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German Pages [184] Year 2015
Gotthard Jasper (Hg.)
Paul Althaus, Karl Barth, Emil Brunner Briefwechsel 1922 – 1966
Vandenhoeck & Ruprecht
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar. ISBN 987-3-525-55091-5 Weitere Ausgaben und Online-Angebote sind erhältlich unter: www.v-r.de o 2015, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Theaterstraße 13, 37073 Göttingen/ Vandenhoeck & Ruprecht LLC, Bristol, CT, U.S.A. www.v-r.de Alle Rechte vorbehalten. Das Werk und seine Teile sind urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung in anderen als den gesetzlich zugelassenen Fällen bedarf der vorherigen schriftlichen Einwilligung des Verlages. Printed in Germany. Satz: Konrad Triltsch GmbH, Ochsenfurt Druck und Bindung: Hubert & Co, Robert-Bosch-Breite 6, 37079 Göttingen Gedruckt auf alterungsbeständigem Papier.
Inhalt Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Briefwechsel Karl Barth – Paul Althaus . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Briefwechsel Emil Brunner – Paul Althaus . . . . . . . . . . . . . . . . 118 Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 179
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Einleitung Den Briefwechsel zwischen Karl Barth und Paul Althaus sowie zwischen Emil Brunner und Paul Althaus zu edieren, erfordert – auch wegen seines relativ bescheidenen Umfangs – eine intensive Begründung. Das gilt insbesondere, wenn man realisiert, dass der Briefwechsel zwischen den Partnern von Paul Althaus, nämlich zwischen Karl Barth und Emil Brunner 50 Jahre lang – von 1916 bis zu Brunners Tod 1966 – sehr intensiv und umfangreich geführt wurde und inzwischen ediert vorliegt.1 Die Freundschaft und Kollegialität der beiden Schweizer reformierten Pastoren und später dann Universitätsprofessoren, aber auch ihre vor allem seit Ende der Zwanziger Jahre massiven theologischen und theologisch-politischen Konflikte werden in diesen Briefen umfassend dokumentiert. Der lutherische Theologe Paul Althaus kommt hier eigentlich nur marginal vor. Nach einem Bericht Brunners von Ende Januar 1925 über seinen Vortrag in Marburg, wo man ihn heftigst kritisiert hatte, fügte er unter Bezug auf einen Besuch von Althaus in Zürich Anfang Januar 1925 an: „Mit Althaus habe ich hier Freundschaft geschlossen; er ist sicher auf gutem Wege…In Marburg haben sie ihn scheint‘s noch rüpelhafter behandelt als mich.“2 Knapp sechs Wochen später ergänzte er noch: „Althaus wirst Du kaum mehr unter Deine Gegner zählen können“. Er begründete das mit seinen intensiven Gesprächen mit Althaus, in denen dieser zugegeben habe, dass er seine letzte Barth-Kritik so nicht mehr schreiben könne, obwohl er – wie Brunner anfügte – „einige nicht unbegründete Bedenken gegen die philosophische Dialektik im Römerbrief“ habe. Deshalb könne Brunner selbst wohl ein Vermittler zu Karl Barth sein.3 In den entsprechenden Barth-Briefen kommt Althaus kaum vor. Im Januar 1933 urteilt Barth, trotz gemeinsamer Herausgeberschaft einer Schriftenreihe im Kaiser-Verlag mit Althaus und Heim, dass für ihn mit diesen beiden Mitherausgebern „die Phalanx derer an[fängt], die ich nur als theologische Fremdlinge bzw. Gegner respektieren und behandeln kann“.4 An Brunner und seiner Schrift „Natur und Gnade“5 kritisiert Barth, „dass sie von Althaus, von Fezer, von Otto Weber und so und so viel anderen unter den jämmerlichsten
1 Karl Barth – Emil Brunner, Briefwechsel 1916 – 1966. Hg. von Eberhard Busch. Karl Barth – Gesamtausgabe, Abt. V Briefe. Zürich 2000, 506 Seiten. 2 Brief Brunner an Barth vom 28. 1. 1925. Ebd. S. 106 f. 3 Brief Brunner an Barth vom 10. 3. 1925. Ebd. S. 112 f. 4 Brief Barth an Brunner vom 10. 1. 1933. Ebd. S. 214 f. 5 Emil Brunner, Natur und Gnade. Zum Gespräch mit Karl Barth. Tübingen 1934.
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Gestalten, die wir jetzt draußen haben, laut bejubelt und gegen mich ausgespielt worden ist.“6 Trotz dieser eher beiläufigen Erwähnung von Paul Althaus bei Brunner und der durchaus kritisch-polemischen Äußerung von Karl Barth ist es überraschend, dass zwischen Brunner und Althaus ein sehr persönlicher und freundschaftlicher, wenn auch nicht sehr umfangreicher Briefwechsel von 1925 an bis zum Tode von Brunner 1965 existiert. Dieser Briefwechsel ist gewachsen aus der sehr persönlichen Begegnung 1925. Im Grunde ist er ein lebendiges Zeugnis für die von ihnen beiden gelebte Einheit von persönlicher Frömmigkeit und Wissenschaftlichkeit. Die Herkunft aus der Hermannsburger Erweckungsbewegung von Paul Althaus und der Ursprung in dem Schweizerischen Pietismus bei Emil Brunner sind der Ursprung dieser Gemeinsamkeit, die in dem Briefwechsel immer wieder deutlich spürbar ist und ihn wichtig macht. Brunner bringt sie auf die Formel: „Wir stehen beide zwischen = über dem Barthischen Gnostizismus und dem Bultmannschen Rationalismus und setzen die Linie Cremer – Kähler fort.“7 Hermann Cremer (1834 – 1903) stammte aus der westfälischen Erweckungsbewegung und war jahrzehntelang prägender biblizistischer Theologe in Greifswald. Der Vater von Paul Althaus promovierte bei ihm. Martin Kähler (1835 – 1912) – befreundet mit Hermann Cremer – lehrte im pietistischen Halle systematische und neutestamentliche Theologie. Ihm galt die Bibel als „Urkunde der kirchengründenden Predigt“. Dass der reformierte Brunner auf diese beiden lutherischen pietistischen Gelehrten aus dem 19. Jahrhundert verweist, ist lebendiges Zeugnis für die gemeinsame „pietistische“ Basis der Freundschaft zwischen Brunner und Althaus. Dass Friedrich von Bodelschwingh – der Enkel des Anstaltsgründers und nach 1945 Leiter der Anstalt Bethel – in den Zwanziger Jahren erst in Tübingen bei Schlatter, dann in Rostock bei Althaus und dann in Zürich bei Brunner studierte, ist ein Beleg für diesen Zusammenhang, stammten die Bodelschwinghs und die Betheler Anstalten doch aus der Minden-Ravensberger Erweckungsbewegung. Althaus fragt 1925 bei Brunner: „Was macht von Bodelschwingh?“ Er freut sich über dessen offensichtlich sehr positives Urteil über die „Rostocker und Züricher theologische Luft“. Noch 1965 ist Althaus dieser Zusammenhang bewusst: er berichtet von einem Besuch in Bethel bei von Bodelschwingh: „Wir haben Ihrer dankbar gedacht“8 Übrigens hatten – eine Generation früher – Fritz von Bodelschwingh und seine Brüder in Greifswald bei Cremer, dessen Kollege in Greifswald zwischen 1888 und 1893
6 Brief Barth an Brunner vom 1. 10. 1034. Barth – Brunner Briefwechsel, a. a. O., S. 257. 7 Brief Brunner vom 4. 1. 1962 vgl. unten S. 170. Schon am 24. 11. 1959 hatte Brunner an Althaus geschrieben: „Wir treffen uns in der gemeinsamen Wertung der richtigen Kähler-Auslegung“. Vgl. unten S. 166. 8 Siehe die Briefe Althaus vom 24. 5. 1925 unten S. 125, vom 5. 6. 1925 unten S. 128.
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der junge Adolf Schlatter gewesen war, studiert und damit dieselbe „pietistische“ Theologie-Ausrichtung dokumentiert. Der Briefwechsel zwischen Althaus und Brunner ist aber nicht nur als Demonstration dieser pietistischen Gemeinsamkeit interessant, sondern er liefert auch wichtige Einblicke in konkrete historische, politische und theologische Fragen der Zeit. Brunner verschweigt seine Kritik an Althaus nicht: „Das Einzige. was uns trennt, ist das, was ich den romantischen Rest in Ihrem Geschichtsdenken nenne und der sich, wie mir scheint, in Ihrer politischen Haltung ausdrückt.“9 Zugleich liefern die Briefe auch wichtige Einblicke für eine zutreffendere Beurteilung der Haltungen und Aktionen von Paul Althaus in der Nazi-Zeit. Als Beispiel sei nur verwiesen auf die Briefkarte von Althaus an Brunner vom 3. 3. 1935, in der Althaus darauf hinweist, dass der Ansbacher Ratschlag nichts mit „DC-Sympathien“ zu tun habe, sondern „die drohende Kanonisierung der Barmer Theologischen Erklärung in Bayern durchkreuzen“ wollte, was auch gelungen sei. Die böse Auswertung des Ratschlages durch die DC sei nicht seine Schuld.10 Diese und noch viele andere im Briefwechsel angesprochenen Episoden machen das Gesamtdokument gerade auch zeit- und theologiegeschichtlich interessant. Der Briefwechsel mit Karl Barth ist demgegenüber – trotz aller menschlichen Freundschaftlichkeit und Kollegialität – deutlich distanzierter. Er kommt im Sommer 1933 faktisch zum Erliegen und wird erst im Oktober 1953 – von Althaus initiiert – wieder aufgenommen und bis zum Tod von Althaus weitergeführt. Diese zweite dreizehnjährige Episode ist nur mit insgesamt 19 Briefen und – teils sehr kurzen – Karten repräsentiert, dokumentiert auch die theologisch unterschiedlichen Positionen, aber trägt ihren Schwerpunkt eindeutig im menschlich-persönlichen Kontakt, was sich besonders schön in der gemeinsamen Mozartverehrung ausdrückt.11 So eindrucksvoll und bezeichnend für die Differenzen und Gemeinsamkeiten der beiden prominenten Theologen der Briefwechsel von 1953 – 1966 ist, der eigentliche Schwerpunkt des Briefwechsels liegt vor der fast 20jährigen NS-Pause in den Jahren von 1922 bis Mitte 1933. Er ist hier von einer besonderen Dichte und Intensität. Umfasst über 80 Briefe und Karten. Familiäres oder Fragen von Berufungen oder ähnlichen Problemen werden na9 Siehe Brief Brunner vom 29. 3. 1934 unten S. 143 f. 10 Siehe Brief Althaus vom 3. 3. 1935 unten S. 147 f. Althaus hatte im Übrigen wegen der Ausnutzung durch die DC-Theologen seine Unterschrift unter den Ansbacher Ratschlag noch 1934 zurückgezogen und an der zweiten Bekenntnissynode in Berlin-Dahlem im Oktober 1934 – seine Zustimmung zur Synodalpolitik ausdrücklich demonstrierend – teilgenommen. Vgl. auch zum Gesamtzusammenhang ausführlich mit weiteren Nachweisen Gotthard Jasper, Paul Althaus – Professor, Prediger und Patriot in seiner Zeit. Göttingen 2013, S. 246 ff. 11 Vgl. dazu die Althaus-Postkarte vom 31. 10. 1955 und den Barth-Brief vom 17. 4. 1956 unten S. 108 ff. sowie die Bemerkung in dem Barth-Brief vom 28. 10. 1962: „Mozart aber erklingt fort und fort. Ich besitze so ziemlich alles, was von ihm auf Langspielplatte zu haben ist.“ Vgl. unten S. 116.
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türlich nicht ausgespart, aber im Zentrum steht doch der wissenschaftlichtheologische Diskurs, wobei der Ton bei Althaus immer verbindlich und zum Teil eher fragend als behauptend zu hören ist, während Barth schnell mal polemisch wirkt oder auch rechthaberisch erscheint, doch überrascht zugleich seine immer wieder spürbare Herzlichkeit und Verbundenheit mit Paul Althaus. Entscheidend für den persönlicheren Ton war die eher zufällige persönliche Begegnung in Göttingen im Oktober 1924. Typischer Weise wird aus dem „Sehr geehrter (oder: Hochgeehrter) Herr Kollege…“ nach diesem Treffen ein: „Lieber Herr Kollege …“. Darin erwies sich noch einmal mehr, die immer wieder zu spürende Überzeugungskraft der unmittelbar vertrauensbildend wirkenden Persönlichkeit von Paul Althaus im persönlichen Umgang. Diese Wirkung kann man auch spüren in dem Barth-Brief unmittelbar nach dem Besuch von Paul Althaus bei ihm in Münster im September 1927, wobei man zugleich lesen kann, dass Barth – bedenkenswert – feststellt, dass die Fähigkeit von Althaus „nach allen Seiten offen zu sein und bewegt mitzugehen…dann doch auch die Fähigkeit ist, allzu vieles zu schlucken und gutzuheißen, als dass ich den ganz deutlichen Ton ihrer eigenen Trompete immer hören würde.“12 Es würde viel zu weit führen, wollte man die Themen. die in diesem Briefwechsel angesprochen werden, noch weiter konkretisieren. Althaus bleibt zwar im Ton verbindlich, aber er benennt doch die Differenzpunkte mit eindeutiger Klarheit – ganz entgegen dem Vorhalt von Barth über die Fähigkeit von Althaus, „allzu vieles zu schlucken und gutzuheißen“. Karl Barth legt zwar immer wieder Wert auf die Punkte der Gemeinsamkeit und das vertrauensvolle Verhältnis zueinander, aber die Differenzpunkte werden mit ebenso großer Eindeutigkeit und in aller Ausführlichkeit erläutert, häufiger sogar eher überspitzt und vereinseitigt. Es kann hier nicht der Ort sein, auf die Details der hier dokumentierten Briefwechsel noch näher einzugehen. Vor allem ist hier aber der Platz, erheblichen Dank zu sagen an alle Mitarbeiter und Helfer, insbesondere aber an die fruchtbare Kooperation mit der Karl Barth – Stiftung in Basel und der Emil Brunner – Stiftung in Zürich. Ohne die sehr fruchtbringende Zusammenarbeit mit diesen Stiftungen und ihren Leitern, Hans-Anton Drewes und Peter Zocher in Basel sowie Johannes Fischer in Zürich wäre es mir als Verwalter und Ordner des Paul Althaus – Nachlasses im Archiv der Universität ErlangenNürnberg nicht möglich gewesen, die Briefwechsel zu komplettieren und nunmehr zu edieren. Da viele handgeschriebene Briefe und Postkarten zu erfassen waren, lagen im Althaus-Nachlass z. B. Karten von Barth oder Brunner, nicht aber die von Althaus. Auch fehlten manchmal – wenn schon mit Schreibmaschine geschrieben wurde – die Durchschläge. Erst die sehr produktive Zusammenarbeit mit der Barth- und Brunner-Stiftung ließen die 12 Vgl. dazu den Barth-Brief vom 19. 9. 1927 unten S. 55 f.
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nahezu vollständige Dokumentation entstehen. Dafür sei noch einmal an dieser Stelle ganz herzlich gedankt. Ein herzlicher Dank geht auch an den Verlag Vandenhoeck & Ruprecht, insbesondere an die Herren Persch und Spill, die mein Projekt tatkräftig und mit großer Hilfe ermöglichten. Gedankt sei vor allem aber noch meiner lieben Frau, die mit geduldiger Unterstützung mein (hoffentlich!) letztes Spätwerk begleitete. Uttenreuth, Anfang März 2015
Gotthard Jasper
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Briefwechsel Karl Barth – Paul Althaus 1. Brief Barth (Handschrift) Göttingen, Nikolausberger Weg 66, 14. April 1922 Sehr geehrter Herr Kollege! Eben habe ich dem Neuwerk-Verlag, Schlüchtern Auftrag gegeben, Ihnen die neueste Nr. des „Neuen Werkes“ zuzusenden, in der Sie eine Besprechung Ihrer Bücher über den relig. Sozialismus von mir finden werden.1 Es liegt mir daran, sie mit einigen persönlichen Worten zu begleiten. Wie ich dazu kam, zu Ihrem Buch das Wort zu ergreifen, habe ich in der Besprechung selbst gesagt: es alarmierte mich, dass ich von Ihnen im Gegensatz zu den übrigen ReligiösSozialen so freundlich behandelt worden war, und da ich gleichzeitig in der neuen Auflage des Römerbriefs noch schärfer als bisher gegen meine religiössozialen Freunde Front gemacht hatte, empfand ich das Bedürfnis, die Sache ins Gleichgewicht zu bringen und zu sagen, was mich von Ihnen und dem Luthertum überhaupt trennt und mit den Fanatici verbindet. Aber ich hoffe, dass Sie trotzdem merken, dass die Besprechung auch Ihnen gegenüber mit dem Wunsch nach Verständigung und Gemeinschaft geschrieben ist. Ich las neulich Ihren Vortrag über das Kreuz Christi und sah daran noch deutlicher als an dem „Relig. Sozialismus“, wie viel Berührungspunkte zwischen uns bestehen.2 Ganz abgesehen von dem Gewinn, mit dem ich Ihr histor. Buch über die reformierte Theologie gelesen habe.3 Lassen Sie sich also nicht schrecken dadurch, dass ich mich Ihnen zunächst als Angreifer bekannt mache. Es ist alles nicht bös gemeint, sondern soll meinen Willen bekunden, mit Ihnen ins Gespräch zu kommen. Gestern war nun Kollege Hirsch bei mir, mit dem ich sehr viel verkehre, und erschreckte mich zunächst durch die Anklage, dass ich Sie an mehreren Stellen ungerecht behandelt d. h. Ihre Meinung nicht richtig wiedergegeben habe. Als wir die Stellen durchgingen, konnte er mich allerdings an den meisten Punkten nicht von seiner Ansicht überzeugen. Es bleibt aber auch für mich 1 Karl Barth rezensiert: Paul Althaus, Religiöser Sozialismus. Grundfragen der christlichen Sozialethik. Gütersloh 1921. In: Grundfragen christlicher Sozialethik (Auseinandersetzung mit Paul Althaus) In: Das neue Werk Jahrgang 1922, S. 461 ff. 2 Paul Althaus, Das Kreuz Christi als Maßstab aller Religion. In: Weber, Hermann (Hg.), Die Gewissheit der Christusbotschaft. Drei Gegenüberstellungen mit der mystisch-idealistischen Zeitbewegung von Otto Schmitz, Paul Althaus und Karl Girgensohn. Berlin 1922, S. 2 – 40. 3 Paul Althaus, Die Prinzipien der deutschen reformierten Dogmatik im Zeitalter der aristotelischen Scholastik. Eine Untersuchung zur altprotestantischen Theologie. Leipzig 1914 (Promotions- und Habilitationsschrift).
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überzeugend bestehen, dass ich S. 470, Z. 6 v.u. aus Ihrem „etwas ganz Persönliches“ (S. 28 Ihres Buches) das „ganz persönliche Etwas“ gemacht habe und dass ich dabei nicht, wie Hirsch meinte, eine boshafte Absicht hatte, sondern ohne zu merken, was ich tat, Ihre Worte so umstellte, dass sie in meinen Satz passten. Immerhin, das ist mir aus dem Gespräch mit Hirsch wieder klar geworden, und ich verstehe es als Einer, der schon oft genug den Rezensenten zum Raube geworden ist: ganz ohne Mord und Totschlag scheint es bei keiner solchen Besprechung abzugehen, auch wenn man den besten Willen hat, den anderen zu verstehen. Ich will mich also nicht reinwaschen, sondern kann nur hoffen, dass ich es Ihnen nicht allzu schlimm gemacht habe, und Ihnen versichern, dass das Böse, das trotzdem passiert sein könnte, nicht meine Absicht war. Mit besten Grüßen Ihr ergebener Karl Barth 2. Brief Althaus (Handschrift) Rostock 7. 5. 22 Sehr geehrter Herr Kollege! Es ist mir leid, dass ich Ihnen erst heute den Empfang Ihres Briefes und der Neuwerk-Nummer bestätige. Dringende Arbeiten wie Examina und der Semesterbeginn ließen mich seither kaum zur Ruhe kommen. Auch heute soll es nur ein kurzes Wort werden. Ich bin Ihnen eine eingehende Antwort schuldig und zu ihr bedarf ich etwas Zeit. Das im „N. Werk“ mein Heft eine Besprechung fand und dass gerade Sie sie gaben, hat mich gefreut. Vielleicht ist es allerdings unserer Aussprache nicht besonders förderlich gewesen, dass Sie die Auseinandersetzung mit mir, nach den Worten Ihres Briefes, zugleich zu einem in den rel.-soz. Kreisen des N. W. von Ihnen erwarteten Bekenntnis benutzt haben. Aber darüber werden wir hinwegkommen. Wie viel Sie von den Neuwerk-Leuten trennt, ist durch Ihren Aufsatz eher betont als verhüllt worden. Was nun Ihre Behandlung meiner Schrift angeht, so habe ich Ihren Willen zu einer fruchtbaren Aussprache überall durchgespürt. Was mich stört, sind weniger die Mißverständnisse einzelner Stellen als die Sätze, in denen Sie mich dem schon schmelzenden Eise vergleichen und meine künftige Entwicklung voraussagen. Ich fürchte, da irren Sie. Am Wichtigsten war mir, was Sie auf S. 466 sagen. In der Tat: Ihr eigentlicher Streitpunkt mit mir hat mit der relig.-sozialen Frage gar nichts zu tun. Daher ist durch Ihren Aufsatz auch meine Frage an die Schlüchterner noch gar nicht beantwortet, kann durch Sie auch gar nicht beantwortet werden. Zwischen Ihnen und mir geht es um Gott und Welt, Gemeinde, „Geist“ u.s.w. Also es geht um Ihre Paulus-Deutung. Und hier sehe ich bisher nur einen weiten Abstand zwischen uns. Ihr Verleger hat mich gebeten, die zweite Auflage des 13
Römerbriefs in der „Luthardtschen“ zu besprechen. Ich hoffe es bald zu tun. Ob ich viel anderes als A. Schlatter zu Ihrem Paulus sagen kann, ist mir fraglich. Aber ich bitte Sie um Zeit, denn meiner ganzen Art nach kann ich solche Besinnungen nicht schnell vollziehen. Es ist schade, dass ich nicht in Göttingen bin. Wir kämen dann schneller zum Ziel. Jedenfalls danke ich Ihnen, dass Sie mir durch Ihren Brief die Absicht zur Zwiesprache, die ich schon aus Ihrem Aufsatze deutlich gehört hatte, freundlich bestätigt haben. Wenn Sie erlauben, gehe ich auf Einzelheiten in den nächsten Wochen ein, vielleicht auf einer oder einigen Postkarten. Ich bitte Sie, die Dürftigkeit dieser Zeilen sich mit meiner augenblicklichen Belastung erklären und freundlich entschuldigen zu wollen. Ich werde mich Ihnen nicht entziehen. Mit besten Grüßen Ihr P. Althaus 3. Postkarte Althaus (Handschrift) Rostock, 27. 5. 1924 Hochgeehrter Herr Kollege! Gleichzeitig sende ich Ihnen ein Wort zu Ihrem Römer-Briefe zu.4 Seit Ihrem Briefe an mich sind zwei Jahre vergangen. Sie dürfen sich mit Recht wundern, dass das wissenschaftliche Gespräch, an dem uns beiden liegt, von meiner Seite erst so spät wieder aufgenommen wird. Aber das Rostocker Lehramt läßt mir leider wenig Zeit, besonders auch durch die Verpflichtung, alle 14 Tage zu predigen. Bei dem Abfassen des Aufsatzes hat mich die Frage oft bedrängt, ob ich Sie in dem, was Sie eigentlich sagen wollen, schon verstanden habe. Möchten Sie sich durch das Bild, das ich von Ihren Gedanken entwerfe, nicht zu sehr entstellt fühlen! Vielleicht werden ja auch Mißverständnisse, wenn in ihnen die besondere theologische Lage sich abzeichnet, für die weitere Aussprache förderlich sein können. Ein von mir aus „letztes“ Wort glaube ich in keiner Beziehung gesagt zu haben. Vielleicht lesen Sie zwischen den Zeilen, dass auch ich in theologischer Bewegung bin. Dieser Tage studiere ich mit größter Anteilnahme Brunners „Mystik und Wort“.5 Für den Gruß, den Sie mir durch Fräulein Grell sandten, danke ich Ihnen sehr. Mit kollegialem Gruß Ihr ergebenster P. Althaus
4 Althaus schickte Barth offensichtlich ein Manuskript zu, der Aufsatz erschien erst Anfang 1925: Paul Althaus, Paulus und sein neuester Ausleger. Eine Beleuchtung von Karl Barths „Auferstehung der Toten“. In: Christ und Welt Bd. 1 (1925), S. 20 – 30 und 97 – 102. 5 Emil Brunner, Die Mystik und das Wort. Der Gegensatz zwischen moderner Religionsauffassung und christlichem Glauben, dargestellt an der Theologie Schleiermachers. (IV, 396 S.) Tübingen 1924.
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4. Postkarte Barth (Handschrift) 30. 5. 1924 Hochgeehrter Herr Kollege! Haben Sie besten Dank für Ihre Sendung und die freundliche Begleitkarte. Was soll ich sagen? Ich kann Ihnen ja nicht verhehlen, dass ich Ihre Darlegungen mit einiger Betrübnis gelesen habe. Sie haben gründliche und kompendiöse Arbeit geleistet, das anerkenne ich gerne. Aber wie gewaltig müssen wir doch aneinander vorbeigeredet haben, ich mit meinem Buch: in dem Sie schließlich nur Dialektik (= negative Apologetik) und ein bißchen „Majestät“ und dahinter eine große Null mit dem Worte „Gott“ in der Mitte durch wahrnehmen konnten – und nun Sie mit Ihrer Besprechung: dass ich, weil Sie auf mein eigentliches Anliegen nicht eingegangen sind, sondern nur meinen Apparat kritisiert haben, Mühe habe, zu Ihren Vorhaltungen etwas anderes zu sagen als das paulinische lµ c´moito, zu deutsch: „Sie haben an der falschen Glocke geläutet! Der Herr wohnt nebenan!“ Welch unerfreuliche Situation! Und wie sollen wir nun darüber hinwegkommen? Wie wäre es, wenn wir uns in Ermangelung eines Besseren vorerst einmal historisch zu würdigen versuchen würden. Ich höre aus allen Ihren Einwänden, die sich ja auf einen reduzieren lassen, den Lutheraner, der eben für seine Dogmatik durchaus einen Fundamentalsatz haben muß. Sie Ihrerseits kommen dem, was ich meine, am Nächsten S. 226 Anm.: Ich bekenne mich c. gr. s. durchaus zu dem dort aufgestellten Entweder! Meine Dogmatik fängt an mit einem Deus dixit, in dem für mich an und für sich aller nur denkbare Inhalt liegt. Wenn ich Ihnen einräume, dass Ihre „Verinhaltlichung“ keine Idolatrie-Versilberung bedeuten muß, so dürfte ich vielleicht von Ihnen erwarten, dass Sie mein Formalprinzip nicht von vorneherein als amor vasus deuten. Alles Einzelne vorbehalten, natürlich! Ihr Freund Hirsch, der ums Leben gern Lutheraner und Calvinist wäre, reicht mir freilich auch die reformierte Notwendigkeit meiner Antwort ab und da Sie sich auf diese Seite der Sache nicht einließen, muß ich wohl auch von Ihnen befürchten, dass Sie auf dieser historischen Basis nicht mit sich reden lassen. Oder doch? Einstweilen freundlichen Gruß. Bei irgendeinem Philippi werden wir uns wiedersehen Ihr Karl Barth. 5. Postkarte Althaus (Handschrift) Rostock, 3. 6. 24 Hochgeehrter Herr Kollege! Haben Sie vielen Dank für Ihre freundliche Karte, dass Sie sich von mir so verkannt wissen, bedrückt mich natürlich sehr. Dass Sie in Ihrer ganzen 15
theologischen Arbeit dem Glauben des Neuen Testamentes Bahn machen wollen, ist mir durchaus klar. An dem Ernste des „Ja“, das Sie vernehmen, habe ich keinen Augenblick gezweifelt. Das Problem ist mir nur die Verbindung dieses Ja mit dem Nein. Sie nennen die Dialektik, die allein ich kritisiert hätte, Ihren „Apparat“. Ich habe diesen „Apparat“ blutig ernst genommen, und dabei ist mir der Atem zu dem „Ja“, um das es Ihnen geht, ausgegangen. Mein Freund Büchsel, mit dem ich gestern lange über Ihre Karte und meinen Aufsatz sprach, hat wohl recht, wenn er als die entscheidende Frage zwischen uns formulierte: Worauf gründet sich (c. gr. s.) der Glaube an den Auferstandenen? Ich selber hätte als drängendste Frage an Sie (es ist im Grund die gleiche wie die vorige) diese: Was ist „Wort Gottes“? Woran wird es erkannt? Was nun Ihren Vorschlag, uns „historisch zu würdigen“, anlangt, so habe ich, schon vor Ihrer „reform. Lehre“ (Zwischen den Zeiten V)6, vollends aber seit ihr (bes. V 22) wohl gespürt, dass der Geist unserer Väter uns beiderseits gefangen hält (obgleich ich von meinen „Vätern“ nur vorsichtig sprechen darf, da ich das Blut des Calvinisten Johannes Althusius in mir weiß und erst mein Großvater, Sohn des reformierten Pastoren in Hannover als Kandidat zum Luthertum übertrat). Aber ich habe davon in dem Gespräch mit Ihnen nicht reden mögen, zunächst um unserer Zuhörer willen, da die Herausstellung Ihres Calvinismus bei vielen unsachliche Empfindungen aufrufen könnte, die wir lieber von unserer Auseinandersetzung fernhalten. Außerdem ist mir nicht sicher, ob die Rechnung so glatt aufgeht. Schlatter, mein Lehrer, ist doch Calvinist und versteht dennoch meine Bedenken gegen Ihre Gedanken. Andererseits läßt sich bei Luther selber neben der Erfassung der Schrift von der Rechtfertigung aus ein selbstherrliches „Formalprinzip“ durchaus nicht leugnen. Jedenfalls aber bin ich dankbar, dass Sie den Gegensatz von Inhaltlichkeit und dem zunächst formal scheinenden Deus dixit in den Vordergrund stellen. Ich merke jetzt, dass hieran in der Tat alles liegt. Dann habe ich aber die Hoffnung, dass mein „Mißverstehen“ Ihrer Theologie selber theologisch bezeichnend weil notwendig ist und dabei gerade das Problem enthüllt, das wirkliche, ernste Problem. Mit freundlichem Gruße Ihr P. Althaus 6. Postkarte Althaus (Handschrift) Rostock, 19. 12. 1924 Lieber Herr Kollege! Vielen Dank für Ihre Karte. Heute sende ich Ihnen meinen hannoverschen Vortrag über „Theologie des Glaubens“7 zu, dessen zweiter Teil jene größte 6 Karl Barth, Reformierte Lehre; ihr Wesen und ihre Aufgabe. In: Zwischen den Zeiten. Bd. 2. 7 Paul Althaus, Theologie des Glaubens. In: ZSysTh Bd. 2 (1924/25), S. 281 – 322.
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mir mögliche „Sonnennähe“ darstellt, die ich im Oktober bei Ihnen erwähnte. Leider hat Jordan im theologischen Literaturbericht meine Rezension Ihres „Das Wort Gottes“ und von Gogartens „De servo arbitrio“ auch jetzt im Dezember-Hefte noch nicht gebracht, trotzdem beide Besprechungen im September eingesandt sind! Ich hoffe nun auf das Januar-Heft.8 Um auf Ihre freundliche Karte einzugehen, so wäre auch mir das bei weitem Liebste, wir könnten persönlich weiter verhandeln. Doch ist mir unsicher, ob es Anfang Januar zu einem Aufenthalt in Göttingen langt, da ich schon am 3. in Mannheim reden muß und die Meinigen am letzten Abend dieses Jahres nicht verlassen möchte. So sehr ich mich auch auf Fortführung des mündlichen Austausches freue ist es doch, glaube ich, gut, wenn wir auch öffentlich weiter verhandeln. Es braucht ja kein „Zanken“ und kein „Aufspießen“ zu sein. Wir können ja auch das Beispiel von etwas anderem geben. Viele warten, dass unsere Auseinandersetzung fortgehe. Auch ich selber hätte gerne von Ihnen ausgesprochen, wo wir uns nahe sind und wo ich Sie gänzlich mißverstanden habe bzw. wo Sie meine Theologie für falsch halten. Meine Beleuchtung Ihres ersten Kor. 15 erscheint im Januar. Ich habe, trotz freudig betonter Gemeinsamkeiten, herausgestellt, dass der Dogmatiker in Ihnen bei der „theologischen Exegese“ zu viel Recht hat. Ich habe Ihren Abstand von Paulus auch da hervorgehoben, wo ich dogmatisch mit Ihnen gehe. Hoffentlich habe ich Sie nicht zu sehr erzürnt – der Aufsatz ist kampflustig gestimmt, aber ich weiß, dass Sie das gerade nach unserer erfreulichen persönlichen Begegnung desto eher zulassen werden. Ich fürchte (oder hoffe!) hierauf müssen Sie antworten, ob ich Sie mit Recht oder Unrecht verklagt habe. Dass Sie Werner nicht antworten, begreife ich völlig. Die Proben, die Sie in Zwischen den Zeiten geben, sind ja schlimm. Dass Sie daheim noch Ungemach haben, höre ich mit Betrübnis. Bei uns wird es ein Weihnachten voll tiefsten Dankes werden. Vor sechs Wochen wurde unser viertes Kind geboren, Alles ist wohl. Freundlichen Gruß Ihr P. Althaus. 7. Postkarte Barth (Handschrift) Göttingen, 29. 12. 24 Lieber Herr Kollege! Der Dank für Ihre Zusendung ist durch die Weihnachtstage verzögert worden. Sie können sich denken, dass ich mit größter Teilnahme gelesen habe. Vielleicht wundert es Sie, dass ich gegen Teil I Bedenken habe: mir scheint, dass durch die Kombination von Rechtfertigung und Mystik beiden Teilen Gewalt angetan wird. Sollte es nicht möglich sein, dass die Mystik eine Sache ist, die eben in einer bestimmten Seitenkapelle der christlichen Kirche (in der weder 8 Paul Althaus rezensiert: Karl Barth, Das Wort Gottes und die Theologie. Gesammelte Vorträge. München 1924. In: TheolLitBer. Bd. 48 (1925), S. 3 – 5.
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Sie noch ich zu zelebrieren gedenken!) posieren muß und „irgendwie“ darf und dass es nicht angeht, sie im Ernst auf den Nenner Rechtfertigung und Glauben zu bringen? Überhaupt: ist die Zurückhaltung, mit der die protestant. Orthodoxie Luther nicht systematisierte (dafür dann auch die Rechtfertigungslehre nicht osianderisierte!!) nicht klassischer, sachgemäßer? Zeigt nicht Ihre sehr nötige Verwahrung S. 311, dass sola fide jedenfalls nicht der letzte Oberbegriff ist? Aber dieses Fragezeichen soll nicht verdunkeln, wie sehr ich mich über Teil II gefreut habe – so sehr, dass ich mich frage, über was ich mich nun eigentlich mit Ihnen streiten soll! Ist das, was Sie S. 304 unten über Offenbarung und Verhüllung sagen, ebenso S. 313 über die Preisgabe Jesu an die Historie, S. 314 oben das Kreuz, das Luthercitat S. 318, vor allem S. 320 oben der „Wirklichkeit endgültiger Verdammung“ in der Prädestination und unten über den „Ausgang des Lebens Jesu“ nicht genau das, was Sie in Summa bei mir beschimpft haben? Nur dass ich es nicht für ratsam halte, die Beziehung dieses göttlichen Nein zu dem größeren göttlichen Ja als „Polarität“ oder „Spannung“ zu beschreiben, weil das Wundervolle dieser Beziehung m. E. durch diese physikalischen Bilder getrübt wird, dass ich die Überwindung der Gegensätze (angesichts der „Endgültigkeit“ des Ganzen, die hier in Betracht kommen) gleich in Gott hinein verlege und des Menschen Teilnahme an dieser Überwindung in sein In-Gott-Erkannt-Sein in der Offenbarung. Dann wird es verständlich, warum es nicht eine „Kinetik“ des Glaubens gibt – und das ist es aber, was ich (der Teufel hole meinetwegen das „Wort“) Dialektik nenne. Kurzum, vielleicht bin ich zu dumm und mache mich lächerlich, aber ich muß Sie vielleicht fragen, ob und inwiefern Sie Ihren Angriff eigentlich aufrecht erhalten? Denn von diesem Zentralpunkt aus müßten sich vielleicht auch die anderen Gravamina (besonders das in Beziehung auf die Dialektik und Gericht) erledigen oder doch erleichtern lassen. – Ich wollte dieser Tage ansetzen zu einer Antwort an die nicht weniger als vier Ordinarien der Syst. Theologie, von denen ich z. Zt. polemisch umstellt bin (Sie, Schaeder, Girgensohn, Heinzelmann!), aber das Daimonion hat mir die Feder vorläufig wieder aus der Hand genommen. Zum nahen Jahr wünsche ich Ihnen von Herzen alles Gute. Eben höre ich, dass die Erlanger im Begriff sind, Ihnen den törichten Elert vorzuziehen. Sie werden sich zu trösten wissen. Mit bestem Gruß Ihr Karl Barth 8. Brief Althaus (Handschrift) Rostock, den 13. Januar 1925 Lieber Herr Kollege! Auf der Reise hatte ich Ihre Karte vom 29. 12. mit und hoffte immer, Ihnen antworten zu können. Inzwischen kommen Sie mir nun mit Ihrem heutigen 18
Briefe freundlich zuvor.9 Für beides vielen Dank. Besonders hatte ich mich auch über den Keckermann gefreut und dass Sie meines starken Interesses für ihn gedacht haben. Das Bildchen wird nun das Handexemplar meiner „Reformierten Dogmatik“ zieren. Da auch ich kurz vor der Vollendung des 37. Lebensjahres stehe, habe ich Antlitz und Ausdruck mit besonderem Interesse betrachtet. Von der Reise möchte ich Ihnen nur erzählen, dass ich Brunner recht lieb gewonnen habe. Aber wir haben uns nicht „über Ihren Kopf hinweg miteinander verständigt“ (wie Sie schreiben). Freilich gab er einigen meiner Einwände gegen Ihren Römerbrief recht, mindestens bedingtes Recht – aber das tun Sie selber vielleicht auch. Leider war ich ja im Oktober mit Ihnen viel zu kurz zusammen. Mit Brunner waren es immerhin zwei Abende und 112 Stunde vormittags. Ich sehe jetzt noch stärker als bisher das Gemeinsame, das Ihren Freundeskreis und Leute wie mich verbindet; und das Trennende war mir im Gespräch mit Brunner mehr zurückgetreten denn je. Das soll nicht heißen, dass er und ich die Verschiedenheit unseres Weges nicht nach wie vor deutlich sähen. Ein Brief von ihm, den ich heute erhielt, bestätigt das. Ich weiß ja auch noch gar nicht, was aus Ihnen allen und mir des weiteren wird. Mit meinem letzten Aufsatze bin ich jedenfalls – das lehrt mich das ganze bisherige Echo – an einen für meine theol. Entwicklung kritischen Punkt gelangt.10 Beim Verfassen ahnte ich das s. Z. nicht so. Der Aufsatz ist in der Hauptsache wenige Wochen nach der Auseinandersetzung mit Ihnen geschrieben. Ich war mir nur bewußt, nun mehr – nach der Polemik – das Positive, das mir im geistigen Umgang mit Ihnen deutlich geworden war, zu sagen. Vielleicht gehören beide Aufsätze aufs Engste zusammen. Nun fragen Sie mich, ob und wie ich angesichts des zweiten Aufsatzes meinen Angriff eigentlich aufrechterhalte.11 Darf ich ganz summarisch aufzählen, so würde ich sagen: 1) Was ich bei Ihnen „Entwertung der Geschichte“ nenne (S. 745 ff.), also das Hinwegsehen über die Bedeutung des „Gesetzes“ (z. B. 751), ist eine für mich schwerwiegende Differenz, nach wie vor. Wenn ich von „Verhüllung“ rede, in Bezug auf Gottes Heilsoffenbarung, so ändert das nichts an einer positiven Bedeutung des in der Geschichte und ihren Normen hervortretenden „Gesetzes“. 2) (S. 752 ff.) Ihre mir nicht mögliche Ineinssetzung der Krisis alles Endlichen und des Gerichtes (wenn ich Sie recht verstanden habe) wird durch den zweiten Aufsatz nicht berührt. Auch hinsichtlich des Gottesgedankens bin ich noch in der gleichen Sorge wie z. B. 760 ff., wenn ich auch seither das Motiv Ihre Thesen besser verstehe. 3) (S. 763 ff.) Was Ihre Stellung zur Heilsgeschichte und zur Bedeutung Jesu 9 Dieser „heutige“ Brief von Karl Barth von Anfang Januar 1925 ist nicht überliefert. 10 Siehe oben Anm. 4. 11 Paul Althaus, Theologie und Geschichte. Zur Auseinandersetzung mit der dialektischen Theologie. In: ZSysTh Bd. 1 (1923/24), S. 741 – 786.
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für den Glauben angeht, so hat Heinzelmann Sie wohl besser dargestellt als ich. Aber, wie auf Ihrem Zimmer im Oktober, muß ich auch heute wieder, unbeschadet der im zweiten Artikel deutlichen Gemeinsamkeit mit Ihnen ein Doppeltes fragen: a) So gewiß es Glauben an Christus immer nur am Ärgernis vorbei, durch die Verhüllung hindurch, gibt: muß die Theologie nicht auch vom Glaubengrund reden, von dem, was uns Glauben abgewinnt? Und wenn wir nur das Gleiche wiederholen könnten, was als Grund des Ärgernisses genannt werden müßte (s. Matthäus 11, 2ff) – das müßte jedenfalls gesagt werden. b) Das wollen ja auch Sie, s. Ihren Hinweis auf das Kreuz. Aber weckt und begründet das Kreuz Glauben nur durch die hier sichtbare Negativität eines Geopferten? Hier halte ich gegenüber Ihrem Röm. 7 an meinen Einwänden S. 770 f fest. Und ich glaube da Ihre schöne Karfreitagspredigt S. 135, oberste Zeile ff hier für mich zu haben.12 „Er trägt das Leben in den Tod hinein“ – das kommt mir in Ihrem Römerbrief zu kurz. Dafür auch die Bezeichnung des Auferstandenen als des „verneinten“ Geschichtlichen. Da fehlt mir die verbindende Linie. Wenn wir zu dem Erhöhten beten, dann suchen wir in seinem Antlitz die Züge des Geschichtlichen. 4) Endlich bleibt mein Desiderium 776ff, dass Ihre Theologie auch von dem erneuernden Wirken Gottes reden möge, gewiß im Glauben, ohne Wiederkehr des Erlebnisses. Im Gespräch mit Brunner wurde mir klar, dass wir an diesem Punkte nicht so weit voneinander sind, als ich erst dachte. Nur habe ich mich an dem meines Erachtens oft grotesken Ausdruck, mit dem Sie richtige Interessen des Glaubens im Römerbrief aussprechen, gestoßen. Und redet Gogarten von der Vergebung nicht so kalt, dass keiner, der es liest, ahnt, wie das Hören des Vergebungswortes die Macht hat, unser trotziges Herz einfach zu überwinden? Genug für heute. Ihre krit. Bemerkungen zum ersten Teil meiner „Theologie des Glaubens“ habe ich mit Dank gelesen und werde sie durchdenken.13 Auch was Sie zum zweiten Teil über die physikalischen Bilder (Spannung usw.) sagen, wird beachtet werden. Von der Reise bin ich glücklich heimgekehrt und habe alles daheim gesund gefunden. In Marburg wehte scharfe Luft. Ist es falsch, wenn ich zwischen Tillich und Ihnen eine tiefe Kluft sehe? Auch über die Stellung zur Historie des Lebens Jesu müssen wir noch reden. Dass ich die bleibende Spannung zwischen historischer Arbeit und Glauben an Christus betone, bedeutet nicht, dass ich die radikale Kritik frei laufen lasse. Das werde ich Ihnen zu 1. Korinther Punkt 15 noch vorhalten. Das Bündnis mit Bultmannschem Radikalismus ängstigt mich. Aber nun wirklich Schluß und nochmals herzlichen Dank. Verspätet zum Neuen Jahr von Herzen alles Gute in Familie und Amt Ihr P. Althaus
12 Karl Barths Karfreitagspredigt. 13 Siehe oben Anm. 7.
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9. Postkarte Althaus (Handschrift) Rostock, 19. 1. 1925 Lieber Herr Kollege, ich habe den Verleger gebeten, Ihnen sofort einen Abzug meiner soeben erschienen Besprechung Ihres „Wort Gottes“ im Theologischen Literaturbericht 1925, 1 (geschrieben im September 1924) zuzusenden.14 In der folgenden Gogarten-Besprechung muß das erste Wort der vorletzten Zeile „Holl“ statt „Goll“ heißen. Ein dummer Druckfehler. Freundliche Grüße Ihr P. Althaus 10. Brief Barth (Handschrift) Göttingen, 23. Jan. 1925 Lieber Herr Kollege! Ich habe Ihnen für Ihren Brief, Ihre Karte und nun für die eben eingelaufene Rezension meiner Vorträge zu danken. Es ist mir sehr wertvoll, dass Sie sich in Ihrem Brief die Mühe machen, Ihre Gravamina noch einmal zusammenzustellen, und ich werde nun meinerseits allen Fleiß anwenden, nicht an Ihnen vorbeizureden, wenn ich Ihnen und den anderen Herren antworte. Neuerdings ist ja nun auch noch der kluge Schlatter dazugekommen in der JanuarNummer von „Beth-El“. Er sagt aber nichts Neues über Ihre Arbeit hinaus. Heute nur ein paar Worte zu Ihrer Rezension. Verstehe ich Sie recht, wenn Sie S. 4 Spalte 2 unten die Frage „Woran“ erkennen wir … (sofern sie nach einem vorhergegebenen Maß für Gottes Wort fragt!) mit mir ablehnen? Sind wir in den von Ihnen beifällig citierten Sätzen von S. 145 noch insofern einig, als darin auch auf den Rekurs auf das Sittliche a priori verzichtet wird, dass es wirklich Gott überlassen sein soll, zu machen, was er will? Dann könnte ich Ihnen meinerseits sagen, dass ich selbstverständlich eine „Inhaltlichkeit“ dieses Wortes auch lehre, sofern es eben das „Wort Gottes“ an den Menschen ist, die Offenbarung, für mich konstituiert in den drei Begriffen: Fleischwerdung des Logos – Heiliger Geist – Glaubensgehorsam ! Schrift ! ! Kirche ! Wogegen ich mich aber mit Händen und Füßen wehre (und zwar mit immer größerer Energie!), das ist die Zumutung, dass man in der Theologie, statt von da aus auf die Höhe zu fahren und das Netz auszuwerfen, in den engen Kanal einer durch die Holl’sche Zwängerei (entschuldigen Sie!) erst nach betrüblich verdunkelter Rechtfertigungslehre einfahren müsse. Wenn ich einen Augen14 Siehe oben Anm. 4.
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blick weiter „schimpfen“ darf (es dient vielleicht zur Klärung), es ist so etwas Unkirchlich-Sektiererisches, Modern-Spiritualistisches, Muffig-Pietistisches in diesem Verfahren. Der persönliche Weg Luthers und die Beichtreden des mittleren Kierkegaard in allen Ehren, aber, ich kann mir nicht helfen, ich lese erstens in der Bibel, zweitens bei den alten Perücken aus der ref. und luth. Orthodoxie (die mein tägliches Brot sind gegenüber dem modern-protestantischem Elend: zu dem ich auch die moderne „Positivität“ rechne!) so viel wundervolle Dinge, die ich mit der „Offenbarung“ in bezeichnetem Sinne sehr wohl im Zusammenhang sehe, die ich aber nur mit großer Gewaltsamkeit oder bei wüster moderner Eskamotierung der schönsten Wahrheiten ausgerechnet auf die nach Holl genau Luther’sche (credat Judaeus Apella!) ethische Rechtfertigungslehre reduzieren könnte. Was bei Ihrem Verfahren aus der Dogmatik wird, entnehme ich schaudernd dem Hirsch’schen Katechismus. Das will ich nicht. Lieber katholisch als das. Warum sollen wir denn die dogmatischen Loci nicht alle miteinander auf die unanschauliche Mitte beziehen, von der sie herkommen und die als foedus Dei cum hominibus oder ähnlich „inhaltlich“ genug beschrieben ist? Warum sollen sie durchaus ein in sich, in einer willkürlich ins Centrum geschobenen Einzellehre begründetes System bilden? Aber darüber werden wir noch viele Worte miteinander reden müssen. Nochmals Dank! Ich lege Ihnen das Prot. Blatt bei, da es Sie noch angeht (bitte gelegentlich zurück!). Bedenken Sie immer, dass ich es auf der anderen Seite mit solchem Volk zu tun habe. Mit freundlichem Gruß (und bitte „nichts für ungut“ wie wir in der Schweiz sagen) Ihr K. Barth PS: Sie fragen mich nach meinem Verhältnis zu Tillich. Er war neulich hier und ist mir nach wie vor ein Rätsel. Für mein Empfinden passiert bei ihm irgend etwas theologisch ganz Steriles. Aber das soll nicht mein letztes Wort sein. Ich besinne mich über das Anliegen, dessen Verteilung offenbar seine besondere Mission ist. 11. Postkarte Barth (Handschrift) 9. 4. 1925 Sehr geehrter Herr Kollege! Ich erlaube mir, Ihnen mit gleicher Post ein Exemplar der merkwürdigen Zeitschrift der Hessischen Renitenten zuzuschicken, in dem mein Streit auch beleuchtet wird. Neulich bat ich den Tübinger Stiftsrepetenten Metzger, Ihnen doch seine sehr fleißige (und überdies unter Benutzung von Göttinger Kollegheften) gemachte Arbeit zuzuschicken. Nehmen Sie mir nicht übel, aber ich wäre von Ihnen schon gern noch etwas besser verstanden. Habe ich Sie etwa mit meinem letzten Brief böse gemacht? Ich habe ihn als etwas lebhaft in Erinnerung. Aber gleich nachher kam ja Ihre Anzeige vom 1. Korinther 15 und 22
kochte auch ziemlich starken Tabak. In IV Tagen fahre ich in die Schweiz, um in Basel, Zürich und Bern über das Schriftprinzip zu reden, eigentlich nur über die Gleichung Bibel = Wort Gottes. In den Anmerkungen für den Druck wird Ihnen dann auch einiges mitgeteilt. Augenblicklich seufze ich an einem Vortrag über Herrmann. Ich werde mich im Mai in Halberstadt wieder einmal unter die Liberalen mischen. Vergangenen Montag haben wir mein fünftes Kindlein bekommen, Johann Jakob heißt er und ist wohl (wenigstens vorläufig) einwandfreier als meine literarischen Werke. Ich wünsche Ihnen frohe gesegnete Ostern und grüße Sie bestens Ihr Karl Barth 12. Postkarte Althaus (Handschrift) Leipzig, den 19. 4. 1925 Lieber Herr Kollege, Sie haben allen Grund mir zu zürnen, dass ich Ihnen so lange nicht geschrieben habe. Aber seit Februar hatte ich „böse Zeit“: mein Vater war schwer erkrankt, ich bin mehrfach zwischen Rostock und hier hin und hergereist – und nun haben wir ihn zu Ostern doch hergeben müssen. – Nein, mit Ihrem letzten Briefe haben Sie mich gar nicht böse gemacht. Ich bin nur dafür dankbar, dass Sie sich und mir trotz, nein wegen unserer schönen persönlichen Fühlung vom Oktober das Recht zu freier und scharfer Aussprache unserer theologischen Differenzen gewähren! Nehmen Sie mir in diesem Sinne auch den „starken Tabak“ meiner Besprechung von 1. Kor. 15 nicht übel.15 Ich verstehe Sie jetzt freilich besser als vor einem Jahr, nur dürfen Sie mich nicht mit einem Manne wie dem netten Repetenten Metzger vergleichen: der war ganz jung, als Sie zu reden anfingen, und ich hatte immerhin bei Schlatter, Kähler, bei Luther und Calvin schon so viel gelernt, dass mich Ihre Anklage gegen die ganze Theologie fremd berührte, zumal mit dem „bißchen Zimt“ eben doch eine selbständige, kräftige Speise wurde. Ich war eben schon zu sehr Dogmatiker, um Sie ganz in actu würdigen zu können. Auch war ich weder dem Kultur-Protestantismus noch der Erlebnis-Theologie je verfallen – so fühlte ich auch keine Befreiung. Aber die Psychologie meiner Haltung Ihnen gegenüber gebe ich Ihnen besser mündlich. Sie merken inzwischen gut, dass ich auch lerne. Von Rostock aus werde ich Ihnen auf Ihren letzten Brief antworten und auch das schweizerische Protestantenblatt zurücksenden. Im letzten Hefte von Zwischen den Zeiten ist H. Barth fein. Aber Petersen??? Zu
15 Paul Althaus rezensiert: Karl Barth, Die Auferstehung der Toten. Eine akademische Vorlesung über 1. Kor. 15. München 1924. In: ThLitBer. Bd. 49 (1926), S. 6 f.
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Ihrem Aufsatz schreibe ich Ihnen.16 Zu Ihrem 5. Kinde einen herzlichen Wunsch! Viele Grüße Ihr P. Althaus 13. Postkarte Barth (Handschrift) Göttingen, 1. 5. 1925 Lieber Herr Kollege! Ihre Karte hat mich in der Schweiz gefunden, wo ich in Basel, Zürich und Bern über das reformierte Schriftprinzip redete. Lassen Sie mich Ihnen meine Teilnahme aussprechen zum Tod Ihres Herrn Vaters und – in anderem Sinn, es drängt sich jetzt vieles für Sie zusammen – zu Ihrer Übersiedlung in den Süden. Mir ist wahrscheinlich in meinem Lebensweg bestimmt, dass ich nun umgekehrt in dem mir doch rauhen und recht fremden norddeutschen Münster sitzen muß. Aber ich habe bei Anlaß der Geburt meines Fünften so viel Liebe erfahren in Göttingen, dass ich wirklich ganz zufrieden sein will. Unterdessen ist Ihr zweiter Teil des 1. Kor. 15 eingetroffen. Haben Sie nun bald alles Böse über mich gesagt, was man ja gerne über mich sagen kann? Aber ich schreibe Ihnen heute nicht, um zu kritteln, sondern nur um zu grüßen. Wenn ich Herrn Metzger Tübingen ersuchte, Ihnen seine Arbeit zu schicken, so tat ich es nur, weil ich dachte, sie würde Sie als Spezialisten in dieser Sache interessieren, da sie jedenfalls gut, umsichtig gemacht ist. Was haben Sie zu dem renitenten Pfr. Schlunk gesagt? Und der es von München vom Vikariat aus mir gibt?! Die Welt ist merkwürdig und mannigfaltig. Am 17. rede ich an der „Tagung der freien Protestantismus“ in Halberstadt über Wilhelm Herrmann, der von Ihnen, Hirsch u.s.f. eigentlich viel mehr geschätzt werden sollte.17 Ich meine doch das Entscheidende, das Sie mir entgegenhalten, längst gelernt zu haben. Mit den besten Wünschen zum Semester Ihr Karl Barth
16 Karl Barth, Menschenwort und Gottes Wort in der christlichen Predigt. In: Zwischen den Zeiten. Bd. 3 (1925), S. 119 – 140. Im gleichen Heft erschienen auch: Erik Peterson, Der Lobgesang der Engel und der mystische Lobpreis (S. 141 – 153) und Heinrich Barth, Christliche und idealistische Deutung der Geschichte (S. 154 – 182), auf die Paul Althaus in seinem Brief wertend Bezug nimmt. 17 Die Rede erschien Monate später: Karl Barth, Die dogmatische Prinzipienlehre bei Wilhelm Herrmann. In: Zwischen den Zeiten Bd. 3 (1925), S. 246 – 280.
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14. Brief Althaus (Handschrift) Rostock, den 13. 6. 1925 Lieber Herr Kollege! Viel habe ich mich in diesen Wochen innerlich mit Ihnen beschäftigt. Das lag zunächst an einer Promotionsschrift über Ihre Ethik, die ich zu begutachten hatte. Der Verfasser, einer meiner früheren Hörer, nimmt Sie im darstellenden Teil gegen mich zum z. T. in Schutz. So habe ich wieder gelernt. Dann kamen zwei Briefe Brunners, von denen ich Ihnen einen beilege, mit der Bitte, ihn vertraulich nur als Dokument der inneren Bewegung zwischen Ihren Freunden und mir aufnehmen und mir, sobald es Ihnen möglich ist, zurücksenden zu wollen. Sie können sich denken, dass auch ich schon lange über die Frage grüble, was geschehen kann, damit auch vor der Öffentlichkeit die Nähe zwischen uns (d. h. Ihnen, Brunner, z. T. Gogarten und mir), die trotz allem da ist, sichtbar werde. Sie werden sagen: „Dann schreib’ erst einmal nicht mehr solche Kritiken wie die meiner Korinther-Auslegung!“18 Nun, Sie haben jedenfalls soweit Recht, dass ich nun genug des „Bösen“ über Sie gesagt habe, und dass es nun an der Zeit wäre, auch das Andere zu sagen, was implicite ja immer schon von mir auch angedeutet ist, s. „Theologie des Glaubens“: dass ich Ihnen nahestehe.19 Ich lese jetzt wieder Dogmatik II und die Studenten hören Ihren Namen oft, und keineswegs nur so, dass ich mich abgrenze. Also ich gestehe gerne: mein Aufsatz von 1924 über Sie ist schon längst nicht mehr mein ganzes, geschweige denn mein letztes Wort über Ihre Theologie.20 Des zum Zeichen habe ich nun auch den Mut gefunden, Ihnen (was ich seit dem Oktoberbesuch plante) meine Predigten senden zu lassen.21 Ich zögerte bisher, weil ich fürchtete, Sie würden die vaterländische Predigt in dem Band so wenig ertragen, dass Sie das ganze Weitere verbrennen müßten. Nachdem nun aber Brunner mir schreibt, dass er, bei allem Andersdenken in den politischen Dingen, doch auch in der Predigt (zum 18. Januar) unsere Gemeinsamkeiten spürt, ist meine Scheu geschwunden. Was soll nun aber weiter geschehen? Sie würden mir einen neuen Aufsatz zur Lage und das Beziehen einer neuen Stellung sehr erleichtern, wenn Sie doch zu meinen Einwürfen von damals, wenigstens zu einigen, Stellung nehmen könnten. Ich meine, einiges Richtige gesagt zu haben. Und wo ich Sie mißverstand, ist mein Mißverstehen vielleicht für die Lage typisch. Es hat seinen Grund vielleicht nicht in persönlicher Kurzsichtigkeit, sondern in einem typischen Sehfehler der Leute meines theologischen Entwicklungsganges und Jahrganges. Könnten Sie mir nicht öffentlich irgendwie die Miß-
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Siehe oben Anm. 4. Siehe oben Anm. 7. Siehe oben Anm. 9. Paul Althaus, Der Lebendige. Predigten. Gütersloh 1924.
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verständnisse von damals als solche erweisen? Oder, wo ich Sie recht verstand, ein Wort zur Sache sagen? Also: Ich will gerne eine andere Stellung beziehen, aber ich kann den früheren Aufsatz nicht verleugnen – nicht etwa nur aus „Prestige“-Gründen (die wiegen bei mir gering), sondern weil ich noch nicht klar sehe. Sie täten mir einen wirklichen Dienst. Ich kann dann, worauf viele warten (das sagen mir auch meine Studenten), mein öffentliches Verhältnis zu Ihnen allen revidieren. Dass wir ja ganz das Gleiche sagen wollen, ist nicht – soll ich sagen: zu fürchten oder zu hoffen? Das wollen Sie auch am wenigsten. So oft ich Sie lese, wie dieser Tage wieder, spüre ich neben der starken Verbundenheit, um derentwillen ich Ihnen einfach die Hand zum Danke, zur Gemeinschaft reichen möchte, doch den weiten Abstand. Am stärksten, offen gesagt, in den ethischen Fragen. Das sagten Sie ja schon im Oktober. Jetzt merkte ich’s wieder, als ich mit Loew auf Burg Lauenstein in der Aussprache ins Gespräch kam. Denken Sie: Ihr Römer 7-Kapitel verstehe ich jetzt sicher besser als 1924, aber bei Römer 12 bis 14 bin ich verstockt. Inkonsequent? Mag sein. Aber Ihr Protest gegen die Erfahrungs-Theologie ist mir eben in seiner geschichtlichen Notwendigkeit jetzt aufgegangen. Sie müssen sich nicht wundern, dass das bei mir so lange gedauert hat. Fremde Gedanken sind bei mir an sich schon niemals Luftschlagzünder, sondern Zeitzünder (Sie sind doch „militaristisch“ genug gebildet, das Bild zu akzeptieren?). Hier kam hinzu, dass ich die Erlebnis-Theologie schon lange haßte und bei Meistern in die Schule gegangen war, die uns anderes boten. Daher verstand ich Ihren Zorn gegen die ganze Theologie nicht. Unser Centralproblem wird die Geschichte bleiben. Vor vier Tagen sprach ich in Schwerin über „Die Herrlichkeit der Kirche“. Ich muß fürchten, dass Sie nicht ganz einverstanden gewesen wären. Aber gestern früh las ich dann im „Wort Gottes und die Theologie“ S. 178 oben, Zeile 5 – 10 besonders, und fühlte, dass wir doch zuletzt nicht so endlos weit voneinander sind: „verborgene Herrlichkeit unseres Berufes!“ (Trotzdem verstehe ich den ganzen Elgersbürger Vortrag immer noch nicht, es sei denn, er wollte nur sagen, dass allein Gottes Geist das Wort Gottes reden kann und hören kann.)22 Wir sollten uns auch einmal so sprechen können, wie es auf dem Beisammensein mit Heitmann, Blum und anderen möglich war. Statt dessen „vertreten“ wir, ein jeder seine Theologie, auf jeweils verschiedenen Tagungen. – Wie geht es den Ihrigen? Bei uns ist alles wohl. Meine Frau und meine Kinder nehmen in Warnemünde Abschied vom Meere. Im August geht es nach Erlangen. Wen möchten Sie als meinen Nachfolger in Rostock sehen? Herzlichen Gruß Ihr Paul Althaus PS: Halten Sie die Zeitschr. f. syst. Theologie? Sonst sende ich Ihnen einen 22 Karl Barth, Das Wort Gottes und die Theologie. (Gesammelte Vorträge) München 1924.
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Sonderdruck meines eschatologischen Aufsatzes, in dem ich wegen des Chiliasmus Ihnen noch eine Antwort gegeben habe.23 15. Brief Barth (Handschrift) Göttingen, 14. Juni 1925 Lieber Herr Kollege! Sie kennen wohl auch die oft wochenlang andauernden Situationen, in denen man das gute Werk eines Briefs von Herzen gern tun möchte und dann doch andauernd nicht dazu kommt, weil von früh bis spät immer gerade noch etwas anderes vorher zu tun ist – nach meiner Lehre natürlich ein Gleichnis für eine ethische Situation überhaupt. So sind Sie mir mit Ihrem freundlichen Brief zuvorgekommen, denn es war an mir, Ihnen für die freundliche Dedikation Ihrer Predigten zu danken und nun haben Sie auch noch auf Beantwortung Ihres Briefes lange warten müssen. Zuerst ein Wort des Dankes für Ihre Predigten. Ich sehe daraus, wie „dialektisch“ unser Verhältnis ist: Ich könnte Ihnen sagen, dass ich Ihnen sozusagen durch das Ganze hin (der 18. Jan. ist natürlich eine schwere Belastung samt allen seinen Parallelen!) gerne gefolgt bin – als auch, dass ich fast auf jeder Seite Hemmungen empfinde. Dass ich allerhand Bedenken geltend zu machen habe – aber auch, dass ich wohl sehe, dass man das mir Verdrießliche fast überall doch in meliorem partem deuten kann und gewiß muß. Dass ich in diesem Buch besonders deutlich meine „Nöte“ erkennen, aber auch besonders deutlich den Grund, weshalb Sie so energisch gegen mich vorgehen müssen und meinen Grund (mehr defensiv, wie es des reformierten Lammes Rolle gegenüber dem lutherischen Wolf immer war) gewisse Dinge, die Sie bei mir verneinen, hartnäckig nicht zu sagen. – Ich will die kritische Linie, die für mich durch das Ganze hindurchläuft, an drei Punkten bezeichnen: 1. Was wird bei Ihnen aus den biblischen Texten in Verboblasien zu den Anliegen, die Sie selbst im Namen der Gemeinde zur Sprache bringen? Ich bewundere Ihre Fähigkeit zur Applikation und sie ist mir gleich(??) unheimlich. Gibt es hier nicht qualitative Distanzen, die bis zuletzt gewahrt bleiben müßten –, an deren Wahrung letztlich doch auch die Kraft wirklicher Applikation liegt? Sind Sie beleidigt oder geschmeichelt, wenn ich Ihnen sage, dass Ihre Predigten mich an die Schleiermachers zur damaligen Lage erinnern? 2. Was bedeutet die ja eindrucksvolle christocentrische Haltung Ihrer Predigten? Wie sollte sie nicht zu loben sein? Aber doch nur dann, wenn es deutlich bleibt, dass Gott und Mensch für uns auch „in Christo“ zwei Parteien bleiben, wenn der Unterschied des pro nobis und in nobis in aller Sauberkeit gewahrt wird. Ich sehe aber in Ihren Predigten passim die traurigen Folgen der Holl’schen Rechtfertigungslehre, die ich, auch wenn sie vielleicht die Luthers 23 Paul Althaus, Heilsgeschichte und Eschatologie. In: ZSysTh Bd. 2 (1924/25), S. 605 – 676.
