahl der Trainingsreize/ Woche Abb. 30 Kraftzunahme im Training in Abhängigkeit von der Trainingshäufigkeit.

Koordination der nervösen und muskulären Vorgänge spielt sich ein. Übungen führen nicht zu sichtbaren Veränderungen an den Muskeln, auch nicht zu allgemeiner Leistungssteigerung. Training [235] verlangt von den Muskeln Arbeit knapp unter der Dauerleistungsgrenze (S.170), eben unter der aeroben Schwelle und dies über längere Zeit (Wochen). Als Trainingserfolg verändert sich die Struktur der Muskeln. Die Muskelfasern vermehren sich zwar nicht, sie nehmen aber an Volumen zu (Arbeitshypertrophie), bilden mehr Myofibrillen (kontraktive Eiweißstrukturen), mehr und größere Mitochondrien, an denen sich mehr Enzyme finden, die für die oxydative (aerobe) Energiegewinnung (S.168f.) erforderlich sind. Trainierte Muskeln speichern gewissermaßen kraftspendende Energie als Vorrat an Glykogen und Adenosintriphosphat (ATP), die im Bedarfsfall sofort zur Verfügung stehen. Auch die Kapiiiarisierung der Muskeln nimmt zu. Dies erklärt, weshalb ein trainierter Muskel den angebotenen Sauerstoff besser ausnutzt (vgl. Utilisation, S.690). Ausdauertraining großer Muskelgruppen führt auch zu Leistungssteigerungen des Herzens (S.172), es vergrößert sich, das Schlagvolumen nimmt zu, und die Frequenz sinkt ab (S. 187 f.). Die Anspannungsdauer gewährleistet das besterreichbare Ergebnis, wenn der Proband bei seinen Anspannungen jeweils 25 bis 30% der möglichen Ausdauer einhält (vgl. Abb. 29), ein Wert, der auch für Kranke zumutbar ist. So reagiert der Kreislauf bei isometrischen Anspannungen einzelner Muskelgruppen für 2 bis 3 Sekunden praktisch nicht [234]. Als Trainingshäufigkeit bewähren sich 1 bis 5 kräftige Muskelanspannungen pro Tag, in der Praxis eine krankengymnastische Behandlung täglich. Die Abbildung 30 zeigt, daß — gemessen an einzelnen Muskeln — durch Übung eine Kräftigung schon in relativ kurzer Zeit möglich ist. Wie man solche Basiswerte in ein krankengymnastisches Übungsprogramm einbringt und individuell anpassend modifiziert, ist dabei eine Frage des Gefühls und der Erfahrung.

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Methoden der Physikalischen Therapie

Für die Dosierung bewegungstherapeutischer Anforderungen an erkrankte Muskeln gilt das Arndt-Schulz-Gesetz (S. 962), nach dem schwache Reize anregen. In diesem Fall fördern sie schon die Durchblutung der Muskeln und deren Stoffwechsel, insgesamt verhüten sie die Inaktivitätsschäden, bringen aber keinen Gewinn an Kraft und Ausdauer. Stärkere Reize führen zu der gewünschten Anpassung sowohl der Muskeln als auch des ganzen Organismus [516]. Zu starke Reize wirken dagegen schädigend, da sie entweder kranke Muskeln mit einer zu hohen Sauerstoffschuld belasten oder den Organismus überfordern, etwa das Herz, den Kreislauf, die Atmung oder Teile des Bewegungsapparates selbst. Das schwächste Glied bestimmt jeweils, ob die Dosierung angemessen war oder nicht (S.174). Die Elemente der übenden und der kräftigenden, trainierenden Behandlungen sind die Muskelkontraktionen und die Bewegungen. Die Muskeln verkürzen bzw. kontrahieren sich mit und ohne Spannungsänderung. Muskeln, die sich kontrahieren, bewirken entweder eine Bewegung oder eine Spannungszunahme. Es gibt also verschiedene Arten der Muskelkontraktion: Isometrische Kontraktionen (gr.: isos=gleich, metron=das auf die Länge bezogene Maß) entwickeln Kraft (Maximalkraft), indem die Spannung im Muskel wächst, seine Länge sich aber nicht ändert, sondern gleich bleibt. Der Muskel leistet statische Arbeit, d. h. Haltearbeit (S. 147). Deshalb sagt man heute statt isometrische auch statische Kontraktion, obwohl statische Muskelarbeit gemeint ist. Das Wort „Kontraktion" ist also nicht unbedingt identisch mit Verkürzung. Bei der isometrischen Kontraktion werden, über Gamma-Motoneurone vermittelt, die intrafusalen Fasern erregt. Sie kontrahieren sich. Dadurch wird zwar Länge und Spannung des Muskels noch nicht geändert, der zentrale Anteil der intrafusalen Fasern aber gedehnt (S.126). Dies führt, wie die Dehnung des ganzen Muskels, zu afferenten Aktionspotentialen in Ia-Fasern und damit zu EPSP (S.24) in den entsprechenden Alpha-Motoneuronen [564]. Statisch kontrahieren sich die Muskeln, z.B. beim Tragen von Lasten. Isometrisch sind auch die ständigen, unbewußten Spannungsänderungen in den sogenannten posturalen Muskeln (S. 132). Diese unwillkürlichen, reflektorischen, muskulären Kontraktionen sind nötig, um das Gleichgewicht im freien Stand oder eine eingenommene Haltung zu stabilisieren. Eine Bewegung durch Verkürzung von Muskeln findet dabei nicht merklich statt. Die Kraft wirkt sich jeweils an den beiden fixierten Muskelenden aus; die wechselnden Spannungen sorgen dafür, daß der Schwerpunkt sich nicht verlagert. Isotone Kontraktionen (gr.: tonos = Spannung) bedeuten eine Veränderung der Muskellänge, die Spannung baut sich dabei langsam auf, im Verlauf der Bewegung ändert sie sich dann aber nicht mehr. Man spricht besser von isotoner Längenänderung, wenn ein Muskel sich isoton verkürzt oder verlängert, jeweils ohne die Gesamtspannung zu ändern. Rein isotone Kontraktionen kommen praktisch kaum vor, weil alle Bewegungen ständig neben Längenänderungen auch Spannungsänderungen verlangen. Die Kontraktionen der Muskeln sind daher gemischt, sowohl isometrisch als auch iso-

Bewegungstherapie (Krankengymnastik)

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ton. Diese Kontraktionsart nennt man auxoton (lat.: auxiliarius = hilfreich), ihre bewegende Tätigkeit ist, im Gegensatz zur statischen (haltenden), eine dynamische (konzentrische) Kontraktion. Statische Kontraktionen werden auch als „statische Arbeit" bezeichnet. Der Ausdruck ist in der Physiologie für Haltetätigkeiten üblich, obwohl physikalisch nicht ganz korrekt, statische Arbeit wird nicht als äußere Arbeit sichtbar. Die statischen Kraftübungen der Muskeln führt der Gesunde mit Maximalkraft aus; das ist die größtmögliche Kraft, die alle motorischen Einheiten einspannt (S. 140 u. 143). Im Rahmen eines krankengymnastischen Übungsprogramms bringen willkürliche Muskelkontraktionen gegen Widerstand schon eine Hypertrophie, wenn bei jeder Anspannung mehr als 30% der Maximalspannung über mindestens 3-5 Sekunden [233, 234] bzw. 25-30% der möglichen Ausdauer (vgl. Abb. 29) gefordert wird. Für die isometrischen Spannungsübungen, bei denen jede Bewegung verhindert wird, genügt schon ein Kraftaufwand mit ca. 15% der Maximalkraft. Die Energiebildung bleibt im aeroben Bereich (S.169; vgl. auch lokales, aerob-statisches Muskelausdauertraining S.148), um die vorhandene Trophik der Muskeln und den Kreislauf aufrecht zu erhalten; dies verhindert Atrophien und auch Blutstasen (vgl. Muskelpumpe, S. 876). Solche Übungen dürfen schon bettlägerigen Kranken zugemutet werden, wenn die Krankengymnastin die Voraussetzungen des Übungsprogramms (S. 194) beachtet. Im dynamischen Krafttraining entwickeln die Muskeln ihre Kraft auxoton innerhalb von Bewegungsabläufen mit ständigem Wechsel von Kontraktion und Erschlaffung. Zwei Arten der Kraft werden unterschieden: die dynamisch-konzentrische und die dynamisch-exzentrische [260], Konzentrisch verkürzt sich ein Muskel, wenn die von ihm entwickelte Kraft größer ist als die zu überwindenden äußeren Widerstände. Er verkürzt sich dabei mit einer Bewegung in Richtung des Muskelzuges, so daß Ursprung und Ansatz sich einander nähern, konzentrisch auf das Zentrum des Muskels zu. Exzentrisch bedeutet, der Muskel verlängert sich, weil die von außen angreifende Kraft — z. B. Dehnung durch die Krankengymnastin — größer ist als die vom Muskel entwickelte Kraft; Ursprung und Ansatz des Muskels entfernen sich von seinem Zentrum. Er setzt seiner Dehnung aber reflektorisch einen Widerstand entgegen, entwickelt so eine „exzentrische" Kraft und leistet damit „exzentrische" (trainierende) Arbeit. Sowohl das statische wie auch das dynamische Krafttraining bringen eine Verbesserung der Ausdauer. Man versteht darunter die Fähigkeit der Muskeln oder des Organismus, eine bestimmte Anforderung (Kraft, Arbeit, Leistung) eine gewisse Zeit durchzuhalten. Für Dauerleistungen der Muskeln ist deren Durchblutung entscheidend. Die Arbeits- und Sportmedizin unterscheidet im Ausdauertraining je nach Umfang der tätigen Muskulatur zwischen lokaler, aerober und anaerober (statischer und dynamischer) Muskelausdauer und allgemeiner, aerober und anaerober Ausdauer [264], Im aeroben Bereich niedriger Leistung beträgt die Ausdauer Stunden, unter anaerober Energiebereitstellung nur Sekunden bis längstens 2 Minuten.

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Methoden der Physikalischen Therapie

Für das Training der sogenannten lokalen Muskelausdauer gilt, daß nur wenige Muskeln, weniger als ca. 15% der Skelettmuskelmasse, beansprucht werden, z.B. durch die bewegenden Muskeln (dynamisches Training) eines Gelenkes, eines Beines oder Armes. Dies fördert die allgemeine Ausdauer nicht. Das allgemeine Ausdauertraining nimmt mehr als 15% der Skelettmuskelmasse, am besten alle größeren Muskeln (S.170), in Anspruch. Übungen größerer Muskelteile in aerob-dynamischer Form beanspruchen und trainieren die Leistungsfähigkeit von Herz, Kreislauf, Atmung und Stoffwechsel (vgl. sogenannte Stoffwechselübungen, S.196), sie werden auch „Kreislauftraining" genannt. Die krankengymnastische Bewegungsbehandlung erfordert, damit geschädigte Muskeln „lokal" gekräftigt oder geschwächte Patienten, z. B. Herzkranke (S. 676), „allgemein" leistungsfähiger werden, wiederholte Muskelkontraktionen von 10 Minuten und mehr. Dabei sollte jede Muskelanspannung und auch die Gesamtbelastung im submaximalen Spielraum bleiben (vgl. Trainingspuls, S.190), damit der Muskelstoffwechsel den aeroben Bereich (S. 687) nicht verläßt und sich unterhalb der Dauerleistungsgrenze hält. Unterhalb dieser Grenze besteht ein Gleichgewicht zwischen Sauerstoffverbrauch und Sauerstoffangebot. Die Schwelle in den anaeroben Bereich (Energiegewinnung durch anaeroben Abbau der Glukose, S. 169) wird nicht überschritten, was an der vorzeitig aufkommenden Ermüdung sichtbar würde. Die Widerstandsübungen (S.149) und die Halteübungen (S.157) fordern dagegen mit wiederholten, kräftigen Muskelanspannungen kurzdauernd die anaerobstatische und dynamische Ausdauerleistung. Mit der starken Anspannung werden die Kapillaren im Muskel komprimiert, so daß er auf eine anaerobe Energiebereitstellung zurückgreifen muß. Däbei gehen die Muskeln eine Sauerstoffschuld ein (S.169). Das erfordert zwischen den krankengymnastischen Übungen entsprechende Erholungspausen. Nach arbeitsphysiologischen Erkenntnissen ist der Anfangsteil einer Pause der „lohnendste", er bringt in einer bis wenigen Minuten % der Gesamterholung (vgl. Erholungspuls, S.193). In der krankengymnastischen Behandlung geschwächter Muskeln sind längere, vollständige Erholung bringende Pausen unentbehrlich. In den älteren Lehrbüchern der Krankengymnastik werden im Zusammenhang mit Bewegungsbehandlungen, die den Gesamtstoffwechsel anregen sollen, z.B. bei der Adipositas oder dem Diabetes, Dauergymastik oder Dauerübungen empfohlen. Sie werden als Bewegungen definiert, die der Patient eine halbe bis eine Stunde ohne Anstrengung des Bewegungsapparates und ohne Steigerung der Herztätigkeit ausführt. Abgesehen davon, daß dies ohne Anregung von Herz und Kreislauf gar nicht möglich ist, gehören Bewegungsübungen, die länger als eine halbe Stunde fast gleichförmig betrieben werden, eher in den Bereich des ärztlich verordneten und überwachten Sportes. Der Begriff „Dauerübung" erscheint deshalb in der Krankengymnastik entbehrlich. Nehmen unter den Übungsreizen mit der Zeit Muskelkraft und -ausdauer und

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auch die allgemeine Leistungsfähigkeit zu, dann ist bald der Punkt erreicht, an dem eine gleichbleibende Übung ihren Reizcharakter verliert. Die Kraftanforderung im Verhältnis zu der größer gewordenen Maximalkraft und -leistung ist zu gering, um noch einen Trainingsreiz im Sinne der oben gegebenen Definition darzustellen (S. 145). Wenn der Kraftgewinn einzelner Muskeln und auch des Organismus als funktionelle Einheit oder das Erreichen einer größeren Ausdauer mit zum Therapieziel gehören, muß man deshalb, wie im Leistungssport, auch in der Krankengymnastik ein sogenanntes progressives Training betreiben. Es gilt, die Entwicklungsreserven der Muskeln oder inneren Organsysteme durch entsprechend hohe Anforderungen zu erschließen und so die Organfunktion auf das benötigte Leistungsniveau zu bringen. Im Alltag des gesunden, körperlich arbeitenden Menschen stellt sich ein einfacher Mechanismus ein, an dem sich im Rehabilitationsprogramm Arzt und Krankengymnastin orientieren können. Sinkt die in der Berufsarbeit von den Muskeln geforderte Kraft unter ein Drittel ihrer Maximalkraft, dann läßt die Kraft der Muskeln nach, eben weil sie nicht mehr genügend gefordert werden. Bleibt die Arbeitsanforderung jetzt weiterhin die gleiche, dann nimmt die Kraft erst wieder zu, wenn die Anstrengung für die schwächer gewordenen Muskeln wieder über ein Drittel ihrer nun verminderten Maximalkraft hinausgeht, bzw. wenn die Arbeit wieder zum Trainingsreiz geworden ist. Auf Dauer kann sich die Muskelkraft unbemerkt auf etwa das Dreifache der im täglichen Leben benötigten Kraft steigern [392], wobei auch die Kraftreserven angelegt werden. In der Praxis der Krankengymnastin genügt es, eine mit Anstrengung vorgenommene Kontraktion als Maximalkraft zu unterstellen, wobei der Krankengymnastin die verantwortungsvolle Aufgabe zufällt, mit „klinischem Blick" darauf zu achten, daß die Anstrengung für einen Kranken nicht zu groß wird (S. 182).

Widerstandsübungen, Schnellkraftübungen, Ausdauertraining Ein Mittel, die Kraftentwicklung eines Muskels herauszufordern und ihn damit zu stärken, sind die Widerstandsübungen, mit denen die Krankengymnastin dosierte und auf einzelne Muskeln gezielte Entwicklungsreize einbringt. Bei den Widerstandsübungen ist es von Bedeutung, daß die Krankengymnastin den Widerstand, den sie einer Bewegung entgegensetzt, gefühlvoll der augenblicklichen Kontraktionsfähigkeit des Muskels anpaßt, also eine ganz individuelle Dosierung der abverlangten Leistung vornimmt. Dabei kommt es darauf an, kranke Muskeln oder, in einem komplexen Bewegungsmuster, einen einzelnen, noch zu schwachen Muskel nicht zu überfordern. Die gegebenen Widerstände setzen an den Hebeln der Glieder an und wirken, entsprechend den Hebelgesetzen, der Kontraktionskraft entgegen. Je größer der gegebene Widerstand oder je länger der Hebelarm ist, umso höher muß die intramuskuläre Spannung ansteigen, um noch eine Verkürzung des Muskels und damit eine Bewegung im Gelenk vollziehen zu können. Den bei Übungsbehandlungen

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Methoden der Physikalischen Therapie

gegebenen Widerstand dosiert die Krankengymnastin so, daß die Bewegung fließend bleibt, die Kraftentfaltung des Muskels aber ansteigt; oder er wird unüberwindbar gestaltet, damit sich eine maximale, isometrische Kontraktion ergibt. Geringer Widerstand gegen willkürlich ausgeführte Bewegungen nimmt nur einen Teil der motorischen Einheiten der einzelnen Muskeln in Anspruch. Je größer der gegebene Widerstand ist, je mehr Kraft also der Patient aufwenden muß, um eine beabsichtigte Bewegung zum Ziel zu führen, umso mehr motorische Einheiten aktiviert dies mit umso höheren Impulsfrequenzen. Maximaler Widerstand durch die Krankengymnastin nimmt alle, willkürlich vom Patienten innervierbaren Einheiten in Anspruch (vgl. Summation, S.140), erregt alle dazugehörigen neuromuskulären Spannungsrezeptoren, innerviert alle Muskelfasern, kräftigt unter regelmäßiger Übung den ganzen Muskel und hebt seine Ausdauer. An dieser Stelle kann daran erinnert werden, daß flüssige Bewegungen dadurch zustande kommen, daß nacheinander immer mehr Muskelfasern innerviert und wieder abgeschaltet werden (S.140). Man sieht daran, welch bewährtes Mittel die Krankengymnastin mit den Widerstandsübungen in der Hand hat. Sie muß aber wissen, ob der Muskel in all seinen Fasern innervierbar ist. Wie sich teilweise innervationsgestörte Muskeln, d.h. Muskeln, in denen nur einzelne Fasern vergeblich auf Zustrom aus ihren Motoneuronen warten, verhalten, wird noch näher erläutert werden (S.371). Die wichtigsten Übungen sind die Kraftübungen. Von jedem an einer Bewegung beteiligten Muskel werden dabei Anspannungen (Arbeitsleistung) mit einem Kraftaufwand gefordert, der größer ist, als ihn die Muskeln gewöhnlich aufzubringen haben. Die Schnellkraftübungen werden aus der Ruhelage oder von hinten ausholend plötzlich, mit großer Kraft und viel Schwung ausgeführt, dann wieder kurz, aktiv oder passiv, abgebremst. Damit werden die Muskeleigenreflexe mit der reziproken antagonistischen Innervation für fast alle Muskelfasern in Anspruch genommen. Die Dehnungsreflexe fördern die Schnelligkeit, mit der ein Muskel reagiert. Sie hängt natürlich auch von der Kraft des Muskels ab und von der Koordination der beteiligten Akteure. Beispiele für sportliche Schnellkraftübungen sind Boxstöße, Weitsprung und Schnellauf. Was immer die Ursache einer Muskelschwäche sein mag, solche Muskeln bedürfen neben einer sehr individuell gehaltenen bewegungstherapeutischen Dosierung noch anderer Rücksichten, auf die Arzt und Krankengymnastin besonders zu achten haben. Diese Elemente der Behandlung sind vorbeugender oder ergänzender Art. Schlaff gelähmte Muskeln müssen vor einer Überdehnung durch die Schwerkraft oder durch stärkeren Zug der Antagonisten bewahrt werden, denn der physiologische Schutz, der durch reflektorische Kontraktionen gegeben ist (S. 829) und der ein Gleichgewicht zwischen Agonisten und Antagonisten herstellt, geht besonders bei den spastischen Lähmungen verloren. Dies führt auf der spastischen Seite, die z.B. beim Wernicke-Mann-Lähmungstyp (S.829) am Arm die Beuger, am Bein die Strecker betrifft, zu Kontrakturen, wenn diese Tendenz nicht durch vorbeugende Maßnahmen bekämpft wird (S. 828 f.).

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Sowohl hypo- als auch hypertone Muskeln sind schlecht durchblutet. Aktive Tätigkeit der gesunden Muskeln, Massagebehandlungen und zusätzlich gegebene hydro- oder elektrotherapeutische Reize fördern die Durchblutung wirksam. Sie gehören deshalb gleichfalls in das Therapiekonzept geschädigter Muskeln. Die Ausdauer der muskulären und, damit untrennbar verbundenen, allgemeinen körperlichen Leistungsfähigkeit ist noch wichtiger als die Kraftleistung. Als Kriterium für die Ausdauer gilt hier nur in bestimmten Fällen die meßbare und oft sichtbare Muskelermüdung. Häufiger ist der begrenzende Faktor für die Muskelleistung das Herz-Kreislaufsystem. Die Ausdauer ist ebenfalls eine Leistungsqualität, die sich nur durch wiederholte Muskelkontraktionen im Verlauf eines langdauernden Übungsprogrammes entwickelt. Um in der Bewegungstherapie, z. B. in der Gehschule oder den zahlreichen Übungsaufgaben der Beschäftigungstherapie, die Ausdauer einzelner Muskeln und die des Organismus als untrennbare Einheit zu verbessern, müssen entsprechende dynamische Muskelanforderungen gestellt werden. Nur das Training dynamischer Arbeit erhöht die Ausdauer für solche Anforderungen wesentlich, während Training mit statischer Arbeit die Ausdauer bevorzugt für statische Tätigkeiten verlängert [205]. Für eine kombinierte Behandlung nicht mehr innervierter, der Willensimpulse entbehrender Muskeln bietet die Elektrogymnastik (S. 369) Möglichkeiten. Selbst bei den Myopathien, die einen Kraftzuwachs nicht mehr erhoffen lassen, können Übungsbehandlungen mit geführten, nur leichten, gefühlvollen Widerstand gebenden Bewegungen noch indiziert sein, um wenigstens die restliche Muskelkraft nicht einer zunehmenden Inaktivitätsatrophie preiszugeben oder auch, um die noch erhaltenen Fasern eines erkrankten Muskels ein wenig zu fördern. Dies setzt allerdings große Erfahrung bei der Krankengymnastin voraus.

2.3.4 Behandlung bei Gelenkkontrakturen Pathologische Einschränkungen der Bewegungsausmaße in den Gelenken, die bewegungstherapeutischen Bemühungen zugänglich, d.h. durch verhütende und behandlerische Maßnahmen krankengymnastischer Art zu meistern sind, kommen zustande — aufgrund von Strukturveränderungen in der Haut bei Narben (dermatogene Gelenkkontrakturen) und aufgrund von Schrumpfungen von Kapseln und Bändern; die Behandlung bedient sich hier dehnender Maßnahmen, die das gefesselte Bewegungsausmaß wieder befreien. — aufgrund von fibrös-adhäsiven „Verklebungen" in Gelenken im Anschluß an entzündliche Gelenkerkrankungen und aufgrund von Verletzungen (arthrogene Kontraktur), die man ebenfalls nur durch vorsichtig dehnenden Zug lösen kann.

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Methoden der Physikalischen Therapie

Bei den oben genannten Erkrankungen sind auch die für die Gelenkbewegung sorgenden Muskeln sekundär in ihrer Funktion beeinträchtigt, obwohl sie primär nicht durch Krankheit gestört sind. Sie befinden sich stets in einem veränderten Zustand, der die Beweglichkeit einschränkt. Auf der Beugeseite sind sie verkürzt, auf der Streckseite überdehnt. In der Regel ist hier die Muskelfunktion durch übenden Gebrauch gut wiederherzustellen; die Bewegungsbeschränkung der Gelenke erfordert oft neben den Lagerungen und krankengymnastischen Dehnungen noch andere orthopädische Maßnahmen wie Schienen, Quengelungen, Gipsschalen. Liegen Einschränkungen des Bewegungsausmaßes in Gelenken vor, dann erfordert dies krankengymnastisch geführte passive Bewegungen, die den Endpunkt der freien Beweglichkeit über den Widerstand der Bewegungseinschränkung hinaus durch Nachfedern an der Grenze des freien Ausmaßes erweitern. Derartige Behandlungen muß der Arzt genau festlegen. Der Behandler, Masseur oder Krankengymnastin, ist gehalten, die Schmerzgrenze nur eben zu erreichen, nicht zu überschreiten, damit nicht zerreißende Übertreibungen Schaden anrichten.

2.3.5 Bewegungsbahnung in Komplexbewegungen Die krankengymnastischen Methoden sind in Jahrzehnten empirisch entwickelt worden. Lange Zeit beschränkte man sich darauf, die einzelnen Muskeln anzuspannen und zu entspannen und damit einfache Bewegungen in nur einer Ebene auszuführen. Dies geschah vielfach mit maschinellen Apparaten für Beuge- und Streckbewegungen (Zander-Apparate u.a.). Anfang der fünfziger Jahre erhielt die Krankengymnastik neuen Auftrieb, als ihre Vertreter statt der einfachen, eindimensionalen, die ganze komplexe Bewegung als Behandlungsaufgabe und -ziel erkannten. Die Erkenntnisse über die komplizierte Innervation der Muskeln lieferten viel bessere Grundlagen, um die Möglichkeiten der Bewegungstherapie wesentlich zu erweitern. Der Kliniker H. Kabat ging in seinem Bestreben, „Gelähmten" zu helfen, von den gesunden Menschen aus und studierte an diesen die physiologischen, diagonal-spiraligen Bewegungen, die er als Bewegungsmuster beschrieb [305]. Unter Bewegungsmuster (engl, „pattern" genannt) versteht man Umfang und Richtung einer Zielbewegung. Jede Bewegung hat eine bis mehrere Komponenten. So ist z. B. Beugen und Strecken des Unterarmes im Ellenbogengelenk nur ein einfaches Bewegungsmuster, mit dem allein man nicht viel anfangen kann. Zu den einfacheren Mustern kommen komplexere Bewegungen in diagonalen Richtungen hinzu, d. h., um beim Beispiel zu bleiben, der sich beugende Unterarm kann mit Hilfe von Synergisten die Bewegungsebene, die im rechten Winkel zur Gelenkachse liegt, verlassen. Er führt dann, indem er gegebenenfalls das Schultergelenk hinzunimmt, gleichzeitig mit der Beugung oder Streckung eine Rotation nach innen oder außen aus, bezogen auf die Körperachse oder die Längsachse des Unter-

Bewegungstherapie (Krankengymnastik)

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armes. Mit derartigen diagonal-spiraligen Bewegungen kommen die Richtungen der Gebrauchsbewegungen zustande, indem sich Flexion und Extension, die Adund Abduktion, Außen- und Innenrotation und ihre Variationen Elevation und Retroversion zu einer zielgerichteten Komplexbewegung vereinen. Folgendes Beispiel stellt eine komplexe, zielgerichtete, aber ganz unbewußt zu einer Synergie vereinte Gebrauchsbewegung dar: Man pflückt einen Apfel vom Baum, führt ihn zum Mund und beißt hinein. Dazu wird der Bewegungsablauf dieser Absicht, wie in Kapitel 2.2 näher erläutert, im supraspinalen System geplant und in Informationen umgesetzt. Jede Verkürzung eines Muskels dehnt den Antagonisten, der wiederum eigenreflektorisch durch Kontraktion die Verkürzung des Agonisten abbremst (reziproke, antagonistische Innervation). Dies aber gibt dem verkürzten Agonisten wieder einen Dehnungsimpuls. Ohne die so alternierende eigenreflektorische Aktivierung von Agonisten und Antagonisten aller beteiligten Muskeln würde das Ziel der Bewegungsabsicht kaum erreicht. Jedes handwerkliche Geschick, definiert als gute Koordination feinmotorischer Bewegungen, und die Erfolge der Leistungssportler, sie beruhen auf einer gewandten, wohl ausgewogenen Koordination der Gesamtmotorik, bestehend aus unbewußt innervierten, aber willkürlich steuerbaren Komplexbewegungen. In ihnen erkennen wir auch die Eigenreflexe wieder, die jede komplexe Willkürbewegung prägen. In der Kombination ergeben sich alle Bewegungsmuster, nach denen die Bewegungen des täglichen Lebens geschehen. Alle Muster sind Bewegungssynergien, sie spiegeln das ganze komplizierte System der normalen Motorik. Die Bewegungskombinationen und -Synergien laufen automatisch ab. Dies wurde treffend mit dem Satz formuliert: „Das Gehirn weiß nichts von einzelnen Muskelaktionen", besser gesagt, es achtet nicht darauf, „es kennt nur Bewegungen" [333]. Das bedeutet: Wir lösen willkürlich, bewußt oder unbewußt, eine motorische Handlung aus, die Einzelheiten besorgen das motorische System und der Muskel selbst.

2.3.6 Methodik der Bahnung nach Kabat Die in Kapitel 2.2 beschriebenen neuromuskulären Mechanismen werden mit den Techniken der Bewegungsbahnung für die Krankenbehandlung erschlossen. „Bahnen" bedeutet hier, bestimmte Bewegungsreaktionen auszulösen und sie durch Wiederholungen so zu schulen, daß sie weniger bewußt, mehr automatisch ablaufen. Dies ist ein Prinzip der Bewegungsbahnung für alle auf Bewegungsmuster abgestellten Behandlungen. Für jeden einzelnen Muskel kommt hinzu, daß die Impulse aus den Nervenfasern - ihre Energie bildet sich in der Faser selbst den Widerstand in den Synapsen allmählich mindern; durch Nichtgebrauch der Bahnen steigt der Widerstand an, so daß ein Muskel auch hinsichtlich der synaptischen Impulsübertragung „atrophiert", wenn ihn nicht ständige Übung entsprechend sensibel erhält.

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Bahnung bedeutet neurophysiologisch, daß unterschwellig gereizte Neurone (unterschwellige EPSP, S.24) an ihren gemeinsamen Effektor (Muskel) erst dann Aktionspotentiale geben, wenn gleichzeitig viele oder alle Neurone gereizt werden (räumliche Bahnung, S. 24); d. h. praktisch, wenn der Muskel genügend kräftig gefordert wird. Andererseits addieren sich kurz hintereinander ausgelöste EPSP zu einer erregenden Wirkung (zeitliche Bahnung), indem jeder weitere, an sich unterschwellige Reiz schon einsetzt, bevor das vorausgehende EPSP völlig abgeklungen ist. Die Krankengymnastin nutzt für die Bewegungsbahnung systematisch alle neurophysiologischen Gesetze. Sie regt das propriozeptive Reflexgeschehen an, indem sie nach der Symptomatik ausgerichtete Bewegungsaufgaben mit Widerstands- und Halteübungen auswählt. Sie beobachtet an den Muskelaktionsfolgen die subkortikale Führung und Kontrolle der kortikalen Willkürmotorik und versucht hier gegebenenfalls zu korrigieren, indem sie ein Zuviel an Innervation hemmt (S.163), den zu schwerfälligen Bewegungen Beistand leistet. Sie arbeitet die einzelnen Muskelfunktionen bahnend heraus, um dann gleichzeitig den ganzen Bewegungsablauf in ein physiologisches Bewegungsmuster zu führen. Alles zusammen schult das koordinierende Getriebe durch Übung und Konzentration und schleift die Automatik der willkürlichen Komplexbewegungen wieder ein. Schon unterschwellige Bewegungsreize, also passive, geführte Bewegungen, die selbsttätig und aktiv noch nicht gelingen, setzen mit der Zeit, unter rhythmisch wiederholten, übenden Bewegungsansprüchen die Reizschwellen herab und erhöhen die Vorspannung. Die Krankengymnastin gibt die entsprechenden Anstöße. Sie beugt etwa führend ein Glied und streckt es wieder und fordert dabei den Kranken zur Mitarbeit auf. Sie läßt Komplexbewegungen machen und gibt Widerstände, um die Kraft zu mehren. Die motorischen Einheiten, VorderhornNerv-Muskel, werden dadurch für Willkürimpulse wieder und besser ansprechbar (vgl. Intentionsübung, S.376). Es gibt z.B. Vorderhornzellen, die unter neurotropen, entzündlich-toxischen Einflüssen ihre Erregbarkeit nicht ganz verlieren, infolge der Krankheit aber auf Impulse nicht mehr antworten (S.810). Sie werden durch wiederholte, zunächst unterschwellige Reize reaktiviert. Das Konzept der Bewegungsbahnung nutzt dabei bestimmte Techniken aus; so baut z. B. die Methode der propriozeptiven neuromuskulären Fazillitation (lat.: facilitas = Erleichterung) auf der Bewegungsbahnung nach Kabat auf. Diese basiert auf zwei von Sherrington [596] formulierten Gesetzen: Das Gesetz der sukzessiven Induktion und das Gesetz der reziproken Innervation (S. 131 f.). Die Regel der sukzessiven Induktion wurde aus der Beobachtung abgeleitet, daß die isometrische Kontraktion eines Agonisten, läßt man gleich anschließend den Antagonisten gegen Widerstand sich kontrahieren, seine Reaktionsbereitschaft erhöht. Die mit der Beugung einsetzenden, bahnenden, tonischen oder phasischen Reflexe (S.124) im Agonisten gehen reziprok mit hemmenden Reflexen auf den Antagonisten einher, womit wiederum die Reizschwelle für die Bahnung des Agonisten absinkt.

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Die Übungsbehandlungen nehmen die verschiedenen Kontraktions- und Streckreflexe systematisch in Anspruch. Unter Serienbehandlungen sprechen bald nicht nur die Motoneurone im Vorderhorn leichter an, sondern auch die Empfindlichkeit der Sensoren in den Muskeln wird gefördert. Alles zusammen, die Aktivierung der Motoneurone, die größere Regsamkeit der Muskel- und Sehnenspindeln, die Wiederherstellung der Erregbarkeit an den Synapsen, macht den Wert einer systematischen Übungsbehandlung aus. So konnte für Dehnungsübungen einzelner Muskeln messend nachgewiesen werden [184], daß sich ein verkürzter Muskel weniger dadurch verlängert, daß man die dehnende Kraft erhöht, sondern daß man einen mäßigen Kraftaufwand entsprechend oft wiederholt. Die Erfahrung lehrt, daß dies auch für nicht erregbare, geschrumpfte bindegewebige Strukturen gilt, die sich, nicht heftig, aber häufig gedehnt, besser lockern. Um im Rahmen der Bewegungsbahnung den Einfluß der sukzessiven Induktion in eine geeignete Form zu bringen, wurde die Technik der rhythmischen Stabilisierung entwickelt. Das Wort „Stabilisierung" bezieht sich jeweils auf einen passiven Bewegungsvorgang, den der Patient rhythmisch, das heißt von Zeit zu Zeit, an beliebigen Punkten auf Geheiß der Krankengymnastin unterbricht, im entsprechenden Gelenk also anhält, d.h. „stabilisiert". Während die Krankengymnastin jedesmal versucht, den willkürlichen Haltewiderstand des Patienten zu überwinden, muß der Patient, um dies zu verhindern, je nach der Richtung des von der Krankengymnastin wechselnd ausgeübten Druckes oder Zuges, die Agonisten oder Antagonisten isometrisch kontrahieren. Wechselt die Krankengymnastin die Richtung der „rhythmisch stabilisierten" Bewegungen je nach dem einzuübenden bzw. zu bahnenden Bewegungsmuster fließend, dann stimuliert sie mit den rhythmischen Kontraktionsfolgen planmäßig alle beteiligten Synergisten. Die Technik der langsamen Umkehr nutzt neben der auch hier wirksamen sukzessiven Induktion vor allem die reziproke Innervation. Diese sorgt dafür, daß mit der Innervation eines Agonisten stets gleichzeitig auch der zugehörige Antagonist gehemmt wird und sich entspannt (S.133). Der Ausdruck „langsame Umkehr" ist insofern mißverständlich, als das Adjektiv „langsam" sich nicht auf die Umkehr bezieht, sondern auf den ganzen Bewegungsablauf. Deshalb spricht man besser von antagonistischer Umkehr. Diese Umkehr aus der Flexion in die Extension, also in die antagonistische Gegenbewegung, erfolgt nicht langsam, sondern sofort und fließend, um den reziproken Reflex in den Antagonisten zu nutzen. Über die propriozeptive Erregung wird mit zunehmender Spannung im Agonisten jeweils im Gegenspieler der Streckreflex sukzessiv induziert (vgl. Verkürzungsreaktion, S. 156). Die antagonistische Bewegungsumkehr ist für das normale Leben unentbehrlich. Besonders augenfällig wird dies beim Gehen, beim Greifen und Loslassen eines Gegenstandes. Ist diese Funktionsfolge gestört, dann sprechen die Muskeln entweder nicht ausreichend oder zu heftig an. Der Hemiplegiker z. B. beantwortet den Umkehrreiz mit einschießender Spastik. Hier stellt sich die Aufgabe, an den Extremitäten die schwächeren Muskeln, am Bein sind es die Beuger, am Arm die

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Strecker, mit der Technik der wiederholten Kontraktion zu kräftigen und nach der Entspannung mit der langsamen Umkehr in die erneute Kontraktion zu führen. Das Ziel ist, das Gleichgewicht zwischen Beugern und Streckern zu bessern und die Bewegungsmuster der Glieder zu schulen. Für das reziproke Geschehen findet man in der Fachliteratur auch den Ausdruck Verkürzungsreaktion. Verkürzt die Krankengymnastin einen Muskel langsam, passiv beugend und bringt so Ansatz und Ursprung einander näher, dann paßt der Muskel sich der veränderten Länge an. Die Spannungsänderung im Agonisten ist dabei so gering, daß die eigenen Spindeln noch nicht ansprechen, wohl aber entspannt sich reziprok der Antagonist so weit, daß der Verkürzung kein Widerstand entgegensteht (S. 131 f.). Umgekehrt ergibt die Verlängerungsreaktion, daß bei kräftiger passiver Verlängerung eines Muskels die hemmende Funktion der Sehnenspindeln anspricht. Diese ist kräftiger als der Dehnungsreflex über die a-Motoneurone, so daß dieser nicht wirksam wird. In spastischen und rigiden Muskeln ist die Verlängerungsreaktion gesteigert, bei der Behandlungsmethode nach Bobath (S. 163) wird das berücksichtigt. Die beiden bisher genannten neueren Techniken, die rhythmische Stabilisierung und die langsame Umkehr, in denen Förderung und Hemmung der Muskelaktionen untrennbar ineinander verwoben sind, haben die älteren, bewährten Methoden der Krankengymnastik nicht verdrängt. Die Bewegungsbahnung baut vielmehr auf den einfacheren Anspannungs- und Entspannungsübungen auf, die in die komplexeren, in Bewegungsmustern arbeitenden Techniken mit eingehen. Agonistische Funktionen, also Anspannungen mit und ohne Verkürzung, werden mit der Technik der wiederholten Kontraktionen, wie bei der rhythmischen Stabilisierung, gefördert und gekräftigt. Die Kontraktionen können isometrisch sein oder als isotone Bewegungen eines Gliedes in nur eine gewünschte Richtung gehen. Sie werden solange wiederholt, bis an den Bewegungen die ersten Ermüdungserscheinungen sichtbar werden. Findet die Krankengymnastin so innerhalb eines aktiven Bewegungsvorganges den schwächsten Punkt, d. h. die Stelle, an der die Kraft eines Muskels zuerst deutlich nachläßt, dann wird sie in weiteren Übungen jeweils hier „festhalten" lassen. Die isotone Kontraktion geht dann in eine kraftfördernde, isometrische über, so wie es bei der rhythmischen Stabilisierung periodisch geschieht. Dieses „Halten" ist, wie die willkürliche Kontraktion, die Bewegung gegen Widerstand und die Entspannung, eines der unentbehrlichen Instrumente, die erst zusammen die Bewegungsharmonie wiederherstellen. Für einzelne Muskeln und im Verband eines Bewegungsmusters fügt die Krankengymnastin auch die oben beschriebenen Dehnungsreflexe in den Behandlungsgang ein. Der Dehnungsreflex wird im Rahmen der Technik der wiederholten Kontraktionen ausgelöst. Antagonisten, die sich entspannen müssen, um die Agonisten besser wirken zu lassen, erfüllen ihre Funktion oder bessern ihre Funktionsbereitschaft unter der Technik der an ihren neurophysiologischen Gesetzen schon erläuterten Umkehr.

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Eine erleichternde, einleitende Vorbehandlung der antagonistischen Umkehr ergibt sich mit der Technik: „anspannen — entspannen" und „anspannen — halten — entspannen". Angespannt bzw. gegen äußere Änderungsversuche durch die Krankengymnastin gehalten wird jeweils der für eine bestimmte Erregung antagonistische Muskel; dies regt reflektorisch im Agonisten eine gewisse Lockerung an (S.133), die der Patient auch bewußt erreichen kann. Lagerungen und Ausgangshaltungen (S.163) unterstützen diese Bemühungen. Die krankengymnastische Bewegungsbahnung nach Kabat hat also im wesentlichen drei Ziele: alle Bewegungen auf das physiologische Muster auszurichten, den Muskeln Kraft und Ausdauer zu verleihen und die Koordination durch Bahnung und Hemmung einzelner Muskelaktivitäten in Ordnung zu bringen. Die Bewegungsbahnung mit Komplexbewegungen setzt natürlich voraus, daß die Bedingungen solcher physiologischer Gebrauchbewegungen noch so weit vorhanden sind, daß sie unter systematischer Behandlung wieder aufleben. Dies aber müssen beide, Patient und Krankengymnastin gemeinsam, mit Mühe, Geduld und Ausdauer erarbeiten.

2.3.7 Bewegungsbahnung bei zerebral-spastischen Hyperkinesen (Zerebralparese) 2.3.7.1 Neurophysiologische und neuropathologische Grundlagen Die Behandlung der zerebralen Bewegungsstörungen nach Bobath [55,57,58,661] ist innerhalb des Lehrfaches und der zum wissenschaftlich begründeten Beruf entwickelten Krankengymnastik eine Spezialisierung, die nur von denen beherrscht wird, die über besondere neurophysiologische und neuropathologische Kenntnisse verfügen, viel Erfahrung im Umgang mit zerebral gestörten Kindern und hypertonen Bewegungsstörungen gesammelt und sich mit sensiblem Einfühlungsvermögen in den Formenkreis der Spastiker eingelebt haben. Die Bewegungsbahnung strebt an, auf der Grundlage physiologisch-neurologischer Ordnungen, bei spastischen Kindern die Motorik über ausbaufähige physiologische, sensomotorische Muskelinnervationen Schritt für Schritt so herauszuarbeiten, wie sie sich beim gesunden Säugling und Kleinkind nach der Geburt entwickelt. Der Ausdruck „Sensomotorik" (S. 122) betont die große Bedeutung der autonomen Sinnesorgane für die Kontrolle von Haltungen und Bewegungen. Im speziellen zielt die Bewegungsbahnung darauf ab, die krankhaft veränderte, durch frühkindliche Hirnschäden gestörte Reflexerregbarkeit zu beeinflussen. Die unwillkürlich ablaufenden, pathologisch gesteigerten Haltungsreflexe und der erhöhte Haltungstonus, die dem freien, unbehinderten Bewegungsablauf im Wege stehen, sollen gehemmt, die Stellreflexe (S. 160) genutzt werden, um die unkoordinierten Bewegungen durch Bahnung normaler Haltungsreaktionen in brauchbare Zielbewegungen überzuleiten.

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Diese krankengymnastische Spezialbehandlung baut auf den physiologischen und den durch eine zerebrale Entwicklungsstörung pathologisch persistierenden Reflexen (sog. Primitivreflexen) auf. Normalerweise sind sie bei der Geburt schon oder noch vorhanden, oder sie erscheinen innerhalb der ersten Lebenswochen. Sie verschwinden aber spätestens am Ende des ersten Lebensjahres in dem Maße, wie die Reifung übergeordneter Hirnabschnitte die Führung übernimmt. Erst nach und nach entwickelt das gesunde Kind die Fähigkeit, sich geschickt gegen die Schwerkraft zu bewegen. Es lernt, jenen unfreiwilligen Teil der Bewegungen, der aus der Dominanz der totalen Flexion erfolgt, zunehmend automatisch zu hemmen. Der Säugling liegt in Ruhe noch in starker Beugehaltung, so wie er im Uterus gelegen hat, mit einem physiologischen Hypertonus der Beugemuskeln des Rumpfes und der Extremitäten. Die langsam aufkommende physiologische Hemmung dieser überbetonten Beugung macht zunächst erst den aufrechten Stand, dann den Gang und die Gebrauchsbewegungen möglich. Bleibt diese physiologische Hemmung aus, wird sie zum Teilziel der Behandlung. 2.3.7.2 Die Reflexaktivitäten Die Grundlage für die normalen Willkürbewegungen sind neben den physiologischen Dehnungsreflexen (S.122f.) die Haltungs- und Stellreflexe [418]. Die Haltereflexe Die Halte- oder Lagereflexe dienen der Tonuseinstellung der Muskeln für bestimmte Körperhaltungen. Beim Neugeborenen sind noch Reflexe vorhanden, die später verloren gehen oder überdeckt werden. Statt Haltereflex sagt man besser Haltungsreaktion. Diese stellt reaktive Antworten auf unbequeme, störende Haltungen dar, die der Körper zwar automatisch in typischer Weise korrigiert, dies aber komplexer, als wir es gemeinhin bei einem einfachen Reflex sehen. Dennoch werden in diesem Zusammenhang in der Literatur und im folgenden die Begriffe „Reaktion" und „Reflex" synonym gebraucht. Die Haltungsreaktionen werden durch Stimulation der Sensoren in den Nakkenmuskeln (Halsreflexe) wie auch von den Labyrinthen (vgl. vestibulär-spinale Bahnen, S.122) aus veranlaßt; ihre Schaltstellen liegen im Hirnstamm. Diese motorischen Zentren sorgen dafür, daß der Körper unwillkürlich eine regelgerechte Haltung einnimmt und diese stets aufrecht erhält. Sie regulieren bzw. kontrollieren reflektorisch die Stellung des Kopfes im Raum und zum Körper und die Stellung des Körpers im Raum. Tonische, auch statisch genannte Haltungsreflexe (hier ist nicht der Haltungstonus gemeint, von dem man im Zusammenhang mit den erst nach der Geburt langsam aufkommenden Gleichgewichtsreaktionen spricht) rufen Änderungen in der Tonusverteilung der verschiedenen Muskeln hervor, die zunächst sinnvolle Korrekturen ergeben. Sofern die Haltungsreflexe nicht mit der erst postnatal abschließenden Reife des Gehirns in den ersten Lebensmonaten normgerecht wieder ver-

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schwinden, sind sie ein Symptom eines pathologischen Geschehens im Zentralnervensystem, genauer, im Hirnstamm, das ist das Mittelhirn, das Brückenhirn und das verlängerte Mark (Medulla oblongata). Weitere Zuströme kommen aus dem Kleinhirn, dem Gleichgewichtsorgan und aus der Peripherie (aus Rezeptoren in der Haut, den Muskeln und Gelenken, vgl. Fremdreflexe, S. 134). Erst das reifende Gehirn entwickelt die Fähigkeit, die bei Kopfdrehungen aufgrund der Primitivreflexe unfreiwillig aufschießenden Bewegungen zu hemmen und schließlich zu unterdrücken. Unterbleibt diese Entfaltung der Motorik als Folge einer zerebralen Schädigung, dann führt dies in den beteiligten Muskeln zu einem Hypertonus, hier auch Spastik genannt. Damit werden die physiologischen Bewegungsmuster sehr behindert oder unmöglich gemacht. Es stellt sich das Erscheinungsbild einer zerebralen Spastizität ein. Die tonischen Haltungsreflexe treten bei passiver wie bei spontaner Drehung des Kopfes mehr oder weniger ungehemmt in Erscheinung. Wird der Kopf in der reflexstimulierenden Lage gehalten, dann wirkt dies an den Dehnungsrezeptoren in der Nackenmuskulatur als Dauerreiz. Es gibt asymmetrisch-tonische und symmetrisch-tonische Nackenreflexe. Liegt beim zerebral gestörten Kind ein asymmetrisch-tonischer Nackenreflex vor, dann streckt es, am deutlichsten in Rückenlage, bei passiv gedrehtem Kopf den Arm, zu dem das Gesicht jetzt hinblickt. Dabei beugt es (asymmetrisch) den anderen Arm, dem das Hinterhaupt zugewendet ist. Die damit tonisch fixierte Haltung ist erst für den älteren Säugling ein abnormes Haltungsmuster, das Bewegungen gegen die Schwerkraft unmöglich macht. Ein solcher Tonuswechsel in der Muskulatur bei Rotation des Kopfes behindert die Kranken, bei denen dieses reflektorische Geschehen nicht wieder verschwindet, später außerordentlich stark. Umso wichtiger ist die therapeutische Aufgabe, aus reflexhemmenden Ausgangsstellungen in eine geregelte Zielbewegung zu kommen. Während der asymmetrisch-tonische Nackenreflex auf Drehungen des Kopfes anspringt, reagiert der symmetrisch-tonische Nackenreflex auf Dorsal- und Ventralflexionen des Kopfes. Er zeigt sich, wenn der Untersucher passiv oder das Kind spontan den Kopf nach vorne beugt oder nach hinten streckt (die Dorsalflexion des Halses wird auch Streckung genannt). Wird der Kopf ventral gebeugt, dann beugen sich beide Arme (symmetrisch) in den Ellenbogengelenken, die Beine strecken sich. Beugt (streckt) man den Kopf nach hinten, dann ist es umgekehrt. Der Reflex verhindert bei gestrecktem Kopf zwar nicht den Vierfüßlerstand, bei so gehaltenem Kopf knicken aber die Arme ein, die Kinder können die Balance nicht halten und sich demgemäß auch nicht zum Sitzen aufrichten. Das therapeutische Ziel ist, die Kinder aus reflexhemmenden Ausgangsstellungen so zu führen, daß sie sich aufrichten. Beim tonischen Labyrinthreflex wird das innere Ohr als Gleichgewichtsorgan (Labyrinth) angesprochen; es vermittelt Informationen über die Stellung des Kopfes und über Drehungen und reagiert auf eine Lageänderung des Kopfes. In Bauchlage nimmt der Beugetonus der vier Extremitäten zu. Das kranke Kind

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dreht den Kopf nicht spontan zur Seite, wie es der gesunde Säugling tut; der Reflex sorgt dafür, daß in Bauchlage die Atemwege frei bleiben. In Rückenlage überwiegt ein Streckertonus der Extremitäten und des Rumpfes. Die Kinder können den Kopf nicht anheben und sich nicht aufrichten oder aufsetzen, weil der übermächtige Tonus der Strecker von Rumpf und Hüften die Aktivität der Beuger für Hüften und Bauchmuskeln erschwert oder verhindert. Auch hier ergibt sich eine vielseitige therapeutische Aufgabe. Stellreaktionen Stellreaktionen bzw. Stellreflexe dienen dazu, bei Bewegungen das Gleichgewicht zu erhalten. Sie helfen dem Körper, sich aufzurichten. Dabei wird auch unwillkürlich, reflektorisch das Gleichgewicht ein- bzw. wiederhergestellt, wenn äußere Umstände den Körper aus der Stabilität herausbringen. Die Reflexe sind also nicht, wie die Haltungs- oder Lagereaktionen, Ausdruck einer Entwicklungsstörung, d. h. sie werden in der Regel nicht dadurch, daß sie über das Säuglingsalter hinaus bestehen bleiben, als Primitivreflex zum Störfaktor. Die Stellreflexe setzen ein intaktes, unversehrtes Mittelhirn voraus. Sie haben die Aufgabe, Kopf und Körper jeweils aus Fehlpositionen im Raum wieder in eine normale Haltung zurückzubringen. Es sind phasische Bewegungsreflexe (S.124), die auf rasche Änderungen der Kopfhaltung ansprechen. Es gibt eine große Zahl von Stellreflexen. Sie haben für die Diagnostik des Entwicklungsstandes wie auch für die Therapie Bedeutung. Im folgenden sollen die wichtigsten Stellreflexe erläutert werden. Der Labyrinthstellreflex und der Körperstellreflex sind Stellreflexe, die auf den Kopf wirken. Der Körperstellreflex wird durch Berührung der Körperoberfläche mit der Unterlage (asymmetrische Reizung der Sensoren der Körperoberfläche) ausgelöst. Beide dienen gemeinsam dazu, den Kopf bei Drehungen des Körpers in normaler Position (das Gesicht vertikal, den Mund horizontal) zu halten, festzustellen". In der weiteren Entwicklung gehen ihre grundlegenden reflektorischen Koordinationsmuster in die Regie der willkürlichen Bewegungen über. „Nackenstellreflexe" halten den Körper in einer Linie mit dem Kopf. Wie immer dieser im Nacken gedreht wird, der Körper folgt der Richtung der Kopfbewegung. Dieser Reflex in frühkindlicher Form, der den Körper des Kindes in die Richtung dreht, in die der Untersucher dessen Kopf gedreht hat, verschwindet bald. Er wird von der Fähigkeit abgelöst, den Kopf ohne Mitreaktion des Körpers zu bewegen. Jetzt übernehmen die Körperstellreflexe, die auf den Körper wirken, die Führung. Sie halten den Körper auch dann in seiner normalen Position, wenn der Kopf aus der Normallage abweicht. Bei optischen Stellreflexen dreht das Kind den Kopf zu einer Schallquelle, um diese optisch zu erfassen. Ihre Efferenzen kommen aus dem optischen System; sie tragen zur Orientierung über die Haltung des Körpers bei. Das Romberg-Phänomen (Schwanken bei geschlossenen Augen) deutet auf eine Störung in dieser Funktion hin. Ungestört helfen die optischen Stellreflexe, Gefährdungen des

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Gleichgewichtes aus anderen Störquellen, z. B. bei der Tabes dorsalis (luische Degeneration der Hinterstränge im Rückenmark) auszugleichen. Es gibt noch andere Stellreaktionen, die schon Übergänge zu Bewegungsreaktionen darstellen. Die Schreckreaktion (Moro-Reflex) verschwindet nach 3-4 Monaten. Eine sogenannte „Sprungbereitschaft" erweist sich als schützend, indem die Arme sich strecken, wenn der Körper nach vorne fällt. Es gibt weiterhin die sogenannte Lift- und Kippreaktionen. Ein neurologisch besonders aussagefähiger Test, die Landau-Reaktion, verschwindet etwa mit Abschluß des 1. Lebensjahres. Sie stellt eine Kombination von Stellreflexen mit tonischer Kontraktion der Rückenund Extremitätenmuskeln dar: Legt man einen Säugling bäuchlings auf die Hand des Untersuchers, dann hebt er spontan den Kopf (Labyrinth-Stellreflex auf den Kopf); es folgt eine tonische Streckung des Rückens, der Beine und der Arme, so daß also der ganze Körper gestreckt ist. Dies wurde als Ausdruck des symmetrisch-tonischen Nackenreflexes oder aber als Nackenstellreflex gedeutet. Drückt man aus der Streckstellung den Kopf nach unten, dann geht der Extensorentonus in eine Beugehaltung des Rumpfes und der Glieder über. Diese Reflexkombination tritt normalerweise im 5. bis 6. Lebensmonat auf und bleibt etwa bis zur Mitte des 2. Lebensjahres erhalten. Gleichgewichtsreaktionen Einige Stellreflexe, speziell die Kopfstellreflexe, verschwinden im Verlauf der Entwicklung des gesunden Kindes. Ob sie ganz verschwinden oder ob sie nur unterdrückt bzw. überdeckt werden, ist noch nicht geklärt. Stellreflexe allein befähigen den Menschen noch nicht, zu sitzen oder zu stehen. Erst die Gleichgewichtsreaktionen, die sich vom 5. bis 12. Monat voll ausbilden, helfen den Kleinkind, sich aufzurichten und seine motorischen Aktivitäten zu entwickeln. Die Gleichgewichtsreaktionen sind komplexer als die Stellreflexe. Sie stellen einen Haltungsreflexmechanismus dar, der einen normalen Haltungstonus in den für feine Bewegungen notwendigen Mustern garantiert. Die Gleichgewichtsreaktionen sind Ausgleichsbewegungen, die automatisch ablaufen, wenn der Schwerpunkt des Körpers seine Lage verändert (vgl. Muskelreflexe, S.132). Die Rezeptoren für die Gleichgewichtsreaktionen liegen in den Labyrinthen. Sie können ihre Aufgabe nur erfüllen, wenn der Muskeltonus regelgerecht ist, d. h. wenn er niedrig genug ist, um eine „Startbereitschaft" für Ausgleichsbewegungen zu schaffen, aber hoch genug, um einen angemessenen Stütztonus der Muskeln zu garantieren [55]. Für den Behandlungsplan bei der infantilen Zerebralparese ist zu berücksichtigen, daß die Gleichgewichtsreaktionen mit dem Wachstum in chronologischer Reihenfolge auf den Plan treten. Die Stellreflexe werden langsam abgelöst, wenn sich das Kind über den Vierfüßlerstand zum Sitzen, Stehen und Gehen allmählich aufrichtet. Liegen Störungen dieser Entwicklung vor, ist es für die Therapie wichtig, den natürlichen Verlauf Schritt für Schritt nachzuvollziehen.

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2.3.7.3 Bestimmung der krankengymnastischen Ausgangslage Die infantile Zerebralparese zeigt verschiedene Formen und Grade mit unterschiedlich spastischen oder spastisch-hyperkinetischen Bewegungsstörungen, mit und ohne zerebrale Krampfanfälle, Athetosen mit geringeren spastischen Paresen, Haltungsanomalien wie Rumpftorsionen, abnorme Kopfhaltung in Beuge- und Schiefstellung, Überstreckungen der Fingergelenke, Spitzfuß und anderes. Die krankengymnastische Behandlung geht von bestimmten Testhaltungen aus, die in einer Testkarte mit über 30 solcher Haltungen in den einzelnen, reflexhemmenden Ausgangsstellungen registriert und in ihrer Entwicklung verfolgt und festgehalten werden. Die in der von Bobath aufgestellten Testkarte aufgeführten Haltungen geben differenziert wieder, was aus den Testhaltungen heraus an Bewegungen möglich oder nicht möglich ist und gegebenenfalls erarbeitet werden muß. Die Krankengymnastin prüft die Stellungen oder Haltungen der Beine in Rükkenlage, der Arme und Beine in Bauchlage. Sie testet, wie das Kind sich aus der Rückenlage auf die Seite dreht und von dort wieder in die Bauchlage. Sie registriert die Bewegungen und Haltungen der Arme und Beine beim Übergang in verschiedene Sitzhaltungen und schließlich in den Stand. Die vollständig ausgefüllte Testkarte gibt ein anschauliches Bild des Entwicklungsstandes des Kindes und der zu meisternden Aufgaben. Der Test muß sich natürlich an dem Entwicklungsstand normaler Kinder orientieren. Er darf z. B. nicht unbedingt die noch nicht voll entwickelte Fähigkeit zum Sitzen oder die Unfähigkeit zu stehen im Alter von 6 Monaten schon als eine Fehlfunktion registrieren. Die Testkarte dokumentiert auch die verschiedenen Phasen in der fortschreitenden Entwicklung eines gesunden Kindes und gibt darüber Auskunft, ob und welche Erfolge die Behandlung eines kranken Kindes gezeigt hat. Die Beurteilung enthält sieben Bewertungen von 0 bis 6: Der Wert 0 bedeutet, die Spastik ist so stark, daß ein Kind eine Testhaltung, die einer der reflexhemmenden Ausgangsstellungen entspricht, weder aktiv noch passiv einhalten kann; der Wert 1 registriert, ob das Kind sich passiv in die Testhaltung bringen läßt, diese aber noch nicht ohne Hilfe beibehält; der Wert 2 stellt fest, ob das Kind die Testhaltung ohne Unterstützung beibehält, in die die Krankengymnastin es brachte; das bedeutet, der Tonus bleibt gelockert, eine Spastik bzw. Fehlhaltung schießt nicht ein; der Wert 3 bezeichnet die Fähigkeit eines größeren Kindes, selbsttätig, aber noch in abnormer Art die Testhaltung einzunehmen; der Wert 4 dokumentiert, daß das Kind die Testhaltung aktiv und ungehemmt einnimmt, aber von der Krankengymnastin in die Bewegungen geführt werden muß; der Wert 5 legt dar, daß ein Kind regelgerecht eine ihm bekannte Testhaltung einnimmt; lediglich kleine Fehler kommen dabei vor;

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der Wert 6 ist schließlich ein Zustand, in dem das Kind regelgerecht in die Testhaltungen hineinfindet und die Bewegungen dazu frei ausführt. Die Krankengymnastin prüft die Haltungen nicht allein deshalb, um ein Bild des Haltungstonus zu gewinnen. Die Spastizität zeigt auch typische, abnorme Bewegungsmuster, deren tonische Widerstände die normalen Bewegungen erschweren oder unmöglich machen. Vollzieht die Krankengymnastin passiv bestimmte Zielbewegungen, die das Kind aktiv und allein erst lernen soll, dann findet sie leicht die Stärke des Widerstandes spastischer Muskelgruppen heraus. Den Muskeltonus während einer Bewegung zu ertasten, ist nicht nur für die Krankengymnastin ein Wegweiser. Ihn bewußt wahrzunehmen, ist auch für den jungen Patienten wichtig, der das richtige Gefühl für einen normalen Tonus und für zielgerichtete Bewegungsabläufe durch sensomotorische Erfahrungen (S.165) erst erwerben muß. 2.3.7.4 Spezielle Methodik der Behandlung nach Bobath Die Prinzipien der Bewegungsbahnung nach Bobath [53] bestehen nicht allein darin, an einer Reihe von Muskeln die Spastik zu lösen, die das Krankheitsbild der zerebralen Bewegungsstörungen stark prägt. Zusätzlich wird versucht, die abnormen Muster der Spastik zu unterbrechen, die sich sowohl in den Haltungen wie in den Bewegungen zeigen und deren Kontrolle erheblich stören. Die Koordination der Haltung ist so komplex und verschiedenartig wie die der Bewegungen. Beides ist so eng miteinander verbunden, daß man sie nicht als zwei getrennte Phänomene betrachten sollte [54], Jede Bewegung braucht ständig Änderungen der Haltung, und diese Änderungen gehen automatisch in jede Bewegung ein. Es bedarf großer Erfahrung, dieses komplexe Geschehen zu überblicken und führend in den Griff zu bekommen. Die beiden Grundelemente jeder Behandlung sind dabei die reflexhemmenden Ausgangsstellungen und die bahnenden Techniken. Die Krankengymnastin orientiert sich und kontrolliert gleichzeitig die Haltungen und Bewegungen des ganzen Körpers an sogenannten „Schlüsselpunkten", dem Schultergürtel, dem Hals, der Wirbelsäule und dem Becken. Reflexhemmende Ausgangsstellungen Zunächst bemüht sich die Krankengymnastin, die abnormen Haltungsformen zu unterbrechen bzw. ein Zuviel an reflektorischer Innervation zu hemmen, also reflexhemmende Ausgangsstellungen aufzusuchen und zu halten (S.165), die den störenden tonischen Labyrinth- und Halsreflexen den Boden entziehen. Die Kinder können immer nur langsam, sehr vorsichtig in einen entspannten Muskeltonus gebracht werden. Wie die physiologischen phasischen Dehnungsreflexe (S.124), so springen auch die pathologischen tonischen Reflexe auf schnelle Bewegungsreize gleich an. Sie bleiben aber aus, wenn die reflexhemmende Ausgangshaltung bedächtig, aber ohne Zögern eingenommen wird. Die zeitliche Differentialquo-

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tientenempfindlichkeit der Muskelspindeln (S. 22) wird hier gewinnbringend genutzt. Es gelingt nicht immer, den muskulären Widerstand sogleich zu überwinden. Tastet sich die Krankengymnastin vorsichtig heran (S.153f.) oder versucht sie zuerst andere, leichter erreichbare reflexhemmende Ausgangsstellungen, dann gelangt sie in der Mehrzahl der Fälle doch schließlich über die verschiedenen Abstufungen der Testhaltungen (S.165) auf eine brauchbare Ausgangsbasis der Behandlung. Die besten Haltungen müssen immer wieder aufgesucht werden, damit die Kranken lernen, aktiv und bewußt die reflexhemmenden Haltungen, aus denen heraus sie schließlich die zielgerichteten Gebrauchsbewegungen entfalten, beizubehalten und schließlich selbst einzunehmen. Die Erfahrung hat gelehrt, daß man stets am Körper von oben nach unten vorgehen muß, also die Kopfhaltung, den Hypertonus der Schulter-, Rücken-, Bekken- und Beinmuskeln nacheinander zu korrigieren versucht. Entsprechend dem Verlauf der Stellreflexe des Gesunden richtet der Mensch sich in einer bestimmten Reihenfolge gewissermaßen kettenförmig auf [564], Zunächst treten automatisch die Labyrinth-Stellreflexe in Aktion. Der Kopf ändert seine Lage zum Körper; die Rezeptoren in der Halsmuskulatur sprechen an, die Nackenstellreflexe (S.160) bringen den Rumpf in eine entsprechende Normalstellung. Beginnt man bei einem spastisch gestörten Kind die Behandlung an einer unteren Extremität, dann wechselt die Spastik verstärkt in andere Extremitäten, eine Erscheinung, die in der Literatur „Shift" (engl.: shift = Veränderung, Wechsel) genannt wird. Gelingt es, einen proximalen Abschnitt in die reflexhemmende Ausgangsstellung zu bringen, dann ist es relativ leicht, nacheinander auch andere distale Gliedmaßen zu hemmen und für Komplexbewegungen frei zu bekommen; ein Shift wird so vermieden. Für Gewichtsverlagerungen, mit denen wir die Gleichgewichtsreaktionen einschalten, sind Geräte, z. B. das Schaukelbrett oder der große Spastikerball, unentbehrlich. Legt man das spastische Kind mit dem Rücken auf einen großen Ball und läßt diesen langsam hin und her rollen, dann löst sich der spastische Muskeltonus. Parallelen zur Reittherapie (S.168) zeichnen sich hier ab. Gelegentlich ist es nötig, mit der Methode der Dissoziation aus dem gesamten Beuge- oder Streckschema die Haltung einzelner Gliedabschnitte herauszulösen, um eine Verschiebung der Spastik in das gegenteilige Schema zu verhindern [216]. Ein Beispiel macht dies deutlich: Streckt die Krankengymnastin passiv ein spastisch gebeugtes Knie, dann wird sie das Hüftgelenk möglichst außenrotieren und den Fuß dorsal flektieren. Mit dieser zum Beugeschema gehörenden Bewegung bzw. Haltung verhindert sie, daß das Bein bei der folgenden Streckung in ein spastisches Streckschema gerät, das durch eine Innenrotation der Hüfte und durch eine Plantarflexion des Fußes gekennzeichnet ist. Kann das Kind die Ausgangsstellungen ohne Hilfe einhalten (vgl. Testhaltung 2), ist also der muskuläre Tonus genügend vermindert und gelockert und bleiben auch bei athetotischen Kindern die einschießenden Spasmen aus, dann kann die weitere Bewegungsbahnung gezielt gefördert werden.

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Zur Technik der Bewegungsbahnung bei spastischen Zuständen Den Tonus solcher Muskeln zu lockern, die in spastische Haltungs- und Bewegungsmuster verstrickt sind, also zunächst einen normaleren Haltungstonus zu vermitteln, ist eine unabdingbare Voraussetzung für die weitere Bewegungsbahnung. In erster Linie macht der abnorme Haltungstonus die an sich innervierbaren Gebrauchsbewegungen unmöglich. Die erste Teilaufgabe, die Normalisierung des Haltungstonus, wird allein kaum etwas bringen. Dies nicht nur, weil damit mangels Übung und Erfahrung noch keine Zielbewegungen gelingen, sondern weil die Muskeln ohne ihre natürlichen Aufgaben leicht wieder der Fehlfunktion anheimfallen oder in die Spastik des anderen Musters umschlagen. Beides zu verhindern gelingt, wenn man zunächst über die reflexhemmenden Ausgangsstellungen neue reflektorische Bewegungen, etwa über Stellreflexe, z. T. sogar über tonische Haltungsreflexe, herausarbeitet. So wird gegebenenfalls selbst der asymmetrisch-tonische Nackenreflex genutzt, mit dem das Kind lernt, die Arme willkürlich zu beugen oder zu strecken, um damit über sensomotorische Erfahrungen das Gefühl für eine aktive Tätigkeit dieser Art zu entwickeln. Die Bewegungsbahnung geht von sieben Ausgangsstellungen aus [216], die jeweils die entsprechenden Bewegungen zu bahnen erlauben. Die Abbildung 31 zeigt davon sechs Ausgangsstellungen. Reflexhemmende Ausgangsstellungen, aus denen heraus, wie in Abbildung 31 skizziert, Bewegungen entwickelt werden können, sind: 1. In Rückenlage mit voll gebeugten Extremitäten streckt das Kind, geführt von der Krankengymnastin, alle Glieder. Auf einem Tisch liegend können die Unterschenkel auch herabhängen und gestreckt und in den Knie- und Hüftgelenken gebeugt werden. Dies schafft die Vorbedingungen, die dem Kind helfen, den Körper aktiv auf die Seite und in die Bauchlage zu drehen. 2. Aus der Bauchlage mit gestreckten Gliedern (a) beugt das Kind die Unterschenkel (b), den Kopf hält es dorsalflektiert und wendet ihn abwechselnd zu den Seiten. Den Oberkörper richtet es zunächst mit aufliegenden Unterarmen (c; sog. Puppy-Haltung) auf, dann mit gestreckten Armen (d). 3. Aus dem Fersensitz läßt die Krankengymnastin ihren Schützling den Rumpf in den Hüften beugen, bis die gestreckten Arme mit den Händen auf der Unterlage aufliegen (a), desgleichen das Kinn. Mit vorne aufgestützten Armen läßt sie dann jeweils ein Bein nach hinten strecken (b). 4. Im Vierfüßlerstand wird der Kopf angehoben (a), das Gewicht vor- und rückverlagert (b) und die Beine nacheinander nach hinten gestreckt (c). 5. Der Fersensitz führt leicht in den Kniestand. Aus diesem streckt das Kind abwechselnd je ein Bein nach vorne und setzt dabei den Fuß auf. 6. Die sechste Ausgangsstellung führt schon in weitläufigere Bewegungen. Auf dem Tisch sitzend mit abduzierten Hüften, gebeugten Knien, Fußsohlen aneinander, streckt das Kind die Beine vor und läßt die Unterschenkel herabhängen. Dann stützt es abwechselnd je einen Arm mit gestreckten Hand- und Fingerge-

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Abb. 31 Ausgangsstellung für die Bewegungsbahnung nach Bobath (Erläuterungen im Text).

lenken seitlich auf, indem es das Gewicht zu dieser Seite verlagert. Das gleiche, durchgeführt mit beiden Armen, erfordert, daß der Rumpf gedreht wird. Schließlich legt das Kind jeweils einen Fuß auf das andere Knie und versucht, aus dem Stuhlsitz aufzustehen. 7. Wenn das Kind frei steht, beginnt die Gehschulung. Aus diesen Ausgangsstellungen heraus erschließt sich den Kranken langsam, an Stelle der störenden, behindernden Haltungsreflexe, die Kopfkontrolle. Sie „erfahren" die Rotation um die Körperachse und behalten sie im „Gedächtnis" (vgl. Programmsteuerung, S. 59). Die Abstützreaktionen der Arme kommen hinzu, die Kranken erwerben unter den therapeutischen Hilfs- und Kunstgriffen langsam die Gleichgewichtsreaktionen und finden so in die Fähigkeit hinein, ihre Haltungen zu kontrollieren. Sie setzen sich auf, kommen in den freien Stand und lernen schließlich das Gehen sowie Greifbewegungen. Erfahrungsgemäß erzielt man bei den Behandlungen die besten Ergebnisse, wenn man die physiologische motorische Entwicklung während des Säuglingsal-

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ters als Leitfaden nimmt und in der gleichen Folge, in der gesunde Kinder ihre normalen Bewegungsformen entwickeln, auch die motorischen Fähigkeiten der bewegungsgestörten Patienten sukzessiv aufbaut. Jedoch sind nicht alle Haltungen immer nützlich. So verursacht z. B. der Vierfüßlerstand beim spastischen Kind leicht Flexorenkontrakturen der Hüften und Knie; die Bauchlage mit gestreckten Extremitäten ist hier die bessere Ausgangsstellung. Dieses Beispiel weist wiederum darauf hin, wie groß die Erfahrung sein muß, um die Bewegungsbahnung zu einem guten Erfolg zu führen. Auch ältere Kinder, die schon Kontrakturen haben, zeigen unter einer systematischen Behandlung meist noch erfreuliche Fortschritte. Grundsätzlich ist aber zu empfehlen, schon etwa vom dritten Monat an zu behandeln, damit sich so wenig wie möglich an Fehlhaltungen und Fehlbewegungen manifestiert. Hinweis auf die Bobath-Methode bei Erwachsenen Die Bewegungsbahnung nach Bobath ist nicht nur bei zerebral geschädigten Kindern anwendbar. Da sie speziell an dem abnorm gesteigerten Tonus der Muskeln ansetzt, leistet sie auch bei spastischen Lähmungen der Erwachsenen, insbesondere bei der Hemiplegie [56], gute Dienste. Die veraltete Auffassung, die Hemispastik sei ein reines Pyramidenbahnen-Syndrom, ist der Erkenntnis gewichen, daß die ausgeprägte Halbseitenlähmung nach einem Schlaganfall auf Unterbrechungen oder Behinderungen in mehreren, verschiedenen auch extrapyramidalen Bahnen des Motocortex zurückzuführen ist (S. 121). Ausgehend von dem Postulat, daß die Besserung einer Halbseitenlähmung unter einer konsequenten Bewegungsbehandlung sich in vergleichbarer Weise nach und nach einstellt, ähnlich wie sich beim gesunden Kleinkind die motorische Entwicklung entfaltet, werden auch beim hemispastischen Erwachsenen die Fehlhaltungen bzw. pathologischen Haltungsmuster nacheinander gelöst und die einzelnen funktionellen Aktivitäten nach physiologischen Bewegungsmustern systematisch aufgebaut. Einzelheiten dazu werden im klinischen Teil III näher ausgeführt (S.828).

2.3.7.5 Weitere reflexhemmende und bewegungsbahnende Methoden Es gibt noch andere, vergleichbare Methoden, die - im Säuglingsalter oder bei schon herangewachsenen, bereits „gebahnten" Kindern - über die Hemmung pathologischer Reflexe in eine freiere Bewegung führen. Alle Methoden bzw. deren Modifikationen zu erläutern, würde hier zu weit führen. Besonders bewährt in frühkindlicher Behandlung hat sich das Konzept von Vojta [661]. Er entwickelte spezielle Untersuchungsverfahren zur Frühdiagnose der zerebralen Bewegungsstörungen beim Kleinstkind, die einem bedeutsamen Anliegen, nämlich so früh wie möglich mit der Behandlung zu beginnen, eine gesicherte Basis geben. Die pathologischen Reaktionsformen zeigen sich beim ganz

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jungen Säugling schon an verschiedenen Modifikationen der bekannten Reflexe und an bisher unbekannt gebliebenen Haltungsreflexen. Anders als bei der Bobath-Methode, hemmt Vojta bei den fixierten Spastikern und Athetotikern den pathologischen Muskelhypertonus nicht allein aus Positionen, die die Reflexe unterdrücken, sondern durch aktive Bewegung gegen Widerstand. Das sogenannte „Reflexkriechen" und das „Reflexumdrehen" haben sich als therapeutisches Mittel bewährt. Damit kommen durch Aktivierung der reflexveranlagten Fortbewegung neue Koordinationseigenschaften zustande. Beim Reflexkriechen werden neue Funktionen in die Haltungsstereotypie der tonischen Nackenreflexe eingebaut; beim Reflexumdrehen löst sich die Haltungsstereotypie auf. Im Verlauf der langen Behandlung, die sich auch hier in der langsamen Aufrichtung des Kindes an der menschlichen Ontogenese orientiert, werden die pathologischen Reaktionen in physiologische Bewegungsmuster übergeleitet. Diese Behandlungsart hat sich gut bewährt. Geistig nicht gestörte Kinder finden unter früh beginnender und konsequent weitergeführter krankengymnastischer Betreuung in eine nicht mehr oder fast nicht behinderte Motilität. Seit einigen Jahren wird für ältere spastische Kinder auch das „Therapeutische Reiten" empfohlen [222], Die komplexe Bewegung, die vom Reiter gefordert wird, kann therapeutisch allerdings nur sinnvoll sein, wenn die Patienten bereits in der Lage sind, ihre pathologischen Reflexe selbst im schwankenden Sattel zu beherrschen.

2.4 Das Übungsprinzip in der Krankengymnastik Alle krankengymnastischen Behandlungsprogramme haben eine gemeinsame Basis, das Übungsprinzip. Das stetige und wiederholte Anspannen und Lockern der Muskeln, ihre Verkürzung mit Kraft, das „Einschieifen" komplexer Bewegungen im Zweckverband führt dazu, daß das Bewegungsspiel mehr und mehr automatisiert abläuft, weniger aufwendig, leichter, schneller, sicherer und so auch ökonomischer gelingt. Darüber hinaus verlagert sich die Steuerung der Bewegungen im Verlauf der Übungsserien aus der Ebene des Bewußtseins in tiefere Zentren und Bahnen (vgl. Programmierung, S. 59). Jedes bewegungstherapeutische Vorhaben und sein Ergebnis kann man auf den einfachen Nenner bringen: Steigerung der Funktionsfähigkeit durch Funktionsübung (S. 116f.). Das gilt für jedes Organ, die Muskeln und Gelenke, das Herz und den Kreislauf, die Atmung und viele andere Systeme. Nur durch Übung, die einem lebhaften, alltäglichen Gebrauch entspricht, erreichen sie ihre beste Leistung. Übung aber hat auch ihre Grenze, die sich in den täglichen Behandlungen als Ermüdung zeigt. Die Krankengymnastin sieht, zwar nicht so augenfällig wie unter der Elektrostimulation einzelner Muskeln (S.368f.), an den Komplexbewegungen,

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ob die Kraft nachläßt; bei den Widerstandsübungen fühlt sie es noch deutlicher. Schon nach einer kurzen Ruhepause werden die Muskelkontraktionen wieder kräftiger. Die biochemischen und neurophysiologischen Vorgänge der Muskelermüdung können als Mißverhältnis zwischen den beiden Hauptteilen des Stoffwechsels, der Assimilation und der Dissimilation, beschrieben werden. Die Ermüdungsstoffe (Gewebsazidose durch zuviel Milchsäure) häufen sich, und die energieliefernden Phosphate werden verbraucht. Für die krankengymnastische Übungsbehandlung dürfte es selbstverständlich sein, daß im Verlauf der Gymnastik Pausen, in denen sich der Muskelstoffwechsel regeneriert, umso häufiger und länger nötig sind, je mehr man einem geschwächten Muskel Kraftanstrengungen zumutet. Zeichnen sich Ermüdungserscheinungen ab, dann dürfen kranke Muskeln nicht mehr beansprucht werden, sie erleiden sonst irreversiblen Schaden. Jeder Muskel kann zwar, wenn die Sauerstoffversorgung über den Kreislauf nachläßt, aufgrund der weiterlaufenden ATP-Spaltung (S. 145), eines Vorrates an Kreatinphosphat sowie mit einem anaeroben (ohne Sauerstoffverbrauch) Abbau der Glukose, noch eine kurze Zeit Arbeit leisten. Er geht dabei aber eine Sauerstoffschuld ein, die er bald wieder abtragen muß. Dies gelingt nur in den Pausen, in denen der angelieferte Sauerstoff (Durchblutung) für die Oxydation der anaerob gebildeten Milchsäure und den Wiederaufbau des verbrauchten, energiespendenden ATP bzw. der Kreatinphosphatreserven voll zur Verfügung steht. Ermüdung bedeutet auch „Minderung der Funktionsfähigkeit als Folge von Funktion" [392], Im Verlauf von Muskelarbeit schwinden Kraft, Schnelligkeit und Ausdauer der Bewegungen: Läßt die Hubhöhe eines Muskels nach, dauert die Erschlaffungsphase länger und wird die Erschlaffung unvollständig, d. h. bleibt ein Kontraktionsrückstand oder zeigt sich gar eine Ermüdungskontraktur (ATP-Mangelkontraktur), dann ist dies als Kriterium für die „periphere", „physische" Ermüdung des Muskels zu werten. Sie ist bedingt durch Gewebsazidose (Anhäufung von Milchsäure) und Verbrauch der energiereichen Phosphate im Muskelgewebe. Läßt die Leistung nach aufgrund einer „Ermüdung" des Herzens, des Kreislaufs oder der Atmung (Grenzen ihrer Kapazität), könnte man von zentraler Ermüdung sprechen. In der Physiologie wird eine „Ermüdung" der motorischen Endplatten bzw. der zentralen Synapsen als „zentrale oder psychische Ermüdung" bezeichnet [632]. Das Wort „psychisch" sagt dabei aus, daß auch psychologische Aspekte aus der Welt der Vorstellungen und des Unbewußten in das Phänomen der „Ermüdung" eingehen. Definiert man das Gegenstück zur Ermüdung, die Erholung, als „Wiederherstellung der Funktionsfähigkeit durch Funktionslosigkeit", dann wird klar, daß in dem Wechselspiel zwischen Ermüdung durch Funktionsübung und Erholung die Ursache für die Steigerung der Funktionsfähigkeit liegen muß [392]. Man kann diesen Mechanismus dahingehend interpretieren, daß ein Ungleichgewicht zwischen Anforderung und möglicher Leistung (bei bestehendem Gleichgewicht kommt es lange Zeit nicht zur Ermüdung) den auslösenden Reiz darstellt für ein Wachstum, das entweder morphologischer Art ist (vgl. Arbeitshypertrophie, S. 63)

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oder sich in Kapazitätssteigerungen der Organfunktionen (S. 64) äußert, die morphologisch sichtbar, physikalisch meßbar oder chemisch bestimmbar sind. Auch bei inneren Organen kennen wir substantielle Stützen der Funktionssteigerung durch Gebrauch. Nicht nur die quergestreifte Muskulatur, z. B. des Herzens, hypertrophiert unter Mehranforderungen, selbst die glatte Muskulatur, z. B. des Verdauungskanals, kann sich verstärken. Das bekannteste Beispiel für eine morphologisch wie biochemisch faßbare Leistungssteigerung eines endokrinen Organs ist die Nebennierenrinde, deren Vergrößerung im Tierversuch als Nachweis für eine stärkere Aktivität gilt. Dieses Phänomen tritt beim Menschen sehr deutlich klinisch in Erscheinung und ist auch chemisch nachweisbar. Die Entlastung der Nebennierenrinde durch substituierende Hormongabe wiederum führt, wie beim Muskel, zu Inaktivität, zu einer Verkleinerung und selbst zur Atrophie. Aus diesen Erkenntnissen ergeben sich nützliche Hinweise für die Behandlungspraxis. Beansprucht die Krankengymnastin einen Patienten so leicht, daß er auch bei längerer Dauer der Übungen nicht ermüdet, eben weil ein Gleichgewicht besteht zwischen der Anforderung und der zur Zeit gegebenen Funktions- bzw. Leistungsfähigkeit, dann wird der Kranke nicht gefährdet. Die Behandlungen verfolgen so mehr präventive Ziele, stellen z. B. den Kreislauf sicher, verhüten Thrombosen, bewahren die Trophik der Muskeln und erhalten die Gelenke geschmeidig; sie strengen den Kranken nicht an und dürfen ihm ohne weiteres zugemutet werden. Solche Anforderungen können auch ein Maßstab sein, wenn es gilt, die Zumutbarkeit bestimmter, z. B. beruflicher Anforderungen zu beurteilen. Verfolgt man mit der Bewegungstherapie hingegen das Ziel, die Leistung zu erhöhen, sei es an Kraft, Ausdauer oder Qualität, dann stellen solche geringen Anforderungen keinen entsprechenden Reiz dar. Hier muß die Krankengymnastin mehr verlangen, um einen Entwicklungsreiz zu schaffen. Kurzdauernde, intensive Einzelreize, wie sie im Sport als Intervalltraining gebräuchlich sind, bei bewegungstherapeutischen Maßnahmen in der Gehschule abverlangt werden und auch Schnellkraftübungen haben hohe Reizqualitäten, sofern sie unterhalb der Grenzen der Belastbarkeit bleiben, aber oberhalb eines für die Muskeln klar zu definierenden Wertes liegen (S.143). Für das Herz sind die Belastbarkeitsgrenzen nur mit den Testuntersuchungen zu ermitteln; daraus ergeben sich auch die Mindestanforderungen. In der Bewegungstherapie hat die Erfahrung gelehrt, daß die kurzdauernden Bewegungsansprüche in einer zumutbaren, aber die Funktionsfähigkeit deutlich ausschöpfenden Weise besonders die Koordination der Bewegung schult, während länger anhaltende, geringere, aber rhythmisch wiederholte Anforderungen die Ausdauer einer vorhandenen bzw. erreichbaren Belastbarkeit steigern. Zur Mehrung der kardiopulmonalen Leistungen sind deshalb Ausdauerbelastungen erforderlich. Der Begriff orientiert sich nicht an der Dauerleistungsfähigkeit, die für die Arbeitsphysiologie und für die Zumutbarkeit einer körperlichen Berufsarbeit interessant ist. Dort wird die Dauerleistungsfähigkeit als die Leistung definiert, die ein Mensch über acht Stunden erbringen kann, ohne sich so zu ver-

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ausgaben, daß das Gleichgewicht zwischen Sauerstoffbedarf und Sauerstoffaufnahme verloren geht. Meßgröße ist der Energieumsatz, der durch den Sauerstoffverbrauch während der Arbeit berechnet wird. Für die Ausdauer in den krankengymnastischen Übungsbehandlungen gilt im Prinzip das gleiche, auch wenn sie natürlich nicht, wie die Berufsarbeit, so lange gefordert wird. Hier geht man zunächst von der Größe der Leistung aus (vgl. Gruppengymnastik, S. 196). Sie muß in dynamischer Muskelarbeit bestehen, die mindestens Vi bis Ve der gesamten Skelettmuskulatur mit mehr als 50% der Belastbarkeit in Anspruch nimmt und die Muskulatur mehr als 2 - 3 Minuten entsprechend auslastet [261]. Erst so wird daraus ein Entwicklungsreiz, der bei rhythmischer Wiederholung mit der Zeit auch die Ausdauer verbessert. Selbstverständlich können sich Rekonvaleszenten nur langsam an Reizgröße und Intensität anpassen, indem kontinuierlich Übungsdauer und Intensität gesteigert werden. Für bestimmte Übungsarten der sogenannten Erhaltungsphase (S.705), z. B. Wandern (vgl. Tab. 11), kann man auch vergleichsweise von Dauerbelastung sprechen. Die Übungsprogramme für die verschiedenen Erkrankungen, sowohl der Muskeln als auch innerer Organe und Organsysteme, werden im klinischen Teil III kurz angegeben. In Übungsprogrammen für den ganzen Organismus, seien sie als „Stoffwechselgymnastik" verordnet (S. 196) oder zur allgemeinen Kräftigung empfohlen, achtet die Krankengymnastin auf eine voll ausgeschöpfte Atmung, auf die Inanspruchnahme aller Muskeln in Komplexbewegungen mit dosierter Kraft, Schnelligkeit und Ausdauer. Kriterien für die Auslastung sind die Herzfrequenz (S. 187), die Atemkapazität und die Ermüdung der Muskeln.

2.5 Bewegungstherapie bei Herzkranken Ein herzkranker Patient bedarf einer sorgfältigen Beurteilung der Frage, ob sich aus der Krankheit eine Indikation für bewegungstherapeutische Pläne ergibt. Ist dies der Fall, dann bleibt nicht nur zu prüfen, was darf, sondern auch, was muß der Arzt wohldosiert dem Herzen zumuten, damit es sich wieder an die Ansprüche anpaßt, die das Leben nach der akuten Krankheit oder trotz einer verbleibenden Leistungsminderung weiterhin stellt. In diesem Kapitel sollen allerdings nur Fragen erörtert werden, die für jeden Arzt dann interessant sind, wenn er Bewegungstherapie verordnet oder als Hausarzt beobachtend mitverantwortet. Die in diesem Zusammenhang auftretenden Probleme sind die Leistungsfähigkeit des Organismus und die Belastbarkeit des Herzens durch Bewegung. Spezielle kardiologische Probleme, die sich aus der Pathophysiologie der Herzkrankheiten ergeben, würden in diesem Kapitel zu weit in Einzelheiten führen; sie werden deshalb erst im klinischen Teil berücksichtigt.

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In der Einleitung zur Bewegungstherapie wurde (S.116) schon erwähnt, daß eine regsame Tätigkeit der äußeren Bewegungsorgane großen Einfluß auf die inneren Bewegungen des Herzens hat. Jede Bewegung erfordert Energie. Ihre Umwandlung nach dem Energieprinzip (Satz von der Erhaltung der Energie) verlangt in den Muskeln nach Sauerstoff und anderem Material, Stoffwechselendprodukte fallen an. Beides muß mit dem Kreislauf transportiert werden. Jede Bewegung nimmt daher den Motor des Kreislaufs, das Herz mehr oder weniger in Anspruch. Äußere Bewegungen können so auch zum Mittel werden, über die Muskelarbeit physikalisch indirekt definierbare Leistungen vom Herzen zu fordern, mit dem Ziel, die Kraft des Herzens zu stärken, soweit sie entwicklungsfähig ist und der Wiederherstellung bedarf.

2.5.1 Bewegungsanforderungen als Maßstab und Anpassungsreiz für das Herz Die körperliche Leistungsfähigkeit findet ihre Grenzen am jeweils schwächsten Glied im Organismus als Funktionssystem. Nicht nur die Kapazität des Herzens und der Gefäße (Durchblutung), sondern auch die der Atmung, des Blutes als Transportorgan, sowie die Kraft der Muskeln bestimmen die körperliche Leistungsfähigkeit des Menschen. Schränken weder die Atmung, noch die Qualität des Blutes, der Muskeln oder der Gelenke die konstitutionell gegebene Bewegungs- und Leistungsfähigkeit ein, dann ist das Ergebnis aller Belastungstests ein Abbild des Zustandes des Herzens. Der Herzkranke wird aber, würde man maximale Leistungen fordern, unter Umständen erheblich gefährdet. Die Leistungsdiagnostik darf deshalb dem Kranken nicht das Äußerste abverlangen, wie es z. B. mit der Messung der maximal möglichen Sauerstoffaufnahme geschieht, die sich erst aus der voll beanspruchten Förderleistung des Herzens ergibt und daher nur unter größtmöglicher Anstrengung der Probanden meßbar wird. Die Stufen- und Ergometertests (S.177) erlauben dagegen Prüfungen, die einmal an die Leistungsgrenzen gehen und diese abstecken, zum anderen, wenn sie in niedrigen bis mittleren Leistungsbereichen bleiben, doch noch so viel über das Herz aussagen, wie der Arzt zur Verordnung und Dosierung der Bewegungstherapie herzkranker Patienten wissen muß. Mit ihnen überschreitet der Kranke die zumutbare Belastung, seine kardiale Leistungsfähigkeit, nicht. Die geforderte Leistung während des Testes bleibt — anders als die unkontrollierte Alltagsbelastung — unverändert und steigt nicht unbemerkt an. Die Beobachtung der fortlaufend registrierten Parameter läßt sofort erkennen, wenn Herz und Kreislauf in die Gefahrenzone geraten. Beim gesunden Menschen hat es mehr akademischen Wert, die Leistungsfähigkeit einzelner Organe zu bestimmen, weil sie alle zusammen nach dem Gesetz der

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Harmonisierung der Organleistungen auf einen gemeinsamen Nenner abgestimmt sind, der sich in der Dauerleistungsfähigkeit und Belastbarkeit mitteilt. Auch für den gesunden Menschen gibt das in der Anlage und der Entwicklung schwächste, nicht kranke Organ die Grenzen der Leistungsfähigkeit an. Die anderen Organe und Systeme stellen sich darauf ein, d. h. sie entfalten ihre Leistungspotenzen nur so weit, wie es für den schwächeren Partner nötig ist. Eine Behandlungsindikation besteht hier also nicht, es sei denn, man betrachtet die präventiven Maßnahmen, etwa den Breitensport mit Konditionstraining, als eine Art präventiver Behandlung gesunder Menschen. Zur Zeit ist das „Jogging", je Kilometer 5-7 Minuten (ca. 10 km/h), und das Laufen, 3-5 Minuten (ca. 15 km/h) beliebt, um Herz und Kreislauf, die Atmung und die Beinmuskeln (Ausdauer) zu trainieren. Das nicht neue, aber jetzt modische Aerobic-Training ist für Hochleistungssportler gedacht, die sich so ihre körperliche Leistungsfähigkeit (Kraft, Schnelligkeit, Koordination, Flexibilität) bewahren [92]. Die Trimm130-Aktion bietet für diese sportlichen Betätigungen einen Richtwert; die Pulsfrequenz ist Maß für die körperliche Anforderung und deren Nutzeffekt (S.187). Allerdings sollten sich ältere und auch junge, untrainierte Menschen vorher sorgfaltig (ergometrisch) auf ihre Belastbarkeit untersuchen lassen. Zumal das Aerobic-Training führt leicht ins Gegenteil dessen, was der Name aussagt: in anaerobe Zustände. Akute Krankheiten stören die Harmonie der Organleistungen nur vorübergehend. Meist reguliert sie sich selbst wieder ein. Schwerere Krankheiten, die Restschäden hinterlassen oder in ein chronisches Stadium übergehen, ändern mit der Unterlegenheit des erkrankten Organs, z. B. eines geschwächten Herzmuskels, einer unzulänglichen Koronarreserve, einer mangelhaften Atmung, Funktionsstörungen des Stoffwechsels oder der Ausscheidungen durch die Niere, Erkrankungen der Bewegungselemente, die Voraussetzungen für die frühere Leistungsfähigkeit; das alte Gleichgewicht ist gestört. Es stellt sich zwar ein neues Äquivalent ein, dies aber bedarf oft der Korrektur durch eine aufbauende Übungsbehandlung, der wiederum eine Prüfung der Belastbarkeit vorausgehen muß. In der Regel stehen Herz und Kreislauf auch bei subakuten Krankheiten, unter denen die äußere Beweglichkeit leidet, im Vordergrund bewegungstherapeutischer Maßnahmen. Das Ziel der krankengymnastischen Bewegungstherapie ist stets, besonders bei veränderten ergometrischen Verhältnissen, bei wesentlich geringerer Belastbarkeit mit verminderter Dauerleistungsfahigkeit (S. 170), ein geeignetes Mittelmaß zu erarbeiten. An der Kraft der Muskeln und vor allem an der Ausdauer in den Übungsprogrammen läßt sich ablesen, ob der Kranke die Belastungsanforderungen ertragen kann. Zuweilen sollte der Kranke allerdings sogar mehr körperlich gefordert werden, als es vor der Krankheit geschah. War z. B. bei einem Herzinfarkt der Bewegungsmangel Mitursache, dann erleben die Rekonvaleszenten oft mit Erstaunen, wie sie in der rehabilitierenden Bewegungstherapie körperliche Leistungen erbringen, zu denen sie vor der Krankheit nicht fähig waren oder die sie nicht vollbringen zu

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können glaubten. Hier gilt es, ein Leistungsoptimum, nicht -maximum herauszuarbeiten (vgl. Gruppengymnastik, S. 196). Bei dauernd Behinderten, die die körperlichen Leistungsreserven mangels freier Bewegung nicht entfalten können, hat der physikalische Therapeut die Aufgabe, die Kraft der Muskeln und das sie versorgende Organsystem Herz-Kreislauf zu stärken. Hier muß eine aufbauende systematische Übungsbehandlung, meistens als Rehabilitationskur, einsetzen. Je ein Beispiel aus der Kardiologie und der Orthopädie machen dies deutlich: Öffnet der Chirurg eine zu enge Mitralklappe mit einem Valvulotom (S.710), dann erlöst er augenblicklich den gestauten kleinen Kreislauf von beengender Stenose, die Atmung wird frei, und das Herz beliefert jetzt über den großen Kreislauf die Peripherie genügend mit sauerstoffreichem Blut. Nun erst sind die Voraussetzungen gegeben, einem größeren Bewegungsdrang zu folgen. Dies aber ist der Kranke noch nicht gewöhnt, er ist nicht angepaßt (vgl. Anpassung als Kapazitätsänderung, S. 63). Der Arzt verhütet zunächst Überforderungen. Es dauert längere Zeit, bis der von der Mitralstenose her schwache linke Ventrikel unter den veränderten Bedingungen die notwendige Arbeitshypertrophie entwickelt hat, um das nun vergrößerte Blutangebot zu bewältigen. Erst wenn dies mit größerem Schlagvolumen gelingt, deckt das Herz den nun höheren Bedarf in der Peripherie ökonomisch und ohne Anstrengung (S.246 u. S.688). Die meisten Patienten, die aus kardialer Indikation über lange Zeit eine wohldosierte und kontrollierte Bewegungstherapie brauchen, leiden unter einer Beschränkung der koronaren Versorgung des Herzmuskels. Im klinischen Teil III wird die Bewegungstherapie der koronaren Herzkrankheiten ausführlich dargestellt. Ein Beispiel aus der Orthopädie: Der Operateur ersetzt ein unbrauchbares Hüftgelenk, das dem Kranken nur wenige Schritte erlaubte, durch eine Endoprothese, die wieder einen freien, zumindest einen weniger behinderten Gang ermöglicht. Mit den schwachen Muskeln muß nun eine neue, bessere Kapazität erarbeitet werden; das leistungsentwöhnte Herz und der Kreislauf brauchen hier zusätzlich eine die Ausdauer aufbauende Übungsbehandlung. Die Bewegungstherapie setzt allerdings voraus, daß chronisch kranke und geschwächte Organe noch über Leistungsreserven verfügen. Diese liegen oft brach, weil der Patient sie ohne entsprechende Behandlungen nicht voll einsetzt, aus Sorge vor Überforderungen nicht benutzt oder wegen einer Behinderung nicht benutzen kann. Diese Leistungsreserven bzw. -potenzen lassen sich selektiv übend wieder einsetzen, so daß auch chronisch Kranke oder Behinderte den Anforderungen des Lebens gerecht bleiben können. Ohne bewegungstherapeutische Maßnahmen, die nahtlos aus der akuten Behandlungsphase in die medizinische Rehabilitation übergehen sollten, sind die therapeutischen Möglichkeiten der modernen Medizin (und des sozialen Angebotes) nicht ausgeschöpft.

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2.5.2 Definitionen zur körperlichen Leistung Zur Darstellung der Körperbewegung als Therapie ist die Definition von „Leistung" und „Leistungsfähigkeit" von Bedeutung. Die Begriffe sind allerdings nicht exakt zu definieren, da sie unter physischem, psychischem und mentalem Aspekt betrachtet werden können. Normen für Leistung zu finden, ist recht schwierig, da sie von dem Grad des Interesses, der Freude, des Antriebs des jeweiligen Menschen abhängig sind [52]. Jede Krankengymnastin erfährt, wie sehr diese Dinge die Mitarbeit beeinflussen. Leistung, auch die zur Wiederherstellung der Gesundheit bewußt aufzubringende „Energie", hängt darüber hinaus von der Rolle ab, die das Individuum in der Gesellschaft spielt [549], d. h., wie stark sich seine Persönlichkeit entwickelt hat. Für die körperliche Leistungsfähigkeit gibt es deshalb keine offizielle Definition, während man die tatsächlich erbrachte physikalische Arbeitsleistung errechnen und am Energieumsatz messen kann. Dabei bleibt es für die hier notwendige Beurteilung zunächst unerheblich, ob das Sinken der Leistungsfähigkeit mehr durch ungenügende Energieumsätze oder mehr durch Beeinträchtigung nervaler und hormonaler Steuerungs- und Regelungsfunktionen zustande kommt. Anstrengende Bewegung spricht die Leistungsreserven an. Man kann diese definieren als die Kräfte, die über die subjektiv empfundene und situationsgebundene Leistungsfähigkeit hinaus tatsächlich oder der Anlage nach vorhanden sind, willkürlich aber nicht hervorgerufen werden. In der Bewegungstherapie rücken die Reserven durch Übungsbehandlungen in den Vordergrund. Morphologische (Arbeitshypertrophie) und funktionelle Kapazitätsverbesserungen (Kraft, Ausdauer) stellen sich ein (S. 67), die der Leistungsfähigkeit und der Belastbarkeit, d. h. der Leistung, die ohne Gefährdung zumutbar ist, zugute kommt. Soweit die Leistung mit meßbaren Größen zu erfassen ist, interessiert zunächst die physikalisch energetisch definierbare Betrachtungsweise, nach der die körperliche Leistung auf der Fähigkeit beruht, mit der Kraft der Muskeln mechanische Arbeit zu leisten, physikalisch ausgedrückt: Energie aus einer Form in eine bestimmte, andere Form zu bringen; dies ist mit Arbeit identisch. In diesem physikalischen Sinn ist auch die Muskeltätigkeit in der Krankengymnastik eine Arbeit, man sagt hier besser „Heilsame Körperübung" (Heilgymnastik). Da es die Muskelfunktion ist, über die die Krankengymnastin Zugang zu Herz und Kreislauf findet, interessieren im einzelnen vier leistungsbestimmende Faktoren: - die Kraft, mit der die Muskeln Bewegungen ausführen; - die mögliche Schnelligkeit einer Bewegung; - die Ausdauer, diese hat bei gesunden Muskeln ihre Wurzeln im Herz-Kreislaufsystem; - die Koordination, die — ist sie gestört — die Bewegungen unökonomisch und damit unverhältnismäßig anstrengend macht.

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Für den menschlichen Organismus, insbesondere auch für das Herz und den Kreislauf, kommt es im täglichen Leben wie in der Bewegungstherapie nicht allein darauf an, welchen Betrag an Arbeit (Energieumsatz), z. B. Hubarbeit beim Treppensteigen, der Mensch verrichtet, sondern auch auf die Zeit, innerhalb der dieses geschieht. Das Verhältnis aus Arbeit und Zeit nennt man, physikalisch betrachtet, Leistung. Sie ist umso größer, je schwerer die Arbeit ist und je schneller sie vollbracht wird. Die Kraft, hier als Ursache der Bewegung gedacht, muß umso größer sein, je schwerer der die Treppe steigende Mensch ist und je mehr Stufen (Weg) die Treppe hat. Kraft und Weg sind Vektoren (gerichtete Größen). In den Begriff Leistung geht dabei auch der Skalar (ungerichtete Größe) Zeit ein. Vektor „Weg" dividiert durch den Skalar „Zeit" ergibt den neuen Vektor „Geschwindigkeit". In einer mathematischen Formel ausgedrückt ist die Leistung (P) gleich Energieumsatz (E) E r g o m e t e r t r a i n i n g , S.178). Zeit (t) Die Messung der Muskelkraft ist unentbehrlich, wenn man Behandlungs- oder Trainingserfolge dokumentieren will. Dies geschieht am Muskel dynamometrisch; zur Bewertung der körperlichen Leistung braucht man ergometrische Verfahren, die über die Muskelkraft und Ausdauer den ganzen Organismus in Anspruch nehmen, oder Messungen des metabolischen Energieumsatzes während einer mechanisch geleisteten Arbeit. Die Maßeinheiten, die auch der Mediziner braucht, um körperliche Leistungen zu definieren, werden seit dem 1.1.1978 als SI-Einheiten (Système International d'unité) weltweit einheitlich angegeben. Die Basis des neuen Systems besteht aus sieben Größen, von denen sich alle weiteren Meßgrößen ableiten. In diesem Zusammenhang ist für den Arzt, der die Anstrengung beurteilen muß, die er seinem Patienten mit einem Übungsprogramm abverlangt, die Definition der Leistung (P) wichtig. Sie wurde schon als Arbeit/Zeit bestimmt; man kann auch Kraft mal Geschwindigkeit (Weg/Zeit), also Kraft mal Weg/Zeit, sagen. Die Leistung wird in Watt (W) angegeben. Die SI-Einheit W ist die Energieeinheit (Joule = J) dividiert durch die Basiseinheit der Zeit (Sekunde = s). Ein Watt bedeutet also, daß eine Arbeitsleistung von ein Joule pro Sekunde (1 W = 1 J - s _ 1 ) erbracht wird. Wird diese Arbeitsleistung fortlaufend jede Sekunde über längere Zeit erbracht, und zwar in der Art und Weise, als würde dabei jedesmal 1 kg senkrecht einen Meter hochgehoben (1 kgm), dann unterhält der Proband während der ganzen Dauer eine Arbeitsleistung von 9,81 J, das sind ungefähr 10 Watt. Dies bedeutet also: die Leistung beträgt laufend ungefähr 10 Watt, solange der Proband die definierte Arbeitsanforderung erfüllt, z. B. das auf 10 W eingestellte Ergometer mit Muskelkraft betreibt. Die Leistung steigt an, wenn er die gleiche Arbeit in kürzerer Zeit erbringt, bzw. wenn er in gleicher Zeit schwerere Gewichte bewegt oder der Bremswiderstand am Ergometer größer wird. Man kann Leistung zusätzlich auch physiologisch als Energieumsatz definieren,

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den die Muskelarbeit vom Körper während eines Zeitraums verlangt. Dieser Umsatz wurde bisher in Kalorien/Min., neuerdings wird er in Joule/Min. angegeben. 1 Kalorie ist 4,18 Joule. Die SI-Einheit Joule kann also die Einheit der Arbeitsenergie oder einen Teil (nicht die Einheit) der Wärmemenge angeben. Aus der verbrauchten Sauerstoffmenge während der Arbeit läßt sich der Energieumsatz berechnen. Allerdings sind dazu Analysen der Atemgase erforderlich.

2.5.3 Spezielle Leistungsdiagnostik des Herzens Belastungstest mit Kniebeugen Früher war es üblich, den Patienten in der Sprechstunde 15 bis 20 Kniebeugen machen zu lassen. Pulszahl und Blutdruck wurden vor und nach der Übung verglichen. Daraus bewertete der Arzt die Belastbarkeit von Herz und Kreislauf. Das kann heute nicht mehr genügen, denn die dabei geleistete Arbeit ist weder genormt, noch kann man sie einwandfrei abschätzen. Sie ist auch nicht reproduzierbar, weil sie bei diesem Test mehr als bei anderen von unkontrollierbaren, täglich wechselnden Unwägbarkeiten abhängt. Zudem ist der Test nicht ohne Risiko, denn er fordert in kurzer Zeit eine sehr hohe Leistung. Stufentests Stufentests, der älteste und noch viel gebrauchte wird nach Master [425] benannt, sind einfache Belastungsprüfungen, die wenig Aufwand erfordern. Sie dienen mehr der Krankheitsdiagnose durch Belastung als der Leistungsprüfung. Beim Mastertest steigen die Probanden zwei Stufen von bestimmter Höhe hinauf und herab. Sie wiederholen dies ohne Pause über eineinhalb oder drei Minuten (Doppeltest) in rhythmischem, durch ein Metronom angegebenem Takt. Für die Leistungsdiagnostik reichen beide Zeiten allerdings nicht aus. Die Anzahl der Schritte in der Zeit modifiziert der Untersucher mit dem einstellbaren Takt des Metronoms je nach Alter, Geschlecht und Körpergewicht für jeden Patienten. So erhält er vergleichbare individuelle Belastungen. Am Ende eines solchen Testes registriert der Arzt Puls, Blutdruck und EKG und vergleicht sie mit den Ruhewerten. Beim sogenannten Kletterstufentest [645], bei dem auch die Armmuskeln an der körperlichen Arbeit teilnehmen, variiert man die Belastung durch Änderung der Stufenhöhe. Solche Belastungen erfordern, sofern sie als aussagekräftiger Leistungstest dienen sollen, sechs Minuten pro Belastungsgrad. Der Vorteil der Stufentests besteht in den sehr einfachen Anlagen. Sie brauchen weder Wartung, noch elektrischen Strom, noch muß man sie eichen. Nachteilig ist, daß es nicht möglich ist, wie auf den Ergometern, fortlaufend das EKG, die Pulsfrequenz und -rhythmik und das Blutdruckverhalten zu registrieren. Bei den Stufentests geht dies nur während eingelegter Ruhepausen, in denen manches Merkmal, z. B. eine ST-Senkung im EKG, nicht selten schon nach einer Minute wieder verschwindet und so unerkannt bleibt.

178

Methoden der Physikalischen Therapie

2.5.4 Ergometrische Untersuchungen Sicherer und breiter in der Aussage als die Stufentests sind die Ergebnisse der ergometrischen Belastungsprüfungen. Die Methode erlaubt, fortlaufend und störungsfrei während der Arbeitsleistung Meßwerte zu registrieren und stufenweise die Anforderungen zu erhöhen, ohne daß man den Arbeitsgang unterbrechen muß. Die feststehenden Fahrradergometer haben sich dazu gut bewährt; zum Teil eignen sie sich auch als Handkurbelergometer. Laufbandergometer sind gleichermaßen qualifiziert. Die ergometrische Belastungsuntersuchung des Herz-Kreislauf-Systems ist heute für dessen Funktionsdiagnostik unentbehrlich. Ihre wichtigsten Indikationen sind: - Prüfung der durch Herz und Kreislauf begrenzten Arbeits- und Leistungsfähigkeit; - Klärung subjektiver Herzbeschwerden; - frühzeitige Erkennung einer, auch der noch symptomlosen latenten Koronarinsuffizienz; - vorsichtige Erprobung der Belastbarkeit bei vorhandener Koronarinsuffizienz; - Beurteilung der durch Herzklappenfehler eingeschränkten kardio-pulmonalen Belastbarkeit (Vorsicht bei Aortenstenose) und der Belastbarkeit des operierten Herzens (Valvulotomie, Klappenersatz, Bypass); - Untersuchung von Herzrhythmusstörungen; - Bestimmung der Trainingsfrequenz für Kranke und Gesunde; - Erfolgskontrolle bewegungstherapeutischer Maßnahmen. Seit die ergometrische Methodik standardisiert ist [437], entsprechen die physikalisch definierten Leistungen am Gerät nicht nur der individuellen biologischen Leistung, sie sind auch vergleichbar und reproduzierbar. Die individuelle Leistung am Ergometer und ihr Wirkungsgrad hängen, bei gleicher physikalischer Anforderung von verschiedenen Faktoren ab: von äußeren Bedingungen, z. B. Drehzahl, Verhältnis der Kurbelhöhe, -länge und -art zu den Körpermaßen, Wetter- und Klimaeinflüsse; von individuellen Elementen wie Bewegungsökonomie, Konstitution, Kondition und Motivation (S.172f. u. 143). Die äußeren Bedingungen, die mit dem Gerät gegeben sind, lassen sich für jeden Probanden dem vereinbarten Standard gemäß einstellen. Die meteorischen Faktoren, soweit sie außerhalb des Raumklimas liegen, stören nur an wenigen Tagen, z. B. bei Hitze oder Föhn. Bei Körperbehinderten, die man nicht ergometrieren kann, ist die biologische Leistung unter körperlicher Belastung nur mit dem Sauerstoffverbrauch pro Minute und Kilogramm Körpergewicht zu erfassen oder mit der Berechnung des Sauerstoffpulses, der die pro Pulsschlag aufgenommene und an das Gewebe weitergegebene Sauerstoffmenge angibt. In der ergometrischen Untersuchungspraxis beginnt der Arzt, will er die maximale Belastbarkeit prüfen oder die Leistungsgrenze bestimmen, vorsichtig auf einer Belastungsstufe, die je nach dem anamnestischen Bild und dem Ergebnis der vorausgehenden allgemeinen körperlichen Untersuchung 50, 75 oder

Bewegungstherapie (Krankengymnastik)

179

mehr Watt fordert. Die Drehzahl liegt in der Regel bei 50 bis 60 Drehungen in der Minute. Langsam tastet sich der Untersucher an die Belastbarkeitsgrenze des Probanden heran, indem er die Belastungsintensität stufenweise (nicht kontinuierlich ansteigend) jede Minute um 10 Watt, einfacher noch um 25 Watt jede zweite Minute erhöht. In den letzten 20 Sekunden der zweiten Minute jeder Wattstufe werden die stetig ablesbare Pulsfrequenz (S.187), das im Monitor sichtbare, mitlaufende und ständig beobachtete EKG sowie der Blutdruck aufgezeichnet. Bei einer solchen leistungsbezogenen ergometrischen Untersuchung wartete man früher auf jeder Stufe ab, bis ein „steady State" erreicht war, d. h. bis sich die Pulsfrequenz (und andere Werte) unter der eingestellten Arbeitsforderung (Bremswiderstand) nicht mehr änderten. Oft stellt sich auf den einzelnen Belastungsstufen ein absoluter steady State nur sehr zögernd ein; man muß zu lange darauf warten. Deshalb wurde als ein brauchbarer Ersatz der Begriff der „Ergostase" eingeführt. Diese gilt dann als gegeben, wenn die Frequenz auf jeder Leistungsstufe von der 4. bis zur 6. Minute um weniger als 8 Schläge zunimmt und die Sauerstoffaufnahme, gemessen am Spirometer, in den letzten 3 Minuten der Leistungsstufe um nicht mehr als 50 ml ansteigt. Solche Untersuchungen sind zeitraubend, ermüden auch die Beinmuskeln der Probanden vorzeitig oder erschöpfen den Patienten so sehr, daß mancher den Versuch schon beendet, bevor er an der Grenze der kardialen Belastbarkeit angekommen ist. Zunehmende Erfahrung hat gezeigt, daß es in der Regel genügt, jeweils nach zwei Minuten auf die nächste Belastungsstufe einzustellen [161]. So zeigt sich nach sechs bis zehn Minuten, auch unabhängig vom absoluten steady State auf den einzelnen Belastungsstufen, die Belastungsgrenze mit Sicherheit an. Herzwirksame Medikamente verändern das Ergebnis solcher Belastungsprüfungen. Das gilt besonders für die Beta-Rezeptorenblocker, die bei ischämischen Herzkrankheiten (S. 697), Rhythmusstörungen und Hypertonie indiziert sind. Belastung erhöht die sympathischen Antriebe, die Frequenz als stichhaltiges Kriterium steigt an. Beta-Blocker dämpfen diesen sympathischen Einfluß und halten die kardialen Reserven zurück. Die Frequenz bleibt niedriger als sie regulär bei dieser Anforderung sein müßte, um ausreichend Sauerstoff anzuliefern. Die zuverlässige Beziehung zwischen Leistung und Frequenz stimmt jetzt nicht mehr, die Belastung erscheint, orientiert man sich an der Herzschlagzahl, niedriger als sie ist. Maximalbelastungen sind deshalb kontraindiziert bei Herzpatienten, die unter der Wirkung von Beta-Blockern stehen [534], Die leistungsbezogene Ermittlung der Belastbarkeitsgrenzen zur Festlegung von Trainingspulsen (S.190) und zum Nachweis von Erfolgen in der Bewegungstherapie kann gegebenenfalls ergänzt werden durch die Bestimmung der „PWC", der „Pulse Working Capacity". Sie bringt in kurzer Zeit die notwendigen Informationen und ermittelt die Leistung bei einer bestimmten Frequenz. Bei dem Verfahren gibt der Arzt eine Pulszahl an, die nach dem Alter bestimmt wird. Der Patient erreicht sie mit kräftigem Treten auf dem Fahrrad bald und hält

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Methoden der Physikalischen Therapie

Abb. 32 Mittelwerte der Herzschlagfrequenz bei ansteigender ergometrischer Anforderung (Normbeziehung Frequenz — Leistung nach [436]).

sie dann ständig ein, d. h. er arbeitet so viel, daß die vorgegebene Pulszahl dauernd auf der geforderten Höhe bleibt. Die dabei geleistete Arbeit ist am Ergometer ablesbar. Die Frequenz ist hier der limitierende Faktor, nicht die Arbeitsleistung, sofern nicht schon vorher Abbruchkriterien (S. 182) Einhalt gebieten. Eine graphische Darstellung der Mittelwerte der Herzschlagfrequenz bei ansteigenden ergometrischen Leistungen (Normbeziehung Frequenz — Leistung) gesunder Männer im Alter zwischen 20 und 30 Jahren zeigt die Abbildung 32 (modifiziert nach [436]). Die am Ende jeder zweiten Minute erreichte Pulsfrequenz wird in ein entsprechend der Normbeziehung Frequenz — Leistung angelegtes Koordinatensystem eingetragen. Mindestens drei Werte oberhalb einer Frequenz von 100 sind dabei erforderlich. Sie werden durch eine Linie verbunden, die in der Regel — bei annähernd eingestelltem steady state — eine Gerade ist. Diese schneidet, z.B. im PWCno-Test, die Ordinate der Frequenz 170 in einem Punkt, von dem aus das Lot auf die Abszisse die erbrachte Leistung in Watt angibt. Alle interessierenden Werte für Leistung und Frequenz kann man bei sorgfältiger Untersuchungstechnik extrapolieren. Als Norm- bzw. Mittelwerte für die Beziehung Frequenz — Leistung gelten [535]: PWCi70= d 2,8- 9 2,3 W/kg; bei 65 kg also ca. 180 bzw. 150 W PWCi50= d 2,1 - 9 1,8 W/kg 140bzw. 120 W PWC 130 = d 1 , 5 - 9 1,25 W/kg 100 bzw. 80 W. Die Werte kommen nicht an die maximale Belastbarkeit heran. Allerdings bleibt bei der kg-bezogenen Angabe das Verhältnis des Muskelanteiles zum Fettanteil am Gesamtgewicht unberücksichtigt. Liegen die Pulswerte oberhalb des Bereiches der mittleren Herz-Kreislaufleistung, dann zeigt dies an, daß der Patient kardial nur eingeschränkt leistungsfähig ist. Die Werte gut trainierter Menschen liegen unterhalb des mittleren Bereiches, d. h. die Leistung wird mit weniger Aufwand erbracht.

Bewegungstherapie (Krankengymnastik) pathologisch

trainiert

untrainiert

befr. ig

Isehrgut 5 W/kg

181

Hochleistung 6 W/kg

4W/k S ausreichend n o r m . _

3 W/kg 2 W/kg 1 W/kg

Ruhe

Belastung

12 t(min) Erholung

Abb. 33 Körpergewichtsbezogene Leistung (Watt/kg) mit Beurteilungskriterien bei erschöpfender Fahrradergometrie im Sitzen (nach [465]).

Man kann auch, bei gesunden Probanden, die Beziehung Watt/kg Körpergewicht der Belastungsprüfung zugrunde legen. Für die Beurteilung sporttreibender Jugendlicher hat sich das Gießener Modell bewährt [465]. Man beginnt mit einer Belastung von 1 W/kg, z. B. bei einem Gewicht von 70 kg mit 70 W. Dann steigert der Untersucher die Forderung alle zwei Minuten um 1 W/kg bis zur Erschöpfung; also bei 70 kg erst zwei Minuten 70 W, dann zwei Minuten 140 W, zwei Minuten 210 W usw. Die körperliche Leistungsfähigkeit wird nach der am Ende des Versuches erbrachten Wattzahl/kg Körpergewicht beurteilt, nicht nach der Frequenz. Die Abbildung 33 (nach [465]) gibt eine graphische Darstellung der Auswertung. Nicht alle Patienten mit einer koronaren Herzkrankheit, insbesondere solche nicht, die schon einen Herzinfarkt erlitten haben, sind mit der Ergometrie allein ausreichend zu beurteilen, obwohl ergometrisch die Angina pectoris-Schwelle und damit die koronarbedingte Belastbarkeit mit großer Zuverlässigkeit erfaßt werden kann. Während bei Koronarpatienten in der Regel die zwischen Frequenz und Leistung bestehende lineare Beziehung (S. 187) die Grenze der koronaren Versorgung bestimmen läßt, ist bei Infarktpatienten eine Korrelation zwischen der ergometrisch ermittelten Frequenzgrenze und der hämodynamischen Funktionsfähigkeit nicht immer gegeben [667]. Das bedeutet: Die Belastbarkeit kann früher als durch die Koronarinsuffizienz schon durch eine latente myokardiale Leistungsschwäche eingeschränkt sein. Dies kommt durch das subjektive Symptom des Herzschmerzes und die ergometrisch provozierte ST-Senkung allein nicht ins Bild. Treten bei einem Patienten in der Rehabilitationsphase nach körperlichen Anforderungen Beschwerden auf, z. B. Mißempfindungen, anhaltende Dyspnoe, verzögerte Erholung (vgl. Erholungspuls, S.194), wird es notwendig, die Aussagekraft der Ergometrie zu erweitern durch die Bestimmung des pulmonalen Kapillardrukkes (Einschwemmkatheter, [529, 530]). Gleiches gilt, wenn im EKG eine große

182

Methoden der Physikalischen Therapie

i 1/2 : 1/2

R > -C

&

Xi 3

471

472

Methoden der Physikalischen Therapie

chen Fällen reicht auch eine selektive UV-Phototherapie (SUP) mit diesen Lampen [643] aus. Nachteile, Neben- oder Spätwirkungen, wie sie nach der gleichfalls sehr erfolgreichen Röntgenbestrahlung auftreten können, sind auch hier zu bedenken. Nach neueren Berichten spricht auch die Mycosis fungoides gut auf eine Behandlung nach dem PUVA-Prinzip an [174]. Andere Indikationen, die Pityriasis rosea, die Vitiligo und mikrobielle Ekzeme, sind ebenfalls gegeben. Bei der Neurodermitis spart man mit der Lichtbehandlung Kortikosteroide ein. Schleimhauttuberkulosen, Lokalisierungen in Mund, Nase, Rachen und Kehlkopf erfordern Speziallampen, mit denen gute Bestrahlungsergebnisse erreicht werden. Bei mehreren Indikationen der Lichttherapie wird in der Literatur die Eigenblutbehandlung mit UV-bestrahltem Blut empfohlen. Die Wirkung einer Eigenblutinjektion ohne Bestrahlung als unspezifische Reizkörpertherapie wird in Situationen angewendet, in denen die Abwehrmechanismen allgemeiner Art zur Überwindung eines akuten Krankheitsgeschehens angestoßen werden sollen. Im Gegensatz zu der einfachen Eigenblutbehandlung, bei der das aus einer Vene entnommene Blut in steigender Dosierung von 2 ml bis zu 20 ml sofort wieder intramuskulär injiziert wird, kann bestrahltes Eigenblut auch intravenös reinjiziert werden. Zur intravenösen Gabe bestrahlten Blutes werden größere Mengen Blut, 200-300 ml aus einer Vene entnommen, durch einen Bestrahlungsapparat geleitet und nach Bestrahlung in eine andere Vene reinfundiert. Obwohl über ungewöhnliche Erfolge berichtet wird, deren Ursachen allerdings noch nicht vollständig geklärt sind, hat sich die Methode bisher noch nicht durchsetzen können. Das liegt auch an dem Aufwand, den eine solche Behandlungsart erfordert. Ein weiterer Grund ist, daß Krankheitszustände, bei denen der Organismus die Kraft zur völligen Heilung nicht aufzubringen vermag, wie z. B. bei chronischer Pneumonie, bei Lungenabszessen oder Gangränen, bei Osteomyelitis und bei Pflegmonen, heute aufgrund der Entwicklung der Chemotherapie und der Operationstechnik selten geworden sind.

6.9 Kontraindikationen Kontraindikationen der Lichttherapie ergeben sich aus der Reizwirkung des Lichtes. Zu starke Lichtreize können einen schwelenden Krankheitsprozeß aktivieren. Dies gilt besonders für die photoallergischen Lichtreaktionen, die nach der Gabe von Sulfonamiden, Antihistaminika und oralen Antidiabetika vorkommen, und den Lichtdermatosen bei photosensiblen krankhaften Störungen des Porphyrinstoffwechsels. Weiterhin trifft das zu für die Lungentuberkulose, für alle akuten, fieberhaften Infektionskrankheiten mit und ohne Exanthem und für andere entzündliche Erkrankungen der inneren Organe, des Bewegungsapparates und des

Lichttherapie

473

Zentralnervensystems bzw. deren Komplikationen. Auch bei Krankheiten, die mit Benommenheit oder mit Erregungszuständen einhergehen, ganz allgemein auch bei allen Krankheiten, die hohe Anforderungen an den Organismus stellen und ihn damit sehr hinfällig machen, sind lichttherapeutische Behandlungen kontraindiziert. Viele Krankheiten können, je nach dem Gesamtzustand des Kranken, absolute Kontraindikationen abgeben, dies gilt z.B. für die dekompensierte Herz- und Ateminsuffizienz, für schwere Formen des arteriellen Hochdruckes mit Komplikationen, z. B. bei einem diastolischen Druck über 120 mm Hg, bei Papillenödem, Niereninsuffizienz (maligner Hypertonus). Bei weniger erhöhtem Blutdruck ist die Kontraindikation relativ, d. h. eine lokale Reizbestrahlung z. B. zur Linderung von Angina pectoris-Anfällen oder eine milde Ganzbestrahlung zur sedierenden UmStimmung beim Asthma bronchiale ist durchaus zuträglich. Der Arzt muß daher jeweils abwägen, wieweit er einem Kranken eine Reizbehandlung zumuten darf. In der guten Dosierbarkeit der Lichttherapie nach Reizstärke, -fläche, -dauer und -intervall (S. 446) bieten sich mit der Lichttherapie Möglichkeiten der unspezifischen Abwehrsteigerung an. Heute ist die Lichttherapie unter dem Einfluß der großen Möglichkeiten der Chemotherapie zu Unrecht und zum Nachteil mancher Kranken teilweise in den Hintergrund getreten, obwohl sie in vielen Fällen wohlbegründete Indikationen hat.

7. Krankenbehandlung mit Heilquellen (Angewandte Balneologie) 7.1 Definition Die Beschreibung der Wirkungen des Badens in Heilwässern natürlicher Herkunft ist der wichtigste Teil der Bäderlehre (Balneologie). Darüber hinaus lehrt und erforscht die Balneologie, wie Quellwässer, Moore, Schlamme und Erdgase, soweit sie Heilkräfte besitzen, entstehen, wie man sie gewinnt und so verarbeitet, daß ihre gesundheitsfördernden Eigenschaften zum Tragen kommen. Auch die Kurbehandlungen an der See werden im erweiterten Sinn in die Balneologie einbezogen. Hier gibt die Kombination des Badens im Meer mit den Einflüssen des Meeresklimas den Kuren den Charakter einer umfassenden Balneotherapie im Sinne des griechischen Wortes „balneion", das Bade- oder Kurort bedeutet. Spezieller auf das Meer und seine Heilkräfte hinweisend ist der Ausdruck „Thalassotherapie" (gr.: thalassa = das Meer). Der Gegenstandskatalog (vgl. G K 3-2.1.7) faßt die Balneologie noch weiter, indem er ihr als Anwendungsformen auch die Trinkkuren und Inhalationen zuordnet. Man kann diese Behandlungsarten insoweit zur Balneologie rechnen, als für Trink- und Inhalationskuren die Heilwässer von großer Bedeutung sind. Allerdings sind Trink- und Inhalationskuren (S. 434, 505) strenggenommen nicht physikalische Behandlungen; sie sind im Prinzip Verordnungen pharmakologischer Art. Die Methoden der Inhalation von Medikamenten wurden bei der Aerosoltherapie beschrieben. Die Trinkkuren aber gehören zur Balneologie, sie haben als eine besondere Art der Arzneimittelgabe nahe Beziehungen zu den wirkstoffhaltigen Bädern. Wer regelmäßig die Quellwässer trinkt, nimmt, wie im Bad, die Mineralstoffe der Heilquellen in rhythmisch wiederkehrenden Abständen auf, hier in wirkungsfähigen Mengen per os dargeboten, dort über die Haut des Badenden eingeschleust (vgl. Resorption im Bad, S.479). Den Brunnen- und den Badekuren ist gemeinsam, daß sie viel komplexere Wirkungen haben, als Verordnungen galenischer Art. Die Trinkkuren haben überwiegend spezifische Effekte. Dazu kommen auch unspezifische Allgemeinwirkungen, die im wesentlichen dem kurgemäßen Verhalten der Kranken zuzuschreiben sind (S. 523 f., 600). Eine Badekur läßt sich wie folgt definieren: Ein Kranker sucht Heilung in einer Gegend, in der nicht nur eine Heilquelle entspringt, deren Heilkraft er allein hier findet, sondern auch, weil der Ort, in dem die Heilquelle liegt, als Kurort qualifiziert ist. Hier badet der Kurgast in regelmäßigen Abständen in dem Quellwasser nach einem festen Kurplan, den der Arzt individuell mit kurspezifischen Kombinationen zusammenstellt.

Krankenbehandlung mit Heilquellen (Angewandte Balneologie)

475

Zu den in Bade-, Trink- und Inhalationskuren genutzten Wirkungsfaktoren (S.477) der Heilwässer kommen in den meisten Kurorten noch heilklimatische Einflüsse hinzu, die zusammen mit den Wirkungen der Quelle auf das Gesamtgeschehen der Kur einen guten Einfluß haben. Die Darstellung der Balneologie als medizinisch-naturwissenschaftliche Disziplin kann aufgrund ihrer umfangreichen Indikationen und Begründungen nur in einem speziellen Lehrbuch abgehandelt werden. Im Rahmen dieses Buches, das mehr auf Krankenbehandlungen mit naturgegebenen Heilkräften ausgerichtet ist, die jedem Arzt, gleich an welchem Ort, unmittelbar zur Verfügung stehen, kann nur der Teil der Balneologie in Umrissen skizziert werden, der von der therapeutischen Anwendung der Heilwässer (Balneotherapie) handelt. Dabei wird das Konzept des Gegenstandskataloges zugrunde gelegt. Es werden nur solche Fragen erläutert, die die Prüfungsordnung von dem Kandidaten der Medizin als Basiswissen fordert (vgl. GK 2.1.7).

7.2 Klassifikation der Heilwässer Die zu Bädern, Trinkkuren und Inhalationen genutzten Heilwässer unterscheiden sich durch Art und Menge ihrer Inhaltstoffe und durch die Temperatur der Quelle. Die Begriffe „Heilwasser" und „Mineralwasser" werden im folgenden synonym verwendet, wenngleich dies für den Handel (vgl. Haustrinkkur, S. 517) nicht gilt. Die sogenannten Nauheimer Beschlüsse (1958 gefaßt und 1979 ergänzt) haben die alten Ausdrücke für die unterschiedlichen Wässer ersetzt. Früher galten folgende Bezeichnungen: muriatisch für Kochsalzquellen, salinisch für Glaubersalzquellen, erdig für Wässer, die kohlensaure Salze des Kalziums, Magnesiums oder Strontiums enthalten, Gipsquelle für Brunnen, die Kalzium-Sulfat-Wässer spenden, Stahlquelle für eisenhaltiges Wasser. Heute klassifiziert man die natürlichen, aus Heilquellen entspringenden Wässer folgendermaßen: A. Wässer, die mehr als 1 g fester Mineralstoffe in 1 kg Wasser gelöst enthalten, nämlich - Chloridwässer (Na-, Ca-, Mg-Chlorid); Wässer mit einem Natriumchloridgehalt von mindestens 5,5 g Na- und 8,5 g Cl-Ionen pro kg Wasser ( = 14 g NaCl pro Liter oder 1,4% NaCl) werden Solen genannt. Schwache Solen haben bis 3%, mittelstarke Solen bis 7%, starke Solen bis zu 30% Salzgehalt; - Hydrogenkarbonatwässer (Na-, Ca-, Mg-Hydrogenkarbonat; HCO3); - Karbonatwässer (CO3) kommen in Deutschland nicht vor; - Sulfatwässer (Na-, Ca-, Mg-, Fe-, Al-Sulfat). In die Bezeichnung der Mineralwässer gehen nur solche Ionen ein, deren Anteil mindestens 20 Milliäquivalent der Gesamtkonzentration erreicht. Stets werden zuerst die Kationen, dann die Anionen genannt, z. B. Natrium-Sulfat-Hydrogenkar-

476

Methoden der Physikalischen Therapie

bonat-Chloridquelle (Karlsbad, großer Sprudel) oder Kalzium-Magnesium-Hydrogenkarbonat-Säuerling (Wildunger Reinhardsquelle). Die Reihenfolge wird in absteigender Linie von dem jeweiligen Gehalt an einzelnen Ionen bestimmt. So unterscheidet man z.B. ein „Chlorid-Sulfat-Hydrogenkarbonat-Wasser" von einem „Chlorid-Hydrogenkarbonat-Sulfat-Wasser". B. Wässer, die unabhängig vom Gehalt an Mineralstoffen noch besondere, biologisch aktive Wirkstoffe enthalten. Ihre Konzentration muß, um die entsprechende Bezeichnung als Heilwasser führen zu können, die folgenden Grenzwerte erreichen: 1. Eisen enthaltende Wässer

Eisen

20 mg/kg Wasser

2. Fluor enthaltende Wässer

Fluoride

1 mg/kg Wasser

3. Jod enthaltende Wässer

Jodid

1 mg/kg Wasser

4. Schwefel enthaltende Wässer

titrierbarer Schwefel

1 mg/kg Wasser

5. Radon enthaltende Wässer

Radium-Emanation

6. Kohlensäure enthaltende Wässer (sog. Säuerlinge)

freies, gelöstes C 0 2

18 nCi/kg* Wasser 1 g/kg Wasser

C. Wässer, die zu jeder Jahreszeit mit gleichbleibender Wärme aus der Tiefe sprudeln. Beträgt ihre Temperatur an der Stelle, wo sie ans Tageslicht kommen, mehr als 20°C, dann erhalten ihre Quellen den Namen „Therme", z.B. Schwefeltherme, kohlensäurehaltige Kochsalztherme. D. Quellwässer, denen aufgrund klinischer Gutachten heilende, lindernde oder krankheitsverhütende Eigenschaften zuerkannt werden, obwohl sie die unter A und B genannten Forderungen nicht erfüllen. Sie werden als mineralarme, kalte Quellen oder „Akratopegen" (gr. akratos=ungemischt, pege=Quelle) bezeichnet. Erfüllen sie die Bedingungen einer Therme, dann nennt man sie „Akratotherme" oder „Wildwasser". Fast alle Heilquellen enthalten eine Kombination biologisch wirksamer Bestandteile, die ein Heilwasser auszeichnet. Die Quellen unterscheiden sich dabei aufgrund ihres Analysenbildes und besitzen dadurch eine Individualität bzw. Spe* Ci = Curie als Maßeinheit für die Menge radioaktiver Substanz, die soviele Alpha-Teilchen emittiert wie 1 g Radium. Das sind 3,7 • 10 w Alpha-Teilchen/sec (1 nCi = 10" 9 Ci). An die Stelle von Ci ist heute die SI-Einheit Becquerel (Bq) getreten; 1 Ci = 3,7 • 1010 Bq; 1 Bq = 1 Kernzerfall/sec. Als Maß für die Emanationsmenge gilt das Millistat (mSt). 1 mSt ist die Emanationsmenge, deren Strahlung einen Sättigungsstrom von 10~ 3 elektrostatischer Einheiten unterhält. l m S t = 6,3410" 7 Ci. Als Maß für die Konzentration einer Radonlösung dient die Mache-Einheit (ME). 1 ME bedeutet eine Konzentration von 1 mSt/1 Wasser. Der Grenzwert 18 nCi/kg Wasser entspricht ca. 50 ME. Bäder mit einem solchen Wasser haben also eine Konzentration von 50 ME, gleichgültig ob die Wanne 2001 faßt, also eine Emanationsmenge von 200 • 50 = 10 000 mSt oder 4 0 0 1 = 4 0 0 • 50 = 20 000 mSt hat. Entscheidend ist allein die Konzentration im Wasser.

Krankenbehandlung mit Heilquellen (Angewandte Balneologie)

477

zifität. Der Grundcharakter einer Quelle wird durch deren Hauptbestandteile bestimmt. Die Kombinationen kommen in der Benennung der Quelle zum Ausdruck, wobei die Reihenfolge nach Ionenmengen eingehalten wird. In dieser Einteilung werden die Spurenelemente, die für lebensnotwendige biologische Prozesse große Bedeutung haben und einer Trinkkur hohen therapeutischen Wert verleihen, nicht berücksichtigt, sofern sie die Forderung eines Mindestgehaltes nicht erfüllen.

7.3 Wirkungselemente der Heilbäder Das balneotherapeutische Ergebnis von Bäderserien wird durch die Wirkungsfaktoren, die den verschiedenen Bädern eigen sind, und durch deren spezifische und unspezifische Einflußnahme auf den Organismus bestimmt. Die meßbaren, klar zu definierenden Kräfte, die einer Badekur ihren sehr komplexen therapeutischen Wert geben, bei fehlerhaft dosierter, zu starker Reizwirkung aber auch nachteilig für Wohlbefinden, Heilung und Gesundheit sind (vgl. „Badekrisen", S. 483), lassen sich nach physikalischen, chemischen bzw. physikochemischen Wirkungskriterien voneinander abgrenzen. Außerdem erfährt der Wasserhaushalt des Körpers durch osmotische Kräfte während des Badens Änderungen. Die Wirkungen werden durch unspezifische Umstellungen unterstützt, die heilsame und der guten Erholung dienende Tönungen darstellen, deren Wert seit Jahrhunderten als Erfahrungsgut unumstritten ist.

7.3.1 Wasserhaushalt des Badenden Unter Bäderbehandlungen sind Rückwirkungen auf den Wasserhaushalt durchaus zu berücksichtigen. Im Bad nimmt die Haut Wasser auf oder gibt, je nach der Beschaffenheit des Bades, Wasser ab. Außerhalb des Wassers, in mehr oder weniger feuchter Luft, stehen Wasseraufnahme und Wasserabgabe (Vgl. Perspiratio insensibilis, S. 236) in einem Gleichgewicht. Im Süßwasserbad ist dieses ausgewogene Verhältnis zugunsten der Wasserresorption verschoben. In Mineralbädern, in denen Salze in verschiedener Konzentration gelöst sind, verändert sich die Menge und Richtung des perkutanen Wassertransportes. So kehrt sich in mittelstarken bis starken Solbädern (S.475) die Richtung der Wasserbewegung um; es resultiert eine Wasserabgabe durch die Haut, die umso größer ist, je mehr Salz das Bad enthält. Die Haut vermag selbst größere Wassermengen zu speichern. Biologisch und therapeutisch ist es bedeutsam, daß das von der Haut aufgenommene Wasser nur sehr verzögert in die tieferen, extrazellulären Räume des Körpers übergeht, wobei Natrium aus dem Blut in dieses Wasser einströmt. Das Wasser wird eine Zeitlang

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Methoden der Physikalischen Therapie

in der Haut festgehalten, es belastet so den Kreislauf nicht. Erst sehr langsam geht es in das Blutplasma über und löst so keine Gegenregulation aus. Durch Vermittlung von Nebennierenrinde und Hypophyse wird ebenso langsam eine Wasserdiurese in Gang gebracht [370], die auf sehr schonende Weise das homoiostatische Gleichgewicht des Wasserhaushaltes wiederherstellt und aufrechterhält.

7.3.2 Physikalische Antriebe im Bad Physikalische Kräfte, die in jedem Bad, ob Süßwasser- oder Mineralbad in Erscheinung treten, sind mechanischer und thermischer Art. Sie haben, anders als die chemischen Stoffe, überwiegend unspezifische Wirkungen auf den Organismus. Die mechanischen Einflüsse ergeben sich aus dem hydrostatischen Druck (S. 263) und dem Auftrieb (S.267). Der hydrostatische Druck lastet auf den kompressiblen Gefäßen, den muskelschwachen Kapillaren und den Venen; auch die Lymphgefäße und die Körperhöhlen sind dem Druck ausgesetzt. Er erhält damit für die Kreislaufregulation und die Herzarbeit, die Atmung und den Stoffwechsel eine Bedeutung, an die man bei der Verordnung von Bädern [106,150,294, 357] denken muß. Im Bad, in dem der Kranke liegt, ist der Wasserdruck zwar gering, für die Herz- und Kreislaufarbeit aber umso mehr zu beachten, je mehr Bauch- und Thoraxraum in das Wasser eintauchen (Vollbad — Halbbad) und je tiefer der Grund bei aufrechter Körperhaltung ist (Vgl. Tauchbad und Schwimmbad, S. 263 f.). Im einzelnen wird dazu auf die Ausführungen zur Hydrotherapie verwiesen. Gehören Bewegungen zur Indikation des Bades, dann verringert der Auftrieb den Energieaufwand, den der Organismus sonst für gleiche Bewegungen benötigt. In neuerer Zeit ist es Mode geworden, auch Mineralbäder zum Schwimmen zu benutzen und sogar Moorbäder als Bewegungsbäder zu gestalten. Der Auftrieb erhält damit in der Balneotherapie größere Bedeutung. In Mineralbädern steigt der Auftrieb mit der höheren Konzentration der Salze an, weil hier das spezifische Gewicht des Wassers erheblich über dem des Körpers liegt (Vgl. Bewegung im Moorbad, S. 502). Der thermische Wirkungsfaktor beansprucht bei warmen Bädern in der sogenannten kleinen Hydrotherapie (S.272) besonderes Interesse. In wärmeren Bädern liegt die Temperatur oberhalb des Indifferenzpunktes für Wasser (S.255), Wärme dringt in den Körper ein. Kühle oder kalte Bäder sind niedriger temperiert als 34 °C, hier verliert der Körper an Wärme. Selbst bei thermoindifferenten Bädern erfolgt zwischen verschieden warmen Körperabschnitten immer noch ein Wärmeausgleich (S. 242). Alle Bäder nicht indifferenter Temperatur bringen die Wärmeregulation in Bewegung. Ihre Rückwirkungen auf Herz, Kreislauf, Atmung, Stoffwechsel und an-

Krankenbehandlung mit Heilquellen (Angewandte Balneologie)

479

dere Organ- und Funktionssysteme, sowie auf die nervös-reflektorischen Beziehungen unter thermischen Reizen wurden im Kapitel 3 „Thermotherapie" ausführlich dargestellt.

7.3.3 Chemische Kräfte der Mineralbäder Die chemischen Wirkungen von Mineralbädern haben im Gegensatz zu den physikalischen Wirkungen spezifischere therapeutische Ergebnisse. Mit der Wasseraufnahme oder -abgabe werden Ionen ausgetauscht (Transmineralisation), aufgenommen (Mineralisation) oder freigegeben (Déminéralisation). Ionenaustausch (Resorption durch die Haut) und klinische Folgen Das unabhängig von Schweiß- und Talgdrüsen durch die Haut wandernde Wasser dient als Transportmittel für gelöste Ionen in den Körper und in das Bademedium. Im Bad können sich Ionen auf nichtsekretorischem Wege aus der Haut auslagern und auch in die Haut und in das Körperinnere wandern. Beides hat fundamentale balneotherapeutische Bedeutung. Die Ionenbewegung in Mineralbädern ist von der Art, der Konzentration und der Mischung der im Bad gelösten Ionen abhängig. Der Badearzt trifft demgemäß seine Verordnungen. Aus der Tabelle 22 wird ersichtlich, für welche Ionen ein Übertritt aus der Haut und aus dem Körperinneren ins Badewasser und umgekehrt aus dem Bad in die Haut und ins Körperinnere nachgewiesen worden ist. Im Moorbad gelten dabei andere Bedingungen (S. 503).

Tabelle 22 Ionenaustausch im Bad (gekürzt nach [372]) Ionenaustritt

Ioneneinwanderung

aus der Haut ins Bad

aus dem Körperinneren ins Bad

aus dem Bad in die Haut

aus dem Bad ins Körperinnere

K+ Na + Ca + +

K + (in die Haut) Na+ Fe + + + Fe++

K+ Ca+ +

Na+ Ca+ + Sr + + Fe++ Zn + +

ciS04--

SO4--

SO4--

Fe + +

+

ciS0 4 "" HPO4- "

Für den reversiblen Ionendurchtritt durch die Haut sind folgende hier gekürzt wiedergegebene Gesetze formuliert worden [372]: 1. Die Richtung des Ionentransportes ist umso stärker nach außen orientiert, je verdünnter die Salzlösung der Badeflüssigkeit ist. Oberhalb einer für jedes Ionen-

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Methoden der Physikalischen Therapie

paar unterschiedlichen Grenzkonzentration der die Haut umgebenden Salzlösung kehrt sich die Richtung der Ionenwanderung um, die Ionen dringen in die Haut ein. 2. Die aus dem Bad in die Haut aufgenommenen Ionen können, je nach der Richtung des Konzentrationsgefälles, wieder nach außen oder aber ins Körperinnere weiterwandern [404]. Im Körperinneren hält der Prozeß der Ionenwanderung nach beiden Richtungen auch noch nach dem Bad an. 3. Der Ionentransport hängt von der Wasserstoffionenkonzentration (pH-Wert) der Badeflüssigkeit ab. Kationen werden umso reichlicher aufgenommen, je mehr die Reaktion des Bades sich zur alkalischen Seite verschiebt und je geringer der Salzgehalt des Bades ist. Überschreitet die Salzkonzentration einen bestimmten Grenzwert nach oben, dann wird die Haut auch für Anionen zunehmend durchlässiger, die sonst erst unterhalb des pH-Wertes 4 in größerem Maße eindringen. 4. Die Größe des Ioneneinstromes ins Körperinnere ist bestimmend für die Ionenentnahme aus dem Bad. Besteht im Körper ein Ionenbedarf, dann ist der Nachschub an Ionen aus dem Bad in die Haut und von dort ins Körperinnere entsprechend groß, das Bad hat einen Transmineralisationseffekt. Die ionisierte Elektrolytaufnahme, -Verwertung und -wiederausscheidung in und nach Bädern gibt die Abbildung 149 (modifiziert nach [406]) schematisch wieder. Die Tatsache des Ionenaustausches in Mineralbädern führt zu der Frage, welche klinische Bedeutung es haben kann, daß in der Balneotherapie mit jedem einzelnen Bad Ionentransporte in Gang kommen. Dazu gibt es eine Reihe theoretischer Deutungen, die die komplizierten Reaktionsvorgänge erklären und die daraus Vorstellungen über die Folgen der Ionenverschiebungen und damit auch über die Wirkung von Badeserien ableiten. Im einzelnen ist der Ionentransport innerhalb der Zellen besonders an der Energiegewinnung in den Nervenfasern (vgl. Membrantheorie der Nervenerregung, S.341) und an den Muskelzellen (S.344) untersucht worden. Eine Deutung aus pharmakologischer und biochemischer Sicht bietet die sogenannte Mediatorhypothese, die wahrscheinlich auch die Bäderwirkung erklärt [568]. In der Haut und überall im Körper, wohin Mediatoren (vgl. Vermittlersubstanzen, S. 23) über den Blutweg kommen, sind weitreichende Folgen nachzuweisen. So führen die differenten Änderungen der Erregbarkeit und des Erregungszustandes, die an den in der Haut gelegenen Nervenendungen meßbar sind, zu Umstellungen der Reaktionsart und -weise des Organismus [372], Die Mediatorhypothese wird gestützt durch den Nachweis verschiedener Wirkstoffe, die unter balneotherapeutischen Maßnahmen in der Haut auftreten und sich im Körperinneren verteilen. Das Azetylcholin wird schon unter dem thermischen Reiz des Bades, aber auch durch den chemischen Einfluß der in den Mineralbädern in die Haut eindringenden Ionen vermehrt gebildet und freigesetzt. Im Organismus löst es Reaktionen aus, die für die Reizung parasympathischer Nerven charakteristisch sind. Periphe-

Krankenbehandlung mit Heilquellen (Angewandte Balneologie)

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M i n e r a l w a s s e r b a d l'1 Ioneneinstrom

u n v e r w e r t e t durch Hautabschilferung, in W o c h e n eliminiert '

Haut

liegenbleibende I o n e n ~~ (Reservoir f ü r N a c h r e s o r p t i o n )

Resorption 1'

• N a c h r e s o r p t i o n 24 h

Körper

verwerteter Anteil ( E l i m i n i e r u n g in Monaten)

u n v e r w e r t e t e r Anteil A u s s c h e i d u n g (Niere, D a r m ) in wenigen Tagen

A b b . 149 I o n e n e i n s t r o m i m B a d .

re Gefäße stellen sich weit und öffnen sich, der Blutdruck sinkt leicht ab, die Pulsfrequenz geht zurück und die Peristaltik wird über Kontraktionsreize an der glatten Muskulatur angeregt. Weiterhin ist eine leichte Blutzuckersenkung als Folge einer Aktivierung der Insulinausschüttung zu beobachten. Das Histamin wird ebenfalls schon durch die Temperatur des Bades, vorwiegend durch Kaltreize, freigesetzt; aber auch der chemische Reiz von Mineralbädern scheint ein auslösender Faktor zu sein. Der Einfluß des Histamins ist für eine Reihe physikalisch-therapeutischer Effekte erwiesen (vgl. H-Substanzen, S.81). Es hat bei Badekuren nicht nur eine durchblutungsfördernde Wirkung, sondern erhöht auch die Durchlässigkeit der Kapillargefäße, so daß benötigte Stoffe ins Gewebe übertreten können. Der Erfolg von Mineralbädern bei rheumatischen Erkrankungen wird beispielsweise mit diesem Effekt des Histamins auf Arteriolen und Kapillaren erklärt. Ein wichtiger indirekter Effekt [372] besteht darin, daß Histamin spezifisch die Inkretion von Nebennierenrindenhormon anregt. Damit werden durch balneotherapeutische Maßnahmen, sowohl durch Thermal- als auch durch Mineralbäder, Heileffekte über eine langsam protrahierte, vor allem aber ohne Gegenregulation verlaufende Aktivierung der Nebennierenrinde „im Sinne einer Mobilisierung von Anpassungs- und Abwehrmechanismen im Gesamtorganismus wirksam" [370]. Die Vermittlersubstanzen Serotonin, Bradykinin, Leukotaxin und Eosinotaxin, wahrscheinlich auch noch andere, bisher nicht bekannte Stoffe, regen über Gefäßerweiterungen mit ihren beträchtlichen Folgen und besonders über Leistungssteigerungen des Retikulo-histiozytären Systems; (Abk. RHS, früher Retikulo-endotheliales System, (RES) genannt) und damit über Antikörperbildung und

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Methoden der Physikalischen Therapie

Verbesserung der Immunitätslage Heileffekte an, die in Heilbädern unter der rhythmischen Wiederholung einer Badekur wirksam werden (Literatur dazu bei [372]).

Neben der sehr wichtigen, aufgrund der aktiven Hautfunktion zustande kommenden, Ionenverschiebungen in Haut und Körperinnerem gibt es in Bädern noch weitere chemisch definierbare Wirkungen: Inhaltstoffe der Bäder gelangen unter passivem Verhalten der Haut, allein auf dem Wege der Diffusion, in den Körper. Dies gilt für das balneotherapeutisch viel genutzte Kohlendioxyd, den nicht ionisierten Schwefelwasserstoff (elementarer Schwefel wird in der Haut zu H 2 S reduziert), für die Elemente Radon und zum Teil für Sauerstoff, Jod, Eisen und Arsen. Die jod-, eisen- und arsenhaltigen Wässer finden allerdings in ihren spezifischen Wirkungen auf die Schilddrüse oder die Blutbildung nur bei den Trinkkuren ausreichende Begründungen (S. 505), da die Aufnahme dieser Stoffe aus Mineralbädern für eine Substitutionstherapie nicht ausreicht. Die Wirkungen der Schwefelund Kohlendioxydbäder, soweit allein diese Bestandteile die Wirkung bestimmen, werden bei diesen spezifischen Bädern (S.485) besprochen.

7.3.4 Unspezifische Wirkungen der Heilbäder Jede Badekur ist als Reiztherapie (S.18) aufzufassen. Die kurgemäße Verordnung von Bädern zielt darauf ab, mit der Behandlung nicht nur Symptome zu bessern, sondern auch zu funktionellen Leistungssteigerungen zu kommen, die wesentlich zur Heilung einer Krankheit oder zu einer besseren Kondition beitragen. Ein einzelnes Bad bringt sehr wenig. Die Wirkungen der Bäder müssen sich summieren [568], um die symptomatischen Linderungen nachhaltig zu festigen, aber auch um unspezifische Allgemeinwirkungen zu erbringen. Es ist erwiesen, daß verschiedene Krankheiten mit gleicher Heilquelle zu bessern sind, z. B. rheumatische Beschwerden, Hautkrankheiten und arterielle Durchblutungsstörungen mit Schwefelquellen. Andererseits können verschiedene Heilbäder bei ein und derselben Krankheit heilsam wirken, z.B. Sol-, Kohlendioxyd- und Schwefelbäder bei Rheumatikern. Daran läßt sich die unspezifische Wirkungsweise erkennen [236], obwohl dieses Phänomen noch nicht ausreichend geklärt ist. Im Unterschied zu den mehr spezifischen chemischen Wirkungen sind es überwiegend die physikalischen Kräfte, die unspezifische Umstellungen im Organismus auslösen. Die klar definierbaren Effekte, die aufgrund der thermischen und hydrostatischen Reize der Bäder an Organsystemen, Herz, Kreislauf, Atmung, Stoffwechsel, am zerebrospinalen und autonomen Nervensystem, an den endokrinen Steuerungen, der Wärmeregulation und in der Muskelfunktion eintreten, wurden im Kapitel „Thermotherapie und Hydrotherapie" ausführlich dargestellt. Sie sind für Badekuren ebenso gültig wie für einzelne Bäder.

Krankenbehandlung mit Heilquellen (Angewandte Balneologie)

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Als ein wesentliches Ergebnis unter Badeserien ist eine Umstellung des vegetativen Tonus zu beobachten. Das Geschehen der flüchtigen vegetativen Gesamtumschaltung [256] unter experimentellen Reizen kann hierfür als Modell dienen. Das Wesen der Bäderwirkung zeigt die gleiche Art der reaktiven Antworten, führt aber zu einer sehr stabilen, oft über Wochen anhaltenden Änderung. Dies ist z. B. in Umstellungen von Kreislaufgrößen während C0 2 -Bäderkuren mit gedämpftem Einschwingen zur Stabilität am Kurende nachgewiesen worden [242], Diese unter den Bäderserien aufkommende Änderung im Tonus des vegetativen Nervensystems zeigt in den meisten Fällen eine mehr parasympathische bzw. trophotrope Einstellung, die vielfach als eine Voraussetzung des Erfolges einer Badekur angesehen wird [353]. Es ist aber auch eine mehr in ergotrope Richtung weisende Einstellung des vegetativen Tonus unter Badekuren beobachtet worden [704], Diese widersprüchlichen Wirkungen konnten noch nicht eindeutig geklärt werden, wobei zu berücksichtigen ist, daß aufgrund der vielfältigen Reize und auch aufgrund der unterschiedlichen Personengruppen gleichartige Versuchsbedingungen schwer zu organisieren sind (vgl. Klimakur, S. 591). Auch das umfangreiche, reaktive Geschehen der Badekurkrisen, das häufig den Kurverlauf stört, ist eine weitgehend unspezifische Folge, die über vegetativ gesteuerte Umstellungen disharmonischer Art zustande kommt. Die Zustands- und Reaktionsänderungen, die über die vegetativen Umstellungen hinausgehen, die der Organismus unter den unterschiedlichen Reizen entfaltet, werden unter dem Begriff „Umstimmungen" zusammengefaßt. Man versteht darunter das Ergebnis einer erhöhten Abwehrleistung des Organismus gegen Gesundheitsstörungen aller Art (S. 75). Auch in der differenzierten Badetherapie treten Ergebnisse mit „umstimmendem" Charakter auf.

7.3.5 Badekurreaktionen Ein markantes, klinisches Erscheinungsbild, das die tiefgreifende Wirkung der Badekuren sichtbar macht, wenn auch oft sehr heftig und in unerwünschter Weise, ist die sogenannte Badereaktion. Dieser Ausdruck ist nicht ganz passend, weil Reaktionen des Organismus auf therapeutische Reize die physiologische Voraussetzung ihrer Heilwirkungen sind und somit unbedingt angestrebt werden müssen. Der stattdessen gebrauchte Ausdruck „Badekurreaktion" kann zwar eine Verwechslung mit einer zu starken Reaktion nach einem Einzelbad verhindern, bringt aber nicht zum Ausdruck, daß es sich bei der Badereaktion im Verlauf von Badekuren auch um eine unerwünschte Reaktion handeln kann. Kurreaktionen gibt es nicht nur im Verlauf von Badekuren. Sie kommen im Rahmen jeder kurgemäß gestalteten Reiztherapie (S.18), auch im Akklimatisations- und Adaptationsverlauf (S.61), mit großer Regelmäßigkeit und mehr oder weniger deutlicher Symptomatik vor.

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Methoden der Physikalischen Therapie

Mit dem klinischen Bild der Bade- oder Badekurreaktion sind überschießende Reaktionen gemeint (vgl. „systemic stress", S. 68), die sich als Gesundheitsstörung oder zumindest als krisenhafte Beeinträchtigung des Wohlbefindens bemerkbar machen. Deshalb eignet sich für solche Erscheinungen besser das Wort „Kur-" oder „Badekrise" (Vgl. G K 3-1.1.3). Solche Krisen treten meist in der zweiten Woche einer Badekur auf. Die Symptomatologie einer Badekurkrise drückt sich in mehr oder weniger heftigen subjektiven Beschwerden aus, andererseits treten aber auch objektivierbare Veränderungen auf. Besonders heftige Badekurkrisen kommen gelegentlich nach Schwefelbädern vor [137], Das unerwünschte, kritische Geschehen kann man nach folgenden Erscheinungsformen gliedern [470] und abgrenzen: - unspezifische Allgemeinreaktionen wie Mattigkeit, Schlaf- und Appetitmangel, innere Unruhe, Reizbarkeit, Magen-Darmbeschwerden, Blutdruckregulationsstörungen und dergleichen; - Hautreaktionen,z.B. „Badedermatitis", Urtikaria, Pruritus; - Reaktionen an Organen bzw. Organsystemen, die Gegenstand der Badekur sind, also starke, die Symptomatologie verschlimmernde Erscheinungen der Grundkrankheit; - Reaktionen an Organen, die nicht Anlaß zu balneotherapeutischen Verordnungen waren, z. B. Aktivierung ruhender Prozesse oder das Wiederaufkommen abgeklungener Symptome. Aufgrund dieser vielfältigen Symptomatik wird die Badekurkrise auch unter der Bezeichnung „provozierte neurovegetative Dystonie" zusammengefaßt [470]. Die pathogenetische Deutung der beschwerlichen Badekrise ist nicht einheitlich und vorerst noch hypothetisch. Eine klare Abgrenzung der krisenhaften Badekurreaktionen mit schon krankmachender oder ein Krankheitsgefühl vermittelnder Wirkung von beginnenden, interkurrenten Erkrankungen anderer Art ist nicht immer auf Anhieb möglich. Die leichteren Erscheinungen werden oft nicht unbedingt als unerwünscht oder gar schädlich angesehen. Im Mittelalter war man sogar der Meinung, Badereaktionen müßten in ihrer schwersten Form, der Badedermatitis auftreten, um einen Kurerfolg zu gewährleisten [422], Auch heute noch vertreten einige Baineologen die Meinung [375,639], solche Krisen seien ein Beleg oder sogar eine Vorbedingung dafür, daß eine unspezifische Umstimmung im Kurverlauf heranreift. Objektiv lassen sich Umstimmungsreaktionen unter anderem in meßbaren Tonunsschwankungen des vegetativen Nervensystems, an einer Änderung der Leberfunktion, in der Aktivitätssteigerung des hypophysär-interrenalen Systems [372] und am Gesamtbefinden des Kranken wie an seiner speziellen Symptomatik verfolgen. Der Badearzt mildert in derartigen Situationen in der Regel die subjektiven Erscheinungen und verordnet symptomatisch lindernde Medikamente wie Sedativa, Tranquilizer, Analgetika. Nicht selten steht man aber vor der Frage, ob bei reaktionsträgen Patienten, die weder eine pathologische Kurkrise durchmachen, noch

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die angestrebten physiologischen Reaktionen zeigen, durch eine höhere Reizdosierung eine überschießende Badereaktion provoziert werden soll, um so gewissermaßen einen Kurerfolg zu erzwingen. Die Entscheidung, ob man die Kurkrise ausklingen läßt, vorübergehend die Bäder absetzt und zwischenzeitlich medikamentös dämpft, oder ob man bei fehlenden Kurreaktionen positiver Art mehr mit kräftigen Reizen provoziert, erfordert viel Erfahrung, vielleicht auch ärztliche Intuition und ist nicht generell, sondern nur individuell zu treffen.

7.4 Spezielle Heilbäder Als Heilbad werden im folgenden alle Bäder bezeichnet, die durch chemisch definierbare Inhaltsstoffe charakterisiert sind, deren Mengen den geforderten Größen (S. 475) entsprechen. Im Rahmen einer Badekur werden die Bäder in der Regel als Vollbäder abgegeben. Der Arzt verordnet aber auch Teilbäder, z. B. Kohlendioxyd-Halbbäder, wenn der Zustand des Kranken eine besonders schonende Dosierung notwendig macht. Das gilt auch für die Peloidtherapie in Gestalt von Moorbädern und dergleichen (S. 500).

7.4.1 Kohlensäurebäder und Kohlensäure-Gasbäder Kohlensäurebäder, exakter Kohlendioxydbäder oder C02-Bäder, müssen entsprechend den Nauheimer Beschlüssen (S. 475) mindestens 1 g freies C0 2 /kg Wasser enthalten. Diese Bäder haben die dem CO2 eigenen Wirkungen, die durch äußere physikalische Effekte auf die Körperoberfläche und durch die wesentlich bedeutungsvolleren intern-chemischen Resultate entstehen: der Organismus resorbiert gelöstes CO2 (nicht aus den Bläschen) über die Haut [326,696]. Im C0 2 -Bad sieht man auf der Haut des Badenden zahlreiche Gasbläschen, die sich zum Teil ablösen und wieder neu bilden. Dieser Prozeß reizt die Berührungsrezeptoren und es macht sich ein angenehmes Prickeln auf der Haut bemerkbar. Wesentlicher noch sind selbst im temperaturindifferenten C0 2 -Bad die Reizwirkungen auf die Kalt- oder Warmrezeptoren. In C0 2 -Bädern von nur 31° -34 °C Wassertemperatur tritt nach kurzdauerndem Kältegefühl bereits nach wenigen Sekunden eine Wärmeempfindung auf: die Kaltrezeptoren werden offenbar gedämpft und gleichzeitig die Wärmerezeptoren stimuliert [119]. Dadurch ist es möglich, die Temperatur des C0 2 -Bades bei oder sogar unter 33 °C zu halten, ohne daß der Patient dies als zu kalt empfindet. Die relativ niedrige Temperatur bietet den Vorteil, daß das C0 2 aus dem Wasser weniger

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Methoden der Physikalischen Therapie

Abb. 150 Durchblutung einer Hand im thermoindifferenten C0 2 -Bad (nach [696]). t | = therapeutisch genutzter Bereich indifferenter Badtemperatur.

schnell abraucht; außerdem fehlen unspezifische thermische Reizeffekte, die zusammen mit den spezifischen C0 2 -Wirkungen erhebliche Kreislaufbelastungen bewirken können. Es wird auch angenommen, daß die zahlreichen Gasbläschen auf der Körperoberfläche eine Art Mantel darstellen, der aufgrund der geringen Wärmeleitung des Gases vor einer Wärmeabgabe des Körpers an das kühle Wasser schützt und so ein thermisches Wohlbefinden unterhält. Allerdings sinkt die Körpertemperatur gering ab, etwa um 0,5 °C. Dies wird aber durch die anspringende chemische Wärmeregulation (S.238) kompensierend abgebremst [180], so daß der Körper nicht weiter auskühlt. Im thermoindifferenten C0 2 -Bad ist die Wirkung auf die Hautgefäße sehr deutlich sichtbar. Bald zeigt sich eine helle Rötung, die auf einer Erweiterung der Kapillaren, Arteriolen und des venösen Plexus beruht. Sie grenzt sich scharf gegen die nicht gebadeten Teile ab, die als Charakteristikum, das klinisch wichtig ist, nicht an den Gefäßreaktionen teilnehmen [228]. Ob die lokale, kapillare Gefäßerweiterung durch vasoaktive Substanzen, Azetylcholin, Histamin u.a. zustande kommt, ist nicht gesichert. Das Hauterythem unterscheidet sich deutlich von der Wärmerötung. Diese hält viele Minuten an, während das C0 2 -Erythem innerhalb einer Minute verschwindet. Die periphere Gefäßerweiterung, die sich hier ohne thermischen Reiz einstellt, denn die Wassertemperatur ist die gleiche wie die Hauttemperatur, ist zwar nicht das therapeutische Endziel eines solchen Bades [296], von ihr gehen aber wichtige physiologische Wirkungen der C0 2 -Bäder aus, die nahezu alle anderen kreislaufwirksamen Veränderungen direkt oder indirekt zur Folge haben [696].

Krankenbehandlung mit Heilquellen (Angewandte Balneologie)

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Die Gefaßerweiterung scheint sich im wesentlichen auf die Hautgefäße zu beschränken (S.239). Die Abbildung 150 zeigt den therapeutisch genutzten Bereich bei indifferenter Badtemperatur und den Anstieg der Hautdurchblutung im C0 2 -Bad. Die Folgen der stark vermehrten Hautdurchblutung im C0 2 -Bad machen sich in Kreislaufumstellungen und rückwirkend auch am Herzen dadurch bemerkbar, daß unter den vasodilatierenden Effekten hämodynamische Reserveblutmengen aus den Blutdepots kompensierend in den Kreislauf strömen. Dabei verhindert hier aber, wie auch in den Überwärmungsbädern, der hydrostatische Druck, daß zuviel Blut in die Peripherie abfließt. Der Arzt kann auf das Geschehen auch Einfluß nehmen, indem er Halb- oder Teilbäder verordnet, da an den nicht gebadeten Körperteilen wegen des fehlenden thermischen Faktors keine Gefäßerweiterung eintritt. Aufgrund der gefäßaktiven CO2-Wirkung haben zwei Faktoren für die Klinik bzw. die Krankenbehandlung mit solchen Bädern Vorrang: die Blutdruckeinstellung vor und nach dem Bad und die geforderte Herzleistung. Seit langem herrscht die Meinung vor, daß sowohl der normale als auch der pathologische erhöhte Blutdruck im C0 2 -Bad leicht absinkt. Darüber hinaus kommt es, obwohl das Herzzeitvolumen und auch das Schlagvolumen ansteigen, insgesamt zu einer für das Herz entlastenden Kreislaufumstellung, da der Volumenelastizitätskoeffizient E', die Herzschlagfrequenz und die Druckamplitude deutlich abnehmen. In der Abbildung 151 werden Herz-Kreislaufmessungen im C0 2 -Bad mit den Ergebnissen in Süßwasserbädern verglichen. Folgende Auswirkungen der Herz-Kreislaufumstellungen im C0 2 -Bad für die Herzdynamik ergeben sich: die Druckarbeit wird erleichtert, die Volumenarbeit steigt leicht an, die Herzfrequenz geht etwas zurück. Insgesamt resultiert daraus eine Ökonomisierung der Herzleistung, denn das Herz vermag Volumenarbeit sehr viel ökonomischer zu leisten als Druckarbeit [182, 448]. C0 2 -Bäder gewinnen damit ihren besonderen Wert für die Behandlung von Herz-Kreislauf-Erkrankungen, sofern es darauf ankommt, die Herzleistung zu fördern, ohne das Herz zu belasten. Seit fast 80 Jahren ist bekannt, daß sie „das Herz unter erleichterten, schonenden Bedingungen üben." [621]. Trotz dieser Erkenntnisse ist aber die Frage, ob das C0 2 -Bad ein Spezifikum der Herz-Kreislauftherapie ist oder ob die gleichen Wirkungen auch ohne C0 2 -Bäder, als unspezifischer Effekt des Wirkungskomplexes der kurörtlichen Therapie zustande kommen, noch nicht mit Sicherheit zu beantworten [496]. Der Vergleich mit dem Süßwasserbad (Abb. 151) zeigt aber, daß die kreislaufwirksamen Änderungen im C0 2 -Bad stärker sind. Zweifellos bewirken die Reaktionen unter C0 2 -Bädem, wie die anderer Heilbäderbehandlungen, eine Verschiebung des vegetativen Tonus zur trophotropen Seite (S. 33). So ist auch die C0 2 -Badekur als vegetative Basistherapie zu verstehen. Von großer praktischer Bedeutung ist hier die Dosierung. Man braucht dabei

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Methoden der Physikalischen Therapie %

Co2 33,5°C o = Thermo Indifferenz

Süßwasser 34,7°C o = Thermoindifferenz

Abb. 151 Prozentuale Änderung verschiedener Kreislaufwerte im thermoindifferenten C0 2 -Bad und im Süßwasserbad (modifiziert nach [696]).

nicht den C0 2 -Gehalt des Wassers zu ändern, sondern modifiziert die Badetechnik. Der C0 2 -Gehalt der gesättigten oder übersättigten Säuerlinge, der auf dem Weg bis zur Wanne und durch die notwendige Erwärmung schon abnimmt, muß ebenso wie in künstlichen C0 2 -Bädern (S.298) in der Wanne bestimmt werden. Mindestens sollte 1 g gelöstes C0 2 /Liter im Badewasser erhalten bleiben (S. 476). Da die Messung umständlich ist, genügt es, wenn man an jeder Wanne gleichbleibende Bedingungen einhält und den einmal ermittelten, von Zeit zu Zeit kontrollierten Wert als Ausgangswert für die weiteren Bäder nimmt. Gewisse Abstufungen sind durch Verdünnungen mit Leitungswasser auf Werte unterhalb der physikalischen Sättigung möglich. Das bringt aber wenig, weil darüber liegende Werte, wie sie im künstlichen C0 2 -Bad vorkommen können, therapeutisch bedeutungslos sind [696], zumal man das C0 2 , da es von der Haut aufgenommen wird, praktisch nicht überdosieren kann (mehr als 1200 mg/kg im Badewasser kommt praktisch nicht vor). Bei hohem C0 2 -Gehalt entweicht ein Großteil des Gases in die Luft über dem Bad; eine Gefahr für die Atmung ist damit gegeben. Will man aber den C0 2 -Gehalt unter das vorgeschriebene Minimum von 1 g/kg senken,

Krankenbehandlung mit Heilquellen (Angewandte Balneologie)

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weil dies, obwohl wenig kreislaufwirksam, schwächere neurovegetative Reizwirkungen entfaltet [473], dann braucht man nur die Temperatur zu erhöhen, der Absorptionskoeffizient der Kohlensäure im Wasser wird dann mit steigender Temperatur geringer [450], Die C0 2 -Aufnahme durch die Haut ist im Bad nicht konstant. Sie ist zwar proportional dem Partialdruck des gelösten Gases, an verschiedenen Hautstellen aber ungleich. Sie hängt auch an der ganzen Körperdecke von der konstitutionellen Hautdurchblutung ab, wobei große individuelle Unterschiede auftreten [356,357]. Für die Behandlung wenig belastbarer Patienten ist es hilfreich, daß selbst bei maßvollen Fuß- oder Armbädern die typischen, erwünschten C0 2 -Effekte wie Blutdruck- und Frequenzsenkung noch deutlich hervortreten [696], obwohl die nicht gebadeten Körperteile keine konsensuellen Gefaßreaktionen zeigen. Das Herzzeitvolumen nimmt auch in Teilbädern meßbar ab [555]. In Halbbädern entfällt der oft ungünstige und unverträgliche hydrostatische Druck auf den Bauchund Brustraum, der unterstützende rückflußfördernde Druck des Wassers auf die unteren Extremitäten wirkt sich aber voll aus. Die wichtigste Dosierungsmöglichkeit ist über die Badedauer gegeben. Als nicht feststehende Richtlinie kann gelten: im ersten Bad sollte der Kranke nicht länger als 3 bis höchstens 5 Minuten verweilen. Mit jedem folgenden Bad verbleibt er 1 Minute länger, höchstens aber 15 Minuten. Bei vorsichtiger Dosierung beginnt man mit einem Halbbad und geht während der Badekur nicht über ein Dreiviertelbad hinaus. Bleiben bei insgesamt zehn Bädern zwischen je zwei Bädern ein bis zwei badefreie Tage, dann werden nach allgemeiner Erfahrung die besten Kurergebnisse erreicht, Fehlreaktionen treten dann kaum auf. Für C0 2 -Bäder gelten besondere Vorsichtsregeln. Da die Kohlensäure schwerer ist als Luft, sammelt sie sich oberhalb des Wasserspiegels an. Zwischen diesem und dem Wannenrand entwickelt sich eine hochprozentige C0 2 -Atmosphäre, in der der lebensnotwendige Sauerstoffanteil der Atemluft fehlt. Atmet der Patient dieses nicht giftige Gasgemisch ein, erleidet er einen Sauerstoffmangel. Dieser stellt insofern eine Gefährdung dar, weil der Badende im Wasser müde wird, aber keine warnenden Mißempfindungen erlebt. Die Bademeister achten sehr darauf, daß sich Mund und Nase des Badenden stets oberhalb des Wannenrandes befinden. Mehrmals sollte das Gas abgefächert werden, sofern nicht ein Ventilator ständig Frischluft zuführt. Die Tabelle 23 gibt eine Übersicht über Wirkungsfaktoren, Wirkungsweise und Auswirkungen der CO r Bäder. Einige Säuerlinge (S.476) geben in der Nähe des Sprudels auch trockenes C0 2 -Gas ab (sog. Mofetten). Dieses Gas wird, wie auch aus den Sprudeln entnommenes oder künstliches C0 2 , zu Gas-Trockenbädern benutzt. Da C 0 2 schwerer ist als Luft, kann der Körper ohne Gefahr im Gasbad liegen, sofern der Kopf soweit herausragt, daß der Patient kein C 0 2 einatmet. Das C 0 2 wird ausschließlich in physikalisch gelöster Form von der Haut aufgenommen [696]. Die Gasbäder müssen deshalb eine bestimmte Temperatur und ei-

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Methoden der Physikalischen Therapie

Tabelle 23 Übersicht zu den C0 2 -Bädern Was wirkt speziell

Wie wirkt es

Folge

indifferente Wassertemperatur

keine thermische Belastung

für Herz-Kreislaufpatienten zumutbar

angenehmes Prickeln dämpft diese stimuliert sie

trotz „kühlem" Wasser angenehmes Wärmegefühl

C0 2 -Bläschen auf der Haut

schützen vor Wärmeverlust

keine thermische Belastung

C0 2 -Resorption

erweiterte Hautgefäße

1. peripherer Gefäßwiderstand J 2. Herzfrequenz^ (Anspannungszeit länger) 3. venöser Rückstrom f 1.-3. Herzarbeit ökonomischer

C0 2 -Reize auf Berührungsrezeptoren Kaltrezeptoren Warmrezeptoren

—-\

Absinkmrgüt^c. [ hochreichend [

M

subtropisch

Aufglekmi^chiiii

stabil

i | > A-antizyclonal ;

Werter

567

* j

ra

n Iii ffi

1 Ii 11

¿1

1

* etwa 30% der A bgleil Vorgänge

Abb. 164 Zusammenfassung einiger wichtiger Ergebnisse medizinmeteorologischer Forschung., aufgeteilt nach zyklonalem und antizyklonalem Wetter und nach den einzelnen Wettervorgängen. In der letzten waagerechten Reihe: das prozentuale Vorkommen der Wettervorgänge, woraus sich die Bedeutung der einzelnen Wettervorgänge für die verschiedenen Erkrankungen ablesen läßt. + = günstiger Einfluß; + . = statistisch gesicherter günstiger Einfluß; 0 = Einfluß bisher nicht sicher feststellbar; • = ungünstiger Einfluß; • = statistisch gesicherter ungünstiger Einfluß (nach [37]).

