Physica status solidi: Band 1, Heft 2 1961 [Reprint 2021 ed.] 9783112500101, 9783112500095


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German Pages 116 [118] Year 1962

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Physica status solidi: Band 1, Heft 2 1961 [Reprint 2021 ed.]
 9783112500101, 9783112500095

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plrysica status solidi

BAND 1 • HEFT 2 • 1961

physica status solidi Herausgeber K. W. B Ö E R , Berlin, W. F R A N Z , Hamburg, P. G Ö R L I C H , Jena, E. G R I L L O T , Paris, R. K A I S C H E W , Sofia, P. T. L A N D S B E R G , Cardiff, A. P I E K A R A , Poznan, N. R I E H L , München, A. S E E G E R , Stuttgart, 0 . S T A S I W , Berlin, M. S T E E N B E C K , Jena, F. S T Ö C K M A N N , Karlsruhe, G. S Z I G E T I , Budapest, J. T A U C , Praha

Schriftleiter K. W. B Ö E R , Berlin

Band 1 • Heft 2 • Seite 95—188 und K33 — K 4 8 1961

A K A D E M I E - V E R L A G

B E R L I N

Bezugsmöglichkeiten Albanien:

N D E R M A R J A S H E T N O R E B O T I N E V E , Tirana

Bulgarien:

RAZNOIZOS, Sofia, Rue Tzar Assen 1

CSSR:

ARTIA AG, Praha II, Ve Smeckäch 30

Deutschland:

AKADEMIE-VERLAG GmbH., Berlin W 8, Leipziger Straße 3—4 oder Buchhandlung K U N S T U N D W I S S E N , Erich Bieber, Stuttgart S, Wilhelmstr. 4/6

Österreich:

GLOBUS-Buchvertrieb, Wien I, Salzgries 16

Polen:

CHZ Prasa i Ksiazka, Warszawa, ul. Koszykowa 31

Rumänien:

CARTIMEX, Bukarest, Strada A. Briand 14—18

UdSSR:

M e H t a y H a p o H H a n KHHra, M o c K B a , cMOJieHCKan CeHHaH IUI. 32—34

Ungarn:

KULTURA : Ungarisches Außenhandelsunternehmen für Bücher und Zeitungen, Budapest 62, P. 0 . B. 149

Alle übrigen Länder:

Deutscher Buch-Export und Import GmbH Leipzig C 1, Postschließfach 276

Schriftleiter und verantwortlich f ü r den I n h a l t : Professor Dr. K . W. B ö e r , Berlin-Spandau, Schnepfenreuther Weg 27a, F e r n r u f : 37 14 27. Anschrift der Schriftleitung: Berlin C 2, Neue Schönhauser Str. 20, Fernruf: 42 33 80. Verlag: Akademie-Verlag GmbH Berlin W 8 , Leipziger Str. 3—4, Fernruf: 220441, Telex-Nr. 011773, Postscheckkonto: Berlin 35021. — Die Zeitschrift „physica status solidi" erscheint monatlich; Bezugspreis dieses Heftes DM 6,—. Bestellnummer dieses H e f t e s : 1068/1/2. Gesamtherstellung: V E B Druckerei „Thomas M ü n t z e r " Bad Langensalza. — Veröffentlicht unter der Lizenznummer Z L N 5536 des Ministeriums f ü r K u l t u r . Printed in Germany.

Inhaltsverzeichnis 1. Zusammenlassender Bericht

Seite

N . R I E H L u n d R . SIZMAKN

Wirkungen hochenergetischer Bestrahlung auf Phosphore, Teil I .

97

On suggested simplifications of Caratheodory's Thermodynamics .

120

2. Originalarbeiten P.

T.

LANDSBERG

M . SCHÖN, J . KNOBLOCH u n d K . L U C H N E R

Kontinuierliche Messungen der Kapazitäts- und Güteänderung von Kondensatoren mit pulverförmigen photoleitenden Phosphoren als Dielektrikum

127

M . BOCEK u n d K . VACEK

Über einige Kennzeichen der Ähnlichkeit im plastischen Verhalten von Ionen- und Metallkristallen E.

GUTSCHE

Über die elastischen Eigenschaften von Kristallgittern mit Wurtzitstruktur, Teil I I

H.