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selbst sein sollte (ich hoffe, Holl werde noch einmal erledigt, fürchte aber, es wird nicht gelingen!) sehr unchristlich finde. 3. Wie denken Sie sich, das Grundsätzliche der Verboblasien des regelmäßigen Anfangs Ihrer Predigten (irgendwo in einer menschlichen Tiefe) zu Ihrem regelmäßigen Ausgang (irgendwo auf einer ebenfalls menschlichen, d. h. ebenfalls in Rostock 1924 erreichbaren bzw. erreichten Höhe?). Hat es mit dem Anfang seine Richtigkeit, warum bleibt es nicht dabei, warum wird der Triumph des Hergangs nicht ausreichend als göttlicher Triumph über die menschliche Tiefe verkündigt! Hat es mit dem Vorgang seine Richtigkeit, wie wäre es dann möglich, dass immer die nächstfolgende Predigt, als wäre nichts geschehen, wieder von vorne anfangen muß? Bringt dieses Verboblas nicht einen Hauch von unwirklicher Ideologie, von allzu großer Zeitgewißheit über das Ganze? Müßte nicht der Ewigkeitscharakter des „Wortes“ durch die Tat bezeugt werden? Nämlich durch die Tat der grundsätzlich Relativierung des menschlichen Auf und Nieder, auf die es sich allerdings bezieht, in dessen Schaukelbewegungen es aber selber nicht eintritt? – Es ist dreimal derselbe Einwand, den ich mache. In irgendeiner von diesen Formen wird Ihnen ja deutlich sein, was ich meine. Der Einwand wegen des starken nationalen Einschlags ist Ihnen gegenüber sekundär. Ich brauche Ihnen nicht zu sagen, dass ich gegen das Reden von Luther, Fichte (diesem hochmütigen Greuel!) und Bismarck in einem Atem schwerste Bedenken habe. Aber eben weil hier Urteile und Ressentiments in Frage kommen, die mit Predigt nichts zu tun haben, stelle ich diesen Punkt gerne zurück. Beiliegend sende ich Ihnen den Brief Brunners zurück. Ich habe über die Sommation, die er da an Sie ergehen läßt, meinen Teil gelacht und denke gar nicht daran, sie mir zu eigen zu machen. Eine solche formelle Zustimmungserklärung erwarte ich nun wirklich nicht von Ihnen. Ihr Aufsatz von 1924 war m. E. der ganz bemerkenswerte Exponent eines allgemeinen Widerspruchs gegen meinen Römerbrief und, wenn ich recht sehe, noch mehr gegen die Art, wie er von einem Teil der theol. Jugend aufgenommen und verstanden wurde. Warum soll er nicht als das mit meinem Römerbrief selbst fernerhin gelesen und bedacht werden, auch wenn ich selbst mich darin verkannt und mißdeutet fühle? Unterdessen arbeiten wir beide weiter (wir haben uns ja in Bezug auf Fruchtbarkeit unserer Schriftstellerei nicht viel vorzuwerfen!) und zeigen positiv, was wir uns voneinander haben sagen lassen. Zu einer „Auseinandersetzung“ müßte ich unendlich weit ausholen. Ich habe mir das Material zu einer Antwort an Sie, Heinzelmann, Schaeder und Girgensohn einmal zusammengestellt, aber als ich damit durch war und zu schreiben beginnen wollte (in den letzten Weihnachtsferien), fing das Semester wieder an und kam mir das ganze Erklären, Rechtfertigen, Beleuchten meiner eigenen früheren Dikta und das damit verbundene Zielen auf Ihre allfälligen Blößen auf einmal so unbegabt vor, ich legte den ganzen Zeddelhaufen in einen Umschlag und ging wieder an meine Dogmatik. Genügt es Ihnen nicht, wenn ich Ihnen versichere, dass ich Sie abermals und abermals gelesen habe, bevor ich zu den Traktanden überging und das nun eben von 28
Semester zu Semester die Tatsachen dafür sprechen müssen (vielleicht auch dagegen), dass ich das mit Gewinn getan habe. Was soll ich (auch ich liebe die militaristischen Gleichnisse) Schützengräben beschießen, die einesteils notorisch schon geräumt sind und in denen andernteils soviel Bewegung erkennbar ist, dass ich zuversichtlich warten zu können meine, ob nicht vielleicht die Ereignisse auch da weiteres Feuer überflüssig machen? Mir meinerseits jedenfalls genügt es vollkommen, zu wissen, dass auch Sie nicht ohne Notiznahme meiner weiteren (eventuell auch unter Wiedererwägung meiner früheren) Äußerungen stracks Ihren eigenen Weg gegen, sich da auf meine Gesichtspunkte einlassen, wo Sie es können und müssen und es da unterlassen, wo Sie es eben nicht können noch dürfen. Expressis verbis ließe sich die „Auseinander-“ oder „Zueinander“-setzung zwischen uns von beiden Seiten nun entweder aphoristisch wie in meinen obigen Bemerkungen zu Ihren Predigten oder dann in Form von Kontrovers-Schriften größten Kahlschlag vollziehen, während deren Erstellung der eine dem anderen sicher längst wieder entlaufen wäre, und mit denen das Publikum schließlich doch wieder irrgeführt würde. Vielleicht dass wir in einigen Jahren beiderseits präziser und stabiler gesagt haben, was wir wollen und dass dann ein eigentliches grenzenaufhebendes und grenzensetzendes Hin und Her eintreten kann. Vorläufig möchte ich Sie wirklich bitten, mich nicht zu verpflichten, zur Zerstörung des gewissen fruchtbaren Nebels von Zustimmung und Ablehnung in der Mitte unserer Beziehungen etwas Umfassendes zu unternehmen. Brunner ist mir da einfach zu taktisch und in anderem Sinne auch wieder zu wenig taktisch. – Als kleine Entschädigung oder Abschlagszahlung sende ich Ihnen mit gleicher Post die Revisionsbögen (ich habe die Korrekturen nur auf den Sie direkt angehenden Seiten nachgetragen) meines Schweizer Vortrags über das Schriftprinzip, in dem Sie die kleine „Abrechnung“ mit einem Ihrer Einwürfe (dieser war mir von Anfang an besonders interessant) ja gleich finden werden.24 Um ganz zu verstehen, müssen Sie freilich das Ganze lesen. Im selben Heft von „Zwischen den Zeiten“ kommt dann noch mein Herrmann-Vortrag, bei dem ich ebenfalls lebhaft an Sie gedacht habe.25 Es ist mir schon lieb, wenn Sie diese Sachen vorweg lesen, weil ebenfalls im selben Heft (das Sie aber als eine Art Spezialnummer für sich in Anspruch nehmen dürfen quasi als Begrüßung in Bayern!) auch noch der von Stange und Hirsch abgelehnte Kriegsruf Petersons wider Sie erscheinen wird.26 Ich identifiziere mich wahrlich nicht mit Peterson, und er identifiziert sich nicht mit mir. Aber wir haben ein Stück gemeinsame Front gegen Sie, und darum war ich für die Aufnahme – ganz abgesehen davon, dass ich über die Ablehnung durch die 24 Karl Barth, Das Schriftprinzip der reformierten Kirche. In: Zwischen den Zeiten. Bd. 3 (1925), S. 215 – 245. 25 Karl Barth, Die dogmatische Prinzipienlehre bei Wilhelm Herrmann. In: Zwischen den Zeiten. Bd. 3 (1925), S. 246 – 280. 26 Erik Peterson, Über die Forderungen einer Theologie des Glaubens. Eine Auseinandersetzung mit Paul Althaus. In: Zwischen den Zeiten. Bd. 3 (1925), S. 281 – 302.
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Zeitschrift für systematische Theologie (über Stanges und Hirschs Ärgernis am Katholisieren, wo ihnen und ihren Mitarbeitern täglich so viel fröhliches Modernisieren unterläuft) entrüstet war. Einen versöhnenden Ausblick gewährt Ihnen gern mein beiliegendes Bildnis mit meinen zwei jüngsten Söhnen (Nummer 4 und 5 im Ganzen, das Älteste ist ein Mädchen). Sie heißen Matthias und Hans Jakob und sind neben der Dogmatik meine tägliche Freude. Im Juli fährt die ganze Gesellschaft an die Nordsee auf die Insel Baltrum; ich folge im August für 14 Tage und darf nachher noch in die Schweiz, um mich von den Strapazen meiner theologischen Reisläuferei völlig zu erholen. Zu Ihrem Aufbruch nach Süden wünsche ich Ihnen alles Gute. Der bayrische Protestantismus ist, nach den Leuten, die ich kenne, zu urteilen, eine gute Sache, derer sich anzunehmen sich schon lohnt. Ich höre zur Zeit allerhand Hifthornklänge, die darauf hinzuweisen scheinen, dass meines Bleibens in Göttingen vielleicht auch nicht mehr lange sein wird. Schade, ich wäre an sich am liebsten hier geblieben. Aber mein Verhältnis zur hiesigen Fakultät ist, nicht persönlich aber formell, so unerquicklich wie möglich und verspricht keine Besserung. Und nun empfangen Sie nochmals herzlichen Dank für Buch und Briefe und seien Sie bestens gegrüßt von Ihrem Karl Barth 16. Postkarte Althaus (Handschrift) Rostock, 20. 6. 1925 Lieber Herr Kollege! Herzlichen Dank für Brief, Bild (Sie bekommen bald ein ähnliches meiner Schar!) und Gedrucktes. Am Nachmittag vor der Predigt (ich predige morgen zum hiesigen Missionsfeste über 2. Tim. 2,9: Gottes Wort ist nicht gebunden) konnte ich mich noch nicht in alles vertiefen. Aber so viel darf ich schon heute sagen: Für Ihre Bemerkungen zu meinen Predigten danke ich Ihnen sehr. Ich werde sie ernst bedenken. Es schiene mir überhaupt äußerst fruchtbar, wenn wir unsere spätere Diskussion unter dem Gesichtspunkte der Predigt gleich Aufgabe fortsetzten. Das ist uns ja gemeinsam, dass wir um der Predigt willen, von ihrer Not aus theologisch denken. Ein zweites: Ich bin ganz entlastet und dann noch befreit, dass Sie nicht eine offizielle Klärung unseres Verhältnisses begehren. Ich danke Ihnen für das Wort vom „fruchtbaren Nebel“. Vielleicht kommt einmal die „Stunde des transibit“, aber wir wollen es dem theologischen Publikum auch nicht zu leicht machen. Endlich: Sie wissen doch, dass ich nichts gegen die Aufnahme von Petersons Artikel in die Zeitschrift für systematische Theologie hatte? Das habe ich nach der Lektüre sogleich und ausdrücklich erklärt. Wir quälen uns mit der Frage meines Nachfolgers. Für die Zukunft möchte ich Ihnen noch 30
eine Verbesserung unserer Beziehung vorschlagen: Wollen wir uns nicht beiderseits eine gute Schreibmaschine anschaffen? An diesem Punkte ist Brunner Ihnen doch überlegen!! Und ich leugne nicht, dass ich nicht jedes Wort bei Ihnen, auch auf früheren Karten, mit Sicherheit entziffert habe. Ich antworte Ihnen bald ausführlich. Zunächst vielen Dank und freundliche Grüße Ihres Paul Althaus
17. Postkarte Barth (Handschrift) Göttingen, 25.VI.25 Lieber Herr Kollege! Sie berühren in Ihrem letzten Brief und auf Ihrer freundlichen Karte die Frage Ihrer Nachfolge in Rostock. Ich habe keine positive Meinung dazu. Aber gestern erhielt ich eine Nachricht, von der ich wohl von Ihnen wissen möchte, ob sie eine Ente ist. Ist es wahr, dass Br. [Brunstäd] in E. [Erlangen] ernstlich in Betracht komme? Ich frage aus keinem praktischen Grund, sondern nur, weil ich mich gewissen grimmigen Meditationen über Zustände und Möglichkeiten in der heutigen Theologie nicht umsonst hingeben möchte. Sie können sich ja denken, in welche Richtung sie laufen würden. Mit herzlichem Gruß! Ihr Karl Barth
18. Postkarte Althaus (Handschrift) Rostock, 25. 6. 25 (Poststempel 26. 6.) Lieber Herr Kollege! Das Gerücht ist keine Ente. Aber der Betreffende ist nicht mein Kandidat. Unsere Liste ist ein als entsetzliche Schwergeburt zustande gekommener Kompromiß, dessen Gestalt leider stark durch die Rücksicht auf die Erhaltung der Rostocker Frequenz mitbestimmt war. Dass ich, der Weggehende, aus besonderem Grunde da sehr zurückhaltend sein mußte, werden Sie verstehen. Ich wollte, ich könnte Ihnen alles auseinandersetzen. Mit einem anderen Kollegen zusammen wollte ich Heinzelmann. Das drang aus konfessionellen Gründen nicht durch. Einen anderen respektablen Kandidaten, der gerade in unsere Lage gepaßt hätte, hatte ich nicht. Das war und ist die Schwäche meiner Position. Aber ich habe nicht das Recht (und das ist auch nicht der Sinn dieser Zeilen) die Mitverantwortung abzulehnen. Dennoch bitte ich Sie, die grimmigen Meditationen noch zurückzuhalten, 1) bis ich Ihnen Eingehenderes sagen kann, 2) bis eine Berufung erfolgt ist. Von uns glaubt keiner daran, dass Br. 31
berufen wird. Dazu sind die Bedenken eines Teils der Fakultät viel zu deutlich im Votum ausgesprochen. Bitte behandeln Sie diese Notizen vorerst vertraulich. Ich darf der Öffentlichkeit gegenüber nicht aus der Solidarität heraustreten. Herzlichen Gruß (bald mehr!) Ihr P. Althaus 19. Postkarte Althaus (Handschrift) Zur Zeit Pfarrhaus Langendorf (Elbe), den 8. 8. 1925 Lieber Herr Kollege! Zunächst beglückwünsche ich Sie herzlich zu dem Rufe nach Münster. Ob Sie hingehen werden? Sie sind dort den reformierten Kerngebieten Deutschlands ja näher als in Göttingen. Aber die Fakultät ist schwerlich so interessant wie die Göttinger – doch ich verstehe, dass Ihnen die offizielle Göttinger Situation mit der Dauer unerträglich wird. Vielen Dank für die Zusendung Ihrer Aufsätze aus „Zwischen den Zeiten“. Jetzt las ich hier im Garten nochmals den Herrmann-Aufsatz, der mir, nicht nur um der reinen Apostrophierung willen, viel zu denken gibt. Zunächst bewundere ich die Feinheit, mit der Sie für Herrmann zeugen. Am besten hat mir Seite 266 unten, 267 oben gefallen (vom principium individuationis). Ähnliches suche ich in der Grundlegung der Dogmatik I zu sagen. Aber ist das nicht auch „Apologetik“ (insofern das Angeredetsein durch Gott als der Grund alles unseres Menschseins aufgezeigt wird) – und doch eine Apologetik, die die Autopistie (267 unten) nicht verletzt? Auf Seite 269 Mitte muß ich zunächst noch mein Unverständnis anmelden. Gewiß, Gott setzt sich selbst gegenüber unserem Bewußtsein – aber nicht für unser Bewußtsein? Ich komme da noch nicht mit. – Ganz vortrefflich ist Seite 270 unten die Bemerkung über die Seelsorge – das ist in der Tat das Geheimnis der Theologie H.s. Zu S. 274 f. schreibe ich später / denken Sie an den „Zeitzünder“. 278: „Eine anständige Th. [eologie] ist immer einseitig“ nehme ich mir ins Stammbuch. Gerne wüßte ich, ob Sie S. 279 f schon zur Zeit des Römerbriefes 2. Auflage so hätten schreiben können. Reden Sie nicht jetzt ganz anders als damals über die Kirchengeschichte? Im übrigen erfreut natürlich Seite 280 mein Herz. Und ich hoffe doch, Ihre Empfehlung des Dogmas noch etwas anderes verstehen zu dürfen als Petersons „Was ist Theologie?“, über welchen Erguß ich nur lachen kann. Meine Adresse bleibt vorerst Rostock. Herzl. Gruß Ihr P. Althaus
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20. Postkarte Althaus (Handschrift) Auf der Reise zwischen München und Erlangen, 10. Okt. 1925 Lieber Herr Kollege! Ich habe unterwegs Ihren Cardiff-Bericht gelesen und möchten Ihnen doch schnell sagen, wie sehr ich Seite 322ff zustimme.27 Sie haben unweigerlich Recht mit dem, was Sie dort als Voraussetzungen eines neuen Bekenntnisaktes fordern. Natürlich bin ich deswegen noch lange nicht mit jeder Einzelheit Ihres Aufsatzes einverstanden. Die Abgrenzungen gegen das Luthertum empfinde ich zum Teil als ungerecht; zum Beispiel 315 unten, 315 oben über die Spontaneität. Der Satz „Das reform. Volk läßt sich nicht so gängeln von oben herab“ ist fast demagogisch. Gab’s in Genf denn christliche „Demokratie“? Andernfalls ist die Confessio Augustana doch auch von Reichsstädten unterschrieben. Entscheidend waren bei „Ihnen“ wie bei „uns“ die Theologen, das heißt, die „Gemeinde“-Spontaneität war eine sehr indirekte. Wen meinen Sie mit dem Neuluthertum, das die Geschichte heimlich mit Apotheose verkläre? Sind Sie und ich sachlich in unserer Haltung zur Geschichte soweit voneinander? Sind Sie – dieser Aufsatz beweist es wieder! – eigentlich viel geschichtsfreundlicher, „traditionalistischer“ als ich. Oder anders gesagt: Aller Ihrer theologischen Entwertung der Geschichte zum Trotz rechnen Sie praktisch sehr ernst mit der in immer tiefere Wahrheitserkenntnis leitenden Führung des heiligen Geistes. – Heute traf ich in München – zufällig! – G. Merz. Dann besuchte ich Chr. Kaiser. So knüpfte sich das Band zwischen Ihnen, Ihren Freunden und mir fester. Ich stehe nun vor der Entscheidung Erlangen – Leipzig. Herzliche Grüße aus München für den Anfang in Münster Ihr P. Althaus 21. Postkarte Althaus (Handschrift) Erlangen, den 5. 2. 1926 Lieber Herr Kollege, es drückt mich sehr, dass ich Ihnen so lange nicht geschrieben und für so vieles, was Sie mir freundlich sandten, noch nicht gedankt habe. Zehnmal war’s fast angefangen – aber es ist eben, bei der Nähe und doch wieder Entfernung unseres theologischen Willens so unendlich viel, was ich zu bemerken, zu begrüßen, zu schelten, zu fragen hätte, dass der Brief einfach von seiner eigenen ideellen Fülle bisher gehindert ist, zur Welt zu kommen. Fast täglich, im Kolleg, im Gespräch mit Heckel, Meyer (aus Velbert) u. a., rede ich 27 Karl Barth, Wünschbarkeit und Möglichkeit eines allgemeinen reformierten Glaubensbekenntnisses. Vortrag auf der Generalversammlung des reformierten Bundes für Deutschland 1925. In: Zwischen den Zeiten Bd. 3 (1925), S. 311 – 333.
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ausgesprochen oder unausgesprochen mit Ihnen. Auch heute habe ich in der Dogmatik, bei der Behandlung der Konfessionen, den Leuten gesagt, dass Sie (Römer 9 zur Prädestination) eigentlich Lutheraner im Sinne von de servo arbitrio und nicht calvinistischer Lehrer der doppelten Prädestination samt syllogismus practicus seien. Dazwischen ärgere ich mich dann wieder sehr zum Beispiel über Zw. den Zeiten 1925, S. 221 im Verhältnis zu S. 222.28 Erst Inanspruchnahme des Geisteszeugnisses, mit Citat von Confeß’. Gallic. (9. 5), für die Integrität und Absolutheit dieses Kanons, also Geisteszeugnis, das 2. Petr. hineingehört – dann 222 Mitte ganz unreformierte, mir hoch erfreuliche Sätze über das, was ich die „Offenheit“ des Kanons (siehe auch Thurneysen) nenne, die mir zum Ärgernis des b kºcor s²qw 1c´meto [das Wort ward Fleisch] mit hinzugehört. Der reformierte Beleg S. 222, Anmerkung 2 ist doch etwas dürftig. – Aber das alles wollte ich ja heute nicht sagen, sondern vielmehr, dass Sie entweder bald den Brief bekommen, etwa Anfang März, oder dass wir uns besuchen müssen. Dieses alles sollten Sie heute wissen, weil ich fürchte, oder eigentlich hoffe, dass auch Sie mein briefliches Schweigen schon beklagen. Ich bin hier in Erlangen bisher gerne und bin der Entscheidung gegen Leipzig innerlich sicher, auch nachdem E. Weber nun abgelehnt hat. Ihr Vorwort zu 1. Korinther 15, 2. Auflage, enttäuschte mich doch ein wenig. Sie müßten doch Einiges ändern; – ich soll die 2. Auflage besprechen – was soll ich nun machen? Das Vorwort milde als Verbesserungswilligkeit oder ernst als Unverbesserlichkeit deuten?29 Also bald mehr. Herzlichen Gruß Ihr P. Althaus 22. Postkarte Althaus (Handschrift) Erlangen, 8. 7. 26 Lieber Herr Kollege, vielen Dank für Ihre so freundliche Karte. Sie haben ganz gewiß Recht damit, dass ich den symbolischen, demonstrativen Wert des chiliastischen Gedankens hätte betonen sollen. Das fühlte ich schon während des Druckes und jetzt erlebe ich, kaum dass das Buch zur Welt ist, was Sie Römerbrief 2. Auflage 1922, Seite 246 oben Zeile 1 bis 3 so sachlich vortrefflich, wenn auch exegetisch m. E. nicht richtig sagen.30 Ich sende Ihnen gleichzeitig einen meine 1. Auflage betreffenden Aufsatz, der mich in Ihre Nähe rückt (wie schon ein anderer Mann im Württ. Kir28 Karl Barth, Das Schriftprinzip der reformierten Kirche. In: Zwischen den Zeiten Band 3 (1925), S. 215 – 245. 29 Karl Barth, Die Auferstehung der Toten. Eine akademische Vorlesung über 1. Korinther 15. 2. Auflage. München 1925. 30 Karl Barth, Der Römerbrief. 2. völlig veränderte Auflage. München 1922.
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chenblatt uns neuestens, geschmacklos wie immer, der „Halbe“ und der „Ganze?!“, H. E. Weber in Bonn, NKZ 1926, S. 329, Anm.).31 Ich bitte den Aufsatz gelegentlich zurück, da ich antworten muß. Eine Verwandtschaft zwischen uns ist hier ohne Frage da, und nicht nur hier! Wie geht es den Ihrigen? Wo sehen wir uns im Sommer? Wir gehen ins Allgäu. Sind Sie in der Schweiz? Wir haben hier 213 Theologen, 100 mehr als vor einem Jahr. Aber in Rostock war alles geschlossener. Und ich habe schreckliches Heimweh nach der Kanzel. Herzliche Grüße Ihr P. Althaus 23. Brief Barth (Handschrift) Münster, 22. Juli 1926 Lieber Herr Kollege! Vielen Dank für Ihre Karte und die Drucksachen. Sie finden es gewiß menschlich begreiflich, wenn ich im Hinblick auf 1924 einiges darin nicht ohne Schadenfreude gelesen habe. Und ich hoffe lebhaft, dass Sie nächstens auch noch mit mir (allerdings auch mit Bornkamm, Schmitz und Wilhelm Weber) in das neu eröffnete „Barathrum“ der Theologischen Blätter gerufen werden. Ich höre eben allerlei aus Erlangen durch Vikar W. Trillhaas aus Regensburg, der erst in Göttingen, letzten Winter in Erlangen studierte. Es tat mir leid, dass Sie – scheint’s – allerlei Unvergnügliches haben dort. Und welchen Empfang man dort dem Häresianden aus Marburg bereitet haben soll!! Wir sind hier sicher eine der gutmütigsten Fakultäten in Deutschland. Auch wir haben übrigens unsere Studentenzahl verdoppelt, was aber so viel nicht sagen will bei unseren Zahlen. Eine ganz leise vertrauliche Frage: Denkt in der Bayrischen Landesuniversität Erlangen niemand daran, dass unser Stählin noch keinen D. hat? Dass der Mann mir theologisch geradezu ein Greuel ist, brauche ich Ihnen nicht zu versichern. Ich leide Qual unter seiner Kanzel. Aber dieser Titel-Mangel hat ihm bereits eine dumme Ungelegenheit eingebrockt und auf die Länge geht doch das nicht. Verdient hat er ihn gewiß so gut wie so viele, die ihn bei solchem Anlaß sofort kriegen (Brunstäd!) – wie man auch sachlich zu ihm stehen mag. Um alles Mißverständnis zu vermeiden, will ich das deutlich sagen, dass ich Sie das ganz von mir aus frage. Weder Stählin selbst noch sonst jemand weiß davon, dass ich auch neu dazu denke. Und wenn Sie nichts damit anfangen können oder wollen, so bejahen Sie diese 31 Hans Emil Weber, Die Kirche im Lichte der Eschatologie. In: Neue Kirchliche Zeitschrift Band 37 (1926), S. 299 – 339, S. 329 f. Anm.: mehr als ganzseitige Darstellung der Althaus-BarthKontroverse über endgeschichtliche Eschatologie. Weber ist als „Barthianer“ einzuschätzen, was den Text prägt.
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„kleine Anfrage“ schweigend. Ich werde es nicht übelnehmen, weiß ich doch nun auch schon, dass in solchen Dingen – sogar im freundlichen Münster – der Teufel immer irgendwie los ist. Am 31. fahren wir acht Köpfe hoch für fünf Wochen nach der Schweiz. Alles Gute für die Ferien auch Ihnen und den Ihrigen wünschend Ihr Karl Barth
24. Brief Althaus (Masch.-Schrift) Erlangen, den 24. Juli 1926 Lieber Herr Kollege, vielen Dank für Ihren freundlichen Brief, die Rücksendung der Drucksachen und Ihre Predigt über Psalm 37, die ich morgen lesen will. Ich antworte sogleich auf Ihre vertrauliche Anfrage. Ich hatte mir in dieser Sache schon seit einigen Monaten Gedanken gemacht, aber war nie an die Fakultät oder auch an einzelne herangetreten, weil ich es für aussichtslos hielt. – Handschriftlicher Einschub: Stählin ist mir theologisch noch ein Rätsel. Ich mag ihn, nach kurzen Berührungen, menschlich gerne, habe aber gegen seine bisherigen Bücher religiösen Inhalts starke Vorbehalte. Er selber versicherte mich bei einem Vortrag in Lübeck neulich (über das Wesen des evang. Gottesdienstes) völligster Übereinstimmung. Ich sende Ihnen den Vortrag.32 Sie werden ja sehen und sich vielleicht weniger über mich als über St. wundern. Behandeln Sie ihn nicht schlecht – es wäre mir doch lieber, er gewänne zu Ihnen, statt, wie jetzt, zu Tillich Zutrauen. – Ende des Einschubs. Nun bot sich heute Gelegenheit, mit einigen Kollegen vertraulich darüber zu sprechen. Dabei ergab sich: Es ist vor einigen Monaten, offenbar ehe ich Mitglied der Fakultät war, schon einmal über die Angelegenheit gesprochen mit negativem Ergebnis. Ich fand jetzt Kollegen wie Bachmann nicht abgeneigt. Aber es ist wohl vor allem der Widerstand von Zahn zu fürchten. Weiter kommt erschwerend hinzu, dass in unserer Fakultät die Meinung vertreten wird, wenn oder ehe man Wilhelm Stählin promoviere, müsse es mit seinem älteren Bruder Otto Stählin, unserem hiesigen Kollegen, der ja große patristische Verdienste hat, geschehen. Gegen letztere Promotion scheint aber Th. Zahn, der Stählin theologisch nicht leiden mag, wohl wegen neutestamentlicher Einleitungsfragen, stricte zu sein. So sehe ich im Augenblick wenig Hoffnung. Doch will ich in der nächsten Woche, bei einer Zusammenkunft der Fakultät, noch einmal sehen, was zu machen ist. Sie bekommen dann Nachricht. Handschriftlicher Einschub: Übrigens hatte Kiel ja St. als Nachfolger
32 Paul Althaus, Das Wesen des evangelischen Gottesdienstes. In: ZSysTh Bd. 4 (1926/27), S. 266 – 308.
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Baumgartners vorgeschlagen – könnte Kiel nicht helfen? So hat Rostock auf meinen Vorschlag hin H. Rendtorff, den wir als Hilberts Nachfolger auch auf der Liste hatten, doktoriert. Ende des Einschubs Zu Ihren freundlichen Bemerkungen über mein hiesiges Los nur dieses: Zum Klagen habe ich keinen Anlaß. Die Kollegialität ist einwandfrei. Freilich spüre ich dabei desto schärfer den theologischen Abstand. Das dürfte ich Ihnen ja eigentlich als eine „inner-lutherische“ Angelegenheit gar nicht verraten. Aber Sie wissen ja selber schon längst, dass Elerts und Procksch’s Theologie nicht die meine ist. Mit Bachmann würde ich mich schon am ehesten verstehen können, von meiner persönlichen Freundschaft mit Strathmann abgesehen. Außerdem liebe ich K. Müller. Über Bachmanns Aufsatz zu Ihrem Römerbrief können Sie sich doch nicht beklagen. Ähnlich nett würde ich wahrscheinlich schreiben, wenn ich heute noch einmal öffentlich mit Ihnen verhandelte. Schwer, wirklich schwer ist mir hier, dass ich nur einmal pro Semester auf die Kanzel komme. Ich weiß jetzt, dass das vollendete Unnatur ist, und zwar (ich wage es zu sagen) nicht nur für mich. Unsere Studenten gehen nun überwiegend in den reformierten Gottesdienst!! Und ich selber kann auf die Dauer ohne den Sonntagsdienst einfach nicht leben!!. Im Winter werde ich mein Gefängnis sprengen und auf die Altstädter Kanzel steigen. Bitte dieses alles nur für Sie. Ich kann ja niemand anklagen. Bachmann ist formell völlig im Rechte. Und da er mich nicht nach Erlangen haben wollte, kann ich seine Zurückhaltung verstehen. Sonstigen Druck habe ich nicht, denn das ev. unter der Hand gegen mich gearbeitet wird, kümmert mich nicht. Jedenfalls hat es auf meine Hörerzahl keinen Einfluß. Natürlich habe ich Heimweh nach der Rostocker Geschlossenheit und dem Vertrauen in der Fakultät. Es mag schon sein, dass ich hier ein etwas verschlossener Mann werde. Wie schade, dass Hirsch und Brunner nun so miteinander hadern! Ich bin ja kein Freund von solchen Anmerkungen, wie Hirsch sie gegen Brunner geschossen hat, von der Frage des sachlichen Rechtes ganz zu schweigen. Andererseits tat mir, schon als ich in Zürich war, Brunners hartes Urteil über Hirsch weh. Was soll es denn, dass wir gerade solche, denen wir trotz allem nahe stehen, viel leidenschaftlicher abstoßen als die Fernen? Das ist ein ganz auffallender Zug der theologischen Lage. Was sagen Sie zu der vernichtenden Besprechung der Calvin-Ausgabe ihres Bruders durch Rückert in der D.L.Z.? Wenn R. Recht hat, ist das eine schlimme Sache. Für die Vorwörter müßte Ihr Bruder auch einen besseren Lateiner als den jetzigen gewinnen. Das jetzige Latein scheint mir unerträglich schwülstig. Was Calvin dazu wohl sagen würde!! Für Ihre Reise wünsche ich Ihnen alles Gute. Bei uns macht sich leider das ungünstige Erlanger Klima in vielen Kinderkrankheiten geltend: Halsentzündung, Mumps, Keuchhusten unserer Vier haben sich in diesem Sommer 37
abgelöst. Wir hoffen, dass in den 1100 m Höhe von Hirschegg im Walsertal bei Oberstdorf alles verschwindet. Mit herzlichem Gruße Ihr P. Althaus 25. Brief Althaus (Masch.-Schrift) Erlangen, den 20. Sept. 1926 Lieber Herr Kollege, zunächst lassen Sie mich aussprechen, wie leid es mir tut, dass Sie durch das Mißgeschick beim Reiten verletzt und gefährdet worden sind und unangenehme Tage gehabt haben. Besonders bedauere ich natürlich, dass Sie nun Bethel haben absagen müssen. Abgesehen davon, dass ich sehr auf Ihre Sakramentslehre spanne, nach den Andeutungen der Studenten hatte ich mich sehr auf Ihr Zusammentreffen mit meinem Lehrer Schlatter gefreut und für unsere ganze Lage viel Gutes davon erhofft. Ihre ethische Grundformel ist ja die „Demonstration“; ich akzeptiere sie in diesem Falle gerne. Das einzig Erfreuliche bei der gesamten Unfallskunde war mir nur, dass Sie mir nun als Bruder in der edlen Reitkunst verraten wurden. Ich pflege sie selber seit diesem Sommer wieder und fühle mich nach Leib und Seele erfrischt dadurch. Was für schöne Zukunftsperspektiven ergeben sich durch diese unsere gemeinsame Bahn! Der Studentenwitz wird sich ja dieser „formellen“ Verwandtschaft zwischen uns sicher bald bemächtigen. Ich selber hatte im Sommer schon, Ihrer freundlichen Vorwürfe gegen meinen „religiösen Sozialismus“ im „Neuwerk“ gedenkend (Sie schrieben damals etwa von der Kanzeltreppe, auf der ich immer noch stehe, statt natürlich mit Ihnen, auf dem armen Sünderbänkchen der Verlegenen zu sitzen!!), von einer „Theologie des hohen Rosses“ geredet, nur mit Bezug auf mich natürlich. Aber ich denke, unsere demnächstige öffentliche Zusammenarbeit wird mich vor allen bösen Folgen der neuen gehobenen Perspektive des Reiters bewahren. Verzeihen Sie die Scherze einem, der den „Ferienmenschen“, von dem neulich eine Berliner Zeitung schrieb, noch nicht ganz wieder abgelegt hat. Nun aber zu ernsteren Dingen. Ich danke Ihnen herzlich für die freundliche Zusendung Ihrer Bibelstunden über Römer 12,1.33 Ich habe bisher nur die erste gelesen. Neben dem uns Gemeinsamen, das ich bei Ihnen dankbar als etwas Neues höre, empfinde ich doch auch gerade hier wieder eine wirkliche Verschiedenheit unseres Verkündigens, die mir (ich gestehe es Ihnen offen) nicht nur erfreulich, sondern auch schwer ist. Vielleicht darf ich Ihnen, wenn Sie eine Bibelstunde als Gegenstand der weiteren Klärung unserer theologischen Beziehungen nicht ablehnen, Ihnen nach der Vertiefung in die zweite 33 Karl Barth, Vom christlichen Leben. Zwei Bibelstunden über Röm. 12, 1 – 2. München 1926, 2. Auflage 1928.
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Andacht einmal genauer die Stellen schreiben, wo Ihre Deutung mir fremd ist und nicht nur mir, dem Prediger, sondern auch dem Gliede der Gemeinde, das Ihnen zuhört. Es sind ja gewiß nur Verschiedenheiten in der Stärke des Tones, in der Stelle, an der Sie und ich einzelnes sagen. Ich glaube sagen zu können, dass ich jedes Ihrer Worte für sich genommen und zu seiner Zeit auch sage. Aber der Gesamteindruck, der Ton ist bei uns beiden allerdings ein anderer. Um nur eines heute anzudeuten: Dass Sie bei den Paulus-Worten „durch die Barmherzigkeit Gottes“ das Wort von der Nichtigkeit des menschlichen Tuns S. 16 f. der Rede von der Barmherzigkeit S. 18 f. vorausstellen, war mir überaus bezeichnend. Ich würde es genau umgekehrt gemacht haben. Und ich würde glauben, damit für das Bannen der Gefahr, die Sie mit Recht überall sehen, dass der Mensch doch noch etwas vor Gott zu bringen meint, mehr getan zu haben, als Sie tun. Sie stehen meines Erachtens vielleicht in Gefahr, über dem ständigen Einschärfen „nichts als Barmherzigkeit“ nicht so recht zu dem Stillestehen vor dieser Barmherzigkeit selber zu kommen. Sie wollen dem Menschen Gott groß machen immer wieder durch die Antithese „Du bist nichts vor Gott“. Aber kann man von der Größe der Gottheit und Barmherzigkeit Gottes nicht auch einmal rein positiv reden? Irre ich mich, wenn ich bei Ihnen als Gegenstoß gegen die ständige Reflektiertheit der Erlebnis- und Pietismus-Leute eine ständige gegenteilige Reflektion, deren Gegenstand das Nein zu jener ersten ist, finde? Ich bin im Zweifel, ob der Anspruchsgeist Gott gegenüber, den Sie bekämpfen wollen, durch sein ständiges gedankliches Verneinen bei Ihnen, Gogarten, Thurneysen wirklich stirbt (oder liegt es gar nicht daran, dass er sterbe, sondern nur daran, dass wider ihn Zeugnis geschehe?). Mir persönlich hilft jedenfalls an diesem Punkte immer nur eins: die wirkliche Bezeugung der Liebe Gottes als einer mir zugewandten. Daher erscheint es mir sachlich nötig und ist mir ein wichtiges Anliegen, dass Ihre oben besprochenen Absätze umgestellt werden. Auch glaube ich, dass durch die Sprache der Zeitläufte und durch die Wirkung Ihrer und anderer Verkündigung das Nein zu jedem menschlichen Anspruch unserem Studentengeschlechte so im Fleisch und Blut übergegangen ist, dass die – fast muß ich sagen: – Ängstlichkeit, mit der Sie, dem Paulustext zuwider oder doch über ihn hinaus, ein mögliches Mißverständnis des Preises der Barmherzigkeit erst noch wieder zerstören zu müssen meinen, vielleicht doch nicht mehr das Wort für die Stunde ist. Ich sage das alles nur als Erwägungen, ebenso als Fragen für mich selber als an Sie. Ich würde es daher öffentlich noch nicht zu sagen wagen. Sie können mich auch gewiß schlagen. Aber die Frage als solche wollte ich, weil sie mir immer wieder kam, nicht vor Ihnen verhehlen. Da ich nun doch schon beim Einzelnen bin, lassen Sie mich noch hinzufügen, dass ich den Gegensatz, den Sie zwischen Opfer und „Organ“ Werkzeug (Seite 24) machen, weder für Paulus noch an sich mitmachen könnte. Was Sie treffen wollen, hasse auch ich – das wissen Sie ja. Aber tun wir nicht mehr für das Töten des falschen Werkzeuggeistes, wenn wir den rechten lehren, als wenn wir das Wort einfach totschlagen? Wir verschweigen doch dabei etwas von der Wirklichkeit, 39
die Gott uns bereitet hat. Wie kann ich mich denn als Vater meiner Kinder und als Lehrer unserer Studenten anders sehen, denn als einen, durch den Gott – wunderbar zu sagen – handeln will. Das schwellt keineswegs die Brust von gottlosem Stolze, sondern belastet mich schwer und ist Grund wahrhaftiger Sündenerkenntnis, aber freilich auch ständiger Grund der Freude als Zeichen des Vertrauens Gottes. Die Mißerfolge unseres Tun und die von Ihnen oft hervorgehobene Zweideutigkeit unserer „Erfolge“ sorgen schon dafür, dass wir uns gar nichts einbilden. Aber die Größe des Berufs bleibt gerade dabei gewahrt. Und ich nehme die konkrete Demütigung vor Gott, die daraus erwächst, dass wir nicht, wie wir sollten, „Organe“ waren, ernster als die apriorische Erklärung, dass es Anmaßung sei vor Gott und unehrerbietig, sich als Organ zu wissen. Gerade weil ich mit Ihrem tiefsten Anliegen, eine Theologie aus der Demut – gleich theologia crucis – zu versuchen, herzlich und leidenschaftlich eins bin, habe ich die große Sorge, ob Ihre Art wirklich den Weg zur konkreten Demut führt. Vielleicht dass diese meine Fragen sich sogar mit denen des unter Ihrem Kopfschütteln von mir verlachten Erik Peterson ziemlich nahe berühren! Die partielle Fremdheit, die ich neben der Nähe bei dem Lesen Ihrer Bibelstunde empfand, ist nun vielleicht in dem Augenblicke, da wir ein gemeinsames Unternehmen vor der Öffentlichkeit beginnen, recht heilsam, um uns das Wagnis und Besondere unseres Schrittes noch einmal zum Bewußtsein zu bringen. Ich möchte Ihnen freilich zuerst sagen, dass ich dem Briefe des Herrn Lempp mit voller Freude ein Ja entgegnet habe, und zwar sogar ehe ich das Gleiche von Ihnen wußte, also auf die Gefahr hin, dass Sie nicht mit mir gehen wollten. Möglich geworden ist mir die Zusage durch die von mir erbetene Erklärung des Herrn Verlegers, die wie ich mit Freuden höre, auch in ihrem Sinne ist, dass wir in den zu veröffentlichenden Programmsätzen des Unternehmens ausdrücklich betonen: verschieden gerichtete Theologen tun sich hier zusammen im Dienste an der protestantischen Wissenschaft und an dem Nachwuchs. Wesentlich scheint mir ferner die Erklärung, dass für die Aufnahme eines Manuskriptes die Billigung nur eines der Herausgeber erforderlich ist. Diese Deckung brauchen Sie und ich. Sie ist freilich (wie so vieles in der Ritschlschen Theologie) nur als „Grenzsatz“ gemeint. Für das Normale und Erfreuliche würde ich halten, dass wir in der Regel uns die Manuskripte gegenseitig zugehen lassen und freundschaftlichen Meinungsaustausch pflegen. Und vielleicht sollten wir bei einem völligen „Untragbar“ des einen von uns doch gemeinsam vorgehen, trotz jener Klausel, die ihren Wert behält. An dem inhaltreichen und schönen Abende, den ich neulich mit Merz und Lempp hatte und an dem ich Sie sehr vermißte, sprachen wir dann auch noch davon, dass alle Drucke unserer Sammlung notwendig Erstdrucke sein müssen (also nichts aus Zeitschriften!) und dass wir, um die Strenge des Stils zu wahren, Vorträge, die in der Form eben Vorträge sind, ausschließen – was natürlich nicht bedeutet, dass nicht die Studien zu Vorträgen, also die Vorträge 40
ihrem Gedankengehalte nach in der Sammlung gedruckt werden können. Sind Sie damit wohl einverstanden? Wir haben selbstverständlich nur unverbindlich beraten, vorbehaltlich Ihrer Zustimmung. Der Verleger will nun natürlich gerne mit einigen Arbeiten von uns eröffnen. Das ist für uns eine große neue Last. Andererseits begrüße ich den Zwang zu besinnlichen Studien, und Ihnen wird es vielleicht ebenso gehen. Wir stehen doch angesichts des Zeitschriftenwesens und der ewigen Vorträge in einer üblen Gefahr, nur noch für die Stunde zu reden und unserer Kirche nicht mehr auf lange Sicht zu dienen. Ich muß das jedenfalls von mir sagen. Ich schäme mich ordentlich vor meiner reformierten Dogmatik vom Jahre 1914, dass ihr bisher keine anständige Studie gefolgt ist.34 So ist mir die neue Last nicht unerwünscht. Ich taste in diesem Tagen nach einem Thema, um dem Herrn Verleger bald Unterlagen für seinen Prospekt, der nach Weihnachten herauskommen soll, von mir aus zu geben. Bisher denke ich an eine Arbeit über „Die Lehre von der Kirche in der älteren Dogmatik“. Aber ich kann noch nicht sagen, ob das Thema sich mir bewährt. Zur Zeit sitze ich bei Johann Gerhard und hoffe, in wenigen Tagen klarer zu sehen. Unter den „Schüler“-Arbeiten würde ich als erste meinerseits die Promotionsschrift des cand. theol. Gerhard Fricke über die Deutung der Religion in der Entwicklung Schillers (oder so ähnlich), die mir im Sommersemester 1925 in Rostock vorlag und summa cum laude zensiert wurde, anmelden. Es wird Ihnen doch Recht sein, wenn wir späterhin auch uns nahestehende Theologen und Kollegen bitten, an der Sammlung mitzuhelfen. Der geschäftliche Erfolg des Ganzen hängt freilich nicht allein daran. Ich denke doch, zum Beispiel für die Arbeit von G. Fricke einen Beitrag von der Notgemeinschaft zu bekommen. Aber das sind ja noch nicht Dinge von heute. Im Augenblick wüßte ich Ihnen nichts von aktueller Bedeutung mehr zu schreiben. So will ich Ihnen zum Schluß nur noch sagen, wie sehr ich mich der neuen Gemeinschaft, der Arbeit und Verantwortung mit Ihnen freue. Wir werden uns ja die Freiheit gegenseitiger, auch öffentlicher Kritik nicht nehmen lassen, im Gegenteil. Aber wir werden diese Beachtung und Kritik noch mehr als bisher als einen Vollzug der Gemeinschaft verstehen und gestalten. Für Ihre Besserung wünsche ich Ihnen alles Gute und gesunde Rückkehr nach Münster! Mit herzlichem Gruße Ihr Paul Althaus
34 Genauer Titel oben Anm. 3.
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26. Brief Althaus (Masch.-Schrift) Erlangen, den 8. Dezember 1926 Lieber Herr Kollege, ich muß Ihnen heute noch einmal wegen unseres gemeinsamen Unternehmens im Verlage von Kaiser schreiben. Seit ich Ihnen zuletzt schrieb, war ich mehrfach mit Kollegen verschiedener theologischer Fakultäten zusammen und erlebte dabei zu meinem Erstaunen und auch zu einigem Schrecken, dass meine Arbeit mit Ihnen entweder nicht verstanden oder ganz falsch gedeutet wurde. Es hieß zum Beispiel, dass ich meinen Namen hergäbe, garantiere noch nicht, dass das Ganze nicht ein Schulunternehmen sei, denn man sehe mich in vielen Kreisen heute als den rechten Flügelmann der sogenannten dialektischen Theologie an. Von anderen hörte ich, dass sie meine Schwenkung nicht verständen und an mir dadurch irre würden usw. Ich brauche Ihnen die Einzelheiten, die ich zum Teil auch schon wieder vergessen habe, nicht vorzutragen. Sie werden es begreifen, dass mich diese Stimmen einige schwere Stunden gekostet haben, denn sie kommen zum Teil von Männern, deren Urteil mir sonst wohl etwas bedeutet. Aufgrund meines Austausches mit Hirsch und Schlatter möchte ich aber bei meiner Zusage vom September bleiben. Ich weiß, dass Georg Merz, Lempp und Sie mich nicht vor einen Schulwagen haben spannen wollen, sondern dass Sie alle mir die gleiche Freiheit gewähren, auf meinem Wege zu bleiben, wie ich Ihnen. Dennoch habe ich die Frage, ob man nicht der Außenwelt insbesondere den lieben Kollegen gegenüber, die immer in Schulen denken, noch etwas Besonderes tun könnte und müßte, um den Sinn des Unternehmens ganz klar zu stellen und meine Mitarbeit vor einer Mißdeutung, die vermieden werden kann, zu sichern. Ich habe mich mit der Zusage an Lempp gleichsam auf Ihr Territorium begeben. Wir treffen uns also nicht wie Chargierte waffenkreuzender Burschenschaften am dritten Ort. Angesichts dessen schiene mir ein Schritt, der zur weiteren Neutralisierung unseres Unternehmens in den Augen der theologischen Öffentlichkeit helfen könnte, erwünscht. Ich habe darüber am letzten Freitag und Samstag, als ich zu einem Vortrage in München war, mit Merz und Lempp gesprochen, und beide waren mit dem Vorschlag, den ich Ihnen nun mache, sehr einverstanden, vorbehaltlich Ihrer Zustimmung. Ich schlage Ihnen vor und bitte Sie, dass wir Karl Heim in Tübingen auffordern, als Dritter im Bunde mit uns zu zeichnen. Wir könnten ihm als dem Älteren dann die erste Stelle geben. Heim steht zu Ihnen und zu mir so, dass er gerne zusagen wird. Weigern könnte er sich höchstens mit Rücksicht auf seine Überlastung. Aber ich würde ihm vorstellen, dass er, wenn er will, die Arbeit des Prüfens der Dissertationen in normalen Fällen nicht zu tun brauche, sondern dass wir dafür aufkommen werden. Was meinen Sie zu diesem Vorschlage? Ich wage zu hoffen, dass Sie nichts dagegen haben, sondern dass Sie diese Erweiterung des Herausgeberkreises 42
geradezu begrüßen werden. Wenn Sie einverstanden sind, dann will ich es gerne übernehmen, an Heim zu schreiben. Das Zusammensein mit Merz und Lempp war mir sehr erfreulich. Es bietet neue Garantie dafür, dass in Bayern Ihre Schüler und meine nicht gegeneinander stehen werden, jedenfalls nach meinem Willen nicht. Kennen Sie schon die neue Schrift von Heinzelmann über Glaube und Mystik? Ich habe bis jetzt die Hälfte gelesen und fühle meine Nähe zu Heinzelmann aufs Neue bestätigt. Durch Merz hörte ich, dass es Ihnen wieder gut geht und Sie mit Freude in Münster arbeiten. Ich sah auch bei Lempp Ihr neuestes Bild, an der Türe Ihres Hauses, das ich viel besser finde als das im Almanach, bei dem Sie gar nicht charakteristisch herauskommen. Mir geht es gut. Bitte treten Sie allen Gerüchten, dass ich mich von Erlangen wegsehne und dergleichen, mit Nachdruck entgegen. Es ist daran kein wahres Wort. Mit freundlichen Grüßen und Wünschen für die Festzeit Ihr P. Althaus 27. Brief Barth (Handschrift) Münster, 10. Januar 1926,[ richtig wohl: 10. 12. 1926] Lieber Herr Kollege! Sie werden es mir auch diesmal nicht übelnehmen, dass ich beim Lesen Ihres Briefes in Erinnerung an 1924 wieder schadenfroh gelacht habe. Also so weit ist es schon, dass man Sie als „rechten Flügelmann der …“ verdächtigt. Nein, das darf wirklich nicht sein und ohne Zögern bin ich damit einverstanden, wenn Sie Heim zu der Sache heranholen wollen. Sie ist ja so gar nicht in meinem Kopfe gewachsen, ich habe mit meiner Zustimmung zu Merzens Plan so wenig weit vorschauende Gedanken verbunden, dass ich wirklich nicht wüßte, was ich dagegen haben sollte, wenn man es jetzt noch ein bißchen anders macht, als ursprünglich geplant war. Meine Sorge bei dem Unternehmen ist nur das implicite gegebene Versprechen, alle Jahre (!) eine historische (!) Arbeit zu liefern, eine Zumutung, von der ich mir wirklich nie hätte träumen lassen und die aus den öffentlichen Ankündigungen jedenfalls wieder verschwinden muß. Ich denke für längere Zeit gar nicht daran, ein solches Schiff auf Kiel zu setzen, um es dann von Hirsch und anderen bösen Menschen torpedieren zu lassen. Noch habe ich Ihnen ja nie gedankt für die freundliche Zusendung Ihres Vortrags über den Gottesdienst.35 Vieles darin habe ich sehr gerne gelesen. Und gern ist auch meine Bewunderung für den Reichtum Ihrer Gedanken. Gleichzeitig sähe ich Sie gerne in etwas größerem Abstand auch von dem ernsteren Teil unserer Pastorenschaft, höre ich zu viel, was auch Andere sagen könnten, hätte ich die schmale Linie der Wahrheit gerne noch härter, unzu35 Vgl. oben Anm. 32.
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gänglicher gezogen. Eben komme ich von der Trinitätslehre her, die bei mir gleich das zweite Kapitel der Prolegomena bildet, noch vor dem Schriftprinzip etc. Ich wage nicht daran zu denken, was für Scheltworte ich werde hören müssen, wenn ich diese Sache wirklich sollte drucken lassen. Das Dilemma, ob eigentlich ich nicht bei Troste sei oder alle anderen mit ihren „Religionsphilosophien“ und dergleichen, bei denen ich schon auf der zweite Seite zu gähnen beginne und von der 20. an nicht mehr weiterlesen mag – dieses Dilemma beängstigt mich mehr als Sie denken. Im Seminar lese ich Schleiermachers Glaubenslehre und falle auch da aus einem Staunen ins andere. Wie ist’s nur möglich, dass sich ein ganzes Jahrhundert von diesem genialen Kitsch hat nähren können! Und dass so gescheite Leute wie Stange dieses Zeug noch heute in der Hauptsache sich einverleiben können? Ich würde wirklich lieber katholisch oder Freidenker, als dass ich an diese Speise auch nur noch mit einem Stecklein rühren wollte. Doch brauchen Sie nicht zu befürchten, dass ich in diesem Tone auch zu den Studenten rede! In den letzten Wochen haben wir sehr friedlich die Berufungsliste für Wehrungs Nachfolge aufgestellt. Da man mir bedeutete, dass es sich nur darum handle, mir einen konkurrenzfähigen „lutherischen“ Gesellen zur Seite zu stellen, habe ich nur gedämpft mitgewirkt. Sie werden es ja in scrinio pectoris behalten, wenn ich Ihnen sage, dass ich auch gegen Vollrath glatt und mit Erfolg revoltiert und in Bezug auf Elert wenigstens das erreicht habe, dass er nicht allein an erster Stelle steht. Der andere ist F. W. Schmidt. Ferner figurieren Schumann und Piper. Alle diese „Lutheraner“ sollen mir gleich herzlich willkommen sein. Es war irgend etwas Komisches in dem ganzen Unternehmen. In der nächsten Nummer von Zwischen den Zeiten werde ich Herrn Bruhn in Kiel rücksichtslos ums Leben bringen, nachdem er mir in einer Broschüre ganz überflüssigerweise etwas auf den Kragen schreiben wollte.36 Sie werden beiläufig auch erwähnt, aber nicht im Schlimmen. Seien Sie freundlichst gegrüßt von Ihrem Karl Barth 28. Postkarte Althaus (Handschrift) Erlangen, 17. 12. 1926 Lieber Herr Kollege, vielen Dank für Ihren Brief. Ich schrieb daraufhin sofort an Heim und habe zu meiner Freude heute seine Zustimmung in Händen. Nur wünschte er alphabetische Anordnung. Aber meinen Sie nicht auch, dass wir ihn – trotz seines Widerspruchs – honoris causa voransetzen? Ich gehe nun daran, einige Sätze 36 Karl Barth, Polemisches Nachwort gegen Wilhelm Bruhn, Kiel. In: Zwischen den Zeiten Bd. 5 (1927), S. 33 – 46.
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für den Prospekt und unsere internen Satzungen zu entwerfen und Lempp sowie Ihnen vorzulegen. Es kann noch 8 Tage dauern. – Im Übrigen antworte ich Ihnen auf Ihren Brief baldigst genauer. Übrigens hat F. W. Schmidt mich auf die Anzeige im Almanach hin gefragt, ob wir auch einmal von ihm etwas drucken möchten. Er würde gerne mittun. Grüßen Sie bitte Herrmanns bei Gelegenheit herzlich. Hirsch wird unser Unternehmen fördern. Er schickt uns zum Beispiel gleich Lic. Helmut Kittel mit seiner bei Holl gearbeiteten Dissertation über Cromwell zu. Man sieht, wir kommen einem Bedürfnis entgegen. Herzlichen Gruß und Weihnachtswunsch Ihr P. Althaus 29. Brief Barth (Handschrift) Münster, 17. Dez. 1926 Lieber Herr Kollege! Ich habe einen Brief von Georg Merz, in dem er mir ausführlich von den mit Ihnen in München gepflogenen Gesprächen erzählt. Dadurch wurde mir nun deutlich, dass ich die Schwierigkeiten, in die Sie durch Ihre Beteiligung an dem neuen Lempp’schen Unternehmen gegenüber Ihren näheren theologischen Freunden verwickelt wurden, zu wenig ernst genommen habe, und die Verhandlungen, die Sie darüber führen mußten, berühren mich nun nachträglich einfach peinlich. Da ist mir heute Nacht ein rettender Gedanke gekommen: Es ist das Beste, wenn ich von dem ja zum Glück noch im Hafen liegenden und wohl nicht vielen schon bemerkbar gewordenen Kahn wieder aussteige und Sie die Sache mit Karl Heim oder Hirsch allein machen lasse. Wenn Sie mir dann gelegentlich in Erinnerung an diese Gründungszeit Gastrecht für eine etwa aus meiner Küche hervorgehende Dissertation geben wollen, so werde ich Ihnen dankbar sein. Aber wir wollen uns doch nicht plagen mit einem gemeinsamen Unternehmen, bei dem es dem Einen um des Anderen willen nicht ganz wohl ist. So etwas muß man mit Freude machen und das konnte auf Ihrer Seite, wie ich erst jetzt begreife, unter den vorliegenden Umständen unmöglich der Fall sein. Seien Sie nur gewiß, dass ich Sie wirklich nicht in diese Lage bringen wollte und verzeihen Sie mir, dass es nun doch geschehen ist. Ich will Ihnen nicht verhehlen, dass ich nebenher froh bin, auf diese Weise die unbesonnenerweise übernommene Verpflichtung wegen der historischen Monographien wieder los werde. Um des willen wäre ich freilich nicht zurückgetreten. Mit freundlichem Gruß (ich schreibe das Entsprechende an Herrn Lempp) Ihr Karl Barth
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30. Postkarte Althaus (Handschrift) Erlangen, 20. 12. 26 Lieber Herr Kollege! Vielen Dank für Ihren Brief, insbesondere für Ihre ganze Art, unsere Frage zu behandeln. Meine Antwort ist schnell gesagt: Wir bleiben zusammen. Ich bitte Sie herzlich, daran nicht mehr zu rütteln, – so sehr ich Ihnen für die Gesinnung danke, in der Sie es tun wollten. Brief folgt. In Eile (vor der Vorlesung) Ihr P. Althaus
31. Brief Althaus (Masch.-Schrift) Erlangen, den 22. Dezember 1926 Lieber Herr Kollege, heute hole ich nun den gestern angekündigten Brief nach. Ich kann Ihnen gar nicht sagen, wie schmerzlich es mir wäre, wenn Sie in diesem Augenblicke von dem Unternehmen zurückträten. Wenn die Lage so wäre, dass Sie und ich um der theologischen Öffentlichkeit willen besser nicht zusammen arbeiteten, dann wäre ich es doch, der Herrn Lempp bitten müßte, ihm sein Wort zurückzugeben. Aber so ist die Lage ja gar nicht. Georg Merz hat mir heute seinen Brief an Sie in Abschrift mitgeteilt. Ich kann nun nicht leugnen, dass ich es nicht für richtig halte, wenn Georg Merz Ihnen Einzelheiten von Stange und Hirsch mitgeteilt hat, die ich Ihnen gerade ersparen wollte, weil es doch in der Tat auf meine Stellung zu Ihnen und auf Stanges und meinen Freund Hirsch nur insoweit ankommt, als der Umgang mit Stange in Köln mir und Hirsch eine Zeitlang die Freudigkeit zu unserem gemeinsamen Unternehmen angefochten hat. [Handschriftlicher Zusatz: Hirsch hat im August mir postwendend auf meine Anfrage zugeraten, Lempp das Ja zu geben.] In dem Briefe von Merz gewinnt auch das, was Sie in Ihrem Brief meine „Verhandlungen“ mit den anderen nennen, eine viel zu große Wichtigkeit. Es handelt sich im Grunde nur um ein Gespräch mit Stange in Köln und um den Austausch, den ich auf der Reise von Köln nach Göttingen mit Hirsch hatte. Bei Hirsch hat es keinen einzigen Augenblick gegeben, in dem er mir riet, unter allen Umständen von dem gemeinsamen Unternehmen zurückzutreten. Dass er unter dem Eindrucke des Stangeschen Widerstandes mit mir einen Weg suchte, den Sinn des Unternehmens allen Mißdeutungen in der Öffentlichkeit zu entziehen, daraus ist mein Vorschlag, Heim hinzuzubitten, entsprungen. Hirsch hat mich noch vorgestern seines vollen Einverständnisses mit meiner Beteiligung an einer Sammlung Barth-Heim ausdrücklich versichert. So ist für mich die Schwierigkeit an dem wichtigsten Punkte, nämlich in meinem Verhältnis zu Hirsch, gar nicht da. Was aber Stange anlangt, so wird auch er sich hineinfinden. Jedenfalls setze ich das Verhältnis zu ihm in meine Überlegungen nicht 46
in dem Sinne ein, dass es mich von der Zusammenarbeit mit Ihnen, nachdem ich sie für richtig erkannt habe, zurückhalten könnte. Zwischen Stange und mir besteht seit 1923 ein verschiedenes Urteil über die gebotene Haltung zu Ihrer Theologie. Früher oder später wäre dieser Unterschied doch einmal zu einer akuten Krisis geworden. Ich kann Ihnen nur versichern, dass ich mit voller Freudigkeit zu unserem Unternehmen stehe und kein Opfer bringe, das ich nicht bringen dürfte. Habe ich in meinem Entschlusse eine „Anfechtung“ erfahren müssen, so hat es auf der anderen Seite auch an Ermunterungen nicht gefehlt. In den letzten Wochen sind manche Stimmen der Freude über unsere Zusammenarbeit von Leuten, die mir nahestehen, an mich gekommen. In der Rücksicht auf mich ist also kein Grund gegeben, dass Sie jetzt Nein sagen. Sollte Ihnen aber, nachdem, was Merz an Aussprüchen von Stange usw. Ihnen mitgeteilt hat, meine Nähe zu ihm und den anderen unheimlich sein, so bitte ich doch zu bedenken, dass für jedes Verhältnis eines zu dem anderen unmöglich machen würden, wenn wir hingeworfene Äußerungen nahestehender Dritter wichtiger nehmen als das klare Wort, das wir einander geben. Ich bitte Sie also, mein freudiges Ja wichtiger zu nehmen als kritische und unfreundliche Worte, die bei dieser Gelegenheit aus dem mir nahestehenden Kreise gekommen und an Ihr Ohr gedrungen sind. Ich schäme jetzt meiner Redseligkeit in München, und wenn ich jetzt gleich noch Georg Merz brieflich schelten muß, dann schelte ich mich selber mit. Es wäre doch wohl nicht nötig gewesen für die Begründung meiner Bitte um Heim, dass ich Georg Merz und Lempp vertrauliche Äußerungen wiedergab. Ich habe Merz ausdrücklich gesagt, dass Sie alle diese Dinge, die Ihnen nur Ärger bereiten könnten, gar nicht zu wissen brauchten. Es geht doch schließlich nicht um Ihr Verhältnis zu Stange, sondern allein um das meine. Und so bitte ich Sie nochmals herzlich: Lassen Sie sich genügen daran, dass ich nun durch alle „Anfechtungen“ hindurch bin. Es wäre völlig ausgeschlossen, dass ich mit Heim allein die Sammlung machte. Heim selber hat nur seinen Namen, nicht seine Mitarbeit an der Durchsicht von Dissertationen (außer den Tübingern) versprechen können. Und nun lassen Sie uns die armen Wartenden auch nicht mehr enttäuschen. Mein Klient Fricke ist schon ganz unruhig, wann er endlich zum Drucke kommt, da er schon vor 112 Jahren bei mir promovierte. Die anderen werden ebenso warten. Sagen Sie jetzt Nein, dann ist die Lage unserer jungen Leute zunächst hoffnungslos, gerade derer aus Bayern, die von uns beiden zugleich gelernt haben. Klarer als im August sehe ich heute, wie sehr sich gerade die theologische Jugend unseres gemeinsamen Unternehmens freut, weil sie seiner bedarf. Fortsetzung handschriftlich: Verzeihen Sie, dass der Brief so schlecht geschrieben ist – meine Schreibhilfe war heute etwas überarbeitet. Aber – was wichtiger ist – nehmen Sie die Versicherung, wie leid es mir tut, dass Sie durch meine Wiedergabe von Äu47
ßerungen Dritter (die ich anführte, um G. Merz meine Situation anschaulich klar zu machen) Ärger gehabt haben. Ich würde mich freuen, wenn Sie Ihren Rücktritt (ich lese auch in Ihrem Brief bisher nur ein Angebot des Rücktrittes und bin erschrocken, dass G. Merz in seinem heutigen Brief eine Tatsache annimmt) nur als eine vorübergehende Erwägung betrachten könnten und mir eine gute Kunde unter den Christbaum senden wollten. Freundliche Grüße und Weihnachtswünsche Ihr P. Althaus
32. Brief Barth (Masch.-Schrift) Münster i. W., den 5. Jan. 1927 Lieber Herr Kollege! Weihnachten und der Weihnachtsbaum sind nun vorübergegangen, bevor ich dazu kam, Ihnen direkt auf Ihren freundlichen Brief zu antworten. Indirekt ist es wie ich zu meiner Beruhigung soeben höre, durch Georg Merz bereits geschehen. Also ich danke Ihnen für Ihre Mitteilungen, lasse mich belehren und bleibe bei der Stange (trotz Stange). Der Anlaß machte mir recht deutlich, wie gefährlich die Hypertrophie an historischem Interesse und entsprechender Mitteilsamkeit, an der mein Freund Merz gelegentlich leidet, unter Umständen werden kann. Sehen Sie wohl zu, was Sie ihm erzählen: Er vergißt nämlich nichts und Details am Allerwenigsten und bringt Altes und Neues aus seinem Schatz zur Zeit und Unzeit mit unfehlbarer Sicherheit wieder hervor. In dieser und in anderen Eigenschaften, die nur er hat, ist er mir geradezu unentbehrlich; aber diesmal hätte er wirklich besser geschwiegen. Der bewußten Verpflichtung zu historischen Monographien möchte ich nun aber bei Anlaß dieses Zwischenfalls wirklich enthoben sein. Passiert mir das Unglück, dass ich mich ohnehin auf solchen Wegen betreffen lasse, so mag’s gut sein; aber versprochen möchte ich in dieser Hinsicht nichts haben. Hat Ihnen eigentlich die Arbeit von Otto Fricke über Brenz (bei Hirsch gemacht) schon vorgelegen? – Wir haben hier eben einen theologischen Ferienkurs hinter uns. Ich habe mich über Rechtfertigung und Heiligung verbreitet und die reine reformierte Lehre in dem dunklen Westfalen ein wenig leuchten lassen, wofür ich in der Diskussion des Kryptokatholizismus verdächtigt wurde. Von den Kollegen, die ich hörte, schätzte ich Herrmann entschieden am meisten; er hat etwas Dickköpfiges, das mir sehr wohl gefällt, besser jedenfalls als Schmitzens Heim-Reproduktionen in dem fürchterlichen CSV-Ton, in dem er vorträgt. Ich eile nun, noch ein paar Tage Luft zu schöpfen. Für den Fall, dass Sie das Münchner Weltblatt, das mich (in den bescheidenen Grenzen, in denen ich für so etwas zu brauchen bin) zum theologischen Mitarbeiter gekeilt hat, nicht ohnehin lesen, lege ich Ihnen hier meinen Weihnachtsartikel bei, auf den hin 48
ich von einem Ahnungslosen nun tatsächlich als katholischer Theologe angesprochen worden bin: er wollte mir nämlich eines altes Heiligenbild zum Kauf anbieten!! Sagen Sie das nur Hirsch nicht wieder. Mit freundlichen Grüßen und in besten nachträglichen Neujahrswünschen Ihr Karl Barth. 33. Postkarte Althaus (Handschrift) Erlangen, 6. 1. 27 Lieber Herr Kollege! Soeben erhalte ich Ihren Brief, der mich umsomehr erfreute und entspannte, als ich bis heute auch keine „indirekte“ Kunde hatte und nun an nichts mehr zu glauben wagte. Aber – der Tannenbaum steht noch, und die Hauptsache ist ja, dass wir nun miteinander anfangen. Vielleicht war die Krise, durch die unser Säugling hindurch mußte, ganz gut, uns zu erinnern, dass wir wirklich von verschiedenen Wegen her zusammenkommen und das auch immer wieder spüren und tragen müssen. Gewiß sollen Sie zunächst gerne frei sein und an der historischen Studie liegt es gar nicht – sie kann auch ebensogut dogmatisch sein. Auch meine ist ihrer Absicht nach ganz dogmatisch. Die Ruhe, so etwas wie meine Studie zur reformierten Dogmatik zu schreiben, habe ich heute nicht mehr. Ich beglückwünsche Sie – und mich auch – zu Ihrer Schreibmaschine. Denken Sie, mein Freund Lic. Gottfried Holtz konnte trotz vierstündiger Arbeit, Ihren freundlichen Brief an ihn nicht restlos entziffern – das habe ich dann getan, jedenfalls mit mehr Glück bei den cq²llata Ihrer Theologie als bei dem pmeOla (wenigstens nach Ihrem Urteil über meinen damaligen Aufsatz). Vielen Dank für die (noch nicht gelesene) Weihnachtsbetrachtung.37 Grüßen Sie Johannes Herrmann – ich habe ihn auch stets menschlich und theologisch gern gehabt. Schade, dass an Ihre Seite nicht unser Baseler Kollege berufen wurde – ich gönnte es ihm! – Ich werde nun Lempp einen Entwurf des Prospektes schicken. Freundliche Grüße Ihr P. Althaus 34. Postkarte Althaus (Handschrift) Erlangen, 16. Mai 1927 Lieber Herr Kollege! Vielen Dank für Ihre Karte, deren Autor dieses Mal weder Schrift noch Unterschrift verriet, so dass ich ganz auf die mir ja so sympathische inhaltliche 37 Vermutlich: Karl Barth, Die Fleischwerdung des Wortes. In: Münchener Neueste Nachrichten 25. 12. 1926.