568

Methoden der Physikalischen Therapie

Hochgebirgsklima einen ausgesprochenen erregenden Lebensraum um uns haben, der sich in „Anregungen glücklichster Art" äußert, in dem wir die Schönheit der alpinen Bergwelt erleben und die reine, frische Bergluft atmen, die wie „Champagner" wirkt [223]. Dies hat zweifellos einen hohen Erholungswert.

8.5.3 Klima der Mittelgebirge Das Mittelgebirgsklima ist nicht, wie vielfach angenommen wird, ein abgeschwächtes Hochgebirgsklima [8], wenngleich seine Wirkungsfaktoren eine vergleichbare, aber wesentlich geringere Reizintensität haben. Die biologischen Konsequenzen sind hier ganz anders. Die Mittelgebirge in Deutschland mit ihren bis über 1500 Meter hohen Bergrücken und Gipfeln, die meisten Kurorte liegen zwischen 300 und 1000 Meter in der mittleren Höhe ihres Gebirges, haben durch die geographische Lage zu den Meeren und zu den kontinentalen Zonen spezielle klimatische Reizstufen. So finden wir im Riesengebirge mit seinem kontinentalen Ostklima erheblich kräftigere Reizqualitäten als im Schwarzwald, besonders in dessen südlichem Teil mit den nach Süden abfallenden Hängen und in gleicher Richtung offenen Tälern. Die absolute Höhe der Mittelgebirgskurorte ist bei kaum verringertem Luftdruck gegenüber den Niederungen noch kein unmittelbar biotroper Faktor. Erst die relative Höhe eines Ortes [7, 399], d. h. seine Lage im Verhältnis zur Kammhöhe des Gebirges oder zum benachbarten Flachland (S.558), nimmt Einfluß auf den Komplex der klimatischen Faktoren. Selbstverständlich spielt auch die geographische Lage eine Rolle. So kann ein Ort im Schwarzwald mittlere Werte der Lufttemperatur, Luftfeuchte usw. haben, die im Harz schon 200 Meter tiefer anzutreffen sind [590], Die Harzorte haben also ein reizstärkeres Klima als gleich hoch gelegene Orte 500 km weiter südlich. Die mittlere Höhe der Kurorte im Mittelgebirge hält thermische Belastungen von den Kranken fern, sie bietet aber reichlich Gelegenheit, erholsame, entlastende und auch anregende thermische Reize zu geben. Die in der Tabelle 31 aufgeführte Übersicht, zusammengestellt aus Messungen über einen Zeitraum von 10 Jahren im Harz, Thüringer Wald und Erzgebirge [703] gibt Jahresdurchschnittswerte über die Anzahl der Tage, an denen in drei verschiedenen Höhenlagen thermisch belastendes oder therapeutisch nutzbares Wetter herrschte. Je nach Wetterlage, Wind, Strahlung, Abkühlungsgröße bietet sich so in mittleren Höhen eine Fülle von Möglichkeiten, mit Luftbädern, Liegekuren, einer abwechslungsreichen Bewegungstherapie im Freien, den Patienten anregende Klimareize thermischer Art zu vermitteln, zu denen die bei der reinen Luft höhere Strahlungsintensität und der niedrigere Dampfdruck hinzukommen. Das Mittelgebirgsklima wird, wie alle Klimate, charakterisiert durch die hier vorherrschenden Wetterlagen und durch seine Vegetation. In den in der Westwetterzone bzw. in der Westwindzone gelegenen Mittelgebirgen unterscheiden sich

Klimatherapie

569

Tabelle 31 Häufigkeit thermisch belastenden bzw. erfrischenden Wetters in verschiedenen Höhen Thermisch belastendes Wetter (Hitze, Schwüle)

Abkühlungsreize durch erfrischendes Wetter (kühl bis kalt)

in 100 m Höhe in 500 m Höhe in 800 m Höhe

112 Tage/Jahr 176 Tage/Jahr 242 Tage/Jahr

31 Tage/Jahr 14 Tage/Jahr 5 Tage/Jahr

die Reiz- und Schonlagen je nach der Lage des Ortes im Windluv oder -lee [36]. Besonders im Harz sind erhebliche Unterschiede zwischen regenreichen Windlagen und windgeschützten Leelagen (Wind- und Regenschatten) zu finden. Taunus, Hunsrück, Odenwald, Schwarzwald und der Spessart haben geringere witterungsbedingte Reizabstufungen, weil die über Meere oder flache Kontinente einbrechenden Schlechtwetterlagen bereits mehrere Gebirge überschritten haben, ehe sie hier in abgeschwächter Form ankommen [10]. Wie an den Küsten bildet sich im Mittelgebirge bei windschwachem Hochdruckwetter an den nach Ost bis Süd abfallenden Berghängen im Sommer eine charakteristische Luftströmung, das erfrischende Berg-Tal-Windsystem (vgl. Abb. 161), das tagsüber stagnierende Hitze nicht aufkommen läßt und mit den Abendwinden eine wohltuende, abkühlende Frische verursacht (S.562). In den Mittelgebirgskurorten gibt es daher keine, den Kranken belastenden, heißen Nächte [7]. Die nach Westen und Nordwesten abfallenden Gebirgsseiten sind durch die meist stärkeren Windeinflüsse reizkräftiger; hier fällt auch mehr Regen, wenn die Wolken sich vor dem Gebirge stauen. Für die Mittelgebirge ist es charakteristisch, daß ihre orographischen Verhältnisse fast alle Orte mit einem eigenständigen Klima ausstatten [10], so daß selbst nah beieinanderliegende Orte deutliche klimatische Unterschiede aufweisen [682]. Im Winter liegen die Inversionsgrenzen (S.547) relativ niedrig, schon bei 300-500 Meter, so daß alle oberhalb gelegenen Orte Sonne und verhältnismäßig trockene, reine Luft haben. Der in dieser Höhe schon niedrige Dampfdruck erleichtert und vertieft die Atmung (S. 551). Das Mittelgebirgsklima wird durch den Waldreichtum veredelt [8]. Im Wald, so dicht, schattig oder licht er sein mag, ist die Strahlung gemindert, der Wind wird abgebremst oder ganz abgelenkt. Tagsüber ist es hier kühler, nachts hält der Wald die Wärme länger, so daß die ganze Landschaft nicht so stark auskühlt. Der Tagesverlauf der Temperatur ist daher in den waldreichen Mittelgebirgen ausgeglichener und damit für den Organismus schonender als in waldarmen Gebieten. Die Luft ist staubarm und reich an wohlriechenden Duftstoffen. Die Anmut der Mittelgebirgslandschaft ist, anders als die großartige Hochgebirgsszene, weniger erregend ; eher wirkt sie beruhigend. Dabei sind auch die Farben, das Grün der Wälder, die Farbenvielfalt der Fluren und, bei reiner Luft, der

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Methoden der Physikalischen Therapie

blaue Himmel, ein psychologischer Wirkungsfaktor, der nicht unterschätzt werden sollte [223]. Der Klimatherapeut kann die Besonderheiten der Mittelgebirge, ihre milderen klimatischen Reizintensitäten gegenüber dem Hochgebirge, ihre im ganzen harmonischen Wirkungsakkorde, gezielt einsetzen. Er hat die Möglichkeit, mit den milden und sanften Anregungen der klimatischen Umwelt, auch die schwerer Kranken oder beträchtlich geschwächten Menschen zu Besserung und Gesundung zu führen.

8.5.4 Künstliches Klima Unter künstlichem Klima versteht man die vom Menschen geschaffenen Veränderungen der atmosphärischen Umwelt. Unbeabsichtigt treten künstliche Klimaveränderungen ein, die stets Entartungen sind, wenn größere Wälder abgeholzt, Fluß- und Bachläufe reguliert, künstliche Seen angelegt oder Frischluftschneisen, über die den Siedlungen ständig reine, kühle Luft zufließt, mit Hochhäusern verbaut werden. Auch ein hoher Grad von industriellen Emissionen verändert das Klima erheblich, die Menschen werden dadurch in gesundheitsschädigender Weise belastet. Der Mensch schafft sich aber auch zum Schutz gegen thermische und aktinische Schädigungen ein künstliches Klima, indem er den Körper mit einer Bekleidung einhüllt oder für geschlossene, beheizbare Wohnräume die physikalischen Bedingungen des thermischen Milieus festlegt. Beides spielt in der eigentlichen Klimatherapie insofern eine gewisse Rolle, als der Patient, der ein Heilklima aufsucht, einen wesentlichen Teil des Tages bei der Liegekur oder bei Bewegungsverordnungen entweder im Freien verbringt, wobei zudeckende Umhüllungen oder die Art der Bekleidung ausschlaggebend sind, oder sich in Räumen aufhält, die das Heilklima bestenfalls noch in abgeschwächter Form zur Geltung bringen. Raum-, Bettund Bekleidungsklima sind Anliegen der Hygiene, die z. B. Aussagen machen zu Fragen durchdringender äußerer Kälte (Wärmeverlust) oder zu der relativen Feuchte der Wohnräume, die für die Atemwege große Bedeutung hat. Die Kleidung schützt gegen Wärmeverlust, der bekleidete Körper ist in ein wärmedämmendes künstliches Klima eingehüllt, das seine eigene Wärmeregulation entlastet und den sogenannten thermischen Komfort (S. 553) sichert. Die Wahl geeigneter Kleidung ist eine wichtige Teilaufgabe der Klimakur. Von den Kleiderstoffen wird die Strahlung fast ganz abgefiltert. Der Wind dringt aber mehr oder weniger durch die Kleidung hindurch. Die Dosierung reizkräftiger Luftbewegungen muß diesem Umstand Rechnung tragen. Die Kleidung darf bei bewegungstherapeutischen Verordnungen nicht völlig windundurchlässig sein, weil dann eine Dunstschicht auf der Haut entsteht, die bei wärmebildender Bewegung sehr belastet, da sie die Wärmeabgabe verhindert und einen Wärmestau verursacht.

KJimatherapie

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Das Bettklima, in dem der Mensch rund ein Drittel seines Lebens verbringt, ist ein modifiziertes Bekleidungs- und Raumklima [8], das der gesunde Mensch in Verbindung mit dem Schlafraumklima so gestalten sollte, daß er sich einerseits behaglich warm fühlt, andererseits aber frische, kühle Luft atmen kann. Im Raumklima der Wohnungen, gelegentlich auch Mikroklima genannt, wenngleich dieser Begriff offiziell das natürliche Klima am Boden bis zu einem Meter Höhe meint, wechseln gegenüber dem Außenklima nur einzelne meteorische Größen. Es regt daher weniger die kompensierenden Reaktionsfolgen an, schützt aber den körperlich inaktiven Menschen gegen Auskühlung. Nachteilig ist, daß auch die geringen Schwankungen des thermischen Milieus, wie sie im Freien fast stets gegeben sind, unterbleiben. Diese stellen fortwährend Anstöße der Wärmeregulation dar, deren Fehlen die Abwehrbereitschaft lähmt und Erkältungen, rheumatische Beschwerden und dergleichen begünstigt [8]. Um diese Domestikationserscheinungen zu vermeiden, sind auch für den gesunden Menschen immer wieder Frischluftexpositionen lebenswichtig. Die aufgeheizte Temperatur der Wohn- und Arbeitsräume soll eine Behaglichkeitstemperatur sein. In der älteren Literatur findet man als solche meist 18 °C angegeben. Das genügt heutzutage bei Arbeiten, die wir im Sitzen erledigen, als Wohnraumwärme nicht mehr, wahrscheinlich wegen der modischen leichteren Bekleidung und wegen der trockeneren Luft in den zentralbeheizten Räumen, die für das Gefühl der Behaglichkeit etwas höhere Wärmegrade voraussetzt. 21 °C Zimmertemperatur sind heute die normale Behaglichkeitstemperatur. In Schlafräumen, die stets durch geöffnete Fenster gut belüftet sein sollten, ist eine Temperatur unter 15 °C erstrebenswert. Liegt die Temperatur des Schlafraumes im Winter nahe dem Gefrierpunkt, dann kühlen die Schleimhäute der oberen Luftwege stärker aus und werden zu trocken. Besteht eine Neigung zur Bronchitis, dann empfiehlt es sich, hier einen Schonfaktor thermischer Art in der Weise zu schaffen, daß milde Wärme bzw. angenehme Kühle und ausreichende Luftfeuchte im Schlafraum herrschen. Bei wiederholter Lüftung mit vollständigem Luftwechsel entspricht die Luft im Raum der Außenluft, die lediglich auf die gewünschte Temperatur gebracht wird, im übrigen so aber die Schwankungen der anderen Faktoren mitmacht. Die maschinellen Klimatisierungen streben dagegen an, ständig ein bestimmtes, von der Außenluft unabhängiges Klima zu schaffen, in dem nicht allein die Lufttemperatur, sondern auch die Luftfeuchte unveränderlich ist. Diese klimatisierte Luft mit nur geringer Windgeschwindigkeit wird ständig auf einem gleichen Wert auch des Luftdrucks und der Luftkolloide gehalten. Hier fehlen also völlig die Schwankungen der Klimafaktoren und damit jegliche Aktivierung der Regulationsmechanismen. Die Menschen verharren in einer gleichbleibenden, reaktionslosen Einstellung und entwickeln, wenn sie den klimatisierten Raum verlassen, verzögert, erschwert oder aber überschießend die kompensierenden Einstellungen auf das natürliche Außenklima. Dies kann nachteilige Folgen haben, z. B. häufige Erkältungen.

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Methoden der Physikalischen Therapie

Klimatisierte Räume bieten aber Vorteile, wenn ein durch das Raumklima belastender Arbeitsplatz in Werkhallen, Backstuben, Operationssälen und dergleichen für den Menschen ein erträglicheres Klima schafft. Ein sehr belastender Faktor des natürlichen Klimas, die Schwüle, der sich der Mensch nicht zu entziehen vermag und die für einen Kranken unerträglich werden kann, ist nur durch die technische Klimatisierung eines Raumes eliminierbar. Von dieser technischen Möglichkeit wird in unseren Krankenhäusern allerdings noch zu wenig Gebrauch gemacht. Bei Erkrankungen der Atemorgane, bei allergischen Störungen und auch bei Kreislaufschäden sind Behandlungen in Klimakammern vielfach erprobt worden. In solchen Kammern ist der Luftdruck veränderlich (Pneumatische Kammer), Allergene und Verunreinigungen der Luft werden abgefiltert, und ein höherer Partialdruck bietet sogar mehr Sauerstoff an. Eine Behandlung unter künstlichem Überdruck ist allerdings keine Klimatherapie. Hier fehlen die Merkmale eines bevorzugten Klimas, ein Überdruckklima gibt es in der Natur nicht. Auf die Kombinationsmöglichkeit der Inhalationstherapie mit Druckatmung, wobei der erhöhte Druck allein an den Atemwegen, nicht am Thorax wirksam wird wie in den Überdruckkammern, wurde schon hingewiesen (S.432f.). Überdruck im Raum führt zu einer Vergrößerung der Zwerchfellbewegung; gegebenenfalls kann dies genutzt werden, um die so ergiebige Zwerchfellatmung zu unterstützen. Unterdruckbeatmung übt, da mit dem Luftdruck auch der Sauerstoffpartialdruck absinkt, einen gewissen Reiz auf die Hämatopoese, auf die Durchblutung der Schleimhäute der Atemwege und damit auch auf deren sekretorische Tätigkeit aus. Klimakammern mit Unterdruck ersetzen aber niemals Kurbehandlungen im Hochgebirgsklima, weil die Exposition im künstlichen Unterdruck jeweils nur kurze Zeit möglich ist, zum Anstoß der Erytheropoese — auch einer ausgiebigeren Atmung — aber ein Dauerreiz erforderlich ist. Alle Druckkammerbehandlungen haben zudem den Nachteil, daß die Druckänderung relativ schnell und damit für den Kreislauf belastend erfolgt, ein Nachteil, der auch einem Höhenflug oder einer Seilbahnfahrt auf Hochgebirgsgipfel anhaftet. Die reine Luft, die in einer Klimakammer auch frei ist von Allergenen, hat sich beim echten, allergischen Asthma bronchiale bewährt. Allerdings ist dies, wie z. B. auch beim Heuschnupfen ein Kuraufenthalt auf hoher See oder auf Helgoland, nur eine palliative Maßnahme, die auf die Krankheit als solche keinen Einfluß hat und deren gute Wirkung endet, wenn der Kranke wieder nach Hause zurückkehrt. Dennoch ist eine solche Verordnung als Klimakur von längerer Dauer sinnvoll, weil der Kranke hier unspezifisch resistenter wird (S. 73 f.) und damit Voraussetzungen entwickelt, die ihm helfen, auch mit seiner speziellen Empfindlichkeit besser fertig zu werden. Behandlungen mit oder unter künstlich veränderten atmosphärischen Bedingungen können einen Kuraufenthalt in einem Heilklima niemals ersetzen. Dieser wird immer kurgemäß gestaltet. Er bietet damit neben der Kombination mit ande-

Klimatherapie

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ren Behandlungsarten den anhaltenden Anpassungsreiz, der das Wesen einer Umstimmungsbehandlung ausmacht. Im „toten" Raumklima fehlen die dynamischen, die anregenden, die abhärtenden Reize des ständig wechselnden Wettergeschehens. Es fehlt auch die Möglichkeit zur freien Bewegung in der Außenluft, und es fehlen die seelischen Einwirkungen der erlebten Landschaft [8].

8.6 Wirkungen des Wetters auf den Menschen Jeder Mensch empfindet schönes Wetter als angenehm, schlechtes Wetter als störend. Diese triviale Feststellung gilt nicht nur für Gefühlsregungen und mentale Lebensäußerungen, sondern auch für Krankheiten und deren Symptomatik [539]. Derartige Zusammenhänge zu analysieren, ist ein Anliegen der Medizinmeteorologie (S. 536). So wie die Meteorologie zwei Forschungsrichtungen, die Klimatologie und die Wetterkunde (Synoptik), hat, unterscheidet die Medizinmeteorologie zwischen Bioklimatologie, die die Zusammenhänge zwischen Klima und Mensch erforscht, und Biosynoptik, die die Wechselwirkungen zwischen Wetter und Mensch untersucht. Von den wettergestaltenden Größen nimmt der Mensch mit den Sinnesorganen nur die Lufttemperatur (die Thermorezeptoren sprechen an) und die Luftbewegung mit dem Tastsinn bewußt wahr. Wir erfassen aber nicht den Luftdruck und die Luftfeuchte. Auch für die Strahlung, mit Ausnahme ihres thermischen Anteils, besitzt der Organismus kein Wahrnehmungsorgan. Die meisten Empfindungen, die wir im Wetter und Klima bewußt oder unbewußt spüren (Sensibilität), sind irrationaler Art, d. h. nicht objektiv erfaßbar, zumindest nicht meßbar. Das Klima wird noch weniger bewußt wahrgenommen. Wir bemerken nur das vorherrschende Wetter. Nur über Wetterempfindungen wird uns bewußt, ob wir in einem annehmbaren Klima leben. Dazu kommen als sehr wesentliches, vom Klima einer Landschaft und den Naturerscheinungen der Jahreszeiten untrennbares Element, die seelischen Eindrücke und Einflüsse hinzu, die als geopsychische Erscheinungen mit den Schlagworten „Wetter und Seele" bzw. „Klima und Seele" beschrieben worden sind [223]. In der praktischen Medizin sind Kenntnisse über die Biotropie des Wetters (Biosynoptik) unentbehrlich. Schon seit eh und je haben die Menschen Änderungen in ihrem Befinden, Schwankungen der Leistungsfähigkeit und krankhafte Störungen mit dem Wetter in Zusammenhang gebracht. Auch in der Beletristik findet man immer wieder solche Zusammenhänge. Bemerkenswert ist eine Äußerung Goethes [186]: „So arbeite ich bei hohem Barometerstand leichter als bei tiefem; da ich nun dieses weiß, so suche ich bei tiefem Barometer durch größere Anstrengungen die nachteiligen Wirkungen aufzuheben, und es gelingt mir." Ein Blick auf den Barometerstand im Frontengeschehen (vgl. Abb. 157) zeigt uns heute, daß Goethe offenbar die Frontendurchgänge feinfühlig beobachtet hat.

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Methoden der Physikalischen Therapie

In der medizinischen Wissenschaft sind entsprechende Zusammenhänge schon seit dem Altertum bekannt. So lesen wir bei Hippokrates: „Man sei besonders auf der Hut vor Wetterwechseln und vermeide während dieser Zeit, die Kranken zur Ader zu lassen, Wunden auszubrennen oder das Messer zu gebrauchen."

8.6.1 Wetterfühligkeit Mit dem Begriff „Wetterfühligkeit" sind nicht nur die Korrelationen zwischen Wetter und Krankheiten (vgl. Abb. 164) bzw. Empfindungen, also die Wetterempfindlichkeit schlechthin, gemeint, sondern auch ein Phänomen, das präziser „Wettervorfühlen" genannt wurde [223]. Eine scharfe Trennung zwischen nur harmlosen Störungen des Befindens und ernsten Gesundheitsstörungen durch Wettervorgänge ist unter meteorologischer Begründung nicht möglich. Manche wetterfühlsamen Menschen empfinden scheinbar im voraus, daß ein Wetterwechsel auf sie zukommt, bevor Änderungen von Temperatur, Luftdruck und -feuchte am Boden registriert werden. Das vegetative Nervensystem stellt offenbar ein Sensorium für wetterabhängige Beschwerden dar, denn wetterfühlsam sind meist solche Menschen, deren vegetatives Gleichgewicht besonders labil ist. Die meteorologische Erklärung für die meteorotropen Wurzeln dieser Erscheinung findet sich in neueren Erkenntnissen über den Luftkörperwechsel und über Wetterfronten (S.544). Ein Luftkörperwechsel als Teilerscheinung einer Wetteränderung verläuft in der Regel über geneigte Flächen, wobei verschiedene Luftmassen sich übereinanderschieben und dabei auf- und abgleiten (vgl. Abb. 157). So kann, um ein Beispiel aus der Literatur zu übernehmen [517], etwa über dem Ärmelkanal am Boden eine Warmfront liegen, deren zugehörige Aufgleitvorgänge aufgrund der starken Frontenneigung in großer Höhe schon über dem RheinMain-Gebiet angekommen sind. Aus den Bodenwetterkarten ist dies nicht ersichtlich. Bei sehr sensiblen Menschen, die vielleicht eine besonders niedrige Reizschwelle für vegetativ gesteuerte Regulationen haben, löst dies aber im RheinMain-Gebiet schon zu diesem Zeitpunkt Beschwerden und Ereignisse aus, wie sie bei Aufgleitvorgängen signifikant erhöht vorkommen (vgl. Abb. 164). Ein solches Wettervorfühlen hat ähnliche Auswirkungen wie die Reaktionen, die bei weniger sensiblen Menschen erst mit dem sichtbaren und am Boden meßbaren Wechsel des Wetters vorkommen. Eine Symptomatik, die unter dem Einfluß des Wetters aufkommt, tritt in geschlossenen Räumen in gleichem Maße auf wie im Freien und ist organisch-pathologisch in der Regel nicht faßbar. Die Faktoren, auf die sehr sensible Menschen früher ansprechen, müssen zwei Eigenschaften haben [517]. Sie müssen einerseits ungeschwächt in Gebäude eindringen können, zum anderen für die frühzeitige Manifestation eine größere Zuggeschwindigkeit haben als die Luftmassen selbst.

Klimatherapie

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Diese Anforderungen werden erfüllt von der Sferics (S.561), den elektromagnetischen Wechselfeldern, die dem Wetterumschlag um 1-2 Tage vorauseilen, und von den schnellen Druckschwankungen mit sehr niedriger Amplitude (Oszillationen), die an Grenzschichten in der Atmosphäre, an den Fronten und Inversionen zu finden sind (vgl. Abb. 162). So erklärt es sich, daß bei aufziehenden Fronten und „drückendem" Föhn (S. 565) die entsprechend disponierten Menschen charakteristische, „vorgefühlte" Wetterbeschwerden bereits äußern, wenn die Wetteränderung in höheren Schichten schon über uns ist, am Boden aber erst auf uns zukommt. Die stärkste biotrope Wetterwirkung registriert man bei den labilen Aufgleitvorgängen subtropischer Warmluft. Sie zeigen eine Wirkung auch in geschlossenen Räumen und beeinflussen selbst bettlägerige Patienten [540].

8.6.2 Wetter und Krankheit Die medizinischen, biotropen oder pathogenetischen Komponenten der wetterwirksamen Störungen liegen in der Sensibilität des Organismus gegen atmosphärische Reize aller Art. Zum Teil werden die Wetterbeschwerden durch einzelne Faktoren, z. B. belastende Temperaturen, hohe Luftfeuchte, starken, böigen Wind oder zu kräftige Strahlung, ausgelöst. Öfter jedoch sind sie eine Folge der aperiodischen Schwankungen einer Anzahl von Wetterfaktoren [37], die als „Akkordschwankungen" [400] bezeichnet worden sind. Der Komplex „Wetter" wirkt, fühlbar oder nicht, auf jedes höhere Lebewesen. Auch der Mensch ist mit seiner atmosphärischen Umwelt so verbunden, daß immerfort ausgleichende Regulationen notwendig werden, die einmal stärker, dann wieder schwächer sind und sich positiv oder negativ, d. h. anregend oder dämpfend, wohltuend oder beschwerlich auswirken. Regulierende Korrekturen laufen ständig ab, ohne daß man sich in der Regel dessen bewußt wird. Vermittler dieses Geschehens ist das vegetative Nervensystem [12, 540]. Nach klinischer Erfahrung sprechen die vegetativ labilen Menschen hier oft wettervorfühlend an (S. 573). Es gibt einen einfachen Test [623], der Tonusänderungen des vegetativen Systems bei unterschiedlichen Wetterlagen sichtbar macht. An der Hautreaktion auf elektrophoretisches Einschleusen von Azetylcholin und Adrenalin zeigen sich grundsätzlich gleichgerichtete Tonusschwankungen von Vagus und Sympathikus (S. 33 f.), unter dem Einfluß verschiedener, meteorologisch definierter Wetterlagen werden aber Reaktionsunterschiede deutlich, je nachdem, welcher Art (vgl. Wettertypen, S. 546) die atmosphärische Akkordänderung ist. Darin zeigt sich bei atmosphärischen Störungen „eine Disharmonie in der Gemeinschaftsreaktion des Vagus und Sympathikus, die der Erzeugung zumindest eines prämorbiden Zustandes gleichkommt [623]. Die Dynamik der Wetteränderungen macht sich beim Menschen an seinem subjektiven Befinden, an seinem Verhalten und bei Kranken an der Symptomatik be-

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Methoden der Physikalischen Therapie

merkbar. Bei „gestörtem" Wetter, das bedeutet ein Luftkörper anderer Temperatur und Feuchte löst einen bisherigen Akkord ab, treten bei Kranken und auch bei labilen Menschen sensorische Empfindungen, z. B. Kopfschmerz, Unruhe, Konzentrationsschwäche, auf. Diese Menschen fühlen sich abgespannt, ihre objektive Leistungsfähigkeit läßt nach, und sie leiden physisch und psychisch (vgl. Föhn, S. 565). Von den ausgeprägten somatischen Krankheitssymptomen treten die spastischen Neigungen hervor: Asthmaanfälle mehren sich und Steinkoliken stellen sich öfter ein. Bei Schmerzzuständen, den neuralgischen und den rheumatischen Beschwerden, auch bei den Phantomschmerzen, ist eine wettergesteuerte Beziehung unsicher zu belegen. Die Erfahrung deutet aber darauf hin, daß bei manchen Menschen eine solche Annahme berechtigt ist. Statistisch gesichert ist der Einfluß von zyklonalen Tiefdruckstörungen, Aufgleitvorgängen und Fronten auf den negativen Verlauf schwerer Gefäßerkrankungen: Infarkte und Insulte treten gehäuft auf, schwere Angina pectoris-Anfälle gefährden die Koronarpatienten und Embolien sind häufiger zu beklagen. Die in der Bundesrepublik Deutschland vorhandene Einrichtung der kurzfristigen Wettervorhersage für Ärzte (S. 577) leistet hier wertvolle Dienste, denn bei solchen Wetterlagen wird oft die Hilfe des Arztes benötigt. Eine eigentliche Behandlung der sogenannten Wetterfühligkeit hat es bisher aufgrund ihrer komplexen, unübersichtlichen Herkunft nicht gegeben [335]. Dennoch kann der Arzt die Symptomatik diagnostizieren und durch Dämpfung der vegetativen Sensibilität abmildern. Dies setzt aber voraus, daß die Ausgangslage erfaßt wird. Aus der Symptomatik ist meist ersichtlich, ob mehr die sympathische oder die parasympathische Seite gedämpft werden muß (S. 33 f.). Neuerdings [627] wurden anhand von Messungen verschiedener Neurohormone (Katecholamine, Serotonin, 17-Keto- und 17-Hydrooxysteroide, Histamin und Thyrosin) drei klinische Typen der Wetterbeschwerden festgelegt: - ein „Erschöpfungssyndrom" (Häufigkeit 44%); die Beschwerden sind hypodynamischer Art in der körperlichen und seelischen Dynamik; - ein „Reizsyndrom" mit hoher Serotoninproduktion (43%); die Erscheinungen sind mehr hyperdynamischer Art; - eine „Forme fruste" (13%), die eine Mischung der beiden anderen Typen darstellt und unter anderem auch hyperthyreotische Symptome zeigt. Messungen der Luftelektrizität (Sferics, Luftionen und Elektrofelder) ließen erkennen, daß die Wetterfühligkeit ein elektrisches Phänomen ist. Behandlungen bzw. vorbeugende Maßnahmen mit Luftionisierungsapparaten oder gegebenenfalls Antiserotonin-Präparaten sollen ausgezeichnete Erfolge bringen. Dies hat sich allerdings bisher nur für den Wüstenwind „Scharaw" ergeben, für den Föhn im Voralpenland konnten solche Beziehungen nicht nachgewiesen werden [499]. Auch andere Medikamente wirken symptomatisch: Analgetika, Spasmolytika, Herz- oder Blutdruckmittel, Sedativa und dergleichen. In dem ärztlichen Bestreben, alle Beschwerden oder Krankheiten möglichst ursächlich oder wenigstens

Klimatherapie

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pathogenetisch abzuwenden, liegt es aber nahe, die Unverträglichkeit atmosphärischer Störungen oder Änderungen nicht durch Medikamente, sondern durch eine Gewöhnung in Form einer Reaktionstherapie (vgl. G K 3 -1) zu beheben. Da alle meteorotropen Beschwerden Ausdruck einer allgemein „nervösen" Labilität des Menschen sind, bieten sich die unspezifischen Methoden der Physikalischen Therapie an. Zu diesen gehört hier ganz besonders die Klimatherapie, weil sie dieselben Reize einsetzt, auch wenn diese Reize, die das auslösende Geschehen für das Beschwerdebild darstellen (vgl. unspezifische Adaptation, S. 64), sehr komplexer Natur sind. Ungestörtes Wetter, bei dem die meteorischen Elemente lediglich einem streng periodischen, nur durch die tagesrhythmische Wärmebewegung gesteuerten, im Prinzip aber ungestörten Gleichmaß folgen, wirkt sich eher günstig auf die verschiedenen Krankheiten und Symptome aus. Bei beständigen Schönwetterlagen fehlen Befindensschwankungen. Beschwerden lassen eher nach oder kommen nicht auf, dramatische Ereignisse geschehen, wenn überhaupt, deutlich seltener. Bis heute ist es nicht möglich, die sehr differenzierten physiologischen Reaktionen, die aufgrund des Wettereinflusses zustande kommen, durch Meßverfahren im Einzelfall zu erfassen. Die Problematik kann man deshalb vorerst nur mit korrelationsstatistischen Untersuchungen aus den medizinischen und meteorologischen Bereichen lösen. Bei den komplizierten Zusammenhängen zwischen so komplexen Systemen wie dem Wetter und dem menschlichen Organismus liefern natürlich nur sehr umfangreiche Beobachtungen und Messungen zuverlässige Ergebnisse. Es liegen statistische Erhebungen zu den Korrelationen zwischen Krankheitserscheinungen und Wettervorgängen vor, die von Meteorologen und Medizinern gemeinsam erarbeitet und zusammengetragen wurden. Die Abbildung 164 zeigt die bisher umfangreichste Zusammenstellung. Die Zusammenstellung zeigt, daß bei antizyklonalen Schönwetterlagen alle aufgeführten Symptome und Ereignisse mit einer Ausnahme seltener vorkommen bzw., daß weniger Fehlreaktionen auftreten. Solches Wetter wirkt sich also günstig aus. Bei „schlechtem" Wetter dagegen werden fast alle Geschehnisse ungünstig beeinflußt, am deutlichsten die Vigilität, die Kreislaufstörungen und das Bronchialasthma. Das fließende meteorologische Geschehen zwischen bzw. innerhalb der beiden Hauptwettertypen zyklonaler oder antizyklonaler Prägung, die sich ganz unregelmäßig abwechseln, schafft offenbar die Vorbedingungen für das ebenso wechselhafte gesundheitliche Befinden entsprechend sensibler oder kranker Menschen. Die pathogenetischen Zusammenhänge sind aufgrund von Korrelationsergebnissen mit statistischer, aber natürlich nicht unbedingt individueller Erwartung vorhersehbar. Vom Deutschen Wetterdienst werden daher für jeden Tag auf Anforderung entsprechende Vorhersagen abgegeben [518], die dem Arzt die Möglichkeit bieten, vorbeugend Verschlimmerungen im Befinden seiner Patienten abzufangen oder drohende Gefährdungen abzuwenden.

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Methoden der Physikalischen Therapie

8.7 Spezielle Wirkungen des Klimas auf Organe und Funktionssysteme Sucht der Mensch ein ungewohntes Klima auf, dann reagiert er spontan mit Umstellungen, die Teil eines längerdauernden Anpassungsprozesses sind. An ihrem Ende steht das mögliche Adaptationsergebnis: die Akklimatisation. Dieses komplexe Geschehen trägt ebenso zur Besserung oder Heilung verschiedener, definierter Krankheiten bei, wie es die allgemeine, unspezifische Resistenz gegen Gesundheitsstörungen aller Art zu heben vermag. Die im folgenden zu beschreibenden Änderungen an Organen und Funktionssystemen verlaufen und verhalten sich nicht gleichartig. Zum Teil schießen sie auf und schwinden langsam wieder, z. B. die Akklimatisationslymphozytose (S. 588). Solche bald abklingenden Erscheinungen deuten darauf hin, daß die Funktionssysteme in unspezifischer Weise angestoßen werden. Speziellere Folgen bleiben erhalten und sind unentbehrlich, solange sie als gerichtete Änderungen der Kompensation eines atmosphärischen Störfaktors dienen. So unterhält in sauerstoffarmer Höhe der erythrozytäre Sauerstofftransport mit mehr Hämoglobin die Versorgung des Gewebes so lange, bis dem Menschen mit der sauerstoffreicheren Luft einer tieferen Lage wieder mehr von diesem „Pneuma" angeboten wird. Andere Kapazitätsänderungen (S.61, 538) können offenbar abklingen, wenn sich der Organismus in die neue atmosphärische Umwelt hineingefunden hat, bzw. im Sinne des Adaptationsgeschehens ausgedrückt, wenn er aus dem Stadium der Alarmreaktion in das der Resistenz hinübergewechselt ist (S.67). Dabei verkörpern nicht immer nur neu gebildete Adapte von dinglicher Beschaffenheit die erhöhte Resistenz, es kann auch eine bessere Qualität, einer größere Ausdauer kompensierender Funktionen sein, die den Organismus widerstandsfähiger machen. So könnte man — wenn auch vorerst nur hypothetisch — folgern, daß auch nach der Rückwendung veränderter Meßgrößen zum Ausgangswert, wie wir es vielfach in der abgeschlossenen Akklimatisation sehen, die Qualität funktioneller Antworten auf neu einströmende Reize angehoben bleibt. Im Hochgebirge treten aufgrund der hohen Reizqualität des Klimas diese reaktiven Erscheinungen am deutlichsten zutage. In solchen Lagen wurden auch die meisten Untersuchungen durchgeführt. Zum größten Teil wurden sie allerdings in Höhen über 2000 Meter angestellt, die klimatherapeutisch nicht mehr nutzbar sind. Dennoch zeigen ihre Ergebnisse, wie der gesunde Mensch im ungewohnten Gebirgsklima reagiert. Auch für die Kranken lassen sich daraus wertvolle Rückschlüsse ziehen, wobei für diese unter milderem Höhenreiz schon der Trend der Umstellungen bedeutsam ist. Aus geringeren Höhen des Hochgebirgsklimas liegen entsprechende Erfahrungen bei verschiedenen Krankheiten vor. Von den Meeresküsten gibt es nur einige experimentell-physiologische Ergebnisse, dafür aber eine Fülle klimatherapeutischer Erfahrungen. Sie zeigen Anwendungsbereiche und therapeutische Qualitäten der verschiedenen Heilklimate auf,

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geben Hinweise zur prognostischen Beurteilung der Verträglichkeit eines Reizklimas und erleichtern damit eine Auswahl unter den bewährten Heilklimaten und Klimakurorten [687]. Eine signifikante Eigenart des Reiz- und Reaktionsgeschehens zeigt sich stets, wenn man bei einem Klimawechsel die adaptierenden Umstellungen in Anspruch nimmt, also längere Zeit (mindestens vier Wochen) in dem fremden Klima bleibt. Der Organismus reagiert dann in zwei Anpassungsphasen. Die erste Periode ist durch dynamische Umstellungen charakterisiert, die nach einigen Wochen in die zweite Phase, den mehr statischen Zustand der Akklimatisation, einmünden, in der die Umstellungen zum Ausgangswert zurückkehren oder — falls nötig — erhalten bleiben. Damit verliert das Klima seinen anstoßenden Reizcharakter; es ist ein neues Gleichgewicht hergestellt zwischen den Kräften der äußeren Umwelt und dem inneren Milieu (S. 51). Das Klima läßt sich so therapeutisch nutzen, die Widerstandsfähigkeit des Menschen wird größer, die Homoiostase ist gegen atmosphärische Einflüsse weniger störanfällig. Zur ärztlichen Beurteilung klimatherapeutischer Wirkungen und für die ärztliche Führung ist es nützlich, die erste Phase der „Adaptation", in der sich die Umstellungen ausbilden und in der ein Kranker zuweilen auch überschießend (S. 66) reagiert, gegenüber einer zweiten, abschließenden Phase, der „Akklimatisation", abzugrenzen und bei den Verordnungen zu berücksichtigen. In den folgenden Darstellungen wird deshalb das Typische beider Phasen einander gegenübergestellt. Die schwankenden Organreaktionen der Kranken sollten in ihrer Qualität und Quantität nicht allein dem Einfluß des wechselnden Wetters überlassen werden, vielmehr sollte der klimatherapeutisch erfahrene Arzt, je nach der Reizstärke der klimatypischen Wetterakkorde, mit dosierender Exposition die Patienten so durch die Klimakur führen, daß sie zunächst entlastet und geschont, später in heilsamer Weise angestoßen werden. Ein Klima wird zu einem Heilklima nicht allein dadurch, daß es bestimmte Qualitäten hat, es muß auch neben den schonenden Faktoren einen Reizcharakter haben. Dieser zwingt den Organismus, der noch nicht an das Klima angepaßt ist, über die physiologische Adaptation (S. 61 f.) in die Akklimatisation, von der heilende Impulse ausgehen, wenn die „Umstimmung" sich entsprechend ihrem Zeitbedürfnis ungestört entwickeln kann. An den Organen und Funktionskreisen lassen sich klar erkennbare Umstellungen durch Messungen objektivieren. Zu einem wirklichen Heilklima für den einzelnen Menschen wird eine atmosphärische und landschaftliche Gegend erst dadurch, daß der Arzt einem jeden Kranken die für ihn angemessenen klimatischen Reize aufzeigt (Klimaexposition). Das Klima wird als ein heilsamer Aktivator eingesetzt, der die körpereigenen Regulationen anregt und unterstützt, wobei sich diese Regulationsmechanismen in „natürlicher" Folge entfalten können. Die Rolle des Arztes ist es dabei, ein bevorzugtes Klima zu einem individuellen Heilklima zu machen (W. Amelung).

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Methoden der Physikalischen Therapie Akklimatisation

Adaption Atemminutenvolumen

*

^

p - C 0 2 (alv.)

.

pH (Blut) Alkaliausscheidung

Zj



Säureausscheidung Alkalireserve Vitalkapazität



-



;

O-i-Verbrauch COi-Abgabe Respiratorischer Quotient

A

J

-

J

»

Abb. 165 Schematische Übersicht zur Umstellung der Atmung im Hochgebirge (nach [292]).

8.7.1 Wirkungen des Heilklimas auf die Atmung Im Hochgebirge, in Höhen zwischen 1000 und 2000 Meter, spricht das Atemzentrum sofort empfindlich auf den in diesen Höhen einsetzenden Sauerstoffmangel an, obwohl die Sauerstoffbindungskurve des Hämoglobins erst oberhalb 2000 Meter stärker abzufallen beginnt. Die Folgen des Höhenreizes sind in ihrem zweiphasigen Verlauf in der Abbildung 165 schematisch wiedergegeben. Das Atemminutenvolumen nimmt mit Hilfe einer tieferen Ventilation zu. Damit wird die höhenbedingte niedrigere Sauerstoffspannung in den Alveolen teilweise kompensiert. Erst in größeren Höhen, über 2000 Meter, steigt auch die Atemfrequenz an. Das Atemminutenvolumen bleibt erhöht, solange ein Sauerstoffmangel besteht. Die Sauerstoffsättigung des arteriellen Blutes wird in Höhen bis zu ca. 2500 Meter einmal über die Atmung, zum anderen über die gesteigerte Erythropoese aufrechterhalten. Der Sauerstoffverbrauch, die C0 2 -Abgabe (außer einer geringen Initialschwankung) und der respiratorische Quotient ändern sich in der Adaptationsphase und damit natürlich auch in der Akklimationsphase nicht. Mit der tieferen Atmung nimmt die alveoläre C0 2 -Spannung ab, da ständig mehr Kohlensäure abgeatmet wird als bei flacherer Atmung. Dies wirkt sich auch auf den Gasaustausch aus. Folge der Hyperventilation ist eine leichte respiratorische Alkalose (Hypokapnie). Dennoch nimmt der pH-Wert des Blutes zu. Das würde auf das Atemzentrum dämpfend wirken, kompensierte nicht die Alkaliund Säureausscheidung — die Alkaliausscheidung steigt an, die Säureausscheidung fällt ab — das Säure-Basen-Milieu. In der Akklimatisation bleibt die leichte Hyperventilation (erhöhtes Atemminutenvolumen) bestehen, die geringere alveoläre C0 2 -Spannung ändert sich nicht.

Klimatherapie

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Es kommt aber nach anfänglicher Alkalosewelle nicht zu einer bleibenden Alkalose, die aktuelle Bikarbonatkonzentration, die sogenannte Alkalireserve, bleibt niedrig (tiefliegender, horizontal gerichteter Pfeil in der Abbildung 165). Die Vitalkapazität (S.217) nimmt in der Höhe zunächst ab. Das Ganze zeigt an, daß die Atmung sich umstellt und damit Kompensationsvorgänge einsetzen. Es bleibt zu klären, ob diese Änderungen einen speziellen therapeutischen Nutzen bringen oder lediglich als Teil der „Umstimmung" den Erfolg einer Klimabehandlung mitbestimmen. Die zunächst geringere Vitalkapazität (VK) wird als Ausdruck einer vermehrten Blutfülle im Thorax gedeutet. Ist die Adaptation abgeschlossen, normalisiert sich das maximale Atemvolumen wieder. Trifft diese Auslegung zu, würde das zeigen, daß sich auch der Kreislauf wieder umgestellt hat. Die Ventilationsleistung, gemessen am Tiffenau-Wert (S.218), nimmt im Gebirge zunächst ab und steigt in der dritten Woche wieder an. Die Umstellung der Atmung mit schwankenden oder beständigen, auch individuell ungleichartigen Meßgrößen in Höhen bis zu etwa 3000 Meter scheint aber nicht allein die Folge einer Sauerstoffnot zu sein. Sie ist auch als Ergebnis einer allgemeinen, klimabedingten Umstimmung bzw. als Ausdruck einer Umstellung der vegetativ regulierten Atmung zu werten. Bereits in 800 Meter Höhe, also auch im Mittelgebirge, wo der Sauerstoffpartialdruck erst eben beginnt, sich als Reizfaktor bemerkbar zu machen (Lit. dazu bei [10]), ist der gleiche Trend unverkennbar. An den Meeresküsten, in einem Klima, in dem der Sauerstoffpartialdruck seinen eigentlichen Normwert hat, also nicht als Reizfaktor in Frage kommt, stellt sich ebenfalls schon bald eine gehobene Atemgüte ein, die an den dynamischen Atemwerten meßbar ist (S.218). Die Atmung wird tiefer, das Atemzugvolumen und die Vitalkapazität steigen an [589], die Atembreite nimmt inspiratorisch und exspiratorisch zu [199]. Die Ventilationsleistung, soweit sie sich in einem besseren Atemstoßwert (Tiffenau) ausdrückt, steigt im Gegensatz zum Gebirge, wo sie in der Akklimatisation niedriger ist, an der See bei Bronchitiskranken mehr noch als bei Gesunden an. Die Abbildung 166 (modifiziert nach [295]) zeigt die Vergleichswerte. Sicherlich tragen auch der Aufenthalt in der reinen, feuchten, salzhaltigen Luft und der stärkere aktinische Einfluß dazu bei, die Atmung in dem genannten Sinne ergiebiger zu machen. Auch in den Gebirgskurorten hat sich eine verordnete, atemgymnastische Behandlung, die sowohl präventiv als auch kurativ wirkt, in Kombination mit dem Programm der Klimaexposition eingebürgert [683]. In allen Heilklimaten ist die Luftqualität der Faktor, der am meisten den Erkrankungen der Atemwege zugute kommt. Reine Luft ist eine der Vorbedingungen für die amtliche Anerkennung eines Ortes als heilklimatischer Kurort. „Unreine" Luft, d.h. Luft, deren Aerosol (S.555) reichlich Kondensationskerne aus schädlichen Emissionen enthält, führt bei Lungen- und Herzkranken zu Bronchokonstriktion, Änderung der Diffusionskapazität und zu einer Vasokonstriktion

582

Methoden der Physikalischen Therapie

• 1

2

3 Wochen

Abb. 166 Ventilationsleistung der Lunge bei Klimawechsel.

der Hautgefäße. Dies geschieht schon bei Schadstoffkonzentrationen, die bei Gesunden noch unwirksam sind [569]. Das Nichtvorkommen von Allergenen pflanzlicher Herkunft ist nur in besonderen Lagen, z. B. auf der Insel Helgoland, auf der es kaum blühende Gräser gibt, gewährleistet. Für das allergische Asthma ist deshalb Helgoland besonders geeignet. Der thermisch-hygrische Wirkungskomplex (S. 553) der Luft, ihre Temperatur und Feuchte, sind treibende Kräfte der Klimawirkung an den Atemschleimhäuten. Ist die eingeatmete Luft kühl und relativ trocken, wie sie in den Gebirgen — im Mittelgebirge graduell schwächer als im Hochgebirge — in der längsten Zeit des Jahres anzutreffen ist, dann läßt zunächst mit der Abkühlung der Atemwege die Durchblutung nach, gleichzeitig hemmt die trockene Luft die Sekretion der Schleimhäute. Als Reaktion setzt jedoch bald eine Mehrdurchblutung ein. Mit mehr Blut strömen neben Wärme auch mehr Leukozyten, vielleicht auch Abwehrstoffe (Immunglobuline) zu. Die Schleimhäute erhalten jetzt genügend Wasser, mit dem sie einen flüssigen Schleim sezernieren, den die Kranken leichter abhusten. Diese reaktive Hyperämie ist ein Kompensationsvorgang, ein Abwehrmechanismus, ein funktionelles Adaptat (S.62), das der Mensch entwickeln kann und das auch trainierbar ist. Dazu bedarf es einer intermittierenden Exposition mit einer Reizgestaltung, wie sie schematisch in der Abbildung 9 dargestellt wurde (vgl. regimen refrigerans, S.617; vgl. Abhärtung, S.614). So findet der Organismus die Zeit, sich langsam anzupassen, ohne in überschießende Reaktionen durch zu starke oder zu lang ausgedehnte Reize (S.66f.) zu geraten. Es wird diskutiert [74], ob das Adaptat der besser durchbluteten Schleimhaut die Ansiedlungsbedingungen

Klimatherapie

583

für Common-Cold-Viren verschlechtert (S.68) und damit den Erkältungen und Superinfekten den Nährboden entzieht. Die kühle, trockene Luft der Gebirge ist also nicht schädlich, wie man zunächst vermuten muß. Aus den den genannten Gründen ist sie vielmehr durchaus geeignet für Kurbehandlungen bei der chronischen Bronchitis und den asthmatischen Zuständen. Bei der trockenen, kühlen Gebirgsluft braucht aber mancher Neuankömmling in den ersten Tagen, solange das funktionelle Adaptat der reaktiven Schleimhauthyperämie noch nicht ausgebildet ist, mehrmals täglich feuchte Inhalationen, um die Schleimhäute vor dem vorerst noch in der Luft liegenden Austrocknen zu bewahren. In geheizten Zimmern im Hochgebirge liegt die relative Luftfeuchte oft nur bei 10%. Die Bronchialschleimhaut gibt aber ständig Wasser ab und trocknet aus, bis sie diese Austrocknung selbstregulatorisch abzuwehren „gelernt" hat. Da vor allem die oberen Luftwege betroffen sind, genügt hier zur Prophylaxe ein großtropfiger Nebel, wie ihn der alte Bronchitiskessel liefert (S.429). Im Mittelgebirge und an der See ist dies nicht nötig. Ein weiterer physikalischer Vorgang sorgt für eine kompensierende Befeuchtung der Luftwege. Er ist als Rückgewinnungseffekt beschrieben worden [489]. Kalte Luft entzieht während der Einatmung den Schleimhäuten Wärme. Die Atemwege würden inspiratorisch stark auskühlen, wenn nicht durch die Wände der Atemwege das reichlicher strömende Blut konduktiv und konvektiv neue Wärme zuführen würde. Dennoch bleibt die Temperatur der Schleimhäute, selbst wenn das funktionelle Adaptat der reaktiven Hyperämie schon aufgebaut ist, unterhalb der Bluttemperatur. Mit jeder Exspiration strömt die blutwarme, also wärmere Alveolarluft — sie ist mit Wasserdampf gesättigt (S.551) — an den kühleren Schleimhäuten entlang. Diese warme Luft kühlt sich ab, indem sie Wärme an die Schleimhäute abgibt. Dabei schlägt sich Wasserdampf in größerer Menge nieder, und die Schleimhaut des oberen Nasen-Rachenraumes gewinnt einen beträchtlichen Teil des Wärme- und Wasserverlustes der Inspiration mit der Exspiration zurück. Im Verein mit der reaktiven Hyperämie wird so der Schutzmechanismus der Atemwege gegen Störungen auf natürliche Weise wiederhergestellt. Der Rückgewinnungs- oder Rekondensationseffekt muß gegebenenfalls dadurch sichergestellt werden, daß die Nasenatmung frei gemacht wird. Sind die Nasenwege offen, sollten sie auch genutzt werden; manche Menschen vergessen dies bei schnellerem Gehen oder im Laufen und atmen durch den Mund. Ist die Luft nicht nur kühl, sondern eher kalt und feucht, in den Niederungen und auch in Gebirgstälern trifft dies in der kalten Jahreszeit oft tage- oder gar wochenlang zu (vgl. Inversionslagen, S.547), dann belastet dies den zu Bronchialspasmen neigenden Bronchitiker, die Asthmaleidenden, aber auch die Herz- und Kreislaufpatienten. Kalte Luft führt möglicherweise über efferente Vagusfasern zu einer Bronchuskonstriktion, wobei vorerst noch dahingestellt bleiben mag, ob Kaltluft den Reflex von den Atemwegen aus anstößt oder ein Abkühlungsreiz an der Körperoberfläche verantwortlich ist. Die Erfahrung zeigt, daß Bronchitiker

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Methoden der Physikalischen Therapie

die Kälte schlecht vertragen und mit einem erhöhten Strömungswiderstand in den Atemwegen (Bronchospasmen) reagieren, auch ist die Hustenreizschwelle herabgesetzt und die Kranken husten mehr und stärker. Hier ist der beste Rat, den der Arzt den Bronchitis- und Asthmakranken geben kann, ein Schonklima aufzusuchen. Mancher Leidende kommt gut durch den Winter, wenn er in der kritischen Jahreszeit, im Spätherbst, ins milde, aber die Schleimhautfunktion anregende, gewissermaßen auf den Winter vorbereitende Heilklima der Mittelgebirge zur Kur fährt oder zu dieser Jahreszeit im Mittelgebirge seinen Urlaub verbringt. Auch aus sozialmedizinischen Gründen empfiehlt sich eine entsprechende zeitliche Wahl. Warme, trockene Luft ist in unseren heilklimatischen Lagen eine wetterbedingte Seltenheit. Als Raumklima trifft man eine so ungesunde Luft aber viel zu oft in Arbeitsräumen an. Besonders die Bronchitiker, die ängstlich jede Abkühlung meiden, neigen dazu, ständig in zu warmen Räumen zu leben. In der zu trockenen Luft dörren die Schleimhäute bald aus, weil sich der Rückgewinnungseffekt verschleißt. Die Viskosität des Schleimes nimmt zu und der festhaftende, zähklebrige Schleim wird nur mit Anstrengung abgehustet, zumal auch die unentbehrliche Zilientätigkeit unter der Last des eingedickten Schleimes erlischt. Hier zeichnen sich Indikationen für eine sekretlösende Inhalationsbehandlung ab (S.435). In warmer, trockener Luft bleibt auch die kompensierende reaktive Hyperämie aus, weil der entsprechende Stressor, der Kaltreiz, fehlt. Dieser kann die Wärmeregulation anstoßen und damit über eine reaktive Mehrdurchblutung auch lokal an den Atemwegen mit mehr flüssiger Sekretion die Folgen der ungesunden, trokkenen Luft wieder regulierend in Ordnung bringen. Hier bleibt nur die Möglichkeit, präventiv und auch zur Linderung der bronchitischen Symptomatik, die Zimmerluft anzufeuchten, wozu allerdings größere Verdungstungsflächen notwendig sind, als sie mit den üblichen Gefäßen an den Heizkörpern zur Verfügung stehen. Technisch vollkommen sind allein die Ultraschallvernebler (S. 429). Wichtiger noch ist natürlich eine aktive Therapie, die nur darin bestehen kann, die Patienten, die ängstlich in einem so ungesunden Raumklima verharren, im Rahmen einer Klimakur von ihrem Fehlverhalten zu entwöhnen, sie an zumutbare Kälte zu adaptieren und damit das funktionelle Adaptat der reaktiven Hyperämie an den Atemwegen zu wecken und einzutrainieren (vgl. regimen refrigerans, S.617).

8.7.2 Herz und Kreislauf (Hämodynamik) unter Klimareizen Ganz anders als auf die Atmung wirken klimatische Qualitäten auf die Hämodynamik und damit auf die Krankheiten des Herzens und des Kreislaufes. Die Atmung erfährt unter heilklimatischen Anstößen einen Leistungszuwachs: die Ventilation wird ergiebiger, das Ausmaß der Atembewegungen umfangreicher, auch tritt an den Schleimhäuten der Atemwege das beschriebene funktionelle Adaptat

Klimatherapie Hochgebirge Adaption 1 - 2 Tage

585

Meeresküste Akklimatisation

3 - 4 Wochen

in 4 Wochen

Pulsfrequenz (Fr.)

H e r z m i n u t e n v o l u m e n (Vm) Pulswellengeschwindigkeit(PWG) elastischer Kreislaufwiderstand

III

Blutdruck (RR)

peripherer Kreislaufwiderstand(W)

Abb. 167 Umstellung der Herz-Kreislaufleistung bei Klimawechsel. auf. All das entspricht im Ergebnis einer gezielten Organbehandlung, vergleichbar mit der aktiven krankengymnastischen Schulung oder der medikamentösen Inhalationstherapie. Die Behandlung des Herzens in einem Heilklima ist im Gegensatz dazu keine spezielle Organbehandlung mit Klimaelementen. Das Herz und die Kreislauffunktionen erfahren unter den unspezifischen Anpassungsreaktionen an ein Klima zwar auch funktionelle Umstellungen, diese zeigen aber nur dann gewisse Heilwirkungen und führen zu Besserungen, wenn Herz und Kreislauf unter solchen Anstößen selbstregulatorisch (S.684) zu einer Ökonomisierung ihrer Leistung finden. Dies geschieht nicht, wie bei der Atmung, zwangsläufig und in jedem Fall. Demgemäß gibt es auch keine spezielle Klimabehandlung des Herzens oder des Kreislaufes. Deshalb werden hier Herz und Kreislauf als funktionelle Einheit unter dem Begriff „Hämodynamik" besprochen. Am besten erkennbar sind die Anpassungs- und Akklimatisationsumstellungen bei Herz- und Kreislaufkranken im reizstarken Hochgebirge. In der Abbildung 167 (modifiziert nach [292]) sind einige Meßgrößen in ihrem phasenhaften Verlauf bei einem Aufenthalt in größerer Höhe und zum Vergleich bei einem Aufenthalt an der See dargestellt. Im Gebirge fallt zunächst, schon während der Fahrt in das Höhenklima, die Pulsfrequenz ab. Die Bradykardie hält nur Stunden an und weicht dann einer höheren Frequenz, die um so mehr ansteigt, je größer der Höhenunterschied zwischen Heimatort und Bergstation ist. Etwa gleichartig fallen die Daten des Herzminutenvolumens in Ruhe zunächst ab, steigen aber bald wieder an. Der Tonus der größeren Gefäße, gemessen an der Pulswellengeschwindigkeit, nimmt ebenfalls zu, desgleichen der Blutdruck. Weitere Aufschlüsse geben der elastische Kreislaufwiderstand in den großen Körperschlagadern und der periphere Kreislaufwiderstand. An der See steigt, wie im Hochgebirge, die Herzschlagfrequenz an. Während sie in den Bergen mit der Akklimatisation absinkt, bleibt sie unter der bekannten sym-

586

Methoden der Physikalischen Therapie

pathikotonen Wirkung des Meeresküstenklimas [199] bis zur Rückkehr ins Heimatklima erhöht. Der Blutdruck und das Herzminutenvolumen ändern sich an der See nicht. Die Pulswellengeschwindigkeit steigt, wie im Hochgebirge, in der ersten Adaptation an, bleibt an der See während der ganzen Zeit leicht erhöht, während sie in den Bergen in der Akklimatisationsphase wieder absinkt. An der See ändert sich der periphere Gefäßwiderstand offenbar nicht eindeutig, obwohl der Konstriktorentonus der Hautgefäße sympathikoton erhöht ist [362]. Der elastische Kreislaufwiderstand hat im Seeklima zunächst einen anderen Verlauf als im Hochgebirgsklima. Ob dieser unterschiedliche Verlauf für das Befinden von Herzpatienten Bedeutung hat, ist eine offene Frage. Nach 3-4 Wochen nähern sich in beiden Klimaten die Abweichungen wieder den Ausgangswerten. Diese Beobachtungen offenbaren für die praktische Klimatherapie wichtige Fakten. Die Adaptationsphase hat für Herzkranke — im Hochgebirge mehr als an der See — eine Reihe von Risiken. Nach kurzer, zum Teil nur Stunden dauernder vagotoner trophotroper Entlastung mündet das Geschehen in eine mehr sympathikotone, ergotrope Phase ein, die, abgesehen von der damit verbundenen Unruhe im inneren Milieu des ganzen Organismus, unter Umständen das Herz sehr belastet. Die Herzfrequenz, der Blutdruck, das Minutenvolumen und der Tonus der großen Gefäße verlangen mit ihren höheren Werten vom Herzen entsprechend höhere Leistungen. Auch ungünstige Wettereinflüsse machen sich in dem reizstarken •Klima deutlicher an stärker schwankenden Kreislaufwerten bemerkbar. Dennoch bringen aber die milderen Reize des Gebirgsklimas mittlerer Lagen (Mittelgebirge) für manche Herz- und Kreislaufkranke gute Behandlungs- und Erholungsmöglichkeiten. Wird die Akklimatisation ohne „systemic stress" (S.68), insbesondere ohne Mühsal für Herz- und Kreislauf erreicht, dann zeigt der Organismus auch in seinen Kreislaufwerten im Verlauf von 3-4 Wochen immer sichtbarer die Merkmale einer schonenden, vagotonen Einstellung, nämlich Bradykardie, kleines Minutenvolumen in Ruhe, geringerer Gefäßtonus, niedriger eingestellter Blutdruck. Eine solche Umstellung bedeutet eine Ökonomisierung der Herzarbeit, die das Ziel und auch der einzig mögliche Ertrag einer Klimatherapie des Herzens und des Kreislaufes ist. Ein belastendes Auf und Ab auf dem Weg zu einer ökonomisierenden Akklimatisation vermeidet der Arzt, wenn er einen Kurort auswählt, in dem zu starke Reize und auch eine zu starke Biosynoptik (S. 573) fehlen. Ob es in größeren Höhen allein der Sauerstoffmangel ist, der eine anfängliche Unruhe im Herz-Kreislaufsystem verursacht, ist noch nicht geklärt. Es wird diskutiert, ob es eher eine Hypokapnie (S. 580) sein könnte, die den entscheidenden Reiz für die Schwankungen verschiedener Kreislauffunktionen in der Adaptationsphase verursacht. Selbst im Mittelgebirge, ohne „dünne" Luft, kann die sogenannte relative Höhenbelastung (S. 558), d. h. eine Höhendifferenz zwischen Wohnort und Klimakurort von nur wenigen hundert Metern, einen noch eben kompensierten Herzpatienten schon in die Dekompensation treiben. Entscheidend ist hier die Frage, ob eine pulmonale Insuffizienz vorliegt. Haben die Kranken schon im Heimatklima eine

Klimatherapie

587

niedrigere arterielle Sauerstoffspannung, die auf eine Diffusionsstörung des Sauerstoffes von den Alveolen in die Lungenkapillaren hinweist, dann führt schon eine geringe Höhendifferenz zu einem Defizit der arteriellen Sauerstoffsättigung, die bei einem Gesunden erst in 3000-5000 Meter Höhe zu finden ist [429]. Eine „Höhenwirkungsschwelle" kann deshalb nicht als allgemein gültige Größe definiert werden, denn diese ist vom Zustand des einzelnen Kranken abhängig [569]. Kompensierte Herzkranke oder solche Patienten, die eine rein kardiale Insuffizienz leichter Art haben, die nicht in Ruhe, aber unter Belastungen schon sichtbar wird, sollte der Arzt nur bedingt in einen Klimakurort schicken, in dem mit einer absoluten oder relativen Höhenbelastung zu rechnen ist. Mehr als 300-500 Meter Höhendifferenz zwischen Wohnort und Kurort kann für solche Patienten schon bedenklich werden [429], zumal bei der geringen arteriellen Sauerstoffspannung dieser Kranken auch in mittleren Höhen leichte Bewegungsanforderungen (Spaziergänge) unter Umständen schon zu einer koronaren Mangelsituation werden können. Allerdings zeigen Herzkranke trotz aller exakten Meßwerte individuell oft einen größeren Spielraum, als es aus den klinischen Werten erkennbar ist. Mancher Kranke fühlt sich auch in höheren Lagen der Mittelgebirge wohler als in den Niederungen [681]. Dies mag an der Qualität der Luft und auch an der ärztlichen Führung liegen. Der Hausarzt, der seinen Patienten gut kennt, findet bald heraus, wie weit bzw. wie hoch er mit seiner verordneten „Klimawechselzumutung" (S.537) gehen darf.

8.7.3 Wirkungen der Klimareize auf den Stoffwechsel Bei den Umstellungen, die Atmung, Herz und Kreislauf unter einem Klimawechsel zeigen, liegt es auf der Hand, daß auch der Stoffwechsel entsprechende Änderungen mitmacht. Derartige Reaktionen sind aber viel schwerer durch Meßverfahren zu objektivieren als die vorstehend beschriebenen Reizantworten. Deshalb bringen auch hier überwiegend die Beobachtungen in den reizkräftigeren Klimaten gewisse Hinweise darauf, mit welchem Widerhall in den Stoffwechselprozessen man stets, auch unter sanfteren klimatischen Anstößen, rechnen muß. Ergebnisse über die Anpassung an ein Hochgebirgsklima über 2000 Meter in der Phase der Adaptation und der Akklimatisation liegen für eine Reihe von Meßgrößen des Stoffwechsels und einige nervale Funktionen vor, die in der Tabelle 168 in einer schematischen Übersicht (nach [292]) aufgeführt sind. Die Ergebnisse stehen zum Teil in Widerspruch zu anderen Untersuchungen oder sind durch solche nicht bestätigt worden (Lit. bei [292]). Immerhin zeigen sie aber übereinstimmend, daß alle gemessenen Werte in der Adaptationsphase stark schwanken, einige anfangs mit erhöhter Tätigkeit, die bald wieder abklingt, andere in umgekehrter Folge.

588

Methoden der Physikalischen Therapie Adaption

Akklimatisation

Grundumsatz V

Schilddrüsenaktivität Blutzucker

— —



Milchsäure Wasserausscheidung Magenmotilität)

—• —



Muskeltonus Empfindlichkeit der Sinnesorgane

• •

Abb. 168 Umstellung von Stoffwechselgrößen bei Klimawechsel.

Die Akklimatisation an das Hochgebirge bringt gegenüber dem Tiefland nur geringe Verbesserungen, die sich kaum klimatherapeutisch nutzen lassen. Lediglich die geringere Aktivität der Schilddrüse während der Akklimatisation an die Höhe könnte bei hyperthyreotischen Störungen von Interesse sein. Dem steht aber entgegen, daß in den ersten Tagen der Adaptation die Schilddrüse heftig anspricht, so daß die Beschwerden und Symptome der Patienten erheblich zunehmen (vgl. Aktivität der Nebennierenrinde unter Klimaeinflüssen, S. 589).

8.7.4 Organisch-funktionelle Umstellungen der Funktionskreise im klimatisch reizschwächeren Mittelgebirge In den heilklimatischen Kurorten der Mittelgebirge reagieren Gesunde und Kranke in der Regel gemäßigter. Das Klima wirkt hier milder als in der reizstärkeren Atmosphäre anderer Klimate. Das gibt dem Mittelgebirge eine besondere Note, deren Wert in der Behandlung hinfälliger, schwerer kranker Menschen liegt. Im maßvollen Mittelgebirgsklima, anders als im Hochgebirge oder an den Küsten der Nord- und Ostsee, kommen die meßbaren Werte funktioneller Umstellungen nicht so deutlich, oft nicht einmal sicher zum Vorschein. Dies bedeutet aber nicht, daß die Systeme nicht auch hier ansprechen. Auch aus den waldreichen Gebirgen in Kurorthöhen unter 800 Meter liegen eine Reihe von Beobachtungen vor, die ein anregendes Reaktionsgeschehen unter dem kaum bedrängenden Klimawechsel nachweisen. Eines der ältesten Zeugnisse ist die von W. Amelung vor mehr als 40 Jahren beschriebene Akklimatisationslymphozytose [7]. Die Abbildung 169 stellt aus den originalen Zahlentabellen die Lymphozytenbewegungen als geglättete Kurve dar. In der Abbildung 169 wird zwischen Patienten, deren relative Lymphozytenzahl (Ausgangswert) mehr als 40% der Leukozyten betrug und solchen, die im weißen Blutbild weniger als 40% hatten, unterschieden. Deutlich zeigt sich, wie das lym-

KJimatherapie Ausgangswert > 40 %

589

Akklimatisationslymphozytose

-10%

-20% I Nonnwert

Ausgangswert < 40 %

14.

28. Hig

Abb. 169 Akklimatisationslymphozytose. phozytäre System reagiert. Die nach der Ankunft im Heilklima ermittelten und weiterhin verfolgten Werte streben im Verlauf einer vierwöchigen Kur einer Normalisierung zu, die bei grober Streuung um 34% liegt. Liegen die Ausgangswerte hoch, sinken sie ab, liegen sie niedrig, dann steigen sie an. Die spezielle Bedeutung dieses Geschehens ist nicht bekannt. Es könnte eine reaktive Schwankung im Sinne der vegetativen Gesamtumschaltung (S. 74) sein. Bisher wurde noch nicht untersucht, welche Zellarten die lymphozytäre Reaktion mitmachen oder gar repräsentieren. Die Lymphozyten sind für die immunologische Abwehrreaktion zuständig, von der wir annehmen, daß sie unter klimatherapeutischen Reizen angeregt wird. Ob bei der Akklimatisationslymphozytose mehr die aus dem Knochenmark stammenden Beta-Zellen ansprechen, die frei zirkulierende Antikörper produzieren, oder ob die aus unreifen Stammzellen des Knochenmarks im Thymus weiter differenzierten T-Zellen vermehrt oder vermindert im strömenden Blut erscheinen, ist nicht bekannt. Auch über die für die immunologische Reaktivität unentbehrlichen monozytären Makrophagen unter klimatischen Reizen wissen wir noch nichts. Von der anstoßenden Wirkung des Klimawechsels auf die Erythropoese, die eine kräftige Retikulozytenkrise im Heilklima auslöst, ferner von der Notwendigkeit, unter Klimareizen bei mäßiger Anämie mit Eisen zu substituieren, damit die Eisendepots nicht auslaugen, kann man sich auch im Mittelgebirge immer wieder leicht überzeugen. Ein weiteres Beispiel dafür, daß diese Systeme auch im Mittelgebirge angestoßen werden, ist an der Stimulierung der Nebennierenrinde zu beobachten. Von den reizstarken Klimaten kennt man diese Auswirkungen (Lit. bei [292,589]). Aber auch im Mittelgebirge (südlicher Schwarzwald, in einer Höhenlage von 700 Meter) ergab sich bei drei vergleichbaren, aber verschieden behandelten Patientengruppen [572], daß in der ersten Adaptation die Nebennierenrinde zwar „alarmiert" wird (S.67), die mittlere Streuung (s) der Kortikoidausscheidung im Verlauf der Kur aber abnimmt. Dies wird als „allgemeiner Kureffekt" im Sinne einer vitalen

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Methoden der Physikalischen Therapie

Abb. 170 Kortikoidausscheidung unter verschiedenen Kurbehandlungen.

Tendenz des Organismus zur Wiederherstellung seiner Homöostase (S. 51) gedeutet. Die Abbildung 170 (nach [572]) zeigt die mittlere Streuung der Einzel werte der Alpha-Ketol-Steroidausscheidung in drei Behandlungsgruppen, die im Heilklima entweder nur mit Liegekuren, mit einfachen Wasserbädern oder mit Solbädern (3,5%) behandelt wurden. Aus dem Verlauf der Mittelwerte der Kortikoidausscheidung ergab sich wiederum, daß diese nach einer stärkeren Abweichung zu Beginn einer Akklimatisierung (erste Adaptation) im Kurverlauf eine Normalisierung anstreben: bei „erschöpfter" Nebennierenfunktion „erholt" sie sich, bei erhöhter Aktivität tritt eine „Beruhigung" ein. Diese und andere Beobachtungen decken sich mit den klinischen Erfahrungen. Auch im Mittelgebirge werden die Reaktions- bzw. Funktionssysteme angestoßen. Reagieren sie zu träge, in einer Phase, in der die absolute Schonung nicht mehr im Vordergrund steht, dann bringt eine stärker exponierende Dosierung der Klimareize die heilsamen Anstöße. Kombinierte Verordnungen (im Beispiel Solbäder) verstärken die allgemeine, unspezifische Wirkung. Überschießende Reaktionen, die zur Desadaptation führen, kommen im Mittelgebirgsklima nicht so leicht vor.

8.7.5 Allgemeine „Umstimmung" als ein Ergebnis der speziellen kompensierenden Organreaktionen Die dargestellten Organreaktionen bei einem Klimawechsel sind Ausdruck kompensierender Umstellungen. Ihre zunächst meist schwankenden Werte streben der Akklimatisation zu; ihr Ergebnis ist die endgültige Anpassung an das bis dahin ungewohnte Klima. Dies sind vegetativ gesteuerte Vorgänge, die die funktionelle Kapazität der Organe und Organsysteme erhöhen. Aber auch animalische Funktionen, z.B. die Muskelleistungen, erfahren unter klimatischen Einwirkungen eine Änderung.

Klimatherapie

591

Rekonvaleszenten nach längerem Krankenlager, die an das „Schonklima" des Bettes bzw. des warmen Zimmers gewöhnt sind und deshalb ihre vegetativen Regulationen lange nicht in Anspruch genommen haben, mehr noch chronisch Kranke, die sich ängstlich jeglicher wechselhaften Witterung entziehen, zeigen, wenn sie wieder mit Klima- und Wetterreizen konfrontiert werden, nicht nur abgeschwächte, nicht ausreichend kompensierte Reaktionen, sondern auch überschießende Reizantworten. Der Organismus strebt an, alle Ergebnisse aufeinander abzustimmen, sie gegebenenfalls ausschwingen zu lassen. Das erfordert erfahrungsgemäß vier Wochen, in sehr reizstarken Klimaten sogar bis zu mehreren Monaten. In den ersten Stunden und Tagen nach der Ankunft in einem anderen Klima zeigen sich biphasische Umstellungen, die einmal mehr einer vagotonen, dann wieder einer mehr sympathikotonen Gegenreaktion entsprechen. Die verbreitete Meinung, Kurbehandlungen in einem Heilklima oder Badekuren führten in eine vagotone oder bei übermäßiger Reizstärke in eine sympathikotone geprägte Grundeinstellung, ist aber weder in dem einen noch in dem anderen Sinne die Regel. Die Erfahrungen mit Klimakuren und Beobachtungen in der Zeit danach (Reklimatisation, Rückkehreffekt) sprechen mehr für eine „Amphotonie" (S. 37), die den Organismus befähigt, wieder situationsgerecht und angemessen auf die Klima- und Wetterschwankungen zu reagieren. Für das Gesamtergebnis dieser funktionellen Umstellungen ist der Ausdruck „Umstimmung" durchaus angebracht. Bei allen Vorbehalten gegen ein Konzept, das noch manches Hypothetische an sich hat, ist ein Begriff unentbehrlich, der das unspezifische Ergebnis der zahlreichen, verschiedenen und schwankenden Meßwerte zusammenfaßt und der die bleibende Resistenzsteigerung, auch wenn die einzelnen Werte wieder zu ihrer als Norm anzunehmenden Ausgangshöhe zurückgekehrt sind, umschreibt. Die Klimatherapie sieht in dieser „Umstimmung" auf ein besseres Niveau der allgemeinen Resistenz ihr wichtigstes Wirkprinzip, zu dem alle spezifischen, meßbaren Reizantworten der Organe und Funktionskreise ihren Beitrag leisten.

8.8 Klimakuren 8.8.1 Indikationen und Kontraindikationen Behandelnde Ärzte werden bei manchen ihrer Patienten heilklimatische Verordnungen in das Therapiekonzept aufnehmen wollen. Bei dem anwachsenden Tourismus wird der Arzt wahrscheinlich aber noch häufiger vor die Frage gestellt, ob ein chronisch Kranker bei einer beabsichtigten Urlaubsreise bestimmte Klimagebiete aufsuchen darf, oder ob vor bestimmten Gebieten abgeraten werden muß. Der Entschluß, eine Klimabehandlung vorzunehmen, erfordert eine klare Indika-

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Methoden der Physikalischen Therapie

tionsstellung, die Beachtung möglicher Kontraindikationen, die in der Krankheit oder einem zu reizkräftigen Klima liegen, und die Auswahl eines für den Kranken geeigneten Klimakurortes. Indikationen zur Klimabehandlung ergeben sich - bei Erkrankungen der Atmungsorgane; - bei Erkrankungen des Herzens und des Kreislaufs; - bei Krankheiten verschiedener Art und Lokalisation, bei denen die Klimabehandlung zusätzliche Heilungseffekte bieten kann; - in der Rekonvaleszenz und bei klinisch definierbarer Erholungsbedürftigkeit. In der Behandlung von Krankheiten der Atmungsorgane sind an den Atemwegen spezifische und unspezifische klimatische Wirkungen therapeutisch wertvoll. Chronische Erkrankungen der Atemwege, die chronische Bronchitis, das Asthma bronchiale, die asthmatoiden, spastischen und allergischen Bronchitiden, sprechen besonders gut auf klimatische Wirkungskomplexe an. Nicht nur das Seeklima, sondern auch das Gebirgsklima, dessen trockene Luft das Adaptat der gut durchbluteten Schleimhäute der Atemwege entwickelt (S. 582) und das feuchtere, durch Waldreichtum vor zu großer Sonneneinstrahlung und stärkeren Winden Schutz bietende Mittelgebirgsklima sind geeignet, derartige Erkrankungen günstig zu beeinflussen. Kommt es vorwiegend auf Allergenfreiheit der Luft an, so werden das Hochgebirge und die Meeresküsten bevorzugt. Hier fehlen die Allergene bzw. sind nur sehr spärlich anzutreffen, darüber hinaus trägt aber auch die „Umstimmung" zum Therapieerfolg bei. Die Erfahrung hat gezeigt, daß die Ergebnisse hier um so besser sind, je reizkräftiger das Klima bzw. der Klimawechsel ist. In der Behandlung der Lungentuberkulose bleibt die Klimawirkung trotz aller pharmatherapeutischen Erfolge ein wertvoller, kaum entbehrlicher Bestandteil der Gesamtbehandlung. Deshalb sind Heilstättenkuren in klimatisch günstigen Lagen auch in der modernen Medizin bei allen Formen der Lungentuberkulose angezeigt, sofern die notwendige medikamentöse und chirurgische Behandlung hier gewährleistet ist. Zumindest ist eine Klimabehandlung als abschließende Sicherungskur ratsam. Ähnliches gilt auch für die extrapulmonale Tuberkulose. Da hier eine systematisch durchgeführte Heliotherapie gute Ergebnisse bringt, werden die sonnigen Hochgebirgsorte besonders empfohlen. Bei Herz- und Kreislauferkrankungen haben sich die Mittelgebirge, besonders die Südhänge und Leelagen bewährt. Der verordnende Arzt beurteilt jeweils, ob ein Kranker, der wieder kompensiert ist, mit einer Reise und mit der bei Klimawechsel immer notwendigen Anpassung in dem dargestellten Sinne („Klimawechselzumutung", S. 537) belastet werden kann. Das betrifft sowohl Patienten, die an einer latenten Herzinsuffizienz leiden bzw. bei denen die akute Phase eines Herzinfarktes abgeklungen ist, als auch Kranke, bei denen Angina pectoris-Anfälle gehäuft auftreten. Klimabehandlungen sind bei Erkrankungen des Herzens und Kreislaufs häufig auch deshalb angezeigt, weil gerade diese Kranken unter ungünstigen Klimasituationen der Großstädte, der Schwüle im Sommer, unzureichender abendlicher Ab-

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kühlung an heißen Tagen, dem Dunst im feuchten Winterwetter und generell an dem Mangel der Städte an frischer, reiner Luft besonders leiden. Das Prinzip der klimatischen Schonung in Kombination mit anderen therapeutischen Prinzipien, z. B. der leistungsverbessernden Bewegung, der Verbesserung der Atmung durch Atemgymnastik und dergleichen, macht den therapeutischen Erfolg aus. Bei der Empfehlung einer Klimabehandlung für Herz- und Kreislaufkranke ist die Höhenfrage zu beachten (S. 557). Da der Sauerstoffpartialdruck der Luft erst in Höhen folgenreich abfällt, die weit oberhalb unserer Kurorte liegen, ist die Höhenfrage allerdings für die meisten Kranken selbst im Hochgebirge von geringerer Bedeutung, als man früher annahm. Die freiere Atmung in reiner, trockener Bergluft, die seit langem bekannte, leichtere Wasserabgabe in höheren Lagen, die für den Patienten wohltuend kühlen Nächte und nicht zuletzt das geopsychische Erlebnis werden von Herz- und Kreislaufkranken angenehm und befreiend empfunden. Erfahrungsgemäß ist es aber eine ärztliche Führungsaufgabe, diese Kranken, die sich in dem veränderten Klima bald wohler fühlen, jetzt vor zu hoher körperlicher Aktivität und damit vor der plötzlichen Dekompensation zu bewahren. Bei den sogenannten funktionellen Herz-Kreislaufstörungen z. B. bei Neigung zu hypo- und hypertonen Einstellungen, orthostatischer Symptomatik, Tachykardien, funktionellen Extrasystolien neurovegetativer Genese, ist die gute Wirkung einer milden bis reizkräftigen Klimabehandlung allgemein anerkannt. Bei deartigen Kranken, deren Symptomatik auch vielfach als zivilisations- oder milieubedingt angesehen wird, bringen die Klimakuren die besten Erfolge, wenn sie mit individuell angepaßten bewegungs- und hydrotherapeutischen Programmen kombiniert werden. Es entspricht der Erfahrung, daß viele Krankheiten unter einer spezifischen, ätiologisch ausgerichteten Therapie bessere Heilungsergebnisse zeigen, wenn die Behandlung in einer klimatischen Umwelt stattfindet, die für die Besserung oder Heilung des Kranken zusätzliche Qualitäten bietet. In Kurorten, in denen Verdauungs- und Stoffwechselerkrankungen, Leberleiden, Diabetes mellitus, Nierenerkrankungen, dermatologische Krankheiten und Erkrankungen des rheumatischen Formenkreises balneologische Indikationen finden, wird auch die Klimawirkung im Sinne der Allgemeintherapie seit Generationen immer wieder bestätigt. Hierzu wurde der Ausdruck „Behandlung im Heilklima" geprägt, der die alte Erfahrung unterstreicht, nach der die wohltuende Empfindung, die ein heilsames Klima vermittelt, Behandlungen anderer Art oft wesentlich unterstützt. Die Rekonvaleszenz nach schwerer Krankheit, in vergleichbarer Weise auch die Zustände einer besonderen Erholungsbedürftigkeit, finden unter klimatischer Schonung wie auch mit dosierten reizklimatischen Anregungen die besten Bedingungen, wenn sie mit Ruhe (Liegekur) und einer Bewegungstherapie kombiniert werden. Die erholsame Wirkung ist hier wieder Ausdruck einer allgemeinen UmStimmung, die den Organismus aus einer regulativen Entgleisung und aus der Disharmonie zahlreicher ineinandergreifender Funktionen wieder zur Ordnung finden läßt. Deshalb kann man in diese Indikationsempfehlung auch all die

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Zustände einbeziehen, die gewöhnlich unter dem vieldeutigen Begriff der sogenannten vegetativen Dystonie zusammengefaßt werden. Kontraindikationen für klimatische Behandlungen ergeben sich aus der Art der Erkrankung und aus dem Grad der klimatischen Reizstärke. Für klar definierte Erkrankungen sind die Kontraindikationen leicht zu bestimmen, wenn man sich die Klimawirkungen vergegenwärtigt. Dabei ist nicht allein der Schweregrad oder die Symptomatik der Krankheit maßgebend. Es muß auch bedacht werden, daß bei Kranken, die unter einer medikamentösen Langzeittherapie stehen, beispielsweise mit Glykosiden oder Antikoagulanzien, unter veränderten klimatischen Bedingungen häufig Dosierungsänderungen notwendig werden. Hier ist jede Klimakur kontraindiziert, wenn eine ärztliche Führung nicht gegeben ist. Schwieriger wird die Beurteilung für den Arzt, wenn er die klimatischen Bedingungen touristischer Reiseziele beurteilen muß. Eine große Zahl von Menschen, die an chronischen, im Alltag wenig in Erscheinung tretenden Krankheiten leiden, wie z. B. Hochdruckpatienten, Kranke mit latenter physiologischer Altersinsuffizienz des Herzens, mit leicht eingeschränkter Koronarleistung, Altersemphysematiker mit drohendem, aber noch nicht manifestem Cor pulmonale, setzen sich einer Gefährdung aus, wenn sie Klimazonen mit ungewohnten klimatischen Reizen aufsuchen, die zu hohe Anforderungen an adaptative Regulationen stellen. Dies gilt für hochgelegene Alpengebiete, die Landschaften südlich der Alpen und besonders für die subtropischen und die äquatornahen Zonen. Hinzu kommt, daß heute bei Flugreisen in wenigen Stunden extreme klimatische Gegensätze überwunden werden müssen, die selbst für den gesunden Menschen eine außerordentliche Belastung darstellen. Die möglichen Kontraindikationen nehmen unter dieser Entwicklung ständig zu, und den Ärzten wird damit — sofern sie befragt werden — eine nicht zu unterschätzende Verantwortung aufgebürdet.

8.8.2 Auswahl des Klimakurortes Aus dem phasenhaften Verlauf der funktionellen Umstellungen, die der Mensch in einem für ihn ungewohnten Klima entwickelt, und aus der Definition des Begriffes „Heilklima" (S.579) folgt, daß sich dem Kranken heilsame Wirkungen nur über eine Kur in einem ansprechenden Klima erschließen lassen. Therapeutisch wertvoll ist allein schon die reine Luft bevorzugter Lagen, in der Stoffe oder physikalische Konstellationen schädigender, speziell belastender Art fehlen. Heilsam oder lindernd an den Atemwegen wirken bestimmte Bestandteile: Salze aus dem Meer, größere oder geringere Feuchte, für das seelische Befinden vielleicht auch die würzigen, ansprechenden Duftstoffe der Flora. Auf das Wohlergehen des Menschen nimmt über die kreislaufregulierenden Einstellungen auch der Tagesgang der Temperatur Einfluß, mit thermisch schonenden, geringen Schwankungen und wohltuender, entlastender Abkühlung am

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Abend warmer Tage. Andererseits bieten die thermisch-hygrischen Reize besondere Qualitäten für die Abhärtung, sofern sie sachverständig genutzt werden. Nicht zuletzt sind es dosierbare Klimafaktoren wie Sonnenscheindauer, Strahlungsintensität, Windverhältnisse und andere Faktoren, die eine Landschaft klimatisch charakterisieren (vgl. Wirkungskomplexe, S. 548 f.), die in einer Klimakur dazu beitragen, verschiedene Funktionskreise und damit den ganzen Organismus somatisch und psychisch zu erfrischen. Die Auswahl unter den zahlreichen klimatisch bevorzugten Orten, die zur Gestaltung von Klimakuren qualifiziert sind, ergibt sich aus der Gesamtheit der örtlichen Reizintensitäten und aus einzelnen, prägenden Klimafaktoren. Für den Arzt, der aus der Ferne die klimatischen Einflüsse nicht direkt beobachten kann, ist es besonders schwierig zu beurteilen, was seinen Patienten an adaptativen Forderungen am auszuwählenden Ort erwartet. Über die Reizintensität bei einem Klimawechsel braucht er Orientierungen, welche die Begriffe „Schon"- oder „Reizklima" präzisieren. Dazu gehören Mitteilungen über jahres- und auch tageszeitliche Besonderheiten, etwa der Strahlungsintensitäten, Hinweise auf mögliche biotrope Wetterlagen, z. B. Föhn, Nebel, Schwüle, Inversionen, sowie Kenntnisse über jahreszeitlich vorkommende Schlechtwetterperioden, die möglicherweise stark belasten oder die Ausnutzung des sonst guten Klimas stören können. Der verordnende Arzt braucht bei der Fülle der verschiedenen, die Gesamtwirkung mitbestimmenden Umstände Unterstützung bei der Auswahl eines jeweils gemäßen Klimakurortes. Um hier Hilfe zu geben, wurde wiederholt angeregt, die Kurorte nach dem Schweizer Beispiel [593] nach Reizstufen zu ordnen. Das ist bisher noch nicht ausreichend geschehen, wohl auch nicht erschöpfend möglich (S. 539). Alle Kurorte geben Werbeschriften heraus, die auch klimatische Informationen enthalten. Man muß sie allerdings hinsichtlich der meist sehr weit gefaßten Indikationen bei klima- oder balneotherapeutischen Empfehlungen kritisch werten. Am sinnvollsten ist die Kontaktpflege mit Kollegen, die an Klimakurorten tätig sind und dort die Kranken sachkundig führen.

8.8.3 Gestaltung einer Klimakur Behandlungen im und mit einem Heilklima bedürfen ebenso wie jede andere Therapieart eines klaren Konzeptes. Der verordnende Arzt, der den Kranken, seine Symptomatik und den Verlauf der Erkrankung kennt, kann auf die Gestaltung der Klimatherapie, besonders auf ein sachgemäßes Verhalten des Kranken in der Klimakur kaum Einfluß nehmen. Die Verschickung in einen Klimakurort ist noch nicht Klimatherapie. Der Kranke sollte nach Möglichkeit einem am Kurort tätigen Arzt überwiesen werden, dem selbstverständlich der einweisende Arzt alle notwendigen Informationen zusendet. Während der Hausarzt die Empfehlung einer Klimakur aus der klinischen Symptomatik ableitet, fällt dem am Ort tätigen, klimakundigen Arzt die Aufgabe zu,

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die Verordnungen zur Klimaausnutzung in einem Therapieplan zusammenzustellen. Es kommt darauf an, die Verordnungen, mit denen die im Klima gelegenen Möglichkeiten ausgeschöpft werden, genau zu individualisieren. Die zahlreichen Regulationsvorgänge, die in ihrem Ablauf unter klimatischer Einwirkung individuell oft recht verschiedenartig ansprechen, fördert oder dämpft der erfahrene Klimatherapeut je nach der individuellen Reaktion des Patienten (vgl. Kurreaktion, S.483). Dazu bedarf es zunächst einer „Bedingungsanalyse" [291, 492], Der Kurarzt kennt die meteorologischen Bedingungen seiner Wirkungsstätte. An und für seinen Patienten prüft er die Ausgangssituation, die einmal die individuelle Reaktionsfähigkeit des Kranken (vgl. Reaktionstypen, S. 38), zum anderen den Reizcharakter der das Klima prägenden Wetterlage einbezieht. Er beurteilt ferner im Verlauf der Kur die Zeitdauer, die das Heilklima wirken muß. Mit Hilfe von Dosierungsmaßnahmen macht der Kurarzt das Klima zum Heilfaktor. Auch in der Klimatherapie kann die Dosis erhöht und erniedrigt werden. Die therapeutische Kunst der exponierenden Dosierung besteht darin, die Kranken dem Klima so weit auszusetzen, daß sie gesundheitsfördernde Faktoren in zuträglicher, meist steigender Reizintensität nutzen, fragwürdige oder belastende Faktoren aber meiden. Schädigende Faktoren kann man relativ leicht ausschalten. Die Intensivierung der therapeutischen Nutzung erfordert dagegen Erfahrung in dem phasenhaften Verlauf der Anpassungsvorgänge. Die klimatischen Reize stuft der Arzt ab, indem er die Tageszeiten der Exposition angibt, die Wetterlage berücksichtigt, schutzbietende Anlagen vorschreibt und die Licht- und Sonnenscheinexpositionen einer Luftliegekur kurgemäß dosiert. Der Organismus wird kräftiger angeregt, wenn die Verordnungen aus der mehr passiven Phase in die körperliche Aktivität der Bewegungstherapie nach Art der Terrainkur übergehen, wobei krankengymnastische Übungen und hydrotherapeutische Abwechslungen einbezogen werden können. Dem Klimatherapeuten bieten sich so ausreichende Möglichkeiten, jeden Kranken individuell durch die Klimakur zu führen. Die in der Kurbehandlung nicht selten auftretenden krisenhaften Kurreaktionen lassen sich durch Dosisänderungen leicht vermeiden oder zumindest abmildern. Einen wichtigen Einfluß auf das Gelingen einer Klimakur hat der beobachtende Arzt, wenn er die Kurdauer mitbestimmen kann. Diese muß der Krankheit und der konstitutionellen Verfassung des Kranken und seiner Reaktionsfähigkeit entsprechen. Aus der Eigenart der Klimawirkung geht hervor, daß ein günstiges klimatisches Milieu sinnvolle Ergebnisse erst bei ausreichender Dauer der atmosphärischen Reize erreicht (S.583). Eine relativ kurze Behandlungszeit, die aufgrund des Klimawechsels mehr einen „Klimastoß" darstellt, kann ausnahmsweise bei akuten Erkrankungen einmal eine günstige Wendung einleiten. Chronische Krankheiten erfordern aber eine längere Behandlungszeit im Kurklima, länger als ein normaler Urlaub dauern kann. Nicht ausreichende Kurdauer bringt den Kranken um einen entscheidenden Teil seiner Besserungsaussichten.

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Wohltuende, der Heilung von Krankheiten förderliche Klimalagen sind ein Geschenk der Natur. Ärztliche Beobachtung und naturwissenschaftlich-medizinische Forschung haben die Erkenntnisse vermittelt, nach denen das Klima und die heilenden Kräfte eines für jeden Kranken individuell ausgewählten Klimawechsels als eigenständiges Wirkungsprinzip in die Krankenbehandlung integriert werden können. Allerdings macht erst das Wirken des Arztes das Klima zu einem Heilungsfaktor, der Kranken Genesung bringt und manchen erschöpften Menschen nach kräfteverzehrender Leistung die Gesundheit erhält.

III Umfassende Krankenbehandlung durch Anwendung physikalisch-therapeutischer Prinzipien

1. Einführung in den klinischen Teil Therapie bedeutet für den Arzt Entwurf, Durchführung und Überwachung eines an die Lage des Kranken und den Verlauf der Krankheit angepaßten Planes [211]. Die Methoden der Physikalischen Therapie sind oft für sehr verschiedene Krankheitsbilder die gleichen, für manches Symptom stehen wiederum eine ganze Reihe sehr verschiedener Mittel zur Verfügung, z. B. elektrische Energieströme, eine Reihe von thermo- oder hydrotherapeutischen Reizen, mechano- oder bewegungstherapeutische Anwendungen und anderes mehr. Gelegentlich wird deshalb kritisch geäußert, die Physikalische Therapie stelle mangels differenzierter Erkenntnisse eine etwas hilflose Polypragmasie dar, wobei der Aufwand, besonders der personelle Bedarf, in einem Mißverhältnis zu dem therapeutischen Wert stehe. Das ist sicher nicht der Fall, wenn man die physikalisch-therapeutischen Verordnungen im Rahmen eines Gesamtkonzeptes sieht, ihre Anwendungsbereiche auswählt und sie in Kombination mit anderen Behandlungsaktivitäten oder in solchen Fällen, in denen andere Behandlungskonzepte nichts bewirken können, einsetzt. Alle physikalisch-therapeutischen Maßnahmen verordnet der Arzt in einer nach der Krankheitsphase und dem Zustand des Kranken angemessenen Abstufung und in einer ausgefeilten Auswahl und Dosierung der Reize. Jeder akut und schwerer erkrankte Patient bedarf zunächst größter Schonung. Dabei ist der Arzt darauf bedacht, daß funktionelle Schädigungen bzw. Komplikationen, etwa des Blutumlaufs, speziell des Blutrückflusses, der Belüftung der Lunge, der Gelenkfunktionen, nicht auftreten. Wenn beispielsweise Fieber abgeklungen, ein Herz wieder kompensiert, ein gebrochener Knochen fest fixiert, eine Operationswunde oder innere Wunden (Herzinfarkt) verheilt, der akute Schub einer chronischen Erkrankung abgefangen, eine Stoffwechselentgleisung neu eingestellt ist, treten die „natürlichen", „sekundär" heilenden physikalischen Faktoren mit ihren „normalisierenden" und „kräftigenden" Wirkungsprinzipien (vgl. Tab. 1) in den Vordergrund oder, bei gegebener Indikation einer medikamentösen Langzeitbehandlung, gleichwertig an die Seite einer pharmakologisch lenkenden Therapie. Meist sind dies symptomatische Behandlungen, die gleichzeitig mit und im Anschluß an kausale Hilfen, eingesetzt werden. Um einen Überblick über die Fülle der Indikationen einer umfassenden Krankenbehandlung zu geben, wird hier eine vereinfachte Schematisierung vorgenommen, die dem verordnenden Arzt helfen soll, in Frage kommende Behandlungswege auszuwählen und in ein wohldurchdachtes Behandlungskonzept einzuordnen. Zur besseren Übersicht werden die Behandlungsempfehlungen für jedes Krankheitsbild in vier Gruppen eingeteilt. Trotz der Schwierigkeit, eine bestimmte Maßnahme gleichzeitig mehreren Segmenten zuzuordnen, können die Therapie-

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angebote nach ihrem eigentlichen Begründungszusammenhang wie folgt untergliedert werden: Teil A behandelt die ursächlich-spezifischen Maßnahmen, Teil B erörtert die symptomatisch-gezielten Behandlungen, Teil C stellt die allgemein-unspezifischen Anstöße dar, Teil D gibt vorbeugende ärztliche Empfehlungen. Die unter A bis D empfohlenen und jeweils im folgenden erläuterten Therapieangebote berücksichtigen nur die nach Maß und Zahl definierbaren, materiell-naturwissenschaftlich begründeten Möglichkeiten. Dazu kommen in einer umfassenden Krankenbehandlung natürlich noch andere Ansprüche psychologischer und sozialer Art, wobei der Arzt sich nicht allein der somatischen Anteile der Krankheiten, kranker Organe oder körperlich faßbarer Symptome annehmen, sondern den Kranken auch als Persönlichkeit (Ganzheitsbehandlung) betreuen sollte. Die physikalischen Behandlungen kommen den relativ spät in das Bewußtsein der Medizin getretenen psychologischen Notwendigkeiten der Krankenbehandlung gewissermaßen unbeabsichtigt entgegen. Der Kranke erlebt bewußt, sichtbar und fühlbar die physikalischen Handhabungen. Er versteht sie, hat Einblick in ihre Heilkraft (S. 924), hilft auch aktiv mit. Er fühlt sich also nicht nur behandelt, sondern er handelt (in der Krankengymnastik) teilweise sogar selbst mit und fühlt sich nicht einem unbekannten, geheimnisvollen chemischen Wirkstoff oder anonymen medizinischen Apparaturen ausgeliefert. Das ist eine sicherlich bedeutsame Randerscheinung, der die physikalischen Methoden zum Teil ihre Beliebtheit bei den Patienten verdanken. Im folgenden geht es allerdings vorwiegend darum, die somatischen Wirkungen physikalischer Behandlungsprinzipien naturwissenschaftlich zu erklären und darüber hinaus verständlich zu machen, wie man sie am besten in den Therapieplan einordnet und weshalb sie im Rahmen einer umfassenden Krankenbehandlung ebenso unentbehrlich sind wie jede andere Behandlungsart. Zu A: Die Medizin strebt immer danach, die Ursachen der Krankheiten zu ergründen, und die Therapie verfolgt das Ziel, die ursächlich bedingenden Umstände der Krankheit auszuschalten. In der Regel sind es Ursachenketten, lineare oder als Kreis- oder Gleichgewichtsprozeß mit zahlreichen Rückkopplungen (kybernetisches Modell) vorstellbare Ereignisfolgen, die zur Krankheit führen [212], Ursächlich-spezifische Behandlungen sind einmal operativer Art. Mit aggressiven Techniken reseziert oder amputiert der Arzt die Wurzeln einer Krankheit (vgl. Tab.l). Dies hinterläßt vielfach Symptome oder Behinderungen (Defektheilung), die weiterhin der Behandlung (B) bedürfen. Besonders nach rekonstruierender Feinarbeit, etwa einer Gefäßplastik im Koronargebiet oder in der Peripherie, Ersatz einer Herzklappe, Einbau einer Gelenkprothese, einer Nervennaht ergeben sich eine Fülle von nach- oder weiterbehandelnden Verpflichtungen (B, C, D). Die medikamentöse Therapie erfüllt heute vielfach die schon von Paracelsus aufgestellte Forderung nach spezifisch wirkenden, die Krankheitsursache aus-

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schaltenden Heilmitteln mit der von Paul Ehrlich begründeten „Therapia magna sterilisans", die dann von Domagk und Flemming mit großem Erfolg weiterentwickelt wurde. Bedingt ursächlich wirken auch die Serumbehandlungen (Antitoxine), die Desensibilisierung und die Immunosuppression, indem sie aus der Kausalreihe ein Glied isolieren und so weiteres Unheil verhindern. Dennoch machen solche Leistungen der Medizin nur selten die symptomatisch gezielten, die unspezifisch helfenden oder vorbeugenden ärztlichen Bemühungen entbehrlich (B, C, D). Gelingt es, einer klar erkennbaren Ursache — bevor sie gewirkt hat — die Grundlage zu entziehen, indem z. B. der Mensch auf Rat des Arztes nicht mehr raucht, sich mehr bewegt, Streßsituationen oder Fehlernährung vermeidet, oder gelingt es dem Arzt, einer möglichen Erkrankung zuvorzukommen, indem er eine Schutzimpfung vornimmt oder einem Kind bei rheumatischem Fieber Penicillin gibt, dann hat dies zugleich vorbeugenden Charakter (D). In den genannten Beispielen werden sowohl äußere (Rauchen u. a.) als auch innere Krankheitsursachen (z.B. endokarditisch entstehender Klappenfehler durch Streptokokken bei der akuten Polyarthritis) greifbar, so daß es nicht schwerfällt, sie auszuschalten. Dies gilt für viele Krankheiten. Ursächlich vorbeugende Aufgaben sieht der Arzt auch darin, bei gegebenen, diagnostisch faßbaren, äußeren und inneren Bedingungen, z.B. chronischer Krankheit, Konstitution, Disposition, beruflicher Überlastung, kräfteverzehrender Lebensführung und dergleichen, auslösende Ereignisse zu vermeiden. Alltägliche Dinge wie übertriebene körperliche Anforderungen, psychische Belastungen, Verletzungen, schwere Diätfehler werden bei sonst therapeutisch beherrschbarer Situation nicht selten zum Anstoß einer ernsten Gesundheitsstörung, z.B. einem Herzinfarkt bei Koronarinsuffizienz, einem Schlaganfall bei Hochdruck mit und ohne Arteriosklerose oder bei Stenosen im Karotisbereich, einer Kolik bei ruhigen Gallensteinen, einer Stoffwechselentgleisung beim Diabetes. So kann der vorbeugende Rat des Arztes zu einer Hilfe werden, die in einer möglichen Ursachenverknüpfung einen auslösenden Faktor nicht aufkommen läßt und so Komplikationen oder gar dramatische Ereignisse verhütet. Zu B: Die Zahl der Krankheiten, denen die Medizin mangels bekannter oder greifbarer unmittelbarer Ursachen mit einer entsprechenden kausalen Therapie nicht entgegentreten kann, ist außerordentlich groß. Fast alle chronischen Leiden, deren innere Ursache in Gestalt von Erbanlagen oder familiär-dispositionellen Zusammenhängen man zwar kennt, aber nicht beseitigen kann, oder deren äußere Ursachen fortwirken, z.B. beim Raucherbein, bei toxischer Lähmung, bei Verschleißerscheinungen, insgesamt bei den stark zunehmenden Zivilisationsschäden und bei Verschleißkrankheiten, vermag der Arzt den Kranken zwar nicht zu heilen, aber mit symptomatisch wirkenden Mitteln wesentliche Hilfe zu leisten. Die symptomatischen Behandlungen sind, auch wenn die wissenschaftlichen Erklärungen oft noch ausstehen, recht erfolgreich. Dem Arzt steht eine außerordentliche Fülle von chemischen Substanzen zur Verfügung. Mit ihrer Kraft lindert

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er z. B. Schmerzen, senkt hohes Fieber, hemmt Entzündungen, lockert festhaftendes, zähes Sekret in den Atemwegen, erweitert diese auch, löst Ängste und Verstimmungen und verhindert Schlaflosigkeit u.a.m. (S.9f.). Viele Medikamente lenken Funktionen in eine andere Richtung, wirken funktionellen Abweichungen entgegen und korrigieren und normalisieren veränderte Werte, die ohne solche medikamentöse Richtigstellung die Homöostase (S. 51) gefährden. Die physikalischen Methoden haben die gleiche Wirkung (vgl. Tab. 1), erreichen diese aber nicht auf einem „künstlichen" und damit „unnatürlichen" Weg. Medikamente wirken stets nur in einer Richtung und entsprechen damit nicht in jedem Fall den natürlichen, ständig veränderlichen, mehr oder weniger schwankenden regulatorischen Notwendigkeiten. Die physikalisch-therapeutischen Reize beanspruchen die selbstregulatorisch ordnenden Kräfte im Organismus, indem sie die körpereigenen Reizantworten herausfordern, die den funktionellen Lebensantrieb flexibel, eigenregulatorisch auf die jeweils gegebenen biologischen Notwendigkeiten einstellen. Hier bietet die Dosierung kaum Probleme und die Reizantworten gehen in der Regel nur soweit, wie es in dieser oder jener Richtung sinnvoll ist. Die physiologischen Gegenregulationen werden nicht gehemmt, wenn eine veränderte Situation sie notwendig macht (S.13). Der Organismus reagiert auf angemessen dosierte physikalische Reize wie Druck und Zug, Wärme, elektrische Ströme, Bewegungsansprüche, die Kräfte des Wassers und der Atmosphäre in aller Regel in physiologischer, d. h. ausgleichender, anpassender Weise. Ein weiterer Umstand verleiht den physikalischen Methoden eine besondere Bedeutung. Mit den Behandlungen kann der Arzt seine therapeutischen Absichten nicht nur gezielt auf ein Symptom, sondern auch auf einen umschriebenen Wirkungsort zentrieren. So kommen in der Regel unerwünschte Nebenwirkungen nicht vor, die manche medikamentöse Behandlung problematisch machen. Die chemischen Stoffe überschwemmen mit dem Blutstrom den ganzen Körper und entfalten — abgesehen von organotropen Substanzen, wie Digitalis am Herzmuskel, auch da Wirkungen, wo diese unnötig sind, zuweilen sogar stören. Beispiele hierfür sind die atemdepressive Wirkung der Morphine und der dilatierende Effekt der durchblutungsfördernden Mittel auf solche Gefäße, die ohnehin weit stehen und nicht noch weiter werden sollen. Im Kapitel „Physikalische Medizin als Regulationstherapie" (S.45) wurde auf diesen wichtigen funktionellen Unterschied zwischen medikamentösen und physikalischen Behandlungen hingewiesen. Zu C: Hier werden jeweils die allgemein-unspezifisch wirksamen Behandlungs konzepte erläutert. Neben den symptomatisch-gezielten Behandlungen (B) helfen sie, den Organismus in der Krankheit und selbst in Phasen der Erschöpfung in einen besseren Allgemeinzustand zu bringen. Sie verhüten gesundheitsgefährdende Entwicklungen und helfen dem Organismus, seine Abwehrleistung zu kräftigen, seine Widerstandskraft zu erhöhen und eine wiederherstellende Aufbauarbeit zu leisten, die an morphologischen und funktionellen Kapazitätsverbesserungen meßbar ist.

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Unspezifisch ist die Wirkung der Behandlungskonzepte insofern, als sehr verschiedene therapeutisch-physikalische Mittel das gleiche bewirken und dabei den ganzen Organismus oder mehrere Funktionskreise anregen bzw. deren Leistung steigern. Die Folge sind sehr komplexe, von der Art des Reizes nicht unbedingt abhängige Umstellungen, in der Regel aber Langzeitanpassungen des Organismus. Dies trifft für sehr viele physikalisch-therapeutische Reize zu, auch wenn sie primär symptomatisch gezielt wirken. So kräftigen z. B. krankengymnastische Behandlungen nicht nur die Muskeln, sie regen auch den Gesamtstoffwechsel an, nehmen damit die Atmung stärker in Anspruch, vermehren die Durchblutung der tätigen Organe und lösen hormonelle Wirkungen aus, die zu einer höheren Aktivität beitragen (vgl. Allgemeines Adaptationssyndrom, S. 66). Sie tun dies auch dann, wenn sie gezielt auf eine bestimmte Symptomatik angesetzt werden, so daß sie neben der speziellen Wirkung, z. B. auf die Koordination und Kraft bestimmter Bewegungen, auch noch unspezifische, durchaus erwünschte, nützliche Nebeneffekte haben. Das gilt wiederum für fast alle physikalisch-therapeutischen Verordnungen. Andere Bereiche, speziell die Balneo- und Klimatherapie, haben von vornherein ein derartiges Ziel (vgl. Bedeutung des Unspezifischen in der Physikalischen Therapie, S. 73). Unter „Kräftigung" (vgl. Tab. 1), die ebenfalls zu diesem Bereich zählt, versteht man nicht nur ein allgemeines unspezifisches Phänomen, sondern auch eine gezielte spezifische (B) Leistungssteigerung in den jeweils eingeschalteten Funktionskreisen, deren verbesserte Kapazität registrierbar, meßbar, fühlbar oder zumindest so überzeugend sein muß, daß bei kritischer Einstellung kein Zweifel an ihrer Existenz und an ihrem therapeutischen Nutzen aufkommen kann. Eine eindeutige Definition des therapeutisch angestrebten Ziels muß auch in den Verordnungen (S. 914 f.) klar zum Ausdruck kommen, z. B. eine höhere Leistung der Muskeln nach meßbarer Kraft und Ausdauer, verbesserte, zur Normalisierung hin korrigierte, ebenfalls meßbare Atemwerte, flexibler ansprechende Durchblutungsänderungen in der Peripherie oder auch im Herzmuskel usw. Auch diese Ergebnisse sind registrier- und damit objektivierbar. Solche Behandlungsprogramme bringen eine ökonomischere Arbeitsweise des Herzens, eine höhere Regelgüte, z. B. in den Regelkreisen der Muskeln, des Wärmehaushaltes (vgl. Tab. 1), ferner besser ansprechende, adäquate Stoffwechsel- und Ausscheidungsfunktionen. All dies sind teils spezifische, teils unspezifische Effekte physikalisch-therapeutischer Aktivitäten. Selbst bei der spezifischen aktiven Immunisierung sind physikalisch-therapeutische Verordnungen (Wärme, Bäder) hilfreich, wenngleich deren Mitwirkung nur schwer zu objektivieren ist (S. 73 f.). Sofern sie existieren, wirken sie auf eine ganz unspezifische Weise. Zu D: Die vorbeugenden Maßnahmen sind unentbehrliche Bestandteile einer umfassenden Krankenbehandlung. Sie gewinnen mit zunehmenden Zivilisationsschäden immer mehr an Bedeutung. Im Teil I „Allgemeine Grundlagen der Physikalischen Therapie" wurde dies im einzelnen begründet. Auch bei den vorsorgenden, mehr noch bei den nachsorgenden Planungen stehen die schonenden,

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normalisierenden und kräftigenden Wirkungsprinzipien der „natürlichen" physikalischen Therapie (vgl. Tab. 1) ganz im Vordergrund, wenngleich auch Arzneien manche wichtige, vorbeugende Hilfe leisten, z. B. die medikamentöse Prophylaxe der Tuberkulose oder anderer Infektionen bei hinfälligen Kranken, die Gerinnungshemmung mit Antikoagulanzien, auch eine vorsorgliche Kräftigung des Herzens mit Digitalis, etwa vor einer Operation, oder wenn die negativ inotrope Wirkung der Beta-Blocker abgefangen werden muß. Vorbeugend wirken viele der im Teil II „Methoden der Physikalischen Therapie" jeweils dargestellten symptomatischen Behandlungen, vor allem in präventivem Sinne (S.5). Wenn sie für ein vorhandenes Symptom schon in diesem Teil empfohlen wurden, wird im folgenden nicht mehr darauf eingegangen. In der schematischen Anordnung werden die Rehabilitationsbemühungen nicht als eigene Gruppe behandelt. Dies erschien deshalb nicht sinnvoll, weil zur Rehabilitation je nach der klinischen Situation alles gehört, was Krankheitsursachen ausschaltet oder vermeidet, Symptome bessert und vor allem auch den Allgemeinzustand des Organismus kräftigt. Bei ausführlicher Darstellung der Rehabilitationsprogramme wären daher unnötige Wiederholungen unvermeidlich.

2. Behandlung der Atemnot bei Erkrankungen der Lunge und der Atemwege 2.1 Allgemeine Übersicht über die Krankheiten der Atemorgane Die Krankheiten des Respirationstraktes mit Störungen der Atmung manifestieren sich - an den oberen Luftwegen, vom Nasen-Rachen-Raum bis zur Trachea, und an den tieferen Luftwegen, dem Bronchialsystem (obstruktive Ventilationsstörungen); - am Lungenparenchym, in den Alveolen und dem interstitiellen Lungengewebe; - an äußeren Umgrenzungen der Lunge, dem Thoraxgerüst oder der Pleura (extrapulmonal bedingte, restriktive Atemstörungen). Erkrankungen der Atemwege sind sehr verbreitet. Sie reichen von den häufigen Erkältungen der oberen Luftwege, den Veränderungen an den Schleimhäuten mit tiefgreifender Einengung des Querschnittes der in der Lunge selbst gelegten Atemwege bis zu ernsten Infekten und zu schwerer Ateminsuffizienz. Teile der Atemwege können auch durch Gewebsumbildungen innerhalb der Lunge, Verziehungen oder Neubildungen in Mitleidenschaft gezogen werden (sekundäre Obstruktion). Die chronischen Erkrankungen der tieferen Atemwege, das Asthma bronchiale, die Bronchitis und das die Alveolen und das Lungenparenchym schädigende, stets bronchitisch komplizierte Emphysem führen zu primären Obstruktionen. Die kausal-therapeutischen Bemühungen (A) versuchen zunächst die exogenen Ursachen, die infizierenden Krankheitserreger und die Allergene, auszuschalten. Dies gelingt mit antibiotischen Medikamenten, Vermeidung des Kontaktes mit Allergenen oder industriell-chemischen Reizstoffen oder über eine Desensibilisierung gegen solche Stoffe, die Überempfindlichkeitsreaktionen verschulden. Für die endogenen Ursachen, übersensibel reagierende Rezeptoren und Effektorzellen in den Bronchien, ein stärker reizbarer Parasympathikus mit enggestellten Atemwegen oder die vermehrte Produktion bronchokonstriktorisch wirkender Prostaglandine (PG-F), stehen verschiedene Medikamente zur Verfügung, die sowohl per os als auch inhalatorisch gut lindern oder die pathogenetische Ursache ausschalten. Stellen sich Erkrankungen der oberen Luftwege als Erkältung dar, gehen sie bald in Erkältungsinfekte über. Einer Erkältung kann man nur vorbeugend begegnen (D). Die entsprechenden Behandlungen streben an, den Organismus widerstandsfähiger zu machen gegen äußere Kräfte. Die akuten Erscheinungen erfordern symptomatisch-lindernde Behandlungen (B). Lokalisierte Herde, in den Tonsillen oder den Nebenhöhlen, lassen sich groß-

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tenteils ursächlich ausschalten (A) nach den unter 1 a der Tabelle 1 aufgeführten Behandlungsprinzipien. Die Krankheiten der tieferen Luftwege mit bronchitischen Syndromen bringen den Kranken in eine mehr oder weniger schwere dyspnoische Bedrängnis. Das therapeutische Ziel ist die freie Belüftung der Lunge. Die symptomatisch-gezielten Behandlungen (B) gehen gegen die morphologischen und funktionellen Veränderungen in den Atemwegen an. Morphologisch findet man eine Hyperplasie der schleimproduzierenden Zellen mit Hypersekretion von Schleim (Hyper- und Dyskrinie, S. 434) und eine Umbildung der Mucosa mit entzündlichen Infiltrationen. Funktionell zeigt die Bronchialmuskulatur einen allgemein erhöhten Tonus, zeitweise mit erheblicher spastischer Einengung (Asthma). Dies alles führt zu alveolär ungenügender Belüftung, besonders die Exspiration wird erschwert, da die Bronchialwege sich bei verhinderter Zilientätigkeit nicht reinigen. Infektionen gehen auf diesem Nährboden besonders leicht an (S.612f.). Die zur Inhalation geeigneten sekreto- und mukolytischen Pharmaka, die tonusmindernden Adrenergika und Anticholinergika sowie die antiallergisch wirksamen und entzündungshemmenden Mittel werden im Kapitel „Aerosoltherapie" (S. 434) vorgestellt. Die mechanisch-funktionelle Behinderung der Atmung durch behinderte Atembewegungen, Fehlhaltungen und Fehlatmung, bedürfen der Korrektur. Allein auf dem Weg über die dynamische Atem-Brustkorb-Gymnastik finden die Kranken zurück zu ungehinderten Atembewegungen, die ihnen eine ausreichende Ventilation wiederbringen. Die Erkrankungen des Lungenparenchyms verlangen, je nachdem, ob sie akut verlaufen, wie zum Beispiel die Pneumonie, oder ob sie sich lange Zeit hinziehen, wie die Lungentuberkulose, oder chronisch fortschreiten, wie das chronische Emphysem, sowohl die Behandlungskonzepte der „künstlichen" Therapie als auch die die Organe entlastenden, die Atmung normalisierenden oder den Körper kräftigenden Methoden der „natürlichen" physikalischen Therapie. Ähnliches gilt für die Krankheiten, die von außen den Bewegungsvorgang der Atmung stören oder die Kraft mindern (Muskel- und Skeletterkrankungen), mit der die Atmung als dynamische Tätigkeit in Betrieb gehalten wird. Hier bestimmt in der Regel die Symptomatik, in welcher Rangfolge der Arzt die zahlreichen therapeutischen Möglichkeiten einsetzt. Bei allen Erkrankungen der Atemorgane geben auch altbewährte unspezifische Methoden physikalisch-therapeutischer Art (C), die der Thermo- und Hydrotherapie, der Hochfrequenztherapie, ganz besonders auch der Klimatherapie, dem Arzt lindernde, heilsame und vorbeugende Mittel in die Hand, auf die auch die moderne Medizin selbst da nicht verzichten kann, wo sie ursächliche Hilfen leistet.

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2.2. Erkrankungen der oberen Luftwege Erkrankungen der oberen Luftwege sind Erkältungen, Rhinitis, Pharyngitis, Tracheitis, Tonsillitis, Nasennebenhöhlenentzündungen. Übersicht über die Behandlungsvorschläge Kausale Therapie (A) Antibiotika, ggf. Desensibilisierung, operative Ausschaltung lokalisierter Komplikationen Symptomatisch-gezielte Behandlungen (B) Medikamentös: Husten- und Schmerzlinderung, ggf. Antiallergika Physikalisch-therapeutisch: Inhalationen mit Bronchitiskessel oder Solezerstäuber: Emser Salz, ätherische Öle, Kamillenblüten oder Nasen-Rachendusche, Kopfdampfbad Hydrotherapie: Hals- und Brustwickel, ansteigende Teil- oder Vollbäder, Inhalationsbäder Lichttherapie: Kopflichtbad, Solluxlampe, Rotlicht Elektrotherapie: Kurzwellendurchflutung der Nebenhöhlen im Kondensatorfeld oder mit der Monode, Mikrowellen Allgemein-unspezifische Behandlungen (C) Abortivbehandlungen, Schwitzprozeduren Vorbeugende Maßnahmen (D) Erkältungs- und Abhärtungsproblem Abhärtung durch Lebensführung und Behandlung, Kneippkuren, Klimakuren Erläuterungen zu A bis D Kausale Therapie (A) Es kann kein spezifisches Mittel gegen Erkältungen geben, weil es für diese sogenannten Bagatellfälle, die keineswegs harmlos sind und große sozial-medizinische Bedeutung haben, keine sicher bekannte Ursache gibt. Auch gegen Viren, die erst auf dem Boden einer Erkältung aufkeimen, besitzen wir noch keine spezifischen Mittel. Sind aber bakterielle Erreger im Spiel, etwa bei der Angina der Tonsillen, bei der chronischen Tonsillitis oder bei Nebenhöhlenempyemen, dann zeigt ein Antibiogramm den Weg für eine ursächliche spezifische Behandlung auf.

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Bei allergischer Genese der Erkältungssymptomatik wird die Krankheitsursache ausgeschaltet, indem der Kontakt mit dem Allergen unterbunden wird. Oft ist dies unmöglich bzw. für den Patienten mit einem Wechsel des Arbeitsplatzes oder gar mit der Trennung von dem ausgeübten Beruf verbunden. In solchen Fällen unterbricht der Arzt die Ursachenkette und desensibilisiert den Kranken, indem er parenteral steigende Antigenmengen gibt, die Antikörper im Organismus erzeugen. Diese Möglichkeit ist aber leider nicht anwendbar, wenn die Antigene nicht identifiziert oder isoliert werden können oder wenn sie zu komplex sind. Um so wichtiger sind dann die unspezifischen Hilfen physikalisch-therapeutischer Art. Inhalationsallergenen geht der allergieempfindliche Mensch aus dem Weg, wenn er ein bevorzugtes Klima aufsucht. In einer ausgewählten Klimakur erwirbt er zwar keine spezifische Resistenz, im Heilklima, bei fehlendem Allergenkontakt und daher fehlenden Krankheitserscheinungen, entwickeln sich aber die unspezifischen Abwehrkräfte des Organismus und helfen mit, brachliegende, körpereigene Wiederstandskräfte gegen die Erkältung einzusetzen (S.591). Mittelbar ursächlich wirkt der Arzt, wenn er Komplikationen ausschaltet, die sich als umschriebene Krankheitsherde lokalisiert haben und den Organismus empfindlicher machen gegen äußere Faktoren. Neben dem schon genannten antibiotischen Prinzip leistet der Arzt unentbehrliche Hilfen, wenn er einen Tonsillarabszeß spaltet oder eine vereiterte Nasennebenhöhle operativ öffnet und so für Abfluß sorgt, wenn er chronisch entzündete Mandeln entfernt, eine erkrankte Kieferhöhle spült und Medikamente instilliert. Ohne solche Eingriffe überwindet der Organismus die Krankheit aus eigener Kraft nicht oder nur schwer. Menschen mit verlegter Nasenatmung neigen sehr zu immer neuen katarrhalischen Infekten. Diese können durch eine operative Korrektur vermieden werden. Symptomatisch-gezielte (B) und allgemein-unspezifische (C) Behandlungen Bei den Erkrankungen der oberen Luftwege, besonders bei den Erkältungsinfekten, unterscheiden sich die symptomatischen Behandlungen (B) in ihren Zielen und Ergebnissen kaum von den anzuratenden, allgemein-unspezifischen Maßnahmen (C). Während sie im ersten Fall mehr auf einzelne Symptome zielen, verstehen sich die unspezifischen Maßnahmen mehr als Bestrebungen, den Erkältungskrankheiten in ihren Anfängen entgegenzuwirken und damit zu verhindern, daß sie sich weiter ausbreiten. Dies erscheint aussichtsreich, wenn die Behandlungen frühzeitig beginnen, noch bevor pathogene Mikroorganismen eine beginnende Erkältung verschlimmern. Symptomatische Behandlungen sind bei Erkrankungen der Luftwege ebenso wohltuend wie nützlich. Sie beziehen sich gezielt vor allem auf die Schleimhäute der Atemwege, indem sie deren Schutzfunktion für die Lunge wiederherstellen oder aufrechterhalten. Sie lindern dabei auch die lokalen Beschwerden und das allgemeine Krankheitsgefühl. Die Schutzfunktion der Schleimhäute besteht darin, daß die oberen Luftwege ständig die Atemluft anfeuchten (Rekondensationseffekt, S. 583), sie von schädli-

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chen Bestandteilen reinigen und die Luft erwärmen. Damit zeichnen sich die speziellen Behandlungsziele ab. Die Nasengänge mit ihrer großen Kontaktfläche müssen frei und die Schleimhäute feucht und gut durchblutet sein. Bei verlegter Nase atmet der Kranke durch den Mund, die Schutzfunktion der Nasenwege fehlt, die oberen Luftwege trocknen noch mehr aus. Die Beschwerden zu Beginn einer Erkältung, Trockenheitsgefühl im Rachen, trockener Reizhusten, dann Schwellung der Nasenschleimhaut, stärkerer Schnupfen, Heiserkeit, unter Umständen bronchitische Begleiterscheinungen und, als Ausdruck der Allgemeinerkrankung, subfebrile Temperaturen mit Zerschlagenheitsgefühl, bieten Indikationen für eine große Zahl wirksamer Hilfen, deren unmittelbares Ziel die gestörte Schleimhautfunktion ist. Inhalationen: Zu Beginn einer Erkältung sind die Schleimhäute der oberen Luftwege meist zu trocken und schlecht durchblutet. Dagegen helfen die feuchten Nebel (S.427), wie sie der alte Bronchitiskessel und die Düsenvernebler liefern. Die relativ großen Wassertropfen von über 30 nm schlagen sich an den Wänden der oberen Luftwege nieder. Nimmt man hypertone Salzlösungen, dann ziehen sie dazu noch Wasser an; auf den Schleimhäuten bildet sich Sekret, das dünnflüssig ist und sich leicht ausschnauben oder abhusten läßt. Ein gut angewärmter Nebel verstärkt noch den hyperämisierenden Effekt. Später, je nach Befund, gibt man schleimhautabschwellende ätherische Öle oder Aufgüsse von Kamillenblüten als Inhalat. Mit einem Tuch über Kopf und Inhalationsgefäß kann auch zuhause ein Kopfdampfbad mit Kamillenblüten gestaltet werden, das einen Sekretions- und Wärmeeffekt an den Schleimhäuten bewirkt. Anschließend ist eine kalte Abwaschung des Gesichtes zu empfehlen, weil die starke Erwärmung des Gesichtes die oberflächlichen Gefäße weit stellt. Es werden auch Spezialgeräte als Nasen-Rachendusche angeboten, die die trokkenen Schleimhäute benetzen und die Nasengänge und den Rachen gut spülen. Hydrotherapie: Die Hydrotherapie bietet zur unmittelbaren Behandlung von Halsschmerzen die feuchtwarmen Halswickel oder Kompressen. Feuchtkalte Halswickel wirken mehr dämmend und abschwellend auf entzündliche Gewebsprozesse, auch die Eisblase oder eine Eiskrawatte sind hier geeignet. Phlegmonöse oder abszedierende Einschmelzungen öffnen sich unter heißen Auflagen früher und weniger beschwerlich. Milde Formen der Hydro- und Thermotherapie sind die ansteigenden Teil- oder Vollbäder, z. B. in Gestalt der Inhalationsbäder (S. 301), und die Teil- und Ganzpakkungen, die nicht nur zur Linderung der Symptomatik beitragen, sondern den Organismus auch allgemein unspezifisch in heilsamer Weise anregen. Bei empfindlichen Patienten, besonders bei Kranken, die mit Herz oder Kreislauf nicht belastbar sind, werden auch temperaturansteigende Fußbäder verordnet. Diesen Behandlungen wird sowohl eine lindernde wie auch eine abortive Wirkung zugeschrieben (vgl. „ableitende" Wirkung der aufsteigenden Fußbäder, S. 279). Gußbehandlungen sind im akuten Stadium eines Erkältungsinfektes noch nicht

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indiziert, weil sie eine nicht gestörte Funktionsbereitschaft und -fähigkeit voraussetzen, oder, falls diese fehlt, sie erst mit den Güssen langsam erarbeitet werden muß (Übungsprinzip). In der Rekonvaleszenz dagegen sind die wechselwarmen Güsse besonders geeignet, die noch gestörte oder reaktionsträge Thermoregulation schnell wieder zu normalisieren. Das größte Wirkungsfeld der Hydrotherapie ist die Bekämpfung der dispositionell gegebenen Erkältungsbereitschaft (vgl. Abhärtung, S.612). Bei Herannahen einer Erkältung werden seit alters her Abortivbehandlungen in Gestalt von Schwitzprozeduren empfohlen, die durch heiße Getränke, heiße Wannenbäder, Dampfbäder oder einen Besuch in der Saune mit anschließender Abkühlung oder mit länger eingehaltener Bettruhe unterstützt werden, bis der Kranke wieder thermisch ausgeglichen ist. Obwohl derartige Gepflogenheiten als Bestandteil der Volksmedizin weltweit praktiziert werden, ist es bis heute nicht geklärt, ob sich die gewünschte Wirkung tatsächlich einstellt. Das gleiche gilt vergleichsweise auch für die postulierte, abortive und prophylaktische Wirkung hoher Vitamin-C-Gaben als präventive Maßnahme gegen Erkältungskrankheiten. Vorerst fällt es schwer, die Heilkraft derartiger Verordnungen zu erklären. Zwei Denkmodelle bieten sich an: Entweder lodern unterschwellige Prozesse akut auf, so daß die Krankheit schneller ihre Kraft verbraucht und der Organismus bald in das Stadium der Selbstheilung hineinfindet, oder die stets ausgleichende Wärmeregulation, die sich aufgrund der Erkältung als unzulänglich erwiesen hat, wird durch thermische Reize so angestoßen, daß sie über stärkere thermoregulatorische Aktivitäten zur Selbstordnung der Gesundheit zurückfindet. Allerdings unterstellt diese letzte Version zum einem, daß die Erkältung Folge einer thermo-regulatorischen Unzulänglichkeit ist und zum anderen, daß in einem Regelsystem ein solcher regulatorischer Mangel, der sich in einer unzureichenden Reaktion auf eine äußere Störwirkung zeigt, durch einen kräftigeren Störfaktor gleicher Kategorie wieder ausgeglichen wird. Eine zweifellos hypothetische Vorstellung, die entfernt an die durch nichts zu belegende „Similia-similibus-curantur"-Regel (Ähnliches wird durch Ähnliches geheilt) der Homöopathie erinnert. Zweifellos aber stoßen die Schwitzprozeduren ein Regelsystem an, das meßbar sehr kräftig reagiert. Die theoretische Deutung, daß sich daraus eine Normalisierung (vgl. Tab. 1, S. 9) ergibt, stimmt durchaus mit der täglichen Erfahrung überein. Lichttherapie: Für oberflächlich lokalisierte Prozesse, z.B. Nasen- oder Gehörgangsfurunkel, Tubenkatarrhe und bei der von außen noch gut zugänglichen Otitis media, sind Behandlungen mit Licht- und Wärmestrahlen vorteilhaft. Das Kopflichtbad mit Kohlenfadenlampen (S.461) vermehrt die Durchblutung im ganzen Kopfbereich. Die Rotlichtstrahler oder die Solluxlampe (vgl. Infrarotstrahler, S.461) haben lokal umschriebene, aber nicht sehr tiefdringende Wärmewirkungen. Zur Dosierung der Strahlungsintensität ist der Hautabstand von der Strahlungsquelle maßgebend. Anhand des Wärmegefühls, das allein richtungweisend ist, läßt sich der optimale Abstand finden.

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Elektrotherapie: Die Hochfrequenzenergie mit ihrem tiefgreifenden Wärmeeffekt empfiehlt sich bei den entzündlichen Erkrankungen der Nasennebenhöhlen. Die hyperämisierende Erwärmung muß aber zurückhaltend dosiert werden, weil die entzündlichen Erscheinungen sonst aufflackern. Stets wird einschleichend dosiert, anfangs Dosis I für nur 1-2, höchstens 3 Minuten, dann langsam ansteigend. Mit feiner Einfühlung dosiert, lassen die Schmerzen bald nach. Das Sekret muß gut abfließen, es darf nicht eintrocknen. Sind die Abflußwege verlegt, müssen sie unbedingt unter Inhalation oder gar Instillation entsprechender Medikamente vorher abschwellen. Empyeme ohne Abfluß darf man erst durchfluten, wenn sie geöffnet sind. Zur Kurzwellendurchflutung im Kondensatorfeld wählt man für die Kieferhöhlen Schliephake-Elektroden (Durchmesser 4-8 cm), die beiderseits der Wangen parallel zur Hautoberfläche angelegt werden. Die Sinusitis frontalis erfordert eine kleinere, differente Elektrode an der Stirn (4 oder 8 cm Durchmesser), die größere Elektrode liegt mit weitem Abstand am Hinterkopf oder im Nacken. Entsprechend wählt man auch für die Rhinitis, die Laryngitis, den Tubenkatarrh oder für einen Gehörgangsfurunkel eine aktive Elektrode, die nahe dem Herd angelegt wird und eine inaktive Gegenelektrode in entsprechender Entfernung. Gleichermaßen eignen sich für die genannten Indikationen die Rundfeldstrahler der 69 cm-Welle und die Mikrowellenstrahler. In der Regel wird täglich ein bis zweimal behandelt. Chronische Erkrankungen der Nasennebenhöhlen erfordern höhere Dosierungen (Dosis II-III jeden zweiten Tag). Durchflutungszeiten werden, gibt man von Mal zu Mal etwas mehr, bis zu 10 Minuten gut vertragen. Sechs bis zwölf Behandlungen sind üblich. Vorbeugende Maßnahmen (D) Das Erkältungsproblem — Abhärtung Viele Menschen leiden immer wieder unter Erkältungen. Diese manifestigen sich fast ausschließlich an den oberen Luftwegen. Der Begriff „Erkältung" ist, obwohl jedermann vertraut, weder ätiologisch noch pathologisch klar definierbar. Stets sind es Entzündungserscheinungen, die das Symptombild prägen. Die Rhinitis, die Pharyngitis, die Laryngitis und die Tracheitis werden immer dann als katarrhalisch, d.h. als Ausdruck einer Erkältung definiert, wenn eine allergische Genese nicht gegeben ist. Vieles deutet darauf hin, daß die Erkältung als Desadaptation, als Verweichlichung gegen Kältereize und gegenüber einer unbemerkten Auskühlung bei schwacher Luftbewegung zu verstehen ist. Zu einer Erkältung tragen vermutlich mehrere Umstände bei [8]. Einmal liegt offensichtlich eine individuelle Disposition vor; manche Menschen sind so anfällig, daß sie sich mehrmals im Jahr erkälten. Ob es bei diesen Menschen die Kälte alleine ist, die eine Erkältungskrankheit zur Folge hat, ist nicht einmal erwiesen, denn die Tatsache einer bahnenden Ab-

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kühlung ist anamnestisch selten klar ersichtlich. Andererseits ist aber bekannt, daß schon lokale, kaum bemerkte oder in ihrer Bedeutung unterschätzte Abkühlungen, etwa kalte, nasse Füße, Fernwirkungen auf die Schleimhäute der Atemwege haben, die langanhaltend schlecht durchblutet bleiben [493]. Möglicherweise wird damit das Tor geöffnet, durch das Krankheitserreger Eingang finden. Als widrige Umstände, die diese Unzulänglichkeit herausfordern, man könnte sie auch als einen zweiten Faktor zusammenfassen, werden immer wieder die Wetterverhältnisse angeführt. Besondere Wetterlagen, bei denen etwa der Wind die Abkühlungsgröße hochtreibt oder die Luft sehr feucht ist und so dem Körper mehr Wärme entzieht, auch wenn das Wetter plötzlich mit einem Temperatursturz umschlägt, dem der Organismus thermoregulatorisch nicht sogleich nachkommen kann, stellen an die Ausgleichsfunktionen hohe Anforderungen und lassen offenbar häufiger einen Schnupfen, Katarrhe der oberen Luftwege oder gar bronchitische Beteiligungen, aber auch Neuralgien oder Myalgien, eine Reizblase oder dergleichen aufkommen (vgl. auch den begünstigenden Einfluß definierter Wetterlagen, S. 573 f.). Die Überlegung, die Erkältung sei schon primär ein mikrobielles Infektgeschehen, hat dagegen kaum etwas für sich. Sichere Ansteckungen sind, obwohl vom Laien stets vermutet, nicht belegt. Auch eine Inkubationszeit ist nicht bekannt und Laborergebnisse fehlen, die auf immunisatorische Änderungen hinweisen. Natürlich gilt das nicht für die hochvirulenten epidemischen, zyklischen Infektionskrankheiten mit vorwiegender Lokalisation in den Atmungsorganen und einer Erkältungssymptomatik, wie z.B. bei der echten Grippe oder dem Keuchhusten. Aber auch hier hängt es von der allgemeinen Abwehrkraft des Organismus ab, zu der auch eine manifeste Abhärtung gehört, ob er erkrankt und wie schwer die Krankheit verläuft. Erst Erreger machen die Erkältung zu einem Infekt. Infektionserreger sind bei den Erkrankungen der oberen Luftwege Bakterien, sehr viel häufiger aber eine große Zahl verschiedener Viren, z. B. Schnupfviren (Rhinoviren), Common-Cold-Viren (Adenoviren; mehr als 30Gruppen). Eine kausale Therapie im Sinne der Ausschaltung der Krankheitsursache durch Chemotherapie ist, soweit Viren das Krankheitsgeschehen beherrschen, nur sehr unvollkommen möglich. Die symptomatischen Behandlungen lindern aber nicht nur, sie unterstützen auch den Organismus. Zur kausalen Therapie in erweitertem Sinn kann man die vorbeugenden Behandlungen rechnen, wenn es gelingt, die Neigung abzubauen, sich bei jeder Gelegenheit zu erkälten. Wenn es zutrifft, daß Erkältungen ein Ausdruck der Desadaption sind, und daran ist zumindest als Teilursache nicht zu zweifeln, dann muß es auch eine kompensierende Adaptation gegenüber solchen Abkühlungen geben, die in unserer thermischen Umwelt täglich vorkommt. Sprachlich drückt sich dies in der Gegenüberstellung der Begriffe „Verweichlichung-Abhärtung" klarer aus, als es physiologisch erklärbar ist. Abhärtung ist ebenso wie Erkältung ein schwieriger, weil sehr komplexer Begriff. Man kann sie als das vorbeugende Ziel einer Ursache — Wirkungsbeziehung

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definieren, durch die der Organismus widerstandsfähig wird gegen äußere, krankmachende Einflüsse. Der Arzt betreibt mit den Verordnungen einer Reiz-Reaktionstherapie nicht nur eine allgemeine, abhärtende Dispositionsprophylaxe, deren Vermittler ausgewählte, dosierte Kräfte unserer natürlichen Umwelt einschließlich der den Körper fordernden Bewegungen sind, sondern im weitesten Sinn ist auch die gezielte Infektionsprophylaxe definitionsgemäß Abhärtung [624]. Eine so entwickelte spezifische Resistenz ist immunologisch nachweisbar und meßbar, während die medizinische Wissenschaft sich bei den alltäglichen Erkältungen und auch bei der Resistenzschwäche gegen Krankheiten vorerst noch auf die ärztliche Erfahrung als Beleg für eine erworbene Festigung stützen muß. Noch heute gilt der Ausspruch G. v. Bergmanns: „Vielleicht bedeutet wirklich die ,Abhärtung' einer systematischen Physikalischen Therapie mehr gegenüber den Erkältungskrankheiten als ein antiphologistisches Medikament oder gar ein antitoxisches Serum" [42] oder ein Antibiotikum [624]. Die Abhärtung bei Erkältungen besteht einmal darin, den Organismus gegen sensorische Einströme (hier Impulse aus den Kaltrezeptoren) mit der Zeit weniger empfindlich zu machen, so daß er thermoregulatorisch gedämpfter und zweckmäßiger, ausgleichender reagiert; dies ist ein Vorgang der Habituation bzw. der Adaptation (S.61). Es ist bekannt, daß besonders die Kaltreize in der Formatio reticularis starke Aktivierungseffekte haben, die bei längerer Reizdauer gewissermaßen zu Sollwertverstellungen in diesem System führen. Von hier aus werden wahrscheinlich über den Hypothalamus auch unspezifische, bisher noch nicht näher zu benennende Abwehrreaktionen verbessert [453]. Unbestreitbar jedenfalls ist, daß Menschen, die sich viel und regelmäßig der rauhen Witterung aussetzen, selten oder nie erkältet sind, wobei sie nicht einmal eine meßbar bessere, überdurchschnittliche Reagibilität ihres peripheren Gefäßsystems erkennen lassen. Bei vorsorgenden Maßnahmen prophylaktischer Abhärtung hat die jeweilige Ausgangslage (S. 32) eine entscheidende Bedeutung. Es ist eine Kunst, intuitiv die Reaktionsbereitschaft zu erfassen, weil diese zwar im Experiment, in der Praxis aber kaum meßbar ist. Die adäquate Dosierung der Behandlungen erfordert deshalb stündige Beobachtung und viel Erfahrung. Klinisch zeigt sich besonders am peripheren Kreislauf, an einer schneller und verstärkt oder verzögert einsetzenden oder gar ausbleibenden Gefäßreaktion, wie ein Mensch, der einer Abhärtung bedarf, auf Kaltreize reagiert. Der abhärtende Übungseffekt ist dann an einem besseren Reaktionsergebnis unter der Hydrotherapie gut ablesbar. Ob dies die Sekundärwirkung einer komplexen „Kräftigung" (vgl. Tab.l) mit sich bringt, ist jeweils im Einzelfall nur katamnestisch zu beurteilen. Abhärtungsbehandlungen haben allein Erfolg, wenn sie in einen weiten Rahmen gestellt werden. Der Mensch lebt in einer klimatischen Umwelt, die durch Wetterabfolgen und Wetterfaktoren (Kälte, Wind, Nässe) geprägt ist, denen er sich nur zum Teil entziehen kann. Das in den Wohnräumen vorzufindende künstliche Behaglichkeitsklima läßt

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dem Regulationsgeschehen [675] durch Nivellierung vor allem der thermischen Gegensätze um so weniger Raum, je länger der Mensch in diesem eintönigen Klima bleibt und je seltener er sich den Wettereinflüssen aussetzt und damit seine Regulationssysteme in Anspruch nimmt. Ein solcher Mangel führt zu einer mehr oder weniger folgenschweren „Verweichlichung". Alle Behandlungen können nicht fruchten, wenn die Lebensgewohnheiten nicht den natürlichen, sondern übertriebenen Wärmebedürfnissen entsprechen. Der widerstandsfähige, „abgehärtete" Mensch muß seine regulatorischen Fähigkeiten zum Schutz der Wärmebilanz in Anspruch nehmen, um seine Resistenz zu bewahren. Ein Vergleich mit der viel klarer zu definierenden Muskelkraft und -ausdauer liegt hier nahe. Abkühlungen des täglichen Lebens werden als bedingendes Moment einer Erkältung oft überschätzt. „Verweichlichte" Menschen neigen zu einer solchen Selbsttäuschung, sie meiden ängstlich alle Kaltreize und verlieren schließlich die Fähigkeit, den alltäglichen Temperaturschwankungen der thermischen Umwelt mit fein abgestimmten Gegensteuerungen zu begegnen, mit denen die Wärmebilanz stets ausgeglichen bleibt. Mit der Verstädterung, besonders mit der modernen Heiztechnik und den künstlich klimatisierten Räumen, geht diese natürliche Reagibilität gegenüber thermischen Abwechslungen mehr und mehr verloren. Die Erkältungskrankheiten nehmen zu, wenn der einzelne nicht vorbeugend mit entsprechender Lebensweise, z. B. Gehen und Wandern, Gartenarbeit, Spiele und Sport im Freien, Schwimmen, den Weg zu einer natürlichen Lebensweise findet. „Das beste Mittel gegen Erkältung ist, sich täglich zu erkälten" [270], bzw. sich natürlichen atmosphärischen, abkühlenden Reizen auszusetzen, unter denen sich nur „verweichlichte" Menschen erkälten, weil ihre Gegenregulationen versagen. Zunächst ist es notwendig, innerhalb der Räume der Wohnung und des Arbeitsplatzes ein gesundes Raumklima zu schaffen. Die Be- und Entlüftung muß gut sein, die Raumtemperatur sollte gleichmäßig bei etwa 21 °C liegen und die relative Luftfeuchte mindestens 50% betragen, damit die Schleimhäute nicht austrocknen. Die Luftbewegung sollte gering sein. Bemerkenswert ist, daß bei 20 cm/sec Zugluft die Abkühlung, gemessen am Rückgang der mittleren Hauttemperatur, größer ist als bei höherer Windgeschwindigkeit, die allerdings deutlicher empfunden wird (Abb. 171 nach [408]). Die Temperatur der umschließenden Wände, des Bodens und der Decke muß der mittleren Raumtemperatur entsprechen (vgl. Raumklima, S. 584). Die Kleidung der Innen- und Außentemperatur anzugleichen, ist nicht immer ganz leicht, wenn die Temperaturen im Laufe des Tages sehr schwanken. Zu warme Kleidung ist ebenso „verweichlichend" wie eine zu wärmedurchlässige Kleidung den Auskühlungserkältungen Vorschub leistet. Als therapeutische Maßnahme zur Abhärtung empfiehlt sich die ganze Skala der sogenannten kleinen Hydrotherapie (S. 272). Lauwarme, später kühlere Waschungen und Abreibungen am Morgen, sogleich nachdem man das warme Bett verlassen hat, Wechselgüsse, zunächst aufbauend und zuletzt den ganzen Körper

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106

203

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cm/sec Windgeschwindigkeit

-0,02

-0,10

-0,18 Abb. 171 Mittlere Hauttemperatur in Abhängigkeit von Windgeschwindigkeit und Raumtemperatur.

erfassend, Wechselduschen und dergleichen, wirken „abhärtend". Wichtig ist, zumindest am Anfang, daß kräftige Reaktionen in Gestalt einer sichtbaren Hautröte erscheinen. Die Erfahrung zeigt immer wieder, daß zu milde Kaltreize, die keine deutliche Gegenregulation bringen, eher nachteilige Folgen haben. Nicht nur kalte, nasse Füße, auch nasse Haare und selbst leichte Luftbewegung (Zugluft) provozieren Erkältungen, wenn die reaktive, korrigierende Gefaßantwort ausbleibt. Bei kräftigem Wind oder nach einer stärkeren Abkühlung im Freibad ist Bewegung notwendig, um den Körper warm zu halten. Frottiert man nach hydrotherapeutischen Anwendungen kräftig die Haut, bedeutet dies einen mechanischen Reiz, der über Axonreflexe die gefäßbedingte reaktive Hyperämie unterstützt bzw. diese gegebenenfalls aktiviert. Ebenso wichtig für Abhärtungsbehandlungen wie die thermischen Wechselreize sind die Bewegungen in freier Luft. Es ist eine Erfahrungstatsache, daß Bewegung im Freien (auch Gymnastik am offenen Fenster), z.B. sportliche Betätigung in leichter Kleidung und Licht-, Luft- und dosierte Sonnenbäder, eine resistenzsteigernde Wirkung haben. Hier sind zwar mehrere Faktoren gleichzeitig wirksam (vgl. positiv gekreuzte Adaptation, S. 63), sicher aber kommt der Bewegung eine besondere Bedeutung zu. Prophylaktische Maßnahmen zur Resistenzsteigerung gegen Erkältungsinfekte sind eine häufig gegebene Indikation für Kurbehandlungen. Empfindlichere Patienten finden im Rahmen einer Kneippkur durch Kalt- und Wechselreize langsam in die Reaktionsfähigkeit hinein. Klimakuren zeichnen sich dadurch aus, daß hier der Arzt die Kurmittel Klima, Hydrotherapie und Bewegung kombiniert einsetzt und alle Reize auf die Individualität des Kranken und seine Symptomatik abstimmt. Die Erfahrung zeigt, daß Menschen, die sich viel in der Kälte aufhalten, wenig infektanfällig sind. Da Bronchitiker zu Infekten neigen, wurde systematisch versucht [286], sie durch Kälteadaptation von ihrer Anfälligkeit zu befreien. In einem

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sogenannten klimatherapeutischen „regimen refrigerans" mit progressiven Abkühlungsreizen, z. B. Luft- und Seebäder mit peripherer Auskühlung, Wanderungen mit Bekleidungsvorschriften, kühler Nachtschlaf, wurden die Patienten in wenigen Wochen deutlich weniger empfindlich gegen Kälte; zwei Drittel der Probanden hatten ein halbes Jahr nach der Kur noch keinen Infekt erlitten. Abhärtung ist keine Konstitutionsänderung. Die gegebene Disposition zu bestimmten Krankheiten, z. B. den Erkältungen, kommt zwar mit dem hydro- und klimatherapeutisch antrainierten besseren Reaktionsvermögen vorübergehend nicht zum Zuge, ein Dauereffekt im Sinne einer veränderten, nun beständigen, unbezwinglichen Konstitution ist dies erfahrungsgemäß aber nicht. Abhärtung ist begreifbar nur als Trainingsergebnis. Dies läßt den unscharfen Begriff „Abhärtung" etwas klarer werden. Zweifellos ist hier ein Anpassungsgeschehen im Spiel. Die Langzeitanpassung setzt voraus, daß die Regulationen systematisch geübt werden, denn nur geübte Regulationssysteme arbeiten optimal [494], Der nicht abgehärtete Mensch reagiert auf äußere Reize unkoordiniert, oft sogar paradox und völlig unökonomisch [170]. Abhärtung zielt darauf ab, ein funktionelles Gleichgewicht in der Reaktionsweise biologischer Reaktionssysteme auch unter einflußreicheren Reizen zu erhalten. „Verweichlichung" ist demgemäß eine Verkümmerung konstitutionell vorgeprägter, aber durch Versäumnis nicht entwickelter oder verloren gegangener funktioneller Kapazitäten. Der Verfall der physiologischen Wendigkeit auf thermische Reize bedeutet Verlust einer stressorspezifischen Spezialisierung (S. 62). Dies zeigt sich nicht nur an der Thermoregulation bzw. ihrem Stellglied, der peripheren Durchblutung, sondern auch in allgemeineren, komplexeren, zur negativen Seite der Disposition gehörenden Erscheinungen der Anfälligkeit und Hinfälligkeit. Abhärtung ist also eine unspezifische Adaptationsleistung (S.62). Sie kann nur durch Übung erworben werden, wobei das Ergebnis nicht über die Grenzen der nach der Anlage möglichen funktionellen Kapazitäten hinausgeht, die konstitutionell vorgegeben sind.

2.3 Erkrankungen der tieferen Luftwege 2.3.1 Akute Bronchitis Übersicht über die Behandlungsvorschläge Kausale Therapie (A) Antibiotika, sofern Erreger nachweisbar sind

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Symptomatisch-gezielte Behandlungen (B) Medikamentös: Hustenstillende Mittel, Sekretolytika, Analgetika, Antipyretika Physikalisch-therapeutisch: Inhalationen: Zur Sekretolyse feucht-warme Nebel aus Solen und anderen Quellwässern, fermentativ wirksame Medikamente, Netzmittel Krankengymnastik: Hilfen zum Abhusten, Verhütung von Sekretstau Hydrotherapie: „Kleine" Hydrotherapie, kalte Wickel (Prießnitz). Zur Sekretlockerung kalte Rückenwaschungen. Bei Fieber wärmeentziehende, sonst wärmestauende Wickel, Abwaschungen, Serienwaschungen. Sehr warme Bäder, auch Überwärmungsbäder zur Linderung der Brustbeschwerden, Inhalationsbäder mit sekretlösenden ätherischen Ölen Elektrotherapie: Kurzwellendurchflutungen des Thorax Allgemein-unspezifische Behandlungen (C) Zu Beginn abortiv wirkende Mittel: schweißtreibende Wickel oder Packungen, ansteigende Fußbäder, Schwitzprozeduren, Sauna (mit Zurückhaltung) Vorbeugende Maßnahmen (D) Abhärtende Maßnahmen, Kneippkuren, Klimakuren Erläuterungen zu A bis D Kausale Therapie (A) Die akute Bronchitis hat ihre häufigste Ursache in Virusinfekten, die auch, wie die Infekte der oberen Luftwege, auf dem Boden von Erkältungen aufkeimen (S. 608). Verschiedene Viren haben eine spezielle Bronchotropie, d.h. sie siedeln sich mit Vorliebe in den Bronchien an. Dies gilt für die Masernviren, die Viren der Influenzagruppe sowie die Ornithoseviren, die alle eine Begleitbronchitis verursachen. Sehr häufig kommen auch bakterielle Sekundärbesiedelungen der Bronchien vor. Solche Komplikationen treten in der Regel nach akuten bronchitischen Reizerscheinungen durch gewerbliche Reizgase und Dämpfe (Chlor, Salzsäure), vielleicht auch bei Raucherkatarrhen, auf. Die bakteriellen Infekte sind der medikamentösen Behandlung gut zugänglich, besonders wenn ein Antibiogramm die Wahl einer spezifisch gezielten Bakteriostase oder Bakteriolyse möglich macht. Bei schweren Krankheitszuständen anderer Genese, insbesondere bei alten, hinfälligen Menschen und Kleinkindern, empfiehlt sich schon zu Beginn der Erkrankung eine antibakterielle Bronchitisprophylaxe mit einem Breitbandantibiotikum.

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Symptomatisch-gezielte (B) und allgemein-spezifische (C) Behandlungen Symptomatische Behandlungen bieten sich entsprechend den charakteristischen Krankheitserscheinungen an; sie machen den Kranken erhebliche Beschwerden. Fieber und Herz-Kreislaufschwäche erfordern Bettruhe. Zur nicht-medikamentösen Fiebersenkung bzw. zu Maßnahmen, die das Fieber erträglich machen, sind hydrotherapeutische Behandlungen angezeigt (S. 620). Der Husten und die Verschleimung, die durch ein zähes und daher schwer zu expektorierendes Sekret gekennzeichnet sind, machen inhalatorische Hilfen notwendig. Während die akute Bronchitis beim Erwachsenen kaum eine Dyspnoe verursacht, ist dieses Symptom beim Säugling und Kleinkind nicht selten Anlaß zur künstlichen Beatmung (S. 432, vgl. auch Senfwickel, S. 287). Solange ein trockener, mit brennenden Schmerzen hinter dem Sternum verbundener Reizhusten besteht, der das zähe Sekret nicht herauszuschleudern vermag, sind hustenstillende Mittel unentbehrlich. Gleichzeitig sind sekretverflüssigende Pharmaka ratsam. Die hustenstillenden Mittel werden abgesetzt, sobald der Kranke gut expektoriert. Inhalationen: Allein die Einatmung feuchter Luft ist bei akuter Bronchitis schon wohltuend. Der alte Bronchitiskessel ist hier aber weniger geeignet als bei den Entzündungen der oberen Luftwege, weil die von ihm gelieferten Nebeltröpfchen zu groß sind, sie gelangen nicht bis in die tieferen Luftwege (vgl. Abb. 144). Werden Salzlösungen mit dem Bronchitiskessel vernebelt, dann bleibt der größte Teil des Salzes infolge des großen Dampfgehaltes des Nebels im Kessel zurück, geatmet wird fast nur feuchter Nebel (S.427). Der früher weit verbreitete Bronchitiskessel ist deshalb heute in der Behandlung der tieferen Luftwege von Ultraschallverneblern (S. 429) verdrängt worden. Den Schleim verflüssigen Solen, die noch vor den bronchusdilatierend wirkenden Substanzen (S. 440) gegeben werden. Sekretlösende Mittel treffen, sofern man oberflächenaktive Stoffe verwendet, nur als Aerosol direkt auf die Schleimhaut. Dazu gehören das fermentativ wirksame Bromhexin (2mal täglich 2 ml), das NAzetylzystein (3mal täglich 3-5 ml einer 20%igen Lösung), die Netzmittel, die man ebenfalls 2-3mal täglich inhalieren läßt (S.436). Krankengymnastik: Sie wird als Atemgymnastik verordnet mit dem Ziel, die Kranken gut und leicht abhusten zu lassen. Vibrationen und Erschütterungen des Brustkorbes (S. 224) im Rhythmus der Atmung bestimmen hier die Behandlungsfolge. Bettlägerige, besonders alte, wenig bewegliche Menschen, lagert die Krankengymnastin wiederholt mehrmals täglich um. Sie verhütet damit Sekretstauungen in einzelnen Lungenabschnitten. Die Krankengymnastin kann gelegentlich einen Hustenstoß provozieren (S.225), indem sie lange und so kräftig ausatmen läßt, daß die Innenwände der Bronchiolen sich berühren. Allerdings muß ein derartig herausgeforderter Husten sogleich effektiv sein, also reichlich Sekret auswerfen, wobei die Gefahr des Air trapping (S. 222) nicht übersehen werden darf. Die Krankengymnastin sollte daher eine solche Behandlung nur mit Zustimmung des Arztes vornehmen.

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Bei länger bestehendem Husten sind die Atemmuskeln oft schmerzhaft verspannt. Die Kranken husten deshalb nicht genügend ab. Hier bemüht sich die Krankengymnastin, die ganze Muskulatur so locker zu machen, daß der Kranke leicht atmet und effektiv abhustet. Zuweilen bringt hier auch die heiße Rolle (S. 293) gute Hilfe. Weitere atemgymnastische Methoden werden bei der Behandlung der chronischen Bronchitis angegeben (S. 625). Bei bettlägerigen älteren Menschen ist die bewegungstherapeutische Thromboseprophylaxe mit Umlagerungen, nicht belastenden passiv-aktiven Bewegungsübungen, die man mit Atemübungen verbindet, immer angezeigt. Solche Bewegungen verhüten auch die Sekretstauungen und sind zur Prophylaxe bronchopneumonischer Infiltrationen unentbehrlich. Hydrotherapie: Die Brustwickel nach Art des „Prießnitz" (S.283) fördern reflektorisch die Durchblutung der Bronchialschleimhäute. Sie wirken damit sekretlokkernd, dazu kommen mit dem erhöhten Blutstrom vermehrt Leukozyten und Antikörper (vgl. Abb. 53) an die Bronchialschleimhäute. Die Wirkung ist noch stärker, wenn man den Kranken einen wärmestauenden Effekt zumutet (vgl. Brustwickel bei der Pneumonie, S. 652). Erscheint es notwendig, bei fiebernden Kranken Wärme auf milde und wohltuende Art zu entziehen, dann gibt man neben den bewährten Wadenwickeln auch Brustwickel, die, wenn man sie häufiger wechselt, viel Wärme aus dem Körper aufnehmen und den Wärmehaushalt bzw. den Kreislauf gut entlasten (S. 283). In milderer Form geschieht dies auch mit den Serienwaschungen. Abwaschungen von Brust und Rücken lösen als kurze Kaltreize tiefe Atemzüge aus, die eine tiefere Lungenbelüftung bedeuten. Sie sollen auch das Bronchialsekret lockern. Warme Bäder lindern das Krankheitsgefühl, als Inhalationsbad — es kann auch als Halbbad gegeben werden — unterstützen sie ebenfalls die Lockerung des Sekretes. Abschließende kalte Übergießungen mit nachfolgendem Warmfrottieren regen besonders kräftig, wenn auch nur mit wenigen Atemzügen, die Ventilation an, die auch bei der akuten Bronchitis oft so oberflächlich ist, daß mehrmals täglich für eine volle Belüftung der Lunge gesorgt werden muß, damit bronchopneumonische Komplikationen nicht aufkommen. Allgemein unspezifisch, auch in „umstimmender" Weise (S. 75), wirken alle genannten hydrotherapeutischen Maßnahmen. Dazu kommen noch die vielfach zur Behandlung oder Abwendung einer Erkältung empfohlenen abortiv wirkenden Schwitzprozeduren. Auch bei der Bronchitis sind sie wie bei Infekten der höheren Luftwege indiziert, weil sie durchblutungsfördernd auch auf die Schleimhäute der tieferen Atemwege wirken. Kombiniert der Arzt in seinen Verordnungen, nachdem das akute Krankheitsgeschehen abgeklungen ist, die Schwitzbehandlungen mit den Wechselreizen der kalten Waschungen, den Begießungen und nach dem Besuch der Sauna mit einem kalten Tauchbad oder einem Vollguß, dann geschieht dies wegen des damit verbundenen intensiven Gefäßtrainings schon aus präventiven Überlegungen. Elektrotherapie: Die Durchflutung des Thorax mit Kurzwellen, die im Lungen-

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und Bronchialgewebe eine direkte hyperämisierende Wärmewirkung entfaltet, wird zunächst sehr niedrig, d.h. kurzzeitig und mit geringer Wärmeempfindung dosiert, weil bei zu starker Erwärmung das Sekret eintrocknen würde. Nur leichte Durchwärmung lockert das Sekret. In der Regel benutzt man die handelsüblichen Glasschalen-Elektroden mit 13 oder 17 cm Durchmesser, der Elektroden-Hautabstand beträgt 5 cm bei Dosis I bis II. Die Dauer der Durchflutung überschreitet anfangs nicht die Fünfminutengrenze, nur langsam wird gesteigert. Vorbeugende Maßnahmen (D) Bei nicht wenigen Menschen treten im Gefolge einer banalen Erkältung häufiger Bronchitiden auf als Ausdruck einer besonderen Disposition. Hier sind ebenso die abhärtenden Maßnahmen indiziert, wie sie schon für die einfachere Erkältungsneigung schlechthin empfohlen wurden (S.616). Wenn das akute bronchitische Geschehen abgeklungen ist, gilt es, Rezidive zu verhindern und der Gefahr einer chronischen Fortdauer zu begegnen. Dies erfordert, sofern noch Erreger auf den Bronchialschleimhäuten vorhanden sind (Abstrich), eine intensive antibiotische Behandlung, die hier sowohl kausal als auch vorbeugend wirkt. Zur Abhärtung und Vorbeugung gegen chronisch-bronchitische Syndrome ist die Klimatherapie eine geeignete Behandlungsart. Ein mittleres bis kräftiges Reizklima (S. 538) eignet sich dazu am besten. Neben einer durch den Klimawechsel zu erwartenden allgemeinen, unspezifischen Resistenzsteigerung und einer Abhärtung, die unter der Verordnung dosierter und systematisch genutzter thermischer und aktinischer Reize erworben wird, ist die keim- und staubarme Luft in allen Klimalagen, von der See über die waldreichen Mittelgebirge bis ins Hochgebirge, ein bestimmendes Element, unter dem die Kranken gesunden und eine Resistenz erwerben, die sie vor der Manifestierung chronisch-bronchitischer Syndrome bewahrt. Kombinationsbehandlungen mit Bewegungstherapie, Atemgymnastik, gegebenenfalls Inhalationen in den Spezialkurorten für Erkrankungen der Atemwege bieten dazu ergänzende Möglichkeiten (vgl. Verordnung der Klimakur, S. 591).

2.3.2 Chronische Bronchitis Übersicht über die Behandlungsvorschläge Kausale Therapie (A) Zeitweise Antibiotika, ggf. Antiallergika, auch Herzmittel Symptomatisch-gezielte Behandlungen (B) Medikamentös: Hustenstillende Mittel, Sekretolytika, bei trockenem Husten Jodkali, Bronchospasmolytika

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Physikalisch-therapeutisch: Inhalationen: Sekretolyse wie bei akuter Bronchitis. Bei Bronchospasmen diktierende Mittel: betaadrenerge Substanzen oder Atropinderivate, ggf. als Dosieraerosol. In Sonderfällen auch Antibiotika als Aerosol; ggf. Inspirationsdruck maschinell erhöhen, bei akuter Ateminsuffizienz Sauerstoff Krankengymnastik: Ziel ist die Linderung der Dyspnoe und Senkung der Atemmittellage durch Korrektur der überhöhten Inspirationsstellung. Lockerung der Atemmuskeln und Atemhilfsmuskeln. Förderung der Zwerchfellatmung, Hilfen zum Abhusten Hydro- und Thermotherapie: Wie bei akuter Bronchitis „kleine" Hydrotherapie, auch Bäderbehandlungen, unter Umständen Schwitzprozeduren Elektrotherapie: In Schüben Kurzwellendurchflutungen wie bei akuter Bronchitis Allgemein-unspezifische (C) und vorbeugende (D) Maßnahmen Klimatherapie: Wiederholte Klimakuren. Auswahl der Kurorte nach den örtlich gegebenen speziellen Therapieeinrichtungen. Meist mildere Reize als bei der akuten Bronchitis oder den Erkältungskrankheiten Erläuterungen zu A bis D Kausale Therapie (A) Eine unmittelbar ursächliche Therapie der chronischen Bronchitis gibt es bei der komplexen Ätiologie des Leidens nicht. Zunächst liegt der Krankheit eine anlagebedingte Schwäche des Bronchialsystems zugrunde; die Kranken neigen zu entzündlichen, oft bronchospastischen Reaktionen auf äußere Noxen. Die Prinzipien der Ausschaltung und der Schonung (vgl. Tab. 1) bestimmen das Behandlungskonzept. Bei akuten, purulenten Schüben schaltet man selbstverständlich die identifizierten Erreger antibiotisch aus. Bei allergischer Mitursache lindern die Antiallergika; gegebenenfalls ist auch eine Desensibilisierung zu versuchen. Die stets drohenden Komplikationen an Herz und Kreislauf (Cor pulmonale) verhindern ursächlich die Beherrschung der Bronchitis, symptomatisch wirkt die medikamentöse Stützung des Herzens. Äußere Faktoren, z. B. Luftverunreinigungen (Rauchen mehr als die Schadstoffe in der Atmosphäre), Kälte, häufige Durchnässung, sind vermeidbare Teil- oder Mitursachen, die das Geschehen auslösen, verschlimmern oder aufrechterhalten. Die sehr häufigen Besiedlungen der Bronchialwege mit Mikroorganismen sind für den Fortbestand des chronischen Leidens mitverantwortlich. Meist sind es fakultativ pathogene Diplokokken und Streptokokken oder der Haemophilus influenzae. Ampicillin, Tetrazykline und Kombinationspräparate sind deshalb in der Regel gut geeignet, diese komplizierende Mitursache auszuschalten (vgl. Tab.l).

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Bei unzureichendem Erfolg ist ein Antibiogramm aus abgesaugtem Bronchialsekret notwendig, um gezielt wirkende Antibiotika herauszufinden. Die Medikamente müssen 3-4 Wochen lang gegeben werden, bis das Sputum nicht mehr purulent und dazu steril ist. Oft ist die chronische Bronchitis begleitendes Symptom eines anderen Grundleidens. Wird dieses erfolgreich behandelt, dann geht gleichzeitig auch die sekundäre Bronchitis zurück. So gelingt es, die Stauungsbronchitis bei Linksinsuffizienz ursächlich zu bessern oder zu beheben, wenn die Behandlung das Herz kompensiert. Bronchitische Symptome bei chronischem Cor pulmonale mit Rechtshypertrophie und Rechtsinsuffizienz als Ausdruck einer Drucksteigerung im arteriellen Schenkel des kleinen Kreislaufs bessern sich als Folge akuter oder chronischer Lungenerkrankungen mit Perfusionsstörungen ebenfalls mit der Behandlung des Herzens, und die bronchitische Symptomatik verschwindet. Tut sie es nicht, ist in der Regel eine Sekundärbesiedlung der Atemwege dafür verantwortlich. Auch Krankheiten des Lungenparenchyms mit gefäßeinengenden Folgen und Erkrankungen anderer Systeme, z. B. die Polyzythämie oder die extreme Adipositas, stören die äußere und innere Atmung und unterhalten bronchitische Beschwerden, die verschwinden, wenn die Ursache, das Grundleiden, erfolgreich behandelt wird. Irreversible Gewebsveränderungen, z.B. morphologische Umwandlungen im Lungengerüst und im Bronchialgewebe, wie sie bei der progressiven Lungenfibrose (Hamman-Rich-Syndrom), als Narbenzüge in der Umgebung geschrumpfter tuberkulöser Herde, bei der Silikose als schwielige Knötchen, in Form entzündlichgranulomatöser Veränderungen der Sarkoidose, durch Proliferation des interstitiellen Bindegewebes bei Pneumokoniosen oder beim chronisch substanziellen Lungenemphysem (S.644) vorkommen, stellen, da sie chronische Bronchitiden mit Neigung zu Bronchialinfekten unterhalten, oft besondere Anforderungen an die symptomatischen Behandlungen der bronchitischen Erscheinungen. Symptomatisch-gezielte (B) und allgemein-unspezifische (C) Behandlungen Den symptomatischen Behandlungen kommt große Bedeutung zu, weil sie die bescheidenen kausalen Möglichkeiten durch eine Fülle von Gelgenheiten ergänzen, die den vielen Menschen, die an einer chronischen Bronchitis leiden, sehr wirksam helfen. Dies ist umso mehr notwendig, als die chronische Bronchitis zu den häufigsten Anlässen der vorübergehenden Arbeitsunfähigkeit bzw. der vorzeitigen Invalidität zählt. Die symptomatischen Behandlungen konzentrieren sich auf den Husten und das noch mehr belastende Merkmal, die Dyspnoe. Der Husten wird reflektorisch an den Schleimhäuten der Luftwege ausgelöst. Die entzündliche Schleimhautschwellung und die starke Schleimproduktion führen zum Hustenreiz. Die Reizempfindlichkeit nimmt mit der Tiefe der Luftwege ab. Die feinsten Bronchien sind nur noch wenig hustenempfindlich. Deshalb kann es angezeigt sein, auch ohne bestehenden Hustenreiz, ein leichtes Abhusten zu provozieren, damit gestautes Se-

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kret sich löst, das sonst feinere Bronchien verschließt und Atelektasen zur Folge hat. Inhalationen und Atemgymnastik verhindern dies. Anstrengender Husten kann bedenkliche Folgen haben. Jedem Hustenstoß geht eine erhebliche intrathorakale Druckerhöhung voraus, die sich erst löst, wenn der ansteigende Druck plötzlich den Glottisverschluß sprengt. Die Druckerhöhung wirkt sich ungünstig auf die Alveolarräume aus. Jeder Hustenstoß überdehnt sie und erhöht die hier ohnehin gegebene Gefahr eines sich ausdehnenden Lungenemphysems. Die Dyspnoe ist das Resultat der obstruktiv verengten Atemwege durch entzündlich geschwollene Schleimhäute. Gestautes Sekret engt die Lumina noch mehr ein. Die Folge ist eine Hypoventilation der tieferen Alveolenbereiche, der Gasaustausch wird unzureichend. Die Behandlungsbemühungen streben ein Abschwellen der Schleimhaut und eine Verflüssigung des Sekrets an, damit der Patient unangestrengt abhusten kann. Als Medikament gibt man bei trockenem Husten z.B. Kaliumjodat. 0,l-0,3%ig (3mal täglich ein Eßlöffel) oder Natriumjodat 10,0/200 (3mal täglich ein Eßlöffel) oder inhalierbare Sekretlolytika. Starke Sekretbildung erhöht die Obstruktion und führt leicht zur Blockade von Bronchialabschnitten mit der gefürchteten Ventilwirkung. Der exspiratorische Atemwiderstand steigt an (meßbar an einer geringeren Ein-Sekundenkapazität), das maximale Atemvolumen sowie der Atemgrenzwert (S.218) nehmen ab. Inhalationen: Gestautes Sekret hustet sich umso leichter ab, je flüssiger es ist. Die Inhalation oberflächenaktiver Sekretolytika ist neben oral wirksamen Medikamenten dieser Art unentbehrlich. Bevor man sekretolytisch effektive Substanzen inhalieren läßt, gibt man bei bronchospastischer Symptomatik häufig ein bronchusdilatierendes Medikament. Dazu eignen sich die Katecholaminabkömmlinge, die Anticholinergika und die Theophylline, die als „Dosieraerosol" erhältlich sind (S.441). Eine antibakterielle Therapie mit Antibiotika in Form der Aerosole tritt, trotz der allgemein guten peroralen Wirksamkeit dieser Medikamente, zurück gegenüber den unentbehrlichen Inhalationen mit sekretolytisch und bronchusdilatierenden Substanzen. Einige Antibiotika, das Tyrothricin, das als Tyrosolvin ein anionisch aktives Detergens (S. 436) enthält, oder das Neomycin in Kombination mit Bacitracin werden besser als Aerosol inhaliert, weil sie per os eine niedrigere Resorptionsrate, dagegen aber eine hohe allgemeine Toxizität haben. Bei stärkerer Obstruktion empfiehlt es sich gelegentlich, dem erhöhten Strömungswiderstand in den Atemwegen mit einem apparativ verstärkten Inspirationsdruck zu begegnen, damit das Aerosol besser in tiefere Luftwege vordringt. Das Verfahren ist aber umstritten, weil mit dem Überdruck die ohnehin schon gut belüfteten Lungenpartien am besten versorgt werden, was für die poststenotischen Anteile nicht unbedingt zutrifft. Entschließt man sich aber zur maschinellen Beatmung, dann geschieht dies am besten mit einer intermittierenden, einphasigen Überdruckinspiration (S. 432). Die Exspiration erfolgt dabei passiv mit den elasti-

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sehen Kräften des Thorax und der Lungen (S.201) gegen den Widerstand in den Atemwegen. Mit bestimmten Geräten kann außer dem intermittierend positiven Druck auch alternierend ein positiv-negativer Druck eingestellt und damit auch die Exspiration unterstützt werden (S. 432). In schweren Fällen ist eine Inhalation von Sauerstoff als intermittierende Sauerstoff-Druckbeatmung indiziert, wenn die Sauerstoffabsorption des Blutes aufgrund einer akuten respiratorischen Insuffizienz so absinkt, daß sie das Gewebe nicht mehr ausreichend versorgt. Die Beatmung mit reinem Sauerstoff unter Überdruck (hyperbare Oxygenation) kann aber eine Sauerstoffvergiftung zur Folge haben. Krankengymnastik: Die krankengymnastischen Verordnungen richten sich danach aus, ob eine obstruktive oder eine nicht obstruktive Form der chronischen Bronchitis vorliegt. Bei der nicht obstruktiven Bronchitis, die häufig rezidiviert, fehlt — wie bei der akuten Bronchitis — die Dyspnoe, weil bei den meist nur in den größeren Bronchien lokalisierten Entzündungsprozessen die Einengung im Verhältnis zum Gesamtquerschnitt der Bronchien nur gering ist. Die nicht obstruktive Form hat deshalb kaum Rückwirkungen auf Diffusion und Perfusion und damit auch keine Folgen für das Herz. Ihre krankengymnastische Behandlung sorgt lediglich für eine gute Ventilation und hilft gegebenenfalls beim Abhusten. Heilt die nicht obstruktive Bronchitis nicht aus, dann geht sie bald in die chronisch-obstruktive Form über. Das Ziel der symptomatischen Behandlungen ist, dies zu verhindern, wobei diese Absicht gleichzeitig kurativen und präventiven Charakter hat. Bei der obstruktiven Form ist aufgrund der Dyspnoe die Inspiration überhöht, d.h. die Atemmittellage (S.214) und damit die ganze Inspirationsbewegung ist nach oben verschoben. Der Kranke atmet unbewußt verstärkt ein, er zieht die erschwert einströmende Luft mit deutlicher Anstrengung ein, um damit zwingend den erhöhten inspiratorischen Strömungswiderstand zu überwinden. Die überhöhte Inspiration dehnt verstärkt die elastischen Anteile in Thorax und Lunge. Dies bedeutet einen Gewinn an kinetischer Energie für die Exspiration, die auch hier überwiegend passiv erfolgt (S. 203). Die überhöhte Inspirationsstellung, die man auch im Asthmaanfall und beim chronischen Emphysem vorfindet, ist damit zunächst als ein Kompensationsgeschehen zu verstehen, das durch die therapeutischen Bemühungen nicht unbedingt gestört werden sollte. Erst wenn dieser Vorgang zu einem pathogenetischen Faktor wird, indem bei anhaltender Verschiebung der Atemmittellage zur Inspiration hin die elastischen Gegenkräfte erlahmen, ist der erste Schritt zum Lungenemphysem getan; die vorbeugende Atemgymnastik verhindert dies. Atemtherapeutisch stellen sich bei der chronischen obstruktiven Bronchitis folgende Aufgaben (vgl. Atemgymnastik beim chronischen Lungenemphysem (S.208): Der erhöhte Strömungswiderstand erfordert eine kompensatorische Vergrößerung des Inspirationsausmaßes, damit sich mit jedem Atemzug eine ausreichende Retraktionskraft für die Exspiration entwickelt. Die Krankengymnastin

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achtet aber besonders darauf, daß die elastischen Teile inspiratorisch nicht überdehnt und exspiratorisch voll ausgenutzt werden. Sie unterstützt die Exspiration und versucht die Atemmittellage zu senken, jedoch nur so weit, daß der genannte kompensatorische Vorgang mit passiver Exspiration noch effektiv bleibt. Ein geschultes Auge erkennt dies bald am exspiratorischen Bewegungsausmaß. Der erhöhte Atemwiderstand erregt mehr als gewöhnlich die Muskelspindeln in den Atemmuskeln [647]. Der normale Atemantrieb wird damit nerval und über die Regelungsvorgänge der Muskelfunktion erheblich vermehrt. Dies erhält den Gasaustausch trotz der mechanischen Atembehinderung aufrecht. Meist entspannt sich bald die Atemmuskulatur aber nicht mehr ausreichend, sie wird hyperton und verliert an Geschmeidigkeit. Dies hemmt die an sich schon aus der Spur geratene Exspiration noch zusätzlich. Die Übungsbehandlungen, die besonders die Exspiration fördern sollen, müssen deshalb entspannende Maßnahmen für die Atemmuskeln mit einbeziehen und insbesondere auch die Atemhilfsmuskeln lockern, die den Thorax sonst in Inspirationsstellung fixieren und damit ebenfalls daran hindern, in die für eine ausreichende Ventilation notwendige Exspirationsstellung herabzusinken. Der physiologische Synergismus zwischen Thoraxwand und Zwerchfellbewegung, der mit der unteren Flankenatmung (S.213) das Zwerchfell nach unten führt, wird bei stärkerer Überblähung gestört. Es kommt zu einem pathologischen Zwerchfell-Thoraxwand-Antagonismus. Die Inspektion läßt dieses wichtige klinische Zeichen leicht erkennen. Damit wird die Lunge noch schlechter belüftet, die Totraumventilation steigt relativ noch weiter an (vgl. Pendelatmung, S.208), da weite Alveolargebiete bei fehlender Flankenatmung sich nicht ausdehnen. Den verlorengegangenen physiologischen Synergismus zwischen Flankenbewegung des Thorax und dem Zwerchfell wieder einzuüben, ist eine schwierige, aber doch lösbare krankengymnastische Aufgabe (vgl. Technik dieser Behandlung, S. 209). Unterstützende Maßnahmen, mit denen die Kranken leichter abhusten, sind bei den Behandlungsvorschlägen zur akuten Bronchitis (S.617) angegeben. Auch Lagerungsdrainagen, unterstützt durch Vibrationen und Klopfmassagen, wie sie für die Behandlung der Bronchiektasen geschildert werden (S. 630), sind bei großen Sputummengen indiziert. Hydro- und Thermotherapie: Die hydro- und thermotherapeutischen Verordnungen, die auch bei der chronischen Bronchitis einige Symptome lindern, entsprechen den Empfehlungen, die zur akuten Bronchitis gegeben wurden. Sie müssen lediglich dem Zustand des Kranken gemäß modifiziert werden. Elektrotherapeutisch greift die Hochfrequenzwärme direkt an den Bronchien an; es gilt das gleiche wie für die akute Bronchitis. Bei lockerem Husten und guter Expektoration entleert sich wie bei Bronchiektasen auch bei der chronischen Bronchitis unter Serien von Durchflutungen von Mal zu Mal weniger Sputum. Dies ist eine Folge der Hemmung der entzündlichen Vorgänge auf der Bronchialschleimhaut [582].