KABRAS

135

147

Modellvorschläge für einige Absorptionsbanden verfärbter und unverfärbter Strontiumfluoridkristalle

160

K . W . B Ö E R , H . - J . H Ä N S C H , U . KÜMMEL, H . LANGE u n d E . N E B A U E R

Vorprozesse des Wärmedurchschlages, Teil I G.

KSOLL

169

Über die Bestimmung des Konzentrationsprofils von Diffusionsschichten in Silizium aus Schichtleitfähigkeitsmessungen . . . .

181

3. Kurze Originalmitteilungen Das Inhaltsverzeichnis dieses Teils befindet sich auf der letzten Seite des Heftes.

4. Vorabdruck der Titel und Abstracts von Originalarbeiten, die in den folgenden Heften dieser Zeitschrift oder in „OnaHFta Tßepjjoro T e j i a " (Fizika Tverdogo Tela) erscheinen.

Zusammenfassender Laboratorium

für technische Physik,

Technische

Bericht Hochschule

München

Wirkungen hochenergetischer Bestrahlung auf Phosphore (I) Von N . R I E H L u n d R . SIZMANN

1. Einleitung Die Veränderung verschiedener Pestkörper-Eigenschaften unter der Einwirkung von Bestrahlung mit hochenergetischen Strahlen (Neutronen, y-, ß-, a-Strahlen, Protonen usw.) wird heutzutage auf breitester Basis untersucht. (Vgl. die im Literaturverzeichnis angeführten zusammenfassenden Berichte über das Gebiet.) Die Gesichtspunkte und Fragestellungen bei solchen Untersuchungen sind recht verschiedener Art: teils handelt es sich um praktisch-technische Prägen im Zusammenhang mit dem Verhalten von Reaktor-Materialien im Strahlenfeld, teils um dosimetrische Zielsetzungen u. a. m. Daneben aber kann man in derartigen Untersuchungen auch ein Forschungsmittel der Pestkörperphysik als solcher sehen, d. h. man kann versuchen, aus den infolge Bestrahlung eingetretenen Eigenschaftsveränderungen gewisse Rückschlüsse auf die strukturellen und energetischen Eigenheiten des zur Bestrahlung gelangenden Festkörpers zu ziehen. So gesehen, ist diese Arbeitsrichtung nicht nur ein praktisches Spezialerfordernis der technischen Kernphysik, sondern auch ein eigenes Forschungsgebiet der Festkörperphysik. Es sind insbesondere die sogenannten strukturempfindlichen, mit Fehlordnungen zusammenhängenden Eigenschaften, die bei Bestrahlung von Festkörpern beeinflußt werden, denn es ist ja der Fehlordnungszustand, der durch die Bestrahlung erhöht bzw. verändert wird. Da es sehr viele strukturempfindliche Festkörpereigenschaften gibt, so wirkt sich die Bestrahlung in sehr vielfältiger Weise aus: im mechanischen Verhalten des Körpers, im elektrischen, im optischen usw. Die Lumineszenz gehört zu den besonders fehlordnungsempfindlichen, ja oft sogar fehlordnungsbedingten Eigenschaften. Deswegen erhält man schon mit relativ geringen Bestrahlungsdosen sehr gut beobachtbare Änderungen der Lumineszenzfähigkeit. Die Zerstörung der Lumineszenzfähigkeit war daher seinerzeit die erste Bestrahlungswirkung bei Festkörpern, welche quantitativ und gut reproduzierbar untersucht werden konnte. Das hier zu behandelnde experimentelle und theoretische Material kann nach zwei verschiedenen Gesichtspunkten unterteilt werden. Man kann die Effekte nach der Art der einwirkenden Strahlung gruppieren und hierbei insbesondere die folgenden zwei Gruppen unterscheiden. 1. Effekte, die auf elastischen Zusammenstößen des hochenergetischen Teilchens mit den Gitteratomen beruhen und mit dem Herausschlagen dieser Atome aus ihren normalen Gitterplätzen zusammenhängen. 2. Effekte, die auf der Wechselwirkung der hochenergetischen Strahlung mit den Elektronen des Festkörpers beruhen. Diese Prosesse können sogenannte strahlenchemische Wirkungen nach sich ziehen oder zumindest den Ladungszustand der Gitterbausteine verändern. Manchmal tritt infolge des veränderten Ladungszustandes eine Verlagerung des ganzen Bausteines auf einen anomalen Platz ein; in diesem letzteren Fall kann also im Endeffekt eine Störstelle Zustandekommen, die den unter 1. angeführten Störstellen wesensgleich ist. 7*

98

N. RIEHL u n d R.

SIZMANN

Man kann aber den zu behandelnden Stoff auch nach den einzelnen typischen Gruppen von Phosphoren aufgliedern. Als physikalisch begründbar ergibt sich dann eine Aufteilung nach folgenden Gruppen: 1. Typische Kristallphosphore,

wie etwa Zinksulfid und dgl.