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Erkenntnis angewiesen war!38 Zu meiner Besprechung des Bern. Buches nur dieses: Vergessen Sie nicht, dass ich von den Leuten im Frühjahr 1926 für einige Monate zugezogen war, bis ich selber das Verhältnis löste.39 Ich habe damals die Entwürfe mit schärfster Kritik (die Durchschläge sind in meiner Hand) beantwortet. Vielem davon kam man entgegen, so dass das Buch jene „Lähmung“ bekam, von der meine Besprechung schreibt. Können Sie verstehen, dass man in solchem Verhandeln, auch mündlichem, von Person zu Person den Anlauf einbüßt, der für eine öffentliche Besprechung nötig ist? Ich habe Ähnliches vor drei Jahren in Rostock erlebt, als Rittelmeyer mit den Seinen da eine Woche hielt. Ich hatte Zutritt zu allen Zirkeln, und wir debattierten heftig. Aber für die große öffentliche Versammlung war ich darauf gelähmt. Ich hatte das Gefühl, den durch Vertrauen geschenkten tieferen Einblick öffentlich nicht zu völliger Schonungslosigkeit verwenden zu dürfen. Ähnlich steht es in diesem Fall. Zum Lutheraufsatz.40 Nein, ich will Römer I und 1. Korinther I zuletzt nicht in Gegensatz stellen. Die von mir gebrauchte Wendung ist schon für Luther selbst reichlich rund. Wahrscheinlich der ganze kleine Aufsatz überhaupt. Vielleicht habe ich nur die Theologie der Anfechtung aus Luther herausgehoben. Und so wesentlich ihm die Anfechtung war, er kannte doch auch Zeiten des „Schmeckens und Fühlens“. Meine Darstellung ist sicher einseitig. Wie weit sie das ist, soll unser Freund von Loewenich (er hat übrigens das beste Examen gemacht!) jetzt herauskriegen. Für Ihre Predigt danke ich Ihnen noch sehr herzlich.41 Solchen Zusendungen gegenüber bin ich nichts als der dankbare Hörer. Ich habe die Predigt mehr als einmal gelesen. – Mir selber fehlt die regelmäßige Predigt. Nachdem die Studenten im vorigen Semester einen in der Form taktlosen für Bachmann schmerzlichen Versuch gemacht haben, mich regelmäßig auf die Kanzel zu bringen, sind die Aussichten für die nächsten Jahre schlecht. – Gerade atmen wir nach einer sehr schweren Erkrankung meiner Frau auf. Herzlichen Gruß Ihr P. Althaus
38 Die angesprochene Karte von Karl Barth ist nicht überliefert. 39 Paul Althaus rezensiert: Das Berneuchner Buch. Vom Anspruch des Evangeliums auf die Kirchen der Reformation. Hamburg 1926. In: ThLitZ Bd. 52 (1927), S. 217 – 221. 40 Wahrscheinlich: Paul Althaus, Gehorsam und Freiheit in Luthers Stellung zur Bibel. In: Luther Bd. 9 (1927), S. 74 – 86. 41 Wahrscheinlich: Karl Barth, Öffne mir die Augen, dass ich sehe die Wunder an deinem Gesetz. Predigt. In: Mitteilungen zur Förderung der Deutschen Christlichen Studentenbewegung. 15. 1. 1927.
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35. Brief Althaus (Masch.-Schrift) Erlangen, den 21. Juni 1927 Lieber Herr Kollege! Soeben erhalte ich Ihren Brief und will Ihnen sogleich antworten, obwohl ich bald in die Vorlesung muß.42 Voriges Mal fragte Stählin mich wegen Vollrath. Ich habe ihm damals meine Eindrücke geschrieben. Viel hat sich daran wohl nicht verändert. Es ist am besten, Sie hören sich einmal an, was Stählin von unserem Zusammensein in Canterbury erzählt. Ich habe Vollrath dort aufs Neue in seiner feinen, zurückhaltenden, menschlichen Art schätzen gelernt. Auf der anderen Seite freilich bedrückte es mich von Tag zu Tag mehr, dass seine Beiträge zur Diskussion nicht sehr glücklich waren und auch von den anwesenden deutschen Theologen so bewertet wurde, dass man zum Teil in vertraulichen Gesprächen erwog, ob es nicht besser sei, ihn das nächste Jahr nicht wieder zuzuziehen, ein Gedanke, den wir aber ablehnten. Es lag und liegt nicht daran, dass V. nicht Gedanken hätte. Bitte lesen Sie einmal sein Referat über den Reich-Gottes-Gedanken in der KG (theologische Blätter, MaiNummer), das ist doch recht ordentlich. Ich halte ihn für wirklich unterrichtet und vor allem auch für ernst in seiner theologischen Absicht, trotz der verhängnisvollen Sociologie seines Buches. Sein schwerster Fehler besteht wohl darin, dass er nicht mehr anders schreiben kann als im Feuilleton-Stil. In Canterbury fuhr er uns bei ernsten sachlichen Debatten mehrmals in völkerpsychologischen Beobachtungen über Engländer und Deutsche dazwischen, die rein relativistisch waren und eine Fortsetzung der sachlichen Diskussion eigentlich unmöglich machen mußten. Ich schreibe Ihnen diese Zeilen mit tiefsten Mißbehagen und wollte, Sie hätten mich nicht gefragt. Denn seit Canterbury leide ich geradezu unter dem Schicksal des Kollegen Vollrath – seit Canterbury, weil wir uns menschlich dort sehr nahe getreten sind. Ich weiß nicht, was aus ihm werden soll, wenn Sie ihn jetzt nicht rufen. Er hat hier durchs Semester hindurch mit seinen kleinen geistesgeschichtlichen Kollegs guten Lehrerfolg gehabt. Als er die großen systematischen Hauptvorlesungen neben Bachmann, K. Müller und mir las, war es natürlich trübe für ihn. Das hat er jetzt auf meinen Rat aufgegeben, hält stattdessen gut besuchte Proseminare und ein ebenfalls wie ich höre ganz ordentlich besuchtes Kolleg über moderne Weltanschauung. Er versteht es, einzelne Studenten nachhaltig anzuregen. Seine eigentliche Kraft ist wohl die Seelsorge und die Predigt. An eine Fakultät, die nur einen systematischen Lehrstuhl hat, würde ich ihn nicht berufen. Aber auf einen zweiten Lehrstuhl – wagen Sie es trotz allem!! Mit Nachdruck möchte ich sagen: Vollrath hat einen Ruf jedenfalls zehnmal mehr verdient und ist seiner würdiger als ein Mann wie Piper. Wenn er, der sehr Bescheidene, durch das Vertrauen eines Rufes gestärkt und mit der 42 Dieser Brief von Karl Barth an Paul Althaus ist nicht erhalten.
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großen Aufgabe der Professur belastet wird, wird er sicher daran nicht verderben sondern daran wachsen. Sie fragen mich nach anderen Namen. Wenn Vollrath nicht in Frage stände, hätte ich Ihnen in erster Linie und mit wärmster Empfehlung Heinzelmann genannt. Gegen ihn könnte doch nur das sprechen, dass er als Lutheraner nicht abgestempelt ist. In Wirklichkeit ist er es theologisch durchaus. Es ist wahr, dass er über lauter Predigen und geistlicher Geselligkeit in Basel nicht genug zur Arbeit gekommen ist. Aber hat er nicht so ziemlich das Beste gegen Sie geschrieben? Ich bin bereit, wenn Sie es für aussichtsreich halten, noch mehr über ihn zu schreiben. – Dass F. W. Schmidt, dessen Leben in Halle nachgerade unerträglich wird (er hat ja schon drei Kinder), nicht in Betracht kommt, tut mir recht leid. Sie sehen, mein Herz ist zu weit, als dass ich ein guter Berater für Sie sein könnte. Immerhin darf ich sagen: Da Heinzelmann und Schmidt ohnehin wohl ausscheiden, da einige Ihrer Kollegen Heinzelmann nicht als Lutheraner anerkennen, dürfen Sie es meines Erachtens mit Vollrath wagen ohne die Furcht, ein Unglück heraufzubeschwören. Nach Lausanne werde ich wohl nicht gehen. Ich habe nur, als man binnen vier Tage eine Antwort haben wollte, damals nicht absagen wollen, um auf die Wahl des Ersatzmannes noch Einfluß zu behalten. Es gehen zum Teil doch schreckliche Leute hin. Ob Sie und ich freilich darunter ganz die gleichen verstehen?? Die Namen Blücher, Wellington, Waterloo sind dem Zaum meiner Zähne in England nicht entronnen. Es kann aber wohl sein, dass ich in Polemik gegen Fricks Ächtung der Völkergeschichte darauf hinwies, was 1813 uns Deutschen bedeutet hat, und es ist möglich, dass ich beigefügt habe, „diese Geschichte haben unsere Völker ja gemeinsam erlebt“. Mir, dem Hannoveraner, ist der Kampf der Hannoverschen Legion im englischen Heere gegen Napoleon immer ein großer Zug der heimischen Geschichte gewesen. Im Übrigen verstehe ich nicht, warum gewisse Leute mich wegen solcher Wendungen bei Ihnen anschwärzen. Die Zweideutigkeit jener „Gemeinsamkeit“ sehe ich wahrhaftig auch. Aber es ging in jenem Augenblick darum (ich weiß nicht sicher, ob ich es überhaupt gesagt habe, aber ich bekenne gerne, dass ich es gesagt haben könnte, was ich oben in Anführungszeichen gesetzt habe), mit einer freundlichen Wendung die anwesenden Engländer daran zu erinnern, dass dieses Mal nicht von einem Stücke der deutschen Geschichte die Rede sei, das ein Widereinander der Deutschen und Engländer zeigte, sondern um eines, das ich ohne Taktlosigkeit anführen durfte. Der Ton lag gar nicht auf der Gemeinsamkeit der Geschichte, sondern auf der Bedeutung dieser Geschichte für uns Deutsche. Der Hinweis auf die Gemeinsamkeit hieß nichts als dieses: hier rede ich von einem Stücke deutscher Geschichte, von dem ich mit euch Engländern in Unbefangenheit sprechen kann. Werden Sie H. W. Schmidt antworten? Ich habe von Ihrem großzügigen Schweigen auf Angriffe auch schon gelernt und werde mir wohl den Herrn Schmidt und andere bis zu einer neuen Auflage meines Buches aufsparen. 52
Nach Lausanne werde ich, abgesehen von allgemeiner Abneigung, auch deshalb schwerlich gehen, weil ich mich von den Meinigen im August nicht trennen möchte; wir haben eine sehr böse Zeit hinter uns, meine Frau war schwer krank, eitrige Bronchitis und zum Teil Lungenentzündung. Jetzt geht es besser. Sie ist in der Fränkischen Schweiz. Seit Semesterbeginn haben wir nur drei Tage zusammen am Familientisch gesessen. Nun ist der Brief doch recht lang geworden. Ich grüße Sie herzlich Ihr Paul Althaus 36. Postkarte Althaus (Handschrift) Erl., 21. 6. 27 L.H.K., zur Ergänzung des Briefes: Eben traf ich Procksch, der sagte mir noch, dass Vollrath geradezu einen großen Dozenteneinfluß durch kleine apologetische Vorlesungen (er ist am sachverständigsten in der apologetischen Zeitkritik) gehabt habe und dass mein Hierherkommen das minderte. Ich wollte Ihnen das doch noch schreiben. Beste Grüße Ihr P.A. 37. Postkarte Althaus (Handschrift) Erlangen, den 25. 7. 27 Lieber Herr Kollege! Wo sind Sie in den Ferien? Oder im feierlichen Stil von Kolschaus zu reden: Welches ist der Aufenthaltsort des Karl Barth? Es wäre doch immerhin möglich, dass unsere Linien im August oder September so nahe aneinander vorbeiführten, dass wir einen Tag füreinander finden könnten. Ich bin vom 31. des Monats an wieder in Hirschegg bei Oberstdorf (Allgäu). Vom 5. September an Hannover, 7.–12. September Helmstedt, 16. September Barmen. Gerade kommt ,Zwischen den Zeiten‘ bei mir an. Ich werde Ihren Aufsatz gleich lesen.43 Herzliche Grüße Ihr P. Althaus
43 Karl Barth, Das Halten der Gebote. In: Zwischen den Zeiten Band 5 (1927) S. 206 – 227.
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38. Ansichtskarte Alpenlandschaft bei Hirschegg im Allgäu, Althaus (Handschrift) Hirschegg bei Oberstdorf, 5. 8. 27 Lieber Herr Kollege, vielen Dank, ich komme dann gerne auf der Hin- oder Rückreise Barmen. Wie Ihnen unser Harz wohl gefallen wird? Schade, dass Sie nicht etwas höher gegangen sind. Ich hätte Ihnen da schöne Forsthäuser usw. sagen können. Aber Nöschenrode ist auch schön – Was sagen Sie zu „unserer“ ersten Publikation, Gerhard Fricke?44 Sie brauchen mir erst im September in München darauf zu antworten. Ich erbaue mich dieser Tage an Böhmers „Jungem Luther“ und will dann an Geismars Kierkegaard. Herzlichen Gruß Ihr P. Althaus 39. Postkarte Althaus (Handschrift) Pfarrhaus Langendorf (Elbe) bei Dannenberg (Elbe)(Hannover), 11. 9. 27 Lieber Herr Kollege! Wenn es Ihnen paßt und Sie mich gebrauchen können, werde ich am kommenden Mittwoch abend nach Münster kommen und am Donnerstag nachmittag nach Barmen weiterreisen. Ich würde mit dem Zug 7 Uhr 21 abends von Osnabrück her ankommen. Falls es Ihnen nicht paßt, erbitte ich freundliche Nachricht hierher. Da die Verbindung ziemlich schlecht ist, müßten Sie wohl telegraphieren. Wenn es Ihnen paßt, bedarf es keiner Nachricht. Ich freue mich auf das Zusammensein. Herzlichen Gruß Ihr P. Althaus 40. Postkarte Althaus (Masch.-Schrift) Erlangen, den 17. Sept. 1927 Lieber Herr Kollege, gestern in Barmen war der Austausch mit dem Klerus recht erfreulich, insbesondere D. Hesse bin ich für seine Art, die Diskussion aufzunehmen, sehr dankbar. – Denken Sie: Gogarten war auch da, wir aßen zusammen zu Mittag und kamen ganz gut ins Gespräch. Allerdings war es nicht annähernd in dem Maße ein wirkliches „Zwiegespräch“ wie in Münster, und ich habe den Ein44 Gerhard Fricke, Der religiöse Sinn der Klassik Schillers. In: Forschungen zur Geschichte und Lehre des Protestantismus. Schriftenreihe begründet von Paul Althaus, Karl Barth und Karl Heim. München 1927.
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druck, mit Ihnen viel leichter in theologischer Fühlung bleiben zu können als mit Gogarten. Um Mitternacht las ich dann, auf den Zug wartend, auf dem Kölner Hauptbahnhofe Gogartens letzten Artikel in ,Zwischen den Zeiten‘ über das Wort Gottes, und fand da die Empfindung des Nachmittages bestätigt.45 Scharfsinnig und beachtlich im Einzelnen, aber im Ganzen doch recht krampfhaft und eigenwillig – geht es z. B. wirklich an, den Willen Gottes in unserem Verhältnis zum Nächsten sich erschöpfen zu sehen? Auch das entsprechende Christus-Bild kommt mir seltsam unwirklich vor, jedenfalls hat mich der Artikel zu weiterem Studium Gogartens nicht eben ermutigt, aber ich werde mich zwingen. Lassen Sie mich Ihnen und Ihrer Gattin nochmals herzlich danken. Ich bin von Münster geschieden in der Gewißheit, dass unser öffentliches Zusammengehen einen ernsthaften sachlichen Grund hat, so gewiß wir andererseits einander immer wieder einmal ärgern, enttäuschen, bei den jeweiligen Freunden kompromittieren werden! Mit herzlichem Gruße Ihr P. Althaus 41. Brief Barth (Masch.-Schrift) Münster, 19. September 1927 Lieber Herr Kollege! Haben Sie besten Dank für Ihre freundliche Karte und für die gleichzeitig eintreffenden Vorträge.46 Auch ich habe den Tag, den Sie mir geschenkt haben, in bester Erinnerung, obwohl die eigentlichen Gespräche wohl erst begonnen hätten, als Sie Ihren Stab wieder weitersetzen mußten, um auf beiden Seiten des Geheimnisses der Bosheit sowohl als auch der wirklichen communio sanctorum ansichtig zu werden. Wenn Sie mir sagen, dass Sie mit mir besser als mit Gogarten reden können, so geht es mir ganz gleich mit Ihren Hinterund Nebenmännern. Wir sind irgendwie nach beiden Seiten äußerste Möglichkeiten und wollen im Interesse des Ganzen die gewonnene Fühlung auf alle Fälle weiter pflegen. – Von Ihren Vorträgen habe ich außer der bewußten Stelle im Kirchenaufsatz, die ich Ihnen weiter nicht krumm nehme, da Sie mich kaum trifft, gleich den über das Volkstum und den über den Bauernkrieg gelesen und darin alles gefunden, was mir bei Ihnen imponiert und zugleich unheimlich ist: Die Fähigkeit, nach allen Seiten offen zu sein und bewegt mitzugehen, die, von mir aus gesehen, dann doch auch die Fähigkeit ist, allzu vieles zu schlucken und gutzuheißen, als dass ich den ganz deutlichen Ton 45 Friedrich Gogarten, Was will Gottes Wort. In: Zwischen den Zeiten Bd. 5 (1927) S. 310 – 330). 46 Paul Althaus, Evangelium und Leben. Gesammelte Vorträge. Gütersloh 1927, der Sammelband enthält u. a. die Vorträge über: „Die Kirche“ (1924), den Vortrag vom Kirchentag 1927 über „Kirche und Volkstum“ sowie „Luthers Haltung im Bauernkriege“ (1925).
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Ihrer eigenen Trompete immer hören würde. Sind Sie eigentlich zornig darüber, dass die Pastöre jetzt bei der Volkstumsbewegung selbstverständlich dabei sind in Scharen, während sie vorher den Sozialismus ebenso selbstverständlich verschlafen haben? Und sind Sie eigentlich über das Phänomen des Jahres 1525, neben allem was zur Erklärung Luthers mit Fug zu sagen ist, vor allem erschrocken? Das wären natürlich meine letzten Einstellungen zu den in Betracht stehenden Dingen, die ich bei Ihnen nicht vermissen darf, wohl aber vielleicht den entsprechenden Affekt Ihrer eigenen Entscheidung, der Ihre klugen Darlegungen dem Leser, wenigstens mir erst so richtig zur Ansprache und Frage machen müßte, wie es doch offenbar dieses „leichteren Geschwaders“ Absicht ist. Aber vielleicht mute ich Ihnen auch damit zu viel zu. Es wird mir immer deutlicher, wie wenig wir alle aus unserer Haut heraus können und es entspricht nur meiner von Ihnen nur teilweise gut geheißenen Lehre über die Heiligung, wenn ich Sie im Umkreis Ihrer Möglichkeiten ebenso gelten lasse, wie ich selber die justificatio forensis für die Meinigen in meinem Umkreis in Anspruch nehmen muß, was Bewegung und Belehrung innerhalb dieser Kreise nun gerade nicht ausschließt. Seien Sie nochmals von Herzen bedankt und gegrüßt von Ihrem Karl Barth PS.: Die Beilage gehört offenbar Ihnen. Meine Frau grüßt Sie mit mir 42. Postkarte Althaus (Masch.-Schrift) Erlangen, den 27. Sept. 1927 Lieber Herr Kollege, vielen Dank für Brief und Karte.47 Auf Ihre Bemerkungen zu meinen Vorträgen, komme ich noch einmal zurück, will sie aber erst noch bedenken. Wiesner ist durch mich in die Z. syst. Th. gekommen.48 Er kam aus Tübingen und hat dann 1 Semester bei mir studiert, in Rostock. Inzwischen war er im Domstift und ist cand. theol. Er hat bei mir ein Thema für die Promotion, über den Offenbarungsbegriff in der neueren Theologie. Ich halte auch sehr viel von ihm, und da er trotz der starken Einflüsse, die er von Ihnen und wohl besonders von Bultmann empfing, gerne mit mir arbeiten will, tue ich für ihn, was ich kann. Natürlich bin ich nicht mit allem, was er denkt, einverstanden. Andererseits ist er ein so tüchtiger Mann, dass ich gerne von ihm lerne. v. Loewenichs Adresse ist Erl., Nürnberger Straße 2. Ich glaube, er sehnt sich schon recht nach einem Zeichen Ihrer Huld. Seien Sie nett zu ihm; denn
47 Die angemerkte Karte ist nicht überliefert. 48 Werner Wiesner, Offenbarung und Geschichte. In: ZSysTh 5. Jg.(1928), S. 313 – 346.
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Hirsch hat ihm entmutigend geschrieben, und er hat an sich schwer mit Unwertsgefühlen zu kämpfen, die ich nicht für begründet halte. Freundliche Grüße (ich sitze an dem Buch für unsere Sammlung) Ihr P. Althaus P.S. Übrigens macht Hirsch dem Buch Frickes genau den gleichen Einwand wie Sie!! 43. Postkarte Althaus (Handschrift) Erl. 29. 9. 27 L.H.K., zu unserer Debatte über menschliche Predigt und Gottes Reden bei den Lutheranern und Reformierten vergl. Luther, W. A.[Weimarer Ausgabe] 17 II, S. 179: „Weil denn die Prediger das Amt, Namen und Ehre haben, dass sie Gottes Mithelfer sind, soll niemand so gelehrt oder so heilig sein, der die allergeringste Predigt versäumen oder verachten wollte, sintemal er nicht weiß, welche Zeit das Stündlein kommen werde, darin Gott sein Werk an ihm tu durch die Prediger.“ (1525)
P.A. P.S. Lic. Gerh. Fricke schreibt mir heute, der zweite Teil des Aufsatzes von W. Wiesner in Z. syst. Th. sei ganz die Wiedergabe meiner Dogmatik II, aber der erste Teil Wiesners passe nicht dazu! – Dies nur nebenbei. Ich selber weiß bei solchen Leuten schwer zu finden, was sie bei mir gelernt haben. Ich sehe immer leichter die anderen Einflüsse. Im Übrigen sind solche geneolog. Dinge auch herzlich gleichgiltig. 44. Postkarte Althaus (Handschrift) Erlangen, 29. 9. 27 L.H.K., ich habe W. Schreiner nun doch ein paar Worte geschrieben, da die Zeitschrift, in der ich ihn a posteriori besprechen wollte, schon vergeben ist. Nach unserem Gespräch bin ich schuldig, Ihnen das mitzuteilen. Herzl. Gruß Ihr P. Althaus
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45. Postkarte Althaus (Handschrift) Erlangen, 14. 10. 27 Lieber Herr Kollege, bitte sehen Sie sich die Arbeit von Kehnscherger über die wir sprachen, einmal an. Ich möchte die Entscheidung allein nicht verantworten. Wenn Sie die Arbeit für nicht geeignet in unserer Schriftenreihe befinden, senden Sie sie bitte zurück an Lic. theol. Kehnscherger Berlin-Dahlem Haus Wittelsbach. Herzl. Gruß, Ihr P. Althaus P.S. Wird die Arbeit nicht durch Ihre Dogmatik einfach überholt und bedürfte jedenfalls der Ergänzung? 46. Brief Althaus (Masch.-Schrift) Erlangen, den 21. Dezember 1927 Vertraulich! Hochgeehrter Herr Kollege! In letzter Zeit sind mehrfach unerfreuliche Kollisionen von Lic.– Themen vorgekommen. Ich denke daran, im Zusammenhang mit der systematischen Gruppe des Theologentages die Einrichtung eines Austauschdienstes vorzuschlagen, der alle in Betracht kommenden Kollegen in geeigneter vertraulicher Weise über die von dem Einzelnen gestellten, beziehungsweise bei ihm angemeldeten Themata, bei denen eine Konkurrenz nicht ausgeschlossen ist, unterrichtet. Da wir diesen Austauschdienst heute noch nicht haben, gestatte ich mir vorläufig, Ihnen mitzuteilen, dass ich neuerdings 1. die Prinzipien von Reinhold Seebergs Dogmatik 2. der Begriff des Irrationalen und der christliche Gottesglaube 3. der Reichs-Gottes-Begriff in der Ethik der Ritschlschen Schule als Lic.Thema vergeben bzw. angenommen habe. Sollte hier eine Kollision mit einem von Ihnen vergebenen Thema vorliegen, so bitte ich um freundliche baldige Nachricht. Im anderen Fall bedarf es keiner Antwort. Mit den besten kollegialen Empfehlungen handschriftlich: und herzlichen Grüßen (Dank für die Dogmatik folgt) Ihr P. Althaus
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47. Brief Althaus (Masch.-Schrift) Erlangen, den 28. Dez. 1927 Lieber Herr Kollege! Herzlich danke ich Ihnen für das große Geschenk Ihrer Dogmatik.49 Als einer, der wohl noch manches Jahr hingehen lassen muß, ehe er eine Dogmatik schreibt, beglückwünsche ich Sie doppelt, dass Sie es schon gewagt haben und, wie mir scheint, wagen durften. Ich möchte Ihnen meinen Dank dadurch abstatten, dass ich Ihnen die Randbemerkungen und Fragen, die ich mir zu meinem eigenen Gebrauch mache, je nach dem Fortschritte der Lektüre und der Besinnung mitteile. Ob Sie darauf gleich oder später oder zunächst gar nicht antworten, tut nichts zur Sache. Es handelt sich wirklich nur um Durchschläge eigener Zettel, die ihren Sinn schon intra muros erfüllen. Ich schreibe nicht von dem, worin ich mit Ihnen übereinstimme. Das steht am Rande meines Exemplares. Es ist viel. Auch das, was ich ohne weiteres lerne, erwähne ich in der Regel nicht. Sondern nur das, worüber ich mich – vielleicht eine Vorstufe künftigen Lernens! – zunächst verwundere. Das ist für heute zweierlei. 1. Sie reden von der Dogmatik, ehe Sie ein einziges Wort von der Theologie gesagt haben. Entsteht der Begriff der Theologie erst aus oder doch nach dem Begriffe der Dogmatik, oder nicht viel mehr umgekehrt? 2. Niemand kann verkennen, wie zeitgemäß Ihr Ausgehen von der Predigt ist, aber nicht nur zeitgemäß, sondern sachlich überaus verführerisch, so etwas wie das Ei des Columbus. Sie werden vermutlich gerade mit dieser Beschreibung der dogmatischen Aufgabe die Dogmatik ganz neu in die Studierstube unserer Pfarrer einführen – und das wäre eine große Sache. Wenn man Ihre Abschnitte S. 1 – 46 liest, so ist der Eindruck der Einfachheit, Ehrlichkeit, Geschlossenheit zunächst überwältigend. Dennoch verstummen die Stimmen der Bedenklichkeit bei mir nicht. Zunächst appelliere ich an den Barth von S. 23. Der Dienst der Kirche ist mit der Verkündigung nicht erschöpft. Ich halte es für eine unmögliche Enge, wohl die Beziehung der Dogmatik auf die Predigt, aber nicht zugleich die auf die Anbetung und auf die Caritas zu legen. Schon hier muß ich Ihre Formel sprengen. Die Kirche treibt Dogmatik auch, weil sie handeln und beten soll. Bei Ihnen bleibt trotz S. 113 das Verhältnis der Dogmatik zur Ethik ganz im Dunkel. Auch die Ethik ist doch Dogmatik, und sie regelt das christliche Handeln keineswegs nur so, dass sie die Verkündigung regelte. Ferner: Wenn nach S. 31 die Dogmatik der Predigt gegenübersteht als beurteilende und richtunggebende Instanz, dann muß die Dogmatik doch selber offenbar ein von der Predigt unabhängiges Verhältnis zur „Sache“ haben. Wie 49 Karl Barth, Die christliche Dogmatik im Entwurf. München 1927, XV, 473 S.
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könnte sie sonst Kontrollinstanz und so weiter sein? Ihr Kampf gegen die üblichen Definitionen der Dogmatik ist gutenteils doch nur Schein; denn 1) die Beziehung auf die Predigt leugne ich zum Beispiel nicht; 2) die Beziehung auf die Predigt setzt aber ein unmittelbares, nicht erst durch die Predigt vermitteltes Verhältnis der Dogmatik zur Sache voraus. Schließlich: S. 34 heißt es: Anleitung zu einem richtigen christlichen Reden. Warum nicht auch: Anleitung zu einem richtigen christlichen Denken? Auch wenn ich nicht verkündige – ich soll mich als Denkender in dieser Welt zurechtfinden, als einem Glauben Denkender. Entsteht daraus nicht Dogmatik, gewiß in fließendem Übergang von dem noch „vordogmatischen“ Sinnen des Glaubens? Im Grunde geben Sie das ja auf S. 35 unten zu mit dem Satz: „Dann fällt aber …“. Ich leugne diesen Satz nicht. Aber er zeigt doch, dass Sie den Punkt 3 (S. 34ff) nicht, wie Sie wollten, zurückgewiesen haben, sondern nur seine Identität mit Ihrer eigenen Frage aufweisen konnten. Gut! Aber damit ist die Abzielung auf die Verkündigung zu einem unter mehreren Synonyma geworden – und Ihre sehr bestimmte Abgrenzung gegen alle anderen ermäßigt sich heimlich sehr. Zu Seite 30: Ist der Römerbrief nicht schon Dogmatik? Ich würde sagen: ja, er ist schon dogmatische Besinnung. Dann aber scheint mir immer noch Schlatters These einleuchtend, dass Paulus den Römerbrief schrieb, um sich mit den Römern auf seine Pflicht, in Rom zu verkündigen, zu besinnen – also Dogmatik im Dienste der christlichen Tat der Verkündigung als solcher, Besinnung des Handelnden, auch dann, wenn das Handeln nicht gerade selber Verkündigung ist. Genug für heute. Ich lese weiter. Herzliche Grüße auch an Ihre Gattin Ihr P. Althaus 48. Postkarte Barth (Masch.-Schrift) Münster, den 30. Dezember 1927 Lieber Herr Kollege, haben Sie besten Dank für Ihre Anmerkungen. Ich wäre froh darüber, wenn Sie sich die Mühe nicht verdrießen lassen wollten, diese kleine laufende Begrüßung in dieser Weise fortzusetzen. Ich werde dann die entscheidenden Punkte gerne einmal beantworten. Nehmen Sie vorläufig meine herzlichsten Grüße und Wünsche zum Jahreswechsel Ihr Karl Barth
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49. Brief Barth (Masch.-Schrift) Münster, 28. Januar 1928 Lieber Herr Kollege! Ich möchte Sie doch daran erinnern, dass Sie mir weitere Mitteilungen aus Ihren Marginalien zur Dogmatik in Aussicht gestellt haben. Ich bin in der Pause vor dem Gewitter der Rezensionen doch recht dankbar für Derartiges, was mich auf das, was kommt einigermaßen vorbereiten kann. Knittermeyer hat mir die jedenfalls kluge Frage gestellt, wie sich mein Ansatz zur Trinitätslehre allenfalls zu der abgelehnten Lehre von den vestigia trinitatis (er denkt wohl vor allem an Augustin) verhalten möchte. Was wohl darauf zu erwidern wäre? Sind wohl folgende zwei Dikta von Ihnen authentisch: Sie sollen gesagt haben a) von mir: Diese Dogmatik sei doch nur eine reformierte Repristinationsdogmatik (was 200 bis 300 lutherischen Studenten wie Honigsseim eingegangen sei, deutet mein Gewährsmann an!) b) von unserem Freund Emil Brunner: (in Bezug auf sein neues dickes Buch,50 das ich eben lese, streckenweise – aber dies streng unter uns gesagt – nicht ohne Reminiszenz an Richter 14, 18b [„Wenn ihr nicht hättet mit meinem Kalb gepflüget, ihr hättet mein Rätsel nicht getroffen]“) „Noch ein solches Buch und er ist erledigt“. Seh’n Sie, so ergeht’s eben berühmten Männern! Im Semester habe ich zum ersten Mal Ethik zu lesen und wüßte wohl gern, wie ich das machen soll. Als eine selbstständige Disziplin neben der Dogmatik kann ich sie sicher nicht gelten lassen, sondern nur als eine Art Exkurs, etwa so, wie sich Palästinakunde zur alttestamentlichen Einleitung verhält. Ob Sie die „Philosophie der praktischen Vernunft“ von meinem Baseler Bruder schon zu Gesicht bekommen haben und wie Sie davon denken mögen? Mit herzlichem Gruß! Ihr Karl Barth P.S. [handschriftl.]: Noch eine Frage akademischer Neugierde: Ob Berlin nun aufs Neue für Sie akut wird?51
50 Emil Brunner, Der Mittler. Zur Besinnung über den Christusglauben. Tübingen 1927 (X, 565 S.). 51 Paul Althaus stand in Berlin auf der Liste (pari passu auf Platz drei), wurde aber – nach Absage des Erstplazierten – nicht berufen. Zu den interessanten Details vgl. Gotthard Jasper, Paul Althaus (1888 – 1966), Professor, Prediger und Patriot zu seiner Zeit.Göttingen 2013, S. 141 ff.
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50. Brief Althaus (Handschrift) Erlangen, 31. 1. 1928 Lieber Herr Kollege! Vielen Dank für Ihre zarte Mahnung. Ich habe schon allerlei asterisci wieder beieinander, bin aber durch eine neue Vorlesung so gehemmt, dass die Zeit zu anständiger Niederschrift an Sie noch nicht reichte. Auch kann ich es mir nun nicht mehr so leicht machen, wie in dem ersten Skriptum. Bei Ihrer Christologie – ich muß es gestehen – ist mir der Atem ziemlich ausgegangen. Jetzt merke ich erst, wie recht Sie hatten, mir nach dem Zusammensein in Münster zu schreiben: Wir seien doch an unserer entscheidenden Frage noch gar nicht gekommen. Ich kann es einfach noch nicht fassen, wie der Theologe, von dem ich die Scheu und Zurückhaltung, die Furcht des Herren gerne zu lernen bekenne, in seiner Christologie sich nun doch ganz fröhlich wieder heraufführt, was an der alten Zwei-Naturen-Lehre, communicatio, Extra calv., Enhypostasie m. E. unbefugtes Lüften des Geheimnisses b kºcor s²qn 1c´meto [das Wort ward Fleisch] war. Müßte Ihre Christologie nicht in der Zurückhaltung die völlige Parallele zu Ihrer Schriftlehre sein? Aber ist sie das? Ist sie nicht doch dinglich, statt aktuell geworden? Die Schriftlehre vortrefflich! Da sind wir nicht mehr widereinander (haben Sie meinen kleinen Lutheraufsatz bekommen?)52 Gehört die Formel von der Enhypostasie (würden Sie sie auch in der Schriftlehre bringen?) nicht in eine aus dem Akte des Glaubens herausgenommene „rufende“ Christologie? Verzeihen Sie meine Formalia. Schlimm, schlimm finde ich ja Ihr natus ex virgine, die Mann-WeibTheologie. Da müßte ich mich wirklich bei Brunner s. verbo erholen! Aus solchem Unmute stammte es, wenn ich gleich nach Weihnachten im Kolleg sagte: Ich sei von dem Einzelnen Ihrer Dogmatik doch recht enttäuscht; ich glaubte nicht, dass es mit diesem Wiederbeleben der altprotestantischen, speziell altreformierten Formeln gehe. – Ich denke nicht, damit lutherisches Behagen geweckt zu haben. Auch sage ich ja sonst so oft Gutes von Ihnen, dass ich es Unrecht finde, wenn ein Hörer jene Äußerung dogmatisiert. Habe ich aber damit unrecht getan, dass ich nicht im gleichen Momente auf die hohe Bedeutung Ihres Buches hinwies, so bitte ich Sie herzlich hiermit um Entschuldigung. Ich hole das Versäumte dieser Tage ehrlich nach. Meine Hörer werden nicht dazu erzogen, in Ihnen den lutherischen Kinderschreck zu sehen. Gerade meine Leute, die wissen, wie weit ich mit Ihnen gehe, vertragen (so denke ich) auch eine offene Abgrenzung. Aber ich will mein Mundwerk zähmen. Leid ist mir, dass Sie vor einem Brief von mir zur Christologie dieses Diktum versetzt bekamen. O, die Agenten!! Zu Freund E. Brunner: Ich habe im Privatgespräche (zu Heckel? zu Merz? Nescio) das, was Sie schreiben, etwa gesagt. Grund: Die Breite des Buches und 52 Paul Althaus, Gehorsam und Freiheit in Luthers Stellung zur Bibel. In: Luther 9 (1927), S. 74 – 86.
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das Aussprechen vieler Dinge, die nun doch allmählich oft genug gesagt sind. Unter uns (vergleiche Ihr Citat Richter 14, 18b): Nutzt er nicht die anti-liberale Konjunktur reichlich aus? Die Leute werden ja nur so mausetot geschlagen, dass es einen Hund jammern kann. – Aber das ist nicht mein ganzes Wort zu Brunners Buch. Ich schrieb schon oben zum natus ex virgine. Auch sonst tut diese gesunde Lehre wohl. Gerade deswegen aber, weil hier nur die geräumten Stellungen des Liberalismus (vielleicht ist es in der Schweiz anders!) so erfreulich noch einmal erobert werden, fand ich: Es wäre schade um Brunner, wenn er jetzt „solche“ Bücher schreiben wollte, statt Neues zu sagen. Aber, ich bitte Sie, behalten Sie mein Diktum für sich. Ich mag Brunner besonders gerne und habe mich erboten, sein Buch für ThLZ [Theologische Literaturzeitung] zu besprechen.53 Im übrigen werde ich, nicht nur wegen Ihrer drahtlosen Verbindungen zu meinem Hörsaal, sondern im Ernste um der Sache willen Jacobus 3 von heute an besser beherzigen. – Berlin! Ja, ich wurde jetzt von dort angegangen, zunächst persönlich = unverbindlich. Geben Sie mir doch ein gutes Wort des Rates. Wie gerne wäre ich nach Göttingen gegangen. Herzliche Grüße Ihr P. Althaus 51. Brief Barth (Masch.-Schrift) Münster, 1. Februar 1928 Lieber Herr Kollege! Haben Sie besten Dank für Ihren freundlichen Brief. Ich wundere und ärgere mich gar nicht über Ihre bis zu einem „schlimm, sehr schlimm“ sich steigernden Bedenken und bitte Sie nur, mir Weiteres und Ausführlicheres zu sagen. Aber denken Sie, ich bin meiner Sache eigentlich so sicher, dass ich mir fast nicht vorstellen kann, dass Sie nicht bei nochmaligem Lesen der Sache – ich meine der Christologie und allem was dazugehört, ein anderes Gesicht abgewinnen werden, dass dieser Schreckensruf vor den Gespenstern der Orthodoxie Ihr letztes Wort sein wird. Wo bin ich denn etwa dem Prinzip der Aktualität, an dem mir geradezu alles liegt, untreu geworden? Wo geschieht etwas anderes, als dass das „Geheimnis“ eben angezeigt und als solches umschrieben wird? Was heißt „Mann-Weib-Theologie“ an einem Punkt, wo es sich um Zeugung und Geburt nun einmal zu handeln scheint? Ist das bloße Auftauchen von Dingen, wie die Anhypostasie u. dgl. schon genügend, um das Verdikt auf „ruhende Christologie“ zu erheben? Ach lieber Herr Althaus, ich wollte um der ganzen Situation willen so gerne, Sie würden sich noch überzeugen, dass gerade alles das, woran Sie Anstoß nehmen – ich habe es ja nicht 53 Paul Althaus rezensiert Emil Brunner, Der Mittler. Zur Aufgabe der Christologie. In: TheolLitZ 54 (1929), 470 – 479. Wiederabgedruckt in: Paul Althaus, Theologische Aufsätze. Bd. 2. Gütersloh 1935, S. 169 – 182.
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erfunden und komme darum als Rechthaber nicht in Betracht – doch einfach unverhältnismäßig viel besser ist, als die ethische Limonade, zu der man so oder so greifen muß, wenn man „das“ durchaus nicht wahrhaben will. Verzeihen Sie mir diesen Anruf – Sie sind als Hannoveraner nicht gewöhnt, dass man Sie so anruft, wie wir Schweizer das untereinander zu tun pflegen – und seien Sie herzlichst gegrüßt von Ihrem Karl Barth 52. Postkarte Althaus (Handschrift) Danzig, 8. 3. 28 Lieber Herr Kollege! Ich wohne hier in dem hohen Zimmer, in dem auch Sie zweimal gehaust haben. Wir haben Ihrer in den Tagen der Theologischen Woche manchmal gedacht und grüßen Sie herzlich. Vielen Dank für Ihre letzte Karte. Ich verstehe Ihren „Anruf“ sehr gut und werde Ihnen, wenn ich Ferien habe, bald mehr zu der Dogmatik schreiben. Ihr P. Althaus Hochverehrter Herr Professor, wir hatten hier wieder einen theologischen Lehrgang. Dabei wurden liebe Erinnerungen an den ersten, den wir hier hatten, lebendig. Viele herzliche Grüße Ihnen und Ihrem lieben Hause Ihr aufrichtig ergebener Kalweit Sehr herzliche Grüße, wir würden uns sehr freuen, Sie wieder einmal bei uns zu haben. Ihre ergebene Gerda Rialcovit 53. Brief Barth (Masch.-Schrift) Münster, 25. Mai 1928 Lieber Herr Kollege Althaus! Sie waren so freundlich, mir Ihre Gedächtnisschrift für Ihren Herrn Vater zu schenken.54 Da der erste Pfingstferientag mich in die glückliche Lage versetzte, Sie sofort und dann gleich auch noch Ihren Aufsatz für die Ihmels-Festschrift repetendo zu lesen, möchte ich Ihnen nun auch gleich für beides meinen Dank sagen.55 Was Ihren christologischen Entwurf betrifft, so freue ich mich auch hier zu sehen, in wie vielem wir uns in unseren Intentionen berühren. Dass Ihre Bestreitung der Linie Schleiermacher … Hirsch meinen vollen Beifall hat, brauche ich Ihnen kaum zu sagen. Und da Ihre Stellung zu der Zwei-Naturen54 Paul Althaus, Aus dem Leben von D. Althaus-Leipzig. Leipzig 1928. 55 Paul Althaus, Christologie des Glaubens. In: Ludwig Ihmels Festschrift. Leipzig 1928, S. 280 – 295.
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Lehre, bei der ich am Anfang des Aufsatzes etwas unruhig wurde, sich im Verlauf klärt zu der Forderung einer disjunktiven Auffassung des problematischen „und“ und eines aktuellen Verständnisses der in Frage stehenden Beziehung, so kann ich auch da nur Amen sagen. Meinen Sie wirklich, dass die alten und ganz alten Herren es, in Ihrer philosophischen Begriffssprache redend, anders gemeint haben? Dass wir erst hinter diesen Schlich gekommen sind? Für mich ergibt sich a) aus dem Glauben an Gottes Vorsehung b) aus dem credo unam sanctam …, das freilich nicht als eine Gegebenheit sondern nur in immer erneuter Bewährung wahre Axiom, das in necessariis (und dazu werden doch auch Sie die Lehre von der Aktualität der Offenbarungserkenntnis rechnen) alle erheblichen Leute im Grunde einig gewesen sind, sind und sein werden. Also Ihr rasches Beiseiteschieben der klassischen dogmatischen Traditionen, mit denen Sie ja dann zum Glück doch nicht so ernst machen können, wie man es am Anfang fürchtet, geht mir wider den Strich. Doch das ist nebensächlich. Sachlich werde ich bei Ihrer Darlegung folgendes Bedenken nicht recht los: Verstehen Sie die Gottheit Christi nicht doch als Prädikat seiner Menschheit: Der Mensch wird uns zur Gegenwart der … Liebe Gottes und vorher: Das Buch wird in der Entscheidung … (Ende des 2. Absatzes). Ich verstehe vollkommen, dass Sie von hier aus die Enhypostasie ablehnen und Heim im Gegensatz zu Brunner und mir loben müssen. Aber bedeutet das nicht eine Umkehrung von Johannes 1,14, wo nun einmal der Logos das Subjekt des beschriebenen Geschehens ist und nicht umgekehrt. „Theologie des Glaubens“ (die Parole erfüllt mich nach wie vor irgendwie mit Mißbehagen) darf doch jedenfalls nicht heißen, dass man nicht theologisch sondern … psychologisch fragt, und nur unter dieser letzteren Voraussetzung wird mir Ihre Auffassung ganz verständlich. Zu der Anmerkung auf Seite 2 wäre also zu bemerken, dass wir dann wirklich das Gleiche vertreten würden, wenn Sie sich entschließen könnten statt „auf dass er gerichtet“ (was natürlich an sich auch wahr ist) stärker zu sagen: „dass auf ihn gerichtet“ ist und die Konsequenz auf sich nehmen, dass wir es in der Theologie überall und so auch in der Christologie mit der Darstellung eines Geschehens von oben herunter zu tun haben, mit lauter Prädikaten des göttlichen Subjektes. Von da aus wird mir auch die Lehre von der Aktualität der theol. Erkenntnis erst ganz einsichtig in ihrer Notwendigkeit. Und von da aus schätze ich die alten Herren. Denn das haben sie mit oder ohne Plato und Aristoteles gewußt, mögen sie sich dann immerhin über die unheimliche Sache mit der Aktualität noch nicht so im Klaren gewesen sein, wie das, wenn wir nicht solche sind, die in die Irre gehen, unsere besondere Last ist. Darum läßt mir gerade die Lehre von der Enhypostasie ein köstliches Kleinod und trauere ich, dass Sie sie – im Verein mit Rade, denken Sie doch!! – noch nicht zu schätzen wissen. Sehr gern habe ich auch die Biographie Ihres Herrn Vaters gelesen. Ich stamme ja aus einer ganz ähnlichen, wenn auch wieder ganz anderen Welt geprägter warmer Christlichkeit und Fleisch und Blut gewordener Theologie. Ich vermöchte es zwar nicht mehr, sie so unbedenklich darzustellen wie Sie, weil ich vermutlich 65
in verschiedener Hinsicht gründlicher aus diesem Boden entwurzelt worden bin als Sie. Aber das hindert mich nicht, mit Ihnen respektvoll vor der Art dieser Generation stillzustehen. Vieles war mir neu in dem Büchlein, z. B. wie lebhaft offenbar schon damals in der Göttinger Fakultät gezankt worden ist. Und es hat mich gefreut, S. 62 zu erfahren, dass Ihr Herr Vater auch meiner noch nicht unfreundlich gedacht hat. Im Übrigen meine ich auch Sie nach dieser Lektüre nun etwas besser zu verstehen. Wenn ich jetzt etwas im Geiste von Georg Merz sagen wollte – und offenbar kann ich es nicht verkneifen es wirklich zu sagen – so wäre es das, dass ich mir in Zukunft gewisse zwischen uns bestehende und sich erhebende Differenzen daran klarmachen werde, dass Sie nach S. 21 f in Ihrer Jugend so viel Harmonium haben spielen hören. Das mußte Ihren Geist in ganz bestimmter Weise beeinflussen. Und nicht wahr, wenn jeder gute Geist Ihrer S. 7 erwähnten Vorfahren sich in Ihnen regen sollte, dann werden Sie ihn nicht dämpfen. Ich wollte eigentlich noch etwas über den Begriff „Spannung“ schreiben, der mich in Ihrem Schrifttum andauernd stört, aber das soll jetzt unterbleiben. Nun hat also Otto Ritschl gesprochen. Ich werde seinetwegen sicher keine Pfeife weniger rauchen. Er ahnt ja auch nicht, was unterdessen in meinem Seminar seinem Vater widerfährt. Der Gute! Und die gute Literaturzeitung! So wird man mich sicher nicht zur Strecke bringen. Meine Frau ist für den ganzen Sommer auf den Beatenberg am Thunersee gegangen mit einem Teil der Kinder. So brüte ich einsam, unglücklicher Flacius Illyricus. Seien Sie herzlichst gegrüßt von Ihrem Karl Barth
54. Brief Althaus (Masch.-Schrift) Erlangen, den 29. Mai 1928 Lieber Herr Kollege Barth! Haben Sie vielen Dank für Ihren Pfingstbrief. Dass Sie einsam, d. h. ohne Ihre Frau Gemahlin, die Festtage erleben, ist recht schade. Es ist doch nicht eine ernstere Erkrankung Ihrer Frau Gemahlin der Grund der Verschickung? Wir freuten uns nach den bösen Krankheiten des vorigen Jahres des ersten „gesunden“ Pfingsten in Erlangen. (Gesund? Die Pfingstpredigt von Ulmer war so jämmerlich, wie ich noch nie eine Pfingstpredigt gehört habe – und das ist der homiletische Lehrer unserer bayrischen Jugend wohl auf ein Menschenalter! Doch dies sub sigillo). Ihre Bemerkungen zu dem Lebensbild meines Vaters waren mir sehr lehrreich. Da wird wohl ein tiefer Unterschied zwischen uns begründet sein, dass ich nie mit Bewußtsein entwurzelt worden bin. Vielleicht werden Sie sich wundern, dass mich mein Soldatenpfarramt nicht entwurzelt hat, so wie Sie 66
die Arbeit an sozialistischen Arbeitern. Aber meine Soldaten waren eben erst nach dem 9. Nov. 1918 Sozialisten, vorher Soldaten. Und ich hatte, vielleicht leider, das Herz und Ohr der Leute so sehr, dass ich nicht in wirklichem Zusammenprall und hoffnungsloser Arbeit lernen konnte. Irre geworden bin ich im Kriege nur an den Reserveoffizieren, wenigstens an den allermeisten, damit allerdings an einem wesentlichen Stück unserer offiziellen Welt. Spaß gemacht haben mir Ihre Bemerkungen zum Harmonium. Ich warne nachträglich vor jeder Schallanalyse! Sie müßten sonst sehr ernstlich die Wirkung auch der preußischen Militärmärsche, die ich fast täglich vom nahen Kasernenhofe hörte, oder der drei bis vier Jahre Kommerslieder erwägen. Also verstehen Sie mich bitte lieber aus dem Ganzen des Büchleins, aber nicht allzusehr aus dem Einzelnem. Sonst würde ich jedenfalls raten, an die Stelle des Harmoniums das lutherische Kirchenlied zu setzen – denn das Harmonium war demgegenüber wirklich zufällig – ich selber lebe viel mehr am Klavier als am Harmonium. Nun zu der Christologie. Ihre Frage: „Verstehen Sie die Gottheit Christi nicht doch als Prädikat seiner Menschheit?“ und was dann folgt, hat mich doch einigermaßen staunen lassen. Sie weisen hin auf Johannes 1,14. Aber vor Johannes 1,14 steht im N.T., zeitlich und wesentlich das „Du bist Christus“ also ein Satz, in dem wirklich der Mensch das Subjekt und die Gottheit das „Prädikat“ ist. Wie anders wäre denn jener Satz möglich ohne diesen? In diesem Sinne mußten m. E. alle Christologie „anthropozentrisch“ einsetzen, weil der Glaube der Jünger so eingesetzt hat. Die theozentrische Christologie ist zweiter Satz, Reflektion – gewiß dringlich und unabweisbar, aber eben zweiter Satz. Und was ich in ihm sage, kann nie die Lage, in der ich den ersten bilden muß, aufheben – nämlich dass ich vor dem Menschen stehe. Johannes 1,14 ist für mich nicht wie für Sie, ein irgendwie erster Satz, von dem auch ich noch weiter denken könnte, sondern er ist in jedem Betrachte ein letzter Satz. Hier bleibt eine ernste Differenz zwischen uns. Mit ihr hängt auch das zusammen, was ich als die Leere Ihrer christologischen Paragraphen empfinde – oder bringt da der Band 2 oder 3 noch mehr (überhaupt im Vertrauen: Was kann in den weiteren Bänden über Trinität und Christologie eigentlich noch kommen – ich bin noch keineswegs überzeugt, dass Sie mit einer so ausgeführten Trinitätslehre in den Prolegomena erscheinen durften)? Ich vermisse gewiß keine Begründung des Glaubens an Christi Gottheit. Sie wissen, dass ich mich da ganz mit Ihnen eins fühle, aber eine konkrete Aussage dieses Glaubens in einer Durchdringung der Geschichte Jesu. Den einzigen Ansatz dazu finde ich auf S. 172 f.56 Kommt Weiteres in Band 2 oder 3? Die Dogmatik muß doch auf die Wirklichkeit in der Geschichte Jesu hindeuten, in der er sich als der Sohn Gottes bezeugt. Bei Ihnen stehen mir an dieser Stelle zu viel Bibelstellen und zuviel, mir zu einfache Logik des Offenbarungsgedankens, wie z. B. auf S. 188 oben: Wer kann Gott offenbaren, wenn nicht Gott selber? Das geht 56 Vgl. oben Anm. 49.
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mir, offen gesagt, zu schnell. Diese Paragraphen haben mich sehr unbefriedigt gelassen – aber sie sind allerdings vorne und hinten umschlossen durch andere Paragraphen, die mir überaus wertvoll und innerlich nahe sind. Darin gehört auch die petitio principii, wie ich noch jüngst mit v. Loewenich (er hat soeben mit summa cum laude promoviert) festgestellt habe. Sollte nicht auch einmal die Entgegensetzung theologisch und psychologisch, die Sie wieder in Ihrem Brief bringen, nachgeprüft werden? Dürfen Sie wirklich schon das, dass ich von Jesus in der Lage reden will, in der ich ihn erkenne (also wirklich die Gottheit als Prädikat, obgleich der Ausdruck ja falsch ist, denn seine Gottheit erkennen heißt ja: ihm dem Handelnden sich beugen), ist das denn schon untheologische Psychologie? Ich fürchte leider, dass Sie mich hier nicht bekehren – und daher wird mein Ton, über Schleiermacher und Ritschl zu reden, doch wohl immer ein anderer bleiben als bei Ihnen. In zwei Wochen rede ich auf der bayrischen Pastoralkonferenz über die Grundzüge der gegenwärtigen theologischen Lage. Daher bin ich in diesem Tage wieder stark mit Ihnen, Thurneysen und E. Brunner beschäftigt. [Die folgenden Sätze handschriftlich:] Könnten Sie mir wohl einmal sagen, wie Sie den Unterschied zwischen Tillichs, Bultmanns und Ihrer Stellung zum urchristlichen Christuszeugnis sehen? Bultmann und Tillich da zu differenzieren wird mir nicht ganz leicht. Besonderen Dank noch für das Berner Tagblatt! Herzlichen Gruß (bei Gelegenheit auch an Ihre Gattin) Ihr Paul Althaus 55. Postkarte Althaus (Handschrift) Erlangen, 29. 5. 28 Lieber Herr Kollege, gerade fällt mir ein, dass Sie meine Frage in dem Briefe so mißverstehen können, als wäre ich mir über Ihren Abstand von Tillich in der Frage geschichtlicher Offenbarung nicht klar. Es geht mir mehr um das Verhältnis Barth-Bultmann einerseits, Bultmann-Tillich andererseits. Aber bitte, lassen Sie, wenn Sie Besseres zu tun haben, die vielleicht reichlich anspruchsvolle Frage ruhig unbeantwortet und nehmen Sie sie nur als ein Signal dafür, womit ich mich in diesen Tagen quäle. Herzlichen Gruß Ihr P. Althaus
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56. Brief Barth (Masch.-Schrift) Münster, 30. Mai 1928 Lieber Herr Kollege Althaus! Ich wollte Ihnen gern antworten, wenn ich könnte. Aber ich muß bekennen, dass ich Bultmanns Wollen weithin einfach nicht recht verstehe. Sein JesusBuch war mir als Ganzes eine Enttäuschung, weil es für mich beherrscht ist von einem Kanonsbegriff (Möglichkeit, Paulus durch Paulus zu korrigieren und dergleichen), den ich vom ersten Augenblick von Bultmanns „theologischer“ Existenz an (vgl. mein Vorwort zur 3. Auflage des Römerbriefs) beanstandet habe.57 Der Jesus, den er uns bietet, ist ganz schön, besonders weil er offenbar auch schon dialektischer Theologe gewesen ist, ich kann aber schlechterdings nicht einsehen, wie man, quo jure dazu kommt, sich gerade diesen Jesus aus dem N.T. heraus- und zurecht-zuschneiden. Ich hatte erwartet, die mir an sich sehr sympathische radikale Kritik Bultmanns werde dazu führen, dass man hinfort in der neutestamentlichen Wissenschaft von allen anderen Jesusbildern als den ganz konkreten der neutestamentlichen Schriftsteller absehen und insbesondere die Evangelien in Zukunft, nachdem ihre Analyse zu nichts Erheblichem geführt, als solche und ohne sich für etwas Anderes als für sie selbst zu interessieren, exegesieren werde. Meine Enttäuschung bei Bultmanns Buch bestand darin, dass ich es darin, bei einem unkontrollierbarem Gemisch von üblicher historischer und neuer „Sach“-Kritik, prinzipiell in der alten Weise weitergehen sah: In der Weise, wonach das N.T. als Quelle statt als Zeugnis gelesen wird. Aber ich möchte Ihnen das nur persönlich gesagt haben, weil Sie mich danach fragen. Ich durchschaue wirklich nicht recht, was in Marburg eigentlich vorgeht. Vielleicht gelingt es mir demnächst, wenn Bultmann mir seinerseits – er hat es mir dieser Tage versprochen – ausführlich darlegt, was er gegen meine Prolegomena auf dem Herzen hat. Ich weiß bis jetzt nur das, dass ich noch nicht die richtigen „Seins-Begriffe“ habe, aber in welche Richtung das weist, ist mir vorderhand verborgen. Es könnte wohl sein, dass Sie für Ihren Zweck keine geringe Ausbeute finden würden, wenn Sie sich an Bultmann selber wendeten, weil er über sein und mein Verhältnis sicher genauer Bescheid weiß als ich. Was ihn wiederum von Tillich unterscheidet, dürfte wohl auf derselben Linie zu suchen sein wie meine Differenz von Tillich. Nach dieser Seite glaube ich mit ihm einig zu sein, jedenfalls in den Negationen. Aber auch darüber wäre zur Vorsicht Bultmann selber zu befragen. Was unsere Differenz anbelangt, so ist durch Ihre Antwort ein Punkt mir selbst unerwartet, sehr klar geworden. Ich hatte eigentlich nicht erwartet, dass Sie sich zu der von mir beanstandeten Fragestellung so glatt bekennen würden. Für mich ist Johannes 1,14 in der Tat „erster“ Satz und Reflexion sehe ich gerade in allen umgekehrt verlaufenden Sätzen. Weil ich das Dogma (den 57 Rudolf Bultmann, Jesus. Berlin 1926, 3. Aufl. Tübingen 1951, 4. Aufl. München 1970.
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zweiten Artikel) auch in der Richtung von Johannes 1,14 laufen sehe, weil ich nicht einsehen kann, wie man mit jener Reflexion (was für mich Reflexion ist) anfangen kann, es wäre denn der anders laufende erste Satz vorausgegangen, weil ich meiner Petitio Principii nur daraufhin traue, dass sie nicht besagt, dass ich erkannt habe, sondern dass ich (und das ist auch ein Satz in der Richtung von Johannes 1,14) erkannt bin. Sie können sich von da aus vieles, vielleicht fast alles, was Ihnen bei mir fremdartig sein muß, erklären. Auch meine Sympathie für die alte Christologie, die reformierte insbesondere. Und natürlich auch meine Aversion gegen Schleiermacher und Ritschl, für die ja hier überhaupt kein Problem vorhanden war. Ja, über Christologie wird mein dritter Band noch Weiteres bringen – Sie können sich durch einen Blick in Hase oder Luthardt oder Schmid überzeugen, was da noch alles aussteht, was ich keinesfalls liegenzulassen gedenke. Und die ganze Lehre von „Christi Werk“ bin ich ja auch noch schuldig. Aber freilich zu der von Ihnen gewünschten „Durchdringung der Geschichte Jesu“ wird es kaum kommen. O wie ungern, lieber Herr Kollege, las ich diese Wendung!! Und was Sie damit meinen können, gehört doch in die Exegese, nicht in die Dogmatik. Nein, nein, ich meine schon das Harmonium. Auch das lutherische Kirchenlied auf dem Harmonium! Das ist nun, wie Schlatter sagen würde, eine „Beobachtung“, die ich mir nicht kann entreißen lassen. Aber im Übrigen ist es selbstverständlich, dass ich Sie aus dem Ganzen des Büchleins zu verstehen suche, allzu unpneumatisch wäre sonst meine Exegese. Mit herzlichem Gruß und Dank Ihr Karl Barth 57. Postkarte Barth (Handschrift) 1.VI.28 L.H.K.A.! Eben fällt mir ein, dass Ihnen vielleicht der Vortrag von P. Haake zur Beleuchtung der Verboblasien von Bultmann und mir dienlich sein könnte. Haake ist so etwas wie ein gemeinsamer Schüler von Bultmann und mir, ein ehemaliger Artilleriehauptmann und Mazedonien-Kämpfer übrigens, wenn ich mich recht erinnere. Sie können das Heft behalten, da ich es doppelt besitze. Mit freundlichem Gruß! Ihr Karl Barth PS: Ich vergaß neulich einen herzlichen Gruß an v. Loewenich mitzugeben, an dessen Erfolg ich mich wirklich mitfreue!
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58. Briefkarte Althaus (Handschrift) Erlangen, 23. 7. 28 Lieber Herr Kollege Barth! Seit zwei Tagen zerrt Ihre böse Anmerkung Seite 282,11 in dem letzten Heft von Zwischen den Zeiten an mir.58 Ich muß Ihnen (aus viel SemesterSchlußarbeit, daher kurz) doch so viel schreiben, dass diese Anmerkung, d. h. die Klammer mit dem „oder auch …“ die schwerste Belastung ist, die Sie mir seit der Gründung unserer Kaiser’schen Firma zugemutet haben. Ich habe mich ja im übrigen – leider! – gewöhnen müssen, die Anmerkungen in Zwischen den Zeiten nicht allzu ernst zu nehmen, da ich um den furor journalisticus weiß (Sie erinnern sich an unser Gespräch in Münster, auf der Straße, auf die Elektrische wartend, vor meiner Abfahrt) und will daher von S. 300 A. 55a, auf die G. Merz mich schon vorbereitete, kein Wesens machen – obwohl ich wirklich auch hier mehr Zurückhaltung gewünscht hätte. Aber S. 282 ist die Lage doch ernster. Also wenn Sie die Wahl haben zwischen Holls Lutherbuch und Thomas dann lieber katholisch!?? Oh hätten Sie das nicht gesagt! Das ist nicht nur für Holl-Orthodoxe, sondern auch für mich, der seine Grenzen sieht, aber weiß, was er der Theologie bedeutet hat und bedeutet, ein schreckliches Wort. Warum konnten Sie diese Klammer nicht unterlassen? Soll das Ihre Antwort an Hirsch sein? Dann entsteht eine gewisse „Verwüstungszone“, deren Opfer ich werde. Denn die Öffentlichkeit sieht Sie und mich jetzt zusammen – und ich muß mich fragen, welcher Schein auf mich fällt, wenn ich schweige. Ich selber bin mir bewußt, dass unsere Gemeinsamkeit in den „Forschungen“ für unsere Polemik gewisse Schranken bedeutet, nicht für ihren sachlichen Ernst, aber für das mit Fingern-Weisen auf Männer, die dem anderen ein Stück Leben sind. Bitte nehmen Sie dieses Wort freundschaftlich auf. Ich sehe nicht ein, warum eine solche Anmerkung nötig war. Auch wir anderen müssen die kirchliche Gemeinschaft mit R. Seeberg tragen. Kann man den Kampf nicht ohne solche Cabinettsfragen sachlich genauso scharf führen? Ich wende mich nicht gegen Ihre sachliche Schärfe, aber gegen die Cabinettsfrage. – Herzlichen Gruß Ihr P. Althaus 59. Brief Barth (Masch.-Schrift) Münster, 25. Juli 1928 Lieber Herr Kollege Althaus! Es tut mir wirklich leid, dass Sie sich durch diese Anmerkung so geschädigt 58 Karl Barth, Der römische Katholizismus als Frage an die protestantische Kirche. In: Zwischen den Zeiten. Band 6 (1928), S. 274 – 302.