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Klimatherapie: Jeder Kranke mit einer chronischen Bronchitis fühlt sich in einem geeigneten Klima bald wohler. Das Leiden nimmt einen erträglicheren, zumindest stationären Verlauf (vgl. die Atmung im Heilklima, S.580). Die Kurorte werden nach Reizintensität (S. 594) und vorhandenen Therapieeinrichtungen ausgewählt. Sind Inhalatorien am Ort, auch geschützte Liegehallen und ebene Gehwege vorhanden, die es erlauben, die klimatischen Reizfaktoren dosiert zu gestalten, und behandeln auch speziell erfahrene Ärzte, die das Klima durch auswählende und dosierende Verordnungen erst zu einer therapeutisch nutzbaren Heilkraft machen (S. 596), dann bessert sich das Befinden der Kranken in der Regel sehr bald. Ob der Kranke ein See- oder Gebirgsklima aufsucht, ist unerheblich, weil sowohl im Meeresküstenklima als auch in Höhenlagen die reine, staub- und allergenarme Luft sowie nächtliche Abkühlung und dosierbare Sonneneinstrahlungen als heilsame Faktoren vorhanden sind. Bei der Wahl des Kurortes sollten aber die subjektiven Wünsche des Kranken mitberücksichtigt werden. Die Klimakuren sollten eine Dauer von mindestens sechs Wochen haben und aufgrund der Chronizität des Leidens auch regelmäßig wiederholt werden. Der Aufwand lohnt sich, weil die chronische Bronchitis ohne intensive Behandlung fast immer zu Frühinvalidität führt. Vorbeugende Maßnahmen (D) Die unter B genannten symptomatischen Behandlungen haben neben ihren zusätzlich unspezifischen, resistenzsteigernden Wirkungen auch noch vorbeugenden Charakter. Dies gilt ganz besonders für die Klimatherapie, deren Ergebnisse durch hydrotherapeutische Maßnahmen schon während der Kur oder nach Rückkehr aus dem Kurort noch verbessert werden können (vgl. Abhärtung, S.612). Sehr häufig ist die chronische Bronchitis eine Folge rezidivierender, akuter Bronchialentzündungen, aus denen sich langsam die chronische Form entwickelt. Die sehr intensive Behandlung jeder Bronchitis ist deshalb zugleich die wichtigste vorbeugende Maßnahme, selbst dann, wenn sie als akute Bronchitis nur wenig Beschwerden macht, weil die Krankheit, heilt sie nicht restlos aus, zu einer anhaltenden Gefahr für die Gesundheit des älter werdenden Menschen wird.

2.3.3 Mukoviszidose (Zystische Fibrose) Übersicht über die Behandlungsvorschläge Kausale Therapie (A) Eine ursächliche Behandlung gibt es nicht. Komplizierende Infektionen der Atemwege erfordern eine antibiotische Behandlung, mit der die lebensgefährdende purulente Bronchitis ursächlich ausgeschaltet wird

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Symptomatisch-gezielte Behandlungen (B) Medikamentös: Substitution von Pankreasfermenten, diätetisch fettarme, eiweißreiche Diät Physikalisch-therapeutisch: Inhalationen: Ziel ist eine Sekretolyse. Feuchtinhalationen mit keimfreier physiologischer Kochsalzlösung und mit Solen; N-Azetylzystein, Bromhexin, ggf. Bronchospasmolytika; staphylokokkenwirksame Antibiotika Krankengymnastik: Ziel sind Hilfen zur Sekretlockerung und zum Abhusten. Vibrationen, Klopfungen, Hängelagen Hydrotherapie: Die aus zu großer Schonung herrührende „Verweichlichung" erfordert eine sehr vorsichtige Abhärtung bei strenger Indikationsstellung Allgemein-unspezifische (C) und vorbeugende (D) Maßnahmen Wie bei chronischer Bronchitis- als Heilklima werden die Meeresküsten bevorzugt wegen ihres salzhaltigen Aerosols Erläuterungen zu A bis D Kausale Therapie (A) Da es sich bei der Mukoviszidose um ein angeborenes, schon bei der Geburt manifestes, autosomal (nicht geschlechtsbestimmend) rezessiv überdeckbar ererbtes Leiden handelt, ist eine kausale Therapie nicht möglich. Die Krankheit ist nicht selten. In Mitteleuropa sind von 100 Menschen etwa vier heterozygote gesunde Anlageträger (ungleiche Erbanlagen, bei der das gesunde Partnergen dominiert). Auf 1500 bis 2000 Neugeborene kommt ein homozygotes, also krankes Kind, weil von beiden Eltern ein krankes Gen vererbt wurde. Das Krankheitsbild ist durch eine extrem hohe Viskosität des Sekretes der mukösen Drüsen, der Schleimdrüsen des Bronchialbaumes, des Pankreas (zystische Fibrose), der Leber und des Dünndarmes, geprägt. Die Ausführungsgänge der Schleimdrüsen sind unter der hohen Viskosität oft verlegt, und die Luftwege in der Lunge werden von dem vielen Schleim stark eingeengt, zum Teil verschlossen. Daraus resultiert das Bild einer schweren obstruktiven, eitrigen Bronchitis bzw. eines obstruktiven Emphysems. Lobäre und segmentäre Atelektasen und Bronchiektasen sind die schwerwiegenden Folgen, die Atmung wird bald insuffizient, eine pulmonale Hypertonie mit Rechtsherzinsuffizienz ist die Folge. Aus dieser Symptomatik ergeben sich die Behandlungsaufgaben. Die physikalische Therapie sollte sehr bald nach der Geburt beginnen, um irreparable Destruktionen der Lunge und damit eine kardiale Komplikation möglichst zu verhindern. Die frühzeitige Erkennung durch Screening-Tests ist deshalb äußerst wichtig.

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Symptomatisch-gezielte Behandlungen (B) Mit den symptomatischen Behandlungen der pulmonalen Krankheitserscheinungen wie auch der intestinalen Störungen gelingt es, einem großen Teil der Kinder (ca. 75%), die bis vor etwa 30 Jahren der Krankheit fast alle schon im ersten Lebensjahr erlagen, einen befriedigendem Zustand bis in das Erwachsenenalter zu erhalten. Dies erfordert aber eine lebenslange Fortführung der Behandlungen. Die Kinder bleiben in ihrem kurzen Leben immer „Sorgenkinder". Verschiedene Behandlungsprinzipien symptomatischer Art erhalten gemeinsam das Leben der Kranken: der Arzt substituiert die fehlenden Pankreasfermente, verordnet diätetische Schonung durch fettarme Diät, gemeinsam mit der Krankengymnastin verhindert bzw. verzögert er die Lungenkomplikationen. Im Vordergrund der täglichen Behandlungen stehen die Verflüssigung des Sekrets, Hilfen zur Expektoration des Sekretes durch Abhusten und eine gleichmäßige Belüftung aller Lungenabschnitte. Dazu kommt die Bekämpfung und Verhütung lokaler und allgemeiner Infektionen und die Pflege der allgemeinen Abwehrkraft. Inhalationen: Gute Möglichkeiten bietet hier die Inhalationstherapie. Früher wurden die Kinder in ein Nebelzelt gelegt, in dem während der Nacht ca. 21 abgekochtes, destilliertes Wasser mit einem Ultraschallgerät vernebelt wurden. Das aufwendige Verfahren scheint sich nicht bewährt zu haben. An mukolytischen Substanzen eignen sich neben intermittierenden Inhalationen mit Sole (0,5-3%ig) besonders das N-Azetylzystein, auch das Bromhexin (S.435). Bei Kindern verwendet man davon besser nur 10%ige Lösungen, weil es bei höherer Konzentration leicht zu Irritation der Bronchialschleimhaut kommt [617]. Man kombiniert auch sinnvoll mit einem Bronchospasmolytikum (S. 439), damit die Sekretolytika leichter in die tieferen Atemwege gelangen. Täglich muß inhaliert werden, nicht selten sogar 2-3 mal. Antibiotika bewähren sich hier, wenn die Bronchialschleimhaut infiziert ist, als Aerosol. Gleichzeitig gibt man sie aber auch oral. Vor allem sind staphylokokkenwirksame Antibiotika entsprechend der meist vorhandenen Besiedlung mit Staphylococcus aureus und Pseudomonas aeruginosa (Pyozyaneus) angezeigt, deren Toxine das Lungengewebe schwer schädigen. Bei der Vernebelung der Antibiotika gelten die Regeln, die für die lokale Aerosoltherapie erörtert wurden (S.437). Die Antibiotikagabe muß genügend lang, drei bis vier Wochen, beibehalten werden. In manchen Fällen ist eine Dauertherapie erforderlich, weil sonst immer wieder Rezidive entstehen. Krankengymnastik: Die Krankengymnastik hat folgende Aufgaben und Ziele: Mit ihrer Hilfe sollen die Kinder leicht und mühelos das reichliche, durch Inhalation verflüssigte Sputum entleeren können. Dabei wird auch die ganze Lunge gut belüftet. Dies hat eine lebenserhaltene Bedeutung. Unter Klopfmassagen und Vibrationstechniken (S. 224) husten die Kinder das Sekret gut ab. Ganz wichtig sind die Lagerungen, wie sie für die Bronchiektasenbehandlung entwickelt wurden (S. 225,632). Sie müssen alle Lungenteile nacheinander zur höchsten Stelle der Körperhaltung machen, sonst fließt nicht alles Sekret heraus.

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Auch die Hilfen zum Abhusten, die bei der Bronchitis (S.619) erläutert wurden, sind hier angezeigt. Gutes Abhusten, gegebenenfalls, indem man den Hustenreiz provoziert (S.225), ist unentbehrlich, damit das so reichliche Sputum aus den Atemwegen herauskommt. Selten gelingt dies ohne krankengymnastische Hilfe. In der Regel ist es unerläßlich, daß die Mütter der kranken Kinder die krankengymnastischen Techniken erlernen, weil derartige Maßnahmen ihren Zweck nur erfüllen, wenn sie mehrmals täglich vorgenommen werden; in vielen Fällen das ganze Leben lang. Hydrotherapie: Mit hydrotherapeutischen Maßnahmen wird man sehr vorsichtig sein, weil die Kinder besonders anfällig sind. Andererseits sollten sie aber nicht „verweichlichen". In Phasen relativ guten Befindens kann den Kindern mit milder Hydrotherapie ein gewisser Schutz gegen eine zu große Anfälligkeit nach dem Muster vermittelt werden, das für Abhärtungsbehandlungen beschrieben wurde (S.618). Allgemein-unspezifisch (C) und vorbeugend (D) wirken auch die bei der chronischen Bronchitis empfohlenen Maßnahmen Die Klimatherapie dient einem allgemein kräftigenden und resistenzsteigernden Ziel. Alle Kriterien, die für die chronische Bronchitis gelten, finden auch hier ihre Begründungen. Der Aufenthalt an der Meeresküste ist für die Sekretolyse besonders günstig. Natürlich müssen dabei alle anderen Behandlungen weitergeführt werden.

2.3.4 Bronchiektasen Übersicht über die Behandlungsvorschläge Kausale Therapie (A) Ggf. operative Resektion. Infektionen der Bronchialwege erfordern zeitweise oder dauernd antibiotische Ausschaltung Symptomatisch-gezielte Behandlungen (B) Medikamentös: Wie bei chronisch infizierter Bronchitis Physikalisch-therapeutisch: Inhalationen: Sekretolytika; ggf. Antibiotika zusätzlich zur oralen Gabe Krankengymnastik: Ziel ist die Entleerung des Sputums. Lagerungsdrainage, Hilfen zum Abhusten. Bindegewebsmassagen zur Hyperämisierung der Atemschleimhäute. Klassische Massagen zur Lockerung der Atemmuskeln; ggf. Dehnlagerungen für schlecht ventilierte Lungenteile

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Hydrotherapie: In akuten Schüben Abwaschungen, Wickel und Packungen Elektrotherapie: Durchflutungen des Thorax mit dem Ziel einer besseren Durchblutung der Bronchialschleimhäute Allgemein-unspezifische Behandlungen (C) Klimatherapie und Hydrotherapie (Kneipp) zur Förderung der individuellen Abwehrleistung Vorbeugende Maßnahmen (D) Der Verhütung von Komplikationen dienen auch alle symptomatischen Behandlungen Erläuterungen zu A bis D Kausale Therapie (A) Bei den chronisch-bronchitischen Syndromen verschlechtert sich im Lauf der Zeit in den Endabschnitten des Bronchialbaumes die elastische Struktur der Bronchialwände. Dies führt zu bleibenden Erweiterungen von Bronchialästen und zu Bronchiektasen. Sind infizierte Bronchiektasen entstanden, dann ist eine besonders intensive antibiotische Behandlung unerläßlich, unter Umständen als Langzeit- oder Dauertherapie, da sonst immer wieder Rezidive aufkommen. Die antibiotische Vernichtung der Erreger schaltet ursächlich die eitrigen Infekte aus und verhütet damit auch eine metastatische Keimverschleppung. Zur gezielten Behandlung wird ein Antibiogramm benötigt, weil sehr verschiedenartige Erreger vorhanden sind. Treten bei der oralen Dauermedikation akute Infektionsschübe mit Fieber auf oder ergab das Antibiogramm die Notwendigkeit, das Medikament zu wechseln, dann ist es ratsam, das Antibiotikum jeweils für einige Tage im Anschluß an eine Entleerung des Eiters zusätzlich noch durch Inhalation über die Atemwege zu geben. Sekundär entstehen Bronchiektasen aufgrund von Zugwirkungen an den Bronchialwänden. Schrumpfende Veränderungen des Lungengewebes im Verlauf einer vernarbenden Lungentuberkulose oder bei Pneumonokoniosen überdehnen die Bronchialwände. Auch in der Umgebung von beständigen Atelektasen, bei Pleuraschwarten, Thoraxdeformierungen und dergleichen kommt dies vor. Eine chirurgische Resektion ist dann angezeigt, wenn die Bronchiektasen auf einige wenige Lungensegmente oder einen Lappen beschränkt sind. Oft aber finden sie sich in beiden Lungen, z. B. bei lange bestehendem, chronisch-bronchitischem Syndrom in beiden Unterlappen oder bei einer anlagebedingten Erkrankung in der ganzen Lunge. Hier sind nur symptomatische Behandlungen möglich. Nach der Resektion sind stets krankengymnastische Behandlungen notwendig (S. 667). Symptomatisch-gezielte (B) und allgemein-unspezifische (C) Behandlungen Das augenfälligste Symptom bei Bronchiektasen ist der meist lockere Husten mit

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viel Auswurf. Der Auswurf kann bei weiträumigen Bronchiektasen bis zu einem Liter pro Tag und mehr betragen; das Sammelsputum setzt sich dreischichtig ab. Diese großen Sputummengen müssen regelmäßig vollständig entleert werden, weil es sonst bei Sekretstauungen zu bronchopneumonischen oder anderen Komplikationen kommt, die lebensbedrohlich werden können. Die symptomatischen Behandlungen dienen daher der weiteren Lockerung und Verflüssigung des Sekretes, besonders aber der Expektoration. Inhalationen: Zur Sekrelotyse werden 3%ige Solen oder das noch wirksamere Mittel N-Azetylzystein bzw. ähnliche Pharmaka (S.435) verwendet (vgl. Antibiotika, S. 437). Krankengymnastik: Die Atem-Brustkorbgymnastik hat als symptomatisch-gezielte Behandlung eine wichtige Aufgabe. Gut und möglichst vollständig entleeren die Kranken das Sputum nur bei entsprechender Lagerung („Quinckesche Hängelage"). Je nach der Lokalisation und der Thoraxhälfte bedarf es verschiedener Lagen, in denen der Oberkörper eine Zeitlang auf dem Bauch oder der Seite liegt, bzw. in der Horizontalen oder mit leicht abfallendem Neigungswinkel verharrt. Die Krankengymnastin beachtet bei der Auswahl der Lagen die Notwendigkeit, ein Gefälle zwischen den Bronchiektasen und der Trachea herbeizuführen (vgl. krankengymnastische Hilfen zur Befreiung der Atemwege, S. 224). Es ist Aufgabe der Krankengymnastin, den Kranken die jeweils notwendigen Lagerungen sorgfältig beizubringen, denn für diese ist es lebenswichtig, daß sie ohne Hilfe, zweimal täglich (morgens und abends für ca. 10-20 Minuten), diese „Bronchialtoilette" betreiben. Das Sekret wird mit willkürlichem Husten entleert. Gegebenenfalls muß eine Krankengymnastin mit Vibrationen, Klopfungen und Erschütterungen (S.97), mit sakkadierendem Ein- und Ausatmen (S. 225) oder gelegentlich auch einmal durch Hustenreizprovokation (S. 225) wirksam nachhelfen. Gehen einzelne Abschnitte des Brustkorbes bei den Atembewegungen nicht richtig mit, dann sind gewisse Dehnlagerungen, ähnlich wie bei verschwartenden Pleuritiden (S.671), angezeigt, mit denen sich, synchron zur In- oder Exspiration, die entsprechenden Anteile ausweiten oder zusammenziehen. Lockernde Massagen unterstützen diese Bemühungen. Den Bindegewebsmassagen wird ein hyperämisierender Effekt an den Bronchien zugeschrieben. Die krankengymnastische Betreuung der Bronchiektatiker ist eine Daueraufgabe. Hydrotherapie: Auch die hydrotherapeutischen Anwendungen dienen gleichfalls über einen hyperämisierenden Effekt der Lockerung des Sekretes. Wickel nach Art des „Prießnitz" haben erfahrungsgemäß eine deutlich länger anhaltende Tiefenwirkung. Waschungen des Oberkörpers empfinden die fiebernden Kranken als sehr angenehm; sie regen dazu an, sehr tief zu atmen und wirken damit hypostatischen Stauungen entgegen. Die Verordnungen der „kleinen Hydrotherapie", fein dosiert abgestuft und langsam ansteigend gegeben, tragen dazu bei, die körpereigenen Abwehrkräfte zu unterstützen.

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Elektrotherapie: Die Durchflutungen des Thorax mit Hochfrequenzströmen werden wie bei den Bronchitiden dosiert. Sie wirken hyperämisierend und lockern damit ebenfalls das Sekret. Die Sputummenge wird erfahrungsgemäß zunächst größer, nimmt dann aber wieder ab als Ausdruck der antiphlogistischen Wirkung des Wärmeeffektes. Von Zeit zu Zeit empfiehlt sich deshalb die Hochfrequenzwärme. Klimatherapie: Eine Klimatherapie ist bei dem chronischen Verlauf des Leidens unentbehrlich. Wie beim chronisch-bronchitischen Syndrom sind auch hier die besonderen Behandlungseinrichtungen, die einen Klimakurort zur Behandlung von Krankheiten der Atemwege auszeichnen, eine Voraussetzung guter Kurerfolge. Die Auswahl des Kurortes nach Reizcharakter richtet sich nach der Empfindlichkeit des Kranken. Gute Möglichkeiten bieten, da die chronisch Kranken empfindlich sind, die reizschwachen, waldreichen Mittelgebirge wie auch ein mildes Seeklima. Vorbeugende Maßnahmen (D) Vorbeugend wirken alle bisher gegebenen Empfehlungen, da sie, schlagen sie gut an, die gefürchteten Komplikationen wie obstruktive Ventilationsstörungen, Bronchopneumonien durch Sekretstau, metastatische Verschleppung von Erregern, Abszedierungen, septische Zustände und auch die Amyloidose zu verhüten vermögen. Die Kranken mit Bronchiektasen bedürfen deshalb einer ständigen Behandlung, die teils von ihnen selbst (Hängelage) oder von medizinischen Assistenzkräften ausgeführt werden. Bleibende und regelmäßige ärztliche Überwachung ist dabei selbstverständlich.

2.3.5 Asthma bronchiale Übersicht über die Behandlungsvorschläge Kausale Therapie (A) Bei Kontaktasthma Ausschaltung der Allergene, Desensibilisierung, VakzineTherapie, ggf. Bekämpfung bakterieller Erreger Symptomatisch-gezielte Behandlungen (B) Medikamentös: Spasmolytika, Sekretolytika; nur in Sonderfällen Steroide Physikalisch-therapeutisch: Inhalationen: Bronchospasmolyse durch beta-adrenerge Substanzen oder Anticholinergika. Zur Sekretolyse und zum Abschwellen der Bronchialschleimhaut verschiedene Pharmaka oder Solen. Während eines Anfalls spasmenlösende

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„Dosieraerosole". Ein lokal wirkendes Steroid Beclometasondiproprionat. Ein Allergikum Dinatrium chromoglicium Krankengymnastik: Korrektur der Fehlhaltung des Thorax. Lockerung der Atembewegungen, Spasmolyse. Erleichterung der Expiration und der Expektoration. Atemschulung zur Abwendung drohender Anfälle Mechanotherapie: Bindegewebsmassage Hydrotherapie: Sekretlockernde Wickel, heiße Senfwickel, Halbbäder mit Rükkenguß, Inhalationsbäder, „ableitende" aufsteigende Arm- und Fußbäder Elektrotherapie: Durchflutungen des Brustkorbes wie bei der chronischen Bronchitis Allgemein-unspezifische (C) und vorbeugende Maßnahmen (D) „Umstimmende" Hydro-, Thermo- und Bädertherapie. Reizbestrahlung mit Ultraviolett. Klimatische Ausschaltung von Allergenen, Behandlung der Begleitbronchitis. Spezielle, kombinierte Behandlung in Asthmakurorten. Künstliches Klima in Klimakammern Erläuterungen zu A bis D Kausale Therapie (A) Ob man das Asthma bronchiale als selbständige Krankheit oder als einheitliches, aber aus sehr verschiedenen Wurzeln entspringendes Symptom auffaßt, ist eine Frage der Definition. Sind Ursachen erkennbar, z.B. eine Überempfindlichkeit des Bronchialsystems gegen äußere Kräfte beim sogenannten Kontaktasthma (auch exogenes oder Extrinsic-Asthma genannt), werden Behandlungen mit dem Zweck der Ausschaltung angestrebt. Die ätiologischen Faktoren des exogenen, allergischen Asthma bronchiale sind Inhalationsallergene, oder Milch, Eier, Fischeiweiß oder andere pflanzliche oder organische Stoffe. Solche Allergene aufzuspüren und auszuschalten, ist relativ leicht. Liegt eine solche Überempfindlichkeit vor, die meist schon bei jungen Menschen erkennbar ist, dann ist die Prognose bedingt günstig. Von den Lebensumständen des Einzelnen ist es abhängig, ob sich die Ursachen des chemisch-physikalisch-irritativen Asthma bronchiale, z. B. die Abgase, Kohlen- und andere Staubarten, Kaltluft, Nebel (S. 559) und dergleichen, ausschalten lassen. Können die genannten Allergene nicht gemieden werden, weil sie allgegenwärtig sind, dann hat, wenn es frühzeitig geschieht, die Desensibilisierung einige Erfolgsaussichten. Sind es Erreger, die die Krankheit unterhalten, liegt also ein Asthma bronchiale infectiosum (auch endogenes oder Intrinsic-Asthma genannt) vor, dann ist der Kranke gegen die im eigenen Organismus lebenden, nicht unbedingt pathogenen

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Erreger sensibilisiert (endogene Allergene). Meist sind solche Erreger, die eine chronische Bronchitis unterhalten, Viren oder Bakterien. In manchen Fällen können sie antibiotisch bekämpft, zuweilen auch ausgeschaltet werden. Sind sie lokalisiert umgrenzt angesiedelt und zugänglich, z. B. als chronische Sinusitis, selten bei der Tonsillitis, eher noch bei vereinzelten Bronchiektasen, dann kommt auch eine operative Entfernung in Frage. In den meisten Fällen sind aber die endogenen, auslösenden Urheber nicht zu identifizieren. Die Ätiologie des Intrinsic-Asthma bleibt also unklar. Auch nicht materielle, psychische Momente stellen oft eine wesentliche Mitursache dar; sie aufzudecken, erfordert spezielle Erfahrung. Manches mutmaßliche endogene Allergen läßt sich zwar bestimmen, aber nicht beseitigen. Hier bringt eine Vakzinetherapie mit handelsüblichen Mischvakzinen oder mit frisch zubereiteter Autovakzine gelegentlich Erfolge. Die Verfahren sind in der Praxis recht schwierig anzuwenden und nicht ohne Probleme. Nur große Erfahrung und Spezialkenntnisse führen zum Erfolg. Die Mehrheit der chronischen Asthmatiker erleidet Komplikationen. Langsam entsteht eine chronisch-deformierende Bronchitis, die Schleimhaut schrumpft, es bilden sich Taschen in den Atemwegen. Dabei verkümmert auch das Flimmerepithel und das Sekret bleibt liegen. Schließlich bilden sich Bronchiektasen oder ein chronisch-substantielles Emphysem mit allen Folgen dieser Leiden, die zu einem dauernden Sichtum führen. Hier haben die symptomatischen Behandlungen nicht nur die Aufgabe, die zahlreichen Beschwerden zu lindern, ebenso wichtig ist ihr präventiver Charakter, indem sie verhindern, daß das Leiden in der genannten Weise fortschreitet und Komplikationen entstehen. Symptomatisch-gezielte Behandlungen (B) Die symptomatische Therapie gilt in erster Linie der Dyspnoe. Das Asthma bronchiale ist charakterisiert durch Ventilationsstörungen, die anfallsweise auftreten und als funktionelle Obstruktionen im Bronchialsystem reversibel sind. Die Obstruktion der Bronchien und Bronchiolen kommen zustande durch Spasmen in der glatten Bronchialmuskulatur, ödematöse, entzündlich hyperergische Schwellung der Bronchialschleimhaut und durch überreichliche Schleimbildung. Der Schleim hat eine zähe Konsistenz mit hoher Viskosität. Bronchospastik, entzündliches Ödem und Hyper- oder Dyskrinie (S. 434) sprechen gut auf Medikamente an, die in großer Zahl zur Verfügung stehen. Sie werden per os, gelegentlich parenteral gegeben und — beim Asthma bronchiale unentbehrlich — als Inhalation verabreicht. Inhalationen: Der Aerosoltherapie stehen Spasmolytika, Sekretolytika und andere Spezifika zur Verfügung, deren Effekt darin besteht, daß die entzündlich aufgequollene Schleimhaut abschwillt. Die Spasmolyse wurde schon bei der Inhalationsbehandlung der chronisch-obstruktiven Bronchitis kurz dargestellt (S.439,624). Als Bronchodilatatoren werden beim Asthma bronchiale Theophyllin-Derivate, Sympathikomimetika, Anticho-

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linergika und die nur mittelbar dilatierend wirkende Cromoglizinsäure (S. 439), sowie schließlich Kortiosteroide in dieser Reihenfolge verwendet. Einzelheiten zu diesen Pharmaka sind im Kapitel „Aerosoltherapie" (S. 434) enthalten. Asthmaanfälle sind mit Hilfe der als „Dosieraerosol" (S.441) zur Verfügung stehenden adrenergenen Substanzen vermeidbar oder werden schnell kupiert, wenn sie frühzeitig, d.h. bei den ersten Anzeichen eines nahenden Anfalles inhaliert werden. Hier muß ganz besonders darauf hingewiesen werden, wie wichtig gerade beim Asthmatiker genaue Anweisungen zum Gebrauch der Dosieraerosole sind. Im Status asthmaticus, der durch eine extrem schwere, über lange Zeit (Tage) anhaltende, scheinbar therapieresistente Symptomatik gekennzeichnet ist, besteht die Gefahr der Überdosierung durch den Patienten selbst, der viel zu oft nach dieser bewährten Hilfe greift. Klare ärztliche Anweisungen verhüten dies. Bringen die höchstens zulässigen, zwei bis drei Inhalationsschübe keinen Erfolg, dann sind wahrscheinlich größere Abschnitte des Bronchialbaumes durch zähe Schleimpfröpfe verlegt. Gelegentlich kommt es unter Überdosierung auch zu paradoxen, also bronchokostriktorischen Effekten. Bei nicht zufriedenstellendem Ergebnis der Inhalationen bringt nicht selten die Krankengymnastin mit ihren entkrampfenden Ventilationsübungen eine Wende zum Besseren, zumal wenn es damit gelingt, alle Lungenabschnitte zu ventilieren. Die Sekretolyse wurde schon bei der Schilderung der chronischen Bronchitis und der Bronchiektasen dargestellt (S. 624, 632). Auch beim Asthma bronchiale, sowohl im leichten Status als auch in der anfallsfreien Zeit eines leichten „Dauerasthmas", bringen Wasser- oder Soleinhalationen, fermentativ wirkende Substanzen und Detergentien (S.435) Erleichterungen. Wenn es gelingt, den zähen Schleim gut flüssig zu halten, wird die Atemnot verhütet oder zumindest gelindert. Soleinhalationen gibt man in der Regel zwei bis drei mal täglich für 20-30 Minuten (vgl. Dosierung der anderen offizinellen Sekretolytika, S. 442). In der asthmatischen Notlage sind, anfallsauslösend und lange darüber hinaus anhaltend, die Schleimhäute der tieferen Atemwege entzündlich aufgequollen. Was liegt näher, als ihnen ein abschwellendes Medikament unmittelbar topisch, also mit Inhalationen, zuzuführen. Im Kapitel „Aerosoltherapie" (S. 434) wurden als leicht lindernd die inhalativen Balsamika, auch die Solen und bestimmte Vitamine genannt. Am stärksten antiphlogistisch und zugleich bronchodilatierend wirken die Steroide. Wann sie, ebenso wie die Antibiotika, auch als Inhalat geeignet sind, wurde auf Seite 437 erörtert. Bei dem reichhaltigen Angebot an Medikamenten, zu den schon genannten kommen noch die Antiallergika hinzu, sieht sich der Arzt genötigt, eine Auswahl zu treffen, mit der systematisch nacheinander oder miteinander der Bronchospasmus, die Schleimhautschwellung und deren Absonderungen niedergehalten werden. Im Asthmaanfall oder im Dauerasthma wählt man zuerst als bewährten Bronchodilatator das Theophyllin bzw. sein Derivat, das Euphyllin. Man muß es im Sta-

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tus allerdings parenteral geben, am besten als Dauertropfinfusion. Per os oder als Inhalat wirkt es unsicher infolge des wechselnden Wirkspiegels. Erst die weiteren Sympathikomimetika können in der Aerosoltherapie angewendet werden. Am besten geeignet als sympathikomimetische Bronchodilatatoren sind die Substanzen, die stimulierend auf die Beta 2 -Rezeptoren einwirken (S.440). Weiterhin haben auch die Anticholinergika der Atropinreihe ihre Bedeutung (S.441), besonders wenn dem Vagus eine deutliche pathogenetische Tätigkeit anzulasten ist. Wegen der hier fehlenden Beta 2 -Rezeptoren stimulierenden bzw. antiallergischen Wirkung reagieren manche Patienten darauf nicht. Man muß dies austesten, differentialdiagnostische Kriterien gibt es nicht. Die Verwendung bzw. Kombination von sympathikomimetischen Bronchodilatatoren oder/und Anticholinergika entscheidet der Arzt nach den Wirkungen und Nebenwirkungen, nach der individuellen Verträglichkeit oder nach der Notwendigkeit einer Langzeitbehandlung, z. B. mit Ipratropiumbromid (S.441). Bringen die unmittelbar wirkenden Bronchodilatatoren kein zufriedenstellendes Ergebnis, ist ein Versuch mit Cromoglizinsäure ratsam, die besonders die Anfälle verhindert (S. 439). Die Wirkung tritt allerdings erst nach mehreren Tagen ein. Möglichst nur im Status asthmaticus und auch nur dann, wenn es ganz zwingend erscheint, entschließt sich der Arzt zur Verschreibung von Steroiden. Sie wirken der Entzündung entgegen und haben immunologische Effekte. Bei längerem Gebrauch haben sie gefährliche Nebenwirkungen, z. B. Diabetes, Glaukom, Katarakt, Magenulkus, Osteoporose. Für eine Langzeit- oder Dauertherapie sind sie absolut ungeeignet. Aerosol-Steroide können aber, wenn sie mit einem Dosieraerosol gegeben werden (2-4mal täglich je 2 Schübe), den Kranken aus dem Status asthmaticus heraushelfen. Krankengymnastik: Bei dem nach Atem ringenden Asthmatiker wird deutlich, wie sehr die Atmung unter der hochgradigen Atemnot in Fehlhaltungen und -bewegungen verstrickt ist. Die Krankengymnastinnen befreien mit einer Atem-Brustkorbgymnastik das sich nicht genügend elastisch ausweitende und wieder zurücksinkende, knöcherne und knorpelige Thoraxgerüst aus seiner starr fixierten Haltung (vgl. obstruktive Bronchitis, S.625). Sie machen auch, indem sie die Pendelbewegung der Ein- und Ausatmung und die Atemrhythmik ins rechte Verhältnis bringen, die Ventilation wieder ergiebig und erleichtern die beim Asthma bronchiale erschwerte Exspiration. Dazu lockern sie den erhöhten Tonus der Atemmuskeln und Atemhilfsmuskeln, machen die Bewegungen geschmeidig, geben Hilfen zur Expektoration, versuchen weiterhin auf die Spastik der Bronchialmuskulatur lösend einzuwirken und befreien so die Kranken aus ihrer ängstlichen Verkrampfung. Wesentliche Aufgaben für die krankengymnastische Hilfe entspringen der ventilatorischen Obstruktion, die im Asthmaanfall stets sehr ausgeprägt ist. Bei der chronisch-obstruktiven Bronchitis wurden die krankengymnastischen Bestrebungen bereits dargestellt, sie setzen an den aus der Dyspnoe resultierenden Fehlhaltungen an. Beim Asthma bronchiale sind diese Bemühungen von so entscheiden-

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der Bedeutung, daß sie hier nochmals, speziell auf den Asthmaanfall abgestimmt, erläutert werden. Im Asthmaanfall nimmt der Kranke eine typische Fehlhaltung ein. Er stützt die Hände mit gestreckten Armen neben dem Rumpf auf den Sitz auf. So fixiert er den Schultergürtel mit hochgezogenen Schultern, der Musculus pectoralis zieht jetzt die vordere Brustwand nach vorne und oben, der Thorax wird in Inspirationsstellung so festgehalten, daß er kaum noch herabsinken kann. Die Atemmittellage bzw. Atemruhelage rückt damit nach oben. Die Fehlhaltungen stören die Atembewegungen. Trotz erhöhter Inspirationsstellung wird die Strecke zwischen exspiratorischer und inspiratorischer Endlage kürzer, weil die Atemruhelage noch mehr nach oben rückt (S.213). Damit wird inspiratorisch nur wenig Retraktionskraft gewonnen (S.201). Sie reicht nicht aus, den Thorax während der Exspiration passiv in die Ausgangslage zurückzuführen, zumal die verkrampften Muskeln diese Bewegung zusätzlich noch hemmen. Der Kranke setzt jetzt, wie es oft auch bei der obstruktiven Bronchitis zu sehen ist, aktiv seine Ausatemmuskeln ein; er überwindet so die erhöhten exspiratorischen Widerstände mit Anstrengung. Der intrathorakale Druck am Ende der Inspiration wird damit stark positiv. Da nunmehr der intrabronchiale Druck distal von Stenosierungen niedriger sein kann als der intrathorakale Druck, droht im Bereich knorpelloser Bronchiolen ein Bronchiolenkollaps. Der Druck in den von der Ventilation jetzt abgeklemmten Alveolen steigt an, da die Luft nicht entweichen kann (vgl. Air trapping, S. 222). Dies alles vermehrt die Dyspnoe, die überdehnten Alveolarwände reißen womöglich ein, und es entsteht ein substantielles Emphysem. Unter der Fehlhaltung mit hochgezogenem Brustkorb leidet auch die Flankenund Bauchatmung. Sie verläuft paradox, d. h., inspiratorisch werden die unteren Flanken (vgl. Abb. 42) und der Bauch eingezogen. Dies deutet darauf hin, daß das Zwerchfell abgeflacht ist, tiefsteht und die Atembewegungen kaum oder paradox mitmacht; die schädliche Pendelluftatmung nimmt zu. Die Atemnot verstrickt den Kranken in eine forcierte Atmung mit gestörter Rhythmik. Die Dyspnoe ist überwiegend exspiratorisch. Die Exspiration ist mit einem Atemzeitquotienten von 1:2 und mehr verlängert. Auf eine hastige, tiefe Inspiration folgt eine langanhaltende, anstrengende aktive Exspiration, und ohne Atempause setzt die nächste, angstvoll angerissene, um Luft ringende Inspiration ein. Bei der verkürzten, aber forcierten Inspiration und der erschwerten, verlängerten Exspiration treten, je nachdem, ob nur kleinere oder sehr weite Alveolarbereiche unter Minderbelüftung in die Ventilationsstörung einbezogen sind, die Erscheinungen einer Partial- oder Globalinsuffizienz auf (S. 205). Bei unzureichender Exspiration steigt der CCVPartialdruck im Blut an (Alkalose); dies reizt das Atemzentrum zu einer noch hastigeren Inspiration. Auch die Zahl der Atemzüge nimmt zu, die Ausatmung wird relativ noch mangelhafter. Sind zu Beginn eines Anfalles die Strömungswiderstände noch gering, dann beobachtet man oft schon eine alveoläre Hyperventilation mit respiratorischer Alka-

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lose und den genannten Folgen. Nicht so sehr die Obstruktion bringt dies zustande, vielmehr eine aufkommende Erstickungsangst, die den Kranken zu größerer Atemanstrengung veranlaßt. Unter krankengymnastischer Anleitung lernen die Patienten, diesen circulus vitiosus durch diszipliniertes Atmen zu unterbrechen. Die einzelnen, im folgenden kurz dargestellten Übungen der Atem-Brustkorbgymnastik bilden eine Behandlungseinheit bei der Beseitigung der Fehlhaltung und Fehlatmung. Zuerst nimmt sich die Krankengymnastin der fehlinnervierten Muskeln an. Die Fehlhaltung im Asthmaanfall und im Status ist zwar nicht ganz ohne Sinn. Bei der obstruktiven Bronchitis (S.625) wurde schon erwähnt, daß ein erhöhtes Inspirationsmaß bei überblähter Lunge dazu dient, aus der höheren Atemlage kompensatorisch noch eine ausreichend große Retraktionskraft für die passive Exspiration zu gewinnen. Das findet aber bald seine Grenze. So wird es nötig, eine zu weitgehende, keinen derartigen Gewinn mehr bringende Inspiration so zu korrigieren, daß die Atmung aus der Zone der inspiratorischen Reserveluft mit deutlich erhöhtem Residualvolumen in die Nähe des Normbereiches zurückkehrt. Nur so kann das Kompensationsgeschehen einer nur leicht erhöhten Atemmittellage effektiv bleiben. Deshalb muß es ein besonderes Anliegen der krankengymnastischen Bemühungen sein, die gesamte an der Atmung beteiligte Muskulatur zu lockern und damit auch die gelenkigen Verbindungen des Thorax aus der Starre zu befreien. Zunächst geht die Krankengymnastin passiv vor und entspannt mit klassischen Massagegriffen (auch mit Bindegewebsmassagen) die Hals-, Brustkorb-, Schulter- und Rückenmuskeln, später auch die Bauchmuskeln. Kombiniert mit Vibrationen des Thorax während der Exspiration, auch mit Schüttelungen und passiven Bewegungen der Arme, werden die Muskeln geschmeidig. Sinkt der Thorax so aus seiner hochgezogenen Fehlhaltung etwas ab, atmet der Kranke wieder mehr passiv aus. Damit wird die C0 2 -Abgabe leichter und der verstärkte Inspirationsreiz auf und über das Atemzentrum entfällt. Besondere Bemühungen gelten auch der Zwerchfellstarre. Eine reguläre Flankenatmung und lockere Bauchmuskeln, diese sind im Asthmaanfall bretthart, vor allem aber die oberen Anteile der schrägverlaufenden Muskeln lösen das Zwerchfell aus seiner Fehlstellung. Im anfallsfreien Intervall sind dehnende Bewegungen wirkungsvoll. Die sogenannte Hockergymnastik bietet dazu vielseitige Übungen. Die Schultern werden vor- und zurückgeführt, der Kranke beugt den Rumpf abwechselnd nach beiden Seiten und macht drehbeugende und streckende Bewegungen zur Lockerung der ganzen Brustmuskulatur. In die Übungen wird auch der Rumpf einbezogen, er richtet sich auf während des Einatmens, exspiratorisch beugt er sich vor und so fort. Mit den aktiven Bewegungen steigt aber der Sauerstoffverbrauch an; nur mit einer gelockerten, rhythmisch normalisierten Atmung kann der Kranke den Bedarf voll decken, ohne in eine Dyspnoe zu geraten. Die Krankengymnastin muß sehr darauf achten, daß die Kranken das richtige Maß finden.

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Wiederum mehr passiv sind die Hilfen zur Expektoration, die beim Asthma bronchiale besonders erschwert ist. Wenn nach einer Inhalation das zähe Sekret flüssiger geworden ist, wird es nicht immer ohne Hilfe genügend leicht abgehustet. Dies ist aber wichtig, weil sich die Kranken mit anstrengendem Husten leicht wieder in einen Asthmaanfall verstricken (Anstrengungsasthma). Die Krankengymnastin legt ihre Hände auf die unteren Flanken des Kranken und unterstützt mit leichtem Druck lebhaft vibrierend die Retraktionskraft. Der Patient kann das auch selbst ausführen. Weitere aktive Maßnahmen bestehen in einem sparsamen Gebrauch der Ausatemmuskeln, wobei der intrathorakale Druck nicht ansteigen darf. Es ist eine wichtige Aufgabe der Krankengymnastin, mit den Kranken die Technik der Kombination einer leicht aktiven, aber locker bleibenden Exspiration einzuüben. Damit gelingt es nicht selten, beginnende Anfälle zu kupieren und die spasmolytische Wirkung eines Dosieraerosols noch durch eine ausreichende, nicht anstrengende Exspiration zu unterstützen. Da ein Asthmaanfall stets zu einem akuten Emphysem führt, sind auch Übungen zum „Abblasen" des Emphysems im abklingenden Anfall angemessen. Diese wichtigen Übungen werden bei der Darstellung des chronischen Lungenemphysems näher erläutert (S. 647). Die unbehinderte Ventilation wird durch fast gleichmäßige Ein- und Ausatembewegungen bewerkstelligt. Jeweils nach Maßgabe der Störung im Bewegungsablauf versucht die Krankengymnastin auch über die Atemrhythmik die Ventilation auf physiologische Normen zurückzuführen. Auf dem Hocker sitzend läßt sie den Kranken die Arme bei passivaktiver Inspiration rückwärts und seitlich abspreizen und während des Ausatmens wieder nach vorn führen. Sie läßt den Kranken nach einem vorgegebenen Tempo auch aktiv mit den Armen hin- und herpendeln. Dies dient dazu, die Atemrhythmik einzuregulieren. Der Kranke konzentriert sich auf die Bewegung, und die Krankengymnastin achtet darauf, daß Atmung und Bewegung miteinander harmonieren. Der Kranke findet so unbewußt in einen normalen Atemablauf hinein. Von den umfangreichen Ventilationsübungen (S.221) eignet sich für den Asthmatiker auch das sakkadierende Ein- und Ausatmen. Man läßt zunächst ruhig und gleichmäßig einatmen und sakkadierend in drei bis fünf Stößen ausatmen. Dabei muß jede aktive Zwangsatmung, die zu intraalveolärer Druckerhöhung führen könnte, streng vermieden werden. Eine gleichartig stoßweise Inspiration erschließt auch weniger belüftete Alveolarbereiche der Mitatmung, die Inspiration wird vertieft, ohne daß dies den Thorax fehlerhaft bewegt, d. h. hier zu stark anhebt. Die Spasmolyse der Bronchialmuskulatur im Verlauf krankengymnastischer Übungsbehandlungen ist eine nützliche Sekundärwirkung. Die Erfahrung zeigt, daß sich unter einer allgemeinen Lockerung der Atemmuskeln auch die Bronchialspasmen lösen. Gleiche Effekte zeigen sich auch, wenn es gelingt, mit dem sakkadierenden Atmen die Zwerchfellstarre zu lösen. Eine wichtige Teilursache des asthmatischen Geschehens sind psychische Fak-

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toren. Bei jedem Asthmaanfall ist die psychische Beruhigung eine therapeutische Notwendigkeit. Die Kranken verlieren die Angst vor der drohenden Erstickung, die sie in der Atemnot empfinden und die sie immer mehr in die Fehlatmung hineinsteigert, wenn es der Krankengymnastin nicht gelingt, die verkrampfte Fehlatmung zu lösen. Körperliche Entspannung bringt auch eine gewisse seelische Befreiung mit sich und umgekehrt. Unter einer verständnisvollen atemgymnastischen Führung entwickelt sich bei den Kranken schließlich eine gewisse Sicherheit, ihre Atmung mit der erlernten Atemdisziplin wieder selbst zu beherrschen. Mechanotherapie: Die Reflexzonenmassagen (S.98), im wesentlichen die Bindegewebs- und Periostmassagen, haben auch eine spasmolytische Fernwirkung auf die Bronchialmuskulatur. Sie setzen an den Maximalpunkten, in den Reflexzonen C 6 bis Th 3 und an den postulierten Bindegewebszonen (S.100) an. Systematische Behandlungen, die den ganzen, meist verspannten Rücken einbeziehen (vgl. „kleiner und großer Aufbau", S. 101), wirken bei Asthmatikern häufig — nicht immer — entkrampfend; sie lassen die Patienten freier atmen. Manche Patienten werden aber durch Bindegewebsmassagen irritiert und antworten mit verstärkter Atemnot. Ein aufmerksamer Beobachter wird dies allerdings bemerken und die Behandlung rechtzeitig beenden oder andere Techniken anwenden. Der vom Arzt abgesteckte Behandlungsspielraum (S.914) gibt dem erfahrenen Behandler die entsprechenden Alternativen. Die Periostmassagen setzen an den Sternalrändern, den Rippen und den Schulterblättern an [656], wobei besonderer Wert darauf gelegt wird, die unter den Schulterblättern liegenden Rippenanteile durch Hoch- und Vorziehen der Schulterblätter mitzuerfassen. Hydrotherapie: Beim Asthmatiker findet die Hydrotherapie eine Reihe von Indikationen, sowohl im Status wie auch im anfallsfreien Intervall. Schon seit langem weiß man, daß die ansteigenden Armbäder und selbst die Fußbäder eine abschwächende oder gar unterbrechende Wirkung auf den beginnenden Anfall haben können. Dabei soll aufgrund der vermehrten Extremitätendurchblutung die Blutfülle in der Lunge abnehmen. Mit einer solchen Erklärung wird der alte, nicht allgemein anerkannte Begriff des „Ableitens" (S.279) angesprochen. Man muß aber einräumen, daß manche Asthmatiker unter einer eindrucksvollen und wohltuend empfundenen hydrotherapeutischen Behandlung auch häufig eine psychische Beruhigung erfahren, die in eine mehr trophotrope Einstellung (Umstimmung) auslaufen mag und eine Besserung der Symptomatik zumindest mitbedingt. Die bronchitischen Erscheinungen, die beim Asthma bronchiale in den Anfallsintervallen und auch in längeren anfallsfreien Zeiten mehr oder weniger vorhanden sind, sprechen auf bestimmte hydrotherapeutische Maßnahmen im allgemeinen recht gut an. Hier sind vor allem die sekretlockernden Wickel und die Senfwickel (S. 287) zu nennen, die eine starke Hyperämie der Haut auslösen und reflektorisch auch eine Mehrdurchblutung der Bronchialschleimhaut bewirken

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sollen. Halbbäder mit kalten Rückengüssen und Halbbäder, die als Inhalationsbäder gestaltet werden können, stellen einen kurzen, tiefen Inspirations- und Ventilationsreiz für die Lunge dar. Beim Inhalationsbad wird die Wanne mit einem Laken soweit abgedeckt, daß alle aufsteigenden Dämpfe nur am Gesicht vorbeistreichen. Dem Bad werden 50 ml einer Lösung ätherischer Öle, z. B. Ol. eucalypti, Ol. pini pumilionis, Ol. pini sixestris aa30,0, Menthol 1,0, Spiritus i.camph. denat. ad 500.00, zugesetzt. Die ätherischen Öle verdunsten noch besser, wenn man das Bad als Luftperlbad gibt (S.301). Das „Briegersche Asthmabad"[647] stellt eine Kombination von aufsteigenden, also einschleichenden Warmreizen und kurzen, jähen Kaltreizen dar. Es beginnt als Halbbad mit einer Wassertemperatur von 35 °C. Sehr langsam, in ca. 30 Minuten, läuft heißes Wasser zu, bis das Vollbad eine Temperatur von 40 °C erreicht hat. Dann erhält der Kranke, noch in der Wanne sitzend, einen kühlen Rücken- und Brustguß von 28 °C und anschließend eine trockene Wärmepackung. Vollbäder verträgt der Asthmatiker im Status wegen des hydrostatischen Druckes nicht gut. Elektrotherapie: Wie bei den Bronchitiden erweisen sich auch bei den Asthmatikern Durchflutungen des Brustkorbes mit Hochfrequenzströmen als wohltuend. Erfahrungsgemäß müssen sie aber sehr niedrig dosiert werden (Dosis I bis höchstens II, Dauer 5-10 Minuten). Schon leichtes bis deutliches Wärmegefühl wird von den meisten Kranken als nicht angenehm empfunden, die mildeste Dosis wirkt aber wie bei der Bronchitis sekretlösend. Ultraschallbehandlungen wurden in den fünfziger Jahren als sehr wirksam ausgewiesen. Dies war aber eine Überschätzung der Behandlungsmethode. Heute verordnet der erfahrene Arzt Beschallungen beim Asthma bronchiale nur noch selten, wenngleich in manchen Fällen eine günstige Wirkung über reflektorische Abläufe im Sinne der Bronchospasmolyse vorkommen sollen, vergleichbar etwa den Effekten der Bindegewebsmassage. Allgemein-unspezifische (C) und vorbeugende (D) Maßnahmen Unspezifische, umstimmende und damit auch vorbeugende Behandlungen bei Asthma bronchiale werden nur selten und zu wenig betrieben. Die Zahl der Empfehlungen aller Arten der Reiztherapie zur Umstimmung ist so groß, daß sie mehr die Grenzen unseres Wissens erkennen läßt, als sie klare Einsichten in das verwirrende Labyrinth asthmatischer Krankheitsbilder vermittelt. Die unspezifischen Antriebe reichen von der Injektion bestrahlten Eigenblutes über die Provokation eines mittleren Ultravioletterythems, Röntgenbestrahlungen, diätetischen Verordnungen bis zur Verschickung in ein Wüstenklima. Einige Methoden der Langzeitbehandlung bei Asthmakranken haben sich aber so bewährt, daß sie schon unentbehrlich für die Behandlung geworden sind. An erster Stelle steht die Klimatherapie. Sie ist eine der Hauptstützen in der ärztlichen Betreuung der Asthmakranken, zumal zu den speziellen, symptomatischen Wirkungen an den Atemwegen und ihren umstimmenden Anstößen auf den ganzen Organismus auch recht beständige, präventive Erfolge hinzukommen.

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Wenn man versucht, die Prognose klimatherapeutischer Maßnahmen und ihre Erfolgsquoten kritisch zu werten, muß man differenzieren, welcher Art das Leiden ist, ob z.B. exogen allergische oder endogene Ursachen das Asthma bedingen (S. 634). Ausschlaggebend ist auch, ob bei längerer Dauer des Leidens schon Komplikationen, z. B. eine chronisch-obstruktive Bronchitis, die auch in anfallsfreien Zeiten Beschwerden macht, hinzugekommen sind. Auch eine schon manifeste Schädigung des Herzens, nervöse und psychische Erschütterungen brauchen als wesentliche Mitursache des Leidens besondere zusätzliche Behandlung [8], Je früher eine Klimabehandlung des Asthma bronchiale verwirklicht wird, umso aussichtsreicher ist die Prognose. Tritt nach der Rückkehr des Kranken in das Heimatklima und damit auch in das Heimatmilieu das Asthma wieder auf, dann liegt das meist nicht nur daran, daß eine bessere Resistenz noch nicht erreicht ist, Wiederholungskuren sind ohnehin bei einem so dauerhaften Leiden notwendig, vielmehr bestehen in der Regel die Gründe fort, die das Asthma verursacht haben. Dies können atmosphärische Umstände, schlechte soziale und hygienische Verhältnisse, familiäre oder berufliche Schwierigkeiten oder auch organische Komplikationen, z. B. die hartnäckige Bronchitis oder Herz- und Kreislaufstörungen sein, die unter den unverändert schlechten Lebensbedingungen erneut Anlaß zu Atemnotanfällen geben. Ärztliche Vorbehandlungen und sozialhygienische Fürsorge müssen deshalb oft erst die Voraussetzungen schaffen, auf denen die Klimabehandlung aufbauen und anhaltende Erfolge bringen kann. Günstige Klimaeinflüsse haben, selbst wenn schon bronchitische Komplikationen vorliegen, gute Chancen, wenn die Klimabehandlung genügend lange währt. Fehlen im Heilklima schädliche Allergene oder Reizstoffe und werden auch belastende Wettereinflüsse zunächst ferngehalten, tritt eine umstimmende Wirkung ein, unter der wichtige Ursachenfaktoren des Asthmas aufgehoben werden. Die Behandlung mit klimatischen und anderen Reizfaktoren strebt eine gewisse Abhärtung an, mit der sich die Kranken besser an die atmosphärischen Umweltreize anpassen. Viele Asthmatiker zeigen am Anfang einer Klimakur starke Akklimatisationsbeschwerden und sind besonders wetter- und windempfindlich. Es bleibt der Erfahrung und dem Geschick des Arztes überlassen, diesen Kranken dennoch den Nutzen des Heilklimas zu erschließen, indem er durch vorsichtige Dosierung der Klimafaktoren, gegebenenfalls auch vegetative Übererregungen medikamentös dämpfend, die Patienten ungefährdet durch die Klimatherapie führt. Hier kommt es auf die Erfahrung des Klimatherapeuten an, der ein günstiges Klima erst durch seine dosierenden Verordnungen zu einem Heilklima macht [8]. Oft erweist es sich als zweckmäßig, das reaktive Geschehen noch kräftiger anzustoßen, indem man die klimatherapeutischen Verordnungen mit Anwendungen hydro-, balneo- und bewegungstherapeutischer Art kombiniert. Auch Inhalationen und die spezielle Atemgymnastik stellen wertvolle Ergänzungen zur Klimabehandlung des Asthmatikers dar.

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Bäderbehandlungen werden gerne zur allgemeinen Umstimmung verordnet. Dabei kommt es weniger auf einen bestimmten Inhalt der Bäder als auf deren unterschiedlichen Reizcharakter an. Sehr mild sind Fichtennadelbäder und andere aromatische Bäder, z. B. Rosmarin- und Lavendelbäder, wobei zuweilen allergische Reaktionen das eine oder andere Ingredienz verbieten. Bei Kindern haben sich die Solbäder bewährt. Auch hautreizende Bäder mechanischer und substanzieller Art, sehr leicht das Luftperlbad, kräftiger und gut dosierbar das Bürstenbad, noch kräftiger das Senfbad, sind beliebte, von den Patienten gern durchgeführte Verordnungen, denen eine umstimmende, vielleicht nicht allein somatisch erklärbare Wirkung zugeschrieben wird. Auch kräftige, anhaltende Wärmebehandlungen, unter denen die Körpertemperatur durch Wärmestau leicht ansteigt, z. B. Schwitzpackungen, Überwärmungsbäder, Kurzwellenhyperthermie, selbst chemisch-toxisches Fieber durch apathogene Bakterienstämme der Koligruppe werden in der umstimmenden Reiztherapie eingesetzt. Sie rufen vermutlich unspezifische Abwehrleistungen hervor.

2.4 Erkrankungen des Lungenparenchyms 2.4.1 Lungenemphysem Übersicht über die Behandlungsvorschläge Kausale Therapie (A) Eine teilweise ursächlich-spezifische Behandlung des Lungenemphysems ist nur in Frühstadien möglich durch Ausschaltung begünstigender Faktoren Symptomatisch-gezielte Behandlungen (B) Medikamentös Bronchitische Erscheinungen verlangen Verordnungen nach den für die akute und chronische Bronchitis gegebenen Richtlinien Physikalisch-therapeutisch Inhalationen: Wie bei der akuten und chronischen Bronchitis Krankengymnastik: Lockerung der Atemmuskeln. Normalisierung der Atemruhelage. Förderung der Flanken und Zwerchfellatmung, der Exspiration und Expektoration. Regulierung des Atemrhythmus Massagen: Lockernde Techniken für die Muskeln des Rumpfes und der Halsregion

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Hydrotherapie: Anwendungen nur, soweit eine chronische Bronchitis dies erfordert und zuläßt Allgemein-unspezifische (C) und vorbeugende (D) Maßnahmen Klimatherapie wie bei chronischer Bronchitis Vorsorgende Atemtherapie beugt kardioexspiratorischer Insuffizienz vor Erläuterungen zu A bis D Kausale Therapie (A) Das Lungenemphysem besteht in einer Vergröberung der Endverästelungen (Alveolen) des Bronchialbaumes. Die Alveolenbläschen werden aus verschiedenen Gründen größer, langsam verändert sich die Alveolarstruktur, die Alveolenwände reißen ein, mehrere Alveolen vereinen sich zu Blasen, die erhebliche Größen erreichen. Aus zerstörten Alveolen bilden sich intraazinäre und interlobäre Septen. Das Bindegewebe, das die Dehnbarkeit der Lunge ausmacht, atrophiert. In derart entwertetem Gewebe veröden die Alveolarkapillaren. Dies hat Rückwirkungen auf den kleinen Kreislauf. Infolge permanenter Überlastung entsteht bald ein Cor pulmonale. Sind die morphologischen Veränderungen, die das Lungenemphysem charakterisieren, erst einmal manifest, dann gibt es allein noch funktionell unterstützende Behandlungen, die mit den Atembewegungen die Ventilation ergiebiger machen. Die ein Emphysem provozierenden primären Faktoren, die sekundär zu dieser ernsten Komplikation führen, das Asthma bronchiale, die obstruktiven Bronchitiden, auch Narbenzüge und anderes, werden umso eher als Ursache für ein nachfolgendes Emphysem ausgeschaltet, je besser und vor allem frühzeitiger es gelingt, derartige Krankheiten zu heilen bzw. ihre Symptome weitgehend zu beherrschen. Hier begegnen sich ursächliche Behandlungen mit präventiven Maßnahmen. Symptomatisch-gezielte Behandlungen (B) Die symptomatischen Behandlungen erfordern bei den verschiedenen Emphysemarten eine Reihe von mehr oder weniger aufwendigen Maßnahmen. Nicht jede Lungenüberblähung führt zu einem irreversiblen Emphysem. Wenn beim Asthma bronchiale aufgrund der flüchtigen Exspirationshemmung im Anfall ein akutes Emphysem, das auch funktionelles Emphysem genannt wird, auftritt, dann verschwindet es wieder, sobald sich der Bronchialspasmus löst. Gelegentlich, insbesondere nach einem Status asthmaticus, sind aber krankengymnastische Behandlungen erforderlich, um das funktionelle Emphysem zu überwinden, zumal, dauert der Zustand an, schließlich auch die genannten morphologischen Veränderungen des chronischen Emphysems sich einschleichen, womit dann ein bleibender Schaden entstanden ist. Das Volumen pulmonum auctum, ein kurzdauernder Überblähungszustand, der beim Hyperventilationssyndrom (S.215) oder unter starken körperlichen Lei-

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stungen beobachtet wird, geht nicht mit einer Exspirationshemmung einher. Es ist spontan resersibel und hat für das Lungengewebe keine nachteiligen Folgen. Es bedarf deshalb auch keiner am emphysematischen Geschehen orientierten Behandlung. Für die symptomatischen und damit auch vorbeugenden Behandlungen muß zwischen den verschiedenen Emphysemarten bzw. ihren Entstehungsmechanismen unterschieden werden. Das primäre, atrophisch-senile Emphysem beruht auf einem ursächlich noch ungeklärten Elastizitätsverlust des Lungengewebes, der im fortgeschrittenen Lebensalter zwar alle Menschen trifft, aber sehr verschiedengradig ist. Die Folgen für die quantitative Leistung der Lunge sind bei den meisten Menschen relativ gering. Obwohl bei der aufgeblähten Vergrößerung des Alveolarraumes mit den zahlreich eingerissenen Alveolarwänden die atmende Oberfläche kleiner geworden ist, kommen bei den Emphysemmatikern wesentliche Gasaustauschstörungen kaum vor, und der kleine Kreislauf wird nicht wesentlich belastet, so daß zumindest in Ruhe keine Beschwerden auftreten. Erst wenn Komplikationen hinzukommen, die auch das Emphysem noch ausweiten, nimmt das Leiden einen ernsteren Verlauf. Komplikationen sind dadurch zu befürchten, daß der Emphysematiker sehr zu Erkältungen neigt. Hier setzen die symptomatischen und die vorbeugenden Behandlungen an. Vor allem die bronchitischen Symptome bedürfen einer intensiven Therapie, die alle Möglichkeiten (S. 621 f.) ausschöpft, vorzugsweise auch die der Klimatherapie. Gelingt es nicht, mit konsequenten Behandlungen die bronchitischen Symptome zu beherrschen, dann entwickelt sich aus diesen zunehmend die obstruktive Ventilationsstörung. Mit ihrem in der Exspirationsphase erhöhten intraalveolären Druck verursacht sie mit der Zeit ein ausgedehntes chronisch-broncho-stenotisches Emphysem. Solche Lungenblähungen werden auch sekundäre Emphyseme genannt. Diese sekundären Emphyseme umfassen bei den genannten bronchitischen Obstruktionen weite Teile der Lunge, weil die Spannungs- und Druckveränderungen das Lungengewebe überdehnen. Begrenzte oder nur einseitige Emphyseme kommen durch schrumpfende Prozesse im Lungenparenchym mit nur örtlichen Überdehnungen (Narbenemphysem) zustande, oder sie treten mehr großräumig nach Lobektomien, bei Atelektasen ganzer Lungenlappen oder unter der Schrumpfung großer Lungenteile in Erscheinung, weil das benachbarte Lungengewebe jetzt den verbliebenen Thoraxraum ausfüllt. Bei dem nun gegebenen Mißverhältnis zwischen Thoraxvolumen und zu klein gewordener Lunge wird diese überdehnt (Überdehnungsemphysem oder kompensatorisches Emphysem). Natürlich sind die morphologischen Substrate der Emphyseme irreversibel. Die chronisch-bronchitischen Symptome aber sind der Behandlung einigermaßen gut zugänglich. Rechtzeitig eingesetzt, beheben oder mindern sie die Obstruktion, zumindest gelingt es, dem sekundären Emphysem vorzubeugen bzw. zu verhindern, daß es sich verschlimmert. Auch manche durch Narben bedingte Überdehnungs-

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emphyseme, die bei größeren Vernarbungen an oder im Thorax zu erwarten sind, breiten sich weniger aus oder bleiben elastischer, wenn, z.B. nach Pleuritiden (S.671) oder Operationen, frühzeitig dehnende Behandlungen einsetzen und solange fortgesetzt werden, wie noch eine Schrumpfungstendenz besteht. Die symptomatische Behandlung aller Emphysemarten hängt von den funktionellen Einbußen ab, die einmal die Lungenüberblähung selbst bringt oder die von den bronchitischen oder anderen Komplikationen herrühren. Die Behandlung der entzündlichen Vorgänge an der Bronchialschleimhaut mit Inhalatationen ist schon dargestellt worden (S.619). Krankengymnastik: Die Krankengymnastik findet beim atrophisch-senilen Emphysem und beim bronchostenotischen Emphysem ihre behandlerische Aufgabe in den typischen Fehlhaltungen des Thorax und seiner mangelhaften Bewegung. Diese mindern die Atemexkursionen und behindern damit die Ventilation. Mit dem Verlust der Elastizität des Lungengewebes und des knöchernen Thorax bringen diese beiden Triebfedern nicht mehr die Retraktionskraft auf, die für die Exspiration gebraucht wird. Der ganze Thorax und damit die Atemmittellage sind, wie auch beim akuten Emphysem im Asthmaanfall und bei der obstruktiven Bronchitis, zur Inspirationslage hin verschoben (S.638). Diese zunächst der Kompensation dienende Atemlage wird zur Fehlhaltung, sobald sie fixiert ist. Bei länger bestehendem und fortschreitendem Emphysem nimmt auch die Elastizität des knöchern-knorpligen Brustkorbes mehr und mehr ab, so daß, wird dies nicht durch intensive Behandlungen verhindert, Korrekturen kaum noch möglich sind. Die Fehlhaltung mit überhöhter Atemmittellage macht sich in einer größeren Residualluftmenge und einem erhöhten funktionellen Residualvolumen (S.217) bemerkbar. Auch die Atemstromstärke und die dynamischen Ventilationsgrößen sinken ab. Die Atmung wird zunehmend unökonomischer, die ungünstigen Folgen für den Kreislauf sind unausweichlich. Die Krankengymnastik, rechtzeitig eingesetzt und mit Konsequenz betrieben, kann diesen Verlauf zwar nicht immer ganz verhindern, ohne Zweifel aber wird eine funktionelle Besserung der Atmung erreicht und das meist progressive Emphysem und seine Folgen bleiben lange Zeit in erträglichen Grenzen. Die krankengymnastischen Ziele und die entsprechenden Methoden wurden schon beim Asthma bronchiale dargestellt, das im Status immer eine erhebliche funktionelle Überblähung der Lunge zeigt. Beim substantiellen Emphysem geht es immer wieder darum, die Atemmittellage mit dem ganzen Thorax zu senken und die unzureichende Ventilation zu korrigieren oder wenigstens zu erleichtern. Besondere Bemühungen gelten auch der geringen Verschieblichkeit des tiefstehenden Zwerchfelles und der paradoxen Flankenatmung (S. 208). Einige Fachleute empfehlen ein „Abblasen" des Emphysems (S.221). Dies ist aber nur dann nützlich, wenn es mit viel Sachkenntnis und großer Vorsicht geschieht. Ohne eine gewisse Preßatmung nach Kommando ist es kaum möglich, das Übermaß an Luft aus der Lunge herauszutreiben. Die Bedenken, die dagegen bestehen, liegen in den Druckverhältnissen. Der ansteigende intrathorakale Druck

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übersteigt leicht den intraalveolaren Druck distal von eingeengten stenosierenden Bronchiolen mit den dargelegten Folgen des Bronchiolenkollapses (S. 223). Bei jeder Art von Preßatmung muß man ferner bedenken, daß sie den venösen Rückstrom zum Herzen behindert und damit auch die koronare Durchblutung immer wieder verringert (vgl. isometrische Spannungsübungen, S.195,702). Die Emphysematiker meiden unbewußt solche schädlichen Mechanismen. Sie atmen „blasend", mit spitzen Lippen aus. Damit verlegen sie das stenosierende Ventil nach außen vor die Lunge. Dahinter baut sich eine alveolare Druckerhöhung auf, die in der ganzen Lunge gleichmäßig ist. Der Alveolardruck übersteigt den durch die aktive Exspiration von außen übertragenen intrathorakalen Druck zwar nur wenig, reicht aber aus, um ein Abpressen der Bronchioli zu verhindern (vgl. Abb. 48). Das instinktive „Abblasen" legt den Gedanken nahe, dieses Vorgehen auch in der Behandlung systematisch zu nutzen. So wird z. B. empfohlen, die Lippen wie beim Flöten engzustellen, durch Zischlaute oder Nasenstenoseübungen den Atemstrom zu hemmen, die Ausatmung durch Zählen mit pendelnden Armen (S. 222) zu verlängern. Dies darf aber nur soweit geschehen, als mit Sicherheit unter der aktiv unterstützenden Exspiration der intrathorakale Druck nicht zu hoch ansteigt und die Residualluft nicht zunimmt. An einer etwas höheren Atemmittellage im Anschluß an eine Behandlung ist ein derartiger Mißerfolg einigermaßen zu erkennen. Auch vermehrte Dyspnoe statt freierer Atmung weist auf diesen Fehler hin. Wegen dieser Gefahr wird von mancher Seite vor derartigen Übungen gewarnt, zumindest dann, wenn die Patienten sie alleine vornehmen. Massagen: Massagen mit dem Ziel, die Muskeln zu lockern, sind in erster Linie für die eigentlichen Atemmuskeln indiziert. Darüber hinaus bestehen aber enge anatomische und funktionelle Zusammenhänge zwischen dem Thorax und den Muskeln der Halsregion, des Rückens und des Bauches. Sie alle sind an der Haltung der ganzen Wirbelsäule und des Brustkorbes beteiligt. Fehlhaltungen verschlechtern die Voraussetzungen, unter denen die Atemmuskeln, die an der Wirbelsäule, an Rippen und Sternum ansetzen, sich an- und entspannen. Die Muskeln sind zum Teil hyperton, andere zeigen hypotone Spannungsänderungen; so oder so können sie sich nur ungenügend verkürzen und verlängern. Dies stört die ineinandergreifende Funktion aller am Atemvorgang direkt und indirekt beteiligten Muskeln. Der beim Emphysematiker charakteristische Haltungsverfall der Haisund Schultermuskeln ist ein hemmendes Moment, das ebenso intensiver behandlerischer Bemühungen bedarf, wie die von dieser Symptomatik abhängende Ventilation. Die Krankengymnastin normalisiert mit den Techniken der klassischen Massagen alle diese Muskeln in ihrem Tonus und schafft so die Voraussetzungen, unter denen die Atem-Brustkorbgymnastik zu guten Ergebnissen kommt. Allgemein-unspezifische (C) und vorbeugende (D) Maßnahmen Präventive Maßnahmen haben beim Lungenemphysem besonderen Vorrang, weil

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nur ständige, alle Komplikationen erfassende Behandlungen die morphologischen Veränderungen einigermaßen aufhalten. Die Verordnungen zur Prävention decken sich im wesentlichen mit den unter B genannten symptomatischen Behandlungen. Sie richten sich gegen die durch das Emphysem bedingten Veränderungen der Atembewegungen, die Fehlhaltung und die Verringerung der Beweglichkeit des knöchernen Thorax, weiterhin auch gegen die stets drohenden Komplikationen. Wie bei allen Erkrankungen der Atemwege hat auch beim chronischen Lungenemphysem die Klimatherapie mit ihren symptomatischen, lindernden und unspezifisch umstimmenden Allgemeinwirkungen einen hohen präventiven Wert.

2.4.2 Pneumonien (Lungenentzündung) Übersicht über die Behandlungsvorschläge Kausale Therapie (A) Voll wirksame Antibiotikatherapie ist hier vorrangig Symptomatisch-gezielte Behandlungen (B) Medikamentös: Hustenmittel, ggf. Antipyretika, Analeptika Physikalisch-therapeutisch: Hydrotherapie: Bei initialem Schüttelfrost Wärmezufuhr durch Thermophore, heiße Getränke, Wärmepackung Auf der Höhe der Krankheit Anfeuchten der Zimmerluft, Rückenwaschungen zur Anregung der Atmung, Brustwickel zur Förderung der Expektoration. Bei hohem Fieber Wadenwickel, Serienwaschungen Krankengymnastik: In der Phase der Lösung Hilfen zum Abhusten durch Drainagelagerung, Vibrationen, Erschütterungen des Thorax, Lockerung der Atemmuskeln, summendes Ausatmen. Später Atem-Brustkorbgymnastik, Übungen zur Wiederbelüftung Allgemein-unspezifische (C) und vorbeugende (D) Maßnahmen In der Rekonvaleszenz Kreislauftraining krankengymnastischer und hydrotherapeutischer Art. Abhärtungsbehandlungen. Im Akutgeschehen Thromboseprophylaxe

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Erläuterungen zu A bis D Kausale Therapie (A) Primäre Pneumonien sind akute, infektiös-entzündliche Erkrankungen der Lunge mit serös zelligen Infiltrationen des Lungengewebes, der Alveolen und des Interstitiums. Als Ursachen der Erkrankung sind verschiedene bakterielle Erreger bekannt, z. B. Pneumokokken (mindestens 37 Serotypen), Streptokokken, Staphylokokken, Erreger der Koligruppe. Bei bakterieller Genese steht eine voll wirksame Antibiotikatherapie absolut im Vordergrund. Die Auswahl wird, da Eile geboten ist, ungezielt sein müssen, da im Anfang der dramatisch einsetzenden Erkrankung ein Antibiogramm noch fehlt. Bevorzugt werden deshalb Breitbandantibiotika. Wenn der Kranke nicht innerhalb von 24-48 Stunden entfiebert, wird auf ein anderes Präparat mit noch breiterer oder, falls ein Antibiogramm dies jetzt anzeigt, spezifischerer Wirkung übergegangen. Die Annahme einer bakteriellen Genese sollte bei mehrtägigem Fieber überprüft werden. Neben bakteriellen Pneumonien gibt es auch Viruspneumonien. Eine große Zahl verschiedener Viren ist dafür verantwortlich. Den häufigsten Anlaß zur Erkrankung an einer primären, atypischen Viruspneumonie gibt das Mycoplasma pneumoniae. Das Atypische besteht darin, daß der für bakterielle Pneumonien charakteristische initiale Schüttelfrost ausbleibt, die Infiltrationen nicht lobär begrenzt sind und eine Leukozytose fehlt. Bei Viruspneumonien ist eine streng erregerspezifische Therapie nicht möglich. Bei solchen atypischen Pneumonien sind dennoch bestimmte Antibiotika indiziert, da erfahrungsgemäß die Tetrazykline bei der Mykoplaspneumonie gut wirken und auch bakterielle Sekundärinfektionen miterfaßt werden. Die pneumonischen Infiltrate sind oft lobär begrenzt (fibrinöse = kruppöse Pneumonie), so daß ein oder zwei Lungenlappen völlig unbelüftet bleiben. Ihre Wiederbelüftung wird, wenn die Infiltrationen sich lösen, zu einer der wichtigsten symptomatisch-therapeutischen Aufgaben physikalischer Art. Manche Erreger befallen mehr die zentralen Lungenpartien ohne anatomische Abgrenzung. Dies kann für eine Viruspneumonie sprechen. Andere Erregeransiedlungen wiederum treten als Herdpneumonie bzw. als lobuläre Bronchopneumonie mit diffus verteilten, bronchopneumonischen Infiltrationen in einem oder mehreren Lungenlappen in Erscheinung. Symptomatisch-gezielte Behandlungen (B) Symptomatisch gezielten Behandlungen finden ihren Anlaß in den subjektiv stark belastenden Krankheitserscheinungen und in den gestörten Funktionen der Bronchialschleimhaut, der Lungenbelüftung und des Kreislaufs. Die Krankheit beginnt meist akut mit Schüttelfrost unter ansteigender Körpertemperatur auf 40 °C und mehr, allgemeinem schwerem Krankheitsgefühl, Erbrechen, hochgradiger Mattigkeit. Bald setzen Brustschmerzen, manchmal Seitenste-

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chen als Ausdruck einer Pleurareizung sowie Atemnot (Nasenflügelatmen) und Husten ein. Vom zweiten Tage an wird ein zähes, glasiges, rostbraunes Sputum mehr oder weniger schwer expektoriert. Hydrotherapie: Von den physikalischen Hilfen wird die Hydrotherapie hier an den Anfang gestellt, weil sie in den ersten Tagen der Erkrankung fast immer eingesetzt werden kann. Die Phase des Schüttelfrostes zeigt an, daß der Sollwert der Körpertemperatur nach oben verstellt ist. Auslöser dieses Geschehens sind exogene und endogene Pyrogene, die gebildet bzw. ausgeschüttet wurden. Der Organismus braucht jetzt Wärme, bis der Wärmehaushalt wieder der neuen Einstellung entspricht. Wärmezufuhr kürzt den Prozeß der körpereigenen Wärmebildung ab und entlastet den Organismus. Wärmflaschen für die Füße und zu beiden Seiten des Rumpfes angelegt, heißer Tee, gut wärmendes Bettzeug als eine Art Wärmepackung bringt die Körpertemperatur schnell auf den nach oben verstellten Sollwert und beendet den sehr anstrengenden Schüttelfrost. Ist das Fieber zu seiner vollen Höhe aufgestiegen, dann müssen zuweilen, z. B. wenn die Toleranzgrenze bei 41 °C erreicht ist, wenn das hohe Fieber für den Kranken subjektiv unerträglich wird oder den Kreislauf zu stark belastet, Antipyretika gegeben werden. Zu hohes Fieber bedeutet unter anderem, daß die den Kreislauf sehr belastende Wärmeabgabe nicht mit der Wärmebildung im Stoffwechsel Schritt halten kann. Hier helfen die physikalischen, wärmeentziehenden Maßnahmen, z. B. kalte Kompressen, Serienwaschungen, Wadenwickel (S. 284). Sie drücken das Fieber weniger drastisch herab, senken es vielmehr schonend und machen die Prozedur wegen der angenehmen Kühle erträglich. Sie bringen den Kranken mehr Linderung als eine chemisch-antipyretische Verordnung, bei der die erfrischende Empfindung fehlt. Theoretisch bzw. medizinisch-historisch ist interessant, daß man in der Vor-Antibiotikaära, als die Krankheit noch 6-7 Tage lang hochfieberhaft verlief, die Kranken in kühlende Bäder mit einer Wassertemperatur, die 2 - 3 °C unter der Körpertemperatur lag, legte und damit das Fieber entsprechend senkte. Auf solche belastenden Prozeduren, zu denen zum Teil sehr drastische Programme entwickelt wurden, kann man heute verzichten, weil unter der Antibiotikatherapie länger anhaltendes Fieber nicht mehr vorkommt. Dennoch greift man, solange das Fieber hoch ist, noch gerne auf die nicht anstrengenden, mehr erfrischenden, wärmeentziehenden Waschungen und den Waden- oder Stammwickel zurück. Kalte Rückenwaschungen, häufig als Abklatschen vorgenommen, regen auch die Atmung an. Eine bessere Belüftung und Durchblutung der nicht betroffenen Lungenteile ist ein nicht zu unterschätzendes Ergebnis dieser Maßnahme. Kreislaufschwäche ist eine gefürchtete Komplikation der Pneumonie, weshalb man meist nicht ohne Analeptika auskommt. Die Wirkung solcher nur kurzfristig helfender Medikamente kann durch milde Waschungen der Glieder und des Ober- oder Unterkörpers unterstützt werden. Ihr gefäßtonisierendes Ergebnis wird noch nachhaltiger, wenn man nach einer kalten Waschung die Haut frottiert.

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Bei fiebernden Kranken sind die Schleimhäute der Atemwege recht trocken. Um dies zu lindern, feuchtet man die Luft im Krankenzimmer an, denn die Anstrengung einer Inhalation ist oft nicht zumutbar, und ihre Hilfe hält jeweils nur kurz an. Die Ultraschallvemebler (S.429) liefern eine angenehme Luftfeuchte; mehrmals täglich wird über dem Kopfende des Krankenbettes Wasser vernebelt. Notfalls hängt man große feuchte Tücher auf, die relative Feuchte der Luft steigt auch damit ausreichend an. Zudem macht man immer wieder die Erfahrung, daß Frischluftatmung am geöffneten Fenster von den Kranken als sehr wohltuend empfunden wird. Auch im Winter kann ohne Gefährdung der Kranken das Fenster weit geöffnet bleiben, sofern der zuweilen somnolente Patient ruhig und warm zugedeckt liegen bleibt. Zur leichten Expektoration sind Brustwickel indiziert. Man sollte sie erst dann geben, wenn sie den Kranken nicht mehr belasten. Bei Brustschmerzen bringt auch der altbewährte Senfwickel große Erleichterung. Stattdessen kann man auch eine hyperämisierende Salbe über der betroffenen Seite einreiben. Krankengymnastik: Ein Symptom, das meist der Behandlung bedarf, ist der Husten. Wenn die Infiltration sich zu lösen beginnt und reichlich Sputum auftritt, muß gut abgehustet werden, damit möglichst wenig Zerfallsprodukte im Körper bleiben und resorbiert werden. Die Kraft der Kranken reicht oft zu einem ergiebigen Husten nicht aus. Sie vermeiden nicht nur das Husten und können dies auch, weil ein Hustenreiz oft fehlt, sondern sie atmen auch bei den mühsamen, zuweilen schmerzhaften Atembewegungen nicht genügend tief durch. In dieser Lage wird durch die Krankengymnastin zunächst eine ausgesuchte Drainagelagerung (S. 225) vorgenommen. Der Kranke wird durch sanfte, schnelle Vibrationen und leichte Erschütterungen dazu gebracht, gut abzuhusten. Die Krankengymnastin wiederholt dies mehrmals täglich für 1 - 2 Minuten jeweils während der Exspiration. Die Vorderseite und die Flanken des Thorax sind in schonender Rückenlage solchen Behandlungen gut zugänglich, die Rückenpartien werden in der Seitenlage behandelt. Dabei sollen die Kranken summend ausatmen; das hat eine innere Vibrationswirkung und fördert die Expektoration. Die feinen Erschütterungen des Thorax und auch der Bauchdecken haben zusätzlich einen günstigen Effekt. Die so oft verspannte Atemmuskulatur und eine Starre des Zwerchfelles lösen sich. Die Kranken atmen freier und husten kräftiger ab. Obwohl in der ersten Zeit der Krankheit die Atmung oberflächlich ist und die erkrankte Seite bei der Atmung nachschleppt, ist diese hier ansetzende krankengymnastische Atemtherapie in der Phase der roten und grauen Hepatisation natürlich noch nicht angezeigt, weil das infiltrierte Lungengewebe zu unelastisch ist, als daß es Dehnungen nachgeben könnte. Außerdem ist eine Belüftung der beteiligten Lungenanteile ohnehin nicht möglich, solange die Alveolen infiltriert sind. Der Zeitpunkt für eine weitergreifende, sehr gezielte und umfassende AtemBrustkorbgymnastik ist gekommen, wenn die Krankheit in das Stadium der Lösung eingetreten ist. Dieses Stadium wird auch heute, wo die Kranken unter einer Antibiotikatherapie schnell entfiebern, erst etwa am 6.-7. Tag erreicht. Jetzt sind

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die feinstblasigen Rasselgeräusche (crepitatio redux) erneut zu hören, die eine Wiederbelüftung der Alveolen signalisieren. Damit zeichnet sich das Ziel der Atem-Brustkorbübungen ab, die jetzt mit gleichmäßigen und luftschöpfenden Atemexkursionen der befallenen Thoraxseite und des Zwerchfelles dafür sorgen, daß die erkrankten Lungenanteile wieder voll an der Ventilation teilnehmen. Zunächst werden auch diese Behandlungen sehr schonend, jeweils nur wenige Minuten, zwei bis dreimal am Tage vorgenommen. Die Krankengymnastin geht zu Tiefatemübungen über, läßt langsam, ruhig einatmen, rasch und kräftig wieder ausatmen, fordert auch auf, sakkadierend zu atmen (S. 222), nimmt gegebenenfalls dehnende Behandlungen der erkrankten Seite vor und beginnt später auch mit allgemeinen, kreislauf- und stoffwechselanregenden Übungen und Widerstandsübungen. Alveolarbereiche, die infiltriert waren und eines stärkeren Anstoßes bedürfen, werden unter Ventilationsübungen, die sich eines „Totraumverlängerers" bedienen, aktiviert. Die veraltete Methode, einen Ballon aufblasen zu lassen, ist dazu ungeeignet (S. 224).

Allgemein-unspezifische (C) und vorbeugende (D) Maßnahmen Allgemeine, unspezifische Maßnahmen haben das Ziel, die körpereigene Abwehr bzw. Heilkraft zu unterstützen. Soweit dies hier definierbar oder darstellbar ist, tragen die unter B genannten Verordnungen schon dazu bei. Darüber hinaus haben Langzeitbehandlungen, Klimakuren und Abhärtungen solche Wirkungen. In dem akuten, kurzfristigen Geschehen einer Pneumonie scheiden sie jedoch zunächst aus. In der Rekonvaleszenz und in der Zeit danach sind sie aber besonders bei solchen Menschen angezeigt, die wiederholt von einer primären pneumonischen Erkrankung heimgesucht wurden und damit eine gewisse Disposition erkennen lassen. Vorbeugend bedürfen alle Kranken, deren Resistenz durch eine schwere Erkrankung gemindert ist und auch alle Patienten, die unter einer immunosuppressiven oder langdauernden Steroidtherapie stehen, eines passiven Schutzes gegen eine sekundäre Infektion mit Erregern einer Pneumonie. In den Krankenhäusern ist der Schutz gefährdeter, hinfälliger Kranker vor Übertragungen durch gesunde Keimträger eine ständige Sorge (Hospitalismus). Die Pneumokokken, die Influenza- und Ornithoseviren und auch andere Virusarten werden durch Tröpfcheninfektion übertragen. Zwar ist eine unmittelbare Ansteckung bei der Pneumonie nicht gegeben oder wenig wahrscheinlich, aber zahlreiche Rhinoviren, Adenoviren (mehr als 30 Typen jeder Art), auch einige Pneumokokken siedeln sich dauerhaft auf den Schleimhäuten von Nase und Rachen an. Bei schlechter Abwehrlage eines hinfälligen Kranken reicht die Virulenz solcher Erreger aus, eine Pneumonie zu inkubieren. Sekundäre Pneumonien als Komplikationen der chronischen Bronchitis, der Herzinsuffizienz (hypostatische Pneumonie), nach Aspiration fester oder flüssiger Stoffe treten ebenfalls erst auf, wenn eine Infektion mit den Mikroorganismen der

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genannten Art dazu kommt. Schutz der Kranken vor diesen Erregern ist deshalb eine unerläßliche vorbeugende Maßnahme. Vordringliche Aufmerksamkeit gilt bei den bettlägerigen Kranken ferner der Thromboseprophylaxe. Isometrische Spannungsübungen besonders der Beine und krankengymnastische Bewegungsübungen verhindern diese Komplikation. Zunächst ist es ebenso einfach wie wirkungsvoll, mittels eines kleinen Kistchens am Fußende des Bettes den Druck auf die Fußsohlen, der im Liegen entfällt, wiedereinzustellen. Der Kranke stemmt so oft wie möglich die Füße gegen die Unterlage und macht damit die isometrischen Spannungsübungen der Beine, die aber nicht belastend für das Herz sein dürfen (S. 702) und es in dieser Form auch nicht sind. Entsprechend dosiert, gewährleisten sie eine gute arterielle Durchblutung der Beine und fördern den so wichtigen Rückfluß, indem die sich verkürzenden bzw. anspannenden Muskeln die Venen auspressen. Die Kranken müssen aber von Krankengymnastinnen sorgfältig angeleitet werden; jegliche Preßatmung kann zu einer Katastrophe führen (S. 702). Die Kranken sollen auch, so oft und so gut es geht, tief durchatmen. Dies fördert durch die Sogwirkung (S. 433,697) den Zustrom zum rechten Herzen und damit den Blutabfluß aus dem Venensystem. Bei sehr geschwächten Kranken entlastet die Krankengymnastin auch passiv den venösen Schenkel. Sie lagert wiederholt die Beine um, streicht sie herzwärts aus, knetet leicht alle Muskeln und bewegt passiv die Beine, gegebenenfalls gegen leichten Widerstand. Bei Herz- und Kreislaufschwäche ist die Gefahr einer hypostatischen Minderdurchblutung an sich belüftungsfähiger, aber durch Mangelatmung und fehlende Bewegung nicht genügend genutzter Lungenanteile gegeben. Atemübungen, besonders der Flanken und zum Rücken hin, begegnen dieser Gefahr. Kalte Rückenund Brustwaschungen oder Abklatschen des Rückens lösen zusätzlich tiefe Atemreize aus.

2.4.3 Folgekrankheiten nach Lungenentzündungen (Chronische Pneumonie, Lungenzirrhose) Übersicht über die Behandlungsvorschläge Kausale Therapie (A) Sind nach antibiotischer Therapie der Pneumonie noch selektiv resistente Erreger nachweisbar, werden entsprechend gezielte Antibiotika eingesetzt Symptomatisch-gezielte Behandlungen (B) Medikamentös: Herz- und Kreislaufmittel

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Physikalisch-therapeutisch : Krankengymnastik: Dehnende Behandlung der erkrankten Seite. Hilfen zum Abhusten, ggf. spezielle Behandlung einer begleitenden Bronchitis, sich bildender Bronchiektasen oder eines Dehnungsemphysems Hydrotherapie: Bei Fieber wärmeentziehende Wickel. Brustwickel zur Förderung der Expektoration, aufsteigende Armbäder regen die Durchblutung von Herz und Lunge an Elektrotherapie: Kurzwellendurchflutungen der befallenen Brustseite tragen zur Lösung der pneumonischen Infiltration bei ; bei Lungenzirrhose nicht geeignet Allgemein-unspezifische (C) und vorbeugende (D) Maßnahmen Alles, was zur Lösung pneumonischer Infiltrationen beiträgt, hilft auch, Folgekrankheiten zu verhüten Erläuterungen zu A bis D Nicht jede Pneumonie heilt aus. In seltenen Fällen kann die in der Regel stürmisch verlaufende Erkrankung lange der Behandlung trotzen und eine Lösung der Infiltrationen vermissen lassen. Dann liegt eine chronische Pneumonie vor. Daraus entwickelt sich unter ungünstigen Umständen eine Lungenzirrhose. Auch der Lungenabszeß oder eine Lungengangrän haben in einem solchen Verlauf eine ihrer Ursachen. Kausale Therapie (A) Die Ätiologie der chronischen Pneumonie ist nicht sicher geklärt. Es handelt sich um ein atypisches Geschehen, wobei noch offen ist, ob eine besondere Eigenart der Erreger, eine Disposition der Erkrankten oder ein Zusammentreffen mehrerer, undurchsichtiger Faktoren für den regelwidrigen Verlauf verantwortlich zu machen sind. Das Bild einer chronischen Pneumonie läßt auch die Vermutung aufkommen, daß sich eine Abszedierung anbahnt. Zirrhotische Gewebsveränderungen in der Lunge haben verschiedene Ursachen. So führt einmal der chronische Verlauf einer lobären oder, seltener, lobulären Pneumonie zur Zirrhose, wenn statt der Lösung ein bindegewebiger Umbau des Lungenparenchyms unter weiterschwelenden entzündlichen Erscheinungen einsetzt. Auch bei dichtstehenden und konfluierenden bronchopneumonischen Herden ist eine solche Entwicklung möglich. Charakteristisch ist dies für kleinere Lungenpartien bei der zirrhotischen Lungentuberkulose, auch für die Silikose und andere Staubkrankheiten, ferner für die Strahlenschädigung der Lunge und für einige Nebenwirkungen bestimmter Medikamente. Es gibt auch eine diffuse, progressive, interstitielle Lungenfibrose ungeklärter Ätiologie (Hamman-Rich-Syndrom).

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Solche Entwicklungen sind nicht zu beeinflussen, es sei denn, die rechtzeitige intensive und erfolgreiche Behandlung des Grundleidens beugt einem so verhängnisvollen Verlauf vor oder beschränkt ihn auf ein beherrschbares Maß. Symptomatisch-gezielte Behandlungen (B) Die symptomatischen Behandlungen zielen auf einige wenige Krankheitsmerkmale. Solange Fieber besteht oder entzündliche Schübe auftreten, geschieht die Behandlung nach den für die akute Lungenentzündung geltenden Grundsätzen. Darüber hinaus werden sich stets die Methoden der Physikalischen Therapie anbieten. Ziel dieser Maßnahmen ist es, die Wiederbelüftung der befallenen Lungenanteile zu unterstützen, um damit gegebenenfalls noch einen Anstoß zur Lösung zu geben, daneben auch die Durchblutung in den erkrankten Lungensegmenten zu fördern. Krankengymnastik: Die Krankengymnastik hat eine wichtige Aufgabe. Täglich werden die Kranken auf die gesunde Seite gelagert, beim Atmen dehnt sich so die erkrankte Seite weiter aus. So werden die minderbelüfteten Lungenabschnitte besser belüftet, und die Dehnungen wirken der Schrumpfungstendenz entgegen. Als Folgeerscheinungen der Schrumpfungen können sich Bronchiektasen oder ein Dehnungsemphysem in benachbarten, nicht geschrumpften Lungenpartien entwickeln ; die Dehnung der schrumpfenden Anteile wirkt dem entgegen. Hydrotherapie: Die Hydrotherapie wird je nach Indikation wie bei der akuten Pneumonie ausgewählt und dosiert. Elektrotherapie: Eine Hochfrequenzbehandlung der chronischen Pneumonie gibt gelegentlich einen entscheidenden Anstoß zur Lösung der Infiltration. Man verwendet große Schliephake-Elektroden (S.401) mit mindestens 13 cm Durchmesser und stellt sie auf Brust und Rücken in gleicher Höhe ein. Zunächst wird sehr vorsichtig dosiert (Dosis I bis II, Dauer 2-5 Minuten). Bei guter Verträglichkeit kann langsam bis auf 10 oder 20 Minuten gesteigert werden. Liegen bei der Lungenfibrose bereits Bronchiektasen vor oder besteht eine chronische Bronchitis, dann sind die für diese Leiden empfohlenen Behandlungen gleichfalls indiziert. Allgemein-unspezifische (C) und vorbeugende (D) Maßnahmen Behandlungen unspezifischer Art können auch bei der chronischen Pneumonie und der Lungenzirrhose mit ihren Folgekrankheiten indiziert sein. Ihre Auswahl richtet sich nach den für die Lungenentzündung oder für die Erkrankung der tieferen Luftwege gegebenen Empfehlungen.

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2.4.4 Lungenabszeß und Lungengangrän Übersicht über die Behandlungsvorschläge Kausale Therapie (A) Antibiotika nach Antibiogramm; ggf. chirurgische Resektion des Abzesses Symptomatisch-gezielte Behandlungen (B) Inhalationen: Sekretolytika (auch per os), kombiniert mit Bronchospasmolytika Krankengymnastik: Drainagelagerung, Hilfen zum Abhusten. Nach Operation Atem-Brustkorbgymnastik zur Verhütung (D) von Narbenschrumpfungen und zur vollständigen Belüftung der Lunge Elektrotherapie: Großflächig Hochfrequenzdurchflutung des Abszeßgebietes Allgemein-unspezifische Behandlungen (C) Ziel ist die Steigerung der allgemeinen Abwehr durch „Umstimmung". Verordnungen sind Bluttransfusionen, Injektionen von speziellen Eiweißkörpern, Salvarsen, Alkohol, Eigenblut. Bei bettlägrigen Kranken mit Fieber hydrotherapeutische Erleichterungen Vorbeugende Maßnahmen (D) Medikamentöse und physikalisch-therapeutische Verhütung von Komplikationen an Herz, Kreislauf und Atmung Erläuterungen zu A bis D Kausale Therapie (A) Eiterungen mit nekrotisierender Zerstörung von Lungengewebe durch Leukozytenfermente und Fäulniserreger führen innerhalb der Lunge zu abgekapselten Abszessen. Solitäre Abszesse entstehen gelegentlich als metapneumonische Komplikation aus dem Stadium der grauen Hepatisation, wenngleich dies bei der modernen, sehr wirksamen Antibiotikatherapie sehr viel seltener geworden ist. Häufiger entstehen Abszedierungen aus Erkrankungen der Bronchien, auch als Folge der akuten Grippebronchitis mit ihrer starken Beeinträchtigung der allgemeinen Abwehrleistung des Körpers, nicht selten auch als Komplikation von Bronchiektasen. Auch durch Fremdkörper (Aspirationspneumonie) oder metastatisch embolische Keimverschleppung kann ein Abszeß entstehen. Letztere treten meist als multiple, septische Abszesse in Erscheinung. Spezifisch-ursächlich im Hinblick auf das infektiöse Geschehen wirken, konsequent und hochdosiert gegeben, die erregerspezifischen Antibiotika. Ein Antibio-

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gramm ist erforderlich. Seit es Antibiotika gibt, ist die Prognose recht günstig geworden. Etwa 80-90% der Fälle heilen unter der konservativen Behandlung aus. Erst wenn dies in Wochen nicht gelingt, ist eine chirurgische Ausräumung indiziert. Dies geschieht, je nach Größe und Ort eines oder mehrerer Abszesse, durch Segmentresektion, Lobektomie oder Pneumotomie. Ausgewählte Antibiotika leisten auch als Aerosol gute Dienste. Solche Inhalationen sollten aber nicht ausschließlich gegeben werden, weil innerhalb der Abszeßhöhlen ein Inspirationssog kaum noch gegeben ist und eine ausreichende topische Dosierung (S. 636) nicht gewährleistet ist. Da andererseits die gefäßarmen, schwieligen Abszeßwände auch bei hohem Blutspiegel die Antibiotika nicht in genügender Konzentration passieren lassen, empfiehlt es sich, sowohl die orale Gabe wie auch Aerosolinhalation anzuwenden. Symptomatisch-gezielte Behandlungen (B) Für den Verlauf der Erkrankung ist die Entleerung der Abszeßhöhle ein Vorgang, der oft spontan zur Heilung führt. Die Entleerung nach außen erfolgt über das Bronchialsystem. Mangelhafte Reinigung der Bronchien mit Sekretstau verzögern oder behindern diesen Selbstreinigungsprozeß. Inhalationen: Die antibiotische Ausschaltung der Erreger in einem Lungenabszeß mit Aerosolen wurde schon erwähnt. Darüber hinaus sind in der Regel auch sekretolytische Wirkstoffe als Aerosol indiziert, um die Atemwege für die Entleerung freizuhalten. Zweckmäßig kombiniert man verschiedene Wirkstoffe. Man erweitert kurz, etwa mit einem Dosieraerosol, die Atemwege, sorgt anschließend für Sekretolyse und gibt, nachdem der Patient gut abgehustet hat, zusätzlich das Antibiotika-Aerosol. Krankengymnastik: Die Krankengymnastik versucht, sofern der Zustand des Kranken dies zuläßt, durch entsprechende Drainagelagerungen, die nach dem Prinzip der Quinckeschen Hängelagerungen (S.632) ausgewählt wurden, das schon nach außen abfließende Sekret in den zugehörigen Bronchus erster Ordnung zu lenken. Dabei werden auch Hilfen zum Abhusten durch Vibrationen, Klopfungen und Erschütterungen gegeben. Dies ist mehrmals täglich erforderlich, bis sich der Abszeß ganz entleert hat. Ist der Abszeß im wesentlichen ausgehustet und bildet sich kein neuer Eiter mehr oder wurde er operativ entfernt, dann sollte einer zu weitgehenden Schrumpfung des Lungengewebes oder der Thoraxwand durch dehnende Atem-Brustkorbübungen begegnet werden. Dies erfordert eine lange Behandlungsdauer und muß sehr vorsichtig geschehen. Eine Eindämmung weitgehender Schrumpfung des ganzen Atemsystems ist damit möglich. Elektrotherapie: Kurzwellendurchflutungen sind eine Zeitlang sehr empfohlen worden. Es hat sich aber ergeben, daß bei frischen Abszessen unter längeren Durchflutungen die Gefahr einer Blutung oder von Neueinschmelzungen in der Nachbarschaft nicht auszuschließen ist. Man muß die Indikationen deshalb vorsichtig stellen. Bei länger bestehenden, gut abgegrenzten Abszessen mit fester

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Wandung hat sich die Kurzwellenbehandlung mit ihrer durchblutungsfördernden Wirkung auf das umgebende Lungengewebe, kombiniert mit der Antibiotikatherapie, aber bewährt. Mit der vermehrten Durchblutung gelangen die Antibiotika leichter an den Abszeß heran. Man wählt, wie bei der Behandlung der chronischen Pneumonie, zwei gleichgroße Glaselektroden, die man auf Brust und Rücken der erkrankten Seite in gleichem Abstand ansetzt. Damit wird das relativ homogene Lungengewebe nahezu gleichmäßig durchwärmt. Wie bei der chronischen Pneumonie dosiert man hier sehr vorsichtig (S. 656). Allgemein-unspezifische Behandlungen (C) Die unspezifische Allgemeinbehandlung, die bei der Schwere der Erkrankung die Herz- und Kreislaufverhältnisse, den Ernährungszustand, das Fieber und die Ausscheidungsfunktionen des Kranken im Auge hat, ist mit allen pflegerischen, medikamentösen und physikalisch-therapeutischen Mitteln eine der spezifischen Therapie beigeordnete Aufgabe. Zur Förderung der allgemeinen unspezifischen Abwehrleistung, die auch im Zeitalter der Chemo- und Antibiotikatherapie ihre Bedeutung behält, werden Bluttransfusionen, Eigenblut-, Omnadin-, Salvarsan- oder Alkoholinjektionen empfohlen. Die physikalisch-therapeutischen Maßnahmen mit resistenzsteigernder Zielsetzung (Abhärtungs-, Bewegungs-, Klimareize) sind im akuten Geschehen eines Lungenabszesses nicht geeignet; sie würden vom kranken Organismus zu große reaktive Leistungen verlangen. Dagegen sind aber die, den Kreislauf und die Atmung anregenden hydrotherapeutischen Anwendungen milder Art, wie sie der Arzt bei der akuten Pneumonie oft verordnet, auch für den Kranken, der unter einem Lungenabszeß leidet, recht wohltuend. Vorbeugende Maßnahmen (D) Die Prophylaxe richtet sich im wesentlichen gegen die möglichen Komplikationen, an die man bei streng eingehaltener Bettruhe immer denken muß. Auch hier gilt es, Beinvenenthrombosen mit krankengymnastischen Lagerungsund Bewegungsprogrammen zuvorzukommen, auch atemgymnastisch die ganze Lunge gleichmäßig zu ventilieren, wie es bei allen Bettlägerigen stets geschehen sollte. Bei der Lungengangrän schmilzt, wie beim Lungenabszeß, Lungengewebe entzündlich-eitrig ein; fast ausschließlich fäulniserregende Bakterien sind dafür verantwortlich. Obwohl diese von der Empfindlichkeit her durch Antibiotika gut beherrscht werden können, ist die Prognose doch sehr viel schlechter als beim Lungenabszeß, weil hier nicht ein begrenztes, abgekapseltes Geschehen abläuft, vielmehr eine ausgeprägte Tendenz zu rascher Ausbreitung besteht, die selbst antibiotisch oft nicht aufzuhalten ist. Da bei der Lungengangrän die Anaerobier überwiegen, sind am ehesten die Tetrazykline wirksam.

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Die Behandlung entspricht im Prinzip dem Behandlungskonzept beim Lungenabszeß. Man wird in jedem Fall zunächst intensiv mit Tetrazyklinen behandeln, die auch hier per os und mit Inhalationen gegeben werden. Breitet der gangränöse Prozeß sich aus oder wird der Kranke zunehmend hinfälliger, dann muß rechtzeitig der Entschluß zur Operation gefaßt werden, sofern die Lokalisation dies erlaubt. Erst aufgrund des operativen Vorgehens ergeben sich besondere Indikationen zur Nachbehandlung physikalisch-therapeutischer Art. Dabei gilt es, nach der Operation den narbigen Schrumpfungen entgegenzuwirken, die knöcherne Beweglichkeit des Thorax und die Haltung der Wirbelsäule zu korrigieren und zu festigen, die volle Belüftung aller Lungenteile zu unterhalten und auch Folgekrankheiten wie Schwartenbildung und Bronchiektasen rechtzeitig durch Atem-Brustkorbgymnastik möglichst zu verhindern.

2.5 Lungentuberkulose Übersicht über die Behandlungsvorschläge Kausale Therapie (A) Voll wirksame Chemotherapie, intensiv und sehr konsequent über lange Zeit; ggf. chirurgische Resektion tuberkulösen Gewebes Symptomatisch-gezielte Behandlungen (B) Medikamentös: Hustenstillende und sekretlösende Mittel Physikalisch-therapeutisch: Hydrotherapie: Allein fiebersenkende Indikationen Inhalationen: Bei spastisch-bronchitischer Symptomatik jeweils zuerst Bronchospasmolytika, anschließend sekretolytische Aerosole. Tuberkulostatika sind als Aerosol wenig wirksam Allgemein-unspezifische Behandlungen (C) Klimatherapie Vorbeugende Maßnahmen (D) Vor Operationen am Thorax schulende Atem-Brustkorbgymnastik zur Vorbereitung der nachoperativen Behandlung „Sicherungskuren" im Heilklima

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Erläuterungen zu A bis D Kausale Therapie (A) Die Lungentuberkulose hat ihren Charakter als Volksseuche kraft der kausal wirksamen bakteriostatischen Therapie verloren. Ihre Erfolge hat die Letalität an dieser Krankheit fast vollständig ausgemerzt. Die meist tödlich verlaufende miliare Ausstreuung, die gefürchtete Darmtuberkulose und andere Organheimsuchungen, selbst das unaufhaltsame Dahinschwinden jeder Abwehrleistung (Schwindsucht) sind ganz selten geworden. Die Zahl der Menschen, die die Krankheit durch Ansteckung an ihre Umgebung weitergeben, wird dank der bakteriell sterilisierenden Wirkung der Chemotherapie und hygienischer Maßnahmen immer kleiner. Aus der Morbidität (Zahl der Tuberkulosekranken in der Bevölkerung) und der Durchseuchung (nachweisbar erfolgte Infizierung ohne Erkrankung), diese ist unter der antibakteriellen Therapie nicht wesentlich geringer geworden, ergibt sich, daß die große Mehrheit der Menschen mit dem Erreger der Tuberkulose, dem von R. Koch entdeckten Mykobacterium tuberculosis, infiziert wird. Ein kleiner Teil nur macht die Infektion mit erkennbaren Krankheitserscheinungen durch. Der unkomplizierte Erstinfekt verläuft bei den meisten Menschen so symptomarm, daß die Krankheit bis zur spontanen Ausheilung ärztlich nicht erfaßt wird, d. h. diese Menschen machen eine „stille Feiung" durch (ein von M. v. Pfaundler geprägter Begriff für die symptomlose Abwehr einer Infektionskrankheit), der Organismus wird aus eigener Kraft mit der Krankheit fertig. Die Tatsache, daß die Anfälligkeit der Menschen für die Tuberkulose offenbar allgemein verbreitet, die Hinfälligkeit dagegen sehr viel geringer ist (weniger als 10% der Tuberkuloseinfizierten wird tuberkulosekrank), weist darauf hin, daß nicht allein die Virulenz der eingedrungenen Erreger die Ansiedlung in der Lunge oder in anderen Organen möglich macht und damit zur Erkrankung führt. Konditionelle Momente sind dafür gleichfalls verantwortlich zu machen. Wie der infizierte Mensch auf den eingedrungenen Erreger, also die Krankheitsursache, reagiert, ist abhängig von einer Vielzahl von endogenen Faktoren, die in ihrer Summe als Disposition definiert werden, wobei auch konstitutionelle Umstände mitwirken. Es wurde bereits dargestellt (S.74), daß es mit Reizqualitäten physikalischtherapeutischer Art gelingt, den Organismus anpassungsfähiger gegen äußere Störeinflüsse zu machen und daß mit dieser Kräftigung auch die allgemeine Resistenz zunimmt. Dies dürfte mehr oder weniger für alle Krankheiten gelten. Wie immer eine Lungentuberkulose manifest wird, ob sie eine exsudativ-infiltrative oder mehr produktiv zirrhotische Verlaufsform hat, oder ob es sich entsprechend der Rankeschen Stadienlehre [504] um eine Erstinfektion, ein Sekundärstadium oder um eine isolierte Organtuberkulose handelt, immer ist die antituberkulöse Chemotherapie absolut vorrangig; ihre Qualität entscheidet über den Verlauf der Erkrankung. Die Grundsätze einer optimalen Chemotherapie [502] bestehen in einer Dreifachkombination der Pharmaka, wobei jedes Mittel für sich allein in seiner Dosis sicher antibakteriell wirken muß. Ferner ist es unerläßlich, die Mittel möglichst

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pausenlos zu geben und langfristig beizubehalten; die verschiedenen Pharmaka wählt der Arzt nach individueller Verträglichkeit aus. Die Erfolge einer solchen konsequenten Behandlung im Verlauf der Krankheit bis zur völligen Ausheilung sind so überzeugend, daß manche Kenner der Tuberkulose alle unspezifischen Behandlungen für zweitrangig oder gar für unwesentlich halten. Dies ist eine Auffassung, die von der Mehrheit der Fachärzte aber nicht geteilt wird. Manche Erscheinungsformen der Lungentuberkulose machen auch unter intensiver Chemotherapie chirurgische Aktivitäten zur Ausschaltung von persistierenden tuberkulösen Prozessen notwendig. Dem Chirurgen bieten sich bei dem hohen Stand der Thoraxchirurgie Möglichkeiten. Er resiziert beispielsweise Kavernen aus dem Lungengewebe und kürzt damit die Krankheitsdauer wesentlich ab. Diese Verfahren sind an die Stelle der langwierigen Pneumothoraxbehandlungen getreten. Auch spezifisch infizierte Bronchiektasen, Empyseme nach Kavernendurchbruch in den Pleuraspalt, Bronchialfisteln und die Tuberkulome sind durch Operation relativ schnell zu heilen. Operative Eingriffe dieser Art werden erleichtert und in ihrem Ergebnis verbessert, wenn die Krankengymnastin den Eingriff mit Atembehandlungen vorbereitet (S. 667) und sich in der Zeit der Wundheilung und -vernarbung der Beweglichkeit des Thorax annimmt. Symptomatisch-gezielte Behandlungen (B) Symptomatisch-gezielte Behandlungen zielen darauf ab, das Fieber, den Nachtschweiß und den Husten zu lindern. Die moderne antituberkulöse Chemotherapie beherrscht allerdings die früher so häufigen, über Wochen anhaltenden Fieberzustände mit starkem Schwitzen, so daß die Kranken kaum noch darunter leiden. Hydrotherapie: Tritt aber Fieber in belastender Höhe und Dauer auf, dann zieht mancher Arzt eine wärmeentziehende, fiebersenkende Hydrotherapie (S. 273) der chemisch-pharmakologischen Fiebersenkung, angesichts ihrer hohen Dosierung, vor. Inhalationen: Die symptomatische Behandlung des Hustens versucht den Hustenreiz zu stillen, mehr noch, ihn mit sekretlösenden oder spasmolytisch wirkenden Medikamenten zu erleichtern. Während man bei der Lungentuberkulose die Sekretolytika lieber per os gibt und eine Inhalation tuberkulostatischer Medikamente wie auch ihre Instillation zur gezielten endobronchialen Kavernenbehandlung sich heute erübrigt, bringt bei spastisch-bronchitischer Symptomatik die Inhalation der Bronchospasmolytika, z. B. als Dosieraerosol (S.441) mit nachfolgender Inhalation sekretolytisch wirksamer Aerosole, gute Ergebnisse. Allgemein-unspezifische Behandlungen (C) Die allgemeinen unspezifischen Behandlungen sind heute ebenso wie früher als Basisbehandlung der Lungentuberkulose unentbehrlich. Während der fiebernde Kranke selbstverständlich Bettruhe einhält und auch bei subfebrilen Temperaturen eine Bewegung im Freien nicht ratsam ist, bleibt bei al-

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len fieberfreien Kranken die Liegekur in einem Heilklima ein Fundament der therapeutischen Behandlung. Die Liegekur erhält das Prädikat „Kur" dadurch, daß der Kranke sich streng daran hält. Etwa 6-8 Stunden des Tages mit kurzen Unterbrechungen sollte sie im Freien, zumindest bei weit offenem Fenster, eingehalten werden. Ihre therapeutische Wirkung hat sich immer wieder bestätigt, so daß sie selbst in der belletristischen Literatur zu einem Begriff geworden ist [419]. Im wesentlichen wird es die körperliche Schonung sein, die dem Organismus bei der Abwehr einer schweren Infektion hilft. Eine möglichst flache Lage bei der Liegekur soll mit dem leichten Zwerchfellhochstand eine vermehrte Blut- und Lymphdurchströmung der apikalen Lungenbezirke erbringen, die bevorzugt befallen werden [127]. Die große Bedeutung, die der Gesamtverfassung des Organismus in dem Abwehrkampf gegen die Tuberkulosebakterien und ihrer Toxine zukommt, wobei auch das nicht unerhebliche Unbehagen und eine allgemeine Hinfälligkeit, die hochdosierte medikamentöse Behandlungen mit sich bringen, berücksichtigt werden müssen, veranlaßt den Arzt, alles zu tun, was die Widerstandskraft des Organismus und das Wohlbefinden des Patienten heben kann. Die gute spezifische Wirkung der Chemotherapie schafft zwar die Voraussetzung für die Heilung, diese kann aber ohne einen gekräftigten Organismus nicht vollständig gelingen. Man sollte nicht vergessen, daß früher, vor der Entwicklung chemotherapeutischer Behandlungskonzepte, die Tuberkulose, abgesehen von chirurgischen Maßnahmen, allein durch eine Allgemeinbehandlung im wesentlichen unter Liegekuren in einem Heilklima ausheilte. Dies macht offenkundig, daß die Tuberkulose unabhängig von ihrer Lokalisation eine Allgemeinerkrankung des Körpers ist, die nur ausheilen kann, wenn der Körper so gekräftigt wird, daß er die Krankheit auf der Basis der Therapie magna sterilisans (S. 602) auch vollständig überwindet. Auch die beste tuberkulostatische Therapie macht die unspezifischen Hilfen keineswegs überflüssig. Man sollte ferner bedenken, daß die Chemotherapie zwar die unmittelbare Krankheitsursache ausschaltet und damit auch eine Heilung herbeiführt, aber nicht vor Reinfektionen schützt. Vollständig gesund ist der Patient erst, wenn durch eine ergänzende, unspezifische Allgemeinbehandlung, z. B. durch eine „Sicherungskur" in einem Heilklima, auch die Krankheitsdisposition (S.617) behoben ist. Zwar ist im ganzen Behandlungskonzept der Lungentuberkulose die Klimatherapie in den Hintergrund getreten. Sie wird aber neuerdings wieder mehr als unterstützende und ergänzende Maßnahme zur Chemotherapie und nach der operativen Behandlung der Lungentuberkulose eingesetzt, obgleich sie natürlich keine Alternative zur bakteriostatischen Behandlung sein kann. Während sich die Chemotherapie gegen die Erreger und die von ihnen verschuldeten exsudativ-infiltrativen oder proliferativ-produktiven Entzündungserscheinungen richtet, versucht die Klimatherapie die Krankheitsdisposition zu beheben, die im Heilklima mit entsprechenden Verordnungen einer unspezifischen Resistenz weicht.

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Der Zeitpunkt, den Kranken zu einer Klimakur zu schicken, ist dann gekommen, wenn die initialen Fieberzustände abgeklungen sind und die antibakterielle Chemotherapie ohne Komplikationen verläuft. Der Kranke ist „heilstättenfähig", d.h. er ist jetzt in der Lage, an einer Freiluftliegekur in einem ausgewählten Klima teilzunehmen. Ein absolutes Schonklima oder reines Reizklima gibt es ebensowenig wie es ein Klima gibt, das spezifisch die Tuberkulose zu heilen vermag. Die Begriffe „Schon-" und „Reizklima" sind relativ (S. 537). Der Gesamtzustand des Kranken und die Erscheinungsform seiner Krankheit geben dem Arzt die Hinweise, welches Heilklima er auswählen sollte und wie die einzelnen Faktoren des Klimas sich auf den Kranken auswirken werden. Bestimmend für die Wahl eines Ortes ist eine umfassende Diagnostik. Bei der Wahl eines Kurortes gibt es eine einfache Faustregel. Kurorte, die Tuberkuloseheilstätten haben, verfügen deswegen über spezielle Krankenhäuser, weil das Ortsklima als geeignet zur Mitwirkung an der Heilung einer Tuberkulose ausgewiesen ist. Bei den schweren exsudativen Formen sind die Schonfaktoren der waldreichen Mittelgebirge vorteilhaft. Dazu gehören reine, frische, staubfreie Luft mit wenig Kondensationskernen, fehlende schädliche Beimengungen, ein Windschutz, eine geringe Luftfeuchte, eine unwesentliche Strahlungsintensität bei langer Sonnenscheindauer, mäßige Abkühlungsgrößen bei relativ milden Temperaturschwankungen, wenig oder kaum Nebelbildung. Hier gehen die exsudativen Formen der Erkrankung eher in einen mehr produktiven Verlauf über und machen damit einen ersten Schritt zur Ausheilung möglich. Die primär produktiv-zirrhotischen Formen sprechen gut auf Reizfaktoren an, sofern diese nicht zu kräftig sind. Seeklima oder mittlere bis höhere Gebirgslagen mit stärkerer indirekter Ultraviolettstrahlung, mit größeren Temperaturdifferenzen im Tages- und Jahresgang, wechselnden Niederschlagsmengen, vor allem auch Schnee, nicht zu kräftiger Luftbewegung sind hier geeignet. Im Hochgebirge übt auch der geringere Sauerstoffpartialdruck der Höhenluft eine gewisse Reizwirkung aus. Solche Klimareize fordern vom Organismus körpereigene Anpassungsreaktionen, die dazu beitragen, daß die allgemeine Widerstandskraft des Körpers angehoben wird (vgl. unspezifische Adaptation, S. 64). Welches Klima auch immer aufgesucht wird, es kommt stets darauf an, wie der Arzt die Klimakur anlegt bzw. wie er durch Exposition den klimatischen Komplex oder einzelne Faktoren nutzen kann. Alle dosierbaren Einzelgrößen müssen jederzeit dem augenblicklichen Zustand des Kranken entsprechen. Geht die Heilung gut voran und sind die Kranken wieder in einem guten Allgemeinzustand, dann beginnt man mit einer leichten Bewegungstherapie. Sie besteht in einer Art Terrainkur mit lockernden Übungen im Gelände, gegebenenfalls auch mit leichter Atemgymnastik, die voll, aber nicht anstrengend, die ganze Atembreite ausnutzt. Das Ziel einer solchen dosierten körperlichen Aktivität liegt darin, ganz allgemein den Kreislauf und den Stoffwechsel anzuregen und speziell auch die geschwächten Extremitätenmuskeln der Kranken funktionell zu verbessern.

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Bei der extrapulmonalen Tuberkulose, besonders der Knochentuberkulose, führt im Gegensatz zur Lungentuberkulose, bei der eine direkte Sonneneinstrahlung streng kontraindiziert ist, die Heliotherapie zu guten Behandlungsergebnissen. Ihre Erfolge machen deutlich, wie wichtig eine unspezifische Allgemeinbehandlung sein kann. Dabei genügt es nicht, nur den lokal begrenzten Krankheitsherd der Sonnenbestrahlung auszusetzen. Die extrapulmonale Lokalisation mit demarkiertem Knochenherd, wie natürlich auch die Ausbreitung in der Lunge, muß als ein Ausdruck einer Allgemeinerkrankung gesehen werden, die eine Allgemeinbehandlung im Rahmen der spezifischen Therapie erforderlich macht [528], Zur Dosierung der Heliotherapie wurden schon ausführliche Angaben gemacht (S.462). Bei der Knochentuberkulose hat die Liegekur in der Sonne neben der Schonung offenbar auch unspezifische Wirkungen; für sehr schonungsbedürftige Lungenkranke ist die Sonneneinwirkung dagegen zu belastend. Vorbeugende Maßnahmen (D) Die Prophylaxe tuberkulöser Infektionen hat zwei Aufgaben: eine Ansteckung zu verhindern (Expositionsprophylaxe) und die individuelle Abwehrkraft des Organismus zu verbessern (Dispositionsprophylaxe). Die Prophylaxe ist spezifisch-medikamentöser und unspezifisch-physikalischtherapeutischer Art. Dazu kommen vorbeugende Verordnungen, die den Tuberkulosekranken vor Komplikationen bewahren. Die Expositionsprophylaxe zum Schutz von Säuglingen oder solchen Personen, die krank und damit in ihrer Resistenz geschwächt sind, ist in Krankenhäusern oder in der Umgebung von Tuberkulosekranken eine ärztliche Aufgabe. Die langjährige Überwachung der ruhenden oder ausgeheilten Tuberkulose — eine Aufgabe der Lungenfürsorge — gehört ebenso zur Prophylaxe, wie die Isolierung der an einer offenen Tuberkulose leidenden als eine vorbeugende Maßnahme zum Schutz der Allgemeinheit. Die wichtigste Dispositionsprophylaxe medikamentöser Art ist die Impfung der Neugeborenen, der tuberkulin-negativen Schulanfänger und -absolventen und auch der tuberkulin-negativen Erwachsenen. Die Impfung bietet einen guten Schutz gegen die Erkrankung. Eine präventive Chemotherapie wird empfohlen, wenn aufgrund besonderer Merkmale die Prävention spezifischen Charakter haben muß. Dies trifft auf solche Personen zu, die sich in ein bis zwei zurückliegenden Jahren klinisch unbemerkt, aber röntgenologisch offensichtlich neu infiziert haben. Gleiches gilt auch für ernstere Krankheiten, z. B. einem schweren Diabetes, bei chronischen Leiden, die eine Steroidbehandlung verlangen, bei disponierenden Erkrankungen wie Silikose, Masern oder selbst bei der Grippe, wenigstens dann, wenn eine alte Tuberkulose wieder aufflackern könnte. Die aktive Dispositionsprophylaxe physikalisch-therapeutischer Art findet ihre Grundlage zunächst einmal in all dem, was man verallgemeinernd „gesunde Lebensführung" nennt. Die Tatsache, daß Ansteckung und Erkrankung nicht iden-

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tisch zu sein brauchen, weist auf die große Bedeutung eines guten Allgemeinzustandes hin. Ausreichende Ernährung, wohltuende, nicht belastende körperliche Aktivität, Erholung nach Arbeit und sportlicher Betätigung, genügend Schlaf, hygienische Wohnverhältnisse, Einsicht in die Gefahren eines übertriebenen Sonnenbadens und des Mißbrauchs von Genußmitteln schützt den Menschen zwar nicht ausnahmslos, aber doch in nicht zu unterschätzender Weise davor, bei Kontakt mit dem Erreger an einer tuberkulösen Infektion zu erkranken. Zur aktiven Dispositionsprophylaxe eignen sich, soweit therapeutisch nachgeholfen werden muß, alle Maßnahmen einer langsam aufbauenden Abhärtung mit den Methoden der „kleinen Hydrotherapie" (Kneippkur) und vor allem die Klimabehandlungen mit reizkräftigen Klimaexpositionen. Im akuten Krankheitsgeschehen, in der Zeit mit strenger Bettruhe wie auch in der Folge der Liegekur, sind zur Vorbeugung von Kreislaufinsuffizienz oder Muskelatrophie krankengymnastische Behandlungen angezeigt. Die Kranken müssen zu solchen Übungen angehalten und darin unterwiesen werden. Sowie die Behandlungen körperliche Aktivitäten von den Kranken fordern, werden sie natürlich deren Zustand sorgsam angepaßt. Bei Bettlägerigen sollten Atem- und Pulsfrequenz nicht ansteigen, weil immer mit toxischen Kreislaufschäden zu rechnen ist. Isometrische Anspannungen, 3-5 Minuten lang mehrmals täglich ausgeführt, erfüllen voll ihren Zweck, belasten die Kranken aber nicht, sofern sie im Rahmen der für sie geltenden Beschränkungen bleiben (S.196). Bei guter Verträglichkeit dürfen im fieberlosen Zustand kräftigere Bewegungsübungen der Extremitätenmuskeln vorgenommen werden. Der Übergang zur Bewegungstherapie im späteren Verlauf einer Klimakur (Spaziergänge) wird damit gut vorbereitet. Werden operative Eingriffe am Thorax notwendig, dann ist eine krankengymnastische Vor- und Nachbehandlung notwendig (S. 667).

2.6 Lungentumoren Übersicht über die Behandlungsvorschläge Kausale Therapie (A) Resektion des Tumors. Bei Inoperabilität Zytostatika oder Strahlentherapie Symptomatisch-gezielte Behandlungen (B) Krankengymnastik: Vor der Operation gute Atemtechnik einüben, nach der Operation Hilfen zum Durchatmen und Abhusten

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Allgemein-unspezifische Behandlungen (C) Erholungskur; Liegekur in reizmildem Klima, kombiniert mit aufbauender Bewegungstherapie ; Übungen zur Beweglichkeit des Thorax. Hydrotherapie nach Kneipp Vorbeugende Maßnahmen (D) Während des Krankenlagers krankengymnastische Thromboseprophylaxe. Nachsorge gegen Narbenverziehungen. Verzicht auf kanzerogene Stoffe (Nikotin). Erläuterungen zu A bis D Kausale Therapie (A) Die Lungentumoren, Bronchialkarzinome, Alveolarkarzinome und die semimalignen Bronchialadenome sind durch konservative Behandlungen nicht zu beherrschen. Allein die völlige Entfernung (Ausschaltung der Ursache) des entarteten Gewebes vermag die Kranken zu retten. Die operative Resektion bringt die besten Heilungsquoten. Voraussetzung zur operativen Rettung bzw. einer noch bestehenden Operationsfähigkeit ist die Frühdiagnose. Derzeit ist immer noch ein sehr hoher Prozentsatz der Kranken, wenn der Tumor erkannt wird, schon nicht mehr operabel. In diesem Stadium hilft, allerdings nur noch in wenigen Fällen, die Strahlentherapie und eine zytostatische Behandlung. Bei dem hohen Stand der Thoraxchirurgie hängt der Erfolg einer Heilung nach Tumoroperationen von der weiteren Behandlung der stets vorhandenen komplizierenden Mischinfektion der Bronchialwege ab. Die gezielte, im Hinblick auf die Komplikation auch ursächlich ausschaltend wirkende Antibiotikatherapie wird nach Grundsätzen gestaltet, die bei der Behandlung der Pneumonie, des Lungenabszesses und der Bronchiektasen üblich sind. Symptomatisch-gezielte Behandlungen (B) Die Operation am offenen Thorax bedarf einer intensiven Vorbereitung und Nachbehandlung in Form der physikalischen Atemtherapie [606]. Krankengymnastik: Es ist wichtig, präoperativ die Techniken einer alle Lungenteile ventilierenden Atmung dem Kranken verständlich zu machen und mit ihm einzuüben. Atemanalysen (S. 211 f.) und die krankengymnastische Inspektion offenbaren schon bestehende Fehlatmungen, sie sollten vor der Operation möglichst korrigiert werden. Die Kranken sind auf die Operation gut vorbereitet, wenn sie — was viele gesunde Menschen auf Anhieb nicht können — alle Atembewegungen des Brustkorbes beherrschen und auch die Technik erlernt haben, mit der die nicht unmittelbar zugängliche Zwerchfellbewegung in Gang kommt. Auch die Bauchmuskeln bedürfen in der Regel der lockernden oder der kräftigenden Nachhilfe.

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All dies ist deshalb so wichtig, weil die frisch operierten Kranken wegen der Schmerzen im Operationsbereich Bewegungen vermeiden und nur oberflächlich atmen. Die Krankengymnastin läßt daher die Patienten mehrmals täglich mit der eingeübten Technik tief durchatmen und sorgt so für eine ausreichende Ventilation mit gleichmäßiger Belüftung der ganzen Lunge. Atmen die Kranken ohne krankengymnastische Hilfe ungenügend durch, dann wird unter Umständen die Totraumventilation so groß, daß bis zur Hälfte der Gesamtventilation oder sogar noch mehr verloren geht. Die Gefahr einer hypoventilatorischen Gasaustauschstörung ist dabei gegeben. Auch Hilfen zum Abhusten (S. 224) mit krankengymnastischen Methoden sind meist notwendig. Ohne diese kommt es leicht zu Sekretstauungen, es bilden sich Atelektasen, infektiöse Komplikationen (Bronchitis, Pneumonie) stellen sich ein. Schon wenige Stunden nach der Operation beginnt die Krankengymnastin mit ihrem Konzept. Zunächst bewegt sie passiv die Extremitäten, besonders auch die Arme in den Schultergelenken. Gegebenenfalls lagert sie die Kranken vorsichtig um. Dabei verlangt sie auch schon die erlernten, aktiven Atemübungen. Die Mühen dieser Bewegungsbehandlungen lohnen sich. Die Kranken erhalten die gelenkigen Verbindungen ihres Brustkorbes voll beweglich, die Atemmuskeln und Atemhilfsmuskeln bleiben funktionstüchtig. Narbige Verziehungen an der Haut, den Muskeln und der Pleura mit nachfolgender Fehlhaltung und eingeschränkter Atembewegung treten nicht oder nur in tolerablen Grenzen auf, wenn mit einer intensiven krankengymnastischen Nachbehandlung die Prinzipien der Rehabilitation beachtet werden. Allgemein-unspezifische Behandlungen (C) Unspezifische Allgemeinbehandlungen nach Operationen am offenen Thorax haben das Ziel, die Rekonvaleszenz zu fördern. Alles, was die Funktionen des Muskelstoffwechsels und der Muskelkraft und damit der körperlichen Leistung steigert und die Durchblutung aller Organe sowie die vegetativen Steuerungen anregt, kann in der Art einer Erholungskur mit Bewegungs- und Klimareizen sowie mit hydro- und balneotherapeutischen Behandlungen verordnet werden. Vorbeugende Maßnahmen (D) Einzige Möglichkeit der Vorbeugung besteht darin, die bekannten kanzerogenen Reizgifte zu meiden. An erster Stelle steht hier ohne Zweifel das Nikotin.

2.7 Restriktive Atemstörungen Die bisher besprochenen Atemstörungen waren teilweise schon als restriktive bzw. als eine Kombination von obstruktiver und restriktiver Behinderung zu verstehen. Dies gilt für die zwar überwiegend obstruktive, aber mit dem Verlust der Retrak-

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tionskraft auch restriktive Emphysembronchitis sowie für die fibrotischen Lungenerkrankungen und andere, einengende Prozesse innerhalb der Lunge. Restriktive Atemstörungen (S.210) sind charakterisiert durch Verminderung des Lungenparenchyms, z. B. durch Resektion eines Lungensegmentes oder -lappens, oder durch Behinderung seiner Ausdehnung, z. B. bei Atelektasen, einem Pneumothorax oder die narbigen Prozesse in der Lunge selbst. Häufig aber ist die Störung extrapulmonal. Erkrankungen der Pleura mit komprimierenden Ergüssen oder Schwarten, Fehlformen des knöchernen Thoraxgerüstes (Kyphoskoliose, ankylosierende Spondylitis) oder schwere Muskelschwächen bei Myopathien hindern den Kranken, die Bewegungen auszuführen, die den Motor der Atmung darstellen. Die Folgen sind eine allgemein oder inhomogen verminderte Ventilation mit alveolärer Hypoventilation; die Inspiration ist erschwert, die Diffusionskapazität ist bei verkleineter Diffusionsfläche zu gering. Diese Symptomatik bedeutet eine Überlastung des rechten Herzens aufgrund der erschwerten Durchblutung (Perfusion) der Lunge. Daraus ergibt sich, daß nach der Behandlung der Grundkrankheit an erster Stelle der symptomatischen Hilfen die Bewegungstherapie in Form der Atem-Brustkorbgymnastik steht.

2.7.1 Erkrankungen der Pleura 2.7.1.1 Pleuritis Übersicht über die Behandlungsvorschläge Kausale Therapie (A) Behandlung des Grundleidens Symptomatisch-gezielte Behandlungen (B) Medikamentös: Schmerzlinderung Operativ: Bei Atemnot Punktion Physikalisch-therapeutisch: Hydro-Thermotherapie: Wickel, Packungen zur Linderung, Schwitzpackungen zur Förderung der Respiration Elektrotherapie: Kurz- und Dezimeterwellendurchflutungen fördern die Resorption

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Krankengymnastik: Lagerungen und dehnende Übungen in der Phase der Verschwartung Allgemein-unspezifische (C) und vorbeugende (D) Maßnahmen Entsprechen den Grundkrankheiten Erläuterungen zu A bis D Kausale Therapie (A) Primäre Erkrankungen der Pleura sind recht selten. Die dagegen häufigen entzündlichen Pleurareizungen mit nachfolgenden Ergüssen sind sekundäre Folgen bzw. eine Komplikation bei Krankheiten der Lunge oder auch anderer Organe. Trockene Pleuritiden mit fibrinösen Ausschwitzungen (Pleuritis fibrinosa) aber fehlender Exsudatbildung kommen als Begleitsymptom bei Bronchitiden, Bronchiektasen, Pneumonien, Lungenabszessen und -infarkten vor. Feuchte Rippenfellentzündungen (Pleuritis exsudativa) beginnen zunächst mit trockenem, beim Atmen stechendem Reiben der Pleurablätter. Bald aber scheiden sie reichlich Flüssigkeit ab. Der Schmerz schwindet, es entstehen Exsudate, die von leichten Winkelergüssen bis zu massiven Flüssigkeitsansammlungen reichen. Sie kommen nicht nur bei den Grundleiden vor, sondern treten auch als Begleitsymptom des akuten rheumatischen Fiebers und der chronischen Polyarthritis, bei der Pankreatitis, bei subphrenischen Abszessen, der Polyserositis und anderen Krankheiten auf. Stauungsergüsse (Transsudate) sind Begleiterscheinungen der Herzinsuffizienz, nephrotischer Syndrome oder der Leberzirrhose. Unter den Schmerzen wie auch beengenden Ergüssen halten die Kranken eine Schonatmung ein. Dies beschwört die Gefahr von Atelektasen und Verteilungsstörungen (inhomogene oder fehlende Belüftung bei normaler Perfusion) herauf. Die Atem-Brustkorbgymnastik ist hier eine vorbeugende Maßnahme. Nicht immer klärt der Arzt die Ursache einer exsudativen Pleuritis auf; oft gelingt dies mit allem diagnostischen Aufwand nicht. Fehlt ein sicherer Ursachenbeleg, dann kann man, vor allem bei jungen Menschen, eine tuberkulöse Genese als weitaus häufigste Ursache annehmen. Für die Behandlung ist diese Entscheidung richtungweisend. Ursächlich wirkt jede erfolgreiche Behandlung des Grundleidens. Die Exsudate bilden sich — wie auch die Transsudate — spontan zurück, wenn die Primärerkrankung sich bessert oder heilt. Symptomatisch-gezielte Behandlungen (B) Die trockene Pleuritis ist, solange die Pleurablätter aufeinander reiben (Geräusch wie „Lederknarren"), sehr schmerzhaft. Hydro-Thermotherapie: Hautreize, als Senfwickel oder Einreibungen mit hyperämisierenden Salben, lindern die Schmerzen. Auch lokale Wärmegaben, z. B. ein heißer Brustwickel oder eine Fangopackung, mildern den Schmerz. Unter einem

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festen, trockenen Wickel läßt der Atemschmerz nach, weil er die untere Flankenatmung ruhigstellt. Die heißen Wickel werden auch als Schwitzpackungen angelegt. Gibt man dazu heiße Getränke, setzt schnell starkes Schwitzen ein. Eine offene Frage ist, ob es unter dieser Prozedur zu serösen Ausschwitzungen kommt, bei denen sich die aufeinander reibenden Pleurablätter voneinander abheben, so daß der Schmerz aufhört. Die Gefahr einer Provokation stärkerer Exsudatbildung als sie ohnehin nachfolgt, scheint damit nicht gegeben zu sein, zumal in späteren Stadien die Wärmebehandlung eher einen resorptionsfördernden Effekt hat. Nicht eindeutig zu klären ist auch die Wirkung der Segmenttherapie (S.91), die in Form eines künstlich gesetzten Hautemphysems oder von Procainquaddeln über dem pleuritischen Bezirk, ähnlich wie die Hautreizungen durch Wickel und Packungen, die Schmerzen auslöscht bzw. erträglich macht. Behindert der Pleuraguß die Atmung, dann wird er abpunktiert. Im weiteren Verlauf gehen alle therapeutischen Bemühungen darauf aus, die Resorption zu fördern, damit das Exsudat restlos verschwindet. Elektrotherapie: Neben den Wickeln oder Packungen ist die Wärmetherapie mittels Kurzwellen besonders geeignet, Restergüsse und vor allem solche Ergüsse, die interlobär persistieren, zur Resorption zu bringen. (Verordnungsbeispiel für einen rechtsseitigen Interlobärerguß: 6mal Kurzwellenbehandlung mit Glaselektroden, 17 cm Durchmesser, akute Elektrode 7. bis 8. Rippe rechts hinten, Abstand 3 - 4 cm. Indifferente Elektrode vorn, Abstand 6 cm, Dosis II, 3 Minuten steigend bis 6 Minuten.) Man kann auch eine Dezimeterwellenbehandlung mit einem Muldenapplikator (S.405) wählen. In den physikalisch-therapeutischen Bemühungen ist die Wärmebehandlung an Bedeutung zurückgetreten, seit das Kortison in die Therapie der Pleuritis exsudativa eingeführt wurde. Prednisolonpräparate hemmen nicht nur die Exsudation, sondern auch die Fibroblastenaktivität und damit die bindegewebige Vernarbung mit Schwartenbildung. Allerdings wird der Arzt, wenn er nicht eindeutig eine tuberkulöse Genese ausschließen kann, während der Kortisongabe und eine Zeitlang darüber hinaus Tuberkulostatika verordnen (S. 661). Trotz der guten, hemmenden Wirkung der Steroide auf die Ergußbildung und auf die Verschwartung sollte der Arzt auf die physikalische Nachbehandlung nicht verzichten; sie verhindert Verklebungen und vor allem die späteren Narbenschrumpfungen. Krankengymnastik: Schon frühzeitig, aber vorerst passiv, beginnt die Krankengymnastin mit Lagerungen, die anfangs den Spontanlagen entgegenwirken. Der Kranke liegt bei der Pleuritis sicca meist auf der gesunden Seite, um die gegen Druck sehr empfindliche Seite zu schonen. Hat sich ein Erguß gebildet, nimmt der Kranke bald eine andere Schonlage ein. Der Schmerz weicht nämlich jetzt einem lästigen Druckgefühl, das verschwindet, wenn der Patient sich auf die kranke Seite legt. Eine solche Lage muß aber in der Phase der Resorption vermieden werden, weil diese die Verklebung begünstigt. Zunächst wirkt die gerade Lage auf dem

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Rücken — die kranke Seite wird mit einem Sandsack fixiert — einer Schrumpfungstendenz entgegen. Bei dehnenden Lagerungen, 3-4mal täglich, wird der Kranke für 10-15 Minuten flach auf die gesunde Seite gelegt, wobei der oben liegende Arm ruhig über dem Kopf liegen bleibt. Dabei wird die oben liegende Thoraxseite leicht gedehnt. Dazu kommen dehnende Bewegungen bei entsprechender Seitlagerung (einseitige Atemübungen der kranken Seite, 2-3mal täglich 5-10 Minuten). Verträgt der Kranke die Übungen gut, (Kontrolle der Körpertemperatur und der Blutkörperchen-Senkungsgeschwindigkeit), dann fängt die Krankengymnastin langsam mit Atem-Brustkorbübungen im Sitzen mit Drehbewegungen, seitlichen Brustkorbausdehnungen und streckenden und beugenden Brustkorbbewegungen an. Sie dehnen stärker die kranke Seite und sorgen für eine gleichmäßige Beatmung beider Thoraxhälften. Unter einer systematischen Bewegungstherapie dieser Art gelingt es, die Narbenschrumpfungen in einem erträglichen Maß zu halten, ja sogar fast ganz zu vermeiden. Die Übungen müssen aber über Wochen konsequent fortgesetzt werden. Kurzwellendurchflutungen, die einer krankengymnastischen Behandlung vorausgehen, verbessern deren Dehnungseffekt. Kombiniert man die Kortisontherapie mit den krankengymnastischen Lagerungen, Dehnungs- und Bewegungsübungen, dann treten schwartenbedingte, restriktive Atembehinderungen mit ihren schwerwiegenden Folgen einer pulmonalen Dyspnoe und der Herz- und Kreislaufüberlastung kaum noch auf. Zur Unterstützung der Atem- und Brustkorbgymnastik sind lockernde Massagen der Brust, Schulter- und Rückenmuskeln angezeigt. Allgemein-unspezifische (C) und vorbeugende (D) Maßnahmen Allgemeine, unspezifische Behandlungen fördern die Rekonvaleszenz. Unter Betonung der Krankengymnastik sind hier alle Kurmaßnahmen geeignet, wie sie für die Zustände nach Operationen am offenen Thorax empfohlen wurden. Ist als Ursache einer Pleuritis eine tuberkulöse Infektion anzunehmen, dann wird auch ohne noch ausstehenden Nachweis von Lungenherden die Behandlung wie bei der Lungentuberkulose gestaltet, die unspezifisch-therapeutischen Vorhaben treten hier zunächst zurück. Verhütung einer Pleurits ist vielleicht durch rechtzeitige, intensive Behandlung der auslösenden Grundkrankheiten möglich. Folgekrankheiten durch Schwartenbildung wie Bronchiektasen, partielle Lungenemphyseme, chronische Bronchitiden, lassen sich umso erfolgreicher verhüten, je wirksamer die Behandlung einer sich anbahnenden Pleuraschwarte nach den vorstehend gegebenen Richtlinien ist.

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2.7.1.2 Pleuraempyem Übersicht über die Behandlungsvorschläge Kausale Therapie (A) Instillation ausgewählter Antibiotika nach Antibiogramm Chirurgische Dekortikation Symptomatisch-gezielte Behandlungen (B) Wie bei der Pleuritis exsudativa Nach Dekortikation krankengymnastische Vor- und Nachbehandlung wie nach Operation am offenen Thorax (Lungentumoren) Allgemein-unspezifische (C) und vorbeugende (D) Maßnahmen Wie bei anderen Erkrankungen der Lunge, z. B. Pneumonien Erläuterungen zu A bis D Kausale Therapie (A) Das seröse Exsudat einer Pleuritis kann sich sekundär infizieren. Wandern bakterielle Erreger, z. B. bei einer Pneumonie, in die Pleurahöhle ein (metapneumonisches Empyem) oder bricht ein Abszeß oder eine Kaverne in die Pleura ein, wird gar bei einer Probe- bzw. Entlastungspunktion unsteril gearbeitet, dann vereitert das Exsudat. Dies hat schwere Folgen für den ganzen Organismus; umfangreiche Behandlungsaktivitäten werden notwendig. Ursächlich im Hinblick auf die Infektion wirkt die antibakterielle Behandlung mit spezifisch antibiotischen Medikamenten. Nach Anlage von Antibiogramm und Kulturen wirken sie auf die Erreger gezielt ein. Das ausgewählte Medikament wird per os gegeben, in die Empyemhöhle wird es instilliert. Ist der Eiter eingedickt, dann tragen gleichzeitig injizierte, eiterverflüssigende Fermente (Streptokinase -I- Streptodornase oder eine Trypsinlösung) zu einer schnelleren Heilung und einer Verringerung der späteren Verschwartung bei. Wenn die Infektion nicht innerhalb von 2-3 Wochen behoben, der Empyemraum wesentlich kleiner geworden, die komprimierte Lunge wieder entfaltet ist, müssen chirurgische Maßnahmen erwogen werden. Gegebenenfalls werden die ganze Empyemhöhle und bereits vorhandene Schwarten durch Dekortikation entfernt. Die früher nicht seltenen Resthöhlen mit sterilem oder fest eingekapseltem Inhalt sollten heute nicht mehr vorkommen. Die Schwarten, die sich nach konservativ ausgeheilten Empyemen bilden, können nicht so weitgehend verhindert werden, wie dies mit der Kortisonbehandlung der sterilen Pleuritis gelingt. Deshalb ist die krankengymnastische Behandlung, wie sie für die exsudative Pleuritis beschrieben wurde, beim Pleuraempyem besonders wichtig, um die Schwartenbildung mit allen ihren Folgen (S. 672) möglichst klein zu halten.

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Symptomatisch-gezielte Behandlungen (B), allgemein-unspezifische (C) und vorbeugende (D) Maßnahmen Für die symptomatisch-gezielten, die allgemein-unspezifischen Behandlungen und für die Prophylaxe gelten die gleichen Regeln wie bei der Pleuritis exsudativa. Nach Dekortikationen gelten die Behandlungsgrundsätze wie nach Operationen am offenen Thorax (Lungentumor).

2.7.2 Atemstörungen infolge Erkrankungen des knöchernen Thorax und der Atemmuskeln Krankheiten der Wirbelsäule bzw. ihre Entwicklungsstörungen, auch die im frühen Alter erlittenen entzündlichen (Poliomyelitis) oder schon durchdringenden (Erbanlage) degenerativen Erkrankungen der Rückenmarksneurone oder verschiedener Rückenmarksbahnen, ebenso die schweren Myopathien und Polyneuritiden führen in der Phase des Wachstums zu vielfach entstellenden Deformierungen des Thorax. Ihr Endzustand ist eine Kyphoskoliose mit erheblicher Gibbusbildung, die den Thoraxraum stark einengt. Die Folgen sind je nach dem Grad der Deformation ausgeprägte, restriktive Ventilationsstörungen mit allen Konsequenzen für Atmung, Herz und Kreislauf. Ursächliche Behandlungen gibt es nur in erweitertem Sinne, beispielsweise durch Schutzimpfungen gegen Poliomyelitis oder, wenn eine derartige Erkrankung unabwendbar ist, durch orthopädische Hilfen (Stützkorsett), die die sich anbahnenden schweren Deformierungen rechtzeitig so abstützen, daß pathogenetisch die Verbildungen zumindest angehalten werden. Die symptomatischen Behandlungen beschränken sich fast ausschließlich auf die Krankengymnastik. Ihre auf eine bessere Muskelfunktion zielenden Bemühungen werden bei den einzelnen Krankheiten im Kapitel 5 behandelt. Die Atmung ist umso knapper und die Bemühungen, mit Atem-Brustkorbgymnastik zu helfen, stoßen auf umso größere Schwierigkeiten, je weniger Bewegungsspielraum der Wirbelsäule, den Rippen und dem Zwerchfell verbleiben und je geschwächter die Muskeln sind. Die Kranken können die Atembehinderung bei erheblicher Einengung des Thorax nur unvollkommen mit der Zwerchfell- und Bauch-Flankenatmung kompensieren, zumal wenn die Rippenbögen bei schwerer Kyphose auf den Beckenkämmen aufliegen. Arzt und Krankengymnastin prüfen gemeinsam, ob und wie weit mit der kostalen Atmung und der Zwerchfellatmung noch Atemreserven freizumachen sind. Besonderes Augenmerk richtet die Krankengymnastin darauf, daß der Kranke die noch möglichen Atembewegungen leicht und ohne Anstrengung macht, da er sonst zuviel Sauerstoff verbraucht. Ein gut anliegendes, nicht zu schweres Stützkorsett erleichtert und verbessert in vielen Fällen die Ventilation. Bei einer schweren restriktiven Ventilationsstörung

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aufgrund einer Kyphoskoliose nach in der Kindheit erlittener Poliomyelitis wurde mit dem Stützkorsett eine Verbesserung der Vitalkapazität um 56%, der Einsekunden-Kapazität um 85% und des Atemgrenzwertes um 61% gemessen [669]. Das sind eindrucksvolle Zahlen, die allerdings nicht den Blick dafür trüben dürfen, daß eine solche Besserung einer schweren Ateminsuffizienz mit sehr niedrigen Ausgangswerten immer noch recht bescheiden ist. Sie zeigen aber, daß mancher Patient ohne eine solche Stütze gar nicht leben kann. Die Besserung ist in der Regel wohl in einer mit dem aufrichtenden Korsett etwas ergiebigeren Zwerchfellatmung zu sehen. Alle Kranken mit weniger schweren Fehlformen des Brustkorbes finden aber mit wiederholt gegebenen atemgymnastischen Hilfen zufriedenstellende Besserungen.

3. Physikalisch-therapeutische Verordnungen für Herzkranke 3.1 Begründung physikalischer Ordinationen Für die Krankheiten des Herzens, Schwäche des Herzmuskels, Rhythmusstörungen und Ischämie, stellt die Pharmakologie hervorragende Mittel bereit, die den Leidenden für lange Zeit das Leben erhalten und ihre Beschwerden weitgehend oder ganz beseitigen. Auf den ersten Blick mag es daher widersinnig erscheinen, solchen Kranken, die zumeist einer besonderen Schonung bedürfen, zusätzlich noch physikalische Reize, insbesondere bewegungstherapeutischer Art, zu verordnen, die körperliche Leistungen herausfordern und dies oft sogar schon in einem relativ frühen Stadium eines akuten Krankheitsgeschehens. Man sollte aber bedenken, daß derartige Maßnahmen der Entlastung des Herzens dienen und prophylaktische Ziele verfolgen. Außerdem brauchen die Adaptionsprozesse ganz bestimmte Voraussetzungen, ohne die eine durch Krankheit entstandene Änderung der Hämodynamik, auch wenn sie vom Herzen selbst ausgeht, nicht kompensiert wird. Diese bestehen in angemessenen Anpassungsreizen, die nur physikalischer Natur sein können. Eine veränderte Hämodynamik stellt an sich schon einen Anpassungsreiz dar (vgl. klassische Herzgesetze, S. 684). Ärztliche Aufgabe ist es, diesen Anpassungsreiz so zu modifizieren, daß sich die morphologischen und die funktionellen Adaptate einer Herzkompensation und damit eine höhere Herz-Kreislauf-Leistung langsam entwickeln können. Das erreicht man, indem man vorsichtig dosiert und einerseits eine Auslastung gezielt fordert, andererseits das Herz in langen Pausen (vgl. zeitliche Gestaltung der Adaptionsreize, S. 70) entlastet. Gleiches gilt für die Koronardurchblutung, die sich nur bessert, wenn die mit Sorgfalt ausgewählten und dosierten Anforderungen an die Extremitätenmuskeln das Herz bei seiner Mehrarbeit sehr vorsichtig anregen, das vorhandene Koronargeflecht voll in Anspruch zu nehmen und so dessen Reserven (S. 698) ganz zu entfalten. Auswahl, Dosierung und zielbewußte, rhythmische Wiederholung solcher Anpassungsreize für das Myokard machen das Wesen der Bewegungstherapie für den Herzpatienten aus. Mit dieser Erkenntnis hat ein therapeutisches Prinzip, das für die Extremitätenmuskeln als selbstverständlich gilt, auch in die Behandlungsgrundsätze für den Herzmuskel Eingang gefunden. Physikalische Behandlungen des Herzens verfolgen im wesentlichen präventive oder rehabilitierende Ziele. Es kann aber methodologisch nicht genau unterschieden werden zwischen den miteinander verflochtenen Regeln der vorsorgenden, klinisch-behandlerischen und nachsorgenden Maßnahmen. Stets kombinieren

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sich spezifische Ergebnisse gezielt wirkender Einzelreize zu den allgemeinen Auswirkungen auf den Organismus, weshalb bei physikalisch-therapeutischen Maßnahmen ein universales, ausgewogenes Behandlungskonzept vorhanden sein muß. In der Frühphase aller akuten Krankheiten des Herzens steht das Schonprinzip im Vordergrund. Trotzdem sind präventive Behandlungen physikalischer Art vom ersten Tage der Krankheit an indiziert. Unter körperlicher Inaktivität nimmt die Blutumlaufgeschwindigkeit ab, weite Gefäßgebiete werden mäßiger oder gar nicht durchströmt (S.888). Die Kranken atmen relativ oberflächlich, besonders wenn Beschwerden in der Herzgegend bestehen. Selbst wenn Antikoagulanzien die Blutgerinnung hemmen, sind krankengymnastische Behandlungen passiver Art zur Verhütung von Blutstasen, einer hypostatischen Pneumonie und auch von Kontrakturen nicht gebrauchter Muskeln und Gelenke angezeigt. In der zweiten Phase treten an die Stelle der Entlastung von Herz und Kreislauf die Vorbereitungen und die Wiedergewöhnung an statische Belastungen (z. B. das Aufstehen). Dynamische Bewegungsaktivitäten kommen mit dem Ziel hinzu, das geschonte und damit leistungsentwöhnte Herz wieder an die Leistung heranzuführen, die es muskulär und angesichts seiner Durchblutungsreserven noch oder wieder zu erbringen vermag. Darf man den Kranken wieder dosiert körperlich belasten, dann geht die Behandlung in die Rehabilitation über. Versucht man die Leistungsfähigkeit des Herzens nach dem Übungsprinzip zu fördern, dann setzt das natürlich voraus, daß dies im Rahmen der noch verbliebenen Belastbarkeit geschieht, die unter veränderten hämodynamischen Verhältnissen oder verminderten Durchblutungs- und Kraftreserven herabgesetzt ist. Um die Grenzen der Belastbarkeit zu bestimmen und damit für die Bewegungstherapie eine sichere Basis zu schaffen, sind die beschriebenen funktionsdiagnostischen Teste (S. 177) entwickelt worden, ohne deren Ergebnisse eine sachgemäße Dosierung der Bewegungsanforderungen nicht möglich ist. Bei den Behandlungsvorschlägen, insbesondere für den Herzinfarkt, werden die Phasen und die entsprechend indizierten Verordnungen noch näher erläutert werden. Für alle Erkrankungen des Herzens gilt, daß die physikalischen Reize, beispielsweise die mechanischen Anstöße in Form ausgewählter Massagen, die hydrotherapeutischen Anregungen und auch die milde Thermotherapie, mehr der Schonung des Herzens dienen, indem sie ihm seine Arbeit erleichtern; ähnliches gilt für die Klimatherapie. Die Balneotherapie dagegen ist schon eine besondere Art der Übungsbehandlung, die ihre ausgeprägteste Form in der modernen Bewegungstherapie der Herzkranken gefunden hat.

3.1.1 Mechanische Kreislaufhilfen bei Herzkranken Die aus der Sicht des Kranken passiven Formen der Mechanotherapie, die Massagen aller Art, sind bei Herzkranken häufiger indiziert, als sie angewendet werden.

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Im Teil II wurde schon begründet, welche therapeutischen Ziele der Arzt mit solchen Verordnungen anstrebt. Während der Zeit strenger Bettruhe ist die Muskelund Hautdurchblutung auf spärlichen Sauerstoffverbrauch eingestellt. Dies schont zwar das Herz, hat aber auch nachteilige Folgen. Unter Massagen öffnen sich die in Ruhe nicht durchströmten Kapillaren, so daß die Perfusion und die Diffusion von Sauerstoff in das Gewebe trotz fehlender Aktivität ausreichend bleibt. Die Muskeln behalten damit einen guten Teil ihrer Funktionsfähigkeit, sie atrophieren nicht so schnell. Dies bewährt sich, wenn die Kranken wieder aufstehen und dann die aktiven Bewegungsbehandlungen hinzukommen. Die Anforderungen treffen jetzt auf eine noch leidlich gute Muskelfunktion, eine zusätzliche Belastung von Herz und Kreislauf durch entwöhnte, erschwerte Muskelarbeit wird so präventiv verhütet. Bei erweiterten Gefäßen sinkt der Strömungswiderstand ab, dies erleichtert die Herzarbeit. Das linke Herz wendet jetzt weniger Kraft auf, mit der es das Blut durch den großen Kreislauf pumpt. Unter Massagen öffnen sich im Nebenschluß liegende Gefäße; so wird auch die Sauerstoffutilisation (S. 189) besser. Der Rückstrom des Blutes zum Herzen kommt zustande durch den Kapillardruck (vis a tergo, S.90), den Gewebsdruck und, an den unteren Extremitäten, durch den schrittweise auf- und abschwellenden Muskeldruck, d.h. durch die Kompressionen, die sich den Venen im Verlauf der rhythmischen Verkürzung und dem damit breiter werdenden Querschnitt der benachbarten Skelettmuskeln mitteilen (S. 874f.). Dieser als Muskel- oder Venenpumpe bezeichnete, den venösen Blutstrom herzwärts treibende Mechanismus fehlt bei Bettlägerigen fast völlig. Da das Venensystem besonders viel Blut aufnehmen kann, kommt es bei fehlender Bewegung (Muskelpumpe) und nachlassender Durchströmung leichter zu Thrombosen; auch steigt der Venen- und Filtrationsdruck an und der Bildung von Filtrationsödemen wird Vorschub geleistet. Verschiedene Massagetechniken - allerdings muß der Masseuer täglich mehrmals zur Verfügung stehen - verhüten dies. Auch bei der Behandlung von Ödemen bei Herzkranken ergeben sich, allerdings recht selten, Indikationen für Streichmassagen (S. 89). Auch manuelle Streichungen der Extremitäten in zentripetaler Richtung erweisen sich zuweilen als sinnvoll. Ihre mechanische Hilfe beim venösen Rückfluß erfüllt bei wieder kompensiertem Herzen eine der Voraussetzungen zur Förderung eines größeren Blutvolumens im Sinne der klassischen Herzgesetze, nämlich die erforderliche diastolische Füllung. Massagen und auch Umlagerungen und überwiegend passive Bewegungen treiben das venöse Blut dem Herzen zu, und zwar ohne energetischen Aufwand seitens der Extremitätenmuskeln. Damit wird äußere Herzarbeit eingespart; das anregende Blutangebot wird dem Herzen nicht zur Last. Zu einer Zeit, in der ein Kranker noch durchgehend Bettruhe einhält, sind Massagen und passive Bewegungen ein erster Anstoß für wieder erstarkende, gewisse Leistungen erfordernde Lebenskräfte. Beschwerden im Brustraum werden von Herzpatienten verständlicherweise zu-

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nächst als Dyskardien gewertet. Sind die Symptome aber eindeutig extrakardial bedingt, z. B. bei statischen Veränderungen im Bereich der Hals- und Brustwirbelsäule und ihrer Folgen durch die resultierenden muskulären Verkrampfungen, zu denen gerade ängstlich verspannte Herzkranke neigen, dann helfen klassische Muskelmassagen, diese Verspannungen und Fehlhaltungen und damit die Beschwerden zu beheben. Die Reflexzonenmassagen, im wesentlichen die Bindegewebs- und die Periostmassagen, die über die Headschen Zonen und andere Zonen reflektorische, kutiviszerale Rückwirkungen lindernder Art auf das Herz haben, sind vor allem bei den sogenannten funktionellen Stenokardien (S.716) sehr wirksam. Bei der echten Angina pectoris bedürfen sie aber einer strengen Indikationsstellung, denn die starke Reizwirkung der Bindegewebsmassagen löst bei entsprechender Bereitschaft gelegentlich auch echte Angina pectoris-Anfälle aus. Bei den Schweregraden III und IV der Koronarinsuffizienz (S.186) sind sie deshalb eher kontraindiziert, bei leichteren Fällen werden sie aber empfohlen, weil sie reflektorisch von den postulierten Zonen aus dilatierende Wirkungen in den Koronargebieten haben sollen.

3.1.2 Hydro-Thermotherapie Von den hydrotherapeutischen Empfehlungen erfreuen sich besonders die aufsteigenden Teilbäder nach Hauffe-Schwenninger bei der Behandlung der Angina pectoris bzw. der Koronarinsuffizienz großer Beliebtheit; im Teil II wurde ihre Technik dargestellt. In einem solchen Teilbad wirkt sich der thermische Faktor durch die Wahl der langsam ansteigenden Temperatur sehr schonend aus. An den Armen wird bald die periphere Gefäßerweiterung sichtbar, an der — hier ein spezifisch-kutiviszerales Ergebnis — auch das Koronarsystem teilnimmt. Mit dem Einschleicheffekt (S.277) erweitern sich die Gefäße nur langsam. Sofern bei der peripheren Gefäßdilatation die Herzförderleistung etwas zunehmen sollte, würde dies durch das Absinken des peripheren Gefäßwiderstandes ausgeglichen [476]. Eine Dilatation der Koronargefäße unter ansteigenden Armbädern wird vielfach angezweifelt, weil sie nur sehr schwer nachweisbar ist. Sicher ist, daß unter dermaßen gestalteten Armbädern aufgrund des nachlassenden peripheren Gefäßwiderstandes die Herzarbeit erleichtert, wahrscheinlich auch das Herzzeitvolumen kleiner wird, womit das Herz selbst für seine innere Herzarbeit weniger Sauerstoff verbraucht. Es ist aber erforderlich, den Einschleicheffekt voll zu nutzen und sehr maßvoll zu dosieren, weil sonst für den thermischen Ausgleich mehr Kreislaufarbeit anfällt, die wiederum das Herz mit einem größeren, bei der Koronarinsuffizienz nicht mehr zu deckenden Sauerstoffbedarf belastet. Bei labilem Kreislauf kommen unter Armbädern gelegentlich leichte orthostatische Regulationsstörungen als Folge der allgemeinen, peripheren Gefäßerweiterung vor, besonders wenn der Einschleicheffekt nicht genutzt oder mit einer Fehl-

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dosierung eine ganz unnötige thermische Belastung provoziert wurde. Die neueren Armwannen sind deshalb so konstruiert, daß sie auch bei liegenden Patienten ein Armbad erlauben. So dürfen ansteigende Armbäder bei entsprechend vorsichtiger Dosierung selbst nach einem erlittenen Herzinfarkt schon in der Zeit der absoluten Bettruhe verordnet werden. Bei Stauungen im kleinen Kreislauf sind Armbäder mit milder Reizwirkung ebenso angezeigt wie die Teil- oder Ganzwaschungen, die sehr schonend den Lungenkreislauf entlasten, indem sie die peripheren Hautgefäße öffnen. Der Körperkreislauf nimmt so leichter und mehr Blut aus dem überfüllten Brustraum auf. Bei den Oberkörperwaschungen atmet der Patient auch besser und tiefer durch ; die Lunge wird so gleichmäßig belüftet und ihr Kreislauf damit entlastet. In der Rekonvaleszenz, wenn ein insuffizientes Herz wieder gut kompensiert ist, auch nach einem klinisch abgeschlossenen Infarktgeschehen, sind die kreislaufwirksamen, wechselwarmen Reize der sogenannten kleinen Hydrotherapie gut geeignet, die Anpassung der Kranken an alltägliche Umweltreize, vor allem thermischer Art, zu unterstützen. Verbunden mit den Übungsprogrammen der Bewegungstherapie stellen sie eines der meist gebrauchten Kurmittel dar, die den Organismus in kreislaufstimulierender und allgemein erholsamer Weise anregen. Die Sauna als ein sehr intensiver thermischer Reiz ist selbst bei chronisch Herzkranken, sofern sie voll kompensiert sind, nicht auszuschließen, weil sie trotz ihrer Reizstärke auch entlastende Momente hat, zum Beispiel senkt ein Saunabad langanhaltend den Blutdruck (S. 315). Regelmäßiges Baden in der Sauna wirkt bei milder Dosierung auch mit, einen von akuter Krankheit Genesenden vorbeugend an stärkere klimatische Reize bzw. schwankende Wetterbedingungen anzupassen. Die Kontraindikationen der Hydro-Thermotherapie für Herzkranke wurden im Teil II dargestellt. Besonders erfordern die Reizkombinationen mit Kaltduschen oder gar Tauchbädern in der Sauna strenge Zurückhaltung (S.314).

3.1.3 Balneotherapie Badekuren für Herzkranke haben das Ziel, den Kranken mit allen hier gleichzeitig wirkenden Faktoren vor eine neue Situation zu stellen, auf die er mit physiologischen Reaktionen antwortet, die für ihn sowohl erholsame Entlastungen darstellen als ihm auch kräftigende Anpassungsumstellungen bringen. Natürlich müssen diese Kuren vom Arzt sorgfältig überwacht werden. Die einzelnen Kurmaßnahmen balneologischer Art, z. B. C0 2 -Bäder, wurden im Teil II behandelt. Im folgenden werden deshalb bei den verschiedenen Krankheiten die jeweils zu empfehlenden Einzelmaßnahmen mit ihren speziellen Wirkungen auf die vorherrschende Symptomatik nur kurz angegeben. Bei der Verordnung einer Badekur muß man sich stets klar darüber sein, welche Reizarten den Kranken im Bad erwarten und welche speziellen Wirkungen die ausgewählten Bäder hervorrufen. Im Teil II wurden Indikationen und Kontraindi-

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kationen der Badekuren auf Herz und Kreislauf dargestellt. Im Kapitel 3 „Thermotherapie und Hydrotherapie" wurde auch deutlich gemacht, daß allein schon das vermehrte Blutangebot, das unter dem hydrostatischen Druck mit dem Eintauchen ins Wasser auf das Herz zukommt, von diesem nicht bewältigt wird, wenn es nicht mehr über entsprechende Reservekräfte verfügt. Hier muß nochmals ausdrücklich auf diesen Sachverhalt hingewiesen werden. Andererseits sollte man aber auch bedenken, daß der im Bad leicht erhöhte Venendruck, wird er in einer kurgemäßen Serienbehandlung rhythmisch wiederholt und so mit jedem Bad eingestellt, das Herz zur kompensierenden Anpassung nötigt und so seine Leistungsfähigkeit steigert, trainiert [513] und damit auch die Koronardurchblutung vermehrt. Wenn man die aus dem Baden sich ergebenden Kontraindikationen ausschließt, dann ist praktisch für alle Herzkranken eine Badekur wohltuend, sofern ein mit den örtlichen Verhältnissen vertrauter Badearzt den Patienten durch die Kur führt, alle Risiken ausschaltet, aber auch alle Möglichkeiten nutzt. In der Praxis gilt für den Hausarzt als grobe Richtlinie, daß ein Herzkranker, der noch oder wieder leichte bis mittelschwere körperliche Arbeiten verrichten kann, eine Badekur nicht nur gut verträgt, sondern ihm auch eine gute allgemeine Erholung und einen Gewinn an körperlicher Leistungsfähigkeit bringt.

3.1.4 Klimatherapie Im Teil II wurden die wichtigsten Auswirkungen klimatischer Faktoren auf das Herz und die Indikationen von Klimakuren für Herzkranke ausführlich behandelt. Je nach dem Zustand eines Kranken und der Art seiner Herzerkrankung stehen die Schonfaktoren des Klimas im Vordergrund. Aber allein schon der Wechsel in ein anderes Klima stellt einen Reiz dar, den der Kurarzt gegebenenfalls zu Beginn sedierend abschwächt. Reize in der Klimatherapie sind für den Patienten ungewohnte Dosierungen [295] einzelner klimatischer Elemente, z. B. Luftdruck, Feuchte, Wind, Temperatur, Strahlung (vgl. Wirkungsfaktoren, S. 548 f. und Klimawechselzumutung, S. 537). Schonend ist eine geringe Dosierung dieser Faktoren oder die Abwesenheit von belastenden Wettereinflüssen oder Reizkombinationen, z.B. Schwüle, trockene Hitze, große und feuchte Kälte, belastende Werte von Kondensationskernen und Spurengasen. Das waldreiche Mittelgebirge ist für Herzkranke prädestiniert. Es bietet noch keinen zu starken Höhenreiz, der Wald schützt vor Wind und Strahlung, die Schwüle ist selten, die Temperaturgegensätze des Tages und der Nacht sind gering und belasten den Wärmehaushalt wenig, die Luft ist frei von Schadstoffen. Bei kritischen Wetterphasen, Schwüle im Sommer oder Inversionslagen im

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Winter, die den Kompensationszustand eines Herzkranken gefährden können, ist für diese Kranken ein Aufenthalt im Mittelgebirgsklima wünschenswert. Die Auswahl des Heilklimas für den Patienten ist eine Angelegenheit des Hausarztes. Er wählt das nach Reizintensität passende Klimagebiet und den aufgrund medizinischer Kureinrichtungen geeignetsten Ort aus [681] (vgl. Richtlinien bei der Auswahl des Klimakurortes, S. 594). Der Kurarzt führt den Patienten durch die Klimakur, er dosiert die klimatischen Reize und überwacht die medikamentöse Behandlung, deren Einstellung zuweilen unter den zusätzlichen Kurwirkungen geändert werden muß (vgl. Gestaltung einer Klimakur, S. 595).

3.1.5 Bewegungstherapie Das wohl bedeutsamste, in seiner Entwicklung vergleichsweise noch junge Behandlungskonzept physikalischer Art in der Kardiologie ist die Bewegungsanforderung. Ihre Prinzipien und Methoden - diese wurden ausführlich im Teil II dargestellt - verfolgen drei Ziele: die Entlastung des Herzens, seinen Kraftzuwachs und ein besser durchblutetes Myokard.

3.1.5.1 Schonung und Entlastung des Herzens durch passive Bewegung Am Anfang physikalisch-therapeutischer Maßnahmen für den Herzkranken steht die Schonung als Grundlage aller weiteren Behandlungsschritte. Es wurde eingangs erwähnt, daß die Massagen und die hydro-therapeutischen Verfahren in ihrer den Kreislauf entlastenden Art mehr schonenden Charakter für das Herz haben ; dies gilt auch für die ausgewählten krankengymnastischen, für den Kranken passiven Hilfen. Sie sind deshalb geeignet, im Wechsel mit aktiven bewegungstherapeutischen Bemühungen, immer wieder erholsame Momente in das Behandlungsgeschehen zu bringen. Vagotone Einstellungen des Systems Herz-Kreislauf bedeuten Erleichterung der Herzarbeit und daher Schonung des Herzens. Es schlägt langsamer, der Tonus der peripher arteriellen Gefäße und damit der Strömungswiderstand sind geringer, der Blutdruck sinkt etwas ab. Beim akut Kranken erreicht man dies nur durch absolute Ruhigstellung, strenge Bettruhe, gegebenenfalls auch medikamentöse Sedierung. Bettruhe bedeutet, daß dem Kranken durch die horizontale und unterstützende, keine Haltearbeit fordernde Lagerung mit der körperlichen Inaktivität alls statischen Belastungen abgenommen werden. Dazu entlastet auch das gleichbleibende thermische Milieu des Bettes die wärmetransportierende Aufgabe des Systems Herz-Kreislauf; Wärmebildung und -abgabe bleiben niedrig und der so beständige Wärmehaushalt beansprucht kaum noch Kreislaufarbeit zu seiner Regulierung.

