Oberflächenphysik: Grundlagen und Methoden 9783486856200, 9783486721355

Oberflächen von Festkörpern sind heute aus der Grundlagenforschung von Physik, Chemie und Materialwissenschaften nicht m

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German Pages 179 Year 2013

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Table of contents :
Vorwort
Legende
Grundlagen
1 Eigenschaften von Oberflächen
1.1 Morphologie und atomare Struktur
1.1.1 Oberflächenkristallographie
1.1.2 Übergitter und Überstrukturen
1.1.3 Oberflächenrelaxation
1.1.4 Oberflächenrekonstruktion
1.2 Elektronische Struktur
1.2.1 Blochtheorem
1.2.2 Oberflächenbrillouinzonen
1.2.3 Projizierte Volumenbandstruktur
1.2.4 Oberflächenzustände
1.2.5 Austrittsarbeit
1.3 Gitterschwingungen an Oberflächen
2 Prozesse an Oberflächen
2.1 Energieverlustprozesse von Elektronen
2.1.1 Energieverteilung gestreuter Elektronen
2.1.2 Inelastische mittlere freieWeglänge
2.2 Adsorption, Desorption und Diffusion
2.2.1 Adsorption
2.2.2 Desorption
2.2.3 Diffusion
2.3 Schichtwachstum und Epitaxie
2.3.1 Wachstumsmodi
2.3.2 Keimbildung
2.3.3 Epitaxie
2.3.4 Nanostrukturierung durch Selbstorganisation
Methoden
3 Präparation von Oberflächen
3.1 Quellen von Verunreinigungen
3.2 Erzeugung sauberer Einkristalloberflächen
3.2.1 Spalten
3.2.2 Heizen
3.2.3 Chemisches Reinigen
3.2.4 Ioneninduzierte Zerstäubung
3.3 Erzeugung modifizierter Oberflächen
3.3.1 Adsorbat-bedeckte Oberflächen
3.3.2 Schichten auf Oberflächen
4 Methoden zur Bestimmung der geometrischen Struktur
4.1 Beugungsmethoden zur Strukturbestimmung
4.2 Kinematische Beschreibung der Beugung
4.3 Beugung langsamer Elektronen
4.3.1 Experiment
4.3.2 Geometrie des Beugungsbildes
4.3.3 Strukturbestimmung
4.4 Beugung hoch-energetischer Elektronen
4.5 Oberflächenr¨ontgenbeugung
4.6 Heliumbeugung
4.7 Feinstruktur der R¨ontgenabsorption
5 Elektronenspektroskopien
5.1 Instrumentierung
5.1.1 Elektronen- und Photonenquellen
5.1.2 Energieselektive Analysatoren
5.1.3 Modulationstechnik
5.2 Elementspezifische Spektroskopie
5.2.1 Röntgen-Photoelektronenspektroskopie
5.2.2 Rumpfniveauverschiebungen
5.2.3 Augerelektronenspektroskopie
5.2.4 Linienform von Augerspektren
5.2.5 Qualitative und quantitative Elementanalyse
5.3 Oberflächenbandstrukturbestimmung
5.3.1 Winkelaufgelöste Photoemission
5.3.2 Inverse Photoemission
5.3.3 Zweiphotonen-Photoemission
5.3.4 Auswahlregeln bei Photoemission
5.4 Hochauflösende Spektroskopie von Oberflächenschwingungen
5.4.1 Grundlagen und Experiment
5.4.2 Wechselwirkungsmechanismen und Auswahlregeln
5.4.3 Anwendungsbeispiele
6 Rastersondenmikroskopie
6.1 Einleitung
6.1.1 Prinzip
6.2 Rastertunnelmikroskop
6.2.1 Topographische Aufnahmen
6.2.2 Tunnelprozess
6.2.3 Spektroskopie
6.2.4 Anwendungen und weitere Wechselwirkungsmechanismen
6.3 Rasterkraftmikroskop
6.3.1 Kräfte an Oberflächen und ihre Auswirkung im AFM
6.3.2 Anwendungen und weitere Wechselwirkungsmechanismen
7 Teilchenspektroskopien
7.1 Thermische Desorptionsspektroskopie
7.1.1 Grundlagen und Versuchsanordnung
7.1.2 Spektrentypen
7.1.3 Auswertung von Desorptionsspektren
7.1.4 Desorptionsspektren mit mehreren Maxima
7.2 Ionenstreuung
A Anhang
A.1 Oberflächen von hcp-Kristallen
A.2 Bestimmung von Ebenengruppen
A.3 Brillouinzonen und Spiegelebenen
A.4 Energien für Augerübergänge
Weiterführende Literatur
Abkürzungen
Index
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Oberflächenphysik: Grundlagen und Methoden
 9783486856200, 9783486721355

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Oberflächenphysik Grundlagen und Methoden von

Thomas Fauster Lutz Hammer Klaus Heinz M. Alexander Schneider

Oldenbourg Verlag München

Lektorat: Kristin Berber-Nerlinger Herstellung: Tina Bonertz Titelbild: Dr. Lutz Hammer

Dispersion der Bildladungszustände auf einer Kupferoberfläche, Beugung langsamer Elektronen an einer Iridiumoberfläche, Rastertunnelmikroskopieabbildung von Kobaltoxid auf einer Iridiumoberfläche.

Einbandgestaltung: hauser lacour

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.dnb.de abrufbar. Library of Congress Cataloging-in-Publication Data A CIP catalog record for this book has been applied for at the Library of Congress. Dieses Werk ist urheberrechtlich geschützt. Die dadurch begründeten Rechte, insbesondere die der Übersetzung, des Nachdrucks, des Vortrags, der Entnahme von Abbildungen und Tabellen, der Funksendung, der Mikroverfilmung oder der Vervielfältigung auf anderen Wegen und der Speicherung in Datenverarbeitungsanlagen, bleiben, auch bei nur auszugsweiser Verwertung, vorbehalten. Eine Vervielfältigung dieses Werkes oder von Teilen dieses Werkes ist auch im Einzelfall nur in den Grenzen der gesetzlichen Bestimmungen des Urheberrechtsgesetzes in der jeweils geltenden Fassung zulässig. Sie ist grundsätzlich vergütungspflichtig. Zuwiderhandlungen unterliegen den Strafbestimmungen des Urheberrechts. © 2013 Oldenbourg Wissenschaftsverlag GmbH Rosenheimer Straße 143, 81671 München, Deutschland www.degruyter.com/oldenbourg Ein Unternehmen von De Gruyter Gedruckt in Deutschland Dieses Papier ist alterungsbeständig nach DIN/ISO 9706. ISBN 978-3-486-72135-5 eISBN 978-3-486-85620-0

Vorwort Oberfl¨achen von Festk¨orpern spielen in der physikalischen Grundlagenforschung und in technologischen Anwendungen eine wichtige Rolle. Sie zeigen aufgrund der im Oberfl¨achenbereich gebrochenen Bindungen und des vom Volumen oft drastisch abweichenden atomaren Aufbaus neue Eigenschaften oder k¨onnen durch Aufbringen anderer Substanzen zum Tr¨ager neuer Materialien werden. Als Terminierung oder Haut“ des Festk¨orpers sind ” sie immer beteiligt, wenn dieser mit seiner Umgebung in Wechselwirkung tritt, d. h. sie beeinflussen so wichtige Ph¨anomene wie z. B. Korrosion (bzw. Schutz davor), Reibung oder Katalyse. Auch spielen sie mit der fortschreitenden Miniaturisierung und damit einem zunehmenden Oberfl¨achenanteil von Halbleiterbauelementen eine immer wichtigere Rolle. Aufgrund dieses Grundlagen- und Anwendungsinteresses durchlief die Oberfl¨achenphysik in den letzten 50 Jahren eine rasante und immer noch anhaltende Entwicklung als ¨ eigenst¨andige Disziplin der Festk¨orperphysik mit Uberlapp zur Oberfl¨achenchemie und zu den Materialwissenschaften. Die Oberfl¨achenphysik hat daher Eingang in das Studium der Physik und Materialwissenschaften gefunden. Dabei ist die Vielzahl ungewohnter, weil im Festk¨orpervolumen nicht realisierter Eigenschaften von Oberfl¨achen f¨ur den Neuling oft verwirrend und erinnert an einen Nobelpreistr¨ager Wolfgang Pauli zugeschriebenen Ausspruch, God made the bulk; the surface was invented by the devil. Dazu kommt ein ganzes Spektrum oberfl¨achenspezifischer, h¨aufig durch Akronyme abgek¨urzte Pr¨aparations- und ¨ Untersuchungsmethoden, was nach aller Erfahrung nicht zur Ubersichtlichkeit beitr¨agt. Deshalb versuchen wir in diesem Lehrbuch die Dinge auf dem Niveau von Bachelor- oder Master-Studieng¨angen etwas zu entwirren, wobei grundlegende Kenntnisse der allgemeinen Festk¨orperphysik vorausgesetzt werden. Die Autoren profitieren dazu von langj¨ahri¨ ger Erfahrung aus Vorlesungen und Ubungen zur Oberfl¨achenphysik sowie einschl¨agigen Forschungsaktivit¨aten. Obwohl bei der Auswahl der Teilgebiete und Methoden die experimentelle Expertise der Autoren eine gewisse Rolle spielte (was nicht zuletzt auch dem gewollt beschr¨ankten Umfangs des Buchs geschuldet ist), resultiert aufgrund der Breite dieser Expertise eine f¨ur die genannte Zielgruppe relevante Abdeckung der experimentellen ¨ Oberfl¨achenphysik. Theoretische Uberlegungen fanden Eingang nur insoweit, als sie zum physikalischen Verst¨andnis und der Interpretation von Messergebnissen notwendig sind. Es sei aber erw¨ahnt, dass sich Theorie und Experimente der Oberfl¨achenphysik in vielen F¨allen gegenseitig stimuliert haben. Wir konzentrieren uns auf Oberfl¨achen als Grenzfl¨achen zwischen Festk¨orper und Vakuum oder Umgebungsgas, bei Adsorbaten oder aufgebrachten Filmen spielt auch deren Grenzfl¨ache zur Oberfl¨ache, d. h. die Festk¨orper/Festk¨orperGrenzfl¨ache eine Rolle. Festk¨orper/Fl¨ussigkeit-Grenzfl¨achen, die hin und wieder im Zusammenhang zur Oberfl¨achenphysik behandelt werden, blieben unber¨ucksichtigt, ebenso z. B. magnetische Eigenschaften von Oberfl¨achen oder katalytische Reaktionen an ihnen sowie Prozesse wie Korrosion und Reibung, um den angestrebten Rahmen des Buches nicht zu sprengen.

VI

Vorwort

Wir betrachten in diesem Buch fast ausschließlich Oberfl¨achen von kristallinen Festk¨orpern, da sie parallel zur Oberfl¨ache translationssymmetrisch sind und damit die Beschreibung erleichtern (obwohl nat¨urlich auch ungeordnete Festk¨orper Oberfl¨achen besitzen). Im ersten Teil beschreiben wir wichtige Grundlagen der Oberfl¨achenphysik. Kapitel 1 behandelt die atomare und elektronische Struktur von Oberfl¨achen und deren Gitterschwingungen, w¨ahrend sich Kapitel 2 den wichtigsten an Oberfl¨achen stattfindenden Prozessen zuwendet. Im zweiten Teil des Buchs werden h¨aufig angewandte Methoden der Oberfl¨achenphysik beschrieben, d. h. Pr¨aparations- (Kap. 3) und experimentelle Untersuchungsmethoden (Kap. 4 – 7). Im Anhang finden sich Erg¨anzungen gefolgt von weiterf¨uhrender Literatur, einer Liste von Abk¨urzungen und dem Index. Das Lehrbuch wendet sich haupts¨achlich an Bachelor- und Master-Studierende der Physik, Oberfl¨achenchemie, Materialwissenschaften oder Nanotechnologie. Der Umfang orientiert sich an dem Stoff, der in einer zweist¨undigen Vorlesung behandelt werden kann. Abschnitte, die f¨ur Bachelorstudierende schwierig sein m¨ogen, sind entsprechend markiert und k¨onnen beim ersten Lesen u¨ bergangen werden. Wir m¨ochten mit diesem deutschsprachigen Lehrbuch eine L¨ucke schließen. Unserer Erfahrung nach haben viele Bachelor-Studierende Schwierigkeiten, ein anspruchsvolles Thema in englischer Sprache zu erarbeiten. Durch konsequente Einf¨uhrung der englischen Fachausdr¨ucke und die Verweise auf die englischsprachige Literatur soll auf die englische Fachsprache im weiteren Studium und Beruf vorbereitet werden. In den verschiedenen Kapiteln aufgef¨uhrte Messergebnisse gehen gr¨oßtenteils auf Diplomund Doktorarbeiten an unserem Lehrstuhl zur¨uck und es ist uns eine Freude, den Absolventinnen und Absolventen unseren herzlichen diesbez¨uglichen Dank auszusprechen. Wir bedanken uns auch bei den Kolleginnen und Kollegen, die uns freundlicherweise Abbildungen zur Verf¨ugung gestellt haben: Jan Knudsen, Sabine Maier, Elias Vlieg und Wolf Widdra. Frau Berber-Nerlinger vom Oldenbourg-Verlag danken wir f¨ur die Geduld und Unterst¨utzung w¨ahrend der Fertigstellung des Manuskripts. Erlangen, August 2013

Th. Fauster, L. Hammer, K. Heinz, M. A. Schneider

Inhaltsverzeichnis Vorwort

V

Legende

X

Grundlagen

1

1

Eigenschaften von Oberfl¨achen

3

1.1 1.1.1 1.1.2 1.1.3 1.1.4

Morphologie und atomare Struktur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3 Oberfl¨achenkristallographie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4 ¨ ¨ Ubergitter und Uberstrukturen ........................................... 8 Oberfl¨achenrelaxation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12 Oberfl¨achenrekonstruktion. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14

1.2 1.2.1 1.2.2 1.2.3 1.2.4 1.2.5

Elektronische Struktur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Blochtheorem . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Oberfl¨achenbrillouinzonen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Projizierte Volumenbandstruktur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Oberfl¨achenzust¨ande . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Austrittsarbeit. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

1.3

Gitterschwingungen an Oberfl¨achen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 32

2

Prozesse an Oberfl¨achen

2.1 2.1.1 2.1.2

Energieverlustprozesse von Elektronen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 37 Energieverteilung gestreuter Elektronen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 38 Inelastische mittlere freie Wegl¨ange . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 40

2.2 2.2.1 2.2.2 2.2.3

Adsorption, Desorption und Diffusion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Adsorption . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Desorption . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Diffusion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

42 42 45 46

2.3 2.3.1 2.3.2 2.3.3 2.3.4

Schichtwachstum und Epitaxie. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Wachstumsmodi . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Keimbildung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Epitaxie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Nanostrukturierung durch Selbstorganisation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

48 48 49 50 52

20 20 22 24 26 30

37

VIII

Inhaltsverzeichnis

Methoden

55

3

Pr¨aparation von Oberfl¨achen

57

3.1

Quellen von Verunreinigungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 57

3.2 3.2.1 3.2.2 3.2.3 3.2.4

Erzeugung sauberer Einkristalloberfl¨achen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Spalten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Heizen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Chemisches Reinigen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Ioneninduzierte Zerst¨aubung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

3.3 3.3.1 3.3.2

Erzeugung modifizierter Oberfl¨achen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 63 Adsorbat-bedeckte Oberfl¨achen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 63 Schichten auf Oberfl¨achen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 64

4

Methoden zur Bestimmung der geometrischen Struktur

4.1

Beugungsmethoden zur Strukturbestimmung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 68

4.2

Kinematische Beschreibung der Beugung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 68

4.3 4.3.1 4.3.2 4.3.3

Beugung langsamer Elektronen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Experiment . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Geometrie des Beugungsbildes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Strukturbestimmung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

4.4

Beugung hoch-energetischer Elektronen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 82

4.5

Oberfl¨achenr¨ontgenbeugung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 82

4.6

Heliumbeugung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 84

4.7

Feinstruktur der R¨ontgenabsorption . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 85

5

Elektronenspektroskopien

89

5.1 5.1.1 5.1.2 5.1.3

Instrumentierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Elektronen- und Photonenquellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Energieselektive Analysatoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Modulationstechnik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

90 90 93 95

5.2 5.2.1 5.2.2 5.2.3 5.2.4 5.2.5

Elementspezifische Spektroskopie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . R¨ontgen-Photoelektronenspektroskopie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Rumpfniveauverschiebungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Augerelektronenspektroskopie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Linienform von Augerspektren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Qualitative und quantitative Elementanalyse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

97 97 100 102 104 105

5.3 5.3.1 5.3.2

Oberfl¨achenbandstrukturbestimmung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 108 Winkelaufgel¨oste Photoemission . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 108 Inverse Photoemission . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 113

58 59 59 61 61

67

74 74 75 78

Inhaltsverzeichnis

IX

5.3.3 5.3.4

Zweiphotonen-Photoemission . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 113 Auswahlregeln bei Photoemission. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 115

5.4 5.4.1 5.4.2 5.4.3

Hochaufl¨osende Spektroskopie von Oberfl¨achenschwingungen . . . . . . . . . . . . Grundlagen und Experiment . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Wechselwirkungsmechanismen und Auswahlregeln . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anwendungsbeispiele . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

117 117 118 121

6

Rastersondenmikroskopie

127

6.1 6.1.1

Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 127 Prinzip . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 127

6.2 6.2.1 6.2.2 6.2.3 6.2.4

Rastertunnelmikroskop . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Topographische Aufnahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Tunnelprozess . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Spektroskopie. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anwendungen und weitere Wechselwirkungsmechanismen. . . . . . . . . . . . . . . .

6.3 6.3.1 6.3.2

Rasterkraftmikroskop . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 138 Kr¨afte an Oberfl¨achen und ihre Auswirkung im AFM . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 141 Anwendungen und weitere Wechselwirkungsmechanismen. . . . . . . . . . . . . . . . 142

7

Teilchenspektroskopien

145

7.1 7.1.1 7.1.2 7.1.3 7.1.4

Thermische Desorptionsspektroskopie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Grundlagen und Versuchsanordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Spektrentypen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Auswertung von Desorptionsspektren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Desorptionsspektren mit mehreren Maxima . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

145 145 147 148 151

7.2

Ionenstreuung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 153

A

Anhang

A.1

Oberfl¨achen von hcp-Kristallen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 157

A.2

Bestimmung von Ebenengruppen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 157

A.3

Brillouinzonen und Spiegelebenen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 158

A.4

Energien f¨ur Auger¨uberg¨ange . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 160

128 130 132 135 137

157

Weiterfuhrende ¨ Literatur

161

Abkurzungen ¨

163

Index

165

X

Legende

Legende Mit diesem Symbol und anschließender Markierung am Seitenrand sind Textpassagen gekennzeichnet, die ein tieferes Verst¨andnis vermitteln und beim ersten Lesen u¨ bergangen werden k¨onnen.

Am Ende der einzelnen Kapitel wird das Wesentliche zusammengefasst und der Zusammenhang mit anderen Abschnitten hergestellt. Die Abs¨atze sind mit diesem Symbol und anschließender Markierung am Seitenrand gekennzeichnet.

Literaturverweise am Ende der einzelnen Kapitel sowie die Liste weiterer B¨ucher am Ende Buchs werden mit diesem Symbol eingeleitet.

Vektoren sind mit einem Unterstrich gekennzeichnet: v.

Das Titelbild zeigt von links vorne nach rechts hinten: • Dispersion E(k k ) der Bildpotentialzust¨ande auf einer Cu(001)-Oberfl¨ache. • Elektronenbeugungsbild einer Ir(100)-(5×1)- Oberfl¨ache. • Rastertunnelmikroskop-Aufnahme einer epitaktischen Kobaltoxidschicht auf Ir(100).

Grundlagen Durchschneidet man in einem Gedankenexperiment einen kristallinen Festk¨orper in einem mikroskopisch ebenen Schnitt, so entstehen unter Trennung chemischer Bindungen zwei Oberfl¨achen, die zun¨achst Atome mit unabges¨attigten Bindungen enthalten, ein energetisch ¨ ung¨unstiger Zustand. Zur Energieminimierung gehen die Atome unter Anderung ihrer Positionen neue Bindungen ein und/oder modifizieren noch bestehende Bindungen. Neben der erzwungenen Brechung der Translationssymmetrie senkrecht zur Oberfl¨ache kann sich dabei auch die laterale Symmetrie a¨ ndern. Da die atomare Umordnung mehrere Lagen parallel zur Schnittfl¨ache betreffen kann, entsteht als Oberfl¨ache eine entsprechende mehrlagige Schicht mit neuer atomarer und elektronischer Konfiguration und somit neuen physikalischen Eigenschaften, d. h. im Grunde ein neues Material. So kann z. B. ein Isolator oder Halbleiter an der Oberfl¨ache elektrisch leitend sein. Aufgrund der neuen Bindungen und der fehlenden Bindungen oberhalb der obersten Atomlage ergeben sich auch neue Moden von Gitterschwingungen. Der Reichtum an geometrischen und elektronischen Strukturen, die sich mit der Herstellung einer Oberfl¨ache ergeben k¨onnen, sowie die damit einhergehenden modifizierten Gitterschwingungen sind in Kap. 1 beschrieben. Die Oberfl¨ache ist nat¨urlich immer und als erste beteiligt, wenn eine Festk¨orper mit seiner Umgebung in Wechselwirkung tritt. In Kap. 2 betrachten wir zun¨achst die Wechselwirkungsprozesse von Elektronen, die auf eine Oberfl¨ache einfallen. Die sich ergebende kleine mittlere freie Wegl¨ange macht Untersuchungsmethoden mit niederenergetischen Elektronen zu den wichtigsten Instrumenten der Oberfl¨achenphysik. Die Wechselwirkung von Atomen oder Molek¨ulen an der Oberfl¨ache umfasst die grundlegenden Prozesse der Adsorption, Diffusion und Desorption. Die Adsorption kann zur Ausbildung von Inseln oder einer geschlossenen Adsorbatlage f¨uhren, oder auch zu mehr- oder viellagigen Filmen, deren verschiedene Wachstumsmodi beschrieben werden. Insbesondere wenn ein Film die ihm fremde Gitterkonstante des Substrats annimmt, entsteht wiederum ein neues Material mit oft u¨ berraschenden Eigenschaften. Ist die unbedeckte Oberfl¨ache bereits durch Stufen oder eine Rekonstruktion nanostrukturiert (d. h. sie weist Strukturmodulationen auf der Nanometerskala auf), so kann sie als Templat f¨ur die Ausbildung eines nanostrukturierten Adsorbats oder Films dienen. Ebenso wird beschrieben, wie sich Nanostrukturen auch auf unstrukturierten Oberfl¨achen durch Selbstorganisation bilden k¨onnen.

1

Eigenschaften von Oberfl¨achen

1.1

Morphologie und atomare Struktur

Betrachtet man eine makroskopisch flache Oberfl¨ache genauer, z. B. die eines Blechs, so stellt man fest, dass sie nicht ideal, sondern nur lateral gemittelt eben ist. In der Regel ist eine technische Oberfl¨ache (auf etwa einem µm-Maßstab) rau, wobei der Rauigkeitsgrad die mittlere (betragsm¨aßige oder quadratische) vertikale Abweichung vom Mittelwert angibt, erg¨anzt mit der lateralen Verteilung der Abweichungen. Damit besch¨aftigt sich die Oberfl¨achenphysik jedoch kaum, sondern mehr mit der Morphologie und insbesondere der atomaren, kristallographischen Struktur, d. h. dem strukturellen Erscheinungsbild der Oberfl¨ache bis herunter zum atomaren Maßstab. Dieses Bild kann sehr unterschiedlich sein. So kann die Oberfl¨ache aufgrund von Defekten im Kristall eine (mit den Fortschritten in der Kristallzucht immer weniger ausgepr¨agte) Mosaik-Struktur zeigen, d. h. eine Anordnung von Oberfl¨achenbereichen kleiner Kristallite (Ausdehnung gr¨oßenordnungsm¨aßig etwa 100 nm), die gegeneinander ganz leicht verkippt sind, wie es schematisch in Abb. 1.1a illustriert ist. Selbst die Oberfl¨ache eines Einkristalls kann vom Erscheinungsbild der zugeh¨origen idealen Schnittfl¨ache durch das Volumen des Einkristalls abweichen: Die Oberfl¨ache kann facettieren, d. h. Facetten bilden, deren Orientierung von der der mittleren Oberfl¨achenebene stark abweichen (Abb. 1.1b). Dies resultiert etwa dann, wenn die Summe der Oberfl¨achenenergien der Facettenfl¨achen g¨unstiger ist als die der ausgedehnt ideal ebenen Fl¨ache. Facetten bilden sich h¨aufig beim Wachstum von Schichten anderer Materialien auf einer Oberfl¨ache. Sie k¨onnen sich auch (im Unterschied zu Abb. 1.1b) durch Vertiefungen in die Oberfl¨ache hinein ausbilden. Weiter kann eine Oberfl¨ache Stufen enthalten (Abb. 1.1c), die insbesondere beim Schnitt durch das Volumen in einer Orientierung entstehen, die leicht von der einer kristallographischen Ebene mit dicht oder nahezu dicht gepackten Atomen abweicht. Ohne diese Abweichung w¨urde eine unendlich ausgedehnte Ebene resultieren, die Abweichung f¨uhrt zu Ebenen endlicher Ausdehnung (Terrassen), die durch vertikale Stufen mit meist einatomarer H¨ohe voneinander getrennt sind. Die Terrassen k¨onnen (m¨ussen aber nicht) von konstanter Breite sein, auch k¨onnen sich Folgen von Aufw¨arts- und Abw¨artsstufen, manchmal auch Stufen mit mehratomiger H¨ohe ausbilden. Je nach Orientierung des Schnitts durch das Volumen k¨onnen die Stufenkanten auch Knicke (engl. kinks)aufweisen. Ein Schwerpunkt der Oberfl¨achenphysik ist die Bestimmung der Atomanordnung an wohldefinierten, ideal ebenen Oberfl¨achen von Einkristallen (d. h. der Struktur im kristallographischen Sinn). Die Kenntnis dieser Struktur ist wichtig, da die Struktur alle physikalischen Eigenschaften der Oberfl¨ache beeinflusst. In den Anf¨angen der Oberfl¨achenphysik hatte man sich vorgestellt, dass die Struktur einer Oberfl¨ache mit der der entsprechenden Schnitt¨ fl¨ache durch das Volumen ohne Anderung der Atompositionen u¨ bereinstimmt (volumenartige Terminierung). Dies trifft jedoch nur in seltenen F¨allen zu, da mit der Herstellung einer Oberfl¨ache neue strukturelle Freiheitsgrade einhergehen. In einem Gedankenexperiment l¨asst die dabei stattfindende Trennung chemischer Bindungen die Oberfl¨ache zun¨achst

4

1 Eigenschaften von Oberfl¨achen (a)

(b)

(c)

se

as

rr Te

ufe

St

Knick (kink)

Abb. 1.1: Schematische Darstellung verschiedener Oberfl¨achenmorphologien. (a) zeigt eine Mosaikstruktur (oben in Aufsicht, unten in Seitenansicht), (b) eine facettierte und (c) eine gestufte Oberfl¨ache.

in einem energetischen Ungleichgewicht zur¨uck. Die Oberfl¨achenatome nehmen daher neue Positionen und damit einen neuen Gleichgewichtszustand (tiefster Energiezustand) ein. Dabei k¨onnen sie vorhandene Bindungen st¨arken, unter Umst¨anden auch brechen oder neue Bindungen eingehen. Am ausgepr¨agtesten sind die genannten Effekte bei Halbleitern, da hier der kovalente Bindungungstyp dominiert, die Bindungen also gerichtet sind. Aber auch viele Metalle, bei denen eine isotrope Bindung vorherrscht, a¨ ndern ihre Struktur an der Oberfl¨ache. Die neuen Ordnungszust¨ande der Oberfl¨ache lassen sich in zwei Kategorien einteilen — Oberfl¨achenrelaxation, bei der sich nur die Abst¨ande von oberfl¨achenparallelen Lagen a¨ ndern, und Oberfl¨achenrekonstruktion, bei der lokale Atomverschiebungen zu neuen lateralen Einheitszellen f¨uhren. Bei Oberfl¨achen von Legierungen (mit zwei oder mehr Atomsorten) kann sich zus¨atzlich auch die chemische Zusammensetzung und Ordnung in der Oberfl¨ache a¨ ndern. Wenn der Weg der Oberfl¨achenatome zu einem neuen Ordnungszustand tiefster Energie u¨ ber Zwischenzust¨ande f¨uhren muss, die energetisch ung¨unstig ¨ sind (d. h. die Uberwindung einer Aktivierungsenergie verlangen), so kann die Oberfl¨ache m¨oglicherweise nicht in den tiefsten Energiezustand gelangen und nimmt einen metastabilen Zustand ein. In solchen F¨allen beobachtet man, dass der von der Oberfl¨ache schließlich ¨ eingenommene Zustand pr¨aparationsabh¨angig ist. Uber die Ph¨anomene Relaxation und Rekonstruktion hinaus ver¨andert sich die Struktur von Oberfl¨achen auch durch Adsorption von Atomen oder Molek¨ulen, die wiederum das Ausmaß der Relaxation und den Rekonstruktionstyp beeinflussen k¨onnen (adsorbatinduzierte Relaxation bzw. Rekonstruktion). Relaxation und Rekonstruktion werden weiter unten n¨aher beschrieben, nachdem die Grundlagen der Oberfl¨achenkristallographie eingef¨uhrt sind.

1.1.1

Oberfl¨achenkristallographie

In diesem Abschnitt besch¨aftigen wir uns mit der Beschreibung kristallographisch geordneter Oberfl¨achen. Man erh¨alt sie durch Schneiden von Volumenkristallen entlang ausgew¨ahlter Ebenen, daher werden sie wie Kristallebenen im Dreidimensionalen mit den MillerIndizes (hkl) und entsprechend die Richtungen mit [hkl] beschrieben. Als Beispiel zeigt Abb. 1.2a einige niedrig-indizierte Fl¨achen eines aufgeschnittenen kubisch fl¨achenzentrierten (engl. face centered cubic: fcc) Kristalls. In der oberen Reihe von (b–d) sind solche Fl¨achen innerhalb der r¨aumlichen Einheitszelle mit der kubischen Gitterkonstante a schattiert angedeutet. Die untere Reihe pr¨asentiert die Atompositionen der ersten 3 Atomlagen in Aufsicht (soweit die dritte Lage nicht von der ersten verdeckt ist). Man sieht, dass die primitiven Basisvektoren der Oberfl¨acheneinheitszelle nicht mit den primitiven Einheitsvektoren des dreidimensionalen Gitters u¨ bereinstimmen m¨ussen. So sind f¨ur das fcc-Gitter in Abb. 1.2 die primitiven Basisvektoren vom Typ a2 [110], f¨ur die Einheitszelle der (110)-

1.1 Morphologie und atomare Struktur

5

Oberfl¨ache ist einer der Einheitsvektoren a[001]. Die Einheitsvektoren der Oberfl¨ache stehen stets senkrecht auf dem Normalenvektor der Oberfl¨ache. Eine Ausnahme in der Nomenklatur bilden die Fl¨achen der hexagonal dicht gepackten Kristalle (engl. hexagonal closepacked: hcp), die im Anhang A.1 beschrieben ist . H¨aufig werden niedrig-indizierte Oberfl¨achen untersucht, da sie strukturell meist relativ einfach sind, sowie hohe Symmetrie und kleine Einheitszellen besitzen. Viele Elemente liegen in fcc- und hcp-Struktur vor oder in kubisch raumzentrierter (engl. body centered cubic: bcc).

(a)

(b)

(c)

[001]

(d)

[010]

(001)

a (111)

_ (110)

[100]

(001) [110]

(110) [100]

[001]

(111)

[112]

[112]

[101]

[211]

a [110]

a /√2

[110]

a /√2

[110]

a /√2

Abb. 1.2: (a) Drei niedrig-indizierte Fl¨achen eines angeschnittenen fcc-Kristalls. In (b-d) sind die Fl¨achen in der oberen Reihe schattiert in der r¨aumlichen Einheitszelle dargestellt. Die untere Reihe zeigt die Atomanordnung in der Aufsicht mit schattierter Oberfl¨acheneinheitszelle, wobei die Atompositionen in der 1., 2. und 3. Lage durch schwarze, graue und weiße Kreise gekennzeichnet sind.

W¨ahrend die Erzeugung der Oberfl¨ache die Translationssymetrie senkrecht zur Oberfl¨ache bricht, bleibt die Periodizit¨at parallel zur Oberfl¨ache oft erhalten oder es stellt sich eine neue ein. Die zugeh¨origen Einheitsvektoren a1 und a2 (auch Basisvektoren genannt) spannen die laterale Einheitszelle (auch Einheitsmasche) auf (Abb. 1.3a). Senkrecht zur Oberfl¨ache muss man sich die Zelle wegen der fehlenden Periodizit¨at halbunendlich ausgedehnt vorstellen, entsprechend einer in den halbunendlichen Festk¨orper hineinragenden S¨aule, d. h. die Oberfl¨ache besteht aus lateral periodisch angeordneten vertikalen Strukturs¨aulen. Wie in Abb. 1.3a,b illustriert, kann man den Festk¨orper mit Oberfl¨ache in Anlehnung an die urspr¨unglichen Volumenverh¨altnisse auch als vertikale Abfolge atomarer Lagen beschreiben, wobei man als Oberfl¨ache“ meist die Lagenschicht bis zu einer Tiefe versteht, in der phy” sikalisch wieder Volumeneigenschaften herrschen. Die Wahl der Einheitsvektoren bzw. Einheitszellen ist, wie in Abb. 1.3c gezeigt, nicht eindeutig. Konvention ist die Wahl m¨oglichst kleiner Einheitszellen bzw. kurzer Einheitsvektoren (mit a1 dem k¨urzeren von beiden), wobei – wenn der Winkel zwischen a1 und a2 nicht 90◦ ist – h¨aufig ein stumpfer Winkel gew¨ahlt wird. Da jede andere Wahl auch g¨ultig ist, wird die Konvention in der Literatur oft nicht beachtet. Die laterale Translationsinvarianz f¨uhrt, unter Herausnahme der Atome (wie in Abb. 1.3b dargestellt), zu dem f¨ur die Struktur typischen zweidimensionalen Punktgitter oder Bravais-Gitter mit den Punkten bei r mn = ma1 + na2

m,n ∈ Z.

(1.1)

6

1 Eigenschaften von Oberfl¨achen

(a) a2 a1

(b) a2

(c) a1

a2

a1

Abb. 1.3: (a) Perspektivische Darstellung einer einfachen Oberfl¨ache, (b) die Lagen- und Einheitszellenanordnung ohne Atome und (c) das zugeh¨orige Punktgitter. Die zus¨atzlichen gestrichelten Vektoren in (c) zeigen, dass die Wahl der Basisvektoren a1 und a2 bzw. Einheitszellen (schattiert) nicht eindeutig ist.

Die Frage bleibt, wieviele verschiedene Einheitszellentypen (Punktgitter oder BravaisGitter) in zwei Dimensionen m¨oglich sind, um eine Ebene l¨uckenlos zu f¨ullen. Im Dreidimensionalen gibt es 14 Einheitszellentypen, die den Raum l¨uckenlos f¨ullen. Bei zwei Dimensionen reduziert sich dies auf 5 Bravais-Gitter (Tab. 1.1). F¨ur die Raute (a1 = a2 , γ 6= 60◦ , 90◦ , 120◦) wird oft auch eine nicht-primitive, d. h. zentrierte, rechteckige Einheitszelle gew¨ahlt, die die inh¨arente Symmetrie offensichtlich macht. Dies ist analog zum dreidimensionalen fcc- oder bcc-Gitter, bei denen aus der primitiven Einheitszelle auch nicht sofort klar wird, dass es sich dabei um kubische Gitter handelt. Die Bravais-Gitter sind abstrakte Punktgitter. Die Struktur entsteht erst, wenn jeder Gitterpunkt mit einer atomaren Basis besetzt wird. Im einfachsten Fall besteht diese aus nur einem Atom, kann sich aber auch aus mehreren Atomen oder Molek¨ulen zusammensetzen.

Tabelle 1.1: Die 5 Bravais-Gitter in zwei Dimensionen

Bravais-Gitter

Bedingungen

Realraum

a2

Parallelogramm

a1 6= a2 , γ 6= 90◦

Rechteck

a1 6= a2 , γ = 90◦

Raute (Rechteck zentriert)

a1 = a2 , γ 6= 60◦ , 90◦ , 120◦

Quadrat

a1 = a2 , γ = 90◦

120◦ -Raute

a1 = a2 , γ = 120◦ oder 60◦

a1

γ

Reziproker Raum

1.1 Morphologie und atomare Struktur

7

Je nach Symmetrie dieser Basis lassen bestimmte Symmetrieoperationen das Gitter invariant und kennzeichnen so zusammen mit der dem Gitter zugrunde liegenden Translationssymmetrie die Struktur. Die zugeh¨origen Symmetrielemente sind Drehachsen (nur 1,2,3,4 und 6-fache Drehachsen senkrecht zur Oberfl¨ache sind mit der Translationssymmetrie vereinbar), Spiegellinien (engl. mirror line: m) und Gleitspiegellinien (engl. glide mirror line: g). Damit ergeben sich in zwei Dimensionen 17 Ebenengruppen (engl. plane groups),eine geringe Anzahl verglichen mit den 230 Raumgruppen der dreidimensionalen unendlichen Kristalle. Da es sich bei einer Oberfl¨ache von einigen Lagen jedoch nicht um ein wirklich zweidimensionales Gebilde handelt, sind statt der Ausdr¨ucke Spiegel- und Gleitspiegellinien die Bezeichnungen Spiegel- und Gleitspiegelebenen angebrachter. Die Notation der Ebenengruppen enth¨alt diese Symmetrielemente, wobei solche nicht angegeben werden m¨ussen (Kurzschreibweise), die durch Kombination zweier vorhandener Symmetrien entstehen. Eine neue Spiegellinie kann z. B. durch Kombination einer Drehung und einer Spiegellinie erzeugt werden. Zus¨atzlich f¨ugt man, wenn man sich auf ein zentriertes Bravais-Gitter bezieht, den Buchstaben c hinzu und bezeichnet dies dann als zentrierte (engl. centered) Struktur. Oft f¨ugt man zur Unterscheidung zu einer nicht-zentrierten, d. h. primitiven Struktur den Buchstaben p hinzu, was aber nicht notwendig ist (das fehlende c reicht aus). Man beachte, dass die Symmetrie des Punktgitters (Bravais-Gitters) durch die Besetzung mit einer Basis nicht erhalten bleiben muss, was bei einer einfachen Metalloberfl¨ache bereits durch die Lagenstapelung hervorgerufen werden kann (Abb. 1.4). H¨aufig wird die Symmetrie auch reduziert, wenn eine Oberfl¨ache rekonstruiert oder mit einem Adsorbat besetzt wird. Zur Bestimmung der Ebenengruppe einer Struktur kann man entsprechend dem im Anhang A.2 in Tab. A.1 angegebenen Schema vorgehen.

(a)

(b)

1. Substratlage

a2

(c)

1.+2. Substratlage

(d)

1.+2.+3. Substratlage

a1

Substrat+Adsorbat

Pt

b2 b1

CO

b2

b1 p6mm

p3m1

p3m1

p1m1

Abb. 1.4: Symmetriereduktion durch (a-c) ABC-Stapelung der ersten 3 Lagen von Pt(111) (dunkle, graue, helle Kreise) und (d) durch Adsorption von CO (Kreise mit Innenkreis). In (d) sind zwei m¨ogliche Einheitsmaschen eingezeichnet, auf deren Notation weiter unten eingegangen wird.

Ein Beispiel zur Symmetriereduktion durch Lagenstapelung und Adsorption illustriert Abb. 1.4. Teil (a) zeigt die oberste Lage einer Pt(111)-Oberfl¨ache (fcc(111)). Die Atome besetzen ein hexagonales Punktgitter, wobei die 6-fache Drehachse und zwei Spiegellinien aufgrund der Kugelsymmetrie der Atome erhalten bleiben (Ebenengruppe p6mm). F¨ugt man die zweite Pt-Lage hinzu, so hat man jeden Gitterpunkt mit einer zweiatomigen Basis besetzt, was – wie in (b) illustriert – insgesamt nur noch eine dreifache Drehachse erlaubt

8

1 Eigenschaften von Oberfl¨achen

und den Verlust einer Spiegellinie nach sich zieht (p3m1). Mit der 3. Lage (c) a¨ ndert sich daran nichts (insgesamt ABC-Stapelung). Adsorbieren auf der Oberfl¨ache CO-Molek¨ule (Molek¨ulachse senkrecht zur Oberfl¨ache), so stellt sich die in (d) illustrierte Adsorptionsphase ein. Da die CO-Lage die Symmetrie c2mm besitzt, geht f¨ur das Gesamtsystem Adsorbat+Substrat damit auch die 3-fache Rotationsachse verloren, d. h. die Ebenengruppe der Struktur ist p1m1. Die Einheitsvektoren sind jeweils eingezeichnet. Weitere Beispiele zur Symmetriereduktion sind in Abb. 1.14a,b und 1.18a,b illustriert. Wird ein Kristall nicht genau entlang einer niedrig-indizierten Oberfl¨ache geschnitten, so entsteht eine vizinale Oberfl¨ache mit Stufen (engl. stepped surface).Bei einem solchen Schnitt kann es sich um einen Fehlschnitt handeln, er kann aber auch beabsichtigt sein, da gestufte Oberfl¨achen spezielle Adsorptionspl¨atze an den Stufen anbieten. In Abb. 1.1 haben wir das morphologische Erscheinungsbild von Stufen kennen gelernt. Abb. 1.5 zeigt f¨ur das konkrete Beispiel einer fcc(775)-Oberfl¨ache ein Kugelmodell mit Einheitszelle (a) und die zugeh¨origen Richtungen und Fl¨achen (b). Die Notation fcc(775) gibt an, dass die makroskopische Oberfl¨ache die Orientierung (775) besitzt.

(a)

(b) [111]

(775)

j [775]

(111)

_

(111)

(110)

Abb. 1.5: Stufen einer fcc(775)-Oberfl¨ache (a) perspektivisch (mit Einheitszelle) und (b) in Seitenansicht.

Eine detailliertere Notation lautet M (S) − [m(ht kt lt )] × [n(hs ks ls )], wobei M (S) angibt, dass es sich um eine gestufte Oberfl¨ache des Materials M handelt. Die Gr¨oßen mit Indizes t und s beschreiben die Orientierung der Terrassen bzw. der Fl¨achen an den Stufen, und m und n geben die Zahl der Terrassenatome entlang eines Einheitsvektors an (einschließlich des Atoms an der Stufenkante und in der Stufe) bzw. die Atomlagenzahl, aus denen die Stufe besteht. F¨ur die fcc(775)-Fl¨ache in Abb. 1.5 mit der Stufenh¨ohe n = 1 kann man daher 7(111) × (11¯ 1) oder 6(111) × (110) schreiben, da die Angabe der Stufenfl¨ache (hier) nicht eindeutig ist. Der Winkel ϕ zwischen der Orientierung der makroskopischen Oberfl¨ache (775) und der Terrasse (111) berechnet sich mit dem Skalarprodukt der beteiligten Vektoren zu cos ϕ = [775] · [111]/(|[775]| · |[111]|), d. h. zu ϕ = 8.47◦. F¨ur komplizierter gestufte Oberfl¨achen muss die Notation noch erweitert werden [1.1],[1.2],[1.3].

1.1.2

¨ ¨ Ubergitter und Uberstrukturen

Viele Oberfl¨achen besitzen nicht die laterale Periodizit¨at, die zun¨achst f¨ur den Schnitt durch das Volumen zu erwarten w¨are. Dies kann durch die Umorganisation der Bindungen an der Oberfl¨ache (Rekonstruktion) entstehen oder, wie in Abb. 1.4 bereits demonstriert, durch die Adsorption von Atomen oder Molek¨ulen, wenn bei homogen verteilter Adsorption das Verh¨altnis von Adsorbat- und Substratatomen der obersten Lage nicht ganzzahlig ist (gebro¨ chenzahlige Bedeckung). Man spricht dann von einem Ubergitter (engl. superlattice), wenn

1.1 Morphologie und atomare Struktur

9

man sich auf die Angabe der sich einstellenden neuen Translationssymmetrie beschr¨ankt, ¨ oder einer Uberstruktur (engl. superstructure), wenn man zus¨atzlich auf die genaue kristallographische Struktur abhebt. Oft werden aber beide Begriffe synonym gebraucht (auch im Folgenden). F¨ur Rekonstruktion und Adsorption kann dieselbe Beschreibung benutzt werden, da man die bei der Rekonstruktion strukturell von den Volumenlagen abweichende Decklage(n) als Selbstadsorbat interpretieren kann. Die bei der Adsorption am h¨aufigsten vorkommenden Positionen der Absorbatspezies (Adsorptionspl¨atze) sind der Muldenplatz (engl. hollow site = h),der Br¨uckenplatz (engl. bridge site = b)und der Topplatz (engl. top site = t).Je nach Substrat sind hcp-artige (h) und fccartige (h′ ) Muldenpl¨atze sowie kurze (b) oder lange (b′ ) Br¨uckenpl¨atze zu unterscheiden (Abb. 1.6). Die Anzahl der Bindungen des Adsorbats zum Substrat betr¨agt mindestens drei bzw. vier (h), zwei (b) oder eins (t), wobei beim Muldenplatz auch Bindungen zur zweiten Substratlage vorkommen. (100)

(110) t

t h

b

b h

b‘

(111) t

b

h‘

h

Abb. 1.6: H¨aufige Adsorptionspl¨atze bei (100)-, (110)- und (111)-Oberfl¨achen von fcc-Kristallen. Bei der (110)-Fl¨ache sind kurze (b) und lange (b′ ) Br¨uckenpl¨atze (engl. short/long bridge) zu unterscheiden, bei der (111)-Fl¨ache hcp-artige (h) und fcc-artige (h′ ) Muldenpl¨atze, je nachdem, ob in der zweiten Substratlage direkt unter dem Adsorbat ein Atom liegt oder nicht.

¨ Zur Beschreibung des Ubergitters gibt man die Basisvektoren der Adsorbatlage, b1 und b2 , mittels der Basisvektoren des Substrats, a1 und a2 , an. Dies ist besonders leicht f¨ur ein ¨ ¨ einfaches Ubergitter (bzw. eine einfache Uberstruktur), wobei alle Adsorbatspezies a¨ quivalente Pl¨atze des Substrats besetzen, wie es in Abb. 1.7a illustriert ist. In diesem Beispiel ¨ ist b1 = 2a1 und b2 = 2a2 , sodass f¨ur das Ubergitter die Bezeichnung (2×2)-O resultiert, wobei die Sauerstoffbedeckung relativ zur Zahl der Atome in der ersten Substratlage 1/4 ist. F¨ur die Adsorptionsstruktur in Abb. 1.7b, bei der die Sauerstoffatome Br¨ucken¨ statt Muldenpositionen besetzen, gilt dieselbe Bezeichnung f¨ur das Ubergitter (obwohl die ¨ ¨ Uberstruktur eine andere ist). Die Ubergitter-Nomenklatur gibt also keine n¨ahere Auskunft u¨ ber die Struktur. Abbildung 1.7c stellt die Adsorptionsstruktur f¨ur die doppelte Sauerstoffbedeckung dar. ¨ Man erkennt, dass die primitive Einheitszelle des Ubergitters nun gegen¨uber der Sub◦ strateinheitszelle um 45 gedreht ist und die L¨ a nge der Vektoren relativ zum Substrat √ √ ¨ Ubergitter die Bem = |b1 |/|a 2 und n = |b 2 ist, woraus f¨ u r das | = |/|a | = 1 2 2 √ √ ◦ zeichnung ( 2 × 2)R45 -O resultiert. Alternativ kann man im vorliegenden Fall auch die ¨ zentrierte Einheitszelle benutzen, sodass das Ubergitter mit c(2 × 2)-O beschrieben wird. Wie man am Beispiel in Abb. 1.7d sieht, m¨ussen m und n nicht gleich groß sein, sodass f¨ur den allgemeinen Fall gleicher Adsorptionspl¨atze die Wood-Notation S(hkl) − i(m × n)RΦ − N · Ad

10

1 Eigenschaften von Oberfl¨achen (a)

(b)

(d)

(c)

(e)

a2 a1

b2

1 b2

b1

b1 2

b2 Ni(100)-(2x2)-O Ni(100)- 2 0 -O

(0 2)

b1

b1

b2

1 Ni(100)-c(2x2)-O Ni(100)-(2%2H%2)R45°-O 2 Ni(100)-(%2H%2)R45°-O 2 2

( 11 -11 )-O

2 Ni(100)-

( -1 1 )-O

b2

b1

( -2 2 )

Ni(100)- 3 2 -O

Ni(100)-

¨ Abb. 1.7: Einfache Ubergitter in Wood- und Matrix-Notation. Die Sauerstoffphasen (a,c) auf Ni(100) existieren wirklich, die in (b,d,e) dienen zur Demonstration struktureller Unterschiede.

resultiert. Dabei benennt S(hkl) das Substrat und seine Oberfl¨achenorientierung, Ad die Adsorptionsspezies und N ihre Anzahl, i=c,p eine zentrierte bzw. primitive Einheitszelle und Φ den gemeinsamen Drehwinkel von b1,2 gegen¨uber a1,2 (p kann entfallen, ebenso die Winkelangabe wenn Φ = 0◦ ; bei unbedeckten rekonstruierten Oberfl¨achen (Selbstadsorbat) entf¨allt auch die Angabe des Adsorbats). Optional kann am Ende der Notation die Symmetriegruppe der Struktur hinzugef¨ugt werden. Man beachte, dass f¨ur Φ = 0◦ die Gr¨oßen m und n ganzzahlig sein m¨ussen. Ebenso sei darauf hingewiesen, dass f¨ur die bisher be¨ trachteten einfachen Ubergitter die Einheitszelle der Adsorbatlage auch Einheitszelle des Gesamtsystems (Adsorbat + Substrat) ist. Sie beinhaltet m · n Substrateinheitszellen.

Wenn – wie in Abb. 1.7e – die Drehwinkel von b1 gegen¨uber a1 und b2 gegen¨uber a2 nicht ¨ gleich groß sind, versagt die Wood-Notation und man verwendet die Darstellung des Ubergitters in Matrixschreibweise, b1 = C11 a1 + C12 a2 und b2 = C21 a1 + C22 a2 oder

        b1 a1 C11 C12 a · = =C 1 . b2 a2 a2 C21 C22

¨ Das Gesamtsystem der Oberfl¨ache mit der primitiven Einheitszelle des Ubergitters wird dann mit S(hkl) − C − N · Ad

beschrieben, wobei C die Matrix angibt und alle anderen Bezeichnungen analog zur WoodNotation sind. Folgende drei F¨alle sind zu unterscheiden: ¨ ¨ 1. F¨ur ein einfaches Ubergitter sind alle Cij ganzzahlig und die Ubergittervektoren bi sind ¨ auch Basisvektoren des Gesamtsystems. F¨ur die Ubergitter in Abb. 1.7a-d sind beide Notationen m¨oglich, f¨ur das in (e) jedoch nur die Matrix-Notation, da die Vektoren bi relativ zu ai f¨ur i = 1,2 um verschiedene Winkel gedreht sind. Der Betrag der Determinante von C ¨ gibt die Zahl der Substrateinheitszellen wieder, die in der Ubergitterzelle enthalten sind. ¨ 2. Bei kommensurablen Uberstrukturen oder Koinzidenzstrukturen f¨allt die Adsorbatphase zwar an jedem Einheitszellenpunkt mit einem a¨ quivalenten Punkt des Substratgitters zusammen, jedoch ist mindestens eines der Cij gebrochen rational. Die Einheitsmasche der

1.1 Morphologie und atomare Struktur

11

Adsorptionslage beschrieben durch C ist aber keine Einheitsmasche des Gesamtsystems, wie die oberen Matrizen in den Beispielen von Abb. Es lassen sich dann P 1.8a,b illustrieren. P jedoch neue Basisvektoren B i finden mit B i = j Pij bj = j Qij aj , wobei die Pij und Qij ganzzahlig sind (es gilt | det C| = | det P |/| det Q|). Die Matrix Q beschreibt dann das ¨ Ubergitter des Gesamtsystems in der gewohnten Notation (2. Schriftzeile in Abb. 1.8a,b). Da jetzt alle Matrixelemente wieder ganzzahlig sind, beschreibt die Matrix Q die Sym¨ metrie des Gesamtsystems. Bei der Uberstruktur (a) sind die Basisvektoren bzgl. der des Substrats um den gleichen Winkel gedreht, sodass auch die Wood-Notation anwendbar ist. Dabei muss man jedoch eine Basis aus zwei Molek¨ulen benutzen, die verschiedene Pl¨atze besetzen (vertikale und laterale Br¨ucke), d. h. es handelt sich um keine zentrierte Struktur. ¨ Bei Ubergitter (b) ist keine Wood-Notation m¨oglich. Bei der bereits in Abb. 1.4d vorgestellten Struktur kann f¨ur die obere angebene Einheitszelle ebenfalls die Wood-Notation benutzt werden (Pt(111)-c(2×4)-2CO), f¨ur die untere primitive Einheitszelle jedoch nur die Matrix-Notation (C11 = 2, C12 = 0, C21 = 2, C22 = 2 und 2 CO-Molek¨ule pro Masche). Koinzidenzstruktur Kommensurable Überstruktur

(a)

a2 1

b2 1

(c)

(b)

a1

b1

( -12 21 ) -2CO

a2 a

1

2

b2

2

1/2 ( 3/2 1/2 3/2 )

2 Pt(100)-

Inkommensurable Überstruktur

b1

b2 1

b1

1 1/2 ( 5/2 1/2 3/2 ) Ni(100)- ( 3 2 ) -2O -2 1

1

1 .

( %07%07 )

Cu(111)-(8H8)-9K

Pt(100)-(2%2H%2)R45°-2CO

¨ Abb. 1.8: Beispiele f¨ur kommensurable Ubergitter oder Koinzidenzstrukturen (a,b) und ein inkommen¨ surables Ubergitter (c).

¨ 3. Eine Uberstruktur nennt man inkommensurabel, wenn mindestens eines der Cij irrational ist. Dabei besetzen die adsorbierten Spezies exakt genommen niemals den gleichen Substratgitterplatz, sodass sich keine Einheitszelle f¨ur das Gesamtsystem ergibt. Solche F¨alle k¨onnen auftreten, wenn z. B. Alkali-Atome auf einem dicht gepackten metallischen Substrat adsorbieren. Sie geben gew¨ohnlich ein Elektron an das Substrat ab, stoßen sich deshalb als positive geladene Spezies ab und nehmen daher durch Maximierung ihrer Abst¨ande eine hexagonale Anordnung an. Wenn es die Bedeckung erzwingt, entsteht √ dabei keine kommensurable Struktur, wie etwa in Abb. 1.8d (Abstand der Adatome 7a). Allerdings kann man eine solche Adsorptionsphase oft n¨aherungsweise als Koinzidenzstruktur beschreiben bzw. sie ist von dieser nicht zu unterscheiden, wenn nach einer gewissen (gr¨oßeren) Zahl von Substrateinheitszellen (8 in Abb. 1.8d) wieder n¨aherungsweise (oder durch lokales Einrasten sogar exakt) der gleiche Adsorptionsplatz vorliegt. Schließlich sei auch erw¨ahnt, dass Adsorptionsphasen auf einer Oberfl¨ache oftmals als verschiedene, symmetrisch a¨ quivalente Dom¨anen endlicher Ausdehnung vorkommen, und ¨ zwar immer dann, wenn die Symmetrie des Ubergitters kleiner als die des Substrats ist.

12

1 Eigenschaften von Oberfl¨achen

Abb. 1.9: Ausbildung von Antiphasendom¨anen (in den gestrichelten Rahmen) bei einer (2×2)-Adsorptionsstruktur auf einem quadratischen Substrat.

So existieren f¨ur das Beispiel der CO-Adsorption auf Pt(111) (Abb. 1.4) drei Dom¨anen, bei denen die CO-Adlagen um je 120◦ zueinander gedreht sind (Rotationsdom¨anen). Abbil¨ dung 1.9 illustriert f¨ur eine (2×2)-Uberstruktur auf einem quadratischen Substrat Antiphasendom¨anen, die bzgl. der (2×2)-Periodizit¨at außer Phase sind.

1.1.3

Oberfl¨achenrelaxation

Unter Oberfl¨achenrelaxation oder einfach Lagenrelaxation versteht man die bei allen Ober¨ fl¨achen gegen¨uber dem Volumen mehr oder weniger stark ausgepr¨agte Anderung vertikaler Lagenabst¨ande, ohne dass sich dabei die laterale Translationssymmetrie, wie bei der Oberfl¨achenrekonstruktion (Abschnitt 1.1.4), a¨ ndern muss. Abbildung 1.10a,b demonstriert dies f¨ur den Schnitt durch eine einfache Oberfl¨ache, bei der die Einheitszelle einer Lage nur 1 Atom enth¨alt (z. B. eine einfache fcc(100)-Metalloberfl¨ache). Teil (a) stellt die volumenartig terminierte Oberfl¨ache dar, die Lagenabst¨ande und die lateralen Gitterkonstanten der Lagen sind alle gleich dem entsprechenden Wert im Volumen, d0 bzw. a. Teil (b) zeigt, dass sich die Relaxation nicht nur auf den ersten Abstand beschr¨anken muss, sondern auch ¨ die Abst¨ande tieferer Lagen relaxieren k¨onnen (hier insgesamt 3). Die Anderung mehrerer Lagenabst¨ande wird als Multilagenrelaxation, die Abfolge von Kontraktionen und Expansionen als Relaxationsprofil bezeichnet. Abbildung 1.10(c) zeigt dies f¨ur die Mo(111)Oberfl¨ache. Auch laterale Lagenverschiebungen (engl. registry shift) sind m¨oglich.

(a)

(b)

d0 d0 d0 d0

d1 d2 d3 d0

(c) dn /d0

a

Mo

1,1

( d 0 = 0,907 Å)

1,0 0,9 0,8

a

1

2

3

4

Lagennummer n

5

6

Abb. 1.10: Oberfl¨achenrelaxationen: Teil (a) zeigt die volumenartig terminierte, d. h. unrelaxierte Oberfl¨ache, bei der laterale Gitterkonstante und vertikale Lagenabst¨ande die Volumenwerte haben (a bzw. d0 ). In (b) ist ein Fall vertikaler Lagenrelaxation illustriert, bei der sich die ersten 3 Lagenabst¨ande ge¨andert haben (maßst¨ablich stark u¨ bertrieben dargestellt). In (c) ist die mit LEED bestimmte Lagenrelaxation einer Mo(111)-Oberfl¨ache dargestellt [1.4].

In vielen F¨allen (aber nicht immer, wie bei Mo(111)) ist das Relaxationsprofil alternierend, d. h. Abstandskontraktionen wechseln mit Expansionen ab. Der erste Lagenabstand ist meist kontrahiert. Bei Lagen mit dichter atomarer Packung kann er auch gleich dem Volumenwert (z. B. f¨ur Fe(110)) oder in seltenen F¨allen (Al(111)) sogar expandiert sein, wenn die Lagen

1.1 Morphologie und atomare Struktur

13

atomar dicht gepackt sind. F¨ur einige Oberfl¨achen von Cu sind die relativen Lagenrelaxationen, (di − d0 )/d0 , f¨ur die ersten beiden Lagenabst¨ande in Abb. 1.11 angegeben. Die Einheitsmaschengr¨oße nimmt in der aufgef¨uhrten Reihenfolge (a-e) zu. Da sie immer nur ein Cu-Atom enth¨alt, wird die Oberfl¨ache immer offener. In der Tat sind die relativen Lagenrelaxationswerte generell um so gr¨oßer, je gr¨oßer diese Offenheit der Oberfl¨ache ist. Dies ist durch die abnehmende Zahl n¨achster Nachbarn der Lagenatome bedingt (Abb. 1.11a-e).

(a) Cu(111)

- 0,8%, 0% (9, 12) +

-

+

-

+

-

(b) Cu(100)

(c) Cu(110)

- 1,8%, + 0,7% (8, 12)

- 8,5%, + 2,3% (7, 12)

(d) Cu(311)

- 11,9%, + 1,8% (7, 10)

+

(e) Cu(331)

- 13,8%, + 0,4% ( 7, 9)

0,18Å

Co

Al

(f)

(g)

(h)

Abb. 1.11: (a-e) Aufsicht der atomaren Struktur verschiedener Kupferoberfl¨achen mit zunehmender Offenheit. Die damit sich vergr¨oßernde Einheitszelle, sowie die prozentuale Relaxation der ersten beiden Lagenabst¨ande und darunter die Zahl n¨achster Nachbarn ihrer Atome sind jeweils angegeben. Teil (f) illustriert die Smoluchowski-Gl¨attung. Teil (g) zeigt einen Schnitt durch die ersten 3 Lagen der Legierungsoberfl¨ache CoAl(110) mit chemisch gemischten Lagen. Innerhalb der Einheitszelle treten Intralagenrelaxationen auf (h), ohne dass sich die laterale Einheitszelle a¨ ndert. Dies f¨uhrt zu einer ˚ Lagenwellung mit der Amplitude 0,18 A.

Abbildung 1.11f illustriert die Smoluchowski-Gl¨attung, die ein einfaches Modell f¨ur das Ph¨anomen der Lagenrelaxation liefert. Danach f¨uhrt die atomare Korrugation der Oberfl¨ache zu einer Korrugation der Elektronendichte. Nach dem Modell freier Elektronen versucht sich diese Korrugation zu reduzieren, d. h. die Ladungsverteilung wird gegl¨attet, womit sich der elektronische Ladungsschwerpunkt etwas in die Oberfl¨ache hinein verschiebt. Die elektrostatische Anziehung zwischen Elektronen und positiv geladenen Atomr¨umpfen f¨uhrt folglich zu einer Verschiebung der Oberfl¨achenatome in die Oberfl¨ache hinein, sodass sich der erste Lagenabstand reduziert. Der Effekt ist um so st¨arker, je gr¨oßer die atomare Korrugation der volumenartig terminierten Oberfl¨ache, d. h. je offener die Oberfl¨ache ist (in ¨ Ubereinstimmung mit dem Experiment). Allerdings kann das Modell nicht die selten auftretende Expansion des ersten Lagenabstands erkl¨aren. Das Modell der Umverteilung der elektronischen Ladungen kann noch verfeinert werden, sodass auch Abst¨ande tiefer liegender Lagen modifiziert werden und ein alternierendes Relaxationsprofil resultiert. F¨ur Oberfl¨achen mit mehr als einem Atom pro Einheitszelle, z. B. von Legierungen bzw. ganz allgemein von Verbindungsfestk¨orpern mit aus verschiedenen Atomsorten aufgebauten Lagen, kann es zu Intralagenrelaxationen innerhalb der Einheitszelle kommen, ohne dass sich die laterale Translationssymmetrie der Oberfl¨ache a¨ ndern muss. Abbildung. 1.11g

14

1 Eigenschaften von Oberfl¨achen

zeigt in Seitenansicht die CoAl(110)-Oberfl¨ache, deren Volumenlagen zu gleichen Teilen aus Co- und Al-Atomen bestehen, d. h. aus entsprechenden Sublagen dieser Elemente. Diese Sublagen k¨onnen verschiedene vertikale Lagenrelaxationen durchf¨uhren, sodass sie vertikal ˚ (Abb. 1.11h). Die entsprechende getrennt werden, f¨ur CoAl in der obersten Lage um 0,18 A Wellung der Gesamtlage wird im Englischen als bucklingbezeichnet. Auch k¨onnen (wenn auch nicht f¨ur CoAl) laterale Intralagenrelaxationen auftreten, ohne dass sich die laterale Gitterkonstante a¨ ndert. Nat¨urlich k¨onnen vertikale und laterale Intralagenrelaxationen auch gemeinsam auftreten. Lagenrelaxationen werden durch Adsorption von Fremdatomen in der Regel reduziert (adsorbatinduzierte Relaxation), was man qualitativ mit der (teilweisen) Wiederherstellung der abgeschnittenen Bindungen an der Oberfl¨ache erkl¨aren kann. Dies ist schematisch in Abb. 1.12a,b illustriert. So, zeigt z. B. die unbedeckte Rh(110)-Oberfl¨ache eine relative Kontraktion des ersten Lagenabstands von 6,9%, die durch Adsorption einer vollen Lage Wasserstoff auf 1.3% reduziert wird. Elektronegative Adsorbate k¨onnen eine Lagenkontraktion sogar in eine Expansion u¨ berf¨uhren. Ist die Bedeckung der Oberfl¨ache mit einem Adsorbat nicht vollst¨andig (Abb. 1.12c) so wirkt das Adsorbat nur lokal, d. h. die Reduktion des Lagenabstands erfolgt ebenfalls nur lokal. Die Lage wellt sich und es kommt zu einer adsorbatinduzierten Rekonstruktion der Substratoberfl¨ache, d. h. auch die oberste(n) Substratlage(n) nimmt(nehmen) damit die neue laterale Gitterkonstante der Adsorbatlage an. Dies leitet zum Ph¨anomen Oberfl¨achenrekonstruktion im n¨achsten Abschnitt u¨ ber. (b)

(a)

a

(c)

a

a

Abb. 1.12: (a) Lagenrelaxation einer unbedeckten Oberfl¨ache, die durch die gleichm¨aßige Bedeckung mit einem Adsorbat reduziert wird (b). Ist die Bedeckung nicht vollst¨andig (c), so ist der Adsorbatein¨ fluss nur lokal, was zu einer Anderung der lateralen Gitterkonstante, d. h. einer Rekonstruktion des Substrats f¨uhrt.

1.1.4

Oberfl¨achenrekonstruktion

Von Oberfl¨achenrekonstruktion spricht man, wenn sich die laterale Translationssymmetrie der Oberfl¨ache gegen¨uber der volumenartigen Terminierung a¨ ndert, d. h. sich im Gegensatz zur bloßen Relaxation die Gr¨oße und im Allgemeinen auch die Form der Einheitszelle a¨ ndert. Die h¨aufig auftretenden Rekonstruktionen unbedeckter Oberfl¨achen werden oft durch die Bildung neuer Bindungen (bei Halbleitern Abs¨attigung von gebrochenen Bindungen) oder Brechung von Bindungen unter Ausbildung von Microfacetten getrieben, wobei sich die Oberfl¨achenenergie erniedrigt. Sie k¨onnen durch Adsorbate und deren zus¨atzliche Bindungen mit der damit einhergehenden neuen Energiebilanz ver¨andert oder auch ganz aufgehoben werden. Abbildung 1.13 zeigt schematisch verschiedene einfache F¨alle. Bei (a) handelt es sich um eine displazive Rekonstruktion, da nur atomare Verschiebungen in der Oberfl¨ache vorkommen und die atomare Dichte der Oberfl¨achenlage(n) erhalten bleibt. In

1.1 Morphologie und atomare Struktur

15

den anderen F¨allen (b,c) a¨ ndert sich die atomare Dichte in der obersten Lage, wobei Bindungen gebrochen (b) oder neue Bindungen geformt (c) werden. Auch k¨onnen alle Formen gemischt vorkommen, d. h. in einer großen Einheitszelle k¨onnen an verschiedenen Stellen sowohl atomare Verschiebungen als auch Brechungen und Neuformationen von Bindungen auftreten. In den Beispielen (a-c) wurden nur F¨alle mit atomaren Verschiebungen in der obersten Lage betrachtet, im Allgemeinen k¨onnen rekonstruktive Verschiebungen auch in den n¨achsten Lagen vorkommen. (a)

b

a

(b)

b

a

(c)

b

a

Abb. 1.13: Verschiedene Rekonstruktionstypen: (a) displazive, (b) bindungsbrechende und (c) bindungsformende Rekonstruktion. Die Gitterparameter der rekonstruierten und volumenartig terminierten Oberfl¨ache sind mit b bzw. a bezeichnet.

Abbildung 1.14 zeigt in der oberen Reihe die displazive Rekonstruktion der W(100)-Oberfl¨ache wie sie bei und unterhalb Zimmertemperatur beobachtet wird. Wie in (a) f¨ur die volumenartig terminierte Oberfl¨ache mit Pfeilen angedeutet ist, f¨uhren die Atome der obersten ˚ die – wie (b) demonstriert – Lage zick-zack-artige Verschiebungen durch (um etwa je 0,2 A), zu einer vergr¨oßerten Oberfl¨acheneinheitszelle f¨uhren. Die Symmetrie reduziert sich dabei von p4mm der unrekonstruierten Fl¨ache auf p2mg. Genaue strukturelle Analysen haben gezeigt, dass auch in der zweiten Lage atomare Verschiebungen stattfinden, die allerdings wesentlich kleiner sind. Eine treibende Kraft f¨ur die Zick-Zack-Rekonstruktion k¨onnte die Ausbildung neuer N¨achste-Nachbar-Bindungen in der obersten Lage sein. Rechnungen weisen auch auf die Beteiligung eines komplizierteren Mechanismus hin, nach dem die Rekonstruktion durch die Kopplung eines elektronischen Oberfl¨achenzustands (Abschnitt 1.2.4) mit einem speziellen Oberfl¨achenphonon (Kap. 1.3) stabilisiert wird. Displazive Rekonstruktionen werden f¨ur Halbleiteroberfl¨achen viel h¨aufiger als f¨ur Metalloberfl¨achen beobachtet. Abbildung 1.14 illustriert in der unteren Reihe das Beispiel der Si(100)-Oberfl¨ache. Teil (c) zeigt die Volumeneinheitszelle von Si und in (d) ist die unrekonstrierte, d. h. volumenartig terminierte (100)-Oberfl¨ache perspektivisch dargestellt. Jedes der Oberfl¨achenatome besitzt zwei unabges¨attigte Bindungen (engl. dangling bonds). In (e) ist die sich einstellende Rekonstruktion illustriert, in der sich benachbarte Atome zu Paaren (Dimere) verschoben haben, sodass die H¨alfte der vormals unabges¨attigten Bindungen nun abges¨attigt sind und somit ein energetisch wesentlich g¨unstigerer Zustand resultiert. Gegen¨uber einer Volumenlage hat sich die Einheitszelle in einer Richtung verdoppelt ((2×1)-Rekonstruktion). Die genaue Strukturanalyse zeigt, dass die Dimere leicht asymmetrisch sind (Abb. 1.24a) und auch atomare Verschiebungen in tieferen Lagen stattfinden. In Abschnitt 1.2.4 wird gezeigt, zu welchen elektronischen Zust¨anden an der Oberfl¨ache die Rekonstruktion f¨uhrt. Bindungsbrechende und bindungsformende Rekonstruktionsbeispiele, bei denen die atomare Dichte in der Oberfl¨achenlage sich reduziert bzw. erh¨oht, sind in Abb. 1.15 illustriert. Die obere Reihe zeigt f¨ur den ersten Fall die Rekonstruktion der (110)-Oberfl¨ache von Pt (Ir

16

1 Eigenschaften von Oberfl¨achen (b)

[010]

(a)

[001]

(d)

(e)

[100]

[100]

(c)

_

[011]

[010]

Abb. 1.14: (a) Volumenartig terminierte W(100)-Oberfl¨ache (Aufsicht). Die Pfeile deuten die Bewegung der Atome an, die zur Zick-Zack-Rekonstruktion (b) f¨uhren, deren verbliebene Spiegellinie (durchgezogene Linie) und neue Gleitspiegellinie (gestrichelte Linie) eingezeichnet sind. (c) Volumeneinheitszelle von Silizium und (d) volumenartig terminierte Si(100)-Oberfl¨ache (Ansicht). Durch rekonstruktive Dimerbildung (e) verdoppelt sich die Gitterkonstante in der gezeigten Richtung.

und Au zeigen gleichartige Rekonstruktionen). Teil (a) zeigt die volumenartig terminierte Oberfl¨ache, in (b) ist die Rekonstruktionsphase abgebildet. In dieser fehlt jede zweite dicht gepackte Atomreihe, weshalb sie im Englischen als missing row structurebezeichnet wird. Senkrecht zu den dicht gepackten Reihen hat sich die Periodizit¨at verdoppelt, woraus sich die Bezeichnung Pt(110)-(1×2) ergibt. Die Bindungsbrechung f¨uhrt also zu einer geringeren atomaren Dichte in der Oberfl¨achenlage. In der Seitenansicht (c) erkennt man die Zick-Zack-Mikrofacettierung der Struktur (angedeutet durch die gestrichelte Linie), wobei die Pfeile Verschiebungen angeben, die Atome der n¨achsten Lagen aufgrund der fehlenden Reihen durchf¨uhren. In den (111)-orientierten Facetten sind die Atome dicht gepackt, was energetisch g¨unstig ist. (b)

(a)

(d)

(c)

(e)

Abb. 1.15: (a) Volumenartig terminierte Pt(110)-Oberfl¨ache und rekonstruierte Oberfl¨ache in perspektivischer (b) und Seiten-Ansicht (c). Die Pfeile in (c) geben die Verschiebungen an, die Atome der zweiten bis zur vierten Lage durchf¨uhren. Aufsicht auf (d) die volumenartig terminierte Ir(100)Oberfl¨ache und (e) die Rekonstruktionsphase Ir(100)-(5×1), in der die Atome der ersten Lage eine quasi-hexagonal dichte Packung angenommen haben. Die Lage ist vertikal gewellt, f¨ur eine ungewellte Lage ist die quasi-hexagonale Einheitszelle gestrichelt eingezeichnet.

1.1 Morphologie und atomare Struktur

17

Eine Rekonstruktion, bei der neue Bindungen gebildet werden, ist in der unteren Reihe von Abb. 1.15 dargestellt. Die volumenartig terminierte Oberfl¨ache von Ir(100) ist in (d) zu sehen. In der rekonstruierten Oberfl¨ache (e) hat sich in der ersten Lage eine hexagonal dicht gepackte Atomanordnung gebildet. Die atomare Dichte der hexagonalen Lage ist gegen¨uber einer Volumenlage um 20% erh¨oht. Das Hexagon ist leicht verzerrt (quasi-hexagonal), sodass sich lateral nach 5 Gitterkonstanten einer Volumenlage wieder die gleiche Anordnung der Oberfl¨achenatome bzgl. der tiefer liegenden volumenartigen Lagen ergibt (also eine typische Koinzidenzstruktur). Die in dieser Richtung verf¨unffachte Periodizit¨at f¨uhrt zur Bezeichnung Ir(100)-(5×1). Die Wechselwirkung der Oberfl¨achenlage mit der n¨achsten Lage l¨asst auch diese leicht rekonstruieren und dieser Prozess pflanzt sich mit abnehmender Amplitude bis zur vierten Lage fort. Die quasi-hexagonale Anordnung der Oberfl¨achenatome kann gegen¨uber (e) auch um 90◦ gedreht sein, d. h. es gibt f¨ur diese Rekonstruktion zwei energetisch a¨ quivalente orthogonale Dom¨anen. In der hexagonalen Lage existieren mehr wechselseitige Bindungen als in einer Volumenlage, allerdings kostet die Anbindung an die quadratisch geordnete n¨achste Lage, die zu einer Wellung f¨uhrt, wieder Energie. Es stellt sich die Frage, wohin die Atome bei einer die atomare Dichte der ersten Lage reduzierenden oder erh¨ohenden Rekonstruktion gehen bzw. wo sie herkommen. Sie lagern sich per Diffusion (Abschnitt 2.2.3) in der Regel an Stufen in der Oberfl¨ache an bzw. kommen von diesen (die Bindung an Stufen ist aufgrund der niedrigeren Koordinationszahl gegen¨uber der innerhalb der Lage reduziert). Stufen sind nicht v¨ollig vermeidbar, denn ein ideal-genauer Schnitt entlang einer kristallographischen Richtung ist in der Regel nicht m¨oglich. versetzte Stapelung

unversetzte Stapelung 7x

3.8



Adatom

Restatom

Dimer

=2

6.9

Å

Ecklücke

Abb. 1.16: (7×7)-Rekonstruktion der Si(111)Oberfl¨ache. Die Aufsicht (oben) zeigt nur die 3 obersten Atomlagen, in der Seitenansicht (unten) sind auch 3 Lagen darunter zu sehen. Die Stapelfolge ist links und rechts jeweils einmal durch verst¨arkte Linien hervorgehoben.