2. Phosphore, deren Grundsubstanz ein Salz mit einem sauerstoffhaltigen Anion ist (oxygen-dominated phosphors). Hierzu gehören Silikate, Germanate, Sulfate, Borate usw. (meist mit Mn 2+ aktiviert) sowie auch — mit einem gewissen Vorbehalt — Wolframate und Molybdate (der Vorbehalt bezieht sich auf den Umstand, daß es sich bei den letzteren um Reinstoff phosphore handelt, deren Lumineszenzfähigkeit dem Anion der Grundsubstanz selbst eigen ist). 3. Halogenidphosphore mit und ohne Fremdstoff-Aktivator. 4. a) Organische Phosphore, insbesondere die lumineszenzfähigen MolekülKristalle wie Anthracen u. dgl. b) Organische Phosphore auf Hochpolymerbasis (etwa Polystyrol mit Beimischung lumineszenzfähiger organischer Fremdstoffmoleküle). Wir halten eine Aufteilung des experimentellen Tatsachenmaterials nach dem letztgenannten Aufgliederungsprinzip, d. h. nach den charakteristischen PhosphorGruppen für die günstigste. Dies um so mehr, als jede dieser Gruppen gewisse physikalische Eigenheiten aufweist, und zwar sowohl hinsichtlich der Natur des Erregungs- und Leuchtmechanismus, als auch hinsichtlich der Natur der lumineszenz-zerstörenden Prozesse. Bei allen organischen Phosphoren, zum Beispiel, haben wir es mit überwiegend strahlenchemischen Wirkungen der Bestrahlung auf die Substanz zu tun (Spaltung chemischer Bindungen und nachfolgende Dunkelreaktionen). Bei Halogenidphosphoren spielt die Wechselwirkung der hochenergetischen Strahlung mit den Elektronen des Festkörpers ebenfalls eine große Rolle, insbesondere, wenn man das fast uferlose Gebiet der Verfärbungserscheinungen mit einbeziehen will. Bei den typischen Kristallphosphoren, wie Zinksulfid, überwiegt (zumindest bei Bestrahlung mit schweren Teilchen, wie a-Strahlen, Neutronen usw.) die Fehlordnungserzeugung durch elastische Zusammenstöße mit den Gitteratomen, d. h. Frenkeldefektbildung u. dgl. Auch die Natur der Abnahme der Lumineszenzfähigkeit hat hier eigene, charakteristische Züge, denn sie beruht auf der Wirkung von durch Bestrahlung erzeugten tiefen Elektronentraps. Wir wollen im folgenden Kap. 2 zunächst die allgemeinen theoretischen Grundlagen der Wechselwirkung zwischen hochenergetischen Teilchen und Gitterbausteinen bringen. Die Theorie ist überwiegend für Gitter entwickelt, die aus gleichartigen Atomen aufgebaut sind (wie es bei reinen Metallen der Fall ist). In einem nächsten Kapitel (Kap. 3) bringen wir dann eine Ausweitung der Rechnungen auf ein Gitter, das aus zwei Sorten von Atomen aufgebaut ist (AB-Verbindungen). Diese Ausweitung erlaubt schon eine Anwendung auf Phosphore vom AB-Verbindungstyp (also auf ZnS und CdS). Sodann gehen wir zur Besprechung der Bestrahlungsergebnisse an den verschiedenen Phosphor-Gruppen Über, wobei wir uns im vorliegenden ersten Teil des Berichts auf die Kristallphosphore des ZnS- und CdS-Typs beschränken wollen (Kap. 4 und 5). Über diese Phosphore liegt schon recht viel quantitatives experimentelles Material vor, und überdies ergeben sich bei ihnen quantitative Deutungsmöglichkeiten für die Bestrahlungseffekte.