Physikalisch-therapeutische Verordnungen für Herzkranke

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In den Frühphasen der Krankheiten des Herzens, bei äußerster Schonung der Bettruhe, geht es aber bereits darum, die ungünstigen Nebenwirkungen der Immobilisation zu vermeiden. Bei der Empfehlung von Massagen und hydrotherapeutischen Praktiken für Bettlägerige wurde darauf eingegangen (S. 111,263 f.). Darüber hinaus ist es gegebenenfalls auch sinnvoll, mit passiven Bewegungen oder Lagerungen, auch leichten Atemhilfen — wie zur Thromboseprophylaxe (S.654) — den venösen Rückfluß des Blutes zu unterstützen, damit, wie bei den zentripetalen Streichmassagen (S.886), dem rechten Herzen leicht und ohne anstrengende Kreislaufarbeit das Blut in ausreichender Menge zufließt. Dies schafft das notwendige Druck-Volumen-Verhältnis für kraftvolle, aber durch den elastischen Dehnungsreiz auf den Herzmuskel mühelos angeregte Kontraktionen des rechten Herzens, mit denen man — geschieht die manuelle Unterstützung mehrmals täglich — gleichzeitig ein entlastender und fördernder Anpassungsreiz für den das Blut weitertreibenden rechten Ventrikel gegeben wird. Allerdings bedarf es einer besonders strengen Indikationsstellung. Der Zustrom an venösem Blut darf nicht so groß sein, daß ein noch schwaches rechtes Herz ein plötzlich zu hoch ansteigendes Blutangebot bewältigen muß (vgl. isometrische Kontraktionen, S. 194). Bestehen diesbezüglich Bedenken, dann setzt man mit den entlastenden Behandlungen besser an der arteriellen Seite an, um den Abstrom des Blutes aus dem Herzen und damit die Förderarbeit des Herzens zu erleichtern. Dies geschieht wiederum mit Massagen und Bewegungsübungen mehr passiver als aktiver Art. 3.1.5.2 Kräftigung des Herzens unter Bewegungsanforderungen Ein weiteres Ziel der herzwirksamen Bewegungstherapie ist es, die Kraft des Herzmuskels und seine Reserven soweit zu verbessern, daß ein trainierbares, aber schwaches Herz und ein träger Kreislauf zu besseren Leistungen finden. Hier bewährt sich wiederum das Übungsprinzip, das über Bewegungsanforderungen an die Extremitätenmuskeln das Herz dosiert beansprucht und es so langsam in den Stand versetzt, mit seiner Arbeitskraft den normalen Leistungsanforderungen besser gerecht zu werden. Das Herz entwickelt damit eine adäquate physiologische Arbeitshypertrophie bzw. eine den täglichen Erfordernissen angepaßte, kräftige Muskeltrophik. Ebenso wie ein krankes Herz, das noch über Leistungsreserven verfügt, sollten auch primär gesunde Herzen, die durch unzureichenden Gebrauch der Körpermuskulatur („Stubenhockerherz") ihre an sich gegebene, mögliche Kraft nicht voll entwickelt haben, präventiv „trainiert" werden (S. 145). Bei vielen Menschen sind die Wachstumsreserven des Herzens nicht ausgeschöpft. Ein untrainiertes Herz arbeitet zwar in seiner beschränkten Leistungsbreite normal, vermag aber ein der körperlichen Konstitution entsprechendes Maximum und auch eine leidlich beständige Ausdauer der Herzleistung nicht aufzubringen; auch werden Verbrauchserscheinungen nicht verhindert. Hier sind Verordnungen nach dem Übungsprin-

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zip indiziert, weil auch solche schwächlichen Herzen unter höheren Anforderungen leicht versagen, z. B. bei akuten, schwereren Krankheiten. Hier liegt eine der präventiv-medizinischen Begründungen, gerade den konstitutionell Schwächeren einen angemessenen Sport zu verordnen. Auch für das Herz gilt, wie für viele andere Organe, daß seine Leistungsfähigkeit von Qualität und Quantität seiner Beanspruchung bestimmt wird [575].

3.1.5.3 Selbstregulatorische Anpassung des Herzens an Leistungsanforderungen Es sind Selbstregulationen des Herzens, die bei jeder aktiven Tätigkeit den Motor des Kreislaufes langsam auf größere oder ökonomischere Leistungen umstellen. Mit ihnen paßt sich das Herz an veränderte, höhere Kreislaufbedingungen und -anspräche an. Körperliche Betätigung, gleich welcher Art, verlangt vom Herzen eine entsprechende Mitwirkung. Soll diese durch dosierte Anforderungen effektiv verbessert werden, dann müssen die Übungen Anpassungsreize darstellen, d.h. sie müssen ein bestimmtes Mindestmaß an Kraftaufwand der Extremitätenmuskeln überschreiten und immer wieder übend verlangen, damit auch das Herz entsprechend angestoßen wird. Für die Muskeln (Krafttraining) sind diese Mindestanspräche leicht zu bestimmen (S. 143), auch für das Herz (Ausdauertraining) kann der Arzt sie mit Hilfe der Leistungskriterien (S.177) hinreichend zuverlässig ermitteln. Für die Krankengymnastin ergeben sich daraus klare Anweisungen, z. B. über die untere und obere Grenze der Herzfrequenz (vgl. Frequenzreserve, Abb. 172), die sie bei Dauerübungen — vergleichbar dem Ergometertraining — erreichen muß, aber nicht überschreiten darf, damit sich einerseits ein Anpassungsreiz einstellt, dieser andererseits aber den Kranken nicht überfordert. Im übrigen ist für die Krankengymnastin der „klinische Blick" ein Monitor, der ihr anzeigt, ob sie dem Patienten zu viel zumutet (S.187). Die kooperative Bereitschaft, die fast alle Patienten mitbringen, hilft dabei der Krankengymnastin, das Mindestmaß zu finden, das zur Leistungssteigerung führt. Die kräftigende Wirkung bewegungstherapeutischer Maßnahmen auf das Herz läßt sich auch aus den von Frank, Starling und Straub formulierten klassischen Herzgesetzen ableiten [196]. Danach besitzt das Herz die selbstregulatorische Fähigkeit, mit dem während der Diastole aufgebauten Füllungsdruck (vgl. Dehnungsreiz, S. 22) — gleichzeitig läßt der diastolische Tonus nach — eine entsprechende Kraft für die Systole zu entwickeln. Je mehr Blut eine Herzhöhle während der Diastole aufnimmt (enddiastolisches Volumen = diastolische Reserve), umso größer muß auch das pro Herzschlag weiterbeförderte Volumen (Herzschlagvolumen) sein. Damit steigt die Arbeitsleistung des Ventrikels an; sie wird mit einem größeren Energieumsatz aufgebracht.

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i

Schlagvolumen Schlag(SV: E D V - 1:1) volumen

SchlagRuhe volumen (SV: E D V - 1 : 2 )

Belastung Reservevolumina (ESV)

Reservevolumina ESV)

Residualvolumen

Residualvolumen

Normales Herz

Großes, kräftiges, trainiertes Herz

JV

A

Residualvolumen

Dilatiertes, schwaches Herz

A

Abb. 172 Blutvolumina (schematisch — die Breite der Rechtecke deutet die Herzgröße an) bei normalem, trainiertem und insuffizientem Herzen. SV = Schlagvolumen; E D V = e n d diastolisches Volumen; ESV=endsystolisches Volumen; \ — Frequenzreserve (mögliche Nutzung höherer Frequenzen zur Vergrößerung des Minutenvolumens).

Arbeitet das Herz mit einem größeren Schlagvolumen, dann ergibt sich ein besserer Wirkungsgrad des Herzens, d.h. das Verhältnis der in äußere Herzarbeit (Pumpleistung) umgesetzten Energie zum Verbrauch von Energie durch das Herz selbst (innere Herzarbeit) wird günstiger. Voraussetzung einer solchen ökonomischen Herzarbeit ist ein entsprechend großes enddiastolisches Volumen und eine erweiterte, aber aus einem kräftigen, gut tonisierten Hohlmuskel bestehende Herzhöhle (tonogene Dilatation oder konzentrische Hypertrophie), deren Dehnungsund Druckreiz das Herz veranlaßt, die Kraft zu entwickeln, mit der es die vermehrt gefüllten Herzhöhlen entleert. Dies setzt weiterhin voraus, daß das physiologische, als Reserve verwendbare Maß des endsystolischen Volumens (Restblut in Ventrikeln, das in Ruhe nicht in Anspruch genommen wird) nicht überschritten ist. Das morphologische Substrat andauernder Anpassungsreize (z. B. selbstregulatorische Kompensation der Vitien) — in der Krankenbehandlung wie im präventiven Sport werden sie als rhythmisch wiederholte Serienreize gegeben — ist die Arbeitshypertrophie des Herzmuskels.

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Gesunde Herzen nehmen auf diese Weise schon mit kleinen diastolischen Dehnungen, etwa im Verlauf eines sportlichen Trainings, deutlich an Kraft zu [449]. Für das durch Krankheit geschwächte Herz gilt das gleiche, solange noch Reservekräfte mobilisierbar sind. Dies streben die Rehabilitationsbehandlungen an. Auch wenn eine übungsbedingte konzentrische Hypertrophie im röntgenologisch dargestellten Schattenbild des Herzens noch nicht sichtbar ist, werden schon ein größeres Herzschlagvolumen und damit eine effektivere, ökonomischere Herzleistung im Verlauf der Trainingsbehandlungen meßbar (S. 689). Überschreitet ein kompensatorisch wachsender Herzmuskel, weil die Dauerbelastung zu groß ist (Herzklappenfehler), das sogenannte kritische Herzgewicht bzw. die kritischen Zellgrößen, dann reicht die kapillare Versorgung nicht mehr aus. Herdförmige Nekrosen vernarben bindegewebig, und es kommt zur myogenen, plastischen Gefügedilatation [402], mit der die „adaptive" Dilatation zur Herzmuskelinsuffizienz entartet [196]. Vermag das Myokard einer Herzhöhle nicht mehr die Kraft zu entwickeln, die nötig ist, um eine vermehrte diastolische Füllung (Reserveblut) mit einem größeren Auswurfvolumen weiterzugeben, dann bleibt zuviel Blut zurück (endsystolisches Volumen), die muskuläre Wand wird überdehnt und erweitert (myogene Dilatation). Auch bei hohem Blutbedarf in der Peripherie bleibt das Restblut (Residualvolumen) bei diesem linksinsuffizienten Herzen zu groß. Sehr kräftige, gesunde, gut trainierte Herzen (Sportherzen) halten in Ruhe eine größere systolische Reserveblutmenge bereit als schwache Herzen. Diese ist im Bedarfsfall als größeres Schlagvolumen verfügbar. Nur ein geringer Rest (Residualvolumen) bleibt stets zurück. Kranke Herzen können ihr zu reichliches Reserveblut nicht auswerfen, weil der Muskel zu schwach dazu ist. Sie haben praktisch trotz der großen Reserveblutmenge, die jetzt Residualblut ist, kein Reserveblut (und auch kaum Frequenzreserven) zur Verfügung. Es kommt zu Stauungserscheinungen in den vorgeschalteten Kreislaufabschnitten, das Herz ist überfordert und damit insuffizient. Die Herzinsuffizienz ist charakterisiert durch ein zu großes Residualvolumen und ein zu kleines Herzminutenvolumen, das der linke Ventrikel, bei einer zu geringen Förderung venösen Blutes durch das rechte Herz, auswirft. Die Abbildung 172 (modifiziert nach [625]) stellt diese Verhältnisse schematisch dar. Der Arzt, der die Bewegungstherapie verordnet, wird jeden Herzkranken natürlich zunächst medikamentös behandeln (digitalisieren) und erst bei wieder kompensiertem Herzen prüfen, ob eine Bewegungstherapie zumutbar ist und das Herz nach dem Übungsprinzip Leistungssteigerungen erwarten läßt. Die Digitalisstoffe entfalten am insuffizienten Herzmuskel unter anderem eine positiv inotrope (das Kontraktionsvermögen stärkende) und eine negativ chronotrope (frequenzsenkende) Wirkung; die ganze verfügbare Kraft des Herzens wird damit aktiviert. Diese medikamentösen Voraussetzungen für Anforderungen an das Herz müssen gegebenenfalls erfüllt werden, bevor die bewegungstherapeutischen Übungsreize die Herzkraft mobilisieren und stabilisieren können.

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Erlaubt der Arzt nach längerem Krankenlager, nach operativen Eingriffen, schweren Infektionen, einem Herzinfarkt wieder gewisse leichtere Bewegungsanforderungen, z. B. Gehen und Treppensteigen, dann wird man die selbstregulatorischen Fähigkeiten des Herzens zunächst einmal nur sehr vorsichtig in Anspruch nehmen (S.183). Dies geschieht und wird aufbauend vorbereitet mit passiven, dann langsam aktiver werdenden Verordnungen, die der Arzt ebenso sorgfältig in ihrer Wirkung beurteilt und dosiert wie Medikamente, wobei selbstverständlich die medikamentöse Behandlung weiterläuft (Erhaltungsdosis). Für die physikalischen Aktivitäten schaffen dazu wiederum die Leistungskriterien (S. 177 f.) die diagnostischen Voraussetzungen. Zum Verständnis der Rückwirkungen krankengymnastischer Behandlungen auf das Herz und die Verträglichkeit eines aktiv-therapeutischen Vorgehens müssen die engen funktionellen Beziehungen bedacht werden, die zwischen dem Herzschlagvolumen und dem Herzminutenvolumen (Herzzeitvolumen = Auswurfvolumen in der Zeiteinheit) bestehen. Unter körperlichen Anforderungen steigen beide an, damit der Blutbedarf in der Peripherie ökonomisch gedeckt wird, denn das Schlagvolumen allein kann natürlich nicht so groß werden, daß es in der gleichen Zeit ein Mehrfaches des in Ruhe umlaufenden Blutes fördert, wie es unter körperlicher Aktivität nötig ist. Die höhere Herzschlagfrequenz muß gleichermaßen dazu beitragen. Gesunde Herzen haben eine hohe Frequenzreserve zur Verfügung (vgl. Abb. 172). So wird bei steigendem Sauerstoffbedarf das Herz den Anforderungen der Peripherie durch eine sympathikotone Frequenzsteigerung gerecht, die in Gemeinschaft mit der selbstregulatorischen Erhöhung des Schlagvolumens nach den klassischen Herzgesetzen zu einem größeren Minutenvolumen führt. Beides, die Volumen- und die Frequenzregulation, fügen sich zu einer harmonischen Einheit zusammen. Genügen die Kraftreserven des Herzens nicht, bei erhöhtem Blutbedarf auch mit einem größeren Schlagvolumen zu einer ausreichenden Versorgung der Peripherie beizutragen, dann stellt das Herz sich um. Über neurovegetative Steuerungen setzt eine höhere Schlagfrequenz ein, das notwendige Herzzeitvolumen kann so auch ohne größeres Schlagvolumen gefördert werden. Das Herz ist also in der Lage, einen Mehrbedarf an Blut allein durch häufigeres Schlagen zu decken, wenn das Schlagvolumen aufgrund der Schwäche des Myokards nicht mehr mithalten kann. Eine solche Arbeitsweise ist aber recht unökonomisch und mühsam. Der obligatorisch aerobe Myokardstoffwechsel wird bald anaerob, es entsteht eine Sauerstoffschuld, die der Herzmuskel, wie auch der Skelettmuskel, mit einem ergänzenden anaeroben Glukosestoffwechsel in Grenzen bewältigt. Wenn das Herz gezwungen ist, unter Tachykardie mit kürzerer Diastolendauer (S. 189) und schließlich mehr anaerob zu arbeiten, wird das Myokard bald insuffizient. Daraus ergibt sich für die krankengymnastische Übungstherapie die Notwendigkeit, die Herzfrequenz zu überwachen. Der Arzt schreibt Frequenzgrenzen vor, die Krankengymnastin achtet darauf, daß sie eingehalten werden.

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3.1.5.4 Bewegung als Durchblutungsreiz für das Herz Ein Ziel der Bewegungstherapie ist auch bei den ischämischen Herzkrankheiten (S.697), die Durchblutungsstörungen des Herzens mit Übungsprogrammen zu bessern oder wenigstens besser zu nutzen. Die Übungsprogramme sollen die Koronarreserve — sie wird definiert als Spielraum zwischen der koronaren Durchblutung in Ruhe und ihrer möglichen Steigerung bis zu einem Grenzwert des Minutenvolumens bzw. der Leistungsfähigkeit (Belastbarkeit) des Herzens [553] — voll ausschöpfen. Die Güte der Koronardurchblutung ergibt sich aus dem Verhältnis von Sauerstoffangebot zu Sauerstoffverbrauch. Auf diesem Sektor sind die Verfahren der Belastungsdiagnose unentbehrlich (S.177). Sie geben Hinweise auf die Grenzen der Koronardurchblutung und die geeignete Dosierung der körperlichen Anforderungen und gestatten auch, die Erfolge der Bewegungstherapie — meßbar an Leistungssteigerungen — zu dokumentieren. Die Durchblutung des Herzmuskels ist einer der limitierenden Faktoren für körperliche Leistungen. Sobald die linear ansteigende Beziehung zwischen Belastung und Sauerstoffverbrauch des Herzens in eine flachere Kurve übergeht, beginnt der Herzmuskel anaerob zu arbeiten. Das bedeutet, daß das Sauerstoffaufnahmevermögen, die aerobe Kapazität, als Maß für die mit dem oxydativen Stoffwechsel gelieferte Energie, überschritten worden ist. Dies ist in der Bewegungstherapie aufgrund subjektiver und objektiver Kriterien (vgl. Abbruchkriterien, S. 182) leicht zu erkennen. Dieses Maß stets im Auge zu behalten, ist eine Voraussetzung für jede Übungsbehandlung. Die ungestörte Koronardurchblutung wird über einen Regelkreis eingestellt, der gewährleistet, daß mit wachsendem myokardialem Sauerstoffbedarf bei körperlichen oder auch nervlichen Belastungen (Ausschüttung von Katecholaminen als Erreger sympathischer Ganglien, z. B. Adrenalin, Noradrenalin u. a.) mehr arterielles Blut durch erweiterte Gefäße die Myokardzellen umströmt und ihnen so den benötigten Sauerstoff zur Verfügung stellt. Eines der Stellglieder der Versorgung des Herzmuskels mit sauerstoffreichem Blut ist der koronare Strömungswiderstand. Er ist ein Maß für den variablen, sich jeweils dem Bedarf anpassenden Querschnitt der Koronargefäße. Der Strömungswiderstand im Koronargefäßsystem sinkt unter Bewegungsanforderungen signifikant ab. Die koronare Gefäßerweiterung ist direkt nur mittels Druckmesser nachweisbar (Einschwemmkatheter); bei überforderten Herzen können ihre Grenzen an der klassischen Symptomatik (Angina pectoris) und an einer elektrokardiographischen Darstellung abgelesen werden. Bei ischämischen Herzerkrankungen ist das Maß der reaktiven Koronardilatation (Koronarreserve) eingeschränkt. Da die Sauerstoffentnahme aus dem Koronarblut auch beim Gesunden im Vergleich zu der Sauerstoffentnahme aus den Kapillaren des großen Kreislaufes ohnehin sehr hoch ist ( « 7 5 % gegenüber « 30%), bleibt nur etwa 20% des Sauerstoffanteils, um den erhöhten Bedarf bei einer vermehrten Ausschöpfung zu decken. Eine größere Nachfrage kann deshalb nur er-

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Ap-Schwelle

Belastung

90 80 70 60

Ruhe

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3 4

5

6

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R-Ruhewert«—• vorTraining

Trainingswochen -*• Ps.

Fr.

R - Ruhewert nach Training Abszisse: ansteigende Ergometerarbeit Ordinate: Blutdruck-Frequenz-ProduktIO-3

Abb. 173 Pulsfrequenz im Verlauf einer Trainingsbehandlung. Abb. 174 Druck-Frequenz-Produkt im Verlauf einer Trainingsbehandlung.

füllt werden, wenn die koronare Versorgung ergiebiger wird. Klinische Beobachtungen berechtigen zu der Annahme, daß dies unter sorgsam dosierten Bewegungsbehandlungen der Fall ist. Eine signifikante Besserung der von der Durchblutung des Myokards limitierten Herzleistung unter trainierenden Bewegungsanforderungen läßt sich in aller Regel nachweisen [80,189, 303, 337]. Die Besserung ergibt sich aus der absinkenden Frequenz im Verlauf einer Übungsbehandlung mit genormter, gleichbleibender Ergometerarbeit und dem gleichfalls absinkenden systolischen Blutdruck. Die Abbildung 173, nach Werten aus der Literatur und zahlreichen weiteren Messungen zusammengestellt, zeigt schematisiert den Trend dieses stets zu beobachtenden Verlaufs, wobei es besonders bemerkenswert ist, daß auch die Ruhewerte absinken (S.187f.). Dies legitimiert die dosierte, Leistungen fordernde Bewegungstherapie bei Patienten mit ischämischen Herzkrankheiten. Es gibt ein einfaches Maß, mit dem der Arzt aus den jeweils gemessenen Werten die äußere Herzarbeit (S.685) beurteilen kann. Dieses Maß ergibt sich aus dem Produkt der Herzfrequenz und des Blutdrucks; der Sauerstoffverbrauch, der mit der Leistung steigt, korreliert eng mit dem Produkt [523]. Sein Wert sinkt im Verlauf einer Trainingsbehandlung als Ergebnis seiner niedrigeren Faktoren (Frequenz und Druck) ab. Das bedeutet, daß das Herz jetzt die gleiche Arbeit mit weniger Aufwand und einem geringeren Sauerstoffverbrauch leistet. Dieses Ergebnis entlastet aber das Herz nicht nur (S. 191), es bedeutet auch eine Verbesserung der Belastbarkeit und der Leistungsfähigkeit des Patienten. Dies wird daraus ersichtlich, daß die Angina pectoris-Schwelle, mißt man sie an der

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noch gerade beschwerdefrei geleisteten Arbeit am Ergometer, sich unter dem Training ändert (vgl. Angina pectoris-Schwelle, S.184). Die Angina pectoris-Schwelle wird nach mehrwöchigem Training im ergometrischen Arbeitstest erst später, also bei einer höheren Wattzahl erreicht, d.h. der Patient kann beschwerdefrei mehr leisten. Die Abbildung 174 läßt dies erkennen. Bei diesen guten Ergebnissen, die sich unter einer rehabilitierenden Bewegungstherapie der Koronarpatienten ergeben, liegt es nahe, als Fundament dieser Besserung eine vermehrte Durchblutung des Myokards zu vermuten, und zwar vor allem — da sklerotisch verengte Gefäße sich kaum erweitern — durch die Neubildung von Kollateralen. Wider Erwarten haben Untersuchungen mit modernen technischen Methoden [80, 148, 464] eine solche Annahme aber nicht bestätigen können. Diese ernüchternde Tatsache ergibt sich auch, wenn man mit dem Produkt aus Druck und Frequenz die äußere Herzarbeit (Pumpleistung, S. 685) unter dem Training mißt. Im ergometrischen, leistungsbezogenen Arbeitstest zeigt sich, daß nach einem mehrwöchigen Training zwar der Patient beschwerdefrei mit seinem Herzen mehr Watt an Leistung erbringt, so daß sich die Angina pectoris-Schwelle verschiebt. Diese macht sich aber sofort bemerkbar, wenn das gleiche Druck-Frequenz-Produkt wieder erreicht ist; sie ändert ihre funktionell determinierte Lage unter der Trainingsbehandlung also nicht [80]. Betrug beispielsweise das Produkt bei der ersten Belastungsuntersuchung an dieser Schwelle 150 (Fr.: 100, RR^ 150, [• 10"2]), dann meldet sich auch am Ende der Trainingszeit die Schwelle mit der charakteristischen Symptomatik bei dem gleichen Wert. Mit anderen Worten: Klettern Frequenz und Blutdruck unter höherer Belastung und verbesserter Leistung auf Werte, deren Produkt zu Beginn der Behandlung die Schwelle darstellten, dann macht sich auch nach langer Trainingszeit (bei jetzt später erreichten Grenzwerten für Frequenz und Druck und damit größerer Belastbarkeit) die Schwelle bei dem gleichen Wert, also bei der gleichen äußeren Herzarbeit wie vor dem Training bemerkbar (vgl. Abb. 174). Die bessere Leistung bzw. die höhere Belastbarkeit sind also nicht Ausdruck einer größeren Kraft des Herzens aufgrund einer vermehrten Durchblutung, sondern das Ergebnis einer Ökonomisierung der Herzarbeit, einer besseren Nutzung des verfügbaren Sauerstoffes. Offenbar entnimmt das Myokard jetzt mehr Sauerstoff aus dem qualitativ und quantitativ gleichen Koronarblut. Messungen mit Einschwemmkatheter haben ergeben, daß die Sauerstoffdifferenz zwischen arteriellem und venösem Blut (AVD/0 2 ) nach der Trainingsbehandlung um ca. 15% höher lag als zu Beginn [81]. Das bedeutet, daß das Myokard die Fähigkeit erworben hat, den angebotenen Sauerstoff durch Bereitstellung aerob wirksamer Enzyme (S.145) besser auszuschöpfen (Utilisation). Daraus folgt, daß die Besserung der Symptomatik und der Leistung nicht über eine Vergrößerung der Koronarreserve, deren Kapapzität morphologisch begrenzt ist, zustande kommt, sondern durch die Verbesserung der Versorgung des Myokards mit dem Sauerstoff des Blutes.

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Die Frage, ob mit der symptomatischen Besserung der ischämischen Begrenzung der Herzleistung unter bewegungstherapeutischen Aktivitäten die Progredienz einer manifesten Koronarsklerose aufzuhalten ist, bleibt nach bisherigen Erkenntnissen ungeklärt [31, 80]. Umso wichtiger ist es, daß der Arzt der Entwicklung eines Koronarleidens so früh wie möglich präventiv vorbeugt, indem er versucht, die vermeidbaren Kausalfaktoren (S.699) auszuschalten bzw. durch funktionsübende Behandlungen ihren Einfluß zu hemmen. 3.1.5.5 Kontraindikationen der Bewegungstherapie Natürlich kann nicht jedem Herzkranken eine Anforderung zugemutet werden, wie sie bei jeder Bewegungstherapie verlangt wird. Es gibt absolute und relative Kontraindikationen. Absolute Gegengründe für Bewegungsanforderungen, nicht für die passiven, entlastenden Umlagerungen, sind akute Erkrankungen z. B. ein Herzinfarkt in den ersten Tagen, Fieber, eine frische Thrombophlebitis, akute Embolien, die manifeste Herzinsuffizienz, eine Angina pectoris im Stadium IV, schwere, nicht mehr belastbare, dekompensierte Herzklappenfehler, besonders die Stenosen der Herzklappen und des Isthmus der Aorta, multifokale Extrasystolen, ein Aneurysma dissecans sowie Rhythmusstörungen, die sich unter Belastungen einstellen. Relative Kontraindikationen sind eine latente Herzinsuffizienz, supraventrikuläre Rhythmusstörungen hoher Frequenz, gehäuft auftretende Extrasystolen, Überleitungsstörungen, leichte (nicht große) Herz- und Gefäßwandaneurysmen, das Cor pulmonale und auch frequenzstarre Schrittmacher. Bei den relativen Kontraindikationen, in Einzelfällen auch bei den absoluten Kontraindikationen, ist es aber ein Auswahl- und Dosierungsproblem, ob und wieweit der Arzt präventiv oder übend wirkende, passive und aktive Bewegungen individuell sehr abgestimmt einsetzt, sofern er noch, unterstützt durch die medikamentösen Verordnungen, Besserungschancen durch solche Behandlungen für gegeben hält.

3.2 Behandlungsempfehlungen für Herzpatienten Zur Einteilung therapeutischer Bestrebungen werden auch hier zum Verständnis der Gesamtwirkung der Behandlungen jeweils die kausale (A) und die symptomatisch-gezielte Therapie (B) medikamentöser oder chirurgischer Art in einem kurzen Überblick vorausgeschickt, um die physikalisch-therapeutischen Maßnahmen als Teil eines Gesamtkonzeptes der Krankenbehandlung darstellen zu können (vgl. Einführung in den klinischen Teil, S. 600). Die physikalischen Behandlungsprinzipien finden breiteste Anwendung bei den ischämischen Herzerkrankungen. Wie aus den grundsätzlichen Ausführungen

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zur Wirkung physikalischer Behandlung bei Herzkranken hervorging, sind aber auch bei anderen Herzleiden therapeutische Verfahren physikalischer Prägung häufig indiziert. Bei folgenden Erkrankungen des Herzens ist eine Behandlung auch mit physikalischen Methoden angebracht: - Erkrankungen des Herzmuskels - Myokarditis - Herzinsuffizienz - ischämische Herzkrankheiten - Herzklappenfehler - pulmonale Herzkrankheiten - funktionelle Herzstörungen

3.2.1 Erkrankungen des Herzmuskels 3.2.1.1 Myokarditis Übersicht über die Behandlungsvorschläge Kausale Therapie (A) Erreger der bedingenden Grundkrankheit ausschalten; gleichzeitig Rezidivprophylaxe. Herde operativ entfernen Symptomatisch-gezielte Behandlungen (B) Medikamentös: Entzündungshemmende Mittel: Steroide, bei rheumatischer Karditis Salizylate oder andere Antirheumatika Physikalisch-therapeutisch: Hydrotherapie: Bei Fieber Wadenwickel, Serienwaschungen Krankengymnastik: Leichte Atemhilfen zur Entlastung von Herz und Kreislauf, Thromboseprophylaxe mit passivem Durchbewegen Allgemein-unspezifische Behandlungen (C) Strenge Bettruhe. In der Rekonvaleszenz nach größter Schonung zur Wiederanpassung des Kreislaufes leichte passiv-aktive Gymnastik, Hydrotherapie, Badeund Klimakuren Vorbeugende Maßnahmen (D) Antibiotische Rezidivprophylaxe

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Erläuterungen zu A bis D Kausale Therapie (A) Die Myokarditis ist eine entzündliche Erkrankung. Sie entsteht sekundär bei Virusinfekten, z. B. durch die Coxsackie-Viren (sog. Darmgrippe), bei Virusgrippe, Masern, und aufgrund von bakteriellen Erkrankungen, z. B. Thyphus, Scharlach, Diphterie, Tuberkulose, Sarkoidose u. a. Sehr häufig erscheint die Myokarditis im Verlauf des rheumatischen Fiebers, das häufig als infekt-allergische Spätkomplikation 2-5 Wochen nach einem Infekt mit beta-hämolysierenden Spretokokken der Gruppe A auftritt. Die ursächliche Therapie ist jeweils ganz spezifisch auf den primären Erreger ausgerichtet, bzw. auf die Behandlung des Grundleidens, das unter Umständen, wie das rheumatische Fieber, eine über Jahre dauernde antibiotische Rezidivprophylaxe notwendig macht. Die Myokarditis ist gelegentlich auch die Folge einer chronisch streuenden Tonsillitis oder anderer Herde. Die operative Entfernung der Mandeln oder anderer Entzündungsherde, die aber erst möglich wird, wenn die akuten myokardischen Erscheinungen abgeklungen sind, ist hier im Blick auf die endgültige Ausheilung bzw. die Rezidivprophylaxe eine ursächliche Behandlung. Symptomatisch-gezielte Behandlungen (B) Bei der Virusätiologie müssen symptomatische, entzündungshemmende Maßnahmen, vor allem hohe Steroidgaben, die fehlende kausale Therapie ersetzen. Für symptomatische Behandlungen des Fiebers oder bei der rheumatischen Karditis gegen gleichzeitig bestehende Gelenkerscheinungen (Schmerzen und Schwellungen) stehen Salizylate oder andere Antirheumatika zur Verfügung. Hydrotherapie: Wenn sich im Prinzip symptomatisch wirksame physikalisch-therapeutische Maßnahmen anbieten sollten, bleibt zunächst aber die absolute Ruhigstellung des Kranken oberstes Gebot. Als nicht belastende, lindernde, fiebersenkende Verordnungen kommen Wadenwickel und Serien-Waschungen, zur Entlastung des Herzens Hochlagerungen des Oberkörpers, die den venösen Rückfluß etwas dämmen und so das zentrale Blutvolumen nicht so stark ansteigen lassen, in Frage. Krankengymnastik: Ganz leichte Atemhilfen krankengymnastischer Art entlasten Herz und Kreislauf ebenfalls. Dabei darf die Pulsfrequenz, deren Erhöhung in Ruhe ein charakteristisches Symptom der Myokarditis ist, auf keinen Fall noch mehr ansteigen. Dies gilt auch für die Umlagerungen, oder, wenn allein die Beine passiv durchbewegt werden, was stets zur Thromboseprophylaxe indiziert ist, ferner auch für die pflegerischen Notwendigkeiten. Allgemein-unspezifische Behandlungen (C) Allgemein-unspezifisch wirkende Behandlungen sind in der Rekonvaleszenz angezeigt, wenn es gilt, die aufgrund der äußersten Schonung entwöhnten Kreislaufregulationen wieder an größere, jetzt wieder zumutbare Ansprüche anzupassen.

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Dazu eignen sich die physikalisch-therapeutischen Methoden passiver Art (S.676), die hydrotherapeutischen Anwendungen, auch Massagen, sowie später die Bäder- und Klimakuren. Sofern der Arzt in den Rekonvaleszenz eine sehr individuell dosierte Bewegungstherapie nach dem Übungsprinzip verordnet, dann müssen die beschriebenen Kriterien des Leistungspulses (S.187f.) besonders beachtet werden. Vorbeugende Maßnahmen (D) Prophylaktische Maßnahmen sind meistens nur in Form medikamentöser Rezidivprophylaxe möglich. Bei strenger Bettruhe ist eventuell auch eine vorsichtig dosierte krankengymnastische Thromboseprophylaxe angebracht.

3.2.1.2 Herzinsuffizienz Übersicht über die Behandlungsvorschläge Kausale Therapie (A) Erfolgreiche Behandlung der Grundkrankheit oder der im Herzen selbst gelegenen Ursachen behebt die Insuffizienz; ist ein Herzklappenfehler verantwortlich, ggf. operativer Klappenersatz Symptomatisch-gezielte Behandlungen (B) Medikamentös: Herzglykoside Physikalisch-therapeutisch: Krankengymnastik: Nachdem eine akute Insuffizienz behoben ist, bauen dosierte Bewegungsansprüche bei wieder suffizientem Herzen dessen Belastbarkeit auf. Orientierung an den Bedingungen der Selbstregulation des Herzens. Hilfen zum venösen Rückstrom und peripher-arteriellen Zustrom. Atemhilfen durch „Ansaugen" des Blutes Allgemein-unspezifische (C) und vorbeugende (D) Maßnahmen Badekuren bei wieder kompensierten Patienten mit Kohlensäure-, Jod- und Schwefelbädern. Dosierend verordnete Bewegung und Ruheperioden. Klimakuren bei Ausnutzung der Schonfaktoren der Mittelgebirge Erläuterungen zu A bis D Kausale Therapie (A) Herzinsuffizienz (S. 686) ist keine Diagnose, sondern ein Symptom. Die Insuffizienz kann Ausdruck einer primären Erkrankung des Herzens (etwa als Folge einer anhaltenden oder ausgedehnten Ischämie), das Ergebnis einer toxischen Myo-

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kardschädigung oder die Erscheinung einer nicht mehr kompensierten Druckoder Volumenüberlastung (Herzklappenfehler) sein. Die Insuffizienz ist charakterisiert durch eine Schwäche des Herzens; die Kraft des Herzmuskels reicht dabei nicht mehr aus, das venöse Blutangebot ohne Rückstauung in das arterielle Gefäßsystem weiter zubefördern. Die Folge ist ein geringeres Herzminutenvolumen. Die Schwäche wird eine Zeitlang mit dem selbstregulatorisch ansteigenden Venendruck kompensiert, das Herzzeitvolumen bleibt dann mittels dieses erhöhten Druckes normal, solange das Herz mit dem erhöhten zentralvenösen Druck s der sich auch am Herzmuskel auswirkt, nach den klassischen Herzgesetzen noch ein größeres Schlagvolumen zu fördern vermag. Reicht das Fördervolumen trotz erhöhtem Venendruck nicht mehr aus, das zufließende Blut vollständig weiterzugeben und damit den Blutbedarf der Peripherie zu decken, dann wirkt dies wie ein Stauwehr. Im kleinen Kreislauf, vor dem Herzen, staut das Blut sich auf (Lungenstauung, Atemnot), die Leber schwillt an, eine Stauungsgastritis belastet den Kranken, es bilden sich Ödeme. Die Insuffizienz ist manifest geworden. Ursächliche Behandlungen, meist medikamentöser Art, gibt es bei der akuten Herzinsuffizienz nur indirekt, indem ein auslösendes Ereignis, ein Herzinfarkt, eine Blutdruckkrise, eine Toxineinschwemmung, eine Rhythmusstörung oder dergleichen abgewendet bzw. beherrscht werden. Man kann eine Behandlung als kausal ansehen, wenn es z. B. bei einer Stenose gelingt, die Volumenüberlastung durch eine Sprengung des zu engen Ventils zu beseitigen, wobei freilich eine gewisse Klappeninsuffizienz zurückbleibt, die wiederum Ursache einer Herzinsuffizienz werden kann. Ein Klappenersatz vermeidet dies. Symptomatisch-gezielte Behandlungen (B) Die Digitalisierung des chronisch insuffizienten Herzens ist eine symptomatisch gezielte Behandlung, wie auch die Verordnung von diuretisch wirkenden Präparaten, sofern die zunächst kompensierende bzw. entlastende Hypervolämie (vergrößertes Blutvolumen durch Aufnahme von Flüssigkeit) und auch deren Ablagerung im Gewebe (Ödeme) für das wieder erstarkte Herz entbehrlich geworden ist. Auch diätetische Verordnungen haben symptomatisch gezielte Wirkungen, da sie die lästige Stauungsgastritis lindern, den Meteorismus kaum noch aufkommen lassen und der Wasserretention Vorschub leisten bzw. sie in Grenzen halten. Krankengymnastik: Symptomatische Behandlungen physikalischer Art erfordern eine Unterscheidung der Herzinsuffizienz nach Schweregraden (Ruhe- oder Belastungsinsuffizienz) und nach der Lokalisation (Linksinsuffizienz, Rechtsinsuffizienz, Doppelinsuffizienz). Bei der akuten und chronischen Ruheinsuffizienz aller Formen sind es Lagerungen, erhöhter Oberkörper und Tieflagerung der Beine, die das zentrale Blutvolumen (kleiner Kreislauf) verringern. Sobald unter der ansprechenden Digitalisierung die Kontraktionskraft des Herzens (positiv inotrop, S. 686) wieder ansteigt, sind Überlegungen gerechtfertigt, einzelne Anteile des Herzens (das rechte oder linke Herz) oder das Herz als funktionelle Einheit zu ver-

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mehrter Leistung anzuregen, ohne es zunächst nennenswert zu belasten. Wohldosierte Bewegungsanforderungen (S. 682) heben die Leistungsfähigkeit und führen das Herz langsam an größere Leistungen heran. Die Rechtsherz-Insuffizienz aus primär myokardialer Ursache ist sehr selten. Sie kommt aber bei bestimmten Klappenfehlern (S. 707) oder Thoraxverbildungen isoliert vor (vgl. Cor pulmonale, S.714). Meist ist die Rechtsinsuffizienz das als „konsekutiv" (nachfolgend) oder als „sekundär" bezeichnete Ergebnis einer primären Linksinsuffizienz. Ist das rechte Herz nicht mehr fähig, den venösen Zufluß aufzunehmen und über den kleinen Kreislauf voll weiterzugeben, dann sind selbst passive Bewegungen erst zulässig, wenn sich aufgrund einer selbstregulatorischen Umstellung des Herzens auf eine Insuffizienzhämodynamik (kleines Herzzeitvolumen, erhöhter zentraler Venendruck) das Herzminutenvolumen und der venöse Rückfluß wieder auf einem niedrigeren Niveau die Waage halten, so daß Stauungen zurückgehen. Jetzt kann es angezeigt sein, unter weitergehender medikamentöser Stützung des Herzens den venösen Füllungsdruck zu erhöhen, der zur Kompensation ansteigen muß. Lagerungen und leichte Bewegungsübungen (vgl. „Stoffwechselübungen", S.196) regen den Blutkreislauf an, gleichzeitig fließt auch das Blut leichter in die Peripherie ab. Solche Bewegungsübungen haben zum Ziel, das Gleichmaß zwischen Blutzustrom zum Herzen und Herzzeitvolumen auf ein höheres Niveau zu bringen. Sie bereiten so auf die Alltagsbelastungen vor. In einer sorgfältig aufgebauten Bewegungsbehandlung achtet die geschulte Krankengymnastin auf die Verträglichkeit und nimmt je nach Befund die Dosierung der Anforderungen zurück oder erhöht sie. So gewöhnt sich das Herz leichter und schneller wieder an Leistungsanforderungen, als wenn es allein mit Medikamenten gestützt wird und die physischen Anforderungen dem Zufall überlassen bleiben. Für die Linksinsuffizienz, die meist eine Folge chronischer Druck- oder Volumenüberlastungen durch Klappenfehler oder eines erhöhten Druckes im peripheren arteriellen Kreislauf ist, gelten im Prinzip die gleichen Grundsätze wie für die Rechtsinsuffizienz. Liegt keine Rückstauung im kleinen Kreislauf vor und bleibt die rechte Kammer gegen einen schon erhöhten Widerstand im kleinen Kreislauf kompensiert, dann wird der venöse Rückstrom zum Herzen, der unter aktiver Muskelarbeit ebenfalls ansteigt, in aller Regel bewältigt. Für den linken Ventrikel wirken sich isotonische Bewegungen und isometrische Anspannungsübungen, die nicht anstrengen dürfen (S.195), eher entlastend aus, weil in den beteiligten Muskeln der periphere Gefäßwiderstand absinkt, so daß ein damit gering vergrößertes Herzzeitvolumen verträglich wird. Die kardiale Globalinsuffizienz (Doppelinsuffizienz, vgl. pulmonale Globalinsuffizienz, S.205) erfordert Überlegungen, die sich sowohl an der Rücksicht auf die beiden Ventrikel, wie auch an den klinischen Symptomen der Insuffizienz orientieren. Stets sind bei der Herzinsuffizienz die passiven, nicht belastenden Maßnahmen, die Thrombosen verhüten, z. B. die Streichmassagen und Lagerungen, angezeigt.

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Auch leichte atemgymnastische Hilfen sind zu empfehlen, um einer Minderbelüftung der basalen Lungenabschnitte zu begegnen. Bei den Atemübungen kommt der Effekt des „Ansaugens" von Blut (S. 433) durch den negativen Thoraxdruck in der EinatemphasezurGeltung, gleichzeitig wird Blut aus der Leber „ausgepreßt" (S. 881). Dies unterstützt den Blutumlauf und verhindert auch drohende Stauungen. Aktive Bewegungsübungen helfen bei wieder kompensierten Herzen aber nur bei vorsichtiger, individuell angemessener Dosierung. Der Arzt muß sich dabei auf die Krankengymnastin verlassen können und mit ihr das Übungsprogramm abstimmen. Aligemein-unspezifische (C) und vorbeugende (D) Maßnahmen Als allgemein-unspezifische Behandlungen haben sich die Bade- und Klimakuren bewährt, die aber erst indiziert sind, wenn die Herzinsuffizienz aus ihrem dekompensierten in ein voll kompensiertes Stadium übergegangen ist, das Symptom „Insuffizienz" also auch unter alltäglichen Belastungen nicht mehr erscheint. Während solcher Kurbehandlungen bedarf es der ganzen Bedachtsamkeit und Sorgfalt des durch die Kur führenden Arztes, um den Kranken die Reizfaktoren einer Badekur mit Gewinn zu erschließen (S. 680) und um die Kompensation nicht zu gefährden. Zu Badekuren eignen sich bei wieder voll kompensierten Herzen Bäder mit verschiedenen Inhaltsstoffen. In erster Linie haben die Kohlensäurebäder, aber auch Jod- und Schwefelbäder kräftigende Rückwirkungen auf das Herz. Klimatische Entlastungen sind für Herzkranke, seien sie noch insuffizient oder nur in Ruhe kompensiert, in bestimmten belastenden Großwetterlagen nahezu unentbehrlich. Das gilt besonders bei Schwüle und Inversionen. Da nur höhere Lagen von bedrückender atmosphärischer Last befreien, muß der Arzt hier die relative Höhenbelastung (S. 558) und die „Klimawechselzumutung" (S. 537) bedenken.

3.2.2 Ischämische Herzkrankheiten (Koronarinsuffizienz, Herzinfarkt) Übersicht über die Behandlungsvorschläge Kausale Therapie (A) Vermeidung von Risikofaktoren verzögert zumindest die Koronarsklerose und schaltet eventuell Infarktgefährdung aus Symptomatisch-gezielte Behandlungen (B) Medikamentös: Im Angina pectoris-Anfall Nitrite ; ggf. Langzeitbehandlung mit Koronardilatatoren, Beta-Blockern, Kalzium-Antagonisten

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Bei Infarkt: Schmerzstillung, Sedierung, Senkung der Frequenz, ggf. auch Kontraktilität dämpfen, Rhythmisierung. Bei Insuffizienz Glykoside, ggf. Antikoagulanzien Physikalisch-therapeutisch: Krankengymnastik: Ziel ist die Vergrößerung der Koronarreserve durch dosierte Anforderungen Nach Infarkt: Zunächst Thromboseprophylaxe. Vorsichtiger Aufbau der Frühmobilisation. In der Aufbauphase isometrische Spannungsübungen, Widerstandsübungen, Komplexbewegungen In der Rehabilitation: „Trainingsbehandlung", Gruppengymnastik, Spiele, Sport Hydrotherapie: Aufsteigende Armbäder nach Hauffe Allgemein-unspezifische Behandlungen (C) Badekuren, C0 2 -Bäder, Kneippkur, kombinierte Behandlungen Vorbeugende Maßnahmen (D) Risikofaktoren behandeln. Ärztliche Empfehlungen zur Lebensführung. Erholungskuren in reizmildem Klima, ggf. mit rehabilitierender Bewegungstherapie Erläuterungen zu A bis D Ischämische (gr.: ¡schein = hemmen, haima = Blut) Herzkrankheiten sind Ausdruck einer unzureichenden Versorgung der Herzmuskelzellen mit Blut durch die Kranzgefäße. Die Ursache ist ein pathologisch eingeengtes Koronargefäßsystem, eine Koronarinsuffizienz, morphologisch eine Koronaratheromatose bzw. -sklerose. Sie verhindert, daß dem Herzmuskel soviel an Blut zufließt, wie er für seinen Betriebsstoffwechsel braucht. So kommt es zu einem Mißverhältnis zwischen dem Sauerstoffbedarf des Herzens und seiner arteriellen Durchströmung mit sauerstofflieferndem Koronarblut [82]. Daraus entstehen Sauerstoffmangelsymptome: die Angina pectoris, die sich akut in rezidivierenden Anfällen bemerkbar macht oder, mehr konstant, bei jeder Belastung spürbar wird. Ist der Blutstrom unterbrochen oder erheblich eingeengt (Koronarverschluß, hochgradige Stenose, gelegentlich auch beim Spasmus), dann führt dies bald zu einer Nekrose im Myokard, zum Herzinfarkt. Die Behandlung richtet sich hier auf die vorhandene bzw. ausschöpfbare Koronarreserve. Jenseits ihres Potentials (S.688) reicht die Sauerstoffversorgung nicht mehr aus, eine koronare Insuffizienz, die durch den angiösen Schmerz angekündigt wird, tritt ein. Stärker als Medikamente veranlassen physikalische Behandlungen das Herz, die Koronarreserve in Anspruch zu nehmen. Bei einer chronischen Angina pecto-

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ris oder bei der Nachsorge nach einem überstandenen Herzinfarkt geht es darum, die noch gegebene Kapapzität der Koronargefäße voll zu entfalten und die Utilisation des verfügbaren Sauerstoffes zu erhöhen (S. 690). Die ischämischen Herzkrankheiten bzw. die schleichend aufkommenden Koronarsklerosen haben keine einheitlich definierbare Ursache, vielmehr spielen zahlreiche Kausalfaktoren hier zusammen. Zum Teil sind sie von der Erbanlage, dem Lebensalter und anlagebedingten Stoffwechselkrankheiten abhängig. Andere Ursachen, z. B. körperliche Inaktivität, Nikotingenuß, Überernährung, sind vermeidbar oder behandlungsfähig, wie Hypertonie, Hyperurikämie, Adipositas, Diabetes. Dazu kommen die nicht im Koronarsystem gelegenen, aber symptomatisch bedingenden Faktoren, z. B. Tachyarhythmie, Vitien, Mitralstenose, Aortenfehler, Anämie, Hyperthyreose, Kreislaufschock. In jedem Fall erfordert die Behandlung, da verschiedene Behandlungswege eingeschlagen werden können und fast immer auch Risikofaktoren zu berücksichtigen sind, ein umfangreiches Programm, das medikamentöse Hilfen und eine Reihe von physikalisch-therapeutischen Reizen kombiniert und aufeinander abstimmt. Die oft gefährdeten, nie ganz der ärztlichen Sorge enthobenen Kranken müssen sich stets wohlfühlen, sie dürfen nicht, diese Gefahr schleicht sich bei Kurmaßnahmen gelegentlich ein [412], durch eine polypragmatische Überlastung gefährdet werden. Kausale Therapie (A) Bei den ischämischen Herzkrankheiten könnte man die Ausschaltung bekannter Risikofaktoren als ursächliche Behandlung bezeichnen, wenn damit belegbar wäre, daß aufgrund der Behandlung eine Koronarsklerose oder vielleicht sogar eine Ischämiefolge (ein Myokardinfarkt) nicht eintreten. Da man dies im Einzelfall nur vermuten kann, ist es logischer, all diese Verordnungen unter den präventiven Maßnahmen aufzuführen. Diese müssen, da sich die Arteriosklerose der Koronararterien schon sehr früh abzeichnet, als Prophylaxe bereits im jungen Jahren beginnen [136]. In einer unbekannt großen Zahl von Fällen ist sicher, daß das „Nicht-mehrRauchen" oder die Regelung einer Lebensführung, die einen Dauerstreß oder häufig eintretende Streßsituationen abstellt, hypothetisch als ursächlich ausschaltend für die beginnende Angina pectoris zu werten ist. Auch die wirksame Behandlung der extrakoronaren Faktoren — als Beispiel kann die medikamentöse Einstellung des erhöhten Blutdruckes auf verträgliche Werte dienen, die weniger Herzarbeit bedeuten und damit im Myokard weniger Sauerstoff verbrauchen — und andere vorbeugende Maßnahmen dürfen als ursächlich-spezifische Therapie interpretiert werden, wenn danach eine ausreichende Koronardurchblutung wieder zustande kommt oder die Koronarreserve sich so vergrößert oder entfaltet, daß sie den jeweiligen Bedarf zu decken vermag.

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Symptomatisch-gezielte (B) und allgemein-unspezifische (C) Maßnahmen Auch wenn mit physikalisch-therapeutischen Methoden der Kreislauf entlastet oder wenn Anforderungen an ein größeres Minutenvolumen des Herzens gestellt werden, um damit die Koronardurchblutung zu stimulieren, wird der Arzt bei seinen physikalischen Verordnungen stets auch die Wirkung der Medikamente einkalkulieren, etwa die beruhigte Herzfrequenz, den geringeren peripheren Widerstand, den niedrigeren Blutdruck, die negativ-inotrope Wirkung der Beta-Rezeptorenblocker und dergleichen. Medikamente der Langzeittherapie abzusetzen, etwa bei einer Kurbehandlung, weil die physikalisch-therapeutischen Verordnungen als eine ausreichende Alternative angesehen werden, ist zumindest leichtfertig. Jeder Patient mit einer ischämischen Heizerkrankung hat nicht nur häufig Beschwerden, er ist auch akuten Gefährdungen ausgesetzt. Beim akuten Angina pectoris-Anfall ist es notwendig, schnell Hilfe zu leisten, damit die Sauerstoffnot beseitigt wird. Beim akuten Infarkt erfordert die erste Hilfe, den Kranken die quälende Brustenge, den starken Schmerz, die Unruhe und die Todesangst zu nehmen. Im Krankenhaus werden akute Bedrohungen durch Rhythmusstörungen über eine medikamentöse Rhythmusstabilisierung oder physikalisch durch Schrittmacher, gegebenenfalls mit elektrischer Deflbrillation, abgewendet. Damit betreibt auch der mit den einfachen physikalisch-therapeutischen Methoden weniger vertraute Internist eine apparative physikalische Therapie. Die erste Obliegenheit, die akuten ischämischen Beschwerden schnell zu meistern, ist allein medikamentös zu erfüllen. Der Angina pectoris-Anfall klingt unter Nitroglyzerin ab. Dieser von den Schleimhäuten des Mundes resorbierte Salpetersäureester erweitert schnell die großen Gefäße, der diastolische Blutdruck sinkt, auch der venöse Rückfluß zum rechten Herzen und damit in die Lungengefäße nimmt ab, weil unter Nitriten der Venentonus sinkt und die Venen so mehr Blut aufnehmen, was wie ein innerer Aderlaß wirkt. Die enddiastolische Wandspannung läßt nach; besonders das linke Herz wird mit schnell resorbierten Nitriten sogleich entlastet [397]. Das Mißverhältnis zwischen Sauerstoffbedarf und -zufuhr wird damit behoben, der Schmerz verschwindet. Ob sich die Koronargefäße auch erweitern, ist noch nicht sicher erwiesen. Eine anhaltende bessere Versorgung des Herzens mit Sauerstoff, die das Leiden heilen würde, ist mit solchen Medikamenten nicht verbunden. Nur die Verordnungen physikalisch-therapeutischer Art, unter denen die Koronarreserve besser nutzbar oder größer wird, haben einen solchen Effekt. Klinische und experimentelle Ergebnisse haben gezeigt, daß Anforderungen an die Herzleistung — dies ist auch bei bewegungstherapeutischen Übungen zu bedenken — über eine Stimulierung der kardialen Beta-Rezeptoren und anderen Mechanismen (Katecholaminausschüttung) die Regelkreise in einer Weise ansprechen, die den Sympathikus stimuliert. Die Kontraktilität (vgl. positiv inotrope Wirkung, S.686) und damit die Wandspannung nehmen zu und die Frequenz steigt (positive chronotrope Wirkung). Damit wird mehr Sauerstoff verbraucht.

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In der medikamentösen Behandlung der Koronarinsuffizienz setzt man deshalb gerne Substanzen ein, die die Beta-Rezeptoren blockieren (dämpfen), so daß nicht nur die Frequenz, sondern auch die Kontraktilität (die Beta-Blocker haben eine negativ inotrope Wirkung, die bei der myokardialen Insuffizienz kontraindiziert ist) und damit auch das Herzminutenvolumen absinken; dies wiederum spart Sauerstoff ein. Etwas anders wirken die sogenannten Koronardilatatoren. Sie haben einen leicht beta-stimulierenden Effekt, er führt zu einem etwas erhöhten myokardialen Sauerstoffverbrauch, der wiederum — wie auch die physikalischen Anforderungen — reflektorisch einen gewissen koronardilatierenden Erfolg bewirkt. Langjährige Erfahrungen in der Bewegungstherapie haben gezeigt, daß sich die Gabe von Beta-Blockem oder auch von Dilatatoren und die Verordnungen der Bewegungstherapie — sofern sie nicht maximale Leistungen fordert — gegenseitig nicht stören, weil die Medikamente entweder nur dämpfen, das funktionelle Zusammenspiel von Reiz und Reaktion aber nicht völlig blockieren oder weil sie die Koronarweite positiv beeinflussen. Zu den Nitraten und den Beta-Blockern treten die Kalzium-Antagonisten (Verapamil und Prenylamin). Sie hemmen die Funktion der Kalziumionen, dämpfen damit die Kontraktion des Herzmuskels (S.683) und sparen Sauerstoff ein. Gleichzeitig verringern sie den Tonus der Koronararterien, das Herz erhält mehr Blut und es pumpt leichter, da in der erweiterten Peripherie der Blutdruck sinkt. Besonders bei bewegungstherapeutischen Verordnungen ist die Frage der Digitalisierung wichtig. Der Arzt prüft, ob er ein entsprechendes Präparat verordnen soll oder ob er eine Dauergabe in der Dosis ändern muß. Jede manifeste Herzinsuffizienz, die körperliche Anforderungen natürlich ausschließt, aber auch die latente Insuffizienz, die sich möglicherweise erst unter der Bewegungstherapie durch Tychykardie, Dyspnoe, Zyanose anzeigt (sie sollte allerdings vorher diagnostisch durch Leistungsteste erfaßt werden), erfordert die Gabe von Glykosiden. Die Frage, ob und wann Antikoagulanzien angezeigt sind, besonders nach einem Herzinfarkt, soll hier nicht erörtert werden. Nicht selten muß aber der Arzt, vielleicht aufgrund von Klimaänderungen oder einer anderen therapeutischen Konzeption, die Einstellung des Quickwertes korrigieren. Krankengymnastik: An erster Stelle der physikalischen Behandlungen steht die Bewegungstherapie mit ihren teils auf die Koronarreserve zielenden, teils auch unspezifischen Allgemeinwirkungen. Sie erschließt bei der Koronarinsuffizienz die Koronardurchblutung so gut wie möglich (S. 688). Bei der schwersten Form ischämischer Herzkrankheiten, dem Myokardinfarkt, haben die krankengymnastisch ausgewählten Bewegungen schon im Akutgeschehen präventive Aufgaben. In der Rekonvaleszenz trägt die Bewegungstherapie wesentlich dazu bei, die zunächst unzureichende kardiale Belastbarkeit des Patienten wieder zu heben. Als Dauerprävention bleibt sie unentbehrlich. Die krankengymnastische Behandlung der Infarktpatienten ist eine der verantwortungsvollsten Aufgaben der Bewegungstherapie. Bei einem Myokardinfarkt

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unterscheidet man zur Behandlungsplanung physikalischer Art verschiedene Abschnitte. Zunächst ist bei intensiv-medizinischer Betreuung die absolute Ruhigstellung oberstes Gebot. Physikalisch-therapeutische Bemühungen sind hier streng kontraindiziert, sofern sie auch nur ein Mindestmaß an körperlicher Eigenleistung verlangen. Die internistische Behandlung wendet in diesen ersten Tagen den kardiogenen Schock ab, überwindet kritische Herzrhythmusstörungen und die mit der stark absinkenden Pumpleistung des Herzens aufkommende Herzinsuffizienz. Die kritische Phase der akuten Gefährdung besteht nur in den ersten Tagen nach dem Infarkt. Danach beginnt der Organismus den unmittelbaren Schaden selbstregulatorisch zu beheben; eine Vernarbung bahnt sich an. Dieses Stadium ist daran erkennbar, daß die Enzymaktivität, die BSG und das leichte Fieber zurückgehen. In dieser Phase sind bereits gewisse Hilfen angezeigt, die zunächst der präventiven Vorsorge dienen und für den Patienten noch passiv bleiben. Arzt und Krankengymnastin sorgen dafür, daß die Atmung — sie ist oft unter anginösen Beschwerden zu oberflächlich — alle Lungenabschnitte belüftet, daß in den unteren Extremitäten und dem Becken thrombo-embolische Gefahren abgewendet werden, daß die Muskeln und Gelenke funktionsfähig bleiben (S. 143 f.). Hier setzt die systematische Bewegungstherapie mit zunächst noch nicht mobilisierenden, aber präventiv wirkenden Frühbehandlungen an. Die Krankengymnastin lagert, zwei- bis dreimal täglich, den Kranken vorsichtig auf die Seite, gibt dabei Hilfen zur Flanken* und Rückenatmung, bewegt die Glieder passiv durch und streicht sie zum Herzen hin aus. Diese noch einem Schweregrad IV entsprechende Phase (S.186 u. S.708) geht nun bei jedem Kranken in die Phase der Frühmobilisation über, wobei der Zusatz „früh" bewegungstherapeutisch bedeutet, daß die ersten, die Mobilisierung anstrebenden Behandlungen noch unter streng eingehaltener Bettruhe erfolgen und möglichst auch überwacht werden (EKG-Oszilloskop), um die gefürchteten Rhythmusstörungen sofort zu erkennen. Die mobilisierenden Übungen leitet die Krankengymnastin aus den Spontanbewegungen ab, die jeder Kranke, auch wenn er sich an die Auflage der absoluten Bettruhe hält, nie ganz unterläßt. Sie bewegt passiv Arme und Beine durch, läßt die Fäuste kräftig schließen und wieder öffnen und die Füße gegen ein Kistchen am Fußende des Bettes stemmen. Dies regt bereits den Blutkreislauf etwas an. Wo Bewegungsbehandlungen noch nicht möglich sind, kommen auch isometrische Spannungsübungen in Frage. Sie erhalten die Kraft der Muskeln und regen deren Durchblutung, in den Beinen auch den venösen Rückstrom (Muskelpumpe) an. Bei den Spannungsübungen muß aber unbedingt beachtet werden, daß willkürliche isometrische Muskelanspannungen alle Grade der Anstrengung von leichtem Anspannen bis zu maximaler Kraft zulassen. Je mehr Muskeln beteiligt sind, deren isometrische Anspannung zum Teil eine starrre Haltung des Thorax erfordert, um den Muskeln einen Fixationspunkt zu geben, und je stärker die Anstren-

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gung ist, umso mehr hält auch der gesunde Mensch während der Muskelkontraktion den Atem an und preßt stark. Jede Preßphase drosselt aber mit dem intrathorakal ansteigenden Druck den Zustrom des Blutes zum Herzen, das Herzzeitvolumen sinkt erheblich, und die Koronardurchblutung verringert sich entsprechend. Für den Kranken ist dies ein gefährlicher Zustand [533]. Bei den isometrischen Spannungsübungen kommt es darauf an, diese Gefahren zu vermeiden. Bei allen Herzkranken sollten die Spannungsübungen unterbleiben, wenn nicht eine erfahrene Krankengymnastin zur Verfügung steht, die den Kranken anleitet und beaufsichtigt. Sie wählt solche Muskeln aus, die der Patient ohne Preßatmung anspannen kann. Sie achtet auch auf das Maß der Anspannung, denn schon die Hälfte der maximalen Kontraktionskraft genügt, um die genannten Wirkungen an und mit diesem Muskel zu erreichen. Sie vermeidet Gefährdungen, wenn sie mit den Anspannungsübungen an den Zehen beginnt und nachfolgend die Fuß- und Beinmuskeln hinzunimmt. So wird auch der venöse Rückfluß ergiebig angestoßen. Zwischengeschaltete Atemübungen unterstützen dies noch mit einer gewissen Sogwirkung und verhindern das gefährliche Pressen. Für die kardiopulmonale Ausdauer haben die isometrischen Spannungsübungen keinen Wert, sie trainieren sie nicht, steigern aber unverhältnismäßig die Frequenz und den Blutdruck. Sind die Kranken wieder etwas belastbar, dann geht die Krankengymnastin zu passiv-aktiven Bewegungen der Extremitäten in allen Gelenken über. Wenn größere Bewegungen und auch Drehungen in allen Bewegungsebenen gut vertragen werden und der Patient wieder frei beweglich ist, wird aufbauend mit den komplexen Bewegungen und mit Hockergymnastik (S. 777) begonnen. Die Dauer der einzelnen krankengymnastischen Behandlungen richtet sich nach dem Zustand des Kranken. In der Regel sollten sie anfangs wenige Minuten, später 10 bis längstens 15 Minuten dauern. Genaue Zeitangaben sind aber hier nicht möglich. Der zu Beginn der Frühmobilisation stets anwesende Arzt gibt die Dauer der Übungen von Fall zu Fall an. So geht die Aufbauphase langsam in die Rehabilitation über. Für die Bewegungstherapie gilt allgemein, daß sich morphologische und funktionelle Adapte nur ausbilden, wenn man die Systeme wiederholt kurzdauernd beansprucht bzw. wenn zwischen den Übungen längere Pausen liegen, in denen sich die Adapte an den Bewegungsanspruch (Reiz) erst entwickeln. (S. 69 f.). Physikalisch meßbare Leistungswerte können in der Schonphase nicht eindeutig festgelegt, sondern nur geschätzt werden. Am Ende einer dem Schweregrad IV zugeordneten Schonphase sind Belastungen bis zu 25 Watt für jeweils 3 - 6 Minuten zumutbar (nach [121]), sofern sich keine Abbruchkriterien einstellen. Dann geht die Belastbarkeit in der folgenden Aufbauphase über 50 Watt bei Schweregrad III (die klinischen Zeichen entsprechen der in der Tabelle 9 angegebenen Symptomatik) auf 100 Watt bei Schweregrad II (schon mit Rehabilitationsprogrammen) über und erlaubt schließlich 150 Watt bei Schweregrad I (bedingt

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gesund). In dieser Phase ist die medizinische Rehabilitation an ihrem Ziel angelangt. Die Frage, wann die Frühmobilisation beginnen darf, wird in der Literatur verschieden beurteilt. Früher galten 6 Wochen absoluter Ruhigstellung, in der nur die vorbeugenden, passiven Bewegungen erlaubt waren, als obligatorisch. Heute herrscht die Meinung vor, daß dies nicht nur unnötig ist, sondern den Patienten vermeidbare Nachteile und Risiken einbringt. Ob man schon mit der Mobilisation beginnen sollte, wenn die Symptome der beginnenden Vernarbung gegeben sind [699] (meist ist das nach etwa einer Woche der Fall) oder erst dann, wenn die EKG-Veränderungen stabil sind und die Laborwerte sich nicht mehr ändern [203] (meist nach 3-4 Wochen), ist nicht sicher zu entscheiden. Man wählt am besten einen dazwischen liegenden Termin [121], vorausgesetzt, daß Kontraindikationen, z. B. Angina pectoris in Ruhe, Arrhythmie, Herzinsuffizienz oder Zeichen einer noch nicht sicheren Vernarbung, nicht gegeben sind. Frühzeitig mobilisieren bedeutet nicht allein Thromboseprophylaxe, es werden auch die orthostatischen Dysregulationen vermieden, die selbst nach kürzerer strenger Bettruhe fast regelmäßig auftreten. Die Kranken verlieren auch ihre sonst aufkommende Angst vor körperlicher Aktivität, deren allzu zaghafte, unzulängliche Ausübung eher schadet als nützt. Jede Verordnung zur Bewegungs- und Belastungsbehandlung muß klar erkennen lassen, was sie bewirken soll, wie hoch sie — sofern in der Rehabilitationsphase ein Ergometertraining gewählt wird — in der Belastung des Kranken dosiert werden darf und welche Pausen zwischen den einzelnen Behandlungen liegen müssen. Wenn man beispielsweise der Krankengymnastin folgende Verordnung gibt: „Kreislaufanregung und Muskelkräftigung zur Vorbereitung des Aufstehens; Frequenzanstieg bis zu 10 Schlägen über Ruhepuls von 60/min; (Intervall) täglich zweimal", weiß sie, daß sie allgemeine Kreislaufübungen (S.196), Komplexbewegungen (S.152), unter Umständen auch isometrische Spannungs- und Widerstandsübungen und Atemübungen kombinieren darf. Für die Gestaltung und die Dosierung der krankengymnastischen Übungen ist es wichtig zu wissen, daß die Beta-Rezeptoren des Herzens und der Gefäßperipherie unterschiedlich empfindlich sind. Im Verlauf von Übungsbehandlungen, die wie das Intervalltraining gestaltet werden, besteht in der Ruhephase am Herzen ein erhöhter Sympathikustonus über eine längere Zeit fort, während dieser im peripheren Gefäßsystem schnell wieder auf ein niedrigeres Niveau absinkt. Der bei aktiven Übungen ansteigende periphere Gefäßwiderstand geht damit in den Übungspausen schnell wieder zurück, so daß er nicht nachteilig wirkt. Die positiv inotrope Wirkung des Sympathikus am Herzen, d. h. die durch Einfluß des Sympathikus erhöhte Kraftleistung des Herzens bzw. der bessere Tonus in Ruhe, bleiben aber länger erhalten [452]. Der Wechsel von Aktivität und Ruhepausen fördert daher die Koronardurchblutung besser als ein Ausdauertraining. Daß Bewegungsbehandlungen unter ärztlicher Führung und strenger Beachtung der Leistungskriterien fast risikolos sind, eine Gefährdung zumindest kaum

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zu befürchten ist, belegen seit mehr als zehn Jahren die in zahlreichen Studien erbrachten Nachweise [431]. Neuerdings gilt sogar bei Angina pectoris-Patienten ein Ergometertraining mit einer Dosierung als zumutbar, die bis zum Herzschmerz geht. Er wurde im Trainingsverlauf immer wieder gezielt hingenommen, weil in diesem Moment der Strömungsdruck im Koronarsystem am kräftigsten erhöht ist und der damit gegebene Hypoxiereiz dazu führt, daß sich sonst nicht durchströmte Kollateralen öffnen [336]. Nach sechs Monaten eines solchen Trainings lagen die Herzfrequenz, das Druck-Frequenz-Produkt (S. 689) und der diastolische Pulmonalisdruck niedriger; Komplikationen wurden nicht beobachtet [189]. Das Experiment weist darauf hin, daß die Koronarreserve trainierbar ist, zumindest soweit es sich um die volle Nutzung der vorhandenen, aber nicht restlos verwerteten Kollateralen handelt. In den Rehabilitationskliniken (Anschlußheilverfahren) finden die Kranken in Terrainkuren, Gruppengymnastik, Sport und Spiel die Motivation, sich wieder regelmäßig, oft mehr als vor dem Infarkt, körperlich zu betätigen. Neuerdings haben sich in größeren Städten sog. Infarktübungsgruppen [59, 60] zusammengefunden. Sie bieten Teilnehmern in der Phase III Gelegenheit, unter fachkundiger, krankengymnastischer Führung Sport zu treiben. Die Gruppeninitiative schützt den Einzelnen vor dem Erlahmen der Eigeninitiative, die notwendig ist, um über Jahre beizubehalten, was erst nach einer schweren Erkrankung in der Rehabilitationsbehandlung erworben und als Teil der Freizeitgestaltung in den Alltag aufgenommen wurde. Eine zunehmend häufiger genutzte Behandlung ist die operative Revaskularisation schlecht durchbluteter Herzabschnitte durch Implantation der Arteria mamraaria interna in die Muskulatur des linken Ventrikels oder durch Anastomosierung mit einer anderen Koronararterie, meist dem Ramus interventricularis anterior, oder auch durch einen aorto-koronaren Venenbypass (operativer Einbau einer Umgehungsstrecke). Nach derartigen operativen Eingriffen am Thorax mit relativ weiter Eröffnung findet die krankengymnastische Bewegungstherapie eine doppelte Indikation. Einmal ist es unerläßlich, die Beweglichkeit des knöchernen Thorax zu erhalten bzw. wiederherzustellen und der Narbenschrumpfung entgegenzuwirken. Zum anderen bleibt es das Ziel jeder Langzeitbehandlung der koronaren Herzkrankheiten, der Neigung zur Progredienz des Leidens durch Bewegungsanforderungen entgegenzuarbeiten, weil sonst auch nach der operativen Korrektur der Myokarddurchblutung, die in der Regel gute Erfolge bringt, die vorhandenen Gefäßobstruktionen weiter fortschreiten. Hydrotherapie: Die Verbesserung der Koronarduchblutung mit hydrotherapeutischen Anwendungen gelingt auf mildeste Art mit den temperaturansteigenden Armbädern nach Hauffe. Sie belasten das Herz nicht, wenn Bademeister und Patient die Dosierungsvorschriften, langsamer Temperaturanstieg bei entsprechend langer Badedauer, beachten (S. 280). Unter ihrer hämodynamischen Wirkung, absinkender peripherer Gefäßwiderstand, niedriger arterieller Druck, geringe Fre-

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quenz, sinkt trotz leichter Zunahme des Herzzeitvolumens der koronare Sauerstoffbedarf. Im leichten Angina pectoris-Anfall bewähren sich diese Armbäder mit ihrem schmerzlindernden und die Beklemmung lösenden Effekt. Es genügt sogar, wenn man nur einen Arm badet [278]. Über die konsensuellen Reaktionen (S.259) wirken auch Fußbäder gleicher Art in diesem Sinne. Bei mehr funktionell geprägten Beschwerden (S.716) wurden schon vor mehr als 100 Jahren kalte Hand- und Armbäder empfohlen [693]. Da bei diesen Bädern gegenüber dem Vollbad der das Herz belastende hydrostatische Druck auf den ganzen Körper fehlt, eignen sie sich auch dazu, mehr belastende Bewegungsübungen oder Halb- und Vollbäder einzuleiten [412], Allgemein-unspezifische Behandlungen (C) Balneotherapeutisch haben sich die Kohlensäurebäder bei den ischämischen Herzkrankheiten, besonders wenn ein Hochdruck besteht, recht gut bewährt, wenn man sie vorsichtig dosiert. Schon vor 50 Jahren galt als Regel für eine Badekur mit C0 2 -Bädern [192], eine langsame Aufeinanderfolge der einzelnen Bäder, individuell abgestimmte, kurze Badezeit, indifferente Badetemperatur, niedriger Wasserstand, d.h. die Größe der gebadeten Körperoberfläche (bei Voll-, Haibund Teilbad) bestimmt weit mehr die Wirkung als der C0 2 -Gehalt des Badewassers (S. 485). Auch im Anschlußheilverfahren nach einem Herzinfarkt ist eine Badekur indiziert. Für ihre Gestaltung werden zunächst Halbbäder mit einer Temperatur von 34 °C (Dauer 5 Minuten, nach jedem zweiten Bad eine Minute länger) empfohlen. Nach dem vierten Bad senkt der Bademeister die Wassertemperatur um ein Grad, den Wasserstand erhöht er ab dem sechsten Bad jedesmal ein wenig, geht aber nicht über ein Dreiviertel-Bad hinaus. Der Kurpatient erhält das erste Bad nicht vor dem dritten Kurtag, das letzte spätestens drei Tage vor Kurende. Insgesamt bringen mehr als zehn Kohlensäurebäder keinen weiteren Gewinn, offenbar erschöpft sich adaptierend die Reizwirkung. An den Badetagen verabfolgt man besser keine anderen physikalischen Reize, vielmehr reichlich Ruhe, damit sich das belebende Bad voll auswirken kann. Für die Kranken mit ischämischen Herzkrankheiten gilt all das, was im Teil II zu den Wirkungen des Klimas auf Herz und Kreislauf gesagt wurde (S. 584). Vor allem die Schonfaktoren der Mittelgebirge sind den Angina pectoris-Kranken eine wohltuende Entlastung. Dazu regen die milden Reize solcher Klimate den Organismus allgemein unspezifisch an. Auch die in den Kurorten ausgewählten Wege mit leichten Steigerungen im Wechsel mit ebenen Strecken sollten alle Abstufungen für die altbewährten Terrainkuren bieten, die der Arzt gegebenenfalls telemetrisch überwacht, steuert und so ausgewogen dosiert wie vergleichsweise die Pharmaka in einer Langzeittherapie [466]. Vorbeugende Maßnahmen (D) Vorbeugend wirken all diese Verordnungen bzw. eine Lebensführung, die Risikofaktoren der ischämischen Herzkrankheiten bereits in der Jugend (S.697) vermei-

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det und sie, sobald sie sich anbahnen, beseitigt oder soweit in Schach hält, daß sie keine Gefahr mehr darstellen. Dazu gehört eine geregelte, der körperlichen und psychischen Belastbarkeit angemessene Gestaltung des Tagesverlaufs. Dem Arzt obliegt es, die in Krankheiten gelegenen Risiken zu mindern, beispielsweise die Blutfette mehr durch diätetische als durch medikamentöse Verordnungen zu steuern, einen Diabetes sorgfältig einzustellen und zu überwachen oder einen Hypertonus nachhaltig zu senken. Arzt und Patient bemühen sich gemeinsam, auch das Körpergewicht zu regeln, indem sie eine zumutbare und zufriedenstellende Ernährung vereinbaren. Nur dies allein nützt, während extremes Fasten eher schadet. Der Patient, der zu Übergewicht neigt oder andere, zu degenerativem Gefäßverschluß führende Veranlagungen hat, wendet ischämische Erkrankungen nur ab, wenn er einsichtsvoll den Ratschlägen des Arztes folgt, nicht raucht, sich reichlich Bewegung verschafft und auf seine körperliche Gesundheit und sein psychisches Wohlbefinden achtet.

3.2.3 Herzklappenfehler Bei Erkrankungen bzw. funktionellen Störungen der Ventile des Herzens wird der Arzt, ob Beschwerden bestehen oder nicht, stets prüfen, ob und wann eine operative, eine medikamentöse und (nicht oder) eine physikalische Behandlung möglich und indiziert ist. Die physikalische Behandlung eines durch einen Klappenfehler in der Hämodynamik gestörten Herz-Kreislaufsystems setzt eine Leistungsanalyse voraus. Sie muß nicht ergometrischer Natur sein, die unmittelbare ärztliche Untersuchung ergibt bei den Klappenfehlern oft schon ein klares Bild für das Behandlungskonzept. Ganz besonders ist auch auf die vorhandene Koronarreserve (S. 698) zu achten, weil manche Klappenfehler, insbesondere die Mitralstenose, diese einschränken. Die Funktionsdiagnose gibt schon eine gewisse Antwort auf die Überlegung, ob und wieweit es bei einem Kranken mit einem Herzklappenfehler - insbesondere einem frisch erworbenen - möglich ist, mit physikalischen Methoden das Herz zu schonen, seine Kraft zu erhalten oder gar seine Leistungsfähigkeit nach den an gesunden Herzen erforschten Ergebnissen der Übungsbehandlungen zu verbessern. In der Belastbarkeit durch körperliche Anforderungen sind die Klappenfehler sehr verschieden zu beurteilen, weil der jeweilige Zuschnitt des Ventildefektes die Art und Weise der hämodynamischen Umstellungen bestimmt. Die einzelnen Klappenfehler sollen daher auch einzeln behandelt werden. Zur Bewertung physikalisch-therapeutischer Möglichkeiten ist auch hier, wie bei den ischämischen Herzkrankheiten, eine für alle Herzklappenfehler gültige Einteilung in vier Schweregrade zweckmäßig (S. 186):

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- Schweregrad I: keine Leistungsbeschränkung im normalen Alltag; - Schweregrad II: bei stärkerer Belastung, schon beim Treppensteigen, treten Beschwerden auf (Atemnot, Frequenzanstieg mit Herzklopfen, Synkopen, d.h. orthostatischer Kollaps); - Schweregrad III: geringe Belastbarkeit; Gehen auf ebener Strecke und dergleichen macht schon Beschwerden; - Schwerdegrad IV: die Kranken sind absolut unbelastbar; schon in Ruhe, etwa in flacher Körperlage, haben sie Beschwerden. In der umfassenden Behandlung der Klappenfehler bleiben auf physikalischtherapeutischem Gebiet ausschließlich gewisse Hilfen für die Hämodynamik. Eine Aufteilung in ursächlich-spezifische (A), symptomatisch-gezielte (B), allgemein-unspezifische (C) und vorbeugende bzw. rehabilitierende (D) Bemühungen ist deshalb hier nicht sinnvoll. 3.2.3.1 Mitralstenose Die Mitralstenose (gr.: stenos=eng) hat zur Folge, daß der linke Vorhof sein Blutvolumen nur schwer und nicht restlos durch die verengte Mitralklappe in die linke Kammer entleert. Das Herz versucht selbstregulatorisch zu kompensieren, es erhöht (vgl. Hagen-Poiseuille-Gesetz, S.721) den diastolischen Füllungsdruck und baut damit einen diastolischen Druckgradienten (Druckgefälle) auf zwischen linkem Vorhof und linker Kammer, der mit dem Schweregrad und dem Herzminutenvolumen, z. B. unter körperlicher Belastung, ansteigt. Er reicht allerdings nicht aus, die Folgeschäden abzuwenden oder größere körperliche Leistungen zu sichern. Der Vorhof hypertrophiert und kontrahiert sich kräftig, anfangs kompensierend mit verlängertem, diastolischem Bluteinstrom in den linken Ventrikel. Höhere Schlagfrequenzen durch Belastungen stören diesen Kompensationsmechanismus. Durch die große Blutmenge, die dem Vorhof zufließt, insbesondere mit dem verbleibenden Restblut, das durch das verengte Mitralostium nicht in die Systole abfließen konnte, wird der Vorhof bei seiner an sich geringen Muskelmasse überdehnt. Das Blut staut sich bei dem Mißverhältnis zwischen Zu- und Abstrom vor dem linken Herzen, also in der Lunge mit passivem Rückstau in die Lungenvenen, auf. Kompensierend steigt der Druck in der Arteria pulmonalis an, schließlich entsteht fortschreitend daraus eine Stauungslunge und am Ende ein Lungenödem. Die rechte Herzkammer muß gegen diesen erhöhten Druck (Widerstand) ankämpfen, sie hypertrophiert und dilatiert ebenfalls, aber mit der größeren Muskelmasse zunächst mehr als tonogene Dilatation. Rückflußfördernde und -erleichternde Maßnahmen, die dem überfüllten, überlasteten rechten Herzen das Blut leichter und vermehrt zuführen, sind nicht nur nicht sinnvoll, sondern eher kontraindiziert. Der linke Ventrikel wird bei der zu engen Mitralklappe nur mäßig gefüllt; er entleert sein kleines und auch unter Anforderungen klein bleibendes oder sogar

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abnehmendes Schlagvolumen mit abnorm schnellen Kontraktionen. Die periphere Durchblutung bleibt dabei unzureichend. Die Patienten sehen blaß und zyanotisch aus, weil das sauerstoffhungrige Gewebe mehr Sauerstoff aus dem Kapillarblut ausschöpft. Die Kreislaufperipherie wird einem erhöhten Blutbedarf in den Muskeln nicht mehr gerecht. Bewegungsanforderungen sind demgemäß ebenfalls nicht angezeigt. Wie schon erwähnt, ist bei der Mitralstenose die Koronarreserve recht dürftig, die Kranken leiden viel unter stenokardischen Beschwerden, eben weil die Durchblutung der Kranzgefäße mit niedrigem Perfusionsdruck bei dem kleinen Herzzeitvolumen gering ist. Unter Belastungen wird die Sauerstoffversorgung des Herzens nur mit höheren Frequenzen aufrecht erhalten; sie kann aber bei der geringen Leistung des linken Ventrikels kaum ansteigen. Bei höheren Schlagfrequenzen nimmt sie mit der kürzeren Diastoldauer sogar eher ab als zu. Die Mitralstenose ist — zumal auch eine große Neigung zu Rhythmusstörungen und Embolien besteht — denkbar ungeeignet für physikalische Behandlungen bewegungstherapeutischer und auch hydrotherapeutischer Art, die den Blutumlauf in Anspruch nehmen. Auch Bäderbehandlungen, die allein schon mit dem Eintauchen ins Wasser den Venendruck und damit den Zustrom zum ohnehin überlasteten rechten Herzen erhöhen [304], sind kontraindiziert. Dennoch bieten auch physikalische Behandlungen noch Gelegenheit, den Kranken ihr schweres Schicksal etwas zu erleichtern. An erster Stelle steht die Klimatherapie, wobei insbesondere der Schonfaktor (S. 539) selbst in Schweregrad IV das System noch entlastet und somit wohltuend für den Kranken ist. Die waldreichen Mittelgebirge, in denen der Höhenfaktor, sofern die individuelle relative Höhentoleranz (S. 558) beachtet wird, keine Bedeutung hat und in denen selten die so belastende Schwüle vorkommt, finden die Kranken vor allem im heißen Sommer wohltuende Entlastung. Eine Kurorttherapie mit medikamentösen und physikalischen Hilfen hat das Ziel, die Kranken über das vegetative System in eine etwas mehr trophotrop-cholinergische Lage (S.73f.) umzustimmen. Dabei ist die Behandlung in einem Schonklima auch für die Patienten mit einer nichtoperablen Mitralstenose eine wohltuende Hilfe [412]. Die Hydrotherapie empfiehlt ein altes bewährtes Mittel, mit dem das notleidende Herz durch reflektorische Erweiterung der Koronararterien mehr sauerstoffreiches Blut erhält, die ansteigenden Teilbäder. Nur einseitig an einem Arm gegeben, belasten sie den Patienten praktisch nicht [229]. Alle anderen gefäßwirksamen Maßnahmen haben keinen Wert, weil die Peripherie zu wenig und kaum steigerungsfähig durchblutet ist. Gelegentlich ist in schweren Fällen eine vorsichtige Atembehandlung angezeigt, die dafür sorgt, daß die Lunge gleichmäßig belüftet und damit auch in allen Teilen durchströmt wird. Daß Anstrengungen, vor allem jegliche Preßatmung dabei unbedingt vermieden werden müssen, sollte selbstverständlich sein (S. 702). Die moderne Chirurgie hat die betrübliche hämodynamische Situation für die Kranken mit Stenosen der Mitralklappe völlig verändert. Mit der operativen Er-

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Weiterung der zu engen Mitralklappe am schlagenden Herzen (Valvulotomie, Kommissurotomie) wird das beengende Hindernis beseitigt und das rechte Herz plötzlich, mit einem Schlag, entlastet. Das rückgestaute Blut kann nun aus dem Venensystem, dem „Lungensee" und dem überfüllten Vorhof in breiterem Strom in die Kammer abfließen; ihre diastolische Füllung steigt sogleich erheblich an. Aus der veränderten Lage ergeben sich zwei Konsequenzen, die sowohl nach medikamentöser Hilfe verlangen, wie sie auch Anlaß zu umfangreichen und langwierigen physikalisch-therapeutischen Bemühungen geben. Vordringliche Aufgabe ist es [412], den schwachen, fast atrophischen, leistungsentwöhnten, auf höhere Ansprüche nicht vorbereiteten linken Ventrikel mit Glykosiden zu unterstützen, ohne ihn schon jetzt mit weiteren körperlichen Anforderungen zu belasten. Der ungewohnte, höhere enddiastolische Füllungsdruck bedeutet in der ersten Zeit nach der Operation allein schon einen permanenten Trainingsreiz, der keine weiteren Belastungen erlaubt. Liegen Rhythmusstörungen (Vorhofflimmern) vor, dann führt in der Regel eine entsprechende medikamentöse Behandlung erst einige Wochen nach der Operation, wenn der Vorhof sich von der chronischen Überdehnung erholt hat, zum Erfolg. Umlageningen sind schon vom ersten Tage nach der Operation an notwendig, nicht nur der selbstverständlichen Thromboseprophylaxe wegen, sondern auch, weil ohne sie bald Schultersteifen aufkommen würden und narbige Verziehungen des knöchernen Thorax sich anbahnen würden. Später sind aktive Bewegungsübungen als Brustkorbgymnastik unentbehrlich. Sie bewahren dem Thorax seine vollen Atembewegungen, indem sie schrumpfende Narben geschmeidig halten. Nach abgeschlossener Wundheilung und Rhythmisierung des Herzens beginnt die aktive Bewegungstherapie. Ihr Hauptziel ist die Anpassung des linken Ventrikels an die für ihn neue Druck-Volumenbelastung. Dies geschieht zwar auch selbstregulatorisch unter den Anforderungen der Hämodynamik und der Mobilität. Die eigengesetzlichen Umstellungen werden aber meistens zu wenig oder zu viel beansprucht, so daß es zweifelhaft erscheint, ob sie sich optimal nach den Regeln der physiologischen Adaptation ausbilden. Deshalb sind über Monate aufbauende Übungsbehandlungen angezeigt, die mit der dosierten Bewegung der Extremitäten den Gesamtkreislauf aktivieren. Das Ziel besteht darin, das Herz — den linken Ventrikel — nicht überstürzt, sondern vorsichtig mit seinen selbstregulatorischen Fähigkeiten an die Bewältigung seiner Aufgaben heranzuführen. Es entwickelt erst im Lauf der Zeit die konstitutionelle Kraft, mit der es am Ende seinen Anteil im motorischen Antrieb des Kreislaufes voll erfüllt. Ein Richtwert für die Übungsanforderungen ist wiederum die Herzfrequenz, deren Grenzwert der Arzt angibt. In Abständen sind Kontrolluntersuchungen zu empfehlen. Die nicht ganz seltene Rückkehr einer Stenosierung durch Vernarbung oder auch eine Überforderung des Herzens werden so rechtzeitig erkannt. Unter den dosierten, vor allem zeitlich geordneten Bewegungsanforderungen entwickelt der linke Ventrikel allmählich die Fähigkeit, sein jetzt ausreichendes

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diastolisches Füllungsvolumen als normales Schlagvolumen auszuwerfen, wie es für die ökonomische Herzarbeit in Ruhe und bei allen Belastungen benötigt wird. Unter der Voraussetzung, daß sich die mitrale Regurgitation (S. 185) bei jetzt nicht mehr ganz schließender, weil operativ verletzter Klappe in Grenzen hält — mit weniger als 10 ml pro Systole bleibt sie hämodynamisch unbedeutend, wird sie größer, haben wir eine Mitralinsuffizienz vor uns — ist der Patient bald leichteren Anforderungen gewachsen. Die volle Rehabilitation des linken Herzens zu muskelkräftigen Aktionen dauert aber gut ein halbes Jahr [329]. Dies ist eine Frist, die dem Behandler Zeit läßt, ein abgestuftes Konzept der Bewegungsbehandlung zur Erstarkung des linken Ventrikels ohne Überforderungen durchzuführen. Bewegungstherapeutische Aufgaben stellen sich, wie bei allen großen Eingriffen am Thorax (S. 667), schon vor der Operation. So ist es nützlich, mit den Patienten für die schon gleich nach der Operation notwendigen Atemhilfen eine gute, nicht belastende Atemtechnik einzuüben, mit der sie z. B. Verständnis und Gefühl für die Flankenatmung und andere, vorgeschriebene Atembewegungen entwikkeln. Unmittelbar nach der Operation haben die Kranken noch Schmerzen oder Mißempfindungen bei den Atembewegungen; sie atmen oberflächlich und beatmen nicht alle Lungenabschnitte. Jetzt bewährt sich die eingeübte Technik. Von den Krankengymnastinnen angeleitet und beaufsichtigt, finden die Patienten nach der Operation aufgrund der Vorbehandlung sogleich den Weg in eine ausreichende, Lunge und Thorax gut bewegende, vor Hypostasen schützende Atmung. Schon bald nach der operativen Korrektur tragen Badekuren zur weiteren Rehabilitation bei. Die C0 2 -Bäder werden hier bevorzugt, da sie die Leistungsfähigkeit des Herzens fördern, den Herzmuskel aber nicht nennenswert anstrengen, zumal auch bei der indifferenten Temperatur solcher Bäder thermisch belastende Begleiterscheinungen fehlen. Auch hydrotherapeutische Anwendungen, z. B. Teilbäder, die den Koronarkreislauf anregen (S.280) und Gußbehandlungen, die den Abstrom des Blutes in die Peripherie erleichtern, sind bewährte Kurmittel. Die Klimatherapie nach den im Teil II dargestellten Richtlinien für Herzkranke ist für die von schwerer kardialer Not befreiten Patienten in den Monaten nach der Operation eine wertvolle Hilfe, um unter ärztlicher Führung die Anpassung an alltägliche atmosphärische Umweltbedingungen, denen sie wieder ausgesetzt sind, zu erleichtern. Besonders in Kombination mit der unerläßlichen Bewegungstherapie wird die Behandlung in einem reizmilden Heilklima zu einem für den Patienten erfolgversprechenden Vorhaben. 3.2.3.2 Mitralinsuffizienz Die Insuffizienz der Mitralklappe belastet, ganz anders als die Stenose, von vornherein die linke Kammer. Hier kommt es mit dem während der Ventrikelsystole durch die schlußunfähige Mitralklappe zurückfließenden Blut zu einer Überdehnung des linken Vorhofes, weil dieser sowohl aus den Lungenvenen als auch aus der rückläufig nicht verschlossenen Kammer während deren Systole Blut auf-

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nimmt. Er diktiert und hypertrophiert, was eine passive Lungenstauung zur Folge hat. Die linke Kammer erhält während jeder Diastole aus dem zu großen, überfüllten Vorhof ebenfalls mehr Blut, als sie ohne seine Überfülle aufnehmen müßte. Sie dilatiert also zwangsläufig und entwickelt damit wiederum selbstregulatorisch eine Volumenhypertrophie (tonogene Dilatation), mit der sie einen möglichst großen Anteil der um das Reguritationsvolumen erhöhten Blutmenge (Lungenblut plus Pendelblut) systolisch mit Kraft in die Aorta auswirft. Der Ventrikel bringt damit ein großes, vermehrtes Schlagvolumen auf (vgl. klassische Herzgesetze, S.684). Erst wenn er dies nicht mehr voll zu leisten vermag (vgl. plastische Gefügedilatation, S. 686), beginnt er insuffizient zu werden. Es bleibt nun eine zu große, hinund herströmende Restblutmenge im Herzen zurück. Dieses Pendelblut nimmt überreichlich zu, der Druckanstieg im linken Ventrikel setzt sich rückläufig in den überdehnten linken Vorhof und in die schon gestauten Lungenarterien fort. Ausgeprägte Symptome der Linksinsuffizienz sind Dyspnoe, Stauungsbronchitis, Lungenödeme. Aufgrund dieser Mechanismen steigen mit der Zeit auch die Anforderungen an den rechten Ventrikel, der gegen die Stauung im kleinen Kreislauf anarbeiten muß; auch er hypertrophiert. Solange er damit die hämodynamische Betriebsstörung zu kompensieren vermag, endet hier die Verwicklung. Auf die Dauer erlahmen aber seine Kräfte und er wird seinerseits insuffizient. Ausgeprägte Symptome sind Halsvenenfüllung, Stauungsleber (leichter Ikterus, Aszites), Stauungsnieren (Albuminurie), Nykturie, Beinödeme. Physikalisch-therapeutische Hilfen können diesem Verfall entgegenwirken. Die zur Kompensation nötige Hypertrophie entwickelt früh und kräftig der linke Ventrikel selbstregulierend, zumal die erworbenen Herzfehler meist in jugendlichem Alter entstehen, in dem noch ein natürlicher Bewegungsdrang eher zu viel als zu wenig an körperlicher Aktivität entwickelt; Trainingshilfen sind also nicht erforderlich. Der linke Ventrikel bildet eine relativ große Leistungsreserve; sie reicht in der Regel viele Jahre zur Kompensation aus. Die physikalisch-therapeutischen Maßnahmen streben an, diese Leistungsreserve durch entlastende Hilfen zu erhalten und organisch zu entfalten, falls der spontane Bewegungsdrang zu groß oder zu gering sein sollte. Der Arzt muß also jeweils abwägen, wie sehr oder wie wenig einem Patienten mit einer Mitralinsuffizienz körperliche Aktivitäten nützen können. Erscheinen krankengymnastische Hilfen angebracht, die den Abstrom des Blutes in die Peripherie erleichtern, empfinden die Kranken dies im Rahmen der Belastbarkeit als wohltuend. Auch balneotherapeutische Verordnungen, z. B. Kohlensäurebäder, bringen gute Ergebnisse allgemein erholsamer, kreislaufstimulierender Art, wenn sie streng nach den Regeln für Herzkranke (vgl. hydrostatischer Druck und C0 2 -Wirkung, S. 485 f.) verabfolgt werden. Vor allem der im Bad nachlassende periphere Gefäßwiderstand mit seinem blutdrucksenkenden Effekt tut den Kranken gut.

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Klimatherapeutisch bieten wiederum schonende Faktoren, wie das Fehlen von Schwüle oder Nebel und frische, reine Luft nicht nur entlastende Momente, sondern auch Gelegenheit, die voll kompensierten Kranken bewegungstherapeutisch leichter als am Heimatort gezielt zu behandeln. 3.2.3.3 Aortenfehler Vergleichbar mit den Mitralfehlern sind die Durchflußstörungen durch die Aortenklappe. Die Aortenstenose bietet dem linken Ventrikel schon einen größeren Austreibungswiderstand, wenn der Durchmesser der Öffnung um mehr als ein Viertel bis ein Drittel eingeengt ist. Der Ventrikel kompensiert das Hindernis, indem er mit Kraftanspannung (isometrisch) den Druck erhöht und die Austreibungszeit verlängert. Der Druckgradient vom Ventrikel zur Aorta steigt mit dem Grad der Stenose und dem Minutenvolumen an. Es kommen Differenzen bis zu 30 mmHg vor. Die Folge ist eine konzentrische Hypertrophie des linken Ventrikels, mit der er bei leichten Stenosen ein normales, bei engeren Stenosen aber nur ein verkleinertes Schlagvolumen bei gleichfalls geringem enddiastolischen und endsystolischen Kammervolumen aufbringt. Das Minutenvolumen kann mit höherer Frequenz kaum oder nicht ansteigen, weil mit der Frequenz die Zeit, in der die Herzhöhlen sich diastolisch füllen und systolisch entleeren (Füllungs- und Austreibungszeit) und auch das Schlagvolumen entsprechend abnehmen. Nur mit dem erwähnten höheren Druckgradienten wird mehr Blut durch die enge Öffnung gepreßt und weiter befördert. Daraus ergibt sich, daß man mit körperlichen Anforderungen sehr zurückhaltend sein soll, da sie die Kompensation gefährden könnten. Die Herzdynamik bleibt bei guter Kompensation sehr lange Zeit erhalten, wenn der Herzmuskel suffizient ist und die linke Kammer sich ausreichend, also kraftvoll, entleert. Beginnt er zu erlahmen, kommt es zu einer Dekompensation mit Rückstauung in den Lungenkreislauf und schließlich zu einer Rechtsinsuffizienz, dann verschlechtert sich die Situation des Kranken entscheidend. Oberstes Gebot für den Kranken ist es deshalb, neben medikamentösen Hilfen digitalisierender Art, Maßnahmen zur Entlastung und Schonung ein Leben lang in den Vordergrund zu stellen. Es kommt hinzu, daß die Koronardurchblutung bei der Aortenstenose unzureichend ist, weil der vergrößerte, hypertrophierte Muskel mehr Sauerstoff braucht, bei dem hohen Druck im Ventrikel die Koronargefäße sich aber nicht genügend erweitern, zumal die lange systolische Austreibungszeit eine verkürzte diastolische Durchblutungszeit (S.189) bedingt. Bei körperlicher Belastung kommt es deshalb im Myokard zu einem Mißverhältnis zwischen Sauerstoffbedarf und -angebot. Bei der Aorteninsuffizienz fließt das Blut aus der Aorta während der Diastole des linken Ventrikels aus zwei Richtungen, nämlich regelrecht aus dem Vorhof und fehlerhaft aus der Aorta, in die Kammer ein. Sie muß, um ein ausreichendes

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Minutenvolumen zu erbringen, ihre Auswurfleistung mit dieser sehr viel größeren Blutmenge bewältigen, von der ein großer Teil des Volumens als Pendelblut in der folgenden Diastole wieder zurückfließt. Dies führt zur myogenen Dilatation (S. 686) und einer Volumenhypertrophie. Das große Schlagvolumen, das für die Peripherie wegen des Rückflusses nur eben ausreicht sowie dieser Rückfluß bewirken die typische Pulsqualität (schnelle und hohe Amplitude, beispielsweise ein Blutdruck von 170/30). Der Druckabfall (die Wirksamkeit der Windkesselfunktion der Aorta läßt nach) vermindert die koronare Blutversorgung, die Patienten leiden oft an pektanginösen Beschwerden. Die Ruhefrequenz ist verhältnismäßig schnell, um auf diese Weise kompensierend den Blutbedarf in der Peripherie zu decken. Die Hämodynamik bestimmt die Therapie. Herzglykoside müssen vorsichtig dosiert werden, damit deren negativ-chronotrope Wirkung nicht eine hämodynamisch ungünstige Bradykardie auslöst, da bei entsprechend längerer Diastolendauer mehr Blut zurückfließt. An physikalisch-therapeutischen Verordnungen kommen lediglich erholsame Kurmaßnahmen in Frage, wobei aber jede Reizwirkung vermieden werden sollte. Sinnvoll sind Anwendungen, die den peripheren Gefäßwiderstand und damit den arteriellen Druck senken (die Menge des in der Ventrikeldiastole zurückpendelnden Blutes nimmt damit ab). Wählt man C0 2 -Bäder, dann sollten es nur Halbbäder sein, um den hydrostatischen Druck zu vermeiden. Noch besser geeignet sind die CCVGasbäder [412]. Bei den Aortenfehlern stellt sich stets die Frage nach der Indikation einer kausalen Therapie : der Operation. Ist eine Stenose gesprengt oder die Klappe gegen ein künstliches Ventil ausgetauscht, dann sind alle Indikationen der krankengymnastischen Vor- und Nachbehandlung gegeben wie nach jeder Operation am offenen Thorax.

3.2.4 Pulmonale Herzkrankheiten (Cor pulmonale) Pulmonale Herzkrankheiten treten gelegentlich akut als Folge einer Lungenembolie auf. Sie sind dann lebensgefährlich, weil selbst das gesunde Herz mit einem solchen Ereignis unvorbereitet vor eine fast unlösbare Kraftprobe gestellt wird. In solchen Fällen sind alle Bemühungen der Intensivtherapie notwendig. Als chronisches Herzleiden entwickelt sich ein Cor pulmonale langsam und progredient, wenn anhaltend der Druck im arteriellen Schenkel des kleinen Kreislaufes erhöht ist. Die bedingenden Ursachen einer so verhängnisvollen Schädigung des Herzens sind chronisch obstruktive und restriktive Lungenerkrankungen, z.B. das Lungenemphysem, die chronisch-bronchitischen Syndrome mit exspiratorisch-obstruktiven Ventilationsstörungen (S.621), das Asthma bronchiale, Erkrankungen des Lungenparenchyms mit Verkleinerung der alveolaren Oberfläche (schrumpfende tuberkulöse oder silikotische Prozesse) oder gemischt obstruktiv-restriktive Ventilationsstörungen, z. B. eine schwere Kyphoskoliose (S. 674).

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Dem Cor pulmonale liegt also eine chronische Erkrankung der Lunge bzw. der Bronchien zugrunde, die nicht nur eine Mangelbelüftung mit sich bringt, sondern auch eine einengende Behinderung der ganzen arteriellen Strombahn in der Lunge. Seltener führt eine beengende Erkrankung der Lungengefäße selbst (Perfusionsstörung) zu der Druckerhöhung in der Arteria pulmonalis, die das rechte Herz zunehmend überlastet. Das chronische Cor pulmonale hat eine schlechte Prognose. Ist die Rechtsinsuffizienz des Herzens erst ausgeprägt, gibt es kaum noch Hilfe, da die Herzmittel das Herz zwar kräftigen, an der Ursache und damit an der bedingenden Symptomatik der respiratorischen und vaskulären Obstruktion aber nichts ausrichten. Alle physikalischen Maßnahmen sind dann bereits kontraindiziert. Umso wichtiger und auch erfolgversprechend sind die Frühbehandlungen der Atmung, die noch präventiven Charakter haben. Bei Erkrankungen, die ein Cor pulmonale erwarten lassen, ist ein Verdacht auf eine derartige Entwicklung gegeben, wenn sich die Pulsfrequenz während und nach einer Belastung abnorm verhält, z. B. bei der Atem-Brustkorbgymnastik, die bei pulmonaler Präformation stets indiziert ist. Die Pulsfrequenz steigt unverhältnismäßig hoch an und geht lange nicht zurück; der graphisch registrierte Venenpuls zeigt unmittelbar nach der Belastung die pulmonale Hypertension schon an. Dennoch ist die Diagnose nicht immer leicht zu stellen. Die Vergrößerung des rechten Ventrikels bei meistens gleichzeitig kleinem Herzen als Ausdruck eines gering entwickelten, nicht hypertrophierten linken Ventrikels, läßt sich röntgenologisch als Cor pulmonale deuten, wenn auch die Hauptäste der Arteria pulmonalis deutlich erweitert sind [514]. Das EKG gibt mit dem Bild der Rechtsüberlastung und dem P-pulmonale gegebenenfalls charakteristische Befunde. Alle Kranken mit Atemstörungen, bei denen Verdacht einer Entwicklung zum Cor pulmonale besteht, bedürfen der rechtzeitigen, auf Entlastung des rechten Herzens ausgerichteten physikalischen Atemtherapie, die ein Cor pulmonale in manchen Fällen verhindern, manchmal verzögern kann [575]. An erster Stelle steht, ob ein Cor pulmonale sich schon abzeichnet oder nicht, bei allen bedingenden Atemstörungen die Atem-Brustkorbgymnastik, die mit einer guten Belüftung aller Lungenanteile der alveolären Hypoventilation entgegenwirkt, deren Folge eine respiratorische Globalinsuffizienz (S. 205) ist, die wiederum reflektorisch die Widerstände im kleinen Kreislauf und den Druck im Stromgebiet der Arteria pulmonalis erhöht. Deutet sich dies schon an, dann entlastet eine verbesserte Atemtechnik und eine ausgiebigere Ventilation den Lungenkreislauf nachhaltig. In der Praxis der Atemtherapie ist es oberstes Gebot, daß die Atmung leicht und ohne Anstrengung vor sich geht. Erleichternde Atemhilfen passiv-aktiver Art zur Exspiration, gegebenenfalls passive Hilfen zum Abhusten, kein „Abblasen" des Empyhsems, Hilfen zur Belüftung gering ventilierter Lungenanteile durch ein gut bewegliches Zwerchfell und die einträgliche untere Flankenatmung (S.213) bestimmen das Behandlungskonzept. Der Erfolg einer solchen Behandlung wird

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meßbar an der Verminderung der Residualluft, die erkennen läßt, daß wieder mehr Alveolarbereiche an der Atmung teilnehmen. Selbstverständlich ist, daß jegliche Preßatmung vermieden werden muß; sie behindert den Rückstrom des Blutes zum rechten Herzen. In schweren Fällen ist auch eine Sauerstoffbeatmung mit leichtem Überdruck angezeigt. Weitere physikalisch-therapeutische Verordnungen hydro-, balneo- oder klimatherapeutischer Art entsprechen den Maßnahmen bei Herzklappenfehlern (S. 707 f.).

3.3 Funktionelle Herzstörungen Übersicht über die Behandlungsvorschläge Kausale Therapie (A) Die bedingenden Ursachen der nicht entwickelten Leistungsreserven des Herzens schwinden unter den nachstehend empfohlenen Behandlungen Symptomatisch-gezielte (B) und allgemein-unspezifische (C) Behandlungen Medikamentös: Gegebenenfalls Sedativa, Tranquilizer, Beta-Rezeptorenblocker Physikalisch-therapeutisch: Hydrotherapie: Alle Methoden der Hydrotherapie, Kneippkuren, reizkräftige medizinische Bäder Krankengymnastik: Alle Bewegungsarten von der sogenannten Stoffwechselgymnastik bis zu Spiel und Sport im Freien Vorbeugende Maßnahmen (D) Im Rahmen der zu A/B empfohlenen Verordnungen Klimakuren in reizkräftigen Gegenden (See, höheres Mittel- bis Hochgebirge) Erläuterungen zu A bis D Subjektive Herzbeschwerden geben oft den Anlaß, einen Arzt aufzusuchen. Dieser wird — sofern die Symptomatik uncharakteristisch ist — klären, ob eine organische Krankheit des Herzens oder eine „nervöse" Störung vorliegt. Die Definition von funktionellen Herzstörungen als „nervös bedingt" schließt nicht aus, daß diese unter Umständen auch organische, extrakardiale Ursachen haben. Häufiger aber sind es psychische Fehlleistungen, die diese Symptomatik hervorrufen. Die funktionellen Herzbeschwerden sind oft ein Beweggrund für zahlreiche und sehr verschiedenartige therapeutische Bemühungen.

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Als organische Ursache findet man zuweilen ein zwar gesundes, aber relativ zu kleines Herz mit mäßig ausgebildeten Ventrikeln, bei dem das Verhältnis Ruheschlagvolumen zu diastolischem Endvolumen und sehr kleinem Reservevolumen nicht, wie beim normalen Herzen, ausgeglichen ( S V : E D V = 1 : 1 ; vgl. Abb. 172), sondern unausgeglichen ist (1: < 1). Ein solches Herz gerät schon bei geringen Anforderungen in Versorgungsschwierigkeiten, weil zu wenig diastolisches und systolisches Reserveblut verfügbar ist. Bei organisch-somatisch gesunden Herzen zeigen sich Fehlregulationen in einer unökonomischen, funktionell gestörten Arbeitsweise und einem Mißverhältnis zwischen Herzarbeit und Blutversorgung der Peripherie, wobei Beschwerden auftreten und die Leistungsfähigkeit spürbar eingeschränkt wird. Die subjektive Symptomatik ist vielfältig; z.B. Herzklopfen, anginoide Beschwerden ohne objektivierende Zeichen einer Sauerstoffnot im Myokard (Angina pectoris falsa), Leistungsschwäche, hypochondrische Verstimmung, Angstzustände. Objektiv findet man in Ruhe anhaltende Pulsbeschleunigung — auch die paroxysmale Tachykardie kann einmal Ausdruck einer vegetativen Dysregulation sein — und die sogenannten vegetativen Zeichen, feuchte, kalte Hände, Neigung zu emotionalem Schwitzen, Dermographismus, große Blutdruckschwankungen zwischen Liegen und Stehen, Reflexsteigerungen. Die Bedeutung der vegetativen Regulationen bei derartiger Symptomatik drückt sich darin aus, daß nicht das Herz allein, sondern auch die Gefäßperipherie in die Störungen einbezogen ist. Man spricht deshalb auch von funktionellen kardio-vaskulären Syndromen. Sie können als hyperdynames Syndrom in Erscheinung treten oder sich als hypodynames Geschehen abzeichnen. Mit einer solchen klinischen Trennung umgeht man so unscharfe Bezeichnungen wie „vegetative Dystonie mit Herzbeteiligung", „neurozirkulatorische Dystonie", „Cor nervosum". Klar definierbare Formen einer hypersympathikotonen Funktionsstörung sind das hyperkinetische Herzsyndrom sowie das Effort- oder Da-Costa-Syndrom (eine hypertone Regulationsstörung mit Tachykardie und Blutdruckanstieg), die auch Herzbeschwerden verursacht. Bei den hypodynamen Formen überwiegen vagotone Einflüsse mit hypotonen kardio-vaskulären Dysregulationen.

Kausale Therapie (A) Ursächliche Behandlungen der funktionellen Herzstörungen sind möglich, wenn der Arzt den Ursprung der Symptomatik klären und abgrenzen kann. Ist etwa ein zu kleines, noch entwicklungsfähiges Herz die Ursache, dann stellt eine Trainingsbehandlung, die dem Herzen eine höhere Belastbarkeit in Form einer größeren Leistung bringt, eine ursächliche Therapie dar. In dem Maß, wie das Herz kräftiger wird, schwinden die Beschwerden. Kurbehandlungen mit viel Bewegung in frischer Luft, Schwimmen u. a. können hier zur kausalen Maßnahme werden.

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Bei den mehr neurotisch gefärbten, auf das Herz bezogenen Mißempfindungen strebt der Arzt an, im Verlauf einer lang angelegten Bewegungsbehandlung durch aufklärende Gespräche dem Kranken die Sorge zu nehmen, eine organische Herzkrankheit zu haben, um damit der psychosomatischen Grundlage seiner Beschwerden den Boden zu entziehen. Gegebenenfalls kann auch die Entfernung eines streuenden Entzündungsherdes ursächlich die Herzsymptome auflösen. Symptomatisch-gezielte (B) und allgemein-unspezifische (C) Behandlungen Symptomatisch-gezielte Behandlungen sind die medikamentösen Verordnungen. Sie werden nach der Symptomatik ausgewählt. Bei hyperdynamischer Störung, speziell beim hyperkinetischen Herzsyndrom, das durch eine nicht über Leistungsanforderungen, sondern „nervös"-hyperkinetisch verkürzte Kreislaufzeit und ein erhöhtes Schlagvolumen bei vermindertem peripheren Widerstand gekennzeichnet ist, helfen vorübergehend Sedativa oder Tranquilizer, besser noch Beta-Rezeptorenblocker (S. 440,725) wegen ihrer negativ chronotropen und negativ inotropen Wirkung (S.686). Beim hypodynamischen Syndrom können sympathikus-stimulierende Pharmaka vorübergehend helfen. Medikamentöse Behandlungen sind aber auf die Dauer nicht angezeigt, weil sie das eigentliche Ziel, eine Selbstheilung des Organismus, nicht nur nicht erreichen, sondern nicht einmal dazu beitragen. Die allgemeinen, unspezifischen Behandlungsmaßnahmen physikalischer Art nehmen bei den funktionellen Herzstörungen ohne organische Ursache absolute Vorrangstellung ein. Sie haben alle das Ziel, die konstitutionellen Bedingungen funktioneller Art zu verbessern. Hydrotherapie: Hervorragend geeignet zur „Normalisierung" als Ausdruck gesteigerter bzw. situationsgerechter Regulationsleistungen des Herz-Kreislaufsystems sind alle hydrotherapeutischen Verordnungen, angefangen bei den milden Waschungen über thermische Wechselreize bis zu den reizkräftigen Druckstrahlgüssen. Auch medizinische Bäder, sedierende oder solche mit Hautreizeffekten, kombiniert mit mechanischen Reizen (Bürstenbäder) und vervollständigt durch gefäßübende thermische Wechselreize (Vollgüsse), ergänzen das große Angebot, das die Hydrotherapie hier bietet. Krankengymnastik: Ebenso ertragreich in der Behandlung der funktionellen Dysregulationen ist die Bewegungstherapie. Sie ist hier weniger als Leistungstraining sinnvoll, da die Belastbarkeit nicht von der physikalisch definierbaren Leistungsfähigkeit eingeschränkt wird. Derartige Aktivitäten verfolgen vielmehr das Ziel, die neurovegetativen Regulationen und Koordinationen in Anspruch zu nehmen; sie passen sich langsam den jeweiligen Anforderungen an. Dazu eignen sich alle nicht auf Höchstleistung eingestellten Sportarten. Nicht allein das Herz, auch die Atmung und hyper- und hypotone Kreislaufregulationsstörungen sprechen auf eine nicht anstrengende, individuell angemessene Bewegungstherapie hilfreich an. Selbstverständlich wird bei den funktionellen Herzbeschwerden ein ergometri-

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scher Leistungstest eine echte ischämische Herzerkrankung ausschließen müssen, bevor die Bewegungstherapie verordnet wird. Für die Auswahl der Sportarten erhält man durch diese Teste auch individuelle Differenzierungen, mit denen konstitutionelle Eigenheiten berücksichtigt werden können. Hydro- und Bewegungstherapie reichen nicht aus, die funktionellen Beschwerden zu beheben, wenn nicht die ganze Lebensführung auf dieses Ziel ausgerichtet wird. Der Arzt wird dem Kranken zu einer gesunden Lebensführung raten und vorschlagen, seine Arbeitsanforderungen und Erholungsphasen aufeinander abzustimmen und zu versuchen, Streßsituationen (vgl. Disstreß, S. 67) in Beruf und Freizeit gezielt auszuschalten.

4. Behandlung der Krankheiten des Kreislaufes 4.1 Arterielle Hypertonie Übersicht über die Behandlungsvorschläge Kausale Therapie (A) Nur bei einigen sekundären Hochdruckarten läßt sich die bedingende Grundkrankheit und damit das Symptom „Hypertonie" operativ ausschalten Symptomatisch-gezielte Behandlungen (B) Medikamentös: Antihypertensiva mit verschiedenen Angriffsorten als Langzeitbehandlung; Monotherapie in leichten Fällen; Zwei- oder Dreifachkombination bei mittelschweren bis schweren Hypertonien Allgemein-unspezifische (C) und vorbeugende (D) Maßnahmen Physikalisch-therapeutische Verordnungen ersetzen nicht die medikamentöse Behandlung, ergänzen sie aber in einer Weise, die optimale Vorbedingungen für die Arzneimitteltherapie schafft Balneotherapie: Kuren mit C0 2 -Wasserbädern oder C0 2 -Gasbädern, Schwefelbäder, Jodbäder oder Jod-Solebäder Hydrotherapie: Kühle oder temperaturansteigende Teilbäder, milde Wechselgüsse. Medizinische Bäder als Bürsten-, Luftperlbäder, sedierende Bäder; Kneippkuren Thermotherapie: Sauna mit vorgeschriebener Dosierung Mechanotherapie: Massage verspannter Muskeln, lockernde Bewegungsübungen Klimatherapie: Kombinierte Behandlungen in reizmildem Klima Erläuterungen zu A bis D Der arterielle Hochdruck ist das gemeinsame Symptom verschiedener Krankheiten. Ob es auch eine primäre Hypertonie als selbständige Krankheit gibt, ist vorerst noch ungewiß. Hämodynamisch ist die Hypertonie charakterisiert durch einen erhöhten arteriellen Mitteldruck (Pm); das ist der durchschnittliche arterielle Druck während

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eines Pulszyklus. Er ist nicht gleich dem Mittelwert zwischen systolischem (Ps) und diastolischem (Pd) Druck, er ergibt sich vielmehr aus dem Produkt des Herzminutenvolumens mal peripherem Gesamtwiderstand: Pm = Pd + 0,42 • A p (A p = Differenz zwischen Ps und Pd = Amplitude). Die Höhe des arteriellen Druckes — er wird als einziger Druck in mmHg angegeben (S. 176) — hängt von vier Faktoren ab: von der Größe des Herzschlag- und Herzzeitvolumens (die Volumina steigen z. B. unter Bewegungsanforderungen an), vom Widerstand des peripheren Gefäßsystems (er läßt unter anderem im Bad, auch unter Wärme und Massagen nach), von der Elastizität (elastische Dehnbarkeit) des Gefäßsystems und von der Viskosität des Blutes, die nur indirekt korrigierbar ist. Die physikalischen Behandlungen setzen nahezu ausschließlich am Tonus der Gefäße, genauer, am peripheren Gefäßwiderstand an. Er ist umgekehrt proportional der vierten Potenz des Gefäßradius (Hagen-Poiseuille-Gesetz). Geringe Änderungen der Gefäßweite verändern also ganz erheblich den Strömungswiderstand. Je nach hämodynamischer Konstellation unterscheidet man drei Typen des Hochdruckes. Der Widerstandshochdruck kommt am häufigsten vor. Bei ihm ist der periphere Gefäßwiderstand vor allem im Bereich der Arteriolen erhöht, zur arteriellen Versorgung der Organe muß der Druck ansteigen. Dabei entspricht der diastolische Druck dem Ausmaß des Widerstandes; er ist im Verhältnis stärker erhöht als der systolische Druck, dadurch ist auch der Mitteldruck bei meist noch normaler Amplitude hoch. Der Schlag- oder Minutenvolumenhochdruck ist durch eine vergrößerte kardiale Auswurfleistung bedingt, z. B. bei schwerer Anämie, im Fieber, bei der Hyperthyreose und der Hypervolämie. Charakteristisch gegenüber dem Widerstandshochdruck ist, daß hier im Verhältnis zum diastolischen der systolische Druck stärker ansteigt; die Amplitude ist deutlich vergrößert, der Mitteldruck nur mäßig angehoben. Der seltene reine Elastizitätshochdruck als Folge eines Verlustes der Elastizität der großen Gefäße ergibt einen deutlich höheren systolischen bei leicht verringertem diastolischem Druck. Die Amplitude ist entsprechend groß, der Mitteldruck ändert sich nicht oder liegt nur gering über der Norm. Es gibt viele Mischformen, bei denen sowohl der periphere Gefäßwiderstand als auch das Herzminutenvolumen erhöht sind. Hier muß man unterscheiden zwischen einer primären Hypertonie und den sekundären, symptomatischen Hypertonien. Symptomatische, sekundäre Hypertonien sind: - der renale Hochdruck bei Erkrankungen der Nieren oder deren arterieller Blutversorgung; - der kardio-vaskuläre Hochdruck bei Erkrankungen des Herzens, z. B. bei dem

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hyperkinetischen Herzsyndrom (S. 717), der Aorteninsuffizienz, bei Mißbildung der Aorta, der Sklerose der großen Gefäße, der Polyzythämie; - der hormonelle oder endokrine Hochdruck bei der Hyperthyreose, verschiedenen Erkrankungen der Nebennieren, der Akromegalie, dem adrenogenitalen Syndrom und der Schwangerschaftstoxikose; - der neurogene Hochdruck bei erhöhtem Schädelinnendruck, einigen entzündlichen Erkrankungen des zentralen und peripheren Nervensystems, der Porphyrie und sklerotischen Veränderungen am Karotissinus, in dem — wie auch im Aortenbogen — Pressorezeptoren (Barorezeptoren) liegen, die als Fühler im Regelkreis des Blutdruckes unter der arteriosklerotischen Starre nicht mehr ansprechen (fehlende Windkesselfunktion). Für die Erkrankungen des Nervensystem ist der Ausdruck „neurogene Hypertonie" insofern mißverständlich, als sich ein chronischer Hochdruck aus den vorübergehenden Krankheiten nicht entwickelt [61]. All diese bekannten Ursachen des Symptoms Hochdruck erfordern spezielle Behandlungen medikamentöser oder chirurgischer Art, wobei die physikalischen Behandlungen gute, zusätzliche Hilfen leisten. Eine primäre, essentielle Hypertonie, d. h. ein selbständiger Hochdruck ohne erkennbare Ursache, — zumindest ist dessen Ätiologie und Pathogenese nicht hinreichend geklärt — liegt bei fast 80% aller Hochdruckpatienten vor. Es gibt eine Vielfalt möglicher ätiologischer Faktoren in der Pathogenese der essentiellen Hypertonie; die pharmakodynamische Wirkung verschiedener Arzneien findet durch sie eine Erklärung. Hämodynamisch ist die essentielle Form ein Widerstandshochdruck, charakterisiert durch den erhöhten peripheren Strömungswiderstand in der enggestellten arteriellen Strombahn. Die in späteren Stadien der essentiellen Hypertonie deutliche arteriosklerotische Minderung der Elastizität ist eine Folge, nicht die Ursache der Hypertonie. Da die peripheren Gefäße auch in ihrem erhöhten Tonus auf mechanische, thermische, auch physikalisch vermittelte chemische Reize (Heilbäder) ansprechen, bringen neben den chemisch-pharmakologischen auch die physikalischen Behandlungsmethoden bei Hochdruckerkrankungen (ca. 25% der Menschen über 45 Jahre leiden an einem Hochdruck) gute Behandlungserfolge. Die essentielle Hypertonie ist — wenngleich die Kenntnis ihrer Pathogenese noch Lücken aufweist — eine Regulationskrankheit [673]. Demgemäß bedarf sie auch einer Regulationstherapie. Wenn die bei der guten Wirksamkeit der pharmakodynamischen Antihypertonika verständliche Forderung aufgestellt wurde [22], alle Kranken mit erhöhtem Blutdruck so früh wie möglich medikamentös zu behandeln, dann gilt dies auch für die physikalisch-regulationstherapeutischen Maximen. Beide ergänzen sich zu einer Einheit, in der keines der beiden Wirkprinzipien fehlen sollte; nur die umfassende Frühbehandlung schützt vor Spätkomplikationen. Unter einer länger bestehenden Hypertonie kommt es zu peripheren Durchblu-

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tungsstörungen, zum Teil arteriosklerotischer Prägung, am häufigsten im Bereich der Kranzgefäße und im Herzmuskel, der bei dem erhöhten Druck, gegen den der linke Ventrikel ständig anarbeiten muß, hypertrophiert, so daß es auch ohne sklerotischen Verschleiß schon zu einem Mißverhältnis zwischen Muskelmasse und nicht mehr ausreichendem Koronarkreislauf kommt. Ferner leiden die Hirngefäße insgesamt oder in einigen Provinzen an Blutmangel, weil die arterielle Versorgung der Endstromgebiete hier nicht mehr ausreicht. Folgen des Hochdrucks können koronare, ischämische Herzkrankheiten, die Herzinsuffizienz, die arteriolosklerotische Niereninsuffizienz, der Hirninfarkt, die Sklerose der Gefäße größerer Hirnteile (sog. Zerebralsklerose) und die arteriellen Verschlußkrankheiten der Extremitäten (S. 852) sein. Jedes umfassende Behandlungskonzept, das die vorbeugenden wie die heilsamen Aspekte gleichermaßen berücksichtigt, bezieht auch dispositionelle, epidemiologische und schädliche Umwelteinflüsse mit ein. Die essentielle Hypertonie kommt familiär gehäuft vor, wenngleich ein definierbarer Erbgang nicht bekannt ist. Eine positive Familienanamnese findet sich aber bei etwa dreiviertel aller Fälle, so daß eigentlich an einer genetisch verankerten Disposition nicht gezweifelt werden kann. Epidemiologisch weist aber die ansteigende Zahl der Hypertoniekranken in den letzten 30 Jahren auch auf Risikofaktoren hin, z. B. auf Adipositas, Nikotin- und Alkoholabusus, sogenannte Streßsituationen in Beruf und Familie. Die Normwerte des Blutdruckes steigen mit dem Alter etwas an. Als oberster Grenzwert für Erwachsene gilt systolisch die Zahl der Lebensjahre+ 100 mmHg, diastolisch bis 90 mmHg für jedes Lebensalter [61]. Menschen unter 60 Jahren mit einem Blutdruck über 160/95 sind behandlungsbedürftig, sofern dieser Wert einen fixierten, stabilen, d. h. ständig bestehenden Hochdruck verrät. Jenseits des 60. Lebensjahres bedürfen Patienten mit Blutdruckwerten über 180/100 der ständigen Behandlung, insbesondere dann, wenn noch andere Risikofaktoren für das Gefäßsystem bestehen. Die exakte Messung des Blutdruckes ist nicht ohne Probleme. Besonders der systolische Wert ist bei einmaliger Messung oft zu hoch („Sprechstundenblutdruck"). In körperlicher und vor allem psychischer Ruhe erhält man den „Basis"oder „Entspannungswert". Während ein emotional überhöhter Wert anzeigt, welchen Belastungsspitzen das Gefäßsystem unterliegt, zeigt der Ruhewert an, was allein schon eine geregelte, ruhige, von jedem „Disstreß" (S.67) befreite Lebensführung als Basis jeder weiteren Therapie auszurichten vermag. Kausale Therapie (A) Eine Möglichkeit der ursächlichen Behandlung der Hypertonie ergibt sich nur dann, wenn sie als sekundäre Folge einer Krankheit erkannt ist, die man operativ ausschalten kann. Nicht ganz selten deckt bei einem therapieresistenten Hochdruck erst die überprüfende und erweiterte Diagnostik eine zunächst übersehene operative Indikation auf. Dies kann eine renovaskuläre Hypertonie durch Nieren-

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arterienstenose oder ein Tumor sein, auch eine einseitig zu kleine Niere, eine adrenale Hypertonie beim Phäochromozytom, ein primärer Aldosteronismus (ConnSyndrom), ein Cushing-Syndrom oder ein kardiovaskulärer Hochdruck bei der Isthmusstenose der Aorta. Diese auf Fehlbildungen beruhenden, symptomatischen sekundären Hochdruckformen verschwinden, wenn die bedingende Ursache operativ ausgeschaltet werden konnte. Die essentielle Hypertonie sollte stets durch ausschließende Diagnostik gesichert werden. Symptomatisch-gezielte Behandlungen (B) Die auf das Symptom „Hypertonie" zielende medikamentöse Behandlung hat in den letzten 30 Jahren beträchtliche Fortschritte gemacht. Die große Mehrheit der an einer Hypertonie leidenden und dadurch gefährdeten Menschen wird heute mit einer medikamentösen Langzeittherapie erfolgreich behandelt und über Jahre bis Jahrzehnte vor bedrohlichen Komplikationen bewahrt. Den Physikalischen Therapeuten bzw. den Kurarzt interessiert mitverantwortlich die Art der Substanz bzw. deren Wirkungsmechanismus. So ist es z. B. bei den Beta-Rezeptorenblockern notwendig, wegen ihrer negativ-inotropen Wirkung (S. 686) besonders vorsichtig bei körperlichen Anforderungen zu sein. Vor allem können sie und auch andere Antihypertonika in der zweiten Hälfte einer Kurbehandlung, in der die entspannende Erholung und der blutdrucksenkende Effekt der Kurmaßnahmen sich abzeichnen, zu einer bedrohlichen Senkung des Blutdruckes und auch der Herzfrequenz führen [412], Alle Verordnungen, die Dosierung der Pharmaka und die sorgfältige Auswahl der physikalischen Mittel mit ihren verschiedenen Reizqualitäten können negative Auswirkungen haben, wenn sie nicht sachkundig aufeinander abgestimmt sind. Im folgenden werden die wichtigsten blutdrucksenkenden Arzneimittel aufgezählt: - Saluretika hemmen die Natriumrückresorption, greifen also an den Nieren an. Die renale Kochsalz- und Wasserausscheidung steigt an, folglich nimmt auch der venöse Rückfluß zum Herzen ab, weil weniger Blut umlaufen muß, um alle harnpflichtigen Stoffe mit dem Wasser auszuscheiden. Die Saluretika wirken damit ähnlich blutdrucksenkend wie eine strenge salzarme Diät, sie verstärken auch den Effekt anderer Hypertensiva; - Rauwolfia-Alkaloide (Reserpin) hemmen die konstriktorisch wirkende Sympathikus-Aktivität, indem sie die Bildung der Überträgersubstanz Noradrenalin in den Endausbreitungen der postganglionären Sympathikusfasern, die die Gefäße versorgen, vermindern; - Guanethidin wirkt ähnlich wie Rauwolfia, hat aber besonders starke Nebenwirkungen (orthostatischer Kollaps). Es ist nur für schwere Fälle in stationärer Behandlung geeignet; - Alpha-Methyldopa hemmt ebenfalls die Sympathikus-Aktivität. Statt des Noradrenalin entsteht eine „falsche", d. h. schwächer wirkende Überträgersubstanz, das Alpha-Methyl-Noradrenalin;

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- Clonidin stimuliert zentrale Alpha-Rezeptoren und hemmt auf diese andere Weise die Sympathikus-Aktivität; der Vasomotorentonus nimmt ab, auch die Herzfrequenz sinkt; - Hydralazin ist ein peripher angreifender Vasodilatator, ebenso das Prazosin; - Diazoxid erweitert ebenfalls die peripheren Gefäße, indem es die glatte Gefäßmuskulatur relaxiert. Es erhöht aber die Herzfrequenz, deshalb wird es oft mit Clonidin oder einem Beta-Blocker kombiniert; - Beta-adrenerge Rezeptorenblocker senken zuverlässig den Blutdruck, der Mechanismus der antihypertensiven Wirkung ist nicht geklärt; sie greifen sowohl am Herzen als auch am Zentralnervensystem an. Ihre Nebenwirkungen müssen besonders beachtet werden. In leichten Fällen genügt meist eine Substanz (Monotherapie). Allein sollen bei jungen Menschen Beta-Blocker, bei alten Menschen Saluretika besser wirken [61]. Genügt dies für die mittelschweren oder schweren Hypertonien nicht, dann bieten die Kombinationen gute Entlastung. Alle Zusammenstellungen werden als Fertigpräparate angeboten; fast alle Zweifach- und alle Dreifachkombinationen enthalten ein Saluretikum. Allgemein-unspezifische (C) und vorbeugende (D) Maßnahmen Die behandlungsbedürftige arterielle Hypertonie erfordert eine Langzeittherapie. Eine solche Behandlung kann nur medikamentöser Art sein. Die physikalischen Methoden erfüllen eine andere Aufgabe. Mit ihren unspezifischen, auch den Blutdruck senkenden Wirkungen tragen sie dazu bei, den Hypertonikern von Zeit zu Zeit eine gute Erholung zu bringen, die sie ohne solche Behandlung in der Regel nicht finden. Balneotherapie: Die Hypertonie ist eine der häufigsten Indikationen für wiederholte Kurbehandlungen. Im Rahmen einer Bade- oder Klimakur bieten die speziellen Kurmittel in der Kombination mit dosierten, allerorts verfügbaren physikalischen Reizen erfahrungsgemäß Heil- und Erholungsfaktoren, die sehr wesentlich den Erfolg einer auch die Nebenwirkungen vermeidenden medikamentösen Behandlung unterstützen. An erster Stelle der Bäderbehandlung des arteriellen Hochdruckes steht eine Badekur in einer kohlensäurehaltigen Quelle. Daß in einem sachgemäß verabreichten Kohlensäurebad der Blutdruck sinkt, gilt seit langem als erwiesen [665]. Im Teil II sind die Qualitäten genannt, die ein Kohlensäurebad haben muß, nämlich indifferente Temperatur, denn der thermische Reiz zu wannen Wassers würde den Blutdruck eher ansteigen lassen, kleine Kohlensäurebläschen, die den Körper einhüllen und ein genügend großer Anteil an gelöster Kohlensäure (mehr als 1 g/1, S.476). Die relativ kurze Dauer der Bäder von 3 bis 10, höchstens 15 Minuten reicht aus, um eine wirksame Diffusion der Kohlensäure durch die Haut zu gewährleisten. Ihr gefäßerweiternder Effekt an der peripheren Strombahn, in der sich auch bisher nicht durchflossene Kapillaren und Arteriolen erweitern [459], vermindert so den peripheren Widerstand, der Blutdruck sinkt leicht ab. Die kurze

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Badedauer belastet das kompensierte Herz nicht. Der Blutdruck bleibt nach jedem Bad für einige Stunden niedriger, sofern der Patient anschließend mindestens eine Stunde Liegekur einhält. Selbstverständlich schreibt der Arzt die Intervalle verbindlich vor (S. 489), weil auch ein Zuviel an entlastenden Reizen bald ins Gegenteil umschlägt (vgl. Kurkrisen, S. 483). Der hydrostatische Druck des Wasserbades ist für das latent insuffiziente Herz nachteilig. Hier bietet das Kohlensäure-Gasbad eine Alternative, wenngleich der blutdrucksenkende Effekt geringer ist als im C0 2 -Wasserbad (S. 485 f.). Auch andere Heilbäder mit Schwefel-, Jod- und Jodsolequellen haben einen leichten blutdrucksenkenden Effekt [327], Für ihre Verordnungen gelten die gleichen Grundsätze wie für die Kohlensäurebäder. Hydrotherapie: Hydrotherapeutische Teilanwendungen, aufsteigende Armbäder, Fußbäder, kalte Waschungen, kalte Teilbäder der distalen Extremitäten oder wechselwarme Gußbehandlungen, regen den Kreislauf an und fördern besonders die kapilläre Durchblutung der Haut, der arterielle Mitteldruck sinkt dabei leicht ab. Bei den hypotonen Kreislaufregulationsstörungen werden zum Teil gleiche Maßnahmen empfohlen mit dem Ziel der Blutdrucksteigerung (S.728). Das ist kein Widerspruch, wenn man die unspezifische Wirkung bei vorsichtiger Dosierung bedenkt, nach der unter äußeren Reizen therapeutischer Art eine mehr sympathikotone Einstellung (vgl. Ausgangswertgesetz, S.32) in eine mehr parasympathikotone umschlägt und umgekehrt. Die tägliche Erfahrung in der Hydrotherapie bestätigt das immer wieder. Die Kaltreize dürfen nur gering unter der Indifferenztemperatur liegen, damit nicht durch Vasokonstriktion der peripheren Gefäße der Blutdruck steigt. Im wesentlichen sind es aber die reaktive Hyperämie der Haut und das angeregte Gefäßspiel, die sich tonusmindernd auswirken. Als hydrotherapeutische Kurbehandlung der Hypertonie eignen sich auch Kneippkuren [629], in denen systematisch ein umfangreiches hydrotherapeutisches Programm, kombiniert mit leichter Bewegungstherapie, den Kranken nachhaltige Erholung bringt, insbesondere dann, wenn die Kur als „Ordnungstherapie" [76] verstanden wird und dem ferneren Leben Maßstäbe gibt. Werden Bäder gut vertragen, dann bieten das thermoindifferente Bürstenbad oder das Luftperlbad mechanische, taktile Reize, die oberflächliche Vasokonstriktionen lösen und die Kapillaren erweitern. Eine zarte, helle Hautröte zeigt dies an. Derartige Reize entlasten das Herz, es arbeitet danach leichter und ökonomischer. Thermotherapie: Wärme in den hydrotherapeutischen Teilanwendungen führt sogleich in den behandelten, größeren Provinzen zu einer Erweiterung der Gefäße, die auch den Hypertoniker entlastet. Eine so erzielte Mehrdurchblutung übertrifft z. B. in den Beinen noch diejenige durch Beinarbeit [297]. Von mehr theoretischem, aber praktisch nutzbarem Interesse ist die Erfahrung, daß Wärme auf dem Oberbauch, die mit Kurzwellendurchflutungen [412] oder Wärmepackungen übertragen werden kann, eine blutdrucksenkende Wirkung entfaltet.

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Hyperthermiebehandlungen in Gestalt eines vorsichtig dosierten Saunabades sind bei gut kompensierter, leichter, labiler Hypertonie nicht kontraindiziert, vielmehr durchaus zu empfehlen. In der Sauna steigt der systolische Druck zwar zunächst etwas an, in der Nachphase sinken aber sowohl der systolische als auch der diastolische Druck leicht ab, sofern die Abkühlung ohne zu schroffe Kaltreize in frischer Luft [468] oder mit einer kühlen Waschung erfolgt. Kalte Tauchbäder sind dagegen absolut kontraindiziert, weil hier der Blutdruck stark ansteigt [24], Mechanotherapie: Im Rahmen der Kurbehandlungen empfehlen sich auch Muskelmassagen mit entspannenden Techniken, wenn der Arzt hypertone Muskel- oder Muskelzonen findet. Hypertoniker sollen häufiger „verkrampft" sein, besonders im Bereich des Schultergürtels und des Thorax, wodurch auch die Atmung oberflächlicher wird. Leichte, gelockerte Bewegungen unterstützen alle blutdrucksenkenden Maßnahmen. Ein spezielles krankengymnastisches Übungsprogramm gibt es nicht; allein die Befunde an der Muskulatur oder Symptome der Komplikationen bestimmen die Indikationen oder Kontraindikationen. Es kommt allein darauf an, daß der Hypertoniker sich locker bewegt, ohne Anstrengungen auf sich zu nehmen. Entspannungsübungen, Lockerungsgymnastik, gegebenenfalls Atemtherapie bieten sich hier an. Regelmäßige körperliche Aktivität in Gestalt von erholsamen Spaziergängen gehören in die Kurbehandlungen. Auch leichter, spielerischer Sport ist nicht kontraindiziert. Klimatherapie: Für Herz- und Kreislauferkrankungen gibt es, im Gegensatz zu den Erkrankungen der Atemorgane, keine spezielle Klimabehandlung. Dennoch bringen bevorzugte Klimagebiete in reizmilden Lagen mit ihrer behutsamen „Umstimmung" (S. 75) dem Hypertoniker eine Erholung. Alle blutdrucksenkenden Bemühungen pharmakodynamischer oder physikalisch-therapeutischer Art haben sekundär-präventiven Charakter, wenn sie hochdruckbedingte Komplikationen nicht aufkommen lassen. Das breite Angebot an wirksamen Medikamenten und Kurmaßnahmen kann, sorgfältig ausgewählt und aufeinander abgestimmt, die große Mehrheit der Hypertoniker über lange Zeit bedingt gesund und arbeitsfähig erhalten. Ob es eine primäre Prävention (S. 5) der essentiellen Hypertonie gibt, ist fraglich. Man kann aber eine mögliche Hypertonie vermeiden, wenn man auf sein Körpergewicht und auf das Risiko der Adipositas achtet, den Salzverbrauch in Grenzen hält und den Versuchungen des Genußmittelgebrauchs widersteht. Eine dahingehende Gesundheitserziehung ist eine wichtige Aufgabe der Haus- und Kurärzte.

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4.2 Hypotone Kreislaufregulationsstörungen Übersicht über die Behandlungsvorschläge Kausale Therapie (A) Kausal wirkende Möglichkeiten gibt es nur auf dem Weg über pathogenetische Ursachenketten Symptomatisch-gezielte (B) und allgemein-unspezifische (C) Behandlungen Medikamentös: Nur in Sonderfällen zentral angreifende Analeptika, selten nur Mineralkortikoide Physikalisch-therapeutisch: Hydrotherapie: Umfangreiches Programm der „kleinen Hydrotherapie" mit Unterweisung der Patienten zur Selbstbehandlung; Bewegungs- und Bürstenbäder Krankengymnastik: Nach durch Krankheit bedingter Bettruhe bewegungstherapeutische Anpassung des Kreislaufes an die Orthostase Vorbeugende Maßnahmen (D) Lebensführung nach ärztlicher Anweisung Erläuterungen zu A bis D Die hypotonen Regulationsstörungen mit sehr niedrigem Ruheblutdruck sind nur dann ernster Natur, wenn sie akut, intermittierend im Verlauf von schweren Krankheiten, also sekundär, auftreten. Das kann bei bedrohlichen Infektionen, akuten Herzereignissen, Intoxikationen, komatösen Stoffwechselstörungen, nach großem Blutverlust und im Schock geschehen. Bei chronischen Krankheiten des Herzens, der Aortenstenose, dem dekompensierten Herzen, Arrhythmien und bei endokrinen Störungen, der Addisonschen Krankheit, dem Myxödem, der Simmonschen Kachexie, sind hypotone Zustände mitbeteiligt. Ihre Behandlung zielt nicht auf das Symptom, den zu niedrigen Blutdruck, sondern erfordert eine Therapie der Grundkrankheit. Die primäre, essentielle, konstitutionelle und chronische Hypotonie macht zwar oft — keineswegs immer — Beschwerden, wirkt sich aber eher verlängernd auf die Lebenserwartung aus. Die hypotone Einstellung spielt aber sozialmedizinisch eine nicht unbedeutende Rolle, da ständig schätzungsweise ca. 2% der Arbeitnehmer wegen Hypotonie krankgeschrieben sind [298].

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Es gibt, wie bei der Hypertonie, keine scharf gezogene Grenzlinie, unterhalb der die Blutdruckwerte als Hypotonie mit Krankheitswert festliegen. Alter, Geschlecht, Konstitution, Rasse, Trainingszustand bestimmen unterschiedlich geregelte Einstellungen des systolischen Druckes in Ruhe, der möglicherweise auf konstitutionell-erblicher Basis dauernd nach unten verstellt ist. Beim ausgeprägten leptosomasthenischen Habitus scheint dies vorzukommen. Im Durchschnitt kann man aber eine Hypotonie konstatieren, wenn bei kritischer Messung (S.723) der systolische Wert im Stehen und Liegen unter 100 mmHg bleibt [219]. Eine bedenkliche Hypotonie drückt sich darin aus, daß Gehirn und Nieren über längere Zeit nicht ausreichend durchblutet werden. Der diastolische Druck sagt über die hypotone Situation dagegen nichts Sicheres aus; er kann auch bei normalen oder erhöhten systolischen Werten niedrig sein, z. B. bei der Aorteninsuffizienz oder bei arterio-venösen Kurzschlüssen. Die Beschwerden einer dauernd bestehenden Hypotonie sind mannigfaltig. Leistungs- und Konzentrationsschwäche, Schwindel, Herzklopfen, Ohrensausen, Kopfschmerzen, Schlafstörungen, Antriebsarmut, Appetitmangel, Neigung zu Magen-Darmstörungen und andere Beschwerden kommen vor. Die Hypotoniker neigen auch zu intermittierend einsetzenden sympathikotonen Dysregulationen, erkennbar an Schweißausbruch, Angst, Tachykardie; sie können als Versuch interpretiert werden, gegenregulatorisch der Abnahme des Herzzeitvolumens entgegen zu wirken. Die Vielzahl der Beschwerden weist schon darauf hin, daß wahrscheinlich nicht all diese Symptome unmittelbar durch den niedrigen Blutdruck bedingt sind, sondern eher eine übergeordnete Störung oder Labilität der vegetativen Steuerungen [62] ausdrücken. Bei den Positionshypotonien treten akut beim Aufrichten und Aufstehen nach längerem Liegen, etwa nach der Nachtruhe, kollapsartige Zustände auf. Sie können durch physikalisch-therapeutische Übungsbehandlung verhindert werden. Die orthostatische Hypotonie (Positionshypotonie), eine Variante der essentiellen Hypotonie, bei der vor allem die Tonusschwäche der Venen ausschlaggebend ist, und die auch vagovasale Synkopen (S. 265) verursacht, kommt im Stehversuch nach Schellong [550] deutlich zum Ausdruck. Die Abbildung 175 zeigt die Blutdruckwerte bei verschiedenen Positionen im Stehversuch. Im Liegen ist der Blutdruck normal, im Stehen fällt der systolische Druck sogleich ab, die Pulsfrequenz geht schnell nach oben, der diastolische Wert ändert sich nicht oder nur unwesentlich, die jetzt sehr kleine Amplitude weist auf das stark reduzierte Herzschlagvolumen hin. Der Schellong-Test ist aussagekräftiger als ein Steh-EKG. Die Ursache des Blutdruckabfalles bzw. eines orthostatischen Kollapses liegt in dem hämodynamischen Unvermögen, die physikalischen Konsequenzen des Überganges aus der Horizontalen in die Senkrechte durch sofort einsetzende, adrenerge Gegenregulationen auszugleichen. Die Folge ist ein vermehrter Bluteinstrom in die abhängigen Körperteile. Sind es vorrangig die Venen (venöse Regula-

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tionsstörung), dann strömt weniger Blut zum Herzen, weil der hydrostatische Druck des Blutes, das sich in der Peripherie verliert, nicht abgefangen, von den „hypotonen" Venen nicht überwunden wird; außerdem fehlt im Stehen auch die Muskelpumpe (S. 876). So bleibt die zirkulierende Blutmenge zu klein, das hochgelegene Gehirn wird mangelhaft durchströmt. Es gibt eine zweite Form der Positionshypotonie, bedingt durch eine arterielle Regulationsstörung. Hier versickert das Blut bei unzureichender, arterieller Vasokonstriktion im subpapillären Plexus. Auch hier wird die zirkulierende Blutmenge zu klein, das Herzzeitvolumen reicht nicht aus. Beide Arten lassen sich aber klinisch nicht immer gegeneinander abgrenzen. Die mitbedingende Störung kann auch in einem Teilbereich des Kreislaufs, beispielsweise an einer ausgeprägten Variköse, die einen beträchtlichen Teil des Blutes von der Zirkulation fernhält, an einem Blutvolumenmangel durch Blut-, Flüssigkeits- oder Elektrolytverlust oder an dem Schockmechanismus liegen. Die Hypotonie ist immer dann nicht behandlungsbedürftig, wenn sie keine Beschwerden macht. Erscheint ärztliche Hilfe aber notwendig, dann setzt die Behandlung der hypotonen Regulationsstörungen an den pathogenetisch bestimmenden Faktoren an: der nicht ausreichenden Größe des Minutenvolumens (Bewegungstherapie) oder dem zu geringen peripher-arteriellen Gefäßwiderstand (Hydrotherapie).

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Ist der venöse Rückstrom spärlich, so daß das Herzzeitvolumen niedriger bleibt als es sein muß, um einen dem Bedarf entsprechenden arteriellen Mitteldruck aufrecht zu erhalten, dann sind die rückflußfördernden Maßnahmen mechano- und bewegungstherapeutischer Art indiziert, die gleichzeitig auch die Förderleistung des Herzens erhöhen (vgl. klassische Herzgesetze, S. 684). Hydrotherapeutisch und übend empfehlen sich bei der venösen Regulationsstörung Serien von Kaltreizen, die venokonstriktorisch wirken. Unmittelbar nach einem kurzen, intensiven Kaltreiz kann der Stehversuch schon negativ ausfallen, d.h. die orthostatische Insuffizienz bleibt aus, weil der Tonus der Venen regulatorisch anspricht. Selbstverständlich müssen die Behandlungen nicht nur systematisch als Übungsprogramme gestaltet werden, um das venöse Gefäßsystem so zu trainieren, daß es auf entsprechende Anlässe sogleich reagiert (vgl. Reaktions-Regulationstherapie, S.45), sondern der Patient muß auch immer wieder, am besten täglich, als Selbstbehandlung im Badezimmer eine „kleine Hydrotherapie" betreiben und sich damit seine Reaktionsbereitschaft erhalten (S. 733). Nicht selten ist es aber der peripher-arterielle Widerstand, der zu niedrig eingestellt ist und die Hypotonie bedingt. Er ist zusammen mit dem Herzzeitvolumen eine weitere Komponente für die Regelung des Blutdruckes (S. 51 f.). Der hier zu geringe Tonus der glatten Muskulatur der arteriellen Gefäße drückt sich im Vergleich zur venösen Insuffizienz der Orthostase mehr durch den niedrigen arteriellen Mitteldruck aus (S. 720), d. h. systolischer und diastolischer Druck sind erniedrigt (hypodyname Regulationsstörung nach Schellong). Diese Insuffizienz der arteriellen Regulation spricht ebenfalls auf Kalt-, Druck- und Bewegungsreize an. Ist die Ursache der unguten arteriellen Gefäßdilatation infektiös-toxischer Genese — dies verbietet unter Umständen kräftige Reize — oder pharmakologisch bedingt (z. B. durch Beta-Blocker), dann ergeben sich zu den entsprechenden Verordnungen medikamentöser Art sinnvolle Kombinationen mit physikalisch-therapeutischen Reizen, z. B. einer milden Hydrotherapie, isometrischen Spannungsübungen, Atemgymnastik. Für speziell definierte Zustände, die eine hypotone Störung in Gestalt vagovasaler Synkopen (Ohnmacht) auslösen, bestimmt die jeweilige Ursache das Behandlungskonzept. Oft sind schwere Hustenanfälle bei der chronischen Emphysembronchitis die Ursache. Bei starken Rauchern kann es vorkommen, daß über den Valsalva-Mechanismus (S. 195) das Herz und nachfolgend auch das Gehirn zu wenig Blut erhalten (vermindertes Herzzeitvolumen). Der Blutdruck fällt jetzt schnell ab, es tritt ein sogenannter Ventilationskollaps ein. Die zerebrale Hypoxie wird noch verstärkt durch den beim Husten erhöhten Venen- und Liquordruck und die gleichzeitige Ventilationsstörung [62]. Die erfolgreiche Behandlung des Hustens behebt diese Störungen, wobei die Atemgymnastik wertvolle Hilfen leisten kann. Geht die Hypotonie vom Herzen aus, dann bestimmt der diesem Symptom übergeordnete Befund die therapeutischen Verordnungen. Extreme Brady- und Tachykardien, die das Herzzeitvolumen nicht mehr füllen und so den nötigen Blutdruck nicht mehr aufbringen, auch mechanische Hindernisse, die den veno-

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sen Zustrom zum Herzen einengen, z. B. die akute, exsudative oder chronischekonstriktive Perikarditis, die nachlassende, ungenügende Kontraktionskraft des Herzens, eine Pulmonalstenose, stark erhöhter Widerstand im kleinen Kreislauf, Herzrhythmusstörungen, können erfolgreich medikamentös oder chirurgisch behandelt (Aortenstenose, Aortenisthmusstenose, Panzerherz), den erforderlichen Blutdruck wieder einstellen. In all diesen Fällen trägt eine physikalische, Herzund Kreislauf schonende wie auch anregende Therapie zur Gesundung und zur Rehabilitation bei. Ist die Ursache einer Hypotonie in der körperlichen Inaktivität nach langer Bettruhe zu suchen, während der die Muskelpumpe (S. 876) ausfällt und die Muskeln atrophisch werden, oder fehlt es an Antrieb, wie es häufig bei der konstitutionellen, asthenischen Hypotonie beobachtet wird, dann sind es allein die physikalischtherapeutischen Verordnungen, die die Fehlregulationen bessern können. Hier ist es vor allem das Übungsprinzip der physikalischen Reaktions- und Regulationstherapie, das die pathologischen Fehlfunktionen oder fehlenden Reaktionen in physiologisch-reaktive Einstellungen hineinführt (vgl. Tab. 1). Die folgenden, speziellen Behandlungsempfehlungen beschränken sich auf die chronisch-essentielle Hypotonie, da die organisch bedingten Formen bei der Therapie der jeweils verursachenden Grundkrankheit behandelt werden. Vor jeder aufwendigen physikalischen Behandlung, insbesondere auch bei Kuranträgen, sollte man sich allerdings von der Notwendigkeit einer Behandlung überzeugen, da jede überflüssige Therapie die Gefahr in sich birgt, Blutdruckneurotiker zu züchten [62]. Erscheint eine Behandlung aber angezeigt, dann steht die Physikalische Therapie an erster, die medikamentöse Therapie an letzter Stelle. Kausale Therapie (A) Die essentielle, chronische, konstitutionelle Hypotonie, für die es, wie die Bezeichnung „essentiell" besagt, erkennbare Ursachen analysierbarer Art nicht gibt, bzw. deren Ätiologie so komplex ist, daß sie nicht in Einzelglieder auflösbar ist und daher nicht gezielt behandelt werden kann, ermöglicht nur symptomatische, unspezifisch wirkende Therapiemaßnahmen, die allerdings geeignet sind, die pathogenetischen Ursachen der hypotonen Regulationsstörung zu überwinden. Symptomatisch-gezielte (B) und allgemein-unspezifische (C) Behandlungen Eine medikamentöse Behandlung der chronischen Hypotonie ist nur in Sonderfällen indiziert. Im allerseltensten Fall ist eine Dauertherapie mit einem Sympathikomimetikum oder einem zentral angreifenden Analeptikum notwendig, zumal deren Wirksamkeit bei peroraler Gabe und einer verantwortbaren Dosierung unsicher, wenn nicht zweifelhaft ist. Solche Versuche „künstlicher" Hilfen hemmen eher die eigenregulatorischen Funktionen, als daß sie sie unterstützen, weil sie bestenfalls kurzdauernd deren Notwendigkeit aufheben, zur physiologischen Anpassung aber nicht beitragen. In den seltenen, physikalisch nicht zu beherrschenden Fällen erhöhen die Mine-

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ralokortikoide, Desoxykortikosteron oder Fluor-Hydrokortison, mit ihrer Kochsalz und Wasser retenierenden Wirkungen das Blutvolumen und so auch den Blutdruck; bei gleichzeitig vermehrt gegebenem Salz in der Nahrung sprechen die Gefäße auf die endogen gebildeten vasopressorischen Substanzen (Renin-Angiotensin-Mechanismus) lebhafter an. Derartige Behandlungen dürfen nicht zu lange beibehalten werden, es kommt sonst zu Ödemen und Kaliumverlusten. Nach 4-6 Wochen muß man sie langsam absetzen. Die physikalisch-therapeutischen Indikationen bleiben dagegen aber als Langzeitaufgabe bestehen. Die Physikalische Medizin stellt ein reichhaltiges, fast stets und auf die Dauer überlegenes Angebot an kreislaufwirksamen Reizen zur Verfügung, die allein die eigenregulatorische, kompensierende Regsamkeit des Kreislaufs und seine vegetativ gesteuerte Einstellung in Schwung bringen. Hydrotherapie: Alle hydrotherapeutischen Verordnungen stehen unter zwei Leitsätzen: Zum einen müssen sie das Übungsprinzip verwirklichen, zum anderen eine Dauertherapie vorbereiten. Nach dem Übungsprinzip wird das Gefäßspiel trainiert. Die Verordnungen wirken, verständnisvoll dosiert, sofort auf die Kreislaufperipherie, haben aber nur dann ein anhaltendes Ergebnis, wenn immer wieder übend reaktive Reizantworten herausgearbeitet, eintrainiert werden. Je nach der Situation wird man mit kurzen Kaltreizen mehr den venösen Tonus ansprechen, zu lang einwirkende Kälte lähmt die Muskeln der Venen, erkennbar an der blau-lividen Verfärbung der Haut. Thermische Wechselreize setzen mehr am peripher-arteriellen Schenkel an. Insgesamt aber spricht der Kreislauf als funktionelle Einheit an; er findet unter ausgewählten hydrotherapeutischen Verfahren aus gestörten funktionellen Einstellungen langsam in geordnete Bahnen. Zur Vorbereitung der Dauertherapie müssen die Patienten in die ihnen zuträgliche „kleine Hydrotherapie" (S.272) im Rahmen einer angemessenen Lebensweise so eingearbeitet und unterwiesen werden, daß sie selbst täglich derartige Behandlungen vornehmen können. Vor allem müssen sie selbst darauf achten, daß extreme Weitstellungen der Gefäße, besonders bei Wechselreizen (Wechseldusche), vermieden werden, damit es nicht zu einem Kollaps kommt. Geeignet sind kalte Waschungen mit anschließendem Frottieren, kalte Teilgüsse mit ansteigender Dosierung nach Reizfläche, Dauer und gegebenenfalls absteigender Temperatur. Sie alle fördern den venösen Rückfluß, aber auch das arterielle Gefäßspiel und tragen so zu einem ausreichenden Herzzeitvolumen bei. In Bädern fördert der hydrostatische Druck den Blutzustrom zum Herzen; Zusätze zum Bad sind nicht sinnvoll. Bewegungen im Bad, vom Wassertreten bis zum Schwimmen, regen die „Muskelpumpe" und die Durchblutung der Muskeln an; sie erweitern das Trainingsprogramm für den Kreislauf. Auch Bürstenbäder mit abschließendem kalten Rückenguß haben aufgrund ihrer mechanischen Reizkomponente dilatierende Folgen an den arteriellen Hautkapillaren und wirken sich als regulierende Übungen für den Kreislauf aus. Die Sauna ist für den Hypotoniker nicht nur erlaubt, sondern auch sinnvoll, wenn sie in Maßen gebraucht und ihre Erwärmungs- und Abkühlungsreize im Wechsel vorsichtig dosiert werden.

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Auch bei den Guß- und Bäderbehandlungen muß noch einmal darauf hingewiesen werden, daß gleichartige Reize bzw. gleiche Techniken die Einstellung einer so oder so gestörten funktionellen Größe in beiden Richtungen ändern können (S.726), d.h. hier, daß ein zu hoch eingestellter Blutdruck reaktiv absinkt, während ein zu niedrig eingestellter als reaktive Antwort ansteigt, wenn die „regulierende" Möglichkeit der hydrotherapeutischen Reize mit einer adäquaten Gestaltung herausgearbeitet wird. Deshalb bleibt es auch für das therapeutische Handeln entscheidend, daß man nicht undifferenziert verordnet, sondern von den pathogenetischen bzw. symptomatischen Befunden ausgeht und das Behandlungskonzept entsprechend aufbaut. Krankengymnastik: Neben und mit den Wasserbehandlungen ist die Bewegungstherapie hier eine weitere wichtige Möglichkeit physikalisch-therapeutischer Behandlung. Die Erfahrung zeigt, daß die Hypotoniebeschwerden vornehmlich in der Frühe, nach der Nachtruhe auftreten, nicht selten sogar mit der im Stehversuch reproduzierbaren orthostatischen Dysregulation unmittelbar nach dem Aufstehen. Im Laufe des Tages aber schwindet die Neigung zu solchen Dysregulationen und die allgemeinen hypotonen Beschwerden hören auf. Dies belegt, daß sich der Kreislauf, wenn zunächst auch etwas zu langsam, immerhin aber an Bewegungsanforderungen anpaßt und damit auch trainierbar ist. Tritt die Symptomatik akut und unvermeidbar auf, z. B. bei dem Versuch, nach langer, fixierter Bettruhe aufzustehen, besonders nach länger dauernden Fieberzuständen, nach Infektionen und Intoxikationen, schweren organischen Erkrankungen des Herzens oder des Zentralnervensystems, dann bringt eine Behandlung auf dem Kipptisch eine risikolose, langsame Gewöhnung bzw. selbstregulatorische Anpassung an die Orthostase. Noch liegend wird diese Anpassung vorbereitet mit isometrischen Spannungsübungen peripherer Muskelgruppen der Arme und Beine, weiter mit kraftvoller Arbeit der Handmuskeln (Faustschluß) und der Arm- und Beinmuskeln gegen Widerstände. Ferner wählt die Krankengymnastin Übungen nach der Art der rhythmischen Stabilisierung (S.155), auch Schnellkraftübungen, aus und läßt die Patienten sich auf den Rücken und die Seiten umlagern und sich langsam in Sitzhaltung aufrichten. Auch Atemübungen, die den venösen Rückfluß unterstützen, sollten nicht fehlen. All dies bahnt die Kreislaufreflexe und hilft so, Haltungen gegen die Schwerkraft ungestört einzunehmen und in Bewegungen überzuführen. Bei den chronisch hypotonen Zuständen setzt die Krankengymnastin mit den Übungen im Sitzen nach dem umfangreichen Programm der Hockergymnastik [348] auch die Rumpfmuskeln mit ein. Kombinationen mit Kaltreizen nach Kneipp oder mit thallasso- und klimatherapeutischen Anregungen (vgl. Regimen refrigerans, S.617) sind für die essentielle Hypotonie wertvolle Ergänzungen zu den bewegungstherapeutischen Prinzipen. Freie Bewegungen an der frischen Luft, täglich Spaziergänge, leichte Arten von Sport und Spiel sollten zur Lebensgewohnheit der Hypotoniker werden. Ein über-

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triebenes Training würde aber das Vegetativum zu sehr stimulieren, weshalb auch hier maßhaltende Beschränkungen eingehalten werden sollten. Zur Klimatherapie der hypotonen Kreislaufregulationsstörungen liegen sorgfältige Untersuchungen vor [571]. Sowohl in Freiluftliegekuren als Kaltreiz wie auch in Luftbädern mit Bewegung, die einen intensiveren Kaltreiz gestatten, ergab sich bei Patienten mit orthostatischen Störungen eine Stabilisierung des Kreislaufs; auch die Kälteempfindlichkeit ging zurück (S.65). Anhand der Adrenalin- und Noradrenalinausscheidung kam die Vermutung auf, daß der „allgemeine Kureffekt" eher eine geringere adrenerge Sympathikotonie als eine stärkere Vagotonie bedingt. Vorbeugende Maßnahmen (D) Eine primäre, die Entstehung der essentiellen, hypotonen Regulationsstörung verhindernde Behandlung ist nur denkbar, wenn es im wesentlichen ein einzelner Faktor ist, z. B. der Bewegungsmangel, der bei vorhandener Anlage die Symptomatik verschuldet. Jede kräftigende Lebensführung der konstitutionell asthenischen Jugendlichen hätte in einem solchen Fall präventive Ergebnisse. Symptomatisch vorbeugende Aufgaben können die Patienten selbst erfüllen. Sie können besonders den orthostatisch bedingten Beschwerden zuvorkommen. Einige einfache Ratschläge geben den Patienten, besser den Betroffenen, da die Regulationsschwäche in den meisten Fällen nicht als Krankheit oder Leiden zu bewerten ist, die Möglichkeit, der Symptomatik die Grundlage zu entziehen. Nach langer Bettruhe, am Morgen, sollte der Hypotoniker nicht spontan in den Stand übergehen, sondern vorerst einige Minuten auf dem Bettrand sitzenbleiben. Mit leichten Atemübungen ohne Hyperventilation und langsam betätigten Muskeln (mit Übungen aus dem Programm der Hockergymnastik) sollte dann der Kreislauf angeregt werden. Bald nach dem Aufstehen eine Tasse Kaffee zu trinken ist sinnvoller und nicht so überflüssig wie ein Sympathikomimetikum aus dem Arzneischrank. Läßt es sich nicht vermeiden, tagsüber einmal länger zu stehen, dann setzt z. B. Wippen auf den Fußspitzen die Muskelpumpe in Gang, und das Blut versackt nicht so schnell. Bei ausgedehnter Varikosis ist ein Verband nach der Wickeltechnik (S. 886) oder ein sachgemäß angezogener Gummistrumpf unentbehrlich. Insgesamt ist die ärztliche Beratung für die Patienten mit hypotonen Regulationsstörungen die beste Hilfe; sie gibt ihnen die Gewißheit, daß sie nicht krank sind. Mit den Programmen zur Selbstbehandlung stellt sich ihnen die Aufgabe, deren Erfüllung ihre Lebensumstände verbessert.

5. Physikalisch-therapeutische Behandlung von Bewegungsbehinderungen 5.1 Ziele und Aufgaben Die Bewegungsorgane, Gelenke und Muskeln, stellen eine funktionelle Einheit dar, die in den Bewegungen zu einer existentiellen Lebensäußerung der höher entwickelten Organismen wird. Sind Bewegungsmöglichkeiten durch Krankheiten und durch morphologisch sich darstellende Strukturveränderungen, die entweder das Bewegungsorgan selbst betroffen haben oder übergeordnete Strukturen stören, so daß nervale Impulse fehlen (schlaffe Lähmung) oder überschießende Impulse vorherrschen (spastische Lähmung), verändert, sind Fehlformen der Bewegung zu korrigieren oder zu kompensieren, Bewegungsschmerzen zu beheben, Stoffwechselvorgänge in den Muskeln zu fördern, prothetische Ersatzteile in den Bewegungsablauf einzugliedern oder Fehlreaktionen zu hemmen, dann stellen sich der mobilisierenden Krankenbehandlung Aufgaben, zu deren Lösung die physikalisch-therapeutischen Methoden unentbehrlich, oft allein fähig sind. Die physikalischen, vielseitig nutzbaren mechanisch-dynamischen Kräfte und die Wärme sind die wichtigsten Mittel, um ebenso behandlerisch wie rehabilitierend die Bewegungsorgane und deren Funktionen wiederherzustellen. Die mechanischen Kräfte wirken einmal, ohne Anforderungen an die Kraftentfaltung zu stellen, durch Massagen und Lagerungen, zum anderen bringt die aktive Bewegungstherapie das so wichtige dynamische Moment ins Spiel, mit dem die Muskeln an Kraft zunehmen; ihre Innervation wird gebahnt (S. 153). Aktivität übt auch die Koordination und verbessert die Ausdauer. Sie schult gegebenenfalls auch Ersatzbewegungen und stellt die Bewegungsausmaße wieder her. Die thermischen Reize nehmen Einfluß auf die Durchblutung der Bewegungsorgane, den Stoffwechsel und auf den Tonus der Muskeln. So unterstützen bzw. erleichtern sie bewegungstherapeutische Aktivitäten. Die Wärme wird mit hydrotherapeutischen Anwendungen lokal entzogen oder zugeführt, in Teil- und Vollbädern großflächig gegeben. In Bädern kommen wiederum auch mechanische Kräfte, der Auftrieb und der hydrostatische Druck, zur Geltung. In Gestalt von Packungen, Wickeln, Bädern, Heißluft, Dampf oder Infrarotstrahlen verabreicht, dringt die Wärme von der Oberfläche des Körpers ein; als Hochfrequenzwärme wird ihre Tiefenwirkung geschätzt. Niederfrequente elektrische Dauerreize und Impulse bringen die Muskeln — sofern ihre eigene Stärke nicht ausreicht — in Aktion und regen deren Durchblutung und Stoffwechsel an. Diese vielfältigen therapeutischen Möglichkeiten physikalischer Natur, die sich bei Störungen an den Bewegungssystemen ergeben, sind nur selten spezifisch ur-

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sächlich wirksam (A). Sie wirken fast ausschließlich symptomatisch gezielt (B), indem sie Verspannungen lockern und lösen und damit Schmerzen lindern, Gelenke mobilisieren, entkräftete, atonische Muskeln tonisieren und hypertone Muskeln geschmeidiger machen. Dies alles ist Voraussetzung für die wichtigen symptomatisch wirksamen Maßnahmen, die koordinierende und kräftigende aktive Bewegungstherapie. Hier sind vor allem die Übungsbehandlungen die vorherrschenden Verfahren zur Behandlung von Bewegungsstörungen. Daneben haben die physikalisch-therapeutischen Methoden auch allgemein-unspezifische Wirkungen (C), die in erster Linie bei den entzündlichen Erkrankungen der Bewegungsorgane zum Erfolg führen. Physikalisch-therapeutische Methoden können auch schon bei gegebenem ätiologischem oder pathogenetischem Anlaß behindernde Störungen verhüten oder Verschlimmerungen und Rezidiven vorbeugen. Die folgenden Behandlungsempfehlungen zu den einzelnen Krankheitsbildern enthalten jeweils im Rahmen des Gliederungsschemas auch zu nicht physikalischen, meist medikamentösen Verordnungen kurze Hinweise, da die medikamentöse Linderung von Beschwerden und die physikalische Wiederherstellung funktioneller Vorgänge sich nicht immer ergänzen, sondern gelegentlich auch gegenseitig hemmen. Die Behandlung jeder Bewegungsstörung stellt eine Einheit dar, in die sich die physikalisch-therapeutischen Methoden einfügen. Die Zahl der Krankheiten, die Behinderungen der Bewegungsfunktion mit sich bringen, ist groß. Ihre Erforschung und Beschreibung obliegt den Fachgebieten der Inneren Medizin (entzündliche und degenerative Prozesse), der Orthopädie (Störungen der Gelenkfunktion, Osteopathien) und der Neurologie (Neuropathien, Myopathien). In der folgenden Darstellung wird nicht von der Ätiologie bzw. von dem Ort der morphologischen Störung der einzelnen Krankheit ausgegangen, da es nicht immer möglich ist, einzelne Symptome diesem oder jenem Fachgebiet zuzuordnen, sondern von den Behandlungsverfahren und -methoden. Aus der etwas willkürlichen Einteilung ergibt sich eine gewisse Ordnung, indem zunächst die Störungen an den Gelenken, dann die nervalen Syndrome und schließlich die myopathischen Mängel dargestellt werden. Die Erkrankungen der Wirbelsäule bzw. die von ihr ausgehenden, stets schmerzhaften Symptome, werden in einem Kapitel zusammengefaßt (S.771), weil die Wirbelsäule in ihrer zweifachen Funktion, mit knöchernen, gelenkigen Verbindungen die aufrechte Haltung und viele Bewegungen zu ermöglichen, zum anderen das Rückenmark zu schützen und in jedem Segment durch verhältnismäßig enge Foramina Nerven in die Peripherie zu entlassen, als eigenständiges Organ gesehen werden muß.

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5.2 Rheumatische Bewegungsstörungen Bei Erkrankungen der Gelenke stehen die rheumatischen Veränderungen nach Anzahl und sozialmedizinischer Bedeutung an erster Stelle. Alle rheumatischen Prozesse haben gemeinsam, daß sie Schmerzen bereiten und die Bewegungen behindern. Nicht nur die Extremitätengelenke, sondern auch die Gelenke der Wirbelsäule (S.771) und manche Muskeln wie auch bindegewebige Weichteile, sind häufig Brennpunkte rheumatischer Beschwerden. Die verschiedenen rheumatischen Bilder sind ätiologisch-pathogenetisch nicht einheitlich, es empfiehlt sich deshalb, sie nach ihrem Verlauf und ihrer Lokalisation getrennt zu besprechen. Der Begriff „Rheumatismus" ist vieldeutig und klinisch nicht exakt zu definieren. Daher gibt es auch noch immer keine international einheitliche Klassifizierung der rheumatischen Erkrankungen. Für die physikalisch-therapeutischen Belange, die hier dargestellt werden, reicht eine schematische Einteilung aus, in der die rheumatisch-entzündlichen und die degenerativen „rheumatischen" Störungen der Wirbelsäule zunächst nicht aufgeführt sind, weil die Wirbelsäulenleiden in einem anderen Kapitel behandelt werden. Im folgenden wird auch nicht auf die Frage eingegangen, ob man schmerzhafte Bewegungsstörungen, die ihre Behinderung in erkrankten Gelenken und in den Muskeln und Sehnen haben, unabhängig von Ätiologie und Pathogenese „rheumatisch" nennen soll oder nicht. Die folgende, zweifellos unvollständige Einteilung will die Übersicht vereinfachen und bezieht deshalb, entsprechend der sehr weitgefaßten Klassifikation der Internationalen Liga gegen den Rheumatismus, auch die degenerativen Prozesse und selbst die Gicht mit ein [508]. Um die Zweifel anzudeuten, die hier bei einer Zuordnung zum „Rheumatismus" aufkommen, wird das entsprechende Adjektiv jeweils mit Anführungszeichen versehen. Einteilung der rheumatischen Erkrankungen 1. Entzündlicher Rheumatismus: - akuter Rheumatismus (Rheumatisches Fieber) - chronischer Rheumatismus der Gelenke (pcP) - seltenere gelenkrheumatische Syndrome 2. Extraartikulärer Rheumatismus oder Weichteilrheumatismus 3. Degenerativer Rheumatismus: - Arthrosen 4. Stoffwechselstörung mit „rheumatischen" Symptomen (Gicht) 5. Kollagenosen (Erythematodes, Arteriitis nodosa, Dermatomyositis, Sklerodermie) Angesichts dieses stark vereinfachten Schemas muß nochmals darauf hingewiesen werden, daß aufgrund der sehr unterschiedlichen pathophysiologischen Ereignisse viel differenziertere Klassifikationen notwendig sind, wenn das große Gebiet der rheumatischen Erkrankungen vollständig erfaßt werden soll. Hier kann auf

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die Klassifikation der deutschen Gesellschaft für Rheumatologie [649] verwiesen werden. Der entzündliche Rheumatismus ist eine immunologische Reaktionskrankheit auf dem Boden infektiöser oder infektiös-toxischer Reize bei oder nach einer Infektion mit beta-hämolysierenden Streptokokken der serologischen Gruppe A. Sie wirken als Antigene, es bilden sich Antikörper, der Organismus wird sensibilisiert, er reagiert „rheumatisch", d. h. mit einer hyperergischen Entzündung. Dieses Ereignis tritt aber offenbar nur dann ein, wenn zu der Antikörperbildung noch weitere, disponierende oder auslösende Faktoren hinzukommen. Aus dieser Situation erwachsen dem Arzt eine Fülle von therapeutischen Aufgaben. Dabei sollten vor allem folgende Behandlungsziele angestrebt werden: - Ausschaltung des primär infektiösen Geschehens, das die Zweitkrankheit „Rheumatismus" provoziert, durch spezifisch-ursächliche Behandlungsmethoden (A); dies gilt im wesentlichen für den akuten Rheumatismus; - gezielte Hemmung der Symptome der rheumatischen Entzündung (B), Erhaltung bzw. Wiederherstellung der Gelenkfunktionen; dies gilt für die chronischen Formen der rheumatischen Gelenkerkrankungen; - Verbesserung der disponierenden Abwehrschwäche (S.617) durch allgemeinunspezifische Maßnahmen (C); - die Durchsetzung der Rezidivprophylaxe medikamentöser Art beim akuten Rheumatismus, der entzündungshemmenden und funktionserhaltenden Aktivitäten beim chronischen Rheumatismus und der präventiven Verordnungen physikalischer Natur (D) bei allen Formen als Langzeittherapie.