Die verschiedenen Rekonstruktionstypen k¨onnen auch gemischt vorkommen und sind im Allgemeinen immer von Lagenrelaxationen begleitet. Die wohl komplizierteste, experimentell quantitativ bestimmte Rekonstruktion ist die der Si(111)-Oberfl¨ache. Wie in Abb. 1.16 dargestellt ist, ist die oberste Si-Bilage strukturell drastisch modifiziert (eine Bilage sind zwei nahe untereinander liegende Lagen), sodass gegen¨uber der Einheitszelle der volumenartig terminierten Oberfl¨ache eine 7×7-fach vergr¨oßerte Zelle resultiert. In deren Ecken existieren als ein Charakteristikum der Struktur große L¨ucken (engl. corner holes), in denen die Atome der obersten Si-Bilage fehlen. In der rechten H¨alfte der Einheitszelle sind die Bilagen normal wie im Volumen aufeinander gestapelt (unversetzte Stapelung), in der

18

1 Eigenschaften von Oberfl¨achen

anderen H¨alfte (schattiert) ist die Bilage jedoch versetzt gestapelt. Der Anschluss zwischen beiden H¨alften erfolgt durch eine Reihe atomarer Dimere. Mehrere zus¨atzliche Siliziumatome (Adatome) s¨attigen die Bindungen darunter liegender Atome ab, allerdings nicht alle (diese sind zu Restatomen koordiniert). Insgesamt werden durch die Rekonstruktion die 49 unabges¨attigten Bindungen, unter denen die volumenartig terminierte Oberfl¨ache energetisch leiden w¨urde, auf 19 reduziert. Entsprechend wirkt sich das auf die elektronische Struktur an der Oberfl¨ache aus (Abschnitt 1.2.4). Bei Oberfl¨achen von Legierungen (bzw. allgemein von Verbindungsfestk¨orpern) kommt f¨ur den m¨oglichen Rekonstruktionstyp noch ein chemischer Freiheitsgrad hinzu. Bei ungeordneten Legierungen mit im Volumen statistischer Verteilung der verschiedenen chemischen Komponenten auf vorgegebenen Gitterpl¨atzen gibt es in jeder Lage der volumenartig terminierten Oberfl¨ache nur eine gemittelte Einheitszelle, die durch die Positionen der Atome unabh¨angig von ihrer chemischen Natur vorgegeben ist. Jedoch kann eine der Komponenten an die Oberfl¨ache segregieren (d. h. sich dort anreichern), wenn damit die Oberfl¨achenenergie erniedrigt wird. Mit der Anreicherung verbunden kann es neben der positionellen Ordnung auch zur Ausbildung einer chemischen Ordnung (und damit voller Ordnung) an der Oberfl¨ache kommen. Die Einheitszelle vergr¨oßert sich mit dieser chemischen Rekonstruktion entsprechend. In Abb. 1.17a ist dazu das Beispiel der (100)-Oberfl¨ache der ungeordneten Legierung Fe0.97 Al0.03 illustriert, bei der ein Eisenkristall mit 3% Aluminium legiert ist. Die gemittelte Einheitszelle ist in der zweiten Lage durch dicke Linien angegeben. In der Rekonstruktionsphase sind aus dem Volumen Al-Atome an die Oberfl¨ache segregiert und haben dort mit Fe-Atomen einen Ordnungszustand mit einer gegen¨uber den Volumenlagen vergr¨oßerten Einheitszelle gebildet (hier c(2 × 2)). (a)

(b)

Fe

Al

(c)

Co

Al

Abb. 1.17: Chemische Rekonstruktion ungeordneter (a) und geordneter (b,c) Legierungen. In (a) ist die die (100)-Oberfl¨ache der ungeordneten Legierung Fe0.97 Al0.03 abgebildet, (b) und (c) illustrieren die chemische Rekonstruktion einer geordneten CoAl(100)-Oberfl¨ache.

Auch bei geordneten Legierungsoberfl¨achen kann Segregation zu einer chemischen Rekonstruktion f¨uhren. Abbildung 1.17b,c illustriert dies f¨ur die (100)-Oberfl¨ache der Legierung CoAl. In (b) ist die volumenartig terminierte Oberfl¨ache dargestellt, wobei reine Al- und Co-Lagen alternierend angeordnet sind. Die gezeigte Al-Terminierung ist f¨ur die ideale 1:1-St¨ochiometrie der Probe stabil. Jedoch ist eine solche ideale St¨ochiometrie nie realisier¨ bar, immer gibt es einen (wenn auch sehr kleinen) Uberschuss einer Komponente. F¨ur bei¨ spielsweise einen Co-Uberschuss m¨ussen die u¨ bersch¨ussigen Co-Atome auf Pl¨atzen des AlSubgitters sitzen, wo sie wieder nur Co-Nachbarn haben, was eine gegen¨uber Al-Nachbarn energetisch ung¨unstige Situation ist. Diese wird g¨unstiger, wenn die Co-Atome in einem Segregationsprozess ihren Platz mit Al-Atomen an der Oberfl¨ache tauschen, wodurch die Oberfl¨achenlage eine chemische Rekonstruktion durchf¨uhrt. Abbildung 1.17c zeigt das Resultat mit der ver¨anderten Oberfl¨achenperiodizit¨at.

1.1 Morphologie und atomare Struktur

19

Rekonstruktionen k¨onnen auch durch ein Adsorbat induziert werden (adsorbatinduzierte Rekonstruktion). Das Beispiel der C-induzierten Rekonstruktion von Ni(100) illustriert Abb. 1.18. (a) zeigt die unrekonstruierte Oberfl¨ache. Bei der Adsorption einer halben Lage Kohlenstoff nehmen die C-Atome Muldenpl¨atze ein. Dabei induzieren sie, wie Abb. 1.18b illustriert, eine Rotation der sie umgebenden 4 Ni-Atome und zwar in diagonaler Richtung von C-Atom zu C-Atom alternierend im und entgegen dem Uhrzeigersinn (engl. clock˚ veranticlock reconstruction). Die Ni-Atome werden dabei innerhalb der Lage um 0,45 A schoben, sodass sie statt mit 4 mit 5 Ni-Nachbarn und 2 C-Atomen koordiniert sind. Die Symmetrie a¨ ndert sich dabei von p4mm f¨ur Ni(100) zu p4mg f¨ur die mit Kohlenstoff bedeckte Oberfl¨ache, deren volle Notierung Ni(100)-(2×2)-2C(p4mg) lautet. (a)

(b)

Ni C

(c)

(d) W H

Abb. 1.18: Aufsicht (a) der volumenartig terminierten (100)-Oberfl¨ache von Ni und (b) ihrer Rekonstruktion induziert durch Kohlenstoffadsorption. In (b) ist auch eine der u¨ brig gebliebenen Spiegellinien (durchgezogene Linie) und eine neu entstandene Gleitspiegellinie (gestrichelte Linie) eingetragen. (c) und (d) illustrieren Modifikationen der Rekonstruktion von W(100) (Abb. 1.14b) durch Wasserstoffadsorption.

Adsorbate k¨onnen vorhandene Rekonstruktionen auch ver¨andern (reconstruction switch) oder auch vollst¨andig aufheben. Ein Beispiel ist die Rekonstruktion der W(100)-Oberfl¨ache, die in Abb. 1.14b vorgestellt wurde. Wird ein halbe Lage Wasserstoffatome adsorbiert, so transformiert sich die Zick-Zack-Rekonstruktion in eine Phase mit derselben Periodizit¨at, jedoch jetzt mit Dimeren von W-Atomen, die von H-Atomen zusammengehalten werden (Abb. 1.18c). Wird eine volle Lage von H-Atomen adsorbiert, so wird die Rekonstruktion vollst¨andig aufgehoben, wobei die H-Atome, wie in Abb. 1.18d angegeben, s¨amtliche Br¨uckenpl¨atze zwischen den W-Atomen belegen. Zusammenfassend l¨asst sich konstatieren, dass Oberfl¨achen von allen strukturellen Freiheitsgraden Gebrauch machen k¨onnen, die sie durch den Symmetriebruch an der Oberfl¨ache gewonnen haben. Dies erstreckt sich von einfachen Relaxationen bis zu drastischen Rekonstruktionen, wobei positionelle und chemische Umordnungen stattfinden k¨onnen. Adsorbate setzen sich oft nicht einfach auf von der Oberfl¨ache angebotene Pl¨atze, sondern k¨onnen Rekonstruktionen induzieren, ver¨andern oder aufheben. Eine flache Oberfl¨ache kann instabil sein und sich in Bereiche verschiedener Orientierung aufteilen (Facettenbildung). Vorhandene Stufen k¨onnen sich bewegen und sich mit anderen Stufen vereinen (engl. step bunching).Eine Oberfl¨ache kann durch die Entwicklung von H¨ohenfluktuationen rau werden (engl. surface roughening).Wenn sich die Temperatur dem Schmelzpunkt der Probe n¨ahert, kann Oberfl¨achenschmelzen stattfinden, wobei sich die Oberfl¨ache mit einem Film der eigenen Schmelze u¨ berzieht. Wird eine Oberfl¨ache als Substrat f¨ur ein anderes Material verwendet, so kann dieses zwar zun¨achst die fremde Gitterkonstante des Substrats annehmen, aber schließlich die entstehende Spannung durch Bildung von Nanostrukturen (Abschnitt 2.3.4) ¨ abbauen. Das Erscheinungsbild von Oberfl¨achen ist also voll von Uberraschungen.

20

1.2

1 Eigenschaften von Oberfl¨achen

Elektronische Struktur

Die Begrenzung eines Festk¨orpers durch die Oberfl¨ache f¨uhrt zu ge¨anderten Bindungsverh¨altnissen der Oberfl¨achenatome gegen¨uber den Atomen im Volumen. Dies ist die Ursache f¨ur die in Kap. 1.1 besprochene Umordnung der Atome, die sich z. B. in der Relaxation oder Rekonstruktion von Oberfl¨achen a¨ ußert. Die Kr¨afte zwischen den Atomen werden durch die Elektronen vermittelt, die quantenmechanisch zu beschreiben sind. Die thermodynamisch stabile Konfiguration wird durch die Minimierung der Gesamtenergie des Systems erreicht. Diese l¨asst sich in theoretischen Rechnungen z. B. auf Basis der Dichtefunktionaltheorie durch Variation der strukturellen Parameter bestimmen. Experimentell ist dieses Vorgehen nicht direkt nachvollziehbar, da aufgrund der Probenpr¨aparation die Oberfl¨achenatome im Allgemeinen in einer energetisch g¨unstigen Konfiguration vorliegen. Wie die Atome in die energetisch g¨unstigen Pl¨atze gelangen, wird in Kap. 2 betrachtet. Die vollst¨andige elektronische Struktur der Oberfl¨ache beinhaltet die Kenntnis der Energie aller Eigenzust¨ande in Abh¨angigkeit von den durch die Symmetrie vorgegebenen Quantenzahlen. F¨ur periodisch geordnete Oberfl¨achen ist der Wellenzahlvektor parallel zur Oberfl¨ache kk die relevante Quantenzahl und damit die wichtigste Erhaltungsgr¨oße. Die Abh¨angigkeit der Energie der Zust¨ande vom Wellenzahlvektor E(k k ) wird als Oberfl¨achenbandstruktur bezeichnet. An der Fermienergie erh¨alt man die Fermikontur E(k k ) = EF , die f¨ur Elektronentransporteigenschaften in der Festk¨orperphysik wichtig sind. Auch die angeregten Zust¨ande (Elektronen- E > EF bzw. Lochanregungen E < EF ) sind f¨ur die Ausbildung chemischer Bindungen bei der Adsorption von Bedeutung. Im Folgenden werden wir uns zun¨achst mit den grundlegenden, allgemeinen Konsequenzen aus der Periodizit¨at der Oberfl¨ache f¨ur die Oberfl¨achenbandstruktur E(k k ) besch¨aftigen. Wir werden sehen, dass es f¨ur bestimmte E(k k )-Werte keine Zust¨ande des Volumenkristalls gibt. In diesen Energiebereichen k¨onnen aber Oberfl¨achenzust¨ande existieren, deren Aufenthaltswahrscheinlichkeit an der Oberfl¨ache konzentriert ist. Nach der Diskussion verschiedener Typen von Oberfl¨achenzust¨anden wenden wir uns zum Abschluss des Abschnitts der Austrittsarbeit zu. Diese liefert in Abh¨angigkeit von den Pr¨aparationsbedingungen wichtige Informationen u¨ ber die Oberfl¨ache.

1.2.1

Blochtheorem

Eine periodisch geordnete Oberfl¨ache wird durch zwei Oberfl¨achen-Basisvektoren a1 und a2 des Gitters beschrieben. Die allgemeine Translation t = r mn = ma1 + na2 (Gl. (1.1)) mit ganzzahligen m und n f¨uhrt jeden Punkt des Kristalls in einen a¨ quivalenten Punkt u¨ ber. Daher ist auch das Potential V (r), in dem sich die Elektronen bewegen, in zwei Dimensionen periodisch: V (r) = V (r + t). Dies trifft f¨ur die Oberfl¨achenregion selbst, aber auch f¨ur das darunterliegende Substrat zu und trivialerweise auch f¨ur den Bereich weit weg von der Oberfl¨ache, f¨ur den das Potential den konstanten Wert der Vakuumenergie EV annimmt. Die Wellenfunktionen ψ(r) der Elektronen m¨ussen der Schr¨odingergleichung gen¨ugen:   ~2 ∆ + V (r) ψ(r) = E ψ(r). − 2m Sei nun ψ(r) eine L¨osung der Schr¨odingergleichung zur Energie E. Wegen der zweidimensionalen Periodizit¨at des Potentials und der Translationsinvarianz des Laplace-Operators ∆

1.2 Elektronische Struktur

21

sind alle Wellenfunktionen ψ(r + t) auch L¨osungen zur selben Energie E. Da dies f¨ur beliebige Translationen t gilt, m¨ussen die L¨osungen f¨ur verschiedene t linear abh¨angig sein. Abgesehen von zuf¨alligen Entartungen k¨onnen sich die L¨osungen nur durch einen komplexen Faktor vom Betrag 1 unterscheiden, der von t abh¨angt. Hieraus ergibt sich das Blochtheorem in zwei Dimensionen: ψ(r + t) = ψ(r) eikk ·t . (1.2) Es besagt, dass die L¨osungen ψ(r + t) linear abh¨angig sind und sich nur um einen Phasenfaktor eikk ·t vom Betrag 1 unterscheiden. Die Bedeutung des Blochtheorems liegt darin, dass die Kenntnis der Wellenfunktion in einer Einheitszelle ausreichend ist, da der Wert in jeder anderen Einheitszelle durch den Phasenfaktor eindeutig bestimmt ist. Die Wellenfunktionen sind durch zwei Quantenzahlen, die zwei Komponenten der Wellenzahlvektoren kk gekennzeichnet. Um dies hervorzuheben, schreibt man f¨ur die Blochwellenfunktionen gelegentlich auch ψkk (r) oder ψ(k k ,r). Die Wellenzahlvektoren k k sind die Quantenzahlen, die mit der Translationssymmetrie parallel zur Oberfl¨ache verkn¨upft sind. Wir werden sp¨ater noch sehen, dass die k k auch experimentell zug¨anglich sind (Kap. 5.3). Die Oberfl¨achenbandstruktur ist durch die Angabe E(k k ) gegeben. F¨ur jedes k k kann es mehrere L¨osungen f¨ur die Energie E in der Schr¨odingergleichung geben. Diese entsprechen dann verschiedenen B¨andern. Im Blochtheorem (Gl. (1.2)) kommt k k in der Exponentialfunktion exp(ik k · t) vor. Es lassen sich nun reziproke Gittervektoren g einf¨uhren, f¨ur die g · t ein Vielfaches von 2π und damit exp(ig · t) = 1 ist. Die reziproken Gittervektoren bilden ein zweidimensionales Gitter mit den Basisvektoren g1 und g 2 im reziproken Raum und werden in Kap. 4 noch genauer diskutiert. Aus exp(ig · t) = 1 ergibt sich unmittelbar, dass k k und k k + g a¨ quivalent sind, d. h. zum gleichen Phasenfaktor im Blochtheorem (Gl. (1.2)) f¨uhren. Daher ist auch E(k k ) = E(k k + g) und die Energie ist eine periodische Funktion mit der Periodizit¨at des reziproken Gitters, das durch die reziproken Gittervektoren aufgespannt wird. Dies werden wir im folgenden Abschnitt 1.2.2 ausnutzen, um die Oberfl¨achenbrillouinzonen einzuf¨uhren. Um etwas vertrauter mit den Blochwellenfunktionen und reziproken Gittervektoren zu werden, schreiben wir ψ(r) in Gl. (1.2) als ψ(r) = exp(ikk · rk ) χ(r). Durch Einsetzen verifiziert man leicht, dass χ(r) eine periodische Funktion χ(r) = χ(r + t) ist. Da χ(r) eine periodische Funktion parallel zur Oberfl¨ache ist, k¨onnen wir folgenden Ansatz einer diskreten Fourierreihe machen: X χ(r) = χg (z) eig·rk . g

Hierbei ist die z-Richtung senkrecht zur Oberfl¨ache gew¨ahlt und r k ist damit ein Vektor in der xy-Ebene. Der Beweis erfolgt unmittelbar durch Ersetzen von r durch r + t. Dies entspricht einer Fourierentwicklung mit den zweidimensionalen, reziproken Gittervektoren g parallel zur Oberfl¨ache. Die z-Abh¨angigkeit der Wellenfunktion steckt in den Fourierkoeffizienten χg (z). Die Blochwellenfunktionen lassen sich nun schreiben als ψkk (r) =

X g

k

χg k (z)ei(kk +g)·rk .

(1.3)

22

1 Eigenschaften von Oberfl¨achen

In dieser Entwicklung der Wellenfunktion nach ebenen Wellen parallel zur Oberfl¨ache wurde die Abh¨angigkeit von den Wellenzahlvektoren k k explizit hervorgehoben. Im Prinzip haben wir damit die Schr¨odingergleichung durch Entwicklung der Wellenfunktion nach dem vollst¨andigen Basissystem der ebenen Wellen parallel zur Oberfl¨ache exakt gel¨ost. F¨ur die Praxis ist dieser Ansatz nur begrenzt tauglich, da man sehr viele ebene Wellen (bzw. reziproke Gittervektoren) verwenden m¨usste. Die Oberfl¨ache bildet die Grenze zwischen dem Festk¨orper und dem Vakuum. Im Bereich des Vakuums, hinreichend weit weg von der Oberfl¨ache, ist eine Entwicklung nach ebenen Wellen sinnvoll. Im Festk¨orper bilden die Blochwellenfunktionen des Volumens eine naheliegende Basis f¨ur eine Entwicklung der Wellenfunktionen. Diese sind durch dreidimensionale Wellenzahlvektoren K gekennzeichnet. Um festzustellen, welche Wellenzahlvektoren K zu einem gegebenen kk beitragen, werden wir zun¨achst die Oberfl¨achenbrillouinzonen und deren Beziehung zu den Volumenbrillouinzonen betrachten. Der gesuchte Zusammenhang f¨uhrt uns anschließend zu der projizierten Volumenbandstruktur, die uns eindeutige Kriterien f¨ur das Auftreten von Oberfl¨achenzust¨anden gibt.

1.2.2

Oberfl¨achenbrillouinzonen Parallelogramm g2–g1

–g1

Rechteck

g2

Raute

g2

g1–g2

–g1

–g1

g2

g1 –g2

–g2

g1–g2

g2–g1

Quadrat

g1

120˚-Raute

g2 –g1

g1–g2

–g1

g2–g1

g2

g1 –g2

–g2

g1–g2

g1

Abb. 1.19: Reziproke Gitter mit Konstruktion der Oberfl¨achenbrillouinzone (schattiert) f¨ur die f¨unf Bravais-Gitter. Die durch die reziproken Basisvektoren g 1 und g 2 aufgespannten Einheitszellen sind gestrichelt gezeichnet.

Im vorangegangen Abschnitt haben wir gezeigt, dass k k und k k + g a¨ quivalent sind, da g · t ein Vielfaches von 2π ist. Daher muss man bei der Oberfl¨achenbandstruktur E(k k ) nicht den gesamten reziproken Raum (k-Raum) abdecken, sondern kann sich auf einen endlichen Bereich beschr¨anken. Zweckm¨assigerweise nimmt man hierf¨ur die betragsm¨aßig kleinsten kk -Vektoren. Diesen eindeutig definierten Bereich nennt man die Oberfl¨achenbrillouinzone analog zur Volumenbrillouinzone in drei Dimensionen. In Abb. 1.19 ist die Konstruktion f¨ur die f¨unf zweidimensionalen reziproken Gitter (Tab. 1.1) gezeigt. Man bestimmt die Mittelsenkrechten zu den naheliegenden Punkten g des reziproken Gitters. Die kleinste von diesen eingeschlossene Fl¨ache ist schattiert gezeichnet und bildet die Oberfl¨achenbrillouinzone. F¨ur rechteckige oder quadratische Gitter ist die Oberfl¨achenbrillouinzone ebenfalls rechteckig bzw. quadratisch. F¨ur hexagonale Gitter und im allgemeinen Fall wird die Fl¨ache

1.2 Elektronische Struktur

23

von sechs Kanten begrenzt. Die Oberfl¨achenbrillouinzonen zeigen direkt die Symmetrie des zugrundeliegenden Kristallgitters, was bei den durch die Basisvektoren aufgespannten Einheitszellen nicht unbedingt gegeben ist. In einem erweiterten Zonenschema u¨ berdecken die Oberfl¨achenbrillouinzonen die gesamte zweidimensionale Ebene im reziproken Raum und haben daher die gleiche Fl¨ache wie eine primitive Einheitszelle. M

[001] X X

M Γ

W

L

M

[111] K

M’

K M K

M Γ

M’ K

[112] X U

K W

[010]

X

M [100] W

X

W U L

W

Γ

K

L

K M’ [110] K M

K

L

X

X Γ

L

X X

W L

W K L

L X

Abb. 1.20: Oberfl¨achen- und Volumenbrillouinzonen f¨ur die (001)- und (111)-Oberfl¨achen eines kubisch fl¨achenzentrierten Gitters. Die schattierten Fl¨achen entsprechen Spiegelebenen.

Abbildung 1.20 zeigt die Oberfl¨achenbrillouinzonen der niedrig-indizierten Oberfl¨achen f¨ur das kubisch fl¨achenzentrierte Gitter. F¨ur die (001)-Oberfl¨ache ist die Oberfl¨achenbrillouinzone quadratisch, f¨ur die (111)-Oberfl¨ache hexagonal. Entsprechende Abbildungen f¨ur das kubisch raumzentrierte und das hexagonal dicht gepackte Gitter befinden sich im Anhang (Abb. A.2). Spezielle Punkte und Linien der Oberfl¨achenbrillouinzone werden u¨ blicherwei¨ se mit einem Uberstrich gekennzeichnet, um sie von den speziellen Punkten und Linien der Volumenbrillouinzonen zu unterscheiden. Der Ursprung k k = 0 wird stets mit Γ bezeichnet in Analogie zum Γ-Punkt als Zentrum der Volumenbrillouinzone. Jeder Punkt einer Oberfl¨achenbrillouinzone entspricht einer Linie der dreidimensionalen Volumenbrillouinzone des Substrats, die parallel zur Oberfl¨achennormale verl¨auft. Dieser Zusammenhang ist f¨ur spezielle Punkte der Oberfl¨achenbrillouinzonen in Abb. 1.20 durch vertikale Linien illustriert. Aus dieser Beziehung zwischen Oberfl¨achenbrillouinzone und Volumenbrillouinzone wird klar, dass alle Volumenzust¨ande mit K-Vektoren entlang einer Linie parallel zur Oberfl¨achennormalen auch Zust¨ande der Oberfl¨achenbandstruktur zu einem Punkt k k sind. Die Bedeutung dieser Beziehung f¨ur die Existenz von Oberfl¨achenzust¨anden wird im Abschnitt 1.2.3 erl¨autert. Man beachte, dass bei den niedrigindizierten Oberfl¨achen viele Hochsymmetriepunkte der Volumenbandstruktur zu ausgezeichneten Punkten mehrerer Oberfl¨achenbrillouinzonen passen. Zum Beispiel tr¨agt der XPunkt der fcc-Volumenbrillouinzone zum Γ- und M-Punkt der (001)-Oberfl¨achenbrillouinzone ebenso wie zum M-Punkt der (111)-Oberfl¨ache bei. In Abschnitt 1.1.1 wurden zus¨atzliche Symmetrieelemente wie Spiegelebenen diskutiert. Die Symmetrie im Realraum u¨ bertr¨agt sich auch auf den reziproken Raum. In Abb. 1.20 sind schattiert auch Spiegelebenen eingezeichnet. Die Spiegelsymmetrie existiert nur, wenn die Basis des Gitters die entsprechende Symmetrie besitzt. Dies ist offensichtlich der Fall, wenn jedem Gitterpunkt nur ein Atom zugeordnet ist. Die Spiegelebenen sind wegen der zus¨atzlichen Symmetrie besonders ausgezeichnet (Abschnitt 5.3.4). Die Wellenfunktionen besitzen dann entweder gerade oder ungerade Symmetrie unter Spiegelung. Zudem enthalten die Spiegelebenen meist auch Normalenvektoren von mehreren niedrig-indizierten Oberfl¨achen. F¨ur das kubisch fl¨achen- und raumzentrierte Gitter sind die (001) und (110) Spiegelebenen im erweiterten Zonenschema im Anhang (Abb. A.3) gezeigt.

24

1.2.3

1 Eigenschaften von Oberfl¨achen

Projizierte Volumenbandstruktur

Zu Ende des Abschnitts 1.2.1 haben wir eine L¨osung der Schr¨odingergleichung erhalten, die parallel zur Oberfl¨ache eine Entwicklung nach ebenen Wellen beinhaltet. Der Ansatz nach Gl. (1.3) ist prinzipiell exakt, wenn unendlich viele reziproke Gittervektoren in der Summe mitgenommen werden. Die eigentliche Schwierigkeit steckt aber in der Berechung k der Funktionen χg k (z), die von zwei Variablen z und k k abh¨angen. F¨ur große z – weit weg von der Oberfl¨ache – ist das Potential konstant und die Wellenfunktionen sind ebene Wellen oder fallen exponentiell ab. F¨ur negative z – in das Volumen hinein – sind die L¨osungen die Blochwellenfunktionen der Volumenbandstruktur, die durch den gesamten Kristall propagieren. F¨ur bestimmte Energiebereiche (Bandl¨ucken) existieren keine Blochwellen, jedoch k¨onnen an der Oberfl¨ache lokalisierte L¨osungen existieren, die im Allgemeinen exponentiell ins Volumen abfallen. Diese sind die Oberfl¨achenzust¨ande. Kristall

ψ (z)

Vakuum z

Blochwelle

E > EV z

E in Bandlücke Oberflächenzustand

z

Abb. 1.21: Anpassung der Wellenfunktionen im Kristallinneren und im Außenraum an der Oberfl¨ache.

Blochwelle

Oberflächenresonanz

E < EV z

In einem eindimensionalen Bild f¨ur gegebenes kk ergeben sich f¨ur die Wellenfunktionen im Kristall und Vakuum vier verschiedene M¨oglichkeiten. Diese sind in Abb. 1.21 skizziert: • Propagierende Wellenfunktionen im Kristall und Vakuum. Im dreidimensionalen Fall entspricht dies der Transmission und Reflexion der Elektronen, wie sie bei der Beugung langsamer Elektronen auftritt (Kap. 4.1). • Exponentiell abfallende Wellenfunktion im Kristall, propagierende L¨osung im Vakuum. Dies entspricht einer hohen Reflektivit¨at f¨ur einfallende Wellen. • Exponentiell abfallende Wellenfunktionen im Kristall und Vakuum. Hier erhalten wir Oberfl¨achenzust¨ande. • Propagierende Wellenfunktion im Kristall, exponentiell abfallende L¨osung im Vakuum. Dies entspricht einem im Kristall gebundenen Zustand. Falls die Wellenfunktion an der Oberfl¨ache u¨ berh¨oht ist, spricht man von einer Oberfl¨achenresonanz. F¨ur die Existenz der Oberfl¨achenzust¨ande sind daher Bandl¨ucken eine notwendige Voraussetzung. Absolute Bandl¨ucken an der Fermienergie existieren bei Halbleitern oder Isolatoren. Aber auch bei Metallen kann es f¨ur manche Oberfl¨achenorientierungen und bestimmten k k vorkommen, dass Energiebereiche auftreten, in denen f¨ur beliebige kz keine

1.2 Elektronische Struktur

25

(a)

(b)

Energie (eV)

E

|V| |V|

0

E F =0

ℑ(kz) 0 0

ℜ(kz)

10

G/2

W

X M(001)

Γ(001)

Γ

Γ(111)

L

2/3Σ X(001)

Abb. 1.22: (a) Komplexe Bandstruktur im Zweibandmodell. Reelle kz sind grau, komplexe kz schwarz gezeichnet. (b) Volumenbandstruktur von Kupfer entlang mehrerer Richtungen, die ausgezeichneten Punkten der Oberfl¨achenbrillouinzonen von niedrig-indizierten Oberfl¨achen entsprechen. In den schattierten Bereichen existieren B¨ander, die zur projizierten Volumenbandstruktur an den entsprechenden Punkten beitragen.

Blochl¨osungen existieren (relative Bandl¨ucken). Durch die Einf¨uhrung der Oberfl¨ache werden die Randbedingungen ge¨andert und ins Volumen exponentiell abfallende L¨osungen sind erlaubt. Diese k¨onnen durch komplexe kz -Vektoren beschrieben werden, wie in Abb. 1.22a gezeigt. Hierzu wurde eine Modellrechnung f¨ur nahezu-freie Elektronen durchgef¨uhrt mit einem periodischen Potential der Amplitude 4V . An der Zonengrenze kz = G/2 gibt es eine Bandl¨ucke der Gr¨oße 2|V |. Im Energiebereich dieser Bandl¨ucke existieren komplexe L¨osungen. Der Realteil ist ℜ(kz ) = G/2 wie an den Grenzen der Bandl¨ucke. Der Imagin¨arteil ℑ(kz ) hat etwa in der Mitte der Bandl¨ucke ein Maximum und verschwindet außerhalb der Bandl¨ucke. Abbildung 1.22b zeigt die berechnete Volumenbandstruktur von Kupfer entlang verschiedener Linien im reziproken Raum. Die B¨ander entlang der ΓX-Linie tragen zum Γ-Punkt der Oberfl¨achenbandstruktur von Cu(001) bei. Man erkennt die flachen d-B¨ander im Energiebereich zwischen −4 und −2 eV sowie die stark dispergierenden sp-B¨ander, die sich wie nahezu-freie Elektronenb¨ander verhalten. Letztere a¨ hneln in ihrem Verlauf der Modellrechnung von Abb. 1.22a. Im Energiebereich von etwa 2 bis 7 eV existieren entlang der ΓXLinie unabh¨angig vom Wellenzahlvektor keine Energieb¨ander. In dieser relativen Bandl¨ucke k¨onnen Bildpotentialzust¨ande (Abschnitt 1.2.4) existieren, da die Vakuumenergie EV von Cu(100) bei etwa 4,5 eV liegt. Wie man in Abb. 1.22b f¨ur die Γ, X und M-Punkte der (001)-Oberfl¨ache erkennt, h¨angen die Bandl¨ucken vom Wellenzahlvektor k k ab. Abbildung 1.23 zeigt diese Abh¨angigkeit als projizierte Volumenbandstruktur f¨ur Cu(001) in Abh¨angigkeit von kk entlang des MΓX-Pfads der Oberfl¨achenbrillouinzone (Abb. 1.20). In den schattierten Bereichen existieren Volu-

26

1 Eigenschaften von Oberfl¨achen

8

Abb. 1.23: Projizierte Volumenbandstruktur der Cu(001)-Oberfl¨ache entlang der ΓM- und ΓX-Richtungen der Oberfl¨achenbrillouinzone (Abb. 1.20). Die Linien zeigen Oberfl¨achen- und Bildpotentialzust¨ande in den Bandl¨ucken sowie eine Oberfl¨achenresonanz.

Energie (eV)

6 n=2 4

n=1 Shockley

2 Resonanz 0 Tamm

–2

M –1,5

–1,0

–0,5

Γ

-1

Wellenzahlvektor k|| (Å )

0,5

1,0

X

menb¨ander. Oberfl¨achenzust¨ande k¨onnen daher nur in den weißen Gebieten vorkommen. Der Γ-Punkt ergibt sich aus der ΓX-Linie, die in Abb. 1.22b gezeigt ist und eine relative Bandl¨ucke zwischen 2 und 7 eV besitzt. Der M-Punkt entspricht der XW-Linie der Volumenbandstruktur und der X-Punkt verbindet benachbarte L-Punkte und schneidet dabei die Σ = ΓK-Linie (Abb. 1.20). Die entsprechenden B¨ander der Volumenbandstruktur sind in Abb. 1.22b eingezeichnet. In den schattierten Bereichen liegen Volumenb¨ander vor, so dass die weißen Bereiche gerade den Bandl¨ucken der projizierten Volumenbandstruktur an den jeweiligen Punkten der Oberfl¨achenbrillouinzone entsprechen. Die Kenntnis der Volumenb¨ander, die zu einem bestimmten Punkt der Oberfl¨achenbrillouinzone beitragen, ist daher wichtig f¨ur die Festlegung der Energiebereiche, in denen Oberfl¨achenzust¨ande liegen k¨onnen. Werden Zust¨ande in diesen Bereichen experimentell oder theoretisch gefunden, sind sie Oberfl¨achenzust¨ande. Die Eigenschaften der Volumenb¨ander an den Bandkanten der projizierten Volumenbandstruktur u¨ bertragen sich vielfach auf die benachbarten Oberfl¨achenzust¨ande. Dies wird plausibel, wenn man die Oberfl¨ache als St¨orung des Kristallpotentials betrachtet. Dann werden die Oberfl¨achenzust¨ande von den energetisch naheliegenden Volumenzust¨anden abgespalten.

1.2.4

Oberfl¨achenzust¨ande

Die Bandl¨ucken in der projizierten Volumenbandstruktur geben ganz allgemein die Bereiche vor, in denen Oberfl¨achenzust¨ande auftreten k¨onnen. Diese h¨angen offensichtlich von der Orientierung der Oberfl¨ache ab. Aber auch die chemische Natur des Substrats und eventueller Adsorbate bestimmen das Vorhandensein und die Eigenschaften von Oberfl¨achenzust¨anden. Die frei beweglichen Elektronen in Metallen f¨uhren zu Oberfl¨achenzust¨anden mit anderen Eigenschaften als die mehr lokalisierten Bindungen bei Halbleitern. Dar¨uberhinaus f¨uhrt die langreichweitige Abschirmung von Elektronen zu Bildpotentialzust¨anden vor der Oberfl¨ache. Die bisher erw¨ahnten Zust¨ande werden als intrinsische Oberfl¨achenzust¨ande bezeichnet im Gegensatz zu den extrinsischen Oberfl¨achenzust¨anden, die durch die Modifikation der Oberfl¨ache durch Adsorbate hervorgerufen werden. In d¨unnen Metallfilmen k¨onnen sich Quantentrogzust¨ande ausbilden. Adsorbate k¨onnen einerseits durch ihre Bindung zum Substrat die intrinsischen Oberfl¨achenzust¨ande modifizieren oder andererseits auch unter Einbringung der eigenen elektronischen Niveaus zu neuen, extrinsischen Zust¨anden f¨uhren.

1.2 Elektronische Struktur

27

Metalle F¨ur die Beschreibung von Metallen ist die N¨aherung durch nahezu-freie Elektronen, wie in Abb. 1.22a illustriert, besonders geeignet. Die Randbedingungen des Potentials an der Oberfl¨ache bestimmen, ob und wieviele Oberfl¨achenzust¨ande es gibt. F¨ur die Cu(001)-Oberfl¨ache sind die Oberfl¨achenzust¨ande in die projizierte Volumenbandstruktur von Abb. 1.23 mit Linien eingezeichnet. In der Umgebung des X-Punkts gibt es zwei intrinsische Oberfl¨achenzust¨ande, die nach oben dispergieren. Am Γ-Punkt bildet sich eine Oberfl¨achenresonanz aus. F¨ur diese Punkte der Oberfl¨achenbrillouinzone ist dies auch die maximal m¨ogliche Zahl von intrinsischen Oberfl¨achenzust¨anden (bzw. -resonanzen) in einer Bandl¨ucke. Hier bleiben Bildpotentialzust¨ande unber¨ucksichtigt, da diese durch das langreichweitige Coulomb-Potential entstehen. Am M-Punkts findet man einen weiteren intrinsischen Oberfl¨achenzustand bei einer Energie von −1,8 eV, knapp oberhalb der d-B¨ander von Kupfer. Aus historischen Gr¨unden wird dieser Zustand als Tamm-Zustand bezeichnet, die anderen Zust¨ande als Shockley-Zust¨ande. (a)

(b)

2,0

Dup

Energie (eV)

Ddown

[011]

Γ

D’down

Ddown Dup [100]

[011]

1,0

0,0

Ddown

Dup

D’up [011]

–1,0

[011]

–0,2

–0,1

0,0

0,1

0,2

Wellenzahlvektor k || (Å–1)

Abb. 1.24: (a) Bindungen zwischen Oberfl¨achenatomen der c(4 × 2)-rekonstruktierten Si(100)Oberfl¨ache. (b) Zugeh¨orige Oberfl¨achenbandstruktur. Projizierte Volumenbandstruktur schattiert (nach [1.5]).

Halbleiter Die kovalenten, gerichteten Bindungen von Halbleitern werden besser in einem Bild lokalisierter Orbitale beschrieben. Schneidet man einen Halbleiterkristall gedanklich in zwei H¨alften, so findet man an den Schnittfl¨achen eine große Anzahl unges¨attigter Bindungen (dangling bonds). Der Energiegewinn bei der Paarung zweier unges¨attigter Bindungen f¨uhrt zur Umordnung von Atomen und den teilweise drastischen Rekonstruktionen bei Halbleiteroberfl¨achen (Abb. 1.16). Als Beispiele sollen die rekonstruierten (100)- und (111)-Oberfl¨achen von Silizium besprochen werden. Das Entstehen der Rekonstruktion der Si(100)-Oberfl¨ache wurde bereits in Abb. 1.14 gezeigt. Abbildung 1.24a zeigt die dabei ent-

28

1 Eigenschaften von Oberfl¨achen

stehende Orbitalstruktur. Zwei benachbarte Oberfl¨achenatome gehen jeweils eine Dimerbindung ein. Damit wird die Zahl der unges¨attigten Bindungen halbiert bezogen auf den Volumenschnitt. Durch die Verkippung der Dimere wird die Symmetrie weiter reduziert und es ergibt sich ein doppelt besetztes Orbital Dup am oberen Dimeratom und ein unbesetztes Orbital Ddown am unteren Dimeratom. Die alternierende Verkippung der Dimere bringt einen weiteren, geringen Energiegewinn, so dass sich eine c(4 × 2)-Rekonstruktion ausbildet. Zum Verst¨andnis der elektronischen Struktur ist das Abz¨ahlen der Zust¨ande pro Einheitszelle wichtig: Es gibt zwei Dimere pro c(4 × 2)-Einheitszelle, deren dangling bonds jeweils zur Ausbildung eines Bandes f¨uhren. Dementsprechend findet man in der Oberfl¨achenbandstruktur von Abb. 1.24b zwei besetzte und zwei unbesetzte Oberfl¨achenb¨ander Dup bzw. Ddown . Zwischen den Oberfl¨achenb¨andern befindet sich eine Bandl¨ucke, die etwa halb so groß ist wie die Volumen-Bandl¨ucke von Silizium. Man beachte, dass das Leitungsbandminimum von Si auf der ΓX-Linie liegt und daher am Γ-Punkt der Si(100)-Oberfl¨ache erfasst wird. Die Dispersion der Oberfl¨achenb¨ander ist in der [011]-Richtung deutlich st¨arker als in der [011]-Richtung. Dies ist auf den geringeren Abstand der Dimere und damit geringe¨ ren Uberlapp der atomaren Wellenfunktionen entlang der Reihen als zwischen den Reihen zur¨uckzuf¨uhren (Abb. 1.24a). Die Rekonstruktion der Si(111)-(7×7)-Oberfl¨ache (Abb. 1.16) reduziert die Zahl der unges¨attigten Bindungen von 49 auf 19. Dementsprechend w¨urden sich auch 19 Oberfl¨achenb¨ander ausbilden, die aber teilweise energetisch sehr eng benachbart sind. Da die B¨ander jeweils mit zwei Elektronen unterschiedlicher Spinausrichtung besetzt werden k¨onnen, gibt es mindestens ein halbgef¨ulltes Band und die Si(111)-(7×7)-Oberfl¨ache ist demzufolge metallisch. Bildpotentialzust¨ande Eine spezielle Klasse von Oberfl¨achenzust¨anden bilden die Bildpotentialzust¨ande. Sie enstehen, wenn man ein Elektron vor eine Metalloberfl¨ache bringt. Es erfolgt eine Umverteilung der Ladungen an der Metalloberfl¨ache, damit die elektrischen Feldlinien senkrecht auf der Oberfl¨ache stehen. Das Feld vor der Oberfl¨ache erh¨alt man auch wenn man die Oberfl¨achenladungsdichte des Metalls durch eine Spiegel- oder Bildladung ersetzt. Die Bildladung hat die entgegengesetzte Ladung und befindet sich im Metall im gleichen Abstand |z| von der Oberfl¨ache wie das Elektron. Parallel zur Oberfl¨ache ist das Elektron frei beweglich, da die Bildladung dem Elektron folgt. Die Kraft zwischen Elektron und Bildladung l¨asst sich aus dem Bildpotential ableiten, das f¨ur große Abst¨ande den Wert der Vakuumenergie EV annimmt: V (z) = EV −

e2 1 . 4πε0 4z

Die Schr¨odingergleichung f¨ur dieses eindimensionale Coulombpotential entspricht der Radialgleichung des Wasserstoffatoms mit einer um den Faktor 4 gr¨oßeren L¨angenskala. Die Energien ergeben sich zu 0,85 eV 13,6 eV = EV − n = 1,2, . . . 16n2 n2 Die unendliche Serie von Bildpotentialzust¨anden entsteht aufgrund des langreichweitigen Coulomb-artigen Potentials vor der Oberfl¨ache und ist von den zuvor besprochenen Oberfl¨achenzust¨anden zu unterscheiden. En = EV −

1.2 Elektronische Struktur

29

(a)

(b)

E n= 1

Metall

Vakuum

n= 2

Bandlücke

EV

Bildpotential

EF

Bildladung

Elektron

1 nm 2 nm z

Abb. 1.25: (a) Feldlinienverteilung vor einer Metalloberfl¨ache, Oberfl¨achenladungsdichte (schattiert) und Bildladung. (b) Bildpotential und Aufenthaltswahrscheinlichkeit f¨ur die ersten beiden Bildpotentialzust¨ande.

Die Beschreibung der Oberfl¨ache des Kristalls mit einer Bandl¨ucke der projizierten Volumenbandstruktur erfolgt durch stetig differenzierbare Anpassung der Wellenfunktionen im Volumen an die L¨osungen im Bildpotential wie f¨ur die n = 1 und 2 Bildpotentialzust¨ande auf Cu(001) in Abb. 1.25b gezeigt. Die Energien ergeben sich zu En = EV −

~2 kk2 0,85 eV + (n + a)2 2m∗

n = 1,2, . . .

(1.4)

Die Anpassung der Wellenfunktion an der Oberfl¨ache f¨uhrt zur Einf¨uhrung des Quantendefekts a, der an der oberen Grenze der Bandl¨ucke den Wert 0 besitzt und an der unteren Grenze den Wert 0,5. Energien kleiner als EV − 0,85 eV kommen normalerweise nicht vor. In der obigen Gleichung haben wir zus¨atzlich die Bewegung parallel zu Oberfl¨ache ber¨ucksichtigt, die durch die kinetische Energie eines Teilchens mit einer effektiven Masse m∗ beschrieben wird. Diese ist in den meisten F¨allen nahezu gleich der freien Elektronmasse m. Bei Halbleitern ist die Abschirmung aufgrund der relativen Dielektrizit¨atskonstante εr unvollst¨andig. Kraft und Potential sind um einen Faktor (εr − 1)/(εr + 1) reduziert. Die Bindungsenergie ist um das Quadrat dieses Faktors kleiner als bei Metallen. Die Bildpotentialzust¨ande entstehen durch Hinzuf¨ugen eines zus¨atzlichen Elektrons vor die Oberfl¨ache und sind daher im Grundzustand unbesetzt. Das Maximum der Wellenfunktion f¨ur n = 1 liegt etwa 0,4 nm vor der Oberfl¨ache (Abb. 1.25b) und ist damit gr¨oßer als Bindungsabst¨ande von Adsorbaten. Auch wenn Adsorbate auf Oberfl¨achen vorhanden sind, wird eine externe Ladung durch das Substrat abgeschirmt und Bildpotentialzust¨ande k¨onnen weiterhin existieren. Bildpotentialzust¨ande k¨onnen daher als empfindliche Sonden f¨ur Oberfl¨achenmodifikationen eingesetzt werden, die die elektronischen Eigenschaften des Adsorbatsystems nur wenig st¨oren. Mit der Zweiphotonenphotoemission (Abschnitt 5.3.3) k¨onnen die Bindungsenergien der Bildpotentialzust¨ande auf wenige meV bestimmt werden.

30

1 Eigenschaften von Oberfl¨achen

Quantentrogzust¨ande Bringt man einen d¨unnen Metallfilm epitaktisch auf ein Substrat auf, so hat dieser Film andere Oberfl¨acheneigenschaften als die Oberfl¨ache eines Volumenkristalls mit der entsprechenden Orientierung. So sp¨uren Oberfl¨achenzust¨ande das Potential und die ge¨anderten Randbedingungen vom Substrat und besitzen somit andere Energien und Dispersionsrelationen als bei der Metalloberfl¨ache eines Volumenkristalls. Aufgrund der endlichen Eindringtiefe der Wellenfunktionen von Oberfl¨achenzust¨anden konvergieren deren Eigenschaften f¨ur Filmdicken gr¨oßer als etwa f¨unf Atomlagen zu denen des Volumenmaterials. Zus¨atzliche Quantisierungseffekte entstehen durch die Einschr¨ankung der Elektronen in Volumenzust¨anden in einen Film endlicher Dicke. Diese k¨onnen in einem einfachen Quantentrogmodell beschrieben werden. F¨ur Energien in einer Bandl¨ucke der projizierten Volumenbandstruktur des Substrats sind die Zust¨ande in dem Film der Dicke d lokalisiert. Dies f¨uhrt dazu, dass die Bandstruktur in kz nicht mehr kontinuierlich ist (Abb. 1.22b), sondern die Energien nur diskrete Werte annehmen k¨onnen. Die Quantisierungsbedingung l¨asst sich als Phasenbeziehung formulieren 2kz d + φ = 2πn,

(1.5)

wobei sich station¨are Zust¨ande nur dann ergeben, wenn die Phase ein Vielfaches von 2π ist. Die Anpassung der Wellenfunktionen am Substrat und der Vakuumbarriere ist durch die energieabh¨angige Phasenverschiebung φ = φ(E) ber¨ucksichtigt. Die Bedeutung der Phase der Wellenfunktion an der Grenzfl¨ache ist in Abb. 1.21 zu erkennen. Die Quantisierungsbedingung f¨uhrt zu diskreten Werten f¨ur kz und die zugeh¨origen Energien ergeben sich aus der Dispersionsrelation der Volumenbandstruktur E(kz ). Adsorbatzust¨ande Adsorbate k¨onnen große Ver¨anderungen der elektronischen Struktur an der Oberfl¨ache hervorrufen, da sie zus¨atzliche Zust¨ande (Orbitale) besitzen, die Bindungsverh¨altnisse an der ¨ Oberfl¨ache ver¨andern oder zu bedeckungsabh¨angigen Uberstrukturen f¨uhren. F¨ur stark gebundene Adsorbate sind die Adsorbatzust¨ande in der Regel stark verbreitert und im Vergleich zu den Orbitalen des freien Adsorbatatoms oder -molek¨uls energetisch verschoben. Das erschwert eine eindeutige Zuordnung und Unterscheidung von Substratzust¨anden. Bei schwach gebundenen Adsorbaten oder Molek¨ulen werden die Adsorbatorbitale h¨aufig nur geringf¨ugig modifiziert und die Zuordnung der Oberfl¨achenzust¨ande zu den urspr¨unglichen atomaren oder molekularen Orbitalen kann u¨ bernommen werden. Die zuvor f¨ur Si(100) diskutierten Oberfl¨achendimere (Abb. 1.24) besitzen deutlich andere Bindungsverh¨altnisse als die Substratatome. Daher kann man sie auch als Adsorbatmolek¨ule auf dem volumenterminierten Si(100)-Substrat betrachten. Dementsprechend lassen sich die dort gemachten Feststellungen wie z. B. das Dispersionsverhalten entsprechend dem Abstand der Dimere auch auf andere Adsorbatsysteme u¨ bertragen.

1.2.5

Austrittsarbeit

Die Austrittsarbeit ist als die minimale Arbeit definiert, die aufgebracht werden muss, um ein Elektron aus einem Festk¨orper zu entfernen. Hierbei wird angenommen, dass das Elektron dann hinreichend weit weg von der Oberfl¨ache ruht, d. h. die kinetische Energie Null ist. Die Zust¨ande in einem Festk¨orper sind bis zur Fermienergie EF besetzt. Die Energie weit

1.2 Elektronische Struktur (a)

l=∞

15

11

9

7

5

Austrittsarbeit (eV)

4,60

+



+

5,0

Na/Cu(111)

4,5

4,62

4,58

(b)

Cu(11l )

4,64

Austrittsarbeit (eV)

31



4,0

3,5

3,0

2,5

4,56 0,0

0,5

1,0

Stufendichte (nm –1)

1,5

2,0 0,0

0,5

1,0

1,5

2,0

Natriumbedeckung (Lagen)

Abb. 1.26: Austrittsarbeit in Abh¨angigkeit (a) von der Stufendichte auf Cu(11l)-Oberfl¨achen (nach [1.6]) und (b) von der Natriumbedeckung einer Cu(111)-Oberfl¨ache (nach [1.7]).

weg von der Oberfl¨ache sei EV . Damit ergibt sich die Austrittsarbeit zu Φ = EV − EF . Da das Elektron eine Potentialbarriere an der Oberfl¨ache u¨ berwinden muss, ist die Austrittsarbeit eine oberfl¨achenspezifische Gr¨oße. Sie h¨angt von dem Material des Festk¨orpers und der kristallographischen Orientierung ab. Die Austrittsarbeit a¨ ndert sich, wenn Schichten oder Adsorbate aufgebracht werden. Auch Defekte haben einen Einfluß auf den Wert der Austrittsarbeit. Die Austrittsarbeit kann experimentell mit einer Genauigkeit von wenigen ¨ meV bestimmt werden, z. B. durch Photoelektronenspektroskopie (Abschnitt 5.3.1), Anderungen als Funktion der Bedeckung z. B. als Kontaktpotentialdifferenzen bez¨uglich einer Referenzelektrode (Kelvin-Sonde, engl. Kelvin probe, Abschnitt 6.3.2) noch genauer. Daher sind Austrittsarbeitsmessungen eine einfache Methode, den Zustand der Oberfl¨ache zu charakterisieren. In Abb. 1.26a ist die Austrittsarbeit von gestuften Cu(11l)-Oberfl¨achen gezeigt. Als Parameter dient die Stufendichte, die angibt, wieviele Stufen pro L¨angeneinheit auftreten. An Stufen macht die Ladungsdichte keinen Sprung, sondern die Ladungsverteilung wird gegl¨attet (Smoluchowski-Gl¨attung, Abb. 1.11f). Da die Stufenatome nicht in gleichem Maße relaxieren (Abschnitt 1.1.3), ergibt sich ein positiver Ladungs¨uberschuss an den Stufenatomen und ein negativer Ladungs¨uberschuss unterhalb der Stufe (Abb. 1.26a). Effektiv bildet sich ein Dipolmoment senkrecht zur Oberfl¨ache aus, das der Richtung des urspr¨unglichen Dipolmoments entgegengerichtet ist und so die Austrittsarbeit erniedrigt. Je mehr Stufenatome vorhanden sind, desto gr¨oßer wird der Effekt und es ergibt sich ein linearer Zusammenhang wie in Abb. 1.26a f¨ur gestufte Kupferoberfl¨achen gezeigt. Dieses einfache Modell l¨asst sich sogar noch f¨ur Cu(115) anwenden, obwohl die Terrassenbreite nur 2,5 Atomabst¨ande betr¨agt. Auch Adsorbate beeinflussen die Ladungsverteilung und a¨ ndern durch das damit verbundenene Dipolmoment die Austrittsarbeit. Adsorbatsysteme haben den Vorteil, dass die Dichte der Dipole durch die Bedeckung kontinuierlich variiert werden kann. Als Beispiel ist in Abb. 1.26b die Austrittsarbeit bei der Adsorption von Natrium auf Cu(111) gezeigt. Alkaliatome f¨uhren zu großen Austrittsarbeits¨anderungen, da das Valenzelektron leicht an das Substrat abgegeben werden kann. Die positiv geladenen Alkaliatome stoßen sich gegenseitig ab und sind nur schwach an das Substrat gebunden, so dass man von gleichm¨aßig

32

1 Eigenschaften von Oberfl¨achen

verteilten Atomen ausgehen kann. Bis zu einer Bedeckung von 0,1 Lagen nimmt die Austrittsarbeit linear ab. Dies entspricht einem mittleren Abstand der Adsorbatatome von etwa drei Atomabst¨anden. Bis zu diesen Abst¨anden trifft der lineare Zusammenhang auch bei den gestuften Oberfl¨achen zu. F¨ur h¨ohere Bedeckungen wird ein Minimum der Austrittsarbeit bei etwa 0,3 Lagen erreicht, bevor bei einer geschlossenen Lage wieder ein Maximum erreicht wird. Danach nimmt die Austrittsarbeit noch etwas weiter ab, um bei 2 Lagen bereits ann¨ahernd den Wert von Natrium zu erreichen. Das Verhalten f¨ur kleine Bedeckungen < 0,3 Lagen l¨asst sich recht gut dadurch erkl¨aren, dass sich die Dipole benachbarter Adsorbatatome beeinflussen (Topping-Modell: Kurve in Abb. 1.26b). F¨ur eine genaue Beschreibung ist allerdings zu ber¨ucksichtigen, dass die Annahme gleichm¨aßig verteilter Atome bei h¨oheren Bedeckungen zu hinterfragen ist, wenn sich Inseln bilden (Kap. 2.3). Hier schließt sich die Frage nach der Austrittsarbeit einer inhomogenen Oberfl¨ache an, wie sie bei unvollst¨andiger Bedeckung auftreten kann: Ein Teil der Oberfl¨ache ist mit Inseln des Adsorbats bedeckt und dazwischen sind die unbedeckten Terrassen des Substrats sichtbar. Auf großen Inseln sollte die Austrittsarbeit des Adsorbats auftreten, ebenso wie auf großen Terrassen die des Substrats. An den Grenzen zwischen Inseln und Substrat existieren elektrische Felder parallel zur Oberfl¨ache. Diese Felder f¨uhren dazu, dass sich der Potentialverlauf vor der Oberfl¨ache so ausgleicht, dass weit weg von der Oberfl¨ache der Mittelwert der Austrittsarbeit von Inseln und Substrat entsprechend ihren Fl¨achenanteilen angenommen wird. Der Abstand, bei dem der Potentialausgleich erfolgt ist, entspricht in etwa der lateralen Aus¨ dehnung der Inseln und Terrassen. Diese Uberlegung ist richtig, wenn bei der Messung der Austrittsarbeit nur kleine elektrische Felder angelegt werden und die Austrittsarbeit in einem großen Abstand von der Oberfl¨ache bestimmt wird. Wenn diese Voraussetzungen nicht erf¨ullt sind, wird im Experiment nicht die mittlere Austrittsarbeit, sondern die lokalen Austrittsarbeiten von Inseln und Terrassen bestimmt. Mit den Bildpotentialzust¨anden f¨ur n = 1 oder den 5p1/2 -Valenzniveaus physisorbierter Xenon-Atome kann man die lokale Austrittsarbeit an der Oberfl¨ache sondieren. Um Inseln und Terrassen unterschiedlicher lokaler Austrittsarbeit abzubilden, kann man auch ein starkes elektrisches Feld (≈ 10 kV/cm) an eine Oberfl¨ache anlegen. Wenn das Maximum des Potentials vor der Oberfl¨ache vergleichbar mit der lateralen Ausdehnung von Inseln und Terrassen ist, u¨ berwinden Elektronen unterschiedliche Barrieren abh¨angig von ihrem Ursprungsort. Dieser Austrittsarbeitskontrast kann z. B. in einem Photoelektronen-Emissions-Mikroskop (PEEM) ausgenutzt werden.

1.3

Gitterschwingungen an Oberfl¨achen

Bisher haben wir das Gitter als starr und die Bewegung der Elektronen unabh¨angig von der Bewegung der Atome im Gitter betrachtet. Wie aus der Festk¨orperphysik des Volumenkristalls bekannt ist, k¨onnen die Atome um ihre Gleichgewichtspositionen Schwingungen ausf¨uhren. Da die Masse der Elektronen viel kleiner als die der Atome ist, kann man das Problem n¨aherungsweise so betrachten, als w¨aren die Elektronen immer im Gleichgewicht mit den momentanen Atompositionen (adiabatische oder Born-Oppenheimer-N¨aherung). Somit entstehen durch die Abh¨angigkeit des Bindungspotentials von den momentanen Atompositionen r¨ucktreibende Kr¨afte auf die Atome. Bei nicht zu großer Auslenkung der Atome aus der Gleichgewichtsposition a¨ ndert sich die Energie proportional zum Quadrat der Auslenkung. In der harmonischen N¨aherung kann man dann die Gitterschwingungen quantenmechanisch wie Teilchen (Phononen) behandeln.

1.3 Gitterschwingungen an Oberfl¨achen

33

Gitterschwingungen (und ihre Kopplung an das Elektronensystem) spielen eine wichtige Rolle bei Prozessen, bei denen Energie dissipiert wird, z. B. Anregungen mit Licht, chemische Reaktionen, etc. W¨ahrend Relaxationsprozesse innerhalb des Elektronensystems (des Festk¨orpers, der Oberfl¨ache aber auch eines adsorbierten Molek¨uls) auf einer Femtosekundenzeitskala ablaufen, bleibt die Gesamtenergie im Elektronensystem erhalten. Erst die Kopplung an das Gitter f¨uhrt zu einer Umwandlung in W¨arme. Wegen der großen Masse der Gitteratome laufen solche Prozesse aber auf einer Pikosekundenzeitskala ab. Wir wollen uns hier auf ein atomistisches Bild der Gitterschwingungen an Oberfl¨achen beschr¨anken. Aber auch im Rahmen einer elastischen Kontinuumstheorie (dem langwelligen Grenzfall des atomaren Modells) erh¨alt man Oberfl¨achen- und Grenzfl¨achenschwingungsmoden, die eine erhebliche (technische) Bedeutung haben. Die Materialpr¨ufung durch Ultraschall, Filterelemente im GHz-Bereich und per Funk abfragbare passive Sensoren nutzen Oberfl¨achenwellen. ¨ Ahnlich wie bei den elektronischen Oberfl¨achenzust¨anden des vorangegangenen Abschnitts 1.2.4 kann die Pr¨asenz einer Oberfl¨ache zu neuen L¨osungen der Bewegungsgleichung der Atome f¨uhren. Dies kann man anhand der linearen Kette von Atomen veranschaulichen, die mit idealen Federn aneinander gebundenen sind. Dieses Modell entspricht der harmonischen N¨aherung f¨ur Schwingungsmoden (kurz: Moden) in Hochsymmetrierichtungen eines dreidimensionalen Kristalls, bei denen ganze Kristallebenen relativ zueinander schwingen. Betrachtet man nun eine halbunendliche Kette, bei der die Position der Oberfl¨ache durch das Atom mit Index 0 markiert ist, so lautet die Bewegungsgleichung im Fall eines Kristalls mit zweiatomiger Basis, wie sie in Bild 1.27a gezeigt ist: M0 u ¨0 m¨ v0 Mu ¨n m¨ vn

= = = =

−D0 (u0 − v0 ) −D0 (v0 − u0 ) − D(v0 − u1 ) −D(un − vn−1 ) − D(un − vn ) −D(vn − un ) − D(vn − un+1 )

(1.6) n≥1 n ≥ 1.

Dabei ist un bzw. vn die Auslenkung der Atome mit Masse M bzw. m aus der Gleichgewichtsposition. An der Oberfl¨ache k¨onnen die Kraftkonstante D0 und Masse M0 von den Werten im Volumen abweichen. Da die Anzahl der Atome in der Kette (Kristall) sehr groß ist, kann man davon ausgehen, dass die Dispersionsrelation nur wenig von der einer beidseitig unendlich ausgedehnten Kette abweicht. Mit dem Ansatz un (q,t) = uei(q·na−ωt) bzw. vn (q,t) = vei(q·na−ωt) (Lagenabstand a) findet man aus der Bewegungsgleichung f¨ur n ≥ 1 die Dispersionsrelation ω(q)2± =

i p D h (M + m) ± (M + m)2 − 2mM (1 − cos(qa)) . mM

(1.7)

Eine oszillatorische L¨osung in der unendlich ausgedehnten Kette setzt ein reelles q voraus. In einem halbunendlichen Kristall kann aber auch ein komplexes q mit ℑ(q) > 0 eine L¨osung mit reellem ω darstellen, die dann vom Ende der Kette ausgehend exponentiell ged¨ampft ist und somit eine Oberfl¨achenmode darstellt. Mit der Erweiterung auf einen komplexen Wellenvektor q = qR + iqI kann man relativ schnell die entsprechenden Bedingungen identifizieren. Bei rein reellem q = qR hat die Dispersionsrelation ω(q) die bekannte Form mit optischem und akustischem Zweig wie in Abb. 1.27a gezeigt. Da qI < 0 einer exponentiell von der Oberfl¨ache anwachsenden Auslenkung entspr¨ache, muss man

34

1 Eigenschaften von Oberfl¨achen (b)

ω ℑ(q) M0

D0 m a D M D m a D M

0

u0 v0 u1 v1 u2

ℑ(q) 0 0

30

Phononenfrequenz ω (meV)

(a)

ℜ(q)

π/a

20

10

0

Γ

Wellenzahlvektor q||

M

Abb. 1.27: (a) Phononendispersion ω(q) einer zweiatomigen linearen Kette. Reelle q sind grau, komplexe q schwarz gezeichnet. (b) In Slab-Geometrie (31 Lagen) berechnete Dispersionsrelation der Phononen eines endlichen Cu(111)-Kristalls entlang der ΓM-Richtung. Oberfl¨achenmoden sind mit schwarzen, Volumenmoden mit grauen Linien markiert (nach [1.8]).

die L¨osung auf qI > 0 beschr¨anken. Man erh¨alt so mit cos(qa) = cos(qR a) cosh(qI a) + i sin(qR a) sinh(qI a) nur dann ein reellwertiges ω, wenn qR a = 0 oder qR a = π (Beschr¨ankung von qR auf 1. Brillouinzone!) ist. Ersetzt man also in Gl. (1.7) cos(qa) durch ± cosh(qI a), so ergeben p sich zus¨atzliche m¨ogliche L¨osungen pmit rellem ω oberhalb p des Volumenbandes ω > 2D/m + 2D/M f¨ur qR = 0 bzw. 2D/M < ω < 2D/m (Annahme: M > m), also innerhalb der Bandl¨ucke zwischen dem akustischen und optischen Band, f¨ur qR a = π (Abb. 1.27a). Der genaue Energieeigenwert der Oberfl¨achenmode ist dann durch die Randbedingung an der Oberfl¨ache festgelegt, die der zweite Teil der Gl.(1.6) f¨ur n = 0 definiert. Der Unterschied zu der elektronischen Bandstruktur im Zweibandmodell (Abb. 1.22) besteht darin, dass es eine Maximalenergie der Volumenzust¨ande der Phononen gibt. Man stellt fest, dass in dem eindimensionalen Modell ein Schwingungszustand, bei dem die Amplituden exponentiell mit zunehmendem Abstand von der Oberfl¨ache ged¨ampft sind, nur auftritt, wenn die Kraftkonstante D0 bzw. die Atommasse M0 an der Oberfl¨ache von den entsprechenden Werten im Inneren der Kette abweichen. Dies ist ein vern¨unftiges Modell, denn bei der Bildung der Oberfl¨ache werden Bindungen gebrochen und verbleibende Bindungen durch Elektronentransfer ver¨andert, was man durch eine ver¨anderte Kraftkonstante D0 an der Oberfl¨ache ber¨ucksichtigen kann. Auch Adsorbate, die in dem Modell mit einer unterschiedlichen Masse M0 in der ersten Lage ber¨ucksichtigt werden k¨onnen, stellen Randbedingungen dar, die eine Schwingungsmode an der Oberfl¨ache erm¨oglichen. Diese Moden beschreibt man allerdings h¨aufig besser in einem lokalen Bild (Abschnitt 5.4.3).

1.3 Gitterschwingungen an Oberfl¨achen

35

¨ Den Ubergang zum dreidimensionalen Kristall mit Oberfl¨ache kann man durch das Aufstellen der Bewegungsgleichungen der Atome in einer lateral unendlich ausgedehnten Schicht eines Kristalls bestehend aus N Lagen (engl: slab) modellieren. Analog zur Elektronenbewegung in einem periodischen Potential (Gl. (1.2) werden die Schwingungszust¨ande durch einen Vektor q k aus der ersten Oberfl¨achenbrillouinzone charakterisiert. Das Gleichungssystem eines Kristalls aus N Lagen enth¨alt 3N × 3N Gleichungen zu jedem Vektor q k . (Der Faktor 3 entsteht wegen der drei r¨aumlichen Freiheitsgrade der Schwingungen der Atome.) Wie im eindimensionalen Modell k¨onnen in Bandl¨ucken wieder L¨osungen der Bewegungsgleichung auftreten, die im Innenraum des Kristalls senkrecht zur Oberfl¨ache exponentiell ged¨ampft sind. Dabei reicht es, dass es sich um eine relative Bandl¨ucke handelt, in der f¨ur bestimmte q k in der ersten Brillouinzone keine L¨osungen des unendlich ausgedehnten Kristalls (ohne Oberfl¨ache) existieren (vgl. Abschnitte 1.2.3 und 1.2.4 f¨ur die gleichen Zusammenh¨ange bei elektronischen Zust¨anden). Abbildung 1.27b zeigt eine solche Slab-Rechnungder Dispersionsrelation der Schwingungsmoden f¨ur Cu(111). Die Rechnung ist f¨ur N = 31 (111)-Ebenen des Kristalls f¨ur q k entlang der ΓM-Richtung durchgef¨uhrt worden. Die Moden, die sich durch das Modell der eindimensionalen, einatomigen Kette beschreiben lassen, findet man am Γ-Punkt (qk = 0). In der Slab-Rechnung ergeben sich zu jedem qk jeweils 3N Moden, die stehende Wellen entlang der [111]-Richtung darstellen. F¨ur N → ∞ liegen diese Moden bez¨uglich ihrer Frequenz dicht beieinander, es bildet sich das Kontinuum der projizierten Volumenmoden (grau). In Bereichen, in denen es keine volumenartigen L¨osungen gibt, gibt es Moden, die in den Lagen nahe der Oberfl¨ache lokalisiert sind (schwarz). Dies sind die Rayleigh-Mode unterhalb des Kontinuums der volumenartigen Moden und eine Mode nahe des M-Punkts in einer Bandl¨ucke der volumenartigen Moden. Die Situation ist analog zu den elektronischen Zust¨anden an der Oberfl¨ache (vgl. Abb. 1.23). Diese Oberfl¨achenmoden stellen intrinsische Moden des dreidimensionalen Kristalls dar. Wie wir gesehen haben, f¨uhrt die Pr¨asenz der Oberfl¨ache zu neuen Bindungsverh¨altnissen der Atome, Gleichgewichtsabst¨ande k¨onnen modifiziert sein und durch eine Rekonstruktion der Oberfl¨ache kann diese andere Symmetrien aufweisen als der Volumenkristall. So wie das zu neuen elektronischen Oberfl¨achenzust¨anden f¨uhren kann (Abschnitt 1.2.4), k¨onnen sich dadurch auch neue vibronische Zust¨ande ausbilden, die im Volumenkristall nicht existieren und die an der Oberfl¨ache lokalisiert sind. Ein Beispiel daf¨ur ist die Kippmode der Dimere auf der rekonstruierten Si(100)-c(4 × 2)-Oberfl¨ache (Abb. 1.2.4a). Solche Moden m¨ussen nicht notwendigerweise in Bandl¨ucken auftreten, sondern k¨onnen auch in den Bereichen der projizierten Volumenbandstruktur zu finden sein. Wenn es die Symmetrie der Mode erlaubt, kann sie in diesem Fall auch an eine Volumenmode koppeln und wird damit zur Oberfl¨achenresonanz. Auch durch das Aufbringen d¨unner Filme oder Adsorbatschichten kann man ebenfalls Schwingungsmoden erzeugen, die an der Oberfl¨ache lokalisiert sind. Diese Moden bezeichnet man auch als extrinsische Oberfl¨achenmoden. Schwingungen adsorbierter Molek¨ule werden in Kap. 5.4 behandelt.

36

1 Eigenschaften von Oberfl¨achen

Literatur 1.1

M. A. Van Hove, W. H. Weinberg, and C.-M. Chan, Low-Energy Electron Diffraction: Experiment, Theory and Surface Structure Determination, Springer (Berlin 1986).

1.2

K. Heinz and U. Starke, Surface Crystallograpy in Surface and Interface Science (Hrsg. K. Wandelt), Vol. 2, p. 489, Wiley-VCH (Berlin 2012).

1.3

K. Hermann, Basics of Crystallography in Computational Methods in Catalysis and Materials Science (Hrsg. P. Sautet and R. van Santen), Kap. 13, Wiley-VCH (Weinheim 2012).

1.4

M. Arnold, A. Fahmi, W. Frie, L. Hammer, and K. Heinz, J. Phys.: Condens. Matter 11, 1873 (1999).

1.5

M. Weinelt, M. Kutschera, R. Schmidt, Ch. Orth, Th. Fauster, and M. Rohlfing Appl. Phys. A 80, 995 (2005).

1.6

M. Roth, Th. Fauster, and M. Weinelt, Appl. Phys. A 88, 497 (2007).

1.7

N. Fischer, S. Schuppler, Th. Fauster, and W. Steinmann, Surf. Sci. 314, 89 (1994).

1.8

A. Eiguren, B. Hellsing, F. Reinert, G. Nicolay, E. V. Chulkov, V. M. Silkin, S. H¨ufner, and P. M. Echenique, Phys. Rev. Lett. 88, 066805 (2002).

Weitere Literatur 1.9

K. Hermann, Crystallography and surface structure: an introduction for surface scientists and nanoscientists, Wiley-VCH (Weinheim 2011).

2

Prozesse an Oberfl¨achen

Im vorigen Kapitel haben wir die statischen Eigenschaften von Oberfl¨achen wie geometrische, elektronische und phononische Struktur besprochen. Um die Eigenschaften von Oberfl¨achen zu untersuchen, ist die Wechselwirkung mit der Umgebung, also insbesondere mit Photonen, Elektronen, Atomen oder Moleku¨len no¨tig. Wa¨hrend die Wechselwirkung mit Photonen im Rahmen der Methode der Photoelektronenspektroskopie in Kap. 5.2.1 und 5.3 besprochen wird, sollen in diesem Kapitel die Prozesse diskutiert werden, die durch Elektronen und Atome bzw. Molek¨ule ausgel¨ost werden, die auf die Oberfl¨ache treffen. Die Wechselwirkungsprozesse von Elektronen an Oberfl¨achen sind sehr vielf¨altig und ein großer Teil der f¨ur Oberfl¨achenuntersuchungen eingesetzten Methoden beruht auf der R¨uckstreuung oder Ausl¨osung von Elektronen (vgl. Kapitel 4 und 5). Der Grund hierf¨ur ist die geringe freie Wegl¨ange von niederenergetischen Elektronen in Festk¨orpern. Daher sollen in Kap. 2.1 die inelastischen Streu- bzw. Energieverlustprozesse besprochen werden, die bei allen Methoden auftreten, die niederenergetische Elektronen verwenden. Die Kap. 2.2 und 2.3 besch¨aftigen sich mit Prozessen auf atomaren Skalen, die sich an der Oberfl¨ache abspielen, wenn Atome oder Molek¨ule aus der Gasphase auftreffen. Die Oberfl¨ache ist die Grenze eines Festk¨orpers zu seiner Umgebung, d. h. alles, was zwischen dem Festk¨orper und der ihn umgebenen Phase passiert, findet (zun¨achst) an der Oberfl¨ache statt: Anlagerung von Adsorbatschichten und Filmwachstum, Aufl¨osung eines Kristalls, oder Korrosion und Katalyse, um ein paar Ph¨anomene zu nennen. All diesen liegen elementare Prozesse auf atomarer Ebene zu Grunde, die man mit modernen Methoden experimentell aber auch theoretisch zuverl¨assig charakterisiert hat. Diese Prozesse sind f¨ur die Vorhersage von Eigenschaften und Herstellungsvorg¨angen von Oberfl¨achenbeschichtungen in der Industrie (bei der Produktion von Halbleiterbauelementen, von optischen und korrosionshemmenden Beschichtungen, etc.) von enormer Bedeutung.