Wirkungen hochenergetischer Bestrahlung

99

2. Allgemeine Grundlagen der zerstörenden Wirkung hochenergetischer Strahlung auf Festkörper a) Arten der primären Strahlenwirkung

Bei Bestrahlung von Festkörpern mit hochenergetischen Teilchen gibt es drei verschiedene Möglichkeiten von primären Wechselwirkungen: a) die Stoßwechselwirkung mit den Atomen; b) die Wechselwirkung mit den Elektronen (Ionisation, Elektronenanregung); c) die Erzeugung von Fremdatomen durch Kernumwandlungen. — Schnelle geladene Teilchen geben sowohl durch Ionisation als auch durch elastische Zusammenstöße mit den Atomen Energie ab. Schnelle Neutronen übertragen dagegen als ungeladene Teilchen nur durch elastische Stöße kinetische Energie. Röntgen- und Gamma-Strahlen können durch Photo-, Compton- oder Paarbildungsprozesse schnelle Elektronen erzeugen, so daß auch hier schließlich die Wirkung einer hochenergetischen Korpuskularstrahlung resultiert. Wir werden uns hier zunächst vorwiegend mit den Effekten zu beschäftigen haben, die durch elastische Zusammenstöße des schnellen Teilchens mit den Gitteratomen zustande kommen. (Die Wechselwirkung mit den Elektronen des Festkörpers wirkt sich meist als strahlenchemische Veränderung aus, und diese ist vorwiegend bei organischen Phosphoren sowie auch bei den Verfärbungserscheinungen an Halogenidphosphoren zu berücksichtigen.) Es sind die folgenden Auswirkungen der elastischen Zusammenstöße mit Gitteratomen zu berücksichtigen. Frenkel-Defekte, Leerstellen, Zwischengitteratome. Ein Atom wird aus seinem regulären Gitterplatz geworfen, wenn das einfallende Teilchen eine bestimmte Mindestenergie, die sog. Verlagerungsenergie Ev auf dieses Atom durch Stoß übertragen hat. Es bleibt im Gitter eine Leerstelle zurück, während das herausgeworfene Atom als Zwischengitteratom eingelagert wird. Ein solches LeerstelleZwischengitteratom-Paar wird als Frenkel-Defekt bezeichnet. Oft erhält das herausgeschlagene Atom so viel kinetische Energie, daß es seinerseits in der Lage ist, weitere Gitteratome aus ihren Plätzen zu werfen, usw. Durch diesen Kaskadenmechanismus kann ein primär von der Strahlung getroffenes Atom eine ganze Lawine von Frenkel-Defekten hervorrufen. SEITZ [11] hatte eine vorläufige Abschätzung der Größenordnung v o n Ev angegeben: Die reversible Bildungsenergie eines Frenkel-Defektes in einem Metallgitter ist rund zweimal größer als die Sublimationsenergie Es eines Oberflächenatoms. B e i einem Stoß wird ein Frenkel-Defekt durch einen überaus irreversiblen Prozeß erzeugt. D a s erfordert rund 4 Es. Die Sublimationsenergie liegt bei den meisten Metallen nahe 6 eV. D a m i t i s t eine Verlagerungsenergie Ev v o n 25 eV zu erwarten. — Experimentell wurde Ev meistenteils auf folgende Weise ermittelt. Man bestrahlt ein Metall mit schnellen Elektronen und beobachtet, ab welcher Elektronenenergie i m Metall eine elektrische Widerstandserhöhung durch die Bildung v o n Frenkel-Defekten einsetzt. Aus dieser Elektronenenergie berechnet man nach Gleichung (13) die Verlagerungsenergie Ev der Metallatome. D i e auf diese oder andere Weise gefundenen Ev-Werte ergeben sich z. B. bei Germanium zu 13 bis 30 eV, bei Silicium zu 13 bis 14 eV, bei Kupfer zu 23 bis 25 eV.

Platzwechsel. Wenn ein stoßendes Teilchen ein Gitteratom herauswirft, selbst aber nach dem Stoß nicht mehr genügend Energie besitzt, um aus der entstandenen Gitterlücke herauszukommen, dann hat ein Platzwechsel zwischen Gitteratom und stoßendem Atom stattgefunden. Die Zahl solcher Platzwechsel ist im allgemeinen mindestens gleich der Zahl der bei Bestrahlung entstehenden FrenkelDefekte.