5.2.1 Akuter Rheumatismus, rheumatisches Fieber Bei der häufigsten Form des Rheumatismus, dem akuten rheumatischen Fieber, laufen nach einer entsprechenden Infektion, insbesondere bei Jugendlichen im Schulkindalter, selten bei Erwachsenen, entzündliche Prozesse ab, die mit einer fibrinoiden Verquellung der kollagenen Fibrillen einhergehen und besonders ausgeprägt am Gefäßbindegewebe in der Umgebung der Gelenke vorkommen. Dabei entsteht das klinische Bild einer hochakuten Polyarthritis. Charakteristisch allein für das rheumatische Fieber ist die sehr häufige Komplikation einer entzündlichen Mitreaktion des Herzens (Karditis). An der Haut (Erythema nodosum, Purpura rheumatica), selten im Corpus striatum (Chorea minor), gelegentlich auch an Pleura und Niere, kann sich ein akut rheumatisches Geschehen mit spezifischen Entzündungsreaktionen ebenfalls manifestieren. Hinsichtlich der Gelenksymptomatik ist die sogenannte Begleitarthritis - nicht zu verwechseln mit der Infektarthritis, der eine metastatische Keimverschleppung in ein Gelenk zugrunde liegt — eine dem rheumatischen Fieber vergleichbare Sonderform der rheumatischen Erkrankungen. Sie zeigt, wie die Polyarthritis, hyperergische Reaktionen mit schmerzhaften Gelenkschwellungen. Sie klingen bald wieder ab, die Gelenke werden nicht dauerhaft geschädigt.

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Ursächlich für eine Begleitarthritis sind Infektionen mit Bakterien, Viren, Rikettsien und anderen Erregern (Scharlach, Typhus, Ruhr, Tuberkulose, Brucellosen, Hepatitis infectiosa u. a.). Post- oder parainfektiös manifestieren sich AntigenAntikörperreaktionen an mehreren Gelenken, ohne daß Erreger sich ansiedeln. Die so rheumatisch reagierenden Gelenke werden behandelt wie das rheumatische Fieber, sofern die Grundkrankheit nicht ein anderes Konzept erfordert. Oft lösen Kälte- und Nässeschäden das rheumatische Fieber aus; präventive Maßnahmen der Schonung nach Infekten und die Dispositionsprophylaxe bei jungen Menschen finden hier eine Begründung. Übersicht über die Behandlungsvorschläge Kausale Therapie (A) Medikamentös: Streptokokkeninfektionen antibiotisch ausschalten. Rezidivprophylaxe über Jahre verhütet die Ursache der Komplikationen Symptomatisch-gezielte Behandlungen (B) Medikamentös: Antirheumatika, Steroide Physikalisch-therapeutisch: Meist nicht erforderlich, sonst wie beim chronischen Gelenkrheumatismus Allgemein-unspezifische (C) und vorbeugende (D) Maßnahmen Bei hohem Fieber temperatursenkende Hydrotherapie. Bei langdauernder Bettruhe vorbeugende Kreislaufanregung Dispositionsprophylaxe: Hydrotherapie, Klimatherapie Erläuterungen zu A bis D Kausale Therapie (A) Ein spezifisch-ursächlich gegen den Rheumatismus schlechthin wirksames Medikament gibt es nicht. Als bedingt ursächlich kann man aber die Behandlungen interpretieren, die mit Penizillin konsequent jede Streptokokkeninfektion ausschalten und so die bedingende Ursache des rheumatischen Fiebers nicht aufkommen lassen. Dies gilt für die Tonsillitis, Pharyngitis oder andere Streptokokkeninfekte. In allen Fällen des akuten rheumatischen Geschehens ist Penizillin oder ein im Antibiogramm ausgetestetes anderes Antibiotikum unerläßlich.

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Anschließend darf eine langfristige antibiotische Rezidivprophylaxe nicht unterbleiben, auch nicht, wenn die Symptomatik schnell und scheinbar folgenlos abklingt. Fünf Jahre ist die Mindestdauer, bis zum 18. Lebensjahr wird sie empfohlen. Ziel der Prophylaxe ist es, ursächlich die sehr häufigen karditischen Komplikationen (60-70%), die Myokarditis, Endokarditis, Perikarditis, von vornherein nicht aufkommen zu lassen, deren erneutes Aufflackern immer dann droht, wenn ein neuer, an sich banaler Infekt besteht. Symptomatisch-gezielte Behandlungen (B) Symptomatisch zielende Behandlungen sind in erster Linie auf die Gelenke gerichtet. Akute, sehr schmerzhafte Gelenkschwellungen, die die Beweglichkeit einschränken, oft sogar ausschließen, sprechen auf Antirheumatika der Salizyl- oder Pyrazolonreihe gut an. Als sehr wirksames Antiphlogistikum sind hier auch hoch dosiert gegebene Kortikosteroide indiziert, z. B. 25-50 mg Prednisolon täglich. Sie beschleunigen die Heilung und haben, werden sie bald ausschleichend abgesetzt, keine Nebenwirkungen. Unter einer intensiven antirheumatischen Arzneiverordnung verschwinden die Gelenksymptome außergewöhnlich schnell, schon nach Stunden. Man benötigt deshalb bei diesem Krankheitsverlauf kaum physikalisch-therapeutische Hilfen. Auch äußere Anwendungen wie wärmeentziehende, kalte Umschläge, Eisbeutel oder dergleichen, die beim chronischen Rheumatismus an akut entzündeten Gelenken so wohltuend lindern, sind bei der symptomatischen Wirksamkeit der medikamentösen Therapie beim rheumatischen Fieber nur selten notwendig. Da bleibende Gelenkschäden bei diesem akuten Rheumatismus im Gegensatz zur chronischen — auch juvenilen — Arthritis nicht vorkommen, sind auch bewegungstherapeutische Maßnahmen entbehrlich. Bestimmte bequeme Lagerungen, z. B. Unterlagen der Kniegelenke mit einer Rolle, tragen zur Schmerzlinderung bei (vgl. dazu aber Bewegungstherapie bei chronischer Polyarthritis, S. 752). Allgemein-unspezifische (C) und vorbeugende (D) Maßnahmen Allgemein unspezifisch wirkende Verfahren sind bei der akuten Verlaufsform selbstverständlich, indem der Arzt, aufgrund der Gefährdung durch Herzkomplikationen, strenge Bettruhe verordnet. Während des Fiebers sind fiebersenkende Behandlungen hydrotherapeutischer Art im Bett recht angenehm. Sie werden als kalte Wadenwickel und Waschungen (S. 272) gegeben. Zuweilen muß der Kranke, nachdem das akute Stadium abgeklungen ist, wegen einer schwelenden karditischen Komplikation über Wochen das Bett hüten, auch wenn er subjektiv beschwerdefrei ist. Jetzt sind vorbeugende Maßnahmen bewegungstherapeutischer Art angezeigt, wie sie z.B. bei der Myokarditis empfohlen wurden (S.692). Nachdem das infektiös-toxische Geschehen völlig abgeklungen ist, sollte eine Dispositionsprophylaxe mit hydrotherapeutischer Abhärtung durch Kneipptherapie, Licht- und Luftbäder betrieben, gegebenenfalls auch Klimareize des Mittelgebirges oder einer reizmilden Meeresküste verordnet werden.

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Solche vorsorgenden Maßnahmen setzen aber voraus, daß Arzt und Patient auch bei Wohlbefinden die medikamentöse Prophylaxe weiterführen. Außerdem müssen die Kranken mindestens zwei Monate lang fieberfrei gewesen sein. Die Blutkörperchensenkung und das C-reaktive Protein (akute Phase-Reaktionen) müssen wieder normale Werte aufweisen, bevor reaktionstherapeutische Aktivitäten gefordert werden dürfen. Die unter A schon erwähnte medikamentöse Rezidivprophylaxe gegen Streptokokkeninfektionen wird, insbesondere bei endokarditischen Komplikationen und bei hohem Antistreptolysin-Titer, über Jahre beibehalten, da jede neue Streptokokkeninfektion die Endokarditis wieder aufflackern läßt. Zu dieser Rezidivprophylaxe gehört gegebenenfalls auch eine präventive Tonsillektomie, da chronisch infizierte Tonsillen wieder zum Auslöser akuter Infekte werden können.

5.2.2 Chronischer Rheumatismus (Polyarthritis) Der chronische Rheumatismus wird im deutschsprachigen Schrifttum hier und da immer noch als „primär-chronische-Polyarthritis" (pcP) bezeichnet. Zutreffender liest man das „p" als „progredient" oder „progressiv". Das Wort „primär" hat seinen Sinn verloren, nachdem allgemein anerkannt ist, daß ein „sekundär" chronischer Verlauf, in dem ein akutes rheumatisches Fieber nicht ausheilt, sondern in eine chronische Polyarthritis übergeht, praktisch nicht vorkommt. Der Begriff „progredient" ist dagegen zutreffend, weil die in Schüben verlaufende Symptomatik über Jahre mit einer Tendenz forschreitet, durch die die Gelenke mehr und mehr zerstört werden bzw. durch die, da es sich um eine Systemkrankheit handelt, auch andere Organe zunehmend in Mitleidenschaft gezogen werden. Heute versteht man unter dem Begriff „chronische Polyarthritis" (cP) ein Geschehen, das mit dem akuten rheumatischen Fieber nichts zu tun hat. Immer häufiger wird für die chronische Polyarthritis die im englischen Sprachgebrauch übliche Bezeichnung „rheumatoide Arthritis" (rA) verwendet. Die Ursache der sehr häufigen chronischen Polyarthritis ist unbekannt. Deshalb gibt es auch keine ursächliche Therapie. Eine familiäre Disposition scheint aber als Mitursache zu bestehen. Sie liegt vermutlich in einer Abwehrschwäche, d. h. die Betroffenen sind stärker anfällig gegen Noxen unbekannter Art, die sich als Immunreaktionen an Gelenken und Gefäßen auswirken. Nässe und Kälte spielen dabei sicher eine Rolle. Die Immunreaktionen gehen mit einer granulomatösen, pannusbildenden (lat.: pannus=tuchartiger Überzug), hyperplastischen Synoviitis einher. Die Synovia bildet dabei als immunkompetentes Gewebe nicht etwa entzündliche Granulationen (S. 793), sondern stattdessen — das ist typisch — rheumatisch-aggressive Zellverbände, die in den Gelenkknorpel und weiter in die subchondralen Knochenzonen einbrechen und so das Gelenk langsam zerstören; auch periartikuläre Weichteile, z. B. Gelenkkapseln, Bänder und gelenknahe Sehnen, sind davon betroffen.

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Die Erkrankung beginnt fast immer an den Händen. Zunächst treiben symmetrisch die Fingermittel- und Grundgelenke, nicht die Gelenke der Endphalangen, spindelförmig auf. Selten nur beginnt das Leiden an anderen Gelenken. Im weiteren Verlauf stellen sich typische, für die cP charakteristische Gelenkveränderungen an den Händen, später auch an den größeren Gliedmaßendgelenken ein. Dies ist die Folge der ulzerös-destruierenden Prozesse an den Gelenkflächen. So geraten z. B. die Finger in eine Subluxation mit ulnarer Deviation in den zerstörten Grundgelenken, da als Folge von entzündungsbedingten Kapselrissen die Sehnen aus ihrer achsengerechten Position abgleiten. Auch bei den Metakarpalgelenken stellen sich diese Veränderungen ein; so bildet sich häufig eine sogenannte Bajonettstellung, d. h. Radius und Ulna sind gegenüber dem Handgelenk nach dorsal verschoben. Die Musculi interossei atrophieren. Die Schultergelenke neigen zu Adduktionskontrakturen, die Ellenbogengelenke versteifen meistens in Beugepronationsstellung. Die keulenförmig aufgetriebenen Kniegelenke zeigen ebenfalls Subluxationen mit leichter, fibularer Deviation, die Unterschenkelmuskulatur wird auffallend atrophisch. An den Sprunggelenken sind Kontrakturen sehr häufig, sie versteifen — ohne Behandlung — in Spitzfußstellung. Als Endstadium der Krankheit versteifen und ankylosieren die Gelenke vollständig, die Krankheit ist an dieser Stelle „ausgebrannt". Die Ankylose entsteht aber meist mehr durch den Nichtgebrauch der Gelenke als durch rheumatische Einwirkung. Durch intensive Bewegungsbehandlungen bewahrt man den Rheumatiker vor der unnötigen vollständigen Unbeweglichkeit. Röntgenologisch zeigt sich dieser Verlauf an typischen Bildern. Der physikalische Therapeut muß sie kennen, um die Belastbarkeit der Gelenke einschätzen zu können. Zunächst sind in der Frühphase der Erkrankung, um die Mittelgelenke der Finger, nur die spindelförmigen, periartikulären Weichteilverdichtungen zu sehen. Erst nach Wochen oder Monaten zeigen sich im Röntgenbild an allen befallenen Gelenken subchondrale Osteoporosen, die Gelenkspalten sind jetzt auch schmäler geworden. Die Erosionen an den Gelenkflächen mit subchondralem Knochenabbau treten als morphologisches Substrat des klinischen Bildes immer deutlicher hervor, Serienaufnahmen zeigen zunehmend Knochenusuren, Zysten und immer weitere Destruktionen durch Knocheneinbrüche, bis schließlich knöcherne Ankylosen und sekundär-arthrotische Veränderungen als Endstadium der Krankheit im Röntgenbild sichtbar werden. Bei der Planung eines Behandlungskonzepts kommt es darauf an, die Schmerzen zu stillen, den rheumatischen Prozeß zu hemmen bzw. zum Stillstand zu bringen, die Bewegungsfunktionen so weit wie möglich zu erhalten, die Fehlstellungen zu korrigieren und die Funktionseinbußen zu kompensieren. In den Therapieplänen steht zunächst die Eindämmung der Schmerzen an erster Stelle. Die Tabelle 32 (modifiziert nach [444]), zeigt die Folgen der Schmerzen und die therapeutischen Erfordernisse.

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Tabelle 32 Der Schmerz in der Pathogenese von Funktionsverlusten am Bewegungsapparat, therapeutische Erfordernisse Therapie

Symptom

Therapie

Für alle Symptome: Lagerung Thermotherapie Bewegung Bäder

I Schmerz I

analgetischer und antiphlogistischer Anteil der Antirheumatika

/

\

Bewegungsverlust

t Dehnlagerung Dehnbewegung

Gelenkkontraktur

Dehnübungen orthopädische Versorgung

Gelenkkapselschrumpfung

Bewegungshemmung 1 Schonhaltung

krankengymnastische Bewegungsanforderungen krankengymnastische Haltungskorrektur

t Fehlhaltung

t Tendopathie

krankengymnastische Haltungskorrektur

1 Koordinationsverlust Muskelatrophie

Bewegungsübungen

Kraftübungen

Das zerstörende Element der Krankheit läßt sich allein medikamentös eindämmen; die symptomatischen Begleiterscheinungen sprechen auch auf gezielte physikalisch-therapeutische Hilfen an. Die Tabelle 33 gibt eine Übersicht. Das Behandlungskonzept ist stets eine Kombination von medikamentöser Linderung bzw. Hemmung und physikalisch-therapeutischer Linderung und Funktionsverbesserung. Medikamentöse und physikalisch-therapeutische Behandlung ergänzen sich und müssen in den meisten Fällen, da die Krankheit jahrzehntelang anhält, gleichzeitig und über lange Zeit angewendet werden, bis die Krankheit endgültig erloschen ist. Nur so gelingt es, dieses eminent chronische Leiden einigermaßen erträglich zu machen. Übersicht über die Behandlungsvorschläge Kausale Therapie (A) Eine ursächliche Therapie gibt es nicht

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Tabelle 33 Übersicht zur kombinierten Behandlung rheumatischer Gelenke Therapie

Symptom

Therapie

Gelenkzerstörende Immunreaktion

Basismittel Immunosuppressiva

Begleitsymptome: Kryotherapie

Schwellung, entzündliche Reizung der Gelenkflächen 1 Bewegungsschmerz

Massagen, Bewegung, Wärme, Lagerungen Wärme Elektrotherapie

Antiphlogistika Steroide

Vgl. Tabelle 32

I reflektorische Muskelverspannung 1 mangelhafte Durchblutung der Muskeln

Symptomatisch-gezielte Behandlungen (B) Medikamentös: Basistherapeutika, symptomatische Antirheumatika, Steroide, Immunosuppressiva Physikalisch-therapeutisch: Krankengymnastik: Umlagerungen, Dehnungen, passives Durchbewegen, aktive Bewegungsübungen, Bewegungsbäder, ggf. Kontrakturbehandlung, Beschäftigungstherapie Massagen: Vorsichtige, lockernde Techniken zur Erleichterung der Muskelfunktion, Bindegewebsmassagen Hydro-Thermotherapie: Bei akut-entzündlichen Schüben lokale Kältbehandlung, bei inaktiven Prozessen Wärme auf Gelenke und Muskeln, warme, nicht heiße Bäder Elektrotherapie: Gezielte Erwärmung von Gelenken und Muskeln mit Hochfrequenztechniken; hyperämisierende, schmerzlinderne Galvanisation; Iontophorese mit analgetisch, antiphlogistisch und hyperämisierend wirkenden Substanzen Ultraschalltherapie: Thermische Effekte und Vibrationseffekte

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Allgemein-unspezifische (C) und vorbeugende (D) Maßnahmen Badekuren Erläuterungen zu A bis D Kausale Therapie (A) Eine ursächliche Behandlung der chronischen Polyarthritis gibt es nicht, wenngleich in leichten Fällen die Pharmaka die rheumatische Erkrankung unterdrükken können. Die in früheren Jahren als verursachend angesehene Fokaltoxikose, als deren Folge die chronische Polyarthritis angesehen wurde, hat seinerzeit eine Welle radikaler Herdsanierungen ohne Erfolg ausgelöst [423]. Einer ursächlichen Behandlung kommt die Synovektomie nahe. Sie muß aber frühzeitig erfolgen und empfiehlt sich, wenn die schon stark geschwollenen Gelenke radiologisch noch intakt sind, die medikamentöse antirheumatische Behandlung aber nicht anschlägt. Symptomatisch-gezielte Behandlungen (B) Die symptomatischen Erleichterungen mit Medikamenten und physikalischen Hilfen bestimmen bei der chronischen Polyarthritis das Behandlungskonzept. Das Ziel, den Schmerz zu lindern und das entzündliche Geschehen zu hemmen, erreicht man nicht ohne eine Reihe bewährter Medikamente. Da eine Behandlungsart allein — chemisch oder physikalisch — nicht optimal sein kann und jede von der anderen abhängt, muß hier kurz auf die medikamentöse Therapie hingewiesen werden. Die sogenannten Basistherapeutika stehen den symptomatischen Antirheumatika gegenüber bzw. zur Seite, obwohl alle Medikamente, also auch die Basismittel, nur symptomatisch wirken. Antirheumatika im eigentlichen Sinne gibt es eben nicht [210], Eine andere, neuere Einteilung [394] unterscheidet zwischen Antirheumatika erster Wahl, deren Wirkung schnell eintritt, und solchen zweiter Wahl, das sind im wesentlichen die Basismittel, die erst nach längerem Gebrauch anschlagen, aber auch noch längere Zeit nachwirken, wenn man sie, ist die tolerable Gesamtdosis erreicht, absetzt. Der Arzt wählt die Mittel nach der Symptomatik und der Aggressivität des rheumatischen Prozesses aus und gibt sie nacheinander oder nebeneinander. Basistherapeutika sind diese Mittel zweiter Wahl insofern, als ihnen wenigstens eine gewisse spezifisch-antirheumatische Wirkung zugeschrieben wird; sie greifen also an der „Basis" an. Ihre Wirkungsmechanismen sind bis heute nicht ganz geklärt. Sie sind immer dann indiziert, wenn die Krankheit sich als progredient erweist. Zu den Basistherapeutika rechnet man die Goldsalze, das D-Penicillamin, die Antimalariamittel und die Immunosuppressiva. Die sogenannten symptomatischen Antirheumatika wirken nicht rheumaspezifisch. Sie lindern am Ort des Geschehens schnell die rheumatischen Schmerzen

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und hemmen rheumatische und nichtrheumatische Entzündungserscheinungen, haben aber keine antirheumatische Langzeitwirkung. Ihre Dosierung richtet sich danach, wie stark die Schmerzen sind. Verschiedene Substanzen bzw. Medikamentgruppen stehen zur Verfügung: Salicylate (Azetylsalizylsäure) und Pyrazolone sind symptomatische, nicht steroidale Antirheumatika; sie hemmen die Zyklo-Oxygenase, das Schlüsselenzym in der Biosynthese aller Prostaglandine, das wahrscheinlich bei der entzündlichen Reaktion der rheumatischen Arthritis vermehrt in den Zellen der Gelenkflächen entsteht. Die Salizylate und Pyrazolone wirken gut antiphlogistisch und analgetisch, der Kranke empfindet bald Linderung. Die Arzneien müssen ausreichend hoch dosiert werden, damit sie optimal wirken. Andererseits gilt aber die Richtlinie, so zurückhaltend dosieren, daß schädliche Nebenwirkungen nicht aufkommen. Von Salicylaten gibt man 3-6 g täglich, Pyrazolone 200-600 mg. Es gibt eine große Zahl ähnlich wirkender Stoffe, z. B. das Phenylbutazin, Indometacin, Ibuprofen, Flufenaminsäure und andere. Zum Teil werden sie als Kombinationspräparate angeboten. Alle Substanzen haben unerwünschte Nebenwirkungen, die gegebenenfalls dazu zwingen, die Dosis zu verkleinern oder das Mittel zu wechseln. Sehr bedeutsam für die Bewegungstherapie ist die gute schmerzlindernde Wirkung dieser Mittel. Die Kranken bewegen spontan ihre Gelenke, sie verfallen nicht in den gefährlichen, zu Versteifung führenden Bewegungsmangel und machen auch die gezielten Bewegungsübungen gerne mit, wenn diese unter dem Schutz der analgetischen Komponente keine Schmerzen mit sich bringen. Beseitigen sie die Schmerzen nicht ganz, dann wird aber immerhin das Bewegungsausmaß in den Gelenken größer, ehe die Schmerzgrenze erreicht ist. Eine neuartige Substanz ist das Piroxicam. Es bietet den Vorteil, daß eine Einzeldosis von 20 mg/Tag genügt. Soweit bisher bekannt, treten auch mit der Langzeitgabe keine ernsten Nebenwirkungen auf. Kortikosteroide bereichern das Angebot an symptomatischen Antirheumatika. Sie haben eine hohe, entzündungshemmende Potenz und lindern kurzfristig und unvergleichlich gut die Schmerzen und damit auch die Bewegungsbehinderungen. Sie helfen nur kurzdauernd und der Kranke braucht sie deshalb, solange sie indiziert sind, täglich (eine Gesamtdosis am frühen Morgen). Bei längerem Gebrauch stellen sich stets schwere Schäden ein; z. B. Osteoporose, Resistenzschwäche gegen Tuberkulose und auch banalere Infektionen, ferner Magen- und Darmulzera, Komplikationen am Auge, ein Steroiddiabetes, das Cushing-Syndrom, psychische Veränderungen, Wasserretention, das Bild des Hyperkortizismus. Deshalb sollten Steroide nur streng indiziert, etwa um einen akuten Schub zu überbrücken oder eine extraartikuläre Komplikation zu beherrschen, eingesetzt werden. Der Arzt gibt die Steroide stoßweise, z.B. täglich 40-80mg Prednisolon oder eine entsprechende Äquivalenzdosis eines anderen Präparates, wobei zu beachten ist, daß die Cushingschwellendosis in der Langzeitherapie für Prednisolon beispielsweise bei ca. 10 mg liegt. Deshalb geht man nach 5-7 Tagen stufenweise zurück, alle drei Tage um 2,5 oder 5 mg. Bei längerer Gabe sollte die

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Tagesdosis von 7,5 mg Prednisolon-Äquivalent nicht überschritten werden. Auch bei den lokalen, intraartikulären Injektionen, die oft sehr nützlich sind, sollte man sich auf wenige Einzelgaben beschränken. Gibt man gleichzeitig andere, nicht steroidale, symptomatische Antirheumatika hinzu, genügt oft eine geringe Steroiddosis. Liegt nach längerem Gebrauch eine Steroidosteoporose vor, dann ist in der Bewegungstherapie besondere Vorsicht geboten, da Spotanfrakturen hier nicht selten sind (S.110). Goldsalze sind das wichtigste Basistherapeutikum. Sie werden aber unverständlicherweise zu wenig genutzt [686]. Der Wirkungsmechanismus ist nicht sicher geklärt. Werden die Goldsalze sorgfältig, d. h. der Reaktionslage der Patienten angepaßt dosiert, und gelingt es, die bedenklichen Nebenwirkungen, z. B. Störung der Hämatopoese, Nieren-, Leber- und Darmschäden, zu vermeiden, dann gelten die Goldsalze als das erfolgreichste Medikament, das Schübe abfängt und Rezidive verzögert, nicht aber bereits eingetretene entzündliche Schübe akut verbessert. Besonders in Frühstadien der Erkrankung sind Goldsalze indiziert, um destruierende Gelenkschäden abzuwenden. Erfolge, wie auch subjektive Milderung, bahnen sich allerdings erst nach 2-3 Monaten an. Kombinationen mit den symptomatischen Arzneien sind deshalb in der Anfangszeit erforderlich. Man dosiert, wenn das Mittel gut vertragen wird, etwa 5-10 mg (der Goldsalzgehalt verschiedener Präparate ist nicht gleich) zweimal wöchentlich, von der 4. Woche an einmal 50 mg. Sind 1,5 Gramm erreicht, dann dehnt man die Abstände der Injektionen auf 2 - 4 Wochen aus. Die Gesamtdauer der „Goldkur" richtet sich nach der klinischen Wirksamkeit und der Verträglichkeit. Für eine Langzeitbehandlung werden 65 mg Goldsalz alle zwei Monate empfohlen [695]. D-Penicillamin ist, wie das Goldsalz, ein recht wirksames Basistherapeutikum für die chronische Polyarthritis. Es blockiert die Bildung von festem Kollagen aus löslichen Vorstufen und greift damit spezifisch, wenn auch nicht kausal, in den rheumatischen Prozeß an den Gelenken ein. Die Indikationen für D-Penicillamin entsprechen denen der Goldsalze. Besonders wirksam ist es auch bei schweren extraartikulären Formen mit Gefäßbeteiligung (Lupusangiopathien). Es wird langsam einschleichend dosiert, bis eine Erhaltungsdosis eingestellt ist, die gerade noch wirkt. Der volle Erfolg tritt, wie beim Gold, erst nach Wochen ein, die Langzeitdosierung sollte mehr als ein Jahr lang eingehalten werden. Nicht jeder Kranke verträgt das Mittel. Der Arzt achtet deshalb sorgfältig auf die Nebenwirkungen. Äußere Symptome allergischer Natur, Leuko- und Thrombozytopenien und ein pathogenetisch ungeklärtes, nephrotisches Syndrom, zwingen gegebenenfalls dazu, die Behandlung zu beenden oder zumindest die Dauermedikation zu unterbrechen. Die antirheumatische Wirksamkeit der Antimalariamittel (Chloroquin) ist immer noch fraglich, dennoch wird die Substanz viel verordnet. Sie bringt zumindest aber einen leichten antiphlogistischen Effekt. In der Regel gibt man täglich

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150 mg. Nebenwirkungen, Schwindel, Übelkeit, Akkomodationsstörungen, geben oft Anlaß zu anderen Verordnungen. Immunosuppressiva könnten in ihrer Wirkung als pathogenetisch kausal interpretiert werden, wenn man beim Rheumatismus die immunpathologischen Reaktionen als Krankheitsursache ansieht. Zur rechten Zeit verabreicht bringen sie eindrucksvolle Besserungen. Da diese Substanzen aber hochtoxisch sind, andererseits der chronische Rheumatismus sich über Jahre hinzieht, in denen eine Langzeitbehandlung zwingend ist, bleiben sie für Sonderfälle vorbehalten, z. B. für hochaktive Schübe, die mit Steroiden nicht mehr beherrscht werden. Die kurze Übersicht über die medikamentösen Angebote macht deutlich, daß der Arzt je nach Krankheitsphase und Aktivität des rheumatischen Prozesses eine Kombination verschiedener Mittel zur Verfügung hat, mit denen er das Behandlungskonzept individuell gestalten kann. Keines der Medikamente kann aber bereits eingetretene Funktionseinbußen bessern oder bei einer wegen starker Schmerzen notwendigen Ruhigstellung die Bewegungsfunktionen aufrecht erhalten. Dazu bedarf es der physikalisch-therapeutischen Aktivitäten. Diese aber müßten gleichermaßen unzulänglich bleiben, ließe man die vielseitigen medikamentösen Hilfen ungenutzt. Nicht viele Krankheiten erfordern ein so umfangreiches und komplexes Programm physikalisch-therapeutischer Verordnungen wie die chronische Polyarthritis. Es sind ausschließlich symptomatische Behandlungen mit gezielt lokal-therapeutischem Charakter [65, 66]. Die chronische Polyarthritis ist aber eine Allgemeinkrankheit, die mit Gewichtsverlust, Appetitmangel, Blutarmut, subfebrilen Temperaturen einhergeht und auch innere Organe befällt. Deshalb bringen auch unspezifische Heilmaßnahmen (C) therapeutische Erfolge, da sie die Kranken allgemein resistenter machen. Dies setzt allerdings voraus, daß alle Verordnungen lediglich ergänzende, nicht aber ersetzende Bestandteile eines konsequenten, umfassenden antirheumatischen Therapiekonzeptes sind. Krankengymnastik: Die krankengymnastischen Behandlungen stehen ohne Zweifel ganz im Vordergrund der physikalisch-therapeutischen Bemühungen. Eine Reihe von flankierenden Verordnungen, lokal gegebene Wärme oder Kälte, Hydrotherapie und Bewegungsbäder, Elektrotherapie mit wärmendem, analgesierendem, detonisierendem, hyperämisierendem Effekt, gegebenenfalls Massagen, unterstützen die über Jahre immer wieder notwendige krankengymnastische Bewegungstherapie. Sie muß sehr zielstrebig geplant und ausgerichtet sein. Der Arzt informiert die Krankengymnastin über die Aktivität der Krankheit, achtet auf einen neuen Schub (entzündliches Aufflackern), beurteilt aufgrund des Röntgenbildes die Belastbarkeit der Gelenke und auch die kardio-pulmonale Leistungsfähigkeit (rheumatische Karditis). Dabei ist auch an eine Beteiligung der Halswirbelsäule (vgl. Dentopathie, S.754) zu denken. Die krankengymnastische Bewegungstherapie verfolgt stets zugleich kurative und präventive Ziele. Dabei sind die passiven Lagerungen und Bewegungen, die

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Dehnungen einschließlich der Kontrakturbehandlung und die aktiven Bewegungen in allen Gelenken gleichermaßen unentbehrlich. Die Lagerungen wirken den Fehlstellungen und Kontrakturen entgegen. Der Rheumatiker liegt viel, solange das Leiden mit akuten Schübel progredient verläuft. Die Kranken liegen meist sehr ruhig, da jede Bewegung schmerzt. Sie bleiben leicht zu lange in einer für sie erträglichen, aber oft ungünstigen Lage. Die Ruhelage des Körpers und der Extremitäten sollte daher zweckmäßig auf die zu erhaltende Bewegungsfunktion abgestellt werden. Erstes Ziel jeder Lagerung ist die Entspannung der Muskeln. Die Muskeln der Beugeseiten sind meist hyperton verkürzt. Es sind echte Reflexkontrakturen, da von den sensiblen Rezeptoren der gereizten Gelenke zuviel Impulse ausgehen. Die Kranken neigen dazu, willkürlich Haltungen einzunehmen, die ihnen bequem sind, die Muskeln aber nicht entspannen. Auf die Dauer leisten sie den gefürchteten Beugekontrakturen Vorschub. Der Arzt muß den Kranken verständlich machen, daß Notwendiges dem Angenehmen gegenüber Vorrang hat. Bei jeder Ruhigstellung denken Arzt, Pflegerin und Behandler und auch der Patient daran, daß diese, wo immer sie notwendig ist, möglichst kurzdauernd sein soll, weil die schädlichen Folgen der Inaktivität an Gelenken und ihren Antriebsmechanismen, der Kraftverlust, die Atrophie, Schrumpfungen der Weichteile, Verlötung von Gelenkflächen, viel schneller eintreten, als die therapeutischen Aktivitäten sie wieder beheben können. Die Ruhelagerungen, die möglichst schmerzfrei sein sollten, muß der Behandler so auswählen, daß jedes Gelenk der physiologischen Gebrauchsstellung entspricht und der typischen Kontraktur entgegengesetzt zur Ruhe kommt [525]. Nicht jede dem Patienten angenehme Lage ist vertretbar. So ist z. B. die geschätzte Knierolle absolut kontraindiziert; sie führt am häufigsten zur Beugekontraktur. Nachts und gegebenenfalls auch am Tage beschwert man die Kniegelenke mit Sandsäcken, damit die Kranken nicht unwillkürlich die Beine anbeugen und so in einer Haltung einschlafen, die der Beugekontraktur Vorschub leistet. Die Sprunggelenke sind gleichfalls besonders gefährdet, sie verfallen einer Spitzfußstellung, wenn nicht ein Kistchen am Fußende des Bettes sie dauernd in rechtwinkliger Stellung hält. Notfalls leisten hier entsprechende Nachtschienen gute Dienste. Sie verhindern dazu noch die ungünstige Außenrotation. Die Beugekontraktur der Hüftgelenke, die leicht entsteht, wenn die bettlägerigen Rheumatiker tagsüber mit aufgerichtetem Oberkörper halbsitzend, mit gebeugten Knien das Bett hüten, wird oft zu spät erkannt. Die Gewöhnung an solche unbedachten Lagen macht die Kranken bald steh- und gehunfähig. Für die oberen Extremitäten gilt in Ruhelagen, besonders für die Nacht, daß die Schultergelenke in leichter Abduktionsstellung und Innenrotation liegen und die Handgelenke im Nachtschlaf gegebenenfalls durch eine abnehmbare, volare Schiene in leichter Dorsalflexion und geringer Beugehaltung der Finger fixiert bleiben.

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Die Halswirbelsäule, an der nur die gelenkigen Verbindungen der ersten beiden Wirbel von dem rheumatischen Prozeß betroffen sind, muß auf einem flachen, harten Kissen ruhen, das erlaubt, den Kopf zu heben und seitlich zu drehen, fixierte Fehlhaltungen aber nicht aufkommen läßt. Auch der Rücken, genauer, die Brust- und Lendenwirbelsäule, deren kleine Wirbelgelenke zwar von der chronischen Polyarthritis verschont bleiben, liegt besser auf einer harten, etwas nachgebenden Matratze, die sich den Rundungen des Körpers anpaßt, in der Längsachse aber nicht durchhängt. So entspannen sich die Rückenmuskeln, und die Hüftgelenke nehmen eine Streckstellung an. Wurden die Kranken, die in jedem akuten Schub der besonderen krankengymnastischen Fürsorge bedürfen, umgelagert und passiv durchbewegt, dann verhärten sich die Muskeln in der neuen Ruhelage bald wieder. Dies zeigt sich besonders nach der langen Nachtruhe, in der sich die für die Krankheit so charakteristische Morgensteife einstellt. Die immer wieder notwendigen pasiven Bewegungen erfordern zuweilen bessere Ausgangspositionen, als sie die bequemere Nachtlagerung bietet. Gegebenenfalls sind am Morgen dehnende Umlagerungen nötig, aus denen heraus dem Kranken alle funktionell wichtigen Ausschläge eines Bewegungskomplexes wieder leichter fallen und die auch den notwendigen Bewegungsspielraum nach beiden Richtungen freigeben. Sollte aber eine Ankylosierung wegen zu schwerer Zerstörungen wünschenswert sein, dann bringt der Arzt das Gelenk in eine Ruhelage, die der Extremität funktionell noch einen, wenn auch eingeschränkten Gebrauchswert sichert. Praktisch erreicht man dies, indem man die Fußgelenke in rechtwinklige Stellung, die Hüftgelenke in Streckstellung, die Kniegelenke in ganz leichte Beugung, die Ellenbogengelenke in mittlere Beugung und die Hand in eine Mittelstellung zwischen Pro- und Suppination bringt. Jeder erfahrene Orthopäde gibt hier entsprechende Empfehlungen. Mit Dehnungen bekämpft die Krankengymnastin erfolgreich die Neigung zu bindegewebiger Schrumpfung. Das Ziel des passiven Durchbewegens liegt darin, alle zum Gelenk gehörenden Gewebe geschmeidig zu halten, auch die untätigen Muskeln besser zu durchbluten und die überdehnten Muskeln an der Streckseite einer sich anbahnenden, aber eben zu verhütenden Kontraktur zu entlasten. Die Techniken der Dehnung sind passiver und aktiver Natur. Im Vordergrund der Bewegungstherapie stehen zunächst die Weichteile des Bewegungsapparates [78], Unter Passivität des Patienten — sofern dies schmerzlos geht — schüttelt die Krankengymnastin locker den zu dehnenden Gliedabschnitt etwa zwei- bis viermal pro Sekunde. Nach 5-15 Minuten wird in der Regel eine gewisse Entspannung fühlbar, die nicht allein in den bindegewebigen Anteilen, sondern auch — das ist hier das Entscheidende — in den Muskeln liegt, die in der Umgebung bindegewebiger Schrumpfungen stets hypertonisch sind und die Kontrakturen anbahnen. Passiv erdulden die Patienten auch die kräftigeren Dehnungen, die die Krankengymnastin bei schon vorhandenen Kontrakturen vornimmt.

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Aktiv dehnt der Patient, meist unbewußt, antagonistische Muskeln, wenn er sich auf Bewegungen konzentriert, denen die Krankengymnastin einen leichten Widerstand entgegenhält. Passiv-aktiv sind die Dehnungen über Rollenzüge, bei denen der Patient rhythmisch-aktiv den Widerstand des Gewichtes über die Rolle überwindet und dann mehr passiv bis zur vollen Entspannung nachgibt. Schmerzen dürfen dabei nicht auftreten. Die Dehnungen mit den Rollenzügen wie auch die Quengelungen sind bei den Kontrakturbehandlungen unentbehrlich. Auch Bindegewebsmassagen, die mit einer dehnenden Technik vorgenommen werden, wirken der Neigung zur bindegewebigen Schrumpfung entgegen. Bewegungen — aktiv oder passiv — erhalten die Funktion der Gelenke aufrecht, so gut dies bei dem an den Gelenkflächen einsetzenden Verfall möglich ist. Die Muskeln, die nur wenig rheumatische Strukturveränderungen erleiden, entgehen unter den stets zuträglichen aktiven Bewegungen der Inaktivitätsatrophie, sie geben auch ihre hypertone Verspannung auf und die mit den Bewegungsansprüchen einsetzende vermehrte Durchblutung gleicht den Muskelstoffwechsel aus. Daraus ergeben sich die Ziele und Aufgaben der krankengymnastischen Bemühungen. Im akuten Geschehen übt die Krankengymnastin, solange die Bewegungen noch schmerzhaft sind, überwiegend passiv nur sehr sanfte Zug- und Druckkräfte aus. Auf jeden Fall muß sie aufflammende Reizzustände vermeiden. Wenn die symptomatischen Antirheumatika gut anschlagen, bewegt der Kranke seine Gelenke passiv-aktiv (S. 119,146) unter Führung, d.h. die Krankengymnastin nimmt die Extremitäten auf ihre Hände, sie hebt damit die Schwerkraft praktisch auf (Schlingentisch, Guthrie-Smith-Apparat [16]), und der Kranke bewegt aktiv seine Gelenke. So wird die Muskelkraft nicht für statische Arbeit in Anspruch genommen, sie setzt sich ganz in Bewegung um. Die Handführung bringt noch den Vorteil, daß die Krankengymnastin den Tonus der Muskeln palpieren kann; gegebenenfalls lockert sie ihn durch Walken und Kneten (S. 96) auf. Die im akuten Schub notwendige Bettruhe mit den genannten Lagerungen darf jedenfalls nicht eine Phase der Immobilität sein. Nur in Ausnahmefällen ist es zuweilen unumgänglich, ein Gelenk einige Tage ruhig zu stellen, um einen akuten Prozeß zur Ruhe zu bringen. Sonst aber ist es unerläßlich, alle Gelenke mindestens einmal, besser mehrmals täglich vorsichtig und möglichst schmerzlos durchzubewegen. Die krankengymnastische Bewegungsbehandlung passiver und auch aktiver Art ist eine verantwortungsvolle Aufgabe [132], Wird zuviel oder zu kräftig bewegt, flackert die Entzündung bald wieder auf, betätigt der Patient dagegen Muskeln und Gelenke zu wenig, dann läßt die Beweglichkeit bald nach. Um ein verträgliches Maß zu finden, gilt folgende Regel [133]: Treten nach Bewegungen, am gleichen oder folgenden Tag, stärkere Schmerzen auf, dann wurde zuviel oder zu früh bewegt, die Dosierung bedarf der Korrektur. Schmerzen die Bewegungsübungen nur leicht und nur für kurze Zeit, dann ist dies keine Gegenindikation. Dennoch bleibt anzustreben, die Gymnastik möglichst schmerzfrei zu gestalten.

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Dies erfordert die Hilfe einer erfahrenen Krankengymnastin, die alle Bewegungen streng nach bewegungsphysiologischen Grundsätzen und ohne äußere Kraft vornimmt, wobei sie den momentan gegebenen, häufig durch dehnende Lagerungen erst zu schaffenden Spielraum voll ausnutzt. Das Pflegepersonal, das andere Aufgaben hat, verfügt nicht über die dazu notwendige spezielle Ausbildung und Erfahrung. Bewegungen sind in jeder Phase der Krankheit unentbehrlich. Werden die Gelenke oft und in ihren bestmöglichen Winkelausschlägen betätigt, dann gelingt es, die stets drohende Gelenksperre oder gar Gelenksteife abzuwehren. Gelenke, die bewegt werden, versteifen entweder gar nicht, oder es bleibt eine sogenannte Gelenksperre, bei der noch ein Rest an Bewegung möglich ist, während ungenutzte Gelenke bald in einer sehr störenden Beugekontraktion versteifen. Die Krankengymnastin leitet, während sie täglich alle Gelenke passiv durchbewegt, die Kranken zu aktiver Mitarbeit an, indem sie ausgewählte Muskeln mehrfach nacheinander isometrisch anspannen und wieder lockern läßt. Häufig gelingt die Lockerung nur mit Schüttelungen, Vibrationen, auch mit walkenden Massagen. Ziel der gegen den Hypertonus der Muskeln gerichteten Bewegungsbehandlungen ist die Längenzunahme der Muskeln ohne Schmerzen. Am besten beansprucht die Krankengymnastin alle beteiligten Muskeln nacheinander von distal nach proximal. So übt sie mit den Patienten ein gleichbleibendes, leichter einzuhaltendes Programm ein, anfangs mit geringerem, später mit größerem Kraftaufwand. Besondere Aufmerksamkeit verdienen dabei all die Muskeln, die dem Zug in die Luxationsstellung entgegenwirken (S. 143). Wenn das akute, schmerzhafte Geschehen abklingt und einem subakuten, weniger quälenden Stadium weicht, dann geht die Krankengymnastin einen Schritt weiter. Sie setzt den zunächst isotonen Bewegungen leichten Widerstand entgegen und geht von isometrischen Spannungsübungen zu verschiedenen Komplexbewegungen über. Im weiteren Verlauf der stationär chronischen Krankheitsphasen stellen sich gegebenenfalls spezielle Aufgaben, wenn Ersatzbewegungen notwendig werden oder wiedergewonnene Möglichkeiten voll auszuwerten sind. Die Krankengymnastin baut die Technik der Übungen nach dem Prinzip der propriozeptiven Erregungsbahnung und der rhythmischen Stabilisierung (S.155) auf. Widerstände hemmender Art, vorsichtige, schmerzlose, zumindest aber gut erträgliche Schwing- und Pendelbewegungen, die die Bewegungsausschläge erweitern, auferlegte Willkürinnervationen in Gebrauchsmustern, womit den Patienten auch gewisse Anstrengungen zugemutet werden, sind dabei die Hilfsmittel. Später kann der „Rheumatiker" alle aktiven Bewegungsübungen mehrmals täglich bis zur Schmerzgrenze ohne oder mit nur geringem Kraftaufwand selbst vornehmen. Die Krankengymnastin lehrt das Übungsprogramm und überprüft, ob die Kranken dies folgerichtig erfüllen; sie hält auch die Ergebnisse der Bewegungsausschläge in Winkelmaßen fest. Wieweit man jedes einzelne Gelenk passiv oder aktiv in Anspruch nehmen darf, ergibt sich aus seinem morphologischen Zustand. Verläßt ein größeres Glied infol-

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Abb. 176 Dentopathia rheumatica. Verdrängung des Halsmarks bei fehlendem Dens epistropheus.

ge zerstörter Gelenkflächen seine Bewegungsebene, sind orthopädische Maßnahmen notwendig. Rekonstruktive Korrekturen, z.B. Osteotomien, Arthrodesen, Arthroplastiken oder Endoprothesen, stehen zur Wahl. Die Bewegungstherapie erfordert besondere Vorsicht bei Übungen im Bereich der Halswirbelsäule. Bei der nicht seltenen Dentopathia rheumatica werden der Dens epistropheus (2. Halswirbel), um den sich der Atlas (1. Halswirbel) dreht, und das atlanto-dentale Gelenk und die atlanto-occipitalen Gelenke sowie die dazu gehörenden Bänder von dem destruierenden rheumatischen Prozeß erfaßt, so daß es gelegentlich zur Dislokation des Atlas und tieferer Wirbel kommt. Die Abbildung 176 stellt diese schematisiert dar. Es droht die tödliche Gefahr der Rückenmarkskompression. Auch gerät gegebenenfalls das Stromgebiet der Arteria vertebralis und der Arteria basilaris in diese Enge, woraus sich unangenehme und auch nicht immer ungefährliche Folgen ergeben. Bevor man die Halswirbelsäule, die bei der chronischen Polyarthritis in einem sehr hohen Prozentsatz in Mitleidenschaft gezogen ist, in die aktive oder auch passive Bewegungsbehandlung (vgl. manuelle Bewegungsbehandlung, S. 789) einbezieht, ist eine Röntgenuntersuchung unerläßlich, die früher und eindeutiger, als es die klinische Untersuchung kann, eine beginnende Zerstörung des Dens und damit die drohende Gefahr aufdeckt [338]. Die Krankengymnastin sollte nicht ohne entsprechende Information durch den Arzt behandeln. Auch wenn keine rheumatische Dentopathie vorliegt, genügen im Bereich der Halswirbelsäule in der Regel isometrische Spannungsübungen der Nackenmuskeln, weil es im Gegensatz zum Morbus Bechterew bei der chronischen Polyarthritis zwar zu den genannten Zerstörungen der beiden ersten Wirbel, kaum aber zu

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behindernden Gelenkversteifungen an der weiteren Halswirbelsäule kommt. Auch wenn der Kranke zur Linderung seiner Schmerzen oder zum Schutz bei rheumatischer Dentopathie eine Halskrawatte trägt, behalten die isometrischen Spannungsübungen hier ihren Sinn, denn die inaktivierten Nackenmuskeln atrophieren sonst und erfüllen ihre Haltefunktion nicht mehr vollkommen. Drohen als Symptom einer Dentopathie neurologische Komplikationen oder sind sie bereits manifest (Parästhesien, Paresen), dann sind operative Maßnahmen angezeigt [702], die die verschobenen Wirbel reponieren und fixieren. Haben sich bereits rheumatische Kontrakturen eingeschlichen, die zunächst durch bindegewebige Schrumpfung bedingt sind, dann müssen diese wieder gelöst werden (S. 151). Für die Kranken ist dies oft belästigend, manchmal quälend. Die wirksamsten Verordnungen sind bewegungstherapeutischer Natur. Hydro- und Thermotherapie sowie elektrotherapeutische Maßnahmen bereiten sie vor und unterstützen sie. Die Bewegungsbehandlung besteht hier aus rhythmisch wiederholter Dehnung und Lockerung. Hier allein ist es erlaubt, dem Kranken ein erträgliches Maß an unvermeidlichen Schmerzen zuzumuten. Die Krankengymnastin „fühlt" gewissermaßen den Schmerz mit, indem sie jeweils etwas mehr dehnt und dabei die zunehmende Spannung spürt, mit der sie die Grenzen der Bewegungsausschläge zu erweitern sucht. Die bindegewebigen Anteile lassen sich nur mit mechanischem Zug dehnen, kontrakte Muskeln dagegen werden nur geschmeidiger, wenn sie sich in rhythmischem Wechsel mit der Dehnung aktiv kontrahieren, so wie sich auch jeder Muskel leichter verkürzt, wenn man ihn zuvor etwas dehnt (S. 19 f.). Der Patient dehnt selbst mehrmals am Tage, indem er Schlenkerbewegungen macht, Sandsäcke auflegt oder Rollenzüge benutzt. Die Gewichte müssen aber dem Zustand entsprechen, damit die Muskeln wirklich entspannen und nicht aufgrund von Schmerzen unphysiologische Gegenspannungen entwickeln [346]. Zwischen den Behandlungen und in der Nacht fixiert man durch abnehmbare Schienen die Gelenke in der erarbeiteten Streckstellung; dies sichert die am Tage erbrachten Ergebnisse und für den nächsten Morgen eine bessere Ausgangslage. Reichen die Hilfen noch nicht aus, dann legt der Orthopäde an den Händen Quengelungen an. Dies sind Rollen und Hebelarme, die gestatten, die Fingerbeugekontrakturen und Fingerstreckkontrakturen einem verstellbaren und damit wechselnd starken Dauerzug auszusetzen. Die Geräte sind abnehmbar, jederzeit ist daher auch eine aktive krankengymnastische Übungsbehandlung zum Muskeltraining möglich. Besonders geeignet sind die Gummizüge, weil der Kranke mit anliegendem Gerät selbst aktiv üben kann. Eine Sonderform der Bewegungsbehandlung ist die Beschäftigungstherapie. Sie ist bei der chronischen Polyarthritis unentbehrlich, wenn Schäden an den Gelenken zurückgeblieben sind, die deren Funktion bleibend einschränken. Während die Krankengymnastik allein die Bewegungen in ihrer physiologischen Ausführbarkeit ins Auge faßt, zielt die Beschäftigungstherapie auf die Selbsthilfe im täglichen Leben ab. Sie macht, wo verbleibende Behinderungen zu bewältigen sind,

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mit Hilfsgeräten und gegebenenfalls notwendigen persönlichen Hilfsmitteln (aids) vertraut und hilft auch, die berufliche Rehabilitation einzuleiten und zu fördern. Alle bewegungstherapeutischen Behandlungen, seien sie passiver oder aktiver Natur, müssen durch andere, flankierende, physikalisch-therapeutische Verordnungen unterstützt werden. Nur durch sinnvolle Kombination und angemessene zeitliche Einordnung werden alle therapeutischen Möglichkeiten ausgeschöpft. Massagen: Massagen „sollten in der Therapie der chronischen Polyarthritis keinen Platz haben", dies wurde vor Jahrzehnten mit der einleuchtenden Begründung gefordert [134], das entzündlich irritierte Gewebe erlaube keine mechanische Gewalt. Kein Arzt wird ein solches periartikuläres Gewebe massieren lassen. Dennoch gibt es Indikationen, gelenknahe Muskeln etwas entfernt vom Gelenk manuell aufzulockern. Man schadet den Muskeln nicht, bessert vielmehr ihre funktionelle Bereitschaft, wenn man sie vorsichtig massiert, zumal die hier so häufig anzutreffenden, schmerzenden Myogelosen nur auf diese Weise verschwinden [341]. Die Muskeln erhalten damit auch mehr ernährendes und erwärmendes Blut und sind nachfolgenden Bewegungen zugänglicher. Der Arzt sucht die Muskeln aus oder läßt sie von einer erfahrenen Krankengymnastin an Hand ihrer Bewegungsbehandlungen bestimmen. Muskeln, die so hyperton sind, daß sie mögliche Bewegungen ausschließen, findet man nicht selten; ohne einfühlsame Massagen kann man dies nicht korrigieren. In akuten, entzündlich floriden Krankheitsphasen ist aber auch mit solchen Massagen Zurückhaltung geboten. An Sehnenansätzen und Gelenken sollte man sie auf jeden Fall unterlassen. Atrophische Muskeln, z. B. an den Unterschenkeln, finden unter Massagen in Verbindung mit einer leichteren Übungsbehandlung einen besseren Tonus, andere Muskeln sind ohne manuelle Tonusänderung kaum zu guter Leistung zu bringen, z. B. die kleinen Handmuskeln. Hydro-Thermotherapie: Die Wärme hat seit eh und je bei rheumatischen Erkrankungen wohltuend gewirkt, obgleich es auch Situationen gibt, bei denen die Kälte — lokal gegeben — besser hilft. Durch Beobachtung und Experiment versucht man seit langem zu ergründen, wann die Erwärmung, wann die Abkühlung besser geeignet ist. Man kann sich dabei an folgende allgemeine Regel halten: Bei akut entzündeten, heißen, geschwollenen, schmerzenden Gelenken, die der Kranke ruhig hält, hat die Kälte (vgl. Kyrotherapie, S.321) einen wohltuenden, durchblutungsdrosselnden Effekt. Die Inflammatio geht zurück, die lokal erhöhte Temperatur sinkt, das gekühlte Gelenk schwillt ab, der Schmerz läßt deutlich nach, da die Abkühlung die Schmerzschwelle der sensiblen Fasern erhöht. Setzt längere Zeit nach beendeter Kühlung (S.322) die reaktive Hyperämie ein, entspannt auch dies die Muskeln noch eine Zeitlang. Besonders ergiebig ist, daß nach einer drastischen Abkühlung das Gewebe trotz reaktiver Hyperämie nicht gleich wieder anschwillt, wie es bei der entzündlichen Hyperämie sonst üblich ist. Bei akut entzündlichen Gelenkschwellungen verordnet der Arzt alle abkühlenden Behandlungen, von den feucht kalten Wickeln der Hydrotherapie, die lang-

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sam und mild Wärme entziehen, bis zu den kräftig abkühlenden Eispackungen oder Eisbetupfungen der engeren Kyrotherapie (S. 324). Sind die akut entzündlichen Erscheinungen dank entsprechender kyrotherapeutischer und medikamentöser Verordnung auf Dauer abgeklungen, kann mit Wärmebehandlungen begonnen werden. Denn jetzt sind die Gelenke und vor allem die Muskeln bei der chronischen Polyarthritis nur noch mäßig, meist zu gering durchblutet. Wärme vermehrt die Durchblutung ohne Verzögerung, diese versorgt nun das leicht ischämische Gewebe anhaltend besser mit allen benötigten Grundstoffen. Wird das Symptom der Mangeldurchblutung durch Wärme behoben, werden auch die Muskeln wieder locker und der Schmerz läßt nach. Selbst die Sauna, kombiniert mit milden Gußbehandlungen (nicht Tauchbad), ist dem Polyarthritiker nach beendeter aktiver Phase nicht verboten, wenn Arzt und Patient die reaktiven Ergebnisse im Auge behalten. Wohltuend und für die Bewegungsfunktionen erleichternd wirken die Methoden der Hydrotherapie. Warme Wickel und Packungen legt man am Morgen an, dadurch löst sich die charakteristische Morgensteife, die Bewegungen laufen leichter und flüssiger ab, und die notwendigen Dehnungen werden erträglicher. Einzelne Gelenke erwärmt man in der entzündlich-inaktiven Phase der Krankheit kräftiger mit Peloidpackungen oder Paraffin. Ist es vertretbar, alle Gelenke und die ganze Muskulatur gleichzeitig zu lockern und zu entspannen, dann wählt man am besten ein warmes Bad, in dem der Patient seine Glieder leicht bewegt. Heiße Bäder strengen den Polyarthritiker zu sehr an; sie bringen auch kaum Vorteile gegenüber dem nur angenehm warmen Bad. Von Überwärmungsbädern ist man deshalb bei der chronischen Polyarthritis ganz abgekommen. Die bewegungstherapeutischen Aufgaben finden eine besonders gute, erleichternde Unterstützung im nicht zu warmen Bewegungsbad. Hier ist es vor allem der Auftrieb, der neben der Wärme des Wassers die Muskeln lockert. Sofern der Kranke im Bad stehen kann, vermag er seine hier fast schwerelosen (S.267) Beine ohne Anstrengung zu beugen und zu strecken. Selbst schwer behinderte, fast gehunfähige Patienten lernen so, im Gehbewegungsbad wieder sicherer zu laufen, sofern die Gelenkausschläge ausreichend sind. Bei Kontrakturen in Schulter- oder Hüftgelenken braucht man eine Schmetterlingswanne (S.268). Darin kann die Krankengymnastin mit weiten Ausschlägen dehnen und bewegen. Hier sind etwas höhere Wassertemperaturen notwendig, weil die Bewegungen passiv bleiben, die Wärmeregulation durch aktive Muskelarbeit also praktisch nicht belastet wird. Die höhere Wärme macht besonders kapsuläre Gewebe und die sehnigen Anteile dehnbarer und dämpft damit den Schmerz. Elektrotherapie: Die elektrotherapeutischen Vorschläge zur Behandlung der chronischen Polyarthritis ergeben sich aus der Wärmewirkung der Hochfrequenz und dem hyperämisierenden und iontophoretisch-medikamentösen Nutzen, den galvanische oder niederfrequente Ströme bringen bzw. vermitteln. Die drei Wellenlängenbereiche der Hochfrequenztherapie, die Kurz-, Dezime-

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ter- oder Mikrowellen, eignen sich gut, einzelne Gelenke, z. B. Knie- oder Ellenbogengelenke, oder einen Gelenkverband, z. B. ein Handgelank, zu durchfluten und so zu erwärmen. Infolge der ungleichen Wärmeabsorption in den verschiedenen Gewebsschichten und -arten ist die Erwärmung äußerer oder tiefer gelegener Organe nicht gleich. Welche Technik für einzelne Gelenke jeweils geeignet ist, ergibt sich aus den im Teil II dargestellten biophysikalischen Wirkungen des Stromes (S. 340). Derartige Behandlungen sind auch als Vorspann für die Bewegungstherapie ausgewählter Gelenke nützlich, zumal sie auch in nichtknöchernen Gewebsanteilen den Schmerz lindern. Dies ist wiederum eine Folge der besseren Durchblutung, die dazu noch vermehrt Abwehrstoffe und Leukozyten an die entzündeten Gelenke heranträgt. In der Kondensatorfeldtechnik (11 m) sind der Elektroden-Hautabstand (S.402), das Verhältnis der Elektrodengröße zum Behandlungsobjekt und eine vorsichtige Dosierung für den Erfolg ausschlaggebend. Am besten bewährt sich eine thermosensibel schwellige Wärmeempfindung der Dosisstufen II bis III (S.408) für 3-5 Minuten, später etwas länger. Unbefriedigende Ergebnisse sind oft auf Fehler in der Behandlungstechnik zurückzuführen. Der Arzt behält die Reaktion an den Gelenken ständig im Auge. Ruheschmerzen und Schwellungen sind Hinweise auf Überdosierungen. Besser noch als mit den Schliephake-Elektroden bringen die Rundfeld-, Langfeld- und Hohlleiterstrahler der Dezimeterwellen (69 cm) eine gleichmäßige Tiefenwärme der Muskeln und der lcnochenumgrenzenden Schichten. Die Mikrowellen (12,5 cm) erwärmen oberflächlichere Gewebsanteile, auch kleine Gelenke unter guter thermischer Schonung der Haut und des Unterhautfettgewebes. Die Hochfrequenztechnik hat auch Apparaturen entwickelt, die den ganzen Körper überwärmen (Kurzwellenhyperthermie). In der Behandlung der chronischen Polyarthritis hat sich ein solches Verfahren, wie auch das Überwärmungsbad, nicht bewährt, weil es die Kranken zu stark belastet. Die hyperämisierende und schmerzlindernde Wirkung, die der Gleichstrom zustande bringt, wird bei der chronischen Polyarthritis relativ wenig genutzt. Mit der stabilen Galvanisation, z. B. in den Zellenbädern und im hydroelektrischen Vollbad, existiert aber ein elektrotherapeutisches Verfahren, das für den Kranken bequem ist und das die Durchblutung und damit den Gewebsstoffwechsel der gebadeten Gliedmaßen anregt. Die Durchströmung senkt aber bei detonisierender Schaltung (S. 353, vgl. auch Elektrotonus, S. 346) auch die Reizschwelle für die motorische Erregbarkeit und lockert so den Tonus der verspannten Muskeln. Andererseits hebt sie die sensible Reizschwelle und lindert auf diese Weise die Schmerzempfindung. Schließlich wird der stabilen Galvanisation ein vegetativtrophotroper Effekt nachgesagt, der auch das hyperergische Geschehen dämpfen soll. Medikamentöse, örtlich gezielte Wirkungen analgesierender und hyperämisie-

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render Art bringt die Iontophorese. Sie schleust Salicylate, Bienengift, Novocain, Histamin oder Azetylcholin direkt in das Zielgebiet ein. Besondere Stromformen, z.B. die Interferenzstrombehandlung, die schon in den Mittelwellenbereich der Wechselströme gehört, auch Reizströme, etwa mit Impulsdauer von 2 ms und Pausen von 5 ms, ferner diadynamische Ströme, haben ebenfalls hyperämisierende, analgetische und die Funktion der Muskeln erleichternde Effekte. Je nach der Vertrauthaut mit diesen Stromformen setzt der Arzt sie an einzelnen Muskeln mit Gewinn ein. Technik und Dosierung finden sich im Teil II. Ultraschalltherapie: Im Rahmen der ergänzenden bzw. unterstützenden Verordnungen muß auch die Ultraschalltherapie Erwähnung finden. Ihre thermische Wirkung ist bei bewegtem Schallkopf gering, der Vibrationseffekt (Mikromassage) muß mit Vorsicht einkalkuliert werden. Kleine Gelenke der Hand, der Finger und des Fußes sind leicht der Schallenergie zugänglich, bei großen, tiefliegenden Gelenken, etwa der Hüfte, ist der Energieverlust mit zunehmender Tiefe groß, gegebenenfalls muß man dementsprechend dosieren (S. 423). Die Ultraschallbehandlungen können natürlich ebensowenig wie die Hochfrequenztherapie die schon bestehenden morphologischen Gelenkschäden beheben, auch nicht verhindern. Sie sind aber dort geeignet, wo Bewegungsbehinderungen durch verspannte Muskeln bestehen. Übereinstimmend wird hervorgehoben, daß zumindest die kleinen Gelenke wohl aufgrund der nach Beschallung geschmeidigeren Muskeln beweglicher und das Gewebe dehnbarer werden und daß auch die Schmerzen mehrere Stunden nachlassen. Vergleichbare Wirkungen sollen sich ergeben, wenn man nur die Spinalwurzeln entsprechender Segmente beschallt [705], also eine Art „Neuraitherapie" (S.94) betreibt. Dabei wurde eine deutliche Lockerung der hypertonen Muskeln beobachtet, die auch die Schmerzlinderung erklären dürfte. Allgemein-unspezifische (C) und vorbeugende (D) Maßnahmen Mit Badekuren, z.B. mit Schwefelbädern, Moorbädern, radioaktiven Wässern, auch Solbädern, sollen antirheumatisch wirksame Reaktionen ausgelöst werden [65]. Eine Badekur ist auch geeignet, unspezifisch die Reaktionsfähigkeit des Organismus in therapeutischem Sinne zu ändern. Badekuren werden von Rheumatikern häufig in Anspruch genommen, ca. 20% aller Heilverfahren der Sozialversicherungen sind Badekuren bei rheumatischen Leiden. Bei der Verordnung einer Badekur ist entscheidend, ob der Kranke kur- und badefähig ist, d. h., daß das Herz und der Kreislauf der Belastung des Vollbades gewachsen sein müssen, und daß der Kranke nicht in der Phase eines akuten Rheumaschubs sein darf. Als Auflage für jede Badekur kommt hinzu, daß diese nicht an die Stelle anderer, in ihrer Wirksamkeit noch nicht ausgeschöpfter Behandlungen treten darf. Sie muß zur rechten Zeit und gegebenenfalls wiederholt als Teil des ganzen Behandlungskonzeptes verordnet werden.

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Eine Badekur sollte dann verordnet werden, wenn es aufgrund der Aktivitätsdiagnostik und des klinischen Verlaufs erlaubt und auch geboten erscheint, die Reaktionsfähigkeit des Kranken unspezifisch anzustoßen, um während eines reaktionsträgen, auf die Behandlung unbefriedigend ansprechenden Stadiums der Krankheit erneut heilsame Reaktionen, etwa über das Hypophysen-Nebennierenrinden-System oder über vegetative Steuerungen, vorsichtig hervorzurufen. Bei geringer Reaktionsbereitschaft kann auch einmal eine intensive Reizgestaltung balneo-therapeutischer Verordnungen notwendig werden [660]. Hausarzt und Badearzt müssen hierbei eng zusammenarbeiten. Während der Hausarzt die Kurfähigkeit prüft und auch verantwortet, daß der Kranke die aufwendige Badekur gerade jetzt antritt, ist es dem Badearzt auferlegt, seine Verordnungen so zu treffen, daß der Kranke nicht einer zu starken Reizwirkung in der Badebehandlung ausgesetzt wird. Eine große Hilfe bei der Verordnung ist die serologische Rheumadiagnostik. Akute-Phase-Reaktionen: Blutkörperchensenkung (BKS), C-reaktives Protein, Blutbild und subfebrile Temperaturen zeigen an, ob eine Bäderbehandlung angebracht ist. Eine hohe, auch lang anhaltende erhöhte BKS allein belegt nicht unbedingt einen akuten Schub der Polyarthritis [477]. Nur die Summe aller klinischen und serologischen Kriterien läßt beurteijen, ob eine Badekur Erfolge verspricht. Die Schwierigkeit, Badebehandlungen sinnvoll in das langfristige Behandlungskonzept einzufügen, ergibt sich aus der Tatsache, daß die meisten Kranken viel zu spät zur ersten Badekur kommen [142]. Mancher Arzt verordnet erst dann eine Kurbehandlung, wenn andere Maßnahmen nicht befriedigten und der gelenkzerstörende rheumatische Prozeß schon zu weit fortgeschritten ist. Gleiches gilt für die intensive physikalische Therapie in klinischer Gestaltung [686], ganz besonders für die energische und konsequente krankengymnastische Behandlung der Bewegungsbehinderungen oder -gefährdungen. Ist die Gefahr überschießender Reaktionen der Kranken gering, dann sind Schwefelbäder, Moorbäder und radioaktive Wässer zuträglich, bei stärker hyperergischen Phasen sind die weniger reizkräftigen Wildwässer (S. 476) oder Solbäder meist noch erlaubt. Bei der Auswahl eines geeigneten Kurortes empfiehlt sich für die Polyarthritis in der Regel ein Kurort, der über eine Rheumaheilstätte verfügt. Freie Kuren mit nur ambulanter Betreuung durch den Badearzt sind für eine so ernste Erkrankung selten ausreichend. Nochmals muß betont werden, daß die Balneotherapie nur ein Glied in einer geschlossenen Kette langfristiger, ausgewogener Rheumabehandlungen, nicht aber eine Alternative zu anderen, noch erfolgversprechenden Verordnungen sein darf.

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5.2.3 Seltenere gelenkrheumatische Syndrome, Gicht und Kollagenosen Es gibt eine Reihe von entzündlichen Arthropathien, die, wie die Polyarthritis, in Schüben verlaufen und auch pathogenetisch dieser Erkrankung nahe verwandt sind. An den Gelenken bieten sie das Bild einer akuten Polyarthritis oder eines akuten Schubes der chronischen Polyarthritis. Zu ihnen gehört das Still-Syndrom, eine akute rheumatische Erkrankung im Kindesalter, die sich von den klassischen Formen der akuten und chronischen Polyarthritis durch den schweren, oft bösartigen Verlauf abgrenzen läßt. Auch die Reitersche Krankheit mit ihrer Trias, Arthritis, Konjunktivitis, Urethritis, zu der noch eine Enteritis sowie Haut- und Mundschleimhautveränderungen hinzukommen können, sind mit der Polyarthritis verwandt. Das Felty-Syndrom ist durch eine symptomatische Trias, Polyarthritis, Splenomegalie, Leukopenie, gekennzeichnet. Das Sjögren-Syndrom ist durch eine Polyarthritis, Keratokonjunktivitis und eine Sekretionsminderung von Tränen- und Speicheldrüsen charakterisiert. Das Kaplan-Syndrom stellt eine Kombination dar, in der eine chronische Polyarthritis mit der Silikose zusammentrifft, wobei noch offen ist, ob ein gemeinsamer pathogenetischer Mechanismus besteht. Zu den rheumatischen Syndromen kann man auch die Arthropathia psoriatica rechnen. Bei der Psoriasis kommt überdurchschnittlich häufig eine dem klinischen Bild nach klassische Polyarthritis vor, eine Korrelation zwischen beiden Krankheiten wird deshalb angenommen. Die Behandlung der rheumatischen Erscheinungen dieser Syndrome kann nur symptomatisch sein, da bei all diesen Sonderformen die Ätiologie, wie bei der eigentlichen Polyarthritis, nicht geklärt ist und sich somit keine Ansätze zu einer kausalen Therapie bieten. Die therapeutischen Richtlinien, die vorstehend für die Polyarthritis allein aufgestellt wurden, sind auch hier gültig. Anders ist dies bei der Infektarthritis, bei der sich die Keime einer Grundkrankheit in Gelenken - oft monoartikulär - ansiedeln. Das arthritische Symptom wird treffender als „infektiöse Arthritis" bezeichnet, weil der Begriff „Infektarthritis" die Vorstellung der Fokalinfektion unterstellt [423], die für die hyperergischen Begleitarthritiden, bei denen die Gelenke steril bleiben, lange Zeit gültig war (S. 739). Ziel der Behandlung der infektiösen Arthritis ist die antibiotische Bekämpfung der Grundkrankheit. Nur so kann die Therapie ursächlich eingreifen. Auch für die Begleitarthritis (S.739), also für die Rheumatoide bei bakteriellen Infektionen oder Virusinfektionen, ist die Behandlung der auslösenden Grundkrankheit selbstverständlich. Für beide Erscheinungsformen, die infektiösen, wie auch die begleitenden Arthritiden, sind wiederum die symptomatischen Behandlungen der Gelenkbeschwerden indiziert, die bei der chronischen Polyarthritis beschrieben wurden, zumindest wenn die Veränderungen an den Gelenken über die Grundkrankheit hinaus länger bestehen bleiben.

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Eine Stoffwechselstörung mit rheumatisch geprägter und deshalb dieser großen Gruppe zugeordneter Symptomatik ist die Gicht. Die Fehlregulation im Stoffwechsel drückt sich in einer positiven Harnsäurebilanz aus (harnsaure Diathese). Im Serum, mehr noch in den extrazellulären Flüssigkeitsphasen steigt die Harnsäurekonzentration an. In Geweben, in denen diese extrazelluläre Flüssigkeit schlecht zirkuliert, lagert sich in Jahren Harnsäure ab (Tophi), vor allem in der Knorpelgrundsubstanz, im Knochen (Urathöhlen) und der Synovialschleimhaut, weniger in anderen Geweben. Bei schwerer Gicht bringen auch Ablagerungen in den Nieren ernste Gefährdungen. Die Behandlung ist dank recht wirksamer Pharmaka heute eine leicht zu lösende Aufgabe. Bei einem Anfall wird Colchicin, sonst Allopurinol gegeben, das die Harnsäurebildung hemmt, Brenzbromaronum oder Probenecid schwemmen die Harnsäure aus. Physikalisch-therapeutische Empfehlungen zur Unterstützung der Chemotherapie wurden im Kapitel „Balneotherapie" gegeben. Kollagenosen (gr.: kolla = Leim = verbindende Substanzen) sind Systemerkrankungen rheumatischer Genese, bei denen der rheumatische Prozeß vom Bindegewebe ausgeht, ohne aber die Gelenke zu verschonen. Prägend für die Kollagenosen ist, daß lebenswichtige innere Organe beteiligt sind, deren Verfall der Krankheit meist einen besonders schweren Verlauf geben. Die Kollagenosen im engeren Sinn sind der Lupus erythematodes, die progressive Sklerodermie, die Periarteriitis nodosa und die Dermatomyositis, eine Verlaufsform der Myositis, an der die Haut, vor allem des Gesichtes (Erythem), oft auch die Schleimhäute des Verdauungstraktes beteiligt sind. Die Behandlung der Kollagenosen ist im wesentlichen Aufgabe der Inneren Medizin. Soweit physikalisch-therapeutische Verordnungen für die Gelenke notwendig erscheinen, ist all das, was für die chronische Polyarthritis empfohlen wurde, auch hier anzuwenden. Bei der Dermatomyositis ist wegen der Befunde an den Muskeln regelmäßig eine vorsichtig dosierte Bewegungstherapie angezeigt. Die progressive Sklerodermie zeigt in den verhärteten und starren Hautpartien fortschreitende Störungen der peripheren arteriellen Durchblutung mit Nekrosen an den Akren. Sie erfordern eine besonders vorsichtige Dosierung der hyperämisierenden Reize, weil die Durchblutungsnot nicht allein funktioneller, sondern auch organischer Natur ist. Die durchblutungsfördernden Maßnahmen, Streichmassagen, hydrotherapeutische Wärmereize, Bewegungen mit auch dehnender Wirkung, provozieren bei Überdosierung einen zu großen Sauerstoffbedarf und bewirken dann statt der symptomatisch bessernden, reaktiven Hyperämie eine noch ausgeprägtere Mangeldurchblutung.

5.2.4 Extraartikulärer Weichteilrheumatismus Die größte Gruppe der Krankheiten des rheumatischen Formenkreises wird unter dem Namen „Weichteilrheumatismus" oder im englischen Sprachraum als „Fi-

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brositis-Syndrom (lat.: fibra = die Faser) zusammengefaßt. Der Sammelbegriff „Weichteilrheumatismus" sagt aber zur Pathogenese nichts aus; er beleuchtet nur, daß analog dem Rheumatismus die Bewegungen in den betroffenen Weichteilen schmerzen und dadurch auch behindert sind. Je nach der Lokalisation der Symptomatik werden eine Reihe von Krankheitsbildern dem Weichteilrheumatismus zugeordnet [649]. Ist allein das subkutane Binde- und Fettgewebe beteiligt, dann wird dies unter dem noch unklaren Krankheitsbild Pannikulitis (lat.: panniculus = das Läppchen = kleinere Teile der Körperdecke) beschrieben. Sind die Muskeln betroffen, dann spricht man von Muskelrheumatismus, auch intramuskulärer Fibrositis oder Myalgie. An den Sehnen werden die Tendinitis oder die Tendovaginitis sowie eine an Sehne und Muskel manifeste Tendomyose dem Weichteilrheumatismus zugeordnet. Dabei ist aber jeweils zu prüfen, ob nicht eine ganz andere bestimmbare Ursache, z.B. eine sterile, durch Überbelastung bedingte Entzündung einer Sehnenscheide, eine Stenose im Gleitkanal der Sehnen oder eine ossäre Erkrankung, vorliegen. An Schleimbeuteln wirkt sich ein im weitesten Sinne „rheumatisches" Geschehen als Bursitis, in Gelenknähe als Periarthritis, Epikondylitis aus. Oft sind die Prozesse, die sich an Sehnen, Sehnenscheiden und im periartikulären Gewebe abspielen, als Verbrauchs- oder Abnutzungskrankheiten aufzufassen. Selbst perineurale Reizzustände mit den Erscheinungen der Neuritis oder Neuralgie, sofern ihre Genese nicht durch klar definierte Prozesse, etwa verdrängende Tumoren oder Erreger, z. B. als Zosterneuralgie, erklärbar ist, werden deskriptiv in den großen Sammelbegriff „Weichteilrheumatismus" aufgenommen. Schließlich wurden sogar Angiopathien der Gefäße, die der Muskeltätigkeit Beschränkungen auferlegen, in die Liste der weichteilrheumatischen Prozesse aufgenommen [649]. Die Polymyalgia rheumatica ist in 20% der Fälle mit einer Arteriitis temporalis gekoppelt [325]. Das auf eine Entzündung hinweisende Suffix ,,-itis" in den von den Geweben abgeleiteten Bezeichnungen ist nicht immer zutreffend. Es ist angebracht, sowohl im Bindegewebe als auch in den Muskeln zwischen entzündlichen und nichtentzündlichen Störungen zu unterscheiden. Für diese ist die Nachsilbe ,,-osis" oder ,,-algie" besser geeignet. Eine solche klare Unterscheidung weist auch auf die verschiedenen therapeutischen Maßnahmen hin. Der entzündliche Rheumatismus — auch Myositis rheumatica — ist durch charakteristische histologische Infiltrate (Aschoffsche Knötchen) gekennzeichnet. Die Ätiologie entspricht der des Gelenkrheumatismus. Nicht geklärt ist die Genese der idiopathischen Polymyositis ohne Hautbeteiligung und der Dermatomyositis mit Hautbeteiligung, denen wahrscheinlich ein Autoimmunprozeß zugrunde liegt. Charakteristische Symptome sind Muskelschwäche (myositische Myopathie), Muskelschmerzen und gegebenenfalls Hautrötung und -Schwellung. Die Diagnose wird gesichert durch erhöhte Kreatinkina-

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se-Werte (S. 820), elektromyographisch durch ein myopathisches Aktivitätsmuster mit Spontanaktivitäten und bioptisch durch degenerative Veränderungen an den Muskelfasern, entzündliche Infiltrationen und Vermehrung des interstitiellen Bindegewebes. Polymyositische und dermatomyositische Bilder kommen auch als Teilerscheinung bei verschiedenen Kollagenosen vor. Ein nicht entzündliches rheumatisches Geschehen unklarer Genese ist das Krankheitsbild der Polymyalgia rheumatica [29] mit ausgeprägter Muskelsteife am Morgen und hoher BSG. Die Krankheit tritt in der Regel erst nach dem 50. Lebensjahr auf und macht vorwiegend im Schulter- und Beckengürtel Muskelschmerzen [310], die auch in die Extremitäten ausstrahlen. Unter den Sammelbegriff „Weichteilrheumatismus" fallen auch die reaktiven Myosen und Myalgien [426]. Ihnen liegen klar definierbare, nicht in den Muskeln selbst gelegene Ursachen zugrunde, die sich besonders häufig an der Wirbelsäule finden (S.780). Sie bedingen z.B. ein Zervikalsyndrom oder bei arthrotischen Reizzuständen an den Wirbelbogengelenken im lumbalen Bereich schmerzhafte myalgische Beschwerden in den Rücken- und Lendenmuskeln, den Glutäen, dem Bizeps femoris und der Wadenmuskulatur. Als Auslöser kommen auch toxische Schäden oder Überlastungsschäden, Infekte, Ausstrahlung aus erkrankten Gelenken, z. B. verursacht die Coxarthrose oft schmerzhafte Muskelhärten im Musculus glutaeus medius und den Adduktoren, segmentale Schmerzen aus inneren Organen (S. 92) und auch — diese Diagnose muß besonders kritisch gestellt werden — psychogene Ursachen in Frage. Die Diagnose „Muskelrheumatismus" läßt sich gegebenenfalls einengen und als Tendomyose deklarieren [77]. Darunter versteht man — vergleichbar mit den reaktiven Myosen — eine funktionelle, schmerzhafte, akut oder chronisch auftretende Muskelstörung, deren unterhaltender Herd in den aus den Muskeln hervorkommenden Sehnen und ihren Ansätzen zu finden ist. Bei den Tendomyosen und ihren Schmerzen sind die Nozirezeptoren stark gereizt; von ihnen gehen reflektorisch Aktivitäten (S. 131 f.) aus, die zu den typischen Eigenschaftsveränderungen (Hypertonus und Hypoxie) in den Muskeln führen [78]. Das Synonym „Tendomyopathie" statt „Tendomyose" ist eigentlich ungeeignet, da den Myopathien andere, ätiologisch unklare Anlässe heredo-degenerativer Art mit Störungen des Muskelchemismus oder der Muskelstruktur bzw. -funktion zugrunde liegen. Bei den Tendomyosen sind die Ansätze der Sehnen am Knochen und ihr Übergang in die Muskeln druckschmerzhaft; in den Muskeln selbst finden sich umschriebene Stellen, die besonders schmerzhaft sind. Sie sind vielfach mit den sogenannten „Nervenpunkten" (S.98) identisch (engl.: trigger points) oder als Myogelosen gut tastbar. Die Tendomyosen sind entweder Begleitsymptome entzündlich rheumatischer Erkrankungen oder degenerativer Prozesse an Gelenken und der Wirbelsäule. Insofern sind sie nicht immer von den reaktiven Myosen zu unterscheiden. Sie kommen aber auch als selbständige Symptomatik an den Übergangszonen zwischen

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Sehnenfasern und ihren Verankerungen vor [195]. Sie entstehen — wie die einfachen Myalgien — unter anstoßenden Bedingungen, z. B. Überlastung, Kälte, Nässe und Infektionen (Viren). Für einige ihrer Lokalisationen gibt es bestimmte Namen, z.B. Periarthritis humeroscapularis, Epikondylitis, wobei wiederum die Nachsilbe ,,-itis" problematisch ist. Die durch die genannten Ursachen bedingten Weichteilrheumatismen myalgischer Art, auch die ätiologisch ungeklärte Polymyalgia rheumatica, zeigen weder klinisch noch serologisch oder lichtoptisch Zeichen einer Entzündung. Da die schmerzenden und oft tastbaren Stellen sowohl in Skelettmuskeln (vgl. Muskelhärten, Myogelosen S.86) und auch im Sehnen- und Bindegewebe vorkommen, wird vermutet, daß dem Weichteilrheumatismus zwei verschiedene, aber gleichzeitig sich abspielende Mechanismen zugrunde liegen. Für diese Annahme sprechen besonders die elektronenoptischen Befunde [144, 145]. In dem betroffenen Muskelparenchym findet man nämlich degenerative Veränderungen kontraktiler Elemente unterschiedlicher Ausprägung mit Ansammlung von Glykogen, was auf eine anaerobe Stoffwechselsituation der Zelle (S.687) hinweist. Im kollagenen Sehnengewebe (S. 762) dagegen sieht man eine proliferative Vermehrung der Bindegewebszellen, die Fibroblastencharakter annehmen. Diese morphologischen Umwandlungen regen in Verbindung mit der klinischen Symptomatik zu folgender einleuchtenden Deutung des Weichteilrheumatismus an [144]: Irritationen eines Nervenastes unterhalten in ihrem muskulären Versorgungsgebiet einen isolierten, tastbaren Dauerhypertonus einzelner Muskelfasern. Dieser Hypertonus erhöht in der an sich gut durchbluteten Muskulatur den Sauerstoffbedarf so beträchtlich, daß er bald nicht mehr gedeckt wird; es kommt schleichend zur relativen Hypoxie des Gewebes, und Muskelfasern gehen zugrunde. In dem viel spärlicher durchbluteten Sehnengewebe ist es gleichfalls eine gewisse Hypoxie, die unter äußeren Reizen aufkommt und das Bindegewebe über komplizierte chemische Reaktionen zu der genannten Proliferation veranlaßt. Aus den Erkenntnissen über die morphologischen und funktionellen Veränderungen der verschiedenen Formen des Weichteilrheumatismus ergeben sich die Prinzipien der therapeutischen Maßnahmen. Während bei den entzündlichen Spielarten des Rheumas die antiphlogistischen Basistherapeutika (S.746) unentbehrlich sind, steht bei den nichtentzündlichen Arten des Rheumatismus die Physikalische Therapie im Vordergrund. Hier ist vielfach auch eine ursächliche Behandlung mit dem Ziel, die Kausalkette zu unterbrechen, an deren Anfang die neurale Irritation steht, die wiederum den zu Hypoxie führenden Dauertonus einzelner Muskelfasern unterhält, möglich. Bewegungstherapeutische, gegebenenfalls auch manuelle Techniken, Lagerungen, operative Eingriffe und dergleichen bringen Erfolge und sind auch Vorbedingung für die ebenso notwendigen symptomatischen Behandlungen. Diese werden darauf angelegt, den Dauerhypertonus der Muskelfasern zu lockern und die mangelhafte Durchblutung des muskulären Gewebes und des Bindegewebes zu vermehren, womit wiederum die morphologischen und damit auch die funktionellen Mängel behoben werden.

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Übersicht Uber die Behandlungsvorschläge Kausale Therapie (A) Erfolgreiche Behandlung der Grundkrankheiten verhindert weichteilrheumatische Prozesse Symptomatisch-gezielte Behandlungen (B) Medikamentös: Analgetika, Antirheumatika; lokal hyperämisierende Einreibemittel, Infiltrationen mit Novocain u. a.; Injektion von Steroiden Physikalisch-therapeutisch: Thermotherapie: Kälte im hochakuten Geschehen, Wärme bei chronisch rezidivierenden Zuständen Elektrotherapie: Nur bedingt Hochfrequenzwärme für tiefere Gewebsschichten (Kurzwellen, Dezimeterwellen), Mikrowellen für oberflächliches Gewebe. Niederfrequente Ströme: diadynamische oder Interferenzströme, Reizstrommassagen. Analgesierende stabile Galvanisation. Iontophorese mit Histamin oder Azetylcholin Ultraschalltherapie: Lockernde Vibration, „Mikromassage" Massagen: Detonisierende Techniken, bei großen Muskelgruppen Unterwasserdruckstrahlmassage, evtl. Bindegewebsmassage Krankengymnastik: Gegebenenfalls zunächst Ruhigstellen mit orthopädischen Hilfen, dann schmerzfreie Bewegungsbahnung in allen Richtungen und Ausschlägen, dehnende Techniken Allgemein-unspezifische (C) und vorbeugende (D) Maßnahmen Ausgleichsgymnastik, Abhärtungen gegen Kaltreize, Kneippkur, Bade- und Klimakuren Erläuterungen zu A bis D Kausale Therapie (A) Die nichtentzündlichen, reaktiven weichteilrheumatischen Störungen beruhen zu einem wesentlichen Teil auf bedingenden Grundkrankheiten. Ihre erfolgreiche Behandlung entzieht den rheumatischen Prozessen in den Weichteilen die Basis. Insofern sind kausale, ausschaltende Möglichkeiten oft gegeben. Sie bestehen in der Korrektur statischer Fehlhaltungen und -belastungen. Behinderungen der peripheren Innervation auf dem Wege zu bestimmten Muskelgruppen können gelöst und Störungen an Gelenken gelindert werden. Auch läßt die Abwehr und Heilung entzündlich-infektiöser Krankheiten die hier nicht seltenen schmerzhaften Funk-

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tionseinbußen in Muskeln, Kapseln und Sehnen gar nicht erst aufkommen oder bald verschwinden. Fehlen aber äußere Ursachen oder sind sie vielmehr nicht erkennbar, dann bringen die gezielten symptomatischen Behandlungen eine Linderung. Meist helfen sie auch, das schmerzhafte, behindernde Geschehen zusammen mit unspezifischen Anstößen dem Selbstheilungsprozeß zu erschließen. Für die entzündliche Myositis rheumatica und verwandte Zustände, deren ätiologische bzw. pathogenetische Klärung noch aussteht, fehlen verständlicherweise kausale Ansätze. Umsomehr bedarf es hier symptomatisch gezielter Aktivitäten. Symptomatisch-gezielte Behandlungen (B) Wie beim Gelenkrheumatismus ist es auch bei allen weichteilrheumatischen Beschwerden oft unerläßlich, die Schmerzen medikamentös zu lindern. Örtlich ungezielt wirken die Analgetika; die symptomatischen Antirheumatika entfalten daneben noch eine gewisse entzündungshemmende Wirkung (S. 747). Lokal gezielt wendet man im subakuten bzw. chronischen Verlauf gerne hyperämisierende Einreibmittel an, die ebenfalls den Schmerz lindern, wie sie sich auch antiphlogistisch bewähren. Sie unterstützen die physikalisch-therapeutischen Aktivitäten, die allein die Symptome des Muskelhypertonus und der Bewegungseinschränkung — sofern sie nicht als Ergebnis der Analgesie verschwinden — in eine freie, geschmeidige Beweglichkeit zurückführen. Große Bedeutung hat die von Schleich [556] begründete und von ihm auch schon beim Weichteilrheumatismus genutzte Anästhesiebehandlung erlangt. Bei der Behandlung schmerzhafter Partien wurde mit Kokain infiltriert; statt Kokain verwendet man heute Novocain und andere Derivate. Nicht minder wirksam sind Steroidinjektionen. Sie helfen schnell und nachhaltig, z.B. bei der Epikonylitis oder der schmerzhaften Schultersteife. Beide Verfahren bringen zuweilen erst kombiniert einen vollen Erfolg. Als lokal anvisierte medikamentöse Behandlung hat sich auch die Iontophorese mit Histamin ( 0 , 2 % o ) und Azethylcholin ( 0 , 1 % o ) bewährt. Thermotherapie: An erster Stelle physikalisch-therapeutischer Maßnahmen stehen thermotherapeutische Verordnungen, die sich methodisch als hydriatische Wärme oder Kälte oder als Hochfrequenzdiathermie bewährt haben. Auch hier stellt sich zunächst die Frage, ob Wärme oder Kälte das bessere Mittel ist. Drastische Abkühlung empfiehlt sich, wenn in den Sehnen und Faszien, dem periartikulären Bindegewebe, in Sehnenscheiden und Schleimbeuteln, weniger im interstitiellen Bindegewebe der Muskeln oder im Muskel selbst akute, entzündliche Reaktionen in Erscheinung treten. Kälte bezwingt die entzündliche Symptomatik meist sehr schnell. Sie hemmt auch — anders als die Wärme — entzündliche Zellinfiltrationen, Exsudationen und Gewebsprofilerationen. Ferner behebt lokale Unterkühlung die reflektorischen Muskelverspannungen (S. 323). Die Kälte, unter der sich auch tiefer liegende Gefäße noch zusammenziehen,

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darf nicht zu lange einwirken. Sie kann von kalten Wickeln über die wenig geeigneten Chloräthylsprays bis zu Eispackungen abgestuft werden. Die reaktive Hyperämie, die in der Nachphase länger anhält (S. 322), ist das eigentliche therapeutische Moment. Dies bringt die wesentlichsten Effekte der direkten Erwärmung, ohne daß dabei der Gewebsstoffwechsel ansteigt. Wärme ist nur und erst bei chronisch-rezidivierenden Beschwerden das geeignetere Mittel. Die von der äußeren Oberfläche hereinkommende Wärme wird nur wenige Millimeter in die Tiefe geleitet (vgl. konduktiver Wärmetransport, S. 234). Die eindringende Wärme — sie liegt höher als die Kerntemperatur — fließt konvektiv mit Hilfe einer kräftig einsetzenden Mehrdurchblutung in tiefere Gewebsschichten ab. Kühleres Blut aus dem Körperinneren strömt zur Peripherie nach und wird hier aufgeheizt, solange der Thermophor Wärme nachliefert. So ergießt sich laufend mit dem Blut ein Wärmestrom in tiefere Schichten. Dabei steigt die Gewebetemperatur mit dem vermehrt zuströmenden warmen Blut an. Dies hat, wie auch die lokale Abkühlung, eine wohltuende, schmerzlindernde Entspannung zur Folge. Während dieser Effekt unter Kälte über die Muskelspindeln zustande kommt — Kälte läßt so den reflektorisch erhöhten Tonus erschlaffen (S. 323) — lockert die Wärme die Muskeln über die vermehrte Durchblutung. In dem Circulus vitiosus Verspannung — Schmerz — Verspannung sind in chronischen Phasen auch Gefäßspasmus, naßkalte Unterkühlung, muskuläre Hypoxämie, Muskelspasmus, Schmerz in den Kreis einbezogen. Durch den Zustrom des erwärmten Blutes wird dieser Kreis unterbrochen. Auch die Wärmebehandlung fordert eine vorsichtige Dosierung. Man beginnt zunächst mit nur leicht warmen, feuchten Wickeln, weil zuviel Wärme im Gewebe die Hypoxie verschlimmern könnte. Im weiteren Verlauf der Behandlung, wenn der Circulus vitiosus unterbrochen ist, sind wärmere bis heiße Peloidpackungen angebracht. In der Regel ist die feuchte Wärme besser, vielleicht weil sie umschriebener lokalisiert wird als die trockene Wärme der Heißluft oder der Rotlichtbestrahlungen. Elektrotherapie: Die erwärmende Hochfrequenzdurchflutung ist bei den muskelrheumatischen, insbesondere den tendomyotischen Schäden weniger indiziert als die hydriatische Wärme, weil sich hier die rheumatischen Prozesse mehr an der Oberfläche abspielen. Bedürfen aber tiefe Gewebsschichten, z. B. größere schmerzende Muskelgruppen, einer direkten Erwärmung, dann sind die hochfrequenten Wechselströme angezeigt. Am besten eignen sich dazu die Dezimeterwellen mit Rundfeldstrahlern oder mit dem Muldenapplikator, der eine noch bessere Tiefenwirkung hat. Für einzelne Muskeln oder enger umschriebene Bereiche sind die Wirbelstromelektroden zweckmäßig. Die Mikrowellen mit Rund- oder Langfeldstrahlern eignen sich auch für die mehr oberflächlichen Prozesse bei Tendopathien und Schleimbeutelentzündungen. Hyperämisierend und schmerzlindernd sind die Methoden der Niederfrequenztherapie mit unterbrochenem Stromfluß, die diadynamischen Ströme nach Bernard (S. 386), die Interferenzstromtherapie nach Nemec (S. 390) und die sogenann-

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te Reizstrommassage nach Träbert (S.387). Unter der Niederfrequenzstrombehandlung können sich auch Muskelverspannungen lösen. Der frequenzlose Strom, der als stabile Galvanisation durch erkranktes Gewebe fließt, lindert die Schmerzen, indem er die sensible Erregbarkeit herabsetzt (S. 348). Er vermehrt auch, wie die Wärme, die Durchblutung, indem, anders als unter der Wärmezufuhr, die präkapillaren Gefäße vorübergehend „gelähmt" werden und indem die vasokonstriktorische Hypoxämie nachläßt. Die Quergalvanisation ganzer Extremitäten und die Längsgalvanisation in den Zellenbädern (S.352) erlauben wirksame Behandlungen der Gliedmaßen. Der Rumpf bzw. der ganze Körper findet im Stangerbad (S.355) die technisch beste Lösung für die stabile Galvanisation; hier kommt noch die entspannende Wirkung des Auftriebs und der Wärme des Bades hinzu (vgl. Polung dieser Durchströmungen, S.356). Ultraschalltherapie: Die Ultraschalltherapie wird bei den Tendomyosen angewendet [194]. Die mechanische Vibrationsenergie vermittelt in dieser Frequenz nur der Ultraschall. Er wirkt zweifellos lockernd auf verspanntes und in Gleitschienen verklebtes Gewebe. Ein Teil der mechanischen Energie wird im Organismus absorbiert und in Wärme umgewandelt, ein vorteilhafter Kombinationseffekt entsteht so. Massagen: Massagen bedürfen, wie bei der Polyarthritis (S. 756), der abwägenden Indikationsstellung. Akute, schmerzhafte Tendomyosen vertragen, besonders an den Schmerzpunkten der Sehnen, sicher keine Massagen, die hier eher eine Verstärkung als eine Linderung der Beschwerden bringen. Bei den myalgischen und hypertonen Muskeln sind detonisierende Massagetechniken (S. 108) geeignet, chronische Schmerz- und Verspannungszustände zu lockern, die charakteristischen Myogolosen zu lösen, damit auch die Schmerzen zu lindern und die behinderten Bewegungsfunktionen wieder zu erleichtern. Zweckmäßig wird das zu lockernde Gewebe vorher durchwärmt. Hierfür ist auch trockene Wärme, Heißluft, Infrarot oder Hochfrequenzwärme geeignet, weil sie die Haut nicht aufweicht, was sich für eine nachfolgende manuelle Massage ungünstig auswirken würde. Besonders empfindliche Partien und kleinere Muskeln, z. B. die tragenden Muskeln des Schultergürtels, sollten sehr vorsichtig behandelt werden. Beim reflektorischen Hartspann (S.86) sind reizkräftige Griffe ungeeignet, der Spannungszustand nimmt eher zu. Schüttelungen, Vibrationen und zartes Walken und Kneten geben den verspannten Muskeln einen „normalen", d. h. funktionsbereiten Tonus wieder. Die Myogelosen verlangen dagegen oft kräftige Zirkelungen, die eine erhöhte Konsistenz lockern, die Resorption anregen und die örtliche Zirkulation anregen. Für große Muskeln, z.B. den Trapezius, den Latissimus dorsi, auch für tiefere Rückenmuskeln, für die als Erektor trunci bezeichnete Gruppe, für die Glutäen und andere Extremitätenmuskeln, ist die Unterwasserdruckstrahlmassage ein oft erfolgreiches Mittel. Allerdings muß man sorgfältig testen, ob und wieweit der Patient ein so reizkräftiges Vorgehen verträgt.

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Aus der Gruppe der Reflexzonenmassagen (S.98) wird die Bindegewebsmassage empfohlen. Sie darf an den empfindlichen Stellen nicht schmerzen. Sie bessert indirekt über vegetativ-neurale und humorale Mechanismen [193] vor allem die in chronischen Phasen unzureichende Durchblutung und lockert auch die Verspannungen. Bei umschriebenen Spannungen im Unterhautgewebe kann die Strichtechnik auch direkt lockernd wirken. Krankengymnastik: Die Symptome der weichteilrheumatischen Krankheitsbilder bieten häufig Indikationen für bewegungstherapeutische Maßnahmen. Diese wollen die Bewegungen flüssig und schmerzfrei machen, indem sie ebenfalls die verkrampften Muskeln lockern. Die stets eingeschränkten, gestörten, unkoordinierten Bewegungen finden ohne Übungsbehandlungen nicht ohne weiteres in ihren normalen, ausgewogenen Bewegungsablauf zurück. Im akuten Geschehen ist aber vorübergehend eine Ruhigstellung angezeigt, wenn die Bewegungen noch zu stark schmerzen. Man stellt, z. B. bei den Tendinosen, den Vorderarm durch abnehmbare Schalen oder Bandagen ruhig, bei den periartikulären Fibrositissyndrom legt der Arzt nach den gleichen Grundsätzen wie bei der Polyarthritis (S.750) Verbände oder Schienen an. Grundsätzlich ist aber jede vorläufige oder nur stundenweise eingehaltene Fixierung von Gelenken vorbereitend für nachfolgende Übungsbehandlungen gedacht, die erst eine normale, schmerzfreie Funktion aller beteiligten Gelenke und der Gelenk-Muskelmechanismen anstreben [525]. Sobald schmerzende Bewegungen wieder erträglich sind, ist jede Bewegung [519] vorteilhafter als ängstliches Stillhalten. Die Bewegungsübungen sollen die funktionell intakten Muskeln in erster Linie lockern. Verbunden mit den empfohlenen Massagen, Schüttelungen, Vibrationen oder sanft zufassenden Techniken, jeweils unterstützt durch Wärme, erarbeitet die Krankengymnastin einen koordinierten, nach allen Richtungen freien Bewegungsablauf. Nicht selten sind auch dehnende Techniken an geschrumpften Bindegewebe notwendig, vor allen an Gelenkkapseln. Im warmen Wasser der Schmetterlingswanne oder im Bewegungsbad bieten sich gute Möglichkeiten, entsprechend kombiniert zu behandeln. Erfahrungsgemäß beginnt die Krankengymnastin am besten distal einer erkrankten Stelle und arbeitet sich vorsichtig an die Schmerzregion heran, damit die oft ängstlichen Patienten erst einmal Vertrauen finden [194], So geht die Krankengymnastin beispielsweise von den Fingergelenken langsam über das Handgelenk und den Ellenbogen zur schmerzenden Schulter über, wobei sie zunächst die Bewegungen führt, aber jede Gewalt absolut vermeidet, bis schließlich freie, aktive Bewegungen wieder gelingen. Die Krankengymnastin achtet auch auf die Antagonisten erkrankter, verspannter und verkürzter Muskeln. Fehlhaltungen, Gewohnheitslähmungen (S. 370) und sich einschleichende Fehlbewegungen vermeidet die Krankengymnastin, wenn sie jeden einzelnen Muskel beachtet und seine Kraft in den komplexen Bewegungsablauf koordinierend einsetzt.

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Allgemein-spezifische (C) und vorbeugende (D) Maßnahmen Alle Behandlungen, die nichtentzündliche, muskelrheumatische Beschwerden bessern, haben gleichzeitig auch vorbeugenden Wert gegenüber den zu Rezidiven neigenden muskelrheumatischen Folgen. Halten bedingende Faktoren ständig an, etwa in Gestalt von Haltungsfehlern und Überlastungen einzelner Muskeln und Gelenke, z.B. bei Stenotypistinnen oder anderen Berufen mit ziemlich gleichbleibender Körperhaltung, die einzelne Gliedmaßen ständig überfordern, andere zu wenig gebrauchen, dann ist eine Ausgleichsgymnastik ebenso heilend wie vorbeugend wirksam. Sie ist eine Übungsbehandlung, die das Gleichgewicht der Anforderungen an Agonisten und Antagonisten bzw. zwischen überforderten und zu wenig geforderten Muskeln gezielt pflegt. Auch ausgewählte Sportarten, die den ganzen Körper in Anspruch nehmen, ohne einzelne Bewegungseinheiten übermäßig anzustrengen, wie Schwimmen in allen Lagen (beim Zervikalsyndrom ist unter Umständen nur Rückenschwimmen zu empfehlen), leichte Rasenspiele (Federball, Handball, Volleyball), sind geeignet, die muskelrheumatischen Beschwerden zu verhüten. Muskelrheumatische Symptome sieht man bei manchen Menschen, wenn sie Wetterunbilden mit Nässe und Kälte und Abkühlungsreizen durch Zugluft ausgesetzt waren. Hier sind alle Abhärtungsmaßnahmen, die über die Hautdurchblutung das regulatorische Spiel des Wärmehaushaltes „trainieren", z. B. Waschungen, Wechselgüsse, Hautbürsten, geeignet. Sie adaptieren den Menschen an äußere Einwirkungen des Wetters und verbessern seine Resistenz gegen krankmachende Einflüsse thermisch-hygrischer Natur (S. 553). In diesem Sinne haben auch Kurbehandlungen nach Art der Kneippkuren ihre Indikation. Badekuren mit ihrer unspezifisch stärkenden, heilsamen Wirkung, vor allem die speziell antirheumatisch wirkenden Schwefel- und Radonbäder, auch die Solbäder mit einer weniger differenzierten Indikation, gehören in ein Behandlungskonzept mit kurativen und präventiven Zielen. Dasselbe gilt auch für Klimakuren.

5.3 Wirbelsäulenbedingte Störungen der Beweglichkeit Die Wirbelsäule gibt sehr häufig Anlaß zu vielfältigen therapeutischen Maßnahmen. Aufgrund von Störungen der Gelenkfunktionen in den Bewegungssegmenten der Wirbelsäule durch ankylosierende Verknöcherungen, häufiger noch aufgrund schmerzhafter Prozesse, die Verspannungen der Muskeln bedingen und weichteilrheumatische Folgen haben, ist die Beweglichkeit der Wirbelsäule behindert. Auch gehen von den Wirbelkörperfortsätzen, die Foramina bilden, oder vom Zwischenwirbelgewebe Irritationen peripherer Nerven bzw. ihrer Wurzeln aus. Für den physikalischen Therapeuten sind die wichtigsten Erkrankungen der Wirbelsäule die entzündliche Spondylarthritis ankylopoetica sowie degenerative Prozesse (Chondrose und Osteochondrose).

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5.3.1 Spondylarthritis ankylopoetica Die auch unter dem Namen Bechterewsche Krankheit bekannte Spondylarthritis ankylopoetica ist entzündlich-rheumatischer Genese [480]. Sie ist aber eine selbständige Krankheit und nicht als Sonderfall der chronischen Polyarthritis zu betrachten. Dafür sprechen klinische Gründe, vor allem, daß sie die kleinen Extremitätengelenke nicht befällt, keine Rheumaknoten bildet, und — anders als die Polyarthritis — gut auf Röntgenbestrahlung, nicht dagegen, wie diese, auf Goldbehandlungen anspricht. Sie befällt sehr viel häufiger Männer als Frauen, während die Polyarthritis drei- bis viermal mehr Frauen heimsucht. Die Ätiologie des Leidens ist nicht bekannt. Seit einigen Jahren aber erhellen neue Erkenntnisse der Ätiologie- und Pathogeneseforschung den Krankheitshintergrund. Mehr als 90% der Kranken haben einen als Transplantationsantigen bekannten Faktor im Blut, das HLA (Human-Lymphocyte-Antigen) B 27. Dies läßt darauf schließen, daß es bei der Spondylarthritis ankylopoetica pathogenetisch bedeutsame Immunphänomene gibt, die bei der zweifellos vorhandenen genetischen Disposition unter dem Einfluß zusätzlicher, auslösender, exogener Faktoren bisher unbekannter Art hinzukommen. Dies darf aber nicht darüber hinwegtäuschen, daß auch bei fehlendem HLA B 27 eine Bechterewsche Krankheit vorliegen kann, andererseits beweisen bei positivem B27-Befund Rückenschmerzen keineswegs eine ankylosierende Spondylitis, da das Antigen auch bei ca. 8% der Gesunden gefunden wird. Anamnese, klinische Untersuchung und Röntgendiagnostik bleiben also unentbehrlich [561], Für die rechtzeitige, erfolgreiche, Spätschäden eindämmende Behandlung und für die Prognose der Rehabilitationsbemühungen sind die Frühsymptome wichtig. Es vergehen aber im Durchschnitt immer noch 5-7 Jahre, bis die Diagnose eindeutig geklärt ist. Erste Beschwerden treten schon in der Adoleszenz auf. Meist beginnt das Leiden mit unbestimmten, kommenden und wieder vergehenden Schmerzen im Rücken und Gesäß, die oft ischiasartig in die Oberschenkel ausstrahlen. Besonders in der Nacht und in den frühen Morgenstunden stören diese Schmerzen die Kranken erheblich; sie lassen nach, wenn der Patient sich bewegt. Eine Tendinitis der Achillessehne (Kalkaneodynie), eine hartnäckige, rezidivierende Iritis, eine Urethritis weisen zuweilen schon auf die Krankheit hin, bevor sie an der Wirbelsäule manifest wird. Die Symptome verschwinden nicht selten für Monate bis Jahre, kommen dann aber wieder. Abortive Verlaufsformen sind nicht ganz selten. Der Verlauf der Krankheit ist in vier Stadien eingeteilt worden [480] : ein Vorund Initialstadium (röntgen-negativ), ein präspondylitisches Iliosakralstadium, das versteifende Wirbelsäulenstadium und ein Spät- bzw. Endstadium. In allen Phasen sind je nach der Symptomatik intensive therapeutische Bemühungen notwendig, wobei die Kranken oft medikamentöse Hilfen brauchen, nie aber auf die Physikalische Therapie verzichten können [475].

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Die Krankheit befällt in der Regel die ganze Wirbelsäule, verändert nahezu regelmäßig die Iliosakralgelenke, oft auch die Hüft- und Schultergelenke, selten — bei der sogenannten skandinavischen Form — auch die Hand- und Kniegelenke. Erst seit kurzem ist bekannt, daß eine isolierte Arthritis der Iliosakralfugen viel häufiger ist, als man bisher annahm. Schmerzhafte Periostosen findet man öfter am Beckenkamm, an den Sitzbeinhöckern und den Fersen. Erste klinische Zeichen sind nach den Schmerzen die Bewegungseinschränkungen der Wirbelsäule. In fortgeschrittenen Stadien verschulden sie die typischen Haltungen, der Kopf ist nach vorne geschoben, eine fortschreitende Brustkyphose tritt auf, die Lendenwirbelsäule versteift (positives Schobersches Zeichen). Beim Vorwärtsbeugen mit gestreckten Knien wird der Finger-Boden-Abstand immer größer, die Atembreite kann bis auf null Zentimeter zurückgehen. Bei der Untersuchung mit dem Menellschen Handgriff schmerzen die Iliosakralfugen nur am Anfang, solange sie noch nicht ankylosiert sind. Die Abbildung 177 zeigt diese Bestimmungen der Bewegungseinschränkungen. Absolute Klarheit in die oft uncharakteristische Schmerzsymptomatik bringt die Röntgenuntersuchung. Die jetzt sichtbaren, schmerzhaften, destruierenden Entzündungen an Knochenrändern und den Wirbelgelenken und die proliferativen, schließlich zur knöchernen Versteifung der Wirbelsäule führenden Veränderungen zeigen die typischen Verlaufsformen der Krankheit. Der fortschreitende Prozeß steigt in kaudo-kranialer Richtung auf. Zuerst sind — die frühen, tiefsitzenden Rückenschmerzen zeigen dies an — die Iliosakralgelenke verändert. Anfangs zeigen sie erste Usuren der Gelenkränder, bis sie schließlich vollständig ankylosieren. An den Wirbelkörpern und den dazwischen liegenden Bandscheiben finden sich Röntgenzeichen, die zum Teil schon sichtbar sind, wenn die Iliosakralfugen noch keine Veränderung anzeigen. Charakteristisch sind Usuren und Defekte an den Vorderflächen der Wirbelkörper (Spondylitis anterior), auch an ihren Ober- und Unterkanten (Randleisten). Die Defekte füllen sich später wieder auf, die Wirbelkörper sehen dann kästen- oder tonnenförmig aus. Die Höhenabnahme der vorderen Wirbelanteile zieht den Kranken langsam zunehmend in die charakteristische Brustwirbelsäulenkyphose. Zwischen je zwei Wirbeln bilden sich typische, in vertikaler Richtung wachsende Syndesmophyten (gr.: syndesmos = Band, phyton = Gewächs), die später die Zwischenwirbelräume überbrücken, bald verknöchern und so irreversibel die ganze Wirbelsäule versteifen, so daß diese schließlich die Form eines „Bambusstabes" bekommt. Auch die Bandscheiben werden von dem entzündlichen Prozeß ergriffen (Diszitis bzw. Spondylodiszitis). Die Rippen- und Wirbelgelenke, sowie die Uncovertebral- und Intervertebralgelenke ankylosieren knöchern und schränken schließlich die Beweglichkeit des Brustkorbes erheblich bis vollständig ein. Die Kranken atmen dann nur noch mit dem Zwerchfell. So kommt ein weiteres, typisches Merkmal zustande. Der Brustkorb ist eingesunken, der Unterbauch ballonartig vorgewölbt (Abb. 177). Die Behandlung hat zum Ziel, den entzündlichen Prozeß zum Stillstand zu brin-

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Abb. 177 Klinische Wirbelsäulendiagnostik bei Spondylarthritis ankylopoetica. flèche (fr.: Pfeil, Stange) = Abstand zwischen Hinterhaupt und Wand. Schobersches Zeichen = Es mißt die Bewegungsmöglichkeit der LWS. Man markiert auf der Haut den Dornfortsatz L4 oder 5 und einen Punkt 10 cm darüber. Beugt sich der Patient nach vorne, wird der Abstand größer, bleibt er etwa gleich, zeigt dieses positive Schobersche Zeichen die Versteifung der LWS an. Menellscher Handgriff = In Bauch- oder Seitenlage flektiert der Arzt die Oberschenkel ruckartig nach dorsal ; ein entzündetes Iliosakralgelenk schmerzt.

gen, die Schmerzen zu lindern, die Bewegungseinschränkung aufzuhalten bzw. die Körperhaltung vor allzu belastenden Abweichungen zu bewahren und Komplikationen, z. B. der Atmung, zu verhüten. Die Aussichten einer Heilung sind zwar gering, es sei denn, die Krankheit kommt nach Jahren von sich aus zum Stillstand. Unter intensiver, kombiniert medikamentöser und physikalischer Behandlung können die meisten Kranken ein Leben ohne große Schmerzen und mit nicht zu schweren Bewegungsbehinderungen führen, die Arbeitsfähigkeit bleibt meistens erhalten. Übersicht über die Behandlungsvorschläge Kausale Therapie (A) Eine ursächliche Behandlung in ätiologischem Sinne gibt es nicht Symptomatisch-gezielte Behandlungen (B) Medikamentös: Nichtsteroidale Antiphlogistika Physikalisch-therapeutisch : Massagen mit lockernden Griffen ; für die Rückenmuskeln Unterwasserdruckstrahlmassagen

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Hydro-Thermotherapie: Wärme für verspannte Muskeln durch Wickel, Pakkungen, warme Bäder Krankengymnastik: Passiv lockernde Techniken, aktive Übungsbehandlungen für die einzelnen Wirbelsäulenabschnitte, Hockergymnastik, Übungen im Vierfüßerstand und an der Sprossenwand. Klappsche Kriechübungen, therapeutisches Schwimmen. Atemschulung mit Atem-Brustkorbgymnastik. Leichte sportliche Betätigung, Gymnastik in Übungsgruppen Elektrotherapie: In frühen, schmerzenden Phasen Hochfrequenzwärme auf die Rückenmuskeln Niederfrequente Techniken zur Entspannung einzelner Muskeln oder zu einer Art Reizstrommassage Iontophorese mit Histamin oder Natrium salicylicum Allgemein-unspezifische (C) und vorbeugende (D) Maßnahmen Badekuren, kombiniert mit Bewegungsübungen Erläuterungen zu A bis D Kausale Therapie (A) Eine ursächliche Behandlung gibt es aufgrund der unbekannten Ätiologie des Leidens nicht. Ob die neueren pathogenetischen Erkenntnisse zu praktischen Ergebnissen führen, bleibt abzuwarten. Symptomatisch-gezielte Behandlungen (B) Medikamentös hemmen nichtsteroidale Antiphlogistika die Entzündung und lindern die Schmerzen, z.B. Salicylate, Indometacin, Piroxicam, Proquazon u.a. (S. 746). Steroide sind lediglich zur Behandlung einer komplizierenden Iritis oder Uveitis indiziert. Über Jahrzehnte war die fraktionierte Röntgenbestrahlung der ganzen Wirbelsäule und der Iliosakralgelenke die am häufigsten verordnete Behandlung. Ihre Wirkung ist wahrscheinlich gleichfalls nur symptomatisch, antiphlogistisch und analgesierend. Die Patienten werden bald schmerzfrei [68], eine bremsende Wirkung auf die fibrosierenden bzw. ossifizierenden Prozesse ist dagegen nicht erwiesen, eher unwahrscheinlich. Da es inzwischen ebenso gut wirkende Medikamente gibt, ist man heute von der Röntgenbestrahlung fast ganz abgekommen, zumal die je nach Dosis erhöhte Leukämierate oder ein mögliches Strahlensarkom eine so schwerwiegende Maßnahme nicht mehr rechtfertigt. Auch die intravenöse Strahlentherapie mit Thorium X ist, obwohl sie gute Linderung bringt, heute wegen der möglichen Spätschäden noch weniger zu verantworten als eine Röntgenbestrahlung. Physikalisch-therapeutische Bemühungen gelten der Funktion der Muskeln und der Beweglichkeit in den Gelenken. In der Regel sind die Kranken mit einer

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ankylosierenden Spondylitis für die Physikalische Therapie gut belastbar, besser als die Polyarthritiker [479]. Funktionsprüfungen der kardiorespiratorischen Leistungsfähigkeit an Bechterew-Patienten ergeben, daß auch diese Kranken von einem ergometrischen Training einen Gewinn an kardialer Leistung mitnehmen [398]. Massagen: Eine für die Bechterew-Patienten fast immer unentbehrliche Verordnung sind die Massagen. Kommt die Krankheit langsam auf, dann werden die Muskeln meist hyperton, es finden sich Myogelosen, oft auch ein diffuser Hartspann (S. 86). Zwei Umstände erklären dies [68]: Von den entzündlich irritierenden Prozessen an der Wirbelsäule, wohl auch unter dem von hier ausstrahlenden Schmerz gehen reflektorisch tonussteigernde Impulse an die Muskeln. Dazu kommt, daß die Muskeln durch die veränderte Statik ständig falsch belastet sind. Auch dies hat tonisierende Reize zur Folge. Daraus entstehen bei weiterem Fortgang des Geschehens im Bereich der hyperlordosierten Halswirbelsäule Kontrakturen in den Muskeln des Nackens und des Schultergürtels, im Bereich der kyphosierenden Brustwirbelsäule zeigt der Musculus pectoralis eine entsprechende Verkürzung. Von den tieferen Wirbelsäulenabschnitten gehen Kontrakturen des Iliopsoas und der ischiokruralen Muskelgruppe aus. Entsprechend bilden sich fibröse Gelenksteifen auch an primär nicht beteiligten Gelenken. Voraussetzung für den wichtigsten Teil der physikalisch-therapeutischen Aktivitäten, die Bewegungsübungen, die unter anderen auch die tonussteigernden Reize abstellen sollen, ist eine gut funktionierende, entspannte Muskulatur. Massagen mit lockernden Techniken, Vibrationen, Schüttelungen, Zirkelungen, weiche Knetungen, befreien die Muskeln aus ihrer reflektorischen Zwangslage. Kontrakte Muskeln bedürfen zunächst der passiven, dann auch der aktiven Dehnung. Sind die Muskeln schon zu fest verkürzt, dann kommen die Techniken der Kontrakturbehandlungen (S.755) zu Hilfe. Täglich sind, z.B. bei beginnender Beugekontraktur der Hüftgelenke, Extensionen (Sandsäcke auf die Kniegelenke oder Rollenzüge) erforderlich. Für die Schulter- und Pectoralismuskeln eignen sich Übungen an der Sprossenwand. Für die großen Muskeln, die ischiokrurale Gruppe, die Glutaei, auch die langen Rückenstrecker, sind die Unterwasserdruckstrahlmassagen besonders geeignet, zumal der Auftrieb und die Wärme hier zusätzlich entspannend wirken. Oft zeigt sich nach einer guten Massagebehandlung, daß die Bewegungseinschränkung der Wirbelsäule (Finger-Boden-Abstand, Neigungswinkel Rumpf-Oberschenkel) geringer ist als es vorher schien. Bei lang bestehendem, fortgeschrittenem Leiden mit stark eingeschränkter Beweglichkeit atrophieren die zu wenig beanspruchten Muskeln mehr und mehr. Dies zu verhindern oder zu korrigieren, erfordert dynamische Techniken. Hydro-Thermotherapie: Den mit veränderter Statik und unter Schmerzen belasteten Muskeln ist Wärme wegen ihres entkrampfenden und das Gewebe vermehrt durchblutenden Einflusses stets angenehm. Um die Muskeln geschmeidig zu machen für bewegungstherapeutische Maßnahmen, ist sie nahezu unentbehrlich. Geeignet sind Heißluftbehandlungen und die Dampfdusche auf einzelne Muskeln.

Physikalisch-therapeutische Behandlung von Bewegungsbehinderungen

III

Gegen Fangopackungen sollen die Patienten mit einer Spondylitis überempfindlich sein [68], von anderer Seite werden aber warme bis heiße Packungen, Moor, Paraffin, Thurbatherm [525] und Wickel empfohlen. Die Wärme eines Vollbades mit seiner kombinierten, entspannenden Wirkung fördert zweifellos die Beweglichkeit über eine verbesserte Muskelfunktion. Überwärmungsbäder werden zwar noch empfohlen [115, 330, 376, 379, 581], erfahrene Ärzte [68] beurteilen sie aber als nicht gewinnbringend. Bedenkt man, daß die günstige Wirkung eines warmen Bades auf die Muskeln auch ohne Hyperthermie eintritt, diese also entbehrlich ist, andererseits der Bechterew-Kranke immer wieder und über lange Zeit, am besten täglich, einer Behandlung bedarf, die der Erhaltung oder Förderung der Beweglichkeit dient, dann sind Überwärmungsbäder unnötig belastend und anstrengend. Krankengymnastik: Passive Lockerungen der hypertonen Muskeln geschehen zunächst in Rückenlage. Grundsätzlich gilt für den Bechterew-Kranken, daß er, sooft er kann und solange es geht, auf einer horizontalen Liege ruht, die sich der Körperform anpaßt, aber nicht durchhängt und so fehlerhafte Formen der Wirbelsäule zuläßt. Je nach Ausprägung der Brustkyphose wird die Höhe des Kopfkissens ausgewählt. Zu Beginn der Behandlung nimmt die Krankengymnastin, über dem auf der Matte liegenden Patienten stehend, dessen beide Hände, hebt seinen Oberkörper leicht an, schwingt hin und her und macht federnde, drehende und seitbeugende Brustkorb- und Rumpfschüttelungen. Im Sitzen auf dem Hocker fixiert die Krankengymnastin die Schultern und dreht und neigt den Kopf nach beiden Seiten, gegebenenfalls mit leichter manueller Extension. Sofern Kontrakturen vorhanden sind, kommen die nachfedernden Dehnungsbehandlungen hinzu (S.751). Sind die Muskeln passiv gelockert, dann beginnen die Patienten unter Anleitung der Krankengymnastin mit aktiven Übungen, die der Haltung der Wirbelsäule dienen, ihrer aufkommenden Starre entgegenwirken und vor allem auch den Brustkorb beweglicher machen, um die Atmung von der Einengung zu befreien. Die drei Abschnitte der Wirbelsäule mobilisiert die Krankengymnastin mit jeweils speziellen Übungen. Die Halswirbelsäule wird freier, wenn der sitzende Patient langsam den Kopf vorbeugt, nach hinten aufrichtet und nach beiden Seiten dreht. Hierbei hilft gegebenenfalls die Krankengymnastin mit leichter manueller Extension. Auch Rollübungen des Kopfes sind angezeigt. Vor diesen Behandlungen muß geklärt sein, ob eine beim Morbus Bechterew zwar seltene, aber nicht unbedingt auszuschließende atlanto-axiale Dislokation Komplikationen verursachen könnte (S. 754). Den aktiven Bewegungsübungen für die Brustwirbelsäule bietet sich die Hokkergymnastik mit ihren vielen Möglichkeiten an [348]. Der Vierfüßerstand und die Sprossenwand sind ebenfalls gut geeignet. Fest auf dem Hocker sitzend ist das Becken des Patienten fixiert. Schwungübungen mit den Armen, Drehen des Brustkorbes nach beiden Seiten, Vorbeugen und Aufrichten des Oberkörpers nehmen neben der Brustwirbelsäule auch ihre angrenzenden Abschnitte in Anspruch.

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a Tiefkriechen

b an der Sprossenwand

c Steilkriechen

Abb. 178 Beispiele der Wirbelsäulengymnastik.

Aus dem Vierfüßerstand, u.a. im Rahmen der Klappschen Kriechübungen (S.789), bewegt sich der Patient vorwärts (Abb.l78a-c). Mit tiefen Schultern, unterhalb einer in Höhe der Hüftgelenke gedachten, horizontalen Linie (sog. Tiefkriechen oder tiefes Durchziehen), schiebt der Patient das Kinn dicht über dem Boden entlang und streckt damit die kyphosierte Brustwirbelsäule (a) mit nicht überstreckter Halswirbelsäule. Weniger anstrengend sind ähnliche Übungen an der Sprossenwand (b). Beim sogenannten Streilkriechen bleibt der Schultergürtel oberhalb der Horizontalen, mit jedem „Schritt" hebt der Patient abwechselnd einen Arm (c) und bewegt so die Brustwirbelsäule auch ein wenig in seitlicher Richtung. Der Lendenwirbelsäule bringt das erwähnte Steilkriechen eine Lordosierung, mit dem Tiefkriechen nimmt sie mehr eine kyphotische Haltung an. Auf dem Hocker sitzend und das Becken abwechseln vor- und zurückkippend — krankengymnastische Hilfen sind dabei oft nötig — übt der Patient speziell diese Lendenwirbelsäulenbewegung, die dazu dient, eine hier noch vorhandene Beweglichkeit möglichst zu erhalten. An der Sprossenwand lockert der Patient im sogenannten Hangstand seine Lendenwirbelsäule in den kleinen Wirbelgelenken. Der Ausdruck „lockern" darf nicht mit der pathologischen Lockerung im Bewegungssegment (S. 782) verwechselt werden. Schwimmen ist für die Patienten mit einer ankylosierenden Spondylitis eine sehr wohltuende Körperübung. Etwas wärmeres Wasser (28-32 °C) erleichtert die Muskeltätigkeit. Mit einem Schwimmkörper in Gestalt einer Halskrawatte kann sich der Patient in jeder Lage ruhig bewegen und ohne eigentliche Schwimmbewegungen jede von der Krankengymnastin geforderte SpezialÜbung ausführen. Atemübungen sind der wichtigste Teil der Bewegungstherapie. Wird die Atmung als vitale Funktion zu sehr eingeengt, drohen ernste Komplikationen. Durch eine intensive Atemschulung mit Atem-Brustkorbgymnastik versucht die Krankengymnastin dies zu verhüten, damit die aufkommende restriktive Ventilationsstörung möglichst gering bleibt [481]. Die zunehmende Starre des Brustkorbes vermindert sowohl die statischen als auch die dynamischen Atemwerte. Das maximale Atemvolumen wird inspiratorisch eingeschränkt, weil der starre Thorax sich nicht erweitert. Dennoch kommt

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es in der Regel nicht zur Ateminsuffizienz, denn kompensierend springt die tiefe Zwerchfellatmung ein (Bauchatmung). Dies ist hier — anders als bei der Kyphoskoliose (S. 674) — möglich, denn der Thorax bleibt symmetrisch. Oft sind aber atemgymnastische Hilfen notwendig, die mit einer ausreichenden Flankenatmung die Zwerchfellbewegung frei halten (S.208). Die Atembreite gibt eine Kontrollmöglichkeit über den Verlauf der Krankheit und auch für den Erfolg der Atemtherapie (S.211 f.). Die Effektivität der Atem-Brustkorbgymnastik setzt voraus, daß der Patient die Gymnastik längere Zeit, meist über Jahre betreibt. Unbefriedigende Ergebnisse sind vor allem Ausdruck mangelnder Konsequenz. Ganz allgemein wird deshalb zur Bewegungstherapie bei Bechterew-Kranken empfohlen, mehr sportliche Betätigung, z. B. Schwimmen, leichte Ballspiele, in die Behandlungspläne einzubauen [147], weil die Patienten dazu motivierbarer sind als zu einer stets gleichbleibenden Krankengymnastik. Die Patienten müssen täglich zu Hause üben. Von den Krankengymnastinnen erhalten sie ein Übungsprogramm. Es hat sich als sinnvoll erwiesen, für die berufstätigen Patienten, die an einer ankylosierenden Spondylitis leiden, ambulante Übungsgruppen, wie bei den Koronarkranken, zusammenzustellen. In einer entsprechenden Zweckgemeinschaft wurde die Effizienz einer solchen physikalischmedizinischen Gruppentherapie nachgewiesen [445]. Nach vier Monaten waren die Werte für die Atembreite, die Wirbelsäulenmobilisation und die Vitalkapazität wesentlich gebessert gegenüber den Ausgangswerten. Elektrotherapie: Durchflutungen der ganzen Wirbelsäule oder der Iliosakralfugen mit Hochfrequenzwärme haben eine stärkere Tiefenwirkung als die von außen mit hydrotherapeutischen Verfahren herangetragene Wärme, die eher den Muskeln zugute kommt. Längsdurchflutungen der ganzen Wirbelsäule im Kondensatorfeld, 69-cm-Wellen mit dem Langfeldstrahler oder Muldenapplikator auf bestimmte Abschnitte der Wirbelsäule werden hier empfohlen. Die Versteifung der Wirbelsäule wird mit der Hochfrequenztherapie natürlich nicht aufgehalten. Ihre symptomatische Wirkung ist vor allem schmerzlindernder Art. Deshalb ist es verständlich, daß sie nur in frühen Stadien verordnet wird, solange starke Schmerzen vorherrschen, obwohl dabei nicht geklärt ist, ob der entzündliche Prozeß auf diese Weise nicht noch „aufgeheizt" wird. Geht es darum, in späteren Phasen die hypertonen langen Rückenstrecker zu entspannen, dann bietet sich die Kurzwellentherapie an. Verschiedene Verfahren der Niederfrequenztherapie eignen sich nicht allein zur Entspannung bestimmter Muskeln, z. B. mit der stabilen Galvanisation, die auch analgesierende und hyperämisierende Gewinne bringt, sondern auch zu einer Art Muskelmassage, z.B. mit dem Träbertschen Reizstrom (S.387) und den diadynamischen Strömen. Besonders die Haltemuskeln bedürfen im Wechsel mit aktiven Haltungsübungen einer solchen Behandlung. Umschriebene schmerzhafte Stellen, z. B. in Form der Tendomyosen (S. 764), die auch bei der ankylosierenden Spondylarthritis mit ihren verspannten Muskeln

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nicht selten sind, geben Gelegenheit für die Iontophorese mit Histamin oder Natrium salicylicum (S.361). In der Frühzeit der Ultraschallbehandlungen wurde der Ultraschall als ein sehr wirksames Mittel zur Behandlung empfohlen [250], Der Schall hat sich aber nach längerer Erfahrung nicht bewährt. Es wurde sogar über Verschlimmerungen berichtet [334], die vielleicht durch die „Mikromassage" des Ultraschalls an entzündlich gereizten Stellen zu erklären sind. Allgemein-unspezifische (C) und vorbeugende (D) Maßnahmen Unspezifische Behandlungen zur Stärkung der allgemeinen Resistenz sind immer wieder angezeigt. Eine hydrotherapeutische Reiztherapie bringt manchen Kranken wie auch vielen organisch gesunden, aber erschöpften Menschen eine erholsame „Umstimmung" (S. 75) in eine mehr trophotrope Richtung. Die Grundeinstellung des vegetativen Tonus ist aber bei den Bechterew-Patienten nicht charakteristisch nach einer Seite verschoben, wie es etwa bei Asthmatikern und Ulkuskranken zu finden ist. Jedem Kranken mit ankylosierender Spondylitis, bringt erfahrungsgemäß von Zeit zu Zeit eine Badekur, insbesondere im Anschluß an intensivere Mobilisierungsbemühungen großen Gewinn. Auch zur Balneotherapie wird gefordert, frühzeitig mit solchen Kuren zu beginnen und sie regelmäßig im Abstand von 2-3 Jahren zu wiederholen [142], Solche Maßnahmen, insbesondere wenn sie mit bewegungstherapeutischen Verordnungen, z. B. mit Bewegungsbädern [480], verbunden werden, bringen den Kranken ein Mehr an Lebensqualität und bewahren die Arbeitsfähigkeit. Balneotherapeutisch eignen sich die antirheumatisch wirksamen Schwefel-, Sol- und Wildwasserbäder, auch radioaktive Quellen (S. 493). Vorbeugende Maßnahmen gegen die Krankheit als solche gibt es ebensowenig wie kausale Mittel. Alle symptomatischen Behandlungen haben aber im Blick auf die drohende, völlige Versteifung in extrem schlechter Haltung einen wirksam vorbeugenden Anteil, sofern die Konsequenz der Behandlung nicht nachläßt. Es ist auch ratsam, die Kranken vor Nässe, Kälte und Überforderungen jeder Art zu schützen, weil die Krankheit die allgemeine Widerstandskraft stark beansprucht.

5.3.2 Degenerative Wirbelsäulenschäden Sehr viel häufiger als die entzündlichen Prozesse beschränken die degenerativen Veränderungen bzw. ihre Folgen erheblich die Beweglichkeit der Wirbelsäule durch Schmerzen, Fehlhaltungen, muskuläre Verspannungen und versperrende Hindernisse an den Austrittspforten für Nerven und Gefäße. Die Symptomatik verlangt neben der medikamentösen Schmerzbekämpfung nach allen Mitteln, mit denen physikalische Energien, z. B. mechanische Kräfte, Wärme, elektrische Stromarten, Auftrieb und hydrostatischer Druck, in therapeutischer Weise die Stütz-, Halte- und Bewegungsfunktion der Wirbelsäule von

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Schmerzen und Behinderungen befreien. Ebenso unentbehrlich sind krankengymnastische Aktivitäten, die der Wirbelsäule mit Bewegungsanforderungen ihre physiologische Haltung und ihre natürliche, ungehemmte Beweglichkeit mit auftrainierten Muskeln zurückgeben. Degenerative, behindernde Wirbelsäulenschäden bedürfen dann der Behandlung, wenn sie schmerzen. Die Schmerzen haben die Fehlstellungen und Fehlbewegungen durch Muskelverkrampfung oder eine unphysiologische Schonhaltung zur Folge. Verschleißerscheinungen an den Wirbelkörpern, Abnutzung der Zwischenwirbelscheibe, arthrotische Mängel an den Wirbelgelenken führen zu einer schmerzhaften Lockerung in den Bewegungssegmenten, oft mit zwar schmerzlindernder, aber funktionsstörender Fehlhaltung. Analgetika beheben vorübergehend die Schmerzen. Nachhaltig helfen nur die physikalisch-therapeutischen Maßnahmen, mit denen funktionelle Korrekturen gelingen und die haltenden Muskeln wieder zu Kräften kommen. Nicht selten ist auch ein Bewegungssegment schmerzhaft blockiert. Meist geschieht dies plötzlich nach einer Fehlbewegung oder indem Gewebsteile in einen Gelenkspalt hineingeraten. Hier bewährt sich die sogenannte manuelle Therapie der Wirbelsäule. Ein Beispiel einer Blockierung im Bereich der Lendenwirbelsäule ist die Lumbago, der sogenannte Hexenschuß. Gelegentlich komprimieren blokkierende Fehlhaltungen auch eine Nervenwurzel mit einem Beschwerdebild wie bei einem Diskusprolaps. Verschleißerscheinungen manifestieren sich als Osteochondrose (lat.: os = Knochen, gr.: Chondros=Knorpel). An den hyalin-knorpeligen Deck- und Grundplatten der Wirbelkörper (Abb. 179) entstehen degenerative Veränderungen mit sklerosierenden Reaktionen der anliegenden Spongiosa, gelegentlich auch mit Einbrüchen in diese (Schmorische Knötchen). Zum Teil verknöchern die prolifertiven (lat.: proles=Sprößling, ferre = tragen, degenerative Wucherungen) Prozesse an Knorpel und Knochen. In Gestalt der Osteophyten (S. 773) engen sie manchmal auch die Intervertebrallöcher ein. Das bizarre Bild der Spondylosis hyperostotica (J. Forestier) macht in der Regel aber keine Beschwerden und ist somit nicht behandlungsbedürftig. Die anderen Abnutzungskrankheiten, die Osteochondrose und die Spondylarthrose, führen gelegentlich zur Insuffizienz mit der bereits erwähnten Lockerung im Bewegungssegment. Die Diskopathien (gr.: discos=Scheibe), bei denen durch Verschleiß der Zwischenwirbelscheibe (Bandscheibe) der Zwischenwirbelraum niedriger wird, bahnen ebenfalls oft den Weg zu einer Lockerung, weil sie die Statik aus dem Lot bringen. Die degenerierte, jetzt niedrigere Bandscheibe wird breiter, ihre Ränder ragen zuweilen in den Wirbelkanal vor und behindern die dort laufenden Nervenstränge. Der Faserring (Anulus fibrosus) reißt mitunter auch ein, der gallertige Kern der Bandscheibe prolabiert womöglich nach hinten bis in das Lumen des Wirbelkanals (Nucleus-pulposus-Prolaps) oder aber zur Seite und drückt auf eine Nervenwurzel (radikuläre Reizerscheinung). Die schmerzhafte Symptomatik der von prolabierten Bandscheiben oder auch anderen mechanischen Behinderungen ausge-

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Rückenmark Knorpelplatte Randleiste Spongiosa Foramen intervertebrale ( Austritt der Nervenwurzeln) Gelenkflächen Gallertkern (Nucleus) Wirbelbogen im Schnitt Dornfortsatz —

Der als Bewegungssegment bezeichnete Raum zwischen je 2 Wirbeln und ihren Bögen Randleisten Osteophyt - Schmorlsches Knötchen Faserring (Anulus fibrosus) Verschmälerter Zwischenwirbelraum mit sklerosierten Deckplatten

Bandscheibenprolaps

Abb. 179 Degenerative Wirbelsäulenschäden.

henden Irriationen von Nervenwurzeln wird topographisch benannt, z. B. Brachialgie oder Brachialneuralgie (HWS), Interkostalneuralgie (BWS), Ischiasneuralgie (LWS). Es wird diskutiert, ob die Ursache einer Brachial- und Interkostalneuralgie — wie bei lokalen Neuralgien — auch im Nerv selbst liegen kann. Das Bewegungssegment der Wirbelsäule wird als funktionelle Einheit betrachtet [289]. Es umfaßt den Raum zwischen je zwei Wirbelkörpern mit der dazwischen liegenden Bandscheibe und den Intervertebralgelenken, deren obere und untere Anteile beiderseits der Wirbelkörper die Foramina intervertebralia bilden. Der Raum zwischen den Dornfortsätzen gehört auch zum Bewegungssegment (Abb. 179). Beansprucht der Mensch unbewußt durch veränderte Statik einzelne Bewegungssegmente längere Zeit unphysiologisch oder auch übermäßig, dann werden sie schließlich insuffizient. Funktionelle Störungen mechanischer Art, bei zu lokkerem oder in seiner Beweglichkeit blockiertem Bewegungssegment bedürfen einer funktionellen Therapie, die verständlicherweise in dem einen Fall völlig andere physikalisch-therapeutische Maßnahmen verlangt als in dem anderen [308]. Die Behandlungen verfolgen gleichzeitig mehrere Ziele. Der Schmerz erfordert meistens medikamentöse Hilfen. Man gibt sie per os, vielleicht auch gezielt mit Injektion oder Infiltration analgetisch wirksamer Pharmaka. Auch die Iontophorese Findet hier Indikationen (S. 360). Schmerzlindernd wirken manche physikalischen Maßnahmen, indem sie die Ursache des Schmerzes, z.B. eine muskuläre Verkrampfung oder eine Einklemmung, beseitigen.

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Der Zustand der Muskeln, die der Haltung (vgl. posturale Muskeln, S. 132) und der Bewegung der Wirbelsäule dienen, bedarf bei degenerativen Wirbelsäulenschäden einer Normalisierung des Tonus der Muskeln und ihrer Geschmeidigkeit. Die schmerzhafte und schmerzende Verkrampfung, die durch Muskelzug gefestigten Fehlhaltungen ganzer Abschnitte der Wirbelsäule, die durch eine Art Muskelklammer verkanteten Bewegungssegmente und die geschwächten, das Segment oder die ganze Wirbelsäule nur unvollkommen stützenden Muskeln, sind muskulär aufrecht erhaltene Fehlfunktionen, die behandelt werden müssen. Beklemmende Raumnot an den Austrittsstellen von Nerven und Gefäßen führt zu schwerwiegenden Störungen in den Versorgungsgebieten dieser Leitungen. Lagerungen mit Zugkräften halten, solange der Zug bestehen bleibt, einen Ausgang in die Peripherie offen. Diese Befreiung wird aber erst dauerhaft, wenn im Verlauf einer konsequenten Behandlung das störende Moment beseitigt ist. Gelingt dies mit konservativen Methoden nicht, dann ergeben sich chirurgische Indikationen. Diagnostische Klärung und Lokalisation der schmerzenden Ursache schafft die Voraussetzungen für erfolgreiche therapeutische Verordnungen. Die Statik der Wirbelsäule hat für die Behandlung grundlegende Bedeutung. „Ließe die Physiotherapie eine Korrektur der statischen Insuffizienz außer Betracht, wäre sie hier von vorneherein zum Mißerfolg verurteilt" [308]. Die Inspektion erfaßt die Haltungsanomalien der Wirbelsäule. Analgesierende Schonhaltungen und andere Ausweichstellungen weisen auf Abnutzungsschäden an der Wirbelsäule hin, die eine akute Symptomatik auslösten. Anomalien der Füße und der Knie- und Hüftgelenke überlasten durch Fehlhaltungen die Wirbelsäule an verschiedenen Stellen und führen so zu degenerierendem Verschleiß. Sehr häufig finden sich geringe Beinlängenunterschiede, die — gleicht man sie nicht aus — eine Skoliose unterhalten. Die Palpation erfaßt bei solchen Fehlhaltungen stets muskuläre Verspannungen, Myogelosen, vielfach auch druckempfindliche Tendomyosen (S. 764). Durch palpierenden Druck auf die einzelnen Dornfortsätze und entlang der Wirbelsäule läßt sich aufgrund der Schmerzempfindungen das gestörte Bewegungssegment lokalisieren (vgl. auch reflektorisch hyperalgetische Tonusänderungen in Haut und Muskeln bei inneren Organerkrankungen, S.91). Mit der funktionellen Untersuchung prüft der Arzt die Beweglichkeit der Wirbelsäule in allen Segmenten und deckt damit die Ansatzpunkte für eine funktionelle Behandlung auf. Die Rotation der Halswirbelsäule, Inklination und Reklination (lat.: inclinare = vorwärtsneigen, reclinare=zurückbiegen) und Seitwärtsbeugen in allen Abschnitten läßt die Behinderungen erkennen. Die neurologische Untersuchung bei radikulärer Symptomatik weist an Hand von Reflexausfällen, pathologischen Reflexen, Sensibilitätsstörungen und Paresen, Art und Ort der Störung nach. Die nicht so seltene basiläre Impression bewirkt zwar keine krankheitstypischen Ausfälle, eine dahingehende Vermutung aufgrund einer neurologischen Symptomatik ist mit der Röntgenuntersuchung aber leicht zu klären.

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Die Röntgenuntersuchung der Wirbelsäule zeigt mit Standardaufnahmen alle degenerativen Verschleißerscheinungen und die arthrotisch-proliferativen Wucherungen. Damit ist natürlich nicht belegt, daß Rückenschmerzen durch diese bedingt sind, denn degenerative Veränderungen findet man bei jedem älteren Menschen. Erst in Gemeinschaft mit den funktionellen Befunden kommt für den Arzt ein klares Bild zustande. Die Statik ist mit Ganzaufnahmen der Wirbelsäule zu erfassen. Der Kalkgehalt bzw. die Dichte der Knochen im Röntgenbild geben wichtige differentialdiagnostische Hinweise. Ist die Mobilität in unphysiologischer Weise verändert, dann bringen funktionelle Aufnahmen weitere Informationen. Bei radikulärer Symptomatik machen Myelogramme die Kompression der Nervenleitung sichtbar. Die verschiedenen schmerzhaften oder behindernden Krankheitsbilder, deren primäre Ursache — wenn auch nicht ausnahmslos — in dem degenerativen Verschleiß osteochondrotischer oder spondylarthrotischer Art liegen, sind durch die Lockerung im Bewegungssegment, bei der unphysiologische Bewegungen der Gelenkanteile gegeneinander und auch einzelner Wirbel vorkommen, oder durch die Blockierung im Bewegungssegment, die dessen Funktion einschränken, charakterisiert. Ferner treten sie als Diskopathien ohne und mit radikulärer Kompression in Erscheinung. Ihre schmerzhaften Symptome hängen davon ab, von welchem Abschnitt der Wirbelsäule die Verschleißerscheinung ausgeht. Das Zervikalsyndrom verursacht Kopfschmerzen (Migraine cervicale) mit einer der Meniere-Krankheit ähnlichen Symptomatik und Schmerzen in Nacken, Schulter und Arm (Zervikobrachialsyndrom). Weichteilrheumatische Symptome, z.B. die Epikondylitis (S.763), manche Brachialgie und alle Neuralgien hängen wahrscheinlich auch mit degenerativen Veränderungen an der Hals- und oberen Brustwirbelsäule zusammen [63]. Prozesse im Bereich der Brustwirbelsäule, nicht nur die degenerativen, sondern auch die juvenile, floride Osteochondrose (Morbus Scheuermann), machen diffuse Rückenschmerzen; eine Interkostalneuralgie als radikuläres (selten) oder blokkierendes Ereignis geht mit enger lokalisierten Schmerzen einher. Von der Lendenwirbelsäule ausgehend ist sehr häufig die Lumbago Ausdruck einer akuten Blockierung; ein Kompressionssyndrom ist die Ischialgie. Eine Sonderform ist die schmerzhafte Schultersteife, auch Schulter-Arm-Syndrom oder Periarthritis humeroscapularis genannt. Sie ist nicht immer Folge eines zervikalen Vertebralgeschehens. Ihre Ursache kann auch in arthrotischen Prozessen im Schultergelenk, einer drückenden Halsrippe oder einer Variante des M. scalenus liegen. Die Spondylolisthesis (gr.: olistesis=ausgleiten) ist eine Fehlbildung im Bogenteil eines Lendenwirbels. Dadurch gleitet der Wirbel nach vorne und stört so schmerzhaft Muskelfunktionen (Myalgie), zuweilen auch eine Wurzel.

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Übersicht über die Behandlungsvorschläge Kausale Therapie (A) und symptomatisch-gezielte Behandlungen (B) Medikamentös: Schmerztherapie wie bei Weichteilrheumatismus, ggf. Analgetika mit antiphlogistischer Komponente Physikalisch-therapeutisch: Massagen: Mit detonisierenden Griffen an einzelnen Muskeln, Unterwasserdruckstrahlmassagen des Rückens; im Bereich der HWS Massagen kombiniert mit Extensionen Lagerungen: Zur Erweiterung der Foramina intervertebralia. Für die HWS Nakkenrolle, für die BWS in der Horizontale nicht nachgebende Matratze, für die LWS Ausgleich der physiologischen Lordose, Knierolle, Stufenbett Extensionen: Glissonschlinge, Streckbett mit Fixation des Thorax und des Bekkens, Perlsches Gerät Krankengymnastik: Lockerung verspannter Muskeln, Lösung der Kontrakturen, Bewegungsbäder. Kräftigung der posturalen Muskeln mit isometrischen Anspannungen, Komplexbewegungen, Kriechübungen Manualle Wirbelsäulentherapie: Zur Mobilisierung akut funktionell „blockierter" Gelenke Thermo-Hydrotherapie: Wärme mit Heißluft, Wickel und Packungen, heiße Rolle ; bei akuten Störungen auch Kältetherapie Elektrotherapie: Hochfrequenzwärme. Niederfrequente Ströme zur Analgesie, Hyperämisierung und Detonisierung. Stabile Galvanisation, diadynamische Ströme, Interferenzstrom Allgemein-unspezifische (C) und vorbeugende (D) Maßnahmen Badekuren, vorbeugend unphysiologische Haltungen und Belastungen vermeiden; Ausgleichsgymnastik Erläuterungen zu A bis D Kausale Therapie (A) und symptomatisch-gezielte Behandlungen (B) Die Ursache degenerativer Veränderungen der Wirbelsäule liegt in der Last, die mit dem aufrechten Gang die Wirbelsäule stark in Anspruch nimmt. Symptomatische Behandlungen kann man vielfach auch als ursächlich ausschaltend ansehen, da es weniger die unabänderlichen morphologischen Verschleißerscheinungen sind, die schmerzhaft die Motilität einschränken, sondern mehr die Funktionsstörungen, die sich daraus ergeben. Gelingt es mit den Be-

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handlungen, die Folgen des Verschleißes an Knochen und Bindegewebe zu beheben, indem sie die Muskel- und Gelenkfunktionen entstören, die physiologische Haltung wiederherstellen, Druckschäden beseitigen und dergleichen, dann ist die mittelbare Ursache der schmerzhaften und behindernden Symptomatik nicht mehr wirksam, auch wenn dabei die eigentlich bedingende, morphologische Ursache, die Abnutzung und deren proliferative Folgen, weiterhin bestehen bleibt. Für die medikamentöse Behandlung des Schmerzes, die selten entbehrlich ist, gilt all das, was gegen die weichteilrheumatische Schmerzsymptomatik empfohlen wurde (S.766). Hier findet auch die Infiltrationstherapie Indikationen. Bei der Ischias bringt in manchen Fällen die Epiduralanästhesie in den Sakralkanal gute Linderung. Im Schmerzbereich der Halswirbelsäule ist gelegentlich auch die Blokkade des Ganglion stellatum mit einem Anästhetikum erfolgreich. Im akuten Geschehen eines radikulären Kompressionssyndroms bewährt sich die Kombination eines Analgetikums mit einer antiphlogistischen Komponente, wie es bei der chronischen Polyarthritis üblich ist (S. 745). Die medikamentöse Schmerzbekämpfung reicht allein nur selten aus, da sich gestörte Haltungs- und Bewegungsfunktionen in der Regel nicht ohne physikalisch-therapeutische Hilfen wiederherstellen. Ohne diese verursachen sie immer wieder neue Schmerzen. Physikalisch-therapeutisch werden alle Methoden, mit deren Hilfe die schmerzhaften und behindernden Funktionsstörungen in eine möglichst ungestörte Beweglichkeit zurückfinden können, angewendet. Massagen: Aus dem Bereich der Mechanotherapie sind Massagen der stets betroffenen Muskeln unentbehrlich. Sie entspannen deren Hypertonus, fördern die Zirkulation und den Stoffwechsel und tragen so auch dazu bei, für die Kräftigung der Muskeln, die nur mit aktiv-dynamischen Anforderungen gelingt, eine gute Ausgangssituation zu schaffen. Diffuse Rückenschmerzen — Patienten mit ausgedehnter Spondylarthrose und Osteochondrose klagen oft darüber — sind palpatorisch an der verspannten paravertebralen Muskulatur auch objektiv erkennbar. Alle Techniken der klassischen Massage bewähren sich hier. Welche Griffe nacheinander oder miteinander nötig sind, Reibungen, Knetungen oder Zirkelungen, um jeweils den ganzen Muskel geschmeidig zu machen und innerhalb seiner Fasern auch umschriebene Tonusänderungen zu beseitigen, entscheidet der erfahrene Masseur. Unterwasserdruckstrahlmassagen, die sich wegen des im Bad gegebenen Auftriebes und der detonisierend wirkenden Wärme des Wassers für die Rückenmuskeln besonders eignen, bedürfen wegen ihrer Rückwirkung auf Herz und Kreislauf natürlich einer ärztlichen Verordnung. Sie sind auch bei den hier nicht seltenen weichteilrheumatischen, subkutanen Verhärtungen angebracht. Manuelle Massagen haben in Kombination mit anderen Verordnungen, beispielsweise mit der Extension der Halswirbelsäule, noch bessere Erfolge. Bindegewebsmassagen, die eine Reflexzonentherapie darstellen, haben hier, wo Muskelmassagen unentbehrlich sind, lediglich den Sinn, mit einer großflächigen

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Streichtechnik spannungslösende Vorarbeit zu leisten. Mit Recht wird immer wieder darauf hingewiesen, daß die zur Mode gewordene Verordnung von Bindegewebsmassagen in vielen Fällen, wo eine Muskelmassage am Platz wäre, Ausdruck mangelnder Kenntnis der Massagebehandlungen ist. Beide Massagearten können einander nicht ersetzen. Lagerungen: Die Lagerungen sind sowohl als Lebensgewohnheit für Ruhe und Schlaf, wie auch als spezielle Behandlung ein wichtiger Teil des Therapieplanes. Die ganze Wirbelsäule braucht — auch für den Gesunden ist dies zu empfehlen — in Ruhe eine Lage, die der physiologischen Haltung entspricht und Lage- bzw. Haltungsfehler im Liegen und Sitzen nicht zuläßt. Die Matratze des Bettes darf vor allem nicht durchhängen (S.750). Die Lagerungen verfolgen den Zweck, die Intervertebrallöcher, durch die Nerven, und an der Halswirbelsäule auch zum Gehirn ziehende Gefäße austreten, zu erweitern und so Hindernisse zu beseitigen. Bei akuten Prozessen, z.B. einem Bandscheibenprolaps, sind bestimmte Lagerungen für längere Zeit — Tage bis Wochen — erforderlich, bis sich der Prolaps zurückgezogen und das Gewebe wieder gefestigt hat. Für die verschiedenen Syndrome ergeben sich die Lagerungen aus der physiologischen Haltung oder aber aus einer Stellung mit der bestmöglichen Erweiterung der Zwischenwirbelräume. Die Patienten helfen mit ihren Angaben zu Schmerzempfindungen wesentlich mit, die beste Lage zu finden. Die Halswirbelsäule nimmt in Rückenlage auf einer Nackenrolle ihre physiologische Lordose an; gelegentlich ist ein hufeisenförmiges Schaumgummipolster noch besser. Eine Art Lagerung, die die Halswirbelsäule streckt und fixiert, ist die Schanzsche Krawatte, die entweder für längere Zeit fest angelegt wird oder abnehmbar konstruiert ist. Besteht eine beim Zervikalsyndrom häufige Brachialgie, dann lagert man den Oberarm leicht abduziert bei etwas erhöht liegendem Unterarm. Bei dem sehr schmerzhaften Schulter-Arm-Syndrom ist oft eine während des ganzen Tages anliegende Abduktionsschiene unentbehrlich. Alle festen, beständigen Lagerungen bzw. Stützen haben den Nachteil, daß die haltenden Muskeln unter der Entlastung atrophieren. Deshalb sind die abnehmbaren Stützen besser, weil sie eine Kräftigung der Muskeln mit krankengymnastischen Übungen zulassen. Die richtige Lagerung der Brustwirbelsäule (vgl. Spondylarthritis ankylopoetica, S. 777) ist auf jeder nicht zu weichen, aber in der Längsachse absolut geraden Matratze gegeben. Beim Lendenwirbelsyndrom ist es in der Regel notwendig, die physiologische Lordose in Rückenlage auszugleichen, damit die Wirbel weiter auseinander rükken. In leichten Fällen genügt eine Knierolle. Die volle Streckhaltung der Lendenwirbelsäule erreicht man mit dem Stufenbett: Ein entsprechend großer Schaumgummiwürfel oder übereinander geschichtete Matratzenteile tragen dabei die mit rechtwinklig gebeugten Kniegelenken horizontal liegenden Unterschenkel, während die Oberschenkel bei gleichfalls rechtwinklig gebeugten Hüftgelenken senk-

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recht der Kante des Würfels anliegen. Für Brust- und Lendenwirbelsäule sind bei statischer Insuffizienz gelegentlich Stützmieder, die Abweichungen nicht zulassen und Schutz gegen Überlastungen bieten, unentbehrlich. Bei Kompressionsdruck auf eine Wurzel, z. B. bei der Ischialgie, bewährt sich zur Abwechslung auch die Seitenlage, wobei das Bein der kranken Seite, gleichfalls in Hüft- und Kniegelenk rechtwinklig gebeugt, auf einem entsprechend hohen, harten, nicht nachgebenden Kissen liegt. Dabei ist aber darauf zu achten, daß die Lendenwirbelsäule keine nach unten konvexe Skoliose annimmt. Extensionen: Von den entsprechenden Lagerungen ausgehend legen der Arzt oder nach seinen Anweisungen die Krankengymnastin auch als Streckbehandlung der Wirbelsäule Extensionen an. Sie eignen sich vor allem zur konservativen Behandlung der Diskushernien, gelegentlich aber braucht man sie auch zur Lösung der von zu starkem Muskelzug „verklemmten" Bewegungssegmente. Die Extensionen dehnen verspannte Muskeln, paravertebrale Weichteile und die fibroelastischen Zwischenwirbelanteile. Hier finden sich bei Irritationen oft auch ödematöse Schwellungen, die während der Extension abfließen. Schließlich erweitern sich die zu engen Räume. Es konnte nachgewiesen werden [601], daß unter der Dehnung des Bandscheibenraumes in diesem ein Sog zentralwärts entsteht, der das prolabierte Gewebe zurückzieht. Damit wird verständlich, weshalb so mancher Prolaps auch unter konservativer Behandlung zurückgeht und schließlich verschwindet. Die Muskeln antworten zunächst auf den Zug der Extensionen mit einem elastischen Widerstand, der unter dem mit der Dehnung eines Muskels ausgelösten Kontraktionsreflex (S.19f.) noch stärker wird. Diese unerwünschte Anspannung ist vermeidbar [308], wenn man sich mit der Zugkraft „einschleicht", rhythmisch intermittierend „ausschleicht" und langsam wieder zugibt usw. Manche Extensionsgeräte besitzen eine entsprechende Automatik. Es gibt eine Reihe von Konstruktionen, die Extensionen der einzelnen Wirbelsäulenabschnitte gestatten. Der Arzt achtet darauf, daß sich der dehnende Zug nicht in entfernteren, Widerstand leistenden Muskeln verliert, sondern sich möglichst in dem Bereich auswirkt, wo eine Dehnung erforderlich ist. Mit einer guten Fixation ist dies möglich. Beim Zervikalsyndrom hat sich seit 300 Jahren die Glissonschlinge bewährt. Sie umgreift den Kopf und leistet im Sitzen und im Liegen gute Dienste. Im Sitzen bildet die Körperschwere das die Brust- und Lendenwirbelsäule fixierende Gegengewicht. Während der Extension sind Drehbewegungen des Kopfes und lockernde Massagen der gedehnten Halsmuskeln leicht möglich. Für die Brust- und Lendenwirbelsäule gibt es besondere Streckbetten. Hierin werden z. B. der Kopf und die Halswirbelsäule mit der Glissonschlinge oder die Brustwirbelsäule durch Thoraxbandagen fixiert. Gleichzeitig sorgt eine Knierolle oder ein Matratzenteil dafür, daß sich die Lendenlordose ausgleicht, während die Gewichte nach kranial und kaudal ziehen. Eine gute kyphosierende Extension der Lendenwirbelsäule erreicht man mit dem Perischen Gerät, in dem die Unterschen-

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kel des auf dem Rücken liegenden Patienten mit rechtwinklig gebeugten Kniegelenken auf einer nach oben verschiebbaren Unterlage liegen, so daß für Oberschenkel und unteren Rücken eine Hängelage zustande kommt. Die Extensionen werden anfangs nur für wenige Minuten angelegt, können aber später zunächst stundenlang, in klinischer Behandlung tagelang angelegt bleiben, bis sich das störende Element zurückgebildet hat. Die Patienten dürfen dabei keine Schmerzen haben. Es ist notwendig, daß die Kraft des Extensionszuges nur langsam, von Mal zu Mal zunimmt. Krankengymnastik: Die Krankengymnastik hat, wie auch die Massagen und andere Verordnungen, die Aufgabe, verspannte Muskeln zu lockern. Darüber hinaus löst sie mit passiven und dynamischen Techniken auch Kontrakturen der posturalen Muskeln (S.132), kräftigt zu schwache Muskeln mit isometrischen Anspannungen und Komplexbewegungen nach dem Muster von Kabat (S. 153) und nimmt mit den Klappschen Kriechübungen (S.778) bestimmte Abschnitte der Wirbelsäule gezielt in Anspruch. Die Krankengymnastin hat dabei die Aufgabe, mit einem umfangreichen Übungsprogramm die Beweglichkeit der ganzen Wirbelsäule wieder herzustellen. Im Bereich der Halswirbelsäule läßt sie passiv-aktiv, geführt und frei, den Kopf und Hals nach allen Seiten beugen und Rotationsbewegungen machen, dergleichen ist auch in der Glissonschlinge oder mit einer manuellen Extension am liegenden Patienten möglich. Für die Brust- und Lendenwirbelsäule bringen Komplexbewegungen und isometrische Anspannungen, wie sie sich auch in der Skoliosenbehandlung bewährt haben [35], alle für den Rücken wichtigen Muskeln wieder in eine sowohl haltende wie auch freie Bewegungsfunktion. Das betrifft sowohl die großen Quermuskeln, die Mm. trapezius, lattissimus dorsi, rhomboideus, transversus abdominis, quadratur lumborum, als auch die unter dem Namen M.erector trunci zusammengefaßten Längsmuskeln, die Mm. iliocostalis, longissimus dorsi, semispinalis, multifidus und die Mm. rotatores. Die kleinen Rückenmuskeln haben bei den vertebragenen Halte- und Bewegungsstörungen größte Bedeutung, weil gerade sie das betroffene Bewegungssegment in seiner Fehlstellung festhalten bzw. ihm zu wenig Halt geben. Insgesamt ist es das Ziel der krankengymnastischen Behandlungen, durch kräftigende Muskelübungen und Schulung der Koordination stabilisierend einzuwirken [308]. Für die aktive Übungsbehandlung aller Funktionsstörungen der Wirbelsäule eignen sich besonders auch die Bewegungsbäder in etwas wärmerem Wasser (S. 268). Dies entlastet die Wirbelsäule und gestattet ihre volle Bewegung. Bei der Auswahl und der Dosierung der Übungen sollte immer darauf geachtet werden, daß diese die Bewegungssegmente nicht übermäßig beanspruchen und gefährden. Bei der juvenilen Osteoporose (Morbus Scheuermann) sind außer den Lagerungen besonders die Aufspannübungen aus der Bauchlage ein Mittel, die aufrecht haltenden Rückenmuskeln zu kräftigen.

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Die Skoliose von Kindern und Jugendlichen stellt an die Orthopädie besondere Anforderungen. Es wurden hierfür spezielle Lagerungen, auch operative Korrekturen und eine Reihe verschiedener Übungssysteme entwickelt, die in der entsprechenden Fachliteratur dargestellt sind. Manuelle Wirbelsäulentherapie: Die manuelle Wirbelsäulentherapie, auch Chirotherapie genannt, bringt in geeigneten Fällen überraschend gute Linderung. Die praktische Ausführung erfordert aber viel Erfahrung. Sie ist nicht durch Beschreibungen zu vermitteln, deshalb werden hier nur einige grundsätzliche Anmerkungen gemacht. Ärzte, in deren Händen solche Behandlungen bleiben sollen, erlernen die Behandlungstechnik in speziellen Kursen. Die Aufgabe der Chirotherapie besteht darin, blockierte Gelenke der Wirbelsäule zu mobilisieren. Die manuelle Therapie reponiert einen Bandscheibenprolaps nicht, sie erweitert auch nicht primär eingeengte Foramina intervertebralia und kann Nerven und Gefäße nicht von räumlicher Bedrängnis befreien, es sei denn, die Blockierung eines Gelenkes fixiert eine einengende Einstellung. Unter Blockierung, die einer manuellen Lösung zugänglich ist, versteht man eine funktionelle Störung im Bewegungssegment, nicht eine morphologische Veränderung, die mechanisch behindert. Bei der funktionellen Blockierung sind die passiven Bewegungsmöglichkeiten durch Schmerz und Verspannung eingeschränkt. Es ist noch nicht geklärt, welches die Ursache der Blockierung und damit der schmerzhaften Fehlhaltung und des Hartspanns ist. Es müssen nicht Zeichen eines degenerativen Verschleißes sein; auch bei jungen Menschen gibt es akute Blockierungen, die zuweilen sogar eine Wurzel heftig irritieren. Mechanische Behinderungen, z. B. durch Verlagerungen von Bandscheibengewebe, werden vielfach auch als Blockierung bezeichnet, wenn sie im Bewegungssegment die Beweglichkeit verklemmend einengen. Diese sind aber der manuellen Therapie nicht zugänglich. Mit den Handgriffen wird nichts „eingerenkt" oder „reponiert", auch nicht „einjustiert" oder „zurechtgerückt" [700], denn es bleibt oft, auch wenn die Beschwerden und die antalgische Schonhaltung nach einer manuellen Lockerung verschwunden sind, eine radiologisch sichtbare Fehlhaltung bzw. Fehlstellung einzelner knöcherner Anteile am Bewegungssegment unverändert bestehen. Die Chirotherapie ist also auf die Befreiung akut funktionell blokkierter Gelenke beschränkt. Unter der manuellen Befreiung aus der Blockierung löst sich meistens sogleich auch der Hartspann. Zuweilen, z.B. im Bereich des Halses, gelingen aber die Handgriffe erst, wenn mit anderen Mitteln die Muskeln schon entkrampft sind, z. B. mit Wärme oder Massagen. Die spontane Relaxation der betroffenen Muskeln läßt sich als propriozeptives Reflexgeschehen deuten; die Rezeptoren solcher Reflexkreise liegen in den Gelenken (S. 19). Offenbar lösen die Handgriffe die Kohäsionskräfte zwischen den beiden Gelenkflächen — ein knackendes Geräusch weist darauf hin — so daß die Flächen wieder gegeneinander verschiebbar werden; die Blockade ist damit aufgehoben, denn der Verkrampfungsreflex entfällt.

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Die manuelle Therapie ist ungefährlich, wenn der Arzt sie streng auf ihre Indikation beschränkt. Eine sehr sorgfältige Diagnostik, deren Aufgabe darin besteht, die eigentliche Indikation, die Blockierung, aufzufinden, verhindert Zwischenfälle und sichert den Erfolg. Ohne sorgfältige klinische und neurologische Untersuchung, ohne Röntgendarstellung der Bewegungssegmente — gegebenenfalls ist auch eine Myelographie nötig — sollte keine Chirotherapie betrieben werden. Vor allem zeigt die palpatorische Positionsdiagnose die Blockierungen an. Im Bereich des Halses werden die Stellung der Querfortsätze, im übrigen entlang der ganzen Wirbelsäule die Dornfortsätze von Segment zu Segment, abgetastet und ihre Verschieblichkeit bei Ventralflexion und Reklination geprüft. Erfahrene Untersucher unterscheiden so zwischen normaler, eingeschränkter, versteifter oder übermäßiger Beweglichkeit. Blockierungen der Kostovertebralgelenke werden unter den respiratorischen Bewegungen deutlich. Ist es mit Hilfe der manuellen Wirbelsäulentherapie gelungen, ein blockiertes Gelenk zu befreien, dann sind in der Regel weitere Behandlungen physikalischer Art angezeigt, weil die Blockierungen leicht rezidivieren. Die gute Haltung der Wirbelsäule und ihre ungehemmte Bewegungsfunktion mit geschmeidigen Muskeln ist die Grundlage, auf der dieses viel belastete Organsystem seinen Aufgaben gerecht wird und vor akuten, „blockierenden" Zwischenfällen bewahrt bleibt. Thermo-Hydrotherapie: Aus dem Komplex der Thermo-Hydrotherapie ist die Wärme ein Mittel, das mit seiner durchblutungsfördernden und damit detonisierenden und analgesierenden Wirkung den Muskeln bessere Funktionsbedingungen vermittelt. Heißluft mit Lichtbögen, heiße Wickel und Packungen, die heiße Rolle (S. 293), besonders auch heiße Bäder sind für die kombinierte Behandlung der Rückenschmerzen aller Art und der von der Wirbelsäule ausgehenden Bewegungsstörungen unentbehrlich. Bei akuten, sehr schmerzhaften Muskelverkrampfungen, z. B. der Lumbago, findet auch die Kryrotherapie (S. 321) Indikationen. Elektrotherapie: Sowohl mit der Hochfrequenzwärme, wie auch mit der niederfrequenten Wärme, können analgesierende Stromqualitäten erfolgreich auf die vom Verschleiß bedrohte Wirbelsäule einwirken. Für die Durchwärmung der Muskeln eignen sich die Kurzwelle, die Dezimeterund Mikrowellen. Die verschiedenen Elektrodentechniken, Längsdurchströmung mit dem Muldenapplikator (69-cm-Wellen), Langfeld- und Rundfeldstrahler oder monopolare Strahler im Mikrowellenbereich, durchfluten die ganze Rückenmuskulatur wie auch gezielt ganz bestimmte, umgrenzte Abschnitte. Bei chronischen Rückenbeschwerden wird in der Regel Dosis II bis IV (S. 408) gut vertragen; die Behandlungsdauer reicht von 5-20 Minuten. Bei akuten schmerzhaften Zuständen ist dagegen die Wärmebehandlung nicht geeignet. Aus dem Niederfrequenzbereich bewähren sich in analgesierender und hyperämisierender Weise die stabile Galvanisation, die diadynamischen Ströme, die Reizstrommassage nach Träbert und der schon in den Mittelfrequenzbereich einzuordnende Interferenzstrom.

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Die stabile Galvanisation eignet sich für das Zervikobrachialsyndrom. Eine Elektrode liegt im Nacken, die andere an der Hand des schmerzenden Armes. Läßt man den Strom „absteigend" fließen (Nacken-Anode; Hand-Kathode, S.353), dann betont dies die tonusherabsetzende Wirkung. Die Dosierung ist sensibel schwellig (S.354); selbstverständlich schleicht man sich ein und auch aus (S.29). Die Dauer der Durchströmung beträgt - wie bei der Hochfrequenzdurchflutung — anfangs 5 bis zu 15, längstens 20 Minuten. Eine entsprechende Wirkung bringen auch die Zellenbäder, für die Rückenmuskeln das Stangerbad (S.355). Diadynamische Ströme sind mit Bügelelektroden entlang der ganzen Wirbelsäule für einzelne Abschnitte sehr empfehlenswert. Deutlich ist neben der analgesierenden, aufgrund der Impulsstromkomponente auch die relaxierende Wirkung an der paravertebralen Muskulatur. Die Behandlungsdauer ist hier relativ kurz (3-6 Minuten), weil erfahrungsgemäß bei längerer Durchströmung der Erfolg der Behandlung nachläßt. Die paravertebrale Muskulatur bedarf in der Regel an mehreren Stellen einer solchen Behandlung. Man läßt zweckmäßig am ersten Ort die Ströme 4 Minuten einwirken, am nächsten 3 Minuten, am folgenden 2 und schließlich 1 Minute [130]. So bleibt die Behandlungszeit bei 10 Minuten. Mit täglichen Behandlungen hat man am ehesten Erfolg. Die Intensität des Basisstromes bleibt sensibel unterschwellig. Je nach Elektrodengröße wählt man 1 - 3 mA. Mit der Stärke der Impulsströme geht man bis an den Bereich einer noch eben erträglichen Empfindung. Deutliches Prickeln, aber kein brennender Schmerz, sind die Richtwerte. Da die Empfindung mit der Gewöhnung langsam nachläßt, muß man in den längeren Phasen gelegentlich nachregeln. Eine Folge von Reizstromimpulsen ist die sogenannte Träbertsche Reizstrommassage (S. 365). Sie bewährt sich besonders bei den degenerativen Wirbelsäulenschäden mit Wurzelreizsymptomen. Die Impulsfrequenz beträgt ca. 140 Hz, die Impulsdauer 2 ms, die Pausendauer 5 ms. Die Stromstärke muß unter der motorischen Reizschwelle bleiben, da sonst ein unerwünschter, nicht sinnvoller Dauertetanus auftritt. Der Patient empfindet nur ein vibrierendes Gefühl unter den Elektroden. Die Kathode wird dem erkrankten Abschnitt der Wirbelsäule angelegt, die Anode etwas darüber, mindestens aber mit 3 cm Abstand. Auch mit dieser Methode behandelt man gegebenenfalls nacheinander mehrere Abschnitte der Wirbelsäule. Es gibt sowohl Bügelelektroden als auch verschieden große Plattenelektroden. Nach 3 Behandlungen, die dann täglich weiterlaufen, soll der Erfolg schon deutlich bemerkbar sein, sonst bringt das Verfahren nichts [130]. Ähnlich wie die beiden letzten Stromarten wirkt auch die Interferenzstromtherapie (S. 368). Sie wird als statische Behandlung über 4 stabile Elektroden oder kinetisch mit 2 fixierten und 2 von den Händen des Behandlers bewegten Handschuhelektroden verabreicht. Die analgesierende, hyperämisierende und resorptionsfördernde Wirkung auch in tieferen Schichten, auf die der Interferenzstrom eingestellt wird, ist aufgrund klinischer Erfahrung gesichert.

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Allgemein-unspezifische (C) und vorbeugende (D) Maßnahmen Bei Wirbelsäulenschäden sind Badekuren recht wohltuend. Balneologisch begründete Kuren haben einerseits eine intensive Allgemeinwirkung, das bedeutet einen erholsamen Effekt auf die durch ständige Schmerzen physisch und psychisch erschöpften Kranken. Besonderen Wert erhalten solche unspezifisch wirksamen Mittel durch den Gebrauch örtlicher Kurmittel, die gleichzeitig gute, lokale Behandlungsmöglichkeiten bieten, wie z.B. Moor- und Schlickbäder, Peloidpackungen, gezielte Übungsbehandlungen im Thermalbad, in Gymnastiksälen und im Freien. Der Kurarzt hat die Aufgabe, einen in sich ausgewogenen Behandlungsplan aufzustellen und den Verlauf der Kur zu überwachen. Vorbeugend im pathogenetischen Sinne wirkt im täglichen Leben alles, was der Wirbelsäule ihre physiologische Haltung sichert und sie bei durch Krankheit oder Verschleiß erworbener Schwäche vor Überlastungen schützt. Die Patienten benötigen für die Ruhelage eine gute Matratze, und auch Sitzmöbel, vor allem am Arbeitsplatz, müssen so konstruiert oder einstellbar sein, daß die Wirbelsäule nicht in eine Fehlhaltung gerät. Ausgleichsgymnastik ist nach jeder beruflichen Zwangshaltung unerläßlich, um alle Muskeln zu betätigen und Agonisten und Antagonisten im Gleichgewicht zu halten. Beim Ausgleichssport rät der Arzt zu Sportarten, die die Wirbelsäule in Anspruch nehmen, sie aber nicht zu stark belasten, wie z. B. das Reiten, Tennisspielen u. a. Sehr zu empfehlen ist das Federballspiel. Schwimmen in einer die Wirbelsäule entlastenden Art muß gelernt werden, Brustschwimmen mit hyperlordosierter Hals Wirbelsäule ist nicht zu empfehlen, Rückenschwimmen mit guter Atemtechnik und lockerer Armarbeit ist besser geeignet. Das Gewicht des Körpers sollte die Norm nicht überschreiten, weil Übergewicht die Wirbelsäule und die Rückenmuskeln selbst im Sitzen überlastet und zu körperlicher Trägheit verleitet.