2.1

Energieverlustprozesse von Elektronen

Die Wechselwirkung von geladenen Teilchen wie Elektronen mit Materie erfolgt u¨ ber die Coulombwechselwirkung mit den Elektronen und Atomkernen des Festk¨orpers. Dabei kann es sowohl zur elastischen Streuung kommen, bei der nur die Richtung des Elektrons ge¨andert wird, oder auch zu inelastischen Prozessen, bei denen das Elektron einen Teil seiner Energie verliert. (Im Prinzip w¨aren auch Energiegewinne m¨oglich, allerdings k¨onnen vom Kristall nur Energien der Gr¨oßenordnung kB T zur Verf¨ugung gestellt werden.) Man unterscheidet daher zwischen der elastischen und der inelastischen mittleren freien Wegl¨ange, welche jeweils die Strecke angibt, die sich ein Elektron im Mittel durch den Festk¨orper bewegen kann, bevor es einen elastischen bzw. inelastischen Streuprozess erleidet. Aufgrund des Massenverh¨altnisses f¨uhrt die Streuung von Elektronen an Atomkernen zu einem vernachl¨assigbaren Impuls¨ubertrag und die Streuung ist (quasi-)elastisch.

38

2 Prozesse an Oberfl¨achen

Im Gegensatz dazu kann die Elektron-Elektron-Streuung zu einem großen Impuls¨ubertrag und Energieverlust f¨uhren. Da sich im Festk¨orper mehr Elektronen als Atomkerne befinden, wird die Reichweite der Elektronen und damit die Informationstiefe durch die inelastische mittlere freie Wegl¨ange beschr¨ankt. Im folgenden wollen wir uns daher auf die Besprechung der inelastischen Streuprozesse konzentrieren.

2.1.1

Energieverteilung gestreuter Elektronen

Elektronen, die sich durch den Festk¨orper bewegen, seien es nun von außen eingestrahlte oder durch vorangegangene Prozesse emittierte Elektronen, k¨onnen weitere Elektronen einzeln oder kollektiv anregen. Die daf¨ur aufzuwendende Energie muss vom anregenden Elektron stammen, welches im Prinzip jeden beliebigen Anteil seiner Energie u¨ bertragen kann. Um diese Prozesse detailliert zu untersuchen, kann man z. B. die Oberfl¨ache eines Festk¨orpers mit Elektronen einer definierten Energie (Prim¨arenergie EP ) bestrahlen und das Energiespektrum der von der Probe zur¨uckkommenden Elektronen aufnehmen. Dieses ist schematisch in Abb. 2.1 dargestellt. Neben dem elastisch reflektierten Strahl (Prim¨arelektronen) findet man dabei einen weitgehend kontinuierlichen Untergrund von Elektronen geringerer Energie. Dieser setzt sich zusammen aus Elektronen, die beim Durchgang durch die Materie einen oder mehrere inelastische Prozesse erlitten haben (r¨uckgestreute Elektronen) und solchen, die aus dem Festk¨orper selbst stammen und durch inelastische Prozesse u¨ ber ¨ die Vakuumenergie angeregt wurden (Sekund¨arelektronen). Uberlagert wird dieser kontinuierliche Untergrund von vergleichsweise scharfen Linien, die von diskreten Verlusten oder Auger-Elektronen (Abschnitt 5.2.3) stammen.

Zählrate

Sekundärelektronen Primärelektronen Verluste Augerelektronen rückgestreute Elektronen Abb. 2.1: Schematische Darstellung der Energieverteilung r¨uckgestreuter Elektronen.

0

Kinetische Energie

Ep

Nur wenige der auf eine Probe einfallenden Elektronen werden ohne Energieverlust, d. h. elastisch zur¨uckgestreut, ihr Anteil liegt im Prozentbereich des einfallenden Prim¨arstroms. Das Signal der elastisch reflektierten Elektronen besitzt eine geringe Linienbreite und daher eine hohe spektrale Intensit¨at im Vergleich zu den r¨uckgestreuten Elektronen. Da jedes einfallende Elektron in inelastischen Streuprozessen weitere niederenergetische Sekund¨arelektronen anregen kann, ist die Summe aller die Probe verlassenden Elektronen vergleichbar mit der Zahl der einfallenden Elektronen. Der Quotient aus der Zahl der insgesamt emittierten zu der der einfallenden Elektronen wird als Sekund¨arelektronen-Emissionskoeffizient bezeichnet. Bei Metallen liegt er typischerweise in der Gr¨oßenordnung von Eins und hat sein Maximum bei Prim¨arenergien um 1 keV. Bei Isolatoren k¨onnen Werte bis etwa 20 erreicht werden (was in Sekund¨arelektronen-Vervielfachern ausgenutzt wird, Abb. 5.4a). Der Sekund¨arelektronen-Emissionskoeffizient h¨angt neben der Prim¨arelektronen-Energie und

2.1 Energieverlustprozesse von Elektronen

39

dem Einfallswinkel auch von der chemischen Zusammensetzung und Struktur der Probenoberfl¨ache ab. Aus diesem Grund ist die Messung des lokal ausgel¨osten Sekund¨arelektronensignals in einem Rasterelektronenmikroskop hervorragend geeignet, ein Abbild der dreidimensionalen Topographie der Probe zu liefern. F¨ur die Fragestellungen der Oberfl¨achenphysik bilden Sekund¨arelektronen meist nur einen ,,st¨orenden” Untergrund. Eine Ausnahme ¨ ist die Anderung der Sekund¨arelektronenemission an einer Bandkante der projizierten Volumenbandstruktur (Abb. 5.17a). In Abb. 2.1 erkennt man, dass Energieverluste unterschiedlicher Art und Gr¨oße auftreten k¨onnen. Die Energieverluste k¨onnen die Prim¨arenergie nicht u¨ bersteigen, so dass sich eine starke Energieabh¨angigkeit der Verlustprozesse und damit der mittleren freien Wegl¨ange von Elektronen ergibt. Zun¨achst betrachten wir die unterschiedlichen Anregungsprozesse. Niederenergetische Anregungen Energieverluste an Gitter- oder Molek¨ulschwingungen werden in Kap. 5.4 behandelt und spielen f¨ur die inelastische mittlere freie Wegl¨ange keine wesentliche Rolle. Die elektronischen Anregungen mit der niedrigsten Energie sind die Erzeugung von Elektron-Loch¨ Paaren durch das Prim¨arelektron. Diese elektronischen Uberg¨ ange aus einem besetzten in ein dar¨uber liegendes, unbesetztes Band f¨uhren zu einer Schulter und einer asymmetrischen Verbreiterung auf der niederenergetischen Seite der Prim¨arlinie im Verlustspektrum (Abb. 2.1). Die Breite dieser Verluststrukturen ist an die Breite der beteiligten B¨ander gekoppelt und meist deutlich kleiner als 10 eV. Bei Halbleitern gibt es keine elektronischen Verluste mit Energien kleiner als die Bandl¨ucke und die Linienform ist symmetrisch. Die im Verlustprozess angeregten Elektronen tragen zu den Sekund¨arelektronen bei und k¨onnen die Oberfl¨ache verlassen, falls ihre Energie u¨ ber der Vakuumenergie liegt. Plasmonen-Anregungen Eine stark vereinfachte Beschreibung der elektronischen Zust¨ande der Valenzelektronen in einem Festk¨orper (seien sie nun im Leitungsband eines Metalls oder im Valenzband eines Halbleiters oder Isolators) ist das Modell des freien Elektronengases. In diesem Modell besteht der Festk¨orper aus einem starren Gitter positiv geladener Atomr¨umpfe, deren Zwischenraum ausgef¨ullt ist von den homogen verteilten Valenzelektronen. Erf¨ahrt diese quasi-frei bewegliche Elektronenverteilung eine kleine Auslenkung, hervorgerufen z. B. durch die Coulombabstoßung, die ein einfallendes Prim¨arelektron verursacht, so f¨uhrt die r¨ucktreibende Anziehungskraft des Gitters der Ionenr¨umpfe zu einer kollektiven Schwingung der Elektronenverteilung. Die Frequenz dieser p (Elektronenplasma-)Schwingung heißt Plasmafrequenz und berechnet sich zu ωP = ne2 /ǫ0 m∗ . Sie h¨angt damit lediglich von der Teilchendichte n der Elektronen mit der effektiven Masse m∗ ab. Als quantenmechanisches System ist die Energie der Schwingung quantisiert, die Schwingungsquanten heißen Plasmonen und haben die Energie ~ωP . Die Plasmonen-Energien von Valenzelektronenschwingungen liegen im Bereich von 5 – 25 eV. Durch ge¨anderten Randbedingungen an der Oberfl¨ache entstehen neue, im Oberfl¨achenbereich lokalisierte Schwingungsmoden, deren Quanten Oberfl¨achenplasmonen heißen. Ihre Energie ist gegen¨uber den Volumenplas√ ¨ monen n¨aherungsweise um den Faktor 2 reduziert. Insbesondere bei Ubergangsmetallen kommt es zu einer engen Kopplung von Plasma- und elektronischen Interbandanregungen, so dass Einelektronen- und kollektive Anregungen nicht mehr klar unterschieden werden k¨onnen. In diesen F¨allen wird der spektrale Verlauf recht komplex. Auch werden durch diese Kopplung die Plasmonenenergien erheblich gegen¨uber der Vorhersage des Modells freier Elektronen verschoben.

2 Prozesse an Oberfl¨achen

640

680

700

740

x10

760

780

Primärlinie

3VP 2VP+OP 2VP 1VP+OP

4VP

6VP 720

5VP

8VP 660

7VP

Differenziertes Signal

Abb. 2.2: Messung von Oberfl¨achenund Volumenplasmonen verlusten (OP bzw. VP) an einer Aluminiumoberfl¨ache (differenziertes Spektrum).

x100

1VP OP

40

800

820

Kinetische Energie (eV)

Durch die Anregung von Plasmonen erleiden einfallende Prim¨arelektronen diskrete Energieverluste, was zu klar separierten Satellitenlinien auf der niederenergetischen Seite des Prim¨arelektronenlinie f¨uhrt. Bei Volumenplasmonen kommt es dabei h¨aufig zu Mehrfachverlusten, wodurch eine Sequenz a¨ quidistanter Linien entsteht, deren Intensit¨aten mit zunehmender Ordnung rasch abnimmt. Oberfl¨achenplasmonen dagegen werden im Allgemeinen nur einfach angeregt, sie k¨onnen jedoch auch in Kombination mit VolumenplasmonVerlusten beobachtet werden. Eine Messung der Plasmonenverluste f¨ur Aluminium ist in Abb. 2.2 dargestellt. Um die Strukturen vom Untergrund besser abzuheben, wurde die erste Ableitung des Energieverlustspektrums mit Modulationstechnik (Abschnitt 5.1.3) gemessen. Im Bereich der Mehrfach-Plasmonenverluste werden die Verlustlinien immer breiter, so dass die Oberfl¨achenplasmonen nicht mehr aufgel¨ost werden k¨onnen. Dies liegt daran, dass hier die Elektronen im Mittel immer l¨angere Wege im Festk¨orper zur¨uckgelegt haben und dabei auch andere niederenergetische Verluste, wie sie zuvor besprochen werden, erlitten haben. Die Kenntnis der Oberfl¨achenplasmonen ist von Bedeutung f¨ur das aufstrebende Gebiet der Nanooptik. Hochenergetische Anregungen F¨ur Energieverluste mit noch h¨oheren Energien kommt die Anregung von Elektronen in inneren Schalen in Betracht. Die Anregungswahrscheinlichkeit hierf¨ur ist relativ gering (Abb. 5.12) und spielt als Verlustprozess nur eine geringe Rolle. Da bei Lochanregungsenergien < 3 keV die Rekombination durch Emission von Augerelektronen erfolgt (Abschnitt 5.2.3) treten im Energieverlustspektrum (Abb. 2.1) weitere Linien auf, deren Energie nicht von der Prim¨arenergie abh¨angt.

2.1.2

Inelastische mittlere freie Wegl¨ange

Unter der inelastischen mittleren freien Wegl¨ange λin (engl. inelastic mean free path: IMFP) versteht man ganz allgemein die Strecke, die ein Elektron im Festk¨orper zur¨ucklegen kann, bevor es im Mittel einen inelastischen Prozess erleidet. Da λin einer reziproken D¨ampfungskonstanten entspricht, kommt es darauf an, welche der m¨oglichen inelastischen Prozesse tats¨achlich zu einer Verringerung der Messgr¨oße f¨uhren, d. h. λin h¨angt vom betrachteten physikalischen System ab. Im speziellen Fall der Elektronenspektroskopie werden hierf¨ur im Allgemeinen nur solche inelastischen Prozesse ber¨ucksichtigt, die die integrale Intensit¨at einer Linie beeinflussen und nicht nur deren Linienform, also Prozesse, die mit Energieverlusten mindestens im eV-Bereich verbunden sind.

2.1 Energieverlustprozesse von Elektronen

41

Mittlere freie Weglänge (Å)

1000

100

µE

–2

µÖE 10

oberflächenempfindlich

1 1

10

100

Energie (eV)

1000

10000

Abb. 2.3: ,,Universelle Kurve” f¨ur die inelastische mittlere freie Wegl¨ange von Elektronen in Metallen (nach [2.2]).

In Abb. 2.3 ist der qualitative Verlauf der freien Wegl¨ange λin von Elektronen als Funktion der Energie oberhalb der Fermienergie gezeigt. Im einstelligen eV-Bereich wird die Kurve im Wesentlichen durch die Anregung von Elektron-Loch-Paaren gepr¨agt. Da die inelastische Streuwahrscheinlichkeit f¨ur diesen Energieverlust proportional zum Produkt aus dem zur Verf¨ugung stehenden Energiebereich von unbesetzten (∝ E) und besetzten (∝ E) Zust¨anden ist, nimmt die Kurve zun¨achst etwa mit E −2 ab. Wird mit zunehmender Energie auch die Anregung von Plasmonen (Abschnitt 2.1.1) bzw. Ionisation von Rumpfelektronen m¨oglich, so verringern diese Prozesse die freie Wegl¨ange der Elektronen. In einem einfachen Modell setzt man die inelastischen Streuquerschnitte proportional zur Wechselwirkungszeit τ des vorbei fliegenden √ Elektrons an. Dadurch steigt die freie Wegl¨ange mit der Energie an und zwar etwa ∝ E, was den tats¨achlichen Verlauf von λin f¨ur E > 100 eV recht gut wiedergibt. Die in Abb. 2.3 gezeigte Kurve stellt eine Anpaasung an eine große Anzahl experimenteller Daten f¨ur verschiedene Elemente dar. Sie wird h¨aufig als ,,universelle Kurve” bezeichnet, obwohl die elementspezifische Streuung der Messwerte etwa einen Faktor 3 – 5 betr¨agt (was jedoch bei der u¨ blichen doppelt-logarithmischen Auftragung nur zu einer moderaten Streuung f¨uhrt). Sie kann also bestenfalls als grober Anhaltspunkt f¨ur die tats¨achliche freie Wegl¨ange und ihre Energieabh¨angigkeit dienen. Die minimale freie Wegl¨ange liegt ˚ Dies begr¨undet die typischerweise im Bereich 20 – 100 eV und betr¨agt da nur ca. 3 – 10 A. hervorragende Oberfl¨achenempfindlichkeit von Methoden, die Elektronen in diesem Energiebereich als Sonde verwenden.

42

2 Prozesse an Oberfl¨achen

2.2

Adsorption, Desorption und Diffusion

Um die Wechselwirkung von Atomen und Molek¨ulen mit einer Oberfl¨ache zu untersuchen, gehen wir im Folgenden davon aus, dass der Festk¨orper mit einer ihn umgebenden Gasphase Teilchen austauscht. Nachdem ein Atom auf die Festk¨orperoberfl¨ache auftrifft, k¨onnen verschiedene Prozesse ablaufen, die in Abb. 2.4 dargestellt sind. Das Atom (oder Molek¨ul) kann zum einen haften bleiben (adsorbieren) und anschließend auf andere Pl¨atze auf der Oberfl¨ache wechseln (diffundieren). Bei der Diffusion kann auch ein Platztausch mit einem Substratatom erfolgen. M¨oglich ist auch, dass das Atom die Oberfl¨ache wieder verl¨asst (desorbiert). An einer Stufenkante, einem Defekt oder beim Zusammentreffen mit einem anderen Atom auf der Terrasse kann das Atom st¨arker gebunden werden. Unter Umst¨anden ist dann eine weitere Diffusion oder Desorption verhindert, es bildet sich ein Keim, an dem sich weitere Atome anlagern und Schichtwachstum einsetzt. Jeder einzelne dieser Prozesse besitzt eine charakteristische Wahrscheinlichkeit, mit der er auftritt. Diese wird im Wesentlichen durch eine charakteristische Energie, die in einem thermisch aktivierten Prozess aufgebracht werden muss, bestimmt: Diffusionsbarrieren, Bindungsenergien etc.. Daher h¨angt die Wahrscheinlichkeit, dass ein bestimmter Prozess auftritt, sehr stark von der Temperatur ab. Abb. 2.4: Elementarprozesse nach dem Auftreffen eines Atoms aus der Gasphase auf eine Oberfl¨ache: (a) Adsorption und Diffusion, (b) Desorption, (c) Platzwechsel mit einem Substratatom, (d,e) Anlagerung an einer Stufenkante oder an einem Defekt und (f) Nukleation eines Keimes.

2.2.1

(b) (a)

(c)

(f) (d)

(e)

Adsorption

Eine Festk¨orperoberfl¨ache, die sich im thermodynamischen Gleichgewicht mit ihrer Umgebung befindet, tauscht Atome aus, so dass die Rate von Adsorption und Desorption im Ensemble gleich groß ist (detailliertes Gleichgewicht). Damit sich beispielsweise die Anzahl der auf der Oberfl¨ache adsorbierten Atome der Sorte A mit der Zeit vergr¨oßert, muss das chemische Potential der Komponente A in der Gasphase gr¨oßer als sein Gleichgewichtswert sein. Da dieses (in der kinetischen Gastheorie) proportional zum Logarithmus des Partialdrucks der Komponente ist, muss man also mehr Atome der Sorte A in die Gasphase bringen als es dem Dampfdruck im Gleichgewicht entspricht. Bezeichnet man mit θ die relative Bedeckung der vorhandenen Adsorptionspl¨atze der Oberfl¨ache mit Atomen der Sorte A, so erh¨alt man f¨ur die Adsorptionsrate dθ pA S(θ)e−EA /kB TG . = √ dt na 2πmkB TG

(2.1)

Dabei bezeichnet na die Fl¨achendichte der Adsorptionspl¨atze der Oberfl¨ache. Diese ist spezifisch f¨ur das betrachtete System, h¨angt aber auch den gew¨ahlten Parametern z. B. der Temperatur der Oberfl¨ache ab. Der Rest des Quotienten stellt die Rate der auf die Oberfl¨ache auftreffenden Atome dar, wie man sie aus der kinetischen Gastheorie f¨ur ein Gas mit Temperatur TG und Partialdruck pA der Sorte A erh¨alt. Der Exponentialterm ber¨ucksichtigt, dass unter Umst¨anden eine Aktivierungsbarriere EA u¨ berwunden werden muss, um

2.2 Adsorption, Desorption und Diffusion (a) E

43 (b) E

EA 1

-EB

EDes

3

5

z (Å)

1

EDe s

3

5

z (Å)

-EB

Abb. 2.5: Gesamtenergie eines Atoms (a) bzw. eines Molek¨uls (b) vor einer Oberfl¨ache. In (a) gelangt ¨ das Atom ohne Uberwindung von Energiebarrieren in den energetisch niedrigsten chemisorbierten Zustand. Wenn ein ankommendes Atom eine große kinetische Energie besitzt (graue Linie), m¨ussen weitere Prozesse auftreten, damit das Atom die Oberfl¨ache nicht wieder verl¨asst. (b) Bei der dissoziativen Adsorption eines Molek¨uls kommt es zur Ausbildung einer Barriere zwischen dem molekularen, physisorbierten Zustand und dem atomaren, chemisorbierten Zustand.

u¨ berhaupt an die Oberfl¨ache binden zu k¨onnen. Diese Barriere tritt insbesondere dann auf, wenn ein Molek¨ul zuerst dissoziieren muss (dissoziative Adsorption) oder wenn andere auf der Oberfl¨ache adsorbierte Teilchen ihren Platz erst freigeben m¨ussen (vgl. Abb. 2.5b). S(θ) ist der Haftkoeffizient (engl. sticking coefficient)Wenn die auftreffende Atomsorte gleich der des Substrats ist, also der Kristall einfach w¨achst, dann ist S unabh¨angig von der Anzahl der sich auf der Oberfl¨ache befinden Atome. Andernfalls h¨angt er von der (momentanen) Bedeckung ab, da sich durch die Besetzung von Adsorptionspl¨atzen die Zahl der freien Pl¨atze verringert. Daher gilt im einfachsten Fall S(θ) ∝ (1 − θ). Wenn aber f¨ur eine erfolgreiche Adsorption beispielsweise eines Molek¨uls, das dissoziiert, q freie Pl¨atze nebeneinander erforderlich sind, dann f¨uhrt das zu einer Abh¨angigkeit S(θ) ∝ (1 − θ)q . Der Haftkoeffizient kann auch von der kinetischen Energie der auftreffenden Spezies A abh¨angen. Wenn Atome die Energie nicht schnell genug an das Gitter abgeben k¨onnen, dann kann es passieren, dass sie direkt wieder desorbieren, quasi an der Oberfl¨ache reflektiert“ werden (Abb. 2.5a). ” Der Adsorptionsprozess findet meist bei Temperaturen T statt, bei der Desorption zu ver¨ nachl¨assigen ist. Unter dieser Bedingung ist die Anderung der Bedeckung allein durch Gl. (2.1) gegeben. Allerdings h¨angt der Temperaturbereich, in dem dies g¨ultig ist, davon ab, wie groß die Bindungsenergie des Adsorbats an der Oberfl¨ache ist. Hier sind zwei grunds¨atzliche Zust¨ande des Adsorbats zu unterscheiden: physisorbiert und chemisorbiert. Alle Adsorbate k¨onnen an einer Oberfl¨ache physisorbieren. Das bedeutet, dass keine chemische Bindung mit der Oberfl¨ache ausgebildet wird (also insbesondere kein Elektronentransfer stattfindet), sondern dass van-der-Waals-Kr¨afte das Adsorbat an die Oberfl¨ache binden. Typische Bindungsenergien sind kleiner als 10 meV pro Atom, der Abstand des Adsorbats ˚ Das bedeutet, dass kleinere Molek¨ule bei Raumtemperatur im Allgemeibetr¨agt 3 – 4 A. nen nicht physisorbiert sind und die Desorption auch bei tieferen Temperaturen nicht zu vernachl¨assigen ist. Der physisorbierte Zustand ist wenig ortspezifisch, was die Position parallel zur Ebene der Oberfl¨ache anbelangt. Dadurch sind Diffusionsbarrieren sehr klein. Oft ist der physisorbierte Zustand eine Vorstufe zur Chemisorption, da es dem physisorbier-

44

2 Prozesse an Oberfl¨achen

(a) E

(b) E z

σ*

εa

EF ε‘a

εa

εd σ

Abb. 2.6: Ausbildung einer chemischen Bindung eines Atoms an der Oberfl¨ache: Wechselwirkung eines Adsorbatorbitals ǫa mit (a) ausgedehnten Zust¨anden an der Oberfl¨ache (s-, p-Elektronen) und (b) st¨arker lokalisierten Zust¨anden (z. B. d-Elektronen). Fall (a) zeigt die Verschiebung der Energie und der energetischen Breite des Adsorbatorbitals aufgrund des elektrostatischen Potentials (gestrichelt) ¨ und des Uberlapps von Adsorbat- und Substratelektronen. Im Fall (b) tritt zus¨atzlich eine Wechselwirkung mit st¨arker lokalisierten Orbitalen ǫd des Substrats auf und es bilden sich wie in einem Molek¨ul bindende (σ) und anti-bindende σ ∗ Hybridorbitale zwischen Adsorbat und Oberfl¨ache.

ten Adsorbat m¨oglich ist, kinetische Energie an das Kristallgitter des Substrats abzugeben oder eine anderweitig g¨unstige Konfiguration f¨ur die Adsorption einzunehmen (Abb. 2.5b). Bei der Chemisorption werden Elektronen zwischen der Oberfl¨ache und dem Adsorbat ¨ ausgetauscht. Der Ubergang vom physisorbierten zum chemisorbierten Zustand ist insbe¨ sondere bei der dissoziativen Adsorption (Abb. 2.5b) mit der Uberwindung einer Barriere EA verbunden. Dementsprechend kann die Energiebarriere bei der Desorption EDes etwas gr¨oßer als die Bindungsenergie EB sein. F¨ur die Bindung sind die energetisch h¨ochsten besetzten und niedrigsten unbesetzten Adsorbatorbitale wichtig (engl. frontier orbitals), denn diese k¨onnen leicht Elektronen mit der Oberfl¨ache austauschen. Im Fall von Molek¨ulen spricht man im Englischen vom highest occupied molecular orbital (HOMO) und dem lowest unoccupied molecular orbital (LUMO). Im adsorbierten Zustand hat das Molek¨ul eine Bindungsenergie EB , die mehrere 100 meV bis mehrere eV betr¨agt. Dies begr¨undet den erheblichen Aufwand zur Entfernung von Verunreinigungen bei der Pr¨aparation von sauberen Oberfl¨achen (Kap. 3.2). Der Abstand zur Oberfl¨ache im chemisorbierten Zustand betr¨agt 1 – ˚ Die Ausbildung einer chemischen Bindung h¨angt stark vom Adsorbat selbst und seiner 2 A. chemischen Umgebung ab. Es gibt spezielle Adsorptionspl¨atze (Abb. 1.6), z. B. direkt auf einem Substratatom (Topplatz, engl. top site) oder Br¨ucken- und Muldenpl¨atze (engl. bridge and hollow site).Diese sind Pl¨atze mit besonderer lokaler Symmetrie, an denen die Summe der horizontalen Kr¨afte auf das Adsorbat Null ist. Bei gr¨oßeren Molek¨ulen findet oft eine Bindung zwischen der Oberfl¨ache und mehreren Atomen des Molek¨uls statt. Dies f¨uhrt zu einem definierten, aber nicht besonders ausgezeichneten Adsorptionsplatz und entsprechender Orientierung des Molek¨uls. Im adsorbierten Zustand hat sich das elektrochemische Potential der Elektronen des Adsorbats an das der Elektronen des Substrats durch Elektronenaustausch angeglichen, d. h. die Adsorbatorbitale verschieben sich relativ zum Ferminiveau EF der Oberfl¨ache. Die Wechselwirkung mit den Zust¨anden eines breiten Elektronenbandes des Substrats f¨uhrt zu einer energetischen Verbreiterung der Adsorbatorbitale. Dies entspricht der Tatsache, dass Elektronen leicht vom Adsorbatorbital in das Substrat wechseln k¨onnen und somit ihre Auf-

2.2 Adsorption, Desorption und Diffusion

45

enthaltswahrscheinlichkeit im Adsorbatorbital reduziert ist. Diese Art der Bindung ist das Pendant zu einer metallischen Bindung im Festk¨orper: der Energiegewinn resultiert aus der Delokalisierung der Elektronen im Adsorbatorbital (Abb. 2.6a). Je nach Position des resultierenden Adsorbatorbitals ǫa′ relativ zum Ferminiveau des Substrats kann die Bindung auch starke ionische Anteile haben. Wenn beispielsweise ein urspr¨unglich mit Elektronen besetztes freies Adsorbatorbital oberhalb EF zu liegen kommt, ist das gebundene Adsorbat positiv geladen. Daneben gibt es noch eine Bindungsart, die eher an die kovalente chemische Bindung erinnert und auftritt, wenn das Substrat schmale B¨ander aufweist, wie sie beispielsweise durch dangling bonds an Halbleiteroberfl¨achen (Abb. 1.24) oder die d-Zust¨ande der Metalloberfl¨achen gebildet werden. Dann kann wie bei einer Bindung in einem diatomaren Molek¨ul aus dem Adsorbatorbital ein bindendes und anti-bindendes kombiniertes Oberfl¨achen-Adsorbat-Orbital entstehen (Abb. 2.6b). Der Ausbildung einer solchen Bindung verdanken die meisten Katalysatoren ihre chemische Aktivit¨at. Durch die Wechselwirkung des Molek¨uls mit der Oberfl¨ache und der einhergehenden Verbreiterung und Verschiebung der Energien der einzelnen Orbitale kann es dazu kommen, dass urspr¨unglich unbesetzte, anti-bindende Molek¨ulorbitale σ ∗ mit Elektronen besetzt werden. Dadurch wird die intra-molekulare Bindung aufgel¨ost und das Molek¨ul dissoziiert an der Oberfl¨ache.

2.2.2

Desorption

Durch Untersuchung der Desorption von einer adsorbatbedeckten Oberfl¨ache lassen sich Bindungsenergien der Adsorbate und der Bedeckungsgrad der Oberfl¨ache bestimmen. Dies wird detailliert in Kap. 7.1 dargestellt. F¨ur die thermische Desorptionsrate erh¨alt man dθ = −νDes (T )θq e−EDes /kB T , dt

(2.2)

dabei bezeichnet νDes (T ) die Versuchsfrequenz (engl. attempt frequency), mit der ein Adsorbat bei der Oberfl¨achentemperatur T u¨ berhaupt versucht, zu desorbieren. Typischerweise ist diese Rate in der Gr¨oßenordnung der Phononenfrequenzen (1013 Hz) anzusetzen. Der Faktor θq ber¨ucksichtigt, dass f¨ur eine Desorption sich Adsorbate auf der Oberfl¨ache befinden m¨ussen und unter Umst¨anden q Adsorbate gemeinsam als q-atomiges Molek¨ul desorbieren. Der Exponentialfaktor ber¨ucksichtigt, dass das Adsorbat an die Oberfl¨ache gebunden ist und demnach Energie f¨ur das Aufbrechen einer Bindung erforderlich ist. Es gilt also im einfachsten Fall EDes = EB + EA (Abb. 2.5). Die Gln. (2.2) bzw. (2.1) enthalten also unterschiedliche Temperaturen im Exponentialfaktor: die Temperatur TG des Gases aus Teilchen der Sorte A und der Temperatur T der Oberfl¨ache. Neben der thermischen Desorption gibt es auch die elektronisch stimulierte Desorption. Hierbei kann die Anregung durch Elektronen oder Photonen erfolgen. Je nach dem spricht man von elektronen- oder photonenstimulierter Desorption (ESD bzw. PSD), manchmal auch kurz von Photodesorption (PD). Als u¨ bergeordneter Begriff hat sich auch Desorpti¨ on induziert durch elektronische Uberg¨ ange (desorption induced by electronic transitions DIET) eingeb¨urgert. In Abb. 2.7 ist die potentielle Energie als Funktion des Abstands des Adsorbats von der Oberfl¨ache gezeigt, die im Grundzustand ein Minimum beim Gleichgewichtsabstand hat. Durch die Anregung kann ein Elektron in einen antibindenden Zustand angehoben werden.

2 Prozesse an Oberfl¨achen

Abregung

Anregung

Abb. 2.7: Elektronisch stimulierte Desorption. Die Anregung und Abregung der Elektronen eines Adsorbats erfolgt auf einer Femtosekundenzeitskala, ¨ wohingegen die Anderung von Atomkoordinaten (Bewegung des Adsorbats) auf einer Pikosekundenskala erfolgt.

Potentielle Energie

Zunahme der kinetischen Energie

Abnahme der kinetischen Energie

Kinetische Energie desorbierender Teilchen

46

P(E)

0

Abstand Adsorbat – Oberfläche

Dieser elektronische Prozess ist sehr schnell (wenige Femtosekunden) und der Abstand ver¨andert sich dabei nicht. In der Molek¨ulphysik wird das als Franck-Condon-Prinzip bezeichnet. Nun kann das elektronisch angeregte Adsorbat durch Vergr¨oßerung des Abstands seine potentielle Energie erniedrigen und gewinnt dabei kinetische Energie. Das Elektron kann aber jederzeit auch wieder auf die Grundzustandskurve zur¨uckkehren. Die dabei freiwerdende Energie f¨uhrt zur Erzeugung eines Elektron-Loch-Paars im Substrat. Bei der elektronischen Abregung a¨ ndern sich Abstand und kinetische Energie des Adsorbats nicht. Wenn die kinetische Energie ausreicht, um den verbleibenden Potentialberg zu u¨ berwinden, kommt es schließlich zur Desorption. Der Desorptionsprozess h¨angt letztendlich davon ab, in welchem Abstand von der Oberfl¨ache der Abregungsprozess erfolgt. Da aber die Lebensdauer des angeregten Elektrons gerade f¨ur kleine Abst¨ande aufgrund der starken Wechselwirkung mit dem Substrat kurz ist und im Femtosekundenbereich liegt (Abschnitt 5.3.3), ist die elektronische stimulierte Desorption im Allgemeinen ein sehr ineffizienter Prozess bezogen auf die Zahl der desorbierenden Teilchen pro einfallendem Elektron bzw. Photon.

2.2.3

Diffusion

Ist ein Adsorbat auf der Oberfl¨ache gebunden und ist Desorption bei der gew¨ahlten Temperatur T sehr unwahrscheinlich, dann kann es auf der Oberfl¨ache diffundieren. F¨ur das Adsorbat besteht die Oberfl¨ache aus einer Potentiallandschaft mit g¨unstigen und weniger g¨unstigen Adsorptionspl¨atzen. Um von einem Adsorptionsplatz zu einem anderen zu gelangen, m¨ussen Energiebarrieren u¨ berwunden werden (Abb. 2.8). Dementsprechend gilt f¨ur die Sprungrate kD (T ) zu einem benachbarten Adsorptionsplatz kD (T ) = νD (T )e−ED /kB T

(2.3)

mit dem Vorfaktor νD (T ) (Versuchsfrequenz, engl. attempt frequency, a¨ hnliche Gr¨oßenordnung wie bei der Desorption), sowie der Diffusionsbarriere ED < EB . Typische Diffusionsbarrieren reichen von 10 meV f¨ur schwach gebundene Molek¨ule und Atome bis zu etwa 1eV f¨ur stark kovalent gebundene Adsorbate auf Oberfl¨achen. Die Diffusionsbarriere h¨angt nicht nur von der speziellen Materialpaarung sondern auch von der Orientierung der Substratoberfl¨ache ab. So besitzen dichtgepackte Oberfl¨achen (fcc(111)) generell eine geringere Diffusionsbarriere als offenere Oberfl¨achen (fcc(110)). Die Messung

2.2 Adsorption, Desorption und Diffusion E

ES

47 ED

Abb. 2.8: Potentiallandschaft eines diffundierenden Adsorbats auf einem Substrat. Um zu einem benachbarten Adsorptionsplatz zu gelangen, muss die Diffusionsbarriere ED u¨ berwunden werden. In der Umgebung von Defekten kann die Barriere sich a¨ ndern (an Stufe: Ehrlich-Schw¨obel-Barriere ES ) und somit die Diffusion beeinflusst werden.

der Diffusionsbarriere ist nicht ganz einfach, sie ist jedoch ein enorm wichtiger Parameter, um Wachstumsprozesse auf Oberfl¨achen (wie sie z. B. in der Produktion von Halbleitern erforderlich sind) modellieren zu k¨onnen. Es gibt eigentlich nur zwei Methoden, die direkt die Position eines einzelnen Atoms auf der Oberfl¨ache als Funktion der Zeit feststellen k¨onnen: die Feldionenmikroskopie [2.3] und die Rastertunnelmikroskopie (Kap. 6.2). Mit letzterer kann bei Wahl des richtigen Temperaturbereichs, bei dem die Sprungrate im Bereich von 0,01 − 1 Hz liegt, die Diffusionsbarriere durch eine Arrhenius-Auftragung der mittleren Sprungrate (ermittelt an einem Ensemble von Atomen) bestimmt werden (Abb. 2.9). Andere Methoden leiten die Diffusionsbarriere indirekt ab, z. B. durch Analyse des Filmwachstums (Kap. 2.3). Die Diffusionsbarriere kann sich an Defekten von derjenigen der idealen, defektfreien Oberfl¨ache unterscheiden. Dies kann z. B. dazu f¨uhren, dass Leerstellen in einem wachsenden Film bei einer bestimmten Temperatur nicht von Adsorbaten gef¨ullt werden oder dass eine erste Lage u¨ berhaupt nicht geschlossen wird, da die Adsorbate nicht von einer Insel auf das Substrat gelangen k¨onnen (Ehrlich-Schw¨obel-Barriere, ES in Abb. 2.8). Aus der Sprungrate nach Gl. (2.3) erh¨alt man auf einer Oberfl¨ache mit Gitterkonstanten a den Diffusionskoeffizenten DS (T ) = kD (T )a2 /4. Mit dem Diffusionskoeffizienten ist eine charakteristische Diffusionsl¨ange LD verbunden. Betrachtet man die Diffusion als zweidimensionale Zufallsbewegung (engl. random walk)und bestimmt das mittlere Quadrat

(∆x)2 (t) des Abstandes ∆x von einem Startpunkt zur Zeit t = 0, so erh¨alt man LD (t) =

p p h(∆x)2 (t)i = 4DS (T )t ∝ e−ED /2kB T .

(2.4)

Es ist wichtig, im Blick zu behalten, dass diese Diffusionsl¨ange die Anzahl der m¨oglichen Adsorptionspl¨atze begrenzt, die ein Adsorbat innerhalb eines Zeitintervalls erreichen kann. Das bedeutet insbesondere, dass sich ein Adsorbatsystem wom¨oglich nie im thermischen Gleichgewicht auf der Oberfl¨ache befindet, einfach weil bei der gegebenen Temperatur die energetisch g¨unstigsten Adsorptionspl¨atze in endlicher Zeit nicht erreicht werden k¨onnen. Die sich an der Oberfl¨ache abspielenden Prozesse sind dann kinetisch limitiert.

48

2 Prozesse an Oberfl¨achen

(a )

(b)

10

S prungra te (mHz)

5

1 0,5

5 nm 13

13,5

14

Te mpe ra tur (K) Abb. 2.9: Auswertung der Sprungrate von Cu Atomen auf der Cu(111)-Oberfl¨ache im Temperaturbereich von 12 K bis 15 K. (a) Differenzbild zweier nacheinander aufgenommenen Rastertunnelmikroskopie-Aufnahmen bei 14,5 K. Die Atome haben sich von der dunklen zur hellen Position bewegt. Die konzentrischen Kreise um die Cu Atome sind Dichteoszillationen der Elektronen im Cu(111)-Oberfl¨achenzustand, die durch Streuung an den adsorbierten Atomen verursacht werden (Abschnitt 6.2.1). (b) Die Auswertung und Auftragung im Arrhenius-Plot (x-Achse nicht linear!) ergibt eine Diffusionsbarriere von ED ≈ 40 meV [2.4].

2.3

Schichtwachstum und Epitaxie

F¨ur viele Anwendungen insbesondere in der Mikroelektronik ist es w¨unschenswert, einen m¨oglichst homogenen Film aus Material A auf ein Substrat B abzuscheiden. Idealerweise sollen die Schichten einkristallin und auf atomarer Skala von homogener Dicke sein. Hier werden wir nur die Abscheidung des Materials A aus der Gasphase betrachten. Bei der Molekularstrahlepitaxie trifft ein gerichteter Strahl von Atomen oder Molek¨ulen auf die Oberfl¨ache. Weitere Methoden werden in Kap. 3.3 vorgestellt. In der Anwendung werden Filme oft elektrochemisch hergestellt, was hier nicht betrachtet werden soll, auch wenn viele Prozesse auf atomarer Skala a¨ hnlich sind.

2.3.1

Wachstumsmodi

Aus dem vorigen Abschnitt ist klar, dass die auf der Oberfl¨ache ablaufenden Diffusionsprozesse der Atome einen dominierenden Einfluss auf die Morphologie eines d¨unnen Filmes haben. W¨urden die ankommenden Atome einfach auf dem erstbesten Adsorptionsplatz haften bleiben, w¨are das Ergebnis ein sehr rauer Film, dessen Dicke lokal stark fluktuieren w¨urde. Um die Morphologie des Filmes der des idealen homogenen Films anzun¨ahern, wird der deponierte Film einer thermischen Behandlung (Anlassen, engl. annealing)unterworfen, um Diffusionsprozesse zu aktivieren und Defekte auszuheilen. Wenn allerdings die dazu n¨otigen Diffusionsvorg¨ange bei den maximal erreichbaren Temperaturen nicht hinreichend aktiviert sind, verbleibt der Film in einem kinetisch limitierten, metastabilen Zustand.

2.3 Schichtwachstum und Epitaxie

(a )

(b)

49

(c)

θ 1

Experimentell beobachtet man Filmmorphologien wie in Abb. 2.10. Ideal f¨ur die Herstellung eines homogenen Films ist das lagenweise Wachstum (Frank-van-der-MerweWachstum). Mit Hilfe der RHEED Methode (Kap. 4.4) l¨asst sich die Vervollst¨andigung einer Lage w¨ahrend des Wachstums beobachten, so dass man, wenn der Film nicht zu dick wird, die Filmdicke durch Z¨ahlen der abgeschlossenen Lagen pr¨azise bestimmen kann. Eine h¨aufig verwendete Variante des lagenweisen Wachstums ist das Wachstum durch Stufenfluss, durch die die kristalline Qualit¨at des Films optimiert wird. Dabei wird eine vizinale Oberfl¨achenorientierung des Substrats verwendet und daf¨ur gesorgt, dass die Diffusionsl¨ange (Gl. (2.4)) gr¨oßer als die Terrassenbreite ist. Aus thermodynamischer Sicht muss f¨ur das lagenweise Wachstum gelten, dass die Grenzfl¨achenenergie des unbedeckten Substrats zum Vakuum gr¨oßer ist als die des wachsenden Films zum Substrat und zum Vakuum. Wenn dies nicht der Fall ist, ist es g¨unstiger, eine m¨oglichst große Fl¨ache des Substrats unbedeckt zu lassen, das Resultat ist dann ein Inselwachstum (Volmer-WeberWachstum, Abb. 2.10b). Der dicke Film besteht dann letztendlich aus aneinanderstoßenden, unterschiedlich dicken Kristalliten und ist daher weder einkristallin noch von homogener Dicke (Abb. 2.11). Oft ist aber auch eine Mischform zu beobachten, bei der das Filmwachstum zun¨achst als lagenweises Wachstum beginnt, dann aber in ein Inselwachstum u¨ bergeht (Stranski-Krastanov-Wachstum, Abb. 2.10c). Dies passiert insbesondere dann, wenn die atomare Struktur des wachsenden Films von seiner Dicke abh¨angt, weil z. B. der Film zun¨achst verspannt aufw¨achst (Abschnitt. 2.3.3) oder sich an der Grenzfl¨ache zum Substrat eine Legierung aus Substrat- und Filmmaterial bildet. F¨ur das Auftreten von Filmmorphologien wie in Abb. 2.10 gibt es aber auch kinetische Gr¨unde. Bei hohen Substrattemperaturen k¨onnen die Atome ihren Auftreffort verlassen und g¨unstige Adsorptionspl¨atze einnehmen, da die Diffusionsl¨ange (Gl. (2.4)) sehr groß ist. Dies f¨uhrt dazu, dass sich Atome z. B. bevorzugt an Stufenkanten oder schon bestehende Inseln anlagern, weil sie dort eine maximale Anzahl von Bindungspartnern finden. Außerdem k¨onnen die Atome bei hohen Substrattemperaturen eher die Ehrlich-Schw¨obel Barriere u¨ berwinden (Abb. 2.8), so dass Atome, die auf einer bestehenden Insel gelandet sind, diese verlassen und eine Bindung zum Substrat eingehen k¨onnen. Dieses Verhalten w¨urde zu einer Morphologie wie in Abb. 2.10a f¨uhren.

2.3.2

Keimbildung

Bei geringerer Substrattemperatur ist die Diffusionsl¨ange dagegen klein. Dann konkurriert der Keimbildungsprozess (Nukleation) mit dem Anlagerungsprozess an bestehende Inseln oder Stufen. Nukleation ist der Vorgang bei dem zwei oder auch mehr Atome aufeinandertreffen (also benachbarte Bindungspl¨atze einnehmen) und so einen Keim bilden. Ab einer bestimmten Anzahl von Atomen spricht man von einem stabilen Keim, an den sich w¨ahrend des Wachstums mit h¨oherer Wahrscheinlichkeit weitere Atome anlagern, als dass er wieder

50

2 Prozesse an Oberfl¨achen

Atome verliert. Die genaue Anzahl der Atome in einem stabilen Keim h¨angt vom betrachteten System ab, oft reichen dazu bereits zwei Atome aus. Dieser Keim kann zwar ebenfalls noch diffundieren, allerdings ist damit im Allgemeinen eine erheblich gr¨oßeren Energiebarriere verbunden, da im Vergleich zur Diffusion eines einzelnen Atoms mehr Bindungen gebrochen werden m¨ussen oder die gemeinsame Diffusion vieler einzelner Atoms u¨ ber mehrere verschiedene Bindungspl¨atze in bestimmter Weise auftreten muss, damit der Keim seinen Schwerpunkt verlagert. Ist die Diffusionsl¨ange kleiner als der Abstand zweier Stufenkanten so bilden sich auf den Substratterrassen Keime bzw. wachsende Inseln. Wachstum durch Stufenfluss kann daher nicht stattfinden. Der Abstand zweier Inseln ist dann durch die Diffusionsl¨ange bestimmt. Je kleiner diese ist desto gr¨oßer ist demnach die Inseldichte des wachsenden Films. Bei niedrigen Substrattemperaturen k¨onnen die auf einer Insel gelandeten Atome wegen der Diffusionsbarriere an den Stufenkanten die Insel nicht verlassen. Diese auf einer Insel gefangenen“ Atome lassen die zweite Lage nukleieren. In der Folge ” w¨achst der Film im Inselwachstum (Abb. 2.10b) auch wenn es vielleicht thermodynamisch g¨unstiger w¨are, das Substrat komplett zu benetzen. Man kann daher die Morphologie eines Filmes durch die Diffusionsrate, die sehr empfindlich von der Substrattemperatur (Gl. (2.3)) abh¨angt, steuern. Betrachtet man die Keimbildung und das Wachstum des Films genauer, so findet man, dass bei niedriger Bedeckung der Abstand LI zweier Inseln auf dem Substrat in einem Potenzgesetz vom Verh¨altnis (DS (T )/F ) abh¨angt. Dabei ist F der Fluss der auftreffenden Atome. Ein hoher Fluss verringert die Zeitspanne w¨ahrend der die Atome auf der Oberfl¨ache diffundieren k¨onnen, ohne dass aus der Gasphase weitere Atome hinzu kommen. Das f¨uhrt zu einem kleinen Inselabstand. Dagegen f¨uhrt eine große Diffusionskonstante DS wie oben ausgef¨uhrt zu einem großen Abstand der Inseln. Diese Ideen kann man in das DDA-Modell (engl. deposition-diffusion-aggregation) fassen. Demnach durchl¨auft das Filmwachstum als Funktion der Zeit drei Phasen: Phase 1 beschreibt die Nukleation von stabilen Keimen, Phase 2 das Wachstum von Inseln durch die Anlagerung von Atomen (oder Molek¨ulen) an stabile Keime und schließlich Phase 3 das Zusammenwachsen von Inseln zu einem kontinuierlichen Film. Die Anwendung dieses Modells erlaubt es auch, aus der Morphologie eines Filmes die Diffusionsrate der Atome (oder Molek¨ule) zu bestimmen, was eine wichtige experimentelle M¨oglichkeit darstellt, Diffusionsbarrieren zu quantifizieren.

2.3.3

Epitaxie

Ein Aspekt des Filmwachstums ist bislang unbeachtet geblieben, n¨amlich die Passung der kristallinen Ordnung von Film und Substrat. Als Epitaxie bezeichnet man das Wachstum eines d¨unnen Films auf einem einkristallinen Substrat, bei dem die kristallographische Orientierung des Filmes vom Substrat bestimmt wird. Ein epitaktischer Film sollte dabei idealerweise ebenfalls einkristallin sein, was sich wegen der Nukleationsprozesse nur eingeschr¨ankt realisieren l¨asst. Der Film ist also oft polykristallin, wobei die einzelnen Kristallite (ehemals wachsende Inseln) aneinander stoßen. Diese Nahtstellen bezeichnet man als Korngrenzen. Der Unterschied zwischen einer d¨unnen Schicht einer polykristallinen Volumenprobe und einem epitaktischen Film besteht darin, dass alle Kristallite im epitaktischen Film in zumindest einer kristallographischen Richtung u¨ bereinstimmen. Meist ist dies die Wachstumsrichtung. Man sagt dann der Film sei (111)-orientiert, wenn alle Kristallite eine (111)-Fl¨ache an der Filmoberfl¨ache zeigen. In Abb. 2.11a ist als Beispiel das Ergebnis des Wachstums eines 100 nm dicken Goldfilms auf einem einkristallinen Glimmersubstrat

2.3 Schichtwachstum und Epitaxie

100nm

200nm

(a)

51

(b)

Abb. 2.11: Wachstum d¨unner Goldfilme: (a) Epitaktisches Wachstum bei 400◦ C auf einem Glimmersubstrat (b) Polykristallines Wachstum bei Raumtemperatur auf einem Glassubstrat. Man beachte die unterschiedlichen L¨angenskalen der Bilder.

gezeigt. Die Goldinseln haben alle ihre [111]-Richtung parallel zur Filmnormalen. Zum Vergleich dazu zeigt Abb. 2.11b einen nicht epitaktisch gewachsenen 50 nm dicken Goldfilm auf einem Glassubstrat, bei dem die [111]-Richtungen der K¨orner Winkel im Bereich von ±10◦ zur Filmnormalen bilden. Ob sich ein epitaktisches Wachstum erreichen l¨asst, h¨angt zum einen von der richtigen Wahl der Wachstumsparameter (Temperatur, Fluss) ab. Zum anderen ist aber auch der Unterschied der Gitterkonstanten der Oberfl¨achenzellen von Substrat und Filmmaterial entscheidend. Nur wenn Substrat und Adsorbat das gleiche Material sind (Homoepitaxie) oder der wachsende Film tats¨achlich die kristalline Ordnung des Substrats u¨ bernimmt (pseudomorphes Wachstum), werden die Gitterkonstanten von Film (aF ) und Substrat (aS ) u¨ bereinstimmen. Im pseudomorphen Fall muss der Film verspannt sein, also elastische Energie enthalten. Um zu entscheiden, ob pseudomorphes Wachstum auftritt, wird die Fehlpassung (engl. misfit) betrachtet, also der relative Unterschied zwischen den Gitterkonstanten. Ist dieser Unterschied zwischen den lateralen Gitterkonstanten klein (|aF − aS |/aS < 0,02), dann kann der Film zun¨achst pseudomorph aufwachsen (Abb. 2.12a). Aufgrund der dadurch vorhandenen elastischen Spannung im Film w¨achst die darin gespeicherte Energie mit der Filmdicke, so dass es durch sukzessives Einbauen von Gitterversetzungen dazu kommt, dass der mehrere Nanometer dicke Film seine angestammte Gitterkonstante erreicht (Abb. 2.12b). Ist die Fehlpassung gr¨oßer als 0,02, so ist der Energieaufwand bei einem pseudomorphen Wachstum zu groß, der Film wird dann von der ersten Lage an mit seiner eigenen Gitterkonstante wachsen. Ist naF ≈ maS f¨ur nicht zu große Zahlen m,n, dann kann sich eine (kom¨ mensurable) Uberstruktur bilden, bei der n Gitterzellen des Films auf m Zellen des Substrats zu liegen kommen (Abb. 2.12c) und der Film eventuell noch leicht verspannt ist. Gegebenenfalls l¨asst sich die Kommensurabilit¨at auch durch Rotation der kristallographischen Richtungen in Filmebene gegen¨uber den Richtungen des Substrats erreichen. Kompliziertere F¨alle sind denkbar, und folgen in Notation und Auspr¨agung den bereits besprochenen ¨ Ubergittern von Oberfl¨achenrekonstruktionen oder Adsorbatstrukturen (Abschnitt 1.1.1). Es gibt aber auch Situationen, bei denen der Film keine Energie gewinnt, wenn er sich durch Verspannungen auf die vorgegebenen idealen Adsorptionspl¨atze des Substrats anpasst. Dies ist der Fall, wenn die Wechselwirkung zwischen Substrat und Film sehr klein ist, beispielsweise nur eine van-der-Waals-Wechselwirkung existiert. Dann ist der Gewinn an Bindungsenergie im Vergleich zur Verspannungsenergie zu klein. Aber auch bei einer starken Wechselwirkung zwischen Film und Substrat kann das eintreten. Wenn n¨amlich das durch An¨ passung an das Substrat entstehende Ubergitter zu groß w¨urde, dann reichen kleinste Verschiebungen des Films gegen¨uber dem Substrat aus, um wieder eine Konfiguration gleicher

52

2 Prozesse an Oberfl¨achen (a) Abb. 2.12: (a) Pseudomorphes Wachstum, (b) Auf l¨osung der elastischen Verspannung des pseudomorphen Anfangswachs- (b) tums durch Einbau einer Versetzung. (c) Ist es energetisch g¨unstiger, dass der Film von Anfang an seine eigene Gitterkonstante beibeh¨alt, kommt es zu sehr großen Ein¨ heitszellen einer Uberstruktur (hier (7×7)).

(c)

Seitenansicht

Aufsicht

¨ Energie einzunehmen. Der Grund liegt darin, dass bei einem großen Ubergitter die Filmatome das Wechselwirkungspotential zum Substrat in einem feinen Gitter austesten. Dann kommt unabh¨angig von der tats¨achlichen Lage von Film und Substrat s¨amtliche g¨unstigen ¨ oder ung¨unstigen Konfigurationen in der Uberstruktur vor. Damit entf¨allt aber auch die treibende Kraft f¨ur die Verspannung des Films. Einen solcher Film bildet mit dem Gitter des Substrats ein strukturelles Moir´e-Muster, die einer Schwebung zwischen unterschiedlichen lateralen Periodizit¨aten entspricht.

2.3.4

Nanostrukturierung durch Selbstorganisation

Wir haben im vorangegangenen Abschnitt dargelegt, wie man durch die Steuerung von Diffusionsprozessen die Dichte von auf einer Oberfl¨ache entstehenden Inseln (Nanostrukturen) bestimmen kann. Es gibt aber noch weitergehende M¨oglichkeiten, auch deren Morphologie zu steuern. Eindimensionale Nanostrukturen (Ketten von Atomen) kann man z. B. dadurch herstellen, dass man ein gestuftes Substrat verwendet (Abb. 1.5) und daf¨ur sorgt, dass sich Atome (oder Molek¨ule) an Stufenkanten anlagern und auf Terrassen keine stabile Keime bilden. Alternativ kann man es sich zu nutze machen, dass Diffusionsbarrieren im Allgemeinen nicht isotrop sind, sondern je nach kristallographischer Richtung unterschiedlich sein k¨onnen. Leicht einzusehen ist dies z. B. f¨ur die (110)-Fl¨ache eines fcc-Kristalls. Diese Oberfl¨ache besteht aus Reihen dichtgepackter Atome in [1¯10]-Richtung mit Abstand von einer Gitterkonstante in [001]-Richtung (Abb. 1.2). Man kann deshalb darauf atomare Ketten, die in [1¯10]-Richtung orientiert sind, wachsen lassen. Ein anderes Beispiel ist in Abb. 2.13a gezeigt. Eine wasserstoffinduzierte (5x1)-Rekonstruktion der Ir(100)-Oberfl¨ache besteht aus einem Gitter von atomaren Iridiumketten, an denen andere Metallatome nukleieren k¨onnen. Die Rekonstruktion der Oberfl¨ache wirkt dabei genauso wie die Stufen der vizinalen Oberfl¨ache als Templat f¨ur das darauffolgende Wachstum. Neben der Anlagerung von Adsorbaten an besondere Strukturen auf der Oberfl¨ache k¨onnen Nanostrukturen auch aufgrund von besonderen Wechselwirkungen zwischen Adsorbaten entstehen. Dies tritt besonders beim Wachstum von organischen Molek¨ulen auf Oberfl¨achen auf. Durch Modifikation der an einem Molek¨ul befindlichen Endgruppen (z. B. Ersatz einer unpolaren Gruppe durch eine polare) kann man es erreichen, dass sich an bestimmten Stellen der Molek¨ulstruktur schwache Bindungen zwischen Molek¨ulen ausbilden und an anderen nicht, so dass sich die Molek¨ule auf der Oberfl¨ache in charakteristischer Weise ordnen. Solche schwachen Bindungen k¨onnen z. B. Wasserstoffbr¨uckenbindungen (zwischen C-O oder C-N Gruppen und den Wasserstoffatomen des Molek¨uls) oder auch Koordinationsbindungen zwischen Molek¨ulgruppen und einem Metallatom sein. Ersteres ist in Abb. 2.13b am Beispiel eines Benzoes¨auremolek¨uls auf einer Ag(111)-Oberfl¨ache gezeigt: Das Mo-

2.3 Schichtwachstum und Epitaxie

(a)

53

(b)

H O O H N

N

H

H O

Fe Fe Ir

O

O

O H

H N

N

H

20 Å

10nm

O O H

Abb. 2.13: Selbstorganisiertes Wachstum: (a) Fe-Ketten auf Ir(100) (b) organische Molek¨ule auf einer Ag(111)-Oberfl¨ache. Es bilden sich Doppelketten, die durch Wasserstoffbr¨uckenbindungen stabilisiert werden (nach [2.5],[2.6]).

lek¨ul bindet mit seinem π-System an die Unterlage, bei Raumtemperatur k¨onnen die Molek¨ule aber diffundieren und so die M¨oglichkeit der Wasserstoffbr¨uckenbindung ausnutzen, lineare, doppelatomige Molek¨ulstrukturen zu bilden. Bei tiefen Temperaturen ist die Diffusion unterbunden und es l¨asst sich ein regelm¨assiges Muster von Doppelketten beobachten. Anhand der entstehenden Struktur kann man die Hierarchie auftretender Wechselwirkungsenergien absch¨atzen: die Wechselwirkung die zur Bildung eines Molek¨ulpaares f¨uhrt ist gr¨oßer als die, die die Molek¨ulpaare zu Ketten anordnet. Dar¨uberhinaus muss es eine repulsive Wechselwirkung zwischen den Doppelketten geben, die diese auf Abstand h¨alt. Dies kann z. B. eine substratvermittelte Wechselwirkung durch Modulation der Elektronendichte oder durch Verspannung des Substrats sein. Das Bild 2.13b zeigt die Situation der Molek¨ule bei sehr tiefen Temperaturen, wodurch die Diffusionsbewegung eingefroren ist. Das bedeutet aber, dass die Diffusionsbarriere die kleineste Energie in der Hierarchie ist. Die Hierarchie der im System vorkommenden charakteristischen Energien: Bindungsenergien, Diffusionsbarrieren und Adsorbat-Adsorbat-Wechselwirkungsenergien, erm¨oglicht es Nanostrukturen mit bestimmten Morphologien herzustellen. Insbesondere bei dem zunehmend auch f¨ur Anwendungen wichtigen Bereich der Schichten aus organischen Molek¨ulen ergibt sich eine große Bandbreite der M¨oglichkeiten, weil sich durch Verwendung maß” geschneiderter“ Molek¨ule die f¨ur das System zutreffende Hierarchie der Energien leicht modifizieren l¨asst. Da die sich bildenden Strukturen durch Wechselwirkungsmechanismen innerhalb des Systems gesteuert werden, spricht man auch von selbstorganisiertem Wachstum von Nanostrukturen. In diesem Kapitel haben wir eine Vielzahl von Prozessen, die an Oberfl¨achen ablaufen k¨onnen, betrachtet. Je nach den beteiligten Teilchen, gibt es unterschiedliche Wechselwirkungen und relevante Energieskalen. Elektronen k¨onnen Energie an lokalisierte oder kollektive Anregungen im Festk¨orper oder an Oberfl¨achen abgeben. Diese Wechselwirkungsprozesse sind sehr stark, so dass die mittleren freien Wegl¨angen sehr kurz sind. Dies macht Elektronen zu idealen Sonden f¨ur Oberfl¨acheneigenschaften, wie wir bei den Methoden in Kap. 4 und 5 sehen werden. Atome oder Molek¨ule k¨onnen auf Oberfl¨achen adsorbieren, diffundieren, nukleieren, dissozieren, reagieren und desorbieren. Diese Vielfalt von Prozessen ist wichtig f¨ur Anwendungen in der Katalyse oder beim Filmwachstum. Wir werden einige dieser Mechanismen f¨ur die Pr¨aparation von wohldefinierten Kristalloberfl¨achen im folgenden Kapitel 3 ausnutzen. Die thermische Desorption werden wir im Kap. 7.1 detailliert betrachten, um mikroskopische Parameter experimentell zu bestimmen.

54

2 Prozesse an Oberfl¨achen

Literatur 2.1

R. L. Gerlach and A. R. DuCharme, Surf. Sci. 32, 329 (1972).

2.2

M. P. Seah and W. A. Dench, Surf. Interf. Anal. 1, 2 (1979).

2.3

G. L. Kellogg, Surf. Sci. Rep. 21, 1 (1994).

2.4

N. Knorr, H. Brune, M. Epple, A. Hirstein, M. A. Schneider, and K. Kern, Phys. Rev. B 65, 115420 (2002).

2.5

A. Klein, A. Schmidt, L. Hammer and K. Heinz, Europhys. Lett. 65, 830 (2004).

2.6

J. Weckesser, A. De Vita, J.V. Barth, C. Cai, and K. Kern, Phys. Rev. Lett. 87, 096101 (2001); J. Weckesser, Dissertation, EPFL, (Lausanne 2000).

Weitere Literatur 2.7

A.-L. Barab´asi und H. E. Stanley, Fractal Concepts in Surface Growth, Cambridge University Press (Cambridge 1995).

2.8

H. Brune, Surf. Sci. Rep. 31, 121 (1998).

2.9

J. A. Venables, Introduction to Surface and Thin Film Processes, Cambridge University Press (Cambridge 2000).

Methoden Bei den in der Oberfl¨achenphysik angewandten Methoden sind Pr¨aparations- und Untersuchungsmethoden zu unterscheiden. Durch erstere wird die Oberfl¨ache in einen f¨ur ihre Untersuchung geeigneten bzw. erw¨unschten, wohldefinierten Zustand gebracht (Kap. 3). Dies betrifft sowohl die Beseitigung von Verunreinigungen und die Erzeugung eines defektarmen Ordnungszustands als auch die definierte Belegung mit einem Adsorbat oder einem aus mehreren Atomlagen bestehenden Film. Die Oberfl¨ache muss w¨ahrend der dann folgenden Untersuchungen weiter sauber gehalten werden, was ihre Montage in einer Ultrahochvakuumapparatur erzwingt, in der dann auch (in situ) die Pr¨aparation und nachfolgende Untersuchungen stattfinden und folglich die dazu notwendigen Vorrichtungen installiert werden m¨ussen. Entsprechend k¨onnen die Apparaturen recht große Ausmaße annehmen, obwohl die Probenabmessungen meist den Zentimeterbereich unterschreiten. Die Untersuchungsmethoden der Oberfl¨ache, die sich u¨ ber die Jahrzehnte entwickelt haben und st¨andig erweitert bzw. verfeinert werden, sind vielf¨altig. Sie m¨ussen oberfl¨achenempfindlich sein, d. h. die als Sonde eingestrahlten Teilchen d¨urfen entweder nur im Oberfl¨achenbereich des Festk¨orpers mit diesem wechselwirken und dann die Oberfl¨ache als Informationstr¨ager ihrer Eigenschaften wieder verlassen oder andere Teilchen im Festk¨orper frei setzen, die nur vom Oberfl¨achenbereich aus den im Vakuum montierten Detektor erreichen k¨onnen. So k¨onnen z. B. eingestrahlte Photonen relativ tief in den Festk¨orper eindringen, die von ihnen im Photoeffekt ausgel¨osten (niederenergetischen) Elektronen k¨onnen jedoch nur aus einem Bereich nahe der Grenzfl¨ache zum Vakuum die Oberfl¨ache zum Detektor verlassen. Oft werden die verschiedenen Methoden nach der Art der beteiligten Sondenteilchen geordnet (etwa Photon hinein / Elektron heraus“), wir stellen die wichtigsten ” Methoden hier jedoch eher zielorientiert vor. Kapitel 4 widmet sich den Methoden, die Informationen oder Teilinformationen u¨ ber die in der Oberfl¨ache herrschende atomare Anordnung, d. h. die kristallographische Struktur liefern. Dies sind zum einen Beugungsmethoden, die die laterale Translationssymmetrie der Oberfl¨ache ausnutzen wie die Beugung von Photonen, Elektronen oder Atomen. Zum anderen liefern lokale Interferenzmethoden wie die Messung der Feinstruktur der R¨ontgenabsorption Bindungsl¨angen zwischen Atomen in der Oberfl¨ache, ohne dass kristallographische Fernordnung herrschen muss. Die in Kap. 5 beschriebenen Methoden zielen haupts¨achlich auf die chemische Zusammensetzung der Oberfl¨ache mittels Auger- und Photoelektronenspektroskopie sowie die elektronische Struktur der Oberfl¨ache, insbesondere die Messung der Oberfl¨achenbandstruktur mittels winkelaufgel¨oster Photoemission. Mit der in diesem Kapitel dominanten Spektroskopie von Elektronen werden hier auch deren energetische Verluste bei der Streuung an Oberfl¨achen beschrieben, wobei die hochaufl¨osende Messung Informationen u¨ ber Oberfl¨achenphononen sowie u¨ ber Adsorptionspl¨atze von Molek¨ulen und ihre Konfiguration liefern.

56

Methoden

Kapitel 6 widmet sich zun¨achst dem Rastertunnelmikroskop, das die elektronische Struktur elektrisch leitender Oberfl¨ache abrastert und Atome in topographischen Aufnahmen sieht“, ” wenn diese Struktur mit den Atompositionen auf einfache Weise korreliert. Im Spektroskopiemodus liefert die Methode lokale Informationen u¨ ber die elektronische Zustandsdichte der Oberfl¨ache. Die ebenfalls behandelte Rasterkraftmikroskopie l¨asst sich auch bei nicht leitenden Oberfl¨achen einsetzen und wird vielfach zur Untersuchung von Nanostrukturen genutzt. Schließlich beschreibt Kap. 7 die Wechselwirkung von Teilchen mit Oberfl¨achen: Die thermische Desorptionsspektroskopie informiert u¨ ber die Bindungsenergetik adsorbierter Atome und Molek¨ule und die Ionenstreuung ist die element- und strukturempfindlich.

3

Pr¨aparation von Oberfl¨achen

Um Oberfl¨achen auf der atomaren Skala zu untersuchen, ist eine wohldefinierte Pr¨aparation der Oberfl¨achen unerl¨aßlich. Dies bedeutet zum einen die Reinigung von Fremdatomen, die aus dem Inneren der Probe heraus, thermodynamisch getrieben an die Oberfl¨ache segregieren oder aus der umgebenden Gasphase auf der Oberfl¨ache adsorbieren. Um die unerw¨unschten Verunreinigungen von außen einigermaßen zu begrenzen, bedarf es in der Regel sehr guter Vakuumbedingungen (typisch 10−8 Pa)und trotzdem regelm¨aßig (¨ublicherweise t¨aglich) zu wiederholender Reinigungsprozeduren. Zum anderen geht die Oberfl¨achenforschung u¨ ber das Studium unbedeckter Kristalloberfl¨achen hinaus und besch¨aftigt sich mit Adsorbatschichten oder auf dem Substrat gewachsenen Filmen bzw. Nanostrukturen. All diese neuen“ Oberfl¨achen m¨ussen (meist auch wiederholt) in wohldefinierter Wei” se pr¨apariert werden, was eine Reihe unterschiedlicher Pr¨aparationstechniken, aber auch ein solides Verst¨andnis der zugrundeliegenden Mechanismen erfordert. F¨ur sehr viele Systeme gibt es inzwischen Pr¨aparationsrezepte“, die es in der eigenen Apparatur umzusetzen und ” gegebenenfalls anzupassen gilt. Bei neuen“ Systemen ist es eine erste und oft langwieri” ge Aufgabe, einen m¨oglichst optimalen Pr¨aparationsweg zu finden im Hinblick auf z. B. Homogenit¨at oder Defektarmut der gew¨unschten Oberfl¨achenphase. Zudem werden viele (wenn nicht die meisten) neuen Phasen erst bei der Variation von Pr¨aparationsschritten u¨ berhaupt entdeckt. Der/die Oberfl¨achenphysiker/in hat somit u¨ ber die Notwendigkeit der Pr¨aparation seiner Proben (zumindest im Prinzip) auch die volle Kontrolle u¨ ber deren Qualit¨at, welche wiederum maßgebend ist f¨ur erfolgreiche und aussagekr¨aftige Experimente.

3.1

Quellen von Verunreinigungen

Die meisten Materialien erh¨alt man nur mit einer chemischen Reinheit von der Gr¨oßenordnung 10−4 – 10−6 . Eine Probe von 1 mm Dicke besteht dagegen aus etwa 5 Millionen Atomlagen, von denen aber nur zwei an der Oberfl¨ache liegen, was einem relativen Anteil von 4 · 10−7 entspricht. Die im Volumen vorhandenen Fremdatome reichen also aus, die Oberfl¨ache vielfach zu bedecken. Dazu kommen weitere Verunreinigungen, die durch die Erzeugung der Oberfl¨ache (z. B. s¨agen und polieren) in die a¨ ußeren Schichten des Kristalls mikrometertief eingebracht werden. Die am h¨aufigsten auftretenden Verunreinigungen in Kristallen sind Kohlenstoff und Schwefel, es k¨onnen aber – je nach Material – auch eine Reihe anderer Fremdelemente vorkommen. Beim Heizen der Probe, was f¨ur die Reinigung der Oberfl¨ache und viele andere Pr¨aparationsschritte unerl¨asslich ist, beginnen die Fremdatome im Kristall zu diffundieren und werden sich – sofern es thermodynamisch g¨unstiger ist – an der Oberfl¨ache anreichern (Segregation). In der Regel ist es nicht m¨oglich (aber auch nicht n¨otig), s¨amtliche Fremdatome aus dem Kristall zu entfernen. Es gen¨ugt, unter der Oberfl¨ache eine Verarmungszone hinreichender Dicke zu schaffen. Das Vorgehen dabei ist wie folgt: Der Kristall wird zun¨achst

58

3 Pr¨aparation von Oberfl¨achen

auf hohe Temperaturen gebracht, um eine rasche Diffusion der Fremdatome zu erm¨oglichen (Diffusionskoeffizienten h¨angen exponentiell von der Temperatur ab, Gl. (2.3)). Die Anreicherung wird aber nicht notwendigerweise durch immer h¨ohere Temperaturen immer weiter beschleunigt, da dann auch die L¨oslichkeit im Kristall steigt und die Entropie die Fremdatome ins Kristallinnere zur¨ucktreibt. Anschließend werden die an der Oberfl¨ache angereicherten Fremdatome mit geeigneten Methoden (Kap. 3.2) von der Oberfl¨ache entfernt. Durch wiederholte Anwendung dieses Zyklus bildet sich eine immer breitere Verarmungszone unter der Oberfl¨ache aus, da die segregierenden Fremdatome aus immer gr¨oßeren Tiefen zur Oberfl¨ache gelangen m¨ussen, was kinetisch immer st¨arker behindert wird. Der Außenbereich des Kristalls wird also gezielt ins Nichtgleichgewicht versetzt. Hat man auf diese Weise schließlich eine Zone hinreichend starker Verarmung geschaffen, so kann diese nur dann u¨ ber l¨angere Zeit aufrechterhalten bleiben, wenn nachfolgende Pr¨aparationsschritte ausschließlich bei deutlich niedrigeren Temperaturen ablaufen, als bei der Verarmung angewandt wurden. Neben den R¨uckst¨anden vorheriger Pr¨aparationen wie z. B. aufgedampften Filmen ist die den Kristall umgebende Atmosph¨are die wichtigsten Quelle f¨ur von außen kommende Verunreinigungen der Oberfl¨ache. Das bedeutet, dass Probenoberfl¨achen, die an Luft waren, nicht atomar sauber sind und in situ, also im Ultrahochvakuum (UHV), gereinigt werden m¨ussen. Von UHV spricht man bei Dr¨ucken p ≤ 10−5 Pa. Aber auch bei Aufbewahrung im UHV m¨ussen Proben regelm¨aßig neu pr¨apariert werden, da selbst hier die Adsorption von Restgas nicht vernachl¨assigt werden kann. Bei diesem handelt es sich nicht um noch ¨ nicht abgepumpte Uberreste der Laborluft, sondern vorwiegend um Gase, die st¨andig neu in der UHV-Kammer erzeugt werden. Ein typisches Massenspektrum des Restgases enth¨alt vor allem H2 , CH4 , CO und CO2 . Gem¨aß Gl. (2.1) f¨ur die Auftreffrate von Gasteilchen folgt, dass ein Oberfl¨achenatom, welches eine Fl¨ache von typisch 6 · 10−20 m2 beansprucht, bei Normalbedingungen (Druck p = 105 Pa, Temperatur TG = 273 K) von einem Gasteilchen (z. B. CO, mCO = 28 amu) im Mittel 2 · 108 mal pro Sekunde getroffen wird. Um die Auftreffrate in die Gr¨oßenordnung 1 Teilchen pro Stunde (= typische Messzeit) zu bringen, muss man den Druck somit um mindestens 12 Gr¨oßenordnungen verringern, also auf unter 10−7 Pa. Moderne UHV-Apparaturen erzielen gew¨ohnlich einen ultimativen Druck um 10−9 Pa (Basisdruck), in der Praxis ist der Druck allerdings oft durch ausgasende Quellen (z. B. f¨ur Photonen, Elektronen, Ionen, Atome oder Molek¨ule) und Proben oder auch durch kurz zur¨uckliegende Gasbelastungen des Rezipienten bei der Probenpr¨aparation um etwa eine Gr¨oßenordnung h¨oher (Arbeitsdruck).

3.2

Erzeugung sauberer Einkristalloberfl¨achen

In den meisten F¨allen stehen Volumen-Einkristalle guter Qualit¨at zur Verf¨ugung, aus denen Proben mit der gew¨unschten Oberfl¨achen-Orientierung und Gr¨oße hergestellt werden. Die Oberfl¨achen werden dann poliert und gereinigt. F¨ur oberfl¨achenempfindliche Untersuchungen sind die Proben unter UHV-Bedingungen zu pr¨aparieren. Hierzu gibt es eine Vielzahl von Methoden, die h¨aufig kombiniert und wiederholt werden m¨ussen. Welche Methoden f¨ur ein bestimmtes Material erfolgreich einzusetzen sind, erkundet man durch Literaturrecherche [3.1], Konsultation erfahrener Personen oder Ausprobieren.