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fühlen. Aber daran hatte ich allerdings keinen Moment gedacht, dass ich mich durch unsere Firma auch in Zwischen den Zeiten als taktisch gebunden ansehen müsse, besonders wo es sich doch, wenn ich recht verstehe, nur um den Lehrer Ihres Freundes, also nicht um den Ihren oder gar um Sie selbst handelt. Hatte ich doch bei dem ganzen Vortrag nicht einmal daran, dass der noch ganz anders betroffene Heim ebenfalls in unserer Firma ist, je gedacht, wenn ich mir auch aus anderen Gründen Bedenken machte, ihn so anzugreifen und mich deshalb vorher einigermaßen mit ihm ins Benehmen setzte. Zur Sache muß ich Ihnen sagen, dass ich genau das geschrieben habe, was ich tatsächlich denke. Zwischen Holl’s Lutherbuch und Thomas vor die Wahl gestellt, würde ich tatsächlich für Thomas optieren. Der Neuprotestantismus ist mir auch in der Holl’schen Variation nicht nur gedanklich, sondern wesensund lebensgefühlsmäßig fremd, gibt preis, was ich für wesentlich halte, während es der Katholizismus nicht preisgibt und vertritt ein Anliegen, das ich, wenn es das Meinige sein könnte, im Katholizismus für besser aufgehoben halten würde. Wenn Holl einerseits die Christologie, andererseits die Rechtfertigungslehre Luthers richtig gedeutet hat, dann habe ich in der Nachfolge Luthers nichts zu suchen. An der Möglichkeit, diese Lutherdeutung mit gutem Gewissen als nicht authentisch ablehnen zu können, hängt für mich die Möglichkeit, evangelischer Theologe zu sein. Aber man braucht nicht alles zu sagen, was man denkt? Ja, nicht immer, aber manchmal wohl. Ich empfinde die Gefährdetheit der protestantischen Theologie und Kirche noch viel stärker als es in dem Vortrag zum Ausdruck kommen mag. Und ich meinte einmal sagen zu müssen, was ich zu sehen meine. Der Vortrag selbst sagt es ja deutlich genug, werden Sie finden. Ja, aber ich wollte es so deutlich sagen, dass einmal der hinterste Pastor verstehen müsse, wie es gemeint sei. So entstand die Anmerkung mit der Kabinettsfrage. So auch die Klammer, die Ihnen besonders anstößig ist. Sage ich so etwas von Schleiermacher oder Troeltsch, dann sind nämlich heute die meisten von denen, die gemeint sind, wohl zufrieden, und ich werde wieder einmal als der bekannte Karl Barth, der den Lindwurm erstach, wenigstens mit etlichen Verbeugungen anerkannt – worauf alle fortfahren, genau das zu tun, was in Frage gestellt war, weil ja alles nur die andern, die Liberalen anging. Ich meine aber gerade den guten positiven Durchschnitt, wie ich ihn in Düsseldorf in vielen Prachtexemplaren vor mir hatte. Ihm zu Ehren habe ich Seeberg und Holl genannt als die stattlichsten, die da in Betracht kommen heute. Die Solidarität aller christlicher Theologie so bald niemanden gegenüber in Frage stellen, meine Solidarität als evangelischer Theologe aber ist mir den wichtigsten Gewährsmännern der heutigen evangelischen Kirche gegenüber fragwürdig. Wir sind nicht einig über den Sinn der Reformation. Und wenn ich die Haltung der durch die entgegenstehenden Reformationsdeutung inspirierten Kirche für gefährlich halte, dann muß ich, indem ich die Sache selbst entwickle, denen, die alles nur auf ihre Gegner beziehen, sagen, wen ich, d. h., dass ich sie meine. Alle Augenblicke tue ich das nicht, aber meine Eindrücke in 72
Düsseldorf (Gen. Sup. [Generalsuperintendent] Klingemann: „Er sei nun 30 Jahre im Rheinland gewesen, er habe sich nie genötigt gesehen, den Katholizismus so ernst zu nehmen.“) waren so erschütternd, dass ich dem Kairos, einige Frakturbuchstaben zu reden, für gekommen hielt. Mit Hirsch hat die Anmerkung direkt nichts zu tun. Hatte er etwas gegen mich geschrieben, das mir entgangen wäre? Außer über einige boshafte Briefe habe ich mich zur Zeit nicht über ihn zu beschweren. Georg Merz schrieb mir, man werde von mir noch einmal sagen: „Er starb an seinen Fußnoten“. Nun ja, sterben müssen wir wohl alle einmal. Ich möchte aber vorher nicht so sehr zum „ordentlichen Professor“ geworden sein, dass ich mir einen gelegentlichen elenchus nominalis ganz verwehren ließe, besonders da auf mich selbst auch schon genug (z. B. Holl, 2. Auflage, S. 463 f) mit Fingern gewiesen worden ist.59 So muß ich Sie, ohne eigentlich Buße tun zu können, bitten, mir vielleicht die angerichtete Verheerung freundlichst nicht nachzutragen. Mit herzlichem Gruß Ihr Karl Barth 60. Brief Barth (Masch.-Schrift) Münster, 1. Dez. 1928 Lieber Herr Kollege Althaus! Ihnen gegenüber – leider nicht nur Ihnen gegenüber – habe ich längst ein ganz schwarzes Gewissen, weil ich Ihnen auf alle Ihre freundlichen Zusendungen (wenn ich nicht irre von der Ethik an)60 mit keinem Ton des Dankes geantwortet habe, wo ich doch, wie es zwischen uns in so lieblicher Gegenseitigkeit der Fall zu sein pflegt, wenn nicht alles, so doch vieles wirklich mit Freude gelesen habe. Die Ursache, dass das Schreiben unterblieb, lag vielleicht darin, dass eben die Ethik als Erstes kam, auf die ich Ihnen in angemessener Weise nur antworten könnte, indem ich Ihnen meinen ganzen Entwurf vorlegte, dessen Ausführung doch erst – ich lese jetzt ein zweites Semester über diese merkwürdige Disziplin – im Tun ist, über dessen Möglichkeit ich also selber noch kein restlos klares Bild habe. So kann ich Ihnen nur leise weinend sagen, dass ich gleich bei Ihrem ersten Satz auf S. 1 nicht mittun kann und dass die Schienen von da ab weit, weit auseinanderlaufen. Wie oft wollte ich Sie in der eigentlichen, d. h. in der speziellen Ethik fragen können, woher Sie nur wissen, dass dem durchaus so und so, wie Sie angeben, sein muß und ob dem göttlichen Gebot nicht die Spitze abgebrochen wird, wenn man es jeweilen endlich und zuletzt auch selber meint geben zu können. Aber das wird Ihnen in dieser 59 Karl Holl, Gesammelte Aufsätze zur Kirchengeschichte 2. vermehrte und verbesserte Auflage. 1923, XI, 590 S. 60 Paul Althaus, Leitsätze zur Ethik. Erlangen 1928.
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Kürze kaum ein verständlicher Einwand sein und er richtet sich ja auch nicht gegen Sie im Besonderen, sondern nur insofern, als ich auch Sie tun sehe, was ich kopfschüttelnd alle anderen tun sehe und wovor ich mich betrübt in meine Höhle zurückziehen muß. Aber lassen Sie mich Ihnen lieber sagen, wie tröstlich und erfreulich mich unter Ihren anderen Sendungen, besonders die Predigt vom Theologentag berührt hat.61 Da bin ich still und denke, ich wollte, dass ich es auch so frisch und warm und anschaulich sagen könnte. Und wissen Sie, mit ganz besonderer Freude und Hoffnung sehe ich immer dann zu Ihnen hin, wenn Sie wieder einmal irgendwo beim deutschen Pastor, der mit uns nur zufrieden ist, wenn und sofern wir ihm Wind in die Segel geben, angeeckt sind. So lese ich heute in der Ref. Kirchenzeitung, Sie hätten kürzlich in Barmen erklärt, dass Sie mit den Berichten vom leeren Grab nichts Rechtes anzufangen wüßten und dass Ihnen dasselbe der unheimlichste Punkt bei Ihren Darlegungen sei. Dann fährt dieser Schmalztopf (Hesse I in Elberfeld) fort: „Wir haben uns über die Offenheit dieser Aussage von Herzen gefreut und möchten nur wünschen, dass wir uns mit ihm einmal zusammenfinden in der Beugung, auch unter die Berichte vom leeren Grabe. Dann wird die Christus-Tatsache nach unserer Überzeugung auch für ihn den Sinn gewinnen, dass sie uns nicht bloß von jenseits der Zeit und Geschichte grüßt, sondern… herrliche Zukunft der Geschichte usw“. Im selben Artikel: „Mit herzlicher Dankbarkeit lassen wir es uns von Karl Barth immer wieder sagen … wir können aber ebensowenig davon los …“ Sie können sich ja die Fortsetzung denken! Oh Bande, Bande! So stecken sie einen fortwährend in triefender Demut in die Tasche und fabrizieren neu bestärkt den alten Kohl. Müßte man nicht jeden Satz u. a. auch in der Erwägung formulieren, dass dieser Gesellschaft, dieser kirchlichen Posaunenchortheologie doch ja keine Freude daraus erwachsen darf ? Mir kommt’s manchmal vor, die stattgefundene „Gefangenschaft des Wortes Gottes“ sei eigentlich bei der positiven Theologie noch viel schlimmer gewesen als bei der liberalen. Die klebrige Hinterlist, mit der die Leute, die von der ersteren kommen, sich wie der Swinegel und sine Fru immer wieder ein Trümpflein zu verschaffen und alles zu sabotieren wissen, ist ebenfalls sehr viel wirksamer in dieser Richtung als das patzige Leugnen und der unverfrorene Idealismus der anderen. Aber Sie sind sehr viel sanftmütiger als ich und haben vielleicht mehr Recht dabei und ohne irgendeine böse Gefangenschaft des Wortes Gottes läuft es ja überhaupt nicht ab, wenn wir Theologen den Mund auftun. Ich hatte mit Peterson eine ausführliche schriftliche Auseinandersetzung wegen seiner letzten Broschüre, leider ergebnislos. Und in der nächsten Nummer der Furche, wo Heim mir auf jenen Brief antworten wird, werden Sie sehen, dass auch da völlig aneinander vorbei geredet worden ist. Nachdem ich seine Antwort gelesen habe, weiß ich 61 Paul Althaus, Die Freiheit des Wortes. Predigt zum 2. deutschen Theologentag am 9. 10. 1928. In: GKG 64 (1928), S. 441 – 447. Auch in: P.A., Der Gegenwärtige. Predigten. Gütersloh 1932, S. 144 – 156.
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nämlich einfach nicht mehr, wonach er mich denn ursprünglich gefragt hatte. So ist die Freiheit des Wortes Gottes, unter uns Rabbinen wenigstens vielleicht doch noch mehr eine Glaubenswahrheit, als es auch in Ihrer Predigt sichtbar wird. Aber was höre ich da wieder? – In einem (nicht an mich gerichteten) Erlanger Studentenbrief: Sie hätten in der Einleitung zu Ihrer Luther-Vorlesung gesagt, auch Karl Barth habe kein eigenes Verhältnis zu Luther, es wäre denn das eines etwas mies sehenden Calvinisten??! Ich ahne ja, was Sie meinen, aber ich hoffe doch, Sie haben das in Wirklichkeit mindestens etwas differenzierter gesagt. Vieles wäre da zu erinnern: Das Theologisch-Methodische, die gewisse technische Unzuverlässigkeit der Lutherschen Sätze, um deren Willen ich mich allerdings gerne, nachdem ich letzte Dinge bei ihm gehört, zu Calvin flüchte – der Holl’sche Luther, vor dem ich in der Tat fast mit Abscheu zurückweiche – die allerdings vitale Frage der identischen Prädikationen bei Luther, in der ich mich auch Gogarten und Bultmann gegenüber als dezidierten Nicht-Lutheraner empfinde – das rein Humane, dass ich bei Luther auch den norddeutschen Professor vom Style Stanges und Hirschs wittere, den ich als mich beanspruchendes Du noch immer schwer verkraften kann – endlich fraglos ein Rest, wo ich Luther zu meiner vielleicht bleibenden Schmach nicht oder falsch kapiere. Aber das alles ist doch auch ein eigenes Verhältnis zu Luther und mein Gewissen spricht mich jedenfalls insofern frei, dass es kein abgeschlossenes ist, sondern dass ich mich fast täglich weiter mit diesem seltsamen Mann herumschlage. Welche Apologetik, nicht wahr? Und Sie sollen sich nur ja nicht verpflichtet fühlen, über jene Ausmerzung Erklärungen abzugeben. Es ist ja auf alle Fälle etwas dran und dass Georg Merz bei demselben Anlaß ein Lob erhalten haben soll, freut mich für ihn. Von Gogarten stand merkwürdigerweise nichts in dem Brief, obwohl doch seine theologische Arbeit, wie er mir einmal sagte, darin besteht, dass er zuhört, wie Luther mit dem Himmel telephoniert, ein doch sicher sehr eigenes Verhältnis zu ihm. Sie werden sich längst wundern, dass ich mitten im Semester Zeit finde, solche Plauderbriefe zu schreiben, und ich wundere mich nachgerade selbst und will zu meiner Arbeit zurückkehren. Nehmen Sie es also als rein menschlichen Gruß und seien Sie wie gewohnt überzeugt, dass nichts bös und nichts tragisch gemeint ist. Des zum Zeichen hier ein neueres Bild von mir. Die Szene ist ein Berghäuschen in der Schweiz. Darf ich Sie daran erinnern, dass Sie mir einmal für meine Sammlung zur Geschichte der neueren Theologie ein noch besseres Bild auch von Ihnen versprochen haben? Geht es allen Ihrigen gut? Bei uns ist Außerordentliches zur Zeit nicht zu beseufzen. Mit freundlichem Gruß Ihr Karl Barth
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61. Brief Althaus (Masch.-Schrift) Erlangen, den 31. März 1929 Lieber Herr Kollege Barth! Vor mir liegt Ihr lieber Brief vom 1. Dez. v. J., den ich längst, so oft schon durch ein Lebenszeichen erwidern wollte. Ich könnte mir denken, dass Sie mich längst aufgegeben haben. Zur Entschuldigung kann ich nur sagen, dass der letzte Winter überaus arbeitsreich für mich war. Ich habe die Dogmatik I so gut wie ganz neu geschrieben.62 Und wenn die Neuheit oft auch nur eine rein formelle war, die Überführung der im Laufe der Jahre angesammelten Zettel in ein neues „Heft“, so war das Arbeit genug. Aber auch inhaltlich ist vieles neu geworden. Nach dem Erscheinen Ihrer Prolegomena mußte ich mindestens meine alten Positionen neu begründen.63 So bin ich den ganzen Winter hindurch, bis auf die letzten Wochen, die schon mit der speziellen Dogmatik begannen, in stärkster Fühlung mit Ihnen gewesen. Noch lebendiger wurde diese durch mein Seminar, dessen Gegenstand Ihre Theologie war, dessen Teilnehmer zu etwa 10 % aus Münster kamen. Ich muß Ihnen zunächst ein Kompliment machen: Die Leute, die von Ihnen hierher kamen, sind ganz ausgezeichnet erfreuliche Gestalten, besonders der lange Herr Möller, Grude und Rohrbacher, nicht zuletzt Fräulein Ultsch, die ja aber schon vorher hier waren – sie hat soeben in Ansbach im Examen vorzüglich abgeschnitten. Im Seminar haben wir Ihren Weg vom R. Br. [Römer-Brief] 1. Aufl. an bis zur Dogmatik begleitet. Die 1. Aufl. kannte ich noch nicht recht – Ihr Zeitgenosse wurde ich ja erst bei der zweiten. Sie werden verstehen, dass ich zu der ersten nun ein zartes Verhältnis begonnen habe, auch ohne Ihnen einfach in den Mund zu legen: Ach, dass ich wäre wie in den Tagen meiner Jugend… Was die zweite Auflage anlangt, so habe ich zu meiner Verwunderung eingesehen, dass meine Kritik von 1924 zwar unerhört einseitig und für wichtige Farben bei Ihnen blind, innerhalb dieser Lähmung aber gar nicht so schlecht war.64 Ob Sie mir nicht doch hätten antworten sollen? Vielleicht ist es Ihre tragische Schuld an der Rezension Otto Ritschls, dass Sie mir seinerzeit nicht geantwortet haben. Ich hätte mit ganz anderer Vollmacht Ihr Buch von Hirsch gefordert, wenn wir ein öffentliches Gespräch geführt hätten. Es ist schade, dass ich nicht zu Worte gekommen bin zu Ihrer Dogmatik. Ich könnte noch anderes sagen als Gogarten, F. M. Müller und Siegfried (bei denen allen mehr oder weniger Richtiges steht) Ihnen gesagt haben. Im übrigen haben Sie durch Ihr böses Beispiel meine sonst guten Sitten verdorben. Wenn ich mir selber gegenüber Psychoanalyse treibe und frage, warum ich z. B. Peterson und F. W. Schmidt nicht geantwortet habe, so ist – neben wirklicher Arbeitslast – nicht ganz 62 Paul Althaus, Grundriss der Dogmatik. I. Teil. Erlangen 1929. 63 Karl Barth, Die Lehre vom Worte Gottes. Prolegomena zur christlichen Dogmatik. München 1927. 64 Vgl. oben Anm. 11.
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unschuldig Ihr Vorbild. Auch ich habe mich auf das implicite Antworten beschränkt. Warum haben Sie Peterson z. B. geantwortet und Heinzelmann oder mir nicht? Das habe ich nie ganz verstanden. Es ist insofern auch objektiv schade, als ich neulich noch wieder von Lütgert hörte (der mich fragte: Warum ist eigentlich Ihre Auseinandersetzung mit Barth nicht weitergegangen? Sie hatte doch mit dem Thema der Geschichte den entscheidenden Punkt erfaßt), dass die communis opinio in manchen Kreisen die ist: Althaus hat seinem Aufsatz von 1924 abgeschworen und ist als Katechumene in das dialektische Lager übergegangen. Wenn ich nun wenigstens wüßte, ob Sie antworten würden, wenn ich den Ertrag meines Seminars hinsichtlich Ihrer Dogmatik einmal zu einem Aufsatz gestaltete? – Gerne setzte ich Ihnen auseinander, um welche Punkte die Verhandlungen im Seminare gingen. Aber ein Brief reicht dazu nicht. Wir haben uns übrigens nur mit der Lehre von der Aufgabe der Dogmatik und vom Worte Gottes (d. h. wesentlich mit den ersten hundert Seiten) befaßt; auf die Trinitätslehre bin ich nicht eingegangen, weil ich da zu Ihnen noch kein Verhältnis gefunden habe. Die Art, in der Sie die Dogmatik auf die Predigt beziehen, halte ich nach wie vor für nicht möglich – wie ich Ihnen vor 1 1/4 Jahren schon auseinandersetzte. In der eigentlichen Offenbarungslehre gehe ich eigentlich überall mit Ihnen und habe zu meiner eigenen Klärung noch viel gelernt. Zu Beginn des neuen Semesters werden Ihnen meine Leitsätze zur Dogmatik I zugehen. Ich bin gespannt, was Sie dazu sagen. Sie werden gehört haben, dass ich nach Halle gerufen bin. Die Entscheidung ist nicht ganz leicht, weil mich in Halle das Ephorat über zwei Konvikte, mit der Möglichkeit, junge Leute zur Habilitation zu bringen, lockt. Die Entscheidung wird erst in einigen Wochen fallen, weil über die Festtage die Schreibstuben geschlossen sind. Inzwischen wird ja auch Bayern mir zum Herzen reden, wie es Langenfaß und G. Merz schon getan haben. Wenn ich Sie fragen würde, ich glaube fast, Sie würden mir zu Erlangen raten. Immerhin ist hier manches, was mich beengt und drückt. Nicht persönlich, sondern sachlich, z. B. (im strengen Vertrauen) unsere praktisch-theologische Kalamität. Herzlich danke ich Ihnen noch für das vorzügliche Gebirgsbild von Ihnen, das Ihrem letzten Briefe beilag; es hat lange auf meinem Schreibtisch gestanden. Eine würdige Gegengabe für Ihre Sammlung habe ich z. Z. noch nicht, denn was unser hiesiger Photograph aus mir gemacht hat, ist gar zu dürftig und zahm. Er ist mehr auf chargierte Bilder eingestellt, bei denen ja Pekeschen die Hauptsache sind. Daher will er mich auch im Talar konterfeien, was ich ihm natürlich nicht genehmige. Mein kleines Heft über Communio sanctorum schicke ich Ihnen nicht zu, da Sie es ja als Mitherausgeber bekommen.65 Sie brauchen es auch erst zu lesen, wenn der zweite, interessantere Teil herauskommt. Das wird so schnell 65 Paul Althaus, Communio Sanctorum. Die Gemeinde im lutherischen Kirchengedanken. I. Luther. München 1929 – Der angekündigte 2. Teil erschien offensichtlich nie.
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nicht gehen. Meine Arbeitskraft ist leider nicht sehr groß. Im Semester mache ich neben den Vorlesungen fast nichts – zumal die Ämter sich häufen. Mit der Luthergesellschaft kommen wir im September nach Westfalen. Sind Sie dann am Ende gerade Dekan? Es würde mich sehr freuen, wenn Sie uns begrüßen müßten und wenn ich vor Ihren Ohren den Vortrag über Luthers Abendmahlslehre halten könnte. Indessen, Sie werden sicher auch von solchen Verpflichtungen in nächsten Jahren sich haben entbinden lassen. Übrigens: Da ich jetzt doch in München einige Trümpfe auszuspielen habe – raten Sie mir, bei den Berufungsverhandlungen das Recht eines gelegentlichen Urlaubssemesters zu erkämpfen? So ganz wohl ist mir bei dem Gedanken noch nicht. Auch weiß ich nicht, ob ich ganz ohne Kolleg ein Jahr lang existieren könnte. Außerdem werde und kann ich so dicke Bücher wie Sie vermutlich niemals schreiben – wobei das „dick“ natürlich die „Ponderabilität“ überhaupt bedeuten will. Genug für heute. Der erste Ostertag war und ist ein geeigneter Tag, an Sie zu schreiben. Übrigens habe ich in einer demnächst erscheinenden Sammlung meiner theologischen Aufsätze zwar nicht den Aufsatz gegen Sie aus d. J. 1924, wohl aber den über „Die Auferstehung der Toten“, allerdings seines groben Tones entledigt, noch einmal abgedruckt,66 – Sie werden mir darüber nicht böse sein – Sie werden doch auf die Dauer nicht darum herum kommen, das Heft noch einmal neu zu machen. Und dann ist vielleicht doch einiges von dem (nicht alles), was ich zu fragen hatte, erwägenswert für Sie. Wo bleiben Sie im Sommer? Kommen Sie nicht einmal durch Erlangen? Sie sind mir und meiner Frau einen Besuch schuldig. Außerdem finden Sie hier ja auch Ihren Schüler Trillhaas, der aufgrund einstündigen Besuches in meiner Dogmatik erklärt hat (ich sprach gerade über die Aufgabe der Dogmatik): Bei mir sei die Dogmatik eben auch das subjektive Unternehmen eines einzelnen, offenbar nicht kirchlich, weil nicht streng und nur auf die Predigt bezogen. Wenn das Ihr echter Sohn ist – dann sind zwischen uns doch noch allerlei Dinge zu klären. Ein Trost nur, dass Möller und Grude, auch Ihre echten Söhne, mich gegen Trillhaas in Schutz genommen haben. Das theologische Gespräch mit diesen beiden – sie haben mich scharf untersucht und kritisiert – war höchst erfreulich und lehrreich für mich, von wirklichem Ertrage auch da, wo ich unbußfertig meine Straße weiterziehe. Nun seien Sie herzlich gegrüßt mit Ihrem ganzen Hause Ihr Paul Althaus
66 Paul Althaus, Theologische Aufsätze. Gütersloh 1929.
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62. Brief Barth (Masch.-Schrift) Oberrieden, 14. 9. 29 Kt. Zürich Lieber Herr Kollege Althaus, da bin ich endlich auch wieder einmal, nachdem ich nun Ihren letzten Brief noch länger habe liegenlassen als Sie den meinigen, trotzdem inzwischen so erfreuliche Gaben von Ihnen eingetroffen sind, Ihre Aufsätze, Ihre Dogmatik I und die Communio sanctorum. Es wundert Sie vielleicht, wenn ich Ihnen sage, dass ich die dritte, eben die Comm. sanct. am liebsten vielleicht auch am genauesten gelesen habe. Ich wollte wohl, dass ich Sie bei einem Satz wie dem auf Seite 92 – 93 (ich weiß nicht … in der Kirche) festhalten und bitten könnte, Wort für Wort, was Sie da sagen, bitter und in allen Konsequenzen so ernst zu nehmen, wie es eben m. E. ernst ist, dann würden wir rasch nahe, sehr nahe, beieinander sein. Für mein Empfinden besteht der ganze Unterschied zwischen uns, der mich etwa in Ihrer Dogmatik und noch mehr in Ihren Aufsätzen durchgehend stört und beschäftigt, darin, dass es für mich Dinge gibt, wie die in jenem Satz ausgesprochenen, durch die ich mich sozusagen festgenagelt fühle, neben denen ich dann nicht mehr andere, in anderem Betracht auch ganz schöne und wahre Dinge getrost weitersagen kann, sondern von denen aus ich nun eben Alles durchzudenken versuchen muß, während ich bei Ihnen ein wenig ununterbrochen leide an Ihrer Fähigkeit, die wahrsten Dinge auch zu sagen, weithin besser und eindrücklicher zu sagen, als ich es gerade könnte, um dann doch wieder in einer für mich geradezu schmerzlichen Weise von ihnen aus weiterzugehen und mit Hilfe Ihrer ganz unheimlichen Kunst, Spannungseinheiten zu entdecken, zu Aufstellungen zu kommen, die mir mindestens in der ungesicherten Allgemeinheit, in der Sie sie geltend machen, jenen Wahrheiten, wenn nicht ins Gesicht zu schlagen, so doch durch die Umgebung, in die sie bei Ihnen zu stehen kommen, alles Gewicht und alle Durchschlagskraft zu nehmen scheinen. Sehen Sie, dass ist’s, was ich schon gegen die von Ihnen als Väter guter Theologie im Wilhelminischen Zeitalter gerühmten Kähler, Schlatter, Cremer u.s.w., soweit ich sie kenne, auf dem Herzen habe, was mir ihre Rede nie hat eindrucksvoll werden lassen. Ich verstehe bei ihnen und bei Ihnen nicht, wie man gewisse Sätze schreiben und dann daneben soviel zweideutige andere Sätze mit gleichem Ernst aufschreiben kann. Das macht es, was zum Beispiel Ihre Kritik an meinem Auferstehungsbuch67 und wenn Sie in allen Einzelheiten Recht hätten, für mich letztlich eindruckslos bleiben läßt. Ich meine immer, wenn Sie mein eigentliches Anliegen gehört hätten, dann könnten und dürften Sie Ihre Einwände nicht als ernste Einwände geltend machen, weil Sie als solche allzusehr auch das, was Sie mir konzedieren wollen, beziehungsweise worin Sie sich mit mir 67 Karl Barth, Die Auferstehung der Toten. Eine akademische Vorlesung über 1. Korinther 15. München 1924, VII 125 S., 2. Auflage, München 1926.
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einig zu wissen erklären, auf den Kopf stellen und zunichte machen. Ich wollte wohl, wir könnten uns einmal mit Ihren Dogmatikleitsätzen bewaffnet nebeneinander setzen, damit ich Ihnen von Satz zu Satz und von Absatz zu Absatz zeigen könnte, was ich mit diesem mir unbegreiflichen Abweichen von dem, was ich nach gewissen Sätzen als unsere gemeinsame Erkenntnis in Anspruch nehmen möchte, meine. Daraus müssen Sie sich nun auch zu erklären versuchen, worüber Sie sich neuerdings mehrfach und im Vorwort zu Ihren Aufsätzen auch öffentlich beklagt haben: mein Schweigen zu Ihrem Aufsatz von 1924.68 Ich könnte zu so vielem, was Sie dort und sonst gegen mich gesagt haben, ja nur bemerken: Ja, ja, das weiß ich auch, ich sehe wohl ein, dass das augenblicklich bei mir nicht so zur Sprache kommt, wie es sollte, ich will es mir wieder einmal gesagt sein lassen, dass es sich da um Anliegen handelt, denen ich auch wieder besser gerecht werden muß, aber ich kann auf keinen Fall so davon reden, wie es da von mir verlangt wird, und ich muß in diesem Augenblick das Ärgernis geben, gerade so davon zu reden, wie ich es tue. Sie sehen ein, dass das ein Spruch gewesen wäre, der sich nun eben für die Öffentlichkeit nicht eignete. Sie haben ganz recht, wenn Sie mich an Heinzelmann erinnern, mit dessen Beschwerden es mir ganz ähnlich gegangen ist. Wenn ich andererseits z. B. Peterson geantwortet habe, so tat ich es darum, weil mir mit seinem Angriff wirklich ein Stein in den Weg geworfen wurde, weil ich, indem ich mich gegen ihn verteidigte, sein Anliegen sofort als mein eigenes aufnehmen konnte. Und wenn Sie mich fragen, warum es mir bei ihm so ging, so könnte ich nur antworten: dass ich bei ihm bei aller Differenz jedenfalls darin eine Verwandtschaft fand, dass ich ihn mit ähnlicher Dringlichkeit bei einer bestimmter Einsicht oder Einsichtsweise festgehalten sah, wie es mir selber ging. Aus ganz ähnlichem Grund habe ich z. B. letzte Woche einen kleinen Aufsatz zu dem Lutherbuch des jungen H. M. Müller geschrieben.69 Das ist die Art von Geistern, mit denen mich „auseinanderzusetzen“ ich ein natürliches Bedürfnis habe, während ich bei Ihnen und vielen Ihnen verwandten Geistern leicht in die Versuchung falle, mich Ihres Einspruchs durch Niedrigerhängen dieser und jener mich eklatant beleidigender Stelle zu erwehren. Da schweige ich dann lieber und freue mich an dem vielen wahr und gut Gesagten, woran ich mich bei Ihnen freuen kann. Und an dem gewissen Durchdringen von Gesichtspunkten, mit denen ich jedenfalls in dieser Formulierung (Sie werden es mir nicht übelnehmen, dass ich beim Lesen Ihrer Dogmatik in dieser Hinsicht gelegentlich geschmunzelt habe) noch vor fünf oder sechs Jahren allein auf weiter Flur stand. – Ich weiß nicht, ob Ihr in Ihrem Brief vom März geäußerter Gedanke unterdessen zur Reife oder gar zur 68 Vgl. oben Anm. 11. 69 Karl Barth, Bemerkungen zu Hans Michael Müllers Lutherbuch [umgearbeitete Habil.-Schrift]. 1929. In: Zwischen den Zeiten. Band 7 (1929), S. 561 – 570. Wiederabgedruckt in K. B., Gesamtausgabe III, Vorträge und kleinere Arbeiten 1925 – 1930, S. 442 – 457. Offensichtlich wurde Barths Polemik ausgelöst durch: H. M. Müllers Rezension: Credo, ut intelligam. Kritische Bemerkungen zu Karl Barths Dogmatik. In: Theol. Blätter Jg. 7 (1928), S. 167 – 176.
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Ausführung gekommen ist: etwas zu meiner Dogmatik zu schreiben. Sie wissen nun aber jedenfalls, wie Sie mit der Aussicht auf eine Antwort von mir dran sind. Ich weiß ja nicht, was Sie dazu sagen wollen, aber ich muß fürchten, dass Sie mir mit irgendwelchen Spannungseinheiten kommen und dass ich dann zu einer Verantwortung mich wiederum nicht herausgerufen fühlen würde. Nun wollen wir aber auf eine menschlichere Ebene heruntersteigen. Ihre Entscheidung betreffend Halle ist unterdessen gefallen und Sie bleiben also Bayern erhalten. Ich würde Ihnen in der Tat auch geraten haben, so zu entscheiden. In Halle möchte ich wenigstens nicht einmal gemalt sein. Durch Georg Merz habe ich inzwischen gehört von den Kämpfen um das Apostolikum, die sich in jener Kirchenprovinz abgespielt haben, und auch davon, dass bei diesem Anlaß Sie zur Linken, meine Freunde aber zur Rechten zu stehen kamen. Den Kommentar unseres gemeinsamen Freundes Hirsch zu diesem Vorgang möchte ich nicht hören. Sie fragten mich, ob ich Ihnen rate, sich in München ein Urlaubssemester zu erstreiten. Nach meinen Erfahrung kann ich Ihnen nur raten, das doch ja zu tun. Man existiert ganz ausgezeichnet ohne Kolleg. Mir ist’s in diesem Sommer bei viel zusammenhängender Augustin- und Luther-Lektüre (lauter Dinge, die Sie natürlich längst hinter sich haben) sehr wohl gewesen. Allerdings durfte ich auch an einem sehr schönen Ort sein und zwischenhinein 18 Tage lang im Auto durch Italien fahren, von Venedig bis hinunter ins griechische Paestum, ein wenig alles sehen (inbegriffen den Papst in Lebensgröße: Er hat mich natürlich zum Hausprälaten ernannt und sich eindringlich auch nach Ihnen erkundigt), was dort gut zu sehen ist. Nein wirklich, wenn Sie sich so etwas verschaffen können, so greifen Sie mit beiden Händen zu. In den letzten 12 Tagen saß ich ununterbrochen hinter einem großen Vortrag für die theologische Woche in Elberfeld „Der Hl. Geist und das christliche Leben“.70 Er ist das implizit und explizit Anti-Katholischste, was ich je geschrieben habe, aber es steht noch viel anderes Anti drin, z. B. zwei Fußnoten gegen E. Hirsch, der bitterböse Gegensatz, in dem ich mich gerade zu seiner Theologie befinde, ist mir merkwürdigerweise bei meiner Beschäftigung mit Augustin aufs Neue ganz lebhaft klar geworden. Ich glaube, solange wir den Augustinismus gerade in der Gnadenlehre nicht ganz ausfegen, werden wir niemals eine protestantische Theologie haben. Aber ich fürchte, da werde ich wiederum auch Sie gegen mich oder nur bedingt für mich haben. Nächste Woche werde ich nun, nachdem ich noch die Hochzeit meines Baseler Bruders hinter mich gebracht habe, nach Münster zurückkehren. Sie wissen ja, dass mir das Dekanatsjahr bevorsteht und Sie ahnen vielleicht, dass ich mir in dieser Charge sehr verkleidet vorkommen werde. Aber es kommt oft 70 Karl Barth, Der heilige Geist und das christliche Leben. Vortrag bei der Theologischen Woche in Elberfeld am 9. 10. 1929. In: Barth, Karl / Barth, Heinrich, Zur Lehre vom heiligen Geist. München 1930, S. 39 – 105.
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anders als man denkt. Ich wurde gestern beim Schreiben dieses Briefes – es ist nämlich unterdessen Sonntagmorgen geworden – jäh unterbrochen durch die Ankunft eines Telegramms aus Berlin, dessen Inhalt geeignet ist, ganz andere Perspektiven zu eröffnen. Nun soll es aber genug geschwätzt sein. Gelt, ich habe Sie durch den ersten Teil dieses Briefes nicht geradezu böse gemacht. Er kommt mir ja heute beim Nachlesen als etwas starker Tabak vor, aber Sie wissen, dass dergleichen bei mir immer in großer Relativität gesagt ist und nicht außerhalb sondern innerhalb des Kreises, in dem ich mich selbstverständlich mit Ihnen weiß. Empfangen Sie die herzlichsten Grüße von Ihrem [ohne Unterschrift, Durchschlag aus dem Barth-Nachlaß, Original im Althaus-Nachlaß nicht erhalten.] 63. Postkarte Althaus (Handschrift) Erlangen, 19. 9. 1928 [richtig, auch gemäß Poststempel: 1929] Lieber Herr Kollege Barth! Auf das Telegramm hin werden Sie wohl nach Münster gefahren sein. So will ich Ihnen gleich nach dorthin herzlichen Glückwunsch zu dem Rufe nach Bonn sagen. Natürlich war ich höchlichst überrascht, obgleich wohl früher davon schon die Rede gewesen ist. Sie, K.L. Schmidt (er ist ein guter Politiker!), Peterson – das gibt ein interessantes Bonn. Und Sie als Nachfolger ausgerechnet O. Ritschls – wirklich ein grimmiger Witz der Theologiegeschichte. Was Sie tun werden, bin ich gespannt. Für Ihre Gattin tut mir ja die Unruhe leid. Auch an meinem Horizonte wetterleuchtet es schon wieder – kaum dass ich mit Halle fertig bin. Nun herzlichen Dank für Ihren Brief. Dass Sie überhaupt wieder an mich schreiben, überwiegt so sehr das Was?, dass selbst, wenn ich Grund hätte, mich über die 1. Seite zu ärgern, das dieses Mal zurückträte. Aber ich habe keinen Grund. Es ist ja nur gut, dass unser in aller Erfreulichkeit schwieriges theologisches Verhältnis uns beiden als solches klar zum Bewußtsein kommt. Ich werde gerne „widerbellen“. Vorgestern habe ich zum ersten Mal K. Heim kennengelernt, in Schwäbisch Hall. Wir haben viel auch über den Dritten in der Firma, Sie, gesprochen und uns beiden Vorwürfe gemacht, dass wir noch nicht über Ihre Dogmatik kritisch geschrieben haben. Aber da Th.L.Z. [Theologische Literaturzeitung] mir keinen Auftrag gab, fehlte die !voql¶ [Veranlassung, Antrieb]. Und kritische Aufsätze nehmen die Zeit für eigene Sachen, die doch drängen. Zu Ihrem Briefe heute nur noch dieses: Das wäre fein, wenn wir einmal 3 Tage lang über Ihrer Dogmatik und meinem Grundriß sitzen könnten. So in der Allgemeinheit Ihres Briefes verstehe ich die Vorwürfe noch nicht. Was Sie gegen mich sagen, scheint mir, müssen Sie auch gegen Luther und Calvin sagen. Die sagen ja auch vieles, durch das anderes dann 82
gezähmt erscheint. – Was mein Lernen von Ihnen anlangt, so bin ich mir dessen bewußt. Aber vielleicht würden Sie sich wundern, wie viel Barthisches schon 1921 in meiner Dogmatik stand. Man könnte die Initialen schon von K. Heim lernen – freilich, die Melodie ist etwas anders als die Initialen. – Diesen Sommer habe ich Sie oft beneidet. Wann hätte ich so Augustin lesen können? Ich bin ein von Vorträgen und Aufsätzen geplagter Handwerker. Herzliche Grüße auch an Ihre Frau Gemahlin Ihr P. Althaus 64. Brief Althaus (Masch.-Schrift) Erlangen, den 14. November 1929 Lieber Herr Kollege Barth! Es ist doch eine seltsame Sache mit den Träumen. In der letzten Nacht träumte mir, ohne jeden erkennbaren Grund, von einem offenen Abend bei Karl Barth. Ich habe mich in meinem Wachbewußtsein in den letzten Tage niemals mit Ihren offenen Abenden beschäftigt. Die Mitteilung meines hiesigen Verlegers, dass eine Reihe von Exemplaren meiner Ethik-Leitsätze nach Münster gegangen seien, ließ mich, da ich Sie ja in Ihrem Seminar mit Luthers Rechtfertigungslehre beschäftigt weiß, an Fr.W. Schmidt denken. Also – ich war gar nicht in Gedanken mit Ihnen beschäftigt. Da kommt heute morgen die Karte eines meiner früheren Hörer und meldet mir von Ihren Abenden und Ihrem Gegenstand. Sie sehen, ich habe im Traum schon drahtlos gespürt. Wie werde ich es erst aus der Ferne spüren, wenn es mir dann im einzelnen an den Kragen geht! Die Herren Ehmann und Schieber schrieben auch, Sie seien einverstanden, dass ich Bericht erhalte. Ich werde die beiden daraufhin um Berichte bitten – vielleicht nicht nach jedem Abend, sondern in Monatsraten. Denn erstens fürchte ich, ein allwöchentlicher Brief aus Münster würde mich doch so interessieren, dass ich nach dem Geiste mehr in Münster als in Erlangen wäre, was sicher nicht gut ist, auch für meine theologische Besserung, die ich jetzt gerade an der Ethik versuche, nicht. Und zweitens hätte der sofortige Bericht wohl nur dann Sinn, wenn ich brieflich bis zum anderen Abend dazwischenreden dürfte. Das könnte ja unter Umständen sehr nett sein, hat aber für Sie und für mich erhebliche Bedenken. Ich muß ganz Objekt bleiben in dieser Angelegenheit. Nur das möchte ich Ihnen sagen, dass ich den Aufriß meiner Ethik in grundlegenden Teilen jetzt doch ziemlich erheblich geändert habe. Zwischen dem Grundriß der Ethik und dem der Dogmatik liegt für mich ein wichtiger Schritt und ich muß jetzt die Ethik der Dogmatik angleichen, wenn nicht noch mehr. Ich sage das natürlich nur für Sie persönlich. Denn mit den Studenten können Sie sich natürlich nur an das halten, was gedruckt vorliegt, und ich bin dankbar, wenn ich, im Begriffe, Neues zu lernen bei dem jetzigen Ethikkolleg, 83
nun auch noch Ihre Kritik haben darf. Immerhin werde ich mir erlauben, Ihnen nächstens (noch sind Sie ja nur an der Dogmatik, wie ich höre) den neuen Aufriß des ersten Teiles der Ethik zu senden. Noch eins. Ich sende Ihnen heute, mit der Bitte um freundlich baldige Rücksendung den Paragraphen 1 meiner Dogmatik in der Gestalt mit, die der des Grundrisses unmittelbar vorausging. Ich bitte Sie, freundlich, den rot angestrichenen Absatz auf der zweiten Seite zu beachten. Im Augenblick durchschaue ich nicht ganz, warum ich den Absatz im Druck fortgelassen habe, zumal in dem Aufsatze „Vom Sinn der Theologie“, den ich in der Literatur anführe, das Entsprechende deutlich gesagt ist. Sie werden vielleicht finden, da der Absatz zu dem vorangehenden nicht ganz paßt und dass der vorangehende statt des folgenden hätte gestrichen werden müssen. Ich werde es bis zur neuen Auflage bedenken. [Unterstreichung von Karl Barth mit handschriftlicher Randbemerkung: Dann fällt der ganze § in sich zusammen] Nun verzeihen Sie, dass ich Sie so an meinen Interna beteilige. Aber durch Ihre Bezugnahme auf meine Grundrisse haben Sie mir so etwas wie ein Recht dazu gegeben. Nächstens geht Ihnen mein Bielefelder Abendmahlsvortrag zu, in dem ich auch zu Ihrem Sakramentsaufsatz bezüglich einiger Sätze Stellung nehme.71 Mit herzlichem Gruß und guten Wünschen für das Semester Ihr P. Althaus 65. Postkarte Althaus (Handschrift) Erlangen, 29. 12. 29 Lieber Herr Kollege Barth! Bitte vergleichen Sie zu S. 415 f. Ihrer Dogmatik72: Luther W. A. 34 I, S. 71, Z. 15 ff. „Mit der weise so müßte ich nimmer mehr keine predigt thun …“ s. auch 20 ff. Wieder ein Beleg, wie vorsichtig wir mit Luther-Citaten umgehen müssen. Vielen Dank für das Geist-Büchlein.73 Ich lese es erst in nächster Woche richtig. Das erste Protokoll Ihrer offenen Abende ist in meiner Hand. Dazu kam heute Trillhaas’ freundlicher Bericht. Ich wünschte, ich hätte so gute Anwälte in Münster wie Sie im vorigen Winter in Erlangen (Möller, G. Grude). Brieflich kann ich jetzt nicht auf alle Ihre monita und Ablehnungen eingehen, aber im S.S. lese ich Dogmatik I. Da wird alles bedacht werden. Es wäre schön, ich hätte
71 Paul Althaus, Luthers Abendmahlslehre. In: Lutherjahrbuch Bd. 11 (1929), S. 2 – 42. 72 Vgl. oben Anm. 63. 73 Vgl. oben Anm. 70.
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dann einige Leute hier, die an Ihren offenen Abenden teilgenommen haben. Herzlichen Gruß von Ihrem P. Althaus P.S. Leider können wir den Amesius von Pfarrer Lic. Reuter, den Sie an mich wiesen, nun doch nicht in den „Forschungen“ drucken. Lempp protestiert, im Blick auf die Geduld unserer Subskribenten.
66. Brief Barth (Masch.-Schrift) Münster i. W., den 8. Januar 1930 Lieber Herr Kollege Althaus! Ich fühle mich seit langem in Ihrer Schuld und bin nur wenig beruhigt bei dem Gedanken, dass Sie wenigstens indirekt davon vernommen haben, dass ich durchaus im Gespräch mit Ihnen bin. Hoffentlich sind die Studentenberichte, die Sie bekommen, einigermaßen authentisch. Der betreffende Mann wollte mir seine Zusammenfassungen jeweils zur Begutachtung vorlegen. Aber ich habe dann vorgezogen, ihn davon zu dispensieren, weil die Korrektur seiner Niederschriften mir unter den jetzigen Umständen zu zeitraubend geworden wäre. Sie werden gehört haben, dass wir noch nicht eben weit, nämlich erst bis zum Paragraph 4 Ihrer Dogmatik I vorgedrungen sind. Was die Vertretung Ihres Standpunktes in unserer Mitte betrifft, so kann ich sie leider nicht eben glänzend nennen. Die betreffenden Leute versuchten sich die längste Zeit in einer Art von apologetischem Kleinkrieg, ohne sich auf das Grundsätzliche meiner Bedenken einzulassen, und seit sie durch ihre Kommilitonen darüber belehrt wurden, dass dieses Verfahren nicht eben förderlich sei, ist eine eigentliche große Linie in der Verteidigung Ihres Vorgehens auch nicht sichtbar geworden. Sie hatten an den drei letzten Abenden allerdings einen besonders schweren Stand, in dem der Ihnen bekannte Herr Wedekind die Rolle des advocatus diaboli übernommen hatte und mit so schwerem Geschütz gegen Sie auffuhr, dass ich selber die Rolle Ihres Verteidigers wenigstens gymnastikos übernehmen mußte, natürlich ohne sie in der wünschenswerten Weise durchführen zu können, weil die Fragezeichen von Wedekind im letzten Grund nur zu sehr meine eigenen waren. Ich meine ja freilich besser zu verstehen als meine eifrigen Schüler, wie Ihre Darlegungen in meliorem partem gedeutet, allenfalls gemeint sein könnten, aber es ist doch kaum ein Absatz, der nicht auch mir ernstliche Schwierigkeiten bereitet, und vor gewissen Hauptfragen stehe auch ich ganz ratlos. Warum sehen Sie laut § 1 das Problem der Theologie an einem so inferiorem Ort, wie es der Tummelplatz des Widerstreites kirchlicher und wissenschaftlicher Ansprüche doch wahrlich ist? Was meinen Sie damit, wenn Sie nach § 2 das Lehren und das Handeln der Kirche und wiederum die Dogmatik als die Darbietung der Offenbarungsgedanken von der Ethik als der Sicherung des existentiellen Charakters der Glaubenserkenntnis unterscheiden? Was wollen Sie nur in § 3 mit dieser von 85
der Offenbarung zu unterscheidenden Selbstbezeugung Gottes (ich gestehe, dass ich nach eingehender Überlegung, was für eine Wirklichkeit Sie mit diesem zweiten Begriff meinen könnten, immer wieder einfach vor einem schwarzen Fleck stand und nichts, aber auch gar nichts sehen konnte). Und warum wird in § 4 nicht ganz anders deutlich, dass Offenbarung mehr ist als ein unzweideutiges Inslichttreten von Eigenschaften Gottes, um die wir irgendwie auch sonst und ohne Offenbarung wissen könnten? Das sind nur einige von den großen Knoten, die sich mir da entgegengestellt haben, dazwischen läuft ein wahrer Rosenkranz von kleineren. Unsere vorgesehene mündliche Unterhaltung über Ihr Buch müßte schon eine recht ausgiebige werden, um mich über alles das aufzuklären, was mir da Mühe macht. – Wir sind hier innerlich sehr geplagt von der Sorge um meine Nachfolge. Sie sind ja insofern im Bilde, als Sie durch die unternehmungslustigen jungen westfälischen Pfarrer um Unterstützung Ihres mehr als flammenden Appells für Gogarten angegangen worden sein sollen. Ich verstand sehr gut, dass Sie nicht mittun wollten. Mir ist bei der ganzen Frage wieder einmal recht deutlich geworden, was mir eigentlich bei allen wichtigeren Lebensentscheidungen deutlich zu werden scheint, dass es ein sauberes Wählen, bei dem man nachher ein gutes Gewissen haben könnte, auf dem Felde der Ethik auf keinen Fall gibt. Ich hatte zu wählen zwischen der Möglichkeit, meine Fakultät, deren Ablehnungsgründe Gogarten gegenüber ich nur zu gut verstand, zu kränken, eventuell dem Vorschub zu leisten, was man vor 20 Jahren (Jülicher!) „die Entmündigung einer preußischen Fakultät“ zu nennen pflegte und der anderen Möglichkeit, mich Gogarten gegenüber, dem sachlich doch wohl nicht berechtigten Verhalten jener übergroßen Mehrzahl unserer Kollegen im Reich anzuschließen, darin bestehend, dass man die Bedeutung seiner Arbeit theoretisch wohl oder übel anerkennt und ihn praktisch wegen seiner unleugbaren Rauhbeinigkeit in seinem Dornendorf sitzen läßt. Ich habe keinen Augenblick gezweifelt, dass ich die erstere Möglichkeit zu wählen habe und habe darum das Separatvotum für ihn eingereicht. Aber es ist wirklich im Bewußtsein der Mißlichkeit solchen Vorgehens geschehen und bei aller Entschlossenheit, mit der ich es durchführen mußte, nicht ohne Reu und Leid. Ob wir wohl darin einig wären, dass unsere menschlichen Entscheidungen grundsätzlich immer unter diesem Aspekt stehen? Unterdessen haben Sie vielleicht meinen Vortrag über den Heiligen Geist gelesen und ich erwarte eigentlich stehenden Fußes Ihr Monitum wegen der diesmal zur Abwechslung nicht fehlenden polemischen Fußnoten. In der ersten Nummer von ZdZ [Zwischen den Zeiten] werden Sie ein polemisches Stück aus meiner Feder zu lesen bekommen, dessen Tenor Sie (ich denke an das amerikanische Harmonium Ihres Herrn Vaters!) noch weniger werden billigen können. Ich werde Ihnen schon dankbar sein müssen, in dieser oder in jeder Hinsicht, wenn Sie es ein weiteres Jahr mit mir versuchen wollen. Mit freundlichen Grüßen und allen guten Wünschen für Ihre Arbeit Ihr Karl Barth 86
67. Postkarte Althaus (Handschrift) Erlangen, 28. 3. 30 Lieber Herr Kollege Barth! Sie werden jetzt zwischen den Zeiten leben – oder doch schon in der neuen Zeit, so dass meine Anschrift nach Münster zu spät käme. Ich wollte Sie heute nur bitten: Falls Sie die Z. Syst. Th. [Zeitschrift für Systematische Theologie] nicht mehr halten, es mir zu schreiben, dann sende ich Ihnen meinen kleinen Anti-Holl „Zum Verständnis der Rechtfertigung“, an dessen Besichtigung durch Sie mir viel liegt.74 Inzwischen war ich in Aarau. Mein Vortrag taugte zwar nicht viel, da ich wegen der anstehenden Dekanatsgeschäfte im Februar so gut wie keine Zeit gehabt und doch auch nicht den Mut der Absage kurz vorher aufgebracht hatte. Aber die Begegnung mit Thurneysen und der erneute Austausch mit Brunner und Gogarten war sehr schön und klingt in mir nach. Wo Gogarten in dem Vortrage gegen Sie polemisierte, gehe ich mit ihm. Aber Sie stehen wohl nach den Nachrichten über Ihre Ethik zu schließen, nicht mehr ganz dort, wo er Sie sucht. In diesen Ferien bekommen Sie noch einen richtigen Brief von mir. Das letzte Vierteljahr war ungünstige Zeit dafür. Ich freue mich, die Münster’schen asterisci zu meiner Dogmatik I (die ich nicht alle für unbegründet halten kann) gleich im SS ausnutzen zu können. Zu dem quousque tandem? habe ich Ihnen nicht geschrieben, weil ich Schweigen für die einzige Haltung hielt, in der man das, was Sie – trotz allem! – Richtiges sagen, ernstlich bedenken konnte. Unter allen Stimmen, die dann geredet haben, war mir die der Reform. Kirchenzeitung mit ihrer elenden pharisäischen Zustimmung am widerwärtigsten – sicher auch Ihnen. Wo steht eine konfessionelle Bewegung, wenn ihr Organ so dem Gerichte entflieht? Das wird Ihnen inzwischen sicher von mancher Seite gesagt sein: Die wirkliche Stimmung der Kirchenführer ist eine ganz andere als Ihr Artikel voraussetzt. Sie sind offenbar wenig mit solchen Leuten ins Gespräch gekommen. Otto Dibelius ist wahrlich nicht typisch. Vorgestern war ich in Soest und habe bei der Sakramentslehre auch gegen Sie, lauter aber gegen W. Stählin polemisieren müssen. Dass ich im Falle der Wahl mit Ihnen ginge, wissen Sie, gegen St. sind wir ganz einig. Aber die lutherische Gnadenmittellehre haben Sie nicht verstanden. Herzlichen Gruß Ihr P. Althaus
74 Paul Althaus, Zum Verständnis der Rechtfertigung. In: ZSysTheol. 7 (1929/30), S. 727 – 741. Auch in: Paul Althaus, Theologische Aufsätze. Bd. 2. Gütersloh 1935, S. 31 – 44.
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68. Brief Barth (Masch.-Schrift) Bonn, Siebengebirgsstraße 18, den 19.IV.30 Lieber Herr Kollege Althaus! Ihre freundliche Karte hat mich auf einer kleinen Reise in die Schweiz erreicht, wo ich nicht zum Antworten gekommen bin. Nun ich mich endgültig am Rhein niedergelassen habe, soll es etwas vom Ersten sein, Ihnen zu sagen, dass ich mich – ich habe die Z. syst. Th. schnöderweise nie gehalten – über die Zusendung Ihres Rechfertigungsartikels sehr freuen werde. In der Schweiz war von den Ereignissen der Aarauer Konferenz noch viel die Rede. Thurneysen sprach über die persönliche Begegnung mit Ihnen ebenso ehrlich erfreut wie ehrlich entsetzt über Ihren Vortrag. Mir kommt es vor, als sei die theologische Lage gegenwärtig wieder einmal in das Stadium des BewegungsKrieges getreten, in dem es abgesehen von kleinsten Kampftruppen fast unmöglich ist, Zusammengehörigkeit und Gegnerschaft anhand der gewohnten Orientierungen auch nur einigermaßen deutlich zu unterscheiden. Ich freue mich auf den richtigen Brief, den Sie mir verheißen haben. Sie werden ja vernommen haben, dass das Kopfschütteln über Ihre Dogmatik an den offenen Abenden des vergangenen Winters bis zuletzt angehalten hat, und ich hoffe nur, Sie seien gründlich genug über unsere Unterhaltungen unterrichtet worden, um zu erkennen, dass wir uns Mühe gegeben haben, dass wir aber über gewisse Dinge einfach nicht hinwegkommen konnten. – Denken Sie, ich habe auch Ihre Bemerkungen zu quousque tandem … seufzend zur Kenntnis genommen. Sie sehen und verstehen den grundsätzlichen Protest nicht, in dem ich mich gegen den Tenor der Stimmen der Kirche – gerade gegen den guten Durchschnitt dieser Stimmen – befinde. Was die Ref. Kirch. Z. schrieb, war für mich nur eine Nuance in einer ganzen Reihe von Unmöglichkeiten. Ist denn an der Berliner Generalsynode, abgesehen von gewissen Wendungen in dem Votum des liberalen (!) Redners, auch nur ein einziger sinnvoller Ton zu der Sache laut geworden? Ich kann jene ganze Abwehr nur als ein gründliches Mißverständnis meiner Angriffe ablehnen, und wenn ich nun höre, wie auch Sie mit Ja und Nein reagieren und mich auf Kirchenführer verweisen, die ein bißchen anders seien als Dibelius, so kann ich eben nur seufzen darüber, in was für verschiedenen Welten wir offenbar leben. Ein wahres Glück, dass auch mich etwas Persönliches darin irre macht: Die Tatsache des gegenseitigen Wohlgefallens, das, wie ich höre, Sie und meine Freundin Gerty Pestalozzi aneinander gefunden haben! Es ist doch gut, dass sich gelegentlich auch edle Frauengestalten unter die streitenden Theologen mischen! – Lieber Herr Althaus, können und wollen Sie etwas tun, damit bei dem bevorstehenden Augustana-Doktorhüte-Regen Georg Merz seinen Teil von Erlangen abbekommt? Er hat als Schriftleiter von Z.d.Z., aber auch durch seine eigene Schriftstellerei immerhin Erhebliches für die Theologie geleistet. Seine bayerische und Münchener Tätigkeit kennen Sie besser als ich. Und nun kommt er scheint’s ernsthaft für Bethel in Frage und wenn aus dieser Sache 88
etwas würde, so wäre es nicht nur für ihn erwünscht, nicht ohne Titel in dieses Amt zu kommen, sondern auch von seiner Heimat-Universität aus gesehen gewiß der Erwägung wert, ihm diesen Titel zu geben. Könnten Sie sich die Sache durch den Kopf gehen lassen und mir sagen, was davon zu halten ist, damit ich gegebenenfalls noch an andere Türen anklopfen könnte? In Bonn habe ich mich noch wenig umgesehen. Ich merke nur, dass die persönlichen Verhältnisse in der Fakultät hier erheblich kniffliger sind als in dem geradlinigen Münster. Ich hoffe, es gelingt mir, mich von dieser Art Aufregungen möglichst seitabzuhalten. Der Innenaspekt des akademischtheologischen Betriebes ist wirklich nur teilweise erhebend. Wir suchen einen Kirchenhistoriker als Nachfolger von Peterson und es kann wohl sein, dass wir bei irgendeinem Zufallstreffer endigen. Seien Sie in und trotz allem herzlich gegrüßt von Ihrem Karl Barth
69. Briefkarte Althaus (Handschrift) Partenkirchen, Haus am Ried, Ostersamstag 1930[19. 04. 1930] Lieber Herr Kollege Barth! Ich war gestern in München und mit G. Merz zusammen. Er kam auch auf die Bonner KG-Frage zu sprechen. Wir fanden uns in dem Namen Ernst Wolf – Rostock. Merz ermunterte mich, Ihnen dieserhalb zu schreiben. So bekommen Sie einen unerbetenen Rat – bitte machen Sie unseren Freund Merz dafür verantwortlich. Also: Wenn Sie nicht einen Namen der älteren Generation wie J. v. Walther – Rostock (der ein ausgezeichneter Dozent ist) rufen wollen, dann können Sie keinen besseren als E. Wolf bekommen. Sein Staupitz-Buch werden Sie kennen. Jetzt macht er für die Bekenntnisschriften–Ausgabe des Kirchenausschusses die F.C. [Concordien-Formel], hat dabei musterhafte Archiv-Arbeit geleistet und, wie ich höre, eine verschollene wichtige HS [Handschrift] gefunden. Ich kenne ihn, weil er 1924 bei mir studierte. Er ist Wiener, klein von Gestalt, fast knabenhaft von Aussehen, aber ein Phänomen an Gelehrsamkeit, Sauberkeit, Gründlichkeit. Sein Stil zu Schreiben ist etwas schwierig. Er liebt zu lange Sätze. Merz sagte mir, andere dächten an Blanke. Ich finde, man sollte Bl. in Zürich sich erst einarbeiten lassen. Auch scheint mir, dass Wolf als Historiker sich auf die Dauer als die größere Kraft erweisen wird. Gerade als Nachfolger Petersons würde sich dieser exakte Arbeiter, der dabei ein frischer, temperamentvoller Österreicher ist, ausgezeichnet eignen. Seine Lehrer sind Walther und Hirsch. Für die Mitarbeit an den Bekenntnisschriften ist er auf meinen Vorschlag gewonnen – selten ist mir ein Rat von den Beteiligten (darunter Lietzmann) so gedankt wie dafür. Nochmals entschuldigen Sie den ungebetenen Rat! – Es war nett gestern in 89
München. G. Merz floß, wie zur Zeit die oberbayerischen Flüsse, über – von Züricher Berichten. Ich bin also ganz im Bild und habe mehr als einmal herzlich lachen müssen (o die Tiling!). Mit freundlichen Ostergrüßen Ihr P. Althaus 70. Briefkarte Althaus (Handschrift) Erlangen, 4. Mai 1930 Lieber Herr Kollege Barth! Unsere Grüße haben sich gekreuzt. Ich danke Ihnen für Ihre Zeilen vom 19. 4., die mich in Partenkirchen erreichten. Inzwischen habe ich Ihnen meinen kleinen Aufsatz aus der Z. syst. Th. gesandt (obgleich ich im Ernste böse sein sollte, dass Sie die Zeitschrift nie (!) gehalten haben). Heute muß ich schnell zu der Frage G. Merz ein Wort schreiben, damit Sie keine Zeit verlieren. Ich persönlich täte gern etwas für ihn. Aber ich erhoffe nicht viel. Die erste Andeutung erweckte bei einem oder zwei Kollegen ein nicht sehr freudiges Echo. Die Dinge liegen sachlich so: Die bayerischen und Münchener Verdienste als solche würden auch nach meiner Meinung die Doktorierung noch nicht fordern, um so weniger, als wir schon eine reichlich große bayerische Liste haben (die wir freilich noch zu verkleinern hoffen). Was aber die Schriftleitung und Schriftstellerei von G. M. angeht, um derentwillen m. E. seine Promotion erwünscht wäre, so scheint die Stimmung der betr. Kollegen zu sein: Da mag eine andere Fakultät, die Zwischen den Zeiten näher steht, sich rühren! – Ich gebe die Sache noch nicht ganz verloren, zumal ich noch keine Gelegenheit hatte, eine Sitzung seit Ihrem Briefe anzusetzen. Aber ich würde Ihnen doch raten, auf alle Fälle an andere Türen schon jetzt anzuklopfen. (Als ich vor Monaten mit einigen Kollegen meine Verzweiflung an unserem jetzigen praktischen Theologen besprach und bei der Frage nach einem eventuellen Nachfolger den Namen G. Merz nannte, merkte ich, wie Merz sich mit einem etwas leicht geschürzten Vortrag W.S. 1928/29 geschadet hatte. Bitte dieses vertraulich! Ich habe Merz schonend das Gleiche gesagt.) Unsere Semesterfrequenz scheint erfreulich zu sein. Meine Dogmatik durchläuft an jedem Morgen das Purgatorium des Münsterschen Protokolls. Leider bleibe ich vielfach verstockter Sünder. Gelegentlich sind auch meine Sätze einfach nicht ganz richtig verstanden – was mich gewiß zur Revision des Ausdrucks zwingen wird. Von Aarau wollen wir nicht mehr reden. Ich schrieb Ihnen ja schon, dass ich keine Freude an meinem Vortrag hatte. Ich war überfordert die Wochen vorher und konnte doch die Leute nicht sitzen lassen. Der Reise-Sonntag war einer der dunkelsten Tage für mich in diesem Frühjahr: Ich saß mit verbundenem Auge im D-Zug und konnte so nicht einmal in letzter Stunde mehr einen vernünftigen Wurf zustande bringen. Aber vielleicht ist 90
Thurneysen über das entsetzt, was ich noch für gut hielt. Die Sprachenverwirrung nimmt ja überhand. Sie haben Recht: Bewegungskrieg. Ich war vor vier Wochen gefragt, ob ich Landesbischof in Schwerin werden sollte. Was Sie mir wohl geraten hätten? – Bisweilen war ich in der Stimmung, der ganzen Misere unserer Dogmatik zu entfliehen. Aber ich darf ja noch nicht. Nun wollen wir Ende dieses Monats unser von meiner Frau gebautes Haus beziehen – für wie lange? Es wetterleuchtet schon wieder. Und wenn dieses Wetter hochzieht, muß es wohl das Glück des neuen eigenen Erlanger Hauses als Opfer fordern. Es tut mir für meine Frau bitter leid. Aber vielleicht sind es unnötige Sorgen und ich behalte Ruhe. Zu quousque tandem: Ich habe keinen Bericht über die Generalsynode gelesen. Herzlich grüßt Sie, durch die Wolken des zwischen uns theologisch noch Ungeklärten hindurch Ihr Paul Althaus 71. Bildkarte Barth (Handschrift) [das Bild ist ein Porträtphoto von Karl Barth] Bern, 20. 9. 1931 Lieber Herr Althaus! „Nicht Brief aber Bild“ und herzlichen Gruß von Ihrem Karl Barth [Zusatz in anderer Handschrift:] Relatum bene me retulisse demonstratur. Mit herzl. Gruß Ihr Merz 72. Brief Barth (Masch.-Schrift) Bonn, 14. Oktober 1931 Lieber Herr Kollege Althaus! Mir schreibt die berühmte Gertrud von Zezschwitz, dass Sie sich bereit erklärt hätten, ein von ihr demnächst zu veröffentlichendes Opus, zur Auseinandersetzung der Konfessionen in der ev. luth. Kirchenzeitung zu besprechen und haranguiert mich daraufhin in ziemlich herrischem Ton, dass ich ihr denselben Dienst in der Theol. Lit. Zeitung leisten solle. Ich hatte zufällig gerade vor einem Monat eine andere von ihr veranlaßte Korrespondenz mit ihr, sah daraus, dass sie nicht einmal die Orthographie der ihr doch nicht allzu ferne liegenden Namen Hofmann und Franck kennt und überhaupt zu einer Ausnahme in Bez. auf das mulier taceat sicher nicht berufen ist und habe ihr darum kurz und deutlich geschrieben, dass ich mit ihrer Sache nichts zu tun haben wolle. Stimmt ihre Angabe in Bez. auf Sie überhaupt? Ich frage mich ja ernstlich, ob diese abtrünnige Trude nicht möglicherweise einfach ein wenig 91
spinnt und ob es nicht allgemein das Beste wäre, wenn ihre Werke von unserer Seite durch Schweigen geehrt würden. Mit freundlichem Gruß Ihr Karl Barth PS: Haben Sie das Kattenbusch-Heft der ZThK [Zeitschrift für Theologie und Kirche] schon gesehen? Ich hatte als fast selbstverständlich angenommen, dass man Sie oder auch Heim, vielleicht auch Hirsch zur Mitarbeit begrüßen und dass sich so eine Brücke von mir zu denen, die dort sonst zu erwarten waren, ergeben würde. Nun finde ich mich völlig vereinsamt unter all diesen Unverzagten, die sich zum erheblichen Teil auch noch gerade über mich allerlei Böses erzählen. 73. Briefkarte Althaus (Masch.-Schrift) Erlangen, 18. Oktober 1931 Lieber Herr Kollege Barth! Mit der Korrespondenz zwischen G.v.Z. [Gertrud von Zezschwitz] und mir hat es seine Richtigkeit. Ich habe mich generell bereit erklärt, ihr Werk, das ich noch nicht kenne, anzuzeigen, falls es dazu geeignet ist.75 Ob letzteres nun der Fall ist und wie die Anzeige gegebenenfalls ausfällt, muß ich erst sehen. G.v.Z. schrieb mir schon im Frühjahr, unter Beschwörung ihrer Jugend, in der mein Vater als Student in ihrem Elternhause wohnte. Vielen Dank auch für Ihr ausgezeichnetes Bild. Ich revanchiere mich bald – das z. Z. allein verfügbare Bild, das ein hiesiger Fachmann hergestellt hat, kann ich Ihnen nicht zumuten, es ist – so eitel bin ich immerhin doch – gar zu primitiv. Bitte haben Sie noch ein wenig Geduld. Die Bonner Theologenschaft hat mich zu einem Vortrag eingeladen. Gleichzeitig ähnliche Bitten aus Tübingen, Halle und sonst. Ich werde schon durch diese Vielzahl veranlaßt, bei meinem 1926 gefaßten Entschlusse zu bleiben und grundsätzlich nicht auf solche Reisen zu gehen. Nein, für das Kattenbusch-Heft der Z.Th.K. war ich nicht aufgefordert, sintemal wir von der Z. syst. Th. ein eigenes Heft für den Hallenser Patriarchen gemacht haben. Lesen Sie unsere Zeitschrift noch – einst nannten Sie sie eine Camera obscura? Falls Sie uns nicht mehr halten, sende ich Ihnen meinen Aufsatz, obgleich ich nicht hoffen kann, dass er Ihnen im Ganzen viel Freude macht – es ist auch von mir aus nur ein Versuch, den ich einmal machen muß, um mich selber an dem betreffenden Punkt zu klären.76 Ob ich den Weg weitergehen kann, muß sich erst zeigen. 75 Die Rezension des Buches von Frau G. von Zeschwitz durch Paul Althaus ist in der AlthausBibliographie von Andru Fischer (Zwischen Zeugnis und Zeitgeist. Göttingen 2012, S. 760 ff.) nicht nachgewiesen, offensichtlich ist es nie dazu gekommen. 76 Paul Althaus, Die Gestalt dieser Welt und die Sünde. Ein Beitrag zur Theologie der Geschichte.