5.4 Degenerative Gelenkerkrankungen (Arthrosen) Die Arthrosis deformans ist nicht entzündlicher Genese. Dennoch tritt sie oft mit reaktiv-entzündlichen Erscheinungen auf. Andererseits wechselt manche erloschene Arthritis, besonders die rheumatisch-entzündliche Arthritis, in eine weiter deformierende Arthrose über. Im wesentlichen ist die Arthrose aber eine Verbrauchserscheinung, eine Abnutzungskrankheit des höheren Lebensalters. Sie kann an allen Gelenken auftreten und ist auch die häufigste der Gelenkerkrankungen. Sie ist eigentlich keine selbständige Krankheit, sondern eine reaktive Spätfolge aller möglichen Schäden, die im Lauf des Lebens ein Gelenk treffen, z. B. ein Trauma oder Anforderungen, die die Gelenke überlasten. Sicher gibt es auch eine familiärkonstitutionelle Schwäche des Gelenkapparates, die früher als bei anderen Men-

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sehen zum Verschleiß der Gelenke und damit in die Arthrose führt. Daraus lassen sich schon wichtige, ursächlich-präventive Behandlungsmöglichkeiten ableiten. Die Arthrose beginnt am betroffenen Gelenk mit degenerativen Veränderungen des knorpeligen Belages der Gelenkflächen. Erosionen und Risse bilden sich, Schliffusuren feilen den ernährenden Gelenkflächenüberzug ab, Granulationsgewebe dringt bis auf die Spongiosa (S. 742) vor. An den Gelenkrändern, an denen Periost, Knorpel und Gelenkkapsel sich berühren, bauen sich reaktive Knochenwucherungen, die knöchernen Randleisten und Randzacken (Randosteophyten), auf. Sie werden im Röntgenbild als Randwülste von oft bizarrer Form sichtbar und sind dann mit der Hand gut fühlbar. Sie schränken auch mechanisch den Bewegungsspielraum der Gelenke ein. Die Zerstörung schreitet über Jahre und Jahrzehnte langsam fort. Oft macht die Arthrose lange Zeit keine Beschwerden, dann aber treten in Abständen Schmerzen auf, die zuweilen monatelang stillhalten, dann wieder auftauchen und heftig und über lange Zeit die Kranken sehr quälen. Dieser Wechsel der Beschwerden ist typisch für das Krankheitsbild. Wichtigste Symptome sind die Schmerzen sowie die muskulären und arthrogenen Behinderungen der Bewegung. Die Folge einer mechanischen Bewegungsbehinderung, auch des Reizzustandes im Gelenk und seiner Kapsel, ist ein muskulärer Hypertonus der das Gelenk bewegenden Muskeln. Daueranspannung und Ermüdung unterhalten den myogenen Anteil der Schmerzen. Diese verspannten Muskeln pressen bzw. ziehen die Gelenkflächen näher aufeinander, der enge Gelenkspalt ist ein typisches, röntgendiagnostisches Zeichen. Der arthrogene Anteil des Schmerzes wird damit stärker und beständiger, die für die untersuchende Hand fühlbare Reibung wird deutlicher. Kapselschrumpfungen wirken in gleicher Richtung. Der Kranke bevorzugt dabei eine fixierte Schonhaltung. Die Muskeln werden daher langsam atrophisch, sie zeigen vielfach Myogelosen. Die symptomatischen Behandlungen nehmen sich dieser reaktiven Veränderungen an. Verschiedene Kräfte, mechanische, thermische und elektrische Energie, lockern die verspannten, kontrakten Muskeln und fördern die Durchblutung der Muskeln der bindegewebigen Anteile und des Gelenkes. Aktive Bewegungen erhalten das komplexe, natürliche Spiel von Gelenken und Muskeln, erleichtern auch ihre statischen und dynamischen Funktionen und stellen gegebenenfalls nach unzureichendem Gebrauch der Gelenke deren Bewegungsausmaß wieder her. Übersicht über die Behandlungsvorschläge Kausale Therapie (A) und vorbeugende Maßnahmen (D) Nur die Prävention, die äußere Überlastungen vermeidet oder Schäden ausgleicht, kann spätere Arthrosen verhindern

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Symptomatisch-gezielte Behandlungen (B) Thermotherapie: Schmerzlindernde feuchte Wärme, Packungen, warme bis heiße Teil- und Vollbäder, Überwärmungsbäder Elektrotherapie: Hochfrequenzwärme, evtl. Kurzwellenhyperthermie, Interferenzstrom. Bei niederfrequenten Strömen ein Ultrareizstrom segmental oder auf gelenkbewegende Muskeln, diadynamische Ströme. Analgesierende galvanische Durchströmung, Zellenbäder Massagen: Leichte Griffe bei atrophischen oder hypertonen Muskeln, kräftigere Griffe an Myogelosen. Für große Muskeln Unterwassermassagen (Auftrieb, Wärme) Krankengymnastik: Gegebenenfalls muskeldehnende Lagerungen, Bewegungen in ihrem ganzen Ausmaß, Bewegungsbäder, gelenkentlastende Schwingübungen. Nach operativen Eingriffen an Gelenken (Hüften) Befreiung von Fehlhaltungen (Wirbelsäule); Einübung des vollen Gebrauches der Ersatzgelenke Allgemein-unspezifische Behandlungen (C) Badekuren: Bei sekundär entzündlichen Reaktionen Schwefel-, Moor- und Solbäder, radioaktive Quellen auch als Trinkkur, Akratothermen Erläuterungen zu A bis D Kausale Therapie (A) und vorbeugende Maßnahmen (D) Um die Ursache einer deformierenden Arthrose auszuschalten, muß man präventiv handeln, da die Krankheit stets auch eine Folge mehr oder weniger vermeidbarer äußerer Einwirkungen ist. Bei angeborenen Entwicklungsstörungen, z. B. der Dysplasie eines Hüftgelenkes, Fehlstellungen (O- und X-Beine, Senk- oder Knickfüße), der Coxa vara mit ihren statisch ungünstigen Belastungen der Gelenke, bei Abweichungen in der Kongruenz der Gelenkflächen nach Traumen, auch rezidivierenden Ergüssen, gelten alle korrigierenden Behandlungen nicht nur der aktuellen Symptomatik, sondern haben auch das Ziel, spätere schwere Arthrosen zu vermeiden. Auch chronische Überlastungen eines Gelenkes durch zu schwere oder zu lang anhaltende körperliche Arbeit, durch übergroßes Körpergewicht oder einseitige sportliche Betätigungen führen ohne präventive Maßnahmen zu einer Arthrose. Die Ausschaltung solcher Ursachen ist in all diesen Situationen identisch mit präventivem Handeln. Symptomatisch-gezielte Behandlungen (B) Symptomatische Behandlungen der arthrotischen Beschwerden sind, sieht man von der gelegentlich notwendigen oder erlaubten Einnahme von analgetisch wirkenden Medikamenten ab, ausschließlich physikalischer Natur.

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Thermotherapie: Die Wärme lindert die Schmerzen, indem sie die Muskeln lokkert und damit auch dem arthrogenen Schmerz den Boden entzieht. Die Muskeln selbst sind umso weniger schmerzempfindlich, je besser die Blutgefäße in dem nun aufgelockerten Faserverband ihre Funktion erfüllen. Auch dazu trägt die Erwärmung bei. Praktisch alle Methoden der Wärmevermittlung auf Gelenke und Muskeln sind geeignet. Die feuchte Wärme aus heißen Wickeln oder Packungen mit Fango und Paraffin hat den Vorteil, daß sich die Wärmeträger jedem Gelenk anmodellieren lassen. Für die Knie-, Fuß-, Hand- und Schultergelenke bleiben die Packungen relativ klein, sie belasten die meist älteren Menschen nicht. Die Wärme des Teil- oder Vollbades erlaubt es, die Gelenke passiv (Schmetterlingsbad) oder aktiv (Bewegungsbad) zu bewegen. Auch fallen anschließend krankengymnastische Bewegungsübungen leichter, sie sind nicht mehr oder kaum noch schmerzhaft und werden effektiver. Für Teilbäder wählt man eine Wassertemperatur von 40-42 °C. Bei der Polyarthrose sind Überwärmungsbäder, sofern Herz und Kreislauf keine Gegenindikation darstellen, recht brauchbar. Hier genügt, da die muskuläre Lockerung und die Durchblutung der Muskeln und Gelenke das Ziel der Wärmeanwendung ist, eine nur mäßige Erhöhung der Körpertemperatur um etwa 2/10 Grad über den Ausgangswert der Körpertemperatur (S. 310), weil dies schon die funktionellen Mechanismen verbessert, ohne die Durchblutung der ruhenden Muskeln einzuschränken. Offenbar ist die Umverteilung des Blutes noch nicht so eingreifend, daß Blut aus den tiefer liegenden Muskeln abgezogen wird, wie es bei hohen Körpertemperaturen geschieht (vgl. DastreMoratsche Regel, S.964). Elektrotherapie: Die Hochfrequenzwärme schätzen Arzt und Patient wegen ihrer Tiefenwirkung und ihrer leichten Handhabung. Alle Wellenlängenbereiche eignen sich. Der Arzt wählt sie je nach der Größe und Lage der Gelenke aus. Für die Kurzwellendurchflutungen stehen Elektroden aller Größen zur Verfügung. Die Arthrosen vertragen in der Regel kräftigere Dosen, die man über längere Zeit gibt (Dosis II bis III für 10-15 Minuten, dreimal pro Woche); 12-18 Behandlungen werden meistens benötigt. Der gute, schmerzlindernde Erfolg setzt oft sogar erst nach Abschluß einer solchen Serie ein. Bei der Polyarthrose wird auch die Kurzwellen-Hyperthermie empfohlen, bei der sich alle Gelenke mit dem ganzen Körper im hochfrequenten elektromagnetischen Feld erwärmen. Das Verfahren erfordert eine Spezialkabine, weil sonst die Wärme an die Umgebung verloren geht und eine Hyperthermie nicht aufkommt. Die Durchblutung der tiefliegenden Muskeln soll hier besser sein als im Überwärmungsbad [339], weil die Wärme in den Muskeln selbst entsteht (S.393). Andererseits ist die Kreislaufbelastung sehr viel größer, als in den sehr mild gestalteten Bädern mit leichtem Wärmestau. Aus dem Dezimeterwellenbereich (69 cm) bietet sich für die Hüften und Schultern der Muldenapplikator (S. 405) an.

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Mittelfrequente Ströme haben sich über zwei Stromkreise als Interferenzstrombehandlung mit ihrer analgesierenden und hyperämisierenden Wirkung auch bei Arthrosen bewährt. An den Hüften bringen vier Saugelektroden das Gelenk in den Interferenzvektor. Auch die Mikrowellen, mit Rundfeldstrahlern auf ein arthrotisches Gelenk gerichtet, lindern die Schmerzen. Massageähnliche Erscheinungen vermittelt der Träbertsche Reizstrom (vgl. Ultrareizstrom, S. 365). Da er im Prinzip tetanisierende Impulsfolgen abgibt, die zu einer unerwünschten, nicht sinnvollen Dauerkontraktion der Muskeln führen, muß man die Stromstärke so regeln, daß sie unterhalb der motorischen Reizschwelle bleibt. So ergibt sich ein typischer, vibrierender, gewissermaßen massierender Effekt, der besonders unter der Kathode eine kräftige Hyperämie hinterläßt. Oft verschwinden die Schmerzen in den beteiligten Muskeln schon während der Behandlung, das analgesierende Ergebnis hält einige Stunden an (S.385). Bei arthrotischen Beschwerden gibt es zwei Behandlungsmöglichkeiten. Entweder nimmt man segmental Einfluß, indem die beiden Elektroden im Bereich der Nervenwurzeln anliegen (für die oberen Extremitäten mit der Kathode über der Halswirbelsäule, die Anode etwas tiefer zwischen den Schultern, bei Arthrosen in den Gelenken der unteren Extremitäten mit der Anode über der oberen Lendenwirbelsäule, die Kathode über dem Kreuzbein) oder man erfaßt direkt den örtlichen, arthrogenen Schmerzbereich, wobei die Kathode der stärker schmerzenden Seite anliegt. Mit diesem Verfahren muß man täglich behandeln, weil sich bei verzögertem Gebrauch die Schmerzlinderung nicht einstellt. Diadynamische Ströme (S.386) wirken ähnlich wie die Träbertsche Reizstrommassage. Auch die Interferenzstrombehandlungen bringen Linderungen in den betroffenen Gelenken. Schmerzlindernd und hyperämisierend wirkt auch die Iontophorese mit Histamin. Die entspannende und damit analgesierende Wirkung des galvanischen Stromes macht man sich auch mit den Zellenbädern in absteigender Richtung (S. 352) und dem hydroelektrischen Vollbad (Stangerbad) zunutze. Im Stangerbad ist auch eine Querdurchströmung einzelner Gelenke möglich. Massagen: Massagen richten sich in ihrer Technik nach dem jeweiligen muskulären Befund. So erfordern z. B. normotone Muskeln mit Myogelosen ein kräftiges Zugreifen, während die weniger angespannten, hypotonen, oft schon atrophischen Muskelfasern und besonders die verspannten, hypertonen Muskeln leichtere, entspannende Griffe verlangen. Im voraus gegebene Wärme mit Packungen, Heißluft oder Rotlicht macht die Massagebehandlungen ergiebiger. Sind die Muskeln wieder geschmeidig, gut durchblutet und in Ruhe locker, dann kommt dies auch den Gelenken zugute, indem die verengenden Zugkräfte auf den Gelenkspalt nachgeben und die Durchströmung mit erwärmendem Blut das ganze Gelenk peri- und intraartikulär besser versorgt. Unterwassermassagen lockern mit kräftigem Strahl, unterstützt durch den Auftrieb und die Wärme, auch die oft gleichfalls durch Fehlhaltung verspannten, nicht unmittelbar beteiligten Muskeln.

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Krankengymnastik: Arthrotisch veränderte Gelenke dürfen nicht „einrosten". Um dies zu verhindern, bewegt man sie systematisch durch, wobei die Krankengymnastin jeweils das volle Bewegungsausmaß anstrebt. Am besten geschieht dies ohne Druckbelastung der Gelenke, im Liegen oder im Bewegungsbad. Die beteiligten Muskeln sind in der Regel verspannt, verharren oft auch schon in kontrakter Verkürzung. Dehnende, aber schmerzfreie Lagerungen sind hier gegen die Verkürzung notwendig, z. B. für die Hüftgelenke in Bauchlage auf hartem Boden, gegebenenfalls mit einem Sandsack auf dem Kreuzbein. Drohen oder bestehen Kontrakturen, dann läßt der Arzt täglich möglichst lang mit Gewichtszügen die Beuge-, Streck- oder Abduktionsstellung dehnen. Man darf aber die betroffenen, kontrakten Gelenke nur bis zur Schmerzgrenze beanspruchen, sonst nimmt reflektorisch die muskuläre Abwehrspannung zu. Solche Extensionsbehandlungen verträgt der Patient am Anfang besser, wenn die Zugkraft der angelegten Gewichte jeweils nicht länger als 5-10 Minuten dehnt, dann 1 - 2 Minuten aussetzt und wieder belastet und so fort. Außerhalb der Extensionszeit bewegt die Krankengymnastin möglichst einmal, besser mehrmals täglich, jedes Gelenk passiv, isoton in allen Richtungen durch, wobei sie notfalls federnd nachdehnt. Das Programm der aktiven Bewegungsübungen bezieht alle Bewegungsmuster in allen Richtungen der Gelenkausschläge ein. Gegebenenfalls dehnt auch hier die Krankengymnastin immer wieder leicht und federnd in Richtung bestehender Sperren nach. Antagonistische Muskelgruppen läßt sie anspannen und entspannen und führt sie systematisch in Zielbewegungen über. Lockerungs- und Schwingübungen mit Geräten, z. B. dem Pulling-Former oder frei an der Sprossenwand (Gruppengymnastik), sowie Schwimmen in Thermalbädern u.a. ergänzen die krankengymnastischen Aktivitäten. Der Patient selbst macht Schwingübungen zu Hause regelmäßig und mehrmals täglich. Sie lindern nicht nur seine Schmerzen, sondern wirken auch der Neigung zu Kontrakturen entgegen. Bei einseitiger Hüftgelenksarthrose lockert der Kranke damit seine kleinen Hüftmuskeln und dehnt die Gelenkkapsel, indem er, auf dem gesunden Bein leicht erhöht stehend, das kranke Bein hin- und herschwingt. Für die Kniegelenke schafft er sich eine extendierende Entlastung, wenn er öfter am Tage auf einem Tisch sitzt und jeweils 5-10 Minuten mit den Unterschenkeln hinund herpendelt. Oft machen schwere Arthrosen, haben sich grobe Gelenkzerstörungen und Kontrakturen eingestellt, operative Eingriffe notwendig. Entspannungsoperationen an Sehnen und Muskeln, Osteotomien, Arthrodesen, Arthrolysen oder der Ersatz eines Gelenkes mit einer Endoprothese sind möglich. Anschließend an solche Operationen hat die physikalische Weiterbehandlung eine wichtige Funktion. Sie vermittelt dem Patienten wieder den vollen und funktionell richtigen Gebrauch seines Gelenkes im Rahmen der physiologischen Bewegungsmuster und paßt die in der Zeit vor der Operation eingefahrenen Fehlhaltungen und Fehlbewegungen

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der neuen, besseren Situation so an, daß Überlastungen anderer Gelenke nicht mehr weiterbestehen. Die moderne Orthopädie hat mit den plastischen Operationen am Hüftgelenk, besonders mit den Endoprothesen selbst schwerste und über Jahre behindernde Arthrosen wieder mobilisieren können. Nach der Operation sollte, nach Anweisung des Arztes, eine krankengymnastische Behandlung durchgeführt werden. Neben den prophylaktischen Maßnahmen für Kreislauf und Atmung, die bei den meist älteren Patienten stets indiziert sind, wobei selbstverständlich das operierte Bein nicht bewegt wird, beginnt die Krankengymnastin mit isometrischen Spannungsübungen der von der Operation nicht direkt betroffenen Muskeln. Nach wenigen Tagen schon macht der Patient aktive Bewegungen in Zehen- und Fußgelenken; der Arzt gibt dann an, wann der Kranke noch liegend, mit Hilfe der Krankengymnastin das Hüft- und Kniegelenk aktiv beugen und strecken darf. Macht der Patient bereits aktive Bewegungen in den Kniegelenken, kann bald mit Gehübungen begonnen werden, die zunächst in dem entlastenden Bewegungsbad, außerhalb des Wassers im Gehbarren und mit entsprechenden Armstützen zur Druckentlastung durchgeführt werden. Ein endoprothetisch ersetztes Gelenk ist in der Regel weniger belastbar. Deshalb achtet die Krankengymnastin darauf, daß in der nachbehandelnden Übungstherapie derart operierter Patienten die Bewegungsschulung mit sogenannter Niederlast, d.h. mit geringerer statischer Druck- und Zugbelastung geschieht [573]. Nach einer Operation ist es Aufgabe der Physikalischen Therapie im Verlauf eines Rehabilitationskonzeptes die Gelenkdynamik im Rahmen der physiologischen Bewegungsmuster wieder herauszuarbeiten — dies ist bei voll funktionsfähigem, künstlichem Gelenk eine muskuläre Aufgabe — und die in der langen Zeit vor der Operation in der Bewegungskette Rumpf — Bein besonders in der Statik der Wirbelsäule eingetretenen Veränderungen wieder abzubauen, die sich in muskulären Verspannungen der Rückenmuskeln sowie der Adduktoren und der Quadrizepsgruppe darstellen [277]. Nicht jeder Patient hat nach der Operation Beschwerden oder ist im Gehen behindert. Bestehen aber Mängel, dann üben die Patienten unter Anleitung, ohne das neue Gelenk mit dem Gewicht des Körpers zu belasten, so wie es in der Regel im Krankenhaus schon geschah. In Rückenlage beugen und strecken die Patienten das Bein, spreizen es — auf der gesunden Seite liegend — weit ab, heben es aus der Bauchlage und üben entsprechend auch im Vierfüßerstand (Hand-Kniestand) und sogar im Schulterstand (Kerze), soweit man älteren Patienten dies zumuten kann. Schließlich üben die Patienten auf dem Hocker sitzend, der unbelastete Bewegungen in allen Richtungen erlaubt. Es empfiehlt sich weiterhin, auch Bewegungen in allen Gebrauchsmustern mit allen Gelenken der gesunden Seite durchzuführen. Die Rekonvaleszenten verbessern damit ihre Bewegungsökonomie und -kontrolle, die oft unter der vorherigen Behinderung gelitten haben.

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Allgemein-unspezifische Behandlungen (C) Allgemein-unspezifisch wirken die balneotherapeutischen Verordnungen, die bei den Arthrosen in Form von Badekuren gern gegeben werden, zumal sie auch mit der analgesierenden und entspannenden Wärme der Bäder und mit dem Auftrieb des Wassers eine gewisse spezifische Wirkung auf Muskeln und Gelenke haben. In den „Rheumabädern" findet man sehr viel mehr Patienten mit arthrotischen Beschwerden als echte Polyarthritiker, obwohl die Frage der Zweckmäßigkeit einer Bäderbehandlung der Arthrosen keineswegs entschieden ist [142], Zumindest gilt dies für die spezifisch bessernde Wirkung der Bäder auf die degenerativen Gelenkprozesse, die — wenn überhaupt — bestenfalls bremsender Art sein kann. Liegen aber sekundär entzündliche Reizzustände vor, dann bringen Schwefelbäder, radioaktive Quellen — auch als Trinkkur gegeben — Moor- und Solbäder und selbst Akratothermen eine Besserung (S. 523). Zur physikalischen Behandlung symptomatischer Art stehen dem Arzt eine Reihe von Möglichkeiten zur Verfügung, die — voll genutzt — das degenerative Leiden meist aufhalten und erträglich machen. Insbesondere haben Kombinationsbehandlungen von Badekur und Bewegungsbehandlungen bzw. Kombination von allen für die arthrotischen Gelenke und Muskeln bewährten Behandlungen gute Erfolge.

5.5 Bewegungsstörungen durch Myopathien und Neuropathien Bei den bisher behandelten Krankheiten rheumatischer Art, bei den Erkrankungen der Wirbelsäule und bei den degenerativen Gelenkerkrankungen sind die Störungen der Muskelfunktion mittelbare Folgen dieser Erkrankungen, die — mit Ausnahme der Myositis — die Muskeln nicht unmittelbar betreffen. Im folgenden interessiert die Funktionsfähigkeit der Muskeln bei Krankheiten, die den Muskel selbst (Myopathie) oder seine nervale Versorgungen (Neuropathie) treffen. Es handelt sich dabei also um Krankheiten, die die Fähigkeit der Muskeln, sich zu kontrahieren und wieder zu erschlaffen, nicht nur erschweren, sondern diese Funktion in ihrem eigentlichen Ursprung mehr oder weniger lahmlegen. Die Physikalische Therapie nimmt sich dabei der Symptome an: Auf die primäre Störung, wo immer sie auch zu sehen ist, kann sie nicht einwirken. Deshalb soll im folgenden vor allem auf die Symptomatik der Myopathien und Neuropathien eingegangen werden.

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5.5.1 Schlaffe Lähmungen und ihre Behandlung Schlaffe Lähmungen sind entweder neuropathischer oder myopathischer Natur. Unvollständige motorische Lähmungen, die noch Reste der motorischen Kraft haben, nennt man Paresen, bei Paralysen ist dagegen die Muskelkraft völlig erloschen. Schlaffe Lähmungen sind die Folge einer mehr oder weniger ausgeprägten Unterbrechung des peripheren, zum Muskel führenden Nervs, einer Störung an den motorischen Vorderhornzellen oder einer Erkrankung der Muskelfaser selbst. Da die peripheren Nerven gemischte Nerven mit motorischen, sensiblen und mitlaufenden sympathischen Fasern sind, führt die Unterbrechung oder Schädigung zu einer Störung der Motorik, der Sensibilität sowie zu vegetativ-trophischem Fehlverhalten der Vasomotorik, der Schweißsekretion (Sudomotorik) und der für den Menschen wenig bedeutsamen Pilomotorik. Die Unterbrechung eines Nervs kann aufgrund einer Verletzung vollständig sein, der Nerv ist also durchschnitten oder zerrissen (Neurotmesis). Bei der Neurotmesis bietet eine Nervennaht die einzige Gelegenheit zur Restitution. Die traumatische Trennung eines Nervs ist morphologisch nicht immer vollständig, die Nervenhülle (Schwannsche Scheide) und damit die äußere Kontinuität des Nervs können erhalten bleiben, die Lähmung zeigt aber an, daß der Achsenzylinder (Axon) durch eine Quetschung geschädigt ist (Axonotmesis); Erregungen laufen so über die verletzte Stelle nicht mehr hinweg. Eine Regeneration ist hier erst nach langer Zeit möglich, aber nicht sicher. Physikalische Behandlungen sind in jedem Fall unerläßlich. Kürzer anhaltende funktionelle Ausfälle meist motorischer Art werden auch bei der Neurapraxie (a = nicht, gr.: praxis = Handlung) durch Druckschädigung beobachtet, sie bildet sich in der Regel zurück. Die komplette und die partielle traumatische Unterbrechung eines peripheren Nervs, d. h. der motorischen Endstrecke — das ist das 2. motorische Neuron, das vom Vorderhorn bis zur motorischen Endplatte im Muskel reicht — führt zu einer schlaffen Lähmung mit Muskelatrophie und elektrischer Entartungsreaktion; die Eigenreflexe fehlen, pathologische Reflexe kommen hier nicht auf. Solche Lähmungen sind im Prinzip wiederherstellbar. Anders liegen die Verhältnisse, wenn Muskeln bei Erkrankungen der motorischen Vorderhörner (bei der Poliomyelitis anterior und der spinalen Muskelartrophie), unter Beteiligung der Vorderhornzellen (bei der myoatrophischen Lateralsklerose; gleichzeitig sind hier das 1. und 2. motorische Neuron gestört) oder bei degenerativen Schäden an peripheren Nerven (der prognostisch günstigen Polyneuropathie oder der ungünstigen neuralen Muskelatrophie) nicht aufzuhaltende, bleibende, mehr oder weniger ausgeprägte Paresen bzw. Paralysen erleiden. Bei der Verordnung nach dem Schonungs- und Übungsprinzip kommt es darauf an, ob schon jeglicher Gebrauch die betroffenen Muskeln überfordert und damit schädigt, oder ob Restfunktionen oder auch einzelne, nicht betroffene Fasern eines Muskels (z. B. bei der Poliomyelitis) durch Anforderungen krankengymnastischer Art langsam wieder auf Impulse ansprechen. Bei all diesen Indikationen, ob

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sie aktive Bewegungsanforderungen stellen oder nicht, ist die Kombination der verschiedenen physikalischen Wirkprinzipien entscheidend für den Erfolg des therapeutischen Konzeptes. Bei der folgenden Darstellung krankhafter Störungen mit schlaffen Lähmungen stehen insbesondere solche Störungen im Vordergrund, die Ansätze für physikalische Behandlungen bieten. Andere neurologische Krankheitsbilder bleiben unberücksichtigt, weil sie keine physikalisch-therapeutischen Indikationen haben.

5.5.1.1 Verletzung peripherer Nerven Übersicht über die Behandlungsvorschläge Kausale Therapie (A) Nervennaht bei traumatischer Durchtrennung (Neurotmesis), ggf. auch nach Quetschung (Axonotmesis) Symptomatisch-gezielte Behandlungen (B) Elektrotherapie: Vor und nach der Nervennaht erhält allein die Elektrogymnastik die Funktionsfähigkeit denervierter Muskeln aufrecht Krankengymnastik: Lagerungen. Passive Bewegungen in den Gelenken, aktive isometrische, iso- und auxotone Muskelaktionen in den nicht gelähmten Antagonisten, ggf. Lockerung des Tonus in den Muskeln. Später Aufbaugymnastik reinnervierter Muskeln Allgemein-unspezifische Behandlung (C) Aus dem Zustand des Kranken nach Verletzung ergeben sich oft Indikationen zur allgemeinen Kräftigung Vorbeugende Maßnahmen (D) Bei Bettlägerigen krankengymnastische Thrombose- und Kontrakturprophylaxe Erläuterungen zu A bis D Kausale Therapie (A) Die vollständige Unterbrechung eines peripheren Nervs erfordert eine operative Rekonstruktion innerhalb des ersten halben Jahres nach der Verletzung [90]. Die Möglichkeiten der modernen interfaszikulären Nahttechnik schalten die Ursache der Lähmung aus, machen aber die konservativen Behandlungen keineswegs überflüssig. Eine operative Wiederherstellung eines Nervs hat nur Aussicht auf vollen Erfolg, wenn die denervierten Muskeln solange funktionsfähig bleiben, bis mit den neu einwachsenden Neuriten wieder Willkürimpulse den Muskel errei-

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chen. Da dies viele Monate dauert, bedarf es intensiver therapeutischer Bemühungen physikalischer Art, um zu verhindern, daß die denervierten Muskeln durch die erzwungene Inaktivität Schaden leiden. Dies ist allein mit der modernen Elektrotherapie möglich. Symptomatisch-gezielte Behandlungen (B) Hat der Neurochirurg einen getrennten Nerv wieder genäht, dann wird dieser in seinem distalen Abschnitt erst wieder leitfähig, wenn neue Axone von der Nahtstelle bis zum Muskel herangewachsen sind. Ein denervierter Muskel entartet aber schnell; schon nach wenigen Tagen spricht er auch auf künstliche Impulse kaum noch an. Die um sich greifende Inaktivitätsatrophie wird irreversibel (S.420), wenn es nicht gelingt, sie durch systematische Behandlungen aufzuhalten. Elektrotherapie: Diese Aufgabe löst die Elektrogymnastik (S. 369). Sie ersetzt die fehlenden nervösen Impulse durch Stromstöße und führt damit dem denervierten Muskel Impulse zu, die elektro-physikalisch den willkürlichen, elektrophysiologischen Antrieben sehr nahe kommen. Übt man auf diese Weise die schlaff gelähmten Muskeln, dann gelingt es, die drohende Atrophie zu verhindern bzw. sie solange in Grenzen zu halten, bis der langsam regenerierte Nerv seine Muskeln wieder selbst versorgt. Die Elektrostimulation muß sehr früh einsetzen, da schon nach 2-3 Tagen die ersten Anzeichen der Degeneration sichtbar werden (vgl. Elektrodiagnostik, S.410). Nur Exponentialstromimpulse vermögen selektiv die denervierten Muskeln zu kräftigen Kontraktionen zu bringen. Man reizt bipolar, direkt, d. h. an den Muskelfasern selbst, die allein noch erregbar sind, nicht an den sogenannten Muskelreizpunkten, die der Eintrittsstelle der motorischen Nerven entsprechen, von hier aus aber nicht mehr antworten, weil die Stelle „denerviert" ist. Dabei stellt sich die Frage nach den geeigneten Reizparametern (Stromstärke, Impulsdauer und Anstiegszeit, Länge der Pausen; vgl. Dreieckimpulse, S.366), die so aufeinander abgestimmt werden müssen, daß der Muskel die Reizqualitäten erhält, auf die er mit Kontraktionen antworten kann. Aus der elektrischen Erregbarkeitsprüfung (S.410) oder der I/t-Diagnostik (S.412) ergibt sich, wie weit die Denervation fortgeschritten ist, ob sie partiell oder total ist und welche Impulsqualitäten sich anbieten. Der erfahrene Elektrotherapeut kann auch probatorisch die notwendigen Parameter ermitteln. Bei einer mittleren Impulsdauer (150-300 ms) regelt er die Stromstärke langsam hoch, bis eine kräftige Zuckung auftritt. Der denervierte Muskel braucht flach ansteigende, lange Impulse, damit der Stromstoß selektiv nur den denervierten Muskel erreicht (vgl. Abb. 111). Auch die Stromstärke kommt so auf die erforderlichen Werte, auf die aber die normal erregbaren Muskeln der Nachbarschaft nicht ansprechen, denn ihre physiologische Akkomodationsfähigkeit hindert sie, auf einen sehr langsam ansteigenden Dreieckimpuls zu reagieren.

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Die Pausendauer wählt man umso länger, je schwerer der Entartungsgrad ist. Als Regel gilt, daß die Pause 3-5 mal so lang dauern soll wie die Stromflußzeit, die nötig war, um den denervierten Muskel zu einer Reizantwort zu bringen. Nach jeder Zuckung muß er sich genügend lang erholen. Der Behandler achtet aufmerksam auf die Ermüdung eines selektiv elektrogymnastisch geübten Muskels. Läßt die Stärke der Muskelzuckung nach bzw. kontrahiert der Muskel sich langsamer und weniger ergiebig, dann ist er bereits überfordert; er wurde zu lange gereizt oder die Erholungspausen waren zu kurz. Die nachlassende Kontraktionskraft ist nicht durch höhere Stromintensitäten zu verbessern. Als Richtlinie für einen optimalen Reizerfolg gilt: allein, also selektiv, darf nur der gelähmte Muskel auf den elektrischen Impuls mit einer Kontraktion antworten, weil die Erregung gesunder Muskeln verhindert, daß kranke Muskeln mitarbeiten. Jede Kontraktion muß kräftig sein und den Muskel genügend oft fordern, damit er nicht atrophiert. Andererseits darf der Muskel nicht überanstrengt werden, d. h., daß Stromstärke und Impulsdauer nicht größer sein dürfen, als notwendig ist, um eine kräftige Muskelaktion zu erreichen. Je nach dem Grad der Entartung, der durch den Akkomodationsquotienten a (S. 417) ermittelt wird, gilt für Impuls- und Pausendauer: bei schwerster Entartung (a = 1) lange Impulsdauer (800 ms und mehr) und lange Pausendauer (2000-5000 ms). Mit zunehmender Reinnervation ( a > l - 3 ) kürzere Impulse (300-100 ms) und kürzere Pausen. In diesem Zusammenhang soll noch einmal daran erinnert werden, daß bei normaler Erregbarkeit Impulse von 0,5-1,0 ms bei Pausen von 20 ms jeweils eine Einzelzuckung auslösen (S. 341 f.). Moderne Therapiegeräte bieten Impulszeiten von 0,05-1200 ms und Pausen von 1-5000 ms an. Die Stromstärke bleibt unterhalb der Schmerzgrenze, sie soll aber eine kräftige Kontraktion auslösen. Die Anzahl der Zuckungen, die man pro Einzelbehandlung fordert, ist von der Belastbarkeit abhängig. Anfangs sind 10-15 Zuckungen ausreichend, später können es 30 und mehr sein. Kehrt die Innervation zurück, was daran erkennbar ist, daß Willkürbewegungen eben wieder beantwortet werden und die elektrischen Erregbarkeitsprüfungen anzeigen, daß der Muskel wieder „tetanisierbar" (S. 363) geworden ist und auf entsprechende, sogenannte tetanisierende Stromformen anspricht, dann treten die Schwellstrombehandlungen (S.366) an die Stelle der Einzelimpulse. Mit solchen Stromformen sprechen nacheinander immer mehr Fasern des Muskels an, so daß insgesamt eine langsam zunehmende, tetaniforme, zügige, also nicht ruckartige Verkürzung des ganzen Muskels zustande kommt. Wenn nur geringe Entartungszeichen vorhanden sind, wählt man weniger Schwellungen pro Minute (bei der regelbaren Schwellfrequenz der Geräte etwa 15-20 Schwellungen mit ca. 20 Hz, was einer Impulsdauer von ca. 10 ms und einer Pausendauer von 40 ms entspricht). Bei nicht mehr denerviertem Muskel ist der neofaradische Strom (S.366) das beste elektrogymnastische Verfahren. Mit

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Gleichstromimpulsen und Schwellungen in Exponentialstromform, einer Impulsfrequenz von 50 Hz, Impulszeiten von 1 ms und Pausen von 19 ms ahmt er die Parameter einer physiologischen Willkürinnervation recht gut nach. Diese Elektrogymnastik geht nahtlos in die aktive, willkürliche Bewegungstherapie über, d. h. sie läuft noch eine Zeitlang mit dieser parallel, bis der vorübergehend seiner motorischen Versorgung entwöhnte Muskel wieder ganz normal arbeitet. Krankengymnastik: Der Übergang von der von Willensimpulsen unabhängigen Elektrotherapie zu der später ebenso wichtigen aktiven Bewegungstherapie wird durch die sogenannten Intentionsübungen vorbereitet. Sie können schon aus leichter, nicht extremer Ruhedehnung vorgenommen werden, um Spannungen und mit diesen einen reflektorischen Kontraktionsreiz zu entwickeln. Die Intentionsübungen entsprechen etwa den isometrischen Spannungsübungen, die hier eine Kontraktion anbahnen, die allein noch nicht gelingt. Mit der zusätzlichen Elektrostimulation geht diese willkürliche Anspannung in eine auxotone Bewegung (S. 147) über, in der schließlich Eigenimpulse zustande kommen. In der aktiven Bewegungstherapie läßt die Krankengymnastin als erste Willküraktion isometrische Muskelanspannungen machen, geht zu passiv-aktiven Bewegungen über und setzt dann eine kraftfördernde Widerstandsgymnastik ein. Sie führt so die Patienten zu kraftvoll ausgeführten Einzel- und Komplexbewegungen, die ganz selektiv auf die durch Lähmung eines oder mehrerer Muskeln gestörte Gebrauchsbewegung zugeschnitten sind. Die nicht gelähmten Antagonisten, die zu einem Bewegungskomplex gehören, würden einer Kontraktur anheimfallen, weil ihnen der stabilisierende, dehnende Gegenzug fehlt, nicht bewegte Gelenke würden versteifen, Kapseln schrumpfen und Sehnen ihre Gleitfähigkeit verlieren, auch die Durchblutung unbenutzter Muskeln würde verkümmern und degenerative Veränderungen aufkommen lassen, wenn nicht die Krankengymnastin zur Stelle wäre. Nach ärztlicher Anweisung führt sie alle noch fehlenden Bewegungen passiv aus, sie lockert die nicht gelähmten Muskeln und läßt sie auch aktiv mitwirken. Der Arzt achtet auch darauf, daß für alle funktionellen Einbußen rechtzeitig eine umfassende „Reiztherapie", z.B. Massagen und elektro- und hydrotherapeutische Verordnungen, angesetzt wird, damit Inaktivitätsschäden nicht aufkommen. Allgemein-unspezifische (C) und vorbeugende (D) Maßnahmen Zu den gezielten Behandlungen, die zum Teil auch unspezifische Effekte haben, kommen je nach der Gesamtsituation der Kranken — sei es, daß sie mit der Verletzung eines Nervs noch weitere Verletzungen erlitten haben, sei es, daß sie bettlägerig sind — all die funktionsübenden Empfehlungen hinzu, die geeignet sind, Beschwerden zu lindern, die Kondition zu erhalten und Komplikationen zu verhüten. Die physikalisch-therapeutischen Methoden bieten hier eine Reihe von Behandlungsmöglichkeiten.

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5.5.1.2 Neurale Muskelatrophie Dieses meist dominant erbliche Leiden zeigt im wesentlichen (nicht ausschließlich) das Bild einer Schädigung peripherer Nerven. Es beginnt mit symmetrischen Paresen und Atrophien der Unterschenkelmuskeln, bevorzugt der Extensoren. Später kommt die Symptomatik auch an den Unterarm- und Handmuskeln zum Vorschein. Bei der gemischten Faserstruktur der peripheren Nerven treten — anders als bei der spinalen Muskelatrophie — auch sensible und vasomotorische Störungen auf. Kontrakturen, wie Krallenstellung der Finger und Zehen, Klumpfuß und Hohlfuß, bedürfen gelegentlich der orthopädischen Korrektur durch Schienen und dergleichen. Fast ausschließlich sind die distalen Extremitätenmuskeln befallen, über Knieund Ellenbogengelenk geht der Prozeß fast nie hinaus. Die atrophischen Muskeln zeigen elektrische Entartungsreaktionen, die Chronaxie ist verlängert. Mit gezielten Muskelbehandlungen, z.B. elektrischer Reizstromtherapie nach Regeln, wie sie für die peripheren Nervenläsionen beschrieben wurden, und mit Bewegungsübungen krankengymnastischer Art versucht man, die Muskeln in einem bestmöglichen Funktionszustand zu erhalten. Im wesentlichen werden damit die nicht betroffenen oder noch aktionsfähigen Muskelfasern geübt, die die Funktion ausgefallener Fasern übernehmen. Sie entwickeln unter gezielten Übungen eine optimale Arbeitshypertrophie (S.62). Diese kompensierende Hypertrophie geht verloren, wenn die Kranken durch ihre Störung in Passivität und Inaktivität verfallen. Mit der Behandlung hilft man den Kranken über Jahre die Bewegungen und Kraftleistungen zu erhalten, die sie brauchen, um ihre Lebensansprüche ohne fremde Hilfe zu erfüllen. Neben der Krankengymnastik kann auch die Beschäftigungstherapie aufgrund ihrer funktionserhaltenden und funktionsersetzenden Wirkungen hier Hilfen geben. Da auch die Vasomotorik an den betroffenen Extremitäten gestört ist, sind hydrotherapeutische Maßnahmen geeignet, sowohl die aktuelle Funktion der peripheren, lokalen Durchblutung zu verbessern, als auch die oft ausgeprägte Kälteempfindlichkeit dahingehend abzumildern, daß den häufigen Erkältungsinfekten vorgebeugt wird. 5.5.1.3 Polyneuropathie (Polyneuritis) Die Polyneuropathie ist eine meist sehr ausgedehnte Erkrankung peripherer Nerven, für die es eine große Zahl verschiedener Ursachen gibt. Infektionen, z. B. Masern, Diphtherie, Typhus, Intoxikationen mit Metallen (Blei) und Medikamenten, z. B. INH, Sulfonamiden, auch Mangelzustände, z. B. an Vitamin B] (Beri-Beri) und Stoffwechselstörungen, z. B. der Diabetes und die Porphyrie, verursachen polyneuropathische Erscheinungen. Bei Gefäßerkrankungen, z. B. Arteriitis nodosa, der diabetischen Angiopathie, kommen ebenfalls Polyneuropathien vor. Schließlich gibt es auch idiopathische Nervenstörungen dieser Art.

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Morphologisch finden sich am peripheren Nerv degenerative Veränderungen, und zwar an den Myelinscheiden der Axone, Proliferationen von Zellen an der Schwannchen Scheide oder an den Axonen selbst. Da es sich meist nicht um entzündliche Erscheinungen und Folgen handelt, ist die viel gebrauchte Bezeichnung „Polyneuritis" nicht treffend. Im Vordergrund der Symptomatik stehen motorische Ausfälle, u.a. Muskelschwäche bis zu schlaffen Paresen, Muskelatrophie, Hypo- bis Areflexie. Die Muskelsymptome sind symmetrisch, meist distal deutlicher als proximal, an den Beinen ausgeprägter als an den Armen. Da die peripheren Nerven gemischte Nerven sind (S. 801), geht die Polyneuropathie stets auch mit sensiblen Störungen einher. Schmerzen in den Extremitätenmuskeln, Parästhesien an Händen und Füßen, häufig auch Anästhesie und Analgesie sind Begleiterscheinungen. Ist auch die gnostische (S. 826) Sensibilität gestört, vor allem bei der postdiphtherischen und diabetischen Polyneuropathie, dann wird dies am ataktischen Gang sichtbar. Die symptomatischen Behandlungen, die ganz überwiegend physikalischer Natur sind, zielen sowohl auf die motorischen als auch auf die sensiblen und vegetativen (Vasomotorik) Störungen. Die Behandlungen sind, auch wenn die Ursache nicht mehr fortbesteht (z. B. bei überwundenen Infekten, ausgeschwemmten bzw. neutralisierten Toxinen, Substitution von Vitamin Bi, gut eingestelltem Stoffwechsel) sehr langwierig. Sie erfordern Wochen bis Monate, zeigen dann aber meist befriedigende Erfolge.

Übersicht über die Behandlungsvorschläge Kausale Therapie (A) Die erfolgreiche Behandlung der auslösenden Grundkrankheit entzieht der Erkrankung peripherer Nerven die Grundlage

Symptomatisch-gezielte Behandlungen (B) Elektrotherapie: Motorische Störungen: Elektrogymnastik, solange die Eigenimpulse nicht genügen. Sensible Störungen: Stabile Galvanisation, Zellenbäder, Stangerbad, evtl. Hochfrequenzwärme Thermo-Hydrotherapie: Kühle Waschungen, später thermische Wechselreize zur Anregung der peripheren Vasomotorik. Milde Wärme auf hyperalgetische Zonen Krankengymnastik: Im akuten Zustand Lagerungen, dann nach Elektrogymnastik Übergang zu aktiver Bewegungstherapie wie nach Nervenverletzung (S. 805). Ziel: Wiederherstellung der koordinierten Komplexbewegungen sowie von Kraft und Ausdauer einzelner Muskeln

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Allgemein-unspezifische Behandlungen (C) Badekuren kombiniert mit allgemein kräftigender Bewegungstherapie; spezifisch entgiftend wirken Schwefelbäder bei metallischen Intoxikationen Vorbeugende Maßnahmen (D) Vgl. (A) Erläuterungen zu A bis D Kausale Therapie (A) Da die Krankheit verschiedene bekannte Ursachen hat, gibt es auch entsprechende Therapiemöglichkeiten. Ist eine Infektion überwunden, oder sind die auslösenden Gründe exogener Art behoben, dann verschwinden die lästigen Beschwerden aber nicht, wenn die Symptome nicht sehr konsequent behandelt werden. Symptomatisch-gezielte Behandlungen (B) In der Behandlung der motorischen Störungen hält die Elektrogymnastik die Atrophien auf, wenn sie sie auch nicht immer ganz abwenden kann. Die paretische Behinderung zu bessern bzw. rückgängig zu machen, ist das gemeinsame Ziel der Elektrogymnastik wie auch der aktiven Bewegungstherapie. Anders als bei der Poliomyelitis kann die Elektrostimulation schon frühzeitig beginnen, bei infektiöser Ursache, sobald das Fieber abgeklungen ist. Mit galvanischen Einzelstromstößen oder Exponentialstromimpulsen bringt man die Muskeln, solange sie faradisch nicht erregbar sind (S. 363), zu Einzelkontraktionen. Bei Muskeln, die noch oder wieder auf faradische Ströme ansprechen, bewähren sich die Schwellstromimpulse zur Elektrogymnastik. Auch hier — wie bei den schlaffen Lähmungen anderer Genese — sind längere Pausen zwischen den einzelnen Impulsen notwendig, damit die Serie von Kontraktionen die Muskeln nicht überlastet und nicht so schnell ermüdet. Die Auswahl der Stromwerte erfolgt nach den im Teil II angegebenen Richtlinien. Sprechen die betroffenen Muskeln wieder auf die Willkürimpulse an, können die bewegungstherapeutischen Möglichkeiten genutzt werden. Die sensiblen Störungen bedürfen der Galvanisation. Quer- und Längsdurchströmung mit großen Elektroden — die Anode auf die schmerzende Stelle, die Kathode gegenüber — oder die Längsdurchströmung einer ganzen Extremität, wobei die Kathode auch segmental anliegen kann, haben sich bewährt. Ebenso eignen sich die stromtechnisch gleichartigen Zellenbäder — die Kathode wiederum im Segment — oder das Stangerbad. Die Stromflußrichtung kann auch umgekehrt sein, bei sensiblen Störungen zeigen sich keine sicheren Unterschiede. Die Stromstärke bleibt sensibel unterschwellig; bei trockener Galvanisation ca. 0,2 mA, im Vollbad meist unter 300 mA (Behandlungsdauer 5-15 Minuten). Ebenso wie die galvanischen Ströme haben auch die diadynamischen Ströme, die Interferenzstromtherapie und der sogenannte Ultrareizstrom gute analgesierende Effekte.

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Die Hochfrequenzwärme erreicht im Kondensatorfeld die meist oberflächlich liegende oder in den Muskeln verbreitete hyper- oder hyposensible Region. Auch Ultraschallbehandlungen (0,05-1,5 W/cm 2 ), gegebenenfalls im Wasserbad, werden bei den nicht hyperalgetischen Befunden empfohlen. Thermo-Hydrotherapie: Auch die Thermo-Hydrotherapie kann bei der polyneuropathischen Symptomatik angewendet werden. Motorisch geschwächte Muskeln arbeiten leichter, wenn sie gut durchwärmt und damit besser durchblutet sind, die sensiblen, hyperalgetischen Beschwerden lassen unter Wärme nach und die vegetativen, vasomotorischen Aufgaben finden unter thermischen Wechselreizen in einen besseren Funktionszustand. Für die Auswahl der einzelnen Methoden der hydriatischen Thermotherapie gibt es keine allgemein gültigen Regeln, weil die Polyneuropathie bei den einzelnen Kranken sehr vielgestaltig auftritt. Kühle Waschungen, als Teil- oder Ganzanwendung gestaltet, regen die Vasomotorik gut an, sofern die Schmerzempfindung eine solche Maßnahme zuläßt. Später kommen Wechselreize hinzu. Auf Wärme reagiert die sensible Empfindung meist gut. So wurden sogar Überwärmungsbäder empfohlen [376]. Dennoch ist eher Zurückhaltung mit so starken Wärmebelastungen für die Kranken zu empfehlen [321], Krankengymnastik: Bewegungstherapeutisch erfordern akute polyneuropathische Zustände zunächst Lagerungen und nur passive Nutzung aller Gelenke in den Bewegungsmustern. Dies verhütet Kontrakturen und Gefäßkomplikationen. Bald aber ist aktive Bewegung wieder notwendig. Die Krankengymnastin macht, je nach dem Zustand der einzelnen Muskeln, passiv-aktiv geführte Bewegungen, fordert Einzel- und Komplexbewegungen, gibt Widerstände und setzt das ganze Übungskonzept der Bewegungsbehandlungen ein. All dies fördert sowohl die Innervation als auch die Koordination und kräftigt auch die Muskeln. Die Krankengymnastin sucht auch einzelne Muskeln eines Bewegungskomplexes heraus, die zusätzlich noch der elektrogymnastischen Stimulation bedürfen, damit sie im Bewegungskomplex ihre Teilaufgabe wieder zu übernehmen lernen. Im Prinzip gelten die gleichen Richtlinien, wie für verletzte periphere Nerven oder poliomyelitisch geschädigte Muskeln. Auch die Gehschulung erfolgt in und außerhalb des Wassers nach den für die Bewegungen mit geschwächten Muskeln geltenden Regeln. Finden sich durch Verlust der Vibrations- und Lageempfindung ataktische Störungen, dann sind auch Zielübungen (S. 840) notwendig. Massagen sind — sofern die sensible Überreizung dies zuläßt — kombiniert mit der Krankengymnastik gut geeignet, die Muskeln besser zu durchbluten und mit Reizgriffen zu tonisieren. Allgemein-unspezifische Behandlungen (C) Badekuren, die man bei sehr geschwächten Patienten entsprechend vorsichtig dosiert, tragen unspezifisch zur schnelleren Ausheilung bei [385]. Schwefelbäder ha-

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ben bei Blei- und Quecksilberintoxikation und anderen metallischen Intoxikationen eine spezifisch ätiologische Wirkung, indem der aus dem Bad aufgenommene Schwefel (S.491) die Stoffe bindet, die nun ausgeschieden werden. Vorbeugende Maßnahmen (D) Vorbeugend wirkt jede intensive Bekämpfung der möglichen Ursachen. Rehabilitierende Aufgaben sind im wesentlichen krankengymnastischer und beschäftigungstherapeutischer Art. 5.5.1.4 Erkrankungen der motorischen Vorderhörner (Poliomyelitis, Spinale Muskelatrophie) Schlaffe Lähmungen als Ausdruck einer Schädigung des zweiten motorischen Neurons haben ihre Ursache zuweilen am Ursprungsort des Neurons, dem Vorderhorn im Rückenmark. Seine Zellverbände zeigen eine besondere Affinität zu bestimmten Viren, die hier entzündliche Erkrankungen einbringen, zum anderen kommen an diesen feinnervigen Schaltstellen degenerative Prozesse vor, die gleichfalls die zu versorgenden Muskeln in Mitleidenschaft ziehen. Virale Erkrankungen sind selten geworden, nachdem die epidemische Poliomyelitis besiegt ist. Dennoch denkt der Arzt, treten im Verlauf einer fieberhaften Erkrankung schlaffe Lähmungen auf, an diese ätiologische Möglichkeit. Auch andere Erreger, das Masernvirus und Typhusbazillen bzw. ihre Toxine, schädigen, allerdings ebenfalls sehr selten, die Vorderhörner. Die degenerativen Erkrankungen — degenerativ hier nicht morphologisch oder ätiologisch erklärend, sondern beschreibend gemeint — sind hereditären oder unbekannten Ursprungs; ärztliche Maßnahmen haben deshalb kaum Einfluß auf ihr Vorkommen. Poliomyelitis und spinale Muskelatrophie zerstören nicht oder nicht sofort die ganzen, einen oder mehrere Muskeln versorgenden Vorderhörner. Das bedeutet, nicht alle Fasern einzelner Muskeln verlieren ihre Motoneurone; das würde eine völlige Paralyse mit sich bringen. Für die Behandlung der schlaffen Paresen in dieser Gruppe (vgl. Myopathien, S. 817) ist es wichtig, daß eine Reihe von Fasern innerhalb derart gelähmter Muskeln lange Zeit oder dauernd innervierbar bleiben oder bei entzündlichen Erkrankungen, wenn das Ödem im Mark abklingt und der Prozeß hier ein Ende findet, wieder eingeschränkt aktionsfähig werden. Hier liegen Möglichkeiten der bewegungstherapeutischen Behandlung beider Krankheiten. Die lokal im Mark als Entzündung aufflammende Poliomyelitis epidemica (Heine-Medin-Krankheit) — auch spinale Kinderlähmung genannt, obwohl sie nicht nur Kinder heimsucht — bedroht, da die Viren noch gegenwärtig sind, jeden Menschen, der nicht ausreichend resistent (geimpft) ist. Das Virus zerstört nicht nur betroffene, die quergestreiften Muskeln versorgende spinale Innervationszentren, deren mehr oder weniger große Verwüstung die schlaffen Lähmungen bedingt, sondern befällt nicht selten auch anderes Gewebe des Zentralnervensystems (Meningen, Hirnnerven) und des Atemzentrums (Atemlähmung).

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Die degenerative spinale Muskelatrophie (nukleäre Atrophie — Vorderhorn) ist nicht unbedingt, — wie ihr Gegenstück, die spastische Spinalparalyse (laminäre Atrophie — kortico-spinale-Bahnen) — vererblich; beim Erwachsenen werden auch äußere Ursachen als auslösend vermutet. Die infantile Form (Typ WerdningHoffmann) ist aber wohl sicher ein autosomal (S. 628) rezessiv vererbtes Leiden. Die progressive spinale Muskelatrophie der Erwachsenen manifestiert sich zwischen dem 20. und 40. Lebensjahr und zeigt, da sie im Gegensatz zur Poliomyelitis ein chronisch fortschreitendes Leiden der motorischen Vorderhornzellen ist, im Verlauf von Jahren zunehmende Muskelsymptome, z. B. Atrophie, Kraftverlust, schlaffe Lähmungen, die hier aber erst im Endstadium auftreten. Die charakteristischen faszikulären Zuckungen weisen auf die fortschreitenden Zerstörungen von Motoneuronen hin. Es gibt verschiedene Typen der Krankheit. Eine zervikale Lokalisation des Prozesses mit muskulären Folgen im Arm-Hand-Bereich (Typ Duchenne-Aran): die langsam durch Muskelschwund aufkommende Krallenhand läßt sie leicht erkennen, einen selteneren, scapulo-humoralen Schultergürteltyp (Vulpian-Bernhardt-Syndrom), der später auch die Beine einbezieht, und einen lumbosakralen Oberschenkel-Unterschenkeltyp (Bodechtel-Schrader), der schließlich auch die Bauch-, Rücken- und Thoraxmuskeln befallt. Die topographische Charakteristik dieser Typen vermischt sich oft. Sowohl die entzündlichen Prozesse als auch die hereditär-degenerativen Vorderhornschäden geben Anlaß zu einer Anzahl von therapeutischen Aktivitäten. Während es bei der Poliomyelitis darum geht, die verbliebenen Bewegungsfunktionen immer wieder durch korrigierende und kräftigende Behandlungen zu verbessern, haben bei den degenerativen Schäden alle Bemühungen das Ziel, trotz unaufhaltsamem Schwund, möglichst lange die Gebrauchsfähigkeit der Glieder zu erhalten, später auch funktionelle Ersatzbewegungen zu vermitteln. Übersicht über die Behandlungsvorschläge Kausale Therapie (A) Eine kausale Therapie bei einer Zerstörung im Vorderhorn ist nicht mehr möglich Symptomatisch-gezielte Behandlungen (B) Krankengymnastik: Bei akuten Erkrankungen oder Schäden Lagerungen, vorsichtig passiv durchbewegen Ist die Lähmung eingetreten, Beginn mit leichten passiv-aktiven Bewegungen, schließlich Übungsbehandlung einzelner Muskeln und komplexer Bewegungsmuster. Bewegungsbäder. Bewegungsschulung mit orthopädischen Hilfen, Gehschule; ggf. Atemtherapie. Beschäftigungstherapie mit Selbsthilfetraining Elektrotherapie: Elektrogymnastik einzelner Muskeln. Hyperämisierende Galvanisation der Muskeln. Hochfrequenzwärme

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Thermo-Hydrotherapie: Wärme für schmerzende Muskeln. Hyperämisierende Wärme zur Vorbereitung der Bewegungsbehandlungen. Milde Überwärmungsbäder mit Bewegungen der Gliedmaßen Massagen: Zur Muskelpflege ggf. notwendig

Allgemein-unspezifische (C) und vorbeugende (D) Maßnahmen In dem weiteren Leben mit Lähmungen häufiger umstimmende Erholungsbehandlungen. Bei Bettruhe während Krankheiten Gefäßprophylaxe Absolut schützende Impfprophylaxe gegen die Poliomyelitis in früher Jugend bleibt vorerst unerläßlich Erläuterungen zu A bis D Kausale Therapie (A) Eine kausale Therapie der Vorderhornerkrankungen gibt es nicht, wenn Lähmungen manifest geworden sind. Das Virus der Poliomyelitis kann durch antiinfektiöse Medikamente nicht bekämpft werden, und es gibt auch keinen passiv immunisierenden Schutz gegen seine Toxine. Die degenerativen Leiden muß der betroffene Mensch als Schicksal hinnehmen, was nicht heißt, daß ihm jede Hilfe versagt bleibt. Symptomatisch-gezielte Behandlungen (B) Der Erfolg der symptomatischen Behandlungen bestimmt die Lebensqualität der Kranken. Die früher so wichtigen passiven, muskelpflegenden und -schonenden sowie der Prophylaxe dienenden Maßnahmen (Lagerungen) im akuten Geschehen der Poliomyelitis interessieren heute nicht mehr. Bei schlaffen Lähmungen jeder Art sind die symptomatischen Behandlungen unentbehrlich. Krankengymnastik: An erster Stelle der Verordnungen steht bei den schlaffen Lähmungen die krankengymnastische Bewegungstherapie. Die aktive Übungstherapie baut auf der Erkenntnis auf, daß die Viren bzw. die entartenden Prozesse nur einen Teil der Vorderhornzellen völlig vernichten. Ein Teil der Muskelfaserbündel behält seine Innervationsimpulse. Die funktionsfähig gebliebenen Fasern innerhalb eines ganzen Muskels bringen natürlich — wenn überhaupt — nur eine sehr beschränkte Kontraktion bzw. Verkürzung zustande. Durch Übungsbehandlungen kann eine Hypertrophie der noch innervierten Fasern herausgearbeitet werden, mit der diese soviel Kraft wieder aufbringen, daß eine Willkürbewegung möglich ist. Dabei ist es wichtig, vor allem die motorischen Einheiten eines paretischen Muskels, die nur scheinbar gelähmt sind, für die Willkürimpulse wieder ansprechbar zu machen. Die Arbeitshypertrophie eines Muskels hat natürlich ihre physiologischen Grenzen, die bei geringer Zahl noch innervierbarer Fasern entsprechend niedrig

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liegen. Wenn es dennoch gelingt, restliche Kräfte für eine verlangte Leistung zu mobilisieren, dann beruht dies zu einem guten Teil auf der wiedergewonnenen Nutzung der scheinbar gelähmten Fasern. Die Erfolge erklären sich aufgrund des folgenden Phänomens [343]: Will ein Kranker, der unter einer Parese leidet, eine Bewegung ausführen, die eine bestimmte Kraft erfordert, dann werden automatisch nur soviele Muskelfasern innerviert und maximal nach dem Alles-oder-Nichts-Gesetz (S.21) verkürzt, wie dazu für eine Bewegung aus in gesunden Tagen gültiger, unbewußter Erfahrung nötig waren. Diese Erfahrung trügt jetzt, da einige Fasern, die bisher nicht gebraucht wurden, sich nicht verkürzen, obwohl sie dazu fähig wären, so daß die Bewegung nicht zustande kommt. Bei einer fließenden Bewegung, z. B. beim Gehen oder beim Heben einer Last, werden nacheinander immer mehr, vorerst noch ruhende motorische Einheiten innerviert. Es treten also nacheinander verschiedene Fasergruppen nach einem festen Schema in Aktion, das in früher Jugend festgelegt wurde, als das Kind das Gehen und alle anderen Komplexbewegungen erlernte. Versagt ein Teil dieser Fasergruppen, weil sie nicht innerviert, also schlaff gelähmt sind, dann springen andere Gruppen, die nicht in das erlernte Schema passen, nicht, wie man erwarten sollte, automatisch ein, vielmehr verbleibt es bei der Lähmung, weil die wenigen, noch tauglichen Fasergruppen des alten Schemas allein nicht ausreichen. Hier muß nun ein erneuter Lernprozeß einsetzen, der die Absicht verfolgt, ausgefallene Fasern einer Gruppe durch die Fasern einer anderen Gruppe — jeweils im gleichen Muskel — zu vertreten. Der Mensch lernt dies in der Regel nicht ohne Hilfe. Wie sich in der Jugend koordinierte Komplexbewegungen nur durch Übung einschleifen, so ist auch hier die intensive Übungsbehandlung das einzige Mittel, die für eine beabsichtigte Leistung notwendige Anzahl von Muskelfasern durch weitere, früher nicht benötigte Fasergruppen zu mobilisieren, womit eine Bewegung jetzt, wenn auch mit verminderter Kraft, wieder zustande kommt. Das Schema muß sich also ändern. Gelingt dies, dann ermüdet der Muskel natürlich früher, weil ja ein Teil seiner Fasern, deren Motoneurone zerstört sind, irreversibel gelähmt bleibt. Insgesamt stehen dem Muskel also weniger Fasern zur Verfügung; er bleibt damit zwar paretisch, überwindet aber so gut wie möglich (Übungsziel) die anfanglich totale Paralyse. Ein weiterer, ebenfalls physiologischer Vorgang hindert eine Bewegung oder macht sie zu einer Fehlaktion: Jeder Willensimpuls innerviert nicht nur den Agonisten, sondern gleichzeitig erhalten auch die Gegenspieler reziprok bremsende, natürlich sehr viel schwächere Impulse, um die Bewegung zu glätten (S.131f.). Diese efferenten Impulse gehen unvermindert zu möglicherweise unversehrten Antagonisten, die gelähmten Agonisten erhalten aber nur einen Teil ihrer Anstöße. Die bremsenden Impulse bekommen damit ein Übergewicht, das in einer, der Absicht entgegengesetzten Fehlbewegung sichtbar wird [342], mit der ein zu übender Muskel gedehnt wird, statt daß er sich verkürzt. Auch dies läßt sich mit den Übungsbehandlungen langsam ausgleichen, weil mit den vermehrt an die Agoni-

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sten gehenden Impulsen die reziprok hemmenden Einflüsse (S. 131) bald an Wirksamkeit verlieren. Sind Lähmungen vorerst so ausgeprägt, daß keine Bewegung und keine isometrische Kontraktion gelingt, dann kommt noch ein dritter, sehr störender Faktor hinzu. Der Kranke „lernt", daß er die geplante oder geforderte Bewegung nicht mehr ausführen kann, so daß eine Art Gewohnheitslähmung eintritt. Aus diesen physiologischen und pathophysiologischen Zusammenhängen ergeben sich die Ziele und Aufgaben der Übungsbehandlungen. Es gilt zunächst, alle innervationsfähigen Muskelfasergruppen im Rahmen des Innervationsschemas einzuschalten, und damit neue „Erfahrungen" zu vermitteln, danach schaltet die Krankengymnastin den störenden Antagonismus durch entsprechende Übungen aus, während der Patient die Leistungsfähigkeit der Muskeln durch systematischen Gebrauch (Arbeitshypertrophie der innervierten Fasern) auf eine optimale Höhe bringt. Die Krankengymnastin bewegt einzelne gelähmte Muskeln oder eine Funktionsgruppe zunächst passiv, indem sie im entsprechenden Gelenk kleinschlägig beugt und streckt und in gleichbleibendem Rhythmus fortfährt, bis sie keine hemmenden Aktionen mehr fühlt. Die geschädigten Fasergruppen der Agonisten machen die Längenänderungen zwangsläufig mit. Ist der Kranke nun an diese Bewegung gewöhnt, dann fordert sie ihn auf, „mitzudenken", sich auf die Bewegung zu konzentrieren, ohne schon aktiv mitzumachen [342,343]. Die störende, bremsende Innervation der Antagonisten verliert sich dabei langsam. Dieses Üben geschieht so lange, bis es dem Patienten schließlich gelingt, alle Fasern seiner paretischen Muskeln, die noch innervierbar sind, zu einer Willkürbewegung zu aktivieren (vgl. zeitliche und räumliche Bahnung, S. 153 f.). Die Fasergruppen haben damit umgelernt, sie haben sich in ein neues Schema eingewöhnt. Dies wird an der wiedergewonnenen Fähigkeit, einen Muskel zu benutzen, erkennbar. Ein anderer, zweiter Weg zu diesem Ziel führt über die Komplexbewegungen [306, 307, 333], mit denen die Krankengymnastin gezielt die koordinierenden Reflexe der Massenbewegungen ausnutzt und synergistische Mechanismen einschaltet. Im Unterschied zu den Impulsen für einzelne Muskeln sollen dabei die kortikalen Massenimpulse die noch nicht erloschenen Vorderhornzellen kräftiger stimulieren und unterschwellige Reize summieren. Auch hier gehen die noch nicht aktiv einspringenden Fasern zwingend mit, hemmende Antagonisten stören bei Massenbewegungen nicht. Übungen in Komplexbewegungen, die bei den spastischen Lähmungen im Vordergrund der Übungsprogramme stehen, sind bei schlaffen Lähmungen immer erst dann angemessen, wenn mit den Einzelbewegungen, die allein eine Beurteilung einzelner Muskeln erlauben, schon ein Erfolg eingetreten ist. Beide Techniken, ein individuelles Training ausgewählter Muskeln, verbunden mit Übungen im funktionellen Verband dieser Muskeln, ergänzen sich vorteilhaft. Jede Art aktiver Bewegungstherapie mit schlaff gelähmten Gliedern muß aber — wie bei den primären Myopathien — die notleidenden, atrophischen Muskeln

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schonen. Ihre Ermüdung ist bei diesen Krankheiten immer ein Fehler (vgl. periphere Ermüdung, S.169). Die Krankengymnastin dosiert vorsichtig, übt anfangs nur kurz, wenige Minuten, möglichst aber zweimal täglich, legt, wenn es sein muß, übungsfreie Tage dazwischen und steigert die Behandlungsdauer und die Kraftanforderungen ganz individuell. Dabei darf sie nicht vergessen, daß auch andere Verordnungen, z. B. die Elektrogymnastik und die Beschäftigungstherapie, die muskuläre und die allgemeine Leistungsfähigkeit der Kranken in Anspruch nehmen. Große Hilfen geben die entlastenden Techniken, mit denen man feiner dosiert und die Anforderungen individueller auf den Kranken abstellt. Sind Übungen unter Wasser, im Bewegungsbad, in dem der Auftrieb die Schwere der Extremitäten weitgehend ausschaltet, mangels entsprechender Einrichtungen nicht möglich, oder verträgt der Kranke solche subaqualen Behandlungen aufgrund eines schwachen Herzens und Kreislaufes nicht, dann bietet ein Schlingentisch [16, 633] die Möglichkeit, den ganzen Körper in die Schwebe zu bringen und die Extremitäten so zu lagern, daß sie ihr Eigengewicht praktisch ablegen und die Muskelkraft allein für die Bewegung freibleibt. Widerstände, mit Fingerspitzengefühl gegeben, lassen hier die feinsten Dosierungen zu. Solche sehr schonenden Techniken reichen aus, den beschriebenen Lernprozeß in Gang zu bringen. Die Bewegungstherapie zielt nicht allein, wie die Elektrogymnastik, auf die Reinnervation und auf den Kraftzuwachs einzelner Muskeln ab, sie stellt vielmehr, wie auch die Beschäftigungstherapie, ihr Behandlungskonzept auf Gebrauchsbewegungen und -haltungen ab, um den Kranken sinnvolle Komplexfunktionen zu vermitteln [525]. Es gilt, die Kranken zu lehren, sicher zu stehen und zu gehen. Für die oberen Extremitäten stellt sich die Aufgabe, den Kranken das Heben der Arme wenigstens mit gebeugten Unterarmen und das Greifen mit den Händen zu ermöglichen. Bei der spinalen Muskelatrophie läßt sich die Gebrauchsfähigkeit der Hände erstaunlich lange erhalten. Sehr oft bedarf die Opponensfunktion des Daumens besonderer Bemühungen. Auch Thorax- und Rumpfbewegungen und Verbesserungen der Körperhaltung müssen geübt werden. Für die schwerbehinderten Opfer der Poliomyelitis hat die Orthopädie zahlreiche stabilisierende Hilfen entwickelt, die dem Rumpf Halt geben und Schlottergelenke fixieren. Auch die schweren Wachstumsstörungen, die sich nach frühkindlicher Poliomyelitis an den Extremitäten einstellen, bedürfen der orthopädischen Versorgung durch Schienen, Schuhe und dergleichen; ihren Gebrauch erlernen die Kranken oft erst mit krankengymnastischer und beschäftigungstherapeutischer Hilfe. Relativ selten sind heute die früher bei der Poliomyelitis notwendigen maschinellen Beatmungen erforderlich. Leichte Restlähmungen erfordern eine Verbesserung der Atemkapazität. Diese wird dadurch erreicht, daß die Krankengymnastin auch die Atemhilfsmuskeln, die nicht autonom an der Atembewegung teilhaben, bewegungstherapeutisch ausbildet. Dies unterstützt die Inspiration und verbessert so systematisch den ohne diese Hilfen unzureichenden funktionellen Ablauf der

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Atmung. Der überwiegend passive Vorgang der Exspiration bedarf kaum gezielter bewegungstherapeutischer Hilfen. Elektrotherapie: Schlaff gelähmte Muskeln können mit einer Reizstromtherapie behandelt werden. Im Prinzip sind die gleichen Maxime gültig wie bei der Elektrogymnastik, die nach der Verletzung eines peripheren Nervs die Atrophie des Muskels verhindert oder auch schon geschwächte Muskeln kräftigt. Die Technik der Elektrobehandlungen, die Wahl von Exponentialstromimpulsen und ihrer Parameter zur selektiven Reizung einzelner Muskeln, der Übergang zur Schwellstrombehandlung, die Kombination mit der Technik der Intentionsübungen, die Dosierung der Elektrogymnastik geschieht in gleicher Weise wie bei der elektrischen Behandlung von Muskeln, deren versorgender Nerv im zweiten motorischen Neuron geschädigt ist (S. 802). Die Elektrogymnastik stützt sich auf eine exakte Elektrodiagnostik. Diese gibt Auskunft über die zu wählenden Parameter (Stromintensität, Impulsdauer, Pausendauer). Sie erlaubt ferner zu bestimmen, ob und wann Schwellstrombehandlungen angezeigt sind. Sie unterstützt auch die krankengymnastische Bewegungstherapie, indem sie die Muskeln oder Muskelfasern identifiziert, die in einem Bewegungskomplex unter Willkürinnervation noch nicht mitarbeiten. Antworten einzelne Muskeln nur mit einer schwachen Kontraktion, dann liegt das nicht selten daran, daß sie Fasergruppen enthalten, die auf einen willkürlichen Verkürzungsreiz nur aus fehlender „Erfahrung" nicht ansprechen. Diese Fasern werden mit Exponentialstromimpulsen selektiv (S.371), also ohne Miterregung normal innervierter Fasern, erregt, gekräftigt und vor allem daran gewöhnt, auf Willkürimpulse zu reagieren. Kombiniert mit Intentionsübungen spricht schließlich der ganze Muskel mit all seinen noch innervierten Fasern an. Eine alternierende Kombination von Elektrogymnastik und Krankengymnastik findet darin eine Begründung. Thermo-Hydrotherapie: Die Wärme, mit oder ohne den Wärmeträger Wasser, bringt in der Behandlung schlaffer Lähmungen in akuten und in subakuten Stadien wertvolle Hilfen [670]. Im akuten Geschehen der Poliomyelitis schmerzen die Muskeln sehr. Gegen die Schmerzen haben sich feucht-heiße Packungen sehr bewährt. Sie sind unter dem Namen „Sister-Kenny-Methode" in aller Welt bekannt geworden. Die Wärme wirkt hinsichtlich des Schmerzes ursächlich, indem ihr Ergebnis, die Hyperämie, die einsetzenden Kontrakturen in nicht betroffenen Muskeln oder in einzelnen, noch aktionsfähigen Fasern geschädigter Muskeln löst. In den gelähmten Muskeln ist auch die Gefäßinnervation gestört, die Muskeln sind mangelhaft durchblutet, was auch zu Schmerzen führt. Mit der detonisierenden und hyperämisierenden Wirkung der Wärme kommt ein gut linderndes, analgesierendes Ergebnis zustande. Auch nicht schmerzenden paretischen Muskeln kommt von Zeit zu Zeit eine Wärmebehandlung zugute, besonders wenn die Lähmung erst jüngeren Datums ist. An Stelle der feucht-heißen Packungen oder Wickel, die oft (ca. alle 10 Minu-

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ten) gewechselt werden müssen und damit bettlägerige Kranke und das Pflegepersonal sehr belasten, gibt man, wenn es vertragen wird, auch trockene Wärme mit einem Glühlichtkasten oder einem Heizkissen. Dies erspart den Kranken zwar die dauernden Störungen, andererseits empfinden sie aber die feuchte Wärme oft als angenehmer. Die Hochfrequenzwärme, als Kurzwellendurchflutung vermittelt, erreicht praktisch jeden Muskel, der damit auch mehr Blut und Nährstoffe erhält. Auch die Längsdurchflutung der Wirbelsäule wird als hilfreich angesehen [558]. Dabei liegt die zweifelhafte hypothetische Vorstellung zugrunde, daß auch im Rückenmark Feldlinien auftreten, die auf Vorderhörner einwirken können. Auch Überwärmung des ganzen Körpers durch Wärmegabe und Wärmestau im Überwärmungsbad ist für schlaffe Lähmungen empfohlen worden [376]. Das Ziel ist, die Trophik der atrophischen Muskeln mit dem hyperämisierenden Effekt der Bäder zu verbessern. Dosiert man Wärme niedrig, nur um wenige zehntel Grad über der zentralen Ausgangstemperatur (S. 796), dann tritt trotz geringem Wärmestau der hyperämisierende Erfolg voll ein, die Patienten können sogar aktive Bewegungen mit den gelähmten Extremitäten in dem gut warmen, aber nicht zu heißen Bad ausführen, ohne daß dies für sie eine größere Belastung bedeutet. Massagen: Bei schlaffen Lähmungen haben Massagen fast ausschließlich hyperämisierende Ziele. Daneben können auch „Reizgriffe" an geschwächten Agonisten und lockernde Griffe an hypertonen Antagonisten angezeigt sein. Allgemein-unspezifische (C) und vorbeugende (D) Maßnahmen Allgemein-unspezifische Maßnahmen bei den schlaffen Lähmungen aufgrund der Erkrankungen der Vorderhörner entsprechen den unspezifischen Behandlungen bei Myopathien (S. 824). Präventive Möglichkeiten gibt es nur bei der Poliomyelitis durch die Schutzimpfung.

5.5.1.5 Behandlungsfähige Myopathien Muskeln und Nervensystem bilden eine funktionelle Einheit. In ihrem zielgerichteten Zusammenspiel fällt den Muskeln die Aufgabe zu, sich auf nervale Erregungen hin kraftbildend anzuspannen und zu verkürzen. Hat eine krankhafte Störung dieser Funktion ihren Sitz im Muskel selbst, dann haben wir es mit einer Myopathie zu tun. Man unterscheidet zwischen funktionellen Myopathien ohne oder mit geringen morphologischen Veränderungen und strukturellen Myopathien mit ausgeprägten morphologischen Veränderungen [458]. Beiden gemeinsam ist das Symptom einer abnormen Schwäche und Ermüdbarkeit der Muskeln. Die verschiedenen Krankheitsbilder unterscheiden sich klinisch, elektromyographisch und bioptisch mit histologischen und histochemischen Veränderungen.

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Funktionsmyopathien sind die Myasthenia gravis pseudoparalytica, die Myotonien — von beiden gibt es verschiedene Untergruppen — und die paroxysmalen (dyskaliämischen) Lähmungen. Strukturelle Myopathien sind die Muskeldystrophien mit zahlreichen Untergruppen, die kongenitalen, nicht progressiven Myopathien und Myopathien metabolischer, endokriner und toxischer Genese. Die idiopathische Polymyositis und die Dermatomyositis (S.762f.) kann man wegen der hier ausgeprägten Muskelschwäche auch den Myopathien zuordnen. Eine kausale Therapie der Myopathien gibt es nicht. Einige dieser Leiden zeigen unter bestimmter medikamentöser Behandlung symptomatische Besserungen, andere bedürfen physikalisch-therapeutischer Bemühungen, die im Prinzip als Sekundärprophylaxe (S. 5) zu verstehen sind [51]. Übersicht über die Behandlungsvorschläge Kausale Therapie (A) Eine kausale Therapie gibt es nicht Symptomatisch-gezielte Behandlungen (B) Medikamentös: Bei der progressiven Muskeldystrophie haben sich die über lange Zeit gegebenen Medikamente nicht bewährt. Die Myotoniesyndrome sind nur zeitweise, nur Stunden, mit myotonolytischen Substanzen zu lösen. Bei der Myasthenie sind Cholinesterase-Hemmer unentbehrlich Physikalisch-therapeutisch : Krankengymnastik: Die progressive Muskeldystrophie spricht auf Muskelübungen gut an: Übung einzelner Muskeln, dann in Komplexbewegungen, Schulung von Synergisten, Behandlungen im warmen Bewegungsbad (kardiale Belastbarkeit beachten), Kontrakturbehandlungen Massagen: Nur muskelpflegende Techniken Wärme erleichtert die Übungsbehandlungen Elektrotherapie : Eventuell hyperämisierende Galvanisation bei den myotonen und dystonen Erscheinungen, sonst keine Indikationen Allgemein-unspezifische (C) und vorbeugende (D) Maßnahmen Ärztlich geführte Erholungskuren in Spezialkliniken

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Erläuterungen zu A bis D Kausale Therapie (A) Die Myopathien haben gemeinsam, daß sie erblich sind (zweifelhaft bei der Myasthenie). Der Kranke muß also ein unabwendbares Schicksal tragen, in das der Arzt kausal nicht einzugreifen vermag. Umso bedeutsamer sind die symptomatischen Behandlungen, die fortschreitende Muskelatrophien und Funktionseinbußen an Muskeln und Gelenken für längere Zeit verzögern.

Symptomatisch-gezielte Behandlungen (B) Medikamentös ist — abgesehen von den dyskaliämischen Lähmungen — allein die Myasthenia gravis pseudoparalytica gut zu beeinflussen. Da der Krankheit eine Autoimmunreaktion zugrunde liegt, — gegen Azetylcholin gerichtete Antikörper wurden identifiziert — bringen Cholinesterase-Hemmer gute Linderung. Diese hält unter dem bewährten Prostigmin® (Neostigmin) aber nur kurz an. Langsamer und damit anhaltender wirkt das Neostigminbromid Mestinon®. Man gibt bis zu lOmal 60 mg über den Tag verteilt und erreicht mit einer solchen Dauermedikation eine zufriedenstellende Ausdauer der Muskeltätigkeit. Sehr sorgfältig achtet der Arzt auf die Gefahr der Überdosierung, wenngleich eine dosisabhängige, cholinergische Krise (Antidot: Atropin) bei guter Kenntnis dieses Mittels kaum noch zu befürchten, jedoch nicht ausgeschlossen ist [413]. Reicht die Mestinongabe in schweren Fällen nicht aus, dann bringen Steroide und Immunosuppressiva noch Linderung. Die Kranken können damit ein normales Lebensalter erreichen und sogar arbeitsfähig bleiben, sofern die medikamentöse Therapie lebenslang beibehalten wird [441]. Die Autoimmunisierung beginnt wahrscheinlich in der Thymusdrüse; frühzeitige Entfernung empfiehlt sich. Auf die passageren, hypertonen, sehr störenden Hemmungen der Myotonia congenita und der Dystrophia myotonica wirkt das Chinin dämpfend, mehr noch das Procainamid. Beide Substanzen darf man aber nicht laufend geben, sie bringen daher nur vorübergehend Linderung. Auch die Myotonolytika, die meist nur für kurze Zeit die Muskelspasmen zu lösen vermögen, bringen hier nur selten einen praktischen Nutzen. Über lange Zeit wurden bei der progressiven Muskeldystrophie Adrenalin mit Pilocarpin (Ken-Kure-Kur) oder Glykokoll (Aminoessigsäure) gegeben. Beides hat sich nicht bewährt. Krankengymnastik: Die Bewegungstherapie krankengymnastischer Art findet ihre wichtigste Indikation bei der progressiven Muskeldystrophie, denn die Muskeln sind bei diesem Krankheitsbild der Übungsbehandlung zugänglich; eine gezielte Beanspruchung erhält über längere Zeit die Substanz der Muskeln [237]. Man unterscheidet — von mehreren, selteneren Untergruppen abgesehen — einen dominant-autosomal erblichen Schultergürteltyp (Erb-Typus) von einem Xchromosomal, rezessiv erblichen Beckengürteltyp (nach Duchenne), die nur

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männliche Nachkommen klinisch gesunder Mütter (Konduktorinnen wie bei der Hämophilie) befällt. Bei der Erbschen Form atrophiert die Schultergürtel- und Oberarmmuskulatur; die abstehenden Schulterblätter (Scapulae alatae) sind ein typisches Zeichen, pseudohypertrophische Muskeln finden sich hier selten. Die Beckengürtelform befällt die Rücken-, Bauch-, Glutäal- und Beinmuskeln, es bildet sich eine schwere Lordose, der Gang wird watschelnd, das Trendelenburgsche Zeichen (steht der Kranke auf einem Bein, dann sinkt das Becken als Ausdruck der Insuffizienz der Glutaei zur ungestützten Seite ab) ist positiv. Die Muskeln, vor allem die der Waden, lagern Fett zwischen den atrophischen Muskelfasern ein, sie erscheinen so sehr kräftig, ohne es zu sein, sie sind „pseudohypertrophisch" (sog. Gnomenwaden). Die Muskeldystrophien verlaufen progredient (progressiv). Die häufigste und schwerste, nach Duchenne benannte, pseudohypertrophische Form wurde nach ihrem, auf die Muskel-, Haltungs- und Bewegungsfunktion bezogenen Verlauf in elf Stadien eingeteilt [637], aus denen die jeweils symptoorientierten krankengymnastischen Behandlungen ihre Aufgaben ableiten. Alle Maßnahmen zielen auf eine Verlängerung der Stadien ab, in denen die Kranken noch gehen, stehen oder sitzen und Verrichtungen des täglichen Lebens ausüben können. Die Übungstherapie hat die Erhaltung und Kräftigung der noch intakten Muskelfasern durch dosierte und gezielte Inanspruchnahme zum Ziel. Vorübergehende Inaktivität in akuten Krankheitstagen schwächt die Muskelkraft sehr stark. Die Duchenne-Muskelatrophie macht sich mit ihren frühesten Symptomen erst im dritten Lebensjahr bemerkbar, wenn schon gut die Hälfte der Fasern der betroffenen Muskeln krankhaft verändert ist. Seit kurzem ist es möglich, mit Hilfe des CK-(Creatinkinase)Testes bereits bei Neugeborenen (aus Familien dieser Kranken) die Merkmalsträger zu erkennen [158]. Es erscheint sinnvoll, schon im Säuglingsalter — ab drittem Lebensmonat — mit der krankengymnastischen, konsequent ein Leben lang weitergeführten Behandlung dieser scheinbar gesunden Kinder zu beginnen [159], weil dies der Substanz und der Funktion der Muskeln einen gewissen Bestand sichert. Gut begründete Übungsprogramme stehen dafür zur Verfügung [714], Da die kranken Muskeln, deren echter Querschnitt bei der Atrophie erheblich vermindert ist, bald ermüden, die mit den Übungen gestellten Anforderungen die Muskeln aber nicht überanstrengen dürfen, geht die Krankengymnastin sehr vorsichtig vor. Wenn sie die erkrankten und geschwächten Muskeln leicht isometrisch anspannen läßt, darf sie nicht vergessen, daß eine zu starke isometrische Kraftanspannung den notleidenden Muskelfasern auch schaden kann. Zunächst geht es darum, den Stoffwechsel und die Durchblutung der Muskeln anzuregen. Dies schafft die Voraussetzungen für einen Kraftzuwachs. Dann gibt die Krankengymnastin aus günstigen, passiv gehaltenden Ausgangslagen der Extremitäten leichte Widerstände gegen Bewegungsabsichten und übt so die Kraftanspannung zunächst ohne Bewegung, also noch isometrisch. Dies fördert die isotonen, jetzt ge-

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übten Bewegungen größeren Ausmaßes, die zunächst mit einzelnen Muskeln, dann im Rahmen des ganzen Bewegungskomplexes nach dem Kabat-Prinzip (S.153) geübt werden. Den Erfolg solcher Übungsbehandlungen erlebt der Kranke an den Bewegungen, die im täglichen Leben nötig sind. Elektromyographisch findet man eine Verbreiterung des „aktiven Muskelquerschnittes", wobei die einzelnen Aktionspotentiale eine Basisverbreiterung und Amplitudenerhöhung zeigen [322], Besonders geeignet für jede Komplexbewegung mit schwer geschädigten Muskeln sind die Übungen im warmen Bewegungsbad. Hier nimmt der Auftrieb den schwachen Muskeln jede Haltearbeit ab, so daß ihre geringe Kraft für jede Bewegung frei bleibt. Auch der Stand und der Gang sind - ohne daß Muskelkraft an statische Anforderungen verlorengeht — hier leicht zu schulen. Die Kranken können Endstellungen in Gelenken aktiv erreichen, wozu sie außerhalb des Wassers oft nicht fähig sind. Dies bringt zwar kaum einen Kraftzuwachs der einzelnen Muskeln, erleichtert aber und erhält die Bewegungsmuster und das Gefühl für koordinierte Komplexbewegungen. Gelegentlich ist es angezeigt, zum Ersatz zu schwacher und damit praktisch ausfallender Muskeln entsprechende Synergisten zu schulen. So kann z. B. der Musculus tensor fasciae latae den stark geschwundenen Musculus iliopsoas und Musculus quadriceps wenigstens teilweise vertreten [215], sofern es gelingt, diesen zu einer Arbeitshypertrophie zu entwickeln. Als Folgeschäden des Muskelschwundes bilden sich bei der progressiven Muskeldystrophie oft Kontrakturen aus, die den Gang stark behindern, wenn sie — was nicht selten ist — bevorzugt im Bereich der Hüften auftreten. Ein umfassendes Programm, das passive Dehnungen mit entsprechenden aktiven Muskelübungen vereinigt, vermag Kontrakturen zu beseitigen oder zu verhüten und die Gehfähigkeit zu erhalten [18]. Zuweilen sind auch Nachtschienen erforderlich, die bestimmte Lagen festhalten. Bei den schweren, fortgeschrittenen Fällen bedarf mancher Kranke orthopädischer Hilfsmittel wie Knieschienen, Rumpfmieder und dergleichen. Dennoch aber brauchen die Muskeln, die der Kranke unter diesen Hilfen nicht mehr beansprucht, eine einfühlsame, anfordernde Behandlung, damit sie nicht mehr als unvermeidbar atrophieren. Grundsätzlich achtet die Krankengymnastin bei der Bewegungstherapie darauf, daß sie die schwer geschädigten Kranken nicht überanstrengt. Sie beobachtet jeden einzelnen Muskel und erkennt die muskuläre Ermüdung. Bei der Muskeldystrophie ist zu bedenken, daß nicht selten der Herzmuskel beteiligt und damit geschwächt ist. Die Anforderungen an die Extremitätenmuskeln müssen also im Rahmen der Belastbarkeit des Herzens bleiben. Beim Schwimmen, das für die Kranken sehr nützlich ist, sollten den Kranken Oberarmluftmanschetten oder ein Halsring angelegt werden, die den Körper auch ohne Bewegung über Wasser halten und so Überanstrengungen vermeiden. Damit kann die Krankengymnastin auch im Wasser die Bewegungsübungen ausgewählt

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und gezielt bestimmen. Bei der ausgeprägten, typischen Lordose des Beckengürteltyps ist Schwimmen in Brustlage weniger geeignet; mit den Tragehilfen erlaubt die Rückenlage im Wasser jedes Übungsprogramm mit allen nötigen Ruhepausen. Die Krankengymnastin, der ein solcher Kranker zur Behandlung anvertraut wird, übernimmt eine verantwortungsvolle Aufgabe, die sie nicht schematisch absolvieren darf. Sie muß ihr ganzes Können und nicht weniger ihr Wissen über die Entwicklungstendenzen dieser Krankheit einsetzen und in ständigem Kontakt mit dem Arzt beobachten und prüfen, ob die behandlerischen Anforderungen dem Zustand und der Belastbarkeit jedes Muskels und des ganzen Organismus angemessen sind. Die wichtige Frage, ob die Muskeln an Kraft zunehmen, zumindest aber ihre Kraft erhalten und nicht nachlassen, kann man mit einfachen Testübungen erfassen, indem man z. B. prüft, wieweit der Kranke die Arme seitlich oder nach vorne zu heben vermag (vgl. Muskelstatus, S. 143). Exakter sind die ergometrischen Ergebnisse; mit allerdings etwas aufwendigen Geräten kann man fast alle Muskeln messen. Die krankengymnastische Bewegungstherapie als wichtigste symptomatische Behandlungsaufgabe bringt bei einer progressiven Muskeldystrophie nur dann Gewinn, wenn sie eine Dauerbehandlung ist. Nur so hilft man diesen Menschen, deren Krankheit langsam fortschreitet und daher jahrelang währt, daß sie ihre Bewegungsfunktion wenigstens einigermaßen erhalten und nicht zu früh an den Rollstuhl gefesselt werden. Bei der Myasthenia gravis pseudoparalytica und ihren Untergruppen ist eine krankengymnastische Bewegungstherapie, auch in leichten Fällen, nicht indiziert, weil bei der stets abnormen Ermüdbarkeit die kranken Muskeln sehr schnell so erschöpft sind, daß sie keine Bewegung mehr auszuführen vermögen. Auch unter einer fast normalisierenden Dauereinstellung mit Mestinon ist es nicht sinnvoll, die Muskeln durch Übungen kräftigen zu wollen, weil die Ausdauer hier durch übende Anforderungen nicht besser, eher schlechter wird. Gegebenenfalls tragen aber passive Bewegungen dazu bei, die Gelenke vor Inaktivitätsfolgen zu bewahren. Massagen: Massagen bedürfen bei Myopathien einer differenzierten Indikationsstellung. Während die Muskeln meist nur leichte Handgriffe wie Streichungen, Vibrationen und dergleichen zulassen, unter denen der Muskelstoffwechsel und die Durchblutung ansteigen — gleiches gilt für die Bindegewebsmassage — vertragen und verlangen die Kontrakturen bindegewebiger Anteile kräftigere Techniken. Die Muskeln und auch die darüberliegende Haut sind in der Regel mäßig durchblutet. Jede Art milder Erwärmung ist deshalb geeignet, diesen Geweben mehr Blut zuzuführen. Deshalb wird auch empfohlen [670], grundsätzlich jeder Übungsbehandlung eine hyperämisierende Wärmeanwendung vorauszuschicken. Mit Wärmepackungen auf die erkrankten Muskeln, Heißluft oder Infrarotbestrahlung oder mit temperaturansteigenden Teilbädern, sofern nur die distalen Glieder der Extremitäten behandelt werden, stehen leicht anwendbare Techniken zur Verfügung.

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Elektrotherapie: Elektrotherapeutische Maßnahmen haben bei der Erbschen Muskeldystrophie nur beschränkten Wert. Die Elektrogymnastik mit Impulsströmen ist nicht sinnvoll, weil allein die willkürlich innervierte Bewegung, deren Impulse hier nicht gestört sind, den Kranken einen Gewinn bringt. Die hyperämisierende Galvanisation kann aber als Längsdurchströmung, in den Zellenbädem oder dem Stangerbad, genutzt werden. Die thermischen Verfahren der Hochfrequenz, insbesondere die Dezimeterwellen, führen gleichfalls zu besseren Durchblutungswerten in tieferen Muskelschichten. Die Myotonie-Syndrome, die Myotonia congenita (Thomsen) und die Dystrophia myotonica (Curschmann-Steinert), haben gemeinsam ein charakteristisches Symptom. Jeder erste, manchmal noch deutlicher der zweite Bewegungsversuch führt zu einer unverkennbar myotonen, d. h. einer hypertonen Spannung, die innervierten Muskeln werden steif, wie verkrampft, und die gewollte Bewegung gelingt nur sehr verlangsamt bzw. ist zunächst unmöglich. Erst nach einigen Sekunden bis längstens einer Minute bringen die weiteren Innervationsversuche eine Lösung der Spannung und die Bewegung läuft jetzt ungestört ab. Das Phänomen ist in der Kälte ausgeprägter. Beklopft man bestimmte Muskeln mit dem Reflexhammer, z. B. den Daumenballen oder die Zunge, dann bildet sich ein charakteristischer Muskelwulst. Im Elektromyogramm sieht (oder hört) man myotone Entladungssalven. Während die Thomsensche Krankheit fast alle Muskeln befällt (mit Ausnahme der quergestreiften Sphinkteren), aber keine Veränderungen an den Muskeln selbst bewirkt, ist die dystrophe Myotonie (Curschmann Steinert) eine echte Dystrophie mit atrophischen, geschwächten Muskeln. Auch anderes Gewebe (endokrine Drüsen, Augenlinsen u.a.) sind „dystroph". Die Muskeln sind ungleichmäßig betroffen. Prädilektionsstellen sind die Augen- und Gesichtsmuskeln (Facies myopathica), die Kau- und Schlundmuskeln, die Nacken- und langen Rückenmuskeln und später die Bauchmuskeln. Auch das Zwerchfell und die Interkostalmuskeln sind zuweilen betroffen, dies behindert und gefährdet dann die Atmung sehr. Wie bei den Muskeldystrophien ist nicht selten auch hier das Herz in Mitleidenschaft gezogen. An den Extremitäten sind die kleinen Schulterblattmuskeln, selten die Oberarmmuskeln, häufiger dagegen die Unterarm- und Handmuskeln betroffen. An den Beinen sind oft der M. quadriceps und die Fibularisgruppe — ein typischer Steppergang verrät dies — befallen. Die Behandlungserfahrungen bei den verschiedenen Myotoniearten sind unterschiedlich. Man versucht, durch Lockerungsübungen und detonisierend wirkende Galvanisation, z. B. im hydroelektrischen Vollbad (S. 355), oder auch durch unspezifische, einfache warme Bäder das Ausmaß der myotonen Reaktionen zu mäßigen. Kaltreize sind kontraindiziert, weil Kälte den Muskeltonus erhöht. Ob die Atrophie durch Übungsbehandlungen — bei der Dystrophia myotonica sind sie insofern möglich, als die myotonische Komponente hier gering ausgeprägt ist — wie bei den Muskeldystrophien zurückgehalten werden kann, ist bisher nicht ausreichend gesichert.

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Allgemein-unspezifische (C) und vorbeugende (D) Maßnahmen Die Patienten mit myopathischen Symptomen sind unter den alltäglichen Lebensbedingungen durch ihre Behinderung stark belastet. Ihnen fehlt die physische und psychische Entspannung. Dadurch sind sie eher erholungsbedürftig, vielleicht auch hinfälliger gegen Gesundheitsstörungen aller Art. Allgemein kräftigende Kurbehandlungen in einem milden Reizklima, auch Kneippkuren, in denen die thermischen Reize auf die Besonderheiten ihrer Muskeln abgestimmt sind, bedeuten für diese Kranken eine Wohltat, insbesondere dann, wenn in den Kurverordnungen Bewegungsbehandlungen im Wasser unter krankengymnastischer Anleitung enthalten sind. Der Begriff der Kurfähigkeit orientiert sich hier weniger an dem Vermögen der Kranken, auf die Kurmittel günstig zu reagieren, als vielmehr an der Möglichkeit, die Kurmittel dinglich und personell dem Zustand und Reaktionsvermögen der Kranken anzupassen. Dazu sind besondere Institutionen erforderlich, die in einem Hause alles bieten, was an allgemein-unspezifischen, aber auch symptomatisch-gezielten Behandlungen notwendig ist, um den Kranken zu helfen.

5.5.2 Therapie der spastischen Lähmungen Spastische Lähmungen sind die Folge einer Läsion oberhalb der motorischen Vorderhornzellen, zwischen den Vorderhornzellen und der motorischen Hirnrinde. Sie werden hier unter den Neuropathien eingeordnet, weil es — wenn auch nur zum Teil — die Pyramidenbahnen sind (das erste motorische Neuron), deren Schädigung einen geordneten Bewegungsablauf nicht mehr zuläßt. Indessen beeinflussen aber auch extrapyramidale und spinozerebellare Bahnen die koordinierten Bewegungen und rufen spastische Behinderungen hervor. Zentral bedingte Störungen verschulden Paresen spastischer Art. Da aber das 2. motorische Neuron, der periphere Nerv, intakt bleibt, folgt keine Muskelatrophie und keine elektrische Entartungsreaktion. Bei leichten Paresen stört besonders, daß die spastische Tonuserhöhung die Feinmotorik behindert. Immer sind die Eigenreflexe gesteigert, die Fremdreflexe abgeschwächt, pathologische Reflexe gehören zur charakteristischen Symptomatik. Krankheitsbilder, die spastische Lähmungen zeigen, sind bei Gehirnprozessen die Hemiplegie und die Zerebralparesen (Little-Syndrom), bei Rückenmarksschäden die Querschnittslähmungen und degenerativen Rückenmarkserkrankungen. Dazu gehören teilweise die myoatrophische Lateralsklerose, sie ist eine Kombination der Seitenstrangdegeneration (laminare Atrophie) mit den Zeichen einer spinalen (nuklearen) Muskelatrophie und einer progressiven Bulbärparalyse, die spastische Spinalparalyse, ferner die Multiple Sklerose. Weitere Krankheiten, die auf Störungen an verschiedenen Stellen des Nervensystems zurückgehen, wurden unter der Sammelbezeichnung „Zerebralparese" im Teil II ausführlich besprochen. Die Zerebralparese ist der Prototyp der spastischen Lähmungen, an denen die Be-

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wegungstherapie, wie bei der spinalen Muskelatrophie und der Poliomyelitis für schlaffe Lähmungen ihre wichtigsten Methoden entwickelt hat. Aus der klinischen Symptomatik der Krankheiten mit spastischen Lähmungen ergeben sich folgende Behandlungsziele: die Spastik lockern, überdehnte, nicht hypertone Antagonisten tonisieren und kräftigen, um ein muskuläres Gleichgewicht zu den hypertonen, verkürzten Agonisten herzustellen, Fehlhaltungen und Fehlbewegungen zu korrigieren, das Haltungs- und Bewegungsgefühl, das durch Störungen der Tiefensensibilität beeinträchtigt ist, zu schulen, die Bewegungskoordination zu verbessern und die Selbsthilfen für das tägliche Leben einzuüben. Die Methoden sind an erster Stelle wieder krankengymnastischer Art. Die Bewegungstherapie wird unterstützt durch die Elektrotherapie und ergänzt durch eine Beschäftigungstherapie, die nicht nur praktische Bewegungsmuster einübt, sondern den Behinderten auch hilft, eine positive Einstellung zu der Realität ihrer Behinderung zu finden, die als solche bestehen bleibt, da sich geschädigtes Hirngewebe nicht regeneriert. Unterstützende Verordnungen, die den Gewebsstoffwechsel und die Durchblutung der betroffenen Muskeln anregen, vermögen die Ergebnisse der sehr aufwendigen therapeutischen Bemühungen an eben diesen Muskeln zu verbessern. In der Mehrzahl sind es akute Ereignisse, z. B. ein apoplektischer Insult, eine Blutung oder eine Verletzung des Gehirns oder Rückenmarks, die den Kranken mit seiner verbleibenden spastischen Lähmung für sein weiteres Leben vor eine völlig veränderte Situation stellen. Die rehabilitierenden Bestrebungen haben mehrere Aufgaben zu erfüllen [594], So müssen die Bewegungsfunktionen, die in bescheidenem Maße noch verblieben sind, neu und verändert herausgearbeitet werden, z.B. das Gehen oder manuelle Tätigkeiten. Die bewegungstherapeutischen Bemühungen stehen zunächst, vor allem bei den älteren Menschen, vor der Aufgabe, die verbliebene und mit den erschwerten Bewegungen stärker in Anspruch genommene Leistungsfähigkeit zu unterstützen. Dazu müssen kompensierende Funktionen, etwa bestimmter Muskelgruppen und ihrer Tätigkeit, besser herausgearbeitet, andere unterdrückt werden. Auch wird es meistens notwendig, Ersatzfunktionen einzuüben, die an die Stelle verlorengegangener Fähigkeiten treten (S. 830). 5.5.2.1 Hemiplegische Syndrome (apoplektischer Insult) Halbseitenlähmungen sind nicht Krankheiten eigener Art, sondern die Symptomatik einer herdförmigen, auch ausgedehnten Störung in einer Hemisphäre. Entweder liegt eine Blutung zugrunde, meist im Versorgungsgebiet der Arteria cerebri media, oder es besteht eine zerebrale Ischämie, nachdem eine Hirnembolie mit thrombotischen Partikeln aus vorgeschalteten Gefäßen oder eine Stenosierung einen Hirnast verschlossen hat. Es gibt auch eine hämodynamische Genese: Ist eine zuführende, das Hirn versorgende Arterie stenosiert (z. B. die Arteria carotis), die Blutzufuhr zum Gehirn

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aber noch ausreichend, dann führen erst ein akut verkleinertes Herzzeitvolumen bei einer Myokardinsuffizienz oder eine Herzrhythmusstörung oder der plötzlich absinkende Blutdruck zu einem lokalen Blutentzugssyndrom. Dies ist eine Durchblutungsstörung in umschriebenen Bezirken, mit der Symptomatik der intermittierenden zerebralen Ischämie (S. 837), deren Symptome anfangs oft wieder vergehen. Sie hinterläßt unter Umständen auch einen ischämischen Insult mit bleibenden Folgen, was einer unmittelbaren Behandlung bedarf. Der verordnende Arzt wird bei eingetretener Lähmung, bevor er bewegungstherapeutische Verordnungen trifft und damit Anforderungen an Herz und Kreislauf stellt, den Blutzustrom zum Gehirn durch medikamentöse Herzbehandlungen oder gefäßchirurgische Maßnahmen sicherstellen. Die Lähmung setzt in der Regel sehr plötzlich (schlagartig) als Ereignis eines Schlaganfalles, einer Apoplexie ein. Auch umschriebene Verletzungen oder Tumoren in einer Hirnhemisphäre bieten ein entsprechendes Bild. Die Auffassung, die spastische Hemiplegie des Schlaganfalles sei weitgehend eine Pyramidenbahnsymptomatik, indem der Tractus corticospinalis nicht mehr leitet, reicht nach unseren heutigen Kenntnissen nicht mehr ganz aus. Stets sind bei dem Bild eines Schlaganfalles mit ausgeprägter Halbseitenlähmung neben der Pyramidenbahn auch andere motorische Bahnen vom Cortex zum Hirnstamm betroffen [564], Da die Störungen in der Anfangsstrecke des ersten motorischen Neurons einer Hemisphäre liegen; in der Großhirnrinde (Cortex), der inneren Kapsel (sie umhüllt den Thalamus), dem Hirnstamm oder an der Hirnbasis — Areale oberhalb der Pyramidenkreuzung, in der die Mehrheit der Fasern des Tractus corticospinalis auf die andere Seite kreuzt — kommt es unterhalb der Kreuzung, in der anderen Körperhälfte, zu einer Lähmung, die spastisch ist, weil mit den motorisch innervatorischen auch die den Ruhetonus bremsenden Elemente aus der Rindenregion versagen. Dies enthemmt bestimmte Stammganglien und steigert so die Tätigkeit der Gamma-Motoneurone, was wiederum die Empfindlichkeit der Muskelspindeln erhöht, deren intrafusale Fasern sich übersensibel einstellen. Das Ergebnis ist die spastische Tonussteigerung vor allem der Muskeln, die durch den Zug der Schwerkraft „gereizt" sind. Auf der Grundlage dieser funktionellen Mechanismen wird die krankengymnastische Handlungsweise verständlich. Je nach der Lokalisation des Prozesses ist die Symptomatik unterschiedlich. Neben der motorischen Lähmung treten bei einem Zwischenfall in der hinteren Arteria cerebri eine Hemianopsie, bei Herden in bestimmten Rindenfeldern agnostische (gr. gnosis = Erkennen) und apraktische (gr.: praxis = Handlung) Symptome auf. Schäden in einem umschriebenen Gebiet der Hirnrinde, dem Brocaschen Sprachkoordinationszentrum, das meist links liegt, zuweilen aber auch rechts zu finden ist, verursachen aphasische Symptome (gr.: phasis = Sprache) sehr verschiedener Art. Zerstörungen im Thalamusgebiet führen, ebenfalls kontralateral, zu sensiblen Halbseitenausfällen oder zu gesteigerter Schmerzempfindung. Sind die Stammganglien betroffen, die ein Teil des extrapyramidal-motorischen Systems

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sind (S. 845), das im Dienst der unbewußten Motorik steht, dann kommt es zu weiteren charakteristischen Koordinationsstörungen. All dies macht deutlich, wie vielseitig die therapeutischen Bemühungen sein müssen [40], die im wesentlichen physikalischer Art sind. Im akuten Geschehen geht es zunächst darum, vitale Funktionen zu erhalten, die zerebrale Durchblutung oder auch — ein besonderes Problem — den Hirnstoffwechsel zu verbessern, damit der unterversorgte Bezirk möglichst klein bleibt, den Kreislauf zu stützen, den Blutdruck zu steuern, den Hirndruck zu senken und dergleichen mehr. Bei Bewußtlosen werden die Atemwege freigehalten, um der Schluckpneumonie zu wehren. Im subakuten Stadium bis zur endgültigen Rehabilitation treten dann die physikalischen Übungs- und Wiederherstellungsmaßnahmen zu der ätiologisch ausgerichteten medikamentösen Langzeittherapie hinzu. Übersicht über die Behandlungsvorschläge Kausale Therapie (A) Ursächlich vorbeugend: Operative Rekanalisation stenotischer Zuströme zum Gehirn. Behandlung aller Gefäß- und Kreislaufkrankheiten, die die arterielle Versorgung des Gehirns gefährden Symptomatisch-gezielte Behandlungen (B) Medikamentös: Im akuten Geschehen Blutdruck einstellen, d. h. heben oder senken, Hirnödem ausschwemmen, Herzkraft unterstützen, ggf. Herzrhythmik und -frequenz steuern. Weiterhin medikamentöse Langzeittherapie der Grundkrankheit Physikalisch-therapeutisch: Krankengymnastik: Lagerungen zur Verhütung von Kontrakturen. Akute Bewegungstherapie an die Belastbarkeit anpassen. Schulung einzelner Muskeln, Komplexbewegungen nach Kabat, Bewegungsbahnung nach Bobath, Gehschulung Massagen: Lockernde Techniken für spastische Muskeln, muskelpflegende Massagen auf der gesunden Seite Elektrotherapie: Stabile, absteigende Galvanisation, Impulsstrombehandlung überdehnter Antagonisten zur Erhaltung des Muskelgleichgewichtes. Spezielle relaxierende Elektrotherapie der Spastik; ggf. elektronische „Schrittmacher" Thermo-Hydrotherapie: Detonisierende Wärme in Verbindung mit lockernden Massagen: bei hochgradiger Spastik Kryotherapie Allgemein-unspezifische (C) und vorbeugende (D) Maßnahmen Bade- und Klimakuren zur Behandlung auslösender Grundkrankheiten

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Erläuterungen zu A bis D Kausale Therapie (A) Ursächlich wirkt eine Behandlung nur, wenn sie Störungen ausschaltet, die einen Insult nach sich ziehen könnten, z. B. die genannte Ursache einer transitorischen, reversiblen, zerebralen Ischämie durch Stenosen im Karotis-Bereich, solange sie noch keine bleibenden Ausfälle verursacht. Droht daraus ein Insult, dann hat die gefäßchirurgische Behandlung neben ihrem ausschaltenden Effekt auch prophylaktische Bedeutung (vgl. D). Natürlich hat auch jede erfolgreiche Behandlung und Verhütung von Gefäß- und Kreislaufkrankheiten möglicherweise ursächlich vorbeugenden Wert. Symptomatisch-gezielte Behandlungen (B) Im akuten Geschehen steht die medikamentöse Behandlung im Vordergrund. Sie strebt an, den Blutdruck je nach seiner Lage anders einzustellen, zu senken oder auch zu heben, falls er unter das vor dem Ereignis eingestellte Maß absinkt; dies würde die Durchblutung des Gehirns verschlechtern. Die Hirndrucksteigerung wird in Notfallsituationen mit niedermolekularen Dextranen behandelt, mit hypertonen Mannit- oder Sorbitlösungen geht das Hirnödem zurück, mit Glykosiden hebt der Arzt die Herzleistung und ist bemüht, die Herzrhythmik und die Herzfrequenz medikamentös oder mit einem Schrittmacher wiederherzustellen. Krankengymnastik: Die physikalisch-therapeutischen Verordnungen krankengymnastischer Art verfolgen in der Akutphase zunächst vorbeugende Ziele. Ihre Aufgaben zeichnen sich schon ab, wenn man den Kranken in seiner spontan eingehaltenen Lage, der Oberarm der betroffenen Seite ist adduziert, Unterarm, Hand und Finger sind gebeugt, das gelähmte Bein ist nach außen rotiert und der Fuß gestreckt, betrachtet. Schon jetzt bedenkt der Arzt die Tendenz zu pathologischen Haltungsmustern und tritt den spastischen Hemmnissen und Kontrakturen mit Lagerungen entgegen. Spezielle Lagerungen sind von Beginn an notwendig, auch wenn die Lähmungen in den ersten Tagen (Schockstadium) noch schlaff sind. Die Lagerungen dienen dazu, die erst aufkommende Spastik abzuschwächen, die von Hand und Fuß zu den proximalen Muskelpartien der Extremitäten sich zunehmend einstellt. Außerdem sollen sie den typischen Haltungsmustern, die unter enthemmten, tonischen Reflexen überhand nehmen, so gut und soweit es geht begegnen. Bei den Bettlägerigen fehlt noch der Einfluß der Schwerkraft, in beiden Extremitäten der betroffenen Seite entwickelt sich ein gleiches, noch leicht spastisches Streckmuster. Erst wenn der Kranke aufsteht, belastet die Schwerkraft den Arm und das Gewicht des Rumpfes das gelähmte Bein, eine hochgradige spastische Strecksynergie des Beines bildet sich aus, während der Arm der Beugekontraktur verfällt. Bald bilden sich auch die später sehr störenden Gelenkkontrakturen aus, die oft schmerzhafte Schultersteife erscheint schon nach wenigen Tagen. An der betroffenen Hand und an den Fingern, ebenso an der unteren Extremität, werden die Kontrakturen in kurzer Zeit so fest, daß sie kaum noch zu lösen sind. Das kann

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eine sachgemäßige Behandlung zum großen Teil verhindern. Unter ausgewählten Lagerungen bleibt ein gewisser Exkursionsspielraum erhalten; dieser zahlt sich später aus. Die Art, in der sich die Bewegungen in Arm und Bein mehr oder weniger unvollkommen wieder einstellen, lehnt sich in ihrem Verlauf an die Entwicklungsfolge der Motorik des Säuglings an [56]. Daraus folgt, daß die Bewegungsbahnung mit Techniken, die sich in der Behandlung spastischer Kinder bewährt haben (S.157), auch in der Behandlung der Hemiplegie der Erwachsenen eine sinnvolle Art des therapeutischen Vorgehens ist. Die Erfahrung hat gelehrt, daß es gut ist, wenn man die Kranken möglichst oft auf die gesunde Seite legt. Dies führt nicht, wie die Rückenlage, zu der ausgeprägten Spastik der Extensoren; es ist eine reflexhemmende Lage. Im einzelnen gelten folgende Regeln: Das gelähmte Bein sollte so liegen, daß es in der Hüfte nicht außenrotiert ist. In Rückenlage darf das Knie, da es zur Streckhaltung tendiert, zeitweise leicht gebeugt sein, der Fuß wird in Dorsalflexion fixiert und der äußere Fußrand unterstützt, um eine supinierte Streckkontraktur des Fußes zu verhindern. Liegen die Kranken vorübergehend auf der gelähmten Seite, dann ist darauf zu achten, daß bei leicht vorgezogener Schulter der Arm und das Bein, entgegen der Tendenz der pathologischen Haltungsmuster, gestreckt und gebeugt bleiben. Im Arm, der nichts zu stützen, in aufrechter Haltung nur sein Eigengewicht zu tragen hat, werden die Dehnungsrezeptoren der Beugemuskeln stärker erregt; so entsteht das spastische Beugemuster [215]. Um dem entgegenzuwirken, lagert man den Arm gestreckt und leicht abduziert, der Unterarm wird supiniert und mit gestreckten Hand- und Fingergelenken und abduziertem Daumen gebettet. Ohne entsprechende, abnehmbare Schienen wird dies selten möglich sein. Das für Läsionen in der inneren Kapsel charakteristische Lähmungsbild von Arm und Bein (Lähmungstyp nach Wernicke-Mann) ist, wenn es sich entwickelt hat, nicht mehr reversibel, kann aber in die angestrebten Zweckbewegungen eingearbeitet werden [712], Solche sachgemäßen Lagerungen können schon von der Krankengymnastin ausgeführt werden. Mehrmals täglich lagert sie die Kranken um und bewegt ihre Gelenke durch. Sie achtet bereits jetzt darauf, daß die Muskeln nicht überdehnt oder hastig gebeugt werden. Dies könnte reaktiv zu spastischen Kontraktionen anregen, zumal wenn die reflektorisch hemmenden Impulse (S. 131 f.) versagen. An den Beinen macht sie schon Streichmassagen und beugt so Thrombosen und den Dekubitalnekrosen vor. Bei den Umlagerungen gibt sie zugleich die so wichtigen krankengymnastischen Atemhilfen, da die Gefahr einer hypostatischen Pneumonie nicht nur wegen der oberflächlichen Atmung bei den bewußtlosen Kranken groß ist, sondern weil auch im Wachzustand die gelähmte Seite mit der Atmung nachschleppt. Passive und aktive Atemhilfen, wie sie im Kapitel „Atemgymnastik" dargestellt wurden, bringen die Kranken über diese Gefahr hinweg. Im subakuten Stadium, wenn das Bewußtsein nicht mehr getrübt und die Kreis-

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laufinsuffizienz behoben ist, setzt bereits die medizinische Rehabilitation ein. An erster Stelle steht die Bewegungstherapie. Die krankengymnastischen Bemühungen um eine Mobilisierung der Kranken sind umsomehr begründet und lohnend, als die Symptomatik nach Abschluß der akuten Phase keine Progredienz mehr zeigt, fast stets aber wesentliche Besserungen verspricht. Die Krankengymnastik mit aktiven Anforderungen an den Kranken hat drei Aufgaben zu erfüllen: zunächst muß sie, auf der medikamentösen Herzbehandlung aufbauend, ihre vorsichtig dosierten Anforderungen an die Belastbarkeit des Herzens und Kreislaufs der meist älteren Patienten anpassen. Die zweite Aufgabe zielt auf die Zweckbewegungen ab. Zunächst werden einfache Muskelaktionen erarbeitet, die Glieder gebeugt und gestreckt, abgespreizt und wieder herangeführt, rotierende Bewegungen gemacht. Solche Übungen gehen in Komplexbewegungen über, die systematisch nach der Methodik von Kabat aufgebaut und nach dem Bobathschen System gebahnt werden. Die dritte Aufgabe sieht vor, daß der Kranke die Tätigkeiten des täglichen Lebens unter den veränderten statischen und dynamischen Voraussetzungen wieder erlernt. Die Übungsaufträge fordern bewußte, willkürliche Bewegungen, die der Kranke unter der Führung der Krankengymnastin, zum Teil auch allein, üben kann und automatische Bewegungen, die sich mit den von der Krankengymnastin ausgewählten Übungen unbewußt wieder einschleifen oder die als Ersatzbewegungen erlernt werden. Für diese dritte Aufgabe bietet sich auch die Beschäftigungstherapie an. Verschiedene Übungen zur ersten und zweiten Aufgabe dürfen den Kranken schon planmäßig während der noch notwendigen Bettruhe zugemutet werden. Möglichst frühzeitig beginnen heißt, den Erfolg der Rehabilitation wesentlich zu verbessern [614], Als erstes werden die Kranken darauf vorbereitet, aufzustehen. Sie haben, nachdem eine Körperseite nicht mehr funktioniert, das Gefühl für das Gleichgewicht verloren. Auch fehlt ihnen oft noch die Kraft, aus dem Sitzen aufzustehen, zumal allein das gesunde Bein diese Arbeitsleistung vollbringen muß. Eine gute Hilfe zur orthostatischen Gewöhnung und zur Übung des Gleichgewichtes bietet der Kipptisch, auf dem die Kranken liegen und mit dem sie beliebig oft, selbst völlig passiv, in die Senkrechte gebracht werden können. So paßt sich der Kreislauf wieder an die aufrechte Haltung an und der Kranke gewinnt ein Gefühl für die bei Halbseitenlähmung veränderte Schwerpunktlage. In den späteren Phasen der Krankheit, in denen die Lähmungen ausgeprägt sind, orientiert sich das Übungsprogramm an den für Hemiplegiker charakteristischen Haltungsmustern, denen in der Akutphase mit den Lagerungen schon entgegengearbeitet wurde. Man findet an der oberen Extremität ein typisches Beugemuster, die Schulter ist nach vorne gezogen, der Oberarm leicht innenrotiert und adduziert, der Unterarm ist gebeugt und proniert, Hand und Finger sind gleichfalls mit stark adduziertem Daumen gebeugt. Das Bein dagegen zeigt ein Streckmuster, es ist in der Hüfte gestreckt, abduziert und innenrotiert, auch das Knie wird gestreckt gehalten, der Fuß ist in Supination plantarflektiert.

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Die Beinlähmung bedingt einen typischen Gang. Der Kranke vermag den Fuß mit dem in Streckstellung spastischen Bein nicht nach vorne zu führen, weil er sein Knie- und Fußgelenk nicht beugen kann. Er bringt das Bein, indem er das Becken hebt, mit einer abduzierenden Bewegung, mit Schwung einen Kreisbogen beschreibend, zirkumduzierend nach vorne; ein typischer Gang der spastischen Hemiplegie. Die aktiven Bewegungsbehandlungen [56,134,215] beginnen schon, wenn noch Bettruhe verordnet ist; sie werden dann lange Zeit weitergeführt. Aus der Rückenlage läßt die Krankengymnastin die Bewegungen des Rumpfes üben. Der Kranke dreht sich mit dem Kopf beginnend und Schulter und Hüfte nachziehend, auf die eine, dann auf die andere Seite. Die Krankengymnastin hilft und achtet darauf, daß in die gelähmte Extremität keine spastische Tonussteigerung einschießt (vgl. „Shift", S. 164). Arm- und Beinbewegungen geschehen, soweit sie aktiv gelingen, zunächst in Seitenlage, weil diese eine die pathologischen Reflexe hemmende Ausgangslage ist. Während der Kranke den paretischen Arm passiv-aktiv bewegt, außenrotiert, hebt und abspreizt, hält die Krankengymnastin Ellenbogen- und Handgelenk entgegengesetzt dem pathologischen Beugemuster gestreckt. Den Fuß hält sie in Dorsalreflexion und verhindert damit eine Verschiebung des Spasmus in das Bein. Bei den Bewegungsübungen mit dem gelähmten Bein liegt der Patient ebenfalls auf der gesunden Seite. Er beugt mit gestrecktem Knie das Bein im Hüftgelenk, beugt das Knie und streckt dabei den Oberschenkel wieder. Die Krankengymnastik hält dabei den Fuß proniert und dorsalflektiert, jeweils um Fehlhaltungen des Fußes nicht aufkommen zulassen. Auch der Arm bleibt während der Beinbewegungen gestreckt. Leichte passive Drehbewegungen der Lendenwirbelsäule macht der Patient aus der ersten reflexhemmenden Ausgangsstellung (S. 163), der Rückenlage heraus. Er schwenkt die in den Knien gebeugten, aufgestellten Beine geschlossen nach beiden Seiten hin und her. Einzelübungen der Extremitäten, die Abduktion und Außenrotation, an der oberen Extremität die Streckung des Unterarmes, die Pronation sowie die Dorsalflektion der Hand und der Finger, an der unteren Extremität die Beugung des Kniegelenkes und die Dorsalflektion und die Pronation des Fußes, leitet die Krankengymnastin mehr und mehr in die Komplexbewegungen der Gebrauchsmuster über. Zunächst werden diese passiv im Sitzen geübt, dann, wenn sie gelingen, auch aktiv, gegen leichten Widerstand. Die Bewegungen der Extremitäten in brauchbare Muster zu führen, erfordert viel Mühe und Geduld. Da erfahrungsgemäß die Lähmung umgekehrt von proximal nach distal mehr oder weniger zurückgeht, sind gegebenenfalls bei den Bewegungsübungen der kleinen, distalen Gelenke schon reflexhemmende Ausgangsstellungen der großen Gelenke angezeigt. Die Gehschulung stellt Ansprüche an die Stell- und Gleichgewichtsreaktionen (S. 158 f.), die durch die spastische Tonussteigerung in der gelähmten Seite — hier

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ist auch die Tiefensensibilität vermindert — gestört sind und so die Balance beim Stehen und Gehen gefährden. Sie werden ebenfalls aus reflexhemmenden Ausgangsstellungen (S. 165), in Bauchlage (Ausgangsstellung 2), im Sitzen (Stellung 6), aus knieender Haltung (Stellung 5) sowie im Stehen (Stellung 7) geschult. Das Körpergewicht verlagert der Patient bei den Übungen jeweils auf die erkrankte Seite. Konsequente Übungsbehandlungen sind auch notwendig, um zwischen der kranken und gesunden Seite das funktionelle Zusammenspiel der Bewegungen wiederherzustellen. Synergistische, diagonale Bewegungen werden hier eingeübt. Neben den enthemmten tonischen Reflexen gibt es sogenannte assoziierte Reaktionen, die bei spastischen Patienten auftreten. Sie sind als pathologische tonische Reflexe beschrieben worden, die in den spastischen Muskeln der Extremitäten entstehen und auf andere, spastisch gestörte Muskeln zurückwirken. Es sind überschießende Reaktionen, sie dürfen deshalb nicht mit den physiologischen tonischen Dehnungsreflexen (S. 125) verwechselt werden, die lediglich der Bahnung dienen. Die assoziierten Reaktionen treten bei der Spastik jeglicher Art auf, also auch bei der Hemiplegie der Erwachsenen, bei der sie besonders gründlich beobachtet worden sind [306]. Willkürliche Kontraktionen der Muskeln gesunder Gliedmaßen oder auch einer Extremität der gelähmten Seite und selbst andere Reize führen als assoziierte Reaktionen zu einer vermehrten Spastik auf der gelähmten Seite, oder sie wirken sich vom spastischen Bein auf den Arm aus und umgekehrt. Übersieht man bei der Behandlung diese zweifellos nachteilige Wirkung, dann führt dies leicht zu Behandlungsfehlern. Lebhafte Aktivität in der Behandlung einer Extremität ruft dann eine Verschlechterung in einem anderen Körperteil hervor. Manche Fehlhaltung ist durch solche nicht beachtete Nebenwirkung bedingt [56] oder tritt zumindest stärker auf, statt daß sie verhütet wird. Beobachtet man die gesamte Mobilität der Hemiplegiker unter der Behandlung aufmerksam, dann werden solche Behandlungsfehler vermieden. Auch bei der Beschäftigungstherapie achten die Behandler auf dieses Phänomen, damit die assoziierten Reaktionen nicht nachteilige Auswirkungen haben. Die Besserung der hemiplegischen Fehlhaltungen und -bewegungen erfordert also eine systematische Kleinarbeit, an der sich neben der Krankengymnastin auch andere Behandler, Beschäftigungstherapeuten, gegebenenfalls Logopäden und soziale Helfer beteiligen [40]. Wann immer möglich, sollte jeden Tag behandelt werden, weil die täglichen Fortschritte an Leistung, Ausdauer und Koordination verständlicherweise sehr gering sind und in wenigen Tagen der Inaktivität wieder verloren gehen. Wenn die Kranken schon etwas mobilisiert werden konnten, lernen sie schnell, auch allein zu üben, indem sie sich etwa am Fußende des Bettes festhalten und auf dem gesunden Bein stehend das paretische Bein beugen und strecken, abduzieren, Schwingübungen ausführen und ähnliche Übungen mit dem Arm vornehmen. Auch das Gleichgewichtsgefühl kehrt damit wieder zurück. So führen die Übungsbehandlungen einzelner Muskeln und der Komplexbewegungen auch zur Rehabilitation des Kranken. Im Vordergrund steht die Gehschu-

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le. Das Gehtraining muß von Beginn an sehr korrekt unter sachkundiger Führung geschehen, weil angewöhnte Fehlbewegungen kaum mehr zu beseitigen sind [614], Die Krankengymnastin hält und führt zunächst den Behinderten, im Gehbarren entwöhnt er sich von fremder Hilfe, ein Gehwagen erlaubt ihm schon, Ziele anzusteuern, und bald reichen eine Unterarmstütze, ein Dreibeinstock und schließlich ein gewöhnlicher Stock aus, mit denen sich der Kranke gegen die immer noch bestehende Fallneigung sichert. Auch das Treppensteigen, vor allem das Abwärtsgehen, bedarf systematischer Übung. Eine Reihe von krankengymnastischen Spezialverfahren wie Übungen im Gehbewegungsbad, Kontrakturbehandlungen in der Schmetterlingswanne (S.268), Behandlungen im großen Bewegungsbad und dergleichen mehr ergänzen das Übungsprogramm. Die Rehabilitationsprognose ist für den Arm sehr viel schlechter als für das Bein. Oftmals gelingt es nur, eine gewisse Halte- und Stützfunktion zu erreichen. Es ist nicht sinnvoll, Funktionen einüben zu wollen, die nicht mehr gelingen. Ist und bleibt der rechte Arm gelähmt, dann wird es meistens nötig, den linken Arm umzuschulen. Die Beschäftigungstherapie hat dazu eine Fülle von Techniken entwickelt. Grundsätzlich wird empfohlen, bei allen halbseits Gelähmten die gesunde Seite in die Übungsbehandlungen einzubeziehen. Dies verhindert Muskelatrophien durch Nichtgebrauch, und die kranke Seite wird aufgrund synergistischer Impulse gefördert. Bei den meist älteren, durch die Krankheit geschwächten Menschen zeigt sich nicht selten, daß sie mit den Übungen bald an die Grenze der Belastbarkeit kommen. Die Beobachtung der Pulsfrequenz erlaubt der Krankengymnastin, dies zu erkennen und die Gleichgewichts-, Steh- und Gehübungen entsprechend zu dosieren. An der Erholungspulssumme (S.193) kann sie sich über den Leistungszuwachs orientieren [689] und daraus ableiten, ob sie schon höhere Anforderungen stellen darf. Speziell wurde empfohlen [208], in späteren Stadien mit gesicherter Belastbarkeit für jede Übung die Maximalkraft in der Weise zu bestimmen, daß der Kranke zum Test die Übung so oft wie möglich wiederholt. Zweidrittel dieses Aufwandes (S. 149) bilden dabei den Trainingswert, mit dem jede Übung dreimal wiederholt wird. Zwischen diesen drei Übungen liegt jeweils eine Pause, die solange währt, bis der Ruhepuls wieder erreicht ist. Verkürzungen dieser Ruhezeiten, z. B. von 8 auf 5 oder von 5 auf 3 Minuten, fordern vom Organismus mehr und erhöhen so vor allem die Ausdauer. Natürlich wird der Arzt von Zeit zu Zeit prüfen, ob die Krankengymnastin noch mehr belasten soll, ob die Belastung ausreicht oder ob den Patienten zuviel zugemutet wird. Massagen: Alle bewegungstherapeutischen Bemühungen, seien sie krankengymnastischer oder beschäftigungstherapeutischer Art, finden eine ergänzende Unterstützung in einer Reihe anderer physikalisch-therapeutischer Maßnahmen, die sich speziell auf den Zustand und die Funktionsfähigkeit der Muskeln auswirken oder das Allgemeinbefinden der Kranken heben.

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Alle lockernden Massagetechniken, leichtes Streichen, die Vibrationen, Schüttelungen, vorsichtige Walkungen und dergleichen sind geeignet, spastische Muskeln zu entspannen, während zu kräftige Griffe den Tonus eher verstärken. Der Masseur muß deshalb sehr behutsam vorgehen, bei schwerer Spastik kann schon leichtes Anfassen die Spastik erhöhen. Die Vibrationen sollten sehr einfühlsam ausgeführt werden, wenngleich auch apparative Virbrationen sich entsprechend dosieren lassen. Gelingt es, die Muskeln zu lockern, dann bedeutet dies eine bessere Ausgangslage für die nachfolgende krankengymnastische Bewegungstherapie. Bei den Steh- und Gehübungen wird anfangs das gesunde Bein stark beansprucht, deshalb wirken hier muskelpflegende Massagen sehr wohltuend. Elektrotherapie: Die Elektrotherapie spastischer Lähmungen wird in der Regel unterschätzt. Solche Lähmungen stellen nicht, wie es in vielen Lehrbüchern steht, absolute Kontraindikationen für elektrotherapeutische Maßnahmen dar. Allerdings muß der Arzt ihre spezielle Indikation kennen. Das therapeutische Ziel, den erhöhten Spannungszustand der gelähmten Muskeln zu lockern, erreicht man mit verschiedenen Techniken. Die stabile Galvanisation setzt bei absteigender Stromrichtung (S. 353) die Erregbarkeit des Muskels herab. Bei spastischen Lähmungen bewähren sich die Längsdurchströmung mit großen Plattenelektroden oder entsprechende Schaltungen in den Zellenbädern und dem Stangerbad. Die Elektrostimulation mit Impulsströmen wird oft bei spastischen Lähmungen pauschal abgelehnt, obwohl diese Ablehnung der Methode nicht gerecht wird und manchen Kranken auch hier einer guten therapeutischen Möglichkeit beraubt. Selbstverständlich wird man einen spastisch kontrahierten Muskel, der aufgrund seiner spastischen Verkürzung eine Bewegung im Gelenk behindert oder unmöglich macht, mit Stromimpulsen nicht zu noch stärkerer Kontraktion bringen. Es hat aber durchaus einen Sinn, einen in Streckhaltung verharrenden Fuß zu heben oder eine stark gebeugte, kontrakte Hand in eine Lage zu bringen, in der sie wenigstens noch etwas halten kann. Hier liegen spezielle Indikationen für die Impulsstrombehandlung spastischer Muskeln. Sie nutzen die Tatsache, daß solche Muskeln, im Gegensatz zu den nur unter bestimmten Bedingungen (S.371) ansprechenden schlaff gelähmten Muskeln, auf Stromimpulse stets mit Kontraktionen antworten. Eine Begründung für Impulsstrombehandlungen ergibt sich aus dem gestörten Gleichgewicht zwischent dem Tonus der Beuger und Strecker, das zur Beuge- oder Streckkontraktur führt. Diesen Trend soll die Impulsstrombehandlung unterbinden, indem sie die zwar auch spastischen, aber schwächeren Antagonisten kräftigt und damit das Gleichgewicht möglichst wiederherstellt. Dabei kommt auch das Phänomen der reziproken Innervation (S. 154) zur Geltung, indem hemmende und damit lockernde Effekte an den spastisch kontrahierten Agonisten wirksam werden. Rechtzeitig, das bedeutet für den Arm, wenn der Kranke aufstehen kann und das Eigengewicht des Armes erstmals einen verstärkten Kontraktionsreiz darstellt,

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wirken solche Strombehandlungen, wie auch die Lagerungen dieser schädlichen Tendenz entgegen, indem sie die überdehnten Strecker mit Schwellstromimpulsen zu rhyhtmischen Kontraktionen und auch Bewegungen veranlassen, unter denen sie einen höheren Tonus annehmen und so den Agonisten entgegenhalten können. Unmittelbar vorher die kontrakten Beuger mit der stabilen Galvanisation zu lokkern, bietet sich insofern an, als der detonisierende Katelektrotonus eine Zeitlang anhält (S.347) und daher bei der anschließenden Elektrogymnastik genutzt werden kann. Am spastisch gelähmten Bein wird die Elektrostimulation entsprechend eingesetzt. Sie bringt den überstreckten, supiniert gehaltenen Fuß in eine bessere Ruhelage, indem sie die Fußheber kräftigt oder beim Gehen die Fußspitze synchron hebt und damit eine ausgefallene Funktion ersetzt. Wie der Elektrotherapeut die Elektroden anlegt, die Reizstromparameter auswählt und die Behandlungen dosiert, wurde im Teil II ausgeführt. Selbstverständlich achtet der Behandler stets darauf, daß die Spastik der überbetonten Seite, die unter dieser ausgewählten Methodik nachgeben muß, sich auch tatsächlich entsprechend einstellt. Eine technisch neuartige Methode [271] zielt darauf ab, durch Reizung der Dehnungsrezeptoren (Sehnenspindeln) in den spastischen Muskeln (Agonisten) eine relaxierende Selbsthemmung anzustoßen. Diese tritt unter aktiven Muskelkontraktionen deutlicher auf als unter einer passiven Spannung. Mit einer nachfolgenden Stimulation der weniger aktiven Antagonisten soll das Gleichgewicht der muskulären Gegenspieler wiederhergestellt werden. Bei dieser Methode werden kräftige Muskelzuckungen — nicht Bewegungen — ausgelöst. Dadurch sollen aber auch koordinierende Informationen an die Großhirnrinde zurücklaufen (vgl. feedback control, S.55) die sich bewegungstherapeutisch nutzen lassen. Technisch geht man so vor (S. 378), daß man den Reizkreis I auf den Beugemuskel anlegt und so mit den kräftigen Zuckungen gleichzeitig hemmende Impulse hervorlockt; gleich anschließend — verzögert um 100-300 ms — kontrahieren sich über den Reizkreis II die Streckmuskeln kräftig. Dies wirkt im Sinne der Elektrogymnastik und nutzt die hemmende reziproke Innervation der Beuger. Die Einzelimpulse der Reizkreise haben Rechteckform (vgl. Abb. 112) mit einer Impulsdauer von 0,2-0,5 ms und einer Impulsfolge von 0,7 bis zu 1 Hz gleich ca. 40-60 Impulse pro Minute. Nach einer Behandlungszeit von 10 Minuten soll der Relaxationseffekt 24-48 Stunden anhalten, in Behandlungsserien noch länger. Je nach der Wirkungsdauer werden die Behandlungsintervalle bestimmt. Stromimpulse kräftigen nicht allein geschwächte Muskeln — meist Strecker — oder lockern — meist Beuger — deren erhöhten Tonus, die moderne elektronische Technik bietet auch die Möglichkeit, bestimmte Extremitätenmuskeln in eine Bewegungsfunktion einzugliedern. Sie hat Schrittmacher für das spastisch paretische Bein entwickelt [654], das in der Funktion des Gehens besonders dadurch behindert ist, daß der Kranke den Fuß nicht heben und nicht mehr abrollen kann (Peronaeuslähmung). Eine sogenannte funktionelle, elektronische Peronaeusorthrese (Fepo-Gerät) bringt während der Schwungphase des Beines (S.831) den Fuß aus

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der Fehlhaltung, der Plantarflexion und Supinationsstellung, in die natürliche Pronation und Dorsalflexion, so daß die Fußspitze nicht schleift und der vorgebrachte Fuß mit der Ferse aufsetzt. Das Gerät funktioniert auf folgende Weise [503]: Die Ferse des gelähmten Beines lastet während der Standphase auf einem in einer Einlegsohle befindlichen Kontakt, der das Gerät abschaltet. Macht der Kranke einen Schritt vorwärts und setzt das gesunde Bein vor, dann hebt sich damit die Ferse des gelähmten Beines, der Kontakt schließt sich und der Strom fließt. Das elektronische Gerät, das am Gürtel getragen wird, liefert jetzt Schwellstromimpulse, die mit jedem Schritt, solange die Ferse nicht aufsetzt, eine Schwellphase und damit eine geschmeidige, flüssige Dorsalflexion und Pronation des Fußes bewirken. Die Elektroden liegen am Wadenbeinköpfchen an, die Stromimpulse stimulieren damit über den Nervus peronaeus superficialis die Muskeln, die an der genannten Fußhaltung wesentlich mitwirken. Mit einem solchen Gerät nähert sich der Gang dem physiologischen Bewegungsablauf ; andere Hilfsmittel, orthopädische Schuhe oder Schienen, werden so entbehrlich. Voraussetzung für eine funktionelle Orthese ist natürlich, daß keine Kontrakturen bestehen und die Beweglichkeit im Sprunggelenk erhalten ist. Dies schon während der Akutphase vorsorglich zu gewährleisten, erweist sich hier als nutzbringend. Thermo-Hydrotherapie: Die Wärme mit ihrer detonisierenden Wirkung auf verspannte Muskeln wird bei den spastischen Lähmungen gerne genutzt, um mechanische Behandlungen z. B. lockernde Massagen, passive und aktive Bewegungen vorzubereiten und zu erleichtern. Warme Teilbäder eignen sich besonders für die spastisch-kontrakte Hand. Hier kann der Patient auch selbst mit der gesunden Hand die Beugekontraktur seiner gelähmten Hand, noch vor einer elektrogymnastischen oder krankengymnastischen Bewegungsbehandlung, dehnen. In neuerer Zeit findet auch die Kältetherapie bei ausgeprägter Spastik wieder breitere Anwendung. Bei der hemiplegischen Spastik eignet sie sich ebenso wie die Wärme, um andere Behandlungen vorzubereiten und zu unterstützen. Die Minderung der Spastik durch Kälte läßt die Kranken manche Bewegungen leichter und funktionell besser vollziehen. Sie erleichtert auch die Streckbewegungen sowie die Funktion antagonistischer Muskelgruppen und verbessert die Haltung [4,32]. Die Wirkung hält mehrere Stunden an, die Bewegungsbehandlungen können deshalb ohne Hast von diesem Ergebnis profitieren. Die Minderung der Spastik unter Kälte kommt über die abgekühlten Muskelspindeln zustande (S. 322), die weniger Impulse an die Gamma-Motoneurone senden und damit die tonischen Dehnungsreflexe abschwächen. Wahrscheinlich werden Motoneurone des Rückenmarks auch über eine Blockierung von Hautrezeptoren durch die Kälte gehemmt [214, 443].

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Allgemein-unspezifische (C) und vorbeugende (D) Maßnahmen Allgemein-unspezifisch wirkende Verordnungen wie auch Präventivmaßnahmen ergeben sich aus der Pathogenese der spastischen Syndrome. Kurbehandlungen der Balneo- und Klimatherapie, die der allgemeinen Erholung und Entspannung dienen, sind bei der Schwere des Grundleidens für die Kranken eine wohltuende Abwechslung während ihrer langen Rehabilitationszeit. Ist ein Hochdruck bei vorhandener Arteriosklerose der Anlaß einer Hirnblutung gewesen oder führte eine Herzinsuffizienz bzw. eine Rhythmusstörung der Herzschlagfolge zur Minderdurchblutung des Gehirns, dann sind sehr schonende Kurbehandlungen, die den Organismus in eine mehr trophotrope Einstellung seiner Funktionen hineinführen, das Ziel solcher vom Arzt kontrollierten Heilmaßnahmen. Die Verordnungen richten sich nach der zuträglichen Belastbarkeit von Herz und Kreislauf. Liegt eine schwere hypotone Regulationsstörung vor, die vasovagale Synkopen (S.731) mit zerebraler Ischämie verschuldet, dann helfen mehr ergotrop wirkende Maßnahmen hydrotherapeutischer Art und bewegungstherapeutische Aktivitäten. Eine Prävention (S. 5) ist möglich, wenn flüchtige zerebrale Ischämien rechtzeitig als Ausdruck einer Stenose der das Gehirn versorgenden Arterien erkannt werden (Subclavian-Steal-Syndrom). Eine operative Rekanalisierung kann dann einem drohenden Insult zuvorkommen. 5.5.2.2 Multiple Sklerose Die Multiple Sklerose (MS), auch Encephalomyelitis disseminata oder Polysklerose genannt, gehört zu den häufigsten Erkrankungen des Nervensystems. In der Bundesrepublik Deutschland leiden ca. 60-80000 Menschen an dieser Krankheit. Sie interessiert hier insoweit, als die motorischen Störungen, eine zunehmende spastische Parese der Beine (Pyramidenbahnschäden), später, in meist geringerem Maße, auch der Arme, und die zerebellaren Störungen, die sich in einer Gangataxie und einem Intentionstremor äußern, über lange Zeit — im Mittel 15-25 Jahre — physikalisch-therapeutisch behandelt werden müssen. Weitere Hirnstammsymptome, der Nystagmus, die Abduzensparese (Doppelbilder), die Dysarthrie (skandierende Sprache) und die Neuritis retrobulbaris (temporale Abblassung der Papille), wiederstehen, im Gegensatz zu der verbesserungsfähigen Motorik, allen Behandlungsbemühungen. Die klassische Charcot-Trias [87], Nystagmus, Intensionstremor, skandierende Sprache — andere [546] rechnen statt des Nystagmus die spastische Beinlähmung dazu — und die sogenannte Marburg-Trias [421], temporale Abblassung der Papille, fehlende Bauchhautreflexe, spastische Zeichen, sind in den meisten Fällen kombiniert vorhanden. Eine große Zahl der Kranken (ca. 70-80%) leidet auch an Blasenstörungen (imperativer Harndrang bis zur Blaseninkontinenz). Die Ursache der Erkrankung ist nicht bekannt. Mehrere Hypothesen sind vorerst nur Erklärungsversuche. Mirkoorganismen, Spirochäten, Viren, ein Autoag-

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gressionsgeschehen, eine Fettstoffwechselstörung durch angeborenen Enzymdefekt und andere Ursachenfaktoren werden diskutiert. Pathologisch-anatomisch finden sich an vielen Stellen (disseminiert) in Hirn und Rückenmark, in der Neuroglia und an den Markscheiden der Neuriten Myelindefekte (Entmarkung), die bis in die Gliagewebe vordringen. Die Achsenzylinder der Nervenfasern des zentralen Systems werden dadurch leitungsunfähig, sie können aber die Fähigkeit, Impulse zu leiten, bei Remissionen teilweise zurückgewinnen. Die Entmarkungsherde werden makroskopisch in Gestalt grauer Flecken am Nervengewebe als sogenannte sklerotische Plaques sichtbar, daher der Name Multiple- „Sklerose" oder Poly-„Sklerose". Die peripheren Nerven werden nicht betroffen, es gibt daher keine schlaffen Lähmungen und keine Muskelatrophien. Die Krankheit verläuft in Schüben, d. h. die Symptomatik nimmt plötzlich stark zu und geht dann langsam wieder zurück. Es kommt also immer wieder zu gewissen Remissionen, auch als Spontanremissionen, die nicht dazu verleiten sollten, als Therapieerfolg mißverstanden zu werden. Jeder Schub wird offenbar ausgelöst durch neu aufkommende degenerative Herde, so daß insgesamt die Ausfälle zunehmen. Oft bleibt der Zustand über Jahre stationär. Die Krankheit verkürzt das Leben der Erkrankten im Durchschnitt um 20 Jahre. Die Kranken sterben an Komplikationen, z. B. an Zystopyelitis, pyelonephritischer Schrumpfniere, septischen Infekten. Hier ergeben sich auch präventive Verpflichtungen. Übersicht über die Behandlungsvorschläge Kausale Therapie (A) Alle auf Hypothesen basierenden Versuche haben sich nicht bewährt, eine kausale Therapie gibt es demgemäß nicht. Intensive symptomatische Behandlungen bestimmen das Schicksal der Kranken Symptomatisch-gezielte Behandlungen (B) Medikamentös: Gegebenenfalls Muskelrelaxantien gegen die Spastik, Sedativa gegen die Ataxie Physikalisch-therapeutisch: Krankengymnastik: Alle Techniken der Bewegungsbahnung, ggf. Hilfen, rhythmische Stabilisierung, Gleichgewichts- und Zielübungen, Gehschule, Bewegungsbäder, ergänzende beschäftigungstherapeutische Techniken Massagen: Unterstützende Verordnungen zur Bewegungstherapie, Eismassagen bei erheblicher Spastik Thermo-Hydrotherapie: Nur milde Wärme für die Muskeln Elektrotherapie: Wie bei spastischen Lähmungen, z. B. der Hemiplegie

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Allgemein-unspezifische (C) und vorbeugende (D) Maßnahmen Kurbehandlungen zur „Umstimmung" Vorbeugende Behandlung drohender Komplikationen Erläuterungen zu A bis D Kausale Therapie (A) Eine kausale Therapie gibt es nicht. Entsprechend den Hypothesen zur Ätiologie hat man immer wieder versucht, mit Steroiden frische, entzündliche Reaktionen zu hemmen oder antiallergisch zu wirken bzw. mit immunsuppressiven Substanzen ein mögliches Autoimmungeschehen zu unterbinden oder mit unspezifischen Vakzinen die Kranken zu desensibilisieren. Auch Vitamine (B-Komplex u.a".) werden hochdosiert gegeben. Sichere Erfolge oder auch nur Besserungen von anhaltender Dauer bringt die medikamentöse Behandlung aber nicht. Symtomatisch-gezielte Behandlungen (B) Die symptomatischen Behandlungen haben die Prognose des Leidens in den letzten Jahrzehnten sowohl „hinsichtlich der Lebenserwartung, als auch im Hinblick auf das Lebensschicksal und das Leistungsvermögen der MS-Kranken entscheidend verbessert" [33]. Medikamentös versucht der Arzt, die oft starke und sehr belastende Spastik mit Muskelrelaxantien zu lindern. Dies erfordert, sofern die Mittel ansprechen, eine Langzeit- oder Dauertherapie. Die Dosierung ist nicht einfach, denn die weniger spastischen Muskeln werden unter Umständen hypoton und behindern dann, zumal die Spastik meist asymmetrisch ausgeprägt ist und die passende Dosis nur für eine Seite zutrifft, die Bewegungen noch mehr. Auch machen die Mittel müde, gelegentlich schwindlig. Gegebenenfalls unterstützen sie aber die physikalisch-therapeutischen Bemühungen. Bei allen Komplikationen sind spezifische Medikamente immer wieder erforderlich. Der emotional beeinflußbare Intensionstremor und auch die Ataxie bessern sich unter Umständen durch Sedativa etwas; ansonsten werden auch antihyperkinetisch wirkende Substanzen gegeben. Die Physikalische Therapie der MS setzt alle ihre Methoden mit dem Ziel ein, den Kranken funktionelle Besserungen der Motorik zu vermitteln und diese mit ihnen zur erarbeiten (Übungsbehandlungen). Dies hilft den Kranken am ehesten, ihre gesundheitsgefährdende Inaktivität zu überwinden und mit ihrem behinderten Leben auch psychisch fertig zu werden. Krankengymnastik: An erster Stelle aller therapeutischen Bemühungen steht die Bewegungstherapie. Im wesentlichen gelten für die MS die Prinzipien, die zur Behandlung der spastischen Syndrome dargestellt wurden (S. 824). Das Ziel der bewegungstherapeutischen Bemühungen ist, mit der Bewegungsbehandlung, der rhythmischen Stabilisation, mit propriozeptiven Hilfen und auch mit reflexhemmenden Haltungen die Bewegungsfunktionen zu berichtigen und aufzubessern, wobei spastische Muskeln sich entspannen und das Muskelgleichgewicht zwischen Agonisten und Antagonisten geschult wird.

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Die MS-Kranken sind eingeschränkt, aber sehr unterschiedlich belastbar. Im akuten Schub bedürfen sie strenger Bettruhe. Allerdings nimmt die Bewegungsstörung in dieser Zeit erheblich zu, wenn man die Kranken nicht täglich mehrmals wenigstens passiv durchbewegt; deshalb bemißt man die Zeit der Bettruhe auch so kurz wie möglich. Sind die Kranken für mehrere Tage bettlägerig, dann sind immer wieder Umlagerungen wegen der Gefahr der Dekubitalnekrosen notwendig. Dabei ist es ratsam, wenn die Krankengymnastin Lagen bevorzugt, die der Spastik und den Kontrakturen entgegenwirken. Stehen die Patienten nach längerem Krankenlager wieder auf, dann fällt es ihnen meist schwer, frei zu stehen und sich aufrecht zu halten. Beides ist jetzt das erste Ziel der Übungsbehandlungen. Dabei muß der Patient lernen bzw. sich daran gewöhnen, daß er die Rückenstrecker anspannt, um einem Hang nach vorne entgegenzuwirken. Die Vorstellung, er trüge einen schweren Rucksack und müsse Gewichte an den Fersen nach vorn und außen führen, kommt dabei dem Kranken zu Hilfe. Die anschauliche Vorstellung von Gewichten — eine Art mentalen Trainings — führt dazu, die infolge der Ataxie fehlende Anspannung der Antagonisten zu ersetzen. In den stationären Phasen oder gar während der nicht seltenen Remissionen werden alle Gebrauchsbewegungen einschließlich der Gehschulung immer wieder systematisch geübt, sonst verschlechtert sich die Situation. Die Kranken vertragen, wenn man vorsichtig steigert und sehr darauf achtet, daß die Spastik nicht zunimmt, mehr an Behandlungsaktivität, als man gemeinhin annimmt [251]. Der Behandler darf aber nicht übersehen, daß die Belastbarkeit der Kranken von Tag zu Tag sehr verschieden sein kann. Wichtig ist, daß alle Bewegungen leicht fallen. Die Kranken brauchen keine Kraftübungen, da es nicht an Kraft fehlt, sondern die Innervation der Übung bedarf. Zu große Anstrengungen verstärken die Spastik und die Ataxie. Mit krankengymnastischen Techniken versucht man auch die ataktischen Störungen zu beheben. Die Ataxie kann so ausgeprägt sein, daß sie viel mehr als die Spastik die Gebrauchsbewegungen behindert. Hier sind es Zielübungen, mit denen der Kranke zerebellare Störungen zu kompensieren lernt. Körpereigene Ziele sind Stirn, Ohr, Nase, Knie, die nacheinander mit dem Zeigefinger berührt werden. Auch das Greifen nach körperfremden Zielen, Nachzeichnen von Linien mit dem Finger, Schreibübungen und anderes sind Bestandteile des Übungsprogrammes. Schon um die Jahrhundertwende wurde eine Fülle von Koordinationsübungen ausgearbeitet (Frenkeische kompensatorische Übungstherapie [162]), die systematisch alle Bewegungen der Extremitäten und des Rumpfes in Anspruch nehmen und damit die noch vorhandenen sensiblen Bahnen bzw. sensorischen Funktionen übend einsetzen. Da die Motorik bei ausgeprägter Ataxie überschießend anspringt, ist es sehr wichtig, daß die Krankengymnastin bremsende Widerstände gibt und alle Bewegungen in die physiologischen Bewegungsmuster lenkt. Die Beschäftigungstherapie ergänzt mit Spielen die Übungen zur Geschicklich-

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keit und Ausdauer. Es hat sich bewährt, wenn die Beschäftigungstherapeutinnen mit den Krankengymnastinnen gemeinsam das Selbsthilfetraining betreiben. So können sowohl die Physiologie als auch die Effizienz der Bewegung besser unterstützt werden. Massagen: Massagen sind bei der langen Dauer der Krankheit und bei der meist inaktiven Muskulatur immer wieder indiziert. Alle lockernden Techniken, wie sie generell für die spastischen Syndrome empfohlen werden (S. 834), unterstützen hier die bewegungstherapeutischen Ziele. Eine besondere Massageform, die Eismassagen (S. 324), haben sich bei sehr starker Spastik bewährt. Die Linderung hält nicht selten mehrere Stunden an. Thermo-Hydrotherapie: Thermo-hydrotherapeutische Verordnungen finden bei MS-Kranken selten Indikationen, sofern die Wärme nicht, kombiniert mit anderen Wirkungsfaktoren, eine wichtige Teilaufgabe, z. B. die Lockerung verspannter Muskeln, erfüllen soll. So können Bäderbehandlungen, die mit ihrem Auftrieb die Muskeln entspannen und die Bewegungen erleichtern, verordnet werden. Die Temperatur der Bewegungsbäder richtet sich nach der körperlichen Aktivität des Kranken. Ist er im Wasser gut beweglich, bleibt die Temperatur niedrig, ca. 28 °C. Es darf nicht zum Wärmestau kommen, da dann die Belastung größer als der Gewinn an Entspannung wäre. Bewegt der Patient sich wenig oder geschieht dies passiv, z.B. im Schmetterlingsbad, dann muß die Temperatur im Indifferenzbereich oder auch höher liegen, damit der detonisierende Effekt der Wärme die Beweglichkeit erleichtert. Früher wurden sogar Überwärmungsbäder mit hohen Körpertemperaturen empfohlen [376], wobei man von der hypothetischen Vorstellung ausging, daß mit der hohen Körpertemperatur eine an den Entmarkungsherden schwelende, chronische Entzündung in eine akut aufflammende Entzündung übergehen und unter stärkeren, körpereigenen Abwehrmechanismen ausheilen würde. Es sind auch Erfolge beschrieben worden, von anderen Seiten aber — dies korrespondiert mit der Vorstellung des akuten Aufflackerns — auch negative Folgen mit neuen Schüben. Die Methode wird daher heute allgemein nicht mehr angewendet. Bei Kranken, deren Symptomatik über lange Zeit unverändert bleibt, kann man mit einem leichten Wärmestau, den Blutstrom zur Peripherie erhöhen und so auch schlecht durchblutete Bewegungselemente besser versorgen bzw. mit der erhöhten Wärme von außen und innen die Muskeln gut lockern und ihre bindegewebigen Anteile dehnbarer machen. Hier genügt es erfahrungsgemäß, wenn man die Badetemperatur so reguliert, daß die Körpertemperatur nur um einige Zehntel Grad ansteigt (S.796). Dies regt den Blutumlauf aus thermoregulatorischen Gründen schon ausreichend an, stellt aber noch kaum eine Kreislaufbelastung dar, zumal die Beweglichkeit der Gliedmaßen, leicht aktiv oder passiv betrieben, entsprechend weniger Mühe erfordert. Man läßt die MS-Kranken auch gerne in leicht erwärmtem Wasser schwimmen. Für die Beweglichkeit und die Koordination der Bewegungen ist dies zweifellos

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gut geeignet. Dabei muß der medizinische Bademeister aber darauf achten, daß sich die Kranken beim Schwimmen nicht zuviel zumuten. Es kommt noch etwas hinzu, was die Kranken meist herunterspielen und die Ärzte übersehen, das ist die bei der großen Mehrzahl der Kranken bestehende Blasenschwäche, die das Schwimmen in einem Gemeinschaftsbad nicht zuläßt. Zur Lösung der Spastik haben sich auch Eispackungen bewährt. Lokale Wärmebehandlungen in Form der weniger aufwendigen feucht-heißen Packungen auf hypertone, kontrakte Muskeln und die Adduktoren, die besonders lästigen Spasmen ausgesetzt sind, lindern ebenfalls, zuweilen in angenehmerer Weise als die Kälte, zumal Wärme mehrmals am Tage vertragen wird. Elektrotherapie: Von den elektrotherapeutischen Verfahren hat sich die konstante Galvanisation zur muskulären Detonisierung bewährt. Methodisch eignen sich für einzelne Muskeln auch die Durchströmungen mit fest anliegenden Elektroden. Einzelne Glieder werden mit den Zellenbädern, der ganze Körper im Stangerbad „elektrisiert". Impulsströme sind gegebenenfalls geeignet, ein grob gestörtes Gleichgewicht zwischen Agonisten und Antagonisten zu korrigieren (S. 834). Ein besonderes Verfahren (S.378) mit zwei getrennten, synchron arbeitenden Reizkreisen, die, in rhythmischer Folge gegeben, die tonische Einstellung der spastischen Agonisten hemmen und die der Antagonisten fördern, verbessert die Koordination der Bewegungsimpulse und erleichtert das gestörte Zusammenspiel. Die Methode lindert über Stunden und Tage die Symptome der Spastik. Für schwer zugänglich Muskeln, z. B. die Rückenstrecker, eignen sich diadynamische Ströme (vgl. Schaltung CP, S.388) zur Detonisierung oder die Hochfrequenzenergie zur lockernden Durchwärmung der hypertonen Muskeln. Die Elektrotherapie der neurogen gestörten Blase mit Schwellstrom- oder Exponentialstromimpulsen wird immer wieder bzw. immer noch versucht. Zur Beurteilung ihrer Wirksamkeit wurde schon ausführlich Stellung genommen (S. 381).

Allgemein-unspezifische (C) und vorbeugende (D) Maßnahmen Allgemein-unspezifische Maßnahmen bei der Multiplen Sklerose berücksichtigen vor allem die geringe Belastbarkeit der Kranken. Das Schonprinzip (S.ll), das sich aber nicht in einer zu geringen körperlichen Aktivität verlieren darf, steht hier ganz im Vordergrund. Es wurde auch empfohlen [251], die meist gegen Erkältungen anfälligen Kranken mit Teilwaschungen am Morgen und lauwarmen, aufsteigenden Güssen „abzuhärten". Ob dieses Ziel erreicht werden kann, ist aber fraglich, da weniger eine Unzulänglichkeit der Thermoregulation als eine allgemeine mangelnde Widerstandsfähigkeit diese Kranken anfällig gegen Erkältungsinfekte macht. Die unzureichende allgemeine Resistenz durch „umstimmende" Behandlungen (S.75) zu heben, ist das Bestreben aller Kurmaßnahmen in einem milden Reizklima oder in Badeorten, die Gelegenheiten für Bewegungsbäder anbieten.

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Vorbeugende Maßnahmen gelten ganz besonders den über die Harnwege aufsteigenden Infekten von Blase und Nieren. Die vielen Kranken mit Blasenstörungen haben fast alle einen chronischen Harnwegsinfekt. Die Keimbesiedelung ist in den meisten Fällen schwer zu beherrschen, da der Infekt, auch wenn man ihn auf der Basis bakteriologischer Teste gezielt antibiotisch behandelt, mit gleichen oder anderen Erregern immer wieder erneut aufflackert. Dabei besteht die Gefahr, daß eine latent schwelende chronische Zysto-Pyelonephritis ausufert. Hier liegen auch Gefahren für die Behandlung mit Kortisonen, die immer noch einige Kranke erhalten, vielleicht weil sie sich dabei oft subjektiv wohler fühlen, die aber Nebenwirkungen, z. B. Harnwegsinfektionen, begünstigen. 5.5.2.3 Querschnittslähmung Die Behandlung der Querschnittslähmung wird hier nur kurz dargestellt. Sie stellt der Physikalischen Therapie eine solche Fülle von Aufgaben, daß sich zu deren umfassender Beschreibung eigene Lehrbücher rechtfertigen [484, 526], Diese sind unentbehrlich für jeden Behandler, der Querschnittsgelähmte zu betreuen hat. Die völlige, traumatische Durchtrennung oder Quetschung des Rückenmarkes bzw. seine Unterbrechung durch Tumoren, umschriebene Entzündungsherde, einen massiven, medialen Diskusprolaps, zuweilen auch durch die Multiple Sklerose, führt zu einer motorischen und sensiblen Lähmung (Paraplegie, Tetraplegie bei Läsion im oberen Zervikalmark) unterhalb der Leitungssperre. Da die wichtigsten Zentren für Blase und Mastdarm tief in Sakralsegmenten liegen, sind auch die Funktionen dieser Organe nach der Durchtrennung des Rückenmarkes stets erheblich gestört. Die Muskellähmungen der Extremitäten sind, da das erste motorische Neuron betroffen ist, spastischer Art. Die Physikalische Therapie bietet eine Reihe von Möglichkeiten. Sie ist in der Lage, die später den Gesamtschaden noch wesentlich vergröbernden Muskel- und Gelenkkontrakturen zu verhüten und die Spastik zu lindern. Übungsbehandlungen wirken einer Inaktivitätsatrophie nicht betroffener Muskeln entgegen, die Bewegungsschulung mit Steh-, Gleichgewichts- und Gehübungen machen manchen Betroffenen, sofern die Störung unterhalb Th 7 liegt, mit Hilfsmitteln wieder gehfähig. Blasen- und Mastdarmtraining sowie die Infektionsprophylaxe sind weitere Aufgaben für kombinierte Behandlungen medikamentöser und physikalisch-therapeutischer Art. Der akut Querschnittsgelähmte gehört in Spezialbehandlung. Zunächst steht, nach der Sicherung des Lebens, das nach dem Trauma durch den spinalen Schock mit einer Störung des Vasomotorentonus gefährdet ist, der stets drohende Dekubitus im Mittelpunkt. Dekubitalnekrosen am Gesäß machen später das Sitzen im Rollstuhl zu einem schwierigen Problem. Der Patient wird mit allen aufliegenden Teilen auf weiche Polster gebettet, er wird alle 1 - 2 Stunden umgelagert, später können Spezialmatratzen mit wechselndem Luftdruck in den verschiedenen Matratzenteilen das Gewebe rhythmisch entlasten.

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Die Lagerungen dienen bei den paraplegischen Lähmungen — wie bei den Halbseitenlähmungen — der Verhütung von Kontrakturen. Gelingt dies nicht, ist später eine aufrechte Haltung kaum noch zu erreichen. Bei den notwendigen häufigen Umlagerungen achtet die Krankengymnastin stets darauf, daß in jeder Lage (Rücken, Seite, Bauch) die zu erwartende oder schon vorhandene Spastik eingedämmt wird. Von Beginn an bewegt sie alle Gelenke durch, damit sie beweglich bleiben. Dies verhütet Thrombosen, Atemübungen verhindern drohende Komplikationen an Lunge und Kreislauf. Alle passiven Lagerungen und aktiven Übungen trainieren auch die anfangs schwer gestörte vasomotorische Funktion wieder ein [21]. Im Anfang ist trotz aller Fürsorge ein Dekubitus nicht immer zu vermeiden. Sofort, bevor es zur Nekrose kommt, müssen intensive Bemühungen einsetzen, z. B. völlige Entlastung durch Ringe, Wasserbett und dergleichen, Behandlungen mit Rotlicht, vorsichtig dosierte UV-Bestrahlung, fließende Warmluft, C0 2 -Gasbäder bzw. C0 2 -Duschen [543] und Bindegewebsmassagen, die hier nicht auf reflektorischem Wege, sondern lokal mit Strichen bis an die Ränder des Dekubitus das Gewebe hyperämisieren. Auch die stabile Galvanisation wird empfohlen. Dabei liegt die Kathode über einem mit physiologischer Kochsalzlösung getränkten Läppchen dem Dekubitus auf. Die Dosierung bleibt niedrig, zumal das Stromgefühl wegen der gestörten Sensibilität fehlt. Die Stromstärke liegt etwa zwischen 0,05 und 0,2 mA/cm 2 Elektrodenfläche. Die Behandlung erfolgt mehrmals täglich für 5-10 Minuten. Der Schwerpunkt aller rehabilitierenden Bemühungen in der aktiven Trainingsphase, die nach der Ausheilung eines Traumas beginnt, liegt bei der Krankengymnastik. Auch die Beschäftigungstherapie findet hier Indikationen. Die Übungsbehandlung beginnt mit dem zunächst passiven, dann mit dem durch Muskelanforderungen (isometrische und auxotone Kontraktionen) vorbereiteten aktiven Aufrichten. Ist der Kreislauf an die aufrechte Haltung wieder angepaßt, dann beginnt das Rollstuhltraining. Der Patient wird auch in die Möglichkeiten des Eigentrainings unterwiesen. Er lernt, sich auf die Füße zu stellen und, wann immer es gelingt, einige Schritte zu gehen. Diese Übungsbehandlung ist mehrmals täglich notwendig, damit der erreichte Leistungsstand erhalten wird, die Gelenke beweglich bleiben, der Kreislauf sich jeder Lage anpaßt und die Immobilitätsosteoporose vermieden wird [498]. Die Frage, ob die Elektrotherapie bei Querschnittsgelähmten angewendet werden soll, wird unterschiedlich beurteilt. Die Behandlung der spastisch gelähmten Muskeln nach den im Teil II erläuterten Techniken der stabilen Galvanisation und besonders der Impulsströme mit zwei getrennten Reizstromkreisen (S. 378) bringt manchen Kranken gewisse Erleichterungen. Ein schwieriges Problem ist die Besserung der Blasenfunktion mit elektrotherapeutischen Verfahren (S.381). Die urologische Betreuung der Paraplegiker ist unerläßlich. Die Prognose ist nur dann gut, wenn optimale Resultate an Blase (steriler Urin) und Niere erhalten werden können [531].

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Die Behandlung der Inkontinenz des Darmes ist weniger schwierig. Im Prinzip geht es darum, unter Ausnutzung der gastro-intestinalen Mobilität nach der Nahrungsaufnahme regelmäßig zur gleichen Tageszeit einen bedingten Reflex des Sigmoid anzuerziehen [531]. Ist der Sphinker atonisch (Läsion des Conus medullaris oder der Cauda equina), dann wird auch versucht, den M. puborectalis über eine spezielle Stabelektrode oder kleine Plattenelektrode mit Schwellstromimpulsen zu stimulieren. Selten aber ist damit dem Übel abzuhelfen, da eine Sphinkterschwäche nur in wenigen Fällen der eigentliche Grund des Versagens ist. Die hier skizzierten Behandlungsrichtlinien physikalisch-therapeutischer Art können den Betreuern von Querschnittsgelähmten mit ärztlichen, krankengymnastischen oder pflegerischen Aufgaben nur erste Orientierungen geben. Genauere Angaben zur Behandlung Querschnittsgelähmter finden sich in den speziellen Lehrbüchern.

5.5.3 Behandlung extraphyramidalmotorischer Störungen Außer von den motorischen Zentren der Hirnrinde, von denen die Pyramidenbahnen (Tractus corticospinalis) ins Rückenmark ziehen, wird die Motorik auch über das extrapyramidale System gesteuert, dessen Zentren Basalkerne (Basalganglien) sind: das Corpus striatum (bestehend aus Nucleus caudatus und Putamen) und der Globus pallidus, von denen die extrapyramidalen Bahnen ausgehen. Wichtig für die unerläßliche Bewegungstherapie der extrapyramidalmotorischen Störungen ist, daß das Corpus striatum Verbindungen zu Zentren im Hirnstamm hat, von denen aus es über Rückenmarksbahnen die Aktivität der motorischen Vorderhornzellen und der Gamma-Motoneurone beeinflußt (S.123). Über diese Verbindungen kommen die Funktionen des extrapyramidalen Systems als eine Art Regelsystem des unbewußten, automatisierten Teils der Motorik der Massenbewegungen zustande [546]. Störungen in diesem System beruhen auf degenerativen Veränderungen im Striatum, auf Geburtstraumen (vgl. zerebrale Kinderlähmung, S.157f.), dem Kernikterus, arteriosklerotischen Durchblutungsstörungen, auf dominant erblich angelegten, degenerativen Umwandlungen oder erblichen Stoffwechselstörungen (Kupferstoffwechsel). Die extrapyramidale Symptomatik unterscheidet sich charakteristisch von der pyramidalmotorischen. Bei der Symptomatik fehlen spastisch-lähmende Prozesse in der Art der Tonuserhöhung, eigentliche Paresen gibt es nicht, die Eigenreflexe sind nicht gesteigert, die Fremdreflexe nicht abgeschwächt, pathologische Reflexe kommen nicht auf. Die extrapyramidalen Störungen manifestieren sich in zwei unverkennbaren Syndromen: dem hypokinetisch-rigiden und dem hyperkinetisch-dystonen Bild der Bewegungsstörungen. Die Zahl der Kranken dieser Art ist noch größer als die

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Zahl der an einer Multiplen Sklerose Leidenden. Sie bedürfen über lange Jahre, oft ein Leben lang, der medikamentösen und physikalisch-therapeutischen Betreuung. 5.5.3.1 Parkinson-Syndrom Das hypokinetisch-rigide oder auch akinetisch-hypertonische Erscheinungsbild der extrapyramidalen Störungen wird auch Parkinson-Syndrom genannt. Bei anlagebedingter Ätiologie sprechen wir von Paralysis agitans; ist die Krankheit die Folge einer vor Jahren durchgemachten Enzephalitis (epidemica), dann wird sie als postenzephalitischer Parkinsonismus bezeichnet. Hauptsymptome sind Hypokinese, teilweise Akinese, Rigor und ein Ruhetremor. Neurophysiologisch ist das Krankheitsbild gekennzeichnet durch eine Aktivitätsminderung des Corpus striatum und eine Enthemmung des exzitatorischen Pallidums. So nehmen die Entladungsfrequenzen an die a-Motoneuronen zu (erhöhter Tonus) in den y-Motoneuronen nehmen sie ab (Hypokinese, S. 122 f.). Zunächst tritt die Hypokinese in Form einer ausgeprägten Bewegungsarmut in Erscheinung. Die Kranken vermeiden scheinbar jede Bewegung und führen alle willkürlichen Bewegungen nur sehr langsam aus. Besonders der spontane Beginn der Bewegungen fällt den Kranken schwer. Die Bewegungsarmut zeichnet sich auch in der Mimik ab (Maskengesicht). Spontanbewegungen, z. B. unwillkürliche Haltungskorrekturen oder ein Lagewechsel bei längerem Sitzen oder Liegen fehlen oft völlig (Akinese). Beim Gehen pendeln die Arme nicht hin und her, sie werden angewinkelt gehalten. Der Gang ist schlürfend und kleinschrittig, der Rumpf ist vorgebeugt, als ginge er der Bewegung voraus. Der Kranke kann die Bewegung auch schlecht abbremsen (Propulsion). Das wird besonders deutlich, wenn man ihn rückwärts gehen läßt (Retropulsion). In diesen Bewegungsstörungen liegen die Aufgaben der krankengymnastischen Bewegungstherapie. Der Rigor (S. 87) setzt langsamen, passiven Bewegungen einen fühlbaren Widerstand entgegen, der sich oft auch als „Zahnradphänomen" äußert. Der Tonus der Muskeln behindert, anders als der pyramidal-spastische Hypertonus, nicht nur bestimmte, sondern nahezu alle Bewegungen, verursacht dagegen keine Kontrakturen, es sei denn nach längerem Nichtgebrauch einzelner Gelenke. Am stärksten ist der Rigor in den Rücken- und Nackenmuskeln und in den Adduktoren und Beugern der Extremitäten. Verändert man passiv eine Gelenkstellung, dann stellt sich die Muskelruhespannung als Rigor auf die neue Haltung wieder ein. Das spastisch-hypertone „Taschenmesserphänomen", das als erhöhter Widerstand im Anfang einer Bewegung überwunden werden muß, fehlt. Der extrapyramidale Hypertonus zeigt vielmehr, abgesehen von dem Zahnradphänomen, einen gleichmäßigen Widerstand im ganzen Bewegungsablauf. Auch die automatischen Bewegungen der Atmung — das ist für die krankengymnastische Hilfe sehr wichtig — bremst der Rigor in sehr störender Weise. Die Kranken atmen recht oberflächlich, der Thorax bleibt fast unbeweglich, die Atem-

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differenzen sind deshalb sehr klein und das Atemzugvolumen wie auch das maximale Atemvolumen (S.218) sind niedrig. Der Rigor ist sowohl medikamentöser wie auch krankengymnastischer Behandlung zugänglich. Der Ruhetremor ist langsam (5-6 Schläge pro Sekunde), bei Willküraktionen läßt er nach, im Schlaf verschwindet er. Gegen den Tremor helfen nur Medikamente. Übersicht über die Behandlungsvorschläge Kausale Therapie (A) Eine ursächliche Behandlung ist nicht möglich, da die Ursache in irreversiblen Gehirnschäden liegt Symptomatisch-gezielte Behandlungen (B) Medikamentös: Parkinsonmittel, auch nach stereotaktischen Operationen weiterhin notwendig Physikalisch-therapeutisch: Krankengymnastik: Lockerung der allgemeinen motorischen Starre, Überwindung der Bewegungsarmut, Förderung der erschwerten Innervation, Gleichgewichtsübungen, Gehschule, oft Atemtherapie erforderlich Massagen: Teils lockernde, teils reizkräftige Griffe unterstützen die Bewegungstherapie Elektrotherapie: Keine einleuchtende Indikation für die zuweilen empfohlenen Verordnungen Thermo-Hydrotherapie: Jede Art hydriatischer Thermotherapie verbessert die meist mäßige periphere Durchblutung Allgemein-unspezifische (C) und vorbeugende (D) Maßnahmen Ärztlich geführte Erholung mit anregender Bewegungsbehandlung häufiger notwendig. Vorbeugend gegen Thrombosen oder hypostatische Pneumonien täglich die Kranken zu entsprechender Bewegung anhalten Erläuterungen zu A bis D Kausale Therapie (A) Eine kausale Therapie gibt es weder im ätiologischen noch im pathogenetischen Sinn.