100

N. R i e h l und R. Sizmann

Störbereiche (temperature spikes) [1] sind Gittergebiete, die durch die einfallende Strahlung kurzzeitig hoch erhitzt wurden. Man unterscheidet nach ihrer Entstehungsweise thermische Störbereiche (thermal spikes) und Umlagerungsbereiche (displacement spikes). Thermische Störbereiche entstehen, wenn ein Gitteratom durch Stoß von einem schnellen Teilchen Energie ( ~ 1 0 0 eV) aufgenommen hat, jedoch nicht oder nur eine kurze Strecke von seinem Platz verlagert wird. Die überschüssige Energie eines solchen heißen Atoms dissipiert in sehr kurzer Zeit an das umliegende Gitter als Wärme, wodurch ein größeres Gebiet (rund 10 3 Atome für ~10~ 1 2 sec) aufgeheizt werden kann. Es wird auch angenommen, daß ein solcher Bereich (durch die thermische Ausdehnung in der Erhitzungszone) kurzzeitig als ein Spannungszentrum wirkt, welches das umliegende Gitter irreversibel plastisch verformt (plasticity spike). — Umlagerungsbereiche entstehen nach B k i n k m a n auf eine andere Weise [2], Ein anstoßendes Gitteratom kann mit hoher kinetischer Energie aus seinem Gitterplatz fliegen. Die freie Weglänge zwischen den einzelnen elastischen Zusammenstößen, die dieses schnelle Teilchen weiter mit den übrigen Atomen der Materie macht, wird mit sinkender kinetischer Energie immer kleiner. Ab einer bestimmten Grenzenergie EB finden dann in jeder durchlaufenen Gitterebene Stöße statt. Durch die intensive lokale Stoßwechselwirkung erhält eine größere Zahl von Atomen (über 104 bei den schweren Atomen) so hohe kinetische Energie, daß sich die Atome wie in einer Schmelze verschieben und umlagern können. E s ist zu erwarten, daß praktisch alle unterhalb der Teilchenenergie EB in einem Umlagerungsgebiet entstehenden Frenkel-Defekte gleich wieder rekombinieren. Dadurch wird die Frenkel-Defektausbeute (vor allem bei schweren Atomen mit hoher Grenzenergie EB) erheblich herabgesetzt. Experimentell ist die Existenz dieser Brinkmanschen Bereiche allerdings noch nicht gesichert. Stoßketten im Kristallgitter (Fokussierende Stöße, dynamische crowdions). Hier handelt es sich um eine Fortpflanzung der Stoßwirkung — vor allem entlang dichtest gepackten Gittergeraden — über viele Gitteratome hinweg [12, 13]. Der Sachverhalt sei anhand der Figuren l a und l b erläutert, wo eine Reihe von Gitteratomen mit ihren Gleichgewichtsabständen D dargestellt ist. Die Atome darf man, wenn ihr Abstoßungspotential V{r) sehr steil ansteigt, als harte Kugeln betrachten. Der wirksame Radius R einer solchen Kugel ist abhängig von der

Fig. l a . Fokussierender Stoß. Der anfängliche Stoßwinkel & nimmt von Stoß zu Stoß ab, die Stoßenergie wird letztlich durch zentralen Stoß weitergeleitet

Fig. l b . Der anfängliche Stoßwinkel nimmt von Stoß zu Stoß zu, die Stoßkette wird nach wenigen Stößen unterbrochen