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Ich stehe jetzt vor mancherlei neuen Dingen. Unser leerer Lehrstuhl ist immer noch nicht besetzt. Dagegen ist schon klar, dass die Last und die Freude der Universitäts-Predigten mindestens zur Hälfte auf mich kommen wird. Sie wissen, dass ich das als eine Erfüllung hinnehme. Ich habe an dem Verzichte nicht leicht getragen. Nun darf ich noch einmal wie in Lodz und in Rostock im Zusammenhang predigen – das ist mir schon den Verzicht auf einige sonst zu schreibende Bücher wert. Meinen Sie nicht auch? Am liebsten durchlebte ich den kommenden Winter im Pfarramte, wie die schwere Zeit 1918. Herzlich grüßt Sie Ihr P. Althaus 74. Brief Barth (Masch.-Schrift) Bonn, 30. April 1932 Lieber Herr Althaus! Nein, ich habe nicht im Sinne, das zu tun. Auch ich habe keine Zeit und keine Lust zu solchen Seitensprüngen und auch ich werde sagen müssen, dass sich meine „Konfession“ nicht „unter philosophischen Kategorien für Philosophen“ darstellen läßt, sondern, dass ich das meinem papistischen Freund Erich[Przywara] in München überlassen muß, der es sicher mit Glanz tun wird und tun kann. Wie der Jude in Berlin sich diesem Ansinnen stellen wird, wäre ja ganz interessant zu wissen. Ich habe übrigens vor ca. 2 Jahren in dieser Wuppertaler Kant-Gesellschaft einen Vortrag gehalten und Herr Messer, aus dem sie in der Hauptsache besteht, als einen ziemlich mediokren Schulmeister kennengelernt, dem zum „Steigen“ seines bizarren Unternehmens zu verhelfen gewiß kein Anlaß besteht. Eben hat mich ein ehemaliger Hörer von Ihnen verlassen, ein Herr Weth aus Barmen, der sehr schön zu erzählen wußte, wie man eben bei Ihnen das Ja und das Nein und überhaupt immer beide „Wahrheitsmomente“ zu hören bekomme und wie bedauerlich es sei, dass man das von mir nicht sagen könne. – Ferner ist in meiner Sozietät der junge Dibelius aufgetaucht, ein offenbar von seinem Vater her fast hoffnungslos belasteter Jüngling, der bei mir – ich weiß nicht was – sucht, denn er scheint mir fast typisch für die Art Leute, mit denen ich nun gar nichts anfangen kann, obwohl mich irgend etwas rührt an seiner Erscheinung. Warum haben Sie dem Unseligen nun auch noch gerade Tillich als Dissertationsthema gegeben? Es schiene mir die einzige Rettungsmöglichkeit für ihn, dass er sich mit irgend etwas Substantiellem beschäftigte, statt dem modernen Menschen nachzulaufen. Hirsch’s Brief im Großdeutschen Volkstum ist mir bedauerlicher (nämlich auf ihn gesehen) als es in meiner Antwort zum Ausdruck kommen wird. In: ZSysTheol. Bd. 9 (1931 /32), S. 319 – 338). Auch in: Paul Althaus, Theologische Aufsätze. Bd. 2. Gütersloh 1935, S. 45 – 64.
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Wohin läuft der Mann mit immer erhöhter Tourenzahl seines bewundernswerten Motors? Können Sie in seinem letzten Buch mehr finden als eine wilde Spekulation? Wie kann man so gescheit sein, wie er und auf eine so geistverlassene Angelegenheit wie den Hitlerianismus hereinfallen und in den S.A. das Schema für eine neue Ethik entdecken? Wie kann man Theologe sein und seine Leidenschaft so beharrlich und ausdrücklich bei einer anderen Sache haben? Sie werden in München gehört haben, dass ich nach Berlin gefahren bin, um zu Füßen des großen Bildes von Fichtes Aufruf zum Befreiungskrieg über die Mission zu reden. Ich habe üble Eindrücke mit nach Hause genommen (nur ein Kabarett: „Die Katakombe“, das ich Ihnen nicht genug empfehlen kann, habe ich in wirklich guter Erinnerung) und auch eine reichlich schlechte Presse gehabt. Sobald werde ich dieser glatten Berliner Christenheit nicht mehr in die Falle gehen, die man mir dort nun zum zweiten Mal mit Erfolg gestellt hat. Doch ich weiß, dass Sie meine Briefe nicht gerne lesen und will darum schleunigst abbrechen, obwohl noch vieles zu sagen und zu fragen wäre. Mit freundlichem Gruß Ihr Karl Barth
75. Postkarte Althaus (Handschrift) z. Z. Bärnstatt, Post Ellmau, Tirol, 24. 8. 32 Adresse: Erlangen Lieber Herr Kollege Barth! „Nicht Brief, sondern Bild!“ Ich bin in Ihrer Schuld, längst. Denn Sie haben mir im vorigen Jahr die ausgezeichnete Photographie gesandt. Da ich keine ordentliche zur Verfügung habe (unser Erlanger Hof-Photograph ist ein Philister, der aus jedem Professor einen Kommis macht), sende ich Ihnen als vorläufigen Beitrag zu Ihrer Sammlung gleichzeitig eine Zeichnung zu, die die Nürnberger Zeitung hat machen lassen. Sie wird im Herbst noch durch eine Photographie ergänzt werden, da sie nach dem Urteil der Meinigen doch einen fremden Zug hat. – Ich danke Ihnen noch für Ihren letzten Brief. Ein Satz darin beruht auf einem – wohl durch unseren sonst so wort-getreuen G. Merz verschuldeten – Mißverständnis. Nie habe ich gesagt, dass ich nicht von Ihnen gerne Briefe empfinge, sondern das andere: Seit dem Semester, in dem Sie zum offenen Abend allwöchentlich einen Kollegen etikettiert verspeisten, wurden mir meine Briefe an Sie unheimlich, da ich sie plötzlich nicht mehr anders denn als Material für jenen mir geltenden Abend ansehen konnte. Ich fühlte mich befangen und gehemmt und schrieb daher nicht mehr. Der „fruchtbare Nebel“ zwischen uns, von dem Sie einmal so schön schrieben, schien mir durch jene 94
allzu direkt etikettierenden Abende zerblasen. Aber das liegt nun ja auch schon zurück, und ich hoffe, demnächst „vom Bild zum Brief“ zu kommen. Indirekt korrespondieren wir ja längst wieder! Nichts für ungut. Herzlichen Gruß Ihr P. Althaus 76. Briefkarte Althaus (Masch.-Schrift) Erlangen, den 9. Dezember 1932 Lieber Herr Kollege Barth! Vor einer Stunde empfing ich Ihre Dogmatik.77 Ich danke Ihnen sehr, dass Sie sie mir geschenkt haben und beglückwünsche Sie zu diesem stattlichen Bande. Ich habe gleich mancherlei – nicht nur Kleingedrucktes! – darin gelesen und hätte wohl Lust einfach weiterzulesen, alles andere liegenzulassen. Aber ganz so wird es auch in diesem Urlaubs-Semester nicht gehen, weil die 4. Auflage der „Letzten Dinge“, die ich fast ganz neu schreibe, fertig werden muß.78 Immerhin werde ich der D.L.Z., die mir ihr Buch dringend zur Besprechung angeboten hat, vielleicht ausnahmsweise keinen Korb geben. Über meine „freundliche Zweispurigkeit“ werden wir uns noch anderweit unterhalten müssen. – Ob Sie angesichts Ihrer Seiten 441 ff. meine Verwendung des berühmten Luther-Wortes auf S. 110 meines Grundrisses passieren lassen? Lehrreich war mir Ihre Auseinandersetzung mit Gogarten über „Gott an sich“. Übrigens: Wenn das Volk der Theologen zunächst und vorwiegend Ihr Kleingedrucktes schlemmen wird, dann sind Sie selber daran der Hauptschuldige. Denn in völliger Durchbrechung des Stils unserer Alten, zu denen Sie doch sonst erziehen wollen, reden Sie in den Expauken – natürlich nur zum Teil – in einem so saftigen Zeitschriften-Stile, dass man nicht verklagt werden kann, wenn man diese actualissima actualissime dicta für sich nimmt. Einige Partien kannte ich schon aus einem Kolleghefte, das Herr Gollwitzer mir im vorigen Winter lieh. Ich ersehe aus dem Vergleich mit Interesse, wie stark sich bei Ihnen auch der Wortlaut einer Vorlesung und eines Buches decken kann. Mir wäre das „existentiell“ unmöglich – was wahrscheinlich sowohl für meine Vorlesungen wie für meine Bücher nicht gut ist. Denn die Arbeit für die Vorlesung und die für die Bücher fallen bei mir nur höchst teilweise zusammen – was also viel mehr Zeitaufwand bedeutet. Wieviel Kraft und Zeit wende ich jedes Semester an die Vorlesungen, deren Ertrag nie in einem Buch erscheint! Ist da etwas verkehrt?
77 Karl Barth, Die kirchliche Dogmatik. Band I/1 (Die Lehre vom Wort Gottes) München 1932. 78 Im folgenden Jahr erschienen dann: Paul Althaus, Die letzten Dinge. Entwurf einer christlichen Eschatologie. (Studien des apologetischen Seminars 9) 4. neubearbeitete Auflage. Gütersloh 1933.
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Mein Grundriß der Dogmatik II muß Ihnen weithin ein Ärgernis sein. Ich will mich auch gar nicht mehr mühen, wie ich es eine Zeit lang tat, dem zu entgehen, dass ich Sie ärgere – es ist wohl viel besser, wenn ich da, wo ich nun einmal ganz anders reden muß, als Sie es tun oder es vertragen können, auch wirklich deutlich und unbekümmert anders rede. Ich hoffe freilich doch, dass Sie nicht nur die Distanz zwischen uns spüren. Wäre es nicht z. B. möglich, dass meine Lehre vom Wunder oder von Ostern, wo ich Ihnen im Vergleich zu meiner Besprechung Ihrer Auferstehung einiges abbitten muß – wäre es nicht möglich, dass wir dort nahe beieinander wären? Und vielleicht auch bei der Rechtfertigung u.s.f.? Aber was weiß ich?? Lassen Sie sich mit nochmaligem kräftigen Danke herzlich grüßen! Ihr Paul Althaus
77. Brief Barth (Masch.-Schrift) Bonn, 2. Januar 1933 Lieber Herr Althaus! Ich habe für Ihren Brief vom 9. Dezember zu danken und für die Übersendung Ihres Grundrisses II, und ich habe Ihnen zum Neuen Jahr alles das zu wünschen, was man als wirklich „gut“ einander wünschen darf. Das letztere soll hiermit in aller Herzlichkeit und Aufrichtigkeit geschehen. Ach, wenn ich Ihnen doch nun auch in Bez. auf die uns gemeinsam und doch so ganz verschieden bewegende Sache der evangelischen Theologie einigermaßen festlich die Hand drücken dürfte! Ich wollte wirklich nichts lieber. Aber Sie stehen wohl selber unter dem Eindruck, dass die Bahnen der Gestirne, denen wir beiderseits zu folgen scheinen, das Maximum gegenseitiger Annäherung längst hinter sich haben und im Begriffe stehen, wieder in jene gänzliche Abweichung zurückzukehren, aus der sie um 1922 beiderseits herkamen. Wenn das schmerzlich ist, so können wir uns gewiß relativ damit trösten, dass es mit allgemeinen Entwicklungen zusammenhängt. Um 1925 konnte man wohl meinen, als wolle sich so etwas wie eine neue durch allerlei bisher getrennte Lager quer hindurchlaufende theologische Einheit herausstellen. Ich habe dieser Sache nie getraut und heute stehe ich unter dem bestimmten Eindruck, dass auch und gerade innerhalb jener Einheit die Gräben aufs Neue so tief geworden sind, wie sie in der Theologie nur sein können. Das Jahr 1932 hat es für mich sozus. Schwarz auf Weiß, in einer Weise, vor der ich die Augen nicht mehr schließen kann, an den Tag gebracht, dass der Riß, den ich meine, in einer menschlich geredet irreparablen Schärfe, schon mitten durch ZdZ [Zwischen den Zeiten] hindurch läuft: Was Brunner und Gogarten in diesem Jahr zutage gefördert haben, das bedeutet für mich grundsätzlich den Abschied von beiden. Aber was zwischen Brunner – Gogarten – Bultmann und mir steht, das steht ja noch viel massiver zwischen Ihnen und mir, um von 96
Heim oder gar von dem von meinem Horizont nun wohl endgültig verschwundenen Hirsch nicht erst zu reden. Ich habe gegen Sie alle das, was für mich gleich in den beiden ersten Paragraphen Ihres Grundrisses den hoffnungslosen Riegel gegen alles Folgende bedeutet: den neuen, aber nicht besseren, sondern schlimmeren Pakt mit der natürlichen Theologie, dessen Sie sich alle, wenn auch unter den verschiedensten Titeln schuldig machen. Ich tue da nicht mit, unter keinem von den vorgeschlagenen Titeln und wenn ich zu irgendeinem Zweck noch eine Weile gesund und munter bleiben möchte – ich steige alle Wochen ein und mehrere Male zu Pferde, um dafür das Mögliche zu tun!! – dann dazu, um durch alle Ihre Entwürfe hindurch die Ansicht vernehmlich zu machen, dass die evangelische Kirche und Theologie kaput geht, wenn Sie nun wieder auf den thomistischen Sirenengesang hört. Ich kann Ihnen nicht zumuten, zu all den Linsengerichten, genannt Uroffenbarung, Anknüpfungspunkt, Polis, Anthropologie etc. nein zu sagen. Aber wiederum können Sie mir nicht zumuten, mein Nein gerade an diesem Punkt nicht für fundamental wichtig zu halten und mich darum mit allerhand Übereinstimmungen an anderen Punkten zufrieden zu geben. Wer an diesem Punkt ja sagt, der macht offen und heimlich aus dem Ganzen der Theologie eine Philosophie bezw. eine Lebenslehre und das ist der Schatten, vor dem ich tatsächlich sowohl Brunners Ethik als die Gogartens als auch Ihre Dogmatik verfinstert sehe. Wie schrecklich, lieber Herr Althaus, sind mir gleich alle die Umkehrungsmöglichkeiten, die sofort auf den ersten Seiten Ihres Buches sichtbar werden! Aber was gibt es da zu diskutieren? Sie können offenbar nicht anders und ich auch nicht und wie sich das lebensmäßig auswirkt, das hat uns beiden die leidige politisch-christliche Diskussion des vergangenen Jahres klarmachen können: Wie soll man sich in Sachen „Glaube und Volk“ verstehen, wenn man sich in Sachen „Gnade und Natur“, „Offenbarung und Vernunft“ etc. sichtlich so im Allerletzten nicht versteht? Von Ihrem fatalen „oder“ auf S. 1 bis zu Ihrem Urteil über die so wertvolle theologische Zeitschrift „Deutsches Volkstum“ und darüber hinweg zu den Märchen und Kriegsliedern Ihres Freundes Hirsch führt über eine einzelne verzweifelt folgerichtige Linie. Wir können es uns gewiß ersparen, uns wegen der Differenzen in solchen Moralund Geschmacksfragen noch einmal besonders übereinander aufzuregen, gerade weil sie natürlich nicht zufällig sind, aber keine Adiaphora, sondern Exponenten, aber doch nur Exponenten einer Differenz, die auch dann in ganzer Bitterkeit da wäre, wenn Sie Demokrat wären oder ich Konservativer, Sie ebenfalls Schweizer oder ich ebenfalls geborener Reichsdeutscher. Das Läppischste, was im vergangenen Jahr geleistet worden ist, hat ja wirklich der fertiggebracht, der mein Schweizertum in den Mittelpunkt der Diskussion zu stellen versucht hat. Nein, dass wir etwas so ganz Anderes meinen, wenn wir Kirche, Offenbarung, Christus sagen, das ist das nicht genug zu betrauernde Unheil. Es ist wirklich so groß, dass ich in Bez. auf die sekundären Gestalten der Differenz keinen besonderen Ingrimm aufbringe – aber freilich auch keine besondere Freudigkeit in Bez. auf gelegentliche Übereinstimmungen. Und 97
keine Hoffnung, die Differenz selbst in einer sei es scharfen, sei es konzilianten Diskussion zu einem fruchtbaren Austrag zu bringen. Hier müßte jemand d. h. hier müßte die These oder die Gegenthese bedingungslos vom Platz weichen, wenn hier so etwas wie Gemeinschaft in einem ernsten Sinn möglich werden sollte. Sie werden vielleicht in der D.L.Z. über mein Buch schreiben. Lieber Herr Althaus, sollte es nicht im Interesse der ganzen Lage nötig sein, dass Sie mir dort weder ein sauer-süßes Tadellob noch einen süß-sauren Lobtadel, sondern sozus. im Namen der vielen, die im Entscheidenden grundsätzlich gegen mich sind, eine volle runde Ablehnung zuteil werden ließen? Wenn ich Ihre Dogmatik ansehe und ernst nehme, möchte ich eigentlich im Voraus meinen, nur dann richtig von Ihnen verstanden zu sein, wenn Sie zu der meinigen von Herzen und auf der ganzen Linie nein sagen, weil recht verstanden Alles und Jedes, was Sie darin finden, schon zu Ihrem Ansatz und zu Ihren Ansätzen von mir aus gesehen in unversöhnlichem Widerspruch steht. Nur „von mir aus gesehen“? Ach, wie wäre ich Ihnen dankbar, wenn Sie diese Einklammerung unterlassen und mich nicht nur wegen Übertreibung innerhalb einer Ihrer „Spannungseinheiten“, sondern richtig wegen falscher Lehre unter Anklage stellen würden …! Genug! Kein freundlicher Neujahrsbrief, werden Sie wohl denken. Aber was sollte ich schon tun, wenn ich Ihnen, wie es mir ja menschlich-persönlich Ihnen gegenüber so naheliegt, wieder einmal einen Gruß senden und doch aus meinem Herzen keine Mördergrube machen wollte. Was kann ich schließlich dafür, wenn ich den Wind nun einmal etwas schärfer pfeifen zu hören meine? Können Sie verstehen, dass es, wenn auch sehr „ums Eck herum“ doch freundlich gemeint ist? Dass ich Sie jedenfalls mit Vergnügen wieder einmal sehen und vielleicht einen guten Ritt mit Ihnen tun würde! Ihr Karl Barth
78. Brief Althaus (Masch.-Schrift) Erlangen, den 30. Juli 1933 Lieber Herr Kollege Barth! Der dieses Mal besonders ersehnte Beginn der Ferien soll nicht Ereignis werden, ohne dass ich eine kleine Schuld bei Ihnen beglichen habe: Anbei erhalten Sie als Gegengabe für Ihr s.Z. übersandtes ausgezeichnetes Bild ein neues von mir, das meine Frau für ordentlich hält, die Studenten auch. Außerdem wollte ich Sie vertraulich wissen lassen, dass unser gemeinsamer Freund Georg Merz die von Ihnen und mir schon 1930 ihm zugedachte Ehre im Laufe dieses Herbstes bei dem Münchner Anlaß von der Fakultät der Landesuniversität erhalten wird. – Ich bin recht froh, dass es gelang, wenn Sie vielleicht auch ein grimmiges Lächeln nicht verhalten werden, wenn ich hinzufüge, dass ich den Gedanken in der Fakultät natürlich nicht mit dem Hin98
weis auf die Nähe zu Ihnen, sondern eher mit dem Hinweis auf die relative Distanz zu Ihnen durchsetzen konnte. Freuen werden Sie sich hoffentlich doch. Denn wir Erlanger können getrost fragen: Welche andere Fakultät in Deutschland ist so großzügig, dass sie so etwas einstimmig (anders geht es bei uns nicht) fertig bringt? Das also soll Ihnen zum Ferienbeginn Freude machen. Mit Ihrer Dogmatik bin ich in diesem unerhört unruhigen Semester noch nicht so weit gekommen wie ich gerne wollte. Statt dessen erhalten Sie in einigen Wochen erst einmal die 4. Auflage meiner letzten Dinge und den Bremer eugenischen Vortrag,79 der mir ein volles Lob Ihres Freundes Stövesandt eintrug, das Zusammensein mit Ihrem Freundeskreis dort war auch sonst sehr schön. Aber was ist es, dass auch „Barthianer“ unter den „deutschen Christen“ zu finden sind? Mich werden Sie dort nicht suchen. Ich bin auch nicht zu den Jungreformatoren gegangen, wegen ihres Umgehens der Bekenntnisfrage. Aber gerade in dem, worin Sie die Jungreformatoren so schlecht behandeln, muß ich mich als Sünder in deren Reihe stellen. Was werden Sie auch angesichts meines Vortrages auf dem Kirchentag von 1927, über den Sie mir s. Z. schrieben, anderes erwarten?80 Vielleicht wundern Sie sich, dass wir Erlanger so geschwiegen haben. Das hängt wesentlich mit der besonderen Lage in Bayern zusammen. Aber die Zeit zu Reden kommt für uns nun auch. Ob wir unmittelbar oder mittelbar, das heißt in Zusammenarbeit mit den lutherischen Kirchenführern das Wort nehmen, ist noch offen. Dass ich meinen Namen von „Glaube und Volk“ zurückgezogen habe und dass der Draht nach Göttingen abgerissen ist, dürfen Sie doch wissen.81 Es ist mir schwer genug geworden. Lassen Sie sich zum Ferienanfang herzlich grüßen. Wir werden im Allgäu sein. Wenn Sie nach Oberrieden gehen sollten, so grüßen Sie bitte Frau Pestalozzi – ich erinnere mich doch recht, dass sie es war, der ich in Aarau 1930 begegnen durfte? Ihr Paul Althaus
79 Paul Althaus, „Unwertes“ Leben im Lichte christlichen Glaubens. In: „Von der Verhütung unwerten Lebens“. Ein Zyklus von fünf Vorträgen. (Bremer Beiträge zur Naturwissenschaft, Sonderband). Bremen 1933, S. 79 – 97. Der Separatdruck einer erweiterten Form des Bremer Vortrages im Gütersloher Bertelmanns Verlag wurde von der Politik verboten. 80 Zum Vortrag auf dem Kirchentag 1927 vgl. den Text bei Anm. 46, ferner auch zum Umfeld und zur Wertung: Gotthard Jasper, Paul Althaus, Göttingen 2013, S. 177 ff. 81 „Glaube und Volk“ war eine deutsch-christliche Vereinigung. Der „Rückzug von Göttingen“ spielt auf seine Distanzierung von Emanuel Hirsch 1933 an.
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79. Brief Barth (Masch.-Schrift) z. Z. Bergli, Oberrieden (Kt. Zürich), 3. August 1933 Lieber Herr Althaus! Ihr Bild und Ihr Brief und dessen Inhalt haben mich gefreut. Wir haben uns zu lange nicht mehr gesehen, als dass ich über die Portraitgenauigkeit des Bildes etwas Kompetentes sagen könnte. So halte ich mich gerne an das, was Ihre Gattin und Ihre Studenten in dieser Hinsicht darüber gesagt haben und freue mich an dem sozusagen Objektiven: dass das Bild im Unterschied zu früheren, bei denen ich dies weniger empfand, Zeugnis gibt von dem Ernst schwerer Zeiten. Schon darum möchte ich Ihnen wieder einmal die Hand geben dürfen, nachdem ich Ihnen, wenn ich mich recht erinnere, das letzte Mal ziemlich bös geschrieben habe. Es war mir eine rechte Erquickung, schon in Bonn im Semester (auf dem üblichen Wege studentischen Nachrichtendienstes) zu vernehmen, dass Sie sich den D. Chr. [Deutschen Christen] nicht angeschlossen hätten und also mit Hirsch vorläufig nicht mehr im Dualis gingen. Ich hatte Ihnen tatsächlich das Unrecht angetan, ohne weiteres anzunehmen, auch Sie würden „gleichschalten“. Verzeihen Sie mir! Du liebe Zeit, es sind in diesem merkwürdigen Sommer so viele umgekippt, bei denen ich mich darüber wunderte, dass ich Ihnen den, wie ich dachte, kleinen Ruck in jener Richtung nicht einmal bes. übel genommen, sondern wohl nur mit einem grimmigen: „Natürlich!“ vermerkt haben würde. Aber die allgemeine Katastrophe hat ja tatsächlich auch Überraschungen nach der anderen Seite gezeitigt. Wie sie überhaupt ungemein viel Verborgenes ans Licht gebracht hat, unvermutete Trennungen und unvermutete Zusammengehörigkeiten. Wie sollte ich mich nicht freuen, dass es zwischen Ihnen und mir diesmal das Letztere war? Und wie sollte ich mir dadurch, dass meine Prognose in Bezug auf Sie so fehlging, nicht sagen lassen, dass der Mitmensch und der theologische Mitmensch ganz besonders, immer noch ein wenig komplizierter ist, als man angenommen hat. Die Nachricht Georg Merz betreffend war mir in der Tat eine große Beruhigung. Er hat es weniger leicht im Leben, als es, wenn man ihn nicht sehr nahe kennt, scheinen mag, und er wird diese Ermunterung brauchen können. Verdient hat er sie längst besser als mancher, der bereits mit dem D. herumläuft. Und wenn ihm dort der Hinweis auf die relative Distanz zu mir geholfen hat und nicht der andere Hinweis, so ist auch das ganz sachgemäß und in der Ordnung. Man könnte sein Verhältnis zu mir vielleicht ähnlich bezeichnen, wie Erich Seeberg soeben (Ev. Deutschland Nr. 31, S. 274) das von … Luther zu Paulus erklärt: ein „produktives Mißverstehen“! Ach, man muß wohl immer noch dankbar sein, wenn es sich um ein produktives und nicht wie bei jenen von Ihnen mit Recht gerügten „Barthianern“ um ein unproduktives Mißverstehen handelt. Ob es wohl auch schon zu Ihren Ohren gedrungen ist, dass wir in Bonn am 23. Juli eine kleine Wahlschlacht geschlagen haben mit dem Erfolg, dass ich 100
nun neben sieben Hakenkreuzlern und vier Violetten als Fraktion für mich (in welcher das unbedingte Führer-Prinzip gelten wird) im Presbyterium sitze? Warum spricht es eigentlich kein Mensch in Deutschland in deutscher Sprache aus, dass das Gesamtergebnis jenes Sonntags auf Gewalt und Unrecht beruht hat und dass man auf einem so beschaffenen Boden unmöglich rechtmäßig eine Kirche bauen kann? Es gab ja wohl einmal ein deutsches Studentenlied: „Wer die Wahrheit kennet …!“ Ich staune, lieber Herr Althaus, ich staune. Aber manchmal staune ich doch darüber am Meisten, dass ich selber mitten in dem Allem so unangefochten (das Semester brachte mir nicht die geringste Schwierigkeit) funktionieren darf. Wo wird das Alles noch hinführen? Nun, vorderhand ist es schön, Ferien zu haben. Ich hatte wegen der Beurlaubung von K. L. Schmidt 14 Wochenstunden und bin froh, nun auszuschnaufen. Die verdiente Ruhe wünsche ich aber wirklich auch Ihnen. Empfehlen Sie mich Ihrer Gattin und empfangen Sie die herzlichsten Grüße von Ihrem Karl Barth
80. Ansichtskarte Althaus (Handschrift) [Auf der Karte ein Bild der Atzelsberger Steige mit dem Althaus’schen Wohnhaus] Erlangen, 25. 5. 1935 Lieber Herr Kollege Barth, nachdem ich diese Nacht in dem Zimmer und Bette gehaust habe, das Sie vor wenigen Tagen innehatten, muß ich Ihnen doch wieder einmal einen Gruß sagen. Gerne wäre ich in München mit Ihnen zusammengetroffen. Ob auch Sie mit mir, lasse ich dahingestellt. Aber ich hätte Sie gerne gesprochen und Ihnen dabei auch über den Riß hinweg gesagt, wie schmerzlich mir die jetzige Entwicklung Ihrer Lage ist. Durch Lempps hörte ich Genaueres. Das Schicksal der „Forschungen“ ist noch nicht besiegelt. Vorerst wird noch eine Arbeit von Loewenich (über Johannes in Luthers Theologie) und eine von Ernst Kinder = Bethel in den „Forschungen“ gedruckt. Mit freundlichem Gruße Ihr P. Althaus
81. Ansichtskarte Althaus (Handschrift) Erlangen, am 9. Mai 1936 Lieber Herr Kollege Barth! Gestern Abend erzählte mir Trillhaas und heute morgen die Ref. KZ [Reformierte Kirchenzeitung] von ihrem 50. Geburtstage morgen, da kann ich nicht 101
umhin, Ihnen über den Rhein und andere Grenzen hinüber einen herzlichen Gruß zu sagen. Thielicke, Grether, Köberle haben mir frische Nachrichten von Ihnen gebracht. Vielleicht hole ich mir Ende Juli, mit der Reise nach Genf, noch frischere. Mit allen guten Wünschen Ihr Paul Althaus 82. Brief Althaus (Handschrift) Erlangen, den 25. Oktober 1953 Sehr verehrter Herr Kollege Barth! Ihre in Bielefeld gesprochenen Worte über das Verhältnis der theologischen Kollegen zueinander sind bis zu mir gedrungen und haben die längst wache Frage dringlich werden lassen, ob es nicht auch zwischen Ihnen und mir wieder zu einer neuen Fühlung kommen müsse. Sollten wir uns nicht – ein bescheidener Anfang! – wenigstens die Aufsätze oder Schriften gegenseitig bezeichnen und zusenden (wenn sie nicht ganze Bücher sind), in denen wir uns miteinander kritisch befassen? Ich erlaube mir, Ihnen gleichzeitig eine schon vor längerer Zeit erschienene, jetzt in der Ostzone gedruckte Arbeit zu schicken, die unser theologisches Verhältnis betrifft.82 Ich vergesse nicht, wieviel an Vergangenem und Gegenwärtigem zwischen uns steht. Aber ich kann auch die doch immerhin nicht unerfreulichen Begegnungen in Göttingen (1926?) und Münster, als Ihr Gast (1927) nicht vergessen. So habe ich mich über jeden Gruß, den Sie einem Erlanger Studenten, der in Basel bei Ihnen war, mitgaben, gefreut, selbst dann, wenn der Träger des Grußes zugleich zu Ihrer Verwunderung und Mißbilligung mit Bezug auf meine Arbeit zu berichten hatte. Das Schweigen zwischen uns wird meinem Gefühl immer unnatürlicher und bedrückt mich. Dabei denke ich nicht an „Korrespondenz“. Dazu haben Sie keine Zeit, und auch ich bin sehr angespannt. Aber ich denke – um in Ihrem Sprachgebrauch zu reden – an gelegentliche „Zeichen“. Wenn Sie dazu ja sagten, würde mir auch die öffentliche Auseinandersetzung zwischen uns erfreulicher und meinerseits leichter werden. Letzthin las ich in Ihrem Abschnitt in K.D. III, 4 [Kirchliche Dogmatik Band III, 4] über das Ihnen so unsympathische Thema des Volkstums. Ob es ganz gerecht gegen mich ist, dass Sie meinen von Ihnen wiedergegebenen Satz einfach neben die der Nomos-Leute stellen, gegen die ich immer polemisiert habe (s. Theol. der Ordnungen, 2. Auflage, 1935 meine Absage an Stapel und Gogarten) und vollends neben Weinel? Und soll das Verdikt des Absatzes S. 949 Mitte „Unsinn“ nur Weinel oder auch meinen Sätzen gelten? Sie werden 82 Vermutlich: Paul Althaus, Die lutherische Rechtfertigungslehre und ihre heutigen Kritiker. Berlin 1951.
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verstehen, dass die Ahnung, Sie meinten letzteres, mir aufs Neue fraglich macht, ob das „vernünftige und schriftliche Wort“ (S. 349 oben) zwischen uns beiden in dieser Sache möglich ist. Nun haben Sie mich freilich nicht genannt. Den Willen mich zu schonen, erkenne ich dankbar an (Ihnen nahestehende Theologen waren 1946 gegen mich und andere nicht so brüderlich!) – aber der Schonung meine ich sachlich nicht zu bedürfen. Vielleicht schreibe ich jetzt einen kleinen Aufsatz, in dem ich auch, selbstbiographisch, zeige, wie ich zu der Aufnahme des „Volks“-Themas gekommen bin. Leider kann ich mich dessen bis heute nicht schämen. Das Wissen um die Gemeinschaft der Völker ist bei mir wirklich nicht nur ein „Vorbehalt“ „an der äußersten Grenze der eigentlichen These“ gewesen (S. 349 oben), dessen müßte Sie schon mein 1937 erschienener Beitrag in dem von Gerstenmaier herausgegebenen Sammelwerk „Kirche, Volk und Staat“ überzeugen (S. 22 f.)83 Aber nun habe ich schon wieder viel mehr geschrieben und angerührt, als ich in diesem ersten Brief wollte. Lesen Sie bitte aus dem ganzen Brief als für mich vordringlich den Wunsch heraus, Sie zu grüßen und wenn möglich zu gelegentlichen Zeichen – sagen wir: der Kollegialität, der Mitarbeiterschaft an einem uns beiden zuletzt doch gemeinsamen Thema – zu kommen. Mit allen guten Wünschen für das Semester Ihr P. Althaus 83. Brief Barth (Masch.-Schrift) Basel, 1. November 1953 Lieber Herr Kollege Althaus! Ihr Brief hat mich erfreut und bewegt. Er ist offenbar aus einem ähnlichen Bedürfnis hervorgegangen wie dem, in welchem ich vor etlichen Wochen vorsichtig bei unserem grimmigen Freund Hirsch anklopfte, um ihm zu verstehen zu geben, dass ich nicht aufgehört habe, seiner zu gedenken und ihn in den durch das zwischen uns Stehende gegebenen Maßen zu schätzen. Er hat mir für seine Verhältnisse nicht unfreundlich geantwortet, freilich unter Schelten gegen einen jüngeren Zeitgenossen, der sich in meinen „Studien“ mit seiner Theologiegeschichte befaßt hatte und schließlich unter Rückzug auf die Grabinschrift von Kierkegaard, so dass eine Fortsetzung schon wieder in Frage gestellt ist. Die Fühlungnahme zwischen uns zwei, zu der Sie nun die Initiative ergriffen haben, ist mir wirklich auch recht und erwünscht. Wir haben uns, wenn ich mich recht erinnere, in Göttingen schon 1922 oder 23 kennengelernt, 83 Paul Althaus, Kirche, Volk und Staat. In: Eugen Gerstenmaier (Hg.), Kirche, Volk und Staat. Stimmen aus der deutschen evangelischen Kirche zur Oxforder Weltkirchenkonferenz. Berlin 1937, S. 17 – 35.
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und ich habe von damals und von später her den Eindruck behalten, dass wir jedenfalls schon – und das ohne verderbliche persönliche Schärfe – miteinander reden können. Und so würde ich mir am liebsten eine Gelegenheit wünschen, bei der wir in einiger Muße persönlichen Austausch pflegen könnten. Ob mich die Vorsehung je noch einmal nach Erlangen führen wird, ist ja, soweit ich sehe, nicht zu vermuten, ganz abgesehen davon, dass ich Angst habe, der dortige Genius Loci könnte mich, wenn er mich dort träfe, überfallen und mit Fäusten schlagen. Aber vielleicht werden Sie auf irgendeinem Reiseweg einmal in die Nähe von Basel oder nach Basel selbst geführt, das ja von Erasmus und Oekolampad her durch das Wehen einer kleinen Luft milder Duldung berühmt ist. Lassen Sie uns also vor Allem auf eine solche Begegnung Auge in Auge hoffen! Menschlich ist – ganz anders als ich etwa Hirsch oder Brunner gegenüber dran bin, gewiß wenig oder doch nicht abnormal viel zwischen uns. Meine Schwierigkeit Ihnen gegenüber besteht in der eigentümlichen, mich immer wieder verwirrenden Weiträumigkeit Ihrer theologischen Dialektik. So könnte ich mich z. B. in Ihrer mir freundlich zugesandten neuen Schrift in der zwischen den Wänden Evangelium und „Gebot“ befindlichen Wohnung wohl zurecht finden, wenn sich nur nicht unmittelbar daneben nun doch wieder – für mich alles dort Gesagte in Frage stellend – die andere, wohlbekannte von „Gesetz“ und Evangelium auftäte.84 Gilt das Erste, warum muß dann und wie kann dann auch noch das Zweite gelten? Und gilt das Zweite, inwiefern muß und wie kann dann jenes Erste ernsthaft gelten? In ähnlicher Alternative plage mich etwa zwischen Ihrer Christologie und Ihrer „Ur-Offenbarung“. Sie sagen so Vieles, was sich in meinen Ohren gegenseitig aufhebt, mir jedenfalls nicht als Eines vernehmbar wird. Sie müßten mir in einem Gespräch Auge in Auge einmal erklären, was – ohne wenn und aber, ohne sowohl als auch – das Eine ist, was Sie sagen wollen. Aber nun haben Sie mich wegen jener Seiten in III, 4 zur Rede gestellt. Da ich in jenem Exkurs jene Anonymität walten ließ, ist mir beim Nachlesen nun selbst nicht mehr bewußt, was ich damals Ihrem Grundriß der Ethik und was ich dem Gerstenmaier’schen Sammelband entnommen habe. Auf die Nuancen zwischen den verschiedenen „Volks“-Theologien kam es mir dort auch nicht an. Die Absicht jenes Sammelbandes war ja notorisch die einer der Ökumene gegenüber abzulegenden Rechtfertigung des Einschwenkens der deutschen Theologie auf die Linie – summarisch gesagt, aber darum ging es damals praktisch entscheidend: auf die Linie des Nationalsozialismus (Sie werden bemerkt haben, dass ich das in jenem Exkurs auch nicht ausgesprochen habe). Was nun Sie im Besonderen angeht, so habe ich – ja nun muß ich einen heiklen Punkt berühren – von Anfang an befürchtet, dass der Baum Ihrer Theologie einmal auch solche Früchte tragen könnte und als ich dann Ihre Unterschrift 84 Paul Althaus, Gebot und Gesetz. Zum Thema „Gesetz und Evangelium“. BFChTh 46/2, Gütersloh 1952.
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(war es 1934 oder später?) unter dem „Ansbacher Ratschlag“ las, hielt ich mich vollends – Nuancen hin oder her – für berechtigt, Sie mit den andern Volkstheologen zusammen in einem Boot zu sehen.85 Wer damals zu Hitler so ja sagen konnte, wie es in jenem „Ratschlag“ geschehen war, dem konnte man – beziehungsweise ich – es eben nicht zutrauen, dass er zu der Gemeinschaft der Völker anders als im Sinne eines „Vorbehalts an der äußersten Grenze“ ja sagen wollte. So kamen Sie dort für mich in jene Gesellschaft. Hätten Sie sich doch damals schärfer – und vor allem auch praktisch bemerkbar – von ihr abgegrenzt! Die Polemik jenes Exkurses (o wie habe ich sie noch gedämpft!) ging gegen jede Theologie, die „solche Früchte“ tragen konnte und dann zu unser aller Leidwesen tatsächlich getragen hat. Ist es Ihnen klar, dass mindestens etwas von dem Affekt meines „Nein“ gegen Brunner von 1934, ebenfalls darauf beruhte, dass ich ihn in seiner Züricherischen Ahnungslosigkeit das Abgleiten der deutschen Theologie in jener fatalen Richtung befördern sah? Aber wie dem auch sei: ich will lieber nicht verleugnen, dass ich mit „Unsinn“ auch die von Ihnen vertretene Spielart von Volkstheologie bezeichnen wollte. Vielleicht hängt es wieder mit der mich verwirrenden Weitoder Vielräumigkeit Ihrer Dialektik zusammen, wenn ich vorläufig auch hier nur wünschen kann, wir könnten uns einmal zusammensetzen und jenen Exkurs Satz für Satz durchgehen. (Ich würde z. B. gerne hören, wie Sie sich denn das meteorartige Auftauchen der Volkstheologie in den 20er Jahren erklären?) – Oder wenn Sie es vorzögen, auch des Ansbacher Ratschlages! – Wobei ich dann vielleicht über Sinn und Unsinn Ihrer damaligen Position zu erleuchten wäre. Sicher sollte, auch wenn wir nicht einig werden sollten, ein „vernünftiges und christliches Wort“ auch zu dieser Sache zwischen uns möglich sein. Auf den angekündigten „selbstbiographischen“ Aufsatz dazu bin ich natürlich nicht wenig gespannt. Soviel für heute. Ich hoffe, dass ich bes. mit dem letzten Absatz dieses Briefes nicht zuviel von dem zu Leimen bestimmten Geschirr noch mehr zerbrochen habe. Ich wollte nur eben andeuten, wo für mich die Probleme einer in thesi auch von mir bejahten Gemeinsamkeit des Themas liegen. Sobald auch in meiner Küche etwas Neues gar geworden ist – das Nächste wird der Bielefelder Vortrag sein – werde ich nicht verfehlen, es Ihnen zuzuschikken. Sie haben in Ihrem Brief keine genauere Adresse angegeben? Wohnen Sie – dies soll aber keine Bosheit sein – noch immer an der Hindenburgstraße – wie
85 Paul Althaus hatte seine Unterschrift unter den Ansbacher Ratschlag schon wenige Monate später zurückgezogen. Vgl. zum Ansbacher Ratschlag und zu dessen Umfeld auch Gotthard Jasper, Paul Althaus, Göttingen 2013, S. 242 ff. Vgl. ferner im Briefwechsel Brunner – Althaus den Brief vom 3. 3. 1935, vgl. unten S. 147 f.
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damals, als ich meinerseits an der Himmelreichsallee hauste? Ich hoffe, dies werden Sie auch so erreichen. Mit freundlichem Gruß Ihr Karl Barth 84. Brief Althaus (Masch.-Schrift) Erlangen, den 22. November 1953 Lieber Herr Kollege Barth! Haben Sie herzlichen Dank für Ihren Brief und für die freundliche Zusage Ihrer „Freiheit“, die ich gerne und – trotz der auch hier hie und da fühlbaren Differenzen zwischen uns – mit einer gar nicht sehr „gedämpften Freudigkeit“ gelesen habe.86 Sie sehen aus dem Briefkopfe, dass ich – übrigens schon seit 1930! – nicht mehr in der Hindenburgstraße wohne. Aber – „Pilgerstraße“ hier, „Atzelsberger Steige“ dort – ich muß fürchten, dass Sie den Namen meiner Straße im Verhältnis zu Ihrer doch auch jetzt symbolisch für meine säkularistische Häresie finden werden!? Ihr Brief zeigt nun auch mir, was Sie selber aussprechen: Wir sollten uns einmal wieder sehen und sprechen! Es hat keinen Sinn, dass ich jetzt brieflich auf Ihre Einwände und Fragen zu meinen Thesen eingehe. Ich habe die Hoffnung, dass Auge in Auge wir uns gegenseitig doch in höherem Maße verständlich würden als durch Briefe. Warum sollten Sie nicht auch einmal nach Erlangen kommen? Vorgestern und gestern war Gogarten bei uns. Nicht unmöglich, dass wir, Ihre Kollegen, und unsere Studenten Ihnen doch dankbarer zuhörten, als wir es Gogartens Verteidigung der Entmythologisierung gegenüber aufbrachten! Aber ich will auch ernstlich Ihrer Lockung nach Basel mich offenhalten. Es könnte wirklich schon im Frühjahr 1954 etwas werden. Was alles nun nicht heißen soll, dass ich Ihnen inzwischen nicht noch wieder schreiben möchte, wenn es sich gibt – nur eben nicht zu den großen Differenzen. Dass ich den Seiten 21 ff. Ihres Vortrages mit einer völlig ungedämpften Freudigkeit zustimme, können Sie sich denken. Ich werde morgen früh in der Dogmatik ohne Angst vor der rabies theologorum Ihr Nein zur Ur-Offenbarung aufs Neue bestreiten – und hoffe doch, wenn Ihre Baseler Hörer Hohenberger und Schäfer mich dieser Tage besuchen, mich als freier Theologe im Sinne von S. 27 zu erweisen. Bitte empfehlen Sie mich Ihrer verehrten Frau Gemahlin in Erinnerung an 1927 Münster und seien Sie selber freundlich gegrüßt Ihr Paul Althaus 86 Karl Barth, Das Geschenk der Freiheit. Theologische Studien, Heft 39. Zollikon-Zürich 1953.
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85. Postkarte Althaus (Handschrift) Erlangen, 31. 10. 1954 Lieber Herr Kollege Barth! Mit Dankbarkeit empfing ich (nach einem Gruß durch H. Zeltner) Ihre Predigt und las sie gestern gleich mit Freude.87 Dass Sie zu den Strafgefangenen gegangen sind und so schlicht und unmittelbar zu Ihnen sprechen, bewegt mich. Aber ich habe die Predigt nicht nur mit homiletischem Auge zur Kenntnis genommen! Vielen Dank! Eine kleine homiletische Gegengabe geht Ihnen gleichzeitig zu. Die gehörte Predigt trug mir einen sehr warmen Dank von – Erich Przywara ein. Hoffentlich muß ich mich dessen nicht schämen! Seien Sie mit allen guten Wünschen für das Semester vielmals gegrüßt von Ihrem P. Althaus 86. Postkarte Barth (Masch.-Schrift) Basel, 30. Juni 1955 Lieber Herr Althaus! Ich habe Ihre Abhandlung über die Todesstrafe erhalten, gelesen und bedacht und danke Ihnen bestens für die Zusendung.88 Es wäre vieles dazu zu bemerken. Aber die Möglichkeit, uns zu überzeugen, wird uns wohl in diesem Leben nicht mehr geschenkt werden. Insbesondere nicht an dem Punkt, wo Sie meinen „schweren theologischen Fehler“ sehen und wo ich umgekehrt denke: Als Ihrem Luther diese Sache zum ersten Mal einfiel, da, da hätte er nach dem Tintenfaß greifen und zu dem berühmten Wurf ausholen sollen! Am 1. Okt. werde ich nicht mehr Pilgerstraße 25, sondern Bruderholzallee 26 zuhause sein. Ich bemerke, dass auf dem Bruderholz im Jahre 1499 die letzte der Schlachten des sog. „Schwabenkriegs“ stattgefunden hat, von dem ab über die Unabhängigkeit der Eidgenossen vom heiligen römischen Reich deutscher Nation entschieden war. So hängt alles immer wieder zusammen! Mit herzlichem Gruß! Ihr Karl Barth
87 Karl Barth, Ich lebe und ihr werdet leben. Predigt über Johannis 14, 19, gehalten in der Strafanstalt Basel-Stadt am Ostersonntag. Baseler Predigten 18. Jahrgang, Basel 1954/55 Nr. 12, 11 Seiten. 88 Paul Althaus, Die Todesstrafe als Problem der christlichen Ethik. Sitzungsberichte der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, philosoph.-philolog.-histor. Abt. 1955/2. München 1955.
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87. Postkarte Althaus (Handschrift) Erlangen, 31. 10. 1955 Lieber Herr Kollege Barth! Nachdem wir uns in den letzten Jahren so oft unseren dissensus – salva unitate in Christo – haben gegenseitig bescheinigen müssen, drängt es mich, heute manu propria Ihnen einen nicht ungewichtigen consensus, ja concordia auszusprechen. Die Meinen und ich haben Ihren Brief an Mozart mit Entzücken gelesen bzw. gehört, als ich ihn am Mittagstische vorlas.89 Die Reaktion meiner Kinder: „Das sagst Du ja auch immer, dass im Himmel Mozart gespielt wird.“ Und dann wurde mein oft geäußertes ceterum censeo citiert: „Wenn ich ins Gefängnis oder auf eine einsame Insel müßte und nur einen Komponisten zum Spielen mitnehmen dürfte, würde ich niemanden anders als Mozart nehmen.“ So schön wie Sie hätte ich meine Liebe zu Amadeus freilich nicht reflektieren und aussprechen können. Aber ich stimme von Herzen allem zu, was Sie da sagen. Nun hat uns ja auch der Süddeutsche Rundfunk zusammengestellt, und A. Kröner will uns in einem Bändchen vereinen.90 Nun ich habe Ihren Vortrag, als Kompendium Ihrer Christologie, gern gehört und denke, dass Sie und ich mindestens in diesem Thema „Menschlichkeit“ doch etwas näher zusammengehören als jeder von uns mit dem mir seltsam fremden optimistischen Rationalismus von Albert Schweitzer in Sachen des Friedens. Seien Sie – auch im Vorblick auf den 10. Mai – freundlich gegrüßt von Ihrem Paul Althaus 88. Brief Barth (Masch.-Schrift) Basel, 17. April 1956 Lieber Herr Althaus! Die ökumenische Kraft Mozarts ist außerordentlich. Sie können kaum wissen, dass ich eben ihm meine Beziehung zu H.U. von Balthasar verdanke, die dann viel später in seinem meisterlichen Buch über mich Ihren vorläufigen Höhepunkt erreicht hat. Und nun auch Sie! Verzeihen Sie, wenn ich Ihnen gestehe, dass ich Sie – da nach meiner Erfahrung der norddeutsche Lutheraner schlechterdings bei J.S. Bach zuhause zu sein pflegt – nicht hier erwartet hätte. Nun aber widerfährt mir nicht nur die Freude Ihres Beifalls, sondern auch die Ehre der lectio an Ihrem Familientisch. Herzlichen Dank also für Ihre Karte 89 Karl Barth, Bekenntnis zu Mozart. In: Neue Zürcher Zeitung 13. Februar 1954, Nr. 381, Blatt 4. 90 Die Vorträge von Karl Barth, Die Menschlichkeit Jesu (S. 113 – 121) und Paul Althaus, Das Gebot der Liebe und der menschliche Alltag (S. 99 – 112) sind abgedruckt in: Mensch und Menschlichkeit. Eine Vortragsreihe. Das Heidelberger Studio. Eine Sendereihe des Süddeutschen Rundfunks. Stuttgart 1956.
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und den Ausdruck meines Vergnügens, dass sich auf diesem Wege eine schmale, aber solide Brücke zwischen uns eröffnet hat, zu der es, wenn es um „Ur-Offenbarung, Gesetz und Evangelium“ u. dergl. ging, bis jetzt offenbar nicht kommen wollte. Es wird Sie interessieren zu hören, dass der „Dankbrief“ mir verschiedene, teils schüchterne, teils massive Interpellationen hinsichtlich seiner eschatologischen Voraussetzungen eingetragen hat. Er ist übrigens nur ein Stück aus einem ganzen Mozartbüchlein, das ich Ihnen wegen der oben angedeuteten Mutmaßung nicht zugeschickt habe: Ich gebe seine Zusendung an Sie nun umgehend in Auftrag.91 Merkwürdig: Seit dem ersten Heft der „Theol. Existenz heute“ von 1933 hat kaum eine meiner Produktionen so viel – und nach ihrem Ursprung so vielfältige – Zustimmung gefunden wie dieses Büchlein, in dem ich mich nun doch notorisch etwas weit von meinem Leisten entfernt habe. Wenn es im Himmel ebenfalls so viel besser gefallen sollte, als die kirchl. Dogmatik, so müßte ich wohl annehmen, dass ich „viele Monde umsonst gearbeitet“ habe. Gut, dass darüber noch nicht entschieden ist. Ich danke Ihnen auch für die Kommemorierung des 10. Mai. Sein Nahen bereitet mir einige Sorge, weil ich so gar kein geeignetes Objekt für solche Feste bin. Ich hoffe, das dicke Fell, das mir im Lauf der Jahrzehnte gegen so viel Anfechtung gewachsen ist, werde mich auch vor den geistlichen Gefahren behüten, die die bei solchen Anlässen unvermeidlichen Lobreden mir bereiten könnten. Inzwischen sende ich Ihnen meine besten Grüße und alle guten Wünsche für das Sommersemester. Ihr Karl Barth P.S.: Einer meiner hiesigen Studenten, Martin Kriener, ein Rheinländer und m. E. ein tüchtiger Mann, verfügt sich für das SS nach Erlangen in der ausgesprochenen Absicht – Sie aus der Nähe zu forschen, über den er eine Dissertation zu schreiben im Begriffe steht. Sie werden sich ihm gewiß freundlich zu erkennen geben! 89. Telegramm Althaus Erlangen, 10. 5. 1956 Professor Karl Barth, Basel Respektvoll, dankbar, kampflustig grüßt Sie Ihr Paul Althaus
91 Karl Barth, Wolfgang Amadeus Mozart. 1756/1956. Zollikon Zürich 1956, 50 S.
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90. Brief Althaus (Masch.-Schrift) Erlangen, 15. Dezember 1956 Lieber Herr Kollege Barth! Haben Sie vielen Dank für die freundliche Zusendung Ihrer Schrift „Die Menschlichkeit Gottes“, die ich – einschließlich der Predigt – gerne gelesen habe, vor allem im zweiten Teile.92 Ihre neue Gabe traf gerade in Tagen ein, in denen ich mich intensiv mit Ihrer Christologie in KD [Kirchliche Dogmatik] IV 2 beschäftigte und im lebhaften Gespräch mit Ihnen war und bis heute bin. Meine Freude an Ihrer neuen Schrift, die vor allem auch in den „Konsequenzen“ ab S. 16 soviel Gutes und Schönes sagt, gilt allerdings nicht den Seiten 4 bis 6. Sie werden von mir gewiß auch nicht erwarten, dass ich die Geschichte ebenso sehe wie Sie. Ich glaube auch zu denen zu gehören, die dankbar bekennen, was wir durch Sie gelernt haben (obgleich ich, wie Sie wissen, immer nur in der inneren Abgrenzung gegen Sie von Ihnen gelernt habe, ja in der Polemik, der Gedruckten und der Ungedruckten); ich habe mich auch nie gescheut, das öffentlich auszusprechen. Aber eben als solcher kann ich Ihnen eine Reihe von Wendungen auf jenen Seiten nicht zugeben. „Dass es damals so nicht weitergehen konnte …“; „religionistisch …“ usw. Ist es nicht Martin Kähler gewesen, der zuerst das Wort „Religionismus“ geprägt hat und diese Antithese seinen Schülern mitgab? Haben wir, die wir Kähler studierten (ich habe bei ihm nicht gehört), bei ihm wirklich eine „anthropozentrische“ und „humanistische“ Lehre bekommen? Oder auch bei meinem neutest. Lehrer Adolf Schlatter, der Luther vorwirft, dass er in seiner Auslegung des Römerbriefes anthropozentrisch sei? Wollen Sie Schlatters „Anthropozentrismus“ mit dem ersten Teil seiner Dogmatik beweisen? Ich würde das für sachlich falsch halten und traue es Ihnen nicht zu. Ich frage mich, wen Sie mit dem Satz treffen: „Hier wurde der Mensch groß gemacht auf Kosten Gottes“. Am ehesten könnte ich noch an die Ritschl-Leute wie Th. Häring denken, bei dem ich z. T. Dogmatik hörte (mit früher Kritik) – aber selbst da stimmt es nicht wirklich. Sind solche Wendungen nicht doch propagandistische Formeln, die man wahrhaftig nicht beim Worte nehmen darf ? Es mag sein, dass Sie selber und dass sehr viele, die bei Ihnen in die Schule gingen, autobiographisch die Dinge so sehen müssen. Aber sind wir anderen borniert oder undankbar oder trotzig, dass wir sie so nicht sehen können? Ist das nur ein Zeichen, dass wir von Ihnen nach Ihrem Urteil eben doch noch nicht gelernt haben? Lieber Herr Barth, ich habe bei Ihnen gelernt, zugelernt (ich weiß, dass mein dogmatischer Grundriß von 1929 ohne Sie in manchen Stücken so nicht geschrieben wäre – er verrät Ihre Wirkung). Ich habe gewiß z. T. auch umgelernt. Aber eine Kehre oder gar eine Bekehrung theologischer Art habe ich nicht erlebt – und kann auch nicht zugeben, dass die durch Sie bewirkte Wendung, aufs Ganze der damaligen Theologie gesehen, eine Um92 Vortrag Karl Barth, Die Menschlichkeit Gottes genauer: „Die Menschlichkeit Jesu“ in Anm. 90.
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kehr oder die Nötigung zu einer Umkehr bedeutet hätte. Drückt Ihr von mir beanstandeter Passus nicht doch mehr Ihre Sicht der Dinge in der damaligen Lage aus – als die Sicht jetzt im Rückblicke? Ich meine einmal gehört zu haben, dass Sie erklärt haben: Die Theologie Martin Kählers z. B. hätten Sie erst a posteriori kennengelernt – ist das richtig, dann würde ich sagen, dass die damalige Lage sich anders ausnahm, je nachdem, ob man Kähler kannte oder nicht kannte. (Ich will Sie nicht reizen – aber ich würde fragen, ob nicht auch einem Manne wie Karl Holl und seinem Schülerkreis gegenüber die Wendung „Hier wurde der Mensch groß gemacht …“ einfach ein Unrecht ist.) Warum nennen Sie auf S. 6 unten wohl Troeltsch, Stephan, Lüdemann, Seeberg – aber warum fehlen Kähler, Schlatter, etwa auch Ihmels – gehören die nicht zu den „repräsentativen Gestalten und Richtungen“? „Was wußte und sagte sie noch von Gottes Göttlichkeit?“!! Ich stehe einem solchen Satze verständnislos gegenüber. Auch glaube ich nicht, dass die Bedeutung Ihres theologischen Neuansatzes der Legendenbildung über den Verlauf der Theologiegeschichte, die düstere Folie, „dass es so nicht weitergehen konnte“ bedarf, um voll herauszutreten. Ich lese zur Zeit Geschichte der Theologie und werde in der betr. Stunde meinen Leuten kräftig sagen, was Sie uns bedeutet haben – aber das Bild sieht bei mir doch recht anders aus als bei Ihnen, und ich kann Ihnen nicht ein Fichtesches Zeitalter der „vollendeten (theologischen) Sündhaftigkeit“ voranstellen, sondern werde mich gegen Legendenbildung wehren – nicht auf Kosten Ihres Werkes, aber auf Kosten solcher Wendungen wie in der neuen Schrift. Mit gleicher Post sende ich Ihnen meinen Aufsatz über die Zwei-Reiche-Lehre zu.93 Wenn Sie sich vor Weihnachten nicht noch über mich ärgern, sondern in dieser Hinsicht Ihren Frieden haben wollen, so legen Sie den Aufsatz vorläufig in die Ecke. Es ist vielleicht besser, dass wir uns in diesen Wochen dessen bewußt bleiben und freuen, was uns verbindet (und IV, 2 zeigt mir, wie viel das ist!), als dass wir uns übereinander ärgern. Auch ich kehre nunmehr, nachdem ich mir das Obige vom Herzen geschrieben habe, zu der Freude an dem, was Sie sonst in dieser Schrift sagen, zurück. Mit freundlichem Gruße und Weihnachtswunsch Ihr P. Althaus
93 Paul Althaus, Die beiden Regimente bei Luther. Bemerkungen zu Johannes Heckels „Lex caritatis“. In: ThLZ Band 81 (1956), S. 129 – 136. Auch in: Heinz-Horst Schrey, Reich Gottes und Welt. Die Lehre Luthers von den zwei Reichen. Wege der Forschung 107. Darmstadt 1969, S. 517 – 527.
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91. Briefentwurf Barth (Masch.-Schrift) Basel, 25. Dezember 1956 Lieber Herr Althaus! Es hat mich gefreut, dass meine Broschüre mir einen Brief von Ihnen eingetragen hat. Auch die Zwei Reiche Luthers in dem bewußten „Feuer“ haben mich erreicht und wurde sofort gelesen. Ich danke Ihnen für beides. Vielleicht haben Sie und ich zu viel und zu Verschiedenes hinter uns, als dass wir uns auch bei gutem friedlichen Willen mehr bieten könnten als ein geduldiges gegenseitiges Anhören. Aber einige Anmerkungen können und wollen wir gelegentlich doch austauschen, wenn wir uns auch schwerlich mehr einleuchten und überzeugen können. War es nicht von Anfang an ein Verhängnis, dass es eine Kirche und Theologie gegeben hat, die wesensmäßig dazu verbunden war, in Luther, der so etwas wie ein Vulkan war, einen Lehrer verehren und respektieren zu müssen? Bringt man bei dem endlosen Werk, der Pandora-Büchse, genannt WA [Weimarer Ausgabe (Weimarane)], irgendwelche halbwegs konsistenten Sätze oder gar Systeme von solchen herauszuholen, etwas anderes ans Licht als entweder notorische Fürchterlichkeiten oder dann allerhand Mattes, worin Luther sich selbst niemals wieder erkannt hätte und womit dann auch für die Gegenwart kaum Hilfreiches gesagt sein kann? So höre ich Euch Lutheraner (meinerseits froh, dass ich nicht Calvinist oder Zwinglianer sein muß) und so auch Ihnen, lieber Herr Althaus, in Furcht und Mitleid zu, immer besorgt, was noch kommen möchte. Mit Schlatter war es bei mir so: Ich bin von meinem Vater her in einer Luft höchsten Respektes vor ihm aufgewachsen. Aber in meiner früheren Entwicklung hin zu Herrmann, zur christl. Welt etc. war er mir nicht das geringste Hindernis. Im Gegenteil, als ich ihn im WS 1907/8 in Tübingen selber gehört hatte, war ich mehr als je überzeugt, dass es nur in der anderen Richtung weitergehe. Was ich dann später, etwa von 1916 ab zu vertreten begann, hatte ich jedenfalls nicht bei ihm gelernt, und so auch nicht bei Kähler. Und nun ist es doch offenbar nicht nur mir, sondern auch einigen anderen so gegangen. [Ende des Manuskriptes. Handschriftliche Notiz: „abgebrochen u. nicht abgesendet“] 92. Briefdurchschlag Barth (Masch.-Schrift) 12. Februar 58 Lieber Herr Kollege! Aus dem seltsamen Artikel in der „Evangelischen Theologie“94, in welchem 94 Günther Koch, Was recht und billig ist. Ein Brief an D. Paul Althaus zum 70. Geburtstag. In: Evangelische Theologie 18 (1958), S. 6 – 14.