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Symptomatisch-gezielte Behandlungen (B) Die symptomatischen Behandlungsmöglichkeiten sind recht wirkungsvoll. Medikamentös haben sich seit langem Atropin, Belladonna und Skopolamin gegen den Rigor und den Tremor bewährt. Neuere synthetische Parkinsonmittel beeinflussen den Rigor noch besser, schwieriger ist der Tremor zu dämpfen. Neurochirurgisch werden in geeigneten Fällen mit einer stereotaktischen Operation Anteile des Thalamus oder des Pallidum ausgeschaltet und damit der Rigor und der Tremor gut gebessert. Die Hypokinese erfordert aber weiter medikamentöse Hilfen; das L-Dopa (L = linksfiguriertes Stereoisomer der chemischen Verbindung: Dioxyphenylalanin, das im extrapyramidal-motorischen System als Transmittersubstanz wirksam ist) hat einen guten kinetischen Effekt. Krankengymnastik: Ganz im Vordergrund steht hier die Bewegungstherapie. Die Krankengymnastin verfolgt dabei stets mehrere Ziele [216]. Sie lockert die allgemeine motorische Starre, überwindet die Bewegungsarmut, fördert die erschwerte Innervation und schult die fehlenden, unwillkürlichen Reaktivbewegungen. Unter diesen Leitlinien übt sie gezielt und konsequent alle komplexen Gebrauchsbewegungen des täglichen Lebens [21]. Wichtig ist, daß so früh wie möglich behandelt wird, damit die Kranken nicht in eine Akinese verfallen. Die Behandlungen sind sehr aufwendig; eine Stunde ist nötig [123], wenn die Krankengymnastin alle Funktionen genügend durchübt. Nach dem Klinikaufenthalt müssen zu Hause, unter krankengymnastischer Anleitung, die Behandlungen täglich über Jahre fortgeführt werden. Die motorische Starre, die von dem rigiden Muskeltonus ausgeht, überwindet die Krankengymnastin, indem sie die Muskeln dehnt, während sie alle Glieder durchbewegt. Der Widerstand der Muskeln läßt bald nach, wohl als Ausdruck autogener Hemmungen bzw. der Spannungsbegrenzungen der Muskeln. Die Dehnungen sollen deshalb ein möglichst weites Ausmaß erreichen und kurz in der Endstellung verharren; gegebenenfalls dehnen auch Lagerungen einzelne Muskeln. Für die besonders rigiden Nacken- und Rückenmuskeln empfiehlt sich die Extension in der Glissonschlinge (S.788) für 15-20 Minuten. Der durch die Krankheit erhöhte Tonus der Muskeln löst sich während dieser Zeit. Die Patienten bewegen jetzt frei den Kopf nach beiden Seiten. Die Wirkung hält zwar nicht lange an, hilft aber, das ganze Bewegungsausmaß zu erhalten. Die Krankengymnastin beugt auch unter dem Zug der Schlinge passiv den Kopf seitlich und neigt ihn nach vorne und hinten und nutzt damit verschiedene Gebrauchsmuster. Lockerungsübungen, passiv-aktive Bewegungen der Arme, Hände und Finger und des Rumpfes, Beugen und Strecken der Lendenwirbelsäule lösen immer wieder Phasen der Bewegungsarmut ab. Übungen und Spiele mit dem Medizinball, üben aller Bewegungen nach rhythmisch betonter Musik, Übungen und Spiele in Gruppen von Kranken mit gleichen Symptomen bieten ein reiches Programm, das die Beweglichkeit fördert. Die erschwerte, aber nicht fehlende willkürliche Innervation findet die wichtig-

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ste praktische Hilfe in der Gangschulung. Sie setzt systematisch das Willkürsystem ein und schult die unwillkürlichen Reaktivbewegungen, die so in den Bewegungsablauf einbezogen werden. In der Gehschule stützt und führt die Krankengymnastin zunächst die schwerfälligen Patienten. Sie achtet darauf, daß die Kranken nach jedem Schritt das Gewicht auf das jeweilige Standbein verlegen. So schulen sie ihr Reaktionsvermögen. Die Kranken können zwar gehen, aber schlecht das Gleichgewicht halten, weil ihnen die Fähigkeit fehlt, die feinen Ausgleichsbewegungen unwillkürlich zu machen. In dieser Not helfen auch, von der Krankengymnastin vorsichtig angestoßen, Verlagerungen zur Seite, die der Kranke jeweils ausgleichen muß. Größere Schritte auf und über Linien auf dem Boden und Übersteigen von kleinen Hindernissen regen die optische Kontrolle und damit Impulse über das Pyramidenbahnsystem an. Da beim unkorrigierten Gang der Oberkörper nach vorne gebeugt ist und der Schwerpunkt vor den nachschlurfenden Füßen liegt, läßt man bei den Gehübungen auch gerne einen Rucksack tragen, der den Kranken nötigt, den Rücken aufzurichten. Dies verhindert auch, daß die Füße nach vorne schießen; auch die erwähnten großen Schritte über Linien am Boden bremsen diese Reaktion. Zur automatischen Mitbewegung der Arme bzw. ihrer Anregung dienen zwei Stäbe. Die Krankengymnastin geht hinter dem Kranken, in ihren Händen die Enden der Stäbe, der vorausgehende Patient hält die beiden anderen Enden in seinen Händen. Die Krankengymnastin gibt den Schritt, eine Änderung des Tempos, die Schrittlänge und die Gangrichtung an. Plötzliches Anhalten hemmt die Propulsion. Für die Gehübungen hat sich auch das Gehbewegungsbad bewährt. Ausgewählte Ziel-, Koordinations- und Geschicklichkeitsübungen schulen die Konzentration und die unwillkürlichen Reaktivbewegungen. Die Beschäftigungstherapie bietet hier mehrere Möglichkeiten. Eine Atemtherapie ist aufgrund der Atembehinderungen immer wieder indiziert. Massagen: Lockernde Massagen, die hier auch kräftige Griffe zulassen, da eine Neigung zu spastischer Tonussteigerung nicht besteht, unterstützen die krankengymnastischen Behandlungen. Auch Unterwassermassagen werden empfohlen [581], Elektrotherapie: Elektrotherapeutische Indikationen sind bei den extrapyramidalmotorischen Störungen nicht gegeben, denn es ist nicht erforderlich, den Tonus vor den Bewegungsübungen zu lockern. Auch Reizstrombehandlungen erübrigen sich, weil die Kranken willkürlich innervieren können. Dennoch liest man gelegentlich [115, 330], eine Reizstromstimulation nach Hufschmidt (S.378) sei zu empfehlen. Hypothetisch reizt dieses Verfahren speziell die Propriorezeptoren spastischer Muskeln und damit gehen über die Motoneurone Hemmungseffekte in diese Muskeln (S.122f.). Andererseits werden geschwächte, nicht oder weniger spastische Antagonisten gefördert und so im Ergebnis das Zusammenspiel beider erleichtert, das heißt, daß dieses Verfahren den Rückkopplungsmechanismus so-

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wohl zwischen Afferenz und Efferenz als auch zwischen Agonisten und Antagonisten anspricht. Es ist nicht recht verständlich, was die Stimulation bewirken soll, da alle diese Funktionen beim Parkinson-Kranken nicht gestört sind. Thermo-Hydrotherapie: Die periphere Durchblutung ist bei den ParkinsonKranken mäßig, sie reagiert träge, die Kranken sehen blaß aus. Auch die Muskeln sind nur spärlich durchblutet, weil bei der Hypokinese ein entsprechender Anreiz fehlt. Wärmeanwendungen, von Kompressen über Wechselwaschungen, Güssen bis zu Bürstenbädern, bewähren sich hier. Hydriatische Behandlungen regen auch - vermutlich mit dem Wohlbefinden, das diese Maßnahmen vermitteln — die geistige Regsamkeit der Kranken an [581]. Allgemein-unspezifische (C) und vorbeugende (D) Maßnahmen Allgemein unspezifische wie auch vorbeugende Maßnahmen ergeben sich beim Parkinson-Syndrom aus der schweren Bürde, die den Kranken mit ihrem Leiden auferlegt ist. All das, was für Kranke schlechthin wohltuend und anregend ist, z. B. eine ärztlich geführte Erholung im reizmilden Heilklima, sollte hier verordnet werden. Bei der mäßigen Durchblutung der Peripherie neigen'die Kranken zu venösen Stauungen und bei längerer Bettruhe zu Thrombosen und hypostatischen Pneumonien. Entsprechende krankengymnastische Behandlungen haben hier präventiven Charakter. Rehabilitierend wirkt all das, was zur Bewegungstherapie gesagt wurde. 5.5.3.2 Hyperkinetisch-dystone Bewegungsstörungen Diese Form der extrapyramidal-motorischen Bewegungsstörungen äußert sich ganz anders als die hypokinetisch geprägten Erscheinungen. Die verschiedenen Krankheitsbilder zeigen abnorme, zweck- und ziellose, plötzlich ausbrechende, nicht unterdrückbare Bewegungen (Hyperkinesen). Die Muskeln sind dyston, d. h. unausgeglichen hypoton oder in den krampfhaften Bewegungen auch hyperton. Die wichtigsten Syndrome der hyperkinetisch-dystonen Bewegungsstörungen werden im folgenden dargestellt: - Die Chorea (gr.: choreia = der Tanz) hat zwei Verlaufsformen. Die Chorea minor, auch unter dem Namen Veitstanz bekannt, kommt im Verlauf des rheumatischen Fiebers bei Kindern vor, wahrscheinlich als allergisch-hyperergische Reaktion an Putamen und Caudatum. Sie heilt stets aus. Die Chorea major, ein dominant vererbtes Leiden, manifestiert sich erst im mittleren Lebensalter; - die Athetose (gr.: a- thetos = ohne feste Haltung) tritt als Folge frühkindlicher Hirnschäden auf. Sie ist auch Teilerscheinung der zerebralen Kinderlähmung. Die Fehlbewegungen sind im Gegensatz zu den choreatischen und ballistischen Bewegungen langsamer, mit eigenartig geschraubten Bewegungen der Arme, besonders der Hände und Finger; aber auch die Muskeln des Gesichtes, des Halses und des Rumpfes sind einbezogen;

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- die Ballismen (gr.: ballein = umherwerfen) sind unwillkürliche, blitzartige Schleuderbewegungen der Arme und Beine aufgrund von Blutungen oder Erweichungsherden im Nucleus subthalamicus; - die Torsionsdystonie (lat.: torquere = drehen) zeigt sich in langsamen Drehbewegungen (Zwangsbewegungen) des Rumpfes und Halses nach einer Seite. Sie ist eine Sonderform der Athetose. Ist nur der Hals betroffen, spricht man von Tortikollis. Die Ursache bleibt meist ungeklärt. Bei der Behandlung all dieser Störungen versucht man, medikamentös die Bewegungsunruhe zu dämpfen und physikalisch-krankengymnastisch die Willkürbewegungen von den störenden Hyperkinesen zu befreien. Die krankengymnastischen Behandlungen erfordern viel Erfahrung, die man nur an neurologischen Kliniken sammeln kann, in denen diese Krankheitsbilder nicht zu den Seltenheiten zählen. Die Behandlungstechniken ergeben sich aus der Art der Bewegungsstörung. Bei den choreatischen Bildern fordern die willkürlichen Bewegungsabsichten die hyperkinetischen Störungen heraus. Die Krankengymnastin tritt dem entgegen, indem sie die Muskeln streicht, knetet oder klopft, um damit passiv die Bewegungsunruhe zu dämpfen, und indem sie den aktiven Bewegungen Widerstände entgegensetzt, die das Übermaß an Innervation gewissermaßen „einfangen" [216]. Der Kranke kann so die Richtung der Bewegungen einhalten, Abweichungen werden verhindert (richtungsgebender Widerstand). Behält eine Extremität — bei Arm und Bein ist dies auf der Matte möglich — während einer geforderten Bewegung Kontakt mit der Unterlage, so daß sie darüber schleift, wirkt auch dies als Widerstand (Kontaktwiderstand), der sich hemmend auf die Hyperkinese auswirkt. Die Verbindung dieser Widerstandsübungen bringt Armen und Beinen, Händen, Fingern und den Füßen ungehinderte Bewegungen ein. Die athetotischen Disharmonien, seien sie auf eine Körperseite beschränkt oder doppelseitig vorhanden, und auch ihre Sonderform, die Torsionsdystonie, sind am besten nach der Bobathschen Methode (S.157) zu beeinflussen, vor allem, wenn die athetotische Hyperkinese mit einer Schädigung der Pyramidenbahn verbunden ist (vgl. Zerebrale Kinderlähmung, S. 824). Meist sind in die athetotischen Dystönien bestimmte Strecker stärker verwickelt. Die Kräftigung jeder Muskelgruppen, die diesen entgegenwirken, bietet sich an. Bei den Ballismen kann man lediglich versuchen, mit den Patienten Techniken zu entwickeln, die Schleuderbewegungen abfangen.

6. Physikalisch-therapeutische Behandlungen bei Gefäßleiden der Peripherie

6.1 Arterielle Verschlußkrankheiten Die arteriellen Verschlußkrankheiten sind dadurch charakterisiert, daß sie einzelne arterielle Gefäßabschnitte an umschriebenen Stellen fortschreitend einengen, bis schließlich der Zustrom des Blutes zu mehr oder weniger großen Endstromgebieten völlig verschlossen ist. Die Ursache liegt entweder in morphologischen, obliterierenden Veränderungen an und in der Gefäßwand — man spricht dann von Angioorganopathie — oder die Innervation der Gefäßmuskularis ist gestört, und es treten nerval bedingte, oft lang anhaltende Vasokonstriktionen auf (Angioneuropathie). Nicht jede arterielle Verschlußkrankheit läßt sich aber diesen beiden Symptomen zuordnen. Der Angioorganopathie liegen in gut 90% der Fälle arteriosklerotische, chronisch stenosierende Veränderungen zugrunde (obliterierende Arteriosklerose). Die Elastizität der nach innen verdickten und verhärteten Gefäßwand geht verloren. Der Rest ist entweder entzündlicher Genese (allergisch-hyperergische Endangiitis obliterans) oder embolisch-thrombotisch bedingt — hohe Viskosität des Blutes, etwa bei der Polyzythämie, macht oft arterielle Thrombosen — oder eine sekundäre Folge von Erfrierungen oder Gefäßverletzungen. Die Angioneuropathie engt — anders als die Organopathien — nur die Hautgefäße ein. Die oberen Extremitäten zeigen die Symptomatik häufiger und ausgeprägter als die unteren Gliedmaßen. Am stärksten sind die Extremitätenenden betroffen (akraler Typ), die mit ihrer relativ großen Oberfläche am schnellsten kalt werden. Der ständige Kaltreiz der thermischen Umwelt verstärkt die Neigung zu Vasokonstriktionen. Die Ursache der Krankheit ist eine konstitutionelle, oft familiär anzutreffende Veranlagung. Diese Menschen haben stets kalte Hände und Füße. Die Symptome treten stärker hervor, wenn es kälter ist und der Organismus aus wärmeregulatorischen Gründen die Hautdurchblutung drosselt. Verschließen sich so die Digitalarterien, dann zeigt sich das Bild der häufig aufkommenden und wieder vorübergehenden Digiti mortui (Totenfinger), die für die Raynaudsche Krankheit charakteristisch sind. Stärker ausgeprägt mit rezidivierenden, schweren Ischämien der Finger und mit Ernährungsstörungen an den Akren sieht man das Symptom bei der Sklerodermie. Während es sich bei der Raynaudschen Krankheit um eine übermäßige Konstriktionsneigung handelt, sind die Akrozyanose und die Erythrocyanosis crurum puellarum durch eine Neigung zur Vasodilatation mit Abflußbehinderung im venösen Kapillarschenkel gekennzeichnet. Möglicherweise

Physikalisch-therapeutische Behandlung bei Gefäßleiden der Peripherie

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liegt hier eine hormonale Dysfunktion vor, denn beide Krankheiten verschwinden oft nach der Pubertät. Gelegentlich tritt akut ein völliger Verschluß einer Arterie, fast stets an einer unteren Extremität, durch einen arteriellen Embolus auf, der aus dem Herzen (Vitien, absolute Arrhythmie) oder aus atheromatösen Herden auf der Gefäßintima stammt. Auch festsitzende Thromben auf arteriosklerotischen Wandveränderungen können sich relativ schnell bilden oder so umfangreich werden, daß es schließlich akut zu einem Verschluß kommt. Ein solches Ereignis wird sofort augenfällig durch den plötzlich auftretenden Schmerz, die Kälte und Blässe mit ausgeprägten Färb- und Temperaturdifferenzen zur anderen Extremität und dem Pulsverlust unterhalb der Stenose. Ein solcher Zustand erfordert unverzüglich chirurgische Aktivitäten, um die Extremität zu retten. Ist eine operative Beseitigung des Verschlusses (Embolektomie) nicht unbedingt notwendig oder bei peripherer Embolie sowie ausgedehnt thrombotischem Verschluß nicht möglich, dann bringt eine thrombolytische Therapie mit Streptokinase gute Ergebnisse (S. 885). Physikalisch-therapeutische Indikationen ergeben sich hier nur für die Rekonvaleszenzphase nach chirurgischen Eingriffen oder aus der Grundkrankheit.

Typen und Stadien der Verschlußkrankheiten Die chronisch arteriellen Durchblutungsstörungen meist arteriosklerotischer Genese manifestieren sich fast ausschließlich an den unteren Extremitäten (ca. 90% aller Verschlußkrankheiten). Für die Behandlung und die Prognosestellung liegt es nahe, fünf verschiedenen Lokalisationstypen zu unterscheiden (Abb. 180). Der Beckentyp ist die Folge einer obliterierenden Erkrankung der Bauchaorta oder der Aa. iliacae. Er macht selten Claudicatio-Beschwerden, sondern atypische Schmerzen, die bei oberflächlicher Untersuchung als Ischias oder Coxarthrose fehlgedeutet werden. Der Puls in der Leistenbeuge fehlt bei dieser Lokalisation. Die Verlaufs- und Behandlungsprognose ist relativ günstig, weil genügend Kollateralen vorhanden sind, die mit Bewegungsanforderungen und hydrotherapeutischen Anwendungen genutzt und übend erweitert werden. Der Oberschenkeltyp ist die häufigste Manifestation. Er kommt auch bei der Endangiitis obliterans vor. Oft findet sich die Obliteration der A. femoralis in Höhe des Adduktorenkanals. Die Claudicatio intermittens (lat.: claudus=hinkend, intermittens = zeitweilig auftretend), auch intermittierendes Hinken oder Dysbasie (gr.: dys = fehl-, basis = Gang) genannt, ist charakteristisch für die Lokalisation. Die Kranken müssen nach einer kurzen Gehstrecke stehen bleiben (Schaufenstergang), weil der bald einsetzende Schmerz in den Oberschenkeln oder mehr noch in den Waden erst nachläßt, wenn eine in den schlecht durchbluteten Muskeln beim Gehen bald aufkommende Mangeldurchblutung unter Muskelruhe wieder behoben ist (vgl. Gehtest, S. 858). Der Puls in der Leistenbeuge ist stets tastbar, Kniekehlen* und Fußpulse sind dagegen abgeschwächt oder fehlen. Auch hier ist die

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Prognose unter intensiver Behandlung relativ gut, weil über die A. femoralis profunda oder kleinere Seitenäste eine gute kollaterale Versorgung zustandekommt. Der Popliteatyp bietet dagegen wenig Gelegenheit zu eigenregulatorischer Kompensation, weil in diesem Abschnitt nur wenige ausbaufähige Kollateralen angelegt sind. Der Unterschenkeltyp, auch peripherer Typ genannt, kommt häufiger bei der Endangiitis obliterans und bei der Polyzythämie vor als bei der Arteriosklerose [220]. Die Patienten dieser Gruppe sind daher auch meist jünger (unter 40 Jahre). Die Stenosen sind in der A. tibialis anterior oder posterior oder deren Ästen zu finden. Oft verschließen sie mehrere Arterien. Auch in dieser Kategorie sind der Entwicklung eines guten Kollateralkreislaufes mangels vorhandener, ausbaufähiger Umgehungsgefäße enge Grenzen gesetzt. Die typische Dysbasie ist hier selten, die Patienten klagen über Schmerzen in den Füßen beim Gehen. Die Ursache wird oft fälschlich in degenerativen, arthrotischen Störungen der Fußgelenke gesucht. Die chronisch kalten Füße und die fehlenden bzw. abgeschwächten Fußpulse verdeutlichen aber eine Durchblutungsnot. Der akrale Typ ist selten. Er kommt bei allen genannten Primärerkrankungen vor, auch beim Diabetiker (diabetische Angiolopathie) und der Polyarthritis rheumatica. Trophische Störungen und Nekrosen an den Endgliedern der Zehen, gelegentlich auch der Finger, prägen das Krankheitsbild.

Physikalisch-therapeutische Behandlung bei Gefäßleiden der Peripherie

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A.basilaris

VertebralisbasilarisSyndrom

Aa. vertebralis

CarotisinternaSyndrom

Karotisgabel Aa. carotis A. subclavia

Aortenbogen bogenSyndrom

Stromumkehr bei SubclavianSteal-Syndrom

A.subclavia r e A.anonyma —

- Stromfluß • - pathologische Stromumkehr - häufiger Sitz von Stenosen

Abb. 181 Anatomie der Verschlußkrankheiten im oberen Körperbereich.

Die verschiedenen Typen gehen nicht selten ineinander über. Bei manchem proximalen Verschluß sind auch weitere distale Teile der arteriellen Strombahn verlegt, so daß sich Mischtypen ergeben [586]. Im oberen Körperbereich sind Verschlußkrankheiten sehr viel seltener (unter 10%). Die Verschlüsse finden sich in den vom Aortenbogen ausgehenden Gefäßen und deren Verzweigungen, der A. subclavia, der A. brachialis, der A. carotis und dem Vertebralis-Basilaris-System. Man spricht von einem Schultergürteltyp oder Aortenbogen-Syndrom, wenn eine Stenose im Truncus brachiocephalicus (A. anonyma) oder in der A. carotis oder subclavia vorliegt (Abb. 181). Stenosen der A. subclavia vor dem Abgang der A. vertebralis können durch Stromumkehr in der A. vertebralis eine zerebrale Durchblutungsnot hervorrugen (Subclavian-Steal-Syndrom). Das Carotis-interna-Syndrom mit seinen uncharakteristischen Beschwerden, geht meist von der Karotisgabel aus. Bei den peripheren Durchblutungsstörungen der Extremitäten ist zur Beurteilung der therapeutischen Möglichkeiten, ihrer Aussichten und Erfolge eine Unterscheidung nach Schwere- bzw. Kompensationsgraden unentbehrlich. R. Fontaine [510] hat vier Stadien voneinander abgegrenzt: - Im Stadium I ist die Blutversorgung bei beginnender Angioorganopathie noch gewährleistet über das zunächst nur verengte Gefäß selbst und einen voll kompensierenden Kollateralkreislauf. Nur bei sehr starker Muskelarbeit deuten Beschwerden schon auf die Störung hin. Wird sie jetzt erkannt, bietet dies Gelegenheit zu vorbeugenden Maßnahmen durch Behandlung, vielleicht mehr noch, indem die bekannten Risikofaktoren vermieden bzw. ausgeschaltet werden;

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Krankenbehandlung durch Anwendung physikalisch-therapeutischer Prinzipien

- im Stadium II macht sich beim Gehen schon die typische Claudicatio intermittens bemerkbar. Die Versorgung genügt dem arbeitenden Muskel nicht mehr, in Ruhe reicht dagegen die Durchblutung über die Kollateralgefäße aus. Dies ist das Stadium, in dem intensive Behandlungen physikalisch-therapeutischer Art, Bewegungsanforderungen und hydrotherapeutische Reize, unerläßlich sind. In 80-90% der Fälle soll so eine weitere Progredienz verhindert werden [220]. Neuere Untersuchungen sind allerdings zu dem Ergebnis gekommen, daß die Arteriosklerose in ihrem einengenden Verlauf nicht aufzuhalten ist [31]; - das Stadium III macht schon in Ruhe in horizontaler Lage heftige Schmerzen, besonders nachts, wenn die gesamte Durchblutung unter der Herrschaft des Vagus auf Sparflamme eingestellt ist, andererseits unter der Wärme des Bettes die Konstriktion der Hautgefäße nachläßt und mehr Blut zur Peripherie drängt und so in tieferen Bereichen der Muskeln fehlt. Bei diesen Typen zeigen die Zehennägel schon trophische Störungen, Hautnekrosen fehlen dagegen noch. Die konservativen Behandlungen streben jetzt an, den Patienten eine ausreichende Ruhedurchblutung zu vermitteln. Dabei muß man sich vor falschen Wegen hüten und nicht zu viel Fremdwärme zuführen, die den Gewebsstoffwechsel erhöht und so die Sauerstoffnot vergrößert (S. 868). Bei vorsichtiger Dosierung der Behandlungsempfehlungen, mit viel Geduld und Ausdauer gelingt es aber oft, die Kranken aus dem dritten Schweregrad in das Stadium II zurückzuführen; - das Stadium IV ist durch Nekrosen bis zur Gangräm gekennzeichnet. Die Behandlungen können hier nur noch darauf ausgerichtet sein, weitere Verschlechterungen zu verhüten. Auch die einengenden Störungen der oberen Gefäßgebiete zeigen verschiedene Stadien: Stadium I zeigt keine Symptome, da in der Regel der Kollateralkreislauf die Störung voll kompensiert. Stadium II ist für das Karotis-Syndrom und Vertebralis-basilaris-Syndrom besonders bedeutsam, weil es früh auf drohende Gefahren hinweist. Anfallsweise, intermittierend, treten kurzerhand (Sekunden bis Minuten) neurologische Ausfallerscheinungen auf (engl.: little stroke = Schlag), die wieder völlig verschwinden, aber die Lokalisation verraten. Auslösend sind meist kardiale, hämodynamische Störungen, die sich funktionell nur in den Versorgungsgebieten stenosierter Arterien auswirken. Durch frühzeitige diagnostische Klärung (Arteriographie) kann dem apoplektischen Insult (progressive oder completed stroke) vorgebeugt werden. Die englischen Ausdrücke geben die Stadien III und IV an. Progressiv deutet an, daß in vielen Fällen eine rechtzeitige operative Rekanalisation das Schicksal dauernder neurologischer Ausfälle überwinden kann, während das Stadium IV die komplette Hemiplegie als Dauerzustand unabwendbar macht - die Symptomatik des Stadiums II geht oft intermittierend voraus. Stenosen der Armarterien werden wie die der Beinarterien beurteilt und behandelt.

Physikalisch-therapeutische Behandlung bei Gefäßleiden der Peripherie

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6.2 Diagnostik der Durchblutungsstörungen Eine umfangreiche Diagnostik zur Lokalisation der Störung und zur Typenbestimmung gibt dem Arzt Hinweise für die auszuwählende Therapie. Der physikalische Therapeut schafft sich mit den diagnostischen Hilfsmitteln ein klares Bild, ob konservative Behandlungen ausreichen oder operative Eingriffe notwendig sind. Andererseits kann eine umfangreiche Diagnostik die Behandlungserfolge objektivieren. Die klinische Untersuchung und die Anamnese steht hier an erster Stelle. Die Schmerzanamnese ist typisch, sie ist allerdings zuweilen verwischt durch Beschwerden, die von degenerativen oder entzündlichen Gelenkerkrankungen, venösen Strömungshindernissen oder neurologischen bzw. vertebragenen Störungen herrühren. Für die Claudicatio intermittens ist kennzeichnend, daß der Schmerz intermittierend beim Gehen in den Waden sehr heftig aufkommt und wieder abklingt, sobald der Patient einige Minuten stehen bleibt. Die Inspektion, die Palpation der Hauttemperatur und der Arterienpulse (vgl. Abb. 180) in der Leistenbeuge (A. femoralis), der Kniekehle (A. poplitea), hinter dem medialen Knöchel (A. tibialis posterior) und auf dem Fußrücken lateral der Sehne des M. ext. hallucis longus (A. dorsalis pedis) geben zuverlässige Merkmale. Im oberen Körperbereich sind die Pulse der Aa. carotis, subclaviae, axillares, brachiales und ulnares an typischer Stelle normalerweise gut tastbar. Über größeren, eingeengten, aber nicht völlig obliterierten Gefäßen bringt die Auskultation nicht selten systolische Arteriengeräusche, zuweilen mit schwirrendem Charakter, zu Gehör. Oft werden sie nach Belastung deutlicher. Die Lagerungsprobe nach Ratschow [505] ist für die Beine die wichtigste klinische Untersuchung. In Rückenlage werden beide Beine mit gestreckten Kniegelenken im Winkel von 50° -90° hochgehalten, gegebenenfalls auf den Unterarm des Arztes aufgelegt. Jetzt macht der Patient 2 Minuten lang zügig 30-40 kreisende Bewegungen der Füße in den Sprunggelenken. Bei normal durchbluteten Beinen ist nun der Blutzufluß leicht vermindert, erkennbar an der jetzt blasseren Hautfarbe. Liegt in einem Bein eine Stenose vor, dann reicht der Druck hinter der Einengung nicht mehr aus, um genügend Blut in die distalen Provinzen zu treiben, der bekannte Schmerz in den Waden und Füßen tritt auf, die Füße — am deutlichsten die Fußsohlen und Zehen — werden viel blasser als auf der gesunden Seite, sofern kein voll kompensierender Kollateralkreislauf vorhanden ist. Unmittelbar nach dem Fußrollen setzt sich der Patient auf und läßt die Beine locker herabhängen. Normalerweise kehrt schon nach wenigen Sekunden die Färbung wieder, oder eine leichte reaktive Hyperämie setzt ein. Bei arteriellen Verschlüssen bleibt in dem betroffenen Bein die Blässe länger bestehen (20 Sekunden und mehr). Eine fleckige Rötung weist gleichfalls auf eine Angioorganopathie hin. Auch die Venen am Fußrücken füllen sich im Vergleich zum gesunden Bein entsprechend verzögert auf. Die Zeit, die verstreicht, bis das Bein die vor dem Versuch vorhandene Hautfarbe wieder angenommen hat — stark überschießende Rötung mit zyanotischer

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Krankenbehandlung durch Anwendung physikalisch-therapeutischer Prinzipien

80

100

120

Start

150 tri

Schmerz

Abb. 182 Gehstreckentest. Teststrecke 120 m, Ubungsstrecke 80 m, dann Pause (Intervall), dann weiter.

mechanische Oszillographie

normal

160 140 120 100 80 60 40

elektronische Oszillographie

I \

\ J

mm/Hg

\

\

J

\

v/W ^

J

normal Stenose

Abb. 183 Oszillogramme.

Einfärbung weist auf gestörte Endstromgefäße oder einen schlechten Kollateralkreislauf hin — und bis die Venen gefüllt sind, wird gemessen. Sie soll nicht über 8 Sekunden betragen. Durchblutungsstörungen der oberen Extremitäten testet man mit der Faustschlußprobe. Sie entspricht etwa der Lagerungsprobe. Mit hochgestreckten Armen schließt und öffnet der Patient die Hände zur Faust 10 bis 20mal schnell hintereinander. Die oberflächigen Venen werden dabei leergepreßt. Fehlt der arterielle Zufluß, dann bleibt die weiterhin hochgehaltene, aber nun ruhende Hand länger weiß, während die gut versorgte Hand gerötet bleibt oder sich sogleich wieder rötet. Ein modifizierter Test (Alien-Test), bei dem der Untersucher abwechselnd die A. radialis oder ulnaris komprimiert, erlaubt auch, zwischen Stenosierungen in einer dieser beiden Arterien zu unterscheiden. Der Gehtest (Abb. 182) ist ein klinisches Maß für die Belastbarkeit der Beinmuskeln und für die Qualität des Kollateralkreislaufes. Man läßt den Probanden auf ebener Strecke — bei Vergleichsuntersuchungen stets zur selben Tageszeit — mit etwas forciertem Tempo gehen. Der Schrittrhythmus wird auf einem Metronom

Physikalisch-therapeutische Behandlung bei Gefäßleiden der Peripherie

•imri/in/in/i/vi/ui/Liin/ui

mJWWWlAJWm

WlM/l/WU/l/VlMii!

wi/i/i/i/i/iiiM/iMn/w

859

iAAafl/1/l/Wlil/LTLiUliVv TM/1/lAAilA/UWUWLR iWl/l/l/Ul/UUlA/uw

• -Stenose Abb. 184 Oszillographischer Seitenvergleich (nach [646]). auf 90-120/Min. eingestellt, wobei das individuelle Schrittmaß nicht so erhöht werden darf, daß Herz und Atmung nicht mitkommen. Die Strecke, die der Patient gehen kann, bis der Schmerz ihn hindert (Teststrecke), wird gemessen. Ist der Verschluß unvollständig oder gut kompensiert, beträgt sie mehr als 1 5 0 m ; unter 100 m ist die Kompensation schlecht. Bei eingeengten oder versperrten Unterschenkelarterien versagt der Gehtest, weil nur die Hautdurchblutung betroffen ist [586]. Ein verwertbarer Gehtest ist für die Beurteilung kompensierender bewegungstherapeutischer Erfolge ein zuverlässiges Maß, sofern die Fehlermöglichkeiten, Beschwerden nicht angiopathischer Genese, ungleiche Tageszeiten, veränderte Motivationen, erlernter, schonender Gebrauch der betroffenen Extremität, muskuläre Übungseffekte, sorgfältig ausgeschaltet werden. Eine apparative, pulsschreibende Meßmethode zur objektiven bzw. dokumentierenden Registrierung einengender Gefäßerkrankungen ist die Oszillographie. Sie erfaßt mechanisch über wechselnd stark aufgepumpte Blutdruckmanschetten die pulsatorischen Druck- und Volumenschwankungen der größeren Arterien und stellt sie in einer graphischen Pulswellenkurve dar (Abb. 183). Abgeschwächte Oszillationen zeigen im Vergleich mit der gesunden Seite eine schlechtere arterielle Blutversorgung an (Abb. 184). Der Seitenvergleich erlaubt eine Höhenlokalisation. Mit der elektronischen Oszillographie sind auch feinere Gefäße, z. B. beim peripheren oder akralen Typ die Digitalarterien, erfaßbar. Man registriert in Ruhe und nach Belastungen 30 bis 40mal Zehenstand in 15-25 Sekunden. Die Infratonpulsschreibung ist noch empfindlicher als die Oszillographie; sie erlaubt darüber hinaus auch eine Bestimmung der Pulswellengeschwindigkeit.

860

Krankenbehandlung durch Anwendung physikalisch-therapeutischer Prinzipien

/VW

normal

y

Stenose

X

/

W

Abb. 185 Rhenographische Kurven.

500 Hz

/

/

/

/

2 5 0 0 Hz

Abb. 186 Ultraschall-Doppler-Sonographie.

Mit der Rheographie wird die Änderung der Leitfähigkeit des Gewebes für Wechselstrom von 2 0 - 3 0 kHz geprüft (Abb. 185). Zwei besondere Elektroden, die den Strom gebündelt durch die Extremität schicken, machen den dazwischenliegenden Teil der Extremität zum vierten Glied einer Wheatstoneschen Brücke, in dem der Widerstand gemessen wird. Er ist umso größer, j e weniger der Gewebsabschnitt durchblutet ist. An einer pulssynchronen Kurve geben — wie bei der Oszillographie — die Amplitudenhöhe und die Form der Kurve Auskunft über die qualitativen Durchblutungsverhältnisse. Ein neueres Meßverfahren, die Ultraschall-Doppler-Sonographie (Abb. 186) gibt Aufschluß über die Fließgeschwindigkeit des Blutes, die u. a. von der Gefäßweite abhängt (vgl. venöse Diagnostik, S. 880), weiterhin über den systolischen Arteriendruck distal von Stenosen. Von einem piezoelektrischen Kristall werden Schallwellen (vgl. S.421) aus einem Frequenzbereich zwischen 2 - 1 0 MHz auf das zu untersuchende Gefäß gerichtet. Der Einstrahlungswinkel in Richtung auf das Gefäß soll von der Senkrechten um mindestens 15° abweichen. So gelangen die reflektierten Schallwellen, deren Frequenz proportional der Strömungsgeschwindigkeit der Erythrozyten ist, im gleichen Winkel auf einen Empfängerkristall zurück. Unbewegte Grenzflächen reflektieren den Schall frequenzgleich, bewegte Oberflächen (pulsierende Gefäßwand, strömende Erythrozyten) verändern die Frequenz aufgrund des Dopplereffektes. Er bewirkt eine Frequenzabweichung der eingestrahlten von der reflektierten Energie; die Schalldifferenz liegt im hörbaren Bereich. Hohe, hörbare Frequenzen, entsprechen einer größeren, tiefere einer niedrigeren Blutströmungsgeschwindigkeit. Das Klangbild wird mit einem Phonographen oder einem Oszillographen registriert und festgehalten. Die physiologischen Änderungen der Blutströmungsgeschwindigkeit durch die Herzaktion werden os-

Physikalisch-therapeutische Behandlung bei Gefäßleiden der Peripherie

861

zillographisch in der Pulswelle sichtbar, ihr Anstieg und eine verzögerte bzw. fehlende dikrote Welle geben diagnostische Hinweise. Anhand einer auf 500 Hz eingestellten Eichtreppe sind die Amplituden der reflektierten Welle definierbar. Die Venenverschluß-Plethyemographie erlaubt, die arterielle Durchblutung eines Gefäßabschnittes quantitativ zu messen. Die röntgendiagnostische Arteriographie mit einem Kontrastmittel läßt die Ausdehnung und den genauen Sitz einer Stenose erkennen, ist aber eigentlich nur zur Vorbereitung eines schon als indiziert begründeten, größeren gefäßchirurgischen Eingriffes notwendig. Die Isotopendiagnostik oder strömungskalorimetrische Untersuchungen mit der Henselschen Sonde [225], mit der die Durchblutung von Muskeln direkt gemessen werden kann, erfordern einen besonderen Aufwand.

6.3 Behandlung arterieller Störungen Die intensiven, umfassenden Behandlungen der arteriellen Durchblutungsstörungen sollten so früh wie möglich beginnen. Damit erreicht man in vielen Fällen, daß das Leiden nicht bzw. nur verzögert fortschreitet, indem der gegebene, ausbaufähige Kollateralkreislauf sich voll entwickelt und das beherrschende Symptom, der Ischämieschmerz, so gut wie möglich beseitigt wird. Eine Rückbildung der morphologischen Veränderungen ist nicht möglich, allein die funktionelle Kapazität spricht auf die konservativen Behandlungen an. Gefäßchirurgische Maßnahmen beheben akute, embolische Verschlüsse. Mit der Embolektomie heilen bzw. verhüten sie die sekundären Folgen. Nach chirurgischer Rekanalisation einer chronisch gewachsenen, aber akut geschehenen arteriellen Stenose sind stets auch konservative Maßnahmen erforderlich, weil sich die arteriell stenosierende Erkrankung in der Regel an mehreren Stellen des Gefäßsystems manifestiert und fortschreitet. Selbst die Sympathektomie erweitert die Hautgefaße der Extremitätenenden nur vorübergehend, indem sie die sympatischen, gefäßverengenden Impulse zwar ausschaltet, der Gefäßtonus stellt sich aber im Verlauf von Wochen bis Monaten teilweise wieder ein. Die konservativen Behandlungen physikalischer Art basieren auf pathophysiologischen Überlegungen. Sie streben an, die Funktion des Gefäßsystems zu erhalten und zu verbessern, d. h. seine Dehnbarkeit und damit seine funktionelle Anpassungsfähigkeit an den Blutbedarf des Gewebes wiederherzustellen. Je eher das Leiden erkannt wird, umso besser sind die Aussichten, mit physikalischen Übungsbehandlungen die kompensierenden Anpassungsvorgänge zu erhalten. Ob es sich um eine Angioorgano- oder Angioneuropathie handelt, die physikalischen Reize sprechen in gleicher Weise die funktionelle Reaktionsweise an. In den folgenden Behandlungsvorschlägen und deren Begründung können sie deshalb unter dem Begriff „arterielle Durchblutungsstörungen" gemeinsam bespro-

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Krankenbehandlung durch Anwendung physikalisch-therapeutischer Prinzipien

chen werden. Die Angioneuropathien vertragen aber in der Regel kräftigere Reize, besonders in einer mehr allgemeinen als lokal ansetzenden Hydrotherapie. Das physikalisch-therapeutische Angebot ist für alle Arten der Verschlußkrankheiten recht umfangreich. Ohne eine gewisse Polypragmasie kommt man selten aus, weil die verschiedenen Methoden sich gegenseitig unterstützen oder ergänzen. Übersicht über die Behandlungsvorschläge Kausale Therapie (A) Die Risikofaktoren haben ursächlich pathogenetische Bedeutung: Rechtzeitige Behandlung eines Hypertonus, des Diabetes, der Gicht und der Adipositas Symptomatisch-gezielte Behandlungen (B) Medikamentös: Gefäßerweiternde Mittel als Dauertherapie nicht geeignet. Intraarteriell AdenosinVerbindungen (AMP und ATP), Streptokinase, anschließend Antikoagulantien. Bei Nekrosen Antibiotika Physikalisch-therapeutisch : Krankengymnastik: Aktive Muskelarbeit, Drosselungen, Lagerungen, Gehtraining Thermo-Hydrotherapie : Eigenwärme erhalten, konsensuelle Gefäßreaktion nutzen: aufsteigende Fußbäder, ggf. auch Fußwechselbäder Massagen: Massage hypertoner Muskelzonen. Saug-Druckstiefel, synkardiale Massage, Bindegewebsmassage Elektrotherapie: Stabile Galvanisation, Iontophorese, diadynamische Ströme, evtl. auf Ganglien der vegetativen Innervation. Hochfrequenz (niedrig dosiert), Grenzstrangdurchflutung Allgemein-unspezifische Behandlungen (C) Kurbehandlungen, z. B. C0 2 -Bäder oder C0 2 -Gasbäder, Solbäder, dazu spezielles Gehtraining, Krankengymnastik Vorbeugende Maßnahmen (D) Risikofaktoren ausschalten (vgl. A), Raucherentwöhnung

Physikalisch-therapeutische Behandlung bei Gefäßleiden der Peripherie 5

1

863

-10"3 cal-cm"2-sec"'

Rauchen einer Zigarette

Abb. 187 Durchblutung eines Fingers während des Rauchens (leicht vereinfacht nach [225]).

Erläuterungen zu A bis D Kausale Therapie (A) Eine kausale Therapie gibt es in ätiologischem Sinne mangels gesicherter Kenntnisse nicht. An der Pathogenese sind aber verschiedene Risikofaktoren sowohl auslösend als auch verschlimmernd in hohem Maße beteiligt. Gelingt es, sie auszuschalten, dann werden vor allem den Angioorganopathien entscheidende Bedingungen für ihre Manifestation genommen. Der wichtigste Risikofaktor ist die arterielle Hypertonie. Sie führt zu degenerativen, sklerotischen Veränderungen der Arterien, die deren Weite durch artheromatöse Intimaprozesse einengen und die Gefäßwand verhärten. Gleichartige Umwandlungen treten mit der Zeit auch beim Diabetes mellitus, der Gicht, dem Myxödem, dem nephrotischen Syndrom und der Hyperlipoproteinämie in Erscheinung. Die erfolgreiche medikamentöse und physikalische Langzeittherapie des arteriellen Hypertonus (S. 720) und eine stets gute Einstellung des Diabetes lassen die arteriosklerotische Komplikation nicht oder nur in geringem Maße aufkommen, so daß auch die Gefäßfunktion weniger gefährdet ist. Auch eine gut geführte Gichtbehandlung (S.528) als Langzeit- oder Dauertherapie wendet die arteriosklerotischen Spätkomplikationen ab. Das hypothyreotische Myxödem läßt sich durch Substitution als Risikofaktor beherrschen. Wie weit bei der Lipoproteinämie, sofern man sie diätetisch und medikamentös niederhalten kann, dies der Atherosklerose vorbeugt, bedarf noch der endgültigen Klärung. Epidemiologische Untersuchunsergebnisse lassen es aber vermuten. Ob Nikotinabusus ursächlich eine Angioorganopathie auslöst, ist zweifelhaft. Sicher aber ist, daß Rauchen die Durchblutung der Haut- und Schleimhautgefäße sieht- und meßbar stark drosselt (Abb. 187). Rauchen ist ein gewichtiger Risikofaktor für die organeigenen Teile des Kreislaufes, Koronarsystems, Gehirns, der Nieren, Bauchorgane und Muskeln. Für Patienten, die schon eine Angiopathie haben, bedeutet jegliches Rauchen zusätzlich eine schwere Schädigung aller ohnehin schlecht funktionierenden Endstrombahnen.

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Krankenbehandlung durch Anwendung physikalisch-therapeutischer Prinzipien

Die Adipositas stellt allein noch keinen Risikofaktor dar, doch verschlechtert sie, kombiniert mit den anderen Faktoren, den Zustand. Alle Faktoren, die einen Patienten mit einer Angiopathie gefährden, versucht der Arzt bei der Behandlung auszuschalten. Symptomatisch-gezielte Behandlungen (B) Medikamente wirken zuverlässig gezielt auf die Symptomatik chronischer Angioorganopathien, wenn sie direkt an den Ort des Geschehens gelangen und allein hier zur Geltung kommen. Das gelingt nur bei arterieller Gabe solcher Medikamente, die schnell abgebaut werden und daher nach der Passage der verengten Stelle verbraucht sind; gegebenenfalls gelingt es auch perkutan mit der Ionotophorese, Medikamente in ausreichender Konzentration an die gewünschte Stelle zu bringen. Die per os gegebenen gefäßerweiternden Mittel vermehren zweifellos die periphere Durchblutung; sie tun dies aber ungezielt in allen peripheren Stromgebieten. Ob sie auch spastisch oder substantiell verengte Gefäße weiterstellen und so dem zugehörigen, an Sauerstoff verarmten Gewebe Hilfe bringen, ist sehr fraglich, weil bei der weiten Verteilung die Konzentration lokal zu niedrig bleibt. Gelegentlich ist sogar das sogenannte Abzapfsyndrom (S.13) zu bedenken. Auf keinen Fall sollten die wirksamen physikalischen Methoden zugunsten der medikamentösen Mittel vernachlässigt werden. Bei wachsenden, zunehmend mehr einengenden thrombotischen Verschlüssen unterhalb der Leisten bietet die intraarterielle Streptokinasetherapie Erfolgsaussichten. Später, oder auch einleitend, ist eine Langzeitbehandlung mit Antikoagulantien nützlich. Schnell und lokal wirkende Vasodilatantien sind die Adenosinverbindungen AMP und ATP (Adenosinmonophosphorsäure und Adenosintriphosphorsäure). Die intraarterielle Sauerstoffinsufflation hat sich nicht bewährt. Laien verlangen gelegentlich danach, weil sie der Fehldeutung unterliegen, dem notleidenden Gewebe würde damit unmittelbar mehr Sauerstoff zugeführt. Da sich die Sauerstoffspannung des Blutes, die ohnehin nicht erniedrigt ist, bzw. das Druckgefälle zwischen Blut und Gewebe nicht ändert und das freie Gas vom Gewebe nicht resorbiert wird, muß ein anderer Mechanismus die nach kurzer Blässe eintretende Hyperämie erklären. Offenbar macht Gas (auch C0 2 , Helium oder Stickstoff) in den arteriellen Kapillaren Mikrogasembolien, die eine kurze Drosselung mit sich bringen. Ihre Ischämie läßt lokal gefäßerweiternde Substanzen entstehen, die hier die oberflächliche Mehrdurchblutung hervorbringen. Gleich gute oder bessere Effekte werden einfacher durch aktive Übungen erzielt [587]. Außerdem sind intraarterielle Injektionen nicht ohne Risiko, weil jede Arterienpunktion eine Verletzung der Intima hinterläßt, an der sich thrombotische Auflagerungen bilden können. Liegen im Stadium IV schon Nekrosen vor, ist eine Antibiotikabehandlung mit intraarterieller Injektion oder besser Infusion über mehrere Stunden notwendig, weil die Mittel, lokal angewendet, meist nicht tief genug eindringen.

Physikalisch-therapeutische Behandlung bei Gefäßleiden der Peripherie

865

Krankengymnastik: Muskeltätigkeit bedeutet Gefäßtraining. Bewegungsanforderungen an die Muskeln, die schlecht durchblutet sind, stehen an erster Stelle der physikalisch-therapeutischen Verordnungen. Die Krankengymnastik hat ein umfangreiches und wohlbegründetes Übungsprogramm zur Verfügung. Dies reicht von Lagerungen, die den tiefen Partien passiv-hämostatisch mehr Blut geben, über Drosselungen, denen eine kräftige, reaktive Hyperämie folgt, bis zu aktiver Muskelarbeit, unter der sich die Endstromgefäße der Muskulatur öffnen. Dies geschieht in der arbeitenden Muskulatur reflektorisch (Nutritionsreflex). Vermutlich lösen Metabolite lokale Axonreflexe aus, die den hier an den Gefäßen pathologisch erhöhten Sympathikotonus vermindern. Lokale Sauerstoffnot ist in der Regel ein starker Dilatationsreiz. Gegenüber der medikamentösen Vasodilation (S.861) bietet dies den Vorteil, daß hier selektiv gezielt die Durchblutung der arbeitenden Muskeln vermehrt wird. Tieflagerung einer Extremität wirkt in den abhängigen Partien über den steigenden hydrostatischen Druck, der sich zum Gefäßinnendruck addiert. Sie bewähren sich im lockeren Sitzen. In der Nacht lassen die Kranken immer wieder die Beine aus dem Bett hängen, wenn die horizontale Lage und die Bettwärme Beschwerden verursachen. Der nun höhere Druck, auch eine leichte Stauung und die Abkühlung lindern den Schmerz. Eine entsprechende, zum Fußende abfallende Matratze bringt diesen Kranken erst die Nachtruhe. Als Übungsbehandlungen werden Umlagerungen mit rhythmischem Wechsel zwischen Hoch- und Tiefhalten der Beine empfohlen [347], Zehenspiel und Fußkreisen fordert hier bereits eine leichte Tätigkeit der Fuß- und Unterschenkelmuskeln. Bei den Fußbewegungen darf kein Schmerz aufkommen. Dies würde eine Hypoxämie auslösen und auch zu Muskelverspannungen führen, die wiederum die feinen Gefäße in den Muskeln komprimieren. Die Drosselungen stellen ein passives Gefäßtraining dar. In horizontaler Lage unterbricht der Behandler den arteriellen Zustrom zum Fuß, indem er am Oberschenkel eine Gummibinde (Blutdruckmanschette) so anlegt, daß kurzdauernd eine Blutleere entsteht. Nach 15-20 Sekunden — bei guter Kompensation nach einer Minute — wird die Sperre gelöst. Der Kranke setzt sich auf, und sobald er das Bein herabhängen läßt, schießt das Blut wieder hinein. Die nachkommende reaktive Hyperämie ist nicht allein Folge des arteriellen Druckes und der Schwerkraft, sondern es bilden sich auch — während das leerlaufende Gewebe „hungert" — vasoaktive, gefäßerweiternde Stoffe (vgl. H-Substanzen, S.81). Erst wenn die Hyperämie abgeklungen ist, wiederholt der Behandler die Drosselung ein zweites und drittes Mal. Die Zeit der Sperre wird bei guter Wirkung täglich um 10 Sekunden bis zu insgesamt 3 - 4 Minuten verlängert. Hinsichtlich des Übungseffektes unterscheiden sich die Drosselungen von den nutzlosen arteriellen Gasinsufflationen (S.864), die nur kurzdauernd das Gefäß verschließen. Bestehen bereits Ruheschmerzen (Stadium III), dann haben die Drosselungen natürlich keinen Sinn. Die wirksamste Maßnahme im Stadium II ist das systematische Gehtraining, das man je nach Sitz der arteriellen Obliteration abwandelt und ergänzt. Liegt das

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Krankenbehandlung durch Anwendung physikalisch-therapeutischer Prinzipien

Strombahnhindernis in der A. femoralis, oder ist die A. poplitea eingeengt, dann fordert man zweckmäßig die Unterschenkelmuskulatur. Das genormte Gehen, der Zehenstand (20-30mal nacheinander), auch die nach Ratschow benannten leichteren Rollübungen der Füße [505], sind gute Übungen. Beim Beckentyp sollten neben den Unterschenkel- und auch die Oberschenkelmuskeln beansprucht werden. Zusätzlich Kniebeugen, Treppensteigen oder dosiertes Radfahren (Ergometer) sollten hier geübt werden. Die Dosierung des genormten Gehtrainings, ebene Strecke, Schrittempo gleichbleibend ca. 90-120 Schritte pro Minute, richtet sich nach dem Ergebnis des Gehtestes. Man läßt nicht, wie beim Test, solange gehen, bis der Schmerz einsetzt, sondern nicht mehr als Zweidrittel der vorher ermittelten Teststrecke (vgl. Abb. 182), die der Patient schmerzfrei bis zum Beginn der Beschwerden gehen konnte. So treten keine hypoxämischen Schmerzen und keine Muskelspasmen auf. Nach 2-3 Minuten Pause geht es weiter; dies mehrmals nacheinander (Intervalltraining). Einmal in der Woche wird der Gehtest wiederholt. Er zeigt an, ob die Teststrecke länger geworden ist, so daß auch die Trainingsstrecke weiter bemessen werden darf. Das Gehtraining beansprucht immer die gleichen Muskeln; im Prinzip fordert es eine Dauerleistung, wenn sie jeweils auch nur wenige Minuten beträgt. Bei dreimaliger Wiederholung der Gehstrecke sind das einschließlich der Pausen, in dem sich die Durchblutung reaktiv vermehrt einstellt, ca. 10-12 Minuten. Dreimal täglich trainieren ergibt einen guten Anreiz zur Verbesserung der Symptomatik. Dies setzt allerdings voraus, daß die Ruhedurchblutung noch ausreicht (Stadium II). In den Stadien III und IV kann eine passiv-aktive Bewegungstherapie mit nur kurzen Belastungen der Muskeln (isometrische Spannungsübungen) lediglich deren Atrophie verhindern oder der hier nicht seltenen Sudeckschen Knochendystrophie vorbeugen. Das Intervalltraining wirkt sich in aller Regel günstig auf die ischämische Symptomatik, die Claudicatio intermittens, aus. Schon in den ersten Wochen bis zu einem Jahr bessert sich die schmerzfreie Gehleistung und bleibt bei beständiger Übung auch erhalten. Die Abbildung 188 (nach [80]) belegt dies. Es ist bemerkenswert, daß auch ein „unterschwelliges" Training (Muskelgymnastik), mit dem das betroffene Bein nicht belastet wird, die symptomatische Besserung erbringt. Wir haben hier also hinsichtlich der Symptomatik eine Art konsensueller Reaktion vor uns. Die Muskelarbeit beim Gehen erhöht die Strömungsgeschwindigkeit des Blutes. Erweitern sich die Gefäße mit der Zeit, dann könnte dies die Verbesserung der Gehleistung erklären [583], wenn auch quantitativ die Durchströmung ansteigt. Das ist aber nicht gesichert [584], Bei gleichbleibendem Querschnitt müßte es der Fall sein. Eine Mehrdurchblutung unter dem Training war bisher weder mit der Lagerungsprobe nach Ratschow (S. 857), noch oszillographisch mit der Venenverschlußplethysmographie, der Xenon 133 -Clearance oder der Druckmessung mit der Ultraschall-Doppler-Methode nachzuweisen [31, 327, 328]. Demnach müssen an-

Physikalisch-therapeutische Behandlung bei Gefäßleiden der Peripherie

867

Gruppe A - Intervallgefäßtraining Gruppe B - »unterschwelliges«Training Gruppe C - »häus!iches«Training

6. Woche 1.

2.

3. Jahr

Abb. 188 Schmerzhafte Gehstrecke nach 6 Wochen und 1, 2 und 3 Jahren körperlichen Trainings bei Patienten mit peripherer arterieller Verschlußkrankheit (n = 90) (nach [80]).

dere Erklärungen für die signifikante Besserung der schmerzfreien Gehleistung gesucht werden. Aus der Trainierbarkeit der Muskeln hat sich ergeben, daß der trainierte Muskel für eine bestimmte Arbeit ein geringeres Maß an Mehrdurchblutung braucht als ein untrainierter Muskel für die gleiche Arbeit. Das Gehtraining führt demnach zu einer Ökonomisierung, zu einem besseren Wirkungsgrad der Durchblutung [486]. Eine weitere mögliche Deutung, die davon ausgeht, daß der örtliche Kreislauf die Durchblutung einer durchtrainierten Muskelgruppe selbsttätig so regelt, daß aus den gut durchbluteten Muskelteilen, die aufgrund des antrainierten, besseren Wirkungsgrades weniger Blut benötigen, das zur Verfügung stehende Blut bevorzugt in schlecht versorgte Partien einströmt, könnte auch für die arteriellen Verschlußkrankheiten des Stadium II gelten [585]. Auch ohne höhere Gesamtdurchströmung wird so die Blutverteilung ökonomischer. Das Training eines Muskels frischt auch dessen Stoffwechsel auf, in den Muskelzellen nehmen unter entsprechenden Anforderungen (Übungsreiz) die Mitochondrien an Zahl und Größe zu. Erhöhte Enzymaktivitäten vergrößern so die aerobe Kapazität, der trainierte Muskel entnimmt mehr Sauerstoff aus dem spärlich strömenden Blut. Ob es nun die Gefäße sind, die trainierbar ihre funktionelle Leistung verbessern, oder ob die Muskeln das zweckmäßiger verteilte Blut besser utilisieren, auf jeden Fall steigert täglich forciertes, nach festen Regeln normiertes Gehen nicht nur die Gehleistung [329, 359], sondern verzögert nach klinischer Erfahrung auch die Progredienz des Leidens. Das Gehtraining muß aber ein Leben lang regelmäßig betrieben werden, da sonst die verbesserten Kapazitäten bald wieder verlorengehen. Gefäßtraining durch Muskelübung im Wechsel mit Ruhe sind das „erste, oberste und letzte Gesetz" [505], unter dem sich die Beschwerden bessern. Im Stadium II

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Krankenbehandlung durch Anwendung physikalisch-therapeutischer Prinzipien

Temperatur T °C

Durchblutung D

30 29

5

28

4

27

3

26

2

25

1 0

10

20

30

40

50

min •

ml 100 ml

min

Abb. 189 Durchblutung und Temperatur der Zehen bei Erwärmung des Rumpfes (Heizkasten). Raumtemperatur 25,5 °C (modifiziert nach [29]).

der arteriellen Durchblutungsstörungen kann mit einer konsequenten Trainingsbehandlung eine große Zahl der Patienten vor operativen Eingriffen bewahrt werden [275]. Thermo-Hydrotherapie: Wärme senkt, sobald die Wärmebilanz positiv wird, den sympathischen Tonus der peripheren Gefäße und erweitert sie auf diese Weise. Warme Bekleidung, insbesondere an Beinen und Füßen, erhöht örtlich die Eigenwärme, indem sie dort einen größeren Wärmeverlust eindämmt; sie verhindert damit auch die Konstriktion der Hautgefäße. Eigenwärme kann im Gegensatz zu Fremdwärme niemals schaden. Auch die vermehrte Wärmeproduktion unter Muskelarbeit ist ein wirksamer Eigenwärmereiz. Er schadet nicht, solange kein Schmerz in schlecht versorgten Muskeln anzeigt, daß die Sauerstoffzufuhr hinter dem Bedarf zurückbleibt. Indirekt zugeführte Fremdwärme, etwa durch heiße Getränke, erhöht die allgemeine Wärmebilanz. Dies bringt dem Gefäßgesunden schnell mit der allgemeinen Erwärmung auch warme Füße. Wärmegabe, sofern sie aus wärmeregulatorischen Gründen erfolgt, steigert an jeder beliebigen Stelle reflektorisch die Hautdurchblutung, konsensuell bei Gefäßkranken auch an schlecht durchbluteten, nicht äußerlich beheizten Extremitäten, sofern die Kollateralen noch funktionieren. Die Abbildung 189 (modifiziert nach [267]) zeigt dies. Erwärmung des Rumpfes erhöht bei Patienten mit Arterien-Verschlußkrankheit der unteren Extremitäten die Durchblutung und die Temperatur der Zehen. So schadet auch indirekt vermittelte Wärme durch Fremdwärme niemals (vgl. Abb. 67). Direkte Wärme steigert in der Regel die Durchblutung. Das ist nicht mehr der Fall, sobald die Wärme in dem mangelhaft durchbluteten, an Sauerstoff notleidenden Gewebe den Stoffwechsel zu stark anheizt und dadurch das Sauerstoffdefizit

Physikalisch-therapeutische Behandlung bei Gefäßleiden der Peripherie

869

ansteigt. Dem Blut wird dabei ein Wärmetransport zugemutet, den der zu geringe Blutstrom konvektiv nicht bewältigen kann. Die Durchblutungsnot würde eher größer statt kleiner und die Gefahr einer Gangrän wäre gegeben. Die Bedeutung der erwärmenden Hydrotherapie liegt für die Behandlung der peripheren Durchblutungsstörungen darin, daß reflektorisch — unmittelbar oder konsensuell — der sympathische Gefäßtonus gelockert, bzw. mit sehr milden thermischen Reizen das funktionelle Gefäßspiel angeregt wird. Der Wert der vielseitigen, fein dosierbaren, auf die Symptomatik zugeschnittenen Hydrotherapie für die Angiopathien wird oft negativ beurteilt. Bei der Kritik wird aber verkannt, daß in den Stadien I und II gerade die hydrotherapeutischen Verfahren eine gute reaktive Durchblutungssteigerung bringen können. Nicht die Diagnose als solche entscheidet über Wahl oder Ächtung eines therapeutischen Mittels, sondern allein dessen Eignung, die noch gegebene, oft verbesserungsfähige, funktionelle Reagibilität der Gefäße zu trainieren. Der erfahrene Hydrotherapeut beginnt mit aufsteigenden Teilbädern am entfernten Ort und nutzt so die konsensuelle Reaktion (S. 259). Sie ist, sofern vorhanden, stets positiv, d.h. es gibt keine konsensuelle, reaktive Minderdurchblutung auf eine Erwärmung an anderer Stelle. Das „steal and lend"-Syndrom (S.13) ist ein Verteilungsproblem, kein neurales Problem. Bei einseitiger Angiopathie — sehr oft ist nur ein Bein betroffen — bewähren sich die aufsteigenden Fußbäder an der gesunden Seite. Sehr wichtig ist — das wird oft versäumt — daß die erkrankte, nicht gebadete Extremität dabei warm eingepackt wird und auch am übrigen Körper keine Wärme verloren geht. Sind beide Beine betroffen, dann bringen auch temperaturansteigende Armbäder, Sitzbäder oder eine Wärmepackung am Rumpf die erwünschte konsensuell-reaktive Hyperämie an den Beinen. Selbst im Stadium III und IV sinkt so der sympathische Gefäßtonus noch ab. Lassen die Schmerzen nach, dann sind noch Durchblutungsreserven vorhanden [302]. Reagieren die notleidenden, poststenotischen Anteile konsensuell gut, dann prüft der beobachtende Arzt, ob die betroffene Extremität auch auf unmittelbare Behandlungen gut anspricht. Dies bringt den Vorteil, daß solche Bemühungen unter Umständen ein reaktiv wechselndes Gefäßspiel herausarbeiten und die Gefäßreflexe trainieren. Die Rötung, die eine Hyperämie anzeigt, muß farblich gleichmäßig sein; fleckige Zeichnung oder eine bläulich-livide Färbung lassen schon eine Störung erkennen. Spricht die periphere Durchblutung auch direkt auf lokale hydrotherapeutische Wärmereize gut an, dann bringen leichte Kaltreize, milde Waschungen, später Wechselfußbäder, bis zu Wechselgüssen, dosierbare Abwechslungen mit funktionellen Umschaltungen in das Reiz-Reaktionsgeschehen. Der Hydrotherapeut beachtet, daß am Ende der Behandlung stets die sichtbare Hyperämie und ein fühlbares Wärmeempfinden stehen. Bei allen Wärmereizen an erkrankten Teilen sind die nicht seltenen paradoxen Gefäßreaktionen zu beachten. Dabei nimmt das Bein statt der zu erwartenden,

870

Krankenbehandlung durch Anwendung physikalisch-therapeutischer Prinzipien

rötlichen Hyperämie eine blassere, weiße Hautfärbung an, zuweilen schmerzt es auch. Der konsensuelle Mechanismus unter indirekter Erwärmung kann die Störung wieder beheben. Die aufsteigenden Teilbäder beginnen mit einer Wassertemperatur, die knapp über der Hauttemperatur liegt, ungefähr bis 35 °C. Je nach Verträglichkeit steigt die Wassertemperatur langsam (in 20-30 Minuten) auf 39 oder 40 °C an. Sind Wechselfußbäder (S.281) zuträglich — in Stadium I, insbesondere, wenn es geglückt ist, dieses Stadium aus einer schwereren Ausprägung wieder zu erreichen, sind sie gut geeignet — dann ist die Reizwirkung umso größer, je weiter die Temperatur in den beiden Wannen nach oben und unten von der Indifferenztemperatur abweicht. Man badet beide Füße 3-5 Minuten oder länger im warmen Wasser, dann taucht man für 10-20 Sekunden ins kalte Wasser, und wiederholt diesen Vorgang drei- bis viermal. Jetzt zeigt sich an warmen Füßen, ob bzw. daß die reaktive Hyperämie funktioniert. Insgesamt bietet die Hydrotherapie bei arteriellen Durchblutungsstörungen gute Möglichkeiten, die nicht unterschätzt werden sollten, zumal ein sorgfältig eingewiesener Patient ihre Verfahren selbst anwenden kann. Die hydrotherapeutischen Qualitäten gewinnen besondere Bedeutung, wenn sie mit anderen Behandlungen, in erster Linie mit den Bewegungsübungen (Fußrollen, Umlagerungen, Gehtraining) ergänzt und kombiniert werden können. Die Kombination der bewegungs- mit hydrotherapeutischen Praktiken vermeidet oder mildert zumindest eine Unzulänglichkeit: Werden mit thermischen Reizen oder mit Strombehandlungen, die den Sympathikotonus senken, die peripheren, insbesondere die Hautgefäße erweitert, dann werden sie nur dann mit mehr Blut und mit höherer Geschwindigkeit durchströmt, wenn der Strömungsdruck nicht abfällt. Dies ist aber umso mehr der Fall, je schlechter der Kollateralkreislauf ist [586] oder anspricht. Die Bewegungsanforderungen erweitern über den Nutritionsreflex (S. 865) die Kollateralen, der Druck steigt distal der Stenose an. Nach hydrotherapeutischen Durchblutungsreizen zeigt sich der beste gefäßerweiternde Effekt frühestens nach einer halben Stunde. Daher bietet es sich an, anschließend an solche Maßnahmen nach einer entsprechenden Pause das Gehtraining zu betreiben. Beide Behandlungen ergänzen sich so und geben sich gegenseitig einen besseren Wirkungsgrad. Massagen: Die Massagen haben bei arteriellen Durchblutungsstörungen in erster Linie den Zweck, die so häufigen, schmerzhaften Verspannungen der Wadenmuskeln zu lockern; damit verbessern sie die Bedingungen der Durchblutung. Allerdings sollte man mit kräftigen Massagen an schlecht durchbluteten Muskeln zurückhaltend sein. Kräftige Massagen der Rückenmuskeln sollen dagegen - ähnlich wie die Bindegewebsmassage — reflektorisch die Durchblutung der Extremitäten verbessern [190]. Mechanische Verfahren, deren Kräfte — wie bei den Massagen — Druck und Zug sind, finden im sogenannten Saug-Druckstiefel Verwendung. Das Bein wird in einen gläsernen Behälter gesteckt und hermetisch am Oberschenkel abgeschlos-

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sen. Eine Pumpe erzeugt abwechselnd einen Überdruck ( + 20-50 mm Hg = ca. 3-7 kPa) und einen Unterdruck ( — 80 mm Hg = ca. — lOkPa). Der Uberdruck steigt schnell in drei Sekunden an, dann schaltet das Gerät um, und nach acht Sekunden ist der Unterdruck eingestellt, bis zur fünfzehnten Sekunde kehrt der normale Außendruck zurück, dann wiederholt sich das Verfahren. Die einzelnen Phasen sind auch länger einstellbar. Die Dauer der Behandlung wird unterschiedlich angegeben. Man kann ansteigend von einer bis zu sechs Stunden behandeln. Die an der Hauttemperatur ablesbare Mehrdurchblutung ist unabhängig von den Druckhöhen, den Amplituden und dem Frequenzwechsel der Druckphasen. Die Behandlungen müssen dagegen langfristig, eventuell über Tage hin, beibehalten werden [655]. Natürlich hat das Ganze nur einen Sinn, wenn das Strombahnhindernis unterhalb der Druckmanschette liegt. Durch die Glaswand kann man die Wirkung beobachten: während der Unterdruckphase wird das Blut in die Hautkapillaren angesaugt, eine leichte, venöse Stase wird sichtbar; der Überdruck komprimiert die peripheren Gefäße, die Haut sieht blasser aus. Das Verfahren ist recht umständlich und hat sich deshalb bisher kaum durchgesetzt. Im Stadium III, wenn dem Patienten ein aktives Gefäßtraining nicht möglich ist, kann es Vorteile bringen. Ähnliches gilt für die sogenannte synkardiale Massage, die über eine oder zwei hintereinander angelegte Blutdruckmanschetten rhythmisch pneumatische Druckimpulse auf das Bein überträgt. Diese werden im individuellen Herzrhythmus durch die R-Zacke des mitlaufenden EKGs des Patienten mit entsprechender Verzögerung gesteuert [168]. Synchron mit dem Herzschlag sollen die Druckimpulse der Pulswelle mehr Energie zuführen, was den Bluteinstrom in schlecht versorgte Gefäßabschnitte verstärken würde. Dieser Deutung stehen aber erhebliche Bedenken physikalischer Art entgegen [566]. Es scheint so zu sein, daß es nicht auf die pulssynchrone Druckwirkung ankommt, sondern auf den rhythmisch erfolgenden, wiederholten Druckaufbau und -abbau. Eine über die Tiefensensibilität vermittelte unspezifische Reaktion könnte mitwirken. Vergleichbare Erfolge stellen sich auch — wie bei den herzsynchronen Impulsfolgen — unter rhythmisch intermittierenden, vom Herzschlag unabhängigen Stauungen ein [312, 579]. Die meist geübte, bei arteriellen Durchblutungsstörungen vielfach bewährte Methode mechanischer Einwirkungen ist die Bindegewebsmassage. Die Kranken reagieren nicht sofort in typischer Weise auf diese Behandlung [630], Erst nach mehreren Sitzungen — 15 bis 20 sind oft erforderlich — geben die Patienten ein Wärmegefühl im Unterschenkel und Fuß an. Die Technik des sogenannten kleinen Aufbaus (S.101) erfaßt die entsprechenden Segmentabschnitte und bringt die entscheidenden Effekte. Nach einer Serie von Bindegewebsmassagen bei arteriellen Durchblutungsstörungen wurde mit der Venenverschlußplethysmographie eine bessere Blutversorgung der Beine festgestellt [268], ein Befund, der allerdings zu anderen Ergebnissen in Widerspruch steht (S. 867). Elektrotherapie: Die Anhänger der Elektrotherapie empfehlen auch Strombehandlungen bei peripheren Durchblutungsstörungen (S.341). Ihre therapeutische

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Wirkung beruht zum einen darauf, daß bestimmte Ströme direkt erweiternd auf die Gefäße der schlecht durchbluteten Gebiete einwirken, zum anderen lösen Ströme segmental-reflektorisch — wie bei der Bindegewebsmassage — spastisch verengte Arterien und Arteriolen. In den Fällen, in denen das funktionelle Wechselspiel der Gefäße auf Reize aller Art noch anspricht, zumindest aber die Kollateralgefäße gut reagieren, bringen die Strombehandlungen Erfolge. Weiterhin helfen sie bei Zuständen, die eine besondere Neigung zu Gefäßspasmen haben, z. B. bei der Angioneuropathie, bei der die größeren Gefäße nicht betroffen sind, bei den funktionell angiopathischen Reaktionslagen [220], der Akrozyanose, den chronisch kalten Händen und Füßen, der Sklerodermie und den polyarthritisch geschädigten Endgliedern. Gesunde Gefäße reagieren auf die stabile Galvanisation unter Längsdurchströmung mit einer an der Haut sichtbaren Hyperämie. Da diese bei gut kompensierten Kollateralkreislauf nicht auf Kosten der Muskeldurchblutung geht, läßt sich die Erscheinung bei geeigneten angiopathischen Bildern verwerten, wenn etwa die bessere aktive Bewegungstherapie nicht möglich ist oder gezielt ein kleineres Gebiet der Endstrombahn, z. B. an den Akren, behandelt werden soll. Eine ganze Extremität läßt sich — besser noch als mit Plattenelektroden — im Zweizellen- oder „absteigenden" Stangenbad (S.352) durchströmen. Im Stadium II und III kann dies andere durchblutungsfördernde Maßnahmen ersetzen. Der galvanische Strom wird auch zur Iontophorese gebraucht. Dazu trägt man eine histaminhaltige Salbe auf die zu behandelnde Stelle unter der wirksamen Elektrode auf (S. 350). Niederfrequente, frequenzmodulierte Impulsströme (vgl. diadynamische Ströme, S.386) sind geeignet, die Tiefendurchblutung der Muskeln wirksam zu verstärken. Mit der Isotopenresorptionsmethode, die den arteriographisch nicht darstellbaren Teil der nutritiven Kapillaren erfaßt [482, 483], konnte das, sowohl bei direkter Durchströmung der Extremität, als auch bei Einwirkung auf die übergeordneten sympathischen Ganglien nachgewiesen werden. Als Erklärung dieses Nachweises wird angenommen, daß die erste Stromform mit einer fixen Frequenz bis zu 100 Hz den Schwellenwert für die ständig einlaufenden Sympathikusreize erhöht, der sympatische Gefäßtonus also sinkt, während mit dem Frequenzwechsel des zweiten und dritten Stromes (vgl. CP und LP, S.387) eine rhythmische, isometrische Muskelgymnastik betrieben wird, unter der mehr Blut in die Muskeln einströmt, wodurch die Muskeln lockerer werden. Die Methode eignet sich für schwerere Zustände (Stadium III), zumal auch die analgesierende Wirkung des Basisstromes Erleichterung bringt und die in durchblutungsgestörtem Gewebe durch den veränderten Stoffwechsel auftretenden MikroÖdeme leichter resorbiert werden. Auch über die entsprechenden Rückenmarkssegmente oder die Ganglien der vegetativen Innervation läßt sich mit bestimmten elektrischen Strömen eine gestörte Durchblutung der Extremitäten verbessern. Dazu eignen sich die diadynamischen Ströme, sowie der Interferenzstrom (S.389).

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Für den Morbus Raynaud blockiert man z. B. die Halsganglien des Sympathikus, das Ganglion stellatum, mit diadynamischen DF-Modulationen. Zwei kleine Elektroden werden seitlich am Hals angelegt, die Kathode über der Klavikula, die Anode etwas höher am lateralen Rand des M. sternocleidomastoideus; Stromfluß 3-4 Minuten, langsam höher regeln. Beim Interferenzstrom wird ein Frequenzunterschied von ca. 100 Hz eingestellt. Das Kreuzungsgebiet der beiden Stromkreise wird gleichfalls auf das Ganglion cervicale gerichtet, indem man die Elektroden vorn über der Supraklavikulargrube und hinten über dem 7. Halswirbel anlegt. Für die unteren Extremitäten mit arteriosklerotischen oder endangiitischen Obliterationen durchströmt man diadynamisch entweder gangliotrop und legt die Elektroden paravertebral im Lumbaibereich an (DF, 3 - 4 Minuten mit eben verträglicher Intensität), oder man wählt eine Längsdurchströmung der Extremität (DF, CP und LP je 2 Minuten) mit Plattenelektroden an Oberschenkel (Anode) und Fußsohle (Kathode). Vergleichbar wird auch der Interferenzstrom auf die Ganglien des Grenzstranges gerichtet (große Elektroden, 100-200 cm 2 ,10 Minuten langsam bis zur Toleranzgrenze steigend) oder tetrapolar die erkrankte Extremität längsdurchströmt (ein Elektrodenpaar paravertebral im LWS-Bereich, die beiden anderen am Fuß). Diese elektrotherapeutischen Verfahren lassen sich auch kontralateral auf der gesunden Seite anwenden und so konsensuell auswerten. Die Hochfrequenztherapie mit Kurzwellen erfordert vorsichtige, niedrige Dosierungen (Stufe I bis II), damit nicht ein Zuviel an Wärme den Stoffwechsel stärker anregt, als er mit dem dazu benötigten, arteriell noch zugeführten Sauerstoff aerob zu leisten vermag. Ob die Gefäße auch unterschiedlich zur Reaktion auf Wärme, spezifisch auf die Hochfrequenzenergie reagieren, ist noch nicht entschieden. Nur unter schwachen Kurzwellendurchflutungen dilatieren die Gefäße, während unter entsprechenden starken Reizen bei Gefäßstörungen eher eine Ischämie eintreten soll [582]. Es empfiehlt sich, nur große Gebiete — die ganze Extremtiät — zu durchfluten. Dazu eignet sich besonders die Spulenfeldmethode [350], Die zuständigen sympathischen Ganglien des Grenzstranges erreicht man mit zwei Glasschalenelektroden beiderseits der Lendenwirbelsäule. Auch Dezi- und Mikrowellen können mit entsprechenden Strahlern eingesetzt werden. Allgemein-unspezifische Behandlungen (C) Unspezifisch, allgemein umstimmend bzw. hier den Kreislauf und damit die ganze periphere Durchblutung anregend, wirken Bäderbehandlungen (C0 2 -Bäder oder Solbäder, besonders die Kohlensäure-Gasbäder). Vielfach wird empfohlen, die unter B dargestellten Übungsbehandlungen wiederholt im Rahmen einer Kurbehandlung vorzunehmen und dabei die örtlichen Kurmittel zu benutzen. Im Verlauf einer ärztlich geleiteten Kur erlernen die Kranken die Regeln des systematischen Gehtrainings, die positiven und möglichen negativen Folgen der thermischen und hydrotherapeutischen Reize und die Risikofaktoren für ihre Erkrankung.

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Für die Angioneuropathien eignen sich auch individuell aufgebaute Kneippkuren, in der je nach Befund und Reaktionsfähigkeit der Gefäße, der erfahrene Kneipparzt alle Reizmodalitäten aufzeigt. Auch regelmäßiger Besuch der Sauna, sofern die Dosierungsempfehlungen beachtet werden, und Schwimmen in wärmerem Wasser (28 bis 30°) regen das Gefäßspiel einer situationsgerechten Durchblutung der Gliedmaßen an. Vorbeugende Maßnahmen (D) Die vom Arzt präventiv zu behandelnden Risikofaktoren, Hypertonie, Diabetes, Hyperlipidämie, gegebenenfalls eine Adipositas, wurden unter A schon genannt. Weitere Aufgaben bestehen darin, daß der Arzt gemeinsam mit dem Patienten dessen Lebensbedingungen klärt bzw. bessert. Der Kranke muß das Rauchen aufgeben, stets für warme und trockene Füße sorgen, langes Stehen vermeiden, auch nicht zu lange sitzen, sondern dazwischen immer wieder etwas gehen, damit der Kollateralkreislauf beansprucht wird. Am Arbeitsplatz müssen entsprechende Verhältnisse gewährleistet sein. Ein fußkalter Boden oder ungleich temperierte Räume sind für die Kranken abträglich. Da die Pathogenese der Verschlußkrankheiten nicht oder nicht ausreichend geklärt ist, eine kauslae Therapie deshalb auch nicht möglich ist, kommt den vorbeugenden wie den funktionell bessernden Maßnahmen die größte Bedeutung zu. Die Verschlußkrankheiten mehren sich, nicht nur mit der steigenden Lebenserwartung, sondern auch durch die immer häufiger auftretenden Zivilisationsschäden. Nur die umfassende Fürsorge präventiver und kurativer Art kann dieser Entwicklung und das Fortschreiten der Einzelerkrankung erfolgreich abwehren.

6.4 Erkrankungen der Venen 6.4.1 Venöse Hämodynamik Im Kreislaufsystem haben die Venen die Funktion, das Blut aus der Peripherie zum rechten Herzen zu leiten und auch selbst aktiv zu befördern. Während das arterielle System mit einem relativ konstanten Druck funktioniert und wechselnden Erfordernissen mit Abstufungen des Strömungswiderstandes durch aktive Änderung der Gefäßweite nachkommt, bedarf das Venensystem zusätzlicher Mechanismen für den Rückfluß des Blutes zum Herzen, zumal der Rückfluß in den Gefäßen unterhalb des Herzens die Schwerkraft überwinden muß. Zum Verständnis der therapeutischen Ansätze bei Störungen des Rückflusses muß man sich die für das venöse System gültigen Strömungsverhältnisse klarmachen. Für die Strömung in den Blutgefäßen läßt sich das für den elektrischen Strom

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formulierte Ohmsche Gesetz vergleichsweise heranziehen. So wie sich dort die Stromstärke mit der Spannung (Potentialdifferenz) verändert, so ist die Strömung im Rohrsystem von der Druckdifferenz abhängig. Die Strömung ist dem Druckunterschied ( = Spannung im Ohmschen Gesetz) zwischen zwei Meßorten proportional. Gehemmt wird der Blutstrom bzw. seine Stärke durch den Strömungswiderstand, der eine Funktion des Querschnittes und der Länge des Leiters bzw. des Rohres ist. Diese Verhältnisse drückt für das fließende Blut die von dem französischen Arzt Poiseuille formulierte Beziehung aus (Hagen-Poiseuille-Gesetz). Danach ist die Stromstärke (Menge des Blutes ml/sec) dem Druckgefälle auf der Strecke (Druckgradient Ap/Al) proportional. In die entsprechende Formel geht neben dem Viskositätskoeffizienten der Radius des Rohres mit der vierten Potenz ein. Das erklärt die große Abhängigkeit der Stromstärke und des Strömungswiderstandes von der Gefäßweite. Die Venenwände sind dehn- und verformbar. Ihr Lumen (Radius) ist auf diese Weise veränderlich. Im Stehen nimmt ihr Querschnitt bis zu 50% zu. Dies befähigt die Venen, große Blutmengen zu speichern, ohne daß sie beim gesunden Menschen damit schädigend überdehnt werden (Blutspeicherfunktion). Bestimmend für die Gefäßweite ist die Differenz zwischen Innendruck (hämostatischer Schwerkraftdruck) und dem Verhältnis von Wandspannung des Gefäßes und Außendruck, der als Gewebsdruck definiert ist. Der venöse Rückstrom beginnt im Kapillargebiet. Der hier herrschende Anfangsdruck ist die vis a tergo (S.90), Enddruck ist der Druck vor dem rechten Vorhof (zentraler Venendruck). Zwischen beiden besteht ein Druckgefälle, das eine treibende Kraft für den Rückstrom ist. Der Druck in den Venen ist auch von der Haltung des Körpers abhängig. In horizontaler Lage ist er in den oberen und unteren Extremitäten gleich, im Stehen ist der Venendruck unterhalb des Herzens umso höher, je weiter der Meßort nach unten vom Herzen entfernt ist; er ändert sich — steigt oder fällt — proportional mit dieser Entfernung. Steht der Mensch still, dann steigt der hämostatische Druck der Blutsäule in den Fußvenen a u f « 90-100 mm Hg an. Ein solcher Extremwert bzw. der durch ihn gegebene hohe Druckabfall zum zentralen Venendruck(«null mm Hg) würde — obwohl der Kreislauf ein geschlossenes System darstellt — allein aber nicht ausreichen, den Abstrom zum Herzen voll zu bewältigen. Der Rückstrom erhält deshalb weitere Hilfen, vor allem von dem Tonus der Venenwand, mit dem diese der Dehnung (Überdehnung) einen Widerstand entgegensetzt. Der Tonus ist gegeben durch die Spannung der glatten Muskelzellen der Venenwände und gemeinsam mit diesen durch die Elastizität des Bindegewebes. Beide zusammen bilden die „elastischen Rückstellkräfte" [574], die unter den Druckwirkungen den Strom des venösen Blutes zum Herzen unterstützen. Zwischen Dehnbarkeit und Elastizität der Venenwände besteht eine reziproke Abhängigkeit: je schwächer die Elastizität ist, dies ist ein ätiologischer und pathogenetischer Faktor der Varikosis, umso mehr dehnen sich die Venenwände unter dem inneren hydrostatischen Druck. Je größer unter diesem dehnenden Druck der

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venöser Blutstrom bei Muskelruhe

Muskelpumpe

Venendruck Abb. 190 Funktion der Muskelpumpe.

Querschnitt des Gefäßes wird, umso größer ist die Kraft, die auf die Venenwand einwirkt (Laplacesches Gesetz), d.h., die dehnende Kraft kann sich pathogenetisch auswirken. Normalerweise sorgen die Rückstellkräfte, unterstützt durch den perivaskulären (vgl. tissulärer Druck, S. 263) Gewebsdruck, dafür, daß zwischen den Rückstromkräften und dem intravasalen Druck ein Gleichgewicht besteht. Steigt der Gefäßinnendruck und damit die Dehnung an, dann nimmt im gesunden System auch die Spannung der Gefäßwand zu, das Gleichgewicht bleibt erhalten. Der Rückstrom findet weitere äußere Hilfen in zwei unterstützenden Kräften. Sie ergeben sich einmal aus der Tätigkeit der Beinmuskulatur, zu anderen aus der Atmung. Beim Gehen verkürzen und verlängern sich die Beinmuskeln, sie werden dabei dicker und wieder dünner. So drücken sie in rhythmischer Folge mehr oder weniger auf die benachbarten Venen und verändern jeweils mit jedem Schritt deren für die Druck-Volumen-Verhältnisse so wichtigen Querschnitt. Diese äußere Druckpumpenwirkung erhöht aber nicht den Druck in den Venen, sondern senkt ihn vielmehr, da das Blut ausweichend abfließt. So sinkt z. B. der ungünstige Staudruck durch Blutabfluß in den Fußvenen a u f » 25 mm Hg ab. In der Erschlaffungsphase der Muskeln wird das Blut aus den oberflächlichen Venen von den tieferen, größeren abgesaugt. Der ganze Mechanismus wird Muskelpumpe, auch Muskel-Gelenk-Pumpe oder Venenpumpe genannt. Ihren Wirkungsmechanismus sieht man neuerdings [30] nicht mehr allein in einem unmittelbar treibenden Anstoß, vielmehr ist die Drucksenkung in den Venen und Kapillaren der wesentliche Faktor, der es den Rückstellkräften ermöglicht, sich voll zu entfalten. Zu diesem, dem Rückstrom des Blutes zum Herzen zu Hilfe kommenden

Physikalisch-therapeutische Behandlung bei Gefäßleiden der Peripherie

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Abb. 191 Insuffiziente Venenklappe.

Druckpumpenmechanismus, der schon eine ansaugende Komponente enthält, kommt noch eine weitere Saugpumpenfunktion hinzu, bekannt aus der Technik zum Hochpumpen von Flüssigkeiten. Sie ist auch im ruhenden Körper wirksam. Unter den rhythmischen Atembewegungen entsteht inspiratorisch im Thoraxraum ein das venöse Blut ansaugender Unterdruck, im Bauchraum ein auspressender Überdruck (Doppelpumpe nach [636]). Beides wirkt treibend auf das venöse Blut zum Herzen hin. Das Wechselspiel wird unterstützt durch eine weitere Sogwirkung, die von der Ventilebenenfunktion des Herzens ausgeht, dazu, wenn auch wohl nur ein wenig, durch eine Druckwirkung der arteriellen Pulswelle (Volumenpuls). Die großen Beinvenen laufen parallel zu den Arterien (Vv. comitantes). Die aufeinander folgenden, abwärts laufenden Pulswellen drücken in rhythmischer Folge, im Takt des Herzens auf die Venen und haben so eine gleichartige Wirkung wie die Muskelpumpe (vgl. Bedeutung der Strömungsgeschwindigkeit, S. 888). Die dynamischen Kräfte können sich aber nur voll auswirken, wenn die Venenklappen intakt sind. Das sind Ventile, die der Blutstrom selbst öffnet und schließt. Sie lassen eine Blutverschiebung nur in zentripetaler Richtung zu, in zentrifugaler Richtung schließt das zurückfließende Blut das Ventil (Abbildung 190). So wird die intravasal drucksenkende Wirkung des Außendruckes verständlich. Der ganze Mechanismus der Pump-, Saug- und Ventilfunktion ist kräftig genug, den hydrostatischen Druck der Blutsäule zu überwinden. Werden die Venenklappen durch Überdehnung der Venenwände insuffizient (Abb. 191), dann funktioniert das System nicht, eine örtlich begrenzte retrograde Blutströmung wird nicht mehr verhindert. Die Abbildungen 191 und 192 zeigen die beschriebenen Vorgänge. In der skizzierten Hämodynamik liegen die Gefährdungen des Systems. Sie traten phylogenetisch (gr.: phylon = Stamm, genesis=Entstehung) erstmals auf den Plan, als das Leben vom Wasser aufs Land überging und damit die Schwerkraft den hydrostatischen Druck der Blutsäule zum Störfaktor machte. Der aufrechte Gang des Menschen belastet vor allem seine unteren Extremitäten. In den Gesetzen der Statik liegen deshalb auch die wichtigsten therapeutischen Möglichkeiten. Die Venen haben neben der Transportfunktion noch eine weitere Aufgabe. Mit ihrem größeren Gesamtquerschnitt und dem infolge der Dehnbarkeit der Venen-

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Krankenbehandlung durch Anwendung physikalisch-therapeutischer Prinzipien Druckpunkte:

Vena saphena magna

a Innenseite

Oberschenkel

Vena femoralis Vena poplítea

b medialer Kniegelenkspalt c mediale Tibiakante

Vena tib. post.

d Wadenschmerz bei venöser Stauung (Blutdruckmanschette)

e Druckschmerz Plantarmuskeln f Wadenschmerz bei Plantarflexion des Fußes Abb. 192 Druckpunkte am Bein bei tiefen venösen Störungen.

wände niedrigen Strömungswiderstand speichern sie als „Kapazitätsgefäße" einen Teil des Blutes — das extrathorakale venöse Blutvolumen beträgt «60-70% der Gesamtmenge — und gleichen je nach Gegebenheit Mißverhältnisse aus. Dies geschieht in der Weise, daß die passiven Änderungen der Venenweite unter den Druckkräften von aktiven, neural oder hormonal gesteuerten venomotorischen Reaktionen ergänzt werden. Sehr verschiedene Reize, wie sie das tägliche Leben und auch die physikalisch-therapeutischen Kräfte liefern, lösen differenzierte Umstellungen des kontraktilen Venentonus aus, der gegebenenfalls passive Volumenverschiebungen — z. B. bei der Orthotase — kompensiert, indem er aktiv das Blutvolumen anders verteilt [697]. Die gesamte Kreislauf- und Thermoregulation nutzt diese differenzierten Umstellungen des Venentonus. Damit werden die Wirkungen unspezifischer, nicht gezielt auf bestimmte Venengebiete gerichtete physikalisch-therapeutischer Reize verständlich, die das Gesamtsystem allgemein reaktionsfähiger machen (vgl. Herzinsuffizienz, S.694). Zwischen der Förderkapazität und der Speicherkapazität der Venen besteht ein Gleichgewicht. Bei venöser Insuffizienz mit beständiger Volumenüberlastung schreitet die Wandüberdehnung fort, mehr Klappen werden insuffizient, die Stromumkehr führt zu stärkerer Hypervolämie [313].

6.4.2 Störungen der venösen Durchblutung An den Beinen, die wegen des hier höheren intravasalen Druckes bei gegebener Venenschwäche fast ausschließlich von den Störungen des venösen Hämodynamik betroffen werden, unterscheidet man zur nosologischen Differenzierung zwischen oberflächlichen, subkutan oberhalb der Muskelfaszien gelegenen Venen,

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das sind die Vv. saphena magna und parva mit ihren Seitenästen, und einem tiefen, intrafaszilen Venensystem, die Vv. tibiales und fibulares, die Vv. poplítea und V. femoralis. Dazwischen liegen die kommunizierenden Venae perforantes, auch Rami (Äste) communicantes genannt. Es gibt zwei Gruppen von Venenerkrankungen: die ektasierenden (gr.: ektasis=Erweiterung) und die oblitierenden Venenerkrankungen. Erweiterte Venen werden zu Varizen, im größeren Verband zur Varikosis, wenn ihre Wände soweit auseinanderweichen, daß die Klappen nicht mehr schließen und das Blut sich staut oder gar beim Aufrichten in paradoxer, d. h. falscher Richtung fließt (Reflux). Die einengenden oder verschließenden Stockungen sind stets thrombotischer Herkunft. Die Pathogenese ist so überschaubar und diagnostisch leicht zu ergründen. Ätiologisch liegt der Varikosis primär eine konstiutionelle, offenbar erbliche Schwäche des Bindegewebes der Venenwand zugrunde. Unter Drucküberlastung entarten das elastische Bindegewebe und die Muskelzellen der Venenwand, so daß deren muskulärer Tonus schließlich nicht mehr ausreicht, um den hämostatischen Druck voll zu kompensieren oder funktionell zu überwinden. Die Elastizität geht verloren, der Querschnitt der Venen nimmt übermäßig zu, die Venen verlängern sich (geschlängelte Venen). Die primäre Varikosis beruht also auf einem Mißverhältnis zwischen anlagebedingter Güte der Venen und ihrer statischen Inanspruchnahme im täglichen Leben, ein Mangel, der zu krankmachenden Venenerweiterungen führt, präventiven Bemühungen aber zugänglich ist. Sekundär entstehen Varizen durch venöse Abflußbehinderungen wie Thrombosen, mechanischen Hemmnissen, z. B. bei einer Leberzirrhose (Ösophagusvarizen infolge Pfortaderstauung), aber auch in der die Beckenvenen komprimierenden Schwangerschaft; sie bilden sich bei primär gut tonisierter Venenwand aber erstaunlich gut zurück, wenn nach dem Partus das Hindernis beseitigt ist und die Überdehnung (durch Behandlung) in Grenzen bleibt. Oblitertierende Venenerkrankungen wie die Phlebothrombose, die Thrombophlebitis und das postthrombotische Syndrom (Ödem, Pigmentierung, Ulzera), entstehen auf dem Boden einer primären Varikosis oder hämatogen im Verlauf einer schweren, zu Bettruhe zwingenden Erkrankung, jetzt bedingt durch verzögerte Blutströmung und erhöhte Blutgerinnung. Schon R.Virchow hat gelehrt, daß zu langsam fließendes Blut einer der ursächlichen Faktoren für die Entstehung einer Thrombose ist (S. 892). Die oberflächliche Varikosis hat für sich allein nur kosmetische Bedeutung. Sind die Rami communicantes insuffizient oder die tiefen Venen dekompensiert, dann bildet sich der variköse Symptomenkomplex heraus: Schmerzen im Stehen (nicht im Liegen) in den Beinen, keine Wadenkrämpfe [435] — der Name Krampfader hat eine andere Herkunft — Stauungen mit ödematöser Schwellung, Induration, Pigmentierung der Haut, Stauungsdermatosen, Ulcera cruris. Sekundäre Thrombosen der tiefen Venen sind oft eine Folge der primären Varikosis, während sich beim postthrombotischen Syndrom sekundär die Varikosis weiter ausbreitet.

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6.4.3 Diagnostik venöser Mängel Die augenfällige Symptomatik oberflächlicher, erweiterter, geschlängelter Varizen erfordert — sofern Beschwerden bestehen — eine Klärung, ob, wo und wie weit auch tiefer liegende Venen erweitert oder eingeengt sind. Die Anamnese gibt differentialdiagnostische Hinweise. Typisch ist die Art des Schmerzes. Anders als bei den arteriellen Durchblutungsstörungen schmerzen die Beine, vor allem die Waden nur beim Stehen; beim Gehen schwindet der Schmerz wieder. Wenn Muskelverkrampfungen auftreten, dann geschieht dies in Ruhelage, besonders in der Nacht. Das Bild vermischt sich, wenn gleichzeitig ischämische Behinderungen bestehen. Mit der Palpation prüft der Arzt subjektive Schmerzangaben. Bestimmte Druckpunkte und Handgriffe (Abb. 192) zeigen ihm, sofern er die gestaute Vene nicht direkt tasten kann, die tieferen, varikösen oder thrombotischen bzw. thrombophlebitischen Prozesse. Die Innenseite der Oberschenkel über dem M. sartorius und M. gracilis (a) und die Muskelansätze über dem medialen Kniegelenkspalt (b) sind gegebenenfalls druckschmerzhaft. Phlebitische Vorgänge in der V. saphena magna (sog. Stammvarikosis) sind durch Druckempfindlichkeit entlang der medialen Tibiakante ( c = Meyersche Druckpunkte) zu vermuten. Schmerzen in der Wade beim Aufblasen einer Blutdruckmanschette (d = Lowenberg-Test) sowie Druckschmerz der Plantarmuskulatur (e = Payrsches Zeichen), andererseits Wadenschmerzen bei Plantarflexion des Fußes (f = Homansches Zeichen), weisen auf Venenerkrankungen in der unteren Extremität hin. Bei Bettlägerigen ermöglichen diese palpatorischen Hinweise zuweilen die frühdiagnostische Erkennung einer klinisch noch stummen Phlebothrombose und so deren rechtzeitige Behandlung. Die klinisch wichtige Frage, ob die Venenklappen schließen, klärt der Trendelenburg-Test. Der Arzt streicht zunächst die sichtbaren Varizen am hochgehaltenen Bein aus. Jetzt legt er hoch am Oberschenkel eine Staubinde an, und der Patient geht damit einige Schritte hin und her. Sind die Klappen der Venae perforantes unterhalb der Stauung insuffizient, dann fließt regelwidrig venöses Blut aus der Tiefe in die oberflächlichen Varizen zurück. Über die tiefen Venen bzw. deren Verschluß gibt der Perthes-Test Auskunft. Der Arzt bindet das Bein venös mit einer Staubinde unterhalb des Kniegelenkes ab. Geht jetzt der Patient und entleeren sich nun die prall gefüllten Venen, dann sind die tiefen Venen noch durchgängig. Objektivierende Meßmethoden mit sehr viel höherer Validität sind die einfache und zuverlässige Ultraschall-Doppler-Sonographie, die etwas schwierigere, aber leicht erlernbare Venenverschlußphlethysmographie und die aufwendigeren Techniken der röntgenologischen Kontrastmittelvenographie bzw. Isotopendiagnostik (vgl. arterielle Diagnostik, S. 857). Die Sonographie nutzt die Verknüpfung zwischen venösem Blutstrom und Atmung. Inspiratorisch läßt die Strömung nach, weil mit dem tiefertretenden

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Zwerchfell der ansteigende Druck im abdominalen Bereich die Vena cava komprimiert, so daß weniger Blut abfließt, expiratorisch läßt der Druck auf die Hohlvene nach, mehr Blut strömt jetzt dem Herzen zu. In der Peripherie macht die DopplerSonographie dies deutlich. Man mißt an definierten Stellen (Leiste, Kniekehle, Knöchel) den Doppler-Effekt bei forcierter Bauchatmung, im Valsava-Versuch und bei manueller Kompression distal und proximal des zu untersuchenden Abschnittes. Fehlt ein Strömungsgeräusch oder ist es abgeschwächt, fehlen die atemsynchronen Schwankungen der Fließgeschwindigkeit distal der Meßstelle oder wird die normale Reaktion auf das Valsalva-Manöver vermißt und zeigt sich hier ein deutlicher Reflux, dann sind eine Klappeninsuffizienz oder thrombotische Einengungen oder Verschlüsse erwiesen. Die Venenverschlußphlethysmographie (gr.: plethys=Fülle, graphein = schreiben) mißt die Venenkapazität über die Volumenzunahme, die sich einstellt, wenn der Blutabstrom verschlossen wird, ferner das Maß des venösen Abstroms, wenn man den Verschluß wieder löst. Man lagert das Bein zunächst für 15 Minuten hoch, damit die Venen gut leerlaufen. Jetzt versperrt eine angelegte Blutdruckmanschette bei 50-60 mm Hg Staudruck für 3-5 Minuten den venösen Abstrom. So füllt sich die Venenkapazität aus dem nicht gedrosselten arteriellen Zustrom auf; dieser Einstrom wird über Dehnungsmeßstreifen registriert (Volumenzunahme). Löst man die Okklusion, dann gibt die Geschwindigkeit der Volumenabnahme ein Maß für den venösen Abstrom. Ist die Venenkapazität auf weniger als 1,9 ml/ 100 ml Gewebe vermindert und die Geschwindigkeit der Entleerung träger als 35 ml/100 ml Gewebe/min, dann ist eine tiefe Beinvenenthrombose so gut wie sicher. Die invasive Methode der Phlebographie wird aszendierend von einer Vene am Fußrücken, oder retrograd mit Preßdruck von der Vena femoralis aus vorgenommen. Sie ist die zuverlässigste Methode zur Lokalisation von Thrombosen. Die Isotopenvenographie registriert szintigraphisch den Sitz eines Thrombus. Neuerdings wird auch die Infrarotthermographie eingesetzt. Sie macht seitendifferente Hauttemperaturen sichtbar: über venös gestauten Gebieten ist die Temperatur höher oder die Abkühlung verzögert.

6.4.4 Behandlung erkrankter Venen Die Behandlungsgrundsätze und Ziele leiten sich aus der Pathophysiologie bzw. Pathogenese der Phlebopathien ab. Physikalische Kräfte und tonisierende Medikamente bieten sich an. Ist bei erweiterten Venen die Kapazität des Systems überladen, stört dazu eine funktionelle Klappeninsuffizienz die Venomotorik und die Richtung des venösen Abflusses, hindern andererseits zu enge Gefäßabschnitte den Blutabstrom herzwärts, muß der Arzt prüfen, ob konservative, funktionell wirksame Maßnahmen noch oder allein genügen und ob bzw. wann chirurgische Eingriffe notwendig sind.

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Es hat sich als zweckmäßig für die Planung einer systematischen Langzeittherapie erwiesen, die Venopathien in drei Gruppen zu unterteilen: ein Vorstadium, in dem präventive Bemühungen bewegungs- und hydrotherapeutischer Art ständig verwendet werden sollten, die chronisch-venöse Insuffizienz, bei der die physikalisch-mechanischen Hilfen passiver und aktiver Art die größte Bedeutung haben, und die akuten Venenerkrankungen, Thrombosen und Thrombophlebitiden, die sofort nach kombinierten medikamentös-chirurgisch-physikalischen Methoden behandelt werden müssen. Dazu kommt schließlich noch das Ulcus cruris varicosum, das unter der lokalen Pflege mit Salbenverbänden nur abheilt, wenn die Umstände, die das Ulkus entstehen ließen, die venöse Stauung (Ödeme) und die schlechte lokale Trophik, erfolgreich korrigiert werden. Die physikalischen Behandlungen sind symptomatischer Art, gezielt und spezifisch wirkend oder auch allgemein unspezifisch. Reicht der Druck der Rückstellkräfte für den notwendigen Stromfluß jiicht aus, dann ergänzt man ihn mechanisch von außen, substituiert ihn gewissermaßen mit Kompressionsverbänden oder Stützstrümpfen und sorgt so für einen guten Abfluß des venösen Blutes mit größerer Strömungsgeschwindigkeit und verhindert auch den schädlichen Rückfluß. Eine solche, den Außendruck stützende Kompressionsbehandlung muß aber eine Dauertherapie sein. Lagerungen nutzen den positiven Wert der Schwerkraft, Bewegungen schalten gezielt die Muskelpumpe ein. Hydrotherapeutische Kaltreize erhöhen den aktiven, muskulär kontraktilen Venentonu.v und senken die Hypervolämie, auch gewisse elektrische Ströme bewirken dies. Der hydrostatische Außendruck der Bäder fördert wiederum passiv-mechanisch den Rückfluß des Blutes. Sowohl in der Behandlungsphase als auch in der Prävention sind alle diese Verfahren unentbehrlich. Der Arzt vermag bereits ausgeprägte Veränderungen der Venen und Symptome ursächlich durch Verödung oder Venenexairese (gr.: exaireein = herausnehmen), speziell für die Venen auch „Stripping" genannt, auszuschalten. Gegebenenfalls reseziert er auch Seitenäste, oder er unterbindet insuffiziente Vv. perfQrantes. Solche Maßnahmen setzen aber voraus, daß der Blutabfluß über die tiefen Venen gut funktioniert. Sind die Klappen der Vv. communicantes defekt, dann wird der Abfluß aus dem Saphena-Stromgebiet durch Reflux gestört. Eine Verödung oberflächlicher Venen würde jetzt die verbleibenden Venen noch mehr überdehnen. Im folgenden werden die verschiedenen Verordnungen zur Behandlung der Venenleiden in therapeutisch-methodischer Ordnung dargestellt. Die jeweils angesprochenen Mittel, Medikamente, mechanische Kräfte, Bewegung, thermische, hydriatische und elektrische Energie, tragen alle in den drei Phasen eines Venenleidens je nach Befund zur Linderung und Heilung bei.

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Übersicht über die Behandlungsvorschläge Kausale Therapie (A) Kausale Behandlungsmöglichkeiten, z. B. Thrombektomie, sind selten gegeben. Die Verödung kann nur in einfach gelagerten Fällen den Kranken von seinem Leiden befreien. In die Pathogenese dagegen greift der Arzt lindernd mit allen symptomatischen Behandlungen (B) ein; sie wirken gleichzeitig vorbeugend (D) gegen Verschlimmerungen und Komplikationen Symptomatisch-gezielte Behandlungen (B) Medikamentös: Verbände mit entzündungshemmenden Salben. Per os zur Linderung Azetylsalizylsäure. Sicher bewährt zur Tonisierung hat sich nur das Dihydroergotamin Bei tiefer Thrombophlebitis Thrombolyse mit Streptokinase, später Antikoagulantien Physikalisch-therapeutisch: Mechanotherapie: Kompressionsverbände; spezielle Massagen Krankengymnastik: Aus Lagerungen (Blutabfluß) heraus entstauende, rückflußfördernde Muskelübungen Hydrotherapie: Kaltreize, z.B. Knie-, Schenkel-, Untergüsse, ggf. auch Wechselgüsse, Fußbäder, Wassertreten, Schwimmen Bei entzündlichen Reizzuständen Packungen, Wickel Elektrotherapie: Stabile Galvanisation. Diadynamische und Träbertsche Reizströme Allgemein-unspezifische Behandlungen (C) Kurbehandlungen mit C0 2 -, Sol-, Schwefelbädern, kombiniert mit (B) Vorbeugende Maßnahmen (D) Entsprechende Lebensführung Erläuterungen zu A bis D Kausale Therapie (A) Auf krankmachende Ursache-Wirkungsbeziehungen kann der Arzt bei anlagebedingter Venenschwäche nur Einfluß nehmen über präventive Bemühungen. Die operative Methode des „Stripping" beseitigt die Stauvarikose (S. 878) bzw. schaltet die Symptomatik aus, die entsteht, wenn das mit der Muskelpumpe aus den tiefen

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Venen über die V. femoralis hochgepumpte Blut in die V. saphena magna bei Insuffizienz ihrer Mündungsklappe (Crossen-Insuffizienz) wieder zurück- und nach unten abfließt (Reflux). Die Thrombektomie ist, wenn ein Thrombus die alleinige Ursache einer Rückflußstörung war, eine der seltenen Gelegenheiten einer kausalen Therapie. Die Verödung erfordert hinsichtlich Indikationsstellung, Technik [605] und Auswahl des Verödungsmittels große Erfahrung. Die Sklerotherapie eignet sich bei nicht sehr großen Erweiterungen im Bereich der V. saphena parva und für Nebenschlußvarikosen [187], Auch sie beseitigt in günstig gelagerten Fällen die gesamte Symptomatik. Die Therapie des Ulcus cruris (S. 893) kann man insofern als kausal bezeichnen, als dieses Symptom nur abheilt, wenn die Verordnungen seine Ursache, die variköse Stauung und damit das Ödem, beseitigen.

Symptomatisch-gezielte (B) und allgemein-unspezifische (C) Behandlungen Bei den symptomatisch-gezielten Behandlungen konservativ-physikalischer Art gibt es, je nachdem ob Varizen, Phlebitiden bzw. Thrombophlebitiden oder Thrombosen behandelt werden sollen, eine Reihe von Möglichkeiten. Phlebitiden und Thrombosen verlangen stets nach einer kombinierten, medikamentösen und physikalischen Behandlung. Medikamente: Oberflächliche Venenentzündungen erfordern Kompressionsverbände mit entzündungshemmenden, herparinoidhaltigen Salben, keine Bettruhe, je nach Tätigkeit aber Ruhepausen mit Lagerungen und leichten Bewegungen. Als entzündungswidriges und analgetisch wirkendes Medikament eignet sich besonders die Azetylsalizylsäure, weil sie auch die Thrombozytenaggregation hemmt und so vorbeugend hilft. Phenylbutazon hat gleichfalls eine entzündungs- und schmerzlindernde Wirkung, darf aber nicht gleichzeitig mit Antikoagulantien gegeben werden. Die sogenannten „Venenmittel", die antiödematös wirkenden Flavonoide, die Roßkastanienpräparate und andere, lindern die subjektiven Beschwerden, ändern aber wenig an den geweblichen und funktionellen Mängeln. Tonisierend auf die Venenwand wirkt allein das Dihydroergotamin, und zwar viel stärker an den Venen als an den Arterien, so daß Minderdurchblutungen im arteriellen Bereich nicht zu befürchten sind [574]. Alle tiefen Venenentzündungen hinterlassen stets irreparable Schäden durch das postthrombotische Syndrom, wenn der Thrombus nicht in sehr kurzer Zeit operativ entfernt oder medikamentös aufgelöst werden konnte. Sie treten als akute Thrombosen auf — die Nachsilbe ,,-itis" deutet den entzündlichen Reizzustand an — und sollten so früh wie möglich, bevor das Bein dick geschwollen ist, intensiv medikamentös-fibrinolytisch behandelt werden, sofern die Operation nicht möglich ist. Anschließend ist für lange Zeit die medikamentöse Weiterbehandlung für ein halbes Jahr oder länger mit Antikongulantien unerläßlich, weil die Throm-

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bophlebitis häufig so lange noch in Schüben verläuft, und ein Leben lang eine Behandlung mit physikalischen Verfahren nach den Prinzipien der statisch-dynamischen Rückflußförderung (Mechanotherapie, Hydrotherapie) notwendig ist. Die Thrombolyse mit Streptokinase — sie dringt in den Thrombus ein und führt zu Piasminbildung und Lyse — ist noch wirksamer, wenn der Arzt den Thrombus mit einem gut sitzenden Kompressionsverband umschließt [586]. Dieser hält nicht nur den Thrombus fest und verhindert seine embolische Verschleppung, sondern verengt auch die Venen und erhöht so die Strömungsgeschwindigkeit, womit vorbeugend — auch das nicht betroffene Bein sollte gewickelt werden — neue Thrombosen, wenn längere Bettruhe unvermeidlich ist, verhindert werden. Die Dauertropfinfusion fesselt den Kranken für mindestens 48 Stunden ans Bett. Die Weiterbehandlung mit Antikoagulantien beginnt, wenn keine Kontraindikationen vorliegen, noch während der Lysetherapie. Der Arzt stellt die Pharmaka auf eine Langzeitdosierung ein. Mechanotherapie: Der wenig gebräuchliche Ausdruck „Mechanotherapie" ist hier angezeigt, weil die Pathogenese der Venenerkrankungen zu mechanischen Betriebsstörungen führt und die Physikalische Therapie überwiegend mechanische Kräfte, Kompression durch elastische Verbände, Druck und Zug der Massagen, den hydrostatischen Druck der Teilbäder und die bewegenden Aktivitäten der Krankengymnastik einsetzt. All diese Kräfte unterstützen den Blutrückstrom in den Venen. Die Kompressionsverbände und Stützstrümpfe sind sowohl für die Therapie als auch für die Prophylaxe aller venösen Beinleiden als sogenannte Basisbehandlungen unentbehrlich. Sie allein vermögen eine venöse Stase zu verhindern, indem sie dem hydrostatischen Druck innerhalb der erweiterten Venen entgegenwirken, die Venen auch enger machen und so die Strömungsgeschwindigkeit erhöhen. Auch die insuffizienten Klappen schließen so wieder, wenigstens zum Teil. Die Kompression des Gewebes bremst auch die Filtration nach außen und steigert, sofern schon Ödeme vorhanden sind, die Rückfiltration. Die Technik der Verbände erfordert viel Erfahrung und Gefühl für den passenden Druck. Er muß von distal nach proximal abnehmen, wie der hämostatische Druck im gesunden Venensystem. Je nach dem gegebenen Befund bzw. der Symptomatik liegt die notwendige Druckkraft zwischen 20 und 60 mm Hg (2,5-ca. 8,0 kPa). Da es aber keine Druckmesser gibt, die während des Verbindens den Druck angeben, muß man selbst beurteilen können, welche Kraft jeweils beim Wickeln passend ist. Es kommt darauf an, daß der Verband den arteriellen Zustrom nicht behindert, den venösen Abstrom aber gut unterstützt, weil der äußere Druck bzw. die Kompression allein nicht ausreicht, sondern unter Bewegungen auch die Muskelpumpe mithelfen muß. Ein gut anliegender Verband setzt mit seiner Elastizität der Druckphase in der Muskelaktion einen gewissen Widerstand entgegen. Der Beinumfang kann sich darüber nicht so weit ausdehnen, daß venöses Blut in die Peripherie ausweicht und hier liegen bleibt. Die Wade wird von überkreuzend laufenden Bindenzügen etwas abgestützt (Abb. 193). Die Wickel-

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E

A- Anfang E- Ende

Abb. 193 Wickeltechnikeines Kompressionsverbandes.

tour beginnt stets am Fuß und reicht mindestens bis unter das Kniegelenk, bei thrombophlebitischen Prozessen am Oberschenkel bis zur Leiste oder darüber. Das Material der Binden muß aus Gummi sein bzw. Gummizüge enthalten. Sogenannte elastische Binden, die weniger elastisch, sondern mehr dehnbar sind, genügen den Anforderungen nicht. Kompressionsstrümpfe der verschiedenen Druckklassen zieht der Patient stets im Liegen bei hochgehaltenen Beinen an, damit gestautes, venöses Blut vor dem und während des Überstreifens abfließt. Würde der Strumpf, wie auch der Kompressionsverband, an einem noch gestauten Bein angelegt, verlöre er bald mit der einsetzenden kompressiven Entstauung seine Wirkung. Die Industrie bietet vier Druckklassen der Kompressionsstrümpfe an: leichte (20 mm Hg Andruck in der Knöchelgegend), mittelkräftige (30 mm Hg), kräftige (40 mm Hg) und extra kräftige (60 mm Hg = 4-8 kPa). Neuerdings haben sich Strümpfe mit abgestufter Kompression bewährt, besonders mit einem Druckgradienten von 18 mm Hg (ca. 2,2 kPa) am Knöchel, abfallend auf 8 mm Hg (ca. 1 kPa) am Oberschenkel [197], Die Tabelle 34 (leicht gekürzt nach [153]) gibt eine Übersicht über die Indikationen der einzelnen Kompressionsklassen. Die Indikationen für Massagen müssen sehr streng gestellt werden. Am falschen Platz und zur unrechten Zeit nützen sie nichts, schaden aber unter Umständen. Wie schon im Teil II erwähnt (S. 86), finden sich in der Muskulatur varikös belasteter Beine häufig Muskelhärten, die durch Druck auf die weichen Venenwände stellenweise den Blutabstrom behindern. Vor allem im Bereich des Adduktorenkanals tastet man oft solche hypertonen Hindernisse, die bei gegebener Disposition sogar zusätzlich noch sekundäre Varizen aufkommen lassen. Lockernde Massagen, deren Ort der Arzt genau palpierend aussuchen und beurteilen muß, damit nicht Thrombosen, die irrtümlich für Myogelosen gehalten werden, unter Massagegriffe geraten, können diesen muskulären Mißstand beheben. Solche Behandlungen zu unterlassen birgt mehr Gefahren als eine vorsichtige Massage bei der Variköse und selbst bei chronischen Thrombophlebitiden [346]. Natürlich darf sie nur ein erfahrener Masseur nach exakter ärztlicher Anweisung vornehmen. Leich-

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Tabelle 34 Indikationen verschiedener Drücke in Kompressionsverbänden Klasse

Andruck Fessel mm Hg

Indikation

I leicht

20

leichte Beschwerden, geringe Varikosis, Ödemneigung, beginnende Schwangerschaftsvarikosis

II mittelkräftig

30

stärkere Beschwerden, ausgeprägte Varikosis, nach: abgeheilten Ulzera, Thrombophlebitiden, Verödung

III kräftig

40

postthrombotische venöse Insuffizienz, abgeheilte schwere Ulzera

IV extra kräftig

60

Lymphödem, Elephantiasis

te Streichungen herzwärts, die bei Bettlägerigen, bei denen die Muskelpumpe stillsteht, den venösen Rückstrom unterstützen, haben vorbeugenden Charakter. Oberflächliche Varizen werden selbstverständlich ausgespart. Da die Lymphbahnen im Nebenschluß des venösen Systems liegen, wirkt die sogenannte manuelle Lymphdrainage [653] wie eine sachgemäß ausgeführte Streichmassage. Sie ist deshalb keine eigenständige Behandlungsmethode. Die Lymphbahnen besitzen — wie die Venen — auch Klappen, der Mechanismus der Venenpumpe der Muskeln ist so zugleich auch eine Lymphpumpe, die sowohl dem Filtrationsödem in den unteren Extremitäten entgegenwirkt, wie sie auch den Lymphabfluß unterstützt [366]. Bindegewebsmassagen im Kreuzbein-Lendenbereich fördern die arterielle Versorgung der Beine; sie sind deshalb beim Ulcus cruris indiziert, sollen aber auch den Tonus des venösen Schenkels erhöhen. Krankengymnastik: Eine Bewegungstherapie ist bei der drohenden oder ausgebildeten Variköse, bei den oberflächlichen Thrombophlebitiden und beim Ulcus cruris gleichermaßen unentbehrlich. Auch die Lagerungen, aus denen heraus die Krankengymnastin bestimmte Übungsprogramme aufbaut und dem Patienten beibringt, sind hier angebracht. Da Sitzen und Stehen für das zu schwache, hypotone Venensystem nachteilig ist, tut es den betroffenen Patienten gut, wenn sie möglichst oft, intermittierend, die Beine hochlagern. Horizontal auf dem Rücken liegend ruhen die Unterschenkel auf einem ca. 20 cm hohen, festen Kissen, so daß die Oberschenkel in einem Winkel von 45° zum Hüftgelenk abfallen. Der Kopf liegt auf einem flachen Kissen. Soll der Körper ganz gestreckt bleiben, um den Winkel nahe der Einmündung der V. saphena magna in die V. femoralis zu vermeiden (Leistenbeuge), dann erhöht man das Fußende des Bettes um ca. 30 cm. Oft wird dies aber als zu unbequem empfunden, weil der Kopf zur tiefsten Stelle des Körpers wird. Solche La-

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gen entstauen aber besonders gut, denn der Rückfluß unterliegt jetzt der Schwerkraft. Diesen passiven Rückfluß unterstützt der Patient noch, wenn er während des Liegens nach krankengymnastischer Anleitung Bewegungen macht: er beugt und streckt mit hochgelagerten Beinen die Zehen, auch die Füße in den Sprunggelenken (Muskel-Gelenk-Pumpe) und macht Rollübungen, beugt die Kniegelenke und hebt dabei die Unterschenkel, legt das Bein wieder ab, ruht eine Weile und wiederholt das Ganze. In der Freizeit, etwa morgens und abends, ist eine unter krankengymnastischer Anleitung erlernte Gymnastik mit isotonen Bewegungen der Extremitäten (vgl. Stoffwechselübungen, S.196) und Atemübungen für alle Patienten mit Venenleiden die beste Prophylaxe. Auch die Fußgymnastik regt die so wichtige Muskelpumpe an. Der große Wert, den bei Bettlägerigen zur Verhütung von Thrombosen die Lagerungen und Bewegungen haben, unter denen die venöse Strömungsgeschwindigkeit in den Bein- und Beckenvenen erheblich zunimmt, ist aus der Tabelle 35 ersichtlich.

Tabelle 35 Prozentuale Zunahme der venösen Strömungsgeschwindigkeit (in horizontaler Lage bei Körperruhe ist die Strömungsgeschwindigkeit = 100% gesetzt, nach [446])

Zehengymnastik Fußgymnastik Stehen Gehen Fußende 20° hoch Beine 90° hoch Atemübung Bettfahrrad Elastische Strümpfe

Beine

Becken

160% 190% 60% 120% 250% 370% 130% 440% 190%

150% 150% 70% 113% 180% 260% 115% 470% 120%

Da die Bettgymnastik höchstens dreimal täglich möglich ist, ihre Wirkung auf die Strömungsgeschwindigkeit aber nur solange anhält, bis die Frequenz und der Blutdruck wieder zu ihren Ausgangswerten zurückgekehrt sind, werden für die Zwischenzeit elastische Strümpfe mit einem Druck von ca. 20 mm Hg empfohlen. Sie erhöhen alleine schon die Fließgeschwindigkeit, machen aber die Bewegungsübungen nicht entbehrlich. Für kardial belastbare Patienten gibt es im Handel ein Bettfahrrad. Es wurde schon erwähnt (S.654), daß Patienten, die still liegen müssen, z.B. nach einem Lungeninfarkt bei tiefer Thrombophlebitis, einer ausgewählten krankengymnastischen Behandlung bedürfen. Der Sohlendruck, der bei Bettruhe weg-

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fällt und so dem venösen Blut in den Beinen etwas mehr Raum läßt, wird vorsichtig dosierbar wieder eingebracht. Dies geschieht mit einem Kistchen am Fußende des Bettes, gegen das der Patient sich öfter anstemmt und so schon leichte isometrische Spannungsübungen mit den Fußstreckern macht. Bei einseitiger Phlebitis läßt die Krankengymnastin am gesunden Bein kräftigere isometrische Spannungen (ohne Preßdruck, S. 702) ausführen. Sie nimmt zu gegebener Zeit nach ärztlicher Verordnung, zunächst vorsichtig dosiert, aktive, isotone Bewegungen hinzu, ohne das Thrombosebein einzubeziehen. Später wird mit mehr Kraft geübt, um den ganzen Kreislauf anzuregen. Gelegentlich liest man die Empfehlung, bei strenger Bettruhe wegen der Gefahr des Lungen- oder Herzinfarkts keine Atemübungen zu machen [630], Das trifft für tiefe Atemübungen mit starken Rückwirkungen auf die Hämodynamik sicher zu, nicht aber für die stets gegebene Notwendigkeit, sehr bald nach dem akuten Ereignis für eine gleichmäßige Belüftung der Lunge zu sorgen, die beide Schenkel des Kreislaufes eher entlastet als beschwert. Eine geschulte Krankengymnastin überfordert die Patienten damit nicht. Manchmal wird der Rat gegeben, bei der Varikosis Hüpf- und Springübungen, etwa mit einem Seil zu machen. Dagegen bestehen aber Bedenken, weil mit dem Aufprall auf den Boden, auch wenn er elegant und federnd erfolgt, die venöse Blutsäule einen kräftigen Schub nach unten erhält, den die Venenklappen und die sehr dehnbaren Venenwände auffangen müssen. Zum Training zu schwacher Beinmuskeln für die Venenpumpe ist hier, statt solcher Schnellkraftübungen mit Erschütterungen, eine Ausdauergymnastik mit langsameren Bewegungstempo geeigneter. Hydrotherapie: Die Hydrotherapie ist zur Vorbeugung ausgeprägter Varizen und deren Folgen im Vorstadium ebenso unentbehrlich, wie sie zur Behandlung der Phlebopathie aller Zuschnitte einen wertvollen Beitrag leisten kann. Ihre Ziele sind die Senkung des Venendrucks durch Gegendruck — steht der Mensch bis zur Herzhöhe im Wasser, dann hebt der Kompressionsdruck den hämostatischen Druck in den Venen auf — und die Erhöhung der Wandspannung der Venen, d. h. des kontraktiven Tonus ihrer Muskulatur. Die Kaltreize, praktiziert als Knie-, Schenkel- und Untergüsse erhöhen den Tonus der glatten Muskulatur der Venenwand über spinale und auch zentral vermittelte Impulse [103]. Es wurde nachgewiesen [541], daß unter solchen Kaltreizen die ausgeprägte Volumenvermehrung bei Varizenträgern abnimmt und nicht nur länger als 45 Minuten über die Abkühlung hinaus verringert bleibt, sondern unter Behandlungsserien auch chronisch abnimmt, was mit einer geringeren Dehnbarkeit der Venenwände aufgrund eines verbesserten Tonus im Sinne eines Trainingseffektes erklärt werden könnte. Wenn es gilt, bei ungenügender Vasomotorentätigkeit mit Neigung zu kalten Füßen die Gesamtdurchblutung anzuregen, sind auch Wechselgüsse angezeigt. Es ist aber eine Kunst des Aufbaus und der Dosierung, die Haut gut durchblutet und warm zu halten und den venösen Abfluß gleichzeitig mit tonisierenden Kaltreizen

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bestmöglichst zu unterstützen. Die Kaltreize bremsen auch die Filtration ins Gewebe und verhindern so Ödeme. Der Patient selbst macht kalte oder wechselwarme Fußbäder. Anders als bei den arteriellen Durchblutungsstörungen können, je nach Situation, die Füße länger im nicht zu kalten Wasser bleiben. Eine wertvolle Kombination von Kaltreizen, Kompression und Bewegung ist das Wassertreten (S.281). Es betätigt intensiv die Venenpumpe. Beim „Storchenschritt" schiebt der von unten nach oben sich auswirkende Wasserdruck das venöse Blut in Richtung Herz, und zu der äußeren Kompression der Venen kommt der tonisierende Reiz des kalten Wassers (15-18 °C). Bei entzündlichen, thrombophlebitischen Reizzuständen sind die wärmeentziehenden, antiphlogistisch wirkenden kalten Packungen indiziert. Statt feuchter Umschläge verwendet man gerne kalte Schlamm- oder Lehmwickel, die — da sie mehr Wärme aufnehmen — über längere Zeit (1-2 Stunden) gut kühlen, bevor sie anfangen, die Wärme zu stauen. Sie mazerieren die Haut weniger, als es die nassen Tücher der kalten Wickel tun. Auch die Druckwirkung ist größer. Die seinerzeit von Kneipp besonders gepriesenen Quarkwickel [330] kühlen nicht besser und nicht nachhaltiger ab als Lehm. Es erscheint deshalb nicht vertretbar, dieses wertvolle Nahrungsmittel für Packungen zu vergeuden. Für die Nacht, bei sehr warmen Füßen, empfehlen Kneippanhänger bei leichter Varikosis die nassen Strümpfe, die etwa einem kalten Fußwickel entsprechen. Sie haben den Nachteil, daß man — kaum eingeschlafen — wieder erwacht, wenn die Socken warm und lästig werden und so auch ihren Zweck nicht mehr erfüllen. Ein kalter Knie- oder Schenkelguß in der Wanne oder Dusche vor dem Schlafengehen leistet meist bessere Dienste. Nach 1 - 2 Minuten werden die etwas zyanotisch geröteten Füße deutlich blasser oder zeigen eine frischere Rötung. Ein aufkommender Gefäßschmerz, der bei guter arterieller Durchblutung erlaubt ist, zeigt an, daß die zu große Blutfülle aus den venös überfüllten Füßen abgeflossen ist. Wärme ist in der Regel bei den Phlebopathien nicht angezeigt, weil sie die Venen mit der aufkommenden Notwendigkeit, mehr Blut aufzunehmen und zu transportieren, stark erweitert. Die erhöhte Venenkapazität unter lokal eingegrenzter Wärmegabe wird aber nicht allein durch den arteriellen Einstrom erklärt, mit dem der Venendruck ansteigt, denn schon bei leichter Varikosis beginnt die Klappenfunktion im erwärmten Bereich unter Belastung zu versagen [224]. Dieses schlechte Ergebnis könnte für eine direkte, erweiterende Wirkung der Wärme auf die Venenwand sprechen. Ist Wärme aber aus anderen Gründen indiziert, etwa bei degenerativen Gelenkschäden, dann verhindern milde Überwärmungsbäder mit dem äußeren Wasserdruck, daß die Venen sich zu stark auffüllen. In der Nachphase müssen die Beine hochgelagert werden, bis mit der wieder eingeregelten Körpertemperatur der erhöhte Blutumlauf zur Ruhe gekommen ist. Allgemein unspezifisch wirken Bäder indifferenter Temperatur auf das gesamte Gefäßsystem. Als besonders anregend werden C0 2 -Bäder sowie Sol- und Schwefelbäder empfohlen.

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Elektrotherapie: Für die Auswahl elektrischer Durchströmungen oder Durchflutungen (S. 392) gibt es verschiedene Motive. Galvanische Längs- und Querdurchströmungen wirken analgesierend bei schmerzhaften Stauungs- und Spannungszuständen. Wichtiger ist natürlich, daß diese selbst behoben werden. Neben den erwähnten mechano- und hydrotherapeutischen Prinzipien sollen die Zweizellenbäder in absteigender Schaltung (Beine: Kathode) den venösen Abfluß verbessern, wobei auch wiederum der äußere hydrostatische Druck des Teilbades vorteilhaft ist. Mit diadynamischen Strömen wird das Prinzip verfolgt, rhythmische, mechanische Druckimpulse auf die Venen mit Kontraktionen der umgebenden Muskeln zu übertragen. Die Schaltung PC (Frequenzmodulation) die im Sekundenrhythmus zwischen D F und M F wechselt, betätigt die Muskelpumpe, wenn die Intensität so gewählt wird, daß sich während der 50 Hz-Phase (MF) die Muskelfasern kontrahieren, und sie in der 100 Hz-Phase (DF) wieder erschlaffen. Die Stromstärke darf nicht so hoch sein, daß es in beiden Phasen zur Dauerkontraktion kommt. Als Basisstrom wird in Impulsströmen ein konstanter galvanischer Strom von 1 - 3 mA unterlegt (Diadynamik), der — wie schon erwähnt — eine analgesierende Wirkung hat und auch vorhandene Ödeme zur Resorption bringt. Die Anode liegt der Fußsohle an, die Kathode an der Innenseite des Oberschenkels (vgl. „aufsteigende" = mehr anregende Schaltung für die galvanische Komponente, S.353). Beide Beine werden gleichzeitig durchströmt, wenn man je eine kleine Elektrode an beiden Waden anbringt (Behandlungsdauer ca. 5 Minuten). Ein kombiniertes Verfahren nutzt der Träbertschen Reizstrom im Zweizellenbad [330]: Die Fußbäder werden kathodisch gepolt, die großflächigen Anoden im Segment, d. h. über der Lendenwirbelsäule angelegt. Die „absteigende" Schaltung fördert die analgesierende Wirkung. Die Rechteckimpulse von 2 ms Dauer stellt man zunächt sensibel unterschwellig bis eben schwellig ein und gibt den Strom so 5 Minuten lang; die Intensität muß unter der motorischen Reizschwelle bleiben. Anschließend folgen die Impulse als Schwellstrom etwa 30 Schwellungen pro Minute. Die Stromstärke wird so geregelt, daß sich die Muskeln am Unterschenkel im Schwellrhythmus kräftig kontrahieren. An anderen Impulsstromschaltungen vergleichbarer, aber noch schmerzhafter Art, hat sich gezeigt, daß solche Behandlungen zur Verhütung tiefer Beinvenenthrombosen nach operativen Eingriffen gut geeignet sind [46], Konstant fließender galvanischer Strom soll — gegebenenfalls ein weiterer Anlaß für elektrotherapeutische Verordnungen — nach einer theoretisch interessanten Begründung [378] auch t h r o m b o t i s c h e und rekanalisierende Wirkungen entfalten. Danach haftet, so die Begründung, ein Thrombus unter galvanischer Durchströmung fester an der Gefäßwand und zwar an der Kathodenseite. Hier wachsen Fibrozyten in den Thrombus ein und fixieren ihn fest an der Gefäßwand, während er sich auf der gegenüberliegenden, anodischen Seite im Gefäßlumen ablöst und schrumpft, so daß die Vene weiter und damit rekanalisiert wird. Die Methode hat sich bis heute nicht durchgesetzt, sicherlich weil der schwieri-

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ge klinische Nachweis ihrer Wirksamkeit noch aussteht. Da die Thrombosen sehr häufig in den Beckenvenen sitzen, diese aber in der geforderten Weise nicht galvanisch durchströmt werden können, scheiden viele Patienten für dieses Verfahren aus [130], Unklar ist auch, wie man der Forderung nachkommen kann, die Kathode an der ursprünglichen Fixationsstelle des Thrombus anzulegen, da diese, wenn überhaupt, nur phlebographisch auszumachen ist, in der Regel unbekannt bleibt. Hochfrequenzdurchflutungen sind bei venösen Durchblutungsstörungen nicht angezeigt, da die Wärme in dieser Form die Venen eher belastet als unterstützt. Vorbeugende Maßnahmen (D) Bei gegebener Anlage zur Venenschwäche kann es in der Regel nicht gelingen, der Entwicklung einer schon angeborenen Schwäche zur Krankheit ganz zu entgehen. Umso wichtiger ist es, mit vorbeugenden Maßnahmen physikalisch-therapeutischer Art und einer angepaßten Lebensführung die primäre Varikosis lange Zeit zurückzuhalten und ihre Entwicklung zur chronisch venösen Insuffizienz so gut wie möglich zu verhindern. Deshalb sollte alles vermieden werden, was die Venen stark füllt oder gar überdehnt, und alles angewendet werden, was den Rückstrom des venösen Blutes erleichert. Da der Venendruck schon im Sitzen und besonders beim Stehen stark ansteigt, kommt es darauf an, so oft wie möglich etwas umherzugehen, um die Muskelpumpe zu nutzen. Jede Ruhepause bringt Gewinn, wenn die Beine hochliegen, und auch bei Arbeiten im Sitzen sollten die Unterschenkel möglichst horizontal liegen, weil die rechtwinklige Beugung im Kniegelenk den Rückfluß besonders behindert. Täglich längere Spaziergänge auf weichem Boden in bequemen, weiten Schuhen mit niedrigen Absätzen stellen eine unentbehrliche, bewegungstherapeutische Prophylaxe dar. Die hydrotherapeutischen Reize des kalten Wassers, die jeder Patient im Badezimmer herrichten kann, üben die Muskulatur der Venenwände. Gelegenheiten zum Schwimmen sollten so oft wie möglich wahrgenommen werden. Der ganze venöse Kreislauf wird entlastet, indem der hydrostatische Kompressionsdruck des Wassers und der hämostatische Druck in den Venen sich aufheben, dazu fördert die Muskelpumpe den Rückstrom. Vorbeugend gegen die Thrombosierung bei bestehender Varikosis oder dem postthrombotischen Syndrom wirkt alles, was die Virchowsche Trias (verlangsamte Blutströmung, erhöhte Gerinnungstendenz des Blutes und Gefäßwandschädigung), die eine Thrombose begünstigt, verhindert. Bewegung und Tonisierung der Gefäßwand lassen das venöse Blut schneller fließen, ebenso Hochlagerungen und äußere Kompression durch Stützstrümpfe. Die Gerinnungsfähigkeit des Blutes wird bei Patienten, die zur Thrombose neigen, mit Antikoagulantien gesenkt. Gefäßwandschäden entstehen vor allem durch phlebitische Reizzustände. Diese zu verhindern, ist nicht nur eine vorbeugende, sondern gleichzeitig eine behandlerische Aufgabe, zu der all das beiträgt, was die Venen entstaut und damit ihre Durchströmung normalisiert. Problematisch ist nach wie vor die Prophylaxe tiefer Venenthrombosen nach

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operativen Eingriffen. Neben der elektrischen Wadenstimulation eignet sich die intermittierende pneumatische Kompression mit Druckmanschetten an den Waden oder entsprechenden automatisierten Kompressionsstrümpfen [197], Wann immer möglich, bietet ein Bettfahrrad den wirksamsten vorbeugenden Schutz.

6.4.4.1 Ulcus cruris — Chronisches Lymphödem Die Therapie des Ulcus cruris muß in erster Linie ein ursächlich begründetes Konzept sein, das neben der lokalen Wundbehandlung die kausal bedingende Rückstauung beseitigt. Das Ulcus cruris stellt eine schwerwiegende, oft sehr hartnäckige Komplikation der Veneninsuffizienz dar. Man unterscheidet das Ulcus varicosum und das postthrombotische Ulcus cruris. Basistherapie ist wiederum für beide Arten der Kompressionsverband, der das führende Symptom der chronisch venösen Insuffizienz, das Ödem, ohne das es keine Ulzera geben soll, und die hohe venöse, aufgestaute Kapazität abstellt. Im Bereich des Ulkus kann der Kompressionsdruck durch ein Schaumgummipolster noch erhöht werden; es übt beim Gehen eine leichte Druck-Saugwirkung aus. Oft ist es nötig, das Ulkus zu reinigen, damit der Verband nicht reizt und auch besser wirkt. Teilbäder mit Kaliumpermanganat, Rivanol® oder Wasserstoffsuperoxyd bewähren sich. Gegebenenfalls sind auch antibiotische Salben indiziert. In Ruhe gehören die oben beschriebenen Lagerungen und — soweit der feste Verband es erlaubt — Bewegungsübungen zu den entstauenden Maßnahmen. Zur besseren arteriellen Durchblutung des Wundgebietes werden vorsichtige Massagen der Wundränder mit den Fingerkuppen empfohlen, auch Bindegewebsmassagen mit dem gleichen Ziel, ferner Ultraschall-Behandlungen im Wasser und Kohlensäurebäder bzw. trockene Begasung mit angewärmter Kohlensäure. Auch vorsichtige UV-Bestrahlungen regen die Wundheilung an. Ist die Wundfläche mit Epithel überzogen, dann muß die entstauende und hautpflegende Behandlung unbedingt weitergeführt werden, weil Rezidive sich leicht einstellen, sobald das Ödem wieder aufkommt. Das chronische Lymphödem durch Behinderung des Lymphabflusses am Bein [155] ist im Vergleich zu den Venopathien selten, bedarf aber wie diese einer lebenslangen Behandlung. Es kommt primär sowohl sporadisch als auch familiär vor, sekundär tritt es als Folge von Verletzungen an den abführenden Lymphwegen oder von oblitierenden Erkrankungen der Lymphknoten auf. Man unterscheidet drei Stadien [565], ein latentes, ein manifestes, aber reversibles, und ein irreversibles Stadium. Die konservative Behandlung zielt, wie bei den Phlebopathien, auf die Entstauung ab. Meist sind neben den Lagerungen, der Entstauungsgymnastik und den entsprechenden Wicklungen bzw. Gummistrümpfen mechanische EntStauungen mit pneumatischen Wechseldruckapparaten unentbehrlich. Die schwerste Ausprägung, die Elephantiasis, erfordert umfangreiche chirurgische Maßnahmen zur Verbesserung des Lymphabstromes.

7. Physikalisch-therapeutische Indikationen in den einzelnen Fachgebieten

7.1 Allgemeine Übersicht Alle Fachgebiete der Medizin haben ihre speziellen Heilmethoden entwickelt. Der Arzt richtet — das ist naheliegend — sein Hauptaugenmerk auf die eine Heilung gewissermaßen „künstlich erzwingenden" (S. 9) Möglichkeiten operativer und medikamentöser Art. Dies allein genügt aber nicht immer. Im akuten Geschehen bringen Eingriffe und die heute so wirksamen Medikamente zwar schnell und nachhaltig Linderung und eine Wendung der Krankheit zum Besseren. Dennoch bedarf der Organismus in aller Regel weiterer Hilfen, die die funktionellen, selbstregulatorischen Prozesse des Heilvorganges unterstützen bzw. in Gang bringen. Im chronischen Verlauf einer Krankheit und bei beständigen Restsymptomen sind solche Anstöße immer wieder notwendig. In den hochspezialisierten medizinischen Fachgebieten werden die einfachen Heilmethoden vielfach unterschätzt. Sie bleiben auch meistens im Schatten der außerordentlichen Heilerfolge der modernen Medizin unbeachtet. Bei den Krankheiten leichterer Art bringt der Organismus funktionelle Störungen aus eigener Kraft wieder in Ordnung. Während und nach schweren Krankheiten, vor allem aber bei chronischen Leiden fast jeder Genese geht dies nicht ohne Hilfen. Mit den indirekten Sekundärwirkungen (vgl. Tab.l) einer „Reiz-Reaktions"-, „Regulations"- und „Adaptionstherapie" mit teils erleichternden, teils kräftig fordernden, aber auch bremsenden Hilfen physikalischer Art (Prinzip der Schonung, Normalisierung, Kräftigung) können dem Organismus eine Reihe von Heilwirkungen erschlossen werden. Die Behandlung von Störungen der Atmung, der Tätigkeit des Herzens und des Kreislaufes und auch der äußeren Beweglichkeit wurde unter besonderer Betonung der physikalischen Methoden im Teil III ausführlich dargestellt. Dazu kommen weitere Indikationen, die sich in allen Fachgebieten mit behandlerischen Aufgaben anbieten. Vieles davon wurde bereits im Teil II besprochen, in dem die Wirkungskreise physikalisch definierbarer Heilkräfte erklärt wurde. Im folgenden werden — soweit dies in den vorangegangenen Teilen nicht geschehen ist — die wichtigsten physikalisch-therapeutischen Behandlungsempfehlungen für die einzelnen Fachgebiete kurz angegeben.

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7.2 Spezielle Empfehlungen Indikationen in der Dermatologie Bei der Erläuterung der Lichttherapie wurde deren Einfluß auf die gesunde und — für die Dermatologie entscheidend — auf die kranke Haut schon besprochen, woraus sich zwangsläufig auch die Indikationen für die Strahlen des UV-Lichtes und des sichtbaren Lichtes bei Hautkrankheiten ergeben. Auch die lokal gegebene Wärme aus dem Infrarotbereich bewährt sich in milder Dosierung bei entzündlichen Hauterkrankungen, wobei der reaktiven Hyperämie eine entscheidende Bedeutung zukommt. Dermatologische Indikationen für die Elektrotherapie ergeben sich im Niederfrequenzbereich indirekt, indem etwa auf dem Weg über die Iontophorese Medikamente in die Haut getragen werden, z. B. zur Erweichung umschriebener Hautpartien, oder für den Bereich des galvanischen Stroms direkt, indem unmittelbar und gezielt eine bessere Durchblutung erreicht wird. Die Hochfrequenztherapie ist in der Dermatologie unentbehrlich. Auch hier ist es der erwärmende und hyperämisierende Effekt, der gezielt und leicht dosierbar eine heilende Wirkung auf und in der Haut entfaltet. Da die Mikrowelle ihre Wärme in den elektrodennahen, oberflächlichen Partien entfaltet, ist sie für begrenzte Erkrankungen der Haut besonders geeignet. Hauptindikation sind die Furunkel, Karbunkel und Schweißdrüsenabszesse. Die Hochfrequenztherapie ist hier der in manchen Fällen unentbehrlichen Chemotherapie vorzuziehen, sofern nicht zu befürchten ist, daß es zur Ausbreitung der Erreger im Körper kommt. Auch die Kombination der Mikro- und Kurzwellen mit antibiotischen Medikamenten bietet sich an, weil diese unter der lokalen Hyperämie leichter, schneller und in höherer Konzentration an den Krankheitsherd gelangen [698]. Die Furunkel, besonders an den Lippen und der Nase, bilden sich schnell zurück. Die Dosierung der Wärme bleibt bei den meist sehr schmerzhaften Prozessen niedrig, Dosis I oder sogar sensibel unterschwellig (S.355). Behandlungen erfolgen ein- bis dreimal täglich für 5-10 Minuten. Die Hydrotherapie stellt für zahlreiche Indikationen medizinische Bäder zur Verfügung. Sie wirken lindernd bzw. adstringierend auf die gereizte Haut, oder sie stellen Hautreize dar (vgl. medizinische Bäder, S. 297). Bei der Acne vulgaris bewährt sich die sogenannte kleine Hydrotherapie. Die Haut der meist jugendlichen Patienten zeigt vielfach spastische Durchblutungsminderungen. Alle Methoden, die oberflächlich hyperämisierende Anstöße geben ; z. B. Dampfbäder, thermische Wechselreize, Bewegungstherapie, regelmäßige Saunabesuche, sind indiziert. Lichtreize, z. B. vorsichtig dosierte UV-Bestrahlungen oder leichte Sonnenbäder, wurden im Kapitel „Lichttherapie" bereits empfohlen. Ganz allgemein bewähren sich gegen Einwirkungen von Zivilisationseinflüssen auf die Haut die hydrotherapeutischen Verfahren, die jeder selbst durch kalte Wa-

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schungen, Güsse, Duschen, Frottieren, anwenden kann. Sie stärken die Widerstandskraft und die Anpassungsfähigkeit der Haut. Die Haut ist nicht allein schützende Körperdecke, sondern erfüllt auch eine Reihe funktioneller Aufgaben. Sie vermittelt Umweltreize chemischer (Bäder) und physikalisch-atmosphärischer Art, reagiert auch selbst auf solche Reize mit differenzierten Stoffwechselleistungen und nervalen Funktionsänderungen. Damit wird verständlich, daß auch die Bäderbehandlungen mit Heilquellen und die Klimatherapie aller Reizstufen für die Dermatologie große Bedeutung haben. Unabhängig bzw. zusätzlich zu den unspezifischen Allgemeinwirkungen der Bäderbehandlungen bringen Kurbehandlungen mit Solbädern, besonders auch mit Seebädern, und ferner die Schwefel- und/oder Jodschwefelbäder bei endogenen und exogen-allergischen sowie den neurogenen Dermatosen gute Ergebnisse. Bei vielen weiteren chronischen und in jahrelangen Schüben verlaufenden Hautleiden bleiben trotz der modernen antibakteriellen, antiallergischen und hormonellen Möglichkeiten die Indikationen der Balneotherapie mit den Wässern der genannten Art bestehen [666], Der Gestaltung als Kur und der damit gegebenen Umstimmung kommt zweifellos bei der Behandlung ein mitbestimmender Anteil zu. Vergleichbares gilt für die Klimatherapie. Hauptindikationen sind [213] das konstitutionelle Ekzem mit und ohne Asthma sowie mit und ohne Rhinitis vasomotorica, die chronische Urtikaria, die Psoriasis und die Berufsekzeme. Hier gilt vor allem, daß chronisch Kranke, deren Behandlung am Wohnort unbefriedigend bleibt, in einem mehr oder weniger reizkräftigen Heilklima neue, erweiterte Heilbedingungen vorfinden. Selbstverständlich wird die notwendige dermatologische Behandlung weitergeführt, die jetzt als „Behandlung im Heilklima" mit einem Kuraufenthalt verbunden wird. Indikationen in der Urologie Aus dem Fachgebiet der Urologie ergeben sich Indikationen der Thermo-Hydrotherapie bei den entzündlichen Erkrankungen der unteren Harnwege, die aus deren Wirkungsweise verständlich werden. Sitzbäder, aufsteigende Fußbäder sowie die Wärme der Hochfrequenztherapie sind zur Behandlung unspezifischer Entzündungen der Blase (Reizblase) und der aus ihr herausführenden Harnwege, der Prostata und der Samenblasen gut geeignet. Bei bakteriellen Entzündungen unterstützen diese Behandlungen die bakteriostatische Chemotherapie. Harnleitersteine veranlassen den Arzt, über die verstärkte Ureterperistaltik den Stein abzutreiben, andererseits bei festsitzenden Konkrementen, die den Harnfluß nicht stören, schmerzhafte Koliken zu dämpfen oder gar zu verhindern. Der Entschluß zu einer gezielten Verordnung physikalisch-therapeutischer Art ist nicht immer leicht, weil man nicht unbedingt sicher ist, ob nicht eine Kolik eintreten wird. Während zusätzlich gegebene Wärme in Form von Wickeln oder Pakkungen in der Regel die Koliken lindert, vielleicht auch unterdrückt und die unentbehrlichen pharmazeutischen Spasmolytika in ihrer Wirkung unterstützt, ist

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eine austreibende Hyperperistaltik nur über eine verstärke Diurese zu erreichen. Die subaqualen Darmbäder spülen mit ihrer begleitenden, großen Harnflut die Harnwege und schwemmen so nicht selten einen Stein aus. Sie sind aber nur zulässig, wenn keine Rückstauung auf der betroffenen Seite vorliegt, die mit dem Darmbad ansteigen würde. Auf die Bedeutung der Trinkkur wurde im Kapitel Balneologie (S. 505) hingewiesen. Indikationen in der Oto-Rhino-Laryngologie Die Oto-Rhino-Laryngologie bedient sich dort, wo es gilt, Schleimhautentzündungen der oberen Luftwege zu heilen, mit gutem Erfolg der Aerosoltherapie. Ihre Technik wurde im Teil II beschrieben (S.426); dort sind auch die Medikamente und Quellwässer und deren Indikationen angegeben. Die Wärme wird auch in diesem Fachgebiet in hydrotherapeutischer Form oder mittels Hochfrequenzenergie den erkrankten Organen oder Räumen zugeführt. Bei entzündlichen Erkrankungen der Nasenwege ist — besonders für den häuslichen Gebrauch — das Kopfdampfbad beliebt. Für die Halsorgane und auch das äußere Ohr sowie für die Parotis verwendet man gerne die feucht-warmen Wickel, auch solche wärmestauender Art, während kalte Wickel, mehr noch die Eiskrawatte, phlegmonösen Entzündungen und Abszessen (Tonsillen) Linderung bringen. Die Wärme der Hochfrequenzdurchflutungen wirkt tiefer als bei hydrotherapeutischen Verfahren. Kurz- und Mikrowellen mit der Spulen- oder Strahlenfeldmethode eignen sich daher für Erkrankungen der Nasennebenhöhlen. Die Lichttherapie bewährt sich mit dem wärmenden Infrarot, z. B. der Solluxlampe, beim Gehörgangsfurunkel, den Tubenkatarrhen und der akuten Otitis media. Die Klimatherapie ist bei Kranken mit chronischen Reizzuständen und Infekten, besonders auch bei allergischen Erkrankungen an den Atemwegen indiziert. Sind die Schleimhäute entzündlich gereizt und neigen sie zu starker Sekretion, dann bewährt sich das Hochgebirgsklima mit niedriger relativer Luftfeuchte; die mehr trockenen Formen finden im feuchten Reizklima der Meeresküsten bessere Bedingungen [592], Indikationen in der Augenheilkunde Die Augenheilkunde hat, seit es eine solche gibt, von physikalisch-therapeutischen Kräften aller Art Gebrauch gemacht. Auch die moderne Medizin mit ihren hochentwickelten Heilmethoden vernachlässigt diese nicht. Umfangreiche Literaturangaben, die die Erfolge physikalisch-therapeutischer Maßnahmen am kranken Auge belegen, finden sich bei [178]. Die Anwendung physikalischer Energie, z. B. des Lichtes, der niederfrequenten galvanischen Ströme oder der hochfrequenten Wechselströme, der Iontophorese, am Auge, erfordert besondere Kenntnisse, die sich für den Behandler in klaren augenärztlichen Verordnungen und praktischen Anweisungen niederschlagen müs-

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sen. Nur wenige Verordnungen, z. B. die lokalen Wärmegaben am äußeren Auge bei Störungen des Tränenapparates oder der Lider, können zu Hause beispielsweise in Form von Auflagen gemacht werden. Auch die Solluxlampe eignet sich für den Hausgebrauch. Alle anderen Verordnungen kann man nur in der Praxis des Augenarztes ausführen. Allgemeinbehandlungen, die den Heilungsvorgängen gute Hilfe leisten, sind die Balneotherapie und die Klimatherapie. Dies gilt im wesentlichen für entzündliche und degenerative Erkrankungen, deren Augensymptome Ausdruck einer Allgemeinkrankheit sind, z.B. tuberkulöse Prozesse, die Sarkoidose, rheumatische Krankheiten, Gefäßleiden. Indikationen in der Inneren Medizin und in der Kinderheilkunde In der Inneren Medizin und der Kinderheilkunde ist es oft notwendig, hohes Fieber zu senken. Schonender und wohltuender als durch Medikamente läßt sich die Fiebersenkung mit hydrotherapeutischen Verfahren erreichen. Auch bei Infektionskrankheiten bewähren sich, obwohl chemotherapeutische, antibiotische und immunisierende Mittel kausale Behandlungen ermöglichen, hydrotherapeutische Methoden, da ihre wohldosierte Anwendung die durch toxische Schäden beeinträchtigte wärmeregulatorische Kapazität und Flexibilität des Organismus wiederherstellt. Durch milde Waschungen in der fiebrigen Akutphase und durch kräftige Wechselreize in der Rekonvaleszenz erholen sich die unspezifischen Abwehrleistungen, die zur Gesundung und zur Rückgewinnung der notwendigen Widerstandskraft unentbehrlich sind. Demgegenüber sind drastische Methoden der Fiebersenkung mit extrem kräftigen Kaltreizen, die früher die einzige Hilfe darstellten, oder auch die Überwärmungen des Körpers, mit denen die abschwächende Kraft des Fiebers gegen die Virulenz der Erregerung unterstützt werden sollte, heute entbehrlich. Dennoch hat die nicht anstrengende Thermotherapie noch Indikationen. So wurde neuerdings wieder berichtet [701], daß inhalierter heißer Wasserdampf (bei 43 °C) Schnupfenviren abtötet und den lästigen Schnupfen schon nach 24 Stunden ganz beseitigt. Ob dies unmittelbar geschieht oder mittelbar über die allbekannte, unspezifische, durch die Wärme aufgebesserte Abwehrkraft des Körpers gegen Viren, ist noch ungeklärt. Bei den Erkrankungen der kontraktilen Verdauungsorgane, dem Magen und dem Darm, zielen physikalisch-therapeutische Maßnahmen darauf ab, die Peristaltik zu beeinflussen und gegebenenfalls auch Schmerzen zu lindern. Erfahrungsgemäß erweisen sich bei Ulkusbeschwerden, Schmerzen und Übersäuerung, bei überreizter, spastischer Peristaltik in Magen, Darm und Gallenwegen, die Auflagen und Wickel als lindernd und wohltuend, wobei stets zu prüfen ist, ob Wärmezufuhr oder eine kalte Anwendung dem Kranken bekömmlicher ist. Bei der Magenblutung hat sich die hier zu Unrecht so viel verwendete Eisblase nicht bewährt; sie ist den Kranken eher unangenehm, stillt aber, da die Kälte nicht tief eindringt, die Blutung nicht. Bei der einfachen Gastritis wird Wärme in Form von feucht-heißen Kompres-

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sen, Auflagen, Wickeln, Packungen oder eines leichten Heusacks auf die Magengegend gegeben. Im unteren Darmbereich besitzt die Physikalische Therapie für die Kolitis und die Obstipation bewährte Anwendungsmöglichkeiten. Während sich bei der Colitis mucosa, bei der Colitis ulcerosa und dem mit schmerzhaften Spasmen und Tenesmen einhergehenden sogenannten irritablen Kolon neben lokaler Wärme und entsprechender Diät alle Arten der „umstimmenden" Reiz-Reaktions-Therapie ganz besonders bewähren, bedarf die medikamentös nur sehr unvollkommen bezwingbare Obstipation neben einer schlackenreichen Diät spezieller Massagebehandlungen (S. 104), wobei kombinierend oder alternierend auch gezielte elektrotherapeutische Verfahren in Frage kommen (S. 380). Wärmegaben auf die Lebergegend bei der Hepatitis sind üblich. Eine sichere Vermehrung der Durchblutung der Leber ist aber wahrscheinlich nur mit der tieferdringenden Hochfrequenzwärme (S.249) zu erreichen. Die feucht-heißen Pakkungen sollen — was nur reflektorisch zu deuten ist — die Cholerese anregen und auch der Neigung der Gallenwege zu spastischer Verengung entgegenwirken. Gleiches gilt für die Erkrankungen der Gallenblase, z.B. bei Cholezytis und Cholangitis. Hier hilft die Hochfrequenzwärme der Kurz- und Mikrowellen (bei Anwendung der bipolaren Technik mit der Kondensatorfeldmethode). Bestehen kolikartige Schmerzen, dann lohnt sich oft auch ein Versuch mit diadynamischen Strömen in den Headschen Zonen. Vergleichbar reflektorisch erklärt sich auch die lindernde oder lösende Wirkung der Bindegewebsmassagen. Stoffwechselstörungen bzw. Erkrankungen endokriner Organe, des Pankreas und der Schilddrüse veranlassen den Arzt, bei Unterfunktionen neben diätetischen Verordnungen substituierend Hormone, in schweren Fällen Insulin, andererseits Thyreoideapräparate, zu geben. Bei der Überfunktion der Schilddrüse sind Hemmstoffe der Jodoxydation oder der Jodaufnahme oder eine Radiojodtherapie, die hyperaktives Schilddrüsengewebe zerstört, unentbehrlich. Die Physikalische Therapie bringt dabei Hilfen symptomatischer Art. Beim Diabetes sind es die drohenden oder manifesten peripheren angiopathischen Komplikationen, die unter krankengymnastischen und hydrotherapeutischen Maßnahmen funktionell besser werden oder nicht weiter fortschreiten (S.865, 868). Bei Bewegungsaktivitäten, die nur in Sonderfällen — Komplikationen an Herz und Kreislauf — unter krankengymnastischer Aufsicht durchgeführt werden müssen, verbrauchen die arbeitenden Muskeln Kohlenhydrate, ohne den Inselapparat zu belasten. Kranke mit hyperthyreoter Schilddrüse sind übererregt, sie zeigen einen erhöhten Sympathikotonus. Neben medikamentöser Beruhigung — die hyperthyreotische Tachykardie spricht gut auf Beta-Rezeptorenblocker an — sind sedierende Bäder (S.300) und hydrotherapeutische Kaltanwendungen; z.B. Waschungen, kühle Wickel an Extremitäten und Stamm, kalte Packungen auf die Schilddrüse, bewährte Mittel, unter denen die sympathikoton geprägte Symptomatik sich beruhigt.

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Auch die Lichttherapie, besonders die Kombination von ultravioletten und infraroten Strahlen (S.451), normalisiert die vegetative Grundeinstellung. Die Behandlung der Adipositas ist ein Ernährungsproblem. Schwitzbehandlungen verringern das Körpergewicht allein über den Wasserverlust und dies nur für wenige Stunden; sie sind deshalb nicht sinnvoll und überfordern womöglich den bei der Adipositas ohnehin belasteten Kreislauf. Kräftigere und längeranhaltende Kaltreize wie temperaturabsteigende Bäder (35° auf 28 °C sinkend) und Vollgüsse verbrauchen über die notwendig werdende, bilanzierende Wärmeproduktion Nahrungsenergie. Sie regen auch zu Körperbewegungen an. Diese sind besonders bei Fastenkuren — sie bedürfen stets der ärztlichen Führung und Aufsicht — als verordnete Übungsprogramme unerläßlich, weil sonst neben dem Fettgewebe auch Eiweiß- und Muskelgewebe einschmilzt. Ganzmassagen haben keinen Sinn. Erkrankungen der Nieren und der Harnwege benötigen eine Reihe von symptomatischen Hilfen. Physikalische Kräfte sorgen hier für eine bessere Durchblutung der Organe und helfen, die Folgen der Störung, den erhöhten Blutdruck und die behinderte Ausscheidung zu verbessern. Bei der akuten Nephritis, bei der die Nierenkapillaren verengt sind, so daß die Durchblutung nicht ausreicht, löst eine tiefgreifende Durchwärmung mit Hochfrequenzdurchflutungen die Verengung und aktiviert so die eingeschränkte Diurese. Bei wieder gut fließendem Harn geht man mit der Dosierung langsam zurück. Bei der chronischen Nephritis gilt das Interesse des Arztes zum einen der peripheren Durchblutung, speziell der Senkung des peripheren Gefäßwiderstandes, um den Kreislauf (Blutdruck) zu entlasten, zum anderen der Ausscheidung harnpflichtiger Substanzen. Die Hautfunktion — die Haut gibt bei erhöhtem Reststickstoff geringe Mengen toxischer Stoffwechselschlacken ab (S.250) — und die Hautdurchblutung sprechen auf Wärmebehandlungen hydriatischer Art gut an. Ansteigende Fuß- und Armbäder oder Halb- oder Dreiviertelbäder können hier verordnet werden. Sie müssen, je nach dem Zustand des Kranken, sorgfältig dosiert werden. Vollbäder sind wegen der mit dem hydrostatischen Druck größeren Kreislaufbelastung in der Regel weniger geeignet. Dagegen verträgt der Nephritiker mit kompensiertem Herzen den sorgsam beobachteten, regelmäßigen Besuch der Sauna in der Regel recht gut (S.310f.). Da bei der chronischen Nephritis ein Teil der retinierten toxischen Substanzen im Darm gebildet wird, empfehlen manche Autoren, regelmäßig das ganze Kolon mit subaqualen Darmbädern (S.303) zu spülen. Dies setzt aber voraus, daß die Wasserausscheidung nicht gestört und das Herz voll kompensiert ist. Ob die im Blut erhöhten Werte harnpflichtiger Stoffe damit absinken, ist allerdings nicht erwiesen. Bei allen Kranken, die über undurchsichtige Beschwerden im Bauchraum klagen, die sich aufgrund einer sorgfältigen Diagnostik aber als unbedenklich erweisen (erhöhte Sensibilität, „empfindlicher" Magen-Darm, Dyskinesie der Gallenblase, vegetative Labilität), bewähren sich — wie bei vielen somatisch definierbaren Erkrankungen der Bauchorgane — regelmäßig die unspezifischen Allgemein-

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behandlungen, z. B. die „kleine" Hydrotherapie mit Bürstenmassagen, die sogenannte Stoffwechselgymnastik (S.196), sportlich-spielerische Bewegung in frischer Luft und dergleichen. Die guten Ergebnisse finden darin ihre Erklärung, daß all dies die gesamte Vasomotorik anregt und insgesamt mit den unspezifischen Antrieben umstimmende Wirkungen auslöst. Heilquellen, die heilklimatischen Lagen der Gebirge und der Meeresküsten und die an solchen Orten vorhandenen Kureinrichtungen bieten für viele chronisch Kranke Möglichkeiten der Besserung und Erholung. Kurbehandlungen sind fast stets kombinierte Behandlungen. Sie erweitern viele Programme mit physikalisch-therapeutischen Prinzipien durch die spezifischen und unspezifischen Wirkungen der zahlreichen verschiedenen Heilquellen und bewirken mit ihren Schon- und Reizfaktoren — das gilt besonders für die Klimatherapie — eine Harmonisierung aller Funktionen und Funktionskreise des Organismus, ein Ergebnis, für das der Begriff „Umstimmung" gebräuchlich ist (S. 75). Die zahlreichen Indikationen für diese Umstimmungen wurden im Teil II im einzelnen begründet. Die Kinderheilkunde bietet, obwohl sie überwiegend Akutmedizin ist, eine Fülle von physikalisch-therapeutischen Indikationen [462], Sie entsprechen im wesentlichen denen der Inneren Medizin. Sie wurden auch speziell für die Kinderheilkunde in den Darstellungen der Atemtherapie (Mukoviszidose, S. 627), der Behandlung kranker Herzen (operierte Herzfehler, rheumatische Endokarditis, S. 691 f.) und den Bewegungsstörungen (infantile Zerebralparese, S.157) eingehend dargestellt. In das Gebiet der Prophylaxe gehört bei „kränklichen", für Erkältungsinfekte anfalligen Kindern die sogenannte Abhärtung (S.612f.). Sie strebt an, mit vorsichtig übenden Anforderungen an die Thermoregulation, mit Licht- und Luftreizen und auch hydrotherapeutischen Reizen die Kinder bei spielerisch-körperlicher Bewegung dispositionell zu kräftigen. Am besten geschieht dies in einem individuell ausgewählten Reizklima, in dem der Arzt die einzelnen Reizfaktoren kombinierend und dosierend zu einer therapeutischen Einheit gestaltet. Eine segensreiche, mittelbare physikalische Prophylaxe bei Neugeborenen ist die Entkeimung der Luft mit UV-Strahlen (S.448). Indikationen für die Neurologie Die wichtigsten therapeutischen Leitsätze und Verordnungen bei funktioneller Behinderung der Muskeltätigkeit wurden in dem Kapitel „Physikalisch-therapeutische Behandlungen von Bewegungsstörungen" ausführlich dargestellt. Liegen die hemmenden Ursachen in der peripheren, motorisch-nervösen Versorgung oder in fehlenden bzw. fehlgesteuerten zentralen Antrieben bzw. sind die Muskeln selbst erkrankt oder leiden sie unter der mangelnden Innervation Schaden, dann findet die physikalische Übungstherapie im Rahmen einer umfassenden Behandlung viele Aufgaben. Sofern Schmerzen durch Haltungsfehler oder degenerative Verschleißerschei-

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nungen an der Wirbelsäule, z. B. als Interkostalneuralgie, das Zervikal- oder Lumbalsyndrom, die zervikale Migräne, einen Bandscheibenvorfall oder dergleichen, pathogenetisch erklärbar sind, bezeichnet man sie besser als symptomatische, neuralgiforme Schmerzzustände, und nicht als Neuralgien [63], weil hier sensible Nerven lediglich von außen irretiert werden. All diese Störungen gehören eher in das Gebiet der Orthopädie oder der Inneren Medizin (Weichteilrheumatismus). Zu ihrer physikalisch-therapeutischen Behandlung finden sich im Teil III alle wichtigen Vorschläge. Bedürfen neuralgisch irregeleitete sensible Nerven ihrerseits aber einer gezielten Behandlung - dies gilt für die Trigeminus-Neuralgie sowie für die schmerzhaften Zustände nach Herpes zoster — dann bewirken physikalische Kräfte, die in Gestalt verschiedener Stromformen besonders aus dem Niederfrequenzbereich zur Verfügung stehen, eventuell auch die Wärme, eine Besserung. Elektrotherapeutisch nutzt man den analgesierenden Effekt der stabilen Galvanisation und die kombinierten, schmerzstillenden und muskelrelaxierenden Ergebnisse der diadynamischen Ströme. Die Trigeminus-Neuralgie bleibt oft jahrelang therapieresistent, wobei selbst neuro-chirurgische Eingriffe nicht immer den gewünschten Erfolg bringen. Deshalb rechtfertigen sich alle konservativen Bemühungen mit physikalisch-therapeutischen Methoden. Die stabile Galvanisation erfolgt entweder als Punkt- oder als Flächengalvanisation. Im ersten Fall legt man eine anodisch gepolte Elektrode von 5-10 cm2 Größe nacheinander auf die schmerzhaften Äste, die große, indifferente Kathode in den Nacken (Dosierung sensibel unterschwellig, 0,05-0,5 mA, 5-10 Minuten täglich pro Punkt). Zur Flächengalvanisation steht die entsprechend zugeschnittene Gesichtselektrode nach Bergonié (S.358) zur Verfügung; sie erfaßt alle drei Äste des N. trigeminus. Ebenfalls mit gleicher Stromstärke anodisch geschaltet bleibt sie 10-30 Minuten liegen. Mit solcherart galvanischer Durchströmung wird auch die Iontophorese mit Histamin betrieben (S.361). Diadynamische Ströme vermitteln jeweils zwei dicht neben dem Verlauf des Nerven anliegende Schalenelektroden, die Kathode auf dem Punkt des stärksten Schmerzes, Stromqualitäten CP und LP, oder man wählt einen niedrigen Basisstrom, sensibel unterschwellig, 1 - 3 mA bei Stromqualität D F (S.387). Mit Wärme ist Vorsicht geboten. Die Kranken halten zwar instinktiv die schmerzende Stelle warm, nicht nur, weil sie erfahrungsgemäß Abkühlungen büßen müssen, sondern weil die gleichmäßige Eigenwärme die Schmerzen in der Regel auch erträglicher macht. Fremdwärme löst aber nicht selten sogleich oder später heftigere Schmerzen aus. Dennoch schätzen manche Patienten — ein Versuch rechtfertigt sich deshalb — die Hochfrequenzwärme. Als Verfahren kommen Kurzwellendurchflutungen mit Glasschalenelektroden (10-20 cm Abstand) oder Behandlungen mit einer Monode, jeweils Dosis I bis II, 5-10 Minuten, in Frage. Für die Okzipitalneuralgie gelten im Prinzip die gleichen Regeln. Die Patienten vertragen die Wärme aber besser, vielleicht weil ihr meist eine mehr mechanische

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Reizung zugrunde liegt (Teilerscheinung des Zervikalsyndroms [21]). Wärmepakkungen, Extensionsbehandlungen, Muskel- und Bindegewebsmassagen und auch „kinetische" Interferenzstrombehandlungen (S. 389) werden empfohlen. Die meist sehr quälenden Schmerzen im Verlauf und nach einem Herpes zoster sind in manchen Fällen nur schwer zu stillen. Alle analgesierenden Methoden der Physikalischen Therapie werden angewendet, nachdem der Bläschenausschlag vergangen ist. Die elektrotherapeutischen Verfahren kommen wie bei anderen Neuralgien in Frage, auch Iontophorese mit Novalgin® (Anode), oder Thiamin (Vitamin B!-Anode). Bei den meist am Rumpf lokalisierten Schmerzen kann der galvanische Strom auch im hydroelektrischen Vollbad gegeben werden. Zu Wärmebehandlungen eignen sich Packungen oder die Hochfrequenzdurchflutungen mit Kurz- oder Mikrowellen. Ultraschallbehandlungen bewähren sich bei den schmerzhaften Folgen des Herpes zoster zuweilen überraschend gut. Man behandelt entweder im Dermatom (0,5-1,0 W/cm 2 , 10 Minuten bei täglicher Wiederholung) über 2 - 3 Wochen oder segmental (paravertebral in entsprechender Höhe 0,1-0,2 W/cm 2 ). Eine motorische Hirnnervenstörung, die Fazialisparese bedarf — sofern sie peripherer Herkunft ist — intensiver physikalisch-therapeutischer Bemühungen. Dies gilt auch für die sogenannte „rheumatische" Fazialisparese, die bei konstitutionell zu engem Canalis facialis aus meist unbekannten Gründen plötzlich auftritt. Sie ist Ausdruck eines Kompressionsschadens mit ödematöser Schwellung des Nerven [713]. Die schlaffe periphere Lähmung der Gesichtsmuskeln wird nach den Prinzipien der Behandlung schlaffer Paresen (S. 801 f.) versorgt. Zur Entquellung verordnet der Arzt neben entwässernden Medikamenten örtliche Durchwärmung mit Rotlicht, Kurz- oder Mikrowellen. Besonderes Augenmerk dient den gelähmten Gesichtsmuskeln. Damit sie nicht durch eine schnell aufkommende Atrophie Schaden leiden, ist tägliche Behandlung mit Exponentialstrom (vgl. Elektrogymnastik S. 369) eine unabdingbare Forderung. Die Krankengymnastik hat die Aufgabe, durch leichte Massagegriffe, Streichungen, Klopfungen, Reibungen die Durchblutung der betroffenen Muskeln zu erhöhen und deren Bereitschaft zur Kontraktion zu fördern. Sie gibt auch „Innervationsreize", indem sie manuell Gewebsverschiebungen in Richtung der gewünschten Bewegung vornimmt [216]. Der Kopfschmerz ist das Symptom, bei dem wohl am häufigsten analgesierende Medikamente genommen werden. Nach sorgfältiger Diagnostik, die lokalisierbare Entstehungsursachen aufdeckt oder ausschließt, kommen für zusätzliche physikalisch-therapeutische Bemühungen diejenigen Kopfschmerzen, die auf intrakraniellen, nicht raumbeengenden Prozessen (Migräne und vasomotorischer Kopfschmerz) und auf extrakraniellen Bedingungen beruhen, in Frage. Zu ihnen kann man u. a. die schon genannten Neuralgien rechnen (Zervikalsyndrom), ferner die sogenannten vegetativen Kopfschmerzen und die bei Allgemeinerkrankungen auftretenden Schmerzen (Hypertonie, Intoxikationen, Infektionen und dergleichen).

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Krankenbehandlung durch Anwendung physikalisch-therapeutischer Prinzipien

Die physikalisch-therapeutischen Ziele und Maßnahmen sind zum Teil ursächlich wirkender Art. Das gilt besonders für die Fälle, in denen eine Korrektur statischer Fehlhaltungen vorgenommen und dynamische Mängel im Gebrauch der Bewegungselemente behoben werden müssen. Bei den ursächlich nicht lokalisierbaren Kopfschmerzen, der Migräne und den vasomotorischen, gelegentlich auch anfallsartig, z. B. als „Aufwachkopfschmerz" auftretenden oder länger anhaltenden einseitigen Kopfschmerzen, richten sich die Verordnungen gegen vegetative oder vasomotorische Fehleinstellungen. Das Behandlungsprogramm ist deshalb sehr vielseitig, ohne daß sich der Arzt dabei dem Vorwurf einer unbedachten Polypragmasie aussetzt. Er versucht, eine Umstimmung der vegetativen Grundeinstellung in die Wege zu leiten und auch die Vasomotorik insgesamt anzuregen. Das ganze Konzept der Hydrotherapie, in Form von Kneippkuren, gegebenenfalls auch diätetische Umstellung der Ernährung, Kuren im Mittel- oder Hochgebirge, leichte Gymnastik, Luftbäder, Bestrahlungsserien mit UV-Licht, Solbäder sind die Mittel, deren unspezifische Anstöße Hilfe bringen. Indikationen in der Chirurgie und Orthopädie In den Fachgebieten Chirurgie und Orthopädie fallen der Physikalischen Therapie eine Fülle von Aufgaben zu. Sie bestehen zunächst darin, nach operativen Eingriffen, z. B. am Thorax oder an Knochen und Gelenken, die vorübergehend eingestellten Bewegungsfunktionen zu erhalten und vermeidbare Einschränkungen nicht aufkommen zu lassen. Ist die operative Phase vorüber und die Wunde geheilt, dann tritt die Physikalische Therapie in den Vordergrund der Behandlung. Vorbereitende Maßnahmen der Lagerungen, für die der Chirurg in der Regel eine Mittelstellung angibt, isometrische Anspannungen der von Bewegungen ausgeschlossenen Muskeln, passive und aktive Bewegungen in den nicht ruhig gestellten Gelenken, hier gegebenenfalls auch Übungen gegen Widerstand, sind der erste Teil der, in der Regel den Krankengymnastinnen übertragenen, Aufgaben. In der folgenden Phase obliegt es dem Arzt, durch entsprechende Verordnungen, die funktionelle Qualität der Muskeln und Gelenke zu verbessern. Krankengymnastische Aktivitäten erweitem Gelenksperren, korrigieren Fehlhaltungen und -bewegungen, bringen den durch Inaktivität atrophierten Muskeln neue Kraft und vermitteln den verändert in Anspruch genommenen Ersatzmuskeln (S.12) eine Arbeitshypertrophie. Massagen, Hydro- und Thermotherapie, Stromimpulse, Lichtreize und andere Verfahren regen die Durchblutung und den Gewebsstoffwechsel an und heben die allgemeine Leistungsfähigkeit und Belastbarkeit der Rekonvaleszenten. Die für die Chirurgie und Orthopädie wichtigen physikalischen Behandlungsprinzipien und Methoden, soweit sie im Rahmen einer umfassenden Behandlung lebenswichtige, an äußere und innere Bewegungen gebundene Funktionen der Atmung, der Herz- und Kreislaufleistung und auch die für die Qualität des menschlichen Daseins so bedeutsame Mobilität bessern und wiederherstellen, wurden im

Physikalisch-therapeutische Indikationen in den einzelnen Fachgebieten

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Teil III bei der Behandlung der Bewegungsstörungen bei Erkrankungen der Muskeln und Gelenke ausführlich dargestellt. Im folgenden sollen die Tabellen 3 6 - 4 0 einige weitere chirurgisch-orthopädische Indikationen physikalisch-therapeutischer Art und deren Ziele aufzeigen. Sie können allerdings nur Anregungen geben. Ausführliche Darstellungen sind den speziellen Lehrbüchern der Chirurgie und Orthopädie vorbehalten.