Wirkungen hochenergetischer Bestrahlung

101

kinetischen Energie E, mit der das Atom auf seinen Nachbarn stößt; je größer die Stoßenergie E ist, desto kleiner ist R. Es gilt 2 • V(R) = E . Es gibt nun zwei Möglichkeiten bei der Stoßfortpflanzung in einer Atomreihe: 1. Der Stoßwinkel nimmt von Stoß zu Stoß immer mehr ab; die Stoßenergie wird letztlich durch zentralen Stoß in der Kette weitergeleitet (Stoßfokussierung). Dazu ist es erforderlich, daß R > D/2 ist und ein anfänglicher Stoßwinkel dF (cos i)F = D/2 R) nicht überschritten wird. (Die Bedingung R > D/2 legt nach obiger Gleichung außerdem eine maximale Stoßenergie E F = 2 • F(D/2) fest, oberhalb der keine Stoßfokussierung mehr möglich ist. EF ist z. B. für Kupfer 63 eV). Nach neueren Rechnungen [37, 38] kann in fokussierenden Stoßketten auch eine Verlagerung von Gitteratomen um einen Gitterplatz in Stoßrichtung zustande kommen (sog. dynamisches crowdion). Hier handelt es sich um den Fall, wo das erste Atom A in der Stoßkette nicht auf seinen ursprünglichen Platz zurückkehrt, sondern das von ihm angestoßene Atom B aus dessen Platz herausstößt und auf dessen Platz sitzen bleibt. Das verdrängte Atom B macht dasselbe mit dem nächstfolgenden Atom G usw. I m Endeffekt entsteht eine Leerstelle auf dem ursprünglich vom Atom A besetzt gewesenen Platz und ein Zwischengitteratom am Ende der Stoßkette. Auf diesem Wege erzeugen also fokussierende Stöße Frenkel-Defekte in weiter Entfernung vom primären Stoßzentrum. 2. Der Stoßwinkel # nimmt von Stoß zu Stoß immer mehr zu, bis schließlich bei einem Stoßwinkel größer als •&„ (sin — R/D) die Stoßfolge aufhört (defokussierender Stoß.) Es ist in diesem Falle möglich, daß ein Atom in einigem Abstand vom Anfangspunkt der Stoßkette aus seinem Gitterplatz herausgeworfen wird und somit ein Frenkel-Defekt entsteht. Die mittlere Reichweite dieser defokussierenden Stöße beträgt nur wenige Atomabstände, wogegen die Reichweite der fokussierenden Stöße entlang einer dichtest gepackten Gitterrichtung begrenzt wird entweder durch Dämpfung (infolge Wechselwirkung mit benachbarten Atomen) oder durch einen Baufehler (z. B. Korngrenze oder Versetzung) in dieser Gittergeraden. Das letzte Atom der Kette findet dann keinen Stoßpartner mehr vor und kann deshalb selbst als Zwischengitteratom weggeschleudert werden. Die Häufigkeit der fokussierenden Stöße kann an die 20% der berechneten Anzahl von Frenkel-Defekten ausmachen. Dies ist allerdings stark abhängig von der Form des benutzten Abstoßungspotentials V(r). J e steiler dieses Potential ansteigt, um so höher wird die Ausbeute an fokussierenden Stößen. Einen wesentlichen Beitrag sollten die fokussierenden Stöße zur Energieausbreitung vor allem in den Störbereichen liefern. Der Energietransport entlang den dichtestgepackten Gittergeraden geht durch die Stoßkette viel schneller vonstatten als es allein durch thermische Diffusion möglich ist. Damit vergrößert sich die räumliche Ausdehnung eines Störbereiches. Die vorübergehende Aufheizung, welche gerade für die besonderen Wirkungen des Störbereiches verantwortlich sein soll, kann also nicht die hohe Temperatur hervorbringen, die bei einem thermischen Energietransport allein zu erwarten wäre. Abgrenzung der Stoßeffekte an Gitteratomen gegenüber der Wechselwirkung mit den Elektronen des Festkörpers. Sehr schnelle geladene Teilchen werden beim Durchgang durch Materie hauptsächlich durch Ionisations- und Elektronenanregungs-

102

N . R I E H L u n d R . SIZMANN

prozesse abgebremst. Ab einer bestimmten Energie, der Ionisationsgrenze E{, reicht dann ihre Geschwindigkeit nicht mehr aus, selbst die am schwächsten gebundenen Elektronen der Materie anzuregen. Deshalb erfolgt unterhalb dieser Grenzenergie E { die weitere Abbremsung vorwiegend durch elastische Zusammenstöße mit den Atomen. In Isolatoren wird E t bestimmt durch die niedrigste Anregungsenergie I gebundener Elektronen. Es ist [7]: ^=1/8-^.1.

(I)

M1 ist die Masse des schnellen Teilchens, m 0 die Ruhemasse eines Elektrons. In Metallen überwiegt der Energieverlust durch Wechselwirkung mit den Leitfähigkeitselektronen oberhalb M jsr, = l / i e m- i - c , . (ii) 0 Hierin bedeutet ef sa 3,6 • 10~15 • N2JZ die Fermische Grenzenergie der Leitungselektronen; Ne ist die Zahl der freien Elektronen pro cm3. Bei den meisten Isolatoren hat I die Größenordnung von rund 5 eV; sF liegt bei etwa 9 eV. Mit diesen Zahlenwerten erhält man aus den voranstehenden Gleichungen die Faustregel E i f ü M 1 . 103 eV . I n Tabelle 1 sind einige Werte für gebenen Medium angeführt.