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Günter Koch, was er für und gegen Sie zu sagen hat, in das faltige Gewand seines Ja und Nein zu jenem Hannöverschen pastor pastorum kleidet, erfahre ich das Wichtigere: dass auch Sie nun im Begriff stehen, Ihren siebzigsten Geburtstag zu begehen. Ich möchte nicht versäumen, Sie als bald Zweiundsiebzigjähriger diesseits dieser im Psalm als wichtig vermerkten Schwelle willkommen zu heißen, Sie zu versichern, dass es sich auch in dem Raum, den Sie nun betreten, noch und erst recht ganz gut leben läßt, und Ihnen meine herzlichsten Wünsche auszusprechen. Ihre und meine Lebensbahnen sind ja bis dahin in einer Weise nebeneinander hergelaufen, die wohl der späteren Theologiegeschichtsschreibung noch Einiges zu reden geben könnte, deren eigentlicher Sinn sich aber wahrscheinlich erst im Eschaton klären wird. Konnten Sie mir meine Sicht von „Evangelium und Gesetz“ nicht abnehmen, so mußte ich meinerseits Ihrer „Ur-Offenbarung“ gegenüber schwer im Rückstand bleiben – obwohl ich Ihnen gerne konzediere, dass ich immerhin noch lieber über eine freundliche „Ur-Offenbarung“ mit mir reden lassen könnte, als über den schrecklichen Schicksalsbegriff, den Ihr verstorbener Kollege Ehlert an derselben Stelle verkündigt hat. Ja – einiges andere wäre da auch noch wehmütig zu erwähnen. Doch gab und gibt es da auch mehr unterirdische, auf der Ebene der „Forschung und Lehre“ nicht so leicht zu kennzeichnende Querverbindungen und Sympathien hin und her, auf sie beziehe ich mich, wenn ich Sie zu Ihrem Geburtstag ohne alle Bedenklichkeit und Wehmut grüße: immer noch in der Hoffnung, wir möchten uns noch einmal persönlich begegnen, um dann Auge und Auge wenigstens an diesem und jenem Punkt feststellen zu dürfen, wie es hüben und drüben gemeint sein könnte. Status mundi in dei laetitia fundatus est. Wissen Sie, wer das geschrieben hat? Calvin hat das geschrieben! Ihr [ohne Unterschrift] [Original im Nachlass Althaus nicht vorhanden]
93. Brief Althaus (Masch.-Schrift) Erlangen, den 15. April 1958 Lieber Herr Kollege Barth! Haben Sie herzlichen Dank, dass Sie mit Ihrem Brief vom 12. Februar meines Eintritts unter die Siebziger so freundlich gedacht haben. Sie haben mich damit wirklich sehr erfreut. Ehrlich und gern bekenne auch ich mich zu den von Ihnen angedeuteten „Querverbindungen und Sympathien“. Und ich weiß mich eigentlich ständig in theologischen Gesprächen mit Ihnen in Ihrer „kirchlichen Dogmatik“. Es ist auch nicht immer nur ein Streitgespräch. So habe ich, als ich 1957 den Artikel „Christologie“ für die RGG schreiben mußte, Ihre große Konzeption dankbar in mich aufgenommen. Freilich, es bleibt nun wohl auch im achten Jahrzehnte für mich bei dem Gesetze, nach dem ich 1923 113
Ihnen gegenüber angetreten: Ihnen zu widersprechen. Mit gleicher Post erhalten Sie einen kleinen Aufsatz von mir zur Frage der Erkenntnis der Sünde.95 Ich müßte Ihre Konsequenz bewundern (Sie müssen ja so lehren in diesem Punkte, wie Sie es tun), wenn ich nicht – nun verzeihen Sie! – über die exegetische und dogmatische Gewaltsamkeit wirklich erschrocken wäre. Es wird also wohl in der Tat bei dem bleiben, was Sie schreiben, dass Sie und ich uns an den zwischen uns strittigen Hauptpunkten in diesem Leben nicht mehr zusammenfinden werden (trotz aller Retraktationen, von denen Sie und ich Proben gegeben haben). Desto dankbarer bin ich dafür, dass die Fühlung zwischen uns nicht aufgehört hat. Die Altersgenossen der achtziger Jahre gehören merkwürdig zusammen, von allem anderen, was uns verbindet, ganz zu schweigen. Es war sehr schade, dass Sie in der Pfingstwoche 1957 uns Erlanger nicht besuchen konnten – ich hatte mich schon auf Sie eingerichtet und gefreut, an Münster 1927 gerne zurückdenkend. Ob es nicht übrigens an der Zeit wäre, als Angeld auf ein Wiedersehen wieder einmal Photos auszutauschen? Haben Sie Dank auch für die Mitteilung des schönen und von mir bei Calvin in der Tat nicht erwarteten laetitia dei-Wortes! Auch ich hoffe nach wie vor auf eine neue Begegnung mit Ihnen und werde jede sich bietende Gelegenheit dazu nützen. Haben Sie nochmals Dank für Ihren Gruß und Ihre Wünsche, die ich für Sie herzlich erwidere Ihr Paul Althaus [handschriftlicher Zusatz:] Der kleine Aufsatz über die „Erlanger Theologie“ ist für die Erlanger Bürger, also Laien, geschrieben unter dem Protektorat Ihres Schülers Zeltner.96 Daher fehlt das begrifflich und zünftig Theologische. 94. Postkarte Althaus (Handschrift) Erlangen, den 2. Mai 1958 Lieber Herr Kollege Barth! Meine Frau, unser Sohn (stud. theol.) und ich haben vorgestern Ihren Unsterblichkeitsvortrag sehr dankbar sehr hingenommen gehört.97 Wir möchten Ihnen das doch gerne sagen. Dass bei mir die Freude eines völligen consensus
95 Paul Althaus, Durchs Gesetz kommt Erkenntnis der Sünde. Zur Auseinandersetzung mit der exclusiv christologischen Dogmatik. In: Solange es „heute“ heißt. Festgabe für Rudolf Hermann zum 70. Geburtstag. Berlin 1957, S. 7 – 15. 96 Paul Althaus, Die „Erlanger Theologie“. In: Die Erlanger Universität. Beilage des Erlanger Tageblattes 11 (1958), Nr. 2, S. 1 f. 97 Karl Barth, Unsterblichkeit. In: Unsterblichkeit. 4 Vorträge von N. A. Luyten, A. Portmann, K. Jaspers, K. Barth. Basel 1957, S. 43 – 51.
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in dieser Sache hinzukam, werden Sie verstehen. Aber Sie haben dieses Gemeinsame ganz wunderschön gesagt und sicher damit viele Hörer angerührt. Mit freundlichen Grüßen und Wünschen für das fünfundsiebzigste Lebensjahr Ihr Paul Althaus 95. Postkarte Althaus (Handschrift) Erlangen, 7. Okt. 1962 Lieber Herr Kollege Barth! Durch Professor Geiger hörte ich vorgestern in München, dass und unter welchen betrüblichen Umständen Sie z. Z. in Bad Tölz sein müssen. Schade, dass wir nun doch noch annähernd 250 km voneinander sind. Wären Sie näher, würde ich Sie gerne besucht haben, zu einem kollegialen Gespräch, das die Heilung Ihres Spasmas nicht hinderte. Hoffentlich haben Sie einen Plattenspieler und Mozartplatten in der Nähe! Und vielleicht hören Sie heute Abend die Zauberflöte aus Salzburg. – Dieser Tage sah ich Ihre Einführung in die Theologie angezeigt98. Da ich selber für den Winter ein Einleitungskolleg angezeigt habe, werde ich mir Ihr Buch beschaffen und studieren. Ich lese noch jeweils ein bis zwei Wochenstunden und habe zwei Stunden Kolloquium, im W.S. wahrscheinlich wieder Predigtanalysen von Schleiermacher bis heute, dieses Mal Predigten an den großen Festen, theologisch analytisch. Ich habe Ähnliches schon öfter gemacht, und wir lernen viel dabei. Ich bin auch noch Universitätsprediger. Nun lassen Sie sich herzlich grüßen mit allen guten Wünschen für schnelle Heilung. Hoffentlich ist der Schreib-Arm nicht auf länger hinaus lahmgelegt! Ihrer freundlich gedenkend Ihr Paul Althaus P.S. Wie lange müssen Sie dort noch bleiben? 96. Postkarte Barth (Handschrift) Basel, 28. Okt. 1962 Lieber Herr Kollege! Es ist höchste Zeit, dass ich Ihnen danke für die freundliche Karte, die Sie mir nach Bad Tölz geschrieben haben. Ich habe mich trotz des widrigen Anlasses gefreut, dort Land und Leute kennenzulernen. Ich denke sehr dankbar an das „Versorgungskrankenhaus“ und sein Personal zurück. An guten Berührungen mit der katholischen und lutherischen Kirche hat es auch nicht gefehlt. Nun 98 Karl Barth, Einführung in die evangelische Theologie. Zürich 1962, 224 S.
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bin ich seit acht Tagen wieder an meinem Ort: immer noch etwas ramponiert, aber doch in Genesung begriffen. Die Gebrechlichkeit des menschlichen Daseins ist mir in diesen Wochen sehr konkret deutlich geworden: höchste Zeit in unserem Alter, nicht wahr? Ob Sie der bewußten „Einführung“ eine gute Seite werden abgewinnen können? An die Regelung meiner hiesigen Nachfolge kann ich nur bekümmert zurückdenken. Nachher war ich ein bißchen in Amerika, habe im Licht der dort üblichen Publicity meine Weisheit auf Englisch an den Mann gebracht, mir aber auch durch meine unerwarteten Kenntnisse hinsichtlich des Sezessionskrieges 1862 bis 65 Respekt erworben und im Zusammenhang damit am James River an einer konföderierten Muskete einen sein Ziel erreichenden Schuß abgegeben. Nun versuche ich es, mich im Ruhestand zurecht zu finden und in Form von ein paar privaten Exercitien relativ nützlich zu machen. Zum Verfassen von Romanen (wie der erstaunliche E. Hirsch!) werde ich es wohl nicht mehr bringen. Mozart aber erklingt fort und fort: Ich besitze so ziemlich alles, was von ihm auf Langspielplatten zu haben ist. So bedarf ich keiner „Ur-Offenbarung“ und werde auch der Reihenfolge „Evangelium – Gesetz“ nur um so gewisser. Im Himmel wird sie dann auch Ihnen deutlich werden!! Und nun seien Sie nochmals bedankt für Ihre Teilnahme und empfangen Sie die besten Grüße von Ihrem Karl Barth P.S.: Ich empfehle Ihnen Fräulein Mechthild Freile, künftig Schwiegertochterglück v. Prof. Geiger. Sie hat bei mir gerne „Einführung“ gehört, studierte dann in Zürich und Erlangen und wurde von mir dringend auf Ihr integrierendes Kolleg aufmerksam gemacht. 97. Postkarte Althaus (Handschrift) Erlangen, 7. Juni 1964 Lieber Herr Kollege Barth! Haben Sie vielen Dank für die Freude, die Sie mir bereitet haben, mit Ihrem Gruß an sich und mit dem köstlichen sprechenden Bilde. Der Finger an der Nase – das ist unvergleichlich. Jüngst bestellten Sie mir auch durch einen meiner Studenten einen Gruß – auch dafür danke ich sehr. Ich lese in diesem Semester noch eine Wochenstunde, halte bisher darüber auch noch ein zweistündiges Kolloquium, das mir besonders viel Freude macht. Aber es ist jetzt Zeit, abzubauen. Es geht mir nicht schlecht, aber die noch bis zum fünfundsiebzigsten Geburtstage fast unangeschlagene Gesundheit hat im Herbst doch einen sichtbaren Stoß bekommen. Seien Sie, lieber Herr Barth, herzlich gegrüßt mit warmen Wünschen für Ihr Ergehen Ihr Paul Althaus
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98. Briefkarte Althaus (Masch.-Schrift) Erlangen, 3. März 1965 Lieber Herr Kollege Barth! Durch einen Freund höre ich, dass Sie durch gesundheitlich schwere Tage gegangen sind. Da möchte ich Sie in der alten Sympathie und der trotz allem vielfältigen Gemeinschaft des Themas und der Arbeit herzlich grüßen, mit warmen Wünschen für Ihr Ergehen. Sie sind immerhin fast zwei Jahr älter als ich, aber auch ich habe im letzten Jahr mit depressiven Zuständen zu tun gehabt, die das ganze Lebensgefühl zeitweilig verwandelten. Jetzt geht es mir wieder gut, und ich arbeite noch ein wenig, wenngleich langsamer. Hoffentlich höre ich bald einmal gute Kunde von Ihnen Ihr Paul Althaus 99. Telegramm Althaus 10. 5. 1966 [Karl Barth feierte am 10. 5. 1966 seinen 8o. Geburtstag] Herzlich gedenkt Ihrer Paul Althaus [Althaus lag zu dieser Zeit bereits im Krankenhaus] 100. Briefkarte Barth (Masch.-Schrift) [undatiert – Paul Althaus war am 18. 5. 1966 gestorben] [offensichtlich eine Abschrift, ohne Anrede und Originalunterschrift] Mit aufrichtiger Bewegung lese ich die Nachricht vom Tode Ihres Mannes. Er und ich haben ja in Streit und Frieden nicht wenig miteinander durchgemacht. Es tut mir nun leid, dass wir uns dann persönlich kaum noch gesehen haben und aussprechen konnten. Nun darf er im Lichte erkennen, was wir noch zurückbleibenden Zeitgenossen auf Erden dunkel sehen. In herzlicher Teilnahme Ihr Karl Barth
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Briefwechsel Emil Brunner – Paul Althaus 1. Brief Brunner (Masch.-Schrift) Klusstraße 12 10. 1. 25 Mein lieber Freund! Es käme mir unrecht vor, wenn ich Sie nicht so anredete. Ich freue mich herzlich des Bandes, das sich zwischen uns geknüpft hat, um seiner persönlichen, aber auch um seiner überpersönlichen Bedeutung willen.1 Ja, Sie haben recht: Wie anders wäre die Kirchengeschichte herausgekommen, wenn die führenden Leute sich mehr gekannt hätten, wenn sie einander die Photos ihrer lieben Frauen und Kinder mitgebracht hätten. Wissen Sie, wenn ich Luther und Calvin vor mir habe, dann bin ich immer, restlos Lutheraner. Anders wird’s erst beim Luthertum und Calvinismus. Ich verdanke Luther unendlich mehr als Calvin, spüre aber, dass es jetzt höchste Zeit ist, zu verstehen, wie Calvin in so vielem den echten Luther treuer fortgesetzt hat als das Luthertum. Doch ist da unser gemeinsamer Boden so groß und die konfessionelle Differenz wahrhaft klein, wenn man bis dorthin geht, wo Luther noch nicht (ich meine dies nicht chronologisch) lutherisch und Calvin noch nicht calvinistisch ist. Und nun also ganz kurz meine Annotationes. 1. Zugestanden: Es ist wahr, dass bei uns die gratia regenerans zu kurz gekommen ist, die vivificatio hinter der mortificatio ungebührend zurückgestellt worden ist – objektiv, zeitlos gesprochen. Aber wo es sich um Akzente handelt, nicht um Sachliches, gibt es auch Zeiten. Um dem ganzen Empirismus (Psychologismus plus Historismus) gegenüber, der ganzen Schleiermacherei gegenüber, wie sie in der liberalen und positiven Theologie bis heute herrscht, wie sie auch bei Herrmann durchaus herrscht, wie sie auch noch dem Hollschen Rechtfertigungsbegriff anhängt (Gott macht gerecht), ist es dringend geboten, erst einmal das Recht des actus forensis wieder einmal mit ganzer Wucht zu betonen; das ist „Augenblick“. Heute will alles dynamisch, energetisch, kurzum in den Kategorien der Gegebenheit denken. Da muß erst einmal der Idealismus des Rechtfertigungsgedankens herausgestellt werden. Aber sachlich haben Sie recht und ich 1 Um Neujahr 1925 hatte Paul Althaus in Zürich referiert und dabei Emil Brunner persönlich aufgesucht und gesprochen. Darauf gründete sich ihre persönliche, lebenslange Freundschaft und der folgende Briefwechsel bis kurz vor Brunners Tod; er ist allerdings nicht ganz vollständig erhalten.
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spüre, dass wir selbst, wenigstens ich, zu schwach sind, um ohne Schaden für uns selbst so auf die eine Seite hinaus zu lehnen. 2. Zugestanden als meine eigene frühere Differenz mit Barth: Die Notwendigkeit, das Gesetz als Voraussetzung des Evangeliums stärker zu betonen, die Krisis nicht zu schnell, d. h. nicht vor der wirklichen Reife, eintreten zu lassen. Das gilt natürlich auch für das Gebiet des Gesetzes: die Kultur. Sie ist durchaus Voraussetzung unserer Theologie, was bei Barth zu wenig deutlich wird und worüber ich schon immer mit ihm gestritten. Das ist ja wohl bei mir deutlicher herausgekommen. 3. Dagegen: 1. Einwand: Ihr Dringen auf das Geschichtliche führt Sie in die Nähe der Ritschlschen Gefahr, die darin ganz und gar die Herrmannsche ist: Der Geschichtspositivismus. Was Sie über die Christologie sagen, ist sogar bereits positivistisch. „In der Christologie ist gar kein Raum für …“ S. 314.2 Damit ist nicht nur die erstarrte Orthodoxie, sondern der Kern des christlichen Glaubens angetastet. Doch, durchaus präexistent, durchaus metaphysisch, durchaus nicht-geschichtlich ist Christus zu verstehen. Die wichtigste Lehre wird uns wieder die Trinitätslehre werden als der Ort der Entscheidung, und zwar nicht eine geschichtsimmanente, eine bloß ökonomische Trinität, sondern die athanasianische. Sie ist durchaus die biblische. So wie Sie es gefaßt haben, ist die Gottheit Christi nichts anderes als bei Ritschl. Ritschls Kampf gegen die Metaphysik ist ganz berechtigt als Kampf gegen alle Denkmetaphysik; der Glaube aber ist ganz und gar „metaphysisch“, wenn es auch unsinnig ist, das Wort hier zu gebrauchen, weil es in anderem Zusammenhang entstanden und darum auch eine ganz andere Kategorie ist als die vom Glauben gemeinte. 2. Einwand: Ihre Fassung der gratia efficax ist von der Art, dass einerseits Ihr Gebundensein an den Glauben, andererseits Ihr Hinweis über die geschichtliche Wirklichkeit ins Eschatologische gefährdet wird. ad a) Sie betonen zwar sehr, dass es nur innerhalb des Glaubens gelte: ein neuer Mensch. Aber Sie erinnern sich, dass ich hier skeptisch war. Bei nochmaliger Lektüre Ihres Art. hat sich meine Skepsis verstärkt. Sie operieren mit dem Begriff: unbewußt. Das hat mich (Sie erinnern sich) von Anfang stutzig gemacht. Jetzt kann ich sagen, warum. Sie schreiben (290): „Der Glaube will nicht um sich selbst wissen“ – also könnte er, wenn er wollte, also liegt das Hervortreten oder Nichthervortreten im Willen, ist also nur ethisch. Die Grenze gegen die Empirie ist also nur ethisch, nicht die Grenze dieser Zeitwirklichkeit selbst. Darum können Sie andererseits auch die Gegenüberstellung von Mensch und Gott vollziehen, ohne den Mittlerbegriff zu gebrauchen. Da erst wird mir der Gegensatz klar: Mensch will Unmittelbarkeit, Glaube ist Unmittelbarkeit aufgrund vollkommener restloser Mittelbarkeit, daher die 2 Paul Althaus, Theologie des Glaubens. In: ZSystTheol. Bd. 2 (1924/25), S. 281 – 322, wiederabgedruckt in: P.A., Theologische Aufsätze, Gütersloh 1929, S. 74 – 118.
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Rolle des Wortes und der Autorität. Da kommt’s raus, dass der Hollsche Rechtfertigungsbegriff, der von Christus absieht, ungenügend ist. Darum ist mir Ihre Anlehnung an Herrmanns „Lebensvorgang“ nicht lieb. Man kann nicht biologisch sprechen, ohne der Biologie zum Opfer zu fallen. Es sei denn, dass man wie Joh. dem Leben im Wort das Gegengewicht schaffe. Aber Ihr Sprechen von der Kinetik, vom Akt usw. ist mehr romantisch als transzendental, also mehr mystisch als gläubig gedacht. Mit solchen Ausdrücken fallen Sie eben notwendig der Psychologie anheim, alles Sträuben hilft da nichts, und die Kategorie „unbewußt“ schützt Sie nicht im geringsten. b) Damit steht nun das andere im engsten Zusammenhang: Was „da“ ist, braucht nicht mehr zu kommen. Die Spannung bleibt nur dann, wenn das „da“ immer nur ein absurdes ist, „da“ mitten im Sünderleben, „da“ in der Unkenntlichkeit, das „da“ der Rechfertigung. Hier gilt es die Sphären auseinanderzuhalten: die Glaubenssphäre und die Tatsphäre, den Indikativ und den Imperativ von Römer 6. Heiligung, sichtbare Kirche, Geschichte, auch christliche Geschichte ist die Sphäre nicht des Indikativs sondern des (freilich vom Indikativ bestimmten) Imperativs. Die Sphäre der „guten Werke“. Wird diese Unterscheidung nicht gemacht, so ist es rein unmöglich, der Eschatologie eine andere Bedeutung als die Schleiermachersche: Vollendung der Kirche einzuräumen – und das ist alles andere eher als biblische Eschatologie. Sehen Sie, verehrter Freund, gerade hier scheint mir nun heute die Entscheidungsfrage, wie damals zwischen Erasmus und Luther. Ein Schaeder hat trotz allem Reden von theozentrisch nichts gemerkt; er steckt noch bis über die Ohren im Schleiermacherschen Subjektivismus. Ja er sagt es selbst, dass der „grundsätzliche Subjektivismus dieses Reformators der Theologie auf jede Art unüberwindbar“ sei (9) und die Aufgabe der Theologie sei: „den gegenwärtigen endlichen Geist oder das persönliche Bewußtsein von der Theologie auf seinen Gottes- oder göttlichen Geistesbesitz und auf dessen Bedingungen zu untersuchen“ (4). Das ist haarsträubend gottlos geredet. Es kommt alles davon, dass man Idealismus (5) und Psychologismus verwechselt. Ob ihm auch durch mein Kapitel über den Psychologismus die Augen nicht aufgegangen sind? Er kannte damals mein Mystikbuch noch nicht. Ich schreibe Ihnen von Schaeder, weil er Ihre Klippe ist. Bleibt’s bei diesem Theozentrismus, so war alles ein blinder Lärm, und ich gebe keinen Fünfer drum, ob Schaeder oder Frank. Die Fragen sind alle ganz schief gestellt: z. B. lautet sein Gegensatz zum Anthropozentrismus: Los von christozentrischer Einseitigkeit, Berechtigung der Naturtheologie. Als ob nicht der Christozentrismus gerade der stärkste Ausdruck des Theozentrischen wäre!! Nein, die jüngere Generation der Positiven weiß wirklich nichts Rechtes zu sagen: Ich meine diese Seeberg, Grützmacher, Schaeder. Sie haben das schöne Erbe Kählers und Cremers verderbt und hier, lieber Freund, müssen wir gemeinsam, Sie mit Ihren Gaben und ich mit den unsrigen uns zur Wehr setzen. Sie können, was wir nicht können, und wir können vielleicht auch, was Sie nicht können; aber wir sehen deutlich, was wir müssen. Ich spüre noch Ihren festen 120
Handschlag. Er soll gelten. Fest lassen Sie uns zusammenhalten. Ich danke Gott dafür, dass er uns so zusammenführte, es war mir eine rechte Glaubensstärkung. Von Herzen Ihr E. Brunner 2. Postkarte Althaus (Handschrift) Rostock 19. 1. 1925 Mein lieber Freund! Von ganzem Herzen erwidere ich Ihre Anrede. Sie drückt wirklich das aus, was für mich der schönste Ertrag der Züricher Tage ist. Ich wollte nur, wir könnten uns recht oft sehen und sprechen! Wenn man mich (was immer noch nicht entschieden ist!) nach Süddeutschland ruft, dann sind wir einander ja viel näher. Nun haben Sie herzlichen Dank für Ihren lieben, eingehenden Brief. Ich will nur schnell summarisch sagen, worin ich mit Ihnen eins bin (in Bezug auf das, was Sie mir geschrieben haben.) 1.) Dass viel rechtes Luther-Gut bei Calvin treuer verwaltet ist als im Luthertum. 2.) Ihre Warnung vor dem Zeitdenken, dass alles „dynamisch“, „energetisch“ denken will, nehme ich mir zu Herzen. Nur glaube ich nicht, dass Sie Holls Rechtfertigungsbegriff hierher setzen dürfen. Er hat mit verkehrtem Empirismus nichts zu tun. S. Luther 2/3 S. 139. Das „Gerechtmachen“ ist bei Holl doch stark eschatologisch. Wissen möchte ich auch, wie Sie über solche Stellen wie Luthers Erklärung von Psalm 19 in den operationes in psalmos denken, wo er erklärt: Der Mensch, der bisher Gottes Gesetz heimlich haßte, fängt nun, von Gottes Liebe überwunden, an, es heiß zu lieben, er haßt sich selbst u.s.w. – Weiß man denn nicht, dass man glaubt?, dass Gott mir den Glauben abgewann? Ist diese Besinnung Sünde? Ist sie ein aus-dem-Glauben-fallen? Ich komme hierauf nächstens brieflich nochmals zurück. Ich getraue mich, die beiden Sätze: „der Glaube will (und darf) nicht um sich wissen“ und „der Glaube weiß um sich“ zugleich zu vertreten und zwar dienen beide zur Ehre Gottes, in verschiedener Beziehung. 3.) Ihre Einwendungen gegen die biologischen Kategorien meiner „Theologie des Glaubens“3 sind mir sehr wichtig und werden noch bedacht. – Sowie Sie Ihre Reise hinter sich haben, schreibe ich Ihnen mehr. Für heute nur noch einen herzlichen Gruß aus der Freude daran, dass wir uns gefunden haben. Für Ihre Reise alles Gute! Herzlichst Ihr P. Althaus
3 Vgl. oben Anm. 2.
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3. Postkarte Paul Althaus (Handschrift) Rostock, 23. 1. 1925 Mein lieber Freund, trügt mich mein Gedächtnis nicht, dann sind Sie heute in Marburg und mir darum räumlich bis auf 650 km nahe gerückt. Hoffentlich wagen Sie bald auch einmal den Sprung bis an die Ostsee. Schrenk sandte mir heute einen Zeitungsbericht über Ihre Antrittsvorlesung. Mir scheint der Bericht gut, denn ich erkenne Sie (gerade auch nach dem Aufsatz: Das Problem der Philosophie bei Kant und Kierkegaard)4 wieder und empfinde aufs Neue das uns Gemeinsame froh. Die positive, vorbehaltliche Wertung des „Gesetzes“ (der Geschichte, der „Kultur“) darf ich nach Ihrem Buche im Stillen ergänzen, sie gehörte ja nicht in diesen Vortrag. Bei meinen Studien zum Schleiermacher-Seminar lese ich nebenher Ihr Buch5 nochmals eingehend und Sie müssen es sich nun gefallen lassen, von Zeit zu Zeit, eine Fragekarte zu bekommen. Also dieses Mal zur Christologie. Ich stimme Ihrem Kap. 9 in allem Wesentlichen dankbar zu. Nur zwei Fragen: 1) Zu S. 214: Fein, wie Sie unsere Christusbeziehung aus der nur historischpsychologischen Dynamik herausheben. Aber besteht, wenn Christus die Wahrheit, die Vergebung ist, ein „Kausalverhältnis“ nicht doch auch für uns insofern, als es uns zu doOkoi I Wq. macht, zwingt, bewegt zum Gehorsam, zum Glauben? Müßte das nicht auch ausgesprochen sein, damit S. 214 Z. 14 – 12 von unten nicht mißverstanden werde? In diesem Zusammenhang will ich nochmals gestehen, dass ich die Formel: Der Glaube keine psychologische Wirklichkeit – nicht ganz verstehe und teile. Helfen Sie mir da bitte noch einmal nach. 2) Zu S. 224 oben: Sie stellen da alles auf Jesu geschichtliches Auftreten „mit absolut göttlichem Autoritätsanspruch“. Hier hätte ich große Lust, zumal angesichts der Anmerkung 1, Sie des Historismus zu zeihen. Jedenfalls scheint mir hier Vorsicht geboten. Es meldet sich doch sofort die Frage: Warum beugen wir uns diesem Anspruch? Jedenfalls doch nicht einfach, weil er erhoben ist. Historisch möchte ich nicht mit Ihrer Zuversicht sagen, dass Jesus „sich selbst Gottes Sohn nannte.“ Das „die Beglaubigung nur in sich selbst tragende Wort“ (273 unten) ist doch nicht sein Anspruch als etwas für sich, sondern Er, zu dem gewiß dieser Anspruch hinzugehört. Aber ich höre den Anspruch, auch wenn ich der historischen Echtheit der großen Sohnes-Worte skeptischer gegenüber stehe. Ich grüße Sie und Ihre Frau herzlich, Ihr P. Althaus 4 Emil Brunner, Das Grundproblem der Philosophie bei Kant und Kierkegaard. In: Zwischen den Zeiten. Bd. 2 (1924), Heft 6, S. 31 – 46. 5 Emil Brunner, Die Mystik und das Wort. Der Gegensatz zwischen moderner Religionsauffassung und christlichem Glauben, dargestellt an der Theologie Schleiermachers. (IV, 396 S.) Tübingen 1924; 2. stark veränderte Auflage (VII, 399 S.), Tübingen 1928.
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4. Brief Brunner (Masch.-Schrift) Klusdörfli (so heißt es jetzt) 27. 1. 25 Lieber Freund! Gestern bin ich glücklich von einer Deutschland-Aventüre heimgekommen und fand da Ihre beiden Karten vor, die mich herzlich freuten. Ich will mich beeilen, Ihre Fragen, soweit ich in der Kürze kann, zu beantworten. Zunächst der Bericht: Mir ist’s in Marburg auch nicht gut gegangen. Ich fühlte schon während des Vortrags eine gewisse Müdigkeit von der Nachtreise her und wußte auch gar nicht, in welchem Grad mein Vortrag Verständnis und Echo gefunden habe. Als dann in der Diskussion der Philosoph Heidegger und Tillich, mit vereinten Kräften, über mich herfielen, ohne auch nur das geringste Verständnis für das, was ich wollte, an den Tag zu legen, da fühlte ich, als keine Stimme für mich laut wurde, einfach nicht mehr die Kraft, um mich der beiden Gegner vor einem wie mir schien höchstens neutralen Publikum zu erwehren, und verzichtete auf Gegenrede. In Gießen dagegen errang ich – glaube ich – einen ziemlich unmißverständlichen Sieg gegen Messer und Weidenbach und fand bei den beiden Schmidt und einigen anderen Dozenten großes und dankbares Verständnis. In Tübingen lernte ich endlich Heim kennen – auch Faber und Hauer – und freue mich herzlich über unser Zusammensein. Heim stimmt mir nunmehr wie es scheint in allem Wesentlichen völlig zu. Der einzige ernstzunehmende Gegner, den wir nun haben unter den Systematikern, ist Tillich. Da ist in der Tat ein ganz anderer Geist. Tillich ist außerordentlich gescheit, gewandt und hat eine originelle, ja man darf wohl sagen tiefgründige gnostische Philosophie, die auf die Studenten große Anziehungskraft ausübt. Doch darf man ihn nicht allzu ernst nehmen. Umso wichtiger ist es, dass wir das Kampfbeil begraben und dass unser gutes Einvernehmen auch irgendwie dokumentiert werde. Es wäre doch fein, wenn Sie die Besprechung meines Buches übernehmen könnten. Nun Ihre Fragen: Zu S. 214, mu: Nein, kein Kausalverhätnis. Die gratia efficax ist nur paradox als „Wirkung“ zu setzen, d. h. so, dass Christus zugleich Deus dicit und Deus dixit heißt, also Gleichzeitigkeit mit dem Historischen. Die Beziehung, die wir zum Wort Gottes haben, ist weder die kausal empirische (a posteriori) noch die rational ideelle (a priori), sondern eben die Beziehung neuer Art: Evidenz des Glaubens, die als Beziehung zu ewiger Wahrheit dem rationalem als Beziehung zum geschichtlich gewordenen Gotteswort der historisch-empirischen gleicht, aber zugleich eins durch das andere aufhebt. Wir dürfen Wahrheit nie als Ursache setzen, weil wir sonst sofort in Magie geraten (sofern wir nicht, wie Schleiermacher alles relativieren). Subjektiv zeigt sich dies eben darin, dass wir von unserem Wiedergeborensein nie so direkt sprechen können, wie von etwas, das „Wirkung“ einer 123
Ursache ist. Was am Glauben psychologisch ist, ist konstatierbar und eo ipso relativ, also nicht der rechtfertigende Glaube. Zu 224 zugegeben: so geht es nicht. Wir können so als theologische Historiker sprechen, aber nicht als Systematiker. Wir dürfen nicht hinter das Christuszeugnis der Apostel zurückwollen. Ihre Kritik trifft zu, ich habe diese Position schon seit längerer Zeit verschoben, in der Richtung, die Sie selbst andeuten. Endlich: der Glaube will und darf nicht um sich wissen – das genügt nicht. Es muß gesagt werden: der Glaube kann nicht um sich wissen, oder vielmehr: ich kann nicht. Gott allein kann es. Aber: der Geist gibt Zeugnis unserem Geist. Der Satz: Christus hat mich überwunden, ist nur wahr, wenn die Gewißheit beim Wort: Christus einhakt und sich von dort zum Prädikat herabläßt, nicht aber, wenn (wie bei Schaeder) beim Subjektiven eingesetzt wird und daraus auf Christus als die Ursache oder den Grund weiter gedacht wird. Der Befund spricht immer gegen Christus, auch der Glaubensbefund, so sehr es auch nur der Glaube sein kann, der Christus gegen meinen Glauben geltend machen kann. Auf Ihren Brief freue ich mich. Hoffentlich kommt’s in Erlangen zum Klappen. Mit herzlichen Grüßen, auch von meiner Frau, Ihr E. Brunner 5. Postkarte Althaus (Handschrift) Rostock, 24. 5. 1925 Mein lieber Freund! Zunächst ein Wort herzlicher Mitfreude an Ihren D. theol.! – Seit zwei Monaten brennt es mir auf der Seele, Ihnen einen Brief zu schreiben. Aber Sie wissen wohl, dass ich „böse Zeit“ gehabt habe. Von Ende Februar bis 9. April lag mein Vater sterbenskrank. Ich bin mehrere Male zwischen hier und Leipzig hin und her gereist, war wochenlang in Leipzig. Dann kam Gründonnerstag das Ende. Aber die Beerdigung war an Ostern! Dazu fiel die Entscheidung für Erlangen. Ich mußte einmal in Wohnungssachen hin usw. Möchten Sie durch mein Schweigen nur nicht an mir irre geworden sein! Ihr lieber Brief vom 27.I. liegt vor mir. Ich habe ihn jüngst, als ich den Vortrag über „Die Krisis der Ethik“6 druckfertig machte, noch wieder sorglich durchgelesen. Wenn das Heftchen erscheint, sende ich es Ihnen. Sie merken dann sicher, dass ich Ihnen noch weiter entgegengekommen bin. Gar zu gerne hätte ich über Ihren Schleiermacher noch geschrieben, schon um unsere Freundschaft öffentlich kund zu tun (NB: auch Barth will ich von jetzt ab besser behandeln). Aber wie sind dann meine Ferienwochen hingegangen!! Sie werden verstehen, dass ich nichts leisten konnte. Den eschatologischen Aufsatz in der
6 Paul Althaus, Die Krisis der Ethik und das Evangelium. (Stimmen aus der deutschen christlichen Studentenbewegung 41) Berlin 1926.
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Zeitschrift für Systematische Theologie7 hätte ich Ihnen gesandt, wenn ich nicht wüßte, dass Sie die Zeitschrift halten. Soll ich Ihnen mein erstes Predigtbändchen schicken?8 Ich tue es, wenn Sie mir versprechen, dass Sie die eine vaterländische Predigt zunächst überschlagen wollen. In diesen Tagen habe ich auf zwei Gelegenheiten, mit Ihnen zusammen zu sein, verzichten müssen: Münchener Tagung der Luther-Gesellschaft im Juli und Stuttgarter Tagung des Eisenacher Bundes im Oktober. Zu schade!! Aber ich kann beide Male nicht. Im August ziehen wir nach Erlangen. Dann bin ich Ihnen jedenfalls so nah, dass Sie mich von Stuttgart aus besuchen müssen! Was macht von Bodelschwingh? Grüßen Sie ihn von mir, auch G. Schrenk. Ich schreibe Ihnen bald wieder. Auch Ihrer Frau einen herzlichen Gruß und nicht zuletzt grüße ich Sie selber herzlichst Ihr P. Althaus 6. Brief Brunner (Masch.-Schrift) Klusdörfli, den 27. 5. 1925 Lieber Freund, lange Zeit habe ich nichts mehr von Ihnen gehört. Da ist mir nun die eben beendete Lektüre Ihres Aufsatzes über Heilsgeschichte und Eschatologie willkommene Gelegenheit, das Gespräch wieder aufzunehmen. Ich habe Ihren Aufsatz mit großem Interesse und mit freudiger Zustimmung fast in allen Teilen gelesen. Einige besonders glückliche Formulierungen habe ich mir wörtlich notiert, und möchte sie gern mir für immer einprägen. „Die Geschichte ist wohl die Stätte unbedingter Entscheidungen, aber nicht absoluter Scheidung.“ „Die Verlorenheit der Welt läßt sich in ethischer Geschichtsbetrachtung nicht ablesen.“ Solche Monographien sollten wir noch viele haben. Nur etwas hat mich, gerade im Hinblick auf die Trefflichkeit Ihrer Ausführungen, ein wenig gestört: der Gedanke, dass Sie, der Vertreter dieser Gedanken, sich bis jetzt immer nur als Gegner unserer Theologie vorgestellt haben, während doch die entscheidenden Gedanken gerade dieses Aufsatzes solche sind, die Sie, im Unterschied und sogar Gegensatz zu der Theologie, aus der Sie geschichtlich herkommen, mit uns gemeinsam haben. Diese Art Geschichtsbetrachtung ist nicht die Kählers oder Hoffmanns oder Schlatters. Das ist die „dialektische“, die Sie noch vor einem Jahr so heftig bekämpft haben. – Das heißt eben doch nicht die, die Sie bekämpft haben, sondern die, die Sie zu bekämpfen meinten – im Interesse für die Geschichte. Erlösung nicht in sondern vor der Geschichte (646), das ist der Satz in meinem „Erlebnis –
7 Paul Althaus, Heilsgeschichte und Eschatologie. In: ZSystTheol. Bd. 2 (1924/25) S. 605 – 676. 8 Paul Althaus, Predigten. Gütersloh 1924.
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Erkenntnis …“9, der gerade in den Kreisen der Kähler-Schüler dem größten Widerstand begegnete, so gut als er von den mehr idealistisch gerichteten Theologen als Ketzerei abgelehnt wurde. In allen entscheidenden Punkten gehen Sie mit uns einig, – viel einiger, als mit irgendeiner jetzt vertretenen theologischen Richtung, aber jedermann hält Sie noch für unseren Hauptgegner. Glauben Sie nicht auch, verehrter Freund, dass es der Sache dienen würde, wenn hier eine Aufklärung erfolgte? Dieses eschatologische Sehen ist ja eben das, was wir wollen, für das wir kämpfen – bei allerlei Differenzen im Einzelnen, die aber lange nicht so groß sind, als etwa die zwischen Ihnen und Lütgert oder Brunstäd! Aber Ihr Name wird in erster Linie genannt, wenn man auf die Gefährlichkeit, die Unmöglichkeit der „Barth’schen Theologie“ besonders gewichtig hinweisen will. Vielleicht sind Sie sich dieser Tatsache nicht so bewußt, in dem Ihnen Ihr Aufsatz über Barth mehr Klärung als Kampf bedeutete.10 Aber ich bin schon oft darauf aufmerksam geworden, wie Ihr Aufsatz die Hauptwaffe gegen uns sein muß. Zwischen jenem Aufsatz und dem jetzigen liegt ja freilich eine ziemliche Wegstrecke, aber der gewöhnliche Leser merkt das nicht. Das müssen Sie ihm schon extra sagen. Wenn ich noch ein Wort über die mich betreffenden Anmerkungen11 hinzufügen darf: S. 640: Es ist doch wohl ein Mißverständnis, dass ich den Schleiermacher’schen Evolutionismus erst im Namen des Antichristgedankens ablehne. Sie haben wohl, als Sie das schrieben, meine Ausführungen im 9., 10., 11. und vor allem im 14. Kapitel (III und IV) nicht in mente gehabt.12 Es konnte mir ja wirklich nicht einfallen, Schleiermachers Geschichtsoptimismus mit einer anderen Geschichtsbetrachtung zu schlagen, weil ich seinem geschichtlichen Denken grundsätzlich widerspreche. Auch mein Geschichtsdualismus ist nur als Parenthese zu verstehen. Grundsätzlich stehe ich dort, wo Sie stehen und nicht bei Rothe oder Auberlen. In der zweiten Anmerkung versprechen Sie eine Auseinandersetzung mit meiner Auffassung der Geschichtsphilosophie. Auch hier möchte ich Sie bitten, zu erwägen, ob dazu das Material hinreicht. Zum Problem der Geschichtsauffassung als Ganzem habe ich mich noch nicht geäußert, sondern bloß über Geschichtsphilosophie, in dem Sinn wie Tröltsch im Historismus das Wort im Unterschied zu aller christlichen (besonders der augustinischen) weil nicht aus Philosophie sondern aus Glauben stammenden Geschichtsbeurteilung bestimmt. Es ist mir damit merkwürdig gegangen. Erst nachdem ich jenes Kapitel geschrieben, habe ich entdeckt, dass das Gleichnis vom Unkraut 9 Emil Brunner, Erlebnis, Erkenntnis und Glaube (VII u. 127 S.) Tübingen 1921; 2./3. neubearbeitete Aufl.1923; 4./5. Aufl. 1933. 10 Paul Althaus, Theologie und Geschichte. Zur Auseinandersetzung mit der dialektischen Theologie. In: ZSystTheol. Bd. 1 (1923/24), S. 741 – 786. 11 Es geht um Details aus dem Aufsatz von Paul Althaus über Heilsgeschichte und Eschatologie vgl. oben Anm. 7. 12 Emil Brunner verweist auf sein Buch „Die Mystik und das Wort.“ vgl. oben Anm. 5.
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und Weizen schon von Augustin und in seiner Nachfolge von einer Reihe von christlichen „Geschichtsphilosophen“ als biblisches Hauptthema gebraucht wurde. Da dieses den Unterschied des eschatologischen Glaubens-Denkens im Gegensatz zu aller Philosophie ausdrückt, möchte ich also sagen: wo immer nach diesem Schema gedacht wird, haben wir nicht Geschichtsphilosophie, sondern die Geschichtsbetrachtung des Glaubens. Dass aber meine eigenen Ausführungen mehr nur den Wert einer kontrastierenden Folie gegenüber allem geschichtsphilosophischem Monismus als eine christliche Theorie der Geschichte sein wollen, wird Ihnen wohl kaum entgangen sein. Bin ich richtig berichtet, dass Sie nun wirklich nach Erlangen kommen? Damit wären wir uns also um einige hundert Kilometer näher gerückt. Das würde mich herzlich freuen. Lassen Sie wieder mal von sich hören. Mit herzlichen Grüßen Ihr E. Brunner 7. Brief Althaus (Handschrift) z. Z. Leipzig, den 5. Juni 1925 Lieber Freund! Vor mir liegen Ihre beiden lieben Briefe vom 23. und 28. Mai. Ich danke Ihnen herzlich. Als erste Antwort habe ich Ihnen durch den Verleger meine Predigten zusenden lassen (hoffentlich sind sie schon angekommen) und sobald ich wieder in Rostock bin, schicke ich Ihnen das frühere Bändchen, „Der Heilige“.13 Nun zu dem für mich so wichtigen Inhalt Ihrer Briefe. Auch ich spüre, dass ich Barth und Ihnen allen viel näher stehe als mein damaliger Barth-Aufsatz selber meinte und bei den Zuschauern den Eindruck erweckte. Besonders der Besuch in Zürich und das Zusammensein mit Ihnen hat mich die theologische Lage neu sehen lassen. Ich habe das auch sogleich meinen Studenten im Kolleg und Seminar gesagt. Irgendwie muß das auch öffentlich zum Ausdruck kommen. Aber da ist nun eine Schwierigkeit. Barth und Sie sind nicht einfach die gleiche Theologie. Sie äußerten in Zürich über meinen Barth-Aufsatz, dass ich in einigem schwache Punkte bei Barth gesehen und getroffen habe. Ich erinnere an die Frage der Heils-Geschichte, des Gerichtes Gottes usw. So wäre es mir doch das Liebste, wenn Barth erst das Wort nähme und entweder seine von mir angegriffenen Positionen speziell für mich aufs Neue begründete oder mir zeigte, dass und wo ich ihn mißverstanden beziehungsweise (was ich heute ohne weiteres zugebe) nicht vollständig zur Geltung gebracht habe. Dadurch würde es mir erleichtert, unsere Gemeinsamkeit in einem neuen Aufsatze darzustellen. Ich fühle diese Gemeinsamkeit auch da, wo ich den theologischen Ausdruck bei Barth vorerst ablehnen muß. Seit ich Sie kenne, 13 Paul Althaus, Der Lebendige. Predigten. Gütersloh 1924; Paul Althaus, Der Heilige. Rostocker Predigten. Gütersloh 1921 (2. Aufl. 1922, 3. Aufl. 1925).
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seit ich von Ihnen hörte, dass die neue Theologie Worte selber erst sucht, stehe ich Ihnen allen innerlich viel freier und aufgeschlossener gegenüber als in dem damaligen Aufsatze. (Was sagen Sie übrigens zu Heinzelmanns Aufsatz über Barth?) In der Wertung der Geschichte bleibt, glaube ich, doch ein Unterschied zwischen uns. Ich empfinde ihn am stärksten in der angewandten Ethik (Volk, Staat, Krieg, usw.). Was Sie zu meiner Behandlung des ethischen Problems, besonders des Chiliasmus, schreiben, beschäftigt mich sehr. Ich möchte mit Ihnen über diese Dinge reden. Bisher hat alles, was von religiös-sozialer Seite mir gesagt wurde, mir keinen Eindruck gemacht. Aber Sie sind anders. Ich warte eigentlich auf den, der mir hier weiter hilft. Ragaz’ neueste Bücher haben mich tief enttäuscht. Ich würdige das persönliche Ethos in ihnen, finde sie aber theologisch ziemlich jämmerlich. Vielen Dank für Ihre Richtigstellungen zu meinen Sie betreffenden Anmerkungen in „Heilsgeschichte und Eschatologie“. In der neuen Fassung, die ich für die zweite Auflage der „Letzten Dinge“ schreibe, ändere ich an den Stellen. Der Unterschied zwischen Geschichts-Philosophie und Geschichtsauffassung des Glaubens ist in der Tat entscheidend. Ihre wesentliche Zustimmung zu dem eschatologischen Aufsatz war mir eine sehr große Freude. Und das Urteil Bodelschwinghs über die Rostocker und Züricher theologische Luft hat mir recht wohl getan. Ich freue mich unserer theologischen und persönlichen Gemeinschaft und will noch viel von Ihnen lernen. Im Voraus herzlichen Dank für Ihre angekündigte Schrift! Ich schreibe Ihnen gleich nach der Lektüre dazu. Ob Sie wirklich damit recht haben, dass von Holl und Hirsch keine Brücke zu Ihnen allen führt? Ich kann es noch nicht glauben. Auch Brunstäd denkt freundlich über Sie. Wo empfinden Sie Hirsch gegenüber den tiefsten dissensus? Kennen Sie sein Schriftchen über den „Sinn des Gebetes“? Ich möchte glauben, dass Hirsch z. B. mit meinem eschatologischen Aufsatz genauso einverstanden ist – in der Hauptthese – wie Sie. Sie müßten sich mit ihm auch einmal treffen und sprechen – ich erwarte vieles davon. Gogartens neuere Äußerungen (z. B. Nachwort zu De servo arbitrio) vernehme ich mit Freude. – Nun grüße ich Sie herzlich. Sie hören bald mehr von mir. Ihre Freundschaft zählt für mich zu dem Schönsten, das dieses sonst schmerzliche Jahr mir bisher gebracht hat. Und ich verspreche Ihnen: sie soll auch nicht Geheimnis bleiben, sondern sich auch in der theologischen Gruppierung auswirken. Ich schreibe dieser Tage an Barth und schlage ihm einen modus des Gesprächs zwischen uns vor. Von Erlangen nach Zürich ist nicht weit – ich freue mich. Grüßen Sie Ihre liebe Frau und seien Sie selber nochmals gegrüßt von Ihrem P. Althaus
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8. Brief Brunner (Masch.-Schrift) 15. 7. 1926 Verehrter lieber Herr Kollege, Sie hatten die große Freundlichkeit, mir Ihre Eschatologie in neuer Auflage zukommen zu lassen.14 Ich danke Ihnen recht herzlich für diese Aufmerksamkeit und für die wertvolle Gabe. Bis jetzt bin ich erst zu einer wenig gründlichen Lektüre gekommen und muß die gründliche für das nächste Semester versparen. Dass wir im Wesentlichen nicht weit auseinander sind, wissen Sie ja. Ich kann darum das meiste in Ihrem Buch mit Freude und Zustimmung lesen. Mein gewichtigster Widerspruch würde sich gegen die Verwendung des Begriffs axiologisch erheben. Der christliche Glaube besteht nicht in einer Spannung zwischen dem axiologischen und dem teleologischen, sondern in einem Haben des Heils, das als solches zugleich ein Nicht-Haben ist. Denn es ist das Haben der gewissen Hoffnung. „Wiedergeboren zu einer lebendigen Hoffnung“ – das ist der Besitz und Ruhezustand des Christen. Alles was der Glaubende hat ist von dieser Art; auch die Vergebung ist ja: Zulassung zur göttlichen Erbschaft. Dieses Haben ist das froh Machende, Starke, Wirksame, das neue Leben in dieser Welt. Dann fällt aber auch der Anlaß dahin, die Eschatologie als Postulat aus dem Glauben aufzufassen. (60) Hat man das Wort als gewisse Verheißung, – und nichts anderes, verbum solum habemus –, so braucht es da kein Postulat mehr. Man hat die Zukunft; und das Haben der Zukunft ist das Einzige, was der Glaube hat. Aber das ist das neue Leben. Darum ist die Zukunftsgewißheit dasselbe, wie die Heilsgewißheit, dasselbe wie die Christusgewißheit, die Vergebungsgewißheit, sie ist identisch mit dem Glauben selbst. Es ist, so scheint mir, nur noch eine dünne Wand, die uns trennt. Vielleicht fällt es Ihnen leichter, sie zu durchbrechen, wenn Sie erst von unserer Seite einmal die Freudigkeit des Habens in evangelischer Deutlichkeit vernommen haben, während es bei uns jetzt noch oft so aussieht, als „habe“ man überhaupt nichts Gewisses. Das ist ein Mißverständnis, aber wahrscheinlich sind wir selbst nicht unschuldig daran. Mit Ihrem Freunde Hirsch habe ich dieser Tage eine Kontroverse gehabt. Sie haben vielleicht gesehen, dass er von mir (Idealism., S. 46, Anm.) auszusagen wagt, in philosophischen Bedingungen behaupte ich oft „blanken Unsinn“15. Als Beweis dafür gibt er an, ich behaupte, dass Fichte’sche Ich sei die Reflexion. Ich habe natürlich nicht versäumt, Herrn Hirsch sofort z. T. durch wörtliche Zitate zu zeigen, dass dies in der Tat die Meinung Fichtes sei, dass also wenn jene Behauptung „blanker Unsinn“ ist, das nicht mich, sondern 14 Paul Althaus, Die letzten Dinge. Entwurf einer christlichen Eschatologie. 3. neu bearb. Aufl. Gütersloh 1926. 15 Hirsch, Emanuel, Die idealistische Philosophie und das Christentum. Gesammelte Aufsätze. Studien des Apologetischen Seminars. Heft 14. Gütersloh 1926, S. 46.
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Fichte trifft, resp. den, der jenen Vorwurf erhebt. Hirsch hat mir in zweideutiger Weise geantwortet. Schade, dass dieser treffliche Historiker sich in den Kopf gesetzt hat, er sei auch ein trefflicher Philosoph, was er wirklich nicht ist, und sich sogar herausnimmt, andere, die wirklich mehr als er von Philosophie verstehen, zu schulmeistern, ganz abgesehen von dem Ton, in den er immer verfällt, wenn er es mit uns zu tun hat. Können Sie nicht Ihren Einfluß etwas geltend machen, dass Hirsch etwas anständiger wird? Es ist ja auch schade um seine wirklich großen Kenntnisse. Sein Idealismus-Buch bringt freilich nichts Neues, aber es ist doch eine brauchbare Darstellung. Kommen Sie wohl bald wieder einmal in die Schweiz? In diesem Fall vergessen Sie nicht das Klusdörfli, wo man Ihren Besuch noch in bester Erinnerung hat. Mit herzlichen Grüßen und Wünschen für die Ferien Ihr E. Brunner 9. Postkarte Brunner (Handschrift) vom 3. 12. 1926 Lieber Herr Kollege, ich möchte Ihnen wieder einmal einen Gruß über den Bodensee hinüber zusenden. Ich habe eben Ihren Aufsatz über den evangelischen Gottesdienst16 gelesen, der sich im Ganzen und vielem Einzelnen so stark mit dem [deckt], was ich (ich bin ja auch praktischer Theologe in Z!) in den letzten Wochen selbst vorgetragen habe, dass ich mich aufs Neue der Gemeinsamkeit unserer Arbeit freue. Ich sehe gar nicht ein, warum nicht ein rechter Reformierter z. B. an einem Löhe seine große Freude haben sollte. Ich kann sogar Ihre charakterist. und spezif. lutherischen Ausführungen am Schluß ohne eigentlichen Widerspruch lesen, nur würde ich da pädagogische Zeitgründe dagegen geltend machen. Wenn nur der Primat des Wortes gewahrt wird (und zwar wortwörtlich genommen!), dann mag der Liturge mithelfen, soviel er nur will. – Mit herzlichen Wünschen für die kommenden Festtage und das Neue Jahr (entschuldigen Sie diese Prolepse!) Ihr E. Brunner 10. Postkarte Althaus (Masch.-Schrift) Erlangen, den 4. Dez. 1926 Lieber Freund! Für Ihren freundlichen Gruß muß ich Ihnen doch sogleich herzlich danken. Es bedeutet viel für mich, dass Sie wesentlich meinem Aufsatze zustimmen. Es gibt mir neue Hoffnung, dass Sie samt Ihren Freunden und ich miteinander gehen werden. Ob wohl auch Thurneysen, dessen Be16 Paul Althaus, Das Wesen des evangelischen Gottesdienstes. In: ZSystTheol. Bd. 4 (1926/27), S. 266 – 308.
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sprechung Fezers m. E. nicht gerecht war, mit meinem Aufsatze einverstanden sein wird? Ich bin tief in Ihrer Schuld. Sie hatten mich durch mehrere Briefe und durch zwei wertvolle Zusendungen erfreut. Haben Sie für alles herzlichen Dank und nehmen Sie mir mein langes Schweigen nicht übel – das erste Erlanger Jahr brachte Arbeit fast über meine Kraft. Wir haben hier jetzt 250 Theologen! Manche Grüße sind zwischen Zürich und Erl. hin und her gegangen! Als ich Ihre „Abs. Jesu“ erhielt, saß ich gerade an Vorträgen über Mission und Religionsgeschichte und war auf das Freudigste über unsere geradezu wörtliche Zusammenstimmung in den entscheidenden Gedanken bewegt. Und nun ist inzwischen Ihre Rel. Phil.17 gekommen. Ich habe sie bisher nur flüchtig anlesen können und warte auf die Weihnachtsferien, wo ich Ihnen dann auch eingehend schreiben werde. Ich sehe schon, was für eine große Arbeit in dem Buche steckt. – In Sachen Hirsch habe ich mit H. eingehend geredet und ihm nicht verhehlt, dass ich Anmerkungen, wie die von ihm gemachte, nicht liebe. Aber auch Ihr Briefwechsel tat mir, der ich Sie beide liebe und verehre, leid. Sie sind sich ja im letzten Wollen gar nicht konträr. Ich möchte Sie einmal bei mir im Hause zusammenbringen!! – Wie geht es Ihnen und den Ihrigen? Grüßen Sie Ihre Gattin recht von mir und seien Sie selber zum Advent herzlich gegrüßt von Ihrem P. Althaus 11. Postkarte Althaus (Handschrift) Erlangen, 15. 5. 27 Lieber Freund, ich habe in dieser Woche für meine Dogmatik I Ihre Religionsphilosophie gelesen. Wie hoch ich sie stelle, kann ich nur so ausdrücken: sie hat mir viel Not gemacht. Ich stand vor der Frage, meine Dogm. I wesentlich umzubauen.18 Dazu ist es nun zwar nicht gekommen, aber den Paragraphen über das Wesen der Religion, die „Selbständigkeit der Religion“ und so weiter, also das neukantisch = Stange’sche Erbe habe ich abgestoßen. Und es wird nicht im Widerspruch zu Ihnen (siehe S. 8 oben) stehen, wenn mein erster Paragraph (nach methodischen) jetzt heißt: Die Gottesfrage. Eher werden Sie den Kopf schütteln, wenn der 2. auch jetzt noch lautet: Die Selbstbezeugung Gottes, und nun doch noch nicht von der „Offenbarung“ handelt. Eine theologia naturalis lehne ich ab, denn alle Gewißheit Gottes, auch die außer Christo, ist Geschenk, kontingent. Ich kann nur die Wirklichkeit beschreiben, an der Gott sich Menschen bezeugt hat. – Darauf zeige ich wieder die Frage und das Ungelöste (der „Zorn“) in dieser Selbstbezeugung und setze dann mit dem Evangelium ein. Das ist mein jetziger Gang nach innerer Auseinandersetzung mit Ihnen. Besonders dankbar bin ich Ihnen für 17 Emil Brunner, Religionsphilosophie evangelische Theologie, in: Handbuch der Philosophie, Abt. II, Bd. 6, (99 S.) München Berlin 1927. Darin Absatz 3 bei „Natürlicher Theologie“. 18 Paul Althaus, Grundriss der Dogmatik. I. Teil. Erlangen 1929.
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Ihre Abgrenzung gegen die Orthodoxie – zumal ich da bei Barth und vollends bei Bultmann einiges finde, was mir nicht geheuer ist. Ich bin Ihnen im Ganzen Ihrer Religionsphilosophie sehr nahe. Was mich trennt, ist meine Anerkennung von Schlatters Dogmatik I in wesentlichen Zügen. Wie geht es Ihnen? Wir haben große Sorge, da meine Frau zwei Wochen an eitriger Bronchitis und Lungenentzündung lag. Jetzt „Deo gratias“! Besserung. – Mein Ziel ist, Sie und Hirsch einmal in meinem Hause zu versammeln, in einem Zimmer, drei Tage lang. Es geht nicht an, dass Bultmann und er wie höfliche Großmächte miteinander verkehren, dass Sie und er wie homerische Helden. Sachlich ist das nicht voll begründet. Ihm liegt an der Ira Dei bei Luther nicht weniger als Ihnen, siehe Punkt „Luthers Gottesanschauung“. Verstehen Sie doch, dass ihn sein Historiker-Gewissen bei Th. Harnack stört. Er schätzt das Buch im Übrigen sehr. Also: Ich fange Sie beide einmal. Herzliche Grüße Ihr Paul Althaus 12. Postkarte Brunner (Handschrift) 14. 11. 1927 Verehrter lieber Herr Kollege, haben Sie herzlichen Dank für Ihre wertvolle und liebe Gabe. Ich habe bis jetzt erst den Aufsatz über Luther und den Bauernkrieg19 lesen können. Ich stimme Ihnen grundsätzlich völlig zu, die Vorzüge der Darstellung hervorzuheben ist wirklich überflüssig. Sie sind ja gerade in solchen Darbietungen ein Meister in Israel und doch komme ich nicht drum herum, dass da durch Luthers Mitschuld etwas schief gegangen ist, und ich kann mir sogar denken, dass Sie diesen Gedanken nicht mehr ganz so zurückweisen wie vor zwei Jahren. Der Prophet Luther ist auch hier groß; das haben Sie gezeigt. Der Mensch Luther aber hat hier wie andernorts durch seine Maßlosigkeit der guten Sache geschadet. Das dürfen wir, scheint mir, nicht in Abrede stellen. Wissen Sie, ich liebe Luther auch in seinem Furor und verteidige ihn gegen alle Edelmenschen, aber ..! Nicht wahr, ich darf Sie, angesichts der jetzigen Tendenz, Luther gegen Calvin auszuspielen, darauf behaften: quod non. Ich hoffe, Sie werden ein kräftiges Zeugnis dieser Gesinnung in meinem jetzt in Druck befindlichen Christusbuch (Der Mittler)20 finden. Herzlich Ihr E. Brunner Ich hoffe von Herzen, Ihre Gattin habe sich inzwischen richtig erholt.
19 Paul Althaus, Luthers Haltung im Bauernkrieg. Ein Beitrag zur lutherischen Sozialethik. In: Luther Jahrbuch 7 (1925), S. 1 – 34: auch in: Paul Althaus, Evangelium und Leben. Gesammelte Aufsätze. Gütersloh 1927, S. 144 – 190. Überarbeitet: Tübingen 1952, nachgedruckt Darmstadt 1958, 1962, 1969 und 1971. 20 Emil Brunner, Der Mittler. Zur Besinnung über den Christusglauben. (X, 565 S.) Tübingen 1927; Zürich 1937.
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13. Brief Althaus (Masch.-Schrift) Erlangen, den 19. Januar 1928 Lieber Freund, also ich übernehme gerne die Besprechung Ihres Buches, aber nicht wie Sie (wohl versehentlich) schreiben in der Z.f.s.Th. [Zeitschr. für systematische Theologie], sondern in der Th.L.Z. [Theologischen Literaturzeitung]. Ich freue mich, dass es Ihnen lieb ist. Meinen Aufsatz sende ich Ihnen erst in einigen Wochen, da noch eine Fortsetzung kommt, die noch beim Setzer ist. Zum Thema Hirsch: Er sprach neulich sehr nett von Ihnen. In der Christologie kann ich mit ihm auch nicht gehen und habe in meiner Vorlesung jetzt sehr stark gegen ihn polemisiert. Freilich mit Barth gehe ich da auch nicht. Meine Christologie ist ungefähr die Heims in Tübingen. Was aber die Differenzen sozialethischer Natur zwischen Ihnen und Hirsch anlangt, so will ich mich da nicht besser machen, als ich bin: ich stehe da, fürchte ich, Hirsch näher als Ihnen. Ich bin aber dankbar, dass Sie das bei mir übersehen. Ich werde Sie in der Frage des natus ex virgine nicht gegen Barth ausspielen, obgleich ich Barths bezüglichen Ansatz einfach schlimm finde. Ich lerne natürlich aus Barths Dogmatik Vieles, aber ich habe aber doch z. B. schon vom methodischen Standpunkte aus starke Bedenken auch gegen die ersten hundert Seiten, obgleich sie auch auf mich Eindruck gemacht haben. Wie kann man von der Dogmatik reden, ohne zuvor von der Theologie gesprochen zu haben? Auch die ausschließliche Beziehung auf die Predigt, so eindrucksvoll sie in der gegenwärtigen Lage sein mag, ist im Ernste nicht haltbar. Die Dogmatik ist ebenso unentbehrlich für die anderen Funktionen der Kirche, die Barth doch selber nennt: die Anbetung, und die Tat. Vor allem geht es mir in der Christologie und Trinitätslehre bei Barth viel zu schnell. Doch genug davon. Ich muß erst einmal ihm selber ausführlich schreiben. Fürchten Sie nicht, lieber Freund, dass ich nicht offenen Ohres auf das höre, was er zu sagen hat. Vorgestern war ich in München, in dem Kreise, den Sie kennen. Ich sprach über mein Züricher Thema, doch wohl schärfer als damals. Kennen Sie übrigens Stanges kleine Schrift aus dem Jahre 1903 über die Heilsbedeutung des Gesetzes (Verlag von Theodor Weicher, Leipzig.)?21 Dort steht das, um des Willen man am Dienstag meinen Vortrag als Annäherung an Barth empfand, in unüberbietbarer Schärfe längst drin. Ich sage das gewiß nicht, um Barths Verdienst zu schmälern, sondern nur um hervorzuheben,
21 Stange, Erich, Heilsbedeutung des Gesetzes. Leipzig / Wiesbaden 1904 (Vortrag gehalten in Königsberg am 24. 11. 1903.
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dass man wesentliche Grundgedanken der reformatorischen Theologie auch bei Leuten wie Stange vor 25 Jahren schon wieder hat lernen können. Lieber Freund, überarbeiten Sie sich nicht! Ich hörte neulich nicht ohne Sorge, dass Ihre Gattin, die ich herzlich zu grüßen bitte, mit Ihnen unzufrieden ist. Und wann werden wir uns wieder sprechen? Herzlich grüßt Sie Ihr P. Althaus 14. Brief Brunner an Althaus (Masch.-Schrift) Klusdörfli 12, 24. 1. 1928 Lieber Herr Kollege, entschuldigen Sie, dass ich Sie nochmals bemühe. Ich muß – schon seit einiger Zeit drängt der Verleger, – und da kann auch die Mahnung der Gattin nichts bewirken – die Mystik und das Wort neu herausgeben, da die Auflage seit einiger Zeit vergriffen ist.22 Nun durchstöbere ich die von mir gesammelten Kritiken nach brauchbaren Winken, finde aber blutwenig. Vielleicht haben Sie sich irgendwo in einem Seminar oder sonst wo darüber geäußert und Ihrer Kritik höre ich gerne zu. Dürfte ich Sie damit behelligen? Ich danke Ihnen für Ihren Brief. Was Sie mir von Hirsch schreiben, freut mich natürlich. Denn so sind wir ja nicht, dass wir Krach lieber haben als Frieden und Freundlichkeit. Ich verkenne auch den sozialethischen Gegensatz zwischen uns beiden nicht, nur meine ich, Sie haben auch in dieser Hinsicht ein offenes Ohr gegen uns hin. Dass Barth von der Predigt allein ausgeht, scheint mir vorderhand ein guter Griff. Denn sie, und nicht der Kultus und nicht die ethische Wirksamkeit begründet die Kirche; denn sie allein ist das themelion apostolon kai propheton. Stanges kleine Arbeit über die Heilsbedeutung des Gesetzes hat mir s. Z. großen Eindruck gemacht, aber es war anno 1923. Wer aber hat damals, als sie erschien, die Tragweite dieser Luther-Gedanken für die Theologie verstanden? Am allerwenigsten Stange selbst, sonst hätte er ganz anders mit seiner Schleiermacherei aufräumen müssen. Kähler und Schlatter, ja. Aber wo waren die Schüler, die ihnen treu geblieben waren? Ich komme immer wieder auf Barth zurück als den Erneuerer, trotzdem ich gewiß das nicht unterschätzen will, was noch von früher da war. Bezzel! In gewissen Grade sogar Holl. Aber B. war einflußlos – im Hinblick auf die theologische Lage – und Holl kam schließlich über Ritschl doch nicht recht heraus. Also, wenn Sie was haben, so schicken Sie mir ein saftiges Stück Kritik. Mit freundschaftlichem Gruß Ihr E. Brunner
22 Die zweite Auflage von: Die Mystik und das Wort… erschien 1928, vgl. Anm. 5.
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15. Postkarte Brunner (Handschrift) 22. 3. 1929 L.Fr., haben Sie herzlichen Dank für Ihr ausgezeichnetes und zeitgemäßes Buch.23 Ich habe es erstmalig gleich in einem Zug durchgelesen und mich vom Anfang bis Ende dran gefreut. Auf die Fortsetzung bin ich gespannt. Ich bin von Calvin aus, den ich erst jetzt recht zu verstehen anfange (Inst. IV, cap 2 u. 3) auf ganz ähnliche Gedanken geführt worden. Gogartens Arbeit erhält von diesem neu entdeckten Luther aus merkwürdige Bestätigung, wie er ja umgekehrt als erster und in einer wie mir scheint beispiellosen Intensität des Denkens sie von Luther aus der Gegenwart gesagt hat. Wie schade, dass es mit der Aarauer-Konferenz nichts wurde; hoffentlich sonst bald einmal! Herzlich Ihr E. Brunner 16. Postkarte Althaus (Handschrift) Erlangen, 25. 7. 29 Lieber Freund! Soeben ist meine Besprechung des „Mittlers“ an E. Hirsch abgegangen.24 Nun kann ich Ihnen endlich wieder frei ins Gesicht schauen. Es hat mich gewurmt, dass es so lange gedauert hatte. Aber ich wollte Ihnen doch die Ehre einer langen und eingehenden Besprechung antun, und dazu kam ich lange Zeit nicht, wegen anderer Pflichten. Nun hat dieses Dogmatik II-Semester, in dem ich Ihren „Mittler“ noch einmal fortlaufend las, endlich das kleine Opus reifen lassen. Ich hoffe, Sie werden mit mir zufrieden sein. Unsere Zusammenstimmung bis in den Ausdruck hinein hat mich immer wieder geradezu überwältigt – unzählige Male steht am Rande: „= ich“. Aber in der Besprechung habe ich außer dem starken Bekenntnis zu dem uns Gemeinsamen (und das ist das meiste) auch eine kritische Erörterung dessen gebracht, worin wir auseinandergehen. Nehmen Sie es freundlich auf! Ich hoffe, die Besprechung erscheint noch im August. Sie schrieben im letzten Herbst so freundlich, ob wir uns, eventuell mit Heim oder auch Hirsch nicht einmal treffen wollten. Damals konnte ich nicht, war auch erholungsbedürftiger als dass ich zu einem guten Gespräch fähig gewesen wäre. Aber wie wäre es in diesem Herbste? Etwa nach Mitte Oktober? Am Bodensee? – Schade, dass Sie der Erlanger Fakultät eine Absage gaben! Ich verstand Sie zwar, hoffe aber, Sie machen uns und mir im W. S. die Freude. Herzlichst grüßt Sie und Ihre Gattin Ihr P. Althaus 23 Paul Althaus, Communio Sanctorum. Die Gemeinde im lutherischen Kirchengedanken. I. Luther. Forschungen zur Geschichte und Lehre des Protestantismus, Erste Reihe, Bd. 1. München 1929. 24 Paul Althaus, Brunners „Mittler“. Zur Aufgabe der Christologie. In: TheolLitZ. 54 (1929), S. 470 – 479, wieder abgedruckt in: Theologische Aufsätze Bd. 2, Gütersloh 1935, S. 169 – 182.