3.2 Erzeugung sauberer Einkristalloberfl¨achen

3.2.1

59

Spalten

Manche Halbleiter, Isolatoren und Schichtkristalle lassen sich durch Spalten direkt im UHV teilen und man erh¨alt atomar saubere Oberfl¨achen, allerdings im Allgemeinen nur in einer einzigen Orientierung, n¨amlich senkrecht zur Richtung der schw¨achsten Bindungen. Auf atomarer Energieskala wird beim Spaltvorgang eine riesige Energiemenge dissipiert, so dass die Kinetik, mit der die Risslinie durch den Kristall l¨auft, maßgeblich die Art und H¨aufigkeit entstehender Defekte bestimmt. Um makroskopisch flache Oberfl¨achen durch Spalten zu erhalten, sind die Konstruktion des Spaltmechanismus und die Spaltgeschwindigkeit durch Ausprobieren zu optimieren. Die beim Spalten entstehende Oberfl¨ache muss nicht notwendigerweise im thermodynamischen Gleichgewicht sein, insbesondere bei rekonstruierenden Oberfl¨achen, die daf¨ur einen langreichweitigen Materialtransport ben¨otigen. So spaltet z. B. Silizium entlang einer (111)-Ebene und zeigt anschließend eine metastabile (2 × 1)-Oberfl¨achenstruktur statt der thermodynamisch stabilen (7 × 7) Rekonstruktion (Abb. 1.16). Schichtkristalle wie Graphit oder viele Chalkogenide lassen sich sehr einfach und mit gutem Ergebnis durch Klebeband abl¨osen, was selbst unter UHV-Bedingungen m¨oglich ist. Diese Methode hat f¨ur die Herstellung von Graphen oder die Pr¨aparation der Oberfl¨achen von topologischen Isolatoren in den letzten Jahren an Bedeutung gewonnen. Wie jede andere Oberfl¨ache bleiben aber auch Spaltfl¨achen im UHV nicht lange atomar sauber und wiederholtes Spalten ist notwendig. Meist muss daf¨ur die Probe – zur Vorbereitung des erneuten UHV-Spaltens – zun¨achst ausund anschließend wieder eingeschleust werden.

3.2.2

Heizen

F¨ur viele Pr¨aparationen und Experimente muss die Probe geheizt werden. Aber auch manche Verunreinigungen lassen sich einfach durch Heizen entfernen. In diesen F¨allen desorbieren in der Regel Molek¨ule wie H2 , O2 , H2 O, CO, CO2 oder Kohlenwasserstoffe wie z. B. CH4 , die teilweise vor der Desorption erst auf der Oberfl¨ache rekombinieren (Abschnitt 2.2.2 und 7.1). Andere vorwiegend atomare Verunreinigungen wie Kohlenstoff, Schwefel und Phosphor, sowie viele aufgedampfte Metalle (Abschnitt 3.3.2) werden dagegen durch Heizen meist nicht desorbiert. Sie verbleiben entweder an der Oberfl¨ache oder l¨osen sich bei h¨oheren Temperaturen im Volumen, was nicht erw¨unscht ist, da diese Fremdatome beim Abk¨uhlen teilweise wieder an die Oberfl¨ache zur¨uck segregieren k¨onnen. In diesem Zusammenhang sind auch die Heiz- bzw. Abk¨uhlraten zu beachten. Die zur Desorption von Gasmolek¨ulen ben¨otigten Temperaturen h¨angen von der Bindungsst¨arke der Teilchen am Substrat ab. So kann man z. B. Sauerstoff von einer Pt(100)-Oberfl¨ache bereits bei etwa 450◦C entfernen, w¨ahrend man dazu auf einer W(100)-Oberfl¨ache Temperaturen um 1800◦C ben¨otigt. Um eine Probe zu heizen, gibt es verschiedene Verfahren, die je nach Probenart und ben¨otigter Temperatur ihre Anwendung finden: Kontaktheizung Die Probe ist auf einem Heizelement aufgebracht. Diese Heizung (und das nachfolgende Abk¨uhlen) ist extrem tr¨age und die erreichbaren Temperaturen liegen maximal bei etwa 1000◦C, was bei vielen Proben zur Pr¨aparation nicht ausreicht.

60

3 Pr¨aparation von Oberfl¨achen IHeiz

IHeiz

IEmission

Probe

Probe

Probe IEm.

IHeiz

Abb. 3.1: Schematische Darstellung verschiedener Probenheizungstypen in Seitenansicht (oben) und Aufsicht (unten). (a) Direktstromheizung durch die Probe bzw. (b) durch die Probenaufh¨angung; (c) Elektronenstoßheizung.

Direktstromheizung Bei der Direktstromheizung wird ein Strom direkt durch die Probe geschickt, wodurch sie sich resistiv aufheizt (Abb. 3.1a). Diese Methode kommt insbesondere bei Halbleitern zum Einsatz. Wegen des negativen Widerstands-Temperaturkoeffizienten von Halbleitern muss hierbei das Netzteil im Konstantstrom-Modus betrieben werden. Bei Metallen ist der Widerstand f¨ur direkten Stromfluss meist zu niedrig (es w¨urden Str¨ome ≫100 A ben¨otigt), der Strom fließt hier u¨ ber in Nuten am Kristallrand gef¨uhrte Aufh¨angungsdr¨ahte aus hochschmelzendem Material (W oder Ta), die gleichzeitig als Halterung des Kristalls dienen (Abb. 3.1b). Die erreichbaren Temperaturen sind durch den Schmelzpunkt der Aufh¨angedr¨ahte, ihren thermischen Kontakt zum Kristall, sowie dessen abstrahlende Fl¨ache begrenzt; typischerweise k¨onnen so maximal etwa 1200◦ C erreicht werden. Wegen des positiven Widerstands-Temperaturkoeffizienten der metallischen Haltedr¨ahte muss hierbei das Netzteil im Konstantspannungs-Modus betrieben werden. Elektronenstoßheizung Elektronen, die durch Gl¨uhemission aus einem Heizdraht (Wolfram-Filament) austreten, werden durch eine Hochspannung auf die Probe beschleunigt (Abb. 3.1c). Bei einer Beschleunigungsspannung von bis zu 2 kV und Emissionsstr¨omen bis 50 mA k¨onnen der Probe Heizleistungen bis 100 W zugef¨uhrt werden. Die Heizleistung des gl¨uhenden Filaments betr¨agt etwa 10 W und tr¨agt u¨ ber W¨armestrahlung v. a. im niedrigen Temperaturbereich ebenfalls zum Erw¨armen der Probe bei. Mit dieser Heizmethdoe k¨onnen Probentemperaturen bis zu 2000◦C erreicht werden. Da die Probe u¨ ber ihre Halterung im thermischen Kontakt zum Probenhalter steht, wird sich dieser beim Heizen ebenfalls erw¨armen und dabei unerw¨unschterweise ebenfalls Gas abgeben. Um dies zu verhindern, muss er aktiv gegengek¨uhlt werden. Dies sorgt auch daf¨ur, dass die Probe nach dem Heizen in endlicher Zeit wieder auf die Messtemperatur abk¨uhlt. Will man kurze Abk¨uhlzeiten, z. B. weil die Probe sehr empfindlich auf Restgasadsorption reagiert, dann muss der thermische Kontakt zum K¨altereservoir m¨oglichst gut sein, was dann aber umgekehrt eine h¨ohere Heizleistung erfordert und auch die maximal erreichbare Probentemperatur erniedrigt. Aus diesem Grund wird die Probe h¨aufig u¨ ber Saphirscheiben an die K¨uhlung angekoppelt, da diese einen mit zunehmender Temperatur stark abnehmenden W¨armeleitungskoeffizienten besitzen und gleichzeitig elektrisch isolierend sind.

3.2 Erzeugung sauberer Einkristalloberfl¨achen

61

Die Messung der Probentemperatur erfolgt gew¨ohnlich u¨ ber Thermoelemente, die vorzugsweise im direkten Kontakt zur Probe angebracht sind. Es gibt hierf¨ur verschiedene Materialkombinationen, die nicht nur im Hinblick auf den ben¨otigten Temperaturbereich ausgew¨ahlt werden (das Thermoelement darf ja nicht schmelzen) sondern auch die M¨oglichkeit einer unerw¨unschten Legierungsbildung mit der Probe muss beachtet werden. K¨onnen aus technischen Gr¨unden keine Thermoelemente eingesetzt werden, dann kann die Probentemperatur beim Heizen auch mit Hilfe von Pyrometern von außen bestimmt werden. Moderne Infrarot-Pyrometer k¨onnen ab etwa 300◦ C eingesetzt werden, allerdings geht in die Messung die h¨aufig nicht sehr gut bekannte Emissivit¨at der Probe ein, was zu Messfehlern von bis zu hundert Kelvin f¨uhren kann.

3.2.3

Chemisches Reinigen

Verunreinigungen, die durch einfaches Heizen nicht von der Oberfl¨ache zu entfernen sind, k¨onnen durch gezieltes Anbieten von geeigneten Gasen (in der UHV-Apparatur) chemisch reagieren und als Molek¨ule desorbieren. Insbesondere Kohlenstoff wird auf vielen Metalloberfl¨achen durch Sauerstoffangebot zu CO oder CO2 oxidiert bei Temperaturen oberhalb ihrer Desorptionsgrenze. Da Kohlenstoff eine h¨aufige und aufgrund der Restgaszusammensetzung stets wiederkehrende Verunreinigung darstellt, ist dieses Sauerstoffgl¨uhen bei vielen Metalloberfl¨achen eine Standardprozedur der Probenreinigung. Ebenso kann Schwefel durch Heizen in Wasserstoff als H2 S entfernt und auch Sauerstoff weit unter dessen eigener Desorptionstemperatur zu fl¨uchtigem H2 O reagiert werden. Da die Reaktionsrate f¨ur diese Prozesse aber oft recht klein ist, ben¨otigt man zur Kompensation große Gasangebote. In solchen F¨allen empfiehlt es sich, das Gas u¨ ber ein R¨ohrchen (engl. doser) direkt an die Probe zu leiten, wodurch die Gasbelastung der UHV-Kammer um etwa 3 Gr¨oßenordnungen gesenkt werden kann.

3.2.4

Ioneninduzierte Zerst¨aubung

Eine f¨ur fast alle Proben einsetzbare Methode ist das Abtragen der Oberfl¨achenatome durch den Beschuss mit niederenergetischen Ionen (Zerst¨auben, engl. sputtering). F¨ur kinetische Energien gr¨oßer als etwa 100 eV kann man den Stoß zwischen Ion und Atom durch ein Zweierstoßmodell beschreiben (Abb. 3.2a), da an die Elektronen kein nennenswerter Impuls¨ubertrag erfolgen kann. Aus Energie- und Impulserhaltung folgt f¨ur den ersten Zweierstoß: E2 4A cos2 ϑ2 M2 = mit Massenverh¨altnis A = (3.1) E0 (1 + A)2 M1 Der maximale Energie¨ubertrag beim Stoß ergibt sich f¨ur A = 1, allerdings ist die Abh¨angigkeit vom Massenverh¨altnis nicht sehr stark: Eine Abweichung um einen Faktor 4 verringert den Energie¨ubertrag lediglich auf 64 % des Maximalwerts. F¨ur nachfolgende St¨oße zwischen Probenatomen gilt stets A = 1 (sofern diese alle dieselbe Masse besitzen), so dass sich im Allgemeinen eine ganze Zerst¨aubungskaskade ausbildet (Abb. 3.2b), die auch zur Ausl¨osung mehrerer Oberfl¨achenatome f¨uhren kann. Die Zerst¨aubungausbeute (engl. sputter yield)Y ist die Zahl der abgetragenen Atome pro einfallendem Ion. In einfachster N¨aherung ist Y ∝ E2 (ϑ2 = 0)/U0 , wobei U0 die Bindungsenergie der Oberfl¨achenatome darstellt. Die Ausbeute steigt zun¨achst proportional zur Ionenenergie (Abb. 3.2c). F¨ur h¨ohere Energien > 2 keV dringen die Ionen tiefer ein und die

62

3 Pr¨aparation von Oberfl¨achen M1, E0

(a)

1

10

(c)

Xe

Nickel M2, E2

(b)

ausgelöstes Atom

ϑ2

einfallendes Ion ausgelöstes Atom

Zerstäubungsausbeute

E1

0

10

Kr

Ar Ne

-1

10

He D

-2

10

H

-3

10

-4

10

-5

10

10

100

1000

10000

Ionenener gie (eV) Abb. 3.2: (a) Zerst¨aubungsprozess im Zweierstoßmodell. (b) Zerst¨aubungskaskade. (c) Zerst¨aubungsausbeute von Nickeltargets bei senkrechtem Einfall f¨ur verschiedene Prim¨arionen [3.2].

nahe der Oberfl¨ache deponierte Energie nimmt entsprechend ab. Die Abh¨angigkeit von der Ionensorte wird durch den Energie¨ubertrag beim Zweierstoß zwischen Prim¨arion und den Targetatomen bestimmt und ist nur f¨ur sehr leichte Ionen deutlich geringer. Entscheidend f¨ur das Herausschlagen von Oberfl¨achenatomen ist eine m¨oglichst große Energiedeposition unmittelbar an der Oberfl¨ache. Deshalb w¨achst die Ausbeute mit dem Einfallswinkel (bis etwa 70◦ gegen die Oberfl¨achennormale). Auch kann bei flacheren Winkeln im Gegensatz zu normalem Einfall bereits der erste Stoß direkt zur Ausl¨osung von Oberfl¨achenatomen f¨uhren. Bei noch flacheren Einfallswinkeln werden die Ionen allerdings immer h¨aufiger elastisch reflektiert, wodurch die mittlere deponierte Energie wieder abnimmt und damit auch die Zerst¨aubungsausbeute. Bei einer typischen Ionenenergie von 1 keV ist die Zerst¨aubungsausbeute etwa 1. Bei einer Ionenstromdichte von 1 µA/mm2 ben¨otigt man somit rechnerisch nur knapp 3 Sekunden, um eine Atomlage abzutragen. Da aber die Stoßkaskade zu einer Durchmischung des oberfl¨achennahen Bereichs auf der Nanometerskala f¨uhrt, wodurch Verunreinigungen von der Oberfl¨ache teilweise auch weiter nach innen verschleppt werden k¨onnen, sind l¨angere Sputterzeiten von mehreren Minuten notwendig, um Verunreinigungen im Monolagenbereich vollst¨andig zu entfernen. Da auch prim¨are Ionen im Durchmischungsbereich implantiert werden, verwendet man zum Sputtern gew¨ohnlich chemisch inerte Edelgasionen, die beim anschließend notwendigen thermischen Ausheilen sputter-induzierter Defekte von selbst wieder desorbieren. Eine Ionenquelle ist meist recht einfach aufgebaut (Abb. 3.3). Das Gas wird darin entweder durch thermisch emittierte und auf etwa 100 eV (= Maximum des Ionisationsquerschnitts) beschleunigte Elektronen ionisiert oder innerhalb einer dauerhaft brennenden Plasmaentladung. Das (positive) Potential des Ionisationsbereichs bzgl. Probe definiert dabei die sp¨atere kinetische Energie der Ionen. Der restliche Aufbau entspricht im wesentlichen einer Elek-

3.3 Erzeugung modifizierter Oberfl¨achen e–-Repeller ( UB -150 V) Ionisationskäfig

Ar+

Potential +UB

e–

Glühdraht auf Potential UB - 100 V

63

Extraktorblende Ionenstrahl mit Energie eUB

Abb. 3.3: Schematischer Aufbau einer Ionenquelle.

tronenkanone (Abschnitt 5.1.1) mit umgekehrten elektrischen Potentialen: Die erzeugten Ionen werden zu einer (negativ vorgespannten) Extraktorblende beschleunigt, durch deren Blenden¨offnung der Ionenstrahl die eigentliche Quelle verl¨asst. Optional kann der Strahl anschließend durch elektrostatische Linsen fokussiert oder/und durch Plattenkondensatoren abgelenkt bzw. u¨ ber die Probe gerastert werden. Die erzielbaren Ionenstr¨ome liegen typischerweise in der Gr¨oßenordnung 1 – 100 µA bei Energien von 0,5 – 5,keV. Die ioneninduzierte Abtragung bildet auch die Grundlage f¨ur zwei verschiedene Analysemethoden, die in diesem Buch aus Platzgr¨unden nicht im einzelnen besprochen werden k¨onnen. So kann man die von der Oberfl¨ache abgel¨osten Ionen (oder Neutralteilchen) mit einem Massenspektrometer nachweisen, um so ein quantitatives Maß f¨ur die Oberfl¨achenzusammensetzung zu erhalten (Sekund¨arionen-Massenspektroskopie, SIMS). Detektiert man unter fortw¨ahrendem Zerst¨auben die gefundenen Massen als Funktion der Zeit, so erh¨alt man nach Kalibrierung ein Tiefenprofil der Elementverteilung, das sich weit in den µmBereich erstrecken kann. Die Tiefenaufl¨osung entspricht dabei im wesentlichen der Dicke des Durchmischungsbereichs. Alternativ zu den abgetragenen Teilchen kann man auch parallel zum Zerst¨auben die jeweils aktuelle Oberfl¨achenzusammensetzung elektronenspektroskopisch (Kap. 5.2) untersuchen (Auger- bzw. R¨ontgen-Tiefenprofilanalyse).

3.3

Erzeugung modifizierter Oberfl¨achen

Die Pr¨aparation von atomar sauberen Einkristalloberfl¨achen ist nicht nur Selbstzweck, sondern auch wichtig als Substrat f¨ur das Aufbringen weiterer Elemente zur Herstellung von Filmen oder Schichten mit ,,anderen” Oberfl¨achen, welche neue interessante Eigenschaften aufweisen k¨onnen. Auch die Adsorption von Gasen zum Studium katalytischer oder korrosiver Prozesse auf atomarer Basis bedarf einer wohldefinierten Oberfl¨ache als Ausgangsbasis. Die physikalischen Prozesse zur Adsorption und zum Schichtwachstum wurden bereits ausf¨uhrlich in den Abschnitten 2.2.1 und 2.3 dargestellt, so dass wir uns hier auf die jeweilige experimentelle Umsetzung beschr¨anken k¨onnen.

3.3.1

Adsorbat-bedeckte Oberfl¨achen

Der einfachste Weg, eine Oberfl¨ache zu modifizieren, ist Gas darauf zu adsorbieren (Abschnitt 2.2.1). Das Gasangebot (Dosis) ist bestimmt durch Druck · Zeit mit der traditionellen Einheit 1 Langmuir = 1 L = 10−6 Torr·s= 1,33 · 10−4 Pa·s. Eine geschlossene Adsorbatlage erh¨alt man nach einem Gasangebot in der Gr¨oßenordnung von 1 L unter der Voraus-

64

3 Pr¨aparation von Oberfl¨achen

setzung, dass alle angebotenen Gasteilchen auch haften bleiben (Haftkoeffizient S = 1). Gasdr¨ucke werden mit Heißkathodenr¨ohren (,,Bayard-Alpert-R¨ohre”) gemessen, die Zusammensetzung analysiert man mit Hilfe von Quadrupol-Massenspektrometern. In beiden F¨allen werden a¨ hnlich wie bei der Ionenquelle (Abschnitt 3.2.4) die Gasteilchen durch Elektronen zun¨achst ionisiert und anschließend entweder direkt auf einen Kollektor abgesaugt oder in das zwischengeschaltete Quadrupol-Stabsystem zur Massenselektion. Der detektierte Kollektorstrom ist u¨ ber einen weiten Bereich (ab ca. 10−1 Pa) proportional zum Druck, h¨angt aber auch von der Ionisationswahrscheinlichkeit der jeweiligen Gassorte ab. Die Anzeigeger¨ate sind standardm¨aßig auf Stickstoff N2 geeicht. F¨ur andere Gase ergeben sich andere Empfindlichskeitsfaktoren R. Die Werte von R reichen von 0,20 f¨ur Helium bis u¨ ber 5 f¨ur Kohlenwasserstoffe [3.3]. Die abgelesenen Werte sind durch R zu dividieren, um den wahren Druck zu erhalten.

3.3.2

Schichten auf Oberfl¨achen

Oberfl¨achen mit anderen Eigenschaften erh¨alt man, wenn man auf eine Oberfl¨ache (Substrat) Schichten oder Filme aus Atomen oder Molek¨ulen deponiert (Abschnitt 2.3.3). Falls die Schicht eine wohldefinierte Beziehung zum Substrat hat, spricht man von Epitaxie. Hierbei unterscheidet man zwischen Homoepitaxie und Heteroepitaxie, je nachdem ob man das selbe oder ein anderes Material als das Substratmaterial aufbringt. Zum Herstellen von ultrad¨unnen Schichten gibt es eine ganze Reihe unterschiedlicher experimenteller Zug¨ange. Wichtige Aufdampfmethoden sind: Chemische Gasphasenabscheidung (engl. chemical vapor deposition: CVD) Bei der CVD wird der Oberfl¨ache das zu deponierende Material u¨ ber Tr¨agermolek¨ule in der Gasphase angeboten. Diese Molek¨ule zersetzen sich an der meist geheizten Probenoberfl¨ache in das Depositionsmaterial und weitere fl¨uchtige Komponenten, die sofort wieder die Oberfl¨ache verlassen. Im Prinzip handelt es sich hierbei um die Umkehrreaktion des chemischen Reinigens (Abschnitt 3.2.3). Auf diese Weise lassen sich z. B. Metallschichten durch Zersetzung von Metallcarbonylen (das sind Metall-Kohlenmonoxid-Komplexe) erzeugen oder Siliziumschichten mit Disilan (Si2 H6 ). Auch Graphenschichten werden meist durch chemische Zersetzung von Kohlenwasserstoffen wie Ethen (C2 H6 ) hergestellt. Thermisches Verdampfen (engl. thermal evaporation) Hier wird das zu deponierende Material in direkter Sichtlinie zur Oberfl¨ache erhitzt, so dass die mit thermischer Energie abdampfenden Teilchen anschließend auf der kalten Probe kondensieren k¨onnen. Um geringe Schichtdicken im Monolagenbereich zu wachsen reicht bei vielen Elementen die Sublimationsrate aus, d. h. es kann aus dem Feststoff abgedampft werden. Hierzu wird entweder ein St¨uckchen hochreinen Materials durch direkten Stromdurchfluss auf die notwendige Temperatur geheizt oder auch nur die Spitze eines positiv vorgespannten Stabs durch eine Elektronenstoßheizung (Elektronenstrahlverdampfer). Muss der Stoff f¨ur eine signifikante Abdampfrate erst geschmolzen werden, so ist es sinnvoll, ihn in einem Tiegel zu erhitzen; das gleiche gilt f¨ur pulverf¨ormiges Material. Eine spezielle Variante davon ist die Knudsenzelle, das ist ein – bis auf eine kleine Abdampf¨offnung – allseits geschlossener und homogen geheizter Tiegel, in dem sich ein konstanter Dampfdruck ausbildet. Aufgrund der guten W¨armeabschirmung kann eine solche Zelle besonders genau geregelt werden k¨onnen, um sehr stabile Verdampfungsraten zu erreichen.

3.3 Erzeugung modifizierter Oberfl¨achen

65

Gepulste Laserdeposition (engl. pulsed laser deposition: PLD) Hier wird das Material von einem h¨aufig rotierenden Target durch gepulste und damit momentan extrem intensive Laserstrahlung verdampft. Neben neutralen Atomen verlassen hier auch Ionen und ganze Cluster das Target mit Energien von bis zu 100 eV. Obwohl der Teilchenpuls aufgrund unterschiedlicher Flugzeiten zur Probe zeitlich etwas auseinander l¨auft, so landen doch sehr viele Teilchen in sehr kurzer Zeit auf der Oberfl¨ache, was zu einer viel h¨oheren Keimbildungsrate als beim thermischen Verdampfen f¨uhrt und damit h¨aufig zu glatteren Schichten. Die teilweise hohe Energie der deponierten Teilchen erzeugt allerdings auch eine gewisse Zerst¨aubung des Substrats, was auch zu Durchmischungen an der Grenzfl¨ache f¨uhren kann. Die Methode ist besonders geeignet, mehrkomponentige oder hochschmelzende Substanzen zu verdampfen, optional auch in einer Gasatmosph¨are. Zerst¨auben (engl. sputter deposition) Hier wird das durch Ionenbeschuß zerst¨aubte Material des Targets auf der Probe redeponiert. Die Art und Energie der emittierten Teilchen a¨ hnelt der PLD. Im Unterschied dazu kann das Zerst¨auben durch eine Gasentladung auch großfl¨achig erfolgen. Die aufgebrachte Schichtdicke im Monolagenbereich l¨aßt sich durch die Frequenz¨anderung eines Schwingquarzes bestimmen. Durch die Anregung einer Dickenscherschwingung (≈ 6 MHz) ist die Frequenz¨anderung proportional zur aufgebrachten Schichtdicke. Viele der in den folgenden Kapiteln beschriebenen Methoden liefern ebenfalls Informationen u¨ ber die aufgebrachte Schichtdicke und das Schichtwachstum. Neben der Deposition von außen k¨onnen Schichten chemischer Verbindungen wie z. B. Oxide, Nitride oder Carbide auch unter Einbeziehung von Komponenten des Substratmaterials u¨ ber reaktive Segregation erzeugt werden. Hierbei wird der heißen Probe von außen ein reaktives Gas angeboten. Da bei hohen Temperaturen alle Atome im oberfl¨achennahen Bereich interdiffundieren und dabei auch an die Oberfl¨ache kommen, wird das Reaktionsgas bevorzugt an die Substratkomponente ankoppeln, mit der es die st¨arkste chemische Bindung eingehen kann. Diese gebundenen Komponenten k¨onnen nun nicht mehr ins Volumen zur¨uck diffundieren und reichern sich somit an der Oberfl¨ache an (adsorbatinduzierte Segregation). In der Regel bildet sich bei den erh¨ohten Temperaturen dann auch eine wohlgeordnete Schicht dieser speziellen Verbindung aus. Die wachsende Schicht stellt aber meist auch zugleich eine Diffusionsbarriere dar, die die Reaktionspartner zunehmend voneinander fern h¨alt, wodurch die finale Schichtdicke von selbst begrenzt wird. Dieser Effekt kann vermieden werden, indem die aktive Komponente des Reaktionsgases, also z. B. Stickstoff oder Kohlenstoff, zuvor unter die Probenoberfl¨ache implantiert wird und dann bei der Reak¨ tion kosegregiert. Uber die implantierte Dosis kann man dabei die gew¨unschte Schichtdicke einstellen. Eine gute Probenpr¨aparation ist entscheidend f¨ur die erfolgreiche Anwendung der in den folgenden Kapiteln vorgestellten Methoden der Oberfl¨achenphysik. Wie wir gesehen haben, gibt es eine Vielzahl von Techniken zur Pr¨aparation von Oberfl¨achen unter Ultrahochvakuumbedingungen aber kein Universalrezept. Entscheidend ist stets die R¨uckkopplung der Ergebnisse der Untersuchungsmethoden auf die Probenpr¨aparation. Die Charakterisierung der Beschaffenheit und das Verst¨andnis der Prozesse bietet die Chance, gezielt Oberfl¨achen mit neuen geometrischen, elektronischen und chemischen Eigenschaften zu erzeugen.

66

3 Pr¨aparation von Oberfl¨achen

Literatur 3.1

R. G. Musket, W. McLean, C. A. Colmenares, D. M. Makowiecki, and W. J. Siekhaus, Appl. Surf. Sci. 10, 143 (1982).

3.2

www.iap.tuwien.ac.at/www/surface/sputteryield; N. Matsunami et al., At. Data Nucl. Data Tables 31, 1 (1984).

3.3

J. E. Bartmess und R. M Georgiadis, Vacuum 33, 149 (1983).

Weitere Literatur 3.4

K. Jousten, Wutz Handbuch Vakuumtechnik: Theorie und Praxis, 2. Aufl., Vieweg (Wiesbaden 2006).

3.5

J. T. Yates Jr. und L. G. Rubin, Experimental Innovations in Surface Science: A Guide to Practical Laboratory Methods and Instruments, Springer (Berlin 1997).

4

Methoden zur Bestimmung der geometrischen Struktur

Die geometrische Struktur einer Oberfl¨ache, d. h. die Anordnung der Atome, beeinflusst fast alle Oberfl¨acheneigenschaften. Dabei sind unter Oberfl¨ache die ersten paar Atomlagen zu verstehen, in denen die Positionen und/oder die chemische Natur der Atome von den urspr¨unglichen entsprechenden Volumeneigenschaften abweichen (Kap. 1). Sind Atome, Molek¨ule oder mehrere Lagen davon adsorbiert, so geh¨oren sie auch zur Oberfl¨ache. Bei Strukturbestimmung denkt man zun¨achst an Ortsraummethoden, bei denen man die Atome direkt sieht“. Es gibt zwar Elektronenmikroskope mit atomarer Aufl¨osung, sie ” ben¨otigen aber sehr d¨unne und speziell pr¨aparierte Proben, verf¨ugen u¨ ber eine nur geringe Oberfl¨achenempfindlichkeit und liefern in der Regel nur die Projektion zur Oberfl¨ache senkrechter atomarer Ketten. Bei der Rastertunnelmikroskopie, die sich durch eine hohe Oberfl¨achenempfindlichkeit auszeichnet und im Kap. 6 beschrieben wird, hat man oft den Eindruck, Atome zu sehen. Jedoch trifft dies nur zu, wenn die atomare Abbildung nicht durch elektronische Zust¨ande verf¨alscht wird. Außerdem wird in der Regel die elektronische Struktur unmittelbar an der Oberfl¨ache abgerastert, Atome in tieferen Lagen nehmen nur Einfluss, soweit sie diese modifizieren. Eine kristallographische Bestimmung der Oberfl¨achenstruktur ist daher meist nicht m¨oglich. Eine pr¨azise Strukturbestimmung l¨asst sich f¨ur lateral periodische Oberfl¨achen durch Beugungsmethoden durchf¨uhren. Dazu werden h¨aufig die im oberen Teil von Abb. 4.1 schematisch dargestellten Methoden eingesetzt, n¨amlich die Beugung langsamer Elektronen (engl. low-energy electron diffraction: LEED),die Beugung von Atomen (bevorzugt Heliumbeugung, engl. Helium atom scattering: HAS)und die Oberfl¨achenr¨ontgenbeugung (engl. surface x-ray diffraction: SXRD).Dabei werden alle erreichbaren Atome koh¨arent bestrahlt, ihre Streubeitr¨age interferieren im Außenraum zum Beugungsmuster (bei Elektronen nach Mehrfachstreuung in der Oberfl¨ache). Bei den Methoden im unteren Teil von Abb. 4.1 spricht man auch von Interferenzmethoden. Bei der Erzeugung von Photoelektronen gelangen diese sowohl direkt als auch u¨ ber Streuung an den Nachbaratomen zum Detektor und interferieren dort als direktes und indirektes Signal wie in einem holographischen Prozess, sodass auch von einer holographischen Interferenzmethode gesprochen werden kann. ¨ Ublicher ist die Bezeichnung Photoelektronenbeugung (engl. photo-electron diffraction: PED),da man die Methode auch als Beugung mit einer inneren Elektronenquelle interpretieren kann. Sie ben¨otigt keine strenge Fernordnung, allerdings muss es viele Atome mit gleicher Umgebung geben (aus denen Photoelektronen ausgel¨ost werden), damit ein messbares Signal entsteht. Gleiches gilt f¨ur die Messung der Feinstruktur der R¨ontgenabsorption (engl. surface extended x-ray absorption fine structure (SEXAFS)),bei der die Abh¨angigkeit der Erzeugungswahrscheinlichkeit eines Photoelektrons von seiner R¨uckstreuung durch die Nachbarn ausgenutzt wird.

68

4 Methoden zur Bestimmung der geometrischen Struktur

Elektronenbeugung

Heliumbeugung

Photoelektronenbeugung

Röntgenbeugung

Röntgenabsorptionfeinstruktur

Abb. 4.1: Schematische Darstellung verschiedener oberfl¨achenempfindlicher und auf Beugung oder Interferenz beruhender Methoden. Gerade Linien symbolisieren Strahlen von Masseteilchen, gewellte die von R¨ontgenwellen. Einfallende (gestreute und auslaufende) Strahlen sind mittels durchgezogener (gestrichelter) Linien angedeutet.

4.1

Beugungsmethoden zur Strukturbestimmung

F¨ur periodische Strukturen sind Beugungsmethoden am besten geeignet, da die koh¨arente ¨ Uberlagerung der Streuung aller Einheitszellen zu einem großen Signal in wohldefinierte Richtungen f¨uhrt. Die Wellenl¨angen der dazu verwendeten Strahlung liegt im Bereich der Atomabst¨ande, sodass sich große Beugungswinkel ergeben, was die Messung erleichtert. Diese Bedingung legt gr¨oßenordnungsm¨aßig die Energie der jeweiligen Strahlung fest: ˚ ergibt sich f¨ur Photonen Ehν = 12,4 keV, f¨ur Elektronen F¨ur eine Wellenl¨ange von 1 A Ee = 150 eV und f¨ur Atome (z. B. He) EHe = 20,6 meV. Bei Photonen ist man damit im R¨ontgenbereich, sie k¨onnen tief in den Festk¨orper eindringen und die Oberfl¨achenempfindlichkeit ist gering. F¨ur schr¨agen Einfall und mit Verwendung starker R¨ontgenquellen (Synchrotronstrahlung) gelingen dennoch genaue Strukturbestimmungen. Atome dringen dagegen gar nicht in die Oberfl¨ache ein und sehen“ daher nur die oberste Atomlage, am ” gebr¨auchlichsten ist Helium. Bei Elektronen spricht man aufgrund des Energiebereichs von langsamen Elektronen, die f¨ur Oberfl¨achenuntersuchungen ideal geeignet sind, da ihre mitt˚ lere freie Wegl¨ange im Festk¨orper nur wenige Angstrøm betr¨agt (Abschnitt 2.1.2) und sie damit nur den interessierenden Oberfl¨achenbereich des Festk¨orpers sondieren.

4.2

Kinematische Beschreibung der Beugung

Die folgende kinematische Beschreibung der Beugung kann in ihren Grundz¨ugen f¨ur alle drei Beugungsmethoden (SXRD, HAS, LEED) benutzt werden. Dabei wird angenommen, dass die auf einen atomaren Streuer von außen einfallende Welle (Prim¨arwelle) von diesem gestreut wird und danach die Oberfl¨ache ohne weitere Streuung in Richtung Detek-

4.2 Kinematische Beschreibung der Beugung

69

tor verl¨asst, wo sie mit den koh¨arenten Streubeitr¨agen aller anderen von der Prim¨arwelle getroffenen Streuer interferiert. F¨ur die R¨ontgen- und Heliumbeugung ist diese Beschreibung nahezu exakt g¨ultig, f¨ur die Beugung von Elektronen muss sie jedoch aufgrund der Mehrfachstreuung der Elektronen drastisch modifiziert werden (Abschnitt 4.3.3). Wie in Abb. 4.2a dargestellt, beschreiben wir die Prim¨arwelle als eine ebene Welle mit dem Wellenvektor k 0 . Das gestreute Wellenfeld besteht aufgrund der lateralen Translationssymmetrie aus einem Satz ebener Wellen mit Wellenvektoren k s , wobei in Abb. 4.2a nur eine davon herausgegriffen ist. Die Streuprozesse bei der Beugung werden als elastisch angenommen, d. h. |k 0 | = |ks | = k. Da die Translationssymmetrie senkrecht zu Oberfl¨ache gebrochen ist, stellen wir uns jede der in Abb. 4.2a dargestellten Einheitszellen mit den oberfl¨achenparallelen Einheitsvektoren a1 bzw. a2 in die Oberfl¨ache hinein ausgedehnt vor. In diesen S¨aulen sind, wie in Abb. 4.2b f¨ur einen einfachen Fall dargestellt, die Atome angeordnet (in jeder S¨aule gleich). Der Ursprung der Zelle mit der Nummer (m,n) ist bzgl. eines beliebig w¨ahlbaren Nullpunkts mit rmn = ma1 +na2 gegeben. Von dort aus werden die verschiedenen Atome j in der Einheitszelle mittels der Vektoren ρj erreicht, sie bilden mit den Atomen aller anderen Einheitszellen eine lagenweise Anordnung. Neben den Atompositionen kann auch die chemische Natur der Atome unterschiedlich sein, was zu unterschiedlichen atomaren Streufaktoren fj (k 0 ,k s ) f¨ur die Streuung aus Richtung k 0 in Richtung k s f¨uhrt. Nat¨urlich h¨angen diese Streufaktoren auch von der Wechselwirkung der verwendeten Strahlung (Photonen, Elektronen, Atome) mit den Oberfl¨achenatomen ab, was in den jeweiligen Unterkapiteln besprochen wird.

(a)

(b)

ks

1. Lage

k0 0

r

_ mn

y

c2

x

a1

2. Lage

a1 0

r1

1

a2

r2 2

r3

c3

a2

3 3. Lage

Abb. 4.2: (a) Beugungsszenario an einer Oberfl¨ache und (b) Lagenaufbau einer Einheitszelle.

Die Streubeitr¨age aller Atome summieren sich f¨ur ein Prim¨arwelle mit Amplitude A0 = 1 am Detektor auf zur Streuamplitude A=

X j

fj (k 0 ,k s )e

−i∆k·ρj

X

e−i∆k·rmn

mn

mit dem bei der Streuung am Atom erfolgten Impuls¨ubertrag ∆k = k s − k0 .

70

4 Methoden zur Bestimmung der geometrischen Struktur

Die Beugungsintensit¨at ergibt sich zu X X −i∆k·ρ 2 j| · | fj (k 0 ,ks )e e−i∆k·rmn |2 ≡ |F |2 · |G|2 . I = |A|2 = | j

|

} |

{z

|F |2

mn

{z

|G|2

(4.1)

}

Der Faktor |F |2 heißt Formfaktor oder Strukturfaktor, denn er enth¨alt die Struktur, d. h. die Positionen der Atome in der Einheitszelle. Der Faktor |G|2 ist der Gitterfaktor, da er nur vom Punktgitter abh¨angt. Mit r mn = ma1 + na2 faktorisiert |G|2 in 2 +∞ 2 +∞ X X −in∆k·a2 −im∆k·a1 e e |G| = · n=−∞ m=−∞ 2

(4.2)

wobei die Einzelfaktoren f¨ur ein lateral beidseitig unendlich ausgedehntes Gitter zu berechnen sind. Die ersten beiden Faktoren in Gl. (4.2) verschwinden nur dann nicht, wenn (4.3)

∆k · ai = ∆k k · ai = 2πqi (qi ∈ Z)

gilt, was bereits in Abschnitt 1.2.1 benutzt wurde. Dies ist dann und nur dann erf¨ullt, wenn die Parallelkomponente des Impuls¨ubertrags ∆k k mit einem diskreten Vektor g des reziproken Gitters u¨ bereinstimmt (Laue-Bedingung), d. h. (4.4)

∆k k = ghk = hg1 + kg2 .

Die Basisvektoren g1 und g 2 m¨ussen wegen Gl. (4.3) die Bedingung g i · aj = 2πδij f¨ur i,j = 1,2 erf¨ullen und ergeben sich aus den Basisvektoren des realen Gitters zu g 1 = (g1x ,g1y ) =

2π (a2y , − a2x ) Aer

und

g 2 = (g2x ,g2y ) =

2π (−a1y , a1x ). (4.5) Aer

Die umgekehrte Aufl¨osung von Gl. (4.5) ergibt a1 =

2π (g2y , − g2x ) Aek

und

a2 =

2π (−g1y ,g1x ), Aek

(4.6)

mit Aer = a1x a2y − a2x a1y und Aek = g1x g2y − g2x g1y . |Aer | und |Aek | sind die Fl¨achen der Einheitszellen im Orts- bzw. Impulsraum. Die Translationssymmetrie erzwingt also, dass nach Gl. (4.4) Beugung nur in Richtungen mit (4.7) k sk = k 0k + ghk stattfindet, was gleichzeitig erlaubt, diese Richtungen mit (h,k) zu indizieren. Wie man sieht, ist dies unabh¨angig von der verwendeten Strahlung, die atomaren Streufaktoren gehen nur in den Strukturfaktor ein. Da senkrecht zur Oberfl¨ache keine Translationssymmetrie herrscht, kann in dieser Richtung jeder Impuls u¨ bertragen werden. Dies f¨uhrt zu den reziproken Gitterstangen (engl. crystal truncation rods,die senkrecht auf der von den diskreten reziproken Gitterpunkten ghk aufgespannten Ebene stehen und durch diese hindurchgehen, wie Abb. 4.3 wiedergibt.

4.2 Kinematische Beschreibung der Beugung (a)

71 (b)

ks ks g1

k0

(0,0)

g2

g1

(0,0)

k0

g2

Abb. 4.3: Ewaldkugel-Konstruktion f¨ur (a) LEED (nahe oder genau bei senkrechtem Einfall) und (b) SXRD (schr¨ager Einfall).

Da die Streuung an den Atomen elastisch ist, regelt die Bedingung |k s | = |k 0 | ( Energie” erhaltung“), welcher konkrete Impuls u¨ bertragen wird. Die senkrechte Komponente von k s ergibt sich mit Gl. (4.7) zu q ks⊥ = ± k02 − (k 0k + g hk )2 ,

wobei das +(−)Zeichen f¨ur Beugung aus einer Atomlage in die Oberfl¨ache hinein (von ihr zur¨uck) gilt (f¨ur (k 0k + g hk )2 > k02 ergibt sich ein rein imagin¨ares ks⊥ , d. h. es entsteht eine evaneszente Welle, und es wird keine Welle von der Oberfl¨ache zur¨uckgebeugt). Der senkrechte Impuls¨ubertrag berechnet sich damit zu ∆k⊥ = ks⊥ − k0⊥ . Die bei einem bestimmten Einfallswellenvektor k 0 (mit Energien E = (~k0 )2 /2m f¨ur Teilchen der Masse m und E = hν = ~ck0 f¨ur Photonen) m¨oglichen Beugungsrichtungen lassen sich durch die Ewald-Kugel veranschaulichen (Abb. 4.3). Dabei wird im reziproken Gitter mit den reziproken Gitterstangen der Einfallsvektor k 0 auf den Ursprung des k-Raums gerichtet und die Kugel mit Radius k = k0 um den Fußpunkt von k 0 eingef¨ugt (Ewald-Kugel). Nur diejenigen reziproken Gitterstangen, die die Ewald-Kugel schneiden, definieren k s -Vektoren und f¨uhren zu gebeugten Wellen. Mit wachsendem k0 bzw. zunehmender Energie werden immer mehr Beugungsordnungen – indiziert durch g hk bzw. (hk) – sichtbar. Abbildung 4.3a gibt die Situation bei LEED an, wobei meist nahe oder genau bei senkrechtem Einfall gemessen wird: Die Beugungsordnung, auf deren zugeh¨origer reziproker Gitterstange k s endet, wird durch Variation von k0 bzw. der Elektronenenergie abgetastet und dabei die Intensit¨at gemessen. Dagegen wird bei SXRD, wie in (b) dargestellt, mit schr¨agem Photoneneinfall die Gitterstange bei fester Photonenenergie durch Drehung des Kristalls abgetastet. F¨ur jeden Beugungsreflex (h,k) nimmt der Gitterfaktor |G|2 den gleichen Wert an, die Intensit¨at des Reflexes und damit die Information u¨ ber die Atomanordnung in der Einheitszellens¨aule ist im Strukturfaktor |F |2 enthalten. Mit anderen Worten: |G|2 bestimmt die Anordung der Beugungsreflexe und spiegelt (auf reziproke Weise) die Gr¨oße und Gestalt der Einheitszelle wider, |F |2 ist durch die Positionen der Atome bestimmt. Die Summe in

72

4 Methoden zur Bestimmung der geometrischen Struktur

|F |2 l¨asst sich f¨ur eine beliebige Atomanordnung nicht analytisch ausrechnen. Die wesentlichen Eigenschaften sind aber auch f¨ur den einfachen Fall einer volumenartig terminierten Oberfl¨ache zu erkennen. Dazu verwenden wir f¨ur den in Abb. 4.2 dargestellten weiter vereinfachten Fall dass ρj = cj + ρjk = (j − 1)a3 + ρk . Dabei ist a3 der konstante Lagenabstandsvektor und ρk der als von j unabh¨angig angenommene Wert von ρjk . Unter der −i∆k·ρ

k| = 1 zus¨atzlichen Annahme identischer Streuer (fj (k 0 ,k s ) = f (k 0 ,k s )) und mit |e ergibt sich die Intensit¨at zu 2 2 +∞ +∞ X X I = |F |2 = |f (k 0 ,k s )|2 · (e−i∆k·a3 )j = |f (k 0 ,k s )|2 · (e−i∆k⊥ a3 )j . j=0 j=0

Zur weiteren Rechnung muss noch die D¨ampfung der Prim¨arwelle beim Eindringen in die Oberfl¨ache und die D¨ampfung der gebeugten Welle bis zu ihrem Austritt ber¨ucksichtigt werden. Am elegantesten gelingt dies durch Einf¨uhrung eines Imagin¨arteils ki f¨ur die Wellenzahl k innerhalb des Festk¨orpers, d. h. k → k + iki . Betrachten wir dazu (weiter vereinfachend) den (0,0)-Reflex (ghk = 0) und senkrechten Einfall der Prim¨arwelle (k0k = 0, k0⊥ = k0 ) so wird ∆k⊥ = −2k0 − 2iki und die Intensit¨at ergibt sich zu 2 X +∞ |f (k 0 ,k s )|2 . (4.8) I00 = |f (k0 ,ks )|2 · (e2(ik0 −ki )a3 )j = −2k a (1 − e i 3 )2 + 4e−2ki a3 sin2 (k0 a3 ) j=0

In Abb. 4.4a ist der Intensit¨atsverlauf f¨ur die Beugung langsamer Elektronen als Funktion der Elektronenergie E = ~k02 /2m aufgetragen f¨ur |f (k 0 ,k s )| = 1, wobei ein f¨ur die D¨amp˚ verwendet wurde, d. h. die fung von Elektronen typischer Wert ki a3 = 0,2 (a3 = 2,12 A) Energieabh¨angigkeit von ki (Kap. 4.3) ist hier der Einfachheit halber unber¨ucksichtigt (die f¨ur die D¨ampfung relevanten inelastischen Prozesse sind in Abschnitt 2.1 beschrieben). Maxima ergeben sich bei Energien, bei denen der Realteil des Impuls¨ubertrags ∆k⊥r = 2k0 die Bedingung ∆k⊥r a3 = 2πl (l ganzzahlig). Das ist die f¨ur das unendlich ausgedehnte dreidimensionale Gitter zu fordernde 3. Laue-Bedingung (wir werden jedoch in Kap. 4.3 sehen, dass die Mehrfachstreuung der Elektronen zu noch viel mehr Maxima f¨uhrt). Dies spiegelt den hier als konstant angenommenen Abstand a3 der atomaren Lagen in der Oberfl¨ache wider. Die entsprechenden Stellen auf den reziproken Gitterstangen sind in Abb. 4.4b durch kleine Kreise gekennzeichnet. F¨ur R¨ontgenstrahlung mit der im Vergleich zu Elektronen wesentlich geringeren D¨ampfung ist das beschriebene Verhalten noch viel drastischer ausgepr¨agt, wie Abb. 4.4c f¨ur ki a3 = 5 · 10−4 zeigt (wieder f¨ur |f (k 0 ,k s )| = 1). Deshalb wird hier meist auch die f¨ur den dreidimensionalen Fall u¨ bliche Schreibweise benutzt, in dem k0 a3 durch πl in Gl. (4.8) ersetzt wird. Hier ist der Beugungsindex l im Gegensatz zu den ganzzahligen Werten im Dreidimensionalen hier eine kontinuierliche Variable. Die geringe Intensit¨at zwischen den Maxima wird erst in logarithmischer Darstellung sichtbar. Im umgekehrten Fall sehr starker D¨ampfung (große Werte von ki ) nimmt, wie bei der Heliumbeugung, nur die oberste Lage der Oberfl¨ache am Beugungsgeschehen teil und es gibt keinen Einfluss der a¨ quidistanten Lagenabst¨ande. Bei der Berechnung des Gitterfaktors sind wir von einem lateral periodischen Gitter ausgegangen. Existieren jedoch Antiphasendom¨anen (Abb. 1.9), die kleiner als der Koh¨arenzbereich (Abschnitt 4.3.2) sind, so m¨ussen die zugeh¨origen G vor dem Quadrieren u¨ berlagert

4.2 Kinematische Beschreibung der Beugung (a) I00

(b)

73 (c) I00

8

10

6

10

4

2

4 10

2

g1 0

100

200

300

400

g2

Energie (eV)

10

0

-2

0

1

2

Beugungsindex R

3

Abb. 4.4: Intensit¨atsverlauf des (00)-Reflexes bei senkrechtem Strahlungseinfall (a) f¨ur Elektronen als Funktion der Energie und (c) f¨ur R¨ontgenphotonen (in logarithmischer Darstellung) als Funktion des kontinuierlichen Beugungsindexes l. In (b) ist das reziproke Gitter mit den reziproken Gitterstangen abgebildet, wobei die offenen Kreise auf den Stangen den reziproken Gitterpunkten des in 3 Dimensionen periodischen Gitters mit ganzzahligen Werten von l entsprechen.

werden, was zur Aufspaltung von Reflexen f¨uhrt. Bei der Berechnung des Strukturfaktors gehen auch die Symmetrieelemente der Struktur ein. Jedoch haben z. B. bei einer 4-fachen Rotationsachse Beugungsreflexe, die durch die Rotationssysmmetrie korreliert sind, nur dann gleiche Intensit¨at, wenn die Rotationssymmetrie des Gesamtsystems durch den einfallenden Prim¨arstrahl nicht verletzt wird, dieser also senkrecht auf der Oberfl¨ache steht. Auch die Existenz von Gleitspiegelebenen f¨uhrt nur dann zu systematischen Ausl¨oschungen von Reflexen, wenn der Prim¨arstrahl in der Gleitspiegelebene liegt. Bei der Berechnung des Strukturfaktors gilt es ferner zu beachten, dass die Atome in der Einheitszelle nicht fest an den Orten ρj sitzen, sondern um diese Positionen schwingen, selbst am absoluten Nullpunkt (Nullpunktsschwingung). Sie sind also nur zeitweise an ihrer idealen kristallographischen Position. Dies reduziert den Streufaktor, was durch den Debye-Waller-Faktor beschrieben wird. Zu seiner Berechnung verwendet man, dass die Wechselwirkungszeit eines Elektrons oder Photons mit einem Atom sehr viel k¨urzer als dessen Schwingungsdauer ist. Außerdem benutzt man vereinfachend, dass die Atome unabh¨angig voneinander schwingen, d. h. zwischen ihren Auslenkungen keine feste Phasenbeziehung herrscht. Es findet also Streuung an einem verzerrten, aber w¨ahrend der Streuung statischen Gitter statt, sodass die Teilchen bei der Streuung keinen Energieverlust erleiden, was auch mit Null-Phonon-Streuung bezeichnet wird (zum inelastischen Streuanteil siehe Abschnitt 2.1.2). Ein Teil von ihnen wird aus der idealen Beugungsrichtung heraus in alle Raumrichtungen gestreut (thermisch diffuse Streuung), die Beugungsamplitude also reduziert. Dies kann man durch eine Reduktion des Streufaktors beschreiben. Die Mittelung u¨ ber alle Auslenkungen [4.1][4.2] f¨uhrt zum temperaturabh¨angigen Reduktionsfaktor e−M(T ) f (T ) = e−M(T ) f

mit

M (T ) =

1 h(∆k · u)2 i = 2

1 (∆k)2 hu2 i, 6 | {z }

(4.9)

f¨ur isotrope Auslenkungen

wobei u = u(T ) die atomare Auslenkung des Atoms und hu2 i = hu2 (T )i das mittlere Amplitudenquadrat der atomaren Schwingung ist. Der Faktor e−2M ist in der kinematischen Beugung der Reduktionsfaktor f¨ur die Beugungsintensit¨aten (Debye-Waller-Faktor).

74

4 Methoden zur Bestimmung der geometrischen Struktur

Quantitatives LEED und SXRD konnten erst in den 1970er bzw. 1980er Jahren zu verl¨asslichen Methoden entwickelt werden. Zwar wurde die Beugung von Elektronen und damit deren Wellennatur schon 1927 nachgewiesen (f¨ur langsame Elektronen von Davisson und Germer, f¨ur hochenergetische Elektronen von Thomson; Davisson und Thomson erhielten 1937 den Nobelpreis), aber die erste quantitative Strukturbestimmung mit LEED erfolgte erst in den 1970er Jahren. Im Gegensatz dazu erfolgte das erste R¨ontgenbeugungsexperiment 1912 durch Laue (Nobelpreis 1914) und die erste Strukturanalyse f¨ur das Kristallvolumen gab es schon 1913 durch Bragg (Nobelpreis 1915). Allerdings war die erste Strukturbestimmung von Oberfl¨achen mit SXRD erst 1986 erfolgreich. LEED und SXRD m¨ussen also intrinsische Probleme bergen. Bei LEED liegen sie auf der theoretischen Seite (Vielfachstreuung der Elektronen), bei SXRD auf der experimentellen Seite (Notwendigkeit gen¨ugend starker R¨ontgenquellen). Auch SEXAFS und HAS sind experimentell aufw¨andig, ben¨otigen zur Auswertung quantenmechanische Methoden und kamen deshalb a¨ hnlich sp¨at wie SXRD und LEED zu quantitativem Einsatz.

4.3

Beugung langsamer Elektronen

4.3.1

Experiment

Das LEED-Experiment ist in Abb. 4.5 illustriert. In Teil (a) ist die LEED-Optik abgebildet. Diese besteht aus einer Elektronenkanone und einem sph¨arischen Leuchtschirm mit mehreren vorgeschalteten Gittern, in deren Zentrum die Probe montiert ist. Aus der Elektronenkanone (Spannung U ) gelangt der Prim¨arstrahl der Energie E = −eU auf die Probe (die Spannung ist negativ, da die Probe auf Erdpotential und die Elektronenkanone negativ beschaltet ist; weitere Details in Abschnitt 5.1.1). Neben den elastisch zur¨uckgebeugten Elektronen (gestrichelte Linien) verlassen auch inelastisch gestreute Elektronen die Probe (Abb. 2.1). Alle durchqueren zun¨achst geradlinig den feldfreien Raum zwischen Probe und erstem Gitter, das wie die Probe auf Erdpotential liegt. Das n¨achste Gitter ist mit einer negativen Spannung UB ≈ U (Abbremsspannung) beschaltet, sodass ein großer Teil der inelastisch gestreuten Elektronen (Ein < e|UB |) ausgesondert wird. Zwischen dem n¨achsten, geerdeten Gitter und dem Leuchtschirm liegt eine Spannung von etwa 5 kV, mit der die gebeugten Elektronen auf den Leuchtschirm beschleunigt werden. Sie erzeugen dort durch Lumineszenz sichtbare Reflexe (Beugungsreflexe), wie sie in Abb. 4.5b in planarer Projektion zu sehen sind. Bei Verwendung eines Glasleuchtschirms sind sie von hinten ohne st¨orenden Einfluss des Probenhalters sichtbar. In der einfachsten Ausf¨uhrung der LEED-Optik werden nur zwei Netze ben¨otigt, das geerdete Gitter vor dem Leuchtschirm kann entfallen. Falls sie auch als Gegenfeldanalysator f¨ur Augerelektronenspektroskopie (AES, Abschnitt 5.2.3) eingesetzt werden soll, verbessert die doppelte Ausf¨uhrung des Abbremsgitters die Energieaufl¨osung (Verringerung des Durchgriffs des elektrischen Felds). Das zus¨atzliche, geerdete Netz vor dem Leuchtschirm ist ebenfalls f¨ur die Augerelektronenspektroskopie wichtig, da es die Kapazit¨at zwischen Abbremsgittern und Leuchtschirm verkleinert und damit die kapazitive Kopplung des Modulationssignals (Abschnitt 5.1.3) zwischen Abbremsgitter auf den Leuchtschirm verringert.

4.3 Beugung langsamer Elektronen

(a)

75

(b) gebeugte Strahlen

Leu ch

ts

irm

ch

Elektronenkanone

(02

)

)

d

"

(12

)

(01

(11

)

(21

)

(00

Probe

)

)

R Schirmspannung

(10

Abbremsspannung

(20

)

300eV

UB

Abb. 4.5: (a) LEED-Optik (schematisch) und (b) Beugungsbild einer fcc(001)-Oberfl¨ache mit eingetragener reziproken Einheitszelle und Indizierung (hk) f¨ur einige Beugungsreflexe (der (00)-Reflex ist bei senkrechtem Einfall des Prim¨arstrahls nicht sichtbar und ist hier als Kreis eingezeichnet).

4.3.2

Geometrie des Beugungsbildes

Durch den sph¨arischen Leuchtschirm sind die Beugungsreflexe wie auf der Ewald-Kugel positioniert, die ebene Projektion des Beugungsbilds in Abb. 4.5b entspricht einem Schnitt durch die Anordnung der reziproken Gitterstangen. Aus Abb. 4.5a liest man f¨ur senkrechten Einfall des Prim¨arstrahls f¨ur einen Reflex ghk = g sin α =

|g| Abstand auf Schirm d = = |k 0 | Leuchtschirmradius R

ab. Daraus sieht man einerseits, dass α mit zunehmender Elektronenenergie (zunehmendes k0 ) kleiner wird, die Reflexe also nach innen wandern. Andererseits kann man daraus unter Benutzung von Gl. (4.6) auch die L¨ange der Basisvektoren der Oberfl¨acheneinheitszelle (mit etwa 1%iger Genauigkeit) bestimmen. Aufgrund der lateralen Translationssymmetrie der Oberfl¨ache wird die Schreibweise der Beugungsintensit¨at als I = |F |2 · |G|2 , auf der ja die separate Betrachtung des Gitterfaktors beruht, durch die Mehrfachstreuung der Elektronen nicht ung¨ultig. Die Mehrfachstreuung ist durch den hohen Streuquerschnitt von niederenergetischen Elektronen an Atomen bedingt, der in etwa der Querschnittsfl¨ache eines Festk¨orperatoms entspricht und somit etwa 10 Gr¨oßenordnungen u¨ ber dem f¨ur R¨ontgenphotonen liegt. Wann immer ein Elektron einem Atom begegnet“ wird es daher mit hoher Wahrscheinlichkeit gestreut und, da die Atome ” in einem Festk¨orper dicht gepackt sind, auf seinem weiteren Weg immer wieder erneut gestreut. Ein Atom streut also nicht nur die von außen einfallende Prim¨arwelle (Abb. 4.6a), sondern auch die Wellen, die von seinen atomaren Nachbarn zu ihm gestreut werden (Abb. 4.6b). Es streut aber auch selbst zu diesen Nachbarn, d. h. die insgesamt auf ein Atom einfallende Welle h¨angt von seinem eigenen Streuverm¨ogen ab (Abb. 4.6c), wodurch eine in diesem Sinne selbstkonsistente Behandlung des Problems notwendig wird. Letztlich kann man die von einem Atom insgesamt ausgehende Streuwelle statt durch den Einfachstreufaktor fj durch einen alle Streuprozesse ber¨ucksichtigenden dynamischen Streufaktor fjD ausdr¨ucken, sodass die Aufteilung mit I = |F D |2 · |G|2 formal g¨ultig bleibt. In der im Abschnitt 1.2.1 eingef¨uhrten Beschreibung der Festk¨orperelektronen als Blochwellen sind die Vielfachstreuprozesse intrinsisch zwar enthalten, jedoch ist diese Beschreibung bei Elektronenenergien weit u¨ ber der Fermienergie sehr aufw¨andig.

76

4 Methoden zur Bestimmung der geometrischen Struktur (a)

(b)

(c)

Abb. 4.6: Schematische Darstellung der Streudynamik. Ein Atom in der Oberfl¨ache (Seitenansicht) streut nicht nur die von außen direkt einfallende Prim¨arwelle (a), sondern auch die Zustrahlungen von seinen Nachbarn (b). Diese Zustrahlungen beinflusst es zudem durch seine eigene Streuung (c).

Bei der Interpretation der Geometrie des LEED-Bildes, d. h. der Position der Reflexe und damit der Bestimmung von Gestalt und Gr¨oße der Einheitszelle im Realraum, gilt es zu beachten, dass bei bestimmten Elektronenenergien die Intensit¨at eines Reflexes aufgrund der Energieabh¨angigkeit des Strukturfaktors verschwinden kann bzw. es durch Symmetrieeigenschaften der Struktur (z. B. einer Gleitspiegelebene) sogar zur systematischen ¨ Ausl¨oschung von Reflexen kommen kann. Bei Uberstrukturen durch Adsorption oder Rekonstruktion erkennt man in den LEED-Bildern noch die Beugungsreflexe des Substrats, wenn die mittlere freie Wegl¨ange gr¨oßer als die Adsorptions- bzw. Rekonstruktionsschicht ist, was in der Regel zutrifft. Da deren Einheitszellen jedoch meist gr¨oßer als die des Sub¨ strats sind, w¨urde das Beugungsbild einer kommensurablen Uberstruktur auch ohne Beteiligung des Substrats dessen Reflexe enthalten. Wie in Abschnitt 1.1.2 bereits dargelegt, besit¨ zen Uberstrukturen meist eine niedrigere Symmetrie als das Substrat, so dass sich Dom¨anen ¨ unterschiedlicher Orientierung ausbilden k¨onnen. Die inkoh¨arente Uberlagerung der Beugungsbilder der verschiedenen Dom¨anen f¨uhrt zu LEED-Bildern, deren Reflexpositionen die Symmetrie des Substrats zeigen. Abbildung 4.7 zeigt einige Beispiele. ¨ Die G¨ultigkeit der erw¨ahnten inkoh¨arenten Uberlagerung beruht auf der endlichen Koh¨arenz eines Elektronenstrahls. Deren Hintergrund ist haupts¨achlich die endliche Ausdehnung der Kathode, deren heiße Stellen unabh¨angig voneinander (d. h. phasenunkorreliert) emittieren. Der emittierende Bereich der Kathode wird durch die Linsen auf den Lumineszenzschirm abgebildet, sodass ein endlich breiter Reflex entsteht (in diesem Sinne ist ein Beugungs¨ reflex ein Bild der Quelle). Aquivalent damit ist die Tatsache, dass der Bereich auf der Oberfl¨ache, der mit Wellen gleicher Phase bestrahlt wird (Koh¨arenzbereich), einen endlichen Durchmesser besitzt (in Kap. 4.2 haben wir diesen Bereich als unendlich ausgedehnt angenommen). Diese endliche Breite des Koh¨arenzbereichs, auch instrumentelle Transferbreite genannt, wird auch durch die endliche Energiebreite der thermischen Elektronenquelle (Gl¨uhkathode) reduzierend beinflusst. Der Koh¨arenzbereich einer normalen LEED-Optik ˚ sodass nur Amplituden, die aus einem hat einen Durchmesser von etwa LK = 100 − 200 A, Bereich mit diesem Durchmesser stammen, interferieren und sich die Amplituden anderer solcher Bereiche inkoh¨arent u¨ berlagern (Addition der Intensit¨aten). Aus diesem Grund haben die Beugungsreflexe – wie in Abb. 4.5b – ein Reflexprofil mit endlicher Halbwertsbreite, die reziprok zu LK ist, d. h. ∆gk ≈ 2π/LK . F¨ur LK ≈ 30 a (a = Einheitszellenl¨ange) ergibt sich damit ∆gk ≈ g/30. Die Reflexbreite nimmt weiter zu, wenn die Beugung an Bereichen (Dom¨anen) stattfindet, deren Durchmesser LD kleiner als der des Koh¨arenzbereichs ist, sodass ∆gk ≈ 2π/LD resultiert. Statistische Fehlstellen innerhalb einer Dom¨ane f¨uhren zu keiner Reflexverbreiterung, ebenso nicht die thermischen Schwingungen der Streuer (wie

4.3 Beugung langsamer Elektronen

77

Ortsraum

2x1-Struktur

1x2-Struktur

Domänen aus 2x1- und 1x2-Struktur

2x2-Struktur

(01)

LEED-Bild (00)

(10)

Ortsraum

5x1+1x5-Struktur

5x1-Struktur (01)

(11)

LEED-Bild

1x5-Struktur (10)

(00)

Ortsraum

2x1-Struktur

3 zur 2x1-Struktur äquivalente Domänen

2x2-Struktur

LEED-Bild (00)

¨ Abb. 4.7: Adsorptionsstrukturen und ihre symmetrisch a¨ quivalenten Dom¨anen mit inkoh¨arenter Uber¨ lagerung ihrer Beugungsbilder. Substratreflexe (Uberstrukturreflexe) sind durch gef¨ullte (offene) Kreise dargestellt. Im mittleren Teil ist das Zustandekommen des LEED-Bilds der Oberfl¨ache Ir(100)(5×1) dargestellt, das auf dem vorderen Buchumschlag zu sehen ist. Man beachte, dass beim hexagonalen Substrat (unterer Teil) das Beugungsbild aus drei gegenseitig um 120◦ rotierte (2×1)-Dom¨anen (Rotationsdom¨anen) mit dem Bild einer (2×2)-Struktur u¨ bereinstimmt.

oben ausgef¨uhrt gehen letztere u¨ ber den Debye-Waller-Faktor nur in den Strukturfaktor ein), beide erh¨ohen aber den Untergrund im Beugungsbild. Durch spezielle Maßnahmen kann man Elektronenquellen mit Koh¨arenzbereichen von mehr ˚ Durchmesser bauen, sodass sich die Amplituden (und nicht die Intensit¨aten) verals 1000 A schieden geordneter kleiner, Dom¨anen auf der Oberfl¨ache u¨ berlagern und ein dieser Ord-

78

4 Methoden zur Bestimmung der geometrischen Struktur

nung (oder Unordnung) entsprechendes Reflexprofil erzeugen. Dessen Analyse gibt dann Aufschluss u¨ ber die mittlere Ordnung oder Unordnung an einer Oberfl¨ache (Reflexprofilanalyse, engl. spot profile analysis by LEED: SPALEED).Sie kann kinematisch unter Auswertung nur des Gitterfaktors erfolgen, da der Strukturfaktor (auch der dynamische) u¨ ber den Bereich der Reflexbreite nur unwesentlich variiert.

4.3.3

Strukturbestimmung

W¨ahrend die Bestimmung von Gestalt und Gr¨oße der zweidimensionalen Einheitszelle relativ einfach ist, gestaltet sich die Bestimmung der Struktur, d. h. der Positionen ρj der Atome innerhalb der Einheitszelle ρj , um so schwieriger. Da die Information dar¨uber in den Reflexintensit¨aten enthalten ist, gilt es diese zun¨achst zu messen und dann – aufgrund der Mehrfachstreuung als eigentliche Schwierigkeit – entsprechend auszuwerten. Im Prinzip w¨urde es dazu ausreichen, sich auf die Intensit¨aten der vielen verschiedenen Reflexe bei einer Energie zu beschr¨anken (sie sind deutlich verschieden, wie das LEED-Bild auf der vorderen Umschlagseite zeigt). Jedoch misst man, um m¨oglichst viel Information zu erhalten, die Reflexintensit¨aten als Funktion der Energie (I(E)-Spektren, auch I-V -Spektren genannt). Statt der aufw¨andigen direkten Messung der gebeugten Elektronen(str¨ome) verwendet man heute oft eine Videokamera, die von außerhalb der UHV-Kammer das optische Signal des LEED-Bilds vom Lumineszenzschirm aufnimmt, wobei das Videosignal von einem Rechner unter gleichzeitiger Verfolgung des wandernden Reflexes digitalisiert wird [4.2],[4.3],[4.4]. Außerdem kann es auf einer Festplatte aufgezeichnet werden, von der dann die I(E)-Spektren der einzelnen Reflexe off-line extrahiert werden k¨onnen. Die Messzeit liegt im Minutenbereich, sodass die Oberfl¨ache dabei leicht im gewollten, definierten Zustand gehalten werden kann. Mittels Testmessungen kann durch Vergleich von Spektren symmetrie¨aquivalenter Reflexe der senkrechte Einfall des Prim¨arstrahls schnell und (auf ≈ 0,1◦ ) genau eingestellt werden. Da LEED-Intensit¨aten sehr empfindlich auf den Einfallswinkel reagieren, wird deshalb meist bei senkrechtem Einfall des Prim¨arstrahls gemessen. Die Vielfachstreuung f¨uhrt zu reich strukturierten I(E)-Spektren, wie an den Beispielen in Abb. 4.8 und im Vergleich zu Abb. 4.4a illustriert ist. Die Schwierigkeit, strukturelle Daten daraus zu extrahieren, hat zwei Komponenten. Zun¨achst geht – wie bei jedem Beugungsexperiment – bei Bildung der Intensit¨at (ausgedr¨uckt durch die Betragsquadratur in Gl. (4.1)) die Phase der Gesamtamplitude verloren. Zweitens gehen in den Strukturfaktor |F |2 die strukturabh¨angigen dynamischen Streufaktoren f D statt der einfachen atomaren Streufaktoren ein. Deshalb m¨ussen mittels dynamischer (d. h. die Mehrfachstreuung ber¨ucksichtigender) Streutheorie [4.2],[4.5],[4.6] f¨ur verschiedene strukturelle Modelle I(E)-Spektren berechnet und die Modelle sowie ihre Parameter so lange variiert werden, bis eine befriedigen¨ de Ubereinstimmung zwischen Experiment und Theorie erzielt ist (engl. best fit). Die reiche ¨ Struktur der Spektren und ihre drastischen Anderungen bereits bei kleinen Strukturmodifikationen (Abb. 4.8b) ben¨otigt dazu ein quantitatives Vergleichsmaß, das als R-Faktor (engl. reliability factor) bezeichnet wird. Am gebr¨auchlichsten ist der im Bereich 0 ≤ R ≤ 2 ¨ variierende R-Faktor von Pendry, der die Ubereinstimmung von Maxima- und MinimaPositionen betont und eine Absch¨atzung des statistischen Fehlers bei der Bestimmung der ¨ Modellparameter erm¨oglicht [4.7]. Je kleiner R desto besser ist die Ubereinstimmung, in der Praxis glaubt man die richtige Struktur gefunden zu haben, wenn R < 0,2 ist. Aufgrund der Vielfachstreuung kann zur Intensit¨atsberechnung nicht die in Kap. 4.2 beschriebene kinematische Beschreibung benutzt werden. Man k¨onnte im Prinzip zwar f¨ur

4.3 Beugung langsamer Elektronen

(b)

100

Intensität

exp theor

(10)

200

300

400

Dd12 = d0

Intensität

Intensität

(a)

79

-10%

500 exp theor

(20)

-5%

0% 100

200

300

400

Energie (eV)

500

600

100

200

300

400

500

Energie (eV)

Abb. 4.8: (a) Experimentelle und theoretische best-fit-Spektren einer Ir(100)-(1×1)-Oberfl¨ache f¨ur zwei ausgew¨ahlte Reflexe. In (b) finden sich berechnete Intensit¨atskurven des (00)-Reflexes der Pt(100)-(1×1)-Oberfl¨ache f¨ur verschiedene Relaxationen des ersten Lagenabstands relativ zum Volumenwert.

das komplizierte Potential, das durch die Anordnung der Atome in der Oberfl¨ache aufgebaut wird, die Schr¨odingergleichung l¨osen (die kinematische N¨aherung ist dann die 1. Bornsche N¨aherung). Jedoch ist dies sehr aufw¨andig, f¨ur komplexe Strukturen nahezu unm¨oglich. Stattdessen wird nach einem hierarchischen Prinzip vorgegangen (Abb. 4.9). Dabei wird der Aufbau der Oberfl¨ache durch Atomlagen und deren Aufbau aus atomaren Streuern benutzt, wobei f¨ur die Abmessungen der lateralen Einheitszelle in der Regel die aus der Literatur bekannten Werte verwendet werden. Zuerst wird der atomare Streufaktor durch L¨osung der Schr¨odingergleichung f¨ur eine einfallende ebene Welle auf das Atom bestimmt. Dabei erfolgt (Coulomb-)Streuung sowohl an der Elektronenh¨ulle als auch am Kern. Bei schweren Kernen gewinnen die Elektronen durch dessen Anziehung vor¨ubergehend erheblich an kinetischer Energie, was dann die L¨osung der Dirac-Gleichung notwendig macht. Da die Valenzelektronen nur vernachl¨assigbaren Einfluss bei der Streuung haben, kann von kugelsymmetrischen Atomen ausgegangen werden, was die Rechnung erleichtert (Partialwellendarstellung, Berechnung von Streuphasen). In Abb. 4.9a ist der Betrag des Streufaktors |f (k 0 ,k s )| = f (k,θ) als Funktion des durch cos θ = k 0 · k s /k 2 gegebenen Winkels θ f¨ur ein Platinatom bei einer Elektronenenergie von 100 eV abgebildet (Polarwinkeldarstellung: Die Pfeill¨ange steht f¨ur den Betrag von f (k,θ)). Die Berechnung der Lagenbeugung (b) erfolgt unter selbstkonsistenter Ber¨ucksichtigung der Mehrfachstreuung zwischen den Atomen, was in der Regel den aufw¨andigsten Teil der Rechnung ausmacht. Schließlich resultiert die Beugung an der gesamten Oberfl¨ache (c) durch Stapelung der einzelnen Lagen unter Mehrfachbeugung zwischen den Lagen. Insgesamt liegt der Rechenaufaufwand zur Ermittlung der Mehrfachbeugungsintensit¨aten um Gr¨oßenordnungen u¨ ber dem der kinematischen N¨aherung und h¨angt stark von der Komplexit¨at der Struktur ab.

80

4 Methoden zur Bestimmung der geometrischen Struktur (a) Atomstreuung

(b) Lagenbeugung

ks

dynamisch

kinematisch

Intensität

k0

θ Pt

100

200

300

400

E (eV)

(c) Beugung zwischen den Lagen

k0 1. Lage

+

+

+

2. Lage

+ 3. Lage

+

dynamisch

200

400

+ 100

+

kinematisch

Intensität

ks

300

E (eV)

............

Abb. 4.9: Dreistufiger Weg (a-c) zur Berechnung von LEED-Intensit¨atsspektren. Die gestrichelten Kurven in (b) und (c) sind kinematisch berechnet und demonstrieren im Vergleich zu den dynamisch berechneten Spektren (durchgezogene Linien) das drastische Versagen der kinematischen N¨aherung. Auf der linken Seite von (c) ist die Vielfachbeugung zwischen den Lagen durch einige Mehrfachbeugungsprozesse verdeutlicht.