eines schnellen Teilchens in einem ge-

Tabelle 1 Ionisationsgrenzenergie Ei für schnelle Teilchen in verschiedenen Substanzen [7]

Substanz

Beryllium Graphit Diamant Aluminium Aluminium Eisen Kupfer Kupfer

Schnelles Teilchen Be C C AI

a

Fe Cu

a

Grenzenergie für Ionisation und Elektronenanregung 9 keV 11 15 17 3 56 50 3

Rückbildung der Gitterdefekte. Bei nicht zu tiefer Temperatur kommt es stets zu einer teilweisen Rekombination von Frenkel-Defekten, zu Clusterbildung oder zu einer Abwanderung von Zwischengitteratomen und Leerstellen an Korngrenzen und Versetzungen, also zu einer Verminderung der Defektkonzentration (sog. Ausheilung oder Erholung von Strahlendefekten). Die tatsächliche Zunahme der Frenkel-Defektkonzentration durch Bestrahlung ist daher die Differenz von Bildungs- und Ausheilungsgeschwindigkeit. Die Ausheilungsgeschwindigkeit ist maßgeblich durch die Aktivierungsenergie des betreffenden Diffusions- oder Rekombinationsvorganges bestimmt, wobei diese

Wirkungen hochenergetischer Bestrahlung

103

Aktivierungsenergie für gewisse Fälle, insbesondere für die Rekombination unmittelbar benachbarter Zwischengitteratome und Leerstellen sehr klein sein kann (z. B. 0,1 eV bei metallischem Kupfer). Dies ist der Grund dafür, daß •— zumindest bei Metallen — die Rückbildungsprozesse erst unterhalb 20°K vernachlässigbar werden. Aber auch bei sehr tiefen Temperaturen bleibt noch die Möglichkeit einer partiellen Ausheilung durch die Wirkung der Strahlung selbst zu berücksichtigen. Fremdatombildung. Neben den angeführten Wirkungen können, speziell bei Neutronenbestrahlung, auch Kernreaktionen stattfinden, wodurch Fremdatome im bestrahlten Pestkörper entstehen. Die Wahrscheinlichkeit der Fremdatombildung hängt natürlich entscheidend vom Wirkungsquerschnitt, d. h. von der Art der Festkörperatome und von der Neutronenenergie ab. Praktisch kann es durchaus vorkommen, daß — insbesondere bei Bestrahlung mit Neutronen verschiedener kinetischer Energie, z. B. zugleich mit thermischen und schnellen Neutronen (wie es im allgemeinen in einem Kernreaktor der Fall ist) — die Zahl der erzeugten Fremdatome durchaus vergleichbar wird mit der Zahl der erzeugten Frenkel-Defekte. Hinzu kommt hierbei noch, daß die Frenkel-Defekte zum großen Teil sehr leicht rekombinieren, wodurch der Anteil der Fremdatome noch mehr hervortritt. b) Berechnung der Zahl der Frenkel-Defekte (für Stoffe, die nur eine Art von Atomen enthalten)

Die Gesamtzahl der Frenkel-Defekte s, die in der Volumeinheit der Materie durch elastische Stöße mit einem schnellen Teilchen erzeugt wird, ist gegeben durch « = «i • ? 2 •

(1)

Sj ist die Zahl der primär von dem schnellen Teilchen pro Volumeinheit verlagerten Gitteratome; s 2 ist die Zahl der im Mittel von einem primär verlagerten Gitteratom sekundär gebildeten Frenkel-Defekt, einschließlich des primären FrenkelDefektes. Es ist Sl

= No.ov-0-t.

(2)

3

N0 ist die Anzahl der Gitteratome/cm ; 0t ist die Flächendosis der Bestrahlung (1/cm2). Der Wirkungsquerschnitt für die Verlagerung eines Gitteratoms, Ev ist. Die Verlagerungsenergie Ev sei für beide Ionensorten wieder von der Größenordnung 25 eV angenommen. In Fig. 2 sind oyzn und o > s in Abhängigkeit von T M IE V aufgetragen, berechnet aus numerischen Werten von E V E R H A R T und Mitarbeitern [ 1 5 ] für das abgeschirmte Coulomb-Potential nach B O H R Z1Z2 ß—*l (27) 7(r) = 3

a

wobei der Abschirmradius a =