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17. Brief Brunner (Masch.-Schrift) Zürich, 26. 9. 29 Lieber Freund, Sie haben mir mit Ihrer Besprechung eine große Freude gemacht. Haben Sie herzlichen Dank! Ich bin mir, wie Sie beim Lesen meines Buches, beim Lesen Ihrer Kritik wieder unserer theologischen und – ich darf wohl auch sagen – unserer Glaubensgemeinschaft bewußt geworden. Es versteht sich von selbst, dass ich auch von Ihren kritischen Ausführungen gerne lerne und wirklich zu lernen habe. Was Sie über Wiederholungen sagen, unterschreibe ich sans phrase. Doch wird die zweite Auflage, da sie schon bald erscheinen muß, dieser wie anderen richtigen Ausstellungen keine Rechnung tragen können; ich muß auf eine dritte hoffen. Nun einige Gegenfragen und Zustimmungen im Einzelnen: 1. Kähler-Schule. Hierüber möchte ich einmal ausführlich mit Ihnen sprechen. Ich weiß, dass man von jener Seite uns Dialektikern Undankbarkeit vorwirft. Daran mag etwas Berechtigtes sein. Aber: Woher kommt es, dass die Kähler-Schule im Ganzen ohne bestimmenden Einfluß auf die theologische Gedankenbildung blieb? Dass z. B. Heinzelmann und viele andere von der charaktervollen Kählerschen Haltung zu der viel weniger charaktervollen, verschleiermacherten modern positiven Richtung abbogen? Ist es nicht so, dass erst der Stoß von Barth her das wirklich reformatorische Denken zum Durchbruch brachte? Auch die Gedanken Kierkegaards sind eben von dieser Seite her mit ganz anderer Wucht in die Debatte geworfen und aufgegriffen worden als etwa von Heim. Ich meine, dass Heim das selbst auch so auffaßt. Wenn ich darauf Gewicht lege, so meine ich ganz von persönlichen Gefühlen frei zu sein. Es handelt sich mir um die Selbsterkenntnis unserer theologischen Bewegung. Kähler weiß ich mich nahe; seine Schule aber kann ich nicht hoch einschätzen. Und auch Kähler selbst hat die reformatorisch biblischen Gedanken doch nicht genug aus unserer Zeit heraus neu verstanden, um mit ihnen durchzudringen. Wie hat gerade ein Mann wie Stange das Reformatorische mit Liberalismus verwässert. Doch dies sollte einmal vertraulich, und mit Austausch von viel persönlichen Erfahrungen besprochen werden. Ihr Hauptpunkt der Kritik betrifft meine Auffassung des geschichtlichen Lebensbildes Jesu, bzw. seiner Bedeutung für den Glauben. Ich meine, hier haben Sie meine Absicht nicht ganz verstanden. Ich wollte nicht die Entstehung des Glaubens an den Herrn Christus beschreiben, sondern eine Lehre von seiner Person geben. Das hätte man auch „von unten herauf“ tun können, aber das hätte dem Hauptzweck des Buches eher geschadet: Das christologische Dogma als für uns gültig zu erweisen. Vorderhand ist der Schleiermacher-Ritschl-Herrmannsche Irrtum noch zu lebendig, als dass man ohne Gefahr der Verwechslung von unten herauf gehen könnte. Ich will aber Ihre Einwände gegen mein 14. Kapitel gehörig verarbeiten; ich glaube jetzt schon, dass Sie da nicht ganz unrecht haben. Jedenfalls bin ich mit Ihrer Auffassung 136
der Bedeutung des Bildes Jesu ganz einverstanden. Sie haben recht: Das Wer wird nicht ohne das Wie erkannt. Nicht überzeugt haben mich Ihre Einwendungen gegen meine Lehre von der Anhypostasie; aber ich glaube, da sind wir an einem Punkt, wo man fast nicht reden kann ohne zu irren. Person, wollte ich sagen, ist die Einheit der zwei Naturen. Kann die Einheit selbst Zweiheit sein? Ob Sie mit Ihrer Inschutznahme der Lutherischen nicht ebenso Recht haben wie ich in meiner Verteidigung der Reformierten? Das will ich mir ebenfalls ernstlich überlegen. Je näher ich dem Extra Calvinisticum komme, desto mehr werde ich „Relativist“, d. h. ich meine Wahrheit und Irrtum auf beiden Seiten zu sehen. Vielleicht ist dies ein Zeichen dafür, dass wir uns hier zu versteigen im Begriffe sind. Jedenfalls sind mir das – ich glaube im Unterschied zu Barth – quaestiones minores, über die ich mit keinem streiten möchte. Wir haben Wichtigeres zu tun. Gegenwärtig arbeite ich wieder einmal heftig an der Ethik. Ich glaube ich habe Ihnen noch nicht einmal gedankt für Ihren Leitfaden.25 Dieser Entwurf hat mich – nehmen Sie es mir nicht übel – nicht befriedigt. Ich halte den Ausgangspunkt bei einem allgemeinen sittlichen Prinzip für verfehlt und vermisse die entscheidenden christlich-ethischen Kategorien. Doch will ich nun nicht meinerseits eine Kritik anfangen. Dass ich im Übrigen auch hier viel von Ihnen zu lernen habe, versteht sich von selbst. Namentlich bin ich an Gelehrsamkeit Ihnen gegenüber ein Waisenknabe. Ich komme vor lauter immer wieder Neudenken viel zu wenig dazu, zu studieren. Da möchte ich dann gern bei Ihnen Rat holen, wenn’s nur anginge. Nächstens hoffe ich Ihnen einen geschichtsphilosophischen Aufsatz zuschicken zu können;26 Sie haben mir in letzter Zeit so viel und ich Ihnen so wenig zuzuschicken gehabt. Würden meine Vorträge, die ich in Amerika gehalten habe,27 Sie interessieren? Sie werden nächstens heraus sein. Und nun nochmals herzlichen Dank und Gruß Ihr E. Brunner 18. Postkarte Althaus (Handschrift) Erlangen, 28. 9. 29 Lieber Freund! Herzlichen Dank für Ihren Brief. Ich bin sehr froh, dass Sie meine Besprechung so verständnisvoll und freundlich aufnehmen. Bei Anhypostasie, Extra Calvinisticum oder das Gegenteil empfinde und sage ich ganz mit Ihnen: Dinge sekundären Gewichtes! Heute nur noch zweierlei: 25 Paul Althaus, Der Leitsätze zur Ethik. Erlangen 1928. 26 Emil Brunner, Das Einmalige und der Existenzcharakter. In: Blätter für deutsche Philosophie. Band 3 (1929), Heft 3. 27 Emil Brunner, The Theology of Crisis. (XXVI, 118 S.), New York 1929.
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1. Über Ihre amerikanischen Vorträge würde ich mich sehr freuen. 2. Mein ethischer Ansatz wird wohl jetzt im Wintersemester, wo ich wieder die Ethik lese, nicht so wie er gedruckt ist, wiederholt werden. Aber hätte ich ihn nicht so gedruckt, wie ich ihn bisher hatte, so hätte ich nicht so viel durch die Kritik lernen können. Ich brauche hier die kritische communio. Meine Studenten reichen da nicht aus. Noch eines: Habe ich Ihnen meinen kleinen, aber mir wichtigen Aufsatz „Ehe und Kinder“ schon gesandt?28 Herzlich grüßt Sie Ihr P. Althaus Wir wollen doch sehen, dass wir uns in diesem Winter treffen. Mit Heim war ich jüngst in Schwäbisch Hall einen Tag zusammen, bei Gelegenheit eines Vortrages. 19. Postkarte Althaus (Handschrift) Erlangen, den 16. 5. 1930 Lieber Freund! Vielen Dank für „Gott und Mensch“29. Ich höre Ihnen, wie immer, gerne zu und freue mich an wichtigen Stellen der Gemeinschaft des Denkens mit Ihnen aufs Neue. Nicht zuletzt S. 56, A.1! Karl Barths Ansicht in dieser Sache ist auch mir völlig unmöglich und seine Berufung auf die Formeln der alten Dogmatiker (S. 45 A.19), wie so oft, mehr als gewagt. Ich freue mich Ihrer Sätze zur theol. naturalis und habe Sie vor 8 Tagen feierlich im Kolleg als Kronzeugen zitiert. Wir dürfen doch über der Aktualität des Heiligen Geistes die Potentialität des von Gott geschaffenen Geistes für den Heiligen Geist nicht übersehen. Neben der Lehre vom Heiligen Geist brauchen wir eine Lehre vom menschlichen Geiste als geschaffen für ihn. Barths an sich so trefflicher Gedanke von der unaufhebbaren Subjektivität Gottes droht allmählich zu einer Gefahr für wichtige theologische Aufgaben zu werden. Was Ihren letzten Aufsatz anlangt, so befriedigt mich der Titel nicht ganz. Warum nicht „Anthropologie“ statt Psychologie? Zu anderem demnächst mehr. Herzliche Grüße und Wünsche für das Semester Ihr P. Althaus
28 Paul Althaus, Ehe und Kinder. In: Gustav Schlipköter / Albert Böhme (Hg.), Der Kampf um die Ehe. Eine Auseinandersetzung evangelischer Führer mit den Verfallserscheinungen heutiger Ehe. Gütersloh 1929, S. 100 – 115, auch als gleichnamiger Sonderdruck Gütersloh 1929 erschienen. 29 Emil Brunner, Gott und Mensch. Vier Untersuchungen über das personhafte Sein. Vorträge. (III, 100 S.) Tübingen 1930.
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20. Brief Althaus (Masch.-Schrift) [Undatiert, Ende November / Anfang Dezember 1930] Lieber Freund! Wir haben lange nichts voneinander gehört, länger war zwischen uns Schweigen, als es unserem schönen Beisammensein in Aarau und Zürich entspricht. Aber wir haben beide eben recht viel zu tun und kommen wenig zur Korrespondenz, außer der „dienstlichen“. Desto wichtiger ist es, dass wir uns bald einmal wieder sehen und sprechen. Ich erhoffe das von dem Frühling. Und da ich immer noch eine Einladung von Frau Pestalozzi gut habe, könnte ich Sie eines Tages überraschen. Heute schreibe ich Ihnen aus besonderem Anlaß. Sie wissen vielleicht noch gar nicht, was für große Wellen Ihre Besprechung von E. Seebergs „Ideen“ zu schlagen beginnt.30 Ich schicke voraus, dass ich die „Ideen“ bisher nicht gelesen habe und wohl auch nicht lesen werde, da ich nach Ihren Proben von den Dingen „genug habe“. Trotzdem aber, wie auch andere, die sachlich zu Ihnen stehen, den Stil der Besprechung etwas anders gewünscht hätte. Zunächst ist nun zwischen Hirsch und E. Seeberg wegen dieser Besprechung, die noch auf das Redaktor-Konto von Hirsch kommt, ein großer Krach entstanden, der zum Abbruch der Beziehungen geführt hat. Dass Hirsch zugelassen hat, dass jemand dem großen Erich so gekommen ist, das kann ihm nie verziehen werden. Aber die Sache geht noch weiter. In diesen Tagen bekam ich einen Brief eines Hallenser Kollegen, mit der Bitte um Unterzeichnung einer Erklärung (wesentlich von Hallensern Kollegen ausgehend) gegen den Ton der theologischen Polemik. Die Erklärung soll in der Theologischen Literaturzeitung gedruckt werden und weist schon dadurch, vollends durch ihren Anfang: „Ein konkreter Fall sowie die längere Beobachtung des Tones bestimmter theologischer Polemik gibt uns Anlaß … usw.“ auf Sie unverkennbar hin. Ich verrate Ihnen dieses Geheimnis hiermit ausdrücklich. Ich habe die Unterzeichnung natürlich abgelehnt. Das Ganze ist ein großer Feldzug für E. Seeberg, an dem mich zu beteiligen ich gar keinen Grund habe. Außerdem lehne ich die Züchtigung Ihrer Person ab – in der Th.L.Z. und sonst ist oft mehr als grob rezensiert worden und man hat nie Erklärungen gemacht. Das Ganze geht natürlich auch gegen Hirsch. Hirsch tritt nun völlig für Sie ein und plant für den Fall, dass die Erklärung erscheint, eine Gegenerklärung. Ich hoffe, die Erklärung der Hallenser, die nun überall werben, noch zu verhindern. Sie würde ja als ein Protest gegen die dialektische Theologie wirken und damit ganz dumm zu stehen kommen. Ich sage das, obgleich ich Barths oft etwas pöbelhafte Anmerkungen durchaus nicht liebe. Aber öffentliche Erklärungen haben keinen Sinn in dieser Sache. Ein rechtschaffener Zorn und 30 Emil Brunner rezensiert Erich Seeberg, Ideen zur Theologie der Geschichte des Christentums. Leipzig 1929 in: TheolLitZeitg 55 (1930), S. 492 f.
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Schärfe gehört in den theologischen Kampf überdies hinein. Was die Hallenser aufgesetzt haben, riecht so sehr nach Protest der Lämmer gegen die Wölfe. Aber von alledem ganz abgesehen – das Unternehmen ist eine ausgesprochene Cliquensache. Das alles sollten Sie wissen, ehe die Sache öffentlich wird. Ich hoffe, dass Heim, den man auch angeht, fest bleibt – ich habe ihm geschrieben. Herzliche Grüße stets Ihr P. Althaus 21. Brief Brunner (Masch.-Schrift) 6. 12. 1930 Privatissime! (handschriftlich) Mein lieber Freund, haben Sie herzlichen Dank für Ihren freundschaftlichen Brief. Die Sache, die er mir berichtet, hat mich furchtbar belustigt. Ich las ihn in der Straßenbahn, alle Leute glotzten mich an, weil ich offenbar ungewöhnlich lustig dreinschaute. Mir wär’s sehr recht, wenn der Protest zustande käme – sofern ich in Frage bin, nicht die „Protestanten“. So hätten wir dann einmal einen Bund der Naiven und Unmerkigen mit eigener Namensunterzeichnung vor uns. Schad’, dass Sie den Ton meiner Rezension nicht gut finden; ich meinerseits finde gerade nur diesen gut, denn das andere ist ja Zitat. Wirklich, lieber Althaus, können Sie den Ton nicht gutheißen? Aufgabe: Dem großen Erich von Berlin ist zu sagen, dass man seine Größe lächerlich findet. Habe ich diese Aufgabe nicht mit Geschick und Maß erfüllt? Polemik – nein, eben das nicht. Auseinandersetzung – das kam mir eben nicht in Frage. Sondern einfach zeigen, wie lächerlich seine Anmaßung ist. Wo kommen wir hin, wenn man das, worauf es ankommt, nicht mehr sagen darf ? Hätte ich’s direkt machen wollen, so hätte ich schreiben müssen: Die Tatsache Erich Seeberg in Berlin ist ein Skandal für die deutsche Theologie. Und die Geltung, die in gewissen Kreisen, ziemlich weit herum, dieser(handschriftl Zusatz: im Vergleich mit seinem Anspruch!) Hohlkopf und Eisenfresser genießt, ist eine Schande für das Urteilsvermögen weiter Kreise der gelehrten Welt. Weiß man das wirklich in Berlin nicht, wie man außerhalb von Berlin über diese Berliner Clique und die beispiellose Niveausenkung der Berliner Fakultät, die die Wirkung ihrer Tätigkeit und ihres Einflusses ist, denkt? Was für ein Geistesriese ist der alte Reinhold neben diesem seinen Sprößling! Und das will doch ziemlich viel sagen. Schniewind schrieb mir kürzlich sehr bekümmert wegen meiner Kritik, das sei keine sachliche Auseinandersetzung. Der Gute, hat er denn nicht verstanden, dass hier keine Auseinandersetzung not tut, sondern Demaskierung. Eben dass man ihn ernst nimmt, diesen Schwätzer, ist ja das Übel. Lieber Althaus, Sie sollten sich billig freuen, dass einer einmal die Frage so gestellt hat, wie sie hier gestellt werden muß. 140
Wie komisch wird ein Protest wirken für jeden, der meine Rezension vergleicht mit denen, die wir bekamen! Ich habe ja doch kein einziges epitheton ornans gebraucht. Meine Devise war: tiefer hängen. Das ist mir gelungen, das beweist Erichs Wut, über die ich mich als guter Christ nur herzlich freuen kann. Haben Sie vielen Dank für Ihre schönen Gaben. Ich werde beide Schriften mit großem Interesse lesen. Hoffentlich können Sie Ihre Frühjahrsreise so legen, dass wir uns wirklich sehen. Bis gegen Ende März bin ich in England, wo ich Vorträge zu halten habe. Seien Sie herzlich gegrüßt von Ihrem getreuen E. Brunner [Handschriftlicher Zusatz:] Ihre Schrift über die Ethik der Augustana31 finde ich ausgezeichnet und bin restlos damit einverstanden. 22. Brief Althaus (Masch.-Schrift) Erlangen, den 18. Mai 1932 Lieber Freund! Ehe ich heute nach Hannover abreise, zur 90. Tagung der Lutherischen Pfingstkonferenz, um über „Schöpfung und Sünde“ zu reden, sollen Sie doch einen herzlichen, wenn auch notgedrungen kurzen Gruß haben. Ich war durch den Brief Ihrer verehrten Gattin recht erschreckt Ihretwegen. Um so mehr freue ich mich, dass die Kur doch guten Erfolg hat und dass Sie, wie Ihr Brief ausgesprochen und unausgesprochen verrät, mit Ihrer Gattin innerlich reiche Tage erleben. Leider kam ich im Drange des Semesteranfangs noch nicht dazu, Ihren holländischen Bekannten zu besuchen, und in dieser Woche wird es nun infolge der Reise auch nichts. Aber sooft ich in der nächsten Woche Ihre Ethik auf meinem Tische liegen sehe, wird sie mich nicht nur wissenschaftlich sondern auch zum Besuch an Herrn v. Grotenhuys erwecken. Vor allem also für die Ethik herzlichen Dank und ehrlichen Glückwunsch, dass Sie dieses große Werk so schnell vollenden konnten.32 Ob Sie nicht aber dem „Bruder Esel“, der Leiblichkeit, dabei zu viel zugemutet haben? Ob die „Steine“ nicht auch etwas Rache des Leibes wider den Geist des Ethikers sind? Indessen, das sind dumme Scherze, zu denen ich kein Recht habe. – Natürlich konnte ich die Ethik noch nicht ganz lesen, denn es sind jetzt meine dogmatischen Semester – und da muß ich, so sauer es wird, etwas ethische Askese üben. Immerhin boten gerade die letzten Tage, die Vorbereitung auf Hannover, erwünschte Gelegenheit, nicht nur mit schlechtem Gewissen bei Ihnen zu Tische zu sein. 31 Paul Althaus, Der Geist der lutherischen Ethik im Augsburger Bekenntnis. Schriftenreihe der Luthergesellschaft 5, München 1930. 32 Emil Brunner, Das Gebot und die Ordnungen. Entwurf einer protestantisch-theologischen Ethik. (XII, 696 S.) Tübingen 1932.
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Sie haben mit Ihrem Worte über meine Ethik33 natürlich ganz Recht. Es muß ein ausführlicheres Buch werden. Aber in erster Linie freut mich doch Ihre Anerkennung. Und immerhin ist die Wirkung der Quantität nach nicht schlecht: Seit Juli vorigen Jahres schon weit über 1000 Stück verkauft! Für mich selber hat das Buch einen großen Schritt bedeutet. – Im Einzelnen und auch in großen Zügen der Gesamtauffassung stimmen Sie und ich geradezu fabelhaft zusammen, ob wir auch über gerade diese Fragen noch nie geredet haben. Was den Krieg anlangt, so habe ich zweierlei Bemerkungen: 1) Ich glaube, meine Lehre vom Staate ist nicht so romantisch wie Sie meinen; 2) im Kolleg sage ich genau wie Sie: Heute ist der Kampf gegen jeden Krieg mit ganz neuem Ernste Pflicht. Wenn das in meinen Büchern so noch nicht steht, so hängt das mit der Frontstellung, zu der der deutsche Pacifismus im letzten Jahrzehnt zwang, zusammen. „Aktuell“ war mein Wort für den Krieg nie gemeint, was übrigens in der Einleitung zum zweiten Teile von „Staatsgedanke und Reich Gottes“34 ausdrücklich drin steht. Aber es galt der moralischen Ächtung „des“ Krieges überhaupt, auch der vergangenen Kriege, durch einen christlichen Pacifismus einen Riegel vorzuschieben. Heute wäre gewiß auch nach der anderen Seite hin zu reden. In der Lehre von der Strafe sind wir im Grundsätzlichen genau einer Meinung. Auch ich sage im Kolleg: die Begründung mit der Sühnetheorie, das Wie? guten Teils mit den Modernen. Allerdings biegen Sie dann m. E. ab. Sie machen nicht Ernst genug damit, dass nicht die „Gesellschaft“ straft, sondern der Staat als Diener am Recht, also im Amte. Wenn wir diese Lehre Luthers wieder einprägen, kann ja von Pharisäismus gar keine Rede sein, so wenig wie bei strafenden Eltern. Damit ist gegeben, dass ich auch Ihre Stellung zur Todesstrafe nicht verstehe. Es tut mir leid, dass Sie den m. E. schrecklichen Artikel in der RGG angeführt haben. Mit Hirsch’s Buche35 bin ich auch nicht ganz einverstanden – er schließt doch nicht klar aus, dass Gott die Sünde geschaffen habe. Sein Votum für Flacius gegen das Luthertum der F.C. ist verdächtig. Aber für die Ethik sehe ich doch die Dinge ganz ähnlich wie er. Der von Ihnen mit Recht inkriminierte Satz ist doch wirklich nur schlecht formuliert. Es muß nicht heißen: „Sch. und S. sind eines und dasselbe“; aber es könnte heißen: „Eine und dieselbe Wirklichkeit ist Schöpfung und Sünde zugleich“. Nun habe ich zwar verheißungsvoll einen neuen Bogen angefangen – aber ich kann dieses Versprechen leider nicht mehr einlösen. Denn die Abreisestunde ist nahe. Sie bekommen in den nächsten Tagen meine kleine Erklärung des Römerbriefes, die bei Rupprecht erscheint, die legitime oder vom 33 Paul Althaus, Grundriss der Ethik. Neue Bearbeitung der „Leitsätze“. Erlangen 1931. 34 Paul Althaus, Staatsgedanke und Reich Gottes. Friedrich Manns Pädagogisches Magazin 913. Schriften zur Politischen Bildung 9. Reihe: Christentum 1. 4. erweiterte Auflage, Langensalza 1931. 35 Emanuel Hirsch, Schöpfung und Sünde in der natürlich-geschichtlichen Wirklichkeit des einzelnen Menschen. Tübingen 1931.
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Standorte der Liberalen aus gesehen illegitime Sukzession von Jülichers Erklärung.36 Es steckt auch einiges Theologische drin, wenn auch der Raum nicht viel eigene Flügelschläge erlaubte. In Ihrer Ethik werde ich also in den nächsten Wochen immer wieder einkehren und hoffe Ihnen dann noch diese oder jene Karte zu schreiben. Wann kehren Sie denn heim? Ihnen und Ihrer verehrten Gattin viele Grüße von uns beiden und einen herzlichen Wunsch für schnelle und völlige Genesung! Stets der Ihrige P. Althaus 23. Postkarte Althaus (Handschrift) Erlangen, 30. X. 1933 Lieber Freund, ich muß Ihnen schnell einen Gruß und Händedruck senden, ich studiere nämlich in der Vorbereitung auf mein Kolleg „Ethik der Ordnungen“ Ihre Ethik, und bin zu allermeist sehr beglückt und dankbar, besonders möchte ich hervorheben den Berufsabschnitt und die Ethik der Geschlechtlichkeit. Ich freue mich unserer Übereinstimmung, lerne aber auch viel Neues. In den grundlegenden Partien könnte das Buch m. E. zum Teil etwas kürzer, im Ausdruck sparsamer sein. Ihr Buch wird mich auch diesen ganzen Winter begleiten, und so bin ich (obgleich ich schon früher darin las) Ihnen jetzt täglich nahe. Dass es zwischen Barth und Ihnen nicht mehr friedlich gehen kann, war vorauszusehen. Barths „Theol. Existenz“37 war nicht das rechte theologische Wort für unsere deutsche Stunde. Ich habe jetzt ein Heft geschrieben „Die deutsche Stunde der Kirche“38. Ob Sie mir darin wohl folgen können? Ich wäre gelegentlich für ein Wort dankbar. Wie mag es Ihnen gehen? Herzliche Grüße von Haus zu Haus Ihr getreuer Paul Althaus Brief Brunner (Masch.-Schrift) Zürich, 29. 3. 34 Lieber Freund, ich habe Sie lange auf Antwort warten lassen. Ich hoffe, Sie sind mir deswegen nicht böse. Es wird mit dem Zeitproblem immer schlimmer – geht’s Ihnen auch so? Die Korrespondenzlasten werden immer größer und nicht mehr zu bewältigen. 36 Paul Althaus, Der Brief an die Römer. Übersetzt und erklärt. (NTD 6) Göttingen 1932 37 Barth, Karl, Theologische Existenz heute. Heft 1. München 1933; es erschienen noch 1933 vier weitere Nummern dieser Reihe von Karl Barth. 38 Paul Althaus, Die deutsche Stunde der Kirche. Göttingen 1933.
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Ich danke Ihnen recht herzlich für Ihr grosses Buch39 und die „deutsche Stunde“. Es geht mir, wie offenbar auch Ihnen: ich fühle mich Ihnen von Jahr zu Jahr theologisch näher. Das macht: unser gemeinsamer Luther. Darum fühle ich mich auch mit Ihnen eins in vielem, was Sie gegen Barth auf dem Herzen haben – so in Ihrem letzten Aufsatz. Das einzige, was uns trennt, ist das, was ich den romantischen Rest in Ihrem Geschichtsdenken nenne und der sich, wie mir scheint, in Ihrer politischen Haltung ausdrückt. Da sind Sie mehr, als Sie wohl haben wollen, von Hirsch-Brunstäds Idealismus mitbestimmt. Sie bringen in die Lehre vom Staat eine Note hinein, die ich aus Luther nie heraus höre, dagegen in vollen Akkorden aus den Schriften der Idealisten vernommen habe und immer wieder höre. Da sind Sie mir, entschuldigen Sie, wenn ich es so sage, einfach nicht nüchtern–theologisch genug. Dass ich in der Ablehnung der Gogarten-Stapelschen Thesen mit Ihnen eins bin, brauche ich nicht zu sagen. Auch in Ihren Thesen für Paris, so weit ich sehe. Ich freue mich herzlich, mit Ihnen zusammen zu arbeiten. Hoffentlich kommt etwas dabei heraus. Es sind ja gute Leute dabei. Auf Wiedersehen bei den Champs elysees. Mit herzlichsten Wünschen für die kommenden Festtage Ihr E. Brunner 24. Postkarte Althaus (Masch.-Schrift) Erlangen, 10. Mai 1934 Mein lieber Freund, vor 3 Wochen habe ich in einem Vortrage in der Berliner Aula gesagt „Mein Freund Emil Brunner“. Und das Lesen Ihrer neuen Schrift,40 für deren Zusendung ich herzlich danke, zeigt mir, dass dieses Wort auch theologisch wahrlich berechtigt ist. Ich stimme Ihnen ganz zu – Sie wissen es ja aus den ersten Seiten meiner Dogmatik II.41 Besonders erfreulich ist mir auch Ihr scharfes Wort gegen Barths Befehdung der Analogie. Das hängt mir, da ich es so oft von seinen Schülern hören muß, längst zum Halse heraus. Ich habe einen Schüler einmal sehr in Verlegenheit gesetzt, indem ich ihm sagte: Für ihn sei es doch die reine Kontingenz, dass Gott Mensch geworden sei – kontingent in dem Sinne, dass die Menschwerdung uns nichts sagt über Gottes Ebenbildlichkeit. – Nur an zwei Stellen habe ich Bedenken. 1) Ob Barth den Satz 6 wirklich vertritt? 2) Die theologische Unterscheidung auf S. 17 zwischen Ehe und Staat mache ich hier so wenig wie in Ihrer Ethik mit. Dabei kommt 39 Ihr „Großes Buch“ vermutlich: Paul Althaus, Theologie der Ordnungen. Gütersloh 1934. 40 Emil Brunner, Natur und Gnade. Zum Gespräch mit Karl Barth. (44 S.)Tübingen 1934; 41 Paul Althaus, Grundriss der Dogmatik. Zweiter Teil. Erlangen 1932, vgl. auch: Paul Althaus, Grundriss der christlichen Lehre. Erlangen 1929/32 = Grundriss der Dogmatik Teil I und Teil II sowie Grundriss der Ethik (1931).
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mir die Ehe zu gut und der Staat zu schlecht weg. Auch die Ehe hängt schon mit der Todesordnung und so mit der Sünde zusammen. Und der Staat ist mehr als remedium peccati. Aber hier sehen Sie ja meine Romantik! Es lohnt eine Reise nach Zürich, um Sie hier aufzuklären. Herzlichst Ihr Althaus 25. Postkarte Althaus (Handschrift) Erlangen, 10. 9. 1934 Lieber Freund, Ihre neue Schrift „Um die Erneuerung der Kirche“42 macht mir Eindruck. Ich muß sie aber noch mehr bedenken, ehe ich Ihnen dazu schreiben kann. Ihre Kritik an dem Untergehen des allgemeinen Priestertums in der evang. Kirche wird durch den Band II meiner Communio sanctorum ausführlich gestützt werden. Um das „trotzdem“ Ihrer fr. Widmung an mich zwischen uns ganz zu klären, sende ich Ihnen zunächst einmal meine Kritik an Barmen43, von der ich nicht weiß, ob ich Sie Ihnen schon sandte. Wenn ja, so senden Sie mir bitte das Stück zurück, da ich jetzt knapp geworden bin. In vier Tagen erscheint ein großer Aufsatz von mir „Um die lutherische Kirche Deutschlands“ in der Allgemeinen evangelisch-lutherischen Kirchenzeitung.44 Hoffentlich verstehen wir uns da. Rex venit ad ecclesiam bavaricam. Non dubito quin violentia juris consulti cui nomen „venator“ etiam nostram ecclesiam oppresura sit. Sed vera ecclesia crescet. Wann und wo sind Sie in nächster Zeit in Deutschland? Mit herzlichem Gruße Ihr P. Althaus 26. Postkarte Althaus (Handschrift) Erlangen, 17. 11. 34 Lieber Freund, ich habe Barths Anti-Brunner gelesen.45 Journalistisch glänzend, zum z. T. raffiniert; aber auch groß in der Kunst umzubiegen, mißzuverstehen, Kon42 Emil Brunner, Um die Erneuerung der Kirche. Ein Wort an alle, die sie lieb haben. (60 S.) Bern 1934. 43 Paul Althaus, Bedenken zur „Theologischen Erklärung“ der Barmer Bekenntnis-Synode. In: Lutherische Kirche 16 (1934), S. 117 – 121. 44 Paul Althaus, Um die lutherische Kirche Deutschlands! Lutherische Antwort auf die Denkschrift der Reichskirchenregierung über Kirchen und Bekenntnis. In: AELKZ 67 (1934), Nr. 37 (14. 9. 1934), S. 868 – 877. 45 Barth, Karl, Nein! Antwort an Emil Brunner. In: Theologische Existenz heute, Heft 14. München 1934.
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sequenzmacherei zu betreiben u.s.w. Ich bin in der Zuversicht zu der uns beiden gemeinsamen These nirgends erschüttert worden. Einige Wendungen können Sie ev. ändern. – Wie billig und falsch die Verdächtigung Ihres Bekenntnisses zum totus peccator! Als ob der Mensch nicht eben dadurch totus peccator wäre, dass er im Ernste um Gott weiß, wissen muß! Bezeichnend, dass Barth auf diese Begründung Ihrer These (wo keine vorlaufende Offenbarung, da auch keine Sünde) gar nicht eingegangen ist! Mit der Aufklärung und der rationalen Orthodoxie um 1700 soll er uns nicht graulen machen. Johann Gerhard, der klassischer Orthodoxer war, lehrt wie wir. Werden Sie bald antworten? Ich gehe im Kolleg dieser Tage auf die Dinge ein und werde wohl auch einen Aufsatz zur Sache schreiben. Recht herzlichen Gruß auch Ihrer lieben Gattin. In guter Freundschaft (oder wollen Sie sich durch Barth vor mir warnen lassen?) Ihr P. Althaus 27. Brief Brunner (Masch.-Schrift) Zürich, 21. XI. 34 Lieber Freund Althaus, haben Sie herzlichen Dank für Ihren lieben Gruß. Sie glauben ja nicht im Ernst, dass ich mich durch Barth von Ihnen abschrecken lasse. Im Gegenteil. Ich wäre Ihnen schon lange gern sehr viel näher gekommen, wenn nicht der böse Hirsch zwischen uns gestanden wäre, der sich ja nun wirklich als der böse Geist des deutschen Protestantismus in diesem Jahr entpuppt hat. Was Barth betrifft: Ich mache mir nun doch schwere Vorwürfe, dass ich durch meine Schrift diese Barths provoziert habe. Sie ist ein Skandal im biblischen Sinne des Wortes. „Um euretwillen wird mein Name geschmäht unter den Heiden“. Das erlebe ich täglich. Und dann bin ich mit Schuld. Theologisch habe ich in allen Punkten Recht, taktisch-strategisch habe ich Unrecht. Ich hätte Barths Exkommunikationen einfach auf mich nehmen sollen im Gedanken: Die Sonne bringt es an den Tag. Barths Schrift hat mir so gut wie keinen Eindruck gemacht. Außer dem betrüblichen: Er ist nun in bestem Zuge protestantischer Papst zu werden, sich als solcher zu fühlen und als solcher von den Seinen behandelt zu werden. Seinem geistlichen Ansehen wird seine Schrift furchtbar schaden und das ist schade. Denn es ist ja doch für die Kirche Deutschlands viel wichtiger, dass ein Mann wie Barth da ist, als dass ich da bin, oder Sie. Wo stünde die deutsche Kirche ohne Barth heute! Drum ist’s wirklich schade, dass er sich hinreißen läßt, eine solche Schrift zu verbrechen, die ihn auch theologisch wahrlich nicht ehrt. Wenn er so verächtlich über Sie spricht, so mißbillige ich das natürlich ganz 146
und gar. Aber ich begreife es ein wenig aus Ihrer kirchenpolitischen Haltung. Jene böse Proklamation mit Hirsch zusammen,46 dann die schwankende Haltung gegen die DC. Wenn Sie einmal ganz den romantischen Sauerteig des bösen Hirsch ausgefegt haben werden, dann werden wir ganz gute Freunde werden können. Noch immer hoffe ich, dass es dann auch noch einmal mit Barth zusammen gut gehen wird. Mit herzlichen Grüßen und Wünschen für den Winter, der, wenn ich mich nicht täusche, für Sie Deutsche ein furchtbarer sein wird, Ihr Emil Brunner 28. Briefkarte Althaus (Handschrift) zur Zeit Freudenstadt Kurhaus Palmenwald, 3. 3. 35 Lieber Freund! Wenn Sie annähernd so zufrieden sind mit meinem Aufsatz „Ur-Offenbarung“47 wie ich mit Ihrer zweiten Auflage48 (für deren Zusendung ich Ihnen herzlich danke!), dann ist es herrlich. Ihr Vorwort könnte ich Satz für Satz genauso schreiben und habe genau das gleiche jetzt dutzende von Malen in Gesprächen und im Kolleg gesagt. Ich hebe nur einiges heraus, was ich mit Freude las: 1) Fein, dass Sie jetzt die mir besonders wichtige Frage der Verantwortlichkeit so in den Vordergrund stellen. Ihr Heft wäre noch stärker gewesen, wenn Sie das von Anfang an getan hätten. 2) Die Lutherstelle S. III ist mir längst in der Ethik hochwichtig. 3) Gut dass Sie den Ausdruck „theol. naturalis“ jetzt preisgeben. Ich habe meine Position oft so ausgedrückt: Nicht th. nat., aber Ur-Offenbarung. 4) Seite VI besonders gut! So meine ich es auch. Auch ich erlebe jetzt D.C.Zustimmung und Zustimmung von D.C.-Gegnern aus Schlatters Nähe. Ich danke Ihnen auch für das tapfere Wort gegen „synodale Erklärungen“. Also billigen Sie meine Kritik an Barmen? Dabei noch ein Wort: In Ihrem letzten Brief, den ich längst beantworten wollte, meinen Sie, ich sei an Barths Urteil „halber oder dreiviertel DC“ nicht ganz unschuldig wegen meiner schwankenden Stellung zu den D.C. Lieber Freund, meine Stellung hat nie geschwankt. Woran denken Sie? An den Ansbacher 46 Hirsch – Althaus – Erklärung vom 2. 6. 1931 über: „Evangelische Kirche und Völkerverständigung“; diese Erklärung forderte unmissverständlich zum Abbruch der kirchlichen Beziehungen zu den Kirchen der „Feindmächte“ des Westens auf. In zahlreichen Tageszeitungen publiziert, u. a. in: AELKZ 64 (1931), Sp. 541 f. Zum Text dieser Erklärung und zu weiteren Nachweisen ihres Umfeldes vgl. auch: Gotthard Jasper, Paul Althaus – Professor, Prediger und Patriot in seiner Zeit. Göttingen 2013, S. 201 ff. 47 Paul Althaus, Ur-Offenbarung. In: Luther 46 (1935), S. 4 – 32. 48 Emil Brunner, Natur und Gnade. Zum Gespräch mit Karl Barth. Tübingen 2. erweiterte Auflage, Tübingen 1935 (1. kürzere Aufl. 1934, oben Anm. 40).
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Ratschlag?49 Er hatte und hat mit DC Sympathien nichts zu tun, sondern wollte die drohende Kanonisierung der Barmer Theologischen Erklärung in Bayern durchkreuzen. Das ist ihm gelungen. Seine böse Auswertung durch die DC ist nicht meine Schuld. Ich habe die DC schon im Mai 33 in öffentlicher Versammlung bekämpft. Und ich habe alle Versuchungen von dort (wie hat man mich geworben: Hirsch, Reibi [Reichsbischof Ludwig Müller], Langmann usw.!) strikt und restlos abgewiesen. Nur allerdings: In Barths Horn konnte ich nicht blasen. Denn da wurde der Gegensatz gegen die DC benutzt, theologische Geschäfte für Barths Speziallehre zu machen. Also bitte: Glauben Sie nicht dem Schein! – Wann besuchen Sie mich? Ich habe Sie schon 2 mal besucht. Gruß und Handschlag von Herzen Ihr Althaus 29. Postkarte Brunner (Handschrift) 21. 8. 1936 Lieber Freund, ich muß Sie wieder einmal aus der Ferne grüßen. Oft bin ich mit Ihnen im Gespräch, am liebsten aber, wenn ich Ihren Römer-Kommentar lese. Ich kenne keinen anderen, zu dem ich so vorbehaltlos ja sagen kann wie zu diesem. Und hier entscheidet sich doch schließlich das Wichtigste. An was arbeiten Sie wohl? Wann kommt die Fortsetzung von Communio sanctorum? Ich arbeite an den Anmerkungen zu meiner Anthropologie, die auf Weihnachten fertig werden soll. Mit herzlichen Grüßen – über den Rhein und vieles andere hinweg – Ihr E. Brunner 30. Postkarte Brunner an Althaus (Handschrift) Zch., 10. 9. 1936 Lieber Freund! Ihre Karte hat mir große Freude gemacht. Ihren neuen Römer-Brief50 hätte ich gern und freue mich auf Ihre Dogmatik.51 Kennen Sie das in seiner Art ausgezeichnete Schriftchen über die Gruppenbewegung von Bischof Dr. Fuglsang, 49 Der „Ansbacher Ratschlag“ zur Barmer „Theologischen Erklärung“ (zus. mit Werner Elert u. a. von Paul Althaus unterzeichnet am 11. 6. 1934). Viel veröffentlicht, u. a. auch in: AELKZ 67 (1934), S. 584 – 586. 50 Paul Althaus, Der Brief an die Römer. Übersetzt und erklärt. Neues Testament Deutsch. Göttingen 3. Auflage 1935. 51 Paul Althaus, Grundriss der Dogmatik. Erster und zweiter Teil. 2. neubearbeitete Auflage, Erlangen 1936.
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Kopenhagen? So eine Stimme hat doch auch ihren Wert. Ich merke doch auch, wie viel jüngere Theologen anfangen, über K.B.’s Intransigenz den Kopf zu schütteln. Aber vorläufig wirken seine Sprüche noch wie Enzykliken. Das wird schon noch anders kommen. In herzlicher Freundschaft Ihr E. Brunner 31. Postkarte Althaus (Handschrift) Zur Zeit Mittenwald, d. 22. 3. 1938 Lieber Freund! Es ist schade, dass wir so wenig voneinander hören. In diesen Tagen gehe ich geistig mit Ihnen besonders viel um. Ich habe Ihren „Menschen im Widerspruch“,52 von dem ich grundlegende Teile schon vor Monaten las, mit hierher gebracht und freue mich Ihrer lichtvollen, gedanken- und beziehungsreichen Darlegungen. Im Ganzen bestätigt mir auch dieses Ihr neues Buch, wie sehr wir in der theologischen Gesamtrichtung zueinander gehören und dass ich Ihnen in der Weite des Wissens und Durchdringens verschiedenster Gebiete nie gewachsen sein werde. Im Einzelnen bin ich nicht ohne alle Bedenken. Z.B. fällt mir auf, wie kurz die Engel von Ihnen abgefertigt werden. Manchmal fürchte ich auch, dass zu viel auf die Sünde zurückgeführt wird an Unstimmigkeit im Menschen. Bei S. 450 unten frage ich mich, wie Ihr Satz zu der reformatorischen Lehre paßt, dass auch das Unwillkürliche Sünde ist. Aber solche Fragezeichen treten völlig zurück gegenüber der Freude an Ihrem reichen Buche. Ich habe auch viel Neues gelernt. Ob Sie in meinem Büchlein „Paulus und Luther“ schon hineingesehen haben?53 Gern hörte ich gelegentlich, ob Sie auch im zweiten Teil (Der Christ) zustimmen; für den ersten weiß ich es ohnehin. Und nun werden Sie im Herbste wirklich nach Amerika gehen? Da sollten wir uns vorher noch einmal sehen – trotz aller Hemmungen. Was meinen Sie? Herzlich grüßt Sie Ihr Althaus Besonders viel habe ich aus dem Charakter-Abschnitt gelernt.
52 Emil Brunner, Der Mensch im Widerspruch. Die christliche Lehre vom wahren und vom wirklichen Menschen. (576 S.) Berlin 1937. 53 Paul Althaus, Paulus und Luther über den Menschen. Ein Vergleich. Studien der Luther-Akademie 14. Gütersloh 1938.
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32. Brief Brunner an Althaus (Masch.-Schrift) Zürich, 28. III. 38 Lieber Freund, ich weiß nicht, habe ich Ihnen für Ihr neues Buch schon gedankt, auf alle Fälle gibt mir Ihr Kartengruß und die erst heute beendete Lektüre willkommenen Anlaß, es – ich hoffe: nochmals – zu tun. Sie haben da einen theologischen Knotenpunkt zum Gegenstand des Nachdenkens gemacht, der mir schon seit vielen Jahren schwer zu schaffen machte. Die Umsicht, mit der Sie dabei verfahren, ist hoch zu loben, und ich stimme Ihnen in den meisten Punkten völlig bei. Fragen habe ich namentlich an zwei Stellen: 1. Der Gesetzesweg. Es scheint mir, dass Sie in Ihrer Auseinandersetzung mit Bultmann sich zu einer Alternative verführen lassen, die nicht die Sache trifft. Sie haben die Dialektik des Gesetzesbegriffes bei Paulus nicht genügend in Rechnung gestellt. Das Gesetz steht zweifellos bei ihm in einem unheimlichen Bunde mit der Sünde, so gewiß die Intention des Gesetzes der Gotteswille ist. Es ist nicht umsonst „dazwischen hinein“ gekommen. Das unter dem Gesetz stehen ist schon selbst ein verkehrtes Gottesverhältnis. 2. Ihre Bewertung der Differenz Paulus – Luther kommt eigentlich ganz auf eine Rechtfertigung Luthers hinaus. Das halte ich schon aus Gründen des Schriftprinzips für eine bedenkliche Sache. Aber auch materiell: Sie haben wohl Recht auf die Verschiedenheit zwischen Kindertaufe = Volkskirche und Paulinischer Gemeinde zu achten und den Unterschied von missionarischer und gemeindlicher Situation der fundamental und von praktisch höchster Bedeutung ist, zu urgieren. Aber sind wir so sicher, dass diese ganze Kindertaufgeschichte im Sinn des Evangeliums war? Und war es nicht gerade ein Grundübel in der Reformation, dass man sich durch die Volkskirche zu theologischen Konstruktionen verführen ließ, die nicht mehr biblisch zu rechtfertigen sind? Ist es wirklich nur die von Ihnen geltend gemachte Verinnerlichung des Sündbegriffes, ist es nicht wirklich auch ein Manko an tatsächlicher Geist-Mächtigkeit und -Frische des geistlichen Lebens, was man als Unterschied zwischen einem Paulus und einem Luther spürt? Ich glaube wir müssen den Mut haben zu sagen: Es gibt immer wieder christliches Leben von einer ganz anderen Kraft des Sieges über die Sünde, als bei Luther und den Reformatoren überhaupt zu sehen ist. Es ist ein Übel, dass wir immer meinen, weil diese Großen die christliche Erkenntnis erneuerten, darum müßten sie auch notwendigerweise Muster und Höhepunkt des Christseins gewesen sein. Luther und Calvin haben eben die Macht des Geistes über die Sünde nicht so erfahren, wie viele andere – auch heute – sie erfahren (ich hoffe, Sie schöpfen nicht Verdacht, ich könnte mich meinen, ach du lieber Himmel …). Ein Bengel z. B. ist für mich ein ganz anderes Format von Christ als Luther oder Calvin – und er hat darum auch viel besser als Luther gewußt, was Sieg über die Sünde ist. Dazu kommt noch, dass der Blick auf die Volkskirche – alle sind ja Christen, weil sie getauft sind – den Blick für die Differenz zwischen Christ 150
und christianisiert getrübt hat. Endlich: Die scheinbare Verfeinerung ist in Wirklichkeit ein Abgleiten von biblisch-praktischen auf ein griechisch-prinzipielles Denken, das mit Augustin aufkam. [Brief unvollständig überliefert] 33. Brief Althaus (Masch-schrift) Erlangen, den 29. August 46 Lieber Freund, zwar weiß ich nicht, ob Sie nach allem, was seit unserem letzten Austausche geschehen ist, von mir noch so angeredet zu werden wünschen. Aber – ich wage es, in der Hoffnung, mit Ihnen in nicht allzu ferner Zeit über alles, was uns bewegt und auf uns Deutschen als schwerer Druck des Herzens liegt, offen sprechen zu dürfen. Oft habe ich an Sie gedacht, auch manches von Ihnen gehört, nicht zuletzt von einem trefflichen jungen amerikanischen Chaplain Ragsdale, der in Princeton studiert hat und mit größter Dankbarkeit von Ihnen sprach. Er und ich fanden uns in der dankbaren theologischen Verbundenheit mit Ihnen. Heute stelle ich aber alles Persönliche noch zurück, obgleich es mich drängt, Ihnen von mir zu erzählen, von dem Ergehen, von Erlangen, von den Kriegszeiten hier, von dem Neuanfang. Ich muß mich jetzt zuerst eines dienstlichen Auftrages meiner Fakultät entledigen. Wir haben die Professur extra facultatem für reformierte Theologie (den Lehrstuhl EFK Müllers) neu zu besetzen. Dabei fragen wir auch nach jüngeren Theologen aus der Schweiz. Würden Sie uns da helfen, durch ein illustriertes (ich meine: durch nähere Daten und Referenzen) Verzeichnis solcher in Betracht kommenden Theologen? Es müssen keine Systematiker sein; es wäre sogar besonders gut, wenn der Betreffende ein theologisches Sonderfach triebe wie Altes Testament – da bedürfen wir Verstärkung – und zugleich in die reformierte Theologie und in Calvins Institutio einzuführen in der Lage wäre. Wie alt ist Zimmerli? Käme er nach Ihrer Meinung in Betracht? Bitte senden Sie uns über jeden, den Sie nennen können, so viele Angaben, wie wir bedürfen, um uns ein Bild von ihm zu machen (Publikationen, Lehrerfolg – es kann aber auch ein tüchtiger graduierter Pfarrer sein) und dem Staatsministerium einen begründeten Vorschlag zu machen. de Quervaen nennen wir selbstverständlich (oder haben Sie Bedenken?); dagegen haben wir zu Chambon wenig Neigung, da er uns nicht als Forscher und eigentlich wissenschaftlicher Theologe erscheint. Bitte schreiben Sie mir recht bald – wir müssen den Berufungsvorschlag unter Dach bringen. Ich grüße Sie in der Erinnerung an alle unsere Begegnungen und Ihre mir früher bewiesene Freundschaft herzlich Ihr P. Althaus 151
34. Brief Althaus (Masch.-Schrift) 15. Juni 1948 Verehrter, lieber Herr Kollege (und Freund – wenn Sie mir diese alte und zwischen uns gewohnte Anrede noch erlauben)! Längst wollte ich Ihnen schreiben – aber lange hielt mich die Frage zurück, wie Sie wohl über mich dächten und ob es nicht besser sei, auf ein Zeichen von Ihnen zu warten, dass Sie mit mir noch zu tun haben wollten. Dieses Zeichen ist ergangen. Ich habe Ihnen herzlich für das Päckchen zu danken, das wir – es war hoch willkommen! – aus Ihrer Hand erhielten. Und so hätte ich auch längst schreiben sollen. Aber da kam nun meine Wiedereinsetzung ins Amt dazwischen und ein schwer beladenes Semester mit vier Stunden Dogmatik (die ganze in einem Semester) und drei Stunden Römerbrief und Seminar. Aber jetzt darf ich nicht mehr warten. Denn vor drei Tagen traf Ihre „Zeitliche Ordnung und Ewigkeitshoffnung“54 ein und heute Ihre Dogmatik, Band I55 – nur gut, dass ich wenige Stunden vorher schon meine Dogmatik an Sie hatte abgehen lassen. Haben Sie herzlichen Dank für die beiden Gaben. In den Vortrag habe ich schon mit heller Freude hineingesehen – und empfinde aufs Neue die große Nähe zu Ihnen. Ich schreibe Ihnen noch ausführlich dazu, dann auch zu der Dogmatik. Vor allem aber muß ich Ihnen heute sagen: Was der gute Gerhard Muras Ihnen offenbar vorgeschlagen hat: nämlich mein Buch als Tauschobjekt bei Ihnen zu benutzen für Rauchbares und Eßbares, kommt nicht in Frage. Es ist mir eine Freude, Ihnen als den von mir dankbar verehrten Kollegen, von dem ich so vieles gelernt habe, mein Buch in die Hände zu legen. Dass ich mich auch auf Ihre Bücher freue, leugne ich nicht, und will daher auch gleich sagen, was ich schon und was ich noch nicht habe. Ich bekam jüngst durch das Hilfswerk die „Gerechtigkeit“,56 die ich auch schon fast völlig gelesen habe (auch darüber in Kürze mehr). Sonst fehlt mir alles, was Sie in den letzten Jahren herausgegeben haben, mit Ausnahme von „Unser Glaube“ (fein!)57. Die Sachen von vor dem Kriege habe ich durch Ihre Hand alle, soviel ich sehe. Sie werden jetzt von dem, was ich noch nicht habe, gewiß nichts mehr in Vorrat haben. Ich bin auch so dankbar für das, was ich jetzt besitze an „Gerechtigkeit“ und der Dogmatik,58 dass Sie weiter nichts senden sollten. Von mir selber erschien im Kriege die Schrift gegen Hirsch über
54 Emil Brunner, Zeitliche Ordnung und Ewigkeitshoffnung. Schriftenreihe: Lebendige Wissenschaft Heft 5 (30 S.) Stuttgart 1948. 55 Emil Brunner, Die christliche Lehre von Gott. Dogmatik I. Band (XII, 391 S.) Zürich 1946 56 Emil Brunner, Gerechtigkeit. Eine Lehre von den Grundgesetzen der Gesellschaftsordnung. (VIII, 336 S.) Zürich 1943. 57 Emil Brunner, „Unser Glaube“ Titel so unbekannt, möglicherweise: Glaube und Ethik. Vortrag. (30 S.) Thun 1945. 58 Emil Brunner, Dogmatik. Band 1 vgl. oben Anm. 55.
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Ostern – haben Sie sie?59 Sie ist vergriffen. Dann ein stärkerer Predigtband60 (über den die Barthianer-Partei in Gestalt von Günther Dehn ziemlich süffisant geschrieben hat61 – aber sie kann nicht hindern, dass die 10.000 Stück in wenigen Wochen verkauft worden sind und eine zweite Auflage kommt) und die Predigten über die 10 Gebote62 – schreiben Sie, was Sie davon haben wollen, ich habe noch einige Stücke. Sonst schrieb ich manchen Aufsatz. Soeben erschien der Grundriß der Dogmatik kaum verändert; der zweite Teil kommt in wenigen Wochen.63 Außerdem werden die „Letzte Dinge“ jetzt neu erscheinen,64 der Satz ist schon fertig. Was aus den viel angefochtenen Schriften zu den „Ordnungen“ wird, weiß ich noch nicht. Dieses alles schreibe ich nur, damit Sie im Bilde sind, was ich mache. Ich gehe jetzt an meine „Theologie Luthers“. Dieses Gebiet möchte ich Ernst Wolf nicht ganz überlassen. Sein Aufsatz in der „Evangelischen Theologie“65 war schnöde – denn er karikiert mich, auch durch Weglassen meiner wichtigen Schriften und Aufsätze über Luther! Ihren Kampf gegen die christologische Staatslehre, gegen Cullmann usw. verfolge ich mit tiefer Sympathie. Aber ich sollte Ihnen in diesem ersten Briefe ja auch sagen, wie sehr es mir das Herz bewegt, nun wieder mit Ihnen Gruß und Wort tauschen zu dürfen. Wir müßten uns nun einmal sehen und das Ungeheure und Furchtbare, alle die Schuld und alle die Not der Schicksale in Ruhe und Offenheit miteinander durchsprechen. Sie werden wissen, dass unser Ältester 1940 am ersten Tage in Frankreich fiel. Sonst sind wir gnädig behütet worden. Erlangen ist völlig unversehrt. Aber von meinen Schülern liegt ein Großteil unter dem Rasen. Und die innere Not um die Verderbung deutscher Ehre und deutschen Wesens liegt als schwere Last auf uns. Erwarten Sie von mir heute keine konkrete Beichte. Es soll an ihr, wenn wir uns Auge in Auge gegenübersitzen, nicht fehlen – ich weiß, dass Sie kein Pharisäer sind. Für heute sei es genug. Ich höre, dass Sie krank liegen. Möge alles gut vorübergehen und Sie die alte Frische wieder bekommen. Mit einem trefflichen jungen Chaplain [Ragsdale], einem Schüler von
59 Paul Althaus, Die Wahrheit des kirchlichen Osterglaubens. Einspruch gegen Emanuel Hirsch. In: BFChTh 42, 2. 2. Erweiterte Auflage, Gütersloh 1941. 60 Paul Althaus, Der Trost Gottes. Predigten in schwerer Zeit. Gütersloh 1946. 61 Günther Dehn, Rezension des Predigtbandes: Der Trost Gottes. Erscheinungsort nicht nachweisbar. 62 Paul Althaus, Gesetz und Evangelium. Predigten über die Zehn Gebote. Gütersloh 1947. 63 Paul Althaus, Die christliche Wahrheit. Lehrbuch der Dogmatik. 1. Band, Gütersloh 1947, 2. Aufl. 1949; 2. Band, Gütersloh 1948, 2. Aufl. 1949. 64 Paul Althaus, Die letzten Dinge. Lehrbuch der Eschatologie. 5.umgearbeitete Auflage Gütersloh 1949, 6. Aufl. 1956, 7. Aufl. 1957, 8. Aufl. 1961, 9. Aufl. 1964, 10. Aufl. 1970. 65 Ernst Wolf, Luthers Erbe? In: Evangelische Theologie. 6. Jahrgang (1946/47), S. 82 – 114.
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Princeton, habe ich 1945 viel von Ihnen gesprochen. Wir fanden uns in der Liebe zu Ihrem Werke. Haben Ihnen nicht die Ohren geklungen? Gott sei Dank, dass auch Sie in der Schweiz sind und nicht nur die Baseler Belehrungen uns erreichen! In alter Verbundenheit grüßt Sie herzlich Ihr P. Althaus 35. Postkarte von Margarethe Brunner-Lauterburg (Masch.-Schrift) Zürich 32, Hirslanderstr. 47, den 26. Juni 48 Sehr geehrter, lieber Herr Professor! Da mein Mann gegenwärtig noch im Spital liegt, möchte ich Ihnen vorläufig an seiner Stelle – endlich! – aufs herzlichste danken für Ihren freundlichen Brief vom 15. Juni und die beiden Bände Ihrer „Dogmatik“! Über beides wird sich mein Mann sehr freuen, wenn er, wie wir hoffen, Ende nächster Woche nach Hause kommen kann. Vorläufig mußte ich mit Korrespondenzen, besonders solchen, die irgendwie mit seiner Arbeit in Zusammenhang stehen, etwas „hinter dem Berge halten“. So möchte ich Sie bitten, sich noch etwas mit einem Dank von meinem Mann persönlich zu gedulden! – Die Operation, von der Sie allem nach bereits etwas vernommen haben (Nierensteine) hat zwar vor drei Wochen einen guten Verlauf genommen. Durch allerhand Unvorhergesehenes hat sich aber die Heilung etwas in die Länge gezogen. Wir sind aber dankbar, dass nun alles auf guten Wegen zu sein scheint. – Mit den besten Wünschen für Sie und Ihre liebe Familie Ihre Marg. Brunner-Lauterburg 36. Brief Brunner (Handschrift) Zürich, 6. 4. 1950 Mein lieber Freund Althaus, von meiner 6-monatigen Japan-Indien-Reise zurückgekehrt, habe ich von meinem Freunde Blanke und Max Huber den schönen Band der Festschrift zu meinem 60. Geburtstag, mit Ihrem schönen Beitrag über Luther66 erhalten und möchte Ihnen für dieses Freundschaftszeichen sowohl wie für die Arbeit selbst aufs herzlichste danken. Ich bin, namentlich in den Auseinandersetzungen mit christlichen indischen Theologen aufs Neue meiner tiefen innersten Verbundenheit mit Luther neu inne geworden. Einmal hatte ich die Freude, im Herzen von Indien in Jabbalpore [heute: Jabalpur], mit Bischof 66 Paul Althaus, Die Gerechtigkeit des Menschen vor Gott. Zur heutigen Kritik an Luthers Rechtfertigungslehre. In: Das Menschenbild im Lichte des Evangeliums. Festschrift zum 60. Geburtstag von Emil Brunner, Zürich 1950, S. 31 – 47.
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Nygren ein paar Tage an einer Theologenkonferenz zusammen die Botschaft vom Kreuz und die theologia crucis zu vertreten. Mit den herzlichsten Wünschen für die Osterzeit Ihr E. Brunner 37. Brief Althaus (Handschrift) Erlangen, 1. Ostertag 1950 Lieber Freund Brunner, seien Sie herzlich willkommen geheißen bei Ihrer Rückkehr von der Weltreise! Ich freute mich, Sie in Indien und Japan zu wissen. Denn ich weiß, dass Sie lautere evangelische Wahrheit verkündigen und nicht so bedenklich vis volibicis dilettieren wie gewisse andere Leute. Dass ich in der Sache Ost-West oder besser Totalismus und Evangelium ganz zu Ihnen stehe, brauche ich kaum noch zu sagen. Ich bin froh, dass die Festschrift (ich kenne sie im Ganzen noch nicht) und auch mein Beitrag Ihnen Freude macht. Ja, ein Zeichen der Nähe und der Freundschaft sollte mein Beitrag sein! Leider habe ich einen greulichen Druckfehler übersehen. Bitte ändern Sie 11 Zeilen vor Abschnitt IV das sinnlose „Gleichheit“ in „Quietist“! Ob Sie das indische Klima gut vertragen haben? – In Zürich war in den letzten Semestern eine ganze Reihe „Erlanger“. Von Bargs Seminar scheinen sie mir ziemlich enttäuscht zu sein. Ihre Osterwünsche herzlichst erwidernd in der Hoffnung auf ein Wiedersehen Ihr P. Althaus 38. Brief Althaus (Masch.-Schrift) Erlangen, den 8. Juli 1950 Lieber Freund, ich fürchte, dass ich mich bei Ihnen noch gar nicht für den Band II Ihrer Dogmatik67 bedankt habe. Das hängt natürlich damit zusammen, dass man im Gedränge der eigenen Arbeit nicht immer sogleich ans Lesen kommt. Jetzt habe ich aber manches aus dem neuen Bande lesen können und kann Ihnen nun mit „Substanz“ danken. Vor allem las ich aus besonderem Anlaß Ihr Kapitel über das Gesetz und muß Ihnen sagen: ich bin ganz beglückt über unser bis ins Einzelne gehendes Zusammenstimmen und über die wunderschöne Form, in der Sie alle die schwierigen Dinge vorbringen. Auch was ich in anderen Abschnitten gelesen habe, bestätigt das Bewußtsein unseres weitgehenden (wenn auch nicht „totalen“!) Consensus. Daher freuen sich auch 67 Emil Brunner, Die christliche Lehre von Schöpfung und Erlösung. Lehrbuch der Dogmatik. 2. Band (VIII, 455 S.) Zürich 1950.
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meine Schüler, die nach Zürich gehen, immer so sehr Ihres Unterrichtes und müssen nicht, wie in Basel, eine „Bekehrung“ vollziehen oder ablehnen. Sie glauben kaum, wie verheerend sich Basel und sein Terror oder seine Suggestion bei uns im „Reichsbruderrate“ auswirkt. Diese Leute sind überhaupt nicht mehr fähig zu der Freiheit, eines Ihrer oder meiner Bücher zu studieren. Ein genaues Gegenbild zu dem politischen Exklusivismus und Totalismus. Ich halte jetzt ein Seminar über „Politische Weltanschauung“. Wir sind bei Lenin angekommen. Auch Ihre Schrift über die Kirche zwischen Ost und West68 wird besprochen und hilft uns viel. Zürich und Erlangen sind also in vieler Hinsicht gar nicht weit voneinander! Seien Sie recht herzlich gegrüßt von Ihrem Ihnen verbundenen P. Althaus 39. Briefkarte Brunner (Handschrift) Zürich, 25. 6. 51 Mein lieber Freund Althaus, es war sehr lieb von Ihnen, mir Ihre Schrift auch in der Erweiterung der zweiten Auflage zuzueignen.69 Trotzdem ich „eigentlich keine Zeit“ hatte, konnte ich der Versuchung nicht widerstehen und habe sie in einem Zug gelesen. Ich freue mich über die Sauberkeit und Tapferkeit der Gedankenführung. Es gibt heute so wenig Theologen, die noch kritisch wahrhaftig denken können; das Gros, auch auf Lehrstühlen, geht mit dem großen Strom entweder des Konfessionellen oder der „Bekenntniskirchen“-Orthodoxie. Sie führen eine scharfe saubere Klinge; das tut wohl. Dass ich auch diesmal von Ihnen mich nicht von Luther gegen Paulus gewinnen ließ, wird Ihnen kaum überraschend sein; aber ich schwöre, dass ich gelesen habe, als wüßte ich nichts, und ich wäre auch wohl bereit, einmal Paulus nicht zu folgen. Aber ich glaube, Schlatter hat da etwas gewittert, was vorläufig noch nicht recht gesagt werden kann. Ich lese Eschatologie und bin so ständig mit Ihnen im Gespräch! Ihr E. Brunner
68 Emil Brunner, Die Kirche zwischen Ost und West. Vortrag. (38 S.) Stuttgart 1949. 69 Paul Althaus, Paulus und Luther über den Menschen. Ein Vergleich. Studien der Lutherakademie 14, 2. erweiterte Auflage Gütersloh 1951.