Bei allen Rechnungen ist zu ber¨ucksichtigen, dass sich die Wellenzahl k0 der Elektronen beim Eintritt in die Oberfl¨ache erh¨oht, was in der N¨aherung des freien Elektronengases durch das innere Potential V0r beschrieben wird (es ist materialabh¨angig und liegt in der Gr¨oßenordnung 10 eV). Um auch die D¨ampfung durch einen Imagin¨arteil ki der Wellenzahl zu beschreiben (Kap. 4.2), wird zudem ein imagin¨ares Potential iV0i (optisches Potential) eingef¨uhrt, sodass insgesamt die a¨ ußere Energie E im Festk¨orperinnern durch E+V0r +iV0i zu ersetzen ist. Mit der Beziehung f¨ur freie Elektronen (~k)2 /2m = E + V0r + iV0i ergibt sich damit unter Ber¨ucksichtigung von |V0i | ≪ E der Real- und Imagin¨arteil der Wellenzahl im Festk¨orperinnern zu p √ 2m(E + V0r ) mV0i kr ≈ . bzw. ki ≈ p ~ ~ 2(E + V0r )

4.3 Beugung langsamer Elektronen

81

Damit ist ki energieabh¨angig, wobei Werte im Bereich V0i = 4 – 6 eV das in Abb. 2.3 dargestellte energieabh¨angige endliche Eindringverm¨ogen von Elektronen realistisch simulieren (ab etwa 50 – 60 eV). Da Zahl und Gewicht der am Beugungsgeschehen beteiligten Lagen die Breite eines (einzelnen) Maximums in einem Intensit¨atsspektrum bestimmen, h¨angt diese Breite von V0i ab. Die Rechnung ergibt f¨ur die Halbwertsbreite ∆E = 4V0i [4.7]. Man beachte aber, dass sich aufgrund der Vielzahl der Interferenzmaxima in einem Spektrum diese oft u¨ berlappen. (a)

0,05 0,07

(c) 0,20

0,55

0,25

0,01 0,02

(b)

1,94

0,07

0,10 1,79

0,05

0,10 1,83 0,06 1,89

0,03

Abb. 4.10: Kugelmodell der Oberfl¨ache Ir(100)-(5×1) (a) in Aufsicht und (b) Seitenansicht. In der ˚ angegeben. vertikal verzerrten Seitenansicht (c) sind die Strukturparameter (in A)

Abbildung 4.8a zeigt, wie nahe berechnete I(E)-Spektren f¨ur das beste Strukturmodell den experimentellen Daten kommen. Alle wichtigen spektralen Komponenten, insbesondere die Maxima und Minima (konstruktive bzw. destruktive Interferenz von Streubeitr¨agen), werden reproduziert. Strukturelle Parameter (z. B. Lagenabst¨ande, Bindungsl¨angen, etc.) ˚ bestimmt werden (man bedenke, dass k¨onnen mit einer Genauigkeit von oft besser als 0,1 A ˚ liegen). Besonders empfindlich sind LEED-Spektren Atomabst¨ande im Bereich von 2 – 3 A auf vertikale Strukturparameter, da der Impuls¨ubertrag bei der LEED-typischen Dominanz der R¨uckw¨artsbeugung fast senkrecht zur Oberfl¨ache steht. Dies demonstriert Abb. 4.8b f¨ur die Pt(100)-Oberfl¨ache. Schon bei einer Reduktion des ersten Lagenabstands um 5% (ent¨ ˚ a¨ ndert sich das Spektrum stark, bei 10% dramatisch. Solche Anderungen spricht ≈ 0,1 A) ˚ kann man mit 0,01–0,02 A Genauigkeit bestimmen. Abbildung 4.10 zeigt dazu das Ergebnis einer LEED-Strukturanalyse der Oberfl¨ache Ir(100)-(5×1), deren Beugungsbild auf der vorderen Umschlagseite dieses Buches abgebildet ist. Die Oberfl¨ache ist stark rekonstruiert, wobei wie in (a) verdeutlicht, die Oberfl¨achenatome sich zu einer quasi-hexagonalen Atomanordnung verdichtet haben (Abb. 1.15e). Dies f¨uhrt zu einer starken Wellung dieser Lage, da sie nicht auf einfache Weise auf die darunter liegende fcc(100)-artige (d. h. quadratisch strukturierte) Atomlage passt. Durch Wechselwirkung der hexagonalen Lage mit den Lagen darunter rekonstruieren letztere auch, was sich bis in die vierte Lage fortsetzt. Zur Beschreibung der dadurch entstehenden komplexen Struktur sind 16 Parameter notwendig, die genau bestimmt werden konnten (Abb. 4.10c) [4.8]. Bei LEED-Analysen noch komplexerer Strukturen wurden bis zu 100 Strukturparameter bestimmt [4.9]. Wie aus der obigen Beschreibung hervorgeht, ben¨otigt eine LEED-Intensit¨atsanalyse als Eingangsinformation ein Strukturmodell, dessen numerische Parameter sie dann bestimmt

82

4 Methoden zur Bestimmung der geometrischen Struktur

(sogenannte direkte Methoden“waren bei LEED bisher nur in Einzelf¨allen erfolgreich). ” Zumindest bei komplexen Strukturen sind dazu Vorinformationen durch andere Oberfl¨achenmethoden wertvoll, wenn nicht unverzichtbar. Hierbei spielt die Rastertunnelmikroskopie (Kap. 6) die wichtigste Rolle, liefert sie doch ein Bild der Oberfl¨ache, das ein Strukturmodell nahe legen kann bzw. viele andere (mit dem Beugungsbild vertr¨agliche) Modelle auszuschließen vermag. Auch theoretische Methoden, wie z. B. die Dichtefunktionaltheorie, k¨onnen ein Strukturmodell liefern.

4.4

Beugung hoch-energetischer Elektronen

Bei h¨oheren Elektronenenergien, werden die Beugungswinkel kleiner und es sind immer mehr ebene Wellen am Beugungsgeschehen beteiligt. Messung und quantitative Auswertung der Beugungsintensit¨aten werden daher schwieriger, weshalb die Methode (engl. reflection high-energy electron diffraction: RHEEDmeist nur qualitativ eingesetzt wird. Bei den verwendeten Elektronenenergien im Bereich 5 – 50 keV ist f¨ur die elastisch gestreuten Elektronen keine Nachbeschleunigung auf den Leuchtschirm mehr notwendig. Es werden kleine Einfalls- und Ausfallswinkel gew¨ahlt, womit der Impuls¨ubertrag auf die Oberfl¨ache klein ist und damit der Debye-Waller-Faktor keine große Rolle spielt (Gl. (4.9)). Die hohe Energie zieht einen großen Radius der Ewald-Kugel nach sich, die kleinen Winkel implizieren, dass die Kugel die reziproken Gitterstangen schr¨ag schneiden, sodass deren durch Defekte bedingte endliche Breite l¨angliche Reflexe nach sich zieht. Die Beugungsintensit¨aten sind empfindlich auf die Rauigkeit der Oberfl¨ache, sodass RHEED h¨aufig in der Halbleiterepitaxie zur Beobachtung des Schichtwachstums verwendet wird. Dabei ergibt sich w¨ahrend dieses Wachstums f¨ur abgeschlossene Lagen eine hohe Reflexion, f¨ur unvollst¨andige Lagen aufgrund ihrer Rauigkeit geringe Reflexion. Der schr¨age Ein- und Ausfall des Elektronenstrahls erlaubt die seitliche Montage sowohl der Elektronenkanone als auch des Leuchtschirms, sodass die Oberfl¨ache f¨ur Verdampfer leicht zug¨anglich ist.

4.5

Oberfl¨achenr¨ontgenbeugung

Die oberfl¨achensensitive R¨ontgenbeugung (engl. surface x-ray diffraction: SXRDerfordert in der Regel leistungsstarke Synchrotronstrahlungsquellen, da nur etwa 1015 /cm2 Atome zum Signal der Oberfl¨ache beitragen (verglichen mit etwa 1023 /cm3 Atomen bei der Beugung am Volumenkristall). Dies erkl¨art, warum die ersten quantitativen Strukturbestimmungen von Oberfl¨achen erst in den 1980er Jahren erfolgten. Die Oberfl¨achenempfindlichkeit wird durch schr¨agen Ein- und/oder Ausfall der R¨ontgenstrahlung erreicht, da die R¨ontgenwelle dadurch einen l¨angeren Weg im Oberfl¨achenbereich zur¨ucklegt. Der notwendige Einsatz von Synchrotronstrahlung macht die Methode verglichen mit LEED, das im normalen Labor betrieben werden kann, experimentell sehr aufw¨andig. Dem steht die G¨ultigkeit der kinematischen N¨aherung bei der Auswertung der Beugungsintensit¨aten als deutliche Vereinfachung gegen¨uber. Außerdem hat SXRD aufgrund der geringen D¨ampfung auch Zugang zu inneren Grenzfl¨achen, die sich z. B. beim Schichtwachstum auf einem Substrat bilden und – wenn sie tiefer als 5 – 10 Atomlagen liegen – f¨ur LEED unzug¨anglich sind. Die Streuung der einfallenden R¨ontgenstrahlung erfolgt an den Atomelektronen, die sie zu Schwingungen und Wiederabstrahlung erregen (Streuung am Kern ist aufgrund dessen

(a)

83

(b)

Oberfl. Volumen

|Beugungsamplitude|

4.5 Oberfl¨achenr¨ontgenbeugung

10

3

10

2

10

Oberfläche

1

Volumen Gesamtsignal

0

1

2

3

Beugungsindex R Abb. 4.11: (a) Aufteilung einer Probe in einen Oberfl¨achenbereich und einen (ungest¨orten) Volumenbereich. (b) Zustandekommen der Beugungsamplitude einer Probe, bei der der erste Lagenabstand um 10% kontrahiert ist (nach [4.10]).

relativ großer tr¨ager Masse vernachl¨assigbar). R¨ontgenbeugung ist daher auf die Elektronendichteverteilung in der Einheitszelle empfindlich, von ihr kann auf die Atompositionen geschlossen werden. In Kap. 4.2 wurde f¨ur einen volumenartig terminierten Kristall der Strukturfaktor |F |2 f¨ur den (00)-Reflex berechnet, wobei die f¨ur den dreidimensionalen Kristall u¨ bliche Notation I00l benutzt wurde, jedoch mit kontinuierlichem Beugungsindex l. F¨ur die allgemeine Beugungsordnung (h,k) f¨ur den volumenartig terminierten Kristall benutzen wir im Folgenden Vol 2 Vol die Notation Ihkl = |AVol at geh¨orige Amplitude ist. Wie wir hkl | wobei Ahkl die zur Intensit¨ wissen, entspricht die volumenartige Terminierung meist nicht der Realit¨at, die Atomanordnung in den ersten (paar) Atomlage(n) weicht durch Relaxation, Rekonstruktion und/oder Adsorption von der in den Volumenlagen ab. Deshalb beschreibt man diesen Teil der Oberfl¨ache (Abb. 4.11a) separat durch AOfl hkl =

X

fj e2πi(hxj +kyj +lzj )

j

wobei (xj ,yj ,zj ) die Koordinaten der beteiligten Oberfl¨achenatome sind. Die Interferenz der Volumen- und Oberfl¨achenamplituden ergibt die Gesamtintensit¨at Ofl 2 Ihkl = |AVol hkl + Ahkl | .

Abbildung 4.11b zeigt ein Beispiel f¨ur eine Oberfl¨ache, deren erster Lagenabstand um 10% kontrahiert ist [4.10] (man beachte, dass in der Abbildung wegen der Amplituden¨uberlagerung die Amplitudenbetr¨age angegeben sind und nicht (wie in Abb. 4.4c) die Intensit¨at). Be¨ sonders vorteilhaft ist bei SXRD das Vorliegen einer Uberstruktur, denn dadurch entstehen ¨ nur durch Beugung an der Oberfl¨ache neue Reflexe, die Uberlagerung durch Beugungsbeitr¨age des Volumens entf¨allt f¨ur diese, da keine Mehrfachbeugung stattfindet.

84

4.6

4 Methoden zur Bestimmung der geometrischen Struktur

Heliumbeugung

Auch mit massereicheren Teilchen als Elektronen kann an Oberfl¨achen gestreut bzw. gebeugt werden. Die Begriffe Streuung und Beugung werden oft nebeneinander gebraucht, wobei unter Streuung meist die inelastische Streuung gemeint ist. Mit letzterer kann z. B. die Dispersion von Phononen vermessen werden, wobei g¨unstig ist, dass die Teilchen- und Phononenenergien von gleicher Gr¨oßenordnung sind. Beugungsexperimente sind dagegen auf die Struktur empfindlich. Experimente zur Atombeugung oder Atomstreuung wurden bisher haupts¨achlich mit den Atomen H, He, Ne und den Molek¨ulen H2 , HD und D2 durchgef¨uhrt. Helium ist dabei dominierend, da es gegen¨uber Ne wegen seiner kleineren Masse (st¨arkere Streuung) und gegen¨uber H und den Molek¨ulen wegen seiner geringen chemischen Reaktionsf¨ahigkeit zu bevorzugen ist. Wir konzentrieren uns daher auf die Heliumbeugung (engl. Helium atom scattering: HAS). Dabei werden thermische Heliumatome (Energiebereich 10 – 100 meV) mit de-BroglieWellenl¨angen im Bereich der Atomabst¨ande gebeugt, sodass hier ebenfalls große Beugungswinkel entstehen. Der Heliumstrahl wird durch adiabatische Expansion eines unter ¨ hohem Druck (100 - 200 bar) stehenden Heliumgases durch eine kleine Offnung von 5 ¨ 10 µm Durchmesser (D¨use) als Uberschalld¨ usenstrahl erzeugt. Er passiert mehrere Blenden, in deren Bereich mehrere differentielle Pumpstufen daf¨ur sorgen, dass das Vakuum in der UHV-Kammer erhalten bleibt. Die gebeugten Atome m¨ussen aufgrund ihrer Neutralit¨at zum Nachweis erst in einem Massenspektrometer ionisiert werden. Da die Atome aufgrund ihrer niedrigen Energie nicht in die Oberfl¨ache eindringen k¨onnen, sehen“ sie nur die oberste Atomlage, d. h. die Methode ist extrem oberfl¨achenempfindlich. ” Die geringe Energie erlaubt es auch, relativ schwach gebundene Adsorbate zerst¨orungsfrei zu untersuchen (bei LEED oder SXRD k¨onnen diese stimuliert durch den Elektronenbzw. Photonenstrahl auch desorbieren). Bei Ann¨aherung an die Oberfl¨ache erfahren die Atome eine starke repulsive Wechselwirkung, sobald ihre Elektronenh¨ulle mit der von Oberfl¨achenatomen zu u¨ berlappen beginnt (Pauli-Abstoßung). Dabei spielen deren a¨ ußere, d. h. die Valenz-Elektronen, die dominierende Rolle (im Gegensatz zu LEED) und beinhalten damit Information sowohl u¨ ber die Struktur als auch u¨ ber die Bindungsverh¨altnisse an der Oberfl¨ache. Aufgrund der starken Repulsion werden nahezu alle Atome zur¨uckgebeugt, d. h. es resultieren hohe Beugungsintensit¨aten. Allerdings ist deren Verteilung auf die verschiedenen Beugungsordnungen stark von der elektronischen Korrugation der Oberfl¨ache abh¨angig. Bei z. B. Ionenkristallen mit gemischten Lagen f¨uhren die starke Lokalisierung der Elektronen und die unterschiedlichen Ionenradien zu einer starken elektronischen Korrugation, auch h¨ohere Beugungsordnung haben daher hohe Intensit¨at. Aus diesem Grund ist es auch nicht u¨ berraschend, dass das erste Heliumbeugungsexperiment an einer LiF(100)-Oberfl¨ache durchgef¨uhrt wurde (1930 von J. Estermann und O. Stern). Im Gegensatz dazu zeigen dicht gepackte Metalloberfl¨achen aufgrund des Smoluchowski-Gl¨attung (Abschnitt 1.1.3) fast keine Korrugation, die meiste Beugungsintensit¨at findet sich daher im (00)-Reflex (spiegelnd reflektierter Strahl). Bei z. B. einer Ag(111)-Oberfl¨ache liegt die Intensit¨at im (10)-Reflex bei nur einigen Promille der (00)-Intensit¨at. Offenere oder rekonstruierte Metalloberfl¨achen k¨onnen jedoch eine deutliche Korrugation aufweisen, sodass erhebliche Intensit¨at in h¨ohere Ordnungen gebeugt wird. Abbildung 4.12 zeigt den Intensit¨atsverlauf f¨ur die Au(110)-(1×2)-Oberfl¨ache, die wie die in Abb. 1.15b,c illustrierte Pt(110)Oberfl¨ache rekonstruiert ist (missing-row-Rekonstruktion). Daraus wird eine elektronische ˚ ermittelt, die bei etwa 60% der geometrischen Korrugation liegt. Korrugation von ca. 1,5 A

Beugungsintensität

4.7 Feinstruktur der R¨ontgenabsorption

Beugungswinkel

85

Abb. 4.12: Reflexintensit¨aten bei Heliumbeugung an der rekonstruierten Au(110)(1×2)-Oberfl¨ache. Die benutze Wellenl¨ange des Heliumstrahls betr¨agt 1,09 A˚ und der Einfallswinkel 48◦ (nach [4.11]).

Die genaue Bestimmung der elektronischen Korrugation und der R¨uckschluss auf die Struktur bedarf quantenmechanischer Rechnungen.

4.7

Feinstruktur der R¨ontgenabsorption

Ein auf eine Oberfl¨ache einfallendes R¨ontgenphoton kann aus einem Atom auf oder in der Oberfl¨ache ein Elektron (Photoelektron) ausl¨osen, wobei es absorbiert wird (R¨ontgenabsorption). Wird die Photonenenergie EP h = hν variiert, so findet f¨ur hν < EB keine Absorption statt (EB = Bindungsenergie des Elektrons), bei hν = EB steigt sie stark an (Absorptionskante). F¨ur hν > EB besitzt das ausgel¨oste Photoelektron im Festk¨orper die Energie E = EP h − EB + V0r , wobei V0r das innere Potential des Festk¨orpers ist (Abschnitt 4.3.3). Die zugeh¨orige Wellenzahl √ k bzw. de-Broglie-Wellenl¨ange λ ist in einer freien Elektronenn¨aherung k = 2π/λ = 2mE/~. Wie in Abb. 4.1 verdeutlicht, wird die emittierte Photoelektronenwelle von den Nachbaratomen (zum Teil) zur¨uckgestreut. Die entsprechende am Emitteratom wieder ankommende Streuwelle beinflusst je nach H¨ohe ihrer Amplitude und Phase die Wellenfunktion des Photoelektrons am Ort des Emitteratoms und somit das quantenmechanische Matrixelement f¨ur die Erzeugung eines Photoelektrons bzw. Absorption des Photons. Da die Amplitude der R¨uckstreuwelle von der Elektronenenergie und damit von der Photonenenergie hν abh¨angt, ergeben sich als deren Funktion Oszillationen der R¨ontgenabsorption, die – da sie von kleiner Amplitude sind (maximal 10% des Gesamtsignals) – als deren Feinstruktur (engl. fine structure) bezeichnet werden. F¨ur gr¨ossere Energien (E > 50 – 100 eV), d. h. entsprechend entfernt (engl. extended) von der Absorptionskante der R¨ontgenabsorption, l¨asst sich der Verlauf als Funktion der Energie relativ einfach absch¨atzen, da die Ber¨ucksichtigung der einfachen R¨uckstreuung durch die Nachbaratome gen¨ugt. Man benutzt f¨ur diesen Fall die englische Bezeichnung extended x-ray absorption fine structure: EXAFS.F¨ur den n¨aher an der Absorptionskante liegenden Verlauf mit der englischen Bezeichnung near edge x-ray absorption fine structure: NEXAFSoder x-ray absorption near edge structure: XANESmuss man die Vielfachstreuung der Elektronen ber¨ucksichtigen. In beiden F¨allen erh¨alt man den Verlauf durch Messung der Modulation des R¨ontgenabsorptionskoeffizienten beim Durchgang durch eine Probe. Bei Anwendung auf Oberfl¨achen (engl. surface EXAFS: SEXAFS) wird die Intensit¨atsmodulation ausgel¨oster Photoelektronen, Augerelektronen oder Sekund¨arelektronen gemessen. In jedem Fall muss zur Variation der R¨ontgenwellenl¨ange Synchrotronstrahlung benutzt werden.

4 Methoden zur Bestimmung der geometrischen Struktur

SEXAFS-Amplitude

(c)

(a)

SA

|F(r)| (willkürl. Einh.)

Schwefel-Augerausbeute

86

0,16

0,14 0,12

SB

0

(b)

2

4

6

Abstand r (Å)

(d)

0,01

S

0

A B

-0,01

S 2,5

2,6

2,7

A B

2,8

Photonenenergie (keV)

Abb. 4.13: SEXAFS-Messung und -Auswertung am Adsorptionssystem Ni(100)-c(2×2)-S (nach [4.12]).

Um sich auf die Effekte zu konzentrieren, die bei EXAFS und SEXAFS aus der R¨uckstreuung der Nachbaratome des Emitteratoms resultieren, betrachtet man als Feinstrukturfunktion ¨ die Anderung der Absorptionswahrscheinlichkeit σ(k) relativ zum gleichen Atom in der Gasatomphase (σ0 ) als Funktion von k, χ(k) =

σ(k) − σ0 (k) . σ0 (k)

F¨ur ein Atom j im Abstand Rj vom Emitter, das die Elektronenwelle mit einer Phasenverschiebung φj zur¨uckstreut, betr¨agt die Phasen¨anderung bei Wiederankunft am Emitteratom (2kRj + φj ). Da es sich um Kugelwellen handelt, skaliert die Amplitude auf dem Hinund R¨uckweg jeweils mit 1/Rj , also insgesamt mit 1/Rj2 . Die Wellen werden zus¨atzlich durch inelastische Streuprozesse ged¨ampft, was unter Verwendung des Imagin¨arteils ki der Wellenzahl durch den Faktor e−2ki Rj beschrieben wird (Abschnitt 4.3.3). Die R¨uckstreuung am Atom j mit dem Impuls¨ubertragsquadrat (∆k)2 = (2k)2 = 4k 2 erfolgt mit einer Wahrscheinlichkeitsamplitude fj (k), die durch die thermischen (als isotrop angenomme2 2 nen) Schwingungen des Atoms um den Debye-Waller-Faktor e−2k huj i/3 reduziert wird, wobei hu2j i die mittlere quadratische Schwingungsamplitude ist (Kap. 4.2 und Gl. (4.9)). Gibt es Nj gleiche Atome in der Entfernung Rj und verschiedene solche Atomschalen um das Emitteratom, so muss u¨ ber alle Schalen und Atomsorten summiert werden. Er ergibt sich 1X χ(k) ∝ Aj (k) sin[2kRi + φj (k)] k j mit den Amplitudenfaktoren der Atome j Aj (k) =

2 2 Nj fj (k)e−2k |huj i/3 e−2ki Rj . 2 Rj

4.7 Feinstruktur der R¨ontgenabsorption

87

Durch Fouriertransformation von χ(k) erh¨alt man die radiale Verteilungsfunktion der Atome um den Emitter. Man erkennt, dass χ(k) nur von den Entfernungen der benachbarten Streuer abh¨angt, nicht von den Richtungen, in denen sie sich relativ zum Emitter befinden. SEXAFS ist also nur auf Bindungsl¨angen (und nicht auf die vollst¨andige Struktur) sensitiv, jedoch kann man aus den Bindungsl¨angen oft auch auf den Adsorptionsplatz schließen. Durch Ausnutzung der Polarisation der verwendeten Synchrotronstrahlung k¨onnen teilweise Informationen u¨ ber die Orientierung der Bindungen erhalten werden. Ein Vorteil der Methode ist, dass keine Fernordnung um das Emitteratom notwendig ist. Durch die Lage der Absorptionskante des Emitters kann selektiv die Nahumgebung einzelner chemischer Elemente untersucht werden. Abbildung 4.13 demonstriert das SEXAFS-Verfahren am Beispiel des Adsorptionssystems Ni(100)-c(2×2)-S. In (a) ist die Messung der der Photoanregung folgendenden Emission von Auger-Elektronen aus dem Schwefelatom dargestellt. Daraus ist in (b) die Funktion χ extrahiert (in Abh¨angigkeit von EP h ), deren Fouriertransformation (nach Umrechnung auf die Wellenzahl des Photoelektrons) die Kurve in (c) liefert. Die zwei prominenten Maxima ˚ bzw. dSB = 4,15 A ˚ der indizierten SA und SB entsprechen den Abst¨anden dSA = 2,23 A Atome im Strukturmodell (d). Diese Werte stimmen gut mit den durch LEED bestimm˚ bzw. 4,15 A), ˚ wobei LEED zus¨atzlich auch den Adsorptionsplatz der ten u¨ berein (2,19 A Schwefelatome (Muldenposition) und kleine, adsorbatinduzierte Modifikationen des Substrats bestimmt. Generell sind Beugungsexperimente die wichtigsten Methoden zur pr¨azisen Bestimmung der geometrischen Struktur periodischer Festk¨orper. Die f¨ur Kristalle in drei Dimensionen so erfolgreiche R¨ontgenbeugung ist an Oberfl¨achen nur schwer anzuwenden. Die Beugung von Heliumatomen ist dagegen so oberfl¨achenempfindlich, dass sie nur die Korrugation der Ladungsdichte vor der Oberfl¨ache wahrnimmt. Die Beugung niederenergetischer Elektronen ist die Methode der Wahl und erm¨oglicht es, die Positionen der Atome mit Pikometergenauigkeit zu vermessen. Daneben gibt es eine Reihe weiterer Methoden, die auf der Interferenz von Elektronen beruhen. Diese beruhen teilweise auf der lokalen Anregung von Elektronen aus Atomen. Im folgenden Kapitel werden wir sehen, dass diese Anregungen elementspezifisch sind und so die lokale Umgebung chemisch aufgel¨ost untersucht werden kann.

88

4 Methoden zur Bestimmung der geometrischen Struktur

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5

Elektronenspektroskopien

Nieder- und mittelenergetische Elektronen (1 – 104 eV) sind hervorragende Sonden, um Anregungen an Festk¨orperoberfl¨achen zu studieren. Als geladene Teilchen k¨onnen sie direkt und mit vergleichsweise großen Wirkungsquerschnitten mit dem Elektronensystem wechselwirken (Kap. 2.1) und u¨ ber dieses auch Schwingungen der Atomr¨umpfe anregen. Durch ihre geringe freie Wegl¨ange (Abb. 2.3) sondieren sie dabei genau den f¨ur die Oberfl¨achenphysik interessanten Tiefenbereich. Experimentell sind freie Elektronen einfach, preiswert und außerdem hinreichend monoenergetisch zu erzeugen, sie sind fokussierbar und ihre Energie kann beliebig eingestellt werden. Sie k¨onnen mit hoher Sensitivit¨at detektiert und hinsichtlich Energie, Winkel und Spinorientierung selektiert werden. Die Verwendung von Elektronen zur Oberfl¨achenanalyse erfordert allerdings, dass die Proben in hinreichendem Vakuum untersucht werden, d. h. die freie Wegl¨ange der Elektronen im Restgas sollte mindestens so groß wie die Dimensionen des Messaufbaus sein. Dies erfordert in der Regel Dr¨ucke < 0,1 Pa, wenngleich auch neuerdings durch den Einsatz differentieller Pumptechniken und durch Verwendung extrem geringer Probenabst¨ande (≈ 1 mm) elektronenspektroskopische Messungen auch bei Dr¨ucken von hundert Pascal m¨oglich sind. Die wohl bedeutendste elektronenspektroskopische Methode ist die Spektroskopie von Photoelektronen, welche durch Absorption von UV-Strahlung oder weichem R¨ontgenlicht im Kristall generiert werden. Die Oberfl¨achenempfindlichkeit wird hier nicht durch die Anregung, sondern allein durch die inelastische freie Wegl¨ange der austretenden Photoelektronen (Austrittstiefe) gegeben. Stammen diese aus Rumpfniveaus, so besitzen sie eine f¨ur das jeweilige Element charakteristische Energie, deren exakter Wert auch von der chemischen Umgebung des Emitters abh¨angt. Aus diesem Grund wird v. a. in a¨ lterer Literatur die r¨ontgeninduzierte Photoelektronenspektroskopie (engl. X-ray photoelectron spectroscopy: XPS) auch als Elektronenspektroskopie zur chemischen Analyse (ESCA) bezeichnet. Aus Valenzb¨andern angeregte Photoelektronen spiegeln in ihrer Energieverteilung die Zustandsdichte in diesen B¨andern wider, ihre Winkelverteilung (engl. angular resolved UVphotoelectron spectroscopy: ARUPS) erlaubt dar¨uber hinaus R¨uckschl¨usse auf die elektronische Dispersion E(k k ) innerhalb dieser B¨ander. Bei stufenweiser Anregung des Photoelektrons mittels zweier Photonen (Zweiphotonen-Photoemission: 2PPE) kann diese Spektroskopie auch Informationen u¨ ber Zwischenzust¨ande und somit u¨ ber den unbesetzten Teil der Bandstruktur liefern. Die durch den Photoeffekt oder aber auch einfach durch Anregung mit einem Elektronenstrahl entstehenden unbesetzten Niveaus in den inneren Schalen (Rumpf l¨ocher) besitzen eine sehr kurze Lebensdauer. Sie zerfallen unter Aussendung von R¨ontgenquanten (R¨ontgenfluoreszenz) oder Elektronen charakteristischer Energie (Augerprozess). Die emittierten Augerelektronen sind dem Spektrum r¨uckgestreuter Prim¨ar- oder Photoelektronen u¨ berlagert und tragen ebenfalls Information u¨ ber die chemische Identit¨at oberfl¨achennaher Atome, sowie u¨ ber deren relative Konzentrationen und auch u¨ ber ihren Bindungszustand. Die elektronenstrahlangeregte Augerelektronenspektroskopie (AES) ist eine experimentell we-

90

5 Elektronenspektroskopien

nig aufw¨andige und somit verbreitete Methode zur chemischen Analyse von Festk¨orperoberfl¨achen, die auch relativ einfach ortsaufgel¨ost mit einem Rasterelektronenmikroskop betrieben werden kann. Festk¨orper- oder Oberfl¨achenanregungen k¨onnen auch u¨ ber charakteristische Energieverluste, die ein anregendes Elektron erf¨ahrt, detektiert werden; die Methode wird deshalb Elektronen-Energieverlustspektroskopie (engl. electron energy loss spectroscopy: EELS) genannt. Stammen die anregenden Elektronen aus einer einfachen, nicht extra monochromatisierten Elektronenquelle, so k¨onnen aufgrund der Energieverbreiterung von etwa 1 eV in der Regel nur die Anregung von Elektronen aus energetisch tief liegenden Niveaus (Rumpflochanregung) und von kollektiven Schwingungen der Valenzelektronen (Plasmonenanregung) untersucht werden (Kap. 2.1). Um niederenergetische Verluste, hervorgerufen durch Interband¨uberg¨ange und insbesondere Gitterschwingungen zu studieren, bedarf es der hochauf l¨osenden Elektronen-Energieverlustspektroskopie (engl. high resolution EELS: HREELS), bei der monochromatisierte Prim¨arelektronen mit Energiebreiten bis hinunter zu 1 meV verwendet werden. Schwerpunktm¨aßig wird diese Methode eingesetzt, um an der Oberfl¨ache adsorbierte molekulare Spezies oder ultrad¨unne Filme u¨ ber ihre jeweiligen charakteristischen Schwingungsmoden zu identifizieren (Schwingungsspektroskopie).

5.1

Instrumentierung

5.1.1

Elektronen- und Photonenquellen

Eine Elektronenquelle (Abb. 5.1) besteht aus einem Elektronenerzeugungssystem (Kathode, Wehneltzylinder, Anode) und einem Linsensystem (meist elektrostatische Einzellinse), gegebenenfalls erg¨anzt durch eine Ablenkeinrichtung (gekreuzte Plattenkondensatoren). Die Elektronen werden im Allgemeinen thermisch erzeugt (Gl¨uhemission), z. B. aus einem Wolframdraht (Austrittsarbeit ΦK = 4,5 eV; T ≈ 2700 K) oder aus einem mit Material niedriger Austrittsarbeit beschichteten Metallb¨andchen (BaO oder LaB6 , ΦK = 1,2 – 2,2 eV; T ≈ 1300 – 1700 K). Die thermische Verbreiterung der emittierten Elektronen liegt damit im Bereich 0,3 – 0,6 eV, jedoch f¨uhren zus¨atzliche Raumladungseffekte zu einer effektiven Energiebreite des austretenden Strahls von bis zu etwa 1 eV, typische Strahlstr¨ome liegen dabei im µA-Bereich. Die Kathode wird von einer Elektrode mit einer kleinen anodenseitigen Blenden¨offnung umschlossen, dem Wehneltzylinder. Dieser liegt auf einem geringf¨ugig negativem Potential und sorgt daf¨ur, dass sich um die Kathode eine Raumladungswolke ausbildet. Der Durchgriff des Anodenfelds durch die Wehneltblende saugt Elektronen aus einem r¨aumlich kleinen Bereich ab und f¨uhrt zu einer Fokussierung im Cross over-Punkt, der als eigentlicher Quellpunkt betrachtet wird und auch die r¨aumliche Koh¨arenz des Elektronenstrahls bestimmt (Abb. 5.1a). Die elektrostatische Elektronenlinse (Einzellinse) besteht aus drei Zylindern oder Blenden, wobei die beiden a¨ ußeren Elektroden auf einem gemeinsamen Potential liegen, das sich von dem der mittleren Elektrode unterscheidet. Unabh¨angig vom Vorzeichen der Spannung f¨uhrt dies immer zu einer Fokussierung des Elektronenstrahls (Abb. 5.1b). Die Austrittsblende muss schließlich auf Erdpotential liegen, um einen feldfreien Außenraum zu garantieren. In der einfachsten Konstruktion (Abb. 5.1c) liegt auch die Anode A auf Erdpotential und fungiert zusammen mit der Austrittsblende B als a¨ ußere Elemente der Einzellinse L. H¨aufig finden sich am Ausgang noch gekreuzte Paare von

5.1 Instrumentierung

91

(a)

+

-

(b)

-

Äquipotentiallinien Anode Wehneltzylinder

(c) W

elektrostatische Einzellinse Glühkathode

-

+

A

L

B

Y

X

K

+

Cross over Elektronenwolke

(d)

K EF, K

W A

FK

L

B

Probe

Elektronenenergie

Ekin eUL +FL

eUK FA

Elektronenpotential

FB Erdpotential

FPr.

EF, P

Abb. 5.1: Funktionsweise (a) eines Strahlerzeugungssystems und (b) einer elektrostatischen Linse. (c) Schematischer Aufbau einer einfachen Elektronenquelle und (d) Potentialverlauf der Elektronen zwischen Kathode und Probe f¨ur die in (c) dargestellte Elektronenquelle.

Ablenkplatten X, Y zur Justierung der Strahlrichtung. Abbildung 5.1d verdeutlicht, dass die kinetische Energie Ekin der Elektronen vor der Probe nicht von den internen Spannungsverh¨altnissen in der Elektronenquelle abh¨angt, sondern nur von der Differenz der Potentiale und der Austrittsarbeiten von Kathode und Probe: Ekin = eUK + ΦK − ΦP r . R¨ontgenquellen f¨ur die Photoelektronenspektroskopie im Labor beruhen auf der Aussendung charakteristischer R¨ontgenstrahlung im weichen R¨ontgenbereich (0,1 – 10 keV). F¨ur eine gute Energieaufl¨osung sollte die Breite der verwendeten Linie m¨oglichst gering sein und die Quantenenergie gleichzeitig hoch genug, um bei allen Elementen Rumpfelektronen ausl¨osen zu k¨onnen, weshalb sich Aluminium bzw. Magnesium als Anodenmaterialien an¨ bieten. Die mit Abstand intensivste Emissionslinie, die Kα -Linie (Ubergang 2p → 1s), hat eine Energie von 1486,6 eV bzw. 1253,6 eV bei einer Breite von nur 0,85 eV bzw. 0,70 eV. H¨aufig werden beide Anodenmaterialien in einer Doppelanoden-R¨ontgenr¨ohre kombiniert, welche schematisch in Abb. 5.2a dargestellt ist. Zwei getrennte Gl¨uhdr¨ahte (Filamente) erlauben es, wahlweise eine der beiden wassergek¨uhlten Anoden mit hochenergetischen Elektronen (typisch 10 – 15 keV, 500 W) zu beschießen, um Elektronen aus der K-Schale anzuregen. Die strahlende Rekombination erfolgt vorwiegend aus der L-Schale (Kα ), jedoch treten auch Nebenlinien (Satelliten) mit etwas h¨oherer Quantenenergie (5 – 70 eV) und relativen Intensit¨aten im Bereich einiger Prozent oder Promille der Hauptlinie auf. Sie stam¨ men vom gleichen Ubergang in mehrfach ionisierten Atomen bzw. von der Rekombination aus anderen Schalen, z. B. der M-Schale (Kβ ). Dar¨uber hinaus sitzen die diskreten Linien auf einem kontinuierlichen Untergrund, dem Bremsstrahlungskontinuum der R¨ontgenr¨ohre.

92

5 Elektronenspektroskopien hn

(a)

AlAnode

-

e

Al-Fenster e-

Filament 1

MgAnode

Quarzkristall (Radius 2R)

(b) Rowlandkreis (Radius R)

Filament 2

Wasserkühlung

Probe

Fokussierschild Röntgenquelle

Abb. 5.2: (a) Schematischer Querschnitt einer Doppelanoden-R¨ontgenr¨ohre und (b) Funktionsprinzip eines R¨ontgenmonochromators.

Dessen spektrale Intensit¨at liegt allerdings mindestens zwei Gr¨oßenordnungen unter der der Kα -Linie (wobei die integrale Intensit¨at durchaus vergleichbar ist). Die R¨ontgenquelle ist vollst¨andig gekapselt und differentiell gepumpt, um desorbierende Teilchen, sowie Streuelektronen und thermische Strahlung vom Rest der Analysekammer fernzuhalten. In Richtung der m¨oglichst nahe positionierten Probe wird dies durch eine µm-d¨unne Aluminiumfolie bewerkstelligt, welche im Bereich der Al- bzw. Mg-Kα -Linien nur eine geringe Absorption aufweist, da deren Energien ja gerade noch unter der K-Absorptionskante liegen. Der h¨oherenergetische Bremsstrahlungsuntergrund wird dagegen sehr effizient herausgefiltert. Durch Bragg-Reflexion der R¨ontgenstrahlen an einem oder mehreren geeignet gekr¨ummten Quarz-Einkristallen kann die emittierte Strahlung zus¨atzlich monochromatisiert und gleichzeitig durch die Kr¨ummung auf die Probe fokussiert werden (Rowlandkreis-Anordnung, typisch R = 25 cm, Abb. 5.2b). Auf diese Weise wird f¨ur die Al-Kα -Strahlung eine Linienbreite von 0,2 – 0,3 eV erzielt (bei gleichzeitiger Unterdr¨uckung aller Satelliten), jedoch auf Kosten eines deutlichen Intensit¨atsverlusts, bedingt durch den vom Kristallmonochromator erfassten, eingeschr¨ankten Raumwinkel. F¨ur die Valenzband-Photoemission (Kap. 5.3) werden meist Photonenenergien zwischen 10 und 100 eV verwendet. Der Bereich oberhalb der Absorptionskante von LiF2 bei 11,8 eV wird Vakuum-Ultraviolett-Bereich (VUV) genannt, da hier keine Fenster mit gen¨ugend hoher Transmission zur Verf¨ugung stehen und die Quelle direkt an die UHV-Kammer angeschlossen ist. Licht im VUV-Bereich wird im Labor mit Gasentladungsr¨ohren erzeugt. In der Gasentladung wird ein Edelgas, z. B. Helium, angeregt und teilweise auch ionisiert. Bei ¨ elektronischen Uberg¨ angen vom 2p- in das 1s-Niveau am angeregten Atom (He I-Strahlung) bzw. Ion (He II-Strahlung) wird dann monochromatisches UV-Licht abgestrahlt (He I: 21,21 eV; He II: 40,81 eV), wobei das Intensit¨atsverh¨altnis der beiden Linien durch den Gasdruck in der R¨ohre eingestellt werden kann. Durch Dopplerverbreiterung und Selbstabsorption ergibt sich eine effektive Linienbreite von etwa 2 meV. Zus¨atzlich existieren Satellitenlinien mit Intensit¨aten von bis zu 2% der Hauptlinie. Die Druckdifferenz zwischen der Gasentladungszone (typisch 10 Pa) und der UHV-Kammer wird dabei u¨ ber mehrere differentielle Pumpstufen aufrecht erhalten. Das VUV-Licht selbst wird im Inneren einer Glaskapillare an die Probe gef¨uhrt.

5.1 Instrumentierung

93

UV-Licht kann man auch mit Hilfe gepulster Laser und nachgeschalteter Frequenzvervielfachung erzeugen. Bis zu etwa 6,2 eV wird hier die Summenfrequenzerzeugung in nichtlinearen optischen Kristallen verwendet. Photonenenergien bis zu 100 eV k¨onnen durch hochintensive Laserstrahlung in Gasen erzeugt werden. Gepulste Laser k¨onnen heute Pulsdauern im Bereich von 10 Femtosekunden erreichen, was die M¨oglichkeit zeitaufgel¨oster Messungen z. B. der Elektronendynamik er¨offnet (Abschnitt 5.3.3). Alle Laborlichtquellen (mit Ausnahme der Laser) werden in der Brillanz (Intensit¨at pro Raumwinkel und Energieintervall) von der Synchrotronstrahlung u¨ bertroffen, die in einem Elektronenspeicherring bei der Ablenkung des hochenergetischen Elektronenstrahls (≈ 1 GeV) in den Ablenkmagneten entsteht. Die Ablenkung durch periodische Magnetfelder in Undulatoren erzeugt Strahlung von besonders hoher Brillanz. Synchrotronstrahlung kann u¨ ber einen weiten Energiebereich hinweg (typisch 10 – 10.000 eV) durchgestimmt werden und ist polarisiert. Nachgeschaltete Monochromatoren besitzen ein Aufl¨osungsverm¨ogen ∆E/E ≈ 10−4 und liefern Strahlung mit hoher Intensit¨at (typisch 1013 Photonen/s) und w¨ahlbarer Photonenenergie. Messzeiten an Synchrotrons m¨ussen langfristig beantragt und geplant werden. Auch stehen an den meist fest an den Strahlrohren installierten Apparaturen in aller Regel nicht s¨amtliche Pr¨aparations- und Analysemethoden des heimischen Labors zur Verf¨ugung. Daher finden gute Laborquellen nach wie vor Verwendung und sind auch zur Vorbereitung von Messungen an Synchrotrons wichtig.

5.1.2

Energieselektive Analysatoren

Jedes elektrische (oder magnetische) Feld mit einer zur Bewegungsrichtung des Elektrons senkrechten Komponente f¨uhrt zu einer von der Energie (bzw. Geschwindigkeit) abh¨angigen Ablenkung. Da jedoch im allgemeinen Fall die Bewegungsrichtung der Elektronen in die Gr¨oße dieser Ablenkung eingeht, ist dies allein f¨ur ein Spektrometer noch nicht ausreichend. Daher sollte das Spektrometer auch Elektronen eines gewissen Winkelbereichs mit gleicher Energie nachweisen k¨onnen, um eine hohe Empfindlichkeit zu erhalten. Elektronen im Energiebereich unterhalb 3 keV weist man am einfachsten mit elektrostatischen Analysatoren nach, bei denen die Elektronen in einem gebogenen Kondensator abgelenkt werden und bei einer definierten Energie einen Austrittsspalt passieren k¨onnen. Durch kontinuierliche Variation der Kondensatorspannung k¨onnen nun Elektronen unterschiedlicher Energie u¨ ber den Austrittsspalt gef¨uhrt und so kann sequentiell ein Energiespektrum gewonnen werden. Die g¨angigsten Analysatortypen sind Zylinderspiegel- (Abb. 5.3a), 180◦-Kugelsektor- (Abb. 5.3b) und 127◦ -Zylindersektoranalysatoren (Abb. 5.21). Im ersten Fall laufen die Elektronen axial auf gekr¨ummten Bahnen zwischen den konzentrischen Zylindern, die Probe wird dabei direkt auf die Detektorblende abgebildet. Aufgrund des vergleichsweise großen Akzeptanzwinkels (voller 360◦ -Azimuth!) ist dieses Spektrometer besonders gut f¨ur quantitative chemische Analysen durch Photo- oder Augerelektronenspektroskopie geeignet. Bei den anderen beiden Spektrometertypen erfolgt die Bewegung im Wesentlichen auf Kreisbahnen, der Eintrittsspalt wird auf die Ebene des Austrittsspalts abgebildet. Da die Probe jedoch nicht am Ort des Eintrittsspalts positioniert werden kann, sind diese Spektrometer mit einer oder mehreren vorgeschalteten Elektronenlinsen (Abb. 5.1b) versehen, die den Emissionsfleck der Probe auf den Eintrittsspalt abbilden. Die Transmission dieser Spektrometer ist um mehr als eine Gr¨oßenordnung geringer als beim Zylinderspiegel-Analysator, daf¨ur erlauben sie winkelabh¨angige Messungen der emittierten Elektronen.

94

5 Elektronenspektroskopien

(a) Zylinderspiegelanalysator

(b) 180°-Kugelsektoranalysator

(zweistufig)

Probe

42°

Elektronen mit Energie

Außenzylinder Zwischenblende e -Kanone

E0 E0 Sollbahn radius r

sa

Austrittsblende Channeltron

Abb. 5.3: Schematische Darstellung g¨angiger Spektrometertypen: (a) zweistufiger Zylinderspiegelanalysator; (b) Kugelsektoranalysator mit Elektronenbahnen f¨ur verschiedene Energien.

Das relative Aufl¨osungsverm¨ogen ∆E/E0 der Elektronenspektrometer ist nur durch ihre Bauart bedingt, es betr¨agt f¨ur den heute am h¨aufigsten eingesetzten Kugelsektoranalysator ∆E/E0 = (se + sa )/2r + (α/2)2 , wobei se und sa die Breiten von Eintritts- bzw. Austrittsspalt, r den Sollbahnradius und α den Akzeptanzwinkel des Spektrometers darstellen. Damit ist die Energiebreite ∆E und mit dieser auch die Transmission proportional zur Energie der Elektronen, es gilt also I = E · N (E). N (E) ist die wahre Energieverteilung der Elektronen. Bei vielen Spektrometern kann das Aufl¨osungsverm¨ogen durch mechanische Einstellung unterschiedlicher Spaltbreiten ver¨andert werden. Die Aufl¨osung l¨asst sich jedoch noch viel einfacher verbessern, indem die Elektronen vor dem Eintritt in das Spektrometer auf eine kleinere Energie E0 abgebremst werden, sodass die Passenergie E0 kleiner als die Nachweisenergie E ist. Dazu muss das gesamte Spektrometer gegen¨uber der Probe negativ vorgespannt werden. Auf diese Weise kann die Aufl¨osung ∆E des Spektrometers nahezu unbegrenzt verbessert werden, allerdings sehr zu Lasten der gemessenen Intensit¨at (I ∝ (E0 /E)2 ). F¨ur Energieaufl¨osungen im meV-Bereich ist aber auch das Rauschen der Spannungsversorgungen von Spektrometer und Probe zu beachten. Will man u¨ ber das gesamte Spektrum hinweg eine konstante Energiebreite ∆E, so h¨alt man die internen Spannungen des Spektrometers konstant und variiert das Spektrometerpotential (Vorverz¨ogerungsmodus). Der Nachweis der Elektronen am Ausgang des Spektrometers erfolgt im einfachsten Fall mit Hilfe eines Elektronenvervielfachers mit kontinuierlicher Dynode (engl. channeltron, Abb. 5.4a,b). Die Verst¨arkung des Channeltrons steigt zun¨achst rasch mit der angelegten Spannung an und kommt dann in einen S¨attigungsbereich (Plateau, Abb. 5.4c). Spannungen jenseits des Plateaus f¨uhren zur Zerst¨orung des Channeltrons. Um Elektronen einzeln nachzuweisen (Pulsbetrieb), wird die Spannung auf den Anfang des Plateaus eingestellt. Die Verst¨arkung ist dann etwa 107 und es sind maximale Z¨ahlraten von einigen 106 Ereignissen/s m¨oglich. F¨ur gr¨oßere Eingangsstr¨ome (bis zu 1 nA) kann das Channeltron bei reduzierter Spannung (ca. 80%) auch als kontinuierlicher Stromverst¨arker (Verst¨arkung ≈ 104 ) betrieben werden. Neben der Energieaufl¨osung quer zum Austrittsspalt kann in modernen Kugelsektoranalysatoren entlang des Austrittsspalts zus¨atzlich der Emissionswinkel oder Emissionsort an der Probe ausgelesen werden. Hierzu sind die Abbildungseigenschaften des Linsensystems entsprechend einzustellen. Zum Nachweis von Energie und Winkel oder Ort werden Ausgangsspalt und Channeltron durch einen Fl¨achendetektor (engl.

5.1 Instrumentierung

95 8

~10 e

(a) e

U

(c)

(d)

Zählrate

(b)

U

0

Plateau 2 4 Spannung U (kV)

Kanäle

Kontaktflächen

Abb. 5.4: (a) Prinzip der Sekund¨arelektronenvervielfachung. (b) Schematische Darstellung und (c) Verst¨arkungskennlinie eines Channeltrons. (d) Schematischer Aufbau eines Channelplate.

Channelplate, Abb. 5.4d) ersetzt, bei dem eine große Anzahl von Mikro-Verst¨arkerkan¨alen (≈ 106 cm−2 ) parallel auf einer Platte angeordnet sind. Um eine Verst¨arkung von 107 zu erreichen, sind zwei oder mehr Channelplates hintereinander anzuordnen. Der anschließende Nachweis erfolgt durch Beschleunigung der Elektronen von der Channelplate auf einen Leuchtschirm, dessen Bild wie beim LEED-Experiment (Abschnitt 4.3.3) von einer Kamera aufgenommen, digitalisiert und per Rechner weiter verarbeitet wird. Diese Nachweiskette besitzt allerdings eine geringere Dynamik und h¨ohere Nichtlinearit¨aten im Vergleich zum Z¨ahlen einzelner Elektronen mit einem Channeltron. F¨ur weniger anspruchsvolle Anwendungen kann ein Gegenfeldspektrometer eingesetzt werden, bei dem die von der Probe emittierten Elektronen gegen ein (variables) Feld, hervorgerufen von einer Gegenspannung UG , anlaufen m¨ R u∞ssen. Detektiert werden dabei alle Elektronen mit einer Energie gr¨oßer eUG , d. h. I = eUG N (E)dE. Das Signal muss also noch differenziert werden, um die spektrale Energieverteilung N (E) zu erhalten. Der typische Aufbau eines Gegenfeldspektrometers entspricht dem einer LEED-Optik (Abschnitt 4.3.1), wobei der Leuchtschirm als Auffangelektrode verwendet wird. Die Aufl¨osung dieses Spektrometers wird bestimmt vom Felddurchgriff durch das Bremsnetz und liegt meist im Bereich von ≥ 1 eV, daf¨ur kann der Akzeptanzwinkel fast den gesamten Halbraum u¨ ber der Probe einschließen. F¨ur gepulste Anregungsquellen (z. B. Laser oder Synchrotronquellen in speziellen Betriebsmodi) ist die Energieanalyse auch u¨ ber die Flugzeit der Elektronen u¨ ber eine Driftstrecke m¨oglich. F¨ur niedrige kinetische Energien (≪ 50 eV) wird eine sehr hohe Energieaufl¨osung erreicht.

5.1.3

Modulationstechnik

Bei den Elektronenstrahl-induzierten Spektroskopien sitzen die zu detektierenden Signale in der Regel auf einem sehr großen, aber meist nur schwach mit der Energie variierenden Untergrund aus r¨uckgestreuten und Sekund¨arelektronen (Abb. 2.1). Um diesen Untergrund weitgehend zu eliminieren, bietet es sich an, die Spektren nach der Energie zu differen-

96

5 Elektronenspektroskopien

Zählrate (1000/s)

40

Al Ka hn = 1486 eV

Kupfer

30 20 10

gezähltes Spektrum numerisch abgeleitet

Lock-In Signal

0

L3M2,3M2,3 L3M2,3M4,5

L3M4,5 M4,5

elektronenangeregt, Modulationstechnik

700

750

800 850 Kinetische Energie (eV)

900

950

Abb. 5.5: Augerspektren einer Kupferprobe. Oben: r¨ontgenangeregt und gez¨ahlt. Mitte: Spektrum von oben numerisch differenziert. Unten: elektronenstrahlangeregt und mit Modulationstechnik und LockIn-Verst¨arker gemessen.

zieren. Die Modulationstechnik erlaubt die direkte Detektion des differenzierten Signals bei Untergrundbeitr¨agen, die die maximale Z¨ahlrate eines Channeltrons u¨ bersteigen. Hierbei wird den Ablenkelektroden des Spektrometers eine kleine Sinusspannung (∆U ≈ 1 V, ν ≈ 1 kHz) aufmoduliert und somit die Passenergie periodisch ver¨andert. Das nachgeschaltete Channeltron wird dabei im Stromverst¨arkungsmodus betrieben und die zeitliche Variation des Elektronenstroms u¨ ber einen Hochpass am Detektorausgang ausgekoppelt und einem Lock-In-Verst¨arker zugef¨uhrt. Dieser kann sehr selektiv die der Modulationsfrequenz entsprechende Fourierkomponente des Signals herausfiltern, welche der ersten Ableitung des Stroms nach der Energie entspricht (bei der doppelten Frequenz findet sich die zweite Ableitung). Die Modulation der Passenergie sowie die Zeitkonstante des Lock-In-Verst¨arkers (bei vorgegebenem Energievorschub) f¨uhren allerdings zu einer zus¨atzlichen Energieverbreiterung im Spektrum, welche geeignet angepasst werden muss. Abbildung 5.5 zeigt den Vergleich eines r¨ontgenangeregten, gez¨ahlten und numerisch nachdifferenzierten Augerspektrums einer Kupferprobe (hier ist der Untergrund durch die anregende R¨ontgenstrahlung gering) mit einem a¨ quivalenten elektronenstrahlangeregten Spektrum, welches mit Modulationstechnik und Lock-In-Verst¨arker gemessen wurde. Die Unterschiede in den relativen Intensit¨aten der Liniengruppen bei 840 und 920 eV sind dabei nicht auf die verschiedenen Anregungsprozesse zur¨uckzuf¨uhren, sondern alleine auf die unterschiedliche Energieaufl¨osung der Messanordnungen: Bei der etwas schlechteren Aufl¨osung unten wird die extrem scharfe Linie bei 920 eV st¨arker ged¨ampft als im oberen Fall. Die Energieaufl¨osung stellt also eine kritische Gr¨oße bei der quantitativen Auswertung von Linienintensit¨aten dar (Abschnitt 5.2.5).

5.2 Elementspezifische Spektroskopie

97

5.2

Elementspezifische Spektroskopie

5.2.1

R¨ontgen-Photoelektronenspektroskopie

Bei der R¨ontgen-Photoelektronenspektroskopie (engl. X-ray photoelectron spectroscopy: XPS) wird die Oberfl¨ache mit Photonen der Energie hν im weichen R¨ontgenbereich (0,1 – 10 keV) bestrahlt und die ausgel¨osten Photoelektronen werden als Funktion ihrer kinetischen Energie detektiert. Bei der Anregung der Elektronen aus dem Anfangszustand der Energie Ei in den Endzustand der Energie Ef (Abb. 5.6a) gilt die Energieerhaltung Ef = Ei + hν bzw. Ekin = hν − EB − Φ oder EB = hν − Ekin − Φ. Die Bindungsenergie EB ist im Festk¨orper auf die Fermienergie EF bezogen und gegen¨uber der u¨ blichen Energieskala mit umgekehrtem Vorzeichen definiert. Gebundene Elektronen haben eine positive Bindungsenergie! Die kinetische Energie eines Elektrons im Außenraum ist dagegen auf das Vakuumniveau EV bezogen, welches sich von der Fermienergie um die Austrittsarbeit Φ = EV − EF unterscheidet. Letztere ist aber eine ortsabh¨angige Gr¨oße und kann lokal bis zu einigen eV variieren und damit auch das Vakuumniveau. Da die Messung der kinetischen Energie im Spektrometer stattfindet, also gegen¨uber dessen elektrostatischem Potential, geht dabei die Austrittsarbeit des Spektrometers ΦSp ein, d. h. die aus der Messung bestimmten Bindungsenergien sind von der aktuellen Austrittsarbeit der Probe unabh¨angig und k¨onnen als Standards f¨ur die Bindungsenergie in der speziellen chemischen Konfiguration verwendet werden.

(b)

hn Ei

EV EF

F

EB

0 0 Bindungsenergie

DE = hn

Ekin

kinet. Energie

Ef

0.01

1s

2p 2s

Bindungsenergie (keV)

(a)

3p 3d 4d 4f 3s

0.1

1

Al Ka

N M

10

100 1

L K 10

100

Kernladungszahl

¨ Abb. 5.6: (a) Energieschema zum Photoemissionsprozess. (b) Ubersicht der Bindungsenergien von Rumpfniveaus als Funktion der Ordnungszahl. Alle Niveaus oberhalb der waagrechten, gestrichelten Linie k¨onnen mit einer konventionellen Al-Kα -R¨ontgenr¨ohre angeregt werden.

Allgemeine Auswahlregeln f¨ur die Photoemission eines Elektrons aus einem lokalisierten Rumpfniveau in einen freien Elektronenzustand gibt es nicht, da Anfangs- und Endzustand in unterschiedlichen Symmetrien (Rotations- bzw. Translationssymmetrie) beschrieben werden. Allerdings k¨onnen sich gewisse Symmetrieauswahlregeln ergeben, die zum Verschwinden der Photoelektronenintensit¨at in speziellen Richtungen f¨uhren k¨onnen. Mit ihrer Hilfe k¨onnen z. B. Aussagen u¨ ber die Symmetrie adsorbierter Spezies getroffen wer-

98

5 Elektronenspektroskopien

Tabelle 5.1: Gegen¨uberstellung der gebr¨auchlichen Notationen f¨ur elektronische Niveaus bis zur dritten Hauptschale. Bei der R¨ontgen-Notation werden gelegentlich auch r¨omische Indizes verwendet.

R¨ontgen-Notation Xi

K

L1

L2

L3

M1

M2

M3

M4

M5

Atomare Notation nlj 1s1/2 2s1/2 2p1/2 2p3/2 3s1/2 3p1/2 3p3/2 3d3/2 3d5/2 Entartung

2j + 1

2

2

2

4

2

2

4

4

6

den, worauf im Folgenden aber nicht n¨aher eingegangen werden soll. F¨ur das Matrixelement und die Auswahlregeln f¨ur Dipolstrahlung wird auf Abschnitt, 5.3.4 verwiesen. Eine Auftragung der Bindungsenergien der inneren Schalen gegen die Ordnungszahl Z (Abb. 5.6b) zeigt, dass alle Elemente Rumpfniveaus besitzen, die mit Laborr¨ontgenquellen (z. B. Al Kα -Strahlung) angeregt werden k¨onnen. In der doppelt-logarithmischen Auftragung erkennt man die Z 2 -Abh¨angigkeit f¨ur die st¨arker gebundenen Rumpfniveaus entsprechend dem Moseley’schen Gesetz. F¨ur die Bezeichnung der elektronischen Energieniveaus werden zwei unterschiedliche Notationen benutzt, die a¨ ltere R¨ontgen-Notation, welche die spektrale Abfolge der Linien wiedergibt, und die atomphysikalische Bezeichnung. Sie werden oft parallel gebraucht und sind in Tab. 5.1 gegen¨uber gestellt.

2

Photoemissionsquerschnitt (pm )

Aufgrund der Spin-Bahn-Kopplung sind alle Niveaus mit Bahndrehimpuls l > 0 (p, d, f) energetisch in zwei Komponenten mit Gesamtdrehimpuls j = l ± 1/2 aufgespalten, wobei die Gr¨oße der Aufspaltung mit der Bindungsenergie bzw. bei vergleichbarer Bindungsenergie mit der Hauptquantenzahl n ansteigt. Ist die Aufspaltung nicht aufl¨osbar, so l¨asst man in der atomaren Notation den Gesamtdrehimpuls j einfach weg, in der R¨ontgen-Notation werden die entsprechenden Indizes zusammengefasst (z. B. M2,3 = b 3p). In Abb. 5.6 ist aus Darstellungsgr¨unden die mittlere Energie der beiden Komponenten aufgetragen.

Abb. 5.7: Wirkungsquerschnitt f¨ur die Photoemission f¨ur verschiedene Rumpfniveaus als Funktion der Ordnungszahl Z bei Anregung mit Al-Kα -Strahlung (nach [5.1]). Die Kurven enden jeweils f¨ur hν < EB . Die Punkte auf der vertikalen Linie markieren die Wirkungsquerschnitte der XPS-Linien von Kupfer (Abb. 5.8)

Cu 2p

100

4f 4d

3d 3p

1s 10

4p 5d 5p

2s 3s

4s

5s

1

6s 0,1

0

20 29

40

60

80

100

Kernladungszahl Z

Die 2j + 1 verschiedenen Einstellm¨oglichkeiten des Gesamtdrehimpulses im Raum f¨uhren zu einem unterschiedlichen Entartungsgrad der Zust¨ande (Tab. 5.1) und damit zu einem charakteristischen Intensit¨atsverh¨altnis der Spin-Bahn-Dubletts im Spektrum, n¨amlich p3/2 : p1/2 = 2 : 1; d5/2 : d3/2 = 3 : 2; f7/2 : f5/2 = 4 : 3. Abbildung 5.7 zeigt, dass

5.2 Elementspezifische Spektroskopie

99

Bindungsenergie (eV) 180

1000

600

400

140

0

hn = 1486 eV

120 100

200

Kupferprobe Al Ka-Strahlung

L3

160

Zählrate (1000/s)

800

L2

80 60

S

Auger-LMM

40

M2,3 M1 VB

20 0

400

600

800

1000

1200

Kinetische Energie (eV)

1400

Abb. 5.8: Photoelektronenspektrum von Kupfer.

der Wirkungsquerschnitt f¨ur Photoemission aus einem bestimmten Niveau mit zunehmender Kernladungszahl rasch ansteigt, bis die Quantenenergie hν nur noch wenig u¨ ber der Bindungsenergie EB des Elektrons liegt. Dann brechen die Kurven ab, da f¨ur hν < EB keine Anregung mehr stattfinden kann. Ist die Quantenenergie der R¨ontgenquelle ver¨anderbar (Synchrotron), so kann die Ausbeute dadurch optimiert werden, dass sie auf Werte etwa 50 eV u¨ ber der Bindungsenergie des betreffenden Rumpfniveaus eingestellt wird. Die resultierende kinetische Energie des Photoelektrons f¨uhrt zu einer maximalen Oberfl¨achenempfindlichkeit bei gleichzeitig moderatem Sekund¨arelektronenuntergrund. Die Energiebreite einer Photoelektronenlinie wird physikalisch zun¨achst von der Lebensdauer τ des Lochs im Endzustand (0,1–100 fs) bestimmt. Sie f¨uhrt zu einer intrinsischen Linienbreite ~/τ meist unter 1 eV (Lebensdauerverbreiterung). Dazu kommt noch die Verbreiterung durch niederenergetische Verluste, die das Photoelektron entweder direkt bei seiner Anregung oder auf dem Weg durch den Festk¨orper bis zur Oberfl¨ache erf¨ahrt (Kap. 2.1). Im Experiment wird diese Linienform dann noch mit der Energiebreite der R¨ontgenquelle und der Energieaufl¨osung des Spektrometers gefaltet. In Abb. 5.8 ist das XPS-Spektrum einer Kupferprobe dargestellt, welches mit einer Al-Kα Laborquelle angeregt wurde. Die Energieskala ist unten als kinetische Energie und oben als Bindungsenergie aufgetragen. Die mit h¨ochster kinetischer Energie austretenden Elektronen stammen von der Fermienergie (im Valenzband VB), was der Bindungsenergie EB = 0 entspricht. Eigentliche Photoelektronensignale sind nur die mit L2 , L3 , M1 , M2,3 bezeichneten Linien und der Beitrag des Valenzbands VB. Die unterschiedlichen Intensit¨aten der 2p (L2 , L3 -Dublett), 3s (M1 ) und 3p (M2,3 ) Signale entsprechen den unterschiedlichen Anregungsquerschnitten der Niveaus, wie man aus Abb. 5.7 ablesen kann. Am L2 /L3 -Dublett erkennt man das aus der unterschiedlichen Entartung (Tab. 5.1) folgende Intensit¨atsverh¨altnis 1:2. Im Gegensatz dazu ist das M2 /M3 -Dublett nicht aufgel¨ost (M2,3 ). Rechts von jeder Photoelektronenlinie liegt jeweils eine Satellitenlinie S der Quelle (Abschnitt 5.1.1) und ¨ schließlich findet man im Spektrum auch noch Augerelektronen (hier LMM-Uberg¨ ange,

100

5 Elektronenspektroskopien

Abb. 5.5), welche aus der Abregung der erzeugten Lochzust¨ande stammen. Letztere treten bei konstanter kinetischer Energie auf (Abschnitt 5.2.3), d. h. ihre energetische Lage ver¨ schiebt sich bei Anderung der Photonenenergie relativ zu den Photoelektronenlinien. Laborquellen sind h¨aufig als Doppelanodensysteme (Al/Mg) ausgelegt, so dass einfach u¨ berpr¨uft ¨ werden kann, ob eine XPS- oder Augerline beobachtet wird oder eine Uberlappung beider Linienarten. Bei Variation der Photonenenergie zeigen Photoelektronenlinien konstante Bindungsenergie, Auger¨uberg¨ange dagegen konstante kinetische Energie! Zu niedrigeren kinetischen Energien hin steigt der Untergrund nach einer Linie stufenartig an. Dies ist auf Elektronen zur¨uckzuf¨uhren, die tiefer im Volumen angeregt werden und auf dem Weg zur Oberfl¨ache Energie verlieren. Unter der Annahme, dass jedes Photoelektron diskreter Energie eine konstante Verlustfunktion (Abb. 2.1) im niederenergetischen Bereich besitzt, ergibt sich der Untergrund RU (E) der Photoelektronenlinie aus der Stammfunktion ∞ der Linienform I(E) zu U (E) ∝ E I(E ′ )dE ′ (Shirley-Untergrund). Bei sehr niedrigen kinetischen Energien im Bereich von einigen 10 eV befindet sich dar¨uber hinaus ein großes ¨ Sekund¨arelektronensignal (Kap. 2.1), das im Spektrum aus Gr¨unden der Ubersichtlichkeit nicht gezeigt ist.

5.2.2

Rumpfniveauverschiebungen

Die Bindungsenergie eines Rumpfelektrons kann man allgemein definieren als die Differenz der Energien des einfach geladenen Endzustands und des neutralen Anfangszustands. Beide Energiebeitr¨age h¨angen von der chemischen Umgebung des betreffenden Atoms ab. Die Energie des Photoelektrons ist somit nicht nur charakteristisch f¨ur ein bestimmtes Element, sondern auch sensitiv auf dessen chemische Bindung. Es wird v. a. in a¨ lterer Literatur h¨aufig zwischen Anfangs- und Endzustandseffekten in der Photoemission unterschieden. Ein typischer Anfangszustandseffekt ist der Ladungs¨ubertrag, hervorgerufen durch eine bindungsbedingte Verschiebung der Valenzelektronendichte am Ort des Rumpfniveaus (sowie die Reaktion der umgebenden Ladungen darauf), wodurch sich das lokale Potential a¨ ndert. Energiebeitr¨age aus dem Endzustand kommen v. a. aus der Abschirmung des Endzustandslochs durch zus¨atzliche Ladungsverschiebungen in der Umgebung und aus der Korrelation des Lochzustands mit den freien Valenzelektronen. Die gesamte chemisch induzierte Energieverschiebung (engl. chemical shift) der Photoelektronenlinien kann mehrere

535 K

gas

O2

ads

O

Intensität

gas

Abb. 5.9: CO-Oxidationsreaktion an Pt(111) bei zwei verschiedenen Temperaturen verfolgt mit XPS anhand der O 1s-Linie. Es wurden 15 Pa eines O2 /CO-Gasgemischs (Verh¨altnis 9:1) angeboten (nach [5.3]).

CO2

gas

515 K

O2

COads br

536

532

COads top

528

Bindungsenergie (eV)

524

5.2 Elementspezifische Spektroskopie

101

Elektronenvolt betragen. Unter Zuhilfenahme experimentell ermittelter Vergleichstabellen k¨onnen z. B. die Oxidationszahlen von Elementen in einer Verbindung (Beispiel Ti 2p3/2 Linien: Ti(0)-Metall: 453,9 eV; Ti(II)-Oxid: 455,3 eV; Ti(III)-Oxid: 457,3 eV; Ti(IV)-Oxid: 458,7 eV, nach [5.2]) bestimmt werden. In gleicher Weise k¨onnen verschiedene, dieselben Atome enthaltenden Molek¨ule identifiziert werden und so auch z. B. chemische Reaktionen an Oberfl¨achen als Funktion a¨ ußerer Parameter wie Druck oder Temperatur verfolgt werden. Abbildung 5.9 zeigt am Beispiel der Sauerstoff 1s-Linie die starke Temperaturabh¨angigkeit der CO-Oxidationsreaktion an Pt(111) [5.3]. Aufgrund des vergleichsweise hohen Drucks im Experiment (15 Pa) k¨onnen hier parallel auch die Molek¨ule in der Gasphase spektroskopiert werden. (Allerdings ist dabei die CO-Linie vom viel gr¨oßeren Sauerstoffsignal u¨ berdeckt.) Bei 515 K ist die Oberfl¨ache komplett mit CO belegt (auf zwei unterschiedlichen Pl¨atzen, Abb. 1.4) und CO2 ist in der Gasphase noch nicht nachweisbar. Bei nur 20 K h¨oherer Temperatur wird dagegen das adsorbierte CO so schnell zu CO2 reagiert, welches instantan desorbiert und damit in der Gasphase auftaucht, dass an der Oberfl¨ache nur noch adsorbierter Sauerstoff detektiert werden kann.

V

62,0

61,0

OF 60,0

(b)

Ir 4f7/2

Intensität

Intensität

Ir 4f7/2

59,0

V BA CD

62,0

Bindungsenergie [eV] V

61,0

60,0

Bindungsenergie [eV] V

OF

A

C

A

B

D

B

(c) Intensität

(a)

Ir 4f7/2 V

A B

59,0

62,0

61,0

60,0

59,0

Bindungsenergie [eV] V A B A B

H-Atom

Abb. 5.10: Oben: Hochaufgel¨oste XPS-Spektren der 4f7/2 Linie von Iridium und Fit mit Volumen- und Oberfl¨achenkomponenten (V bzw. OF, A, B, C, D). Unten: Oberfl¨achenstrukturmodelle in Aufsicht; die unterschiedlich koordinierten Oberfl¨achenatome sind mit A – D gekennzeichnet. (a) Unrekonstruierte Ir(100)-(1×1)-Oberfl¨ache. (b) Rekonstruierte Ir(100)-(5×1)-Oberfl¨ache (c) Mit Wasserstoff bedeckte Ir(100)-(1×1)-Oberfl¨ache.

Nicht nur die Spektroskopie von Adsorbaten sondern auch die hochaufgel¨oste Spektroskopie von Substratatomen bietet interessante Anwendungen. Wie in Kap. 1.1 dargestellt, ist an Oberfl¨achen, insbesondere beim Auftreten geometrischer Relaxationen und Rekonstruktionen, die Dichte und Verteilung der Valenzelektronen gegen¨uber dem Volumen ver¨andert. Es ist deshalb zu erwarten, dass sich Photoelektronen, die von Oberfl¨achenatomen emittiert werden, in der Energie etwas von solchen unterscheidet, die in darunter liegenden Lagen ausgel¨ost werden. Diese Rumpfniveauverschiebungen (engl. surface core level shift: SCLS) sind dann besonders ausgepr¨agt, wenn die Photonenenergie so gew¨ahlt wird, dass die freie Wegl¨ange der austretenden Photelektronen klein ist und damit nur wenige Lagen insgesamt zum XPS-Signal beitragen. Dies sieht man recht deutlich am Beispiel der unrekonstruierten Ir(100)-Oberfl¨ache (Abb. 1.15d), bei der die aus der obersten Lage emittierten 4f-Photoelektronen (OF) um 0,75 eV zu niedrigeren Bindungsenergien hin gegen¨uber de-

102

5 Elektronenspektroskopien

nen aus tieferen Lagen (V) verschoben sind (Abb. 5.10a). Gibt es direkt an der Oberfl¨ache, z. B. durch die in Abb. 1.15e gezeigte hexagonale Rekonstruktion, mehrere in¨aquivalente Substratatome, so haben diese auch unterschiedliche Energieverschiebungen (A – D in Abb. 5.10b) und stellen damit eine lokale Sonde der Bindungsverh¨altnisse an der Oberfl¨ache dar. Analoges gilt f¨ur Adsorbatsysteme wie z. B. H/Ir(100) (Abb. 5.10c), wo zwischen zweifach (A) und einfach (B) Wasserstoff-koordinierten Iridiumatomen unterschieden werden kann. Will man u¨ ber eine qualitative Beschreibung der Linienverschiebung hinaus ein quantitatives Verst¨andnis des Photoelektronenspektrums erlangen, so ist das oben beschriebene Modell, das ein vollst¨andig relaxiertes Rumpfloch als Endzustand zugrunde legt, nicht ausreichend. Insbesondere muss ber¨ucksichtigt werden, dass der gesamte Prozess der Photoanregung auf einer sehr kurzen Zeitskala abl¨auft, so dass der tats¨achlich erreichte Endzustand eine Superposition vieler verschiedener angeregter Zust¨ande darstellt. So k¨onnen alle Arten von Valenzelektronenanregungen intrinsisch mit dem Photoelektronenprozess gekoppelt sein. Auch vibronische Anregungen k¨onnen dabei auftreten, insbesondere wenn der (relaxierte) Bindungsabstand des Ions sich deutlich von dem des neutralen Atoms unterscheidet ¨ und somit der Anfangszustand einen erh¨ohten r¨aumlichen Uberlapp mit den Wellenfunktionen h¨oherer Schwingungszust¨ande im Endzustand hat (Franck-Condon-Prinzip). Die Gesamtheit dieser Sekund¨arprozesse kann zu Spektren mit recht komplexer Struktur f¨uhren.