Tabelle 36 Erkrankungen der Knochen a) Frakturen Ziele

Verordnungen

Vorsorge während der Immobilisation

Übung aller nicht fixierten Gelenke und Muskeln erhält die Muskelkraft und fördert konsensuell die Durchblutung der ruhiggestellten Teile Isometrische Spannungsübungen der ruhenden Muskeln fördert die Kallusbildung (darf nicht schmerzen)

Normale Funktion und Kraft nach Gipsabnahme

Zunächst passiv: Isotones Durchbewegen, endständige Nachdehnung aktiv: Übungen in Bewegungsmustern, Widerstandsübungen, gezielte Funktionsübungen Bewegungsübungen im Wasser Massagen: nur gesunde Seite in der Ruhephase zur Anregung der konsensuellen Hyperämisierung, auf der kranken Seite nicht sinnvoll, außerdem Gefahr des SudeckSyndroms

b) Osteoporose Ziele

Verordnungen

Anregung des Stoffwechsels im Knochen

Vorbeugend: Allgemeine Zug- und Druckbelastung durch Gebrauchsbewegungen Heilende Anstöße: Allgemeine, durchblutungsfördernde Gymnastik, Atemgymnastik zur vollen Beatmung (S.220), Spannungs- und Entspannungsübungen der Rückenstrecker Massagen je nach Tonus und Tastbefund einzelner Muskeln Hydrotherapie zur allgemeinen Anregung UV-Ganzbestrahlung

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Krankenbehandlung durch Anwendung physikalisch-therapeutischer Prinzipien

c) Perthessche Erkrankung (Osteochondrosis deformans der juvenilen Hüfte bzw. aseptische Nekrose der proximalen Femurepiphyse) Ziele

Verordnungen

Schonung des Hüftgelenkes

Entlastung des Hüftgelenkes durch orthopädische Versorgung

Erhaltung der Muskelkraft Kontraktur- und Atrophieprophylaxe

Isometrische Spannungsübungen für das ganze Bein. Bewegungsübungen stets mit entlasteter Hüfte Therapeutisches Schwimmen

d) Sudeck-Syndrom (Knochendystrophie, Reflexdystrophie) Die Krankheit verläuft in drei Stadien: I entzündliche Mehrdurchblutung, Schwellung, Schmerzen; II Minderdurchblutung, keine Schwellung mehr, ausgeprägte Dystrophie; III Rückbildung der Dystrophie, aber oft Muskelatrophie und Kontrakturen. Ziele

Verordnungen

Stadium I Minderung der Durchblutung und der Schmerzen

Hochlagern, absteigende Teilbäder, wärmeentziehende Wickel und Packungen

Dämpfung des erhöhten Sympathikotonus

Leichte, nicht schmerzende Bewegungen in kühlem, gegebenenfalls auch sehr kaltem Wasser Isometrische Spannungsübungen (Entstauen durch Muskelpumpe)

Erhaltung der Bewegungsfunktionen Stadium II Verbesserung der Durchblutung

Verhinderung von Funktionseinbußen

Stadium III Durchblutung kräftiger anregen Fördern der Kraft und Beweglichkeit Behandlung der Atrophie und Kontrakturen

Blockade des Sympathikus mit Impulsströmen (Ganglion stellatum) Aktive Übungen in lauwarmen Wasser (30°) ohne Kraftanforderung, benachbarte Gelenkbewegungen mit Kraft fordern Keine Wärmezufuhr (Gefahr der Verschlimmerung) Bürstenbäder mit indifferenter Temperatur, evtl. Bindegewebsmassagen im Segment, Ultraschall 1,5 W/cm 2 ,10 Minuten im Wasser Bewegungsübungen gegen Widerstand, ausgewählte Beschäftigungstherapie, vorsichtige Kontrakturbehandlung, dehnende Maßnahmen, gegebenenfalls orthopädischer Art (Schienen, Quengelung), unterstützt durch Wärme, aber noch immer sehr vorsichtig

Physikalisch-therapeutische Indikationen in den einzelnen Fachgebieten

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Tabelle 37 Haltungsfehler a) Schlaffer oder fixierter Rundrücken, hohlrunder Rücken Ziele

Verordnungen

Kräftigung der Rückenmuskeln Physiologische Haltung

Ausgedehntes krankengymnastisches Übungsprogramm für Wirbelsäule und Brustkorb: Lockerung verspannter Muskeln, Aufrichten aus der Bauchlage, Hängen an der Sprossenwand, Üben im Vierfüßerstand, KJappsche Kriechübungen, Atembrustkorbgymnastik Kräftigung der Muskeln mit isometrischen und dynamischen Übungen Lockeres Haltungsturnen, Konditionstraining Therapeutisches Schwimmen (Brustschwimmen) Ergänzend: Hydrotherapie

b) Skoliose (vollständige Heilung n ur im Säuglingsalter möglich) Ziele Verordnungen Aufhalten der Progredienz

Nachts Lagerung (evtl. Gipsschale) Spezielle Übungen für jeden Wirbelsäulenabschnitt (z. B. nach v. Niederhöffer) zunächst gezielt auf die Primärkrümmung

Aufrichten der Wirbelsäule

Isometrische Übungen zur Kräftigung der Querund Längsmuskeln. Übungen zeitweise in der Glissonschlinge Lockernde Massagen für verspannte Muskeln, „Reizgriffe" für hypotone Muskeln Exponentialstrombehandlung für einzelne zu schwache Muskeln (paralytische Skoliose) Therapeutisches Schwimmen

c) Scheuermannsche Krankheit (Aseptische Epiphysennekrose der Wirbelkörper) Ziele

Verordnungen

Entlastung der Wirbelsäule

Lagerung: nachts in Gipsschale, auch tagsüber Liegekur

Kräftigung der Rückenmuskeln

Krankengymnastisches Übungsprogramm: Aktive Haltungsgymnastik, „Aufspannübungen" aus der Bauchlage, Klappsches Kriechen, Übungen im Vierfüßerstand, Widerstandsübungen und isometrische Spannungsübungen, therapeutisches Schwimmen Atem-Brustkorbgymnastik ohne Überstrecken oder Vorbeugen der Wirbelsäule, keine Erschütterungen der WS

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Krankenbehandlung durch Anwendung physikalisch-therapeutischer Prinzipien

Ziele

Verordnungen Massage hypertoner Muskeln Wärme für die Rückenmuskeln (heiße Rolle, Pakkungen) Allgemein „umstimmende" kleine Hydrotherapie

Tabelle 38 Amputation von Gliedmaßen Ziele

Verordnungen

Förderung der Vernarbung

Lagerungen, aktive Übungen erhaltener Gelenke Stumpfmassage: Weichteile nach unten schieben Stumpfformung: Bandagieren

Kontrakturprophylaxe Durchblutung

Umlagerungen, isometrische Spannungsübungen, Bürstenmassagen, Intervalltraining (mit Prothese)

Mobilisierung

Stabilisierungs- und Koordinationsübungen, Training der Muskeln, Gehschulung mit Prothese, Geschicklichkeitsübungen

Kondition

Funktionelle Beschäftigungstherapie Allgemeine Herz-Kreislauf-Stoffwechselgymnastik

Tabelle 39 Dermatogene Kontraktur (funktionseinschränkende Narben) Ziele

Verordnungen

Erweichung

Dehnlagerungen, warme Teilbäder, dehnende Bewegungen im Wasser, Iontophorese

Tonus der Muskeln

Kontraktionsübungen gedehnter Antagonisten, Komplexbewegungen der betroffenen Extremität

Hyperämisierung

Iontophorese, z. B. mit Kalium oder Natrium jodatum 3%ig (Kathode). Interferenzstrom, diadynamische Ströme für behinderte Muskeln

Hebung der Schmerzgrenze

Eispackung vor dehnender Bewegungstherapie

Tabelle 40 Distorsionen, Luxationen, Zerrungen, Risse Ziele

Verordnungen

Schmerzstillung

Im schmerzhaften Akutgeschehen Kryotherapie, kalte Wickel

Nach beendeter Fixation: Verhinderung von Fehlhaltungen Kräftigung von Muskeln und Bändern

Lagerung und Umlagern nach ärztlicher Anweisung Krankengymnastisch (bei Rissen nach Abschwellung, zunächst keine Kraftanforderung), isometri-

Physikalisch-therapeutische Indikationen in den einzelnen Fachgebieten Ziele Wiederherstellung der Funktion

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Verordnungen sehe Spannungsübungen haltender Muskeln Passiv und geführt aktive Bewegungsübungen Später: Gebrauchsbewegungen, Widerstandsübungen, Beschäftigungstherapie Elektrotherapeutisch: diadynamische Ströme (CP und LP), Interferenzstrom bei völliger Ruhigstellung Vor Bewegungstherapie: Wärme, Packungen, Kurzwelle (Dosis II) Nach Luxationen Muskelgleichgewicht erarbeiten Massage hypertoner Muskeln

Indikationen für die Frauenheilkunde Auch in der Frauenheilkunde sind zahlreiche Maßnahmen physikalisch-therapeutischer Art indiziert. (Ausführliche Darstellungen der Anwendung physikalischtherapeutischer Verfahren in der Gynäkologie bei [23] und [384].) Im folgenden reichen summarische Hinweise aus, die dem Arzt die speziellen physikalischen Methoden und die vielfach noch wichtigeren, komplexen Wirkungen der Bäderund Klimatherapie empfehlen. Zunächst ist die Wärme auch in der Frauenheilkunde die wohl am meisten genutzte physikalische Verordnung. Ihre Indikationsliste ist außerordentlich groß. Belebend wirkt Wärme auf endokrine Steuerungen: sie regt die mangelnde Tätigkeit der Drüsenapparate (Ovarien und Mammae) an, löst Verkrampfungen, besänftigt abklingende Entzündungs- und andere Reizzustände, fördert die Resorption von Exsudaten, macht Adhäsionen nachgiebiger und dergleichen mehr. Die einfachen, feucht-warmen Auflagen und Packungen sind auch zuhause anzuwenden. Zu den gut wärmenden Packungen eignen sich Peloide und Paraffin. Solche Mittel erwärmen diffus den ganzen Unterleib. Intensiver und tiefer wirkt Wärme mit der Hochfrequenzenergie. Kurzwellendurchflutungen im Kondensatorfeld mit zwei großen Elektroden, eine im Rücken, die andere auf den Unterleib, oder zu beiden Seiten der Mammae wirken großräumig. Gleichfalls gute Ergebnisse bringen auch die Behandlungen mit Dezimeteroder Mikrowellen mit entsprechenden Elektroden. Gezielter richtet man mit einer differenten (S. 350) Elektrode oder eine Monode die Wärme auf einen Herd, z. B. einen von außen zugänglichen Abszeß. Spezialelektroden, die gelegentlich in das Rektum oder die Vagina eingeführt wurden, haben sich als entbehrlich erwiesen. Bei ovarieller Insuffizienz sollen auch Durchflutungen der Hypophysen-Zwischenhirnregion erfolgreich sein (zwei gleichgroße Glasschalenelektroden beiderseits am Os temporale, Dosis II, jeweils 10 Minuten).

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Krankenbehandlung durch Anwendung physikalisch-therapeutischer Prinzipien

Auch die Hydrotherapie mit erwärmender Zielsetzung wird in der Gynäkologie neben den schon genannten Auflagen mit Sitzbädern, die recht warm oder in aufsteigender Regie zu einer nachhaltigen Hyperämie der Beckenorgane führen, oft angewendet. Indikationen der Kryotherapie ergeben sich bei akuten Entzündungen im Bereich des inneren Genitale und der Parametrien, gelegentlich auch bei Blutungen. Die Hochfrequenzwärme ist für die spezielle Frauenheilkunde die wichtigste Anwendungsform der Elektrotherapie. Niederfrequente Stromformen finden dagegen in der Gynäkologie keine Anwendung. Die Bewegungstherapie hat spezielle gynäkologische Indikationen. In den letzten drei Monaten vor der Niederkunft schafft sie wertvolle Bedingungen für eine leichtere Geburt. Im Wochenbett und danach bringt sie überfordertem, überdehntem Gewebe wieder einen normalen Spannungszustand. Als unspezifische, „umstimmende" Behandlung bei somatischen und psychischen Fehlsteuerungen ist sie im Rahmen von Kurmaßnahmen ein entscheidender Bestandteil des therapeutischen Konzeptes. Für die Schwangerschaftsgymnastik stehen verschiedene Programme zur Wahl. Am bekanntesten ist die Methode nach Read [509]. Angestrebt wird, daß die Muskeln des Körpers entspannt und damit auch Gemütsbewegungen, z. B. die Angst vor und unter der Geburt, und die Schmerzen, beherrscht werden. Die Krankengymnastinnen brauchen spezielle Erfahrungen für dieses Indikationsgebiet. Die Wochenbettgymnastik verfolgt eine Reihe von Zielen: Unterstützung der Rückbildungsvorgänge, Aktivierung der überdehnten Beckenbodenmuskulatur, Korrektur der Rumpfstatik. Es wird empfohlen, in 5 Tagen nacheinander das ganze Übungsprogramm aufzubauen, es dann aber noch mindestens 6 Wochen lang beizubehalten. So verschwinden die häufigen Rückenschmerzen oder sie kommen nicht erst auf, die Haltefunktion der Bauch- und Beckenbodenmuskulatur kehrt zurück, Darm- und Blasenfunktion normalisieren sich und die Durchblutung kommt kräftig in Gang, so daß Komplikationen (Thrombophlebitiden) nicht aufkommen. Schwangerschaften, besonders wenn sie zu schnell nacheinander folgen, belasten den muskulären Halteapparat des Beckens und die Statik der Wirbelsäule erheblich. Viele mehrfach gebärende Frauen klagen ständig über Kreuzschmerzen, behalten einen Hängebauch, leiden bald unter Senkungsbeschwerden, Preßinkontinenz und anderem, wenn nach Geburten die Nachsorge vernachlässigt wurde. Sind die Kreuzschmerzen nicht anderer Genese, die nach spezieller Behandlung verlangt, dann ist die ausgewählte Bewegungstherapie mit spezieller Beckenbodengymnastik, isometrischen Anspannungen, dynamischen Muskelübungen und lockeren Bewegungen des ganzen Körpers die wirksamste Maßnahme gegen solche Verschleißerscheinungen. Die Frauenheilkunde ist natürlich nicht topographisch begrenzt auf die generativen Organe und Funktionen. Mehr als manch andere chronische und beschwerliche Symptomatik verändern die Erkrankungen und anhaltenden Beschwerden gy-

Physikalisch-therapeutische Indikationen in den einzelnen Fachgebieten

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näkologischer Herkunft die Psyche der Frau; sie lasten auf ihren Empfindungen und ihrem Befinden. Mit „ganzheitlich" und unspezifisch wirksamen Verordnungen der Balneotherapie einschließlich hydrotherapeutischer Ergänzungen und mit klimatherapeutischen Konzepten können solche Veränderungen, wenn sie sich als belastend erweisen, in ihren Auswirkungen gemindert werden. Das schließt nicht aus, daß mit Bäderbehandlungen auch spezielle, gezielte Heilbestrebungen zu guten Ergebnissen führen. So wird die Moortherapie mit Bädern unter anderem empfohlen für chronische Entzündungen im Genitalbereich, für bestimmte Formen der Dysmenorrhoe und der Sterilität, sowie bei klimakterischen Beschwerden und Adhäsionsbeschwerden. Im wesentlichen ist es die Wärme der nachfolgenden Hyperämie im Unterbauch und den hier gelegenen Organen, die heilende Anstöße gibt. Diese hält nach Moorbädern besonders lange an [386]. Darüber hinaus ist seit langem bekannt, daß in den Badetorfen (vgl. Moorbäder, S. 500) Östrogene enthalten sind, die der Körper über die Haut aufnimmt. Ob es diese Hormone sind, die eine Ovarialinsuffizienz verbessern — zur Substitution reichen sie sicher nicht aus (S. 504) — und ob die Erfahrung, daß nach Moorbadekuren nicht selten die Sterilität von einer Konzeption abgelöst wird, den spezifischen Moorwirkungen anzurechnen ist, ist noch nicht erwiesen. Wahrscheinlicher ist die unspezifische Umstimmung im und durch das Kurgeschehen im Verein mit moorspezifischen Auswirkungen hier das auslösende Moment. Auch die Solen bieten sich als Bäder und zu vaginalen Spülungen an. Die Liste der Indikationen und auch Kontraindikationen ist umfangreich [23]. Die lokale Anwendung ist entsprechend nur erfahrenen Gynäkologen vorbehalten. Weitere balneotherapeutische Empfehlungen gehören als mehr unspezifische Heilmaßnahmen in den Rahmen einer komplexen Kurbehandlung. Für die durch gynäkologische Erkrankungen geschwächten Frauen ist neben sedierenden Bädern, die aber auch den Gesamtkreislauf anregen, weiterhin den Liegekuren, möglichst im Freien, gegebenenfalls auch den schon genannten, gezielten Wärmebehandlungen, ganz besonders eine sorgfältig ausgewählte und dosierte Gymnastik unentbehrlich. Sie dient im Verein mit gezielten Verordnungen der allgemeinen somatischen und physischen Entspannung und trägt damit wesentlich zur Gesundung und Erholung der Patientinnen bei. Oft wird man balneotherapeutische Verordnungen nicht benötigen. Dann bieten klimatherapeutische Reize wertvolle Möglichkeiten zur Erholung. Da es sich bei den durch Familie und Haushalt oder durch Beruf und Haushalt überforderten Frauen oft um Erschöpfungszustände handelt, die auch die gynäkologischen Störungen wesentlich mitbestimmen, verspricht in erster Linie das reizmilde Mittelgebirgsklima im Rahmen einer wohldosierten, kombinierten Kur (S. 595) unter ärztlicher Führung gute Heilerfolge.

Anhang

Richtlinien für die Auswahl, Gestaltung und Dosierung physikalisch-therapeutischer Verordnungen In den Verordnungen und der Dosierung unterliegt die Physikalische Therapie eigenen Normen. Physikalisch-therapeutische Verordnungen in einem Rezept zu formulieren macht dem Neuling in dieser Disziplin zunächst gewisse Schwierigkeiten. Die folgende Gegenüberstellung der medikamentösen und physikalischtherapeutischen Anwendungen zeigt die Gründe dafür auf. Der nach herkömmlichen Grundsätzen ausgebildete Arzt ist mit der Verordnung und Dosierung chemischer Substanzen pflanzlicher, tierischer (Hormone, Sera) oder synthetischer Herkunft vertraut. Dagegen hat er in seiner Studienzeit wenig darüber gehört, wie man physikalisch-therapeutische Kräfte in ihrer quantitativen Wirkung auf den Menschen beurteilt [688]. Unter Dosierung versteht man die Verabreichung einer bestimmten Menge eines heilsamen Mittels. Ist dies eine chemische Substanz, etwa Chininum sulfuricum, dann verabreicht man nach pharmakologischen Erkenntnissen. Die Dosierung ist auch in der physikalischen Therapie eine axiomatische Gegebenheit, deren Begründungen aber nicht ohne weiteres mit den Grundregeln der sich zum Vergleich aufdrängenden Pharmakotherapie übereinstimmen. Anweisungen zur Dosierung nichtmedikamentöser Maßnahmen sind schwieriger zu geben, weil die physikalische Therapie Methoden einsetzt, deren energetische Wirksamkeit oft nur annähernd bekannt ist oder nur geschätzt werden kann, vor allem aber, weil die „Dosis" für das Individuum nicht nach Alter oder Körpergewicht berechenbar ist, sondern erst während oder nach der Behandlung als zutreffend erkennbar wird. Die Gründe, die es oft unmöglich machen, bei physikalisch-therapeutischen Verordnungen Dosierungen nach Maß und Zahl so anzugeben, wie wir es bei der Verordnung von Medikamenten gewöhnt sind, liegen in der Eigengesetzlichkeit der physikalischen Medizin. Wo diese ihre Besonderheiten nicht klar erkannt sind, begegnet man einer gewissen Skepsis, nicht selten sogar einer Geringschätzung, mindestens aber einer lässigen Einstellung zu den physikalisch-therapeutischen Maßnahmen, weil es den Anschein hat, als seien derartige Verordnungen mangels klarer Dosierungsrichtlinien etwas Belangloses, Unerhebliches, das wohlabgewogener Dosierungen gar nicht bedarf. Weil Dosierungsangaben sich in physikalisch-therapeutischen Verordnungen nicht in gewohnter Weise mit Signaturen in einem Rezept formulieren lassen, findet man in den meisten Verschreibungen und Empfehlungen dieser Art zur Dosierung wenig oder gar nichts. Dies kann keinesfalls genügen. Wenn die Physikalische Therapie im Vergleich zur Krankenbehandlung mit Medikamenten gewisse Schwierigkeiten der exakten Dosierung hat, dann sollte man nicht vergessen, daß dies für manche andere Behandlungsart ebenso zutrifft.

Auswahl, Gestaltung u. Dosierung physikalisch-therapeutischer Verordnungen

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Es gibt Methoden der Therapie, bei denen eine Dosierung nach Maß und Zahl nicht einmal vorstellbar ist. So kennt zum Beispiel die operative Therapie eine Dosierung im engeren Sinne nicht [554]. Dies trifft auch für die Psychotherapie zu. Die Diätetik beschäftigt sich, sofern sie zu quantitativen Fragen Stellung nimmt, nur mit der Vermeidung von Fehldosierungen und sie beurteilt nur, was der Körper braucht bzw. toleriert. In der Pharmakologie dagegen finden wir die exaktesten Dosierungsvorschriften, in denen der Arzt mit Mengenangabe und Signatur auf Bruchteile eines Grammes genau festlegt, wieviel einer Substanz und wie oft ein Patient davon zu nehmen hat. Zwischen diesen beiden Polen (keine Dosierung — exakteste Dosierung) steht die Physikalische Therapie. Der Arzt verordnet hier — wie in der Pharmakotherapie — auch energetisch wirksame Gaben (Dosen); sind diese aber nicht exakt meßbar, dann läßt sich nur durch Erfahrung und durch sorgfältige Beobachtung während der Behandlung das notwendige Maß finden. Die Dosierung medikamentöser, kausal oder symptomatisch wirksamer Mittel geschieht in Mengen, die außerhalb des Körpers gemessen oder gewogen wurden. In der Physikalischen Therapie, die auf dem Übungsprinzip beruht und immer eine Leistung fordert, die von Behandlung zu Behandlung recht ungleich sein kann und muß, ist diese Leistung nur in Sonderfällen messend zu bestimmen. Dennoch können aber in der Physikalischen Therapie, ähnlich wie in der Arzneimitteltherapie, Dosierungsangaben gemacht werden. Einige Beispiele sollen dies verdeutlichen: Bei Erkrankungen der Atmungsorgane, etwa einer Pneumonie, hat die moderne Medizin ursächlich, das heißt bakteriostatisch oder bakterizid wirkende Mittel zur Verfügung, deren Dosierung eine ausreichende Konzentration am Krankheitsort notwendig macht. Die Messung der Konzentration am Ort selbst ist allerdings kaum zu realisieren, eine Berechnung im allgemeinen möglich und ausreichend. Derartige Krankheiten gehen meist mit Störungen der Atemfunktion oder der Zirkulation einher, die physikalisch-therapeutische Verordnungen erfordern. Unter dem Krankheitsgeschehen ist die Belüftung der Lungen, auch der Anteile, die von der Infektion befallen sind, oft ungenügend. Die Gefahr der hypostatischen Komplikationen droht, der Gesamtkreislauf ist verringert, dem Risiko einer Thromboseentstehung ist zu begegnen. Derartige Symptome funktioneller Störung bedürfen der Übungstherapie, die hier überwiegend krankengymnastischer Art sein muß. Ihre Dosierung richtet sich jeweils an der augenblicklichen Reaktionsfähigkeit und Belastbarkeit des Kranken aus. Hier muß unter Verzicht auf Meßgrößen, deren Ermittlung möglich ist, aber eine unzumutbare Belastung wäre, bei der Dosierung die klinische Erfahrung und der klinische Blick einsetzen, der — so wie die Berechnung eines Wirkspiegels — dem erfahrenen Therapeuten ausreichende Dosierungskriterien liefert. Diese aber können prospektiv in der Verordnung nur in Grenzen festgelegt werden.

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Anhang

Die medikamentöse Behandlung eines kranken Herzens mit Glykosiden ist exakt dosierbar durch Berechnung des Wirkspiegels, der Resorptions- und Abklingquote und der Erhaltungsdosis. Kommt hier die Notwendigkeit einer erweiterten funktionsübenden Behandlung hinzu, zum Beispiel nach einem Herzinfarkt zur Wiedererlangung einer tolerablen körperlichen Leistung, oder nach Herzoperation zur Anpassung des Organismus an eine veränderte Hämodynamik, die allein durch physikalisch-therapeutisches Vorgehen gesteuert werden kann, dann gibt es auch hier exakte Dosierungsmöglichkeiten, indem der Arzt aufgrund spiro-ergometrischer und elektrokardiographischer Analysen die Grenzen festlegt, die der Patient erreichen muß, damit er einen Leistungszuwachs gewinnt, die andererseits aber nicht überschritten werden dürfen, weil sonst Überforderungen des Herzens und des Kreislaufs vorkommen. Innerhalb dieses Dosierungspielraums — ein Begriff, der für die physikalisch-therapeutischen Maßnahmen von besonderer Bedeutung ist — wird die Behandlung variabel der jeweils gegebenen Situation angepaßt und die Wirkung ständig beobachtet, damit die Dosierung im Rahmen des abgesteckten Spielraumes bleibt. Schließlich kann als ein letztes Beispiel, das für die medikamentöse Behandlung und die Physikalische Therapie gemeinsame Probleme der Dosierungen aufzeigt, die progressiv chronische Polyarthritis dienen. Hier findet die Dosierung medikamentöser Behandlungen meist an den Nebenwirkungen ihre Grenzen. Dabei ist die Beobachtung schädigender Nebenwirkungen schon ein Ausdruck der Überdosierung. Dies gilt auch in der Physikalischen Therapie, die in dem Beispielsfall überwiegend funktionserhaltende und symptomatisch lindernde Aufgaben hat. An den Beispielen wird deutlich, daß auch in der Pharmakotherapie eine bestimmende Aufgabe, wie „3mal täglich 25 mg", zuweilen nur eine scheinbar exakte Dosierung ist, weil diese Menge auch außerhalb der Streuung einer individuell optimalen Dosierung um einen empirisch gefundenen Mittelwert liegen kann. Ob dies aber so ist, darüber bringt, wie in der Physikalischen Therapie, nur aufmerksame Beobachtung Klarheit. Deshalb ist es in solchen und vergleichbaren Situationen schwierig, eine bestimmte, gleichbleibende Dosierung eines Medikamentes oder einer physikalisch-therapeutischen Maßnahme für einen größeren Zeitraum bindend festzulegen. Da die physikalisch-therapeutischen Verordnungen stets Aufträge an nicht ärztliche Mitarbeiter darstellen, muß diesen im Rahmen der Anweisung die Möglichkeit bleiben, ihre Betätigung individuell der jeweils gegebenen Situation des Patienten anzupassen. Dazu dient ein Dosierungsspielraum, den man nur durch ständige Beobachtung des Patienten während der Behandlung nutzen kann und der zwischen Arzt und Behandler gegebenenfalls abgesprochen wird. Dies ist einer der Gründe, weshalb zwischen Arzt und Therapeut ein ständiger Kontakt bestehen muß (S. XVIII). Manche physikalisch-therapeutischen Verordnungen enthalten schon eine flexible Dosierung nach Reizstärke und -dauer, die sich aus der gemeinsamen Aktivität von Patient und Behandler ergibt. Das gilt für die Massagen, die Bewegungs-

Auswahl, Gestaltung u. Dosierung physikalisch-therapeutischer Verordnungen

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therapie, zum Teil für Guß- oder Bäderbehandlungen u. a. Das subjektive Be- und Empfinden der Patienten muß in jedem Fall als Richtgröße von vornherein eingeplant sein, ohne daß dies in der Verordnung ausdrücklich geschieht. Bei den Tabellen 41-47 zur Dosierung ist dies berücksichtigt. Der Bademeister beginnt z. B. eine verordnete Kneippbehandlung nicht in der üblichen Weise, wenn der Patient fröstelt, sondern er macht dann zunächst ein aufsteigendes Fußbad, auch wenn das nicht in der Verordnung steht. Dieses ist im Rahmen des Dosierungspielraumes erlaubt, sogar nötig, damit der Wärmehaushalt und so das periphere Gefäßsystem dem Sinn der Verordnung entsprechend reagieren. Die Krankengymnastin verlangt, ohne daß der Behandlungsauftrag sich ändert, mehr oder weniger an aktiver Leistung je nachdem, wie sich der Patient zum Zeitpunkt der Behandlung fühlt. Kriterien sind neben objektiven Meßwerten (Pulsfrequenz, am Trainingsergometer Wattzahl und dergleichen) die subjektiven Angaben der Patienten. In der Bewegungstherapie, besonders in der Elektrogymnastik ist die Muskelermüdung ein warnendes Zeichen. Es kündigt der Krankengymnastin unter der Behandlung an, daß eine unüberschreitbare Grenze erreicht ist, auch wenn die Verordnung mehr fordert. In der Thermo- und Elektrotherapie muß über die Reizstärke das Wärme- oder Stromgefühl, das zu verschiedenen Zeiten nicht gleich ist, Auskunft geben. Wann eine Reizstärke sensibel schwellig (S.354) oder thermoindifferent ist, muß der Behandler jeweils innerhalb bekannter Grenzen individuell ermitteln; die Verordnung kann dazu einen Zahlenwert nicht enthalten. Für manche Behandlungen gibt es Standardwerte, z. B. in der Kneipptherapie, für die Badedauer, für Wechselteilbäder, für die Zeiten einer galvanischen Durchströmung bzw. für die Dauer der Hochfrequenzdurchflutungen und anderes mehr. Sie sind aber im Einzelfall nicht unumstößlich gültig, zuweilen erfordert eine beabsichtigte Reaktion, z.B. eine reaktive Hyperämie bei hydrotherapeutischen Maßnahmen, Abänderungen der üblichen Dosierung. Das Wohlbefinden im Bad bestimmt, mehr noch als ein unpersönlicher Normwert, die Dauer und die Reizstärke der Behandlung. In Behandlungsserien entscheidet der Arzt zuweilen erst in deren Verlauf nach den Befund- und Befindensänderungen über die weitere Dosierung. So verlangt ein Leistungszuwachs gegebenenfalls höhere Dosierungen, damit der Reizcharakter erhalten bleibt, oder erreichte Kapazitätsgrenzen verlangen eine Zurücknahme der Dosierung. Steigende Anforderungen, z. B. in der Gehschule, dem Intervalltraining und anderen Leistungsanforderungen, würden jetzt den Organismus überfordern und damit zum Gegenteil dessen führen, was der Arzt anstrebt. Die Tabellen 41-44 zu den einzelnen physikalisch-therapeutischen Methoden verdeutlichen, was jeweils der Arzt zur Dosierung oder zu bestimmten Techniken vorschreibt und wie der Behandler daraus, im Sinne der Verordnung, eine individuelle Behandlung macht.

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Anhang

Tabelle 41 Mechanotherapie a) Massagebehandlung Die auf den Körper übertragene Energie ist nicht meßbar. Angaben zur Dosierung durch den Arzt

Dosierungsmöglichkeiten durch den Behandler

Angaben zur Technik: Reizgriffe oder Griffe milderer Wirkung Dauer: Standard zu Ort und Größe der behandelten Körperregion, zu Anzahl und zeitlicher Aufeinanderfolge

Änderung von manuellem Druck und Zug Gegebenenfalls Auswahl der Technik Dauer der Einzelbehandlung (nach Reaktion)

Klarer Behandlungsauftrag zur einfühlenden Dosierung erforderlich, zum Beispiel: Lockerung der schmerzhaft verspannten Muskulatur oder Anregung der Durchblutung, der Peristaltik, Narbenlockerung und dergleichen

Einzelheiten des Vorgehens können einem geschulten Masseur anvertraut werden. Er richtet sich nach einem üblichen Standard, von dem er nur in Sonderfällen abgehen wird

Verordnungsbeispiel: 12mal Lockerungsmassage. Schmerzhaft verspannte Hals-SchulterMuskulatur rechts, einschleichend beginnend bis zu kräftigen Reizgriffen. Mit einem klaren Auftrag hat der Masseur den nötigen Spielraum, um vorsichtig beginnend, ohne schmerzhaft zu reizen, die Muskulatur wieder in einen guten Funktionszustand zu bringen. b) Krankengymnastik Krankengymnastik ist dosierte Belastung. Bestimmend für die Dosierung ist die Leistung (Arbeit/Zeit). Der energetische Aufwand ist für die genormte Arbeit meßbar, in der nicht genormten krankengymnastischen Bewegungstherapie nur als biologische Leistung abschätzbar bzw. indirekt meßbar. Angaben zur Dosierung durch den Arzt

Dosierungsmöglichkeiten durch den Behandler

Hinweise durch diagnostische Angaben: zum Beispiel Zustand nach Herzinfarkt, Belastungsinsuffizienz, Mitralstenose, Lungenemphysem und dergleichen

Bewegungen passiv — aktiv

Klinische Angaben, zum Beispiel: wenig belastbar, nur kurze Belastung, längere Pausen Zielsetzung: Lockerung — Kräftigung der Muskulatur — Koordination der Bewegungen, Bewegungsökonomie, Haltungsschulung oder dergleichen

Isometrisches oder isotonisches beziehungsweise auxotonisches Prinzip Widerstandsübungen fein dosierbar durch Gefühl, Dosierung auch durch Ausmaß der Bewegung, Schnelligkeit, Kraft, Dauer Schmerzgrenze nicht überschreiten (bei Kontraktur oder Ischämiebehandlungen) Behandler berücksichtigt: Gesamteindruck, Aussehen, Anstrengung (Schwitzen), Atemnot, Schmerzangaben und dergleichen

Angaben zur Dauer der Behandlungen können prospektiv kaum gemacht werden, sie lassen sich nur in persönlichem Kontakt zwischen Arzt und Krankengymnastin bestimmen. Ein ständiger Kontakt zwischen Arzt und Behandler ist in der Krankengymnastik wegen der komplexen Wirkung der Bewegungstherapie unerläßlich, er läßt sich allein durch ein Rezept nicht herstellen.

Auswahl, Gestaltung u. Dosierung physikalisch-therapeutischer Verordnungen

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Tabelle 42 Elektrotherapie a) Niederfrequenztherapie (stabile Galvanisation: Die abgegebene Energie ist meßbar, Dosierung durch die Wahl der Stromstärke, der Dauer der Stromeinwirkung und der Elektrodengrößen) Angaben zur Dosierung durch den Arzt

Dosierungsmöglichkeiten durch den Behandler

Bestimmung der Methode

Subjektives Stromgefühl mit dem Patienten abstimmen (Einschleichen — Ausschleichen)

Dosierung: technische Angaben und Stromgefühl ; sensibel unterschwellig bis schwellig (bei stabiler Galvanisation, hydroelektrischen Teil- und Vollbädern, Iontophorese) Stromrichtung bestimmen Angaben zur Wahl und Anlage der Elektroden (Massenbehandlung, nicht Punktbehandlung)

Dauer des Stromflusses Leichte, gleichmäßige Rötung zeigt mittlere Dosierung an, fehlende Rötung, Unterdosierung Wahl und Anlage der Elektroden nach diagnostischen Angaben und Standard

Anzahl der Behandlung und Dauer nach Standard, 5-30 Minuten (ansteigende Dosierung) Zur Dosierung meist schablonenhafte Angaben. Der Behandler wählt bei fehlenden Verordnungen Standardwerte, etwa im Rahmen von 0,5-1,5 mA/10cm 2 . Verordnungsbeispiel: 6 Stangerbäder, sensibel schwellig, Anode im Nacken-Schulter-Bereich, Kathode im Lendenbereich, 5-15 Minuten, ansteigend.

b) Reiz- oder Impulsstrombehandlung Angaben zur Dosierung durch den Arzt

Dosierungsmöglichkeiten durch den Behandler

Stromart, Stromform, Stromstärke, Impulsdauer, z. B. Pausendauer anhand einer I/tKurve (graphische Darstellung der Beziehungen zwischen Reizstärke und Reizzeit) vorschreiben

Der Behandler ermittelt die notwendigen Stromqualitäten, wenn ein klarer Behandlungsauftrag mit Zielsetzung vorliegt, gegebenenfalls probatorisch (setzt entsprechende Ausbildung und Erfahrung voraus) Ein Dosierungsspielraum muß dem Behandler möglich sein, weil über Ermüdungserscheinungen hinaus keine Kontraktionsreize gegeben werden dürfen. Erst die Beobachtung der Wirkung kann die endgültige Dosierung bestimmen

Verordnungsbeispiele: Bei geschwächten Muskeln mit erhaltener Innervation: 12 Schwellstrombehandlungen M. quadriceps fem. rechts kräftige Muskelkontraktionen, täglich 5-15 Minuten, steigend.

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Bei Lähmungsbehandlung (selektive Reizung gelähmter Muskeln unter Akkommodation gesunder Muskeln erfordert Exponentialströme): 12mal Elektrogymnastik Handstrecker, bipolar Stromqualität nach I/t-Kurve (ermitteln), täglich 10-20 Kontraktionen und steigend, Ermüdung beachten.

c) Hochfrequenztherapie Die vom Gerät abgegebene Energie ist zwar meßbar, sie kann aber in den Verordnungen nicht exakt beschrieben werden. Die Dosierung ist abhängig von der subjektiven Wärmeempfindung. Sie wird auch bestimmt durch abgegebene Hochfrequenzleistung, Dauer der Behandlung und Art der Durchführung. Angaben zur Dosierung durch den Arzt

Dosierungsmöglichkeiten durch den Behandler

Dosierabgaben mittels Dosierungsschablonen (nach Schliephake): 1. unterschwellig (kein Wärmegefühl) 2. eben spürbar 3. deutlich spürbar (angenehm) 4. kräftig spürbar (noch nicht unangenehm) Zeitangaben: akute und subakute Zustände kurze Behandlungszeiten (1-5 Minuten) kurze Behandlungsserien (ca. 5mal) kurze Intervalle (l-2mal täglich) chronische Zustände: lange Behandlungszeiten (5-20 Minuten) lange Behandlungsserien (12-15mal) lange Intervalle (2-3mal wöchentlich) Bestimmung der Methode hat Einfluß auf die Wärmedosierung am Wirkungsort. Deshalb technische Angaben: Kondensatorfeld oder Energiestrahler oder Wellenlängenangaben: Kurz-, Dezimeter-, Mikro-Welle (verschiedene Wärmeverteilungsspektren)

Elektrodentechnik, Größe, Abstand, Lage wählt der Behandler bei vorliegendem Behandlungsauftrag, sofern Diagnose, Körperregion und dergleichen angegeben sind

In der Hochfrequenztherapie sind die Indikationen und Dosierungsempfehlungen besonders zahlreich. Verordnungsbeispiele: 12mal Kurzwellendurchflutungen Kniegelenke, Dosis II 3mal/Woche (hier wird der Behandler Glasschalenelektroden wählen — Kondensatorfeld) oder 6mal Dezimeterwellenbehandlung untere LWS-Kreuzbein, Dosis II bis III, täglich (hier kann der Behandler, wenn nichts anderes angegeben, einen Rundfeldstrahler oder einen Langfeldstrahler mit Hautabstand wählen oder einen Hohlleiterstrahler ohne Hautabstand).

Auswahl, Gestaltung u. Dosierung physikalisch-therapeutischer Verordnungen

921

Tabelle 43 Ultraschallbehandlung Die vom Schallkopf abgegebene Energie ist meßbar, im Körper aber veränderlich durch unterschiedliche Absorption; die Änderungen kommen durch Inhomogenität des Gewebes zustande, wodurch Reflexionen, Brechungen, Interferenzen und stehende Wellen entstehen. Angaben zur Dosierung durch den Arzt

Dosierungsmöglichkeiten durch den Behandler

Dosierung nur in Standard anzugeben niedrige Dosis: 0,1-0,5 Watt/cm 2 mittlere Dosis: 0,5-1,0 Watt/cm 2 hohe Dosis: 1,0-1,5 Watt/cm 2 Ankopplungsangaben (direkt mit Öl, indirekt im Wasser)

Individuelle Reizempfindlichkeit beachten Geschwindigkeit der Schallkopfführung und Dauer nach Standard Als grobe Faustregel kann gelten: 0,5-1,5 Watt/cm 2 mit bewegtem Schallkopf, 5-10 Minuten

Verordnungsbeispiel: 6mal Ultraschall rechtes Handgelenk, 0,3-0,5 Watt/cm 2 indirekte Ankopplung, beginnend mit 5 Minuten, ansteigend bis 10 Minuten. Tabelle 44 Hydro- und Thermotherapie Hydro- und Thermotherapie können in einem gemeinsamen Schema besprochen werden, weil in der Hydrotherapie überwiegend thermische Reize wirksam werden. Wärmeenergie, die auf den Körper auftrifft, ist unter bestimmten Voraussetzungen meßbar. Der Wärmeübergang in den Körper ist von verschiedenen Faktoren abhängig. In der Praxis erfolgt die Orientierung im allgemeinen an biologischen Werten. Angaben zur Dosierung durch den Arzt Hydrotherapie Bestimmung der Methode: milde Waschung, milde Teilwaschung oder stark wirkende Vollgüsse (aufbauende, ansteigende Dosierung), lokal: hyperämisierende Teilwickel, wärmestauende Ganzwikkel und dergleichen Zur Dauer, Auswahl der Ausgangstemperatur, Gußführung und zeitlichen Gestaltung muß ein Dosierungsspielraum zur Individualisierung belassen werden, kein starres Schema

Dosierungsmöglichkeiten durch den Behandler Reizstärke, Reizfläche, Reizdauer, methodisches Vorgehen, entsprechend der Verordnung nach Standardwerten, dabei individualisieren nach Gefaßreaktionen und Allgemeinbefinden

Verordnungsbeispiele: 6 Wechselfußbäder: kurzer Kaltreiz, langer Warmreiz nach Standard (nur die Beobachtung — vgl. rechte Spalte oben — kann die optimalen Zeiten auswählen), 2mal täglich oder die Verordnungen dienen dazu, den Patienten in die Technik einzuführen und diese auf die Reaktion abzustimmen 12 Gußbehandlungen nach Kneipp, wechselwarm, beginnend mit Unterschenkelguß, steigend bis Vollguß

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Anhang

Hyperthermie Der Arzt verordnet die einzustellende Körpertemperatur und die Dauer der Temperaturhaltung

Zugabe von Wärme oder Abkühlungen richten sich nach der verordneten Körpertemperatur und der Tendenz des Temperaturverhaltens beziehungsweise deren Konstanz, ggf. intermittierende Abkühlung notwendig

Medizinische Bäder werden ausschließlich nach ärztlicher Verordnung dosiert (Angabe von Zusätzen, deren Menge, Dauer des Bades, Häufigkeit und dergleichen).

D i e beiden materiellen Träger der konservativen Krankenbehandlungen, die Pharmako- und die Physiotherapie, h a b e n Eigenarten, die jeweils eigenen Gesetzen unterliegen. G e m e i n s a m aber m a c h e n sie in der A n w e n d u n g a m und in der physiologischen Wirkung auf den M e n s c h e n einander ergänzend die Heilbestreb u n g e n erst zu einer Einheit. D i e medikamentöse G a b e v o n Substanzen in den Körper, in d e m sie komplizierte biologische Vorgänge auslösen, u n d die A n w e n d u n g v o n auf den Körper einwirkenden physikalischen Energien v o n außen, die der Organismus als Reize empfindet u n d die Reizantworten physiologischer Art auslösen, verlangen Dosierungen, die beide Wirkprinzipien in sinnvoller Weise ergänzen. Z u den materiellen Eigenheiten der Physikalischen Therapie k o m m e n aufgrund ihrer Eigenständigkeit n o c h weitere, mehr psychologische Gesichtspunkte hinzu, die der Arzt in der Auswahl und der Dosierung der einzelnen M a ß n a h m e n berücksichtigt. In den Tabellen 4 5 - 4 7 wird dies noch einmal zusammengefaßt. Tabelle 45 Besonderheiten der Behandlungsarten

Beobachtung oder Berechnung

Pharmakotherapie

Physikalische Therapie

Konstante Wirkung, hält an, solange das Medikament in genügender Konzentration vorhanden ist; sie endet, wenn das Medikament eliminiert ist

Reizantworten herausfordern, lange Nachwirkung (z. B. Durchblutung, Lockerung und dergl.), anhaltende Wiederholung (täglich oder mehrmals täglich) der gleichen oder ansteigender Reize (Übungseffekt)

Sättigungs- und Erhaltungsdosis bestimmen (Minimal-Konzentration)

Reizantwort beobachten, danach Reizgröße dosieren, Dosierungsspielraum abgrenzen (schwache, starke Reaktion)

Kumulierung, unterschwellige Dosis, Resorption, Ausscheidung, Abbaugeschwindigkeit nur retrospektiv erkennbar

unterschwellige Dosis sofort erkennbar, Reaktivität, Belastbarkeit, Überforderung erfordert ständige Beobachtung unter der Behandlung

Auswahl, Gestaltung u. Dosierung physikalisch-therapeutischer Verordnungen

Merkmale für die Dosierung

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Pharmakotherapie

Physikalische Therapie

Dosierungsnormen nach Maß und Maximaldosen

keine Normen (Standard) Energiezufuhr ist nicht gleich Absorption, diese ist nach der Reaktion abschätzbar

die Substanz wird nach Körpergewicht dosiert (Körper ist Objekt)

Dosierung ganz individuell nach Reaktionen (Körper ist Subjekt)

Verteilung über den ganzen Körper erfordert hohe Einzeldosen

Reize auf Organe und Regionen zielbar

Nebenwirkungen können groß sein

Nebenwirkungen gering, absolut vermeidbar durch Dosisanpassung während der Behandlung

Tabelle 46 Verordnungseigenheiten Pharmakotherapie

Physikalische Therapie

Das Rezept legt fest: 1. Was gegeben wird 2. Durch Signatur die Gesamtmenge, Einzeldosis, Tagesdosis, Intervallkonstanz

Verordnung gibt Behandlungsauftrag Wirksame Energie meist nicht bestimmbar, deshalb: 1. Beobachtung während der Behandlung 2. Variabler Behandlungsstandard (milde bis kräftige Reize) 3. Dosierungsspielraum muß gegeben sein Intervalle erforderlich (Übungseffekt), Dauer der Einzelbehandlung von funktionellen Faktoren abhängig und gegebenenfalls nach Reaktion zu gestalten

Prospektive Angaben werden nicht gemacht

Prospektive Angaben sind zur Dosierung beschränkt möglich, zur Behandlungsdauer immer notwendig

Ausführung der Behandlung Abgabe des Mittels durch Apotheke (kein persönlicher Kontakt, Verantwortung nur für Zubereitung)

Behandlung durch Fachkraft (persönlicher Kontakt)

Die Verantwortung für vorgeschriebene Dosierung trägt der Patient selbst

Verantwortung haben Arzt und Behandler gemeinsam

Unabänderlicher Auftrag, Signatur läßt keinen Spielraum

Behandler hält sich innerhalb eines nach der Verordnung zugelassenen Dosierungsspielraumes

Meist konfektionierte Fertigpräparate mit aufgedruckter Signatur (ganz unpersönlich)

Immer auf den Kranken zugeschnittene Verordnung mit Angaben zur Reizqualität und -quantität, Intervallangaben, Dauer der Behandlung und dergleichen

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Anhang

Tabelle 47 Psychologische Einflüsse auf die Wirkung von Behandlungen In der Pharmakotherapie

In der physikalischen Therapie Aus der Sicht des Patienten

Der Kranke kauft ein Heilmittel ein, er besitzt es selbst, es bleibt ihm unverständlich

Der Kranke wird einem Behandler überwiesen, zu diesem tritt er in persönliche Beziehung

Er ist einer unerklärlichen Wirkung ausgesetzt (Objekt)

Er versteht, erlebt, empfindet die Wirkung (Subjekt), sie ist ihm meist angenehm

Er kennt die Dosierung, die unabänderlich vorgeschrieben wird

Er wirkt aktiv mit, auch an der Dosierung, er wird gefragt, beobachtet und vor einem Zuviel bewahrt

Er kann selbst über- oder unterdosieren durch Eigenmächtigkeit oder Vergeßlichkeit Er macht sich gegebenenfalls Gedanken über das chemische Mittel, das er für „unnatürlich" hält

Er hat Vertrauen zu dem „natürlichen" Heilmittel

Aus der Sicht des Arztes Der Arzt gibt einen unabänderlichen Auftrag, keine Bindung zu Hersteller und Verteiler

Der Arzt überweist an Mitbehandler, delegiert Verantwortung; dies erfordert enge Zusammenarbeit und gegenseitige Orientierung zwischen Arzt und Behandler Der Auftrag muß mehr enthalten als eine rezeptierte Arzneimittelverordnung, er muß eine Anpassung der Reize an die individuelle Reaktionsfähigkeit zulassen

Aus den Übersichten ergibt sich, daß die Prinzipien der Physikalischen Therapie in der Krankenbehandlung einerseits unentbehrlich sind und daß sie andererseits ihre Aufgaben nur im Rahmen eines therapeutischen Gesamtkonzeptes voll erfüllen können. Die Behandlung mit physikalischen Mitteln ist stets ein Gemeinschaftswerk, dessen Gelingen von einer ständigen engen Partnerschaft zwischen verordnendem Arzt, behandelnden Mitarbeitern und Patienten abhängt. Der Arzt beurteilt die dem Organismus mögliche funktionelle Reaktionsfähigkeit, er beobachtet die Leistungsfähigkeit seines Patienten und achtet darauf, daß die verschiedenen Funktionskreise aufeinander abgestimmt bleiben, damit nicht unbeabsichtigt Fehlregulationen aufkommen. Der Arzt prüft deshalb im Verlauf der Behandlungsserien von Zeit zu Zeit die Ergebnisse, gibt gegebenenfalls neue Anweisungen und behält durch ständigen Kontakt den Überblick über die Behandlung. Die Behandler, denen mit der Überweisung eines Patienten eine große Verantwortung übertragen wird, halten sich im Rahmen des vorstehend empfohlenen

Auswahl, Gestaltung u. Dosierung physikalisch-therapeutischer Verordnungen

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Dosierungspielraumes an ihren Auftrag, führen ihn selbstverantwortlich aus und fragen, sofern Unklarheiten bestehen, bei dem verordnenden Arzt zurück, damit auch von ihrer Seite der unerläßliche, enge Kontakt mit dem Arzt bestehen bleibt. Nicht selten ergeben sich unter der fortschreitenden Behandlung neue Gesichtspunkte (funktionelle Diagnostik), die der Behandler dem Arzt mitteilen sollte. Der Patient bringt den physikalisch-therapeutischen Maßnahmen in aller Regel eine zuversichtliche Einstellung entgegen. Nicht selten wird viel Eigeninitiative von ihm gefordert, z. B. im Überwärmungsbad, in der Einordnung in einen Kurplan, vor allem auch in der Mitarbeit bei bewegungstherapeutischen Anforderungen.

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Glossar physikalisch-therapeutischer Begriffe Im folgenden werden zur schnellen Orientierung einige Fachausdrücke erläutert, die auf dem Gebiet der Physikalischen Medizin gebräuchlich, in der allgemeinen Medizin aber nicht so geläufig sind, daß sie in die griffigen klinischen Wörterbücher Eingang gefunden hätten. Dazu kommen einige Begriffe, die zwar allgemein bekannt sind, deren Erläuterung hier aber mehr auf physikalisch-therapeutische Belange abgestellt wird. Die jeweiligen etymologischen Erklärungen wurden im Text des Buches gegeben. Mancher Leser mag den einen oder anderen Terminus in diesem Glossar vermissen, er wird ihn im Text des Buches über das Register auffinden. Ableiten: Naturheilkundlicher Begriff, der noch des wissenschaftlichen Nachweises bedarf. Er postuliert, daß Beschwerden, z. B. Kongestionen (Blutandrang zum Kopf), abgeleitet werden können durch eine therapeutische Maßnahme an anderer Stelle, etwa durch ein heißes Fußbad, womit im wesentlichen blutreiche innere Organe, z. B. auch die Lunge, entlastet werden dürften. Adaptationstherapie: Physikalische Therapie ist ihrem Wesen nach Adaptationstherapie. Das bedeutet: Die physiologischen Reaktionen auf physikalischtherapeutische Reize (Reiz-Reaktionstherapie) bringen den Organismus dazu, mit der Zeit Anpassungsleistungen zu entwickeln. Es bilden sich morphologische und funktionelle Adaptate: eine Arbeitshypertrophie beübter Muskeln, Kapazitätsverbesserungen funktioneller Leistungen, der Atmung, der Durchblutung, der muskulären Koordination, der Ausdauer und dgl. Akkomodabilität der Muskeln: Gesunde Muskeln besitzen die Fähigkeit, sich auf schwache Kontraktionsreize mit der Zeit (Millisekunden) zu akkomodieren. Auf einen entsprechend langsam ansteigenden Reizstrom (Exponentialstrom) sprechen sie nicht an (vgl. einschleichen). Denervierte Muskeln (Muskelfasern) verlieren ihre Akkomodabilität, sie kontrahieren sich daher unter Exponentialstromimpulsen und können so selektiv beübt werden, ohne daß gesunde Fasern an ihrer Stelle die Kontraktion der geschädigten, aber tetanisierbaren (vgl. faradisierbare Lähmung) und damit beübbaren Fasern übernehmen. Arndt-Schulz-Regel: Eine für Lebenserscheinungen, speziell für die Pharmakokinetik aufgestellte Regel, nach der schwache Reize die Reizantwort anregen, mittelstarke sie fördern, starke Reize sie hemmen. Übertragen auf das Reiz-Reaktionsgeschehen in der Physikalischen Medizin lösen schwache Reize, sofern sie die Reizschwelle reizspezifischer Rezeptoren überschreiten, schwache Reaktionen aus. Auf stärkere Reize sprechen auch die Rezeptoren mit höherer Reizschwelle an, daher eine stärkere Reaktion. Zu starke Reize hemmen nicht die Reizantwort, leiten sie vielmehr in eine Fehlrichtung, die eher schädlich ist, z. B. Hautverbrennung durch Wärme oder Strahlen, Druckhämatome, Angina-pectoris-Anfälle, Bade- und Kurkrisen u. a.

Glossar physikalisch-therapeutischer Begriffe

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Assoziierte Reaktion: Es sind unwillkürliche Tonussteigerungen in einzelnen Muskeln (Enthemmung tonischer, physiologischer Reflexe), z. B. in spastisch gelähmten Muskeln. So sieht man in der Gehschulung nicht selten, daß die Spastik im Arm zunimmt. In der Bewegungstherapie können solche assoziierten Reaktionen sehr stören, die Krankengymnastinnen verhindern sie mit entsprechend vorsichtiger Dosierung der Anforderungen. Der ältere Ausdruck „assoziierte Bewegung" ist nicht korrekt; assoziiert treten nur Tonussteigerungen auf, keine Fehlbewegungen. Bewegungsmuster: Komplexe, ein- oder mehrdimensionale, in mehreren Bewegungsebenen verlaufende, diagonal-spiralige Bewegungen, die durch unbewußte Synergie der beteiligten Muskeln zu einer Gebrauchsbewegung werden. In die Bewegungsmuster sind die vorprogrammierten Reflexbewegungen integriert (vgl. Sensomotorik). Der englische Ausdruck „pattern" ist auch im deutschen Sprachraum gebräuchlich. Bewegungstherapie: Die moderne Krankengymastik erfüllt verschiedene Aufgaben. Sie bessert mit Übungsbehandlungen gestörte, äußere Bewegungsfunktionen bzw. stellt sie wieder her; oder sie führt über Bewegungsanforderungen an die ungestörte Motorik zu funktionellen Kapazitätsverbesserungen innerer Bewegungen (Atmung, Herz-Kreislauf, Peristaltik, Stoffwechsel). Ihre Methoden gründen sich auf den Erkenntnissen der Neurophyiologie der Motorik und auf der Leistungsphysiologie. Sie schult übend die motorische Innervation, die Koordination der Gebrauchsbewegungen, ihre Zielgenauigkeit, Schnelligkeit und Ausdauer, „trainiert" die Leistungsfähigkeit der kardio-pulmonalen Funktionen, erarbeitet Ersatzfunktionen und korrigiert Fehlhaltungen und -bewegungen. Bindegewebsmassage: Besondere Massagetechnik, die mit ein oder zwei Fingerkuppen tangential „Striche" über die Haut zieht und damit Druck- und Zugreize auf das subkutane Bindegewebe ausübt. Diese mechanischen Reize setzen an „Bindegewebszonen" an (Dermatome) und wirken über kutiviszerale Reflexbögen (Reflexzonenmassage) auf innere Organe ein, z. B. detonisierend auf Spasmen. Eine „allgemein umstimmende" Wirkung der Bindegewebsmassage ist hypothetisch. Bobath-Methode: Die von B. und K. Bobath entwickelte krankengymnastische Behandlungsmethode strebt an, die abnormen Haltungs- und Bewegungsmuster der Spastik zu unterbrechen und in physiologische Bewegungen überzuführen. Richtschnur der Übungsbehandlungen ist die neurophysiologische Entwicklung der gesunden Kinder und deren reflektorische Motorik (vgl. Yojta-Methode). Constant-Schaltungen: Unter der Behandlung bzw. in der elektro-diagnostischen Testung mit Stromimpulsen ändert sich der Hautwiderstand des Patienten. Dadurch treten störende Schwankungen in den Ergebnissen auf. Durch elektronische Schaltungen der Geräte werden im Stromkreis die Stromqualitäten jeweils so moduliert, daß in den zu stimulierenden Muskeln die Stromstärke (constant current) bzw. Spannung (constant voltage) der Impulse stets den am Gerät eingestellten Größen entsprechen.

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Dastre-Morat-Regel: Die von den französischen Physiologen Dastre und Morat erkannte Regel beschreibt einen Antagonismus in der Durchblutung von Gefäßprovinzen mit hohem Blutbedarf und solchen mit geringerem Bedarf. In groben Zügen wirkt sich dieser Antagonismus zwischen inneren Organen und der Peripherie aus, z. B. den Verdauungsorganen und den Extremitätenmuskeln. Die Regel entspricht einem Ausgleichsmechanismus im Gesamtkreislauf, der unter physikalisch-therapeutischen Reizen in Anspruch genommen wird, z. B. unter starker Erwärmung der Peripherie, die ihren wärmeabführenden Blutbedarf jetzt u. a. aus inneren Provinzen schöpft. Es gibt zwei wichtige Ausnahmen: Das Herz und das Gehirn bleiben beim gesunden Menschen stets optimal durchblutet, auch wenn in der Peripherie (z. B. Langstreckenlauf) eine sehr hohe Durchblutung notwendig ist. Dehnungsreiz — Dehnungsreflex: Dehnung eines Muskels erregt dessen dehnungssensible Spindeln. Von diesen gehen Dehungsreflexe aus. Sie werden auf der Ebene des Rückenmarks verschaltet. Im gedehnten Muskel entwickelt sich eine Spannung (propriozeptiver Eigenreflex), die der dehnenden Kraft entgegenwirkt. Dies ist ein Mittel, krankengymnastisch die Aktivität eines Muskels zu unterstützen, indem der Dehnungsreflex die willkürliche, bewegende Kontraktion unterstützt, bahnt. Leitet die Krankengymnastin eine willkürliche Muskelkontraktion passiv mit einem kurzen, unmittelbar vorausgehenden Dehnungsreize ein, dann spricht damit auch die reziproke Hemmung (s. d.) des Antagonisten an. Beides, reflektorische Anspannung des Agonisten und reziproke Hemmung des Antagonisten als Selbststeuerungsmechanismen bahnen die Willkürbewegungen. Durchflutung — Durchströmung: In der Niederfrequenztherapie mit Gleichstrom : der Galvanisation und der Reizstrombehandlung, spricht man von Durchströmung des Gewebes. Der Ausdruck ist treffend, denn zwischen den Elektroden fließt ein Strom. Neben Veränderungen im Ionenmilieu (elektrolytische Reizwirkung) kommt es als Folge der Dissoziation zu Ionenbewegungen in dem zwischen den Elektroden liegenden Gewebe. Diese Ionenwanderung — Kationen (-I-) zur Kathode (—), Anionen (—) zur Anode ( + ) — ist der elektrische Strom. Im Hochfrequenzfeld (Wechselstromtherapie), in dem der Körper als Dielektrikum liegt, fließt kein Ionenstrom; man spricht deshalb hier von Durchflutung. Dabei fehlt auch die elektrische Reizwirkung auf das motorische Nerv-Muskelsystem und auf die sensiblen Nerven, weil jede elektrophysiologische Reizwirkung einer jeden Halbwelle des Wechselstroms von der folgenden Halbwelle entgegengesetzter Stromrichtung wieder aufgehoben wird. Im durchfluteten Gewebe entsteht Wärme (Joulsche Reibungswärme). Einschleichen: Im Reiz-Reaktionsgeschehen der Physikalischen Therapie bedeutet einschleichen, die Reize werden so gestaltet, daß die Reizantworten nicht sogleich, sondern verzögert und erst bei höheren Reizqualitäten eintreten. Nach und nach werden mehr der gestuft empfindlichen Reizschwellen der Rezeptoren überschritten. Auf diese Weise erreicht man in der Hydrotherapie höhere (Warm-

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reize) oder niedrigere (Kaltreize) Temperaturen als Endwert, weil ein Gewöhnungseffekt einsetzt. In der Elektrogymnastik kann man einschleichend (langsamer Anstieg der Stromstärke) geschädigte Muskelfasern selektiv (s. d.) reizen, während sich die gesunden Fasern an den Reiz akkomodieren und nicht mit einer Kontraktion antworten. Bei der stabilen Galvanisation vermeidet man, ein- und ausschleichend, störende Muskelkontraktionen (Schließungs-, Öffnungszuckungen). Einschieifen: Bestimmte Funktionen, z.B. Gebrauchsbewegungen, schleifen sich durch Übung ein. Dem liegt ein Lernprozeß zugrunde (Speicherung erlernter Programme, die abrufbar sind). Bedingte Reflexe spielen mit hinein. Die krankengymnastische Übungstherapie gründet sich auf solche Lernprozesse, indem sie programmgesteuerte Funktionen „einschleift". Elektrogymnastik: Bewegungstherapeutische Methode, Muskeln, die auf Willkürimpulse nicht oder nicht ausreichend reagieren, mit Stromimpulsen zu bewegenden Kontraktionen zu stimulieren. Mit Schwellströmen, das sind amplitudenmodulierte, langsam an- und wieder abschwellende Impulsfolgen, gelingt es, die Willkürimpulsfolgen zu vertreten und statt Muskelzuckungen fließende Kontraktionen zu erreichen (vgl. selektive Elektrostimulation). Elektrotherapie: Behandlungen mit fließendem Strom bzw. elektromagnetischen Schwingungen. Man unterscheidet elektrotechnisch zwischen Niederfrequenztherapie und Hochfrequenztherapie. Im Niederfrequenzbereich ist mit Frequenz nicht die Periodenzahl der Schwingungen (wie beim Wechselstrom) gemeint, sondern die Impulsfrequenz von Stromstößen, die durch Zerlegen eines konstant fließenden Gleichstromes in aufeinanderfolgende Stromimpulse wählbar ist. Gleichmäßig fließender Strom wird als Galvanisation genutzt (Frequenz = Null). Ihre Wirkung ist analgesierend oder detonisierend (vgl. Elektrotonus) oder hyperämisierend. Als Jontophorese schleust der galvanische Strom lokal Medikamente ins Gewebe ein. Die Hochfrequenztherapie benutzt Wechselstrom mit Frequenzen von 107 (Kurzwellen, ca 12 m), 108 (Dezimeterwellen, 69 cm) und 109 (Mikrowellen, ca 12 cm) Schwingungen pro Sekunde (Hertz). Frequenz und Wellenlänge sind einander umgekehrt proportional. Auf Grund der hohen Wechselfrequenz der Schwingungen zeigt die Hochfrequenztherapie keine Reizwirkung in Gestalt von muskulären Aktionen, es kommt nur zur Erwärmung des durchfluteten Gewebes. Besondere Reizeffekte werden mit Schwingungen erreicht, die einem Bereich der Mittelfrequenz zugeordnet werden. Mit zwei Frequenzen um 4000 Hz entstehen im Gewebe Interferenzerscheinungen in Gestalt eines niederfrequenten Reizstromes (bis 100 Hz) mit analgesierender und hyperämisierender Wirkung. Elektrotonus: Erregbarkeitszustand, den Muskeln unter der Durchströmung mit einem galvanischen Strom (Galvanisation) annehmen. Unter der kathodisch gepolten Elektrode steigt die Erregbarkeit für Stimulationsreize an (Kat-Elektrotonus), unter der Anode nimmt sie ab (An-Elektrotonus). Nach einer therapeutischen Galvanisation hält der Elektrotonus eine Zeitlang

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an; man kann ihn daher in der nachfolgenden aktiven Bewegungstherapie nutzen und eine gesteigerte Erregbarkeit (Spastik, Anode über dem Muskel) abbremsen (detonisierende Schaltung), oder umgekehrt eine zu träge Reaktionsfähigkeit auf Willensimpulse anregen (tonisierende Schaltung) (vgl. an- absteig. Stromrichtung). EPSP: siehe Erregung Ermüdungskontraktur - ATP-Mangelkontraktur: Energiequelle für die Muskelkontraktion ist die Spaltung des Adenosintriphosphat (ATP) im Muskelstoffwechsel. Leidet der Muskel durch Verbrauch von ATP Mangel, dann wird er hart, es kommt eine Ermüdungskontraktur zustande. Sie löst sich, wenn in Ruhe mit dem wieder ausreichenden Angebot an Sauerstoff „Ermüdungsstoffe" (Laktat u.a.) abgebaut und neues ATP gebildet wird. Erregung — Hemmung in der Motorik: Die geordnete Funktion des Nervensystems bedarf neben erregender auch hemmender Vorgänge. Ohne Hemmung würden die Erregungen, besonders die muskulären, weit über das Ziel hinausschießen, koordinierte Bewegungen kämen nicht zustande. Die Übertragung erregender oder hemmender Antriebe erfolgt an den Synapsen, wobei sich jeweils an der postsynaptischen Membran entsprechend dem Charakter der Synapse Potentiale bilden: erregende (Exzitatorische, postsynaptische Potentiale (EPSP) oder hemmende (inhibitorische, postsynaptische Potentiale (IPSP). Die in jede Bewegung eingehenden Willkür- und Reflexkontraktionen der Muskeln führen nur zu den beabsichtigten Bewegungen, wenn mit jeder durch Erregung bewirkten Kontraktion eines Streckers gleichzeitig der entsprechende antagonistische Beuger gehemmt wird (erschlafft) und umgekehrt. Dies geschieht in der Weise, daß von agonistisch tätigen Muskeln jeweils über Ia-Fasern auch Impulse an hemmende Interneurone im Rückenmark (Renshaw-Zellen) gehen und von hier an die Alpha-Motoneureone des entsprechenden Antagonisten. Diese reziprok-antagonistische Hemmung wird ebenso wie die fazilitierenden, bahnenden Erregungen mit verschiedenen krankengymnastischen Methoden gezielt angesprochen (vgl. Methode Kabat, Bobath, Vojta u. a.). Faradisierbare Lähmung: Die biologisch wirksamen Stromstöße des faradischen Stromes — das sind die positiven Halbwellen eines niederfrequenten Wechselstromes mit einer Frequenz von 50 Hz — bringen normale und paretische, nicht denervierte Muskeln (keine totale Entartungsreaktion) zur Dauerkontraktion, solange der Strom fließt. Man nennt solche Dauerkontraktionen „tetanisch", aus der Sicht der Elektrotherapie „faradisierbar". Denervierte Muskeln mit kompletter Entartungsreaktion sind nicht faradisierbar. Frigorigraph: Ein in der medizinischen Klimatologie gebräuchliches Gerät, das thermische Faktoren der Atmosphäre registriert. Es besteht aus einem Meßkörper, dessen Oberflächeneigenschaften den mittleren physikalischen Konstanten der Oberfläche des menschlichen Körpers sehr ähnlich sind. So gestattet das Gerät, die Wärmesituation des Menschen zu beurteilen, der klimatischen Abkühlungsreizen ausgesetzt wird.

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Hemmung: s. Erregung Höhentoleranz, relative: In Höhen über 1000 Meter erfordert der abnehmende Luft- bzw. Sauerstoffpartialdruck vom Organismus Anpassungsleistungen (Akklimatisation). Kranke mit Atemstörungen (Behinderung der 0 2 -diffusion und -perfusion) oder mit eingeschränkter, im gewohnten Klima (Höhe) kompensierter Herzleistung (Vitien, koronare Herzkrankheit, Cor pulmonale) tolerieren Höhenbelastungen nicht. Ein absolutes Maß für die Höhenbelastung gibt es bei der individuell zu wertenden Anpassungsfähigkeit oder -Unfähigkeit der Kranken nicht. Die relative Höhentoleranz bezieht sich nicht auf die absolute Höhe eines Klimakurortes, sondern auf die Höhendifferenz zwischen dem Wohnort des Kranken, an dessen Höhe er akklimatisiert ist, und einem zu wählenden Kurort, an dessen Höhe er sich akklimatisieren muß. Hier können schon Differenzen von 400 bis 500 Metern zu Überlastungen werden. Intentionsübungen: Ein Verfahren, mit dem die Absicht eines Patienten unterstützt wird, einen gelähmten, leicht geschädigten, nicht denervierten, aber nicht ansprechenden Muskel im Rahmen einer Bewegung willkürlich zu innervieren. Der Patient löst an einem Therapiegerät mit Hilfe eines Regelkästchens im Moment der beabsichtigten Kontraktion einen eingestellten Schwellstromimpuls aus, der die spontan noch nicht willkürlich gelingende Kontraktionen zum Erfolg bringt. Mit dieser „psychomotorischen Bahnung" (vgl. Sensomotorik) gelingt die Willkürmotorik regenerationsfähiger Muskeln nach einiger Zeit wieder spontan. IPSP: s. Erregung I/t-Diagnostik, I/t-Kurven: Die Reaktion (Kontraktion) eines Muskels bzw. seiner Fasern auf einen elektrotherapeutisch oder elektrodiagnostisch gegebenen Stromimpuls hängt von dessen Intensität (I) und zeitlichem Verlauf (t) ab. Die Intensität (Spitzenstromstärke) muß die für eine Muskelfaser gegebene Reizschwelle überschreiten, um eine Kontraktion (Alles-oder-Nichts-Regel) zu bewirken. Ein Expotentialstrom überschreitet langsam anschwellend alle Schwellen. Der zeitliche Verlauf eines solchen Stromimpulses macht diesen zu einer wichtigen diagnostischen Handhabe. Es ist nämlich nicht die Gesamtdauer des Stromstoßes entscheidend, sondern der Verlauf des Anstiegs, d. h. seine Steilheit bis zur Spitzenstromstärke, weil die Akkomodabilität (s. d.) gesunder Fasern ggf. eine Kontraktion verhindert (vgl. selektive Stimulation). Man benutzt zur Diagnostik Rechteck- und Dreieckimpulse. Mit jenen werden normale bzw. nur leicht geschädigte Muskeln getestet, während sich diese mit ihrer exponential ansteigenden Stromintensität für schwer geschädigte Muskeln eignen, die sich nicht mehr akkomodieren können. Testet man mit solchen Impulsen bei gleichbleibender Spitzenstromstärke von 80 mA und ansteigender Impulsdauer (mindestens 10 Werte von 0,05 bis 1000 ms) jeweils die Minimalzuckung heraus, dann erhält man, in ein Koordinationssystem mit logarithmischer Einteilung eingetragen, die I/t-Kurve als Rechteckimpulscharakteristik (RIC) oder als Dreieckimpulscharakteristik (DIC). Diese Kurven stellen die Beziehung zwischen Reizstärke und Reizzeit graphisch dar. Daraus ergeben sich Informationen über den

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Schädigungsgrad eines Muskels, über den Verlauf seiner Regeneration und Hinweise auf die Reizparameter, die für die Elektrogymnastik geeignet sind. Die Mindeststromstärke, die mit einem Rechteckimpuls eine Minimalzuckung auslöst, ist die Rheobase, auch Rechteckschwellenwert genannt. Die mit Dreieckimpulsen ermittelten Schwellenwerte der schwer geschädigten Muskeln liegen sehr viel höher. Die niedrigste Reizzeit, die mit (vereinbarungsgemäß) verdoppelter Rheobase eine Minimalzuckung auslöst, ist die Chronaxie. Sie ist bei denervierten Muskeln je nach Schädigungsgrad enorm verlängert. Kabat-Methode: Krankengymnastische, von H.Kabat entwickelte Behandlungsmethode. Es ist ein Konzept der Bewegungsbahnung. Das Prinzip ist die Nutzung der propriozeptiven Reflexerregung der Muskeln im Bewegungsablauf. Die Methode nutzt systematisch die physiologischen Haltungs- und Stellreflexe, die Dehnungsreflexe und die Gesetze der sukzessiven Induktion und der reziproken Innervation (C. Sherrington). In Komplexbewegungen werden die Bewegungsmuster unter Anregung der Muskeleigenreflexe „fazilitiert" (propriozeptive, neuromuskuläre Fazilitation). Verschiedene Techniken werden systematisch genutzt: Die langsame Umkehr (sukzessive Induktion), die rhythmische Stabilisierung, die Technik der wiederholten Kontraktion, des „anspannen — entspannen", „anspannen — halten — entspannen", Widerstandsübungen, Verstärkungsreaktionen und dergleichen. Klimatische Wirkungskomplexe: Atmosphärische Kräfte, die ein Klima im Blick auf seine biotrope Wirkung besonders charakterisieren, verbinden sich zu Wirkungskomplexen ; ihre einzelnen Faktoren fordern gleichzeitig die Reagibilität des Menschen. Der thermische Wirkungskomplex nimmt die Wärmeregulation in Anspruch; ebenso der hygrische, der mit der Luftfeuchte auch auf das Wohlbefinden Einfluß nimmt. Der photoaktinische Komplex wirkt sich an der Haut und über die Sensorik (s. d.) auf den ganzen Menschen aus. Der luftchemische Wirkungskomplex wird durch das Aerosol bestimmt. Es kann schädlich sein (Allergene, Gase, Staub), dagegen durch das Fehlen solcher Reizstoffe ein Heilklima auszeichnen (reine Luft). Aerosole können auch wohltuend sein, z. B. angenehme Duftstoffe (Wald) oder das salzhaltige Aerosol unmittelbar an der Meeresbrandung. Klimawechselzumutung: Ein von W.Hellpach geprägter Begriff, der daraufhinweist, daß die Anpassungsreaktionen, die jeder Mensch aufbringen muß, wenn er in ein wesentlich anderes, ungewohntes Klima überwechselt, an das er nicht adaptiert (akklimatisiert) ist, für Kranke zumutbar sein müssen. Das bedeutet: Der Arzt wählt ein Heilklima aus, in dem die Reizfaktoren nicht so kräftig sind, daß sie den Kranken in eine Krisensituation bringen, die auf der Grundlage seiner Krankheit entsteht. Die Klimawechselzumutung muß umso reizmilder sein, je schonungsbedürftiger ein Kranker ist. Hellpach hat diese Regel „Luftkurgrundgesetz" genannt (vgl. Höhentoleranz). Kolonmassage: Das Kolon ist das einzige innere Organ, das durch die Bauchdecke hindurch manuell massierenden Grifftechniken zugänglich ist. Die Behand-

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lungstechnik geht von 5 verschiedenen Ansatzpunkten aus. Die Kolonmassage strebt an, die regelrechte Peristaltik wieder zu spontanen Reflexkontraktionen anzuregen, wenn sie durch zivilisatorische Einflüsse träge geworden ist. Kontraktionsrückstand: Arbeitende Muskeln kontrahieren sich und erschlaffen in rhythmischer Folge. Ermüdete Muskeln erschlaffen zunehmend langsamer, so daß, setzt bei gleichbleibendem Rhythmus jeweils ein neuer Kontraktionsreiz ein, die Erschlaffungsphase noch nicht beendet ist, vielmehr noch ein Rest (Rückstand) an Kontraktion zurückbleibt. Dieser mit der Ermüdung zunehmende Kontraktionsrückstand fällt bei der Kraftentwicklung der weiteren Kontraktionen aus, weil die zu Beginn einer Kontraktion schon verkürzten Fasern zu einer Bewegung nicht mehr beitragen. Der unvollständig erschlaffte Muskel bleibt hart (vgl. Ermüdungskontraktur). Kryotherapie: Lokalbehandlung mit Eis oder Chloräthyl, die dem Gewebe schnell und intensiv Wärme entzieht, so daß die Gewebstemperatur absinkt. Lokale Unterkühlung wirkt schmerzlindernd (Lähmung der Schmerzrezeptoren und -fasern), lösend auf spastisch kontrahierte bzw. hypertone Muskeln (Lähmung der Muskelspindeln), hemmend auf entzündliche Prozesse und auf subkutane Blutungen. Auch die kräftige, reaktive Hyperämie, die nach Beendigung des Wärmeentzuges einsetzt, wird therapeutisch genutzt. Kurkrise: Kur- oder Badekrisen sind die Folge von Überdosierungen der Kurmittel. Es kommt zu überschießenden Reaktionen, die sich als Gesundheitsstörung oder krisenhafte Beeinträchtigung des Wohlbefindens bemerkbar machen. Durch Änderung der Dosierungen lassen sich die Symptome leicht beheben. Eine positive Seite der meist erträglichen Befindensstörung ist der damit erbrachte Beleg der Wirksamkeit der Kurmittel. Muskelarbeit: Tätige Muskeln leisten Arbeit (Kraft mal Weg). Es gibt verschiedene Arten der Muskelarbeit. Muskelkontraktionen, die der Haltung des Körpers dienen, leisten statische Arbeit. Ganz korrekt ist der Ausdruck nicht, denn mit der haltenden Kraft wird kein Weg zurückgelegt, es sei denn innerhalb des Muskels selbst (s.u.). Die bewegenden Muskelkontraktionen leisten dynamische Arbeit. In jeder Muskelaktion — statischer oder dynamischer — sind konzentrische und exzentrische Anspannungen enthalten. Konzentrisch arbeitet ein sich verkürzender Muskel, indem Ursprung und Ansatz sich konzentrisch dem Zentrum des Muskels nähern. Exzentrisch bedeutet: Ein Muskel wird durch eine äußere Kraft verlängert, Ursprung und Ansatz entfernen sich voneinander. Arbeit leistet ein solcher Muskel insofern, als er der verlängernden Dehnung (Weg) reflektorisch einen Widerstand (Bremskraft) entgegensetzt). Muskelausdauer: Übungsbehandlungen, die Extremitäten- und Rumpfmuskeln betätigen, beanspruchen deren Ausdauer. Man unterscheidet zwischen lokaler und allgemeiner Muskelausdauer (vgl. Muskelarbeit, Muskelkontraktion). Die Mehrheit der krankengymnastischen Übungen beansprucht nur die lokale Muskelausdauer; man setzt sie, etwas willkürlich, mit weniger als 15% der Gesamtmuskulatur an.

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Die Muskelausdauer ist abhängig von der Energiebereitstellung im Muskelstoffwechsel. Bleibt er im aeroben Bereich — Sauerstoffangebot und Sauerstoffverbrauch halten sich die Waage (aerob-dynamische Ausdauer) —, dann kann ein gesunder Muskel stundenlang arbeiten. Die Muskeln ermüden deshalb im Rahmen wohldosierter krankengymnastischer Übungsbehandlungen nicht (vgl. Muskelermüdung). Muskelermiidung: Gesunde Muskeln ermüden nicht so schnell, daß dies im Rahmen einer üblichen krankengymnastischen Übungsbehandlung deren notwendige Dauer einschränkt (vgl. Muskelausdauer). Geschädigte, paralytische Muskeln dagegen ermüden schnell; dies ist in der Bewegungsbehandlung sorgfältig zu beachten. Ermüdungszeichen sind: die Kraft des Muskels schwindet, die Schnelligkeit seiner Kontraktion und die Hubhöhe nehmen ab, die Erschlaffungsphase dauert länger (vgl. Kontraktionsrückstand, Ermüdungskontraktur). Muskelkontraktion: Die Kontraktionen der Muskeln unter Willkürimpulsen sind im Blick auf die Funktion (Bewegung, Haltung) verschiedenartig. Isometrische Kontraktionen entwickeln Kraft, indem die Spannung im Muskel steigt, seine Länge sich aber nicht ändert, zumindest äußerlich nicht sichtbar, es erfolgt keine Bewegung, allein statische Haltungskorrekturen. Der Muskel leistet dabei statische Arbeit (vgl. Muskelarbeit), deshalb spricht man auch statt von isometrischer von statischer Kontraktion. Isotone Kontraktion bedeutet: der Muskel ändert seine Länge, er verkürzt sich, seine Spannung dagegen ändert sich während des Bewegungsvorganges (nahezu) nicht. Eine rein isotone Muskelkontraktion gibt es praktisch nicht. Alle willkürlichen Muskelkontraktionen enthalten beide Arten der Spannungs- und Längenänderung. Man nennt diese Kontraktionen deshalb auxoton. Neofaradischer Strom: Statt des alten faradischen Stromes, der aus therapeutischer Sicht Mängel hat, benutzt man heute Stromimpulse, die technisch in der Weise verbessert sind, als ihre Impulsfolgen: ihre Stärke, die Dauer der Einzelimpulse und die Pausen zwischen diesen exakt und gleichbleibend vom Gerät abgegeben werden. Man wählt, um einen Dauertetanus zu erreichen, einen Strom, der, wie die Wechselfrequenz des faradischen Stromes, eine „Frequenz" von 50 Impulsen pro Sekunde hat (vgl. faradisierbare Lähmung). Der Strom dieser Impulsfrequenz wird neofaradisch genannt. Ganz exakt ist diese Benennung nicht, denn die Stromstöße stellen keinen faradischen Wechselstrom dar, sie bestehen vielmehr aus einem zerhackten Gleichstrom. Da die einzelnen Stromstöße in der Regel Dreiecksform haben, spricht man auch, das Wort „faradisch" vermeidend, von Dreiecksstrom 50. Ordnungstherapie: Unter Ordnung ist hier das sehr alte Prinzip einer gesunden Lebensführung zu verstehen, die in erster Linie der Erhaltung der Gesundheit (Prävention) dient. Bei gestörter Gesundheit werden unter dem Oberbegriff „Ordnungstherapie" alle therapeutischen und rehabilitierenden Maßnahmen als Bestandteile einer Ganzheitsbehandlung zusammengefaßt. Eine gesunde, bzw. heilende Lebensordnung bezieht sich auf den somatischen und den psychischen Be-

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reich des menschlichen Lebens. Die moderne Medizin hat auch die Belange einer rhythmischen Funktionsordnung (Chronobiologie) als wesentlichen Bestandteil einer Ordnungstherapie erkannt. Pattern: s. Bewegungsmuster Phasisch — tonisch: Es gibt zwei nach ihrer Reaktionsweise verschiedene Arten von Alpha-Motoneuronen: die großen A l p h a r und die kleinen Alpha 2 -Motoneurone. Die großen Motoneurone reagieren phasisch, d.h. sie sprechen auf die Schnelligkeit an, mit der ein Muskel gedehnt wird (vgl. Dehnungsreiz); die Stärke der Reaktion entspricht einer Differentialquotientenanzeige (vgl. RezeptorenEmpfindlichkeit). Die kleinen, auch tonisch genannten Motoneurone reagieren proportional auf das Ausmaß der Dehnung eines Muskels. Zahlreiche Haltungsreflexe, physiologische und pathologische, sind als phasisch oder tonisch charakterisiert. Potential — Polarisation: Die Fähigkeit von Nervenzellen und Muskelfasern, ihre speziellen Aufgaben zu erfüllen, beruht auf der Existenz eines Ruhepotentials, das den Zellmembranen erregbarer Strukturen eigen ist. Ruhepotential ist elektrophysikalisch eine negative Ruheladung, auch Polarisation genannt. Sie ist gekennzeichnet durch ein bestimmtes Verhältnis der Kalium- und Natriumionen an der Innen- und Außenseite der Zellmembrane (Membranpotential). Ändert sich, ausgelöst durch einen adäquaten Reiz, die Ionenverteilung und damit das Ruhepotential (Depolarisation), dann entsteht ein Aktionspotential. Aktionspotentiale sind, sofern sie eine bestimmte Schwelle überschreiten, in ihrem Ablauf konstant, darauf beruht die Definition der Schwelle wie auch das Alles-oderNichts-Gesetz der Erregung. Ihre Folge ist die Kontraktion der Muskelfasern, deren Schwelle überschritten wurde. Unmittelbar darauf folgt die Repolarisationsphase, die normale Polarisation der Zellmembran, das Ruhepotential der wieder erschlafften Faser kehrt zurück. Primär-, Sekundärwirkung: Der Organismus beantwortet physikalisch-therapeutische Reize mit adäquaten Reaktionen. Sie treten direkt, primär in Erscheinung, z. B. eine Muskelzuckung, etwas verzögert eine reaktive Hyperämie und viele andere Immediatwirkungen. Reizserien führen mit der Zeit zu indirekten, sekundären Ergebnissen: Regularisierung von funktionellen Leistungen, auch deren Ökonomisierung, es entstehen Anpassungsergebnisse (Adaptate). Primitivreflex: Gesunde Neugeborene entwickeln in den ersten Lebenswochen Reflexe (frühkindliche Reflexe) bzw. Haltungsreaktionen, die zum Teil mit der noch postnatal fortschreitenden Ausreifung des ZNS wieder verschwinden. Bleibt die erforderliche Rückbildung aus (zerebrale Kinderlähmung), dann stellen sie Primitivreflexe dar, die zu pathologischen Bewegungsmustern führen (Spastik, Athetose u. a.). Propriozeptive neuromuskuläre Fazilitation: s. Kabat-Methode PWC (Pulse Working Capacity): Verfahren zur Ermittlung der kardialen Belastbarkeit bzw. zur Festlegung von Trainingspulsen. Mit einer bestimmten, vom Arzt angegebenen Pulsfrequenz (Faustregel: 200 minus Lebensalter) arbeitet der Pro-

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band auf einem Fahrradergometer. Die mit gleichbleibender Pulszahl erbrachte Arbeitsleistung ist am Ergometer in Watt ablesbar. Es gibt, an Lebensalter und Körpergewicht orientierte, Norm- bzw. Mittelwerte für die Beziehung Frequenz — Leistung, z.B. PWC 170 = 2,8 W/kg, bei einem Gewicht von 65kg also ca 180 W. Liegen die Leistungswerte niedriger, dann zeigt dies an, daß der Patient kardial nur eingeschränkt leistungsfähig bzw. belastbar ist. Regimen refrigerans: Klimatherapeutisches Programm, mit progressiven Abkühlungsreizen (Luft-, Seebäder, Bewegung im Freien) die Neigung zu Erkältungen abhärtend zu bekämpfen. Reizstromtherapie: Jeder elektrische Strom, der mit einer gewissen Mindeststromstärke oder -Spannung den Körper oder seine Teile durchströmt oder durchflutet (s. d.), hat Reizcharakter. Unter Reizstromtherapie im engeren Sinne versteht man spezielle Verfahren aus dem Niederfrequenzbereich: Als Impulsstromtherapie (Schwellströme) wird die Elektrogymnastik (s. d.) gestaltet. Denervierte Muskeln sind mit Exponentialstromimpulsen langer Dauer selektiv (s. d.) reizbar. Vergleichbare Techniken werden zur Reizung der glatten Muskulatur verwendet. Besondere Stromarten mit analgesierender und hyperämisierender Wirkung sind die diadynamischen Ströme nach Bernard, ein sogenannter Ultrareizstrom (Träbert), dem eine Art Massagewirkung eigen ist, und der Indifferenzstrom nach Nemec. Rezeptoren — Empfindlichkeit: In der Physikalischen Medizin interessieren die sogenannten physiologischen, strukturellen (Neurone) Rezeptoren, die äußere oder innere Zustandsänderungen (Reize) in Erregungen (Aktionspotentiale) umsetzen (die molekularen Rezeptoren reagieren auf Wirkstoffe). Die Rezeptoren sind entweder Proportionalfühler (P-Rezeptoren), d.h. sie registrieren die Intensität eines Reizes, oder Differentialfühler (D-Rezeptoren), d. h. sie reagieren auf die Änderungsgeschwindigkeit (Differentialquotient) eines Reizes mit einer entsprechenden Impulsfrequenz (Impulsdichte) der Aktionspotentiale. Die meisten Rezeptoren haben PD-Eigenschaften, d.h. sie reagieren sowohl proportional- als auch differentialquotientenempfindlich. Reziprok — antagonistische Hemmung: s. Erregung Rückstellkräfte, elastische: Elastizität ist ein Sammelbegriff für die Gegenkräfte, die ein Körper einer äußeren Kraft entgegensetzt, die ihn deformiert, z. B. dehnt (Formelastizität), oder komprimiert (Volumenelastizität). In der Medizin sind für solche Gegenkräfte auch die Ausdrücke „Retraktionskraft" oder „Rückstellkraft" gebräuchlich. Ihre Existenz wird z.B. am Thorax sichtbar: Inspiratorisch dehnen die aktiv tätigen Atemmuskeln mit Kraft die elastischen, knorpeligen und gelenkig beweglichen Teile des Thorax und damit seine Form und sein Volumen aus, ebenso das dehnbare Lungengewebe; die Lunge wird inspiratorisch aufgespannt. In dieser Phase bauen sich die elastischen Rückstellkräfte dieser Gewebe auf. Sie führen den Thorax und die Lunge nach Beendigung der aktiv dehnenden Inspirationsbewegung passiv (ohne muskuläre Tätigkeit), exspiratorisch wieder in seine Ruhelage zurück.

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Auch im Gefäßsystem sind elastische Rückstellkräfte permanent tätig. Sie sind gegeben durch die Spannung (Tonus) der glatten Muskulatur der Gefäßwände und die Elastizität des Bindegewebes. Selektive Elektrostimulation: Im Rahmen der Elektrogymnastik (s.d.) ist es oft notwendig, einzelne gelähmte und daher auf Willkürimpulse nicht ansprechende Muskeln bzw. -fasergruppen mit Stromimpulsen zu stimulieren. Selektiv bedeutet, daß nur die gelähmten, noch faradisierbaren Fasern (vgl. faradisierbare Lähmung) eines Muskels — viele paretische Muskeln enthalten neben diesen noch Reste regelrecht innervierter Fasern — auf die Elektrostimulation ansprechen, nicht dagegen die ungestörten Fasern. Dies gelingt mit Exponentialstromimpulsen, an die sich die gesunden Fasern akkomodieren (vgl. Akkomodation), paretische dagegen nicht. Ihre Ansprechbarkeit auf Willkürimpulse wird mit der Zeit unter der Elektrostimulation wieder gebahnt. Sensomotorik: Haltungen und Bewegungen des Menschen (Motorik) werden von der Sensorik mitgestaltet. Unter Sensorik ist der Informationsfluß zu verstehen, den die nervösen Strukturen (motorische Zentren) des Gehirns ständig über die Sinnesorgane aus der Umwelt und aus den Rezeptoren des eigenen Körpers erhalten. Die Umsetzung dieser Informationen in die Art der Haltungen und Bewegungen und deren sensorische Kontrolle wird als Sensomotorik bezeichnet. Sferics: Elektromagnetische Störungen in der Atmosphäre, verursacht durch Entladungsvorgänge zwischen Wolken. Es sind sehr weitreichende Oszillationen hoher Frequenz. Sie werden für Mißempfindungen bei wettersensiblen Menschen verantwortlich gemacht. Sorption: In dem inhomogenen System der Peloide (Wärmeträger breiiger Konsistenz) sind die Prozesse der Absorption und der Adsorption schwer voneinander zu trennen bzw. zu unterscheiden, weil die hohe Viskosität der Peloide die freie Beweglichkeit der Moleküle behindert. Deshalb faßt man beide Prozesse der Abund Adsorption unter dem Oberbegriff Sorption zusammen. Sprungbereitschaft — Startbereitschaft: Als Sprungbereitschaft wird eine reflektorische Streckung der Arme beim Fall nach vorne oder unten bezeichnet, die den Kopf vor Verletzung schützt. Es ist ein Streckreflex, der sich innerhalb des ersten Lebenshalbjahres entwickelt und bis zum Lebensende erhalten bleibt. Er spricht auf Reizung der Labyrinthe an. Der regelrechte Ablauf der Sprungbereitschaft ist gebunden an die sogenannte Startbereitschaft. Darunter wird die Einstellung eines Muskeltonus verstanden, der niedrig genug ist, um ganz allgemein schnelle Reflexbewegungen zu gestatten, aber hoch genug, um einen angemessenen Stütztonus der Muskeln zu garantieren (vgl. Bobath-Methode). Stromrichtung, absteigende (detonisierende), aufsteigende (tonisierende): Der elektrische Strom fließt in Leitern 1. Ordnung (Metallen) vom negativen zu positven Pol, indem die elektrisch negativen Elektronen dem positven Pol zustreben (Elektronenstrom). In Leitern 2. Ordnung (dissoziierte Lösungen) fließen Jonen: die negativ geladenen zum positiven Pol, der Anode (Anionen), die positiv geladenen Ionen zur negativen Kathode (Kationen). Im menschlichen Körper, der

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einem Leiter 2. Ordnung vergleichbar ist, fließen Ionenströme wie in dissoziierten Lösungen; es gibt also keine einseitige Stromrichtung. Spricht man hier von einer Stromrichtung, dann wird vereinbarungsgemäß der Kationenstrom zugrunde gelegt (also von plus nach minus). Dies entspricht dem Gebrauch in der Technik, die sprachlich an der alten Vorstellung festhält, der Elektronenstrom flösse vom Pluspol zum Minuspol, obwohl es umgekehrt ist. In der Technik hat dies keine Bedeutung. In der Biologie ist dagegen die Stromrichtung entscheidend für den Elektrotonus (s.d.) der Muskeln. Leitet man den Kationenstrom ( + ) „absteigend", indem man z. B. die Anode ( + ) an der Schulter anlegt, die Kathode ( —) an der Hand, dann wird in den Armmuskeln der AnElektrotonus wirksam: die Reizschwellen für die den Ruhetonus bestimmenden physiologischen Impulse aus dem Nervensystem werden höher, d. h. der Ruhetonus (Vorspann der Muskeln) läßt nach, wir haben eine detonisierende Wirkung. Umgekehrt: eine „aufsteigende" Schaltung bewirkt einen Kat-Elektrotonus mit tonisierender Wirkung auf die Muskeln. In der Bewegungstherapie ist dies nutzbar (vgl. Elektrotonus). Temperaturfeld: Bringt man mit thermotherapeutischen Verfahren Wärme auf bzw. in den Körper, dann breitet sich die eingebrachte Wärme je nach den biophysikalischen Bedingungen des Gewebes unterschiedlich aus, sie dringt mehr oder weniger tief ein. Die räumliche Begrenzung, in der dies geschieht, stellt das inhomogene Temperaturfeld dar. Training — Übung: Das Übungsprinzip ist ein bestimmendes Element der Physikalischen Therapie. Das damit genutzte Reiz-Reaktionsgeschehen führt, durch therapeutische Reize immer wieder angestoßen, zu Kapazitätsverbesserungen funktioneller Leistungen. Eine Unterscheidung zwischen Training und Übung ist nicht unbedingt zwingend. In der Bewegungstherapie versteht man aber unter Training mehr ein Bemühen, Leistungssteigerungen gesunder Organe und Systeme zu erarbeiten, wobei das Training auf eine Zunahme der Kraft (Arbeitshypertrophie der Muskeln) und der Ausdauer sowohl der muskulären als auch der kardio-pulmonalen Kapazität abzielt. Übung erfordert dagegen weniger Kraftaufwand, sie zielt mehr auf eine Verbesserung der Automation und Koordination sowie der Geschicklichkeit der Gebrauchsbewegungen. Venenpumpe — Muskelpumpe: Bestandteil eines Pumpsystems, das den venösen Rückstrom des Blutes zum Herzen — bei aufrechter Haltung entgegen der Schwerkraft — unterstützt. Die treibende Kraft für den Rückstrom ist das Gefälle zwischen peripherem und zentralen Venendruck. Allein reicht es nicht aus. Deshalb kommt helfend ein anderes Funktionssystem hinzu: Beim Gehen verkürzen und verdicken sich die Beinmuskeln, sie komprimieren in rhythmischer Folge (Muskelpumpe) die Venen und drücken das Blut in Richtung (Funktion der Venenklappen) zum Herzen. Zu dieser Druckpumpenfunktion unter Bewegungen kommt die auch bei Körperruhe tätige Saugpumpenfunktion der Atmung hinzu. Inspiratorisch entsteht im Thoraxraum ein Unterdruck, der sich als Sog auf die großen Venen überträgt.

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Vojta-Methode: W. Vojta hat an Kindern mit zerebralen Lähmungen das Phänomen der Reflexlokomotion (Auslösung bestimmter Reflexe von verschiedenen Stellen) beobachtet und daraus ein Übungsprogramm entwickelt, das — vergleichbar mit den Methoden von Bobath, Kabat u. a. das ungehemmte Reflexspiel der Spastiker dämpft und über besondere Reflexanstöße in Gebrauchsbewegungen überleitet. Wärme-Dosisrate: Die Dosierung einer therapeutischen Wärmegabe ist abhängig von der Temperatur des Wärmeträgers und von der Wärmeenergie, die in der Zeiteinheit in ein bestimmtes Volumen des zu behandelnden Gewebes eindringt. Das Maß ist die Wärmedosisrate. W130-Test: Ein von W. Wahlund entwickelter Test, mit dem Besserungen der kardiozirkulatorischen Leistung nachgewiesen werden können. Erbringt ein Proband Trainingsarbeit auf einem Ergometer mit gleichbleibender Pulsfrequenz von 130 Schlägen pro Minute (die Frequenz 130 bietet sich an, weil dieser Wert etwa der Ausdauerleistungsfrequenz der bis zu 50 Jahre alten gesunden Menschen entspricht), dann zeigt sich nach einiger Zeit als Trainingseffekt, daß die bei dieser Frequenz in Watt gemessene Leistung größer geworden ist; die Extremitätenmuskeln haben also mit der gleichen Herzarbeit (Beziehung Frequenz — Herzleistung) eine höhere Leistung erbracht (vgl. PWC). Zellenbäder: Es sind hydroelektrische Bäder. Als Zellen werden die Wannen bezeichnet für Teilbäder der Arme oder Beine (Unterschenkel). Das Wasser dieser Bäder stellt ideal anliegende, große Körperelektroden dar für den in das Wasser eingeleiteten Strom. Es gibt Zwei-, Drei- oder Vier-Zellenbäder, wobei sich für die Durchströmung (Stromrichtung) zahlreiche Schaltungsmöglichkeiten anbieten. Mit den Zellenbädern wird die tonusändernde, die analgesierende oder die hyperämisierende Wirkung der Galvanisation genutzt. Zonen: Umschriebene Hautbezirke, die nerval mit inneren Organen dadurch in Beziehung stehen, als beide ihre sensiblen Fasern aus dem gleichen Rückenmarkssegment erhalten. Zwischen den nach H. Head benannten Hautzonen (Dermatom) und entsprechenden Organen bestehen reflektorische Beziehungen, die sich als Schmerzen bemerkbar machen, die ihren Ursprung z. B. in der Gallenblase haben, die aber auch an der rechten Schulter empfunden werden (hyperalgetische Zone). Hautreize (Reflexzonenmassagen) wirken über die nervale Beziehung auf innere Organe ein. Entsprechend den Headschen Zonen hat J. Mackenzie Muskelzonen beschrieben, P. Vogler nimmt auch im Periost derartige Zonen an. Die Lehre von der Bindegewebsmassage postuliert Bindegewebszonen. Sie sind nicht immer identisch mit den Headschen Hautzonen, greifen z.T. auch weit über diese hinaus.

Sachregister

Ab-, an-, aufsteigende Ströme 352 Ab-, ansteigende (Temperatur) Bäder 279, 641 Abblasen (Emphysem) 221,640,647,715 Abbruchkriterien 182 abgleiten - aufgleiten (Atmosphäre) 543 Abhärtung 65, 314, 613, 617, 842,901 Abhusten, Hilfen zum 224, 619,630, 632, 652, 658,668 Abklatschung 274 Abkühlung, adiabatische 542 Abkühlungsgröße 539, 549, 553 Ableiten 279,283,287, 301,320, 641,962 Abreibungen 272 Abstand - UV-Strahler 464 Abstandsregel 402 Abzapfsyndrom 13, 869 Achsenzylinder 20, 838 ACTH (Adrenocorticotropes Hormon) 66 Adaptat 61 - , funktionelles 62 - , morphologisches 62 - , stressorspezifisches 62 - , stressorunspezifisches 62 Adaptation 22,43, 61, 579 - , gekreuzte 63,68 Adaptationssyndrom, allgemeines 66,74, 252 Adaptationsfähigkeit (Rezeptoren) 22 Adaptations-Therapie 15,61,962 Adduktorenschlitz 90 Adenosin-Verbindungen 85 Adhäsion 269 Adipositas 114,900 Adrenalin 23,440 Adrenerge Substanzen 440 Advektion 543 Aerober- anaerober Stoffwechsel 147, 687 Aerobic-Training 173 Aerosol (Atmosphäre) 555 Aerosol, Pharmaka als - 434 Aerosoltherapie 426 Aerosoltherapie, antibakterielle 529 Agonist - Antagonist 118 Agnostische Störung 826 Air condition-Anlage 551,572 Air trapping 222,433, 619 Akanthose 447 Akinese 846 Akklimatisation 27,43,578 Akklimatisationslymphozytose 588 Akkomodabilität 30,366, 373,416, 962 Akkomodationsquotient 417

Akkomodationsschwellenwert 368,415 Akkord - meteorischer 540 Akkordschwankungen (Wetter) 575 Akne rosacea 115 Akne vulgaris 298, 895 Akratopegen 476, 498 Akratotherme 476 Akrozyanose 852 Aktinischer Wirkungskomplex 554, 560 Aktionspotential 20,343 Akupunktur 94 Akute-Phase-Reaktion 742, 760 Alarmreaktion 67 Allergene 634 Alles-oder Nichts-Gesetz 21, 343, 345,367 Allopathie 9 Alpha-Efferenzen 122 Alpha-Methyldopa 724 Alpha-Strahler 494 Ampère 330 Amphotonie 37, 254,316, 591 Amplitudenmodulation 334 Amputation - Nachbehandlung 908 analgesierende Stromwirkung 327,348 Analysenbild der Heilquellen 476 Änderungsgeschwindigkeit 22 Anelektrotonus 352 Angina pectoris 182,468, 679,698 Angina pectoris falsa 717 Angina pectoris - Schwelle 182,197,689 Anionen 330 Angioneuropathie 852 Angioorganopathie 852 Angiopathie 763,852 Ankopplung (Ultraschall) 424 Ankylose 772 Annulospirale Endigung 126 Annulus fibrosus 781 Anode 330 Anodenöffnungszuckung (AÖZ) 347 Anodenschließungszuckung (ASZ) 347 Anspannen - halten - entspannen, Technik 157 Ansaugen des Blutrückstromes 432,697 Anstiegssteilheit 22, 366 Anstoßprinzip 73 Antagonismus, Zwerchfell-Thoraxwand 208,626 Antiallergika 438,443 Anticholinergika 441,444 Antihistaminika 439,443 Antimalariamittel 748 Antiphlogistica 432,442

Sachregister Antirheumatica 746 Antizyklone 541 Aortenbogen-Syndrom 855 Aortenfehler 713 Aphasische Störung 826 Apnoetest - apnoische Pause 219 Apoplexie 825 Apraktische Störung 826 Aquivalenttemperatur 553 Arbeit, dynamische 147 - , körperliche 175 - , mechanische 175 - , statische 147 Arbeitshypertrophie 62,143, 683, 812 Armbad, aufsteigendes 280, 679,705,709 Arndt-Schulzsche Regel 26,146,962 Arsen 515 Arterielle Durchblutungsstörungen, Diagnostik 857 Arterielle Verschlußkrankheit 852 Artériographie 861 Arteriosklerose 497 Arthritis, infektiöse 761 Arthritis urica 528 Arthropathia psoriatica 761 Arthrosen 498, 524, 794 Aschoffsche Knötchen 763 Assoziierte Reaktion 832, 962 Asthma bronchiale 468, 592, 633, 896 Ataxie 807,837 Atem-Brustkorb-Gymnastik 199 Atembewegung, kosto-abdominale 204 Atembewegung, kosto-sternale 201 Atemgrenzwert 218 Ateminsuffizienz 606 Atemmaße 213 Atemminutenvolumen 216 Atemmittellage 214, 625,638 Atemmuskeln 201 Atemreserve 215 Atemrhythmik 215 Atemruhelage 213,638 Atemstoßwert 219 Atemtypen, pathologische 216 Atemvolumen, maximales 216 Atemvolumina, statische 216 Atemwerte, dynamische 218 Atemwerte, funktionelle 214 Atemzeitquotient 215 Atemzentrum 53 Atemzugvolumen 216 Ätherische Öle 437,442 Athetose 850 Atmosphäre 535 Atmung, innere 203 Atmung als Bewegungsvorgang 200 ATP (Adenosintriphosphat) 27, 85,145

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ATP-Mangelkontraktur 27, 85,966 Atrophie, laminare, nukleare 811 Atropin 441 Aufbau, „kleiner", „großer" 101 Auflagen 283 Aufspannübungen 907 Ausbreitungsgeschwindigkeit (Wellen) 333,421 Ausdauer 148,175,191 Ausdauerleistungsfrequenz 191 Ausdauertraining 684 Ausgangswertgesetz (Wilder) 32, 254,726 Ausschaltung, Prinzip der 10 Ausgangsgröße 52 Ausgangslage 32 Ausgangsstellung, reflexhemmende 163 Auxotone Längenänderung 146 Axon 20,801 Axonreflexe 60, 230,616, 865 Azetylcholin 23, 36, 345,440, 480 Azetylcholinesterase 345 Azetylsalizylsäure 884 Bad, Auftrieb im 267,502 Bad, hydrostatischer Druck im 263 Bad, physikalische Antriebe 478 Badekrise 477,483 Badekur 474 - , Indikationen 518 -, Kontraindikationen 518 Badekuren bei Erkrankungen der Atemorgane 522 - , Gelenkleiden 523 Herz-Kreislaufleiden 520 - , Erkrankungen der Bauchorgane 524 Bäder 263 -.hautreizende 299 -, lindernd für die Haut 300 -, mechanisch reizend 301 -, medzinische 297,499 sedierende 300 Badereaktion, -kurreaktion 483 Badetorf 500 Bahnung, räumliche 24,131 - , zeitliche 139,814 Bahnung, bei spastischen Zuständen 165 Balsamika 437,442 Basalschicht 448,451 Ballismen 851 Balneologie, angewandte 474 Balneotherapie 475 Bandscheibendegeneration 264 Bandscheibenvorfall 902 Basalganglien 121,845 Basedowsche Krankheit 458 Basismittel (antirheumatische) 746 Basisstrom 368 Beatmung, assistierte 432

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Sachregister

Beatmung, elektrische 374 Beatmung, künstliche 432 Beatmung, maschinelle 432 Beatmung, Wechseldruck- 432 Bechterewsche Krankheit 208, 519,772 Beckenbodengymnastik 910 Becquerel (Bq) 476 Bedingungsanalyse 596 Begießungen 274 Begleitarthritis 739,761 Behaglichkeitstemperatur 258, 571,614 Belastbarkeit, kardiale 181, 677 Belastbarkeit, muskuläre 170 Belastung, klimatische 537 Belastungspulssumme 193 Bergonniésche Maske 358, 902 Bernardsche Ströme 386 Beschäftigungstherapie 755, 825, 830, 840, 849 Bestrahlung (Licht) 444 - , Dauer 446 Dosis 446 - , Intervall 465 - , Stärke 446 - , Zeit 463, 465 Beta-Rezeptorenblocker 179,440,701, 718, 724, 725,731 Bettklima 571 Bettruhe 11,682 Bewegung, äußere, innere 116 Bewegung, fließende 813 Bewegungsbad 264, 268,478, 757,789,799, 815 Bewegungsbahnung 152,157 Bewegungsmuster 152,963 Bewegungsschulung 140 Bewegungssegment 782 Bewegungssegment, Blockierung 790 Bewegungssegment (Lockerung) 781,784 Bewegungstherapie 116,963 Bewegungstherapie - Sportarten 198 Bezold-Jarisch-Reflex 244, 266, 314 Bindegewebsmassage 100, 963 Bindegewebsstriche 100 Bindegewebszonen 100 Bioklimatologie 536 Biokybernetik 51 Biorhythmik 41 Biosynoptik 536, 573 Biotropie des Wetters 573 Bio(meteoro)tropie 535, 536 Biotsche Atmung 216 bipolare Technik (Elektrotherapie) 392 Bittersalz 512,526 Blase, autonome 382 Blaseninkontinenz 381 Blasenstimulation, elektrische 381 Blitzguß 276

Blutdruck (Belastungs-) 183 Blutdruck in der Wärme 244 Blutdruckamplitude 245,487, 714 Blutspeicherfunktion 111,875 Bobath-Methode 163,963 Brachialgie 358,784 Brachialneuralgie 358 Briegersches Asthmabad 642 Bronchiektasen 630 Bronchiolenkollaps 222 Bronchitis, akute 617 Bronchitis, chronische 65, 592,621 Bronchitiskessel 429,619 Bronchospasmolytika 439, 443 Brownsche Molekularbewegung 228 Brustatmung 213 Bürstenbad 303 Bulbärparalyse 824 Bursitis 322,470, 763 Bypass 705 cancerogene Wirkung 448 Carbonatwässer 475 Charcotsche Trias 837 Cheyne-Stokessche Atmung 215 Chirotherapie 790 Chloridwässer 475, 509 Chloroquin 748 Cholekinese 526 Cholerese 526 cholinerge Substanzen 440 Cholinesterase-Hemmer 819 Chorea minor 739, 850 Chorea major 850 Chronaxie 371,414, 968 chronotrope Wirkung 686 CK-(Creatinkinase)-Test 763, 820 Claudicatio intermittens 528, 866 Clonidin 725 C0 2 -bäder s. Kohlensäurebäder 485 C0 2 -Gasbäder 490 Cold-pressure-Reaktion 71 Colitis 899 Compliance 213 Conn-Syndrom 724 constant-current 294, 350,412,963 Constant-Schaltungen 963 constant-voltage 294,412,963 Corium 447 Cor nervosum 717 Cor pulmonale 623,645,714 Corpus striatum 121, 846 Corticosteroide 747 Coulombsches Gesetz 329 C-reaktives Protein 742,760 Cromoglycinsäure 439, 637 cross-resistance 68

Sachregister Crossen-Insuffizienz 884 Curi (Ci) 476 Cushing-Syndrom 724 Da Costa-Syndrom, s. Effort-Syndrom 717 Dampfbad 297 Dampfdruck 551 Dampfdusche 296 Darmbad 303 Dastre-Moratsche Regel 242, 248, 260, 310, 796, 964 Dauergymnastik, Dauerübung 148 Dauerleistungsfähigkeit 170,175 Dauertetanus 365 Defäkationsreflex 104 Défense musculaire 84,135 Dehnbarkeit (Lunge, Compliance, Elastance) 219 Dehnbehandlungen 751,755 Dehnlagerung 672,751 Dehnungsreflex 964 - , phasischer 124 - , tonischer 125 Dehnungsrezeptoren 126 Dehnungsreiz 22,964 Dekubitus 470, 829, 840,843 Déminéralisation 479, 508 Dentopathia rheumatica 749, 754 Depolarisation 24, 343, 347 Dermatom 91 Dermatomyositis 762 Dermatosen 896 Dermographismus 100 Desadaptation 6, 67, 538, 612 Desensibilisierung 609,622,634 Desinhibition 134 Detergentien 436,442 Dezimeterwellen 391,404 Diabetes 34,114, 527, 899 Diadynamische Ströme (Bernard) 387 Diagnostik, dynamisch-funktionelle 29 Diathermie 392 Diazoxid 725 Dielektrikum 393,396 Dielektrischer Verlustwinkel 399 Diffusion 88, 341, 678 Diffusionsstörung 205 Digiti mortui 281,852 Dihydroergotamin 884 Dilatation, myogene 686 -,tonogene 685,708 Dioden 336 Diplode 402 Dipolmoleküle 399 Discusprolaps 781,902 Dipoltheorie, Debyesche 398 Diskomfort, thermischer 553

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Diskopathie 781,784 Dislokation, atlanto-occipitale 754,777 Disposition 617 Dispositionsprophylaxe 614, 665,741 Dissoziation, bewegungstherapeutische 164 Dissoziation, elektrische 330, 337 Distanzstrahler 405 Distorsionen 908 Distress 67 Diszitis 773 Diurese im Bad 266 Dopamin 24 Doppler-Effekt 860,881 Dorno-Strahlung 447,459 Dosieraerosol 441, 636 Dosierungspielraum 29, 277,914 Dosisstufen (Hochfrequenz) 409 D-Penicillamin 748 Drainagelagerung 225, 652,658 Dreieckimpulse 366,414 Dreieck-Impuls-Charakteristik (DIC) 415,967 Dreieckschwellenwert 367, 368,415 Drosselungen 865 Druck, hydrostatischer 263 Druck, tissulärer 263 Druck-Frequenz-Produkt 689, 705 Druckarbeit des Herzens 487 Druckgradient 875 Dualismus (Lichtheorie) 445 Dubois-Reymond (Gesetz) 366 Duchenne-Muskeldystrophie 819 Dunkelstrahler 458 Durchblutungsstörung, arterielle 852 Durchblutungsstörung, arterielle, Diagnostik 857 Durchflutung 392,964 Durchströmung 392,964 Duschen 278 Düsenvernebler 428 Dysbarismus 557 Dysbasie 853 Dyskardie 679 Dyskrinie 209,434,607 Dyspnoe 199,212 Dystrophia musculorum progressiva 818, 822 Dystrophie myotonica 819 Effektivtemperatur 553 Efferenzkopie 58 Effleurage 95 Effort-Syndrom 717 Eigenwärme - Fremdwärme 868 Einbrennzeit (Quecksilberlampe) 466 Eindringtiefe (Lichtstrahlen) 446 Eingangsgröße 52 Einschleichen, Prinzip des 23, 27, 29,128, 275, 349,415, 679, 788, 964

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Sachregister

Einschieifen (Bewegungen) 60,168, 376,965 Einweggleichrichtung 335,387 Eisabtupfung 325 Eisblase 324,898 Eisenhaltige Bäder 497 Eisenmangel 514 Eisensäuerling 513 Eisenwässer 513 Eiserne Lunge 432 Eiskompresse 325 Eismassagen 325, 841 Eispackung 325 Eiswasserteilbad 325 Ekzem, chronisches 896 Ekzem, konstitutionelles 298, 896 Elastance 219 Elastische Rückstellkräfte Venensystem 875 Ventilation 203 Elastizität (Gefäßsystem) 721 Elastizitätshochdruck 721 elektrische Bäder 337,352, 354,792,797 elektrische Reiztherapie 337 Elektrisches Feld 394 Elektrode, differente, indifferente 351 Elektroden - Hautabstand 402,758 Elektrodentechnik, Hochfrequenz 401 - , Niederfrequenz 350 Elektrodiagnostik 410 Elektrodynamik 329 Elektrogymnastik 369,965 Elektrolunge 374 Elektrolyse 338 Elektrolyte 330 Elektro-Mechanotherapie 370 elektromotorische Kraft 329,397 Elektromyogramm (EMG) 418 Elektromyographie 418 Elektronen 329 Elektronenröhren 336 Elektroneurographie 418 Elektroneurogramm (ENG) 420 Elektroosmose 340 Elektrophorese 339 Elektrostatik 329 Elektrostimulation, selektive 370 Elektrotherapie 327,965 Elektrotonus (Kat-, An-) 345,352,965 Emanation (Radon) 476 Embolie, arterielle 853 Emission 556 Emissionsspektrum 460 Emphysempolster 207 Empirie 13,92 Endangiitis obliterans 852 Endokarditis 741 Endoprothese 799 Endorphine 94

Endplatte, motorische 123,169 Energie 26,175 - , kinetische 394 - , potentielle 394 Energieprinzip 172 Energiespektrum, elektromagnetisches 25,445 Entartungsreaktion 348,410 Enterorezeptoren 19 Entkeimungslampe 448,460 Entlastungsreflex 131 Entspannungsübungen 141 Enzephalomyelitis 837 Enzyme, aerob wirksam 145,690 Epidermis 446 Epikondylitis 322,765 EPSP (exzitatorisches postsynaptisches Potential) 24,966 Erbsche Krankheit 820 Erfahrung, sensomotorische 142,165, 814 Erfahrungsheilkunde 13 Erfolgsbeurteilung (Bewegungstherapie) 187 Ergometertest 178 Ergostase 179 ergotrope Funktionslage 33, 65 Erhaltungsphase (kardiale Rehabilitation nach Infarkt) 171, 701 Erhaltungstraining 197 Erholung, allgemeine 68 - , Muskel- 169 Erholungspulssumme 187,193, 833 Erholungsquotient (Puls) 194 Erkältung 608, 612 Erkältungsbereitschaft 611 Ermüdung, periphere 31,169,815 -.zentrale 31,169 Ermüdungshypertonus (Muskeln) 88 Ermüdungskontraktur 27,169,966 Ermüdungsstoffe 81, 85,168 Erregbarkeit 20 - , faradische 410 - , galvanische 410 Erregbarkeitsprüfung, faradische 363 Erregung 966 - , erregbaren Gewebes 341 Erregungsgesetze, polare 347 Erregungsleitung 20,344 Erregungsrückschlag (rebound-effect) 132 Erregungsübertragung 344 Erschöpfung 67 Erschütterungen (Massage) 97 Erythem 257 - , Erythemcharakter 453 - , Erythemgrad 453 - , Erythemschwelle 453 - , Erythemtreppe 453 Eiythema nodosum 739 Erythemschwellendosis 453

Sachregister Erythemschwellenzeit 453 Erythropoese 589 Erythrocyanosis crurum 852 Esophylaxie 446 Eustress 67 Exponentialstromimpulse 366, 372 Expositionsprophylaxe 665 Exspiration 201 Extension 788,798, 848 Exterorezeptoren 19 Extrakte, pflanzliche (Bäder) 299 Extrapyramidal-motorische Störungen 845 Extrapyramidal-motorisches System 118,121 Extrasystolen 691 Facies myopathica 823 Facilitation 131,154 Fangopackung 288, 500 Faradischer Strom 363 Faradisation 363 Faradisierbare Lähmung 363, 366,966 Fasern (Nerven) Alpha- 122 - . G a m m a - 125 - , Ia-122 - , Ib- 122,130 - , I I - 131 Faserring (Annulus fibrosus) 781 faszikuläre Zuckung 811 Faustschlußprobe 858 Fazialisparese 903 Feedback-Mechanismus 55, 835 Feiung, stille 661 Feld, magnetisches 395 Feldlinien 351 Feldstärke 351 Felty-Syndrom 761 Fepo-Gerät 835 Fernbäder 319, 869 Festwertregelung 53 Flankenatmung 213, 626,638 -.paradoxe 208,647 Fließgeschwindigkeit des Blutes 860 Flimmerepithel 434 Fibrose, zystische 627 Fibrositis 763 Fichtennadelbad 300,499 Fieber 9, 55,246, 255,273,619,651,741, 898 Fieberbad 305 Fixator 118 Föhn 547, 565 Föhnbeschwerden 566 Föhnlücke 565 Fokaltoxikose 746 Folgeregelung 54 Formatio retikularis 34,121,455,467, 557 Frakturen (Knochenbrüche) 905 Freiluftinhalation 430

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Fremdwärme - Eigenwärme 868 Frequenz -, Impuls- 373 -, Schallwellen 422 - , Schwingungen 332 - , Vibrations- 97,422 Frequenzmodulation 335,337 Frequenzreserve 687 Frigorigraph 553,966 Friktion (Massage) 96 Fronten (Wetter-) 543 Führungsgröße 53 Funktionsübung 11,15,76 Furunkel 895 - , Nase, Gehörgang 611 Fußgymnastik 888 Gallenblase 899 Galopprhythmus 185 Galvanisation, Indikationen 357,769 - , polare 327 -, stabile 348 Galvano-Tetanus-Schwelle 368,415 Gänsehaut 254 Ganzheitsbehandlung 601,911 Ganzmassage 82 Gastritis 899 Gate-control Theorie 385 Gauer-Henry-Reflex 266 Gebrauchsmuster 152 Gefäßreaktion, konsensuelle 259,450, 706 - , kutiviszerale 260 -.paradoxe 262,869 Gefäßspiel, reaktives 63,243, 273,277,319, 321 Gefäßtonus 245,720 Gefaßtraining 867 Gefaßwiderstand - , arterieller 245, 585 - , peripherer 111,245,319,900 Gefügedilatation, plastische, myocardiale 686 Gegensteuerung 12 Gehbewegungsbad 268, 502, 849 Gehörgangsfurunkel 612, 897 Gehschule 832,849 Gehstreckentest 858 Gehtraining 865 Gelenkkontrakturen, Behandlung 151 Gelenkrheumatismus 742 Gelenksperre 753 Generatorkreis 397 Gesetz: -, Alles-oder-Nichts- 21, 343, 345,367 - , Ausgangswert- 32, 254,726 -.Coulomb- 329 -, Dubois-Reymond- 366 - , Grothus-Draper- 446 - , Hagen-Poiseuille- 708, 721, 875

982

Sachregister

Gesetz, Kausal- 18 Laplace- 876 Ohm- 380, 875 - , Stefan-Boltzmann- 454 - , Zuckungs- 348,411 Gesetz der polaren Erregung 347 Gewohnheitslähmung 370,770, 813 Gicht 456, 528, 761 Glaskapselelektroden 401 Glaubersalz 512,526 Gleichgewichtspotential 342 Gleichgewichtsreaktionen 161,166, 831 Gleichgewichtsübung 830 Gleichrichter 335 Gleichstrom 329 Gleichstromschwelle 344 Gleichstromwert 363,367 Glissonschlinge 788, 848 Globalinsuffizienz, kardiale 696 - , respiratorische 205,638,715 Globalstrahlung 459, 555 Glukose, anaerober Abbau 169 Glyzin 24 Goldsalze 748 Golgi-Apparat 130 Gradient, Druck- 708, 875 -.Temperatur- 240 Gradierwerk 430 Grenzwert, Herzschlagfrequenz 188 Gruppengymnastik 196, 705 Guanethidin 724 Gürtelrose (Herpes zoster) 902 Gußbehandlungen 274 Guthrie-Smith-Apparat 752 Habituation 22,43,69, 71 Hagen-Poisseuillesche Beziehung 708, 721, 875 Halbbäder 279,489 Halbwellen 335 Halbwerttiefe (Ultraschall) 423 Halsreflexe 158 Haltereflexe 158 Haltungsfehler 907 Haltungsmuster, pathologische 828, 830 Haltungsreaktion 158 Hamman-Rich-Syndrom 623,655 Hämodynamik, venöse 874 Hämodynamik (unter Klimareizen) 584 Harmonisierung der Organleistungen 901 Harn-pH 530 Harnleitersteine 304,896 Harnsäurediathese 528 Hartspann 85,790 Haufesches aufsteigendes Armbad 280,679,705, 709 Hauptnutzzeit 414 Haustrinkkur 517

Hautreizende Bäder 299 Hautröte, s. Rötung 30,243, 257, 278, 341,450, 486,616,726, 869 Hauttemperatur 240 Headsche Zonen 49,91,92 Heilbäder 531 -.künstliche 298 - , Wirkungselemente 477 Heilerde 500 Heilklima 536, 579, 594 Heilkräfte, körpereigene 11 Heilquellen 474 -, Klassifikation 475 Heilquellenextrakte 298 Heilschlamm 500 Heine-Medinsche Krankheit 810 Heizkissen, elektrisches 258, 294 Heiße Rolle 293 Heißluftbehandlungen 295 Heliotherapie 459, 462 Hemianopsie 826 Hemiplegie 824,825 Hemmung 23,131,139,154,967 -, antagonistische, reziproke 132, 378 - , in der Motorik 966 Hepatitis 899 Herdsanierung 746 Herpes zoster 902,903 Hertz (Hz), Einheit der Frequenz 332 Herzarbeit, äußere, innere 189,685,689 Herzgesetze, klassische 684 Herzinfarkt 697 Herzinsuffizienz 686,692 -.latente 181,507,592,691 Herzklappenfehler 695,707 Herzklappeninsuffizienz, relative 185 Herzschlagfrequenz 184,243,487,687 Herzschlagvolumen 687 Herzschmerz 184 Herzschrittmacher 409 Herzstörungen, funktionelle 520, 593,716 Herzzeitvolumen, s. Minutenvolumen 246 Heubeutel 291 Heublumen 291,499 Hexenschuß 781 Himmelsstrahlung 459, 550, 554 Hinken, intermittierendes 853 Hirnstamm 138,159 Histamin 361,439,481 Hitzschlag 462 HLA-B 27 772 Hochdruck, symptomatischer 721 - , Typen 721 Hochdruckwetter 541 Hochfrequenz, biophysikalische Wirkungen 396 Hochfrequenztherapie 391, 965 Hochfrequenzwärme, Dosierung 409

Sachregister Hochgebirgsklima 564 Hockergymnastik 639,703,734, I I I Hofmeistersche Reihe 508 Höhe, relative 568,586 Höheneinfluß 558, 565, 593,709 Höhentoleranz, relative 558, 709,967 Höhenwirkungsschwelle 587 Hohlleiterstrahler 392, 404 Homansches Zeichen 880 Homöopathie 9 Homöothermie 239 Homöstase 45, 51,67 H-Substanzen, gefaßerweiternde 81, 257,447, 865 hunting reaction 322 Husten 225,619,629,731 Hydralazin 725 Hydroelektrische Bäder 355 Hydroelektrische Teilbäder 352 Hydrogenkarbonatwässer 475, 510 Hydrostatischer Druck 263 Hydrotherapie 227 - , kleine 272, 731 Hygrischer Wirkungskomplex 551 Hyperämie, reaktive 30, 65, 322,341, 582, 616, 768,917 hyperergisch (Entzündung) 739 Hyperkapnie 205 Hyperkinesen, zerebral-spastische 157 Hyperkinetisch-dystone Störungen 845, 850 Hyperkinetisch-rigide Störungen 845 Hyperkinetisches Herzsyndrom 717,721 Hyperkrinie 209,434,607, 635 Hyperpolarisation 24, 347 Hyperthermie, therapeutische 305 Hyperthyreose 721, 899 Hypertonie - , arterielle 497,521,720 - -, essentielle 113,722 Hypertonus, muskulärer 84, 86 Hypertrophie, konzentrische (Herzmuskel) 686 Hyperventilationssyndrom 215,645 Hypervolämie 112,695,721,878 Hypokapnie 580,586 Hypophyse 455 Hypophyse-Nebennierenrinden-System 253,455 Hypothalamus 34,455, 557 Hypotonie 113,265,728 Hypotonus, muskulärer 83 Hypoventilation 205 Hypoxämie 205,768 Ikterus neonatorum 456 Immediatwirkung 15,65, 518 Immission 556 Immunosupression 10,749 Impression, basiläre 783

Impuls, elektrischer 337 - , Dauer 363 -, Dichte 22 -, Form 363 -, Frequenz 20, 363 -, Ströme 363 Impulsstrombehandlung 337, 363 -, Indikationen 368 -, Methodik 368 -, Stromformen 363 Inaktivitätsatrophie 803 Indifferenzpunkt, thermischer der Haut 255 - , der Wärmeträger 256 Indifferenzzone 347 Induktion, sukzessive 142,154 Induktionskabel 400 Induktionsstrom 395,400 Induktivität 395 Infarkt-Übungsgruppen 705 Infektarthritis 739,761 Infektionsprophylaxe 614 Infiltrationsanästhesie 767,782, 786 Information 20, 51 - , sensorische 122 Infrarotbehandlung 466 Infrarotstrahler 461 Infrarot-Thermographie 881 Infraton-Pulsschreibung 859 Inhalation 426 - , Bäder 301, 320,642 - , Geräte 428 -, Nebel 427 Inhibition 134 Inklination (HWS) 783 Inkontinenz, Blasen- 381, 837 -, Darm- 384, 845 Innervation, reziproke 132,142,154,377 Innervationsstille 132 inotrope Wirkung (Digitalis) 112, 686 Inspiration 201 Insuffizienz, kardiale 686, 692 - , respiratorische 199, 205, 606,638 Insuffizienzhämodynamik 696 Insult, apoplektischer 825 Intentionstremor 837 Intentionsübungen 154,370,376,967 Interferenz 333 Interferenzmuster 418 Interferenzstrombehandlung 389 Interferon 309 Interkostalneuralgie 782,902 Interorezeptoren 20 Intervalltraining 170, 866 Intrafusale Fasern 126, 826 Inversionslage 547, 555 Ionen - , An- 330

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Sachregister

Ionen, Kat- 330 - , Austausch im Bad 479 - , Milieu 342 - , Wanderung 337 Iontophorese 339 - , Anwendung 361,759,780, 782, 872,903 - , Indikationen 361 Ipatropiumbromid 441 IPSP (inhibitorisches, postsynaptisches Potential) 24,967 Iritis 772 Ischämie 182,694,698 Ischämische Herzkrankheit 697 Ischialgie 498 Ischiasneuralgie 358, 782 Isobaren 541 Isometrische (statische) Kontraktion 146, 703 Isotone Kontraktion 146 Isthmusstenose 724 Istwert 53 I/t-Diagnostik 369,412, 803,967 Iteration 379 Iterative Reize 362 Jodhaltige Bäder 497 Jogging 173 Joule 176,229,397 Joulesche Wärme 176,397 Jungbrunnen 494 Junktionale ST-Strecken-Senkung 183 Kabat-Methode 153,968 Kalkaneodynie 772 Kalorie 176,229 Kälte-Angina pectoris 435 Kälte, Definition 229 Kälteadaptation 62 Kaltfront 544 Kamille 300 Kapazität, aerobe 188,688,867 Kapazität (Ladungsvermögen) 395 Kapazitätsänderung, adaptive 62,175, 538 Kapazitätsgefaße 878 Kaplan-Syndrom 761 Karbunkel 895 Karditis, rheumatische 739 Kataphorese 339 Kataplasma 292 Katecholaminspiegel 67, 688 Kathode 331 Kathodenöffnungszuckung 348/349 Kathodenschließungszuckung 347 Kausalgesetz 18 kausale Therapie 10 Kavitation 422 Kelvin-Einheit 229 Ken-Küre-Kur 819

Kernzahlen (Aerosol) 556 Kinderlähmung, spinale 810 - , zerebrale 157,824 Kinesitherapie 117 Kipptisch 734,830 Kirchhoffsche Verzweigungsregel 350 Klappsches Kriechen 221,778, 789 Kleidung 570 Kleinhirn, Aufgaben 122 Kletterstufentest 177 Klima: - , Bett- 571 - , Hochgebirgs- 564 -.künstliches 570 - , Meeresküsten- 562 -, Mikro- 571 -, Mittelgebirgs- 568 -, Raum- 571, 584, 614 - , Reiz- 538, 595, 664 - , Schon- 538, 595, 664 Klima, Definition 535, 578 Klimaexposition 579 Klimakammer 551, 572 Klimakur, Indikationen, Kontraindikationen 591 Klimakuren, Gestaltung 595 Klimakurort, Auswahl 594 Klimasummenmaß 553 Klimatherapie 535 Klimatische Wirkungskomplexe 968 Klimawechselzumutung 537, 587,968 Klimazonen 561 Klopfungen 97 Kneippkur 270,666 Kneipptherapie 270, 726, 741, 771,917 Knetungen 96 Kniebeugetest 177 Knierolle 750,787 Knochenbrüche 905 Knochentuberkulose 470 Kochsalzquellen 510 Kohäsion 268,269,790 Kohlenbogenlampe 460 Kohlenfadenlampe 461 Kohlensäurebäder 485 -, C0 2 -Aufnahme 489 -,C0 2 -Gehalt 488 -, Dauer 489 -, künstliche 298 -, Indikationen 489 -, Vorsichtsmaßnahmen 489 - , Wirkung 489 Kohlensäure-Gasbäder 490 Kollagenosen 762 Kollaps 261, 265, 307,708,724, 729 Kolon, irritables 899 Kolonmassage 104,968 Komfort-Gleichung (Fänger) 553

Sachregister Komfort, thermischer 553 Kommisurotomie 710 Kompensation, kardiale 686 Kompensationstherapie 12,45 Komplexbewegungen 152 Kompressionsverband 885, 893 Kondensationskerne 542, 555, 561 Kondensator 393 Kondensatorfeldmethode 397 Konduktiver Wärmetransport 234 Kongestionen 283 Konsensuelle Gefaßreaktion 259,450 Konsistenz (Peloide) 288, 501 Konstitutionstypen 38 Kontraktion s. Muskelkontraktion 970 Kontraktionsbereitschaft 127 Kontraktionsrückstand 169,969 Kontraktur 84,151,755,908 -,arthrogene 151 -, dermatogene 151,908 - , neurogene 84 - , Behandlung 755 Konvaleszenz 7 Konvektion 234 Koordination 145,153,170,175 Koordinationsübungen 840, 849 Kopfdampfbad 297,610 Kopflichtbad 611 Kopfschmerzen, vasomotorische 903 Koronardilatatoren 701 Koronardurchblutung, Güte der 688 Koronarinsuffizienz 181,185,679,697 Koronarreserve 676, 688,698 Koronarsklerose 698 Körperkern 239 Körperschale, thermische 52, 239 Körpertemperatur 51 Korsett, muskuläres 12 kosto-abdominale Atembewegung 204 kosto-sternale Atembewegung 201 Kräftigung 12,604 Kräuterbäder 300 Kraft (Muskel) 143,175 - , dynamisch-exzentrische 147 - , dynamisch-konzentrische 147 - , elektromotorische 329,397 Kraftfeld, elektrisches 394 Kraftlinien 351 Krafttraining, dynamisches, statisches 147 Kraftübungen 150 Krampfader 879 Krankengymnastik 116 Krankheitsvorsorge 5 Kreatinphosphat 169 Kreislaufpumpe, respiratorische 433, 654,696 Kreislaufstörung, funktionelle 593 Kreislauftraining 315

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Kreislaufwiderstand, elastischer 245, 585 -, peripherer 245, 585 Kreisströme 345 Kreuzschmerzen 910 Kromayer-Lampe 461 Kryotherapie 321,767,969 Methodik 324 Künstliche Mineralbäder 298 Künstliches Klima 570 Kur 474 Kureffekt, allgemeiner 735 Kurfähigkeit 824 Kurorte 531 Kurkrise 484,969 Kurreaktion, -krise 483,969 Kurzwellenhyperthermie 758, 798 Kurzwellentherapie 391 Kußmaulsche Atmung 215 Kybernetik 51 Kyphoskoliose 674 Labyrinth 160,161 Labyrinthreflex, tonischer 160 Ladung, negative 330 - , positive 331 Ladungsmenge 329 Lagerungen 225,629,695,750,787,798,828,844, 865, 887 Lagerungsdrainage 225, 632,658 Lagerungsprobe 857 Lähmung 137 - , faradierbare 363, 366, 808 - , paroxysmale 818 - , schlaffe 137 - -, Therapie 812 -, spastische 137 - -, Therapie 824 Landau-Reaktion 161 Langfeldstrahler 392 Längsdurchströmung 352 Langwellendiathermie 392 Laplacesches Gesetz 876 Lateralsklerose, myoatrophische 801,824 Laufen (trainierendes) 173,198 L-Dopa 848 Leduc-Strom 365 Leistung in Watt, Sportarten 198 Leistung, körperliche 175 - , submaximale 190 Leistungsdiagnostik (Herz) 177 Leistungsfähigkeit 175 Leistungsgrenzen 182 Leistungspuls 187 Leistungsreserve 61,174 Leiter I.Ordnung 329 - , 2.Ordnung 330 Leitgeschwindigkeit (Nerven) 420

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Sachregister

Lerneffekt, reflektorischer 49,60 Lernprozeß, kreislaufregulierender 49,60,72 - , muskulärer 813 Lichteffekte, allgemeine 455 Lichtempfindlichkeit, individuelle 457 Lichtentzündung 452 Lichterythem 452 Lichtgeschwindigkeit 333 Lichtquanten 445 Lichtschwiele 447 Lichtspektrum 445 Lichttherapie 444 -, Energiequellen 458 - , Indikationen 467 - , Kontraindikationen 472 - , Methodik 462 Lichtwirkungen 450 Liegekur 44, 593,663,911 Limbisches System 34,121,455, 557 Linksinsuffizienz des Herzens 696 Little-Syndrom 824 Lockerung (im Bewegungssegment) 781, 784 Lockerungstechniken 141 Logopädie 60 Lowenberg-Test 880 Luftbad 256 Luftchemische Elemente 555 Luftdruck 557, 565 Luftelektrizität 561,576 Luftfeuchte, absolute, relative 312, 551 Luftionen 561 Luftkörper 542 Luftkolloid 555 Luftkurgrundgesetz 537 Luftperlbad 301 Luftwege, obere, Erkrankungen 608 Luftwege, tiefere, Erkrankungen 617 Lumbago 470, 781, 784,791 Lunge, eiserne 432 Lungenabszeß 438,657 Lungenemphysem 644 Lungenentzündung 649 lungengängig (Aerosol) 429,431 Lungengangrän 657 Lungeninfarkt 888 Lungensegmente 226 Lungenstauung 695,708 Lungentuberkulose 592,660 Lungentumoren 666 Lungenvolumina, dynamische 215 - , statische 214 Lungenzirrhose 654 Lupus erythematodes 762 Luxationen 908 Lymphdrainage, manuelle 887 Lymphödem 893

Mache-Einheit 476 Mackenzie-Zonen 91 Magengeschwür 898 Manuelle Wirbelsäurentherapie 790 Marburger Trias 837 Maskengesicht 846 Massage 79 - , Indikationen 107 -.Technik 95 Maße (Muskelarbeit, Leistung) 176 Master-Test 177 Maximalkraft 149 Maximalpunkte 92,100 Maxwellsche Theorie 397 Mechanotherapie 7, 885 Mediatoren (Vermittler) 23, 480 Mediatorhypothese 480 Medizinische Bäder 297 Medizinmeteorologie 536, 573 Meeresküstenklima 562 Membran 20 - , präsynaptische 23,345 postsynaptische 23,345 - , semipermeable 341,345 Menellscher Handgriff 773 Mestinon 819 Metabolite, anaerobe 88, 865 meteorische Faktoren 540 Meteorobiologie 536 Meyersche Druckpunkte 880 Migräne 903 Migräne cervicale 784,902 Mikromassage (Ultraschall) 422 Mikrowellen 391,405 Mikrozirkulation 89 Miktion 381 Mikroklima 571 Milchsäure 169 Milieu, inneres 51 Mindestanforderung (Herz-Kreislauf) 170 Mineralbäder, chemische Kräfte 479 Mineralisation 479, 508 Minode 402 Minutenvolumen 246,686,696 Mitochondrien 62,145, 867 Mitralinsuffizienz 711 Mitralstenose 708 -, operierte 708 Mitteldruck, arterieller 720 Mittelfrequenztherapie 389,965 - , kinetische 391 -, statische 391 Mittelgebirgsklima 568 Modulation, Amplituden- 388 - , Frequenz- 335 Monode 401,404 monopolare Technik 351, 392

Sachregister Moorbad 500 -.Indikationen 505,911 Moro-Reflex 161 Motivation 143,178 Motoaxon 123 Motoneurone, Alpha,- 53,123, 846 - , A l p h a r 125 - , Gamma- 125,826 Motorik Störungen - Übersicht 136 Motorik, supraspinale 121 Motorische Einheit 124,418 Mukostase 434 Mukoviszidose 627 Muldenapplikator 405 Multiple Sklerose 138, 824, 837 Musculus erector tranci 789 Muskel-Gelenk-Pumpe 876 Muskelaktion, fließende 813 Muskelarbeit 969 - , dynamische 147 - , exzentrische 147 - , konzentrische 147 -.statische 147 Muskelatrophie, neurale 801 -.spinale 811 Muskelausdauer 969 -, aerobe, anaerobe 147 -, allgemeine 148 - , dynamische 147 -.lokale 148 - , statische 147 Muskeldystrophie, progressive 818, 822 Muskelermüdung 168, 804,970 Muskelfaser, extra-, intrafusale 126, 826 Muskelhartspann 85 Muskelkontraktion 970 -, auxotone 147, 805 - , isometrische (statische) 146, 703 - , isotone 146 -, wiederholte 156 Muskelkraft 61,143 -.Abstufung 140 -, Mehrung der 43,143 Muskelpumpe 282,678,876,891,974 Muskel-Reflexzonen 91 Muskelrheumatismus 763 Muskelreizpunkt (direkt) 410, 803 Muskelspindel 125,826 Muskelstatus 143,419 Muskeltonus, kontraktiler, reflektorischer 83,125 Muskelzonen 91 Myalgie 323, 348, 359, 763, 784 Myoatrophische Lateralsklerose 801, 824 Myofibrillen 145 Myogelose 85 Myokarditis 692,741 Myopathie 800,817

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Myositis 762,800 Myotom 91 Myotonia congenita (Thomsen) 819, 823 Myotonie-Syndrom 818 Myasthenia gravis pseudoparalytica 819, 822 Nachricht 51 Nackenreflex, asymmetrisch-tonischer 159 -.symmetrisch-tonischer 159 Nasen-Nebenhöhlen 612 Nasen-Rachendusche 610 nasser Strumpf 890 Natrium-Kalium-Pumpe 342 Naturheilkunde 11,13,19 Nebel (atmosphärischer) 560 Nebel (Inhalations-) 427 - , Dichte 427 - , Dosis 427 - , Gehalt (Wirkstoff) 428 - , Menge 427 - , trockener 429,430 Neofaradischer Strom 366,970 Nephritis 900 Nernstsche Theorie 338 Nervenfasern s. Fasern 122 Nervenleitgeschwindigkeit 420 Nervenpunktmassage 98, 764 Nervenreizpunkt (indirekt) 410 Netzmittel 436,442 neurale Muskelatrophie 801 Neuralgie 114,327,348,498,902 Neuraitherapie 94,759 Neurapraxie 801 Neurit 20 Neuritis 327,763 Neuron, 1. motorisches 121 - , 2. motorisches 121,419,421,801 Neurone 20 Neuropathie 800 Neurotmesis 801 Neurozirkulatorische Dystonie 594, 717 Nierenstein, Trinkkur bei 529 neofaradischer Strom 366,970 Niederfrequente Wechselstromtherapie 386 Niederfrequenztherapie 336,965,975 Noradrenalin 23,36,440, 724 Normalisierung 11,718 Normotonie 36 Notfallreaktion (Cannon) 65 Nozizeptiver Reiz 20,135,764 Nucleus niger 121 -.ruber 121 -.vestibularis 122 Nucleus pulposus-Prolaps 781 Nutritionsreflex 865, 870 Nutzzeit 414

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Sachregister

Obliterierte Gefäße 852 Obstipation, chronische 304 -.funktionelle 104,512 - , Kolonmassage 104 - , Reizstromtherapie 380 Obstruktion, primäre, sekundäre 606 Obstruktive Atemstörung 209,606 Ödeme 89,267,879,893 Ohmsches Gesetz 330, 875 Ohnmacht 731 Okklusion 545 Ökonomisierung 9,75 - , der Herzarbeit 192, 685,690 Okzipitalneuralgie 357,902 Optisches Spektrum 444 Ordnungstherapie 271,726,970 orographische Lage 559 Orthostase 731 Osteochondrose 781,906 Osteochondrosis deformans 905 Osteophyten 773,781 Orthostatische Dysregulation 704 - , Hypotonie 729 Osteoporose 102,110,789,844,905 - , Steroid- 748 Östrogene (im Moor) 504 Otitis media 611,897 Oszillographie 859 ovarielle Insuffizienz 909 Packungen 287 - , kalte 890 Pallidum 121,846 Panniculitis 763 Papillarschicht 447 Paraffinpackung 521 Paralysis agitans 846 Parasympathikotonie 36 Parasympathikus (Vagus) 34,36 Parese, Paralyse 801 Parkinson-Syndrom 846 Parkinsonismus 846 Partialinsuffizienz, respiratorische 205, 638 Patientenkreis, (Hochfrequenz) 397 Pattern 152,971 Pause, „lohnende" 148 Pausendauer 28,363, 368 Payrsches Zeichen 880 PD-Rezeptoren 22 Peloidbad, thermophysikalische Eigenschaften 502 Peloide 500 - , chemische Faktoren 504 - , Definition 500 - , physikalische Kräfte 501 - , Wärmekapazität 502 Wasserkapazität 501

Pendel, mechanisches 394 Pendelblut 712 Pendelluft 209, 626,638 Perfusion 88,205, 669,678,715 Periarteriitis nodosa 762 Periarthritis humeroscapularis 109, 322, 763 Perikarditis 741 Periode, (Schwingungs-) 332 Periostmassage 99 Perlsches Gerät 788 Permeabilität 24, 345 Peronaeuslähmung 835 Perspiration 236 Perthes-Test 880 Perthessche Erkrankung 906 Perzeption (Licht) 445 Petrissage 96 Phäochromozytom 724 Pharyngitis 608 Phasenverschiebung 334 phasisch - tonisch 971 Phenylbutazon 884 Phlebographie 881 Phletothrombose 879 Photoaktinischer Wirkungskomplex 554 Photosensibilität 457 Physik der elektromagnetischen Schwingungen 24 Physik der Materie 25 Physikalische Medizin 3 Physikalische Therapie 3 - - , Gliederung 7 Physiotherapie 3 Phytotherapie 270 Pickwick-Syndrom 55 piezoelektrischer Effekt 423 Pigmentierung, direkte, indirekte 454 Piroxicam 747 Plastizität, der Synapsen 23 Plattenelektroden 350 Plethysmographie 861 Pleuraempyem 673 Pleuritis 669 Pneumonie, chronische 654 - , hypostatische 847 -, kruppöse 649 Pneumonokoniose 623 Pneumotachographie 219 Pneumotherapie 426 Pneumatische Kammer 572 poikilotherm 239 Poiseuillesche Formel 708, 721, 875 polare Erregung, Gesetz der 347 Polarisation (Depolarisation, Repolarisation) 343, 971 Poliomyelitis 801,810 Polyarthritis, chronische 742

Sachregister Polycythämie 722 Polymyalgia rheumatica 764 Polymyositis 763 Polyneuropathie (Polyneuritis) 801,807 Polypragmasie 35 Polysklerose 837 Positionsdiagnose, palpatorische 791 Postthrombotisches Syndrom 879 Posturale Muskeln 132, 783 Potentialdifferenz 20,329, 342 Potentiale, bioelektrische 971 - , Aktions- 20 - , Gleichgewichts- 342 - , Polarisations- 343 - , Ruhe- 342 -.Transmembran- 342 Potentiale, elektromyographische 418 - , Faszikulations- 419 - , polyphasische 419 - , Riesen- 419 - , Spontan- 419 - - , Summen- 421 Prävention 5 P-Rezeptor (proportinal reagierender) 22 Preßatmung 195,654,703,709 Preßdruck, apnoischer 195, 703 Preßinkontinenz 384,910 Prießnitz Wickel 286,620,632 Primärstrahler 445 Primärreaktion 65 Primärwirkung 10, 31, 73,971 Primitivreflex 159,971 Prinzip des Archimedes 267 Prinzip (Wirkprinzipien) - , der Ausschaltung 9 - , des Ersatzes 9 - , der Kräftigung 9 - , der Lenkung 9 - , der Normalisierung 9 - , der Schonung 9 Programme (der Übungsbehandlung) 60,73,140 Programmsteuerung 60,141 Properdin 74 Prophylaxe 5 Propriorezeptoren 19 Produkt Druck-Frequenz 689 Prolongateffekt 518 Propriozeptive neuromuskuläre Fazilitation 971 Propulsion 846 Prostatahypertrophie 519 Prostatitis 519 Prostaglandine 606,747 Prostigmin 819 Protonen 330 PseudoChronaxie 414 Pseudohypertrophie 820

989

Psoralen 471 Psoriasis 298,461,471,896 Pulsfrequenz als Maßstab 187, 244 Pulssummen: Arbeits- 193 Belastungs- 193 Erholungs- 193 Pulswelle 106 Pulswellengeschwindigkeit 245,266 Puppy-Haltung 165 Purinkörper 440,443 Purinstoffwechsel 456 Purpura rheumatica 739 Puva-Prinzip 471 PWC (physical working capacity) 179,971 Pyramidal-motorisches System 117,121 Pyramidenkreuzung 826 Pyrazolon 747 Quecksilberlampe 466 Quengelungen 755 Querdurchströmung 352 Querschnittslähmung 824, 843 Quick-Wert 701 Quinkesche Hängelage 632 Quotient Ventilation: Perfusion 206 Rachitis 469 radioaktive Trinkwässer 516 radioaktive Bäder, Indikationen 493 Radiumsalze 493 Radon, Ra-Emanation 476,493 Randleisten (Wirbelkörper-) 773 Rauminhalation 429 Raumklima 571,584,614 Rauwolfia-Alkaloide 724 Raynaudsche Krankheit 281,852 Reafferenzprinzip 57 Reaktion 18 - , stressorunspezifische 64 Reaktions-, bereitschaft 40 -, fahigkeit 33,40 -, labilität 33 -,therapie 15,18 -, Typen 38 reaktive Lebensprozesse 18 Rebound-effekt 132 Rechteckimpuls 363 Rechteck-Impuls-Charakteristik (RIC) 414,967 Rechteckschwellenwert 412 Rechteckstrom 365 Reflex: 46 - , bedingter 49,275 Bezold-Jarisch- 244, 266, 314 Dehnungs- 124,125,132, 464 Dehnungs-, phasischer 124 Dehnungs-, tonischer 125

990

Sachregister

Reflex, Eigen- 47,123,131 Fremd- 47,123,134 Gauer-Henry- 266 Hals- 158 Halte- 158 - , kuti-kutaner 47 - , kuti-viszeraler 47 Labyrinth-, tonischer 160 Moro- 161 Nacken-, asymmetrisch-tonischer 159 Nacken-, symmetrisch-tonischer 159 -, phasischer 124 Primitiv- 159,971 propriozeptiver Eigen- 123,132 Stell- 160 tonischer 125 viszero-kutaner 47 - , viszero-motorischer 48 - , viszero-viszeraler 49 Reflexblase 382 Reflexdystrophie (Sudeck) 906 Reflextonus 127 Reflexumdrehen 168 Reflexkriechen 168 Reflexzentrum 20 Reflexzonenmassage 28, 98 Refraktärzeit 28,344 Regelgröße 53 Regelkreis 55 - , der Körpertemperatur 238 - , der Muskellänge 128 der Muskelspannung 128 regeln - steuern 51 Regelstrecke 54 Regelung 51 Regelzentrum 20 Regler 53 Regimen refrigerans 549, 563, 582, 584, 617,734, 972 Regulation 18 Regulationsstörung, hypodyname (Schellong) 731 Regulationstherapie 15,45 Regurgitationsvolumen 712 Regurgitation 185 Rehabilitation 8 Reibung, innere 269, 502 Reibungen 96 Reibungswärme 397 Reibungswiderstand 269 Reiten, therapeutisches 168 Reitersche Krankheit 761 Reiz 18 - , adäquater, inadäquater 19 - , Reizdauer 27 Dehnungsreiz 22,964 - , elektrischer 337 - , Reizfläche 27

-, Reizgestaltung 29 - , Reizgewöhnung 43 -, Reizgüte 29 -, Reizintervalle 28 -, iterativer 362 - , nozizeptiver 20,135, 764 -, Reizmodulation 24 -, Reizort 28 - , Reizqualität 32 -, spezifische Reizschwelle 21 - , Reizstärke 28 - , Reizsummation 136 - , unspezifischer 73 - , Wert-, Größenmaßstäbe 24 - , Reiztypen, adaptierende 70 Reizblase 896 Reizfaktoren des Klimas 537 Reizgewöhnung 43 Reizklima 538, 595, 664 Reiz-Reaktionsgeschehen 18 Reizstrommassage 365,390, 792 Reizstromtherapie 972 Reiztherapie 18 Reizschwelle 21 Reklimatisation 591 Reklination (HWS) 783 Rekondensationseffekt - Rückgewinnungseffekt 583, 609 Rekonvaleszenz 7 Relaxantien 87 Remissionen (MS) 838 Renshaw-Hemmung 133 Renshaw-Zellen 133 Repolarisation 28,343 Reserveblut 192 Reservevolumen, kardiales 192 -, pulmonales 217 Residualkapazität, funktionelle 217 Residualvolumen, kardiales 686 - , pulmonales 217 Resistance 219 Resistenz 67 Resorption im Bad 479,491 restriktive Atemstörung 210, 606 Retraktionskraft, der Lunge 203 Retropulsion 846 Rezeptor 19 -, D- (differentialquotientenempfindlich) 22 -, Dehnungs- 22,126 -, Empfindlichkeit 972 -, Entero- 19 -, Extero- 19 -, Intero- 20 - , P- (proportionalempfindlich) 22 -, PD- 22 -, Spannungs- 130 - , Viszero- 20

Sachregister reziproke antagonische Hemmung 132,154,972 reziproke Innervation 132,153,154,377 RGT-Regel 251 Rheobase 371,412,965 Rheographie 860 Rheumadiagnostik, serologische 760 Rheumatismus, Begriff 738 Rheumatische Erkrankungen 491, 498, 519, 523, 738 rheumatisches Fieber 693, 739 Rhinitis 608 Rhinitis vasomotorica 896 Rhythmik, funktionelle 38,41 Rhythmische Stabilisierung 155 Riesenpotentiale 419 Rigor 87,846 Risikofaktoren 699 Roborierung 82 Rollkur 519 Rosmarinbad 300,499 Rotlichtbestrahlung 450 Rötung der Haut 30, 243, 257,278, 341,452,486, 616, 726, 869 Rückfluß, venöser 89, 875 Rückgewinnungseffekt 583, 609 Rückkehreffekt 591 Rückkoppelung 55,132 - , negative 132 Rückstellkräfte, elastische 203, 875, 972 Rückwärtshemmung 132 Ruhepackung 286 Ruhepotential 342 Ruhetonus 83,127 Rundfeldstrahler 392,404 Rundrücken 907 sakkadierte Atmung 222 Salicylate 747 Salinen 430 Saluretika 724 Sandbäder 291 Sarkoidose 623,898 Sättigungsdruck (Dampf) 551 Säuerlinge 476,489 Sauerstoffaufnahmefähigkeit 188 Sauerstoffbad 302 Sauerstoffbeatmung 625,716 Sauerstoffinsufflation, arterielle 864 Sauerstoffpartialdruck 565 Sauerstoffpuls 178 Sauerstoffschuld 28, 85,169,687 Sauerstoffutilisation 189, 690,699 Saug-Druck-Stiefel 870 Saugpumpenfunktion (Venen) 877 Sauna 310 - , Indikationen 316 - , Kontraindikationen 316

991

Säuremantel (Haut) 313,456 Schalldichte 423 Schaltung, elektrische 973 - - , absteigende 352 - -, aufsteigende 352 - - , detonisierende 353 - -, tonisierende 353 Schanzsche Krawatte 787 Schaumbad 302 Schellong-Test 302,729 Scheuermannsche Krankheit 208,784,789,907 Schichtdicke (Wärmepackung) 288 Schlagvolumen 246,687 Schleimhauthyperämie, reaktive 65, 582 Schlickbäder 503 Schliephake-Elektroden 401 Schlingentisch 143, 752, 815 Schlüsselpunkte 163 Schmerzbehandlung, elektrische 385 Schmerzen 901 -, übertragene 49,92 Schmerzpunktelektroden 389 Schmetterlingswanne 268, 757 Schmorische Knötchen 781 Schnelligkeit (Bewegung) 175 Schnellkraftübung 149, 734 Schnupfenviren 613 Schobersches Zeichen 773 Schonfaktoren, klimatische 538, 595 Schonung 10,11,68,600 - , klimatische 538,664 Schrittmacher, Herzrhythmus 116,409 - , Peronäuslähmung 835 Schüttelungen 142 Schulter-Arm-Syndrom 784 Schultersteife, schmerzhafte 109, 767,788, 828 Schwangerschaftsgymnastik 910 Schwannsche Scheide 801, 807 Schwebungstrom 389 Schwefelbäder 491 -, Indikationen 491 künstliche 298 Schweißdrüsenabszeß 895 Schwellendepolarisation 344 Schwellenerhöhung (für motorische Reize) 348 Schwellenintensität 346 Schwellströme 30, 366 Schweregrade, (Herzkrankheit) 185,708 Schwingkreis 393 Schwingung 331,391 -, gedämpfte 395 - , ungedämpfte 396 Schwingungsphasen 331 Schwitzen 236,312 Schwitzprozeduren 620 Schwüle 552, 572

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Sachregister

Schwülegrenze 553 Segmenttherapie 91,671 Sehbahnen 455, 555 Sehnenspindel 130 Sehnenorgan (Golgi) 130 Sekretolytika 435, 442 Sekundenkapazität 218 Sekundärwirkung 10, 31,65,73,971 Selbstbehandlung 731 selektive Elektrostimulation 370, 371, 803,973 Senfmehlbäder 299 Senfwickel 287,641 sensibel schwellig 354 Sensibilität, gnostische 807, 826 Sensomotorik 122,157,165,973 Serienwaschung 272 Sferik 557, 561, 575, 576,973 Sherrington 154 Shift 164, 831 SI-Einheiten 176 Signale, elektrische 20, 51 Silikose 210,623,655 Sinusitis 635 Sister Kenny-Methode 816 Sitzbäder 283, 320,910 Sjögren-Syndrom 761 Sklerodermie 281,852,762 Sklerotherapie 884 Skoliose 221, 783, 790,907 Smog 548 Sogwirkung 433,654,696, 877 Solbäder 475,495 - , künstliche 289 -, Indikationen 497 Sollwert 53 Sollwertverstellung 55 Solluxlampe 462 Sonnen- und Himmelsstrahlung 459, 550, 554 Sonnenbad, Dosierung 462 Sonnenscheindauer 560 Sonnenstich 462 Sonographie 860,881 Sorption 504,973 Spalt, synaptischer 23,345 Spannung, elektrische 329 Spannungsdifferenz 342 Spannungsübungen, isometrische 146,194,702, 703 Spastik 84 Speicherung erlernter Programme 60 Spike 20 Spinal-motorisches System 117,122 Spinale Kinderlähmung 810 Spinale Muskelatrophie 811 Spinalparalyse, spastische 811, 824 Spindelapparat der Muskeln 125 Spitzenstromstärke 366

Spondylarthritis ankylopoetica 772 Spondylarthrosis, degenerative 524,781 Spondylitis anterior 773 Spondylodiszitis 773 Spondylolisthesis 784 Spondylosis hyperostotica (Forestier) 781 Sportarten, körperliche Anforderung 198 Sportherz 686 Spray (Inhalations-) 427 Sprudelbad 301 Sprungbereitschaft 161, 973 Spülkur 507, 529 Spulenfeld 392 Spulenfeld-Methode 401 Spurenelemente 477, 508 Trinkkur 508 Stabilisierung, rhythmische 155,734 Stabilitätsgrenze (Moorbad) 501 Stahlbäder 497 Stammvarikosis 880 Standardwerte 30,917 Stangerbad 355, 792,797 statische Arbeit 147 Startbereitschaft 161,973 Stauung (Blut) 89 steady state 179 Steal and lend-Syndrom 13, 869 Stefan-Boltzmannsches Gesetz 454 Steilheit (Stromanstieg) 366 Steilkriechen 778 Steindiathesen 529 Stellglied 54 Stellgröße 54 Stellreaktionen 160, 831 Stellreflexe 160 Stenokardie, funktionelle 679, 716 Steppergang 823 Steroide 437,636 -.Nebenwirkungen 110,748 Steroidosteoporose 748 Steuerungen 51 Still-Syndrom 761 Störfelder 94 Störgröße 52 Störgrößensteuerung 59 Störung, heilsame 18,41,232, 238 Stoffwechsel, aerober, anaerober 687 Stoffwechselübung 171,196,696,901 Strahlenfeldmethode 401 Strahler, künstliche 460 Strahlungsfluß 446 Stratum corneum 446 Streichungen 95 Streptokinase 853,885 Stress 66 Stressor 66 Stressoren, therapeutische 69

Sachregister Striche, anhakende 100 Strichtechnik 100 Stripping 882 Strömchentherapie 345 Strömungsgeschwindigkeit (Atemluft) 433 (Blut) 866, 882,888 Strömungswiderstand, arterieller 245, 266, 585, 678 - , koronarer 688 Stromdichte 350 Stromrichtung 330,352,973 - , absteigende 352 - , aufsteigende 352 - , detonisierende 353 tonisierende 353 Stromstärke, elektrische 330 Stromstärke (venöser Rückstrom) 875 ST-Senkung (im EKG) 183 Stützstrümpfe 885 Stufenbett 787 Stufentest 177 Subclavian-steal-Syndrom 855 Suda-bad (subaquales Darmbad) 303,900 Sudeck-Syndrom 102,391,449,469,498,866,906 Sulfatwässer 476, 512 Sulfhydrilhypothese 448 Summation, räumliche 140,154 - , Reiz- 136 - , zeitliche 140,154 Summenpotential 421 Superposition, additive, substraktive- 334 Sympathikotonie 36 Sympathikus 34 Synapse 23,121,153,345 exzitatorische 23 - , inhibitorische 23 Syncardiale Massage 106, 871 Syndesmophyten 773 Synergismus Zwerchfell - Thoraxwand 208,627 Synergisten 118,814 Synkopen, kardio-vaskuläre 265 - , vagovasale 265, 729, 731, 837 Synoptik 573 Synovektomie 746 Systemic stress 68,484, 586 Tabes dorsalis 161 Tankrespirator 432 Tapotement 97 Taschenmesserphänomen 846 Tastbefunde 87 Tauchbad 264, 727 Taupunkt 560 Teilbäder 279 Teilströme 350 Temperatur 229 Temperaturfeld 230,974

993

Temperaturskala (Wasserbehandlungen) 276 Temperaturstrahler 445,458 Tendomyose 764 Tendovaginitis 322,470, 763 Tensorezeptoren 130 Terrainkur 528,664,706 Testhaltungen 162 Testkarte 162 tetanisierbar 363, 804 Thalassothérapie 474 Therme 476 Therapia magna sterilisans 602 Therapie, „allgemeine" 271 - , kausale 10 - , künstliche 9 - , natürliche 9,45 - , unspezifische 73 Therapiepläne 600 thermischer Wirkungskomplex (Atmosphäre) 548 Thermophore 292 Thermoregulation 237 Thermotherapie 227 Thomsensche Krankheit 823 Thorax, asthenischer 206 -, faßförmiger 207 Thrombolyse 885 Thrombophlebitis 879, 885 Thrombose-Prophylaxe 654, 678, 683, 692, 704, 850, 888, 892 Tiefdruckwetter 541 Tiefenwirkung, thermische 405,768 - -, relative 402 Tiefkriechen 778 Tiffeneau-Test 219, 581 Toleranzpunkte, (Wärmeträger) 257 tonisch-phasisch 971 Tonsillarabszeß 609, 897 Tonsillitis 608,693 Tonus, arterieller 245, 721 Tonus der Venen 874 Tonus der Muskeln 82 Tonus des vegetativen Systems 33,483,487, 509, 518 Tonus, kontraktiler, der Muskeln 127 Torsionsdystonie 851 Tortikollis 851 Totraumventilation 209, 216,223 Totraumvergrößerer 224,653 Träbertscher Reizstrom 365, 387 Tracheitis 608 Training 145,974 - , mentales 60,141 - , progressives 149 Trainingsbehandlung 199 Trainingspuls 190 Trainingsspannung (Muskel) 144

994

Sachregister

Trainingswert 833,866 Transmembranpotential 342 Transmineralisation 479, 869 Transmittersubstanz 23 Transpiration 236 Trapezimpuls 366 Tremor 420, 847 Trendelenburg-Test 820 Trigenimusneuralgie 358,902 Trigger point 385 Trimm 130 -Aktion 173,191 Trinkwässer 509 Trinkkur 474, 506, 528 - , Definition 505 - , Einfluß der Mineralien 507 -.Indikationen 518 - , Kontraindikationen 518 - , Wassermenge 506 - , Wirkungsfaktoren 506 Trinkwässer: arsenhaltige 513 - , eisenhaltige 513 - J o d h a l t i g e 515 - , schwefelhaltige 515 Trippelpunkt des Wassers 229 Tröpfchengröße 427 Tröpfchengrößenspektrum 428 Trophik 83 trophotrope Funktionslage 33, 35,483 Trübungsfaktor 550, 555 Tubenkatarrh 611 Tuberkulose, extrapulmonale 665 - , Lungen- 592,660 Turbulenz 543 Turgor 82 Überdruckbeatmung 432 Überlaufblase 382 überschießende Reaktion 68, 579 Überwärmungsbad 305,796 Übung 144,974 Übungsprinzip 15,18, 50,65, 73,155,168 Übungsprogramme 60 Ulcus cruris 114,882,893 Ultrareizstrom (Träbert) 365 Ultraschall-Doppler-Sonographie 860, 881 Ultraschalltherapie 421, 759,769, 893 - , Dosierung 424 - , Indikationen 424 Ultraschallvernebler 429 Ultrarotlicht 450 Ultraviolett (UV) - , Bestrahlung 464 - , Strahlung 447 - , Dosierung 465 Umkehr, langsame 155 Umschläge 283 Umstimmung 68,69,75,192,457,483,555,590,727

Unfallvorsorge (Elektrotherapie) 409 Unspezifische Reize 73 Unterdruck-Beatmung 432 Unterwasser-Druckstrahl-Massage 102 Unterwasser-Gymnastik 268 Urethritis 772 Ursache-Wirkungsbeziehungen 18 Utilisation (Sauerstoff) 145,189,678,690,699 UV-A, UV-B, UV-C -Strahlung 447 Vagus (Parasympathikus) 34 Vagotonie 36 Vakzinetherapie 635 Valsalva-Mechanismus 195,731, 881 Valvulotomie 174,710 Varikosis 879 Varizen 879 Vasokonstriktion (unter Kälte) 321 Vasomotorik unter Stromfluß 341 vegetative Dystonie 594,717 vegetative Gesamtumschaltung 38,74, 253,483, 589 Veitstanz 850 Venae comitantes 877 Venenektasie 879 Venendruck, zentraler 875 Venenexhairese 882 Venenleiden 874 Venenmittel 884 Venenpumpe 876,974 Venenverschluß-Plethysmographie 861, 881 Venenthrombose 879 Venöse Störungen, Diagnostik 880 Ventilation 204,431 Ventilationskollaps 731 Ventilationsstörung, obstruktive 203,606 -.restriktive 210,606 Ventilationsübungen 221 Ventilebenenfunktion 877 Ventilfunktion (Synapsen) 23 Verdeckung 385,425 Verdunstung 235 Vergiftung mit Schwermetallen, Therapie 516 Verjüngung (Badekur) 494 Verkürzungsreaktion 156 Verlängerungsreaktion 156 Vermittlersubstanzen 23,480 Vernebier 428 Verödung (Venen) 884 Verschiebungsstrom 397 Verschlußkrankheiten, arterielle, Stadien, Typen 853 Verweichlichung 538,612,617 Verzweigungsregel 350 vestibulo-spinale Bahnen 122,158 Vibration 97,422 Vibrationen, atemgymnastische 224

Sachregister Vierzellenbad 352, 359 Virchowsche Trias 892 Viren (common-cold-, Schnupfen-) 68, 583,613 Vis a tergo 90,678, 875 Viskosität 269,502 Viszerorezeptoren 20 Vitalkapazität 217 Vitamin D-Synthese 449,456 Vitamine (Inhalation) 437 Vojta-Methode 167,975 Vollweggleichrichtung 335, 387 Volt 329 Volumen, enddiastolisches 684 - , endsystolisches 685 Volumen pulmonum auctum 214, 646 Volumenarbeit des Herzens 487 Volumenelastizitätskoeffizient 245,487 Volumenhochdruck 721 Vorspannung 127 Vorwärtshemmung, antagonistische 132 Vorwärtssteuerung 59 W130-Test 188,975 Wadenwickel 284,620 Walkung 96 Wärme, Definition 229 - , Dosisrate 230, 294,975 Wärmeäquivalent, mechanisches 229 Wärmebewegung im Körper 234 Wärmeempfindung 229,397 Wärmeerythem 450,454,486 Wärmehaltungsvermögen 290, 503 Wärmekapazität 288,503 Wärmekonvektion 234, 503 Wärmeleitung 234 Wärmemenge 229,289 Wärmepigmentierung 454 Wärmeregulation, chemische 238 -.physikalische 238 Wärmestrahler 460 Wärmestrahlung 235, 459 Wärmeströmung 234 Wärmetheorie, mechanische 228 Wärmetransport, konduktiver 234 - , konvektiver 234 Wärmeübergangszahl 559 Wärmewiderstand 503 Wärmewirkung, allgemeine 230 -.örtliche 230 Wärmezentrum 53,238,243 Wärmflasche 292 Warmfront 544 Waschungen 272 Wasserabgabe, sensible 236 - , insensible 236 Wasserhaushalt im Bad 477 Wassermantel 274

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Wassertreten 281, 319, 890 Watt (Einheit der Leistung) 176 Wechselguß 277 Wechselreize 277,545 Wechselstrom 331 Wechselteilbäder 281 Wechselzahl 332, 335 Weichteilrheumatismus 763,902 Wellen 332 Wellenlänge 333 Wellenspektrum, elektromagnetisches 25, 445 Wernicke-Mannsche Lähmung 150,376, 829 Westwetterklima 561 Wetter, Definition 536, 541 Wetter und Krankheit 575 Wetter und Mensch 573 Wetterakkord 540 Wetterformen, -phasen, -Typen 546 Wetterfronten 544 Wetterfühligkeit 574 Wetterstörung 576 Wickel 283 Widerstand, elektrischer 330 - , Gefäß- 245 Widerstandshochdruck 721 Widerstandsübungen 149 Wildersches Ausgangswertgesetz 32, 254,726 Wildwässer 476 Wildwasserbäder 498 - , Indikationen 498 Willkürmotorik 117,121 Wind, Seewind, Landwind 562 Wind, Reizwirkung 558 Windgeschwindigkeit 235, 559 Windschatten 559 Wirbelstrom 400 Wirbelstrom-Elektrode 400 Wirkprinzipien (Krankenbehandlung) 9 Wirkungsfaktoren (atmosphärische) 548 Wirkungsgrad (der Herzarbeit) 685 Wirkungskomplex, atmosphärischer 548,968 - , hygrischer 551 - , hygrisch-thermischer 553 - , luftchemischer 555 - , luftelektrischer 557 - , photoaktinischer 554 - , thermischer 548 Wochenbett-Gymnastik 910 Xenon,33-Clearance 866 Xenon-Hochdrucklampe 461 Zahnradphänomen 87, 846 Zellenbäder 352, 792, 797,975 Zerebrale Kinderlähmung 157,824 zerebrale Ischämie, intermittierende 826

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Sachregister

Zerebralparese 157 -.infantile 157,162 Zerebralsklerose 723 Zerrungen 908 Zerstäuber 428 Zerstäubungsgrad 428 Zervikalsyndrom 784,903 Zerviko-brachial-Syndrom 784, 903 Zielübungen 809,840,849

Zirkelung 96 Zonen 92,100,975 Zosterneuralgie 763,902 Zuckungen, faszikuläre 811 Zuckungsgesetze (Pflüger) 348,411 Zyklone 541 Zwerchfell-Brustwand-Antagonismus 208, 626 Zwischenkur (Trinkkur) 517 Zwischenwirbelscheibe 781

Staudt

Kleiner Anatomischer Atlas mit Begleittext 19,5x22 cm. 124 Seiten. Mit zahlreichen Abbildungen. 1987. Gebunden DM 29,80 ISBN 3110109603 In diesem kleinen Atlas werden 58 anatomische Graphiken und dazugehörige textliche Erläuterungen auf jeweils zwei Seiten gegenübergestellt. Die Gestaltung des Textes ist klar, übersichtlich, kurz, präzise und logisch. Mit der Kombination von Bild und Text wird einer Grundforderung der Ausbildung im Fach Anatomie entsprochen, alle Fakten und ihre funktionellen Zusammenhänge zu veranschaulichen. Der Aufbau des Atlasses erfolgt nicht streng nach systematischen Gesichtspunkten. Es werden vor allem funktionelle Systeme und topographische Gegebenheiten einzelner Körperregionen dargestellt. Der Atlas vermittelt gesichertes Grundwissen, ist praxisorientiert und zeigt zahlreiche interdisziplinäre Beziehungen auf. Angehörige medizinischer Assistenzberufe, Studenten der Biologie und interessierte Laien werden hier neben einer guten bildlichen Darstellung eine Fülle von kurzen, instruktiven Informationen über die Anatomie des Menschen erhalten.

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de Gruyter • Berlin • New York

Pschyrembel Klinisches Wörterbuch mit klinischen Syndromen und Nomina Anatomica 255., völlig überarbeitete und stark erweiterte Auflage. Bearbeitet von der Wörterbuchredaktion des Verlages unter der Leitung von Christoph Zink. 14 x 21,5cm. XX. 1874 Seiten. Mit 2926 Abbildungen, davon 647 farbig, und 214 Tabellen. 1986. Gebunden DM 64,- ISBN 311007916X Das am weitesten verbreitete klinische Nachschlagewerk • • • • • • •

erläutert alle wichtigen Krankheitszustände erleichtert Diagnose und Differentialdiagnose beschreibt diagnostische und therapeutische Verfahren gibt eine Übersicht über gängige Pharmaka informiert auch über die Grenzgebiete der klinischen Medizin erklärt Wortbedeutungen und ist grundlegende Rechtschreibhilfe

Pressestimmen zur neuen Auflage: „Seit Generationen steht der .Pschyrembel' als Synonym für präzise und praxisbezogene Information über medizinische Zusammenhänge. Es ist der Begriff für ein medizinisches Wörterbuch schlechthin, das auch jetzt seinem traditionellen Ruf als wichtigste klinische Informationsquelle gerecht wird." Die Welt „... hat sich der .Pschyrembel' mit dieser Auflage ... zum konkurrenzlosen Werk gemausert. Erhebliche Textvermehrung (zwei volle Druckseiten über AIDS!), erstaunliche Aktualisierung und erstmals vierfarbige Bilder haben das bewirkt." Ärztliche Praxis

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