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40. Trauerkarte Althaus (Handschrift) Erlangen, 16. Sept. 1952 Mein lieber Freund Brunner! Durch meinen Schüler Gottfried Hornig höre ich von dem schweren Schlage, der Sie und Ihre Gemahlin getroffen hat, durch den jähen Tod Ihres Sohnes Thomas. Meine Frau und ich sind bewegt von der Nachricht, zumal Sie schon einen anderen geliebten Sohn durch einen Unglücksfall verloren haben. Wir wissen etwas, wie dem Vater und der Mutter bei solchem Geschehen ums Herz ist – unseren Ältesten haben wir 1940 hergeben müssen – aber was Sie erleben, ist ja viel dunkler und sinnloser. Wir gedenken Ihrer. Diese Zeilen sollen es Ihnen sagen. Gottes Trösten erweise an Ihnen allen seine starke Kraft! Gott sorgt dafür, dass uns dieses Leben nicht zu lieb wird. Er nimmt uns geliebte Menschen hinauf in seine Ewigkeit – und lockert unsere Erden-Wurzeln. Wir müssen uns ihm auch dabei ganz still anvertrauen – es tut sehr weh, Er tut sehr weh. Aber es ist seine gute Hand. Treu Ihnen verbunden, mit Ihnen trauernd Ihr P. Althaus 41. Briefkarte Brunner (Handschrift) Zürich, 9. 2. 53 Mein lieber Freund Althaus, wie leid tut es mir, dass ich ein paar Tage zu spät komme. Meine Glückwünsche zu Ihrem 65. Geburtstag sollen deswegen nicht weniger herzlich sein. Sie schauen auf ein reiches und gesegnetes Arbeitsleben zurück. Wie wenige haben Sie seit dem Ende des 2. Weltkrieges auf das theologische Denken der jungen Generation eingewirkt. In einem sind wir Leidgenossen: durch die Hochflut des Barthianismus sind auch Sie überdeckt und von den Trägern dieser resolut monopolistischen Bewegung auf die Seite gestellt worden, wie ich auch. Nun – das ertragen auch Sie sub specie aeternitatis leicht. Ich habe mich in der letzten Zeit oft mit Ihnen im Gespräch gefunden, da ich mein Kolleg über Eschatologie völlig neu schrieb. Ihr Buch steht da ganz allein auf weiter Flur, und wir sind Ihnen alle verpflichtet.70 Sie werden demnächst eine Einladung des Rektors zu einer Gastvorlesung im SS. erhalten, hoffentlich können Sie ihr Folge leisten, so sehen wir uns doch noch einmal, bevor ich den Posten in Zürich verlasse und den in Tokio beziehe. Es ist lange, seit wir uns sahen! Seien Sie herzlich gegrüßt von Ihrem herzlich mit Ihnen sich verbunden fühlenden E. Brunner 70 Vgl. Paul Althaus, Die letzten Dinge… oben Anm. 64.
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42. Briefkarte Althaus (Handschrift) 15. 2. 1953 Lieber Freund Brunner, Ihr lieber Brief ist mir eine der größten Freuden dieser Wochen. Ich gedenke Ihrer immer wieder in der selben Gesinnung, wie sie auch aus Ihren Worten spricht. Eine Einladung nach Zürich werde ich schon, um Sie vor Tokio wiederzusehen, annehmen. Gestern besuchte mich unser gemeinsamer Schüler Otto Lillge – ich ließ mir viel von Ihnen erzählen. Seien Sie herzlichst wieder gegrüßt! Ihr getreuer Paul Althaus 43. Brief Althaus (Masch.-Schrift) Erlangen, den 18. Mai 1953 Lieber Freund Brunner! Es wird Zeit, dass ich Ihnen auf Ihren Brief vom 18. 3. antworte.71 Zwar ist insofern noch keine Zeit versäumt, als ich im Mai und in der ersten Hälfte des Juni nicht nach Zürich hätte kommen können, wegen des Semesteranfangs hier und anderer, älterer auswärtiger Verpflichtungen. (Wir bleiben bis zur Vollendung des 68. Lebensjahres im Amt!). Nun fragt es sich, ob Ihnen in Zürich ein Termin in der zweiten Hälfte Juni oder einer im Juli besser paßt. Ferner: welche Wochentage kämen bei Ihnen in Frage und welche Tageszeit für die Gastvorlesung? Mir wäre, um möglichst wenig in Erlangen ausfallen zu lassen, am liebsten, an einem Samstage in Zürich zu sprechen – aber ich könnte mir denken, dass dieser Tag bei Ihnen nicht paßt. Ginge dann ein Freitag? Herzlichen Dank für die Einladung in Ihr Haus. Ich komme gerne. Nun das Thema. Ein Thema aus der eigentlichen Sozialethik möchte ich nicht wählen, weil Ihre Studenten und wer sonst kommt aus Ihrem Munde über alle diese Fragen schon viel Besseres gehört hat, als ich bieten kann, höchstens könnte ich anbieten: Der Ansatz für eine evangelische Ethik des Politischen. Da könnte ich noch einmal, was Sie aber auch längst getan haben, meine Argumente gegen die „christologische“ Begründung des Staates usw. vorbringen und demgegenüber den Ansatz zeigen, auf den es mir (vielleicht: uns) ankommt. Es würde aber wohl eine Dublette werden zu dem, was Sie den Leuten schon sagen. Sonst stelle ich zur Wahl: Die Kirchlichkeit und die Wissenschaftlichkeit der Theologie (eventuell anders formuliert – bitte raten Sie!) oder: Gesetz und Gebot. 71 Brief nicht überliefert.
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Ich würde da die Grundgedanken meiner Schrift von 1952 vortragen – es wäre ein Beitrag zur Ethik, den ich besonders gern bringen würde.72 Aber auch die beiden anderen Themen behandle ich gern. Um noch einmal auf die Terminfrage zurückzukommen: keinesfalls darf ich an einem Mittwoch von Erlangen fort sein. Da lese ich eine einstündige geschichtstheologische Vorlesung, die wegen der Kürze des Semesters, der sehr großen Hörerzahl aus allen Fakultäten und der Gesamtplanung des Aufbaus nicht ausfallen darf. Auch der Donnerstag ist schwierig wegen meines Seminars. Aber ich müßte es zur Not verlegen, am Donnerstag zu Ihnen reisen und am Freitag sprechen. Lieber Freitag reisen und Sonnabend sprechen, wenn sich das in Zürich nicht verbietet; [handschriftlicher Zusatz:] z. B. 4. Juli. In großer Vorfreude auf das Wiedersehen mit Ihnen Ihr P. Althaus [Paul Althaus war im Juni 1953 in Zürich zum Vortrag und besuchte Emil Brunner] 44. Luftpostbrief Althaus (Masch.-Schrift) Erlangen, 7. 12. 1953 Mein lieber Freund Brunner, vor kurzem brachte die Post mir Ihre Eschatologie.73 Ich danke Ihnen herzlich für diese schöne neue Gabe. Natürlich habe ich, durch das Semester belastet, Ihr Buch noch nicht ganz lesen können, aber doch schon manche Stelle, und einige Kapitel ganz. Wie immer bei Ihnen, so genieße ich auch jetzt die Doppelfreude: 1. an unserem so weitgehenden Consensus tigurino-erlangensis; 2. an dem vielen Neuen, das ich durch Sie lerne. Zu alledem kommt noch hinzu die wunderbare Klarheit und Schlichtheit Ihrer Sprache, die nach dem Müdewerden an dem schrecklichen Jargon, den heute die meisten Theologen schreiben, geradezu eine Wohltat ist. Ich werde also mit Freuden weiterlesen und mir etwaige obelisci notieren, aber auch Stellen, wo ich besonders gerne mitgehe und Ihnen zustimme. Sehr froh bin ich für die Abfuhr, die Sie Cullmanns systematischen Ansprüchen zuteil werden lassen. Ich habe mich mit ihm auch schon in der fünften Auflage meiner „Letzten Dinge“ 194974 (Sie haben nur die vierte Auflage, 1933 vor Augen; 72 Paul Althaus, Gebot und Gesetz. Zum Thema „Gesetz und Evangelium“. BFChTh. 46/2. Gütersloh 1952. 73 Emil Brunner, Das Ewige als Zukunft und Gegenwart. (240 S.) Zürich 1953. 74 Paul Althaus, Die letzten Dinge. Entwurf einer christlichen Eschatologie. Studien des apologetischen Seminars 9. 4. neubearbeitete Auflage, Gütersloh 1933; Die letzten Dinge. Lehrbuch der Eschatologie. 5. umgearbeitete Aufl. Gütersloh 1949; 6. Aufl. 1956; 7. Aufl.1957; 8. Aufl. 1961; 9. Aufl. 1964; 10. Aufl. 1970.
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die fünfte ist gar nicht verändert, nur um diese und einige andere Polemiken vermehrt) auseinandergesetzt, allerdings viel weniger eingehend als Sie. Leider nimmt bei den Exegeten die Neigung zu, uns mit unzulänglichen Mitteln dogmatische Arbeit abnehmen zu wollen. – So viel ich sehe, stimmen Sie und ich bei entscheidenden eschat. Problemen zusammen. Aber ich muß erst noch weiterlesen, ehe ich weiterrede. Aber schon jetzt werde ich meine Hörer und Schüler auf Ihr Buch hinweisen und habe es soeben für mein Seminar bestellt. In den letzten Tagen dachte ich Ihrer besonders. Denn der japanische Philosoph Matsunobu besuchte uns in Erlangen (er war ja auch bei Ihnen noch in Zürich). Da haben wir auch von Ihnen gesprochen. Er erhofft sehr viel von Ihrer Arbeit drüben. Vor einigen Wochen war Gogarten hier, von der Volkshochschule gerufen, und hielt einen Vortrag zur Entmythologisierung, der uns alle sehr enttäuschte wegen seiner Unklarheit gegenüber den entscheidenden Fragen wie Ostern usw. Er ist im Übrigen ja auch in der Ausspinnung seiner jeweiligen Thesen jeweils sehr monoman. Ich glaube, dass er unsere, seiner Mittheologen, Bücher kaum oder gar nicht liest. Desto mehr hat er Fühlung mit der allgemeinen wissenschaftlichen Literatur, was ja auch ein Verdienst ist. Das persönliche Zusammensein mit ihm war schön. Die Altersgenossen gehören doch trotz allen theologischen Unterschieden auch wieder zusammen. Wie mag es Ihnen und Ihrer lieben Frau und Fräulein Brun drüben gehen? Ich würde mich freuen, einmal von Ihnen zu hören, wenn auch nur kurz. An die schönen Stunden mit Ihnen in Zürich denke ich viel und gerne zurück. Jetzt lese ich, neben Dogmatik I, auch wieder über Luthers Theologie und möchte daraus ein Buch machen. Aber es wird nicht so schnell gehen. Denn im Semester nehmen die Studenten und die Predigten, nebenher auch der Rundfunk und andere mich zu sehr in Anspruch, als dass da das Manuskript schnell vorankäme. Vielleicht werde ich mich in drei Jahren doch sehr freuen, „entpflichtet“ zu werden. Freilich sub conditione Jacobi werde ich das „Lesen“ nicht gleich ganz einstellen. Es ist für mich Jungbrunnen, regt meine Gedanken auch mehr an, als der Schreibtisch es vermag. Nun seien Sie selbdritt recht herzlich gegrüßt Ihr getreuer P. Althaus P.S.: Soeben lese ich noch Kap. I, fein! – Das Nachwort las ich natürlich zuerst! 45. Luftpostbrief Brunner (Handschrift) I.C.U. [International Christian University] Mitaka, 25. 1. 54 Da heute wegen ungewöhnlichem Schneefall, der die Studenten am Kommen hindert, Ferientag ist, kann ich ein wenig Korrespondenzschulden abtragen. Ich danke Ihnen sehr für Ihren freundlichen Brief vom 7. 12. – beinahe die 160
erste Reaktion auf m. Buch. Würden Sie mir nochmals schreiben, wenn Sie es fertig gelesen haben? Sie sind ja der kompetenteste Beurteiler. – Uns geht’s hier sehr gut. Wir haben ein hübsches Haus auf dem Campus, der riesig ist (112 km2!). Meine Arbeit ist lohnend und interessant. Ich komme an verschiedenen Universitäten (auch die Imperial) heran und finde überall gute Aufnahme. Das Leben an der miss. Front tut und gefällt mir gut, besser als die dicke theologische Luft Europas. Vielleicht kann man doch etwas mehr direkt wirken, trotz dem großen Sprachhindernis. Gewöhnlich spreche ich Englisch mit Übersetzer, letzthin zum ersten Mal Deutsch, an der Waseda-Universität, der größten Japans (25.000 bis 30.000). Daneben auch prakt. kirchl. Arbeit, Predigt, Gruppenarbeit etc. Ich habe meinen gewagten Schritt noch keine Sekunde bedauert. Mit herzlichen Grüßen Ihr E. Brunner 46. Postkarte Althaus (Masch.-Schrift) Erlangen, 8. 6. 56 Mein lieber Freund Brunner, gerade lese ich, bei der Abfassung des Artikels „Auferstehung“ für die neue RGG [Religion in Geschichte und Gegenwart 3. Auflage] noch einmal das betr. Kapitel in Ihrem schönen eschatologischen Buch,75 mit Freude und vollem consensus; dabei fällt mir schwer aufs Herz, dass wir seit langem gar keine Lebenszeichen ausgetauscht haben, wie es doch unserer inneren Nähe zueinander entspräche. Ich habe nur hie und da und gerüchteweise von Ihrer Heimkehr und Ihrem Befinden gehört, und mich verlangt danach, konkret um Sie zu wissen und von Ihnen, sei es auch nur kurz zu hören. Es sind jetzt drei Jahre her, dass ich Ihr Gast war, in sehr schönen, unvergeßlichen Tagen, vor Ihrer Abreise. – Mir geht es immer noch gut. Dieses Semester ist mein letztes offizielles, ich vertrete mich selbst, bin vom WS ab dann „entpflichtet“, aber werde weiter lesen, wenn auch nicht mehr die Turnus-Vorlesungen, aber das, woran mir liegt und was die Studenten bei mir am meisten hören. Auch werde ich durch das Predigen, durch Vorträge, durch den Rundfunk noch viel in Anspruch genommen. Wie geht es Ihrer lieben Frau und wie der Braut Ihres Sohnes, die ich damals kennenlernte? Ich bitte, vielmals von mir zu grüßen. An Sie, lieber Freund, denke ich in der alten Gesinnung und hoffe sehr auf ein kleines Lebenszeichen. Ihr getreuer P. Althaus
75 Vgl. Emil Brunner, Eschatologie-Buch oben Anm. 73.
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47. Brief Brunner (Masch.-Schrift) Zürich, 26. Oktober 1957 Mein lieber Freund Althaus, gestern habe ich in einer Schublade meiner lieben Frau endlich Ihre Karte mit Ihren so freundlichen Grüßen und Erkundigungen nach meiner Gesundheit gefunden. Es tut mir herzlich leid, dass ich Ihren lieben Gruß nicht früher beantwortet habe, sondern ein ganzes Jahr darüber verstreichen ließ. Inzwischen sind nun auch Sie emeritiert worden. Sie schreiben zwar, Sie gedenken noch weiterzufahren mit den Vorlesungen, wie ist es wohl damit gegangen? Da Sie sich so freundlich nach meiner Gesundheit erkundigen, will ich Ihnen kurz berichten. Auf der Heimreise von Japan hatte ich, kurz vor Colombo, einen kleinen Schlaganfall und mußte das Schiff verlassen und mich in Colombo in Spitalpflege begeben. Die Attaque war aber nicht sehr schlimm, so dass ich schon nach vierzehn Tagen mit dem nächsten französischen Schiff weiterfahren konnte. Immerhin hieß es jetzt, einen anderen Lebensrhythmus anzufangen. Es ging mir aber so gut, dass ich im Sommer mich wieder getraute, an einer ökumenischen Konferenz auf Herrenalb teilzunehmen. Das wurde mir aber zum Verhängnis. Kaum heimgekehrt hatte ich zwei weitere Schläge – immerhin leichter Natur –, die mich vorläufig immobilisierten. Doch habe ich mich nun glänzend erholt, so dass ich ohne Furcht im letzten Mai eine Reise nach Rom mit meiner Frau wagen konnte, die ich sehr genoß. Im Übrigen arbeite ich, wenn auch in mäßigem Tempo, das heißt ganz anders als früher, an meiner Dogmatik III.76 Glücklicherweise haben die Störungen die geistige Kraft keineswegs geschwächt und ich fühle mich mehr als je aufgelegt zum Denken und Neudurchdenken der bereits gedachten Zusammenhänge. Ich bin dabei allerdings stark gehemmt dadurch, dass ich seit den Schlägen nicht mehr von Hand schreiben kann, sodass die paradoxe Situation entsteht: ein Mensch, der nichts tut als schreiben, der aber nicht schreiben kann. Ich behelfe mich mit (sehr unvollkommener) Maschinenschrift und Diktieren. Es ist mir aber erst jetzt klar geworden, wie sehr auch mein Denkprozeß ans Schreiben gebunden ist, trotzdem ich, namentlich in Japan, sehr viel freie Vorträge gehalten habe. Vorlesungen an der Universität habe ich vorläufig nicht wieder gehalten, um meine ganze Zeit für das Buch zu reservieren. Es geht aber auch so langsam voran. Trotzdem fühle ich mich außerordentlich wohl und bin frohgemut bei meiner Arbeit. Ich hoffe, damit in absehbarer Zeit fertig zu werden. Meine liebe Frau hatte in Japan eine schwere gemütliche Störung durchzumachen, wie sehr viele Europäerinnen in Japan. Aber wenige Wochen nach der Heimkehr war die Störung völlig überwunden, und ich freue mich jetzt ihrer alten Fröhlichkeit und lebensbejahender Haltung. Die Braut meines 76 Emil Brunner, Die christliche Lehre von der Kirche, vom Glauben und von der Vollendung. Lehrbuch der Dogmatik. 3. Band (400 S.) Zürich 1960.
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Sohnes – der, wie Sie wohl wissen, tödlich verunglückt ist –, die mit uns in Japan war, ist jetzt als Lehrerin an einer Landschule tätig. Sie hat sich sehr gut von dem furchtbaren Schlag erholt. Es würde mich herzlich freuen, Sie bald wieder einmal zu sehen und ausgiebig mit Ihnen mich über die theologische Lage und kirchliche Dinge zu unterhalten. Ich habe neuerdings intensiv Ihr Büchlein „Luthers Lehre von den zwei Reichen“77 studiert, das Sie mir freundlich überreicht haben. In dieser Sache stehe ich ganz und gar auf Ihrer Seite gegen die Barthianischen Schwärmer. Darüber wäre viel zu sagen. Wir müssen das wohl aber auf ein mündliches Gespräch versparen. Zürich ist ja nicht weit von Erlangen, und wir hätten reichlich Platz für Sie in unserem Haus. Sie wären uns ein hochwillkommener Gast. Seien Sie aufs Herzlichste gegrüßt von Ihrem alten Mitstreiter E. Brunner 48. Brief Althaus (Masch.-Schrift) Erlangen, 16. November 1957 Mein lieber Freund Brunner, wieder nach langer Zeit einen Brief von Ihnen zu bekommen war und ist mir eine sehr große Freude. Ich danke Ihnen herzlich dafür. Es ist mir lieb, durch Sie Authentisches über Ihre Erkrankung und Ihren jetzigen Gesundheitszustand zu erfahren. Die drei leichten Schläge sind in der Tat Warnungszeichen. Aber ich freue mich, dass Sie sich inzwischen so gut erholt haben und die Reise nach Rom mit Ihrer lieben Frau machen konnten. Vor allem freut mich auch, dass Sie an der Dogmatik III weiterarbeiten und dass wir auf Sie hoffen dürfen. (In Ihrem eschatologischen Buche78 habe ich, als ich jüngst den eschatologischen Artikel für die RGG schreiben mußte, wieder mit viel Freude gelesen). – Sehr begreiflich ist mir, was Sie über die Bindung des Denkens an das Schreiben sagen. Es geht mir genauso. Am meisten bin ich bei der Sache und bekomme am meisten Einfälle, wenn ich mit der Hand schreibe. Diktieren liegt mir gar nicht. Ich finde auch den richtigen Stil nur im Handschreiben. Mit Freude höre ich von Ihnen auch, dass Ihre verehrte Frau die gemütliche Depression völlig überwunden hat und wieder wie früher fröhlich ist. Ich denke so gerne an die Tage bei Ihnen 1953 zurück – übrigens auch an die Braut Ihres Sohnes, die ich bei dieser Gelegenheit vielmals zu grüßen bitte. Mir geht es, so muß ich mit großem Danke sagen, recht gut. Ich habe die Vorlesungen, wie ich vorhatte, fortgesetzt. Freilich sind es nicht mehr die 77 Paul Althaus, Luthers Lehre von den beiden Reichen im Feuer der Kritik. In: Luther Jahrbuch 24 (1957), S. 40 – 68; wiederabgedruckt in: Schrey, Heinz Horst (Hg.), Reich Gottes und Welt. Die Lehre Luthers von den zwei Reichen. Wege der Forschung 107. Darmstadt 1969, S. 105 – 141. 78 Vgl. Emil Brunner, Eschatologie-Buch oben: Anm. 73.
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großen vierstündigen Turnus-Vorlesungen, Dogmatik und Ethik (ich habe ja den sympathischen und tüchtigen Joest als Nachfolger), aber meine liebsten und vielleicht auch besten Kollegs wie „Luthers Theologie“ (ich lese sie jetzt vor fast hundert Leuten), Geschichte der Theologie, Zweiter Korintherbrief, Einführung in die Theologiegeschichte usw. – alles zweistündige Vorlesungen, die ich jeweils am Mittwoch lese. Außerdem halte ich ein dogmatisches Colloquium, in dem ich dieses Semester mit zehn Studenten Thesen zu Luthers Disputationen durchnehme. Die „Entpflichtung“ hat den Radius meiner Arbeit vergrößert. Ich war an einer Reihe von Universitäten zu Gastvorlesungen, so im Okt. 1956 eine Woche in meinem alten Rostock, im Januar eine Woche in Tübingen, im Februar drei Tage in München, im Juni/Juli vier Wochen in Hamburg. Das mache ich sehr gerne. Aber jetzt soll das etwas aufhören, denn ich muß nun die schöne größere Freizeit nützen, dass mindestens meine „Theologie Luthers“ noch fertig wird. Sobald meine nächsten Arbeiten, die jetzt im Druck sind, erscheinen, bekommen Sie ein Exemplar. Freilich, den Artikel „Christologie“ in der neuen Auflage der RGG werden Sie sicher ohnehin zu sehen bekommen. Es steht nicht viel Neues darin, aber es war mir lieb, die Dinge noch einmal konzentriert darzustellen. Ebenso sende ich Ihnen dann meine Arbeit gegen die Kerygma-Theologie79 – merkwürdig, dass ich, der ich Kähler so entscheidende Einsichten verdanke, die Akzente gegenüber dem Antihistorismus von heute anders setzen muß! Ja, wir sollten uns einmal wieder sehen! Ich danke Ihnen herzlich für diese freundliche Einladung in Ihr Haus – es ist ja noch das gleiche, in dem ich damals die schönen Tage hatte. Es kann gut sein, dass ich im Frühsommer einmal komme. Ich bin jetzt ja viel weniger angebunden hier als früher. Noch eins darf ich nicht vergessen: die große Freude zu erwähnen, die es meiner Frau und mir bedeutet, dass unser einziger noch lebender Sohn, jetzt 22 Jahre alt, sich in voller innerer Freiheit entschlossen hat, Theologie zu studieren. Nach zwei Semestern Erlangen ist er jetzt in Heidelberg. Und nun seien Sie, lieber Freund Brunner, mit Ihrer Gattin in der alten theologischen und persönlichen Verbundenheit herzlichst gegrüßt von Ihrem getreuen Paul Althaus Brief Althaus (Masch.-schrift / Handschrift) Erlangen, 26. 11. 1957 [a) Allgemeines Rundschreiben (2,5 Seiten) an verschiedene Kollegen mit der Bitte um Mitarbeit bei dem Neuansatz der Zeitschrift für systematische Theologie, nachdem Stange, Göttingen, die Leitung abgegeben hatte. In einem 79 Paul Althaus, Das sogenannte Kerygma und der historische Jesus. Zur Kritik der heutigen Kerygma-Theologie. BFChTh 48, Gütersloh 1958.
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ausführlichen Text wird das Konzept entwickelt, die Zeitschrift nicht schulmäßig zu binden, sondern als Boden für Aussprache und Kontakt zwischen den Arbeitsrichtungen in der Systematischen Theologie zu konzipieren. Die Anrede ,Sehr verehrter Herr Kollege‘ ist in dem Exemplar mit Schreibmaschine ergänzt ,Brunner!‘ Am Ende des Schreibmaschinentextes handschriftlicher Zusatz:] Lieber Freund Brunner, es wäre mir eine besonders starke Ermutigung für den neuen Start der Zeitschrift, wenn ich Ihre Mitarbeit erhoffen dürfte. Mit herzlichem Gruß Ihr P. Althaus Postkarte Althaus (Handschrift) Erlangen, 4. 9. 1959 Lieber Freund und Kollege, herzlichen Dank für Ihren Brief zu „Paulus und Luther“ und für Ihren höchst wichtigen Aufsatz „Der neue Barth“.80 Ihr Ja und Ihre Fragen an B. sind auch die meinen. Muß nicht Barths Neuentdeckung des Humanum revolutionäre Folgen auch bei der Offenbarungslehre haben? Kann er dort noch so starr bleiben wie 1934 und in K.D. II, 1, wenn die Anthropologie derart verändert ist? Ich bin gespannt. Die armen „Barthianer“ – wie muß ihnen bei diesem Kurswechsel des Meisters der Atem ausgehen oder die Augen übergehen? Wo bleibt jetzt noch so manche fanatische Antithese der vergangenen Jahre? – Die analogia relationis wird laut verkündet. Aber sachlich (Sie heben es mit Recht hervor) haben Sie das längst vertreten und einige andere von uns auch! Seien Sie herzlichst gegrüßt von Ihrem P. Althaus 49. Brief Brunner (Masch.-Schrift) Zürich, 24. November 59 Lieber Herr Althaus, darf ich Sie, da Sie ja immer so freundlich meiner gedacht haben, bitten, mir aus einer plötzlich aufgetauchten Verlegenheit zu helfen? Ich habe das mir liebe Lutherwort, das ich s. Zt. beim alten Thomasius fand: „Man muß fein unten anheben bei Christus als bei einem Menschen“, und das ich oft und auch jetzt zitiert habe, nicht mehr gefunden, da ich offenbar mein Exemplar der Dog. I, 1. Auflage, nach meiner Rückkehr aus Japan verschenkt 80 Emil Brunner, Der neue Barth. Bemerkungen zu Karl Barths Lehre vom Menschen. In: Zeitschrift für Theologie und Kirche. Bd. 48 (1951), Heft 1. – Der „Brief“ zu „Paulus und Luther“ ist nicht überliefert.
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habe. Ich sollte aber doch nicht nur den Wortlaut nach kontrollieren, sondern auch den Fundort angeben, da das Zitat an wichtiger Stelle in meiner jetzt schon im Druck befindlichen Dogmatik III steht. Können Sie mir – allerdings müßte es ziemlich umgehend sein – helfen? Sie sind ja ein Lutherforscher, ich dagegen in dieser Sache ja nur ein Amateur. Ich habe mich bei Blanke und Ebeling, die ja ebenfalls Fachgelehrte sind, vergeblich erkundigt. Sie kannten beide das Wort, wußten aber nicht, wo es steht. Ich hoffe sehr, Sie wissen es und können mir ohne zu viel Mühe aus der Verlegenheit helfen. Ihre Schriften, die Sie mir so freundlich zustellten, – die letzte über das sogenannte Kerygma – sind in mein eigenes Buch eingegangen, selbstverständlich mit gebührender Namensnennung. Wir treffen uns ja in der gemeinsamen Wertung der richtigen Kähler-Auslegung. Was doch dieser Mann schon erkannt hat, vor bald 100 Jahren! Mit herzlichen Grüßen und Wünschen in dankbarer Freundschaft Ihr E. Brunner 50. Brief Althaus (Masch.-Schrift) Erlangen, den 23. Dezember 59 Mein lieber Freund Brunner! Heute werden Sie 70 Jahre. Ich wollte Ihnen telegraphieren, aber in einem Briefe, so kurz er auch sein mag, kann ich doch etwas persönlicher zu Ihnen reden. So nehme ich es in Kauf, dass mein Gruß etwas post festum ankommt. Ich denke an Sie in der alten herzlichen Verbundenheit. Vor 35 Jahren, Anfang Januar 1925, lernten wir uns in Zürich kennen, und seitdem ist die Fühlung nie verloren gegangen und die Freundschaft gewachsen. Ich wüßte keinen unter den systematischen Theologen der Gegenwart, dem ich mich, bei aller persönlichen Eigenart von uns beiden, so nahe und verwandt fühlte wie Ihnen, lieber Freund. Dass Sie uns, trotz der schweren gesundheitlichen Krise in Japan, noch erhalten geblieben sind und wir noch auf die Vollendung und das Erscheinen Ihrer Dogmatik hoffen können, ist mir eine große Freude und Gegenstand des Dankes. Gott der Herr hat Ihnen in Ihrer Familie schwere Opfer abgefordert – die Wunden werden am heutigen Tage neu bluten. Sie heilen auf Erden nie ganz, wie auch die unseren nicht. Aber Sie dürfen auf der anderen Seite heute so viele Zeichen des Dankes für Ihre Arbeit als Professor, als Prediger, als theologischer Schriftsteller empfangen, dass Sie Anlaß und Grund genug finden, die Güte des himmlischen Vaters zu preisen. Ich wünschte mir sehr, dass wir uns noch einmal wiedersehen, wie in jenen schönen Sommertagen vor rund 6 oder 7 Jahren. Bitte sagen Sie doch Ihrer verehrten Frau einen dankbaren Gruß von mir in Erinnerung an jene Tage und, wenn Sie mit ihr noch Fühlung haben, der Braut Ihres so jäh ums Leben 166
gekommenen Sohnes, Fräulein Brun. Soeben sehe ich in meinem Tagebuch, dass ich Juni 1953 bei Ihnen war. Nicht verstehe ich, warum die Initiatoren der Festschrift für Sie mich nicht aufgefordert haben, wie es bei Ihrem 60. Geburtstag doch geschah. Sie dürfen den betreffenden Kollegen ruhig meinen Unmut darüber aussprechen. Es wäre mir ein starkes Bedürfnis gewesen, heute noch einmal mich in der Öffentlichkeit zu Ihnen zu stellen und die alte Freundschaft aufs Neue zu besiegeln. Vielleicht kann ich es mit einem meiner nächsten opuscula nachholen. Aber das ist ja nicht das gleiche wie eine Beteiligung an der Festschrift. Thielecke ist dabei – und Althaus nicht? Das ist nicht in Ordnung! Bitte sehen Sie in diesem meinem Unmut nur ein Zeichen meiner Freundschaft zu Ihnen. Treu und immer neu dankbar verbunden grüßt Sie mit den wärmsten Wünschen für das achte Jahrzehnt Ihr Paul Althaus P.S.: Wie waren Sie denn mit der Laudatio Ihres Werkes zufrieden, die mein alter Assistent und Freund Wenzel Lohff über den Bayerischen Rundfunk gesprochen hat? Ich konnte sie an jenem Abend nicht hören – sie soll aber, wie andere mir sagten, gut gewesen sein. Sie wird ja, wie auch die über mich, im Druck erscheinen. [Randbemerkung Handschrift von Emil Brunner „Nichts davon gewußt!“] 51. Briefkarte von Brunner (Gedruckt mit Schreibmaschinenzusatz) Zürich, im Januar 1960 Drucktext: Bei Anlaß meines 70. Geburtstages hat sich ein so großer Strom von Glückwünschen in mein Haus ergossen, dass es mir unmöglich ist, all denen, die so freundschaftlich meiner gedachten, im Einzelnen zu schreiben. Ich bitte Sie darum, mit diesem etwas unpersönlichen Dankesgruß vorlieb zu nehmen. Die vielen Beweise der Freundschaft und Liebe, die ich in diesen Tagen erfahren durfte, haben mich tief bewegt und herzlich gefreut und ich erbitte für Sie alle den Segen dessen, der auch mich so reich gesegnet hat. Ihr Emil Brunner maschinenschriftlicher Zusatz: Herzlichen Dank für Ihren Glückwunschbrief. Es tut mir leid, dass Sie sich über die mangelnde Organisation der Gratulantenliste zu beklagen haben. Die Bayerische Rundfunksendung habe ich nicht gehört, da ich nichts davon wußte, jetzt bin ich leider, etwas gelähmt, ans Bett gefesselt.
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52. Postkarte Paul Althaus (Masch.-Schrift) Erlangen, den 19. 11. 1960 Lieber Freund Brunner, bitte verzeihen Sie mir eine unverschämte Frage: ich besitze durch Ihre Güte neben vielen anderen Ihrer Werke auch die Bände I und II Ihrer Dogmatik. Jetzt ist, wie ich sehe, Band III erschienen, wozu ich Sie herzlich beglückwünsche.81 Dazu die Frage, ob Sie die gütige Absicht hatten, mir auch den dritten Band zu schenken. Ich könnte gut verstehen, wenn Sie so viele Dedikationen zu machen haben, dass Sie für mich dieses Mal keine übrig haben. Ich werde mir das Buch, auf das ich mich freue, dann natürlich kaufen und kann das auch. Nur wollte ich einer etwaigen freundlichen Absicht von Ihnen nicht vorgreifen. – In Ihrem Band I habe ich jüngst wieder mit großer Freude gelesen und dabei zugelernt. Herzliche Grüße in der alten Nähe! Ihr P. Althaus 53. Postkarte Brunner (Masch.-Schrift) Zürich, den 24. November 60 Mein lieber Herr Althaus, selbstverständlich sollen Sie meine Dogmatik III erhalten. Sie ist schon lange bestellt, aber der Verlag ist durch den Drucker, der nicht nachkommt, im Versand gehemmt. Das Buch soll bereits zu zwei Drittel der Auflage verkauft sein und eine neue Auflage soll dann im Frühjahr erscheinen. Ich glaube auch, dieses Buch kommt im rechten Moment. Gesundheitlich geht es mir ordentlich, ich kann wieder gehen, wenn auch nicht weit. Wie Sie sehen werden, stehen wir uns im Großen und Ganzen sehr nahe. Das kommt auch direkt mit Nennung Ihres Namens zum Ausdruck. Mit den allerherzlichsten Grüßen Ihr E. Brunner 54. Postkarte Althaus (Masch.-Schrift) Erlangen, 8. 12. 1960 Mein lieber Freund Emil Brunner! Nun ist Ihr Band III seit heute früh in meiner Hand. Ich danke Ihnen herzlichst und möchte Ihnen gleich auch meine Mitfreude an dem so guten Absatz des Bandes aussprechen (die sicher auch den früheren Bänden noch nachträglich 81 Emil Brunner, Dogmatik 1, 2, 3 vgl. oben Anm. 55, 67, 76.
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zugute kommen wird), sodass schon die zweite Auflage in Angriff genommen werden muß! – Unmittelbar vor einer Abreise stehend (nach Norddeutschland) habe ich in den paar Stunden noch nicht richtig in dem Band lesen können. Aber zu Vor- und Nachwort und einigen Einblicken hat es schon gereicht. Natürlich haben mir auch Ihre mehrfachen freundschaftlichen Hinweise auf meine Arbeiten gleich große Freude gemacht – ich reiche Ihnen freundschaftlich die Hand und bekenne mich wie immer zu unserer großen Nähe und unserem wesentlichen consensus. Und darüber hinaus lerne ich ja so gerne von Ihnen. Ich habe schon gemerkt, wie lebendig und lebensnah gerade in diesem Buche Ihre Rede ist – ich glaube, darin kommt keiner von uns anderen Ihnen gleich. So freue ich mich auf das richtige Lesen in den nächsten Wochen. Mit warmen Wünschen für Ihr Ergehen denke ich an Sie und grüße Sie mit Ihrer lieben Gattin herzlichst. Dankbar und froh Ihnen verbunden Ihr Paul Althaus 55. Briefkarte Brunner (Masch.-Schrift) Zürich, den 1. Februar 1961 Mein lieber Freund, wie ich Grund habe zu vermuten, besteht in gewissen theologischen Richtungen eine Art Verschwörung gegen meine Dogmatik III, deren Absicht ist, das Buch totzuschweigen. Falls Sie mit mir der Ansicht sind, dass es das nicht verdient, sondern, trotz seiner ungewöhnlichen Thesen, verdient wenigstens bekannt gemacht zu werden, möchte ich Sie, lieber Freund, um Hilfe anrufen. Sie haben ja viele Schüler, die auf die maßgebenden theologischen Zeitschriften Einfluß haben. Dürfte ich Sie darum vielleicht bitten einen Wink in der genannten Richtung zu geben. Natürlich wäre das Allerschönste – was ich aber nicht erwarten darf – wenn Sie selbst sich bewogen fühlten, eine Besprechung unter Ihrem eigenen Namen zum Beispiel in der Theologischen Literaturzeitung zu veröffentlichen. Sie erinnern sich ja, dass Sie das vor 30 Jahren anläßlich meines Mittlerbuches getan haben. Ich stehe Ihnen heute sachlich noch bedeutend näher als damals. Aber wie gesagt – ich erwarte es wirklich nicht. Jetzt arbeite ich an einer größeren Einleitung zu meinem Buche „Wahrheit als Begegnung“.82 Mit wärmsten Grüßen Ihr E. Brunner
82 Emil Brunner, Wahrheit als Begegnung. 2. erweiterte Auflage.(198 S.) Zürich 1963.
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56. Postkarte Paul Althaus (Masch.-Schrift) [adressiert Herrn Prof. Dr. Emil Brunner und Gattin] Erlangen, 29. Dezember 1961 Liebe Freunde Brunner! Herzlich danke ich für Ihren lieben Brief, mit dem feinen Bilde des Kirchleins Witikon. Zugleich mit meiner Frau sende ich einen warmen Segenswunsch zum Neuen Jahr. Er gilt besonders auch der Gesundheit und Schaffenskraft. Von uns kann ich im Ganzen Gutes berichten. Ich hoffe, dass im Februar mein Buch über Luthers Theologie83 erscheint. In die Dogmatik III vertiefe ich mich immer wieder, dankbar und bisweilen auch kritisch. In den ersten Januartagen werden es 37 Jahre, dass Emil Brunner und ich uns kennen und lieben lernten. In Zürich. Ihrer treu gedenkend Ihr P. Althaus 57. Brief Brunner (Handschrift) Zürich 4. 1. 62 Mein lieber Freund Althaus, ein langer Brief an Sie blieb unvollendet in der Schublade liegen. Ein Herzinfarkt, der mich Mitte Juli traf, brachte alles Schreiben unter das Verbot des Arztes und mich an den Rand des Grabes. Da meine Schreibhilfen entweder selbst krank oder abwesend sind, muß ich mit meiner gelähmten Hand schreiben, darum kurz. Ich möchte Sie bitten: vergessen Sie die relativ kleinen Differenzen zwischen Ihrer und meiner Theologie und schreiben Sie eine das Gemeinsame hervorhebende Besprechung, damit meine Dogmatik III nicht zwischen den Barthianischen und den Bultmannianischen Rekonsorten sozusagen totgeschwiegen wird. Wir stehen beide zwischen = über dem Barthischen Gnostizismus und dem Bultmannschen Rationalismus und setzen die Linie Cremer-Kähler fort. Angesichts der bedrohten Lage der Kirche Christi ist dieser Zusammenschluß nötig. Die jungen schwedischen Lutheraner tun das so, sie kennen wohl das ausgezeichnete Brunner-Buch von Selikka und dessen positive Ausgrabung durch Nygren Junior. Die Deutschen sind von der theologischen Star-Verehrung besessen. Leider zwingt mich die Hand, Schluß zu machen. Es könnte eine rettende Tat sein, wenn Sie eine begeisternde Würdigung meiner Dogmatik, die das verdient, schrieben. Zum
83 Paul Althaus, Die Theologie Martin Luthers. Gütersloh 1962.
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Schluß: möge unser Herr Sie segnen und durch Sie die echte Kirche Luthers Ihr E. Brunner P.S.: Den Rest meiner physischen Kraft brauche ich gegenwärtig zu einer Neubearbeitung meines wichtigsten Werkes, das in Deutschland unbekannt geblieben ist: Wahrheit als Begegnung.84 58. Brief Althaus (Masch.-Schrift) Erlangen, 14. März 1962 Mein lieber Freund Brunner, für zwei liebe Briefe habe ich Ihnen zu danken. Zuerst für den vom 4. Januar. Es bekümmert mich sehr, dass Sie durch den Herzinfarkt so angeschlagen sind. Und doch meine ich, aus dem zweiten Briefe85 schließen zu dürfen, dass Sie geistig nach wie vor unermüdet und rege geblieben sind. Ich freue mich, dass Sie Ihre „Wahrheit als Begegnung“ neu bearbeiten. Gerade heute habe ich das Büchlein wieder durchgeblättert (Sie haben es mir damals geschenkt) und festgestellt, wie oft ich ein freudiges Ja! oder Ähnliches an den Rand geschrieben habe. Es ist sicher ein für Sie besonders bezeichnendes Werk und hat mich bis heute immer wieder angeregt zur Revision unserer landläufigen „Dogmatik“. Ich schäme mich, Ihnen auf den ersten Brief nicht längst geantwortet zu haben. Es waren etwas unruhige Monate, zumal ich noch wieder vier Stunden wöchentlich gelesen bzw. Schleiermacher-Colloquium gehalten habe. Aber ich verspreche nun: sobald ich freier atmen kann, schreibe ich eine freundschaftliche Besprechung Ihres Bandes III. Wie nahe wir beide uns stehen, empfinde ich, trotz der Abweichung in der Lehre von der Kirche, sooft ich eins Ihrer Bücher aufschlage. Und ich will mich zu unserer Nähe und unserem consensus auch noch einmal öffentlich bekennen. Ich weiß keinen anderen Systematiker, dem ich mich so nahe fühlen könnte wie Ihnen. Und ich bewundere ja Ihre Arbeit gerade nach der Seite hin, die Sie fraglos vor mir voraus haben: der Auseinandersetzung mit dem „Zeitgeiste“. Wie sehr wir beide zusammengehören, zeigt mir wieder Ihr zweiter Brief. Wie Sie kann auch ich den jetzigen Kult der Hermeneutik nur als eine hoffentlich bald abebbende Epidemie auffassen. Jetzt kamen einige schwäbische Studenten aus Zürich zu mir zurück – sie waren vorher schon in Erlangen. Sie waren z. T. in dem neuen Züricher Existentialismus ersoffen, haben jetzt aber wieder etwas Luft bekommen und urteilen über einen Teil dessen, was Zürich ihnen gab, selber kritisch. (Nebenbei: was man von Herbert Braun und Manfred Metzger in Mainz hört und lesen kann, ist doch entsetzlich: Gott nur im Mitmenschen usw.)
84 Vgl. Wahrheit als Begegnung in Anm. 82. 85 Brief nicht überliefert.
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Nun danke ich Ihnen zum zweiten Mal für Ihr mir so wertvolles Echo auf mein Luther-Buch. Es ist wahr, auf Theod. Harnack, den ich vorher nicht kannte, haben vor allem Sie mich hingewiesen, mündlich oder brieflich. Und dass wir beide, Sie und ich, einander so nahe sind, hängt sicherlich auch an unserer Schülerschaft bei dem Dr. Martinus. (Übrigens habe ich mich Ihrer freundlichen Bemerkung über mich in Ihrem Band III sehr gefreut und danke Ihnen dafür). Ihr Wort zu meinem Buch ist das erste, das ich empfangen habe – es macht mich sehr froh. Kennen Sie das Buch von Gloege, „Aller Tage Tag“, ein Jesus-Buch? Ich habe es gerade für die Th.Lit.Z. besprochen und stelle es sehr hoch – es kann denen, die durch die Bultmann-Leute verwirrt sind und allen festen Boden der Geschichte Jesu verloren haben, wirklich helfen.86 Freilich, es ist für weitere Kreise geschrieben und wird den Zünftigen schon dadurch verdächtig sein. Seien Sie herzlich gegrüßt, mit Ihrer lieben Frau, von Ihrem treu verbundenen P. Althaus P.S.: Wenn Sie mir wieder einmal schreiben, lassen Sie mich doch wissen: was ist aus der sympathischen Braut Ihres verunglückten Sohnes geworden, die ich damals bei Ihnen kennenlernte? 59. Brief Brunner (Handschrift) Zürich, 9. 6. 1962 Lieber Herr Althaus, Sie haben mir im vergangenen Winter versprochen, eigenhändig eine Besprechung meiner Dogmatik in der Theologischen Literaturzeitung zu schreiben. Darf ich erkundigen, ob dies erschienen und mir nur zufällig nicht zu Gesicht gekommen ist? In dem Maß, als man durch physische Umstände von der großen Welt abgeschnitten ist, wächst das Bedürfnis nach einem Echo auf ein immerhin gewichtiges Buch, von dem mir ein Laie kürzlich begeistert schrieb, in dem sie [sic] ihrer Verwunderung Ausdruck gab, dass es „nicht wie eine Bombe eingeschlagen habe“. Seitdem habe ich folgende Erfahrungen gemacht, die Sie vielleicht interessieren. 1. Der deutsche Bundesstaat hat mir das große Verdienstkreuz des deutschen Bundesstaates überreichen lassen und dies ausdrücklich mit dem Anteil begründet, den mein Buch Gerechtigkeit an dem neuen deutschen Staat habe. 2. Vor einiger Zeit erhielt ich die Übersetzung desselben Buches, die von der 86 Paul Althaus rezensiert Gloege, Aller Tage Tag. Unsere Zeit im Neuen Testament. Stuttgart 1960. In: ThLitZeit. 87 (1962),S. 226 – 230.
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sozialistischen Staatsuniversität Mexiko ohne mein Wissen veranstaltet wurde. 3. Gestern erhielt ich vom engl. Verlag die Mitteilung, dass mein Buch „Unser Glaube“ seit dem Krieg in 8. Auflage erschienen sei. Dies ist seit der Übersetzung ins Chinesische nun mehr in zwanzig Sprachen übersetzt, oft ohne mein Wissen. In Deutschland leider unbekannt. Entschuldigen Sie, wenn ich Ihnen solche Dinge schreibe. Ich tue es, weil mir das Totgeschwiegenwerden in Deutschland weh tut. Aus Schweden habe ich eine große Besprechung durch Salukka erhalten, der über mich seine Dissertation geschrieben hat. Verzeihen Sie die mißliche durch Hirnschlag bedingte Schrift. Meine Sekretärin hat gegenwärtig in ihrer Familie mehr als genug zu tun. Herzlich Ihr E. Brunner 60. Briefkarte Paul Althaus (Masch.-Schrift) Erlangen, den 18. 6. 1962 Mein lieber Freund Brunner, herzlichen Dank für Ihren Brief. Ich verstehe es sehr gut, dass Sie auf die Einlösung meines Versprechens warten. Es ist mir selber schmerzlich, dass ich, obgleich ich immer wieder Kapitel Ihres Buches lese, noch nicht zu der Besprechung gekommen bin. Es liegt einfach daran, dass ich in den letzten Monaten durch Termine schrecklich angebunden war. Jetzt werde ich aber mit dem Ende dieser Woche, die noch zwei Termine enthält, wirklich etwas freier und will nun ernstlich daran gehen, die Besprechung noch vor Semesterende unter Dach zu bringen. Es liegt mir, glaube ich, nicht weniger daran als Ihnen. Denn das ist klar: Ihr Buch darf nicht totgeschwiegen werden, ganz gewiß nicht! Ich glaube aber auch nicht, dass das in Deutschland droht. Ich weiß von vielen, die gerade Ihnen sehr dankbar sind – mein Schüler und Kollege Hans Graß in Marburg bezieht sich immer wieder auf Sie. Auch Otto Weber geht doch in seiner Dogmatik oft auf Sie ein, führt Sie jedenfalls an. Die Durchsetzung einer Dogmatik geht heute langsam. Erstens sind die jungen Theologen heute ganz monoman auf die hermeneutischen Sachen der Bultmann-Schule erpicht – das fühlen wir Systematiker alle. Früher wählte man seine Universität nach den Systematikern, heut meist nach den Exegeten. Es kommt hinzu, dass zur Zeit so viele Dogmatiken bei uns auf dem Markte sind. So bringt auch die weitgehende Verwandtschaft zwischen Ihnen und mir mit sich, dass die Leute oft nur einen von uns beiden lesen. Sorgen Sie sich bitte nicht! Die Zeit für Ihr Buch kommt gewiß noch! Und Sie haben, wie Ihr Brief mir aufs Neue belegt, doch für Ihre anderen Werke größte Anerkennung gefunden, lieber Freund. Also: Geduld – und bitte Geduld auch mit mir, denn ich brauche Zeit, um einem Werk wie Ihrem vor der Öffentlichkeit ganz ge173
recht zu werden – und ich habe leider nebenher immer allerlei Gutachten usw. zu verfassen. Aber ich werde tun, was ich kann. Ich will auch rechtzeitig an die Theol. Lit. Zeitung herantreten, dass Sie meine Besprechung dann bald druckt. Herzlichst gedenkt Ihrer mit warmen Wünschen Ihr P. Althaus 61. Postkarte Althaus (Masch.-Schrift) Erlangen, 10. Juli 1962 Mein lieber Freund Brunner! Da ich jetzt die Besprechung Ihres dritten Bandes vorbereite, habe ich mich vorsorglich an die Redaktion der Theol. Lit. Zeitung, meinen alten Freund Sommerlath gewandt. Die Antwort lege ich Ihnen bei, mit der Bitte um Rückgabe. Was soll ich nun machen? Warten, ob Ratschow vielleicht die versprochene Besprechung doch nicht sendet? Das wäre mir wenig sympathisch, zumal ich die Ratschow gestellte Aufgabe, auch die beiden ersten Bände mit heranzuziehen, nicht übernehmen kann, aus Zeitmangel. Oder soll ich die Besprechung für ein anderes Organ schreiben? Aber für welches? Die „Neue Zeitschrift für Syst. Theologie“, in der ich natürlich jederzeit zu Wort kommen könnte, hat bisher doch einen recht bescheidenen Bezieherkreis. So würde meine Besprechung kaum recht bekannt werden. Ich bin also in großer Verlegenheit. Was meinen Sie dazu? Eine Besprechung in der „Universitas“ muß erstens kurz sein, und zweitens kommt dieses Organ nur teilweise an das theologische Publikum. In der „Theol. Rundschau“ hat soeben der mir sehr nahestehende Hans Graß mit einer Reihe von Besprechungen über die systematische Theologie begonnen. – Soll ich ihn anschreiben und ihn bitten, Ihr Buch recht ausführlich anzuzeigen? Ich weiß von ihm, dass er Ihre Bücher sehr hoch stellt. Mit herzlichen Grüßen und Wünschen treulich Ihr P. Althaus 62. Brief Brunner (Masch.-Schrift) Zürich, 31. 8. 1962 Lieber Herr Althaus, während der Sommerferien ist meine Korrespondenz sehr defekt gewesen. Für Ihren Brief danke ich Ihnen bestens. Die Frage, die er mir stellt, möchte ich am liebsten so beantworten: Eine Zeile von Althaus ist mir mehr wert, als ein langer Aufsatz von irgendwem. Doch müssen Sie selbst wissen, ob das so angeht. Sie haben wohl den Aufsatz von Dr. Schmidt in der neuen LutherZeitschrift gelesen. Recht anständig, aber wie dies von einem Thielicke174
Schüler nicht anders zu erwarten ist, zu abstrakt – intellektuell. Ich darf Ihnen das schreiben, weil ich das Thielicke selbst über ihn selbst gesagt habe. Seine Intelligenz ist groß, aber überspitzt. Das ist überhaupt gegenwärtig leider von der deutschen Theologie zu sagen. Was die Bultmann-Schule an intellektuellen Elaboraten produziert, kann nur der ganz Eingeweihte verstehen. Das gilt allerdings nicht von Ihnen. Sie schreiben, wie ich, verständlich. Meine Gesundheit ist in diesen Sommerferien beträchtlich auf die Probe gestellt worden, hat aber diese Probe glänzend bestanden. Ich habe in Zermatt ohne Beschwerden Höhen bis zu 3200 m mit der Bahn „erklommen“. Es waren wundervolle Tage. Herzlich grüßt Sie Ihr E. Brunner Brief Brunner (Handschrift) Zürich, 5. 9. 1962 Lieber Freund, soeben sehe ich, dass ich Ihnen den zurückerbetenen Brief nicht beigelegt habe. Ich schicke ihn darum hiermit zurück, füge meinen Wunsch nur hinzu: Bitte Althaus ipsissimus, wo immer. Das Schreiben geht mir schwer. Mit herzlichen Grüßen Ihr E. Brunner 63. Briefkarte Althaus (Masch.-Schrift) Erlangen, 30. Juli 1963 Lieber Freund Brunner! Herzlich danke ich Ihnen für Ihre Freundlichkeit, mir die neue Auflage Ihrer „Wahrheit als Begegnung“87 zuzusenden. Ich habe das neue erste Kapitel gleich mit großer Freude und zu reicher Förderung gelesen – es gibt dem Buche, das ich ja seit seinem ersten Erscheinen besonders hoch schätze, noch eine völligere Abrundung. Ich weise die Studenten immer wieder auf Sie hin und finde, dass kaum eines Ihrer Werke so sehr „Emil Brunner“ und zugleich so hilfreich in der jetzigen Lage ist wie dieses. Wenn die Theol. Lit. Zeitung mich um die Besprechung bittet, werde ich sie auch gern übernehmen. Ob Ratschow inzwischen Ihre Dogmatik in der Lit. Z. besprochen hat? Oder ist er durch seinen Übergang nach Marburg immer noch in Verzug? Dann werde ich mich bei Sommerlath aufs Neue anbieten. Für einen Aufsatz im Pfarrerblatt habe ich – es ist mir selber rätselhaft – einfach den Absprung nicht gefunden, 87 Emil Brunner, Wahrheit als Begegnung vgl. Anm. 81.
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zumal ich dort sonst gar nicht schreibe. Aber wenn das Schweigen über Ihre Bücher immer noch andauern sollte – Ratschow habe ich heute brieflich gefragt, wie es steht –, dann muß ich reden. Unter den Kollegen wird ja Ihre Arbeit besonders hoch gewertet – davon bekomme ich immer wieder Proben. Seien Sie mit Ihrer verehrten Gattin sehr herzlich gegrüßt, mit allen guten Wünschen für Ihr Ergehen immer Ihr P. Althaus 64. Brief Brunner (Masch.-Schrift) Zürich, 4. 9. 1963 Mein lieber Freund Althaus, vielen Dank für Ihre lieben Zeilen. Es hat mich gefreut zu vernehmen, dass Sie an meinem neuen „Wahrheit als Begegnung“ einige Freude hatten. Ihre Frage, ob Ratschow meine Dogmatik III in der Literaturzeitung besprochen habe, ist mit Nein zu beantworten. Er würde mir doch gewiß eine Kopie zugesandt haben. Es wäre mir also nach wie vor eine große Freude, wenn Sie diese Besprechung, die längst fällig ist, machen würden. Vielleicht zusammen mit der des neuen Buches. Ich höre immer wieder Gutes von Ihnen und dass Sie noch sehr rüstig an der Arbeit sind. Ihr Luther-Buch ist überall sehr gut aufgenommen worden, so viel ich weiß. Und nun, lieber Freund, die herzlichsten Grüße und Wünsche von Ihrem alten E. Brunner 65. Briefkarte Althaus (Masch.-Schrift) Erlangen, 15. 10. 1964 Mein lieber Freund Brunner, vor einigen Tagen konnte ich endlich die Besprechung Ihrer „Wahrheit als Begegnung“ an die Theologische Literaturzeitung absenden.88 Ich muß mich bei Ihnen sehr entschuldigen, dass es so lange gedauert hat. Es ging mir in dem letzten Jahre durch nervöse Störungen nicht besonders gut, und ich konnte nur mit Sparflamme „kochen“. Allmählich habe ich zu lernen, was altern heißt. Aber ich muß doch sehr dankbar sein. Im Juli konnte ich mein Buch über Luthers Ethik89 abschließen. Es soll im Winter erscheinen. Und jetzt sitze ich an der Erweiterung und Überholung meines Römerbrief im Neuen Testament Deutsch.90 Nur geht es alles langsamer. Wie mag es Ihnen und Ihrer 88 Paul Althaus rezensiert Emil Brunner, Wahrheit als Begegnung, 2. Aufl. Zürich 1963. In: ThLitZeit. 90 (1965), S. 135 – 138. 89 Paul Althaus, Die Ethik Martin Luthers. Gütersloh 1965. 90 Paul Althaus, Der Brief an die Römer. Übersetzt und erklärt. (NTD 6). 10. neu bearbeitete und
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verehrten Frau gehen? Wir hatten die Freude, dass uns im Dezember der erste Althaus-Enkel, der Stammhalter, geboren wurde – unser Sohn ist Pfarrer in München. Andere Enkel haben wir schon, ja sogar schon drei Urenkelkinder. Seien Sie herzlichst gegrüßt von Ihrem treu verbundenen Paul Althaus 66. Brief Brunner (Handschrift) Zürich, 9. 12. 64 Mein lieber Freund Althaus, Ihre Besprechung meiner „Wahrheit als Begegnung“ habe ich mit Freude gelesen. Herzlichen Dank! Ich muß Ihnen von Hand schreiben, da meine „rechte Hand“ gegenwärtig durch schwere Krankheit ihres Mannes ganz in Anspruch genommen ist. Bald werde ich Ihnen mein letztes Produkt, Eros und Gewissen bei Gottfried Keller, schicken können, eine kleine Arbeit, die als „Neujahrsblatt der gelehrten Gesellschaft“ 1965 herauskommt.91 Schön wäre, wenn wir uns noch vor der letzten Reise sehen könnten. Mit den besten Wünschen für die Weihnachtszeit und das Neue Jahr Ihr E. Brunner 67. Briefkarte Althaus (Handschrift) Zur Zeit München, 24. 12. 64 Mein lieber Freund Brunner! Gestern erst, am festlichen Tage selbst, erfuhr ich durch die Zeitung von ihm. Ich gedenke Ihrer in herzlicher Mitfreude daran, dass Sie diesen Tag erlebt haben. Gottes Güte sein „Geleit und Segen“ sei weiter mit Ihnen, lieber Freund. Ich bin glücklich, dass das Leben uns 1925 zusammengeführt hat und dass wir beide uns so gut verstehen. Haben Sie Dank für alle Freundschaft, die Sie mir so reich erwiesen haben, und Dank für alles – es ist viel! –, was ich von Ihnen gelernt habe. Ich danke auch noch mal für den Weihnachtsgruß und für Ihr Brieflein jüngst. Ich bin froh, dass meine Besprechung Sie freut. Hier besuchen meine Frau und ich unseren Sohn, der an der Bethanien-Kirche in einem Vorort Pfarrer ist. Ich nehme ihm eine der vielen Predigten dieser Tage ab. Herzlich Ihnen nahe Ihr Paul Althaus erweiterte Auflage. Göttingen 1966 (Anm. d. Hg.: sehr beachtliche Änderungen u. Korrekturen, bes. z. B. S. 122). 91 Emil Brunner, Eros und Gewissen bei Gottfried Keller. In: Neujahrsblatt der Gelehrten Gesellschaft. 1965.
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68. Postkarte Althaus (Handschrift) Erlangen, 24. 3. 1965 Lieber Freund Brunner! Was für eine schöne Überraschung und Freude, Ihnen als Interpreten von Gottfried Keller zuzuhören! Eine hochwillkommene Ergänzung zu Ihren theologischen, systematischen, ethischen Werken! Bei mir hat Ihre schöne Gabe sofort die Wirkung gehabt, dass ich mir Kellers Werk mit in die Ferien (in der „Fränkischen Schweiz“) genommen habe und erst immer das „Sinngedicht“ lese. Haben Sie herzlichen Dank für Ihr Geschenk und den Reichtum, den es mir bringt! Möge Ihre „Muse“ (hier darf man doch wohl davon sprechen?) uns noch Ähnliches bescheren! Vor acht Tagen war ich bei Fr. v. Bodelschwingh in Bethel, der bei Ihnen wie bei mir studiert hat. Wir haben Ihrer dankbar gedacht. Herzlichst mit vielen warmen Grüßen für Sie und Ihre Gattin Ihr Paul Althaus [Ende des Briefwechsels, als letztes Stück liegt im Nachlass Althaus die Todesanzeige von Emil Brunner, gestorben am 6. April 1966]
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Literatur Althaus, Paul, Die Prinzipien der deutschen reformierten Dogmatik im Zeitalter der aristotelischen Scholastik. Eine Untersuchung zur altprotestantischen Theologie. Leipzig 1914 (Promotions- und Habilitationsschrift). –, Der Heilige. Rostocker Predigten. Gütersloh 1921 (2. Aufl. 1922, 3. Aufl. 1925). –, Das Kreuz Christi als Maßstab aller Religion. In: Weber, Hermann (Hg.), Die Gewissheit der Christusbotschaft. Drei Gegenüberstellungen mit der mystisch-idealistischen Zeitbewegung von Otto Schmitz, Paul Althaus und Karl Girgensohn. Berlin 1922, S. 2 – 40. –, Theologie und Geschichte. Zur Auseinandersetzung mit der dialektischen Theologie. In: ZSysTh Bd. 1 (1923/24), S. 741 – 786. –, Der Lebendige. Predigten. Gütersloh 1924. –, Heilsgeschichte und Eschatologie. In: ZSysTh Bd. 2 (1924/25), S. 605 – 676. –, Theologie des Glaubens. In: ZSystTheol. Bd. 2 (1924/25), S. 281 – 322, wiederabgedruckt in: P. A., Theologische Aufsätze, Gütersloh 1929, S. 74 – 118. –, Luthers Haltung im Bauernkrieg. Ein Beitrag zur lutherischen Sozialethik. In: Luther Jahrbuch 7 (1925), S. 1 – 34: auch in: Paul Althaus, Evangelium und Leben. Gesammelte Aufsätze. Gütersloh 1927, S. 144 – 190. Überarbeitet: Tübingen 1952, nachgedruckt Darmstadt 1958, 1962, 1969 und 1971. –, Paulus und sein neuester Ausleger. Eine Beleuchtung von Karl Barths „Auferstehung der Toten“. In: Christ und Welt Bd. 1 (1925), S. 20 – 30 und 97 – 102. –, Die Krisis der Ethik und das Evangelium. (Stimmen aus der deutschen christlichen Studentenbewegung 41) Berlin 1926. –, Die letzten Dinge. Entwurf einer christlichen Eschatologie. 3. neu bearb. Aufl. Gütersloh 1926. 4. neubearbeitete Auflage, Gütersloh 1933; 5. umgearbeitete Aufl. Gütersloh 1949; 6. Aufl. 1956; 7. Aufl. 1957; 8. Aufl. 1961; 9. Aufl. 1964; 10. Aufl. 1970. –, Das Wesen des evangelischen Gottesdienstes. In: ZSysTh Bd. 4 (1926/27), S. 266 – 308. –, Das Berneuchner Buch. Vom Anspruch des Evangeliums auf die Kirchen der Reformation. Hamburg 1926. In: ThLitZ Bd. 52 (1927), S. 217 – 221. –, Gehorsam und Freiheit in Luthers Stellung zur Bibel. In: Luther Bd. 9 (1927), S. 74 – 86. –, Evangelium und Leben. Gesammelte Vorträge. Gütersloh 1927. –, Gehorsam und Freiheit in Luthers Stellung zur Bibel. In: Luther 9 (1927), S. 74 – 86. –, Aus dem Leben von D. Althaus-Leipzig. Leipzig 1928. –, Christologie des Glaubens. In: Ludwig Ihmels Festschrift. Leipzig 1928, S. 280 – 295. –, Leitsätze zur Ethik. Erlangen 1928. –, Die Freiheit des Wortes. Predigt zum 2. deutschen Theologentag am 9. 10. 1928. In: GKG 64 (1928), S. 441 – 447. Auch in: P. A., Der Gegenwärtige. Predigten. Gütersloh 1932, S. 144 – 156. –, Brunners „Mittler“. Zur Aufgabe der Christologie. In: TheolLitZ. 54 (1929), S. 470 – 479, wieder abgedruckt in: Theologische Aufsätze Bd. 2, Gütersloh 1935, S. 169 – 182.
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–, Eschatologie-Buch. –, Die christliche Lehre von der Kirche, vom Glauben und von der Vollendung. Lehrbuch der Dogmatik. 3. Band (400 S.) Zürich 1960. –, Wahrheit als Begegnung. 2. erweiterte Auflage.(198 S.) Zürich 1963. –, Eros und Gewissen bei Gottfried Keller. In: Neujahrsblatt der Gelehrten Gesellschaft. 1965. Bultmann, Rudolf, Jesus. Berlin 1926, 3. Aufl. Tübingen 1951, 4. Aufl. München 1970. Fischer, Andru, Zwischen Zeugnis und Zeitgeist. Göttingen 2012, S. 760 ff. Gogarten, Friedrich, Was will Gottes Wort. In: Zwischen den Zeiten Bd. 5 (1927) S. 310 – 330). Hirsch, Emanuel, Die idealistische Philosophie und das Christentum. Gesammelte Aufsätze. Studien des Apologetischen Seminars. Heft 14. Gütersloh 1926. –, Schöpfung und Sünde in der natürlich-geschichtlichen Wirklichkeit des einzelnen Menschen. Tübingen 1931. Holl, Karl, Gesammelte Aufsätze zur Kirchengeschichte 2. vermehrte und verbesserte Auflage. 1923, XI, 590 S. Jasper, Gotthard, Paul Althaus – Professor, Prediger und Patriot in seiner Zeit. Göttingen 2013. Koch, Günther, Was recht und billig ist. Ein Brief an D. Paul Althaus zum 70. Geburtstag. In: Evangelische Theologie 18 (1958), S. 6 – 14. Peterson, Erik, Über die Forderungen einer Theologie des Glaubens. Eine Auseinandersetzung mit Paul Althaus. In: Zwischen den Zeiten. Bd. 3 (1925), S. 281 – 302. Weber, Hans Emil, Die Kirche im Lichte der Eschatologie. In: Neue Kirchliche Zeitschrift Band 37 (1926), S. 299 – 339. Wiesner, Werner, Offenbarung und Geschichte. In: ZSysTh 5. Jg.(1928), S. 313 – 346.
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