5.2.3

Augerelektronenspektroskopie

Beim Auger¨ubergang wird ein unbesetztes inneres Niveau (Rumpfloch) X durch ein Elektron aus einem energetisch h¨oher liegenden Niveau Y aufgef¨ullt, die frei werdende Energie wird dabei an ein weiteres Elektron, in der Regel desselben Atoms, im Niveau Z u¨ bertragen, das dann als Augerelektron den Festk¨orper verlassen kann (Abb. 5.11a). Man bezeichnet den ¨ ¨ Ubergang entsprechend der beteiligten Niveaus als XYZ-Ubergang, wobei f¨ur Rumpfniveaus die R¨ontgen-Notation (Tab. 5.1) zum Einsatz kommt, w¨ahrend das Valenzband (in der Elektronenspektroskopie schließt dieser Begriff das Leitungsband eines Metalls mit ein) mit V abgek¨urzt wird. Falls nicht beide Niveaus Y und Z im Valenzband liegen, so befindet sich das Atom nach dem Auger¨ubergang immer noch in einem angeregten Zustand und es kann zur Emission weiterer Augerelektronen kommen. XYZ

(b)

XZY

Ekin 0F -EZ -EY

-EX

EV EF

Fluoreszenzausbeute

(a)

0,08 0,06 0,04 0,02 0,00 0

K

L M

500 1000 1500 2000 2500 3000

Bindungsenergie (eV)

Abb. 5.11: (a) Energieschema zum Augerprozess. (b) Ausbeute des konkurrierenden R¨ontgenfluoreszenzprozesses als Funktion der Bindungsenergie des aufgef¨ullten Niveaus.

Wirkungsquerschnitt (cm2)

5.2 Elementspezifische Spektroskopie

103

C (E X= 284 eV) N (E X = 399 eV) O (EX = 532 eV)

-19

10

Na (EX = 1072 eV) -20

10

1

2

3

E P / EX

4

Abb. 5.12: Totaler Wirkungsquerschnitt f¨ur die K-Lochanregung einiger leichter Elemente durch Elektronen (nach [5.1]).

Der Energie¨ubertrag beim Augerprozess erfolgt direkt u¨ ber die Coulombwechselwirkung. Es handelt sich um das quantenmechanische Analogon zu einem inelastischen Stoß zwi¨ schen zwei Elektronen, die Ubergangswahrscheinlichkeit w h¨angt dabei im Wesentlichen ¨ vom Uberlapp der Wellenfunktionen der beiden beteiligten Elektronen im Anfangs- und Endzustand ab: w ∝ | < Ψf1 Ψf2 | e2 /r |Ψi1 Ψi2 > |2 , wobei e2 /r den die Wechselwirkung ¨ beschreibenden Coulomb-Operator darstellt. Der Uberlapp der Wellenfunktionen h¨angt wesentlich von ihrer relativen r¨aumlichen Verteilung ab und weniger von der Kernladungszahl Z, da die Ausdehnung der beteiligten Orbitale in a¨ hnlicher Weise mit Z skaliert. Deshalb werden Rumpflochzust¨ande besonders h¨aufig durch Elektronen der n¨achst h¨oheren Hauptschale aufgef¨ullt, also K-L¨ocher aus der L-Schale, L-L¨ocher aus der M-Schale etc., was zu intensit¨atsstarken Augerlinien f¨uhrt (Abb. A.4). Befindet sich das ausgel¨oste Augerelektron ¨ ¨ im selben Niveau wie das auff¨ullende, so ist der Uberlapp maximal, d. h. Uberg¨ ange vom Typ XYY sind im Allgemeinen besonders intensiv. ¨ Der Augerprozess steht in Konkurrenz zur R¨ontgenfluoreszenz, bei der die beim Ubergang Y → X freiwerdende Energie als R¨ontgenphoton abgestrahlt wird. Da die Wahrscheinlichkeit f¨ur R¨ontgenemission etwa mit (hν)2 skaliert, werden große Energiebetr¨age EX − EY > 10 keV (tritt nur f¨ur Z ≥ 32 auf, Abb. 5.6b) vorwiegend strahlend abgegeben. F¨ur Energien unterhalb von 2 keV ist die Fluoreszenzausbeute stets kleiner als 6 % (Abb. 5.11b), d. h. die Abregung erfolgt nahezu vollst¨andig u¨ ber Augerelektronenemission. Da es bei jedem Element entsprechend niederenergetische Niveaus gibt ( Abb. 5.6b), ist die Augerelektronenspektroskopie fast universell zur Elementanalyse einsetzbar (außer f¨ur Wasserstoff und Helium). Im Experiment beschr¨ankt man sich h¨aufig sogar auf noch niedrigere Energien der Augerelektronen (≤ 1 keV), um eine besonders hohe Oberfl¨achenempfindlichkeit zu erzielen (Abschnitt 2.1.2). F¨ur den Augerprozess ist die Anregung eines Rumpfniveaus erforderlich. Dies kann durch R¨ontgen- (Abschnitt 5.2.1) oder durch Elektronenstrahlung erzeugt werden. Der Wirkungsquerschnitt QX f¨ur eine Rumpfniveauanregung des Niveaus X mit der Ionisationsenergie EX durch Elektronen mit der Energie EP h¨angt im Wesentlichen vom Verh¨altnis der Energien ab: QX = f (EP /EX ). Diese Abh¨angigkeit ist in Abb. 5.12 f¨ur die Anregung der K-Schale einiger leichter Elemente gezeigt. Oberhalb der Schwelle (EP /EX = 1) steigt der Wirkungsquerschnit steil an und erreicht im Bereich EP /EX ≈ 3 ein flaches Maximum. F¨ur noch gr¨oßere Werte von EP /EX nimmt QX dann wieder langsam ab, was auf

104

5 Elektronenspektroskopien

die abnehmende Wechselwirkungszeit der Elektronen mit dem Rumpfniveau zur¨uckgef¨uhrt 2 werden kann. Der Wirkungsquerschnitt QX skaliert in grober N¨aherung mit 1/EX , d. h. energetisch tief liegende Niveaus werden mit deutlich geringerer Wahrscheinlichkeit angeregt als h¨oher liegende Niveaus (Abb. 5.12). Eine hohe Oberfl¨achenempfindlichkeit erreicht man f¨ur Augerelektronen mit kinetischen Energien < 1 keV. Da die Bindungsenergien der anzuregenden Rumpfniveaus nur wenig gr¨oßer sind, kann eine effiziente Anregung durch einfache 3 keV-Elektronenquellen erfolgen (Abb. 5.1). Die kinetische Energie der Augerelektronen ergibt sich n¨aherungsweise aus der Differenz der Bindungsenergien Ei der beteiligten Niveaus i, wie sie aus der Photoelektronenspektroskopie bestimmt werden k¨onnen: Ekin = EX − EY − EZ − ∆U − Φ.

(5.1)

Sie ist somit charakteristisch f¨ur das jeweilige Element. F¨ur die korrekte Beschreibung m¨ussen die Austrittsarbeit Φ (des Spektrometers) abgezogen werden (wie bei XPS, Abschnitt 5.2.1) sowie ein Korrekturterm ∆U , da beim Augerprozess im Unterschied zur R¨ontgenphotoemission ein zweifach ionisierter Endzustand entsteht. Der Korrekturterm ∆U ber¨ucksichtigt die inneratomare Relaxation (Energieabsenkung des Niveaus Z durch die Existenz des Lochzustands in Niveau Y ), die extraatomare Relaxation (Abschirmung der zus¨atzlichen Ladung im Endzustand durch die Umgebung) sowie die Wechselwirkungsenergie der beiden Lochzust¨ande Y und Z f¨ur den spektroskopischen Endzustand. Jeder dieser Terme hat f¨ur sich eine nicht vernachl¨assigbare Gr¨oße (>10 eV) jedoch heben sie sich meist gegenseitig ann¨ahernd auf, so dass die Differenz der Bindungsenergien eine gute Absch¨atzung f¨ur die entsprechende Augerelektronenenergie liefert. Aus der a¨ quivalenten Behandlung der Energien EY und EZ in obiger Formel wird auch klar, dass zwischen einem ¨ XY Z- und XZY -Ubergang grunds¨atzlich nicht unterschieden werden kann (Abb. 5.11a), d. h. es ist nicht m¨oglich zu sagen, ob das Augerelektron nun aus dem Niveau Y oder Z emittiert wurde. Aus Konvention w¨ahlt man die Bezeichnung mit EY ≥ EZ .

5.2.4

Linienform von Augerspektren

Wie bei der Photoelektronenspektroskopie (Abschnitt 5.2.1) gibt es auch hier eine analoge Lebensdauerverbreiterung der beobachteten Linien, da der XPS-Endzustand gerade dem ¨ AES-Anfangszustand entspricht. Eine besonders große Ubergangswahrscheinlichkeit und damit große Linienbreite (bis zu 10 eV) besitzen Auger¨uberg¨ange, bei denen das Anfangsloch durch ein Elektron derselben Hauptschale aufgef¨ullt wird (z. B. L1 L3 V). Diese ul¨ traschnellen Prozesse nennt man Coster-Kronig-Uberg¨ ange, sie treten aufgrund der meist geringen frei werdenden Energie vorwiegend im sehr niederenergetischen Bereich der Spektren auf. Die am Augerprozess beteiligten Elektronen wechselwirken nicht nur direkt miteinander, sondern auch mit den Valenzelektronen in ihrer Umgebung. Durch diese Vielteilchenwechselwirkung k¨onnen zus¨atzlich Elektron-Loch-Paare und Plasmonen angeregt werden und zwar direkt beim Auger¨ubergang und nicht nur auf dem anschließenden Weg des Augerelektrons zur Oberfl¨ache (Abschnitt 2.1.1). Dies f¨uhrt zu der typisch asymmetrischen Li¨ nienform von Auger¨uberg¨angen. Bei einem XYV-Ubergang kann jedes im Band V (Breite ∆EV ) liegende Niveau am Augerprozess beteiligt sein, die gesamte Augerlinie besitzt dann ¨ ebenfalls die Energiebreite ∆EV . Unter der Annahme einer konstanten Ubergangswahrscheinlichkeit (nur gute N¨aherung, wenn keine Band¨uberlappungen stattfinden) spiegelt die

5.2 Elementspezifische Spektroskopie

105

Differenziertes Signal

B B4C

BN B2O3 Abb. 5.13: Differenzierte Auger¨ spektren der KVV-Uberg¨ ange ver120 140 160 180 200 schiedener Borverbindungen (nach [5.5]). Kinetische Energie (eV)

KVV

Linienform direkt die elektronische Zustandsdichte D(E) wider. Analog ergibt sich f¨ur ¨ XVV-Uberg¨ ange eine Augerline der Breite 2 · ∆EV und als Linienform die Selbstfaltung der Zustandsdichte D(E) ∗ D(E).

Der Umstand, dass die Struktur des Valenzbands direkt in die Linienform der entsprechenden Auger¨uberg¨ange eingeht, verleiht auch dieser Methode das Potential zur Identifikation der chemischen Umgebung eines Atoms. In einer chemischen Verbindung wird das Valenz¨ band aus dem Uberlapp unterschiedlicher Orbitale gebildet, die genaue energetische Lage, die Breite und die Zustandsdichte des Hybridbands ist somit charakteristisch f¨ur genau diese Verbindung. Abbildung 5.13 vermittelt einen Eindruck, wie unterschiedlich Augerlinienformen in Abh¨angigkeit von der Valenzbandstruktur sein k¨onnen.

5.2.5

Qualitative und quantitative Elementanalyse

Eine Analyse der im Oberfl¨achenbereich einer Probe vorkommenden Elemente kann in v¨ollig analoger Weise sowohl mit XPS als auch mit AES durchgef¨uhrt werden. Die folgende Beschreibung beschr¨ankt sich deshalb auf das Beispiel der elektronenstrahlangeregten Augerelektronenspektroskopie, da diese die experimentell einfachste und auch verbreiteteste Methode darstellt. Da aufgrund der geringen Anregungswahrscheinlichkeit f¨ur Rumpfl¨ocher (Abb. 5.12) die Intensit¨at der Auger¨uberg¨ange stets klein ist gegen¨uber dem Untergrund inelastisch r¨uckgestreuter und sekund¨ar ausgel¨oster Elektronen (Abb. 2.1), ist es u¨ blich, Augerspektren mit Modulationstechnik (Abschnitt 5.1.3)in differenzierter Form aufzunehmen und auch darzustellen (Abb. 5.5). Aus dieser Konvention heraus wird als Energie des Auger¨ubergangs nicht der vom Untergrund und den elektronischen Verlusten st¨arker beeinflusste Nulldurchgang des differenzierten Signals bezeichnet, sondern die Position seiner negativen Spitze (also der Wendepunkt der hochenergetischen Flanke der Augerlinie). Als Maß f¨ur die Intensit¨at wird entsprechend die (einfach zu messende) Differenz zwischen positiver und negativer Spitze des differenzierten Signals verwendet. Allerdings muss hier beachtet werden, dass der Proportionalit¨atsfaktor zwischen ,,Spitze-Spitze”-Amplitude und integraler Intensit¨at nicht nur von der nat¨urlichen Linienbreite, sondern auch von der energetischen Aufl¨osung des Spektrometers abh¨angt (schmalere Linien werden durch diese st¨arker

106

5 Elektronenspektroskopien MNN

LMM Nickel

Differenziertes Augersignal

Kobalt

Abb. 5.14: Augerspektrum einer Fe49 Co23 Ni28 Legierung und dar¨uber die Referenzspektren der zugeh¨origen Reinmetalle (aus [5.4]). Zus¨atzlich erkennt man die Elemente Ar, C und O als typische Verunreinigungen der (ungeheizten) Oberfl¨ache.

Eisen

Fe49Co23Ni28 O

Ar C

Fe Co Ni

Co Ni Fe Ni Fe Co Co Ni

Fe

0

200

400

600

800

Kinetische Energie (eV)

ged¨ampft als breitere, vgl. Abb. 5.5). Verl¨auft der Untergrund nicht flach, wie meist im niederenergetischen Teil der Spektren (Abb. 5.14), so muss der dadurch entstehende Versatz ebenfalls entsprechend korrigiert werden. Durch die Verkn¨upfung dreier atomarer Niveaus im Augerprozess ergibt sich h¨aufig eine ¨ Vielzahl beobachtbarer Uberg¨ ange, insbesondere bei schwereren Elementen, die eine ganze Reihe (¨außerer) Unterschalen aufweisen. Jedes Element besitzt somit eine unverwechselbare Signatur im Elektronenspektrum, was eine eindeutige Identifikation erlaubt. Besteht ¨ jedoch die zu untersuchende Probe aus mehreren Elementen, dann kann es zu Uberlappungen kommen. Dies tritt insbesondere bei im Periodensystem benachbarten Elementen auf, wie das in Abb. 5.14 am Beispiel einer Fe49 Co23 Ni28 -Legierung zu sehen ist. Sowohl die ¨ niederenergetischen MNN (bzw. MVV)-Uberg¨ ange, als auch die h¨oherenergetischen LMM¨ ¨ Uberg¨ange der drei Elemente u¨ berlappen dabei signifikant. Dies f¨uhrt zu starken Anderungen in Form und Gr¨oße einzelner Augerlinien, was bei einer quantitativen Auswertung entsprechend ber¨ucksichtigt werden muss. Auch k¨onnen sich insbesondere leichte Elemente, ¨ die nur einen oder wenige Uberg¨ ange im Spektrum besitzen (wie z. B. die in Abb. 5.14 ebenfalls zu sehenden Oberfl¨achenverunreinigungen Argon, Kohlenstoff und Sauerstoff) leicht unter den Signalen der anderen Elemente verbergen und damit unentdeckt bleiben. Aus diesem Grund ist es wichtig, grunds¨atzlich neben der energetischen Lage auch die relativen ¨ Intensit¨aten verschiedener Uberg¨ ange eines Elements mit Standardspektren (z. B. [5.4]) zu vergleichen, da auch diese eine charakteristische Gr¨oße f¨ur das jeweilige Element darstellen. Wie im vorigen Abschnitt dargelegt, ist das jedoch bei Valenzbandbeteiligung nicht mehr so eindeutig und auch die Wahl von Detektortyp und Aufnahmetechnik kann die Intensit¨aten im Spektrum erheblich beeinflussen, wie im Folgenden gezeigt wird.

5.2 Elementspezifische Spektroskopie

107

Will man die (mittlere) Konzentration ci eines Elements i im oberfl¨achennahen Bereich einer homogenen Probe bestimmen, so muss man ber¨ucksichtigen, dass die Intensit¨at eines entsprechenden Auger¨ubergangs XYZ dieses Elements nicht nur mit der Anregungsintensit¨at I0 skaliert, sondern auch noch von einer Vielzahl anderer Gr¨oßen abh¨angt. Dies sind im Fall der Elektronenstrahlanregung zun¨achst die Energie und der Einfallswinkel der Prim¨arelektronen sowie der R¨uckstreufaktor der Probe, denn auch r¨uckgestreute Elektronen k¨onnen Rumpfl¨ocher anregen. Dazu kommen die Wahrscheinlichkeiten f¨ur die Anregung des Rumpflochs X und den anschließenden Augerzerfall, sowie die freie Wegl¨ange der Augerelektronen, die den Tiefenbereich angibt, aus dem Elektronen im Außenraum noch detektiert werden k¨onnen. Schließlich bestimmen auch messtechnische Parameter wie der Akzeptanzwinkel und die Transmission des verwendeten Spektrometers und die Nachweisempfindlichkeit des Detektors die gemessene Augerintensit¨at. F¨ur eine quantitative Analyse sind diese Gr¨oßen im Allgemeinen nicht hinreichend genau bekannt, weshalb man sie aus praktischen Gr¨unden zu elementabh¨angigen (und normierten) Konstanten Si (Empfindlichkeitsfaktoren) zusammenfasst (Ii = ci · I0 · Si ). Diese werden empirisch aus Standardspektren (meist von Reinelementen) gewonnen und sind f¨ur verschiedene Spektrometer und Prim¨arenergien ver¨offentlicht (z. B. [5.4]). Eine Abbildung der Energien und relativen In¨ tensit¨aten f¨ur alle Elemente findet sich im Anhang A.4. Da die Intensit¨aten der Uberg¨ ange eines Elements in festem Verh¨altnis zueinander stehen, ist es meist ausreichend, sich jeweils auf eine einzige, meist prominent im Spektrum auftretende Linie zu beschr¨anken. Die u¨ ber den Detektionsbereich P gemittelte Elementkonzentration berechnet sich damit entsprechend zu ci = (Ii /Si )/ j (Ij /Sj ), wobei die Summation u¨ ber alle detektierten Elemente j verl¨auft. Sehr wichtig bei der quantitativen Analyse ist es, die Anregung und die Detektion mit m¨oglichst a¨ hnlichen experimentellen Parametern wie bei den Standardspektren durchzuf¨uhren und dabei auch eine vergleichbare spektrale Aufl¨osung (Abb. 5.5) zu w¨ahlen. Doch selbst dann k¨onnen die von den spezifischen Eigenschaften der Probe abh¨angigen Parameter R¨uckstreufaktor und freie Wegl¨ange (sowie Beugungseffekte bei einkristallinen Proben) zu erheblichen Fehlern f¨uhren, die in sehr ung¨unstigen F¨allen bis zu einem Faktor 5 (!) betragen k¨onnen. Eine wesentliche Verbesserung erreicht man durch zus¨atzliche Korrekturterme, Matrixfaktoren, die genau den Einfluss der chemischen Umgebung, in die ein Atom eingebettet ist (Matrix), korrigieren sollen [5.6]. Die unterschiedlichen Linienformen von Bor-Verbindungen (Abb. 5.13) illustrieren diesen Effekt. Trotz aller Korrekturen kann nur bei sehr gut bekannten Systemen eine Genauigkeit von < 10 % erzielt werden. Allgemein gilt hier wie bei jeder anderen quantitativen Methode: Je n¨aher die verwendeten Standards an der realen Probe sind, desto genauer werden die Ergebnisse! Bei mehrkomponentigen Proben ist die vertikale Elementverteilung c(z) einer Probe aufgrund von Segregation oder selektiver Abtragung h¨aufig inhomogen. Das gesamte detektierte Signal eines Elements i relativ zu einer Reinelementprobe ergibt sich dann wie folgt: Z cos α ∞ 0 Ii /Ii = c(z) exp(−z cos α/λ)dz, (5.2) λ 0 wobei λ die freie Wegl¨ange der Augerelektronen und α den Detektionswinkel gegen die Oberfl¨achennormale darstellen. Die Abschw¨achung der anregenden Strahlung mit der Tiefe wurde hierbei vernachl¨assigt. Eine mit der Elektronenspektroskopie bestimmte Elementkonzentration stellt also nur eine mittlere, exponentiell mit der Tiefe abnehmend gewichtete Konzentration dar (Auger- bzw. XPS-Konzentration). Zus¨atzliche Informationen u¨ ber

108

5 Elektronenspektroskopien

die Tiefenverteilungsfunktion kann man erhalten, wenn man mehrere Linien unterschiedlicher kinetischer Energie und damit unterschiedlicher freier Wegl¨angen auswertet. Dies kann durch Messung verschiedener Linien eines Elements oder – bei XPS – auch durch Messung derselben Linie f¨ur unterschiedliche Photonenenergien erfolgen. Alternativ kann auch der Detektionswinkel variiert werden, wobei jedoch bei kristallinen Proben Beugungseffekte und selbst bei nicht-kristallinen Proben Vorw¨artsstreueffekte die Ergebnisse verf¨alschen k¨onnen. Wegen der begrenzten, experimentell erh¨altlichen Information ist also in aller Regel eine auf atomarer Skala genaue Tiefenverteilung nicht bestimmbar, allerdings k¨onnen f¨ur verschiedene Modellverteilungen die erwarteten Intensit¨atsverh¨altnisse gem¨aß Gl. (5.2) berechnet und die Konsistenz der Ergebnisse mit dem Experiment u¨ berpr¨uft werden.

Oberfl¨achenbandstrukturbestimmung

5.3

Die elektronische Bandstruktur von Festk¨orpern beinhaltet die besetzten Valenzb¨ander und die unbesetzten Leitungsb¨ander nahe der Fermienergie. Verwendet man Elektronenenergien kleiner als etwa 100 eV, so kommt die Information aufgrund der kleinen mittleren freien Wegl¨ange (Abb. 2.3) aus dem Oberfl¨achenbereich. Damit erh¨alt man Zugang zu den in Abschnitt 1.2.4 besprochenen Oberfl¨achenzust¨anden. Das wichtigste Experiment ist die Photoemission (Abb. 5.15a), bei der ein Elektron nach Absorption eines Photons der Energie ~ω aus einem Anfangszustand |ii im Valenzband in einen Endzustand |f i gebracht wird. Aus dem Energiediagramm 5.15a liest man sofort die Energieerhaltung Ef = Ei + ~ω ab. Liegt die Energie des Endzustands Ef oberhalb der Vakuumenergie EV , so kann das Elektron die Oberfl¨ache verlassen und seine kinetische Energie Ekin = Ef − EV gemessen werden. F¨ur Valenzb¨ander ist die Anfangszustandsenergie Ei bezogen auf die Fermienergie EF u¨ blicher als die in Abschnitt 5.2.1 eingef¨uhrte Bindungsenergie EB f¨ur die Photoemission aus Rumpfniveaus. Bei gleichzeitiger Bestimmung der Richtung der emittierten Elektronen in der winkelaufgel¨osten Photoemission erh¨alt man die Oberfl¨achenbandstruktur E(k k ) (Kap. 1.2). (a)

Ekin

Ef

(b)

z

hω 0

EV

Φ

EF Ei



k

ϑ q

k ||

Abb. 5.15: (a) Energiediagramm der Photoemission. (b) Zusammenhang mit den experimentellen Gr¨oßen.

5.3.1

Winkelaufgel¨oste Photoemission

Im Experiment wird die Oberfl¨ache mit Licht der Photonenenergie ~ω bestrahlt (Abb. 5.15b). Hierbei werden typischerweise Photonenenergien im Bereich von 10–100 eV ver-

5.3 Oberfl¨achenbandstrukturbestimmung

109

wendet. Daher wird die Methode Ultraviolett-Photoelektronenspektroskopie (engl. ultraviolet photoelectron spectroscopy: UPS) genannt. Die ausgel¨osten Elektronen werden unter einem Winkel ϑ relativ zur Oberfl¨achennormalen (¨ublicherweise als z-Richtung gew¨ahlt) in einer definierten azimuthalen Orientierung nachgewiesen. Dies f¨uhrt zu der englischen Bezeichnung ARUPS f¨ur angle-resolved UPS. Die kinetische Energie Ekin wird in einem Energieanalysator bestimmt, meist werden Kugelsektoranalysatoren verwendet (Abschnitt 5.1.2). Die Auswirkungen der Einfallsrichtung und der Polarisation des Lichts betrachten wir in Abschnitt 5.3.4. Aus der Energieerhaltung erhalten wir durch der Messung der kinetischen Energie Ekin die Anfangsenergie Ei = Ekin + Φ − ~ω

(5.3)

relativ zur Fermienergie EF . Wie in Abschnitt 5.2.1 ist Φ die Austrittsarbeit der Probe. Der Betrag despWellenvektors des emittierten Elektrons ergibt sich aus der kinetischen Energie zu |k| = 2mEkin /~2 . Die Komponente parallel zur Oberfl¨ache (Abb. 5.15b) ergibt sich aus Ekin und dem Emissionswinkel ϑ zu p (5.4) |k k | = 2mEkin /~2 sin ϑ.

Beim Durchtritt des Elektrons durch die Oberfl¨ache a¨ ndert sich im Wesentlichen die Bewegungskomponente senkrecht zur Oberfl¨ache aufgrund des Potentialsprungs an der Ober¨ fl¨ache. Parallel zur Oberfl¨ache ist das Potential periodisch, so dass Anderungen von k k nur um reziproke Gittervektoren m¨oglich sind (vgl. Beugung am Oberfl¨achengitter Gl. (4.3)). Der Parallelimpuls k k des emittierten Elektrons im Vakuum ist a¨ quivalent zu k fk , d. h. er unterscheidet sich m¨oglicherweise um einen reziproken Gittervektor. Bei Reduktion aller kk -Vektoren in die erste Oberfl¨achen-Brillouinzone erhalten wir damit aus der Impulserhaltung k ik = k fk = k k . Die Vernachl¨assigung des Photonenimpulses wird in Abschnitt 5.3.4 begr¨undet. Zusammen mit der Energieerhaltung k¨onnen wir in einem winkelaufgel¨osten Photoemissionsexperiment im Prinzip die vollst¨andige Oberfl¨achenbandstruktur Ei (k ik ) f¨ur besetzte Zust¨ande unterhalb EF bestimmen. Oberfl¨achenzust¨ande Als Beispiel f¨ur die winkelaufgel¨oste Photoelektronenspektroskopie an Oberfl¨achen zeigt Abb. 5.16a die Intensit¨atsverteilung der emittierten Elektronen als Funktion von Energie Ekin und Emissionswinkel ϑ. Als Probe diente eine Cu(111)-Oberfl¨ache, die mit He IStrahlung (21,2 eV) angeregt wurde. Man erkennt klar eine Parabel maximaler Intensit¨at. Aus den Intensit¨atsmaxima l¨asst sich mit Hilfe von Gln. (5.3) und (5.4) die Dispersion Ei (k ik ) bestimmen (Abb. 5.16b). Bei dem beobachteten Zustand handelt es sich um einen (Shockley-)Oberfl¨achenzustand, da er in einer Bandl¨ucke der projizierten Volumenbandstruktur liegt. Diese ist in Abb. 5.16b schattiert und auch schwach in den experimentellen Daten von Abb. 5.16a zu erkennen. F¨ur kk = 0 ist die Bandl¨ucke am Γ-Punkt auch in der Kupferbandstruktur in Abb. 1.22b entlang der ΓL-Linie zu erkennen. Bei Verwendung von einfachen Energieanalysatoren wird das Photoelektronenspektrum (engl. energy distribution curve: EDC) bei festem Emissionswinkel ϑ als Funktion der kinetischen Energie aufgenommen. Diese Energieverteilungskurve entspricht einem senkrechten Schnitt durch die Intensit¨atsverteilung von Abb. 5.16a. F¨ur das gezeigte Band mit parabolischer Dispersion ergibt sich eine zunehmende Verbreiterung der Energieverteilungskurven f¨ur gr¨oßere Emissionswinkel. Erfolgt der Schnitt horizontal f¨ur eine feste Energie

110

5 Elektronenspektroskopien (c) 0,0

16,2

–0,1

16,1

–0,2

Intensität

Kinetische Energie (eV)

(b)

16,0 15,9

–0,3 –0,4

15,8

–0,5

15,7

–0,6



Anfangsenergie (eV)

hoch

16,3

Verkippungswinkel

(a)

4˚ 2˚ 0˚ –2˚ –4˚ –6˚

15,6

–6˚ –4˚ –2˚







Emissionswinkel



niedrig

–0,2

–0,1

0,0

0,1

0,2 -1

Wellenzahlvektor k|| (Å )

–0,7

–4˚ –2˚





Winkel ϑ





Abb. 5.16: (a) Photoemissionsintensit¨atsverteilung und (b) experimentelle Dispersion teines Oberfl¨achenzustands auf Cu(111). (c) Die Intensit¨atsverteilung an der Fermienergie zeigt eine ringf¨ormige Fermikontur (mach [5.7]).

als Funktion des Winkels, so erh¨alt man eine Impulsverteilungskurve (engl. momentum distribution curve: MDC). Diese Methode der Auswertung ist besonders vorteilhaft an der Fermienergie, da man ein direktes Abbild der Fermifl¨ache an der Oberfl¨ache erh¨alt. Die gemessene Fermikontur des Cu(111)-Oberfl¨achenzustands ist in Abb. 5.16c gezeigt. Wie f¨ur einen Zustand mit freien-Elektronen-Charakter zu erwarten, beobachtet man eine parabolische Dispersion und eine ringf¨ormige Fermikontur. Die Zuordnung von beobachteten Strukturen in den Photoelektronenspektren zu Oberfl¨achenzust¨anden ist nicht immer so einfach wie im zuvor gezeigten Beispiel, da diese neben Oberfl¨achenzust¨anden auch andere Strukturen aufweisen, die auf Blochwellen im Volumen (Volumen¨uberg¨ange) zur¨uckzuf¨uhren sind. Um Oberfl¨achenzust¨ande zu identifizieren, gibt es mehrere Kriterien, die alle erf¨ullt sein m¨ussen: 1. Der Zustand liegt in einer Bandl¨ucke der projizierten Volumenbandstruktur. 2. Die Anfangszustandsenergie Ei der Struktur ist unabh¨angig von der Photonenenergie. 3. Die Intensit¨at der Struktur nimmt bei Adsorption von Gasen stark ab. Das erste Kriterium hatten wir als notwendige Bedingung f¨ur Oberfl¨achenzust¨ande eingef¨uhrt. Diese Situation ist f¨ur den Oberfl¨achenzustand auf Cu(111) erf¨ullt, wie in Abb. 5.16 anhand der projizierten Volumenb¨ander gezeigt ist. Das zweite Kriterium eliminiert direk¨ te Uberg¨ ange in der Volumenbandstruktur, die im folgenden Absatz noch genauer besprochen werden. Dieser Test kann jedoch auch schwach dispergierende B¨ander (z. B. d-B¨ander) irrt¨umlich als Oberfl¨achenzust¨ande kategorisieren. Das dritte Kriterium ist das experimentell einfachste, da sich auf der Probe auch bei sehr guten Vakuumbedingungen nach einigen Stunden Verunreinigungen aus dem Restgas ansammeln k¨onnen. Aber auch dieser Test ist nicht eindeutig, da auch f¨ur Volumen¨uberg¨ange bei Adsorption die Intensit¨at aufgrund der geringen mittleren freien Wegl¨ange abnimmt. Zus¨atzlich kann beim Durchtritt der Elektronen durch die Oberfl¨ache die Intensit¨at von ungeordneten Adsorbaten in beliebige Richtungen gestreut werden.

5.3 Oberfl¨achenbandstrukturbestimmung

111

Volumenzust¨ande Die eingestrahlten Photonen k¨onnen auch Elektronen in Volumenb¨andern anregen, die auch emittiert werden k¨onnen. Im Kristallvolumen gilt die Impulserhaltung auch f¨ur kz und die ¨ Uberg¨ ange erfolgen senkrecht in der Volumenbandstruktur. In Abb. 1.22 oder 5.17b erkennt man, dass sich bei Variation der Photonenenergie im Allgemeinen sowohl Anfangs- als ¨ auch Endzustandsenergie a¨ ndern, da wegen der kz -Impulserhaltung im Volumen der Ubergang f¨ur verschiedene Photonenenergien bei unterschiedlichen kz erfolgt. Bei Oberfl¨achenzust¨anden ist dies nicht der Fall, was zu obigem Kriterium 2 f¨uhrt. Die Photoemission aus Volumenb¨andern kann in einem einfachen Drei-Stufenmodell beschrieben werden: 1. Das Photon regt im Volumen ein Elektron aus einem Anfangszustand in einen Endzustand an. 2. Das Elektron im Endzustand wandert zur Oberfl¨ache und wird gestreut. Die Abschw¨achung wird durch die mittlere elastische freie Wegl¨ange beschrieben. 3. Das Elektron tritt durch die Oberfl¨ache. Durch den Potentialsprung wird die Richtung ge¨andert und durch das periodische Gitter der Oberfl¨ache erfolgt eventuell eine Beugung. Der Parallelimpuls ~k k bleibt bis auf reziproke Gittervektoren erhalten. Das Drei-Stufenmodell beschreibt die Prozesse bei der Photoemission aus Volumenzust¨anden korrekt. Energie E und Parallelimpuls kk erh¨alt man wie bei Oberfl¨achenzust¨anden aus den entsprechenden Erhaltungss¨atzen. Die Dispersion der Anfangs- bzw. Endzust¨ande senkrecht zur Oberfl¨ache in kz -Richtung bleibt jedoch unbestimmt. Eine M¨oglichkeit ist, die Endzust¨ande Ef (kz ) aus einer Bandstrukturrechnung zu u¨ bernehmen. Dies ist aber inkonsequent, da mit der Photoelektronenspektroskopie die Bandstruktur bestimmt werden soll. In vielen F¨allen ist die Beschreibung der Endzustandsb¨ander durch freie Elektronenb¨ander mit dem Minimum der Valenzbandstruktur am Γ-Punkt als EnergieNullpunkt eine gute N¨aherung. Dieselbe N¨aherung verwendet man auch bei LEED (Abschnitt 4.3.3). Das innere Potential V0r entspricht in etwa der Energie des Valenzbandminimums bezogen auf die Vakuumenergie. Nur in der N¨ahe der Bandl¨ucke weicht die Dispersion der nahezu-freien Elektronenn¨aherung von der der freien Elektronen ab. In diesem Energiebereich bekommen die Zust¨ande jedoch mehr den Charakter von stehenden Wellen (exakt an den Bandl¨uckengrenzen), die keine Elektronen in das Vakuum transportieren k¨onnen. Relevant als Endzust¨ande sind daher die stark dispergierenden Bereiche der Bandstruktur. Volumenbandstrukturmessungen werden meist f¨ur senkrechte Emission ϑ = 0 und damit k k = 0 unter Verwendung verschiedener Photonenenergien durchgef¨uhrt. Dann erreicht man f¨ur niedrigindizierte Oberfl¨achen die Hochsymmetrielinien der Bandstruktur (Abb. A.2). F¨ur vorgegebenes kk 6= 0 erfordert Gl. (5.4) eine entsprechende Anpassung des Emissionswinkels, wenn sich die kinetische Energie bei Variation der Photonenenergie a¨ ndert. Ein Beispiel f¨ur ein Photoelektronenspektrum in senkrechter Emission (ϑ = 0) ist in Abb. 5.17a gezeigt. Hierbei wurde eine Cu(001)-Oberfl¨ache mit 21,2 eV Photonen einer Helium-Gasentladung (Abschnitt 5.1.1) angeregt. Im besetzten Bereich der Bandstruktur von Cu(001) gibt es bei Γ keine Bandl¨ucken der projizierten Volumenbandstruktur (Abb. 1.23 und 5.17b) und daher werden im Photoelektronenspektrum von Abb. 5.17a auch keine Oberfl¨achenzust¨ande beobachtet. Als prominente Strukturen im Spektrum von Abb. 5.17a sieht man die Emission aus den Kupfer d-B¨andern bei etwa 14 eV kinetischer

112

5 Elektronenspektroskopien (a)

Anfangszustandsenergie (eV) –16

–14

–12

–10

–8

–6

–4

–2

EF = 0

(b) Cu(001)

Cu(001) He I, ϑ = 0° hω = 21,2 eV

20

d-Bänder

300

Energie (eV)

Zählrate (1000/s)

400

200

100

Vakuumkante

X1

10

Χ1 EV EF

0

Fermikante 0

0

EV =

2

4

6

8

10

12

Kinetische Energie (eV)

14

16

–10

Γ

Wellenzahlvektor

Χ

¨ Abb. 5.17: (a) Photoelektronenspektrum von Cu(001). (b) Direkte Uberg¨ ange in der Volumenbandstruktur.

¨ Energie. Diese ergeben sich als direkte Uberg¨ ange in der Volumenbandstruktur wie in ¨ Abb. 5.17b durch Pfeile markiert. Es sind f¨unf direkte Uberg¨ ange zu identifizieren, von denen die drei hochenergetischen aus den schwach dispergierenden d-B¨andern am inten¨ sivsten sind. Die beiden anderen Uberg¨ ange sind nur als schwache Strukturen im Spektrum zu erkennen. Die schwachen Strukturen etwa 2 eV oberhalb der Hauptlinien sind Replika der intensiven d-B¨ander, die durch h¨oherenergetische Satellitenlinien der He-Lampe angeregt werden. Als Endzustandsband f¨ur die Volumen¨uberg¨ange wurde nur das freieElektronen-artige, totalsymmetrische Band ber¨ucksichtigt, das vom X1 -Punkt ausgeht. Die anderen Endzustandsb¨ander in dem betreffenden Energiebereich sind antisymmetrisch unter Spiegelungen oder Drehungen der Raumgruppe der Cu(001)-Oberfl¨ache (p4mm nach Tab. A.1) und k¨onnen daher in senkrechter Emission nicht an eine ebene Welle im Außenraum ankoppeln. Das relevante Endzustandsband kann n¨aherungsweise durch ein freies Elektronenband (gestrichelte Parabel in Abb. 5.17b) beschrieben werden, das am Boden des Valenzbands sein Minimum hat. Im Spektrum von Abb. 5.17a ist ein zu niedrigen Energien linear ansteigender Untergrund zu erkennen, der auf gestreute Elektronen (Schritt 2 des Dreistufenmodells) oder Sekund¨arelektronen (Kap. 2.1) zur¨uckzuf¨uhren ist. Bei kinetischen Energien kleiner als 3 eV nimmt der Untergrund wieder ab. Hier beginnt die Bandl¨ucke unterhalb des X1 -Punkts (Abb. 5.17b), in der sich keine Elektronen in senkrechter Richtung bewegen und damit emittiert werden k¨onnen. Die Intensit¨at geht nicht auf Null zur¨uck, da Elektronen aus anderen Richtungen durch Defekte oder Phononen beim Durchtritt durch die Oberfl¨ache in die Richtung senkrecht zur Oberfl¨ache gestreut werden k¨onnen (Schritt 3 des Dreistufenmodells). An der linken Kante des Spektrums geht die Intensit¨at auf Null zur¨uck. Diese Vakuumkante entspricht Elektronen, die die Oberfl¨ache mit kinetischer Energie Null verlassen. Falls die Austrittsarbeit der Probe kleiner als die des Analysators ist, muss man eine beschleunigende Vorspannung an die Probe anlegen und bei der Austrittsarbeitseichung ber¨ucksichtigen. Elektronen mit der maximalen kinetischen Energie ~ω − Φ werden aus den h¨ochsten besetzten Zust¨anden bei EF (Fermikante) angeregt. Die Breite des Spektrums zwischen Va-

5.3 Oberfl¨achenbandstrukturbestimmung freie Elektronen

113

EV

unbesetzte besetzte Zustände

inverse Photo- Zweiphotonen- Photoemission photoemission emission

EF Abb. 5.18: Spektroskopien besetzter und unbesetzter elektronischer Zust¨ande.

kuumkante und Fermikante ist daher ~ω − Φ. Bei bekannter Photonenenergie kann man so direkt die Austrittsarbeit der Probe bestimmen, Diese Beziehung ist unabh¨angig von der Austrittsarbeit des Spektrometers oder einer Vorspannung zwischen Probe und Analysator.

5.3.2

Inverse Photoemission

¨ Die Photoelektronenspektroskopie beobachtet Uberg¨ ange zwischen besetzten Niveaus unterhalb von EF in Zust¨ande freier Elektronen oberhalb von EV . Der Bereich dazwischen bleibt unzug¨anglich, obwohl die unbesetzten Zust¨ande auch von Bedeutung f¨ur m¨ogliche Bindungen an der Oberfl¨ache sind. Eine Alternative bietet der zeitumgekehrte Prozess zur Photoemission der als Inverse Photoemission (IPE) bezeichnet wird. Dabei trifft ein Elek¨ tron auf die Oberfl¨ache und ein Photon wird emittiert (Abb. 5.18). Uberg¨ ange sind jedoch nur in unbesetzte Zust¨ande oberhalb von EF m¨oglich. Energie- und Impulsbilanz (Gln. (5.3) und (5.4)) sind f¨ur beide Methoden identisch. Ein wesentlicher Nachteil der Inversen Photoemission ist die deutlich niedrigere Z¨ahlrate im Vergleich zur Photoemission. Experimentell erfolgt der Nachweis der emittierten Photonen im Ultraviolettbereich entweder durch Detektoren, die nur f¨ur einen engen Wellenl¨angenbereich empfindlich sind, oder durch Spektrographen mit Gittern. Einen Detektor mit Bandpass-Charakteristik erh¨alt man durch jodgef¨ullte Geiger-M¨uller-Z¨ahler mit Erdalkali-Fluorid-Fenster (CaF2 oder SrF2 ). Der Bandpass bei etwa 9,6 ± 0,3 eV Photonenenergie entsteht durch die Ionisationsschwelle von I2 und die Absorptionskante des Fensters. Ein Spektrum erh¨alt man durch Registrierung der vom Detektor bei fester Photonenenergie nachgewiesenen Zahl der Photonen als Funktion der Elektronenenergie. Als Alternative kann das Photonenspektrum bei fester Energie der einfallenden Elektronen aufgenommen werden. Als Detektor f¨ur das von einem Gitter gebeugte Licht dient ein Channelplate, dessen mit C¨asiumjodid bedampfte Vorderseite als Photokathode dient. Die bei der Inversen Photoemission erreichbaren Intensit¨aten sind dadurch begrenzt, dass der Strom der Elektronenquelle durch Raumladungseffekte auf 1– 100 µA limitiert ist. F¨ur die Energieaufl¨osung der Inversen Photoemission ist auch die thermische Verteilung der von der Kathode emittierten Elektronen zu ber¨ucksichtigen. Erreicht werden typischerweise 0,6 eV, bessere Werte sind nur mit deutlichen Einbußen an Intensit¨at erreichbar.

5.3.3

Zweiphotonen-Photoemission

Die im vorigen Abschnitt besprochenen Probleme und Grenzen bei der Untersuchung unbesetzter elektronischer Zust¨ande mit der Inversen Photoemission lassen sich mit der Zweiphotonen-Photoemission (engl. two-photon photoemission: 2PPE) u¨ berwinden. Wie in Abb. 5.18 gezeigt, regt ein erstes Photon ein Elektron aus einem besetzten Anfangszustand in einen unbesetzten Zwischenzustand an. Aus diesem wird es durch das zweite Photon

114

5 Elektronenspektroskopien

(a)

(b) 10

n=1

5

Cu(001)

Intensität

Cu(001)

n=2 3(4)

n=1 0,8

0,6

0,4

0,2 0=EV

Bindungsenergie (eV)

Intensität

41 fs 10

4

10

3

10

2

10

1

n=2 150 fs

n=3 (4) 406 fs

0

500

1000

1500

2000

Zeitverzögerung (fs)

Abb. 5.19: (a) Zweiphotonen-Photoemissionsspektrum von Bildpotentialzust¨anden auf Cu(001). (b) Zeitaufgel¨oste Messungen der Bildpotentialzust¨ande auf Cu(001) (nach [5.8]).

u¨ ber das Vakuumniveau EV angehoben. Das Elektron kann die Oberfl¨ache verlassen und mit den von der Photoemission bekannten Methoden (Abschnitt 5.3.1) nach Energie und Richtung selektiert und detektiert werden. Der Zweiphotonen-Prozess ist deutlich weniger intensiv als die u¨ bliche Einphotonen-Photoemission, da in den angeregten Zust¨anden nur eine geringe Population aufgebaut werden kann, die innerhalb von etwa 1 – 100 Femtosekunden in den Grundzustand zur¨uckkehrt. Die Energien der verwendeten Photonen sollten die Austrittsarbeit nicht u¨ berschreiten, um einen intensiven Untergrund durch EinphotonenPhotoemission zu vermeiden. Um die erforderlichen Photonenintensit¨aten zu erreichen, werden gepulste Laser eingesetzt, die Pulsdauern zwischen 10 und 100 fs besitzen. Dies erm¨oglicht es, zus¨atzlich auch den Zeitversatz zwischen den beiden Laserpulsen zu ver¨andern, um den zeitlichen Zerfall der Besetzung des Zwischenzustands zu beobachten. Dabei werden in der Regel unterschiedliche Photonenenergien f¨ur die beiden Pulse verwendet. Welcher der beiden Pulse als Pumpoder Abfragepuls fungiert, ist zun¨achst nicht festgelegt. Damit ist auch der energetische Abstand des Zwischenzustands vom Endzustand unbestimmt. Bei der Beobachtung des zeitlichen Zerfalls eines Zwischenzustands kann entschieden werden, welcher Puls die Population abfragt. Experimentell unterscheidet sich die Zweiphotonen-Photoemission von der normalen Photoelektronenspektroskopie im Wesentlichen durch das Lasersystem als Lichtquelle. Der Zeitversatz wird u¨ ber eine mechanisch verstellbare Verz¨ogerungsstrecke realisiert. Hierbei entspricht eine Verschiebung der Spiegel um 1 µm einer Wegstrecke des Lichts von 2 µm und damit einem Zeitversatz von 6,7 fs. Bei gepulsten Lasersystemen mit Repetitionsraten von < 300 kHz kommen f¨ur den Elektronennachweis auch Flugzeitspektrometer zum Einsatz. Hier wird die Laufzeit der Elektronen von der Probe zum Detektor gemessen und daraus die kinetische Energie bestimmt. Hierdurch kann jedes emittierte Elektron unabh¨angig von seiner Energie nachgewiesen werden. Elektrostatische Analysatoren lassen hingegen nur Elektronen einer eingestellten Energie (oder eines kleinen Energiebereichs) passieren. Abbildung 5.19a pr¨asentiert ein Zweiphotonen-Photoemissionsspektrum von Cu(001) in senkrechter Emission, Die drei Strukturen im Spektrum entsprechen Bildpotentialzust¨anden

5.3 Oberfl¨achenbandstrukturbestimmung

115

(Abschnitt 1.2.4) deren Bindungsenergie auf das Vakuumniveau EV bezogen ist. Die Energien entsprechen den mit Gl. (1.4) berechneten f¨ur a = 0,2. Die Abfrage der Zwischenzust¨ande erfolgte mit Photonen der Energie 1,55 eV nach Anregung mit der frequenzverdreifachten Strahlung von 4,65 eV. F¨ur die Dispersion der Bildpotentialzust¨ande sei auf das Titelbild verwiesen. Der Zerfall der Besetzung der Bildpotentialzust¨ande ist in Abb. 5.19b gezeigt. Hierzu wird die Intensit¨at als Funktion des Zeitversatzes bei den Energien der Zust¨ande aus Abb. 5.19 gemessen. Nach einem schnellen Anstieg, dessen Breite im wesentlich durch die Dauer der Laserpulse (60 fs) gegeben ist, erfolgt ein langsamer exponentieller Abfall ∝ e−t/τ . Daher ergibt sich in halblogarithmischer Darstellung ein linearer Abfall, aus dessen Steigung direkt die Lebensdauer τ des Zwischenzustands bestimmt werden kann. Die h¨oheren Bildpotentialzust¨ande n = 3,4 werden aufgrund der großen spektralen Bandbreite der Laserpulse koh¨arent angeregt. Es ergeben sich Quantenschwebungen, in denen das Elektron zwischen den beiden Zust¨anden oszilliert.

5.3.4

Auswahlregeln bei Photoemission

Die Photoemission ist der einfachste Prozess f¨ur die Wechselwirkung von Licht mit Elektronen. Daher ist die Beschreibung relativ einfach und f¨uhrt zu einfachen Matrixelementen und strengen Auswahlregeln. Die Kopplung zwischen dem einfallenden Licht und den Elektroe nen erfolgt in Coulomb-Eichung durch den Dipoloperator mc A · p. Hierbei wird das Licht i(q·r−ωt) beschrieben. Der Welals ebene Welle mit dem Vektorpotential A(r,t) = A0 e lenvektor q gibt die Einfallsrichtung des Lichts an (Abb. 5.15). Die Richtung von A0 gibt die Polarisation an, da die elektrische Feldst¨arke proportional zur zeitlichen Ableitung des Vektorpotentials ist. Die Coulomb-Eichung bedingt A0 · q = 0, d. h. wir betrachten trans¨ versal polarisiertes Licht. Die Ubergangswahrscheinlichkeit zwischen dem Anfangszustand |ii und Endzustand |f i ist proportional zum Betragsquadrat des Matrixelements hf |A · p|ii. Hier haben wir die Coulomb-Eichung verwendet, die die Vertauschbarkeit von A und p garantiert. Zur Auswertung des Matrixelements in der Ortsraumdarstellung kann man f¨ur die Wellenfunktionen des Anfangs- und Endzustands die Entwicklung nach ebenen Wellen kk + g parallel zur Oberfl¨ache verwenden (Gl. (1.3)). Die Integration des Matrixelements u¨ ber die Ortskoordinaten parallel zur Oberfl¨ache liefert ein von Null verschiedenes Ergebnis nur f¨ur k fk + g f = q k + k ik + gi . Da die Wellenl¨ange des Lichts in der Regel groß gegen¨uber den atomaren Abst¨anden ist, ist |q| klein gegen¨uber den typischen Ausmessungen von Brillouinzonen niedrigindizierter Oberfl¨achen. Aufgrund der begrenzten experimentellen Winkelaufl¨osung kann der Term q k daher in den meisten F¨allen vernachl¨assigt werden. Nach Reduktion der Vektoren k k + g in die erste Oberfl¨achen-Brillouinzone erhalten wir ¨ damit die aus Abschnitt 5.3.1 bekannte Beziehung k fk = k ik . Die Uberg¨ ange erfolgen senkrecht in der reduzierten Oberfl¨achenbandstruktur E(k k ). Die Vernachl¨assigung von q erlaubt es uns, das Vektorpotential vor das Matrixelement zu ziehen: (5.5) A · hf |p|ii = Ax · hf |px |ii + Ay · hf |py |ii + Az · hf |pz |ii. Durch die geeignete Wahl der Polarisation, beschrieben durch die Richtung von A0 , und der Einfallsrichtung q des Lichts (wegen A0 · q = 0) kann man nun einzelne Komponenten des Matrixelements gezielt anregen. Als Beispiel betrachten wir einen Kristall mit einer Spiegelebene. W¨ahlen wir konkret die xz-Ebene, so entspricht die Spiegelung der Operation

116

5 Elektronenspektroskopien

(a)

Anfangszustandsenergie (eV) EF = –1,2 –1,0 –0,8 –0,6 –0,4 –0,2

(b)

0,0

z

Intensität

hω = 6,2 eV p-pol.

s-pol.

Einfallende Elektronenwelle

0,0 EV=

0,2

0,4

0,6

0,8

1,0

Kinetische Energie (eV)

1,2

Dipolachse Gebrochene Elektronenwelle

Abb. 5.20: (a) Photoemissionsspektren von Si(553)-Au bei unterschiedlicher Polarisation (nach [5.9]). ¨ (b) Dipolverteilung eines Ubergangs in der Inversen Photoemission von Cu(001) (nach [5.10]).

y → −y. Alle elektronischen Zust¨ande sind entweder gerade oder ungerade unter Spiegelung. Ein Endzustand, der als ebene Welle exp(ik · r) in der Spiegelebene ausl¨auft, hat ky = 0 und ist daher gerade unter Spiegelung. F¨ur den Impulsoperator ist die Komponente py ungerade, wohingegen px und pz gerade sind. Da der Endzustand |f i gerade ist, koppeln px und pz an gerade und py an ungerade Anfangszust¨ande |ii. F¨allt nun das Licht ebenfalls in der Spiegelebene ein, so k¨onnen die einzelnen Komponenten des Matrixelements in Gl. (5.5) selektiert werden: Ay ist senkrecht zur Spiegelebene orientiert (s-polarisiertes Licht) und regt ungerade Anfangszust¨ande an. Ax und Az sind parallel zur Spiegelebene orientiert (p-polarisiertes Licht) und koppelt an gerade Anfangszust¨ande. Der Effekt der Polarisation ist in Abb. 5.20a am Beispiel von Si(553)-Au illustriert. Die Spektren sehen f¨ur unterschiedliche Polarisation des Lichts v¨ollig unterschiedlich aus. Die mit s-Polarisation beobachteten Maxima entsprechen ungeraden Anfangszust¨anden und werden bei anderen Energien beobachtet als die geraden Anfangszust¨ande, die mit p-polarisiertem Licht angeregt werden. Die Anregung erfolgte mit einer Laserquelle bei 6,2 eV Photonenenergie, bei der die Polarisation einfach ge¨andert werden kann. Neben der Polarisation k¨onnen wir auch die Einfallsrichtung des Lichts a¨ ndern. Die Intensit¨at der Photoemission entspricht dem Betragsquadrat des Matrixelements aus Gl. (5.5): |A · hf |p|ii|2 . Dieses Skalarprodukt zwischen den Vektoren A und hf |p|ii f¨uhrt allgemein zu einer Winkelverteilung ∝ cos2 α, wobei α der Winkel zwischen den beiden Vektoren ist. ¨ eine bestimmte Orientierung bezogen auf das Der Vektor hf |p|ii hat f¨ur jeden Ubergang Koordinatensystem der Oberfl¨ache. Variiert man nun die Richtung des Lichts q, so a¨ ndert sich wegen A0 ·q = 0 auch die Orientierung von A0 und man erh¨alt einen Beitrag ∝ cos2 α. Diese Dipolverteilung ist in Abb. 5.20 f¨ur Inverse Photoemission (Abschnitt 5.3.2) in einem Polardiagramm gezeigt. Gemessen wurde hier die Intensit¨at der emittierten 9,6 eV Photonen als Funktion des Nachweiswinkels bei fester Energie der einfallenden Elektronen f¨ur ¨ einen Ubergang auf einer Cu(001)-Oberfl¨ache [5.10]. In diesem Beispiel ist die Dipolachse n¨aherungsweise entlang der Bewegungsrichtung der einfallenden Elektronen ausgerichtet.

5.4 Hochaufl¨osende Spektroskopie von Oberfl¨achenschwingungen

5.4

Hochaufl¨osende Spektroskopie von Oberfl¨achenschwingungen

5.4.1

Grundlagen und Experiment

117

Neben Anregungen des Elektronensystems (Kap. 2.1) kann ein auf eine Oberfl¨ache treffendes Elektron auch Schwingungen der Atome induzieren. Dies k¨onnen entweder Schwingungen im Substrat bzw. in geordneten Adsorbatschichten sein oder lokalisierte Schwingungen, z. B. von einzelnen Atomen oder Molek¨ulen gegen die Unterlage und innerhalb adsorbierter Molek¨ule. Phononen haben typischerweise Schwingungsfrequenzen bis zu 1013 Hz entsprechend Energien von 40 meV (Abb. 1.27b). Molek¨ulschwingungen k¨onnen deutlich h¨ohere Energien bis zu 500 meV besitzen, insbesondere, wenn leichte Atome wie Wasserstoff beteiligt sind. Phononen als Moden in einem periodischen System zeigen eine kontinuierliche Dispersion ω(q k ) als Funktion des Wellenzahlvektors q k (Kap. 1.3). Molek¨ule besitzen hingegen diskrete Schwingungsfrequenzen ωi (Normalmoden). Deren Anzahl betr¨agt 3N f¨ur ein N -atomiges adsorbiertes Molek¨ul. In der Gasphase sind die (jeweils drei) Freiheitsgrade der Schwerpunktsbewegung und Rotation abzuziehen. Die zus¨atzlichen Moden des adsorbierten Molek¨uls werden auch frustrierte Translationen bzw. Rotationen genannt. Durch geeignete Zusammenfassung der atomaren Koordinaten des Molek¨uls zu ebenfalls 3N verschiedenen Normalkoordinaten ui gelingt es, die komplexe r¨aumliche Bewegung der Atome in einer Normalmode als harmonische Schwingung darzustellen: ui (t) = ui0 eiωi t . Wird ein Elektron mit der Energie E0 an einer Oberfl¨ache gestreut, so kann es eine Schwingung mit der Kreisfrequenz ω anregen. Die Energie des gestreuten Elektrons ist Es = E0 ± ~ω(q k ). Das Minuszeichen beschreibt den Energieverlust, w¨ahrend das Pluszeichen einen Energiegewinn darstellt, den das Elektron aus einer angeregten Schwingungsmode entnimmt. F¨ur Molek¨ule entf¨allt die Abh¨angigkeit von q k und ω ist eine der Normalmoden ωi . (Zur Vereinfachung der Schreibweise unterdr¨ucken wir im Folgenden den Index i.) F¨ur die elastische Beugung von Elektronen gilt die Impulserhaltung (Gl. (4.7)), die wir f¨ur die inelastische Streuung um den Impuls der Phononen erweitern, ksk = k0k + g hk + q k . F¨ur lokalisierte Moden, welche insbesondere bei molekularen Adsorbaten auftreten, ist q k nicht definiert und der Impulserhaltungssatz nicht anzuwenden. F¨ur kleine Elektronenenergien ist der reziproke Gittervektor ghk gleich Null; dann wird im LEED-Bild auch nur noch der (00)-Reflex beobachtet. Die Energieverluste (bzw. auch Energiegewinne, falls ~ω . kB T ) sind kleiner als die typische Energiebreite einer Elektronenquelle (Abschnitt 5.1.1), so dass sie im Verlustspektrum nur dann aufgel¨ost werden k¨onnen, wenn der Elektronenstrahl zuvor hinreichend monochromatisiert wurde. Ein Elektronenmonochromator entspricht im Aufbau einem Analysator (Abschnitt 5.1.2), dessen Passenergie auf das Intensit¨atsmaximum des einfallenden Elektronenstrahls eingestellt ist. Anstelle des Detektors befindet sich eine Ausgangslinse, die den monochromatisierten Strahl auf die Probe abbildet. Da die eintretenden Elektronen nur eine

118

5 Elektronenspektroskopien Vormonochromator

Streukammer Analysator

Probe Linse Linsen

e -Quelle

Hauptmonochromator

Channeltron

>90° Schwenkbereich

Abb. 5.21: Schematischer Aufbau eines Spektrometers f¨ur die hochauf l¨osende Elektronen-Energieverlustspektroskopie.

geringe Winkeldivergenz besitzen, bieten sich Kugel- oder Zylindersektoranalysatoren als Monochromatoren an, wobei sich hier der Zylindersektoranalysator durchgesetzt hat. F¨ur h¨ochste Energieaufl¨osung werden zwei Monchromatoren hintereinander gesetzt. Der gesamte Messaufbau umfasst noch einen Analysator zum Nachweis der gestreuten Elektronen und ist schematisch in Abb. 5.21 dargestellt. F¨ur winkelabh¨angige Messungen ist der Analysator im Allgemeinen schwenkbar. Ein modernes HREEL-Spektrometer ist komplett auf einem einzigen Flansch aufgebaut und damit vergleichsweise kompakt und leicht mit anderen Analysemethoden kombinierbar. Die erreichbare Energieaufl¨osung betr¨agt etwa 1 meV bei Strahlstr¨omen im Bereich von 10 pA.

5.4.2

Wechselwirkungsmechanismen und Auswahlregeln

¨ Die folgenden Uberlegungen werden beispielhaft f¨ur lokalisierte Molek¨ulschwingungen angestellt, sie sind aber v¨ollig analog auf delokalisierte Gitterschwingungen u¨ bertragbar. Bei der inelastischen Streuung von Elektronen unterscheidet man verschiedene Mechanismen, u¨ ber die das einfallende Elektron mit dem an der Oberfl¨ache gebundenen, schwingenden Molek¨ul wechselwirken kann. Zum einen kann an langreichweitigen elektrischen Feldern gestreut werden, die von molekularen Dipolmomenten erzeugt werden (Dipolstreuung). Das Elektron wird hier im Allgemeinen weit vor der Oberfl¨ache gestreut (typisch ∼ 10 nm), entsprechend ist der differentielle Streuquerschnitt dσ/dΩ als Betragsquadrat der Fouriertransformierten des Streupotentials (in 1. Bornscher N¨aherung) als schmale Streukeule in Vorw¨artsrichtung ausgepr¨agt. Dar¨uber hinaus gibt es auch die direkte Wechselwirkung mit den Atomen (Stoßstreuung), deren elastischer Anteil bereits bei der Elektronenbeugung behandelt wurde. Aufgrund der atomaren Dimension des Streupotentials und der vergleichsweise niedrigen Energie der Elektronen erfolgt die Streuung hier in den gesamten Raumwinkel. Schließlich kann ein einfallendes Elektron bei passender Energie auch kurzzeitig in einem unbesetzten Molek¨ulorbital gebunden werden und dieses dann unter Anregung einer Schwingung wieder verlassen (Resonanzstreuung). Dieser Mechanismus spielt jedoch f¨ur die Analyse von Oberfl¨achenschwingungen keine besondere Rolle und wird deshalb im Folgenden nicht weiter betrachtet. Da die Wechselwirkungszeit des Elektrons mit dem Molek¨ul viel k¨urzer ist als dessen Schwingungsdauer, k¨onnen die Wellenfunktionen von Elektron und schwingendem Molek¨ul in guter N¨aherung separiert werden: Ψtot = ψel φvib (Born-Oppenheimer-N¨aherung).

5.4 Hochaufl¨osende Spektroskopie von Oberfl¨achenschwingungen

119

F¨ur den inelastischen Streuprozess ist das Streupotential zeitabh¨angig V = V (t). Dies ist bei einem schwingungsf¨ahigen System von Atomen, die ja selbst im Grundzustand eine Nullpunktsschwingung durchf¨uhren, immer gegeben. Da bei atomaren Schwingungen die Auslenkungen klein gegen die Ausdehnung des Wechselwirkungspotentials sind, kann man die der Auslenkung entlang der Normalkoordinaten u entwickeln: V (r,t) = V (r,u(t)) = V0 (r) + u(t) · (∂V /∂u)u=0 + . . . V0 (r) ist der statische und damit nur elastisch streuende Anteil des Potentials. Die inelastische Wechselwirkung wird also n¨aherungsweise durch das zweite Entwicklungsglied beschrieben. Dipolstreuung Im Fall der Dipolstreuung ergibt sich das Wechselwirkungspotential aus dem Skalarprodukt des elektrischen Felds E des vorbeifliegenden Elektrons und des Dipolmoments µ des schwingenden Molek¨uls, V = E · µ. Aufgrund des großen Streuabstands kann das E-Feld u¨ ber den Bereich des Molek¨uls als konstant und von u unabh¨angig angesehen werden. Das Matrixelement, welches den gesamten Prozess, also die Streuung des Elektrons vom Zu¨ stand i → s und den Ubergang des Molek¨uls vom Schwingungszustand ν → ν + 1 (meist 0 → 1) beschreibt, faktorisiert in   Z Z ∂µ ∗ M i→s = Mν→ν+1 · Mi→s = φν+1 u (5.6) φν du · ψs∗ E ψi d3 r. ν→ν+1 ∂u u=0 Die Gr¨oße γ = u0 · (∂µ/∂u)u=0 stellt die Oszillationsamplitude des Dipolmoments dar, das dynamische Dipolmoment. Es kann auch bei unpolaren (z. B. homonuklearen) Bindungen auftreten. Die Auswertung des Matrixelements (Gl. (5.6)) f¨uhrt nach l¨angerer Rechnung [5.11] auf den differentiellen Wirkungsquerschnitt dσ/dΩ f¨ur die Dipolstreuung. F¨ur eine oberfl¨achennormale Streuebene, in der normalerweise gemessen wird, ergibt sich der Zusammenhang dσ γ 2 (θ − θ0 tan α)2 cos α · . (5.7) ∼ dΩ E0 (θ2 + θ02 )2 E0 ist dabei die Energie und α der Winkel der einfallenden Elektronen, θ der Streuwinkel und θ0 = ~ω/2E0 eine charakteristische Winkelbreite im Bogenmaß. Der Streuquerschnitt skaliert reziprok mit der Energie, so dass eine m¨oglichst niedrige Prim¨arenergie (typisch 2 – 5 eV) angestrebt wird. Die Streuwinkelverteilung (Gl. (5.7)) ist in Abb. 5.22a f¨ur α = 60◦ und θ0 = 0,2 nach Reflexion an der Oberfl¨ache dargestellt. Das ausgepr¨agte Maximum zeigt ann¨ahernd in Richtung des reflektierten Strahls (Abweichung < θ0 ) und seine Breite liegt ebenfalls in der Gr¨oßenordnung von θ0 . Da θ0 typischerweise eine Gr¨oßenordnung kleiner als hier dargestellt ist, f¨allt die schmale Streukeule im Rahmen der experimentellen Winkelaufl¨osung mit der Richtung des reflektierten Prim¨arstrahls ((00)-Reflex) zusammen. Dies erleichtert nicht nur die Justierung, sondern sorgt auch daf¨ur, dass bei einem typischen Spektrometerakzeptanzwinkel im Bereich weniger Grad beinahe die gesamte Dipolstreuintensit¨at gleichzeitig gemessen wird, was zu gut detektierbaren Signalen f¨uhrt. Bei der bisherigen Beschreibung hat das Substrat lediglich zur Reflexion der Elektronen gedient. Bei Metallen induziert jedes Elektron im Substrat eine Bildladung (Abb. 1.25a). Das elektrische Feld E an der Oberfl¨ache steht damit senkrecht zur Oberfl¨ache und kann also auch nur mit der senkrechten Komponente des molekularen Dipolmoments µ⊥ bzw.

120

5 Elektronenspektroskopien

q

a a

im Fernfeld:

µeff ® 0

Spektrometerapertur

µeff ® 2µ

+

+

e-

(b)

q0 =0,2 a =60°

+

Reflexion

Bilddipole

+

(a)

Abb. 5.22: (a) Winkelverteilung dipolgestreuter Elektronen nach Reflexion an der Oberfl¨ache. F¨ur die Berechnung wurde ein typischer Einfallswinkel α = 60◦ sowie (aus Gr¨unden der Darstellung) ein unrealistisch großer Wert von θ0 = 0,2 verwendet. (b) Ausl¨oschung/Verst¨arkung des effektiven Dipolmoments an Metalloberfl¨achen f¨ur parallele/senkrechte Dipolorientierung.

γ⊥ wechselwirken. Betrachtet man alternativ den Prozess aus der Sicht des Elektrons, so ¨ sieht“ es die Uberlagerung der Felder des schwingenden Dipols und seines Bilddipols. In ” Fernfeldn¨aherung f¨uhrt das zu einer Verdopplung der senkrechten und zur Ausl¨oschung der parallelen Komponente (vgl. Abb. 5.22b). Bei einem nicht-metallischen Substrat, wie z. B. einem Halbleiter, ist diese Ausl¨oschung nicht vollst¨andig, es ergibt sich nur eine Reduktion um den Faktor 1/ε. Da aber fast immer ε > 10 ist (z. B. εSi = 11,2) und dar¨uber hinaus das dynamische Dipolmoment quadratisch in den Streuquerschnitt eingeht (Gl. (5.7)), gilt folgende Diploauswahlregel: Mit Dipolstreuung k¨onnen nur Schwingungsmoden mit einem zur Oberfl¨ache senkrechten dynamischen Dipolmoment angeregt werden. Allerdings k¨onnen auch Schwingungen von parallel zur Oberfl¨ache angeordneten und unpolaren Bindungen, wie z. B. die C-C Bindung in einem flach liegenden Ethen-Molek¨ul, ein senkrechtes dynamisches Dipolmoment besitzen. Dieses entsteht dadurch, dass bei Variation der intramolekularen Bindungsl¨ange auch die Bindungen des Molek¨uls zur Unterlage beeinflusst werden, wodurch sich Ladungen vertikal verschieben k¨onnen. Einen anderen Zugang zur Dipolauswahlregel bietet eine Symmetrieanalyse des MatrixeleR ments f¨ur die Schwingungsanregung aus dem Grundzustand M0→1 = φ∗1 γ⊥ φ0 du. Das Integral darf sich bei Anwendung aller vorhandenen Symmetrieoperationen der Oberfl¨ache nicht a¨ ndern, es muss totalsymmetrisch sein. Da Drehachsen und Spiegelebenen senkrecht zur Oberfl¨ache stehen, ist γ⊥ totalsymmetrisch, Dies gilt auch f¨ur φ0 als Grundzustand. Folglich muss auch φ1 totalsymmetrisch sein. Wir k¨onnen somit die Auswahlregel neu formulieren: Mit Dipolstreuung k¨onnen nur totalsymmetrische Schwingungsmoden an der Oberfl¨ache angeregt werden. Stoßstreuung Bei der Stoßstreuung ist das Streupotential V (r,u) strikt an die entsprechenden Atomkoor¨ dinaten gekoppelt, seine Anderung (∂V /∂u)u=0 mit der Schwingung hat deshalb dieselbe r¨aumliche Symmetrie wie die Schwingung u selbst. Das Matrixelement der Stoßstreuung kann nun nicht mehr vollst¨andig in zwei Anteile separiert werden wie bei der Dipolstreuung, jedoch wie folgt umgestellt werden: M

i→s ν→ν+1

=

Z

φ∗ν+1

Z

ψs∗



∂V ∂u



u=0

 ψi d3 r u φν du .

5.4 Hochaufl¨osende Spektroskopie von Oberfl¨achenschwingungen

121

Das innere Integral entspricht formal dem Dipolmatrixelement der Photoemission (Abschnitt 5.3.4), wobei A durch (∂V /∂u)u=0 ersetzt ist. Analog zu Gl. (5.5) lassen sich Symmetrieauswahlregeln aufstellen, die dazu f¨uhren, dass antisymmetrische Schwingungen parallel zur Oberfl¨ache meist nicht beobachtet werden k¨onnen. Die tats¨achlich gemessene Winkelverteilung entspricht nicht dem differentiellen Wirkungsquerschnitt f¨ur die Stoßstreuung, da das Elektron sowohl vor als auch nach dem inelastischen Streuprozess mit großer Wahrscheinlichkeit noch weitere elastische Streuprozesse erleidet. Die elastische Vielfachstreuung bewirkt somit eine starke, von der lokalen geometrischen Struktur abh¨angige Modulation der Streuintensit¨aten als Funktion der Prim¨arenergie vergleichbar mit den I(E)-Spektren bei LEED. Absolut sind die gemessenen Stoßstreuintensit¨aten stets sehr klein (oft nur wenige Elektronen/s), da hier – anders als bei der Dipolstreuung – vom Spektrometer nur ein kleiner Teil der insgesamt gestreuten Elektronen erfasst wird.

5.4.3

Anwendungsbeispiele

Phononendispersion Um die Dispersion von Oberfl¨achenphononen zu bestimmen, misst man die Energie der Phononenverluste als Funktion des Streuwinkels, wobei die Streuebene h¨aufig in niedrigindizierte Kristallrichtungen ausgerichtet wird. Zur Abdeckung der gesamten Oberfl¨achenbrillouinzone muss die Energie der eingestrahlten Elektronen meist > 100 eV gew¨ahlt wer-

(a)

(b)

Ag(100) E0 = 250 eV T = 300 K

k-Raum Brillouinzonen G

X G Streuebene

Streuintensität (willk. Einheiten)

Ortsraum

-30

Streuebene (0 1 1)

Phononenenergie (meV)

(c)

-20

-10

0

10

20

Energieverlust (meV)

30

12 10 8 6 4 2 0 0.0 0.5 1.0 1.5 2.0 2.5 3.0 -1

Wellenzahl (Å )

Abb. 5.23: (a) Hochauf l¨osende Elektronen-Energieverlustspektren einer Ag(100)-Oberfl¨ache als Funktion von des Wellenzahlvektors qk . (b) Veranschaulichung der Messrichtung im k-Raum (oben) und Ortsraum (unten) und (c) Dispersion des in (a) gemessenen Rayleigh-Phonons (nach [5.12]).

122

5 Elektronenspektroskopien

den, was eine enorme Anforderung an das effektive Aufl¨osungsverm¨ogen des Spektrometers stellt (∆E/E0 ≈ 10−5 , geht nur mit starker Vorverz¨ogerung). Als Beispiel zeigt Abb. 5.23a eine Serie solcher Spektren f¨ur eine Ag(100)-Oberfl¨ache, der Streuwinkel nimmt dabei von oben nach unten zu. Die Messrichtung ΓXΓ′ ist in der nebenstehenden Skizze (Abb. 5.23b) verdeutlicht. Der dominante Verlust auf der rechten Seite der elastischen Linie (∆E = 0, nur in der N¨ahe der Γ-Punkte sichtbar) entspricht der in Kap. 1.3 besprochenen Rayleigh-Mode. Die ausgepr¨agte Dispersion dieser Mode ist in den Messungen klar zu erkennen und in Abb. 5.23c noch einmal explizit dargestellt. Dieselbe Mode findet sich auch links von der elastischen Linie noch einmal als Energiegewinn wieder, da die relativ niederenergetische Oberfl¨achenschwingung bei der Messtemperatur von 300 K (kB T ≃ 25 meV) bereits im thermischen Gleichgewicht signifikant angeregt ist und somit durch den Elektronenstrahl auch wieder abgeregt werden kann. Adsorptionsplatzbestimmung Auch bei schwach wechselwirkenden Adsorbaten mit vernachl¨assigbarer Dispersion werden Verlustspektren h¨aufig winkelabh¨angig gemessen, hier allerdings, um die Dipolaktivit¨at der entsprechenden Moden anhand des Intensit¨atsmaximums bei spiegelnder Reflexion nachzuweisen, um daraus R¨uckschl¨usse auf die Symmetrie des Adsorbatkomplexes zu ziehen. Dies ist in Abb. 5.24a f¨ur die Schwingungsverluste von adsorbiertem Wasserstoff bei S¨attigungsbedeckung auf der W(100)-Oberfl¨ache gezeigt. Es werden drei unterschiedliche Moden gefunden, von denen nur eine dipolaktiv ist. Bereits aus einer einfachen Symmetriebetrachtung (vgl. Abb. 5.24b) kann man f¨ur verschiedene Adsorptionspl¨atze auf der Oberfl¨ache die jeweilige Zahl und Dipolaktivit¨at unterschiedlicher Moden ableiten. Damit kann der Adsorptionsplatz des H-Atoms eindeutig als Br¨uckenplatz identifiziert werden, die entsprechende periodische Anordnung ist in Abb. 1.14d gezeigt. Bei Top- bzw. Muldenplatz w¨aren die beiden oberfl¨achenparallelen, nicht-dipolaktiven Moden entartet und bei einem unsymmetrischen Platz (z. B. in ,,Hanglage” mit nur einer Spiegelebene) g¨abe es mindes-

(a)

7

10

0 meV: direkt reflektierter Strahl 130 meV: symm. H-Streckschw. 160 meV: asymm. H-Streckschw. 85 meV: H-Biegeschw.

6

10

5

(b)

Seite

Aufsicht

w1

w3

a

w2

w2

Zählrate (1/s)

10

w1

H/W(100)

4

10

E0 = 5,5 eV; a = 60°

w2

w3 w2

3

10

w1

2

10

w2

1

10

w1 w2

0

10



10°

20°

30°

40°

50°

Streuwinkel q bzgl. Spiegelreflex

w3

w2

w3 w2

Frequenz „Mulde“ w1 = Ö4D/m cosa 2 Moden w2 = Ö2D/m sina w3 = w2

dipolaktiv

ü

„Brücke“ w1 = Ö2D/m cosa 3 Moden w2 = Ö2D/m sina w3 ® 0

ü

„Top“ w1 = ÖD/m 2 Moden w2 ® 0 w3 = w2

ü

„Hang“ w1 ¹ 0 3 Moden w2 ¹ w1 w3 ¹ w2 ¹ w1

ü ü

Abb. 5.24: (a) Winkelverteilungen der Schwingungsverlustintensit¨aten am System H/W(100) (nach ¨ [5.14]). (b) Schematische Ubersicht der atomaren Schwingungsmoden f¨ur verschiedene Adsorptionspl¨atze und die zugeh¨origen Frequenzen.

5.4 Hochaufl¨osende Spektroskopie von Oberfl¨achenschwingungen

123

tens zwei dipolaktive Moden. Mit Hilfe eines N¨achst-Nachbar-Federkraftmodells kann man die Frequenzen der verschiedenen Moden grob absch¨atzen (Abb. 5.24b). F¨ur den Br¨uckenplatz kann man aus dem Frequenzverh¨altnis der beiden Streckschwingungen den Bindungswinkel α gegen die Normale berechnen und daraus mit Hilfe der Substratgitterkonstanten der Abstand der Wasserstoffatome u¨ ber der Oberfl¨ache. F¨ur dieses Beispiel ergibt sich ein ˚ was nur um 0,11 A ˚ vom entBindungswinkel von α = 51◦ und ein Abstand von 1,28 A, sprechenden Wert einer quantitativen LEED-Strukturbestimmung abweicht [5.13]. Konfiguration und Reaktion adsorbierter Molekule ¨ Bei molekularen Adsorbaten stellt sich neben der r¨aumlichen Konfiguration auch die Frage nach der chemischen Identit¨at der adsorbierten Spezies. Nur bei physisorbierten Molek¨ulen, z. B. in dicken kondensierten Filmen, kann man davon ausgehen, dass die Struktur noch in etwa der aus der Gasphase bekannten entspricht. Sobald eine chemische Bindung mit dem Substrat eingegangen wird, kommt es zumindest zu einer Umhybridisierung von Molek¨ulorbitalen, wodurch Bindungsl¨angen und -winkel ge¨andert werden. Es kann aber auch weitergehend sowohl zum Umbau als auch – meist thermisch aktiviert – zum Zerfall des Molek¨uls kommen. Bestehen die Molek¨ule nicht nur aus zwei oder drei Atomen, dann werden die Verlustspektren aufgrund der großen Zahl verschiedener Schwingungsmoden schnell kompliziert und die korrekte Modenzuordnung wird entsprechend schwierig. Ein erster Zugang ergibt sich aus der Tatsache, dass viele (insbesondere organische) Molek¨ule aus einem Basisskelett und angeh¨angten Molek¨ulgruppen (z. B. –CH3 , =CH2 , –NH2 , –C=O) bestehen, die schwingungsm¨aßig nur schwach mit dem Restmolek¨ul gekoppelt sind. Das heißt, dass viele Normalschwingungen nur f¨ur Atome innerhalb der speziellen Gruppe signifikante Amplituden besitzen und die Frequenzen somit weitgehend durch die Koordination innerhalb der Gruppen bestimmt und f¨ur diese damit charakteristisch sind. Diese Gruppenfrequenzen sind aus der IR-Absorptionsspektroskopie an freien Molek¨ulen f¨ur eine Vielzahl von Gruppen sehr gut bekannt und tabelliert (z. B. [5.15]). Ein weiteres Hilfsmittel der Modenzuordnung stellt der (partielle) Isotopenaustausch (insbesondere 1 H↔2 D) dar, der zu charakteristischen Frequenzverschiebungen (Isotopenshift) im Spektrum f¨uhrt. Abbildung 5.25a demonstriert dies am Beispiel von Isobuten ((CH3 –)2 C=CH2 ) auf Ni(111). Vergleicht man das Spektrum von normalem Isobuten (D0) mit denen partiell deuterierter Molek¨ule, wobei alternativ nur die Wasserstoffe der CH2 -Gruppe (D2) oder der beiden CH3 -Gruppen (D6) durch Deuterium ersetzt wurden, so ist insbesondere eine Zuordnung der CH-Streckschwingungen (bei D0 im Energiebereich 300 – 400 meV) anhand ihrer Isotopenshifts m¨oglich. Aufgrund der doppelten Masse von Deuterium √ relativ zu Wasserstoff werden die Frequenzen der CH-Schwingungen um einen Faktor 1/ 2 kleiner. Auff¨allig ist dabei, dass die CH2 -Moden verbreitert und zu ungew¨ohnlich niedrigen Energien hin verschoben sind, was auf zus¨atzliche Wasserstoffbr¨uckenbindungen zum Substrat hindeutet. Aus einer detaillierten Analyse [5.16] aller Frequenzen und ihrer Isotopenshifts gelingt eine vollst¨andige Modenzuordnung (in Abb. 5.25a durch unterschiedliche Symbole angedeutet), woraus mit der aus Winkelverteilungen erhaltenen Kenntnis der Dipolaktivit¨at der einzelnen Moden dann auch ein Strukturmodell des adsorbierten Molek¨uls entwickelt werden kann (Abb. 5.25c, links). Allerdings gibt es derartige Analysen nur f¨ur wenige Beispiele, da partiell isotopen-substituierte Molek¨ule nicht immer erh¨altlich sind. Unabh¨angig davon, ob es gelingt, die genaue chemische Identit¨at und Konfiguration an der Oberfl¨ache festzulegen, stellt das Schwingungsspektrum aber in jedem Fall einen Finger” abdruck“ der Oberfl¨achenspezies dar. Jede Ver¨anderung des Spektrums, insbesondere die

124

5 Elektronenspektroskopien

Isobuten

(b)

CH2-Moden CH3-Moden Skelettmoden

Isobuten C=C

q = 18°

C C

Intensität

q = 18°

180 K n(CH2)

C C

(a)

D2

80 K C C

0

D0

100

200

300

400

Verlustenergie (meV)

CO

C C

(c)

D6

80 K 0

100

200

300

180 K

400

Verlustenergie (meV)

Abb. 5.25: (a) Schwingungsspektren einer Monolage normaler (D0) und partiell deuterierter (D2 bzw. D6) Isobutenmolek¨ule chemisorbiert auf Ni(111) bei 80 K. Die Moden der CH2 /CD2 - und CH3 /CD3 Gruppen sind jeweils markiert. Der Streuwinkel ist θ = 18◦ bzgl. Spiegelreflex. (b) Vergleich der Schwingungsspektren von Isobuten auf Ni(111) adsorbiert bei 80 K und nach Anw¨armen auf 180 K. (c) Modelle der zugeh¨origen Oberfl¨achenspezies vor und nach dem Zerfallsschritt.

energetische Verschiebung oder der Ausfall einzelner Moden ist ein klares Indiz f¨ur einen Zerfall bzw. eine anderweitige chemische Reaktion des Molek¨uls an der Oberfl¨ache, wobei das Endprodukt wieder in gleicher Weise wie vorher beschrieben identifiziert werden muss. Dies kann ebenfalls am Beispiel des Isobutens auf Ni(111) demonstriert werden. Aus Abb. 5.25b erkennt man, dass kurzzeitiges Erw¨armen der Probe auf 180 K zu signifikanten spektralen Ver¨anderungen f¨uhrt. Klar erkennbar ist insbesondere das Verschwinden der CH2 -Streckschwingungsmoden, was auf eine g¨anzliche Abspaltung der vorher zur Unterlage br¨uckengebundenen H-Atome schließen l¨asst. (Als Folge bekommt auch die interne C=C Bindung wieder eher Doppelbindungscharakter, wie an der Verschiebung zu deutlich h¨oheren Energien abgelesen werden kann.) Auf der Basis weiterer Indizien [5.16] erh¨alt man schließlich das in Abb. 5.25c rechts gezeigte Strukturmodell f¨ur das Zerfallsprodukt. Die Bedeutung elektronenspektroskopischer Methoden f¨ur die Oberfl¨achenphysik beruht auf der geringen mittleren freien Wegl¨ange niederenergetischer Elektronen. Zudem ist es ein gl¨uckliches Zusammentreffen, dass f¨ur das Arbeiten mit Elektronen und Oberfl¨achen gute Vakuumbedingungen herrschen m¨ussen. Wir haben gesehen, dass je nach Energie der Elektronen unterschiedliche Eigenschaften der Oberfl¨achen zug¨anglich sind: Elementanalyse durch Rumpfelektronen (XPS), elektronische Bandstruktur von Valenzb¨andern (ARUPS) und Oberfl¨achen- oder Adsorbatschwingungen (HREELS). Auch im folgenden Kapitel sind Elektronen die Hauptdarsteller: Das Tunneln zwischen einer Spitze und der Oberfl¨ache erlaubt es, Bilder mit atomarer Aufl¨osung aufzunehmen und die elektronischen Zust¨ande lokal zu spektroskopieren.

5.4 Hochaufl¨osende Spektroskopie von Oberfl¨achenschwingungen

125

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5.10 R. Schneider and V. Dose, Further Topics in Low-Energy Inverse Photoemission, Vol. 69, p. 277. Springer (Berlin 1992). 5.11 D. M. Newns, in Vibrational Spectroscopy of Adsorbates, Hrsg. R. F. Willis, Springer Series in Chemical Physics 15, Springer (Berlin 1980). 5.12 K. L. Kostov, S. Polzin and W. Widdra, J. Phys.: Condens. Matter 23, 484006 (2011). 5.13 M. A. Passler, B. W. Lee and A. Ignatiev, Surf. Sci. 150, 263 (1985). 5.14 R. F. Willis, Surf. Sci. 89, 457 (1979). 5.15 J. Weidlein, U. M¨uller and K. Dehnicke, Schwingungsspektroskopie: eine Einf¨uhrung, Thieme (Stuttgart 1988). 5.16 L. Hammer, B. D¨otsch, F. Brandenstein, A. Fricke and K. M¨uller, J. Electr. Spectr. Rel. Phenom. 54/55, 687 (1990). Weitere Literatur 5.17 D. Briggs und J. T. Grant, Surface Analysis by Auger and X-Ray Photoelectron Spectroscopy, IM Publications (Chichester 2003). 5.18 P. van der Heide, X-ray Photoelectron spectroscopy: An Introduction to Principles and Practices, Wiley (Hoboken, NJ, 2012). 5.19 S. H¨ufner, Photoelectron spectroscopy: principles and applications, 3. Aufl., Springer (Berlin 2003). 5.20 H. Ibach (Hrsg.), Electron Spectroscopy for Surface Analysis, Springer-Verlag (Berlin 1977).

126

5 Elektronenspektroskopien

5.21 S. D. Kevan (Hrsg.), Angle-Resolved Photoemission: Theory and Current Applications, Elsevier (Amsterdam 1992). 5.22 W. Schattke und M. A. Van Hove (Hrsg.), Solid-state photoemission and related methods, Wiley-VCH (Berlin 2003). 5.23 X-Ray Data Booklet, Center for X-ray Optics, (Berkeley, CA, 2009), xdb.lbl.gov/. 5.24 2PPE-Tutor (Lehrstuhl f¨ur Festk¨orperphysik, Universit¨at Erlangen-N¨urnberg, 2004), www.fkp.uni-erlangen.de/methoden/2ppetutor/start.html .

6

Rastersondenmikroskopie

6.1

Einleitung

Zur Untersuchung der Struktur von Oberfl¨achen hat sich neben den Beugungsmethoden seit den 1980er Jahren das Rastertunnelmikroskop (engl. scanning tunneling microscope: STM) durchgesetzt. Das etwas sp¨ater entwickelte Rasterkraftmikroskop (engl. atomic force microscope: AFM) hat bislang eine geringere Rolle in der Oberfl¨achenphysik gespielt, aber daf¨ur das Gebiet der Nanotechnologie revolutioniert. Die besondere Begeisterung f¨ur das STM entsprang der Tatsache, dass es nun erstmals m¨oglich war, die Positionen einzelner Atome auf ausgedehnten Oberfl¨achen bestimmen zu k¨onnen. Seit etwa 10 Jahren ist dies auch mit dem AFM verl¨asslich m¨oglich. So faszinierend der direkte Blick auf Atome der Oberfl¨ache war und ist, so klar muss man aber auch erkennen, dass Rastersondenmikroskope keinesfalls allein zur Aufkl¨arung der atomaren Struktur einer Oberfl¨ache ausreichen: die Genauigkeit, mit der Strukturen vermessen werden k¨onnen, ist durch Nichtlinearit¨aten der Rasterbewegung eingeschr¨ankt und dar¨uber hinaus ist eine Topographieaufnahme insbesondere beim STM nicht nur von der atomaren, sondern auch von der elektronischen Struktur der Probe abh¨angig. Erst die Kombination mit anderen Methoden wie z .B. Elektronenbeugung (LEED, Kap. 4.3) oder der Dichtefunktionaltheorie (engl. Density Functional Theory: DFT), hat es der Forschung erm¨oglicht, Oberfl¨achen und individuelle Adsorbate auf ihnen auf der atomaren Skala umfassend zu charakterisieren.

6.1.1

Prinzip

Allen Rastersondenmethoden ist gemeinsam, dass eine Spitze“ in die N¨ahe der Oberfl¨ache ” einer zu untersuchenden Probe gebracht und diese dann rasterf¨ormig u¨ ber die Probe bewegt wird. Wie nah sich Probe und Spitze sind, h¨angt vom Wechselwirkungsmechanismus ab, beim STM sind das wenige atomare Abst¨ande (0,5 – 2,0 nm), beim AFM k¨onnen dies bis zu 10 nm sein. Um die Spitze kontrolliert so nah an die Oberfl¨ache bringen zu k¨onnen, ben¨otigt man ein Positioniersystem, das millimetergroße Distanzen in 10 – 100 nm-Schritten schnell u¨ berwinden kann. W¨ahrend der Rasterbewegung wird die Wechselwirkung zwischen Probe und Spitze mit Hilfe eines Regelkreises konstant gehalten, also z. B. der Tunnelstrom beim STM oder die Kraft zwischen Probe und Spitze beim AFM. Die daf¨ur n¨otige Bewegung der Spitze senkrecht zur Oberfl¨ache wird zur Bildgebung genutzt. Dar¨uber hinaus lassen sich noch andere Gr¨oßen, die sich aus der Wechselwirkung zwischen Probe und Spitze ergeben, messen und Bildpunkt f¨ur Bildpunkt darstellen. Wegen des geringen Abstands zwischen Probe und Spitze m¨ussen St¨orungen, die geeignet sind, die Spitze unkontrolliert zu bewegen, um viele Gr¨oßenordnungen reduziert werden. Die st¨arkste Quelle solcher St¨orungen sind Geb¨audeschwingungen, die aufgrund von Personenbewegungen und des Betriebs von Maschinen im Geb¨aude im Frequenzbereich < 100 Hz durchaus Amplituden von 10 µm und mehr erreichen k¨onnen. Daher muss ein Rastersondenmikroskop schwingungsisoliert

128

6 Rastersondenmikroskopie

Strom-SpannungsWandler

-

Rasterpiezo

Regelkreis

R

+

x y z Spitze

Ist Stellgröße Soll

I

HV z

Isoll z

HV x

x

HV y

y

±200 V

Makrobewegung

z

PC

x,y

Makrobewegung

U Probe

Abb. 6.1: Schematischer Aufbau eines Rastertunnelmikroskops ( HV“ = Hochspannungsverst¨arker). ”

aufgestellt werden, unter Umst¨anden muss auch Schall als St¨orung ausgeschlossen werden. Die Realisierung von Rastersondenmikroskopen hat eine große Zahl von Techniken (vor allem im Bereich der mikroskopischen Positioniersysteme) hervorgebracht, die heute in Forschung und Industrie eingesetzt werden. Im Folgenden wird der Aufbau eines Rastertunnelmikroskops detailliert beschrieben, viele der Elemente sind ebenso beim Rasterkraftmikroskop zu finden.

6.2

Rastertunnelmikroskop

Beim Rastertunnelmikroskop (STM) fließt zwischen Probe und Spitze aufgrund ihres geringen Abstands (< 1 nm) und einer daran angelegten Spannung U (Tunnel- oder BiasSpannung) ein Tunnelstrom I. Als Spitzenmaterial kommen beim STM meist Dr¨ahte aus Wolfram oder einer Platin-Iridium-Legierung zum Einsatz. Die Spitze wird entweder durch ¨ einen elektrochemischen Atzprozess oder auch nur durch einfaches Zerreißen oder Schneiden des Drahtes geformt. Die auftretenden Str¨ome liegen im Bereich von 10 pA bis 1 µA und lassen sich mit einfachen Operationsverst¨arkerschaltungen wie in Abb. 6.1 in eine Spannung wandeln. Diese kann als Signal in weiteren Elektronikkomponenten weiterverarbeitet oder u¨ ber einen Analog-Digital-Wandler im Rechner (PC) digitalisiert werden. Die Tunnelspannung U liegt im Bereich von wenigen Millivolt bis einigen Volt und kann u¨ ber einen Digital-Analog-Wandler vom PC realisiert werden. Durch das Anlegen einer hinreichend hohen Spannung tunneln Elektronen in das Leitungsband (bzw. bei umgekehrter Polarit¨at aus dem Valenzband) der Probe. Wesentlich daf¨ur ist eine nicht zu kleine Leitf¨ahigkeit des Materials, so dass injizierte Ladungstr¨ager auch wieder u¨ ber einen Kontakt abfließen k¨onnen. Dies ist bei Metallen und dotierten Halbleitern erf¨ullt, so dass diese Oberfl¨achen untersucht werden k¨onnen. Bei Isolatoren ist dies dagegen nicht gegeben, so dass nur wenige Atomlagen dicke Isolatorfilme auf einem leitf¨ahigen Substrat mit einem STM untersucht werden k¨onnen.

6.2 Rastertunnelmikroskop x

y

-y

-x

(a) x y z U

129

(b)

(c) bewegliche Platte

∆x Scherpiezos U

x

t

t -x

∆UPiezo

Abb. 6.2: (a) Piezoelektrischer R¨ohrenscanner zur Realisierung der (x,y,z)-Bewegung. (b) Hysterese der Piezobewegung. (c) piezoelektrischer Tr¨agheitsantrieb und entsprechendes Ansteuerungssignal.

Der gemessene Tunnelstrom wird in einer Regelschaltung mit einem Sollwert Isoll verglichen. Die Variation der Stellgr¨oße (Ausgangsgr¨oße) des Reglers stellt das Topographiesignal (auch z-Signal“) dar. Die Bandbreite dieses Regelkreises ist meist kleiner als 1 kHz, ” weswegen schon einfache Integratorschaltungen oder digitale Regelschleifen als Regler in Betracht kommen. Die Relativbewegung von Probe und Spitze wird durch piezoelektrische Elemente bewerkstelligt. In Abb. 6.1 wird die Spitze mit Hilfe eines R¨ohrenscanners bewegt, bei dem die L¨ange der Achse des R¨ohrchens von der St¨arke des elektrischen Felds in radialer Richtung abh¨angt. Durch geeignete Aufteilung der Elektroden l¨asst sich neben der z-Bewegung auch die Rasterbewegung parallel zur Probenoberfl¨ache realisieren (Abb. 6.2a). Dazu wird an zwei gegen¨uberliegende Elektroden des R¨ohrchens jeweils eine Dreieckspannung mit entgegengesetzter Polarit¨at angelegt. Die Piezoelemente (kurz Piezos) haben Empfindlichkeiten von etwa 1 – 10 nm/V, was einerseits bedeutet, dass man sehr leicht die Spitze im Pikometerbereich bewegen kann, andererseits muss man f¨ur die Bewegung u¨ ber mehrere 100 nm die von AD-Wandlern oder dem Regelkreis generierten Niedervoltsignale mit einem Hochspannungsverst¨arker verst¨arken. Zu beachten ist, dass Piezomaterialien eine Hysterese zwischen angelegtem Feld und Auslenkung aufweisen (Abb. 6.2b) und die Bewegung auch noch von der Vorgeschichte abh¨angig ist. Dies ist einer der Gr¨unde, weswegen die exakte, absolute Bestimmung von Gitterkonstanten nicht mit einem Rastertunnelmikroskop, sondern mit einer Beugungsmethode vorgenommen werden sollte. Ein wesentliches Element eines Rastersondenmikroskops ist eine Vorrichtung, den Abstand von Probe und Spitze kontrolliert auf atomare Abst¨ande verringern zu k¨onnen ( Makro” bewegung“ in Abb. 6.1). Prinzipiell sind dazu auch mechanische Untersetzungen geeignet. Ein sehr einfaches Prinzip, das sich mehr und mehr durchgesetzt hat, beruht auf dem Tr¨agheitsantrieb (Abb. 6.2c). Dabei wird eine beweglich gelagerte Platte durch s¨agezahnartige, schnelle und langsame Piezobewegungen relativ zu den feststehenden Piezos bewegt. W¨ahrend der schnellen Bewegung u¨ berschreitet die vom Piezo ausge¨ubte beschleunigende Kraft die Haftkraft zwischen Piezo und Platte, wodurch die Platte nur durch die kleinere Gleitreibungskraft beschleunigt wird und daher der Piezo sich relativ zu ihr bewegt. W¨ahrend der langsamen Bewegung haftet die Platte am Piezo und bewegt sich mit ihm. Jeder einzelne Schritt ist dabei von der Gr¨oßenordnung von einigen 10 nm. Damit die Stabilit¨at des Proben-Spitzen-Abstands in einer normalen Laborumgebung gew¨ahrleistet ist, wird ein mehrstufiges D¨ampfungsverfahren f¨ur Geb¨audeschwingungen verwendet. Dabei d¨ampft man den Tisch oder die UHV-Kammer mit einem Luftd¨ampfersystem m¨oglichst kleiner Eigenfrequenz und baut das STM m¨oglichst steif (hohe Eigenfrequenz), so dass die Kombination von beidem (und gegebenenfalls weiterer D¨ampfungs-

130

6 Rastersondenmikroskopie

(a)

(b)

10 nm

2 nm

2 nm

Abb. 6.3: STM-Aufnahmen und Einheitszellen (weiß markiert) (a) einer rekonstruierten Au(111)Oberfl¨ache mit Fischgr¨aten“-Struktur. (b) einer Si(111)-(7 × 7)-Oberfl¨ache bei unterschiedlichen ” Tunnelspannungen. Links: Abbild der besetzten Zust¨ande (U = −1.8 V). Rechts: Abbild der unbesetzten Zust¨ande (U = +1.8 V).

stufen) dazu f¨uhrt, dass St¨orungen im Bereich von 1 – 1000 Hz um mindestens 5 Gr¨oßenordnungen unterdr¨uckt werden und so die St¨orung des Proben-Spitzen-Abstands kleiner als 10 pm wird. Auch die Temperaturstabilit¨at des Aufbaus spielt eine Rolle: bei einem typischen L¨angenausdehnungskoeffizienten der Piezomaterialien von 5 · 10−6 K−1 und einer L¨ange des Piezoscanners ≈ 1 cm darf die Temperatur nur im mK-Bereich schwanken. Daher sollte die W¨armekapazit¨at des Ger¨ats nicht zu klein sein, damit schnelle Temperaturschwankungen der Umgebung den Piezoscanner nicht erreichen.

6.2.1

Topographische Aufnahmen

Eine rastertunnelmikroskopische Topographie wird dadurch gewonnen, dass der Tunnelstrom w¨ahrend der Rasterbewegung bei fester Spannung U konstant gehalten (I = ISoll ) wird. Die daf¨ur n¨otige Abstandsvariation z(x,y) wird aufgezeichnet und in einer Falschfarbendarstellung dargestellt, wobei u¨ blicherweise helle Farben h¨ohere Bereiche anzeigen, an denen die Spitze von der Probe zur¨uckgezogen wurde. Bereits im einfachsten Modell des Tunnelprozesses, des quantenmechanischen Durchgangs eines Elektrons durch einen Potentialwall, sieht man, dass der Tunnelstrom expontentiell vom Proben-SpitzenAbstand abh¨angt (siehe Abschnitt 6.2.2 und Abb. 6.5a). Dementsprechend haben selbst kleine H¨ohen¨anderungen der Probe starke Auswirkungen auf den Tunnelstrom. Beispiele f¨ur solche Topographieaufnahmen sind bereits auf der Umschlagseite und in Kap. 2.2 bzw. 2.3 gezeigt worden. Abbildung 6.3 zeigt zwei weitere Beispiele:  22 0 ¨ Die Au(111)-Oberfl¨ache rekonstruiert in einer −1 aten“2 -Uberstruktur, der ”Fischgr¨ Struktur (engl. herringbone structure). Diese besteht in einer erh¨ohten Dichte von Oberfl¨achenatomen in der ersten Lage, weswegen sich an der Oberfl¨ache H¨ohenunterschiede von 10 pm bilden. Die STM-Aufnahme Abb. 6.3a zeigt nun nicht nur die Existenz dieser Einheitszelle und deren unterschiedliche Ausrichtung relativ zu den Kristallrichtungen (Dom¨anen) sondern dar¨uberhinaus, dass an den Grenzen zwischen den Dom¨anen (den Ellb¨ogen“ der Struktur) lokale strukturelle Variationen auftreten. ” Das zweite Beispiel in Abb. 6.3b zeigt eine STM-Aufnahme der Si(111)-(7×7)-Oberfl¨ache, deren Strukturmodell in Abb. 1.16 bereits gezeigt wurde. Auch hier hat das STM entscheidend dazu beigetragen, dass dieses Modell endg¨ultig best¨atigt werden konnte. Allerdings

6.2 Rastertunnelmikroskop

131 10 nm Abb. 6.4: Topographieaufnahme einer Stufe (H¨ohe: 220 pm) auf einem Cu(111)Kristall bei T = 5 K. Die auff¨alligen Wellen (Modulationstiefe 5 pm) sowie die ausgedehnten dunkleren Flecken auf der rechten Terrasse zeigen die Sensitivit¨at des Abbildungsmechanismus f¨ur die elektronischen Eigenschaften der Probe an.

zeigt sich hier (wie bei vielen anderen Beispielen), dass das STM eher auf die elektronische Struktur der Oberfl¨ache als auf die geometrische Struktur der Oberfl¨ache sensitiv ist. Die STM-Topographie eines Halbleiters h¨angt davon ab, ob Elektronen in die Spitze (linkes Bild) oder in die Probe (rechtes Bild) tunneln. Im ersten Fall (Abb. 6.3b, links) a¨ hnelt die STM-Topographie der r¨aumlichen Struktur der besetzten Zust¨ande, die im Fall der Si(111)(7 × 7)-Oberfl¨ache von den tieferliegenden Atomen der Rekonstruktion herr¨uhrt. Hier ist auch der Effekt der unterschiedlichen Stapelfolgen in den beiden H¨alften der Einheitszelle sichtbar. Dagegen entspricht die r¨aumliche Struktur der unbesetzten Zust¨ande (Abb. 6.3b, rechts) der Anordnung der obersten Atome (Adatome) der Oberfl¨ache, der Stapelfehler hat keine Auswirkung auf die STM-Abbildung. Bei Metalloberfl¨achen ist der Einfluss der Polarit¨at und Gr¨oße der Tunnelspannung meist nicht vorhanden. Ein Beispiel, bei dem bei der Abbildung einer Metalloberfl¨ache auch die elektronischen Eigenschaften der Oberfl¨ache eine Rolle spielen, ist in Abb. 6.4 gezeigt. Die Stufe der Cu(111)-Terrasse wird so dargestellt wie auch vom quantenmechanischen Tunneln erwartet: wenn sich die Barrierenbreite pl¨otzlich um 220 pm a¨ ndert, muss die Spitze um die gleiche Distanz bewegt werden, damit der Tunnelstrom konstant bleibt. Stufenkanten (von Metallen) sind daher ein probates Mittel, die Bewegung des Rasterpiezos zu eichen. Allerdings zeigen sich im Fall der Cu(111)-Oberfl¨ache an Stufenkanten und auch Punktdefekten insbesondere bei tiefen Temperaturen Wellen“ von ≈ 5 pm Modulations” tiefe, deren Wellenl¨ange von der verwendeten Tunnelspannung abh¨angt und die f¨ur Spannungen U < −500 mV nicht mehr sichtbar sind. Die Wellen sind rein elektronischen Ursprungs (d. h. die Metalloberfl¨ache ist eigentlich flach“) und entstehen durch Interferenz ” der quasi-freien Elektronen im Cu(111)-Oberfl¨achenzustand bei Streuung an der Stufe oder Defekten. Die Wellenl¨ange der Interferenzen ist verkn¨upft mit dem Wellenzahlvektor k k . In Abh¨angigkeit von der Tunnelspannung kann so die Dispersion E(k k ) des Oberfl¨achen¨ zustands in Ubereinstimmung mit ARUPS-Messungen (Abb. 5.16) bestimmt werden. Diesen elektronischen Einfluss zu identifizieren, ist bei den stehenden Wellen“ einfach, aber ” schon die Natur der Punktdefekte, die in der Abbildung zu sehen sind, wirft die Frage auf, ob die Vertiefungen tats¨achlich L¨ocher“ sind. (Im vorliegenden Fall handelt es sich um ” Fremdatome in der Cu Oberfl¨ache.) Auch sind die ausgedehnten dunkleren Flecken auf der rechten Terrasse in Abb. 6.4 keine Vertiefungen in der Oberfl¨ache sondern die elektronische Auswirkung von Defekten oder Fremdatomen in tieferen Lagen. In der Konsequenz heißt dies, dass man sich bei einer STM-Aufnahme einer unbekannten Struktur an der Oberfl¨ache eines Kristalls nie sicher sein kann, ob eine Erhebung tats¨achlich ein zus¨atzliches Atom und eine Vertiefung ein fehlendes Atom ist. Man beobachtet auch oft, dass eine Spitze sich w¨ahrend einer Topographieaufnahme a¨ ndert und T¨aler pl¨otzlich

6 Rastersondenmikroskopie (b)

ΦS

ΦP

EF,S

eU EF,P

E

z

z0+Δz

G (2e 2 /h)

(a)

1

5

10 4 10 3 10 2 10 10 1

-1 Cu(111) 10 -2 10 -3 10 -4 10 Ag(111) -5 10 -6 -4 -2 0 2 Δz(Å)

G (nS)

132

Abb. 6.5: (a) Vereinfachter Potentialverlauf am Tunnelkontakt. (b) Leitf¨ahigkeit des Tunnelkontakts als Funktion des Spitzen-Proben-Abstands im Rastertunnelmikroskop [6.1].

zu Bergen werden oder eine atomare Aufl¨osung wieder verschwindet. Die Kunst der Arbeit mit dem Rastertunnelmikroskop besteht darin, die Spitzeneigenschaften hinreichend gut zu charakterisieren und wenn m¨oglich zu u¨ berpr¨ufen, ob eine bestimmte Aussage aus den Experimenten von der atomaren Struktur der Spitze abh¨angt. Ebenfalls zu ber¨ucksichtigen sind Spitzenartefakte aufgrund der meso- bzw. makroskopischen Struktur der Spitze. So f¨uhrt eine Doppel- oder Mehrfachspitze“, bei der je nach Position auf der Probe unterschiedliche ” Enden der Spitze zum Tunnelstrom beitragen, dazu, dass Stufenkanten oder Inseln mehrfach in einem Bild erscheinen. Dieses Problem entsteht oft bei der Abbildung von Oberfl¨achen mit vielen Stufen, hohen Nanostrukturen etc. Aber auch bei der Abblildung atomarer Strukturen kann eine manchmal schwer erkennbare Doppelspitze die Messung verf¨alschen. Um die Struktur der Spitze zu a¨ ndern, kann man entweder im Tunnelkontakt kurzzeitig (so dass der Regelkreis nicht auf den h¨oheren Strom reagiert) die Tunnelspannung deutlich erh¨ohen oder die Spitze (mehr oder minder) vorsichtig in die Probenoberfl¨ache dr¨ucken. Alternativ kann man die Spitze außerhalb des STM sputtern und heizen oder – als letzte M¨oglichkeit – auch auswechseln.

6.2.2

Tunnelprozess

Die einfachste Beschreibung des Tunnelprozesses im STM basiert auf der Betrachtung des Durchgangs eines Elektrons durch einen Potentialwall. Berechnet man die Transmissionswahrscheinlichkeit T (E,U,Φ,z0 +∆z) eines Elektrons mit Energie E durch ein vereinfachtes, trapezf¨ormiges Potential an der Oberfl¨ache (Abb. 6.5(a)), so erh¨alt man r r 2m eU − E (z0 + ∆z)). (6.1) T (E,U,Φ,z0 + ∆z) = exp(−2 Φ+ ~2 2 Dabei ist m die Masse des freien Elektrons und U die an dem Tunnelkontakt anliegende Spannung. Zum Tunnelstrom tragen nur Elektronen mit Energien im Intervall der Breite eU zwischen den beiden Fermienergien der Elektroden bei, da die Elektronen nur aus besetzten Zust¨anden der einen in unbesetzte Zust¨ande der anderen Elektrode tunneln k¨onnen. In dem einfachen Modell leitet sich die Gr¨oße Φ = (ΦP + ΦS )/2 aus den Austrittsarbeiten ΦP und ΦS der Materialien von Probe und Spitze ab. Φ bestimmt f¨ur kleine Spannungen |U | ≪ Φ und E ≈ EF = 0 die Abh¨angigkeit des Tunnelstroms vom Proben-Spitzen-

6.2 Rastertunnelmikroskop

133

Abstand z = z0 + ∆z, d. h. der Tunnelstrom a¨ ndert sich mit der Ver¨anderung der Barrierenbreite wie √ I(∆z) = I(z0 )e−α∆z ; α = 2 2mΦ/~ = 10,25 nm−1 (Φ/eV)−1/2 . Abbildung 6.5b zeigt diese Zusammenh¨ange in einem Experiment, bei dem der senkrechte Abstand der Spitze eines Tunnelmikroskops von einem Ag-Atom auf einer Ag(111)bzw. Cu-Atom auf einer Cu(111)-Oberfl¨ache variiert und der Leitwert G = I(∆z)/U f¨ur die Spannung U = 100 mV gemessen wurde [6.1]. Aus einer Messung I(∆z) kann man die inverse Abklingl¨ange α bestimmen. Man findet auf Metalloberfl¨achen, dass eine ¨ ¨ Anderung der Barrierenbreite von ∆z ≈ 0,1 nm eine Anderung des Tunnelstromes um den Faktor 10 (bzw. 1/10) bewirkt. Man erh¨alt so typische Werte von der Gr¨oßenordnung α ≈ 23 nm−1 = 1/(0,04 nm), was einer effektiven Barriere Φ ≈ 5 eV entspricht, vergleichbar mit der Austrittsarbeit eines Metalls (z. B. Cu(111): Φ = 4.93 eV). Wenn es demnach im Experiment gelingt, den Tunnelstrom I(z0 ) bis auf Schwankungen von 10% konstant zu halten, rastert man die Probenoberfl¨ache mit einer Genauigkeit von ∆z ≈ ±4 pm ab. Dies zeigt die enorme Sensitivit¨at des Rastertunnelmikroskops auf H¨ohenunterschiede der Probenoberfl¨ache, z. B. durch Stufenkanten (Abb. 6.4) oder die Rekonstruktion der Au(111)Oberfl¨ache (Abb. 6.3). Die Messung der inversen Abklingl¨ange α kann auch dazu verwendet werden, unterschiedliche Materialien oder Dipolfelder auf der Oberfl¨ache zu detektieren. Auch wenn α sich diesbez¨uglich wie die lokale Austrittsarbeit (Abschnitt 1.2.5) verh¨alt, ist sie davon strikt zu unterscheiden. I(∆z) h¨angt prinzipiell zwar vom elektrischen Potential der Probe auf atomarer Skala ab, aber dar¨uber hinaus auch vom Energieintervall eU (Abb. 6.5(a)), aus dem die tunnelnden Elektronen stammen. Deswegen l¨asst sich aus I(∆z) nicht direkt auf die tats¨achlich f¨ur die Austrittsarbeit relevanten Ladungsverteilungen schließen. Wenn das letzte Atom der Tunnelspitze einen Kontakt mit der Oberfl¨ache formt, erwartet man, dass ein solcher Kontakt die Leitf¨ahigkeit eines Leitwertquantums G0 = 2e2 /h = 77,5 µS erreicht. ∆z = 0 (das z0 in Gl. 6.1) ist in Abb. 6.5b willk¨urlich auf den Leitwert von 1 nS im Fall der Ag-Oberfl¨ache und 10 nS im Fall der Cu-Oberfl¨ache gesetzt worden. An der Messung erkennt man, dass bei einer Leitf¨ahigkeit des Tunnelkontakts von 1 nS das ˚ (also etwa 2 – 3 Bindungsl¨angen) vor Ende der Spitze sich in einem Abstand von z0 ≈ 6 A der Probenoberfl¨ache (bzw. vor dem Punkt des elektrischen Kontakts) befindet. Die meistgenutzte theoretische Beschreibung des Tunnelstroms in einem Rastertunnelmikroskop st¨utzt sich auf die Arbeiten von Tersoff und Hamann [6.2]. Diese basiert auf der ¨ Berechnung der Ubergangwahrscheinlichkeit eines Elektrons von einem Zustand der einen Elektrode in einen Zustand der anderen Elektrode in zeitabh¨angiger St¨orungsrechnung. Da¨ nach bestimmt sich die St¨arke des Tunnelstroms durch den Uberlapp von Wellenfunktionen von Probe und Spitze in einer beliebig festzulegenden Ebene innerhalb der Barrierenregion des Kontakts. Im Tersoff-Hamann-Modell wird angenommen, dass sich die Spitze an ihrem Ende durch ein sph¨arisches Potential beschreiben l¨asst und dass die wesentlichen Zust¨ande der Spitze, die zum Tunnelstrom beitragen, s-artigen Charakter haben, also ihre Amplitude nur vom Abstand von der Mitte der (kugelf¨ormigen) Spitze und der Energie abh¨angt. ¨ Abbildung 6.6a zeigt eine schematische Darstellung des Uberlapps der Wellenfunktionen von Probe und Spitze, die Amplitude der Wellenfunktionen im Barrierenbereich ist durch die Zahlen (in willk¨urlichen Einheiten) angedeutet. Die Annahme einer s-artigen Wellenfunktion ist nur bei hinreichend großen Proben-Spitzen-Abst¨anden gerechtfertigt. Außer-

134

6 Rastersondenmikroskopie

Abb. 6.6: Darstellung des Tunnelprozesses nach TersoffHamann: (a) Schematische Andeutung der Amplitude der Wellenfunktionen im STM. (b) Aufteilung des Tunnelstroms auf einzelne Energiebereiche je nach Energie und Zustandsdichte DS bzw. ρ∗ .

(a)

(b) 1 0,1 0,01

E Spitze

E Probe

eU E=0

0,01 0,1 1

DS(E-eU)

ρ*(E)

¨ dem erkennt man, dass die laterale Ausdehnung des maximalen Uberlappbereichs in etwa dem Durchmesser“ des letzten Atoms der Spitze entspricht, d. h. der Tunnelstrom ist au” ˚ Durchmesser vernachl¨assigbar. Im Ergebnis liefert das ßerhalb eines Bereichs von 4 – 6 A Tersoff-Hamann-Modell folgenden Ausdruck f¨ur den Tunnelstrom

I(x,y,z,U ) ∝

Z

∞ −∞

DS (E − eU )ρ(x,y,z,E)(f (E − eU,TS ) − f (E,TP )dE.

(6.2)

f (E,T ) ist die Fermi-Funktion mit Fermi-Niveau bei E = 0, TS und TP sind die Temperaturen von Spitze bzw. Probe, U ist das Potential der Probe gegen¨uber der Spitze, DS (E) ist die Zustandsdichte der Spitze und ρ(x,y,z,E) ist die lokale Zustandsdichte der Probe am Ort des Spitzenmittelpunkts (x,y,z). Die lokale Zustandsdichte ist dabei definiert als P ρ(x,y,z,E) = ν |ψν (x,y,z)|2 δ(Eν − E), wobei ψν (x,y,z) die Amplitude der Wellenfunktion der Probe am Ort (x,y,z) mit der Energie Eν ist und die Summe u¨ ber alle Zust¨ande ν der Probe l¨auft. Sehr oft wird die Tersoff-Hamann-Formel bei tiefen Temperaturen verwendet und außerdem das Abklingverhalten der Probenzust¨ande (vgl. Abb. 1.21) bzw. der Zustandsdichte durch eine Transmissionswahrscheinlichkeit nach Gl. (6.1) beschrieben, also ρ(x,y,z,E) = ρ∗ (x,y)T (E,U,z), wobei die Barrierenbreite z der Abstand des Mittelpunkts des (sph¨arisch angenommenen) Spitzenpotentials von der Oberfl¨ache ist. Man erh¨alt so die gebr¨auchlichere Form der Tersoff-Hamann-Formel in der N¨aherung TP = TS = 0 I(x,y,z,U ) ∝

Z

eU 0

DS (E − eU )ρ∗ (x,y,E)T (E,U,z)dE.

(6.3)

F¨ur endliche Tunnelspannungen U ergibt sich ein Energieintervall der Breite eU , aus dem die Elektronen stammen, die von der einen in die andere Elektrode tunneln. Abbildung 6.6b zeigt auf, wie sich der gesamte Tunnelstrom (unter Ber¨ucksichtigung des Transmissionskoeffizienten nach Gl. (6.1)) auf verschiedene Energiebereiche verteilt (angedeutet durch die Breite der Pfeile zwischen den Elektroden). Wegen Gl. (6.1) haben immer die Zust¨ande bei der Fermienergie der negativen Elektrode die h¨ochste Tunnelwahrscheinlichkeit. Zus¨atzlich wird der Strom in einem Energiebereich durch die beiden Zustandsdichten moduliert. W¨ahrend das hohe vertikale Aufl¨osungsverm¨ogen des STMs schon aus der einfachen Transmissionswahrscheinlichkeit Gl. (6.1) ersichtlich ist, ist die laterale Aufl¨osung weit schwieriger zu erkl¨aren. Zwar ist der Tunnelstrom wie erw¨ahnt r¨aumlich sehr stark durch das

6.2 Rastertunnelmikroskop

135

hervorstehende Ende ( das letzte Atom“) der Spitze lokalisiert, allerdings ist damit ein ” ˚ nicht zu erkl¨aren. Im Rahmen des Tersoff-HamannAufl¨osungsverm¨ogen besser als 3 – 4 A Modells ergibt sich eine Abh¨angigkeit von der Modulationsst¨arke der Zustandsdichte im ˚ von der Oberfl¨ache und vom Radius des Endes der Spitze. Diese ist Abstand von 6 – 8 A aber f¨ur Metalloberfl¨achen sehr klein und das laterale Aufl¨osungsverm¨ogen l¨age dadurch ˚ da bei geringeren Abst¨anden zwischen den Atomen die f¨ur das Konstanthalten bei ≈ 4 A, des Tunnelstroms erforderlichen Spitzenbewegungen in z-Richtung zu klein werden. Bei Metallen wird atomare Aufl¨osung oft erst erreicht, wenn man kleine Spannungen U ≈ 1 – 5 mV und hohe Str¨ome I = 1 – 10 nA w¨ahlt. Dann ist die Tunnelspitze relativ nahe vor der Probenoberfl¨ache positioniert und man rastert die Probenoberfl¨ache mit einer (m¨oglicherweise durch ein Adsorbat vermittelten) chemischen Bindung zwischen Probe und Spitze ab. Alternativ muss man zur Interpretation st¨arker lokalisierte Orbitale pz oder dz2 der Spitze in Betracht ziehen [6.3]. Beide Aspekte bleiben im Tersoff-Hamann-Modell unber¨ucksichtigt.

6.2.3

Spektroskopie

M¨ochte man explizit die lokale elektronische Struktur der Oberfl¨ache untersuchen, spricht man von der Rastertunnelspektroskopie (engl. scanning tunneling spectroscopy: STS). Diese Art der Spektroskopie basiert auf der Abh¨angigkeit des Tunnelstroms von der lokalen Zustandsdichte der Probe und erlaubt es, diese als Funktion der Energie zu bestimmen. Damit hat die STS zwar nicht die M¨oglichkeit, die Dispersionsrelation E(k k ) zu bestimmen, wie dies die Photoelektronenspektroskopie vermag (Kap. 5.3), daf¨ur kann sie sowohl die besetzte als auch unbesetzte Zustandsdichte bestimmen. F¨ur die STS misst und interpretiert man die Spannungsabh¨angigkeit des Tunnelstroms I(x,y,z,U ) als Funktion des ¨ Ortes (x,y,z) der Spitze. Ublich sind die Aufzeichnung der Ableitung des Tunnelstroms ∂ I(x,y,z(I ,U ),U ) (eigentliche STS) oder auch nur des Stromes I(x,y,z(I0 ,U0 ),U ) 0 0 ∂U (engl. current imaging tunneling spectroscopy: CITS).Bei beiden Methoden wird der Proben-Spitzen-Abstand durch die Wahl des Sollstroms I0 und Spannung U0 vor der Spektroskopiemessung etabliert. Dann wird der Regelkreis unterbrochen (z0 = z(x,y,I0 ,U0 ) bleibt fest) und die Spannung U variiert. Dieses Verfahren kann man an einem festen Punkt durchf¨uhren oder aber auch an jedem Punkt eines Bildes. Bei der STS wird die Ableitung der I(U )-Kennlinie des Tunnelkontakts in der Regel mit Hilfe einer Modulationstechnik bestimmt, bei der die Spannung U mit einer sinusf¨ormigen Spannung ∆U (t) ≪ U moduliert wird. Die Frequenz dieser Modulation muss dabei gr¨oßer sein, als die Grenzfrequenz des Regelkreises, damit die sich ergebende Modulation des Stromsignals nicht durch eine Variation des Proben-Spitzen-Abstandes kompensiert ∂ wird. Die Amplitude des ∂U I(U )-Signals wird aus I(U + ∆U (t)) mit Hilfe eines LockIn-Verst¨arkers analog zu dem in Abschnitt 5.1.3 beschriebenen Verfahren bestimmt. Der Vorteil dieses Verfahren ist ein besseres Signal-Rausch-Verh¨altnis im Vergleich zu einer numerischen Differentiation der I(U )-Kennlinie. Durch die Amplitude der Modulationsspannung wird allerdings das energetische Aufl¨osungsverm¨ogen der Methode beeintr¨achtigt. Da dieses auch von der Temperatur T , bei der die Messung stattfindet, abh¨angt, sollte man |∆U (t)| ≤ kB T w¨ahlen, um das Aufl¨osungsverm¨ogen nicht weiter zu reduzieren. Bei der CITS werden meist nur wenige Spannungswerte Ui ausgew¨ahlt, zu denen dann der Tunnelstrom I(x,y,z0 ,Ui ) f¨ur jeden Bildpunkt gemessen wird. Letzteres Verfahren eignet sich besonders gut, um laterale Variationen eines zum Tunnelstrom beitragenden Zustandes abzubilden.

Abb. 6.7: I(U)-Kennlinie (grau, rechte Skala) und STS-Spektrum (schwarz, linke Skala) bei T = 6 K auf einer ausgedehnten Terrasse eines Cu(111)-Kristalls aufgenommen. Der starke Anstieg des dI/dU -Signals bei −0,44 V zeigt das Bandminimum des Oberfl¨achentzustands an.

2,0

0,4

1,5

0,0

1,0

-0,4

0,5

0,0

I (nA)

6 Rastersondenmikroskopie

dI/dU (nS)

136

-0,8

-0,5

0,0

Probenspannung (V)

F¨ur die differentielle Leitf¨ahigkeit des Tunnelkontakts erh¨alt man aus Gl. (6.3) mit z0 = z(x,y,I0 ,U0 ) folgenden Ausdruck: ∂ I(x,y,z0 ,U ) ∝ eT (eU,U,z0 )DS (0)ρ∗ (x,y,eU ) ∂U Z eU ∂ DS (E − eU )dE ρ∗ (x,y,E)T (E,U,z0 ) + ∂U 0 Z eU ∂ ρ∗ (x,y,E)DS (E − eU ) + T (E,U,z0 )dE. ∂U 0

(6.4)

Die differentielle Leitf¨ahigkeit ist also proportional zur Zustandsdichte der Probe bei der Energie E = EF + eU (1. Term). Die restlichen Terme werden als ein sich langsam a¨ ndernder Untergrund interpretiert. H¨atten wir Gl. (6.4) mit Hilfe von Gl. (6.2) f¨ur endliche Temperaturen abgeleitet, so best¨unde bei gleicher Proben- und Spitzentemperatur T z. B. der erste Term von Gl. (6.4) aus einer Faltung der Probenzustandsdichte ρ∗ (x,y,z0 ,E) mit der Ableitung ∂f (E − eU,T )/∂E, einer nahezu gaußf¨ormigen Kurve mit Halbwertsbreite ∆E = 3,5kB T . Daher h¨angt das Aufl¨osungsverm¨ogen der STS erheblich von der Temperatur ab. Ein Beispiel, das diese Interpretation nahelegt, ist in Abb. 6.7 gezeigt. Die I(U )-Kennlinie zeigt im Wesentlichen das f¨ur einen Tunnelkontakt zwischen metallischen Elektroden erwartete ohmsche Verhalten. Bei einer Spannungen U = −0,44 V a¨ ndert sich die Steigung der Kennline drastisch. Daher zeigt das mittels Modulationstechnik bestimmte dI/dU Signal einen stufenf¨ormigen Anstieg bei dieser Spannung. Der Oberfl¨achenzustand auf Cu(111) bildet ein zweidimensionales Elektronengas, die Elektronenparabel beginnt ab einer Energie E − EF = −0,44eV (vgl. Abb. 5.16). Dementsprechend erwartet man eine konstante Zustandsdichte im dI/dU -Signal f¨ur U > −0,44 V. Diese stellt aber nur einen Teil des tats¨achlichen Spektrums dar, die genaue Form des langsam variierenden Hintergrundes h¨angt von der Konfiguration der Spitze ab. ¨ Bei dieser einfachen Interpretation von Gl. (6.4) muss man allerdings vorsichtig sein. Ublicherweise wird so argumentiert, dass der 2. und 3. Term f¨ur kleine Spannungen U und DS (E) = const. verschwinden. In der Praxis zeigt sich, dass man durchaus Spitzenkonfigurationen erhalten kann, die keine große Variation von DS (E) haben. Der Untergrund der Messung bzw. die Variation von DS (E) l¨asst sich dann insbesondere durch eine fehlende Ortsabh¨angigkeit identifizieren. Selbst unter diesen Bedingungen sind aber in Gl. (6.3) Probe und Spitze zwei a¨ quivalente Elektroden des Tunnelkontakts, man kann die beiden daher

6.2 Rastertunnelmikroskop

137

auch vertauschen. Dadurch erh¨alt man die Aussage, dass dI/dU proportional zur (unbesetzten) Zustandsdichte der Spitze bei E = EF − eU ist und die restlichen Terme einen Untergrund darstellen, die in diesem Fall das eigentliche, ortsabh¨angige Signal beinhalten. Welche der beiden Interpretationen das tats¨achliche dI/dU -Signal dominiert, h¨angt zum einen von der Spannung U ab. Durch die h¨ohere Tunnelwahrscheinlichkeit der Elektronen bei der Fermienergie der negativen Elektrode wird die Spitzenzustandsdichte umso st¨arker gewichtet, je negativer die Spannung U wird, da dann im Wesentlichen die Elektronen bei der Fermienergie der Probe in unbesetzte Zust¨ande der Spitze tunneln. Bei großer positiver Spannung ist es umgekehrt, und f¨ur kleine Spannungen ergibt sich eine Vermischung der Einfl¨usse. Dann ist die Variation des dI/dU -Signals als Funktion der Spannung von der ¨ Elektrode dominiert, die die st¨arkste Anderung der Zustandsdichte als Funktion der Energie aufweist [6.4]. Starke Variationen in der Probenzustandsdichte (z. B. Bandkanten bei Halbleitern, Orbitale adsorbierter Molek¨ule) lassen sich daher auch f¨ur negative Spannungen (besetzte Probenzust¨ande) identifizieren, trotz der geschilderten Problematik.

6.2.4

Anwendungen und weitere Wechselwirkungsmechanismen

Rasterunnelmikroskope werden meist im Ultrahochvakuum bei verschiedenen Temperaturen eingesetzt, am einfachsten nat¨urlich bei Raumtemperatur. W¨ahrend STMs in Kryostaten (bis zu 10 mK) erstaunliche Stabilit¨at aufweisen und experimentelle Tieftemperaturphysik an Oberfl¨achen (Elektronendynamik, Supraleitung, Vielelektroneneffekte, etc.) erm¨oglichen, lassen sich bei hohen Temperaturen (bis etwa 800 K) z. B. Wachstumsprozesse an Oberfl¨achen untersuchen. Ein nicht unwesentlicher Aspekt der Forschung an Oberfl¨achen betrifft die Identifikation unterschiedlicher Materialien an Oberfl¨achen (chemischer Kontrast). Dies gelingt mit dem STM entweder durch Messen der lokalen Abklingl¨ange des Tunnelstroms oder mit Hilfe der STS aufgrund unterschiedlicher elektronischer Eigenschaften. Im Zuge der Weiterentwicklung der Elektronik zur molekularen Elektronik interessieren zunehmend die Eigenschaften von (organischen) Molek¨ulen auf Oberfl¨achen. Durch den direkten Zugang auf der Nanometerskala lassen sich mit einem STM einzelne Molek¨ule auf Oberfl¨achen nicht nur spektroskopieren, sondern durch Ausbildung eines Punktkontakts mit der Spitze l¨asst sich auch der Stromtransport durch sie studieren. Verwendet man eine Spitze aus ferromagnetischem Material oder mit einer ferromagnetischen Beschichtung, so kann man in Topographien und Spektroskopiemessungen einen Kontrast erhalten, der von der relativen Magnetisierung von Probe und Spitze abh¨angig ist. Dies kommt dadurch zustande, dass Elektronen ihren Spin beim Durchqueren der Tunnelbarriere beibehalten. Wenn sowohl Spitze als auch Probe eine spinabh¨angige Zustandsdichte aufweisen, wie es bei Ferromagneten der Fall ist, dann ist der Tunnelstrom (von Minorit¨atsladungstr¨agern) besonders groß, wenn die Magnetisierungsrichtungen der Elektroden parallel zueinander sind. Erstaunlicherweise funktioniert ein Rastertunnelmikroskop auf hinreichend inerten Oberfl¨achen (Graphit, Gold) auch unter Umgebungsbedingungen. Hier sind deutlich andere Verh¨altnisse anzutreffen als beim Vakuumtunneln. So betr¨agt die scheinbare Barrierenh¨ohe oft nur 100 meV oder weniger, was auf andere Leitungsmechanismen, wie z. B. die aktivierte Leitf¨ahigkeit durch Molek¨ule, deutet. Unter wohlkontrollierten Bedingungen kann

138

6 Rastersondenmikroskopie

man diese Mechanismen und auch Wachstumsprozesse bei der galvanischen Abscheidung im Elektrochemischen Rastertunnelmikroskop (EC-STM) studieren, bei dem das STM in einem Elektrolyten arbeitet.

6.3

Rasterkraftmikroskop

Im Unterschied zum STM beruht die Abstandsmessung zwischen Probe und Spitze beim Rasterkraftmikroskop (AFM) auf der Messung einer Kraft. Damit sind auch nichtleitende Proben untersuchbar. Man unterscheidet das Kontakt-AFM, bei dem durch direkten Kontakt zwischen Probe und Spitze eine Kraft ausge¨ubt wird und das dynamische AFM (auch ¨ engl. non-contact-AFM), bei dem die Anderung der Kraftwirkung in einem bestimmten Abstand von der Probe gemessen wird. Die Kraftmessung selbst erfolgt u¨ ber die Messung der Bewegung eines mikrometergroßen Balkens (engl. cantilever), an dessen Ende eine Spitze sitzt. Solche Cantilever werden durch lithographische Prozesse auf Siliziumwafern mit hoher Pr¨azision kosteng¨unstig in großen Zahlen hergestellt (etwa 400 Cantilever auf einem 4-Zoll-Wafer). Cantilever, Spitze und Tr¨ager werden dabei aus dem Wafermaterial gefertigt, gegebenenfalls k¨onnen die Spitzen auch beschichtet sein. Durch die geometrischen Abmessungen des Cantilevers ist seine Federkonstante D festgelegt, die f¨ur ein Kontakt-AFM eher weich, D =5 – 500 mN/m, und f¨ur ein dynamisch arbeitendes AFM eher hart, D =1 – 50 N/m sein m¨ussen. Beim Kontakt-AFM misst man die Verbiegung des Balkens aufgrund einer wirkenden statischen Kraft, w¨ahrend man beim dynamischen AFM den Cantilever schwingen l¨asst und seine Resonanzfrequenz oder Schwingungsamplitude als Funktion des Proben-Spitzen-Abstands misst. In beiden F¨allen muss die Bewegung des Cantilever im nmBereich gemessen werden. Probate Mittel hierf¨ur sind die Detektion mittels Lichtzeiger“ ” (Abb. 6.8), eine interferometrische Detektion oder bei speziell beschichteten Cantilevern die Ausnutzung eines piezoresistiven oder piezoelektrischen Effekts. Da das AFM oft eingesetzt wird, um Bilder von Oberfl¨achen auf einer Mikrometerskala zu gewinnen, spielen die schon in Kap. 6.2 erw¨ahnten Nichtlinearit¨aten der Piezobewegung eine gr¨oßere Rolle und m¨ussen geeignet ber¨ucksichtigt werden. Bei der Abbildung von Nanostrukturen mit einem großen Aspektverh¨altnis (also z. B. L¨ocher oder Gr¨aben, die deutlich tiefer sind als ihre Breite) noch zu beachten, dass die Spitze den tiefsten Punkt der Struktur wom¨oglich nicht erreichen kann, weil sie vorher mit den Flanken der Struktur in Kontakt ger¨at, oder dass scharfe“ R¨ander durch die Spitze verrunden. ” Abb. 6.8: Lichtzeigerdetektion der Bewegung eines AFM-Cantilevers. Normalkr¨afte zwischen Probe und Spitze verbiegen den Cantilever in senkrechter Richtung, an der Photodiode wird ein ge¨anderter Lichteinfall auf den Quadranten A und B im Vergleich zu den Quadranten C und D detektiert. Laterale Kr¨afte tordieren den Cantilever, (A+B) (C+D) diese Bewegung kann durch den Vergleich der Signale von Quadranten A und C mit B und D detektiert werden.

4-QuadrantenPhotodiode Laserstrahl

(A+C) (B+D)

A

B

C

D

6.3 Rasterkraftmikroskop

(a)

139

(b) 20 nm

1 nm

Abb. 6.9: (a) Kontakt-AFM-Aufnahme einer Nanostruktur aus einem 25 nm dicken Bismutfilm. Deutlich ist die polykristalline Struktur in den 20 nm breiten Nanodr¨ahten zu erkennen. (b) UHV-AFM bei 5 K von NaCl(100). Es werden nur die Cl− -Ionen abgebildet [6.5].

Kontakt-AFM In Abb. 6.9a ist das Bild einer metallischen Nanostruktur gezeigt, welche mit Hilfe eines Kontakt-AFM an Luft aufgenommen wurde. Das Bild wurde unter Beibehaltung einer konstanten, abstoßenden Kraft von ≈ 5 nN auf den Cantilever gemessen. Ein Regelkreis, vergleichbar mit dem eines STMs, h¨alt die zu der Kraft geh¨orige Verbiegung des Cantilevers w¨ahrend des Scannens konstant. Im Kontaktmodus ist die erreichbare laterale Aufl¨osung durch die Kontaktfl¨ache begrenzt. Diese kann durch das makroskopische elastische Verhalten von Spitzen- und Probenmaterial abgesch¨atzt werden (Hertz’sches Modell der Kontaktmechanik). Demnach hat die kreisf¨ormige Kontaktfl¨ache zwischen einer elastischen Kugel und einem unendlich ausgedehnten elastischen Halbraum einen Radius a r 3 3 FR a= , (6.5) 4 E∗ wobei F die auf den Kontakt wirkende Kraft, R der Radius der Kugel und E ∗ ein effektiver gemeinsamer Elastizit¨atsmodul der beiden Materialien ist. Man erh¨alt so f¨ur einen Kontakt zwischen einer Siliziumdioxidspitze und -oberfl¨ache mit typischem Spitzenradien R = 10 nm und Kraft F = 5 nN einen Kontaktradius a ≥ 1 nm, der also deutlich zu groß ist, um die Probe auf atomarer Skala abbilden zu k¨onnen. Man w¨ahlt eine m¨oglichst kleine Kraft F , um die Kontaktfl¨ache und die Gefahr plastischer Verformung von Probe und Spitze zu minimieren. Dies bedingt weiche Cantilever. Dynamisches AFM Mit einem weichen Cantilever kann man nur die repulsiven Kr¨afte zwischen Probe und Spitze f¨ur eine Abbildung ausnutzen, da die Spitze immer im Kontakt ist, auch wenn sich der Cantilever zur Probe hin verbiegt (Abschnitt 6.3.1). Will man die Spitze in einem gr¨oßeren Abstand u¨ ber die Oberfl¨ache f¨uhren, so dass nur schwache attraktive Kr¨afte wirken und der Kontakt mit der Oberfl¨ache vermieden oder zumindest minimiert wird, muss man das AFM im dynamischen Modus betreiben, bei dem der Cantilever eine erzwungene Schwingung ausf¨uhrt. Dazu wird er auf einen Piezo montiert, der – geeignet angesteuert – den Cantilever in eine erzwungene Schwingungen mit einer Frequenz nahe seiner Resonanzfrequenz (f0 ≈ 150 kHz) versetzt. Durch die in der N¨ahe der Oberfl¨ache wirkenden Kr¨afte a¨ ndern sich die Eigenfrequenz und unter Umst¨anden die G¨ute der Resonanz. Daher registriert man ¨ bei fester Erregerfrequenz und -amplitude eine Anderung der Amplitude der erzwungenen Schwingung mit dem mittleren Abstand der Spitze zur Oberfl¨ache. Die einfachste Betriebsart des dynamischen AFMs stellt der Anklopfmodus (engl. tappingmode, intermittent-contact-AFM) dar. Der Tapping-Mode ist das meistverwendete Verfahren bei AFM-Messungen an Luft, atomare Aufl¨osung ist damit allerdings nicht zu errei-

140

6 Rastersondenmikroskopie

chen, gr¨oßere Molek¨ule oder Strukturen auf der nm-Skala k¨onnen aber verl¨asslich untersucht werden. Der Cantilever wird zu Schwingungen von bis zu 10 nm Amplitude angeregt und ber¨uhrt die Oberfl¨ache kurzzeitig, wodurch sich die Schwingungsamplitdude reduziert. Dies ist gegen¨uber dem Kontaktmodus von Vorteil, da die repulsive Kraft zwischen Probe und Spitze nur kurzzeitig wirkt und nicht sehr groß sein muss, um die Amplitudenmodulation der Schwingung des Cantilevers detektieren zu k¨onnen. Ein geeigneter Regelkreis hat daher die Aufgabe, die Schwingungsamplitude w¨ahrend des Scannens durch Einstellen des Proben-Spitzen-Abstands konstant zu halten. Zur Messung der Schwingungsamplitude wird meist die Lichtzeigermethode und ein Lock-In-Verst¨arker eingesetzt. Die Auswirkungen der repulsiven Kraft auf die Schwingungsamplitude macht sich erst nach einer Zeit τ = 2Q/f0 bemerkbar, wobei Q die G¨ute und f0 die Eigenfrequenz des Schwingers ist. Daher eignet sich dieser Modus nicht gut f¨ur Untersuchungen im UHV, da ohne d¨ampfende Adsorbatschichten (Wasser) die G¨ute des Cantilever sehr hoch wird und die Spitze dementsprechend langsam u¨ ber die Oberfl¨ache bewegt werden muss. Die f¨ur die Oberfl¨achenphysik interessantere Betriebsart, bei der unter UHV-Bedingungen auch atomare Aufl¨osung erreicht wird, wird als non-contact-AFM oder auch FM-AFM (frequenzmoduliertes AFM) bezeichnet. Durch eine attraktive Kraft zwischen Oberfl¨ache ¨ und Spitze reduziert sich die Resonanzfrequenz der Cantileverschwingung. Diese Anderung der Resonanzfrequenz l¨asst sich auf der Zeitskala der Schwingungsdauer detektieren. Verwendet man als Regelgr¨oße f¨ur die Abstandsregelung eine fest vorgegebene Verschiebung ∆f ≈ f0 /100 der freien Resonanz, so erh¨alt man beim Rastern ein Abbild der Oberfl¨ache. Abbildung 6.9b zeigt die Aufnahme einer NaCl(100)-Oberfl¨ache unter UHV-Bedingungen mit Hilfe des non-contact Modus eines tuning-fork“ AFM. Die atomare Aufl¨osung zeigt ” an, dass eine kurzreichweitige Kraft f¨ur die Abbildung herangezogen wird. Diese ist allerdings so geartet, dass sich nur die Cl− -Ionen des Kristalls als Erh¨ohung zeigen. Um ∆f zu bestimmen, verwendet man eine Phasenregelschleife (engl. phase-locked-loop: PLL) als Nachlauffilter. Dabei wird ein durchstimmbarer Oszillator immer auf die momentane Resonanzfrequenz des Cantilever abgestimmt, die dazu n¨otige Steuergr¨oße ist proportional zu ∆f . Ein Abstandsregelkreis wie im STM h¨alt dann ∆f durch Steuerung des Abstands zwischen Probe und Spitze konstant. Den dynamischen Modus kann man mit einer konstanten Erregeramplitude des Cantilevers oder auch mit einer konstanten Schwingungsamplitude betreiben. Letzter Modus erfordert zwar einen weiteren Regelkreis, durch den die Schwingungsamplitude auf den gew¨unschten Sollwert durch Ver¨anderung der Erregeramplitude gebracht wird, hat aber den Vorteil, dass konservative und dissipative Kr¨afte im Topographiesignal nicht vermischt werden. Ein Cantilever mit einer Federkonstante D < 50 N/m wird von den attraktiven Kr¨aften in der N¨ahe der Oberfl¨ache weiterhin in den Kontakt gezogen (Abschnitt 6.3.1). Um dies zu verhindern muss die Amplitude der Schwingung beim non-contact Betrieb so groß sein, dass die in der Verbiegung des Cantilevers steckende elastische Energie gr¨oßer ist als das Potentialminimum an der Oberfl¨ache. Durch die große Schwingungsamplitude befindet sich der Cantilever aber immer nur kurzzeitig in der N¨ahe der Oberfl¨ache, was die physikalische Interpretation der Kontur ∆f = const. als Topographie kompliziert macht. Einfacher ist dies beim non-contact AFM mit tuning-forkSensoren mit Federkonstanten von einigen 1000 N/m. Diese k¨onnen auch mit sehr kleinen Amplituden (< 0,1 nm) verwendet werden, wobei dann die Schwingung des Cantilevers durch piezoresistive Elemente bestimmt werden muss. Man findet bei kleinen Schwingungsamplituden, dass ∆f proportional zum herrschenden Kraftgradienten der Kraft auf die Spitze im gew¨ahlten Proben-Spitzen-Abstand ist.

6.3 Rasterkraftmikroskop

141

Da zwischen Probe und Spitze eines AFM immer auch langreichweitige Kr¨afte wirken, stellt das AFM erhebliche Anspr¨uche an die Sch¨arfe“ der Spitze, da – anders als im STM – ” nicht nur die Konfiguration der Atome am Ende der Spitze f¨ur die gemessene Wechselwirkungsst¨arke von Bedeutung ist, sondern auch die mesoskopische Form der Spitze auf einer 10 nm Skala.

6.3.1

Kr¨afte an Oberfl¨achen und ihre Auswirkung im AFM

Zur Bildgebung nutzt das Rasterkraftmikroskop die Kr¨afte, die zwischen der Spitze an einem schwingf¨ahigen Balken (Cantilever) und der Oberfl¨ache herrschen. Die auftretenden Kr¨afte haben verschiedene Reichweiten d: ˚ • abstoßende Kraft aufgrund des Pauli-Prinzips (d < 1 A)

˚ • Kraft aufgrund der Bindung zwischen Atomen (d = 1 – 4 A)

˚ • anziehende Van-der-Waals-Kraft (langreichweitig, dominiert f¨ur d ≫ 5 A) ˚ • elektrostatische Kr¨afte (langreichweitig, dominieren f¨ur d ≫ 5 A)

• in normaler Umgebung (nicht Vakuum): anziehende Kapillarkr¨afte (langreichweitig, gr¨oßer als Van-der-Waals-Kr¨afte) 4

(b)

Kraft (nN)

2

-FC (z,z0 )

LennardJones

10

0

Kraft (nN)

(a)

–2 van-derWaals

–4 F(z) –6 –8

Cantilever frei

0 maximale Adhäsonskraft

-10 Cantilever im -20 Kontakt mit Oberfläche -30 -40

z3 0,2

z2

z1 0,3

0,4

Abstand (nm)

z0 0,5

-2

-1

0

1

Piezoauslenkung (nm)

Abb. 6.10: (a) Typischer Verlauf der Kraft zwischen AFM Spitze und Oberfl¨ache als Funktion des Abstands. Zus¨atzlich ist das Negative der Kraft FC (z,z0 ) aufgetragen, die der Cantilever auf die Spitze aus¨ubt. Bei den Spitzenabst¨anden z1 ,z2 ,z3 ist die resultierende Kraft auf die Spitze Null. (b) ¨ Resultierende Kraft-Abstandskurve von FC (z,z0 ) bei Anderung des Abstands z0 (D ≈ 25 N/m).

Die abstoßende Kraft aufgrund des Pauli-Prinzips entsteht, wenn die Elektronenh¨ullen des Atoms an der Spitze sich mit denen der Probe u¨ berlappen. Sie entspricht der Kraft, die im Kontakt zwischen sauberer Probe und Spitze im Vakuum herrscht. Die Kraft steigt eigentlich exponentiell mit abnehmendem Abstand, wird oft im Rahmen des Lennard-JonesPotentials durch den abstoßenden Anteil modelliert VPauli (z) ∝ z −12 , der attraktive Anteil dagegen durch einen Term VB (z) ∝ −z −6 beschrieben. Das Bindungspotential zweier Atome hat ein wohldefiniertes Minimum beim Abstand der Bindungsl¨ange. Die vander-Waals-Wechselwirkung zwischen einer Kugel vom Radius R im Abstand z von einer ebenen Fl¨ache, kann f¨ur z ≪ R durch ein Gesetz VvdW (z) ∝ R · z −1 beschrieben werden. Zusammengenommen ergibt sich aus den Potentialen eine resultierende Kraft F (z),

142

6 Rastersondenmikroskopie

wie in Abb. 6.10a gezeigt. Eine unter Umst¨anden vorhandene elektrostatische Wechselwirkung (z. B. durch die Differenz der Austrittsarbeiten (Kontaktpotential) UKP = ∆Φ/e 2 von Probe und Spitze) f¨uhrt zu einem Potential VC (z) ∝ RUKP z −1 und kann gr¨oßer als die van-der-Waals-Wechselwirkung werden. Beim Arbeiten mit dem AFM unter normalen Umgebungsbedingungen sind Kapillarkr¨afte aufgrund des Wasserfilms auf den Oberfl¨achen unumg¨anglich, die ebenfalls noch ber¨ucksichtigt werden m¨ussen. Die Spitze ist am Cantilever befestigt, der im Idealfall mit einer Kraft gem¨aß dem Hooke’schen Gesetz auf sie wirkt FC (z,z0 ) = −D(z − z0 ), dabei ist z0 der Abstand von der Oberfl¨ache, den die Spitze h¨atte, wenn der Cantilever nicht verspannt w¨are. Der tats¨achliche Abstand der Spitze ergibt sich dann aus der Bedingung F (z) + FC (z,z0 ) = 0. Anhand von Abb. 6.10(a) erkennt man, dass, wenn die Kraftkonstante D des Cantilever kleiner ist als der Gradient der Kraft zwischen Spitze und Oberfl¨ache F (z), es je nach z0 einen oder mehrere Abst¨ande z1 ,z2 ,z3 gibt, bei denen die resultierende Kraft auf die Spitze verschwindet. Ist F (zi + δz) < −FC (z + δz,z0 ) und F (zi − δz) > −FC (z − δz,z0 ), so handelt es sich um einen stabilen Zustand. Verringert man nun in dem gezeigten Beispiel den Abstand z0 , so wandern z1 und z2 aufeinander zu, bis der sich aus z3 entwickelnde Abstand der einzig stabile Zustand ist. Die Spitze wird schlagartig zur Oberfl¨ache gezogen (engl. jumpto-contact oder snap-in). Vergr¨oßert man den Abstand z0 wieder, so wandert der Punkt z3 auf den instabilen Zustand z2 zu und die Spitze springt wieder von der Oberfl¨ache in einen Abstand entsprechend z1 . Dieses Verhalten f¨uhrt einerseits zu einer Hysterese der KraftAbstandskurve, andererseits l¨asst sich im statischen Modus auf Grund der Bistabilit¨at die Spitze nicht in einem Abstand halten, der dem attraktiven Teil der Spitzen-Proben-Wechselwirkung entspricht. Dies ließe sich mit einem Cantilever mit großem D ≫ 50 N/m umgehen, aber dann verursachen kleine Kr¨afte auch nur kleine Auslenkungen, die entspechend schwer zu messen sind. Abbildung 6.10b zeigt schematisch eine Kraft-Abstandskurve, wie sie mit einem weichen Cantilever gemessen w¨urde. Man beachte, dass die St¨arke der abstoßenden Kraft nicht gemessen werden kann, wohl aber die der wirkenden Adh¨asionskraft. Oszilliert der Cantilever mit einer hinreichend großen Amplitude (bei entsprechendem großen Abstand z0 ), dann ist die Kraft zwischen Probe und Spitze nie groß genug, dass es zum snap-in“ kommen k¨onnte. Oszilliert ein Cantilever mit sehr großem D mit nur einer ” kleinen Amplitude, so tritt wegen der H¨arte des Cantilevers ebenfalls kein snap-in“auf. ” Die erzwungene Schwingung des Balkens wird dagegen von der Kraft zwischen Probe und Spitze beeinflusst. Der Gradient der Kraft F (z) ver¨andert dabei effektiv die Kraftkonstante des schwingenden Cantilevers und verschiebt die Resonanzfrequenz um einen Anteil ∆f (z0 ). Unter der Annahme, dass die Schwingungsamplitude sehr klein ist, so dass ∂F aherungsweise als konstant angesehen werden kann und ∆f ≪ f0 , erh¨alt man: ∂z (z) n¨ f0 ∂F ∆f ≈ − 2k ∂z (z). Damit kann die Schwingung sowohl im attraktiven als auch im repulsiven Teil der Wechselwirkungskraft stabilisiert werden.

6.3.2

Anwendungen und weitere Wechselwirkungsmechanismen

Durch die Anwendung des AFM insbesondere auf Nanostrukturen haben sich eine Vielzahl von abgeleiteten Techniken entwickelt, von denen nur einige genannt werden sollen. Die starke Wechselwirkung zwischen Probe und Spitze im Kontaktmodus erlaubt zwar keine Abbildung auf der atomaren Skala, daf¨ur er¨offnen sich andere M¨oglichkeiten. Durch die

6.3 Rasterkraftmikroskop

143

Verdrehung des Cantilevers im Kontaktmodus (Abb. 6.8) kann man auch sehr leicht laterale Kr¨afte, die w¨ahrend der Scanbewegung auf die Spitze wirken, messen. Dies liefert Hinweise auf die tribologischen Eigenschaften von Oberfl¨achen und Beschichtungen. Wird die Spitze mit einem leitf¨ahigen Material beschichtet, kann man mit dem AFM im Kontaktmodus z. B. Nanostrukturen und gr¨oßere Molek¨ule niederohmig kontaktieren und so Transportmessungen durchf¨uhren. Dar¨uberhinaus kann man durch Analyse von Kraft-AbstandsKurven (Abb. 6.10b) weitere Eigenschaften der Oberfl¨ache studieren. Direkt ablesbar ist die Adh¨asionskraft zwischen Probe und Spitze. Befinden sich auf der Oberfl¨ache Molek¨ule mit internem, strukturellem Freiheitsgrad, so macht sich dieser in weiteren sprungartigen Auslenkungs¨anderungen der Kurven bemerkbar. Insbesondere bei großen Molek¨ulen (Polymere, DNS, etc.) l¨asst sich so z. B. das Falten von Molek¨ulstr¨angen untersuchen. F¨ur Abbildungen mit h¨ochster Aufl¨osung oder Untersuchungen sauberer Oberfl¨achen unter Vakuumbedingungen bieten sich non-contact Modi an. Der Oszillationsmodus erlaubt es auch, dissipative Kr¨afte zu studieren, indem man die Energie misst, die zum Aufrechterhalten der Cantileverschwingung n¨otig ist. Desweiteren kann die Phasenverschiebung der Schwingung des Cantilevers zu dem anregenden Signal dazu benutzt werden, die Variation von elastischen Eigenschaften der Probe sowie von Haft- und Reibungskr¨aften auf der Nanometerskala sichtbar zu machen. Im non-contact Modus des tuning-fork AFM, bei dem die Spitze nur eine sehr kleine Schwingungsamplitude hat, ist ein Proben-Spitzen-Abstand einstellbar, der vergleichbar mit den Verh¨altnissen im STM ist. Verwendet man eine metallische Spitze, so l¨asst sich das entsprechend aufgebaute Ger¨at sowohl als STM als auch als AFM nutzen. Diese Kombination erm¨oglicht es, kurzreichweitige Kr¨afte und Tunnelstr¨ome auf ihre gemeinsamen Ursachen hin zu untersuchen und Abbildungsmechanismen auf der atomaren Skala zu verstehen. Durch Modifikation der Sonde lassen sich weitere Wechselwirkungskr¨afte quantifizieren, am bekanntesten sind das MFM (magnetic force microscope) sowie das KPFM (Kelvin probe force microscope). Beim MFM wird eine ferromagnetische Schicht auf die Spitze aufgebracht, womit sich u¨ ber das magnetische Streufeld der Oberfl¨achenmagnetismus einer Probe untersuchen l¨asst. Damit l¨asst sich die Dom¨anenstruktur von Schichten untersuchen, wie sie in Festplatten Verwendung finden. Beim KPFM wird eine leitf¨ahige Spitze verwendet. Dadurch k¨onnen Unterschiede im Kontaktpotential, d. h. der Differenz der lokalen Austrittsarbeit von Probe und Spitze durch das Anlegen einer zus¨atzlichen Gleichspannung kompensiert bzw. gemessen werden. Sowohl MFM als auch KPFM profitieren von dem dynamischen Abbildungsmechanismus, da sich so kurzreichweitige Kr¨afte, die die Topographie liefern, von den langreichweitigen, elektrischen oder magnetischen Dipolkr¨aften trennen lassen. Verwendet man statt eines Cantilevers das Ende einer optischen Glasfaser, so wird der Abstand zwischen Ende und Oberfl¨ache kleiner als die Wellenl¨ange λ des Lichts und man kann das elektromagnetische Nahfeld f¨ur Untersuchungen optischer Eigenschaften auf Skalen kleiner als λ verwenden (engl. scanning near-field optical microscope: SNOM). Dies kann man auch durch Bestrahlung der Region zwischen Probe und AFM-Spitze mit fokussierter ¨ Laserstrahlung erreichen. Durch die Spitze wird damit eine Uberh¨ ohung des elektrischen Felds erreicht, die entsprechenden Auswirkungen auf die Polarisierbarkeit der Probe lassen sich im Streulicht des Fernfelds detektieren (aperture-less-SNOM). Solche Fragestellungen ber¨uhren das Gebiet der Plasmonik, die sich mit der Wechselwirkung zwischen elektromagnetischem Feld und Nanostrukturen befasst.

144

6 Rastersondenmikroskopie

Mit dem Rastertunnelmikroskop ist man dem Traum n¨aher gekommen, Atome sehen“ zu ” k¨onnen. Dies liefert wichtige Hinweise f¨ur die Probenpr¨aparation (Kap. 3) und die Strukturbestimmung (Kap. 4). Bei genauerem Hinsehen erkennt man, das der Schein tr¨ugt und die Bilder eigentlich von der elektronischen Struktur bestimmt werden. Dies ist Chance der Rastertunnelspektroskopie, die elektronischen Zust¨ande atomar aufgel¨ost sehr genau zu untersuchen und mit den Ergebnissen der Photoelektronenspektroskopie (Kap. 5.3) zu vergleichen. Die Rasterkraftmikroskopie bietet eine Vielzahl von experimentellen Varianten. Die relevanten Kr¨afte zwischen Spitze und Probe h¨angen stark vom Abstand ab, dementsprechend a¨ ndert sich auch die erreichbare laterale Aufl¨osung. Atomare Aufl¨osung erfordert großes experimentelles Geschick, andererseits ist das Rasterkraftmikroskop zu einem wichtigen Instrument der Nanowissenschaften geworden.

Literatur 6.1

L. Limot, J. Kr¨oger, R. Berndt, A. Garcia-Lekue, und W. A. Hofer, Phys. Rev. Lett. 94, 126102 (2005).

6.2

J. Tersoff und D. R. Hamann, Phys. Rev. B 31, 805 (1985).

6.3

C. J. Chen, Phys. Rev. B 42, 8841 (1990).

6.4

G. H¨ormandinger, Phys. Rev. B 49, 13897 (1994).

6.5

S. Maier, Department f¨ur Physik, Universit¨at Erlangen-N¨urnberg, unver¨offentlicht.

Weitere Literatur 6.6

C. J. Chen, Introduction to Scanning Tunneling Microscopy, 2. Aufl., Oxford Univ. Press (New York 2007).

6.7

R. Wiesendanger, Scanning Probe Microscopy and Spectroscopy: Methods and Applications, Cambridge University Press (Cambridge 1994).

6.8

STM-Tutor (Lehrstuhl f¨ur Festk¨orperphysik, Universit¨at Erlangen-N¨urnberg, 2004), www.fkp.uni-erlangen.de/methoden/stmtutor/stmpage.html .

7

Teilchenspektroskopien

7.1

Thermische Desorptionsspektroskopie

Wie in Kap. 2.2 dargelegt wurde, sind die auf einer Oberfl¨ache adsorbierten Atome oder Molek¨ule mit einer gewissen Energie gebunden, die f¨ur das Atom/Molek¨ul, die spezielle Oberfl¨ache sowie den Adsorptionsplatz typisch ist. Stellt man dem Adsorbat diese Bindungsenergie zur Verf¨ugung – etwa durch elektronische, optische oder thermische Anregung – so kann es von der Oberfl¨ache desorbieren. In diesem Abschnitt wird die thermisch stimulierte Desorption behandelt, bei der das Adsorbat aus dem thermischen Energiehaushalt der Oberfl¨ache die zur Desorption notwendige Energie gewinnt. Dies kann bei konstanter Temperatur der Oberfl¨ache geschehen (isotherme Desorption), z. B. wenn die u¨ ber der Oberfl¨ache bestehende Gasphase der adsorbierten Teilchen rasch abgepumpt wird und die Oberfl¨ache schnell auf eine dann konstante erh¨ohte Temperatur geheizt wird (engl. flash desorption). Verbreiteter ist jedoch die lineare Erh¨ohung der Probentemperatur mit der Zeit und die damit einhergehende Messung der Anzahl der desorbierenden Teilchen als Funktion der Zeit bzw. Temperatur (thermische Desorptionsspektroskopie (TDS) oder Temperatur-programmierte Desorption (TPD)). Dabei desorbieren die adsorbierten Teilchen in der Reihenfolge zunehmender Bindungsenergie, was jeweils zu einem Druckanstieg in der Vakuumkammer f¨uhrt. Wir konzentrieren uns im Folgendem auf diese Methode und stellen dar, wie mit TDS die Bindungsenergie bestimmt werden kann.

7.1.1

Grundlagen und Versuchsanordnung

Nach der idealen Gasgleichung berechnet sich der Partialdruck p eines Gases einer bestimmten Teilchensorte der r¨aumlichen Dichte ng bei der absoluten Temperatur T zu p = ng kB T , wobei kB die Boltzmann-Konstante ist. Wenn von einer Oberfl¨ache die gleiche Teilchensorte desorbiert und zum Teil von der Vakuumpumpe abgepumpt wird, so ist die zugeh¨orige Druck¨anderung dp AkB T dθ S =− na − p, dt V dt V

(7.1)

wobei V das Volumen der Vakuumkammer, A die Probenoberfl¨ache, S das Saugverm¨ogen der Pumpe (Einheit m3 /s), na die Fl¨achendichte der Adsorptionspl¨atze auf der Oberfl¨ache und θ die relative Besetzung dieser Pl¨atze mit Atomen oder Molek¨ulen bezeichnen (bei dieser Bilanz ist angenommen, dass keine Teilchen readsorbieren). F¨ur (in der Regel vorliegendes) großes Saugverm¨ogen der Pumpe ist der linke Term in Gl. (7.1) klein gegen die beiden rechten Terme, sodass die Desorptionsrate RD (t) = |na dθ/dt| proportional zum Druck p ist Z t dθ S S na =− p bzw. na (θ0 − θ(t)) = p(t′ )dt′ , (7.2) dt AkB T AkB T 0

146

7 Teilchenspektroskopien desorbierte Teilchen

UHV

Abschirmung

Heizung

Probe

QuadrupolMassenspektrometer

Zeit

Signal

Signal

Temperatur

Thermoelement

Temperatur

Zeit

Abb. 7.1: Experimentelle Anordnung zur Messung von Temperatur-programmierten Desorptionsspektren. Im unteren Teil ist angedeutet wie die zeitliche Temperaturrampe und das zeitabh¨angige Signal des Spektrometers in ein Spektrum als Funktion der Temperatur umgerechnet wird. Die Temperatur wird meist mit einem an der Oberfl¨ache befestigten Thermoelement gemessen.

wobei θ0 die anf¨angliche relative Besetzung der Adsorptionspl¨atze bei t = 0 ist (man beachte, dass Rdθ/dt < 0). F¨ur t → ∞ sind alle Teilchen desorbiert (θ → 0), d. h. na θ0 = ∞ (S/AkB T ) 0 p(t′ )dt′ , sodass das Integral u¨ ber die gesamte Druckkurve zur anf¨anglichen Adsorbatbedeckung proportional ist. Die G¨ultigkeit von Gl. (7.2) setzt voraus, dass w¨ahrend des Desorptionsexperiments keine Teilchen von den seitlichen Fl¨achen der Probe, vom Probenhalter oder von den W¨anden der UHV-Apparatur desorbieren. Dies ganz zu vermeiden ist schwierig, weshalb man h¨aufig den in Abb. 7.1 skizzierten apparativen Aufbau ¨ w¨ahlt. Dabei wird die Offnung eines Quadrupol-Massenspektrometers m¨oglichst nahe an die Oberfl¨ache gebracht und zus¨atzlich zur Umgebung eine Abschirmung eingef¨uhrt, die den ungewollten Eintritt von Teilchen von außerhalb der Probe in das Spektrometer verhindert. Das Massenspektrometer kann auf die Masse der desorbierenden Teilchen eingestellt werden, sein Signal IM (t) ist zur Desorptionsrate proportional, IM (t) = −α na dθ/dt. Die Proportionalit¨atskonstante α kann entweder in einem R ∞ Experiment mit bekannter Anfangsbedeckung na θ0 ermittelt werden (α = (1/na θ0 ) 0 SM (t)dt) oder durch Information u¨ ber die Bedeckung aus zus¨atzlichen oberfl¨achensensitiven Messungen. Die relative Desorptionsrate wird durch die Polanyi-Wigner-Gleichung beschrieben, RD (T ) dθ = rD (T ) = − = θq ν exp−E/kB T , na dt

(7.3)

die bereits in Kap. 2.2 (Gl. (2.2)) eingef¨uhrt wurde (zur vereinfachten Schreibweise wird hier auf die Indizes von T , E und ν verzichtet). Dabei ist q die Desorptionsordnung und E die Aktivierungsenergie der Desorption. Die Ratenkonstante ν wird auch als Versuchsfrequenz zur Desorption bezeichnet, die multipliziert mit dem Boltzmann-Faktor die Frequenz der erfolgreichen Desorptionsversuche angibt. Die Ratenkonstante liegt oft in der Gr¨oßenordnung der Phononenfrequenzen (≈ 1013 Hz), es gibt aber auch starke Abweichungen davon (z. B. ν ≈ 1016 Hz f¨ur die CO-Desorption von einer Pd(100)-Oberfl¨ache) und ν kann auch von der Temperatur und der Bedeckung abh¨angen. Auch die Aktivierungsenergie E kann bedeckungsabh¨angig sein, z. B. wenn die adsorbierten Teilchen miteinander wechselwirken. Sie stimmt auch nicht notwendig mit der Bindungsenergie EB der Atome oder Molek¨ule u¨ berein: Wenn bei der Adsorption eine Aktivierungsenergie zu u¨ berwinden war, so

7.1 Thermische Desorptionsspektroskopie

147

setzt sich E additiv aus dieser und EB zusammen (Abb. 2.5). M¨ussen Teilchen zur Desorption erst u¨ ber die Oberfl¨ache diffundieren (z. B. um einen Reaktionspartner zu finden, Abschnitt 7.1.2), so kann auch die dazu notwendige Aktivierungsenergie der Oberfl¨achendiffusion eingehen (Kap. 2.2). Bei temperaturabh¨angigem ν addiert sich eine eventuell beteiligte Aktivierungsenergie ebenfalls zu E.

7.1.2

Spektrentypen

q=2

0,012

θ0= 1,0

0,008

0,8 0,6 0,4

0,004

0,2

400

relative Desorptionsrate (1/s)

relative Desorptionsrate (1/s)

0,016

450

0,030

500

550

600

T (K)

θ0= 1,0

q= 1/2

0,8

0,020 0,6 0,4

0,010

400

0,2

450

500

550

600

T (K)

0,020

q=1

θ0= 1,0 0,8

0,015

0,6

0,010

0,4

0,005

400

relative Desorptionsrate (1/s)

relative Desorptionsrate (1/s)

Je nach Ordnung q sowie einer m¨oglichen Temperatur- und/oder Bedeckungsabh¨angigkeit von ν und/oder E bilden sich verschiedene Spektrentypen aus. Wenn ν und E konstant sind, was wir zun¨achst annehmen, h¨angt der Spektrentyp nur von der Ordnung der Desorption ab, wobei die F¨alle mit q = 1 und q = 2 am h¨aufigsten auftreten und anschaulich interpretiert werden k¨onnen. Der Fall q = 1 steht f¨ur die direkte Desorption eines adsorbierten Teilchens aus seiner Bindung (auch assoziative oder molekulare Desorption genannt), die Desorptionsrate ist zu θ proportional. Bei der rekombinativen Desorption m¨ussen zwei (q = 2) oder mehrere (q > 2) Teilchen erst auf der Oberfl¨ache diffundieren, um zueinander zu finden, sodass sie dann ein Molek¨ul bilden und als solches desorbieren k¨onnen (entsprechend geht θq in Gl. (7.3) ein). Man bezeichnet diese Art von Desorption als diffusionslimitiert. Sie trifft oft auf Adsorptionsphasen zweiatomiger Molek¨ule zu, die bei der Adsorption dissoziieren und vor der thermisch aktivierten Desorption nach Diffusion wieder rekombinieren.

0,2

450

500

550

T (K)

0,060

q=0 0,040

0,020

400

450

500

550

T (K)

Abb. 7.2: Berechnete TD-Spektren verschiedener Desorptionsordnung q f¨ur E = 1,5 eV, ν = 1013 Hz, β = 1 K/s und jeweils 5 verschiedene relative Anfangsbedeckungen θ0 .

Abbildung 7.2 stellt in der oberen Reihe die relativen Desorptionsraten f¨ur q = 1, 2 und f¨ur verschiedene Anfangsbedeckungen θ0 dar, wobei (wie meist u¨ blich) eine lineare Erh¨ohung der Temperatur mit der Zeit verwendet ist, T = T0 + βt. F¨ur die Heizrate β wird meist ein konstanter Wert im Bereich 1 – 20 K/s eingestellt. Man erkennt, dass die Desorptionsrate f¨ur q = 1 zun¨achst (f¨ur verschiedene Anfangsbedeckungen θ0 verschieden stark) zunimmt,

148

7 Teilchenspektroskopien

dann ein Maximum bei der (bedeckungsunabh¨angigen) Temperatur Tm u¨ berschreitet und dann (asymmetrisch zum Anstieg) wieder abnimmt. F¨ur q = 2 ergibt sich ebenfalls ein Desorptionsmaximum, hier nimmt Tm mit wachsender Anfangsbedeckung jedoch ab. Der Abfall ist jeweils ann¨ahernd symmetrisch zum Anstieg.

(a)

(b)

β

200

Partialdruck

,4 ,2 θ0 =0

θ0 =0,6

0,002

θ0 =0

θ0 =1,0

0,004 θ0 =0,8

relative Desorptionsrate (1/s)

Weniger h¨aufig werden die in der unteren Reihe von Abb. 7.2 dargestellten Desorptionsordnungen beobachtet. Der Fall q = 0 steht f¨ur die Desorption aus einem Reservoir von Teilchen: Wenn z. B. Edelgas- oder Metallatome eine Oberfl¨ache mit vielen Lagen bedecken, nimmt die relative Lagenbedeckung θ erst ganz am Schluss der Desorption abrupt ab. Die Desorptionsrate nimmt zun¨achst ann¨ahernd exponentiell zu (in einem Temperaturbereich, der von der totalen Anfangsbedeckung abh¨angt), um dann pl¨otzlich bei Ersch¨opfung der Bedeckung abzubrechen (im Experiment ist dieser Abfall meist verbreitert). Die gebrochenzahlige Desorptionsordnung q = 1/2 tritt auf, wenn das Adsorbat auf der Oberfl¨ache Inseln bildet und die Teilchen am Inselrand (relative Bedeckung ∝ θ1/2 ) eine deutlich geringere Bindungsenergie als im Inselinnern haben und deshalb bevorzugt desorbieren. Auch hier ist Tm bedeckungsabh¨angig, im Gegensatz zum Fall q = 2 w¨achst Tm jedoch mit wachsender Anfangsbedeckung.

γ α

300

400

500

600

T (K)

300

400

500

T (K)

Abb. 7.3: (a) Berechnete TD-Spektren f¨ur verschiedene Anfangsbedeckungen θ0 und direkte Desorption (q = 1), bei der E von 1,5 eV bei geringer Bedeckung linear auf 0,9 eV bei maximaler Bedeckung (θ ≈ 1) abnimmt (¨ubrige Parameter: ν = 1013 Hz, β = 1 K/s). Teil (b) zeigt das experimentelle Desorptionsspektrum (β = 1 K/s) von einer mit Wasserstoff voll belegten rekonstruierten Ir(100)Oberfl¨ache (Ir(100)-(5×1)-H), das aus 3 verschiedenen Desorptionsmaxima besteht.

Wenn E von der Bedeckung abh¨angt, a¨ ndert sich sowohl die Form der Spektren als auch die Lage der Maxima mit variierender Anfangsbedeckung. Abbildung 7.3a zeigt einen solchen Fall, der z. B. f¨ur CO auf Pd(100) beobachtet wird. Auch bestehen Spektren oft aus mehreren Maxima (die meist mit griechischen Buchstaben α, β, γ, . . . bezeichnet werden), etwa wenn adsorbierte Teilchen bei einer bestimmten Anfangsbedeckung mehrere Bindungspl¨atze mit unterschiedlichen Bindungsenergien einnehmen (Abb. 7.3b). Mit zunehmender Zeit bzw. Temperatur desorbieren zun¨achst die schw¨acher und dann die st¨arker gebundenen Teilchen.

7.1.3

Auswertung von Desorptionsspektren

Ziel der Desorptionsexperimente ist in erster Linie die Bestimmung von E, daneben auch von q und ν. Falls das Spektrum aus nur einem Maximum besteht und von einem bedeckungsunabh¨angigen E und ν ausgegangen werden kann, so ist die Auswertung der gemessenen Desorptionsspektren relativ einfach. Wenn Spektren aus mehr als einem Maximum bestehen, so muss man – wie in Abb. 7.3b gezeigt – eine Aufteilung in Einzelmaxima vornehmen und diese dann separat auswerten.

7.1 Thermische Desorptionsspektroskopie

149

Die Anfangsbedeckung ergibt sich in allen des Spektrometers) durch R ∞F¨allen (nach Eichung R∞ Integration des Spektrums zu na θ0 = 0 RD (t)dt = (1/β) T0 RD (T )dT . Zur Festlegung der Ordnung q kann die Abh¨angigkeit der Maximumposition von der relativen Anfangsbedeckung θ0 herangezogen werden, wenn – wie im Folgenden zun¨achst angenommen – eine Bedeckungsabh¨angigkeit von E und ν ausgeschlossen werden kann. F¨ur q = 0 ist auch die Bestimmung von E einfach, da RD (T ) im Arrhenius-Diagramm u¨ ber (1/T ) aufgetragen die Steigung −E/kB hat. F¨ur q = 1, 2 ist die Auswertung jedoch aufw¨andiger. Man nutzt dazu die Lage Tm der Maxima auf der Temperaturskala aus. Sie ist nach Gl. (7.3) durch d2 θ/dt2 = 0 gegeben, was f¨ur die zugeh¨origen Werte θm und Tm die Gleiq−1 2 chung p θm ν exp(−E/kB Tm ) = β(E/kB )(1/Tm ) nach sich zieht. F¨ur q = 1 wird diese Beziehung unabh¨angig von θm (und damit auch von θ0 ). F¨ur q = 12 muss man zur Bestimmung von θm die Spektren bis zu Tm integrieren. F¨ur q = 2 kann man benutzen, dass die Kurven ann¨ahernd symmetrisch zum Maximum sind, d. h. θm ≈ θ0 /2, so dass sich βEA = θ0q−1 ν exp−E/kB Tm 2 kB Tm

(7.4)

f¨ur q = 1, 2 ergibt. Die Verschiebung von Tm mit θ0 f¨ur q = 2 l¨asst sich ausnutzen, um E graphisch zu bestimmen. Logarithmieren von Gl. (7.4) f¨ur q = 2 ergibt 2 ln(θ0 Tm ) = E/(kB Tm ) + ln(βE/νkB ), 2 d. h. die Auftragung von ln(θ0 Tm ) u¨ ber 1/Tm ergibt eine Gerade mit der Steigung E/kB wenn E weder bedeckungs- noch temperaturabh¨angig sind, wie eingangs angenommen.

N¨aherungsweise lassen sich E oder Tm aus Gl. (7.4) im Bereich 1013 < νTm /β < 1018 auch direkt extrahieren. F¨ur q = 1, 2 ergibt sich (mit einer Genauigkeit im Prozentbereich) E ≈ kB Tm [ln(θ0q−1 νTm /β) − 3,64] bzw. Tm ≈ E/[kB (ln(θ0q−1 νE/βkB ) − 7,15)].

Man kann E auch ohne Kenntnis von ν (wenn konstant) und von θ0 bestimmen, indem man TD-Spektren f¨ur verschiedene Aufheizraten β misst. Wieder durch Logarithmieren 2 von Gl. (7.4) erh¨alt man dazu ln(Tm /β) = EA /(kB Tm ) + Cq wobei sich die Konstante q−1 2 zu Cq = ln(E/(kB νθ0 )) ergibt (q = 1, 2). Mit der Auftragung von ln(Tm /β) u¨ ber 1/Tm resultiert eine Gerade, deren Steigung in beiden F¨allen von q den Wert von E/kB liefert. Allerdings muss man bei dieser Methode β mindestens u¨ ber 1 – 2 Gr¨oßenordnungen variieren, um eine ausreichende Genauigkeit bei der Bestimmung von E zu erzielen. Bei bedeckungsabh¨angigen E und/oder ν versagen die bisher beschriebenen Methoden zur Bestimmung von E. Ein aufw¨andigeres Auswerteverfahren von Gl. (7.3) wird notwendig. Wir folgen hierzu dem Verfahren von D. A. King [7.1], wobei wir von der logarithmierten Form von Gl. (7.3) f¨ur eine (beliebige) momentane Bedeckung θn ausgehen, dθn ) = q · ln(θn ) + ln(ν(θn )) − E(θn ) . (7.5) ln( dt kB T Als Funktion von 1/T ergibt sich f¨ur festes θn eine Gerade mit der Steigung −E(θn )/kB . Ihrem Ordinatenabschnitt q · ln(θn ) + ln(ν(θn )) kann bei bekanntem q die Ratenkonstante ν(θn ) entnommen werden (oder umgekehrt).

Zur Illustration des Verfahrens sind in Abb. 7.4a Spektren f¨ur rekombinative Desorption (q = 2) und 3 verschiedene Anfangsbedeckungen unter der Annahme berechnet, dass die

150

7 Teilchenspektroskopien

0,16

(c)

3 0,12 0,08 0,04

460

(b)

θ0=1,0

ln(|Θ/dt|)

relative Desorptionsrate

(a)

θ0=0,8

θ0=0,6 1 4

5

2

-3

480

3

-2

500

520

T (K)

2

5

1

-4

1,0

4

relative Bedeckung

-5

Θ=0,7

Θ=0,4

0,8 4

0,6 0,4 0,2

460

1

5

2

0,0019

0,0020

0,0021

1/T (1/K)

3

θ0=0,6 θ0=0,8 θ0=1,0

480

500

520

T (K)

Abb. 7.4: (a) Berechnete TD-Spektren f¨ur rekombinative Desorption (q = 2), bei der E von 1,5 eV bei hoher Bedeckung linear auf 1,2 eV bei geringer Bedeckung abnimmt (¨ubrige Parameter: ν = 1013 Hz, β = 1 K/s). (b) gibt den jeweils zugeh¨origen Verlauf von θ(T ) wieder, wie er aus der Integration der Desorptionsspektren resultiert. (c) zeigt die Arrhenius-Darstellung aus den Punkten 1 – 3 f¨ur θn = 0,4 und den Punkten 4 – 5 f¨ur θn = 0,7, woraus sich die Aktivierungsenergien E(θn = 0,4) = 1,32 eV bzw. E(θn = 0,7) = 1,41 eV ergeben.

Aktivierungsenergie E von 1,5 eV bei θ = 1 auf 1,2 eV f¨ur θ → 0 linear abnimmt. Man erkennt, dass dadurch die f¨ur q = 2 typische Verschiebung der Desorptionsmaxima (mit fallender Anfangsbedeckung zu h¨oheren Temperaturen) u¨ berkompensiert, d. h. umgekehrt wird. Jedes Desorptionsspektrum wird nun von der rechten Seite her bis zur Temperatur T integriert, sodass sich – wie in Abb. 7.4b dargestellt – jeweils die zugeh¨orige Funktion θ(T ) ergibt. Interessiert z. B. die Aktivierungsenergie bei θn = 0,4 oder bei θn = 0,7, so ergeben sich die Schnittpunkte 1, 2 und 3 bzw. 4 und 5 mit den θ(T )-Kurven. Die zugeh¨origen Desorptionsraten lassen sich aus Abb. 7.4a ablesen. In der Arrhenius-Darstellung nach Gl. (7.5) ergeben sich f¨ur die zwei F¨alle die in Abb. 7.4c eingetragenen Geraden, denen die Aktivierungsenergien bei den beiden gew¨ahlten Bedeckungen entnommen werden k¨onnen. Trotz dieses recht allgemeinen Auswerteverfahrens muss man sich bei TDS bewusst sein, dass die Methode u¨ ber den Zustand des Adsorbats informiert, der bei (oder kurz vor) der Desorption herrscht. Er muss nicht notwendig mit dem Zustand bei tiefen Temperaturen u¨ bereinstimmen. So k¨onnen sich Adsorbate bei Temperaturerh¨ohung umordnen, zerfallen oder neue Molek¨ule bilden. Auch k¨onnen im Volumen gel¨oste Teilchen (z. B. Wasserstoffatome) an die Oberfl¨ache diffundieren. Dies gaukelt nicht nur eine falsche Bedeckung ¨ vor, sondern f¨uhrt auch zu einer Uberlagerung von Zeit- und Temperaturabh¨angigkeit der Desorption mit der Diffusion der Teilchen aus dem Volumen an die Oberfl¨ache. Die Situation wird noch komplexer, wenn sich die Struktur der Oberfl¨ache und damit auch die

7.1 Thermische Desorptionsspektroskopie

151

Adsorptionspl¨atze mit variierender Temperatur und/oder Bedeckung a¨ ndern (etwa durch adsorbatinduzierte Rekonstruktion). Wenn eine Oberfl¨ache viele Adsorptionspl¨atze mit a¨ hnlicher Bindungsenergie anbietet (z. B. eine raue Fl¨ache), so u¨ berlagern sich entsprechend viele Desorptionsmaxima und eine TDS-Analyse wird praktisch unm¨oglich. Schließlich sei erw¨ahnt, dass auch die grundlegende Polanyi-Wigner-Gleichung (7.3), von der wir ausgegangen sind, nur eine (wenn auch oft gute) N¨aherung darstellt und es wesentlich komplexere Abh¨angigkeiten der Desorptionsrate von Bedeckung und Temperatur gibt (schließlich handelt es sich bei der Desorption um einen Nichtgleichgewichtsprozess). Allen Bestimmungen der Desorptionsparameter ist außerdem gemeinsam, dass sie a priori nicht die Identifizierung des Adsorptionsplatzes erlauben. Hierzu ben¨otigt man entweder Berechnungen von E f¨ur verschiedene Adsorptionspl¨atze (z. B. mittels Dichtefunktionaltheorie), sodass man im Vergleich mit dem experimentellen Wert den Platz identifizieren kann, oder die Zuziehung weiterer oberfl¨achensensitive Untersuchungsmethoden, z. B. einer quantitativen Strukturbestimmung f¨ur verschiedene Bedeckungen, aus der die Adsorptionspl¨atze resultieren. Den letzteren Fall illustrieren wir in folgendem experimentellen Beispiel, das noch weitere bisher nicht behandelte Desorptionseigenschaften und Probleme offen legt.

7.1.4

Desorptionsspektren mit mehreren Maxima

H¨aufig bestehen Desorptionsspektren aus mehreren und zumindest teilweise u¨ berlappenden Maxima. Auch kann ihre Interpretation schwieriger sein als die der oben aufgef¨uhrten Beispiele. Abbildung 7.5a zeigt den temperaturabh¨angigen H2 -Partialdruck (∝ H2 Desorptionsrate), der sich bei der Desorption von Wasserstoff von einer Rh(110)-Oberfl¨ache bei einer Heizrate von β = 10 K/s ausbildet. Die Oberfl¨ache war vorher bei 90 K mit verschiedenen Dosen von Wasserstoff begast worden, was zu verschiedenen Anfangsbedeckungen mit Wasserstoff na θ0 gef¨uhrt hat [7.2]. Die Begasungsdosis D = pg ∆t bei einem Gasdruck pg f¨ur ein Zeitintervall ∆t ist in Abb. 7.5 in Langmuir-Einheiten (L) angegeben (siehe Abschnitt 3.3.1). Mit zunehmender Bedeckung entwickeln sich drei verschiedene Desorptionsmaxima, die mit α, β und γ bezeichnet sind. Aus der Dosis kann nicht auf die resultierende Bedeckung na θ0 geschlossen werden, da unbekannt ist, wie viele der auf der Oberfl¨ache ankommenden H2 -Molek¨ule adsorbieren. Allenfalls kann man annehmen, dass f¨ur kleine Bedeckungen (bei der die meisten Adsorptionspl¨atze noch frei sind), na θ0 ∝ D gilt. Es bleibt der Weg, das Spektrometer zu eichen oder aber eine weitere Oberfl¨achenmethode hinzuzuziehen. F¨ur den letzteren Weg kann man f¨ur das vorliegende Beispiel von quantitativen Strukturbestimmungen mittels LEED (Kap. 4.3) oder Heliumbeugung (Kap. 4.6) f¨ur das Adsorbatsystem profitieren. Die LEEDMessungen wurden dabei parallel zu denen von TDS f¨ur die jeweils gleiche Probenpr¨aparation durchgef¨uhrt [7.2], d. h. beide Datens¨atze wurden f¨ur die gleichen Adsorptionsphasen gewonnen. Im Bedeckungsbereich, in dem nur die γ-Maxima vorhanden sind, werden die in Abb. 7.5b dargestellten Phasen 3×1-H und 2×1-H festgestellt, wobei die H-Atome (nach Dissoziation der H2 -Molek¨ule) in 3-fach koordinierten Pl¨atzen adsorbiert sind. Das β-Maximum entspricht der 3×1-2H Phase und 2×1-2H Phase, in der die H-Atome in Doppelreihen angeordnet sind, d. h. benachbarte 3-fach koordinierte Pl¨atze besetzen. Schließlich entwickelt sich bei noch h¨oherer Bedeckung das α-Maximum, das mit der Phase 1×1-2H korreliert ist. Die Adsorptionspl¨atze sind in allen Phasen vom gleichen Typ, d. h. 3-fach koordinierte Pl¨atze zu beiden Seiten der dicht gepackten Rh-Atomreihen (es gibt also doppelt so viele

152

7 Teilchenspektroskopien (a)

(b)

α

H2 -Partialdruck

γ β γ

200

250

2x1-H: θ = 1/4

3x1-2H: θ = 1/3

2x1-2H: θ = 1/2

β α

150

3x1-H: θ = 1/6

300

1x1-2H: θ = 1

T (K)

Abb. 7.5: (a) Desorptionsspektren einer mit Wasserstoff belegten Rh(110)-Oberfl¨ache f¨ur verschiedene relative Anfangsbedeckungen und β=10 K/s. (b) Strukturmodelle (Aufsicht) verschiedener Adsorptionsphasen (nach [7.2]).

Adsorptionspl¨atze wie Rh-Atome in der ersten Oberfl¨achenlage). Die volle Ausbildung der ¨ jeweiligen Uberstrukturphasen ist daher mit den relativen Bedeckungen θ0 = 1/6 (3×1-H), 1/4 (2×1-H), 1/3 (3×1-2H), 1/2 (2×1-2H) und 1 (1×1-2H) verkn¨upft. F¨ur die 3×1-H- und 2×1-H-Phasen wird in der Literatur angenommen, dass die Kettenanordnung bei Temperaturerh¨ohung verloren geht. Die H-Atome sind dann statistisch auf den 3-fach koordinierten Pl¨atzen verteilt und m¨ussen vor der Desorption diffundieren, um ein H2 -Molek¨ul zu bilden und als solches dann desorbieren zu k¨onnen. Die Desorptionsordnung w¨are demnach q = 2 ¨ in Ubereinstimmung mit der Tatsache, dass sich die Maxima mit zunehmender Anfangsbedeckung verschieben. Allerdings sind die Maxima nicht zu Tm symmetrisch und ihre Verschiebung mit der Bedeckung ist gr¨oßer als sie f¨ur ein konstantes E resultieren w¨urde, eine Abnahme von E mit zunehmender Bedeckung liegt daher nahe. Eine vollst¨andige quantitative Analyse des Adsorptionssystems ist mit Methoden der Nichtgleichgewichtsthermodynamik gelungen [7.3]. Bei den Phasen mit H-Doppelketten kann man annehmen, dass direkte molekulare Desorption erfolgt, weil die H-Atome schon sehr nahe beieinander sind und nicht mehr zum Auffinden eines Reaktionspartners diffundieren m¨ussen. Damit gilt q = 1, was konsis¨ tent mit der konstanten Position der Maxima ist, sobald kein Uberlapp mit anderen Maxima mehr vorliegt. Man k¨onnte daraus schließen, dass die benachbarten Atome noch als Quasi-Molek¨ulverband vorliegen, d. h. bei h¨oherer Bedeckung gar keine Dissoziation stattgefunden hat. In einem Isotopenaustauschexperiment, d. h. dem gleichzeitigen Angebot von Wasserstoff- und Deuteriummolek¨ulen (H2 , D2 ) bei der Adsorption, zeigt sich jedoch bei der Desorption, dass neben H2 - und D2 -Molek¨ulen auch HD-Molek¨ule desorbieren, d. h. alle Molek¨ule sind bei der Adsorption dissoziiert. Mit q = 1 resultieren f¨ur die β-Phase (Tmβ = 210 K) und die α-Phase (Tmα = 135 K) die Energiewerte EAβ = 0,53 eV bzw. EAα = 0,33 eV, die gegen¨uber der γ-Phase reduziert sind. Offensichtlich erniedrigt sich die Bindungsenergie immer mehr, je n¨aher sich die Wasserstoffatome auch lateral kommen, was auf eine indirekte, d. h. substratvermittelte Wechselwirkung zwischen ihnen zur¨uckgef¨uhrt wird.

7.2 Ionenstreuung

7.2

153

Ionenstreuung

Bei Adsorption und Desorption haben die Teilchen thermische Energien ≪ 1 eV. Bei h¨oheren kinetischen Energien ist die Wechselwirkung grunds¨atzlich anders. Trifft ein Atom oder Ion mit einer Energie > 100 eV so kann der Prozess analog zur Zerst¨aubung (Abschnitt 3.2.4) in einem Zweierstoßmodell beschrieben werden. In Abb. 7.6a wird ein einfallendes Ion mit der Energie E0 und Masse M1 an einem Atom der Masse M2 gestreut. Aus Energie- und Impulserhaltung erh¨alt man f¨ur die kinetische Energie f¨ur das unter dem Winkel ϑ1 gestreute Ion E1 = E0

cos ϑ1 +

!2 p A2 − sin2 ϑ1 1+A

(7.6)

mit A = M2 /M1 .

(a)

(b)

M1 , E 0

M2

E1

ϑ1

Zahl der registrierten Ionen

F¨ur A < 1 ist der Streuwinkel ist durch sin2 ϑ1 < A2 begrenzt und es gibt eine weitere L¨osung mit einem Minuszeichen vor der Wurzel, die u¨ blicherweise keine Rolle spielt. In der Regel ist der Streuwinkel durch den experimentellen Aufbau fest vorgegeben. F¨ur ϑ = 90◦ ergibt sich der einfache Ausdruck E1 /E0 = (M2 − M1 )/(M2 + M1 ), (M2 > M1 ). Experimentell sind die bereits besprochenen Komponenten Ionenquelle (Abb. 3.3) und Energieanalysator (Abschnitt 5.1.2) erforderlich. He+ → Ni + 40 L O2 E0 = 1 keV, ϑ1 = 164°

Ni

O 200

400

600

Kinetische Energie E1 (eV)

800

Abb. 7.6: (a) Streuprozess im Zweierstoßmodell. (b) Ionenstreuspektrum.

Die Energie der gestreuten Ionen ist eine eindeutige Funktion der Masse der Oberfl¨achenatome M2 . Daher spricht man von Ionenstreuspektroskopie (engl. ion scattering spectroscopy: ISS). Als Beispiel ist in Abb. 7.6b ein Spektrum der Streuung von He+ -Ionen mit 1 keV Energie unter einem Streuwinkel von 164◦ an einer mit Sauerstoff bedeckten Nickeloberfl¨ache gezeigt. Man erkennt die Linien f¨ur die Streuung an Sauerstoff und Nickel bei den durch Gl. (7.6) bestimmten Energien. Die Massenaufl¨osung wird durch einen großen Streuwinkel verbessert. Meist werden Edelgas- oder Alkaliionen verwendet. Um die h¨aufig vorkommenden Verunreinigungen C oder O nachzuweisen, stehen bei Streuwinkeln ≥ 90◦ nur He+ bzw. Li+ zur Auswahl. Mit leichten Ionen lassen sich allerdings schwerere Atome nur schlecht unterscheiden. Bei kleineren Streuwinkeln kann auch Streuung an zwei Oberfl¨achenatomen hintereinander auftreten. Diese Doppelstreuereignisse f¨uhren zu zus¨atzlichen Strukturen im Ionenstreuspektrum. Ebenso k¨onnen direkt angestoßene Oberfl¨achenatome mit der Energie aus

154

7 Teilchenspektroskopien

Gl. (3.1) vom Spektrometer nachgewiesen werden, wenn diese beim Ausl¨osen ionisiert werden. Damit l¨asst sich auch Wasserstoff nachweisen. Diese zus¨atzlichen Prozesse k¨onnen durch Ver¨anderung des Streuwinkels identifiziert werden und spielen bei Streuwinkeln ≥ 90◦ keine wesentliche Rolle.

Die Oberfl¨achenempfindlichkeit der niederenergetischen Ionenstreuung (E0 < 5 keV) wird bestimmt durch den großen Streuquerschnitt und die hohe Neutralisationswahrscheinlichkeit f¨ur Ionen, die in tieferen Lagen gestreut werden. Quantitativ kann der Streuquerschnitt aus dem Streupotential bestimmt werden. Das Coulombpotential (∝ Z1 Z2 /r) multipliziert mit einer exponentiell abfallenden Abschirmfunktion ist eine gute N¨aherung f¨ur das Streupotential. Hierbei sind Z1 und Z2 die Kernladungszahlen von Ion bzw. Oberfl¨achenatom und r deren Abstand. Der Energie¨ubertrag an die Oberfl¨achenatome kann diese aus ihrer Kristallordnung bringen bzw. auch entfernen, wie es bei der Zerst¨aubung (Abschnitt 3.2.4) ausgenutzt wird. Die Strahlensch¨aden beim Ionenbeschuss k¨onnen minimiert werden durch Verwendung eines großen Strahlquerschnitts, niedriger Ionenenergien (E0 < 5 keV) und eines großen Massenverh¨altnisses, d. h. leichter Ionen. Die hohe Neutralisationswahrscheinlichkeit von Edelgasionen kann durch den Nachweis von gestreuten Neutralteilchen umgangen werden. Die Energieanalyse erfolgt dann u¨ ber die Flugzeit der Teilchen. Hierzu ist eine gepulste Ionenquelle einzusetzen. Eine Alternative bieten auch Alkaliionen, die zwar eine geringe Neutralisationswahrscheinlichkeit haben aber auch adsorbieren k¨onnen. Eine quantitative Analyse der Elemente an der Oberfl¨ache ist in der Regel nicht m¨oglich, da die Neutralisationswahrscheinlichkeit der Ionen von der elektronischen Umgebung der Oberfl¨achenatome abh¨angt. Zudem sind Streupotential und damit Streuquerschnitt nicht genau bekannt. Schließlich k¨onnen die Atome insbesondere in tieferen Lagen je nach Einfallsund Ausfallswinkel abgeschattet werden. Letztere Effekte k¨onnen aber auch zur Bestimmung der Oberfl¨achengeometrie ausgenutzt werden. F¨ur die quantitative Analyse mit Ionenstreuung gilt auch die Aussage von Abschnitt. 5.2.5: Je n¨aher die verwendeten Standards an der realen Probe sind, desto genauer werden die Ergebnisse! Eine weitere Form der Ionenstreung, die jedoch mit Ionenenergien von > 100 keV zur Elementanalyse im Volumen dient, wird als Rutherford-R¨uckstreuung (engl. Rutherford backscattering: RBS) bezeichnet. F¨ur Energien im MeV-Bereich erfolgt der Stoß (Impuls¨ubertrag) bei sehr kleinen Abst¨anden. Dann ist das (unabgeschirmte) Coulombpotential eine gute N¨aherung f¨ur das Streupotential und der Streuquerschnitt damit einfach zu berechnen. Zudem ist die Neutralisationswahrscheinlichkeit geringer als bei ISS. Wenn die Energie der r¨uckgestreuten Teilchen durch Pulsh¨ohenanalyse in einem Halbleiterdetektor nachgewiesen werden, wird zudem zwischen Ionen und Atomen nicht unterschieden. Durch die Energieverluste der viele Lagen eindringenden Ionen ergibt sich ein kontinuierliches R¨uckstreuspektrum das oberhalb der in Gl. (7.6) angegebenen Energie abbricht. F¨ur den Einfall der Ionen entlang offener kristallographischer Richtungen (Kan¨ale) dringen die meisten Ionen sehr tief in den Kristall ein (engl. channeling). Dann werden nur noch Ionen von der Oberfl¨ache ohne Energieverlust zur¨uckgestreut.

7.2 Ionenstreuung

155

Zum Abschluss haben wir uns mit der Wechselwirkung von Atomen, Molek¨ulen und Ionen mit Oberfl¨achen besch¨aftigt. Die thermische Desorptionsspektroskopie ist eine leistungsf¨ahige Methode, mikroskopische Parameter der Adsorption wie Bindungsenergien zu bestimmen. Die Komplexit¨at des Desorptionsprozesses l¨asst erahnen, dass der Ablauf chemischer Prozesse an Oberfl¨achen – wie bei der Katalyse – nur sehr schwer zu entschl¨usseln und zu verstehen ist. Die Wechselwirkung zwischen Oberfl¨achen und Ionen (oder Atomen) mit sehr viel h¨oherer als thermischer Energie ist von anderer Natur: Ein klassisches Zweierstoß-Modell beschreibt den Energie- und Impulsaustausch sofern die Energie der Ionen deutlich gr¨oßer als die Bindungsenergie der Oberfl¨achenatome ist. Mit der Ionenstreuung lassen sich dann sowohl Elemente identifizieren als auch die relative Anordnung von Atomen bestimmen.

Literatur 7.1

D. A. King, Surf. Sci. 47, 384 (1975).

7.2

W. Nichtl-Pecher, J. Gossmann, W. Stammler, G. Besold, L. Hammer, K. Heinz und K. M¨uller, Surf. Sci. 249, 61 (1991).

7.3

H. J. Kreuzer, Zhang Jun, S. H. Payne, W. Nichtl-Pecher, L. Hammer und K. M¨uller, Surf. Sci. 303, 1 (1994).

Weitere Literatur 7.4

Th. Fauster, Vacuum 38, 129 (1988).

7.5

J. W. Rabalais, Principles and Applications of Ion Scattering Spectrometry: Surface Chemical and Structural Analysis, Wiley-Interscience (Hoboken, NJ, 2003).

A.2

_

a3 a1

(0110)

_

(010)

a2 a1

c

(1100)

c

(110)

_

_

Oberfl¨achen von hcp-Kristallen

(1010)

A.1

_

Anhang

(100)

A

a2

Abb. A.1: F¨ur die Fl¨achen und Richtungen hexagonal dicht gepackter Kristalle werden meist 4 (statt 3) Indizes, (hkil), verwendet. Die damit einhergehende Redundanz der Beschreibung spiegelt sich in der Bedingung i = −h − k wider. Die Notation mit 3 (links) und 4 (rechts) Indizes sind f¨ur niedrigindizierte Fl¨achen gegen¨ubergestellt. F¨ur die hcp(0001)orientierten Fl¨achen (Deckfl¨achen senkrecht zur c-Achse) ist die Stapelfolge (AB). . .

Bestimmung von Ebenengruppen

Die f¨ur eine beobachtete Oberfl¨achenstruktur g¨ultige Ebenengruppein der Bezeichnungsweise nach Hermann-Mauguin kann nach dem Schema in Tabelle A.1 bestimmt werden. Wir verwenden dabei die Begriffe Spiegelebene und Gleitspiegelebene (statt Spiegellinie bwz. Gleitspiegellinie), da es sich bei einer Oberfl¨ache um ein auch vertikal ausgedehntes Gebilde handelt (Abschnitt 1.1.1). Bei der Bestimmung der Ebenengruppe wird wie folgt vorgegangen: Der erste Buchstabe (p oder c) gibt an, ob es sich um eine primitive oder zentrierte Struktur handelt. Die darauf folgende Zahl steht f¨ur die maximale Ordnung n der Rotationssysmmetrie (n = 1, 2, 3, 4, 6). Die restlichen zwei Symbole bezeichnen die Symmetrien (m = Spiegelebene, g = Gleitspiegelebene, 1 = keine Symmetrie) relativ zu einer der zwei Translationsrichtungen des Punktgitters an. Dabei wird f¨ur das erste der beiden Symbole die Richtung gew¨ahlt (Haupttranslationssrichtung), zu der eine Symmetrieebene (m oder g, wenn vorhanden, sonst 1) senkrecht steht (gilt dies f¨ur beide Translationsrichtungen, so wird eine davon ausgew¨ahlt). Das zweite der beiden Symbole (m oder g, wenn vorhanden, sonst 1) gibt eine Spiegel- bzw. Gleitspiegelebene an, die gegen die Haupttranslationsrichtung im Fall n > 2 um 180◦ /n rotiert oder parallel zu ihr ist. Sind beide Symbole 1, so werden sie weggelassen (z. B. p211 = p2). Dar¨uber hinaus gibt es die Kurzschreibweisen pm = p1m1, pg = p1g1, cm = c1m1, pmm = p2mm, pmg = p2mg, pgg = p2gg, cmm = c2mm, p4m = p4mm und p6m = p6mm.

158

Anhang

Tabelle A.1: Bestimmung der Ebenengruppe einer Oberfl¨achenstruktur. Maximale Ordnung n der Drehachsen

Spiegelebene? Ja

n=6

p6mm

Nein p6 ◦

p4

Weitere Spiegelebene unter 45 ?

n=4

Ja: p4mm

Nein: p4mg p3

Drehachsen, die nicht auf Spiegelebenen liegen?

n=3

Ja: p31m

Nein: p3m1

Spiegelebenen, die senkrecht aufeinander stehen? Gleitspiegelebenen? Drehachse nicht in Spiegelebene? Nein: p2mg Ja: p2gg Nein: p2 Ja: c2mm Nein: p2mm

n=2

Gleitspiegelebenen zwischen Spiegelebenen?

n=1

Ja: c1m1

A.3

Gleitspiegelebenen?

Nein: p1m1

Ja: p1g1

Brillouinzonen und Spiegelebenen

(fcc)

[001] X

M

M Γ

X

M

K

W

W U W

L

L

Γ

K

[110] S

K M’ [110] K M

Y S

L

K W

(bcc) X

[001] M Γ X

X

P

N

[112] H N H

P

H N

Γ

U X

Γ L K

P

[001] H

H

P [110] P

P N

P

H

N

N P

P N

P

H H

N

N Γ

P

N N P

H

Γ

N N P

P H

P H

P Γ

N

N

N

N N

[110] P

H

P

H N

W

LW

[111] K M K M [110] K M Γ M K M K M K

[010]

H

N

X

W

X

M

P

L

L

L

M [100]

[001]

W

L

X

Γ

X S Γ Y S

[110]

X L

X

K

X

W K L

X

W

M

M

[112]

W X U K

L

[111] K M’ K Γ M K M’

[010]

X

M [100]

W

X

H

Nein: p1

Brillouinzonen und Spiegelebenen

159

(hcp) K

M

K

[0001] M Γ

M K M [1010]

L H

K

L

H

L

H Γ

K M

K

H

H

L

L

M L

H

A

H

L

L

H

L

M

A L

L H

M

[1120]

L

A [0001]

L

H

H

L

L

K

L

L

H

H

K H M L

A

L

[1010]

L M K H H

Γ

M

L

H K

L M

H

L

Γ

H

M

L A Γ

L H M K

H

H

K

L

Γ

L [0001] K

[1120]

A

M

H

A

L

[1010]

K M K [1120] M

H

H L

H

L

K

L H

Abb. A.2: Oberfl¨achen- und Volumenbrillouinzonen f¨ur das kubisch fl¨achenzentrierte Gitter (fcc), kubisch raumzentrierte Gitter (bcc) und hexagonal dicht gepackte Gitter (hcp). F¨ur das hcp-Gitter wird im reziproken Raum die Bezeichnung mit 4 Indizes aus Abschnitt A.1 u¨ bernommen. Spiegelebenen sind schattiert gezeichnet.

fcc (001)

X

X X

Γ [110]

X

X

X Γ K W X W X X K W X W K

Γ

H H

N H

N H

Γ [110]

N

L

L Γ

Γ [111] L

X

X U

M

X

L

M

Γ

L

L X

Γ K

L

Y

L

X

Γ [110]

Γ

Y

N

H X

N H

Γ N

bcc (110)

[001] Γ M

Γ

N H

N

M

H

Γ

H N

X

M [111] Γ M

N

N

N Γ

Γ N

N H

Γ

Γ [100]

N H

N

N

X

fcc (110)

M

bcc (001) N

M

Γ

[001] Γ X

Γ

X

Γ

X

X

Γ [100] X

Γ N

H

N

P

P

P

N Γ

N Γ

N

N H Γ [110] H

Abb. A.3: Spiegelebenen der kubisch fl¨achen- und raumzentrierten Gitter im erweiterten Zonenschema. Die (001) Spiegelebene enth¨alt nur Richtungen (hk 0) mit drittem Index Null. Die (110) Spiegelebene enth¨alt nur Richtungen (hhl), bei denen die ersten zwei Indizes gleich sind. Gestrichelte Linien zeigen die Grenzen der Oberfl¨achenbrillouinzonen niedrig-indizierter Oberfl¨achen. Die schattierten Fl¨achen entsprechen denen in Abb. A.2.

160

Anhang

Kinetische Energie (eV)

3000

Th U

Energien f¨ur Auger¨uberg¨ange Be Li C B O N Ne F Mg Na Si Al S P Ar CI Ca K Ti Sc Cr V Fe Mn Ni Co Zn Cu Ge Ga Se As Kr Br Sr Rb Zr Y Mo Nb Ru Rh Pd Ag Cd In Sn Sb Te I Xe Cs Ba La Ce Pr Nd Pm Sm Eu Gd Tb Dy Ho Er Tm Yb Lu Hf Ta W Re Os Ir Pt Au Hg TI Pb Bi

A.4

2500

KLL

MNN

LMM

2000

1500

1000

NOO 500

0 0

10

20

30

40

50

60

70

80

90

100

Kernladungszahl Z ¨ Abb. A.4: Ubersicht der wichtigsten Auger¨uberg¨ange der Elemente. Die Gr¨oße der Symbole ist ein ¨ Maß f¨ur die Intensit¨at der jeweiligen Uberg¨ ange.

Weiterf¨uhrende Literatur F. Bechstedt, Principles of Surface Physics, Springer (Berlin 2003). G. Bracco and B. Holst, Surface Science Techniques, Springer (London 2013). L. J. Brillson, Surfaces and Interfaces of Electronic Materials, Wiley-VCH (Berlin 2010). Y.-W. Chung, Practical Guide to Surface Science and Spectroscopy, Academic Press (San Diego, CA, 2001). J. Dabrowski and G. M¨ussig, Silicon Surfaces and Formation of Interfaces: Basic Science in the Industrial World, World Scientific (Singapore 2000). M.-C. Desjonqu`eres and D. Spanjaard, Concepts in Surface Physics, Springer 2. Aufl., (Berlin 2008). G. Ertl, Reactions at Solid Surfaces, Wiley (Hoboken, NJ, 2009). G. Ertl and J. K¨uppers, Low Energy Electrons and Surface Chemistry, 2. Aufl., VCH (Weinheim 1985). A. Gross, Theoretical Surface Science: A Microscopic Perspective, 2. Aufl., Springer (Berlin 2009). V. E. Henrich, The Surface Science of Metal Oxides, Cambridge University Press (Cambridge 1996). M. Henzler und W. G¨opel, Oberfl¨achenphysik des Festk¨orpers, 2. Aufl., Teubner (Stuttgart 1994). P. Hofmann, Surface Physics: An Introduction (2013), www.philiphofmann.net/Philip Hofmann/SurfacePhysics.html. J. B. Hudson, Surface Science: An Introduction, Wiley (New York, NY, 1998). H. Ibach, Physics of Surfaces and Interfaces, Springer (Berlin 2006). E. A. Irene, Surfaces, Interfaces, and Films for Microelectronics, Wiley-Interscience (Hoboken, NJ, 2008). K. K. Kolasinski, Surface science: foundations of catalysis and nanoscience, 3. Aufl., Wiley (Chichester 2012). H. L¨uth, Solid surfaces, interfaces and thin films, 5. Aufl., Springer (Berlin 2010). W. M¨onch, Semiconductor surfaces and interfaces, 3. Aufl., Springer (Berlin 2001). A. Nilsson, L. G. Pettersson, and J. Norskov, Chemical bonding at surfaces and interfaces, Elsevier (Amsterdam 2008). K. Oura, V. G. Lifshits, A. A. Saranin, A. V. Zotov, and M. Katayama, Surface Science: An Introduction, Springer (Berlin 2003). M. Prutton, Introduction to Surface Physics, Oxford University Press (Oxford 1994).

162

Weiterf¨uhrende Literatur

G. A. Somorjai and Y. Li, Introduction to surface chemistry and catalysis, 2. Aufl., Wiley (Hoboken, NJ, 2010). J. C. Vickerman and I. S. Gilmore (Hrsg.), Surface Analysis: The Principal Techniques, 2. Aufl., Wiley (Chichester 2009). K. Wandelt, Surface and Interface Science, Wiley-VCH (Berlin 2012). D. P. Woodruff and T. A. Delchar, Modern Techniques of Surface Science, 2. Aufl., Cambridge University Press (Cambridge 1994). A. Zangwill, Physics at Surfaces, Cambridge University Press (Cambridge 1988).

Abk¨urzungen Akronym Englischer Ausdruck

¨ Deutsche Ubersetzung

2PPE AES AFM ARUPS bcc CITS DFT DIET

Zweiphotonen-Photoemission Augerelektronenspektroskopie Rasterkraftmikroskop Winkelaufgel¨oste UPS kubisch raumzentriert Abbildende Tunnelstromspektroskopie Dichtefunktionaltheorie Desorption induziert durch ¨ elektronische Uberg¨ ange elektrochemisches STM Energieverteilungskurve Elektronen-Energieverlustspektroskopie Elektronenspektroskopie zur chemischen Analyse Elektronenstimulierte Desorption Erweiterte R¨ontgenabsorptionsfeinstruktur kubisch fl¨achenzentriert frequenzmoduliertes AFM Heliumatom-Streuung hexagonal dicht gepackt Inelastische mittlere freie Wegl¨ange Inverse Photoemission Ionenstreuspektroskopie h¨ochstes besetztes Molek¨ulorbital Hochaufl¨osende EELS Kelvinsonden-Kraftmikroskopie Beugung langsamer Elektronen niedrigstes unbesetztes Molek¨ulorbital Impulsverteilungskurve magnetische Kraftmikroskopie Monolage Nahkanten-R¨ontgenabsorptionsfeinstruktur Photodesorption Photoelektronenbeugung Photoelektronen-Emissions-Mikroskop Phasenregelschleife

EC-STM EDC EELS ESCA ESD EXAFS fcc FM-AFM HAS hcp IMFP IPE ISS HOMO HREELS KPFM LEED LUMO MDC MFM ML NEXAFS PD PED PEEM PLL

TWO-Photon PhotoEmission Auger Electron Spectroscopy Atomic Force Microscope Angle-Resolved UPS body-centered cubic Current Imaging Tunneling Spectroscopy Density Functional Theory Desorption Induced by Electronic Transitions ElectroChemical STM Energy Distribution Curve Electron Energy Loss Spectroscopy Electron Spectroscopy for Chemical Analysis Electron Stimulated Desorption Extended X-ray Absorption Fine Structure face-centered cubic Frequency-Modulated AFM Helium Atom Scattering hexagonal close-packed Inelastic Mean Free Path Inverse PhotoEmission Ion Scattering Spectroscopy Highest Occupied Molecular Orbital High-Resolution EELS Kelvin Probe Force Microscopy Low-Energy Electron Diffraction Lowest Unoccupied Molecular Orbital Momentum Distribution Curve Magnetic Force Microscopy MonoLayer Near Edge X-ray Absorption Fine Structure PhotoDesorption Photo-Electron Diffraction PhotoElectron Emission Microscope Phase-Locked Loop

164 PSD RBS RHEED

Photon-Stimulated Desorption Rutherford BackScattering Reflection High-Energy Electron Diffraction SCLS Surface Core-Level Shift SEXAFS Surface EXAFS SNOM Scanning Near-field Optical Microscope SPALEED Spot Profile Analysis by LEED STM Scanning Tunneling Microscope STS Scanning Tunneling Spectroscopy SXRD Surface X-Ray Diffraction TDS Thermal Desorption Spectroscopy TEM Transmission Electron Microscopy TPD Temperature-Programmed Desorption UHV UltraHigh Vacuum UPS Ultraviolet Photoelectron Spectroscopy UV UltraViolet VUV Vacuum UltraViolet XANES X-ray Absorption Near Edge Structure XPS X-ray Photoelectron Spectroscopy

Abk¨urzungen Photonenstimulierte Desorption Rutherford-R¨uckstreuung Beugung hochenergetischer Elektronen in Reflektion Oberfl¨achen-Rumpfniveauverschiebung Oberfl¨achen-EXAFS Raster-Nahfeld optisches Mikroskop Reflexprofilanalyse durch LEED Rastertunnelmikroskop Rastertunnelspektroskopie Oberfl¨achenr¨ontgenbeugung Thermische Desorptionsspektroskopie Transmissionselektronenmikroskopie Temperaturgesteuerte Desorption Ultrahochvakuum UV-Photoelektronenspektroskopie Ultraviolett Vakuum-Ultraviolett R¨ontgenabsorption-Nahkantenstruktur R¨ontgen-Photoelektronenspektroskopie

Index Abklingl¨ange, 133 Adh¨asion, 142 Adsorbatzustand, 30 Adsorption, 42 dissoziative, 43 Adsorption,experimentell, 63 Adsorptionsplatz, 44 Adsorptionsrate, 42 AFM, 138 dynamisches, 139 Frequenzmodulation, 140 intermittent-contact, 140 jump-to-contact, 142 Kontakt-, 139 non-contact, 140 tapping-mode, 140 Analysatoren, 93 Antiphasendom¨anen, 12, 72 assoziative Desorption, 147 Atombeugung, 67, 84 Atomstreuung, 84 Aufl¨osungsverm¨ogen Kontakt-AFM, 139 non-contact AFM, 140 STM, 134 STS, 136 Augerelektronenspektroskopie, 102 Augerspektren Linienform, 104 Austrittsarbeit, 30, 113, 132 lokal, 32, 133 Auswahlregeln Photoemission, 115 Schwingungsspektroskopie, 118

Volumen-, 25 projizierte, 24 Spektroskopie, 111 Barriere Aktivierungs-, 42 Desorptions-, 44 Diffusions-, 43 Ehrlich-Schw¨obel-, 47, 49 Basisvektoren primitive, 4 reziproke, 22, 70 Beugung, 68 Atom-, 84 Helium-, 84 hoch-energetischer Elektronen, siehe RHEED kinematisch, 68 langsamer Elektronen, siehe LEED Beugungsreflex, 74 Bildladung, 28, 119 Bildpotential, 28 -zustand, 28, 114 Bindungsenergie bei Chemisorption, 44 bei Physisorption, 43 eines Adsorbats, 45 inneren Schalen, 98 Blochtheorem, 20 Born-Oppenheimer-N¨aherung, 32, 118 Bravais-Gitter, 5 Brillouinzone Oberfl¨achen-, 22, 159 Volumen-, 23, 159 Br¨uckenplatz, 9, 44

Bandl¨ucke, 24 Halbleiter, 28 Phononen, 35 Bandstruktur komplexe, 25 Oberfl¨achen-, 20

Channelplate, 95 Channeltron, 94 Chemisorption, 44, 124 dangling bonds, 15, 27, 45 Debye-Waller-Faktor, 73, 86

166 Delokalisierung, 45 Desorption assoziative, 147 elektronenstimuliert, 45 isotherme, 145 molekulare, 147 photonenstimulierte, 45 rekombinative, 147 temperatur-programmierte, 145 thermische, 45, 145 Desorptionsordnung, 146 Desorptionsrate, 45, 145 relative, 145 Diffusion, 46 Diffusionsbarriere, 46, 47 Diffusionskoeffzient, 47 Diffusionsl¨ange, 47, 49 Diffusionsrate, 46 Dipoloperator, 115 Dipolstreuung, 118, 119 Dispersionsrelation Oberfl¨achenzust¨ande, 27, 109 Phononen-, 33 Volumenb¨ander, 25 Dissoziation, 45 Drehachsen, 7, 158 Drei-Stufenmodell, 111 Ebenengruppen, 7, 157 Ehrlich-Schw¨obel-Barriere, 47, 49 Elektronenlinse, 90, 93, 117 Elektronenquelle, 90 Elektronenspektrometer, 93 Elektronenspektroskopie, 89 Elektronenvervielvacher, 94 Elementanalyse, 105 Energieanalysatoren, 93 Energieaufl¨osung Elektronenspektrometer, 94 Gasentladungsr¨ohre, 92 R¨ontgenquelle, 91 Synchrotronstrahlung, 93 Energieverlust an Schwingungsmoden, 117 durch Plasmonenanregung, 40 von Elektronen, 37 Epitaxie, 50 Hetero-, 64 Homo-, 51, 64

Index Molekularstrahl-, 48 evaneszente Welle, 71 Ewald-Kugel, 71 Facette, 3 Feinstruktur der R¨ontgenabsorption, siehe SEXAFS Filmmorphologie, 49 Filmorientierung, 50 Filmwachstum, 48, 64 DDA-Modell, 50 epitaktisches, 50 polykristallines, 50 pseudomorphes, 51 Formfaktor, 70 Franck-Condon-Prinzip, 46 Gasangebot, 63 Gasentladungsr¨ohre, 92 Gasphasenabscheidung chemisch, 64 Gepulste Laserdeposition, 65 Gitter, 5 reziprokes, 70 Gitterfaktor, 70 Gittervektoren reziproke, 21, 70 Gleitspiegelebenen, 7, 158 Gleitspiegellinien, 7, 158 Haftkoeffizient, 43, 64 Heizen von Kristallen, 59 Heliumbeugung, 67, 84 Heteroepitaxie, 64 Homoepitaxie, 51, 64 Hysterese von Piezomaterialien, 129 ¨ inkommensurable Uberstruktur, 11 inneres Potential, 80, 111 Inseldichte, 50 Inselwachstum, 49 Instabilit¨at AFM, 142 Interferenzmethode, 67 Intralagenrelaxation, 13 Inverse Photoemission, 113 Ionenquelle, 62 Ionenstreuung, 153

Index isotherme Desorption, 145 Isotopenaustauschexperiment, 152 Katalysator, 45 Keimbildung, 49 Kelvin-Sonde, 31, 143 kinematische Beugung, 68 Kinetik, 47 kinetisch limitiert, 47, 48 Koh¨arenz, 76 Koh¨arenzbereich, 76 Koinzidenzstruktur, 10 Korngrenze, 50 Kraft Haft-, 143 magnetische, 143 Reibungs-, 143 van-der-Waals-, 43, 141 Lagenrelaxation, 12 Laue-Bedingung, 70 LEED, 67, 74 -Bild, 76 -Optik, 74 -Strukturbestimmung, 78 Leitf¨ahigkeit differentielle d. Tunnelkontakts, 136 Lichtzeigerdetektion, 138 Linienform Augerspektren, 104 Miller-Indizes, 4 Modulationstechnik, 95 Moir´estruktur, 52 Molek¨ulorbital (anti-)bindendes, 45 HOMO, 44 LUMO, 44 Molek¨ulschwingungen, 117 molekulare Desorption, 147 Molekularstrahlepitaxie, 48 Morphologie, 3 Mosaik-Struktur, 3 Muldenplatz, 9, 44 Multilagenrelaxation, 12 Nanostrukturierung, 52 selbstorganisierte, 53 Neutralisationswahrscheinlichkeit, 154

167 Nukleation, 49 Oberfl¨ache vizinal, 8 Oberfl¨achenbandstruktur, 20 Oberfl¨achenbrillouinzone, 22, 35, 159 Oberfl¨acheneinheitszelle, 4 Oberfl¨achenkristallographie, 4 Oberfl¨achenmode extrinsische, 35 intrinsische, 35 Oberfl¨achenplasmon, 39 Oberfl¨achenr¨ontgenbeugung, 82 Oberfl¨achenrekonstruktion, 4, 14 Oberfl¨achenrelaxation, 4, 12 Oberfl¨achenschwingungen, 32 Spektroskopie, 117 Oberfl¨achenzustand, 26 extrinsischer, 26 intrinsischer, 26 phononischer, 35 Spektroskopie, 109 optisches Potential, 80 Phononen, 32, 117 Phononendispersion, 33, 121 Photoelektronenbeugung, 67 Photoelektronenspektroskopie R¨ontgen-, 97 Ultraviolett-, 109 Photoemission, 108 Bindungsenergie, 98 Einphotonen-, 108 Inverse, 113 winkelaufgel¨ost, 108 Wirkungsquerschnitt, 99 Zweiphotonen-, 113 Physisorption, 43 Piezoelement, 129 Plasmon, 39 Oberfl¨achen-, 39 Volumen-, 39 Polanyi-Wigner-Gleichung, 45, 146 Potential chemisches, 42 elektrochemisches, 44 inneres, 80, 111 optisches, 80 Prim¨arelektronen, 38

168 primitive Basisvektoren, 4 primitive Struktur, 7 projizierte Volumenbandstruktur, 24 Punktgitter, 5 Quantentrogzustand, 29 Rasterkraftmikroskop, siehe AFM Rastersondenmikroskop, 127 Rastertunnelmikroskop, siehe STM Rastertunnelspektroskopie, 135 Ratenkonstante, 146 Rauigkeitsgrad, 3 Rayleigh-Mode, 35, 122 Reflexprofil, 76 Reflexprofilanalyse, 78 Reinigen chemisch, 61 rekombinative Desorption, 147 Rekonstruktion, 14 adsorbatinduziert, 4, 14, 19 displazive, 15 Relaxation adsorbatinduziert, 4, 14 Intralagen-, 13 Multilagen-, 12 Relaxationsprofil, 12 Resonanzstreuung, 118 Restgas, 58 reziproke Gitterstangen, 70 reziprokes Gitter, 70 RHEED, 82, 93, 97 R¨ontgen-Photoelektronenspektroskopie, 97 R¨ontgenabsorption, siehe SEXAFS R¨ontgenbeugung, 67, 82 R¨ontgenfluoreszenz, 103 R¨ontgenquellen, 91 Rotationsdom¨anen, 12 Rumpfniveauverschiebungen, 100 Rutherford-R¨uckstreuung, 154 Satellitenlinien Gasentladungsr¨ohre, 92, 112 Plasmonen-, 40 R¨ontgenquellen, 91, 99 Schichtdickenbestimmung mit RHEED, 82 mit Schwingquarz, 65

Index Schichtwachstum, siehe Filmwachstum Sekund¨arelektronen, 38 -Emissionskoeffizient, 38 Selbstorganisation, 53 SEXAFS, 67, 85 Shockley-Zustand, 27, 109, 131, 136 Smoluchowski-Gl¨attung, 13, 31, 84 Spalten von Kristallen, 59 Spektrometer, 93 Gegenfeld-, 74, 95 Kugelsektor-, 93 Zylindersektor-, 93, 118 Zylinderspiegel-, 93 Spiegelebenen, 7, 23, 158 Spiegellinien, 7, 158 Sprungrate, 46 STM, 128 Topographie, 129, 130 Stoßstreuung, 118, 120 Struktur primitive, 7 zentrierte, 7 Strukturbestimmung, 67 Strukturfaktor, 70 Stufe, 3, 8 Stufenflusswachstum, 49 Synchrotronstrahlung, 93 Tamm-Zustand, 27 Temperatur-programmierte Desorption, 145 Tersoff-Hamann-Modell, 133 Thermische Desorptionsspektroskopie, 145 Tiefenverteilung, 107 Topographieaufnahme AFM, 139 STM, 130 Topplatz, 9, 44 Tr¨agheitsantrieb, 129 Transferbreite, 76 Tribologie, 143 Tunnelbarriere, 132 Tunnelkontakt, 133 Tunnelprozess, 132 Tunnelstrom, 132 ¨ Ubergitter, 8 einfach, 9

Index kommensurabel, 10 ¨ Uberstruktur, 8 bei LEED, 76 bei R¨ontgenbeugung, 83 einfach, 9 inkommensurabel, 11 kommensurabel, 10, 51 Matrixschreibweise, 10 Wood-Notation, 9 Ultrahochvakuum, 58 Vakuum-Ultraviolett, 92 Verdampfen durch Zerst¨auben, 65 mit Lasern, 65 thermisch, 64 Versuchsfrequenz, 45, 46, 146 vizinale Oberfl¨ache, 8 Volumenbrillouinzone, 23, 159 Volumenplasmon, 39 Wachstum Frank-van-der-Merwe-, 49 Stranski-Krastanov-, 49 Stufenfluss-, 49 Vollmer-Weber-, 49 Wachstumsparameter, 51 Wasserstoffbr¨uckenbindung, 52, 124 Wegl¨ange mittlere freie, 40 universelle Kurve, 41 Wellenzahlvektoren, 21 Wirkungsquerschnitt Dipolstreuung, 119 Photoemission, 99 Rumpfniveau-Anregung, 103 zentrierte Struktur, 7 Zerst¨auben, 61, 65, 154 Zerst¨aubungsausbeute, 61 Zufallsbewegung, 47 Zustand metastabiler, 48 Zustandsdichte lokale, 134, 136 Zweiphotonen-Photoemission, 113

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